Ace Kaiser
Guncross - Bedrohung vom Mondhimmel
von Alexander Kaiser
Prolog:
"Fünf Uhr, schräg von oben!", klang Perry Immortal Rhodans Warnruf in Reginalds Ohren auf. Der junge Pilot zog seinen Mark XII-Kampfroboter sofort durch einen kräftigen Stoß der Beindüsen aus dem jetzigen Kurs, und damit aus der tödlichen Schussbahn des Angreifers. Es war ein Gorgone, die mittelschwere Variante, mit der die Fantan-Leute versuchten, die Erde zu erobern und zu versklaven. Reginald The Bully Bull zog das Fadenkreuz über die ihn passierende Maschine, und sandte ihr eine volle Raketensalve hinterher. Vier von sechs trafen den Mecha wie die Faust eines Titanen und wirbelten ihn aus dem Kurs. "Du fliegst nicht mehr zum Mond!", rief Bull und setzte mit dem schweren Laser im rechten Arm nach. Der Lichtbolzen schlug durch den nun ungeschützten Torso, traf die Energiespeicher und ließ die außerirdische Konstruktion explodieren.
"Danke, Alter."
"Ist in Ordnung", erwiderte Perry Rhodan. "Du rettest mir ja auch andauernd das Leben."
"Man muss wohl der zweitbeste Pilot der Erde sein", klang die Stimme von Michael Predator Freyt auf, "wenn man sich in einem Kampf auf Leben und Tod ein Privatschwätzchen leisten kann."
"Nur kein Neid, Mike, nur kein Neid", erwiderte Rhodan spöttisch, und fertigte seinen eigenen Gegner ab, einen schweren Mecha der Scylla-Klasse. Die Maschine detonierte noch in der Luft, nachdem der beste Pilot der US Space Academy mit ihm fertig war.
Es war nicht geplant gewesen, dass die halbwüchsigen Kadetten der Space Force in diesen Angriff einbezogen werden sollten; sie hatten wie immer nur die Reserve stellen sollen. Und wie immer waren die regulären Piloten irgendwann von den Hermii, den Gorgonen und den Scyllas teils überwältigt, teils passiert worden. Wieder einmal hatten die elitären Piloten der Kadettenschule eingreifen müssen. Ihre Jugend, ihre perfekte Eichung auf die Mark XII und ihre Reflexe, die jedem erwachsenen Piloten weit überlegen waren, machte sie zu den tödlichsten Gegnern am Himmel. Gelernt hatten ihre Gegner das noch nicht, sonst hätte sie längst begonnen, die Mechas der Kadettenschule zu meiden.
"Schaut mal, wir kriegen prominente Unterstützung", klang die Stimme von Conrad Sidewinder Deringhouse auf. Er markierte ein Radarsignal für seine Mitstreiter, das stetig auf das gegnerische Raumschiff zuhielt, welches als Träger für die Kampfroboter fungierte.
"Das ist der Tran-Atlan", sagte Bully beeindruckt. "Damit ist die Fregatte Geschichte."
"Abwarten", sagte Rhodan ernst. "Wir räumen hier auf, und dann bieten wir dem Tran-Atlan unsere Hilfe an."
Es war ein offenes Geheimnis, dass Perry den erklärten Retter der Menschheit, Captain Zoltral, nicht besonders mochte. Aber der Kadettenmajor war professioneller als mancher Berufssoldat und dachte zuerst an den Dienst, und danach erst an seine persönlichen Ressentiments.
"Hilfe?", fragte Rod Stonewall Nyssen amüsiert, während über ihnen das Symbol der Fregatte erlosch. "Wie willst du jemandem helfen, der alleine ein Kriegsschiff auseinander nimmt, Perry?"
"Nun, man kann hinter ihm aufräumen", erwiderte Rhodan und gab vollen Schub auf die Düsen.
"Da hat er auch wieder Recht. Ihm nach!", rief Freyt und jagte den Nachbrenner hoch, um dem besten Piloten der Space Force folgen zu können.
Es war eher selten, ging es Bully durch den Kopf, das sich Vergnügen und Rettung der Menschheit so wunderbar vereinten wie in diesem Fall. Wo stand auch geschrieben, das man keinen Spaß haben durfte, nur weil es um das zukünftige Schicksal von sechs Milliarden Menschen ging? "Hinterher, Jungs, oder die fangen ohne uns an!", rief er und beschleunigte ebenfalls.
Nyssen legte ebenfalls nach, was dazu führte, das der fünfte Pilot, Conrad Deringhouse, plötzlich viel Platz um sich herum hatte. "Wa-wartet, Jungs!", rief er hastig und gab Vollschub auf das Haupttriebwerk.
***
"Eine exzellente Leistung, Jungs", sagte Colonel McClears mit Stolz in der Stimme. "Die Nationalgarde und die Air Force sind stinksauer auf euch. Kein Wunder, Ihr habt nicht nur die achtzehn Mechas abgeschossen, die durch ihren Sperrriegel durchgebrochen sind, Ihr habt auch noch ihre Verteidigung geschlossen und den Hauptangriff abwehren geholfen. Und das von, ich zitiere: Ein paar grünen Kadetten, die noch Muttermilch saugen."
Die Kadetten, die vor dem stellvertretenden Akademieleiter der Space Force standen, grinsten von einem Ohr bis zum anderen. Eine gesunde Rivalität zwischen Army, Nationalgarde und der neu gegründeten Space Force war immer wünschenswert, weil dabei die Besten herauskristallisiert wurden. Ein Wettkampf wie die natürlich Auslese, bei dem die Fähigsten übrig bleiben würden. Und für den Kamp gegen die Fantan-Leute, die regelmäßig vom Mond aus angriffen, brauchten sie die Besten. Wenn Nationalgarde und Army wirklich derart an die Decke gegangen waren, dann mussten die fünf Kadetten der Space Force bei den Spitzenpiloten rangieren.
"Und das war der letzte Beweis, den wir gebraucht haben, meine Herren", sagte McClears, nun etwas zurückhaltender. "Ehrlich gesagt tut es mir weh, Sie fünf ziehen zu lassen. Aber das Leben geht nun mal weiter, und es bringt nun mal Veränderungen mit sich."
"Moment Mal, Sir", sagte Bull verdutzt. "Stimmt etwas nicht? Wurden wir entlassen? Versetzt? Haben wir etwas falsch gemacht?"
Die anderen Kadetten raunten leise. Nur Rhodan nicht. Er blieb stoisch, unerschütterlich, zeigte wie immer nicht was er dachte.
McClears lächelte nun wieder. "Versetzt trifft es, Bully. Ihr tretet noch heute euren neuen Dienst an, auf dem wichtigsten Flugfeld der Menschheit. Die UNTASO hat euch direkt angefordert, damit Ihr mit dem Tran-Atlan fliegt."
Eine bange Sekunde lang reagierten Freyt, Deringhouse, Nyssen und Bull nicht, doch dann machte sich der erste Jubel Bahn, und die vier Kadetten tanzten entgegen jeder Disziplin-Regel im Büro des Colonels. Nur Rhodan tanzte nicht. Aber das hatte John McClears auch nicht erwartet. Allerdings hätte er nicht gedacht, dass der junge Pilot auf diese Neuigkeit, auf diese einer Auszeichnung gleich kommenden Versetzung mit Ärger im Gesicht reagieren würden.
"Markham Fields. Der Tran-Atlan also", sagte er schließlich, und das dünne Lächeln das er nun zeigte, hätte einem schwächeren Mann als McClears Angst machen können. Dem australischen Stützpunkt, der wichtigsten Verteidigungsstellung der Menschheit, standen interessante Zeiten bevor.
1.
"Das ist es also", sagte Reginald The Bully Bull beeindruckt. Er beschattete seine Augen mit einer Hand und bestaunte den sonnenverbrannten Flughafen im Norden Australiens, auf dem die Militärmaschine ihn und die anderen vier Kadetten abgesetzt hatte. Er konnte sechs Mark XII-Kampfroboter erkennen, die in Staffelgröße über dem Gelände dahin zogen, bevor das Führungspärchen mittels der Nachbrenner im dunkelblauen Himmel verschwand. "Markham Fields. Unsere Fahrkarte direkt in den Weltraum."
"Du meinst wohl eher unsere Fahrkarte", stichelte Michael Predator Freyt. "Denn du bist mittlerweile so fett, dass dich kein Mecha vom Boden heben könnte."
"Das sind alles nur Muskeln", protestierte Reginald und biss trotzig in einen Schokoriegel. "Ich muss außerdem verdammt viel essen, um mein Gewicht zu halten."
"Jungs, das reicht jetzt", klang die mahnende Stimme von Perry Immortal Rhodan auf. Er war zwar nicht der Älteste der fünf Kadetten, aber seine Leistungen hatten ihm den Rang eines Kadettenmajors eingebracht. Keiner der anderen amerikanischen Nachwuchsoffiziere zweifelte daran, dass Immortal als erster aus ihrer Runde die begehrten Lieutenants-Streifen tragen würde. Perry deutete nach Süden, wo schemenhaft die Kaserne des Stützpunkts in der flimmernden Mittagsluft zu erkennen war. "Da kommen unsere Gastgeber."
Die Kadetten strafften sich, als sie die kleine Karawane an Jeeps sahen, die auf sie zugefahren kam. Die offizielle Standarte der UNTASO prangte auf der linken Seite, während rechts die Fahne Australiens im Fahrtwind wehte. Offizielle. UNTASO. United Nations Tactical Army for Space Operations. Sie hatten es geschafft. Hier, von den Markham Fields auf der nördlichsten Spitze des Bundesstaates Queensland, startete die absolute Elite der Erdverteidigung in relativer Nähe zum Äquator. Ab heute gehörten sie dazu.
Der Erste, der den vordersten Jeep verließ, war ein Hüne von Mann, der sogar Freyt noch weit überragte. Er trug keine Uniform, nur einen weißen Kittel. Und da drunter schien er ebenfalls nicht sehr viel anzuhaben, wie die Bambus-Schlappen vermuten ließen. Ihm folgten zwei hochrangige Offiziere. Der erste war General Leslie Pounder, der offizielle Oberkommandierende der UNTASO-Streitkräfte. Ihm folgte General Tai Tiang, die Nummer zwei der Organisation.
Dennoch ergriff der Zivilist zuerst das Wort. "Meine Herren", begann er, wobei ihm dabei beinahe ein mitleidiges Grinsen entglitt, als er die Halbwüchsigen als Herren bezeichnete, "willkommen auf Markham Fields, dem Ort, an dem sich die Hoffnungen der Menschheit konzentrieren."
"Guten Morgen, Sir!", erwiderten die Kadetten.
"Mein Name ist Doktor Peterson. Ich bin der zivile Leiter der Mission. Ich nehme an, General Tiang und General Pounder brauche ich nicht erst vorzustellen." Der Professor ging ein paar Schritte vor den Kadetten auf und ab. "Ihr fünf seid die besten Piloten, die unsere gute alte Erde zu bieten hat. Ihr seid in einem Alter, in dem eure Reflexe auf dem absoluten Höhepunkt sind, und Ihr habt in allen Gefechten mit dem Mark XII-Kampfroboter bewiesen, dass Ihr kämpfen könnt." Abrupt blieb er stehen. "Gentlemen, Ihr seid die Hoffnung der Menschheit gegen die Fantans!"
"Ja, Sir!", riefen die jungen Kadetten, und - wenn das möglich war - richteten sich noch ein wenig mehr auf.
Nun übernahm Tai Tiang das Wort. "Kadetten! Ihr seid die Besten eures Jahrgangs - und dies weltweit. Das ist nicht nur eine große Ehre, sondern auch eine große Verpflichtung, denn Ihr kämpft nicht nur für euch oder eure Heimatländer, sondern auch für jeden einzelnen jungen Piloten, der ebenso wie Ihr darum gekämpft hat, heute an dieser Stelle stehen zu dürfen. Ihr steht hier, und Ihr werdet schon bald mit euren Kampfrobotern in den Erdorbit starten, um unseren Heimatplaneten gegen die Fantans zu verteidigen. Dafür werdet Ihr nicht länger in den bewährten Mark XII-Exos fliegen; auf euch wartet unser allerneuestes Modell, der Atlan! Ihr werdet das Rückgrat der Erdverteidigung gegen die Bedrohung vom Mond werden! Entweder das, oder jämmerlich krepieren, was uns den bedauernswerten Verlust eines unserer kostbaren Atlan-Kampfroboter einbringen wird." Der Blick des schlanken Asiat ging über die angetretenen Kadetten. "Willkommen am größten Hort der Hoffnung, eurer persönlichen Hölle." Tai Tiang sah hinter sich. Leslie?"
Der große, pausbäckige Mann trat nun vor die Kadetten. "Meine Herren, ich stehe hier mit einem gewissen Stolz vor euch. Ihr seid alle Absolventen der US Space Force, und bestätigt damit unsere Auswahlkriterien und unser Training. Es steht außer Frage, dass die Welt in Zukunft nach unserem Konzept ausbilden, und etliche weitere, hoch qualifizierte junge Piloten produzieren wird. Bis es aber soweit ist, stehen Sie, meine Herren, zwischen der Menschheit und ihrer vollständigen Unterwerfung durch die Fantan-Leute." Er machte eine Pause und musterte die jungen Piloten lange Zeit. "Einige werden sich sicher schon gefragt haben, warum Sie nur zu fünft sind, eine Staffel Mechas aber aus sechs besteht. Nun, das hat einen simplen Grund: Sie werden alle unserem besten Piloten zugewiesen, als direkte Unterstützung. Sie alle werden Seite an Seite mit Captain Zoltral und dem Tran-Atlan kämpfen."
Diese Eröffnung ließ die jungen Piloten ihre Disziplin vergessen. Jeder, der einmal in seinem Leben überhaupt etwas von Mechas gehört hatte, der amerikanischen Mark-Serie, den chinesischen Yen-Lo-Wangs, den russischen Katjusha oder den europäischen Zeus-Modellen, kannte natürlich Name und Rang des absoluten Ass der UNTASO, jenes Piloten, der zusammen mit seinem unbesiegbaren Tran-Atlan in den letzten drei Jahren die Erde fast im Alleingang davor bewahrt hatte, von den Fantans erobert zu werden. Aufgeregt raunten und flüsterten sie miteinander. Alle bis auf Rhodan. "Disziplin!", sagte der junge Kadett halblaut und erinnerte die anderen vier wieder daran, wo sie waren. Und dass sie im Dienst waren.
Pounder lächelte unergründlich. "Was ich Ihnen jetzt präsentiere ist nicht einfach als Staatsgeheimnis zu deklarieren. Es ist mehr als das, viel mehr. Aber was soll ich lange Worte machen?" Er wandte sich nach hinten. "Thora, kommst du?"
"Sofort!", rief eine helle Mädchenstimme aus dem letzten Wagen. Dann erschienen zwei beachtlich lange Beine im Sichtfeld der Kadetten, die von einer reichlich hoch abgeschnittenen Jeans begrenzt wurden. Dem folgte ein durchgeschwitztes weißes Hemd, das über einer schmalen Mädchentaille zusammengebunden war. Den Abschluss bildeten grazile Arme, eine von dem Hemd nicht optimal bedeckte beachtliche Oberweite, ein entrückend schönes Mädchengesicht und ein Schwall weißblonden Haars. Das Mädchen kam langsam näher. Ihre Flip-Flops machten dabei das einzige Geräusch, denn die jungen Kadetten sahen ihr schweigend zu.
Perry spürte, wie ihn jemand mit einem Ellenbogen in die Seite knuffte. "Hey, Alter, hast du gewusst, dass Schweden jetzt auch in der UNTASO ist?", klang Bullys Stimme amüsiert auf.
"Junge, Junge, Junge", murmelte Freyt neben ihm fasziniert. "Ob sie vielleicht heute Abend Zeit hat?"
Rhodan hob eine Hand und verbot damit Deringhouse etwas zu sagen, bevor der junge Bursche etwas wirklich Dummes zum Besten geben konnte. "Stillgestanden!", blaffte er, und die anderen Kadetten reagierten automatisch.
Pounder nickte zufrieden. "Gut geraten, Perry. Dies ist Thora Zoltral. Captain Zoltral, um genau zu sein. Die Pilotin des Tran-Atlan. Ihre neue Vorgesetzte, meine Herren. Es ist eines unser bestgeschützten Geheimnisse, dass Captain Zoltral eine Frau ist, um sie vor den allgegenwärtigen Agenten der Fantans zu beschützen - abgesehen davon, dass die Markham Fields von zwei Divisionen der UNTASO verteidigt werden."
"Captain VON Zoltral", sagte Thora. Es klang nicht sehr bissig, eher so als wäre sie diese Worte so sehr gewohnt, dass sie sie schon leid war.
Sie trat vor die jungen Männer und musterte sie so ungeniert, wie diese die junge Frau zuvor gemustert hatten. "Das sind also die Besten der Besten, General Pounder? Sie sind noch halbe Kinder."
"Sie sind in deinem Alter, Thora. Alle zwischen sechzehn und siebzehn, dem Alter, in dem die Synchronisationsrate mit den Atlans am Höchsten ist. Dem Alter, in dem ihre Reflexe ihren besten Wert haben. Sie sind alle fünf Handverlesen."
"So, sind sie das?", fragte Thora und setzte ihre Musterung fort.
Schließlich stemmte sie die Hände in die Hüfte und schmunzelte. "Und wer von euch Helden ist Immortal?"
Ein Laut des Mißfallens klang von Freyt auf. Deringhouse sagte resignierend: "War ja klar."
"Das bin ich", sagte Perry ernst. Es dauerte einen Moment, dann fügte er ein verlegenes Ma'am an. Seine Kameraden kicherten leise über seinen Fauxpas.
Thora musterte Rhodan eingehend. Von dort ging ihr Blick zu Bull. "Ihn will ich auch."
Diese durchaus missverständlichen Worte ließen die Kadetten überrascht aufraunen.
Thora, der einfiel, das sie gerade mehr als zweideutig gewesen war, errötete. "Wir werden für die Operation Lunar Dream in Dreierteams operieren, nicht in klassischen Paaren. Mein Team wird aus mir, Immortal und Bully bestehen."
"Frage, Ma'am: Warum sind Sie sich so sicher, dass der Dicke hier The Bully ist?", fragte Freyt ärgerlich.
"Weil mir gesagt wurde, dass der Junge aussieht wie ein Fass. Wenn man aber näher heran tritt, sieht man, dass es Muskeln sind, kein Fett", erwiderte sie trocken.
Reginald Bull ächzte erstaunt auf. "Ich glaube, ich bin verliebt!"
"Lunar Dream?", hakte Rhodan nach, während die anderen drei Kadetten verbal über Bull herfielen. "Wir fliegen bis zum Mond? Wir greifen die Fantans an ihrer Basis an?"
"Der Atlan hat die Fähigkeiten dazu", erklärte Thora. "Er wurde meinem Tran-Atlan nachempfunden. Man hat drei Jahre gebraucht, um die Nachbauten zur Serienreife zu bringen. Doch selbst jetzt sind die Atlans kostbar und selten. Und sie stellen höchste Anforderungen an die Piloten. Nur die Besten sind gerade gut genug."
"Mag sein, aber drei Piloten für einen Angriff auf den Mond? Selbst wenn der Tran-Atlan unter ihnen ist, bedeutet das ein unmögliches Selbstmordkommando."
"Keine Sorge, Immortal", sagte Thora in spöttischem Ton. "Keiner verlangt von dir, die Fantans im Alleingang zu besiegen. Was wir vorhaben ist eine Rettungsoperation aus ihrer Hauptbasis."
Conrad Deringhouse hob die Hand. "Hier, Miss, eine Frage! Wen werden wir retten?"
"Meinen Onkel Crest", erwiderte Thora ohne zu zögern. "Ich warte seit drei Jahren auf diese Chance." Sie ballte die Hände zu Fäusten und biss sich auf die Lippen. Ihre Nägel gruben sich in die Handballen, und an der rechten Hand tropfte kurz darauf Blut herab. "Mit ihm steht und fällt die gesamte Operation der Fantan-Leute im Sol-System. Gelingt es uns ihn zu befreien, bricht der Angriff zusammen. Zumindest dieser Angriff."
"Wäre es dann nicht taktisch klug - rein militärisch gesehen, Captain Zoltral - wenn wir Crest eliminieren? Das dürfte leichter sein als ihn zu retten", merkte Rod Nyssen an.
"Und es wäre die größte Dummheit, die wir begehen könnten", warf Tai Tiang ein. "Es würde zu weit gehen, Ihnen alles zu erklären, aber soviel sollten Sie verstehen und verinnerlichen: Crest von Zoltral ist lebendig der größte Schatz, den die Menschheit jemals erhalten kann und jemals wieder erhalten wird. Das Feuer? Vergessen Sie's. Das Rad? Firlefanz. Die Elektrolyse? Kinderkram. Crest ist einer der begabtesten Wissenschaftler der ganzen Galaxis, und sein Wissen wird der Erde zur Verfügung stehen, nachdem wir ihn gerettet haben. Unser Ziel muss es sein, ihn lebendig zu befreien. Unbedingt. Auch für den Preis aller unserer Atlan-Kampfroboter. Auch zum Preis Ihres Lebens, meine Herren."
Die Kadetten raunten leise durcheinander. Nur Bull blieb äußerlich ruhig und grinste dünn. "Okay, ich glaube, ich verstehe jetzt, wie wichtig dieser Bursche für die Erde ist."
"Dann hast du ungefähr ein Zehntel begriffen", sagte Thora. Sie wirbelte herum. "Sie sind akzeptabel, für den Anfang. Aber ich will sie in den Simulatoren, und spätestens morgen in den Atlans sehen, General Tiang."
"Ihre Leute, Ihr Team, Ihr Zeitplan, Captain", sagte Tai Tiang.
Sie nickte zufrieden. "Immortal, The Bully, Ihr fahrt mit mir. Der Rest quetscht sich zu Doktor Peterson in den Wagen." Die junge Frau marschierte los, ohne sich ein zweites Mal umzusehen. Rhodan folgte ihr ohne zu zögern, und selbst Bull nahm sich nur kurz die Zeit, um seinen Kameraden ein herunter gezogenes Augenlid zu zeigen, bevor er folgte. Über ihnen fielen vier Mark XII auf den Raumhafen herab, und stieben kurz vor dem Boden kreuzförmig auseinander.
***
"Albrecht, wir können", sagte Thora dem Fahrer, nachdem sie sich auf den Beifahrersitz gesetzt hatte. Für Perry und Reginald blieb damit nur die Rückbank.
Er bestätigte fröhlich und fuhr an. Kühlender Fahrtwind linderte die Mittagshitze ein wenig. Aber es sah für Perry ohnehin nicht aus, als hätte ausgerechnet Thora irgendwelche Probleme mit der Temperatur.
"Können wir die Atlans nicht heute schon ausprobieren?", fragte Reginald, und öffnete einen weiteren Schokoriegel. Einen zweiten bot er Thora an. "Auch einen? Du siehst aus als könntest du etwas auf die Rippen vertragen."
"Du siehst aus als könntest du etwas auf die Rippen vertragen, Captain", tadelte Thora, aber ihr Grinsen relativierte ihre Worte wieder. Sie nahm den Riegel entgegen. "Danke. Ab und an etwas Schokolade hat noch nie geschadet. Übrigens eure zweitgrößte Errungenschaft auf der Erde, gleich nach der Popmusik."
"Also doch", sagte Perry trocken.
"Also doch, was, Kadett Rhodan?", fragte der Fahrer fröhlich.
"Bevor ich es vergesse, unser Fahrer ist Major Albrecht Klein von der UNTASO-Abwehr. Er ist für meine persönliche Sicherheit zuständig. Er, die Majore Kosnow und Li, die Agents Matsu und Sloane sowie fünfhundert handverlesene Elite-Soldaten."
"Nur das Beste für die beste Pilotin der Erde", sagte Klein grinsend. Er sah kurz nach hinten auf die Rückbank. "Also doch was, Kadett Rhodan?"
"Also doch", erwiderte er tonlos. "Sie ist eine Außerirdische. Auch wenn ich mir die immer mit grünen Tentakeln vorgestellt habe. Nicht so menschlich."
"Und nicht so hübsch", raunte Bull ihm ins Ohr.
"Und nicht so hübsch... BULLY!"
"Das haben Sie gut erkannt, Kadett Rhodan. Was hat Captain Zoltral verraten?"
"Sie trägt keine Kontaktlinsen."
Für einen Moment schien Klein verblüfft zu sein. "Was? Sie trägt keine Kontaktlinsen? Und das hat sie verraten?"
"Sie hat goldene Augen und fast weißes Haar. Außerdem nimmt ihre Haut nur unwillig Farbe an, obwohl Australiens Sonne so nahe am Äquator sehr intensiv ist. Zuerst habe ich darauf getippt, dass sie ein Albino ist, also über kein natürliches Melanin verfügt. Das hätte aber nicht mit der leichten Bräune funktioniert. Also habe ich darauf getippt, dass sie eine Außerirdische ist. Als Captain Zoltral dann von "euren Errungenschaften" gesprochen hat, so als hätte sie mit der Erde nichts zu tun, war ich mir sicher."
"Respekt, Kadett Rhodan. Respekt. Manche brauchen Jahre und ein paar sehr gute Hinweise, um die Wahrheit auch nur zu erahnen." Er grinste wieder nach hinten. "Na, geschockt?"
"Nein. Ich habe es erwartet. Captain, waren Sie schon immer Pilotin des Tran-Atlan?"
"Ja, seit ich mit ihm vom Mond geflohen bin", erwiderte sie.
"Moment Mal, Moment, heißt das etwa, Captain Zoltral ist eine von den Fantans?"
Klein kicherte vergnügt. "Habe ich was Lustiges gesagt?", fragte Bull verblüfft.
Daraufhin lachte der Geheimdienstoffizier wie ein wieherndes Pferd. "Möchten Sie das übernehmen, Captain?", fragte er, kaum das es ihm gelungen war, wieder Atem zu schöpfen.
"Gerne. Nein, Bully, ich bin keine Fantan. Im Gegenteil, ich... Es dürfte jetzt etwas weit führen, und ich will jetzt nicht erklären, was ich euren Kameraden später noch mal erzählen muss. Aber ich entstamme einem Volk namens Arkoniden. Wir Arkoniden beherrschen ein großes Reich in der Milchstraße, das viele hundert Völker umfasst. Eines dieser Völker sind die Überschweren, eine Rasse von arkonidischen Siedlern, die sich vor zehntausend Jahren auf einem Planeten mit doppelter Erdanziehungskraft niedergelassen haben. Über die Jahrtausende haben sie sich angepasst, wurden kompakter, breiter, aber auch stärker. Unter normaler Erdschwere sind sie nahezu unbesiegbare Kampfmaschinen. Dennoch sind die Überschweren, nun, ein wichtiges Volk im arkonidischen Imperium. Aber nicht alle von ihnen sind sich ihrer Verantwortung für das Reich bewusst. Sie... vermieten ihre Kampfkraft und die Feuerkraft ihrer Schiffe an den Höchstbietenden. Die Fantan-Leute wiederum sind noch etwas niedriger anzusetzen. Sie sind nomadische Piraten, die von Raubzug zu Raubzug eilen."
"Und ihr neuester Raubzug ist anscheinend die Erde." Bully schüttelte sich. "Und wie genau kommen Sie und Ihr Onkel dabei ins Spiel?"
Der Blick der Arkonidin verdüsterte sich. "Mein Onkel Crest hat eine Forschungsexpedition jenseits der Reichsgrenzen angeführt. Er wollte mit Hilfe der AETRON, unserem Expeditionsschiff, eine ganz besondere Ausgrabungsstätte finden. Die AETRON ist ein ziviles Schiff, und als die Fantan-Leute uns angriffen, havarierte es auf dem Mond. Ich war damals wegen meinem Studium Teil der Mannschaft. Letztendlich war ich die Einzige, der mit dem Tran-Atlan die Flucht gelang. Ich rettete mich zur Erde, und bekam das Angebot, die Verteidigung anzuführen. Damals war ich die einzige Chance eurer schönen blauen Welt, und seither habe ich an vielen Orten mit vielen Kameraden gekämpft."
"Unter anderem in Kansas", sagte Rhodan. "Dort gelang es Ihnen, ein gegnerisches Schiff, das wir als Korvette klassifiziert haben, zu vernichten. Es explodierte und stürzte über fast unbewohntem Farmland ab."
"Das kann sein. Ich erinnere mich nicht mehr an alle Kämpfe. Es waren so viele, die letzten Jahre. So unendlich viele. Ist dieser spezielle Kampf wichtig für Sie, Immortal?"
Rhodans Miene wurde verschlossen. Bully hingegen war blass geworden. "Perry, du meinst doch nicht etwa... Oh mein Gott, daran habe ich ja überhaupt nicht mehr gedacht!"
Klein sah nach hinten. Dabei tastete seine Rechte unauffällig zum Holster mit seiner Schusswaffe. "Haben Sie ein Problem, Kadett Rhodan?"
"Das Farmland war nur fast unbewohnt. Einzelne Wrackteile gingen über der Farm meines Onkels Karl nieder. Dabei wurde meine Schwester Cora getötet."
Nun war es an Thora, bleich zu werden. "Bei den She'Huan, Rhodan, das... Das wollte ich nicht. Wirklich, das wollte ich nicht."
Der linke Nasenflügel des jungen Manns bebte, aber er blieb ruhig. "Haben Sie keine Sorge, Captain Zoltral. Ich gebe Ihnen keine Schuld am Tod meiner Schwester. Oder an den Verletzungen, die mein Onkel und meine Tante erlitten haben. Ohne Sie und den Tran-Atlan wären sie vielleicht schon lange zuvor von der Hand der Fantan-Leute gestorben. Ohne Sie wären sehr viele Menschen gestorben. Das habe ich schon vor sehr langer Zeit erkannt." Rhodan sah fort. "Aber ich habe noch etwas anderes erkannt: Hätte ich den Tran-Atlan gesteuert, wäre es sicher nie zu dieser Katastrophe gekommen. Ich hätte Coras Tod verhindern können. Deshalb habe ich beschlossen, selbst Mecha-Pilot zu werden, der beste Mecha-Pilot der Erde. Und ich will es besser machen als Sie, Captain. Ich will es richtig machen."
Kleins Hand zog sich langsam vom Holster wieder zurück. "Na, da hast du dir ja ganz schön was vorgenommen, Junge", murmelte er leise.
"Keine Sorge, Perry steckt seine Ziele immer hoch. Das ist ja das Problem mit ihm", sagte Bull. "Oder seine Stärke. Da bin ich mir noch nicht so sicher. Alter, bist du in Ordnung?"
"Warum sollte ich das nicht sein? Schon morgen sitze ich in einem der besten Mechas, welche die Menschheit je erbaut hat. Und dann trete ich den Fantans mal richtig in den Arsch. Mir geht es sehr, sehr gut, Reginald." Er sah Thora in die Augen. "Sehr, sehr gut."
Den Rest der Fahrt schwiegen sie, bis Klein schließlich vor den Kasernengebäuden hielt.
"Endstation", verkündete Klein eine Spur zu fröhlich, um es wirklich ernst zu meinen. "Meldet euch beim Unteroffizier vom Dienst, bezieht eure Quartiere, und meldet euch in zwanzig Minuten im Hangar."
"Kadett Rhodan", rief Thora ihm nach.
"Captain?"
Die Arkonidin leckte sich kurz nervös über die Lippen. "Ich wollte Ihnen nur sagen, dass..."
"Ma'am, Sie waren damals vierzehn oder fünfzehn Jahre alt, und das Schicksal hat Sie dazu verdammt, die Menschheit zu retten, ob Sie wollten oder nicht", sagte Rhodan ernst. "Ich verstehe das. Vor allem seit ich aus erster Hand weiß, wie schwierig es ist, einen Mecha zu steuern."
"Sie verstehen das, aber vergeben können Sie mir nicht, oder?", fragte sie bitter.
Rhodan antwortete nicht, und das sagte genug.
"Kadett Rhodan, Sie werden Ihre Chance kriegen", sagte Thora fest.
"Meine Chance?"
"Ihre Chance, den Tran-Atlan zu steuern und es besser zu machen als ich." Entschlossen sah sie ihn an, bevor sie stolz den Blick nach vorne richtete. "Zum Hangar, Albrecht."
"Zu Befehl, Captain." Mit quietschenden Reifen fuhr der Jeep los.
Bully legte seine Rechte schwer auf Rhodans Schulter. "Sag mal, Alter, hältst du es wirklich für so klug, gleich am ersten Tag deinen kommandierenden Offizier zu verprellen? Abgesehen davon, dass sie mit Abstand das heißeste Mädchen ist, das ich in meinem kurzen Leben gesehen habe?"
Perry grinste den Freund an. "Na dann warte lieber erst mal ab, bis Schweden doch noch in die UNTASO einsteigt."
"Sehr komisch, Herr Rhodan. Sehr komisch."
Rhodan winkte ab. "Komm endlich, Dicker, wir haben nur noch neunzehn Minuten. Außerdem können wir uns unsere Räume zuerst aussuchen, solange Michael und die anderen noch nicht da sind."
"Ein gutes Argument, Alter", sagte Bully fröhlich und folgte Perry ins Gebäude. Ja, Markham Fields gefiel ihm schon jetzt verdammt gut.
***
Rotiron hob nervös den Kopf, als die beiden vollpositronischen Kampfroboter an der Tür ihre Waffenarme hoben. Sie reagierten. Das war immer ein schlechtes Zeichen. Normalerweise analysierten sie nur. Aktionen erlaubten ihre positronischen Gehirne nur, wenn diese notwendig waren, beziehungsweise schienen. In diesem Fall entschieden die positronischen Denkmaschinen, die Waffenarme in die Richtung einer potentiellen Bedrohung zu richten, um im Falle einer Attacke Reaktionszeit zu sparen. Die Waffen zeigten nun auf die Tür von Rotirons Büro, nicht auf die Schächte oder Wände. Das war beruhigend. Er musste keinen Attentäter erwarten, der durch die Schächte kroch, um ihn umzubringen. Schon wieder. Es konnte sich auch um einen völlig normalen Besucher handeln, sofern es so etwas in einer straff organisierten Truppe wie den Fantan-Piraten überhaupt gab. Es konnte auch eine Horde Meuterer sein, die ihn absetzen und umbringen wollte. Wieder einmal.
Rotiron seufzte leise. Als er sich selbst zum Chef der Sektion "Roter Blutmond" aufgeschwungen hatte, durch ein geradezu genial zu nennendes Giftattentat auf die damals dreiköpfige Führungsriege, da hatte er es sich wesentlich leichter vorgestellt, die Piratenbande anzuführen und sich gegenüber den anderen Sektionen durchzusetzen. Schließlich war er Kopfarbeiter, und kein plumper Muskeltyp. Aber an der Spitze war es einsam, sehr einsam. Und man gab eine viel zu gute Zielscheibe an. Gewiss, Rotiron hatte Vorkehrungen getroffen. In seinem Büro standen die einzigen aktiven Kampfroboter, die auf seinen Befehl hörten, und zwar nur auf seinen Befehl. Natürlich waren sie in Feuerkraft und Kampfkraft nicht mit den großen Mechas zu vergleichen, die von den Fantans in die Schlacht um die Erde geführt wurden. Aber im Kampf gegen einfache Infanterie oder unzufriedene Meuterer waren sie sehr effektiv. Außerdem hatte er dafür gesorgt, dass sie über die neueste Sensorentechnik verfügten, die es auf dem Schwarzmarkt gab. Sie waren gut genug, um selbst Attentäter in drei Meter dicken Wänden in Luftschächten zu orten, bevor sie zuschlagen konnten. Das Loch hatte er immer noch nicht ordentlich reparieren lassen, aus Angst, einem verräterischen Techniker die Möglichkeit zu geben, hier eine Bombe zu platzieren. Die Roboter waren auch in der Lage, die Zusammensetzung der Luft permanent zu prüfen. Ein erhöhter Stickstoffgehalt oder auch nur vereinzelte Giftmoleküle genügten ihnen bereits, um Rotiron zu alarmieren. Er hatte alles getan, was er für seine Sicherheit hatte tun können. Und nicht eine einzige Vorsichtsmaßnahme war übertrieben. Nicht bei den Fantan-Piraten.
Es klopfte. Rotiron zuckte zusammen, betätigte aber die visuelle Gegensprechanlage. Ein Hologramm entstand und bildete Lertakan ab, den Kommandeur der BLUTGOLD. Nach ihm war Lertakan auf lange Sicht der einzige Pirat mit ein wenig Verstand im Roten Blutmond. Das bewies er vor allem damit, dass er Rotiron noch immer unterstützte, während die anderen Kapitäne bereits mehrfach seine Absetzung gefordert hatten. Aber Lertakan wusste, dass man der Erde nicht mit brachialer Gewalt beikommen konnte. Der unsägliche Tran-Atlan verhinderte so etwas bereits im Ansatz. Er wusste, dass es einen klugen Kopf mit einer guten Strategie brauchte, um diese Welt zu unterwerfen, und damit das Elixier des Ewigen Lebens zu erlangen. "Ja, Lertakan?"
Der Kapitän neigte im Zeichen des Respekts kurz sein Haupt und legte dabei das Gesicht in beide Handflächen. "Ich bitte um eine außerplanmäßige Unterredung, Zhdopanthi."
Rotiron verzog leicht die Miene zu einem abfälligen Grinsen. Es war ein Überbleibsel aus der alten Zeit, vor seiner Regentschaft, dass der Herr des Clans ausgerechnet mit jenem Titel angesprochen wurde, der eigentlich nur dem Imperator selbst, dem Herrn des arkonidischen Groß-Imperiums, zustand. Er hatte diese Bezeichnung beibehalten, auch wenn er wusste, was für ein Unsinn sie war. Noch. Noch war es Unsinn, aber wenn er erst einmal das Serum der Unsterblichkeit in Händen hielt, dann konnte er den Titel eventuell eines Tages mit Leben füllen. Auf Kosten der Arkoniden natürlich. Ein Gedanke, der ihn erfreute. Ein Kolonialarkonide wie er auf Arkons Thron, und die schwächlichen, weißhäutigen hochadlig geborenen Arkoniden mussten ihm, dem Überschweren, huldigen. Was für eine Wohltat für die geschundenen Seelen der Fantans.
"Herr?", hakte Lertakan nach.
Rotiron betätigte den Türkontakt. "Komm herein."
Der Kapitän trat hoch erhobenen Hauptes ein. Wie alle Überschweren war er an eine Schwerkraft von zwei Komma eins Gravo angepasst. Die Genetiker, die damals die arkonidischen Ursiedler an die gravitatorische Hölle von Archetz anpassen mussten, hatten sich dafür entschieden, die Körper der künftigen Generationen kompakter anzulegen. Als Folge davon war ein Überschwerer selten größer als einen Meter sechzig - aber fast ebenso breit, und etwa halb so massiv. Eine halbe metrische Tonne Gewicht war keine Seltenheit. Damit einher ging natürlich eine enorme Kraft gegenüber normalsterblichen Arkoniden, weshalb die Überschweren oft und gerne als Soldaten rekrutiert worden waren. Daraus hatte sich ein Geschäft des söldnerischen Begleitschutz entwickelt. Und natürlich Piraterie, denn es gab immer Söldner, die es beim Brandschatzen und Plündern etwas übertrieben hatten, wenn es galt, eine Welt zu erobern. So waren verschiedene Organisationen und Bruderschaften entstanden. Eine von ihnen war die Fantan-Piratengruppe. Eine besonders ruchlose, gewalttätige Versammlung zwar hervorragender Raumfahrer und Soldaten, aber eben auch Gesetzloser. Mittlerweile waren alle in der sechsten Generation in dieses Leben hinein geboren worden, ohne eine andere Wahl zu haben. Arkon hätte nie akzeptiert, das sie sich von den Piraten lossagten; und die Piraten hätten sie für solch eine Handlung ohnehin einen schmerzvollen Tod sterben lassen. Es gab keine Aussteiger bei den Fantans. Niemals. Bis heute.
Lertakan war etwas lindgrün um die Nase. Das war bei seinem natürlichen hellgrünen Teint immer ein Zeichen dafür, das ihn etwas quälte.
"Heraus damit. Wie verlief der Angriff auf Nordamerika?"
"Wir haben die TODBRINGER verloren, und dazu über siebzig Mechas der Thark-Klasse."
"Das sind mehr als herbe Verluste, Lertakan."
Der Kapitän nickte bestätigend. "Der Tran-Atlan ist zu Hilfe geeilt. Er hat den Scheinangriff über Hong Kong ignoriert und sich der TODBRINGER gewidmet."
Rotiron schlug mit beiden Händen auf die Lehnen seines Stuhls. "Diese kleine goldäugige Schlampe! Ich wusste, ich hätte ihren dürren Hals durchbrechen sollen, als ich sie das erste Mal gesehen habe!"
"Es gibt keinen Beweis dafür, das Thora von Zoltral den Tran-Atlan steuert", wandte Lertakan ein. "Sie hat keine militärische Ausbildung, die die Führung eines Katsugo-Mechas erlauben würde. Diese zarte Blume eines arkonidischen Khasurns wird sich das blutige Geschäft des Krieges kaum selbst beigebracht haben."
"Ich weiß, dass Ihr alle nicht glaubt, dass ein kleines arkonidisches Mädchen die ach so großartigen Piraten der Fantan-Bruderschaft seit drei Jahren vernichtend schlägt!", zischte Rotiron ärgerlich. "Aber ich kann mir den Luxus, damit mein Ego zu streicheln, leider nicht leisten!"
"Unsere Agenten auf der Erde konnten zugegebenermaßen noch nicht auf die Markham Fields vorstoßen", gab Lertakan zu, "aber alle Informationen, die wir bisher einholen konnten, lassen darauf schließen, dass terranische Elite-Piloten den Tran-Atlan lenken, nicht etwa unsere zarte arkonidische Blüte. Major Li Tschai-Tung oder Major Peter Kosnow kommen hierfür in Frage. Die besten Piloten, die Terra hat."
"Wenn du das weißt, warum sind sie noch nicht tot?", zischte Rotiron.
"Markham Fields ist nicht zu penetrieren. Und der Tran-Atlan beschützt seinen Heimathafen besser als jeden anderen Ort der Erde. Wir bereiten ein Kommandounternehmen vor, für das nur noch wenige... Details erbracht werden müssen. Dann gelingt es uns vielleicht, die beiden Majore auszuschalten oder sogar den Tran-Atlan zu erobern. Aber es dauert noch einige Zeit." Lertakan lächelte dünnlippig. "Bei der Abwehr unserer Attacke auf die kalifornischen Wirtschaftszentren hatten die Verteidiger nach anfänglichen schmerzhaften Verlusten übrigens keine besondere Schwierigkeit, unsere Truppen abzuwehren, während der Tran-Atlan die Fregatte vernichtet hat. Die Verteidiger haben Unterstützung von Mechas der Kadetten der Space Force erhalten."
"Nicht die auch noch", raunte Rotiron anklagend. "Wir haben so schon genügend Zecken im Pelz. Müssen wir uns auch noch um diese kümmern? Warum hat nicht schon jemand diesen kleinen Bastarden den Hals umgedreht, bevor sie eine richtige Gefahr werden?"
"Wir arbeiten daran. Und mit den heutigen Verlusten ist dieses Ziel nicht mehr fern, Zhdopanthi", erwiderte Lertakan mit einem breiten Grinsen und einer weiteren spöttischen Verbeugung.
Rotiron rieb sich die Stirn. "Wie viele unserer Leute, die am Kalifornien-Angriff beteiligt waren, sind in terranische Gefangenschaft geraten?"
"Über zweihundert, Herr. Wie wir es erwartet haben, wurden sie in die Nevada Concentration Facility für alle gefangenen Fantans Nordamerikas gebracht. Viele wurden verletzt. Aber die Zahl der einsatzbereiten Krieger im Lager ist damit auf über achtzig gestiegen."
Rotiron lächelte zufrieden. "Dann liegt die Zerstörung der Nevada Fields zum Greifen nahe. Und damit das Ende dieser Halbwüchsigen, die uns das Leben schwer machen. Lösch sie aus, Lertakan. Keine Gnade für Männer, Frauen, Kinder. Lass sie alle umbringen. Und bring mir so viele Mark XII-Kampfroboter, wie deine Leute erbeuten können." Er lachte höhnisch. "Wozu haben wir sonst mit Crest von Zoltral den besten Wissenschaftlers Arkons in unserer Gewalt? Er wird uns schon sagen können, was die terranischen Mechas um so viel besser als unsere Tharks macht. Und dann steht unserer Herrschaft nichts mehr im Wege, und wir können in aller Ruhe nach der Unsterblichkeit suchen, während wir Terra langsam bis zum letzten Blutstropfen ausbeuten werden."
Ein hämisches Lächeln glitt über Lertakans Züge. "Dein Plan wird Früchte tragen. Und dann wird es nicht mehr lange dauern, bis sich auch die anderen Fantan-Gruppen unter dein Kommando stellen, Herr."
"Nein, das wird es nicht. Sobald wir das Geheimnis der Unsterblichkeit in Händen halten, werden sie angekrochen kommen, auf Knien, uns anbetteln. Und dann wird die Macht der Fantans erstmalig in einer Hand gebündelt sein. Eine Macht, die Archetz erobern kann, und die uns die Jahrtausende der Repressalien vergelten wird, die unsere ach so edlen Vettern auf uns herab beschworen haben..."
Er schnaubte aus. "Zukunftsmusik. Noch. Konzentrieren wir uns also auf das Naheliegende. Die Ermordung der Majore Kosnow und Tschai-Tung, und die Auslöschung unserer viel versprechenden jungen Kadetten der US Space Force in Nevada Fields."
"Das werden wir, Zhdopanthi", versprach Lertakan.
"Gut. Kümmere dich darum. Du bist entlassen."
Wieder verneigte sich der Überschwere, dann ging er rückwärts durch die Tür, bis sie sich vor ihm wieder verschloss. Das tat er nicht aus Demut, sondern weil die drei Vorgänger Rotirons dazu geneigt hatten, unliebsamen Zeitgenossen in den Rücken zu schießen. Gewohnheiten, die sich bewährt hatten, konnte man so schlecht aufgeben.
Rotiron atmete tief durch, nachdem Lertakan den Raum verlassen hatte. Dann sprang er auf und trat zu einem der wenigen Regale an der Wand. Er zog eines der dickeren Bücher hervor und entblößte damit ein Sensorfeld in der Wand. Ohne zu zögern presste er den Daumen auf die Oberfläche. Kurz darauf fuhr ein Teil des Bodens wie eine Iris in sich zusammen und öffnete einen geheimen Antigravschacht. Ohne zu zögern sprang Rotiron hinein und ließ sich in die Tiefe tragen.
Die Basis war erstaunlich. Gut ausgebaut, auf einem modernen Stand, und dennoch zehntausend Jahre alt. Sie zu finden, sie zu nutzen war einer der Zufälle, die nur den Tüchtigen in die Hände fallen konnte. Als die Gruppe Roter Blutmond damals dem Notsignal eines arkonidischen Forschungskreuzers gefolgt war, um Geiseln zu nehmen und Hightech und Geld zu erbeuten, war sie über diese Basis gestolpert und hatte sie in Besitz genommen. Laut der Positronik, die noch immer tadellos funktionierte, hatte ein arkonidischer Prinz namens Mascaren sie einst erbauen und für die Ewigkeit konservieren lassen. Heute, zehntausend Jahre später, diente sie ausgerechnet den Fantan-Leuten als Basis für die Eroberung der Erde und die Suche nach dem Ewigen Leben.
Von hier aus wurden die über fünfzig Schiffe aller Klassen versorgt, welche die Erde blockierten. Von hier aus wurden über zehntausend Überschwere versorgt und koordiniert, die zur Gruppe gehörten und unter seinem Befehl nach Spuren des Ewigen Lebens suchten.
Fünfzig Schiffe, ging es Rotiron durch den Kopf, und sie hatten nach drei Jahren noch immer nicht die Erde erobert. Das lag zu einem nicht geringen Teil daran, dass die Fantan-Walzen in der dichten Atmosphäre der Erde fliegende Zielscheiben für die terranischen Verteidiger waren. Und er war nicht Narr genug, um seine kampfstärksten Schiffe in so einer dummen Attacke zu opfern, solange er Fregatten und genügend Thark-Mechas zur Verfügung hatte. Und zum anderen daran, dass er bisher von einem flächendeckenden Bombardement abgesehen hatte, das zweifellos die Menschheit in die Knie gezwungen hätte. Die Vernichtung der größten Städte der Erde, New York, Mexico City, Shanghai, Tokio, Kalkutta und Chongqing hätte da sicherlich geholfen. Aber leider konnte er ein Bombardement nicht riskieren, solange er einerseits befürchten musste, die mageren Spuren zur Unsterblichkeit mit zu vernichten, und andererseits sein Alternativplan noch immer möglich war.
Nicht, das er wirklich an die Unsterblichkeitsgeschichte und an diese Wesen glaubte, die älter als die Sonne waren. Aber für seine Leute, die tumben, einfältigen Raumpiraten, für die das Brechen von Knochen die schönste Musik war, war es genau die richtige Ablenkung, um sie bei der Stange zu halten. Die Aussicht nicht mehr sterben zu müssen hatte eine beinahe schon mystische Wirkung auf die Piraten der Fantan-Truppe. Anscheinend verwechselte jeder dieser Idioten die potentielle Unsterblichkeit mit Unverwundbarkeit. Außer ihm, natürlich.
Der Schacht entließ ihn in einem geräumigen Großhangar, in der die Schwerkraft rapide abnahm. Hier war alles auf schwächliche Arkoniden abgestimmt, genauer gesagt auf einen schwächlichen Arkoniden: Crest von Zoltral, Chefwissenschaftler des Großen Imperiums und Jäger der Unsterblichkeit. Dieser Hangar, gut geschützt vor unbefugtem Zutritt, war das uneingeschränkte Reich des letzten Überlebenden der AETRON-Expedition. Wenn man mal von diesem Rotzgör Thora absah, das ihm und seinen Leuten die Eroberung der Erde so erschwerte. Hier wohnte und arbeitete der Arkonide daran, die Waffen und Schirme der Fantans noch effektiver zu machen. Im Gegenzug erhielt er Kleidung, Nahrung und Schutz vor den dümmeren Piraten, die schon seine Besatzungsmitglieder mit wahrer Wonne zu Tode gefoltert hatten. Und sobald die Erde ihnen gehörte, würde Crest ihnen entweder bei der Suche nach der Unsterblichkeit helfen, oder ein hübsches Lösegeld einbringen. So oder so, es lohnte sich, ihn leben zu lassen.
Bisher hatte sich Crest als sehr umgänglich erwiesen, weil er wusste, dass er vom Wohlwollen Rotirons abhängig war. Aber irgendwann würde der ausgekochte rotäugige Bursche einen Plan haben, ihn versuchen aufs Kreuz zu legen. Hoffentlich war er dann klug genug, Crest nicht zu töten. Lebend war der Arkonide viel wertvoller.
"Crest, wo steckst du?", rief er mit lauter Stimme. Er war laut genug, um selbst im Innern der AETRON EINS gehört zu werden, dem letzten Großraumbeiboot der AETRON, das Crest als Quartier diente. Eines der wenigen Zugeständnisse, das Rotiron dem Arkoniden gemacht hatte, kaum das er das Triumvirat ermordet und die Macht ergriffen hatte.
"Ich bin hier!", klang die Stimme des arkonidischen Wissenschaftlers auf. Er winkte Rotiron zu, während er sich in einem halben Dutzend sich überlappender Hologramme bewegte und diese mit beiläufigen Bewegungen manipulierte. "Noch die KREUZFEUER, und meine Arbeit in der Werft ist für heute erledigt." Geschickt manipulierte der Arkonide den Reparaturplan des Kreuzers, optimierte die Schichten der Reparaturteams, lobte Belohnungen für den direkten Wettbewerb der Reparaturmannschaften aus, was die Arbeiten erfahrungsgemäß um zwanzig Prozent beschleunigen würde, kontrollierte den Materialbestand und schickte anschließend eine Nachricht an die Prospektorenteams auf dem Mond raus, dass ein erhöhter Bedarf an Eisen, Gold und Kupfer bestand. Zugleich verfasste er eine Nachricht mit Dringlichkeitsstufe an ihre geheimen Verbündeten auf der Erde, in der er weitere Erdölprodukte für die synthetische Materialgewinnung des Fantan-Stützpunkts anforderte.
Rotiron ließ den Arkoniden gewähren. Seit sich das Rotauge um die Werftarbeiten kümmerte, seit er sich um Materialbeschaffung und -einsatz kümmerte, hatten die Überschweren endlich mal Struktur in den notwendigen Wartungs- und Reparaturarbeiten. Und durch das Belohnungssystem strengten sich die Idioten endlich auch mal an, ohne das jemand mit einer Neuropeitsche hinter ihnen stehen musste. Auch das Gemosere, nicht als Krieger eingesetzt zu werden, hatte damit ein effektives Ende gefunden, weil es leichter war, sich durch Leistung zu verdienen, was als Krieger durch Plünderung vielleicht erworben werden konnte.
Endlich trat Crest aus den Hologrammen hervor. Mit einer nebensächlichen Geste löschte er die Projektionen und trat zu Rotiron heran. Der Arkonide war eine beachtliche Erscheinung von fast zwei Metern Größe. Aber das war es nicht alleine, was Rotiron den Eindruck vermittelte, das der Arkonide auf ihn herab sah. Crest besaß ein Wissen, das seinesgleichen suchte. Ingenieurskunde, Naturwissenschaften, Metaphysik, all das vereinigte sich in Crests Gehirn. Nicht weil er sich das entsprechende Fachwissen durch Hypnoschulungen hatte implementieren lassen, sondern weil er das Wissen angewendet und bestätigt hatte. Er war wohl der einzige adlige Arkonide, von dem Rotiron je gehört hatte, der jemals ein Hyperaggregat mit eigenen Händen auseinander genommen hatte, um aus erster Hand verstehen zu können, wie es funktionierte.
Der große Arkonide verbeugte sich tief bis in die Hüfte vor Rotiron und legte in Archetzscher Manier beiden Hände auf das Gesicht. "Ich begrüße dich. Was kann ich für den Anführer des Roten Blutmonds tun?"
Wieder einmal fühlte sich Rotiron verwirrt. Einerseits wusste der Überschwere, dass Crest, der große, gut aussehende Mann mit dem wallenden weißblonden, schulterlangen Haaren, dem sogar die Frauen der Überschweren hinterher sahen, auf ihn herab sah. Andererseits war der Respekt, den er ihm, dem Anführer seiner Entführer, entgegen brachte, keine Floskel, sondern von vorne bis hinten echt, authentisch. Rotiron hätte niemals gedacht, je einen Mann treffen zu können, der so schlau war, seine Abhängigkeit zu erkennen und bis zur letzten Konsequenz zu befolgen. In Momenten wie diesen beschlichen Rotiron vollkommen unfantansche Gefühle wie Vertrauen und Loyalität diesem Mann gegenüber, die ihm nur Scherereien einbringen würden.
Er schob diese Gedanken beiseite und sah ernst zum Arkoniden auf. "Du hast die neuesten Berichte wahrscheinlich früher gekriegt als ich", stellte er fest.
"Ich habe die Rückkehrer gezählt und die Verlustlisten gesehen und mir meinen Teil gedacht", bestätigte Crest mit einem dünnen Lächeln. "Diesmal kann es nicht nur der Tran-Atlan gewesen sein."
"Das ist richtig. Eine Horde junger Kadetten der Amerikaner ist uns dazwischen gekommen. Junge Burschen mit den Reflexen der Jugend." Er zögerte kurz. "Lertakan hat Anweisung, sie auszulöschen."
Crest verzog die Miene zu einem bösen Blick. "Als Dagorista bedaure ich den Verlust von guten Kriegern, die nicht im Kampf sterben durften."
"Wieso glaubst du, dass sie nicht im Kampf sterben werden?", konterte Rotiron. "Unsere Kameraden in Nordamerika werden ihr Gefängnis verlassen, und Nevada Fields einebnen. Die Kadetten werden ihre Chance bekommen, entweder als Krieger zu sterben, oder zu entkommen."
"Eine geringe Chance gegen Überschwere", erwiderte Crest ernst.
"Es ist besser, eine kleine Chance zu haben, als keine Chance zu haben. Sagt Ihr Dagoristas das nicht immer?"
Crests Mund verzog sich zu einem Schmunzeln. "Das ist richtig. Ich entschuldige mich dafür, dich kritisiert zu haben. Auch wenn ich weiß, dass die jungen Kadetten keine Chance haben werden."
"Ich werde es nicht bedauern, wenn du Recht behältst, Crest."
Nun huschte ein Grinsen über Crests Züge. "Wie ich dir schon mehrfach gesagt habe, Rotiron, danke ich dir für deine Ehrlichkeit und deine offenen Worte. Du bist ein Mann, den ich respektiere."
"Vor allem bist du ein Mann, der weiß was er wann zu sagen hat", erwiderte der Überschwere ernst. "Aber lassen wir das. Reden wir nicht mehr über das Schicksal irgendwelcher Halbwüchsiger. Reden wir über meine Leute. Hast du den Ausweichplan fertig?"
"Sicherlich", sagte Crest und winkte den Überschweren zu den Hologrammen. Eines erschien auf seinen Befehl und formte den Mars nach. "Anhand der Analysen deiner Prospektoren konnte ich auf dem Mars große Kasernen unter dem Tafelberg vulkanischen Ursprungs ausmachen, den die Terraner Mount Olympus nennen. Dazu kommen Wasservorräte in Form von reinem Eis unter dem Berg, die achttausend Hektoliter umfassen. Das Gesamtvolumen der Kavernen beträgt vierzehn Kubikkilometer. Wenn man die Höhlen abdichtet, die Gravitation künstlich erhöht und mit entsprechendem Luftdruck befüllt, können Überschwere dort überleben." Er musterte Rotiron. "Es ist ein gutes Versteck, wenn man Wert auf die Antiortung legt. Ein sehr gutes Versteck für ein paar tausend Überschwere, das mit wenig Aufwand hergerichtet werden kann."
"Gut. Sehr gut. Damit haben wir ein Rückzugsgebiet, falls die Sache hier wirklich schief geht", murmelte Rotiron.
"Verzeih, wenn ich das sage, Herr des Roten Blutmonds, aber bisher ging ich davon aus, dass die Piraten ihr Rückzugsgebiet in den Schiffen haben. Es ist doch etwas untypisch für Überschwere, ihr Nomadenleben an Bord der Schiffe gegen das Leben in einer Kaverne einzutauschen."
"Die Zeiten ändern sich vielleicht", wich Rotiron aus. "Wir sind als Piraten geboren, Arkonide, und auch als Raumfahrer. Aber das hat nichts darüber zu sagen, wie wir sterben werden. Oder wo."
Rotiron winkte ab, als Crest nachsetzen wollte. "Bitte, Arkonide, keine Diskussion. Stattdessen lass mich dich belohnen. Du hast die Effizienz des Stützpunkts erneut um drei Prozent gesteigert. Ich werde dir Daella schicken, damit sie dich eine Nacht lang verwöhnt. Das ist dir doch Recht?"
"Sieh mich an, Rotiron, ich bin ein Mann. Und ein Mann hat gewisse Bedürfnisse. Und Daella hat von allen Frauen deines Volkes noch das größte Feingefühl, um mit meinem zerbrechlichen Körper umzugehen. Ich sage da nicht nein. Aber es gibt noch eine andere Sache zu besprechen." Er deutete auf die AETRON EINS.
Rotiron drängte die Gedanken an eine zärtliche Daella, die den Arkoniden mit ihrem zweihundert Kilo schweren Körper nicht zermalmte und mit ihren für einen Arkoniden überwältigenden Kräften nicht zerbrach, beiseite und konzentrierte sich wieder auf Crest. "Was ist mit der AETRON EINS?"
"Ich habe sie repariert. Sie ist wieder einsatzfähig. Erlaubst du mir einen Probeflug?"
Prustend begann Rotiron zu lachen. "Das ist doch nicht dein Ernst, Crest."
Ein Grinsen huschte über die Züge des Hünen. "Ich wollte es zumindest probieren, Rotiron."
"Gut, wenn es das war, schicke ich dir Daella für diese Nacht. Sende mir noch die Fortschritte bei den Waffenverbesserungen, die du erforscht hast, und dann kannst du dich mit deiner mageren Gespielin für die Nacht zurückziehen."
"Ich danke dir dafür, dass du dich um alle meine Bedürfnisse kümmerst", erwiderte Crest und deutete eine Verbeugung an.
"So ergeht es allen, die mir nützlich sind", sagte Rotiron und wandte sich zum Gehen.
"Eines noch", klang Crests Stimme auf. "Da es jetzt dem Ende entgegen gehen zu scheint, möchte ich dich an dein wichtigstes Versprechen erinnern, Rotiron."
Der Überschwere wandte sich nicht um und marschierte zum wartenden Antigravschacht. "Keine Sorge, Crest. Wenn deine Nichte in die Hände meiner Leute fällt, egal ob sie die Pilotin des Tran-Atlans ist oder nicht, werde ich dafür sorgen, dass sie dir überstellt wird. Unbeschädigt und ungeöffnet, wie ich es dir versprochen habe."
"Und wofür ich dir meine Hilfe und meine Loyalität schenke", erwiderte Crest mit beißendem Ton in der Stimme.
Der Überschwere blieb für einen Moment stehen, drehte sich aber immer noch nicht um. Stattdessen schnaubte er amüsiert. Mit einem letzten Blick auf die sechzig Meter durchmessende Kugel der AETRON EINS verschwand er im Antigravschacht. In dieser Nacht würden interessante Dinge geschehen. Sowohl auf dem Mond, als auch auf der Erde.
2.
General Tai Tiang ließ die jungen Kadetten im Hab acht stehen. Es war allerdings ein mittelschweres Wunder, dass die jungen Männer genügend Disziplin aufbrachten, um dem alten, erfahrenen Offizier zu gehorchen, wenn sich direkt vor ihrer Nase der berühmte, legendäre Tran-Atlan selbst befand. Die jungen Augen konnten sich nicht satt sehen an der zwölf Meter hohen, schlanken Gestalt, die wirkte wie ein eleganter Samurai mit mächtiger Schulterpanzerung, in der Rechten das Rotteku-Kampfschwert mit der Schneide aus Laserlicht, und in der Linken das äußerst effektive Partikelgewehr, das kleinste Moleküle auf nahezu Lichtgeschwindigkeit beschleunigte, die durch den Massezuwachs enorme punktuelle Schäden anrichten konnten. Die Kunst war nicht, diese Waffen zu benutzen. Die Kunst war es, mit ihnen die richtigen Stellen eines Gegners zu treffen. Und der Tran-Atlan galt als konkurrenzloser Meister dieser Kunst, als Beherrscher des Himmels über Terra. Zudem war er als einziges Objekt dieser Größe mit Schutzschilden ausgestattet.
Die etwas klobigeren Atlan-Kampfroboter, dem Tran-Atlan nachempfunden, aber mit terranischem Know How und Material erbaut, wirkten gegen ihren gleich großen, aber wesentlich eleganteren Vater noch immer beeindruckend. Vor allem wenn man sie mit den wesentlich kleineren, massiveren Mark XII-Kampfrobotern verglich, die in den USA entwickelt worden waren, und auf denen die Kadetten die letzten drei Jahre trainiert hatten. Dennoch, an den Tran-Atlan kamen sie nicht heran. Aber im Gegensatz zu den meisten terranischen Modellen verfügten die Atlans auch über Schirme, nicht so starke wie die des Tran-Atlan, aber stärkere als die Tharks oder die Zeus der Europäer besaßen.
Einmal ganz davon abgesehen, dass diese fünf Kampfroboter und Thoras Maschine Wölfe waren, und es theoretisch nur genügend Hunde geben musste, um die Wölfe zu fällen. Wölfe, die sich teuer verkaufen würden.
"ACHTUNG!", gellte ein scharfer Ruf auf. Die Kadetten versteiften sich ein wenig und starrten vor sich ins Leere. Zwei Männer betraten den Hangar. Ein großer, breitschultriger Kaukasier, und ein schlanker, fast ebenso großer Asiat.
"Rühren, meine Herren", sagte Thora, die den beiden auf dem Fuß folgte. "Meine Herren, ich möchte Ihnen die Majore Kosnow und Tschai-Tung vorstellen, meine Piloten."
Das verursachte Verwirrung bei den angehenden Offizieren. Es hatte etwas von "abserviert worden zu sein, bevor man seinen Wert beweisen konnte".
"Lassen Sie mich das erklären", bot Thora an.
Rhodan hob unmilitärisch die Hand. "Ja, Immortal?"
"Gehe ich recht in der Annahme, dass die Majore Kosnow und Tschai-Tung den Tran-Atlan steuern?"
Über Thoras Lippen huschte ein zufriedenes Lächeln. "Was bringt Sie zu dieser Annahme, Immortal?"
"Die Zahl der Einsätze, die der beste Mecha der Menschheit fliegt. Manchmal sieht man wochenlang nichts von ihm, manchmal startet er an einem Tag zwanzig Mal. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Sie, Captain, diesen Raubbau mitmachen und dann noch so blendend gut und gesund aussehen." Als Rhodan bewusst wurde, was er gerade gesagt hatte, räusperte er sich verlegen und nahm die Hand wieder ab.
"Was habe ich dir gesagt?", zischte Freyt zu Nyssen, "Perry holt sich einen Vorsprung!"
"Ruhe im Glied!", herrschte General Tiang die Kadetten an, die sich sofort wieder strafften.
"Sie haben natürlich Recht, Immortal", sagte Thora und hüstelte verlegen. "Der Tran-Atlan muss vierundzwanzig Stunden am Tag im Dienst sein, und bei mancher Groß-Offensive der Fantans hätte ich ganze Tage im Cockpit bleiben müssen. Major Peter Peterowitsch Kosnow und Major Li Tschai-Tung sind nach mir die besten Piloten der Erde. Mit ihnen teile ich mir eine dreimal achtstündige Bereitschaft für den Tran-Atlan. Das heißt, sie waren die Besten, bis Sie fünf aus der Masse der Anwärter hervor gestochen sind. Ihre Werte, meine Herren, sind weit besser als die von Major Kosnow und Major Tschai-Tung. Das bedeutet aber weder, dass Sie die beiden ersetzen werden, noch das nicht einer der beiden Ihre Plätze bei der kommenden Mond-Mission übernehmen wird, wenn sich die viel versprechenden Prognosen als falsch erweisen. Peter?"
Kosnow nickte und trat vor. "Wie Captain von Zoltral gesagt hat, sind Major Tschai-Tung und ich die Reserve-Piloten des Tran-Atlans. Wir drei waren bisher die einzigen Menschen, die diesen Giganten im Kampf einsetzen konnten. Es würde mich im Sinne der Sicherheit der Menschheit mehr als freuen, wenn wir die Zahl der möglichen Piloten für den Tran-Atlan weiter erhöhen können - unabhängig von Ihren Ergebnissen auf den Atlan-Mechas. Darüber hinaus bedeutet das natürlich, das wir als Ersatzleute für Sie agieren, meine Herren. Wir werden jederzeit bereit sein, einen oder mehrere von Ihnen zu ersetzen, sollten Sie konditionell, taktisch oder psychisch ausfallen, beziehungsweise unseren Standards nicht gewachsen sein." Kosnow trat vor und musterte jeden einzelnen der Kadetten eindringlich. "Machen Sie Ihre Sache gut, und Sie werden der Erste Pilot eines Atlans. Machen Sie Ihre Sache sehr gut, und Sie steigen ins Pilotenteam des Tran-Atlan auf. Machen Sie einen Fehler, und Sie sind schneller wieder auf den Nevada Fields, als Sie Kampfroboter sagen können! Wir sind hier das wichtigste, das allerwichtigste Bollwerk der Menschheit! Wir entscheiden, ob die Yen-Lo-Wangs, die Katjuschas, die Zeus oder die Adelantes dieser Welt die Invasion der Fantan-Leute aufhalten können oder nicht! Mit uns steht und fällt die Erde! Machen Sie sich das klar, begreifen Sie, dass es Rivalität auf den Markham Fields nur gibt, um den Besten an die schwerste Position zu bringen, nicht aber um sein Ego zu befriedigen! Dann sind Sie beim letzten und wichtigsten Aufgebot der Menschheit angekommen!" Als keiner der Kadetten eine ernsthafte Reaktion zeigte, nickte Kosnow zufrieden und trat wieder zurück.
"Li."
Der Asiat trat nun vor und musterte die jungen Männer einen nach dem anderen. Schließlich trat er wieder zurück und brummte ein trotziges: "Annehmbar."
Thora vernahm es mit einer gewissen Zufriedenheit. "Es gibt da gewisse Gründe, die einen Atlan jedem terranischen Modell überlegen machen, abgesehen von der Bewaffnung und den Schirmen. Auch jedem Thark der Fantans, die Sie unter den Codebezeichnungen Scylla, Gorgone und Hermes kennen. Sie alle kennen die neuronale Verbindung, die der Pilot mit der Positronik eines Mechas eingeht. Um geeignete Piloten für die Mechas zu finden, muss man entweder sehr lange suchen, oder Abstriche in der Leistung in Kauf nehmen, wenn zum Beispiel ein Jet-Pilot auf einen Kampfroboter wechselt. Das kann überraschend gut ausfallen, oder auch nicht. In jedem Fall ist der Pilot mit dem Mecha allerdings weit stärker als in seinem Kampfjet. Was die Majore Kosnow und Tschai-Tung angeht, so haben wir lange, sehr lange gesucht. Übrig blieben die Besten der Besten. Doktor Peterson?"
"Ja, ich komme, Thora." Hinter dem Tran-Atlan klapperte etwas, dann war ein Laut des Erschreckens zu hören, und aus dem linken Knie rauschte eine Gestalt zu Boden. Überrascht sah sich Doktor Peterson auf dem Boden des Hangars um, bevor er einen derben Fluch zum Besten gab und sich steif erhob.
Peterson trat vor die Kadetten. Er zog einen antiquierten Schreibblock hervor und begann daraus abzulesen. "Wissen Sie, was den Tran-Atlan so erfolgreich macht, meine Herren? Nein, natürlich wissen Sie es nicht. Also werde ich es Ihnen sagen: Die perfekte Abstimmung auf ein arkonidisches Gehirn. Ich will damit nicht sagen, dass terranische Gehirne nicht so leistungsfähig sind wie arkonidische. Aber es gibt da einen Umstand, das das arkonidische Gehirn für den Umgang mit einem Mecha geeigneter macht. Arkonidische Gehirne haben einen Gehirnsektor, der, nun, zusätzlich da ist. Das geht auf eine genetische Manipulation des gesamten Volkes vor dem Anbeginn der Raumfahrt zurück. Die Forscher erhofften sich dadurch, alle Arkoniden mit einer Art sechstem Sinn auszurüsten, um sie für die Gefahren und Chancen des Weltalls besser zu wappnen. Entstanden ist eine Art Extrasinn, einer superlogischen Stimme im Kopf. Sie können sich vorstellen, dass die Erste Generation Arkoniden mit kleinem Mann im Kopf erhebliche Probleme hatte. Also ging man damals dazu über, diesen Hirnsektor wieder einzuschläfern, und nur bei besonderen Probanden zu erwecken. Diese Fähigkeit, dieser Extrasinn, wird heutzutage kaum noch erweckt. Aber die entsprechende Gehirnregion ist nun mal da, und sie ist es, die... Gewisse Faktoren erschafft, die den Umgang und die Vernetzung mit der Positronik extrem begünstigt. Um einen Mecha wie den Tran-Atlan annähernd so erfolgreich steuern zu können wie Captain von Zoltral braucht man entweder genau diesen Extrasinn... Oder man ist wie Sie in einem Alter, meine Herren, in dem das Gehirn seine Aufgaben noch nicht zu einhundert Prozent übernommen hat, und sich ein Teil der Synapsen durch langjähriges Training so umbildet, dass das Gehirn quasi einen Pseudo-Extrasinn hervorbringt. Ihr jahrelanges Training, meine Herren, hat Sie in die Lage versetzt, nach arkonidischer Methode die Atlans zu steuern. Und heute werden wir herausfinden, wie gut Ihr Pseudo-Extrasinn funktioniert. Anhand der Ergebnisse werden wir entscheiden, ob Sie an Lunar Dream teilnehmen werden, und ob von Ihnen jemand für den Tran-Atlan in Frage kommt."
Er deutete tiefer in die Halle, die prompt in diesem Moment ausgeleuchtet wurde. "Für diesen Zweck haben wir Simulatoren, die eine perfekte Vernetzung simulieren, und die nahezu reale Gefechtsbedingungen erschaffen."
"Mit anderen Worten: Es gibt endlich was abzuschießen!", rief Bully und reckte eine Faust hoch.
"Nun, das war wissenschaftlich gesehen nicht ganz sauber ausgedrückt, aber militärisch gesehen trifft es wohl den Kern", schmunzelte Peterson. "Kommen Sie, meine Herren, machen wir uns an die Arbeit. Es liegt ein langer Nachmittag und ein langer Abend vor uns."
"Was ist mit Schutzanzügen? Sollen wir uns umziehen?", fragte Deringhouse.
"Nein, nicht für die Simulatoren. Morgen, wenn wir Sie auf die Atlans lassen, werden Sie sie aber brauchen können. Vor allem die verbesserten Andruckabsorber, die wir integriert haben und die jedem terranischen Modell überlegen sind." Peterson grinste schalkhaft. "Nur so aus Interesse, meine Herren: Wer, denken Sie, wird denn bei dieser Simulation am Besten abschneiden?"
Vier Zeigefinger fuhren hoch und deuteten auf Rhodan, der seinerseits auf Freyt hatte zeigen wollen. Erstaunt sah er die anderen vier an. "Jungs, macht keinen Scheiß."
"Ein eindeutiges Votum", klang nun wieder Thoras Stimme auf. "Immortal, ich erwarte Großes von Ihnen. Immerhin wollen Sie den Tran-Atlan steuern, oder? Zeigen Sie mir, was Sie drauf haben."
Rhodan biss die Zähne zusammen. "Das werde ich, Captain!"
"Na, dann mal los!", rief Bully fröhlich, klopfte Rhodan und Nyssen auf die Schultern und schob sie in Richtung der Simulatoren.
***
"War zu erwarten gewesen", sagte Freyt müde, und stieg aus seiner Simulatorkapsel.
"Na, du hast ja wohl keinen Grund, um dich zu beschweren", erwiderte Nyssen. "Du bist gleich nach Perry die Nummer zwei in der Wertung. Ich hingegen muss mich mit einem lausigen Platz vier hinter Bully zufrieden geben."
"Danke, dass du nicht erwähnst, dass ich auf Platz fünf bin!", rief Deringhouse ärgerlich.
"Machen Sie sich nicht ins Hemd, Kadett", mahnte Kosnow. "Ihre Werte liegen elf Prozentpunkte über meinem besten Ergebnis. Es gibt keinen Grund für Sie, sich zu beschweren. Wenn Sie diesen Leistungsstand auch bei den Atlans selbst halten können, dann haben wir unser Team für Lunar Dream zusammen."
Verwundert blinzelte Deringhouse. "Wirklich?"
"Würde es für mich Sinn machen, Sie grundlos zu loben, Sidewinder?", erwiderte Kosnow mit einem trockenen Grinsen. "Im Anbetracht der Freiheit der ganzen Menschheit gibt es kein Schönreden und kein Loben. Wir alle müssen unser Bestes geben, und wir müssen es da geben, wo wir am Effektivsten sind. Gewöhnen Sie sich daran, Sidewinder. Gewöhnen Sie alle sich daran. Auch Sie, Immortal."
Rhodan, der gerade aus seiner Kapsel geklettert kam, sah auf. "Wo ist Thora?"
"CAPTAIN von Zoltral", sagte Kosnow bissig, "hatte in der vergangenen Nacht mehrere Einsätze. Sie ist jetzt schon seit zwanzig Stunden auf den Beinen und hat vor einer halben Stunde eine kleine Ruhepause eingelegt. Wenn Sie etwas Wichtiges mit dem Captain zu besprechen haben, werde ich die Agenten Matsu und Sloane, die im Moment für ihre persönliche Sicherheit zuständig sind, bitten, sie zu wecken."
Rhodan winkte ab. "Es geht mir nicht darum, die Leistungen von Captain von Zoltral in Frage zu stellen. Ich war nur neugierig."
"Und Sie missgönnen ihr auch nicht den Schlaf, den sie ab und zu doch mal braucht, um nach Ihren eigenen Worten so blendend gut und gesund auszusehen, Rhodan?", fragte Peterson grinsend und drückte dem Kadetten einen Energydrink in die Hand. Einen weiteren reichte er Bull, bevor er mit den restlichen Dosen zu den anderen drei Kadetten ging.
"Nein, natürlich nicht." Rhodan öffnete die Dose und nahm einen Schluck von der eiskalten Flüssigkeit. "Ich dachte nur, sie hätte eventuell das Interesse an uns verloren."
"Du meinst, du dachtest, sie hat das Interesse an dir verloren", tadelte Bull grinsend und wollte seine Dose öffnen. "Grapefruit-Saft? Ist da wirklich Grapefruit-Saft drin?"
"Ist das nicht Ihre Marke?", fragte Peterson.
Bull sah zu den anderen drei Kadetten, die viel sagende Blicke austauschten. "Wo sind denn hier die Toiletten im Gebäude?", fragte Deringhouse mit einem resignierenden Seufzer.
"Wir haben welche in den Duschräumen. Der Bereich für die Herren hat aber einen Wasserschaden und wurde von der Leitung genommen. Dort, durch diese Tür." Er runzelte die Stirn. "Kann mir mal einer erklären, was ich falsch gemacht habe?"
Deringhouse ging zur Tür und öffnete sie. Nyssen sah demonstrativ auf seine Uhr. "Ich gebe ihm noch zehn Sekunden maximal."
Freyt sah in einer Mischung aus Schadenfreude und Mitgefühl zu Rhodan herüber. "Falls du kein Papier hast, rufe laut. Wir retten dich dann."
"Ich verstehe nicht...", begann Peterson wieder.
In diesem Moment entglitt die Dose Rhodans Händen, fiel zu Boden und ergoss sich auf den Stahlbeton. Rhodans Augen verdrehten sich, bis nur noch das Weiße zu sehen war. Ein leiser, stetig lauter werdender Klagelaut kam gepresst durch seine Lippen. "Ent.. Entschuldigen Sie mich, Doc!", rief er hastig und sprintete zur Tür, die Deringhouse für ihn offen hielt.
"Zweite Tür links!", rief Sidewinder ihm nach.
"Perry verträgt keinen Grapefruit-Saft", sagte Bull, mühsam ein Lachen zurückhaltend. "Er verträgt überhaupt keine Südfrüchte. Davon kriegt er schlimmen Durchfall."
"Oh!" Entsetzt sah Peterson die jungen Kadetten an, während Kosnow und Tschai-Tung in lautes Gelächter ausbrachen. "Das tut mir Leid. Das habe ich nicht gewusst."
"Es ist keine Allergie. Es ist nur Durchfall", beruhigte Nyssen den Doktor. "Was also soll mit ihm passieren, außer ein paar Darmkrämpfen?"
"Abwarten", mahnte Freyt. "Wir reden hier immerhin über Immortal."
"Wie wäre es, wenn wir die Zeit nutzen, in der er nicht da ist, und noch etwas unsere Punkte verbessern?", schlug Bull vor. "Die Gelegenheit ist günstig."
Eifrig stimmten die anderen drei Kadetten zu und bemannten wieder ihre Simulatoren.
"Also, über mangelnden Willen können wir uns schon mal nicht beschweren", merkte Tschai-Tung amüsiert an.
von Alexander Kaiser
Prolog:
"Fünf Uhr, schräg von oben!", klang Perry Immortal Rhodans Warnruf in Reginalds Ohren auf. Der junge Pilot zog seinen Mark XII-Kampfroboter sofort durch einen kräftigen Stoß der Beindüsen aus dem jetzigen Kurs, und damit aus der tödlichen Schussbahn des Angreifers. Es war ein Gorgone, die mittelschwere Variante, mit der die Fantan-Leute versuchten, die Erde zu erobern und zu versklaven. Reginald The Bully Bull zog das Fadenkreuz über die ihn passierende Maschine, und sandte ihr eine volle Raketensalve hinterher. Vier von sechs trafen den Mecha wie die Faust eines Titanen und wirbelten ihn aus dem Kurs. "Du fliegst nicht mehr zum Mond!", rief Bull und setzte mit dem schweren Laser im rechten Arm nach. Der Lichtbolzen schlug durch den nun ungeschützten Torso, traf die Energiespeicher und ließ die außerirdische Konstruktion explodieren.
"Danke, Alter."
"Ist in Ordnung", erwiderte Perry Rhodan. "Du rettest mir ja auch andauernd das Leben."
"Man muss wohl der zweitbeste Pilot der Erde sein", klang die Stimme von Michael Predator Freyt auf, "wenn man sich in einem Kampf auf Leben und Tod ein Privatschwätzchen leisten kann."
"Nur kein Neid, Mike, nur kein Neid", erwiderte Rhodan spöttisch, und fertigte seinen eigenen Gegner ab, einen schweren Mecha der Scylla-Klasse. Die Maschine detonierte noch in der Luft, nachdem der beste Pilot der US Space Academy mit ihm fertig war.
Es war nicht geplant gewesen, dass die halbwüchsigen Kadetten der Space Force in diesen Angriff einbezogen werden sollten; sie hatten wie immer nur die Reserve stellen sollen. Und wie immer waren die regulären Piloten irgendwann von den Hermii, den Gorgonen und den Scyllas teils überwältigt, teils passiert worden. Wieder einmal hatten die elitären Piloten der Kadettenschule eingreifen müssen. Ihre Jugend, ihre perfekte Eichung auf die Mark XII und ihre Reflexe, die jedem erwachsenen Piloten weit überlegen waren, machte sie zu den tödlichsten Gegnern am Himmel. Gelernt hatten ihre Gegner das noch nicht, sonst hätte sie längst begonnen, die Mechas der Kadettenschule zu meiden.
"Schaut mal, wir kriegen prominente Unterstützung", klang die Stimme von Conrad Sidewinder Deringhouse auf. Er markierte ein Radarsignal für seine Mitstreiter, das stetig auf das gegnerische Raumschiff zuhielt, welches als Träger für die Kampfroboter fungierte.
"Das ist der Tran-Atlan", sagte Bully beeindruckt. "Damit ist die Fregatte Geschichte."
"Abwarten", sagte Rhodan ernst. "Wir räumen hier auf, und dann bieten wir dem Tran-Atlan unsere Hilfe an."
Es war ein offenes Geheimnis, dass Perry den erklärten Retter der Menschheit, Captain Zoltral, nicht besonders mochte. Aber der Kadettenmajor war professioneller als mancher Berufssoldat und dachte zuerst an den Dienst, und danach erst an seine persönlichen Ressentiments.
"Hilfe?", fragte Rod Stonewall Nyssen amüsiert, während über ihnen das Symbol der Fregatte erlosch. "Wie willst du jemandem helfen, der alleine ein Kriegsschiff auseinander nimmt, Perry?"
"Nun, man kann hinter ihm aufräumen", erwiderte Rhodan und gab vollen Schub auf die Düsen.
"Da hat er auch wieder Recht. Ihm nach!", rief Freyt und jagte den Nachbrenner hoch, um dem besten Piloten der Space Force folgen zu können.
Es war eher selten, ging es Bully durch den Kopf, das sich Vergnügen und Rettung der Menschheit so wunderbar vereinten wie in diesem Fall. Wo stand auch geschrieben, das man keinen Spaß haben durfte, nur weil es um das zukünftige Schicksal von sechs Milliarden Menschen ging? "Hinterher, Jungs, oder die fangen ohne uns an!", rief er und beschleunigte ebenfalls.
Nyssen legte ebenfalls nach, was dazu führte, das der fünfte Pilot, Conrad Deringhouse, plötzlich viel Platz um sich herum hatte. "Wa-wartet, Jungs!", rief er hastig und gab Vollschub auf das Haupttriebwerk.
***
"Eine exzellente Leistung, Jungs", sagte Colonel McClears mit Stolz in der Stimme. "Die Nationalgarde und die Air Force sind stinksauer auf euch. Kein Wunder, Ihr habt nicht nur die achtzehn Mechas abgeschossen, die durch ihren Sperrriegel durchgebrochen sind, Ihr habt auch noch ihre Verteidigung geschlossen und den Hauptangriff abwehren geholfen. Und das von, ich zitiere: Ein paar grünen Kadetten, die noch Muttermilch saugen."
Die Kadetten, die vor dem stellvertretenden Akademieleiter der Space Force standen, grinsten von einem Ohr bis zum anderen. Eine gesunde Rivalität zwischen Army, Nationalgarde und der neu gegründeten Space Force war immer wünschenswert, weil dabei die Besten herauskristallisiert wurden. Ein Wettkampf wie die natürlich Auslese, bei dem die Fähigsten übrig bleiben würden. Und für den Kamp gegen die Fantan-Leute, die regelmäßig vom Mond aus angriffen, brauchten sie die Besten. Wenn Nationalgarde und Army wirklich derart an die Decke gegangen waren, dann mussten die fünf Kadetten der Space Force bei den Spitzenpiloten rangieren.
"Und das war der letzte Beweis, den wir gebraucht haben, meine Herren", sagte McClears, nun etwas zurückhaltender. "Ehrlich gesagt tut es mir weh, Sie fünf ziehen zu lassen. Aber das Leben geht nun mal weiter, und es bringt nun mal Veränderungen mit sich."
"Moment Mal, Sir", sagte Bull verdutzt. "Stimmt etwas nicht? Wurden wir entlassen? Versetzt? Haben wir etwas falsch gemacht?"
Die anderen Kadetten raunten leise. Nur Rhodan nicht. Er blieb stoisch, unerschütterlich, zeigte wie immer nicht was er dachte.
McClears lächelte nun wieder. "Versetzt trifft es, Bully. Ihr tretet noch heute euren neuen Dienst an, auf dem wichtigsten Flugfeld der Menschheit. Die UNTASO hat euch direkt angefordert, damit Ihr mit dem Tran-Atlan fliegt."
Eine bange Sekunde lang reagierten Freyt, Deringhouse, Nyssen und Bull nicht, doch dann machte sich der erste Jubel Bahn, und die vier Kadetten tanzten entgegen jeder Disziplin-Regel im Büro des Colonels. Nur Rhodan tanzte nicht. Aber das hatte John McClears auch nicht erwartet. Allerdings hätte er nicht gedacht, dass der junge Pilot auf diese Neuigkeit, auf diese einer Auszeichnung gleich kommenden Versetzung mit Ärger im Gesicht reagieren würden.
"Markham Fields. Der Tran-Atlan also", sagte er schließlich, und das dünne Lächeln das er nun zeigte, hätte einem schwächeren Mann als McClears Angst machen können. Dem australischen Stützpunkt, der wichtigsten Verteidigungsstellung der Menschheit, standen interessante Zeiten bevor.
1.
"Das ist es also", sagte Reginald The Bully Bull beeindruckt. Er beschattete seine Augen mit einer Hand und bestaunte den sonnenverbrannten Flughafen im Norden Australiens, auf dem die Militärmaschine ihn und die anderen vier Kadetten abgesetzt hatte. Er konnte sechs Mark XII-Kampfroboter erkennen, die in Staffelgröße über dem Gelände dahin zogen, bevor das Führungspärchen mittels der Nachbrenner im dunkelblauen Himmel verschwand. "Markham Fields. Unsere Fahrkarte direkt in den Weltraum."
"Du meinst wohl eher unsere Fahrkarte", stichelte Michael Predator Freyt. "Denn du bist mittlerweile so fett, dass dich kein Mecha vom Boden heben könnte."
"Das sind alles nur Muskeln", protestierte Reginald und biss trotzig in einen Schokoriegel. "Ich muss außerdem verdammt viel essen, um mein Gewicht zu halten."
"Jungs, das reicht jetzt", klang die mahnende Stimme von Perry Immortal Rhodan auf. Er war zwar nicht der Älteste der fünf Kadetten, aber seine Leistungen hatten ihm den Rang eines Kadettenmajors eingebracht. Keiner der anderen amerikanischen Nachwuchsoffiziere zweifelte daran, dass Immortal als erster aus ihrer Runde die begehrten Lieutenants-Streifen tragen würde. Perry deutete nach Süden, wo schemenhaft die Kaserne des Stützpunkts in der flimmernden Mittagsluft zu erkennen war. "Da kommen unsere Gastgeber."
Die Kadetten strafften sich, als sie die kleine Karawane an Jeeps sahen, die auf sie zugefahren kam. Die offizielle Standarte der UNTASO prangte auf der linken Seite, während rechts die Fahne Australiens im Fahrtwind wehte. Offizielle. UNTASO. United Nations Tactical Army for Space Operations. Sie hatten es geschafft. Hier, von den Markham Fields auf der nördlichsten Spitze des Bundesstaates Queensland, startete die absolute Elite der Erdverteidigung in relativer Nähe zum Äquator. Ab heute gehörten sie dazu.
Der Erste, der den vordersten Jeep verließ, war ein Hüne von Mann, der sogar Freyt noch weit überragte. Er trug keine Uniform, nur einen weißen Kittel. Und da drunter schien er ebenfalls nicht sehr viel anzuhaben, wie die Bambus-Schlappen vermuten ließen. Ihm folgten zwei hochrangige Offiziere. Der erste war General Leslie Pounder, der offizielle Oberkommandierende der UNTASO-Streitkräfte. Ihm folgte General Tai Tiang, die Nummer zwei der Organisation.
Dennoch ergriff der Zivilist zuerst das Wort. "Meine Herren", begann er, wobei ihm dabei beinahe ein mitleidiges Grinsen entglitt, als er die Halbwüchsigen als Herren bezeichnete, "willkommen auf Markham Fields, dem Ort, an dem sich die Hoffnungen der Menschheit konzentrieren."
"Guten Morgen, Sir!", erwiderten die Kadetten.
"Mein Name ist Doktor Peterson. Ich bin der zivile Leiter der Mission. Ich nehme an, General Tiang und General Pounder brauche ich nicht erst vorzustellen." Der Professor ging ein paar Schritte vor den Kadetten auf und ab. "Ihr fünf seid die besten Piloten, die unsere gute alte Erde zu bieten hat. Ihr seid in einem Alter, in dem eure Reflexe auf dem absoluten Höhepunkt sind, und Ihr habt in allen Gefechten mit dem Mark XII-Kampfroboter bewiesen, dass Ihr kämpfen könnt." Abrupt blieb er stehen. "Gentlemen, Ihr seid die Hoffnung der Menschheit gegen die Fantans!"
"Ja, Sir!", riefen die jungen Kadetten, und - wenn das möglich war - richteten sich noch ein wenig mehr auf.
Nun übernahm Tai Tiang das Wort. "Kadetten! Ihr seid die Besten eures Jahrgangs - und dies weltweit. Das ist nicht nur eine große Ehre, sondern auch eine große Verpflichtung, denn Ihr kämpft nicht nur für euch oder eure Heimatländer, sondern auch für jeden einzelnen jungen Piloten, der ebenso wie Ihr darum gekämpft hat, heute an dieser Stelle stehen zu dürfen. Ihr steht hier, und Ihr werdet schon bald mit euren Kampfrobotern in den Erdorbit starten, um unseren Heimatplaneten gegen die Fantans zu verteidigen. Dafür werdet Ihr nicht länger in den bewährten Mark XII-Exos fliegen; auf euch wartet unser allerneuestes Modell, der Atlan! Ihr werdet das Rückgrat der Erdverteidigung gegen die Bedrohung vom Mond werden! Entweder das, oder jämmerlich krepieren, was uns den bedauernswerten Verlust eines unserer kostbaren Atlan-Kampfroboter einbringen wird." Der Blick des schlanken Asiat ging über die angetretenen Kadetten. "Willkommen am größten Hort der Hoffnung, eurer persönlichen Hölle." Tai Tiang sah hinter sich. Leslie?"
Der große, pausbäckige Mann trat nun vor die Kadetten. "Meine Herren, ich stehe hier mit einem gewissen Stolz vor euch. Ihr seid alle Absolventen der US Space Force, und bestätigt damit unsere Auswahlkriterien und unser Training. Es steht außer Frage, dass die Welt in Zukunft nach unserem Konzept ausbilden, und etliche weitere, hoch qualifizierte junge Piloten produzieren wird. Bis es aber soweit ist, stehen Sie, meine Herren, zwischen der Menschheit und ihrer vollständigen Unterwerfung durch die Fantan-Leute." Er machte eine Pause und musterte die jungen Piloten lange Zeit. "Einige werden sich sicher schon gefragt haben, warum Sie nur zu fünft sind, eine Staffel Mechas aber aus sechs besteht. Nun, das hat einen simplen Grund: Sie werden alle unserem besten Piloten zugewiesen, als direkte Unterstützung. Sie alle werden Seite an Seite mit Captain Zoltral und dem Tran-Atlan kämpfen."
Diese Eröffnung ließ die jungen Piloten ihre Disziplin vergessen. Jeder, der einmal in seinem Leben überhaupt etwas von Mechas gehört hatte, der amerikanischen Mark-Serie, den chinesischen Yen-Lo-Wangs, den russischen Katjusha oder den europäischen Zeus-Modellen, kannte natürlich Name und Rang des absoluten Ass der UNTASO, jenes Piloten, der zusammen mit seinem unbesiegbaren Tran-Atlan in den letzten drei Jahren die Erde fast im Alleingang davor bewahrt hatte, von den Fantans erobert zu werden. Aufgeregt raunten und flüsterten sie miteinander. Alle bis auf Rhodan. "Disziplin!", sagte der junge Kadett halblaut und erinnerte die anderen vier wieder daran, wo sie waren. Und dass sie im Dienst waren.
Pounder lächelte unergründlich. "Was ich Ihnen jetzt präsentiere ist nicht einfach als Staatsgeheimnis zu deklarieren. Es ist mehr als das, viel mehr. Aber was soll ich lange Worte machen?" Er wandte sich nach hinten. "Thora, kommst du?"
"Sofort!", rief eine helle Mädchenstimme aus dem letzten Wagen. Dann erschienen zwei beachtlich lange Beine im Sichtfeld der Kadetten, die von einer reichlich hoch abgeschnittenen Jeans begrenzt wurden. Dem folgte ein durchgeschwitztes weißes Hemd, das über einer schmalen Mädchentaille zusammengebunden war. Den Abschluss bildeten grazile Arme, eine von dem Hemd nicht optimal bedeckte beachtliche Oberweite, ein entrückend schönes Mädchengesicht und ein Schwall weißblonden Haars. Das Mädchen kam langsam näher. Ihre Flip-Flops machten dabei das einzige Geräusch, denn die jungen Kadetten sahen ihr schweigend zu.
Perry spürte, wie ihn jemand mit einem Ellenbogen in die Seite knuffte. "Hey, Alter, hast du gewusst, dass Schweden jetzt auch in der UNTASO ist?", klang Bullys Stimme amüsiert auf.
"Junge, Junge, Junge", murmelte Freyt neben ihm fasziniert. "Ob sie vielleicht heute Abend Zeit hat?"
Rhodan hob eine Hand und verbot damit Deringhouse etwas zu sagen, bevor der junge Bursche etwas wirklich Dummes zum Besten geben konnte. "Stillgestanden!", blaffte er, und die anderen Kadetten reagierten automatisch.
Pounder nickte zufrieden. "Gut geraten, Perry. Dies ist Thora Zoltral. Captain Zoltral, um genau zu sein. Die Pilotin des Tran-Atlan. Ihre neue Vorgesetzte, meine Herren. Es ist eines unser bestgeschützten Geheimnisse, dass Captain Zoltral eine Frau ist, um sie vor den allgegenwärtigen Agenten der Fantans zu beschützen - abgesehen davon, dass die Markham Fields von zwei Divisionen der UNTASO verteidigt werden."
"Captain VON Zoltral", sagte Thora. Es klang nicht sehr bissig, eher so als wäre sie diese Worte so sehr gewohnt, dass sie sie schon leid war.
Sie trat vor die jungen Männer und musterte sie so ungeniert, wie diese die junge Frau zuvor gemustert hatten. "Das sind also die Besten der Besten, General Pounder? Sie sind noch halbe Kinder."
"Sie sind in deinem Alter, Thora. Alle zwischen sechzehn und siebzehn, dem Alter, in dem die Synchronisationsrate mit den Atlans am Höchsten ist. Dem Alter, in dem ihre Reflexe ihren besten Wert haben. Sie sind alle fünf Handverlesen."
"So, sind sie das?", fragte Thora und setzte ihre Musterung fort.
Schließlich stemmte sie die Hände in die Hüfte und schmunzelte. "Und wer von euch Helden ist Immortal?"
Ein Laut des Mißfallens klang von Freyt auf. Deringhouse sagte resignierend: "War ja klar."
"Das bin ich", sagte Perry ernst. Es dauerte einen Moment, dann fügte er ein verlegenes Ma'am an. Seine Kameraden kicherten leise über seinen Fauxpas.
Thora musterte Rhodan eingehend. Von dort ging ihr Blick zu Bull. "Ihn will ich auch."
Diese durchaus missverständlichen Worte ließen die Kadetten überrascht aufraunen.
Thora, der einfiel, das sie gerade mehr als zweideutig gewesen war, errötete. "Wir werden für die Operation Lunar Dream in Dreierteams operieren, nicht in klassischen Paaren. Mein Team wird aus mir, Immortal und Bully bestehen."
"Frage, Ma'am: Warum sind Sie sich so sicher, dass der Dicke hier The Bully ist?", fragte Freyt ärgerlich.
"Weil mir gesagt wurde, dass der Junge aussieht wie ein Fass. Wenn man aber näher heran tritt, sieht man, dass es Muskeln sind, kein Fett", erwiderte sie trocken.
Reginald Bull ächzte erstaunt auf. "Ich glaube, ich bin verliebt!"
"Lunar Dream?", hakte Rhodan nach, während die anderen drei Kadetten verbal über Bull herfielen. "Wir fliegen bis zum Mond? Wir greifen die Fantans an ihrer Basis an?"
"Der Atlan hat die Fähigkeiten dazu", erklärte Thora. "Er wurde meinem Tran-Atlan nachempfunden. Man hat drei Jahre gebraucht, um die Nachbauten zur Serienreife zu bringen. Doch selbst jetzt sind die Atlans kostbar und selten. Und sie stellen höchste Anforderungen an die Piloten. Nur die Besten sind gerade gut genug."
"Mag sein, aber drei Piloten für einen Angriff auf den Mond? Selbst wenn der Tran-Atlan unter ihnen ist, bedeutet das ein unmögliches Selbstmordkommando."
"Keine Sorge, Immortal", sagte Thora in spöttischem Ton. "Keiner verlangt von dir, die Fantans im Alleingang zu besiegen. Was wir vorhaben ist eine Rettungsoperation aus ihrer Hauptbasis."
Conrad Deringhouse hob die Hand. "Hier, Miss, eine Frage! Wen werden wir retten?"
"Meinen Onkel Crest", erwiderte Thora ohne zu zögern. "Ich warte seit drei Jahren auf diese Chance." Sie ballte die Hände zu Fäusten und biss sich auf die Lippen. Ihre Nägel gruben sich in die Handballen, und an der rechten Hand tropfte kurz darauf Blut herab. "Mit ihm steht und fällt die gesamte Operation der Fantan-Leute im Sol-System. Gelingt es uns ihn zu befreien, bricht der Angriff zusammen. Zumindest dieser Angriff."
"Wäre es dann nicht taktisch klug - rein militärisch gesehen, Captain Zoltral - wenn wir Crest eliminieren? Das dürfte leichter sein als ihn zu retten", merkte Rod Nyssen an.
"Und es wäre die größte Dummheit, die wir begehen könnten", warf Tai Tiang ein. "Es würde zu weit gehen, Ihnen alles zu erklären, aber soviel sollten Sie verstehen und verinnerlichen: Crest von Zoltral ist lebendig der größte Schatz, den die Menschheit jemals erhalten kann und jemals wieder erhalten wird. Das Feuer? Vergessen Sie's. Das Rad? Firlefanz. Die Elektrolyse? Kinderkram. Crest ist einer der begabtesten Wissenschaftler der ganzen Galaxis, und sein Wissen wird der Erde zur Verfügung stehen, nachdem wir ihn gerettet haben. Unser Ziel muss es sein, ihn lebendig zu befreien. Unbedingt. Auch für den Preis aller unserer Atlan-Kampfroboter. Auch zum Preis Ihres Lebens, meine Herren."
Die Kadetten raunten leise durcheinander. Nur Bull blieb äußerlich ruhig und grinste dünn. "Okay, ich glaube, ich verstehe jetzt, wie wichtig dieser Bursche für die Erde ist."
"Dann hast du ungefähr ein Zehntel begriffen", sagte Thora. Sie wirbelte herum. "Sie sind akzeptabel, für den Anfang. Aber ich will sie in den Simulatoren, und spätestens morgen in den Atlans sehen, General Tiang."
"Ihre Leute, Ihr Team, Ihr Zeitplan, Captain", sagte Tai Tiang.
Sie nickte zufrieden. "Immortal, The Bully, Ihr fahrt mit mir. Der Rest quetscht sich zu Doktor Peterson in den Wagen." Die junge Frau marschierte los, ohne sich ein zweites Mal umzusehen. Rhodan folgte ihr ohne zu zögern, und selbst Bull nahm sich nur kurz die Zeit, um seinen Kameraden ein herunter gezogenes Augenlid zu zeigen, bevor er folgte. Über ihnen fielen vier Mark XII auf den Raumhafen herab, und stieben kurz vor dem Boden kreuzförmig auseinander.
***
"Albrecht, wir können", sagte Thora dem Fahrer, nachdem sie sich auf den Beifahrersitz gesetzt hatte. Für Perry und Reginald blieb damit nur die Rückbank.
Er bestätigte fröhlich und fuhr an. Kühlender Fahrtwind linderte die Mittagshitze ein wenig. Aber es sah für Perry ohnehin nicht aus, als hätte ausgerechnet Thora irgendwelche Probleme mit der Temperatur.
"Können wir die Atlans nicht heute schon ausprobieren?", fragte Reginald, und öffnete einen weiteren Schokoriegel. Einen zweiten bot er Thora an. "Auch einen? Du siehst aus als könntest du etwas auf die Rippen vertragen."
"Du siehst aus als könntest du etwas auf die Rippen vertragen, Captain", tadelte Thora, aber ihr Grinsen relativierte ihre Worte wieder. Sie nahm den Riegel entgegen. "Danke. Ab und an etwas Schokolade hat noch nie geschadet. Übrigens eure zweitgrößte Errungenschaft auf der Erde, gleich nach der Popmusik."
"Also doch", sagte Perry trocken.
"Also doch, was, Kadett Rhodan?", fragte der Fahrer fröhlich.
"Bevor ich es vergesse, unser Fahrer ist Major Albrecht Klein von der UNTASO-Abwehr. Er ist für meine persönliche Sicherheit zuständig. Er, die Majore Kosnow und Li, die Agents Matsu und Sloane sowie fünfhundert handverlesene Elite-Soldaten."
"Nur das Beste für die beste Pilotin der Erde", sagte Klein grinsend. Er sah kurz nach hinten auf die Rückbank. "Also doch was, Kadett Rhodan?"
"Also doch", erwiderte er tonlos. "Sie ist eine Außerirdische. Auch wenn ich mir die immer mit grünen Tentakeln vorgestellt habe. Nicht so menschlich."
"Und nicht so hübsch", raunte Bull ihm ins Ohr.
"Und nicht so hübsch... BULLY!"
"Das haben Sie gut erkannt, Kadett Rhodan. Was hat Captain Zoltral verraten?"
"Sie trägt keine Kontaktlinsen."
Für einen Moment schien Klein verblüfft zu sein. "Was? Sie trägt keine Kontaktlinsen? Und das hat sie verraten?"
"Sie hat goldene Augen und fast weißes Haar. Außerdem nimmt ihre Haut nur unwillig Farbe an, obwohl Australiens Sonne so nahe am Äquator sehr intensiv ist. Zuerst habe ich darauf getippt, dass sie ein Albino ist, also über kein natürliches Melanin verfügt. Das hätte aber nicht mit der leichten Bräune funktioniert. Also habe ich darauf getippt, dass sie eine Außerirdische ist. Als Captain Zoltral dann von "euren Errungenschaften" gesprochen hat, so als hätte sie mit der Erde nichts zu tun, war ich mir sicher."
"Respekt, Kadett Rhodan. Respekt. Manche brauchen Jahre und ein paar sehr gute Hinweise, um die Wahrheit auch nur zu erahnen." Er grinste wieder nach hinten. "Na, geschockt?"
"Nein. Ich habe es erwartet. Captain, waren Sie schon immer Pilotin des Tran-Atlan?"
"Ja, seit ich mit ihm vom Mond geflohen bin", erwiderte sie.
"Moment Mal, Moment, heißt das etwa, Captain Zoltral ist eine von den Fantans?"
Klein kicherte vergnügt. "Habe ich was Lustiges gesagt?", fragte Bull verblüfft.
Daraufhin lachte der Geheimdienstoffizier wie ein wieherndes Pferd. "Möchten Sie das übernehmen, Captain?", fragte er, kaum das es ihm gelungen war, wieder Atem zu schöpfen.
"Gerne. Nein, Bully, ich bin keine Fantan. Im Gegenteil, ich... Es dürfte jetzt etwas weit führen, und ich will jetzt nicht erklären, was ich euren Kameraden später noch mal erzählen muss. Aber ich entstamme einem Volk namens Arkoniden. Wir Arkoniden beherrschen ein großes Reich in der Milchstraße, das viele hundert Völker umfasst. Eines dieser Völker sind die Überschweren, eine Rasse von arkonidischen Siedlern, die sich vor zehntausend Jahren auf einem Planeten mit doppelter Erdanziehungskraft niedergelassen haben. Über die Jahrtausende haben sie sich angepasst, wurden kompakter, breiter, aber auch stärker. Unter normaler Erdschwere sind sie nahezu unbesiegbare Kampfmaschinen. Dennoch sind die Überschweren, nun, ein wichtiges Volk im arkonidischen Imperium. Aber nicht alle von ihnen sind sich ihrer Verantwortung für das Reich bewusst. Sie... vermieten ihre Kampfkraft und die Feuerkraft ihrer Schiffe an den Höchstbietenden. Die Fantan-Leute wiederum sind noch etwas niedriger anzusetzen. Sie sind nomadische Piraten, die von Raubzug zu Raubzug eilen."
"Und ihr neuester Raubzug ist anscheinend die Erde." Bully schüttelte sich. "Und wie genau kommen Sie und Ihr Onkel dabei ins Spiel?"
Der Blick der Arkonidin verdüsterte sich. "Mein Onkel Crest hat eine Forschungsexpedition jenseits der Reichsgrenzen angeführt. Er wollte mit Hilfe der AETRON, unserem Expeditionsschiff, eine ganz besondere Ausgrabungsstätte finden. Die AETRON ist ein ziviles Schiff, und als die Fantan-Leute uns angriffen, havarierte es auf dem Mond. Ich war damals wegen meinem Studium Teil der Mannschaft. Letztendlich war ich die Einzige, der mit dem Tran-Atlan die Flucht gelang. Ich rettete mich zur Erde, und bekam das Angebot, die Verteidigung anzuführen. Damals war ich die einzige Chance eurer schönen blauen Welt, und seither habe ich an vielen Orten mit vielen Kameraden gekämpft."
"Unter anderem in Kansas", sagte Rhodan. "Dort gelang es Ihnen, ein gegnerisches Schiff, das wir als Korvette klassifiziert haben, zu vernichten. Es explodierte und stürzte über fast unbewohntem Farmland ab."
"Das kann sein. Ich erinnere mich nicht mehr an alle Kämpfe. Es waren so viele, die letzten Jahre. So unendlich viele. Ist dieser spezielle Kampf wichtig für Sie, Immortal?"
Rhodans Miene wurde verschlossen. Bully hingegen war blass geworden. "Perry, du meinst doch nicht etwa... Oh mein Gott, daran habe ich ja überhaupt nicht mehr gedacht!"
Klein sah nach hinten. Dabei tastete seine Rechte unauffällig zum Holster mit seiner Schusswaffe. "Haben Sie ein Problem, Kadett Rhodan?"
"Das Farmland war nur fast unbewohnt. Einzelne Wrackteile gingen über der Farm meines Onkels Karl nieder. Dabei wurde meine Schwester Cora getötet."
Nun war es an Thora, bleich zu werden. "Bei den She'Huan, Rhodan, das... Das wollte ich nicht. Wirklich, das wollte ich nicht."
Der linke Nasenflügel des jungen Manns bebte, aber er blieb ruhig. "Haben Sie keine Sorge, Captain Zoltral. Ich gebe Ihnen keine Schuld am Tod meiner Schwester. Oder an den Verletzungen, die mein Onkel und meine Tante erlitten haben. Ohne Sie und den Tran-Atlan wären sie vielleicht schon lange zuvor von der Hand der Fantan-Leute gestorben. Ohne Sie wären sehr viele Menschen gestorben. Das habe ich schon vor sehr langer Zeit erkannt." Rhodan sah fort. "Aber ich habe noch etwas anderes erkannt: Hätte ich den Tran-Atlan gesteuert, wäre es sicher nie zu dieser Katastrophe gekommen. Ich hätte Coras Tod verhindern können. Deshalb habe ich beschlossen, selbst Mecha-Pilot zu werden, der beste Mecha-Pilot der Erde. Und ich will es besser machen als Sie, Captain. Ich will es richtig machen."
Kleins Hand zog sich langsam vom Holster wieder zurück. "Na, da hast du dir ja ganz schön was vorgenommen, Junge", murmelte er leise.
"Keine Sorge, Perry steckt seine Ziele immer hoch. Das ist ja das Problem mit ihm", sagte Bull. "Oder seine Stärke. Da bin ich mir noch nicht so sicher. Alter, bist du in Ordnung?"
"Warum sollte ich das nicht sein? Schon morgen sitze ich in einem der besten Mechas, welche die Menschheit je erbaut hat. Und dann trete ich den Fantans mal richtig in den Arsch. Mir geht es sehr, sehr gut, Reginald." Er sah Thora in die Augen. "Sehr, sehr gut."
Den Rest der Fahrt schwiegen sie, bis Klein schließlich vor den Kasernengebäuden hielt.
"Endstation", verkündete Klein eine Spur zu fröhlich, um es wirklich ernst zu meinen. "Meldet euch beim Unteroffizier vom Dienst, bezieht eure Quartiere, und meldet euch in zwanzig Minuten im Hangar."
"Kadett Rhodan", rief Thora ihm nach.
"Captain?"
Die Arkonidin leckte sich kurz nervös über die Lippen. "Ich wollte Ihnen nur sagen, dass..."
"Ma'am, Sie waren damals vierzehn oder fünfzehn Jahre alt, und das Schicksal hat Sie dazu verdammt, die Menschheit zu retten, ob Sie wollten oder nicht", sagte Rhodan ernst. "Ich verstehe das. Vor allem seit ich aus erster Hand weiß, wie schwierig es ist, einen Mecha zu steuern."
"Sie verstehen das, aber vergeben können Sie mir nicht, oder?", fragte sie bitter.
Rhodan antwortete nicht, und das sagte genug.
"Kadett Rhodan, Sie werden Ihre Chance kriegen", sagte Thora fest.
"Meine Chance?"
"Ihre Chance, den Tran-Atlan zu steuern und es besser zu machen als ich." Entschlossen sah sie ihn an, bevor sie stolz den Blick nach vorne richtete. "Zum Hangar, Albrecht."
"Zu Befehl, Captain." Mit quietschenden Reifen fuhr der Jeep los.
Bully legte seine Rechte schwer auf Rhodans Schulter. "Sag mal, Alter, hältst du es wirklich für so klug, gleich am ersten Tag deinen kommandierenden Offizier zu verprellen? Abgesehen davon, dass sie mit Abstand das heißeste Mädchen ist, das ich in meinem kurzen Leben gesehen habe?"
Perry grinste den Freund an. "Na dann warte lieber erst mal ab, bis Schweden doch noch in die UNTASO einsteigt."
"Sehr komisch, Herr Rhodan. Sehr komisch."
Rhodan winkte ab. "Komm endlich, Dicker, wir haben nur noch neunzehn Minuten. Außerdem können wir uns unsere Räume zuerst aussuchen, solange Michael und die anderen noch nicht da sind."
"Ein gutes Argument, Alter", sagte Bully fröhlich und folgte Perry ins Gebäude. Ja, Markham Fields gefiel ihm schon jetzt verdammt gut.
***
Rotiron hob nervös den Kopf, als die beiden vollpositronischen Kampfroboter an der Tür ihre Waffenarme hoben. Sie reagierten. Das war immer ein schlechtes Zeichen. Normalerweise analysierten sie nur. Aktionen erlaubten ihre positronischen Gehirne nur, wenn diese notwendig waren, beziehungsweise schienen. In diesem Fall entschieden die positronischen Denkmaschinen, die Waffenarme in die Richtung einer potentiellen Bedrohung zu richten, um im Falle einer Attacke Reaktionszeit zu sparen. Die Waffen zeigten nun auf die Tür von Rotirons Büro, nicht auf die Schächte oder Wände. Das war beruhigend. Er musste keinen Attentäter erwarten, der durch die Schächte kroch, um ihn umzubringen. Schon wieder. Es konnte sich auch um einen völlig normalen Besucher handeln, sofern es so etwas in einer straff organisierten Truppe wie den Fantan-Piraten überhaupt gab. Es konnte auch eine Horde Meuterer sein, die ihn absetzen und umbringen wollte. Wieder einmal.
Rotiron seufzte leise. Als er sich selbst zum Chef der Sektion "Roter Blutmond" aufgeschwungen hatte, durch ein geradezu genial zu nennendes Giftattentat auf die damals dreiköpfige Führungsriege, da hatte er es sich wesentlich leichter vorgestellt, die Piratenbande anzuführen und sich gegenüber den anderen Sektionen durchzusetzen. Schließlich war er Kopfarbeiter, und kein plumper Muskeltyp. Aber an der Spitze war es einsam, sehr einsam. Und man gab eine viel zu gute Zielscheibe an. Gewiss, Rotiron hatte Vorkehrungen getroffen. In seinem Büro standen die einzigen aktiven Kampfroboter, die auf seinen Befehl hörten, und zwar nur auf seinen Befehl. Natürlich waren sie in Feuerkraft und Kampfkraft nicht mit den großen Mechas zu vergleichen, die von den Fantans in die Schlacht um die Erde geführt wurden. Aber im Kampf gegen einfache Infanterie oder unzufriedene Meuterer waren sie sehr effektiv. Außerdem hatte er dafür gesorgt, dass sie über die neueste Sensorentechnik verfügten, die es auf dem Schwarzmarkt gab. Sie waren gut genug, um selbst Attentäter in drei Meter dicken Wänden in Luftschächten zu orten, bevor sie zuschlagen konnten. Das Loch hatte er immer noch nicht ordentlich reparieren lassen, aus Angst, einem verräterischen Techniker die Möglichkeit zu geben, hier eine Bombe zu platzieren. Die Roboter waren auch in der Lage, die Zusammensetzung der Luft permanent zu prüfen. Ein erhöhter Stickstoffgehalt oder auch nur vereinzelte Giftmoleküle genügten ihnen bereits, um Rotiron zu alarmieren. Er hatte alles getan, was er für seine Sicherheit hatte tun können. Und nicht eine einzige Vorsichtsmaßnahme war übertrieben. Nicht bei den Fantan-Piraten.
Es klopfte. Rotiron zuckte zusammen, betätigte aber die visuelle Gegensprechanlage. Ein Hologramm entstand und bildete Lertakan ab, den Kommandeur der BLUTGOLD. Nach ihm war Lertakan auf lange Sicht der einzige Pirat mit ein wenig Verstand im Roten Blutmond. Das bewies er vor allem damit, dass er Rotiron noch immer unterstützte, während die anderen Kapitäne bereits mehrfach seine Absetzung gefordert hatten. Aber Lertakan wusste, dass man der Erde nicht mit brachialer Gewalt beikommen konnte. Der unsägliche Tran-Atlan verhinderte so etwas bereits im Ansatz. Er wusste, dass es einen klugen Kopf mit einer guten Strategie brauchte, um diese Welt zu unterwerfen, und damit das Elixier des Ewigen Lebens zu erlangen. "Ja, Lertakan?"
Der Kapitän neigte im Zeichen des Respekts kurz sein Haupt und legte dabei das Gesicht in beide Handflächen. "Ich bitte um eine außerplanmäßige Unterredung, Zhdopanthi."
Rotiron verzog leicht die Miene zu einem abfälligen Grinsen. Es war ein Überbleibsel aus der alten Zeit, vor seiner Regentschaft, dass der Herr des Clans ausgerechnet mit jenem Titel angesprochen wurde, der eigentlich nur dem Imperator selbst, dem Herrn des arkonidischen Groß-Imperiums, zustand. Er hatte diese Bezeichnung beibehalten, auch wenn er wusste, was für ein Unsinn sie war. Noch. Noch war es Unsinn, aber wenn er erst einmal das Serum der Unsterblichkeit in Händen hielt, dann konnte er den Titel eventuell eines Tages mit Leben füllen. Auf Kosten der Arkoniden natürlich. Ein Gedanke, der ihn erfreute. Ein Kolonialarkonide wie er auf Arkons Thron, und die schwächlichen, weißhäutigen hochadlig geborenen Arkoniden mussten ihm, dem Überschweren, huldigen. Was für eine Wohltat für die geschundenen Seelen der Fantans.
"Herr?", hakte Lertakan nach.
Rotiron betätigte den Türkontakt. "Komm herein."
Der Kapitän trat hoch erhobenen Hauptes ein. Wie alle Überschweren war er an eine Schwerkraft von zwei Komma eins Gravo angepasst. Die Genetiker, die damals die arkonidischen Ursiedler an die gravitatorische Hölle von Archetz anpassen mussten, hatten sich dafür entschieden, die Körper der künftigen Generationen kompakter anzulegen. Als Folge davon war ein Überschwerer selten größer als einen Meter sechzig - aber fast ebenso breit, und etwa halb so massiv. Eine halbe metrische Tonne Gewicht war keine Seltenheit. Damit einher ging natürlich eine enorme Kraft gegenüber normalsterblichen Arkoniden, weshalb die Überschweren oft und gerne als Soldaten rekrutiert worden waren. Daraus hatte sich ein Geschäft des söldnerischen Begleitschutz entwickelt. Und natürlich Piraterie, denn es gab immer Söldner, die es beim Brandschatzen und Plündern etwas übertrieben hatten, wenn es galt, eine Welt zu erobern. So waren verschiedene Organisationen und Bruderschaften entstanden. Eine von ihnen war die Fantan-Piratengruppe. Eine besonders ruchlose, gewalttätige Versammlung zwar hervorragender Raumfahrer und Soldaten, aber eben auch Gesetzloser. Mittlerweile waren alle in der sechsten Generation in dieses Leben hinein geboren worden, ohne eine andere Wahl zu haben. Arkon hätte nie akzeptiert, das sie sich von den Piraten lossagten; und die Piraten hätten sie für solch eine Handlung ohnehin einen schmerzvollen Tod sterben lassen. Es gab keine Aussteiger bei den Fantans. Niemals. Bis heute.
Lertakan war etwas lindgrün um die Nase. Das war bei seinem natürlichen hellgrünen Teint immer ein Zeichen dafür, das ihn etwas quälte.
"Heraus damit. Wie verlief der Angriff auf Nordamerika?"
"Wir haben die TODBRINGER verloren, und dazu über siebzig Mechas der Thark-Klasse."
"Das sind mehr als herbe Verluste, Lertakan."
Der Kapitän nickte bestätigend. "Der Tran-Atlan ist zu Hilfe geeilt. Er hat den Scheinangriff über Hong Kong ignoriert und sich der TODBRINGER gewidmet."
Rotiron schlug mit beiden Händen auf die Lehnen seines Stuhls. "Diese kleine goldäugige Schlampe! Ich wusste, ich hätte ihren dürren Hals durchbrechen sollen, als ich sie das erste Mal gesehen habe!"
"Es gibt keinen Beweis dafür, das Thora von Zoltral den Tran-Atlan steuert", wandte Lertakan ein. "Sie hat keine militärische Ausbildung, die die Führung eines Katsugo-Mechas erlauben würde. Diese zarte Blume eines arkonidischen Khasurns wird sich das blutige Geschäft des Krieges kaum selbst beigebracht haben."
"Ich weiß, dass Ihr alle nicht glaubt, dass ein kleines arkonidisches Mädchen die ach so großartigen Piraten der Fantan-Bruderschaft seit drei Jahren vernichtend schlägt!", zischte Rotiron ärgerlich. "Aber ich kann mir den Luxus, damit mein Ego zu streicheln, leider nicht leisten!"
"Unsere Agenten auf der Erde konnten zugegebenermaßen noch nicht auf die Markham Fields vorstoßen", gab Lertakan zu, "aber alle Informationen, die wir bisher einholen konnten, lassen darauf schließen, dass terranische Elite-Piloten den Tran-Atlan lenken, nicht etwa unsere zarte arkonidische Blüte. Major Li Tschai-Tung oder Major Peter Kosnow kommen hierfür in Frage. Die besten Piloten, die Terra hat."
"Wenn du das weißt, warum sind sie noch nicht tot?", zischte Rotiron.
"Markham Fields ist nicht zu penetrieren. Und der Tran-Atlan beschützt seinen Heimathafen besser als jeden anderen Ort der Erde. Wir bereiten ein Kommandounternehmen vor, für das nur noch wenige... Details erbracht werden müssen. Dann gelingt es uns vielleicht, die beiden Majore auszuschalten oder sogar den Tran-Atlan zu erobern. Aber es dauert noch einige Zeit." Lertakan lächelte dünnlippig. "Bei der Abwehr unserer Attacke auf die kalifornischen Wirtschaftszentren hatten die Verteidiger nach anfänglichen schmerzhaften Verlusten übrigens keine besondere Schwierigkeit, unsere Truppen abzuwehren, während der Tran-Atlan die Fregatte vernichtet hat. Die Verteidiger haben Unterstützung von Mechas der Kadetten der Space Force erhalten."
"Nicht die auch noch", raunte Rotiron anklagend. "Wir haben so schon genügend Zecken im Pelz. Müssen wir uns auch noch um diese kümmern? Warum hat nicht schon jemand diesen kleinen Bastarden den Hals umgedreht, bevor sie eine richtige Gefahr werden?"
"Wir arbeiten daran. Und mit den heutigen Verlusten ist dieses Ziel nicht mehr fern, Zhdopanthi", erwiderte Lertakan mit einem breiten Grinsen und einer weiteren spöttischen Verbeugung.
Rotiron rieb sich die Stirn. "Wie viele unserer Leute, die am Kalifornien-Angriff beteiligt waren, sind in terranische Gefangenschaft geraten?"
"Über zweihundert, Herr. Wie wir es erwartet haben, wurden sie in die Nevada Concentration Facility für alle gefangenen Fantans Nordamerikas gebracht. Viele wurden verletzt. Aber die Zahl der einsatzbereiten Krieger im Lager ist damit auf über achtzig gestiegen."
Rotiron lächelte zufrieden. "Dann liegt die Zerstörung der Nevada Fields zum Greifen nahe. Und damit das Ende dieser Halbwüchsigen, die uns das Leben schwer machen. Lösch sie aus, Lertakan. Keine Gnade für Männer, Frauen, Kinder. Lass sie alle umbringen. Und bring mir so viele Mark XII-Kampfroboter, wie deine Leute erbeuten können." Er lachte höhnisch. "Wozu haben wir sonst mit Crest von Zoltral den besten Wissenschaftlers Arkons in unserer Gewalt? Er wird uns schon sagen können, was die terranischen Mechas um so viel besser als unsere Tharks macht. Und dann steht unserer Herrschaft nichts mehr im Wege, und wir können in aller Ruhe nach der Unsterblichkeit suchen, während wir Terra langsam bis zum letzten Blutstropfen ausbeuten werden."
Ein hämisches Lächeln glitt über Lertakans Züge. "Dein Plan wird Früchte tragen. Und dann wird es nicht mehr lange dauern, bis sich auch die anderen Fantan-Gruppen unter dein Kommando stellen, Herr."
"Nein, das wird es nicht. Sobald wir das Geheimnis der Unsterblichkeit in Händen halten, werden sie angekrochen kommen, auf Knien, uns anbetteln. Und dann wird die Macht der Fantans erstmalig in einer Hand gebündelt sein. Eine Macht, die Archetz erobern kann, und die uns die Jahrtausende der Repressalien vergelten wird, die unsere ach so edlen Vettern auf uns herab beschworen haben..."
Er schnaubte aus. "Zukunftsmusik. Noch. Konzentrieren wir uns also auf das Naheliegende. Die Ermordung der Majore Kosnow und Tschai-Tung, und die Auslöschung unserer viel versprechenden jungen Kadetten der US Space Force in Nevada Fields."
"Das werden wir, Zhdopanthi", versprach Lertakan.
"Gut. Kümmere dich darum. Du bist entlassen."
Wieder verneigte sich der Überschwere, dann ging er rückwärts durch die Tür, bis sie sich vor ihm wieder verschloss. Das tat er nicht aus Demut, sondern weil die drei Vorgänger Rotirons dazu geneigt hatten, unliebsamen Zeitgenossen in den Rücken zu schießen. Gewohnheiten, die sich bewährt hatten, konnte man so schlecht aufgeben.
Rotiron atmete tief durch, nachdem Lertakan den Raum verlassen hatte. Dann sprang er auf und trat zu einem der wenigen Regale an der Wand. Er zog eines der dickeren Bücher hervor und entblößte damit ein Sensorfeld in der Wand. Ohne zu zögern presste er den Daumen auf die Oberfläche. Kurz darauf fuhr ein Teil des Bodens wie eine Iris in sich zusammen und öffnete einen geheimen Antigravschacht. Ohne zu zögern sprang Rotiron hinein und ließ sich in die Tiefe tragen.
Die Basis war erstaunlich. Gut ausgebaut, auf einem modernen Stand, und dennoch zehntausend Jahre alt. Sie zu finden, sie zu nutzen war einer der Zufälle, die nur den Tüchtigen in die Hände fallen konnte. Als die Gruppe Roter Blutmond damals dem Notsignal eines arkonidischen Forschungskreuzers gefolgt war, um Geiseln zu nehmen und Hightech und Geld zu erbeuten, war sie über diese Basis gestolpert und hatte sie in Besitz genommen. Laut der Positronik, die noch immer tadellos funktionierte, hatte ein arkonidischer Prinz namens Mascaren sie einst erbauen und für die Ewigkeit konservieren lassen. Heute, zehntausend Jahre später, diente sie ausgerechnet den Fantan-Leuten als Basis für die Eroberung der Erde und die Suche nach dem Ewigen Leben.
Von hier aus wurden die über fünfzig Schiffe aller Klassen versorgt, welche die Erde blockierten. Von hier aus wurden über zehntausend Überschwere versorgt und koordiniert, die zur Gruppe gehörten und unter seinem Befehl nach Spuren des Ewigen Lebens suchten.
Fünfzig Schiffe, ging es Rotiron durch den Kopf, und sie hatten nach drei Jahren noch immer nicht die Erde erobert. Das lag zu einem nicht geringen Teil daran, dass die Fantan-Walzen in der dichten Atmosphäre der Erde fliegende Zielscheiben für die terranischen Verteidiger waren. Und er war nicht Narr genug, um seine kampfstärksten Schiffe in so einer dummen Attacke zu opfern, solange er Fregatten und genügend Thark-Mechas zur Verfügung hatte. Und zum anderen daran, dass er bisher von einem flächendeckenden Bombardement abgesehen hatte, das zweifellos die Menschheit in die Knie gezwungen hätte. Die Vernichtung der größten Städte der Erde, New York, Mexico City, Shanghai, Tokio, Kalkutta und Chongqing hätte da sicherlich geholfen. Aber leider konnte er ein Bombardement nicht riskieren, solange er einerseits befürchten musste, die mageren Spuren zur Unsterblichkeit mit zu vernichten, und andererseits sein Alternativplan noch immer möglich war.
Nicht, das er wirklich an die Unsterblichkeitsgeschichte und an diese Wesen glaubte, die älter als die Sonne waren. Aber für seine Leute, die tumben, einfältigen Raumpiraten, für die das Brechen von Knochen die schönste Musik war, war es genau die richtige Ablenkung, um sie bei der Stange zu halten. Die Aussicht nicht mehr sterben zu müssen hatte eine beinahe schon mystische Wirkung auf die Piraten der Fantan-Truppe. Anscheinend verwechselte jeder dieser Idioten die potentielle Unsterblichkeit mit Unverwundbarkeit. Außer ihm, natürlich.
Der Schacht entließ ihn in einem geräumigen Großhangar, in der die Schwerkraft rapide abnahm. Hier war alles auf schwächliche Arkoniden abgestimmt, genauer gesagt auf einen schwächlichen Arkoniden: Crest von Zoltral, Chefwissenschaftler des Großen Imperiums und Jäger der Unsterblichkeit. Dieser Hangar, gut geschützt vor unbefugtem Zutritt, war das uneingeschränkte Reich des letzten Überlebenden der AETRON-Expedition. Wenn man mal von diesem Rotzgör Thora absah, das ihm und seinen Leuten die Eroberung der Erde so erschwerte. Hier wohnte und arbeitete der Arkonide daran, die Waffen und Schirme der Fantans noch effektiver zu machen. Im Gegenzug erhielt er Kleidung, Nahrung und Schutz vor den dümmeren Piraten, die schon seine Besatzungsmitglieder mit wahrer Wonne zu Tode gefoltert hatten. Und sobald die Erde ihnen gehörte, würde Crest ihnen entweder bei der Suche nach der Unsterblichkeit helfen, oder ein hübsches Lösegeld einbringen. So oder so, es lohnte sich, ihn leben zu lassen.
Bisher hatte sich Crest als sehr umgänglich erwiesen, weil er wusste, dass er vom Wohlwollen Rotirons abhängig war. Aber irgendwann würde der ausgekochte rotäugige Bursche einen Plan haben, ihn versuchen aufs Kreuz zu legen. Hoffentlich war er dann klug genug, Crest nicht zu töten. Lebend war der Arkonide viel wertvoller.
"Crest, wo steckst du?", rief er mit lauter Stimme. Er war laut genug, um selbst im Innern der AETRON EINS gehört zu werden, dem letzten Großraumbeiboot der AETRON, das Crest als Quartier diente. Eines der wenigen Zugeständnisse, das Rotiron dem Arkoniden gemacht hatte, kaum das er das Triumvirat ermordet und die Macht ergriffen hatte.
"Ich bin hier!", klang die Stimme des arkonidischen Wissenschaftlers auf. Er winkte Rotiron zu, während er sich in einem halben Dutzend sich überlappender Hologramme bewegte und diese mit beiläufigen Bewegungen manipulierte. "Noch die KREUZFEUER, und meine Arbeit in der Werft ist für heute erledigt." Geschickt manipulierte der Arkonide den Reparaturplan des Kreuzers, optimierte die Schichten der Reparaturteams, lobte Belohnungen für den direkten Wettbewerb der Reparaturmannschaften aus, was die Arbeiten erfahrungsgemäß um zwanzig Prozent beschleunigen würde, kontrollierte den Materialbestand und schickte anschließend eine Nachricht an die Prospektorenteams auf dem Mond raus, dass ein erhöhter Bedarf an Eisen, Gold und Kupfer bestand. Zugleich verfasste er eine Nachricht mit Dringlichkeitsstufe an ihre geheimen Verbündeten auf der Erde, in der er weitere Erdölprodukte für die synthetische Materialgewinnung des Fantan-Stützpunkts anforderte.
Rotiron ließ den Arkoniden gewähren. Seit sich das Rotauge um die Werftarbeiten kümmerte, seit er sich um Materialbeschaffung und -einsatz kümmerte, hatten die Überschweren endlich mal Struktur in den notwendigen Wartungs- und Reparaturarbeiten. Und durch das Belohnungssystem strengten sich die Idioten endlich auch mal an, ohne das jemand mit einer Neuropeitsche hinter ihnen stehen musste. Auch das Gemosere, nicht als Krieger eingesetzt zu werden, hatte damit ein effektives Ende gefunden, weil es leichter war, sich durch Leistung zu verdienen, was als Krieger durch Plünderung vielleicht erworben werden konnte.
Endlich trat Crest aus den Hologrammen hervor. Mit einer nebensächlichen Geste löschte er die Projektionen und trat zu Rotiron heran. Der Arkonide war eine beachtliche Erscheinung von fast zwei Metern Größe. Aber das war es nicht alleine, was Rotiron den Eindruck vermittelte, das der Arkonide auf ihn herab sah. Crest besaß ein Wissen, das seinesgleichen suchte. Ingenieurskunde, Naturwissenschaften, Metaphysik, all das vereinigte sich in Crests Gehirn. Nicht weil er sich das entsprechende Fachwissen durch Hypnoschulungen hatte implementieren lassen, sondern weil er das Wissen angewendet und bestätigt hatte. Er war wohl der einzige adlige Arkonide, von dem Rotiron je gehört hatte, der jemals ein Hyperaggregat mit eigenen Händen auseinander genommen hatte, um aus erster Hand verstehen zu können, wie es funktionierte.
Der große Arkonide verbeugte sich tief bis in die Hüfte vor Rotiron und legte in Archetzscher Manier beiden Hände auf das Gesicht. "Ich begrüße dich. Was kann ich für den Anführer des Roten Blutmonds tun?"
Wieder einmal fühlte sich Rotiron verwirrt. Einerseits wusste der Überschwere, dass Crest, der große, gut aussehende Mann mit dem wallenden weißblonden, schulterlangen Haaren, dem sogar die Frauen der Überschweren hinterher sahen, auf ihn herab sah. Andererseits war der Respekt, den er ihm, dem Anführer seiner Entführer, entgegen brachte, keine Floskel, sondern von vorne bis hinten echt, authentisch. Rotiron hätte niemals gedacht, je einen Mann treffen zu können, der so schlau war, seine Abhängigkeit zu erkennen und bis zur letzten Konsequenz zu befolgen. In Momenten wie diesen beschlichen Rotiron vollkommen unfantansche Gefühle wie Vertrauen und Loyalität diesem Mann gegenüber, die ihm nur Scherereien einbringen würden.
Er schob diese Gedanken beiseite und sah ernst zum Arkoniden auf. "Du hast die neuesten Berichte wahrscheinlich früher gekriegt als ich", stellte er fest.
"Ich habe die Rückkehrer gezählt und die Verlustlisten gesehen und mir meinen Teil gedacht", bestätigte Crest mit einem dünnen Lächeln. "Diesmal kann es nicht nur der Tran-Atlan gewesen sein."
"Das ist richtig. Eine Horde junger Kadetten der Amerikaner ist uns dazwischen gekommen. Junge Burschen mit den Reflexen der Jugend." Er zögerte kurz. "Lertakan hat Anweisung, sie auszulöschen."
Crest verzog die Miene zu einem bösen Blick. "Als Dagorista bedaure ich den Verlust von guten Kriegern, die nicht im Kampf sterben durften."
"Wieso glaubst du, dass sie nicht im Kampf sterben werden?", konterte Rotiron. "Unsere Kameraden in Nordamerika werden ihr Gefängnis verlassen, und Nevada Fields einebnen. Die Kadetten werden ihre Chance bekommen, entweder als Krieger zu sterben, oder zu entkommen."
"Eine geringe Chance gegen Überschwere", erwiderte Crest ernst.
"Es ist besser, eine kleine Chance zu haben, als keine Chance zu haben. Sagt Ihr Dagoristas das nicht immer?"
Crests Mund verzog sich zu einem Schmunzeln. "Das ist richtig. Ich entschuldige mich dafür, dich kritisiert zu haben. Auch wenn ich weiß, dass die jungen Kadetten keine Chance haben werden."
"Ich werde es nicht bedauern, wenn du Recht behältst, Crest."
Nun huschte ein Grinsen über Crests Züge. "Wie ich dir schon mehrfach gesagt habe, Rotiron, danke ich dir für deine Ehrlichkeit und deine offenen Worte. Du bist ein Mann, den ich respektiere."
"Vor allem bist du ein Mann, der weiß was er wann zu sagen hat", erwiderte der Überschwere ernst. "Aber lassen wir das. Reden wir nicht mehr über das Schicksal irgendwelcher Halbwüchsiger. Reden wir über meine Leute. Hast du den Ausweichplan fertig?"
"Sicherlich", sagte Crest und winkte den Überschweren zu den Hologrammen. Eines erschien auf seinen Befehl und formte den Mars nach. "Anhand der Analysen deiner Prospektoren konnte ich auf dem Mars große Kasernen unter dem Tafelberg vulkanischen Ursprungs ausmachen, den die Terraner Mount Olympus nennen. Dazu kommen Wasservorräte in Form von reinem Eis unter dem Berg, die achttausend Hektoliter umfassen. Das Gesamtvolumen der Kavernen beträgt vierzehn Kubikkilometer. Wenn man die Höhlen abdichtet, die Gravitation künstlich erhöht und mit entsprechendem Luftdruck befüllt, können Überschwere dort überleben." Er musterte Rotiron. "Es ist ein gutes Versteck, wenn man Wert auf die Antiortung legt. Ein sehr gutes Versteck für ein paar tausend Überschwere, das mit wenig Aufwand hergerichtet werden kann."
"Gut. Sehr gut. Damit haben wir ein Rückzugsgebiet, falls die Sache hier wirklich schief geht", murmelte Rotiron.
"Verzeih, wenn ich das sage, Herr des Roten Blutmonds, aber bisher ging ich davon aus, dass die Piraten ihr Rückzugsgebiet in den Schiffen haben. Es ist doch etwas untypisch für Überschwere, ihr Nomadenleben an Bord der Schiffe gegen das Leben in einer Kaverne einzutauschen."
"Die Zeiten ändern sich vielleicht", wich Rotiron aus. "Wir sind als Piraten geboren, Arkonide, und auch als Raumfahrer. Aber das hat nichts darüber zu sagen, wie wir sterben werden. Oder wo."
Rotiron winkte ab, als Crest nachsetzen wollte. "Bitte, Arkonide, keine Diskussion. Stattdessen lass mich dich belohnen. Du hast die Effizienz des Stützpunkts erneut um drei Prozent gesteigert. Ich werde dir Daella schicken, damit sie dich eine Nacht lang verwöhnt. Das ist dir doch Recht?"
"Sieh mich an, Rotiron, ich bin ein Mann. Und ein Mann hat gewisse Bedürfnisse. Und Daella hat von allen Frauen deines Volkes noch das größte Feingefühl, um mit meinem zerbrechlichen Körper umzugehen. Ich sage da nicht nein. Aber es gibt noch eine andere Sache zu besprechen." Er deutete auf die AETRON EINS.
Rotiron drängte die Gedanken an eine zärtliche Daella, die den Arkoniden mit ihrem zweihundert Kilo schweren Körper nicht zermalmte und mit ihren für einen Arkoniden überwältigenden Kräften nicht zerbrach, beiseite und konzentrierte sich wieder auf Crest. "Was ist mit der AETRON EINS?"
"Ich habe sie repariert. Sie ist wieder einsatzfähig. Erlaubst du mir einen Probeflug?"
Prustend begann Rotiron zu lachen. "Das ist doch nicht dein Ernst, Crest."
Ein Grinsen huschte über die Züge des Hünen. "Ich wollte es zumindest probieren, Rotiron."
"Gut, wenn es das war, schicke ich dir Daella für diese Nacht. Sende mir noch die Fortschritte bei den Waffenverbesserungen, die du erforscht hast, und dann kannst du dich mit deiner mageren Gespielin für die Nacht zurückziehen."
"Ich danke dir dafür, dass du dich um alle meine Bedürfnisse kümmerst", erwiderte Crest und deutete eine Verbeugung an.
"So ergeht es allen, die mir nützlich sind", sagte Rotiron und wandte sich zum Gehen.
"Eines noch", klang Crests Stimme auf. "Da es jetzt dem Ende entgegen gehen zu scheint, möchte ich dich an dein wichtigstes Versprechen erinnern, Rotiron."
Der Überschwere wandte sich nicht um und marschierte zum wartenden Antigravschacht. "Keine Sorge, Crest. Wenn deine Nichte in die Hände meiner Leute fällt, egal ob sie die Pilotin des Tran-Atlans ist oder nicht, werde ich dafür sorgen, dass sie dir überstellt wird. Unbeschädigt und ungeöffnet, wie ich es dir versprochen habe."
"Und wofür ich dir meine Hilfe und meine Loyalität schenke", erwiderte Crest mit beißendem Ton in der Stimme.
Der Überschwere blieb für einen Moment stehen, drehte sich aber immer noch nicht um. Stattdessen schnaubte er amüsiert. Mit einem letzten Blick auf die sechzig Meter durchmessende Kugel der AETRON EINS verschwand er im Antigravschacht. In dieser Nacht würden interessante Dinge geschehen. Sowohl auf dem Mond, als auch auf der Erde.
2.
General Tai Tiang ließ die jungen Kadetten im Hab acht stehen. Es war allerdings ein mittelschweres Wunder, dass die jungen Männer genügend Disziplin aufbrachten, um dem alten, erfahrenen Offizier zu gehorchen, wenn sich direkt vor ihrer Nase der berühmte, legendäre Tran-Atlan selbst befand. Die jungen Augen konnten sich nicht satt sehen an der zwölf Meter hohen, schlanken Gestalt, die wirkte wie ein eleganter Samurai mit mächtiger Schulterpanzerung, in der Rechten das Rotteku-Kampfschwert mit der Schneide aus Laserlicht, und in der Linken das äußerst effektive Partikelgewehr, das kleinste Moleküle auf nahezu Lichtgeschwindigkeit beschleunigte, die durch den Massezuwachs enorme punktuelle Schäden anrichten konnten. Die Kunst war nicht, diese Waffen zu benutzen. Die Kunst war es, mit ihnen die richtigen Stellen eines Gegners zu treffen. Und der Tran-Atlan galt als konkurrenzloser Meister dieser Kunst, als Beherrscher des Himmels über Terra. Zudem war er als einziges Objekt dieser Größe mit Schutzschilden ausgestattet.
Die etwas klobigeren Atlan-Kampfroboter, dem Tran-Atlan nachempfunden, aber mit terranischem Know How und Material erbaut, wirkten gegen ihren gleich großen, aber wesentlich eleganteren Vater noch immer beeindruckend. Vor allem wenn man sie mit den wesentlich kleineren, massiveren Mark XII-Kampfrobotern verglich, die in den USA entwickelt worden waren, und auf denen die Kadetten die letzten drei Jahre trainiert hatten. Dennoch, an den Tran-Atlan kamen sie nicht heran. Aber im Gegensatz zu den meisten terranischen Modellen verfügten die Atlans auch über Schirme, nicht so starke wie die des Tran-Atlan, aber stärkere als die Tharks oder die Zeus der Europäer besaßen.
Einmal ganz davon abgesehen, dass diese fünf Kampfroboter und Thoras Maschine Wölfe waren, und es theoretisch nur genügend Hunde geben musste, um die Wölfe zu fällen. Wölfe, die sich teuer verkaufen würden.
"ACHTUNG!", gellte ein scharfer Ruf auf. Die Kadetten versteiften sich ein wenig und starrten vor sich ins Leere. Zwei Männer betraten den Hangar. Ein großer, breitschultriger Kaukasier, und ein schlanker, fast ebenso großer Asiat.
"Rühren, meine Herren", sagte Thora, die den beiden auf dem Fuß folgte. "Meine Herren, ich möchte Ihnen die Majore Kosnow und Tschai-Tung vorstellen, meine Piloten."
Das verursachte Verwirrung bei den angehenden Offizieren. Es hatte etwas von "abserviert worden zu sein, bevor man seinen Wert beweisen konnte".
"Lassen Sie mich das erklären", bot Thora an.
Rhodan hob unmilitärisch die Hand. "Ja, Immortal?"
"Gehe ich recht in der Annahme, dass die Majore Kosnow und Tschai-Tung den Tran-Atlan steuern?"
Über Thoras Lippen huschte ein zufriedenes Lächeln. "Was bringt Sie zu dieser Annahme, Immortal?"
"Die Zahl der Einsätze, die der beste Mecha der Menschheit fliegt. Manchmal sieht man wochenlang nichts von ihm, manchmal startet er an einem Tag zwanzig Mal. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Sie, Captain, diesen Raubbau mitmachen und dann noch so blendend gut und gesund aussehen." Als Rhodan bewusst wurde, was er gerade gesagt hatte, räusperte er sich verlegen und nahm die Hand wieder ab.
"Was habe ich dir gesagt?", zischte Freyt zu Nyssen, "Perry holt sich einen Vorsprung!"
"Ruhe im Glied!", herrschte General Tiang die Kadetten an, die sich sofort wieder strafften.
"Sie haben natürlich Recht, Immortal", sagte Thora und hüstelte verlegen. "Der Tran-Atlan muss vierundzwanzig Stunden am Tag im Dienst sein, und bei mancher Groß-Offensive der Fantans hätte ich ganze Tage im Cockpit bleiben müssen. Major Peter Peterowitsch Kosnow und Major Li Tschai-Tung sind nach mir die besten Piloten der Erde. Mit ihnen teile ich mir eine dreimal achtstündige Bereitschaft für den Tran-Atlan. Das heißt, sie waren die Besten, bis Sie fünf aus der Masse der Anwärter hervor gestochen sind. Ihre Werte, meine Herren, sind weit besser als die von Major Kosnow und Major Tschai-Tung. Das bedeutet aber weder, dass Sie die beiden ersetzen werden, noch das nicht einer der beiden Ihre Plätze bei der kommenden Mond-Mission übernehmen wird, wenn sich die viel versprechenden Prognosen als falsch erweisen. Peter?"
Kosnow nickte und trat vor. "Wie Captain von Zoltral gesagt hat, sind Major Tschai-Tung und ich die Reserve-Piloten des Tran-Atlans. Wir drei waren bisher die einzigen Menschen, die diesen Giganten im Kampf einsetzen konnten. Es würde mich im Sinne der Sicherheit der Menschheit mehr als freuen, wenn wir die Zahl der möglichen Piloten für den Tran-Atlan weiter erhöhen können - unabhängig von Ihren Ergebnissen auf den Atlan-Mechas. Darüber hinaus bedeutet das natürlich, das wir als Ersatzleute für Sie agieren, meine Herren. Wir werden jederzeit bereit sein, einen oder mehrere von Ihnen zu ersetzen, sollten Sie konditionell, taktisch oder psychisch ausfallen, beziehungsweise unseren Standards nicht gewachsen sein." Kosnow trat vor und musterte jeden einzelnen der Kadetten eindringlich. "Machen Sie Ihre Sache gut, und Sie werden der Erste Pilot eines Atlans. Machen Sie Ihre Sache sehr gut, und Sie steigen ins Pilotenteam des Tran-Atlan auf. Machen Sie einen Fehler, und Sie sind schneller wieder auf den Nevada Fields, als Sie Kampfroboter sagen können! Wir sind hier das wichtigste, das allerwichtigste Bollwerk der Menschheit! Wir entscheiden, ob die Yen-Lo-Wangs, die Katjuschas, die Zeus oder die Adelantes dieser Welt die Invasion der Fantan-Leute aufhalten können oder nicht! Mit uns steht und fällt die Erde! Machen Sie sich das klar, begreifen Sie, dass es Rivalität auf den Markham Fields nur gibt, um den Besten an die schwerste Position zu bringen, nicht aber um sein Ego zu befriedigen! Dann sind Sie beim letzten und wichtigsten Aufgebot der Menschheit angekommen!" Als keiner der Kadetten eine ernsthafte Reaktion zeigte, nickte Kosnow zufrieden und trat wieder zurück.
"Li."
Der Asiat trat nun vor und musterte die jungen Männer einen nach dem anderen. Schließlich trat er wieder zurück und brummte ein trotziges: "Annehmbar."
Thora vernahm es mit einer gewissen Zufriedenheit. "Es gibt da gewisse Gründe, die einen Atlan jedem terranischen Modell überlegen machen, abgesehen von der Bewaffnung und den Schirmen. Auch jedem Thark der Fantans, die Sie unter den Codebezeichnungen Scylla, Gorgone und Hermes kennen. Sie alle kennen die neuronale Verbindung, die der Pilot mit der Positronik eines Mechas eingeht. Um geeignete Piloten für die Mechas zu finden, muss man entweder sehr lange suchen, oder Abstriche in der Leistung in Kauf nehmen, wenn zum Beispiel ein Jet-Pilot auf einen Kampfroboter wechselt. Das kann überraschend gut ausfallen, oder auch nicht. In jedem Fall ist der Pilot mit dem Mecha allerdings weit stärker als in seinem Kampfjet. Was die Majore Kosnow und Tschai-Tung angeht, so haben wir lange, sehr lange gesucht. Übrig blieben die Besten der Besten. Doktor Peterson?"
"Ja, ich komme, Thora." Hinter dem Tran-Atlan klapperte etwas, dann war ein Laut des Erschreckens zu hören, und aus dem linken Knie rauschte eine Gestalt zu Boden. Überrascht sah sich Doktor Peterson auf dem Boden des Hangars um, bevor er einen derben Fluch zum Besten gab und sich steif erhob.
Peterson trat vor die Kadetten. Er zog einen antiquierten Schreibblock hervor und begann daraus abzulesen. "Wissen Sie, was den Tran-Atlan so erfolgreich macht, meine Herren? Nein, natürlich wissen Sie es nicht. Also werde ich es Ihnen sagen: Die perfekte Abstimmung auf ein arkonidisches Gehirn. Ich will damit nicht sagen, dass terranische Gehirne nicht so leistungsfähig sind wie arkonidische. Aber es gibt da einen Umstand, das das arkonidische Gehirn für den Umgang mit einem Mecha geeigneter macht. Arkonidische Gehirne haben einen Gehirnsektor, der, nun, zusätzlich da ist. Das geht auf eine genetische Manipulation des gesamten Volkes vor dem Anbeginn der Raumfahrt zurück. Die Forscher erhofften sich dadurch, alle Arkoniden mit einer Art sechstem Sinn auszurüsten, um sie für die Gefahren und Chancen des Weltalls besser zu wappnen. Entstanden ist eine Art Extrasinn, einer superlogischen Stimme im Kopf. Sie können sich vorstellen, dass die Erste Generation Arkoniden mit kleinem Mann im Kopf erhebliche Probleme hatte. Also ging man damals dazu über, diesen Hirnsektor wieder einzuschläfern, und nur bei besonderen Probanden zu erwecken. Diese Fähigkeit, dieser Extrasinn, wird heutzutage kaum noch erweckt. Aber die entsprechende Gehirnregion ist nun mal da, und sie ist es, die... Gewisse Faktoren erschafft, die den Umgang und die Vernetzung mit der Positronik extrem begünstigt. Um einen Mecha wie den Tran-Atlan annähernd so erfolgreich steuern zu können wie Captain von Zoltral braucht man entweder genau diesen Extrasinn... Oder man ist wie Sie in einem Alter, meine Herren, in dem das Gehirn seine Aufgaben noch nicht zu einhundert Prozent übernommen hat, und sich ein Teil der Synapsen durch langjähriges Training so umbildet, dass das Gehirn quasi einen Pseudo-Extrasinn hervorbringt. Ihr jahrelanges Training, meine Herren, hat Sie in die Lage versetzt, nach arkonidischer Methode die Atlans zu steuern. Und heute werden wir herausfinden, wie gut Ihr Pseudo-Extrasinn funktioniert. Anhand der Ergebnisse werden wir entscheiden, ob Sie an Lunar Dream teilnehmen werden, und ob von Ihnen jemand für den Tran-Atlan in Frage kommt."
Er deutete tiefer in die Halle, die prompt in diesem Moment ausgeleuchtet wurde. "Für diesen Zweck haben wir Simulatoren, die eine perfekte Vernetzung simulieren, und die nahezu reale Gefechtsbedingungen erschaffen."
"Mit anderen Worten: Es gibt endlich was abzuschießen!", rief Bully und reckte eine Faust hoch.
"Nun, das war wissenschaftlich gesehen nicht ganz sauber ausgedrückt, aber militärisch gesehen trifft es wohl den Kern", schmunzelte Peterson. "Kommen Sie, meine Herren, machen wir uns an die Arbeit. Es liegt ein langer Nachmittag und ein langer Abend vor uns."
"Was ist mit Schutzanzügen? Sollen wir uns umziehen?", fragte Deringhouse.
"Nein, nicht für die Simulatoren. Morgen, wenn wir Sie auf die Atlans lassen, werden Sie sie aber brauchen können. Vor allem die verbesserten Andruckabsorber, die wir integriert haben und die jedem terranischen Modell überlegen sind." Peterson grinste schalkhaft. "Nur so aus Interesse, meine Herren: Wer, denken Sie, wird denn bei dieser Simulation am Besten abschneiden?"
Vier Zeigefinger fuhren hoch und deuteten auf Rhodan, der seinerseits auf Freyt hatte zeigen wollen. Erstaunt sah er die anderen vier an. "Jungs, macht keinen Scheiß."
"Ein eindeutiges Votum", klang nun wieder Thoras Stimme auf. "Immortal, ich erwarte Großes von Ihnen. Immerhin wollen Sie den Tran-Atlan steuern, oder? Zeigen Sie mir, was Sie drauf haben."
Rhodan biss die Zähne zusammen. "Das werde ich, Captain!"
"Na, dann mal los!", rief Bully fröhlich, klopfte Rhodan und Nyssen auf die Schultern und schob sie in Richtung der Simulatoren.
***
"War zu erwarten gewesen", sagte Freyt müde, und stieg aus seiner Simulatorkapsel.
"Na, du hast ja wohl keinen Grund, um dich zu beschweren", erwiderte Nyssen. "Du bist gleich nach Perry die Nummer zwei in der Wertung. Ich hingegen muss mich mit einem lausigen Platz vier hinter Bully zufrieden geben."
"Danke, dass du nicht erwähnst, dass ich auf Platz fünf bin!", rief Deringhouse ärgerlich.
"Machen Sie sich nicht ins Hemd, Kadett", mahnte Kosnow. "Ihre Werte liegen elf Prozentpunkte über meinem besten Ergebnis. Es gibt keinen Grund für Sie, sich zu beschweren. Wenn Sie diesen Leistungsstand auch bei den Atlans selbst halten können, dann haben wir unser Team für Lunar Dream zusammen."
Verwundert blinzelte Deringhouse. "Wirklich?"
"Würde es für mich Sinn machen, Sie grundlos zu loben, Sidewinder?", erwiderte Kosnow mit einem trockenen Grinsen. "Im Anbetracht der Freiheit der ganzen Menschheit gibt es kein Schönreden und kein Loben. Wir alle müssen unser Bestes geben, und wir müssen es da geben, wo wir am Effektivsten sind. Gewöhnen Sie sich daran, Sidewinder. Gewöhnen Sie alle sich daran. Auch Sie, Immortal."
Rhodan, der gerade aus seiner Kapsel geklettert kam, sah auf. "Wo ist Thora?"
"CAPTAIN von Zoltral", sagte Kosnow bissig, "hatte in der vergangenen Nacht mehrere Einsätze. Sie ist jetzt schon seit zwanzig Stunden auf den Beinen und hat vor einer halben Stunde eine kleine Ruhepause eingelegt. Wenn Sie etwas Wichtiges mit dem Captain zu besprechen haben, werde ich die Agenten Matsu und Sloane, die im Moment für ihre persönliche Sicherheit zuständig sind, bitten, sie zu wecken."
Rhodan winkte ab. "Es geht mir nicht darum, die Leistungen von Captain von Zoltral in Frage zu stellen. Ich war nur neugierig."
"Und Sie missgönnen ihr auch nicht den Schlaf, den sie ab und zu doch mal braucht, um nach Ihren eigenen Worten so blendend gut und gesund auszusehen, Rhodan?", fragte Peterson grinsend und drückte dem Kadetten einen Energydrink in die Hand. Einen weiteren reichte er Bull, bevor er mit den restlichen Dosen zu den anderen drei Kadetten ging.
"Nein, natürlich nicht." Rhodan öffnete die Dose und nahm einen Schluck von der eiskalten Flüssigkeit. "Ich dachte nur, sie hätte eventuell das Interesse an uns verloren."
"Du meinst, du dachtest, sie hat das Interesse an dir verloren", tadelte Bull grinsend und wollte seine Dose öffnen. "Grapefruit-Saft? Ist da wirklich Grapefruit-Saft drin?"
"Ist das nicht Ihre Marke?", fragte Peterson.
Bull sah zu den anderen drei Kadetten, die viel sagende Blicke austauschten. "Wo sind denn hier die Toiletten im Gebäude?", fragte Deringhouse mit einem resignierenden Seufzer.
"Wir haben welche in den Duschräumen. Der Bereich für die Herren hat aber einen Wasserschaden und wurde von der Leitung genommen. Dort, durch diese Tür." Er runzelte die Stirn. "Kann mir mal einer erklären, was ich falsch gemacht habe?"
Deringhouse ging zur Tür und öffnete sie. Nyssen sah demonstrativ auf seine Uhr. "Ich gebe ihm noch zehn Sekunden maximal."
Freyt sah in einer Mischung aus Schadenfreude und Mitgefühl zu Rhodan herüber. "Falls du kein Papier hast, rufe laut. Wir retten dich dann."
"Ich verstehe nicht...", begann Peterson wieder.
In diesem Moment entglitt die Dose Rhodans Händen, fiel zu Boden und ergoss sich auf den Stahlbeton. Rhodans Augen verdrehten sich, bis nur noch das Weiße zu sehen war. Ein leiser, stetig lauter werdender Klagelaut kam gepresst durch seine Lippen. "Ent.. Entschuldigen Sie mich, Doc!", rief er hastig und sprintete zur Tür, die Deringhouse für ihn offen hielt.
"Zweite Tür links!", rief Sidewinder ihm nach.
"Perry verträgt keinen Grapefruit-Saft", sagte Bull, mühsam ein Lachen zurückhaltend. "Er verträgt überhaupt keine Südfrüchte. Davon kriegt er schlimmen Durchfall."
"Oh!" Entsetzt sah Peterson die jungen Kadetten an, während Kosnow und Tschai-Tung in lautes Gelächter ausbrachen. "Das tut mir Leid. Das habe ich nicht gewusst."
"Es ist keine Allergie. Es ist nur Durchfall", beruhigte Nyssen den Doktor. "Was also soll mit ihm passieren, außer ein paar Darmkrämpfen?"
"Abwarten", mahnte Freyt. "Wir reden hier immerhin über Immortal."
"Wie wäre es, wenn wir die Zeit nutzen, in der er nicht da ist, und noch etwas unsere Punkte verbessern?", schlug Bull vor. "Die Gelegenheit ist günstig."
Eifrig stimmten die anderen drei Kadetten zu und bemannten wieder ihre Simulatoren.
"Also, über mangelnden Willen können wir uns schon mal nicht beschweren", merkte Tschai-Tung amüsiert an.