Chevaliers III. Season Storythread

Ace Kaiser
Zufrieden stellte er fest, dass alle Einheitsführer und Stellvertreter um ihn herum versammelt waren. Das machte es etwas eng im mobilen HQ, aber eine gute Planung minimierte die Verluste.
„Und das ist der Plan. Eine Kampfgruppe von der Größe eines Binärsterns kommt auf uns zu. Ankunftszeit ist voraussichtlich in dreißig Minuten, wir sollten uns also beeilen.“
„Das hängt jetzt nicht von uns ab, Germaine“, tadelte Captain Scharnhorst, und hatte wohlmeinende Lacher auf seiner Seite.
Germaine schmunzelte leicht. „Ich gebe mir Mühe. Dies ist der Plan. Wir haben es mit einer relativ unerfahrenen Einheit zu tun, deren Krieger wahrscheinlich frisch aus der Geschko sind. Dementsprechend heiß sind sie auf Ruhm und Ehre, weshalb sie auch eine so erfahrene Wolfseinheit wie die 17. attackiert haben. Der Umgehungsangriff ist nicht schlecht und könnte ihnen einen Vorteil verschaffen, und für einen Moment habe ich mit dem Gedanken gespielt, sie durchmarschieren zu lassen, damit sie die Drecksarbeit erledigen können. Aber ehrlich gesagt haben diese Gören einen auf den Hintern verdient, und zwar kräftig. Beinahe hätte es Kuma erwischt, und alleine das ist Grund genug, um diesen Binärstern zu zerschlagen.“
Germaine sah in die Runde. „Zum Glück wurde Krieger Wiachynski nicht verletzt, aber sein Vulcan wurde übel zugerichtet. Die Reparaturen müssen warten, bis uns der Funken eines Schweißgeräts nicht mehr verraten kann.“
Zustimmendes Gemurmel erklang.
„Lieutenant Fokker, Sergeant Khe Sanh, sind Schlaglanze und Schweberkampflanze auf unserer linken Flanke in Position?“
„Das sind sie. Sie warten nur noch auf meine Rückkehr“, meldete Jara.
Khe Sanh nickte nun ebenfalls. „Wir sind bereit, Sir.“
„Lieutenant Geisterbär, Lieutenant Battaglini, sind Kampflanze und Kettenkampflanze auf der rechten Flanke bereit?“
„Pos“, sagte die Wahrgeborene schlicht und wortkarg.
Battaglini, sichtlich irritiert, dass er anstelle von Scharnhorst angesprochen wurde, nickte einfach nur.
„Wundern Sie sich nicht, James“, begann Germaine eine Erklärung. „Captain Scharnhorst und ich sind der Meinung, dass dies eine gute Gelegenheit ist um Ihre Führungsqualitäten zu testen. Sie kommandieren in diesem Gefecht die Kompanie vom Feld aus, Captain Scharnhorst bleibt hier im HQ und wird nur im Notfall eingreifen. Schaffen Sie das, James?“
„Sir, natürlich. Danke für diese Chance.“
Danton schnaubte zufrieden. „Sergeant Khe Sanh, Sie sind sofort Second Lieutenant. Sergeant Tsuno, befördern Sie Private Wiachynski mit sofortiger Wirkung zum Corporal.“
Überrascht nickten die beiden Soldaten der Chevaliers.
„Das bedeutet, es bleiben die Scoutlanze der Mechs und der Panzer zurück, dazu meine Kommandolanze und die Artillerielanze. Ebenso die Infanterie, die Luft/Raumjäger und die Pioniere.“
Zustimmendes Gemurmel entstand.
Germaine aktivierte den Holoprojektor zwischen ihnen und exponierte damit das umliegende Gelände. „Herrschaften. Hier wird sich meine Kampflanze postieren. Wir werden mit aktiven Mechs dort stehen und eine offene Herausforderung für die Falken sein. Wie ich schon erwähnte ist die Einheit jung, und besteht abgesehen vom Nova hauptsächlich aus leichten, mittelschweren und schweren Mechs. Assaulttypen wurden bisher nicht gefunden, aber wir haben auch erst sieben von elf gesichteten Mechs identifiziert. Als Corporal Wiachynski über die Falken stolperte, tat er dies über dies über den Aufklärungsstern. Damit haben wir den Falken einiges an Möglichkeiten genommen, was Scoutarbeit angeht. Wenn wir dann noch die natürliche Arroganz hinzu rechnen, die Einheiten eigen ist, die noch nie gegen einen regulären Verband der IS gekämpft haben, wage ich zu behaupten, dass sie allesamt direkt auf meinen Highlander zugestürmt kommen, kaum dass sie mich in der Ortung haben. Sie sind etwas nachtragend“, murmelte Germaine schmunzelnd.
SternCommander Elegy, ihre Verbindungsoffizierin, lachte dazu abgehackt. „Was soll man auch anderes erwarten von einer frischen Einheit? Die kalte Dusche wird ihnen gut tun und sie vielleicht etwas lehren.“
„So kann man es auch sehen.“ Weitere Symbole erwachten auf der Karte, einmal die Angreifer, dann die Einheiten an den Flanken, die allesamt deaktiviert waren. „Meine Kommandolanze erwartet den Feind hier. Zwei Klicks zu jeder Seite haben wir je eine schlagkräftige Doppellanze aus Panzern und Mechs postiert. Die Scouteinheiten postieren wir hier und hier hinter meiner Lanze. Die Artillerielanze der Panzer positioniert sich hier hinter meiner Stellung. Die Sprungtruppen sichern das Lager und werden für diesen Fall mit tragbaren KSR ausgerüstet. Scharfschützenteams gehen in Stellung. Hier, hier, hier, hier und hier.“
Ein paar Worte zum Gelände, Herrschaften. Die Pioniere haben in aller Hast Sprengfallen und Minen verlegt, die von Lieutenant Bishop und seinen Leuten aus diesen beiden Unterständen manuell gezündet werden. Luft/Raumjäger und Hubschrauber nehmen an diesem Gefecht nicht teil, bleiben aber in Bereitschaft.
Sobald die Clanner auf dreihundert Meter heran sind und sie kurz davor stehen, aus meinem Highlander einen Haufen Metall und Asche zu machen, befinden sie sich in den Minen. Das wird sie nicht wesentlich bremsen, aber verlangsamen. Das Codewort für die Aktivierung und den sofortigen Angriff mit allem was wir haben lautet „Pauke“. Alle anderen Befehle sind different und nur von den angesprochenen Einheiten auszuführen. Auch dieser Feuersturm wird sie nicht bremsen, aber direkt hier in die Sprengfallen führen. Wir nehmen an, das ein bis zwei Strahlen Elementare mitreiten. Diese werden sich um meine Kommandolanze kümmern wollen. Es ist Aufgabe der Sniper, und zwar nur der Sniper, sie zu bekämpfen.
Ich rechne nicht damit, dass auch nur ein einziger Mech bis auf Kurzdistanz an uns heran kommt, aber sollte ich dennoch durch einen Glückstreffer oder durch massiven Beschuss ausfallen, auf welche Art auch immer, übernimmt sofort Captain Scharnhorst aus dem HQ.
Ist dies nicht der Fall, so rechne ich damit, dass der Gegner beim fünften oder sechsten Verlust kehrt marsch machen wird. Dazu muss er den Feuerregen der Flankeneinheiten erneut durchqueren. Und alles was das überlebt hat, gehört den Scouteinheiten. Zu diesem Zeitpunkt werden die Clanner derart zerschossen sein, dass selbst ein Savannah-Schweber eine Chance hat.
Captain Harris.“
„Wir konnten, wie der Major bereits erwähnte, durch Lieutenant Fokker und die Purifier sieben der vermuteten elf Mechs identifizieren. Hier eine Liste der Einheiten. Der erste ist unser alter Freund, die Nova, in der IS auch als Schwarzfalke bekannt. Eine A-Konfiguration, wie es scheint, und ehemaliger Anführer des Scoutsterns.
Die schwerste Maschine ist die Nemesis C, bei uns bekannter als Thor. Voraussichtlich die Maschine des SternCaptains. Flankiert wird er von zwei Sturmkrähe, bei uns geläufig als Ryoken, einem B und einem A. Ein Viper B, wir kennen ihn als Libelle, und eine Zecke C, also eine Firefly, vervollständigen diesen Stern.
Vom anderen Stern konnten wir nur eine Einheit genau identifizieren, nämlich einen SHT-2R C Schütze, also einem nachgerüsteten IS-Modell. Die anderen Maschinen konnten nicht eindeutig erkannt werden. Wir werden es nachholen, sobald wir sie in Augenschein nehmen können. Aber wir vermuten, dass es sich um einen Steppenwolf, einen Feuerfalken und zwei Jenner handelt. Höchstwahrscheinlich alle II C-Typen, also mit ClanTech aufgepeppt. Wir sind uns bei dieser Beurteilung ziemlich sicher, aber wir wissen es nicht. Schlimmstenfalls entpuppt sich der Feuerfalke als Dunkelfalke, oder die Bewaffnung als modifiziert. Sollten wir darüber Erkenntnisse sammeln, reichen wir sie sofort weiter.“
Germaine sah in die Runde. „Haben das alle verstanden?“
„Eine Frage, Sir. Warum sollen wir die vermuteten Elementare durchkommen lassen? Es wäre ein Leichtes für die Scoutlanze, sie abzuwehren“, hakte Captain Lane nach.
„Nun, das hat etwas mit Demut zu tun. Ich vermute einfach, dass diese jungen Clankrieger nicht damit rechnen, dass die Innere Sphäre lernfähig ist“, orakelte der Kommandeur der Chevaliers.
„Wenn es das gewesen ist, meine Damen und Herren, dann gute Jagd. Und jetzt los.“
Zustimmendes Gemurmel erklang, und der Raum leerte sich merklich.
„Und ihr beide passt auf unseren Rücken auf. Kiki soll aufsteigen und den hinteren Bereich überwachen. Ich vermute zwar nicht, dass die Clanner schlau genug für einen Umgehungsangriff in ihrem Umgehungsangriff sind, aber vielleicht kommen ein paar detachierte Elementare um die Ecke. Das gilt es zu verhindern, ebenso wie eine zufällig des Weges kommende Wolfseinheit.“
Die beiden Offiziere nickten ernst.
Germaine schüttelte beiden ein letztes Mal die Hände und verließ das HQ, um zu seinem Mech zu kommen.
***
Zwei Minuten später aktivierte sich die Kommandolanze und startete in die frühe Nacht. Nur noch ein dünner, stetig kleiner werdender Streifen Licht im Westen kündete von der Sonne. Und auch der würde bald der Schwärze der Nacht weichen.
Der Highlander, der Black Hawk, der Tai-sho, der Schütze und der Nightstar erhoben sich und trabten auf ihre Positionen. Alleine mit dieser Feuerkraft hätte sich Germaine ein Gefecht mit dem angreifenden Binärstern gewagt.
Dann kamen die Jadefalken in Sichtweite. Angeführt vom Thor stapften sie auf die natürliche Schneise, die zwangsläufig auf Germaine Danton führen musste. Die Entfernung war zwei Klicks, also eine recht bequeme Reichweite, um noch Fersengeld zu geben. Germaine hob die Gauss und feuerte einen Schuss in Richtung ihrer Gäste. Die ultrabeschleunigte Waffenkugel schlug nach diesen zwei Kilometern harmlos in einen Baum ein, aber der Kommandeur der Falken schien dies als persönliche Beleidigung aufzufassen, denn nach einem kurzen Stocken forcierte er das Tempo.
„Kommandolanze, Feuer frei bei einem Kilometer. Wir wollen sie schön weiter reizen, damit sie sich anständig auseinander ziehen.“
Die vier Piloten bestätigten und warteten auf ihre Gelegenheit, während Germaine mit Seelenruhe weiter die Gausskanone abfeuerte.
Als der erste Falke auf einen Klick heran gekommen war, hatten sich die Zecke, die Libelle und die zuvor unidentifizierten Jenner II C deutlich abgesetzt. Die anderen beiden bisher unbekannten Maschinen entpuppten sich als Dunkelfalke II C und Feuerfalke II C. Germaine würde ein ernstes Wort mit Juliette Harris haben müssen, wenn das Analyseteam der Chevaliers tatsächlich einen Steppenwolf mit einem Dunkelfalke verwechselt hatte.
Alles in allem war sich Germaine sicher, mit diesen Mechs den Boden aufzuwischen.
Auf einem Klick begannen die vier Begleiter des Highlanders, mit ihrer Langstreckenbewaffnung und wohldosiert das Feuer zu eröffnen. Gerade genug Rumgeballere, um den Gegner beim laufen zu halten.
Mehr durch Zufall landete eine der Gausskugeln auf der Brustpartie des Thor, richtete dort aber nur wenig Schaden an. Dennoch ruckte der Mech einmal kurz und setzte danach seine Sprungdüse ein, um schneller an den Feind heran zu kommen. Auch seine Begleiter, allen voran Elegy, erzielten Glückstreffer, die zwar keine großen Panzerungsschäden verursachten, aber den Gegner noch weiter reizten.
„Knave von Sparrow. Sir, mitreitende Elementare belaufen sich auf drei Strahlen. Ich wiederhole, mitreitende Elementare belaufen sich auf drei Strahlen.“
Für einen Moment erschrak Germaine, weil Jara die Funkstille durchbrochen hatte. Aber dann erkannte er nach einem Blick auf den Kanal, dass die Verbindung über Metellus und den Tai-sho geschaltet worden war und per Laserkommunikation erfolgt war.
Germaine verzichtete auf einer verräterische Antwort. Gerichteter Laserfunk würde nun bald nicht mehr möglich sein, wenn der Tanz erst richtig los ging. Stattdessen öffnete er einen weiteren Kanal. „Archangel von Knave. Sind die Sniper auf ihren Positionen? Wir kriegen hier gleich ein Zeckenproblem.“
„Keine Sorge, Knave. Alle haben gut geschützte Positionen weitab der HKL und offenes Schussfeld.“
„Verstanden, Archangel. Viel Glück.“
„Auch Ihnen viel Glück, Archangel.“
„Knave von Digger. Sir, die Jenner durchqueren jetzt die Minen.“
„Sprengen Sie, Digger, sprengen Sie.“
Statt einer Antwort wurden die Minen scharf gemacht. Einem Jenner II C wurde ein Bein abgerissen, aber er fiel glücklich genug, ohne eine weitere Mine auszulösen. Der zweite löste daraufhin die Sprungdüsen aus, landete allerdings in Waffenreichweite des Tai-sho, der zwei seiner PPKs auslöste und dem leichteren Mech ordentlich einschenkte. Eine 20er LSR-Salve von Archon gab dem Dreißigtonner den Rest.
Die Zecke lief nun ebenfalls auf eine Mine, hatte aber Glück. Sie konnte sich verlangsamt weiter vorwärts bewegen. Der Feuerfalke II C sprang über das vermutete Minenfeld hinweg, und stand nun neben einer Sprengfalle, die durch den Plasmastrahl ausgelöst wurde. Dreck und Steine wurden aufgewirbelt, prallten gegen den humanoiden Mech und schabten Panzerung von seinen Beinen und dem Torso.
Nun waren auch die anderen Mechs der Falken auf sechshundert Meter heran. Ein Blick auf seinen Hilfsschirm verriet Germaine, dass die Waffenstrahlen und die Geschosse hauptsächlich nach ihm tasteten und einige Bereiche schon bedenklich getroffen hatten. Er löste die Sprungdüsen aus und bewegte seine Maschine weiter nach hinten. Die sprungfähigen Clanner versuchten nachzusetzen, während die anderen damit begannen, sich in Ferngefechte mit der Kommandolanze zu messen und den Weg von Minen zu befreien.
Als der Highlander von einem PPK-Treffer durchgeschüttelt wurde, beschloss Germaine, dass es reichte. „Pauke!“
Nun erwachten die Flanken zum Leben und die LSR-Lafettenwagen, zwischen denen Germaine nun stand entfachten ihr tödliches Feuerwerk. Für die Jadefalken musste es wie ein Weltuntergang wirken als die Panzer und Mechs von drei Seiten ein fürchterliches Gemetzel starteten. Die Chevaliers waren noch nie besonders schlecht darin gewesen, Hinterhalte zu legen.
Germaine bewegte seinen Mech wieder zurück in die Linie, die nun langsam voran schritt. Abwärme war im grünen Bereich, Panzerungsparzellen wurden nirgendwo rot oder gar nicht existent angezeigt. Ideale Voraussetzungen für den weiteren Kampf. „Knave-Lanze, auf den Anführer.“
Bestätigungen liefen ein.
„Knave von Sparrow! Sir, zirka zwölf Elementare lösen sich von den Mechs und halten auf die Knave-Lanze zu. Einsatzbefehl für Striker?“
„Negativ, Sparrow. Um die Elementare wird sich gekümmert. Striker soll dabei helfen die angeschlagenen Falken auszumerzen.“
„Verstanden.“
Germaine wusste, dass nun in der Dunkelheit aus gut getarnten Verstecken kaum sichtbares Mündungsfeuer aufblitzte, und jeder Blitz bedeutete die Kugel aus einem modifizierten Zeusgewehr. Bei fünf Scharfschützenteams und gut drei Schuss die Minute hätte das bei einhundert Prozent Trefferquozient ausgereicht, die Elementare auszuradieren. Germaine war aber mit der Ausbeute von fünf verschwindenden Rüstungszeichen auf seinem Takkom mehr als zufrieden.
Als die übrigen sieben Elementare seinen Highlander erreichten und an seinen Beinen hoch zu springen begannen, spielte ein grausames Lächeln um die Züge des Majors. „Ihr seid wirklich noch grün“, murmelte er. Kurz darauf explodierten die Richtsprengladungen an den Beinen des Highlanders, die genau für so einen Fall entwickelt und installiert worden waren. In der Inneren Sphäre schaltete man diese Sprengladungen durch Beschuss aus, bevor man versuchte an einem Mech hoch zu klettern. Die Jadefalken schienen das nicht zu wissen. Und deshalb wurden sie von der schieren Gewalt der Explosionen davon gewirbelt.
Eine Rüstung, die hoch genug gesprungen war, wischte der Major mit einer Handbewegung aus der Luft und trieb sie in die Bäume. Einen Piloten der Jadefalken hatten sie bereits im Lazarett liegen. Es schien so als würden heute noch ein paar dazu kommen.

Heftige Erschütterungen in der rechten Seite erinnerten ihn wieder an die eigenen Probleme. Zwar wurde nun heftig von allen Seiten auf die Gegner eingeprügelt; die Auswertung der Gefechts-ROMs und die Zuweisung der Abschüsse würden ein Albtraum werden. Aber noch war der Gegner nicht besiegt, und der Pilot des Thors hatte ihn gerade mit seiner Autokanone erwischt. Germaine antwortete mit Raketen und seinem Gaussgeschütz. Metellus leistete ihn mit PPK-Feuer Unterstützung.
Nun begann die Front der Falken zu bröckeln, die Maschinen des Gegners fielen nach und nach aus. Die Falle war zugeschnappt, und lediglich der Dunkelfalke, einer der beiden Ryoken und die Libelle machten sich nun an die Flucht.
„Sakura, Hermes, schnappt sie euch.“
„Verstanden!“, hallten ihm die Stimmen von Miko Tsuno und Mike McLoyd entgegen. Kurz danach preschten die schnellsten Chevaliers an den Linien ihrer größeren Kameraden vorbei, um die fliehenden Mechs zu stellen, während in eigentlichen Kampfgebiet die Feindmaschinen starben. Die Auswertung würde wirklich die Hölle sein. Ein letzter Raketentreffer, gefolgt von ersterbendem Autokanonenbeschuss traf seinen Highlander, dann löste der Thor-Pilot den Schleudersitz aus. Kurz darauf verging das feine Stück Clantechnologie in einem spektakulären, silbrigroten Feuerball, als der überlastete und augenscheinlich getroffene Reaktor hoch ging.
Germaine suchte nach einem neuen Ziel, fand aber keines. Das Gemetzel war zu Ende.
Der Major grinste dünn. Noch vor fünfzehn Jahren wäre ein Gefecht zwischen ihren beiden Einheiten selbst mit dem Vorteil eines Hinterhalts unentschieden aus gegangen und hätte beide Seiten einen hohen Blutzoll gekostet. Heutzutage aber hatten sie die Falken, die ihm so bereitwillig in die Seite gestolpert waren, abgeschlachtet und ausradiert. Hoffentlich wusste Colonel Onyx seine Hilfe zu schätzen, ging es Germaine ironisch durch den Kopf.
„Archangel, Gelände sichern. Saint, das Schlachtfeld gehört Ihnen.“
Beide bestätigten. „Schlächterrechnung zu mir“, sagte er und spürte etwas müdes auf sich lasten, das wie eine dunkle Wolke über ihn kam. Er gähnte herzhaft und war wieder klar. Dann erreichten ihn die Verlustmeldungen der verschiedenen Einheiten.
Thorsten Kerensky
Müde und zerschlagen wie sie war, hatte Jara nicht mehr die Energie, das Wasser der Dusche abzudrehen. Also blieb sie einfach unter dem warmen Strahl stehen und hing ihren Gedanken nach.
Den ganzen Tag und die ganze Nacht war sie mit ihrer Lanze draußen gewesen. Ohne Pause, ohne Ablösung, während die anderen Einheiten rotierend Pausen machten. Wenn das eine Art makaberer Belastungstest für sie und ihre Männer war, konnte die junge Frau dem nichts abgewinnen.
Zu allem Überfluss hatte der Major dann auch noch Wiachynski befördert. Nicht dass sie dem Corporal seinen neuen Dienstgrad nicht gönnte, aber ihre Leute hätten diese Lorbeeren eigentlich auch verdient. Die Nachricht hatte sich natürlich rumgesprochen und Kyle Kotare hatte gescherzt, dass er sich wohl auch zusammenschießen lassen müsste, um endlich Corporal zu werden.
Und obwohl Jara ihm den Versuch unter Androhung sämtlicher körperlichen Grausamkeiten untersagt hatte, musste sie ihm im Stillen doch beipflichten.
Danach waren sie an die äußerste Flanke verlegt worden. Die Schlaglanze, ausgerüstet mit Clantechnologie und genug Feuerkraft, um einen Clan-Stern im Alleingang zu stoppen, hatte die unwichtigste und undankbarste Aufgabe erhalten.
Es war nur verständlich, dass bei Stein, Kotare und Swoboda, aber auch bei den Elementaren und bei ihr, das Gefühl aufkam, dass Germaine ihnen nicht traute und sie beinahe wie Aussätzige behandelte. Dabei hatten sie ihre Leistungen im Training deutlich steigern können, seit sie die Wings neu zusammengesetzt hatten und auch ihre Aufträge hatten sie immer ohne Beanstandung ausgeführt.
Dann waren die Falken gekommen und fast hätten sie eine Gelegenheit bekommen, Pluspunkte zu sammeln. Aber statt seine stärksten Truppen in den Kessel der Schlacht zu werfen, hatte Danton sich zusammenschießen lassen und sie zurückgehalten.
Als sie dann endlich losschlagen durften, war von den leichten Clanmechs kaum genug über, um es als Ziel aufzufassen. Und die gegnerischen Kröten durften sie auch nicht angehen. Stattdessen mussten Rowan und seine Truppe die ausgestiegenen Jadefalken gefangen nehmen.
Vielleicht, ging es ihr durch den Kopf, lag es an ihrer Zeit bei den Wölfen. Sie suchte in letzter Zeit den Kampf, wollte sich und ihren Leuten beweisen, was sie leisten konnte. Und mit Kyle Kotare, Rowan und den anderen Elementaren bestand ihre halbe Lanze aus ehemaligen Clanern.
Und vielleicht war auch das der Grund, warum der Stab sie kurz hielt. Es war durchaus möglich, dass sie in den temperamentvollen Clankriegern ein taktisches Risiko sahen.
Nun, zumindest einen Vorteil hatte ihre Position gehabt: Der Schaden an ihrer Lanze war minimal, das Material kaum belastet und die Bergetrupps würden noch genug Clan-Bauteile vom Schlachtfeld tragen, um die kostspieligen Omni-Mechs am Laufen zu halten. Vier Stück davon gehörten mittlerweile fest zum Touman der Chevaliers: ihr Waldwolf, Kotares Bluthund, ihre alte Natter und eine Nemesis, die eingemottet im Hangar stand. Natürlich hatte sie versucht, ihre Finger auf diesen schweren Mech zu legen, aber Germaine widersprach ihr, teilte ihre Ansicht nicht, dass die Nemesis perfekt in ihre Lanze passen würde.
Dazu kamen natürlich noch der Schwarzfalke von dieser aufgeblasenen Elegy und der Kriegshammer IIC von Lieutenant Rebecca, wobei letzterer nicht ganz so wartungsintensiv wie ein OmniMech war.
Jara seufzte und drehte das Wasser nun doch ab. Ihr Blick fiel dabei auf ihren rechten Arm und auf die Narbe, die sie dort trug. Eine Erinnerung an ihre Zeit bei den Clans. Das Cockpit, in dem sie als Gast mitgereist war, hatte einen schlimmen Treffer einstecken müssen und Glassplitter hatten sie verletzt. Die meisten Wunden waren von der Clanmedizin gut versorgt worden, aber diese eine Narbe war geblieben.
„Da duscht aber jemand lange“, drang eine Stimme an ihr Ohr. „Zum Glück bist du im Mech nicht ganz so langsam.“
Die blonde Frau wickelte sich ihr Handtuch um und trat aus der Duschkabine und zu Sheila: „Ich bin seit über dreißig Stunden auf den Beinen und solange wir hier Feldduschen mit heißem Wasser haben, werde ich diesen Luxus auch nutzen.“
„Gehe niemals ohne deine Pioniertruppe aus dem Haus“, scherzte ihre Freundin. „Die Jungs sind taff.“
„Darauf ein Amen. Gehst du auch duschen?“
„Ich war schon. In der Zeit, in der du unter dem Wasser gestanden hast, hätte ich zehnmal gehen können. Ich wollte dich abholen und mit dir zum Essen gehen.“
„Essen?“
„Ja, es ist Frühstückszeit, Dummchen.“
Jara trocknete sich ab und sah erste Sonnenstrahlen durch das Milchglasfenster fallen. „Wow, du hast Recht.“
„Ich glaube, eine Tasse Kaffee könnte dir nicht schaden.“
„Da hast du wohl Recht. Eine Tasse Kaffee, eine halbe Stunde schlafen und dann ein paar Stunden im Konvoi marschieren…“
Ace Kaiser
Ein wenig müde, aber hoch zufrieden versammelte Germaine Danton seine Offiziere nach der Schlacht im Mobilen HQ, das ihnen schon so gute Dienste geleistet hatte.
Er fühlte sich gerade wie ein großer, gemütlicher und voll gefressener Teddy.
„Zuerst das Wichtigste“, sagte er mit einem Blick ins Rund, „die Schlächterrechnung. Ladies und Gentlemen, wir hatten keine Verluste.“
Wohlwollendes raunen erfüllte den Raum. Gegen eine Binärnova der Jadefalken war das nicht unbedingt Voraussetzung gewesen.
„MeisterTech Simstein, Bericht.“
„Die Kommando-Lanze hat diverse Schäden abbekommen. Der Highlander ist mit Feldmitteln schwer zu reparieren, aber in drei Tagen haben wir ihn provisorisch zusammen geflickt. Gut genug um ihn in den Kampf zu jagen. Der Tai-sho ist morgen wieder einsatzbereit. Ich habe ihn in den Prioritäten ganz oben abgesiedelt. Die anderen Mechs kommen mit Panzerungsschäden davon. Der Highlander hat das Meiste von dem geschluckt, was überhaupt bis zu uns gekommen ist. Die Schäden bei den anderen Einheiten sind von moderater Natur und meistens Sekundäreffekte. Yamada-sans Puma hat während der Hatz auf die flüchtenden leichten Gegner einen Aktivatorfehler offenbart, der sie stolpern ließ. Die Panzerungsschäden sind aber moderater Natur. Allerdings suchen meine Leute schon nach Ersatzteilen auf dem Schlachtfeld, um den Aktivator reparieren zu können. Diesmal hoffentlich fehlerfrei.“
„Danke, Magus. Wie sieht unsere Beute aus?“
„Wir konnten den Jenner IIC bergen, der ein Bein verloren hat. Glücklicherweise ist von anderen genügend übrig geblieben um das Bein zu transferieren. Darüberhinaus konnten wir den Dunkelfalke IIC, die Libelle und einen der Ryoken in reparablem Zustand bergen. Die Reparaturen unserer Beute ist jedoch mit unseren Mitteln nicht zu schaffen. Dafür bräuchten wir schon die ROSEMARIE oder die CRYING FREEDOM. Außerdem sind uns eine Menge Waffen und Ersatzteile in die Hände gefallen, zum Beispiel vom Thor. Meine Techs benehmen sich als wäre es Weihnachten und draußen wäre der Gabentisch. Ich hätte ein paar meiner Kids beinahe durch Blindgänger verloren.“
„Was uns zum nächsten Punkt bringt. Digger?“
„Sir, wir konnten die restlichen Minen und Sprengfallen entschärfen und wieder einladen. Außerdem haben wir gezielt Munition und Raketen der Jadefalken gesammelt und gezielt gesprengt. Unser Gerät wird gerade verstaut. Alles in allem bin ich mit meinen Leuten zufrieden.“
„Gut, Bishop, gut. Sie erhalten einen positiven Akteneintrag. Archangel?“
Captain Lane nickte ernst. „Meine Scharfschützen haben acht der Elementare durch direkten Beschuss eliminiert. Der Rest fiel auf die Sprengfallen an den Beinen Ihres Highlanders herein, Knave. Außerdem gelang es uns sieben Gefangene zu machen. Fünf liegen im Lazarett, zwei unterliegen unserer Bewachung. Sie haben sich bisher geweigert, ihren Status als Isorla an zu erkennen.“
Germaine sah weiter zum Chefarzt. „Saint?“
„Ich habe die Clanner in Behandlung. Einer hat vierzig Prozent Verbrennungen, zwei haben Brüche an Armen und Beinen. Zwei hatten Penetrationen, beziehungsweise Stauchungen von inneren Organen. Der Molosser führt in diesem Moment eine Notoperation durch. Ich habe auch einige Chevaliers in Behandlung gehabt, allerdings nur einen stationär aufgenommen. Sie haben Verletzungen meist durch Trümmerstücke, Splitter und heiße Patronenhülsen.“
„Der stationäre Fall?“
„Ist einem sterbenden Elementare zu nahe gekommen. Es war zum Glück der MG-Arm, sonst hätte er kein halbes Dutzend gebrochene Rippen, sondern wäre reif für den Leichensack gewesen.“
„Die Elementare, Archangel?“
„Von fünfzehn konnten wir erst neun tot bergen. Die anderen suchen wir noch. Bei einem Mechgefecht kann es schon mal vorkommen, dass so kleine Gegner wie Elementare unter Erdaufwurf vergraben wurden, oder dass sie weit davon geschleudert wurden.“
„Sind die Techniker an der Suche beteiligt? Ein paar Ersatzteile für unsere Rüstungen wären ganz nett.“
Ein Schnauben war zu hören, eine Mischung aus Frustration und Amusement.
„Lieutenant Fokker, Sie haben eine Frage?“
Die blonde MechKriegerin sah ihn für einen Augenblick überrascht an. „Nein, Sir.“
Germaine runzelte die Stirn. „Dann haben Sie vielleicht einen eigenen Bericht abzugeben.“
„Nichts besonderes von meiner Seite. Kleinere Schäden bei mir und Striker. Keine Ausfälle. Allerdings wurden wir auch nicht zu unserer vollen Kapazität ausgereizt.“
„Zur vollen Kapazität?“ Germaine zog eine Augenbraue hoch. „Wir haben elf Feindmechs und fünfzehn Rüstungen vernichtet, ohne einen einzigen Mann zu verlieren. Ich denke, das ist etwas, worauf die ganze Einheit stolz sein kann. Dieser Sieg gehört uns allen, und auch wenn es nur eine junge Einheit war, wir hatten es mit Jadefalken zu tun.“
„Dennoch“, begehrte die blonde Frau auf. „Wir hätten effizienter sein können. Meine Lanze hätte...“
„Mehr tun können als den Gegner restlos zu vernichten?“ Streng musterte Germaine seine Lanzenführerin. „Mehr als diesen grandiosen Hinterhalt in einen Sieg zu verwandeln? Und wodurch? Höheres Risiko für den Einzelnen?“
„Ich meine nur, wir hätten effektiver agieren können“, brachte die Offizierin gepresst hervor.
Germaine Danton seufzte, als bei ihm endlich der Groschen fiel. „Ach so. Sie meinen, Ihre Lanze hätte mehr Gegner ABSCHIEßEN können.“
Ein leises raunen ging durch das HQ.
„Und? Was wäre falsch daran gewesen? Meine Lanze hat die Feuerkraft und vor allem das können dazu“, erwiderte Jara Fokker trotzig.
„Natürlich hat sie das. Und wir werden diese Eigenschaften noch dringend brauchen, wenn wir gegen einen richtigen Gegner kämpfen, und nicht gegen einen grünen Kader.“
Germaine beugte sich vor und sah der jungen Frau ernst in die Augen. „Aber wir sind eine Innere Sphäre-Einheit. Natürlich zählen auch für uns Abschüsse, natürlich macht sich so etwas immer gut im Lebenslauf, wenn man einen Jadefalken-Thor abgeschossen hat. Aber unsere Siege sind alle Gemeinschaftsarbeiten. Unsere Abschüsse sind Gemeinschaftsarbeiten. Anders können wir uns unsere Kämpfe gar nicht leisten. Wir können unsere Piloten und Maschinen nicht bei jeder Gelegenheit riskieren, egal wie sehr das Blut der Piloten pocht. Ein Clan Wolf kann neue Mechs stellen und frische Piloten schicken, wenn es eine seiner Einheiten übel erwischt hat. Oder er teilt die Überlebenden anderen Truppen zu. Wenn unser letzter Mech vernichtet ist, war es das allerdings für uns. Wenn unsere Piloten alle ausgestiegen oder tot sind, ist die Einheit am Ende. Wenn wir die Panzer verlieren, wenn die Infanterie aufgerieben ist, dann war es das. Dann ist die junge Einheit der Chevaliers am Ende. Gerade weil wir keinen Clan hinter uns haben.
Ich sage nicht, dass wir nur leichte Siege suchen sollen. Im Gegenteil. Aber wenn uns jemand so offensichtlich in die Hände spielt, wären wir schlechte Innere Sphäre-Truppen, würden wir es nicht annehmen.“
Germaine schloss seine Predigt mit den Worten: „Sie und Ihre Lanze werden schon bald Gelegenheit haben, sich zu beweisen, Lieutenant Fokker. Und dann hoffe ich, dass Sie all das erbringen können, was Sie mir heute in die Hand versprochen haben.“
Die junge Frau senkte das Haupt ein wenig. „Ja, Sir.“
Germaine seufzte erneut, diesmal allerdings nur innerlich. Er kannte das Verhaltensmuster, das die junge Offizierin an den Tag legte. War man bei den Clans, verherrlichte man seine Zeit bei einer IS-Einheit und ignorierte alle negativen Aspekte. Das gleiche geschah, wenn man zurück kehrte. Dann gab es unendlich viele Aspekte an den Clannern, die man plötzlich vermisste. Und man ignorierte völlig die ständige Bedrohung durch junge, von unten nachdrängende Piloten, das harte und oft auch unsinnige Training und die allgegenwärtige Indoktrination. Jara brauchte anscheinend noch einige Zeit, um sich daraus zu lösen.
„Captain Harris?“
„Wie abgesprochen legen wir morgen einen Ruhetag ein. Allerdings schicken wir ein paar Teams tiefer in die Wälder und die Helikopter auf die Suche nach den Wölfen. Weite Sicherung. Übermorgen ziehen wir dann weiter.“
„Sie haben es gehört. Der ganze morgige Tag gehört dem ausschlafen und der Pflege der Ausrüstung. Den nächsten Kampf werden wir noch früh genug haben.“
Damit schloss Danton die Besprechung, und die Offiziere verließen das HQ wieder.
„Battaglini.“
Der Panzerkommandeur stoppte. „Sir?“
„Gute Arbeit da draußen. Captain Scharnhorst überlässt Ihnen die direkte Kontrolle der Panzereinheit für einige Zeit. Machen Sie was draus.“
Freude huschte über das Gesicht des Isle of Skyers. Dennoch bemühte er sich um ein neutrales Gesicht, als er antwortete. „Ja, Sir. Danke, Sir.“
Die erste Schlacht war geschlagen. Nun ging es darum, die Fähigkeiten der Chevaliers, weitere Schlachten zu schlagen, zu erhalten.
Ace Kaiser
„Father? Sind Sie da?“
John O´Hielihy, der Beichtvater der Chevaliers, sah von seiner Lektüre auf, als der Chef der Einheit sein Zelt betrat. Neben ihm auf dem Beistelltisch stand eine dampfende Tasse Tee. „Natürlich, Major. Kommen Sie, treten Sie ein. Möchten Sie auch einen Tee? Ich habe gerade eine frische Kanne aufgebrüht.“
„Gerne, aber bitte ohne „Spezial“, wenn Sie verstehen was ich meine.“
„Oh, seien Sie unbesorgt. Ich pflege meinen Ruf als gemütlicher Alkoholkranker innerhalb der Einheit lediglich, damit die Leute mir eher ihr Herz ausschütten. Ehrlich gesagt mache ich mir in diesem Punkt mehr Sorgen um Sie, Germaine.“
Der Major schnaubte amüsiert, während er Platz nahm. „Ich bin Alkoholiker, wollen Sie sagen, oder?“
„Wenn man so lange lebt wie ich, dann bekommt man ein Auge für manche Dinge. Zum Beispiel fällt es auf, wenn ein Mann eine kleine Prise Geschmack im Tee ablehnt, die nun wirklich nicht ausreicht um ihn betrunken zu machen... Wohl aber, um einen Rückfall auszulösen. Wie lange haben Sie schon nicht mehr getrunken?“
„Zwei Monate, elf Tage, sieben Stunden und neunzehn Minuten“, gestand der Major. „Ich schätze, die Tatsache, dass ich es so genau sagen kann, ist schon mein Hauptproblem.“
„Ein Problem, das man als solches erkannt hat, ist schon halb gelöst, Germaine.“ Der alte Mann lächelte gütig, während er den Tee für den Major einschenkte. „Aber Sie sind nicht hier, um über Ihren oder meinen Alkoholkonsum zu reden, oder? Es geht sicherlich um die Mission. Und darum, dass ich ein komfortables Offizierszimmer in einer trockenen Kaserne gegen ein Zelt eintauschen musste.“
„Sicherlich.“
„Geht es um Miss Fokker? Sie ist auf einem recht abenteuerlichen Wege zurück gekehrt, bei dem man sich fragt, ob Clan Wolf nicht bald vor einem zweiten Schisma gestanden hätte, wenn wir sie nicht zurück geholt hätten. Die kleine blonde Frau hat eine unglaubliche Energie, das haben Sie schon immer sehr gut erkannt, Germaine.“
Zweifellos spielte der Father auf den schnellen Aufstieg des blonden Wirbelwinds bei den Chevaliers an, zuerst zur Wingleaderin, dann zur Lanzenführerin. Eine Position, die sie sofort nach ihrer Befreiung zurück erhalten hatte.
„Auch“, gestand Germaine. „Es wäre Sergeant Caprese und Sergeant Gordon gegenüber unfair, dabei nicht auch an sie zu denken.“ Germaine atmete tief durch. „Nichts als Ärger hat man mit den Kindern.“
O´Hierlihy lachte leise, auf eine großväterliche Art. „Aber sie geben für den ganzen Ärger auch soviel zurück. Haben Sie Kinder, Germaine? Ich meine abgesehen von diesem Bataillon voller Rotzgören. Wenn nicht sollten Sie unbedingt welche machen. Sie bereichern das Leben so sehr. Ich habe drei, und die haben mittlerweile schon neun Enkel in die Welt gesetzt.“
Germaine hob eine Augenbraue. „Und warum sind Sie dann mit den Chevaliers auf diesem Dreckklumpen, anstatt Ihre Enkel zu zählen?“
„Weil ich denke, dass ich für ein paar Jahre keine Bereicherung in meinem Leben brauche“, erwiderte der Ältere schmunzelnd. „Es reicht mir für das Seelenheil meiner Schäfchen da zu sein, ab und zu meinen alten Mech Gassi zu führen und hier gebraucht zu werden. Würde ich mich nur noch meinen Enkeln widmen, wäre das gleich bedeutend mit Ruhestand, Germaine. Dafür bin ich mindestens noch zwanzig Jahre zu jung.“
„Verstehe“, erwiderte der Major nickend.
„Ihr Problem, Germaine“, nahm der Father die Unterhaltung wieder auf, „ist entweder, dass Jara Fokker noch immer nicht aus ihrer Clanrolle heraus gefunden hat, eine sehr schlechte Angewohnheit, die sich noch potenziert, weil die Schlaglanze so viel ClanTech hat... Oder es sind die anderen beiden, die wir immer noch nicht aus der Hand der Wölfe retten können.“
„Sie sind gut“, sagte Germaine und nippte an seinem Tee.
„Erfahrung, Erfahrung. Also, lange um den heißen Brei herum reden lässt nur den Tee kalt und bitter werden. Was haben Sie auf dem Herzen?“
„Ich denke, Sie wissen, was ich sagen will“, brummte Germaine.
„Sicher tue ich das. Aber das heißt nicht, dass Sie es nicht aussprechen müssen, mein Sohn. Das ist ein Teil der Lösung.“
Der Major atmete tief durch. „Father, tue ich das Richtige? Ich meine, bin ich vielleicht zu vermessen? Wir hatten enorme Verluste gegen Blakes Wort, und wir haben unter Gendas Ronin erheblich gelitten, aber das waren alles Kampagnen, die uns Beute einbrachten, gut bezahlt waren und für uns wertvolle Erfahrung bedeuteten. Wir haben gute Leute verloren, aber wir haben auch Gutes getan. Ich meine... Einmal haben wir geholfen einen erneuten Krieg zwischen Geisterbären und Kombinat zu verhindern, dann retteten wir ComStar-Personal vor Blakes Wort. Das sind alles Dinge, die ich als gut bezeichnen würde. Und was tun wir heute? Was tun wir hier? Wir riskieren unsere Leben für was? Drei Offiziere der Einheit, die in Gefangenschaft geraten sind.“
Germaine senkte den Blick. „Der Zusammenstoß mit der Erkunderlanze und der Hinterhalt für die restliche Trinärnova der Jadefalken haben mir zu deutlich vor Augen geführt, dass wir in diesem Einsatz bisher sehr viel Dusel hatten. Wir haben eine Trinärnova zerschlagen, ohne einen einzigen Verlust zu haben. Aber es hätte Tote geben können. Es hätte Tote geben müssen!
Diese Falken waren eigentlich nur gerade flügge gewordene Küken. Aber Onyx und seine Krieger werden als Gegner nicht zu unterschätzen sein.“
„Wieder so ein wichtiger Punkt. Eine Gefahr, die man nicht unterschätzt hat schon den halben Schrecken eingebüßt, Germaine“, erklärte der Geistliche amüsiert.
„Was ich sagen will ist: Ich habe Angst, dass alles hier auf eine große Schlacht zwischen uns und den Wölfen hinausläuft. Er hat einen Sternhaufen, und selbst wenn er sich noch um die Falken kümmern muss hat er noch genügend Aufmerksamkeit für uns kleine Chevaliers. Tue ich wirklich das Richtige, wenn ich alle unsere Leben gefährde?“
„Nun, würden Sie denn das Richtige tun, wenn Sie beschließen, Sack und Pack zu nehmen und den Planeten zu verlassen?“, stellte der Father eine Gegenfrage.
„Natürlich nicht. Es würde die Einheit demoralisieren. Aber ich muss hier doch abwägen. Fünfhundert Leben gegen zwei Leben, und...“
„Entschuldigen Sie, Germaine, wenn ich Sie da unterbreche, aber geht es nicht in Wirklichkeit um gut einhundert oder sogar mehr Leben? Hat Lieutenant Fokker nicht davon berichtet, dass Clan Wolf auf dem Angels View Point mehrere Dutzend Gefangene gemacht hat? Techniker, Meds und Krieger, die Clan Wolf im Exil zurück haben will?“ Der Father beugte sich leicht vor. „Und was im übrigen in unserer Missionsbeschreibung aufgeführt ist, Germaine.“
„Zugegeben“, brummte Germaine. „Zugegeben.“
„Und unser anderer Auftrag, das Kriegsgerät zu verteilen, ist auch noch nicht ausgeführt. Wir haben noch Waffen, Ausrüstung, Munition und Notversorgung für einen weiteren Planeten. Pakete, die einem Bataillon ein halbes Jahr Guerillakrieg ermöglichen, oder?“
„Es sieht nicht so aus, als würden auf dieser Welt in nächster Zeit Erhebungen gegen Clan Wolf statt finden“, schränkte Germaine ein.
„Deshalb gibt es aber trotzdem diese Ausrüstungen.“
Germaine nickte verstehend. „Gut, gut. Aber was tue ich, wenn der erste Chevalier fällt?“
„Das was wir immer tun, wenn ein Kamerad stirbt. Germaine, niemand in dieser Einheit erwartet etwas anderes von Ihnen als die Truppe zu führen. Jeder einzelne ist Soldat und weiß worauf er sich für die monatlichen Soldzahlungen einlässt. Es gibt für uns immer die Möglichkeit zu sterben, bevor wir unsere üppigen Pensionen verjuxen können. Und wer sich dessen nicht bewusst ist, der gehört nicht in eine Söldnertruppe vom Kaliber der Chevaliers.“
O´Hierlihy legte vertrauensvoll eine Hand auf die Schulter der Majors.
„Und außerdem, mein Junge, erinnerst du dich noch daran, wie du auf Arc Royal vor die Truppe getreten bist und ihnen gesagt hast, dass wir zwei Tote und drei Vermisste zu beklagen haben? Erinnerst du dich an ihre Reaktion? Das sind die Chevaliers. Wir sind keine Engel, keine Dämonen, keine Heiligen und keine Misantrophen. Aber wir wissen unsere Kameraden zu schätzen und sind bereit, für sie zu kämpfen, weil sie für uns das gleiche tun würden. Dir als Kommandeur bleibt nur eines zu tun übrig. Gib dein Bestes wie immer. Improvisation ist deine große Stärke. Aber höre dabei auch auf die anderen. Archon und Prince sind gute, erfahrene Strategen, und Steel kennt die Einheit und ihre Möglichkeiten in- und auswendig. Es müsste doch mit dem ilKhan zugehen, wenn solchen exquisiten Gehirnen nicht eine Möglichkeit einfallen würde, all diese Leute und unsere beiden Kameraden zurück zu bekommen.“
Wieder nickte der Major verstehend. Er trank den mittlerweile stark abgekühlten Tee aus und erhob sich. „Danke, John. Sie waren mir wie immer eine große Stütze.“
„Oh, dafür bin ich da“, erwiderte der Father lächelnd. „Ach, und was Ihr anderes Problem angeht, Major Danton, Verzicht macht es weit schlimmer als ein sinnvoller Umgang. Sich selbst etwas zu versagen steigert nur das Verlangen danach und führt zwangsläufig in eine Katastrophe.“
„Machen Sie sich da keine Sorgen, John. Ich verzichte nicht auf Alkohol. Ich habe einfach kein Bedürfnis danach.“ Danton nickte dem Geistlichen freundlich zu und verließ das Zelt wieder. Er sah dabei erheblich besser aus als bei seinem Eintritt.
O´Hierlihy schmunzelte zufrieden und widmete sich wieder seiner Lektüre. Diese friedliche Zwischensequenz würde dank des energischen Kommandeurs bald wieder vorbei sein. Umso mehr sollte man jede Sekunde davon genießen.
Thorsten Kerensky
Nach einigen wenigen Stunden Schlaf und einer frühen Besprechung mit dem Major und den anderen Verantwortlichen der Chevaliers – es war für Jara immer noch ungewohnt, sich zu diesem Zirkel dazu zu rechnen – rief die junge Frau ihre Lanze zusammen.
Viel fitter als ihre Lanzenführerin sahen sie alle nicht aus, weder Mechkrieger noch Elementare. Erwartungsvoll sah man sie an, als sie lächelnd vor ihre Leute trat.
„Guten Morgen, meine Damen und Herren! Ich bringe gute Neuigkeiten.“
Ihr Lächeln verbreiterte sich zu einem Grinsen, als sie weitersprach: „Zuerst einmal: Das war verdammt gute Arbeit heute Nacht. Von uns allen. Wir sind zwar nicht an unser Limit gegangen und ich habe das dem Major auch gesagt, aber trotz allem war es unser erstes echtes Gefecht seit der Umstrukturierung der Lanze und das Ergebnis kann sich sehen lassen.
Außerdem hat man mir versprochen, dass es bald wirklich heiß wird und wir dann auch an vorderster Fronst stehen werden, wo wir hingehören.
Wie sie sicher schon erfahren haben, liegt nun erst einmal ein Ruhetag vor uns. Der Chef möchte, dass wir uns ausruhen und unser Material auf Vordermann bringen und diesmal sind wir auch zur Abwechslung mal nicht für eine Patrouille eingeteilt.
Natürlich werden wir nicht einfach die Füße hochlegen. Ich denke, ein wenig Sport wird uns auch an einem Ruhetag nicht schaden, aber wir werden es sicher nicht übertreiben.“
Die Mechkriegerin hatte Gemurre oder sogar Protest erwartet, aber die Söldner nahmen ihren Befehl hin, bei den ehemaligen Clanern glaubte sie sogar Verständnis zu sehen. Wenn man die beste Lanze der Einheit werden wollte, ging das nur mit Leistung über das Normale hinaus.
„Das Beste habe ich mir allerdings für den Schluss aufgehoben. Es treten vor: Corporal Eric Stein, Private First Class Kyle Kotare und Private Karel Swoboda!“
Die drei Mechpiloten traten aus der lockeren Formation vor und Stein grüßte kurz und knapp vor Jara: „Lieutenant, ich melde mich mit zwei Kameraden wie befohlen!“
„Danke, stehen sie bequem!“ Sie kramte ein DataPad aus ihrer Hosentasche und las vor:
„Hiermit ernenne ich den Corporal Eric Stein mit sofortiger Wirkung zum Sergeant! Hiermit ernenne ich den Private First Class Kyle Kotare und den Private Karel Swoboda mit sofortiger Wirkung zum Corporal! Für den Kommandeur der Dantons Chevaliers, Lanzenführerin Lieutenant Second Class Jara Fokker, Dell am 30. November 3065.“
Sie steckte das Pad zurück und trat vor ihre Soldaten: „Meinen herzlichen Glückwunsch! Am besten empfangen sie noch heute ihre neuen Dienstgradabzeichen bei der Materialausgabe!“
Als die drei Männer nach den üblichen Glückwünschen und Gratulationen ihren Platz in der Formation wieder eingenommen hatten, ergriff die junge Frau noch einmal das Wort: „Diese Beförderungen waren ein längst überfälliger Schritt. Ich freue mich für sie, dass ihr Rang nun endlich ihrer Position entspricht und hoffe, dass es mit ihrer Karriere fortan schneller bergauf geht. Dafür allerdings müssen sie und wir anderen auch die entsprechenden Leistungen bringen. Ich sehe sie alle um 13 Uhr zum technischen Dienst am Arbeitsgerät und um 18 Uhr zum Sport. Bis dahin sind die allgemeinen Befehle eindeutig: Ausruhen! Schlaglanze: Wegtreten!“

Manche Chevaliers musterten die Schlaglanze schon etwas skeptisch, als sie sich mit Eifer an den zusätzlichen Sport machten. Aber Jara registrierte, dass sie nicht die einzigen waren, die ihre Freizeit zur körperlichen Ertüchtigung nutzten.
Ob nun aus Langeweile, Pflichtbewusstsein, Spaß an der Bewegung oder aus welchem Grund auch immer: Eine schon recht ansehnliche Schar von Söldnern joggt, turnte und schwitze in der tiefstehenden Abendsonne.
Allerdings war Jaras kleiner Haufen die einzige Lanze, die komplett und vor allem geschlossen auftrat. Sie ahnte, nein, sie wusste, was die übrigen Offiziere nun wieder denken würden: Nämlich, dass sie ehrgeizig war, dass sie dachte wie eine Clan-Kriegerin. Und dass ihr Eifer noch in Übereifer und damit auch in tödliche Fehler umschlagen würde.
Nun, vielleicht hatten sie nicht ganz Unrecht. Die junge Söldnerin war nicht ganz zwanzig Jahre alt und innerhalb weniger Monate vom Rekruten in die Offiziersränge der Chevaliers aufgestiegen. Dabei hatte sie viel Glück gehabt und einige andere Kameraden überholt. Das hatte ihr nicht nur Anerkennung, sondern auch viel Neid und Missgunst eingebracht und das oft zitierte Argument, dass der Major sie begünstigte, ließ sich nicht ganz von der Hand weisen.
Und nun führte sie ohne Offizierspatent und fast ohne Gefechtserfahrung als Führungsperson die wertvollste und schlagkräftigste Lanze des Bataillons. Und sie hatte ihren Leuten versprochen, dass sie sich bewähren durften, dass die Schlaglanze unter ihrer Führung endlich den Erwartungen gerecht werden würde, die schon aufgrund ihrer materiellen Situation an sie gestellte wurden.
Oder anders ausgedrückt: Jara konnte sich kein Versagen leisten. Wenn es ernst wurde, musste sie alles richtig machen. Dann mussten sie und ihre Männer und Frauen fit sein und 110% Leistung bringen können. Sonst würde sie nicht nur ihre Position und ihre Selbstachtung verlieren, sondern auch ihr Ansehen in der Truppe und vor allem die Leben ihrer Schutzbefohlenen.
Es machte ihr Mut, dass Stein, Swoboda, Kotare und die Elementare ihren Kurs mittrugen, bereit waren, sich zu steigern, sich zu beweisen. Spätestens die Beförderungen vor einem halben Tag hatten ihr Kredit verschafft. Sie glaubte, dass in ihrer Lanze noch viel mehr Potential steckte und sie hatte sich vorgenommen, dass auch Danton und den anderen Offizieren zu beweisen.
Und wenn sich die Schlaglanze dann erst einen guten Ruf erstritten hatte, konnte sie auch viel selbstbewusster dafür eintreten, dass ihre Einheit weiterhin mit teurem und seltenem Material versorgt wurde und ihren Status als High-Tech-Lanze behielt.
Vielleicht hatte sie diese Konkurrenz-Denken und diesen Willen, sich zu profilieren, tatsächlich bei den Wölfen gelernt. Die Jara, die vor nicht einmal zwei Jahren zu den Dantons Chevaliers gestoßen war, war eine ganz andere Frau gewesen. Schwere Krisen, Depressionen und die Zeit bei den Clans hatten eine neue Jara geformt. Zäher, belastbarer, aber auch fordernder und anspruchsvoller.
Dann, als sie mit ihrer Lanze Liegestützen pumpte, fiel ihr ein passender Begriff dafür ein: Sie war erwachsen geworden.

„Was liest du da?“ Sheila trat zu Jara an den Tisch und ließ sich neben sie auf einen Stuhl fallen. Die Kantine war jetzt, um zehn Uhr abends, fast komplett leer, die Küchengeräte wurden bereits wieder verladen, soweit sie nicht mehr gebraucht wurden. Morgen früh würde der Konvoi sich wieder in Bewegung setzen und was man heute schon erledigen konnte, würde morgen keine Zeit mehr kosten.
„Menschenführung für Offiziere“, antwortete die blonde Frau knapp und nahm einen Schluck aus ihrer Kaffeetasse. Das Getränk war mittlerweile abgekühlt und schmeckte scheußlich, aber nach dem Sport war sie so müde gewesen, dass sie das Koffein einfach gebraucht hatte.
„Wieso?“
Jara las ohne zu antworten weiter bis zum Ende der Seite und fügte dann ein Digitales Lesezeichen ein, ehe sie das DataPad beiseite legte. „Hat der Chef mir gegeben. Menschenführung, Taktik, Logistik für Einsteiger, Etikette, Strategie, Ausbildungsrichtlinien und noch ein paar andere Handbücher. Für mein Offizierspatent.“
„Das verlangt er?“
„Nein. Nicht direkt. Ich habe ihn um die Bücher gebeten. Weil ich hier draußen ja kaum eine Akademie besuchen kann. Das praktische Wissen bekomme ich schneller, als mir lieb ist, aber die Theorie fehlt mir total. Und deswegen hab ich mich entschlossen, so gut es geht mit Büchern zu lernen.“
„Und wann schläfst du? Ich mein, du führst die personell stärkste Lanze, trainierst so viel, wie der Rest der Einheit zusammen und studierst auch noch? Brauchst du keine Freizeit?“
Jara zuckte mit den Schultern: „So viel Arbeit ist die Lanzenführung nicht und ich mache täglich nicht mehr als zwei Stunden Sport. Und was bitte will ich hier mit Freizeit anfangen? Ich lern lieber jetzt und hab dann mehr Freizeit, wenn wir wieder in der Zivilisation sind.“
„So viele junge Männer um dich herum und du weißt nichts mit deiner Freizeit anzufangen?“
„Haha. Sehr witzig.“
„Nein, mal im Ernst: Du solltest dich nicht überarbeiten. Gönn dir mal etwas Ruhe und Entspannung, danach geht einem alles leichter von der Hand. Ich muss es wissen, ich habe früher ja schon eine Lanze geführt.“
„Bei der Cavalry. Ja. Aber verglichen mit den Chevaliers, war es dort ja beinahe langweilig“, konterte Jara zwinkernd.
Sheila grinste: „Wenn du es sagst. Da fällt mir ein … wo wir gerade beim Thema sind … denkst du, der Major wird die Wölfe wirklich angreifen? Wird er die ganze Einheit für zwei Leute aufs Spiel setzen?“
Jara zögerte keine Sekunde, ehe sie antwortete: „Natürlich. Und ich würde es ganz genauso machen.“
Dirty Harry
Sammelpunkt Chi
Cornell, Dell
29. November 3067

20:08
Die Schlacht war rum, die Jadefalken in den Boden gestampft. Als die Order raus war, dass die Scoutlanze die Nachhut aufwischen sollte, hatte Oleg die Kommandozentrale verlassen. Es war nicht alleine deswegen geschehen, weil er hier nichts mehr zu tun hatte. Es war... weil er sich elend fühlte. Die Scoutlanze, das war er... zumindest war er ein Teil von ihr.
Als er vor den Trailer des mobilen HQs trat, leuchtete bereits der frühe Nachthimmel mit seinem Sternenzelt. Zu dieser ungewöhnlichen Ruhe wollte jedoch der flackernde Schein verbrannten Waldes und der beißende Geruch von brennendem Plastik überhaupt nicht passen. Das Gefecht war vorüber und er hatte nichts tun können als zuzusehen. Und ausgerechnet jetzt, wo die schnellen Maschinen ausrücken sollten, konnte er nichts weiter tun als den drei verbliebenen Mechs der Lanze hinterher sehen, wie sie die Überreste der Jadefalken verfolgten.
Aber ein Blick zurück zu seinem eigenen Vulcan machte deutlich, wieso er nicht folgen konnte. Der dürre Mech hatte gewaltig gelitten und hätte einen weiteren Einsatz nicht überstanden.
„Wenigstens kann ich jetzt wieder den Schneidbrenner anwerfen“, brummte Oleg, während er sich auf den Weg zu den Techs machte.

***

20:10
„Und du willst das wirklich alles machen lassen?!“, fragte Andreas Yovovich ungläubig. Andy Y, wie man ihn vielfach nannte, sah auf die lange Liste an Arbeiten, die am Vulcan fällig wurden. Andy war mit dem Vulcan zu den Chevaliers gewechselt und kein anderer Tech wusste so gut über dessen Eigenarten Bescheid.
„Es ist mein Mech, ich kümmere mich auch selbst drum“, gestand Oleg ein. Sein Gegenüber verzog nur eine Augenbraue, als wolle er damit andeuteten, wie viel er von dieser Hilfe hielt.
„Mit Flex und Schweißbrenner weiß ich auch umzugehen“, bestand Oleg auf seiner Aussage.
„Als ob es damit getan wäre. Du listest hier den Einbau eines leichten Clan-Impulslasers anstelle des MGs auf. Den Pulser haben wir zwar heute Mittag aus den Überresten eines zermatschten Cougars des vernichteten Scoutsterns geborgen, aber... hast du eine Ahnung, was das für eine Arbeit ist, die Schnittstellen für die Clantech an den gewöhnlichen Vulcan unserer Produktion anzupassen?!?“
„Das ist der Teil, bei dem ich Hilfe brauchen werde“, bekannte Oleg Farbe. Der Tech verdrehte nur die Augen.
„Da wirst du wohl noch sehr viel mehr brauchen...“
„Ich zähl auf deine Hilfe!“
Mit einem Seufzen gab der Tech nach.
„Wenn die restliche Truppe zurück ist, wird wahrscheinlich mehr als genug Arbeit anstehen. Außerdem werden wir ein paar Männer draußen bei den Überbleibseln der Clanner brauchen um uns auch deren Ersatzteile zu sichern. Und wie die leichten Maschinen aussehen, wenn sie von ihrem abschließenden Spiel zurückkommen, weiß überhaupt keiner. Ich weiß nicht, wann ich die Zeit finde, um mich um diese Neuverkabelung zu kümmern. Ich weiß noch nicht mal, ob wir alles hier haben, um so einen Umbau oder Neuaufbau im Feld wagen zu können.“
„Das geht schon. Schau einfach vorbei, wenn du die Zeit dazu findest. Ich fang schon mal an“, erwiderte Oleg hingegen zuversichtlich und organisierte sich erst einmal das elementare Arbeitsgerät.

***

20:17
Der Fusionsreaktor des Highlander wurde gerade erst heruntergefahren, da hörte man bereits die Flex kreischen. Sie vollführte ihren Funkentanz allerdings am letzten Mech im Glied, dem ramponierten Vulcan.
Germaine Danton stutzte, erkannte aber keinen der üblichen Techs an der Arbeit.
„Kuma. Er kann’s nicht lassen und macht sich schon an die Vorarbeiten. Wenn ich mir aber dein Schlachtross ansehe, weiß ich nicht, ob wir auch noch die Zeit finden werden, um seinen Mech ebenfalls rechtzeitig zusammenzuflicken“, erklärte Doreen Simstein, die ihn bereits an der Leiter erwartete.
Es war Olegs Mech, sollte er sich auch um ihn kümmern. Manchmal wünschte sich Germaine, dass er sich selbst mit so was vom Papierkrieg ablenken könnte.
„So lange er keine Arbeiten behindert...“
„Eine Flex und ein Schweißgerät werden wir wohl noch über haben“, erwiderte Doreen mit einem schmalen Lächeln und sah sich dann wieder ihren eigentlichen Patienten an – und schüttelte nur den Kopf.

***

23:44
Mit einem Poltern fiel ein weiteres schartiges Blech zu Boden, das einmal Teil der Oberschenkelabdeckung gewesen war. Oleg hatte die letzten 15 Minuten auf diesem Pulslasereinschuss herumgeritten um endlich eine sinnvolle Oberfläche für ein einzuschweißendes Reparaturblech zu bekommen und war froh, als die ausgefransten Überreste endlich nachgaben.
„Eh! Schmeiß nicht so weitläufig mit deinem Schrott um dich!“, wurde er daraufhin von unten angebrüllt. Andreas Yovovich schien ein wenig Zeit für seinen gefledderten Mech übrig zu haben und sah sich die Arbeiten mal an. Durch die ausgeschnittenen Reparaturstellen sah der Vulcan nun noch schlimmer aus als zuvor schon, aber egal aus welcher Perspektive man sich den Mech ansah, er sah praktisch immer fürchterlich aus. Manche Leute meinten das, auch wenn die Maschine in einer Topkondition war, aber im Augenblick graute es selbst einen gestandenen Tech bei diesem Anblick.
„Oh Mann, und so viel Schrott willst du wieder zum Leben erwecken?“
„Wenn du mir hilfst...“
Andreas Yovovich gab seiner Bestimmung nach, seufzte noch einmal lautstark und kletterte dann ein dürres Rohrgerüst hinauf, das der Mechkrieger inzwischen um den Vulcan gezimmert hatte.

***

03:12
„Ich bin hundemüde. Morgen ist auch noch ein Tag“, brummte der Tech als er eine weitere völlig verschmorte Leitung so weit auseinander gepflückt hatte, dass er wieder zuordnen konnte, was von welcher Strippe verursacht wurde. Dennoch brauchte er dafür die nötige Ruhe und Konzentration und die drohte ihm im Augenblick abhanden zu gehen. Er klopfte Oleg noch einmal auf die Schulter und zeigte ihm an, dass er sich erst mal aufs Ohr hauen würde. Der hingegen nickte nur und wandte sich wieder dem Schneidbrenner zu, mit dem er sich mittlerweile bis zur Taille hinaufgearbeitet hatte und mit dem er nun damit beschäftigt war, das riesige Loch rund um den PPK-Treffer, der ihn die Munitionskiste des MGs gekostet hatte, glattflächig auszuschneiden.
Es sah nicht so aus, als würde er dem Tech gleich folgen wollen.

***

7:02
Anstelle eines Trompetenstoßes sorgte eine wild kreischende Flex für den intonierten Morgenappell.
Oleg hing schon wieder wie ein Klammeraffe im Gerüst und beackerte mittlerweile die Überbleibsel der rechten Schulterkupplung. Wann er aufgestanden war und ob ihn jemand in der Kantine gesehen hatte, vermochte keiner zu sagen. Manche waren sich noch nicht einmal sicher, dass er überhaupt schlafen gegangen war.

***

9:45
Andreas Yovovich sah mal wieder beim Vulcan vorbei und schob sich praktisch sofort tief in die Innereien der Maschine. Verdrahtungen und Rohrleitungen waren sein Ding, aber selbst er konnte mehr als einmal die krampfhaft schmalbrüstige Silhouette dieses Stadtkampfmechs verfluchen. Spätestens dann, wenn er neue Strippen einziehen musste.
Oleg hatte in der Zwischenzeit einen neuen Flammer bereitgestellt und bereitete ihn mit den nötigen Anschlussstücken für den Einbau vor.

***

10:56
„Machst du überhaupt keine Pausen mehr?!“, wollte der Tech wissen, doch Oleg drängte darauf erst den Flammer in sein neues Armgehäuse zu wuchten. Es war zwar nicht ganz passgenau, weil es eigentlich nie an einen Vulcan gesollt hätte, aber es passte ordentlich genug, um dem Flammenwerfer als Stützgerüst zu dienen. Der stärkere Aktivator, den sie aus dem Feuerfalke IIc gezogen hatten, würde keine Probleme damit haben – sofern er sich von der IS-Software ansprechen ließ.
„Erst wenn der Flammer abgehakt werden kann“, keuchte Oleg, der den tonnenschweren Toaster an einem Flaschenzug in die Höhe wuchtete. Wie sehr wünschte er sich in diesem Augenblick, dass sie auch einen Clanflammer erbeutet hätten. Der hätte nur die Hälfte gewogen.

***

12:16
Als Oleg ins Messezelt trat, roch man ihn bevor man ihn sah. Eine olfaktorische Kombination aus verbranntem Metall, Hydraulikflüssigkeit, Schmierfett und literweise Schweiß sorgten für ein Aroma, das selbst die Techs nicht erreichten.
Oleg machte sich nichts mehr draus. Das passierte eben, wenn man an Maschinen arbeitete. Immerhin hatte er sich die Mühe gemacht und die Hände gewaschen, bevor er sich zu Tisch begeben hatte – auch wenn ihm das seine Umgebung nicht so recht abnehmen wollte.
Es juckte ihn auch nicht, als er im Anschluss einschlug wie ein verhungernder Höhlenbär und dafür erneut von seiner Umgebung ein wenig ungläubig angestarrt wurde. Er stapfte nach gerade mal fünf Minuten zur Essensausgabe zurück, lud noch mal auf und verputzte das Ergebnis in rekordverdächtigen 4:09.
Als er fertig war, sah er endlich mal auf und in die ungläubigen Gesichter seiner Umgebung.
„Was denn? Die Arbeit am Vulcan muss weitergehen. Die Zeit, die ich hier auf meinem Hintern hocke, bin ich nicht an meiner Maschine“, brummelte er und verschwand wieder in Richtung Mechbaustelle.

***

14:50
Seit fast einer Stunde fluchte Andreas Yovovich wie ein Rohrspatz, weil er versuchte, dem leichten Clanlaser endlich seine Marotten auszutreiben. Es war einfach gewesen, ihn in ein zusammengeschustertes neues Skelett am linken Arm einzubauen, aber es war die Hölle, endlich die richtige Steuerung für ihn bereitzustellen. Dabei ging es nur darum, die Feuersequenz an den Laser weiterzuleiten, noch nicht mal um die Aktuatoransteuerung, selbst wenn sich alleine die schon bockig genug zeigte. Gerade als er endlich ein Signal bekam, hörte er im selben Augenblick auch schon Geschrei von außerhalb des Cockpits.
„Willst du das Camp niedermähen?!“, wurde ihm von draußen hinterher gebrüllt, als der Laser nicht mit reduzierter Leistung, sondern gleich mit voller Wirkung eine Brandspur 15 Meter vor der Maschine und nur 3 Meter hinter der Techlatrine in den Boden gepulst hatte.
Immerhin – es zeigte, dass er sich langsam auf dem richtigen Pfad befand.
Genauso wie Oleg, der sich in der Zwischenzeit endlich an die Panzerflicken machen konnte, die er über die Narben zu brennen hatte.

***

15:16
„Meine Güte, werdet ihr überhaupt noch mal fertig?“, fragte Francis McCullom.
„Keine Ahnung. Wenn du ein Problem gelöst hast, taucht gleich das nächste auf. Dieser Mech ist wirklich übel gestaucht worden“, gab sein Techkollege zurück, als er sich endlich wieder aus dem Cockpit zerrte.
„Die beiden Armwaffen funktionieren mittlerweile wieder, der schwere Pulslaser hatte als einziger die Schlächterei ohne Macken überstanden und die restliche Struktur ist mittlerweile wieder so weit zurechtgeflickt, dass man sich ans Äußere wagen könnte. Wenn da nicht jetzt auch noch der Pulser auf der anderen Rumpfseite spinnen würde. Hatte vermutlich was bei der Munex abbekommen. Also noch mal den Kopf in den Kasten hängen und weitere Überstunden schieben, bis man die verbuggte Kiste ebenfalls wieder zum Laufen gebracht hat.“
„Oder noch so ne wilde Bastelei hingelegt hat“, meinte Francis und deutete auf das klobige Armgehäuse neben sich.
„Oder so was“, seufzte Yovovich und sah sich seinen Kameraden an.
„Bist du schon fertig oder was?“
„An den Panzern war nicht so viel kaputt gegangen. Ein Glückstreffer quer über eine LSR-Lafette, das war es schon. Ein wenig Panzerungskosmetik und schon war ich fertig. Der Rest war nachprüfen und neu aufmunitionieren. Nichts wildes...“
Der Mechtech wusste in diesem Augenblick nicht, ob er seinen Kollegen nun beneiden oder erwürgen sollte. Aber er hatte eine viel bessere Idee.
„Du hast doch drei mal mehr Erfahrung mit dem Schweißgerät als der Mechjockey da unten. Kannst du uns nicht mal ein wenig aushelfen und die Löcher zubrutzeln? Sonst sitzen wir hier noch übermorgen.“
„Kein Problem“, meinte McCullom, „Ich dachte schon, du fragst gar nicht mehr.“

***

16:47
Die derben Flüche des hageren Mechtechs waren in den letzten Minuten lauter geworden als das Zischen der Schweißgeräte unter ihm, was eine regelrechte Sicherheitszone rund um den Vulcan geschaffen hatte. Nicht mal die Techklos wurden noch verwendet.
Schließlich kroch Andreas Yovovich wieder aus den Eingeweiden des Vulcan und krabbelte am Gerüst herunter um direkt im Wartungslager zu verschwinden.
Einige Minuten später kam er mit noch schlechterer Laune zurück.
„Gottverdammter Mistdreck!“, begrüßte er die zwei Arbeiter, „Hättest du nicht vorher diese scheiß MG-Munition rausschmeißen können?!? Drei Hülsenreste hab ich bisher aus dem Pulslaser rausgepult. Das Ding ist so tot, wie es nur irgend geht und einen neuen haben wir gerade nicht auf Lager. Das einzige, was ich momentan machen kann, ist einen gewöhnlichen mittleren Laser zu montieren. Von denen haben wir noch genau einen dabei.“
„Und was ist mit einem weiteren Clanlaser, von denen haben wir doch gerade ein paar erbeu...“
Oleg wagte es nicht, den Satz zu Ende zu sprechen. Dafür reichte bereits ein Blick in das Gesicht des Mechtechs aus, um zu erkennen, welche Folgen das gehabt hätte.
„Alleine schon diese beschissene Bastelei wird wieder mehrere Stunden Flickschusterei nach sich ziehen und ich bin ja so begeistert, wenn ich nur daran denke. Außerdem werden wir eine völlig neue Panzerabdeckung darüber zurechtbiegen müssen. Also komm mir ja nicht mit noch mehr Clantech“, giftete Yovovich. Seine Gegenüber nickten nur und hörten bereits die weiteren Flüche, während der Mechtech schon damit beschäftigt war, den schrottreifen Laser abzukabeln. Zum Glück für sie gab es noch genügend Stellen, die frische Panzerung brauchten. Genügend Stellen weitab des betroffenen Pulslasers...

***

18:26
Die wütende Brüllerei war sogar jenseits des Vulcans deutlich zu vernehmen. Mittlerweile sogar beim Highlander. Nachdem die anderen Maschinen der Kommando- und Schlaglanze kaum etwas abbekommen hatten, waren die Techs mittlerweile fast alle um den Mech des Major versammelt. Bei mittlerweile zwei Dutzend Arbeiter an einer Maschine wirkte es wie ein Beutestück inmitten von Treiberameisen – nur dass diese Ameisen hier nicht noch mehr Stücke aus ihrem Opfer herausbissen, sondern hinzufügten.
Verglichen damit war die Drei-Mann-Baustelle Vulcan geradezu eine Hobbywerkstatt.
Ein Umstand, der auch Germaine Danton aufgefallen war.
„Können wir hier ein paar Arbeiter abziehen um den Vulcan ebenfalls im Zeitplan fertig zu bekommen?“, fragte er bei Doreen an. Die sah ihn kurz an, auf die Uhr und auf den Zustand der beiden Maschinen.
„Gib den Techs hier noch ein oder zwei Stunden und sie können sich komplett auf den Vulcan stürzen“, erwiderte sie dann.
„Außerdem dürfte es unseren Nerven gut tun, wenn sich der Choleriker bis dahin abreagiert hat. Ausgebaut ist der Pulslaser schließlich wesentlich schneller als wieder zusammengeflickt.“, fügte sie dann noch an.
„Und mit den anderen beiden an der Maschine hast du kein Mitleid?“, hakte Germaine nach.
„Der Bär kann auch mal was an zweibeinigen Maschinen machen und Kuma selbst... seine Maschine, sein Arbeitswille, seine Geduld. Ich werde ihm garantiert nichts anderes erzählen.“
Germaine nickte.
„Schick trotzdem mal ein paar Techs rüber. Vielleicht bekommen wir beide Maschinen bis morgen wieder einsatzbereit.“

***

18:37
Mittlerweile ließen sich sogar einige der anderen Mechtechs beim Vulcan blicken, die meisten nicht ganz freiwillig. Ihr Versuch ganz unbeteiligt zu wirken, wurde mit sofortiger Mitarbeit am Vulcan bestraft. Immerhin sorgte das dafür, dass es wieder leiser wurde und das Fauchen von Schneidbrennern und das Zischen von Schweißgeräten die Tonlage übernahmen. Außerdem konnten sich nun die fähigsten Techs über die schwierigsten Panzerungspartien der Maschine hermachen.

***

23:40
Nachdem der mittlere Laser endlich mit einem Testschuss den Nachthimmel erleuchtet hatte, legte auch Andreas Yovovich geschafft das Spezialwerkzeug weg und zog sich in seine Koje zurück. Der einzige, der immer noch am Mech herumschweißte und –flexte, war Oleg, der immer noch Stellen fand, an denen er etwas verbessern konnte.

***

02:14
„Schalt endlich diese Dreck Flex ab!“, hallte es aus einem der Zelte.

***

04:06
Endlich legte Oleg die Sprühpistole weg. Das olivgrün würde auf dem eigentlich sandgelben Mech einen interessanten Fleckenteppich hinterlassen. Überall da, wo er hatte flicken müssen, war die Maschine nun grün. Es war erschreckend viel im neuen Farbton gehalten.
Er hatte das nicht freiwillig gemacht, aber es gehörte einfach zu einer gründlichen Bearbeitung dazu. In Menigeorange wollte er jedenfalls auch nicht rumlaufen, erst recht nicht in einem waldreichen Areal wie diesem hier. Es gab schließlich einfachere Wege, sich als Zielscheibe zu definieren.
Aber noch wichtiger als eine gesunde Pedanterie war, dass der Mech wieder einsatzbereit war.
Endlich.
Es war ein gutes Gefühl und es war es wert, wie er meinte, denn damit war er wieder ein Teil des Teams. Nun galt es nur noch, das Werkzeug wegzulegen und sich noch mal schnell drei Spritzer Wasser ins Gesicht zu klatschen. Außerdem musste er noch das Werksgerüst demontieren und... und...

***

07:14
Fünf Minuten nach dem Morgenappell hatte sich Miko Tsuno den Fortschritt am Vulcan angesehen. Wie es aussah, war er wieder einsatzbereit. Auch wenn das Äußere nun noch hässlicher war als zuvor schon. Das MG gab es nicht mehr, dafür ragte aus einem improvisierten Armstummel ein Pulslaser, der Flammer am anderen Arm war zwar früher schon vorhanden gewesen, aber nicht in einem Gehäuse Marke Schrebergartenhütte einfach und außerdem sah die Panzerung nun aus, als hätte sie Pickel und Warzen bekommen.
War die Maschine vorher schon keine Ausgeburt an Schönheit gewesen, war es nun nur noch schlimmer geworden. Und die Mischung aus Sandgelb und Olivgrün für den Lack machte es auch nicht besser.
Aber immerhin war der Vulcan wieder nutzbar.
Während sie jedoch den Zustand des Mechs klar ausmachen konnte, konnte sie dessen Piloten nirgendwo finden. Ein Teil der Werkzeuge war zumindest wieder auf einen Haufen geräumt worden, aber es sah aus, als hätte den Arbeiter auf halben Weg das Interesse oder die Kraft verlassen. Daher hatte sie eine Vermutung, wo sie ihn finden würde...
Nur ein paar Schritte weiter wurde sie in ihrer Erwartung bestätigt. Oleg hatte sich irgendwie noch zu seinem Feldbett geschleppt und war dann anscheinend umgekippt wie ein gefällter Baum. Er hatte noch nicht mal die Stiefel ausgezogen. Nun sägte er auf dem Bauch liegend den gesamtem Urwald um sich herum um und ließ sich dabei weder von lärmenden Motoren vorm Zelt noch von einem piepsenden Wecker stören. Miko hatte keine Ahnung, wie viele Stunden Oleg in die Reparatur seines Mechs investiert hatte und sie hatte noch weniger Ahnung, wann er das letzte mal geschlafen hatte. Aber sie hatte so eine Ahnung, dass es bei diesem schlafenden Bären mehr als nur einen Eimer Wasser brauchen würde, um ihn wieder aus seinem komatösen Schlummer zu wecken. Und wenn möglich, zögerten sie dieses Ereignis im Sinne der Einsatztauglichkeit noch so lange wie möglich hinaus.
Ace Kaiser
Zwei Tage nach dem Gefecht gegen die Jadefalken waren die Chevaliers weiter gezogen. Der Ruhetag hatte allen gut getan. Der zweite Tag war für einen Komplettcheck der Ausrüstung und für die Nachsuche nach den sechs noch immer verschwundenen Elementare genutzt worden. Sie hatten vier zertrümmerte Rüstungen finden und zwei halbtote Infanteristen aus prekärer Lage retten können. Damit war die Zahl ihrer Isorla auf neun angestiegen, wenngleich sieben von ihnen stationäre Fälle im Lazarett waren. Dennoch, Germaine Danton war zufrieden, denn das bedeutete, das kein Falke entkommen war. Ihr Handstreich würde so lange nicht entdeckt werden bis die Falken vermisst wurden. Und selbst dann war die Wahrscheinlichkeit hoch, dass der Anführer der grünen Jadefalken die Wölfe verantwortlich machte. Nein, Germaine korrigierte sich in Gedanken. Er würde in jedem Fall die Schuld auf die Wölfe schieben, denn niemals würde der Kommandeur einer derart bornierten und unerfahrenen Truppe freiwillig eingestehen, dass Streitkräfte der Inneren Sphäre, und nicht einmal Söldner, eine eigentlich überlegene Zahl an Clankriegern ausgelöscht hatte.
„Was tun, sprach Zeus“, murmelte Germaine nachdenklich.
„Sir?“ Der Infanterist vor ihm sah auf.
Germaine winkte ab. „Ich habe nur laut gedacht. Was ist mit den Gefangenen?“
„Sir!“ Der junge Mann war Corporal. Germaine kannte ihn. Keviak, Gunnar. War damals bei der Kampagne gegen die Ronin zu ihnen gestoßen und hatte sich erst über die Privatränge gearbeitet und leitete nun einen eigenen Trupp. Germaine war sich sicher, dass der Antrag zum Sergeant-Lehrgang nicht lange auf sich warten lassen würde. „Beide wohlauf. Sie essen, sie schlafen, sie trinken, sie benutzen den Abort, aber sie kommunizieren nicht mit uns. Unsere Schlapphüte holen sie dreimal täglich zum Verhör, aber anscheinend ist es unter ihrer Würde, mit uns zu reden.“
„Hm!“, murmelte Germaine. So etwas hatte er erwartet. Es kam öfters vor, dass die Geschko-Ausbilder, vor allem jene auf den Heimatwelten, noch immer dachten, es wäre 3049, und die Innere Sphäre ein in sich zerstrittener, technologisch rückständiger Haufen. Okay, das war so weit heute auch noch korrekt. Aber den technologischen Rückstand hatten sie anständig aufgeholt. Selbst Germaines Highlander konnte es schon mit einem gleich starken ClanOmni aufnehmen. „Öffnen Sie, Corporal.“
„Sir!“ Der junge Mann nickte seinem Begleiter zu und trat drei Schritte von der Tür des Kabinenwagens fort. Er lockerte den Sitz seiner Pistole und schob die Sicherung hoch. Der andere Infanterist, ein Private, öffnete die Tür und bemühte sich außerhalb des Schussfeldes zu bleiben. Letztendlich diente das auch seiner eigenen Sicherheit. Nun, es geschah nichts spektakuläreres, als dass im Innern des Transporters ein zusätzliches Licht aufflammte, es war mit der Tür gekoppelt. Aber Germaine schätzte es, wenn die Sicherheitsbestimmungen im ureigensten Interesse der Männer eingehalten wurden. „Danke, Corporal.“
Der junge Mann nickte und betrat vor ihm den Wagen. Sein Private legte nun eine Hand auf die Dienstwaffe. Nun übernahm er die Schutzfunktion.
Germaine nahm sich vor, sich mal mit Charly und Lane zusammen zu setzen und ihnen für ihr gutes Training zu danken.
Der Innenraum war zweigeteilt. Es gab einen kleinen Vorraum und einen großen Hauptraum. Darin befanden sich zwei Großraumzellen für jeweils zwei Personen. Im Moment hatte jeder der Clankrieger das zweifelhafte Vergnügen, über doppelt so viel Platz zu verfügen als es bei einer Vollbelegung der Fall gewesen wäre. Aufgeschweißte Gitter durchbrachen die Wände und gewährten einen Blick auf die Köpfe der beiden Jadefalken. Sie saßen wie starre Marionetten auf ihren Feldbetten und sahen ins Nichts.
„Stillgestanden!“, brüllte Keviak, und die beiden jungen Rekruten reagierten sofort. Sie waren auf den Beinen, bevor sie begriffen was sie eigentlich taten.
Germaine nickte und trat am Corporal vorbei. „Rührt euch“, sagte er in strengem Tonfall. Er musterte den jungen Mann rechts von sich. Hoch geschossen, beinahe zu groß für einen Mech, sommersprossig und mit brandrotem Haar war er sicherlich alles, aber kein Vertreter der Pryde-Linie. Dennoch sagte sein Kodax eindeutig aus, dass eine der unbedeutenderen Prydenamensträgerinnen seine Erbgutspenderin gewesen war. Vielleicht hatte er etwas Feladral im Blut. Es hieß, die Jadefalken hätten das Genom dieser exklusiven Wolfsblutlinie vor Jahren erbeuten können. Der junge Mann war StrahlCommander gewesen und hatte den Dunkelfalke gesteuert. Die Tatsache, dass er keinen Omni unter dem Hintern gehabt hatte, sagte genug über seine Förderer, seine Geschko und seine Leistungen aus. Zumindest bis zu diesem Punkt. „Soran, Bluthaus Pryde“, sagte Germaine ernst und sah den jungen Mann durchdringend an. Er hielt stand.
Dann wandte er sich der zweiten Kriegerin zu. Eine Frau, wie unpraktisch. Sie war Mechkriegerin gewesen und entstammte dem Bluthaus Chan. Dieses Haus hatte schon lange sein Exklusivrecht auf Clan Jadefalke verloren, diverse Blutnamen wurden in anderen Clans weiter vererbt. Das alles spielte Clanintern eine große Rolle dafür, wo ein junger Krieger in Zukunft eingesetzt wurde, egal wie viel versprechend er auch war. „Rose, Bluthaus Chan“, stellte Germaine fest. Allein der Name des Hauses schien ihren Trotz zu wecken, aber sie sagte nichts. Stattdessen biss sie sich auf die Lippen und starrte gerade aus.
„Mein Name ist Germaine Danton. Mein Rang ist Major, und meine Zuständigkeit ist die Führung des Verbundwaffenbataillons Dantons Chevaliers. Ja, sie vermuten ganz richtig, wir sind Söldner. Allerdings sind wir hier im Auftrag von Clan Wolf im Exil.“
Als der Begriff Clan Wolf im Exil fiel, schnaubte Soran abfällig, und die kleine, schwarzhaarige Rose unterdrückte mit Mühe ein Schmunzeln. Sie hatte den Jenner IIC gesteuert, den die Chevaliers mit Beinschaden vom Schlachtfeld hatten bergen können.
„Außerdem bin ich der Pilot des Highlanders.“
Mit Zufriedenheit registrierte Germaine das Interesse der beiden Mechkrieger. Sein Mech war auf dem Schlachtfeld nicht zu übersehen gewesen, und wenn Clankrieger auch die Innere Sphäre mit anerzogener Herablassung betrachteten, so wussten sie doch persönlichen Mut zu schätzen.
„Ich bin, was Sie beide betrifft ein wenig hin- und her gerissen. Sehen Sie, Sie sind Krieger, Mechkrieger sogar, aber ich brauche eigentlich keine. Selbst als Reserve nicht. Ich habe immer gute Männer und Frauen in der zweiten Reihe, die einspringen können.Ich könnte sie in meine Tech-Truppe stecken, aber da sie beide keine Erfahrung in Mechwartung haben wären das Hilfsarbeiten für sie. Letztendlich haben sie grandios verloren, und ich kann meine Maschinen und die Sicherheit meiner Leute nicht so grandios riskieren und zerschlagen lassen, wie das ihr Kommandeur getan hat.“
Die Reaktion, welche die Clanner auf diese Worte zeigten, war wesentlich stärker. Soran schnaubte erneut und ballte die Hände zu Fäusten, ließ sich aber nicht dazu hinreißen, die Schuld auf seine Vorgesetzten abzuwälzen. Rose hingegen sprach einen Vornamen wie einen Fluch aus. Richard. Wie die Nachrichtenabteilung aus den GefechtsROMs herausgefiltert hatte, war Richard aus dem Haus Chistu der SternCaptain der Einheit gewesen. Er hatte seine Einfalt mit dem Leben bezahlt.
„Sehen sie, ich stehe nun wirklich vor einer schwer wiegenden Entscheidung. Soll ich Hegira gewähren? Das wäre für alle Beteiligten das Einfachste, aber sie zwei würden sich achthundert Kilometer von der Jadefalkenlinie wiederfinden, in einem Gebiet, das ihnen nicht gerade freundlich gesonnen ist. Ich könnte sie in meine Einheit übernehmen, aber ich bin weder von ihrem Wert überzeugt, noch möchte ich meine Techtruppe mit zwei unerfahrenen Leuten belasten. Die dritte Option wäre, sie zwei den Wölfen zu übergeben. Dann wären sie wieder unter Clannern.“
„Warum haben Sie uns dann überhaupt erst gefangen genommen?“, presste Soran zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.
„Weil sie zwei überlebt haben. Und jetzt muss ich mir überlegen, wie ich weiter vorgehe.“
Germaine wandte sich um und stieg aus dem Wagen. Der Corporal folgte ihm und sicherte die Tür.
Der Major spitzte die Ohren, aber keiner der beiden rief ihn zurück oder machte auch nur einen einzigen Laut, der aus einem Wunsch nach seiner Aufmerksamkeit entstanden war.
„Sie sollten jetzt anfangen miteinander zu reden“, stellte Germaine fest.
Keviak sah den Vorgesetzten erstaunt an. „Das war der Grund Ihres Besuchs, Sir? Um ihre verstockten Münder zu öffnen?“
„Eigentlich nicht. Ich habe mit keinem Wort da drin gelogen, Corporal. Ich frage mich wirklich, wie ich mit ihnen weiter umgehen sollte. Mit ihnen und den Falken im Lazarett. Vielleicht sollte ich sie bei Onyx gegen Wolf im Exil-Personal eintauschen, das wäre recht nützlich für uns.“
Der Major nickte zu seinen eigenen Worten. „Andererseits liegt es auch an diesen beiden. Sie müssen sich entscheiden was sie selbst wollen, und dürfen nicht länger so tun als würde sich irgend etwas für sie ändern, wenn sie die Welt ignorieren.“ Letztendlich war es Richard gewesen, der seine Krieger in den Untergang geführt hatte, und das war selten ein guter Kritikmaßstab für die Fähigkeiten eines einzelnen Soldaten und Mechkriegers.
„Weitermachen, Corporal.“
„Sir!“ Der junge Mann nickte und lächelte verschmitzt.

Germaine machte sich auf den Rückweg zum Mobilen HQ. Es gab noch mehr zu tun, und die letzten Stunden Tageslicht waren auszunutzen. Er hatte die Scouts nach vorne geschickt, und es war möglich, dass sie bereits Kontakt zu Onyx´ Wolfsgarde gehabt hatten. Langsam aber sicher rückten sie einander auf den Pelz.
„Germaine, Onis Wing kommt zurück von seiner Patrouille“, klang die Stimme von Captain Harris im Knopfempfänger des Majors auf.
Er betätigte das Mikrofon am Kragen. „Verstanden. Gibt es Besonderheiten?“
„Wie man es nimmt. Oni und Katana haben was mit gebracht. Ich will dir nicht die Überraschung verderben. Sie kommen von Norden rein.“
„Verstanden. Danton aus.“ Stirn runzelnd änderte Germaine die Marschrichtung und wandte sich dem Nordrand des Lagers zu. Der stampfende Schritt der beiden Battlemechs war noch nicht zu hören, aber wohl zu spüren. Ab da dauerte es nicht mehr lange, bis Krees Feuerfalke und Yamadas Puma in Sicht kamen. Der Feuerfalke ging vorweg, der Puma folgte hintenan, und dazwischen... Dazwischen fuhren zwei J-27 Standardmunitionstransporter. Daran, wie tief sie auf der Straße lagen, erkannte Germaine, dass sie voll beladen sein mussten. So etwas nannte man wohl einen Glückstreffer, vor allem nachdem er das Clan Wolf-Symbol auf der Frontschnauze erkannt hatte.
Die beiden Mechs schwenkten zwischen die Fahrzeuge der Chevaliers ein und wiesen die Transporter weiterhin zwischen sich. Germaine sah zum Feuerfalken hoch. „Beute gemacht, Corporal Kree?“
„Wie man es nimmt, Sir“, erwiderte die junge Frau gut gelaunt. „Aus der Richtung, aus der die beiden kamen, gibt es mit Sicherheit ein Depot. Bitte um Erlaubnis, dem nachgehen zu dürfen.“
Ein Depot. Der J-27 war weder als Rennmaschine, noch als Langstreckenshuttle bekannt oder beliebt. Was immer sie wohin auch immer transportierten, beides konnte nicht länger als eine Tagesfahrt entfernt sein.
„Melden Sie sich im Mobilen HQ. Wir arbeiten ein Suchraster aus.“
„Wieso suchen, Sir, wenn man auch einen guten Freund fragen kann?“, klang Sheila Krees erfreute Stimme auf.
Für einen Moment glaubte Germaine tatsächlich, dass das Wunder geschehen war, dass sie auf eine funktionierende Steiner-Einheit gestoßen waren, welche ihnen fortan hier helfen konnte. Guerilla, Miliz, was auch immer. Aber das war illusorisch. Er wäre schon mit einem Einheimischen und ein paar markierten Karten zufrieden gewesen.
Die Türen der J-27 gingen auf und die Fahrer verließen die Wagen.
Der eine war eine Frau, die ein wenig ungläubig ins Rund blinzelte.
Als Germaine sie sah, breitete sich Fassungslosigkeit in seinem Gesicht aus. „Ja, da soll mich doch...“
Die Frau salutierte vor ihm. „Sir, Sergeant Greta Caprese, ich melde mich mit einem Isorla und zwei J-27, beladen mit Ferrofibritpanzerung, zurück in der Einheit!“
Die Nachricht schlug ein wie eine Bombe, dienstfreie Chevaliers liefen zusammen, um dieses ungewohnte Ereignis zu bestaunen.
Der Major kämpfte mit einem dicken Kloß im Hals. Er erwiderte den Salut. „Verdammt noch mal, Greta, willkommen zurück! Sie hätten aber nicht gleich so große Geschenke mitbringen brauchen!“
Gelächter ging durch die Reihen der Chevaliers. Charles Decaroux kam heran geeilt und begrüßte die junge Frau überschwänglich. Dann begann er sie detailliert auszufragen, und nach zwei Minuten, in denen der Ring um die unverhofft zurückgekehrte Tochter immer enger geworden war, sah er zu Germaine herüber. „Ich denke, wir haben einen Glückstreffer gelandet, Germaine! Gordon ist noch immer in der Wolfsbasis. Der hier ist ein Tech. Und ich denke, zusammen mit den Aussagen von Lieutenant Fokker können wir uns nun ein exaktes Bild von der 17. machen.“
„So schnell wie möglich. Wiedersehen feiern können wir später noch. Jetzt brauchen wir erst einmal Daten. Da draußen ist immer noch ein Chevalier in Feindeshand.“
„Nicht mehr lange“, murmelte jemand entschlossen, und leise Bestätigungen antworteten ihm.
Germaine unterdrückte ein Lächeln. „Two down, one to go“, brummte er leise. Und den würden sie sich auch noch wieder holen. Das war ein Schwur.
Dirty Harry
Feldhauptquartier des 17. Wolfs Regulars Clusters
Jenkinton, Cornell, Dell
1. Dezember 3067

Sterncolonel Onyx rieb sich das Kinn, als er die eintreffenden Berichte sah. Die Falken hatten sich endlich zu einem ersten frontalen Angriff entschlossen. Mit einem Trinärstern und einer Supernova hatten sie es darauf ankommen lassen und seinen Kriegern und Kriegerinnen einen harten Kampf geliefert. Tatsächlich hatten sie aber erschreckend schlechte Karten, spätestens nachdem auch noch Luftunterstützung gegen sie eingesetzt worden war. Die Jadefalken hatten dennoch wild und unerschrocken gekämpft und sich und seinen 17. Ehre erwiesen, bevor sie sich angesichts des nicht gelingenden Durchbruchs wieder zurückgezogen hatten. Es war ein erstes Abtasten gewesen.
Vielleicht kamen sie aber auch nur deshalb aus ihren Löchern, weil sich ein weiterer Gegner gezeigt hatte. Nicht direkt vor oder hinter ihnen, aber er hatte sich ihnen in den Weg gestellt. Ein Trinärstern, der zu Störaktionen im tiefen Hinterland der Wölfe ausgezogen war und eine weite Umgehung versucht hatte, war prompt in die sie verfolgenden Söldner hineingelaufen. Zwar hielt Onyx von Söldnern genauso wenig wie jeder andere wahrgeborene Krieger, aber er erkannte auch Chancen, wenn sie sich ihm boten – und anders als die Falken würde er sie auch nicht als minderwertig abtun oder wegignorieren. Der Trinärstern hatte diese Arroganz mit seiner Auslöschung bezahlt. Ob es einzig und alleine an der Unerfahrenheit der jungen Falkenkrieger gelegen hatte oder an den Fähigkeiten der Sphärenkrieger ließ sich im Detail nicht sagen, war für ihn aber auch nicht weiter wichtig.
Entscheidend für ihn war, dass diese Söldner ihm ungeahnte Möglichkeiten eröffneten.
Momentan standen die drei Parteien wie in einem T zu einander. Falken und Wölfe begegneten sich fast frontal und die Mammonkrieger hielten die Flankenlinie, wobei nicht abzusehen war, wohin sie tendieren würden, auch wenn der Sterncolonel einen Verdacht hatte, der ihm gar nicht passte.
Aber Onyx konnte sie zu einer anderen Entscheidung zwingen.
Das Feldlager – das Feldlager Clan Wolfs – war ein Feldlager wie jedes andere auch. Die paar Hallen, die sie hier zusätzlich der Wartung wegen belegten, konnten sie auch an anderen Plätzen mit Beschlag belegen. Vor allem konnten sie aber durch eine Verlagerung der Front aus dem T ein Sandwich mit den Falken in der Mitte und den Söldnern als Bodensatz kreieren. Die Söldner waren seinen Wölfen bis hierher gefolgt, sie würden die Falken nur als Hindernis ansehen und ihm weiter zu schaffen machen, wenn er ihnen die Gelegenheit dazu gab. Aber sie würden auch sehr effektiv die allzu rasche Flucht der unerfahrenen Jadefalken verhindern. Und die Falken würden sehr schnell lernen, dass es nicht gesund sein kann, fern ab der eigenen Versorgungslinien einen Zweifrontenkrieg führen zu wollen.
Onyx würde sie nun genau dazu zwingen. Vor sich die Wölfe und hinter sich ein paar Mietsoldaten, die dort eigentlich nicht sein sollten oder wollten. Etwas drücken und er würde die Falkenaktion sprengen, bevor sie sich koordinieren konnten und sie zermalmen bevor sie zu einem Gegenschlag ausholen konnten. Und wenn die Falken bei ihrem dann anstehenden Rückzug quer durch die Söldner mussten, würden sie noch zusätzlich eins aufgesattelt bekommen. Und die Söldner würden ihrerseits angeschlagen werden, was Onyx ebenfalls nur recht sein konnte.
Dass es in der Zwischenzeit ein paar weitere Kollateralschäden gegeben hatte, beachtete er nur am Rande. Hoffentlich hatten die Falken ihren Spaß an den erbeuteten Panzerplatten.


Wartungshangar Beta des 17. Wolfs Regular Cluster
Jenkinton, Cornell, Dell
1. Dezember 3067

Gray hing tief in einer von fünf Gefechtsrüstungen, die gerade von einer ausgedehnten Erkundungsmission zurück waren. Nach fünf Tagen ohne große Unterbrechungen in dem Ding stanken die Rüstungen wie ein Tigerkäfig nach einer Salmonelleninfektion. Und Gray fragte sich, ob er den Tigern damit nicht unrecht tat. Mehrere Tage Schweiß resultierend aus der hermetischen Isolation dieser Gefechtsanzüge und der ständigen körperlichen Betätigung hatten sich tief in die Polster der Anzüge gefressen. Hinzu kamen wahrscheinlich noch andere Ausdünstungen, auch wenn es sich die Krieger verkneifen konnten, ihre Rüstungen auch noch anderweitig zu verunreinigen. Aber alleine schon mit dem, was da war, konnten Buttersäurebakterien einen bestialischen Gestank verursachen.
Gray stopfte einen feinporigen Schlauch, der an ein Heizgebläse angeschlossen wurde, tief in ein Bein der vor ihm stehenden Rüstung, in der Hoffnung, dass er nicht irgendeinen Sumpf am letzten Ende dieser Rüstung aufschäumen würde.
„Scheißarbeit“, meinte auch Cheftech Jason, der gerade mal wieder bei ihm vorbeigeschaut hatte.
„Welch ein ... Wunder, dass ich sie wieder aufs Auge gedrückt bekommen habe“, fluchte Gray leise.
Jason Watts grunzte nur.
„Sei doch froh“, meinte er schließlich, „Tiefenraumaufklärung hinterlässt zwar ebenfalls Spuren, ist aber noch gar nichts gegen die Instandsetzung einer halb zerschossenen Rüstung. Immerhin sind hier keine Löcher drin, die mit Harjel gefüllt wurden und erst recht keine, in denen man noch Teile findet, die eigentlich nicht zur Rüstung gehören.“
Gray Gordon war sich sicher, dass das dann die Tätigkeiten waren, zu denen er abkommandiert wurde, wenn er mit der Schweinerei hier fertig war. Andererseits gab es noch weitere Rüstungstechs außer ihm. Vielleicht ging der Kelch mal an ihm vorüber.
„Wie auch immer, ich soll dir sagen, dass die hier innerhalb von 6 Stunden durchgecheckt und wieder voll einsatzbereit sein sollen.“
„In 6 Stunden? Nicht mal wenn ich einen Wunderbaum in die Panzer hänge, bekomme ich die in 6 Stunden wieder sauber. Geschweige denn dass ich in der Zeit einen vollständigen Einsatztest durchziehen kann.“
Der Cheftech zuckte nur mit den Schultern.
„Das Durchlüften ist nur Komfort. Das bisschen Gestank wird ein paar hart gesottene Krieger schon nicht umbringen. Eine Fehlfunktion könnte das schon eher bewirken. Also häng dich lieber an die Sensoren und check die durch.“
„Und warum auf einmal diese Hetze? Bisher hatten wir doch auch einen Tag zwischen den Aktionen.“
„Scheint so, als würde die Chefetage was größeres planen“, erwiderte Watts, „Du bist nicht der einzige, dem sie das Ultimatum gesetzt haben. Scheint so, als wolle der ganze Cluster auf den Kriegspfad.“
„Eine groß angelegte Offensive?“
„Höchst wahrscheinlich, aber so viel sagen sie uns hier unten ja nicht“, erwiderte Watts, der in der Zwischenzeit ein Wartungspanel an einer ihm nahestehenden Rüstung geöffnet hatte.
„Sie meinten lediglich, dass alle verfügbaren Einheiten bis 1900 wieder aktiv sein müssen und das wir uns bis 2200 marschbereit gemacht haben sollen.“
„Moment? WIR ziehen mit an die Front?“
„Anderer Feldstützpunkt, wie es scheint. Vielleicht näher an der Frontlinie. Und unser derzeitiger Stützpunkt ist schließlich nicht der einzige, den Clan Wolf auf dieser Welt hat. Wir sollen nur nachrücken und uns am neuen Standort einquartieren. In welcher Form wir dort die Rüstungen wieder zu Gesicht bekommen, hat keiner gesagt und wird auch keiner sagen können oder wollen. Unsere Aufgabe besteht lediglich darin, sie auch weiterhin kampfbereit zu halten.“
Gray nickte und kümmerte sich weiter um die Rüstung vor ihm. Innerlich ging er jedoch die Optionen durch, die aus dieser veränderten Situation resultierten. Er fragte sich auch, wie er seine Bastelrüstung unter die restlichen Ersatzteile bekommen sollte. Wie er sie in einer ihm nicht bekannten Basis verstecken konnte und ob sie überhaupt eine Basis ansteuerten und nicht nur die grüne Wiese. All das wirbelte seine Pläne gewaltig durcheinander. Sein ganzes Fluchtszenario wurde damit über den Haufen geworfen.
„Ach ja, ich soll dir außerdem noch sagen, dass deine Freundin vermisst wird, dieses lange Etwas von den Nachschiebern. Ist nicht mehr von einer Einsatzfahrt zurückgekommen. Wahrscheinlich von einem Störstern der Falken abgepasst worden. Sie wird von Glück reden können, dass sie nun eine Angehörige Clan Wolfs ist. Als Söldnerflittchen würden die Falken sicherlich kurzen Prozess mit ihr machen...“, erwähnte Watt wie nebenbei.
Dennoch musste sich Gray enorm beherrschen, als er diese Nachricht mitgeteilt bekam.
Nun war auch noch Greta weg. Erst war Jara nicht mehr von einem Einsatz zurückgekommen und nun war auch noch Greta verschwunden. Und sie zogen näher an die Front heran, was bedeutete, dass der Kampf schneller bei ihnen sein konnte als sie rennen.
Wollte er auch noch unter den noch unberechenbareren Jadehühnern dienen? Noch arrogantere Säcke, noch mehr Erniedrigung, noch mehr Demütigungen als ‚erbeuteter Dreck’, noch weiter unten in der Hierarchie? Aber wenn er floh... gab es hier abseits der Hauptlinien und tief im Gebiet der Wölfe noch so was wie einen Widerstand, bei dem er untertauchen konnte? Brachte es überhaupt noch etwas, zu fliehen, wenn er bereits der letzte Mohikaner war? Zu wem oder wegen wem sollte er abhauen?
Es waren Gedanken, die ihn noch länger beschäftigten. Watts war längst wieder gegangen als er gesehen hatte, dass Gray sich intensiv um die Rüstungen kümmerte. Aber er ließ ihn damit auch mit seinen Gedanken alleine und konnte nicht einmal abschätzen, welche Ziele die Freigeburt wirklich verfolgen würde.
Ace Kaiser
Es war später Abend, als der Munitionstransporter den Schlagbaum des provisorischen Feldstützpunkts des 17. Wolfsclusters erreicht hatte. Uromon, der Fahrer, wirkte nervös, als der Solahma-Wachsoldat ihn und seinen Beifahrer inspizierte. Jedenfalls war seine Waffe entsichert und durchgeladen.
„ChefTech Uromon, mit einem J-27 zurück zum Dienst“, meldete der Wolfstechniker knapp. Und so wie er die Worte komprimierte, war leicht zu merken, dass ihm der Arsch auf dem Grundeis hing.
Der Infanterist nickte. Er kannte Uromon vor allem als lauten, gehässigen Leute-Herumschubser. „Und dein Begleiter?“
„Major Germaine von...“ Ein Rippenstoß traf den Wolf. „Major Germaine Danton von den Dantons Chevaliers. Er bittet um eine Unterredung mit dem SternColonel. Der Wagen hinter uns ist dazu gedacht, ihn wieder zurück zu bringen.“
Unwillkürlich ging der Blick der Wache zum dunkelgrau lackierten Mannschafts-LKT, der knapp hinter dem Munitionstransporter gehalten hatte und auf dem unübersehbar die Cartoonmaus im Musketier-Outfit prangte.
„Sie dürfen den LKT durchsuchen“, mischte sich Danton das erste Mal direkt ein. „Er ist eh leer. Ich habe nur einen Fahrer mitgenommen.“
Dies war der Punkt, an dem der Solahma erkannte, dass er mit der Situation nicht mehr alleine klar kommen würde. Er rief den Chef der Wache, und ein wuchtiger SternCommander, zweifellos ein Elementare, kam aus dem Gebäude, das ihnen als Wachhaus diente. „Sie sind Major Germaine?“
„Germaine Danton. Und ich bitte um eine Unterredung mit SternColonel Onyx. Sagen Sie ihm einfach meinen Namen. Ich bin sicher, er wird mich empfangen.“
„Ich muss Sie durchsuchen“, erwiderte der Elementare verstimmt.
Danton stieg aus und bedeutete dem Fahrer des LKTs, ebenfalls auszusteigen. Sie verschränkten die Arme hinter dem Kopf und ließen eine Leibesvisitation über sich ergehen. Derweil durchsuchten weitere Wachleute die beiden Fahrzeuge.
Als die Wache bei dieser Arbeit beschäftigt war, nahm der SternCommander Uromon beiseite. „Was hat das alles zu bedeuten?“, zischte er.
„Die Chevaliers sind eine Söldnereinheit“, erwiderte Uromon. „Einige ihrer Leute sind in unsere Reihen geraten, als wir den Angels View Point überfallen haben. Seitdem verfolgen sie uns. Mehr weiß ich darüber auch nicht. Jedenfalls haben sie mich und Tech Greta abgepasst, als wir mit Panzerplatten vom Versorgungsdepot zurück sind, und ihr Anführer meinte, das wäre eine gute Gelegenheit für einen Anstandsbesuch mit einem passenden Geschenk. Den zweiten J-27 haben sie behalten, ebenso wie Greta und die Panzerung, aber dafür haben sie ein paar feine Sachen eingeladen.“
„SternCommander, im Ladebereich des ersten Fahrzeugs befinden sich Myomerkomponenten, zwei Knieaktivatoren für Leichte Mechs sowie zwanzig Runden LSR-Munition.“
„Sachen, die wir sicherlich gebrauchen können“, brummte der Elementare. „Was hindert mich daran, die beiden einfach hoch zu nehmen und die Dinger einzukassieren?“
„Nichts“, erwiderte Danton, der dem Dialog zugehört hatte. „Aber ich würde es in jedem Fall mit Ihrem SternColonel absprechen, bevor Sie in Teufels Küche kommen, frapos?“
„Pos“, erwiderte der Wachhabende. Langsam wandte er sich um, um mit seinem Kommandeur zu reden.
Nach einiger Zeit kam er zurück. Sein Gesicht zeigte seine tiefe Irritation. „Sie dürfen eintreten. Der SternColonel erwartet Sie. Die Fahrzeuge sollen neben den provisorischen Hangar fahren.“
Urobon und der Chevalier stiegen wieder ein, während sich Danton zu Fuß auf den Weg zu dem Gebäude machte, in dem die Kommandantur der 17. Wölfe untergebracht war.

Der J-27 fuhr direkt in die große Halle ein. Der Laderaum wurde geöffnet, und eine Flut von AsTechs begann damit, die Ersatzteile und die Munition zu entladen. Dass dabei plötzlich ein weiterer Tech mit tief ins Gesicht gezogener Mütze half, eine Munitionskiste zu schleppen, fiel in dem Gewühl überhaupt nicht auf.
Draußen rammte der Fahrer des LKTs gerade schwungvoll eine Scheunenwand. Zu den beiden Wachen, die ihn eskortierten, meinte er entschuldigend: „Tut mir Leid. Ich fahre ansonsten nur leichte Fahrzeuge. Ich bin der Kommandeursfahrer, wisst ihr?“
Die Wölfe gingen darüber hinweg. Was anderes als Unfähigkeit hätten sie auch schon von einer Freigeburt erwarten sollen?

Die Tech, die sich so unvermittelt der Entladeaktion angeschlossen hatte, zerstreute sich anschließend mit den anderen Techs in den Verfügungen. Dabei passierte sie einige mittelschwer beschädigte KampfMechs und machte sich geistige Notizen sowohl über den Fortschritt der Arbeiten als auch die Position und Art der Reparaturen. Reparierte Bereichen waren meist anfällig, und wer wusste schon wann man das noch einmal würde gebrauchen können.
Sie kam in den Bereich der Elementare-Rüstungen, fand aber nicht was sie suchte. Eine unauffällig-auffällige Notiz wurde an die Rüstung geheftet, dann verschwand sie so lautlos wie sie gekommen war.
***
„So, so. Du bist also Major Germaine“, brummte Onyx, während er den Söldneroffizier vor sich musterte. „Ich habe bei dem Namen eine Frau erwartet.“
„Eine lange Geschichte“, erwiderte der Chef der Chevaliers. „Und es heißt Major Germaine Danton.“
Die beiden Männer schwiegen sich einige Zeit an und Germaine gab die Hoffnung auf, dass ihm Onyx auch nur einen Kaffee anbot, geschweige denn ein spätes Abendbrot.
„Ich habe Ihnen einen Ihrer Männer wiedergebracht. Er war so leichtsinnig, mit seinen Munitionstransportern einer meiner Patrouillen in die Arme zu laufen. Die Panzerung habe ich gerne genommen, aber für den Mann habe ich keine Verwendung. Sehen Sie es als Zeichen meines guten Willens, dass ich ihn mit seinem J-27 zurück gebracht habe.“
„Was ist mit dem zweiten?“
„Oh, den können Sie auch wiederhaben. Ich brauche ihn nicht wirklich. Die Fahrerin hingegen behalte ich. Sie haben Sie auf Angels View Point entführt und aus meiner Einheit gerissen. Sie ist jetzt da, wo sie hingehört. In einer Kampfeinheit.“
„Es liegt mir fern, um eine stravag Freigeburt einen Aufstand zu machen, Major. Aber mich beschleicht die Frage, warum in Kerenskys Namen Sie mich aufgesucht haben.“
„Wie gesagt, ich habe die Panzerplatten behalten, aber ein paar Ersatzteile einladen lassen, die den Gegenwert ausgleichen. Ich bin durchaus bereit zu kooperieren, und da die Vernichtung des Trinärsterns der Falken meine Ressourcen kaum strapaziert hat, auch in der Lage, ordentlich auszuteilen.“
„Kooperieren?“, argwöhnte Onyx.
„Ich habe einen Auftrag von saKhan Marco Hall. Dieser Auftrag besagt, dass ich ihm seine Leute wiederbringen soll, die Sie auf dem Angels View Point als Isorla genommen haben. Ich weiß, Sie benötigen die Männer und Frauen für den Kampf. Aber können wir unsere Interessen an diesem Punkt nicht verbinden?“
„Was implizieren Sie, Major?“, fragte der SternColonel kühl.
„Ich bin es leid, Ihnen hinterher zu jagen, Onyx. Ich will, dass die Jagd hier ein Ende hat. Ich sage Ihnen was: Ich helfe Ihnen die Jadefalken auszuradieren, vom Antlitz dieser Welt zu tilgen und Ihnen den Erfolg zu bescheren, den Sie so dringend benötigen. Dass ich es kann, habe ich wohl mit der Vernichtung des umgehenden Falkentrinärsterns bewiesen. Im Gegenzug geben Sie mir die unzuverlässigen Wolf im Exil-Leute zurück. Ich verspreche Ihnen volle Isorla; Falken als Leibeigene sind Ihnen sicherlich lieber als Clansverräter. Und alles was ich darüber hinaus möchte ist Bergerecht der Maschinen, die meine Leute abgeschossen haben und freier Abzug. Sie werden mich und meine Einheit nie wieder sehen. Für mich geht es nach dem Missionsende direkt zurück nach Arc Royal. Ansonsten... Ihre Vorgesetzten werden keinen Wert darauf legen zu erfahren, dass eine Innere Sphäre-Einheit, zudem Söldner, Ihnen geholfen haben, die Falken zu rupfen. Im Gegenteil, sie würden es sogar ignorieren, wenn Sie es berichten würden.“
Der SternColonel schnaubte.
„Ach kommen Sie. Ich habe gesehen, wie Sie Ihre Einheit vorverlegt haben, um die Falken zwischen sich und mich zu bekommen. Ich spiele gerne für Sie Hammer oder Amboss. Ich hatte einige meiner schwersten und verlustreichsten Kämpfe gegen die Falken, und meinetwegen stutze ich ihnen gerne mal die Krallen. Aber wenn ich schon etwas für Sie tue, will ich auch etwas zurück erhalten.“ Danton griff in die linke Brusttasche seiner Uniform. „Hier ist der Kanal, auf dem Sie mich erreichen können. Daneben eine Liste mit Codeschlüsseln, über die wir kommunizieren werden. Kontaktieren Sie mich, und wir arbeiten einen gemeinsamen Schlachtplan aus. Ich suggeriere, der Amboss zu sein. Aus einer Verteidigungsstellung heraus sind meine Chevaliers sehr stark, geradezu tödlich. Und wenn die angeschlagenen Falken in uns hinein rasen, wird es ein kurzes, heftiges Gemetzel.“
Bedächtig griff Onyx nach dem Zettel. „Ich werde darüber nachdenken, Major. Ich rufe Sie an.“
„Vergessen Sie nicht, ich verlange einen Gegenwert.“
„Wir werden sehen, ob Ihre Kampfkraft den Verlust meiner Techs und Krieger wert ist. Sie haben freien Abzug.“
Danton nickte und holte ein kleines Funkgerät hervor. „Charly, wir gehen. Wirf die Maschine an.“
„Ja, Sir.“
Sekunden darauf gab es ein lautes Scheppern. Eine Hupe klemmte und heulte über den Platz, bis ein Tech sie abstellen konnte. Germaine trat ans Fenster und betrachtete die Misere. Der LKT war in die Scheunenwand gerauscht und hatte sie dort durchbrochen. Krieger und Techs der Wölfe waren zusammen gelaufen und betrachteten die Misere. Der Fahrer versuchte den LKT neu zu starten, was ihm erst beim vierten Mal gelang. Dann endlich füllte sich die Manschette, und der Mannschaftstransporter quälte sich wieder aus den Trümmern hervor.
Ein eifriger WolfsTech half die hintere Klappe zu schließen, die sich beim Zusammenprall geöffnet hatte. Daraufhin stotterte der Wagen bis vor die Kommandantur.
„Ihr seid keine besonders guten Fahrer, ihr Freigeborenen“, kommentierte Onyx amüsiert.
„Er hat darauf bestanden mich zu fahren. Das ist das erste Mal, dass er auf einem so schweren Vehikel fährt“, erwiderte Germaine seufzend. „Ich werde ihn wohl ein paar Fahrstunden machen lassen. Die Reparaturkosten können Sie mir schicken, SternColonel.“
Onyx schnaubte amüsiert. „Wir werden am Schluss abrechnen, Major. Jetzt schaffen Sie mir erstmal diesen Surat von meinem Stützpunkt, bevor er etwas wirklich wichtiges zerstört.“
Danton nickte, tippte sich in der Geste eines Saluts an die Stirn und verließ das Büro.

Zehn Minuten später befand sich der LKT weit außerhalb des Lagers, und Germaine erlaubte sich, ein klein wenig entspannter zu wirken. Außerdem war nichts von Patrouillen oder verfolgenden Einheiten zu erkennen. Theoretisch waren sie sicher. Er grinste vom Beifahrer aus Charly Dupree an und klopfte ihm Angesichts seiner schauspielerischen Fähigkeiten kräftig auf die Schulter. „Alter Schmierenkomödiant.“
„Man tut was man kann, Chef“, erwiderte der Mann von New Syrtis und grinste schief.
Germaine schlug mit der Faust auf die Trennwand zum rückwärtigen Bereich. „Alle vollzählig da hinten?“
„Sergeant Greta Caprese hier. Ich habe Sergeant Gordon leider nicht gefunden, aber ich habe ihm den Zettel mit der Funkfrequenz hinterlassen. Wenn er etwas findig agiert und wenn er unser Logo im Hof gesehen hat, wird er den Rest schon schaffen.“
„Machen Sie sich um Gray nicht so viele Sorgen. Wichtig ist vor allem, dass er weiß, das wir in der Nähe sind und auf ihn warten. Ihn gleich mitzunehmen wäre ein Bonus gewesen“, erwiderte Germaine, wenn auch etwas Enttäuschung in seiner Stimme schwang.
Die Scoutlanze der Panzerabteilung empfing sie, ließ sie passieren und folgte dann geschlossen. Ihr Abenteuer ging weiter.
Dirty Harry
Vorbereitender Platzhalter
Ace Kaiser
Germaine Danton beugte sich über den Holotank. „Dank unserer Verbindung zu StenColonel Onyx stehen uns wesentlich mehr Daten über die Falken zur Verfügung als zuvor. Wir müssen davon ausgehen, dass uns der alte Wolf nicht alles gesagt hat, aber da wir den Gegner auch selbst beobachten, sollten wir gegen Abend ein einigermaßen vollständiges Bild haben.“ Er grinste in die Runde. „Und dank Lieutenant Fokker und Sergeant Caprese haben wir auch ein ziemlich eindeutiges Bild der Kampfbereitschaft der 17. Wolfgarde.“
Grimmiges Nicken war die Antwort.
„Wir wissen einiges über den Feind, und damit meine ich beide Gegner. Während die Jadefalken noch über gut vier Trinärsterne mit Elementare-Unterstützung verfügen, schafft es Onyx gerade mal auf drei Trinärstern und einen Binärstern. Dazu kommt seine Solahma-Infanterie in der Stärke eines halben Bataillons. Beide Clantruppen verfügen also nicht über einen vollen Sternhaufen. Onyx hatte von vorneherein keinen besonders guten Stand. Ohne den Raubzug gegen Clan Wolf im Exil hätte er nicht einmal diese Expedition wagen dürfen. Bei den Falken sind wir wohl Schuld, dass der Sternhaufen keiner mehr ist.“
Die Anwesenden lachten leise.
„Wir wissen, dass die Falken wild gemischt sind. Sie haben etwa einhundert Elementare dabei. Diese tragen Standard-Rüstungen. Nicht diesen experimentellen Quatsch, der uns von den Feuermandrillen oder den Höllenrössern berichtet wird. Die Mechs sind von aller Couleur. Die Mehrheit machen schwere Maschinen bis fünfundsiebzig Tonnen aus.
Onyx hat einen leichten Überhang bei schweren und überschweren Mechs aus, was ihn in Verteidigungspositionen begünstigt. Er hat auch etwa einhundert Elementare, wie wir wissen, verstärkt durch Isorla von Wolf im Exil. Wir sollten uns daher bemühen, nicht allzusehr auf sie zu feuern.“
Battaglini hob die Rechte. „Sir, rechnen Sie damit, das wir nach den Falken auch noch die Wölfe bekämpfen müssen?“
„Wenn wir stark genug gelitten haben sehe ich keinen Grund, warum Onyx nicht mit uns den Boden aufwischen sollte. Im Gegenteil. Unsere kleine Absprache ist für ihn nur solange etwas wert, wie er uns braucht. Anschließend sollten wir erheblich stärker sein als er, ansonsten haben wir umsonst geblutet.“
Die Offiziere raunten leise.
„Hier ist der Schlachtplan. Onyx erwartet für übermorgen das eintreffen der Jadefalken. Er hat seine Einheiten leicht nach Norden gezogen, die Falken müssen einen Bogen nach links schlagen, um ihm folgen zu können. Dabei werden sie so gedreht, dass ihr Rücken in unsere Richtung zeigt. Die Distanz zwischen der Verteidigungslinie der Wölfe und unserer Linie beträgt in etwa zwanzig Klicks. Das bedeutet also, dass die Falken, so sie von Onyx in unsere Richtung gedrückt werden können, Zeit und Muße haben, um sich wieder zu fangen und zu organisieren, bevor sie auf unsere Linien treffen. Außerdem besteht die Gefahr, das ihr Kommandeur diesmal etwas schlauer ist und versucht unsere Linien zu umgehen. Die Topographie eines hügeligen, stark bewaldeten Gebiets mit wenigen Bachläufen bietet uns nicht viele Bodenmerkmale, die für unsere Verteidigung als Anker dienen können. Das heißt, wir können die Falken nicht zwingen, in unsere Falle zu laufen.
Andererseits ist eine flexible Verteidigung ebenso unsinnig für uns wie eine Igelstellung. Manfred?“
„Major Danton, Master Sergeant Decius Metelle und ich haben uns ausgiebig beraten sowie Prince und Archon hinzu gezogen. Wir sind alle zu dem Schluss gekommen, dass dieser Kampf nicht mit dem Sieg über die Falken endet. Also haben wir zwei Missionsziele. Einerseits spielen wir den Amboss, auf dem der Gegner zerschlagen wird, andererseits müssen wir hinterher besser dastehen als Clan Wolf. Onyx ist nicht nett genug, um halb zerschlagene Chevaliers in Ruhe zu lassen.“
Einheitssymbole leuchteten auf und stellten die nähere Umgebung dar.
„Hier, hier, hier, hier und hier beziehen seit dem Morgen unsere Kommandos kleinere Beobachtungsstellungen, mit denen sie einerseits das Schlachtfeld der Zukunft, andererseits die Bewegungen der Wölfe beobachten können. Sie kommunizieren über eine Funkverbindung mit uns. Die Sendeanlagen befinden sich jeweils mindestens dreihundert Meter von der aktuellen Stellung entfernt und sind doppelt vorhanden. Sollten sie aufgespürt und zerstört werden, hat der Beobachtungsposten eine zweite Chance, um uns auf dem Laufenden zu halten.
Hier, hier und hier bauen unsere Pioniere Schanzen für Panzer und Mechs auf. Dies wird unsere Auffangstellung. Sie hat eine Breite von einem Kilometer, was angesichts der Weite der Umgebung etwas wenig erscheint. Minen, Sprengfallen und voranvisierte Punkte als Ziele für unsere LSR-Werfer stehen bereit. Unser Basiscamp befindet sich zwei Klicks dahinter, nicht wirklich in Sicherheit, aber in Reichweite unserer Streitkräfte, sollte dort ein Feind auftauchen können, seien dies die Wölfe, seien dies die Falken.
Die Panzerartillerie übernimmt die Mitte, später verstärkt durch die Schlaglanze. Die linke Flanke nimmt die Panzerkommandolanze ein, verstärkt durch die Mechkampflanze. Die rechte Flanke übernimmt der Chef mit seiner Kommandolanze, verstärkt durch die Schweberkampflanze der Panzer.
Auf der Spitze der linken Seite geht die Hetzlanze in Stellung, auf der Spitze der rechten Flanke die Panzererkunder. Sniper und Sprungtruppen werden in kleinen Gruppen rund um diese Front verteilt.
Wir haben genau zwei Ausweichetappen. Nach der zweiten muss der Gegner stehen oder vernichtet sein, oder die Falken sind über uns.
Ja, Lieutenant Fokker, Sie haben eine Frage?“
„Sir, was bedeutet dieses „später verstärkt“ für meine Schlaglanze?“
„Nun, Miss Fokker, Sie fühlten sich im letzten Gefecht nicht wirklich ausgelastet, weshalb wir uns dazu entschlossen haben, Ihrer Lanze die zentrale Rolle im Geschehen zu geben.
Um sicherzugehen, dass der Feind, also die zurückflutenden Jadefalken, auch wirklich dort zum spielen kommen, wo wir sie erwarten, wird die Schlaglanze sie anludern.“
Ein unverständlicher Blick traf Scharnhorst.
„Verzeihung, das ist ein professioneller Begriff aus der Forstwirtschaft. Ein Luder ist ein Köder. Oder um es anders auszudrücken, die Schlaglanze wird hier stehen, zwei Klicks vor unserer Linie, und auf die zurückflutenden Falken feuern. Sobald der Gegner diese Herausforderung angenommen hat, ziehen sie sich auf Höhe der Artillerielanze zurück. Je nachdem wie viele Gegner wir zu diesem Zeitpunkt noch haben oder wie viele in unsere Falle gehen, werden Sie, Lieutenant Fokker, die Situation zusammen mit der Artillerielanze alleine klären, oder der Chef macht den Sack zu.
Beide leichten Lanzen sind dazu da, um entweder den Deckel drauf zu tun, oder verirrte Schäfchen zu kassieren, beziehungsweise in den Kessel zu führen.
Sollte der Gegner sich zu weit aufsplittern, fallen wir eine Ausweichstellung zurück und versuchen den Feind doch noch hinein zu ziehen.
So viel zu den Jadefalken. Wenn alles gut läuft, dann haben wir in etwa eine Stunde Zeit, bevor sich die Wölfe umgruppiert haben. Entweder hält sich Onyx an sein Versprechen, dann hat sich jeder seinen Sold redlich verdient. Oder aber er greift an. Unsere Aufgabe ist es dann, ihn nachhaltig davon zu überzeugen, dass das ein Fehler war.
Deshalb sollten Sie mit den Falken möglichst nur mit Ihrer Lanze, den LSR-Werfern und den Pionieren fertig werden, Lieutenant. Dann haben wir zwei sehr kampfstarke Lanzen in Reserve, um alles was die Wölfe uns noch schicken können, zwischen uns zu zermalmen.
Ja, Captain Lane?“
„Was ist mit der Luftbedrohung? Wir können von Kitty nicht erwarten, dass sie es mit Luft/Raumjägern aufnimmt.“
„Das ist eine gute Frage, Captain. Aber wir wissen aus den Berichten von Sergeant Caprese, dass sowohl Jadefalken als auch Wölfe ihre Jägerkapazitäten bereits aufgebraucht haben. Eine Seite verfügt noch über zwei leichte Jäger, lassen diese aber nicht aufsteigen, um sie nicht auch noch zu verlieren.
Ja, Captain Battaglini?“
„Rechnen wir in jedem Fall mit einem Angriff der Wölfe? Und wenn ja, wie lange werden wir sie bekämpfen? Bis zu ihrer Vernichtung?“
„Zwei gute Fragen“, ließ sich Germaine vernehmen. „Frage eins: Ja, wir rechnen damit. Es besteht eine Fifty-Fifty-Chance, dass Onyx eine Gelegenheit sieht, uns mit auszuradieren. Frage zwei: Wir bekämpfen ihn so lange, bis er tut was wir wollen. Wir haben nicht wirklich Interesse daran, die 17. Wolfsgarde zu vernichten. Ich würde gerne lebend aus der Wolfsclan-Besatzungszone herauskommen.“
Leises Gelächter antwortete Danton.
„Stimmen sie ihre Teileinheiten auf den Plan ein. Sehen sie alle sich ihre Positionen schon einmal an. Bishop, ich will, dass jeder detaillierte Karten der Minenfelder und der Sprengfallen bekommt, damit wir diese optimal nutzen können.“
Der Pionier grinste schief. „Wird ne Mordsarbeit. Wir haben einen Teil der Falkenmunition benutzt, um neue Sprengladungen zu basteln. Wir könnten die Raumroute am Nadirsprungpunkt damit verminen.“
„Na, das ist doch mal eine gute Nachricht“, brummte Germaine zufrieden.
„Eines noch“, ließ sich Manfred Scharnhorst vernehmen. „Wir werden so oder so Clankriegern in einer Zahlenordnung von ungefähr Regimentsstärke gegenüberstehen. Keine Planung überlebt den Kontakt mit dem Feind. Deshalb werde ich als taktischer Analytiker hier im Mobilen HQ bleiben, um auf ungewöhnliche Probleme reagieren zu können. Sollte ich also anfangen Befehle zu geben, bedeutet dies, dass sie sie schnellstmöglich ausführen, oder ihr Zögern könnte ihnen das Leben kosten.“
„Des Weiteren“, übernahm Danton das Wort, „gilt wie immer, dass alle Beobachtungen der Kompanie- und Lanzenführer unbedingt weiter gemeldet werden. Was für sie ein unwichtiges Detail zu sein scheint, fügt sich im HQ vielleicht in eine größere Ordnung ein.“
Der Major sah in die Runde, jeden einzelnen direkt an. „Morgen, gleiche Zeit, Abschlussbesprechung. Ich befürchte, wir werden einen Nachtkampf erleben. Weggetreten.“
Nach und nach leerte sich das HQ wieder. Die Mitarbeiter des Stabes begannen bereits damit, die Dossiers zu brennen, während Danton noch immer sinnend auf das Schlachtfeld starrte. „Es tut immer gut, wenigstens noch ein Aß im Ärmel zu haben. Vor allem wenn man nicht weiß, was einen erwartet.“
Thorsten Kerensky
Wenn es etwas zwischen den Sternen gab, dass schlimmer war, als die Truppenverpflegung des Drakonis-Kombinats, dann waren das Stabsbesprechungen. Debatten und Ausführungen über Strategie, Taktik und Optionen waren wirklich nicht Jaras Lieblingszeitvertreib, auch wenn sie deren Notwendigkeit natürlich einsah.
Dennoch kam sie diesmal gut gelaunt aus dem Treffen mit den anderen Offizieren zu ihren Männern. Ihr Körper, mittlerweile wieder gesund und durchtrainiert und nicht mehr von den Strapazen des vergangenen Jahres gezeichnet, strahlte Zufriedenheit und Selbstsicherheit aus, vor allem aber eine Anspannung, die man nur bei Soldaten beobachten konnte, die sich auf eine Schlacht vorbereiteten.
Als die dreizehn Männer und Frauen unter ihrem Kommando bemerkten, dass die junge Offizierin zu ihnen stieß, unterbrachen sie ihre Arbeiten, hauptsächlich Wartung und Pflege ihrer Waffensysteme, und versammelten sich. Sie hatten sich mittlerweile an Jaras Führungsstil gewöhnt und dazu gehört unter anderem, dass sich ihre Lanze nach einer Stabsbesprechung sammelte, damit sie Informationen weitergeben konnte.
Eric Stein, unlängst zum Sergeant befördert, salutierte knapp vor ihr: „Lieutenant, die Schlaglanze ist vollständig angetreten. Wir sind mit dem Reinigen und Warten der Ausrüstung fast fertig.“
„Danke, Sergeant Stein. Ich habe gute und schlechte Nachrichten mitgebracht.“
Sie warf einen Blick in die Runde, nahm sich die Zeit, kurz in jedes der aufmerksamen und gespannten Gesichter zu blicken.
„Die schlechte Nachricht zuerst: Wir werden gegen eine erdrückende Übermacht von Clan-Kriegern in den Kampf ziehen. Einheiten in Regimentsstärke, grob geschätzt. Und zwar sowohl Jadefalken, als auch, wenn es hart auf hart kommt, Wolfseinheiten.“
Respekt, Sorge und Staunen zeichnete spiegelte sich in den Gesichtern wieder, aber Jara konnte keine Panik entdecken.
„Nun die guten Nachrichten: Wir werden gut vorbereitet in diese Kämpfe gehen und der Schlaglanze wird eine zentrale Rolle bei dem Unternehmen zukommen. Wir dürfen endlich zeigen, aus welchem Holz wir geschnitzt sind.“
In groben Zügen erläuterte sie den Männern und Frauen den Schlachtplan und die Art der Gegner, mit denen zu rechnen war.
Als sie fertig war, ballte sie die rechte Hand zur Faust und schlug sie gegen die Handfläche der linken Hand: „Wir sind diesmal der Köder, der Amboss und der Hammer zugleich. Wir müssen zäh sein, schnell und wir müssen austeilen können. Ich erwarte von jedem von Ihnen nicht weniger als sein Bestes und ich weiß, dass Sie mich nicht enttäuschen werden. Und die Schlaglanze wird die Chevaliers nicht enttäuschen.
Übermorgen Abend werden wir gemeinsam in unser bisher schwerstes Gefecht gehen. Passen Sie auf sich, auf Ihren Flügelmann und den Rest der Lanze auf, ich erwarte, dass jeder von Ihnen lebend und gesund aus der Schlacht zurückkehrt.
Auch müssen wir uns auf einen Nachtkampf einstellen. Wir werden also heute Nacht und morgen noch einiges kleine Übungen dazu absolvieren und uns vor allem gut ausruhen. Noch Fragen?“
„Da wäre noch etwas“, meldete sich Stein zu Wort.
„Na dann raus damit!“
„Corporal Swoboda hatte die Idee, dass unsere Lanze einen Schlachtruf bräuchte. Um uns noch ein bisschen mehr Schneid zu geben, sozusagen. Wir haben dann mit den anderen gesprochen und alle waren einverstanden.“
„Alle?“ Jara blickte über die kleine Gruppe und ihr stand die Verwunderung über die Bereitschaft all der ehemaligen Claner deutlich ins Gesicht geschrieben.
Rowan Geisterbär räusperte sich und ergriff das Wort: „Wir verstehen zwar nicht so ganz, wo der Sinn eines solchen Schlachtrufes liegen soll, aber wenn es hilft, das Zusammengehörigkeitsgefühl zu stärken, gibt es auch keinen Grund, der dagegen spricht.“
Die Lanzenführerin nickte langsam: „Ich verstehe. Und woran hatten Sie gedacht, Corporal Swoboda?“
„Nun, ich habe mir zu dem Thema etwas Literatur angesehen und einige Schlachtrufe gefunden. Ich fand, es gibt nur einen, der unsere Ambitionen und unsere Ansprüche, die wir an uns selbst stellen, hinreichend ausdrückt.“
„Nun spannen Sie mich nicht auf die Folter! Was haben Sie sich ausgesucht?“
„Schlaglanze – drauf und dran!“
„Drauf und dran?“
„Das heißt, dass wir uns entschlossen und furchtlos dem Feind entgegenstellen und dass wir nicht zögern, wenn uns der Angriff befohlen wird.“
Jara überlegte kurz und grinste dann: „Das gefällt mir. Ihr Vorschlag ist angenommen. Ab sofort haben wir unseren eigenen Schlachtruf.“ Schalk blitzte in ihren Augen auf. „Und wenn wir übermorgen ins Gefecht ziehen, werden wir ihn das erste Mal rufen. Und wir werden so laut sein, dass die gesamte Einheit uns hört!“
Ihr Grinsen steckte den Rest der Lanze an und sogar die Claner wirkten zufrieden oder doch zumindest positiv amüsiert. Das war der Teamgeist, der ihr bei den Wölfen gefehlt hatte. Und der vermutlich auch der Schlaglanze gefehlt hatte. Die verschworene Kameradschaft einer Lanze, die gemeinsam ein Ziel anstrebte.
In zwei Tagen würden sie zeigen müssen, ob sie dieses Ziel erreichen konnten. Ob hinter ihren starken Worten auch entsprechende Taten standen.
Und ob sie alle die Nacht überstehen würden.
Ace Kaiser
Als Jan Jensen in dem ausgehobenen und perfekt getarnten Erdloch hockte, konnte er eine gewisse Nervosität nicht verbergen. Für seinen Geschmack befand sich die Beobachtungsstellung verdammt nahe an dem Kurs, den die fliehenden Falken nehmen würden – falls sie flohen – und brachten ihn sowie Corkie Jones in ernsthafte Lebensgefahr. Ihre spärliche, aus Sandsäcken gebaute und mit frischen Ästen abgedeckte Deckung, bot ihnen weder vor einer verirrten LSR, noch vor einem unbedachten Tritt durch ein Mechbein wirklich Sicherheit. Die Chance, an einem dummen Zufall zu sterben war so verteufelt hoch, das es schon weh tat. Andererseits waren die Chancen beim lyranischen Staatslotto noch schlechter, und wenn er dort schon nichts gewann... Ein flüchtiges Grinsen huschte über sein Gesicht. Er erinnerte sich noch gut an den letzten Appell, gleich nach der Abschlussbesprechung, als der Alte noch mal durch die Reihen gegangen war, hier und dort eine Schulter geklopft, oder ein paar Worte gewechselt hatte. Er rief sich noch einmal die Taktik ins Gedächtnis, die ihnen gezeigt worden war und tröstete sich mit der Tatsache, dass Gustav Brauer mit Sally Trevelle drüben in der anderen Beobachtungsstellung mindestens ebenso gefährdet waren wie er selbst – und Sally bei dem massigen, breitschultrigen Sergeant noch weniger Platz hatte als er. Und Corkie war nur ein dünnes, wenngleich zähes Gerippe!
Nervös blickte er wieder nach vorne. Aus dieser Richtung kam schon seit einiger Zeit leiser Donner, wie er für Artillerie und LSR üblich war. Ab und an glaubte er in der Ferne das Knattern einer Autokanone zu vernehmen, und dieses Geräusch würde sehr bald sehr viel lauter werden. Es dauerte nicht mehr lange, dann würde er die Funkausrüstung ein letztes Mal überprüfen, das Codebuch mit den Mechsilhouetten schnappen und Corkie aus dem Loch jagen, damit er ein letztes Mal pissen konnte. Wenn sie Pech hatten würden sie die ganze Nacht hier liegen. Wenn sie sehr viel Pech hatten für den Rest der Zeit des Universums.
Er wurde sich sowohl der schweren Autopistolen bewusst, die angeblich sogar Elementare-Panzerung durchdringen sollte, als auch der Rauchgranaten für den absoluten Notfall. Der Alte hatte ihnen eindeutig eingebläut, dass das Hasenpanier in diesem Fall der besser Teil der Tapferkeit war.
Die automatische Uhr an Jensens Handgelenk piepte leise und informierte ihn über den Schichtwechsel. Es wurde Zeit, Corkie aufzuwecken. Außerdem hatte er den subjektiven Eindruck, dass die Clanner wirklich näher kamen. Also stieß er den Private First Grade gegen die Schulter.
„Ich bin wach“, brummte der andere wütend und müde. „Bei dem Gedonner kann ohnehin niemand schlafen.“
„Das hast du bis jetzt prima kaschiert“, erwiderte Jensen grinsend. „Wenn ich du wäre würde ich noch mal pinkeln gehen und was essen. Kann sein, das wir für die nächsten vierundzwanzig Stunden nicht aus dem Loch raus kommen und auch keinen Schlaf kriegen.“
Corkie gähnte herzhaft. „Du wirst mal ein guter Offizier, wenn du die Worte vom Alten so gut wiederholen kannst, als wären es deine eigenen Ideen.“ Der schlanke Mann öffnete die Augen. „Der Fluff liegt bereit?“
Jensen klopfte auf das mittelstarke Feldhandbuch aus wasserfesten Seiten. „Elektronische Erkennung wäre mir lieber gewesen, aber ich befürchte beinahe, die Clanmaschinen könnten vielleicht schon die schwache Betriebsspannung für unseren Funk entdecken. Und ich würde ungern die Sohlenverzierung eines Daishi werden.“
„Keine Sorge. Unter unseren Planen sind wir nicht zu orten. Die Clantechnologie ist ziemlich gut, aber ihre Krieger sind zu schnelllebig, um nach alten Infrarotschatten zu suchen.“ Wieder gähnte er. „Vor allem die Falken sind viel zu fix. Das liegt hieran.“ Corkie klopfte sich an die Schläfe. „Ihr Gehirn ist darauf trainiert zu denken, das sie nur zehn Jahre haben um zu kämpfen und zu sterben. Deshalb sind wir im Vorteil. Das waren wir schon damals, und der Alte hat das genau gewusst.“
Interessiert blinzelte Jensen. „Ach ja, du warst ja noch in der alten Einheit. Warum bist du geblieben?“
„Die interessante Frage ist doch: Warum haben die Falken uns nicht den Arsch aufgerissen? Ich sag´s dir. Weil Germaine Danton da draußen ist. Es ist normal, das eine Einheit im Kampfeinsatz zusammengeschossen wird. Das habe ich oft genug gesehen, bei den Regulären. Aber die Reste dann zusammen zu halten und aus der Geschichte einen geordneten Rückzug, ein Remis oder gar einen Sieg zu machen, das ist die Kunst. Der Alte kann das. Und heute wird er es wieder tun.“
„Und du wirst vielleicht dabei sterben“, brummte Jensen leidlich amüsiert.
„Ich werde dafür bezahlt, oder nicht?“, erwiderte der drahtige Infanterist grinsend. „Aber ich bin schon zu lange dabei. Auf mich passt der Alte auf. Du aber hast nur Bryant mitgemacht. Kann schon sein, dass auf einer der Kugeln bereits dein Name steht.“
Jensen schnaubte amüsiert. „Damit kannst du junge Rekruten einschüchtern, die frisch von der Feldarbeit eingetreten sind, und die nicht viel mehr wissen als wo bei einem Gewehr vorne und hinten ist. Außerdem glaube ich nicht daran, dass der Major mich rettet oder beschützt. Jeder muss auf sich selbst aufpassen. Und das kriege ich wohl noch alleine hin.“
„Gut gebrüllt, junger Löwe.“ Corkie richtete sich halb auf, ließ sich aber sofort wieder fallen. Er griff neben sich und zog die Infrarotplane über sich. „Späher!“
Jensen hatte sofort reagiert als er Corkie hatte agieren sehen. Antrainierte Reflexe waren manchmal sehr nützlich. Nun trug er seinen Helm, war unter der Plane gegen Infrarotortungen verborgen und starrte durch das Okular seines Feldstechers.
„Tja, zum pissen kommst du wohl vorerst nicht. Ich glaube, die Party geht los. Und sie kommen in unsere Richtung.“
„Sprinter. Cougar. Und ein Heuschreck IIC“, stellte Corkie mit Kennerblick fest. „Fliehen sie oder scouten sie den Rückweg aus?“
„Egal. Erstmal Meldung machen“, befahl Jensen.
„Hast wohl Recht. Knave von Archangel eins-eins-vier! Feindliche Bulldog Mackie zwo Komma vier Klicks voraus, Anzahl drei, Sprinter, Cougar, Heuschreck IIC. Kurs Südsüdwest. Geschwindigkeit Kampfgeschwindigkeit.“
„Archangel eins-eins-vier von Tank. Bericht ist angekommen, verstanden. Nehmt die Köpfe runter. Wir versuchen ihre Aufmerksamkeit zu wecken.“
„Archangel eins-eins-vier, verstanden. Melden uns wenn sich die Situation ändert. Over und out.“
Corkie sah zu seinem Kameraden herüber. „Sie wollen die...“
„Aufmerksamkeit der Clanner wecken, ich habe es gehört. Du weißt was das heißt, oder?“
Die beiden Sprungtruppensoldaten grinsten von einem Ohr bis zum anderen. „Jara!“, intonierten sie mit Enthusiasmus in der Stimme.
„Die Rose der Chevaliers“, fügte Jensen zufrieden an.
„Na, dann wollen wir doch mal schauen, wie sich das hübscheste Mädchen der Einheit so macht. Man erzählt sich ja, sie hat sich ihren Rang erschlafen, aber besser niemandem aus ihrer Lanze. Die interpretieren das als hätte man gesagt, sie wäre der weibliche Klon von Stefan Amaris.“
„Vielleicht hat sie ja mit dem Alten geschlafen“, erwiderte Jensen flapsig. „Aber ihre Lanze hat sie definitiv für ihr Können gekriegt. Das habe ich auf Bryant gesehen. Sie ist in mehr als einer Beziehung brandheiß.“
„Eins Komma eins, schnell näher kommend. Also, Romeo, warum gehst du nicht mal mit ihr aus? Angst, dir die Finger zu verbrennen?“
Jan Jensen winkte ab. „Die Finger? Weißglühenden Stahl mit der bloßen Hand berühren ist wahrscheinlich harmloser als Jara länger als unbedingt nötig anzuschauen. Unser tödlicher Engel würde die Miss Chevaliers-Wahl gewinnen, wenn wir eine hätten.“
„Null Komma acht. Ich glaube, wir werden gleich sehen, wie heiß sie wirklich ist.“

Mittlerweile waren die Erschütterungen der ScoutMechs deutlich zu spüren. Schon mit dem bloßen Auge war der Jadefalke mit dem Katana zu erkennen, darunter Einheitssymbol und Einheitsbezeichnung. Die grobe Richtung deutete direkt auf sie, und das war nichts, worüber sich die beiden Männer freuten.
„Null Komma vier. Null Komma zwei. Nebeln und Fersengeld?“, fragte Corkie mit einem unsicheren, schwammigen Grinsen.
In diesem Moment erklangen die charakteristischen Geräusche über ihnen auf, die Langstreckenraketen verursachten, wenn man von ihnen überschossen wurde.
Die beiden Infanteristen sahen nach oben und erkannten zwei dichte Abgasstränge, die fast die Sonne verdunkelten. An der Spitze der Wolken glitzerte Metall.
Und dieses Metall neigte sich auf die ScoutMechs nieder. „Achtzig LSR. Jetzt wird es lustig.“
Jan richtete sich halb auf. Bei einem solchen Angriff würden die Clanner kaum auf die Infrarotsignatur eines Infanteristen achten, wenn ihnen eihundertvierzig Tonnen Tod im Nacken saßen. Dennoch warf er sich rasch wieder die Decke über. „Der Mad Cat und der Mad Dog! Jetzt wird es lustig!“, rief Jan hoch erfreut, und bemühte sich, die zitternden Hände nicht zu zeigen.
Die Raketen senkten sich wie eine riesige Wand aus Feuer und Stahl auf die Scouts nieder. Die meisten Schüsse gingen daneben, als der Cougar wegsprang und der Sprinter seitlich aus dem Schussfeld auswich – natürlich, sie hatten sich in einer voranvisierten Zone befunden, die auch außerhalb der LSR-Reichweite beschossen werden konnte – und nur der Heuschreck IIC wurde von vier der Raketen getroffen. Große Teile seiner Panzerung flogen davon, und für einen Augenblick sah es so aus als wolle ihm das linke Mechbein wegknicken, dennoch behielt er die Balance bei. Leider jagte ihm eine Sekunde später ein ER-S-Laserschuss ins andere Bein, riss es weg und warf ihn doch noch um. Zwei M-Laserstrahlen fingerten nach dem Cockpit, trafen es jedoch nicht.
Dem Cougar flog der zweite ER-S- Laserblitz entgegen und fraß gierig Panzerung von dessen Flanke. Ein ER-M-Laser fingerte nach dem Sprinter, trieb ihn aber nur seitlich vor sich her.
Mittlerweile war das beben der Schritte der schweren Chevaliersmaschinen nicht nur zu spüren, sondern auch zu hören. Dann erklang das charakteristische Geräusch eines multiplen Abschuss, als sich wieder achtzig LSR auf den Weg machten, diesmal mit Hilfe ihrer Zielsuchgefechtsköpfe.
Der Cougar wurde achtmal getroffen und verlor Panzerung am linken Bein und der Flanke. Der Sprinter erlitt vierzehn Treffer und löste sich vor den Augen der Späher quasi im Nichts auf. Als der Reaktor hoch ging, erschien es beinahe wie eine Entschuldigung dafür, dass der fiese kleine Scout so unspektakulär gestorben war.
Der Cougar hetzte noch weiter, drehte ein und zeigte den beiden schweren Maschinen den Rücken... Die beiden S-Laser des Mad Cats spießten ihn auf, durchtrennten die dünne Rückenpanzerung und beschädigten die Reaktorabschirmung. Der Pilot sprengte sich aus der sterbenden Maschine, kurz bevor auch diese in einer silbrigen Explosion mit roten Highlights verging.
„Auf die Entfernung... Passabel geschossen“, brummte Corkie anerkennend.
„Archangel eins-eins-vier von Sparrow! Haben Sie weitere Sichtungen im Gebiet?“
Hastig griff Jensen zum Funk. „Negativ, Sparrow, keine weiteren Sichtungen.“
„Gut. Wir ziehen uns dann auf die Ausgangsposition zurück. Vielleicht folgen ihre Freunde ja den neuen Wegweisern, die wir für sie aufgestellt haben“, klang ihre mädchenhaftfröhliche Stimme mit frechem Unterton auf.
„Wir sagen rechtzeitig Bescheid, ob ihre Freunde den Wegweiser verstehen oder nicht“, versprach Jensen. „Ach, und Sparrow?“
„Ja?“ „Gut geschossen.“
„Danke. Ich leite Ihr Kompliment an Panther weiter. Sparrow Ende und aus.“
Die beiden Männer grinsten sich erschöpft an, als das Adrenalin langsam abebbte. „Und so soll es nun den ganzen Tag gehen? Vielleicht die ganze Nacht?“
„Nur wenn wir Pech haben, Jan.“ Corkie grinste schief. „Nur wenn wir Pech haben.“
Die Schlacht hatte gerade erst begonnen.
Thorsten Kerensky
Hoch über dem Boden von Dell lag Jara auf der Pilotenliege ihres Waldwolf-OmniMechs und wartete. Wartete, ebenso wie der Rest ihrer Schlaglanze, auf den Befehl, aktiv zu werden. Nur mit Kampfstiefeln, Shorts und ihrer Kühlweste bekleidet, fröstelte sie, aber sobald die ersten Jadefalken auf dem Ortungsschirm auftauchten, würde es im Cockpit des mächtigen Stahlgiganten wärmer werden, als ihr lieb war.
Gute zwei Stunden war es nun her, dass Danton Befehl zum Ausrücken gegeben hatte. Jara und ihre drei Lanzenkameraden hatten sich vor ihren Mechs getroffen und ihren neuen Schlachtruf intoniert, um sich so Glück für die kommenden Gefechte zu wünschen. Die wenigen Leute, die sie und ihre Männer noch nicht für leicht abgedreht gehalten hatten, würden nun wohl damit anfangen.
Ihr war es egal.
Die Elementare begleiteten die Schlaglanze diesmal nicht mit ins Gefecht. Noch nicht. Wehmütig, dass sie bei dem ersten Kontakt mit den Jadefalken nicht zum Einsatz kamen, hatten sie sich auf den Panzern der Artillerie-Lanze niedergelassen und waren zur vorbereiteten Verteidigungsstellung aufgebrochen, wo sich die Schlaglanze ihnen später anschließen würde.
Auf Jara und die anderen Mechpiloten wartete vorher noch eine wichtigere Aufgabe. Den Köder zu spielen für die Reste der Jadefalken, die die Wölfe ihnen zuspielen sollten.
Danach würde es dann für die gesamten Chevaliers noch heiß genug werden. Im Kampf gegen Clan-Truppen, die nicht nur technologisch, sondern mit etwas Pech auch zahlenmäßig überlegen waren. Und wenn es richtig schief ging, würden sie sich danach Onyx Wölfen stellen müssen.
Ob sie dabei auf Frederic treffen würde? Gegen ihn kämpfen musste?
Bis dahin gab es aber noch wichtigeres zu tun.
„Panther von Sparrow. Kommst du mit der neuen Konfiguration zurecht?“
„Hier Panther. Natürlich. Außerdem habe ich ja auch gar keine andere Wahl“, antwortete Kyle Kotares Stimme ihr. Sein Geier-OmniMech war für diesen Kampf auf die Primär-Variante umgerüstet worden, eine direkte Anweisung von Major Danton, aber mit Jaras vollster Zustimmung. Sie wollten die Falken Schaden zufügen, ohne selber zu viel einzustecken. Und dazu war die Langstreckenbewaffnung der neuen Konfiguration ideal.
„So sieht es aus. Schlaglanze von Sparrow. Hier nochmal der Plan: Panther und ich übernehmen die Hauptarbeit und versuchen, in kürzester Zeit größtmöglichen Schaden zu verursachen. Dabei werden wir vermutlich heiß laufen. Steel und Snob, ihr gebt uns dann Deckung, sollte irgendjemand durchbrechen. Unser erster Angriff beginnt mit Langstreckenraketen, danach schonen wir unsere Munition. Wir wissen nicht, wann wir dazu kommen, neu aufzuladen. Alles klar?“
„Steel, verstanden.“
„Panther, verstanden.“
„Snob, verstanden.“
„Das mit dem Munitionssparen gilt übrigens besonders für dich, Steel. Und für alle, die mit Beilen und Äxten unterwegs sind: In den Nahkampf müssen wir früher, als wir wollen, also haltet euch erst noch zurück. Benutzt die Klingen erst mal nur gegen Elementare. Sparrow Ende und aus.“
Sie drückte die Funkverbindung weg, als ihr Bordcomputer einen neuen Kontakt durchstellte.
„Sparrow von Tank. Archangel eins-eins-vier meldet drei feindliche Mechs. Sprinter, Cougar und Heuschreck IIC. Ich markiere die Position für euch. Schaltete sie aus!“
„Sparrow, verstanden. Ich habe das Ziel auf dem Schirm. Wir holen sie uns!“
„Gute Jagd! Und Sparrow: Zeigen sie denen, aus welchem Holz wir sind! Tank Ende und aus.“
Jara grinste und stellte wieder eine Funkverbindung zu ihrer Lanze her: „Schlaglanze von Sparrow. Ihr seht es auf dem Schirm! Kontakte nicht zu weit entfernt. Die gehören uns! Bewegung!“
Froh, endlich mehr zu tun, als nur zu warten, beschleunigte die junge Söldnerin ihren Mech. Der Waldwolf fiel, erst schwerfällig, dann immer flüssiger, in einen leichten Trab und näherte sich der Feindortung. Noch bevor ihre eigenen Sensoren die Jadefalken erfassten, schickten sie und Kotare die ersten Langstreckenraketen auf den Weg. Das Ziel war ein vorher mit den Chevaliers-Spähern ausgemachter Punkt.
Diese erste Salve würde kaum Schaden anrichten, aber die Falken aufhalten und sie dort binden, wo sie nun waren.
Dann tauchten drei kleine rote Punkte auf ihrem Radar auf.
„Steel, Snob, bleibt ein bisschen zurück. Panther, wir kämpfen auf Maximaldistanz. Lasst euch nicht treffen!“
Jara brach hinter einem Waldrand hervor und konnte sehen, wie die leichten Clan-Maschinen sich gerade neu ordneten. Der Heuschreck IIC hatte tatsächlich Treffer abbekommen und der Computer schätzte die Schäden an seinem linken Bein als gravierend ein.
Noch bevor er oder seine Gefährten Zeit zum reagieren hatten, brachten die beiden schweren OmniMechs ihre Waffen zum Wirken.
Jaras schwerer Laser zerfetzte das andere Bein des bereits angeschlagenen Mechs, während ihre mittelschweren Laser seine Torsopanzerung zum Schmelzen brachten. Ihre zweite schwere Waffe richtete sie auf den Cougar und richtete auch bei ihm Panzerschäden an.
Dann feuerte sie fast zeitgleich mit dem nun ebenfalls eingreifenden Geier ihre Raketen ab. Während ihre Raketen die Panzerung des Cougar nicht durchdringen konnten und auch nicht besonders gut trafen, trommelte das Feuer von Kotare auf den Sprinter ein und zerriss die dünne Panzerung des Scouts wie Papier. Mit einem novahellen Blitz detonierte der Fusionsreaktor und ließ nur verbogene Trümmer zurück.
Hitze schlug über Jara zusammen, Warnsirenen kreischten in ihrem Cockpit, aber sie ignorierte sämtliche Warnungen, als der Cougar ihr den Rücken zudrehte.
„Hab ich dich!“, triumphierte sie, als sie erneut die Auslöser ihre schweren Laser presste und zwei rubinrote Strahlbahnen sich in die schwache hintere Panzerung des Mechs bohrten.
Im Gegensatz zum Sprinter, schaffte es der Pilot des Cougar, seinen Schleudersitz zu betätigen, bevor die Reaktorexplosion seine Maschine zerfetzte. Auch der Mechkrieger, der den Heuschreck IIC gesteuert hatte, krabbelte aus dem Cockpit seines Mechs.
Im Inneren des Waldwolfs stieg die Temperatur noch weiter und erreichte beinahe die Temperatur, die zu einer Reaktorstilllegung geführt hätte. Aber diese enorme Belastung von Mensch und Material war notwendig, um diesen Kampf so kurz wie möglich zu halten.
„Archangel eins-eins-vier von Sparrow. Haben Sie weitere Sichtungen im Gebiet?“
„Negativ, Sparrow, keine weiteren Sichtungen.“
„Gut. Wir ziehen uns dann auf die Ausgangsposition zurück. Vielleicht folgen ihre Freunde ja den neuen Wegweisern, die wir für sie aufgestellt haben“, feixte die Mechpilotin.
„Wir sagen rechtzeitig Bescheid, ob ihre Freunde den Wegweiser verstehen oder nicht.“ Der Infanterist, der irgendwo tief unter Jara zwischen den Bäumen lag, zögerte. „Ach, und Sparrow?“
„Ja?“
„Gut geschossen.“
Jara grinste: „Danke. Ich leite Ihr Kompliment an Panther weiter. Sparrow Ende und aus.“
Für einen Moment taten ihr die namenlosen Soldaten, die da unten in ihren Erdlöchern hockten, leid. Es musste ein schreckliches Gefühl sein, zwischen kämpfenden BattleMechs zu liegen und nichts tun zu können.
Dann drängte sie den Gedanken beiseite und genoss ihren ersten, einfachen, Triumph. „Schlaglanze von Sparrow. Saubere Arbeit. Gut geschossen, Panther! Wir ziehen uns zurück, bis wir wieder gebraucht werden! Sparrow Ende.“
Sie informierte das HQ und meldete auch die beiden ausgestiegenen Clan-Piloten, ehe sie sich einen Augenblick der Stille gönnte, die nur vom donnernden Stampfen der BattleMechs, dem Dröhnen des Reaktors und dem Geräusch der Wärmetauscher gestört wurde. Drei erledigt. Wer weiß, wie viele noch übrig.
Es würde ein langer Tag werden.
Ace Kaiser
Corkie war über und über mit Schlamm bespritzt und sah aus, als wäre er ein mystischer Zwerg aus einer griechischen Sage – äußerst Naturverbunden. Jan Jensen wusste, dass er nicht einen Deut besser aussah, im Gegenteil. Dennoch entlud sich seine Anspannung und das viele Adrenalin, welches sich während der Schlacht aufgebaut hatte, in einem lauten Lachanfall, der auch noch andauerte, nachdem sie auf den Überresten ihres Ausweichspähpostens von Kitty aufgesucht und ausgetauscht wurden. Die armen Schweine, die hier nun für die Chevaliers spähen mussten würden sich ihre Deckung neu graben müssen. Nicht, dass es noch bedeutende militärische Kräfte auf dieser Welt gab, nachdem die Chevaliers mit spielen fertig waren, aber unverhofft kam oft, und niemand konnte vorhersagen, ob Reste der Falken oder rachsüchtige Verbände der Wölfe nicht doch noch zum spielen vorbei kamen.
Als der Hubschrauber sie im Basiscamp absetzte empfing sie van der Roose mit grimmiger, durch den Schlafentzug gezeichneter Miene. Wie immer nach einer großen Schlacht war das Lager ein Ameisenhaufen, ein wildes Gewühl aus emsigen Technikern, erschöpften Soldaten, eifrig umher eilenden Köchen, die Kaffee und Snacks austeilten, solange die Leute nicht zu müde zum trinken und kauen waren, sowie umher stampfenden Offizieren, die krampfhaft versuchten, sich einen Überblick zu verschaffen.
„Willkommen zurück, Corporal Jensen, Private FC Jones. Fassen sie Nahrung und duschen sie. Danach können sie sich schlafen legen. Ihr Meldebuch reicht mir vorerst als Bericht, aber bereiten sie sich darauf vor, dem Stab morgen früh detailliert Rede und Antwort zu stehen.“
Van der Roose sah mit einem wehmütigen Zug auf den Trubel um ihn herum und hätte beinahe geseufzt. „Wir werden noch mindestens zwei Tage brauchen, bevor wir Abmarschbereitschaft hergestellt haben. Genügend Zeit also, um die Schlacht zu rekonstruieren.“
„Pass doch auf!“, rief eine äußerst verärgerte Stimme, als das schrottreif geschossene Cockpit des Highlanders einem Ladekran vom Haken glitt und beinahe einen der ChefTechs erschlug.
„Ist das nicht die Mühle vom Alten?“, raunte Corkie mit einem Anflug von Entsetzen in der Stimme.
„Sir, ist der Major in Ordnung?“, flüsterte Jensen entsetzt, als er partout keine weiteren Teile der schweren fünfundneunzig Tonnen schweren Maschine entdecken konnte. Und das Cockpit selbst hatte augenscheinlich mindestens einen Durchschlagstreffer erhalten.
„In Ordnung möchte ich nicht sagen, Corporal, aber er ist am Leben.“ Ein flüchtiges Grinsen huschte über sein Gesicht. „Der Molosser hat den Chef sedieren müssen, um ihn wenigstens etwas ruhig zu stellen. Er war nicht sehr erfreut darüber, das sein Assault Mech nur noch Schrottwert hat. Und die Prügelei mit Onyx… Nein, lassen sie mich das korrigieren. Der Ghettokampf mit Onyx hat ihn auch nicht gerade beruhigt.“ Van der Rooses Blick kam vom wracken Cockpit zurück. „Sie sind entlassen, meine Herren.“
„Sir, eine Frage. Haben wir gewonnen?“, hakte Jensen nach, mit einem zweifelnden Blick auf mehr als ein Mechwrack.
„Gewonnen?“ Der First Lieutenant runzelte die Stirn. „Gewonnen? Sehen so Sieger aus?“
„Manchmal schon, LT“, brummte Corkie amüsiert.
„Wir haben sieben Maschinen verloren, zwei ihrer Piloten, und insgesamt einen ganzen Zug der Panzer. Zwei unserer Vorposten melden sich nicht mehr, und wir hatten sporadische Verluste sowohl bei der Infanterie als auch durch Streufeuer hier im Lager bei den Techs und Pionieren. Außerdem haben wir einen L/R-Jäger verloren. Es hätte schlimmer sein können. Viel schlimmer. Aber ich denke, wir haben auch so mächtig Federn gelassen. Aber, ja, wir haben gewonnen. Zuerst gegen die zurückflutenden Jadefalken, und dann gegen die Wölfe, die glaubten sie hätten leichtes Spiel mit uns.“ Van der Roose nickte auf eine Gruppe Transporter, die vom Puma eskortiert auf das Lager zuhielten. Ein Ryoken und ein Nova begleiteten die Gruppe und sicherten den Konvoi an den Flanken. „Da kommen die Wolf im Exil-Leute.“
„Sieg auf der ganzen Linie also“, kommentierte Corkie grinsend.
„Wie man es nimmt. Meines Erachtens nach waren die Verluste akzeptabel für eine Schlacht diesen Ausmaßes; bessere als ich würden vielleicht etwas anderes sagen. Tatsache ist, dass wir das Wolf im Exil-Personal und die Krieger, soweit sie die Schlacht überlebt haben, überstellt bekommen haben. Mission erfüllt, meine Herren. In dem Zusammenhang wird es sie sicherlich interessieren, dass nach Lieutenant Fokker und Sergeant Caprese auch Sergeant Gordon den Weg zu uns zurück gefunden hat.“
„Das sind gute Neuigkeiten“, murmelte Jensen. „Er schuldet mir noch Geld.“
„Aus meinen Augen, ihr zwei Halunken“, murmelte van der Roose grinsend.
Die beiden Infanteristen grienten breit, salutierten und machten sich auf den Weg.
„Auf den ganzen Bericht bin ich gespannt“, murmelte Jan ernst. Auf der Aussichtsposition, die sie zudem auch noch in höchster Gefahr hatten wechseln müssen, hatte sich die Schlacht ihnen nur fragmentarisch erschlossen. Und sieben abgeschossene Mechs und vier abgeschossene Panzer… Das versprach eine spannende und tragische Geschichte zu werden.
Ace Kaiser
Als Germaine erwachte, sah er sich dem Stabsarzt gegenüber. "Es kann ja nicht viel zu tun geben, wenn Sie hier die Amme für mich spielen können, Fleischer."
Der hagere Mann nickte freundlich bei diesen Worten, obwohl die Ringe unter seinen Augen etwas anderes erzählten. "Ich hatte hauptsächlich Falken und Wölfe auf meinem Tisch. Aber ich habe mir sagen lassen, dass Malossi, als er mit dem Heli raus ist um Archon zu bergen, den Jungen mitten im Feld mit einer Notoperation gerettet hat."
Müde rieb sich Germaine die Stirn. Das Letzte, woran er sich noch klar erinnern konnte, war ein am Boden liegender SternColonel der Wölfe, den er mit seinem gesunden linken Arm niedergeschlagen hatte. Das war kurz bevor er abtransportiert worden war. Die Nachwehen hatte er komplett Scharnhorst überlassen. "Wie sieht die Schlächterrechung aus, Hans?"
"Wie immer direkt auf den Punkt, eh? Wir vermissen noch immer vier Infanteristen aus den Vorposten. Dazu kommen zwei Rüstungen. Außerdem haben wir zwei Mechjockeys verloren. Mayhem und Swoboda. Die Panzerbesatzungen hatten Glück, sie hatten nur drei Tote. Allerdings stellen sie den Hauptanteil unserer Verletzten. Des weiteren gab es leichte Verluste in den rückwärtigen Diensten und der Infanterie. Alles in allem kommen wir auf neunzehn verifizierte Tote, und verzeihen Sie wenn ich das sage, Sir, für einen Kampf gegen zwei Sternhaufen der Clans ist das ein regelrecht gnädiges Ergebnis."
Germaine nickte stumm. "Bevor mein Highlander Schrottwert erreicht hatte, habe ich sechs Ausfälle bei den Mechs und vier bei den Panzern gezählt. Ist da noch etwas hinzu gekommen?"
"Nein, Ihre kleine Prügelei mit Onyx war sozusagen der Schlusspunkt der Schlacht. Nach dem Absturz des Jägers ist nichts mehr passiert. Die Wölfe haben ihren SternColonel aufgesammelt und sind mit eingezogenem Schwanz zurück in ihre Ausgangsstellung marschiert. Soweit ich weiß überwacht Sergeant Hawk ihren Abmarsch. Aber das sind alles militärische Details, die ich liebend gerne Ihrem Stab überlassen werde. Sie dürfen aufstehen, Major Danton. Aber schonen Sie den rechten Arm. Der Metallsplitter hat eine Ihrer Sehnen durchtrennt. Ich musste sie kürzen, um überhaupt etwas zum zusammenflicken zu haben. Sie werden die nächsten acht Wochen beträchtliche Schmerzen haben."
"Ein kleiner Preis dafür, das ich noch lebe", knurrte Germaine. Er schwang die Beine aus dem Bett und stellte sich auf seine wackligen Füße. Nein, er würde keine Krücken brauchen. Aber es schadete sicherlich nichts, wenn ihn jemand begleitete. "Rufen Sie Sergeant Rowan."
"Ja, Sir."
Der Elementare traf wenige Sekunden darauf ein. Entweder war sein Weg sehr kurz gewesen, oder er hatte bereits gewartet. "Sir?"
"Ich brauche einen Aufpasser, Sergeant. Begleiten Sie mich zum Stab."
"Ja, Sir."
Die beiden Männer gingen Seite an Seite vom Lazarett zum Mobilen HQ herüber. "Sie waren schon im Lazarett, Rowan?"
Der Elementare schmunzelte. Lieutenant Fokker liegt ein Zelt weiter. Nichts ernstes, Sir, aber Doktor Fleischer hält sie wegen dem Bruch noch unter Beobachtung. Ich habe ihr Meldung über den Zustand der Lanze gemacht."
"Und? Was ist der Zustand der Lanze? Haben Sie Ihre vermissten Rüstungen schon wieder gefunden?"
"Glücklicherweise ja, Sir. Das hat Lieutenant Fokker wieder etwas aufgebaut. Sie hat den Verlust des Waldwolfs nicht wirklich gut aufgenommen."
"Eventuell ist er reparabel", murrte Danton.
Rowan erwiderte darauf nichts.

Als er im Stab ankam, hatte Sergeant Rowan ihn nur einmal kurz bei einem leichten Schwindel stützen müssen. Das war eine beachtliche Leistung dafür, dass er sich so scheiße fühlte. Andererseits hatte er sich vor seinen Leuten auch keine Blöße geben wollen. Hier Schwäche zu zeigen hätte ihnen Angst bereitet.
"Meldung!", blaffte Danton, als er das HQ betrat und sich in seinen Stammsessel fallen ließ. "Über Mayhem und Swoboda bin ich schon informiert. Weiter im Text."
"Das wichtigste zuerst." Harris stellte ihm einen großen Becher mit heißem, dampfenden Kaffee vor die Nase. "Wir haben Powels und seinen Slayer verloren. Hat ein schönes großes Loch in die Wölfe gerissen, als er nieder gegangen ist. Wir haben seine Leiche eingesammelt und bewahren ihn für eine Autopsie auf. Es wäre interessant zu wissen, ob er den Heldentod sterben wollte, oder gar nicht mehr in der Lage war den Kurs zu ändern."
"In der Tat", murmelte Germaine und griff nach dem Kaffee.
"Außerdem haben wir eine komplette Lanze Panzer verabschiedet. Lieutenant Cheysons LSR-Werfer wurde komplett zerstört, alle Insassen sind gefallen. Nur Röhl hat überlebt, weil er zuvor verwundet wurde und bereits im Lazarett war. Außerdem hat es Hubbart und seinen Savannah Master zerlegt. Myers Harasser hat es auch erwischt, aber der Junge konnte seine Maschine verlassen, bevor sie hoch gegangen ist. Der vierte Verlust ist Sergeant Khes Regulator. Auch hier konnte sich die Crew retten."
"Eine ganze Lanze", erwiderte Germaine trocken. Er war weit davon entfernt, ein Mech-Fetischist zu sein, nur weil er zufällig selbst ein Mechjockey war. Er wusste eine gute Verbundwaffeneinheit zu schätzen, deshalb hatte er ja eine gegründet. Dieser Aderlass würde die Chevaliers nicht umbringen, aber sicherlich zurückwerfen, was Kampfkraft und Einsatzbereitschaft anging.
Germaine tippte nachdenklich auf den Rand seiner Kaffeetasse. "Mein Highlander?" "Schrottreif."
"Fokkers MadCat?" "Reparabel, aber nicht hier." "Archons Schütze?" "Schrottreif." "Swobodas Buccaneer?" "Schrottreif." "Wiachinskys Vulcan?" "Reparabel, vier Wochen hier, zwei Wochen in einer ordentlichen Werkstatt." "Krees Feuerfalke?" "Wir streiten noch, ob der Aufwand lohnt." "Mayhems Toyama?" "Schrottreif." "Mulgrews Marauder?" "Schrottreif."
"Dann haben wir also mehr als eine Lanze verloren. Verdammt!"
"Ich habe mich bereits mit Decius Metelle zusammen gesetzt und die Einheit provisorisch neu aufgeteilt. In dem Zusammenhang wird dich die Liste der Beutemaschinen interessieren, Germaine", meldete sich Scharnhorst zu Wort, nachdem er eingetreten war. "Wie bei Heghira üblich haben wir unsere Gefangenen Falken und Wölfe wieder frei gelassen, aber das gilt nicht für ihre Maschinen." Scharnhorst reichte Germaine seine handschriftlichen Notizen. "Es handelt sich hier nur um komplettes Bergegut. Die anderen schönen Dinge, die wir nebenbei vom Schlachtfeld klauben konnten, passen gar nicht auf die Liste. Aber alles in allem können wir elf Maschinen vom Schlachtfeld bergen. Bleibt nur die Frage, was die Kells uns davon behalten lassen."
Müde rieb sich Germaine die Schläfen. Verdammt, er hatte doch gerade erst geschlafen. Lang und erschöpft. "Wir haben die Zusage auf vollen Ausgleich unserer Verluste. Allerdings nicht mit Clantechnologie. Wir werden sehen, wie viel dem ARDC unsere Dienste wert sind. Außerdem müssen wir uns noch mehr als einen Gefallen erkaufen, damit die Kells und die Wölfe über den MadCat hinweg sehen, den Jara mitgebracht hat."
"Darüber können wir uns Sorgen machen, wenn es so weit ist. Bis dahin solltest du dich allerdings etwas schonen, Germaine. Ich habe hier alles sehr gut im Griff, und ich bin nicht verletzt. Ruhe dich aus, überlasse alles mir und Juliette. In drei Tagen sind wir hier weg, und wir lassen nichts zurück außer einen in seinem Stolz schwer gekränkten SternColonel und ein paar gedemütigte Falken."
"Ja. Wahrscheinlich hast du Recht, Manfred." Germaine erhob sich, den Becher in der gesunden Hand. "Zu meinem Zelt, Rowan."
Der Elementare nickte bestätigend.
"Wahrscheinlich werde ich von der Schlacht träumen", witzelte Danton.
"Oh, wenn du das tust, schreibe nebenbei gleich einen Bericht. Mich interessiert wie du das Geschehen gesehen hast. Und was dich dazu hingerissen hat, Onyx zu einem Faustkampf herauszufordern, während dein rechter Arm halb abgetrennt war."
"Er war nicht halb abgetrennt", erwiderte Danton bissig. "Außerdem hatte ich nichts anderes mehr, womit ich ihn hätte bekämpfen können."
"Germaine, wir sind nicht die Clans. Wir führen keine Einzelduelle", mahnte Scharnhorst. "Auch wenn du, wie ich zugeben muss, damit den Kampf beendet hast."
"Ich musste ihn persönlich besiegen", erwiderte Germaine und erschauderte beim Gedanken an den Kampf. "Ihn persönlich, sonst wäre es nichts wert gewesen."
Germaine sah Scharnhorst ernst an. "Hast du Kiki schon für ihren Luftangriff gelobt?"
"Ich habe ihrer Staffel eine Auszeichnung versprochen", bestätigte Manfred mit einem dünnen Lächeln. "Mit unseren Luft/Raumjägern ist uns eine echte Überraschung gelungen."
"Das war der Plan", erwiderte Germaine und lächelte ebenfalls dünn.

Von Rowan geführt ging der Major zu seinem Zelt. Die Müdigkeit überfiel ihn plötzlich und ohne Warnung. Er schlief drei Stunden durch, und als er wieder erwachte, stand Rowan noch immer - oder schon wieder - neben seinem Bett und informierte ihn über die aktuelle Lage. "Nach dem Kampf ist vor dem Kampf", brummte der Chevalier und quälte sich aus dem Feldbett. Die Arbeit rief, selbst wenn er verletzt war.
Ace Kaiser
Es gab Momente im Leben eines Soldaten - oder eines Söldners - in dem er sich die Frage stellte, ob das was er tat für irgend jemanden von Nutzen sein konnte, oder ob man nur Tod und Zerstörung diente.
Als die Techniker von Wolf im Exil ins Lager der Chevaliers kamen und ihre offene Freude darüber zeigten, repatriiert zu werden, konnten die Chevaliers sogar ihre neunzehn Toten vergessen. gut, vielleicht nicht vergessen, aber zumindest beiseite schieben. Der lange Albtraum der für die Wölfe und die Chevaliers mit dem Angriff auf den Angel´s View Point begonnen hatte, fand hier endlich ein vorläufiges Ende. Natürlich fehlte noch der gesicherte Rückzug, fehlte die Heimkehr nach Arc Royal, aber sie waren voran geschritten, das Ziel nicht mehr fern.
Germaine Danton leistete in dieser Zeit trotz seiner Verletzung Übermenschliches. War einerseits an den Brennpunkten des weiteren Geschehens, andererseits bei den Verletzten.
Mit einem Stirnrunzeln und einem Lächeln hatte er Archon besucht, den es aus seiner Maschine gefegt hatte. Stirnrunzeln und Lächeln resultierten aus der ungewöhnlichen Tatsache, dass seine Hassliebe Prince ihm zur gleichen Zeit einen Krankenbesuch abgestattet hatte, während dem die zwei über die Schlacht gefachsimpelt hatten.
Natürlich besuchte Germaine auch die anderen Verletzten und konsultierte die Teileinheitsführer. Dabei erwies sich Manfred Scharnhorst wieder einmal als seine größte Stütze, indem der drahtige Panzerkommandeur einen Großteil des Abmarschs organisierte. Die Chevaliers verließen ihre provisorische Stellung drei Tage nach der Schlacht gegen Falken und Wölfe unbesiegt.
Auf dem Marsch zurück zum Landungsschiff gab es naturgemäß für alle, die weder auf Sicherungspatrouille noch am Steuer eines Gefährts war, wenig zu tun, sodass die Männer und Frauen sich nach dem gewaltigen Kraftakt der letzten Tage erholen konnten. Die Stimmung in der Truppe war trotz der zahlreichen Toten gut, immerhin waren ihre Verluste geringer als damals auf Bryant im Kampf gegen Blakes Wort.
Eine kleine Überraschung hatte sich ergeben, als ein drahtiger Geländewagen den Kurs des Chevaliers-Tross kreuzte. An Bord: Die beiden Jadefalken-Mechkrieger, die sie während des Kampfs gegen die Vorhut gefangen genommen hatten. Der junge Mann aus der Pryde-Linie, Soran, und die schwarzhaarige Frau des Chan-Bluthauses waren als Entrechtete nicht gut bei ihrer alten Einheit aufgenommen worden. Anders ausgedrückt, ihr junger, einfältiger und hitzköpfiger Kommandeur hatte den Großteil der Schuld für die allumfassende Niederlage auf sie abwälzen wollen. Daraufhin waren die beiden desertiert und mit der Hoffnung, als Tech bei den Chevaliers unterzukommen, zu ihnen zurückgekehrt. Vor noch sechs Jahren wäre ein solches Verhalten für Clankrieger undenkbar gewesen, aber da hatten die Clanner ja auch noch Schlacht um Schlacht gewonnen. Germaine hatte sie angenommen, und damit die größte Aufregung nach der Schlacht erfolgreich absolviert.

Während der HQ-Wagen über das rumpelte, was man hierzulande eine Schnellstraße nannte, saß Germaine, die Rechte noch immer in einer Schlinge, in seinem Stammsessel vor dem großen Holotisch. Dort lief nun schon seit zwei Tagen ein Zusammenschnitt aus den Gefechts-ROMs sowohl der eigenen als auch der Beutemaschinen, ergänzt durch Einspielungen der Jagdflieger, sodass die Offiziere der Chevaliers nun einen umfassenden Überblick erlangten.
Germaines Blick ging kurz auf den Platz, den Swoboda zu besetzen gepflegt hatte, solange er im Stab Dienst gehabt hatte, aber dort saß nun ein anderer Tech. Der junge Mann, der mit so großen Ambitionen zu den Chevaliers gekommen war, lebte nicht mehr. Er war zwar tapfer gefallen, aber tot hatte eben den negativen Aspekt tot zu sein. Wieder eine Seele mehr, die auf sein persönliches Konto ging.
Der Chevalier nahm den Trinkbecher mit heißem Kaffee aus seiner Rechten und führte ihn mit der Linken zum Mund, um einen vorsichtigen Schluck zu nehmen. Dann drückte er ihn wieder in die Rechte. Wenigstens seine Finger sollten was zu tun bekommen.
"Spiel es noch einmal, Manfred", brummte Germaine, frisch gestärkt.
Captain Scharnhorst nickte und ging auf Reset.
Das leicht bewaldete Hügelland, das ihnen als Schlachtfeld gedient hatte, wurde wieder grün. Deutlich erkannte Germaine die einzelnen Vorposten, die Mechs und Panzer auf den Zangen und Jara Fokkers Lanze, die als Köder in der Mitte lauerte.
Die Gefechte wurden in Echtzeit gezeigt, der Rest lief im Zeitraffer.
Die Meldung vom Vorposten zwei wurde signalisiert, die bei Jaras Lanze für Reaktion sorgte. Sparrow und Panther rückten aus. Der MadCat und der Mad Dog gingen auf die Jagd. Die Beute: zuerst ein unvorsichtiger Heuschreck IIC, dann zerlegte es den Sprinter in einer netten kleinen Reaktorexplosion. Schließlich und endlich zertrümmerte es den Cougar, ohne dass die Chevaliers-Mechs auch nur einen Schuss abbekommen hatten.
Dies war der erste Akt der ersten Szene, und damit war das Schauspiel noch nicht vorbei. Die Wölfe hatten derweil heftig mit den Falken gespielt, die nun zurückfluteten. Den Leichten Mechs folgten mittelschwere Modelle, ein Trinärstern, der auf elf zum Teil beschädigte Maschinen zusammengeschrumpft war. Wieder setzte die Falle der Chevaliers ein, doch diesmal bot Jara die ganze Lanze auf. Es kam zu einem heftigen Schlagabtausch, bei dem der führende Waldwolf schwer angeschlagen wurde, aber unbesiegt blieb. Der Buccaneer der Lanze musste furchtbar einstecken, vor allem unter dem ständigen Lasergewitter des Ryoken-Paars und der beiden Schwarzfalken, die den gleichschweren Mech furchtbar zurichteten.
Germaine verzog die Miene, als dieses Bild sich mit seinen Erinnerungen im Cockpit überlagerte. Bis hierhin war alles gut gelaufen. Bis hierhin waren sie Herren der Lage gewesen.
Jara hatte, ihren Weisungen gemäß, den Gegner hinter sich hergelockt. Als diese dann auf die ersten Minen und Sprengfallen stießen, befahl Germaine das Go, und die jeweils eine Panzer- und eine Mechlanze auf den Flanken schlugen einmal kurz und heftig zu. Der kleine Kessel wurde mit Tod und Verderben gefüllt, an dessen Ende ein Schwarzfalke und ein Kampfschütze IIC nach Hause wankten.
Jaras Truppe übernahm wieder die Lockvogelposition, wobei sie Swoboda und seinen angeschlagenen mittelschweren Mech weiter hinten positionierte, um ihn zu schonen.
Die nächste Welle der Falkenmaschinen - Germaine hatte da nur ahnen können, dass vom ehemals stolzen Sternhaufen, dem er bereits einen Trinärstern abgenommen hatte, gerade einmal noch genügend Mechs und Elementare für zweieinhalb Trinärsterne geblieben waren, nachdem die Wölfe mit ihnen gespielt hatten - bestand aus mittelschweren und größeren Kolossen. Beinahe wünschte sich Germaine, einer der berüchtigten Stone Rhinos wäre dabei gewesen, auf das er einmal in der Ronin-Kampagne seine Hand gehalten, aber dann gegen draconische Mechs eingetauscht hatte. Der Wunsch wurde ihm nicht erfüllt, aber eine Galeere und ein Henker bereiteten seinen Leuten auch so genügend Probleme. Wieder wurde der Fokker-Lanze tüchtig eingeschenkt, und wieder lockten Jaras Leute den Gegner tiefer in die Falle, diesmal noch weiter, um die Artillerie knapp vor der Heimatstellung ins Spiel zu bringen. Und wieder schlug die gesamte Feuerkraft der Chevaliers mit einem einzigen heftigen, die Welt untergehen lassenden Angriff zu, an dessem Ende aus fünfzehn bereits angeschlagenen Maschinen nunmehr nur noch ein Stern geworden war, der sich kämpfend zurückzog.
Damit hatten die Falken genug. Sie suchten nur noch einen Ausweg aus dem Kessel der Chevaliers und der Verfolgung durch die Wölfe. Und damit begann das eigentliche Massaker.

Germaine erinnerte sich sehr gut daran, wie er nach Anzeichen von Verfolgern gesucht hatte, die zwangsläufig auf die Falken folgen würden. Je länger sie auf sich warten ließen, desto mehr Zeit hatte Onyx für einen Umgehungsangriff, und die Frage war dann: Welche Flanke würde er attackieren? Links oder rechts? Die Frage erübrigte sich, als Vorposten vier den Vorbeimarsch einer ganzen Trinärnova der Wölfe in zehn Klicks Entfernung meldete.
Damit war klar, was der alte Wolf vorhatte. Nachdem sich - nach seiner Auffassung - Falken und Söldner gegenseitig geschwächt hatten, wollte er nun den großen Ausputzer spielen und mit beiden Parteien aufräumen. Das war natürlich ein kompletter Bruch ihres Abkommens, aber da Onyx ein Clanner der alten Schule war, hätte es Germaine durchaus mehr als beunruhigt, wenn sich der alte Soldat anders verhalten hätte.
Germaine sandte Kitty aus, um über die Bewegungen der Wölfe informiert zu bleiben, und merkte so ziemlich schnell, dass der Angriff in ihrem Rücken erfolgen sollte, mitten hinein in das Basislager, das bis auf ein paar Infanteristen nahezu ungedeckt war. Das bedeutete, dass Onyx sehr gut über sie informiert war, sie ausgescoutet hatte, und nun alles auf einmal wollte.
Man sagte, einen guten Kommandeur erkannte man unter Belastung, und als Germaine erkannte, wo der SternColonel letztendlich zuschlagen würde, wusste er, dass für eine Umstellung der Verteidiger nicht viel Zeit blieb. In Zusammenarbeit mit Scharnhorst improvisierte er eine neue Auffanglinie, der die komplette rechte Flanke und die im Hintergrund lauernde Artillerie der Höllenhunde umfasste. Zugleich baute er die linke Flanke und Jaras Schlaglanze so um, dass sie eine gemeinsame Front bildeten. Denn sicherlich hatte Onyx mehr als einen Trinärstern behalten, und eine simple Zange auszuführen konnte man von einem erfahrenen Soldaten wie ihm ruhig erwarten. Die Frage war nur: Wie viele Einheiten hatte er eingebüßt, und wie viele hatten die Falken eingeseift.
Germaine ging auf Nummer sicher, und zog sein verstecktes Aß. Seit Beginn der Schlacht kreisten die sechs Luft/Raumjäger der Chevaliers knapp außerhalb der Ortungsreichweite am Himmel und lauerten auf ihre Chance. Da es weder bei den Wölfen noch bei den Falken ein nennenswertes Luftkorps gab, sie sich gegenseitig aufgerieben hatten, gehörte ausgerechnet den Chevaliers die Lufthoheit. Und Lufthoheit war etwas wundervolles, wenn man sie hatte und etwas furchtbares, wenn der Feind sie hatte.
Nach kurzer Rücksprache mit Scharnhorst entschloss sich Germaine, bereits die Umgehung seiner Linien als feindlichen Akt zu werten. Er verzichtete darauf, Onyx´ Leuten den ersten Schuss zu lassen und ging den Gegner direkt an, um ihn zu stellen, bevor er auf ihre rückwärtigen Reparatur- und Versorgungsstellungen traf.
Sie empfingen den Trinärstern in einem Hagel aus Feuer und Stahl. Die Wölfe jedoch, stur wie Clanner nun einmal waren, stürmten weiter vor und fügten ihnen erste Verluste zu.
Zeitgleich aber griff der Rest von Onyx´ Streitmacht in der Stärke von drei Binärnovas die frontale Stellung an und drohte die schwächeren Chevalierskräfte zu durchbrechen. Dies löste den Angriff durch Captain Sleipnirsdottirs Luftschwadron aus, und wurde ein furchtbares Bombardement, dessen Auswirkungen sich erst zeigen konnte, als sich der Dreck wieder gelegt hatte.
Danach teilten sich die sechs Luft/Raumjäger auf. Kiki kam mit ihrer Dreierrotte Germaine zu Hilfe, und Icecream führte eine erneute Attacke gegen die Hauptstreitmacht der Wölfe.
Nun, die Chevaliers waren verraten worden, aber damit hatten sie rechnen müssen. Sie hatten sich darauf eingestellt und ließen Clan Wolf für diese Tat büßen.
Leider bedeutete die Lufthoheit nicht automatisch den Sieg, die Clanner stürzten sich geradezu fanatisch auf ihre Gegner. Swoboda fiel durch einen unglücklichen Kopftreffer, und zwanzig gegnerische Elementare hatten sich Jara Fokkers MadCat als primäres Angriffsziel ausgesucht, in dem sie - zu Recht - ihre ehemalige Mitkriegerin Jara vermuteten. Ihr wurde der Mech fast unter dem Arsch fortgerissen, während sie stoisch weiter kämpfte und ihre Primärbewaffnung gegen die Wolfsmaschinen einsetzte. Die Elementare der Chevaliers taten ihr Bestes, konnten aber nicht verhindern, dass der mächtige MadCat schließlich wie ein Baum gefällt wurde.
Mittlerweile waren auch die Mech- und Panzer-Scouts längst ins Gefecht involviert. Ihre Schnelligkeit war eine gute Waffe, aber lange schon hatten sie es nicht mehr mit einer übersichtlichen Schlacht zu tun, nur noch mit einem wilden Kampf jeder gegen jeden. Nacheinander erloschen Einheitszeichen von Panzern und Mechs, und zum ersten Mal an diesem Tag drohte den Chevaliers die Initiative und die Überlegenheit verloren zu gehen, vor allem als Onyx seinen persönlichen letzten Trumpf ins Spiel brachte. Seine letzten ihm verbliebenen Luft/Raumkräfte, ein Wing leichter Avar-Raumjäger, griffen in den Kampf ein und beschädigten den Slayer von Powell, bevor seine Kameraden ihm die beiden Zecken vom Heck wischen konnten. Vielleicht würde es nie geklärt werden, warum Powel den Slayer mitten in den dichtesten Wolf-Pulk der Hauptmacht steuerte und nicht ausstieg. Vielleicht war es Zufall, dass die Maschine gerade dort runter ging und in einem gewaltigen Feuerball alles vernichtete, vielleicht war der Mann tödlich verletzt und wollte seinen Kameraden einen letzten Dienst erweisen. Vielleicht ein klein wenig von allem.
Jedenfalls war dies der Punkt, an dem Germaine irritiert feststellte, dass er seinen Highlander nicht mehr optimal bewegen konnte. Die Ursache: Ein Splitter, der den Weg in sein Cockpit gefunden und in seinen rechten Arm eingeschlagen war, ohne dass der Major dies in der Hitze des Gefechts bemerkt hatte. Und dies war der Augenblick, an dem so etwas wie Ruhe, Atem holen eintrat. Endlich drang die Stimme von Scharnhorst zu ihm durch, der eindringlich auf ihn einredete und von ihm verlangte, endlich seinen zu Klump geschossenen Mech aus der Schlachtreihe zu ziehen.
Was Germaine auch tat und auf feurigen Sprungdüsen davon ritt. Als er landete, befand er sich allerdings, da die Linien der Chevaliers vor dem Kamikaze-Angriff Powels bereits arg zusammen gedrückt worden waren, in Waffenreichweite von Onyx und seinem Höhlenwolf, dem stärksten Spieler auf dem Platz. Germaine wurde der stolze überschwere Mech quasi unter dem Hintern fort geschossen, bevor er aussteigen konnte. Jara, in Reichweite, deckte die Pilotenliege mit ihrem eigenen Mech und ihrer Feuerkraft, was auf der anderen Seite Onyx seines Mechs beraubte, wenngleich dieser Schlagabtausch Jara im Cockpit verwundete und ihre Maschine mit einem Reaktor kurz vor dem Durchgehen, überhitzt und halb zerstört, aus dem Rennen nahm.
Es kam wie es kommen musste. Beider Kommandeure beraubt verharrte die gewaltige Schlacht.
Und nahm einen theatralischen Zug an, als sich Germaine mühsam losschnallte und wutentbrannt auf den Wortbrecher ausschritt. Onyx tat dasselbe, aber dies hauptsächlich um den ehrlosen Söldner, der seinen perfekten Schlachtplan zu düpieren gewagt hatte, zu Tode zu prügeln.
Das Ganze hatte sich tatsächlich in eine sinnentleerte Prügelei entwickelt, ungeachtet der Tatsache, dass beide Offiziere Handfeuerwaffen und Überlebensmesser vom Format einer Bowie-Klinge bei sich trugen, das nur dadurch ausgeglichen wurde, das Onyx ebenfalls verletzt und durch den Blutverlust geschwächt war.
Schließlich und endlich gelang es Germaine, Onyx mit einem linken Haken zu Boden zu schicken.
An diese Szene erinnerte er sich besonders gut, weil er damals vor der Frage gestanden hatte, ob die Wölfe nun ihm gehörten, und mit ihnen Onyx. Dann aber sah er ein, dass sich diese von diesem alten Rüden trainierten Krieger niemals unterordnen würden, und so tat er das einzig richtige, er beendete die Schlacht und gewährte den Geschlagenen Heghira.
Dieses anzunehmen, ihren Kommandeur bergen zu müssen und ihre Niederlage damit zu zu geben war für den aufgerückten Kommandeur ein großer Ehrverlust, aber immerhin war der Kampf vorbei. Die Chevaliers konnten beginnen, ihre Wunden zu lecken. Germaine jedoch wurde vom Malosser noch auf dem Schlachtfeld abgeholt und gezwungen, sich ins Lazarett stecken zu lassen. Um den Splitter in seinem Arm zu entfernen musste er schließlich, nachdem die wichtigsten Fälle abgehandelt worden waren, operiert werden.

Germaine blinzelte und nahm wieder den Kaffeebecher aus der Rechten. "Schätze, da müssen wir ein paar besondere Belobigungen aussprechen. Und, Teufel, ich muss diesen MadCat in der Einheit halten. Sie hat mir das Leben gerettet."
"Ja, das schuldest du ihr, alter Freund. Wäre sie mit ihrer Mühle nicht dazwischen gegangen, wäre ich jetzt Kommandeur dieses Haufens, und das hätte ich dir nicht so leicht verziehen", kommentierte Scharnhorst.
"Spötter", erwiderte Danton amüsiert. Ein schaler Beigeschmack blieb, denn selbst wenn sie es am Ende als überwältigenden Sieg ansehen konnten - ansehen mussten - so waren neunzehn Tote neunzehn Tote, acht zerstörte Mechs nun mal acht zerstörte Mechs, ein abgeschossener Jäger einfach ein abgeschossener Jäger, und vier zerstörte Panzer eben vier zerstörte Panzer. Andererseits hatten die Chevaliers wieder einmal mit Witz, Können und der richtigen Portion Glück überlebt.
Die Chevs nahmen ihre Toten mit. Keiner der Führungsoffiziere war ein Freund davon, sie auf einem feindlichen Planeten verrotten zu lassen, wenn man sie auch zusammen mit der Pension an ihre Familien überführen konnte... Und all das hatten sie auf sich genommen, um drei ihrer Leute zu retten. Jeder einzelne Chevalier musste nun wissen, was die Kameraden für ihn zu wagen bereit waren. Jedenfalls hoffte Germaine das. Diese Einstellung war besser als jemand, der schlicht drei Leben gegen neunzehn aufrechnete.
eikyu
„Ich hasse es, nichts tun zu können“, maulte Sarah Assav.
„Sei doch froh…endlich mal wieder etwas Ruhe nach der ganzen Hektik“, versuchte ihr Mann zu trösten.
„Ruhe ist zwar gut, aber ich habe die ganze Zeit das Gefühl, das wir nichts getan haben.“
„Wir haben eine Menge getan. Wir haben zum Beispiel bei der Umstellung der Linie geholfen, als die Wölfe in unseren Rücken auftauchten. Und danach die ganzen Aufsammelarbeiten haben wir auch gemacht.“
Sarah seufzte: „Das schon. Kitty hat jedoch wieder mal mehr als das doppelte an Flugstunden wie wir.“
„Ah, da liegt der Hund also begraben. Du bist mal wieder neidisch auf Kitty“, vermutete Bernd.
„Natürlich bin ich neidisch auf sie. Sie bekommt mal wieder die Lorbeeren.“
„Welche Lorbeeren? Hast du dir mal den Cavalry angesehen? Also ich möchte ganz bestimmt nicht mit ihr tauschen. Dafür das sie nur die Wölfe beobachtet hat, hat ihr Heli ne Menge abbekommen.“
„Wir haben auch was abbekommen. Der Streifschuss hat uns fast die gesamte Bugpanzerung gekostet.“
Dabei spielte Sarah auf den Streifschuss eines mittelschweren Clanlasers an, der sie bei der Umstellung der Linien gekitzelt hatte. Dieser Streifschuss hatte die Front der Karnov aufgeschlitzt und somit das Cockpit luftig gemacht.
„Und genau das ist der Grund warum wir so wenig tun durften. Kitty hat unserem Kommandeur ziemlich deutlich gemacht, das wir tot sind, sobald wir getroffen werden. Ich meine, du hättest mal Scharnhorst sehen sollen, als der erst unseren Karnov sah… mit dem Beinahetreffer, und danach den Cavalry. Ich hab echt gedacht den trifft der Schlag. Vor allem als Kitty den Heli auch noch als >> voll Einsatzbereit<< meldete.“
„Sie hat was?“, fragte Sarah entrüstet.
„Ja, du hast richtig gehört. Sie hat den Cavalry als voll Einsatzfähig bezeichnet. Trotz dass sie ein MG und rund drei Tonnen Panzerung verloren hatte. Ich glaube sie schrieb sowas wie: übliche Wartungsarbeiten notwendig.“
„Die Frau ist echt verrückt.“
„Und auf sowas bist du neidisch… . Aber so verrückt ist sie gar nicht. Die Panzerung wurde nur an der MG-Halterung durchschlagen. Und da hat sie einfach die Munition raus genommen. Ansonsten kann sie noch alles mit dem Cavalry machen. Ihr Heli ist also von daher noch wirklich voll einsatzfähig. Auch wenn ich glaube, das einige Leute aus der Führung das anders sehen. Aber du kennst ja Kitty. Germaine wollte ihren Cavalry aus den Flugdienst nehmen… wollte. Frag mich nicht was sie gemacht hat, aber ich denke sie hat ihn n Vogel gezeigt. Zuzutrauen ist es ihr. Naja, wohl eher klar gemacht das man einige Sachen schneller mit dem Helis zum Landungsschiff bringen kann. Mit beiden Helis. Und das ist für ihren Heli trotz der Schäden nun wirklich kein Problem.“
„Ich stelle mir das gerade bildlich vor. Wie sie Danton n Vogel zeigt. Dann würde sie eingebuchtet werden, wegen...wie nennt man das noch gleich... Subinordination... naja dieses Ding da von wegen höherrangige Beleidigung. Und van Roose würde gewaltig in der Klemme sitzen, weil seine Jungs Kitty frei sehen wollen. Die prügeln sich jetzt ja schon darum, wer während des Fluges den Cavalry bemalen darf.“
„Eigentlich wollten die sogar bei der Reparatur helfen. Aber da hat Kitty nun wirklich etwas gegen. Sie weiß ja auch das die Infanteristen während des Fluges beschäftigt werden müssen… also hat sie vorgeschlagen das die Jungs und Mädels den Höllenhunden helfen, den einen Turm wieder anzubringen wenn es soweit ist.“
Sarah war etwas irritiert: „Welcher Turm?“
„Bei einen der Panzer muss der komplette Turm abmontiert werden, und wird nach der Reparatur wieder aufgesetzt. Das anheben macht zwar der Kran, aber man muss schon mit mehreren Leuten an den Seiten ziehen, um das dutzende Tonnen schwere Monstrum wieder an den richtigen Platz zu bringen. Und da die Höllenhunde wirklich viel zu tun haben werden, können die Infanteristen sie dort zumindest etwas entlasten.“
„Ich dachte immer, die Panzerfahrer bleiben lieber unter sich…“
„Tun sie ja auch. Aber bei dieser einen Sache machen sie mal eine Ausnahme. Ansonsten werden die ihre Panzer wieder alleine flott machen“, bestätigte Bernd.
Es gab eine kurze Pause, bis Bernd dann erwähnte: „Genieße die paar Stunden Ruhe die wir noch haben. So wie ich Kitty kenne, wird sie uns nachher einteilen ihr beim Cavalry zu helfen. Und du hast ja gesehen was da alles gemacht werden muss.“
„Öhm… hm… ja. Aber ich habe jetzt gerade irgendwie Langeweile. Und machen dürfen wir derzeit ja auch nichts…“
Bernd grinste plötzlich: „Also ich wüsste da etwas was wir tun könnten…“
Und danach war den beiden tatsächlich nicht mehr langweilig. Der ganze Stress durch die Bedrohung und dem Kampf…wurde somit abgebaut. Etwas was Dominik Frischknecht eigentlich auch gerne mal tun würde…aber der bekam von Kitty so viel zu tun, das er davon wirklich nur träumen konnte. Wobei seine Träume durchaus interessant waren… wenn er sich so vorstellte wie biegsam Jara war…
Leichter Schmerz durchzuckte seinen Hinterkopf, als er von Kitty eine >>Kopfnuss<< bekam… für Tagträume war nun der falsche Zeitpunkt. Der Cavalry musste für den Flug festgezurrt werden. Und da Kitty ihr Seil schon festgemacht hatte, mit einem von vielen welches verhinderte das der Cavalry während des Fluges im Lagerraum des Landungsschiffes verrutschte, und er noch dabei war seins festzumachen, war sie zu ihm gegangen um ihn zu >>ermutigen<<.
Zwar mochte Danton sowas gar nicht, aber wer würde ihm das den schon sagen? Für die Clanner um sie herum war das sogar etwas weich, wie Kitty mit ihm umging. Für ihn war es mittlerweile Gewohnheit. Zumal sie ihn nie wirklich weh tat. Den Unterschied kannte er schon. Das hier war eher sowas…mütterliches. Ja, so konnte man es wirklich sehen. Hie und da ein kleiner Stoß in die richtige Richtung, ein Knuff, oder ähnliches… aber auch Fürsorge. Was wohl Sarah und Bernd gerade machten?
Thorsten Kerensky
Sergeant Eric Stein hätte vermutlich angeklopft, aber das Lazarettzelt, in dem seine Lanzenführerin lag, wurde nur durch eine Plane von der Außenwelt abgegrenzt und darauf ließ sich einfach nicht gut klopfen. Darum trat er einfach ein und verharrte einen Moment im Eingang, bis seine Augen sich an das Halbdunkle des Verwundetenbereichs gewöhnt hatten.
Als er an das Feldbett kam, in dem Jara halb aufgerichtet lag, salutierte er knapp: „Lieutenant, ich bringe Ihnen die Berichte, die Sie haben wollten.“
Jara wollte instinktiv mit dem rechten Arm nach dem Daten-Pad greifen, aber ein stechender Schmerz und die Unbeweglichkeit des starren Gips-Verbandes erinnerten sie eindringlich daran, dass sie momentan aus gutem Grund im Lazarett lag.
Sie seufzte: „Danke, Steel. Wie geht es Ihnen und Panther?“
„Der Corporal ist wohlauf, aber er hat schwer damit zu kämpfen, dass er seine Flügelfrau nicht hat beschützen können.“
„Ohne eine einzige verbleibende Rakete und einem verwüsteten Mecharm mitten im Gefecht, ist das kein Wunder. Er sollte lieber froh sein, dass er es in seiner Maschine vom Schlachtfeld geschafft hat.“
Jara verzog grimmig das Gesicht, als sie an das Bild von ihrem Waldwolf dachte, dass Rowan ihr unter die Nase gehalten hatte. Der schwere Omni bot einen fürchterlichen Anblick und er war wohl nur deswegen reparabel, weil sie ihre gesamte Munition bereits verschossen hatte, als sie das letzte Mal zu Boden ging.
„Sie waren die einzige, die es bis zu Snobs Maschine hätte schaffen können. Panther und ich hatten kaum noch Panzerung an den Mechs und wir liefen heiß“, warf der erfahrene Unteroffizier ein und bewies damit, dass er ihren gequälten Gesichtsausdruck richtig interpretiert hatte.
„Mein Waldwolf war auch nicht mehr kalt. Und geholfen hat es nichts. Der Knochensäger hat mir gesagt, dass Swoboda tot war, bevor sein Mech auf dem Boden aufschlug.“
Stein nickte traurig: „Aber Sie haben es versucht und das bedeutet hier allen viel. Und dass sie nach der Beschädigung noch den Major raus geboxt haben, dürfte Ihnen jeder Chevalier hoch anrechnen.“
„Danke, Sergeant.“ Jara sah ihren Stellvertreter an und Trotz schlich sich in ihren Blick zurück: „Fleischer sagt, er untersucht mich in einer Stunde noch einmal und dann lässt er mich raus. Hat wohl auch ohne mich genug zu tun. Heute Nachmittag würde ich mir mit Ihnen und Kotare die Kampfroms durchsehen und auswerten. Und dann mache ich mich an den Papierkram. Wenn der Alte Sie nicht für irgendetwas eingeteilt hat, gönnen wir uns die Pause und atmen durch. Training, Stress und Hektik kommen früher zurück, als uns lieb ist.“

Später am Vormittag bekam Jara erneut Besuch. Sheila, ihre beste Freundin seit Kindesalter, betrat das Zelt und vielleicht zum ersten Mal im Leben erlebte Jara die quirlige Frau verunsichert und aufgelöst.
„Wie geht es dir?“
Mit einem vielsagenden Blick auf den Verband verzog Jara das Gesicht: „Ging schon besser. Und dir?“
„Ich bin vorläufig entrechtet. Und ich hab die Schnauze voll.“
Das war es also, schoss es Jara durch den Kopf. Viele Mechpiloten machen irgendwann einmal die schmerzhafte Erfahrung, auf dem Schlachtfeld besiegt zu werden, ihren Mech zu verlieren und trotzdem zu überleben. Die meisten stecken diese Nahe-Tod-Erfahrung weg, aber einige gehen daran ein. Oder brauchten zumindest ihre Zeit. „Du wirst es schon überleben“, antwortete Jara, aber sie ahnte, dass sie diesmal nichts tun konnte, um ihrer Freundin Trost zu spenden.
„Ich weiß es nicht. Ich habe Angst. Um ein Haar wäre ich draufgegangen. Ich weiß nicht, ob ich nochmal in einen Mech steigen kann.“
„Denk in Ruhe drüber nach. Wenn du nicht mehr willst, dann werde ich mit Danton reden, damit du nicht ganz mittellos da stehst.“
Sheila nickte dankbar und setzte sich dann auf die Kante des Feldbettes. „Ich habe immer gedacht, dass du diejenige von uns bist, die nicht die Nerven hat, die man für diesen Job braucht. Die Welt ist schon seltsam. Ich soll dich übrigens von Thomas grüßen.“
Jara nickte. Sie hatte sich schon gefragt, warum ihr eigener Bruder sich noch nicht hatte blicken lassen. Zwar verbrachten sie nicht viel Zeit miteinander, aber dennoch standen sie sich seit dem Tod ihres Vaters und ihrer großen Schwester näher als je zuvor.
„Er ist draußen und hilft, wo er nur kann und er hat ja auch noch einen Mech, um den er sich kümmern muss. Wenn es dich interessiert… er hat heute Nacht stundenlang hier gesessen.“
Die blonde Mechpilotin lächelte leise. Sie konnte es sich bildlich vorstellen.
„Und noch jemand hat nach dir gefragt.“
„Wer?“
„Einer von den Exilwölfen, die wir aufgesammelt haben. Ein gewisser Frederic.“
„Frederic? Er ist also hier…“
„Ihr kennt euch?“
Jara grinste: „Ist eine lange Geschichte.“
„Ich habe Zeit.“
Ein Seufzen. „Also gut…“

Ein bedrückender, unangenehmer Nachmittag mit den Gefechtsroms der letzten Schlacht lag hinter Jara, als sie das Zelt betrat, das dem Major als improvisiertes Büro, Besprechungszimmer und Ruhezone diente. Auch wenn Germaine Danton nicht so aussah, als hätte er sich Ruhe gegönnt. Auf eine gewisse Art und Weise war es ironisch, dass sie beide einen Arm in einer Schlinge trugen, beinahe wie Vater und Tochter mussten sie aussehen. Aber beiden war nicht nach lächeln zumute.
„Ah, Jara, schön dass du wieder auf den Beinen bist.“
„Ich kann mich auf dem Rückweg ausruhen. Ich muss ja momentan keinen Mech führen“, antwortete sie nicht ganz ohne Bitterkeit.
Der ältere Offizier bot ihr einen Klapphocker an. „Es ist keine Schande, nach so einer Leistung abgeschossen zu werden. Und dabei noch seinen Kommandeur zu retten und den Mech des Feindkommandeurs so zu verwüsten, dass er aus dem Rennen genommen wird.“
„Der Höhlenwolf war nicht mein Abschuss.“
„Aber du hast die entscheidende Vorarbeit geleistet. Dass der finale Treffer nicht von dir kam, nimmt dir niemand übel.“
„Ich weiß.“ Jara seufzte und setzte sich schließlich doch. „Ich bin nicht mehr so naiv wie vor einem Jahr oder noch vor einem halben Jahr. Ich kenne jetzt meinen Platz und weiß, was ich kann… oder eben nicht kann.“
Der Major musterte seine jüngste Offizierin einen langen Augenblick. „Worauf willst du hinaus?“
„Ich will damit sagen, dass ich weiß, dass ich keine bessere Leistung hätte liefern können. Ich hätte niemanden retten können.“ Sie kämpfte einen Moment mit sich selbst und fügte dann sehr leise hinzu: „Ich hätte Snob nicht retten können.“
Dann fing sie sich wieder und fuhr mit sichererer Stimme fort: „Aber ich weiß, dass ich eine gute Lanzenführerin werden kann. Ich kann den Chevaliers weiterhin eine Hilfe sein und hier etwas bewegen. Wenn du mich lässt.“
„Warum sollte ich das nicht tun? Ich habe dir schon in viel schwierigeren Situationen vertraut und du hast bewiesen, dass auf dich Verlass ist.“
Die Mechkriegerin nickte: „Danke. Ich habe auch schon angefangen, meine Lanze zu sammeln. Wir werden die Ereignisse verarbeiten und dann so gut es geht durchstarten.“
„Das freut mich. Aber… geh es nicht zu schnell an. Nicht jeder verdaut Verluste so schnell.“
„Und das ist noch ein Punkt, auf den ich dich ansprechen wollte. Ich kann dir nicht mit Sicherheit sagen, wie es sich entwickelt, aber ich glaube, mein Bruder und Sheila werden die Einheit verlassen.“
Der Major wirkte zumindest ansatzweise überrascht: „Wieso?“
„Sheila kommt nicht damit klar, abgeschossen worden zu sein. Vielleicht fängt sie sich wieder, vielleicht auch nicht. Kann sie auf Abfindung hoffen?“
„Das wird sich zeigen, wenn es soweit ist. Und was ist mit deinem Bruder?“
„Ich bin mir nicht sicher. Er hat nichts gesagt, aber ich habe das Gefühl, dass er vom Krieg nichts mehr sehen will. Er war schon immer der ruhigste und ich glaube, er hat nur wegen unseren Eltern das Kriegshandwerk gelernt.“
„Ich verstehe.“ Der Major lehnte sich zurück und nahm einen tiefen Schluck Kaffee. „Übrigens… hast du gemerkt, dass Sterncaptain Frederic unter den Exilwölfen ist?“
„Jaaa…“ Jara stand auf und schüttelte den Kopf. „Eine Söldnereinheit kann nie beschäftigt genug sein, damit sich Gerüchte nicht verbreiten, oder?“
Als sie das Zelt verließ, musste Danton doch für einen winzigen Augenblick lächeln.
CeGrudke
Arc-Royal
Arc-Royal Defense Cordon
Lyran Alliance

Das altersschwache Landungsschiff Ahorngarten landete unsicher und man konnte das Knirschen ihrer Landestützen hören, als das Gewicht des mehr als zweitausend Tonnen schweren Schiffes in Kombination mit der Gravitation des Planeten sein Gewicht auf sie verteilte. Die Hangartore öffneten sich - beziehungsweise, das untere Hangartor versuchte sich zu öffnen, klemmte allerdings. Es dauerte einige Minuten, dann hörte man ein Knirschen und das Hangartor wurde von innen hochgeschoben und ein Spector, ein leichter BattleMech von 35 Tonnen Masse, sprang herunter, ohne darauf zu warten, dass möglicherweise noch die Rampe des Landungsschiffes herunterfahren oder sich verhaken könnte. Der leichte Mech zündete kurz vor der Landung seine Sprungdüsen und landete dadurch sanft und sicher, ohne sich oder das Landefeld großartig zu beschädigen - von den Brandspuren im Asphalt einmal abgesehen, aber der Boden war sowieso schon vollkommen geschwärzt, sodass es auf die paar zusätzlichen Brandspuren auch nicht mehr ankam. Der Mech drehte sich kurz zu dem Landungsschiff um und hob den rechten Arm zum Gruß, dann stampfte er über das Landefeld. Man könnte denken, dass der Mech einfach so weggehen wollte, aber ein ziviler Schweber schoss ihm in den Weg. Der Pilot des Mechs, der offensichtlich schon bessere Tage gesehen hatte, wenn man sich die geschwärzte und an vielen Stellen nicht mehr existente Panzerung betrachtete, beugte sich herunter und der Pilot des Schwebers brüllte hinauf. "Junger Mann, wenn Sie unbedingt mit Ihrem Mech hier herumlaufen müssen, dann folgen Sie mir besser! Wir haben einen Platz im nächsten Mechhangar für Sie!"
Der Mech richtete sich wieder auf, der Schweber wendete und schoss davon. Der Spector sah ihm kurz hinterher, dann zündete er die Sprungdüsen und flog in die Richtung, in die der Schweber fuhr. Er landete kurz hinter dem kleinen Fahrzeug, beugte die Knie, um die Landung abzufedern und lief dann dem Schweber hinterher. Dieser hielt vor einem kleinen Mechhangar und der Spector wanderte durch die offenen Tore hinein. Der Hangar war bereits gut besetzt und man konnte einen Warhammer und sogar einen Verfolger, eine von den Kell Hounds relativ neu entwickelte Mechkonstruktion erkennen. Der Spector stellte sich auf einen freien Stellplatz und der Pilot schaltete den Mech ab. Dann öffnete er die Seitenluke und verließ den Mech. Man konnte sehen, dass der Pilot, trotz seiner silbergrauen Schläfen, noch sehr jung war, nicht mal dreißig Jahre. Er kletterte geschickt an dem Mech herunter und wurde, kaum dass er auf dem Boden angekommen war, von einem älteren Herren begrüßt. "Ich hätte nicht gedacht, dass du tatsächlich nach Hause kommst, Anton."
Anton Bramert sah seinem Vater Konrad sehr ähnlich. Sie waren fast gleich groß, hatten ähnliche Gesichtszüge und vor allem die Schläfen waren gleichermaßen silbergrau. Anton Bramert lächelte gequält. "Ich habe ja sonst keinen Ort, an den ich kommen könnte. Aber wenn du mich hier nicht haben willst, dann kann ich auch wieder gehen."
Konrad Bramert schüttelte den Kopf und umarmte seinen Sohn. "Deine Mutter würde mich einen Kopf kürzer machen, würde ich so etwas von dir verlangen, mein Junge. Nein, wir freuen uns beide, dass du nach Hause gekommen bist."
Bramert folgte seinem Vater, der ihn zu einem ganz normalen Radfahrzeug führte. Er hatte nur einen Seesack mit seinen persönlichen Sachen drin, der Mech war gesichert und würde bald in Reparatur gehen - wenn Bramert das Geld zusammen hatte oder jemanden fand, der ihm die Reparatur sponserte. Die beiden Bramerts stiegen in den Wagen und der ältere Bramert fuhr los. Während den ersten Minuten, die sie durch Old Connaught fuhren, sprach niemand von ihnen ein Wort, dann meinte Anton Bramert. "Ich muss mich bei dir entschuldigen, Vater."
Konrad Bramert sah ihn nicht an, nickte aber als Aufforderung, weiterzusprechen. "Ich hab dich enttäuscht, als ich von der Akademie gegangen bin. Ich weiß, du hattest etwas mehr von mir erwartet."
Konrad Bramert musste lächeln. "Ja, ich war enttäuscht von dir. Eine Zeit lang. Dann bist du zu Norse-Storm gekommen, hast eine gute Ausbildung genossen und dir einen Platz bei Storms Metal Thunder erkämpft. Ich hatte mir erhofft, dass du deinen Weg auf andere Weise machst, aber als ich eine Zeit lang darüber nachdachte, dann wurde mir klar, dass ich dich deinen Weg auf deine Weise machen lassen musste. Ich bin bloß froh, dass du einigermaßen heil aus dieser Hölle rausgekommen bist."
Anton Bramert schluckte leicht und antwortete nicht. Die Wunden an der rechten Schulter waren recht gut verheilt, allerdings würden zahlreiche Narben zurückbleiben. Und die seelischen Narben, die er durch den Verlust von Freunden und Kollegen, sowie durch den Konflikt, der zurzeit in der Lyranischen Alliance und dem Federated Commonwealth tobte, waren nicht sichtbar, aber sie würden wahrscheinlich nie ganz verheilen. Der ältere Bramert merkte, dass seinem Sohn das Thema unangenehm war und wechselte es darum. "Weißt du schon, was du als Nächstes machen möchtest?"
"Ich kann nicht hier bleiben, Vater. Ich muss wieder weiter, muss mich als Mechkrieger betätigen. Vielleicht finde ich ja irgendwo eine Einheit, die einen einfachen Scoutpiloten aufnehmen kann."
Konrad Bramert schwieg ziemlich lange, dann meinte er. "Vielleicht kann ich dir da weiterhelfen."
Als Anton Bramert seinen Vater überrascht ansah, erklärte dieser, was er meinte. "Es gibt hier auf Arc-Royal eine Söldnereinheit - ich meine jetzt nicht die Kell Hounds - die einige Male hier aufgekreuzt sind. Einer ihrer Offiziere, ein Landungsschiffskapitän, ist zurzeit hier und ich könnte dich mit ihm bekannt machen. Vielleicht haben diese Leute ja einen Platz für dich. Deine Mutter wird nicht begeistert sein, dich gleich wieder zu verlieren, nachdem du gerade erst angekommen bist, aber ich kann dich verstehen. Ich hätte in deinem Alter wahrscheinlich genauso gehandelt, wenn ich die Chance bekommen hätte."
Anton Bramert lehnte sich in den Sitz zurück und seufzte erleichert. "Das bedeutet mir sehr viel. Danke, Vater. Aber wie heißt die Einheit eigentlich?"
"Dantons Chevaliers. Vielleicht hast du ja schonmal was von denen gehört."
"Äääääääh... Nein. Die kenne ich nicht. Sollte ich?"
"Nicht unbedingt. Sie sind eine relativ kleine Einheit, aber nach dem, was ich so gehört hab, sollen sie angeblich einige schwierige Aufträge ausgeführt haben - aber du kennst das ja sicherlich. Wer weiß schon, was davon wahr ist und was erfunden wurde, um die Einheit für potentielle Auftraggeber interessanter zu machen. Aber was ich weiß ist, dass sie im Moment irgendwo zwischen hier und Sudeten im Einsatz seien sollen - zumindest erzählt man sich das."
Anton Bramert lehnte sich in seinem Sitz zurück. "Ja, vielleicht sollte ich mich bei denen bewerben. Mit etwas Glück nehmen sie mich sogar."
Konrad Bramert nickte lächelnd. "Mit etwas Glück."