CeGrudke
Im Gefangenenlager:
Bramert hing immer noch gefesselt in seinem Stuhl und befand sich in einem Zustand zwischen Wachen und Ohnmacht, als plötzlich die Plane des Gefangenzelts aufgerissen wurde. Die Frauen, die mit ihm das Zelt teilten, schreckten hoch und Bramert, der sich kaum rühren konnte, hob nur seinen Kopf. Ein Soldat, niemand, den er vorher schon mal gesehen hatte, trat zu ihm, machte ihm die Fesseln ab und riss ihn grob hoch. „Mitkommen, Mecharsch. Und keine Mätzchen, sonst benutze ich deine hässliche Visage als Putzlappen für die Latrinen.“
Bramert spuckte vor dem Soldaten aus und erhielt dafür einen Schlag ins Gesicht, dann zerrte ihn der Infanterist, zumindest nahm Bramert aufgrund seiner Aussprache und seiner Verachtung für Mechkrieger an, dass er Infanterist sei, ihn aus der Zelle und knallte die Tür hinter sich zu. Er schloss ab, dann zog er Bramert weiter.
Die beiden Männer gingen quer durch das Lager zu einer kleinen Baracke. Die Tür war bereits offen und Bramert wurde unsanft hineingestoßen. Die Baracke besaß nur einen einzigen Raum und dessen Innenausstattung bestand aus einem Tisch und zwei Stühlen, ansonsten war der Raum völlig leer. Bramert erhob sich langsam und begann auf- und abzuwandern, um seine Muskeln zu lockern. Dann hörte er hinter sich ein Geräusch und sah den Soldaten wieder hereinkommen. Ihm folgte ein weiterer Soldat und Bramert erkannte den Offizier, der ihn knapp davor gerettet hatte, von diesem Idioten von Lieutenant erschossen zu werden. Der Offizier wies auf einen der beiden Stühle. „Setzen Sie sich, bitte.“
Bramert überlegte kurz, ob er diese Anweisung ignorieren sollte, aber der Blick des Infanteristen, der ihn als Latrinenputzer benutzen wollte, machte deutlich, dass eine Weigerung ziemlich schmerzhaft sein würde. Darum setzte er sich auf den angewiesenen Stuhl und sah zu, wie der Offizier sich im gegenüber setzte. Der Infanterist verschwand und schloss die Tür hinter sich. Dann passierte eine ganze Zeit lang gar nichts und das Schweigen legte sich fast drückend über die beiden Männer, die sich einfach nur gegenseitig anstarrten. Schließlich räusperte sich der Offizier leise. „Ich sollte mich erst einmal vorstellen. Ich bin Captain Igor Churin, der Leiter dieser kleinen Einrichtung. Ich weiß auch, wer Sie sind, Private Bramert, darum können wir uns das Spielchen, in dem Sie mir nichts außer Ihrem Namen, Rang und Ihrer Dienstnummer nennen, sparen. Ich bin tatsächlich auch nicht hier, um Ihnen Fragen zu stellen, Private. Stattdessen möchte ich Ihnen in erster Linie danken. Die Informationen, die Sie uns zukommen ließen, speziell über die Vergangenheit von Sergeant Miko Tsuno, waren sehr aufschlussreich.“
Bramert runzelte verwirrt die Stirn. Er wusste natürlich, wovon Churin sprach, aber er hatte diese Informationen doch über einen toten Briefkasten an den WoB-ROM weitergegeben, nicht an diese Piraten. Churin bemerkte die Verwirrung in der Miene des jüngeren Mannes und lächelte böse. „Ja, Sie haben richtig gehört, Private. Alles, was Sie über die Chevaliers zusammengetragen haben und angeblich an Word of Blake weiterleiteten, ging tatsächlich an uns. Sie müssen wissen, Bramert, das Sie niemals, nicht eine Sekunde lang für Word of Blake gearbeitet haben. Sie sind kein WoB-Schläfer. Sie sind bloß ein armer Idiot, den wir für unsere Zwecke einspannen konnten.“
Bramert riss schockiert die Augen auf, als ihm die Implikationen dieser Behauptung klar wurden. Das hieß, dass all die Leute, mit denen er gesprochen hatte und von denen er glaubte, dass sie zu WoB gehörten, in Wirklichkeit für diese Piraten gearbeitet hatten. Der Tech, der ihm die Nachrichten übermittelt hatte, der Soldat, der ihm befohlen hatte, den Lieutenant anzugreifen. Sie alle hatten bei diesem Spiel mitgemacht, um ihn zu verwirren. Und er hatte es geglaubt und hatte sogar Pläne geschmiedet, wie man Word of Blake schlagen und ein eigenes Regime aufbauen konnte – völlig größenwahnsinnig. Churins Lächeln wurde breiter und bösartiger, während er zufrieden nickte. „Sie wollen natürlich wissen, wie wir das erreicht haben. Nun, als wir Ihnen die angebliche Nachricht Ihres Vaters zuspielten – der wahrscheinlich immer noch auf Arc-Royal sitzt und ein ruhiges Leben führt – haben wir Ihnen mit dieser Nachricht einen hypnotischen Befehl eingepflanzt. Also haben wir im Grunde das genaue Gegenteil von dem verursacht, was die Nachricht aussagte. Wir haben Sie in einen Schläfer verwandelt, Private Bramert – einen unserer Schläfer. Genial, finden Sie nicht auch?“
Bramert hörte ihm gar nicht mehr richtig zu. Er sah vor seinem Auge die Geschehnisse der letzten Zeit ablaufen – wie er überlegte, Colonel Danton zu töten, was er mit Chappi, Haruka und Tsuno machen wollte, wenn sie ihm in die Quere kamen. Sein ganzes Leben schien vor seinen Augen zu einem Haufen Scherben zu zerbrechen und er hatte das Gefühl, sein Kopf wolle ihm zerplatzen. Und dieser Churin redete weiter, als ob nichts wäre. „Oh, wirklich beeindruckt war ich eigentlich davon, wie leicht Sie Lieutenant Aust den Arm brechen konnten. Ihre Reflexe und Ihre Fähigkeiten als Nahkämpfer sind auf jeden Fall hervorragend. Aber der Lieutenant hat es auch verdient. Er ist ein Großmaul, der sich einbildet, dank seiner Streifen und einiger weiterer unwichtiger Faktoren wäre er eine mächtige Persönlichkeit, obwohl er nichts weiter als eine Kakerlake ist. Aber im Grunde ist es unwichtig, was mit ihm passiert ist. Wichtig ist jetzt eigentlich, was mit Ihnen passieren soll, Private.“
Bramert erwachte teilweise aus seiner Lethargie. „Sie werden mich töten, nicht wahr?“
„Das wäre eine Möglichkeit, durchaus“, antwortete Churin. „Aber ich überlege, ob wir Sie nicht einfach zu den Chevaliers zurückschicken. Wir könnten Ihnen einen neuen hypnotischen Befehl einpflanzen und Sie in eine Killermaschine verwandeln, die für uns Colonel Danton erledigt. Danton ist für uns zu einem echten Ärgernis geworden. Aber zunächst einmal werden Sie weiterhin unsere Gastfreundschaft genießen, Private, bis ich entschieden habe, wie wir weiter mit Ihnen verfahren.“
Churin erhob sich und ging zur Tür. Er klopfte einmal dagegen, dann wandte er sich um und trat an Bramert heran. „Machen Sie sich keine Sorgen, Private. Wir kümmern uns um Sie.“
Bramert schloss die Augen und wollte am liebsten sterben. Dann hörte er Churin erneut. „Wer sind Sie? Und was…“
Weiter kam der Offizier nicht. Bramert hörte ein Gurgeln, dann schlug irgendwas auf dem Boden auf. Er öffnete die Augen und sah Churin am Boden liegen, dass Gesicht und den Oberkörper völlig zerfetzt. Bramert kannte diese Wunden – sie stammten von einem Nadler, einer gefährlichen und extrem lautlosen Waffe, die gerne von Spionen und Attentätern genutzt wurde, aus eben diesem Grund. Er drehte den Kopf und sah eine dunkelgekleidete Gestalt vor sich. „Hallo, Anton“, sagte die Gestalt, dann zog sie sich die Maske vom Kopf und ein dunkelhaariger Mann mit Narben an der Stirn, dem Kinn und der linken Wange kam zum Vorschein. „Entschuldigen Sie bitte, dass es so lange gedauert hat, aber es ist nicht einfach, auf einer draconischen Welt zu landen und die nötige Ausrüstung zu bekommen – besonders nicht auf einer Peripheriewelt.“
Bramert traute seinen Ohren kaum – der Mann sprach Deutsch mit ihm, mit einem Akzent, den Bramert sofort in Richtung Alarion einordnete. Der Dunkelhaarige steckte seinen Nadler weg und trat zu Bramert heran. „Kommen Sie, Anton. Wir müssen von hier verschwinden. Die Chevaliers werden das Lager bald stürmen.“
„Wer sind Sie?“, wollte Bramert wissen und wich vor dem anderen Mann zurück. In der Tür tauchte jetzt eine weitere dunkle Gestalt auf. „Herr Kommandant, wir haben keine Zeit!“
„Bleiben Sie ruhig, Hauptfeldwebel!“, antwortete der mit „Kommandant“ angesprochene Mann und wandte sich wieder Bramert zu. „Kommen Sie, Anton. Ich erkläre Ihnen alles, sobald wir hier raus sind.“
Bramert zögerte. Er hatte eben erst den Glauben an sich und seine Vergangenheit verloren. Er wusste nicht mehr, wem er trauen konnte oder was er denken sollte. Aber irgendwie erschien es ihm einfacher, einem Lyraner zu folgen als sich zu verkriechen. Also folgte er dem „Kommandanten“ nach draußen. Dort wurde er von dem „Hauptfeldwebel“ und zwei weiteren schwarzen und vermummten Gestalten erwartet. Der Infanterist, der ihn abgeholt hatte, lag am Boden, aber Bramert konnte sehen, dass der Mann nur bewusstlos geschlagen worden war. Der Hauptfeldwebel lieferte seinem Vorgesetzten einen Bericht ab. „Der Oberleutnant hat die Kommunikationszentrale gesichert, ohne eigene Verluste. Wir haben ein paar Gefangene gemacht, hauptsächlich Offiziere."
"In Ordnung“, antwortete der Kommandant. „Gehen Sie zum Oberleutnant und teilen Sie ihm von mir mit, dass er sobald wie möglich die Kapitulation des Lagers bekannt geben soll – am besten dann, wenn die Chevaliers ihren Großangriff gestartet haben. Dann verschwinden wir von hier. Ist OG Trank schon in Position?“
„So gut wie, Herr Kommandant. Er wartet noch auf Ihre letzten Anweisungen.“
Der Kommandant nickte. „Wenn Sie beim Oberleutnant waren, dann teilen Sie Trank mit, dass er möglichst unauffällig bleiben soll und wir ihn kontaktieren, sobald Bramert wieder einigermaßen fit ist. Wir müssen die Operation so lange es nötig ist durchziehen. Sagen Sie ihm das auch noch.“
„Zu Befehl, Herr Kommandant“, antwortete der Hauptfeldwebel und wollte loslaufen, aber der Kommandant hielt ihn noch zurück. „Ach, und Hauptfeldwebel?“
Der andere Mann wandte sich seinem Vorgesetzten zu. „Sagen Sie Trank, dass wir alle stolz auf ihn sind. Er ist einer der mutigsten Männer, die ich kenne.“
Der Hauptfeldwebel nickte und sprintete los. Bramert hatte die ganze Szene ungläubig verfolgt und konnte seinen Ohren nicht recht trauen. „Was ist hier los?“, wollte er wissen, aber die anderen Männer ignorierten ihn. Schließlich wandte der Kommandant sich ihm wieder zu. „Sie werden bald verstehen, Anton. Jetzt ist es leider notwendig, dass Sie das bekommen.“
Bevor Bramert etwas sagen konnte, wurde ihm etwas in den Arm gespritzt und eine gnädige Ohnmacht umfing ihn. Das letzte, was er hörte, war ein leises und kaum zu verstehendes. „Willkommen daheim, Anton. Willkommen bei Loki.“
Als das Lager von vereinten Einheiten der Chevaliers, der Wayside-Miliz und den Angry Eagles gestürmt wurde, trafen sie auf entmutigte Soldaten, die von dem Angriff ziemlich erschüttert waren, und drei Gefangene, von denen einer, der als Private First Class Anton Bramert identifizierte Mechkrieger, ziemlich zerschlagen und mitgenommen aussah. Sie brachten Bramert sofort in ein mobiles Lazarett. Was den Sanitäter, der ihn versorgte, etwas verwunderte, war das zufriedene Lächeln, das um das Gesicht des jungen Mannes spielte, aber er dachte sich nichts dabei. Schließlich war der Junge gerade aus der Gefangenschaft befreit worden, wo man ihn offensichtlich nicht mit Samthandschuhen angefasst hatte.
Der Obergefreite Jürgen Trank konnte sein Lächeln kaum unterdrücken. Operation Scharade war angelaufen und hatte den ersten Erfolg zu verbuchen.
Nemo
Ich fange dann gleich mal mit einem Platzhalter an.
Marodeur74
Landungsschiff KOBE auf dem Weg zum Raumhafen Wayside V
Rudi war gerade wieder in das Cockpit seiner Useless gestiegen und überprüfte die Funktionen und Status Anzeigen seines Mechs. Der zurückliegende Kampf ging ihm dabei nochmal durch den Kopf:
Zuerst entdeckten Haruka und er eine komische Wärmeanzeige, im nächsten Augenblick waren Haruka und er in einem Wespennest aus tödlicher Anti-Mech-Infantrie.
Es war ein brutales und schnelles Gefecht in den ersten Momenten, denn überall kamen aus Erdlöchern, Büschen und Senken Infanteristen mit KSR, schweren MG´s, Granatwerfer und anderen schweren Waffen hoch, und begannen sofort mit dem Beschuss der Mechlinie. Haruka musste einiges an Treffern einstecken, bis Rudi und sie sich wieder zusammen rauften und die Flanke schließen konnten. Wie im Film schlug auf der anderen Schlachtfeldseite ein abstürzender Luft-/Raumjäger ein, der Bramerts Mech aus dem Rennen nahm und ihn zum Ausstieg zwang.
Haruka und er trampelten, schossen auf alles was sich in die Nähe ihrer Mechs wagte. Dann kam der Rückzugsbefehl, und der schwarze Marodeur deckte in einem Heldenangriff den schwer beschädigten Mech von Major Stannic, damit man den Angry Eagle durch Infanterie bergen konnte. Danach zog sich der Marodeur schwerst beschädigt zurück. Die gesamte Schlachtlinie aus Angry Eagles, Wayside V-Miliz und Chevalliers zog sich zurück.
Nachdem man am Landungsschiff wieder angekommen war, wurde klar das einige Infanteristen und Mechpiloten wohl in Gefangenschaft der Piraten geraten waren. Es blieb aber keine Zeit großartig über eine Rettungsaktion nachzudenken, denn die Mechs mussten repariert und dann wieder Einsatzbereit gemacht werden, um für das nächste Gefecht verfügbar zu sein. Und das würde schneller kommen als erwartet.
Chappy verdrängte die Erinnerung und konzentrierte sich auf die Gegenwart. Die Techs schienen ganze Arbeit geleistet zu haben, die Panzerungsanzeige zeigte volles „grün“ auch die Gaussmunition war wieder aufgefüllt, das Kühlungssystem schien auch voll einsatzbereit, alles war in Ordnung.
Dann erinnerte sich Rudi, das er eine Disk von der hiesigen HPG-Station erhalten und mitgenommen hatte, um sich mal in einer Gefechtspause zu entspannen und die Neuigkeiten seiner Makler und Freunde zu hören. Also öffnete er das Datenpad und schob die Disk ein. Nach einer kurzen Fingerabdruck-Verifizierung seiner Person erschien ein Verzeichnis mit insgesamt acht Botschaften mit angehängten Berichten oder Videos.
Als erstes öffnete er die Nachricht seines Maklers von Outreach und las, das die Mieten für sein Apartment alle pünktlich gezahlt wurden und sich sein Konto dort schon ordentlich gefüllt hatte. Auch gab es die Anfrage des jetzigen Mieters ob das Apartment nicht zum Kauf bereit ständ. Er machte ein verlockendes Angebot, welches von seinem Makler als zu niedrig abgetan wurde, da er mindestens das Doppelte zur Zeit auf Outreach dafür bekommen könnte.
Chappi überlegte ein wenig, war sich dann aber sicher dieses Apartment nicht zu verkaufen, vor allem da es ein Penthouse war, das er selbst sehr geschmackvoll und elegant eingerichtet hatte. Darüber hinaus besaß es eine private abgetrennte Garage mit Lagerraum in der Tiefgarage, von wo sein Privatfahrstuhl nur in sein Penthouse fuhr. Nein, dieses Apartment würde er behalten, um irgendwann dort seinen Ruhestand zeitweilig zu genießen, im Schutze der Wolfs Dragoner. Er lächelte und klickte wieder ins Hauptmenü.
Jetzt öffnete er die Datei von Solaris 7, die drei dort abgespeicherten Nachrichten überraschten ihn, er hatte nur mit einer Nachricht seines Wohnungsmaklers gerechnet, aber nicht mit Nachrichten seiner beiden Wettmakler.
Als erstes schaute Rudi auch hier in die Nachricht seines Wohnungsmaklers, denn auf Solaris 7 besaß Chappi auch eine kleine komfortable Wohnung im Davion Bezirk, das Ergebnis eines lukrativen Lebens im Cockpit. Diese war etwas kleiner als die auf Outreach, besaß aber ebenfalls sämtliche Annehmlichkeiten wie einen privaten Zugang. Zudem hatte er einen Anteil an einem Mechstall und sogar drei Mechparkplätze in einem Hangar um eventuell gewonnene Mechs dort unter zu stellen.
Die Miete der Wohnung deckte zur Zeit die Kosten der Mechparkplätze, und sein Makler fragte ob er nicht einen der Mechplätze weiter vermieten könnte. Er hätte da einige Interessenten. Rudi überlegte und dachte kurz nach über die Möglichlkeit seine Kosten ein wenig zu reduzieren. Bevor er jedoch eine Entscheidung treffen wollte, wollte er sich erst die beiden Botschaften der Wettmakler ansehen.
Die erste Nachricht von dem unabhängigen Wettmakler aus dem Liao Distrikt war ganz erfreulich, denn für das letzte VierteljJahr hatte er 60.000 C-Noten Gewonnen und nur 25.000 wieder verloren.
Die Nachricht des anderen Maklers aus dem Davion Bezirk und gleichzeitig sein Kontaktmann zu seinem Anteil bei dem Davion Mechstall traf ihn wie ein Blitz, und er musste diese doch mehrmals lesen, denn da Stand in großen dicken Buchstaben: JACKPOT --- JACKPOT --- JACKPOT
Sehr geehrter Herr Teuteburg,
ich darf Ihnen mitteilen, das Sie in einem Lanzengefecht das Recht auf das Beutegut zugeteilt bekommen haben. Es handelt sich um einen Großteil an Ersatzteilen aus einem abgeschossenen
Hunchback, einen kompletten Mech ohne Cockpit vom Typ Hunchback IIC als Hauptgewinn. Außerdem sind Sie nun Besitzer und Arbeitgeber eines Techteams mit einem Seniortech und zwei Astechs, die zum Hunchback IIC gehören und nun Ihre Leibeignen sind. Der kommandierende Clankrieger ist in diesem Gefecht so schwer verletzt worden, dass er es wohl nicht überleben wird. Somit übergehen seine Verpflichtungen auf Sie.
Somit habe ich mir das Recht genommen, in Ihrem Namen für die Überführung und die Reparatur des Mechs mit den entsprechenden Clanersatzteilen zu sorgen, Was jedoch noch immer einen Gewinn für das letzte Halbjahr von 320.000 C-Noten bedeutet. Auch für die Unterkunft und die Verpflegung der Techs ist entsprechend gesorgt. Nun hat der Mechstall angefragt, ob es möglich ist, den Mech abzukaufen und mit einem neuen Piloten zu besetzen.
Rudi schüttlete sich und war völlig verwirrt, er war reich und dazu hatte er nun auch noch einen eigenen zweiten Mech plus eigener Techcrew. Was sollte er nun machen? Auf jeden Fall musste er nach den Kämpfen mit Germaine Danton sprechen und entsprechende Antworten an seine Makler senden. Den Mech würde er erstmal behalten oder später gegen einen anderen eintauschen, wenn es sein musste.
In den drei weiteren Botschaften fragten irgendwelche Firmen an ob er Interesse an Immobilien, Krediten oder Versicherungen hätte, diese Nachrichten löschte er gleich wieder.
Nun war da noch diese letzte Botschaft von seinem ehemaligen Freund und Einheitsführer des NAIS. Mit einem mulmigen Gefühl öffnete er die Datei und las, las wieder, jubelte, fluchte, las nochmals und war fassungslos.
Sein ehemaliger Vorgesetzter und Freund, der nun zum Oberst beförderter Markus Breull hatte ihm offiziell mitgeteilt, das Rudis Verlassen der Einheit ihn immer noch traurig mache, und das er nun geheiratet hatte. Er bedauerte das Rudi nicht da war um an den Feierlichkeiten teil zu nehmen. Desweiteren schrieb er, daß er vor ca. 3 Wochen Papa geworden war.
Als zweites wurde es wieder dienstlich, denn er musste Rudi mitteilen, das seine Entlassung aus den Streitkräften nicht wirksam war und nun hätte er wieder seinen Offiziersrang in den Davion-Streitkräften. Nach Abschluss seines Dienstes bei den Chevalliers müsse er seinen Dienst antreten. Ein entsprechender Mech stehe schon im Hangar und würde auf seinen Piloten warten. Es ist ein guter Mech, in dem er sich sicher wohl fühlen würde. Im Anhang der Datei fand Chappi die Spezifikationen eines Shadowhawk - 5D.
Weiterhin teilte sein Freund ihm auch mit, das er nun im Rang eines Hauptmanns sei und bei seiner Rückkehr den Befehl über die zweite Kompanie, des wieder sich im Aufbau befindlichen 159. Schweren Sturmregimentes, übernehmen sollte. Es war eine Mittelschwere bis Schwere Kampfkompanie mit einer Lanze schwerer Mechs und zwei Lanzen Mittelschwerer Mechs. Im Anhang befand sich die genaue Aufstellung, sowie die Pilotendossiers zu fünf Mechkriegern. Es gab also schon die Mechs, nur die Krieger fehlten noch.
Was sollte nun passieren? Er war verwirrt, plötzlich zitterte alles um ihn und erst jetzt bemerkte er das die Kobe im Begriff war zu starten. Er schnallte sich auf der Pilotenliege schnell noch fest, dann startete das Landungsscchiff auch schon.
Das war eine Flut von Informationen und Ereignissen die alle mindesten drei bis sechs Monate zurück liegen mussten und ihn vor ganz neue Tatsachen stellten. Zuerst galt es zu überleben, dann seine neue Herzdame wieder in seine Arme zu schließen und danach noch das Gespräch mit Danton zu führen, und das Beantworten der ganzen Nachrichten zu organisieren. Eines war klar, zurück in die Dienste Davions und einer regulären Kampfeinheit wollte er nicht mehr. Gemäß der damaligen Auflösung seines Dienstes erhielt er eine riesige Abfindung in drei Raten. Die erste Rate seiner Abfindung in Form seines Mechs, plus die Zusage auf zwei weitere Raten. Die zweite Rate war in Form von C-Noten gekommen, die letzte Rate ließ noch auf sich warten. Auf damalige Nachfragen hatte er nur erfahren, dass man seine Entlassung und die damit verbundenen Ausgleichszahlungen prüfe. Und jetzt schien das Davion-Militär zu antworten, aber es war klar das seine ehemaligen Arbeitgeber nicht um die Zahlung drum herum kamen, denn er hatte ein unterzeichnetes Dokument vom Marshal of the Armies mit einer Holoverifizierung. Damit war er vor jeder Reaktivierung und Rücknahme durch die Davion Militärs sicher.
Seine Gedanken wanderten wieder zu Haruka, die er seit den Kämpfen nur einmal kurz getroffen hatte. Sie war gleich weiter zu Miko, um zu sehen wie es ihr und ihrem Mech ging. Chappi war zum neuen Mechkrieger Ryan gegangen und hatte ihm ein wenig bei dessem Mech geholfen. Der neue war echt ein zäher Hund. Mit solchen Verletzungen hätte jeder andere, Chappi eingeschlossen, erstmal einige Wochen auf der Krankenstation verbracht. Irgendwie konnte Rudi den neuen leiden, obwohl er manchmal in Zwiegespräche mit sich selbst vertieft zu sein schien.
Dann wollte er auch noch Anton wiederfinden. Hoffentlich war ihm nicht viel passiert. Auch für die anderen in Gefangenschaft geratenen Chevalliers drückte er innerlich den Daumen, daß ihnen nichts passieren möge.
Ace Kaiser
Am Himmel kreisten drei Chevaliers und drei Eagles. Ihr Überraschungsmoment war verbraucht, nicht aber ihr Waffenpotential. Bald würde die Eskorte der KOBE hinzu kommen, und ihnen vielleicht jenen Moment bescheren, den sie brauchten, um die Schlacht im Sinne der Verteidiger zu entscheiden, ohne dass Miliz, Eagles und Chevaliers zu Torsi zusammengeschossen, oder im schlimmsten Fall besiegt wurden.
Der Überraschungsmoment war dahin, aber Kiki hatte bewiesen, dass manche der Angreifer doch noch auf den einen oder anderen Trick herein fielen. Es würde schwerer werden, zweifellos. Deshalb hatten die Jagdmaschinen auch den Befehl, dann anzugreifen, wenn der Gegner abgelenkt war, im Clinch mit den Verteidigern. Das erhöhte zwar die Chance auf Friendly Fire, aber ein Mech oder Panzer, der auf einen Chevalier schoss, hielt eher selten noch den Himmel im Auge. Die Flieger würden ihren Teil leisten, dessen war sich Germaine sicher. Den Rest aber würden jene hier unten erledigen müssen, und das auf sehr unkonventionelle Weise. Mechs waren seiner Ansicht nach kein Äquivalent für Infanterietruppen. Er hatte sie immer als Nachfolger der Kavallerie angesehen. Geschwindigkeit und Bewaffnung waren ihre Vorteile, dazu kam der Höhenvorteil, der den Mech als Waffe nun schon über dreihundert Jahre so erschreckend erfolgreich machte. Dementsprechend machte es ihn etwas nervös, seine Maschinen an eine Stellung zu binden, anstatt ihre Beweglichkeit auszunutzen; die Wasserlöcher, in denen die meisten Mechs standen, kühlten vor allem die Energiegestützten Maschinen eine gewisse Zeit, bevor die Flüssigkeit verkochte. Das mochte in der Anfangsphase den einen oder anderen Extraschuss einbringen und bei einem konzentrierten Beschuss den einen entscheidenden Treffer einbringen. Aber die Vorteile eines Mechs, Wendigkeit und Höhe, wurden dadurch raus genommen.
Natürlich wusste es Germaine zu schätzen, dass sein Mech von einem großen Ziel zu einem halb so großen geworden war und er weniger getroffen wurde. Das bedeutete aber auch, dass alle Treffer, die er von den Piraten kassierte, automatisch in die Brust, den Kopf oder die Arme gehen würden. Die Auswertung des Gefechts würde zeigen müssen, ob die Verteidigung in festen Stellungen eine gute Idee gewesen war.
Allerdings vertraute er Mikado in diesem Punkt, wenn er auf sein über Jahre immer wieder ausgebautes Stellungssystem zurückgriff, dass sich schon gegen die Parder mehr als bewährt hatte. Die Nebelparder, ein Clan der für seine unorthodoxe, brutale und rücksichtslose Angriffsweise bekannt gewesen war, waren auf diese Stellungen zugestürmt, hatten den Gegner nicht halb so gut zerschlagen wie sie es gewohnt waren, und wurden ihrerseits zerschlagen. Selbst die beste Clanswaffe nützte nichts, wenn sie aus Sand Glas machte, anstatt einen Mech aufzuspießen. Und dann hatten die frischen Verteidiger aus ihren geschützten Stellungen, soweit von Glückstreffern und Meisterschüssen verschont, den Vorteil. Abgesehen von den unglücklichen Konstruktionen wie den Kreuzritter, der Waffen in den Beinen hatte, die in den Stellungen effektiv aus dem Rennen genommen waren.
Dieses Spiel würde sich viermal wiederholen, bis sie an der fünften und letzten Verteidigungsstellung angekommen waren, quasi mit dem Rücken zur Wand, mit dem großen Preis, dem Jaffray-Raumhafen, direkt im Rücken. Beinahe wünschte sich Germaine, dass auch Parkensen City ein Angriffsziel wurde. Eine aufgeteilte oder eine ihnen die Flanke anbietende Streitmacht wäre in ihrer Situation ein Gottesgeschenk. Einmal aufgeteilt hätte der Gegner seinen Moment verloren, seine Wucht. Im Moment war er ein großer Brocken, an dem die Verteidiger ersticken konnten. Aufgeteilt würden zwei kleinere Brocken daraus werden, und für die Verteidiger übersichtlicher werden.
Germaine seufzte leise. Er war sich sehr sicher, dass der Gegner ihnen diesen Gefallen nicht tun würde. Er war sich auch ziemlich sicher, dass Aaron Imara nicht auf das Angebot Mikados eingehen würde und für ein paar C-Noten mehr seinen Dienstherren verriet. Im Gegenteil. In den meisten Piraten- und Söldnereinheiten - in welche Kategorie er Imaras Husaren und ihre Verbündeten einordnen musste, wusste er immer noch nicht so recht - wäre jeder, der auf das Angebot eingegangen wäre, als Verräter gestellt und von den Kameraden exekutiert worden. Abgesehen davon war es eine dumme Idee, Piraten anzuwerben. Wenn sie zum Schein darauf eingingen, und Monate oder Jahre später zuschlugen, konnte das böse enden. Abgesehen davon, dass Piraten gar nicht erwarten würden, dass sich Herzog Mikado an sein Versprechen halten würde, denn Piraten waren eher selten gesetzestreue Bürger, und meistens schon auf der einen oder anderen Welt zum Tode verurteilt. Dazu herrschte in der Peripherie der schöne alte Brauch, dass nur ein toter Pirat ein guter Pirat war, und das man lieber einen zuviel als einen zu wenig töten sollte.
Waren es Söldner, dann würde sich der Auftraggeber, egal ob staatlich oder privat, mit dieser geradezu unfassbaren Aktion sicher nicht zufrieden geben. Ein jahrelanger Rechtsstreit, wirtschaftliche, vielleicht diplomatische Verwicklungen würden die Folge sein. Ausgehandelt vor der Söldnerkontraktkomission konnte das Nachteile für Koordinator Theodore Kurita und das ganze Kombinat bedeuten. Eventuell wurde Mikado auch sein Adelstitel aberkannt, und damit diese Welt genommen. Aber so schlimm würde es sicher nicht werden, denn immerhin waren ihre Gegner Piraten, und zwar genauso lange, wie sie ihren Auftraggeber nicht preis gaben, sich zu einer Fahne, einer Farbe bekannten. Und es war noch nicht besonders lange her, da wurden anonyme Angreifer von Draconiern automatisch als Piraten behandelt, unbarmherzig gejagt, vernichtet, und die wenigen Überlebenden exekutiert oder in die Sklaverei verkauft. Wobei Sklaverei im Draconis-Kombinat eher wenig mit dem verruchten Menschenhandel im Untergrund der Inneren Sphäre zu tun hatte. Es war mehr Zwangsarbeit als Seelenverkauf. Dennoch war Germaine recht froh, dass er heutzutage nicht mehr üblich war. Heutzutage waren im Kombinat, genau wie in allen Nachfolgerstaaten auch, die Gerichte für die Versklavung eines Menschen zuständig. Oder, gestand sich Germaine grinsend ein, das Standesamt.
Wenn sie diese Schlacht siegreich überstanden hatten, oder falls, würde Germaine jedenfalls Mikado um ein Gespräch mit dessen Frau Jean bitten. Germaine interessierte die Frau, die es geschafft hatte, Mikado Mamoru einzufangen und bis heute zu halten.
"Langstreckenbeschuss", klang die Stimme von Decius Metellus auf. "Scheinen etwas aufgebracht zu sein." Der Marianer stand mit seinem Tai-Sho in vorderster Linie, zentral in der Mitte, wo sich die Kommandolanzen von Eagles, Chevaliers, und der Panzerkompanie der Miliz aufgestellt hatten. Auf der linken Seite standen die Kampflanze der Chevaliers, die Erkundungslanze der Panzer und die Erkundungslanze der Eagles. Sie hatten sich darauf geeinigt in der Hoffnung, dass Wolf und Prince mit ihren schweren Brocken an dieser Stelle auf ihre eigenen Linien treffen und die Reihen entscheidend verstärken würden. Außerdem würde die höhere Geschwindigkeit der Erkunder wettmachen, was ihnen an Feuerkraft fehlte. Die rechte Flanke war entsprechend schwer, mit den Kampflanzen von Eagles und Miliz. Germaine hoffte, dass die zahlenmäßige Unterlegenheit der Flanke durch die Massierung an Panzerung und Waffen ausgeglichen wurde.
Hinter ihren Linien befanden sich Dawns Hilfslanze, die ausputzen durfte, und ansonsten den Auftrag hatte, nach KommandoMechs Ausschau zu halten, um die Anführer des Gegners auszuschalten. Und eine unterzählige Lanze Freiwilliger, die unter dem Kommando des eigentlich invaliden Sho-sa Elden Parkensen stand, der es sich nicht hatte nehmen lassen, seinen Hakamoto-Kage auch in die Schlacht zu führen. Draconische Freiwillige mit eigenen Mechs, die hoffentlich nicht in den Kampf eingreifen mussten. Aber diese Hoffnung war trügerisch, das war Germaine bewusst.
Kamen noch Rowans Elementare hinzu, während der Rest der Infanterie von Miliz und Chevaliers einen letzten Verteidigungs- und Schutzriegel am Raumhafen bildete.
Die Rüstungen waren so verteilt, das sie zwischen der zweiten und der dritten Verteidigungslinie auf der Lauer lagen. Sie würden einem angeschlagenen Feind in den Rücken fallen, und hoffentlich einen entsprechenden Schaden anrichten. Aber sicherlich würden sie ihren Preis dafür zahlen. Die Wölfe waren dazu mehr als bereit. Nur durch den Kampf lernte man. Nur durch die natürliche Auslese wurde der Clan von Schwäche befreit. Eine Ansicht, wie sie nur Clanner haben konnten.
Dann waren da noch die beiden kleinen Kommandos, Sonderüberraschungen, die Germaine eingefädelt hatte, in der nicht ganz unberechtigten Hoffnung, dass Imara zwar die Aufstellung und die Möglichkeiten von Miliz und Eagles genauestens erforscht hatte, nicht aber jene der Chevaliers. Charles und Kitty würden ihre Sache gut machen, dessen war sich Germaine Danton bewusst. Und das erfüllte ihn mit Stolz.
Er räusperte sich, um seine Kehle frei zu bekommen, die ihm kurz vor dem Gefecht trocken zu werden drohte. "Wirst du beschossen, alter Soldat?"
Die Stimme des Marianers klang fast ein wenig beleidigt. "Sie ignorieren mich und feuern mit den Langstreckenenergiewaffen auf die Kampflanze des Herzogs. Das ist auf diese Distanz noch nicht sehr schlimm."
Germaine musste an sich halten, um nicht zu prusten. Kurz vor dem Gefecht war es irgend jemandem aufgefallen, dass sowohl Metellus als auch der Herzog einen Tai-sho steuerten, und davor warnte, dass es dadurch Verwechselungen geben konnte. Der Marianer hatte diesen Gedanken begeistert aufgenommen und sich für die vorderste Reihe gemeldet, also jene kleine Handvoll Löcher, die in der ersten Linie am weitesten vorne lagen. Auf diese Weise hoffte er, etwas vom zweifellos auf den Herzog gemünzten Beschuss auf sich zu ziehen. Germaine hatte die Idee gar nicht gefallen, vor allem nicht weil er nicht auf seinen Master Sergeant verzichten wollte. Er konnte einen verwundeten, entrechteten oder gar toten Decius überhaupt nicht gebrauchen. Andererseits sah er schon die Notwendigkeit, den Herzog zu schützen. Immerhin stand und fiel mit ihm die Verteidigung, und das Beste wäre gewesen, er wäre in der Kaserne geblieben. Andererseits war er als Einheitsführer auch nicht dazu bereit, "Zuhause" im Mobilen HQ zu bleiben und die Schlacht von dort zu lenken, obwohl das eventuell vernünftiger wäre. Das hatte er alles schon gehabt, als ihn sein Mittelohrschaden für die Mechs untauglich gemacht hatte. Und das wollte er nie wieder haben. Garantiert nie wieder. Lieber wäre er tot. Oder raus aus dem Job. Aber Söldner ohne Mechkrieger zu sein, nein, das ging gar nicht. Nicht mehr.
Der Feind rückte näher, vorneweg die Panzer, die wegen ihrer geringen Höhe leicht im Vorteil waren, solange die Verteidiger auf ihren Höhenvorteil verzichteten. Dahinter die Lawine der Mechs. Und irgendwo dazwischen oder knapp dahinter musste auch noch Infanterie huschen. Infanterie, die hoffentlich in diesem Stellungskrieg schnell zurück bleiben würde. Germaine hatte absolut keine Lust, Imaras Infanterie-Geheimrezept zu schmecken, das er auch Klein eingeschenkt hatte.
Der Beschuss wurde dichter, der Feind fiel unter sechshundert Meter. Germaine nahm sein Ziel auf, einen Manticor, der nahezu perfekt geradlinig auf ihn zuhielt. In seinem Schutzwall schlugen dreißig der LSR des Manticores und seines Partners, eines unwesentlich schwereren Sturmfeuers ein. Ungefähr elf flogen über ihn hinweg. Neun schlugen weit verstreut auf seiner Panzerung ein. Dennoch hart genug, um seine Maschine einen Schritt zurück zu treiben. Glückstreffer, oder ein Feuerleitsystem? Manticore wurden mit Artemis-Feuerleitsystemen ausgestattet, und nach dieser erfolgreichen Trefferbilanz war sich Danton sicher, dass dieser da keine Ausnahme bildete.
Egal, den Panzerungsverlust konnte er verschmerzen. Noch. Germaine schoss mit den PPKs und allen drei Medium-Pulsern zurück und verzeichnete vier Treffer, die dem Manticore erheblich einschenkten. Ein Glückstreffer seinerseits vernichtete den LSR-Turm. Die Sekundär-Explosionen rissen auch die KSR-Aufbauten vom Turm. Damit war das Artemis-System des Panzers für den Arsch. Zwei weitere PPK-Blitze schlugen in den Panzer ein, rasierten ihm die Front ab und sprengten die rechte Kette. Über den Infrarotbildschirm konnte Germaine mitverfolgen, wie die Crew den halb vernichteten Panzer verließ. "Danke, Decius Metelle", sagte er leise.
"Gern geschehen. Aber ich heiße Ace", klang eine fröhliche Antwort auf. Wie entschuldigend kam hinterher: "Ich hatte leider kein eigenes Ziel."
"Wie ich schon sagte, Mylord: Danke", erwiderte Danton lächelnd, und schaltete zum Sturmfeuer aus, um auch ihm die PPK's und die Pulser zu senden. Plötzlich erschien ihm der Umstand, im Wasser zu stehen, ungeheuer praktisch.
"Das war es. Rückzug zur nächsten Linie", klang schließlich der Befehl des Herzogs auf. "Freigabe für Luftangriff."
Die Lufteinheiten bestätigten, dann schossen sie vom Himmel, wo sie wie Raubvögel gewartet hatten, dem Erdboden entgegen. Sie schossen dabei aus drei Richtungen auf das Schlachtfeld zu, eröffneten auf Maximaldistanz das Waffenfeuer, setzten beim Überflug ein Bombardement, und waren wieder im nächtlichen Himmel verschwunden.
Die Mechs verließen derweil ihre Stellungen. Die vorderen Maschinen zuerst, gedeckt von den Hintermännern, die hielten, bis ihre Kameraden ihre neuen Stellungen eingenommen hatten. Dann gingen sie in deren Feuerschutz selbst zurück.
"Bericht", hörte er den Herzog rufen.
"Vorauskommando, bestehend aus vierundzwanzig Panzern. Dahinter sechzehn Mechs verschiedener Klassen", klang die Stimme von Chad Benton aus dem Stab auf. Wenn er bereits seine Rüstung trug, war es dort gerade sehr eng. "Ihr habt sieben Panzer beschädigt, und vier ausgeschaltet. Die Piloten konnten drei Mechs beschädigen und einen aus dem Rennen nehmen. Namentlich sind die Panzerverluste: Manticore, Patton Ultra, Striker, Striker. Der Mech war der Dart der Aufstellung, ein Scoutmech. Unsere Verluste: Drossel, Pilot McHale. Konnte aussteigen, geht abseits des Geländes runter. Außerdem habt ihr Fureys Kit Fox verloren, der Pilot konnte aussteigen. Außerdem wurden der Patton Ultra der Befehlslanze Panzer sowie Kampfrichter der Scoutlanze abgeschossen. Schicksal der Crews unbekannt."
Beinahe glaubte Germaine, die Kiefer des Herzogs mahlen zu hören. Beinahe glaubte er ein "Verdammt" zu hören.
"Keine Zeit, um über die Glückstreffer des Gegners nachzudenken", sagte der Herzog scharf. "Das Spiel geht weiter."
Das war allerdings richtig. Richtig war aber auch, dass derjenige, der schneller vom Wasserloch Nachschub bekam, diese Schlacht mit Sicherheit gewinnen würde. Wie auch immer, die nächste Zeit würde für sie alle sehr interessant werden.
Ace Kaiser
"Du tust was?" Entgeistert starrte Marie-Claire ihren Verlobten an.
"Ich verlasse die Akademie."
Es kam selten vor, dass die schöne schwarzhaarige Frau die Kontrolle über Aspekte ihres Körpers verlor. In diesem speziellen Fall sackte ihr das Kinn herab. Und es dauerte einige Zeit, bis sie sich weit genug gesammelt hatte, um wenigstens wieder sprechen zu können. "Aber... Aber... Aber... Germaine, was ist mit dem ganzen Mist, den du mir Jahrelang eingetrichtert hast? Der Kampf für die Rettung der Menschheit, mit ComStar das Licht der Zivilisation bewahren und den Fanatikern von Blakes Wort die Stirn bieten? Was ist mit deinen Idealen, deinen Hoffnungen, deinen Wünschen?"
Der junge Mechkrieger zupfte an der Polizeiuniform der jungen Frau. "Ich denke, ein Gesetzeshüter reicht in der Familie, findest du nicht?" Seine Miene wurde traurig. "Oder nimmst du mich nur als Sandhurst-Absolvent und Feldoffizier der ComGuards?"
"Mach dich nicht lächerlich! Ich als Erste sollte froh sein, dass du diesen ganzen Kriegsspiel-Quatsch endlich begraben hast! Ich war immer dagegen, dass du Krieg spielen gehst, und womöglich irgendwo in der Inneren Sphäre wegstationiert wirst. Aber..."
"Aber? Ich dachte wirklich, du würdest dich mehr über meine Entscheidung freuen."
Die junge Polizeioffizierin trat vor und nahm Germaines Gesicht in beide Hände. "Du weißt, dass ich dich mehr liebe als alles andere auf dieser Welt. Als du nach Sandhurst gegangen bist, wollte ich mich von dir trennen, aber ich konnte es nicht. Ich kann ohne deine Anwesenheit leben, aber nicht ohne deine Liebe. Ich habe mich damit abgefunden, dass wir eine dieser verrückten Fernbeziehungen führen werden, und du möglicherweise nicht einmal mitbekommst, wie deine Kinder aufwachsen. Ich habe es eingesehen, dass dir ComStar so viel bedeutet. Dass du nicht nur für mich da sein willst, sondern für die gesamte Menschheit. Ich habe das Feuer in deinen Augen gesehen. Die Begeisterung. Den festen Willen. Und ich war sehr stolz, als du deine Brevet-Beförderung zum Akoluth erhalten hast." Sie küsste ihn sanft auf die Lippen. "Germaine, bist das wirklich du? Ist das deine feste, unumstößliche Entscheidung? Oder wird der Wille eines Tages wiederkehren und dir bewusst machen, dass du etwas verpasst hast? Oder dass du eine wichtige Pflicht nicht erfüllt hast? Ich will keinen unglücklichen Germaine Danton heiraten. Niemanden, der mir vielleicht irgendwann einmal Vorwürfe machen wird, weil ich der Grund für..."
Germaine legte den rechten Zeigefinger auf ihre vollen Lippen. "Marie-Claire Winston, du bist mir alles wert, sogar meine Karriere als Mechkrieger. Hättest du mir nur ein einziges Mal gesagt, dass du nicht willst, dass ich nach Sandhurst gehe, dann wäre ich geblieben. An deiner Seite kann ich nicht unglücklich werden, das weißt du doch. Und ich bin nicht ausgetreten, weil ich dir einen Gefallen tun wollte. Ich bin aus freien Stücken und aus meinem festen Willen ausgetreten."
Er strich über ihre Wangen und fühlte über seine heiße Tränen fließen. "Letzten Monat habe ich ein Manöver meiner Kompanie angeführt, drüben auf dem Mars. Es war eine schwierige Operation. Es hat einen schweren Unfall gegeben. Zwei meiner Kadetten sind an explosiver Dekompression gestorben. Ich habe ihre Verzweiflungsschreie bis zum bitteren Ende mit angehört. Ich war zu weit weg, um ihnen helfen zu können. Und ich war zu nahe dran, um weg zu hören." Er ergriff ihre Hände und drückte sie. "Als das passiert ist, da habe ich über den ganzen alltäglichen Wahnsinn nachgedacht. Über Mechkrieger, die Innere Sphäre. Ich habe mir gedacht, dass es eigentlich genügend Idioten gibt, die in solche Wannen steigen. Da muss ich mich nicht auch noch einreihen, um Tod und Zerstörung über die Innere Sphäre zu bringen. Nein, ich kann sehr gut leben, ohne Leute in den Tod zu führen, oder selbst Leben zu nehmen. Ich will das nicht. Ich will nicht Verantwortung über den Tod. Ich will nur Verantwortung über das Leben. Unser Leben, Marie-Claire. Unser gemeinsames Leben. Du weißt, ich bin einer von diesen Idioten, die nach Verantwortung brüllen. Soll ich eines Tages eine Sektion II verlieren? Nein, ich will kein Soldat mehr werden. Dieses schreckliche Erlebnis, die Schreie der Sterbenden haben mich kuriert. Ich will nie wieder ein Anführer sein."
"Dir ist es also ernst."
Germaine nickte fest.
"Und deine Ausbilder?"
"Ich bin freigestellt worden. Man hat mir ein Unfalltrauma diagnostiziert. Ich muss nie wieder in einen BattleMech steigen. Und ich wurde ehrenhaft entlassen, nachdem meine Unschuld am Unfall zweifelsfrei erwiesen wurde. Soweit ist alles in Ordnung."
Ein schmales Lächeln stahl sich auf die Züge der jungen Polizeioffizierin. "Und was gedenkt ein Sandhurst-Abbrecher jetzt zu tun? Will er vom Vermögen seiner Familie in den Tag hinein leben?"
"Ich denke, der Sandhurst-Abbrecher wird erst einmal seine Jugendliebe zum Traualtar führen. Auch wenn er damit die Herzen aller unverheirateten Pariser Stadtpolizisten brechen wird. Und danach, mein Schatz, wird sich schon irgendwas mit dem Studium anfangen lassen, das mir die Sandhurst-Akademie finanziert hat. Vielleicht irgendwas mit Medien oder Pädagogik. Und wenn alle Stricke reißen kann ich immer noch hauptberuflich Sohn werden."
"Das hältst du keine zwei Stunden durch", tadelte seine Verlobte. "Na dann, willkommen zurück im Zivilleben, Germaine Danton."
"Willkommen zurück in deinen Armen, mein Schatz."
Die beiden lächelten sich verliebt an, bevor sie den neuen Lebensabschnitt mit einem Kuss besiegelten.
Fünf Tage später:
Germaine Danton hatte diverse Laster. Aber er ließ sich normalerweise nicht von seinen Lastern beherrschen. Im Moment jedoch rauchte er eine Zigarette nach der anderen und trank den Cognac direkt aus der Flasche. Seine Wut, seine unauslöschliche Wut verhinderte, dass seine bis zur Unerträglichkeit gesteigerten Sinne im Alkoholrausch eintauchten. Und sein brennender Hass ließ ihn sein Ziel nicht aus den Augen verlieren. "Die Namen", zischte er dem Mann ins Ohr, der über dem Wasserbassin an eine Holzwippe gebunden war."
Unsicher, ein wenig panisch, sah der Mann auf das Bassin. Etwa zwanzig Meter entfernt tauchte eine dreieckige Flosse aus dem Wasser, um kurz darauf wieder unterzugehen.
Germaine drückte seine Zigarette auf der Wange des Mannes aus. Er heulte auf vor Schmerzen. Sein Körper war übersät mit diesen Foltermalen. Danton griff nach der nächsten Zigarette und steckte sie sich an. "Sag mir die Namen, und ich lasse dich leben."
"Das glaube ich dir nicht", blaffte der andere verängstigt zurück. "Du wirst mich töten, genau wir Cyrus! Wir haben deine Verlobte vergewaltigt, und wie ich gehört habe, hat sie die Schläge nicht überlebt. Nein, du wirst mich nicht leben lassen! Du nicht!"
Germaine Danton lächelte boshaft und drehte das Gesicht des Mannes schmerzhaft in seine Richtung. "Jetzt hör mir mal genau zu, Lucien. Du hast etwas, was die anderen nicht haben. Du hast etwas, was ich dringend brauche. Du hast alle Trümpfe in der Hand. Du weißt, wer eines dieser Tiere war, die über Marie-Claire hergefallen sind, und du weißt, wohin sie unterwegs sind. Das ist mir durchaus etwas wert. Es ist mir genug wert, um dich leben zu lassen."
Übergangslos griff er nach dem Holzgerüst, und tauchte den Mann im Bassin ein. Er wartete, bis von ihm keine Luftblasen mehr aufstiegen, dann hebelte er den Vergewaltiger wieder hoch.
Er hustete Wasser, rang nach Atem. Sein Gesicht war vor Panik gerötet. "Hast du nicht gesagt, dass du mich leben lassen willst?"
"Ich habe nie behauptet, dass ich ewig mit dir Geduld haben werde, Lucien. Und ich habe nie gesagt, dass ich dich unversehrt lasse." Wieder drehte Germaine das Gesicht des Vergewaltigers schmerzhaft in seine Richtung. "Alles was ich brauche ist eine Stimme, die mir das Nötigste sagen kann. Dazu darfst du auch ruhig von einem Hai angekaut sein. Das ist mir relativ egal. Du bestimmst, wann es vorbei ist." Wieder ließ er das Gesicht fahren und betätigte die Wippe.
Wieder sauste der Mann ins Becken, und diesmal wartete Germaine, bis der erste Hai interessiert näher kam.
"Du bist doch verrückt!", rief Lucien entsetzt, als er wieder an die Luft kam.
"Nein. Der Verrückte bist du, weil du geglaubt hast, du und deine Kumpane könnten tun und lassen was ihr wollt. Weil du geglaubt hast, ihr könntet mir entkommen!" Germaine kratzte mit den Nägeln der linken Hand quer durch Luciens Gesicht, bis das Blut zum Vorschein kam. "Für das Protokoll: Wer sind deine Kameraden, und wohin sind sie unterwegs?"
"Du kannst mich mal, Danton! Schmore doch mit deiner Politessen-Hure in der Hölle!"
Wütend stieß Germaine die Wippe ins Wasser. "Sie war Polizei-Leutnant, du Arschloch." Diesmal zog er den Vergewaltiger nicht so schnell wieder hoch.
Eine Stunde später trat Germaine Danton vor das Gebäude. Seine Hände waren Blutverschmiert, und seine Züge zierte ein dämonisches Lächeln. Beinahe übersah er die Autopistole, die auf seinen Kopf gerichtet war, sowie den dazugehörigen Polizisten.
"Keine Sorge", sagte Danton, und warf zwei blutige Etwas in Richtung des Gendarms. "Ich bin nicht durchgetickt. Und das Arschloch lebt noch. Er wurde nur etwas angeknabbert. Ich nehme an, die Haie brauchen heute etwas weniger Futter."
Der Polizist hob die blutigen Fetzen auf. "Und was ist das dann?"
"Oh, ich habe gesagt, dass ich ihn leben lasse. Ich habe nie gesagt, dass ich ihn nicht entwaffne. Ein für allemal."
"Uääää! Und ich habe es angefasst!" Der Polizist strich sich die Hand an der Uniform sauber und steckte die Autopistole wieder weg. "Du solltest jetzt verschwinden, Germaine. Meine Leute sind jede Sekunde hier. Wir schnappen uns den Mistkerl und töten ihn diesmal richtig. Ganz, ganz langsam, Prozesstag für Prozesstag. Du hast erfahren, was du wissen willst?"
Danton schnaubte halb amüsiert, halb verärgert. "Leider nicht alles. Ich weiß immer noch nicht, warum sie sich Marie-Claire ausgesucht haben. Aber ich kenne nun ihre Namen und ihr Ziel."
"Und wie heißen sie?"
"Aber, aber, Julien. Du spielst doch nicht mit dem Gedanken, mir die Beute wegzunehmen? Keine Sorge, ich werde es langsam und blutig machen. Alle fünf, einen nach dem anderen."
"Wohin fliegen sie?"
"Thorim. Dort werde ich ihre Spur aufnehmen. Und ich werde nicht zurückkommen, bevor ich sie nicht alle erledigt habe."
"Ich sollte dich jetzt verhaften, zu deinem eigenen Besten, Germaine. Bevor du mir doch noch wahnsinnig wirst."
Danton grinste den Polizisten boshaft an. "Ich glaube, dazu ist es zu spät. Ich bin schon komplett durchgeknallt." Langsam setzte er sich in Bewegung, verließ die Halle mit dem Bassin. "Und ich werde sie erwischen. Alleine."
"Der einsame Wolf steht dir nicht, großer Bruder", beschwerte sich Julien.
"Er wird mir stehen. Ab heute. Vertusche meine Beteiligung, solange du es kannst, Julien. Ich bin in einer Woche raus aus dem System, okay? Ach, und sorge dafür, dass Lucien nicht redet. Zertrümmere ihm am besten den Kehlkopf ein wenig."
Unschlüssig starrte der Polizist seinem Bruder hinterher. "Warum hast du das nicht gemacht, wenn du ihn einmal am Wickel hattest?"
"Weil ich auch an dein Vergnügen gedacht habe, kleiner Bruder. Du brennst doch darauf, ihm für Marie-Claire etwas anzutun. Ich kenne dich. Du bist von meinem Fleisch."
"Eine Woche", erwiderte Leutnant Julien Danton mit einem Seufzer. "Eine Woche, keinen Tag mehr." Langsam zog er seinen Schlagstock, wog in unschlüssig in der Hand. Dann betrat er das Aquarium.
***
Als die Wand aus LSR auf seinen Hauptmann zuflog, blinzelte Germaine überrascht. Bis er sich vor Augen führte, dass der zweite Manticore ihn aufs Korn genommen haben musste. Die Mechs waren bei weitem noch nicht nahe genug an der Linie, und das Mistding hatte genau wie sein zerschossener Kumpel Artemis-Feuerleitsysteme. Danton wartete bis zum letzten Moment, dann duckte er die schwere Assault-Maschine hinter dem Erdwall. Einige Raketen flogen über ihn hinweg, andere schrappten über Mechkopf und Rücken, ein paar explodierten nahe genug, um ihm leichte Panzerungsschäden hinzu zu fügen. Alles in allem war die Salve nicht effektiv gewesen. Allerdings hatte er für die Abwehr den Blick vom Schlachtfeld nehmen müssen, und deshalb konnten die angreifenden Panzer nun überall sein. Er richtete die Maschine wieder auf, und kassierte zwei KSR in die Brust. Er erwiderte das Feuer mit einer PPK, machte aber nur Glas aus Dreck und Sand. Der Manticore fuhr schräg zu seiner Stellung, direkt auf Decius Metellus und seinen Tai-sho zu. "Master Sergeant!"
"Ich sehe ihn, Imperator." Der Tai-sho schwenkte halb herum, hob den linken Arm und feuerte eine einzelne PPK ab. Das geschah beiläufig, während die überschwere draconische Maschine in einem Fernduell mit einem Masakari steckte. Ein Duell, das normalerweise für einen Innere Sphäre-Mech sehr übel ausging. Aber bisher waren die PPK-Blitze des Clan-Albtraums entweder in die Erde gegangen, oder an ihm vorbei gerauscht.
Die Abwehr aus der zweiten Stellung erwies sich als effektiver. Bisher hatten die Verteidiger keine Verluste gehabt, dafür aber auch noch keinen Gegner abgeschossen. Die Panzer, die bisher vorweg gefahren waren, um ihre geringere Höhe als Vorteil zu nutzen, konzentrierten sich nun weniger auf Schaden und mehr darauf, den Feind zu binden. Derweil brachte Imara seine Mechs näher heran, um mit geballter Macht brachial durch ihre Reihen zu stürmen. Germaine lächelte dünn. Die Panzer vorweg zu schicken wäre effektiv gewesen, wenn Imara sie nicht zum Binden der Feindmaschinen genutzt hätte, sondern um einen Durchbruch zu versuchen. Das hätte vielleicht die ganze Linie derart in Unruhe versetzt, um die eigenen Mechs endlich in Angreifsreichweite zu bringen, ohne dass Mikado den Rückfall auf Stellung drei befahl. Nein, Danton korrigierte sich. Das wäre nicht der Fall gewesen. Die hervorragenden Stabsleute der Eagles, der Miliz und der Eagles hätten den Abwehrkampf so koordiniert, sodass eine angemessene Streitmacht gegen die nachrückenden Mechs verteidigt hätten, während sich der andere Teil um die Panzer gekümmert hätte, die nun von den eigenen Linien abgeschnitten gewesen wären. Imara hatte das wohl gut erkannt. Er setzte auf Bindung, und die Heranführung seiner schweren Mechs. Er hoffte nicht auf die Verwirrung seines Gegners, was im Anbetracht der Routine der Chevaliers und Eagles wohl auch kaum zu erwarten gewesen wäre. Außerdem war Imara jetzt mehr als zuvor darauf bedacht, die stetig angreifenden Jäger unter Kontrolle zu halten. Deshalb rückte er in einem weit gefächerten Block vor, während seine Flanken und seine Nachhut die Jäger im Visier behielten. Der zweite Angriff hatte Icecream tüchtig eingeschenkt; zur Zeit befand sie sich auf dem Raumhafen, um in einer Notreparatur zwei Laser wieder gefechtsklar zu kriegen und ihre stark reduzierte Panzerung zu flicken.
Germaine wusste, dass Mikado noch vier Raumjäger in Reserve hatte. Und er war sich beinahe sicher, dass Imara das auch wusste. Wann die unbeschädigten, frisch bestückten Maschinen eingesetzt wurden, dazu geführt von ausgeruhten Piloten, konnte eventuell das Geschehen entscheiden, auch wenn es sich hauptsächlich um mittlere Maschinen handelte.
Alles in allem war es Wahnsinn. Genau die Art von Wahnsinn, die ihn dazu getrieben hatte, Sandhurst zu verlassen. Die ihm das Kriegerhandwerk verleidet hatte, bevor er mit einer vollkommen neuen Art des Wahnsinns konfrontiert worden war. Bevor er von der Rache gekostet hatte. Germaines Hände ballten sich um das Steuer. Das lag so weit hinter ihm, war so unglaublich lange her. Er erinnerte sich kaum noch daran. Er lebte im hier und jetzt. Er existierte, und er führte an. Auch wenn es Wahnsinn war, es war immerhin sein Wahnsinn.
"Auf die dritte Linie zurückfallen!", klangen die Worte von Mikado auf.
"Ihr habt den Herzog gehört, Leute. Rückzug wie geübt." Germaine gehörte zur vorderen Reihe, weshalb er seine Maschine zuerst nach hinten die leichte Rampe hinauf bewegte. Westlich von ihm wurde auch der Tai-sho größer. Sie hatten einen gemeinsamen Laufgang, der sie tiefer ins Stellungssystem führen würde und der sie vor den größten Streubeschuss schützen würde. Diesmal würden die hinteren Reihen ihren Abzug beschützen, und sich erst danach ebenfalls zurückziehen. Damit wurde Imara gezwungen, Meter für Meter immer neu zu erkaufen und öfter in ihrem Fadenkreuz zu sein, als sie in seinem Nur der Moment, wenn sie die Deckungslöcher verließen, war ein wenig kritisch. Wie kritisch erkannte Germaine, als über sieben PPK-Blitze in der Brust des Tai-Shos einschlugen. Die Maschine wurde durchgeschüttelt, verlor Panzerung wie ein Mensch Schuppen. Dann kippte sie langsam nach hinten weg. Deutlich konnte Germaine die rotglühende Wunde in der Brust der gewaltigen Kampfmaschine entdecken, die unheilvoll glomm. Sieben PPK's fast gleichzeitig in so ein kleines Ziel zu versenken war eine Meisterleistung. Germaine ahnte, das der kleine, freche Manticore dabei eine entscheidende Rolle gespielt hatte. Leider kam er zu spät, um sich an ihm zu rächen. Die Banshee aus Mikados Befehlslanzenahm den Panzer mit zwei PPK-Blitzen aus dem Rennen und ließ ihn als rauchendes Bündel zurück. Dann zog sich die Banshee nach Süden zurück, dem Tai-sho Mikados Feuerschutz gebend.
"Schätze, die haben geglaubt, das war meine Maschine. Eine Fünfzig zu Fünfzig-Chance", klang die Stimme des Herzogs auf. "Lebt Ihr Master Sergeant noch?"
Germaine zoomte an das Wrack heran, das womöglich Reaktorschäden erlitten hatte und bald kollabieren konnte. Dies schien auch Metellus zu wissen, der in größter Eile die Maschine verließ und in den Laufgang sprintete. "Er lebt", stellte Danton erleichtert fest und bewegte seine Maschine weiter in den Laufgang. "Wir sollten uns die Maschinen merken, die so vortrefflich zusammen geschossen haben. Falls sie das noch mal machen, meine ich."
"Ja, unser Freund Imara hat seine Leute gut trainiert. Um für uns gefährlich zu werden braucht er nicht einmal solche Schweinereien wie Donner-LSR. Die überschwere Lanze mit den beiden Masakari hat da zusammen gearbeitet. Wir können wohl froh sein, dass die beiden Pepps des Awesome komplett daneben gingen, sonst wäre Ihr Master Sergeant nicht mit dem Leben davon gekommen, Germaine. Aber keine Sorge, alles was wir hier kassieren, werden mit mit Freude und Zinsen zurück bezahlen. Und um den Tai-sho machen Sie sich mal keine Sorgen. Den kriegen die Techs schon wieder hin."
"Wenn wir die Schlacht gewinnen", warf Danton skeptisch ein.
"Natürlich. Oder zweifeln Sie daran, Germaine?"
Der Chevalier lachte leise. "Selbstverständlich nicht, Mylord."
"Na also. Geben wir ihnen auch von der nächsten Stellung Saures."
"Ja, Mylord."
Die Taktik war überraschend einfach. Während die Verteidiger durch die Erdwälle einigermaßen geschützt waren, steckten die Angreifer kleine und kleinste - oder auch große - Schäden ein, die sich irgendwann einmal summierten. Um die Jahrtausendwende hatte es ein Kampfprinzip gegeben, das sich mit diesen Schäden beschäftigt hatte. Die "Wahrscheinlichkeitsrechung des Ausfalls" war eine komplizierte Formel, die recht schlüssig bewiesen hatte, dass die Gefahr für einem Mech, auszufallen, im Quadrat zur Zeit stieg, die er im Gefecht unter Beschuss verbrachte. Die große Kunst der Mech-Kommandeure jener vergangenen Zeit war es gewesen, durch geschicktes Rochieren zu vermeiden, dass mehrere Mechs der eigenen Seite zugleich die Ausfallsperre erreichten und dann in der Kampfkraft fehlten. Heutzutage mit den aus der Sternenbundzeit wiederentdeckten Technologie spielte die Wahrscheinlichkeitsrechnung eher eine untergeordnete Rolle, besaß aber immer noch Gültigkeit. Heutzutage waren die Einheiten einfach viel größer als damals, und das bedeutete, dass ein Kommandeur viel besser rochieren konnte, um die Wahrscheinlichkeitsrechnung auszuhebeln. In diesem speziellen Fall aber hatte sie vor allem für Imara Gültigkeit. Allerdings auch nur, bis die Verteidiger Verstärkung durch ihre Truppen am Wasserloch erhielten - oder der Gegner schneller dabei war, seine eigenen Leute her zu ziehen. Wie dem auch sei, am Wasserloch würde es bald hoch her gehen. Es war beinahe zwei Uhr.
Germaine richtete sich in seiner neuen Stellung ein, kontrollierte die Schäden und den Sitz von Neurohelm und Neuropflastern. Die nächste Runde würde etwas später beginnen, weil Imara jetzt auf eine verdichtete Feuerkraft durch eine geschlossene Angriffs-Phalanx setzte. Und die Verteidiger hatten im Tausch für einen mittelschweren Panzer einen Assault-Mech verloren. Dieser Imara war für eine Menge Überraschungen gut.
***
Thorin
Hauptstadtdistrikt
Vier Jahre zuvor
Ecol City war eher eine ländliche Gemeinde als eine Großstadt. Und dabei explodierte sie als planetare Hauptstadt mit über zehn Millionen Einwohnern. Aber das alte Flair der Sternenbundzeit hatte sich bis in die heutigen Tage herüber gerettet. Egal welche Fahne über den offiziellen Gebäuden des Planeten wehte, MAN hatte eine Tradition, die bis weit in Sternenbundzeiten zurückreichte. MAN hatte einst eine der Top-Universitäten der Inneren Sphäre besessen, bevor Amaris' Spießgesellen dieses Monument der Zivilisation verbrannt hatten. MAN hatte die größte Bibliothek der Inneren Sphäre besessen, und es war ein offenes Geheimnis, das so mancher verloren geglaubter Wissensschatz, natürlich auch von Amaris' Söldnern verbrannt, in dem einen oder anderen Haushalt der Stadt zu finden war. MAN war jemand. Thoriner, um genau zu sein. MAN war etwas anderes, besseres, größeres, und deshalb hatte MAN zu den geistig weniger bemittelten, sprich Außenweltlern, besonders freundlich zu sein - sie konnten ja nichts dafür, dass sie nicht auf Thorin geboren waren. Und MAN war reich, denn nicht nur die weit über die lyranischen Grenzen bekannte Flight School machte Thorin bedeutend, sondern auch die Position in der Inneren Sphäre selbst, als bedeutender Handelsknotenpunkt. MAN hatte allen Grund dazu, ein klein wenig arrogant zu sein. Und das tat MAN auch.
Leider war das Universum kein Ort, der Arroganz ungestraft ließ, wenn sie nicht belegt werden konnte. Und neben den Thorinern, die in ihrer Arroganz schwelgten, gab es solche, die mit beiden Händen im Dreck wühlten, Dinge taten, die sie in den Augen ihrer Mit-Thoriner herab würdigten. Solche, die sich um die dunklen, schmutzigen und üblen Seiten im Leben kümmerten.
Teufel, Germaine Danton wünschte sich, er wäre an so einen Thoriner geraten, und nicht an eine der arroganten, eingebildeten Flachpfeifen.
"Also, noch einmal, Mr. Danton. Was genau haben Sie auf Thorin vor?", fragte Polizeihauptkommissar Jan Weddel. Der breitschultrige, blonde Mann lächelte den Terraner gewinnend an. Er sah gut aus, und er war offensichtlich ein Karrieremann. Kein besonders geschickter Karrieremann, sonst hätte er seine Zugehörigkeit zu Lohengrin, der Antiterroreinheit der lyranischen Polizei besser verschleiert. Und er hatte Germaine auf den Kieker, kaum das dieser aus dem Landungsschiff gestiegen war. Verdammt. Seit er den Zoll verlassen hatte, saß er in diesem uralten, überfüllten, lauten und mit arroganten Arschlöchern gefüllten Polizeirevier fest. Er musste sich nun schon seit drei Stunden die geölte Stimme dieses Fatzkes anhören. Und er kam keinen Schritt weiter. Sie kamen keinen Schritt weiter.
"Hören Sie, legen wir einfach die Karten auf den Tisch. Warum halten Sie mich hier fest? Ist es wegen dem Mord, den ich auf Terra begangen habe?"
Schlagartig war es im überfüllten Großraumbüro so leise, dass man eine Stecknadel hätte fallen hören können. Hunderte Blicke richteten sich auf den Terraner.
Sein Gegenüber wurde blass. "Ich... Ich hätte nicht gedacht, dass..."
"Dass ich es so freimütig zugebe? Lassen Sie mich raten, jemand hat Ihnen Bescheid gesagt, dass ich komme. Und dieser Jemand hat angedeutet, dass ich in der Lage bin, auf Thorin ebenfalls einen Mord zu begehen."
Der Schönling schien sich wieder zu fassen. "Und? Sind Sie in der Lage, noch einen Mord zu begehen, Mr. Danton?"
"Nein, natürlich nicht", erwiderte er. "Ich bin in der Lage, fünf weitere Morde zu begehen."
Das gerade erst aufkommende Lächeln auf dem Gesicht des Hauptkommissars erstarb wieder. Er wirkte ernüchtert, verlegen, beleidigt. Vor allem beleidigt.
"Lassen Sie den Jungen in Ruhe, und bringen Sie ihn rein, Weddel!", blaffte ein Mann mit der Stimme eines gedienten Drillsergeants.
"Ja, Sir!" Der Blonde sprang auf. Er deutete in Richtung des Chefbüros. "Gehen wir, Mr. Danton."
Im Büro angekommen erwartete sie ein breitschultriger Riese mit Stirnglatze. Er wirkte sehr schlecht gelaunt, und seine goldene Nickelbrille konnte das weder mindern, noch den Eindruck korrigieren, den er auf andere machte. Den Eindruck als kampfbereites, gefährliches Mordpaket. "Setzen Sie sich, Mr. Danton. Es wird schnell gehen, aber nicht so schnell."
Gehorsam nahm Germaine Platz. Dieser Mann hatte gedient. Und er hatte bereits eine Menge gesehen. Vielleicht zu viel. "Sie vermuten ganz richtig, uns hat jemand einen Tipp gegeben, dass Sie kommen. Und dass Sie auf Terra gesucht werden. Nicht wegen Mord, sondern wegen Entführung, Freiheitsberaubung, versuchten Mordes und schwerer Körperverletzung." Der Riese sah ihn aus eisgrauen Augen an. "Ihr Opfer hat überlebt, Mr. Danton."
"Keine Sorge", knurrte Germaine zurück. "Ich habe ihn entwaffnet. Selbst wenn die Terraner so blöde wären und ihn freiließen, er wird nie wieder eine Gefahr sein."
"Ich glaube, der Hauptaugenmerk liegt im Moment eher darauf, das von den Haien angeknabberte Gesicht zu restaurieren."
Hinter sich hörte Germaine Weddel würgen. Das zauberte ein Lächeln auf sein Gesicht.
"Nicht, dass es vorher wesentlich hübscher war", kommentierte der Franzose.
"Sie wissen, dass die Lyranische Allianz keine Auslieferungsverträge mit Terra oder ComStar hat. Sie wissen, dass wir Sie für die Verbrechen, die Sie auf Terra begangen haben, hier nicht verurteilen, ja nicht einmal festhalten können."
"Natürlich weiß ich das. Und wenn Sie schlau gewesen wären, hätten Sie mich kurz nach der Landung abgepasst, durchgeprügelt, und dann als Fleischeinlage für ein Betonfundament missbraucht. Sie haben es nicht. Also sind Sie entweder ein großer Narr, der an den Unsinn von Recht und Ordnung glaubt, oder Sie brauchen mich auf eine verrückte Weise."
Der Hüne grinste ihn an. "Was glauben Sie, Mr. Danton? Bin ich ein Recht und Ordnung-Narr?"
"Wären Sie das, hätte ich die Mörder meiner Verlobten am Flughafen eingeholt. Da habe ich sie allerdings nicht gesehen. Also, was wollen Sie? Und soll der Frischkäse das wirklich mitkriegen?" Er deutete mit dem Daumen über die Schulter.
"Sir, ich..." "Raus, Weddel." "Aber, Sir." "RAUS!"
Germaine lächelte dünn, als die Tür ins Schloss fiel. "Reden wir jetzt Tacheless, oder soll ich mir schon mal einen studierten Anwalt aussuchen?"
Sein Gegenüber schnaubte amüsiert. "Tun Sie, was Sie nicht lassen können."
Ein Foto segelte bis zu Germaine. Er ergriff es und schnaubte erbost. "Ricks."
"Nathaniel Ricks, richtig. Söldner, Psychopath, Massenmörder. Glauben Sie nur nicht, Sie seien der einzige, der weiß wie man Informationen bekommt. Ich habe bereits gewusst, dass er Ihre Verlobte vergewaltigt hat, da waren die Anderen noch nicht mit ihr fertig."
Germaine blieb äußerlich ruhig. Ab hier wurde es interessant.
"Sie haben sich ja sehr gut unter Kontrolle", stellte der Revierboss leicht enttäuscht fest.
"Oh, Hai-Angeln hat eine sehr entspannende Wirkung. Sie nimmt den Zorn auf Wochen. Sie sollten es auch mal probieren. Aber achten Sie auf den richtigen Köder. Was also wollen Sie von mir?"
"Er war es, der Sie angeschwärzt hat. Hat gesagt, wer hier bald ankommen wird. Was er getan hat. Was wir mit Ihnen tun sollten." Sein Gegenüber grinste. "Ich war mit Ricks in den Clankriegen. Habe ihn genügend Dinge tun sehen, die Ihnen den Magen umgedreht hätten. Und dann kommt er her, in mein Revier, und erwartet, dass ich ihn weiterziehen lasse, um wieder über die Menschheit herzufallen?" Ungläubig schüttelte er den Kopf. "Nein, ich werde ihn kriegen. Hier und jetzt. Und es wird vollkommen legal sein. Sie, Germaine, werden mir dabei helfen. Sie sagen mir einfach, auf welchen Typ Frau er steht. Ich weiß, dass Sie das heraus gefunden haben. Nicht das, was er gerne bumst. Das, wofür er alle Vorsicht in den Wind schießt. Wonach er sich alle elf Stifte leckt. Das, wobei ihm die Sicherungen raus fliegen."
"Er ist ein Fan vom Babystrich", sagte Germaine kühl. "Die meisten seiner Dienstleisterinnen leben sogar noch. Marie-Claire, meine Verlobte, war an dem Fall dran, und... Es führt zu weit. Suchen Sie was Junges, Knackiges. Möglichst jung. Und Sie haben ihn bei den Eiern. Aber Vorsicht, lassen Sie ihn nicht mit ihr allein. Er ist ein perverses Monster."
"Ich glaube nicht, dass Sie in der Lage sind, ausgerechnet mir einen Rat zu geben, Germaine. Außerdem würde ich mit Lobpreisungen an den Herrn Dutzende Mädchen opfern, nur um diesen Bastard legal aus dem Verkehr ziehen zu können." Er raffte ein paar Unterlagen zusammen. "Sie können gehen. Und wehe, Sie leisten sich irgendetwas in meiner Stadt, auf meinem Planeten."
Danton erhob sich. "Sie sind ein verdammtes Arschloch." "So?" "Ein Arschloch nach meinem Geschmack." "So." Kurz maßen sich die beiden mit einem Blick in die Augen. Was sie sahen, gefiel ihnen. Beide sahen hinter der Pupille des anderen das Biest lauern, die unbeugsame Bestie, die es in jedem Mann gab. Das Monster, das nur nach Instinkten lebte. Germaine hatte es entfesselt. Der da hatte es entfesselt. Beide hielten ihr Monster an der Leine. Und die Leine war lang.
Danton deutete mit zwei Fingern einen Salut an. Dann stand er auf und verließ das Büro.
"Bringt mir die Nutte von der Morgenrazzia", klang seine Stimme hinter Germaine her.
Ein paar Minuten später kam ein Polizeioffizier aus dem Zellentrakt in Begleitung einer grell geschminkten jungen Frau. Nein, die Schminke machte sie älter als sie wirklich war. Sie wirkte müde, und das lag sicher nicht an der durchwachten Nacht in der Zelle. Weddel führte sie in Richtung Büro.
Für einen Moment haderte Germaine, dann trat er Weddel in den Weg und rannte ihn und das Mädchen um. Er griff zu, und half der Prostituierten auf die Beine. "Was immer sie dir sagen, bleibe mit Ricks nie allein in einem Zimmer", raunte er ihr ins Ohr. Verständnislos sah sie ihn an. "Mister?"
"Du wirst es verstehen. Gleich." Danach griff er zu, und half Weddel auf die Beine. "Ein Mann mit Ihrem Gewicht sollte standfester sein, Junge."
"Und ein Mann wie Sie sollte nicht mutwillig Polizeibeamte umrennen, wenn er meine Zellen nicht von innen kennen lernen will", zischte der Hauptkommissar zurück.
Drei Stunden später saß Germaine Danton in der Kneipe des örtlichen Cameron-Hotels und arbeitete an einem anständigen Alkoholpegel. Noch vor einem Jahr war dies seine Welt gewesen. Sein Reich. Nach Marie-Claires Tod hatte er sich, wenn er nüchtern war, in schmierigen Kneipen in herunter gekommenen Vierteln herumgetrieben und dort Leute für Informationen zusammen geschlagen. Erfolgreich zusammengeschlagen. Die Sandhurst-Kurse in Judo, Aikhido und Karate hatten sich wirklich bezahlt gemacht. Diese Kneipen hatten natürlich den Fehler, dass man sich in ihnen nicht besaufen konnte. Wer dort unter den Tisch sank, hatte Glück, wenn er am nächsten Tag wieder aufwachte. Und falls, dann nur nackt, und mit all seinen Nieren. Für ein schönes komatöses Gefühl jedoch bevorzugte Danton eine Hotelbar. Man hatte es nicht weit bis zum gemieteten Bett, und das Personal hatte einen Job zu verlieren. "Noch einen, Sam." Germaine schob sein schweres Bleikristallglas in Richtung des Barkeepers.
"Wollen Sie drüber reden?", fragte der schwarzhäutige Glatzkopf.
"Worüber? Dass meine Verlobte vergewaltigt und ermordet wurde? Dass ich nichts tun konnte? Dass die Polizei nichts tun konnte?"
Erschrocken sah der Barkeeper ihn an. "Ich... Ich..."
"Schon gut, Sam. Mach das Ding einfach voll."
Fast weißer Single Malt perlte in das Glas. Der Barkeeper hörte erst auf mit einschenken, als es beinahe überlief. "Der geht auf mich."
"Nein, auf mich", sagte eine Stimme neben Danton. Zwanzig Steinerkronen landeten auf dem Tresen. "Und ein zweites Glas."
Germaine sah zur Seite und erkannte Weddel. Was reitet Sie denn, dass Sie meine bedeutende Gesellschaft suchen?"
Das Glas kam, und Weddel halbierte den Drink. Das vollere schob er Germaine hin. "Sagen wir, ich schiebe Frust. Und Sie sind ein guter Saufkumpan, habe ich mir sagen lassen."
"Und dann klauen Sie meinen Sprit? Erzählen Sie mir keinen Scheiß."
Weddel nahm einen kräftigen Schluck aus seinem Glas. "Sie sind doch noch nüchtern genug, oder?"
"Nach dem Glas vielleicht nicht mehr. Ich arbeite hart daran", erwiderte Danton.
"Oh, gut." Weddel griff erneut zu, und kippte die restliche Hälfte auch in sein Glas.
"Was wollen Sie von mir, Weddel? Wenn Sie wen zum Heulen brauchen, bin ich der Falsche. Suchen Sie sich was mit Titten."
"Ich wurde abgezogen", sagte der Mann frustriert. "Der Ricks-Fall. Der Captain hat mich abgezogen, weil ich Irene verwanzen wollte."
"Irene? Die kleine Nutte?"
"Sie ist keine kleine Nutte. Sie hat es nur schwer im Leben gehabt, und..." Er seufzte tief und schwer.
"Und die kleine Nutte hat Sie um den Finger gewickelt", sagte Germaine amüsiert.
"Sie IST keine... Noch zwei, Sam." Er legte eine weitere Zwanzig Kronen-Note auf den Tisch. "Haben Sie vielleicht Lust, dabei zu sein? Ich weiß wo es steigt."
Danton kippte sein Glas. Das würde bedeuten, dass er wusste, wohin dieser Bastard Ricks zurückkehren würde, sobald die Polizei ihn laufen lassen musste. Ob sie etwas von seinem draconischen Diplomatenpass wussten? "Einverstanden." Er nahm Weddel das Glas aus der Hand. "Sie fahren. Dafür müssen Sie nüchtern sein, oder?" Germaine zauberte ein Trinkgeld aus seinen Taschen. "Halte mir den Platz frei, Sam. Wir machen genau an dieser Stelle weiter."
"Gerne, Sir."
In einer dunklen Seitengasse observierten sie ein Auto. Es saßen zwei Polizisten darin, und sie observierten ein Gebäude. Alle Zugangsstraßen waren unter Beobachtung, und alles was Weddel und Danton tun konnten, da war warten. Warten darauf, dass der Einsatz los ging.
Plötzlich stiegen die beiden Cops aus. Sie sahen auf das Gebäude, sahen sich an, diskutierten heftig.
"Da ist was schief gelaufen!", rief Germaine, riss seine Tür auf und rannte los. Weddel war direkt hinter ihm.
Danton ergriff den Vordersten an den Schultern. "Was ist passiert? Kommt kein Befehl zum Zugriff?"
Der Mann starrte zuerst ihn, dann Weddel an. "Sie sind seit einer halben Stunde in der Wohnung, aber Brice gibt immer noch keinen Zugriffsbefehl. Wir..."
Dantons Augen weiteten sich vor Entsetzen. Er stieß den Mann zu Boden und kletterte in den Wagen. "Wie heißt das Codewort, Weddel?"
"Unicorn!" Germaine aktivierte die Funkanlage, trat nach dem zweiten Mann, der ihm das Sprechgerät weg nehmen wollte, und rief: "Unicorn!"
Damit entfesselte er einen Strom an uniformierten und zivilen Polizisten, die auf das einsame Haus zuliefen. Ein ESWAT-Team brach die Haustür auf, und der stoische Chef der Aktion kam ebenfalls hinzu. "Wer hat das angeordnet!", blaffte er.
Im Haus gab es kurz Tumult. Dann herrschte Ruhe. Eine Polizistin kam hervor gestürmt, fiel auf alle Viere und erbrach sich.
Germaine sprang aus dem Wagen, lief auf das Haus zu. Dabei erreichte er Brice. "Ich habe Ihnen gesagt, dass Sie ihn nicht mit ihr alleine lassen sollen!"
"Ich brauche etwas Handfestes, um ihn dran zu kriegen", zischte er. "Mit Kuscheln fängt man keine Gangster."
"So? Ich hoffe, Sie haben keine Kinder, sonst wird Ihnen Leid tun, was Sie sehen werden."
In einer der Seitenstraßen flammte Blaulicht auf, als ein Krankenwagen heran fuhr.
Germaine ließ Brice stehen, rannte auf das Haus zu, Weddel dicht hinter sich. "Ist in Ordnung! Er gehört zu mir!"
Sie folgten einfach der Spur der kalkweißen Cops, um zur richtigen Wohnung, und dann zum richtigen Zimmer zu gelangen. Germaine warf einen einzigen Blick hinein, dann stoppte er Weddel. "Gehen Sie da nicht rein, Junge. Ist nicht schön."
Weddels Miene erstarrte. Dann schob er sich an Danton vorbei. Was er sah, entsetzte ihn über alle Maßen. Ein gestandener Polizeioffizier mit Jahrzehnten Berufserfahrung hockte mit verheultem Gesicht neben dem Bett, auf dem das lag, was vor einer halben Stunde noch ein einigermaßen gesundes Mädchen gewesen war. Bevor Ricks sein bevorzugtes Messer herausgeholt hatte. "Wo bleiben die Ärzte?", stammelte er.
Der lag splitternackt am Boden, mit dem Gesicht nach unten, die Hände und Beine gefesselt. "Ihr könnt mir gar nichts!", rief er heiser. "Ich bin Diplomat! Draconischer Diplomat!"
Weddel wandte sich ihm zu, kalkweiß im Gesicht, und zu allem entschlossen. Langsam zog er seine Autopistole, und richtete sie auf Ricks' Kopf.
Germaine nahm ihm die Waffe aus der Hand. "Wollen Sie es ihm so leicht machen, Junge?"
"Okay, Herrschaften, okay, jeder hatte seinen Spaß. Macht Platz für die Forensiker, damit hier alles ordentlich aufgenommen wird!", rief Brice, als er eintrat.
"Aber sie lebt doch noch", hauchte einer der Cops, die Ricks am Boden hielten.
"Das ist doch kein Leben mehr. Das ist doch nur noch leiden. Lassen wir sie davon dämmern."
Danton wirbelte herum. Seine Faust traf auf den Block des gestandenen Soldaten. "Das habe ich erwartet."
Als die handlange Klinge aus Dantons rechten Ärmel fuhr und Brice die Hand aufschnitt, grinste er. "Das auch?" "Du verdammter Bastard! Ich kriege dich dran wegen Angriff auf einen..."
Für einen Augenblick begann er zu zittern, als Danton den Elektroschocker an seiner Hose auslöste. "Das reicht nicht, um mich..."
Danton ließ ihn die Dosis noch mal kosten, dann fiel er um.
"Okay, Herrschaften, alle raus, die keine Miete zahlen. Einer holt mir jetzt den Arzt rein, ihr zwei schafft dieses Arschloch hier raus, und dann alle raus aus dem Haus, die keine Miete zahlen. Nicht den da. Ricks bleibt schön hier!" Danton ließ sich auf den Rücken des Mörders fallen. Hart genug, dass dieser gequält aufheulte. "Schöne Grüße von Marie-Claire, du Bastard."
"Ach, Danton, bist du das? Du kannst mir gar nichts. Ich bin Diplomat."
Danton zeigte ihm seine Klinge. "Das ist mir scheißegal, du Arschloch."
"Was ist denn... Oh mein Gott. Was hat man ihr angetan?" Der Arzt kam mit zwei Pflegern an das Bett gestürmt. Er untersuchte die zerschnittene, geschundene junge Frau und fühlte nach dem Puls. "Oh Gott, welches Tier hat das getan?"
Danton rammte sein Knie noch einmal richtig in die Nieren seines Gefangenen, damit dieser kräftig aufheulte. "Dieses hier, Doc." Er grinste böse. "Können Sie sie wecken und stabilisieren? Und etwas gegen die Schmerzen geben? Aber nicht so viel, dass sie einschläft."
"Was? Aber..." "Würden Sie sagen, dass das Mädchen die Nacht überlebt?"
"Nein, Sir, doch es wäre gnädiger, sie..."
"Wollen Sie das Mädchen unglücklich sterben lassen, Doc?"
Die Miene des Arztes wurde hart. "Ich kann Sie nicht unterstützen. Ich habe einen Eid geleistet."
"Dann raus mit Ihnen und allen anderen."
"Ich bin Feldsanitäter", bot Weddel an. "Ich kriege das hin. Lassen Sie mir Ihren Notfallkoffer da und legen Sie eine Kochsalzinfusion. Für den Rest sind Sie dann nicht mehr zuständig."
"Möge Gott Ihrer beiden Seelen gnädig sein", murmelte der Mediziner, legte die verlangte Infusion und verließ den Raum. "Rufen Sie mich, wenn es vorbei ist."
Weddel schloss die Tür hinter dem letzten Mann.
"Das kostet Sie Ihren Job", sagte Danton.
"Wieso? Sie machen doch die Hauptarbeit. Ich wecke nur dieses Mädchen auf." Er zog eine Spritze auf und schob den Inhalt in die Infusion. Danach setzte er eine zweite an.
Langsam begann sich die Prostituierte zu regen, aber jede Bewegung bedeutete trotz des Morphiums Schmerz.
"Willkommen zurück im Reich der Lebenden", sagte Germaine. "Du wirst sterben, wegen diesem Bastard."
Sie grunzte. "Verstehe." Sie sah Germaine an, dann Ricks. "Und... nun?"
Danton grinste dämonisch. "Und nun, mein Rotlichtengel, werden wir dir deine letzten Stunden auf Erden versüßen." Er hob seine Klinge in ihre Blickrichtung. "Wir spielen jetzt ein Spiel. Und das heißt: Germaine tut alles, was die Kleine sagt. Und glaube mir, Schatz, mit dem Ding hier kann ich alles schneiden."
Ein Lächeln huschte über ihr Gesicht. "Ja...", hauchte sie.
"Also, was soll ich zuerst abschneiden?"
"Du bist doch wahnsinnig, Danton!", blaffte Ricks in Todesangst. "Du bist doch vollkommen verrückt! Du bist..."
"Finger...", hauchte das Mädchen.
"Dein Wort ist mir Befehl", erwiderte Germaine grinsend.
Als der Morgen graute, erwartete Danton eine große Zahl grimmiger, aber seltsam zufriedener Mienen. Er streckte die Hände vor. "Ihr könnt mich jetzt festnehmen."
"Tut mir Leid, aber Sie sind gar nicht hier", sagte der Ältere, der weinend am Bett des Mädchens gestanden hatte. "Genau genommen weiß ich gar nicht, warum ich mit der Luft rede. Als wir gekommen sind, war dieser Mistkerl schon erledigt. Kein Grund zu behaupten, Sie wären darin involviert gewesen."
Danton lächelte überrascht, als die Sanitäter und Polizisten rund um ihn nickten.
"Sie hat lange durchgehalten", sagte der Polizist leise.
"Sie hatte einen sehr schönen Anblick in ihren letzten Stunden. Na, das ist eine Frage des Standpunkts. Ricks hätte er sicher nicht gefallen." Argwöhnisch sah Danton in die Runde. "Und der Boss?"
"Hatte einen hysterischen Anfall. Wir mussten ihn festschnallen und wegbringen lassen. Er hat das Mädchen gesehen und ist durchgedreht."
"Was für eine erstaunliche Wendung", sagte Germaine, zog eine Zigarette aus seiner Jacke und tastete sich nach seinem Feuerzeug ab. Ein halbes Dutzend wurde ihm hingehalten. "Danke, Leute."
Er rauchte die halbe Zigarette, bevor er weiter sprach. "Also, was ist der Plan? Ich gehe hier einfach weg, oder was?"
"Ein Streifenwagen wird Sie zu einer Halle in der Nähe bringen. Da können Sie das Blut dieses Bastards loswerden. Danach geht es ins Hotel. Und danach wollen wir Sie nie wieder auf Thorin sehen."
"Schätze, das ist fair. Also los." Er wandte sich halb um. "Tut mir Leid, dass Sie das sehen mussten, Weddel."
"Tut mir Leid, das es passiert ist, Sir."
Die beiden nickten einander zu, dann stieg der Blutgetränkte Danton in den bereit stehenden Polizeiwagen ein. Das bedeutete wohl, die anderen vier Bastarde würden ihm entkommen. Vorerst. Aber dafür hatte er den Schlimmsten erwischt. Richtig erwischt. Sein Lächeln erstarb. So sollte die Welt nicht sein dürfen. Nirgendwo.
Andai Pryde
Wayside V („Wildkatz“)
Nordwestlicher Rand des Kurita Beckens, nahe dem Jeffrey Raumhafen
02.August 3066, 04:34 Uhr
Instinktiv riss Matthew seinen Nighstar herum und entging nur knapp der Salve Autokanonen Granaten.
Mühevoll unterdrückte Matthew ein Gähnen, während er die aufkommende Unschärfe in seinem Blick wegblinzelte. Die Aufputschmittel ließen allmählich nach.
„Das war knapp Prince, am Einschlafen?“
Frederics Stimme ging in kurzer Statik unter, als die ER PPCs des Daishis das Feuer erwiderten und kurzfristig den Funk störten.
Aber auch der Clanner traf den wieder abziehenden Zhukov nicht.
In der Ferne blitzten Explosionen auf und ließen erahnen welche Schlacht seit fast vier Stunden am Raumhafen tobte.
Dagegen war es bei den beiden Chevaliers in ihren Mechs nahezu ruhig.
Die Schwebepanzer, von denen sie entdeckt worden waren, hatten schnell das Weite gesucht, nur um kurz darauf von einem Trio schwerer Kettenpanzer abgelöst zu werden.
Ein Zhukov, Bulldog und ein Sturmfeur.
Die drei Panzer waren in etwa gleich schnell wie Frederics und Matthews Mechs.
Es war genug, um den beiden Chevaliers Ärger zu bereiten und die beiden Mechkrieger versuchten nun seit knapp vier Stunden diesen Ärger zu vermeiden und auf Distanz zu halten.
Es klappte recht gut.
Die drei Panzer blieben oftmals auf weiter Entfernung und begnügten sich mit LSR und Autokanonen Salven, während sie die beiden Chevaliers quasi vor sich her trieben.
Scheinbar hatten sie klare Anweisungen und die Vernichtung einer der beiden Parteien schien im Moment nicht dazu zugehören. Das oder etwas Schlimmeres.
Zum wiederholten Male prüfte Matthew die Sensoranzeige und stierte dann wieder in die Nacht hinaus, während er den Nightstar in einem wilden Galopp parallel zur Küstenlinie auf den Raumhafen zu führte.
Nichts Außergewöhnliches, aber der gegnerische Kommandeur schien nichts dagegen zu haben, dass die beiden Assaultmechs sich ihrer Truppe anschließen wollten.
Die Panzer brausten hinter ihnen her, immer noch sporadisch feuernd, unternahmen aber keine weiteren Versuche ihnen groß näher zu kommen.
Fünfmal hatten die beiden Chevaliers versucht auszubrechen und in die Flanke zu stoßen. Viermal hatten die Panzer sich verschoben und sich mit voller Wucht dazwischen gebracht. Beim fünften Mal war ihnen schweres PPC Feuer aus den Reihen der gegnerischen Mechs entgegengeschlagen.
Matthew war das Recht. Auf lange Sicht würden die beiden Mechs an der Flanke eh aufgerieben werden, wenn sie auch eventuell für Entlastung hätten Sorgen können. Er hatte wenig Lust heute zu sterben, vor allem nicht hier, also beließen sie es bei kleineren Störmanövern, bewegten sich in Richtung westlichem Raumhafenrand und beschäftigten die drei Panzer.
Immerhin hieß das, dass der Gegner drei Panzer weniger an anderer Stelle hatte, leider auch, dass den Chevaliers zwei ihrer schwersten Maschinen fehlten.
Mit einem dumpfen Dröhnen rauschten die verbliebenen Luft-Raumjäger der Chevaliers vorbei. Die Stuka, der Stingray und der Korsar und hielten mit vollem Feuer auf die gegnerische Flanke zu. Alle drei Jäger sahen nicht mehr sehr gut aus, schienen aber noch bewaffnet und flugfähig zu sein. Ihnen folgte eine leichte Drossel von den Eagles, die ebenfalls nicht mehr allzu gut aussah.
„Das wird eng da vorne, oder?“
Matthew nickte stumm. Die Angreifer hatten sich in die Stellungen verkeilt und bissen sich quasi mit den Chevaliers auf kurze bis mittlere Distanz. Beide Seiten kamen nur sporadisch zu Abschüssen, dafür waren die Kommandeure auf beiden Seiten sehr bemüht den Überblick zu waren und ihre Truppen ständig zu verschieben.
Auf der einen Seite der Matthew unbekannte Kommandeur, der es immerhin schaffte seine maschinellen Verluste trotz der vorbereiteten Stellungen klein zu halten, was Bewunderung verdiente. Auf der anderen Seite der Herzog und Colonel Danton, die sich darum mühten ihre Jungs und Mädels da heil durchzubringen, mit dem Rücken zur Wand. Ihnen blieb nicht mehr viel wo sie hin konnten.
„Ich denke wir schalten uns da jetzt auch mal ein. Viel bleibt denen wirklich nicht mehr. Die nächste Rückzugslinie ist der Raumhafen, wenn es noch eine Chance für uns gibt durchzuschlüpfen, dann jetzt!“
„Pos. Das sehe ich auch so.“
Frederic bestätigte dies, während er dem vorwitzigen Bulldog ein paar seiner ATMs in die Flanke setzte, vermutlich die letzte aus seinem Langstreckenpaket.
Auch Matthew sparte mittlerweile mit den Gauss. Eine Tonne hatte er schon verschossen, bei nicht nennenswerten Treffern.
Diese Panzerfahrer waren gut. Ständig wechselten sie die Seiten und boten sich als Ziel neu an, um einen kürzlich getroffenen Kameraden zu entlasten.
Zwar hatte jeder schon gute Treffer eingesteckt und zumindest der Sturmfeur hatte eine seiner LSR eingebüsst, aber sie waren immer noch gut dabei.
Fast acht Minuten waren mittlerweile wieder vergangen, wie Matthew mit einem beiläufigen Blick auf das Chrono feststellte. Mit einem Knistern tönte Jara Fokkers Stimme über den Chevaliers Kanal.
„Sparrow für Home Base: Stehen unter schwerem Beschuss. Drei schwere Clan-Mechs und eine Lanze Panzer. Wir brauchen sofort Verstärkung!“
Instinktiv suchte er die Stellungen ab, konnte aber auf die Entfernung nichts exaktes ausmachen. Dennoch musste sie da hinten stecken, zumindest wenn er seinen Sensoren und Instinkt halbwegs vertrauen konnte.
„Nun gehen wir doch mal aushelfen.“
„Gute Idee, aber das könnte ein kleines bisschen schwierig werden, scheinbar wollen unsere Panzerjungs wieder spielen kommen.“
„Ich seh´s.“
Zähneknirschend zog Matthew das Fadenkreuz über den Bulldog und beobachtete, wie die drei Panzer in perfekter Formation auf sie zu hielten. Immer wieder kreuzten die Fahrzeuge ihre Fahrlinie und boten so eher schwierig zu treffende Ziele.
Er feuerte seine beiden Gauss ab. Diesmal waren die Schüsse erfolgreicher. Der erste silberne Streif schlug direkt in die Front des Zhukov ein und ließ den Panzer durch die pure Einschlagwucht einen Moment ins Stocken kommen. Der zweite Schuss streifte die linke Seite des Panzers und riss Panzerung mit sich.
Frederic PPCs folgten, eine direkt in den Turm, die andere in die bereits angeschlagene Seite.
Mit einem lauten Knall löste sich die Kette und der Panzer kam zum ungewollten Halt.
Vorläufig außer Gefecht genommen.
Blieben noch der Sturmfeur und der Bulldog.
Die beiden Panzer schienen durch den Ausfall ihres Kameraden allerdings noch mehr angestachelt und beschleunigten nun. Der schnellere Bulldog vorneweg, während der Sturmfeur seine LSR sprechen ließ.
Wieder zuckten Autokanonen Salven an Matthew vorbei, während die LSR seinen Mech leicht durchrüttelte. Alles in allem aber eher Lackschäden, als wirklicher Panzerungsverlust.
Er hatte dennoch wenig Lust, dass es zu mehr kam.
„Wir sollten die beiden Panzer auch ausschalten, sonst haben wir die vermutlich mitten im Kreuz!“
„Pos.“
Frederic löste seine Sprungdüsen aus und sprang über Matthew hinweg, während seine beiden PPCs verderben sprachen.
Die beiden Panzer nahmen das Ziel bereitwillig an und feuerten auf den überschweren Clan Omnimech, aber ebenfalls nur mit mäßigem Erfolg.
„Gute Fahrer, schlechte Schützen.“
Wie um Matthews Worte zu unterstreichen, begannen beide Panzer wieder mit leichten Zick Zack Manövern. Mit einem lauten Ping meldete seine Aktivsonde einen weiteren Panzer, der mit hoher Geschwindigkeit näher kam.
„Was zum…“
Matthew machte sich nicht die Mühe den Mech umzudrehen, sondern löste die Sprungdüsen aus und drehte die Maschine im Spring leicht ein.
Ein Bandit Schwebepanzer schoss auf ihn zu und unter seinem springenden Mech durch.
Völlig verdreckt, voller Schlamm und Sand war es schwer irgendetwas an dieser Maschine zu erkennen, aber der Adler der Wayside Eagles starrte ihn Angriffslustig an, gepaart mit einem „How´s my driving“ am Heck des Panzers.
Die rechte Seitenschürze war mit dicken Lagen silbernen Panzertape geflickt und der Panzer schien generell ein wenig schief zu liegen. Allerdings schien das den Schützen wenig zu stören. Mit vollem Laserfeuer raste der Panzer auf die beiden gegnerischen zu und verwirrte diese völlig, bevor er nahezu halsbrecherisch direkt zwischen beiden Panzer durch raste.
Die Türme drehten sich dem Bandit hinterher und versuchten das Nahkampf Arsenal zum tragen zu bringen, zum Glück des Schwebepanzers nur mit mäßigem Erfolg, dennoch wurde er gut durchgeschüttelt.
Die beiden Chevaliers nutzten ihrerseits die Chance und feuerten, was ihr Waffenarsenal an Langstreckenkapazität her gab.
Der Bulldog platzte in einem furiosen Spektakel auf, als die gleißenden PPC Blitze, gefolgt von dem silbrigen Schweif der Gausskugeln ihn förmlich ausweideten.
Der Sturmfeuer drehte ab, sandte ihnen nochmals eine einsame LSR Salve entgegen, die harmlos über Frederic hinweg flog.
Matthew öffnete eine allgemeine Frequenz auf dem Kanal der Miliz.
„Danke, wer auch immer sie sind.“
„Corporal Lukas Hicks, Wayside Miliz. Ist uns ein Vergnügen.“
Mit einem Kacken kam wieder Jara Fokkers Stimme über den Äther.
„Sparrow an Home Base: Ich brauche Elementare. Steel hat’s erwischt, er muss geborgen werden!“
„Corporal, sie sind jetzt Bandit. Wolf mir nach, da vorne wird es akut.“
Matthew drehte den Nightstar in Richtung des Raumhafens und beschleunigte auf die volle Laufgeschwindigkeit, Frederic folgte ihm, ebenso der Bandit Panzer, der die beiden Mechs schnell überholte und hinter sich ließ. Glücklicherweise war es nicht sonderlich weit, zu den äußeren Ausläufern.
Kaum kamen Matthew und Frederic dort an erfasste sie das volle Ausmaß der Kämpfe.
Überall lagen Teile von Panzerung, Mechs oder Fahrzeugen herum. Autokanonen Salven donnerten in die Befestigungen oder schlugen Breschen in Panzerung. Laser zuckten umher, PPC Blitze schlugen wummernd in Mechs oder Panzer ein. Mittlerweile war an einigen Stellen sogar Nahkampf Distanz erreicht und so prügelten die Mechs der Chevaliers und Eagles auf andere Mechs ein oder traten nach Panzern.
Es war ein Gemetzel und erstaunlich, dass die Toten sich scheinbar noch in Grenzen hielten.
Jara Fokker hielt mit ihrer Lanze eisern die Stellung, unterstützt von drei weiteren Chevaliers unter anderem einem Crusader, der mächtig austeilte.
Dennoch steckten sie schwere Treffer ein und konnten nicht zu dem am Boden liegenden Axeman vordringen.
Die gegnerische Lanze drang hart auf die Chevaliers ein, sogar der fast zerschossene Geier gab noch alles. Ein Kampfdämon lag rauchend am Boden, unweit des Axeman.
„Bandit sehen sie zum, dass sie zu Striker kommen. Ein bewaffneter und gepanzerter Bandit ist mir da lieber, als ein anfälliger APC. Wolf wir gehen drauf und scheuchen mal ein wenig.“
Die Panzerlanze des Gegner schwenkte gerade in Richtung der Chevaliers Kampflanze. Jaras Mad Cat spuckte LSR und Laserfeuer, Kotares Bluthund ließ Raketen folgen und auch der Crusader schoss, was ihm verblieben war. Wie eine Wand flogen die Raketen auf die Panzer zu und brachten die Lanze zum Stehen.
Ohne einen einzigen weiteren Schuss drehten sie ab und schlossen sich ihren großen Freunden an, die ihnen Deckungsfeuer gaben.
„Frederic!“, jubelte Jara Fokker gerade
„Genau der. Und gerade rechtzeitig, wie mir scheint.“
„Knave für Sparrow: Was zur Hölle machst du da draußen noch?!“
„Ich konnte Steel nicht zurücklassen.“
„Ihr seid ein zu leichtes Ziel!“
„Nicht mehr. Prince und Wolf unterstützen uns.“
„Striker an Sparrow: Wir haben ihn. Er ist schwer verletzt, wir schaffen ihn sofort zum Doc!“
„Verstanden. Hast du das gehört, Knave? Steel lebt noch. Ich musste es versuchen!“
„Darüber sprechen wir noch! Und jetzt bewegt eure Hintern sofort in Stellung! Knave Ende!“
Matthew seufzte und ließ den Nightstar über den am Boden liegenden Kampfdämon steigen. Anscheinend hatte er gut gekämpft und war genauso zerlegt worden.
Waffenspuren und sogar Einkerbungen einer Axt waren deutlich an der Maschine zu sehen.
Die Chevaliers Lanzen sahen schrecklich aus.
Jara Fokker Mad Cat und der Geier von Kotare wirkten wie gerupfte Hühner und entblößten die interne Struktur an mehreren Stellen, schienen aber noch voll bewaffnet zu sein, bis auf dem linken Arm des Mad Cat, der nutzlos herabhing.
Der Tempest von Mulgrew sah weit schlimmer aus. Der linke Arm hing nutzlos herab und die rechte Seite schien steif. Das Bein zog der Mech stark nach, vermutlich ein Aktivatorenschaden.
Der Crusader sah etwas frischer aus, wirkte aber auch nicht mehr fabrikneu. Die Lafetten qualmten noch von den letzten Salven und vermutlich war dem stark Munitionslastigen Mech auch nicht mehr viel an Munition geblieben. Dann würde er nur noch seine Laser haben.
Dahinter sprangen ein Clint und ein Phoenix Hawk umher und reagierten auf alles was ihnen zu nahe kam.
Matthew knrischte mit den Zähnen und verschaffte sich einen Überblick über das Schlachtfeld. Es war blankes Chaos, aber das durfte ihn nicht irritieren. Durch den Qualm und das Waffenfeuer sah er die immer stärker zurückgedrängten Chevaliers und Eagles, die sich in Richtung der letzten Stellungen mühten.
Der Colonel in seinem Hauptmann gab alles, den Tai Sho vom Master-Sergeant konnte er nicht mehr sehen. Mehr schien von den Mechtruppen der Chevaliers hier nicht mehr zu sein. Vermutlich gab es nicht mal mehr viel zu Retten.
„Sparrow, wir spielen jetzt ein wenig Zielscheiben. Lasst euch zurückfallen. Striker hat Panzer Unterstützung, wir haben unterwegs einen freundlichen Bandit getroffen, er hilft aus. Callsign Bandit!“
„Verstanden, Prince und danke.“
Die Erschöpfung schwang in Jaras Stimme mit und ein Hauch von Erleichterung. Matthew fühlte mit ihr. Vier Stunden mitten im Getümmel und einen Freund und Kameraden vermutlich tot.
Er hatte das alles schon durchgemacht und das noch weit schlimmer, auf Kathil. Aber dies hier war nicht Kathil und auch nicht die Davion Guards.
Er drehte den Nightstar wieder herum und nahm Ziele auf. Ganz in seinem Element.
Der Gegner verfügte noch über mindestens eine Kompanie einsatzbereiter Panzer und einer Kompanie Mechs. Dem entgegen stand etwa dasselbe, plus die Jägerunterstützung und begünstigt durch die Stellungen in denen sich die Eagles und Chevaliers wieder so allmählich einfanden.
Es war zu schaffen, aber es würde nicht leicht werden.
Dann sah er es. Ein Panzer der sich leicht hinter den feindlichen Linien hielt. Es war purer Zufall, dass er ihn sah, wie er da ausserhalb der Reichweite der Verteidiger in einer leichten Senke stand. Die Zielpeilung gab ihm das Modell, als es ihm schockierend selber einfiel.
Ein Padilla.
Und dieser Padilla feuerte gerade aus vollen Rohren.
Das Hämmern und Rumoren der Schlacht war mittlerweile näher gekommen, während auf dem Raumhafen hektische Betriebsamkeit herrschte.
Die wenigen verbliebenen Chevaliers flitzten entweder über das Flugfeld und verstauten Kisten und Material oder schraubten an beschädigten Maschinen. So unter anderem an Sarah Slibowitz Stuka, die durch einige schwere und glückliche Treffer vorerst aus dem Rennen genommen worden war. Die Panzerung wurde flicken mäßig angebracht und die beiden Laser versucht wieder zum laufen zu bringen, doch das Hauptproblem blieb die Hauptturbine, die kurz nach ihrer Landung mit einem lauten Knall versagt hatte.
„verdammt, Doreen wir brauchen alles was wir haben und unsere Jäger sind unser einziger Trumpf.“
"Das weiß ich selber Sarah, hetz mich nicht.“
Die Senior Tech steckte gerade Kopfüber in der Turbine und hämmerte und schraubte, während Sarah versuchte den rechten Tragflächenlaser wieder an den Zielcomputer anzuschließen.
Ihre Hände glitschig vor Schweiß, Dreck und Blut, machten es ihr nicht gerade leichter.
Funken flogen um sie herum, als die anderen Techs kleinere Panzerplatten notdürftig anschweißten und kritische Stellen damit flickten. Die dünnen Bruchlinien oder kleinere Löcher wurden mit schnell aushärtendem Schaum eingesprüht.
Es war ohne Zweifel laut, aber dennoch hörte Sarah das schrille Pfeifen. Das Pfeifen von herannahenden Flugkörpern, Raketen.
„Alle runter. Feindfeuer!“
Sie warf sich unter die Stuka, als die Welt um sie herum in einem wahren Inferno unterging.
„Prince an Knave. Verzeichne Padilla Artilleriepanzer. Volle Bereitschaft, Feuert auf den Raumhafen.“
„Hier Home Base.Haben Arrow IV Einschlag verzeichnet, allerdings im Bereich der Rollbahn für die Jäger. Keinen Kontakt zu Icecream oder Magus.“
Matthew fluchte. Wenn der Padilla halbwegs vernünftig gezielt hatte, hatte er gerade den halben Techstab der Chevaliers und eine Jägerpilotin umgebracht.
Vor Wut knurrend richtete er seinen Nightstar auf den Panzer aus und feuerte die Gaussgeschütze ab.
Die beiden silbrigen Kugel zuckten dem Panzer entgegen, der stand allerdings zu weit weg und so trafen die beiden Geschosse nur den Boden und schlugen lange Furchen.
„Prince hier. Erlaubnis den Panzer zu zerstören!“
„Negativ. Er ist zu gut abgeschirmt, du würdest dabei sterben.“
„Dann tue ich das halt, besser, als wenn die non Kombattanten abschlachten.“
„Das mag sein Prince, aber dafür haben wir die Jäger. Kiki?“
„Kiki hört!“
„Feuerfreigabe, wie ihr könnt, schaltet mir diesen verdammten Artilleriepanzer so schnell wie möglich aus.“
„Kiki hat verstanden! Prince, kannst du uns eine Zielpeilung geben?
„Kommt sofort.“
Grummelnd nahm er den Panzer für die Jäger ins Ziel und musste tatenlos mit ansehen, wie dieser eine weitere Salve verschoss und kurz danach noch eine.
„Beeilt euch!“
„Kiki hat positive Zielpeilung.“
Donnernd jagten die Jäger über das Schlachtfeld und ließen Tod und Verderben über den Panzer kommen.
Der padilla platzte in einem Regen aus Panzerung und Artilleriemunition auseinander, während die Chevaliers Jäger wieder abdrehten, in Richtung Meer. Zwei PPC Blitze jagten ihnen hinterher, einer traf den Stingray und riss riesige Brocken Panzerung aus dem Heck des Jägers.
„Hotshot hier, habe rot auf Triebwerk, glaub´ ich komme runter!“
Mit diesen Worte raste der Jäger auf das Meer zu.
Thorsten Kerensky
Wayside V („Wildkatz“)
Verteidigungsstellungen um den Jaffray-Raumhafen
02.August 3066, 04:08 Uhr
„Scheiße!“, fluchte Jara ganz ungeniert, als eine weitere Salve Raketen in ihren Waldwolf einschlug. Verdammte LSRs!
Für ein stundenlanges Nachtgefecht sah ihr Waldwolf zwar noch ganz gut aus, aber sie hatte nicht vor, ihr Glück auf die Probe zu stellen. „Panther, wir konzentrieren unser Feuer auf diesen lästigen Centurion!“
„Verstanden!“
Die beiden schweren OmniMechs drehten ihre Waffensysteme in Richtung des gegnerischen Mechs. Dabei mussten sie sich so gut wie blind auf die Computer-Ortungssysteme und die Bildverbesserungen verlassen, denn mit dem bloßen Auge sah man nur vereinzelte, stakkato-artige Bildfetzen, wenn Leuchtspurgeschosse oder Explosionen die Nacht erhellten. Sie wollte sich gar nicht ausmalen, wie blind die Infanterie so ein Gemetzel erlebte.
Dieses Gefecht war vermutlich das schlimmste, welches Jara in ihrer kurzen Laufbahn als Mechkriegerin erlebt hatte. Zusätzlich zu den schlechten nächtlichen Sichtbedingungen und der Dauer von mittlerweile mehreren Stunden kam das Chaos dazu. Ein Chaos, das schlagartig ausgebrochen war, als die feindlichen Verbände wie ein Dampfhammer in ihre Stellungen gefahren waren – schnell, eiskalt und gnadenlos.
Die Schlachtordnung, die Danton und der Herzog sich ausgedacht hatten, war beinahe sofort zusammengebrochen, als die schweren Panzerlanzen in ihre Stellungen eingebrochen waren. Dabei waren die Gefechte um die ersten beiden Stellungen noch vergleichsweise ruhig und statisch gewesen. Aber seit sie auf die mittlere Verteidigungslinie zurückgefallen war, hatten Imaras Truppen eine Brutalität und Wildheit an den Tag gelegt, die beängstigend war.
Die nächsten Angriffe waren nicht weniger aggressiv und heftig gewesen und das, was als ruhige Abnutzungsschlacht gedacht war, hatte sich von dem Moment an als brutales Ringen um Leben und Tod entpuppt.
Jaras Lanze sollte eigentlich das Zentrum halten und jedes Mal, wenn das HQ oder ein Blick auf ihren Monitor sie darauf hinwies, dass es die Kampflanze ziemlich weit an die Flanke gedrückt hatte, fühlte sie einen kleinen Stich Schuld. Das war nicht nur den harten Attacken der Feinde zu verdanken, sondern vor allem auch der mangelhaften Abstimmung der Verteidiger: Chevaliers, Miliz und Eagles kämpften Seite an Seite einen Stellungs-Kampf, den sie so nie zusammen trainieren konnten. Gerade zwischen der Kampflanze und den benachbarten Truppen war es zu großen Missverständnissen gekommen, die jedes Mal damit endeten, dass Jara ihre Lanze ein Stück weiter vom Zentrum wegführen musste.
Immerhin hatte die geringere Gegnerdichte an der Flanke dazu geführt, dass ihre Lanze noch halbwegs intakt war.
Das Zischen einer Energieentladung mischte sich in den übrigen Gefechtslärm, als sie ihre beiden schweren Laser auslöste. Über eine Distanz von mehreren hundert Metern bohrten sie sich in den Centurion und brannten tiefe Breschen in seine Torsopanzerung.
Keine zwei Augenblicke später folgten die salvenartigen Garben von Kotares Impulslasern und fanden ebenfalls ihr Ziel. Durch die pure Energie des zeitgleichen Einschlags von vier schweren Waffen und durch den extremen, abrupten Gewichtsverlust durch verdampfte Panzerung, stürzte der Feindmech nach hinten.
Ein gefundenes Fressen für Steel und Sniper, die am vorderen Rand der Stellung die ehrenvolle Aufgabe hatten, den Gegner den Rest zu geben, die ihre großen Brüder weichgeklopft hatten.
„Home Base für Sparrow: Zurückfallen auf nächste Linie! Und seht zu, dass ihr wieder ins Zentrum rutscht!“
„Sparrow hier: Habe verstanden. Zurück zur nächsten Stellung. Aber die Stellung weiter innen werden die Jungs von den Eagles behalten wollen.“
„Verstanden. Sieh zu, was du tun kannst. Home Base Ende.“
Jara fluchte, als eine Salve aus einer leichten Autokanone irgendwo aus dem Dunkeln heraus in ihr rechtes Bein einschlug und Panzerung aus ihrem Waldwolf fraß. Wo zur Hölle blieben die Luftjockeys, wenn man sie brauchte?
„Sparrow für Panther, Steel, Sniper: Wir fallen weiter zurück. Nächste Stellung bei H73.29!“
***
Wayside V („Wildkatz“)
Verteidigungsstellungen um den Jaffray-Raumhafen
02. August 3066, 04:23 Uhr
„Sie sollten Ihre Munition schonen, Tear 1!“ Stonefield klang ehrlich bemüht, gute Ratschläge zu geben.
Ratschläge, mit denen Dawn im Moment herzlich wenig anfangen konnte. „Ich kann aber in einem Kreuzritter nicht gleichzeitig Munition sparen und kämpfen“, gab sie bissig zurück. „Und…“ Sie unterbrach sich, als eines der grünen Symbole aus der Formation ausbrach: „Tear 3, Sie sind zu weit vorne! Kehren Sie zurück in die Lanze!“ Sie blaffte Steinberger an. Schon wieder. Der Steiner-Soldat war ziemlich befehlsresistent und Danton hatte der Einheit einen Bärendienst erwiesen, als er ihn aufs Schlachtfeld gelassen hatte.
„Und warum zur Hölle soll ich untätig hier rumstehen und zusehen, wie diese verdammten Idioten daran arbeiten, Danton aus dem Cockpit zu schießen?“
„Weil ich Ihnen den verdammten Befehl dazu gegeben habe!“ Dawn machte eine Pause, um eine Salve Raketen auf einen Panzer abzufeuern, der den Versuch wagte, die Front zu durchstoßen. Wie Blumen überzogen die Explosionen die Panzerung der Kriegsmaschine und brachten sie zum Stehen. Ein leichtes Ziel für Stonefield und Steinberger, die nun mit ihren Lasern eingriffen.
Die Explosion des Kettenfahrzeuges sorgte dafür, dass die Lanze, die ihm folgte, abbremste. Das verschaffte den Mechs der ersten Reihe gerade genug Zeit, um ihren Fokus zu verlagern und die dreisten Angreifer zu bekämpfen.
„Home Base für Tear 1: Wechseln Sie die Flanken! Auf der anderen Seite wird es langsam eng!“
„Tear 1: Ich habe verstanden! Flankenwechsel!“
Dawn warf einen Blick auf ihre Sensoren und verzog das Gesicht. Flankenwechsel. Leichter gesagt, als getan.
„Tear 2, Tear 3: Wir haben Befehl, die Flanke zu wechseln. Wir werden uns hinter der Linie vorarbeiten. Sollten unsere Leute in der Zeit zurückfallen, dann machen wir ihnen sofort ausreichend Platz. Achtet auf leichte Ziele!“
Die beiden Steiner-Offiziere bestätigten und gelegentlich in die Nacht feuernd begann sich die improvisierte Kampflanze hinter der Frontlinie zu verschieben.
Dawn fühlte, wie der Schweiß ihren Rücken und ihr Dekolleté hinunterlief. Die ganzen Stunden im Simulator hatten zwar dafür gesorgt, dass ihre Reflexe nicht einschliefen, aber eine echte Schlacht war doch etwas anderes. Hier gab es kein „Game Over“. Mühsam verdrängte sie den Gedanken an ihre Tochter. Sie durfte sich hier nicht ablenken lassen.
Aber warum hatte sie wieder die beschissenste Aufgabe von allen?
***
Wayside V („Wildkatz“)
Verteidigungsstellungen um den Jaffray-Raumhafen
02. August 3066, 04:42 Uhr
Jara war längst mit ihren Kräften am Ende. Vermutlich ging es jedem Mann und jeder Frau auf diesem Schlachtfeld so. Durchhalten und Überleben waren längst zu Fragen der Reserven geworden. Es ging darum, was jeder hier noch an Energie mobilisieren konnte.
Die Miliz, die Eagles und natürlich auch die Chevaliers standen mittlerweile mit dem Rücken zur Wand. Dreimal waren sie bereits zurückgefallen, standen nun in der vierten Stellung und ihre Reihen begannen, sich gefährlich zu lichten. Und die Angriffe rissen nicht ab, keine Pause gönnte ihnen ihr Gegner.
Einmal konnten die Verteidiger noch zurückfallen, ihre Reihen zu ordnen versuchen und sich mit allem, was sie noch hatten, zur Wehr setzen. Die fünfte Stellung war gleichzeitig auch die letzte vor dem Jaffray-Raumhafen. Ab dort hieß es dann „Kampf bis zum bitteren Ende“.
Und wenn sie ehrlich war, verspürte sie das dringende Bedürfnis, den nächsten Morgen zu erleben.
Mit der Dauer der Schlacht ließ auch die Konzentration nach. Beinahe hätte sie zu spät reagiert.
„Raketen!“, brüllte Steel über den Funk und gleichzeitig gellten Alarmtöne im Cockpit ihres Waldwolfs auf.
Instinktiv zog sie ihren Mech mehrere Schritte zurück und entging dadurch mit Müh und Not dem Großteil der Raketen. Trotzdem wurde der Waldwolf schwer gebeutelt. Über den gesamten Mech verteilt detonierten Sprengsätze, rissen Panzerung heraus und drangen zum Teil ins Innere ihrer Maschine vor. Noch während sie darum kämpfte, ihren Mech im Gleichgewicht zu halten, erloschen die Anzeigen für die Laser im linken Arm ihrer Maschine und mehrere Wärmetauscher und ähnliche Sekundärsysteme schienen ausgefallen zu sein.
„Scheiße!“, fluchte sie.
Aus den Augenwinkeln konnte sie sehen, wie Panthers Bluthund von Autokanonen-Salven angegangen wurde und ebenfalls ins Taumeln geriet.
„Was zur…?“
„Wir haben Besuch!“, drang Steels Stimme über den Äther. Er wirkte angespannt und schwer beschäftigt. „Waldwolf, Kampfdämon, Bluthund. Mit Panzerunterstützung.“
„Fuck! Wo kommen die denn her?“ Jara hätte vor Entsetzen geschluckt, aber ihr war schon vor gefühlten Ewigkeiten der Speichel ausgegangen. „Okay, wir konzentrieren uns zuerst auf den Kampfdämon. Kein Grund mehr, sparsam zu sein!“
Sie wartete die Bestätigungen gar nicht ab, sondern warf ihren Mech wieder nach vorne und zog ihre Fadenkreuze über ihr Ziel. Der gegnerische Clan-Mech sah mitgenommen aus. Riesige Lücken klafften in seinem Panzerschutz, Dampf oder Rauch stieg von ihm in Schwaden auf und er zog ein Bein leicht nach, was auf einen verschlissenen Aktivator hindeutete. Dennoch macht er seinem Ruf alle Ehre und hielt sich voll bewaffnet im Kampf.
Zeit, das zu ändern.
Jara presste die Auslöser ihrer Waffen und ließ ihren Mech Tod und Verderben über seinen Kontrahenten bringen.
Fauchend schossen ihre Raketen auf den Kampfdämon zu, gefolgt von Laserstrahlen und mal wieder unterstützt von Kotares Bluthund. Das Zusammenspiel funktionierte mittlerweile fast reibungslos.
Aber auch die Gegner ließen sich nicht lange bitten und erneut stiegen Raketen auf und trieben die beiden schweren Chevaliers-Mechs zurück. Fast als wollten sie die Clan-Maschinen hinten halten.
„Die versuchen, uns rauszuhalten“, stellte auch Panther fest. „Die wollen erst Steel und Sniper rausnehmen!“
Jara keuchte, als der Kampfdämon sich aus der Rauchwolke der Raketenexplosionen schälte und mit seinen schweren Autokanonen auf die leichteren Mechs der Chevaliers losging. Trotz der offensichtlichen schweren Schäden, offenliegender Myomere und Stahlknochen, trotz der Hitze, die um ihn die Luft flimmern ließ, funktionierten seine Waffen noch.
„Panzer!“, schrie Sniper über Funk. „Eine Lanze, kommt schnell näher!“
Jara fluchte erneut und gab einen Schuss aus ihrem schweren Laser auf den Kampfdämon ab, der sich weiter beharrlich weigerte, zu Boden zu gehen.
„Sparrow für Home Base: Stehen unter schwerem Beschuss. Drei schwere Clan-Mechs und eine Lanze Panzer. Wir brauchen sofort Verstärkung!“
Sie verzichtete auf eine Wiederholung, um ihre Raketen gegen den feindlichen Waldwolf zu schicken. Mit grimmiger Zufriedenheit verfolgte sie gleichzeitig, wie die schweren Impulslaser des Bluthunds den rechten Arm des Kampfdämons abtrennten und ihn wenigstens kurzfristig zu Boden schickten.
„Hier Home Base: Ich schicke dir Tear. Wir lassen uns in zwei Minuten zurückfallen.“
„Negativ: Wenn wir jetzt zurückfallen, werden wir aufgerieben!“
Jara keuchte vor Schmerz auf, als weitere Raketen ihren Mech trafen und sie in die Gurte ihrer Liege pressten. Warm und salzig lief Blut in ihren Mund. Sie musste sich auf die Lippe gebissen haben.
„Steel, Sniper, gebt dem Kampfdämon den Rest! Panther, beschäftige die Panzer. Ich versuche, die beiden Mechs aufzuhalten. Tear kommt zur Unterstützung!“
Sie ignorierte die Hitze in ihrem Cockpit und jagte noch mehr Raketen in Richtung des feindlichen Waldwolfs.
Nur noch 3 Salven pro Lafette. Egal.
Die Hitze im Cockpit, die sie zu kochen drohte. Egal.
Wenn sie jetzt nicht alles gaben, würde der Feind durchbrechen.
Snipers Tempest und Steels Axman schienen ihr Werk am Kampfdämon beendet zu haben, denn sie drehten sich dem feindlichen Bluthund zu. Der begrüßte sie mit einer beeindruckenden Laser-Show.
Entsetzt musste Jara ansehen, wie der Axman herumgewirbelt wurde und Sekundärexplosionen sich durch die Maschine fraßen.
„Steel: Bericht!“
„Hier Sniper: Steel hat‘s erwischt. Ich kümmer mich alleine um den Bluthund!“
„Negativ! Lass dich zurückfallen! Tear müsste jeden Augenblick da sein!“
***
„Har!“, triumphierte Dawn brüllend, als ihre Raketen in den feindlichen Waldwolf einschlugen. „Tear 1 für Sparrow: Die Kavallerie ist da!“
Die Hitze in ihrem Cockpit stieg, als sie die Impulslaser folgen ließ. Stonefield und Steinberger preschten an ihr vorbei und schickten sich an, Kotares Bluthund im verzweifelten Kampf gegen die Panzer zu unterstützen.
Jaras Mech schälte sich neben ihr aus allen Rohren feuernd aus dem Rauch. Der schwere Omni war schrecklich anzusehen. Von seiner Panzerung war nicht mehr viel übrig, der linke Arm hing zertrümmert und nutzlos herab und Kühlflüssigkeit schien aus einer Bresche im Torso zu laufen.
Dawn hatte an anderen Stellen der Front schlimmere Schäden gesehen, dennoch kroch in ihr eine Angst um ihre Freundin empor.
„Danke, Tear 1! Ihr kommt fast rechtzeitig.“ Jaras Stimme klang heiser und gepresst und erst jetzt fiel der rothaarigen Söldnerin auf, dass die Kampflanze nur noch aus drei Mechs bestand.
Mit einem grimmigen Knurren brachte sie ihren Mech weiter nach vorne und löste nun auch die Kurzstreckenraketen aus.
Der feindliche Waldwolf taumelte, auch er war von schlimmen Schäden gezeichnet. Egal, welche Seite heute gewann: Die Reparaturkosten würden vermutlich ausreichen, die Überlebenden in den Ruin zu treiben.
Jaras Laser bohrten sich an den waidwunden Gegner und lösten dort eine Reihe von Sekundärexplosionen aus. Der Mech taumelte noch zwei Schritte nach hinten, dann fiel er um.
„Sauberer Schuss, Sparrow!“
„Danke! Nächstes Ziel ist der Bluthund!“
„Home Base für Sparrow und Tear 1: Zurückfallen lassen zur letzten Stellung!“
Dawn bremste ab. Der Befehl war eindeutig. „Tear 2 und Tear 3: Wir lassen uns zurückfallen!“
„Negativ!“ Wut schwang in Jaras Stimme mit. „Wir können Steel nicht zurücklassen! Wir müssen ihn da rausholen!“
„Es hat keinen Sinn!“, argumentierte Dawn, während sie den nächsten Feindmech unter Feuer nahm. „Wir müssen die Linie halten!“
***
Rückzug kam nicht in Frage. Sie hatte Snob damals sterben lassen müssen. Sie war nicht bereit, Steel ebenfalls zu verlieren.
„Panther, Sniper: Bericht!“
„Panther hier: Mit Tear 2 und Tear 3 kann ich die Panzer aufhalten. Aber ich weiß nicht, wie lange. Meine Panzerung ist durch, ewig kann ich hier nicht mehr kämpfen.“
„Sniper hier: Ich lass mich zurückfallen. Ich hab keine Munition mehr, mein linker Arm ist weg und meinen Reaktor hat’s erwischt. Ich bin hier kein Nutzen mehr.“
Jara spuckte das Blut aus, das sich in ihrem Mund gesammelt hatte und grunzte, während sie mit ihren Lasern weiter auf den feindlichen Clan-Mech schoss. Wenn sie ihre Schadensanzeigen ansah, konnte sie nur hoffen, dass man vom abgeschossenen Waldwolf genug würde bergen können.
„Sniper: Lass dich zurückfallen! Tear 1, du unterstützt mit deinen Leuten Panther! Ich kümmere mich um diesen verdammten Bluthund. Wir ziehen uns zurück, aber nur mit halber Geschwindigkeit!“
„Das ist Befehlsverweigerung!“, protestierte Dawn.
„Das ist Befehlsauslegung“, gab Jara trocken zurück. „Und wenn wir jetzt abhauen, haben wir diese verdammten Schweine im Rücken.
Sparrow an Home Base: Ich brauche Elementare. Steel hat’s erwischt, er muss geborgen werden!“
„Negativ, Sparrow: Die Elementare operieren selbstständig. Striker ist in ihrem Gebiet, aber das wird zu gefährlich für ihn.“
Jara biss die Zähne zusammen. Nicht schon wieder, nicht schon wieder! Sie musste irgendwas tun. Die Elementare waren ihre Chance. Schon einige Zeit hatten sie vor den eigenen Reihen ausgeharrt, um nun die zurückflutenden Feinde auszudünnen. Damit waren sie auf Höhe des gefallenen Axman.
„Sparrow für Striker: Kannst du mich hören?“
„Laut und deutlich, Sparrow!“, bestätigte Sergeant Rowan Geisterbär. Verdammt Claner. Trotz stundenlangem Kampf in seiner Gefechtsrüstung wirkte er munter und fröhlich.
„Steel ist am Boden und muss geborgen werden. Könnt Ihr da was machen?“
„Schwierig. Wir sind in Sichtweite und haben ein APC, aber hier ist es zu heiß. Wenn ihr zurückfallt, wird’s zu heiß für uns.“
Plötzlich jubelte Kotare über den Lanzenfunk: „Einer weniger! Sie ziehen sich zurück!“
Tatsächlich: Die drei übrigen Kampfpanzer und der angeschlagene Bluthund traten den Rückzug an. Ob sie sich sammeln wollten oder die Schnauze voll hatten, war total egal. Das hier war die Chance, die Jara brauchte.
„Sparrow für Knave: Gegner ziehen sich zurück. Striker steht bereit, um Steel zu bergen. Ich kann einen Ausfall machen und die Stellung für ein paar Minuten halten!“
Die Antwort des Colonels ließ lange Augenblicke auf sich warten und fiel vernichtend aus: „Negativ, Sparrow! Das muss warten. Keine Gegenangriffe! Sieh zu, dass deine Lanze nicht den Anschluss verliert! Und nimm Dawns Leute mit!“
„Aber wir haben hier die Chance!“, protestierte sie. „Wir können doch Steel nicht zurücklassen!“
„Negativ!“ Danton klang sauer. „Ich gebe dir den Befehl, keinen Gegenangriff zu machen. Zu gefährlich! Das ist mein letztes Wort. Knave Ende.“
Jara hieb mit der Faust auf ihre Armlehne. „Scheiße!“
Dantons Worte waren eindeutig gewesen. Sie sollte Steel zurücklassen. Sie sollte wieder einen Untergebenen opfern. Nichts zu machen. Der Colonel hatte…
…was eigentlich? Er hatte verboten, einen Gegenangriff zu führen.
„Sparrow für Panther, Sniper, Tear 1 bis 3: Wir halten die jetzige Position, bis Striker mit der Bergung fertig ist. Haltet euch bereit, Langstreckenwaffen einzusetzen.“
„Das ist Befehlsverweigerung!“, protestierte Dawn.
„Das ist Befehlsauslegung“, konterte Jara. „Immer noch. Keinen Schritt in Richtung des Feindes, also kein Gegenangriff. Und sobald die Kröten Steel haben, geben wir Fersengeld!“
„Aber ich hab kaum noch Munition.“
„Ich hab auch nur noch drei Salven“, schloss Panther sich an.
„Und ich auch nur. Völlig egal. In der letzten Stellung wird es eh keine Distanzkämpfe mehr geben und noch ein paar Treffer und die Raketen fliegen uns eh um die Ohren. Oder habt ihr noch Panzerung?“
Als keine Widerworte kamen, öffnete sie einen privaten Kanal zu Rowan: „Striker, wie viel Zeit braucht ihr zur Bergung?“
„Drei bis fünf Minuten. Je nachdem.“
„Ich kann euch drei geben. Beeilt euch, wir geben solange Feuerschutz.“
„Verstanden!“
Auf ihren Monitoren beobachtete Jara, wie die Elementare auf das Wrack des Axman sprangen und sich am Cockpit zu schaffen machten. Währenddessen fielen die übrigen Verteidiger zur letzten Stellung zurück und auch die Angreifer ließen ab und wichen nach hinten aus, um sich für den letzten Schlag zu sammeln.
Die mächtigen Anti-Schiffs-PPKs der Raumhafenverteidigung griffen jetzt überall dort ins Gefecht ein, wo die Angreifer zu frech wurden und versuchten, den Rückzug zu stören. Die vereinzelten Treffer machten deutlich, welchen Blutzoll diese letzte Etappe fordern würde und dass ein hektisches Vorgehen nicht ratsam war.
Für eine kurze Zeit wurde es ruhig auf dem Schlachtfeld und Jara warf einen Blick über Freund und Feind. Die meisten Panzer und Mechs unterschieden sich kaum noch von den qualmenden und ausgebrannten Trümmern, die überall verteilt lagen.
Die letzte Begegnung würde unglaublich blutig werden.
Kotares Bluthund kam neben ihrem Waldwolf zum Stehen. Die beiden schweren Clan-Omnis boten ein skurriles Bild und brauchten dringend Reparatur. Snipers Tempest, der die letzte Verteidigungslinie schon beinahe erreicht hatte, bot ein noch viel ramponierteres Bild und auch Dawns Lanze hatte ziemlich übel eingesteckt. Munition war kaum noch vorhanden und mittlerweile liefen alle sechs Maschinen beachtlich heiß. Ausgefallene Wärmetauscher und Treffer in der Reaktorabschirmung taten ein Übriges.
„Wenn wir so offen hier herumstehe, wird man uns abschießen wie die Hasen“, murrte Steinberger.
„Er hat Recht. Das hier ist Wahnsinn!“, pflichtete Stonefield ihm bei. „Wir sollten nicht mehr hier sein.“
„Zu spät“, knurrte Kotare. „Panzerlanze auf zwölf Uhr!“
„Raketen und Langstreckenlaser! Deckt sie mit allem ein, was ihr noch habt!“ Jara wartete wieder nicht auf Bestätigungen, sondern visierte einen der Kettenpanzer an und schickte ihm Langstreckenraketen und ihren noch funktionstüchtigen rechten schweren Laser entgegen.
Auch vom Kreuzritter und dem Bluthund stiegen LSR auf und wie eine tödliche Wand rauschten die Sprengköpfe in die Panzer und brachten die gesamte Lanze zum Stehen. Ohne einen einzigen Schuss abgegeben zu haben, drehten sie ab.
„Wow, das war erstaunlich einfach“, wunderte Dawn sich.
„Vielleicht sind ihre Sensoren nur intakter als eure“, schaltete sich eine neue Stimme ein. Jara brauchte einige Augenblicke, um sie zu erkennen.
„Frederic!“, jubelte sie. Und schon tauchten der Höhlenwolf und Brensteins Nightstar auf der Anzeige auf. Zwei unversehrte Sturmklasse-Mechs. Kein Wunder, dass die Panzer das Weite gesucht haben.
„Genau der. Und gerade rechtzeitig, wie mir scheint.“
„Knave für Sparrow: Was zur Hölle machst du da draußen noch?!“
„Ich konnte Steel nicht zurücklassen.“
„Ihr seid ein zu leichtes Ziel!“
„Nicht mehr. Prince und Wolf unterstützen uns.“
„Striker an Sparrow: Wir haben ihn. Er ist schwerverletzt, wir schaffen ihn sofort zum Doc!“
„Verstanden. Hast du das gehört, Knave? Steel lebt noch. Ich musste es versuchen!“
„Darüber sprechen wir noch! Und jetzt bewegt eure Hintern sofort in Stellung! Knave Ende!“
Jara schüttelte den Kopf, als sie ihren Waldwolf zur nächsten Verteidigungslinie zurückzog. Vermutlich würde diese Aktion sie ihr Kommando kosten. Aber das war ihr egal. Wenn Steel dafür lebte, dann war der Preis nicht zu hoch.
Ace Kaiser
Der Herzog von Wayside hatte immer versucht, drei Dinge in seinem Leben zu vermeiden. Das Erste war, sich von seinem Titel einlullen zu lassen und sich selbst bedeutender zu sehen als er war. Immerhin bestand sein Herzogtum nur aus einer Stadt und einem Raumhafen. Der Rest des Planeten war Wüste. Und die Zahl seiner Untertanen wurde häufig von der Zahl der Durchreisenden überstiegen. Das Zweite war, seine Soldaten nicht als Schachfiguren zu sehen, die er opfern konnte, wenn es dem Schlachtplan zupass kam. Jeder einzelne von ihnen war ein denkendes, fühlendes Wesen, in den meisten Fällen mit einer eigenen Familie, Eltern, verheiratet oder wenigstens vergeben. Sie hatten etwas Besseres verdient als einen Kommandeur, der glaubte, er würde auf dem Schachbrett nur einen Springer opfern, um die gegnerische Dame zu schlagen.
Das Dritte war, an sich Leben auszulöschen. Er war ein Söldner, und er ließ sich dafür bezahlen, dass er andere tötete. Darauf lief es hinaus. Und oft genug war das auch der Fall. Es gab da draußen genügend Söldnereinheiten, die sich in Nichts von Piraten unterschieden. Oder deren Niveau selbst das der meisten Piratenbanden, die vielleicht einfach nur leben wollten, unterschritt. Und es gab Söldner wie die Kell Hounds, die Wolfs Dragoner, seine Eagles, die Leichte Eridani. Einheiten, die sich einer höheren Moral verpflichtet fühlten. Aber das konnten sie sich auch nur leisten, weil sie sich ihre Aufträge aussuchen konnten. Und sie waren zu groß und zu mächtig, als dass ein Auftraggeber sie mal eben "im Gefecht verlieren" konnte, um sich einen Vorteil zu verschaffen. Ein draconischer Tai-shu hatte das mit den Dragonern ausprobiert, und das gesamte Kombinat hatte dafür den Preis bezahlt. Dennoch, es lief darauf hinaus, dass er seine Waffe vermietete, und dass er oft genug töten musste, um seinen Job zu tun. Dass er dabei die anderen Fähigkeiten der Eagles ebenfalls gegen Geld verlieh, vor allem ihre Restaurationsfähigkeiten lokaler Fabriken und Infrastrukturen, stand auf einem anderen Blatt. Das Stigma Söldner wurden sie niemals los. Es war ohnehin schwer genug für Mikado, gebunden durch sein Amt als draconischer Herzog, überhaupt noch unabhängig zu agieren. Er hatte immer gewusst, was es bedeutete ein Söldner zu sein. Und er hatte immer dafür gesorgt, dass er keiner wurde. Er sah sich nicht so naiv wie Grayson Death Carlyle, der von sich als den Torwächter sprach, der "die Barbaren abhielt, damit die Zivilisation weiter existieren konnte". Zu oft hatte er erlebt, dass die "Barbaren" bessere Menschen waren als jene aus der "Zivilisation". Und deshalb war es ihm immer schwer gefallen zu töten. Oder töten zu lassen. Und wo er es sich leisten konnte, hatte er versucht, das Leben der eigenen Leute zu schonen, und das Leben der Gegner zu schonen. Allerdings in genau dieser Reihenfolge. Er war eher bereit, eintausend Meter aufzugeben als eintausend Leben dafür zu geben. Oder zu nehmen. Wie oft hatten Söldner in der Inneren Sphäre oder der Peripherie erkennen müssen, dass ihr Auftraggeber dort, wo er sie hin geschickt hatte, in Wirklichkeit absolut nichts zu suchen hatte? Mikado hatte seine Leute stets vor solchen Aufträgen bewahrt. Er hätte es einfach haben können, hätte seine Truppen vom Kombinat anstellen lassen können, das, seit es seine Söldnerphobie überwunden hatte, ein guter Kontraktpartner war. Aber das hätte bedeutet, seine Wurzeln zu verleugnen, und die bestanden nun einmal aus einer Einheit, die hinter anderen, die schlimmer als er waren, aufzuräumen. Und dabei bestens zu verdienen, aber das stand auf einem anderen Blatt. Der VerCom-Bürgerkrieg hatte viele, die schlimmer waren. Viele, die wüteten. Viele, die aus blühenden Welten Wüsten machten. Mikado war aufgestanden, um dort nach dem Rechten zu sehen. Seine Neutralität hatte ihn und seine Leute dabei selten beschützt, aber die Übergriffe waren recht gleichmäßig verteilt gewesen, auf Pro Victor-Fraktionäre und Katherine-Anhänger. Er selbst tendierte eher zu Victor, weil der vielleicht nicht der Klügste, aber zumindest der ehrlichste war; Katherine hatte sich von der Friedensstifterin zur Warlord gemausert, und sie hatte ihr Amt nicht wirklich im Griff, das disqualifizierte sie in den Augen eines "Kollegen", der tiefe Einblicke in das Führen eines Sternenreichs hatte. Aber das nur am Rande.
Und jetzt? Stand er am Hebel eines Reißwolfs, der seine Leute und seine Gegner verschlang, jedes Mal, wenn er den Hebel drehte. Schön einen nach dem anderen, richtig nach Reihenfolge. Ein paar von denen, ein paar von seinen. Verdammt. Ein Scheiß Gefühl.
Sein einziger Trost war, dass es gegen Clan Nebelparder schlimmer gewesen war. Viel schlimmer.
***
Ein heftiger Ruck ging durch Aaron Imaras Masakari, und es dauerte einen Moment, bis er begriff, dass er nicht getroffen worden war, sondern dass der Boden nahe eines Schützenlochs nachgegeben hatte, dem er zu nahe gekommen war. Innerlich fluchte er über sich. Die Müdigkeit begann ihm zu schaffen zu machen. Er war nun schon seit dreißig Stunden auf den Beinen, und die meiste Zeit davon hatte er sitzend verbracht. Als alter Soldat wusste er, wie man einen vollen Tag wach blieb. Oder zwei. Oder drei. Aber er wusste auch, dass die Fehlerquote mit jeder Stunde anstieg, die er länger wach war. Wenigstens hatte er den Trost, dass er seine Leute regelmäßig zum Schlafen geschickt hatte. Wenigstens sie sollten für die Schlacht fit sein. Bis auf die Kommandeure, natürlich.
"Aaron?", klang die Stimme von Irena Dorik auf, der Herrin der Panzer.
"Was gibt es, Irena?"
"Du erinnerst dich an die beiden Brocken, die ich an der Flanke aufgespürt habe?"
"Den Daishi und den Nightstar? Was ist mit ihnen?"
"Ich schaffe es nicht, sie an der Flanke zu halten. Wir drücken sie nach außen, aber über kurz oder lang sind sie hinter den Linien der Eagles, und dann können sie einschwenken."
Imara ließ sich die Informationen durch den Kopf gehen. Ein Aussault-Mech der alleine stand, konnte von schnellen, tödlichen Hunden totgebissen werden. Er war langsam, aber schwer bewaffnet. Mit der richtigen Strategie hatte man ihn bei den Eiern. In diesem Fall waren es allerdings zwei mit einer ausbalancierten Bewaffnung. Wahrscheinlich eine Patrouille. Und Imara war sich noch nicht sicher, ob es gut oder schlecht war, sie außerhalb der Truppe erwischt zu haben. Im Moment kosteten sie ihn vor allem Panzer. "Du hältst den Druck aufrecht, gehst aber nicht über die Gefechtslinie hinaus. Hinter Mikado lauert eine Todesfalle. Die haben da immer noch die Infanterie, die Kampfanzüge der Eagles in unbekannter Zahl, und die Elementare der Chevaliers, die uns gemeldet wurden." Er stutzte. "Und ich bin mir sicher, sie haben noch ein oder zwei Mechs als letzte Verteidigungslinie am Hafen. Ich verwette meinen rechten Arm darauf, dass Sho-sa Parkensen in diesen Minuten in seinem Mech sitzt und auf uns wartet - und dabei Ace verflucht, weil er nicht in der Gefechtslinie stehen darf."
"Du hättest keinen Vortrag halten müssen, Aaron. Ich habe es auch so verstanden. Also knabbere ich sie noch ein wenig an. Darf ich den Padilla dafür einsetzen?"
"Um Himmels Willen, halte ihn möglichst weit von der Front weg. Und sorge dafür, dass Sergeant Knock erst mit dem Feuer beginnt, wenn ich es ihm sage. Sobald den Eagles der Padilla nach der ersten Salve in die Aufmerksamkeit gerutscht ist, tun sie ihm weh. Noch hat er keine Aufmerksamkeit erregt. Und ich brauche ihn am Schluss, um dem Gegner richtig weh zu tun."
"Verstanden. Ich halte ihn an der ganz kurzen Leine. Irena Ende."
Imara lächelte dünn. Seine Einheit war zusammengewürfelt, teilweise komplett neu aufgestellt, aber sie hatten gut miteinander trainiert. Sie hatten gemeinsame Gefechtserfahrung. Und er hatte sehr gute Offiziere. Mit dieser Einheit hätte er gerne im Clankrieg gekämpft, und nicht den obskuren Interessen seines Auftraggebers gedient. Aber wer bezahlte, befahl. Das war schon immer so.
Er warf einen kurzen Blick auf den hinteren Bereich seiner 180°-Sicht. Von der Infanterie war nichts zu sehen. Aber sie war da. Sie rückte nach. Sie würde dafür sorgen, dass die Rüstungen der Verteidiger nicht in einem Schwenk in ihren Rücken war. Hoffentlich.
Sein Radar schlug Alarm, als vier Luft/Raumjäger auf ihn einschwenkten und entweder ihn oder ein anderes Mitglied der Befehlslanze anzugreifen. Er drehte den Torso, und suchte die Stuka. Aber die überschwere Maschine sauste über achthundert Meter an ihm vorbei, nahm einen der schweren Panzer aufs Korn. Wenn die Jäger angriffen, dann bedeutete das, dass die Verteidiger wieder mal eine Stellung zurückfielen. Das machte dann Stellung Nummer drei.
Bisher hatte er Panzer und Mechs in zwei groben Linien gehalten, um es den Luft/Raumjägern zu erschweren, auch zu treffen. Aber je mehr die Panzer verlangsamt wurden, desto mehr rutschten die Mechs in ihre Reihen. Das Feuer wurde kompakter, und sie wurden leichtere Ziele für die Luftangriffe. Verärgert über diesen Gedanken schickte er der Stuka zwei Schüsse hinterher.
Aber es blieb ohnehin nichts anderes übrig, als die harte Gangart zu fahren. Sie mussten auf den verdammten Raumhafen durch kommen. Wenn sie den Hafen beherrschten, gehörte ihnen auch die Stadt. Und dann war ein SBVS-Held geschlagen. Dann gehörte die Welt nicht länger dem Draconis-Kombinat.
Imara beschloss, bei der dritten, spätestens aber bei der vierten Stellung die Entscheidung zu erzwingen. Denn bei der fünften liefen sie in Gefahr, auch von den automatischen Waffen des Raumhafens beschossen zu werden. Da wäre ein wenig Sabotage natürlich hilfreich gewesen, aber man konnte nicht alles machen wie man eigentlich wollte. Nicht bei diesem Auftraggeber.
Er überprüfte die Position der THULE. Copeland und der Rest der kampffähigen Einheiten war nur noch eine halbe Stunde entfernt. Dann würden sie noch einmal eine gute halbe Stunde brauchen, um ins Kampfgeschehen eingreifen zu können, wollten sie nicht von den Anti-Schiffs-Geschützen des Raumhafens aufs Korn genommen werden. Das würde ihnen vielleicht den letzten Schwung geben, den sie brauchten, um den Gegner zu vernichten. Und auf die Innenseite des Raumhafens schoss keines der automatischen Geschütze. Das war der gute Part.
***
Dritte Stellung, vierte Stellung, konnte dieses Gefecht genauso fordernd sein wie jene gegen die Parder? Gewiss, Imara benutzte eine andere Taktik, war langsamer, dafür nachhaltiger. Und er achtete auf die Bedrohung durch die Luft/Raumjäger weit mehr als es die Parder getan hatten.
Mamoru Mikado parkte seinen Tai-sho in der neuen Stellung und griff nach dem warmen Wasser neben sich. Er spritzte sich einen Großteil ins Gesicht, bevor er einen Schluck trank. Er hatte nicht viel Zeit, bevor sein neuer bester Freund erneut zuschlug.
Sie hatten all jene Einheiten aus dem Spiel genommen, die Pech anzogen, nicht gut genug waren, oder falsch manövriert hatten. Er hatte die halbe Panzerkompanie der Miliz verloren, und absolut keine Ahnung, wie viele seiner Leute es raus geschafft hatten. Beide Pattons der Befehlslanze waren damit raus, dazu der Ontos der Kampflanze. Die Scoutlanze hatte nach dem Kampfrichter nun auch noch ihren Striker und den Pegasus eingebüßt. Den J.Edgar hatte er für wichtige Feldreparaturen nach hinten geschickt. Es bestand absolut keine Notwendigkeit dafür, eine halbwracke Mühle Zielscheibe spielen zu lassen, wenn die Chance bestand, dass sie einigermaßen aufgepanzert an der fünften Linie, die sie ohnehin nicht verlassen konnten, wieder in den Kampf eingreifen konnte.
Bei den Mechs sah es nicht viel besser aus. Seine Eagles hatten es im Moment noch besser, immerhin hatte seine Kommandolanze nur die Banshee eingebüßt, obwohl das ein mittelschwerer Aderlass gewesen war. Aber Mikado wusste das entweder jetzt oder in der fünften und letzten Stellung die aufsummierten Schäden für einen Ausfall nach dem anderen sorgen würden. Die Truppe, die besser mit ihren Schäden gewirtschaftet hatte, würde dann überleben. Der anderen würden die Panzer und Mechs ausgehen wie einem Touristen das Geld im Magistrat Canopus.
Die Chevaliers standen einigermaßen firm, und dankbar registrierte Mikado, dass die Kampflanze mit ihrer Rückendeckung aus drei mittelschweren Mechs mittlerweile das Zentrum und das Bollwerk der Schlacht bildeten. Allerdings hatten der Warhammer und Germaines Hauptmann tüchtig einstecken müssen. Die nächste gezielte Aktion würde vielleicht einen der beiden ausschalten. Und auch der Mad Cat und der Mad Dog der Kampflanze der Chevaliers waren bevorzugte Ziele gewesen. Im Gegenzug hatten die Verteidiger es geschafft, die gegnerischen Scoutmechs Fireball und Stealth auszuschalten. Dazu einen Partisan. Alles in allem stand ihr Gegner immer noch sehr viel besser da. Zwei Optionen blieben dem Herzog: Die restlichen Jäger einzusetzen, seine Eagles und seine Miliz, die sich immerhin noch einmal auf fünf Maschinen summierten; sechs, wenn Vogt rechtzeitig genug zurückkam, um den herrenlosen Vogel der Chevaliers zu übernehmen. Oder bereits jetzt zurückzufallen, und die Bewaffnung des Raumhafens auf ihrer Seite einzusetzen. Aber das wäre gegen den Plan gewesen. Die versteckten Elementare waren in den unbenutzten Gräben der dritten Linie. Sie würden hervor brechen, wenn Imaras Leute die vierte Linie passierten, und entweder seinen beschädigten Mechs in den Rücken fallen, oder sich um die nachrückende Infanterie kümmern. Oder beides. Das würde die Situation zeigen müssen. Germaine hatte sich sehr wohlwollend über seinen Kröten-Commander, Rowan Geisterbär geäußert. Dass der Mann wusste, was er tat.
Standhalten. Sie mussten jetzt ein wenig standhalten. Ein gutes Schauspiel liefern und dafür sorgen, dass sich Imara komprimierte, seine Feuerkraft zusammen legte. Ein leichteres Ziel für die Jäger bot, und seine Mechs aufeinander schießen lassen würde, wenn die Elementare erst einmal unter ihnen waren. Verdammt, er wünschte, er hätte zwei oder drei Kompanien seiner eigenen Kröten mitgebracht, und nicht nur Chads persönliches Team. Das wog zwar ein Platoon auf, aber sechs Platoons wären sehr viel nützlicher gewesen.
"Sir? Der Daishi und der Nightsky der Chevaliers schwenken hinter unserer Linie ein und schließen gleich zu Sparrow auf", erreichte ihn die Meldung aus dem Stab.
Zwei schwere Brocken mehr in der Reihe. Wenn das mal keine gute Nachricht war. Mittlerweile war die Lanze bedrohlich an die Flanke gerutscht, aber noch immer konzentrierte sich ein Großteil des Feindfeuers auf sie. Mit drei ClanMechs würde sie noch schwerer zu überwältigen sein.
Der Tai-sho wurde erschüttert und erinnerte ihn daran, dass selbst ein Mechgraben kein hundertprozentiger Schutz war. "Wir fallen auf die letzte Linie zurück", befahl er nach acht Minuten. Die Mechs Imaras waren bisher auf mittlerer Distanz gehalten worden. Nun rutschten sie auf kurze Distanz. Und das waren nicht die leichten Brocken, sondern die großen Kaliber, darunter die Masakari. "Wir brauchen einen Luftangriff." Er atmete heftig aus. "Sharon, bring den Rest deiner Vögel und die Miliz hoch. Sobald wir in der fünften Stellung sind, gebt ihnen Saures."
"Verstanden. Startfreigabe für Reserve. Ich habe mir erlaubt, ein paar Bomben für ein Flächenbombardement laden zu lassen."
"Gut mitgedacht", erwiderte Mikado, und wartete, bis Germaine im Laufgang war. Danach machte auch er sich auf den Weg. Plötzlich stutzte er. "Germaine, was ist mit Sparrows Lanze? Ich sehe keine Absatzbewegung!"
Danton schwieg einige Zeit, bevor er antwortete. "Eine Rettungsaktion. Der Axeman ist ausgefallen. Aber mit Tear und Wolf hat sie genügend Unterstützung, um ein wenig auszuhalten."
"Oder um zusammengeschossen zu werden", blaffte Mikado. "Die ganze Linie zerbricht, wenn sie vorstürmt!"
"Sie hält die Position. Und einer meine Elementare birgt gerade den Piloten. Außerdem steht sie fast in der Flanke und kann Imara gerade weh tun."
"Das ist korrekt, Mylord. Sie stehen gerade recht günstig, um den Gegner für den nächsten Luftangriff ein wenig zusammenzudrücken", meldete sich Benton zu Wort. "Wenn sie nur eine Minute standhalten, wird der Gegner entnervt genug sein, und seine Linie verdichten."
"Und wenn sie es nicht schaffen, dann bricht die Seite ein, und wir werden aufgerollt! Germaine, sie hat doch Befehl zum Rückzug!"
"Natürlich, Mylord. Ich habe es ihr gerade noch einmal gesagt. Und sie weiß, dass sie mit Wortklauberei nicht entkommen kann."
"Und warum steht die Lanze immer noch?"
Wieder folgte eine kleine Pause. "Weil ich ihr vertraue. Sie kann das schaffen. Auch wenn ich ihr für diese Aktion später dermaßen den Arsch versohlen werde, dass sie drei Tage nicht sitzen kann."
Mikado schwieg verblüfft. Wie alt war die junge Frau? Zwanzig? Vielleicht lohnte es sich, ihren Namen zu merken. Nur für den Fall. "Wir beide, Germaine, lassen uns etwas langsamer zurückfallen, und decken ihnen die Mitte. Dadurch erhalten wir auch den Kontakt zur restlichen Linie. Aber nicht mehr als eine Minute."
"Danke, Mylord", erwiderte Danton gepresst.
"Mylord, die Kampflanze der Chevaliers meldet einen Padilla. Sir, er feuert Runden auf den Raumhafen."
"Verdammt!" Nicht aufgepasst, nicht nachgedacht, nicht mitgedacht.
"Luftschlag kommt rein. Padilla hat Priorität, Mylord."
"Da hat ja jemand mitgedacht", erwiderte Mikado düster. Er feuerte alle drei PPK's auf den linken Masakari, der es wieder in mittlere Kampfreichweite geschafft hatte. Ab hier würde es lustig werden.
Nach etwa dreißig Sekunden klang fernes Donnergrollen auf. Kurz wurde es taghell, als die Entladung einer Anti-Schiffs-PPK über ihre Köpfe hinweg sauste. Das konnte nur bedeuten, dass ein feindlicher Lander in der Nähe war. Und das er versuchte, die Verteidigung am Raumhafen zu unterfliegen. So oder so, Imara würde sehr viel früher Verstärkung erhalten, als es Mikado lieb war.
"Aktion beendet. Kampflanze zieht sich zurück", meldete Danton. "Aber erst kriegt sie den Hintern versohlt." Er schwieg eine Sekunde. "Und danach einen Orden."
Mikado hätte gelächelt, wenn die ganze, brutale Situation nicht eher zum Weinen gewesen wäre. "Dann sollten wir auch aufhören, Zielscheibe zu spielen, Germaine. Ab hier helfen uns die automatischen Waffen des Raumhafens." Eine sehr gute Idee, wenngleich sein Tai-sho gleich zwei Treffer im Torso einstecken musste. Er drehte die Maschine leicht zur Seite, um die unbeschädigte Torsoseite nach vorne zu drehen. Bei Germaine verabschiedete sich gerade der rechte Arm, begleitet von einem lauten Fluch. Wann würden ihre Verstärkungen eintreffen?
"Mylord. Meine Aktionen beginnen."
Mikado lächelte nun doch. Germaine Danton war an diesem Tag ein extrem nützlicher Mann. "Okay. Dann entfesseln Sie auch die Elementare. Angriffsziel sind die Panzer und Mechs. Sie sollen sich so schnell es geht von der Infanterie lösen." In Gedanken fügte er hinzu: 'Und uns hier vorne helfen, verdammt noch Mal.' Dabei war es ihm ein Trost, dass ihnen nun fünf Jäger mehr zur Verfügung standen. Immerhin.
"Mylord? Radar meldet vier feindliche Jäger mit Kurs auf das Schlachtfeld."
"Verdammt, irgendwie klappt heute nichts. So viel zu unseren Bodenangriffen. Die Jäger sollen sich angemessen darum kümmern."
"Jawohl, Mylord."
Hinter ihm feuerte der erste Geschützturm, der einen Gegner in Feuerreichweite hatte, eine Salve LSR. Leider hatte der Raumhafen zu wenig davon, um ein ganzes angreifendes Bataillon abzuwehren. Aber es war besser als nichts. Und das Schweigen der PPK bedeutete entweder, dass der gegnerische Lander gelandet oder abgeschossen war. Er wagte nicht zu fragen. Außerdem wurde sein Kommando mit jeder Sekunde überschaubarer. "Auf zum letzten Gefecht", murmelte er.
eikyu
"Wir haben GO für Full Metal Panic", sagte Dominik begeistert.
Kitty sass bei den Infanteristen und trank einen Tee als Dominik dies verkündete.
"Wann geht es los?" fragte der Infanteriesergenat der Angry Eagles an Kitty gerichtet.
Sie hob drei Finger, der Sergeant sah daraufhin auf seine Uhr, die ihm anzeigte: 2:21
"Also in etwas über einer halben Stunde"
Kitty deutete mit den Zeigefinger auf ihn und nickte bejahend.
Für die Infanteristen war es immer noch so eine Sache mit einer nicht-sprechenden Pilotin zu arbeiten, welche sogar den Befehl über diese kleine Truppe hatte, zumindest was den Transportweg über betraff. Am Boden hatte sie natürlich nichts zu sagen.
Alleine die Planung hatte nicht nur den Sergeant überrascht, sondern auchDelaRoya.
Der Plan zur Gefangenenbefreiung war einfach zu nennen. DelaRoya hatte mit Germaine dem ganzen zugestimmt, unter der Vorraussetzung das keine wirklich überlegenen Feindkräfte zurückblieben, wobei Germaine gesagt hatte das der Captain Kitty alles geben sollte was sie anforderte. Über Funk hatte Captain Michael DelaRoya dies bestätigt, sich innerlich aber natürlich Grenzen gesetzt. Er kannte Kitty halt nicht.
Kitty hatte dann die Information bekommen, das sie die Gefangenenbefreiung unter dem Namen Ful Metal Panic leiten und auch planen sollte.
Kitty hatte dies bestätigt und im selben Moment eine Liste von Karten gefordert. Alleine die Anzahl der Karten war überraschend für DelaRoya. Insgesamt waren es nachher über vierzig Karten. Doch dafür trat Kitty dann auch mit drei möglichen Flugrouten auf, plus genauer Zeitplanung.
Überrascht wurden sie dann auch von ihrer Personalplanung: ein Tech, zwei Med Techs und sieben schwere Infanteristen.
Den Tech benötigte um beim Überfall eventuelle Daten klauen zu können, sie ging davon aus das sie nach dem Absetzen der Leute fünf Minuten die Stellung halten musste, Zeit genug für einen Tech einen PC zu finden und Daten zu kopieren, wie zum Beispiel Tagesbefehle.
Die Med Techs würden helfen, wenn einer der befreiten Gefangenen erste Hilfe benötigte und ausserdem erkennen können, inwieweit jeder transportabel war. Zudem könnten sie nachher die verletzten Infanteristen flicken.
Und genau bei denen wollte der Captain sich quer stellen: Infanterie ja, aber nicht ausgerechnet die Schwere. Doch genau die Schwere wollte Kitty haben, keine Andere. Der Grund war einfach. Schwere Infanterie war wesentlich stärker gepanzert, wen auch in ihrer Beweglichkeit eingeschränkt. Die Beweglichkeit war hier eher zweitrangig da Kitty ja eh in unmittelbarer Nähe zum Gefängnis landen wollte. Dort aber würde es unweigerlich zu Feuergefechten mit den überlegenen Feindfusstruppen kommen, spätestens im Zelt selbst.
Da man von etwas über einer Kompanie gegnerischer Infanterie ausging, welche fröhlich auf sie ballern konnten, während sie selber ihre Ziele mit Bedacht auswählen mussten, war Panzerung wichtig. Zumal es kaum richtige Deckung gab. Die vielen Zelte hielten keinen Kugelhagel stand.
Und warum wollte Kitty nicht zwei Trupps Infanterie mitnehmen?
Weil sie alle Gefangenen mitnehmen wollte, egal in welchem Zustand sie waren, sowohl die Gefangenen die befreit werden sollten, als auch eventuelle Personen die sie gefangen nahmen. Und im schlimmsten Fall musste Kitty ja auch in der Lage sein, alle drei Scouttrupps, das angeforderte Personal, die vier Beobachter und deren Ausrüstung mit einen Flug zu evakuieren.
22 Menschen sollte er hier lassen... Delaroya hatte wesentlich mehr befürchtet, hatte aber nun Angst das die Sache schief gehen könnte, weil es so wenig Personal war.
Doch dann versicherte ihm Kitty das sie das Überraschungsmoment auf Ihrer Seite hatten, wenn die Scouts vor ihrem Eintreffen den Wachposten ausschalteten, der auf ihrer Flugroute lag.
Und so war es dann auch...als Kitty um drei Uhr Nachts startete, machte sich der aus zwei Mann bestehende Scouttrupp eins daran, die beiden schläfrigen Wächter auszuschalten, welche die Flugroute blockierten und frühzeitig Alarm geben konnten.
Die anderen beiden Scouttrupps hielten Ausschau nach potenziellen Gefahren in Form von bewaffneten Fahrzeugen oder Panzern, die man vielleicht übersehen hatte... .
"Ich geh mal austreten", meinte Bill.
"Mach das... ja, und dann trat sie ihm doch voll in die Eier..." meinte sein Kamerad vom Fahrersitz des Jeeps her.
Zu dritt warteten sie hier, in der Nähe des Wasserlochs und beschützten die Techs bei ihrer Arbeit. Die Techs schufteten rund um die Uhr um Ausrüstung aus den Wracks zu bergen, oder vielleicht sogar die eine oder andere Blechbüchse wieder flott zu bekommen.
Es war nix los, seit dem die Truppe abgezogen war, und mit ihr auch gleich die Verteidiger, welche nun mehr die Stellungen ihres Raumhafens verstärken mussten als sich um sie zu kümmern. Da Bill eh auf der Gewinnerseite stand versuchte er dies als Urlaub zu sehen. Feinde gab es hier nicht mehr. Und das gefährlichste war woll nur noch ein Sandsturm, gegen den aber das MG am Heckaufbau des Jeeps auch nichts ausrichten konnte. Naja, wenigstens hatte Andre sich noch daran stehend gelehnt während er mit dem Fahrer redete. Bill war heute nur Beifahrer, und im Ernstfall der Munijunge, also derjenige welcher für die Munitionszuführung des MGs zuständig war. Das schlimmste hier war nicht die öde Langeweile, sondern dieses verflucht laute Dieselagregat, welches den Strom für die Leuchtstrahler lieferte, damit die Techs arbeiten konnten. Wenigstens war die Ablösung schon unterwegs, so das sie um vier Uhr in ihre Zelte fallen konnten.
Ah, das tat gut...
"Kontakt", schrie Andre plötzlich.
Bill sah sich verwirrt um, dann nahm er den anderen Lärm auch war.
Ein Blitzen, zuerst zuckten seine beiden Kameraden, dann war alles oberhalb der Motorhaube des Jeeps weg. Irgendwas dunkles flog nur etwa zwei Meter über den Jeep hinweg...und dann wurde Bill umgeworfen und vom Dreck fast verdeckt, der plötzlich überall herumwirbelte.
Nach einer schieren Endlosigkeit gelang es ihm sich wieder aufzurappeln. Irgendwie war es sehr mühsam...und diese Stille... dann ein Ruf von einem der Techs.
Das Licht...es war aus...genauso wie das Dieselagregat.
"Solltet Ihr uns nicht beschützen?" fragte der Tech erbost als er in Sicht kam.
Dann nur ein "Oh" als er den Jeep sah. Und ein "Ähm..." als er Bill sah.
Bill war immer noch verwirrt, fragte sich, wie er nun Meldung machen sollte, da ja sogar die Funkantenne weg war, welche normalerweise am Heck des Jeeps angebracht war. Er ging einen Schritt, und merkte das es irgendwie schwerfällig war... er erkannte das der Tech ihn immer noch ansah, schaute an sich herunter um zu sehen was ihn den am gehen behinderte und stellte fest, das er immer noch die Hose runtergelassen hatte. Mit zitternden Händen griff er danach, zog sie hoch, und versuchte sie zu zu machen... .
Kich war zufrieden mit der Welt um ihn herum, den er konnte mit seinem LKW fahren. Das Baby summte vor sich hin, dank des Fusionsmotors. So ein LKW war teuer, und schwer zu beschaffen, aber er war auch leise und zuverlässiger als jeder LKW mit Dieselmotor. Hinten auf der Pritsche schlafwandelten noch die 3 Soldaten und die vier Techs, welche zur Ablösung losgeschickt wurden, und somit herschte auch von dort her Ruhe. So liebte er es...mit heruntergelassenen Fenster durch die Gegend fahren und sozusagen niemanden dabei zu haben der sagte: tu dies, tu das... .
Mit einem Mal war da Lärm vorraus zu hören, Lärm der schnell lauter wurde. Er hielt an, schaute angestrengt nach draussen.
Dann sah er etwas auf sich zu fliegen, erschrocken hob er die Arme vors Gesicht und wollte noch schreien, als plötzlich ein Ruck durch den ganzen LKW ging und er einen halben Meter runter sackte. Dabei zerbarst auch die Frontscheibe, und eine enorme Menge Staub und Dreck wurde rein geweht als etwas direkt über sie hinweg flog und durch den Lärm den ganzen LKW noch mals erbeben lies.
Dann war der Spuck vorbei...es herschte wieder Ruhe. Bis auf das Gerufe der Leute auf der Pritsche.
Hastig stieg er aus, merkte jedoch das er nicht runter klettern musste wie sonst.
Er drehte sich um und besah sich den LKW von der Seite. Tränen schossen ihn in die Augen als er erkannte das der gesamte Unterbau weg geschmolzen war. Man hatte ihm im wahrsten Sinne des Wortes den LKW unter den Hintern weg geschossen... .
Dominik war glücklich, endlich durfte er mal was tun für sein Geld, und zweimal hatte er nun schon getroffen. Erst hatte er den Jeep entwaffnet, dann hatte er den LKW mit dem Lasern tiefergelegt. Und nun griffen sie eine AK-Stellung an, welche versuchte sich auf sie einzuschiessen. Doch die 25mm Geschosse flogen blind durch die Nacht, die Leuchtspurgeschosse welche für kurze Zeit mitgeliefert wurden markierten eher die Stellung als die Position des Cavalrys. Mehr als zwei Salven konnte der gegnerische Schütze nicht abgeben, danach war er von den Lasern des Cavalrys verdampft... .
Kitty lag noch voll in der Zeit. Um drei Uhr war sie gestartet, zwei Minuten später hatte sie das OK vom ersten Scouttrupp, welcher die Vorposten ausgeschaltet hatte.
Um drei Uhr vier hatten sie den Posten überflogen...nun war es drei Uhr und neun Minuten. Sie hatten geplant um spätestens drei Uhr fünfzehn die Leute abzusetzen und fünf Minuten später wieder aufzunehmen, so das sie um halb vier wieder am Startpunkt waren. Es sah so aus als ob es glatt gehen würde. Oder auch nicht... den die Ruhe, der fehlende Alarm, konnte nur bedeuten das man sie schon erwartete. Aber da mussten sie nun durch.
Die Zelte waren schon erkennbar, als Kitty endlich die Geschwindigkeit drosselte. Sowohl rechts, als auch links von den etwa zwanzig Zelten verschiedenster Grösse standen Fahrzeuge aller Art, und auch vor den Zelten standen ein LKW sowie ein Jeep.
Dominik zersiebte den LKW mit den MGs, doch als Kitty den Heli etwas weiter nach rechts drehte kamen die Fahrzeuge dort in sein Fadenkreuz, und er löste die Laser aus.
Die Reaktion, als sie einen Kühlmitteltransporter streiften, war beeindruckend. Statt eines Feuerballs, der alles in rotes Licht tauchte, sah man plötzlich wie in der Umgebung, und natürlich der Transporter selbst, schockgefroren war. Sichtbar wurde das erst richtig, als Dominik durch einen Zufall einen Munitionstransporter traf, der etwas weiter weg stand. Das entstehende Feuer sorgte dann für genügend Licht, und der entstandene Lärm dürfte jeden wecken, der sich jetzt noch nicht aus dem Schlummerland am Wasserloch befreit hatte.
Unterdessen flog Kitty etwas weiter links von den Zelten entlang, lies aber Dominik noch weiterhin auf die Fahrzeuge rechts schiessen, wobei der nun gezielter bewaffnete Fahrzeuge treffen konnte, da es nun etwas Licht gab. Auch wurde auf sie das Feuer eröffnet, während Kitty runterging um die Infanterie raus zu lassen. Aber die Kugeln aus einem Automatikgewehr konnten die dicke Panzerung des Cavalry nicht durchdringen.
Nun gesellte sich allerdings eine leichte Autokanone zu den Gewehr, und die mochte Kitty nicht mehr ignorieren. Da die Passagiere raus sprangen, und beteten das sie nicht durch Querschläger am Heck des Cavalry von den 25mm Geschossen getroffen wurden, ortete Dominik den Angreifer. Wieder eine Stellung, wie die, welche sie vorhin ausgelöscht hatten, diesmal allerdings weit links von den Zelten und mit besserer Zielmöglichkeit.
Also drehte Kitty den Heli so, das sie mit dem Heck nicht die eigenen Leute erwischt, und ging gleichzeitig hoch, so das ihr Gegner die dicke Frontpanzerung traf. Aber auch hier löste die liebevolle Entgegnung von Dominik das Problem in wenigen Sekunden.
Eine ganz andere Sache war hingegen die Vedette welche plötzlich das Feuer auf sie eröffnete.
Durch die vielen Wracks und Fahrzeuge war es schwer gewesen, herauszufinden was den nun was war. Dementsprechend hatte Kitty erstmal alles ignoriert was nicht mit Fusionsreaktor ausgestattet und kalt war. Die Vedette war ein leichter Panzer mit Verbrennungsmotor, klein aber nicht ungefährlich dank seiner mittelschweren Autokanone, welche wesentlich mehr Panzerung mit ihren Geschossen zerdellte als die 25mm Geschosse mit denen sie es bisher zu tun bekamen. Jetzt hies es wirklich kämpfen.
Der Cavalry war jedoch klar im Vorteil, was man nach wenigen Sekunden merkte. Den er konnte sich schneller über den Panzer hinweg begeben, als dieser mit dem Turm folgen konnte, auch war das mittig im Turm angebrachte Geschütz nicht so hoch einstellbar. Während die Vedette nur einen Treffer verbuchen konnte, schaffte Frischi es, bei drei Anflügen auf immerhin zwölf, wobei der letzte Treffer das Turminnere traf, was den Panzer in Brand setzte. Deutlich konnte man sehen wie der Fahrer sich aus dem Panzer befreite und somit war diese Vedette aus dem Rennen.
Damit sowas nicht nochmal vorkommen konnte, wollte Dominik nun auf der linken Seite des Zeltlagers aufräumen, und er hatte gerade eine Salve abgegeben als der überraschende Ruf des Sergeants der Angry Eagle Infanterie kam: "Feuer einstellen, das Lager kapituliert. Ich wiederhole, das Lager kapituliert."
Überrascht sahen sich Kitty und Dominik an. Das Lager kapitulierte?
Ein irritierter Blick über das Zeltlager... hier und da ein paar Brände, zwei Zelte umgeweht durch den Heckrotorwind des Cavalrys, als er vorhin sich gedreht hatte um die Stellung links anzugreifen, da stand einer der schweren Infanteristen auf den Jeep, vor dem Zeltlager und hatte das schwere MG welches auf der Ladefläche montiert war, auf das Zeltlager gerichtet.
Was um alles in der Welt war passiert, das dieses Lager kapitulierte? Und was war mit den Gefangenen?
Ace Kaiser
Mit einem Kopfschütteln betrachtete Jerome Bull das unrasierte Bündel Mensch in der Zelle. Man hatte ihn erst vor wenigen Minuten eiskalt abgeduscht. Nicht, dass es wirklich nötig war. Nicht, dass der junge Mann in der Zelle wirklich aggressiv war. Nein, es war seine stoische Ruhe, mit der er alles ertrug, alles erduldete, die den Polizisten Angstschauder über den Rücken jagte. Dieser Blick, der versprach, nie wieder etwas zu vergessen, was ihm angetan worden war. Das hatte die Cops verängstigt. Sie noch mehr tun lassen, in der Hoffnung, dass sich das Problem von selbst lösen würde. Soweit Bull wusste, hatte der Knabe seit vier Tagen nichts mehr zu essen bekommen. Das war ziemlich genau die Zeit, die er schon in dieser Zelle verbrachte.
Bull schüttelte erneut den Kopf. Okay, man hatte ihn über und über mit Blut bedeckt gefunden, neben ihm ein paar tote Männer. Und ein übereifriger Hamiltoner Amtsrichter hatte entschieden, dass jemand, der drei bewaffnete Männer töten konnte, ohne eine Schusswaffe zu ziehen, verdammt noch mal nicht auf die Straße gehörte. Der Rechtsstatus dieses Mannes war extrem unklar, wurde aber mit den Notstandsgesetzen durch die nahe Clanzone gerechtfertigt. Hinter vorgehaltener Hand nannten die Polizisten ihn dann auch nur den Clanner, weil er alles ertrug, alles erduldete. Bull fand dieses Verhalten beachtlich, verglich es allerdings eher mit einem Bushi, einem draconischen Krieger. Franz von Assissi, der Heilige, der den Tieren gepredigt hatte, sollte einst gebetet haben, Dinge erkennen zu können, die er ändern könnte, Dinge zu ertragen die er nicht ändern konnte, und die Weisheit zwischen beiden zu unterscheiden. Dieser Bursche wusste ganz genau, dass er hier nicht so ohne Weiteres raus kam. Vor allem nicht, wenn er wie ein Berserker wütete. Mit seiner stillen Art aber machte er seine Wärter wünschen, er wäre wenigstens einmal an die Decke gegangen. Dann hätten sie glauben können, dass der Bursche ein Mensch war, und kein genetisch optimiertes Monster.
"Öffnen Sie", sagte Bull der Wache.
Der Mann sah ihn verständnislos an. "Sind Sie sicher, Sir? Er hat drei Männer getötet, und das nur mit einem Messer."
"Soweit ich weiß hat er in Notwehr gehandelt. Ich habe nicht vor, ihn anzugreifen, also sollte ich sicher sein. Öffnen Sie."
"Es ist Ihr Begräbnis", murrte der Mann, schloss aber gehorsam die Tür auf.
Jerome Bull betrat die Zelle, ging bis zu dem triefend nassen Bündel Mensch und griff in seine Felduniform. Er zog ein Päckchen hervor und hielt es dem Zelleninsassen hin. "Notration. Nicht sehr schmackhaft, aber voller herrlicher Kalorien. Die Küche hier soll nicht so gut sein, hat man mir gesagt."
Sein Gegenüber zögerte einen Moment, dann griff er bedächtig zu. "Danke."
Jerome hätte erwartet, dass der Mann gierig zugriff, seine Beute verbarg, all das was man einem Tier zutraute. Doch dieser Mann öffnete das Päckchen bedächtig, betrachtete den Getreideriegel und biss und kaute, ohne zu schlingen. Ausgetrocknet war er definitiv nicht. Aber unterkühlt und reichlich hungrig. Dennoch brachte er die Disziplin auf, nicht zu schlingen. Der alte Bull verstand nun etwas besser, wie dieser Bursche zu seinem Ruf gekommen war.
Er sah sich um, aber es gab keine Möglichkeit, um sich zu setzen. Also ging er in die Hocke. "Sie haben einen ganz schönen Wirbel veranstaltet, Mister."
"Ich bin nicht der Mister. Ich bin der Melker", scherzte sein Gegenüber und hielt ihm die leere Verpackung hin. "Gegen einen zweiten habe ich nichts."
Bull grinste. "Ich habe was Besseres für Sie. Wie klingt das? Ein ordentliches Zwanzig Unzen-Steak, Medium gebraten, mit einer fetten Folienkartoffel und einer Riesenkelle frischen Quark? Das Ganze abgerundet mit einem halben Dutzend Bierchen?"
"Klingt lecker. Wen soll ich dafür umbringen?"
"Gemach, gemach. Umgebracht haben Sie schon genügend. Nicht, dass sie es nicht verdient gehabt hätten", beschwichtigte Bull den Mann, bevor er protestieren konnte. "Aber es waren nur ein paar popelige Straßengangster, die sich ihr Taschengeld aufbessern wollten. Warum haben Sie sie abgeschlachtet? Sie sind ein verdammter Außenweltler auf Hamilton. Hier sind alle jederzeit auf eine Invasion der Jadefalken gespannt. Jeder Fremde ist für sie ein angreifender Clanner. Und dann kommen Sie daher, stechen mit links drei Kleinganoven ab und denken, alles wird gut?"
"Es stand drei gegen eins. Ich kannte die Männer nicht. Und ich konnte mich nicht darauf verlassen, dass sie sich mit meiner Brieftasche zufrieden geben würden." Er machte eine fahrige Geste. "Ich habe keine Lust, vor meiner Zeit zu sterben. Also habe ich reagiert, als sie mich angegriffen haben. So einfach ist das. Und um mein eigenes Leben zu retten habe ich sie getötet. Immerhin, drei gegen einen."
"Den Letzten hätten Sie verschonen können", wandte Bull ein.
"Wenn er unbewaffnet gewesen wäre. Aber er hatte ein Messer und machte keine Anstalten zu fliehen. Stattdessen stürzte er sich brüllend auf mich. Teufel auch, er ist mir ins Messer gefallen. Bevor ich mich versah, steckte es zwischen seinen Rippen. Nicht, dass ich es ihm nicht auch dahin befördert hätte." Er zuckte die Schultern.
"Die Hamiltoner befürchten, dass Sie jetzt durch die Straßen ziehen und weitere Leute "in Notwehr" abschlachten", sagte Bull bedächtig. "Am liebsten würde man Sie an die nächste Wand stellen und fünf Mann ein paar Gramm Blei verschießen lassen. Nur damit Ihnen klar ist, dass es nicht besser wird. Die Leute haben Angst. Und wenn sie Angst haben, werden sie irrational."
"Oh. Wunderbar. Was für Aussichten. Ich nehme an, Ihr Steak mit Folienkartoffel bietet mir eine Alternative?"
"Mein Name ist Jerome Bull. Colonel Jerome Bull. Ich leite das Team Stampede, ein verstärktes MechBataillon mit Panzer- und Infanterie-Unterstützung. Wir sind auf Raids gegen die Clans spezialisiert. Zumindest, solange die Lyraner Unsummen für erbeutete Clantech bezahlen und sich nach jedem Leibeigenen die Finger lecken. Sie verstehen sicherlich, dass ich nur zwei Sorte von Leuten kriege: Die Besten oder den Abschaum. Sie fallen in eine diese Kategorien, und ich will Sie gerne haben."
"Ich habe so etwas befürchtet", erwiderte der Gefangene trotzig.
"Germaine Danton, Sandhurst-Abbrecher im vierten Jahr, Kadetten-Offizier, Taktik mit Auszeichnung, Mechführung mit Auszeichnung, Strategie mit Auszeichnung. Sind Sie das?"
"Die Auszeichnungen sind leicht zu bekommen. Man muss nur besser sein als die anderen Idioten an der Akademie. Und es sagt nichts darüber aus, wie man sich im Feld schlägt."
"Mag sein. Aber es sagt einiges über einen Kadetten aus, welcher Mech ihm zugewiesen wurde. Sie haben auf einem Atlas trainiert, Germaine. ComStar hat von Ihnen Großes erwartet. Und ich bin sicher, wenn genügend Maschinen für das Training zur Verfügung gestanden hätten, hätte man Ihnen auch einen ClanMech der Assault-Klasse zugeteilt. Ich will Sie, Germaine. Ich habe da eine freie Nemesis, die mir wegen hervorragender Ergebnisse überlassen wurde. Mittlerweile haben wir genügend Ersatzteile geschossen, um sie zu reparieren. Ich würde sie selbst nehmen, aber Teufel auch, ich habe mich so an meinen Thug gewöhnt. Sie werden gut mit der Maschine klar kommen."
"Was macht Sie glauben, dass ich mitkommen werde? Was, dass ich Befehlen gehorchen werde? Meinen Namen kennen Sie ja schon. Also wissen Sie auch, warum ich hier draußen am Arsch des Universums bin."
Bull lächelte düster. "Sie werden mitkommen, weil wir in den Jadefalkenraum fliegen. Sie werden mitkommen, weil Sie gar keine Zeit haben werden, mir Ärger zu machen, weil Sie eine eigene Lanze voller Individualisten und Fachidioten kommandieren werden. Und Sie werden mitkommen, weil ich Ihnen sage, dass die letzten vier Ihrer Opfer ebenfalls im Jadefalkenraum unterwegs sind. Ich kenne die Einheiten, bei denen sie angeheuert haben, und ich weiß, wo die sich in den nächsten vier Monaten befinden werden."
Der große Mann erhob sich wieder. "Überlegen Sie es sich. Anstatt vom wütenden Mob mit Heugabeln und Fackeln zu Tode gehetzt zu werden, können Sie heute noch diese Welt verlassen. Sie gehen einen Ein Jahres-Kontrakt mit meinem Team Stampede ein und übernehmen die Sigma-Lanze der Bravo-Kompanie. Es ist die Kampflanze. Nur schwere Brocken. Wenn wir in die Nähe eines Ihrer Opfer kommen, kriegen Sie meine Erlaubnis, ein wenig streunen zu gehen und sich Streit zu suchen. Und glauben Sie mir, alleine in den Jadefalkenraum zu gehen ist sehr gewagt. Es ist schon mit meinem Team Stampede gewagt." Er reichte Germaine die Hand zum Aufstehen. "Aber immerhin, es ist eine sinnvolle, gut bezahlte Arbeit, die Ihren Fähigkeiten entspricht."
"So, tut sie das?", murrte Danton, ließ sich aber auf die Beine ziehen. Dabei verrutschte die nasse Decke auf seiner Schulter und entblößte den linken Arm. Er war gebrochen und unbehandelt.
Bull runzelte die Stirn. "Sie brauchen einen Arzt."
"Was Sie nicht sagen. Ich soll also Ihr willfähriger Offizier werden, und ab und an darf ich auf meinen Rachetrip gehen?"
"Oh ja. Aber das Beste wissen Sie ja noch gar nicht." Bull zwinkerte verschwörerisch. "Mein Chefkoch ist Franzose. Und einer der besten Köche, die ich in meinem Leben kennen lernen durfte."
Germaines Gesicht hellte sich auf. "Warum haben Sie das nicht gleich gesagt? Verschwinden wir hier, bevor ich mich heimisch fühle."
Bull lachte dröhnend, wagte es aber nicht entgegen seiner Art, Danton auf die Schulter zu klopfen. Wer wusste schon, was diese Idioten noch alles gebrochen hatten.
"Kann ich statt des Steaks Escargot bekommen?"
"Esca... Sie meinen gefüllte Schnecken? Sie ziehen schleimige Gummitiere einem Männersteak vor? Sie sind wirklich ein Franzose", erwiderte Bull kopfschüttelnd. Gemeinsam verließen sie die Zelle wieder.
Germaine konnte damals freilich nicht ahnen, dass aus dem Ein Jahres-Kontrakt acht werden würden. Und dass nach Bulls Tod die Chevaliers aus den Resten dieser Einheit entstehen würde. Vielleicht hätte er dann gezögert. Aber vielleicht wäre er dann auch irgendwo wie der tollwütige Hund, der er damals war, niedergeschossen worden, anstatt mit Hilfe dieser Aufgabe ins Leben zurückzufinden.
***
"Verdammt noch mal, lassen Sie mich mitmachen!", rief Harrison Klein mit verzweifelter Stimme. "Ich muss in meinen Mech und mitkämpfen!"
Captain DelaRoya, der derzeit das Oberkommando über das hatte, was die Schlacht am Wasserloch übrig gelassen hatte, starrte Major Klein entsetzt an. "Himmel, Harry, wie sind Sie aus der Krankenstation raus gekommen?"
"Auf die gleiche Weise wie dieser Chevalier. Ich habe mich einfach nicht stoppen lassen!", entgegnete er verbissen. "Also, ich nehme an, ich kann meinen Imp in die Schlacht steuern?"
"Himmelherrgott, Harry, Sie haben achtzig Prozent Verbrennungen! Sie können froh sein, wenn Sie es ohne Infektion durch den Rest der Woche schaffen, geschweige überleben! Nein, natürlich dürfen Sie nicht mitkämpfen!"
"Es sind hauptsächlich Verbrennungen Ersten und Zweiten Grades, das kann ich eine Zeitlang wegstecken. Aber Sie verstehen mich nicht, Michael! Mein Tod ist egal! Ob ich verkrüppelt werde ist egal! Aber ich habe uns in das Fiasko am Wasserloch geführt! Ich habe diese Schlacht verloren! Und ich bin Schuld daran, dass diese Truppen nun dem Herzog am Raumhafen fehlen! Michael, ich flehe Sie an, lassen Sie mich wenn schon nicht als kompetenten, dann doch wenigstens loyalen Offizier der Angry Eagles kämpfen!"
"Und sterben, oder was?", knurrte DelaRoya. "Nur über meine Leiche, Harry!"
"Sie verstehen nicht! Es gibt nur diesen Weg! Ich habe gegen die Parder gekämpft, ich habe immer meine Pflicht erfüllt! Ich stand immer an der Seite meines Herzogs, wenn wir in die Schlacht gezogen sind! Ich kann jetzt nicht fehlen! Ich darf jetzt nicht fehlen!"
"Harry", begann DelaRoya seelenruhig. "Sie werden mit absoluter Sicherheit in dieser Schlacht sterben. Ihre Reflexe sind unten, Sie können einen Ihrer Arme nicht mehr benutzen, und ohne das Morphium wären Sie vor Schmerz längst bewusstlos. Denken Sie denn, Sie nützen Ace als Toter?"
"Nachdem ich die Feinde im Wasserloch übersehen habe, nachdem wegen mir Virgil beinahe getötet wurde, weiß ich nicht, ob ich ihm als Offizier überhaupt noch nütze. Aber ich gebe immer noch einen verdammt guten Schild ab. Von Offizierskollege zu Offizierskollege, von Angry Eagle zu Angry Eagle: Lassen Sie mich mitkämpfen!"
"Ihr Imp wird bis dahin nicht fertig sein, geschweige denn bereit, sich zu bewegen oder zu feuern. Also nein."
"Ich nehme Fujitas Feuerfalken! Ich bin ein wesentlich erfahrenerer MechKrieger als er!"
"Nein heißt nein, Harry! Ich lade mir Ihren sinnlosen Tod nicht auf mein Gewissen. Gehen Sie wieder auf die Krankenstation."
Als sich DelaRoya umwandte, griff Major Klein mit überraschender Kraft zu und packte sein Handgelenk. "Michael, ich beschwöre Sie! Nehmen Sie mir nicht meine letzte Chance!"
Die beiden Männer sahen sich lange in die Augen. Im Hintergrund wurde ein Schott aufgerissen. Man hörte einen Medtech lauthals darüber fluchen, dass es auf seiner Medostation wie auf einem Taubenschlag zuging. Dann riss eine Hand Harrison Klein herum, und eine rechte Gerade fuhr ihm in den Bauch. Mehr schlecht als Recht hielt sich Virgil Stannic vor dem Mann auf den Beinen. Böse sah er auf Klein, der sich zusammengekrümmt hatte, herab. "Ace wollen Sie nicht enttäuschen, Harry? Was zum Teufeln, denken Sie, tun Sie gerade? Wir beide haben hier zusammen auf Wayside gekämpft, Seite an Seite, in allen Schlachten! Wir haben zusammen geblutet, wir haben zusammen getötet! Ich habe dabei zugesehen, wie Sie immer höher aufgestiegen sind, und das hat mich sehr zufrieden gemacht. Als Sie die Parkensen-Garnison übernommen haben, war ich mit dieser Wahl mehr als einverstanden. Hölle auch, am Wasserloch wurden Sie eingeseift, aber sind Sie schon so sehr Drac, dass Sie vergessen haben, wie wir Eagles solche Dinge handhaben?" Wütend starrte Stannic den Miliz-Chef an. "Wir überleben, Harry, und dann versuchen wir es beim nächsten Mal besser zu machen! Wenn Sie wirklich darauf bestehen, einem gesunden Piloten die Maschine weg zu nehmen und da draußen als einfacher Mechkrieger zu kämpfen, nur um sich zu opfern, dann schlagen Sie Ace ins Gesicht. Dann ohrfeigen Sie uns alle für all das, woran wir glauben, und wie wir die Dinge handhaben! Wollen Sie das?"
"Aber... Ich habe versagt!", begehrte Klein auf.
"Wir alle versagen. Hier, dort, gestern, morgen. Aber wir überleben. Und versuchen es beim nächsten Mal besser zu machen. Es wird für Sie kein nächstes Mal geben, wenn Sie wirklich da raus gehen. Und tot sind Sie für die Eagles, für die Miliz, nichts mehr nütze. Das wäre die Verschwendung von fünf Jahren Vertrauen. Wollen Sie das, Harry? Wollen Sie ein nützlicher Eagle sein, der sein Bestes für den Herzog gibt, oder suchen Sie den Feiglingsweg wie die Dracs, die glauben, mit ihrem Tod dieses diffuse Ding namens Ehre wieder herstellen zu können? Die Eagles brauchen lebende Offiziere, nicht das Andenken an Tote, die sich sinnlos geopfert haben!"
Langsam richtete sich Klein wieder auf. "Ich..."
"Keine Widerrede. Sie werden nicht in einem Mech da raus gehen." Stannic wurde schwindlig, und der Medtech sowie Klein sprangen hinzu, um ihn zu stützen. "Ich für meinen Teil gehe jetzt wieder in mein Bett und an meine Infusion, um so schnell wie möglich wieder fit für die Eagles zu sein. Und ich will nicht noch mal aufstehen müssen, weil Sie wieder was Dummes planen, Harry."
Betreten nickte der Mann.
"Aber wenn Sie schon wieder rumlaufen können, sollten Sie gleich nach der Landung in den Stab wechseln. Sorry, mehr ist nicht drin. Sie sind immer noch schwer verletzt, Harry."
Für einen Moment fehlten Klein die Worte. "Danke, Sir."
"Keine Ursache. Und das nächste Mal denken Sie nach, bevor Sie versuchen, so etwas Dummes zu tun. Jetzt aber kehren wir auf die Krankenstation zurück. Beide."
"Ja, Sir."
Mit Hilfe des Medtechs verließen die beiden Verletzten die Kabine DelaRoyas wieder. Der sah ihnen kopfschüttelnd hinterher. "Die vielen Draconier hier bekommen ihm nicht besonders. Es wundert mich, dass er nicht gleich darum gebeten hat, Selbstmord begehen zu dürfen." Aber immerhin hatte Virgils Eingreifen bewirkt, dass sich der Major nicht selbst umbringen würde. Und wenn die Ärzte die Verbrennungen im Griff hatten und Klein wieder diensttauglich geschrieben wurde, dann war er vielleicht schlauer. Die Angry Eagles setzten viel Gewicht auf die Lernfähigkeit des Einzelnen.
DelaRoya schaltete sich zum Kapitän durch. "Wann treten wir wieder in die Troposphäre ein?"
"Wir sind in acht Minuten über dem Raumhafen. Aber danach braucht die KOBE dringend eine Sanierung ihrer Hitzeschilde."
"Machen Sie sich darum keine Sorgen. Wenn wir rechtzeitig kommen, wird der Herzog persönlich bei der Wartung helfen. Und wenn wir zu spät kommen, übernehmen die neuen Besitzer Waysides die Kosten."
Der Skipper der KOBE lachte rau. "Ich setze uns mit anderthalb G und einem Gewaltmanöver auf. Die sprungfähigen Mechs können ab tausend Meter selbstständig abspringen, die anderen können drei Minuten später das Schiff verlassen. Das bringt uns noch mal eine Zeitersparnis von drei Minuten. Aber mehr ist nicht drin, wenn ich danach noch ein Schiff haben will."
"Das ist in Ordnung. Hauptsache, wir kommen nicht zu spät." DelaRoya beendete die Verbindung und unterdrückte einen Fluch. Er war Panzerfahrer. Er würde erst drei Minuten nach den Mechs in die Schlacht eingreifen können. Womöglich noch später. Das frustrierte. Er brannte nicht weniger als Klein darauf, Seite an Seite mit Mikado zu kämpfen.
***
Germaine konnte ein zufriedenes Grinsen nicht unterdrücken. Full Metal Panic hatte Erfolg gemeldet, sogar größeren, als er geplant hatte. Das Lager am Wasserloch hatte sich ergeben, und damit waren die zurückgelassenen Techs und das ganze Bergegut in die Hände der Chevaliers und Eagles gefallen. Außerdem hatte sich der Vorstoß der Elementare unter Rowan als sehr erfolgreich erwiesen. Als Stein von einem Elementare gerettet wurde, hatte der gepanzerte Riese alle Aufmerksamkeit gehabt; vorsichtshalber hatte er sich nicht mehr eingegliedert und war bei den Mechs geblieben. Niemand hatte darauf geachtet, woher er gekommen war. Als dann die restlichen vierundzwanzig Rüstungen aus ihren Verstecken hervor gekommen waren - zweiundzwanzig, denn zwei Rüstungen meldeten sich nicht mehr, und es war nicht undenkbar, dass sie nebenbei von den anrückenden Mechs zerquetscht worden waren - hatten sie mit zwölf Mann die Masakaris angegriffen. Die anderen zehn hatten den Vormarsch der nachrückenden Infanterie abrupt gestoppt und hielten sie noch immer auf. Die Sprungtruppen des Gegners hatten einen gesunden Respekt vor dem Gegner, und ließen sich bremsen. Selbst als ein Masakari zu Boden ging, banden die Wolf im Exil-Elementare noch mindestens zwei Kompanien des Feindes. Die Zahl der Rüstungen ging während dieses Gefechts dann auch auf neunzehn runter, und man würde nach der Schlacht sehen müssen, ob und wen man noch in welchem Zustand fand. Nun musste nur noch die zweite Überraschung glücken, und zwar bevor die Verstärkungen des Gegners heran geführt waren, die knapp außerhalb der schweren Schiffsgeschütze des Jaffray-Raumhafens ausgebootet hatten. Ihre schnellsten Elemente brauchten nur noch fünf Minuten bis zur derzeitigen Frontlinie, und ob die Elementare Infanterie und Mechs handhaben konnte, war fraglich.
Mittlerweile standen sie in der fünften und letzten Verteidigungslinie. Seine Einheit, ohnehin schon am Wasserloch gebeutelt, war auf mittlerweile sechs Mechs zusammengeschrumpft, als es Wiachinskys Warhammer IIC erwischt hatte. Die einzig gute Nachricht dabei: Wiachinsky hatte den gestürzten Mech verlassen und hinter die Linien fliehen können.
Ihre Luftüberlegenheit bestand nicht mehr. Zwar hatten sie ausgeruhte Eagles und Milizionäre voll bewaffnet in der Luft, aber die Verstärkungen hatten auch ihre restlichen fünf Jäger mitgebracht, und nun vollführten Chevaliers, Miliz und Eagles in vier Kilometern Höhe über ihnen ein komplexes Ballett, ein Duell gegeneinander, anstatt die Bodentruppen auszubremsen. Zwar schwenkte die Stuka immer mal wieder zum Angriff ein und die beiden Stringray der Eagles schlossen sich an, aber Sarah Slibowitz, die nach dem Flechettenangriff auf ihre Maschine ausgefallen war, fehlte an allen Ecken und Enden. Außerdem hatte der gleiche Beschuss seine Techs erwischt, und das machte Germaine mehr als wütend. Vor allem wütend auf sich selbst, weil er der Padilla gestattet hatte, nahe genug für den Beschuss heran zu kommen. Ein unverzeihlicher Fehler. Aber er als Kommandeur hätte die Situation auch ausgenutzt. Vom militärischen Standpunkt hätte er gratulieren können, wäre die Padilla nicht anschließend von einem Luftangriff der Chevaliers vernichtet worden. Noch hatte Germaine keine Statusmeldung vom Raumhafen, noch wurden Leute geborgen, aber noch nicht identifiziert. Allerdings sollte die Beschussseite furchtbar aussehen.
Am Boden war die Streitmacht von Imara nun eine große, kompakte Masse geworden, ideal für einen Luftangriff, der aber nicht zur Verfügung stand. Ideal auch für die automatischen Waffen des Raumhafens. Besser eine kleine Hilfe als keine Hilfe, denn sie waren nie dazu konzipiert, um einen Gegner alleine aufzuhalten. Die Idee hinter ihrer Konstruktion war die Abwehr von Luftschlägen. Nicht, dass die Raketentürme nicht auch im Bodenkampf nützlich waren. Aber mehr Feuerkraft, sehr viel mehr Feuerkraft hätten sie jetzt sehr gut gebrauchen können.
"Die KOBE kommt rein und setzt direkt hinter uns die sprungfähigen Mechs ab!", klang die hoch erfreute Stimme von Juliette Harris in Germaines Helm auf.
"Die KOBE? Wo?"
Suchend kontrollierte der Colonel den Rundumsichtbildschirm, und entdeckte auf der einhundertachtzig Grad-Anzeige fast direkt hinter sich einen großen, gellenden Stern, der stetig näher kam. Das Objekt zündete sein Triebwerk auf Volllast, und entbrannte so sein ganz eigenes Inferno. Der Skipper musste sein Schiff Zuschanden geritten haben, um jetzt schon hier sein zu können. Aber Germaine kam das entgegen. Ihnen allen kam das entgegen. Als die ersten Maschinen absprangen und auf ihren Sprungdüsen näher zu den Verteidigern ritten, hatten sie hoffentlich jenen kleinen Vorteil gewonnen, den sie so dringend brauchten.
Der Enforcer und der Nightsky sprangen zuerst ab, und selten zuvor hatte sich Germaine so darüber gefreut, ScoutMechs zu sehen. Ihnen folgten der Gallowglas und der Guillotine der Miliz, sowie der modifizierte Marauder von Ryan. Danach gab es die unheilvolle Pause, bis die KOBE gelandet war, und die restlichen Maschinen ausgeschifft waren. Das waren hauptsächlich Panzer und ein paar Mechs.
Die unverhoffte Verstärkung ihrer Frontlinie brachte den gegnerischen Angriff kurz zum Stocken. Dies war die erste Gelegenheit für Dawns Team, um ihrer Aufgabe als Unterstützer zu entkommen, und tatsächlich als Kopfjäger zu arbeiten. In seltener Eintracht zerlegten Dawn Ferrow und ihre beiden lyranischen Lanzenkameraden einen gegnerischen Kommandeurspanzer der vonLuckner-Klasse.
Germaine spürte, dass dies einer der Momente war, einer der Augenblicke, die alles umwerfen konnte. Nun hatten sie die Gelegenheit, den Tag zu retten. Der Fluss der Dinge war jetzt, und vielleicht nur jetzt, auf ihrer Seite. Sie konnten es reißen.
"Chef! Shadow meldete Retro-Hydra als gelungen!", rief Harris aufgeregt.
Germaine stockte. "Hören Sie, Ace? Ihr Hauptquartier ist in unserer Hand! Jetzt ist die Zeit, um..." Germaine runzelte die Stirn, als eine offene Übertragung angezeigt wurde. Was passierte jetzt?
***
"Fall Laurin!", klang die hastige Stimme von Wim Weilder über den Funk auf. "Wir haben hier ein kleines Krötenproblem, die gerade jeden Widerstand hinweg fegen! Ich habe keinen Zweifel daran, dass sie das HQ nehmen werden!"
"Ich schicke Ihnen Entsatz!", rief Imara. "In acht Minuten kann die Erkundungslanze da sein!"
"Das ist zu spät. Falls wir in acht Minuten noch leben, werden wir uns auf unsere Diplomatenpässe berufen."
Imara wusste, was Weilder meinte. Er und seine Offiziere trugen alle legale Pässe bei sich, die sie als Diplomaten und Attachés von St. Ives auswiesen. Zwar war das Archipel wieder von den Capellanern geschluckt worden, aber viele der internen Dinge waren nicht korrigiert worden. Die Pässe waren also gültig, und man konnte davon ausgehen, dass die Eagles das akzeptieren würden, weil sie das Spiel immer nach den Regeln spielten. Weilder und seine Leute würden mauern, schweigen und ausgewiesen werden. Zurück blieben die Söldner, von denen nur die Bataillonsführer wussten, wer ihr Auftraggeber in Wirklichkeit war. Und jeder einzelne von ihnen hatte eine nicht unbeträchtliche Summe erhalten, um im Fall Laurin - der überdies vollkommen unwahrscheinlich erschienen war - die Klappe zu halten. Das bedeutete aber auch, dass nur die bisher geleisteten Zahlungen geflossen waren. Ab diesem Moment war Aaron Imaras Einheit Brotlos. Und das war für eine Söldnertruppe, so weit weg von Zuhause und der Inneren Sphäre, eine wirklich dumme Idee.
Über die Funkleitung waren Schüsse zu hören, Geschrei, dann klang Weilders Bass auf. Ungläubiges Gelächter antwortete, aber es fielen keine weiteren Schüsse. Die Verbindung wurde jedoch deaktiviert.
Aaron Imara nahm das Fadenkreuz wieder vom schwer beschädigten Hauptmann, verzichtete darauf, das gut sichtbare Cockpit mit drei PPK's auszuradieren. Ihm blieb jetzt nur noch eine Wahl.
"Hier spricht der Chef! An alle Einheiten! Vom Gegner lösen und bis auf Höhe der zweiten Stellung zurückziehen! Wir haben den Fall Laurin. Jeder von euch weiß, was das bedeutet."
"Aber wir gewinnen!", protestierte Major Dorik.
"Und niemand bezahlt uns mehr dafür, dass wir gewinnen! Wir sind keine verdammten Haustruppen, wir sind Söldner! Also keine Widerrede!"
"Verstanden!", klang ihre frustrierte Antwort auf.
Imara konnte sie verstehen. Gewinnen war ein tolles Gefühl. Einer der Gründe, warum er dem Krieg nie so ganz den Rücken hatte zukehren können.
Er öffnete einen offenen Kanal. "Gute Schlacht, Ace, aber ich fürchte, ich muss sie beenden."
"Mir kam der Name gleich so bekannt vor. Du bist also wirklich Aaron Jasper Imara."
"In Fleisch und Blut. Und ich bedanke mich für zwei spannende Schlachten."
"Du weißt, dass ich Schlachten nur schlage, weil ich es muss."
"Und du bist gut darin, Ace. Ich hätte es gerne bis zum Ende ausgefochten, aber ich kann schlecht meinen Dienstherrn töten."
Die Stimme Mikados klang verwirrt. "Würdest du das bitte näher erläutern?"
"Du siehst, das ich meine Truppen aus dem Kampf löse und zurück verlege. Das heißt, dass ich aufgebe. Ich gehe auf dein Angebot ein, dass du vor der Schlacht gemacht hast. Ich und meine Leute wechseln mit wehenden Fahnen für doppelten Sold auf deine Seite. Falls das Angebot noch steht."
"Wenn das die Kämpfe sofort beendet, ja."
"Dann, Mylord, haben Sie soeben ein leicht beschädigtes Regiment namens Imaras Husaren angeworben. Ich bitte um die Erlaubnis, mit der Bergung von Toten und Verwundeten zu beginnen und meine Kampfeinheiten in mein Basislager zu schaffen, Sir."
"Und ich bitte darum, dass du deinen Arsch an meine Seite schwingst, und zwar mit allen deinen Offizieren, die du brauchst, um einen rechtsgültigen Kontrakt zu unterzeichnen", erwiderte Ace trocken. "Ich habe schon den ganzen Tag keine halben Sachen gemacht, und ich fange jetzt nicht damit an."
"Ich komme mit meinem Masakari und einem Partisan rein. Meine Stellvertreterin kommandiert ihn, Major Dorik von den Panzern. Wir treffen uns vor dem Stab, nehme ich an."
"Richtig gedacht. Du hast zehn Minuten. Und ich will verdammt noch mal keine Kämpfe, nicht einmal einen Schuss sehen, Aaron!"
"Keine Sorge, meine Offiziere haben ihre Leute alle im Griff", wiegelte Imara ab, nahm sich aber vor, ihnen das Gleiche noch mal eindringlich einzuschärfen.
***
Erschüttert starrte Germaine auf seine Hände. Auf die Anzeigen. Auf die Positionsmarkierungen, die plötzlich keine feindlichen Einheiten mehr anzeigten. "Können wir Imara trauen?" Eigentlich hatte er erstaunt ausrufen wollen: Ist es wirklich vorbei?
"Ihm ja", antwortete der Herzog. "Mal sehen wie es seine Leute betrachten. Aber wenn es so endet, ist mir das lieber, als wenn wir noch weitere Mechs und Leute verlieren. Ziehen Sie Ihre beschädigten Einheiten zurück, Germaine. Gönnen Sie Ihren nicht ausgeruhten Leuten und den Verletzten eine Pause. Ich bleibe mit meinen Eagles und den Freiwilligen erst noch auf dem Feld, bis Imara unterschrieben hat. Auch danach will ich nicht alle Vorsicht in den Wind schießen. Aber ich denke doch, es ist vorbei."
Vorbei. Dieses Wort schwappte wie eine gigantische Welle über Germaine hinweg. Riss ihn fast um. Er fühlte sich plötzlich müde und zerschlagen. "Verdammt."
Über ihnen zogen die Luft/Raumjäger der Eagles und Chevaliers dahin. Zwei blieben oben, der Rest landete. Auch ihre Gegner landeten auf dem Raumhafen, anstatt sich einen ungeeigneten Platz irgendwo in der Wildnis zu suchen.
"Mit Ihrer Erlaubnis habe ich Leutnant Vogt die Corsair zugeteilt. Er unterstützt die Luftpatrouille, bis sich alles letztendlich beruhigt hat", sagte der Herzog.
"Ja, das geht in Ordnung. Ist dieser Vogt ein guter Pilot? Lieutenant Dante würde es sicher nicht gerne sehen, wenn er seinen Vogel nicht wiederbekommt."
"Keine Sorge, Vogt ist ein passabler Bursche und ein fähiger Jägerjockey."
"Gut, dann geht das in Ordnung."
"Germaine", klang die Stimme von Juliette Harris auf, "dein Hauptmann ist am schwersten beschädigt. Bring ihn in die Wartungshalle, und komm dann in den Stab. Dort kannst du die Nachbereitung leiten."
"In Ordnung. Haben Sie gehört, Ace? Anscheinend hält nur noch der Glaube meinen Mech zusammen."
"Gehen Sie. Es braucht nur ein Alpha-Männchen auf dem Schlachtfeld", erwiderte der Herzog. Die Erleichterung über den letztendlich glimpflichen Ausgang, der noch viel schlimmer hätte sein können, schwang in seiner Stimme mit. "Aber lassen Sie uns Kaffee raus bringen. Frischen, wenn es geht."
"Ich werde es weiter sagen." Germaine wendete seinen Hauptmann. Das erste Mal, dass er heute dem Raumhafen die Front seines Mechs zuwandte. Auf ihn warteten eine Menge Sorgen, Probleme und Nöte. Wie schwer hatte es Sandrina und die Techs erwischt? Wie ging es Stein? Wie Wiachinsky? Was war mit Bramert? Und all die anderen unter seinem Kommando? Wie viele lebten noch, wie viele brauchten ärztliche Versorgung?
Vor ihm schwenkten nun auch der Vulture und der Mad Cat der Kampflanze ein. Beide Maschinen sahen furchtbar gebeutelt aus, aber Germaine wusste, dass sie erheblich dazu beigetragen hatten, diese Stellung zu halten. Vielleicht wäre Kyle Kotare gefallen, wenn die Schlacht fortgesetzt worden wäre. Vielleicht hätte es Jara in ihrem geliebten Mad Cat erwischt. Nein, so war es schon gut, wenn der Frieden hielt, wenn Imara Wort hielt, wenn er seine Leute im Griff hatte. Dass aus den Reihen seiner Chevaliers der eine oder andere Protest kommen würde, wusste er schon jetzt. Aber er würde sie einfach daran erinnern, dass sie Söldner waren. Und Söldner töteten nur, wenn sie dafür bezahlt wurden. Sie hörten auf zu töten, wenn der Auftraggeber dies verlangte.
Eine Viertelstunde später stellte er seinen schwer gebeutelten Assault im Wartungsgestell ein und verließ das Cockpit. Er war durchgeschwitzt, und die klamme Luft im Hangar ließ in frösteln. Rodriguez erwartete ihn mit einem leichten Mantel. "Sir."
"Danke." Germaine schlüpfte hinein. "Zuerst die leicht reparablen Maschinen."
"Ja, Sir." "Egal, welche Gewichtsklasse sie haben." "Verstanden, Sir."
"Wie geht es Ihrem Boss?" "Noch im Lazarett, Sir. Keine Neuigkeiten bisher."
Germaine nickte schwer und müde. Er klopfte Rodriguez auf die Schulter, als Anerkennung, Beruhigung und Bestätigung. "Haben Sie es je bereut, dass Sie von Team Stampede mit gewechselt sind?"
"Nein, Sir. Die Zusammenarbeit mit MeisterTech Nagy hat meinen Fähigkeiten sehr gut getan. Und Simstein hat seinen alten Codenamen Magus nicht ohne Grund erhalten." Manuel Rodriguez grinste schief. "Die Chevaliers sind mein Leben, Sir."
Germaine konnte nur nicken. Erneut klopfte er ihm auf die Schulter, dann machte er sich auf den Weg in das Stabsgebäude, um in seinem Büro eine schnelle Dusche zu nehmen und die Dienstuniform anzuziehen. Das war vielleicht etwas repräsentativer als Mantel, Kühlweste, Shorts und Stiefel.
Im Stabsgebäude war es relativ ruhig. Nur wenige Soldaten huschten durch die Gänge. Imara war schon da; der Masakari und der Partisan vor dem Gebäude waren nicht zu übersehen gewesen. Hauptmann Benton hatte Germaine jedoch zu verstehen gegeben, dass der Chef der Chevaliers durchaus Zeit hatte, um eine Uniform anzuziehen. Ein merkwürdiges Argument von jemandem, der eine Kampfrüstung trug.
Als er endlich in seinem Büro angekommen war, fühlte er nach dem Schließen der Tür eine gewisse Erleichterung. Er griff nach dem Lichtschalter und betätigte den Sensor. Leicht gedämpftes Licht flammte auf und erhellte das großzügige Büro.
"Guten Abend, Colonel Danton", sagte eine Stimme.
Germaine hatte für einige wenige Augenblicke Schwierigkeiten, sich zu fokussieren. Aber dann erkannte er den schlanken Mann, der sich in seinen Sessel gesetzt hatte. Und die Pistole mit Schalldämpfer, die auf ihn gerichtet war.
"Nur damit Sie sehen, dass ich kein blutiger Amateur bin. Ein Wort, ein Laut oder ein Stöhnen von Ihnen, und ich töte Sie. Verstanden?"
"Ha..." Ein leises Plopp erklang, und ein Streifschuss fuhr heiß an seiner Wade entlang. Ein Peitschenhieb musste sich ähnlich anfühlen.
"Sie sind also einer von den Typen, die auf die heiße Herdplatte fassen, um sicher sein zu können, dass sie auch wirklich heiß ist, was?" Der Mann lächelte. Es war ein gefährliches, kaltes Lächeln. "Ich weiß, Sie hatten gerade eine Schlacht und so, und Ihr Kopf ist noch ganz woanders, aber ich verspreche Ihnen zwei Dinge: Es dauert nicht lange, und wenn Sie nichts Dummes machen, lasse ich Sie am Leben. Verstanden?"
Germaine nickte vorsichtig. Es war keine Deckung in Sicht, und der Mann hatte ihn im Visier. Er musste auf seine Gelegenheit warten.
"Es wird Sie wundern wer ich bin. Und ich sage Ihnen was dazu: Es tut nichts zur Sache. Aber mein Auftraggeber dürfte Ihnen etwas sagen. Kennen Sie den Namen Marek Svoboda? Nein, antworten Sie nicht. Diesmal würde ich Sie erschießen, Colonel Danton. Ja, richtig. Ich rede vom Vater von Karel Svoboda, dem Mann, der unter Ihrem Kommando gefallen ist. Oh, ich sehe es Ihren Augen an. Sie wissen jetzt, was hier vor sich geht. Richtig, Karels Vater hat mich hergeschickt, weil er Rache will."
Der Mann erhob sich, blieb aber außerhalb von Germaines Reichweite. "Nun sehen Sie mich nicht so hitzig an. Es wird Sie verwundern, aber Marek Svoboda will Sie nicht tot sehen. Er hat Verständnis dafür, dass in einer Söldnereinheit, die so viel kämpft wie die Chevaliers, Leute sterben. Und er hat seinen Sohn in dieses gefährliche Gewerbe einsteigen lassen. Bis auf die unvorteilhafte Sache mit dem Tod war er allerdings sehr zufrieden damit, was Sie aus seinem Jungen gemacht haben. Das kann ein Svoboda natürlich nicht hinnehmen. Nicht ohne sich zu rächen. Nicht ohne ein Zeichen zu setzen. Doch Marek weiß natürlich, auch nachdem er die GefechtsROMs gesehen hat, die Sie in Ihrer Beileidsbekundung mitgeschickt haben, dass Karel nicht gefallen ist, weil sein Kommandeur unfähig ist, oder ihn geopfert hat. Er kann Ihnen nicht... Wie soll ich das ausdrücken... Privat böse sein. Es geht ihm hier wirklich nur um das geschäftliche Prinzip. Verstehen Sie, er kann Sie einfach nicht ungeschoren davon kommen lassen. Deshalb haben Sie die Wahl. Nehmen Sie die Strafe eines trauernden Vaters an, oder lassen Sie sich erschießen, wenn Sie keinen Mumm haben, Schmerzen zu ertragen. Was darf es sein? Eins oder zwei?"
Germaine hob den rechten Zeigefinger. Nein, er konnte, er durfte noch nicht sterben. Nicht hier, nicht jetzt.
"Eine gute Wahl", lobte der Attentäter. "Heben Sie bitte die linke Hand etwas höher."
Germaine folgte der Forderung. Prompt fuhr glühend heißer Schmerz durch die Hand, als die Kugel sie durchschlug. Er japste vor Schmerz, krümmte sich, aber blieb stumm.
Ein zweiter, ebenso glühender Schmerz durchzuckte sein rechtes Knie. Germaine fiel haltlos zu Boden, und eine neue Schmerzwelle raubte ihm fast die Besinnung, trieb ihn in Agonie. Er öffnete den Mund, um laut zu schreien, aber der letzte Rest seines Lebenswillens hielt ihn davon ab.
"Sie sind ein tapferer Mann, Germaine Danton. Ich bin froh, dass ich Sie nicht töten musste. Deshalb dürfen Sie jetzt schreien."
Erst war es nur ein kehliger Laut, dann wurde es ein Krächzen. Doch schließlich bahnte sich der Schmerz seinen Weg zur Kehle. Es war mehr ein Heulen als ein Schreien, aber zumindest war es laut.
"Was ist... Oh mein Gott, Colonel!", klang die Stimme von Corporal Jensen auf. "Colonel, was... Holt um Himmels Willen sofort einen MedTech! Auf den Chef wurde geschossen!"
Stimmen auf dem Gang wurden laut, Schritte rasten hin und her, und der Schmerz in Dantons Körper wurde nicht weniger.
"Halten Sie durch, Sir! Hilfe ist unterwegs!", rief Jensen.
Germaine war das beinahe egal, denn er wusste, dass die Verletzungen nicht tödlich waren, nicht tödlich sein konnten. Marek Svoboda hatte ihm nur etwas nehmen wollen, nämlich die Fähigkeit, einen Mech zu steuern. Und Germaine Danton war sich verdammt sicher, dass der Bastard es geschafft hatte. Seine linke Hand! Sein rechtes Knie! Elender Halunke! Andererseits konnte er vielleicht froh sein, dass es kein ROM-Agent der Blakies gewesen war.
Er hätte lächeln mögen, wenn die ganze Situation nicht so absurd gewesen wäre. So vollkommen absurd, wie sein ganzes Leben. Es passte.
Andai Pryde
Die Warnsirenen gellten und die Anzeigen sprangen ihr mit rotem Leuchten nahezu ins Gesicht. Hektisch, mit einem Anflug von Panik versuchte Sandy das Haupttriebwerk wieder online zu bringen, während das Wasser des Kurita Meeres bedrohlich schnell näher kam.
Mit aller Kraft zog sie an dem Steuerknüppel und versuchte die Nase des Jägers nach oben zu ziehen.
Bockend und zitternd gelang ihr dies, allerdings nur sehr mühevoll und langsam.
Ein Aufprall mit dieser Geschwindigkeit und Bug voran würde nicht nur den Jäger zerreißen, sondern sie gleich mit.
Ihre Arme zitterten vor anstrengend und wurden allmählich taub. Die Tragflächen und Steuerruder ächzten unter der Belastung, aber Stück für Stück kam die Nase nach oben und das Wasser immer näher.
Keuchend löste sie die linke Hand vom Steuerknüppel, nur mit viel Konzentration schaffte sie es den Knüppel für den Moment mit der rechten Hand, unterstützt durch ihre Knie zu halten und versuchte das Triebwerk abermals zu aktivieren.
Stotternd und hustend brachte es nicht mehr als schwarzen Qualm hervor und eine weitere Reihe roter Lichter.
Das Meer kam immer näher.
„Hotshot verdammt, steig´ aus, das ist ein Befehl.“
„Negativ, ich kann es schaffen, irgendwie.“
Wieder und wieder hämmerte sie den Startknopf in das Gehäuse und hoffte, während sie mit mühevollem Zittern den Steuerknüppelkrampfartig festhielt.
Dann entglitt der Knüppel ihr und schlug schmerzhaft gegen das rechte Knie, ein lautes Knacken ließ sie zusammenzucken, aber die Instinkte retteten ihr das Leben. Bevor der Jäger großartig die Spur verlieren konnte, packte sie wieder mit beiden Händen zu. Dumpf klopfte der Schmerz in dem Knie und auch ihr Handgelenk schien etwas mitbekommen zu haben.
Ruckartig erwachte das Triebwerk wieder zum Leben und drückte sie noch weiter in den Sitz.
Mit einem sprunghaften Satz jagte der Stingray nun noch schneller auf das Meer zu.
„Komm schon, komm schon.“
Mit aller Kraft zog sie an dem Steuerknüppel, während ihr linkes Bein sich mühte, etwas Schub wegzunehmen und den Andruck zu vermindern.
Stück für Stück kam die Nase wieder hoch und dann jagte sie nur wenige Zentimeter über die Oberfläche des friedlich vor sich her glitzernden Meeres.
„Hotshot hier, ich bin wieder auf Kurs.“
Schnell überflog sie die Kontrollen und das Schadensdiagramm.
„Habe Treibstoffverlust, vermute Leck in der primären Leitung. Verliere auch Kühlflüssigkeit. Zielcomputer und Teil der Elektronik sind ausgefallen. Avionik und Flugkontrollen stabil. Triebwerk läuft, für den Moment!“
„Verstanden Hotshot. Sieh zu, dass du die Kiste irgendwo landest, wir kommen hier auch ohne dich klar.“
„Verstanden.“
Zähneknirschend steuerte sie den Stingray in eine Wende, als eine plötzliche Erschütterung der Jäger herumwarf und ihr den Steuerknüppel abermals aus der Hand schlug.
Mit voller Wucht riss er an ihrer Hand, ein unglaublicher Schmerz schoss stechend durch das Gelenk, gefolgt von einem lauten Knacken.
Mit Tränen in den Augen sah sie, wie ihre linke Hand im unnatürlichen Winkel am Knüppel hing. Feucht rollten ihr die Tränen über die Wangen, während sie mit verschleiertem Blick wieder nach dem Knüppel griff und die verletzte Hand davon löste.
Mit zusammengebissenen Zähnen legte sie die Hand auf dem Oberschenkel ab und lenkte den Jäger zitternd auf Parkensen City und die freie Rollbahn am östlichen Ende zu.
Rauch stieg nun auch vom Bug ihres Jägers auf und nahm ihr leicht die Sicht, dennoch schaffte sie es unbeschadet auf dem Rollfeld aufzusetzen. Der Hüpfer jagte nochmals einen scharfen Schmerz durch ihr Knie und das Handgelenk. Sie biss sich auf die Zunge und schmeckte salziges Blut, als der Jäger langsam auf der noch intakten Rollbahn ausrollte.
Weiter vorne konnte sie Qualm und Sirenen ausmachen, die sowohl auf sie, als auch auf das gegenüberliegende Ende des Rollfeldes zu hielten. Matt dämmerte ihr, dass dort die Arrow Salven des Padilla eingeschlagen waren, dann wurde sie ohnmächtig.
Mit einem stummen Handbefehl ließ Decaroux sie anhalten und die sechs Mann kauerten sich in eine zerklüftete Senke und verhielten sich ruhig.
Unwillkürlich musste Vitorio an den Einsatzstart vor fast vier Stunden denken, wie sie noch gewitzelt und gescherzt hatten. Jetzt saßen hier sechs Profis in ihren Gefechtsrüstungen und warteten darauf zuzuschlagen und dem Ganzen ein Ende zu machen.
Trotz der außergewöhnlichen Möglichkeiten der Rüstungen und den geschulten Trägern war der Weg hierher mühevoll gewesen und vor allem lang.
Die vier Purifier und die beiden Nighthawks hatten sich zwar perfekt an ihre Umgebung angepasst und machten es auch Sensoren schwer sie zu entdecken, aber gegen wachsame Gegner musste man stets vorsichtig sein.
Je näher sie gekommen waren, desto dichter wurden die Sicherheitskorridore des Feindes und desto mehr gegnerische Infanterie fand sich vor.
Vitorio blickt hinüber zu Sergeant Gustav „Gus“ Brauer, der ihm nur stumm hinter der Skelettartigen Schädelplatte des Purifier zunickte.
Die Rüstung war fast unmöglich auszumachen auf dem Terrain und der Dunkelheit, so perfekt passte sie sich mit ihren mimetischen Fähigkeiten dem Hintergrund an. Allerdings machte jede Form der Bewegung diese Tarnung ineffektiver, ein Problem, dass die Nighthawks so nicht hatten. Gestützt von modernsten Sensoren waren sie deutlich effektiver getarnt, wenn sie sich bewegten.
So kroch er auf den Befehl von Decaroux den kleinen hang hinauf, vorbei an den vier Purifier Trägern.
Er hatte sich jedes Gesicht und jeden einzeln perfekt eingeprägt vor dem Einsatz. Eine kleine Marotte.
Brauer als Führer des kleinen Trupps war der typische Infanterist. Groß, grobschlächtig, direkt und sich für nichts wirklich zu fein.
Er schien auch der eher kompromisslose Typ zu sein, wie Vitorio erfreut festgestellt hatte, als sie ein kleines Lager aufgescheucht hatten, als sie direkt in die versteckte Alarmstellung gestolpert waren.
Das war jetzt etwa eine Stunde und sieben Tote her und irgendwann würde es dem Feind auffallen, dass sich dieses Lager nicht mehr meldete. Sie hatten einen Umweg eingeschlagen, den sie ihrem Führer, Private First Class Hasheem El-Hawary zu verdanken hatten. Der Mann hatte einen unglaublichen Orientierungssinn und sie äußerst flink durch das Terrain und an den Stellungen des Gegners vorbei geführt.
Der eher untersetzte, aber energische Schwarze redete nicht wirklich viel und war auch sonst eher verhalten.
So völlig anders als PFC Sean Williams, eine Quasselstrippe vorm Herrn. Der Kerl sabbelte, was das Zeug hielt, war aber generell eher unscheinbar. Niemand nahm dem eher normal gebauten Blonden den Kommandosoldaten ab.
Ständig hatte er nervös die Brille zurechtgerückt und schien generell etwas unruhig zu sein, doch hier im Feld erwies er sich als äußerst professionell. Er brach die Funkstille nicht und er pirschte nahezu lautlos in dem Trupp. Vitorio tendierte oft dazu ihn zu übersehen oder zu vergessen. Scheinbar war dies beabsichtigt, denn im Nachhinein viel ihm auf, dass er weit mehr über die anderen aus dem Trupp wusste, als über Williams, der allerdings mindestens für zehn Leute während der Vorbereitung geredet hatte.
Das musste er sich merken.
Die letzte im Bunde war Angela Grounvold. Einer eher kräftig gebaute Brünette.
Auf eine gewisse Art hübsch, aber kaum schön zu nennen. Eine pragmatische Schönheit und auch genauso so vom Wesen her. Schlicht, pragmatisch, direkt und erstaunlicherweise ihre Waffenspezialistin. Laut ihrem Dossier konnte sie nahezu alles irgendwie steuern oder bedienen, dass man auf einen Gegner abschießen konnte. Er hatte irgendwie gefallen an ihr gefunden und wer wusste schon, was so nach einem Einsatz alles passieren konnte. Wenn das Adrenalin abebbte und der Körper sich beruhigte, man die nähe suchte, das Leben.
Eine bunte, aber effektive Truppe, wie so ziemlich jede Kommandotruppe, die Vitorio befehligt hatte. Es würde ihn traurig stimmen, zu wissen, dass der ein oder andere vermutlich draufgehen würde, aber es war ihm von jeher egal gewesen und es interessierte ihn auch jetzt nicht, solange sie ihren Job taten.
Er drückte sich auf den kahlen Boden neben Decaroux und spähte hinab in die kleine Senke und auf das dort befindliche Lager. Sie waren endlich am Ziel.
Seine linke Hand begann zu zittern und jucken und er ertappte sich bei einem Gefühl der Vorfreude. Eine Freude, die wohl wenige teilen würden.
Er blickte auf das Chrono in seinem Display und stellte mit Erschrecken fest, dass seine Medikamente schon lange überfällig waren. Das erklärte das Jucken am ganzen Körper, diese innere Unruhe.
Er konzentrierte sich auf das Lager und schob den aufkommenden Drang zur Seite.
Das Lager war recht sauber organisiert. Ein äußerer Kontrollperimeter mit einem Trupp Infanteristen und schwerem Gerät, sowie einem aufmontierten schweren MG.
Dahinter fanden sich zwei kleinere MG Nester und sogar eine Infanterist mitsamt tragbarer PPC, der gelangweilt an einem Stein lehnte und etwas auf seinem Datapad las.
Dahinter befand sich das mobile HQ. Ein riesiger Kraftwagen mitsamt übergroßer Satellitenschüssel auf dem Dach.
Also hatte Danton richtig gelegen mit seiner Vermutung, dass die gegnerischen Truppe von einem vorgeschobenen Posten aus koordiniert und kommandiert wurden.
Dies war das Haupt des Drachen und sie würden gleich Drachentöter spielen.
Charly hielt den rechten Handschuh hoch und zählte kurz mit den Fingern.
Zehn, zwanzig.
Also hatte er einen knappen Zug Infanterie gezählt. Einiges an schwerem Gerät, aber scheinbar keine Gefechtsrüstungen.
Dennoch ein hartes Stück Arbeit, allerdings zu ihrem Glück passte es genau in eine der Situationen die sie vorher besprochen hatten.
Die beiden Chevaliers rutschen leise den Hang wieder hinab und gesellten sich zu den vier anderen.
Die Einsatzbesprechung war knapp und vor allem lautlos.
Einige Handzeichen und Kopfbewegungen in die eine oder andere Richtung machten den Soldaten klar, was sie zu tun hatten.
Vitorio nahm dies nur am Rande war. Sein Herz pochte vor Aufregung, wie schon lange nicht mehr. Unbewusst öffnete er die Fäuste und schloss sie wieder und öffnete sie wieder. In einem stoischen, aber bestimmten Rhythmus.
Sein Blickfeld war klar und gestochen scharf, aber schien auf einen Punkt in der Ferne fixiert.
Dann kam Bewegung in die Truppe und er riss sich aus der Konzentration.
Fast schon überwältigend pumpte das Adrenalin durch seinen Körper, während er sich umdrehte und wieder den Hang hinauf kroch, direkt hinter Decaroux.
Die vier Purifier teilten sich in zwei Teams auf und schwärmten nach Osten bzw. Westen aus.
Unruhig kaute Vitorio auf der Unterlippe, während sie warteten.
Dann ertönte die erste Explosion.
Die Reaktionen waren, wie erwartet. Das halbe Lager schreckte auf und drehte sich in die Richtung, während der andere Teil versuchte die Lage überhaupt erst zu begreifen.
Charly zog sich sein Scharfschützengewehr in die Armbeuge und nahm sein Ziel auf, während Vitorio diverse Zünder scharf machte.
Er hatte einen ganzen Beutel voll mit vorbereiteten Überraschungen und er würde sie nutzen.
Er schwang sich über die Kuppe des kleinen Hangs und rutschte den staubigen und trockenen Grund hinunter. Noch während des Weges nach unten warf er seine Ladungen.
Verstärkt durch den Anzug flogen sie weit in das Lager und schlugen dort nahezu unbemerkt auf, als die vier Purifier aus zwei Richtungen das Kreuzfeuer aus ihren Waffen eröffneten.
Anders als Standard Gefechtsrüstungn hatten die Purifier eher Unterstützende Funktion und trugen meistens Ziellaser, Sensorausrüstung und moderne Störsender, allerdings in einer Variante sogar leichte ER Laser.
Für diese Mission hatten die Chevaliers sich mit dem schwersten Infanteriegerät ausgerüstet dass sie in den Beständen gefunden hatten. Williams und El-Hawary trugen Maschinengewehre, während Brauer und Grounvold die üblichen ER Laser ihrer Rüstungen ausnutzten. Jeweils eins zu eins aufgeteilt, röhrten also aus jeder Richtung einmal ein MG und blitzte ein Laserstrahl auf.
Das Chaos war im Beginn, keiner achtete auf den PPC Schützen, der sich gerade an seiner Waffe zu schaffen machte, als sein Kopf in einem Regen aus Blut explodierte oder auf den einsamen, verschwommenen Schatten, der am Rande des Lagers kauert und präzise ein kleines Objekt in das schwere MG Lager warf.
Vitorio drückte den Auslöser.
Mit einem lauten Wummern und einer riesigen Explosion zerriss es das MG Nest in seine Einzelteile. Die eingelagerte Munition tat ihr übriges zu den eher kleinen Sprengsätzen.
Schrappnellsplitter prasselten gegen Vitorios Rüstung, als er auf das HQ zu sprintete.
Er stieß einen herumirrenden Mann beiseite, der mit blutigem Gesicht schreiend in seinen Weg geriet. Heulend ging er zu Boden und umklammerte den Armstumpf an der rechten Seite,
Eine Frau lag vor ihm auf dem Rücken, röchelnd, während sie krampfartig an dem Stück Metall zog, das in ihrem Hals steckte.
Eher aus Pragmatismus, als aus Mitleid trat er zu und trieb den Splitter tiefer in den Hals und trennte ihr den Kopf endgültig ab. Das Röcheln erstarb.
Explosionen spiegelten sich auf seiner Rüstung, ebenso wie das Aufblitzen der Laser und die Leuchtspurgeschosse, als die Gegner das Feuer erwiderten.
Die Chevaliers nutzten keine Leuchtspurmunition, dass hätte ihre Positionen und ihre Stärke zu schnell verraten.
Vitorio grinste dämonisch, als er durch das Lager wütete. In der Linken seine MP und rechts das Bowiemesser mit der überlangen Klinge. Sauber glitt das Messer gerade durch einen Infanteristen und teilte ihn in zwei Hälften, völlig unbeeindruckt von der Weste des Mannes.
Seine MP sandte Garben des Todes in die andere Richtung und erlegte gerade eine andere Frau, die sich abmühte das Zeus Gewehr eines toten Kameraden durchzuladen.
Sein Blick war so klar wie nie, obwohl etliches Blut über seinen Helm und an seiner Rüstung hinab lief und Explosionen die Nacht erhellten.
Vor sich sah er den MG Schützen des inneren Ringes, der ihn ebenfalls bemerkt hatte und nun seine Waffe in die Richtung schwenkte.
Knurrend riss Vitorio die MP herum, aber er wusste er würde zu langsam sein, als der Mann zuckend zu Boden ging, sein Gehirn über den geschockten Kameraden verteilend, der gerade den Munitionsgurt nachgelegt hatte,
Vitorio nutze den Moment und erlöste auch ihn.
Dann sprintete er wieder auf das HQ zu.
Das Feuer ebbte so langsam ab, auf beiden Seiten. Die Ostseite war komplett ruhig, vermutlich hatten die Verteidiger es geschafft die beiden Chevaliers dort zu vertreiben oder zu töten.
Die Westseite leistete noch Widerstand, aber das Feindfeuer erstarb auch dort so langsam.
Vitorio kauerte sich an das HQ und brachte seine letzten Ladungen an, als ein Schatten sich neben ihn kauerte. Instinktiv riss er das Messer herum und stach nach dem Hals.
„Ich bin’s!“
Kam es gezischt über die Außenmikros. Decaroux schaffte es gerade noch den Waffenarm von Vitorio abzublocken, bevor dieser in seinem Rausch seinen Kameraden erkannte.
Keuchend blickte er auf den Mann neben sich, der in einer eher staubigen, aber unbeschädigten Rüstung mit dem Zeus Gewehr über der Schulter, an die kalte Metallplatte des HQs gelehnt stand.
Er hatte das Gefühl die Augen seines Gegenübers sehen zu können, er spürte, wie sie ihn musterten, das Blut auf der Rüstung absuchten und nach Schäden guckten.
„Tut mir leid.“
Er nahm das Messer weg und ließ die MP wieder an der Schlinge über die Schulter baumeln.
Dann griff er nach dem Zünder und hielt drei Finger hoch.
Charly nickte stumm.
Dumpf dröhnte die nahe Explosion und sofort sprangen die beiden Chevaliers auf und durch die offen liegende Tür in das HQ, die Waffen im Anschlag.
Sofort schossen die beiden Chevaliers.
Mit gezielten Feuerstößen schalteten sie ihre Ziele aus, zwei Männer in Infanterieuniform, die nicht schnell genug waren.
Vitorio legte gerade auf eine blonde Frau an, die neben einen großen Mann stand, der Autorität allein durch seine Haltung versprach.
„Halt. Wir ergeben uns,“ dröhnte der Bass des Mannes durch das Fahrzeug und ließ die Chevaliers kurz inne halten und Vitorio unwillkürlich auflachen. So leicht ergab dieser Mann sich?
Allerdings galt dies nicht für den Schatten der an ihm vorbei schoss und sich auf Decaroux stürzte.
Stahl blitzte auf und kurz danach spritzte Blut umher.
Intuitiv wirbelte Vitorio herum, das Messer bereits in der Hand und jagte die Klinge direkt nach oben.
Sein Kontrahent hatte keine Chance. Noch in der Bewegung, das kurze Schwert in der Hand, jagte der Chevalier dem schwarz Gekleideten das Bowiemesser direkt unter das Kinn und ihn mit voller Wucht in die niedrige Decke des Fahrzeugs.
Röchelnd ließ der Mann das Schwert fallen, während er an der Decke baumelte.
Vitorio ließ ihn dort und konzentrierte sich wieder auf den anderen Mann und die Frau.
Bedauernd blickte dieser zu dem neuen Kronleuchter und dann zu Vitorio.
„Wie ich schon sagte, wir ergeben uns!“
Zähneknirschend trat er auf den Mann zu und drückte ihm die MP unter das Kinn, aus den Augenwinkeln sah er Decaroux wieder hoch kommen. Das Schwert hatte sich ohne große Mühe in die Rüstung gebohrt und Blut rann aus der Seite des Chevalier.
Ein Rumpeln ertönte.
Vitorio riss den Mann herum und als Schild vor sich, doch es waren nur die anderen Chevaliers, die das HQ betraten.
Williams und Brauer.
„Umgebung ist gesichert. Wir haben einen Verlust und Arab braucht dringend medizinische Versorgung.“
Rußgeschwärzt und Blutverschmiert standen die Chevaliers in dem Wagen und nahmen de verblieben Platz in dem eh schon engen Fahrzeug weg.
Zu viel für die Frau, die schreiend zusammen- und in Heulkrämpfe ausbrach.
„Hier Shadow, Operation Retro Hydra erfolgreich verlaufen. Wiederhole Retro Hydra Erfolg.“
Vitorio atmete schwer, aber eine innere Ruhe senkte sich auf ihn, als er draußen die kleineren Feuer brennen sah und das Blut, das den Boden Waylands tränkte.
Er trat aus dem HQ und überließ es den anderen beiden Chevaliers sich um ihren Chef und die beiden Gefangenen zu kümmern.
Er nahm den Helm ab und atmete tief ein.
Metall und der Geruch nach Verbranntem zuckten durch seine Nase und zauberten ein Lächeln auf sein Gesicht.
Ein Knacken des abkühlenden Metalls war das einzige Geräusch, selbst das Donnern in der Ferne hatte aufgehört.
Er blieb stehen und beendete seinen Rundgang.
Vor ihm lag ein Chevalier und als er genauer hinsah konnte er das leblose Auge von Angela Grounvold sehen. Ihre Rüstung war relativ intakt, aber etwas hatte ihr den Helm vom Kopf gerissen und die Hälfte des Gesichtes gleich mit.
El-Hawary lag nicht weit entfernt. Er schien bewusstlos zu sein. Blut tropfte von seiner Seite und die Rüstung sah übel aus, man konnte mehr von dem Mann darunter sehen, als noch Panzerung verblieben war.
Schwarzes Gel lief über den dunkelhäutigen Mann und vermischte sich mit Blut. Ein Medkit blinkte vor sich hin und zeigte die Vitalzeichen des Mannes an.
Niedrig, aber stabil.
Vitorio hockte sich vor den Mann und zog sein zweites Messer hervor. Ein kleines, mit schmaler Klinge, dass er mal vor Jahren gefertigt hatte. Er nutzte es nur für besondere Momente.
Fast schon liebevoll zog er mit der Klinge die Konturen des Gesichtes des Mannes nach und ließ die Klinge dann den Hals hinab gleiten, bis zum Brustkorb, dort wo sich das Herz befand.
Ein schmaler Streifen Blut folgte der Spur, als die scharfe Klinge die Haut ritzte.
Er fuhr sich mit der Zunge über die vom Schweiß salzigen Lippen, dann ließ er das Messer wieder verschwinden und erhob sich wieder.
Es war kein Mitleid, das ihn abhielt, nur dieses…Gefühl der Befriedigung.
Er ließ sich neben El-Hawary sinken und atmete tief durch, versuchte sich an sein Training zu entsinnen und was ihm beigebracht worden war.
Seine Medikamente fehlten ihm, obwohl ein Teil in ihm erfreut aufschrie, als er das ganze Blut und den Tod vernahm.
Er schloss die Augen und seufzte, als ein Lächeln sich auf seine Züge stahl.
Es war still als Sarah wieder erwachte.
Sie hatte keine Ahnung wie lange sie bewusstlos gewesen war.
Schnell schaute sie sich um und stemmte sich in die Höhe.
Schwindel ergriff sie und ließ sie wieder zu Boden sinken.
Keuchend rang sie nach Atem. Über sich sah sie die Tragfläche der Stuka, die ihr scheinbar das Leben gerettet hatte. Sie spürte keine Schmerzen, warm rann ihr allerdings das Blut aus den Ohren die Seite hinab und auch ihr linker Arm schien taub zu sein.
Sie blinkt an sich hinab und stellte erst jetzt die Splitter fest, die ihren linken Arm fast zerfetzt hatten.
Ihr linkes Auge schien zu geschwollen zu sein, alles was sie sah, war verschwommen und wirkte wässrig.
Ächzend drehte sie sich auf die rechte Seite und zog sich mit dem Arm und den Beinen unter der Tragfläche hervor.
Das Bild das sich ihr bot war grauenvoll.
Das Rollfeld war gespickt von Splittern und Teilen. Menschlichen Teilen, Körperteile.
Die Techniker und Angestellten, die sich nicht in Sicherheit hatten bringen können lagen wie festgenagelt auf dem Boden, die meisten schienen noch zu leben und warfen sich vor Schmerzen hin und her.
Einige wenige hatten das Glück den Angriff gar nicht erst überlebt zu haben.
„Doreen.“ Krächzte sie mit kratziger Stimme und wunderte sich, dass sie ihre eigenen Worte nicht vernahm. Nur das leise Summen im Ohr.
Sie zog sich zum Heck des Jägers, aus dem ein schlaffer Arm heraushing.
Sie packte den Arm und begann vorsichtig zu ziehen.
Dem Arm folgte der Oberkörper und der Kopf von Doreen Simmstein. Beides recht unversehrt.
Dann kamen die Beine, oder was davon noch übrig war.
Zwei zerfetzte und fleischige Stümpfe.
Der Anblick erschreckte Sarah, obwohl sie einiges gewöhnt war.
Die schweren Arbeiterhosen hatten vermutlich den großteil abgehalten, sonst wären die Beine sauber abgetrennt worden, aber die Verletzung war schwer.
Ein großer Splitter steckte noch im rechten Oberschenkel. Sarah beließ ihn dort, während sie kraftlos neben Doreen zu Boden sank und kurz verschnaufte. Scheinbar hatte die Tech Glück im Unglück gehabt, wenn man es denn so sehen wollte. Als der überraschende Angriff gekommen war, hatte sie gerade in der Turbine der Stuka gearbeitet und die hatte ihr wohl das Leben, wenn schon nicht die Beine gerettet.
Sanft hob und senkte sich der Brustkorb der Frau und bestätigte Sarah dies. Sie griff nach dem Arm der Tech und prüfte den Puls, der schwach vor sich hin schlug. Viel zu schwach und im Anbetracht der Verletzungen und des Blutverlustes nicht gut. Doreen würde sterben.
Keuchend zog sie sich wieder zum Bug des Jägers und griff nach der Notluke im Bauch der Maschine.
Glücklicherweise hatten die Konstrukteure des Jägers ganze Arbeit geleistet.
Man kam von unten an die Schleudersitzautomatik und den Sitz des Piloten. Da der Sitz einen kleinen Stauraum unterhalb hatte, konnte man dort viele Dinge unterbringen. In der Regel war es ein Medkit. Sie zog mit der verbleibenden Kraft ihres rechten Arms an der Verriegelung und die kleine Luke sprang auf.
Schnell griff sie nach dem Medkit und robbte wieder zu Doreen zurück und schloss die junge Frau an das Gerät an.
Sofort versorgte das Wunderwerk an Technik die Tech. Medikamente strömten in den Körper der Frau und versorgten ihn für den Moment mit wichtigen Nährstoffen und hielten den Kreislauf vom Zusammenbruch ab.
Sarah überließ die Arbeit dem Gerät und ließ sich wieder auf den Rücken sinken.
Mittlerweile spürte sie die Schmerzen überdeutlich in ihrem geschundenen Körper. Ein erneuter Schwindelanfall überkam sie und ließ die Umgebung verschwimmen und in einer Karusselfahrt enden.
Aufleuchtende Sirenen ließen sie den Kopf drehen.
Erschöpft lächelte sie, als eine erneute Ohnmacht sie ergriff.
Taras Amaris
Provisorisches Landefeld
Rotungi-Platteu
Namenloser Planet irgendwo in der Peripherie
Wieder drang das Summen der Elektropeitsche durch die schmerzverzerrten Nebel in seinem Gehirn, kurz bevor das Folterinstrument erneut kreischend auf seinen geschundenen Rücken niederfuhr und unfassbare Pein in ihm hervorrief.
Er wollte schreien, wollte seinen Schmerz in die Reihen des angetretenen Trinärsterns hinausbrüllen, aber der aus einer mit grobem Leder umwickelten Stahlstange bestehende Knebel in seinem Mund machte daraus ein wimmerndes Heulen.
Er bäumte sich auf, riss an den massiven Fesseln, die ihn an das extra für diese Bestrafung aufgestellte Metallgerüst banden, aber die Stricke schnitten nur in seine Haut und verwandelten seine mittlerweile blutigen Gelenke in einen weiteren Schmerzpol.
Als wenn er davon in diesen Minuten nicht bereits genug gehabt hätte.
„Fünfzehn!“
Wie er diese Stimme hasste! Keuchend öffnete er die Augen, aus denen er die Tränen bereits seit Minuten nicht mehr zurückhalten konnte und erblickte verschwommen seine Nemesis.
Sterncolonel Constanze hatte sich mit vor der Brust verschränkten Armen in seinem Blickfeld aufgebaut und blickte ihn aus ihren tiefgrünen Augen an.
Sie trug wie der Rest ihrer Anhänger, welche in einem großen Quadrat um die Szene aufgestellt waren, die hellgraue Uniform mit den schwarzen Lederstiefeln und dem Abzeichen des Nebelparder Clans auf der Brusttasche des Uniformhemdes.
Ihre dunkelblonden Haare ergossen sich wie ein Wasserfall über ihre linke Schulter und gaben dem martialischen Auftreten eine wesentlich persönlichere Note, was jedoch nicht darüber hinwegtäuschen konnte, das der Teufel in Person vor Jack stand.
Mit einem völlig emotionslosen Ausdruck auf den Gesichtszügen machte sie zwei Schritte vorwärts und nickte dabei in Richtung einer weiteren Person, die sich außerhalb von Jacks Blickfeld befinden musste.
Mit einem brutalen Ruck wurde dessen Kopf an den Haaren nach hinten gerissen und die Befestigung des Knebels an seinem Hinterkopf gelöst.
Ein Schwall Speichel ergoss sich aus seiner Mundhöhle als die umwickelte Metallstange herausgezogen wurde und tropfte auf den staubigen Boden des improvisierten Landefeldes.
„Leibeigener Jack. Das waren erst fünfzehn Schläge mit der Elektropeitsche, weitere fünfunddreißig liegen noch vor dir. Und das alles, weil du einfach nicht akzeptieren willst, dass du nun Clan bist. Weil du dich weigerst unsere Sitten und Gebräuche anzunehmen. Weil du schlicht und ergreifend stur bist.“
Sie beugte sich zu ihm herab und blickte interessiert in sein nicht bedecktes Auge.
„Ich wäre bereit deine Strafe zu reduzieren, Leibeigener. Vielleicht sogar, sie dir ganz zu erlassen, wenn du dem Parder die Treue gelobst. Wenn du dein Wissen und deine Fähigkeiten in den Dienst des größten aller Clans stellst und akzeptierst, dass es eine der höchsten Ehren für einen Piraten wie dich ist, in einem Trinärstern der edelsten Wahrgeborenen zu dienen. Ich habe vor, die Ehre meines Clans wiederherzustellen und dafür benötige ich Krieger deines Schlages, auch wenn du nur eine dreckige Freigeburt bist. Du dürftest wieder einen Battlemech steuern, dürftest dich wieder Krieger nennen. Was sagst du Leibeigener Jack, soll ich die Schnüre um dein Handgelenk durchtrennen?“
Ihre Blicke hatten einen Fanatismus angenommen, der Jack entgegensprühte und der fast schon greifbar in der Luft zwischen ihren Gesichtern lag. Eines wurde ihm in diesem Moment klar, diese Frau meinte wirklich was sie sagte. Sie hatte wirklich vor, die Nebelparder auferstehen zu lassen.
„Sternencolonel, nachdem ich nun einen Teil meiner von euch auferlegten Bestrafung für mein loses Mundwerk und meine Weigerung, meine kämpferischen Fähigkeiten in eure Dienste zu stellen, ertragen habe und ihr mir dieses überaus großzügige Angebot gemacht habt, möchte ich euch aus tiefstem Herzen antworten.“
Seine Stimme war brüchig. Er hatte die Schmerzwellen der letzten Minuten noch nicht vollständig verkraftet und der beissende Geruch nach verbranntem Fleisch hing schwer in der Luft.
Trotz all dem legte er seinen ganzen Hass in seine nächsten Worte, die davon zu einem Knurren verzogen wurden.
„Ich bin ein freier Mann, du aus einem Kanister gezogene Braut. Du kannst mich umbringen oder foltern, das ist mir gleich, aber niemals werde ich für dich kämpfen. Niemals, hörst du? Denn solange ich das nicht tue, solange bin ich noch immer frei und daran können auch diese Bändel um mein Handgelenk nichts ändern.“
Seine zornige Entgegnung hatte sich völlig überrascht und veranlasst, einen Schritt zurück zu gehen.
Noch war er aber nicht fertig.
„Un jetzt schwing deine elenden Knochen wida auf deinen Platz zurück und fang a zu zählen, du dreimal verfluchte Anhängerin von dem Genral, der es nicht mal gschafft hat n ersten Lord vor Amaris zu beschützen. Ich wills endlich hinner mich gebracht ham!“
Die Art, wie sie angewidert das Gesicht verzog und dabei hasserfüllte Blicke auf ihn abschoss, erfüllte sein schwarzes Herz mit Freude. Vielleicht konnte er ihr körperlich nicht schaden, aber zumindest die völlig verkorkste Sprache hatte ihr einen Stich versetzt.
Wieder trat sie an ihn heran, während sie dem Henker ein Zeichen gab und dieser Jack den Knebel erneut in den Mund presste.
„Ich habe mir schon gedacht, dass du eine Herausforderung sein würdest, Leibeigener. Dein Widerstand ist beachtlich für einen Sphärer. Aber zwei Dinge kann ich dir versprechen. Erstens werde ich dich brechen. Irgendwann wirst du zusammenbrechen und ich werde da sein um mich an deinen Diensten zu erfreuen. Zweitens garantiere ich dir, dass du nie wieder frei sein wirst. Dafür werde ich sorgen, denn du gehörst jetzt mir.“
Damit richtete sie sich auf und ging rückwärts wieder auf ihre Position während sie die Stimme so erhob, dass auch der Letzte auf dem Platz es hören konnte.
„Der Leibeigene Jack verweigert dem Clan des Parders noch immer die Dienste. Er hat mein großzügiges Angebot ausgeschlagen obwohl ich mir sicher bin, dass er die Aussichtslosigkeit seiner Lage bereits begriffen hat. Um ihm zu zeigen, dass er nun endgültig ein Mitglied des Clans ist, werde ich ihm das Mal des Parders geben lassen, auf dass er die Ehre in seiner möglichen Zukunft verinnerliche.“
Hunderte Stimmen antworteten ihr in einem raunenden Ton, der Jack an die Gebete in einem Kloster erinnerte.
„Seyla!“
Wieder wurde sein Kopf in die Höhe gerissen und von seiner rechten Seite bemerkte er plötzlich eine massive Hitzeeinwirkung. Er blinzelte die Träne aus dem Auge und sah gerade noch das rotglühende Brandeisen, das ihm vor das Gesicht gehalten wurde, bevor es wieder aus seinem Blickfeld verschwand.
„Leibeigener Jack, ich heisse dich im Namen des Trinärsterns in dem Clan des Nebelparders willkommen. Möge der Parder dir die Kraft verleihen, die Prüfungen zu bestehen und die Weisheit, ihre Richtigkeit einzusehen.“
Mit einem Nicken ihres sonst steifen Kopfes und dem kalten Lächeln einer lauernden Bestie verwandelte sich Jacks Umfeld in eine Agonie von Schmerz, als der Henker das Brandeisen auf sein rechtes Schulterblatt drückte.
Landungsschiff Kobe
Im Anflug auf den Raumhafen
Wayside V
Mit einem entsetzten Schrei erwachte Jack aus dem Alptraum und blickte sich hektisch um. Das Halbdunkel des Cockpits in dem nur das diffuse Licht der Monitore und Anzeigen eine geringe Helligkeit verbreitete ließen ihn nur Sekundenbruchteile nach dem Erwachen wieder entspannt auf die Pilotenliege fallen.
Tief atmete er einige Male durch, bevor er nach der Wasserflasche griff und einen Schluck daraus nahm.
Wie gerne hätte er jetzt auf seinen Vorrat zurückgegriffen.
Verdammter Danton.
Der Lautsprecher in seinem Heatset erwachte rauschend zum Leben, woraufhin er seine Aufmerksamkeit auf die Monitore der Außenkameras richtete.
„Mechkrieger Ryan, ihr Battlemech ist wieder eingeschränkt kampftauglich. Wir haben die Munition der Autokanone aufgefüllt und die Panzerung wie gefordert an jeder Sektion auf mindestens siebzig Prozent gebracht. Das Kühlsystem arbeitet auf siebenundneunzig Prozent Leistung. Die Reaktorabschirmung ist ebenfalls wieder sicher. Es tut mir leid, aber an ihren Sensoren konnten wir wirklich nichts mehr retten. Sie werden wohl ohne in das Gefecht gehen müssen. Die Kobe hat die Absprungzone in wenigen Momenten erreicht, die Sprungtore sind geöffnet und sie werden das Schiff als letzter verlassen. Ich wünsche ihnen viel Glück, Krieger. Sie können es definitiv brauchen.“
Die Stimme des unbekannten Techs klang aufrichtig, was Jack anerkennen musste. Genau wie die Arbeit von Kenee und ihrem Team. Die Männer und Frauen hatten es wirklich geschafft seinen zusammen geschossenen Engel wieder kampfbereit zu bekommen. Eine wirkliche Meisterleistung in der kurzen Zeit.
„Danke, und richten sie gleiches auch Seniortech Keene und dem Rest des Teams aus. Mein erster Abschuss heute ist für euch.“
Damit deaktivierte er die Funkverbindung und löste die Verbindungen des Marodeurs zu dem Haltegerüst. Mit einem kurzen Ruck befreite sich die fünfundsiebzig Tonnen schwere Maschine von ihren Fesseln und stampfte dröhnend über den Hangarboden auf das weit geöffnete Hangartor zu, durch das der Himmel von Wayside zu sehen war.
Schon erfasste die erste Böe das Monster aus Stahl und riss an ihm, so dass Jack mit den Kontrollen ringen musste um die Gewalt über seinen dunklen Engel zu behalten.
Ein Lächeln schlich sich auf seine Züge.
Ja, das war genau die Art zu kämpfen, die er liebte. Gefechtsabwürfe mitten in die Action.
Kein langsames Annähern an den Feind mit Infanterie und Panzerunterstützung. Kein Langstreckenfeuer, kein Deckungsfeuer.
Mitten hinein in das Chaos der tobenden Schlacht, direkt in mittlere bis kurze Kampfentfernung zum Gegner. Wie oft er diese Taktik mit seiner Einheit schon angewandt hatte, wusste er gar nicht mehr. Seine Kommandokompanie war darauf spezialisiert gewesen.
„Kobe von Grave. Habe Absprungposition erreicht und warte auf Freigabe.“
Unter sich sah er die verbliebenen sprungfähigen Mechs der Chevalies und Miliz auf flammenden Sprungdüsen in die Tiefe gleiten.
„Grave von Kobe. Abwurfzone erreicht. Freigabe für Sprung erteilt. Gute Jagd!“
Grimmig lächelnd ließ Jack den Oberkörper des Marodeurs nach vorne gleiten, was ein protestierendes Aufheulen des Gyroskops zur Folge hatte. Dann trat er die Pedale der Sprungdüsen seiner Kampfmaschine durch und der mattschwarze Engel, dessen Panzerung mittlerweile an einen Flickenteppich erinnerte, machte einen Satz aus der umgebauten Ladeluke des Raumschiffes.
Der Andruck des freien Falls presste ihn hart in die Gurte der Pilotenliege als Jack die Sprungdüsen erlöschen ließ und die Kampfmaschine in den freien Fall oder besser, einen kontrollierten Sturz in Richtung der planetaren Oberfläche überging.
„Jack, der Absprung war perfekt. Korrekturen der Ausrichtung sind bisher nicht notwendig. Zündung der Sprungdüsen zur Verringerung der Fallgeschwindigkeit in fünfzehn Sekunden.“
Die Stimme seiner toten Verlobten stimmte ihn zuversichtlich. Erneut blickte er auf die Statusanzeigen seiner Instrumente als ein markerschütternder Schrei durch die Funkverbindung an seine Ohren drang.
„Yiiiiiiiiiieeeeeeeeeeeee! Grave von Irish, die Kompanie ist geschlossen auf dem Weg abwärts um den Bastarden den Weg zu den Pforten der Hölle zu zeigen. Die Adventurer wird in wenigen Minuten auf dem Raumhafen aufsetzen und den Rest des Bataillons ausspucken.“
Verwirrt blickte Jack sich um, bis er über sich den giftgrünen Greif erblickte, der sich mit flammenden Sprungdüsen von dem alten Landungsschiff der Festungsklasse entfernte um eine Position neben seiner Mordmaschine einzunehmen. Überall um ihn herum kamen nun Battlemechs seiner Banditen in Sicht.
Er konnte Upsaloms Supergreif erkennen, Perishs Wespe, Hudsons Dunkelfalken. Sie waren alle um ihn herum in der Luft und die Funkkanäle waren erfüllt von ihren Kampfschreien.
„Ryans Lusan Banditen, der Gegner ist unter uns! Keine Gnade, macht die Hundensöhne nieder.“
„Yeeeehaaaaa! Viel Feind viel Ehrr! Da sind genuch Lad’s für uns alle! Nurr keine Hektik ihr Küken. Wirr kommen genau zwischen ihrren Linien rrunter.“
„Das ist genau wie du gesagt hast, Boss! Die stehen da alle auf einem Haufen und beharken Jesse’s Jungs am Raumhafen. Ein gefundenes Fressen für uns. Das wird deren Untergang sein!“
Völlig entgeistert starrte Jack auf die Rundumsicht. Sein Bataillon war hier. Seine vernichteten Banditen waren aus der Unterwelt zurück gekehrt. Oder war das alles Einbildung? Waren die vergangenen Jahre nur ein Traum gewesen? Seine Seelenqualen, die Schmerzen die er ertragen hatte? Jessi, Conny, Danton. Waren das alles nur Gebilde seines durchaus kranken Geistes?
Wieder blickte er sich um. Dort war DeVilles Attentäter und schräg hinter ihm glitt Newmans Vulkan durch die Luftschichten. Sie alle waren da. Das konnte keine Einbildung sein.
Das erneute Knacken in seinen Helmlautsprechern riss ihn aus seiner Starre.
„Jack, verdammt! Zünde endlich deine Sprungdüsen, du verrückter Hund. Für das Angsthasenspiel werden wir langsam zu alt. Du bist schon zwei Sekunden über dem Zündpunkt hinaus. Verflucht, wenn du nicht als glühender Krater auf der Oberfläche enden willst, setz endlich deine Düsen ein. Ich will deiner Schwester nicht erklären müssen, dass du abgekratzt bist, nur weil du ein Standartmanöver versaut hast.“
Peters Stimme! Es war eindeutig Peters Stimme die da über den mehrfach verschlüsselten Comkanal zu ihm durchdrang. Kein Zweifel, sein alter Freund machte sich Sorgen um ihn.
„Mach dir nicht gleich ins Hemd, du irischer Misthund. Ich bin der Meister des Angsthasenspiels. Ist ein Grund dafür, dass ich der Anführer bin und nicht du. Und jetzt mach deine Arbeit und bring Ruhe in den Sauhaufen. Jesse Cunningham und seine Jungs haben uns die Miliz in die perfekte Position manövriert. Ich will also keine Verluste unter meinen Jungs und Mädels!“
Mit einem Mal hatte Jack seine Stimme wieder gefunden. Die ihn früher auszeichnende Selbstsicherheit kehrte in seine Gedanken zurück und spülte die Verwirrung der letzten Sekundenbruchteile wie ein Tsunami davon. Er war Jack Ryan-Jones. Anführer der Lusan Banditen. Und er kam über diese Welt wie der Leibhaftige in Person.
Er blickte kurz auf die Höhenmeteranzeige und nickte angriffslustig, bevor er die Pedale der Sprungdüsen voll durchtrat.
Mit einem durchdringenden Röhren leitete der Reaktor des Marodeurs Plasma durch die Auslassöffnungen und bremste das fallende Monster abrupt ab.
Der Schmerz, welcher ihn in derselben Sekunde durchzuckte war unaussprechlich. Seine ganze Schulter schien in einem Feuerball zu explodieren und er bemerkte wie ein Schall heißen Blutes durch seine Kühlweste sprudelte.
Was zur Hölle war hier los? War er getroffen worden?
Bunte Lichter flimmerten vor seinen Augen und er benötigte all seine Willenskraft um den Marodeur auch nur halbwegs in dem vorgesehenen Fallwinkel zu halten, konnte jedoch nicht verhindern, dass die fünfundsiebzig Tonnen Stahl ins Trudeln gerieten.
„Grave von Irish. Was zur Hölle ist los, Jack? Verdammt, sprich mit mir! Du rauschst gerade durch die Luftschichten wie ein Meteor. Fang die Maschine endlich ab.“
Durch rote Nebelschwaden, die seine Sinne durchzogen, hörte er die Stimme seines Freundes. Seines einzigen Vertrauten in diesem kalten Universum. Jack nahm seine Willenskraft zusammen, spannte die Kiefer an und öffnete damit einen Kanal.
„Kann nicht… verletzt… Schulter… Scheiße! Peter… hilf mir!“
Er bemerkte, wie der Marodeur sich gefährlich nach vorne neigte und die schnell näher kommende Oberfläche des Planeten sich in sein Sichtfeld schob. Es konnten nur noch Sekunden bis zum Aufprall sein.
„Jack, hör mir jetzt genau zu. Du musst die Maschine stabilisieren bevor du die Sprungdüsen zündest. Ich kann von hier aus keine Schäden erkennen. Also lehn dich jetzt nach hinten.“
Die beruhigenden Worte von Peter aktivierten seine Reserven und mit einem unglaublichen Aufwand seines ungebrochenen Willens warf er sich nach hinten gegen die Pilotenliege.
Das Gyroskop heulte protestierend auf, als es den immer schneller fallenden Battlemech wieder in eine aufrechte Position brachte.
„Sehr schön alter Griesgram. Zünde jetzt die Düsen. Links aber nur 80 Prozent, sonst kommt deine Maschine schräg auf und es zerlegt dich.“
Krampfartig klammerte er sich an den Kontrollen fest und trat die Pedale der Sprungdüsen wie ihm geraten durch.
Der erneute Andruck der Bremsdüsen sandte neuerliche Schmerzwellen durch seinen Körper und ein gequälter Schrei entrang sich seiner Kehle. Die Welt schien einen Moment still zu stehen und nur die beruhigende Stimme Peters klang kraftvoll in seinen Gedanken.
„Gut, Jack, jetzt hol alles aus dem Reaktor. Voller Schub. Das wird eine verdammt harte Landung und da unten warten eine ganze Menge Bastarde auf dich, die sich dein Kopfgeld unter den Nagel reißen wollen. Du darfst nicht aufgeben. Du bist Jack Ryan-Jones. Du bist die Lusan Banditen.“
Er nickte kurz, dann trat er auch das linke Pedal bis zur Bodenplatte durch und schrie seinen Schmerz in die Funkverbindung, als seine Willenskraft unter den massiven Schmerzen nachgab.
Danielle Vascot fluchte in die Stille ihres Mechcockpits. Sie waren zu spät gekommen, hatten die Entscheidungsschlacht am Raumhafen nicht mehr beeinflussen können. Jetzt musste sie mit ansehen, wie ihre kommandierenden Offiziere in das Lager des Feindes krochen um einen neuen Kontrakt auszuhandeln.
Das war nicht richtig. Konnte einfach nicht richtig sein.
Noch zehn Minuten und die Verteidiger wären geschlagen gewesen. Hätten sich ergeben müssen oder wären auf das Landefeld des Raumhafens gedrängt worden, wo die Hussaren kurzen Prozess gemacht hätten.
Vor allem aber hätte sie eine Chance gehabt, die Schande der Niederlage gegen den schwarzen Marodeur auszubügeln. Wie ein blutiger Anfänger hatte sie sich von dem Piloten über die instabilen Kavernen ziehen lassen. Wie ein blutiger Anfänger war sie durch sein Waffenfeuer auf den Boden überrascht worden. Wie ein blutiger Anfänger hatte sie eine Bergungsmannschaft benötigt, die ihre verschüttete Maschine wieder an die Oberfläche brachte.
Und wie ein blutiger Anfänger hatte sie sich eine Standpauke der allerfeinsten Sorte von Copycat anhören müssen.
Was für ein Scheißtag!
In diesem Moment wurde ihre Aufmerksamkeit von einem Schauspiel abgelenkt, das sich weit über dem Schlachtfeld abspielte.
Ihre Sensoren zeigten den mattschwarzen Marodeur, wie er, offensichtlich führungslos, durch die Luftschichten taumelte.
Die Kampfhandlungen waren kurz nach Abwurf der Battlemechs aus dem Landungsschiff der Miliz um Stillstand gekommen und die restlichen Maschinen waren ohne größere Probleme in den Reihen der Verteidiger gelandet.
Nur der Marodeur schien massive Probleme zu haben.
„Du musst deine Kiste stabilisieren, du Arschloch. Richte den Torso aus und zünde die Düsen, sonst schlägst du auf wie ein verdammter Meteor!“
Leise flüsterte sie die Worte in ihren Helm, wobei sie nervös auf der Unterlippe herumkaute, das dramatische Schauspiel nicht aus den Augen lassend.
Sie hatte den Piloten der Maschine in Aktion gesehen und dieser Mann hatte sich definitiv ihren Respekt verdient.
Und ihren Hass.
Er war ein tödlicher Schütze und ein noch viel besserer Pilot und sie zweifelte keinen Augenblick daran, dass in dem anderen Cockpit gerade etwas fürchterlich schief ging.
Im letzten Augenblick schaffte es ihr ehemaliger Gegner seinen Mech auszurichten und mit einem Korrekturschub seiner Düsen in Landeposition zu bringen.
Nur Sekunden vor dem Aufschlag erblickte sie die grellen Flammen superheißen Plasmas, welche aus den Seitentorsi der Maschine schlugen.
Sie wendete ihren Kampftitan gerade noch rechtzeitig, um den tosenden Aufschlag des Marodeurs in ihr Frontsichtfeld zu bekommen.
Zwar hatten die Korrekturen des Piloten einen unkontrollierten Absturz in letzter Sekunde verhindert, die Bruchlandung des Battlemechs ließ jedoch sogar ihren überschweren Koloss in einer Entfernung von über siebzig Metern erzittern. Sie konnte das Kreischen sich verziehenden Metalls durch die Cockpitabschirmung hören und sah, wie die Beinaktivatoren der Maschine unter den gigantischen Kräften zerbarsten. An den Gelenken der vogelähnlichen Beine brach die Panzerung von Innen nach Außen, als kiloschwere Trümmerstücke der Steuerungselemente sich ihren Weg bahnten und Myomerbündel wie dünne Fäden rissen. Der gesamte Torso des mattschwarzen Ungetüms senkte sich unnatürlich tief ab, bevor die interne Struktur und die verdickte Panzerung die Energie abfangen konnten.
Ungläubig beobachtete Danielle Vascot, wie die Maschine den Aufprall stehend hinter sich brachte und dann dampfend zur Ruhe kam.
„Du verdammter Bastard musst doch mit dem Teufel im Bunde sein. Das kann unmöglich dein Ernst sein. Sowas überlebt man nicht und selbst wenn, bleibt man nicht einfach stehen. Fall um. Fall endlich um!“
Eiskalte Krallen purer Angst umschlossen ihr Herz, als der Marodeur seine bedrohlichen Waffenmanschetten in ihre Richtung drehte. Instinktiv schaltete sie die Zielerfassung auf und zog das Fadenkreuz über das Wrack.
Bittere Galle ließ seine Sinne wieder zurück in die Wirklichkeit wandern, obwohl er wohl lieber in eine gnädige Ohnmacht gefallen wäre. Das Cockpit mutete wie der Vorhof der Hölle an. Überall stieg beissender Rauch aus funkensprühenden Geräten auf und schrille Alarmtöne gellten durch das Chaos. Fast alle seiner Monitore waren ausgefallen und die, welche ihre Arbeit noch verrichteten, verkündeten Hyobsbotschaften biblischen Ausmaßes. Sein dunkler Engel war so gut wie zerstört. Er konnte die Maschine zwar mit aller Gewalt aufrecht halten, aber an eine Fortbewegung war aufgrund der massiven Schäden an Beinen, Skelett und Gyroskop definitiv nicht zu denken.
„Peter, Schutzkordon um mich herum aufbauen. Meine Maschine ist hinüber. Bin bewegungsunfähig… Peter?“
Sein verschleierter Blick wanderte über die nur noch teilweise funktionierende 360 Grad Rundumsicht und blieb bei dem regungslos hinter ihm stehenden grellgrünen Greifen hängen.
“Ja, Jack, ich bin hier. Es tut mir leid, alter Freund, aber ich kann dir nicht helfen.“ Er konnte die Trauer in Peters Worten fast greifen.
„Diesen Kampf wirst du wohl alleine ausfechten müssen! Vor dir steht dein Gegner, Jack. Du warst immer der Beste von uns. Der Tapferste und der Überlegteste. Beweis uns, dass es noch immer so ist. Beweise uns das du noch immer Jack Ryan-Jones bist!“
Immer mehr Battlemechs der Lusan-Banditen tauchten auf der von massiven Störungen durchzogenen Ortung seines Battlemechs auf und gesellten sich zu Peters Greif.
Aber auch ein irgendwie bekannt wirkender Kampftitan stand in unmittelbarer Nähe zu ihm. Fassungslos blickte er auf seine Einheit, seine Freunde, als ein unbändiger Hass sein Herz ergriff.
„Ihr verräterischen Missgeburten. Habt ihr also schon ausgemacht, wer von euch meinen Platz einnehmen soll? Seid ihr nur zu feige, es selbst zu erledigen? Das lasst ihr lieber den Feind machen, was?“
Mit einigen wenigen Blicken überflog er die Anzeigen vor sich und wurde dann aktiv. Seine Finger flogen in Windeseile über die Schalter und Tastaturen.
„Jack, mein Reaktor ist beschädigt! Du leitest Energie über die Reserveleitungen zu den Waffensystemen in den Armmanschetten. Die Munitionszuführung der Autokanone ist verklemmt. Sie ist jedoch geladen. Kein Zielerfassungssystem verfügbar. Manuelle Waffensteuerung aktiviert. ECM-Phalanx arbeitet mit 37 Prozent Leistungsfähigkeit. Zielentfernung kann nicht bestimmt werden. Ich empfehle den Einsatz des Rettungssystems.“
Einen kurzen Moment überlegte er, wann er die Stimme des Bordcomputers auf dieses nervige Gequäke hatte programmieren lassen, aber irgendetwas in ihm wurde zuversichtlich.
„Damit diese Verräter mich unter ihren Füßen zerquetschen können? Garantiert nicht.“
Seine Worte hallten über die immense Lautstärke der Sirenen, während er weitere Schalter betätigte und dann die Steuerung ergriff.
„Warnung, Jack. Warnung! Beinaktivatoren schwer beschädigt. Du solltest dich nicht bewegen. Das Gyroskop ist beschädigt. Massive Panzerungsschäden. Ich kann nicht garantieren dass wir stehen bleiben.“
Die Worte seiner elektronischen Begleiterin entlockten ihm nur ein grausames Lachen.
„Die Würfel sind gefallen, Kleines. Sicherheit ist nur etwas für Lämmer, nicht für die Wölfe.“
Während der Torsodrehung schien sein dunkler Engel gequält aufzuschreien. Verzogene Panzerplatten schrammten quietschend über Teile der internen Struktur oder lösten sich vollständig von der geschundenen Maschine und stürzten zu Boden.
Er hatte den Kampftitanen nur in seinem frontalen Schussfeld und auch seine beiden Partikel Projektilkanonen zeigten Feuerbereitschaft.
Mit einer unendlichen Kraftanstrengung zog er den rechten Fuß des Marodeurs aus dem metertiefen Boden, den sein Aufprall geschaffen hatte und setzte ihn kurz darauf wackelig wieder auf festen Untergrund.
„Marodeur… hier… Vascot… Husaren… es ist… vorbei… runterfahren…“
Die weibliche Stimme, welche völlig verstümmelt über das Statikrauschen der Kopfhörer erklang, ließ seine verbliebenen Zweifel schwinden. Der feindliche Kampftitan hatte seinen Waffenarm mit der Partikelkanone drohend erhoben.
„Meine Maschine runterfahren? Das hättest du wohl gerne. So leicht streicht ihr das Kopfgeld nicht ein. Es ist erst vorbei, wenn ich nicht mehr atme!“
Seine hasserfüllten Worte unterstrich er mit einer hastig gezielten Breitseite seiner verbliebenen Bewaffnung, während er auch den zweiten Fuß aus dem Loch erhob und aufsetzte.
Die azurblauen Blitze seiner Primärwaffen zuckten kreischend über die kurze Entfernung und vereinigten sich zielgenau im Torso seines überschweren Gegners, wo sie die Panzerung plattenweise verwüsteten und den Kampftitan einen wankenden Schritt nach hinten trieben. Sein mittelschwerer Laser verkochte die schützende Stahlhaut des Giganten über dem rechten Bein und die langgezogene Granatsalve ließ dutzende feurige Blumen auf dem rechten Arm aufblitzen.
Die Antwort seiner Gegnerin scheiterte kläglich. Der PPK Blitz fuhr meterweit über ihn hinweg und auch nur eine der Laserbahnen fand ihr Ziel in seiner rechten Torsopanzerung, während die sechs Kurzstreckenraketen den Boden hinter dem Marodeur in grellen Explosionen aufrissen.
Jacks triumphierender Schrei hallte laut durch das Cockpit.
„Was ist nun, kleines Mädchen? Was zur Hölle tust du nun? Seht ihr das, ihr Bastarde? Könnt ihr das sehen? Ich brauche euch nicht. Ich brauche niemanden, denn der Teufel persönlich hält seine schützende Hand über mich!“
Wieder trieb er den Marodeur einen unsicheren Schritt voran. Einen Schritt auf den Battlemech seiner Gegnerin zu. Alles in seinem Inneren schrie nach Blut und er hatte vor diesen Durst zu stillen.
Danielle Vascot war vor Angst wie gelähmt. Mit mechanischen Bewegungen hielt sie ihren Kampftitanen aufrecht, aber sie konnte einfach nicht fassen was gerade geschah. Der völlig zerstörte Marodeur war aus seiner Starre erwacht und überschüttete sie mit einem wahren Feuerwerk aus seinen Waffen.
Einem überaus tödlichen Feuerwerk.
Wie ein Zombie aus der Hölle wankte das Wrack einen Schritt nach dem anderen auf sie zu, was sie dazu zwang, mehr und mehr zurück zu weichen.
Ihre Torsopanzerung war nach den beiden Treffern nur noch so dünn wie Papier und sie hatte all ihr Können aufwenden müssen um ihren Battlemech aufrecht zu halten.
Sie hatte zurück geschossen, hatte versucht ihren Gegner ein für allemal aus zu schalten, aber dieser schien wirklich mit dem Teufel im Bunde zu stehen. Nur ein einziger mittelschwerer Laser hatte getroffen. Ein einziger!
Hatte der Kerl es nicht begriffen? Er hatte gewonnen! Ihre Truppe war geschlossen übergelaufen und der Kampf damit beendet.
Das hatte sie ihm auch über eine offene Funkverbindung versucht ihm klar zu machen, aber die Stimme, die ihr in abgehackten Brocken antwortete, war so hasserfüllt, so mordlustig, das die Panik in ihr aufstieg.
Vergessen war all ihre Ausbildung und ihre Karriere, ihre lange Abschussliste und der Rest des Universums um sie herum. Kalte Angst kroch durch ihre Glieder.
„Hör endlich auf. Ihr habt doch gewonnen! Der Kampf ist vorbei, begreifst du das denn nicht? Wir sind keine Gegner mehr! Stell endlich das Feuer ein.“
Sie schrie die Worte in die offene Verbindung und löste gleichzeitig die Kurzstreckenlafette und ihre Laser aus während sie einen weiteren Schritt rückwärts tat.
Diesmal lag die Salve der Lichtwerfer deckend und verflüssigte Panzerung über dem rechten und mittleren Torso des Marodeurs, welche in brodelnden Sturzbächen zu Boden floss. Auch drei der Raketen senkte sich auf die weidwunde Maschine herab und zuckten als gleißende Detonationen über den rechten Arm, waren jedoch nicht in der Lage, die blutrünstige Bestie zu stoppen.
Rußgeschwärzt und dampfend kam der Alptraum weiter unsicher auf sie zu.
„Copycat von Riverdale. Copycat, der Typ bringt mich um. Hilf mir Copeland. Ich kann ihn nicht aufhalten. An alle Husaren, ich benötige Hilfe!“
Ihre Stimme überschlug sich, als die Panik sich Bahnen brach und ihren Geist ergriff.
Im selben Moment, als sie nach dem Auslöser des Schleudersitzes griff, landete ein Vollstrecker auf flammenden Sprungdüsen in ihrem Blickfeld, genau zwischen ihr und dem Marodeur.
„Jack, hier ist Chappi. Stell das Feuer ein. Der Kampf ist vorbei. Verdammt, was tust du? Es ist vorbei. Vorbei, hörst du?“
Die feste Stimme des Piloten erscholl über denselben Kanal, den auch Danielle benutzt hatte, schien jedoch mehr Effekt zu haben. Der Marodeur stellte seinen Vormarsch ein, blieb reglos stehen, die Waffenarme noch immer gefährlich erhoben.
„Chappi… was… nicht… verstehen… wo… was ist... vorbei…“
„Jack, dein Funkgerät ist gestört. Ich kann dich kaum verstehen, aber bitte, stell jetzt das Feuer ein und fahr deine Maschine runter. Es ist vorbei, mein Freund. Wir haben gewonnen. Die Gegner haben ein Angebot des Herzogs angenommen und sind übergelaufen. Hast du das verstanden? Es ist vorbei!“
Sekundenbruchteile schienen sich zu Jahren zu dehnen, in denen nur der über das Schlachtfeld wehende Rauch sich bewegte. Weitere Maschinen der Chevaliers und der Miliz waren mittlerweile eingetroffen und schirmten ihren schwer angeschlagenen Kampftitanen gegen den Marodeur ab.
„Gut… Chappi… verletzt… Blut überall… fahre… runter…“
Die Stimme des gegnerischen Piloten, der wohl auf den Namen Jack hörte, war nun völlig kraftlos. Von dem Hass, der nur Sekunden zuvor noch in ihr mitgeschwungen hatte, konnte sie nichts mehr wahrnehmen.
Noch während sich die Waffenmanschetten des Marodeurs senkten, öffnete sich die Cockpitluke der Maschine und entließ vor Hitze flirrende Luft, bevor eine Gestalt sich auf den Torso zog.
Danielle Vascot hielt den Atem an.
Der Mechkrieger, der fast ihr Tod gewesen wäre, musste schwer verwundet sein. Seine Kühlweste war auf der rechten Seite blutgetränkt, die rote Körperflüssigkeit hatte bereits fast den gesamten Arm eingefärbt und auch die Boxershorts erreicht.
Das er überhaupt noch stehen konnte, war ein verdammtes Wunder.
Trotzig stand die muskulöse Gestalt auf dem Torso seiner völlig zerstörten Maschine und blickte zu ihr herüber.
Fast konnte sie fühlen, wie dieser Jack sie mit seinen Blicken aus dem Cockpit schießen wollte. Den Helm hatte der Mann abgenommen, was ein narbenübersätes, brutales Gesicht sichtbar machte, das von einer Augenklappe abgeschlossen wurde. Das Comset des Helms trug er jedoch noch.
„Chappi… wenn jetzt… vorbei… wann… Dienstschluss…“
Noch bevor sie den Sinn dieser Worte begreifen konnte, antwortete der Pilot des Vollstreckers.
„Jack, du bist verletzt. Und damit dienstunfähig. Dein Dienstschluss hat begonnen als der Gegner kapituliert hat und kein gesteigerter Bedarf mehr an jedem verfügbaren Piloten bestand. Warum?“
Der Mechkrieger auf dem Torso schien kurz zu nicken bevor er antwortete.
„Nur… Chappi… nur so!“
Damit griff er hinter sich und brachte einen kleinen silbernen Gegenstand zu Vorschein. Kurz erhob er den Gegenstand in Richtung ihres Kampftitanen, bevor er ihn an den Mund führte und dann den Kopf in den Nacken legte.
Thorsten Kerensky
Wayside V („Wildkatz“)
Verteidigungsstellungen um den Jaffray-Raumhafen
02. August 3066, 05:07 Uhr
Stille.
Ruhe.
Frieden.
Für einen Moment, für einen ganz kurzen Moment, erlaubte Jara sich, die Augen zu schließen und die trügerische Abwesenheit von allen Sinneseindrücken zu genießen, die sich nach der Schlacht ausbreitete.
Fast wäre dieser Augenblick schon zu viel gewesen und nur das wiedereinsetzende Kreischen und Gellen der Schadenssirenen in ihrem Cockpit bewahrte sie vorm Einschlafen. Müde sah sie sich um.
Trümmerteile lagen überall verstreut, die Wracks von Mechs und Panzern glühten zum Teil immer noch aus. Sie wollte sich gar nicht ausmalen, welche Bilder sich den Sanitätern und Techs bieten mussten, die bereits begannen, Verwundete und Tote zu bergen und das Material zum Abtransport vorzubereiten. Der ganz normale, grausame Alltag des Krieges.
„Ace für Sparrow: Sie sind die letzte Chevaliers-Lanze hier draußen. Sie können jetzt einrücken. Und sagen Sie ihrem Chef, dass Ihre Einheit gute Dienste geleistet hat!“
Jara seufzte leise. Gute Dienste. Stein, Metellus und so viele andere hatten den Preis zahlen müssen. „Verstanden, Ace! Wir machen uns auf den Weg!“
„Und eins noch, Lieutenant…“
Sie ahnte, was kommen würde und sie sollte Recht behalten.
„… so ein Husarenstück wie heute geht nicht immer gut. Ich werde Colonel Danton nahe legen, Ihnen dafür gehörig den Kopf zu waschen. Ace Ende.“
Ja, klar. Langsam hatte sie es wirklich raus, wie Männer in diesem Alter tickten. Sie schaltete auf den offenen Funkkanal der Chevaliers und fuhr ihre verbliebenen Systeme in den Transportmodus, um zu vermeiden, dass sie aus Übermüdung versehentlich eine Waffe einsetzte.
„Panther, Sniper, Ihr habt es gehört! Wir verziehen uns. Lockere Marschformation! Wir halten Snipers Tempo. Wie geht’s deinem Arm, Sniper?“
Neben den immensen Schäden an den Mechs – der linke Arm des Waldwolfs verwüstet, ein Beinaktivator des Bluthundes blockiert, beide Beine am Tempest schwer beschädigt und der linke Arm abgerissen – hatte sich Mulgrew auch noch seinen eigenen Arm gebrochen, als er unglücklich gestürzt war. Damit ging es ihm immer noch deutlich besser als Eric Stein, aber er musste ziemliche Schmerzen haben.
„Ich komm klar“, brachte er zustande, aber Jara hörte, dass ihn das ziemliche Kraft kostete.
„Sobald wir da sind, meldest du dich im Lazarett! Panther, du kannst entweder irgendwo anpacken oder dich für ein paar Stunden hinlegen, sofern es keine anderen Befehle gibt.“
Die beiden Mechpiloten bestätigten und danach blieb jeder alleine mit seinen Gedanken. Mit seinen Gedanken und den grausamen Meldungen, die über den Äther kamen.
„… sind am Flugfeld. Oh, mein Gott, so viel Blut…“
„… brauchen hier mehr Sanis…“
„… keine freien Kräfte…“
Jara schaltete ab. Das war zu viel für eine Nacht. Sie beneidete die Menschen nicht, die nun, nachdem die Soldaten mit ihrem blutigen Handwerk fertig waren, die Reste aufsammeln mussten. Irgendwie wirkte Krieg immer sauberer, wenn man in einem Mechcockpit saß.
Das hieß, solange es nicht aussah wie das ihres Waldwolfs.
Einer der letzten Angriffe, den sie hatte wegstecken müssen, hatte das Panzerglas ihrer Pilotenkanzel zum Splittern gebracht. Das Glas hatte sich in einem Regen aus Splittern ins Innere verteilt. Das hatte ihr nicht nur dutzende, zum größten Teil harmlose Schnittwunden eingebracht, sondern auch dafür gesorgt, dass Blut, Schweiß, Ruß und anderer Dreck sich überall verteilten.
Wäre sie nicht am Rande vom körperlichen Zusammenbruch gewesen, hätte sie den Schmerz gefühlt oder den beißenden Gestank wahrgenommen.
Sie ließ den Resten ihrer Lanze den Vortritt auf dem Weg in den Mechhangar und folgte dann, nur noch von Routine getrieben.
Das schrille Kreischen von überbelastetem Metall riss sie aus ihrer Trance. „Scheiße!“, fluchte sie heiser, als sie merkte, dass der nach außen verdrehte linke Arm ihrer Maschine sich am Wartungsgerüst verkeilt hatte.
Sofort brachte sie den Waldwolf zum Stehen und vorsichtig befreite sie ihn aus den Metallstreben. Der Schaden hielt sich in Grenzen, aber sie konnte sehen, dass einige Techs ziemlich aufgebracht waren.
Resignierend startete sie einen zweiten Einparkversuch, diesmal mit mehr Erfolg, und zog sich den schweißtriefenden Neurohelm vom Kopf. Eigentlich war es sinnlos, aber trotzdem verstaute sie ihn an der dafür vorgesehenen Stelle, ebenso wie die Kabel und Schläuche, die ihre Kühlweste versorgt hatten.
Beim Klettern aus dem Cockpit fasste sie in eine der vielen kleinen Glasscherben und ein kurzer, stechender Schmerz teilte ihr mit, dass ihre Nerven wenigstens grundlegend noch funktionierten. Bedauerlich.
Am Fuß des Waldwolfs angekommen, wartete Juliette Harris auf sie, neben sich Kotare und Mulgrew, dessen Arm in einem unnatürlichen Winkel vom Körper weg zeigte.
„Captain Harris, brauchen Sie die beiden Soldaten?“
„Nein, sie können wegtreten. Dienstbeginn ist zwölf Uhr. Jara, ich muss dringend mit dir reden.“
Die blonde Mechkriegerin sah an sich herunter und wunderte sich, dass die Stabschefin nichts über das Blut und den Schmutz sagte. Es musste wirklich dringend sein. Dann sah sie weiter zu Kotare und Mulgrew, die keine Anstalten machten, zu gehen.
„Corporals, Sie haben den Captain gehört. Wegtreten! Kotare, Sie sorgen dafür, dass Mulgrew ins Lazarett kommt! Ausführung!“
Die Mechkrieger, ganz offensichtlich ebenso umnebelt wie Jara sich fühlte, reagierten auf den Befehlston wesentlich besser, nickten und verschwanden.
„Was gibt es?“
„Um dreizehn Uhr gibt es eine Stabsbesprechung. Du musst bis dahin wissen, wie es um die Mechkompanie steht. Ich erwarte eine möglichst genaue Aufstellung der Schäden an den Maschinen und bei den Piloten.“
„Wieso ich?“
„Weil du jetzt eben diejenige bist, die in der Rangfolge oben steht.“
„Oben? Was ist mit dem Colonel?“
Harris starrte sie entgeistert an. „Hast du es nicht mitbekommen?“
„Was mitbekommen? Ich war bis gerade eben draußen!“
„Auf den Colonel wurde geschossen!“
Jaras Hirn brauchte Zeit. Sie sah zu dem Hauptmann hin, der, wenn auch übel zugerichtet, an seinem Stellplatz thronte. Dann sah sie zu ihrem Waldwolf, der ein fast ebenso jämmerliches Bild abgab. „Auf uns alle wurde geschossen.“
Harris schüttelte den Kopf: „Mit einer Handfeuerwaffe. Hier auf der Basis.“
Es brauchte einen weiteren langen Augenblick, bis die Info in ihren Verstand gelangte. „Oh.“ Sie dachte kurz nach. „Scheiße. Wie? Wieso? Wer? Und ist er schwer verletzt?“
„Wissen wir alles noch nicht. Er wird es schaffen, aber nicht bis dreizehn Uhr. Momentan sind nur Kiki, Markus und wir beide einsatzfähig, was Offiziere angeht. Und genau deswegen wirst du jetzt duschen, den Dreck aus deinen Wunden waschen und schlafen gehen, weil du ab morgen die volle Verantwortung für die Mechkompanie trägst. Und das wird ein gigantischer Stress.“
„Aber ich muss erst fragen, wie es Steel geht und…“
„Das war ein Befehl, Lieutenant!“, blaffte Harris, nun offensichtlich mit ihrer Geduld am Ende. „Eric Stein ist in einer zivilen Klinik. Mehr wissen wir zurzeit nicht. Geh jetzt schlafen! Bis um zehn, besser bis um elf! Und dann hast du morgen zwei Stunden, um dich über jeden Mech und jeden Piloten zu informieren und deinen Gefechtsbericht zu schreiben und dann zur Stabsbesprechung zu erscheinen. Ist das klar?“
Jara nickte. „Aye. Ist klar. Kann ich Metellus morgen zur Unterstützung haben?“
„Nein. Der Master Sergeant wird noch vermisst. Auch das wird morgen in deine Zuständigkeit fallen. Morgen. Wegtreten!“
Jara nickte und schlurfte in Richtung Unterkunftsgebäude.
Harris sah ihr nach und schüttelte stumm den Kopf. So viel Elan, so viel Ehrgeiz konnten gefährlich werden. Und sie hasste sich dafür, die junge Söldnerin noch stärker unter Strom zu setzen. Aber momentan gingen ihr die Offiziere aus und Jara würde nun eben über sich hinauswachsen. Müssen.
Wayside V („Wildkatz“)
Jaffray-Raumhafen, Kasernenkomplex
02. August 3066, 05:54 Uhr
In dem Teil der Kaserne, wo die Unterkünfte lagen, war es gespenstisch ruhig. Die wenigsten Chevaliers ließen es sich nehmen, noch irgendwo mit anzupacken. Und wenn sie doch den Schlaf suchten, dann lagen sie schon lange in ihren Betten.
Dawn hätte auch schon längst im Bett liegen können, aber sie hatte sich nicht davon abhalten lassen, nach ihrer Tochter zu sehen. Die kleine Susan war vielleicht die glücklichste von ihnen allen, denn sie hatte den ganzen Stress und die ganze Gewalt friedlich in der Obhut von Father O’Hierlihy verschlafen. Er hatte ihr, bevor er seine Pflicht bei den Sterbenden wahrnehmen ging, versprochen, dass sie dort noch ein wenig bleiben konnte, unter der Aufsicht von Esmeralda. Zumindest bis zum Nachmittag, damit sie eine Chance hatte, sich zu erholen und auszuschlafen.
Allerdings war sie sich nicht sicher, ob sie nach dem Erlebten so schnell Schlaf finden würde. Die Schlacht hatte mehr der Dämonen ihrer Vergangenheit aufgeschreckt, als sie befürchtet hatte und sie war ziemlich durcheinander.
Sie entspannte sich zumindest ein wenig, als sie die Dusche aufdrehte und das warme Wasser ihren übermüdeten Körper hinab lief. Sie schloss die Augen und atmete tief durch, als der Schweiß von mehreren Stunden im Cockpit von ihrem Körper gespült wurde und gurgelnd im Abfluss verschwand.
Der kurze Augenblick der Entspannung wurde unterbrochen, als die Tür zum Waschraum aufging und eine weitere Frau eintrat. Dawn hätte Jara beinahe nicht erkannt, so abgekämpft sah sie aus.
Das lange blonde Haar mit Schmutz verklebt, das Gesicht voller Schweiß und Ruß und die Augen so müde, wie sie das bei Jara noch nie gesehen hatte.
Ihre Freundin schien sie noch nicht bewusst wahrgenommen zu haben und sie legte den mitgebrachten Frottee-Anzug und ihr Handtuch auf die Ablage und ließ dann den Mantel, den sie sich wohl für den kurzen Weg von ihrem Quartier hierher übergeworfen hatte, einfach achtlos zu Boden fallen.
Dawn keuchte erschrocken auf, als sie die unzähligen kleinen Schnittwunden sah, die sich über Jaras gesamten Körper zogen. Auf eine zynische Art erinnerte sie das an die Narben, die sie sich früher selbst zugefügt hatte.
Ihr Laut schien auch bis an die Ohren der anderen Söldnerin zu dringen, denn Jara sah auf und schien sie jetzt erst zu bemerken: „Oh. Hi, Dawn!“
„Jara, was ist denn mit dir passiert?“
„Nichts Schlimmes“, wiegelte die jüngere Frau ab und trat selber unter eine Dusche. Dawn bemerkte, dass sie ihr Gesicht verzog, als das Wasser auf die Schnitte kam.
„Das sieht aber anders aus.“
„Ich hab Glück gehabt. Wäre der Treffer etwas besser gekommen, hätte er nicht nur das Kanzelglas durchlöchert, sondern mich gleich mit. Oder wenn du nicht eingeschritten wärst. Danke dafür, das war genau im richtigen Moment.“
„Ich tue, was ich kann.“
Danach versanken die beiden Frauen in Schweigen. Jede hing ihren Gedanken nach oder war für sich damit bemüht, unter dem entspannenden Wasserstrahl nicht im Stehen einzuschlafen.
Sie waren etwa zeitgleich fertig mit Abtrocknen, aber Jara brauchte noch Zeit, ihre Wunden mit Pflastern abzukleben.
Dawn wartete.
„Wie geht es Susan?“ Jara schien hauptsächlich zu fragen, um die Stille zu füllen.
Etwas an ihrer Freundschaft hatte sich verändert. Grundlegend. „Sie schläft. Ich hab sie beim Father gelassen, um ausschlafen zu können.“
„Wird nicht viel werden damit. Ich brauch bis zwölf Uhr von dir einen möglichst detaillierten Bericht über den Zustand deiner Lanze. Mechs und Piloten.“
„Meine Lanze? Das war doch nur für das Gefecht.“
„Hat dich schon irgendjemand wieder vom Kommando entbunden?“, hakte Jara nach.
„Nicht direkt.“
„Gut.“ Die blonde Frau sah auf und versuchte ein Lächeln, das aber zu einer Grimasse mutierte, als sie mit dem Oberarm an die Wand stieß. „Da ich vorläufig deine Kompaniechefin und Führerin der Mechs bin, entscheide ich, dass du bis auf Weiteres die Lanze behältst. Zumindest bis wir eine Übersicht über die Lage haben. Also nutze die paar Stunden Schlaf gut.“
„Vermutlich werde ich die ganze Nacht wachliegen“, gab sie nach kurzem Zögern zu. „Alte Erinnerungen und sowas.“
„Soll ich bei dir übernachten?“ Die Frage kam sofort und es schwang genau jene Unbefangenheit mit, die früher üblich war. Erst danach schien Jara aufzufallen, was sie vorgeschlagen hatte und wirkte etwas peinlich berührt, als sie in den Frotteeanzug schlüpfte und ihr Zeug aufhob. „Sorry, war wohl keine gute Idee.“
Dawn fühlte sich hin- und hergerissen. Sie brauchte die Nähe heute, die brauchte jemanden, an dem sie sich festhalten konnte. Und Jara war ihr früher diese Stütze gewesen. Aber was würde das jetzt bedeuten?
Sie war definitiv zu müde, um darüber nachzudenken, aber nach dem Aufstehen würde sie mit Jara reden. „Nein, es ist okay“, antwortete sie. „Das wäre nett von dir.“
Ihre Freundin nickte langsam und machte dann einen Schritt auf die Tür zu. „Na dann los. Ich muss in vier Stunden wieder raus und ich würde wenigstens diese Stunden durchschlafen.“
Eine zutiefst aufgewühlte Dawn folgte ihr.
Andai Pryde
Wayside V („Wildkatz“)
Jeffrey Raumhafen, Feldlazerett
02.August 3066, 06:24 Uhr
Matthew knirschte mit den Zähnen, als er sich im Lazarett umguckte.
Das Ende der Schlacht war mittlerweile fast eine Stunde her und immer noch kamen Verletzte herein.
Die Schreie der Verwundeten waren ernervierend und kosteten ihn fast die Nerven. Blitzartig zuckten die Bilder durch seinen Kopf, die Bilder und die Erinnerungen an Kathil.
Es war genauso wie damals, wieder verlor er Freunde, Kameraden.
Da hatte er endlich ein zu Hause gefunden und sie wollten es ihm wieder nehmen.
Knurrend schritt er die Reihen ab und beobachtete die Ärzte bei ihrer Arbeit. Keiner schien ihn zu registrieren, so beschäftigt waren alle.
Die Schwestern und Pfleger kamen kaum mit den Schmerzstillern hinterher, noch weniger vermochten sie es jede Blutung zu stillen.
„Kann ich helfen?“
Seine Anfrage ging im Trubel unter.
Vermutlich störte er nur, aber er wusste nicht wo hin mit sich. Dadurch dass die halbe Technikerbesatzung der Chevaliers bei dem Padilla Angriff mindestens schwer verletzt oder getötet worden war, lagen die Mechreparaturen derzeit brach. Der Herzog hatte sämtlichen Verletzten die höchste Priorität beschafft. Viele der eher leichter Verletzten und transportfähigen waren in die Klinik parkensen Cities geschafft worden. Allerdings gab es viele, die nur bedingt Transportfähig waren und die Miliz hatte nicht genug Kapazitäten um sie alle zu transportieren.
So auch Sarah Slibowitz und Doreen Simstein, die beide auf der Intensivstation des Lazaretts lagen und derzeit behandelt wurden.
Ihr Zustand ungewiss.
Sandrina Gurrow war mit einem gebrochenen Handgelenk und ausgekugeltem Knie ins Krankenhaus gekommen, nachdem sie aus ihrer Ohnmacht erwacht war. Auch Dante hatte man mittlerweile in ein künstliches Koma versetzen und behandeln können.
Er wusste allerdings nicht, was aus Steel geworden war.
Der Mechkrieger war von der tapferen Panzercrew des Bandit und Rowans Elementaren ins Krankenhaus gefahren worden. Vermutlich auf ziemlich direktem Wege, wenn er an den Fahrstil des Bandit dachte.
Das hatte wohl so einige Schäden an den Straßen der Stadt verursacht.
Jara Fokker hatte mit Juliette Harris die ehrenvolle Aufgabe den Colonel zu vertreten und eine Bestandsanalyse zu machen. Niemand hatte den Master Sergeant gesehen, seitdem er aus seinem Tai Sho gestiegen war.
Jeder Chevalier half irgendwo, nur er stand hier und kam sich nutzlos vor.
„Verdammt Sergeant verschwinden sie hier, wenn sie keine schwere Verletzung haben und die haben sie offenbar nicht.“
Doktor Fleischer stand vor ihm, die blutigen Handschuhe gerade von den Händen streifend.
Er nickte einer Schwester zu, die seine Aufmerksamkeit verlangte.
„Ich möchte helfen Doc und mache eine Bestandsanalyse.“
Der Arzt schnaufte.
„Bei ihnen klingt das, als würden sie die Ersatzteile ihres Mechs durchzählen und die Jahresinventur auf Hersperus II durchführen. Scheren sie sich aus meinem Lazarett. Sie stören hier.“
„Doc…“
„Nein ich will nichts hören. Ich habe alle Hände voll zu tun jeden hier durchzubringen, auch wenn manche es nicht schaffen oder es sich wünschten es nicht zu schaffen.“
Er blickte bedauernd in Richtung des OP.
„Der Colonel?“
„Dem geht es so weit gut, zumindest nichts lebensbedrohliches, über den emotionalen Zustand vermag ich nicht zu urteilen. Doreen Simmstein wird auch durchkommen, aber beide werden noch Wochen mit den Verletzungen zu kämpfen haben und sie kann sich freuen, wenn sie jemals etwas Schnelleres als einen Rollstuhl kann. Ähnliches gilt für Sarah Slibowitz, allerdings wird sie so bald keinen Jäger mehr besteigen. Das Mittelohr hat schwere Schäden erlitten und ihr linker Arm ist nahezu nicht mehr existent. Jetzt verschwinden sie endlich aus meinem Lazarett Brennstein!“
Matthew nickte und drehte sich um. Die Stimme des Doktor war unmissverständlich, Stress schwang darin mit, ebenso wie ohnmächtige Wut. Das Gefühl kannte Matthew nur zu gut. Er wollte sich auf jemanden stürzen und ihn leiden lassen, für all dies und noch viel mehr, wollte er ihn langsam sterben sehen.
„Was ist mit Jean Dante?“
Der Doc blickte nur kurz auf.
„Tod, wie so viele andere.“
Mit einem Mal fühlte er sich nach Kathil zurückversetzt, er wollte am liebsten auf den Boden sinken. Er wollte nicht mehr weiter und doch blieb ihm keine Wahl.
Schweren Herzens ging er aus dem Lazarett. Irgendwer würde bezahlen.
Cunningham
Wayside V („Wildkatz“)
Nordwestlicher Rand des Kurita Beckens, nahe dem Jaffray-Raumhafen
02.August 3066, 06:52 Uhr
Langsam machte sich die Anstrengung für Darnell Shepard wirklich bemerkbar. Allein die Stunden der Schlacht waren mehr als hart gewesen und er hatte sie nicht so gut verkraftet wie im Alter von neunzehn. Natürlich nicht.
Aber mit dem plötzlichen Ende war seine Arbeit nicht beendet gewesen. Er hatte seinem Captain bei der Organisation und Bestandsaufnahme der Kompanie geholfen. Den Lieutenant der Scoutlanze das Händchen gehalten.
Im Anschluss hatte er dafür gesorgt, dass die Mechkrieger der Kompanie was aßen, ihren Flüssigkeitshaushalt aufbesserten und hatte überall mit angepackt wo Hilfe nötig war.
Schließlich war sein Lieutenant aus der Kampflanze wieder aufgetaucht und musste dringend ins Lazarett gebracht werden.
Als Shepard das Sanitätszelt wieder verließ versuchte er tief durchzuatmen, doch der beißende Geruch von verbranntem Fleisch, gemischt mit dem Gestank von Desinfektionsmitteln ließ ihn leicht würgen. Er musste den Rationsriegel, den er sich vor kurzem rein gewürgt hatte, noch mal runterschlucken.
Links nicht unweit des Sanitätszeltes lagen Soldaten auf improvisierten Liegen. Fast alle bewusstlos. Die Aussortierten, die Verlorenen, die lebendigen Toten. All jene, für die ein Operationsraum nur Verschwendung von Ressourcen war.
Er wollte schon innerlich mit den Schultern zucken und sich abwenden, da bemerkte er die Bewegung einer bekannten Gestalt.
Kurt Heinemann, der Pilot der Kesselbrut aus der zweiten Mechkompanie, lag ebenfalls dort drüben. Langsam ging Shepard zu seinem Kameraden. Die Bezeichnung Freund wäre wohl zu weit hergeholt. Die Augenlider des anderen Mechkriegers flatterten.
„Hey, Sarge.“
Shepard kniete sich nieder und blickte den anderen Mechkrieger an.
„Hallo, Kurt.“
Heinemann hustete: „Sagen, dass es mit mir nichts mehr wird. Ne’ Schwester sollte mir Morphium bringen. Aber ich glaub, da kommt nix mehr. Hast Du ne Zigarette für mich, Sarge?“
„Seit wann rauchst du denn?“ Eigentlich verspürte Shepard nicht das geringste Verlangen Kurt seine letzte Zigarette zu überlassen. Langsam machte sich nämlich auch Schmacht breit.
„Is’ doch scheißegal, verrecke doch eh bald.“
Shepard kramte seine zerknitterte Packung hervor und steckte Kurt die Zigarette in den Mund. Tatsächlich seine letzte. Welche Verschwendung, ein Gesundheitsfanatiker verlangt auf dem Sterbebett nach einer Zigarette. Mit seinem abgegriffenen Zippo entzündete er den Glimmstengel.
Der jüngere Mann paffte zweimal, dann verzog er sein Gesicht und musste husten: „Scheiße tut das weh. Aber Sarge, wills’t meine Musiksammlung hab’n wenn ich ...“
„Du meinst das Gejaule? Vergiss es, Kurt, nicht meine Richtung.“
Kurt hustete erneut: „Hier, siehst du die Uhr, hat meinem alten Herrn gehört und davor seinem Vater und so weiter, is’ nen echtes Familienstück. Sollte sie eigentlich meinem Bruder hinterlassen, der is’ aber nen Arsch.“
Eine kleine Pause und der Sterbende atmete schwer: „Kannst Du machen, dass es aufhört Sarge? Sie gehört auch Dir. `s tut so weh.“
Er nahm Kurt die halb gepaffte Zigarette aus dem Mund und warf sie nach kurzen überlegen weg. Der Speichel des anderen Mechkriegers war blutig gewesen: „Alles klar, gleich ist es zu Ende.“
Während er mit links das Gesicht von Kurt zur Seite drehte zog er seine Dienstwaffe. Kurt Heinemann wimmerte.
„Schsch, gleich ist alles vorbei.“ Shepard drückte die Mündung an die Schläfe des Sterbenden. Dieser presste die Augen zu und seine Lippen bewegten sich schnell und tonlos. Vielleicht das Vaterunser.
Dann war ein einzelner Schuss zu hören.
Nachdem er sich die abgenutzte aber teure Uhr vom Handgelenk seines ehemaligen Kameraden genommen hatte, blieb Shepard noch einen Moment bei der Leiche sitzen, dann erhob er sich wieder und ging zur nächsten Ansammlung von Körpern. Die Gefallenen lagen mehr oder minder achtlos zusammengelegt, etwas abseits des Sanitätsbereichs.
Etwas missmutig blickte er die kleine Anhöhe hinunter. Das schmeckte ihm gar nicht. Andererseits, sie waren tot, also was soll’s.
Gemächlich trottete er zu den Leichen hinunter. Aus etwas Entfernung musterte er sie und sah einen entfernt bekannten asiatisch angehauchten Infanteristen, dessen Leiche nahezu intakt erschien.
Schnell filzte er Takadingsbumbs, dessen Tod mit dem faustgroßen Loch, welches auch sein Namensschild dahingerafft hatte, in Verbindung zu stehen sah.
„Oh bitte, verstecke Deine Zigaretten nicht in der Brusttasche“, murmelte Shepard, als er eine unangetastete aber verknitterte Packung auf Arkab hergestellter Zigaretten fand, „Oh ne, Kameldung, schönen Dank auch. Widerliches Schwein.“
Frustriert kämpfte er sich wieder hoch und ging in Richtung der sich in der Entwicklung befindlichen Zeltstadt, welche das momentane HQ der Husaren darstellte.
Wenn dieser Scheißkettenhund nicht kapituliert hätte als sie ihm ne MP vor die Nase gehalten hatten und er Imara hätte machen lassen, würde er jetzt in einem Hotel schlafen, statt auf einem Feldbett. Heinemann wäre in seinem Mech verblutet und er hätte ihm keine Kugel in den Kopf jagen müssen.
Und am wichtigsten, der Halbasiate hätte nicht als Zigarettenautomat herhalten müssen.
Die draconischen Zigaretten waren von minderer Qualität und kratzten furchtbar im Hals.
Beinahe wäre er in Major Copeland hineingelaufen, der aussah, als wäre er einmal durch den Fleischwolf gedreht worden, nur nicht ganz so gut.
„Sir“, er verzichtete auf einen Salut. Es könnte immer noch ein Scharfschütze der anderen Seite durchs Gebüsch krauchen.
„Herrgott, Darnell, wie sehen Sie denn aus?“ Der Major musterte ihn besorgt.
Shepard blickte an sich selbst hinunter, bevor er antwortete.
„Oh, das stammt von Kurt Heinemann, ich habe ihn das Sterben etwas … erleichtert, Sir.“
Der andere Söldner schien einen Augenblick zu überlegen, dann nickte er: „Verstehe.“
Das tat er scheinbar wirklich, denn so etwas wie Mitgefühl schlich sie in die Augen des sonst so harten Befehlshabers, „Essen Sie etwas, legen Sie sich hin und schlafen Sie. Morgen wird um keinen Deut leichter.“
„Ja, Sir, kein Tag ist so leicht wie der, der hinter einem liegt.“
„Ganz genau, Darnell, ruhen Sie sich etwas aus.“
„Ja, Sir.“
Copeland klopfte ihm auf die Schulter und er trottete zu dem Mannschaftszelt, welches die Mechkrieger in Beschlag genommen hatten.
Dort saßen schon einige seiner Kameraden. Die Jüngeren schienen trotz der offensichtlichen Erschöpfung, die sie kennzeichnete noch nicht in der Lage zu schlafen.
Andere lagen wie tot auf ihren Feldbetten. Ein alter Veteran schien eingeschlafen zu sein, ehe er seine Decke übergezogen hatte. Shepard erledigte dies für seinen Kameraden, der sich leise murmelnd in das Wärme spendende Wolltuch kuschelte.
Jules Kress war wieder dabei seinen üblichen Opfern Geld aus der Tasche zu ziehen und mischte gerade seine abgegriffenen Karten: „Morgen, Sarge. Was zu essen?“
„Was gibt es denn?“
„Scheiße mit Reis“, antwortete Kress, stellte das Kartenmischen ein und reichte ihm eine versiegelte Rationsschale.
„Och nicht schon wieder Reis“, witzelte ein anderer.
„Wir sind jetzt bei den Kampfrationen des Freicorps angekommen, beste Lyranische Qualität“, fuhr Kress über den Einwand seines Kartenopfers lächelnd fort, „geplatztes Huhn, mit Erbsen drin, schmeckt wie Pappe. Nur die Lyraner kommen auf solch abwegige Ideen Erbsen da rein zu tun.“
Shepard warf sich auf eine freie Pritsche und öffnete die Rationsschachtel. Der Sauerstoff, der an das Essen kam, aktivierte die beigemengten Chemikalien, die nun die Bestandteile der Mahlzeit erhitzten.
Aus einem Nebenfach nahm er silbrig eingepackte Kekse, die von Soldaten als Panzerkekse bezeichnet wurden. Diese warf er auf das Feldbett nebenan, wo ein weiterer Mechkrieger, ein Veteran dabei war zu zeichnen: „Hier, Benny.“
„Danke, Sarge“, entgegnete dieser, legte den Block beiseite und verdrückte die ekligen, geschmacklosen Kekse, als wäre es Ambrosia.
Shepard hingegen mischte seinen Reis unter die zähflüssige Soße und verschlang seine Ration ebenfalls mit aller Inbrunst.
Nachdem seine Nahrungsaufnahme beendet war, Essen verdiente dieses Spektakel als Bezeichnung nicht, packte er den Müll zusammen und warf auch die Arkab-Zigaretten hinein.
Kress nahm die leergeputzte Rationsschale entgegen und reichte sie zum Mülleimer weiter. Anschließend reichte er Shepard dessen Rucksack, wo dieser seine geliebten Baccara No. 6 fand. Er steckte sich eine Zigarette an und klemmte sich eine zweite hinters Ohr, ehe die Baccara-Schachtel in der Seitentasche seiner Feldhose landete.
Zwischen den beiden Zigaretten, die seinen Nikotinspiegel wieder auf ansatzweise normales Level bringen sollten, trank er einen elektrolythaltigen Pseudofruchtsaft.
Der Veteran blickte noch einmal in die Runde: „Gibt’s noch irgendein Problem?“
„Nope“, antwortete Kress, während er die Karten austeilte, „alles 08/15, Sarge.“
„Gut“, meinte Shepard und begab sich in die Waagerechte.
Nachdem er die Decke übergezogen hatte, wanderten die Blicke der anwesenden Söldner auf ihre Uhren, bis der Sergeant leise und rhythmisch schnarchte.
„Und, Rekord?“
„Nö“, antwortete Benny, „sechsundsiebzig Sekunden, dass geht auch schneller bei ihm.“
Ace Kaiser
"Himmel, Germaine!" Ungläubig starrte Juliette Harris ihren Vorgesetzten an, der, dick bandagiert und mit einer Zigarette im Mundwinkel, auf Krücken ins HQ kam. "Du gehörst ins Bett! Du gehörst auf die Intensivstation!"
"Scheiß auf Intensiv-Station! Da draußen sind ein ganze Haufen Chevaliers, Eagles, Milizionäre und Husaren, die jetzt dringend dort ein Bett benötigen. Mir geht es dagegen gut." Er hob seine linke Hand, deren Verband von durchgeblutetem Blut gelbrot verkrustet war. "Außerdem ist die Blutung gestoppt. Der Scheißer, der auf mich geschossen hat, verwendete extra langsame Munition ohne Weichkerngefechtskopf. Und bevor du fragst, ja, ich bin auf Schmerztabletten. Aber wenn ich mich mit einem angeknacksten Knie und einer durchschossenen Hand mit angebrochenen Fingerknochen ins Bett lege, während jemand mit nem Splitter in der Brust einen Arzt und einen OP-Tisch braucht, habe ich kein Recht, mich länger Chef der Chevaliers zu nennen."
Übersetzt bedeutete das, dass sich Germaine nach der oberflächlichen Behandlung seinen Weg aus dem Lazarett in dem Moment freigebrüllt hatte, nachdem die Painkiller angefangen hatten zu wirken.
Juliette war nicht so überzeugt davon, dass die Verletzungen des Colonels so glimpflich waren, wie er sie schilderte. Aber er schien fit genug zu sein, um hier sein zu können. Und sie hatte ihn schon oft genug verletzt erlebt, um sein Limit zu erkennen. Das war augenscheinlich nicht erreicht.
"Mylord?", fragte sie in Richtung Mikados.
Der Herzog fixierte Germaine. "Sind Sie fit, Soldat?"
"Nicht fit genug für einen Mech, aber fit genug um hier zu sein. So wie der da." Germaine nickte in Richtung von Aaron Imara, der diese Worte mit einer angedeuteten Verbeugung annahm.
"Seien Sie nicht zu böse mit mir, Colonel. Ich hatte gerade eine höllische Zeit, in der ich einer aufgebrachten Horde Chevaliers erklären musste, dass ich oder irgendjemand aus meiner Einheit gar kein Interesse daran hat, Ihnen aufzulauern und auf Sie zu schießen. Zu Glück hat mir eine zerlumpte, zerschnittene und vollkommen verdreckte Gestalt, die sich als Ihr Master Sergeant herausgestellt hat, argumentativ zur Seite gestanden." Als Imara das Interesse Germaines an diesem Thema bemerkte, fügte er hinzu: "Ihr Master Sergeant lässt sich gerade den Schlamm von einem C-Rohr abbrausen. Danach wollte er schnell in etwas Trockenes schlüpfen. Er wird sicherlich bald hier sein."
"Das sind gute Nachrichten. Ich nehme an, die Bergungsoperationen sind im vollen Gange?"
Mikado nickte bestätigend. "Wir setzen eine ganze Menge ziviler Hilfskräfte ein. Zumindest dort wo wir sicher sind, dass die Leben der Retter nicht durch Blindgänger gefährdet ist. Es ist erstaunlich, an welchen Ecken und Enden man noch Überlebende findet, wenn so ein gewaltiges Massaker vorbei ist."
"Apropos Massaker", knurrte Danton angriffslustig. "Ich bin ein Soldat. Ich bin ein Söldner. Und ich bin ganz gewiss kein schlechter Gewinner. Aber dieser Anti-Personen-Angriff des Padillas auf den Raumhafen war ja wohl stark in der Grauzone dessen, was die Söldnerkontraktkomission als Verhalten nach der Ares-Konvention beurteilt."
"Über den Gefechtsverlauf reden wir später", sagte Mikado ernst. "Zuerst einmal müssen wir uns sortieren und nachschauen, was überhaupt noch kampffähig ist. Ich muss hier immerhin eine Welt beschützen."
"Mit Verlaub, Mylord, ich würde Colonel Danton gerne antworten." Als der Herzog bestätigend nickte, wandte sich Imara dem Chevalier zu. "Hören Sie, Colonel, ich bedaure den Angriff sehr, ebenso die Verluste. Es hat seine Gründe, warum wir keine Donner-LSR eingesetzt oder Minen abgeworfen oder mit Kommandotrupps das HQ hier genommen haben. Wir wollten diesen Kampf - wie sagt Ihr Davies doch immer? - fair and square gewinnen. Ein Beschuss von Hilfspersonal gehört nicht zu dieser Kampfpolitik. Aber da meine Einheit aus vier bestehenden zusammengesetzt wurde, hatte ich im Eifer des Gefechts nicht alle Teile voll im Griff. Wenn Sie unsere ROM abhören, werden Sie feststellen, dass weder ich noch die Kommandeurin der Panzer diesen Angriff befohlen, geschweige denn genehmigt hat."
"Schön und gut. Ich bin nur gerade an meinen Techs vorbei gekommen, die aussehen, als hätte man sie durch einen Fleischwolf gedreht."
"Im Gegenzug haben Ihre Jäger meinen Padilla geröstet und die Besatzung zu Asche verbrannt. Ich denke, wir sind quitt."
"Ich denke, wir..."
"ICH denke", warf der Herzog ein, "dass wir uns auf die nahe liegende Aufgabe konzentrieren müssen! Und die lautet, unsere Leute wieder einzusammeln und dieses verdammte Diplomatenpack von meiner Welt zu schmeißen!"
"Diplomaten?", fragte Danton interessiert.
Imara grinste breit. Merkwürdigerweise machte das den graublonden, mittelgroßen Mann irgendwie sympathisch. Er hatte ein faires, offenes Gesicht. "Wim Weilder und seine Offiziere. Oder wie wir in der Einheit sagen: Unsere Aufpasser. Es handelt sich dabei um unsere Kontaktoffiziere. Sie haben alle reguläre, gültige Diplomatenpässe und dürfen nicht inhaftiert werden. Nur ausgewiesen."
"Was ich gerade befohlen habe", brummte Mikado wütend. "Obwohl ich ums Verrecken gerne wüsste, wer da eigentlich meine kleine Welt angegriffen hat!"
"Warum fragen wir nicht Colonel Imara oder seine Leute? Einer wird es uns schon sagen, wenn die Kontaktoffiziere auf dem Feiglingsweg abhauen", sagte Germaine ernst.
"Sie werden doch nicht etwa von mir oder einem meiner Offiziere verlangen, dass wir kontraktbrüchig werden?", erwiderte Imara. "Lediglich ich und die Bataillonsführer kennen unseren Auftraggeber, und wir sind zu lange Soldat, um im neuen Kontrakt Geheimnisse aus dem vorigen zu verraten. Es gibt auch unter Söldnern Ehre. Ich hätte gedacht, die Chevaliers wüssten das."
"Scheiß auf die Ehre! Wie wäre es mit ein wenig Starkstrom an Ihre Klötze, bis Sie Sopran singen? Ich bin sicher, irgendwann jaulen Sie alles aus."
Imara lachte amüsiert auf. "Ich hatte nicht viel Zeit, um mich auf Sie vorzubereiten, Colonel. Aber ich habe einiges über Sie gehört. Und ich weiß, dass Sie selbst in Ihrer blutigsten Zeit niemanden für einen Lutscher umgelegt hätten. Nur zu, foltern Sie mich. Wenn Sie taff genug sind, mich auf den Stuhl zu setzen, klemme ich mir die Elektroden selbst an die Eier."
Die beiden Männer maßen sich mit einem langen Blick."
"Genug damit!", fuhr Mikado dazwischen, bevor einer den Sieg davon tragen konnte. "Ich respektiere deine Verpflichtung, deinen Auftraggeber nicht zu verraten. Aber ich verbiete alle weiteren Kontakte zwischen deinen Leuten und Weilders Team. Außerdem will ich eine schriftliche, von allen Offizieren unterschriebene Erklärung, dass sie an den alten Kontrakt nicht mehr gebunden sind. Im Gegenzug lasse ich die Gefechtstagebücher von Miliz und Eagles umschreiben und deinen Leuten von vorne herein Kombattantenstatus zuordnen, Aaron. Ihr seid dann offiziell keine Piraten."
Wieder verbeugte sich Imara leicht. "Ich danke Ihnen, Mylord."
Mikado nahm das so hin. "Vergesst nicht, wir stehen jetzt alle auf der gleichen Seite. Und zwar dank der Tatsache, dass Aarons Auftraggeber einen solchen Aufriss um seine Identität macht." In der Stimme des Herzogs schwang eine unheilvolle Unternote mit, die versprach, dass die ISA sich weiter um dieses Thema kümmern würde, wenngleich nicht unbedingt unter Imaras Söldnern.
"Falls Sie es noch nicht wussten, Germaine, ich und Aaron sind alte Bekannte. Wir haben nie zusammen gedient, nebenbei bemerkt." Mikado widmete sich wieder der Karte. "Sektor A5 hat keine Kämpfe gesehen. Ich denke, wir können die zivilen Hilfskräfte dort gefahrlos suchen lassen. Hauptsächlich nach versprengter Infanterie." Er rieb sich für einen Moment müde die Nasenwurzel. "Sobald die Bergung abgeschlossen ist, brauche ich die Informationen über die Einsatzbereitschaft der Truppen. Ich muss wissen, womit ich mich verteidigen kann."
"Selbstverständlich, Mylord."
"Ich nehme an, Sie geben die Mechs vorerst an Lieutenant Fokker ab, Germaine?"
"Sie ist die Nächste im Kommando, auch wenn ich damit nicht ganz glücklich bin. Nein, nicht damit, dass sie die Kompanie befehligt. Damit, das ich es nicht kann. Das erinnert mich doch zu sehr an das letzte Mal, als ich meine Pilotenliege gegen einen Schreibtisch tauschen musste."
Danton sah zu Harris herüber. "Captain, wo ist Lieutenant Fokker?"
Für einen Augenblick wirkte die Stabschefin der Chevaliers unsicher. "Ich habe sie ins Bett geschickt, mit der Auflage, morgen früh eine Schadens- und Verlustliste der Mechs zusammen zu stellen, die dann zur großen Abschlussbesprechung zur Verfügung steht."
In Germaines Gesicht arbeitete es. "Gut gemacht", verkündete er schließlich, und Harris atmete unbewusst erleichtert aus.
"Geh ins Bett, Germaine", sagte Mikado unvermittelt. "Den Rest kriege ich mit Juliette, Aaron und den Stabstechs schon hin. Wenn du schon verkrüppelt bist, will ich morgen bei der Besprechung wenigstens einen ausgeschlafenen Krüppel haben." Er sah zur Uhr, die mittlerweile sechs Uhr morgens anzeigte. "Einen einigermaßen ausgeschlafenen Krüppel."
Danton war weit davon entfernt, brüskiert zu sein. Seine Konzentration nahm ohnehin rapide ab. "Sehr wohl, Mylord." Er nickte in die Runde, und verließ den Raum.
"Ach, Germaine!" Mikado trat ebenfalls auf den Gang hinaus und schloss hinter sich die Tür. "Ich will, dass du in zwei, spätestens aber drei Wochen auf deine Nebelparderjagd gehst."
"Ace, verdammt, meine Truppe wurde gerade übel kastriert. Ich brauche vielleicht Monate, eventuell kann ich meinen Kontrakt auch gar nicht einhalten! Ich..."
"Du kriegst Imaras Leute mit."
"WAS?" "Germaine, solange meine Einheiten nicht wieder auf Vordermann sind, ist jeder aktive Husaren-Mech einer zuviel. Nicht, dass ich Aaron nicht traue, aber ich kann keine aktiven Kampfeinheiten in dieser Zahl auf meiner Welt lassen, wenn auch noch die Chevaliers abziehen. Und das werdet Ihr irgendwann. Es bleibt dabei: Alle in zwei Wochen einsatzbereiten Einheiten der Husaren begleiten die Chevaliers unter deinem Befehl, Germaine."
"Und du meinst, du kannst das durchsetzen, Ace?"
Der Herzog lächelte verschmitzt. "Ich bezahle den ganzen Spaß hier, Germaine. Natürlich kann ich das durchsetzen."
"Ich nehme aber Imara auf keinen Fall mit!"
"Wie ich schon sagte, sie kämpfen unter deinem Kommando. Transportkapazitäten stelle ich zur Verfügung. Ein Vierteljahr reicht mir schon, um ein paar Novakatzen hier zu haben, nur um auf Nummer sicher zu gehen. Und als verdammter Herzog des verdammten Planeten muss ich auf Nummer sicher gehen."
"Ich... verstehe. Ich werde einige Offiziere austauschen müssen. Nur damit die Husaren nicht sagen können, sie werden zweitklassig behandelt, und damit meine Chevaliers nicht sagen können, die Husaren würden ihnen in den Rücken fallen."
"Du wirst schon die richtigen personellen Entscheidungen treffen." Mikado musterte ihn streng. "Und jetzt ab ins Bett, bevor ich dir befehle, die Nacht im Lazarett oder sogar an einen Monitor angeschlossen zu verbringen."
"Hast du mir gerade ein bis zwei Bataillone Truppen aufgequatsch, Ace?"
"So in etwa, ja. Ich weiß, es wird nicht leicht. Aber ich bin auch sicher, dass du die Situation schaffen wirst, bevor sie dich schafft. Offiziere auszutauschen ist da ein guter erster Schritt. Du wirst morgen Gelegenheit haben, das mit Aaron zu besprechen."
"Wenn es funktioniert", meinte Germaine kopfschüttelnd, "wird uns das bei der Parderjagd mehr als helfen. Wenn es nicht funktioniert, gibt es uns vielleicht bald nicht mehr. Und alles nur, damit sie von Wayside V runter sind."
"Und für eine fette Bonuszahlung."
"Gutes Argument", erwiderte Germaine Danton grinsend.
"Imperator, du siehst nicht gut aus. Was hat man mit dir gemacht?", klang die Stimme von Metellus auf. Der Master Sergeant musterte Danton mit ungläubigem Blick.
"Ein Attentäter, auf mich angesetzt von Svobodas Vater. Er wollte mir allerdings nur weh tun, nicht mich töten. Aber dazu später mehr. Der Herzog hat mich ins Bett befohlen."
"Eine kluge Entscheidung, die ich unterstütze, Imperator", bemerkte Metellus ernst. Er sah Mikado an. "Sir, ich stehe Ihnen anstelle von Colonel Danton zur Verfügung."
"Sind Sie denn fit? Sie sind gerade einen Kilometer durch Schlamm gerobbt, habe ich mir sagen lassen."
"Frühsport", erwiderte der Marianer, ohne eine Miene zu verziehen.
"Na, dann wird es dich ja auch nicht weiter erschüttern", sagte Danton, und zog jedes Wort genüsslich, "dass ich dich hiermit zum Offizier befördere."
"Das tust du mir doch nicht etwa an?", fragte Metellus entsetzte.
"Ich brauche jetzt jeden Krieger, der Offiziersaufgaben wahrnehmen kann. Du bist einer davon, Decius Metelle."
"Vorübergehend?"
"Das wird sich zeigen. Gute Nacht, Mylord. Gute Nacht, Decius Metelle."
Die beiden erwiderten seinen Gruß nickend, bevor sie zum Besprechungsraum gingen. Sie würden diese Nacht keinen Schlaf finden.
Germaine im Gegenzug würde eher Probleme haben aufzuwachen. Aber er war sich sicher, der Blutverlust würde schon von den Schmerzen seiner Wunden austariert werden. Verdammt, verdammt, verdammt.
Ace Kaiser
Es war ein merkwürdiges Gefühl für Germaine Danton, Lanzenführer bei Team Stampede zu sein. Er machte den Job schon über sechs Jahre, und er führte seine Lanze effizient genug, um den alten Bull zufrieden zu stellen. Aber ausgerechnet seine eigenen Untergebenen schnitten ihn privat. Vielleicht lag das daran, dass er mit einem kernigen Infanteristen einfach besser zurecht kam als mit einem geschniegelten MechJockey. Vielleicht waren ihm Techs, Panzerfahrer und der Küchenchef einfach lieber. Vielleicht war auch etwas wahres dran an dem Spruch, dass er sich nie jemanden aussuchte, sondern er stets ausgesucht wurde. Die Leute kamen zu ihm, wenn sie ihre Freizeit mit ihm verbringen wollten, aber keiner der anderen zehn Mechkrieger, den alten Bull mal außen vor gelassen, hatte jemals mehr Zeit als unbedingt nötig mit ihm verbracht.
Mit den Jahren hatte sich seine Lanze immer wieder mal verändert, aber dieser Fluch schien weiterhin auf ihm zu lasten. Sie akzeptierten seine Leistungen im Gefecht, seine Opferbereitschaft und seine taktischen Fähigkeiten. Lucie Miller hätte fast, bevor sie zu einer Hauseinheit gewechselt war, aus reiner Dankbarkeit mit ihm geschlafen. Aber vor ihrem Weggang hatte sie seine Stimme nur über Gefechtsfunk gerne gehört. Es war halt so, dass die Mechkrieger des Team Stampede beschlossen hatten, ihn geschlossen zu mobben. Und jeder "Neue" wurde darauf eingeschworen, ebenfalls mitzumachen. Nun, solange es beim Schneiden in der Freizeit blieb, und niemand ihm seine Position als Lanzenführer und Stellvertreter Bulls absprach - auf dem Dienstwege hätte er das allerdings durchaus akzeptiert - konnte er damit leben. Solange sie gehorchten, aufmerksam waren, auf seinen Rücken achteten, konnte er mit ihrer Verachtung leben.
Ja, es war Verachtung. Germaine wusste es. Die ach so hehre Elite nahm ihm übel, dass er die renommierte Sandhurst-Akademie kurz vor dem Abschluss verlassen hatte. Und sie kritisierte seinen Rachefeldzug, wenngleich es da etwas ruhiger geworden war, jetzt wo nur noch zwei Männer auf seiner Liste standen. Beide mutmaßlich von den Jadefalken adoptiert. Während die Infanterie regelrecht stolz darauf zu sein schien, mit dem "blutigen Terraner" zu dienen, waren seine Primadonnen, die sich für den jungen Grayson Carlyle hielten, eben nun mal so. Er hatte schon lange aufgehört, sich darüber Gedanken zu machen. Stattdessen wollte er funktionieren, denn es gab genügend Leute in der Einheit, die ihm etwas bedeuteten, die er wieder nach Hause bringen wollte.
So wie Juliette Harris, die Stabschefin der Truppe. Ein feines Mädchen, das sich nie zu Schade gewesen war, mit ihm zu reden. Sie hatten auch ein paar Bierchen zusammen gestemmt und redeten viel privat miteinander. Es hätte vielleicht was werden können mit ihnen. Aber da war eine tote Frau zwischen ihnen, und Germaine hatte irgendwann einmal in Gedanken einen faulen Kompromiss mit sich selbst gemacht. Im Angedenken an Marie-Claire niemals mit Juli. Er hatte sich all die Jahre dran gehalten, aber bisher keine Frau gefunden, die es freiwillig bei ihm aushielt, geschweige denn mit ihm. Bis zu diesem Tag.
"Himmel, Germaine. Wie siehst du denn aus?", fragte First Lieutenant Harris entsetzt, als sie ihren Vorgesetzten sah. Sein Gesicht wies ein paar blaue Flecken auf, und der rechte Arm steckte in einer Schlinge. Außerdem schien die Nase gerichtet worden zu sein. Und wenn man ganz genau hinsah, konnte man erkennen, dass der Vize-Kommandeur des Team Stampede im Range eines Captains hinkte.
"Das, mein Engel, verdanke ich dir", knurrte Danton ärgerlich. "Um präzise zu sein, dieser kleinen, miesen Furie, die du mir als MechPilotin im Training untergeschoben hast."
"Okay. Und wie sieht sie jetzt aus?", fragte sie vorsichtig.
"Wie das blühende Leben." Danton seufzte. "Keine Sorge, es war ein Randori. Oder eigentlich eher ein Gemetzel, bei dem ich die Bevölkerung von Kentares IV mimen musste. Verdammte Arschmusik, hat diese kleine Drac mich fertig gemacht. Es ist nicht mal so, als wenn ich stur versucht hätte, sie irgendwie zu besiegen. Das alles hat sie in einem einzigen zweiminütigen Match mit mir gemacht. Und dabei wollte ich mir nur ein Bild davon machen, wir gut ihr Kampfsport ist."
Juliette riss erschrocken die Augen auf. "Mir hat man gesagt, sie hätte den schwarzen Gürtel in Karate."
"Das war leider noch nicht alles. Von ihrem Stil her beherrscht sie auch ein wenig Capuera und Mue Tai. Ein paar Judo-Griffe hat sie auch drauf. Aber ich frage mich schon, warum sie mich einerseits beinahe umbringt, und danach rumflennt wie ein kleines Mädchen."
"Weil sie ein kleines Mädchen ist? Germaine, sie ist erst neunzehn."
"In dem Alter hatte ich schon meine Miliz-Vorbereitungskurse für Sandhurst hinter mir. Und ich war alles andere als ein kleiner Junge. Nein, ich glaube, sie schauspielert nur gerne, um im Mittelpunkt zu stehen. Sie ist eine kleine Hexe."
Zögerlich hob Juliette Harris die Hand.
"Ja, Lieutenant? Sie wollen etwas sagen?"
"Es ist eventuell meine Schuld, Germaine", gestand sie vorsichtig.
"Wie, eventuell deine Schuld?"
"Ich... Nun." Sie räusperte sich. "Als Tsuno-san von mir hörte, dass du Aikhido beherrschst, wollte sie wissen wie gut du bist. Das wusste ich natürlich nicht, weil diese ganzen Ränge mir überhaupt nichts sagen. Mein Kampfsport heißt geladene Pistole. Also habe ich ihr gesagt, dass du ziemlich stark bist. Immerhin hast du hier bisher noch jeden auf die Matte gelegt."
"Und daraufhin hat sie gekämpft, als wäre ich ein DEST. Ich habe eine neue Information für dich, Juli: Die Kleine ist ein Monster. Schick sie zu Dent."
"Bully hat aber gesagt, du sollst dich um sie kümmern."
"Das ist mir Scheißegal! Ich habe schon Mist gesehen, der grün gequalmt hat, und ich habe mir Clannerschädel von innen angesehen. Was ich da nie gesehen habe, das war meine gebrochene Nase in meinem Spiegel. Schick sie zu Dent!"
"Dent hasst Dracs und Schlitzaugen im Allgemeinen, Germaine."
"Dann eben zu Bully. Und wenn es dich beruhigt, ich kümmere mich um ihre Simulator-Ausbildung und helfe bei ihren Gehversuchen. Aber verdammte Scheiße, ich will sie nicht einmal in einem Umkreis von einhundert Metern um mich wissen."
"Aber, aber. Hat der große Germaine Danton etwa Angst vor einem zierlichen kleinen Mädchen?"
"Scheiß drauf, Juli, aber ich kenne meine Grenzen. Also, schick sie zu Bully."
Harris runzelte die Stirn. "Das ist schlecht für dein Punktekonto, Germaine."
"Schick sie zu Bully!", sagte Danton noch einmal mit Nachdruck, bevor er ging.
"Das ist das erste Mal, dass du kneifst, Germaine!", rief sie ihm nach. Als er unbeeindruckt weiter ging, murmelte sie inbrünstig: "Scheiße!"
Draußen auf dem Gang wäre Danton fast in die neue Kriegerin hinein gerannt. Das lag vor allem daran, dass sie sich bis über die Leibesmitte hinaus vor ihm verbeugte. "Ich bitte Sie tausendmal um Verzeihung, Danton-sama!" Sie verharrte in dieser Position, deshalb bekam sie nicht mit, dass Danton vor ihr zurückgespritzt war wie der Teufel vor Weihwasser.
Ein wenig unschlüssig betrachtete er den rot gebleichten Haarschopf der zierlichen Asiatin. Irgendwann dämmerte ihm, das schon mehrere Minuten vergangen sein mussten. "Nun richten Sie sich schon wieder auf, Tsuno-san", sagte er barsch. "So schlimm ist eine gebrochene Nase nun auch wieder nicht."
Ängstlich sah sie ihn an, während sie sich nach und nach aufrichtete. Als die Worte "gebrochene Nase" fielen, zuckte sie zurück. Sie trat einen Schritt zurück, und in ihrem Blick lag Entsetzen. Ihre Unterlippe begann zu beben, und ihr Körper schien nicht zu wissen, ob er sich besser zusammenkrauchen, oder in Abwehrhaltung gehen sollte.
Danton runzelte die Stirn. Diese Frau hatte Angst. Verdammt noch mal, Angst. Angst! Und, wie es ausschaute, vor ihm, dem Mann, mit dem sie gerade erst Schlitten gefahren war.
Sie mied seinen Blick, und schließlich verbeugte sie sich erneut. Dabei bewegte sie sich leicht nach hinten.
"Tsuno-san!"
Sie zuckte zusammen. "Hai, Danton-sama?"
"Tsuno-san, haben Sie Angst vor mir?"
Wieder zuckte sie zusammen. Sie richtete sich erneut auf, drehte sich aber von ihm weg und vermied seinen Blick. "Hai, Danton-sama."
Diese Antwort hatte etwas Absurdes, fand Germaine. Immerhin war er der lädierte Mann mit den blauen Flecken, dem lädierten Arm und der gebrochenen Nase. "Seien Sie unbesorgt, Tsuno-san. Ich bin zwar stinksauer auf Sie, aber das wird sich nicht auf unsere Zusammenarbeit für Team Stampede auswirken. Ich nehme mich nur etwas raus, was Ihre Ausbildung angeht. Ich werde Ihnen das Leben nicht schwer machen."
"Ich habe keine Angst vor Repressalien, Danton-sama." Ihre Unterlippe begann wieder zu zittern.
Danton deutete auf eine Bank im Gang. "Setzen wir uns. Und dann reden wir."
"Hai, Danton-sama."
Als sie saßen, hatte Germaine eine Eingebung. "Erklären Sie mir, wofür Sie sich entschuldigt haben, Tsuno-san?"
Sie schnaubte aus. Es klang beinahe wie ein ironisches Lachen. "Ich habe versucht Sie zu töten."
"Ja, Himmelherrgott, das habe ich gemerkt!", fuhr Danton auf, was die junge Frau dazu veranlasste, aufzuspringen und einen Satz zur Seite zu machen. Erst nach einiger Zeit, und nach einer fahrigen Einladung von Dantons gesundem Arm nahm sie wieder Platz.
"Lieutenant Harris hat mir berichtet, dass Sie ein guter Nahkämpfer sind. Ich habemich darauf gefreut, mich mit Ihnen zu messen. Ich habe Ihre Randori gesehen, und ich habe gedacht, ich kann Sie einschätzen. Dann kam unser Kampf. Und ich war überwältigt von Ihrem Können und Ihrer Fähigkeit, Ihr Gewicht zu Ihrem Vorteil zu nutzen." Sie pausierte, sah zu Boden und begann zu schluchzen. "Ich geriet in Panik. Mein Ich verschwand hinter dem roten Schleier. In meiner Angst wollte ich nur noch überleben. Ich habe Sie mit allem angegriffen was ich hatte, mit allen tödlichen Attacken, die ich kannte. Ich habe nur noch reagiert, war nur noch Maschine. Ich habe vieles versucht, aber entweder war ein Körperteil dazwischen, oder Sie haben den Kopf rechtzeitig gedreht, als ich Ihnen die Nasenwurzel ins Gehirn treiben wollte. Alle meine Attacken gerieten ins Leere, und in meiner Panik geriet ich nur noch mehr in Raserei. Aber Sie standen da, waren nicht zu töten, nicht zu fällen. Und als Sie mich schließlich umklammert hielten, bis ich mich wieder beruhigt hatte, da hätte ich mich vor Angst beinahe nass gemacht." Sie sah auf. "Ich hätte nie in Panik geraten dürfen. Ich hätte nie versuchen dürfen, Sie zu töten. Sie sind ein angsteinflößender Gegner, Danton-sama. Ich will nie wieder gegen Sie antreten müssen."
Tausend Gedanken schossen durch Germaines Gedanken. Die meisten davon waren amüsant. Der Rest durch die Bank hinweg verrückt.
Schließlich klopfte er sich mit dem unverletzten Arm auf den Oberschenkel. "Okay. Für Schmeicheleien hatte ich schon immer eine Schwäche. In Ordnung, bei so viel Bauchpinselei kann ich nicht widerstehen. Aber mal ehrlich, Tsuno-san, lassen Sie diese Schauspielerei in Zukunft. Und nehmen Sie mich in der nächsten Trainingsrunde nicht mehr so hart ran. Im Gegensatz zu Ihnen bin ich schon ein alter Sack."
"Nein!", rief sie entsetzt. "Oh nein, Danton-sama! Sie sind sehr gut in Form! Hätten Sie versucht, mich zu töten, wäre ich jetzt nicht mehr auf dieser Welt!"
"Genug Schmeichelei, Tsuno-san." Danton erhob sich. "Ich habe nun mal eine Schwäche für Leute, die eine wehrlose Ader haben. In Ordnung, in Ordnung. Keine Änderung in Ihrem Trainingsplan. Ich behalte Sie unter meiner Fittiche und bringe Ihnen alles bei was ich drauf habe. Ich hoffe doch, im Mech sind Sie nicht so gut wie auf der Matte?"
Die junge Draconierin errötete. "Hai?"
"Auf der Trainingsmatte, Tsuno-san."
"Ah, so ka. Sumimasen. Nein, Danton-sama, ich bin nicht sehr gut auf dem Mech. Ich habe meine Miliz-Ausbildung."
"Nun gut, wir werden sehen, was wir daraus machen können. Ach, und wenn wir außer Dienst sind, sagen Sie ruhig Germaine zu mir."
"Das wollte ich Sie ohnehin schon fragen, Danton-sama. Ist Germaine nicht die weibliche Form Ihres Namens?"
Germaine lächelte dünn. "Mein Vater war etwas schnell dabei, mich auf dem Standesamt registrieren zu lassen. Irgendwie hatte er im Kopf, das er ein Mädchen bekommen hatte. Tja, seither muss ich mit dem Fehler leben."
"Was für ein dummer Zufall." Sie erhob sich wieder und verbeugte sich zum dritten Mal. "Ich hoffe, ich werde viel bei Ihnen lernen, Danton-sama. Yoroshiku onegaishimassu."
"Wir sind gerade außer Dienst, wenn ich mich nicht irre."
"Hai! Germaine-sama!" Die junge Frau begann zu strahlen. Aber ein klein wenig Angst schien sie immer noch zu haben. Das war für Germaine durchaus amüsant.
"Kommen Sie, Tsuno-san. Gehen wir irgendwas trinken, und sprechen wir über unseren Kampf."
"Miko, bitte, Oneesama."
"Oneesama?", fragte Danton mit hoch gezogener Augenbraue.
Die Draconierin errötete erneut. "Das bedeutet... großer Bruder. Eine sehr respektvolle Anrede. Vielleicht bin ich da etwas zu dreist und zu direkt."
"Oneesama... Meinetwegen, nennen Sie mich so, Miko-san."
"Hai, Oneesama!"
Den ersten Abend hielten die beiden wohlweislich einen ordentlichen Abstand zueinander, aber die nächsten Tage wurden besser. Und Germaine fand sich unvermittelt in der Rolle des großen Bruders wieder. Zum Glück aber klärte ihn niemand darüber auf, dass Tsuno-san ihn nicht "großer Bruder", sondern "große Schwester" nannte. Wer weiß, ob er das damals witzig gefunden hätte.
***
Mit allen Kommandeuren, Lanzenführern und Offizieren war der Raum gut gefüllt. Es war exakt dreizehn Uhr, und die Schlächterrechnung war fertig. Der letzte eintretende Offizier war Decius Metellus, der seine neue Offiziersuniform der Chevaliers mit den Captain-Abzeichen trug.
Lieutenant Jara Fokker, die bereits anwesend war, schien für eine Sekunde irritiert, danach erleichtert und daraufhin wieder irritiert.
Germaine Danton, der als einziger auf einem Barhocker saß, tippte mit seiner Krücke im Takt seiner Gedanken gegen die Beine des Stuhls. Sie war ehrgeizig, die Kleine. Vielleicht hatte sie damit gerechnet, befördert und ins Kommando über die Mechs eingesetzt zu werden. Nun, seine Pläne für sie würden ihren Frust noch verstärken. Er schenkte ihr ein dickes Grinsen, was sie nur noch mehr irritierte. Nach einiger Zeit aber lächelte sie zurück. Sicherlich konnte sie sich nicht vorstellen, dass ausgerechnet Germaine Danton etwas zu ihrem Nachteil tun würde.
"Da wir nun alle vollständig sind", sagte Mikado mit einem Nicken je zu Danton und Imara, "möchte ich beginnen und Ihnen einen alten Freund von mir vorstellen. Aaron Imara. Wir haben zusammen im Lyons-Daumen gedient, und danach hatten wir die Ehre im St.Ives-Pakt und der Mark Capella. Stets waren wir Teile von Einheiten, die in die gleiche Richtung schossen. Diesmal war es anders herum, was ich persönlich sehr bedaure. Allerdings bin ich selbst ein Söldner, und ich weiß, welche vertrackte Moral uns abverlangt wird. Aber wenigstens können wir, im Gegensatz zu mancher Hauseinheit, schlechte oder dumme Befehle ablehnen. Colonel Imara wird bis zur Genesung von Major Klein Garnisonskommandeur von Wayside V."
Diese Ankündigung löste mehrstimmiges Gemurmel aus.
Mikado hob die Hände. Er deutete auf Direktor Parkensen. "Die Verwaltung des Kombinats hat dem bereits zugestimmt. Außerdem vertraue ich Aaron, solange ich ihn bezahle."
Elden Parkensen deutete eine Verbeugung an, um die Worte des Herzogs zu bestätigen. Aaron imitierte ihn, nicht ohne ein ironisches Grinsen.
"Und wenn wir schon mal dabei sind", begann Imara, "habe ich mir erlaubt, bei ComStar eine kleine Absicherung einzubauen, nur für den Fall, dass einer meiner untergebenen Offiziere mit dem Ausgang dieser Schlacht nicht einverstanden ist." Imara sah den Kompaniechefs in die Augen, einem nach dem anderen. Würde es hier zum Nachteil werden, dass die Husaren aus vier verschiedenen Einheiten zusammengewürfelt worden waren? "Nur die Bataillonskommandeure und ich kennen die Identität unseres Auftraggebers, und wir wurden mit großzügigen Boni zum Schweigen verpflichtet. Einmal ganz davon abgesehen, dass es die Söldnerehre ohnehin verbietet, Details aus dem ersten Kontrakt mit in den zweiten zu nehmen. Aber sollte jemand auf den Gedanken kommen, den Score zu settlen, wie die Davies so gerne sagen, dann hat ComStar Anweisung, die Identität unseres Auftraggebers über die Innere Sphäre zu verbreiten. Und dann, Herrschaften, sind wir alle im Arsch. Dann haben wir einen Geheimdienst an der Backe, der keine Gnade kennt! Und das sind nicht die Amateure von der Maskirovka, verstanden?"
Major Harry Copeland hob die Hand. "Welchen Grund haben Sie, um an unserer Loyalität zu zweifeln, Sir?"
"Oh, ich möchte nur nicht mehr solche Dinge sehen wie letzte Nacht, als sich ein Marodeur der Chevaliers und einer unserer Battlemaster so lange beharkten, bis eine komplette Lanze Mechs dazwischen gegangen war. Lange nachdem der Kampf beendet war. Und ich möchte nur mit Unbehagen an einzelne Verletzungen und Todesfälle erinnern, die nach dem offiziellen Ende der Schlacht festgestellt wurden. Ich dachte, ich arbeite hier mit Profis!"
Unwillkürlich duckten sich die Offiziere der Husaren vor der wutversprühenden Maske ihres Anführers.
"Gut. Nachdem das geklärt ist, fahrt bitte fort, Mylord."
"Vorab eines: Meine Eagles sind zu vierzig Prozent einsatzbereit. Unsere Personalverluste und Verletzungen halten sich in Grenzen, und in vier Wochen können wir wieder auf neunzig oder gar einhundert Prozent sein. Das ist auch gut so, denn dann muss ich abfliegen, um mit meiner Hauptmacht zusammen zu treffen. Meine Truppe braucht einen neuen Kontrakt, deshalb haben wir Paradezeit auf Outreach gebucht."
Diese Eröffnung ließ wieder lautes Gemurmel entstehen. "Allerdings wurde mir zugesagt, dass zwei Trinärsterne der Novakatzen, die in der Nähe patrouillieren, in spätestens drei Wochen hier eintreffen werden, um den Abzug meiner Eagles auszugleichen."
Irena Dorik, Herrin der Panzer, hob die Hand. "Mylord, Major Dorik, Panzer, Einsatzbereitschaft knappe fünfzig Prozent. Warum brauchen wir draconische Truppen? Mit uns Husaren und den Chevaliers haben wir mehr als genug Schlagkraft, um diese Welt auf Jahre zu halten."
"Bedauerlicherweise ist das nicht richtig", warf Danton ein. "Wir haben lediglich einen Unterkontrakt mit Oberst Mikado. Unser eigentlicher Auftrag ist die Parder-Jagd hier in der Region im Auftrag von ComStar. Meine Einheit ist ungefähr bei sechzig Prozent Einsatzbereitschaft jetzt, und bei siebzig in zwei Wochen. Das muss reichen."
Copeland runzelte die Stirn. "Aber das ist Wahnsinn, Danton. Sie sind vollkommen zerschlagen. Sie brauchen mindestens zwei Monate, um wieder auf Damm zu kommen, von den Reparaturen mal ganz abgesehen. Wissen Sie überhaupt, mit wie vielen Gegnern Sie es zu tun haben werden?"
"Ungefähr mit einem gemischt ausgerüsteten Sternhaufen, zwei bis drei Trinärsterne."
Copeland schüttelte den Kopf. "Sie bringen sich selbst um."
"Mag sein, aber Kontrakt ist Kontrakt. Außerdem hat der Koshaku mir versprochen..."
"Mylord! Wenn tatsächlich in vier Wochen Novakatzen eintreffen, um die Garnison zu verstärken, dann können wir doch einen Teil der Husaren entbehren, oder?", rief Copeland.
"Wie meinen Sie das, Major?"
"Ich meine, dass wir die Chevaliers nicht im Stich lassen sollten. Ich meine, dass unsere Leute sehr gut damit klar kommen werden, mit ihnen in eine Richtung auf Parder zu ballern, Mylord! Kurz und gut, ich ersuche Sie als meinen Dienstherren nachdrücklich darum, den Chevaliers Husaren mitzugeben. Ich schätze, dass ich in zwei Wochen sieben Lanzen aufgestellt haben kann!"
"Nun, das ist sehr nobel von Ihnen, Harry, und ich verdanke den Chevaliers einiges, wenn nicht alles." Mikado verbarg seinen Mund hinter der rechten Hand und schnaubte. Beinahe hätte es wie ein unterdrückter Lacher angehört, wenn das Thema nicht so ernst gewesen wäre. "Was meinst du, Aaron?"
"Wenn die Chevaliers in zwei bis drei Wochen abziehen, haben wir nur wenig Pause zwischen dem Abzug und der Ankunft der Novakatzen. Wenn wir einen Teil meiner Panzer hier behalten, halte ich diese Welt locker ein bis zwei Wochen mit der Miliz und deinen Eagles."
"McAllister, Mylord", meldete sich ein heller Frauensopran, "ich melde ein Bataillon meiner Infanterie kampfbereit. Wir hatten in etwa vierzig Prozent Verluste, davon etwa die Hälfte Todesfälle. Weitere zwanzig Prozent sind Leichtverletzte. Dank der Chevaliers konnten wir den Einsatz gegen Elementare ausgiebig üben. Und ein Infanterist, der nichts zu tun hat, kommt nur auf dumme Gedanken. Darum bitte ich Sie, darüber nachzudenken, ob Sie meine Digger nicht mitsenden werden."
"Das klingt alles gut", sagte Mikado ernst. "Aber dieses Verhältnis basiert nicht gerade auf gegenseitigem Vertrauen. Das sollte allen bewusst sein. Auch wenn es mit den Pardern gegen einen gemeinsamen Feind geht, heißt das noch lange nicht, dass sie auch zusammenarbeiten können. Im Gegenteil, ich sehe hier schon eine Menge Misstrauen aufkochen."
"Ich werde meine Leute schon im Zaum halten, Mylord", sagte Copeland ernst. "Aber eventuell könnten wir einiges bewirken, wenn wir... Offiziere austauschen. Im Moment fehlen mir zwei Kompanie-Chefs für meine Mechs, weil Ihre Kopfjäger beide ins Krankenhaus geschickt haben. Die Chevaliers haben Kampferfahrung gegen Jadefalken und Wölfe. Ich vertraue darauf, dass Colonel Danton mir fähige Leute schickt."
"Bei der Infanterie sieht es etwas anders aus. Ich kann schlecht ein Bataillon unter dem Kommando Ihres First Lieutenants kämpfen lassen, Germaine. Aber wir könnten die Infanterie und die Elementare zu einem gemeinsamen überzähligen Bataillon zusammenfassen. Wenn ich dann das Kommando übernehme, sollte das genügend Arbeit sein", sagte McAllister überzeugt.
"Klingt gut. Ach, und Copeland: Ich musste meinen Master Sergeant zum Kommandeur meiner Mechs befördern. Deshalb brauche ich einen neuen Master Sergeant. Schicken Sie mir den doch bitte, und, sagen wir mal, zwei bis drei Mechs und Krieger. Dann verteilen wir in beiden Einheiten zu beiden Lasten Leute und Maschinen. Und niemand kann behaupten, wir Chevaliers hätten Euch Aufpasser rein gewürgt." Danton überlegte kurz. "Doch, man wird es behaupten. Aber nicht sehr laut. Und der Rest... Wir werden sehen."
"Bleibt noch die Frage nach dem Oberkommando, dem Sold, und dergleichen", warf Imara ein.
"Mit Verlaub, Sir, aber die Chevaliers haben den Kontrakt mit ComStar. Also ist es nur natürlich, dass wir unter Colonel Danton dienen, solange der Einsatz dauert", sagte Copeland sofort.
"Mit Erlaubnis des Herzogs werden die Chevaliers neue Uniformen an die ausgeliehenen Husaren verteilen", sagte Germaine. "Zufällig davon haben wir immer genügend."
"Du meinst wohl, wir kriegen unsere Prototypen auf nahezu jeder Welt", tadelte Metellus amüsiert.
Leises, zaghaftes Gelächter klang auf.
"Die Bezahlung übernehme ich. Ebenso die Prämien und dergleichen", sagte Mikado ernst. "Also gut, es scheint, als hätten Sie gerade ein Regiment bekommen, Germaine. Major Copeland wird Ihr Mech-Kommandeur, und Major McAllister bringt ein Bataillon Infanterie mit, in die wir Ihre Elementare und Sprungtruppen integrieren müssen. Dazu vielleicht eine Kompanie Panzer, Major Dorik?"
"Kein Problem, Mylord. Ich muss einiges umbauen, aber die dritte Kompanie steht in zwei Wochen bereit."
"Die Flieger?"
"Wir können in zwei bis drei Wochen vier Maschinen mit Piloten aufstellen, Mylord. Allerdings brauchen wir einen Kommandeur. Major Herforth ist leider über dem Wasserloch mit ihrem Stuka abgestürzt. Sie hat nicht überlebt."
"Kein Problem. Damit kommen wir auf zehn Maschinen. Das stellt Captain Sleipnirsdottir vor keinerlei Probleme. Aber ich brauche noch Piloten."
"Kriegst du, Germaine. Vogt kannst du gleich behalten", versprach der Herzog. "Wen schickst du zu den Mechs rüber?"
"Ich habe einige fähige Offiziere, die in dienstniederen Rängen dienen, als ihre Erfahrung erwartet, wie man an Decius Metellus sehen kann. Oder die dringend befördert werden müssen. Ich befördere Sergeant Brenstein wieder zum Captain und gebe ihm eine Kompanie. Außerdem werden Sie zum Captain befördert, Lieutenant Fokker. Sie kriegen die andere Kompanie. Ach, und nehmen Sie Sergeant Ferrow mit. Wenn Major Copeland Captain Decius Metellus eine Lanze zuteilt und selbst eine Kommandolanze unterhält, fehlt ihm eine. Wir stellen ein Team für sie zusammen."
Die blonde junge Frau starrte Germaine ungläubig an. "Sir... Ich weiß nicht was ich sagen soll."
"Nett wäre eine Erklärung, dass Sie sich nicht an diesen Job gewöhnen, denn nach dem Ende des Kontrakts haben Sie Ihre Lanze wieder. Aber wir müssen uns momentan den Umständen anpassen... Captain."
Die Mechkriegerin straffte sich merklich. "Jawohl, Sir. Ich verstehe. Ich kämpfe da, wo ich hingestellt werde."
"Das wollte ich hören." Danton blinzelte dem Herzog zu. "So ist die Planung bisher. Ich bitte um Erlaubnis, so agieren zu dürfen."
"Erlaubnis erteilt. Ach, und mit sofortiger Wirkung befördere ich Sie von Lieutenant Colonel zum Voll-Colonel, Germaine. Major Copeland, Sie sind sein Stellvertreter und steigen zum Lieutenant Colonel auf."
Der MechKrieger nickte. "Jawohl, Sir."
"Dann verbringen wir den Rest des Tages besser mal mit Aufräumarbeiten. Wir vermissen immer noch Leute da draußen und am Wasserloch. Wir..."
Germaine hörte die Worte, verstand aber ihren Sinn nicht mehr. Er begann zu schweben und hatte Mühe, seine hockende Position auf dem Barstuhl zu halten. Ein klares Zeichen dafür, dass er sich gerade übernahm. Der Anfall dauerte nicht sehr lange, er war schnell wieder klar, aber ihm war bewusst, dass er sich selbst noch mehr zurücknehmen musste, wenn er zum Abflug wieder einigermaßen einsatzbereit sein wollte. Das bedeutete, dass er auf einige Schultern mehr aufladen würde als er jemals vorgehabt hatte. Andererseits war dies eine gute Gelegenheit zum lernen für seine Soldaten und Offiziere. Er würde sie nutzen. Bis zum Ende der Besprechung, die aus den Husaren, Eagles und Chevaliers befreundete Einheiten machten, schwieg er. Mehr als zwei weitere Tage durfte er nicht warten, um die Kugel aus seinem rechten Knie schnippeln zu lassen, das wusste er. Auch wenn er um eine Wundinfektion herum gekommen war, ein steifes Bein würde seine Karriere als MechKrieger effektiv beenden. Und er wollte ungern mit einer bionischen Ersatzgleidmaße enden, wie es einige seiner Chevaliers erlebten. Andererseits war ein mechanisches Bein sehr viel besser als gar kein Bein.
Zumindest versprach die Parderjagd nun noch spannender zu werden.
Cunningham
Wayside V („Wildkatz“)
Nordwestlicher Rand des Kurita Beckens, nahe dem Jeffrey Raumhafen
02.August 3066, 14:36 Uhr
Ein Tritt gegen sein Bein ließ Shepard hochfahren. An seiner Pritsche stand Lieutenant Medwedjew, die tikonovische Hammerwerferin aus dem ersten Infanteriebataillon: „Imara will Sie sehen.“
Aus dem Liegen musterte er sie düster, was mit einem Sabberfaden im Mundwinkel nicht so recht wirken wollte. Er fuhr sich mit der Hand über den Mund: „Colonel Imara?“, versuchte er die Zurechtweisung der Offizierin in einer Frage zu verstecken.
„Nein, der Herzog von Sian, also ASAP.“
Trotz der vielen Stunden Schlaf fühlte er sich wie gerädert und stand stöhnend auf. Medwedjew wartete natürlich nicht, sondern verschwand in Richtung Zeltausgang.
„Amazonen wie du gehören in den Käfig, in einen Zoo“, murmelte er, während er seine Zigaretten aus der Tasche Fischte.
Medwedjew drehte sich im Ausgang um: „Wie bitte?“
„Lieutenant?“, antwortete er mit stumpfem Gesichtsausdruck.
„Ich dachte, sie hätten etwas gesagt.“
Er blickte sie weiter fragend an, bis sie sich mit einem verächtlichen Schnauben umdrehte und davon rauschte.
„Zum denken, da braucht man Grips und der geht Dir gänzlich ab, Lieutenant-Hammerwerferin.“
Kress, der in seiner Koje lag, kicherte leise und drehte sich zur Zeltwand hin um.
Shepard zündete sich seine erste Zigarette des neuen Tages an und suchte schnell nach einer Dose Instantkaffee, um einigermaßen fit beim Colonel aufzulaufen.
Ohne lange warten zu müssen wurde er bei Colonel Imara vorgelassen. Auch wenn der CO der Husaren es besser verbergen konnte, entging den wachsamen Augen des altgedienten Sergeanten nicht, dass der Colonel wohl schon eine Weile auf Reserve lief und bald am Ende seiner Energie angelangt sein würde.
„Sergeant Darnell Shepard meldet sich wie befohlen!“ Er nahm Haltung an und salutierte in angemessener, aber nicht perfekter Form vor seinem Kommandeur.
Imaras Salut fiel um einiges fahriger aus: „Rühren, Sergeant. Wie geht es Ihnen?“
„Ausgezeichnet, Sir. Wann geht es weiter?“
Der Colonel lächelte. Er wusste, wenn man Shepard ließe, würde er den Rest des Tages bis in die frühen Morgenstunden schuften um die Truppe gefechtsbereit zu machen, und wenn nötig erneut gegen die Eagles und die Chevaliers zu Felde ziehen. Das war keine irrläufige Loyalität oder Fanatismus, soweit Imara wusste war Shepard von Kindesbeinen an Söldner gewesen. Einmal hatte er den Sergeanten zu einem Lieutenant sagen hören, er hätte nicht mal umsonst für seine Mutter Zigaretten geholt.
„Wir stehen jetzt im Dienst des Herzogs von Wayside“, begann der Colonel das Gespräch erneut.
„Ja, Sir, ich weiß.“
„Sie scheinen nicht glücklich damit zu sein, Sarge.“
„Nein, Sir, dass fühlt sich nicht richtig an, wir sind hier um den Planeten zu erobern, und jetzt machen wir mit dem Verteidiger gemeinsame Sache“, antwortete Shepard. „Wie wird sich das auf unsere Reputation auswirken, Sir?“
„Unser … Kontraktoffizier ist eingeknickt.“
„Ich weiß, Sir, aber letzten Endes müssen wir die Sache auslöffeln.“
„Das ist richtig, Sarge“, Imara fixierte ihn, doch der altgediente Söldner ließ sich nicht aus der Ruhe bringen und hielt dem Blick stand, „Doc Oberbach meldete, sie hätten Kurt Heinemann erschossen und seine Uhr geklaut.“
„Fehlt noch etwas von Heinemanns Sachen, Sir?“
„Wie bitte?“ Imara war von der Antwort überrascht.
„Hatte die Leiche noch Portemonnaie und andere Wertsachen, Sir?“
„Ja, die waren alle noch da.“
„Heinemann bot mir seine Uhr, wenn ich ihn von seinen Schmerzen erlösen würde, er hatte das versprochene Morphin nicht bekommen.“
Imara beugte sich vor: „Sie haben ihm also für eine Uhr zum Freitod verholfen.“
„Nein, Sir“, war die stoische Antwort, „das hätte ich auch so gemacht. Nur, wo er mir die Uhr schon mal angeboten hat...“
„Na gut, ich will Ihnen glauben, Sarge.“ Der Colonel holte ein Papier aus einer ledernen Mappe, die auf seinem Schreibtisch zum Inventar gehörte, wo in der Regel Beförderungen drin aufbewahrt wurden.
„Unser neuer Brötchengeber wird den gefechtsbereiten Teil der Hussaren mit den Chevaliers auf Parderjagd schicken … unter Dantons Oberkommando. Dieser hat beschlossen, ein kleines Austauschprogramm zu initiieren, damit sich niemand in den Arsch getreten fühlt. Den Chevaliers ist sind einige ihrer Offiziere ausgefallen, so dass ihr Spieß nun aufgestiegen ist. Sie werden diese Aufgabe übernehmen.“
„Was?“
„Sie werden im Rang eines Mastersergeanten als Spieß bei den Chevaliers mitfliegen.“
„Sie schieben mich ab, Sir?“
„Gewissermaßen, ja. Wissen Sie, in bestimmten Kreisen dieser Einheit wurde über diese Entscheidung sehr gejubelt. Das war aber nicht der einzige Grund für diese Entscheidung, die ich mit allem Nachdruck bei Major Copeland durchbringen musste. Wenn diese Mission erfolgreich sein sollte, können die Chevaliers einen Mann, der wirklich mit anpackt sehr gut gebrauchen. Dazu wird später noch weiteres Personal an die Chevaliers … hm, ausgeliehen.“
Shepard war kurz davor seinen CO mit einem derben Fluch zu belegen. Dieser jedoch schien das zu sehen: „Nur zu, raus mit der Sprache, Sarge.“
„Besser nicht, Sir. Aber wie sieht es um meine zusätzlichen Bezüge aus, die der Herzog von Wayside uns versprochen hat?“
„Sie werden zusätzliche zu Ihrem Gehalt als Master Sergeant bei den Chevaliers von uns ein einfaches Sergeantengehalt erhalten, quasi der vom Herzog versprochene Bonus.“
„Gut. Werde ich nach Abschluss der Mission wieder bei den Husaren angestellt, Sir?“
Imara grinste: „Na ja, vielleicht gefällt es Ihnen ja bei den Chevaliers.“
„Wäre das dann alles, Sir?“
Der Colonel reichte ihm seine Abschiedspapiere und seine Berufung zu den Chevaliers: „Ja, geben Sie Ihre Uniform ab, nehmen Sie sich ein Patch für ihre Jacke, sie waren das doch mit der ‚Kutte‘. Und verschwinden Sie.“
Shepard nickte statt zu salutieren und schickte sich an das Büro zu verlassen.
„Noch eine Kleinigkeit, Sarge. Wenn die Chevaliers ein krummes Ding planen, um mich in die Pfanne zu hauen, wüsste ich das gerne im Vorwege.“ Imara lächelte entwaffnend.
„Naja, vielleicht gefällt es mir bei den Chevaliers ja.“, Sprach's und schlug die Tür hinter sich zu.
Vor dem HQ der Husaren blickte Shepard nochmal wütend in Richtung Tür: „Du Scheißwichser, ich hoffe da kommen vertrauenswürdige Husaren mit zu den Chevaliers, damit man sich den Rücken freihalten kann.“
Die irritierten Blicke seiner Umgebung ignorierend stapfte er zurück zum Mannschaftszelt, um seine Sachen zu packen. War er Hesse, den man einfach verkaufen konnte? Wahrscheinlich würden die Husaren seinen zweiten Sold, den der Chefpenner auf diesen Planeten für ihn ausspuckte einfach so einkassieren.
Thorsten Kerensky
Wayside V („Wildkatz“)
Jaffray-Raumhafen, Kasernenkomplex
02. August 3066, 13:48 Uhr
Captain.
Und Kompaniechefin.
Danton musste total übergeschnappt sein. Himmel, er sah wie eine lebende Leiche aus und Jara konnte verstehen, dass er delirierte. Aber ihr bis auf Weiteres das Kommando über eine Kompanie zu übertragen, schien ihr eher wahnsinnig.
Lieutenant Colonel Copeland würde ihr neuer Vorgesetzter sein, ein Mann, den sie überhaupt nicht kannte und gegen den sie vor nicht einmal zwölf Stunden ins Gefecht gezogen war. Und sie würde Soldaten befehligen, deren Loyalität zweifelhaft und deren Begeisterung begrenzt war.
Wenigstens hatte sie mit Metellus und Brenstein zwei Kameraden zur Seite, die ihr unter die Arme würden greifen können.
Schritte verrieten ihr, dass jemand näher kam und sie kannte die Gangart.
„Glückwunsch zur Beförderung, Jara!“ Captain Juliette Harris trat neben sie und bot ihr die ausgestreckte Hand.
Die frisch gebackene Kompaniechefin schlug ein. „Danke. Auch wenn ich mir nicht sicher bin, ob ich träume oder so.“
„Germaine hält große Stücke auf dich.“ Sie griff in die Tasche ihrer Uniform und reichte Jara zwei schlichte Pins. Rangabzeichen eines Captains. „Ich hatte noch ein paar übrig“, grinste sie.
„Danke. Dann kann die Kleiderkammer warten, bis das Chaos sich legt.“
„Gehen wir ein paar Schritte?“ Harris wirkte müde. Vermutlich hatte sie sich die gesamte Nacht um die Ohren geschlagen. Wie der Marianer, nur merkte man dem die Strapazen überhaupt nicht an.
„Gerne.“ Jara setzte sich in Bewegung. „Das ist totaler Wahnsinn. Ich bin zwanzig. Und jetzt soll ich eine Kompanie führen voller Soldaten, die uns eben noch beschossen haben.“
„Ich kämpfe da, wo ich hingestellt werde“, zitierte Harris und Jara entging nicht, dass das genau der Satz war, den sie Danton ins Gesicht gesagt hatte. Hauptsächlich, um sich den Schneid nicht abkaufen zu lassen.
„Das sagt sich vor versammelter Truppe leichter, als es jetzt zu sein scheint.“
„Wir haben alle irgendwann diesen Schritt gemacht, Jara. Die einen früher, die anderen später. Germaine weiß, was er tut. Und der Herzog hat auch nicht widersprochen. Du machst das ja auch nur für eine Zeit. Da kannst du Felderfahrung sammeln. Und du kannst Dawn mitnehmen.“
„Sonst noch wen?“ Jara hatte zwar wenig Hoffnung, aber den Versuch wollte sie sich nicht schuldig bleiben.
Und sie wurde überrascht: „Ja. Kotare und Yamada darfst du auch haben. Mulgrew habe ich allerdings in Brensteins Kompanie geschickt. Ich nehme an, Kotare hätte sowieso darum gebeten, dich zu begleiten. Ich weiß zwar nicht genau wieso, aber deine Lanze scheint dich nicht hergeben zu wollen.“
„Eigentlich ein Wunder, wenn in jedem größeren Gefecht jemand auf der Strecke bleibt“, gab die blonde Frau bissig zurück.
„Das gehört zum Beruf. Wie geht es Eric eigentlich?“
„Die Ärzte können noch nichts sagen. Er hat schlimme Verletzungen an der Wirbelsäule und am Rückenmark. Sein Zustand ist nach wie vor kritisch und er wird auf jeden Fall Monate brauchen, bis er überhaupt wieder transportfähig ist. Ob er jemals wieder in einen Mech steigen kann, weiß keiner. Gott, sie wissen ja noch nicht einmal, ob er es überhaupt schafft.“
„Wie kommt ihr damit klar?“
„Wir stürzen uns in Arbeit. Mulgrew geht den Techs zur Hand, so gut das mit einem Arm geht und Kotare ist überall dabei.“
„Und du?“
„Ich hatte seitdem mehr als genug zu tun. Außerdem trage ich jetzt für elf weitere Menschen die Verantwortung. Da kann ich mir keine Sentimentalität leisten. Zumindest jetzt noch nicht.“
„Gut.“ Harris blieb stehen und fixierte Jara mit einem durchdringenden Blick. „Jara, traust du dir die Kompanie zu?“
Die junge Frau zögerte einen Moment und seufzte dann: „Ich beherrsche die Theorie. Ob ich die Praxis kann, wird sich zeigen. Aber ich glaube, ich kann das schaffen.“
„Das wird reichen müssen.“ Sie warf einen Blick auf ihre Uhr und nickte dann. „Ich muss wieder los. Es gibt noch genug zu tun und auch du wirst sicher Arbeit vor dir haben. Du kriegst das schon hin und es sind ja genug Leute da, die dir helfen können und werden. Du weißt das.“
„Natürlich.“ Jara straffte sich. „Was mit einem Flügel oder einer Lanze geklappt hat, kann ja mit einer Kompanie auch nur besser werden.“
„Klar.“ Harris grinste. „Ach, Jara. Da ist noch etwas.“
„Ja?“
„Germaine hat die Regeln geändert. Er möchte, dass seine Kompanien von geprüften Offizieren mit Patent geführt werden. Metellus hat eins, Brenstein hat eins. Nur du nicht. Deine Prüfung ist in einer Woche.“
Nun war es an Jara zu grinsen: „Wurde aber auch Zeit!“
Vor ihrem Büro wäre sie beinahe in Corporal Kotare gerannt. Zum zweiten Mal an diesem Tag. Das erste Mal war er ihr auf dem Weg von Dawns Quartier zu ihrem begegnet. Er hatte das Gesicht skeptisch verzogen, als er sah, wo sie herkam, aber nichts dazu gesagt. Stattdessen hatte er ihr einen Kaffee gebracht und sie dabei unterstützt, den Zustand der Mechkompanie der Chevaliers zu erfassen.
Sie hätte sich noch vor kurzer Zeit nicht im Traum vorstellen können, dass der zähe, abgebrühte Claner so eine Begabung als Adjutant haben könnte. Aber in der Tat machte er diese Aufgabe erstaunlich gut.
Er wollte einen Gruß andeuten, ehe sein Blick auf ihre Schulter fiel. Er überlegte es sich daraufhin anders und nahm zackig Haltung an. „Guten Tag, Captain Jara! Meinen Glückwunsch zur Beförderung!“
Dass er sie beim Vornamen nannte, deutete sie als Anzeichen dafür, dass auch Claner irgendwann müde wurden. Sie erwiderte den Gruß und deutete dann mit einem Kopfnicken auf die Bürotür. „Ist nur vorübergehend, Kotare. Ich übernehme die zwote Kompanie der Husaren.“
„Ich verstehe. Wer wird unsere Lanze führen?“
„Niemand. Ich darf dich mitnehmen. Du bleibst also mein Flügelmann. Damien wird Brensteins Kompanie zugeteilt.“
Der Ex-Nebelparder schien zufrieden. „Gut gehandelt und akzeptiert. Soll ich Corporal Mulgrew in Kenntnis setzen?“
„Ja, natürlich. Ist der immer noch im Hangar?“
„Ich gehe davon aus. Er wollte unbedingt helfen. Ich denke, er will sich auch davon ablenken, dass die MasterTech immer noch nicht stabil ist. Die beiden hatten bis vor kurzem ein intimes Verhältnis.“
„Ich weiß. Er soll sich trotzdem nicht überanstrengen. Wenn sein Arm nicht heilt, dann ist er niemandem eine große Hilfe.“
„Ich richte es ihm aus. Was machen deine Verletzungen?“
Jara verzog das Gesicht. Solange sie zu tun gehabt hatte und unter Strom stand, waren ihr die Schnittwunden nicht aufgefallen. Kaum aber hatte Kotare das Gespräch darauf gelenkt, spürte sie das Jucken und Brennen überall an ihrem Körper. „Heilen. Kann ich sonst noch etwas für dich tun?“
„Negativ. Ich finde momentan von alleine genug Beschäftigung.“
„Schön. Dann will ich nicht länger aufhalten. Nur eins noch…“
„Ich höre?“
„Wenn wir bei den Husaren sind, müssen wir doppelt und dreifach auf uns aufpassen. Ich traue denen nicht. Und ich möchte nicht, dass die auf den Gedanken kommen, wir wären unachtsam und leichte Beute.“
Kotare grinste ein Raubtiergrinsen. „Ich bin immer wachsam, Captain!“
Wayside V („Wildkatz“)
Jaffray-Raumhafen, Kasernenkomplex
02. August 3066, 14:39 Uhr
Hätte man Dawn gefragt, war der Tag ziemlich bescheiden verlaufen. Aber es fragte sie ja niemand. Wer auch?
Außer ihr und ihrer Tochter Susan war niemand da und die Zweijährige hatte ganz andere Sorgen als die Launen ihrer Mutter.
Die letzten vierundzwanzig Stunden erschienen schrecklich surreal. Danton hatte ihr eine Lanze gegeben, dann war sie mit den Chevaliers in den Kampf gezogen. Wie lange hatte sie dieses Recht für sich eingefordert? Nun, wo es ihr gewährt wurde, überwiegte die Sorge um ihre Tochter und die Angst, im Feld zu bleiben und die Kleine damit zur Halbwaisen zu machen.
Ein Kriegerschicksal, das sie selbst kannte, das Jara kannte und das vermutlich noch eine Vielzahl von Söldnern teilte. Wer die Gefahr sucht, kommt in ihr um, so hieß es immer. Vermutlich eine nicht unbegründete Weisheit.
Kaum zurück in der Kaserne hatte sie erfahren, dass der Alte niedergeschossen worden war und auch sonst erschienen ihr die Verluste und Schäden wahnsinnig. Mit einer derart zerschossenen Truppe auf Parderjagd zu gehen, war der blanke Irrsinn und halb erwartete sie, dass schon die nächsten Tage das Signal zum Abbruch und zur Heimkehr geben würden.
Sie hatte Jara in der Dusche getroffen. Die Freundin war am Ende ihrer Kräfte und irgendwie schrecklich glanzlos. Es war zwar schrecklich egoistisch gewesen, aber sie hatte sie überredet, bei ihr zu übernachten.
Dawn hatte die Nähe gesucht, aber jedes Mal hatte sie eine der frischen Schnittwunden dabei berührt und es dann irgendwann gelassen. Die vier Stunden Schlaf waren unruhig gewesen und neben einer Frau, die so nah und doch so fern schien.
Nach dem Aufstehen hatte sie das klärende Gespräch gesucht, aber die blonde Mechkriegerin war schon wieder so im Stress gewesen, dass sie Dawn auf später vertrösten musste.
Kurzum: ein Scheißtag.
Und wie auf Kommando klopfte es an der Tür. Dieser ganz bestimmte Rhythmus, in dem nur zwei Menschen aus der Einheit klopften: Jara und Danton. Und der Alte lag entweder im Sanitätsbereich oder hatte schlicht besseres zu tun.
Dawn warf einen Blick zu Susan, die friedlich schlief, seufzte leise und ging rasch zur Tür, bevor Jara lauter und energischer klopfen konnte. „Komm rein, aber sei leise. Dein Patenkind schläft.“
Jaras Gesichtsausdruck machte klar, dass ihr die kleine Spitze nicht entgangen war. Patenkind. Das Wort implizierte Verantwortung. Ebenso wie eine eigene Lanze, eine Freundschaft oder ein Offiziersrang.
Dawns Blick fiel auf die Dienstgradabzeichen der Freundin. Sie erstarrte. Sah noch einmal hin, um eine optische Täuschung auszuschließen.
„Captain?“, murmelte sie. „Wer von euch ist durchgedreht? Du oder der Alte?“
Jara schloss die Tür hinter sich und ließ sich ohne Aufforderung auf einem Stuhl nieder. „Danton. Das heißt… Colonel Danton. Mikado hat ihn befördert, ein Großteil der feindlichen Verbände unter sein Kommando gestellt und die Chevaliers damit auf Regimentsstärke aufgebläht. Metellus, Brenstein und ich haben Mechkompanien bekommen. Und die Beförderung zum Captain.“
„In zwei Jahren vom Private zum Captain. Nicht schlecht“, musste Dawn zugeben.
„Ist nur für den Einsatz. Danach werde ich wieder zurückgestuft.“
„Trotzdem: Gutes Tempo.“
„Wenn ich so weitermache, bin ich in zwei Jahren SBVS-General.“
„Oder Khan des Wolfsclans“, witzelte Dawn, obwohl ihr gar nicht nach Scherzen war.
„Phelan hat dafür nur zwei Jahre gebraucht. Der war deutlich schneller als ich.“
„Stimmt. Aber im Ernst: Weiß Danton, was er tut?“
„Ich bin mir nicht sicher. Wenigstens hat er mir gute Leute mitgegeben.“
„Oh. Wen?“
„Kotare, Yamada und… dich.“
„Mich?“ Dawn setzte sich jetzt auch. Wer weiß, wie viele Hiobsbotschaften noch kommen würden. Sie war gerade für einen Augenblick froh gewesen, mehr Abstand zu gewinnen und nun wurde sie in Jaras Kompanie gesteckt.
„Ja. Deswegen bin ich eigentlich hier. Du verlierst deine neue Lanze direkt wieder. Und wirst meiner Kompanie zugeteilt. Als Mechkriegerin. Du bist damit wieder voll im Geschäft.“
Dawn seufzte. Und nahm all ihren Mut zusammen: „Wir müssen vorher reden. Über uns. Wenn du Zeit hast.“ Unsicherheit, Vorwurf und Resignation schwangen zu gleichen Teilen in ihrer Stimme mit.
„Ich muss…“ Jara unterbrach sich und sah auf ihre Uhr. Sie schien zu überlegen. „Nein, du hast Recht. Wir müssen reden. Also reden wir.“
„Jetzt?“
„Jetzt.“
Entgegen der Absicht zu reden, breitete sich zunächst Schweigen aus. Es war Jara, die das Heft in die Hand nahm: „Ich nehme an, du willst über diese eine Nacht reden?“
„Ja.“ Dawn merkte, wie sie rot anlief. Die Situation war ihr unangenehm. Aber da musste sie nun durch. „Seitdem ist etwas zwischen uns und das macht mich fertig. Ich hab doch sonst niemanden.“
Jara schien etwas sagen zu wollen, überlegte es sich dann aber anders, seufzte und versuchte es erneut: „Das tut mir alles so leid. Ich hätte das nicht machen sollen. Nüchtern hätte ich das auch nie getan. Himmel, ich kann mich ja an die Nacht kaum erinnern.“ Sie zögerte einen Moment, seufzte erneut und fuhr dann schließlich fort: „Ich hätte wissen müssen, was das bei dir auslöst. Du bist gerade in einer schwierigen Phase und es war total dumm von mir, so eine Aktion zu reißen.“
„Also hat es für dich überhaupt nichts geändert?“ Dawn verfluchte sich für diese Frage schon in dem Augenblick, als sie die Antwort in Jaras Augen sah.
„Nein. Ich fand es glaube ich nicht unangenehm, aber es war jetzt auch nichts Romantisches. Du bist für mich vorher eine sehr gute und wichtige Freundin gewesen und ich wäre froh, wenn du das auch bleiben würdest. Und ich glaube, dass das bei dir auch nicht anders ist.“
„Das sagst du so leicht.“
„Dawn, du bist in einer doofen Situation. Die Trennung von Markus ist noch frisch, du bist nicht ausgelastet und kommst kaum unter Menschen. Ich bin mir sicher, dass du bald merken wirst, dass du dich gerade von deinem Wunsch nach Nähe leiten lässt. Ab morgen geht dein Training wieder voll los. Du wirst genug zu tun haben. Und du bist abgelenkt. Das wird dir gut tun. Und in ein paar Wochen gehst du ganz anders damit um.“
Die rothaarige Frau nickte: „Wahrscheinlich hast du Recht.“ Sie wusste selber ganz genau, dass sie nicht überzeugt klang, aber Jara schien es zu genügen.
„Ich würde mir wünschen, dass zwischen uns alles so bleibt wie früher. Du brauchst eine Schulter zum Ausweinen und ich werde die bestimmt auch bald brauchen. Wir wären schön dumm, wenn wir uns das kaputt machen, oder?“
Ob Jara die Phrasen glaubte, die sie da drosch, konnte Dawn nicht abschätzen. Vielleicht schon, vielleicht auch nicht. Aber es klang alles so einfach, so logisch, so verlockend ideal. „Ja, das wäre wohl dumm.“
„Gut, dann hätten wir das ja geklärt. Geht es dir jetzt besser?“
„Ein wenig.“
„Der Rest kommt. Versprochen. Es wird die gut tun, wieder voll mitmachen zu können. Dienstbeginn ist übrigens morgen um 13:15 Uhr beim Antreten der Kompanie, aber ich würde es begrüßen, wenn du vorher schon mit den Husaren auf Tuchfühlung gehen könntest. Du kannst Yamada mitnehmen. Ich brauche ein paar Eindrücke, die nicht in den Dienstakten stehen. Kriegst du das hin?“
„Ich kann es versuchen.“
Jara stand auf und wagte ein Grinsen: „Du bist Sergeant in meiner Kompanie. Ich erwarte mehr als einen Versuch.“
„Alles klar, Ma’am. Ich gebe mein Bestes!“ Dawn hasste sich ein wenig dafür, aber sie musste Jaras Grinsen einfach teilen. Was hatte diese Frau nur? Man konnte ihr einfach nicht böse sein.
***
Ab hier geschrieben von Cunningham
Wayside V („Wildkatz“)
Jeffrey Raumhafen
02.August 3066, 17:23 Uhr
Eine neue Uniform. Wieder einmal. Gut, noch trug Shepard seine Zivilklamotten, als er ins Lager der Chevaliers umsiedelte.
Ausgewaschene Jeans, ein altes Hemd und eine grüne Feldjacke mit Patches von Einheiten, in denen er früher gedient hatte, und allerlei anderen paramilitärischen Aufnähern. Das Bild rundeten ein paar gebrauchte Kampfstiefel ab.
Der Jeep, in dem er, Billy Knox, Jules Kress und drei Infanteristen fuhren, war ein älteres Modell und hatte wohl schon genau so viele Welten gesehen wie er selbst. Oder zumindest mehr als ihr Fahrer.
Ein junger Mann, fast noch ein Knabe, in der dunklen Uniform der Chevaliers und der beinahe lächerlich wirkenden Cartoonmaus als Einheitsabzeichen.
Es konnte schlimmer sein, und natürlich konnten nicht alle Söldnereinheiten so coole Einheitsabzeichen wie das Regiment Wreckes haben.
Der junge Chevalier hatte die ganze Fahrt über geschwiegen. Die Augen waren düster zusammengekniffen, die Hände um das Steuerrad verkrampft.
Ein blonder Bartpflaum verbreitete sich auf Wangen und Kinn. Pfirsichflaum, fast zum schießen, wären da nicht die dunklen Augenringe des Soldaten.
Der Jeep hatte auch schon bessere Zeiten hinter sich. Nicht das er schlecht in Schuss gewesen wäre. Die Stoßdämpfer waren in Ordnung und die Sitze nach militärischer Tradition entsprechend angemessen unbequem.
Es war der metallische Gestank von Blut, der dem Fahrzeug seine besondere Note gab. Vor kurzem hatte man mit diesem Geländewagen noch Verwundete transportiert oder eher evakuiert. Davon zeugten auch die Halterungen für eine Tragbahre, die man quer über die Motorhaube arretieren konnte.
Und ob aus Absicht oder Nachlässigkeit, niemand hatte das Blut aus dem Jeep gewaschen, nachdem die Bergungsarbeiten beendet worden waren.
Am Tor zur Kaserne wurden sie angehalten. Zwei Infanteristen sicherten mit Sturmgewehren in Vorhalte das Fahrzeug. Dabei standen sie so, dass sie den Jeep zwar ins Kreuzfeuer nehmen konnten, sich aber gegenseitig nicht abknallten.
Das sah ja soweit ganz gut aus. Ein Corporal trat aus dem Wachhaus und musterte die fünf ehemaligen Husaren in Zivilkleidung mit offensichtlicher Missbilligung.
„Vielleicht sollten wir die Burschen filzen“, schlug einer der Privates vor.
Shepards Kopf ruckte hoch: „Wir tragen unsere Waffen offen, Junior, was glaubst Du da noch zu finden?“
Der Augenkontakt dauerte keine drei Sekunden und der Infanterist senkte seine Waffe etwas und blickte zu Boden: „N-Nichts, Sir.“
Kress kicherte und stieß Billy Knox in die Seite: „Hörst du, der hat seinen neuen Spieß angesirt.“
„Ist jetzt mit unseren Unterlagen alles in Ordnung?“, fragte Shepard den Wachhabenden.
Dieser ließ sich offenbar nicht so leicht beeindrucken und pfefferte dem altgedienten Mechkrieger das Klemmbrett in den Schoß: „JA! Fahren Sie weiter.“
Der Fahrer murmelte ein leises Danke und gab Gas.
Die Kommandantur der Chevaliers war in einem einfachen Kasernengebäude untergebracht, wie es sie zuhauf auf hunderten von Welten gab. Nüchtern, militärisch, praktisch. Eine hässliche aber bewährte Bauart. Billig aber effizient.
Die ehemaligen Husaren stiegen aus und luden ihr Gepäck ab. Der junge Chevalier legte schon wieder den ersten Gang ein.
„Einen Augenblick, Soldat.“
Der Fahrer sah in einen Augenblick finster fragend an. Schließlich würgte er sich ein fragendes ‚Sarge‘ heraus.
„Sie nehmen jetzt Costas und Zelasni mit“, Shepard deutete auf die beiden Infanteristen, „und werden im Fuhrpark alle Fahrzeuge, bei denen es noch nicht geschehen ist, von dem Blut reinigen. Oder wollen Sie einen vollgebluteten Jeep zum Lazarett schicken, falls ein Krankentransport nötig ist?“
„Nein, Sarge“, gestand der Private ein.
„Gut, also begleitet ihn, wir kümmern uns um euer Gepäck.“
„Aye, Sarge.“
„Zu Befehl!“
Die beiden Infanteristen sprangen wieder in den Jeep und als dieser dann abbrauste übernahmen Kress und Knox ihre Taschen.
Die Kommandantur war von innen so langweilig eingerichtet, wie sie von außen wirkte. Es waren ungewöhnlich wenige Leute im Gebäude, und der Stabsdienstler am Empfangstresen schien schnell genug zu rotieren um als Gyroskop für einen Mech dienen zu können.
Nachdem der Sergeant zwei Telefonate gleichzeitig entgegen genommen hatte griff Shepard zum Telefon, als die dritte Leitung sich meldete: „Kommandantur, Empfang? Ja, der neue Spieß ist gerade eingetroffen. Captain Harris will ihn sehen, ja, ich schicke ihn sofort rein.“
Er legte wieder auf und drehte sich zu den beiden feixenden Mechkriegern um: „So, ihr seht zu, dass ihr euch irgendwie nützlich macht. Wirklich nützlich, Kress.“
„Natürlich, Sarge“, erwiderte der leidenschaftliche Spieler ohne jeglichen Enthusiasmus.
Als er Shepards Blick gewahr wurde, nickte er ergeben: „Ehrenwort, ich mache mich nützlich.“
Während sich Knox zu dem Sergeant hinter dem Tresen gesellte ging Shepard zu den hinteren Büros, wo er auch eines mit der provisorischen Aufschrift Captain Harris vorfand.
Er klopfte zweimal an und öffnete die Tür. An einem Aktenschrank hantierte gerade eine rothaarige Frau in Uniform herum, die sich zu ihm umdrehte: „Habe ich Sie herein gebeten?“ „Entschuldigung, ich suche einen Captain Harris.“
„ICH bin Captain Harris.“
Och nö, wieder so eine Zicke, die Offizier spielen will.
„Und Sie sind?“
„Sergeant Darnell Shepard, der neue Spieß. Man teilte mir mit, sie wollten mich sehen … Ma'am.“
Harris lächelte entschuldigend: „Na gut, dann kommen Sie herein, Shepard, setzen Sie sich. Möchten Sie etwas trinken, einen Kaffee?“
Oh, doch nur ein Büromäuschen, die auch weiß wo ihr Platz ist: „Gerne.“
„Wie trinken Sie ihren Kaffee? Mit Milch oder Zucker?“
„Schwarz“, antwortete er mit einem alten Scherz, „bis ich was dunkleres gefunden habe.“
Captain Harris schenkte ihnen beiden Kaffee ein und nahm ihm gegenüber dann Platz: „Tja, normalerweise … also, die Umstände ihrer Einstellung bei uns sind schon recht … abenteuerlich. Ich meine, niemand hätte erwartet, dass diese Invasion? Invasion so ausgeht.“
Shepard nippte an seinem Kaffee, was sollte er jetzt darauf antworten? Es gab doch sicherlich tausend Dinge zu erledigen und Smalltalk zu dieser Zeit.
„Ich meine, dass muss für Sie doch auch recht ungewöhnlich sein, jetzt bei ihrem früheren Gegner angestellt zu sein.“
„In der Tat, das ist es … Ma'am.“
Wenn die kleine Verzögerung sie störte, so zeigte es Captain Harris nicht: „Wobei die ganze Sache doch sehr merkwürdig ist, ich hätte nicht gedacht, dass außer einem der Clans jemand Interesse an diesem Drecksklumpen hat. Ich meine so wichtig kann dieser Planet als Handelsknotenpunkt doch gar nicht sein.
Zwischen Wayside und den Randwelten liegen die Clanbesatzungszonen, die Außenweltallianz liegt am anderen Ende des Kombinats und die Clans, wenn die handeln, diktieren sie die Bedingungen.“
Ganz langsam schrillten bei Shepard die Alarmglöckchen, die überbezahlte Tippse wollte ihn aushorchen. Natürlich hatte er seine Theorie, was Weilder und seine Leute hier gewollt hatten, für wen sie arbeiteten und so weiter.
Und natürlich hatte er Abends die widersprüchlichsten Vermutungen seiner Kameraden mitbekommen. Doch bestätigt hatte sich davon gar keine. Wie auch, sie hatten verloren, oder so ähnlich. Wenn man die Scheißsituation so nennen könnte.
Natürlich nur, wenn man doppeltes Jahresgehalt als Scheißsituation beschrieb. Er war jetzt wahrlich der Letzte, der sich über den unerwarteten Geldsegen beschwerte. Aber irgendwie kratzte das doch ein klein bisschen an seinem Berufsethos.
„Ich habe keine Ahnung, Ma'am“, antwortete er schließlich auf Harris Frage.
„Ach kommen Sie, Sarge“, gab sich der Captain kumpelhaft, „ich habe genug vom Militär gesehen um zu wissen, dass die Unteroffiziere meist besser informiert sind als die eigenen Offiziere.“
„Diesmal nicht, Ma'am.“
„Ach was, irgendwer wird sich doch verplappert haben, Sarge.“
„Nicht mir gegenüber, Ma'am.“
Harris blinzelte: „Also gut, Sarge, kommen wir zum Geschäftlichen. Sie können Sergeant Metellus' Büro übernehmen, er ist ihr Vorgänger. Er wird auch ihr vorgesetzter Offizier sein.“
Laufbahnverräter also, dachte Shepard bei sich.
„Sehen Sie zu, dass alle Husaren die zu uns transferiert werden schnellstmöglich eingekleidet werden und Quartier beziehen.“
„Jawohl, Ma'am.“
„Morgen werden Sie in ihre richtigen Pflichten als Spieß der Truppe eingewiesen, noch ist das meiste Personal damit beschäftigt die gröbsten Schäden zu beseitigen, da haben wir niemanden parat, der Sie einweist. Am besten wäre es, wenn Sie niemanden im Weg stehen.“
„Jawohl, Ma'am.“
„Haben Sie irgendwelche Fragen?“
„Nein, Ma'am.“
Harris nickte: „Gut, dann können Sie wegtreten.“
„Ma'am.“
Als sich hinter Shepard die Bürotür schloss schüttelte Harris den Kopf. Bei dem war sie auf Granit gebissen. Und so einsilbig wie der wurde, wusste er anscheinend doch einiges über den Hintergrund des Angriffes. Andererseits schien er gar nicht so begriffsstutzig, dass er sich durch eine Abschottung verraten würde.
Darnell Shepard war fürs erste Bedient. Da hielt ihn die Drehstuhlpilotin erst mit Gelaber von der Arbeit ab und anschließend gab sie zu, dass noch so viel zu tun sei und er dabei doch bitte nicht im Weg rumstehen sollte.
Wofür hielt sie ihn? Er war hier zwar jetzt Master Sergeant, dass bedeutete doch nicht, dass er sich plötzlich zu schade war für einen Private, der die Situation besser kannte, den Wasserholer zu machen.
Aber wahrscheinlich hatte sie sich deshalb in ihrem Büro verschanzt, um ja niemanden von der Arbeit abzuhalten und nachher beim Boss mit der harten Arbeit ihrer Untergebenen die Lorbeeren einzuheimsen.
Nachdem er seine Sachen in seinem neuen Büro deponiert hatte und sich bei der Kleiderkammer eine Uniform geholt hatte, half er bis in die späten Abendstunden bei den Aufräumarbeiten des Flugfeldes, wo die Artillerie der Husaren wirklich ganze Arbeit geleistet hatte.
Wirklich eine Schande, wie so harte Arbeit einfach weggeworfen wurde und man sich selbst korrumpierte. Eine echte Schande, wie schnell ein geachteter Offizier wie Imara so tief sinken konnte.
Wie viel Geld war das nächste Mal nötig, wie schnell würde man sich entscheiden, die Seiten zu wechseln? Auf wen war noch Verlass? Darauf musste er aufpassen. Er war jetzt hier Spieß, die Disziplin war seine Sache.
Es war weit nach dreiundzwanzig Uhr, als er sein Quartier bezog. Als Spieß hatte er ein Einzelzimmer.
Während er seine Klamotten auspackte zündete er sich eine Zigarette an. Eine vorm Schlafen gehen.
Nur noch schnell die Uniform für morgen zu recht legen. Hemd und Hose waren neu. Schnell hatte er Nadel und Faden zur Hand und nähte seine Rangabzeichen sowie ein Namensschild auf. An der rechten Schulterklappe befestigte er eine Trillerpfeife mit einer rötlichen Kordel. Die Pfeife kam in die rechte Brusttasche.
Aus der Gute-Nacht-Zigarette wurden erst zwei, dann drei.
Schnell nahm er noch seine M&G P32 Pistole auseinander und säuberte sie. Bestückte sie und lud sie durch. Bei der kompakten Pistole gab es keine Sicherung mehr, und man konnte nur schwer erkennen ob sie gespannt war.
So wie sie jetzt war, durchgeladen und gespannt steckte er sie ins Holster, bis es leicht klickte. Ein Sicherungsmechanismus, dass man die Pistole nicht so ziehen konnte, obwohl der Sicherheitsbügel des Holsters nach vorne geklappt worden war.
Während er Pistolenholster auf der rechten Seite am Koppel befestigte, wanderte auf die linke Seite ein Teleskopschlagstock im Schnellziehholster, falls er sich auch mal etwas energischer durchsetzen musste.
Damit entschied er für morgen gerüstet zu sein.
Nun musste er sich nur noch für die Nacht präparieren. An die Tür brachte er ein Schild mit der Aufschrift: „Anklopfen und auch Antwort warten“ an.
Schließlich überprüfte er noch seinen Revolver Kaliber .357 Magnum und legte ihn mit gespannten Hahn auf den Nachttisch.
Nachdem Shepard eine fünfte und wirklich allerletzte Zigarette geraucht hatte legte er sich hin. Schon kurz nachdem sein Kopf das Kissen berührte schnarchte er leise und rhythmisch. Seit seinem vierzehnten Lebensjahr war er Soldat. Er konnte immer und überall schlafen.
Ace Kaiser
Als der Wecker um sieben Uhr Ortszeit klingelte, fühlte sich Germaine noch immer wie gerädert. Dennoch, einen herzhaften Fluch auf den Lippen, quälte er sich aus dem Bett und atmete erst einmal heftig ein und aus.
An der Tür klopfte es. "Chan hier, Sir."
"Die Tür ist offen. Treten Sie ein", murmelte Germaine noch immer verschlafen und Schmerzerfüllt. Es war jetzt keine vierzig Stunden her, dass ihm ein Attentäter in die linke Hand und ins rechte Knie geschossen hatte; die Hospitäler und die Lazarette waren überfüllt mit Männern und Frauen, die dem Tode wesentlich näher waren als Germaine. Aber der Herr der Chevaliers verstand die Notwendigkeit, warum er mehr Aufmerksamkeit bekommen sollte als jeder andere in der Einheit. Also hatte er mit Doktor Fleischer einen faulen Kompromiss ausgehandelt: Er brauchte seine Zeit nicht in der Krankenstation zu verbringen und stahl dem Pflegepersonal keine wertvolle Zeit, die es für die Betreuung wesentlich schlimmerer Fälle brauchte; im Gegenzug aber ließ er sich jeden Morgen von einem Medtech die Verbände wechseln, eine Blutprobe abnehmen, Fieber und Blutdruck messen und angemessen medikamentisieren.
Chan war ein drahtiger, kleiner Mann mittleren Alters und der Erfahrung eines altgedienten Feldschers. Wenn sich Germaine recht erinnerte, war er nach der Bryant-Mission zu den Chevaliers gestoßen und hatte deshalb einige der Dramen nicht mehr mitgekriegt, die sich damals abgespielt hatten - vor allem zwischen ihm und seiner Ex-Freundin.
"Morgen, Sir." Chan stellte seinen Koffer neben Germaine aufs Bett ab, öffnete ihn und holte neue Verbände und die üblichen Utensilien. Zuerst kümmerte er sich um die Verbände. "Wie geht es der Hand, Sir? Wird sie langsam steif?"
Statt zu antworten, knickte Germaine die Finger ein und ignorierte die stechenden Schmerzen. Der Schuss hatte die Knochen nur verletzt, Fleisch zerfetzt und die Mittelfingersehnen nur angeschnitten. Der Blutverlust durch die Hand war da das größte Problem gewesen. Fleischer und er waren zur Entscheidung gekommen, den Durchschuss verwachsen zu lassen, wenn er regelmäßig die Beweglichkeit der Finger trainierte. Zu diesem Zweck hatte Germaine einen Schaumgummiball bekommen, den er täglich dreißigmal zerquetschen musste. "Eine Rosskur für einen Rosskopf", hatte Fleischer das genannt.
"Sehr gut, Sir. Wie sieht es mit den Schmerzen aus?"
"Ich gewöhne mich daran", zischte Germaine, während Chan den alten Verband aufschnitt. Viel Blut floss nicht mehr, aber Wundwasser war nun ein Problem. Und wildes Fleisch. "Einen Moment, Sir." Er zückte eine Feile, und fuhrwerkte in der Wunde. Danach spülte er die Wunde mit Kochsalzlösung und legte eine neue Tamponage aus Algenextrakt, welche die Heilung beschleunigen würde. "Kein Anzeichen für eine Entzündung, Sir." Er bandagierte die Hand neu und tränkte anschließend den Verband mit einer gelben Flüssigkeit, die Entzündungen verhindern sollte. Dann widmete er sich dem Knie. Fleischer hatte todmüde die Kugel selbst gezogen, gestern Mittag, bevor er den faulen Kompromiss mit seinem unwilligen Patienten ausgehandelt hatte und anschließend ins Bett gefallen war. Auch hier steckte eine Algentamponage in der Wunde. Aber die zerschossene Kniescheibe heilte auch so. Schwieriger war die Entzündung im Knie, die sie im Moment nur stoppen konnten. Chan riss den Verband mit einem Ruck ab. Auf der Innenseite war er dick vereitert. Solange Danton kein Fieber bekam, sahen die Mediker allerdings davon ab, die Wunde auszuschälen. "Na, das sieht ja schon viel besser aus als gestern. Wir müssen Ihrem Attentäter wahrscheinlich dankbar dafür sein, dass er keinen Gefechtskopf aus weichem Metall genommen hat. Bei Blei oder Kupfer hätten wir jetzt richtige Schwierigkeiten."
"Ja, was für ein nettes Arschloch", knurrte Danton.
Chan spülte die Wunde, tamponierte und bandagierte. Anschließend nahm er wieder die gelbe Flüssigkeit zu Hilfe.
Anschließend widmete er sich dem Infusionszugang an Germaines linkem Unterarm. Der Colonel hatte kurz, aber intensiv mit Fleischer darüber gestritten, wo der Zugang zweckmäßiger wäre. Danton hatte sich mit der Ansicht durchgesetzt, dass eine Stelle, die unter dem Diensthemd versteckt war, für die Einheitsmoral wesentlich besser sein würde.
Der Medtech zapfte seine Blutproben ab und lächelte dabei zuversichtlich. "Sie haben enorm gutes Heilfleisch, Sir. Bei einem Alkoholiker ist das nicht unbedingt selbstverständlich."
Danton lachte leise. Wann hatte er das letzte Mal etwas getrunken? Auf Bryant, mit dem Herzog? Oder doch später? "Trockener Alkoholiker", korrigierte er.
"Ich bewundere Ihr Durchhaltevermögen." Chan setzte das Thermometer am Ohr an. "Fünfunddreißig Komma acht. Kein Fieber."
"Kein Durchhaltevermögen. Dann wäre es ja so, als würde ich mich von Saufanfall zu Saufanfall hangeln. Im Moment habe ich einfach keinen Drang, mir meine Gehirnzellen weg zu saufen. Ich hoffe, ich bin von Cognac, Whisky und dem ganzen Schrott ein für allemal los. Man kann sich seine Gesundheit auch mit Bier und Wein ruinieren."
"Und das ist besser für die Nieren, weil Sie danach pissen wie ein Wallach", warf der Medtech grinsend ein, während er die Manschette aufpumpte. "Gut ist es allerdings auch nicht wirklich."
"Das ist mir klar. Was sagt mein Blutdruck?"
"Einhundertdreißig zu neunzig. Alles im grünen Bereich, Colonel." Er griff nach dem Handgelenk und zählte den Puls. "Neunzig Schläge. Verständlich bei dem Blutdruck. Ich erteile Ihnen hiermit die Erlaubnis, Ihre Tagesgeschäfte aufzunehmen, Sir."
"Danke", erwiderte Danton in einem Tonfall, der im Volksmund bestimmt nicht als nett galt.
Chan grinste über das ganze Gesicht. "Nehmen Sie es locker, Sir. In spätestens vierzehn Tagen brauchen Sie nichts mehr gegen die Schmerzen, und in vier bis sechs Wochen ist alles verheilt. Ob Sie dann aber einen Mech steuern können, wird sich zeigen müssen. Aber Sie haben ja Erfahrung darin, alle zu überraschen."
"Danke", sagte Danton noch eine Spur sarkastischer. "Was wäre ich nur ohne Ihr frohes Wesen, Mike?"
"Verloren und verkauft, Sir. Doktor Fleischer lässt Ihnen ausrichten, dass die Schwerverletzten noch im Koma liegen. Aber wenn Sie heute Zeit finden würden, die anderen Fälle zu besuchen..."
"Ich schaue nach der Mittagspause vorbei. Wie sieht es bei den schweren Fällen aus? Meinen Infanteristen? Meinen Piloten? Meinen Techs?"
"Alle, die bis jetzt durchgekommen sind, werden es auch schaffen, Sir. Falls nichts vollkommen unerwartetes eintritt." Bedächtig räumte Chan wieder ein. "Morgen früh, gleiche Zeit, gleicher Ort?"
"Bleibt mir etwas anderes übrig, Mike?"
"Nein, natürlich nicht, Sir." Chan grinste breit, schnappte sich seine Tasche und verließ den Raum. Draußen wechselte er sich mit Jan Jensen ab. Der Corporal kam herein, vor sich einen Satz frischer Wäsche. "Ich habe allen Sachen die Colonel-Sterne aufnähen lassen, Sir."
"Danke, Jan." Es war ein wenig entwürdigend für ihn, aber Germaine war nicht Idiot genug, um sich beim Anziehen nicht helfen zu lassen. Mit einer kaputten Hand konnte man Knöpfe nur bedingt, und Reißverschlüsse fast gar nicht schließen.
"Wäre Ihnen heute ein Bettbad genehm, Sir?", fragte Jensen vorsichtig.
"Ja, wenn Sie meine Freundin dazu kriegen", erwiderte Germaine.
"Verzeihung, Sir, ich..."
"Wir kleben die Verbände wieder ab, und ich nehme eine Dusche. Das hat gestern gut funktioniert. Und falls ich umfalle, heben Sie mich wieder auf, Jan."
"Sehr wohl, Sir." Pingelig schloss er die Uniformjacke seines Vorgesetzten, nahm die Feldmütze zur Hand und strich noch einmal imaginäre Fussel fort. Die Gala-Uniform wartete mit einer Schirmmütze auf, die machte schon was her. Die Stoff-Variante der Felduniform war zwar praktisch, aber auch recht unspektakulär. "Bitte, Sir."
Er öffnete die Tür zum Vorraum der Zimmerflucht, die sie in angemessenem Tempo durchquerten. Danach ging es erst auf den Laufgang, der die Quartiere mit der Messe verband. Dort angekommen verstummten sofort alle Gespräche. Chevaliers und die ihnen zugeteilten Husaren saßen in eigenbrödlerischen Grüppchen beim Frühstück beisammen. Die neuen Uniformen waren ausgeteilt worden, und es gab keine optischen Unterschiede mehr, dafür aber noch genügend Ressentiments. Nun, Germaine hatte vor, alle Beteiligten hart zu bearbeiten, damit diese Ressentiments ihre letzten Sorgen sein würden.
"ACHTUNG!", bellte ein kräftiger Bariton auf. "Kommandeur anwesend!"
Es waren über zweihundert Leute in der Messe, und alle sprangen auf. Der Rufer war ein bärbeißiger Bursche mit hartem Gesicht. Seine Abzeichen waren die eines Sergeant Majors mit einer kleinen Goldkrone. Sein neuer Master Sergeant. "Guten Morgen, Sir."
"Guten Morgen, Master Sergeant. Lassen Sie rühren."
"Jawohl, Sir. RÜHREN, SETZEN, ESSEN!"
Germaine konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen, als die Bande wortwörtlich gehorchte, unabhängig davon, ob sie Chevaliers waren oder geworden waren. "Kommen Sie nach dem Essen in mein Büro, Master Sergeant."
"Ja, Sir."
Danton nahm am Tisch nahe des Eingangs Platz. Dort saßen bereits einige Offiziere und Mannschaften wild gemixt, unter ihnen Captain Fokker und Lieutenant Colonel Copeland.
"Guten Morgen, Sir. Wir machen große Fortschritte bei der Aufstellung", empfing ihn Copeland freundlich. Natürlich meinte er damit, alle verfügbaren Mechs zusammenzuraffen und in die Aufstellung der Chevaliers zu überführen. Piraterie war gegen den Erfindungsreichtum und die Gier dieses Mannes ein humanes Geschäft. Er hatte tatsächlich Aaron Imara solange bequatscht, bis der den durchaus reparablen Mad Cat der Husaren dafür hergegeben hatte, um Captain Fokkers Maschine wieder kampfklar zu kriegen. Die Reparaturzeit der Maschine, die als Ersatzteillager dienen musste, hatte damit eine Reparaturzeit von nahezu unendlich. Wahrscheinlich mussten die Chevaliers ihrerseits einen Mad Cat schießen, um die Husaren-Maschine zu reparieren. Nun, die Chance bestand zumindest. "Tatsächlich. Ich erwarte Sie dann zur Besprechung um acht."
"Ja, Sir."
Jensen räusperte sich. "Ei und Toast, Colonel?" So eifersüchtig, wie er das Colonel betonte, war klar das er gegenüber Copeland klar machen wollte, wer der ranghöhere Offizier war. Germaine fand diesen Loyalitätsbeweis rührend. Aber auch potentiell gefährlich.
"Und schwarzen Kaffee, Jan."
"Aber Doktor Fleischer hat gesagt..."
"Dann eben Milchkaffee. Leon weiß, wie ich dieses Zeug mag, wenn ich es trinken muss."
"Ja, Sir."
Germaine sah sich im Kreis der Leute um, während Jensen hinter die geheiligte Küchenzeile ging, um das Essen des Colonels direkt zubereiten zu lassen. Das Essen der Chevaliers war schon immer von hoher Qualität gewesen. Wenn der Chef verletzt war, bekam er allerdings noch bessere Qualität. Und das Toast war wahrscheinlich für ihn frisch gebacken worden.
Der Colonel fixierte Fokker. "Zehn Minuten früher will ich dich in meinem Büro sehen, Jara."
Die junge Frau wirkte besser als bei der Besprechung nach der Schlacht, aber sie war nicht wirklich ausgeschlafen. "Sir?"
"Wir müssen da noch eine gewisse Befehls... Auslegung klären."
Die blonde Frau versteifte sich. "Ja, Sir."
Germaine wandte sich an Copeland. "Bringen Sie zu unserer Besprechung bitte Stonefield und Steinberger mit."
"Ich dachte da eher an die Captains Metellus, Fokker und Brenstein, Sir."
"Bringen Sie sie zusätzlich mit. Es gibt da ein Versprechen, das ich einzuhalten gedenke."
Jara fiel das Messer aus der Hand. "Moment Mal, Germaine, du hast doch nicht etwa vor, diesem Heini Steinberger einen Schuss auf dich zu erlauben?"
"Was ich erlaube, und was nicht, Captain Fokker, ist immer noch meine Sache."
"Bei allem Respekt, Sir, aber wenn Sie das zulassen, kann ich nicht dafür garantieren, dass Stonefield oder Steinberger oder beide diesen Planeten leben verlassen!" Sie sah Germaine in die Augen. Ihr Blick enthielt eine unverhohlene Drohung. Nicht gegen ihn, sondern gegen Steinberger. "Und ich werde das gegenüber den beiden auch deutlich machen!"
"Es gibt Dinge, die muss man einfach tun, Captain, auch wenn sie schwer fallen."
"Dann wäre es vielleicht besser, wir..."
"Jara", mahnte Germaine. "Warte ab und lerne."
Sie sah Danton erstaunt an. "Was... Ja, Sir. Aber seien Sie versichert, das meine Dienstpistole mit scharfer Munition geladen ist."
"Meinetwegen."
Jensen brachte das Essen. Es war kunstvoll arrangiert, mit einer Obstschale aufgebessert und mit einer kleinen Schale Honig versehen. Honig war auf dieser Welt absolute Mangelware, weil Importware. Alleine das bewies, wie besorgt Leon um seinen alten Freund war. "Danke, Jan. Holen Sie sich jetzt auch etwas zu essen."
"Ja, Sir."
***
"So sieht es aus. Aaron überlässt uns die DORNKAAT und die DEN HAAG." Juliette Harris runzelte die Stirn. "Über die ORANJE ist er nicht verhandlungsbereit. So ein Overlord wäre was Schönes für uns gewesen. Im Moment wünsche ich mir die Crying Freedom herbei, Germaine."
"Immerhin zwei Union. Wir packen das schon. Hauptsache, wir erbeuten ein Schiff der Parder für den Transport unserer Beute", scherzte Danton.
"Optimist", erwiderte Juliette. Ein dünnes Lächeln huschte über ihre Gesicht.
Als es an der Tür klopfte, vermisste Germaine auch etwas, nämlich Cindy vor seiner Tür.
"Kommen Sie herein, Master Sergeant."
Der Mann trat ein, jeder Zoll Korrektheit und militärische Pflichterfüllung. "Sir, Master Sergeant Darnell Shepard. Ich melde mich wie befohlen. Ma'am!"
"Setzen Sie sich, Shepard. Kaffee?"
"Sir, wird das länger dauern? Ich habe eine Kampflanze aus dem Nichts aufzubauen."
"Nein, es geht recht schnell." Germaine taxierte den Mann. "Mir wurde einiges über Sie zugetragen. Man sagte mir, Sie seien ein Schleifer. Ein Frauenhasser. Und alles andere als ein Moralapostel."
Bei "Frauenhasser" hob Captain Harris die Augenbrauen.
Bevor Shepard aber noch etwas sagen konnte, winkte Danton ab. "Man hat mir aber auch gesagt, dass Sie als Unteroffizier sehr gute Arbeit leisten und ein guter Mechkrieger sind." Der Colonel sah den Sergeant nachdenklich an. "Neben mir steht Captain Juliette Harris. Eine Frau, mit der ich seit fast einer Dekade diene. Wenn sie Ihnen einen Befehl gibt, was tun Sie dann?"
"Gehorchen, Sir. Es gibt nichts Wichtigeres als die Befehlskette."
"Hm." Danton klopfte mit der unverletzten Rechten auf das Holz der Schreibtischplatte. "Wissen Sie, Shepard, wenn ich ganz ehrlich bin, dann brauche ich gerade jetzt jemand, der Metellus ersetzen kann. Jemand, der hart ist. Unnachgiebig. Der sich durchsetzen kann. Wussten Sie, dass Copeland Sie persönlich angefordert hat? Er hält große Stücke auf Sie."
"Wenn Sie das sagen, Sir."
"Um es kurz zu machen, Sie werden nicht nur für die alten Chevaliers und Captain Metellus der Spieß sein, sondern für das gesamte Bataillon. Sie müssen überall und nirgends sein. Und Scheiße auch, mir ist es egal, was Sie über Frauen denken, solange es beim Denken bleibt." Ein Grinsen huschte über Dantons Gesicht. "Meine Frauen sind eh viel zu hart, als dass sie sich von ein paar dämlichen Sprüchen aus der Bahn werfen lassen würden. Oder zu ihrem Alten kommen, um sich auszuheulen. Ich brauche also einen Schleifer, damit Copeland seine Mechs im Griff hat, und damit seine Captains so wenig Arbeit wie möglich haben. Ich brauche eine harte Sau, die ihre chauvinistische Einstellung für sich behalten kann. Sind Sie dieser Mann, Darnell Shepard?"
So etwas wie ein selbstzufriedenes Grinsen erschien auf Shepards Zügen. "Der bin ich, Sir."
"Gut. Juli?"
Die Stabschefin der Chevaliers runzelte die Stirn. "Es ist mir eine Freude, Sie darüber zu informieren, dass Sie nicht nur für die Mechtruppen da sind, sondern für alle Chevaliers, quer durch alle Waffengattungen. Sie sind die Mutter des Regiments, wenn ich es mal so formuliere. Wenn Sie dabei Unterstützung brauchen - und das werden Sie - kommen Sie zu mir. Ich mache meinen Job schon zehn Jahre. Ich weiß wie der Hase läuft, egal was Sie unter Ihrem kessen Mecki von mir denken mögen. Und seien Sie sich eines gewiss, Shepard, wir beide werden miteinander auskommen, so oder so."
"Gut zu hören, Ma'am."
"Gut, dann gehen Sie rüber in den Besprechungsraum. Colonel Copeland und seine Captains werden dort alsbald eintreffen."
"Jawohl, Ma'am." Er erhob sich, salutierte und verließ das Büro.
Es dauerte keine fünf Minuten, dann klopfte es erneut.
"Herein, Jara."
Die Rose der Chevaliers trat ein und salutierte. "Sir, ich melde mich wie befohlen."
"Juli?"
"Captain Fokker, ich unterrichte Sie hiermit darüber, dass mich Colonel Danton damit beauftragt hat, in Ihre Akte einen Verweis einzutragen, aufgrund Ihrer taktischen Entscheidung, trotz Rückzugsbefehl die Stellung zu halten."
Jara nickte schwermütig. "Ich habe damit gerechnet."
"Außerdem habe ich die freudige Aufgabe, Sie darüber zu informieren, dass der Colonel mich beauftragt hat, Ihnen eine Belobigung in die Akte einzutragen, da die Rettungsaktion von Sergeant Stein erfolgreich war. Das tariert den Tadel zu einhundert Prozent wieder aus."
Jara sah überrascht auf. "Was? Aber... Danke, Ma'am. Danke, Sir."
"So, und jetzt rüber in den Besprechungsraum, Captain", sagte Germaine ernst.
"Draußen wartet aber Colonel Copeland mit Steinberger und Stonefield. Ich würde gerne hier bleiben, Sir." Zur Bestätigung ihrer Worte klopfte sie auf ihre Pistolentasche. Beinahe glaubte Germaine hören zu können, was sie dachte: Auch wenn du Dummheiten machst, ich wetze sie für dich wieder aus.
"Stellen Sie sich da drüben auf, Captain", sagte Germaine ernst.
"Danke, Sir!"
Es klopfte erneut. "Colonel? Ich komme hier mit Steinberger und Stonefield."
"Reinkommen, Harry." Danton betrachtete die beiden Männer, die dem Lieutenant Colonel folgten.
Während sich Stonefield um militärische Präzision bemühte, war Steinberger deutlich salopper. Aber längst nicht so salopp wie vor der Schlacht. "So. Haben Sie sich doch nicht umbringen lassen", murmelte er.
"ACHTUNG! ICH HABE ACHTUNG GESAGT! AUGEN GERADEAUS! SIE REDEN NUR WENN SIE GEFRAGT WERDEN!" Germaine hatte nicht gemerkt, wie schnell Juliette vor Steinberger aufgetaucht war. Sie war einfach plötzlich da gewesen und hatte den Mann angebrüllt. Der war, durch das lange Soldatentraining, nun in Hab acht. Damit zufrieden trat sie einen Schritt zurück. "Sir."
Danton sah zu Stonefield, der zwanghaft daran arbeitete, ein Grinsen zu unterdrücken. Na ja.
Er griff in eine Schreibtischschublade und zog Tressen und Urkunden hervor. "Ich mache Ihnen jetzt ein Angebot. Und seien Sie versichert, ich mache es nur dieses eine Mal. Sie können aus diesem Büro raus gehen und beide Corporal sein, mit den vollen Bezügen ihres Rangs. Oder Sie können darauf bestehen, sich mit mir zu schießen, Robert."
Steinberger schnaubte verächtlich und griff nach den Dokumenten. "Danke sehr, aber ich nehme die Beförderung."
Jara an der Wand schnaubte erschrocken. Juliette riss erschrocken die Augen auf.
"Was?", beschwerte sich Robert Steinberger. "Es macht keinen Spaß und bringt keine Ehre auf einen Krüppel zu schießen. Mit Verlaub... Sir... Warte ich ab, bis Sie wieder so gesund geworden sind wie es Ihnen möglich ist. Solange nehme ich mich zurück."
Stonefield atmete erleichtert aus und griff nach seinen Tressen und seiner Urkunde. "Ich nehme dankend an, Sir."
"Gut, dann ist das amtlich. In Ihre Verfügungen, meine Herren. Major Copeland, wir sehen uns drüben."
Die drei Männer salutierten, mehr oder weniger exakt, und verließen den Raum.
"Stecke sie zusammen mit Ryan zu Shepard in die Lanze, Juliette. Und informiere ihn, dass er sich einen der drei aussuchen soll, damit er zum Sergeant befördert und Wingleader wird."
"Na, das wird ihm schmecken", murmelte sie.
"Oh, ich hoffe nicht", erwiderte Germaine grinsend und griff nach seiner Krücke. "Also, Mädels, lasst uns rüber gehen. Oder in meinem Fall rüber humpeln."
Eine Tür weiter fand die erste Besprechung der wichtigsten Offiziere der neu formierten Chevaliers statt. Stark wie nie, aber auch Konfliktbeladen wie nie. Doch ein gemeinsamer Feind, das wusste Germaine, wirkte manchmal wahre Wunder. Er hoffte, dass die Nebelparder gute Feinde abgeben würden. "Ach, noch etwas, Juli: Dienstbefehl. Da sich alle Mechkrieger der Chevaliers bewährt haben, auch die, die vorher bei den Husaren waren, werden Mechkrieger automatisch zum Corporal befördert, und Lanzenführer automatisch zu Sergeants. Und weise bitte Metellus und Brenstein darauf hin, dass sie mindestens einen Lieutenant ernennen sollen. Das gilt auch für dich, Jara."
"Befördern? Ich? Aber..." Sie seufzte. "Jawohl, Sir."
Germaine lächelte dünn. Jara würde es lernen. Schritt für Schritt. Wie immer. Und sie würden überleben. Schritt für Schritt. Wie immer.