Chevaliers III. Season Storythread

Dirty Harry
Kommandobunker der Wache Clan Wolf
Tamar City, Tamar, Wolf Besatzungszone
3. November 3065


Im Bunker summten vor allem die Klimaanlage und die Rechnerkühlungen. Die Arbeit an den verschiedenen Konsolen ging unaufgeregt und in aller Ruhe vonstatten.
Sterncolonel Varel Kerderk stand an der Fensterfront seines Büros und sah nach einem intensiven Arbeitstag zu den Techs hinüber. Allesamt waren Spezialisten in ihrem Metier. Datengurus wie er sie manchmal despektierlich nannte. Ihnen fehlte sowohl die Kreativität als auch Flexibilität, die sie von einem Krieger unterschied. Er selbst war Krieger. Ein Schattenkrieger. Und er verstand den Geheimdienst als ein Schachspiel im Verborgenen. Das dort unten waren nur Bauern. Eine Art von Bauern. Es gab deutlich mehr als die 8 auf dem karierten Brett und jeder erfüllte seine ganz spezielle Aufgabe.
Nach einem Klopfen trat sein Adjutant ein und überbrachte ihm ein weiteres Datapad.
„Die letzten Berichte für heute, frapos?“, fragte Varel.
„Nach derzeitigem Stand der Dinge… pos“, erwiderte der Adjutant. Er hatte längst gelernt, dass in dieser Umgebung ein Festlegen auf nur eine Wahrheit völlig sinnfrei war. Das erste, was er gelernt hatte, als er im Stab angefangen hatte, war die Tatsache, dass die Wahrheit hier gemacht wurde.
„Irgendetwas Auffälliges dabei, das uns interessieren könnte?“
„Pos. Wir haben mehrere Indizien, die einen Zusammenhang vermuten lassen.“
„Indizien?“, zeigte sich der Sterncolonel wenig enthusiastisch.
„Jawohl, Indizien. Für sich genommen nicht bedeutend, aber wenn man sie im entsprechenden Zusammenhang sieht…“, wandte der Sekretär ein.
Sterncolonel Kerderk ließ es sich nicht ansehen, aber er erkannte den Lernprozess seines Adjutanten an. Ihre Arbeit war praktisch nie gesichert. Sie gingen permanent von Annahmen und Mutmaßungen aus. Sie lebten in einer Welt, in der praktisch nichts feststand. Sie waren umgeben von Indizien.
„Was für Indizien sind das und welchen Schluss lassen sie zu?“, herrschte Varel seinen Untergebenen an.
„Zum einen ist der 17. Wolfs Regular Cluster nach acht Wochen geheimer Mission wieder aufgetaucht. Er wurde im Skokiesystem ausgemacht. Der kommandierende Sterncolonel hat um eine umfassende Reparatur eines seiner Landungsschiffe gebeten, das von einem Meteoriteneinschlag schwer getroffen wurde. Es gab keine Verluste unter den Kriegern, nur einige unter den zum Zeitpunkt des Einschlags aktiven Techs. Nichts, was nicht wieder ausgeglichen werden könnte.“
Selbst wenn die Krieger die Spitze der clantypischen Kastengesellschaft waren, die Krone ihrer Zivilisation, waren gute Techs kaum weniger wichtig. Kerderk wusste nur zu gut, dass die übermäßige Betonung der Stellung der Krieger diesen Punkt schnell verdeckte – und dass viele nur zu gerne gewillt waren, darüber hinwegzusehen. Allerdings konnte ein derartiger Verlust zum ungünstigsten Zeitpunkt genauso gut über Gewinn oder Verlust einer Schlacht entscheiden wie die Order des befehlshabenden Kommandeurs.
„Worin liegt der springende Punkt dieser Mitteilung?“, wollte Kerderk jedoch wissen, dem nicht entgangen war, dass diese Nachricht alleine wenig Aussagekraft hatte. Solche Unglücke kamen immer wieder mal vor, waren aber für sich genommen kein Grund beunruhigt zu sein.
„Wir haben zusätzlich Nachrichten aus anderen Teilbereichen unseres Gebietes. Sterncaptain Renge, Kommandantin der CS Trailblazer, ist im Maestusystem auf eine Söldnereinheit gestoßen.“
Söldner… Sterncolonel Kerderk war alles andere als begeistert von einem derartigen Zusammentreffen. Mietsoldaten. Mammonkrieger. Aber neben den Linienregimentern der Großen Häuser waren sie die Arbeitspferde der Inneren Sphäre. Selbst mit diesem Wissen und der erzwungenen Neutralität seiner nachrichtendienstlichen Tätigkeit fiel es ihm schwer, nicht abschätzig über sie zu denken. Ganz gleich, ob sie mit die häufigsten militärischen Begegnungen waren.
„Warum hat Sterncaptain Renge die Söldner nicht beim ersten Anzeichen vernichtet, so lange sie noch den eindeutigen Vorteil der Initiative hatte?“
„Das Sprungschiff war zivil. Sie musste erst die Identität der Landungsschiffe und ihre Fracht überprüfen. Die Initiative war in dieser Form nicht gegeben. Sollte aber bedingt aus der wesentlich größeren Feuerkraft noch immer vorhanden sein, sollte es notwendig werden, sie gegen die Opportunisten zu richten.“
Opportunisten war eines der neuen Wörter, die in Sterncommander Galiseiis Wortschatz Eingang gefunden hatten. Es war die wohl euphemistischste Umschreibung für Söldner, die der Sterncolonel je gehört hatte, die aber durchaus zutraf, wenn man bedachte, dass Söldner nicht freiwillig auf selbstmörderische Missionen gingen.
„Wenn sie nun die Identität des Sprungschiffs und seiner Ladung kennt, wieso hielt sie es dann immer noch nicht für nötig, das Feuer zu eröffnen?“
„Die Sphärer sollen ihr bei einer Kriegsgerichtsverhandlung helfen. Sofern die Urteile von einem Krieger aus der Inneren Sphäre gesprochen werden, können sie von den Angehörigen der lokalen Rebellengruppen nicht nachträglich als Siegerjustiz diffamiert werden. Dadurch dass die mit Sicherheit anstehende Schuldigsprechung nicht durch Clan Wolf vorgenommen wird, kann die Reputation unseres Clans unter der Bevölkerung des betreffenden Planeten keinen Schaden nehmen. Wenn dann wird die Schuldzuweisung die Söldner treffen“, dozierte der Adjutant.
„Nett ausgedacht“, brummte der Sterncolonel. Die Kommandantin wälzte die Verantwortung auf Dritte ab und entlastete damit sich und den Clan von unnötigen Schwierigkeiten und Zwischenfällen.
„Viel bedeutender scheint in den Augen der Analytiker jedoch die Kennung der Söldnereinheit und deren Absichten“, fuhr Sterncommander Galiseii fort.
„Es handelt sich um ‚Dantons Chevaliers’.“
Der Sterncolonel ging in Gedanken die Liste der bekannten Söldnerverbände durch. Er kannte viele – gezwungenermaßen – aber bei weitem nicht alle. Er war sich zwar sicher, dass er den Namen der Einheit erst in letzter Zeit erneut gehört hatte, aber er konnte ihn keinem besonderen Zwischenfall zuordnen. Es gab einfach zu viele in Verbindung mit Söldneraktivitäten, alleine in dieser Woche waren es schon wieder drei gewesen.
Das ratlose Gesicht des Sterncolonel zeigte dem Subalternen an, dass er seinem Chef auf die Sprünge helfen musste.
„Nach unseren Informationen ist die Einheit für Störungen auf Thannhausen verantwortlich.“
„Ah. Der Verlust mehrerer Sterne Garnisonstruppen“, ging dem Sterncolonel ein Licht auf.
„Die Analysten sagen aus, dass die Chevaliers gesichert für die Vernichtung mindestens zweier Mechs, möglicherweise aber sogar für die Vernichtung zweier kompletter Jagdbinärsterne verantwortlich sind. Ihre Mitwirkung kann jedenfalls nicht ausgeschlossen werden.“
Und nachdem sie auf dieser Welt genug Verwirrung und Chaos gestiftet hatten, waren sie auf dem Weg zur nächsten. Selbst wenn ihnen die nötige Ehre abging, reichte ihr Kampfverhalten völlig aus, die eigenen Kräfte zu binden und beschäftigt zu halten. Selbst wenn sie jetzt nur im Weltall festhingen und ihrerseits Mittel zum Zweck waren.
„Nun also Maestu…“, brummte der Sterncolonel.
„Nicht zwingend. Nach eigenem Bekunden, ist der Anführer der Einheit auf der Suche nach dreien seiner Offiziere. Diese Aussage kann natürlich falsch sein und sein primäres Ziel in Form subversiver Maßnahmen verschleiern.
Aber genau an dieser Stelle beginnen die Zusammenhänge zwischen den ‚Dantons Chevaliers’ und dem 17. Wolfs Regular Cluster“, erklärte der Sterncommander stolz.
Mit einem schnellen Druck auf das Datapad verwies er auf die Stammrolle der Wolfseinheit und auf drei besonders hervorgehobene Technamen.
„Womöglich hätte ich noch sehr viel länger nach dem Zusammenhang gesucht, wenn nicht der Name eines überlebenden Techs des Meteoritentreffers in direktem Zusammenhang mit den Chevaliers stehen würde. Zwar wurden seitens des kommandierenden Majors die einzelnen Gesuchten noch nicht benannt, aber nach Analyse der Kodaxe der einzelnen Personen sind wir uns sicher, dass zwei, möglicherweise bis zu vier Personen vor ihrer Eingliederung als Leibeigene in unseren Clan Teil der Chevaliers waren.“
Also war ein Sprungschiff voller sphäroider Bezahlkrieger auf der Jagd nach den Ihren und stiftete dabei Chaos im gesamten Raum der Wölfe. Aber wie sich auch zeigte, konnten sie ganz nützlich sein, um sich seinerseits verschiedener Probleme zu entledigen. Es kam dabei darauf an, ob man sie nach ihren Regeln spielen ließ oder den eigenen.
„Der Zwischenfall auf Thannhausen…“, brummte der Sterncolonel nachdenklich, „Wurden dabei nicht mehrere Offiziere der Wache getötet?“
„Im Rahmen der aufgeflammten Kämpfe wurden dort zwei Jagdbinärsterne schwer getroffen oder vollständig vernichtet. Alleine bei den beiden größten Zusammenstößen wurden drei Offiziere der Wache getötet. Über den Verbleib zweier weiterer Mitglieder ist nichts bekannt.“
„Welche Angehörigen waren das?“, forschte der Sterncolonel nun wesentlich intensiver nach.
„Kriegerin Mena, eine Verhörspezialistin … und ein Sterncaptain Roves. Anscheinend Kommandant des ersten Jagdbinärsterns, der im Rahmen der aufziehenden Konflikte vernichtet wurde.“
Der Sterncolonel wandte sich wieder dem Arbeitsraum unterhalb seines Büros zu. In seinem Kopf schwirrten auf einmal ganz neue Gedanken herum. Völlig andersartige Gedanken als die eines geradlinigen Kriegers. Nachdenklich rieb er sich dabei das Kinn.
Die Kriegerin würde wenig Bedeutung für die Chevaliers haben, sollte sie ihnen überhaupt in die Finger gefallen sein. Sie war dazu da, Informationen aus dem Thannhäuser Widerstand zu prügeln. Was aber auf Thannhausen vor sich ging, interessierte eine vagabundierende Söldnereinheit herzlich wenig. Kriegerin Menas einzige Aussichten, wenn nicht als Tech, waren als Entspannungshilfe für abgespannte Soldaten. Sei es in deren Betten oder als deren Sparringspartner. Sie hatte auch keine Befehlsgewalt um an wichtigere Informationen heranzukommen. Sie war schlichtweg ein Kollateralschaden in diesen Gefechten. Mit Sicherheit auch schnell ersetzbar durch einen oder eine Nachfolgerin.
Aber wenn sie den Sterncaptain hatten bergen können… dann sah die Sache anders aus. Als Kommandeur einer solchen Einheit hatte er begrenzten Zugriff auf die Daten des Wachnetzes. Ähnlich den Händlern wussten die Geheimdienstler um die Wichtigkeit schnell fließender Informationen. Nicht umsonst bezeichnete man sie in Teilen der Nachfolgestaaten als Nachrichtendienste. Und wenn der Sterncaptain womöglich an ein Nachrichtenterminal herankam, konnte er den weiteren Flug der Söldner maßgeblich beeinflussen. Er könnte ihnen unter Umständen die Informationen liefern, die die Chevaliers so dringend suchten.
Aber selbst wenn der Sterncaptain nicht überlebt haben sollte, die Mammonkrieger auf sich alleine gestellt sein sollten, war es nicht undenkbar, dass sie nicht doch noch an die nötigen Kanäle herankamen. Eine Söldnereinheit in Bataillonsgröße war nicht ohne eigenen Nachrichtenspezialisten. Es fiel ihnen vielleicht schwerer in ein gesichertes Netzwerk einzusteigen und sie würden ungezielter nach wichtigen Informationen Ausschau halten, aber sie würden es nichtsdestotrotz versuchen. Ob sie fanden, was sie suchten, hing mit Sicherheit davon ab, wie gut ihr Hacker war.
Aber es hing auch davon ab, was man ihnen an Informationen zukommen ließ.
Was ER ihnen an Informationen zukommen ließ.
So lästig solche Eindringlinge im Allgemeinen waren, so nützlich konnten sie auch von Zeit zu Zeit sein, wenn es darum ging Arbeiten abzunehmen. Verschiedene Welten waren selbst 10 Jahre nach der Invasion immer noch rebellisch, manche offener, manche nur noch im Verborgenen. Manche Widerstandszellen waren kaum noch auszumachen, aber mit Sicherheit immer noch da. Das Auftauchen einer unterstützenden Einheit konnte Anzeichen dafür liefern, ob die Rebellen auf solchen Welten nur schliefen – wie es auf Thannhausen bis dahin der Fall gewesen war – oder gar nicht mehr existierten – wie es auf Maestu nun wohl der Fall sein würde.
Entscheidend war, dass es von ihm, Sterncolonel Varel Kerderk, abhängen würde, was die Schnüffler der Dantons Chevaliers zu sehen bekommen würden und was nicht.
Ihre eigenen Leute beim 17. würden mit Sicherheit noch ein wenig im Verborgenen bleiben.
Mit einem Schmunzeln drehte er sich wieder seinem Adjutanten zu.
„Hol mir bitte einen graphischen Analysten und einen Datenguru her. Ich denke, der Arbeitstag hat gerade erst begonnen“, murmelte er und ließ die Finger knacken.
Sein Adjutant verstand sofort, grüßte eilig und verschwand. Der Sterncolonel hingegen sah wieder in die Halle hinunter und ließ die Gedanken schweifen.
Wenn Khane und Galaxiecommander über zukünftiges prahlten, dann redeten sie von ihren Plänen und teilweise von Visionen. Sie legten alles offen und schmückten es auch noch allzu offensichtlich aus. Das war nicht seine Welt.
Die Welt der Geheimdienste war eine Verborgene, weswegen sie hier nur selten aus ihrem Bunker herauskamen. Aber auch im Verborgenen wurden Pläne geschmiedet und gegnerische vereitelt. Khane konnten noch so stolz sein auf ihre Langzeitplanungen, sie würden früher oder später einsehen müssen, dass sie ihre ganzen Gespinste auf dem aufbauten, was andere ihnen als Informationen zuspielten. So offen sie spielten, so fern saßen sie doch der wirklichen Quelle all dieser Informationen. Die wirkliche Quelle waren sie, die Mitarbeiter der Wache. Neue Strategien hingen von dem ab, was sie als Geheimdienstler ihren Vorgesetzten zukommen ließen oder auch nicht. Die wirklichen Pläne wurden hier gemacht und die wahren Kämpfe moderner Tage wurden in Köpfen und unter der Erde ausgetragen.
Auch in seinem Kopf.
Und in seinem Kopf entspann sich gerade ein neuer Plan…
Thorsten Kerensky
Fröstelnd stapfte Jara Fokker durch den zentimetertiefen Neuschnee, der den Antreteplatz zwischen Mechhangar und Wohnquartieren bedeckte. Sie wünschte sich einen Mantel oder zumindest einen Pullover, aber die Wölfe schienen auf Abhärtung zu setzen und hatten auch ihren Techs keine Winterbekleidung bereitgestellt.
Die junge Frau verfluchte diesen unwirtlichen Ort nicht zum ersten Mal, seit sie hier gelandet waren und nachdem der planetare Winter begonnen hatte, hasste sie ihn sogar noch innbrünstiger. Genauso kalt wie der Schnee und der beißende Wind war momentan auch ihr Inneres. Die kleine Hoffnungsflamme, die sie wärmte, war noch weiter geschrumpft.
Monate waren nun schon vergangen, seit sie von ihrer Einheit getrennt worden war und immer stärker nahm sie die Situation als dauerhaft an. Greta Caprese und Gray Gordon distanzierten sich immer weiter von ihr und auch wenn sie nicht offen feindselig waren, nahmen sie es der jüngeren Kameradin doch offensichtlich übel, dass sie sich anpasste.
Jara bewertete die Lage etwas pragmatischer. Sie konnte nirgendwo hin und die Tür in die Kriegerkaste wurde für sie immer weiter aufgestoßen. Selbst als freigeborene Ex-Söldnerin war ihr ein Leben als Mechpilotin lieber als das Dasein eines AsTechs. Hinzu kam, dass der junge Frederic es schon geschafft hatte, seine Leibeigenenkordel abzustreifen und als vollwertiger Krieger bei den Wölfen aufgenommen zu werden. Sie hatte den Positionstest beobachtet und sich über seine beiden Abschüsse beinahe stärker gefreut, als er selbst. Ihre Belohnung für seinen guten Kampf war ebenso stürmisch ausgefallen, wenn auch etwas intimer als ein öffentlicher Jubelschrei.
Seit einigen Wochen hatten sie sich wieder treffen dürfen, seit nun auch die Söldnerin als heiße Anwärterin auf einen Positionstest galt und sie führten eine Art lockere Beziehung, soweit die Claner dieses System akzeptierten. Ein weiterer Vorteil ihrer Anpassung.
Im Wohngebäude angekommen, schlug sie die schwere Tür hinter sich zu und verharrte einen Moment, um die Wärme der beheizten Flure sich in ihren Körper schleichen zu lassen. Selbst hier war es recht kühl, mehr als nötig zu heizen wäre eine Verschwendung von Ressourcen gewesen, aber es war weder so windig wie im Freien, noch lag die Temperatur nahe am Gefrierpunkt.
Die Blondine atmete tief durch und machte sich dann auf den Weg zu den Duschräumen, um das Öl und den Staub aus ihren Haaren zu waschen. Sie hatte sich körperlich hier zwar stark verändert, war sportlicher, schlanker und muskulöser geworden, aber ihre Haare hatten selbst die Claner ihr nicht nehmen können und mit der energischen Verbissenheit einer Frau hatte sie ihr Recht auf ihren Zopf sogar im Kreis der Gleichen erkämpft. Beim Gedanken daran tat ihr manchmal immer noch die Rippe weh, die sie sich bei diesem Vergleich gebrochen hatte. Auch war sie selbstsicherer geworden, erwachsener und reifer, ihre blauen Augen waren härter geworden und Danton würde sicher traurig werden, wenn er „seine“ kleine Jara so gesehen hätte.
Kurz bevor sie die Duschen erreichte, löste Sterncaptain Markus sich aus dem Schatten, er musste auf sie gewartet haben. „AsTech Jara!“, begrüßte er sie.
„Sterncaptain?“
„Ich habe den Auftrag, dir auszurichten, dass du in acht Tagen einen Positionstest durchführen darfst. Du weißt, was das bedeutet, frapos?“
„Pos, Sterncaptain!“, antwortete die junge Frau, ohne sich ihre tiefe Überraschung anmerken zu lassen. „Man erwartet von mir, dass ich diesen Test annehme. Das Angebot ist eine Ehre.“
Ihr Mentor nickte. „Bereite dich gut darauf vor, AsTech! Die Ärzte sagen, ich darf keine Mechs mehr steuern. Ich verlange, dass du meinen Platz einnimmst!“
„Seyla.“
„Übertreibe es nicht! Und jetzt geh duschen, alles Weitere werde ich dir in den nächsten Tagen erzählen.“
Der Wolfskrieger drehte sich ohne ein weiteres Wort ab und ließ eine verblüffte Frau zurück. Eine Frau, die sich wunderte, dass sie den Claner besser verstehen konnte, als ihre Kameraden von den Chevaliers.

Die acht Tage waren schneller vergangen, als Jara es sich gewünscht hätte. Markus hatte sie mit Training, Taktik, Clansgeschichte und ehrenhaftem Verhalten gequält, sie war jeden Tag über zwanzig Stunden auf den Beinen gewesen und war sogar von ihren Pflichten als Tech entbunden worden, um sich vorbereiten zu können.
Und nun, gestand sie sich insgeheim ein, hatte sie Angst zu versagen. Nicht wegen der Konsequenzen eines Kampfes auf Leben und Tod, sondern weil sie Angst hatte, nach einer Niederlage wieder zu den anderen Techs zu stoßen. Die Stimmung war endgültig gegen sie umgeschlagen, nachdem bekannt wurde, dass sie für einen Positionstest auserkoren worden war.
Die Clankrieger reagierten unterschiedlich. Einige sahen in ihren bisherigen Taten genug Ehre, um diesen Schritt zu erlauben, ein nicht unerheblicher Teil sprach sich entschieden dagegen aus, dass eine freigeborene Söldnerin diese Chance bekam und der große Rest wartete einfach ab, wie sie sich schlagen würde, um nachher auf der richtigen Seite zu stehen. Ihre Gegner bei diesem Test würden wohl von denen gestellt werden, die sie ablehnten und es würde ihr niemand leicht machen.
Der Test selbst war klassisch gehalten: Jara selbst würde einen schweren Omni-Mech steuern und auf einen leichteren, einen etwa gleichstarken und danach auf einen überlegenen Gegner treffen. Jeder Abschuss bedeutete einen Schritt auf der Karriereleiter, ein einzelner Abschuss würde genügen, um sie als Kriegerin zu beweisen.
Ihre Maschine würde der Waldwolf von Markus werden, den sie schon im Kampf gesteuert hatte. Sie hatte auf diesem Koloss trainiert, hatte wieder und wieder die Waffenmodule geändert, bis sie schließlich wieder auf die Basis-Konfiguration geschwenkt war. Die Vielseitigkeit des Mechs erstaunte sie immer wieder, auch wenn das Prinzip das gleiche war, wie bei ihrem Puma, so bot der schwere Mech doch viel mehr Platz, um unterschiedliche Varianten auszuprobieren.
Am Abend vor dem großen Tag ließ ihr Mentor sie früh schlafen gehen und dank seinem Workout schaffte Jara es sogar, trotz ihrer Aufregung einzuschlafen.
Der Kampf war für den Vormittag angesetzt und so musste die junge Frau sich nur das Frühstück herunterwürgen und die Tortur eines Mittagessens auf nervösen Magen blieb ihr erspart. Aber all die Anspannung, die Nervosität und die Aufregung wichen von ihr, als sie in das Cockpit des Omni-Mechs kletterte. Routine und dieses ganz besondere Gefühl vor einem Mechkampf machten sich in ihr breit, schärften ihre Sinne und gaben ihr den Kick, den man für ihren Beruf brauchte, um das letzte Fünkchen Angst zu verdrängen und voll und ganz im Gefecht aufzugehen.
Sicheren Schrittes steuerte sie ihren Waldwolf aus dem Hangar und in die eisige Schneewüste, hinein in das Kampfgebiet mit einem Durchmesser von wenigen Kilometern. Sie wusste, dass die Augen der Clankrieger in ihrem Beobachtungsraum auf sie gerichtet waren, dass jede ihrer Bewegungen beobachtet wurde. Es machte ihr nichts aus.
Ihr erster Gegner erschien als kleiner roter Punkt auf ihrem Radarschirm und ihr Bordcomputer begann, diverse Daten über die Maschine zu sammeln. Noch trennte ein schneebedeckter Hügel die beiden Kontrahenten und Jara stutzte, als die leichtere Maschine diese Deckung nicht nutzte, um die Distanz zu verringern. Ihrem Waldwolf war ein leichterer Mech kaum im Fernkampf gewachsen.
Sie bemerkte ihren Denkfehler erst, als sie selbstsicher auf den Hügel trat. Sie sah die türkisfarbene Entladung eines Gaussgeschützes, konnte aber nicht mehr ausweichen und das gewaltige Geschoss traf ihren Torso mit voller Wucht, riss dabei fast eine Tonne Panzerung von ihrem Mech.
Nun endlich spuckte der Computer eine ordentliche Analyse aus und klassifizierte ihren Kontrahenten als Schattenkatze in der Standard-Bewaffnung. Die Frau keuchte, die Schattenkatze war für einen ersten Gegner ungewöhnlich schwer und bot mit ihrem weittragenden Gaussgeschütz und den beiden mittelschweren Lasern eine gewaltige Feuerpower auf.
Ihr langes Überlegen kostete sie eine saubere Zielerfassung und zur Strafe schlugen ihre Langstreckenraketen verstreut über dem Gegner ein und nur wenige Raketen trafen ins Ziel, wo sie kaum nennenswerten Schaden anrichteten. Sie musste umdenken, die Distanz verkürzen und warf ihren Mech vorwärts, in einen leichten Laufschritt.
Die Schattenkatze versuchte, sich zurückzuziehen, aber jetzt machte auch Jaras Gegner einen Fehler und bewegte sich weiter rückwärts, statt seine Maschine herumzuwerfen. Das bremste ihn aus und sorgte dafür, dass er ein gutes Ziel für die blonde Kriegerin bot. Mit einem diabolischen Grinsen zwang sie die Fadenkreuze ihrer Waffen über die gedrungene Silhouette ihres Gegners und presste die Auslöser für die schweren Laser.
Zischend entluden sich die beiden Hauptwaffen ihres Koloss und fraßen sich durch die relativ leichte Panzerung der Schattenkatze. „Har! Mit einem so kleinen Mech muss man kämpfen können!“, höhnte sie über Funk und rief sich ihre Kenntnisse ins Bewusstsein, die sie auf dem Puma erworben hatte. Ihr Gegner agierte viel zu langsam, blieb nicht in Bewegung, er versuchte krampfhaft sein Schadenspotential auszuschöpfen, anstatt ihrem Beschuss auszuweichen.
Das konnte nur eins bedeuten, wurde ihr klar: Er wollte sie anschlagen, damit der nächste Gegner sie töten konnte. Hier ging es nicht um Sieg oder Niederlage, hier ging es darum, ihre Existenz zu beenden und diesen Test dadurch endgültig zu klären. Sie war hier nicht die Jägerin – sie war die Gejagte!
Wie auf Kommando wurde Jara erneut zur Zielscheibe der gefährlichen Hauptwaffe ihres Gegners. Die Kugel traf den schweren Waldwolf am rechten Arm, trieb Panzerung splitternd und berstend fort und nahm das Waffenmodul in Mitleidenschaft. Zur ihrem Glück erlosch keines der Lichter, die Bereitschaft ihrer Waffensystem anzeigten. Aber noch so ein Treffer und es würde gefährlich werden. Es war an der Zeit, die Distanz merklich zu verkürzen.
Entschlossen brachte sie die Geschwindigkeitsregler auf volle Leistung, ein gewagtes Unterfangen auf Schnee und Eis, aber die Mechkriegerin vertraute darauf, dass fünfundsiebzig Tonnen Vernichtungskraft sich nicht von etwas rutschigem Boden würden Bremsen lassen. Aus vollem Lauf feuerte sie auf ihr Ziel und tatsächlich erzielte Jara einige Treffer an der leichteren Maschine, schaffte es aber nicht, wirklich gefährliche Schäden zu verursachen.
Nun entschied sich auch ihr Widersacher, die Nähe zu suchen und steuerte seine Schattenkatze auf den Waldwolf zu, wodurch sich die Distanz zwischen ihren deutlich verkürzte. Diesmal feuerte er nicht nur sein Gaussgeschütz, sondern ließ auch seine beiden mittleren Laser folgen. Er war ein guter Schütze, das musste man ihm lassen, und ein unangenehmes Geräusch erzählte der blonden Soldatin vom vorzeitigen Ende eines Wärmetauschers in ihrem plötzlich ungepanzerten linken Torso-Bereich. Eine schlimme Beschädigung, so früh in diesem Test. „Stravag!“, entfuhr es ihr.
Und dann begann das Ende der leichteren Maschine. Obwohl es töricht war nach dem Verlust eines Wärmetauschers und unmittelbar nach dem Feuern ihrer Laser erneut mit Wucht anzugreifen, ließ sie die Fadenkreuze über die Schattenkatze gleiten und feuerte.
Vierzig Raketen eröffneten den Angriff, trommelten auf die bereits angeschlagene Panzerung des Omnis ein und rissen erste Breschen in seinen Schutzmantel. Die schweren Laser folgten, fraßen sich in das Innere des Metallriesen, verwüsteten Aktivatoren, Bauteile, Myomere und Teile der tragenden Struktur. Als auch noch die mittleren Lichtwaffen in das Gemetzel einfielen, ging das Ziel in die Knie, wankte noch kurz und schlug dann vorneüber, wo es regungslos liegenblieb.
In der Hitzewelle, die nun über Jara hereinbrach und ihr den Schweiß auf die Stirn trieb, hätte sie beinahe nicht bemerkt, wie das rote Symbol ihres Gegners erlosch und einer anderen Erfassung wich. Gebadet in ihrer eigenen Körperflüssigkeit mit einer angeschlagenen Kampfmaschine und gefangen vom Rausch der Schlacht wuchtete sie den Waldwolf herum und dem Feind entgegen.
Als zwei schwere Laserstrahlen sie nur knapp verfehlten, erschauerte sie. Nicht wegen den Beinahe-Treffern, sondern weil ihr Bordcomputern ihren nächsten Kontrahenten als Kampfdämon klassifizierte. Ein Mech, der für seine Zähigkeit bekannt war. Kaum zu verwüsten und todbringend bewaffnet. So wie ihr Waldwolf zugerichtet war, war er ihr auf jeder Distanz überlegen und sogar noch beweglicher als sie.
Halbherzig jagte sie eine Salve Raketen in seine Richtung und begann, zurückzuweichen. Bloß nicht in die Reichweite seiner gigantischen Ultra-Autokanone geraten, war ihr einziges Ziel. Aber ihr Feind schloss schnell auf, Jara hatte keine Möglichkeit auszuweichen und sie musste dringend ihre Temperatur gesenkt bekommen.
Wieder tasteten die beiden schweren Waffen des Kampfdämonen in ihre Richtung, diesmal besser gezielt. Die Treffer kosteten sie eine empfindliche Menge Panzerung an den Beinen ihrer Maschine. Nur durch Glück hielt sie den Mech aufrecht und schaffte es sogar, einen Gegentreffer zu setzen, während ihre Sensoren langsam wieder klarer arbeiteten und die Hitze im Inneren des Cockpits auf ein erträgliches Maß sank. Dafür aber war die Distanz zwischen den beiden kämpfenden Riesen erschreckend geschrumpft, nur noch etwa einhundert Meter trennten die noch ruhenden Hauptwaffe ihres Rivalen von ihrem Einsatz.
Mit dem Mut der Verzweiflung bestrich sie ihren Gegner mit einer vollen Breitseite.
Und hatte Glück. Eine ihrer Raketensalven prasselte auf das Cockpit ihres Gegners, während der Rest ihrer Waffen geschlossen ins Ziel traf und erhebliche Schäden an der Panzerung verursachten und den schweren Mech von seinen vogelähnlichen Beinen holte. Dumpf dröhnte es, als der Kampfdämon hintenüber kippte und zu Boden stürzte.
Dann schlug die Hitze wieder über Jara zusammen, trieb ihr keuchend die Luft aus den Lungen und Warnsignale gellten im Cockpit des Waldwolfes auf. Ein unheilvolles Piepen verkündete eine Überhitzung in einer der Munitionskammern und im nächsten Moment gab es eine Explosion, die den gesamten rechten Torsobereich der Maschine leerfegte. Neurofeedbacks jagten durch ihren Pilotenhelm und sandten rasende Schmerzen durch ihren Kopf, ehe die Instrumente im Cockpit erloschen, während der Computer eine Notabschaltung ausführte.
Mit dröhnendem Kopf sah Jara auf und wandte ihren Blick dem gestürzten Gegner zu. Für einen Moment wagte sie zu hoffen, dass ihre Raketen den Piloten kampfunfähig gemacht hätten.
Aber der Kampfdämon trug seinen Namen nicht zu Unrecht. Langsam, qualvoll und unheilverkündend langsam, kam der schwere Kampfkoloss wieder auf die Beine und schob sich an den Waldwolf heran. Das Quietschen seiner malträtierten Beine drang schrill und klar durch das dumpfe Stottern der Wärmetauscher, als er seinen Oberkörper und mit ihm die Mündung seiner Autokanone in Richtung des ausgeschalteten Omni-Mechs wandte.
Pfeifend begann die Projektilwaffe zu singen, ein Strom aus Urangranaten begann über die geschundene Front des Waldwolfes zu tanzen, wühlte sich durch die Innereien des Stahlriesen und fraß sich durch kritische Bauteile. Beinahe glaubte Jara ein Grinsen im Gesicht des gegnerischen Piloten zu erkennen, als er den Strom der Granaten etwas höher lenkte und wie in Zeitlupe die Einschläge in Richtung ihres Cockpits wanderten.
Dann war da nur noch splitterndes Glas, Schmerzen, Blut, das schrille Pfeifen von Kugeln direkt am Ohr, dann ein Sturz nach hinten, der Aufprall, dumpfe Schmerzen überall.
Aber sie lebte noch. Jara spuckte Blut aus, hustete und öffnete die Augen. Splitter hatten sich ihr in Hände, Arme und Beine gebohrt, ein ganz besonders hässliches Stück Metall steckte in ihrer Kühlweste und Blut sickerte durch den Riss und vermischte sich mit toxischer Kühlflüssigkeit. „Stravag!“, keuchte sie und unter Schmerzen griff sie in ihren Stiefel und zog ein Kampfmesser hervor, um sich aus dem Gurt zu schneiden. Es kostete sie ihre gesamte Selbstbeherrschung und Willen, sich aus dem verwüsteten Cockpit zu befreien und in den kalten Schnee zu kriechen. Sie befreite sich aus der Kühlweste und reinigte die Bauchwunde mit Schnee. Der Schnitt war nicht tief, aber wenn Kühlflüssigkeit in ihren Blutkreislauf gelangt war, sah es düster für sie aus.
Der Kampfdämon ließ den Boden erzittern, als er über sie trat. Jara ahnte, was nun passieren würde, diese Krieger wollten ihren Tod. Um sie herum wurde die Welt schwarz.
Das letzte, was sie spürte, waren Hände, die nach ihr Griffen, aber sie war sich nicht mehr sicher, ob das noch real war oder schon das Jenseits.
Ace Kaiser
„Die Sitzung ist eröffnet.“ Germaine und die anderen Richter setzten sich, ebenso Anklage, Verteidigung und die Angeklagten. Die Sitzung war nicht öffentlich, wurde aber live übertragen. Germaine hatte es für besser gehalten, die Zahl möglicher Störenfriede möglichst früh zu reduzieren und die Sicherheit auf einem entsprechenden Level zu halten.
„Die Anklage, bitte.“
Manfred Scharnhorst erhob sich. „Hohes Gericht, hiermit möchte ich einen Antrag auf Austausch des Gerichts stellen. Meine Mandanten erkennen das Gericht nicht an und verlangen, vor ein zuständiges Gericht gestellt zu werden.“
Neben Germaine begann sich SternColonel Radu empört zu räuspern.
„Herr Verteidiger“, sagte Germaine nach einer beschwichtigenden Geste in Richtung des Clanners, „erstens gilt in diesem Fall das Militärrecht und nicht das Zivilrecht. Zweitens haben die Angeklagten Sie als Verteidiger anerkannt. Daraus extrapoliert das Gericht, dass auch das Gericht selbst legitimiert ist. Antrag abgewiesen.“
Scharnhorst schnaubte böse, aber ein leises Funkeln in seinen Augen zeigte doch, dass er mehr beeindruckt als wirklich böse war.
„Die Anklage, bitte.“
Rebecca Geisterbär erhob sich, in den Händen eine dicke Papiermappe. „Major Wolf Steinberger.“ Der breitschultrige Mann nickte.
„Hauptmann Roger Jannsen.“ Der Riese nickte ebenfalls.
„MeisterTech Klaus Schwarz.“ „Anwesend, Ma´am.“
„Hauptmann Jesse Stonefield.“ „H-hier!“, rief der kleine Mann ängstlich.
„Leutnant Robert Steinberger.“ „Hier.“
„Ich stelle fest, dass die Angeklagten ordentlich im Gerichtssaal anwesend sind. Stimmen Sie mir zu, hohes Gericht?“
Germaine sah kurz zu seinen Richtern und Beisitzern, die bestätigend nickten. „Für das Protokoll: Das Gericht bestätigt die Anwesenheit der Angeklagten. Fahren Sie fort, Rebecca Geisterbär.“
„Den hier anwesenden Offizieren der Maestu-Miliz werden folgende Verbrechen vorgeworfen. Mord in neunzehn Fällen, Vergewaltigung in acht Fällen, Brandschatzung in acht Fällen, Plünderung in drei Fällen, schwerer Raub in dreiundsiebzig Fällen, schwerer Raub mit Todesfolge in neunzehn Fällen, Totschlag in fünf Fällen. Weiterhin wird ihnen vorgeworfen gegen die Ares-Konvention verstoßen zu haben, darüberhinaus gegen das Ehrverständnis der lyranischen Offiziere. Konkret beziehe ich mich auf…“
Germaine hörte schon nicht mehr hin. Er hatte alle Fälle selbst akribisch recherchiert und hätte einen Großteil der einzelnen Taten aus dem Gedächtnis mit Datum rezitieren können. Stattdessen fixierte er Steinberger und fragte sich, wie ein Mann so tief sinken konnte. Der Mann hatte Sanglamore absolviert, sein Bruder Nagelring. Wolf hatte hervorragende Bewertungen während der Akademiezeit gehabt und war bereits als Oberleutnant zu seinem eigenen Kommando gekommen. Was Germaine an Kommentaren zur Verfügung gestanden hatte, bewies nur, dass Wolf Steinberger ehrgeizig, aber gerecht und ordentlich gewesen war. Ein Musterbeispiel für einen Offizier, der es noch weit bringen wollte.
Dann waren die Clans gekommen, hatten ihn und seine Miliz vom Rest der Inneren Sphäre abgeschnitten und aus der Musterkarriere war ein brutaler Überlebenskampf geworden.
Auf Thannhausen hatte Germaine erlebt was aus einer Einheit werden konnte, der es erging wie der Maestu-Miliz. Und er hatte die GefechtsROMs gesehen, die den Überfall der Thannhausen-Miliz auf die Clanwache gezeigt hatte. Ein harter, brutaler Überfall, in dem keine Seite Gnade gezeigt hatte. Aber es war ein Kampf unter Kriegern gewesen, immerhin. Außerdem hatte die Thannhausen-Miliz niemals ihre Einheitsabzeichen abgelegt oder die Transponder ihrer Mechs und Panzer im Gefecht abgeschaltet.
Dieser da hatte das oft genug gemacht, oder sich mit gestohlenen Clan-Transpondern an seine Ziele heran gepirscht.
Germaine wusste, dass die Thannhausener gelegentlich Wölfe in Zivil töteten, auch sollten mehrere allzu eifrige Kollaborateure gestorben sein, aber das war nichts im Vergleich zu dem wahnsinnigen Ritt, den Steinberger vollzogen hatte.
Die Thannhausener hätten niemals ein ganzes Dorf mitten in der Nacht aus den Häusern vertrieben, um anschließend jedes einzelne Gebäude und den gesamten weltlichen Besitz zu vernichten, der diesen Leuten nach den Clanangriffen geblieben war. Die Unterschiede lagen auf der Hand. Germaine fragte sich längst nicht mehr, wer von beiden seine Unterstützung verdiente, er fragte sich nur noch, wie man so tief sinken konnte wie diese Offiziere und ihre Mannschaften.

Er hatte ein langes und wütend geführtes Streitgespräch mit Manfred gehabt, in dem es um die Pflichten eines Offiziers ging, der weit hinter den feindlichen Linien abgeschnitten war und dessen Chance, zu seiner Truppe zurückzukehren gleich Null war. Der dort hinten, im tiefsten Feindesland noch immer seine Pflicht der Archon-Prinzessin gegenüber auszuführen hatte und es auch tat. Waren da nicht alle Mittel Recht, um die Einheit funktionieren zu lassen? Waren da nicht alle Wege Recht, die dem Feind, den Wölfen, harte Schläge versetzen konnte? Schwiegen im Krieg nicht die Gesetze und die Waffen sprachen an deren Stelle?
Sie waren auf keinen gemeinsamen Nenner gekommen, egal wie oft ihn Scharnhorst daran erinnerte, wie Germaine selbst sich im Kampf gegen den Schatun oder bei der Abwehr von Blakes Wort verhalten hatte. Es hatte alles nichts genützt. Wenigstens hatten sie einander ihre Standpunkte klar gemacht.
Und Manfred war mit den Worten aus seinem Büro gerauscht: „Macht es denn überhaupt noch Sinn, wenn der oberste Richter nicht mehr entscheidet, wer wieviel Schuld hat, sondern nur noch welche Strafe für wen angemessen ist? Ist das Gerechtigkeit?“
„Nein“, hatte Germaine erwidert, „das ist das Militärrecht.“
Daraufhin hatte der Hauptmann die Tür hinter sich zugeworfen und mit seinem Kommandeur auf Tage nur das Nötigste gesprochen.

„…gewaltigung am 29.03. 3063 an Lisa Scholl in Newton auf dem Nordkontinent Apoll. Das wäre alles, Hohes Gericht.“
„Das Hohe Gericht nimmt die Anklageschrift zur Kenntnis. Wir unterbrechen die Verhandlung für zwei Stunden. Führen Sie die Angeklagten zum Mittag, Sergeant Rowan.“
Der riesige Elementare nickte schwer.
***
In einer anderen Ecke der Kaserne deutete ein Wolfstechniker, der seine Mütze tief ins Gesicht gezogen hatte, auf einen einzeln stehenden Holoprojektor. „Da ist das Prachtstück. Vielleicht können Sie ihn reparieren, frapos?“
Der Chevalier-Techniker, der ihn begleitete, zeichnete sich vor allem durch eines aus: Eine ungewöhnliche Leibesfülle. Doch obwohl der Mann schwitzte, ging von ihm ein dezenter Hauch nach frischen Blumen aus, nicht der erwartete Moschus-Odor.
„Hologrammprojektoren sind nicht meine Spezialität, Astech. Aber ich will mich gerne mal dran versuchen.“ Höflich nickte der riesige Computerspezialist in die Runde. Aber die Sensation, die sein Erscheinen in einer Nebenzentrale des Stützpunkts ausgelöst hatte, war schon wieder verflogen. Die Wolfstechs widmeten sich wieder ihren eigentlichen Aufgaben.
Als Willem Kleinweich am Hologenerator zu werkeln begann, drückte der Wolfstechniker unauffällig einen fleischfarbenen Knopf an seiner Kehle und hauchte: „Phase eins ist gestartet.“

Draußen auf dem Gang lehnte Charles Decaroux und blätterte in einer Tageszeitung. Als die Meldung des ehemaligen Offiziers der Clanwache eintraf, drückte er unauffällig seinen eigenen Button und bestätigte Roves´ Worte mit einem kurzen Pos. Danach ließ er seinen Blick zu beiden Seiten des Gangs schweifen und begann augenscheinlich wieder zu lesen.
Es vergingen ein paar Minuten, in denen Decaroux einmal von einem SternCommander angesprochen und gefragt wurde, was ein Chevalier hier machte, aber der hatte nur auf Kleinweich hingewiesen, der auf Anfrage eines Wolfstechs etwas zu reparieren versuchte und dass er ihn begleitete. Damit hatte sich das Interesse des Wahrgeborenen erschöpft. Techsachen waren nicht seine Angelegenheiten.
Dann kam endlich die von einem kräftigen Schnaufen begleitete Nachricht des Sergeants: „Bin im System.“
Zur Tarnung würde Kleinweich nun etliche Routinen auf dem Hologramm-Projektor fahren, während sein eifrig installiertes Funkmodem so viele Daten wie möglich aus dem Netz zog und auf den kleinen Speicher in Decaroux´ Jackentasche übertrug. Wenn alles glatt ging, dann würden sie für die ganze Operation maximal eine halbe Stunde brauchen.
***
Nach den Eröffnungsplädoyers beider Seiten – die Anklage hatte Tod durch Erschießen für alle fünf Angeklagten gefordert, was Germaine nicht wirklich überrascht hatte, die Verteidigung hingegen Freispruch für alle fünf Angeklagten, was Germaine auch nicht überrascht hatte – war der erste Verhandlungstag beendet worden. Am darauffolgenden Tag würden die ersten Zeugen gehört werden. Insgesamt hatte Germaine neun Tage veranschlagt. Das sollte inklusive Wochenende für drei Dinge reichen. Erstens, ein sinnvolles und rechtskräftiges Urteil zu fällen, zweitens die gestohlenen Daten zu sichten und die für sie wertvolle Information zu extrahieren und drittens herauszubekommen, ob es auf dieser Welt noch einen ernstzunehmenden Widerstand gab, der ihre mitgebrachte Ausrüstung gebrauchen konnte. An den letzten Punkt glaubte Germaine nicht. Wenn sich die Wölfe auf dieser Welt nicht einen wirklich groben Schnitzer leisteten, wie beispielsweise die Nebelbarder damals auf Edo, dann war ihre Herrschaft zementiert und gesichert für Jahre, Jahrhunderte.
Und das war es, was Germaine wirklich tief erschütterte. Wann würden sich die Menschen in dieser Region sich nicht länger als Lyraner, als Rasalhaager, als Draconier verstehen, sondern als Geisterbären, Jadefalken, Wölfe und Novakatzen? Wann würde dieses Gebiet wirklich Clangebiet sein? Ein Gedanke, der ihm eine Gänsehaut bescherte.
Ace Kaiser
Als es an Germaines Bürotür klopfte, sah der Major kurz auf. „Herein.“
Sergeant Brauer steckte vorsichtig den Kopf rein. „Es ist nicht die Steuer, Sir.“
„Kommen Sie rein, Sarge, ich habe Sie schon erwartet.“
Brauer, der ehemalige Anführer der Bad Boys, hatte kaum seinen Sessel erreicht, als Cindy schon den Raum betrat und Kaffee servierte. Hinter der Hand wurde das Getränk bereits als Germains Sünde bezeichnet, wenn man in Betracht zog, wie viel der Major davon konsumierte.
„Also, was haben Sie mir zu berichten, Sarge?“
Brauer straffte sich. Im Prinzip war er gerade nur Botenjunge der neu erschaffenen Spionageabwehr, Hilfskraft und Ausputzer. Er gehörte nicht wirklich dazu, aber es machte ihn schon etwas stolz, Decaroux und den anderen zuarbeiten zu können. „Wie wir vermutet haben, Sir, wurde der Widerstand vollkommen zerschlagen. Es gibt einige fanatische Ein-Mann-Zellen, aber das sind Leute, mit denen wir besser nicht zusammenarbeiten sollten. Eher sollten wir in Betracht ziehen, sie den Behörden zu übergeben.“
„Fanatiker?“
„Wahnsinnige, Sir. Es kam schon hier und da zu Greueltaten gegenüber zivilen Bediensteten Clan Wolfs. Die schwächsten Glieder der Kette, leicht zu erreichen.“
Germaine Danton nickte schwer. „Haben wir sonst jemanden an der Hand. Irgendjemand, den wir mit unseren Gütern erfreuen können? Jemand, der einst einen Hauch von Widerstand aufbauen könnte?“
„Soweit ich es übersehen kann, ist die Integration der Bevölkerung in den Clan Wolf schon weit voran geschritten. Sollten die Clans dereinst Truppen auf dem Planeten rekrutieren hätten wir eine Chance, mit diesen Leuten zu arbeiten. Aber jetzt ist es illusorisch. Die planetare Verwaltung ist in ziviler Hand und der Clan beschränkt sich auf die Abgaben, die militärische Präsenz und die Nutzung von Maestu als Zwischenhafen für den Kampf gegen die Jadefalken. Man könnte glatt meinen, diese Welt hat gar keine Claninvasion erlebt, wenn nicht anstatt der Steinerfaust der Wolfskopf über den offiziellen Gebäuden flattern würde.“
Germaine seufzte schwer. Schließlich widmete er sich seinem Kaffee. „Ich hasse es, Ressourcen zu verschwenden. Auf dieser Welt ein Depot aufzubauen oder unsere kostbare technische Ausrüstung versickern zu lassen halte ich für sinnlos. Sehr sinnlos. Ich glaube, wir können uns den Aufwand für Maestu sparen.
Das einzige was wir für diese Welt tun können ist ein gerechtes Urteil für die Miliz-Offiziere zu finden.“ Wütend starrte Germaine auf den Papierwust hinab, der auf seinem Schreibtisch lag und Vernehmungsprotokolle, Abschriften von Erklärungen, Beweise und Erläuterungen sowie eidesstattliche Aussagen beinhaltete.
Müde rieb sich Germaine die Augen. „Hätte ich mich nur nie in diese Rolle drängen lassen!“
„Ich kann es nachempfinden, Sir. Offizierskameraden zu verurteilen und…“
Germaine Danton unterbrach den Unteroffizier mit Nachdruck. „DAS sind keine Offizierskameraden! Das sind Bestien in Menschengestalt! Es gibt nur einen Grund, warum ich sie noch nicht erschossen habe, ich will mit meinem Urteil auf sicheren Füßen stehen! Wo die Chevaliers stehen, steht auch der Rechtsstaat, das ist der einzige Grund. Ansonsten hätte schon diese Beweislast ausgereicht, um die Anführer dreimal erschießen zu lassen!
Mord! Vergewaltigung! Brandschatzung! Plünderung! Totschlag! Erschießung von Untergebenen ohne Gerichtsverhandlung! Eidbruch! Ich weiß nicht wie verzweifelt ein Mensch sein muss um so zu werden, aber wenn diese Männer auch nur noch einen Funken Ehre, einen klitzekleinen Rest Nagelring und Sanglamore in den Adern haben, dann müssen sie dankbar für jene sein, die sie stoppen!“
Brauer schien dazu etwas zu sagen zu haben, aber er entschloss sich, die klügere Variante vorzuziehen und zu schweigen.
„Wenn es das gewesen ist, dann können Sie gehen, Sergeant. Und, Brauer, gute Arbeit. Sehr gute Arbeit. Ich bin sehr zufrieden mit Ihnen.“
Der große Mann straffte sich. „Danke, Sir.“
Trotzdem verließ er das Büro mit gemischten Gefühlen. Waren sie nicht im Krieg mit Clan Wolf, mehr oder weniger? Und erlaubte der Krieg nicht den einen oder anderen Übergriff? Bloß… Wie weit durften die gehen? Wie schwerwiegend konnten sie sein? Wo begann Notwendigkeit und wo Bequemlichkeit? War eine radikale Haltung wie die des Majors korrekt? Oder übertrieb der Mann? Nicht, dass er seinen Vorgesetzten in Frage stellen wollte, aber verstehen, das hätte er doch gerne gehabt.
***
Am siebten Verhandlungstag, nachdem diverse Zeugen gehört worden waren; Opfer von Raub, Plünderung und Vergewaltigung sowie Angehörige von Verstorbenen, wagte Manfred Scharnhorst einen wagemutigen Vorstoß.
„Hohes Gericht. Ich beantrage die Einstellung des Verfahrens gegen meine Mandanten.“
„Begründen Sie das, Herr Verteidiger.“
„Meine Mandanten berufen sich auf den Exekutivbefehl von Archon-Prinzessin Katrina Steiner-Davion vom Tag des Attentats auf Arthur Steiner-Davion, in dem sie den örtlichen Behörden für die Zeitdauer der Krise volle Handlungsfreiheit und in der Wahl der Mittel zugestanden hat. Meine Mandanten berufen sich darauf, als treue Steiner-Offiziere lediglich diese Anweisung buchstabengetreu ausgeführt zu haben.“
„Darf ich daraus schließen, dass die Angeklagten noch immer keine Reue zeigen und ihre Verbrechen gegen den Offizierskodex und die Ares-Konvention zu legitimieren versuchen?“
„Ihre Handlungen sind legitimiert! Als höchstrangige Vertreter der Lyranischen Allianz haben sie lediglich nach Auftrag gehandelt.“
Germaine sah die fünf Angeklagten an, einen nach den anderen. Sein Blick kehrte immer wieder zu Major Wolf Steinberger zurück. Dann seufzte er müde. „Ist sich die Verteidigung darüber im Klaren, dass sie hiermit einen Präzedenzfall schafft, der zur Anklage der Archon-Prinzessin selbst führen wird?“
„Mit Verlaub, Hohes Gericht, das sind meine Mandanten.“
„Dem Antrag auf Einstellung des Verfahrens wird nicht stattgegeben.“
Aufgeregtes Raunen erklang auf der Angeklagtenbank.
„Jedoch beschließt das Hohe Gericht, sämtliche Vorfälle und Straftaten, die seit Inkrafttreten des Exekutivbefehls erfolgten, für die Urteilsfindung außer Acht zu lassen.“ Germaine musterte die fünf Männer streng. „Das sind fast drei Viertel Ihrer schlimmsten Verbrechen. Freuen Sie sich, meine Herren.“
Nun raunte es zwischen den Richtern. Germaine deckte sein Mikrofon ab und redte minutenlang mit Radu. Danach befragte er seine anderen Beisitzer.
„Es bleibt dabei. Die Vorfälle nach Inkrafttreten des Exekutivbefehls werden vom Gericht nicht mehr beachtet.“
Nun machte sich doch eine gewisse Erleichterung auf der Anklagebank aus.
„Wir vertagen die Verhandlung auf morgen.“
***
Es war beinahe Mitternacht, als Germaine Danton den Gefängnistrakt betrat. Sein Weg führte ihn direkt zu Major Steinberger.
„Nanu? Was verschafft mir diesen hohen Besuch zu so später Stunde?“, scherzte der große Mann.
„Freuen Sie sich, Wolf. Manfred ist einer der besten Männer die ich habe. Sein Schachzug hat mindestens einem ihrer Leute das Leben gerettet. Ihr Bruder ist nicht darunter.“
Der Major ließ kurz ein Augenlid zucken, zeigte aber ansonsten keinerlei Reaktion.
„Sie bluffen. Ich habe mit Captain Scharnhorst ausgiebig über diesen Fall diskutiert. Sie werden uns nicht erschießen lassen, sondern werden uns mitschleppen, bis wir Allianzraum erreichen. Dort werden Sie uns einem Allianz-Militärgefängnis übergeben.“
„Das hat sich Manfred fein ausgedacht“, sagte Germaine und grinste wölfisch. „Aber Sie wissen doch hoffentlich, dass ich Sie nicht davon kommen lassen kann, oder? Befehl von Katherine hin oder her, Ihre Verbrechen wiegen zu schwer. Alleine die Beschmutzung der Ehre Ihrer Akademie zwingt mich als Offizierskollege, Sie maßzuregeln.“ Germaine musterte den Mann kalt. „Ich war auf Sandhurst. Würde ich je erfahren, dass einer meiner damaligen Kameraden derart Amok gelaufen ist, dann würde ihn nicht einmal die Tatsache beschützen, wenn er Leibeigener der Wolkenkobras geworden wäre.“
„Was wollen Sie, Danton?“, blaffte Steinberger.
„Ich werde einen Weg finden, Sie und Ihre Leute erschießen zu lassen. Meines Erachtens reicht bereits eine Vergewaltigung dafür aus, finden Sie nicht? Ihr Bruder hat sich dabei nie besonders hervor getan, aber… Ich werde sicherlich einen Fall finden.“
Die beiden Männer fixierten einander.
„Sind Sie deswegen hergekommen? Um Ihr eigenes Gerichtsverfahren zur Farce zu erklären und um sich an meinem Leid zu weiden?“
„Leiden Sie denn? Oder haben Sie alle Menschlichkeit schon abgestreift wie eine Schlange die alte Haut? Sorgen Sie sich denn überhaupt noch um Ihre Männer und Frauen? Sie haben eine Gerichtsverhandlung als Bedingung ausgehandelt, um sich zu ergeben. Ihre Mannschaften sind freigekommen. Ich glaube, irgendwo in Ihnen steckt noch ein winziger Funke Nagelring, ein klein wenig Ehre.“
„Was wollen Sie von mir? Um mich auf meine Ehre zu besinnen ist es wohl etwas spät“, blaffte der lyranische Offizier.
Wortlos öffnete Germaine sein Waffenholster, lud die Automatikpistole durch, entsicherte sie und legte sie neben Steinberger auf die Pritsche.
„Stellen Sie Ihre Ehre wieder her. Dann werde ich lediglich Jannsen erschießen lassen und die anderen drei – darunter Ihren Bruder – in die Allianz schaffen. Weigern Sie sich, lasse ich Sie langsam sterben, Gerichtstag für Gerichtstag, so lange wie ich es immer will. Und am Ende werden Sie doch erschossen. Nur Ihren Bruder werde ich vor Ihnen erschießen lassen.“
„Das macht Ihnen Spaß, oder?“, blaffte Wolf entrüstet.
„Im Gegensatz zu Ihnen macht es mir keinen Spaß andere zu quälen. Sie sind eine Bestie ohne Herrn, die ausgerechnet mir vor die Füße gefallen ist, damit ich sie entsorge. Und das werde ich tun. Die Frage ist nur, wie viel Ehre Sie noch im Leib haben und wie sehr Sie darauf hoffen, dass ich Ihre Offiziere nicht töten werde. Ich lasse Sie nicht entkommen.“
„Was hindert mich daran, diese Waffe auf Sie zu richten?“, fragte der Mann mit gebrochener Stimme.
„Nichts. Das ist mein Risiko dafür, Ihnen zu erlauben Ihre Ehre wiederherzustellen.“
Die beiden Männer fixierten sich stumm. „Ich will Ihr Wort.“
„Sie haben mein Wort.“
Eine zitternde Hand griff nach der Waffe. Wieder folgte minutenlanges Schweigen…

„Wache! Öffnen Sie!“ Der Infanterist der Chevaliers war ohnehin drauf und dran gewesen, die Zelle, in der sein Boss war, zu stürmen, nachdem der Schuss gefallen war. Nun vernahm er erleichtert dessen Stimme.
Germaine Danton befreite gerade seine Autopistole aus dem kalten Griff des Toten. „Rufen Sie Doktor Malossi. Major Steinberger hat den Freitod gewählt.“
„J-jawohl, Sir.“
***
Am nächsten Tag begann Germaine Danton die Gerichtsverhandlung mit einer Erklärung.
Auf der Anklagebank saßen nun nur noch drei Vertreter. Ihre Gesichter waren kalkweiß.
„Gestern Abend bin ich zu Major Steinberger gegangen und habe ihm angeboten, seinem Patent als Offizier zu willen seine Ehre wiederherzustellen. Major Steinberger hat eingewilligt, und sich mit meiner Dienstwaffe erschossen. Der Tod trat sofort ein. Stabsarzt Malossi sowie Chefarzt Drake bestätigten daraufhin den Freitod.“
„SIE HABEN IHN ERSCHOSSEN!“, blaffte Robert Steinberger aufgeregt und versuchte von der Anklagebank zu kommen. Infanteristen drückten ihn nieder.
„Ein ähnliches Angebot wollte ich auch Hauptmann Roger Jannsen machen, aber der Mann hat sich selbst erhängt“, fuhr Germaine ungerührt fort.
Er wechselte einen schnellen Blick mit seinen Beisitzern, dann erhob er sich. „Da die Hauptangeklagten dem Gericht nicht mehr Rede und Antwort stehen können, stellt das Gericht die Verhandlung hiermit ein.
MeisterTech Klaus Schwarze, Hauptmann Jesse Stonefield und Leutnant Robert Steiner werden der Obhut der Chevaliers übergeben und bei nächster Gelegenheit der Militärgerichtsbarkeit der Lyranischen Allianz übergeben. Die Verhandlung ist beendet.“
Der Richterhammer sauste mit der Endgültigkeit eines vollgepackten Overlords auf den Richtertisch nieder.
***
„Das ist also Ihre Lösung?“, fragte SternCaptain Renge. „Wenn Sie das von vorne herein geplant haben, warum haben wir dann soviel Zeit verschwendet?“
Germaine sah die Kriegsschiffskapitänin ernst an. „Darf ich Sie daran erinnern, dass Sie ebenfalls dafür gestimmt haben, dass die Chevaliers die verbliebenen Offiziere zur Aburteilung in die Innere Sphäre bringen sollen, jetzt nachdem die Haupttäter tot sind?“
„Das hätten Sie viel früher haben können“, beharrte sie.
„Nein. Hätte ich nicht. Ich musste mir erst über zwei Dingen im Klaren sein. Erstens, ob Steinberger auf sich oder auf mich schießen würde, wenn ich ihm eine Pistole überlasse.“
„Und was ist Nummer zwei?“
„Ob er es überhaupt noch wert ist, einen einigermaßen ehrenvollen Tod zu sterben.“
Renge musterte Germaine streng. „Bei uns im Clan Wolf wäre er in eine Solahma versetzt worden und hätte die Gelegenheit erhalten, ehrenvoll im Kampf zu sterben. Sich selbst zu erschießen hat nichts mit Ehre oder Kampf zu tun. Es ist nur Feigheit.“
„Das sehen Sie falsch“, mischte sich nur SternColonel Radu ein. „Er hat einen Kampf ausgetragen. Den Kampf gegen sich selbst. Und wie es scheint hat er den Kampf gewonnen.“ Radu wandte sich Danton zu. „Wir werden die Leichen der beiden auf dem Militärfriedhof beisetzen. Es wird eine zivile Zeremonie abgehalten werden, aber keine militärische. Außerdem werden die Gräber anonym sein, um Übergriffe durch die Opfer gegen die Leichname zu verhindern. Dieser Planet und seine Bevölkerung hat Ruhe verdient, und damit fangen wir an.“
„Ich begrüße diese Entscheidung“, erwiderte Germaine ernst. „Da es für mich und die Chevaliers auf dieser Welt nun nichts mehr zu gewinnen gibt, werde ich mich wieder auf die Suche nach meinen Leuten machen.“
„Ich wünsche Ihnen Erfolg dabei, Major Germaine.“
Die beiden musterten sich stumm, dann salutierten sie voreinander.
Mit Renge im Schlepp ging Germaine davon.
„Ich bringe Sie besser noch ins nächste System“, sagte sie ernst. „Ich will sichergehen, dass Sie in Zukunft möglichst weit von mir entfernt sind, Freigeburt.“ Sie lächelte dünn. „Das erscheint mir sicherer zu sein.“
„Keine Sorge, SternCaptain. Unsere Wege werden sich nicht mehr kreuzen.“ Germaine lächelte dünn.
***
Als Germaine den kleinen Konferenzraum der CRYING FREEDOM betrat, sprang ihm ein aufgeregter Willem Kleinweich entgegen. „SIR! Wir haben eine Spur!“
Charly blieb wesentlich gelassener, aber er ließ den Mann reden.
„Berichten Sie, Sergeant Kleinweich.“
Der massige Mann zog seinen Laptop heran und drehte ihn so, dass Germaine den Bildschirm einsehen konnte. „Wir haben eine enorme Menge an Daten auf Maestu gestohlen, aber das meiste waren Routinetransmissionen, nichts was uns weiterhelfen würde. Doch es waren letztendlich die Routinetransmissionen, die uns auf die richtige Spur gebracht haben. Es scheint nämlich, dass sich der Nahrungsbedarf einer Frontklasseeinheit von einem Tag zum anderen um dreißig Prozent erhöht hat. Das ist uns deshalb aufgefallen, weil das Topic von der Clanwache gehiglight war; ein Hinweis an Feldagenten der Sache nachzugehen.
Nun, das sind wir auch und haben uns diese Einheit angesehen. Es handet sich um den 17. Regulären Wolf-Cluster. Wir haben daraufhin weitere Routinedaten analysiert, diese Einheit betreffend. Darin wurde die medizinische Versorgung eines AsTechs namens Gray nach einem Meteoritentreffer auf einer Sprungstation vermerkt.“ Triumphierend sah der Riese seinen Vorgesetzten an. „Gray! Gray Gordon!“
„Könnte man annehmen. Aber Grays gibt es wohl viele im Universum.“
„Könnte man annehmen, aber ermutigt haben wir weitergegraben. Und dabei kam das heraus!“ Er deutete mit wild fuchtelnden Händen auf den Bildschirm. „Hier wird beschrieben, wie eine AsTech einen Positionstest bestreitet und in die Kriegerränge aufgenommen wurde.“ Kleinweich grinste sein breitestes Grinsen. „Für einen Datenspezialisten ist das wie ein mittleres Funkfeuer. Nahezu unübersehbar.“
„Lassen Sie mich raten, Willem. Der Name dieses AsTechs lautet Jara, oder?“
„Hat sie das nicht fein gemacht, unsere Jara? Wenn sie noch mehr von sich reden macht, werden wir keinerlei Probleme haben, sie aufzuspüren.“
„Und dann haben wir Probleme, sie da wieder raus zu kriegen. Verdammt, wir wollen doch keinen zweiten Phelan erschaffen“, schimpfte Germaine, um seine Erleichterung über die guten Nachrichten zu überdecken. „Na gut, zwei Lebenszeichen hätten wir dann ja. Suchen Sie auch nach unserem dritten Schäfchen. Wissen wir, wo die 17. gerade ist?“
„Ihr letztes Ziel war Vulcan“, warf Charles ein.
„Dann springen wir nach Vulcan.“ Endlich. Ein Name, eine Spur und Lebenszeichen! Das Jagdfieber erwachte in Germaine Danton.
Thorsten Kerensky
Ein sanfter Wind wehte vom Meer her und ließ das Getreide Wellen schlagen. Beinahe wirkte es wie ein goldenes Spiegelbild der tiefblauen See am Fuße der Klippen. Der Tag war friedlich, sogar das Donnern der Brandung klang ruhig und verhalten.
Jara schaute hinunter auf die Schaumkronen der brechenden Wellen und fühlte sich trotz der heimatlichen Szenerie unwohl. Sie war lange nicht mehr hier gewesen, hatte sich zu lange im Weltraum herumgetrieben.
Jemand trat neben sie und ohne hinzusehen wusste die blonde Soldatin, dass neben ihr Dawns rotes Haar im Wind wehte. „Hallo Dawn, wie geht es dir und dem Kind?“
„Gut, danke.“
Wieder herrschte für eine Zeit lang schweigen. Dann ergriff die junge Mutter das Wort. „Du hast lange nicht mehr geschrieben“, stellte sie mit leichtem Vorwurf fest.
„Ich weiß. Ich kam nicht dazu, sorry.“ Jara bedauerte ehrlich, sich nicht gemeldet zu haben. Warum war das bloß? „Ich hatte keine Gelegenheit.“
„Ja. Du musstest ja deine Heimat verraten. War’s schlimm?“
Heimat verraten? Erinnerungen krochen aus dem Unterbewusstsein der blonden Frau und manifestierten sich als dunkle Gedanken. Im selben Moment begannen schwere Gewitterwolken am Horizont aufzuziehen, der Wind frischte auf und auch das Tosen des Meeres wurde intensiver.
„Ich hatte keine Wahl.“
„Keine Wahl“, spottete ihre Freundin. „Greta und Gordon hatten auch keine Wahl. Aber DU trägst die Uniform der Wölfe.“
Überrascht stellte Jara fest, dass sie tatsächlich im grauen Zwirn einer Clan-Kriegerin war. „Ich bleibe im Training und kann Dinge erfahren, die später nützlich sein werden.“, entgegnete sie lahm.
„Glaubst du das wirklich? Oder hast du dich mit der Situation schon abgefunden?“ Erste Regentropfen fielen auf die beiden jungen Frauen, Jara fröstelte. „Du warst einst die Rose der Cavalry, du warst die Rose der Chevaliers. Du warst eine gute Lanzenkommandantin und nun bist du Wolf? Einfach so?“
„Einfach so?“ Jara musste nun gegen den Sturm schreien. „Die Chevaliers werden nie kommen. Das zu hoffen ist naiv!“
„Danton wird dich finden. Für dich würde er notfalls bis in die Hölle marschieren.“
Jara wollte etwas erwidern und drehte sich zu ihrer Freundin um. Aber da war keine Dawn. Dort, wo die Stimme erklungen war, tauchte aus dem Nichts ein blendendes weißes Licht auf, dehnte sich aus, verschlang den Sturm, den Regen, das Weizenfeld, die Klippen und das Meer. Und dann verschlang es Jara.

Als das schmerzende Weiß sie endlich freigab, starrte Jara in ein paar brauner Augen. „Sie ist wach“, hörte sie jemanden sagen, dann kristallisierten sich nach und nach auch andere Details ihrer Umgebung heraus. Scheinbar lag sie auf einem Bett. Dann erkannte sie den Raum als Sanitätsbereich des Wolf-Landungsschiffes. Kaum dass sie wieder sehen konnte, meldeten sich auch ihre anderen Sinne zurück. Erst das Gehör, dann der Geruchssinn und danach der fade Geschmack von Medizin und Schlaf. Und schließlich kamen die Kopfschmerzen.
„Autsch!“, stöhnte die Mechkriegerin und setzte sich langsam auf. Eine MedTech musterte sie skeptisch und Jara erkannte in ihrem Gesicht die Augen wieder, die sie vor wenigen Momenten schon einmal gesehen hatte.
„Guten Morgen, Mechkriegerin Jara Wolf!“, dröhnte ihr Markus Stimme ins Ohr. Er benutzte ihren vollen Titel und unterstrich seine Anerkennung durch Nennung ihres Adoptivnamens. „Ich hoffe, du hast dich gut ausgeruht.“
„Die Kopfschmerzen sind grausam“, gestand sie ein. „Wie lange war ich ohne Bewusstsein, Sterncaptain?“
„Drei Tage. Du wärst beinahe gestorben. Es ist Glück für unseren Clan, dass du es geschafft hast, frapos?“
Jara nickte. „Pos, Sterncaptain. Ich hatte schon gedacht, der Pilot des Kampfdämon würde mich zertreten.“
Der Clan-Offizier verzog das Gesicht und verschränkte die Arme vor der Brust. „Mechkrieger Jason hat dich sogar selbst aus deinem Cockpit geborgen und erste Hilfe geleistet.“
„Man verschwendet keine Ressourcen, frapos?“, entgegnete die junge Frau zynisch.
„Pos. Du lernst schnell, Jara. Aber eigentlich bin ich nicht hier, um über Mechkrieger Jason zu reden“, wechselte Markus das Thema. Er gehörte nicht zu den Menschen, die ohne Grund oder aus Höflichkeit etwas taten. „Ich bin auch nicht hier, um dir zu gratulieren oder meiner Enttäuschung Ausdruck zu verleihen.“
„Enttäuschung?“
„Pos, Jara. Du hast nur einen Abschuss erzielt und kannst meine Nachfolge nicht antreten. Stattdessen übernimmt Sterncommander Laura vorläufig das Kommando, bis jemand einen Positionstest für diesen Posten abhalten kann.“ Markus pausierte kurz und als er fortfuhr, klang Verachtung in seiner sonst so beherrschten Stimme auf. „Sterncommander Frederic Exilwolf wird Lauras Stern übernehmen. Du wirst seinem Stern zugeteilt und wirst weiterhin im Waldwolf kämpfen.“
Jara ließ sich ihre Freude, mit Frederic zusammenarbeiten zu dürfen, nicht anmerken. Sie wusste, dass Markus den Exilwolf nicht ausstehen konnte. „War es das, was du mir sagen wolltest, franeg?“
„Neg. Eigentlich bin ich hier, um zu überprüfen, wie dein Zustand ist. Ich leite ab jetzt die Ausbildung. Die Arbeit ist dezgra, aber es ist besser, als zum Tech zu werden. Ich erwarte, dass du morgen um 0900 zum Fitnesstraining erscheinst. Um 0700 meldest du dich bei deiner Einheit dienstfähig!“
Jara nickte. „Seyla, Sterncaptain!“ Es ging wieder los.

Der schlimmste Feind eines Soldaten, hieß es, sei der Alltagstrott. Jeden Tag die gleiche Routinearbeit machen, bis sich irgendwann die Sorglosigkeit einstellte. Alltagstrott gab es bei den Wölfen nicht. Ständig neue Trainingsabläufe, wechselnde Dienstpläne und stete Wachsamkeit bestimmten Jaras Leben vom ersten Tag als vollwertige Mechkriegerin an.
So fordernd und kräftezehrend diese feiertagslose Beschäftigung auch war, sie konnte ihr etwas Positives abgewinnen. Endlich war ihr Körper wieder gesund und fit und in einem gesunden Körper wohnte ein gesunder Geist. Sie war entweder beschäftigt oder todmüde und fand gar nicht erst die Zeit, trübsinnigen Gedanken nachzuhängen. Das bisschen Freizeit, was einem Clankrieger zugestanden wurde, teilte sie mit Frederic. Zwar beäugten die Wölfe ihre Beziehung etwas misstrauisch, aber sie duldeten diese ungewöhnliche Art der Freizeitgestaltung.
Schnell hatte die blonde Mechpilotin herausgefunden, wem sie trauen konnte und wem sie besser aus dem Weg ging. Sterncommander Laura zum Beispiel war hart aber fair zu allen ihren Untergebenen, während vor allem Mechkrieger Jason, Jaras Lebensretter, als ausgesprochen schroff und lauernd ihr gegenüber erwies.
Immer wieder rieb er ihr unter die Nase, dass er sie besiegt hatte und ihr Leben nur verschont hatte, weil Verschwendung unclanmäßig sei. Irgendwann, während einer Konditions- und Fitnesseinheiten, überspannte er den Bogen dann.
„Mechkriegerin Jara, wenn du nicht bald anfängst zu trainieren, wirst du an Muskelschwund sterben, frapos?“
Jara schwieg und versuchte, sich nicht provozieren zu lassen. Sie wusste, dass ihre Werte in Ordnung waren.
„Hast du mich nicht verstanden, Jara von den Söldnern?“ Einen Raunen ging durch die Anwesenden und auch Laura sah unverhohlen in Richtung der beiden Soldaten, aber Jason setzte noch einen drauf. „Bist du taub, Freigeburt?“
Jara drehte sich um. Abschätzend musterte sie Jason. Dann spie sie vor ihm aus. „Ich habe dir gar nicht zugehört. Auf das Gewinsel eines Surat zu hören, ist der Mühe nicht wert. Wieso redest du nicht mit deiner Mutter?“
Das Gesicht des Mechkriegers verzog sich, als ihm diese Beleidigung entgegen geschleudert wurde. „Ich verlange einen Widerspruchstest, Stravag!“
Während Laura langsam in ihre Richtung ging, nickte die junge Ex-Söldnerin grimmig. „Hier und jetzt. Keine Waffen.“
„Du verlangst einen Kreis der Gleichen, frapos?“
Innerlich lachte Jara, als ihr Kontrahent ihr eine derartige Angriffschance bot. Geistig war er nicht der Stärkste. „Neg, Jason. Ich verlange einen Kampf nach den Regeln des Kreises der Gleichen. Für einen Kreis der Gleichen müsstest du allerdings so gut sein wie ich und wie kann ich das von dir verlangen?“
Bebend vor Zorn schoss die Faust des Mechkriegers in ihre Richtung, aber sie wurde von Sterncommander Laura abgefangen. „Mechkrieger Jason, deine Kameradin fordert einen Kreis der Gleichen. Es ist nicht ehrenhaft, schon vor Kampfbeginn anzugreifen.“ Lauter wandte sie sich an die Umstehenden: „Eine Markierung aus Kreide, fünf Meter Durchmesser. Gewinnt Mechkriegerin Jara, dann ist Jason verpflichtet, seine Behauptungen zu verwerfen. Gewinnt Mechkrieger Jason, dann ist bewiesen, dass wahrgeborene Krieger überlegen sind!“
Jason nickte und in seinen Augen stand die pure Wut. „Seyla, Sterncommander!“
Die schmalere und kleinere Jara blieb ruhig. „Seyla!“
Laura trat zurück und mit ihr verließen auch die übrigen Anwesenden die frische Kreidemarkierung. „Es wird gekämpft, bis einer der Krieger den Kreis verlassen hat. Möge der Stärkere gewinnen!“
Stille breitete sich aus, als die beiden Clanskrieger sich zu umkreisen begannen. Jason sprungbereit, die Hände zu Fäusten geballt und zitternd vor Zorn, Jara ruhig, lauernd und zurückhaltend. Ihre gesamte defensive Haltung war eine demonstrative Einladung an ihren Gegenüber, den Schlagabtausch einzuleiten.
Tatsächlich dauerte es nur wenige Augenblicke, bis der provozierte Wahrgeborene auf die scheinbar Wehrlose losging. Jara musste ein paar leichtere Treffer einstecken, ehe sie die erste Chance sah, die Unbeherrschtheit des Mannes sinnvoll auszunutzen. Während er nach ihrem Kopf schlug, vernachlässigte er sträflich seine Deckung. Sofort traf ihn ein Tritt der jungen Frau genau zwischen den Beinen.
Er stöhnte auf, brach seine Angriffsserie ab und machte einen Schritt nach Hinten, was Jara nutze, um nachzusetzen und ihre zierliche Faust mit voller Wucht in seinen Bauch zu hämmern. Jason hustete, keuchte und ging in der Mitte des Kreises in die Knie. Verzweifelt schlug er nach den Beinen seiner Gegnerin, aber Jara war längst aus seiner Reichweite gesprungen.
„Ist das wirklich alles gewesen, Jason?“, höhnte sie.
Mit schmerzverzerrtem Gesicht kam er wieder auf die Füße. „Du hast dezgra gekämpft.“
„Du verdienst auch gar keinen ehrenhaften Kampf!“, spottete sie weiter und tatsächlich konnte sie ihn schon wieder in einen unüberlegten Angriff reizen. Diesmal steckte sie weniger Treffer ein, bevor sie mit einem Ellbogenstoß erneut einen schweren Schlag in den Bauchraum ihres Widersachers landen konnte. Nur um ihre Überlegenheit zu beweisen, schnellte ihr Fuß vor und der stürzende Jason landete mit dem Rücken genau auf ihren Schuhen.
„Kriech aus dem Ring, Jason!“, rief sie ihm zu. „Gib auf, bevor ich dich bewusstlos geschlagen habe!“
Der Mann heulte auf und warf sich irgendwie aus seiner liegenden Haltung in eine Sprungbewegung, die ihn genau in Jaras Richtung katapultierte. Die völlig überraschte Jara schaffte es nicht, auszuweichen. Stattdessen hämmerte sie Jason mit voller Kraft einen Tritt entgegen und trag ihn an der Schulter. Er wurde herumgerissen und landete schwer neben ihr auf dem Fußboden, während auch Jara aus dem Gleichgewicht geriet und stürzte.
Beide kamen wieder auf die Füße, aber Jason atmete schwer, sein linker Arm hing schlaff herab und sein Gesicht zeigte, dass er litt.
„Du hast keine Chance mehr, Jason!“, stellte sie fest und ging etwas weiter auf Abstand.
Er lachte bitter: „Warum verschonst du mich dann? Oder hast du Angst, frapos?“
„Du hast mein Leben verschont, warum sollte ich dich jetzt schlimmer verletzen als nötig?“
„Du hast Angst!“, beharrte er. Und griff wieder an.
Jara sah den hilflosen Angriff kommen, duckte sich unter seinem Schwinger weg und rammte ihm erneut die Fäuste in den Bauch. Jason klappte zusammen wie vom Blitz getroffen und fiel zu Boden. Die Mechkriegerin packte den Bewusstlosen und schob ihn über die Kreidemarkierung.
Sterncommander Laura trat wieder vor. „Mechkriegerin Jara hat diesen Test gewonnen. Bringt Jason zu den Sanitätern!“
Vereinzelt klatschten die Umstehenden und Jara erkannte, dass hauptsächlich die Freigeborenen ihr applaudierten, aus Freude darüber, dass sie dem großspurigen Jason in seine Schranken gewiesen hatte.
Dirty Harry
18. November 3065
Garmad, Vulcan
Clan Wolf Besatzungszone

Oleg Wiachynski saß im Cockpit seines Vulcan. Er bewegte die schwere Maschine behutsam durch das angebliche Provinzzentrum Garmad – oder was von ihm übrig geblieben war. Die Häuser waren nur noch Ruinen, einige waren immer noch nicht ganz ausgebrannt. Leere Fensteröffnungen gähnten ihn gegen den frühen Abendhimmel an. Rauchschwaden zogen von einzelnen Glutnestern ausgehend durch die Straßen. Menschliches Leben war nirgends mehr zu finden.
Auf Vulcan stampfe ich in einem Vulcan durch Dantes Infernos. Wie passend.
Der Gedanke drängte sich ihm geradezu auf. Aber er schien unvermeidlich.
Sie hatten nicht besonders viele Informationen, denen sie nachgehen konnten. Auf Vulcan sollte etwas zu finden sein. Die Indizien hatten dafür gesprochen. Angeblich in diesem Nest. Doch die Realität sah irgendwie ernüchternd aus. Keine Menschenseele war mehr hier und wenn die Wölfe gewusst hatten, dass sie auf dem Weg zu ihnen sind, hätten sie doch nicht gleich die Stadt anzünden müssen.
Aber es waren nicht nur die Wölfe da gewesen, so viel wussten die Chevaliers mittlerweile. Sie waren an einem Piratenpunkt ins Vulcansystem eingetreten um einen erneuten Kontakt mit einem womöglich weniger beschäftigten Wolfskriegsschiff zu vermeiden. Auf diese Weise waren sie auch einem anderen Sprungschiff aus dem Weg gegangen, das knapp einen Tag später das System wieder verlassen hatte. Die Signatur und Kennung hatte zu keinem Wolfsschiff gepasst. Erst später wurde deutlich, dass es sich um einen Militärtransporter der Jadefalken gehandelt hatte. Auf einer Grenzwelt durchaus möglich, aber es war mit Sicherheit die Art von Bekanntschaft, auf die keiner scharf war, sie als Söldner mit bestenfalls ausreichender Luft-/Raumunterstützung erst recht nicht. Was die Falken auf der Welt gewollt hatten, war nicht deutlich geworden. Elektromagnetische Signale, das Abhören lokaler Nachrichtensendungen und ähnliches, waren in einem Strahlungshoch der lokalen Sonne untergegangen.
Nun waren sie als Kundschafter und Vorhut auf Vulcan unterwegs und sahen als erste, was die Jadefalken angerichtet hatten. Und die Wölfe. Bereits vor dem Ortseingang musste ein erstes Gefecht getobt haben. Weit ausladende Schritte hatten tiefe Kuhlen in den Erdboden getreten, Sprungdüsen hatten ihn teilweise zu Asche verbrannt. Eine der Seiten war im vollen Galopp auf die Stadt zugerast. Eine andere musste dort gewartet haben. Nur noch vereinzelt zu findende Hülsenrückstände zeigten die Positionen von leistungsfähigen Autokanonen an, ein paar Trümmerstücke die Überreste abgesprengter Panzerung. Das meiste Material hatte der Sieger der Konfrontation zur Wiederverwertung mitgenommen. Aber auch die Einschlagskrater von Raketen und Granaten zeigten ausreichend deutlich, wo der erste Schusswechsel stattgefunden hatte. Mehr als Panzerung konnte dabei nicht abgetragen worden sein, denn die Spuren schienen ungebremst näher gekommen zu sein. Nur die Intensität der einwirkenden Gewalten zeigte noch, dass von da an nur noch härter zugeschlagen wurde. Die Spuren und Krater um die Verteidiger herum wichen in die Stadt zurück. Eine der Seiten schien den Stadtkampf gesucht zu haben. Wahrscheinlich um Kröten einen Vorteil zu verschaffen. Anscheinend auch Panzern, denn unter den Trümmern einer ausgebrannten Bäckerei waren noch die Überbleibsel eines gesprengten Zorya gefunden worden. Aus einer offenen Feldschlacht im wahrsten Sinne des Wortes war ein Stadtkampfgemetzel auf kürzeste Distanz geworden. Und die, die am meisten darunter zu leiden hatten, waren die ehemaligen Bewohner dieser Stadt. Wenn sie Glück gehabt hatten, dann hatte man sie vor diesem Gefecht evakuiert. Wenn nicht, waren sie nur die Kolateralschäden der erbitterten Feindschaft zwischen Wolf und Falke.
Je tiefer Oleg in die Überreste der Stadt marschierte, desto schlimmer sah es aus. Dort wo früher einmal so etwas wie das Rathaus oder die Stadthalle gestanden haben musste, lag fast nur noch ebenerdiger Schutt. Ein riesiger Krater in einem Nebengebäude deutete auf eine Munitionsexplosion oder etwas ähnliches hin. Es sah aus als hätte man das Haus mit Absicht in die Luft gejagt. In den Überbleibseln der Nachbarschaft brannte es noch immer.
„Hier ist nichts mehr zu finden!“, meldete Oleg, der sich diesen deprimierenden Blick nicht mehr länger antun konnte.
„Keinerlei Signaturen mehr. Kaum noch Kampfschrott. Nur noch Ruinen und Trümmer. Wenn hier vor einiger Zeit Wölfe aktiv waren, dann haben sie das Schlachtfeld schon längst wieder verlassen und aufgeräumt. Würde es hier nicht noch alle Nase lang brennen, würde ich sagen die Spur ist mehr als nur kalt.“
„Achten sie auf ihre Sprache“, wandte Haruka Yamada ein.
„Pardon, Madame!“, korrigierte Oleg sich, „Hier ist nichts mehr. Keinerlei Feinde. Weder Clan Wolf noch Clan Jadefalke. Kein Widerstand, keine Stadtbevölkerung, nichts. Nicht einmal bergungsfähiger Schrott ist zu finden. Nur noch brennende Ruinen, Schutt und Asche. Meine Sensoren zeigen mir keinerlei Aktivität im Umkreis von 5 Klicks. Hier ist einfach nichts.“
„Meine Sensoren fangen noch Lebenszeichen auf. Außerhalb der … Stadt“, erwiderte die Drakonierin jedoch, „Auf 10 Uhr, ungefähr 6 Klicks von hier.“
„Wird überprüft“, erwiderte Oleg und wandte seine Maschine in die passende Richtung. Wieder einmal zeigte sich die Leistungsfähigkeit der Clanmaschinen. Seine Sensoren hatten noch nichts aufgeschnappt und dabei war der Vulcan eher als Scout ausgelegt worden als der Puma Omnimech, den die kleine Drakonierin von der Rose der Chevaliers übernommen hatte.
Im Schritttempo verließ Oleg die zerstörte Stadt, stets darauf bedacht, dass noch immer irgendwo Kröten lauern könnten oder jemand ein Minenfeld vergessen hatte. Sechs Klicks außerhalb der Stadt war bereits so weit im Abseits, dass es das lokale Wild sein konnte, dass sich seinen Lebensraum als erstes zurückeroberte.
Doch dem war nicht so.
Draußen vor der Stadt hatte es ein Schäfer ausgehalten. Er hielt noch immer seine Herde zusammen, doch es war nur zu deutlich, dass auch an ihm die Ereignisse der letzten Tage nicht spurlos vorübergegangen waren. Niemand, der noch voll bei Verstand war, versuchte auch noch die Tiere zu hüten, die von Granaten zerfetzt worden waren – wie auch immer die so weit ins Hinterland hatten fliegen können. Die anderen Schafe sahen auch nicht gerade aus, als wollten sie in aller Ruhe Gras fressen. Wenn Oleg eine verängstigte Herde hätte beschreiben müssen, wäre ihm vielleicht dieser Anblick angemessen erschienen. Über alle dem wachte der Schäfer in einem unerklärlichen Zustand der Ruhe, vielleicht in Apathie oder Agonie. Es war ein bizarres Bild, das sich hier bot.
Oleg zog es vor, den Mech in hundert Meter Abstand abzustellen und auszusteigen anstatt noch mehr Panik zu verbreiten. Bedächtig ging er dann auf den Schäfer zu und beachtete sorgfältig dessen Reaktion. Im Augenblick konnte er nicht wissen, wie der alte Mann endgültig drauf war. Niedergeschlagen, depressiv, an einem posttraumatischen Stresssyndrom leidend oder einfach nur irre waren nur ein Teil des emotional-psychischen Spektrums, das abgedeckt werden konnte.
„Sind sie der letzte hier?“, fragte Oleg nachdem er näher gekommen war. Der alte Mann sah ihn nur aus leeren Augen an. Alleine an seinem Blick konnte Oleg erkennen, dass er zu viel in den letzten Tagen gesehen hatte.
„Nur der letzte, der noch hier ist“, entgegnete der Mann schließlich mit einer gleichtönenden Stimme.
„Was ist passiert?“, wollte Oleg wissen.
„Krieg ist passiert“, war die simple Antwort.
„Was für ein Krieg?“
„Wölfe gegen Jadefalken, Wölfe gegen Resistance, Wölfe gegen Lyranische Allianz, Jadefalken gegen die Allianz. Was macht es noch für einen Unterschied?“, fragte der Schäfer zurück.
„Aber weswegen wurde hier gekämpft?“
„Was weiß ich. Wegen irgendwas wird immer gekämpft. Seit die Clans hier sind mehr denn je.“
„Kommt so etwas etwa häufiger vor?“, wollte Oleg konsterniert wissen und deutete auf die Stadt.
„Wenn es den Clannern gefällt“, erwiderte der Schäfer trocken.
„Das ist nicht ihr Ernst. Die Clans versuchen doch ansonsten Schäden zu minimieren!“
„Wenn sie die Schäden minimieren wollen, wieso kämpfen sie dann überhaupt?“
„Weil es das Wesen der Clans ist?“, musste Oleg erkennen. Der Blick des Schäfers schweifte über die Reste seiner Herde. Erst hier erkannte Oleg, wie leicht er sich selbst ad absurdum geführt hatte.
„Aber es entspricht doch nicht den Gepflogenheiten der Clans ganze Landstriche zu verwüsten und Städte zu zerstören, die sie eigentlich einnehmen oder schützen wollen“, versuchte es der Mechkrieger mit einem neuen Ansatz.
„Wenn es ihre Absicht war, die Stadt einzunehmen oder zu beschützen“, stellte der Schäfer Olegs Vermutung postwendend wieder in Frage.
„Die Clanner haben sich noch nie sonderlich darum gekümmert, was in ihrer Umgebung passiert. Sie haben ihre Ziele und die verfolgen sie ohne große Rücksicht auf Verluste. Aus welchem Grund auch immer Garmad zur Zielscheibe wurde, sie haben der örtlichen Bevölkerung 12 Stunden Zeit gegeben, ihre Häuser zu verlassen. Sie haben niemandem gesagt wieso oder weshalb, sie haben nur alle aufgefordert, ihre Sachen zu packen und in 12 Stunden verschwunden zu sein. Dann kamen zu erst die Wölfe und haben die Gebäude übernommen. Wer noch was holen wollte, hatte da bereits verloren. Und dann kamen die Jadefalken vom Stromlinpass. Sie sind auf die Stadt zugedonnert, haben sich mit den Wölfen beharkt, haben sich mit ihren Rieseninfanteristen beharkt und sind dann in Richtung Ortszentrum vorgestoßen. Sie haben alles vernichtet, was vorher eine Stadt ausgemacht hat, auf der Jagd nach ihren Gegnern. Die Wölfe haben sich schließlich in Richtung der Plaids zurückgezogen und die Falken sind ihnen weiterhin gefolgt, bis sie auf einmal umgedreht und abgehauen sind.“
„Und wieso?“
Der Schäfer zuckte nur mit den Schultern.
„Irgendwas zwischen Wolf und Jadefalke. Garmad hatte nur das Pech, im Weg zu sein.“
„Oder der Widerstand hatte das erklärte Pech im Zentrum eines herbeibeschworenen Konflikts zu stehen“, brummte Oleg.
„Widerstand“, murmelte der Schäfer emotionslos, „Auch der Widerstand ist nur eine militärische Organisation. Wie die Wolfskrieger auch. Oder die Jadefalken. Aber gegen was widersetzen sie sich?“
„Gegen die aufgezwungene Herrschaft der Wölfe?“
Erneut sah ihn der Schäfer traurig an.
„Für eine fremdbestimmte Herrschaft vom Tharkad? Für eine Herrschaft des alten Adels auf Golic? Für was?“
Oleg wusste keine Antwort. Bisher war es für ihn selbstverständlich gewesen, dass man die Clans loswerden wollte. Sie hatten sie mit Krieg überzogen und wie man sehen konnte, taten sie es immer noch. Sie hatten nichts Gutes gebracht außer verbesserten Waffen und einem faschistoiden Weltbild, in dem alles durch Kampf und Krieg zu entscheiden war. Oleg hatte selbst genug schlechte Erfahrungen mit ihnen gesammelt um sie alle in die Hölle zu wünschen.
Aber er hatte sich nie Gedanken gemacht, was an der Gegenseite so viel besser war.
Sie war immer schon da gewesen und es war halt immer … so gewesen. Dass auch sie permanent wegen Macht und Einfluss Kämpfe und Kriege vom Zaun brach, machte er sich nie so richtig bewusst. Dass mehr als ein Staat sich offen auf seine militärische Stärke berief und mehr als einmal die Waffen lieber als die Diplomatie sprechen ließ, hatte er vollkommen ausgeblendet. Philosophie war nie Olegs Stärke gewesen und jetzt in einen solchen Diskurs verwickelt zu werden, behagte ihm überhaupt nicht.
„Aber… was ist aus dem Widerstand geworden?“
Der alte Mann zuckte wieder mit den Schultern.
„Ich bin nicht im Widerstand. Ich war es auch nie. Aber wenn sich Wölfe nicht mit Wölfen schlagen oder Wölfe gegen Jadefalken ziehen, ist es hier überwiegend ruhig. Mir wäre es lieber, es würde so ruhig bleiben.“
Oleg sah auf die verstörte Schafsherde und auf die getöteten und verwesenden Tiere. Er fragte sich, ob das nun Resignation, Depression oder völliger Irrsinn war. Aber andererseits konnte er die tiefere Bedeutung des gesagten nur zu gut verstehen. Eigentlich wollten alle nur ihre Ruhe haben – die Clankrieger mit ihrer permanenten Ausrichtung auf Krieg und Gewalt vielleicht ausgenommen. Der lokale Widerstand war womöglich zur selben Erkenntnis gelangt.
Oleg deutete einen militärischen Gruß an und verließ den einsamen Schäfer. Als er sich im Cockpit wieder angekabelt und den Vulcan wieder zum Leben erweckt hatte, wollte Haruka Yamada wissen, was los gewesen war.
„Ich weiß nicht, ob das Zen in Formvollendung oder blanker Wahnsinn war“, murmelte Oleg.
„Ich verstehe nicht“, erwiderte Haruka.
„Hier ist nichts mehr, was uns angeht. Die Stadt wurde vor den Gefechten zwischen Wölfen und Jadefalken evakuiert. Die Wölfe sind in die Plaids zurückgewichen, die Falken entweder nach Erreichen ihres Zieles oder aufgrund der Gefechtsschäden wieder in ihre Ausgangsposition. Außer einem … verstörten Schäfer lebt hier nichts mehr. Kein Widerstand, keine Jadefalken und keine Wölfe. Wenn wir sie suchen müssen, dann woanders.“
Und vielleicht mussten sie noch sehr viel mehr suchen, fügte Oleg für sich an. Vor allem einen Sinn hinter alle dem.
Thorsten Kerensky
Der 17. Reguläre Wolfs-Cluster hatte den Planeten Vulcan vor knapp zwei Wochen erreicht. Sie waren gelandet, hatten eine Kaserne bezogen, die, so erfuhr Jara später, eigentlich der planetaren Miliz gehört hatte, und einen Gang zurückgeschaltet. Das hieß bei den Clans nicht unbedingt, dass sie sich ausruhten, aber sie nutzten die Zeit, um Material und Personal wieder zu einhundert Prozent einsatzbereit zu machen.
Nach den letzten harten Wochen empfand Jara diese Zeit als beinahe entspannend und ihre Laune besserte sich ein wenig. Sie schlief ohne Albträume, traf sich regelmäßig mit Frederic und nach ihrem Triumph über Jason hatte sie auch niemand mehr so offensichtlich ins Visier genommen.
Die Tage waren geprägt von Training, Wache und gelegentlicher Freizeit. Aber selbst die ehemalige Söldnerin spielte lieber eine Runde Schach oder eines der brutalen Mannschaftsspiele, die den Clans so gut gefiel, statt in dem verschlafenen Nest Westcliff auszugehen. Man erkannte sie als Clans-Kriegerin und schon wollten auch die betrunkensten Typen einen gewissen Abstand von ihr haben. Das war neu für Jara und sie mochte dieses Gefühl nicht, also zählte sie lieber Morgen für Morgen die neuen blauen Flecken an ihrem Körper.
Im Training hielt sie sich gut, zumindest hatten ihre Vorgesetzten nichts an ihrer Leistung auszusetzen und je länger sie bei den Wölfen als vollwertige Kriegerin diente, desto mehr identifizierte sie sich mit dem Clan. Immer wieder fiel ihr auf, wie sie die Verhaltensmuster der Wölfe übernahm. Erst am Vortag hatte sie einen Tech gerügt, weil er beim Sprechen Kontraktionen benutzt hatte und beim Antrittsbesuch bei den örtlichen Verwaltern hatte sie sich automatisch als Wolfskriegerin vorgestellt und anschließend gemerkt, dass sie sich nicht mehr als Söldnerin verstand.
Dennoch hing ihre Uniform immer noch in ihrem Spind, die Dienstgradabzeichen eines Lieutenant 2nd Class auf den Schultern. Bei den Chevaliers würde sie jetzt einen Stern … nein, eine Lanze, verbesserte sie sich … kommandieren, hier stand sie ganz untern in der Hierarchie. Das ärgerte sie ein wenig, spornte sie aber auch zu mehr Einsatz an.
Diesen und anderen Gedanken hing die junge Frau auch nach, als sie wieder einmal auf einer Streife unterwegs war. Diese Patrouillen waren notwendig. Vulcan war eine Welt mit starken vulkanischen Aktivitäten und die Hitze der austretenden Lava, das eisenreiche Felsgestein und einige andere Faktoren machten fast alle Sensoren wirkungslos. Optische Aufklärung war also unverzichtbar, vor allem in den weiten unbesiedelten Gesteinswüsten.
Sie war zusammen mit Mechkrieger Andrej auf einer Standardmission und befand sich etwa einen Tagesmarsch von der Kaserne entfernt, als die Kommandozentrale sich bei ihr meldete. „Wolf-Basis für Mechkriegerin Jara! Kommen!“
„Hier Jara, ihr höre sie. Kommen!“
„Unbekannte Söldner sind vor zwei Stunden ins System gesprungen. Zeit bis Planetfall beträgt etwa zwölf Stunden. Landezone ist noch unbekannt. Kehre sie unverzüglich zurück zur Basis! Kommen!“
„Wir sind schon auf dem Rückweg, aber wir brauchen noch etwa einen Tag. Was wollen die Söldner hier? Kommen!“
„Unbekannt. Rückmarsch beschleunigen! Ende!“
Mit einem leisen Knistern meldete die Kommunikationssoftware des Waldwolfs, dass die Verbindung beendet wurde. Jara seufzte leise. Auf Vulcan gab es für Söldner nichts zu holen, außer es waren selbsternannte Ritter, die sich auf die Fahnen geschrieben hatten, die Clans abzustrafen. Dann allerdings würden sie ihr blaues Wunder erleben, wenn sie statt der schwachen Garnison den 17. Regulären Cluster vorfanden.
„Mechkrieger Andrej, wir haben neue Befehle.“, wandte sie sich an ihren Flügelmann.
Der Claner antwortete sofort, scheinbar war er nie in Gedanken, sondern immer voll bei der Sache. „Ich höre, Mechkriegerin Jara.“
„Sofortiger Rückmarsch zur Basis. Unbekannte Söldner haben Planetfall in zwölf Stunden. Wenn wir uns beeilen, können wir in zwanzig Stunden zurück sein.“
„Pos, Mechkriegerin, dann sollten wir uns in Bewegung setzen.“
„Seyla, Andrej!“
Jara drückte den Schubregler ihres Waldwolfes vorwärts, beschleunigte von der bequemen Reisegeschwindigkeit zur Höchstgeschwindigkeit. Die nächsten Stunden würde sie mit all ihren Sinnen bei der Sache sein müssen, um keine Fehler zu begehen. Neben ihr schloss der Bluthund von Andrej mühelos auf. Die leichtere Maschine war ein wenig schneller und wendiger als Jaras Kampfmaschine und hielt sich jetzt sogar noch ein wenig zurück, um den schwereren Stahlkameraden nicht abzuhängen.
Zwölf Stunden später sah Jara ein Glühen in der Atmosphäre und dann den Schweif von drei Landungsschiffen, die sich der Oberfläche rasch näherten. Es wirkte für einen Moment so, als würden sie direkt auf die beiden einsamen Clan-Mechs fallen, aber dann verlosch das Glühen und mit ihm das unheimliche Gefühl.
Keine zehn Minuten später meldete sich die Basis erneut. Die Lander waren tatsächlich zwischen Jara und der Kaserne niedergegangen, irgendwo auf halbem Weg. Eine genaue Ortung war nicht möglich, zu hoch war die Sensorstörung aufgrund der vulkanischen Aktivität. Ihr neuer Auftrag lautete, unbemerkt Informationen über die Söldner zu sammeln, ihren Standort zu ermitteln und erst danach zurückzukehren.
Andrej war nicht erfreut, davon zu hören. Er hielt es für nicht sehr ehrenhaft, sich Informationen zu erschleichen, aber Jara war flexibler in ihrem Denken. Sie legte einen Kurs fest und die beiden Omni-Mechs setzten sich wieder in Bewegung.
Jara ließ ihren Bordcomputer eine Umgebungskarte aufzeigen und schränkte Stück für Stück die möglichen Landeplätze für drei Landungsschiffe ein. Wer gleich drei solcher Brocken auf einem Planeten wie Vulcan zu Boden brachte, wusste nicht nur, was er wollte, er brauchte auch einen geeigneten Ort, der weder tektonisch aktiv war, noch so unwegsam, dass man von dort aus nicht operieren konnte.
Er dauerte zwar einige Zeit, aber schließlich blieben nur zwei mögliche Stellen übrig. Jara übermittelte Andrej die Koordinaten. „Wir erkunden zuerst Navigationspunkt Echo, das liegt näher an unserer momentanen Position. Anschließend stoßen wir zu Navigationspunkt Foxtrott vor. Wir sehen uns die Sache an und wenn wir wissen, wo die Mietkrieger sich aufhalten, treten wir den Heimweg an. Ich rechne nicht mit großen Verteidigungsvorkehrungen. Sie werden so mit Ausladen beschäftigt sein, dass man uns gar nicht bemerkt.“
Der erste Punkt, den sie erreichten, war verwaist. Kein Landungsschiff, keine Mechs. Nichts deutete darauf hin, dass hier Söldner ihrem Tagewerk nachgingen. „Eine halbe Stunde zum nächsten Punkt, Andrej. Beeilen wir uns, dann sind wir in fünf Stunden wieder in der Kaserne.“
„Seyla, meine Streifenführerin!“, gab der Clankrieger zurück und überdeckte nur dürftig die Unzufriedenheit in seiner Stimme.
Das Gelände, das sie durchqueren mussten, wurde schwieriger, je näher sie der möglichen Landezone kamen. Dann, etwa zwei Kilometer vor ihrem Ziel, zeigte ihr Radar einen leichten Kontakt. In dieser Gegend mussten die Sensoren etwas Großes gefunden haben, um es jetzt schon anzuzeigen. Sie befahl ein langsameres Tempo. Zwei weitere Kontakte schlossen sich schnell dem ersten an, leider nur Ortungen ohne präzise Informationen. Die Magnetfelder des Planeten verzerrten die Transponderkennungen ins Unleserliche.
Die beiden grauen Clanmechs schoben sich vor dem grauen Hintergrund der Felsen näher an die Ortungen heran und kamen schließlich auf einer Klippe zum Stehen. Unter ihnen erstreckte sich der Krater eines erloschenen Vulkans, mehrere hundert Meter im Durchmesser, eben im Inneren, ein idealer Landeplatz. Dort, wo sonst nur Eidechsen in der Sonne lagen, herrschte jetzt reges Getümmel.
Die drei Landungsschiffe hatten sich geschickt im Dreieck aufgebaut, schützten dadurch den Aufmarschplatz rudimentär vor Beschuss. Soldaten waren damit beschäftigt, Zelte aufzubauen und ein Feldlager herzurichten, andere entluden immer noch die dickbäuchigen Weltraumgiganten.
Aus einem der Schiffe, einem Overlord, trat gerade ein Highlander in das Licht der Abendsonne. Jara erkannte diesen Mech, sie erkannte die Landungsschiffe und glaubte sogar, einige der aus dieser Distanz winzigen Menschen zu erkennen. Die Chevaliers waren gekommen.
Dann ging alles rasend schnell. Laserbeschuss, Raketen und ballistische Waffen trafen Andrejs Bluthund brutal in den Rücken, zerfraßen seine Panzerung und bohrten sich tief in den Torso des Omni-Mechs. Dann trafen sie den Reaktor und brachten ihr zur Detonation. In einem gleißenden Feuerball vergingen sechzig Tonnen Stahl und Myomere.
Jara warf ihren Waldwolf herum und fuhr die Waffen hoch, während sie gleichzeitig den Vorwärtsgang einlegte. Aber sie sah niemanden. Scheinbar waren sie nicht als einzige unerkannt hier aufgetaucht.
Dann knackte es in ihrer Kommunikation. „Clan-Pilot! Hier spricht Sergeant Miko Tsuno von den Dantons Chevaliers! Sie sind alleine und umstellt. Ergeben sie sich!“
Miko! Vor Jaras Augen verschwamm die Welt. Sie glaubte an Kreislaufversagen, aber dann fiel ihr auf, dass sie weinte.
„Sergeant Miko Tsuno, hier spricht Mechkriegerin Jara vom Wolfsclan. Ich ergebe mich hiermit offiziell!“ Sie deaktivierte ihre Waffen, fuhr den Reaktor herunter und wischte sich die Tränen aus dem Gesicht. Sie war zu Hause.
Ace Kaiser
Vulcan… Der Name war nicht Programm. Was die Chevaliers auf dieser Welt erwartete war keine tektonisch überaktive, junge Welt. Im Gegenteil. Die gleichmäßige Verteilung von Landmassen und Gewässern sowie eine fehlende Tektonik hatte diesen Planeten glatt geschmirgelt. Kaum eine Erhebung ragte über zweitausend Meter hinaus. Den Rest hatten Erosion und Wind über die Jahrmillionen klein gekriegt.
Wälder und Grasebenen dominierten diese Welt, dazu gab es Dutzende weit verzweigte Städte, die sich ganz dem Einfamilienhauswahn ergeben hatten. Sie bedeckten eine relativ große Fläche, hatten aber eine geringe Bewohneranzahl.
Generell war Vulcan recht unterbesiedelt, war aber auch selten Ort galaktischen Interesses gewesen. Früher, in der guten alten Zeit hatten sich wenigstens noch Piraten ab und an für diesen Flecken Erde interessiert. Obwohl die Ressourcen dieser Welt, die sich mit Agrarprodukten und geringem Bergbau über Wasser hielt, nicht wirklich einen Raid lohnten.
Dann waren die Wölfe gekommen, und alles was sich für die Bewohner geändert hatte war, dass der planetare Gouverneur plötzlich zwei Meter vierzig groß war.
Im Jadefalken-Wolf-Krieg hingegen war hier ein wenig mehr los gewesen. In einer Ebene auf dem Hauptkontinent hatten sich beide Fraktionen gegenseitig gestellt und die unbesiedelte Region derart malträtiert, dass dieses Gelände fortan nur noch Death Valley hieß, Tal des Todes.
Und nun, im neuesten Konflikt zwischen Falken und Wölfen, war diese Welt mit ihrem Grenzstatus wieder interessant geworden.

Die Chevaliers waren über einen Piratensprungpunkt in das System gekommen. Gelobt seien Immerndorffs Kenntnisse über die Hintertüren des Wolf-Raumes. Der Geheimdienstoffizier im Dienste von Haus Kell hatte sie sicher in Planetennähe gebracht; die BURBANK würde dort, abseits der üblichen Routen, auf die drei Landungsschiffe der Chevaliers warten, bis ihre Mission vorüber war.
Die Landung war in relativer Ruhe erfolgt. Im Gegensatz zu den übrigen Einsätzen hatte Germaine darauf verzichtet, seine Chevaliers anzukündigen. Stattdessen hatte er einen Talkessel als Lager ausgesucht. Lange wollte er jedoch nicht bleiben, vor allem nicht, weil Vulcan keine Welt des Widerstands war. Alles was er hier wollte war seine Leute wieder raus zu hauen.
Also ließ er ein provisorisches Feldlager errichten und sandte Patrouillen aus.
Schon nach kurzer Zeit kamen die ersten Meldungen der Scoutlanze herein, die von Gefechtsspuren bei Garmad berichteten, einer regionalen Kreisstadt.
Wenig später erreichte Germaine die Meldung, dass die Stadt dem Erdboden gleich gemacht worden war.
Nach und nach fügten sich die Mosaiksteine zusammen. Ein Kontingent Jadefalken hatte einen Batchall über den Besitz dieser Welt ausgerufen. Die örtliche Garnison hatte angenommen, aber sich gegenseitig so weit unterboten, dass sich der Verteidiger die kleine Stadt als Verteidigungsstellung ausgesucht hatte.
So sehr Germaine es nicht gutheißen konnte, ziviles Eigentum zu verschwenden – ja, zu verschwenden – so musste er doch die taktische Leistung des Garnisonskommandeurs anerkennen. Etwas, zumindest.
Während des Rückzuggefechts war eine weitere Wolf-Truppe im System angekommen und hatte um das Recht geboten, am Kampf teil zu nehmen. Notfalls hätten sie gegen die eigene Miliz gekämpft.
Das war den Jadefalken dann wohl zuviel geworden, und sie hatten sich auf der Schwelle des Sieges wieder zurück gezogen.
Germaine brannte diese Nachricht wie Feuer unter den Nägeln! Eine wandernde Wolfseinheit auf einer Welt, auf der er eine ganz bestimmte Truppe erwartete! Wenn es die 17. Reguläre war, dann…

Alarm brandete durch das Mobile Hauptquartier. Germaine wurde aus seinen Gedanken gerissen. Sein Blick ging sofort auf das Umgebungsholo. Dort wurden zwei Wolfseinheiten dargestellt. Ein Bluthund und ein Waldwolf, die sich vorsichtig dem Talkessel näherten.
„Wer ist im Rennen?“
„Sergeant Tsunos Halblanze ist in der Sektion auf Patrouille, dazu eine Lanze Panzer.“
Hastig erhob sich Germaine. „Ich bin in meinem Highlander. Wir können die zusätzliche Feuerkraft gebrauchen, Captain. Und, Juliette, sieh zu, dass du einen oder zwei der Luft/Raumjäger zurückholen kannst. Wenn die beiden Maschinen Berserker werden, brauchen wir jedes Quent Feuerkraft.“
„Verstanden.“ Captain Harris lächelte ihm zu und nickte dabei.

Keine fünf Minuten später saß Germaine in seinem Hinglander, befestigte mit fliegenden Fingern die Anschlüsse, bekam den schweren Neurohelm aufgesetzt und aktivierte die Maschine. Sekunden darauf gab der Mechkokon den überschweren Giganten frei.
Selbst ein Waldwolf würde mit dieser Mühle Schwierigkeiten haben sollen, stellte er in Gedanken grimmig fest.
Er kam zu spät für das eigentliche Feuerwerk, stellte Germaine fest, als das Statussymbol des Bluthund von seinen Anzeigen verschwand. Der Waldwolf verharrte, bange, bange Sekunden lang, und Germaine riss seine Maschine nach vorne, um so schnell wie möglich die Feuerkraft des Highlanders ins Spiel bringen zu können.
„Knav von Sakura!“, klang Mikos aufgeregte Stimme in seinem Helm auf.
„Knave hier. Bericht.“
„Sir, Situation unter Kontrolle. Verbleibender Wolfkrieger hat sich ergeben.“
„Wolfkrieger hat was? Wiederhol das.“
„Wolfkrieger hat sich ergeben. Außerdem bittet er um Aufnahme in den Kriegerrängen der Chevaliers.“
Irritiert stoppte Germaine seinen Highlander. Sie konnten unmöglich so berühmt sein, um sogar in den Wolfsrängen bekannt zu sein. Zumindest nicht so bekannt, dass sich besiegte Wölfe darum rissen, in ihrer Einheit Dienst tun zu dürfen. Und dazu kam, dass er keinen einzigen Wolf persönlich kannte, der einen Waldwolf führte.
„Okay. Der Waldwolf soll alle Systeme abschalten. Der Pilot verlässt die Maschine. Ich bin sofort da.“
Nun erlosch die Signatur des Waldwolfs. Germaine fegte immer noch heran, kam immer näher. Dann öffnete sich eine Luke und der Krieger stieg heraus. Nun, vielmehr die Kriegerin, denn als sie den Neurohelm abschnallte, ergoss sich eine Flut goldenen Haares darunter hervor.
Als die gut proportionierte Frau, die nur Kühlweste und Shorts trug, den Mech herab kletterte, glaubte Germaine für einen Augenblick, er würde noch schlafen und schlecht träumen. Jara?
Himmel, wie zum Henker kam Jara Fokker an einen Waldwolf?
„First Base von Knave.“
„Sprechen Sie, First Base.“
„Ziehen Sie sofort Thomas Fokker zur Basis zurück. Es ist mir egal, wer für ihn da raus geht, aber ich will ihn so schnell wie möglich hier haben.“
„Jawohl, Sir. Was soll ich ihm sagen?“
„Sagen Sie ihm, die Rose der Chevaliers wäre wieder da.“
Die Antwort hörte Germaine schon nicht mehr. Er deaktivierte den Highlander, schnallte sich ab und verließ die überschwere Maschine. Jara und Miko erwarteten ihn bereits am Fuß des Clanmechs. Auch eine Panzerfahrerbesatzung hatte sich mittlerweile dazu gesellt. Deutlich erkannte Germaine das Jara-Tattoo auf der Frontpanzerung.
Als Germaine den Boden berührte, rief jemand ein scharfes Achtung.
Alle gingen ins Stillgestanden, einschließlich Jara.
„Rührt euch!“ Germaine ließ seinen Blick über den unbeschädigten Waldwolf schweifen.
Dann sah er zur Ruine herüber, die einmal ein Bluthund gewesen war. Er aktivierte sein KommSet. „Sanitäter und Bergungstechniker zu mir. Wir versuchen, den Piloten des Bluthundes zu bergen und von der Maschine mitzunehmen, was immer geht.“
Danach taxierte er wieder den Waldwolf. Als sein Blick zu Jara ging, zuckte die junge Frau etwas zusammen. „Deiner?“
Sie nickte, unfähig etwas zu sagen.
„In die Kriegerränge aufgestiegen?“
Wieder nickte sie nur.
„Und dann kapitulierst du einfach? Was sagt denn deine Clansehre dazu?“
Sie räusperte sich vernehmlich, bevor sie antworten konnte. „Mit Verlaub, Sir, aber die Clansehre kann mich mal! Erstens steckte ich in einem Hinterhalt, den ich nicht überleben konnte, und zweitens bin ich lieber bei meinen Chevaliers als bei den Wölfen!“
Ein flüchtiges Lächeln huschte über Germaines Züge. Dann trat er vor Jara und hob vorsichtig ihr Kinn an. „Bist ein wenig blau geprügelt, hm?“
„Das tägliche Training war hart, Sir!“
„Was ist mit Gordon und Caprese?“
„Seit ich Mechkriegerin wurde, konnte ich nicht mehr mit ihnen zusammentreffen, Sir. Aber ich weiß, dass sie als Techniker eingesetzt werden und noch leben.“
„Gut.“ Wieder sah Germaine den Waldwolf hinauf. Dann tätschelte er Jara wie einem kleinen Mädchen den Kopf. „Eine hervorragende Leistung, Sergeant Fokker.“
„Mit Verlaub, Sir…“
Ein wenig entsetzt zog Germaine seine Hand zurück.
„Das meine ich nicht, Sir. Aber Lieutenant Wolf hat mich im Feld zum Second Lieutenant befördert, als der Wolfsclan uns gefangen nahm.“ Hoffnung blinzelte in ihren Augen. „Also, ich…“
„Dann gute Arbeit, Lieutenant Fokker. Bringen Sie Ihren Waldwolf rein. Übrigens habe ich Ihren Bruder zurückbefohlen. Er dürfte bald eintreffen. Ach, und lassen Sie sich als erstes vom Chefarzt durchchecken. Ich weiß, dass die Clans manchmal rau genug sind, um einen Anbruch zu übersehen. Verstanden?“
„Ja, Sir!“
„Und jetzt los.“
Germaine sah dabei zu, wie Jara wieder ihren Mech erklomm. Dann spürte er eine warme und weiche Hand auf seiner Schulter. „Zufrieden?“, hauchte Miko ihm ins Ohr.
„Fast. Einen haben wir geschafft, zwei müssen wir noch.“ Seine Hand glitt über Mikos Rechter. „Ich will nie wieder jemanden in Stich lassen müssen, der mir etwas bedeutet.“
„Ich weiß“, erwiderte sie.
„Und vor allem dich niemals.“
„Ich weiß“, sagte sie, diesmal um etliches zufriedener.
***
„Gentlemen. Wir sind spät dran. Der 17. Cluster befindet sich bereits wieder auf dem Weg ins All. Offenbar wurde Mechkrieger Jaras Patrouille als Verlust abgeschrieben. SternColonel Onyx jagt lieber den Falken hinterher, die diese wunderschöne Welt angegriffen haben. Aber wir werden ihnen nicht sofort folgen.“
Die anwesenden Offiziere sahen den Chef mit Unglauben an.
„SternColonel Onyx hat damit begonnen, die Opfer der Schlacht um Garmad zu versorgen, Zeltstädte zu errichten und dergleichen. Dann hat er abgebaut und ist weiter geflogen.
Wir werden für mindestens vier Tage diese Arbeit vollenden und einen Teil der Vorräte hier lassen, die für eine Widerstandsgruppe auf dieser Welt gedacht waren. Ich weiß, da draußen sind immer noch zwei Chevaliers in der Gewalt der Wölfe, und ich will sie wiederhaben, genau wie ihr. Aber unser Kontrakt mit Herzog Kell verpflichtet uns, diesen Menschen wenigstens ein Minimum an Hilfe zu leisten. Im Gegenzug habe ich die nächste Etappe des Clusters in Erfahrung bringen können. Wir müssen also nicht lange suchen, wo wir Onyx stellen werden.“ Germaine sah in die Runde. „Ausführung, Chevaliers!“
eikyu
Die schnellste Möglichkeit Material von A nach B zu bringen waren die beiden Helis. Und deshalb wurden diese genutzt um aus den anderen Städten ,die weiter weg lagen, benötigtes Material zu holen.
Arbeitstrupps kamen aus den anderen Städten, brauchten aber noch einige Zeit bevor sie hier ankamen und mit den Wiederaufbau beginnen konnten. Zudem musste man auch Unterkünfte für diese bereit stellen.
Aus dem Karnov holte man Baumstämme und Bretter für die Barracken, während aus dem Cavalry zwei Brennöfen und Unmengen an einfachen Etagenbetten gebracht wurden.
Das Frettchen, ein fünf Tonnen leichter Allzweckhubschrauber, brachte eine Palette mit knapp einer Tonne Beton, der noch in Pulverform in Säcken verpackt war.
Überall wurde gearbeitet und es gab auch schon die erste gute Nachricht: das Abwasserrohrsytem und die Wasserspeicher unter der Stadt waren noch intakt. Man musste also theoretisch nur den ganzen Schutt abräumen und konnte dann am gleichen Platz eine neue Stadt errichten, und genau das war auch geplant.

Die Chevaliers wiederum kümmerten sich primär um die derzeit heimatlose Stadtbevölkerung, welche noch in Zelten in insgesamt zwei Lagern untergebracht waren. Sie sorgten in den Lagern für Ordnung, fingen an Schutt weg zu räumen...Hilfsarbeiten halt, bis die eigentlichen Arbeiter aus den anderen Städten ankamen.

"Autsch..."fluchte Dominik. "Mistverdammter...das war mein Finger..."
"Was n los?" fragte der Gehilfe.
"Hab nicht schnell genug meine Finger weg bekommen, als du die Tür eingesetzt hast"
"Selber Schuld..." meinte der Gehilfe und streckte Dominik gegenüber die Zunge heraus.
"Ja, ja, wer den Schaden hat...muss für den Spott nicht sorgen..." fluchte Dominik.
"Na, dann lass uns doch mal ne Pause einlegen" schlug der Gehilfe vor und zog prompt seinen Tabakbeutel hervor um sich eine Zigarette zu drehen.
"Pause? Bist du verrückt? So lange es hell ist gibt es keine Pause, ausser die Mittagspause und die ist gerade mal eine Stunde her. Also los...weiter..." dabei zeigte Dominik auf die zweite Barracke die noch im Bau war.
"Nö...ich mach erstmal ne vernünftige Pause. Bin ja nicht hier um mich tot zu schufften."
"Meinst du mir gefällt das hier? Ich hab mit den Ganzen hier nichts zu tun. Mir kann das alles hier egal sein. Ich habe keine Familie hier, so wie du, die gerne schnell ein festes Dach über den Kopf haben möchte.
Aber trotzdem gebe ich Alles um Euch zu helfen."
Da Dominik merkte das er mit seinen jugendlichen Gehilfen nicht weiter kam sagte er zum Abschluss nur noch:"Ist dein Ding"
Danach ging er zur zweiten Barracke um dort zu helfen, trotz das seine Finger ihm noch immer etwas weh taten.
Der Gehilfe jedoch blieb noch vor der ersten Barracke stehen rauchte in ruhe zu ende, und drehte sich dann die zweite Zigarette. Bevor er diese aber anzünden konnte sah er eine Blondine auf sich zu kommen.
In ihren schwarzen Druckanzug sah sie schon etwas fehl am Platze aus.
Der Gehilfe beobachtete sie einfach nur neugierig wie die Kleine da auf ihn zu kam.
Sie blieb etwa einen halben Meter vor ihm stehen, zeigte erst auf ihn, dann auf die zweite Barracke.
"Ich soll arbeiten? Nö...hab im Moment keine Lust."
Die Blondine schüttelte verneinend den Kopf und deutete auf sie beide und dann auf die zweite Barracke. Doch der Gehilfe blieb locker: "Ne, geh du mal alleine. Ich schau euch ein wenig zu, wie ihr das so macht...autsch...mein Ohr...aua...das tut weh...argh....ich komme ja schon mit...mein Ohr...au..."
Nach seiner zweiten ablehnenden Antwort hatte die Blondine blitzschnell das eine Ohr des Gehilfen gepackt und zog ihn daran zur zweiten Barracke wo er auch schon von Dominik erwartet wurde.
"Ah da bist du ja, sehr schön das du es dir noch anders überlegt hast und uns nun hilfst." sagte er fröhlich, während er der Blondine gegenüber dankend zu nickte.
Diese drehte sich um und ging wieder.
"Verdammt mein Ohr...oh...wenn ich diese Schlampe erwische...der werd ichs zeigen..."fluchte der Gehilfe.
"Ich glaube nicht das du ihr etwas zeigen wirst. Ganz im Gegenteil...wenn sie dich nochmal erwischt, wie du hier einfach nur rum stehst, wird sie dich durch die ganze ehemalige Stadt prügeln. Sieh mich nicht so an...du wiegst keine zweihundet Kilo, wie der Elementar mit dem sie seit Monaten den Nahkampf übt..."
"Das ist ja Sklaverei."
"Nein. Du hast dich freiwillig zur Arbeit gemeldet. Und wenn du keine Lust hast, so kannst du auch den Arbeitsbereich verlassen und in den Lagern rum liegen. Nur im Arbeitsbereich einfach rumfaulenzen...das geht nicht. Das stört und untergräbt die Arbeitsmoral der Anderen."
"Naja...im Lager kann ich auch nicht sein...da wartet nur meine nervige Familie auf mich...also arbeite ich lieber... ."
Der Gehilfe war erst 16, deshalb konnte Dominik ihn gut verstehen. Die Arbeit gab ihn eine Fluchtmöglichkeit...
Thorsten Kerensky
„Chevaliers-Bodenkontrolle, hier Waldwolf Alpha Eins, kommen!“
„Waldwolf Alpha Eins, hier Chevaliers-Bodenkontrolle. Ich höre sie klar und deutlich und empfange ihr Signale bei Navigations-Punkt November, kommen!“
„Das ist korrekt. Ich erbitte Einmarschfreigabe und Stellplatzzuweisung, kommen!“
„Waldwolf Alpha Eins, Einmarschfreigabe erteilt, ihr Stellplatz wird in ihre Navigationsdaten geladen, kommen!“
„Danke Bodenkontrolle, ich sehe es auf dem Schirm. Waldwolf Alpha Eins Ende.“
Jara schloss den Kommunikationskanal und steuerte ihren Waldwolf langsam auf der zugewiesenen Route auf den Eingang zum Feldlager der Chevaliers zu. Die Sonne begann unterzugehen, aber sie fühlte sich nicht müde. Nach den Härten und den Entbehrungen des Clan-Trainings empfand sie sogar den kraftzehrenden 40-Stunden-Marsch, den sie gerade hinter sich gebracht hatte, als leichte Übung.
Im Gegensatz zu der militärischen Funkabsprache mit der Bodenkontrolle erweckte das Auftauchen des fünfundsiebzig Tonnen schweren Clan-Omni-Mechs im Lager doch rege Betriebsamkeit aus. Jeder, der gerade nichts zu tun hatte, schien aus irgendeinem Gebäude zu laufen, um die heimkehrende Rose der Chevaliers zu bestaunen. Jeder Schritt des Giganten löste kleine Beben aus, die Bemalung im Grau des Wolfsclans wirkte hier reichlich fehl am Platz, aber dennoch jubelten ihr einige der herbeigeströmten Söldner zu.
Aus dem Licht der Abendsonne trat ihr Mech in das kühle Dunkle eines Landungsschiffes und schmunzelnd stellte die junge Pilotin fest, dass sie genau neben dem Marodeur von Mulgrew einparken sollte. Der Marodeur hatte dem Waldwolf als Vorlage gedient und war damit eine Art „Vater“ der Clan-Maschine.
Geschickt und ruhig manövrierte sie den Koloss in den Wartungskokon und fuhr die Systeme herunter. Den hochsensiblen Neurohelm nahm sie ab und hängte ihn an den dafür vorgesehen Platz, noch ehe sie sich losschnallte und die Anschlüsse an ihrer Kühlweste löste. Dann erst entriegelte sie das Cockpit und erhob sich aus der Pilotenliege.
Als sie aus dem Cockpit in die Kühle des Hangars trat, verharrte sie einen kurzen Augenblick und ließ den vertrauten Geruch, die so lange vermissten Sinneseindrücke auf sich wirken. Als sie sich schließlich umsah, bemerkte sie eine kleine Gruppe, die sich am Fuß des Waldwolfes gesammelt hatte. Ihr Bruder stand dort, Sheila natürlich, aber auch van der Roose, der Infanterieoffizier, der ihr dank Dawn ein guter Freund geworden war, und der Master Sergeant der Chevaliers, Decius Metellus.
Die blonde Frau winkte grinsend hinunter und schwang sich auf den Wartungslift, um zum Hallenboden zu gelangen. Dort stürzte ihr als Erste Sheila Kree entgegen und fiel ihr um den Hals. „Das wurde aber auch Zeit, Jara!“, brachte sie vor, den Tränen nahe. „Ich habe Bier kalt gestellt, als ich gehört hab, dass du wieder da bist!“
Jara grinste und erwiderte die Umarmung. „Ich werde später darauf zurückkommen. Ich befürchte aber, ich habe jetzt erst einmal zu tun.“
Sheila nickte und ließ sie los, um Thomas Platz zu machen, der seine Schwester kurz von oben bis unten musterte. „Du bist erwachsen geworden, kleine Schwester!“ Er wirkte auf seine Art und Weise erleichtert und froh. „Geht’s dir gut?“
Jara lachte auf. „Mir ging es nie besser.“
„Der Doc erwartet dich unten. Soll ich gleich mitgehen?“
„Das wäre schön. Dann kannst du mich auf den aktuellen Stand bringen.“
Thomas nickte. „Dann geb ich dich erst einmal weiter“, grinste er.
„Schön, dass du wieder da bist“, übernahm van der Roose das Staffelholz für ihn. „Ich hatte Dawn geschrieben, was passiert war. Sie ist außer sich vor Sorge. Jetzt kann ich ihr endlich gute Nachrichten schicken. Jara…“ Er zögerte. „Das Baby ist da und Dawn möchte, dass du Patin wirst.“
Gerührt nickte die junge Frau. „Danke, Markus. Ich werde ihr einen Brief schreiben, sobald ich Zeit habe.“
Metellus räusperte sich vernehmlich und unterbrach damit das freundschaftliche Wiedersehen. Dann reichte ihr der Master Sergeant die Rechte. „Lieutenant Jara Fokker, ich bin froh, sie wieder bei den Chevaliers begrüßen zu dürfen! Und ich spreche nicht nur für mich, sondern für die gesamte Einheit. Nichtsdestotrotz erwartet sie Doktor Fleischer umgehend und danach melden sie sich bitte bei MasterTech Simstein und bei Cindy. Sie müssen ihren neuen Besitz bescheinigen lassen und eine Verwendungsregelung für ihre beiden Maschinen treffen. Sie gehören ja jetzt zu den Wohlhabenden in dieser Einheit, wie es scheint.“
Jara sah ihre „Spieß“ völlig verdutzt an. Daran hatte sie noch gar nicht gedacht. In der Tat gehörten ihr jetzt zwei Clan Omni-Mechs. Das war ein gewaltiger Reichtum. Sie schluckte. „Jawohl, Master Sergeant.“
„Lieutenant, wenn sie Sorgen, Nöte und Ängste haben, wenden sie sich bitte an mich, Father O’Hierlihy oder an ihre Freunde. Und ich gehe einfach davon aus, dass ihr Wissen über die Clans bald an uns weitergegeben wird?“
„Jawohl. Ich werde einen Unterricht zu dem Thema vorbereiten, wenn sie möchten.“
„Gut. Dann treten sie jetzt weg und gehen sie zum Arzt!“
Jara salutierte knapp. Jeder andere Chevalier hätte vermutlich geseufzt, aber sie freute sich lieber über den lockeren Umgangston bei den Söldnern. Hier benutzte sogar jemand das Wort „bitte“…

„Ah, Miss Fokker!“, begrüßte der bullige Arzt die junge Frau. „Es freut mich, sie wiederzusehen. Wie fühlen sie sich?“
Jara streifte die Kühlweste ab und öffnete ihren BH. Sie kannte das Prozedere bei einem kompletten Check-Up. „Ich fühle mich gesund und dienstfähig, danke.“
Fleischer sah sie aus dem Augenwinkel an, während er ihre Krankenakte aufschlug. „Ich hatte mehr als Bekannte gefragt, denn als Arzt. Aber nun gut, dann gehen wir eben direkt ans Werk. Hatten sie bei den Wölfen irgendwelche Krankheiten, Verletzungen, et cetera?“
Er legte ihre Unterlagen weg und begann, den schlanken Körper der jungen Frau abzutasten und zu begutachten. „Ein paar blaue Flecken, einen Armbruch, Schnitt- und Splitterwunden. Nichts Schlimmes.“
Der Arzt hob eine Augenbraue. „Wenn sie das sagen. Ich würde eher sagen, man hat sie ziemlich durch die Mangel gedreht.“
„Es ist nicht ganz einfach, sich bei den Clans zu behaupten. Sie werden aber feststellen, dass alle meine Verletzungen gut verheilt sind.“
Während er etwas in sein DataPad eintippte, nickte der Chirurg. „Möchten sie ihre gynäkologische Untersuchung direkt mit erledigen lassen? In wie fern wurde bei den Wölfen auf so etwas geachtet?“
„Können wir dafür einen Termin machen? Ich bin heute ein wenig in Eile, irgendwie möchte jeder irgendetwas regeln, da muss mein Kinderwunsch noch einen Tag warten.“
„Selbstverständlich. Kommen sie doch morgen einfach rein. Dann wären wir fürs Erste auch schon fertig.“
Die blonde Frau stand auf und zog sich das bisschen Kleidung, was sie hatte ablegen müssen, wieder an. „Und?“
„Ich sehe keinen Grund, sie vom Dienst zu befreien. Schonen sie sich ein wenig, damit die blauen Flecken verschwinden und geben sie mir die nächsten zwei Wochen einen neuen Nachweis ihrer Fitness rein. Und wenn sie noch Beschwerden haben, wissen sie ja, wo sie mich finden.“
Jara nickte. „Dankeschön. Dann sehen wir uns morgen. Auf mich wartet jetzt eine Dusche, einen schönen Tag noch.“ Sie lächelte. „Und meinen Glückwunsch zu ihrem Gynäkologie-Abschluss.“
Fleischer grinste sie an. „Danke, Miss Fokker. Es hat mich genug Zeit gekostet. Einen schönen Tag noch.“

„Völlig inakzeptabel!“, blaffte Jara. „Ich habe den Waldwolf erbeutet, das Besitzrecht an der Maschine gehört mir.“ Wütend funkelte sie Cindy an und beobachtete frustriert, wie ihre Argumente an der Beherrschung der Verwalterin abprallten.
„Die Regelungen sind hier ganz eindeutig. Sie haben sich den Chevaliers ergeben, damit gehört der Waldwolf der Einheit.“
Die blonde Frau schnaubte. „Wäre es denn besser gewesen, wenn ich gekämpft hätte? Außerdem war das nur eine Formsache. Ich bin zurück und steigere durch einen weiteren intakten Omni-Mech die Einsatzbereitschaft der Chevaliers. Und als Lohn bekomme ich gar nichts?“
Hilflos und mit mühsam erzwungener Geduld setzte Cindy erneut an: „Es gibt klare Richtlinien für das Verhalten in solch einem Fall. Die Einheit hat weder Mühen noch Kosten gescheut, um sie zurückzuholen und ein Mech ist ein geringer Preis für ihre Freiheit.“
„Freiheit! Das ist absurd. Ich war bei den Wölfen wenigstens frei genug, um einen Mech behalten zu dürfen, den ich ehrenhaft gewonnen habe. Und wenn wir uns in Details verstricken wollen, erklär mir zuerst, warum eine andere Kriegerin meinen Puma gesteuert hat ohne mein Wissen!“
„Laut ihrem Vertrag mit den Chevaliers steht es dem Kommandanten in solch einem Falle frei, ihren Mech einzusetzen, bis der Besitzer ihn zurückfordern kann.“
„Stravag!“, entfuhr es Jara. „Verträge, Kontrakte, Paragraphen! Es ist nicht gerecht!“
Gerade, als Cindy etwas erwidern wollte, ging die Bürotür auf. „Meine Damen, man hört das Geschrei durch das gesamte Landungsschiff!“, grollte Germaine. Schlagartig verstummten die beiden Frauen und sahen ihn hoffend oder, in Jaras Fall, trotzig an. „Worüber wird sich hier so aufgeregt?“
Jara überließ der Bürofrau das Antworten. „Miss Fokker ist der Meinung, ihr würde ein Besitzrecht am geborgenen Waldwolf zustehen. Ich habe lediglich versucht, ihr die Regelungen für die Besitzrechte an Beutemaschinen zu erklären.“
Der Major runzelte die Stirn. „Lieutenant, möchten Sie dazu auch etwas sagen?“
Die junge Kriegerin verschränkte die Arme vor der Brust. „Ich kann nicht begreifen, dass ich der Einheit diese Kampfkraft intakt zur Verfügung stelle und dafür mit leeren Händen dastehe. Ich fühle mich bei der angestrebten Besitzregelung übergangen.“
„Und dafür machen Sie keine fünf Stunden nach ihrer Offiziersbeförderung so ein Theater? In mein Büro!“
Jara kniff die Zähne zusammen, um keinen Widerspruchstest zu fordern und nickte nur.
Germaine raffte die Besitzurkunden von Cindys Schreibtisch, signalisierte ihr hinter Jaras Rücken ein ‚Alles O.K.!‘ und verschwand mit der jungen Blondine im Schlepptau in seinem Büro.
Kaum hatte er hinter seinem Schreibtisch Platz genommen, als er Jara aufforderte, sich ebenfalls zu setzen.
„Ich möchte lieber stehen“, kam die Antwort.
„Das hier könnte länger dauern“, gab der ältere Soldat zu bedenken.
Zögernd zog sich Jara einen Stuhl heran und setzte sich.
„Ich verstehe deinen Standpunkt, Jara. Ich verstehe ihn nur zu gut. Was ich nicht verstehe ist, warum du und Cindy euch derart infantil aufführen müsst. Ich erwarte von meinen Offizieren ein angemessenes Verhalten. Unnötig zu sagen, dass ich mir das SO nicht vorstelle. Ist das verstanden?“
„Ja, Sir!“
„Seit wann sind wir wieder beim Sir?“
„Entschuldigung. Ich bin derart … entspannten Umgangston nicht mehr gewöhnt.“
„Schon okay. Widmen wir uns lieber dem eigentlichen Problem, denn ich habe nicht so viel Zeit. Was hast du erwartet?“
Jara überlegte kurz, ehe sie antwortete, entschied sich dann aber dafür, bei der Wahrheit zu bleiben. „Für mich ist die Situation klar: Ich habe den Waldwolf von den Wölfen erbeutet. Ich habe einen Besitztest für die Maschine bestritten und den Mech schon erfolgreich im Kampf geführt. Meine Kapitulation von den Chevaliers war ein rein symbolischer Akt und hat die Ressourcen der Chevaliers nicht nur geschont, sondern durch das Mitbringen des Waldwolfes sogar aufgestockt. Es ist also für mich ganz klar, dass ich das alleinige Besitzrecht an der Maschine bekommen müsste.“
Man konnte spüren, wie Germaine sich seine Worte sorgfältig zurechtlegte, ehe er schließlich antwortete: „Ich verstehe deine Position. Aber wenn ich dir vorrechne, welche Ressourcen die Einheit aufgewendet hat, um dich zu retten, würdest du unsere Position verstehen. Selbst wenn man diese Aufwendungen durch drei oder sogar durch fünf teilt, schuldest du den Chevaliers mehr als einen kleinen Gefallen. Und jeder Söldnerrichter wird dir bestätigen, dass du rein rechtlich keinen Anspruch auf den Waldwolf hast.“
Jara wollte aufspringen, aber Germaine hielt sie mit einer Handbewegung zurück. „Ich mache dir ein Angebot, weil du der Einheit in der Tat geholfen hast und weil du es dir verdient hast: Du erhältst 50% Besitzrecht am Waldwolf. Dafür überschreibst du den Chevaliers 25% des Pumas. Die restlichen 50 und 25% behalte ich ratenweise von deinem Sold und deinen Prämien ein. Dann gehören dir früher oder später beide Maschinen komplett. Im Gegenzug gestattest du es mir, den Waldwolf mit einem anderen Mechpiloten ins Feld zu schicken.“
„Nein, das geht nicht“, gab die junge Frau zurück.
„Das geht nicht? Das ist ein unglaubliches Angebot und garantiert mein letztes.“
„Das geht nicht, weil ich den Waldwolf selber führen möchte. Yamada kann dann weiter auf dem Puma kämpfen.“
Der Major grinste. „Abgemacht. Ich werde dann die Details ausarbeiten und du kannst dir den Vertrag durchlesen, bevor du unterschreibst, falls dir noch etwas auffallen sollte.“
„Sir? … Ich meine … Germaine?“
„Ja, Jara?“
„Ich möchte mich für die Führung einer Lanze bewerben und mein Offizierspatent so schnell wie möglich offiziell erlangen.“
„Das freut mich. Mit der Lanze ist es vielleicht noch etwas früh. Bei dem Offizierspatent werden wir sicher etwas machen können. Ich denke, jeder Stabsoffizier der Chevaliers wird dir gerne mit Rat und Tat zur Seite stehen. Und wenn das alles war … haben wir beide noch zu arbeiten, Lieutenant!“
„Ja, Sir, danke!“ Jara stand auf und salutierte knapp, ehe sie Germaines Büro zufrieden und gelassen verließ.
Ace Kaiser
One down, two to go, das war die Devise der Chevaliers bei der Jagd nach dem 17. Regulären Wolfscluster, ihren Anführer SternColonel Onyx und die beiden Chevaliers in seiner Gewalt, die Sergeants Caprese und Gordon, die sie unbedingt wieder in den Schoß der Einheit holen wollten.
Es juckte Germaine Danton, so schnell wie möglich aufzubrechen und den verdammten Wölfen zu folgen, gerade jetzt wo Jara wieder zurück gekehrt war und einen stattlichen Waldwolf als Beute mitgebracht hatte, hatte die Einheit einen enormen Motivationsschub erfahren. Die Gelegenheit war günstig wie nie.
Aber Germaine war nicht mehr der alte Berserker, der alte Rächer, der alles und jedem seinem Ziel unterordnete. Er hatte nun eine relativ weitläufige Familie mit vielen Brüdern, Schwestern und einer Menge Töchtern und Söhnen, auf die er achten musste. Ein wenig machte ihm diese neue Einstellung Angst, die sich seit dem Zerfall der Bulls in seine Gedanken geschlichen hatte, aber er akzeptierte sie, ebenso wie er die Tode und die Verwundungen der einzelnen Chevaliers auf ihrem langen gemeinsamen Weg akzeptieren musste.
Nicht sofort weiter zu laufen bedeutete aber auch zu helfen, und hier musste geholfen werden. Der Kleinkrieg zwischen Jadefalken und Wölfen auf Vulcan war hart gewesen, lokal begrenzt, hatte aber dennoch Not und Elend über viele Menschen gebracht. Also hatte sich Germaine dazu entschlossen, ein Notlager zu errichten und die Pioniere in die nahe Stadt zu hetzen, um wenigstens die Zufahrtswege wieder frei zu kriegen. Dabei waren erstmals die neuartigen Schwerlaststraßenmatten zum Einsatz gekommen. Diese Fragmente, fünfhundert Teile mit jeweils zehn Metern Länge, bildeten mitten im Kern der Trümmer ein sicheres Straßennetz, über das der Schutt leicht abtransportiert werden konnte.
Der Major hatte den Einsatz selbst limitiert. Wenn die avisierten Vorräte für die Zivilisten entladen waren, wenn die Hauptstraßen vom Gefechtsschutt befreit waren, dann würden sie wieder aufbrechen. Und das war in wenigen Tagen der Fall. Wenn nichts dazwischen kam.

„Knave von First Base“, klang Juliettes Stimme auf, und Germaine ermahnte sich in Gedanken dafür, dass er die alte Regel der Söldner durchbrochen hatte, niemals etwas negatives zu denken, weil es dann garantiert eintraf. Er drückte einen Knopf an seinem KommSet. „Sprechen Sie, First Base.“
„Sir, wir haben Berichte der Zivilisten über einen mittelschweren Garnisonsstern der Wolfsmiliz. Erbitte Erlaubnis, einen Erkunder los zu schicken.“
„Erlaubnis erteilt. Archangel soll ein paar Leute für Sneaker abstellen. Sneaker bringt sie näher ran, hält sich aber zurück.“
„Verstanden.“
„Haben wir Hinweise auf ihre mögliche Richtung und AZ?“
„Ankunftszeit wird geschätzt auf acht Stunden.“
Germaine seufzte leise. „Jemand soll Sparrow auf ihren Waldwolf hetzen. Außerdem soll die Kommandolanze aktiviert werden. Sparrow wird ihr locker angegliedert. Und Pilum soll seine Lanze voll aktivieren. Ich brauche außerdem zwei Scoutschweber, die sich die Region zwischen uns und dem Gegner ansehen. Wir brauchen eine gute Verteidigungsstellung, an der wir sie stoppen können. Nichts könnte für uns schlimmer sein, als das sie durchbrechen und im Lager ein Massaker veranstalten. Wir stellen sie und wenn es sein muss vernichten wir sie. Der Rest bleibt auf erhöhter Wachsamkeit.“
„Verstanden. Gibt es einen besonderen Grund dafür, dass du Schlag- und Kommandolanze raus schickst?“
Germaine lächelte dünn. „Die haben die wenigste Übung, und Sergeant Rowan hat mich neulich erst um ein wenig Praxis gebeten.“
„Verstanden. Ich lasse deinen Highlander bereit machen, Germaine.“
„Danke. Bin auf dem Rückweg.“ Germaine deaktivierte die Verbindung. „Lieutenant van der Roose!“
„Sir!“
„Wir kriegen Besuch, versuchen ihn jedoch lange vor dem Lager abzufangen. Halten Sie trotzdem die Augen auf und ansonsten sorgen Sie dafür, dass das Lager eine ordentliche Verwaltung bekommt, welche die Hilfsgüter gerecht verteilt. Haben Sie ein Auge auf Umgehungsangriffe. Und bereiten Sie sich darauf vor, Doktor Malossi und seinen Stab notfalls zu evakuieren.“
„Verstehe, Sir. Ich nehme an, Sie gehen mit raus?“
„Ich gehe mit raus. Sie haben hier jetzt das Kommando.“
„Verstanden, Sir. Viel Glück.“
„Ihnen auch. Ich muss Ihnen ja wohl nicht sagen, dass Sie als junger Vater gerade vorsichtig sein müssen, oder?“
Van der Roose lächelte. „Nein, Sir, das müssen Sie nicht.“
„Weitermachen, mein Junge.“
Mit einem Bereitschaftswagen verließ Germaine das Lager.
***
„Spinnt der, oder was?“, klang Jaras aufgebrachte Stimme auf. „Unter Onyx hätte der Kerl längst schon einen Positionstest absolvieren müssen! Was ist das denn für eine Marschformation? Wieso nutzt er nicht den Wald im Westen als Deckung? Und wieso hält sich sein ArtillerieMech nicht hinten? SernCaptain Marcus hätte so einen Surat längst selbst erschossen!“
„Auch für Begriffe der Inneren Sphäre, Lieutenant Fokker“, klang Germaines amüsierte Stimme auf, „verlässt sich der gegnerische Kommandeur zu sehr auf die vermeintliche Überlegenheit der Clan-Technologie. Aber dies ist nicht länger 3050, und wir haben dreimal so viele Tonnage wie er.“
„Tschuldigung, Sir“, murmelte Jara betreten. „Man gewöhnt sich halt einiges an.“
„Es gibt auch bei den Chevaliers einiges zu lernen, zum Beispiel, wie man einen ordentlichen Batchall abhält. Pilum, halte die Stellung.“
„Roger.“
Germaine zündete die Sprungdüsen, um den kleinen Hügel hinab zu springen. Auf den Anzeigen der Wölfe musste er nun wie ein Leuchtfeuer erscheinen, obwohl er noch über drei Klicks entfernt war. Der Mech landete mit nachfedernden Knien, und Germaine wählte eine offene Frequenz aus. „Ich bin Major Germaine Danton von den Dantons Chevaliers. Wolfskrieger, stoppen sie ihre Maschinen und erklären sie den Grund ihres Hierseins!“
Die Reihe der fünf Clansmaschinen, Mad Dog, Fenris, Natter, Nova und Uller, erstarrte. Dann trat der Mad Dog vor. „Hier muss niemand etwas erklären, Surat! Du bist nur ein ehrloser Söldner und kein echter Krieger!“ Der Mad Dog feuerte auf Maximaldistanz die Extremreichweiten-PPK ab. Germaine wich nicht einmal aus. Die Distanz war zu groß, um ihn überhaupt annähernd zu treffen, geschweige denn ihm gefährlich zu werden.
„Du verschwendest Ressourcen, Wolf. Außerdem ist ein Kampf nicht notwendig. Die Jadefalken sind bereits wieder abgezogen, und der einzige Grund, warum wir nicht schon ebenfalls abgeflogen sind, ist der, dass wir dabei sind ein Flüchtlingslager aufzubauen. Du bist herzlich eingeladen, dich an den Anstrengungen im Bemühen um die Bewohner dieser Welt zu helfen, Wolfskrieger.“
Das Geräusch, das der andere machte, konnte man am ehesten mit hochziehen und ausspucken beschreiben. „Ich bin SternCaptain Bredak, Freigeburt, und ich spucke auf dich und deinen genetischen Abschaum! Du bist auf meiner Welt gelandet, und die wird dein Grab werden! Angriff!“
„SternCaptain Bredak, ich bitte dich nachdrücklich im Andenken an den Sternenbund, uns nicht zu attackieren. Unsere Intervention ist nicht militärischer Natur!“
Die Wolfsmaschinen setzten sich in Bewegung, aber es war bezeichnend, das alle das Tempo des Mad Dog hielten. Eine Reaktion darüber hinaus erfolgte nicht. Germaine seufzte erneut. „Pilum, bereit halten für Umschließungsangriff. Kommando-Lanze, zu mir aufschließen.“
Der Black Hawk, der Archer, der Nightstar und der Waldwolf liefen oder sprangen bis zu seiner Position vor. Mittlerweile waren die Wölfe auf einen Klick heran.
„Primäres Ziel ist der Mad Dog. Archon, Prince, Feuer Frei nach eigenem Ermessen. Sparrow, bereit halten für Unterstützungsfeuer.“
„Verstanden!“
„Und was ist mit mir, Major? Haben Sie keine Verwendung für mich?“, fragte die Verbindungsoffizierin ein wenig enttäuscht.
„Ruhig Blut, Elegy. Wenn die drei unsere neuen Freunde nicht aufhalten können, kriegen wir beide mehr zu tun als uns lieb ist.“
„Prince feuert“, meldete Brenstein und schoss seine linke Gausskanone ab. Die Kugel ging treffsicher in den Torso.
„Archon feuert!“, rief nun auch Bauer, und feuerte seine vom Feuerleitsystem gesteuerten vierzig Langstreckenraketen auf den Mad Dog ab.
Multiple Explosionen bedeckten den Mech, sprengten Panzerung ab und vernichteten die rechte Schulterlafette, lange bevor der Clansmech einen Schuss abgab.
Wieder feuerte Brenstein die linke Gauss, fiel aber nun auch mit der rechte ein und setzte mit seiner PPK einen obendrauf. Die Wirkung war verheerend, und sie wurde abgeschlossen, als der Mad Dog mehr taumelte als lief die achthundert Meter-Marke unterschritt, und in eine volle Salve des Archers geriet. Die Maschine schüttelte sich und fiel dann vornüber.
Dies war das Zeichen für die anderen Wolfsmechs, anzuhalten.
„Feuer einstellen“, befahl Germaine. „Pilum auf Bereitschaft, keine Aktion.“
„Verstanden.“

Nach einiger Zeit öffnete sich das Cockpit des Mad Dog. Ein auf den ersten Blick unverwundeter Krieger kam hervor. Heftig gestikulierte er in Richtung der Chevaliers und unterstrich seine Worte mit diversen Gebärden und eindeutigen bedrohlichen Handbewegungen.
Daraufhin trat der Nova einen Schritt näher heran und feuerte einen M-Laser auf den SternCaptain.
„Ich rufe Major Germaine“, klang die Stimme einer Frau auf.
„Germaine Danton hier. Ich höre.“
„Ich bin StrahlCommander Syren. Ich habe soeben SternCaptain Bredak aufgrund seiner Unfähigkeit und seiner Verschwendungssucht an Mensch und Material exekutiert.“
„Es freut mich, dass Sie die Situation ebenso einschätzen wie ich, SternCaptain, Syren.“
„Was? Neg, Freigeborener. Ich rücke nicht automatisch auf die Position des toten Bredaks auf. Das war auch nicht meine Absicht. Im Gegenteil. Wir werden die Überreste des Bluthundes hier als Isorla für Ihre Einheit zurücklassen. Darüber hinaus sehe ich keine Ehre darin, diesen Kampf fortzusetzen – außer Sie wünschen es, Major Germaine.“
„Nein, ich wünsche keine Fortsetzung des Kampfes. Stattdessen bitte ich Sie, die Verwaltung über das Flüchtlingslager in Kenntnis zu setzen, damit die offiziellen Stellen die Versorgung der Opfer übernehmen können. Die Chevaliers werden bald abziehen.“
„Pos, Major Germaine. Das werde ich tun. Außerdem bitte ich um Hegira.“
„Ich gebe Ihnen gerne Hegira, StrahlCommander Syren. Sie handeln klüger als Bredak.“
„Bredak war alt“, sagte sie mit Hochmut in der Stimme. „Ich habe nicht vor, diesen Fehler von ihm zu wiederholen.“ Die vier überlebenden Wölfe wandten sich um und verließen den Kampfplatz wieder.
„Tja, meine Herren, da werden sie zwei sich wohl eine Abschussmarkierung teilen müssen“, schloss Germaine süffisant. „Pilum, stell zwei Mechs ab, die das Wrack bewachen. Ich bin sicher, wir können davon noch etwas gebrauchen. Der Rest Abmarsch zurück.“
Trotzig schüttelte Germaine den Kopf. Dieser Bretak, er war wirklich irgendwie in den Fünfzigern stecken geblieben...
Dirty Harry
Kommandobunker der Wache Clan Wolf
Tamar City, Tamar, Wolf Besatzungszone
22. November 3065

In seinem Büro seufzte Sterncolonel Varel Kerdek als er die letzten Einsatzberichte des 17. Regulären Wolfscluster sowie des neuen Garnisonskommandanten auf Vulcan las.
Eigentlich hätte es so perfekt enden können – wären die Söldner nicht an einem Piratensprungpunkt ins System eingedrungen. Zwar hätte er die Mammonkrieger lieber zu einem Planeten gelotst, auf dem sich eine Frontgalaxie etwas Abwechslung gewünscht hatte, aber offensichtlich hatten ihre Datenschnüffler die richtigen Details aus den anderen Nachrichten herausgefiltert. Auch das wäre noch kein Grund zur Sorge gewesen, wären die Söldner dann wenigstens am üblichen Sprungpunkt in das System eingetreten. Dann wären sie zwangsläufig auf das wartende Sprungschiff der Jadefalkentruppe gestoßen, die den Planeten gerade angegriffen hatte. Entweder sie hätten es zerstört bevor es flüchten konnte, hätten es vertrieben und hätten die anfliegenden Landungsschiffe der Jadefalken ohne Transportmöglichkeit zurückgelassen oder wären in eine intensive Auseinandersetzung mit der Falkentruppe geraten, die sich dann um des jeweiligen Sprungschiffs ein Scharmützel geliefert hätten. In jedem Fall hätten beide Seiten seinem eigenen Clan Wolf einen Gefallen getan. Die Söldner indem sie sich in ineffektiven Gefechten selbst aufreiben, die Falken indem sie sich selbst schwächen oder beide indem sie ganz verschwinden.
Doch das war nicht der Fall gewesen.
Stattdessen war der Söldnerskipper in eine der lokalen und temporal begrenzten Schwerkraftsenken gesprungen und hatte die drei Landungsschiffe dieser Surats quasi vor der Haustür abgeladen. Kein Konflikt mit den Falken, aber dafür in direkter Schlagdistanz zu den eigenen Truppen. Der 17. Cluster war aber nicht sonderlich an einem weiteren Konflikt mit diesen Gegnern interessiert, erst recht nicht, als er bei einem Aufklärungsversuch zwei Strahlen – zudem auch noch schwerer Mechs – an die Söldner eingebüßt hatte. Im Gegensatz zum Gefecht mit den Jadefalken hatte es Sternencolonel Onyx jedoch nicht auf den Abschaum aus der Inneren Sphäre abgesehen, sondern war wenig später ehrenvollerer Beute hinterhergeflogen.
Sterncaptain Bredak von der lokalen Garnison hatte die Lage anders eingeschätzt – und verloren. In seinem ganzen Stolz musste ihm derart der Kamm geschwollen sein, dass er es auf einen aussichtslosen Kampf gegen die eingegrabenen Söldner hatte ankommen lassen. Nicht nur das: da die Söldner sich zudem aktiv um die Unterstützung der Zivilbevölkerung gekümmert hatten, hatten sie auch noch von der den lokalen Aufklärungsvorteil erhalten. Bredak war mit seinem altersschwachen Mad Dog A und dem gesamten Rest seines ansonsten eher leichten Sterns direkt ins Kreuzfeuer der Söldner gelaufen.
Da er sich lauthals posaunend im Vorfeld angekündigt hatte, durfte er seine vernichtende Niederlage noch nicht einmal kritisieren. Einer seiner untergebenen Mechkrieger hatte danach seiner Schande ein schnelles Ende gesetzt und war dafür zum neuen stellvertretenden Kommandanten aufgestiegen.
Die Söldner waren in der Zwischenzeit wieder von Vulcan verschwunden ohne ein weiteres mal behelligt worden zu sein. Die Garnison Vulcans war auch so schon schwer genug angeschlagen worden. Wahrscheinlich waren die Mammonkrieger nun wieder auf der Spur des 17. Clusters. Ob sie die Informationen noch von Bredak oder von jemand anderem bekommen hatten, war gleichgültig. Es bedeutete lediglich, dass sie hatten, was sie wollten. Doch noch war nicht aller Tage Abend und so konnte man das Gefecht immer noch zu seinen Gunsten manipulieren. Es war nur eine Frage der Kreativität, die man dorthinein investierte…

***

Gordon sah ernüchtert auf das Display der Systemsteuerung. Der rechte Oberschenkelsensor übertrug den Druck seines eigenen Oberschenkels noch immer nicht sauber auf den Aktivator.
„Was machst du hier noch um die Uhrzeit?“, wurde er plötzlich aus einer Richtung gefragt, mit der er gar nicht mehr gerechnet hatte. Erstaunt sah er Jason Watts nähertreten und sich seine Arbeit genauer ansehen.
„Ich probiere was aus“, behauptete Gordon felsenfest.
„An einem alten Schrotthaufen?“, wollte der Cheftech wissen und verwies auf die ausgesprochen deutlichen Abnutzungsspuren.
„Die Rüstung war doch mit Sicherheit schon zur Wiederverwertung abgeschrieben, oder?“
„War sie. Aber ich brauchte was zum ausprobieren. An einer aktuellen hätte ich das niemals gekonnt“, gab sich Gordon dennoch zugeknöpft, selbst wenn es stimmte. Die Rüstung, an der er gerade herumbastelte, bestand aus Abfall. Allerdings aus purem Clanabfall und selbst wenn ihn die aktiven Elementare schon wegen Fehlfunktionen oder nicht mehr zu reparierenden Scharten nach Einsätzen ausgemustert hatten, war er immer noch funktionsfähig – und das reichte Gordon.
„Und was willst du ausprobieren?“, wollte der neugierige Cheftech wissen.
„Ich dachte, ich könnte durch eine neue Verlegung der Leitungen zu den Sprungdüsen die Leistung geringfügig erhöhen. Nicht viel, vielleicht drei bis vier Prozent, aber immerhin…“, log Gordon, das sich die Balken bogen. Selbst der Cheftech schien ihm das nicht abnehmen zu wollen.
„Warum überlässt du es nicht den Wissenschaftlern, solche Aufgaben zu lösen. Ist doch deren Einsatzgebiet. Du bist nur hier um die vorhandenen Rüstungen zu warten.“
„Warum muss man alles den Eierköpfen überlassen, die dann nach vier Monaten testen zum Ergebnis kommen, das Mehrleistung den individuellen Einsatz nicht nötig sei? Wie viele Entwicklungen waren schon bei denen im Dunklen verschwunden?!?“
Der Cheftech grunzte kurz.
„Und die Arme? Du willst unsere lieben Wahrgeborenen ohne Hauptwaffe rausschicken? Oder sollen sie nun darauf setzen, einen Mech im direkten Nahkampf in Stücke zu reißen?“
„Hatte keine anderen“, brummte Gordon, was allerdings bestenfalls die halbe Wahrheit war. An einen gewöhnlichen Laserarm für rechts wäre er wahrscheinlich leichter herangekommen als an ein ausgedientes Klauenmodell eines Linkshänders. Allerdings trauten die Elementare den Techs nur so weit, wie sie sie werfen konnten – und das war nicht weit genug. Hätte eine Anti-Mechwaffe auf der Schrottliste gefehlt, hätte das mit Sicherheit mehr Aufsehen erregt als die paar fehlenden Teile bisher.
Jason Watts begann schallend zu lachen.
„Wenn du mit deiner Bastelei jemals fertig werden solltest, möchte ich wissen, ob die Düsen mehr Leistung abgeben als sonst. Aber lass dich nicht vorher von ein paar Elementaren erwischen. Ich glaube, die sind auf solche Experimente weniger erpicht. Aber mach nur erst mal…“, prustete er schließlich und wandte sich zum Gehen.
„Jetzt hab ich nicht nur einen rebellischen Astech, jetzt hab ich auch noch einen verkappten Wissenschaftler unter meiner Führung. Mal sehen, was noch kommt…“, konnte Gordon den Cheftech hören, als er den Wartungsbereich wieder verließ.
Gordon schnaubte hingegen und widmete sich wieder seiner Arbeit. Wenn Watts wüsste, was wirklich vorging, hätte er ihm sicherlich nicht freie Hand gegeben. Wenn Watts auch nur ahnen würde, welche Pläne Gordon im Sinn hatte, hätte er ihn wahrscheinlich eigenhändig umgebracht. Aber Gordon war das längst egal. Jara war bereits weg und keiner wusste genau, was passiert war. Sicher war nur, dass sie auf Patrouille war und nicht wieder zurückkam. Auch wenn die Führungsetage eine Nachrichtensperre wegen des dazugehörigen Zwischenfalls verhängt hatte, ging das Gerücht um, dass sie abgeschossen worden war. Abgeschrieben hatte man sie. Wie ein paar alte Aktivatoren abgeschrieben und war zum Tagesgeschäft übergegangen als wäre nichts weiter geschehen. Wann würde es sie erwischen? Wahrscheinlich dann, wenn dieser Hitzkopf von karrieregeilem Sterncolonel sie in den nächsten Falkenhinterhalt trieb. Landungsschiffe waren dabei valide Ziele für einen Angriff, also konnte es sie jederzeit erwischen. Im Weltraum oder am Boden, egal wo. Nun mehr denn je, wo Onyx endlich eine Beute gefunden hatte, die seinem Hunger entsprach. Selbst wenn sie zurück in heimische Gefilde flüchten sollte. Jara hatte ihren Weg beschritten um hier rauszukommen, vielleicht war er sogar der bessere. Aber was aus ihr geworden war, blieb unbekannt oder wurde ihnen verschwiegen. Doch für ihn und Greta Caprese würde es keinen Weg nach draußen geben, wenn sie ihn sich nicht selbst bahnten. Als Techs und bestenfalls AsTechs wurden sie systematisch kurzgehalten, zurückgehalten, eingesperrt. Für sie gab es keinen Weg nach oben und auch nicht nach draußen. Den mussten sie sich selbst schaffen. Und wenn sie es in Gefechtsrüstungen wagen mussten, die sie aus Altmetall zusammengeschraubt hatten. Gray wollte damit gar nicht kämpfen, er wollte einfach nur weg, bevor ihn der Größenwahn eines anderen in den Untergang reißen konnte. Er war nicht scharf darauf den Helden zu spielen, aber er wollte auch nicht in der ersten Reihe stehen, wenn es andere für ihn übernahmen. Und wenn dieser dämliche Sensor endlich wieder normal ansprechen würde, wäre er diesem Ziel schon ein ganzes Stück näher…
Ace Kaiser
Als Germaine den Higlander über die Hülle der BURBANK steuerte, verfluchte er zum dritten oder vierten Mal die Tatsache, dass sein Null G-Kampftraining mindestens vierzehn Jahre her war. Es war eine Kunst für sich, das fünfundneunzig Tonnen schwere Monster zu steuern, es nicht von der Hülle des Sprungschiffs abgleiten zu lassen und auch noch darin zu kämpfen.
Germaine wartete kurz, dann feuerte er das Gaussgeschütz ab. Die Chance, ein Ziel zu treffen, das sich so schnell bewegte wie der flinke Avar, sollte recht gering sein, vor allem weil die fünfunddreißig Tonnen schwere Maschine eine gute Distanz zu dem Sprungschiff und den Landern der Chevaliers einhielt. Das bewahrte ihn zumindest vor dem Beschuss von Germaines 20er LSR. Aber mit der Gauss war es ihm schon gelungen, dem leichten Clansraumjäger einen auf den Pelz zu brennen. Auch diesmal war das Glück mit dem Anführer der Chevaliers, der Avar verlor Panzerung an der linken Flanke und zog sich noch weiter zurückl.
Kurz dachte er daran, wie seine Truppe in diese Scheiße geraten war, und ein grimmiges Lächeln spielte auf seinen Zügen. Die Spur des 17. Wolfsclusters hatte nach Dell geführt, gut zwölf Lichtjahre entfernt. Dell war ein Hinterwäldlerplanet, den die Wölfe widerspruchslos beherrschten. Leider war er eine Grenzwelt zur Region der Jadefalken. Und dies war der Grund für den Besuch der Falken in diesem System. Leider war es auch der Grund dafür, dass die BURBANK am Nadirsprungpunkt auf einen feindlichen Invasor und seine neunköpfige Begleitmannschaft gestoßen war. Die Falken hatten sofort angegriffen, während ihr Invasor versuchte, mit den Korrekturdüsen Distanz zur BURBANK aufzubauen. Derweil waren die leichten und mittelschweren Jäger über die drei Lander der Chevaliers hergefallen. Das heißt, sie hatten es versucht, aber das problemlose Zusammenspiel zwischen Landungsschiffscrew und Luft/Raumpiloten hatte den ersten Nachteil in einen Vorteil verwandelt. Die sechs mittelschweren bis schweren Jäger der Chevaliers waren nun da draußen, um dem Gegner Paroli zu bieten. Zudem hatte Germaine Befehl gegeben, alle Artilleriefähigen Mechs auszuschleusen, um die Abwehr der Jadefalken zu unterstützen. Seitdem wuselten die Chevaliers-Mechs über den Landern und der BURBANK dahin, um den frechen Maschinen der Clanner einen auf die Mütze geben zu können. Oder um sie wenigstens vom Sprungschiff fern halten zu können.
„Geschafft, Sir!“, klang die Stimme von Charles Brauer auf. Der Sergeant war irgendwie in die Rolle des Mittlers zwischen dem kleinen Geheimdienstkader der Chevaliers und ihrem Kommandeur gerutscht. Und genau tat er jetzt auch: Ergebnisse präsentieren. „Wir haben den Funkcode geknackt.“
„Und?“
„Wir haben es mit dem Gyrfalcon Cluster zu tun, einer eher unerfahrenen Einheit, die sich bei einem Angriff auf einen Wolfsplaneten ihre Sporen verdienen wollte. Der Sternhaufen ist nicht vollständig, hat aber fast Regimentsgröße. Hauptsächlich SternNova und dergleichen. Die neun Jäger wurden beim Sprungschiff gelassen, um genau einen solchen Fall zu verhindern, wie er gerade eingetreten ist.“
„Das heißt in Zahlen?“
„Ungefähr vierzig Mechs und sechzig Elementare, die sich gerade auf den Sturz nach Dell befinden, begleitet von zwölf Luft/Raumjägern.“
Germaine rechnete die Daten kurz durch, dann breitete sich ein fieses Grinsen auf seinem Gesicht aus. „Ob die Falken wissen, dass ein Angriffssternhaufen der Wölfe auf Dell steht?“
„Knave von Home Base. Feindlicher Avar ausgeschaltet.“
„Knave bestätigt.“
„Sicher nicht, Sir, sonst hätten sie das System wieder verlassen. Die sind her gekommen, um mit der Garnison zu spielen, und nicht mit einer Frontklasse-Einheit.“
„Gibt es Hinweise darauf, dass sie wissen, was sie erwartet?“
„Sie hätten die Chance, im Orbit statt einer Landung Umkehrschub zu versuchen und zum Nadirsprungpunkt zurück zu kehren. Stattdessen befinden sie sich in einer Landungsoperation.“
„Und laufen damit Onyx direkt in die Fänge.“ Germaine Danton grinste unheimlich unter seinem Neurohelm. „Wäre doch verdammt schade, wenn dieser Kampf zu früh vorbei wäre, bevor Onyx und sein Sternhaufen ein wenig geschwächt wären.“
„Was haben Sie vor, Sir?“
„Wir werden ein wenig spielen.
An alle von Knave: Wir ziehen uns auf Verteidigungspositionen zurück. First Base, ich brauche einen Kontakt zum Jadefalkensprungschiff.“
„Kontakt steht.“
„Mein Name ist Major Germaine Danton von den Danton Chevaliers. Ich rufe das Jadefalkensprungschiff.“
„Hier ist die STURZGREIF. SternCaptain Ruit spricht. Funken Sie uns an, um Ihre Niederlage einzugestehen?“
„Schneid haben Sie ja“, erwiderte Germaine amüsiert. „Aber das wird Ihnen nichts nützen, wenn die kalte Realität nach ihnen greift. Hören Sie mir jetzt sehr gut zu, Jadefalke, denn ich sage es nur einmal. Mit dem Abschuss eines ihrer neun Jäger betrachte ich den ungerechtfertigten Angriff auf mich und meine Leute als erledigt. Ich bin bereit Ihnen Heghira zu gewähren, wenn Sie Ihre Luft/Raumjäger einschleusen und das System verlassen.“
„Denken Sie wirklich, dass ein Jadefalke...“
„Denken Sie wirklich, dass Sie mit zweihundert Tonnen Untertonnage gegen meine Luft/Raumjäger gewinnen können? Ziehen Sie sich zurück. Das ist Ihre einzige Chance, Ihr Sprungschiff vor der Vernichtung zu bewahren. Major Danton Ende und aus.“
Germaine atmete tief ein und wieder aus. „Und, was tun sie?“
„Feindliche Einheiten lösen sich von unserer Position“, meldete Juliette Harris. „Sag mal, Germaine, der wievielte Bluff ist das, der dir in Folge gelingt? Der neunte?“
„Das war kein Bluff, Juliette. Allerdings hätte ich die STURZGREIF nicht vernichten, sondern erobern lassen.“
Der Major setzte den Neurohelm ab und massierte sich die schmerzenden Schläfen. „Sobald die Falken das System verlassen haben, fliegen wir Dell an. Kapitän Langsdorff, suchen Sie sich einen hübschen Piratensprungpunkt in Planetennähe und springen Sie ihn an, sobald es geht. Es braucht keiner zu wissen, dass wir nicht bis zur Sonne hinaus fliegen müssen, um hier wieder weg zu kommen. Die Kampfeinheiten gehen auf Dell nieder und suchen sich etwas Ärger. Dabei handeln wir ritterlich. Wir helfen dem jeweils schwächeren, bis der 17. Wolfscluster geschwächt genug ist, um unsere Leute wieder herzugeben. Soweit die Theorie. Außerdem braucht der neue Kommandeur der Hetz-Lanze dringend ein wenig Praxis, nicht wahr, Lieutenant Fokker?“
„J-ja, Sir!“, klang Jaras Stimme etwas unsicher auf. Es war noch keine Woche her, das Germaine den Master Sergeant wieder in seine Kampflanze geholt und Jara das Kommando über die Hetzlanze vom toten Wolf McHarrod ihr anvertraut hatte. Sie hatten ein wenig trainiert, Jara hatte neue Impulse eingebracht, die sie bei den Clans gelernt hatte, aber es fehlte noch die große Praxis.
Und die wollte Germaine ihnen auf Dell ermöglichen.
„Knave von Home Base.“
„Knave hier.“
„Die Jadefalken lassen den abgeschossenen Avir zurück. Bergungserlaubnis?“
Germaine nickte, obwohl das niemand sehen konnte. „Bergungserlaubnis. Wir nehmen alles mit, was wir irgendwie noch verwerten können.
Ich kehre auf die CRYING FREEDOM zurück und sobald die Falken gesprungen sind, fliegen wir ab.“
„Verstanden, Sir.“
Vorsichtig bewegte Danton seine Maschine den Weg zurück, den er gekommen war. Würde dies der letzte Stopp ihres neuesten Abenteuers sein? Bisher hatten sie weder viel bluten noch größere Belastung aushalten müssen, aber all das konnte sich nun ändern. Doch es gab zwei Gründe, warum Germaine dieses Risiko und das unnötige Gefecht zwischen Wölfen und Falken auf sich zu ziehen bereit war: Greta Caprese und Gray Gordon.
Ace Kaiser
Wenn Germaine Danton ehrlich mit sich war, dann waren seine Chevaliers in Bestform. Die neuen Rekruten hatten sich eingearbeitet, und ergänzten sich nun mit den älter eingesessenen Kameraden. Wie gut das Zusammenspiel unter Gefechtsbedingungen sein würde wusste Germaine selbstverständlich noch nicht, aber er war sich zumindest sicher, dass die Söldnerkontraktkommission sie nicht wieder von Veteran auf grün herab stufen würde. Für diese Einstufung hatten sie hart gekämpft und viel geblutet.
Viele waren gestorben, viele hatten im Gram ihre Einheit verlassen. Viele... Aber das führte zu weit. Wichtig war nur, dass die Einheit so wie sie jetzt war funktionierte. Und das war wichtig, denn die Chevaliers hatten etwas vor, was man recht banal mit einem einzigen Wort beschreiben konnte: Frechheit.
Auf der Welt, in deren Atmosphäre die drei Lander der Chevaliers gerade eintauchten, Dell mit Namen, befanden sich als Verteidiger der 17. Wolfscluster unter StarColonel Onyx, ihrem Hassgegner, der es gewagt hatte, ihnen drei Mitglieder zu entreißen und als Leibeigene zu nehmen.
Einer war wieder da wo er hingehörte, namentlich Jara Fokker, mittlerweile Second Lieutenant.
In der Truppe kursierte die heimliche Parole: One down, two to go. Zwei fehlten noch, und die Chevaliers würden sie sich holen, definitiv.
Kurz dachte Germaine an die möglichen Opfer, die es in einem Kampf zwischen den Angreifern, dem Gyrfalcon Cluster, und den Wölfen, bei den Chevaliers geben konnte, sobald sie richtig dazwischen gerieten. Dann fragte er sich, ob einer oder mehrere Tote die Rettung von zwei Uneroffizieren wert waren... Aber die Leute schienen entschlossen zu sein, ihre Kameraden nicht im Stich zu lassen, nicht zurück zu lassen, in der Gewissheit, dass auch sie nicht zurückgelassen worden wären. Denn egal wo die Chevaliers bisher gedient hatten, egal ob im Kampf gegen draconische Ronin oder Word of Blake, nie hatten sie Verletzte oder Tote zurückgelassen. Auch diesmal würden sie das nicht tun, und die einzige Frage, die sich Germaine jetzt noch stellte war: Wie zum Teufel bekamen sie auch noch die entführten Techniker und Krieger des Clan Wolf im Exil zurück? Diese Aufgabe war vielleicht eine Nummer zu groß, und daran konnte die Einheit schnell zerbrechen.
Die BURBANK unter Langsdorff würde in zwei bis drei Tagen springen. Aber nicht um das System zu verlassen, sondern um sich an einem planetennahen Piratensprungpunkt zu verstecken. Das würde eine zügige Flucht der Chevaliers begünstigen, sobald sie sein musste. Und nachdem sie sich auf Clan Wolf-Gebiet mit Clan Wolf-Truppen angelegt hatten, würde all ihr Kredit verspielt sein. Wenigstens eine Konstante bei all den Unsicherheiten.
Die große Idee war gewesen, die Wölfe und die Jadefalken gegeneinander auszuspielen, sie sich gegenseitig dezimieren zu lassen, und dann, wenn Onyx geschwächt genug war, seine Leute heim zu holen. So weit klang das praktikabel, aber vorher stand ihnen ein erheblicher Marsch bevor, und von Dell hatten sie weit weniger Informationen als von anderen Welten, die sie zuvor besucht hatten, wie Vulcan und Thannhausen. Sie sprangen ins Geratewohl, aber zumindest ein Teil der Stärke der Wölfe war ihnen detailliert bekannt, denn ihr Ausreißer Jara Fokker hatte nach der Heimkehr explizite Dokumente über Elementare und Mechs erstellt.

Die Landung der drei Chevaliers-Schiffe würde auf Cornell erfolgen, dem größten Kontinent des Planeten, mitten im Tallahassee-Gebirge, einer zerklüfteten Kalksteinformation, in der sich ganze Divisionen hätten verbergen können. Die Stellungen der Wölfe und damit das Schlachtfeld befanden sich aber tausend Klicks und weiter entfernt, rund um die Gigantstadt Megapolis und ihre geschichtsträchtige Umgebung. Doch bis sie dort waren und die Orte der Auslöschung der 24. Arkturus-Garde durch den damaligen IlKhan Ulric Kerensky bewundern konnten, führte sie ihr Weg mitten durch weites Waldland, Sumpfgebiete und kalte Moore, verwinkelte Flussarme und was diese Welt an natürlichen Hindernissen oben drauf zu bieten hatte. Auf einheimische Helfer würden sie nicht vertrauen dürfen, dazu war zu wenig bekannt über die ehemals lyranischen Bewohner.
Überdies hatte die absolute Vernichtung einer ganzen Regimentskampfgruppe mit relativ geringen Kräften auf Seiten Ulrics sie wohl Demut gelehrt. Germaine konnte sich durchaus vorstellen, dass der Mercer Valley, den Ulric ganz unclangemäß mit Vibrabomben zur Riesenfalle hatte ausbauen lassen, selbst heute noch von der Bevölkerung gemieden wurde, aus Angst vor den Geistern der Toten, die dort ihre Leben gelassen hatten, weil ihr General sie mitten ins Schlachthaus geführt hatte.
Germaine hatte sich für einen langen Anmarschweg entschieden, einerlei um die Lander sicher zu wissen, andererseits weil ein schwieriges Gelände nicht nur ihn und die Chevaliers behindern würde, und seine Leute hatten schon in äußerst unwirtlichem Terrain gekämpft, vom Sumpfland bis zur Eishölle war einiges vertreten gewesen. Ob das ein Vorteil sein würde, musste sich zeigen.

Alarm gellte durch die CRYING FREEDOM und signalisierte das ausschleusen der Hubschrauber an, die sich nun zu den sechs sie begleitenden Jägern gesellten. Bald würden die sprungfähigen Mechs abgeworfen werden, um das Gelände zu sichern, eine Übung, die seine Chevaliers hundertmal vollzogen hatten, auch unter Gefechtsbedingungen.
Dazu gehörte auch sein Highlander. Ein kleines nicht ganz freiwilliges Geschenk eines mittlerweile toten Blakes Wort-Präzentors, das er nun zu nutzen wusste. Sie würden die Jäger und die Lander hier zurück lassen und sich auf den langen Marsch machen, lediglich mit einer kleinen Sicherheitstruppe der Infanterie im Rücken, und sich darauf verlassen, dass Wölfe und Falken nicht die Zeit hatten, langwierig nach den drei Neuankömmlingen zu suchen, während die Fahrzeuge, Mechs und Hubschrauber ihren beschwerlichen Weg machten. Wenn doch, würde das verwinkelte Gebirge sie in den Wahnsinn treiben, und wenn das nicht reichte, dann die Feuerkraft der Chevaliers-Fliegerstaffel.
Germaine lächelte belustigt. Dies war nicht sein erster Besuch auf dieser Welt, und auch nicht sein erster Besuch im Gebirge. Auf seiner Jagd nach den Mördern seiner Freundin hatte es auch eine Zeit gegeben, in der er einen von Clan Wolf adoptierten Mann zur Strecke gebracht hatte. Seine Kontakte von damals konnte er sicherlich nicht mehr nutzen, aber seine Geländeinformationen waren, nach einer ersten Fernanalyse noch adäquat. Nun musste er nur noch auf ein Bataillon umsetzen, was damals für einen Mann mit einem Handlaser und einem Schleichkampfanzug gegolten hatte. Das würde schwierig werden, aber sicher nicht unmöglich.
Wieder gellte Alarm, und nach dem dritten Signal verlor Germaine den Boden unter den Füßen. Der Gigant der Overlord-Klasse spie die sprungfähigen Mechs aus, immer vier auf einmal. Der Major fiel dem Erdboden entgegen, mit Kurs auf einem Gebirgspasssattel, der ihr Landegebiet nach Norden abgrenzte. Zwei sprungfähige Mechs der Hetzlanze, Wiachynskis Vulkan und Krees Feuerfalke, landeten bei ihm und halfen die Landeoperation abzusichern.
Zeitgleich belegte ein gleich große Kontingent jeweils die Süd- und Ostwege aus dem Tal heraus, das sie für ihre Landung ausgesucht hatten. Die Hubschrauber setzten indes Scharfschützen, Kommandos und Späher aus.
Als sich auf der ROSEMARIE die Tore öffneten und die Kampflanze der Panzer geschlossen ausfuhr, war das Gröbste überstanden, die Landung nahezu geglückt.
Relativ beruhigt konnte Germaine auf seiner exponierten Position die Formation der Marschkolonne beobachten, während eine beruhigende Meldung nach der anderen rein kam. Auch die Späher meldeten nicht einmal den Hauch eines Feindes, allerdings bekamen sie nicht einmal einen Einheimischen zu Gesicht.
Germaine grinste schief. Wäre er hier geboren, würde er auch die Beine in die Hand nehmen, denn die Landung in diesem Gebiet bedeutete immer Angreifer, und gegen Angreifer verteidigte man.
Wenn da zwischen geriet, war man Schaschlik.

Nach drei Stunden waren die Entladearbeiten beendet. Die Vorräte reichten für einen zweimonatigen Feldzug; Germaine hatte von den Vorräten der CRYING FREEDOM angegriffen, was er für vor Herzog Kell gerade noch vertretbar hielt.
Dann befahl er den Abmarsch des Bataillons, und der riesige Lindwurm aus Mechs, Panzern, Infanterietransportern, LKTs und Pionieren setzte sich in Bewegung, flankiert von den Hubschraubern und den schnellen Einheiten. Im Notfall konnten sie auch die Luft/Raumjäger herbei rufen, aber Germaine hoffte, dass das nicht notwendig werden würde, bevor sie in die Gefechte zwischen Falken und Wölfen eingreifen konnten.
Der letzte Akt des Spiels begann, wenn es nach ihm ging.
Thorsten Kerensky
Kaum war das donnernde Fauchen der Gegenschubdüsen abgeklungen, da öffneten sich auch schon die Rampen der gewaltigen Landungsschiffe. Den Mechpiloten, die nun aus den dicken Bäuchen der Transporter drängten, bot sich ein trostloser Anblick.
Die Chevaliers hatte in einem relativ engen und kleinen Tal ihren Landeplatz gewählt und außer einige kleinen Wäldern gab es dort nur Felsen und … mehr Felsen.
Jara wartete, bis sie an der Reihe war, ihren Part zu dem organisierten Chaos einer Landung in Feindgebiet beizutragen und steuerte ihren Waldwolf dann aus dem Rumpf des Raumschiffes.
„Sparrow an Schlaglanze: Einheitsfunk geht über die Zwo-Drei!“, befahl die junge Lanzenführerin.
Private First Class Kyle Kotare, ein ehemaliger Nebelparder und ihre Flügelmann, bestätigte: „Panther hier. Verstanden, Lieutenant, wechsle auf Einheitsfrequenz.“
„Snob hier. Wechsel ebenfalls.“ Diese Stimme gehörte zu Private Karel Swoboda.
„Hier ist Steel an Schlaglanze: Willkommen auf Dell, Kameraden.“ Corporal Eric Stein war der einzige Pilot der Schlaglanze, dessen Mech über Sprungdüsen verfügte und er war deshalb schon vorher abgesprungen, um die Landezone zu sichern.
„Sparrow, hier spricht Striker, nehmen sie uns an Bord?“, erkundigte sich Sergeant Rowan, Anführer der Elementare der Söldnertruppe. Der ehemalige Geisterbär war mit seinen Leuten der Schlaglanze zugeteilt und konnte dank extra dafür erfundener Haltegriffe, auf den beiden Clan-OmniMechs der Lanze in die Schlacht reiten.
„Natürlich machen wir das.“ Jara verharrte kurz und ließ ihren Mech niederknien, bis die schwer gepanzerte Infanterie aufgesessen hatte. „Aber sobald der Konvoi sich formiert, empfehle ich ihnen einen der LKTs. Für einen längeren Marsch werden die Haltegriffe sicher unbequem.“
„Verstanden, Lieutenant.“
„Gut. Dann gehen wir mal an die Arbeit. Haben alle die Landung unbeschadet überstanden, frapos?“ Jara verzog das Gesicht, als ihr wieder ein Wort in Clanspeech herausrutschte, aber ihre Kameraden waren entweder Ex-Claner oder taktvoll genug, um darüber hinweg zu hören.
„Steel, Status: grün!“
„Panther, Status: grün!“
„Snob, alles Bestens!“
„Striker, alle Strahlen melden Status: grün!“
„Wunderbar! Wir formieren uns bei Steels Position und überwachen die Zugänge im Osten des Tals! Vorwärts!“
Sie wechselte auf eine andere Funkfrequenz und lud die Navigationsdaten in ihren Computer.
„Knave, hier ist Sparrow, hören sie mich?“
„Klar und deutlich, Lieutenant. Wie sieht es bei ihnen aus?“ Im taktischen Funk sprach sogar Germaine sie förmlich an und Jara ertappte sich dabei, kurz davon ausgegangen zu sein, es würde anders laufen.
„Schlaglanze ist zu einhundert Prozent einsatzbereit. Wir schließen zu Steel auf und übernehmen die Ost-Seite.“
„Verstanden, Sparrow! Gute Arbeit, weitermachen!“
Während tief unter ihr im Tal die übrigen Chevaliers damit beschäftigt waren, die drei Landungsschiffe zu entladen und einen Konvoi zusammenzustellen, schweiften Jaras Gedanken zurück zu den letzten Wochen…

***

„Schlaglanze, Aaach-tung!“ Auf das Kommando von Mastersergeant Metellus hin knallten dreizehn Stiefelpaare zusammen und dreizehn Chevaliers nahmen Haltung an.
„Richt euch!“ Auf das nächste Kommando flogen die Köpfe der Soldaten nach rechts, während ein paar der angetretenen Söldner die Chance nutzten, um ihre Ausrichtung in der Formation zu korrigieren.
„Augen geraaade-aus! Zur Meldung an die Lanzenführerin Augeeen … links!“
Während die Soldaten und Soldatinnen seinen Befehlen Folge leisteten, führte der erfahrene Unteroffizier eine lehrbuchmäßige „Rechts-Um“-Drehung aus und nahm selber Haltung an, als er Jara aus dem Schatten treten sah.
Die beiden Chevaliers salutierten vorschriftsmäßig voreinander.
„Lieutenant Fokker, ich melde ihnen die Schlaglanze der Dantons Chevaliers vollzählig angetreten und bereit zur Kommandoübergabe!“
Jara, die trotz ihrer Jugend die Dienstgradhöchste bei diesem Appell war, nickte. „Danke, Mastersergeant. Ich übernehme.“
Sie wandte sich nun ihrerseits an die angetretenen Männer und Frauen und bewies, dass zumindest ihre Stimme führungstauglich war: „Schlaglanze, rührt euch!“
Was danach folgte war ein förmlicher Dank an Metellus, ein Händedruck, der die Kommandoübergabe besiegelte und eine kurze Ansprache an die Soldaten. Jara hatte natürlich mit dem Mastersergeant schon alles Wichtige im Vorfeld besprochen und da sie selber derart förmliches Gehabe hasste, hielt sie sich kurz. Sie würde ihre Leute schon bald besser kennen lernen, aber ein Antreten war einfach keine geeignete Plattform dafür.

*

„Mechkrieger Kotare, ich habe mit dem Major über sie gesprochen.“
Der angesprochene Ex-Claner sah von seinem Frühstück auf. Jara hatte sich erlaubt, ihre Lanze auf ihre Kosten zu einem Frühstück einzuladen, um die Männer und Frauen besser kennen zu lernen. Während ihrer Zeit bei den Clans hatte sie kein Geld ausgeben können und Germaine hatte ihr rückwirkend einen erhöhten Sold ausgezahlt und momentan konnte sie sich diese Geste leisten. Ihre Lanze hatte das zu schätzen gewusst und war komplett erschienen, obwohl Jara keine Anwesenheit befohlen hatte. Vermutlich waren sie genauso neugierig auf ihre neue Vorgesetzte, wie Jara auf die Lanze neugierig gewesen war.
„Ma’am?“
„Ich konnte mit ihrem Dienstgrad nichts anfangen und habe mich erkundigt, wo sie eigentlich stehen.“
„Der Major hat mir erklärt, ich wäre irgendwo zwischen Private und Private First Class, Ma’am.“
„Das hat er mir auch gesagt. Ich habe ihn dann davon überzeug, dass sie in die Dienstgradstruktur der Chevaliers aufgenommen werden müssen und dass sie ab sofort den Dienstgrad Private First Class tragen.“
Einige der Anwesenden hatten mitgehört und applaudierten vorsichtig. Niemand war sich wirklich sicher, ob dies nun eine Beförderung darstellte oder nur eine Umbenennung.
Kotare wirkte zumindest nicht unglücklich. „Danke, Ma’am.“
„Nicht dafür.“ Sie sprach nun zu allen: „Ich hätte da übrigens mal eine Frage an sie: Wie kommt es, dass sie alle deutlich unter den üblichen Dienstgraden für ihre Positionen eingestuft sind?“
Ratloses, teils auch etwas verbittertes, Schweigen machte sich breit, bis Corporal Stein sich schließlich zu Wort meldete: „Man hat uns gesagt, wir müssten uns noch bewähren, bevor wir befördert werden könnten, Ma’am.“
„Ich möchte ihnen folgendes Angebot machen: Ich werde diese Lanze zuerst umstellen. Corporal Stein, sie übernehmen den zweiten Wing mit Private Swoboda zusammen und Private First Class Kotare, sie werden mein Flügelmann. Erstens passen die Mechs in diesem Schema viel besser zusammen und zweitens kann Corporal Stein so etwas Führungserfahrung sammeln.“
„Ma’am, ich habe bereits Führungserfahrung.“
„Ich weiß. Deswegen verstehe ich auch nicht, warum sie nur Flügelmann waren, Corporal. Sehen sie das als Chance, wieder Übung zu bekommen!“
„Jawohl, Ma’am!“
„Dann möchte ich die nächsten Tage mit ihnen trainieren. Wenn ich sehe, dass sie sich für die Lanze und die Einheit stark machen und halten, was ihre Referenzen versprechen, werde ich mich für sie stark machen. Klingt das nach einem fairen Angebot?“
Alle Anwesenden, allen voran die Mechkrieger, aber auch die Elementare, zeigten sich erfreut über diesen Vertrauensbeweis. Jara triumphierte innerlich. Die erste Runde hatte sie gewonnen, sie hatte diesen Leuten einen Grund gegeben, Leistung zu zeigen und zu funktionieren, auch wenn ihnen eine jüngere Kameradin als Lanzenführerin zugeteilt worden war. Natürlich wusste sie auch, dass sie nun auch dafür sorgen musste, dass ihre Versprechungen sich nicht als hohle Phrasen entpuppten.

*

Als Jara ihr Quartier betrat, drang Musik an ihre Ohren. Sheila lag auf ihrem Bett, eine Bierdose in der Hand, und grinste sie an.
„Ich will gar nicht wissen, wie du reingekommen bist, oder?“
Ihre Freundin lachte und schüttelte den Kopf. „Bier ist in deinem Spind, du siehst aus, als bräuchtest du eins.“
„Ist es so schlimm?“, fragte Jara, während sie sich eine Dose zwischen ihrer Unterwäsche herausnahm und öffnete.
„Man könnte Angst vor dir haben. Was hast du getan?“
„Mit dem Chef gesprochen.“
„Worüber?“
Jara ließ sich zu der Freundin aufs Bett fallen und nahm einen tiefen Schluck Bier. Es schmeckte scheußlich, aber momentan war sie schon dankbar, dass Sheila überhaupt hier war und auch noch Alkohol aufgetrieben hatte. „Meine Lanze. Ich habe ihm berichtet, wie sich die Jungs ins Zeug legen und alle meine Mechkrieger zur Beförderung vorgeschlagen.“
„Alle auf einmal? Wow. Was hat er gesagt?“
„Sie hätten nicht genug Erfahrung.“
„Naja, es kann nicht jeder direkt bis zum Offizier durchgereicht werden.“
„Aber genau das ist es doch! Ich bin seit einem Jahr dabei und vom Private zum Lieutenant aufgestiegen. Alle Piloten meiner Lanze sind länger dabei als ich und noch nicht einmal befördert worden.“
„Vielleicht fehlt ihnen wirklich irgendetwas?“
„Mein Stellvertreter ist neun Jahre älter als ich, hat bereits eine Lanze geführt und ist Corporal. Wie soll ich diesen Leuten denn erklären, dass sie meinen Befehlen folgen müssen? Mal ganz davon abgesehen, dass jeder von ihnen laut unseren Statuten eine Beförderung mehr als verdient hätte.“
Sheila zuckte mit den Achseln: „Ich denke, sie werden es schon zu schätzen wissen, dass du dich für sie einsetzt. Man hört zumindest Gerüchte, dass du ganz schön viel Staub aufwirbelst.“
„Die Lanzenorganisation war totaler Blödsinn, wenn du mich fragst und es scheint sich niemand so richtig um diese Leute gekümmert zu haben.“
„Der Spieß hatte wahrscheinlich mehr als genug mit seinen anderen Aufgaben zu tun.“
„Dem mache ich auch keinen Vorwurf. Aber kennst du eine Einheit, wo der Kompaniefeldwebel auch noch eine Einheit führt? Natürlich kann das nicht gut gehen“, pflichtete Jara ihr bei. „Und bei so vielen ehemaligen Offizieren, wie sie in dieser Einheit rumlaufen, hätte man längst jemanden auf den Posten befördern können.“
„Hat man jetzt ja.“ Sheila grinste. „Dich, Jara. Und wenn ich dir so zuhöre, hätte die Schlaglanze wohl eine schlechtere Vorgesetzte haben können.“
„Ich hoffe nur, dass sie mir auch dann noch vertrauen, wenn es heiß wird. Ich habe keine Erfahrung im Kampf als Lanzenführerin.“
„Ich schon. Aber ich bin nur Corporal und du bist der Lieutenant. Im Ernst, Jara, du wirst das schon schaffen. Das weiß ich.“
„Danke. Wie läuft es bei euch eigentlich? Wie macht Miko sich als Lanzenführerin?“
Sheila überlegte einen Moment, dann grinste sie: „Oh, wir haben schonen einen Claner abgeschossen und einen eingefangen. Sie macht sich ganz gut.“
„Vielleicht sollte ich sie mal besuchen. Ich habe mich ewig nicht mehr mit ihr unterhalten und ich glaube, außer Germaine hat sie hier nicht viele Leute, denen sie vertraut.“
Die quirlige Freundin antwortete nicht, sondern grinste Jara nur weiterhin an.
„Was ist denn jetzt?“
„Ich freue mich nur, dass die Clans deinen Bemutterungs-Trieb nicht abgestellt haben.“

*

„Panther, sofort zurückfallen lassen! Stravag, bleiben sie hinter mir!“, herrschte Jara ihren Flügelmann an. Eigentlich musste sie dem ehemaligen Nebelparder keine Rüffel erteilen, aber sie hatte ihre Lanze durch einige Tage beinharten Trainings gejagt und sogar bei dem abgehärteten Bluthund-Piloten lagen die Nerven blank.
Nun zog er sich langsam und unter Jaras Deckungsfeuer aus der heißen Zone zurück und brachte seinen kochenden und angeschlagenen Omni hinter ihren Waldwolf.
Auch Jaras Maschine hatte unter dem Feuer der simulierten Gegner gelitten, aber noch konnte sie einstecken.
„Steel, wie sieht es bei euch aus?“
„Wir schlagen uns hier noch mit einem Centurion und einem Jenner rum. Wir haben einiges an Panzerung verloren und Snob hat den rechten Arm verloren. Dafür ist…“ Statisches Rauschen und Kampflärm unterbrachen ihn kurz. „…der verdammte Kintaro endlich zerstört. Wir gehen jetzt ran!“
„Mitgehört, Panther? Wir können von Steel und Snob noch keine Hilfe erwarten. Das heißt, wir kaufen uns diesen Highlander und das verdammte Katapult.“
„Meine Maschine hält nicht mehr lange durch.“
„Aber du hast noch Munition für die Lafetten?“
„Mehr als genug.“
„Okay, ich gehe rein und ziehe die Aufmerksamkeit auf mich. Du gehst nach rechts und versuchst, dem Highlander in den Rücken zu gelangen!“
„Verstanden!“
Beinahe gleichzeitig setzten sich die beiden schweren Clan-OmniMechs in Bewegung, Kotares Bluthund nach rechts, Jaras Waldwolf geradeaus, direkt in die tödliche Umklammerung der beiden lauernden Gegner.
Kaum hatte sie die sichere Deckung verlassen, als ein Gaussgeschütz seine brutale Kraft in ihre Richtung schleuderte und den schlanken Waldwolf nur knapp verfehlte.
„Panther, der Highlander ist zwischen den Felsnadeln!“
Sie erwiderte das Feuer mit zwei Schüssen aus ihren schweren Lasern. Einer der Strahlen traf den verborgenen Mech sogar, konnte gegen die Panzerung der überschweren Maschine nicht viel ausrichten.
Dann schrillten Alarmsirenen in ihrem Cockpit, als feindliche Langstreckenraketen aufschalteten und auf sie zurasten.
Jara wappnete sich gegen die Einschläge, wurde aber dennoch in ihre Liege geschleudert, als über dreißig Raketen Panzerung von ihrem Mech sprengten. Irgendwie schaffte sie es, den Waldwolf auf den Beinen zu halten und weiter vorwärts zu bringen. Sie hatte das Katapult ausgemacht, endlich.
Dann tauchte Kotare hinter dem Highlander auf. Fauchend jagten 36 Kurzstreckenraketen aus kürzester Distanz in den Rücken des Sturmklasse-Mechs, warfen ihn um, zerfraßen seine Panzerung und zerwühlten seine nun ungeschützten Innenbauteile.
„Guter Schuss, Panther!“
„Steel hier! Lieutenant, wir sind hier fertig und werden jetzt mal ihren Gegner aus der Deckung treiben.“
Jara grinste. Das war die Entscheidung.
Als sie wenige Augenblicke später aus dem Simulator stieg, schweißnass und mit wirren Haaren, war sie durch und durch zufrieden. „Großartige Leistung, Leute! Endlich einmal ohne Verlust.“
Die drei Männer wirkten ebenso zerschlagen wie ihre Lanzenführerin, aber nicht weniger froh. „Und im Gefecht haben wir auch noch die Elementare dabei“, jubelte Swoboda.
„Mit denen wir momentan nicht trainieren können. Und wir werden es mit Clanern zu tun haben. Deswegen werden wir ab morgen nicht mehr gegen IS-Mechs trainieren, sondern gegen stärkere Gegner.“
Stein nickte: „Halte ich auch für sinnvoll.“
„Gut. Dann machen wir für heute Schluss. Gehen sie duschen und ruhen sie sich aus, ich werde es ihnen morgen nicht einfacher machen!“

***

„Konvoi bereit zum Abmarsch! Alle Lanzen gemäß Operationsplan formieren!“
Der Funkspruch riss Jara aus ihren Gedanken zurück in die Realität der Ödnis von Dell.
„Sparrow an Schlaglanze: Ihr habt den Chef gehört! Wir ziehen ab!“
Während ihre Kameraden den Befehl bestätigten, warf Jara einen Blick über die Landungsschiffe und die gesamte Söldnereinheit der Dantons Chevaliers. Hier waren ihre Freunde, hier war ihr zu Hause, das war ihre Familie.
Und so bewegt wie ihre Vergangenheit, so interessant würde auch ihre Zukunft sein.
Ein Lied, das sie als junges Mädchen von ihrem Vater gelernt hatte, kam ihr in den Sinn und leise begann sie zu singen:
„When I was a young girl, I carried my pack
And I lived the free life of the rover.
From sweet Outreach’s green basin to Gal’tea’s outback,
I waltzed my Matilda all over.
Then in thirty fifty my country said: Come,
It’s time to stop rambling, there’s work to be done!
And they gave me an ice-vest and they gave me a Mech,
And they marched me away to the war.”
eikyu
Sanft setzte der Karnov auf. Sekunden später fuhren die ersten motorisierten Infanteristen aus dem Karnov heraus und teilten sich in drei Gruppen auf. Danach flog der Karnov wieder weg, zurück zur eigentlichen Gruppe.
„Und wieder geschafft.“ Jubelte Bernd
„Ja, ich hoffe Kitty hat den Rastplatz gesichert, sonst haben wir nachher Probleme. Wir müssen wieder auftanken… und ich habe Hunger“ meinte Sarah mit knurrenden Magen.
"Du immer mit deinen Hunger...auf der einen Seite meinst du, du hast Hunger, auf der anderen meinst du, ich würde eher auf Kitty stehen, weil die schlanker ist und du müsstest abnehmen..." brummelte Bernd
"Was brummst du da schon wieder vor dir her?"
"Nichts..."
"Irgendwas wegen Kitty..."
"Ach was...ist nicht wichtig..." versuchte Bernd abzulenken.
"Ach...ich seh doch genau wie du ihr immer auf die Möpse glotzt..."
"Stimmt doch gar nicht..."
"Nein?...und was war das vorhin? Als sie rüber kam um uns den Auftrag zu geben...wo hast du da hin geschaut?"
"Natürlich auf ihr Pad"
"Ja...natürlich wers glaubt..."
"Wirklich. Ich wollte wissen was wir tun sollen."
"Und hast dir nebenbei vorgestellt wie sie nackt aussieht..."
"Das weis ich doch schon längst..."
"WAS? Das weist du schon längst?" brüllte Sarah aus wenigen Zentimetern wütend ins Ohr.
Er brüllte zurück: "Ja, natürlich weis ich das...genauso wie du...schliesslich waren wir alle zusammen in der Sauna. Und der einzige der dort gestaart hat war Frischi, den du dann auch noch anzüglich zugezwinkert hast...ja hast du, must gar nicht so die Augen verdrehen. Ich seh doch auch wie du IHN ansiehst und mit mir vergleichst..."
"Das ist was anderes" behauptete sie trotzig.
"Nein ist es nicht. Ist genau das gleiche. Nur das ich im Gegensatz zu dir weis, das niemand mit dir mithalten könnte, und ich lediglich herauszufinden versuchen, was die Person...wie zum Beispiel Kitty...alles tun müsste um mit dir mithalten zu können, und mich von dir wegbringt. Aber es scheint nicht in deinen Dickschädel rein zu gehen, das selbst Kitty dir nicht das Wasser reichen kann und es auch ansonsten keine Frau gibt die das tun könnte."
Das musste sie erstmal verdauen...und es dauerte ein, zwei Minuten bevor sie etwas kleinlaut erwiederte: "Du hast auf ihre Titten gestarrt"
Bernd stöhnte: "Frauen..."
Jetzt wünschte er sich, er könnte bei den Infanteristen draussen sein... smile

„Rastplatz 3 gesichert.“ Meldete Dominik über Funk.
Zwar konnten die Mechs und Fahrzeuge der Chevaliers theoretisch stundenlang, teilweise sogar tagelang ohne Unterbrechung sich bewegen, allerdings war sowas nur in Notfällen ratsam. Zumal man nicht während der Bewegung tanken konnte. Somit waren sie gezwungen immer wieder Rast zu machen. Aufgrund der hohen Geschwindigkeit der Hubschrauber wurden diese eingesetzt um Scouts abzusetzen. Der Karnov hatte die Infanteristen nicht etwa abgesetzt um einen Rastplatz zu suchen, sondern um die eine Flanke zu untersuchen, von der man erwartete das sich von dort Clanner nähern würden. Unterdessen hatte Kitty in ihren Cavalry einen möglichen Rastplatz angesteuert und dort ebenfalls einige Infanteristen abgesetzt. Hier würden bald die restlichen Chevaliers eintreffen. Dann würde wieder das Betanken der einzelnen Fahrzeuge beginnen, sowie des Karnov. Nebenbei würde man alles durchchecken, etwas essen, sich kurz erleichtern. Aber natürlich durfte das alles nicht lange dauern. Nach spätestens einer Stunde mussten sie weiter…
drustran
Dawn verließ das Zimmer.. die Monate auf Outreach waren vorbei. Sie hatte ihre Reha abgeschlossen, und soeben ihre letzte Prüfung an der Outreacher Akademie der Dragoner, hatte soeben ihren Kurs, Logistik für Lanzen und Kompanien mit Bravour gemeistert. Mit dem Zertifikat könnte sie sich in Zukunft um eine Offizierstelle bemühen, die Dragoner hatten ihr sogar eine angeboten. Aber sie hatte andere Pläne. Nachdem sie den von Xavier geschenkten Mech verkauft hatte, hatte sie einen Teil des Geldes sicher angelegt für ihre Tochter. Mit dem Rest hatte sie sich auf Outreach ein erholsame Zeit gegönnt und auch schon ein Ticket besorgt. Morgen würde es losgehen, zurück zu den Chevaliers. Auch wenn sie nun entrechtet war, es war zwar Schade um den guten Mech, aber sie konnte eh keine sprungfähigen Mechs mehr steuern, dafür sorgte ihre Beinverletzung. Sie wollte einfach zurück zu Markus, Jara und die anderen, vor allem natürlich zu ihrer Tochter. Sie wollte den Chevaliers dann zumindest als Logistikoffizier helfen.

„Dawn, warte!“ ertönte es hinter ihr. Sie drehte sich um und sah Hendrick und Viola, ihre Lernpartner der letzten Wochen. „ Ich dachte ihr seid erst in einer Stunde dran...“, fragte Dawn die beiden.
„Es gab ein paar Ausfälle und wir wurden nach vorne verlegt, und hatten beide eben unsere Prüfung. Wie war deine?“, antwortet Viola ihr.
„Super, hab im schriftlichen volle Punkte und mündlich hab ich auch nur einen kleinen Fehler gemacht. Und bei Euch?“
Viola drückte sie: „Gratuliere dir, ich hab alles richtig und Hendrick hat wieder mal die Transportgebühren vergessen. Dadurch hat seine ganze Buchhaltung nicht gepasst.“
„Ha, ha, lach du nur... Ich bin es halt von Haustruppen gewohnt das wir einfach nen Zettel nach oben geben müssen und denken nicht daran welche riesige Apparatur dadurch in Bewegung gesetzt wird!“, maulte Hendrick. „Ist doch egal.. wir haben bestanden, und das feiern wir jetzt!“, sagte Dawn nun.

Etwas später waren die drei bei einem Chinesen. „Und was habt ihr nun vor?“, fragte Dawn die beiden.
„Ich hab einen Posten bei den 51st Dark Panzer Jäger in Aussicht“, antwortete Hendrick.
„Ich hab meinen Vertrag bei den Blue Stars Irregulars unterschrieben“, sagte Viola, „beginne da als Logistikoffizier für das Rim World Regiment, welches sie wieder aufbauen. Fliege deshalb auch morgen schon los.“
„Die BSI? Die sind doch im ARDC, oder?“
„Genau, wird ne lange Reise.“
Dawn lachte: „Dann reisen wir bestimmt auf dem selben Schiff. Ich fliege morgen nach Arc Royal!“
„Wirklich, wieder zu deiner alten Einheit?“
„Genau..“
Die drei alberten noch weiter herum und merkten nicht das sie von einem Tisch der auf der Galerie stand beobachte wurde. „Zielperson gesichtet, Reiseziel scheint real zu sein und keine falsch Spur!“, flüsterte die Person vor sich hin und wartet auf das „Roger“ das aus dem kleinen Knopf hinter seinem Ohr kam.
„Observation fortfahren!“ „Bestätigt“

Am nächsten Morgen bestiegen Dawn und Viola das Landungsschiff welches sie nach Arc Royal bringen würde. Der zivile Transporter war eine große Abwechslung im Vergleich mit den üblichen Militärtransportern von Söldnern und Haustruppen. Wenn man es sich leisten konnte war sogar eine Einzelkabine drin, allerdings hätte das den Kreditrahmen der Frauen gesprengt und sie flogen in Gruppenkabinen. Die Reise würde lang, doch ihnen gelang es schon die Zeit zu überbrücken.

Arc Royal.... ein Planet der IS wie es einen zweiten nicht gab. Heim einer der berühmtesten Söldnereinheiten, Verwaltungszentrum des so genannten Arc Royal Defensiv-Kordons und auch Heimat eines Clans, der Wölfe im Exil, wie sie sich nannten. All das machte diesen Planeten besonders, aber nichts davon machte ihn in ihren Augen zu mehr als die Tatsache das sich ihre Tochter dort befand.

Nach der Landung wurde Viola von zwei Leuten aus der Einheit der Blue Star Irregulars abgeholt. Sie verabschiedeten sich und versprachen sich zu schreiben. Leider schien niemand Dawn abzuholen, also mussten die Gerüchte stimmen, die Chevs waren auf Mission.
Sie hatte gerade den Zoll hinter sich gelassen als zwei Männer sie ansprachen: „Guten Tag Fräulein Ferrow, wir wurden geschickt um sie abzuholen und zu dem Stützpunkt der Chevaliers und zu ihrer Tochter zu bringen.“
„Oh, wie überraschend... Wer schickt sie denn?“
„Da ein Gros der Einheit unterwegs ist, hat sich Herzog Morgan Kell einverstanden erklärt sie zu ihren Leuten und Familie zu bringen wenn sie ankommen sollten. Und da ihre Ankunft mit dem Landungsschiff gemeldet wurde hat er uns geschickt.“
„OK, dann gehen wir, ich kann es nicht mehr erwarten meine Tochter wiederzusehen!“ Darauf hin marschierten die drei zu einem wartenden Wagen. Einer stieg vorne ein, der andere half das Gepäck im Kofferraum zu verstauen und stieg mit Dawn mit hinten ein. Dann fuhren sie los. Nach einigen hunderten Meter schlossen sich die Türen ab und der Begleiter zog eine Pistole und richtete sie auf Dawn. „Fräulein Ferrow, sie sind als Staatsfeindin verhaftet, Ihnen wird Verrat, Aufruf zur Rebellion, Widerstand gegen Regierungstreue Truppen, mehrfachen Mord Regierungstreuer Bewohner des Vereinigten Commonwealth und so weiter... und wurden verhaftet bevor Sie Ihre neue Aufgabe antreten konnten, die Agitation von Militäreinheiten gegen die rechtmäßige Herrschaft der Lyranischen Allianz und des VerCom. Alles was Sie von nun an sagen wird in Ihrem Verratsprozess gegen sie verwendet!“ Damit kam sich Dawn wirklich blöd vor... einfach so zu unrecht beschuldigt zu werden, so kurz vor dem Wiedersehen mit ihrer Familie... aber langsam dämmerte es ihr was der Mann gesagt hatte: Verrat! Damit war ihr die Todesstrafe sicher, und nachdem was sie über die Lakaien Katherines gelernt hatte, dann das sie jede Möglichkeit nutzten musste... sie war sich sicher das sie nun ein Scheinprozess erwartete, um für die Verluste auf Anjin Muerto als Sündenbock dazustehen. Irgendwie hatte sie das Glück verlassen, zum letzten Mal, denn das waren Profis, sie wussten so viel, und gingen sehr methodisch vor, sie vermutete LNC, wahrscheinlich Loki, und das wäre das Ende. Gegen Loki Agenten kam sie nicht an. Sie fing an zu weinen.

Sie fuhren aus der Stadt raus. Nach einigen Kilometer bogen sie auf eine Nebenstraße ab und folgten ihr einige Zeit. Anschließend noch ein paar Kilometer über eine schlecht ausgebaute Straße zu einem altem Gut. Das Gut war weiträumig umzäunt, man konnte eine Herde Schafe sehen, eine Scheune, einen Stall, das Haupthaus und einige Nebengebäude um das Anwesen zu bewirtschaften. Auf dem Wasserturm stand ein Mann der gerade einiges auszubessern schien, allerdings erkannte Dawn in ihm ein Wachposten. Am Tor stand ebenfalls ein Posten, diesmal aber ein offizieller. Er trug neben einer Seitenwaffe eine Art Uniform in etwas was Dawn als Clanfarbe vermutete... hier schlugen die irisch/schottische Vergangenheit des Planeten wieder zu. Es sah nicht gut aus. Sie fuhren hoch zum Haupthaus, wo die beiden Männer Dawn ausluden. Sie wurden von einer streng aussehenden Frau in Empfang genommen. Dawn suchte einen Fluchtweg, doch konnte sie keinen sehen. Ihre Taschen wurden aus dem Auto geholt, in einem Nebenhaus verstaut, sie selbst wurde in einen Raum geführt wo man sie einer Leibesvisitation unterzog, danach bekam sie eine einfache Kleidung wie von Farmern und wurde in ein Zimmer mit vergitterten, kleinen Oberlichter geführt. Dort ließ man sie alleine zurück, abgesehen von den Essenslieferungen.

Am nächsten Morgen war es sehr unruhig auf dem Hof, und Dawn glaubte sogar das Wummern eines hochfahrenden Mechreaktors zu hören. Sie versuchte etwas zu erkennen, aber die Fenster waren zu klein. Kurz darauf kam wieder jemand mit dem Frühstück.
“Heute Abend wirst du an Bord eines Landungsschiffes nach Tharkad gebracht.“
Mit den einfachen Worten stellte er das Tablett auf den kleinen Tisch und ging wieder.
Gegen Mittag wurde es auf einmal unruhig, Dawn hörte Leute schreien, Stiefel auf Holzdielen trampeln und auch wieder das Wummern der Reaktoren... dann hörte sie auch schon die ersten fernen Explosionen. Sie versuchte etwas durch die Oberlichter zu erkennen, aber sah nur ein paar bewaffnete Männer in Deckung gehen. Sie hörte das Surren eines Hovers, dann das zischen von Raketen, die ihre Läufe verließen. Eine der Deckungen in ihrem Sichtbereich ging in einer Explosion unter. Sie sah wie ein Mann in Kühlweste auf dem Weg zur Scheune von einer MG-Garbe erwischt wurde. Dann hörte sie Schreie, harte Schritte auf der Veranda, das Krachen einer Tür die zersplittert. Gedämpfte Schreie, die Schritte kamen die Treppe herunter, eine Schrotflinte, ein MG, das Klatschen eines fallenden Körpers. Dann ein Schlag gegen die Tür. Noch einer und die Tür splitterte. Ein Dritter und die Tür brach. In der Tür stand ein Elementar. Das MG hob sich und wies genau auf Dawn.
„Dawn... Ferrow?“
Der Elementar tat sich schwer mit dem zweiten Teil, ein Indiz aus dem sie schloss das in dem Panzer wirklich ein Wahrgeborener Elementar steckte. Sie nickte nur. Der Elementar zögerte, senkte dann den Lauf:
„Mitkommen!“
Der Elementar drehte sich um und ging zur Treppe, dort wartete er auf seine Schutzbefohlende.
„Wer sind sie?“ fragte Dawn.
Ich bin Strahlcommander Erik von Clan Wolf und ich bin hier, um sie zu befreien. Kommen sie mit!"
Damit drehte sich der Hüne um und marschierte die Treppe rauf, Dawn nahm die Schrotflinte der toten Wache und folgte ihm. Oben sah Dawn mehrere Tote, unter anderem auch die Frau und einen der Männer, die sie abgefangen hatten.
„Draußen wartet ein Panzer, Laufen sie hin und steigen sie ein!“
Mit diesen Worten trat der Elementar aus der Tür und nahm den Feind unter Feuer. Dawn sah den Panzer keine zweihundert Meter im Hof stehen. Sie begann zu laufen. Nach ein paar Schritten ertönte ein Splittern und Kreischen. In der Scheunenwand klaffte ein Loch und in diesem sah sie die Silhouette eines Enforcers. Er schoss erneut, der Laser streifte den Panzer und Dawn sprang in Deckung. Sie sah wie einer der beiden Elementare, welche sie jetzt gesehen hatte versuchte zur Scheune zu kommen, doch der Enforcer feuerte wieder und traf mit der Bündelmunition einmal den Elementar und den gerade beschleunigenden Hover. Dieser brach aus, nachdem seine Schürze durchlöchert wurde und der Elementar fuhr zusammen, nachdem ein Splitter sich in sein Knie gebohrt hatte. Sie blickte über ihre Deckung auf das Loch in der Scheune, aus der nun der Enforcer brach. Sie sah einen Moment lang einen weiteren Mech in Hintergrund und dann den toten Piloten vor der Scheune. Sie sah nur eine Chance, ansonsten würde der Enforcer sie alle erwischen. Sie rannte auf die Scheune zu. Sie bekam noch mit wie der Elementar etwas rief, aber lief unbeirrt weiter. Der Enforcer ruckte mit dem Laser in Dawns Richtung, hielt aber inne. Der Pilot musste denken das sie zu seiner Seite gehörte, da sie ja keinen Krötenpanzer trug. Also schwenkte er um und schoss den Laser auf den verletzen Elementar als Dawn in die Scheune kam. Dort sah sie einen Thunderbolt stehen. Sie lief auf den Hubwagen zu, stieg ein und ließ sich zum Cockpit fahren. Ein Tech rief sie an und zog eine Pistole, Dawn richtete die Schrotflinte aus und erschoss den Mann. Oben angekommen stieg sie ins Cockpit und sah das ein Tech die Startsequenz schon initialisiert hatte. Sie ließ sich auf die Liege fallen und zog den Helm über. Als sie ihn aktivierte wurde ihr speiübel. Sie drehte etwas an den Venierknöpfen, aber es wurde kaum besser.
„Also gut, so nicht“, dachte sich Dawn und startete den Techmodus.
Nun ließ sie den 65 Tonnen schweren Stahlkoloss vorwärts taumeln. Sie kam weit genug. Als sie die Kontrolle verlor, na ja, sie hatte sie ja nie wirklich, stürzte der Mech durch die Öffnung auf den Rücken des Enforcers. Die Maschinen verkeilten sich und der schwerere Thunderbolt zwang den Enforcer zu Boden. Der Enforcer begann sich von dem schweren Mech zu befreien und Dawn hatte keine Ahnung wie sie ihn weiter aufhalten konnte. Sie sah nicht das der Elementar der sie befreit hatte schon heran war und in das Cockpit eindrang. Sie aktivierte die Laser und schoss die drei mittelschweren Laser in den Rücken des Enforcers. Die Strahlen bohrten sich in die dünne Rückenpanzerung, durch stießen sie und zündeten die dort gelagerte Munition. Das CASE bewahrte den Mech vor der totalen Zerstörung, setzte ihn jedoch außer Funktion. Die nach außen geleite Wucht der Explosion, die Hitzewelle durch die Laser ließ Dawn ganz schön in die Gurte fallen.

Als sie wieder zu sich kam kniete eine Frau neben ihr im Cockpit und sprach in ihr Headset, Sie kommt zu sich, StrahlCommander Erik.“
“Wer sind sie und was ist mit den Kröten?“, fragte Dawn.
Die Frau lächelte.
„Ich heiße Katja und bin die Fahrerin des Svantovit, StrahlCommander Erik steht vor dem Mech, Krieger Dirk ist tot. Sie haben uns gerettet.“
Katja packte die Erste Hilfe-Ausrüstung zusammen.
„Soll ich ihnen zum Hover helfen oder wollen sie diesen Mech als Isorla beanspruchen?“
„Isorla, das ist bei euch die Kriegsbeute?“, fragte Dawn mit der Erinnerung einen der Geisterbären diesen Begriff mal in dem Zusammenhang erwähnt gehabt zu haben.
„Pos“, war Katjas kurze Antwort darauf.
„Ja. ich will diesen Mech haben“, brachte Dawn aus Reflex hervor.
Katja seufze kurz und gab es per Headset an Erik weiter.
„Pos, der StrahlCommander wird die Basis informieren.“ Sagte Katja kurz.
„Wie kommt es das mich Wölfe retten?“ fragte Dawn ihr gegenüber.
„Das kann ich nicht sagen, aber ich denke sie werden früh genug informiert“, antworte Katja, allerdings ging der Schluss in dem Geräusch anfliegender Helikopter unter.

Einen Tag später saß Dawn im Büro von saKhan Marko Hall. Durch das Fenster konnte man eine Halle sehen, in der ein Thunderbolt hergerichtet wurde. „Mein neuer Mech“, dachte sich Dawn, wandte sich dann der Tür zu, durch die Marco Hall sein Büro betrat. Dawn stand auf um den saKhan der Wölfe zu begrüßen, doch Hall schnitt jedes Wort mit einer Handbewegung ab.
„ Ich weiß du hast Fragen, aber es ist nicht an mir diese zu beantworten. Folge mir!“
Sein Ton lies keine großen Alternativen offen und somit trat Dawn auf die Tür zu die Marco Hall offen hielt.
Sie trat in einen Besprechungsraum in dem ein älterer Mann mit einem Jüngeren sprach, der wie Hall in der ledernen Montur der Wölfe steckte, an der anderen Tür stand eine Walküre, die ihr rotes Haar zu einem Zopf geflochten hatte und dezent hinter dem jungen Wolf stand eine kühle Schönheit mit kurzen Haaren. Dawn wusste das sie total fehl am Platz war, sie eine einfache Frau aus einer kaum bekannten Peripheriewelt war in einem Raum mit Morgan und Phelan Kell, Marco Hall und wenn sie die Vids und Berichte richtig in Erinnerung hatte waren die beiden Frauen Evantha Fetladral und Ranna Kerensky. Nur die sechste Person konnte sie nicht zuordnen, eine Frau, welche sich im Hintergrund hielt und alles beobachte. Allerdings nach den hungrigen Augen war Dawn klar das diese Frau nicht harmlos war, sondern dem Namenspatron des Clans alle Ehre machte. Immer auf der Suche nach der nächsten Beute.
„Willkommen Miss Ferrow, ich muss mich entschuldigen für die Behandlung die ihnen widerfahren ist seit sie auf Arc Royal eingetroffen sind“, begann Morgan Kell mitfühlend, „aber lassen sie mich ihnen wenigstens kurz die Anwesenden vorstellen. Ich bin Morgan Kell, aber das haben sie sicher schon erkannt, dies ist mein Sohn Phelan, seine Protegé Evantha Fetladral und Ranna Kerensky, Kommandeurin der vierten Wolfsgarde.“
Dann wandte sich Morgan nach rechts. „SaKhan Hall haben sie ja schon kennen gelernt, und die Kriegerin in dem Sessel ist Daphne Vickers, Lehrmeisterin der Wölfe. Sie hat uns von ihrer Entführung berichtet und das Rettungsteam entsandt.“
Nachdem sich die anwesenden begrüßt hatten und sich alle hingesetzt hatten setzte Morgan fort: „Also, wir konnten ihre Entführer als eine lokale archontreue Gruppierung unter der Führung einer Loki-Zelle identifizieren. Sie wissen wer Loki ist?“
Dawn nickte nur, jeder hatte schon Gerüchte über die Spezialtruppen jedes Hauses gehört, darunter auch Loki.
„Gut, wir wissen nicht genau wieso man sie entführt hat. Aber ich lasse nicht zu das Katherine so mit Bürgern des Vereinigten Commonwealths umgeht. Allerdings ist es wichtig zu wissen ob wir die ganze Gruppe zerschlagen haben oder nur ein Teil. Daher die Frage an sie, wissen sie von weiteren Leuten?“
„Ich habe nicht alle die ich kenne unter den Toten gesehen, allerdings war die Rede von einem Landungsschiff mit dem ich weggebracht werden sollte“, antwortete Dawn ehrlich.
„Wir brauchen alle Informationen um diese Zelle zu zerschlagen“, sagte Morgan zu ihr.
Marco richtete sich auf: „Dawn, ich hatte vor kurzem ein Gespräch mit deinem Kommandeur, ein guter Mann. Das mag auch ein Grund für mich gewesen sein diese Mission durchführen zu lassen. Major Germaine macht gerade das selbe und kämpft um Mitglieder meines Clans. Aber wir wollen diese Welt auch zu einer Heimat für uns machen. Daher können wir solche Methoden der Dunklen Kaste nicht akzeptieren. Du hast dich gut geschlagen, gut genug um dir eine Aufnahme in unsere Kriegerkaste zu verdienen.“ Marco ließ das Kompliment wirken.
„Aber es ging nicht nur um dich, wir wollen hier leben, eine Heimat aufbauen und sind bereit die Innere Sphäre vor unseren fehlgeleiteten Brüdern und Schwestern zu schützen. Aber wieso sollten wir sie schützen wenn sie zu solchen Mitteln greifen? Phelan hat uns gezeigt das nicht die ganze Innere Sphäre so ist, aber solange die so genannten Herrscher zu Mitteln greifen welche eher zu der Banditenkaste passt als zu würdigen Nachfolgern des Sternenbundrats ist es schwer. Wie kann man erwarten das man ein neues Paradies erschaffen wenn man seine Heimat nicht sichern kann? Daher brauchen wir alle Informationen, die du uns geben kannst.“
„Auch Heimdall steht gegen den Missbrauch des Lokis gegenüber des loyalen Volks der Allianz oder des Commonwealths, dafür kämpfen wir schon lange. Ich dachte Katherine hätte mich bei unserer letzten Unterredung auf Tharkad verstanden, aber da habe ich mich geirrt. Hilf uns dabei, Dawn, dieses Übel von Tharkad zu stoppen.“ Morgan streckte Dawn die Hand entgegen, „Hilf uns und verhindere somit das es nicht wieder geschieht.“
Dawn akzeptierte die ausgestreckte Hand und erzählte ihnen alles was sie mitbekommen hatte. Dann klopfte es und ein Mitglied der Kell Hounds kam mit Dawns Tochter ins Zimmer. Endlich war die kleine Susan wieder bei ihrer Mutter.
Dirty Harry
Kommandobunker der Wache Clan Wolf
Tamar City, Tamar, Wolf Besatzungszone
29. November 3065

Sterncolonel Varel Kerderk saß in seinem Büro und überflog die letzten Berichte. Einzelne Gefechte hier und dort, zumeist zwischen ein paar Jadefalken und seinen Wölfen, ein vereinzelter Piratenangriff aus der tiefen Peripherie auf einen Versorgungsweg, der erfolgreich und massiv zurückgeschlagen wurde. Und erneut ein paar Söldner, die am 17. Regular Wolfs Cluster hingen wie die Schmeißfliegen am Kuhfladen. Die lokale elektronische Aufklärung hatte bestätigt, dass es sich erneut um Dantons Chevaliers handelte.
Man musste ihnen zumindest ihre Hartnäckigkeit lassen.
Aber in dem anstehenden Gefecht waren sie nur lästig. 17. und Chevaliers waren sich schon mehr als einmal begegnet. Dass es sich um einen Zufall handelte, konnte er getrost als Illusion abtun. In Verbindung mit den anfliegenden Jadefalken könnte aber deren Anwesenheit zu einem Problem werden. Die 17. Regulars hatten nicht ihre Sollstärke zurückerlangt, erst recht nicht nach dem Meteoriteneinschlag, der eines ihrer Landungsschiffe fast vernichtet hätte und auch nicht nach den Verlusten, die sie sich auf Vulcan eingefangen hatten. Alleine gegen die Falken wäre es ein interessantes Training geworden, aber mit den Mietsoldaten im Nacken konnte das Gleichgewicht auf dem Schlachtfeld kippen.
Außerdem wurde deutlich, dass sie die 17. weiter belästigen würde, wenn sie nicht endlich gestellt werden würde. Kerderk schnaufte wenig begeistert und setzte eine Botschaft an den kommandierenden Offizier der Wolfseinheit auf.

„Sterncolonel Onyx!

Die anfliegenden Söldner wurden als Dantons Chevaliers identifiziert. Sie hatten vermutlich bereits Kontakt mit dieser Truppe, möglicherweise befinden sich Überläufer in deren Reihen. Vermutlich befinden sich ehemalige Angehörige der Söldnereinheit Dantons Chevaliers in den Reihen ihrer Leibeigenen oder niederen Kasten, die sie bei einem vorangegangenen Gefecht erobern konnten.
Isolieren sie diese Elemente bis zum Ende der anstehenden Gefechte. Verrat ist nicht auszuschließen!

Sieg und Ehre für den Clan!

Sterncolonel Varel Kerderk
Wache des Clans Wolf“


***

Feldhauptquartier des 17. Wolfs Regular Clusters
Jenkinton, Cornell, Dell
29. November 3065

Sterncolonel Onyx lass den kurzen Auszug, den der HPG-Verkehr zu ihm durchgestellt hatte. Er hatte zusätzliche Informationen zum anfliegenden Gyrfalcon Cluster erbeten und stattdessen einen Haufen fast völlig nutzloser Daten erhalten. Die Gyrfalcon Galaxy hatte fast alles zu bieten. Hochtrainierte Elitekrieger, die einen sehr harten Gegner abgegeben hätten, aber auch etwas leistungsschwächere Veteranen, die schon genug Schlachten überstanden hatten um ihnen jederzeit gefährlich zu werden. Hinzu kamen aber auch unerfahrene Falken, die gerade erst ihre erste Bewährungsprobe zu absolvieren hatten. Und die Daten waren nicht ausreichend genau gewesen, um eindeutig zuzuordnen, wem genau sie nun gegenüberstehen würden. Grundsätzlich bedeutete es, dass er seine eigenen Taktiken auffahren müsste.
Aber dann war da auch noch ein Anhang, der die Verfolger der Falken betraf, die mittlerweile ihrerseits auf dem Planeten gelandet waren.
Voraussichtlich handelt es sich dabei um einen Söldnerverband, dem er angeblich schon einmal in die Arme gelaufen war.
Voraussichtlich würden sie ihm eher an die Kehle springen als die Jadefalken aus dem Weg zu räumen.
Vermutlich waren sie wegen Leibeigener oder Niederkastler hier, die einmal zu ihnen gehört hatten.
Und jetzt sollte er die gesamten Leibeigenen und eroberten Techs wegsperren, weil angeblich ein paar von denen sich mehr zu ihrem alten Clan – oder viel mehr – Suratdreck hingezogen fühlten. Angesichts einer bevorstehenden Schlacht, in der er nicht nur jeden Mann auf dem Feld sondern auch in der Werkstatt brauchen würde, war diese Vorstellung alleine schon völlig absurd. Auf die ehemaligen Exilwölfe zu verzichten kam einem Selbstmord gleich. Und die paar Ex-Söldner herauszufischen, dafür fehlte ihm die Zeit. Er würde sich darauf verlassen müssen, dass sie ihre Arbeit verrichteten, wie es von ihnen erwartet wurde. Für viel mehr hatte Onyx im Augenblick keine Zeit und warf das Datapad unachtsam in eine Ecke, während er sich wieder um die ideale Schlachtaufstellung kümmerte.
Wenn es nach diesem Kampf noch immer Probleme gab, würde er sie in Ruhe lösen können. Jetzt nicht…


***

Nachschublager Tau 14
Bei Jenkinton, Cornell, Dell
29. November 3065

„Und noch zwei Gefechtsklauen für linke Arme von Standardgefechtsrüstungen“, beendete Gordon seine Aufzählung an den Lagerverwalter, der ihn missmutig anblickte, als wolle er diesen Tech vor ihm gleich zum Frühstück verspeisen.
„Und das alles möglichst noch geliefert bekommen?“, fragte der Nachschieber mit grimmigem Knurren nach.
„Wenn es geht“, war Gordon so frei.
„Such dir einen anderen als Packesel! Alle möglichen Techs stellen gerade Anfragen und wollen schon mal im Voraus dies und das! Du bist nur ein weiterer AsTech, der nur in der Nase bohrt. Hol dir den Kram gefälligst selbst ab!“, brüllte ihn der Bulle hinter dem Schreibtisch an. Irgendwie verkörperte er das perfekte Bild eines Nachschiebers: ein Kreuz wie ein Stier und eine Brust wie ein Elementar gepaart mit dem Gemüt eines wütenden Kyoto Panzerbären. Und dennoch war er nur das übliche Würstchen, das die üblichen Handreichungen machen durfte.
Sein Geschrei perlte an Gordon Gray ab, als wäre es Wasser und er Luft.
„Ach ja, hab ich schon gesagt, dass ich meinen Kram bis nach dem ersten Gefecht brauchen werde? Oder wäre es dir lieber, wenn ich die stinkwütenden Elementare bei dir vorbeischicke, damit du ihnen erklären kannst, wieso ihre Gefechtsrüstungen immer noch nicht einsatzbereit sind?“, zeigte sich Gordon daher besonders unbeeindruckt.
„Das haben mir schon die MechTechs mit ihren Piloten angedroht und darauf hat auch schon einer dieser Wasserköpfe von Luft-/Raumjägern bestanden. Weiß der Geier, was der hier wollte. Ist doch kein Raumhafen in der Nähe, also wie soll ich an das Zeug kommen?“
„Das ist doch dein Problem. Du bist der Nachschieber“, meinte Gordon neutral. Von der Gegenseite kam nur ein mürrisches Grunzen. Der Panzerbär hatte gesprochen.
„Krieg ich das Zeug wenigstens aufgeladen, wenn ihr es hier beschaffen könnt und ich den Transport organisiere?“
„Kann man vielleicht organisieren“, grummelte der Nachschieber und übertrug Gordons Liste in ein Datapad vor sich.
Bingo!, ging es Gordon durch den Kopf als er das hörte, das war genau das, was er hören wollte. Er war mit Greta Carprese schon übereingekommen, dass sie den J-27 fahren würde, der die bestellten Waren aufnehmen würde.
Es war nur die Frage, ob der Transport danach jemals sein ursprüngliches Ziel erreichen würde. Jedenfalls nicht, wenn es nach ihm ging…
Und mit seiner eigenen, zusammengeschusterten Rüstung würde er ebenfalls alsbald den Abgang machen. Möglichst wenn die Luft so richtig brannte.
Bis jetzt lief alles noch nach Plan.


***

Materiallager Alpha des 17. Wolf Regular Clusters
Außerhalb Jenkinton, Cornell, Dell
29. November 3065

„Schneller!“, brüllte der ChefTech und trieb seine Leute an. Jetzt – kurz vor einem anstehenden Gefecht – ging es bei den Nachschiebern mindestens genauso schlimm zu wie direkt danach. Lediglich die Waren, die an die einzelnen Teilbereiche geliefert wurden, variierten.
Und inmitten dieses Chaos fühlte sich ChefTech Uromon, der oberste Nachschieber bei den 17., am wohlsten. Dieser Versager…
Greta Caprese war ihm von Beginn an zugeteilt worden, aber nie zuvor hatte sie so wenig von ihm gehalten, wie im Augenblick. Uromon war wahrgeboren. Er hätte Mechkrieger werden sollen, aber er hatte sich bei der Ausbildung nicht bewährt. Sie hatten ihm sogar so was wie eine letzte Chance in einem Kreis der Gleichen gegeben – aber er hatte dennoch versagt. Mit der Kriegerkarriere war es damals aus gewesen und so hatte man ihn zu den Techs abgeschoben, wo seine Führungsqualitäten zum Tragen kommen sollten. Seine Führungsqualitäten bestanden vor allem darin, dass er der reinste Einpeitscher war. Nie konnte es ihm schnell genug gehen, nie konnte es 100% perfekt sein. Und ganz besonders in Situationen wie der jetzigen fühlte er sich auf einmal wieder wie ein Krieger und dachte daran, dass er einen Kampf an der Heimatfront zu gewinnen habe.
Greta war das eigentlich wurst. Der Dienst als Nachschieber hatte sich als geregelte Tätigkeit herausgestellt, bei der die anderen AsTechs deutlich mehr Rücksicht auf sie nahmen und mit denen sie auch um Welten besser zurechtkam als mit dem Großkotz vom Dienst. Mit ihnen hatte sie Tätigkeiten tauschen können, wenn sie zu belastend wurden ohne dass die gleich eine Gegenleistung forderten, aber man war davon ausgegangen, dass auch sie sich dafür entsprechend revanchieren würde. Sie hatte einen Weg gefunden mit den anderen klarzukommen. Sie hatte sich sogar mit ihrer Rolle in dieser Scharade abgefunden – wenn da nicht der Schreihals vom Dienst war. Dieser Möchtegernkrieger, der ein Schlachtfeld noch nie von nah gesehen hatte. Dieser Hampelmann, der glaubte, hier hinten seinen privaten Krieg inszenieren zu können. Für gewöhnlich ließen sie ihn einfach kreischen und machten ihre Arbeit, aber gerade vor einer Konfrontation wurde es heikel, weil auf einmal jeder Teilbereich der 17. Nachschub orderte, bevor er ihn nachher brauchte. Sie wollten die wichtigsten zu erwartenden Ersatzteile bereits parat liegen haben, BEVOR die Schäden gemeldet oder diagnostiziert wurden. Dadurch zeichneten sich gute Techs aus…
Für sie, die Nachschieber, bedeutete diese Planung, dass sie auf einmal Schwerstarbeit schuften mussten – Greta inklusive. Das letzte, was sie da noch gebrauchen konnte, war ein kreischender Windelscheißer im Schmierölrausch.
„Los! Los! Los!“, kam es wieder von hinten.
Erst hier verstand Greta, wieso Gray Gordon unbedingt abhauen wollte, selbst wenn er sich im Anschluss mutterseelenallein auf einem von Clan Wolf gehaltenen Planeten befand. Wenn sein ChefTech die ganze Zeit schon so ein Arsch gewesen war – und etwas anderes war anhand der vielen Prügel, die er ausgeteilt hatte, kaum zu erwarten – dann konnte man verstehen, wieso er endgültig weg wollte.
Und er hatte ihr schon angeboten, ebenfalls zu flüchten. Inmitten eines Gefechts würde niemand ein paar fehlende Techs vermissen. Sie würden als Kollateralschäden mit auf die Abrechnung geschrieben. Er hatte ihr sogar gezeigt, wie sie von hier verschwinden konnte, ohne großes Aufsehen zu erregen.
Es war nur noch die Frage, ob sie es umsetzen würde.
Sie verstand seine Gründe. Aber sie verstand kaum seine Sorgen, die er schon angesprochen hatte.
Aber sie erkannte, dass es sehr wohl schlimmer kommen konnte als sie erwartet hatten…
„AsTech Greta!“, ging der kreischende Ruf durch die Halle. Spätestens wenn ein Idiot wie Uromon ein Auge auf einen geworfen hatte, konnte man es verstehen.
„Ja, Sir?“, schnaufte Greta, nachdem sie ihre Kisten erst mal beiseite gestellt hatte. Das gebellte Sir goutierte ihm immer besonders. Wahrscheinlich fühlte er sich dann besonders wichtig…
„Das planetare Lager Nachschublager Tau 14 meldet weitere Posten für uns bereitgestellt um 1900! Mechpanzerung und Ersatzteile für die Infanterie. Ihr Spezialgebiet also. Nehmen sie sich J-27/4 und folgen sie mir, wenn sie ihre Aufgabe hier erfüllt haben!“
„Sir?“, fragte sie erstaunt. Gray war davon ausgegangen, dass sie alleine unterwegs sein würde. Warum kam auf einmal Uromon persönlich mit?
„Mechpanzerung!“, brüllte er sie an, als würde das alles erklären. Greta sah immer noch ratlos aus.
„Volle 15 Tonnen Panzerplatten! Das schafft mein Transporter nicht alleine! Sie werden mich also begleiten und einen Teil meiner Ladung aufnehmen. Geht das jetzt in ihr Freigeburtsspatzenhirn rein?“, geiferte der erregte Wahrgeborene.
„Ja… Sir“, bemerkte Greta. Selbst wenn sie bis jetzt noch am Zögern gewesen war, ob sie überhaupt hatte flüchten sollen, war es jetzt nahezu unmöglich geworden. Aber in gewisser Weise löste das eins ihrer Probleme…


***

Inmitten von Nichts
Cornell, Dell
29. November 3065

„Erreichen Rastplatz 4“, kam die Meldung über das Headset.
„Verstanden“, erwiderte Marie Helene Angström und warf noch einen Blick aus der Kommandantenluke. Es war vielleicht riskant, weil keiner wissen konnte, wie die Landbevölkerung auf dieser bereits seit 15 Jahren fest in Clannerhand befindlichen Welt indoktriniert waren, aber es war eine der wenigen Möglichkeiten, Frischluft zu schnappen. Zu siebt in einer Blechdose, die zwar ventiliert wurde und eine ordentliche Klimaanlage besaß, war einfach kein Spaß. Seltsamerweise ließ sich der übliche Muff nicht umwälzen und so stellte sich der tückische Gestank langer Einsätze im Inneren ein. Jeder war froh, wenn er ebenfalls etwas von der Frischluft abbekam, die der Panzerkommandantin um die Nase wehte. Aber ihr Treiben in der offenen Turmluke war riskant.
Auf solchen Hinterweltlerplaneten hatte jeder Idiot ein Gewehr – teils weil man es hier draußen gegen eine unberechenbare Natur brauchte, teils weil es einem eine falsche Sicherheit vorgaukelte – und die meisten wussten auch damit umzugehen. Es war lediglich die gefährliche Frage, ob man sie als ein Risiko einstufen würde, selbst wenn sie nicht wie ein wildes Tier erschienen.
Aber Marie sah es als weniger riskant als später im direkten Kontakt mit einem Haufen Clanner. Egal ob Falken oder Wölfe, beide waren weit gefährlicher.
Aber auch lokal weit begrenzter.
Hier draußen, würde sie nicht mit Angriffen rechnen müssen, schließlich wären so weit ab von der Front nur Späher unterwegs und die hatten besseres zu tun, als ihre Position unbedacht zu verraten. Hier draußen drohte die Gefahr von irgendwelchem Viehzeug – dass sich aber zumeist weise von solchen riesigen Ungetümen wie Battlemechs und Panzern fern hielt – und von Landeiern ohne jede Ahnung.
Mittlerweile hatte ihre Artillerielanze ihren Posten erreicht. Es bedeutete vor allem, dass der schwere Ontos ausscherte und die 6-Uhr-Position sicherte, während die langsamen LSR-Lafetten ihre durstigen Motoren mit neuem Futter bedienten. Für die jeweils vier Männer und Frauen bedeutete es eine willkommene Abwechslung und die Möglichkeit noch mal auszusteigen und sich in die Büsche zu schlagen. Für den Ontos mit seinem Fusionsreaktor im Bauch kam das nur bedingt in Frage.
„Marie? Lässt du mich auch noch mal raus aus der Konservenbüchse?“, kam daher die Frage von Chen Zien-Bao, ihrem ECM-Spezialisten. Er hatte den letzten Stopp komplett im Panzer verbracht. Er musste schon längst vorm Bersten stehen.
„Klar. Roger soll deine Aufgabe kurz mal übernehmen“, erwiderte Marie. Nacheinander meldeten sich noch drei weitere Mitglieder ihrer Besatzung, die ebenfalls aus dem Panzer krabbelten um sich die Beine zu vertreten und in die Büsche zu schlagen. Sie begegneten auch den anderen Chevaliers und hielten ein kurzes Schwätzchen, bevor sie wieder auseinander gingen. Aus dem Turmlug heraus konnte sie es beobachten. Sie waren wie in einer großen Familie angekommen. Und nun würde sich diese Familie beweisen müssen. So lange zumindest sie aktiv sein würde, würde sie alles geben, damit die Familie auch weiterhin zusammenblieb. Und wenn es bedeutete, dass sie einen Feind unter einer Tonne anfliegender LSRs begraben müsste…
Der Kampf würde nicht mehr lange auf sich warten lassen und sie würden mittendrin stecken. Es war ihre Bewährungsprobe und sie würde sich nicht durch ein paar großkotzige Kanisterzüchtungen aufhalten lassen. Nicht wenn es um ihre Einheit ging, die zu so was wie einer erweiterten Familie geworden war.
„Marie?“, fragte sie Parker, ihr Fahrer an.
„Ja?“, wurde sie aus ihren Gedanken geholt.
„Du solltest dir auch mal ne Pause gönnen. Bis wir die Jadehühner oder die Lumpis sehen, dauert es noch ne Weile.“, warnte er sie.
„Danke für die Nachsicht“, murmelte Marie und sah wieder auf die Besatzung von Archer I, wo auch Jennifer Marten stand und mit ihren Kameraden scherzte.
Sie würde ihre Familie beschützen…
Ace Kaiser
„Mayday! Mayday!“ Oleg Wiachynski zündete die Sprungdüsen seines Vulcans und nahm die mit dem Sprung steigende Überhitzung in Kauf, solange es ihn nur aus dem Laserfeuerwerk seiner Verfolger brachte, einem Cougar und zwei Sprinter.
„Hier spricht Kuma, ich wiederhole, hier spricht Kuma! Ich bin auf meiner Patrouille auf einen gegnerischen leichten Verband gestoßen und wurde sofort in Kämpfe verwickelt! Befinde mich auf dem Rückzug, werde aber von zwei Sprinter und einem Cougar verfolgt! Habe den linken Arm mit dem Flammer verloren und die Explosion der MG-Munition hat mich vier Wärmetauscher gekostet! Home Base, hört ihr mich?“
Scheiße, ging es Oleg durch den Kopf. Es hörte sich leicht an, wenn man den Befehl bekam, Patrouille an der Flanke zu betreiben, und der Gedanke, dass der nächste Lanzenkamerad nur einen Klick entfernt war, beruhigte im ersten Moment. Aber wenn man herausfinden musste, wie weit ein Kilometer wirklich war, konnten einem die Eier auf Grundeis gehen. Was hatte Kitty eigentlich gemacht? Sie hatte das Gelände doch überflogen! Hatte sie die vier Jadefalken wirklich nicht entdeckt? Waren sie eventuell herunter gefahren gewesen? Grob meinte er sich zu erinnern, ein halb fortgeräumtes Tarnnetz gesehen zu haben, bevor der erste Sprinter sich mit ihm angelegt hatte. Okay, den hatte er problemlos besiegen können, aber dann waren seine drei Brüder zum spielen gekommen, und ein Wiachynski zeichnete sich vor allem darin auf, sich nicht auf hoffnungslose letzte Kämpfe einzulassen, deshalb hatte er Fersengeld gegeben, um seine großen Brüder zu holen.
„Home Base, hört ihr mich?“
„Hier Knave! Brich seitlich weg, Kuma! Jetzt!“
Oleg reagierte mit den Reflexen des langjährigen Mechkriegers. Er warf die menschenähnliche Maschine zur Seite und führte sie im Winkel von fünfundvierzig Grad ins Unterholz. Auf seiner komprimierten Rundumanzeige erkannte er, wie ein mächtiger Higlander über eine Baumgruppe hinweg sprang und das Feuer auf seine Verfolger eröffnete. Blitz-KSR, Gaussgeschütz und M-Laser brachen über die beiden Zwanzigtonner und den fünfunddreißig Tonnen schweren Cougar herein.
Die Gausskugel schlug in einen Sprinter ein und riss ihm das rechte Bein samt Hüfte ab. Der M-Laser geißelte den zweiten Sprinter und schmolz Panzerung in Glutbächen von seiner Oberfläche. Die Blitz-KSR zirkelten sich auf den Cougar herab. Drei trafen und verwüsteten Panzerung, die letzte Rakete ging ins Unterholz.
Wiachynski reduzierte die Geschwindigkeit, um im weiten Bogen zurückkehren zu können, damit er seinem Chef beistehen konnte.
„Weiter auf Kurs bleiben, Kuma. Ich komme hier schon klar“, klang die Stimme Germaine Dantons im Funk auf. Denn um niemand anderen handelte es sich als den Herrn der Chevaliers.
Der neunzig Tonnen schwere Highlander setzte knapp vor dem zweiten Sprinter auf, der nicht mehr ausweichen konnte und gegen den Giganten lief. Das überschwere Monstrum wankte kurz, während der Sprinter aus dem Gleichgewicht geriet. Eine voll modellierte Faust sauste auf den leichten Clanmech herab und schickte ihn vollends zu Boden. Dann richtete der Gigant seine Gausskanone auf den Cougar. Als dieser trotzig seine Waffen abfeuerte, schoss auch Danton und zerstörte das Cockpit mit einem einzigen, gut platzierten Treffer. „Knave, hier Knave. Home Base, ich brauche Infanterie und Mechtransporter auf meiner Position. Außerdem brauche ich einen Wing der Schlaglanze, um nach weiteren Gegnern Ausschau zu halten.“
„Hier Home Base. Haben verstanden, Knave. Brauchen Sie Luftunterstützung?“
„Negativ. Halten wir die Sache hier so klein wie möglich. Ich behalte meine Position ein, bis die Bergungsarbeiten abgeschlossen sind.“
„Verstanden.“
„Kuma, überspielen Sie Ihre ROM-Dateien sofort an Home Base. Sie sollen das Bildmaterial auswerten.“
„Verstanden, Knave. Und danke, dass Sie meinen Arsch gerettet haben.“
„Jederzeit wieder, Kuma. Und, gratuliere zum Abschuss.“
Ein wenig erschrak der erfahrene Mechkrieger bei diesen Worten. Woher wusste der Alte das schon wieder? Erstaunlich. Ein wenig beängstigend, aber auch beruhigend. Vor allem beruhigte die Tatsache, dass das neunzig Tonnen schwere Monster auf ihrer Seite war.
***
Zwei Stunden nach der unerfreulichen Begegnung hatten die Chevaliers eingesackt, was es zu bergen lohnte, und einen Leibeigenen gemacht. Sie hatten Spuren eines fünften Mechs gefunden, aber ihn nicht aufspüren können. Die Existenz einer Lanze der Gyrfalcon war jedenfalls Grund genug, um die Offiziere bei der nächtlichen Rast ins mobile HQ zu rufen.
Germaine Dantons Blick ging in die Runde und streifte jeden einzelnen. Es gab zu viele Gesichter, die er vermisste, die entweder die Chevaliers verlassen oder gestorben waren, und die eigentlich hier hätten stehen müssen. Dabei war es nur ein kleiner Trost, das immer wieder fähige Leute nachrückten. Jara Fokker zum Beispiel hatte sich als wahrer Glücksgriff und als Naturtalent erwiesen, und der Major hatte gerne, zu gerne zugegriffen als er einen guten Offizier gerochen hatte.

Vor ihnen auf dem Holotisch spielte sich das kurze Gefecht ab, an dem Oleg Wiachynski beteiligt gewesen war. Dabei wurde der fünfte Mech der Jadefalken identifiziert, eine Nova.
„Das ist die Lage. Wir haben es meiner Meinung nach mit einer bewaffneten Fernerkundung zu tun“, sagte Germaine Danton bedächtig. „Die Wölfe haben eine feste Front im Norden, von der aus sie nach Süden vorstoßen, um die Stellungen der Falken auszutesten, die noch neunzig Klicks von uns entfernt sind. Dort finden wir unsere Freunde von den 17., und damit hoffentlich unsere verlorenen Schäfchen.“ Seine Hand langte ins Hologramm. „So wie ich das sehe geht den Jadefalken das Gehabe von Onyx auf die Nerven, weshalb sie versuchen seine Linie zu umgehen und ihn im Rücken zu packen. Deshalb sind wir hier an dieser Stelle auf die Falken gestoßen. Die fünf Mechs sind mit Sicherheit die Voraustruppe für einen Trinärstern, vielleicht für eine TrinärNova. Und dadurch das die Nova entkommen ist, sind sie gewarnt. Meine Frage ist, was tun wir jetzt?“
Jara Fokker hob die Hand. „Sir, wenn ich mich recht entsinne, sind wir wegen der Wölfe auf dieser Welt. Warum ihnen also die Spielkameraden wegnehmen? Lassen wir die Falken an uns vorbei. Sollen sie die Wölfe für uns weich klopfen.“
Gemaines Blick ging zu Kitty. Die Hubschrauberpilotin schüttelte energisch den Kopf und hob ihr Pad.
Danton nickte bestätigend. „Falls Onyx diesen Angriff nicht vorausgesehen hat und es hier irgendwo einen Wolf-Hinterhalt gibt, ist er mit seinen Leuten neunzig Kilometer entfernt. Den Trinärstern aber werden wir den ganzen Weg an der Seite oder im Nacken haben. Das kann eine unangenehm lange Zeit werden.“
„Und wenn wir ihnen anbieten, sie passieren zu lassen?“, fragte Sergeant Tsuno.
„Die Gefechts-ROMs belegen, dass Kuma ohne eine Warnung beschossen wurde. Ein Klärungsversuch seinerseits blieb unbeantwortet. Für die Falken sind wir nur Ziele. Wenn sie glauben es mit uns aufnehmen zu können werden sie uns stellen.“
„Und wenn sie es nicht können, werden sie es dennoch tun“, meldete sich Ryanna, die Verbindungsoffizierin der Wölfe, zu Wort. „Die Einheit ist jung, ihre Krieger lechzen nach Kampf und die Chance, ihren Kodax aufzupolieren. Da wird ihnen eine kleine Trainingseinheit mit ein paar Innere Sphäre-Surats gerade recht sein. Ich denke, bereits jetzt befindet sich die Einheit auf der Jagd nach uns. Sie werden uns stellen, so oder so, weil sie die Chevaliers unterschätzen.“
Germaine nickte bestätigend. Sein Blick ging zu Jara. „Sparrow, ich will die Lanze im Westen haben. Elementare und Purifier. Ich brauche eine volle Aufklärung in einem Fächer von fünf Kilometern Breite. Ich muss wissen, was da auf uns zukommt. Ausführung sofort.“
Jara Fokker nickte ernst. Mit einem Nicken verließ sie ihre Position.
„Wir sollten uns alle darauf vorbereiten, dass morgen ein langer Tag für uns alle wird. Darum sagt Leon, er soll heute Abend und morgen früh besonders gut kochen.“
Er sah zu Captain Harris herüber. „Gibt es schon Kontakte zum hiesigen Widerstand?“
„Im Moment scheint es nicht mal einen hiesigen Widerstand zu geben, Germaine“, schränkte sie ein.
„Hm“, machte der Major ärgerlich.
„Die Taktik für morgen?“, hakte Manfred Scharnhorst nach.
„Sobald die Aufklärungsdaten vorliegen werden wir vor dem Tross in einer Fächerstellung auf sie warten. Wir locken sie mit den leichten Einheiten rein, und dann machen wir den Sack zu und drücken sie direkt auf die fetten Einheiten, die dort lauern werden.“
Bishop hob eine Augenbraue. „Minensperren, Fallgruben, vorbereitete Stellungen und dergleichen?“
„Sobald die Aufklärungsdaten vorliegen, Herrschaften. Das wird frühestens in zwei Stunden der Fall sein, also schlage ich vor, dass wir uns alle eine Mütze Schlaf gönnen und an unsere Stellvertreter übergeben. Schlaf wird schon bald ein Mangelgut sein.“
Die anderen Offiziere nickten bestätigend.
Thorsten Kerensky
„Sparrow, ich will die Lanze im Westen haben. Elementare und Purifier. Ich brauche eine volle Aufklärung in einem Fächer von fünf Kilometern Breite. Ich muss wissen, was da auf uns zukommt. Ausführung sofort!“
Die blonde Offizierin nickte knapp und verließ das mobile HQ. Insgeheim war sie froh, der Stabssitzung und vor allem dieser aufgeblasenen Ryanna entkommen zu sein. Surats hatte sie die Chevaliers genannt und auf Jara war sie ganz besonders schlecht zu sprechen gewesen, nachdem sie erfahren hatte, dass die junge Frau es bei den Kreuzritter-Wölfen in die Kriegerränge geschafft hatte.
Sie stapfte zu ihrer Lanze, die an den Füßen der Mechs im lockeren Kreis Platz genommen hatte. Lediglich Kyle Kotare turnte an seinem Bluthund-Omni-Mech herum. Er war vorhin zusammen mit ihr draußen gewesen und hatte auf Dantons Befehl hin nach weiteren Jadefalken gesucht.
Als Corporal Stein die Lanzenführerin sah, stand er auf und rief: „Achtung!“, woraufhin auch die anderen beiden Mechkrieger und die Elementare sich beeilten, Haltung anzunehmen.
„Rühren!“, befahl Jara. „Es gibt schlechte Neuigkeiten. Es ist davon auszugehen, dass der Stern der Jadefalken, der heute Mittag Kuma fast erwischt hätte, nur eine offensive Erkundungseinheit war. Der Major geht davon aus, dass ein Binärstern, vielleicht sogar ein Trinärstern hinter ihm her kommt. Wir können uns also auf einen interessanten Kampf einstellen. Und es ist klar, dass wir dort die bevorzugten Ziele der Gyrfalcon sein werden.“
„Dann sollten wir uns ausruhen“, schlug Swoboda vor. „Kotare und sie waren vorhin schon draußen, während alle anderen hier die Füße hochgelegt haben.“
„Die Idee hat etwas für sich und ich bin mir sicher, dass auch die anderen Chevaliers versuchen werden, so viel Ruhe wie möglich zu bekommen. Wir aber leider nicht. Wir haben den Befehl, sofort nach Westen aufzubrechen und dort Fächeraufklärung auf fünf Kilometern Breite durchzuführen. Und zwar Mechs wie auch Gefechtsrüstungen.“
„Wonach genau suchen wir?“, hakte Stein nach.
„Das Übliche: mögliche Defensivstellungen, Anzeichen von Feindaktivitäten, das volle Programm. Alle weiteren Fragen klären wir unterwegs. Füllen sie ihre Trinkwasserflaschen und lassen sie sich Power-Riegel ausgeben. Wenn die Küche sich beschwert, richten sie schöne Grüße von mir aus. In fünf Minuten will sind sie alle abmarschbereit! Ausführung!“
Die Männer und Frauen vor ihr brachen in koordinierter Hektik aus und auch die junge Frau nutzte die kurze Zeit, um ihren Trinkwasservorrat aufzufüllen und sich für den Einsatz im Mech vorzubereiten. Dazu machte sie ein paar schnelle und effektive Dehnungs- und Lockerungsübungen, denn das Schlimmste, was einem im Cockpit passieren konnte, waren eingeschlafene, verkrampfte oder gezerrte Glieder.
Kurz darauf erklommen die Gefechtsrüstungsträger die Omni-Mechs und hingen sich an die Haltegriffe. Einer nach dem anderen erhoben sich nun die knieenden Stahlgiganten und marschierten westwärts aus dem improvisierten Lager des Chevaliers-Trosses.
„Home Base, hier Sparrow: Schlaglanze verlässt Lager in westliche Richtung.“
„Habe verstanden, Sparrow. Viel Glück und kommt gesund zurück!“

„Sparrow, hier Striker“, meldete sich Sergeant Rowan Geisterbär, der Gruppenführer des ersten Elementar-Sterns über Funk. Schon vor zwei Stunden waren die Gefechtsrüstungen abgesessen, um das Gelände vom Boden aus zu erkunden. Im Gegensatz zu den schweren Mechs kamen sie in dem sumpfigen, dichten Waldgebiet sogar schneller voran. „Das Gelände vor uns fällt einige hundert Meter senkrecht ab. Am Horizont sehe ich etwas, aber es braucht vermutlich die Sensoren von BattleMechs, um mehr zu erkennen.“
„Verstanden Striker, gute Arbeit!“
Jara warf einen Blick auf ihr Radar, um die Position des Ex-Claners zu bestimmen und änderte dann die Bewegungsrichtung ihres Waldwolfs. Kurz bevor sie den grünen Punkt erreichte, der Rowan darstellte, lichtete sich der Wald vor ihr und ihr Mech trat auf eine Klippe.
Der Anblick, der sich ihr bot, war unbeschreiblich und für einen langen Moment verharrte sie und nahm die atemberaubende Schönheit der Landschaft in sich auf.
Sie stand auf einem Felsvorsprung, der fast einen halben Kilometer über dem darunterliegenden Boden thronte und blickte hinab auf eine weite grüne Steppe, die in alle Richtungen weiter reichte, als sie gucken konnte. Am Horizont versank langsam die Sonne und tauchte die Landschaft in goldenes Licht.
Dann riss Rowan sie aus ihren Gedanken und machte sie auf die Staubwolke aufmerksam, die man am Horizont erahnen konnte.
Jara stellte die Sensoren ihres Mechs darauf ein und vergrößerte den Bildausschnitt weiter. Erst als sie auf eine Entfernung von über 6 Kilometern scharf gestellt hatte – weit über der Sensorenreichweite und nur dank ihrer erhöhten Position möglich – erkannte sie, was sich dort bewegte.
Sofort öffnete sie einen Funkkanal: „Sparrow an Schlaglanze, wir haben gefunden, wonach wir gesucht haben. Ich zähle elf Mechs, die sich unserer Position aus westlicher Richtung nähern. Hauptsächlich leichte und mittelschwere Einheiten und sie bewegen sich sehr zügig. Ich schätze, bei dieser Geschwindigkeit erreichen sie in gut einer Stunde den Fuß dieser Anhöhe und in etwa fünf Stunden die Position der Chevaliers. Ich würde zwar gerne noch warten und gucken, was da auf uns zukommt, aber bei dem Tempo würden sie uns dann einholen, bevor wir aus diesem verdammten Dschungel raus sind. Wir werden also sofort zurückkehren. Gefechtsrüstungen aufsitzen und geordneter Rückmarsch! Los geht’s, die Nacht wird vermutlich ungemütlich werden.“
„Meinen sie, wir wurden entdeckt?“, erkundigte sich Swoboda.
„Möglich wäre es. Wir haben sie gesehen, also können sie auch uns gesehen haben. Zumal sie die Sonne im Rücken haben. So oder so … sie müssen fast zwangsläufig diesen Weg nehmen und wenn der entlaufene Nova-Pilot bei ihnen ist, dann wissen die Falken eh von uns.“