Ace Kaiser
Als Germaine Danton in die Limousine stieg, die ihn zum Palast Dvenskys bringen sollte, warf er einen letzten Blick zurück. Bei ihm war nur Adept Yalom, der Verbindungsoffizier ComStars. Seine Offiziere hatten protestiert, als er diese Entscheidung getroffen hatten.
Aber letztendlich hatte das Argument gewirkt, dass ein weiterer Offizier, falls Dvensky falsches Spiel betrieb, nur zwei tote Offiziere mehr bedeutete. Die Einheit gerade jetzt so intakt wie möglich zu halten, war die oberste Priorität.
Die Stimmung war gedrückt. Viele ließen die Köpfe hängen. Schlimm war es vor allem bei den Höllenhunden, der Panzerabteilung der Chevaliers.
Germaine wünschte sich, er könnte ihnen einfach den ganzen Plan verraten. Ihnen einfach sagen, dass der Absturz fingiert gewesen war und die Landung der SKULLCRUSHER bestenfalls etwas rau gewesen sein mochte.
Doch Geheimhaltung zählte hier noch weit mehr als auf Thule.
Auf seine Offiziere konnte er sich verlassen, das wusste Germaine. Und die Mannschaften. Noch folgten sie. Soldaten gingen gerne den Weg des geringsten Widerstandes. Darin waren sie über die ganze Innere Sphäre verteilt gleich.
Wenn dies aber bedeutete, sich einem Mob anzuschließen und zu randalieren und zu rebellieren, würden sie auch das tun.
Der Chevalier schloss die Tür und gab dem Fahrer Bescheid, dass er los fahren konnte.
Yalom sah den Major mit unbewegter Miene an. „Der Absturz gefällt mir nicht“, sagte der ComStar-Veteran. „Es könnte der Eindruck entstehen, er wäre absichtlich herbeigeführt worden, um in der Nähe einer der großen Städte zu landen und LosTech einzusammeln.“
Germaine lächelte schwach. Dies war also die Generalprobe.
„Natürlich sieht es so aus. Und hätte ich es geplant, dann hätte ich es auch genau so gemacht.
Und anschließend wäre ich zum Herzog gefahren, hätte mich zu Boden geschmissen und laut und klagend um das Leben meiner Leute gebettelt.“
Der Adept zog eine Augenbraue hoch. „Sie fahren zu Dvensky, um ihn um das Leben Ihrer Leute anzubetteln.“
„Gut erkannt“, brummte Germaine, während der Wagen anfuhr. „Was anderes bleibt mir ja auch nicht übrig, oder? Immerhin sind das meine Chevaliers, die da mitten in einen tropischen Sturm abgestürzt sind.“
„Sicher. Alleine um den Schein zu wahren, müssen Sie diesen Gang antreten. Kommen Sie, überzeugen Sie mich. Wenn ich Ihnen nichts glaube, wird der Schatun es erst recht nicht tun.“
Ärgerlich fuhr Germaine aus dem Polster, ließ sich aber wieder zurück sinken. „Es steht mir nicht zu, um das Leben meiner Leute zu schachern.“
„Eindrucksvolle Reaktion. Könnte beinahe echt sein. Aber beim Schatun sollten Sie auf emotionale Gesten verzichten und lieber harte Fakten bringen. Andererseits scheint seine Schwester Sie irgendwie zu mögen. Frauen reagieren auf Emotionen. Zerdrücken Sie ein paar Tränen zwischen den Lidern, das wird sie weich kochen.“ Yalom zwinkerte. „Weiter im Text.“
„Sie wollen also von mir eine logische Erklärung, warum der Absturz nicht geplant war, hm? Gut, dafür kann ich drei Gründe nennen. Um auf Tomainisia etwas zu suchen, benötigt man Monate. Wir aber sind bestenfalls sechs Wochen hier, bevor Blakes Wort uns ablöst.“
„Hm. Sie könnten eine Schatzkarte haben.“
„Eine Schatzkarte? Interessant. Vor allem die Tatsache, dass ComStar uns dann ausgerechnet für die Welt angeworben hat, auf der wir diesen Schatz heben wollen.“
„Punkt für Sie, Herr Major.“
„Der zweite Punkt ist, wir wurden viel zu hastig angeworben, um auf Bryant wirklich LosTech plündern zu wollen. Mein Gott, bevor ComStar uns angeworben hat, kannte ich nicht mal den Namen Bryant. Eine solche Aktion sollte eigentlich etwas mehr Vorlauf erfordern.“
„Sie könnten die Aktion schon seit Jahren planen und jetzt, bei der günstigen Gelegenheit zugreifen“, wandte Yalom ein.
„Jahre, die ich vor der Gründung der Chevaliers hauptsächlich an der Clanfront verbracht habe“, brummte Germaine leise. „Bei den Jadefalken denkt man eher an das eigene Überleben und das Überleben der eigenen Leute. Nicht unbedingt an Schätze. Außerdem, wie soll der Schatz überhaupt aussehen? Er muss groß und wertvoll genug sein, um einen ganzen Lander zu riskieren. Von den Truppen an Bord ganz zu schweigen.“
„Nun, da gibt es nicht viel. Selbst ein Tresor voller Diamanten dürfte ab einem gewissen Aufwand unrentabel werden.“ Yalom nickte gewichtig. „Gutes Argument. Bleiben Sie dabei. Und der letzte Punkt?“
Danton grinste schief. „Nun, da gibt es noch einen äußerst merkwürdigen Überfall auf eine MechPatrouille auf New Home, bei der unbekannte Angreifer einen meiner Leute beinahe getötet hätten. Es war eine Lanze in Sternenbundstärke, die Angreifer waren erfahren und routiniert. Und irritierenderweise hat sich der schnellste und leichteste Mech unsere Landungsschiffe angesehen. Wenn ich es recht bedenke, dann halte ich diesen Angriff für eine Bewaffnete Erkundung. Irgendjemand scheint uns damals genug misstraut zu haben, um einen Fauxpas mit ComStar zu riskieren.
Und zu allem Überfluss wurde bei dem Angriff die SKULLCRUSHER getroffen. An Bord brach ein Feuer aus. Wir waren uns sicher, die Schäden beseitigt zu haben. Aber anscheinend war dem doch nicht so.“
Yalom nickte. „Gut. Mich haben Sie überzeugt. Nun machen wir bei Dvensky weiter. Was ComStar angeht, haben Sie meine volle Rückendeckung.“
Danton schmunzelte. „Können Sie das bitte noch einmal sagen, nur diesmal lauter? Ich möchte sicher gehen, dass die Abhörgeräte im Wagen auch wirklich jedes Wort verstehen.“
Germaine sah, wie der Fahrer zusammen zuckte und lachte leise.
Sie erreichten den Palast. Oder vielmehr die Sternenbundfestung.
In der Tat, ein atemberaubender Anblick. Germaine hatte diesen Klotz bei der Landung gesehen und war beeindruckt gewesen. Der Kasten war hoch, verdammt hoch. Er vermerkte das in Gedanken. Es würde nützlich sein. Später.
Ein riesiges Tor öffnete sich, und es war, als wollte der kleine Wagen von einem Wal verschluckt werden.
Sie fuhren hunderte Meter in die Festung hinein, bis sie in einem riesigen Hangar ankamen.
Danton hatte eine Ehrenformation erwartet, zumindest bewaffnete Wachen, so ein, zwei Dutzend.
Stattdessen erwartete ihn und Yalom lediglich ein kleines Ehrenaufgebot, bestehend aus zwei kräftig gebauten und mit Autopistolen bewaffneten Fallschirmspringer der Elitetruppen Bryants. Zwei Wachen für zwei Gäste. Germaine wertete es als gutes Zeichen.
Vor den beiden Männern stand Natalija Dvensky. Sie trug erneut den teuren Pelzmantel und lächelte Germaine zu, als er die Limousine verließ.
Germaine trat an die Frau heran und lächelte zurück. „Danke, dass Ihr Bruder uns so kurzfristig eine Audienz gewährt. Ich bin sicher, Sie haben einiges dazu beigetragen.“
Natalija sah errötend zu Boden. „In Anbetracht der Dringlichkeit ist das doch selbstverständlich, Germaine.
Adept Yalom. Willkommen auf Bryant. Folgen Sie mir bitte beide. Der Herzog erwartet uns in seinem Privatbüro.“
Sie betraten einen Fahrstuhl. Es dauerte einige Zeit, bis er wieder die Türen öffnete. Germaine hatte den subjektiven Eindruck gehabt, nach oben zu fahren, aber sicher konnte er nicht sein.
Vor allem weil dieser Gang sich nicht besonders von jenem unterschied, in dem sie den Fahrstuhlschacht erreicht hatten.
Natalija Dvensky ging vorneweg, die beiden grimmigen Wächter folgten hinter dem Söldner und dem ComStar-Mann.
Links und rechts huschten unmarkierte Türen vorbei, während sie ausschritten.
Sie betraten einen Seitengang und erreichten mehrere Türen, die von Wachen flankiert waren.
Vor einer blieb sie stehen und sagte: „Der Herzog erwartet uns.“
Die Wache salutierte und bestätigte in Kasernenhoflautstärke fünf, bevor er die Tür öffnete.
Nacheinander traten sie ein. Die Wachen blieben draußen zurück. Germaine schmunzelte leicht. Netter Vertrauensbeweis. Oder war sich der Schatun so sicher in seinem eigenen Bau, dass er die drei Sekunden, welche die Wachen brauchen würden, um in sein Büro zu kommen, nicht fürchtete?
Dvensky saß hinter dem klobigen Schreibtisch, als sie eintraten. Er sah auf. „Ah, Adept Yalom, Major Danton. Willkommen auf Bryant.“
Er erhob sich und streckte den beiden die Hand entgegen. Dem ComStar-Mann zuerst. Was eine bemerkenswerte Geste war für den Herrn einer Welt, der ComStar gerade einen Arschtritt zum Verlassen gegeben hatte.
Oder wollte er die Chevaliers damit treffen?
Sein Händedruck war fest und kräftig. Sein Blick hart und direkt.
„Bitte, nehmen Sie doch Platz.“
Dvenskys Schwester stellte sich hinter dem Schreibtisch auf. Sie zog den Pelzmantel aus und legte ihn auf dem Sims eines großen Fensters, welches direkt hinter dem Schreibtisch war. Germaine zweifelte nicht eine Sekunde daran, dass es nur ein Bildschirm war, um Besucher über die Position dieses Büros zu irritieren. Das Fenster zeigte eine Szene aus großer Höhe. Zweifellos befand sich das Büro des Schatuns also nicht in den oberen Etagen der Festung.
Außer, er war ein wirklich gewiefter Hund.
Germaine öffnete den schweren Wintermantel und setzte sich.
„Kommen wir gleich zur Sache“, begann der Chevalier. „Ich werde die ROSEMARIE nehmen und so schnell es geht nach Tomainisia aufbrechen.“
„Das kann ich nicht erlauben“, sagte Dvensky trocken und knapp.
Unsicher lachte der Chevalier. „Für einen Moment habe ich doch tatsächlich gehört, dass Sie die Rettungsmission nicht erlauben.“
„Richtig, Herr Major. Ich genehmige den Einsatz Ihres Unions nicht.“
Nervös leckte sich Germaine über die Lippen. Sie waren aufgesprungen. Verdammte Kälte.
„Hören Sie, MyLord, ein Drittel meiner Leute waren an Bord der SKULLCRUSHER, als der alte Lander abgeschmiert ist. Ich weiß nicht, ob es Überlebende gibt. Aber alleine schon wegen dem Material an Bord muss ich darauf bestehen, die SKULLCRUSHER suchen zu dürfen.“
Zog die Erwähnung des selbst verliehenen Adelstitels bei Dvensky? Germaine hatte keine Reaktion gesehen, als er den Schatun MyLord genannt hatte.
„Ich kann es dennoch nicht genehmigen. Sehen Sie es doch mal von meinem Standpunkt aus. Für mich sieht es so aus, als hätten Sie äußerst geschickt eine Abteilung Ihrer Leute auf Tomainisia eingeschleust, um in einer der großen Städte aus Sternenbundtagen nach Lostech zu suchen. Wir unterhalten auf dem Äquatorialkontinent kaum Präsenz, ein paar Messstationen, einige Fischereibetriebe an der Südküste. Einige Plantagen.
Dennoch betrachten wir den Kontinent und alle auf ihm verborgenen Ressourcen als unser ureigenstes Eigentum. Wir bekommen immer wieder Besuch von Plünderern, die meinen, sie könnten sich am Vermögen des Volkes von Bryant bereichern.“
„Das ist ja wohl ausgemachter Schwachsinn. Warum sollte ich meine Leute abstürzen lassen, um ominöses Lostech zu suchen? Warum bin ich nicht gleich mit allen Landern auf Tomainisia gelandet und habe mich dort eingeigelt?“
„Vielleicht, weil Sie Verpflichtungen ComStar gegenüber haben, Herr Major.“ Dvensky betrachtete den Schreiber in seiner Hand.
„Zugegeben. Ich verstehe Ihre Paranoia. Aber verstehen Sie auch meine Situation. Ich muss meinen Leuten zu Hilfe kommen. Dazu bin ich aufgrund meiner Loyalität, meines Diensteides und meiner persönlichen Ehre verpflichtet“, erwiderte Germaine scharf.
„Was alles zur Tarnung dieses verdeckten Einsatzes gehören könnte.“
Danton ließ den Kopf sinken. „Okay, reden wir mal Tacheless, MyLord.“
Der Major entblößte den linken Unterarm. „Ich nehme an, Sie kennen die Funktionsweise eines Alarmknopfes. Ich bin mir nicht ganz sicher, wie tief wir hier sind, aber es gibt eine gute Chance, dass das Signal bis zu ComStar durch kommt.
Erlauben Sie mir, meine Leute zu suchen, oder tragen Sie die Konsequenzen!“
Dvensky sprang auf. „Drohen Sie mir hier? Drohen Sie mir hier mit Ihren Söldnern?“, brüllte der Schatun.
Danton sprang ebenfalls auf und stützte sich hart auf der Tischplatte ab. „Jawohl, MyLord, ich drohe Ihnen mit meinen Söldnern! Und wissen Sie auch, warum ich Ihnen drohe? Wenn ich in die Kaserne zurück komme und erzählen muss, dass wir unsere Kameraden auf der SKULLCRUSHER aufgeben sollen, dann habe ich eine Revolte am Hals! Der Führungsoffizier der Panzerfahrer gehört unter den Vermissten! Wissen Sie, was eine Kompanie Panzer in dieser Stadt anrichten kann? Von den MechKriegern und Infanteristen, die mit ihnen sympathisieren, ganz zu schweigen!“
„So, so. Und Sie, als Anführer der Chevaliers, wollen mir erzählen, Sie könnten nichts dagegen machen?“
„Ich würde nichts dagegen machen! Das ist ein Unterschied! Denn in dem Fall würden Sie und Ihre Streitkräfte die Konsequenzen zu Recht tragen, MyLord. Ich würde sie wüten lassen, jawohl, ich würde sie ihre Kameraden rächen lassen, denen Sie, MyLord, nicht mal ein ordentliches Begräbnis zugestehen wollen!
Deshalb trage ich den Alarmknopf! Sobald ich ihn betätige, wird mein Stellvertreter eine zielgerichtete Aktion ausführen. Zuerst radiert er die rund um das HPG in Stellung gegangene Panzer aus. Danach beginnt er mit der Dezimierung.“
Wütend starrte Dvensky den Major an. „Zu diesem Zeitpunkt werden Sie bereits tot sein!“
„Und sicher wird es kein einziger Chevalier überleben, ja. Aber wir werden einen Schaden anrichten, an dem Brein noch in Jahrzehnten laborieren wird.“
„Brein?“, fragte der Schatun. „Die Dezimierung betrifft Brein direkt?“
Germaine beruhigte sich wieder etwas. Er setzte sich und schlug die Beine übereinander. „Die MechKrieger werden Befehl erhalten, die Wohnhäuser und die Infrastruktur zu zerstören. Verstehen Sie mich nicht falsch. Ich will nicht als der Söldner in die Geschichte eingehen, der das große Massaker von Bryant verursacht hat. Ziel werden die Neubauten sein. Neubauten, in die Bryant einen Grossteil seiner Ressourcen gesteckt hat. Abgesehen von den militärischen Ressourcen, die noch vernichtet werden.“
„Sie drohen mir also mit Krieg. Dazu mit der Vernichtung ziviler Einrichtungen“, brummte Dvensky.
„Ich drohe nicht. Ich erzähle Ihnen nur, was passiert, wenn Sie mich nicht nach meinen Leuten suchen lassen“, erwiderte Germaine fest.
Dvensky sah zu Adept Yalom herüber. „Wie steht ComStar dazu?“
„ComStar wird sich in dem Moment von den Chevaliers los sagen, in dem der erste Schuss fällt. Da die Einheit diese Attacke zweifellos nicht überleben wird, sind weitere Schritte egal.
Die ComStar-Einheiten, die gerade auf dem Weg zum Nadirsprungpunkt unterwegs sind, werden nicht wieder umkehren, um die Chevaliers zu stoppen. Immerhin wurden wir aus Brein ausgewiesen.“
Der Schatun lehnte sich zurück, faltete die Hände vor dem Gesicht und dachte nach.
„Eines muss ich zugeben, Major, Sie müssen ein Paar verdammt große Eier haben, um mich in meinem eigenen Büro heraus zu fordern. Ich habe große Lust, Sie sofort erschießen zu lassen.“
„Oh“, erwiderte Germaine im Plauderton. „Das beruht auf Gegenseitigkeit. Und nennen Sie mich Germaine.“
„Vielleicht“, meldete sich Natalija zu Wort, „sollten wir wieder auf die Kernaussage dieses Gesprächs zurück kommen. Die Stärke der Chevaliers war uns von vorne herein bekannt. Und wir haben oft genug durchgesprochen, welchen Schaden die Einheit anrichten kann, wenn sie sich gegen uns stellt. Aber das ist jetzt und hier nicht relevant, Leonid.“
Interessiert warf Dvensky seiner Schwester einen Blick zu. „Und was ist deiner Meinung nach relevant?“
Statt zu antworten sah sie Danton an. Sie hielten einige Zeit Augenkontakt, bis der Major wusste, was sie wollte. „Relevant ist folgendes: Ihre Schwester erwähnte vor kurzem, dass Sie an private Investoren Lizenzen vergeben und auf den anderen Kontinenten nach Lostech suchen lassen. Da Sie sich nicht sicher sind, ob meine Leute abgestürzt sind oder plündern – wie wäre es, wenn ich eine solche Lizenz erwerbe?“
Die Antwort des Herzogs klang amüsiert. „Das würde in der Tat einige Probleme aus dem Weg räumen. Hm, Sie sind sich also im Klaren darüber, dass meine Leute jeden Winkel der SKULLCRUSHER durchsuchen werden? Auf Bryant gefundenes Lostech geht zu fünfzig Prozent in unseren Besitz über. Für den Rest erwarten wir eine angemessene Bezahlung. Das kann teuer für Ihre Leute werden.“
„Immer noch besser, als uns gegenseitig abzuschlachten, oder?“, erwiderte der Major.
„Gut. Ich stimme zu. Erwerben Sie eine Lizenz für die SKULLCRUSHER. Die Summe beträgt vierzigtausend C-Noten und hunderttausend C-Noten Kaution, in Anbetracht der merkwürdigen Umstände, mit der diese Lizenz zustande gekommen ist.“
Germaine schluckte hart. „Zwanzgitausend für die Lizenz. Fünfzigtausend Kaution.“
„Sie sind nicht gerade in der Lage, zu verhandeln, Germaine. Dreißigtausend für die Lizenz. Fünfundsiebzig Kaution. Und das ist mein letzter Vorschlag.“
Germaine erhob sich. „Abgemacht.“
Die beiden tauschten einen Handschlag aus. „Was nun die ROSEMARIE angeht…“
„Ich kann Ihnen nicht erlauben, mit dem Union nach Tomainisia zu wechseln.“
Das Gesicht des Chevaliers wurde krebsrot. „Hatten wir das nicht gerade erst?“
„Gemach, Germaine. Gemach. Es gibt einen triftigen Grund dafür. Über Tomainisia bricht gerade das Frühjahr an. Eine Suche mit einem Union ist in dieser Region blanker Unsinn. Die vielen Frühjahrsstürme würden die gigantische Angriffsfläche des Landers nutzen und binnen weniger Tage zernagen oder gegen irgendwelche Berge werfen. Wenn Sie wissen, wo Ihre Leute sind und wenn Sie eine sturmfreie Zeit im Zielgebiet erwarten, können Sie gefahrlos landen. Alles andere wäre Schwachsinn.“
„Hm. Ich habe einen langstreckentauglichen Hubschrauber. Wenn Sie ihn nach Tomainisia bringen, kann er die Suche durchführen. Dazu ein Trupp Infanterie.“
Dvensky grinste breit. „Auch dem kann ich nicht zustimmen.“
Verärgert schlug Germaine auf die Tischplatte. „Es macht Ihnen wohl Spaß, meinen Blutdruck in die Höhe zu treiben!“
„Auch hierfür habe ich einen triftigen Grund, Germaine. Zwischen Tomainisia und dem Zentralkontinent befindet sich gerade ein riesiges Sturmtief. Die Experten erwarten, dass es noch den Rest der Woche anhält. Hochseefahrt wäre im Moment absoluter Selbstmord.
Sobald der Sturm abgeflaut ist, lasse ich Ihren Ripper gerne mit einem Kommando Ihrer Infanterie zu einer meiner Messstationen auf Tomainisia bringen und von dort aus suchen. Zudem aktiviere ich mein Explorercorps. Es handelt sich hier um halbmilitärische Vermessungsflieger, die von privaten Firmen auf den Äquatorialkontinenten zur Lostechlokalisierung eingesetzt werden. Sie werden ebenso ein Auge nach Ihrem Maultier offen halten.“
Germaine brummte zufrieden. „Einverstanden. Also Ende der Woche. Besser als nichts. Ich hoffe, eine Überweisung über ComStar für die Kaution und die Lizenz ist okay für Sie?“
„Selbstverständlich, Germaine.“
Der Chevalier erhob sich und reichte Dvensky die Hand. „Na dann auf gute Zusammenarbeit, MyLord.“
Der Schatun ergriff sie und drückte fest zu. „Auf gute Zusammenarbeit. Und bitte, nennen Sie mich Leonid.“
Der Herzog reichte auch noch Yalom die Hand. Danach verließen sie das Büro wieder.
Natalija Sergejewitsch Dvensky schloss die Tür hinter sich, als sie als Letzte das Büro verließ.
Die beiden grimmigen Fallschirmspringer nahmen wieder ihren Platz am Ende der kleinen Kolonne ein und die Schwester des Herzogs ging erneut vorneweg.
„Ich schulde Ihnen etwas, Natalija“, murmelte Germaine leise.
Wütend sah die blonde Frau den Chevalier an. „Wissen Sie eigentlich, wie knapp Sie und Ihre Einheit der Vernichtung entgangen sind? Haben Sie eine Ahnung, in welche Gefahr Sie sich begeben haben? Können Sie auch nur ermessen, was jetzt gerade passieren würde, wenn Sie diesen verdammten Summer gedrückt hätten? Wie viele Zivilisten bereits gestorben wären?“
„Keine“, erwiderte Germaine und nahm den Alarmknopf vom Unterarm. „Ich habe geblufft.“
Erstaunt blieb Natalija stehen. Sie starrte den Chevalier an. Dann setzte sie ihren Weg fort. „Männer“, knurrte sie. „Männer und ihr übergroßes Ego.“
Danton schmunzelte. „Ich schulde Ihnen immer noch was. Für Ihre Vermittlung, Natalija.“
„So?“ Sie sah über die Schulter zurück. „Dann wünsche ich mir von Ihnen, dass Sie Ihre Zeit auf Bryant verbringen, ohne einen Kleinkrieg anzufangen.“
„Geht es nicht etwas kleiner?“, erwiderte Germaine leise. „Wie wäre es zum Anfang mit einem Abendessen?“
Natalija deutete auf den offenen Fahrstuhl. Es war offensichtlich, dass sie die beiden Offiziere nicht bis in den Hangar begleiten würde.
Als die Türen des Fahrstuhls bereits zu glitten, sagte sie: „Ruf nicht mich an. Ich rufe dich an.“
„Das war kein Ja“, stellte der Adept fest.
„Aber auch kein Nein“, brummte der Chevalier zufrieden und machte in Gedanken einen Haken auf seiner imaginären Liste.
Der nächste Punkt, dachte Danton, als er in der Limousine den Palast wieder verließ, würde ungleich schwieriger werden. Der frisch gebackene Panzerkommandant Mike McLloyd musste offiziell befördert werden. Und anschließend musste Germaine es schaffen, den Veteranen in das Geheimnis um die Einsatzgruppe Leipzig einzuweihen, ohne, dass Mike ihm den Hals umdrehen wollte…
Ace Kaiser
Als Germaine Danton alle verfügbaren Offiziere und Mannschaften zum antreten im Innenhof des HPGs rufen ließ, war es recht frisch, knapp an null Grad.
Dennoch standen die Soldaten exakt und aufrecht in drei Reihen zusammen und bildeten ein U, dessen Öffnung auf den Major deutete. Master-Sergeant Decius Metellus rief die Leute und Offiziere ins rührt euch.
Die Offiziere traten aus und stellten sich vor ihre jeweilige Teileinheit.
Germaine musterte die Angetretenen einige Zeit. Es schmerzte ihn, die Lücken sehen zu müssen, die sonst von Gesichtern gefüllt waren, obwohl er wusste, dass sie nach einem Plan auf Tomainisia gelandet waren. Nach seinem Plan.
„Chevaliers“, sagte Germaine, und seine Stimme trug über den ganzen Hof, „ich komme gerade direkt von Herzog Dvensky. Ich habe mit ihm über das Unglück der SKULLCRUSHER gesprochen. Und wir haben nach einer Diskussion eine optimale Lösung gefunden.
Sergeant Hawk, Sergeant van Roose, austreten.“
Der Master Sergeant hörte den Befehl und wiederholte ihn. Lauter. Sehr viel lauter.
Die beiden Unteroffiziere traten aus der Reihe aus, wendeten vorschriftsmäßig und bauten sich vor dem Major auf. Sie salutierten knapp.
„Sergeant Hawk, sobald das Sturmtief zwischen Brein und dem Äquatorialkontinent abgeflaut ist, wird Ihr Helikopter mit Ausrüstung für einen Monat von einem Schiff des Herzogs nach Tomainisia verschifft. Sie bekommen den Auftrag, die Bryanter bei der Suche nach unseren verschollenen Kameraden zu unterstützen.“
In Kitty Hawks Augen glimmte es auf. Sie verstand sehr gut, was Germaine von ihr verlangte. Den Schein wahren und es dennoch so aussehen lassen, als würde sie intensiv suchen.
„Zu diesem Zweck bilden Sie Suchsektoren im Bereich des Kurses der SKULLCRUSHER und fliegen diese ab. Sobald Sie die Absturzstelle gefunden haben, wird die ROSEMARIE übersetzen – soweit die Wetterlage es zulässt – und der SKULLCRUSHER Hilfe leisten.“
Germaine wandte sich van Roose zu. „Sergeant, Sie werden Sergeant Hawk mit Ihrem Team begleiten und die eigentliche Suche durchführen. Sie werden ein Camp einrichten, es bewachen und die Einsätze koordinieren. Außerdem halten Sie Kontakt zum Bryanter Verbindungsmann, der Sie zweifellos begleiten wird. Ich will es nicht beschönigen, diese Mission wird hart. Tomainisia ist von Stürmen gebeutelt und von Regen durchgeweicht. Aber ich erwarte von Ihnen, dass Sie es sein werden, der unsere Kameraden findet. Nicht etwa die Bryanter.“
Germaine salutierte vor den beiden. „Wieder eintreten.“
Als beide ihre Plätze eingenommen hatten, sagte der Major: „Sergeant McLloyd, austreten.“
Metelle meinte es besonders gut und brüllte die Anweisung besonders laut.
Der Panzerfahrer trat aus und stellte sich vorschriftsmäßig vor Germaine Danton auf. Er salutierte, und Danton erwiderte den Salut.
„In Anbetracht der schwierigen Lage, in der wir uns befinden, insbesondere die Höllenhunde, gebe ich hiermit das Oberkommando über die Panzerabteilung an Sergeant McLloyd.
Sergeant McLloyd, fühlen Sie sich dieser Aufgabe gewachsen?“
„Sir“, der Panzerfahrer brüllte fast, „ich bin dieser Aufgabe mehr als gewachsen!“
„Gut. Nun, Sergeant, es ist gegen meine Überzeugung, die Panzerkompanie erneut von einem Sergeant kommandieren zu lassen. Deswegen ernenne ich Sie für die Dauer der Krise zum Second Lieutenant.“
Der Panzerfahrer schluckte hart. Natürlich, der Alte hatte ihm das schon im Lander angedroht. Aber es war eine Sache, es zu wissen und eine andere, es zu erleben.
„Captain Peterson, Captain Scharnhorst, austreten.“
Diesmal sagte Metelle nichts. Es war nicht üblich bei den Chevaliers, dass Unteroffiziere Offiziersdiensträngen Befehle gaben. Auch wenn – so Metelle – es ab und an nicht schaden konnte.
Die beiden Offiziere traten neben Germaine. „Walten Sie Ihres Amtes, meine Herren.“
Grinsend entfernten sie die alten Sergeant-Abzeichen von Mikes Schultern. Sie zogen die Lieutenants-Abzeichen auf, warfen sich kurz einen belustigten Blick zu und schlugen dann mit aller Kraft auf die Schulter des Panzerfahrers.
„Damit die neuen Abzeichen auch ordentlich sitzen“, brummte Peterson und schüttelte dem frisch gebackenen Offizier die Hand. Auch Scharnhorst ließ es sich nicht nehmen, ihm zu gratulieren.
Als Germaine dem Chef der Scoutlanze die Hand gab, raunte er: „Willkommen bei den Offizieren, Mike. Vergessen Sie nicht, Ihr Gehirn nachher bei Metelle abzugeben.“
Damit bezog er sich auf den allgemeinen Witz, Offiziere würden zugunsten ihres Ranges auf ihren gesunden Verstand, sprich, ihr Gehirn verzichten.
Mike McLloyd grinste breit. „Das werde ich sicher nicht tun, Sir. Ich will für den Doc immerhin mein Bestes geben.“
„Gute Antwort, Mike. Wieder eintreten.“
Als der Panzerfahrer sich umdrehte, um seinen neuen Platz einzunehmen – vor den Panzerfahrern – erklang von den Höllenhunden leiser Applaus, der schnell auf die übrigen Chevaliers übergriff. Es hätte nicht viel gefehlt, und Mike hätte sich vor seinem dankbaren Publikum verbeugt.
„Zum Abschluss“, führte Germaine weiter aus, als es wieder etwas ruhiger geworden war, „weise ich darauf hin, dass Father O´Hierlihy gegen acht eine gemeinsame Ökumenische Andacht für unsere verschollenen Kameraden abhält. Die Teilnahme ist freiwillig. Aber ich möchte Sie alle trotzdem darum bitten, für Ihre Kameraden zu beten.
Lassen Sie wegtreten, Master-Sergeant.“
Caecilius Decius Metellus gab den Befehl weiter, und kurz darauf löste sih die Versammlung auf.
„Ach, Mike, haben Sie noch einen Augenblick?“, fragte Germaine und löste den Lieutenant aus der Traube der Panzerfahrer.
Was Germaine ihm an einem abhörsicheren Ort verraten wollte, würde den Panzerfahrer einerseits erleichtern. Andererseits schwer belasten, denn dieses Wissen konnte und durfte er noch nicht weitergeben.
Die Zahl der Mitwisser wurde vergrößert. Die Gefahr, aufzufliegen ebenso.
Aber letztendlich spielten sie hier gegen Dvensky mit aufgedeckten Karten. Nur konnte der Schatun noch nicht erkennen, was Germaines Karten für ein Blatt ergaben…
Ace Kaiser
Es war ein eiskalter Abend. Die wenigen Privatfahrzeuge auf den Straßen hatten Raureif auf den Fenstern und auch die Limousine, die Germaine Danton aus der Kaserne des HPG abgeholt hatte, kämpfte energisch dagegen an, über zufrieren.
Doch das Wetter gefiel Germaine. Die Nacht war unglaublich klar, hunderte Sterne standen im Frost am Himmel und funkelten um die Wette.
Es hatte den Major während des Wartens nur wenige Minuten gekostet, Sol ausfindig zu machen. Sol, die Heimatsonne. Um sie kreiste die Erde, Terra. Sein Heimatplanet.
Als einer von wenigen Menschen außerhalb des Sol-Systems stammte Germaine nicht nur in dritter, zehnter oder hundertster Generation von der Erde ab. Er war auf ihr geboren worden.
Er war ein waschechter, hundertprozentiger Terraner. Und das kuriose dabei war: Er war nicht einmal Mitglied bei ComStar.
Mit einem Lächeln dachte der Offizier an seine Zeit auf der Erde zurück, als er seinen Eltern seinen Entschluss bekannt gegeben hatte, sich in der Sandhurst Akademie einzuschreiben und ComStar beizutreten. Noch immer war dies für die meisten abenteuerlustigen jungen Menschen auf Terra der beste Weg, um etwas „von der Welt“ zu sehen.
Der religiöse Aspekt war dabei eher nebensächlich. Die echten Terraner waren von tief auf säkularisiert. Nur die in den Nachfolgerstaaten angeworbenen Mitglieder des Ordens nahmen den religiösen Aspekt an und drohten so, religiöse Fanatiker zu werden.
Es wunderte Germaine nur wenig, dass der harte Kern der ComGuards, der am vehementesten gegen Blakes Wort und die Word of Blake-Miliz stand, aus auf Terra geborenen Offizieren bestand.
Für einen Moment legte sich ein Schatten über Germaines Bewusstsein. Die Erde war nun in der Hand von Blakes Wort. Nur wenig später nach seiner Abreise, um seiner Rache nachzugehen, hatten die Wobbies den Planeten hinterhältig überfallen und erobert.
Für Germaine als Sandhurst-Kadett, auch bei abgebrochenem Studium bedeutete dies automatisch eine Einstufung als Spion oder ROM-Agent. Solange die Blakes auf Terra das Sagen hatten, hatte er Einreiseverbot.
In Südfrankreich hatte es auch klare Frostnächte wie diese gegeben. Als Germaine jünger gewesen war – viel jünger, in einem weit entfernten Leben – hatte er nachts oft draußen gelegen. Im Winter auf einer Isomatte und im Sommer auf der blanken Erde, und in den Himmel gesehen, Sternschnuppen gezählt. Dazu hatte er Fruchtsaft mitgebracht, später dann Bier. Germaine zweifelte nicht daran, dass es nur wenige Jahre später noch ein transportabler Grill und ein paar Steaks geworden wären. Vorbei. Er würde seine Familie nur noch wieder sehen, wenn diese Terra verließ. Und ob sie dann zurückkehren durfte, stand auch in den Sternen. Ab und zu erlaubte Word of Blake einen begrenzten Vid-Kontakt, der aber einer strengen Zensur unterlag. Verigraph-Briefe waren ihm auch nicht erlaubt.
Wütend ballte Germaine im Fond der Limousine die Fäuste. Was hatte er schon mit dem religiösen Disput zwischen dem alten und dem neuen ComStar zu tun? Warum mussten die Kleinen immer und immer wieder als Opfer in die Mühlen der Großen geraten?
Warum waren die, die sich selbst zu Großen erklärten, nur so unnachgiebig?
Warum war jeder, der auch nur einen Funken Macht besaß, so versessen darauf, dies andere spüren zu lassen?
Auch er, Germaine, hatte diese Macht. Er befehligte über fünfhundert Menschen.
Aber im Gegensatz zu diesem Bodensatz der Menschheit nutzte er diese Macht nicht aus. Germaine pflegte ein freundschaftliches Verhältnis zu seinen Untergebenen. Er war lieber von Freunden umgeben als von bezahlten Soldaten. Er befahl eigentlich nur in zwei Situationen direkt: Im Gefecht, wo sein Wort Gesetz war, wenn die Einheit überleben sollte; in der direkten Konfrontation mit einem anderen Mitglied der Einheit, wenn die Rangfolge klar gestellt werden musste, wenn er sich durchsetzen musste. Was zum Glück selten vorkam.
Die Limousine hielt an. Von außen wurde die Tür geöffnet.
„Herr Major Danton“, begrüßte ihn ein Mann mit schwarzem Anzug und schwarzer Sonnenbrille. Der Knopf in seinem Ohr identifizierte ihn zuverlässig als Agent irgendeiner Sicherheitsagentur. Entweder Personenschutz oder der hiesige Geheimdienst. „Sie werden erwartet. Bitte kommen Sie.“
Germaine nickte, schloss den schweren Mantel und steckte dem Fahrer einen Zehn C-Notenschein zu. „Nehmen Sie. Gehen Sie dafür was trinken, bis ich hier fertig bin. Das Essen wird sicher ein oder zwei Stunden dauern.“
Der Fahrer nahm den Schein unschlüssig entgegen, murmelte aber schließlich: „Danke.“
Germaine Danton verließ die Limousine. Er stand vor dem Eingang einer rustikalen Gaststätte. Der Eingang besaß einen großen Holzeingang und zwei in Holz gefasste Fenster. Das Holz schien Jahrhunderte alt zu sein. Zwei weitere „Geheime“ standen rechts und links neben der Tür. Der Major griff nach dem Aktenkoffer, der neben ihm auf dem Sitz gelegen hatte und folgte dem ersten „Geheimen“ ins Innere der Gaststätte, deren Namen er nicht entziffern konnte. Er war in Kyrillisch geschrieben, was Germaine leider nicht beherrschte.
Die kleine Gaststätte war schlecht besucht, fand Germaine, als er seine Handschuhe auszog und auf einer Ablage nieder legte. Von den zwölf Tischen waren nur drei mit Pärchen belegt. Und die waren sicher auch noch vom Geheimdienst, vermutete der Major.
Der Wirt, ein großer, stämmiger Mann mit einem wild wuchernden Bart, kam hinter seinem Tresen hervor und begrüßte Germaine, als wäre er ein oft und gerne gesehener Gast.
„Willkommen, Herr Major. Ich bin Johannes Strader, Der Eigentümer des…“
Germaine verzog die Augenbrauen, als er den Namen des Lokals nicht einmal akustisch identifizieren konnte.
Darauf lachte der Wirt und legte eine seiner fleischigen Pranken auf die Schulter des Söldners. „Der Name bedeutet Roter Oktober. Der Schatun mag es, wenn wir uns hier in Brein auf unsere Wurzeln in Tikonov besinnen – was für mich leider nicht so recht zutrifft. Ich komme ursprünglich von Alexandria.“
Germaine grinste. „Das erklärt den Namen.“
„Ja, nicht?“, lachte der Wirt und klopfte dem Gast fest auf die Schulter. Ein schwächerer Mann als Germaine wäre dabei vielleicht in die Knie gegangen. „Ich wurde kurz vor dem Ausbruch der Chaos Mark-Krise zur Miliz versetzt. Danach kam ich nicht mehr zurück. Und irgendwann bin ich einfach hier geblieben. Nachdem mir das hier passiert ist“ – Johannes klopfte sich gegen das rechte Bein, wodurch ein hohler Klang entstand – „nahm ich meinen Abschied und machte dieses Lokal auf.“
Als der Major fragend die Brauen hob, erläuterte der Wirt: „Liao-Überfall. Bin beim aussteigen hängen geblieben. Blieb nicht viel übrig vom Bein. Sie mussten es mir abnehmen. Schade. Ich vermisse die Zeit in meinem Feuerfalken.“
„Dann haben wir was gemeinsam. Ich habe in der Geisterbärenbesatzungszone eine Pepp ins Cockpit gekriegt und ne Rückkopplung durchs linke Mittelohr rein und durchs rechte wieder raus bekommen. Seitdem darf ich auch nicht mehr bei den großen mitspielen.“
Der Wirt lachte. Dann klopfte er Germaine wieder auf die Schulter. „Ein schwerer Verlust. Sie nehmen den aber sehr gelassen.“
Der Major schmunzelte. „Genauso wie Sie, Herr Strader.“
Der Lyraner zwinkerte dem Söldner zu, ging kurz hinter die Theke und kam mit einem Tablett wieder, auf dem zwei Schnapsgläser standen. Eines bedeutete er Germaine, das andere nahm er selbst. „Willkommen in meiner bescheidenen Kneipe. Nastrovje.“
„Kampai“, erwiderte Germaine und stürzte das Getränk die Kehle hinab. Sofort bildete sich ein wohliges Gefühl in seinem Magen aus. „Guter Wodka“, brummte er.
Wieder lachte der Wirt, legte eine Hand um die Schultern des Majors und geleitete ihn zur Tür eines Nebenraums. „Sie gefallen mir. Kommen Sie, ich habe Sie lange genug aufgehalten. Da wartet eine Dame auf Sie.“
Johannes öffnete die Tür und bedeutete dem Major einzutreten.
Als Germaine eintrat, glitt sein Blick über das Ambiente. Rustikal in Holz gehalten. Ein einzelner Tisch mit zwei Stühlen. Der Tisch war mit einer schneeweißen Tischdecke abgedeckt und mit teuer aussehendem Porzellan eingedeckt. Zwei einfache Kerzen unterstützten das dezente indirekte Licht.
Als Germaine eintrat, erhob sich Natalija Dvensky von dem der Tür abgewandten Stuhl und lächelte den Major freundlich an. „Willkommen, Germaine.“
Der Söldner machte sich keinerlei Mühe, sein ehrliches Lächeln zu verbergen. Er trat zu der Schwester Leonid Dvenskys, ergriff ihre Hand und hauchte einen Kuss darauf. „Es freut mich, dass Sie auf meine Einladung so schnell geantwortet haben. Sie haben ein sehr geschmackvolles Etablissement ausgesucht.
Ich verdanke Ihrer Fürsprache viel, ma Chére, und ich sollte früh genug damit anfangen, es wieder gut zu machen.“
Germaines Blick glitt kurz über Natalijas Gestalt. Sie trug ein weißes Abendkleid, in dem ihre blasse Haut und das blondgoldene Haar besonders gut zur Geltung kamen. Es war kein Verführerkleid, nein, es bedeckte die Schultern und hatte lediglich einen kleinen Ausschnitt, der einen Teil ihres Busenansatzes freigab.
Ansonsten war es eher auf Figur geschnitten und betonte die Qualität dessen, was sich darunter verbarg.
„Das ist sehr nett von Ihnen, Germaine. Wollen Sie nicht ablegen?“
Germaine nickte, setzte die Aktentasche ab und entledigte sich des schweren Wintermantels. Er hängte ihn an die Garderobe und kam wieder zu dem Tisch zurück.
Natalija reichte ihm ein Glas. „Zur Begrüßung.“
Danton stieß mit ihr an und trank es in einem Zug leer. Danach trat er hinter Natalijas Stuhl und rückte ihn zurecht, als sie sich setzte.
Nachdem er selbst Platz genommen hatte, fragte der Major: „Natalija, entschuldigen Sie, aber macht es Ihnen etwas aus, wenn wir die Helligkeit erhöhen? Sehen Sie, die Atmosphäre ist für ein informelles Abendessen doch eine Spur zu romantisch. Und ich will Ihnen gegenüber nicht aufdringlich wirken.“
Natalija lachte hinter vorgehaltener Hand und sagte schließlich: „Sie haben Recht. Ich denke, der gute Johannes hat da etwas missverstanden, als ich uns für heute Abend angekündigt habe.“
Natalija betätigte eine unscheinbare Sprechanlage. „Bitte etwas mehr Licht, Johannes.“
Kurz darauf glomm das Licht heller.
„Bevor wir beginnen, Germaine, würde ich gerne etwas klar stellen. Ich nehme Ihre Entschuldigung an, aber bitte glauben Sie nicht, ich…“
Der Major nickte. „Natalija, Sie sind eine wunderschöne Frau und der Traum eines jeden ungebundenen Mannes. Aber bitte glauben Sie mir, ich will mich lediglich und aus tiefstem Herzen bei Ihnen bedanken.
Ich gebe zu, ich mag Sie, Natalija. Sie haben ein wundervolles Lächeln und einen scharfen Verstand, wie ich erst wieder im Büro Ihres Bruders bemerken durfte.
Man würde mich wahrscheinlich einen Idioten schimpfen, wenn ich nicht einmal versuchen würde, nun…“ Verlegen sah der Major zur Seite.
„Sehen Sie, gerade erst ist meine Beziehung in die Brüche gegangen. Meine Freundin… Meine Ex-Freundin wurde bei einem Attentat schwer verletzt und verlor dabei die Möglichkeit, Kinder zu gebären. Seither stößt sie mich von sich. Das letzte Wort in dieser Sache ist noch nicht gesprochen, und mir steht nun wirklich nicht der Sinn danach, mich… ah, abzulenken.
Seien Sie also unbesorgt. Ich will heute Abend etwas gewinnen. Aber dies ist ein Freund, keine Geliebte.“
„Ich hoffe, es betrübt Sie nicht, dass ich damit kein Problem habe, Germaine“, stichelte Natalija leise. Sie lächelte zu Germaine herüber, und der Major fühlte, wie sich sein Magen zusammenzog.
„Was?“, fragte die Schwester Dvenskys nach einiger Zeit. „Habe ich da was im Gesicht?“
Germaine erwachte wie aus einer Starre und riss die Augen auf. „Nein. Nein, oh nein, natürlich nicht. Excuséz-moi, ma Chére, c´est mon fault.“
Verlegen sah er zur Seite. „Was gibt es zu essen?“
Natalija kicherte leise und sagte dann in die Sprechverbindung: „Du kannst jetzt servieren, Johannes.“
Zwei Stunden und fünf Gänge später standen Natalija und Germaine am Fenster, tranken Cognac aus bauchigen Gläsern und sahen in den Nachthimmel hinaus. „Eine Sternschnuppe“, sagte sie leise und deutete in den Himmel.
Germaine schmunzelte. „Ein Luft/Raumjäger, der gerade in die Atmosphäre eintaucht.“
„Oh. Aber das! Oder ist das ein Landungsschiff?“
„Nein, diesmal haben Sie Recht. Es ist eine Sternschnuppe. Wollen Sie sich etwas wünschen?“
„Ja. Gut.“ Sie schloss die Augen. Als sie sie wieder öffnete fragte sie übermütig: „Wollen Sie wissen, was ich mir gewünscht habe?“
Abwehrend hob Germaine die Arme. „Aber nein. Sie dürfen doch niemandem erzählen, was Sie sich gewünscht haben, bis Ihr Wunsch in Erfüllung geht.“
„Hm“, sagte sie leise. „Wollen Sie sich nichts wünschen?“
„Und Ihnen den Wunsch wegnehmen? Sie haben die Sternschnuppe zuerst gesehen, ma Chére“, erwiderte Germaine schmunzelnd. Er nahm einen Schluck Cognac. In der Kaserne hatte er noch eine Kiste mit besserer Qualität, aber dieser hier war für eine Welt der Chaos-Marken beachtlich gut.
Auch Natalija nippte an ihrem Drink. „Danke, Germaine. Das war ein sehr angenehmer Abend. Wenn ich aber ehrlich bin, habe ich erwartet, Sie würden versuchen, nun…“
Der Major schmunzelte. „Ihr Herz oder Ihr Bett zu erobern? Es war nicht meine Absicht, Natalija, und noch kann ich mich beherrschen. Auch wenn es mir schwer fällt.“
Germaine stellte sein Glas auf der Fensterbank ab.
„Ich habe noch ein Dankeschön für Sie, Natalija.“
Die Chefdiplomatin Dvenskys warf ihm einen unschlüssigen Blick zu. „Ist Ihre Beherrschung schon am Ende, Germaine?“
Der Major reagierte nicht darauf, wenngleich er sich nicht sicher war, was ihn mehr traf. Der Blick oder ihre Worte.
Stattdessen ging er zum Tisch zurück und holte die Aktentasche hervor. Er öffnete sie und schüttete den Inhalt auf den Tisch.
„Nach besagtem Attentat“, erläuterte Germaine, während er Bund um Bund an C-Noten ausschüttete, „schickte ich meinen erfahrensten Mann aus. Er sollte Rache an den Terroristen nehmen. Als er nach einer Woche wiederkam, hatte er eine Kugel in der Schulter und diese Tasche dabei. Das Konto der Chevaliers war ausgeglichen und er gab mir dieses Geld. Er sagte, ich solle damit etwas Gutes tun, um unser beider Karma für das nächste Leben auszugleichen. Einen Teil des Geldes spendete ich im Namen der Einheit einem Fonds für Zivilisten, die sich nach dem Überfall auf Findler eine neue Existenz aufbauen wollten.“
Natalija hob eine Augenbraue. Sie bemerkte sehr wohl die Spitze. Immerhin war es eine Bryanter Einheit gewesen, geführt von ihrem Bruder, gewesen, die besagten Angriff ausgeführt hatte.
„Doch ich habe genügend übrig behalten. Vielleicht habe ich was geahnt. Dies hier sind fünfzehntausend C-Noten.“
Stolz deutete der Major auf den Stapel Geldscheine. „Natalija, Bryant macht auf mich den Eindruck, als hätte diese Welt eine starke Gemeinschaft und ein gesundes soziales Netz.
Ich bin sicher, Sie haben einen Witwenfonds oder eine Ausbildungsförderung für Waisen.
Bitte nehmen Sie dieses Geld für einen dieser Zwecke an.“
Natalija kam näher. Ihre Hand strich über das Geld. „Wir haben solche Fonds. Und ich bedanke mich im Namen des Zentralwaisenhaus Brein für diese Spende.
Aber warum spenden Sie es nicht offiziell, Germaine?“
Der Major wandte sich ab, ging wieder ans Fenster. Er ergriff seinen Cognac und starrte wieder ins All. „Weil ich Mist gebaut habe. Als ich Ihren Bruder getroffen habe, pochte nur ein Gedanke in meiner Stirn: Hilf deinen Leuten!
Ich habe entsetzlich überreagiert und den Herzog sicherlich schwer gekränkt.
Und ich bin mir sicher, tief in meinem Inneren sicher, dass Sie es waren, die verhindert hat, dass ich hier das Grab meiner Einheit geschaufelt habe.
Auch das ich jetzt die Chance habe, meinen verschollenen Leuten zu Hilfe zu kommen.
Verstehen Sie, ich habe nichts anderes als diese Einheit. Dies ist mein Leben. Ihnen nicht zu helfen wäre wie auf Teile meines Körpers zu verzichten.
Die direkte Konfrontation mit dem Herzog hat sich unglücklich hoch geschaukelt.
Wir haben uns wieder beruhigt, alle beide, und ich möchte am liebsten den Mantel des Schweigens über diese Sache decken. Ich will es nicht noch einmal hoch kommen lassen und mir wäre es mehr als Recht, wenn Ihr Bruder mich fortan nicht einmal mehr bemerken würde und am Ende des Kontrakts still mit meiner Einheit abreisen ließe, als wären die Chevaliers nie hier gewesen.“
Germaine wandte sich um und sah Natalija in die Augen.
„Ich stehe in Ihrer Schuld und ich habe die Möglichkeit, etwas davon abzutragen. Aber ich will es nicht politisieren, was eine offizielle Spende sicher tun würde.
Inoffiziell, über Sie, Natalija, erscheint mir der beste Weg.
Bitte, erzählen Sie Ihrem Bruder nichts hiervon, Ich will nicht, dass er denkt, ich würde mich in irgendeiner Form frei kaufen wollen.“
Natalija trat an Germaine heran und nahm ihm das Cognac-Glas ab. Sie stellte es auf die Fensterbank zurück, wandte sich dem Major wieder zu.
Die Ohrfeige, die dem folgte, warf seinen Kopf kraftvoll zur Seite.
„Natürlich haben Sie Mist gebaut! Natürlich waren Sie kurz vor der Vernichtung! Und natürlich habe ich Sie und Ihre Einheit gerettet!
Und Ihre Spende ist nur ein Tropfen auf dem heißen Stein in Anbetracht dessen, was mit Brein passiert wäre, wenn Ihre Söldner Amok gelaufen wären!“
„Autsch“, erwiderte der Major und rieb sich die schmerzende Wange.
„Aber ich kann Ihre Beweggründe zumindest nachvollziehen. Immerhin bin ich für eine ganze planetare Bevölkerung verantwortlich. Ich weiß, wie es schmerzt, im Ungewissen zu sein. Ich weiß, wie es ist, wenn man versucht, alles und jeden zu retten. Für jeden einzelnen da zu sein.
Zu wissen, dass da jemand fehlt. Und zu wissen, dass man nichts tun kann um das zu ändern.
Als mein Bruder Ihr Anliegen so rigoros abgelehnt hat, war Ihre Drohung das Dümmste, was Sie tun konnten.
Aber ich denke, Ihre Leute wären stolz auf das, was Sie ihretwillen getan haben.
Bitte, Germaine, versuchen Sie einfach, die nächsten sechs Wochen in Ruhe, Anstand und Würde zu überstehen, kooperieren Sie mit meinem Bruder und erwerben Sie sein Vertrauen.
Vielleicht gehen Sie sogar als Freund – auch wenn Leonid das niemals zugeben würde.“
Sie lächelte leicht und reichte Germaine die Hand. „Ich helfe Ihnen dabei, so gut es mir möglich ist.“
Germaine hielt mit der Linken die schmerzende Wange und schüttelte mit der anderen die Hand der schönen Frau. „Das freut mich zu hören, Natalija.“
Er sah ihr lange Zeit stumm in die Augen. Sie sah zurück.
„Ich muss jetzt los“, riss sich der Major plötzlich los, ließ ihre Hand fahren und eilte zur Garderobe. Er legte den Mantel an und sagte zu der jungen Frau: „Ich gehe dann mal bezahlen. Kann ich Sie mitnehmen oder bringen die Agenten draußen Sie nach Hause?“
Natalija lachte leise. „Für mich ist gesorgt. Guten Abend, Herr Major.“
Germaine verbeugte sich steif in der Hüfte. „Guten Abend, MyLady.“
Er zog die Tür hinter sich zu. Als sie ins Schloss einrastete, gestattete er sich den Luxus, kurz durch zu atmen. Die Situation verwirrte ihn. Diese Frau verwirrte ihn.
Am Tresen erwartete ihn bereits Johannes. Im Lokal war es etwas lebhafter geworden. Die meisten Tische waren besetzt.
Der Wirt schob ein Glas zu dem Major herüber und hielt selbst schon eines in der Hand. „Einen für den Weg?“
Dankbar ergriff Germaine das Glas und trank es in einem Zug aus. Danach las er die Rechnung aus und bezahlte mit einer bryanter Kreditkarte. Er legte zwanzig Prozent Trinkgeld drauf und grinste den Wirt an. „Sie haben hier einen tollen Schuppen, Herr Strader. Haben Sie etwas dagegen, wenn ich hier mein Offizierskasino einrichte?“
„Herr Major“, sagte der Lyraner und klopfte ihm wieder auf die Schulter, „Sie und Ihre Offiziere sind mir jederzeit willkommen. Zu den offiziellen Öffnungszeiten, versteht sich.“
Der Wirt und der Söldner sahen sich an und lachten gemeinsam. Germaine nahm sich seine Handschuhe und verließ relativ gut gelaunt das Gasthaus.
Zwei Minuten später saß der Major in der Limousine. Er konnte es nicht erwarten, in die Kaserne zu kommen. Denn in seinem Handschuh steckte ein gefalteter Zettel. Wer hatte ihn dort deponiert? Wann hatte er ihn deponiert? Und was stand drauf?
Ace Kaiser
Die eiskalte Luft biss in Germaines Gesicht. Der Major der Chevaliers hielt kurz an, um Atem zu schöpfen und starrte auf die vereisten Straßen von Brein. Jeden Morgen absolvierte der Major seinen Frühsport einmal um das HPG herum. Jeden Morgen biss ihm die Kälte ins Gesicht, bis sich die Haut rot färbte. Jeden Morgen folgten ihm zwei Elementare sowie mindestens zwei offizielle sowie sieben oder mehr inoffizielle Mitarbeiter des Spinnennetzes, wie der hiesige Geheimdienst liebevoll genannt wurde.
Germaine stützte seine Hände auf den Oberschenkeln ab und rang weiter nach Atem.
Den HPG umlief anders als in Findler, der Hauptstadt von New Home, kein Sperrriegel mit einem Kilometer Radius.
Brein war schon früh und hastig in seiner Geschichte an den Bau mit der großen Schüssel heran gewuchert und hielt nun lediglich einen Abstand von einem halben Klick zum Gelände.
Absolut kein Problem für einen Scharfschützen, auf diese Entfernung tödlich zu treffen.
Das galt allerdings für beide Richtungen.
Die Folge dieser Politik war, dass sich Geschäfte und Wohnhäuser, meistens mehrstöckig, rund um das HPG zogen.
Für die Geheimdienstler Bryants boten sich somit mehr als genügend Gelegenheiten, um Beobachtungsposten einzurichten.
Derart misstrauisch wie der Schatun war, hatte er auch gar keine andere Wahl.
Germaine zweifelte nicht daran, dass sich mindestens immer ein Zug Infanterie in Bereitschaft nahe dem HPG hielt. Und das die nächstliegende Kaserne in einer Art permanenten Alarmzustand war.
Diese Situation kannte er nur zu gut. Auf New Home, nach den verhängnisvollen Anschlägen, waren auch seine Chevaliers permanent in Bereitschaft gewesen, was schließlich zu einem deutlichen Nachlassen der Disziplin geführt hatte.
Mit einem Hauch Entsetzen dachte er an die Nacht des Überfalls, an diesen verdammten Loki und die BegleitMechs. Den spritzigen kleinen Wraith, der über ihr Landefeld gelaufen war…
Ein Affront und eine Ohrfeige für seine Einheit.
Germaine zweifelte nicht eine Sekunde daran, dass Dvensky hinter diesem Angriff steckte. Der Hintergrund dieser Tat enthielt sich ihm, aber den Befehl hatte der Schatun sicherlich gegeben.
Sinnigerweise gab es nicht viele Möglichkeiten, warum Leonid Dvensky auf eine Söldnertruppe schießen lassen sollte, die im Dienste ComStars stand und bald auf den eigenen Planeten wechseln würde.
Ganz oben auf der Liste stand der Verdacht der Kollaboration mit den New Homern, die Dvensky mehr oder weniger regelmäßig überfiel, um sich Ausrüstung und Nachschub zu erobern.
Platz drei auf der Liste war die simple Erklärung, der Schatun sei wahnsinnig. Okay, es war nicht die sinnigste Erklärung, aber Germaine behielt sie dennoch im Auge.
Platz zwei machte ihm zu schaffen. Und schuf ein riesiges Problem. Dvensky hatte auf seine Chevaliers feuern lassen, weil es ihm befohlen worden war.
Wenn ja, wer hatte die Macht, ihm etwas zu befehlen? Die Lyraner? Nein, sie hatten diese Welt ja aufgegeben. Die VerCommies? Dvensky hatte ihnen diese Welt angeboten, die hatten jedoch abgelehnt.
Der Kanzler vielleicht… Das würde passen, denn wenngleich Bryant nicht gerade übermäßige Bodenschätze und nur miserable Lebensbedingungen aufwies, versuchte Sun-Tzu Liao zielstrebig, alle im Dritten Nachfolgekrieg verlorenen Welten wieder unter dem grünen Banner der Konföderation zu vereinigen.
Aber was, wenn es Blakes Wort war? Was wenn sie wussten, weswegen er hier war?
Was wenn sie zwei und zwei zusammen zählten? Die Sturminhibitoren waren Fakt der offiziellen Geschichtsbücher dieser Welt. Jeder Trottel konnte Hinweise auf sie finden.
Hatten die Blakies in ihrer Paranoia ausnahmsweise mal richtig gelegen und geahnt, dass dies die letzte Möglichkeit von ComStar war, eine Hand auf mögliche noch existierende Inhibitoren oder Daten zu legen? Wenn ja, würden sich die Blakies nicht mit diesem einen Angriff zufrieden geben. Nein, sie würden entweder Dvensky gegen ihn aufhetzen und dabei zusehen wie einer vernichtet und der andere geschwächt wurde, oder sie würden gleich selbst angreifen. Wenn sie sauer genug waren. Oder wenn sie ahnten, dass sie die Beute mit Dvensky teilen mussten.
Germaine behielt diesen beängstigenden Gedanken im Hinterkopf.
„Schon wieder einer“, seufzte Norton leise und streckte sich. Seine Muskeln rieben aneinander und es klang beinahe wie ein Schuss, als es laut vernehmlich in seinem Rücken knackte. „Damit haben wir heute drei Aufpasser.“
Grace grinste ihren Strahlkameraden an. „Lass sie doch, wenn sie nichts besseres zu tun haben.“
Norton brummte unzufrieden. „Vielleicht sollte ich diesen Stravags mal das Konzept vom Kreis der Gleichen nahe bringen.“ Der Riese, mit zwei Meter dreißig der größte des fünfköpfigen Strahls Elementare bei den Chevaliers, brummte böse und machte einen Schritt zurück die Straße hinab. Ein kleines Kind auf der anderen Straßenseite versteckte sich rasch hinter seiner Mutter.
Grace lachte lauthals.
Germaine fügte ein Schmunzeln hinzu. Die Menschen hier hatten in ihrem ganzen Leben noch keinen Elementare gesehen, und selbst im Militär der Bryanter waren die wenigsten je mit einer Infanterierüstung aneinander geraten.
Sicher existierten Handbücher, aber es war kein Ersatz für die wirkliche Erfahrung. Germaine wusste, dass er mit den hervorragend ausgebildeten und gut motivierten Elis einen Trumpf im Ärmel hatte.
„Lass sie leben, Norton“, brummte Germaine leise. „Schließen wir lieber die zehn Kilometer ab.“
Der Riese brummte noch einmal böse in Richtung der drei betont unauffällig verteilten Passanten und wandte sich dann um, hinter Germaine und Grace her.
Eine Stunde später saß Germaine geduscht, und mit einer frischen Uniform in seinem Büro. Er ging die ersten Berichte durch und knabberte unbewusst nebenbei von einem Päckchen Salzstangen auf seinem Schreibtisch.
Von der Suchmannschaft gab es bisher nur negative Berichte. Nach zwei Tagen war aber auch nichts anderes zu erwarten, egal wie kompetent van Roose war.
Den Bericht mit der Versorgungslage überflog er nur. Solange sie nur besseren Garnisonsdienst schoben, musste Juliette Harris nur darauf achten, nicht zu teuer einzukaufen. Die meisten benötigten Dinge gab es in Brein.
Dem Bericht von Pater O´Hierlihy hingegen widmete Germaine seine volle Aufmerksamkeit. Er und der Master Sergeant waren für den Major das Stimmungsbarometer der Einheit. Mit ihrer Hilfe wusste Germaine immer, wie es um seine Leute stand.
Der Pater zeichnete kein sehr schönes Bild um die Panzerfahrer. Es hatte sie sehr getroffen, dass ihr Anführer seit über einer Woche verschollen war, und sein Nachfolger bekam die Einheit nicht so gut in den Griff, wie er gehofft hatte.
Bei der Infanterie hingegen gab es keine Probleme. Peterson hatte seine Jungs und Mädels voll im Griff und jagte sie gerade durch ein Programm für ein Sportabzeichen, welches sie während der Freizeit absolvieren sollten.
Was vielleicht daran lag, dass ein fehlender Trupp nicht derart katastrophal bemerkt wurde wie eine fehlende Panzerlanze oder eine fehlende Mechlanze. Der autoritäre MacLachlan und Germaines Freund Charles Decaroux taten ihren Teil, um die Einheit beisammen zu halten.
SeniorTech Simstein und MeisterTech Nagy hielten die Techs gut unter Kontrolle, auch hier gab es keine nennenswerten Konflikte. Wenngleich auch ihnen wie den meisten anderen Chevaliers das Schicksal ihrer verschollenen Kameraden nahe ging.
„Sie sind nicht wirklich ein Problem“, meldete sich Metellus zu Wort, der bisher schweigend vor Germaines Schreibtisch gesessen hatte, in der Hand einen Becher mit heißer Schokolade.
„Was? Worum geht es, Zenturio?“, fragte Germaine nach.
Der Marianer lächelte. „Du hast besorgt drein gesehen, als du den Bericht über die Höllenhunde gelesen hast. Mike Mc Loyd ist vielleicht nicht Dolittle, aber seine Leute werden unter seinem Kommando keinen Streit und erst recht keine Rebellion vom Zaun brechen.“
„Was macht dich so sicher, Zenturio?“
„Nun, erst einmal ist Mike seit Anfang an dabei. Er hat in der Schlacht auf Thule mitgekriegt, wie übel es uns erwischt hat, als du ausgefallen bist, mein Imperator. Er wird sich immer auf dich verlassen.
Und außerdem hat er es bereits bewiesen. Ich war zufällig im Hangar der Panzer, als Salinger meinte, du würdest nicht genügend tun, um Doc und die anderen zu retten.
Mike hat ihm dann breit und lang erklärt, dass du den Count sogar bedroht hast, nur um die Erlaubnis zu bekommen, wenigstens ein Suchteam zu entsenden. Nein, die Höllenhunde sind nicht unser Problem.“
Germaine zog eine Augenbraue hoch. „Das heißt doch, wir haben woanders ein Problem, richtig?“
„Ja, mein Imperator. Tank macht mir Sorgen. Obwohl er in den Plan eingeweiht ist, macht es ihm zu schaffen, von Sakura getrennt zu sein.“
Germaine faltete die Hände vor dem Gesicht und lächelte traurig. „Dann zeigt er mehr Gefühl für meine Nee-chan als ich.“
„Das muß dir nicht peinlich sein, Germaine. Du hast mit dem Schatun auch beide Hände voll zu tun. Aber Scharnhorst hat definitiv ein Problem. Ich empfehle, mal wieder die ganze Kompanie zu einer gemeinsamen Übung heran zu ziehen und etwas Teamgeist zu zeigen. Vielleicht rüttelt ihn das wieder auf.
Einen Kompaniechef, der mehr an seine verschollene Freundin als an seine Einheit denkt, können wir uns nicht leisten.“
„Okay, bereite alles vor für eine Pokerrunde. Alle Offiziere, du, Mike und Sergeant Rebecca. Ich besorge die Getränke.“
Der Marianer nickte. „Rebecca Geisterbär auch?“
„Ja, sie auch. Sie kann mit ihrem Sold sowieso nichts anfangen, dann können wir ihn ihr auch beim pokern abnehmen“, erwiderte Germaine scherzend.
„Unterschätz sie mal nicht. Rebecca hat sich weit besser eingefügt als wir alle je erwartet haben. Nachher zieht sie dir beim Poker die Hosen runter.“
„Sie ist Clannerin“, sinnierte Germaine grinsend, „also kann dieses Szenario modifiziert durchaus…“
Der laute Alarm, der durch die Luft schnitt, unterbrach den Major. Sofort griff er zur Sprechanlage. „Cindy, Bericht.“
„Externer Alarm, nicht von uns ausgelöst. Er kommt von der Raumüberwachung Bryant und hat alle Garnisonen des Planeten durchgerüttelt. Wir wurden automatisch mitalarmiert.“
Metellus und Germaine warfen sich einen bedeutungsschweren Blick zu. „Nachricht an die ROSEMARIE: Die Jäger sollen sich bereit machen für den Katapultstart. Was sagt der Wetterbericht?“
„Unverändert. Hochdruckgebiet, wenig Wind, kaum Schneefall, dichte Wolkendecke.“
„Ideales Wetter für ein Gefecht. Ich komme ins HQ. Alle Mechs und Panzer bemannen, Infanterie auf Position.“
Germaine schaltete ab und begann sich auszuziehen. An seinem Spind wechselte er in die Kühlweste. „Decius Metelle, gib bitte Tech Mehigaro Bescheid, wenn du gehst. Wir treffen uns in fünf Minuten am Kampftitan.“
„Du willst auch mit raus?“, rief der Marianer, der bereits die Tür erreicht hatte,.
„Ohne mich fehlt uns ein Mech, richtig? Entweder schiebt Dvensky einen Angriff vor, um gegen uns vorzugehen, oder wir werden wirklich attackiert, dann ist das HPG eines der lohnendsten Ziele. Richtig?“
„Zugegeben.“ Der Marianer nickte noch einmal und sprintete los.
Germaine warf sich einen leichten Mantel über, zog ein KommSet aus dem Spind und aktivierte es. „Juliette, Bericht.“
„Drei Union-Landungsschiffe im Anflug auf Brein, Sir. Weitere zwei Union und zwei Leopard haben Kurs auf den Nordkontinent Altario gesetzt. AZ voraussichtlich in zwei Stunden. Über Jägerbegleitschutz liegen noch keine Ergebnisse vor. Transponderdaten liegen noch nicht vor. Wir versuchen derzeit anhand der Emissionen der Lander eine Identifizierung, aber das kann noch dauern.“
Germaine eilte durch den Vorraum seines Büros, bemerkte kaum, dass Cindy ihm seinen Holster mit der Autopistole umschnallte und ihm noch einen Glückskuss auf die Wange gab. Er war mit seinen Gedanken bereits ganz woanders. „Fünf Union, dazu zwei Leos. Das reicht für fast zwei Bataillone Mechs in abwurffähigem Zustand.“
„Das scheinen auch die Bryanter zu wissen. Sie jagen gerade alles hoch, was fliegen kann.“
„Eine gute Gelegenheit, mal ihre Luftwaffe durchzuzählen“, merkte Germaine an, während er über den Hof zum MechHangar eilte. Vor ihm verschwanden schon weitere MechPiloten im Hangar, um ihre Maschinen zu bemannen. Unter ihnen Captain Scharnhorst. Vielleicht machte er sich unnötig Sorgen um den Mann.
„Machen wir bereits.“
„Gut. Wir bleiben ruhig, bis wir wissen, was da auf uns zukommt. Danton Ende.“
Er erreichte den Hangar und sprintete zur mächtigen Silhouette des Kampftitans. Tech Mehigaro kletterte bereits auf den Pilotensitz und ließ sich von einem TechKollegen einstöpseln. Germaine erklomm die Stahltreppe und kam auf das Laufband neben dem Mechkopf an. Von hier war es ein Leichtes, den Riesen zu bemannen.
Zwei Bataillone Truppen, da war jemand mächtig sauer. Und Dvensky hatte es sich in letzter Zeit oft genug mit seinen Nachbarn verscherzt, um jemanden sauer genug zu machen.
Das kleinere Kontingent ging also auf Altario nieder. Das bedeutete Tscheljabinsk. Das erfüllte Germaine mit einer gewissen diebischen Freude. Tscheljabinsk, das war das Revier von Major Tereschkov, der derzeit in Brein weilte, um eifersüchtig darüber zu wachen, dass Germaine keine Anstalten machte, sich erneut Natalija Dvensky zu nähern. Derart von der Wirklichkeit in den Arsch gekniffen zu werden gönnte Germaine diesem Idioten aus vollstem Herzen.
Auch wenn er sich seit der Übung, die der Schatun für die Chevaliers veranstaltet hatte, in Bezug auf Dvenskys Schwester ruhig verhalten, sprich kaum mit ihr geredet hatte, so hatte er doch nicht die Absicht, ihr nie wieder unter die Augen zu treten.
Erstens war ihre Gesellschaft zu angenehm und zweitens war Germaine vernünftig – bis zu einem gewissen Punkt. Auch wenn er derzeit keinerlei Interesse daran hatte, in den herrschenden Clan des Planeten einzuheiraten, wurmte es ihn, kleiner gemacht worden zu sein als er war. Und dementsprechend hatte sich eine gehörige Portion Ärger auf den Panzermajor angehäuft.
Germaine schwang sich auf den Schützenplatz im Kampftitan und stöpselte die Kühlweste ein.
Olli Mehigaro befestigte gerade die Sensorpflaster, allerdings zu nervös und fahrig, sodass der Tech ihm helfen musste.
„Ruhig, Olli“, rief Germaine von hinten. „Jeder hat Angst vor einer Schlacht.“
Eigentlich wäre dies eine sehr gute Gelegenheit gewesen, von den verdeckten Avancen an Natalija Abstand zu nehmen und die Sache auf sich beruhen zu lassen, nachdem er den größten Teil dessen, was die Beziehung einbringen sollte, geerntet hatte. Andererseits verdiente Tereschkov eine Lektion. Und zwar eine Lektion, die den Trottel auch wirklich wie einen Trottel aussehen ließ.
„Knave, hier Knave. Was neues über unsere Freunde?“
„Ja, aber du wirst es nicht glauben, Germaine. Die drei Union, die auf Brein zuhalten haben ihre Transponder aktiviert. Es handelt sich um Schiffe der New Home Regulars.“
Germaine runzelte die Stirn. Klar, oft genug geärgert wurden sie ja vom Schatun. Ein Rückschlag war irgendwann unvermeidlich. Und mit einem Bataillon Truppen auf dieser Welt, die nicht unter seinem Kommando standen, war die Gelegenheit mehr als günstig, weil der paranoide Offizier versuchte, gegen alle zu kämpfen oder wenigstens auf alle ein Auge zu haben. Die Regulars wussten das natürlich. Und nutzten es schamlos aus.
„Und die Lander mit Kurs auf Altalia? Sind die zufällig von der Dreißigsten Lyranischen Garde?“
„Die Transponder kommen gerade erst rein. Woher hast du das gewusst, Gemaine?“
Der Major schnallte sich fest und dankte dem Tech mit einem Nicken. „Nun, es sieht ganz so aus, als würden sich die Regulars und die Lyraner für die Überfälle bei Dvensky bedanken wollen. Dazu rücken sie mit etwa gleich großen Kräften ab, um auf New Home das Gleichgewicht zu wahren. Es ist ihre einzige Möglichkeit, um Dvensky Zuhause zu besuchen und ihm zu sagen, dass er nicht erwünscht ist, ohne auf New Home ins Hintertreffen zu geraten. Dazu passt auch, dass die Regulars und die Garde getrennte Ziele auf verschiedenen Kontinenten angreifen.“ Germaines Lächeln wurde eine wütende Grimasse. „Gib mir eine Verbindung zur Garde, Juliette.“
Die Mechs der Schlaglanze bewegten sich bereits aus dem MechHangar heraus, um sich mit Sergeant Rebeccas Wing zu vereinigen, der schon auf Patrouille gewesen war. Weitere Einheiten würden schnell folgen. Draußen orgelten die Scoutpanzer am großen Tor des Hangars vorbei.
„Ich habe die Verbindung. Kommandant Getts ist dran.“
„Gut, stell durch“, befahl Germaine, während das Cockpit versiegelt wurde. Olli wartete, bis die Halteklammern abgezogen wurden, dann bewegte er den Mech vorsichtig aus seinem Wartungsgestell.
Einer der Hilfsmonitore erwachte flackernd zum Leben und zeigte das leicht verwischte Bild einer kaukasischen Frau Mitte Vierzig. „Alice“, sagte Germaine betont freundlich, „normalerweise würde ich jetzt sagen, schön, Sie zu sehen. Aber Sie bringen mich gerade in Teufels Küche.“
Die Gardistin grinste schief. „Zugegeben, Germaine, das weiß ich. Und es ist nicht gerade nett von mir, das weiß ich auch. Aber nachdem Sie den Unterkontrakt mit uns ausgeschlagen haben, muß ich diese Operation ohne Sie durchziehen. Und gibt es einen besseren Zeitpunkt, als wenn der Möchtegern-Count mit Ihnen beschäftigt ist?“
„Und das ist ja das Problem. Dvensky wird mir vorwerfen, ich würde mit Ihnen und den Regulars zusammen arbeiten.“
„Mit uns vielleicht. Aber nicht mit den Regulars. Deshalb ist Brein auch das Ziel des Ersten Bataillons von Ying-Zhang Wu.“
„Das wird den Schatun nicht gerade beruhigen.“
„Entspannen Sie sich, Germaine. Was wir mit dem Count und seinen Truppen anstellen, kann Ihnen doch völlig egal sein. Ich meine, Sie beschützen den Hyperpulsgenerator. Also beschränken Sie sich darauf.“
„Ha, ha. Sehr witzig. Ich kann wohl kaum daneben stehen bleiben, während Sie zwei Großstädte in Schutt und Asche legen.“
Alice Getts wurde ärgerlich. „Stellen Sie uns nicht auf eine Stufe mit dem Schatun, Germaine. Wir werden jedenfalls nicht mit feuernden Waffen durch Wohngebiete traben. Wir haben lediglich vor, ein paar Depots und Waffenfabriken zu vernichten, um die Überfälle zu beenden. Glauben Sie mir, Ihr MedoHeli wird diesmal nicht ausrücken müssen.“
„Das ist mir ein Trost, wenn der Schatun mir die Hölle heiß macht“, presste der Major zwischen den Lippen hervor.
„Ich habe Ihnen doch gesagt, Sie sollen sich entspannen, Germaine.“ Alice Getts zwinkerte ihm zu. „Ist besser für Ihren Magen. Dreißigste Lyranische Garde aus.“
Der Major starrte lange Zeit wie betäubt auf den Bildschirm, während Olli den Kampftitan neben dem Tai-sho von Metellus anhalten ließ.
„Das bedeutet eine Menge Ärger für uns“, sagte Juliette Harris leise. „Das Kontingent der Regulars schleust Jäger aus. Insgesamt acht Stück. Zusammen mit der Feuerkraft der Lander mehr als genug, um sicher zum Boden zu kommen. Typenbeschreibung folgt.“
Germaine erwachte aus seiner Starre. „Gib mir eine Verbindung zu Dvensky. Und gib sie mir schnell.“
Das Gesicht auf dem Hilfsbildschirm wechselte und zeigte nun den Mann, der diese Welt beherrschte. „Sie!“, sagte der Schatun anklagend.
„Leonid, bitte glauben Sie mir, dass ich hiermit nichts zu tun habe. Es entspricht nicht meinem Auftrag, in keinster Weise. Meine Truppen konzentrieren sich vollkommen auf den Schutz des HPG. Das verspreche ich Ihnen. Sie können sich voll und ganz auf den Gegner konzentrieren. Ich bitte um die Starterlaubnis für meine Jäger sowie um ein Luftgebiet Fünf Kilometer rund um den HPG, der von meinen Piloten als neutrales Gebiet ComStars verteidigt werden soll. Des Weiteren bitte ich darum, die Bannmeile um den Komplex auf zwei Kilometer anheben zu dürfen.“
Germaine war sich sicher, dass der Schatun nun einiges an Kartenmaterial einsehen würde. Dabei musste er erkennen, dass die Chevaliers damit einen großen Wohnbezirk sowie mehrere Fabriken aus der Luft und einen etwas kleineren Wohnblock am Boden verteidigten.
Entweder misstraute der Schatun dieser Situation und glaubte kein Wort davon, was Germaine gesagt hatte und schlug los – oder er erkannte folgerichtig die größere Bedrohung in Form der Capellaner und nahm Dantons Vorlage an, Gebiete an die Söldner zu übertragen und somit weitere Truppen frei zu machen.
„Zeichnen Sie mir Ihre Position, Leonid. Ich stoße zu Ihnen in einem Kampftitan vor und begleite Sie während der Kampfhandlungen.“
Damit gab er sich gewollt als Geisel in die Hand des Schatuns.
„Die Koordinaten kommen“, sagte Dvensky leise.
Germaine atmete auf. Diese Situation war gerettet. Und vielleicht konnte er heute einiges von dem kitten, was er am ersten Tag zerschlagen hatte.
„Olli, tut mir leid, dass ich Sie da mit rein reite. Stoßen Sie auf die Koordinaten den Schatuns zu. Juliette, ich behalte das Kommando. Bleib mit mir in Verbindung.“
„Verstanden, Germaine. Viel Glück.“
„Das wünsche ich uns allen“, murmelte der Major zurück. „Uns allen.“
Ace Kaiser
Als Germaine Danton an Bord des riesigen Kampftitans die Kaserne des HPG-Geländes verließ, war ihm mehr als mulmig. Wie mochte es da erst Mehigaro gehen? Der Junge war nun wirklich alles, aber nicht Kampferfahren. Germaine vermochte einiges von seiner Nervosität durch Erfahrung abzublocken. Der Tech nicht. Wie denn auch? Diese Situation war vollkommen neu für ihn.
Und wenngleich der Major sich noch nie vorher selbst als Geisel angeboten hatte, so kam er doch mit dem Druck besser klar als Olli.
„Folgen Sie den Navpunkten, Olli, und bleiben Sie wo es geht, auf der vorgegebenen Route“, sagte der Major leise.
Der Tech nickte nervös. „Ja, Sir.“
Das war es also. Bryant wurde angegriffen. New Home bedankte sich endlich für die dreisten Überfälle, die Toten und das geplünderte Material. Sowie Germaine es übersah, griffen Elemente der New Home Regulars die planetare Hauptstadt Brein auf dem Südkontinent an, während die 30. Lyranische Garde den Nordkontinent attackierte.
Das machte durchaus Sinn, denn während des Aufenthalts auf New Home hatten seine Chevaliers mit der Garde durchaus gut zusammen gearbeitet. Entweder wollten die Lyraner vermeiden, die Schutztruppe des HPGs zu kompromittieren, oder die Regulars wollten vielleicht einen oder zwei glückliche Schüsse landen.
Germaine schüttelte den Kopf. Solche Gedanken führten zu nichts. Alles was Ihnen blieb, war die Schlacht. Danach standen wieder die üblichen Probleme an. Und diese Probleme hießen in einer immer dünner werdenden Luft die Truppe beisammen halten und zu verhindern, dass die Bryanter angriffen.
Germaine meinte, Dvensky, den Lord dieser Welt mittlerweile gut genug einschätzen zu können, um vorher sagen zu können, was der Mann gerade tat.
Abgesehen davon, dass er seine kostbare Hauptstadt – und zugegeben auch dessen Zivilisten – verteidigte, bereitete er mit tödlicher Sicherheit gerade vor, seine Chevaliers in einem Überraschungsangriff zu vernichten.
Germaine lächelte verächtlich. Das hatte er einkalkuliert. Und zu einem Überraschungsangriff gehörten immer Überraschte. Nicht, dass er wirklich gegen Dvensky und seine Truppen kämpfen wollte. Nein, Blakes Wort wäre ihm tausendmal lieber gewesen. Aber sollte es dazu kommen, er war bereit.
Und seine Vorbereitungen waren weiter gediehen, als Dvensky dies sehen mochte.
Ziel der ganzen Operation war natürlich, die Aktion seiner Leute in Leipzig zu decken, einer verwitterten Großstadt auf dem Äquatorialkontinent Tomainisia. Dort versuchte ein gutes Drittel der Chevaliers unter der Führung von Doc Dolittle, dem Chef seiner Panzerfahrer, aus einem alten Forschungstrakt entweder einen Satelliten oder dessen Pläne zu bergen.
Diese Satelliten wurden Sturminhibitoren genannt und hatten in den Tagen des Sternenbundes die Aufgabe, künstliche Hochdruckgebiete mittels ihrer Breitflächenlaser zu erzeugen, um das Klima dieser Welt zu bändigen. Es war gelungen, und was heute sturmumtoste Wetterhöllen mit subtropischem Klima war, hatte einstmals zur Besiedlung offen gestanden und zu einer prosperierenden Welt geführt. Doch diese Tage waren vorbei.
Lange vorbei.
Heutzutage sah die Lage etwas anders aus. Es gab diesen Prototyp. Irgendwo unter den Trümmern von Leipzig. Und Germaine lief ein kalter Schauer den Rücken hinunter wenn er daran dachte, was mit diesem Prototyp passieren würde, wenn Blakes Wort ihn in die Hände bekam. Wenn der nicht säkularisierte Teil ComStars diesen Satelliten, diese Laser in die gläubigen Finger bekam. Wenn sie in ihrem religiösen Fanatismus, ausgerüstet mit einem oder zwei Satelliten und ihrem Glauben im Klima einer beliebigen Welt herumpfuschten und damit eine globale Katastrophe hervor riefen, die letztendlich eine ganze Welt auslöschte…
An die andere Variante, eine militärische Nutzung durch die Word of Blake-Miliz wollte er gar nicht erst denken.
„Sir, wir sind fast da“, meldete der Tech von seinem Pilotensitz.
Germaine nickte. „Ruhig jetzt. Ich aktiviere eine Kommverbindung.
MyLord Dvensky, ich bin an den Koordinaten fast angekommen. Ich werde meine Chevaliers weiterhin einen Sicherheitsring einnehmen lassen. Sie sollen sich passiv verhalten, außer sie werden angegriffen.“
„Wenn Sie den letzten Navpunkt erreicht haben“, kam eine Stimme über den Funk, die Germaine nicht sofort einordnen konnte, „deaktivieren Sie Ihren Mech und öffnen die Cockpitluke. Ein bewaffneter Infanterist wird zu Ihnen ins Cockpit steigen und Sie überwachen. Nehmen Sie das nicht persönlich, aber erstens war es Ihre eigene Idee und zweitens befinden wir uns in der Zwickmühle. Immerhin werden wir von New Homern angegriffen und Sie kommen frisch von New Home.“
„Major Tscherenkov“, erwiderte Germaine amüsiert. „Sie dürfen also mein Aufpasser sein. Hm, ich denke, ich kann ganz froh sein, dass der Count nicht die Kapazität hat, sowohl die Angreifer als auch meine Chevaliers anzugreifen, oder?“
„Bilden Sie sich nichts ein!“, blaffte der Major zurück. „Wir haben natürlich die Kapazitäten. Aber wir haben eigentlich vor, sie an der Front einzusetzen. Das wird unsere eigenen Verluste reduzieren und die des Feindes erhöhen.
Dass Ihre Chevaliers so lange still halten, dafür wird der Mann im Cockpit sorgen.“
Der Mech hielt an. Wie befohlen entriegelte Germaine das Cockpit und ließ die Strickleiter herab.
„Außerdem, Danton“, sagte der Panzerfahrer mit einer wirklich grässlichen englischen Betonung, „ist dies Ihre große und einmalige Chance, Count Dvensky von Ihren guten Absichten zu überzeugen. Sie haben hier Gelegenheit, Punkte bei ihm zu machen.“
Das Klappern von Metall auf Metall informierte Germaine darüber, dass der angekündigte Infanterist die Leiter hoch kam.
„Nun, über mein Betragen konnte sich der Count bisher mehrfach beschweren“, gab der Chevalier zu. „Ich gelobe Besserung.“
Ein heiseres Lachen antwortete ihm. „Das will ich Ihnen geraten haben, Danton. Denn wenn nicht, jage ich Sie notfalls mit meinem Panzer bis ans Ende dieser Welt.“
„Sind Sie sich sicher, wer in diesem Fall Jäger und wer Gejagter wäre?“, konterte Germaine und biss sich auf die Zunge. Diesen Konter hatte er sich nicht verkneifen können.
Eine kurze Pause entstand. „Allerdings. Bleiben Sie auf Ihrer Position, bis wir Sie wieder freigeben, Danton. Und benehmen Sie sich.“
Germaine biss sich auf die Zunge, um eine derbe Erwiderung runterzuschlucken. „Tscherenkow. Gute Jagd.“
Dann war Stille auf der Frequenz.
Germaine hatte erwartet, einen stiernackigen Fallschirmspringer zu sehen, der mit einer Shimatzu bewaffnet das Cockpit erklomm. Er wurde bitter enttäuscht. Eine junge Frau in schlichter Infanteristenfelduniform erklomm das Cockpit. Sie hatte lediglich eine gesicherte Pistole im Hüftholster. Als sie sich ins enge Cockpit zwängte, brummte sie: „Es ist saukalt. Machen Sie das Ding zu, Tech Mehigaro.“
„Spezialistin Dritter Klasse Anna Sergejewna Kalinskaya“, bemerkte der Chevalier amüsiert. „Ich habe nicht damit gerechnet, dass wir uns einander noch einmal wieder sehen.“
Die Agentin zwinkerte den beiden Männern zu und machte es sich an der Seite so bequem wie möglich. Aus ihrer Felduniform zog sie eine Thermoskanne hervor. „Wunder gibt es immer wieder, Herr Major. Glauben Sie aber nur nicht, dass ich nicht sofort schießen würde, wenn Sie eine Dummheit machen. Ich kenne Sie und Tech Mehigaro ziemlich gut. Das ist der Grund, warum ich hier eingesetzt wurde.“ Sie hielt Germaine einen gefüllten Becher hin. „Importkaffee vom letzten Überfall auf Epsilon Eridani. Sie auch, Olli?“
Mit einem knappen Danke nahm Germaine den Becher an.
Dieser Tag steckte doch voller Überraschungen.
Ace Kaiser
Langsam stapfte der mächtige Kampftitan zurück zum HPG. Alles in allem war Germaine Danton mit der Entwicklung der Dinge recht zufrieden. Der Überfall auf Brein hatte die Verteidiger moralisch aufgeputscht, dass hatte er dem Funkverkehr entnehmen können. Und provisorische Einheiten, die das erste Mal in ihrem Leben zusammen gekämpft hatten, waren nun ein wenig erfahrener. Als Folge konnte Dvensky diese Einheiten straffen und vor allem auch anhand ihrer Erfolge oder Misserfolge besser in seine Planungen einbinden.
Was aber der wichtigere Aspekt für Germaine war – Dvensky war geschwächt worden. Er hatte einiges an erfahrenen Soldaten verloren. Dies hielt ihn hoffentlich davon ab, gegenüber den Chevaliers ein militärisches Abenteuer zu beginnen. Und machte ihn in Zukunft etwas offener für die Wünsche und Sorgen der Chevaliers.
„Sie haben sich heute gut gehalten, Olli“, lobte Germaine den Piloten des BattleMechs.
„Es war ja keine richtige Kampfsituation, Sir“, wiegelte Tech Mehigaro ab.
„Natürlich war es eine Kampfsituation. Wir hätten ohne weiteres in einen Kampf verwickelt werden können, und die ganze Zeit waren Sie in vorbildlicher Bereitschaft. Ich werde einen entsprechenden Eintrag in Ihren Unterlagen machen lassen.“
„Danke, Sir“, erwiderte Mehigaro mit einer Stimme, als wäre er sich nicht sicher ob er dieses Lob akzeptieren sollte. Oder ob es überhaupt ein Lob war.
Germaine grinste. Der junge Tech hatte sich wirklich gut geschlagen. Und Gemaine war sicher, dass sich ihre Zusammenarbeit noch als wirksam heraus stellen würde.
„Tank von Knave, Bericht.“
„Tank hier. Chef, keine Schäden am HPG, keine Schäden an der Kaserne. Keine unserer Einheiten wurde in Kampfhandlungen zwischen Bryanter Regulars und New Home Regulars verwickelt. Wir sind immer noch auf Nominalstärke.“
„Gut. Ich will, das Center Base alle Aufzeichnungen bekommt und bereits mit der Auswertung beginnt. Vor allem die ROMs unserer Vögel dürften uns einen gewissen Einblick in die Schlacht gewähren.“
„Ist bereits in Arbeit, Chef“, kommentierte Captain Scharnhorst. „Juliette ist schon dran. Bis du wieder in der Kaserne bist, hat sie einen ersten Bericht fertig.“
„Das klingt doch sehr gut“, brummte Germaine. „Wir gehen zurück auf Bereitschaft. Die Küche soll Bier ausschenken. Danach befiehl zwei Drittel der Leute in die Betten. Der Rest macht Dienst laut Plan. Die Offiziere sollen mich im Mobilen HQ erwarten.“
„Verstanden, Germaine.“
Der Chef der Chevaliers trennte die Verbindung wieder. „Na, dann geben Sie mal Gas, Olli. Wir wollen nach Hause.“
„Verstanden, Sir“, erwiderte der Tech und schob den Geschwindigkeitsregler noch ein Stück mehr nach vorne.
**
Eine halbe Stunde später stand Germaine Danton vor dem Holotisch im Mobilen HQ und beobachtete den Verlauf der Schlacht zwischen New Home und Bryant, soweit sie es rekonstruieren konnten.
Der Major deutete auf die Landungsschiffe der Regulars. Deutlich war zu erkennen, wie eine Lanze leichter Panzer in Begleitung mehrerer LKTs entgegengesetzt zu Brein die Landungszone verließen. „Was ist mit denen da? Haben sie einen Haken geschlagen und später in der Flanke angegriffen?“
First Lieutenant Harris checkte ihre Daten und ließ die Reaktorsignaturen der Panzer durchlaufen. „Negativ, Sir. Sie sind im Gefecht in der Stadt nicht wieder aufgetaucht.“
„Hm. Wie weit haben wir diese Einheiten beobachten können?“
Sein Blick ging First Lieutenant Sleijpnirsdottir.
Die große Blonde schüttelte energisch den Kopf. „Sorry, wenn ich gewusst hätte, dass die Panzerlanze so interessant ist, wäre ich während des Gefechts ein wenig in ihre Fahrtrichtung ausgebrochen.“
„Nicht so wild. Wann tauchen die Fahrzeuge wieder auf?“
„Gegen Ende der Schlacht, Germaine. Sie kommen aus der gleichen Richtung zurück und fahren direkt in die Lander ein.“
Nachdenklich rieb sich Germaine das Kinn. „Hm. Hm. Die Regulars haben hier ordentlich Prügel bezogen, oder? Eine Lanze leichter Panzer hätte da alles oder nichts bewirken können. Warum wurden sie da raus in die Eiswüste geschickt?“
„Sir, falls es hilft, die Höchstgeschwindigkeit der LKT scheint bei de Rückfahrt abgenommen zu haben“, meldete Juliette Harris leise. „Außerdem ist ihre Flughöhe um vierzig Prozent gefallen.“
„Sieht so aus, als wären sie leer gestartet und gefüllt zurückgekommen, mein Imperator.“
„Das denke ich auch, Zenturio“, brummte Germaine in Richtung des Master Sergeants. „Womit aber wurden sie beladen? Was liegt in dieser Richtung?“
Juliette Harris vergrößerte das Hologramm. Sie hielt inne und sagte: „In dieser Richtung findet man die so genannten Bryanter Straflager. In ihnen werden Schwerverbrecher, Dissidenten und Spione inhaftiert und müssen teilweise lebenslange Haftstrafen unter erbärmlichen Bedingungen abarbeiten.“
Germaine sah in die Runde. „Kann es sein, dass die New Home Regulars eines oder mehrere dieser Lager erobert haben?“
„Es wäre durchaus denkbar. Aber warum?“, hakte Tank nach.
„Vielleicht“, mischte sich McHarrod ein, „wollten sie einige ihrer Leute befreien? Könnt Ihr euch die Wirkung auf die eigenen Truppen vorstellen, wenn sie sehen, dass sie nicht aufgegeben werden? Das man sie holen kommt?“
„Dann werden sie bald eine weitere Strafexpedition starten müssen“, bemerkte Belinda Wallace beinahe amüsiert. „Denn wenn ich die Daten richtig interpretiere, haben die Bryanter eine Menge Gefangene gemacht, die dann auch irgendwann befreit werden müssen.“
„Wie dem auch sei, die psychologische Wirkung ist jedenfalls enorm.“ Germaine kratzte sich nachdenklich am Kinn. „Aber ich bezweifle, dass das Betondenken von der eigenen Großartigkeit zulässt, dass die bryanter Führung dies erkennt. Geschweige denn akzeptiert.“
Der Major lachte. „Das bietet uns einige Möglichkeiten. MeisterTech Nagy, bitte holen Sie doch das Paket aus dem Lager.“
„Das Paket?“, fragte der MeisterTech gedehnt. „Jauwohl, Härr Maujörr.“
„Was für ein Paket?“, hakte Scharnhorst nach.
Germaine grinste schief. „Lass dich überraschen, Manfred. So kommen wir zum nicht weniger wichtigen Punkt. Wie stark wurden die Regulars geschwächt? Lieutenant Harris?“
**
Am nächsten Morgen, nach einer Nacht, in der Germaine nur wenig Schlaf bekommen und auch nicht gewollt hatte, stand der Chef der Chevaliers im MechHangar der HPG-Kaserne und betrachtete das abgeplante Bündel, welches von einem Munitionsexo auf einen Lastwagen verladen wurde.
Es war lange her, seit er das gesehen hatte, was sich unter der Plane verbarg. Leider von der falschen Seite. In seinen Ohren begann es zu piepen. Mit einem derben Fluch auf den Lippen wandte er sich ab. Keine gute Erinnerung, definitiv keine gute Erinnerung.
In Gedanken wandte er sich seinen verschollenen Leuten zu. Wenn alles nach Plan lief, sollten sie nun schon dabei sein, den Satelliten zu bergen oder zumindest die Pläne aus den uralten Computern der unterirdischen Anlage zu retten.
War die Einsatzgruppe stark genug? Reichten vier leichte und mittelschwere Mechs aus?
Für einen Moment dachte er an den Überfall auf New Home, der von sechs unbekannten Mechs ausgeführt worden war. Ein Fehlschuss auf die SKULLCRUSHER hatte ihm den perfekten Vorwand geliefert, um das Schiff über Leipzig abstürzen zu lassen und somit die Einsatzgruppe direkt ins Ziel zu bringen.
Allerdings waren diese sechs Mechs nicht wieder aufgetaucht. So ganz konnte Germaine es aber nicht glauben, dass diese Maschinen nach ihrem halbherzigen Überfall für immer verschwunden bleiben würden. Sie hatten einen Auftrag gehabt, und Germaine war sich nicht sicher, ob der nun erfüllt war. Wenn diese mittelschweren und schweren Einheiten auf die Einsatzgruppe Leipzig trafen, war er sich nicht sicher, ob eine Lanze Panzer und die Mechs genug waren, um sie aufzuhalten, geschweige denn zu besiegen. Okay, er vertraute Dolittle und setzte große Hoffnungen auf Dukic. Aber manchmal was das nicht genug.
Ein anderer Punkt war Sergeant van Roose mit seinem Suchtrupp. Der junge Mann wurde Vater und hatte ihm einen MechKrieger geklaut. Beim Gedanken an Dawn und ihre Schwangerschaft hellte sich die Miene des Majors unmerklich auf. Beinahe war es, als würde er selbst Großvater werden, wenn nicht gleich Vater.
Er konnte den beiden nicht dafür böse sein, dass sie sich liebten. Er selbst hatte es ja noch gefördert. Und er begrüßte es sehr. Denn diese Entwicklung war phantastisch. Dawn lebte, dabei war ihr Selbstmordversuch noch gar nicht so lange her.
Und Germaine war dankbar dafür, dass die junge Frau wieder aufgeblüht war.
Van Roose war schlau. Er würde schon von selbst verstehen, was die Stunde geschlagen hatte, falls seine Chevaliers enttarnt wurden.
Außerdem wusste Kitty Bescheid. Und sie würde schon ihren Teil tun, um die achtköpfige Einsatztruppe beisammen zu halten.
Trotzdem machte sich Germaine Sorgen. Jeder Tote war wie immer ein Toter zuviel und ein Minuszeichen auf seiner Liste.
„Sir, wir sind dann soweit“, sagte SeniorTech Simstein.
Germaine nickte. „Gut. Ich werde in einem Wagen vorweg fahren. Sagen Sie, hat Ihr Bruder etwas gesagt?“
„Wie meinen, Sir?“ „Weil er immer noch als Kadett geführt wird, meine ich.“
Die Tech lächelte. „Nun, meine Beziehung nimmt mich etwas ein, Sir, und ich komme nicht mehr so oft dazu, mit ihm zu reden wie sonst. Aber es scheint, er hat endlich etwas Geduld gelernt. Er wird auf seinen neuen Rang warten können.“
„Das freut mich zu hören. Und? Wie läuft es zwischen Ihnen und Sniper?“
„Damien und ich kommen gut miteinander aus, danke, Sir.“
Verlegen rieb sich Germaine die Nasenwurzel. „Hören Sie, Doreen, ich weiß, ich habe mich in letzter Zeit wenig um Sie und um Frank gekümmert, und ich weiß, ich hätte einiges, nein, vieles besser machen müssen. Aber ich verspreche, das nachzuholen, wenn wir den ganzen Mist hinter uns haben.“
Die SeniorTech legte eine Hand auf Germaines Schulter. „Hören Sie, Sir. Ich weiß, dass Sie sich um eine ganze Einheit zu kümmern haben. Ich weiß, dass Sie immer noch darunter leiden, wie Ihre Beziehung zu Saint in die Brüche gegangen ist. Und dann noch der ganze Ärger mit Baron Dvensky. Frank und ich verlangen nichts von Ihnen. Von uns sollen Sie keinen zusätzlichen Druck bekommen.“
Germaine nickte schwer. „Ich danke Ihnen dafür, Doreen. Also, lassen Sie uns fahren.“
Die beiden nickten einander zu. Germaine stieg in den leicht gepanzerten Wagen, während SeniorTech Simstein auf den Bock des Lasters kletterte.
Beide fuhren an und Germaine hatte Zeit, sich ausgiebig darüber zu ärgern, wie eiskalt es in dem kleinen Wagen war, trotz der Standheizung.
**
Vor dem Palast des Herrschers erwartete ihn bereits ein übermüdeter Leonid Dvensky.
Germaine verließ den Wagen und reichte erst dem Herrscher und dann seinen beide Begleitern die Hand. Major Tscherenkow zog dabei allerdings ein Gesicht, dass man glauben mochte, er hätte lieber ohne Handschuh in Klingendraht gegriffen als mit dem Söldner Hände zu schütteln.
Die Reaktion von Natalija Dvensky war freundlicher. Weit freundlicher, als Germaine nach den letzten Worten erwartet hatte, die sie gewechselt hatten. Anscheinend honorierte sie die Zurückhaltung, welche der Chevalier ihr gegenüber und auf ihren Wunsch hin pflegte.
„Kommen wir gleich zur Sache, Mylord“, sagte Germaine in Richtung Dvensky gewandt. „Sie sind ein viel beschäftigter Mann und ich will Sie in dieser arbeitsreichen Situation nicht noch mehr kosten.“
Der Major nickte in Richtung der Techs um Simstein, und sie begannen, die Plane zu lösen.
Die Anstrengungen der Techs brachten eine wie neu glänzende Waffe zum Vorschein.
Es war eine als Faustwaffe konzipierte PPK.
Danton deutete herüber und sagte mit leiser Stimme: „Eine Donegal von einem Panther. Voll funktionsfähig und bestens gewartet. Sie können sie jederzeit einsetzen. Es ist ein Geschenk.“
Dvensky betrachtete die schwarz lackierte, seidig glänzende Waffe.
„Was verlangen Sie dafür, Major Danton?“
„Wie ich schon sagte, sie ist ein Geschenk. Um ehrlich zu sein, bin ich sogar ganz froh, dass ich sie ab jetzt nicht mehr mit mir herum schleppe. Es hat etwas so todessehnsüchtiges, finde ich.“
Germaine lachte, als er Verständnislosigkeit in den Augen der drei Bryanter sah. „Entschuldigen Sie, Herrschaften. Dies ist die Armwaffe eines Panther-BattleMechs, die mich vor etwas mehr als einem halben Jahr aus dem Cockpit meines Thor geschossen hat. Ich habe die Waffe abbauen, warten und einlagern lassen. Ein wenig, um mich stets daran zu erinnern, wie knapp ich dem Tod von der Schippe gesprungen bin. Ansonsten, weil man eine gute Waffe nicht umkommen lassen sollte.
Und ich denke, es ist ein sehr sinnvoller Zweck, wenn ich sie Ihnen schenke, Mylord, um unsere Beziehung etwas zu verbessern.“
Dvensky sah dem Major direkt in die Augen. „Nun kommen Sie schon zur Sache. Die PPK ist doch nur ein Aufhänger.“
„Natürlich, Mylord. Nun, es ist so. Ich bin ein Söldner, wie Sie wissen. Und ein nicht unbeträchtlicher Teil meiner Einheit ist verschollen. Ich muß mir Gedanken darüber machen, funktionsfähig zu bleiben.
Und Sie, Mylord, haben durch den Angriff der Regulars materielle Schäden in der Stadt erlitten. Nicht unerhebliche Schäden, denn wenn Mechs gegeneinander antreten, bleibt es gar nicht aus.“
„Wie passt das zusammen?“, fragte Dvensky geradeheraus.
„Nun, einem Söldner ist es egal, wo seine Leute herkommen, solange sie sich an ihren Kontrakt halten. Ich habe mit dem Gedanken gespielt, auf Ihrer Welt zu werben, aber das würden Sie mir sicherlich übel nehmen. Aber ich habe gehört, dass Sie Gefangene gemacht haben. Ich nehme an, dass diese Gefangene in die Lager gebracht werden sollen, wo sie zehn oder zwanzig Jahre Strafdienst schieben dürfen. Nun, ich würde diese Menschen gerne vor die Wahl stellen, entweder die vollkommen berechtigte Strafe für ihren feigen Überfall auf Brein anzutreten, oder fortan zu einem Minimumsold in meinen Diensten zu stehen. Wir hätten beide etwas davon. Ich kann meine Infanterie wieder aufstocken und Sie sind ein paar Dutzend Problemfälle los. Denn Sie werden diese Leute weit mehr aufteilen müssen als Sie Lager haben, um zu verhindern, dass sie zusammen konspirieren.“
Germaine machte eine Pause, um diesen Gedanken sacken zu lassen.
„Ich stelle Ihnen selbstverständlich hiermit meine Pioniere zur Verfügung, um dabei zu helfen, die Schäden in der Stadt zu beseitigen. Außerdem steht mein medizinischer Stab zur Verfügung, um Ihren MedTechs in welcher Form auch immer auszuhelfen. Ich habe zwei wirklich gute Chirurgen in meinem Team.“
Das war sein Angebot. Aufbauhilfe für die Möglichkeit, bei den gefangenen New Homern werben zu dürfen. Natürlich würde Dvensky vermuten, dass die Möglichkeit bestand, dass Germaine lediglich versuchte, die Regulars vor den Lagern zu bewahren. Was irgendwie ja auch stimmte. Allerdings hatte er dafür keinen Auftrag, was der Schatun ihm aber dennoch unterstellen würde. Ob er es aber aussprach, stand auf einem anderen Blatt.
„Unter den Gefangenen ist auch eine MechKriegerin, habe ich gehört“, fügte Germaine hinzu, als Dvensky lange Zeit nicht antwortete. „Corporal Dawn Ferrow hat mir neulich gestanden, dass sie im Zweiten Monat schwanger ist. Lange kann ich sie nicht mehr in einen Mech lassen. Ich kann also einen Piloten mehr als gebrauchen, Mylord.“
Dvensky tauschte einen langen Blick mit Germaine aus, dem der Chevalier standhielt.
„Im Namen Bryants bedanke ich mich für das großzügige Geschenk. Ich nehme nicht an, dass Sie noch weitere solcher… Andenken haben, Major Danton?“
Germaine wusste nicht genau, ob der Count zugriff oder lediglich Zeit kaufte, aber er schlug sofort in diese Kerbe. „Nun, ich habe da tatsächlich einen Schweren Clan-Pulslaser, der zu keinem Mech in meinem Stall passt. Er wäre sicherlich einen MechKrieger wert.“
„Wir melden uns bei Ihnen, Herr Major. Guten Tag.“
Sie schüttelten erneut einander die Hand, und die drei betraten den Palast.
Trotzig schob Tscherenkow seine Hand in die Natalijas, damit Germaine auch genau sah, wem sie gehörte. Bei diesem Verhalten, schmunzelte Germaine leicht.
Kurz darauf kamen zwei Munitionsexos aus den Tiefen des Palast gestapft, um die PPK abzuladen. Germaine nickte schwer. Und er hoffte, dass sich doch noch alles zum guten wenden würde. Immerhin wollte er weder Bryant noch der Familie des Counts irgendetwas Böses. Doch der liebe Leonid sah das sicher etwas anders als er…
Ace Kaiser
Germaine Danton blickte mit ernsten Augen in die Runde. Die Gespräche verstummten. Sein harter Blick wurde erwidert. Lediglich die glimmenden Spitzen von zwei Zigarren verursachten ein knisterndes Geräusch.
„Seid Ihr bereit, Jungs?“, fragte Germaine ernst. Stille antwortete ihm.
Dann zog der Anführer der Chevaliers ab. „So, Round the Corner, meine Herren, und alles in der warmen Farbe meines Herzens.“
„Mist“, kommentierte Captain Manfred Scharnhorst leise und warf sein Bubenpärchen hin.
Mike McLoyd legte sein Blatt ab, das bunt gemischt und völlig wertlos war. „Nichts auf der Hand. Scheint, als hätte ich heute Abend kein Glück.“
Captain Cliff Peterson legte zwei Zwillinge ab, siebener und Asse. „Das Glück ist eine Hure. Irgendwann verlierst du auch noch mal, Germaine.“
Der Major betrachtete den Pott auf dem Tisch vor sich und zog die Münzen zu sich heran. Inmitten dieser Bewegung hielt er inne und sah zu Mustafa al Hara ibn Bey herüber. „Bitte, versau mir jetzt nicht diesen Moment und zieh einen Dreier oder sonst was hohes hervor, ja?“, bat Germaine den Landungsschiffskapitän.
Der Arkab grinste breit, warf aber ab. „Ausnahmsweise habe ich mal nichts auf der Hand, Herr Major.“
Ein letzter zweifelnder Blick ging von Germaine zu Sergeant Charles Decaroux, aber der alte Freund hatte zwar Bildkarten auf der Hand, aber wild gemischt.
Fröhlich pfeifend sortierte der Major seinen Gewinn.
Derweil nahm Mike die Karten an sich und mischte neu. Die Runde war bei weitem nicht komplett, und Mike zudem neu. Außerdem mochte nicht jeder Poker und Mech ärger dich nicht erschien Germaine zu trivial für ein Abendvergnügen unter Männern. Aber mit den Karten konnte der junge Panzerscout sehr gut umgehen.
„Ich frage mich“, setzte Mike an und hielt im mischen inne, „wie es Doc und van Roose geht. Wir haben seit Tagen nichts von ihnen gehört.“
„Es ist jetzt eine Woche her, dass wir hier runtergeprasselt sind und vier Tage, dass ein Frachter van Roose und seinen Trupp nach Tomainisia gebracht hat“, wandte Charly ein. „Würde mich wirklich wundern, wenn wir jetzt schon was hören.“
Vorsichtig mied der Infanterist den eigentlichen Kern des Themas, nämlich die geheime Operation, die Lieutenant Dolittle und sein Kommando in Leipzig, einer alten, verfallenen Sternenbundstadt durchführten. Die Anwesenden hier und noch einige andere in der Kaserne waren eingeweiht, was die Gefahr aufzufliegen drastisch erhöhte.
„Außerdem war ja auch genügend los, oder?“, meldete sich Captain Peterson zu Wort. „Immerhin haben wir in den letzten acht Tagen bereits eine Feldübung der Bryanter miterlebt, einen Angriff der New Homer, standen kurz vor der Vernichtung, weil Germaine sein Handbuch: Wie bin ich höflich zu Despoten nicht auswendig gelernt hat und hat außerdem versucht, die beste Partie des Planeten aufzureißen.“
Die anwesenden Offiziere grinsten. „Genau“, meldete sich Al. „Wie ist es denn gelaufen mit der kleinen Dvensky, Herr Major?“
„Ach kommt“, wiegelte der Chevalier ab. „Ich war nur höflich.“
Charly feixte dem Freund zu. „Also, ich persönlich hätte es sicher schwer, bei so einem Feger wie Natalija nur höflich zu sein. Ein flackernder Kamin, genügend Zeit, dazu ein guter Wein…“
Germaine schüttelte den Kopf. „Charly, Charly, Charly. Ich glaube, einer von uns beiden muß dringend mal seine Hormone abbauen.“
„Stimmt. Ich. Aber das du es nicht musst, Germaine, das ist doch ein deutliches Zeichen, oder?“
Erschrocken sah Germaine auf. „Hey, das ist doch absoluter Quatsch. Hätte ich mit Natalija geschlafen, würde schon längst eine Panzerkompanie im Hof parken und ein gewisser Major mit übergroßem Ego würde mich zum Duell fordern oder gleich in meinem Büro eine Exekution veranstalten.“
„An dem ist vieles übergroß“, sagte Mike lachend. „Seine Fähigkeiten als Panzerfahrer sind jedenfalls vollkommen überbewertet. Ich habe mir die Aufzeichnungen von unseren Fliegern angesehen. Wie der Major werden konnte, ist mir schleierhaft.“
„Na, na, Lieutenant. Ziehen Sie bitte nicht so über einen Kameraden der Bryanter Regulären her, bitte“, mahnte Germaine.
„Man wird ja wohl noch ne eigene Meinung haben dürfen. Immerhin ist das hier ne Demokratie.“
„Seit wann haben wir Demokratie? Bryant ist eine Diktatur und die Chevaliers sind eine militärische Einheit. Ich glaube, dir ist deine Beförderung zu Kopf gestiegen“, stichelte Charly.
Mike winkte ab. „Ich meine diese Runde. Hier wird fair und durch Mehrheitsbeschluss demokratisch entschieden, wer eindeutig zu viel gewonnen hat und beim nächsten Spiel deftig ausgenommen wird. Nicht wahr, Herr Major?“
Germaine grinste. „Du kannst es ja versuchen.“
„Das nächste Mal bringe ich wieder Doc mit, dann qualmen die Karten aber.“
„Vor allem seine Zigarre wird qualmen, fürchte ich“, sagte Manfred leise.
Die Anwesenden lachten.
Mike begann die Karten auszuteilen. „Übrigens, was wissen wir über die Neuen, die wir Morgen abholen werden? Und außerdem, was wir das? Ich meine, zwei hochwertige Mechwaffen für wie viele? Acht Figuren? Ist das nicht ein schlechter Tausch?“
Germaine schüttelte energisch den Kopf. „Ich würde noch weit mehr hergeben, um diese Soldaten vor den Bryanter Straflagern zu bewahren.“
„Bricht da wieder der Altruist in dir durch?“, fragte Manfred amüsiert. „Eine nicht sehr gesunde Einstellung für einen Söldner.“
„Nun, ich gebe zu, das ist ein Gedanke gewesen. Ihr habt alle gesehen, unter welchen menschenunwürdigen Umständen die Gefangenenkompanien her in Brein arbeiten. Egal weshalb sie verurteilt wurden oder welche Verbrechen ihnen zur Last gelegt werden. Das ist pure Ausbeutung und ein Schlag ins Gesicht der Menschenwürde.“
„Ist ja nicht so, als wären die Nachfolgerstaaten auch nur einen Deut besser“, brummte Mike leise.
„Das mag sein, aber wir Chevaliers sind besser. Wir können sie nicht vor den Lagern bewahren und sicher sind genügend darunter, die das Lager auch verdient haben.“
„Hört, hört.“
„Aber die New Home Regulars haben sich für die ewigen Überfälle Dvenskys revanchiert. Ich sehe nicht ein, wieso ihnen der Status von Kriegsgefangenen verweigert wird. Warum sie in diese Lager wandern sollen, obwohl sie ihren Befehlen folgten. Hier können wir gleich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Wir mehren den guten Ruf unseres Bataillons – und glaubt mir, einen auf Ritterlichkeit zu machen kommt bei vielen Kunden gut an. Zumindest bei der Klientel, die wir anstreben.
Und zweitens kriegen wir ausgebildete Soldaten in einer Situation, in der wir wirklich jede Hand brauchen.“
„Trotzdem sind die reichlich teuer. Unsere Pioniere werkeln schließlich in Breins Straßen und flicken das Pflaster quasi zum Nulltarif.“
„Die brauchten eh mal etwas Übung. Alle hatten schon zu tun. Nur unsere Pioniere nicht. Außerdem hat Bishop so die Möglichkeit, die Stadt besser einzuschätzen. Falls wir in Brein kämpfen müssen, aus welchen Gründen auch immer. Es ist dann sehr gut, einen Bauexperten und Pionier bei der Hand zu haben, der…“, Charly zuckte mit den Achseln, „…dann genau weiß, was er wann und wo und wie zu tun hat.“
Die anderen nickten.
„Okay. Wie sieht es aus? Wenn die New Homer Morgen kommen, was sagen wir ihnen?“
„Nun, Mike. Ich lasse ihnen die Wahl. Entweder können sie freiwillig ins Straflager zurückkehren. Oder sie schließen einen Zwangskontrakt mit den Chevaliers. Sie da raus zu hauen war teuer. Deshalb bestehe ich auf einen Kontrakt bindend über drei Jahre.“
Die Anwesenden pfiffen. „Junge, Junge, das sind harte Bedingungen.“
„Wenn sie ihnen nicht gefallen, können sie nur zu gerne hier bleiben“, kommentierte Germaine ernst und nahm sein Blatt auf.
„So gemein und hinterhältig kennen wir dich ja gar nicht, Germaine“, sagte Charly leise und schenkte sich nach.
„Was soll ich machen? Die Gelegenheit ist so günstig und verlockend. Und gerade jetzt wo Dawn jeden Tag ausfallen kann, weil Belinda sie Dienstunfähig für den Mech schreiben wird, können wir einen zusätzlichen Mech gut gebrauchen. Zwei wären natürlich noch besser.“
Al tauschte einen kurzen Blick mit dem Major aus. Auch ohne es anzusprechen wusste der Arkab genau, was Germaine meinte. Da die Landungsschiffe bisher Sperrgebiet für die Bryanter AsTechs gewesen waren, hatten sie sicher auch keine Informationen über den Falkner bekommen, den Al zu besonderen Gelegenheiten steuerte. Und wenn doch so würde sie ein weiterer Mech auf Seiten der Chevaliers sicher überraschen. Vor allem, wenn sie realisierten, wie erfahren der Landungsschiffskipper in seinem Mech war.
„Werden wir hier eigentlich abgehört?“, fragte Peterson plötzlich gerade heraus.
„Durchaus möglich“, brummte Germaine und kippte seinen Drink. „Wenn ich Dvensky wäre, und ich hätte einen arroganten Major auf meiner Welt, der eine Truppe alarmiert, die meine Einheiten fast vernichten könnten, vor allem jetzt nach dem Angriff der New Homer, ich würde alleine auf ihn ein Dutzend Spezialisten ansetzen, die sogar versuchen aus der Farbe seiner Scheiße seine Absichten zu erkennen.“
„Ist es dann nicht eine dumme Idee, eine weitere MechKriegerin zu werben und uns damit in den Augen des Schatuns noch gefährlicher zu machen?“, wandte Mike ein.
„Für Schönheitskorrekturen ist es nun zu spät. Wir können nur zwei Dinge tun. Erstens: So kampfbereit wie möglich zu sein. Zweitens: Darauf hoffen, dass Dolittle und der Rest der Truppe Leipzig gut genug verdaut hat, damit wir das HPG an Blakes Wort übergeben und abdampfen können, um nicht eine Sekunde länger als irgendwie nötig auf dieser Dreckswelt bleiben zu müssen.“
„Der Häuptling hat gesprochen!“, rief Manfred lachend. „Prost, meine Herren.“
Die Männer stießen an.
„Also, ich eröffne. Fünf in den Pott, wer einsteigen will.“
„Du spielst ein riskantes Spiel, Germaine“, murmelte Charly leise. „Nicht, dass mir das nicht gefällt.“
**
Am nächsten Morgen stand Germaine Danton auf dem Innenhof der Kaserne des HPG.
Ein Bryanter Lastschweber hatte vor ihm gehalten und eine Ladung Infanterie entlassen. Bryants Beste. Die Fallschirmjäger.
Ihr Anführer, ein Leutnant, hatte zackig vor Germaine salutiert, ihm gemeldet, dass er acht Gefangene übergeben wolle und sich über die Abwesenheit von Infanterie gewundert.
Germaine hatte dazu genickt, ein Formular unterschrieben und den Leutnant damit entlassen.
Danach hatten die Bryanter die Gefangenen vom Laster geholt.
Drei Frauen und fünf Männer, die in ihrer dünnen Kleidung, die man ihnen gegeben hatte, erbärmlich froren. Dennoch bildeten sie eine einigermaßen geschlossene Linie vor dem Major.
Germaine Danton trat vor die Reihe und musterte die acht Gesichter. Drei der Männer und zwei Frauen hatten asiatische Züge. Die anderen waren Kaukasier.
„Mein Name ist Major Germaine Danton. Ich bin der Anführer und Eigner der Söldnereinheit Dantons Chevaliers. Sicher haben Sie auf New Home von uns gehört.
Ich will es kurz machen. Ich habe Sie acht für einen sehr unvorteilhaften Preis von Count Dvensky gekauft. Ich hoffe, Sie sind es wert.
Aber ich bin kein Barbar. Ich lasse Ihnen als zivilisierter Mensch natürlich die Wahl. Unterschreiben Sie bei den Chevaliers einen Kontrakt zu Standardbedingungen. Oder treten Sie Ihre Haftstrafe in den Straflagern Bryants an.“
„Was ist das denn für eine Wahl?“, begehrte einer der Männer auf.
Germaine sah zurück und erkannte einen der Kaukasier. „Name und Rang, Soldat.“
„Sir. Sergeant Inari. Achtundzwanzig, Infanterie. Ausgebildet für Sprungtruppen und Kommandoeinsätze.“
„Gut, Sergeant. Sie fangen in meiner Einheit nicht als Private an. Sie bekommen die Standardvergütung und die üblichen Leistungen wie jeder andere Soldat bei den Chevaliers auch. So Bedarf besteht und ich von Ihren Fähigkeiten überzeugt bin, Sergeant Inari, werde ich Sie in Ihrem Rang übernehmen. Das ist das beste Angebot, dass Sie auf dieser Welt bekommen.“
„Wissen Sie, Sir“, meldete sich eine der asiatischen Frauen zu Wort, „wie hoch unsere Haftstrafe auf Bryant ausgefallen wäre?“
Germaine trat vor die Frau. „Sie sind?“
„Kim, Sir. Corporal Julianne Kim. Panzerabteilung, Fahrer. Spezialität Schwebepanzer.“
„Nun, Corporal Kim, soweit ich weiß, hätten Sie alle mit bis zu zehn Jahren Straflager zu rechnen. Offiziere mit lebenslänglich.“
Eine der asiatischen Frauen versteifte sich bei diesen Worten.
„Name und Rang.“
„Sir, Second Lieutenant Haruko Yamada, MechPilotin. Spezialisiert auf Scout und Mittelschwer. Vornehmlich Energiewaffen und Raketen.“
„Sie müssten in der Tat mit lebenslänglicher Haft rechnen. Aber keine Bange, ich habe gehört, dass Sie nur zu fliehen brauchen, um gnädig erschossen zu werden. Immer noch besser als sich achtzehn Stunden am Tag tot zu schuften.“
Germaine wandte sich ab und winkte einem Trupp seiner Leute zu, die in einem Kaserneneingang warteten.
„Ich bin in einer prekären Situation. Zwischen mir und dem Count steht es nicht zum Besten. Ach was, die Kacke dampft zwischen uns. Wenn ich Sie aufnehme, müssen Sie sofort bereit sein, normalen Dienst zu verrichten. Sie müssen über hundert Mann ersetzen, die über Tomainisia abgestürzt sind. Und Sie müssen loyal zu dem Mann sein, der Ihren Sold abzeichnet. Zu mir. Sie haben genau jetzt und nur jetzt die Möglichkeit, sich zu entscheiden.“
Germaine sah jedem einzelnen in die Augen.
„Nun? Wer sich für die Chevaliers entscheidet, soll einen Schritt vortreten.“
Erst zögernd, dann aber immer griffiger trat einer nach dem anderen vor. Der Sergeant begann.
Nur die MechKriegerin zögerte. „In was für eine Mühle werde ich gesetzt, Herr Major?“, fragte sie mit Verzweiflung und Angst in der Stimme.
„Ein Clans-ScoutMech, Yamada.“
„Warum sagen Sie das denn nicht gleich?“, sagte sie mit Erleichterung in der Stimme und trat vor.
Germaine nickte zufrieden. „Belinda. Sie gehören dir. Danach zum Materialwart und zum Quartiermeister. Aber zuerst raus aus der Kälte.“
Belinda nickte spöttisch. „Jawohl, Herr Major.“
Sie und ihr Team aus MedTechs führten den Achtertrupp in de Lazarettbereich.
Neben Germaine bewegte sich der Schnee. Charles Decaroux kam unter seiner Tarndecke hervor. Hinter und neben ihm erhoben sich weitere Kommandos und sicherten ihre Waffen wieder. „Einer hat mich bemerkt“, sagte er leise. „Den will ich haben.“
„Darüber lässt sich reden, Sergeant“, erwiderte Germaine lächelnd. „Darüber lässt sich reden.“
Ace Kaiser
Erschüttert starrte Germaine auf die Straßen von Brein. Wie hatte es so schnell so weit kommen können? Die Turbulenzen der letzten Tage konnten es ohne weiteres mit dem einen Tag aufnehmen, an dem die New Home Regulars angegriffen hatten.
Drei Tage, und an ihnen waren Dinge geschehen, die sich Germaine nicht einmal im Traum hatte ausmalen können. Sorge und Verzweiflung beherrschten sein Denken und sein Handeln.
Dies war auch der Grund, warum er nun auf dem Weg zur Dvenskys Festung war. Hoffentlich war der Mann, den seine Feinde Schatun nannten, den logischen Argumenten des Chevaliers zugänglich. Vielleicht war er auch bestechlich. Vielleicht. Die überlebenden Regulars hatte er den Chevaliers ja überlassen. Zu einem horrenden Preis, ja.
Aber ein Leben war für Germaine immer mehr wert als eine Waffe oder ein Werkzeug.
Nun würde er sich Dvensky stellen. Und wenn nötig seine Geisel werden, um den fragilen Waffenstillstand aufrecht zu erhalten, der zwischen ihnen herrschte.
Nachdenklich rieb sich Germaine die Stirn. Wie ging es Dolittle und den anderen? Wie lief die Leipzig-Mission? Was war mit van Roose, der noch nicht wusste, dass seine Freundin von ihm schwanger war?
Und vor allem, wie ging es Miko? Germaine schämte sich dafür, aber in seinen Gedanken nahm die junge Frau aus dem Kombinat eine vorherrschende Stellung ein. Sie hatten zuviel zusammen erlebt. Sie war ihm viel zu sehr ans Herz gewachsen. Ein Fehler, den Söldner eigentlich vermeiden sollten.
Als Germaine bemerkte, dass seine rechte Hand zitterte, griff er hart mit der anderen zu und stellte sie ruhig. Es würde schon alles gut gehen. Es musste alles gut gehen. Nur noch ein paar Tage, und die Lage würde ruhiger werden. Und entweder würden sie aufbrechen, weil die SKULL ihre Mission erfüllt hatte und den Planeten verließ. Oder sie würden auf die Ablösung der Blake-Guards warten und das HPG ordnungsgemäß übergeben.
Defacto aber saßen sowohl seine Chevaliers als auch die ComStar-Angehörigen auf gepackten Taschen. Sie konnten binnen eines Tages verschwinden. Jederzeit.
Und Germaine hätte es längst getan, wenn die Nachrichten von Leipzig geflossen wären. Wenn das erlösende Signal gekommen wäre.
Mittlerweile wäre er sogar schon froh gewesen, wenn Doc Dolittle das Scheitern der Mission eingestanden hätte.
Wieder begann seine rechte Hand zu zittern. Die gleiche Hand, mit der er Belinda Wallace geohrfeigt hatte. Auch das brannte in ihm und ließ ihm keine Ruhe.
Gott, Belinda! Hatte das sein müssen? Seine Hände krampften und in stiller Verzweiflung schloss Germaine die Augen.
Er dachte zurück. An den Beginn. Vor drei Tagen.
1.
Als Germaine an diesem Morgen auf den Innenhof der HPG-Kaserne hinaus trat, stellte er erfreut fest, dass er sich bereits gut an die kalte Luft in Brein angepasst hatte. Er fror kaum, und das obwohl er nicht einmal den schweren Mantel der Winteruniform trug.
Vor ihm marschierten der Puma und der Fenris der Einheit auf das große Tor zu. Wachablösung. Dafür kam Sergeant Rebecca Geisterbär in ihrem Kriegshammer IIC mit ihrem Flügelmann Corporal Mulgrew und dessen modifizierten Marodeur rein.
Germaine winkte zu den beiden ClansMechs hoch und die Maschinen erwiderten den Gruß. Er mochte die beiden, er mochte sie wirklich. Schmerzhaft wurde ihm bewusst, dass er sowohl Dawn als auch die quirlige Jara viel zu nahe an sich heran gelassen hatte.
Aber die Zeit in der Einheit schien beiden gut getan zu haben. Von Dawns anfänglicher Unsicherheit, von ihren Suizid-Tendenzen war nun nichts mehr zu spüren. Sie war regelrecht aufgeblüht, wirkte lebensfroh. Und sie hatte wichtige Entscheidungen für ihr Leben getroffen.
Bei Jara sah es nicht anders aus. Die Verantwortung als Sergeant und FlügelLeader hatte sie reifer gemacht, verantwortungsbewusster. Zum Glück nicht ernster. Aber von dem etwas naiven Mädchen, welches sich mit ihrem Puma der Einheit angeboten hatte, war nun nicht mehr viel übrig. Sie hatte den Sprung zur Frau geschafft und auch den zum Unteroffizier.
Germaine traute ihr ein Offizierspatent nun ohne weiteres zu.
Beides waren tolle Mädchen.
„Ah, Germaine“, begrüßte ihn eine bekannte Stimme.
Er wandte sich um und erkannte Manfred Scharnhorst. Neben ihm ging Wolf McHarrod, der Leiter der Schlaglanze.
„Captain. Lieutenant“, begrüßte er die beiden und tauschte einen Handschlag aus.
Scharnhorst wirkte ernst, als er zu sprechen begann. „Ich habe gerade mit Wolf vereinbart, dass wir die Übungen mit den Elementaren verstärken. Wenn wir sie hier in der Innenstadt mit unseren Mechs schnell an einen beliebigen neuralgischen Punkt bringen können, dann werden ihre Nahkampffähigkeiten Gold wert sein.“
„Du rechnest damit, dass der Schatun uns angreift?“
„Pah“, meinte Manfred und machte eine wegwerfende Handbewegung. „Dein kleines Ablenkungsmanöver damals hat ihn uns nicht gerade zum Freund gemacht. Und ich bin sicher, wenn er einen ernstzunehmenden Vorteil sieht, uns zu vernichten, wird er es tun.
Aber ich glaube, unser Problem ist ein anderes.“ Manfred griff in seine Hose und zog einen Zettel hervor. „Stell dir vor, was ich in einem meiner Handschuhe gefunden habe, nachdem ich in unserem Stammlokal gespeist habe.“
Germaine nahm den Zettel entgegen und las ihn aufmerksam. Es war das gleiche Papier wie der Zettel, den auch er in seinem Handschuh gefunden hatte. Die Handschrift war auch dieselbe. Wortlos reichte er den Zettel zurück. „Blakes Wort also, hm? Das gefällt mir nicht. Das gefällt mir ganz und gar nicht.“
Germaine drehte sich um und ging voran. Beide Offiziere folgten ihm. „Wir brauchen Daten über ihre Mechs, deren Anzahl, Modifikationen in der Bewaffnung.“
Ein keuchendes Geräusch ließ den Major wieder herum fahren.
Manfred Scharnhorst starrte ungläubig auf seine Brust. Aus einer Wunde sickerte Blut und der Captain sackte in die Knie ein.
„SCHARFSCHÜTZE!“, gellte Germaines Warnruf auf, während er sich den Freund griff und zurück in Richtung Haus zog. McHarrod griff beherzt die Beine und half.
Der Warnruf hatte die Aufmerksamkeit der anderen geweckt. Techs und Soldaten liefen in Deckung, während sich der Kriegshammer im Torso drehte und das einzige Gebäude fixierte, welches einen Blick in den Innenhof des HPG gewährte.
Ein AsTech wurde getroffen, sackte zu Boden und umklammerte sein blutendes Bein.
Rebecca Geisterbär zögerte nun nicht länger und feuerte einen mittelschweren Laser ab. Eine Wohnung in der obersten Etage wurde blendend hell ausgeleuchtet, als der Laser sein Ziel traf.
Doch das war nur der Anfang. Zehn Sekunden nachdem die Clannerin den Scharfschützen ausgeschaltet hatte, schlug eine Granate auf dem Innenhof ein. Kurz danach eine zweite.
Gewehrfeuer war zu hören und Jaras Mech zog sich langsam zum Haupttor zurück, allerdings ohne zu feuern.
Aus einem Hangar kamen drei Kröten gespritzt, stiegen auf den Sprungdüsen auf die Mauer und von dort hinab.
Germaine handelte automatisch, zog sein Erste Hilfe-Pack hervor und entnahm zwei Kompressen. Zusammen mit Wolf drückte er sie auf die Eintrittswunde im Rücken und die Austrittswunde in de Brust.
Manfred hatte bereits glasige Augen. Auf seinen Lippen stand blutiger Schaum.
„SANI!“, brüllte Germaine. „SANI!“
An der Außenmauer lief Peterson entlang. Der kleine kluge Junge lief nicht direkt über den Platz, das war schlau. Vor allem, weil bereits die nächste Granate einschlug.
Dann erkannte Germaine zwei Elementare auf die Halle zulaufen. Es waren Saya, das Küken der Truppe und Philip.
Auch sie hielten sich an den Wänden, um wenigstens ein wenig Deckung zu haben.
Aber das nützte ihnen nichts, als direkt neben ihnen eine Granate einschlug. Philip war zwischen Saya und der Granate und wurde von Splittern getroffen. Er stürzte und riss die Elementarin dabei mit zu Boden.
Peterson hatte das Geschehen verfolgt und lief nun, ohne auf seine eigene Sicherheit zu achten, direkt zu den Elementaren herüber. Doch bevor er sie erreicht hatte, krepierte eine letzte Granate auf dem Boden und riss den Captain alleine mit der Druckwelle zu Boden.
Danach war es still.
Germaine hoffte und bangte, dass Cliff wieder aufstand, weiter lief. Aber der Mann blieb liegen.
„Sir!“, meldete Rebecca über den Lautsprecher ihres Mechs. „Sergeant Rowan meldet, dass er und seine Elementare die beiden Geschützstellungen ausgeschaltet haben, die uns unter Granatbeschuss genommen haben. Es gab keine Toten, aber viele Verletzte. Lieutenant Harris kommunziert bereits mit dem Bryanter Stab, um dieses Missverständnis aufzuklären.“
„Wachsam bleiben, Rebecca“, ermahnte er die Geisterbärin. Es konnte noch soviel schief gehen. Selbst wenn das Feuer eingestellt war.
MedTechs kamen nun vom Lazarett herüber und teilten sich schnell in drei Teams auf. Captain Malossi erreichte Philip als erstes, inspizierte den Elementare und ließ ihn sofort zurück schaffen. Ein Sanitäter erreichte Peterson und meldete erleichtert Lebenszeichen.
Belinda Wallace erreichte nun ihn, Wolf und den verletzten Manfred. Kurz checkte sie seine Lebenszeichen. „OP“, sagte sie sachlich. „Hoffentlich ist es noch nicht zu spät.“
„Ger… Germaine…“, hauchte Manfred und versuchte, die Hand des Majors zu ergreifen.
„Ich bin hier, mein Freund.“
„Ger… Es war… Es war eine tolle Zeit…“
„Was redest du da, Idiot? Noch bist du nicht tot!“, blaffte der Major und drückte die Hand des MechKriegers.
„Germaine… Versprich mir, dass du… dass du dich um Miko kümmerst…“
„Natürlich. Das tue ich doch immer.“
„Gut“, hauchte Manfred und schloss die Augen.
**
„WAS BITTE?“, rief Germaine entrüstet.
„Schnell jetzt, wir haben nicht viel Zeit!“, drängte Belinda.
Der Major legte eine Hand an die Stirn. „Moment mal, du willst mir hier doch nicht weismachen…“
„Es drängt! Welchen soll ich retten? Malossi operiert gerade Philip. Er hat eine Menge Splitter im Körper und es wird noch Stunden dauern.
Manfred ist am verbluten und Cliff hat mehrere Splitter in der Lunge und einen in der Herzwand. Keiner von beiden wird ohne Operation diese Stunde überleben. Aber ich kann nur einen operieren.“
„Das kannst du doch nicht von mir verlangen! Es ist dein Job zu entscheiden, welcher Fall Priorität hat“, erwiderte Germaine.
„Ja, aber ich kann es nicht. Ich kann es einfach nicht.“
Die Hand des Majors rauschte heran und gab der Ärztin eine saftige Ohrfeige. Eisig sagte er dazu: „Das ich deine Arbeit tun muß, verletzt mich. Glaubst du nicht, ich habe so nicht schon genügend Belastung?“
Betroffen sah die Ärztin zu Boden.
„Deine Entscheidung, Germaine?“
Der Chevalier fühlte sich, als würde er in ein wirklich tiefes Loch fallen. Er musste hier wählen. Sich entscheiden, welchen Offizier, welchen Freund er rettete. Und welchen er sterben ließ. Er konnte verstehen, warum sich Belinda vor dieser Entscheidung drückte. Aber deswegen fiel sie ihm nicht leicht.
„Scharnhorst“, sagte Germaine tonlos. „Operiere zuerst Scharnhorst. Aber lass deine MedTechs Peterson so lange wie möglich stabil halten. Vielleicht geht die Operation schnell genug und du kriegst deine Gelegenheit noch.“
„Das hätte ich sowieso getan“, merkte Belinda an. Sie wandte sich ohne ein weiteres Wort um und ging zur Vorbereitung. „Captain Scharnhorst in den OP“, gab sie leise Anweisungen. „Befehl vom Major.“
Wütend ballte Germaine die Hände zu Fäusten. Und senkte den Blick.
Aber er hatte keine Zeit hierfür. Er hatte ein Bataillon zu befehligen.
**
„Es tut uns aufrichtig Leid, Herr Major“, säuselte Tscherenkow freundlich. „Wir arbeiten bereits daran, herauszufinden, wer der Scharfschütze war, aber ich kann Ihnen versichern, dass es keiner unserer Leute war. Ebenso entschuldigen wir uns für den Angriff mit den beiden Mörserbatterien. Der Batteriekommandeur wird dafür vor ein Kriegsgericht gestellt werden. Aber Sie müssen zugeben, dass ein Mech, der auf ein Wohnhaus feuert, selbst bei den ruhigsten Soldaten die Finger zucken lässt.“
Germaine schüttelte unwillig den Kopf. Der Major der Panzertruppe war wie immer eiskalt wie eine Hundeschnauze.
„Gut, dann brauche ich ja eine Eskalation nicht zu fürchten. Meine Elementare haben Ihre Geschütze wieder freigegeben. Darf ich fragen, warum Sie so nahe an unserem HPG zwei Mörserbatterien aufgestellt haben?“
„Dürfen Sie nicht. Wir sind nicht auf Ihrem Gebiet, Major Danton“, fuhr Tscherenkow ihn an.
Die Verbindung deaktivierte sich. Nachdenklich rieb sich Germaine die Schläfen. „Gut. Gut. Gut. Scheint so, als wollten sich die Bryanter nicht mit uns prügeln. Besser als nichts.
Aber das ist nur der Anfang. Nur der verdammte Anfang.“
Und der Morgen hatte so viel versprechend begonnen…
**
Die darauf folgenden Tage waren unruhig geworden. Studenten hatten gegen die Chevaliers demonstriert. Aufgebrachte Zivilisten hatten Steine nach Chevaliers-Fahrzeugen geworfen. Und einige Zeitungen forderten vom Schatun, gegen die Söldner vorzugehen, da der Angriff auf das Wohnhaus ein Bruch der Ares-Konvention gewesen sei.
Eine offizielle Bestätigung über einen Scharfschützen gab es nicht. Wenn denn bestenfalls die Waffe noch existierte, nachdem der Laser das Appartement ausradiert hatte.
Und das ließ die Breiner Volksseele kochen. Man sprach von einem Komplott, ja von einer offenen Provokation. Und jeder verstreichende Tag bedeutete mehr Druck auf Dvensky, endlich zu handeln.
Deshalb fuhr Germaine in die Festung. Deshalb würde er sich als Geisel anbieten. Inoffiziell. Denn wenn der Kommandeur der Chevaliers in seiner Hand war, konnte dies die öffentliche Meinung beruhigen. Und ihn von einem militärischen Abenteuer abhalten, welches seine Mission, seine eigentliche Mission gefährden würde.
Ace Kaiser
Sie erreichten die Hauptstraße. Zu Zeiten des Sternenbunds war Brein nicht mehr gewesen als ein Außenposten. Eine Stadt, in der es sich leidlich leben ließ, während man auf den anderen Kontinenten wirklich gut leben konnte.
Aber wegen der sehr reinen Luft und den hervorragenden Schneeverhältnissen war die Gegend als Urlaubsort und für Kuren recht beliebt gewesen. Wenn man nicht gerade in den eiskalten Winter geriet.
Germaine schüttelte ärgerlich den Kopf, um diese Gedanken abzuschütteln.
Andere, wichtigere Sachen sollte es gerade sein, die ihn nun vereinnahmen sollten.
Er dachte zurück, während langsam die Festung in Sicht kam, zurück an Vorgestern.
Vor zwei Tagen:
Als Germaine Danton vor seine Offiziere trat, schluckte er hart. Sie waren stark geschrumpft.
Er nickte jedem einzelnen zu, dann setzte er sich an den Konferenztisch.
Dankbar registrierte er, dass auch die beiden Landungsschiffskapitäne al Hara und Ito erschienen waren. Die Piloten fehlten natürlich – die Isolation um sie und damit um ihre Trumpfkarte sollte erhalten bleiben.
„Herrschaften“, begann Germaine und sah auf, „ich habe die traurige Aufgabe, Ihnen von dem Tod zweier unserer Kameraden zu berichten. In der Nacht starb Captain Cliff Peterson im Anschluss an seine Notoperation an schweren inneren Blutungen. Doktor Wallace hat ihn noch mal aufgemacht, um die Blutungen zu stoppen, aber der Körper des Rasalhaagers war bereits zu sehr geschwächt. Er überstand den Eingriff nicht.
Bereits Gestern Abend ist Private Philip verstorben. Die Granatensplitter, die ihn erwischt haben, durchtrennten neben der Wirbelsäule auch wichtige Arterien und verursachten in beiden Nieren schwere Blutungen. Die gerissene Milz und Perforationen an der Lunge vollendeten das Werk. Private Philip hatte nicht wirklich eine Chance.
Ich möchte Sie nun bitten, für unsere toten Kameraden eine Schweigeminute einzulegen.“
Germaine gab einen Corporal der Infanterie ein Zeichen. Der nickte und sprach kurz in ein Headset. Kurz darauf heulten die Alarmsirenen einmal kurz auf.
Überall auf dem Stützpunkt sollte nun die Arbeit ruhen und Techs und Soldaten innehalten.
Nach exakt einer Minute erklang das Signal wieder.
Germaine sah auf. Er blickte in traurige, aber auch zornige Augen.
„Kommen wir zurück zum Dienst. Bishop, die Infanterie gehört vorerst Ihnen. Ich rate Ihnen aber dringend, die taktischen Aufgaben Sergeant-Major MacLachlan und Sergeant Decaroux zu überlassen. Sie sollen den beiden nur den Papierkram abnehmen.“
Leise Lacher erklangen auf den Scherz vom Chef. Der Pionier schmunzelte ein wenig.
„Captain Scharnhorst ist auf dem Weg der Besserung, aber er wird noch mindestens vier Wochen Dienstunfähig sein. Das bedeutet, dass bis auf weiteres oder ich etwas anderes anordne, Sie, First Lieutenant McHarrod, das Kommando über die Mechs übernehmen. Die Kampflanze übernimmt vorerst Kadett Simstein. McHarrod, der Junge ist gut, aber im Feld sollten Sie ihm klar machen, wer das Kommando führt. Sergeant Rebecca Geisterbär wird Stellvertreter. Fragen?“
„Ja, eine, Germaine“, meldete sich Bishop zu Wort. „Wie reagieren wir auf diesen Eklat? Ich meine, in der Truppe brodelt es und…“
„Um Himmels Willen, halten Sie Ihre Leute im Griff, Lieutenant!“, blaffte Germaine aufgeregt. Er faltete die Hände vor dem Gesicht zusammen und sagte leise: „Wir haben ein Riesenproblem, und der Schatun ist nur ein Teil davon. Wir müssen uns jetzt bedeckt halten, ruhig bleiben. Unsere verbliebenen Kräfte sammeln und darauf vorbereiten, das HPG zu beschützen. Wir dürfen jetzt nicht überreagieren, wenn wir nicht die ganze Mission in Gefahr bringen wollen.“
„Was gibt es denn noch außer dem Schatun und seinen Granatenwerfern?“, beschwerte sich McHarrod nachdenklich. „Sie wissen, dass wir eine getarnte Stellung ausgehoben haben. Und Decaroux´ Scharfschützen suchen seit den Morgenstunden nach weiteren getarnten Stellungen. Wir sind regelrecht umringt von Schützenlöchern und weiteren Granatwerfernestern.“
„Trotzdem ist Dvensky unser kleineres Problem. Wenn mich mein Riecher nicht täuscht, dann fängt unser Ärger erst an.“
Er sah wieder in die Runde. „Sergeant Kleinweich hat für mich… Nun, er war etwas in den Netzen von Brein unterwegs. Dabei hat er für mich ein interessantes Dokument aus dem Hauptcomputer des Breiner Raumhafens geladen. Es handelt sich um die avisierten Ankünfte und Abflüge. Unser avisierter Abflug in anderthalb Wochen ist dort eingetragen. Aber nicht die Ankunft der Blakes Wort-Miliz, die uns ablösen soll.“
Aufgeregtes Raunen ging durch die Reihen.
Doktor Malossi meldete sich zu Wort. „Germaine, wollen die Blakies den Beta nun doch nicht, oder was?“
„Es gibt naur zwaii Möglichkeiten“, raunte MeisterTech Nagy. „Sie kaummen später… Oder sie sind schon da…“
Germaine nickte bestätigend. „Das waren auch meine Gedanken. Daraufhin haben wir uns den Raumhafen genauer angesehen und tatsächlich mehrere Frachtaufträge entdeckt, die um nicht näher spezifiziertes Frachtgut gehen, die einen Mech repräsentieren können.
Wir reden hier von mindestens acht Maschinen, die sich potentiell auf Bryant befinden.“
Erschrockenes Raunen ging durch die Reihen seiner Leute.
„Mike, das macht die Sache für uns sehr schwierig. Wenn Blakes Wort wirklich heimlich bereits acht oder mehr Mechs auf diese Welt geschafft hat, ohne uns darüber zu informieren, wird es sehr gefährlich. Ihre Panzer sind dann unsere Trumpfkarte. Erhöhen Sie die Bereitschaft, lassen Sie sie aber keine Patrouillen mehr fahren. Ich will, dass sie sich weiter bedeckt halten.
Bishop, lassen Sie ab sofort vermehrt MechAbwehr trainieren. Und legen Sie draußen so unauffällig wie möglich ein Minenfeld an. Tarnen Sie dafür unseren Minenleger als Panzer. Etwas in der Richtung. Weitere Fragen?“
„Ja, weiß man schon Näheres über den Attentäter?“, fragte Mustafa al Hara Ibn Bey.
„Nun, die Bryanter sind nicht gerade freigiebig mit Informationen, diesen Fall betreffend. Immerhin haben sie zugegeben, dass es sich bei der Wohnung um Staatseigentum handelt und sie unbewohnt war. Abgesehen davon bleibt nach dem Treffer eines Mittelschweren Lasers nicht mehr allzu viel übrig, um etwas zu identifizieren. Rebecca Geisterbär hat sehr effizient reagiert und hervorragend geschossen.
Dennoch haben wir einen Hinweis. Es wurde der gleiche Gewehrtyp verwendet wie damals auf New Home, als wir bei unserer Landung auf dem Raumhafen der planetaren Hauptstadt das Scharfschützenpärchen ausgeschaltet haben.“
„Sie denken also, wir haben es erneut mit der Pro-capellanischen Rebellenorganisation zu tun?“, hakte Malossi nach.
„Ja, das denke ich. Ich weiß nicht, wie es der Zhenshang gelungen ist, hier eine Zelle zu etablieren oder einzuschleusen. Aber wer sonst würde es wagen, auf diesem Pulverfass um sich zu schießen?
Dennoch werde ich das gegenüber Dvensky nicht erwähnen. Sollen sich seine Leute ruhig den Kopf zerbrechen. Falls sie nicht ohnehin wussten, was geschah.“
Ärgerlich schüttelte Germaine den Kopf.
„So, wir versehen weiter Dienst nach Vorschrift. Wenn mein Verdacht sich bewahrheitet, dann haben wir bald nicht nur die Bryanter am Hacken, sondern auch Blakes Wort. Und ich habe keine Lust, zwischen sie zu geraten wie zwischen zwei Mühlsteine. Wir müssen eine Seite ausschalten, aus dem Rennen nehmen, irgendwie.“ Germaine wirkte nachdenklich.
„Ich hätte da eine Idee. Aber dazu brauche ich nachher Decaroux und Koopman. Schicken Sie mir beide nach der Besprechung ins Büro, Lieutenant Bishop.“
„Geht klar, Chef.“
„Wie sieht es mit MechKriegerin Yamada aus? Können wir sie in einem der Mechs einsetzen?“, fragte er in Richtung von Decius Metellus, dem einzigen Unteroffizier in der Runde.
„Sie ist zur Zeit unter Beobachtung bei Doktor Wallace. Drei ihrer ehemaligen Kameraden wurden mit Grippesymptomen eingeliefert. Um eine weitere Ansteckung zu vermeiden, isolieren wir sie und die anderen von der Einheit“, antwortete der.
„Verschwendung. Sieh zu, dass sie Dienst macht, solange sie selbst keine Krankheitssymptome zeigt. Sie soll einen Atemschutz tragen. Würde das ausreichen, um weiteres Streuen eines möglichen Erregers zu verhindern, Doktor Wallace?“
Die junge Ärztin zuckte zusammen, als ihr Name fiel. „Grippe überträgt sich durch Tröpfcheninfektion. Das bedeutet, ein Mundschutz wäre eine gute Vorsorge.“
„Danke, Doktor. Dann ist es beschlossen. Zenturio, drille sie ab sofort auf dem Hatamoto. Sie wird meine Flügelfrau, falls es ernst wird.“
Germaine grinste in die Runde. „Übrigens habe ich etwas sehr witziges erfahren über die Einheit, die Brein angegriffen hat. Danke dafür, Juliette.“
Die Stabschefin der Chevaliers nickte nur anstatt zu antworten.
Germaine sah das als Aufforderung an, seinen Bericht fortzusetzen. „Es scheint, dass wir es lediglich mit einem Rumpf aus New Home Regulars-Offizieren zu tun hatten. Andere Offiziere und Mannschaften kamen von einer Söldnereinheit, die der Kanzler für derartige Aktionen hier und da an seine Getreuen in den Chaosmarken verteilt. Das bedeutet, wir können uns auf die neue Loyalität dieser acht Leute bis zu einem gewissen Punkt verlassen.
Noch Fragen? Nein? Gut. Weggetreten.“
**
Tausend Gedanken gingen Germaine danach noch durch den Kopf, als er wieder in seinem Büro saß. Zum Beispiel fragte er sich, wieso das Verhältnis zu Belinda so schnell und so nachhaltig abkühlen konnte. Und warum sie ihn gezwungen hatte, den jungen Burschen Peterson sterben zu lassen. Das nahm er wirklich nicht gut auf.
Auch dachte er daran, dass ein Trommelfeuer aus Kanonen auf dem Hof zerplatzte, während von allen Seiten Mechs der Bryanter Regulars und der Blakes Wort-Miliz vorrückten.
Selbst mit allen Chevaliers wären sie diesem Szenario nicht gewachsen gewesen.
„Germaine? Nachricht von Juliette. Die Empfänger hatten für eine Minute Kontakt mit der SKULLCRUSHER. Der Empfang war nachhaltig gestört, aber wir konnten das Rufzeichen als Third Base eindeutig identifizieren.“
„Danke, Cindy. Das bedeutet, es kann ihnen so schlecht nicht gehen. Haben wir geantwortet?“
„Wir haben es versucht, aber eine erneute Verbindung kam nicht zustande.“
„Okay, versucht es weiter.“
Nachdenklich rieb sich Germaine die Stirn. Der kurze Funkkontakt bewies, dass die Einsatzgruppe den Satelliten gefunden hatte. In drei oder vier Tagen sollte die Operation abgeschlossen sein. Hätten sie bereits alles, wäre der Funkkontakt klar gewesen. So aber sollte er nur eine Vorwarnung darstellen. Um die Chevaliers am HPG auf einen schnellen Rückzug einzustellen.
Nun wurde es Zeit, den Demi des HPGs beizubringen, möglichst heimlich die Sachen zu packen und normalen Dienst vorzutäuschen. Bald würden sie diese Welt verlassen können.
„Germaine, Charly und Private First Class Koopmans sind nun da.“
„Schick sie rein.“
Als die beiden eintraten, deutete Germaine auf zwei Stühle vor seinem Schreibtisch.
Nachdenklich beobachtete er die beiden. „Ich habe zwei Fragen an euch. Die erste an dich, Charly. Können deine Kommandos irgendetwas tun, um möglicherweise Blakes Wort-Mechs aufzuklären?“
„Irgendetwas sicherlich. Habe ich freie Hand?“
„Die hast du.“
Der Mann von New Syrtis nickte. Germaine erwiderte das Nicken zufrieden.
„Und die zweite Frage an Sie, Mareeike. Wie gut fliegt der Drache, auf dem Sie trainieren, in der eiskalten Brein-Nacht?“
Die junge Frau musste unwillkürlich grinsen. „Gut genug, Sir.“
Gegenwart:
Das Haupttor der Festung stand offen wie der Schlund eines Riesen, der drohte, ihn zu verschlingen. Im übertragenen Sinne stimmte das auch.
Die kleine Aufklärung von Charly hatte nicht viel erbracht, dauerte aber noch an. Dafür hatte Willem Kleinweich bei weiteren Recherchen eine Region in Brein erkundet, in der überdurchschnittlich viel Energie verbraucht wurde. Die Region gehörte einer Firma, die hier investierte. Angeblich, denn Germaine vermutete eine Tarngesellschaft für Blakes Wort dahinter. Auffällig genug waren die großen Warenlieferungen, die in diesen Komplex gingen.
Und man musste kein Genie sein, um eins und eins zusammen zu zählen.
Die Operation in Leipzig war kurz davor, ein Erfolg zu werden. Blakes Wort hatte davon Wind bekommen und versuchte nun, die ungeliebten Chevaliers auszuschalten, um selbst die Hand auf die Satelliten zu kriegen.
Soweit so gut. Nun aber musste Germaine eine Partei aus dem Rennen nehmen.
Und dies war der Schatun. Ob ihm die Erklärung schmeckte, dass er sich aus den bevorstehenden Scharmützeln mit Blakes Wort heraushalten konnte?
War er bestechlich? Oder würde ihn Germaines Versuch, sich als Geisel anzubieten, beeindrucken?
Leonid war kein Idiot. Und er hatte fähige Leute, nicht nur seine Schwester. Auf irgendeine Weise musste es Germaine gelingen, dem Schatun die Sache schmackhaft zu machen. Die Demonstrationen einzustellen. Damit die Chevaliers einen freien Kopf hatten, um sich ganz auf die Blakies konzentrieren zu können, ohne befürchten zu müssen, von den Bryantern von hinten angegriffen zu werden.
Eine Möglichkeit gab es bestimmt. Nur welche?
Langsam ballte Germaine die Hände zu Fäusten. Nun wünschte er sich, irgendeine Form von Einfluss auf Dvenskys Schwester zu haben…
Ace Kaiser
Der Empfang für Germaine Danton war eisig. Bei sich lächelte der Major über dieses Wortspiel. Ein eisiger Empfang am eisigen Südpol von Bryant.
Zwei hoch gewachsene Fallschirmjäger nahmen ihn in die Mitte und marschierten ihn zum nächsten Aufzug. Sie fuhren in das Stockwerk von Dvenskys Büro, passierten mehrere Posten und kamen endlich vor ihrem Ziel an. Dort warteten weitere Posten und der Major der Chevaliers wurde aufgefordert, seine Dienstwaffe abzugeben.
Das war neu und zeigte nur zu deutlich, wie sehr das fragile Verhältnis zwischen dem Beherrscher von Bryant und den Chevaliers gelitten hatte.
Im Büro erwartete ihn ein aufmerksam arbeitender Leonid Dvensky. Seine Schwester war ebenfalls anwesend, saß aber still schweigend im Hintergrund.
Germaine wollte sie begrüßen, doch Natalija ignorierte ihn.
Na, wenigstens war dieser Arsch von Panzerfahrer nicht da. Das wiederum beruhigte den Major etwas.
„Was wollen Sie, Germaine?“, fragte Dvensky ohne aufzusehen.
„Meine Einheit“, erwiderte der.
Interessiert sah der Schatun auf. „Ihre Einheit?“ Stumm bot der Diktator von Bryant den Söldner auf, Platz zu nehmen.
Germaine setzte sich und fühlte sich von vielen Augen fixiert, obwohl nur Leonid und seine Schwester anwesend waren. Die Wachen waren draußen geblieben.
Mit einer versteckten Waffe hätte Germaine nun durchaus einen Angriff durchführen können. Aber die Rechte des Offiziers unter der Tischplatte machte nur zu deutlich, dass sie neben einer schussbereiten Pistole lauerte.
„Die letzten Tage“, begann Germaine und stieß den unnützen Gedanken beiseite, „waren sehr schwer für mich. Schwer für meine Einheit und sicher auch für Sie, Leonid.“
Germaine sah auf und fixierte den Blick seines Gegenübers. „Ich habe einen meiner Offiziere verloren. Ein zweiter kämpft noch immer um sein Leben. Die Moral ist am Boden und rund um die Kaserne demonstrieren Ihre Leute gegen mich und meine Truppe. Herrgott, Leonid. Wir sind doch nicht als Besatzer hier. Wir sind nur der Hausmeister für ComStar um den Schlüssel an Blakes Wort zu übergeben.“
„Das wissen wir doch alles schon. Was hat das mit mir zu tun?“, antwortete der Schatun kalt.
„Nehmen wir einmal an, diese… Demonstrationen würden von Ihrem Geheimdienst gelenkt. Und nehmen wir einmal an, rund um den Hyperpulsgenerator würde ein geschlossener Kreis aus Sperrstellungen existieren, die nur darauf warten, auf uns zu feuern, wie der Granatwerfer neulich, den meine Elementare ausgeschaltet haben.“ Er senkte den Blick. „Bevor Schlimmeres geschehen konnte.“
„Weiter“, forderte Dvensky ihn auf. Den versteckten Tadel mit dem Angriff ignorierte er völlig.
„Nehmen wir weiterhin an, dass dies alles geschieht, weil… Nun, sagen wir mal, weil Sie mir nicht trauen.“
Neben dem Schreibtisch unterdrückte Natalija ein Prusten.
„Interessanter Gedanke, Herr Major“, stellte Dvensky mit ausdrucksloser Miene fest. „Und warum sollte ich Ihnen nicht trauen? Glauben Sie, ich habe Verfolgungswahn und sehe in jedem fremden Soldaten eine Bedrohung für Bryant, nur weil alle großen Reiche mich im Stich gelassen haben, nachdem in dieser Region des Weltalls die totale Anarchie ausbrach?“
„Verfolgungswahn zu haben bedeutet nicht, dass man nicht auch wirklich verfolgt wird“, kommentierte Germaine. „Nun gut, warum, hypothetisch angenommen, sollten Sie mir misstrauen, Leonid? Hm, vielleicht weil ein ganzes Bataillon etwas viel ist, um ein einfaches Beta-HPG zu halten. Das hat eher was von einer Invasionsstreitmacht denn von einer Schutztruppe.“
Leonid Dvensky nickte. „Ich muß zugeben, dieser Gedanke kam mir auch.“
Ein Schmunzeln glitt über Natalijas Gesicht. Germaine registrierte es aus den Augenwinkeln.
„Und dann ist da noch der dritte Lander meiner Einheit, der irgendwo über Tomainisia abgestürzt ist. Tomainisia, der Sturmumtobte Kontinent, auf dem sich einige große Städte aus der Sternenbundzeit befinden. Eine Region, in der diverse Schätze und Hightech nur darauf warten, geborgen zu werden. Eine Region, in der es eine regelrechte Industrie gibt, die von den Schatzsuchern profitiert, solange diese Leute den gerechten Anteil der Bryanter Regierung auch entrichten. Ein ganzes Drittel meiner Leute ist dort herunter gekommen, durch einen Defekt an einer Steuerdüse, den sich meine Einheit zugezogen hat, als eine unbekannte Mech-Truppe unsere Patrouillen auf New Home überfiel.
Nun, ich weiß nicht, wie Sie das sehen, aber ich glaube, das kann ohne Weiteres der Versuch sein, um ein großes Kontingent Leute auf den Kontinent, in eine der großen Städte zu bringen, um dort nach LosTech zu suchen. Es wäre die einfachste Erklärung. Und so plausibel, wenn man bedenkt, wie zielsicher die eigentlich beschädigte SKULLCRUSHER auf Tomainisia abgestürzt ist, oder?“
„Macht es Ihnen eigentlich Spaß, sich selbst den Boden unter den Füßen fort zu ziehen, Germaine?“, bemerkte Dvensky mit ernstem Blick.
„Wir reden doch über einen hypothetischen Fall, oder nicht? Ich meine, die SKULLCRUSHER ist abgestürzt, aufgrund eines Schadens, den eine unbekannte Mech-Truppe verursacht hat. Ich spekuliere nur mit dem Gedanken, dass dies in einen Ihnen unbekannten Plan gepasst haben könnte, Leonid.“
„Dann reden wir mal weiter hypothetisch. Angenommen, jemand hat genau diese Entwicklung geplant. Was dann auch geklappt hat. Die SKULLCRUSHER ist auf Tomainisia, oder? Und eventuell nahe oder in einer großen Stadt aus Sternenbundtagen.“
Germaine nickte dazu.
„Die Frage ist, wäre es dann nicht absolut schwachsinnig, um von dem Schiff abzulenken, dem Herrscher dieser Welt mit einem Amoklauf zu drohen? Wäre es nicht überheblich, arrogant und hirnlos, zudem vollkommen überzogen? Kann ein Kommandeur wirklich so dilettantisch sein und den besorgten Übervater spielen, um damit seine gesamte Einheit zu riskieren?“
Germaine duckte sich unwillkürlich. Er erinnerte sich sehr gut an das erste Gespräch mit Dvensky. Es war nicht wirklich gut verlaufen. Nein, wahrlich nicht. Sie hatten einen Status Quo erreicht, aber Germaine hatte wesentlich mehr einsetzen müssen als er gewollt hatte. Und die Ausbeute war lange nicht so gut gewesen, wie er erhofft hatte. Zudem, das merkte er nun, waren viele der Dinge, die ihm und der Einheit in letzter Zeit passiert waren, darauf zurückzuführen. Auf einen vollkommen verärgerten Leonid Dvensky. Nein, einen um sein Volk besorgten Leonid, der in ihm, Major Danton einen Hitzkopf sah. Einen absoluten, unberechenbaren Hitzkopf.
„Das wäre in der Tat der Fall. Entweder hätten Sie es dann mit einem kompletten Idioten zu tun gehabt“, sagte Germaine leise, „oder mit einem vollkommen verzweifelten Mann.“
Danton schluckte hart. Er hatte damals unbedingt dafür sorgen müssen, dass die SKULLCRUSHER weitestgehend ungestört ihre Mission beginnen konnte. Das Wetter war schlimm genug gewesen und hätte nicht auch noch durch angreifende Mechs ergänzt werden müssen. „Einen vollkommen verzweifelten Mann, der sich um seine Einheit sorgt.“
„Einer Einheit, die, wenn wir weiterhin von dem hypothetischen Fall ausgehen, auf sein Kommando über Tomainisia abgestürzt ist.“
Dvensky sah ihn wütend an. Seine Schwester wandte den Blick ab. Germaine Danton merkte sehr wohl, dass er sich wieder einmal zu weit vorgewagt hatte. Wie so oft in seinem Leben. Und wie sonst auch entschied er sich dafür, vorzupreschen.
„Leonid“, begann Germaine wieder, „meine Aufgabe auf dieser Welt ist es, den HPG an Blakes Wort zu übergeben. Dies und nichts anderes steht mir hier bevor. Auf New Home hatten wir Glück und einen ziemlich umgänglichen Blakes Wort-Milizkommandeur erwischt. Aber dieser Mann gab mir eine Warnung mit: Hüten Sie sich vor einem Akoluth Delaware, einen Fanatiker der alten Schule. Es… Es gibt Hinweise, dass der Attentäter ein Blakes Wort-Mann war. Und meine Leute haben zudem entdeckt, dass die Miliz bereits eine Sektion II an BattleMechs auf dieser Welt hat. Ich weiß nicht, was Blakes Wort hier plant, aber es kann nicht eine geregelte Übergabe des HPGs sein. Mir wäre wohler, sehr viel wohler, wenn ich mich nur um Blakes Wort scheren müsste und nicht auch noch eine halbe Division Bryanter mit KSR-Schulterwerfern in der Seite hätte, die nur darauf warten, dass einer meiner Mechas zu nahe kommt. Oder die meine Minen zählen und Karten von den fertigen Feldern anlegen.“
„Tja“, sagte Dvensky nachdenklich, „was können Sie, Ihrem hypothetischen Fall zufolge, nur getan haben, um Blakes Wort derart zu verärgern?“
„Ja, was könnte ich getan haben? Sicherlich nichts. Abgesehen davon, dass ComStar mich angeheuert hat, hatte ich noch nichts mit Blakes Wort zu schaffen.“
Kurz dachte Germaine nach und lachte auf. „Nein, das stimmt nicht. Ich war auf Sandhurst, habe aber abgebrochen. Vielleicht reicht das den Blakies bereits, um auf mich sauer zu sein. Oder einen feindlichen ROM-Agenten in mir zu sehen.“
„Unwahrscheinlich, dass Blakes Wort gleich eine Sektion II auf so einen kleinen Fisch hetzt“, kommentierte Dvensky amüsiert. Für einen Augenblick schmunzelte er sogar. Die kleine Spitze gegen Germaine gefiel ihm.
„Tja, was kann es dann sein? Ach ja, meine abgestürzten Leute auf Tomainisia. Vielleicht haben die etwas getan? Ich meine, vielleicht widerspricht es den Worten Blakes, dass ein Landungsschiff gegen die Rotationsbewegung auf einen Äquatorialkontinent abstürzt. Wer kann den Blakisten schon in den Kopf sehen?“
„Sehr amüsanter Gedanke. Etwas mehr Hintergrund sollten Sie Blakes Wort schon zugestehen, Germaine. Auch wenn… Einige von ihnen recht verbissen sind“, schmunzelte Dvensky.
Germaine schüttelte den Kopf. „Ich denke nicht, dass es ihnen um irgendwelche Schätze geht. Ich meine, was wird generell auf Tomainisia geplündert? Zurückgelassener Schmuck, vielleicht etwas Kunst, noch funktionierende Technik, die in der heißen Dampfhölle noch nicht korrodiert ist? Reicht das bereits aus, um Blakes Wort zu verärgern?“
„Sicherlich nicht, außer es ist eine Originalabschrift der Memoiren Blakes“, kommentierte Dvensky leise.
„So sehe ich das auch, Leonid. In unserem hypothetischen Fall kommt so eine Banalität gar nicht in Frage. Die einfachste Erklärung ist vielleicht, dass der hiesige Anführer von Blakes Wort ein ComStar-Hasser ist und die Chevaliers stellvertretend für den säkularisierten Orden bestrafen möchte. Aber ich denke nicht, dass dies so einfach ist. Immerhin ist das hier Ihre Welt, und ohne einen zwingenden, wirklich zwingenden Grund wird der abgespaltete Teil des Ordens nicht versuchen, sich hier eine zukünftige sichere Basis zu nehmen, indem er den Herrscher Bryants verärgert, vor den Kopf stößt oder sogar blamiert, indem er nach eigener Willkür Truppen verlegt und die Verbindungsoffiziere wie arme Verwandte behandelt.“
Kurz nur huschte ein Schatten über Dvenskys Augen. Und Germaine wusste, dass er einen Treffer gelandet hatte.
„Was also suchen Ihre Leute – natürlich im hypothetischen Fall – auf dem Tropenkontinent, Germaine?“, fragte Dvensky leise.
„Nun, um Blakes Wort derart zu verärgern, muß es etwas wertvolles sein. So wertvoll, dass sie nicht einmal dazu bereit sind, es mit Ihnen zu teilen. Oder Sie jemals von der Existenz dieser Sache zu unterrichten.“ Wieder ging ein Schatten über die Augen des Schatuns. Noch ein Treffer.
„Vielleicht“, begann Germaine Danton und setzte alles auf eine Karte, „handelt es sich um ein riesiges Vermögen an Sternenbundwährung. Um Antiquitäten oder teuren Schmuck. Um alte Daten wie den Kernspeicher, den die Gray Death-Legion damals auf Helm gefunden hat. Oder um etwas völlig anderes, was Blakes Wort nur zu gerne monopolisieren würde.“
„Wäre diese hypothetische Sache nützlich für Bryant?“, fragte Natalija leise.
Es war das erste Mal, dass sie sich zu Wort meldete und Germaine fühlte eine große Erleichterung, dass sie es wieder einmal zu seinen Gunsten tat.
„Sie könnte theoretisch so wertvoll sein wie die Orbitalwerft um Kathil“, murmelte Germaine nachdenklich.
„Nützlich? Eine Orbitalwerft wie um Kathil würde uns die Aufmerksamkeit aller uns umgebenden Nationen einbringen. Mit allen entsprechenden Konsequenzen. Wir könnten die Orbitalwerft mit unseren Mitteln nie beschützen“, schloss Natalija.
Germaine atmete erleichtert aus. Trotz allem war diese Frau seine wichtigste Verbündete im Stab des Schatuns. Beinahe wäre Germaine sogar so weit gegangen, sie als Freund zu sehen. Falls sie das jemals zugelassen hätte.
„Das ist nun wirklich theoretisch“, brummte Dvensky ernst. „Eine solche Orbitalwerft kann man nicht auf einem Planeten verstecken. Aber zugegeben, ich würde verstehen, wenn Blakes Wort diese nicht teilen will.“
„Nun“, begann Germaine leise, „kann es nicht etwas anderes auf Tomainisia geben? Etwas, wertvoll genug, um Blakes Wort den jetzigen Aufwand Wert zu sein, wertvoll genug, um theoretisch Lord Dvensky zu verärgern? Gibt es irgendein Artefakt in der Geschichte Bryants, das derart interessant, vielleicht mächtig ist? Zu mächtig, als dass Sie es ruhigen Gewissens auf diesem Planeten belassen könnten, Leonid, um nicht die Aufmerksamkeit zu erhalten, die Natalija angesprochen hat?“
„Wäre dieser hypothetische Fall real“, antwortete Dvensky, „dann wäre dieses Artefakt oder diese Anlage bryantisches Volkseigentum und sollte auch dem Volk von Bryant zustehen. Egal, was Blakes Wort will und egal was ComStar will.“
Neben dem Major keuchte Natalija entsetzt auf, doch der Herrscher dieser Welt gebot ihr mit einem knappen Blick Einhalt. „Auf jeden Fall sollte das Volk von Bryant einen Nutzen haben. Einen großen Nutzen.“
Germaine nickte verstehend. „Was uns wieder zur derzeitigen Situation bringt, Leonid.
Gehen wir einen anderen hypothetischen Fall durch. Was, wenn die Sektion II oder noch mehr Mechs das HPG angreifen, aus welchen Gründen auch immer? Was wenn die Miliz Ihnen sagt, Sie sollen sich raushalten, da es eine interne Angelegenheit innerhalb ComStars ist?“ Germaine fixierte Dvenskys Blick und hielt ihn. „Was wäre besser für Bryant, als dass sich zwei rivalisierende Einheiten gegenseitig schwächen, ohne dass die Regulars auch nur einen Schuss abgeben müssen?“
„Das ist kein reeller Nutzen für uns. In einem hypothetischen Fall, in dem wir zusammen mit Blakes Wort kämpfen, könnten wir abgeschossene Mechs für uns beanspruchen. Das wäre eine Hilfe für uns“, schloss Dvensky und hielt den Blickkontakt.
„Nun, in diesem hypothetischen Fall, würde es zu Kämpfen kommen, hätten die Chevaliers Bergerecht an den abgeschossenen Blakes Wort-Maschinen. Aber ich habe kaum Platz an Bord meiner Lander. Ich würde sie offiziell bergen. Inoffiziell aber könnte ich diese Mechs zurücklassen.“
„Falls Sie in Ihrem hypothetischen Fall gegnerische Mechs abschießen und nicht selbst abgeschossen werden“, bemerkte Dvensky schmunzelnd.
„Ja, das ist natürlich richtig“, erwiderte Germaine grinsend. „Dann lassen Sie mich den Einsatz erhöhen. Ich fand eigentlich immer, dass der Hatamoto Chi nie wirklich in meine Aufstellung gepasst hat. Ich weiß nicht, ich könnte ihn, im hypothetischen Fall natürlich, auf dieser Welt zurücklassen, falls nach den hypothetischen Kämpfen noch etwas von ihm übrig ist.“
„Das ist eine sehr interessante vielleichtige Welt. Vor allem, wenn Blakes Wort die… Sache wirklich alleine regeln wollen würde“, sagte Leonid Sergejewitsch Dvensky nachdenklich, brach den Blickkontakt aber immer noch nicht ab. „Nur leider fehlt mir da noch ein Puzzlestück im Spiel. Wie würde ich mir sicher sein können, dass alles so geschieht, wie wir uns das hier zusammen spinnen, Germaine?“
Der Major versteifte sich. „Nun, Mylord“, begann er, „diese Frage sollten wir näher und ausführlicher erörtern. Ja, ich denke, wir sollten uns mehrere Tage Zeit dafür nehmen, notfalls bis zum Abflugtermin meiner Chevaliers. Lassen Sie uns diesen hypothetischen Fall erörtern, bis mein erster Lander diese Welt verlässt.“
Damit war es heraus. Germaine Danton bot sich als Geisel an. Als Geisel dafür, dass alles so geschehen würde, wie er es gesagt hatte.“
„Das sollten wir vielleicht wirklich. Ein Hatamoto-Chi, sagten Sie, Germaine? Und die abgeschossenen Maschinen von Blakes Wort?“
Danton nickte.
„Und das Mobile HQ, Herr Major“, fügte Dvensky hinzu.
Erschrocken fuhr Germaine auf. „Mylord, ich…“
„Sie haben doch ein komplettes MASH, Germaine, oder? Bisher haben Sie es noch nicht eingesetzt, weil die Einheit sich immer aus den Kasernen versorgt hat“, warf Natalija schnell ein. „Eine nicht gebrauchte, derart hochwertige Ausrüstung wäre doch einiges wert, oder, Leonid?“
Germaine entspannte sich etwas. Er brach den Blickkontakt mit Dvensky und sah zu Natalija herüber. „Es wäre mir eine Ehre und eine Freude, dem Bryanter Volk das Mobile Lazarett meiner Einheit zu schenken. Wenn Sie mir Zugang zu einem Telefon gestatten, kann ich es heute noch in die Wege leiten.“
„Dann ist es abgemacht“, schloss Leonid Dvensky. Er griff in seinen Schreibtisch, zog eine Flasche hervor und dazu zwei Gläser. Beide schenkte er voll und reichte eines dem Major.
Beide kippten sie den scharfen, selbst gebrannten Wodka, der in der Kehle noch nachgären wollte. Aber der Major hatte schon schlimmeren Alkohol getrunken, stärkeren und schärferen. Nur nicht unbedingt ein Wasserglas voll auf einen Schlag.
Als beide ihre Gläser geleert hatten, ergriff Dvensky die Flasche und warf sie gegen die gegenüber liegende Wand. Sie zerbrach nicht, alarmierte aber die Posten vor der Tür, die sofort mit gezogenen Pistolen in den Raum stürmten.
Dvensky lächelte still bei dieser Effizienz. In seiner direkten Umgebung schien er nur die Besten zu dulden.
„Schwester“, sagte er leise, „der Herr Major bleibt für einige Tage mein Gast. Bitte zeige ihm ein adäquates Zimmer und gib ihm jemanden mit, der sich um ihn kümmert.“
„Ja, Leonid“, sagte sie ernst und erhob sich.
Auch Germaine stand auf. Dann verbeugte er sich vor dem Schatun. „Leonid, bitte seien Sie versichert, dass ich zu schätzen weiß was Sie hier tun. Ein ganzes Volk zu beschützen, Bryant alleine wieder aufzubauen ist keine leichte Aufgabe.“
„Das ist es wahrlich nicht. Guten Tag, Herr Major.“
„Guten Tag, Mylord.“
Auf dem Gang gingen die Schwester des Schatuns und der Major nebeneinander. Dicht gefolgt von zwei Fallschirmjägern.
„Was könnte diese hypothetische Sache sein, hinter der Blakes Wort her sein könnte?“, fragte sie unvermittelt. „Und damit automatisch auch ComStar?“
Germaine lächelte leicht. „Was auch immer, Ihnen könnte nur an einer Sache gelegen sein, Natalija, dieses Ding so weit weg wie irgend möglich von Bryant zu wissen, bevor jemand wirklich Gefährliches erfahren würde, dass es diese Sache gibt. Zwei, drei capellanische Kriegerhäuser würden in dem Fall ausreichen, um die Regulars zu vernichten. Oder stelen Sie sich einen Kampf einer Katherinetreuen Regimentskampfgruppe mit ein paar Victortreuen Regimentern hier in dieser Stadt um unsere hypothetische Sache vor. Ich glaube nicht, dass auch nur eine Seite einen erbärmlichen Cent darum geben würde, wem diese Stadt gehört.
Und ich selbst würde mir die Ohren zuhalten, sobald jemand davon spricht, denn das Wissen um diese… Sache wäre beinahe genauso schlimm wie sie zu besitzen.“
„Wir könnten es herausfinden“, erwiderte sie.
„Sie könnten auch die Comstarinterne Streitigkeit Comstarintern lassen und versuchen, die Kollateralschäden gering zu halten. Ich kann das für meine Chevaliers versprechen. Nicht aber für Blakes Wort.“
„Sie sprechen ja schon, als wäre der hypothetische Fall nicht mehr ganz so hypothetisch“, spottete Natalija.
Germaine blieb abrupt stehen. Die junge Frau bemerkte es und hielt ebenfalls. „Was auch immer, ob wahrscheinlich oder möglich. Sie haben mindestens eine Sektion II an Blakes Wort-Mechs auf Ihrer Welt. Damit hat Bryant die Aufmerksamkeit von ComStar und Blakes Wort. Und das ist auch so schon eine sehr gefährliche Sache. Ich würde einen Teufel tun und diesen Akoluthen Delaware mit meinem neuen Wissen konfrontieren. Oder versuchen, aus ihm mehr über diese… Sache heraus zu bringen. Unwissenheit ist manchmal ein Segen, Natalija.“
Erschüttert sah sie ihn an. „Vielleicht doch eine Orbitalwerft?“, scherzte sie.
Langsam setzten sie sich wieder in Bewegung.
Für Germaine in eine sehr ungewisse Zukunft. Zu ungewiss.
Ace Kaiser
First Lieutenant Juliette Harris betrat den Besprechungsraum. Hier hatten sich alle aktiven Offiziere und Unteroffiziere der Kampftruppe eingefunden. Sogar First Lieutenant Sleijpnirsdottir war extra wegen dieser Besprechung in die Kaserne des HPG von Bryant verlegt worden. Sie hatte eine recht abwechslungsreiche Fahrt durch die Stadt hinter sich.
„Meine Damen und Herren, ich mache es kurz. Sergeant Decaroux, Sie haben das Wort.“
Der Großgewachsene Kommando nickte ernst. „Wir verzeichnen Aktivität in der alten Fabrik, die wahrscheinlich zu Blakes Wort gehört. Große Aktivität. Tanks mit Kühlflüssigkeit werden verlegt, Munition umgelagert und dergleichen.“
Diese Neuigkeit schlug ein wie eine kleine Bombe.
Für zehn lange Sekunden war es so still im Besprechungsraum, dass man eine Stecknadel hätte fallen hören können. Danach redeten alle zugleich.
„Ruhe!“, blaffte Master Sergeant Decius Metellus.
„Danke, Master Sergeant“, sagte Juliette Harris. Sie sah in die Runde. „Ich brauche wohl niemandem zu erklären, was das zu bedeuten hat. Wir werden über kurz oder lang angegriffen werden. Wir rechnen dabei mindestens mit sechs Mechs, eher mit zwölf. Ob sie Panzerunterstützung haben oder sogar Infanterie können wir nicht sagen. Nur eines, es wird hart werden. Und wir können nur hoffen, dass sich die Bryanter still verhalten werden.“
Juliette seufzte schwer. „Wir haben alle damit gerechnet, dass unsere geheime Mission auffliegt. Wir haben dafür trainiert, um darauf reagieren zu können. Nun ist es soweit.
Das Schlimme daran ist: Wenn Blakes Wort uns hier in Brein angreift, was passiert dann gerade mit unseren Kameraden in Leipzig? Vieles spricht dafür, dass unser Feind beide Teile unserer Einheit zugleich attackieren wird. Vielleicht gibt es unsere Kameraden auch schon nicht mehr.“
„Nun mal nicht gleich so schwarz“, mahnte Christine Sleijpnirsdottir. „Der alte Dolittle ist dabei, also werden sie es irgendwie packen. Er hat es doch immer geschafft. Wisst Ihr noch, wie er dieses Rennpferd in seinem Hangar vor Germaine versteckt hat, um es gegen einen Panzer zu tauschen?“
Einige der Anwesenden grinsten. Die Geschichte war Legende unter den Chevaliers.
„Aber genug von denen. Reden wir von uns. Wie reagieren wir, Juliette?“
„Chris, ich habe absolut keine Idee. Ich bin nicht Germaine, ich… Verdammt, ich koordiniere, aber ich entwickle doch keine Strategien.“
„Das brauchen Sie auch nicht, First Lieutenant“, mischte sich McHarrod ein. „Sie befehlen lediglich, was wir zu tun haben. Den Rest erledigen die Feldkommandeure.“
Mike McLloyd nickte bestätigend.
„Also gut. Der Rahmen ist leicht gesteckt. Der offizielle Kontrakt verpflichtet uns, den HPG zu verteidigen, bis er offiziell Blakes Wort gehört. Danach haben wir die Techniker zu evakuieren. Wir werden uns buchstabengetreu an diese Vorlage halten. Bitten Sie Akoluth Jamison herein.“
„Wir werden den HPG keine Woche lang halten können, Sir“, beendete die StabsChefin ihre Ausführungen für den ComStar-Verwalter der Anlage, „also sollten wir hier so schnell es geht verschwinden, und das mit Ihrer Ausrüstung und Ihren Leuten.“
Der Akoluth schüttelte den Kopf. „Ich glaube es nicht. Ich glaube es einfach nicht. Wie verblendet können diese Fanatiker nur sein? Was erhoffen sie sich davon, den HPG zu erobern, wenn er ihnen sowieso bald gehören wird?“
Juliette hatte eine Erklärung auf der Zunge, schluckte sie jedoch herunter.
„Das ist es also!“, rief Jamison plötzlich und sprang auf. „Die Codes! Natürlich, die Codes! Sie wollen die Hand auf die geänderten Codierungen bekommen! Wir müssen sofort beginnen, sie zu löschen. Wir…“
Harris hob eine Hand. „Sir. Wie lange brauchen Sie dafür? Und wie lange brauchen Sie, um alle Ausrüstungsgegenstände zu verladen, die Ihre Leute mitnehmen sollen?“
„Alles in allem? Die Codes sind mehrfach geschützt. Das wird acht bis zehn Stunden dauern. Die Ausrüstung… Unter Kampfbedingungen dauert es sicher einen Tag.“
„Ein Tag“, murmelte Bishop leise. „Wenn wir sofort anfangen, dann…“
„Wenn wir sofort anfangen, verpassen wir die Gelegenheit, die Worties in eine Falle laufen zu lassen“, sagte Decaroux entschlossen. „Sie können nicht wissen, dass wir von ihrer Anwesenheit und von ihren Vorbereitungen wissen. Aber sie werden es wissen, wenn wir plötzlich den Aufbruch vorbereiten. Es sind zu viele Breiner auf dem Stützpunkt und – Verzeihung, Akoluth Jamison – es könnten Agenten unter dem HPG-Personal sein.“
„Was also schlagen Sie vor, Sergeant?“, fragte Harris ernst.
„Ich schlage vor, dass wir uns leise in Alarmbereitschaft versetzen. Lassen Sie lediglich wie sonst einen Mech patrouillieren. Aber die anderen Piloten sollen in ihren Mechs schlafen. Der Angriff erfolgt diese Nacht, da bin ich mir sicher. Auf diese Weise haben wir unsere Leute unauffällig da, wo wir sie brauchen. Und sobald der erste Schuss gefallen ist, wird es schnell gehen müssen. Mike, deine Panzer werden sicher recht schnell sein. Ihr schlaft ja eh neben dem Hangar.
Lieutenant Bishop, Sie sollten die Patrouillen unauffällig verstärken lassen und den Minenwerfer klar machen lassen. Ansonsten…“
„Ansonsten mache ich mir eine Liste, welcher Teil meiner Ausrüstung verladen werden muß, welcher abmarschbereit ist und dergleichen. Die Koordinierung der Infanterie überlasse ich MacLachlan und Ihnen.“
„Danke, Sir“, meldete sich der Sergeant-Major wortkarg.
„Also bringe ich meine Scharfschützen unauffällig in Position“, schloss Decaroux.
„Was machen wir mit den Breinern?“, fragte die Pilotin nachdenklich.
„Wir schießen erst, sobald auf uns geschossen wurde. Das gilt auch für die Bryanter Miliz“, schloss Juliette Harris ernst.
„Gehen wir auf stillen Alarm und mobilisieren unauffällig unsere Truppen. Der Angriff wird wahrscheinlich tief in der Nacht oder im Morgengrauen erfolgen. Wer patrouilliert in dieser Zeit?“, hakte McHarrod nach.
„Sergeant Fokker, Sir“, sagte Rebecca Geisterbär ernst. „Soll ich sie auswechseln?“
„Nein, denn erstens ist sie eine gute Pilotin“, erwiderte er leise, „und zweitens werden unsere Gegner keinen Verdacht schöpfen, wenn unsere jüngste Pilotin alleine patrouilliert.“
„Sie könnte getötet werden, wenn sie überrascht wird“, wandte Decaroux ein.
„Sie wird nicht überrascht werden“, mischte sich Lieutenant Harris ein. „Informieren Sie sie über den Sachverhalt, McHarrod. Ihre Kommandos, Decaroux, sorgen für den Rest. Alles andere liegt nicht in unserer Hand.“
„Apropos Hand“, meldete sich Mike McLloyd noch einmal zu Wort, „was ist mit Germaine? Ich meine, die Bryanter halten vielleicht still, solange wir auf dieser Welt sind und er bei ihnen eingeknastet ist. Aber ich dachte eigentlich, wir würden ihn mitnehmen.“
Juliette Harris und Charles Decaroux tauschten einen amüsierten Blick.
„Akoluth Jamison, Sie brauchen einen guten Tag, um alles einzupacken? Sie beginnen am Besten beim ersten Schuss. Demnach werden Sie mitten in der Nacht fertig werden. Sergeant Decaroux, starten Sie Operation Falke Morgen um Mitternacht.“
Der Infanterist schmunzelte. „Verstanden.“
„Operation Falke?“, fragte Kiki hoffnungsvoll.
„Wir holen uns unseren Kommandeur zurück“, informierte Harris mit mattem Lächeln. „Kurz bevor wir abfliegen.“
„Das klingt doch gut. Was machen meine Flieger?“, hakte Kiki nach.
„Na was wohl?“, erwiderte Harris. „Nach dem ersten Schuss steigen sie auf und zerbomben alles, was ein Blakes Wort-Logo trägt – innerhalb unserer von Duke Dvensky zugewiesenen Zone natürlich.“
Sie sah in die Runde. „Danke. Sie alle haben mir sehr geholfen. Nach dem ersten Schuss übernimmt First Lieutenant McHarrod die Kampftruppen. Bitte folgen Sie ihm so tapfer wie Major Danton. Und lassen Sie sich nicht töten. Fragen?“
Stille.
„Gut. Dann los.“
Die lange Nacht begann…
Ace Kaiser
Akoluth Delaware ließ sich matt in seinem Sessel zurück sinken. Sie hatten also begonnen. Die Truppen der Wahren Gläubigen in der alten Ruinenstadt Leipzig hatten den Kampf mit den Chevaliers aufgenommen. Das konnte nur bedeuten, dass ROM Recht behalten hatte. Die Chevaliers waren hinter den Sturminhibitoren aus der Sternenbundära her gewesen. Und anscheinend hatten sie diese auch gefunden. Delaware schloss aus, dass sie einer ominösen Schatzkarte gefolgt waren. Vielmehr nahm er an, und das sicher zu Recht, dass die Söldner im Auftrag ComStars handelten. Nur von ComStar hatten die Leute um diesen Danton derart präzise Ortsangaben erhalten können, um den Satelliten binnen weniger Tage zu lokalisieren und zu bergen.
Damit nahmen sich die Mietlinge ein wenig zuviel heraus. Nicht nur, dass sie es wagten, für die Verräter und Dämonen zu arbeiten, nein, sie hielten dem wahren Orden auch die Kraft des reinigenden Feuers vor, mit dem die Innere Sphäre bekehrt und gesäubert werden konnte.
Delaware legte beide Hände vor sein Gesicht. War es also soweit? War es tatsächlich soweit?
Leise begann er zu lachen.
„So beginnt es also“, stellte er atemlos fest. Nur um sich selbst zu korrigieren: „Nein, so endet es.“
Langsam näherte sich seine Hand dem Telefon. Sollte er wirklich? War es soweit? Sicher war nur eines. Nun, da die Chevaliers in Leipzig der Maske der harmlosen Havaristen beraubt waren und kurz vor ihrer Vernichtung standen, sollte, nein, musste das gleiche Schicksal ihren Kameraden in Brein widerfahren. Darüber hinaus musste verhindert werden, dass sie ihren Kameraden zu Hilfe kommen konnten, um den Erfolg von Blakes Wort doch noch in letzter Sekunde zu vereiteln.
Dafür mussten die Kräfte der Chevaliers in Brein gebunden oder vernichtet werden.
Kurz zögerte Delawares Hand vor dem Telefonhörer. Gewiss, der Verrat von ComStar in dieser Sache, die gewollte Täuschung wog schwer, vor allem, nachdem sie so geschickt aufgebaut und durchgezogen worden war. Nur durch das dichte Agentennetz des heiligen Ordens war es gelungen, dieses schändliche Vorhaben zu vereiteln.
Dieser Satellit, nein, diese Waffe musste in den Besitz des Ordens kommen, egal wie.
Egal wie? Dieser Gedanke ließ den Akoluthen erneut zögern. Nein, nicht egal wie.
Fakt war, dass sie die Chevaliers binden mussten, um ihnen die Chance zu nehmen, den Kameraden auf Tomainisia zu Hilfe zu eilen.
Außerdem musste das ach so säkularisierte ComStar davon abgehalten werden, auf irgendeine Weise einzugreifen. Auch der Wunsch von Präzentor St.Jamais, im neugegründeten Sternenbund als Probemitglied aufgenommen zu werden durfte nicht unachtsam torpediert werden.
Er brauchte Argumente, schlüssige Argumente, die sogar den Rat des Sternenbundes überzeugten.
ComStar musste als das hingestellt werden, was es war. Und Blakes Wort musste als der Retter und Befreier erscheinen, der es war.
Also, kam Delaware zu einer Entscheidung, mussten sie die Bryanter Regulars aus den folgenden Kämpfen heraus halten. Ein Angriff der Truppen des Counts gegen die zum Schutz des HPG angeworbenen Söldner war gleichbedeutend mit einem Angriff auf den HPG und würde geahndet werden, mit aller Kraft, über welche die ComGuards in dieser Region verfügten. Damit würden sie nicht nur die Übernahme des Beta-HPG verhindern, nein, sie würden auch eine ihnen gefällige Regierung etablieren können und Bryant auf lange Zeit als Stachel im Fleisch der Flanke des Ordens der Wahren Gläubigen hinterlassen.
ComStar durfte keine offizielle Handhabe gegen Count Dvensky erhalten.
Delaware dachte nach. „Also ein interner Konflikt. ComStar-intern. Wir gegen die Chevaliers. Keine Einmischung von außen und volle rechtliche Absicherung. Aber was ist das Motiv? Was ist unser Motiv?“
Nachdenklich rieb sich Delaware die Schläfe. Sobald der Satellit erst einmal im Besitz der Wahren Gläubigen war, dann würden dennoch Jahre vergehen, bevor aus dem ehemaligen Sturminhibitor eine Waffe entwickelt und diese auf die Flotte verteilt worden war.
ComStar musste in dieser Zeit nur ohnmächtig zuschauen können, wie Blakes Wort die Waffen entwickelte und perfektionierte.
Also musste die Zerschlagung, besser noch die Vernichtung der Chevaliers auf rechtlich einwandfreien Füßen stehen.
Eine offene Anklage vor dem Rat des Sternenbundes durfte nicht gelingen.
In einem aber war sich Delaware sicher. ComStar würde einen Teufel tun und den Großen Häusern verraten, welche gespenstische Waffe die Chevaliers für sie auf Tomainisia bergen sollten. Selbst wenn sie im Besitz des Wahren Ordens war, würden die weltlichen Ketzer auf geheime Aktionen setzen, anstatt die Häuser zu verprellen oder sogar unter ihrem Banner zu einer gemeinsamen Aktion zu vereinigen.
Das bedeutete, wenn seine BlakeGuards hier auf Bryant den Satelliten erobern konnten, wenn die Chevaliers in Brein beschäftigt oder vernichtet werden konnten, dann gehörte die Technologie ihnen, ihnen allein. Solange ComStar keine rechtliche Handhabe gegen den Angriff hatte.
Ein schmales Lächeln huschte über Delawares Gesicht, als er erneut zum Telefon griff.
Vor ihm flammte ein Bildschirm auf und zeigte das hagere Konterfei Dvenskys. Der Schatun war sogar so spät am Abend noch in seinem Büro. Manchmal bekam man den Eindruck, der Mann würde nie Schlaf benötigen.
„Der Segen Blakes über Sie, Count Dvensky“, begrüßte Delaware den Herrscher dieser Welt.
„Guten Abend, Akoluth Delaware. Was kann ich für Sie tun?“
Der Akoluth versuchte, ein neutrales Gesicht zu machen. „Ich kann heute etwas für Sie tun. Ich überbringe Ihnen leider eine traurige Nachricht. Es sieht ganz so aus, als wäre das Teilkontingent der Chevaliers an Bord der SKULLCRUSHER nicht abgestürzt. Im Gegenteil. Alle Hinweise deuten darauf hin, dass diese Gruppe Chevaliers gezielt nach Leipzig geschickt wurde, um dort illegal nach LosTech zu suchen.“
Leonid Sergejewitsch Dvensky runzelte die Stirn. „Der Verdacht liegt nahe.“
Delaware nickte. „Die Hinweise sind erdrückend und ich erwarte stündlich die Beweise. Sobald diese vorliegen…“
„Moment, Akoluth Delaware“, unterbrach der Count den anderen. „Ich sollte Sie an dieser Stelle vielleicht darüber informieren, dass Major Danton, der derzeit in meinem Amtssitz als Gast weilt, nach dem Absturz der SKULLCRUSHER sofort eine Bergungslizenz erworben hat. Bis auf die Tatsache, dass das Maultier keinen Verbindungsoffizier an Bord hat, habe ich wenig rechtliche Handhabe gegen die Chevaliers.“
Für einen Moment versteifte sich Delaware. Ergriff der Mann, der heimlich Schatun genannt wurde, hier Partei für die Söldner?
Nein, entschied der Akoluth. Dvensky hasste Mietlinge.
„Nun, dann informiere ich Sie darüber, dass diese Lizenz unter Vorspiegelung falscher Tatsachen erworben wurde und die Chevaliers niemals vorhatten, ihre Beute taxieren zu lassen. In den Augen von Blakes Wort ist dies mehr als ein Raub. In den Augen von Blakes Wort ist dies sowohl eine Deklassierung ComStars als auch eine beschämende Handlung gegen den wahren Rechtsnachfolger Blakes Wort. Sie wurden belogen und hintergangen, und all dies im Namen von ComStar. Mein Orden kann das nicht gut heißen.“
Eine Zeitlang sahen sich die beiden Männer stumm an.
„Und das bedeutet?“, fragte Dvensky schließlich, obwohl er die Antwort sicher kannte.
„Das bedeutet, dass wir diesen Vorfall, der ComStar-intern geschehen ist, auch ComStar-intern regeln werden. Im Namen von ComStar und Blakes Wort entschuldige ich mich in aller Form dafür, dass die Chevaliers als Beschützer des Beta-Hyperpulsgenerators eingesetzt wurden und verspreche, die Einheit augenblicklich zu maßregeln, die Plünderer aufzubringen und Bryant Ihr Eigentum zurück zu bringen.“
„Falls Sie Hilfe bei dieser Aktion brauchen…“, bot Dvensky leise an, doch der Akoluth unterbrach ihn.
„Wie ich schon sagte, Blakes Wort betrachtet diesen Vorfall als interne Angelegenheit. Es gäbe einen schlechten Ruf, wenn die Schamlosigkeit der Chevaliers bekannt werden würde. Deshalb wollen wir die Sache auch intern regeln, bevor sie Wellen schlägt.
So sehr wir dem verhassten säkularisierten Teil des Ordens einen Hieb auf die Nase gönnen, dieser Vorfall fällt auch auf uns zurück. Denn wir sollen den HPG übernehmen. Und wir können und konnten gegensteuern. Was wir hiermit tun.
Darum bitte ich Sie, Count Dvensky, ziehen Sie Ihre Leute bis drei Uhr Morgens Breiner Ortszeit rund um das HPG ab und lassen Sie den Rest der Aktion von mir regeln. Ich werde die Chevaliers mit unserem Wissen konfrontieren und notfalls maßregeln.“
Zögernd nickte Dvensky. „Wenn dies der Wille von Blakes Wort ist, dann widerspreche ich nicht. Also gut, ich betrachte es als interne Angelegenheit und gebe keine Hilfestellung. Keiner Seite. Bryant ist in diesem… Streit neutral.“
„Ich danke Ihnen für Ihr Entgegenkommen, Mylord. Ach, etwas ist da aber noch. Major Danton, sagten Sie, ist derzeit Ihr Gast? Nun, ist es möglich, dass er… ah, Ihre Gastfreundschaft noch etwas länger genießt? Er ist eventuell der Initiator der Aktion. Wenn er außen vor bleibt, fallen uns eventuell die Untersuchungen leichter, die wir vorzunehmen gedenken.“
Wieder nickte Dvensky. „Major Danton sollte sowieso noch einige Tage mein persönlicher Gast bleiben. Ich sehe keinen Grund, dies nun zu unterbinden.“
Nun nickte auch Delaware gelassen, obwohl der Triumph ihn innerlich hinfort zu spülen drohte. Mit dem Major in der Festung inhaftiert verzichteten die Chevaliers auf ihren Kommandeur und Strategen. Ihr Ende war so gut wie besiegelt.
„Ich danke Ihnen im Namen Blakes und hoffe weiterhin auf eine problemlose Zusammenarbeit, Mylord.“
Dvensky nickte erneut. „Auch ich hoffe auf eine weiterhin gute Zusammenarbeit zwischen meiner Welt und Ihrem Orden, Akoluth Delaware.“
Der Bildschirm erlosch und Delaware ließ sich nach hinten sinken. Obwohl es keinen Plan für diese Entwicklung gab, so lief doch alles wie am Schnürchen.
Diesmal aktivierte er die Sprechanlage. „Geben Sie Demi-Präzentor Kiluah Bescheid. Die Politik hat ihre Aufgabe erfüllt. Nun ist die Miliz an der Reihe, Taten folgen zu lassen.“
**
Nachdenklich saß Juliette Harris in ihrem Sessel im Mobilen HQ, dem Herzstück der Chevaliers. Es war bereits spät in der Nacht, eigentlich schon fast Morgen, aber sie fand einfach nicht die Ruhe, um sich ablösen zu lassen oder schlafen zu gehen. Schmerzhaft wurde ihr bewusst, dass die ganze Last der Verantwortung nun auf ihrer Schulter lastete. Die Last, die der folgende Angriff erbringen würde.
Die Last, die sonst Germaine tragen musste.
Der Gedanke ernüchterte sie ein wenig, immerhin genug um nach der halbvollen Kaffeetasse zu greifen.
Nach einem Schluck der nur noch lauwarmen Brühe kehrten ihre Gedanken zu dem Freund und Vorgesetzten zurück.
Germaine war in Dvenskys Festung, quasi als lebende Versicherung, dass die Bryanter ihnen nicht in den Rücken fielen, sobald Blakes Wort angriff. Und das Blakes Wort angreifen würde, stand außer Frage.
Sie hatte Charles nicht gefragt, wie er die Lagerhalle, in der sie Blakes Wort vermuteten, überwachte, aber auf irgendeine Art tat er es.
Seine Meldung über gestiegene Aktivität war es nun gewesen, die ihren Plan zustande kommen ließ.
Draußen patrouillierte Jara Fokker, ihr Küken aus der Schlaglanze, das scheinbar unerfahrenste Mitglied der MechTruppen, alleine, ohne Partner.
In der Kaserne war alles ruhig, aber die Mech-Krieger schliefen so heimlich wie es ging in ihrem Maschinen, um so schnell es ging, eingreifen zu können, sobald der Angriff erfolgte.
Daran zweifelte niemand hier.
Die arme Jara. Sie sah wirklich nicht gut aus in letzter Zeit. Ob sie mit dem eisigen Temperament der Breiner nicht klar kam? Oder schockierte sie die Schwangerschaft ihrer Freundin Dawn, die von Doc Wallace vor zwei Tagen von ihrem Mech abgezogen worden war? Egal was, etwas nagte an ihr. Und ohne ihre Freundin konnte ihr niemand helfen, ihre Last zu stemmen. Juliette war niemand bekannt, der mit Jara ähnlich eng befreundet war wie Dawn. Nun gut, Germaine hatte in väterlicher Manier immer ein offenes Ohr für sie, aber er befand sich in Haft.
Ein wenig bereute Juliette es, keine freundschaftliche Beziehung zu der Puma-Pilotin aufgebaut zu haben. Jara hätte sich dann wenigstens bei ihr ausheulen können.
Die Sache mit dem BH damals wäre ein erstklassiger Vorwand gewesen. Einmal ganz davon abgesehen, dass sie selbst auch die eine oder andere Freundin hätte brauchen können. Denn außer mit Cindy war Juliette mit keiner anderen Frau der Chevaliers besonders warm geworden. Miko vielleicht, aber die war in Leipzig und kämpfte eventuell gerade um ihr Überleben. Belinda? So, wie sie den armen Germaine vorgeführt hatte, fand Juliette ihre Entscheidung, auf Distanz zu bleiben, vollkommen richtig. Dieses falsche Stück.
Wieder dachte sie an Jara. Auf ihrem Bildschirm patrouillierte ihr Mech knapp am Rande der Halbkilometer-Bannzone. Sie würde den ersten Angriff schlucken müssen.
McHarrod vertraute der jungen Kriegerin, missbrauchte sie wissentlich als Lockvogel, war aber dennoch überzeugt, dass sie überleben würde.
Juliette nahm einen weiteren Schluck Kaffee. Wenn Jara überlebte – wenn sie beide überlebten – dann würde sie sich bemühen, zu der niedlichen blonden Mechkriegerin eine Freundschaft aufzubauen.
Sie sah auf einen anderen Bildschirm, der die Statusanzeigen der Mechs wiedergab. Alle standen im Leerlauf, mehrfach gesichert, damit unbedachte Bewegungen der Schlafenden sie nicht aktivierten.
Nicht alle schliefen. Merkwürdigerweise spielten Sergeant-Major Rebecca, ihre Clansschwester Judith, Damien Mulgrew und Cadet Simstein Karten, anstatt sich auszuruhen.
Dieses Bild erschien Juliette verständlicher als Marvin Marv Mayhem, der tatsächlich die Ruhe zum schlafen fand. Auch First Lieutenant McHarrod hatte keine Probleme, in dieser Situation zu schlafen.
Juliette bewunderte ja die Soldaten, die tatsächlich überall und jederzeit schlafen konnten. Sie selbst kam mit lediglich vier Stunden aus, fünf waren schon Luxus für sie.
Ein anderer Bildschirm zeigte die Panzer. Mike McLoyd und seine Leute campierten direkt neben ihren schweren Maschinen. Sie waren bereit, im Falle eines Angriffs sofort los zu legen.
Übergangslos erhoben sich alle Panzerfahrer, begannen sich zu strecken und zu gähnen und in ihre Stiefel zu schlüpfen. Irritiert sah Juliette auf die Uhr und erkannte, dass es kurz vor vier war. Die Panzerfahrer hatten sich einen Wecker gestellt und beschlossen, rechtzeitig aufzustehen, bevor die Kampfhandlungen begannen, wie es aussah.
Nun, sie hatten nicht umsonst den Namen Dantons Höllenhunde. Auch wenn sie oberflächlich betrachtet laut, ungehorsam, flegelhaft und raufsüchtig wirkten, sie waren sehr stolz auf ihren Status als Panzerfahrer. Und sie leisteten eine Menge, um als Panzerfahrer respektiert zu werden und nicht gegen ihre Kollegen in den Mechs zu verlieren.
Mike war nahtlos in die Fußstapfen von Patrick Dolittle gestiegen und hatte seine Leute in der Krise gut im Griff. Das war ein gutes Zeichen für das Überleben der Chevaliers, fand die Stabschefin.
„Sparrow meldet Beschuss!“, gellte es plötzlich durch das HQ.
Sofort reagierte Juliette. Ihr Blick ging auf das zentrale Holo, auf dem sowohl das HPG als auch das direkte Umland dargestellt wurden. Ein Icon zeigte die patrouillierende Jara Fokker in ihrem Puma.
Drei bisher nicht identifizierte Icons tauchten gerade am Rande auf und wurden sofort rot dargestellt. Rot – feindlich.
Juliette ließ die Situation auf sich wirken, für unendliche drei Sekunden, in denen Jara mit ihren Waffen zurück feuerte.
Blakes Wort war da. Und sie würden sich sicher nicht mit Taktik aufhalten, wenn sie glaubten, die Chevaliers überrascht zu haben.
„Alarm!“, rief sie über den Lärm hinweg. „Sparrrow soll sich zurückziehen, aber den Feindkontakt halten. Nachricht an die Landungsschiffe: Schickt die Jäger raus!“
„Fallen Angels bestätigen. Hellboy und Kiki sind auf dem Katapult, GAZ drei Minuten. Freigabe der Bryanter liegt vor“, meldete Karel Svoboda atemlos. Seine Hände zitterten. Sein zweiter Kampf, und er konnte nichts tun außer seinen Job im Stab.
„Lieutenant Haris“, erklang die Stimme von Wolf in ihrem Headset.
„Lupo?“ „Harris, Sie sitzen an einem Holotisch. Sie haben eine bessere Übersicht als ich. Wenn Ihnen also etwas auffällt, was mir und den anderen helfen kann, raus damit.“
Juliette sah auf die verschiedenen Monitore. Die Scoutlanze der Panzer verließ gerade geschlossen den Hangar, während der Grim Reaper von Sergeant Niedermeyer Probleme zu machen schien. Natürlich im ungünstigsten Augenblick. Aus dem MechHangar schob sich soeben der Tai-sho hervor, dicht gefolgt vom Kriegshammer IIC sowie dem modifizierten Marodeur von Damien Mulgrew. Brachte das Kartenspielen also doch was.
„Hellboy und Kiki sind auf dem Weg. Die Bryanter ermahnen uns erneut, unseren zugewiesenen Korridor nicht zu verlassen. Die Panzer sind zu fünfzig Prozent bereit, die Mechs zu dreißig.
Digger meldet Sprungtruppen und Kommandos zu vierzig Prozent bereit.
Sniper sind in Position. Im Moment spotten sie nach Zielen. Mehr gibt es, wenn ich selbst mehr habe.“
„Verstanden. Halten Sie mich auf dem Laufenden.“ Der Thor, die alte Mühle von Germaine, verließ nun den Hangar, um seiner Lanzenkameradin Jara zu Hilfe zu eilen.
Danach folgte der Dunkelfalke von Artemis.
Juliette drehte sich in Richtung des Kartentischs. Die drei angreifenden Kontakte waren mittlerweile identifiziert worden. Sie fuhren Transponder, und das erschreckte die Stabschefin enorm. Denn dies bedeutete nur eines: Blakes Wort rechnete nicht damit, für ihren hinterhältigen Angriff belangt zu werden.
Ein vierter Kontakt trat nun hinzu und eröffnete ebenfalls das Feuer auf den Puma.
Jara hielt sich gut, erschreckend gut. Torso und linker Arm hatten Panzerung verloren, aber es war noch nicht sehr arg. Den Gegner auf über sechshundert Meter zu halten hatte den Schaden minimiert. Außerdem war sie nur noch wenige Dutzend Meter vom rettenden Innenhof entfernt.
„Identifikation. Angreifer ist laut Transponder Blakes Wort. Ich wiederhole, Blakes Wort. Angreifende Mechs identifiziert. Kontakt Alpha ist ein Raijin, Typenkennung wahrscheinlich RJN101-C. Kontakt Beta ist ein Wyvern, Typenkennung wahrscheinlich WVE-10N.
Kontakt Charly ist ein Kintaro, Typenkennung wahrscheinlich KTO-21.
Kontakt Delta ist ein Lancelot, Typenkennung wahrscheinlich LNC25-01.“
Das ermöglichte ihnen einen ersten Überblick der Lage. Vier angreifende FeindMechs, mittelschwer und schwer. Sie rechneten mit acht, also dachte Juliette nicht daran, sich durch das vermeintliche Ungleichgewicht zugunsten der Chevaliers einlullen zu lassen.
„Weiterer Kontakt“, meldete der OrtungsTech. Ein neuer roter Blip tauchte am Rande der Karte auf. „Es ist ein… Scheiße! Kontakt Ecco ist ein Highlander, Typenkennung wahrscheinlich HGN-736.“
Erschrocken atmete Juliette aus. Ein fünfundneunzig Tonnen schweres Assault-Monster.
Irgendwie konnte sie überdies nicht glauben, dass die Blakies eine derart große Lücken von fünfunddreißig Tonnen zu ihrem schwersten Mech zuließen. Sicher war dort mindestens noch ein weiterer Mech verborgen, um die Sektion zu füllen.
„Erhöhte Aufmerksamkeit auf den rückwärtigen Bereich“, befahl sie ernst. Sie wären nicht die erste Einheit gewesen, bei der ein Feind an die Tür geklopft hätte, um durch den Hintereingang einen Überraschungsangriff durchzuführen.
„SCHEIßE!“, klang ein lauter Fluch über den Gefechtsfunk auf. Jara Fokkers Puma ging getroffen in die Knie. Zwei PPK-Treffer hatten sie herum gewirbelt.
„Schlaglanze ausrücken, Befehlslanze ausrücken“, befahl McHarrod tonlos. „McLoyd, bring deine Scouts und die Artilleriepanzer mit. Wir gehen mit den Blakies spielen. Aber haltet euch von dem Lancelot und dem Highlander fern.“
Der Thor verließ als erster die vermeintliche Sicherheit der Kaserne und trat ins Freie. Sofort feuerte er die Autokanone auf den vordersten FeindMech ab, den Wyvern und wurde mit einem Treffer belohnt. Die Scouts huschten zwischen dem Thor und dem ebenfalls heraus tretenden Dunkelfalke hindurch, fuhren auf die linke Flanke und begannen einen Störangriff auf den Raijin.
Nur um plötzlich Beschuss von der Seite zu bekommen.
„Neuer Kontakt!“, meldete der OrtungsTech. „Kontakt Ecco ist ein Black Knight, Typenkennung wahrscheinlich BL9-KNT.“
„Das sagst du uns reichlich früh“, beschwerte sich Corporal Yassin, die Kommandantin des Saracen der Erkundungslanze der Panzer. Ihr Saracen hatte zwei der Medium Puls Laser abbekommen und war einer PPK nur knapp entgangen.
„Kommt von der Flanke zurück“, befahl Decius Metellus ernst. „Gegen dieses Monster nützt Ihr uns nichts. Archer, wie wäre es mit einem Entlastungsangriff für unsere Kameraden?“
„Kommt sofort“, meldete der Kommandeur der Artillerielanze der Panzer.
Kurz darauf entsandten die vier LSR-Werfer der Artillerielanze von Sergeant Gordon einen ersten Feuerschlag, der in Richtung des Wyvern, des Black Knight und des Raijin ging, aber aufgrund der Entfernung nur wenige Schäden verursachte.
Doch anscheinend reichte es aus, um die drei Mechs anhalten zu lassen. Kurz darauf zogen sie sich aus der Waffenreichweite zurück.
„Sparrow, Hermes vier“, sprach Juliette Harris den Puma und den Saracen an, „ziehen Sie sich zurück und lassen Sie eventuelle Reparaturen vornehmen.“ In Gedanken fügte sie hinzu: Solange wir eine unbeschädigte Basis haben und dies noch tun können.
„Negativ, Home Base“, kam die Erwiderung von Sparrow. „Ich bin noch fit.“
„Die Nacht ist noch lang, Mädchen“, erklang das Anastacia Yassins Stimme. „Da sollten wir für jeden Panzerflicken dankbar sein, den die Techs uns aufschrauben können. Hermes vier kommt rein.“
„Sparrow kommt rein“, meldete nun auch Jara missmutig.
Innerlich atmete Juliette auf. Die erste Runde hatte die junge Kriegerin überstanden.
Vor dem HPG nahmen nun die Mechs knapp vor den LSR-Werfern Aufstellung und warteten auf den nächsten Angriff, während die übrigen Chevaliers bereit waren, zur anderen Seite zu sichern. Oder von wo sonst auch immer der nächste Schlag erfolgte.
„GAZ Hellboy und Kiki eine Minute“, meldete ein KommTech. „Icecream und Hotshot gestartet.“
Dies würde noch eine sehr lange Nacht werden, dessen war sich Juliette sicher.
Ace Kaiser
Demi-Präzentor Aden Kiluah bewegte seinen Highlander vorsichtig durch die ausgewiesenen Straßen von Brein. Feldjäger der Regulars lotsten ihn und seine zwölf Mechs starke Truppe durch die eisigen Straßen der planetaren Metropole. Sie nahmen ausschließlich die verstärkten Straßen, welche die wuchtigen Schritte der bis zu neunzig Tonnen schweren Mechs auch verkrafteten. Brein war mit einem wahren Netz dieser Wege durchzogen, hatte aber auch genügend Straßen und Gassen, in denen ein Mech einsank. Dies war aber nur eine von vielen kleinen Gemeinheiten, die einen Invasor auf Bryant erwartete, was die Söldner der New Home Regulars neulich schmerzhaft erfahren mussten.
Kiluah machte sich seine Notizen, vielleicht würde er diese Informationen irgendwann einmal brauchen.
Trotz der eng beieinander stehenden Häuser erreichten sie das weiträumige und kaum bewohnte Gebiet um den Beta-Hyperpulsgenerator relativ zügig.
Knapp vier Kilometer vor dem HPG ließ Kiluah halten, um ein letztes Mal den Plan zu besprechen.
„Ihr wisst alle, wie wir vorgehen wollen. Zuerst greift eine Hälfte den einsam patrouillierenden Puma an und so Blake es will, vernichtet sie ihn. Eine Clansmaschine weniger, die von den verräterischen Erben Kerenskys gebaut wurde und die Innere Sphäre mit ihrer Anwesenheit besudelt.
Wir halten den Beschuss und ziehen die gegnerischen Mechs aus dem Hangar. Danach attackiert die andere Hälfte unserer Einheit die Anlage über das zweite Haupttor, nimmt den Feind in die Zange und reibt ihn auf. Fragen?“
„Der Wille Blakes spricht durch dich, Demi-Präzentor Aden Kiluah“, meldete sich Adept IV Montjar Jefferson zu Wort, der Pilot des Wyvern, „aber warum greifen wir nicht frontal an? Wir gehen mit Höchstgeschwindigkeit vor, radieren den Puma nebenbei aus, dann springen die sprungfähigen Mechs unserer Einheit in den Innenhof und radieren alles aus, was aus den Hangars kommt. Danach vernichten wir noch die Infanterie und löschen die Verräter von ComStar aus und die Sache ist erledigt. Vier Minuten maximal und Blakes Segen wird auch auf diesem Planeten weilen.“
Aden Kiluah zwang sich mühsam, seine verkrampften Hände wieder etwas zu lockern, bevor er sprach. „Montjar“, sprach er ihn in familiären Ton an, „das ist ein guter Plan und verspricht einen schnellen Sieg. Aber leider geht es hier nicht nur um Kampf sondern auch um Politik.“
Aden ließ den humanoiden Highlander herumfahren und in die nächste Seitengasse zeigen, in der eine Lanze schwerer Shukow-Panzer aufgefahren war.
„Wir können leider nicht so angreifen wie wir gerne möchten, sondern müssen so behutsam vorgehen wie ein Chirurg bei einer Operation. Count Dvensky hat uns eine klare Auflage gegeben, die Kollateralschäden so gering wie möglich zu halten, deshalb müssen wir einerseits aus Richtungen angreifen, in denen unser Feuer und Feindfeuer die Wohngebäude in der Umgebung des HPG nicht beschädigt. Ob dies in der Hitze des Gefechts möglich ist sei dahingestellt, aber eine Evakuierung der betroffenen Häuser hätte die Chevaliers gewarnt.
Und andererseits will ich die Schäden am Beta-HPG so gering wie möglich halten.“
Wieder ballte Kiluah die Hände zu Fäusten und umspannte die Steuersticks mit schmerzhafter Intensität. „Es wäre ein viel zu leichter Sieg für die Ungläubigen, wenn sie den Beta-HPG, der uns sowieso zusteht, mit ihren letzten Zuckungen beschädigen würden.
Ist deine Frage beantwortet, Montjar?“
„Ja, Demi-Präzentor. Aber setzen wir uns nicht der Gefahr durch Luftangriffe aus?“
Für einen Moment dachte der Anführer der Mechtruppe darüber nach.
„Ja“, lautete seine schlichte Antwort. „Aber unsere C3i-Vernetzung wird uns hier einen Vorteil verschaffen. Oberste Priorität muß der Schutz des HPG haben. Die zweite Priorität ist zu verhindern, dass die Bryant Regulars uns zum unpassendsten Zeitpunkt in den Rücken fallen, weil wir zivile Gebäude beschädigt haben.“
„Hältst du das für möglich, Demi-Präzentor?“, fragte Akoluthin Lena Hayes, die Pilotin des Black Knight.
„Der Schatun“, antwortete Kiluah leise, „ist ein gefährlicher Mann, der immer zuerst seinen eigenen Vorteil sucht. Wenn es ihm passt, uns in den Rücken zu fallen, wird er es tun. Solange er eine Regierung auf diesem Planeten stellt oder unterstützt müssen wir ihn als permanente Gefahr betrachten.“
„Aber warum vernichten wir die Ungläubigen nicht gleich mit? Blakes Wille geschehe.“
Kiluah schmunzelte bei diesem Enthusiasmus. „Erstens ist die dritte Sektion II gerade in Leipzig und fehlt uns hier an allen Ecken und Enden. Und zweitens erwarten uns bei den Chevaliers drei Lanzen Panzereinheiten, eine Kompanie Infanterie und eine Kompanie Mechs. Dazu zwei Lanzen Luft/Raumjäger. Außerdem hat uns eine vertrauliche Quelle mitgeteilt, dass das Gelände vor dem HPG unregelmäßig vermint wurde. Ich denke, wir können uns nur mit einem Gegner zugleich herum ärgern. Vernichten wir die Chevaliers. Um das andere Problem werden wir uns ein anderes Mal kümmern. Weitere Fragen?“
Stille antwortete ihm. „Gut. Dann los.“
**
Juliette Harris betrachtete ihre zitternden Hände. Sie hatte schon oft im Gefecht gestanden, aber noch niemals hatte sie soviel Verantwortung getragen wie heute. Selbst als es Team Stampede erwischt hatte, war sie nicht so nervös und verzweifelt gewesen wie heute.
„Germaine“, murmelte sie leise und biss sich nervös auf die Lippen, „wie kannst du mich in so einer Situation allein lassen?“
„Home Base“, erklang die Stimme von First Lieutenant Sleijpnirsdottir über TakKom, „habe hier eine kurze Übersicht, sieht nach den genannten Brocken aus, inklusive eines Shootist und Guillotine, sowie Crockett beim Highlander. Nach der Trefferquote dieses Lancelot zu urteilen, haben die entweder saugute Schützen, oder sie verwenden K3 Computer.“
„Verstanden Kiki, wir achten darauf. Home Base Ende“, meldete KommTech Adams, der die Flieger koordinierte.
„Home Base, Fallen Angels One und Three, Fallen Angels Two und Four schließen auf, GAZ eine Minute, verzeichnen Tangos in eure Richtung kommend, plus sechs, wiederhole, plus sechs Tangos, Typenbezeichnungen folgen. Icecream out.“
Erschrocken sah Juliette auf. Es war klar, dass Blakes Wort sich nicht nur auf eine Sektion II beschränken würde, um das HPG anzugreifen. Aber die zweite Sektion II war zu einem Zangenangriff unterwegs.
„ Roger, Kiki hat verstanden, Home Base, wir machen die Aufklärung und geben euch Deckung, ich empfehle, dass ihr euch die beiden Brocken schnappt, die sind recht isoliert, hier drüben sind die Deckungsfelder zu gut! Fallen Angels werden mal ein wenig aufräumen gehen.“
Juliette hörte dem Funk der Flieger nur noch mit einem Ohr zu, als sich eine neue Stimme meldete. „Sparrow ist im Hangar zusammengebrochen!“
Die Stabschefin der Chevaliers seufzte tief und ließ sich in ihren Sessel sinken. Danach hatte das Mädchen auch schon seit Tagen ausgesehen. Es war Glück für die Chevaliers, dass sie ihre Aufgabe noch hatte erfüllen können und ihren Mech nahezu unbeschädigt vom Schlachtfeld gebracht hatte, bevor sie eingeknickt war.
„Schlafen lassen“, kommentierte Juliette. „Auf dem Schlachtfeld ist sie im Moment ein Risiko. Und wenn Blakes Wort uns nicht in den nächsten Minuten ausradiert, dann wird das hier eine lange Nacht werden. Dann können wir eine halbwegs ausgeruhte Kriegerin auf dem Puma noch gut gebrauchen.“
„Ich stimme zu“, sagte Wolf McHarrod leise. „Haben Sie Neuigkeiten für uns, Home Base?“
„Es sieht so aus, als würde sich eine zweite Sektion II aus der anderen Richtung nähern. Die Frage ist nun, wollen Sie sie eindringen lassen oder treten Sie ihnen entgegen, Lupo?“
„Wir rücken aus. Gegen C3 hilft nicht viel, aber wenn wir unser eigenes Schussfeld einschränken, helfen wir Blakes Wort zusätzlich. Die Infanterie soll auf Springer aufpassen. Ein leichter oder mittelschwerer Mech innerhalb der Mauern kann furchtbare Verwüstungen anrichten.“
„Verstanden, Lupo“, sagte Juliette leise.
„Sergeant Rowan und sein Team rücken mit mir aus. Wollen wir doch mal sehen, ob wir Blakes Wort nicht etwas Neues beibringen können.“
„Hauptsache, es sind keine Veteranen von Tukkayjid dabei. Dann dürften unsere Elementare eine Überraschung erleben.“
„Anders wäre es ja langweilig“, kommentierte McHarrod. Beinahe glaubte Juliette, sein Grinsen sehen zu können.
„Ich brauche so schnell es geht eine Identifikation der anderen sechs Mechs. Tempo, Leute.“
Leise fügte sie hinzu: „Davon hängt das Überleben der Einheit ab.“
**
Nervös marschierte Germaine Danton in seinem Zimmer auf und ab. Vor einer Stunde hatte man ihn geweckt und ihm mitgeteilt, dass die Blakes Wort-Miliz mit einem Angriff auf das Beta-HPG begonnen hatte. Woher die Miliz plötzlich gekommen war und über welche Einheiten sie verfügte war kein Wort verlautet. Es war gut möglich, dass Dvensky davon ausging, dass Germaine dieses Wissen schon besaß. Oder er wollte ihn ein wenig im eigenen Saft schmoren lassen.
Auf einmal kam ihm seine Idee, sich als Geisel anzubieten nicht mehr ganz so gut vor. Ohne Manfred, der noch immer auf Station lag hatten die Chevaliers einen schweren Stand.
McHarrod war ein guter Offizier, aber ein Großteil seiner Erfahrung hatte er als Offizier der Clans gemacht. Die meisten MechKrieger der Chevaliers waren aber nicht auf persönlichen Ruhm aus, sondern auf das Überleben ihrer Kameraden – und selbstverständlich ihr eigenes.
Wie gut hatte sich der ehemalige Geisterbär angepasst?
Germaine ging noch eine Runde. Und dann noch eine. Was war so schlimm daran, ihm einen Zwischenbericht zu geben? Leonid hätte sich wenigstens soweit herablassen können, ihm zu verraten, welchen Grund Blakes Wort für diesen Angriff vorgeschoben hatte.
Ahnte der Schatun überhaupt, dass er nicht mehr Herr im eigenen Haus war?
Mühsam entkrampfte der Chevalier seine Hände. Früher war alles einfacher gewesen. Er war der Rächer und der Rest der Welt die Beute oder einfach nur im Weg. Sandhurst hin, Sandhurst her, er hatte jemanden zu rächen.
Germaine hatte geglaubt, all dies hinter sich gelassen zu haben, nachdem ihn der alte Bull vor die Wahl gestellt hatte, entweder auf seine Leute Achtzugeben oder seiner Rache zu folgen.
Auch nachdem Belinda so schwer verletzt worden war hatte Germaine geglaubt, gehofft, dass dieses Kapitel seines Lebens endgültig vorbei war.
Aber alles hatte sich verändert. Belinda Wallace hatte sich verändert. Aus der einst so stolzen Frau, in die er sich verliebt hatte, war ein ängstliches Mädchen geworden. Ein Mädchen, dass dem Tod ins Auge geblickt hatte – und nun angstvoll zurück wich.
Sie kapselte sich ab, entfernte sich von ihm, und der Anführer der Chevaliers konnte nichts, aber auch gar nichts tun, um es zu verhindern. Erst Recht nicht, solange er hier in der Festung festsaß.
Und dann diese furchtbare Entscheidung, zu der sie ihn genötigt hatte. Cliff oder Manfred. Germaine wischte sich über seine brennenden Augen. Die schlimmste Entscheidung seines Lebens. Er hatte schon oft Leben genommen. Und oft genug hatte er an der Seite von jemandem gekämpft, der im Kontrakt zuvor der Feind gewesen war.
Aber noch nie hatte er entscheiden müssen, wer leben und wer sterben sollte.
Es war so gut wie Cliff Peterson selbst zu töten.
Der Junge hatte so ein phantastisches Potential gehabt. Er hätte es weit bringen können, aber nun war er tot. Tot, weil sich Germaine für den Geliebten seiner besten Freundin Miko entschieden hatte.
Nein, das war ungerecht. Er hatte sich auch für den Kompaniechef seiner Mechs entschieden, zudem für einen guten Freund.
Der Tod von Philip machte die Geschichte nicht gerade leichter. Nicht nur, dass die Chevaliers lediglich über fünf Elementare verfügt hatten, waren ihm die Riesen zu guten Freunden geworden. Auf einen zu verzichten, zu wissen das er tot war, machte Germaine zu schaffen. Wie viele würden Cliff und Philip in dieser Nacht noch folgen?
Und wie viele würden es, weil er, Germaine Danton, sich freiwillig in die Hand des Schatuns begeben hatte, anstatt seine Aufgabe wahr zu nehmen und seine Leute anzuführen?
Noch eine Runde. Eine weitere Runde. Und eine dritte.
Er konnte, er durfte nicht an Leipzig denken. Was dort alles schief gehen konnte… Das letzte Signal war wie eine Verheißung gewesen. Dort war man anscheinend auf dem richtigen Weg. Aber wenn Blakes Wort hier gegen die Chevaliers vorging, dann doch sicher auch auf Tomainisia. Wie stand es um die Kameraden dort?
Germaine vertraute dem alten Dolittle wie kaum einem anderen Menschen. Aber letztendlich war auch der gewitzte Panzerfahrer nur ein Mensch.
Obwohl, er hatte ja Glück für fünf. Wenn er daran dachte, dass er aus der brennenden Little Nelly entkommen war…
Ja, dieser Mann hatte das Zeug zum überleben.
Aber die anderen? Die MechKrieger? Triple-D hatte die Tage vor der Mission reichlich blass ausgesehen. Sein Kumpel Hank hingegen war definitiv ein Fels in der Brandung.
Miko-chan hatte gute Fähigkeiten, aber konnte sie Trent das Wasser reichen? Und wer von den beiden, von den vieren würde auf dem Äquatorialkontinent bleiben, wer würde es zurück schaffen?
Und was war mit der Infanterie und den Pionieren unter Sagrudson?
Im Nachhinein dachte Germaine, dass eine gewaltsame Landung der ganzen Einheit in Leipzig vielleicht die beste Idee gewesen wäre.
Dann diesen verdammten Inhibitor holen und wieder abdampfen, das wäre es doch gewesen.
Aber nein, er hatte ja wieder mal einen auf heimlich machen müssen.
Den Erfolg gegen Kenda und die Ronins fortführen wollen.
„Kenda-kun“, murmelte Germaine leise, „was hättest du gemacht?
Wahrscheinlich wärst du einfach durchmarschiert, was?“
Vielleicht wäre dies wirklich die bessere Variante gewesen, anstatt sich hier Dvensky zum Feind zu machen.
Wenn er Kenda und Leonid verglich, mochten sie auf den ersten Blick gleich wirken. Aber es gab einen gravierenden Unterschied. Dem Draconier war es letztendlich egal ob er starb, solange die Organisation und die von ihm etablierten Zellen weiter existierten.
Dvensky hingegen hatte den Auftrag angenommen, für das Leben Zehntausender einzutreten. Und dies würde jede seiner Entscheidungen beeinflussen.
Germaine hätte das sicher geschickter gegen ihn verwenden können, anstatt ihm mit einer randalierenden Mechkrieger-Kompanie zu drohen.
Wenn dies in die Akte der Einheit kam…
Andererseits hatte der Schatun die Hilfeleistung der vermeintlich Abgestürzten blockiert. Das mochte einiges wieder gutmachen.
Verfahren ging sich der Chevalier mit beiden Händen durch die Haare. Richtig und falsch lag so eng beieinander. Mittlerweile gab es für ihn nur noch wenig Fehler und viel Fehler, denn richtig machen konnte er schon lange nichts mehr.
„Ich muß hier raus“, murmelte Germaine gereizt.
**
Ungläubig fuhr Demi-Präzentor Kiluah herum, als es hinter dem Lancelot aufblitzte.
Waren die Chevaliers irgendwie in seinen Rücken gelangt? Der Kampftitan war noch nicht auf dem Schlachtfeld erschienen. War er es?
„Hier spricht Major Alexej Nicolajewitsch Tereschkow. Blakes Wort-Miliz, Sie verlassen den Ihnen erlaubten Angriffswinkel. Wir werden keine Zerstörungen an Zivilgebäuden oder gar einen Kampf zwischen ihnen erlauben. Bestätigen Sie, Blakes Wort Miliz-Commander.“
Wütend stierte Kiluah auf die beiden Shukow-Panzer. Es wäre nur eine Geste für ihn, herum zu schwenken und mit dem Gauss-Geschütz und der Artemis-unterstützten Zwanziger LSR zu zeigen, wer hier eigentlich das Sagen hatte.
Aber er erinnerte sich an seine eigenen Worte und suchte wieder das Fernduell mit den Chevaliers. Die K3i-Vernetzung brachte ihm bei diesem Kampf Vorteile und klopfte den Gegner weich, bevor sie zum Sturm übergingen.
„Bestätigt, Major Tereschkow. Blakes Wort-Miliz, auf meine Höhe kommen. Weg von der Stadt.“
Es war beschämend, sich derart gängeln zu lassen. Aber er selbst hatte ja zugestimmt. Zugestimmt, die Zerstörungen auf ein Minimum zu beschränken.
„Adept Wolters, alles in Ordnung bei dir?“
Der Pilot des Lancelots meldete sich sofort. „Ich wurde nicht direkt beschossen, Demi-Präzentor. Aber ich hätte nicht übel Lust, mich für…“
„Spar es dir auf. Unser Zangenangriff wurde aufgehalten, das ist im Moment unsere größere Sorge. Wurden alle Mechs identifiziert, die zu den Chevaliers gehören?“
„Negativ. Der Puma ist verschwunden und der Kampftitan hat noch nicht ins Gefecht eingegriffen. Nebenbei fehlt auch noch der Fenris, ein weiterer ClansMech.“
Kiluah fühlte wie seine Hände zu zittern begannen, als er die nächste Frage im Geist formulierte. „Haben die Elementare bereits in den Kampf eingegriffen?“
„Wir beobachten den Thor und den Dunkelfalke, aber auf beiden ist keine Spur zu finden.“
„Das macht dann also zwei leichte Mechs und einen schweren sowie fünf Elementare“, ging der Demi-Präzentor seine Optionen durch. Konnte er nun auf Jeffersons Idee zurückkommen und die sprungfähigen Mechs angreifen, springen und von innen heraus kämpfen zu lassen? Oder würden die Elementare und die drei Mechs ausreichen, um einen solchen Angriff in einem Fiasko enden zu lassen? Mit der Wyvern, der Lynx, die Guillotine, sein eigener Highlander, der Raijin und dem Crockett würden sie eine beachtliche Streitmacht heran bringen. Aber gleichzeitig die bestehende Schlachtreihe entblößen, Unordnung in die eigenen Linien bringen. Andererseits gehörten Wyvern, Raijin, der Crockett und sein Highlander zum K3i-Verbund und würden eventuell horrende Schäden anrichten.
„Luftangriff!“, gellte die Warnung auf. Kiluah suchte sein Ziel und richtete die LSR danach aus. Die beiden Stukas kämpften mit den gleichen Problemen wie er selbst. Sie mussten sich an einen ziemlich engen Korridor halten und konnten sich so nicht frei entfalten. Somit hatten seine Krieger eine gute Chance, die beiden Bomber und die zwei Jäger der Chevaliers Stück für Stück auseinander zu nehmen oder auch mit einem glücklichen Treffer abzuschießen.
Der Computer meldete eine Zielerfassung und kurz darauf sauste ein Schwarm LSR auf ihn herab. Kiluah lächelte kalt.
Seine Artemis meldete Zielerfassung, und bevor ein Drittel der gegnerischen Raketen quer über seinem Rumpf und Kopf einschlug, hatte er selbst zwanzig der Raketen auf die Reise geschickt.
„Wir ändern unsere Taktik. Unsere sprungfähigen…“
„Demi-Präzentor“, meldete ihm eine aufgeregte Stimme, „die Häretiker von ComStar bereiten den Abmarsch vor. Außerdem beginnen Techniker mit dem löschen von Protokollen, Codes und Chiffrieranlagen! Unsere Agenten bitten um Anweisungen!“
Ein herzhafter Fluch kommentierte seine plötzlich absackende Laune. Wenn er noch einen Beweis gebraucht hatte, dass die Chevaliers ihn erwartet hatten, hier war er. Sein Vorgehen war vollkommen berechtigt gewesen. Sie waren dem Gegner überlegen und konnten es sich leisten, ihn mühsam zu zermürben.
„Blakes Wille geschehe“, murmelte er und trat die Pedale der Sprungdüsen durch.
**
Juliette Harris massierte nervös ihre Hände. Der Angriff von der Flanke war erwartet worden, aber nicht in dieser Form. Den sechs gegnerischen Mechs, einer Crab CRB-30, einem Tessen TSN-1C, einem Lynx LNX-9Q, einer Guillotine GLT-5M, einem Shootist ST-8A und als schwerstem Mech einem Crockett CRK-5003-1 hatten sie die vollständige Kampflanze unter Fang und die Panzerkampflanze mit Grim Reaper an der Spitze entgegen werfen können. Zusätzlich hielten sich die Sprungtruppen von Sergeant-Major MacLachlan bereit.
Sie sah kurz zur Uhr. Seit dem ersten Schuss waren erst sieben Minuten vergangen, aber selten wie sonst dehnte sich die Zeit für sie zu einer kleinen Ewigkeit. Himmel, wo war Germaine? Wann kam endlich das Signal?
„Schüsse im Innenhof“, meldete jemand sachlich und kalt. „Einer der Akoluthen wollte eine Handgranate in das Führerhaus einer der Laster werfen, die das Material von ComStar abtransportieren sollen. Er wurde rechtzeitig daran gehindert.“
Juliette schlug beide Hände vor dem Gesicht zusammen. Na toll, ganz toll. Nicht nur, dass sie da draußen zwölf ärgerliche Blakes Wort-Mechs hatten, von denen die Hälfte auf K3i lief, nein, hier drinnen enttarnten sich plötzlich die Schläfer und machten ihnen das Leben schwer.
„Shadow soll ein paar fähige Leute abstellen, die sich darum kümmern.“
„Tear bittet um die Erlaubnis ausrücken zu dürfen, Ma´am“, meldete Corporal Swoboda und sah sie ernst an.
Einen Moment lang kämpfte Juliette mit sich. Tear, genauer gesagt Dawn Ferrow war schwanger und von ihrem Mech abgezogen worden. Andererseits würde die Front um Lieutenant Wolf eine erfahrene Pilotin gebrauchen können, denn die Ausbildung für MechKriegerin Haruko Yamada war mehr als überhastet verlaufen und die Bewegungen des Hatamoto-chi deuteten allzu deutlich darauf hin.
„Sie soll aufsitzen und zu ihrer Lanze aufschließen. Aber sie soll verdammt noch mal vorsichtig sein.“
Swoboda nickte bestätigend.
Germaine, ging es Juliette durch den Kopf, wo bleibst du?
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„Baka!“, blaffte Yamada und brachte den Hatamoto dazu, trotz des PPK-Treffers an der Hüfte die ungewohnte Maschine aufrecht zu halten. Welcher Teufel hatte sie nur geritten, das Angebot des Yohei anzunehmen und der Einheit beizutreten? Außerdem, was machte sie hier in dem Hatamoto-chi? Sie hatte sich eigentlich auf den niedlichen kleinen Fenris gefreut. Ein mittelschwerer Mech entsprach so sehr viel mehr ihren Fähigkeiten und ihrer Erfahrung als der riesige draconische Mech.
Andererseits war es ein wirklich gutes Gefühl, hier neben dem Tai-sho des Master Sergeants zu stehen und die endlos erscheinenden Waffen abzufeuern.
Sie revanchierte sich bei dem fünfzig Tonnen schweren Tessen für den Treffer mit einem eigenen PPK-Blitz, der Panzerung von seiner Brust schälte.
„Pilum hier. Fasterman, Katana, kommt Ihr einen Moment alleine klar?“
Überrascht sah die junge Frau auf. Alleine?
„Natürlich, Master Sergeant“, antwortete Fasterman. „Ist im Moment sowieso nur ein gegenseitiges Abtasten.“
Yamada stimmte dem zu. Auch sie empfand dieses Gefecht eher als Geplänkel. In einer richtigen Schlacht wären längst ein oder zwei Mechs auf beiden Seiten gefallen.
„Und Sie, Katana?“
Wieder zuckte sie zusammen. Einerseits, weil der Raijin nun auf sie vorrückte und den Hatamoto unter Beschuss genommen hatte, andererseits, weil sie sich an ihren Codenamen noch immer nicht gewöhnt hatte. Kein Wunder. Bis Gestern hatte sie ja auch kaum auf diesem riesigen Ofen trainieren können, weil die Hälfte ihrer Kameraden mit einer Grippe im Krankenrevier lag und sie als mögliche Überträgerin untersucht worden war. „Gehen Sie nur, Pilum“, antwortete Yamada knapp. „Wir halten sie auf.“
„In Ordnung. Fang, hier Pilum. Home Base meldet, dass der Crockett, die Guillotine und der Lynx näher rücken. Wenn möglich, lassen Sie einen oder zwei passieren.“
„Fang hier. Wir halten sie auf.“
„Negativ, Fang. Ich werde mich im Innenhof platzieren. Wäre nett, wenn Sie den Crockett daran hindern zu springen, aber den Lynx können Sie mir ruhig zum spielen lassen. Amboss, bereit?“
„Amboss hier. Sprungtruppen sind bereit.“
Kurz musste Haruko schmunzeln. Ein gefährliches Spiel. Aber irgendwie gefiel es ihr.
„Katana hier. Der Raijin kommt mir jetzt doch bedrohlich nahe!“
Wieder prasselte Geschützfeuer auf sie ein. Die LSR-Träger antworteten für sie, gerieten aber nun in die Schussweite des mittelschweren, sprungfähigen Mechs, was sie veranlasste, sich in Bewegung zu versetzen, um schwerer getroffen werden zu können. Leider minimierte das auch ihre Trefferfähigkeiten.
„Der Aho will durchbrechen!“, blaffte sie wütend und feuerte den mittelschweren Laser und die ER-PPK im linken Arm auf den frechen Mech ab. Leider traf nur der M-Laser, richtete aber nur wenig Schaden auf dem rechten Arm an.
„Um den würde ich mir weniger Sorgen machen, Katana“, rief Fasterman ihr zu. „Denn der verdammte Highlander kommt jetzt auch an!“
Erschrocken checkte sie ihre Anzeigen. Tatsächlich, die sprungfähigen Mechs rückten massiv vor, unter ihnen der Highlander. Ihre nicht sprungfähigen Kollegen versuchten derweil, das Feuer der Chevaliers auf sich zu ziehen.
„Nicht mit mir!“, blaffte Haruko Yamada und feuerte nun auch noch die PPK im linken Arm. Eine Hitzewelle brandete über sie hinweg und sie legte beide KSR-Werfer auf einen neuen Feuerkreis. Wenn der Raijin sie passierte, würde sie ihm ordentlich einen mitgeben.
„Home Base, hier Home Base. ComStar wurde gewarnt und hat die Verladearbeiten eingestellt. Lupo, können Sie die FeindMechs aufhalten?“
„Lupo hier. Wir werden sehen.“
Wieder feuerte Yamada ihre linke PPK ab, traf den Raijin mittig, wurde dafür aber von den beiden schweren Lasern des Black Knight getroffen. Da ging sie hin, die schöne Armpanzerung. Verdammt, wenn sie den Laser und die PPK im rechten Arm verlor, dann büßte sie viel zu viel Schlagkraft ein.
Was war noch mal die Alternative zu den Chevaliers gewesen? Hungern, frieren, hart arbeiten und zwanzig Jahre auf diesem Dreckball bleiben? Hm, vielleicht hatte sie sich falsch entschieden.
Wenigstens spielte der Highlander bei seinem Angriff nicht mit ihr sondern mit dem Thor von Lupo. Der ließ sich nicht lumpen und erwiderte mit PPK und Autokanone.
Gleichzeitig schoss Yamada erneut auf den Raijin und wurde ihrerseits erneut vom Black Knight erwischt. Sie hob den rechten Arm und gab den feurigen Gruß der Blakes Wort-Maschine mit einem PPK-Blitz zurück, der aber lediglich Erde vor der Maschine aufwühlte.
Mist, sie würde Wochen, wenn nicht Monate brauchen, um diesen Mech einwandfrei zu beherrschen. Und dann steckte sie in diesem Gefecht.
Der Raijin grüßte sie mit seiner 6er KSR, als er an ihr vorbei drängte.
Ein kaltes Lächeln umspielte ihre Züge. Sie wandte den Mech herum, wartete auf die Erfassung ihrer beiden eigenen Blitz-KSR und feuerte auf den leichteren Kollegen, als dieser gerade auf seinen Sprungdüsen in die Höhe ritt. Zwölf KSR lösten sich aus den Rohren und jagten auf den Gegner zu. Acht trafen, warfen den Raijin aus der Bahn und schleuderten ihn, wie von einer Titanenfaust ergriffen, in die Mauer rund um den Komplex.
„Archer, ich hätte da was zu tun für Sie“, gab Yamada durch.
„Schon gesehen. Falls er noch mal aufsteht, machen wir ihn fertig“, meldete sich der Anführer der Artillerielanze der Höllenhunde, Gray Gordon.
Hinter ihr erklangen Explosionen. Natürlich, sie hatte fünf FeindMechs den Rücken zugedreht. Es war klar, dass sie auf die gleiche Idee gekommen waren wie sie und die Gelegenheit nutzen würden, um nun ihrerseits in den Rücken zu schießen.
Doch die erwarteten Erschütterungen blieben aus.
„Wann wirst du dich endlich wieder dem Feind zuwenden, Katana?“, blaffte Fasterman. „Ich will hier nicht ewig Kugelfang für dich spielen!“
„Bin ja schon dabei!“, erwiderte sie erschrocken, drehte den Hatamoto ein und erkannte den wuchtigen Marodeur zwischen ihr und dem Black Knight.
„Raus, raus, raus!“, erklang plötzlich die Stimme von Lieutenant Mike McLloyd über Funk.
Seine Crew evakuierte den Hermes, nachdem er von Highlander mit einer Gauß zertrümmert worden war. Zum Glück hielt sich der neunzig Tonnen schwere Mech nicht mit dem Gnadenstoß auf, sondern sprang, nachdem er es bis auf fünfzig Meter an die Mauer heran geschafft hatte.
Verdammt! Ausgerechnet der schwerste FeindMech, und dazu in ihrem Rücken!
„Pilum, hier Fasterman! Sie kriegen Besuch! Der Highlander springt gerade!
**
„WONG!“, entfuhr es Aden Kiluah, als der fünfzig Tonnen schwere Raijin vom Hatamoto mit Blitz-KSR in den Rücken getroffen und wie eine Gliederpuppe zu Boden geworfen wurde.
Zu allem Überfluss landete der Mech auch noch in der Festungsmauer des HPG.
Sofort begannen die LSR-Lafetten der Chevaliers seinem Kameraden den Rest zu geben.
Wütend ballte Kiluah die Hände um die Steuersticks. Im Moment konnte er nichts tun, um Adept XIV Wong beizustehen, falls er überlebt hatte. Der Plan, sein Plan musste Erfolg zeigen.
Als der Hermes vor ihm zu wahnwitzig wurde, versenkte er erst beide Medium Laser und anschließend die Gauß in den gepanzerten Leib des Panzers. Danach setzte er seinen Angriffsweg auf die Mauer fort.
„Gib mir Deckung, Hayes!“, rief er der Pilotin des Black Knight zu. „Kiluah ist auf dem Weg ins Wespennest!“
„Demi-Präzentor, der Tai-sho ist noch nicht bei uns aufgetaucht! Falls er noch im Innenhof ist…“
„Sein Pech!“, blaffte Kiluah wütend und registrierte zufrieden, dass der Sprung nahezu problemlos verlief. Als er im Innenhof aufsetzte, hatte er eigentlich erwartet, mitten in die Verladeaktion von ComStar zu platzen und ein paar der Verräter töten zu können. Stattdessen empfing ihn ein Schwarm KSR.
Wütend sah er sich um und entdeckte zehn Soldaten, die ihre Schulterpacks auf den angreifenden Giganten abgefeuert hatten. Er wollte ihnen nach, sie mit seinen Lasern beharken, als er in der Ferne den Tai-sho bemerkte. Warum wandte er ihm, dem schwersten Feind auf dem Feld, den Rücken zu? Auf jeden Fall würde er es bereuen.
Das war einen Augenblick, bevor der Lynx über die Mauer kam, von hinten umleuchtet von zwei schweren PPK-Treffern und vorne empfangen von den beiden PPKs des Tai-sho.
Der fünfundfünfzig Tonnen schwere Lynx wurde schwer gebeutelt, erwiderte aber das Feuer. Als er gelandet war, hatte er die Mauer im Rücken und somit einen gewissen Schutz. Außerdem würde der Feind nicht mehr lange ein Problem sein, schwor sich Kiluah und richtete den Arm mit dem Gaußgeschütz auf den Rücken des draconischen Mechs aus.
Ihn zu ignorieren würde der letzte Fehler sein, den dieser Soldat je gemacht hatte.
Dann… Dann hallte es dumpf auf seinem Mech. Er hörte Metall kreischen, bemerkte, wie sich sein Gewicht verlagerte. Erneut der dumpfe Hall, dann noch mal.
Und plötzlich sauste eine Klaue über sein Cockpit hinweg.
Kiluah erstarrte. „Ele…“, hauchte er angsterfüllt. „Elementare…“
Nun erschien eine der Rüstungen direkt vor seinem Sichtfeld. Der V-förmige Sichtschlitz schien ihn böse anzufunkeln, während die Kralle an der Cockpitpanzerung riss. Deutlich erkannte er das Geisterbärenlogo auf dem KSR-Werfer wieder.
Übergangslos erinnerte er sich an den Kampf, damals auf Tukkayjid. An die Schlacht gegen die Geisterbären, den Schandsieg, den dieser Clan gegen die stolzen ComGuards erreicht hatten. Er erinnerte sich daran, wie sein Mech von den riesigen Elementare geentert worden war. Wie sie sein Cockpit aufgerissen hatten. Er glaubte noch immer den scharfen Geruch seines Angstschweiß zu riechen, sein verbrennendes Fleisch, als ihn der Laser des genetisch veränderten Infanteristen streifte. Wie er in Panik seine Pistole zog und schoss und schoss und…
„NEIN! GEH WEG! GEH WEG DA!“
Verzweifelt versuchte Kiluah den Elementare von seinem Cockpit abzuwischen, fort, nur fort von ihm! Er bewegte die Maschine um die eigene Achse, ließ die Arme auf den eigenen Torso schlagen.
Doch da gesellte sich ein zweiter Rüstungsträger dazu und half dem ersten, die Sichtscheibe aufzubrechen. Auch sein Sichtschlitz funkelte zu ihm herein, bedrohlich, eiskalt!
„NEIIIIN!“, brüllte er und schlug nach seinem eigenen Cockpit.
Die Elementare benutzten ihre Sprungdüsen und rasten davon, während der Arm immer näher kam.
Dann krachte es laut.
***
Ace Kaiser
First Lieutenant Juliette Harris versuchte krampfhaft, das Zittern ihrer Hände zu unterdrücken. Es gelang ihr nicht. Sie verschüttete mehr von dem Kaffee als sie wirklich trank.
„Germaine, verdammt, ich kriege viel zu wenig Sold für diesen Scheiß“, murmelte sie nach dem zweiten vergeblichen Versuch, etwas zu trinken.
In Gedanken machte sie sich eine Notiz, dem Major eine Solderhöhung für sich unterzuschieben.
„Lage?“, brachte sie leise hervor.
„Nachdem der Highlander gefallen ist, hat sich der Lynx schwer beschädigt zurück gezogen. Mitten in diese Absatzbewegung sind die Fallen Angels gestoßen und haben definitiv einen weiteren schweren Brocken beschädigt.
Wir haben also zwei verifizierte Abschüsse und mindestens vier schwer beschädigte Feindmechs. Die Infanterie hat den Highlander gesichert, aber vom Piloten ist nicht mehr viel über.“ Karel Swoboda wischte sich den Schweiß von der Stirn. „Die Fallen Angels haben übrigens eine Rüge von den Bryant Regulars erhalten. Der letzte Angriff hat Zivilgebäude beschädigt. Kiki sollte viel vorsichtiger sein, ansonsten haben wir es nicht mehr mit zehn Feindmechs, sondern mit vierzig zu tun, von den Panzern mal ganz abgesehen.
Blakes Wort hat sich zurückgezogen und die Ortungsreichweite verlassen.“
Juliette legte beide Hände an die Stirn und dachte nach. Zwei vernichtete FeindMechs, der Highlander und der Raijin, dazu einer eventuell von Icecream zerstört und mindestens drei, unter ihnen der Lynx, beschädigt. Blakes Wort zog sich zurück, wahrscheinlich um Reparaturen und Neuausrüstungen durchzuführen. Nun, da die Karten verteilt waren, brauchten sie ja auch nicht mehr auf den Überraschungseffekt hoffen und konnten bequem auf den nächsten Zug der Chevaliers warten. Sie langsam zermürben und dann angreifen, wenn sie begannen, sich zum Raumhafen zurück zu ziehen.
„Die Mechs sollen im Umschichtverfahren rein kommen, ebenso die Panzer. Die Infanterie soll rollierend Pause machen. Die Küche soll warmes Essen und vor allem Kaffee austeilen. Die Scharfschützenteams sollen ebenfalls rollierend pausieren.
ComStar kann wieder mit dem aufladen beginnen. Die Kommandos sollen die Arbeiten so gut es geht absichern. Ach, und bevor ich es vergesse, ich will, dass dieses verfluchte Appartement beobachtet wird, das uns in den Innenhof sehen kann.
Der Cheftech soll sich überdies mal die beiden Feindmaschinen ansehen, ob da noch was zu machen ist. Ich schätze, wir haben ein oder zwei Stunden, die sollten für provisorische Reparaturen reichen.
Vielleicht können wir auch Ersatzteile aus den Gegnern bergen.“
„Ich kümmere mich darum, Chef.“ Svoboda nickte ihr zu und setzte sich wieder an sein Pult.
Wie sehr hatte sich der extravagante junge Mann doch verändert, seit er auf New Home verwundet worden war. Wie sehr hatte er sich angestrengt, Verantwortung übernommen, sich verbessert. „Nein, Karel. Überlassen Sie das Kotranova. Für Sie habe ich eine besondere Aufgabe.“
Corporal Svoboda sah interessiert zu ihr herüber. „Jederzeit, Chef.“
„Gut. Nutzen wir die Kampfpause dafür. Ach, Karel, wie geht es eigentlich Ihrem Beinbruch?“
**
Den ersten Schlagabtausch hatten sie überstanden. Gut. Aber dafür einen Panzer und ein Besatzungsmitglied verloren, die anderen beiden verletzt. Sie konnten von Glück im Unglück reden, dass es mit Mike McLloyd zwar den neuen Anführer der Höllenhunde aus seinen Panzer aber nicht aus dem Rennen geworfen hatte. In diesem Augenblick ließ sich Mike in Mobilen HQ der Einheit verarzten und koordinierte seine verbliebenen elf Panzer von dort.
Haruko Yamada grinste schief unter ihrem Neurohelm, während sie den Hatamoto zum bewaffnen und Panzerung flicken zurück in den MechHangar schaffte. Sie war die Nummer zwei auf der Liste. Schlimmer als ihre Maschine hatte es nur Fasterman erwischt, der sie gegen ein paar Dutzend Raketen gedeckt hatte, während sie den Raijin abgeschossen hatte. Das wäre ein schlechter Tausch gewesen, alleine von der Tonnage her.
Aber sie war nun einmal eine Vollblutmechkriegerin und hatte sich solch eine Gelegenheit nicht entgehen lassen können. Einmal ganz davon abgesehen, dass der agile Springer im Innenhof noch verheerender hätte wüten können als der Highlander.
Kurz schluckte Yamada hart, als sie den gigantischen Koloss von neunzig Tonnen in einer der Wartungsnischen sah.
Die Techs entfernten gerade die sterblichen Überreste des Piloten. Viel hatte der Mann nicht von sich übrig gelassen, als er die eigene Faust auf sein Cockpit gedroschen hatte.
Sergeant Rowan stand mit seinen drei Elementaren in voller Rüstung vor dem Giganten. Yamada zoomte heran und erkannte, dass sie sich gegenseitig etwas auf die Rüstungen malten. Es sah ganz so aus wie die Silhouette des Highlanders. Also beanspruchten die genetisch verbesserten Infanteristen den Abschuss für sich.
Yamada schauderte beim Anblick dieser Giganten. Sie hatte das Kombinat verlassen, um nicht mehr gegen die Clans kämpfen zu müssen. Soweit hatte das geklappt. Aber war es nicht blanke Ironie, dass sie nun Seite an Seite mit ihnen kämpfte?
Außerdem hatte die Einheit übermäßig viel ClanTech, fand sie. Bisher hatte das noch nicht zu Wartungs- oder Reparaturengpässen geführt, was entweder auf eine Menge Geld oder einfallsreiche Techs schließen ließ.
Sie hatte genügend Chevaliers in den letzten Tagen kennen gelernt, um der zweiten Möglichkeit eine Chance zu geben.
„Hätte ich euch doch nur ein Jahr früher kennen gelernt“, murmelte sie leise und folgte den Anweisungen eines glatzköpfigen Techs mit zwei Leuchtstäben und der dicksten Brille, die sie je gesehen hatte, in eine freie Wartungsnische.
Sofort begannen die Techniker mit ihrer Arbeit, öffneten das Cockpit und halfen ihr heraus.
„Der Wolf erwartet alle Krieger im Besprechungsraum, Private“, informierte sie der gleiche Tech von vorhin. Ollin oder Oli hieß er, wenn sie nicht irrte.
Yamada nickte dazu und schlüpfte in ihren Chillsuit. Die Nacht auf Bryants Südkontinent war eisig kalt, und sie hatte keine Lust, sich die Grippe wirklich noch einzufangen.
Der Besprechungsraum war gut gefüllt mit Infanterie-Unteroffizieren, MechKriegern und Panzerfahrern, dazu untergeordnete Dienste. Der Rest, die MechKrieger auf Patrouille mit Video, die Panzerfahrer und anderen Unteroffiziere per Funk waren zugeschaltet.
Ebenso Mike McLloyd und die Stabschefin aus dem Mobilen HQ.
Jemand drückte ihr einen Becher dampfend heißen Kaffee und ein Gebäckstück mit einer dicken Zuckerkruste in die Hand, was sie dankbar annahm. Den Zucker und das Koffein würde sie noch übelst brauchen.
„Ich will es mal fix auf den Punkt bringen. Wir haben mächtig Schwein gehabt“, eröffnete McHarrod die Runde. „Für einen Moment sah es für mich wirklich so aus, als würden die Blakies Schäden am HPG riskieren und mit ihren schnellen Mechs rein springen, um den Abmarsch unserer Mechs zu verhindern. Damit hätten sie uns vernichtet, aber große Schäden an der Anlage in Kauf genommen.
Zum Glück haben sie sich für einen langsamen Vormarsch entschieden.
Kommen wir zur Soll-Seite. Sergeant Fokker ist zusammen gebrochen. Sie ruht sich unter ärztlicher Aufsicht aus und wird frühestens in drei Stunden wieder in ihren Mech steigen können. Des Weiteren haben wir Lieutenant McLloyds Panzer verloren sowie ein Crewmitglied.
Unsere Jäger haben gut ausgeschenkt, wurden teilweise aber sehr empfindlich getroffen. Hellboy und Icecream mussten zurück zum Raumhafen, um ihre Mühlen flicken zu lassen. Aber man kann wirklich sagen, für uns ging das glimpflich ab.
Doch machen wir uns nichts vor. Wir werden hier aus zwei Gründen mit Samthandschuhen angefasst. Einerseits, weil unsere Freunde von den Regulars keinen Unterschied dabei machen, wen sie abknallen können, sobald er ihnen auf die Füße tritt. Andererseits, weil wir hier auf etwas sitzen, was die Blakies haben wollen. Einen funktionsfähigen, mehrere hundert Milliarden C-Noten wertvollen Beta-Hyperpulsgenerator.
Der richtige Tanz für uns beginnt, wenn wir uns zum Landungsschiff zurückziehen müssen.
Denn dann heißt es nicht nur Kampfmaschine gegen Kampfmaschine. Dann haben wir unsere unterstützenden Truppen, die wir beschützen müssen, sowie das Personal von ComStar. Außerdem werden wir keine Route durch die Stadt nehmen dürfen. Im Gegenteil, wir müssen in das nahe gelegene Flusstal ausweichen und einen Bogen von fünf Klicks schlagen. Die Wälder und Hügel dort machen das Gelände sowohl für uns gefährlich als auch für die Luft/Raumjäger unübersichtlich.“
„Ich bin ganz froh darüber, dass wir nicht durch die Stadt gehen. Stadtkampf ist die Hölle“, meldete sich Sniper zu Wort. „Außerdem können wir da draußen endlich mal richtig ballern und müssen nicht darauf achten, dass wir ein Wohnhaus treffen.“
„Dummkopf. Wir werden dort dauernd auf etwas zu achten haben. Nämlich unsere eigenen Leute, während die Blakies den Rücken frei haben!“, blaffte Yamada auf.
Sie fühlte die Blicke der Anwesenden zu ihr herum schwenken und versuchte sich so klein wie möglich zu machen.
„Ganz Recht, Private Yamada“, sagte McHarrod ernst. „Die Alternative wäre nicht nur groß angelegte Verwüstungen in Brein zu riskieren, sondern sich auch dem Feuer der Regulars auszusetzen.
Kommen wir zur Haben-Seite. Wir haben den Raijin und den Highlander abgeschossen. Das reduziert die Zahl unserer Gegner auf zehn. Leider reichen diese zehn immer noch aus, um uns die Hölle heiß zu machen, jetzt wo wir selbst nur noch zehn Mechs haben. Wenn wir Adept Yalom mitrechnen.“
Der schweigsame ComStar-Verbindungsoffizier nickte von seinem Platz herüber. Seinem Gesicht war keine Regung anzusehen.
„So wie ich das sehe, werden die Blakies den ganzen Tag über Störangriffe durchführen, ein paar Hitn Run-Angriffe, um uns nicht zur Ruhe kommen zu lassen und um unsere Jäger oben zu halten und langsam zu erschöpfen. Aber auch um Zeit zu erkaufen, um ihre eigenen Maschinen zu reparieren. Der Lynx konnte entkommen und wird wohl in diesem Moment geflickt werden. Die Fallen Angels haben zwei weitere Mechs schwer beschädigt, aber wir wissen nicht wie schwer. Die ROM zeigen auch einen möglichen Abschuss an, aber die Bryanter schweigen zu diesem Thema. Sie geben uns keinerlei Unterstützung. Aber das hatten wir ja auch nicht erwartet.
Unser Aufbruch wird gegen Mitternacht erfolgen. Wir verlassen das HPG mit Marschgeschwindigkeit und folgen dem Flusslauf. Dazu brauchen wir weder einen Korridor noch die Erlaubnis der Bryanter für.
Wir folgen dem Fluss etwa drei Kilometer und kommen dann an einer Furt wieder hoch. Dies ist ein kritischer Moment, denn von dort an haben wir eine Strecke von fünf Kilometern zu bewältigen, die über ebenes, einsichtiges Land führt.“
„Gutes Gelände für die Jäger“, warf Hotshot über Videoverbindung ein.
„Und sehr gutes Gelände, um Jagd auf die Zivilfahrzeuge zu machen“, erwiderte McHarrod.
„Dies sind die Pläne der nächsten Stunden. Ich sage es euch gleich, es wird hart, sehr hart. Wir werden kaum Ruhe finden und eventuell schon in dieser Phase Kameraden verlieren.
Und dann folgt erst der Kräfteraubende Abmarsch. Es wird höllisch. Fragen?“
„Ja, hier.“
„Corporal Ferrow. Schön, dass Sie wieder in Ihrem Mech sitzen. Was haben Sie auf dem Herzen?“
Die junge Frau rang sichtlich mit sich. „Was ist mit dem Major? Was ist mit unseren Leuten auf Tomainisia?“
Lupo strich sich über sein Kinn. „Der Major wird kurz vor unserem Aufbruch zu uns stoßen. Und unsere Leute auf Tomainisia… Wir werden nach unserem Start vom Breiner Raumhafen nicht in den Orbit aufsteigen, sondern rüber nach Tomainisia fliegen. Falls die SKULL nicht aus eigener Kraft hoch kommt, werden wir an Chevaliers an Bord nehmen, was wir können und dann mit unseren Kameraden diese Welt verlassen. Wir werden eher Gerät als Freunde hier zurück lassen.“
Ferrow schien beruhigt, aber Yamada sah dennoch ihre Hände zittern.
„So. Herrschaften. Jeweils eine Lanze Mechs und eine Lanze Panzer patrouilliert. Den Anfang machen Lanze Fang und Lanze Grim Reaper. Der Rest ist in Bereitschaft. Esst etwas, versucht zu schlafen, bleibt warm. Weitere Fragen?“
„Ja, hier.“
Erstauntes Raunen ging durch den Raum, ein gutes Dutzend Blicke ging an Yamada vorbei zur Tür. Auch sie sah sich um und erkannte ein bekanntes Gesicht. Doch sie hatte es noch nicht in Kühlweste und Chillsuit gesehen.
„Können Sie vielleicht noch einen Kampftitan gebrauchen, Sir?“
Wolf McHarrod grinste breit. „Sind Sie nicht etwas eingerostet, Corporal?“
„Es wird schon irgendwie gehen. Mein Bein ist jedenfalls wieder fit.“
Yamada atmete innerlich auf. Selbst mit einem schlechten Piloten bedeutete der Kampftitan, auf dem eigentlich der Major und einer der Techs reiten sollten, eine echte Verstärkung.
Es rettete nicht gerade die Lage, zugegeben. Aber es war eine Verstärkung.
Ace Kaiser
Germaine Danton wanderte in seinem Zimmer auf und ab. Die frühe Nacht war vergangen, der Tag hatte ihn passiert mit der Zähigkeit von Kaugummi. Jede einzelne Sekunde war wie eine Bombe gewesen, die in seinem Kopf explodiert war. Die Sorge um seine Leute hatte ihn völlig im Griff. Je länger er hier war, desto dümmer erschien ihm die Idee, sich als Geisel anzubieten, um die Neutralität der Bryant Regulars zu sichern.
Die Uhr in seinem Raum zeigte Bryanter Lokalzeit. Es war nach neunzehn Uhr und damit bereits stockfinster auf den Straßen der Hauptstadt.
Wenn alles nach Plan verlief, würden seine Chevaliers in wenigen Stunden zum Raumhafen aufbrechen und mit dem ComStar-Personal diese Welt verlassen.
Unwillkürlich griff sich Germaine an die Brust. Unter der Uniform trug er einen Spezialanzug, den er brauchen würde, um beim Rückzug dabei sein zu können. Ebenso wie eine Doppelrolle Monodraht…
Er würde nicht darauf warten oder darauf vertrauen, dass Leonid Dvensky ihn gehen ließ. Nein, sicher nicht, und deswegen würden einige Soldaten des Schatun sterben müssen oder zumindest verletzt werden.
Aber es gab ein höheres Ziel für ihn, die Sicherheit seiner Einheit, seiner Leute.
Wütend raufte sich Germaine die Haare. Es war alles so ungewiss, so undeutlich. Wie war die Lage in Leipzig? Wie stand es um das HPG? Nach der letzten Meldung, Blakes Wort hätte die HPG-Anlage angegriffen hatte ihn keine Neuigkeit erreicht.
Gut, die teilweise befestigte Anlage bot eine gute Ausgangslage für die Verteidigung, und eine Kompanie Mechs, unterstützt von vier Luft/Raumjägern sowie Panzern und Infanterie sollte es möglich machen, standzuhalten. Aber die Gefahr war der Rückzug zum Raumhafen.
Dvensky würde niemals dulden, dass sie sich durch die Stadt, auf der Abkürzung zurückzogen, denn dies hätte bedeutet, dass die Blakisten einen Stadtkampf erzwingen würden. Nein, ihre Flucht würde aus der Stadt hinaus führen, über offenes Gelände. Ein schönes Gebiet für Luft/Raumjäger, aber eine Scheiß Situation, wenn man zehn oder mehr zivile Wagen zu beschützen hatte.
Germaine konnte sich vorstellen wie die Blakies vorgehen würden. Scheinangriffe den ganzen Tag und die ganze Nacht über, um seine Chevaliers nicht zur Ruhe kommen zu lassen und müde zu machen. Danach Stellungsausbau auf der vermuteten Fluchtroute, die Dvensky wahrscheinlich auch noch weiter leiten würde.
Und dann begann das eigentliche Übel an der Situation. Die Chevaliers hatten etwas zu beschützen, die Blakies brauchten nur die Wagen mit ComStar-Logo abzuschießen, um aus diesem Kampf als Sieger hervor zu gehen. Und sich vielleicht noch den einen oder anderen Mech zu holen, vielleicht einen LKT voll mit Infanterie, einen Panzer oder einen Jäger.
Ohne eine gute Führung, ohne einen erfahrenen Mann an der Spitze würde es in einem Massaker enden. Und solange Scharnhorst im Lazarett lag, führte McHarrod die Chevaliers.
Ausgerechnet McHarrod. Nicht, dass Germaine an dessen Kompetenz zweifelte, eine Kampfeinheit zu führen. Aber er war Jahre bei den Clans gewesen, und die neigten nicht gerade dazu, ihren niederen Kasten besondere Priorität einzuräumen.
Und alte Gedanken wurde man nur sehr schwer los, das wusste Germaine selbst am besten.
Wieder warf Germaine einen Blick auf die Uhr. Noch eine Stunde. Noch eine unendlich lange Stunde. Dann würde er gezwungen sein, aus seiner Uniform zu schlüpfen. Die Körperpartie mit der falschen Haut zu öffnen und den Monodraht hervor zu holen. Und dann würde er zwei oder mehr erwachsene Männer ermorden müssen. Das würde Dvensky ihm schwerlich verzeihen, vielleicht sogar das Risiko eingehen, mit seinen Luft/Raumjägern die startenden Lander anzugreifen, oder noch schlimmer, die Verladeoperationen anzugreifen und seinerseits ein Blutbad anzurichten.
Verzweifelt ballte Germaine die Hände zu Fäusten. Er hasste Verantwortung, hatte sie immer abgelehnt, hatte stets nur für seine Rache gelebt. Doch nun trug er Verantwortung, für Menschen, die er mochte, ja, liebte, und er wollte sich dieser Verantwortung stellen. Ein für allemal stellen. Dazu musste er hier raus.
Als es an seiner Tür klopfte, sagte er automatisch herein. Es gab nur einen Menschen, der einerseits die Berechtigung hatte, diese Tür zu passieren und andererseits ein wie auch immer geartetes Interesse hatte, ihn zu besuchen. Natalia, die Schwester des Counts.
„Herein“, sagte Germaine leise.
Die Tür öffnete sich, und eine kleine, schwarzhaarige Frau betrat den Raum. Ihre dunklen Augen funkelten intelligent und erfassten in einer einzelnen Sekunde sämtliche Details.
Germaine kannte sie nicht, aber unwillkürlich spürte er die Gefahr, die von dieser Frau ausging.
Für einige Sekunden musterten sie sich gegenseitig, versuchten einander einzuschätzen.
Germaine schätzte sie auf Mitte, vielleicht Ende vierzig. Ihre Augen zeigten kein Zögern, keine Angst. Was den Verdacht nahe legte, es mit einer Führungskraft aus Dvenskys Riege zu tun zu haben.
„Guten Abend“, sagte Germaine nach langem Zögern. „Nehmen Sie doch Platz, wer immer Sie sind.“
Die Frau schüttelte den Kopf und zog ihre Dienstwaffe. Sie entsicherte die Pistole, hielt den Lauf jedoch auf den Boden gerichtet. „Wenn Sie einverstanden sind, Major Danton, würde ich lieber außerhalb Ihrer körperlichen Reichweite bleiben.“
Germaine verstand, verstand viel zu gut. „Wie Sie wünschen. Kann ich Ihnen etwas anbieten? Wasser? Wodka?“
„Wie wäre es mit der Wahrheit?“, erwiderte die Frau und fixierte ihn kalt.
„Fangen wir vielleicht mal mit Ihrem Namen an, Ma´am.“
Ein kurzes, zynisches Schmunzeln glitt über ihre Züge. „Mein Name ist Jelena Feodorowna Jegorowa. Ich befehlige die Bryanter Miliz im Range eines Majors.“
„Dann sind wir ja ranggleich“, erwiderte Germaine ernst.
„Damit dürften unsere Gemeinsamkeiten auch enden“, schloss die Frau und nickte in Germaines Richtung. „Können wir dann anfangen?“
Der Mann von Terra wog seine Optionen ab. „Miliz, hm? Ich denke nicht, dass es etwas gibt, was ich Ihnen sagen könnte, was Leonid nicht schon weiß.“
Die Frau lächelte nun, und bei diesem Lächeln ging es Germaine kalt den Rücken runter. Diese Frau war ein Eisblock, berechnend und aalglatt. „Ich habe diese Pistole nicht zum Spaß mitgebracht, durchgeladen und entsichert, Major. Von Ihren Antworten auf meine Fragen wird es maßgeblich abhängen, ob Sie die nächsten fünf bis zehn Minuten überleben.“
„Leonid dürfte nicht sehr erfreut darüber sein, wenn Sie mich erschießen“, konterte Germaine.
„Leonid gib einen Dreck auf Sie und würde Sie lieber heute als Morgen selbst erschießen“, erwiderte sie ernst. „Sie sind ein Schmerz im Arsch, seit Sie hier gelandet sind und Sie haben ihm offen damit gedroht seinen großen Traum zu vernichten. Wenn der Geheimdienst Sie bei Ihrer geplanten Flucht erschießt wird es Orden regnen.
Da wir das nun geklärt haben, können wir endlich anfangen?“
„Wer sind Sie wirklich?“, hauchte Germaine.
„Nun, sagen wir, die Aufgaben der Miliz sind vielschichtig. Auch Geheimdienstarbeit gehört dazu. Vielleicht haben Sie schon mal meinen Spitznamen gehört: Die Spinne.“
Der Chevalier schwieg erschüttert. Diese Frau war die meistgefürchtete Person auf dieser Welt. Wer einmal in ihr Netz geriet, so hieß es, kam darin um. Sie kannte keine Skrupel und keine Angst. Allein die Sicherheit Bryants war ihr wichtig. Germaine erkannte sehr genau, dass er vielleicht wirklich nur noch fünf Minuten zu leben hatte.
„Was wollen Sie wissen, Major?“
„Wie ich schon sagte, die Wahrheit. Und wenn es geht die ganze Wahrheit und das lückenlos. Vor allem interessiert mich, was Ihr Begleitkommando in Leipzig sucht. Nein, nein, reden Sie sich nicht raus. Ihr Teilgeständnis gegenüber Leonid hat viel zu tief blicken lassen. Wohinter ist Blakes Wort her? Und warum mischt eine kleine, frisch gegründete Söldnereinheit da mit?“
Mühsam zwang sich der Chevalier, die geballten Fäuste zu öffnen. Er schätzte kurz die Entfernung zu Jegorova ab, aber die Frau hob nur unwillkürlich ihre Pistole an, um ihm zu verstehen zu geben, wer hier das Sagen hatte.
„Meine Leute suchen im Auftrag ComStars einen so genannten Sturminhibitor. Er ermöglicht einen gewissen Einfluss auf Großwetterlagen auf Atmosphäre-Planeten. Es dürfte klar sein, dass ComStar nicht will, dass Blakes Wort Wetter als Waffe missbrauchen kann.“
„Ich habe nichts von einem derartigen Auftrag gehört“, erwiderte sie. „Auch wenn es plausibel klingt.“
„Natürlich haben Sie nichts davon gehört. Der Auftrag erging direkt über einen Mittelsmann von Anastasius Focht an mich.“
„Das lässt sich schwer nachprüfen“, erwiderte die Spinne und wippte mit dem Lauf der Waffe auf und ab. „Es würde aber erklären, warum Blakes Wort eine Sektion II nach Tomainisia geflogen hat, um eine angebliche Superwaffe zu finden.“
Germaine erstarrte, als Jegorova ihm diesen Fetzen Informationen vorwarf wie einem Hund einen Brocken Fleisch. Zudem war das nicht gerade eine gute Nachricht.
Sie runzelte die Stirn, fixierte Germaines Augen. „Das ist alles? Darum sind Sie auf diese Welt gekommen? Sie wollen einen Sturminhibitor bergen?“
„Bevor Blakes Wort dies tut, ja“, gestand Germaine Danton leise.
„Die Geschichte klingt so unglaublich, dass sie schon wieder echt sein könnte. Warum hat sich ComStar nicht mit einem der Wracks zufrieden gegeben? Oder Blakes Wort?“
„Nun, wir suchen natürlich nicht irgendeinen Sturminhibitor. Wir suchen einen Prototyp, der kurz vor dem Amariskrieg in einem Labor in Leipzig entwickelt worden war.
Wir kennen das Potential dieses Prototypen nicht, aber es kann durchaus sein, dass er wirklich die Wunderwaffe ist, die Blakes Wort zu finden versucht.“
Die Spinne hob die Hand mit der Pistole und deutete zwischen Germaines Augen. „Peng. Herr Major, ich hätte gute Lust, Sie hier und jetzt zu erschießen und Ihre Reste ins Meer zu werfen. Sie sind den Ärger, den wir Ihretwegen hatten, nicht einmal ansatzweise wert.“
„Ich entschuldige mich dafür.“
„Andererseits haben wir keinerlei Interesse daran, uns durch diesen Prototyp zur Zielscheibe für die großen Mächte der Inneren Sphäre zu machen. Es ist schlimm genug, dass wir ComStar gegen Blakes Wort eintauschen müssen.“
Langsam senkte sie die Waffe wieder. „Es gibt nur einen Prototypen?“
Germaine nickte. „Und die Pläne.“
„Können Ihre Leute beides von dieser Welt schaffen und dafür sorgen, dass es niemals wieder hierher zurückkehrt?“
„Warum überlassen Sie den Sturminhibitor nicht Blakes Wort?“, fragte Germaine geradeheraus. „Es wäre ein schöner Einstand beim neuen Verbündeten, oder?“
Wieder lächelte Jegorova kalt. „Mein lieber Major, wir beide unterscheiden uns nicht besonders in unserer Mentalität. Sie nehmen als Söldner den Auftrag an, der Ihnen am lukrativsten erscheint. Und ich arbeite mit den Leuten zusammen, die mir die besten Ergebnisse für Bryant bringen. Wenn dies bedeutet, mit einer Organisation zusammen zu arbeiten, die ich aus tiefstem Herzen verabscheue, so tue ich das. Aber ich muß es weder lieben noch muß ich mehr als notwendig dafür tun.“
Sie sah Germaine noch einmal tief in die Augen. Dann sicherte sie ihre Waffe und steckte sie weg. „Sie werden von dieser Welt verschwinden und nie wieder kehren. Tun Sie das doch, werde ich Sie nicht erschießen, sondern mit Genuss und persönlich zu Tode quälen. Und diesen verdammten Prototyp, ich will ihn nicht einmal in der Nähe von Bryant haben.
Haben Sie das verstanden?“
Germaine nickte schwer.
„Ach, und was Ihren Stealth-Drachen angeht, der jede Sekunde auf der Festung angeht, den können Sie behalten. Ich werde ihn meinen Agenten vom Sold abziehen.“
„Sie waren das? Sie sind in meine Kaserne eingebrochen?“, fragte Germaine, nicht wirklich erstaunt.
„Es hatte kein Blutbad werden sollen. Anscheinend hatte ich nicht die besten Leute angeworben und auf Sie angesetzt. Das tut mir Leid. Als Ausgleich biete ich Ihnen eine Information an. Einer meiner Agenten hat einem Ihrer Offiziere einen Peilsender untergeschoben. Unglücklicherweise ist dieser Offizier gerade in Leipzig und zudem schein Blakes Wort von diesem Sender zu wissen. Ich denke, Sie müssen sich beeilen, Herr Major.“
„Denny“, hauchte Germaine in jäher Erkenntnis.
„Ach, noch etwas. Ich habe mir erlaubt, Ihnen Ihre Flucht ein wenig… Zu begünstigen. Im Ausgleich verzichten Sie doch bitte darauf, einen meiner Leute zu töten, ja? Und übernehmen Sie auch gleich ein wenig Verantwortung. Geheimdienstarbeit hat viel mit Misstrauen zu tun, aber auch mit Loyalität.“
Jegorova öffnete die Tür und ließ eine junge Frau ein.
„Sie“, sagte Germaine ernst.
Die junge Frau in der schmucklosen Uniform ohne Rangabzeichen salutierte. „Spezialistin Dritter Klasse Anna Sergejewna Kalinskaya.“
„Sie haben die Spezialistin auf New Home enttarnt und damit verbrannt. Zudem ist das Misstrauen ihr gegenüber in der Einheit recht groß. Sprich, eigentlich sollte sie offiziell in diesem Moment Dienst in einem Gefangenenlager tun. Ihre Karriereaussichten auf dieser Welt sind… Nun, nicht existent.“
Germaine musterte die junge Frau. „Ich verstehe. Sie wollen, dass ich sie mitnehme.“
„Wie ich schon sagte, Geheimdienstarbeit hat auch mit Loyalität zu tun. Ich habe versprochen, mich um Anna zu kümmern, aber hier hat sie keine Zukunft mehr. Sie hat aber mehrere Wochen in Ihrer Einheit verbracht, und ich denke, es ist nicht der schlechteste Platz.“
„Ein annehmbarer Preis“, murmelte Germaine.
„Sie wird eine Karriere bei Ihnen haben“, stellte Jegorova mit kalter Stimme fest.
„Das wird sie.“
„Gut. Die Spezialistin wird Sie auf das Dach bringen und Ihnen helfen, mit Corporal Koopmans wieder zu starten. Danach wird sie direkt zu den Landern fahren, bevor ihr… Verrat bemerkt werden wird. Sie werden bis dahin dafür gesorgt haben, dass sie an Bord gehen kann.“
Wieder nickte Germaine.
„Dann ist alles gesagt. Kehren Sie nie zurück, Major Danton.“ Jegorova nickte der jungen Agentin ein letztes Mal zu und verließ den Raum.
Es vergingen zehn Minuten, in denen sich Germaine und die Bryanterin nur stumm gegenüber standen. Dann öffnete die Frau die Tür. „Der Drachen ist gelandet, Herr Major. Wir müssen gehen.“
Germaine Danton nickte und schälte sich aus seiner Uniform. Langsam begann er den schwarzen Neoprenanzug darunter zu schließen. „Bereit.“
**
Der Weg zum Dach war nicht weit. Niemand begegnete ihnen und das Dach selbst war nicht bewacht.
Germaine und Anna hatten Mühe, den gut getarnten Gleiter zu finden, aber danach ging alles ganz schnell.
Als die Hand von Corporal Koopmans mit der Waffe im Anschlag hoch schnellte, winkte Germaine ab. „Ruhig. Sie ist auf unserer Seite, Corporal.“
Misstrauisch musterte die Infanteristin die Frau. „Ich habe leider nur einen weiteren Helm.“
Der Major schmunzelte. „Sie wird einen anderen Weg nehmen.“ Er nahm den Helm entgegen und setzte ihn auf. Dann trat er unter den Drachen und half, ihn zum Dachrand zu tragen.
„Einmal HPG, bitte.“
„Macht mit Trinkgeld zehn achtzig, Sir“, erwiderte Mareike.
Germaine wandte sich noch einmal um und sagte: „Gehen Sie auf die ROSEMARIE, Anna. Man wird Sie erwarten.“
Dann stießen sie sich ab, fielen meterweit in die Tiefe, nur um sich doch zu fangen und durch die kalte Nachtluft zu segeln. Es ging weiter.
Noch war das letzte Kapitel für die Chevaliers auf Bryant nicht geschrieben.
Ace Kaiser
Prolog:
Es war nur ein einziger Sprung bis nach Outreach, von Bryant aus gesehen. Aber um diesen Sprung machen zu können, um überhaupt so weit zu kommen, hatten die Chevaliers einen großen Preis bezahlen müssen.
Germaine Danton salutierte vor Manfred Scharnhorst, seinem Stellvertreter. Der Mann saß im Rollstuhl, aber im Allgemeinen hatte er das Attentat auf sich gut verdaut. Und irgendwann würde er wieder damit beginnen dürfen, seine körperliche Kraft und seine Beine wieder trainieren zu dürfen.
Manfred erwiderte den Salut mit einem Ernst im Blick, der Germaine unwillkürlich schaudern ließ. Dann trat der Chef der Chevaliers an den Freund heran, beugte sich vor und umarmte ihn kurz. „Werde schnell wieder gesund, Junge.“
Scharnhorst grinste. „Und du pass gut auf Miko auf, sonst mache ich dir die Hölle heiß, verstanden?“
Germaine schluckte trocken. Er antwortete nicht, klopfte aber dem Captain noch einmal auf die Schulter.
Sein nächster Posten war Patrick Dolittle. Auch er saß im Rollstuhl, aber es war schon ein mittelschweres Wunder, dass genügend von ihm übrig war um in einem Rollstuhl zu sitzen.
Schweigend gab er Dolittle und seiner Frau die Hand. „Wenn du es dir mal anders überlegst, du alter Halunke, dann…“, begann Germaine, wurde aber von Doc Dolittle unterbrochen.
„Germaine, lass mich erst mal wieder gesund werden. Die Verbrennungen und die Brüche sind nicht von schlechten Eltern und ehrlich gesagt freue ich mich auf freie Zeit mit meinem Schatz, waaa, Cheef?“
Germaine lachte unterdrückt, als der Chef der Panzerfahrer wieder in sein altes Sprachschema zurückfiel. Auch ihn umarmte er herzlich und wandte sich dann Akila zu. „Auf Wiedersehen?“, fragte er leise.
„Auf Wiedersehen“, antworte die Panzersoldatin und umarmte den Major ihrerseits.
Danach trat Germaine vor Second Lieutenant Dukic. „Zdenek, ich…“
„Sagen Sie doch einfach Denny, Sir“, murmelte der Chef der Scoutlanze amüsiert. „Sir, ich weiß es zu schätzen, was Sie sagen wollen. Aber ich muß erst mal ein paar Dinge hinter mich bringen. Ich muß Hank nach Hause bringen. Ich muß…“
Denny senkte den Kopf. „Ich bin süchtig, Sir. Und bevor ich das nicht in den Griff kriege, habe ich kein Recht, hier zu sein. Meine Sucht hat soviel Schaden verursacht, ich habe so viele Menschen auf dem Gewissen…“
„Nein, Denny, haben Sie nicht. Sie wurden reingelegt. Reingelegt vom Bryanter Geheimdienst. Reden Sie sich nichts ein. Sie müssen nicht stärker sein als alle anderen. Nur stark genug. Einfach nur stark genug.“
In den Augen des Lieutenants schimmerte es feucht. „Danke, Sir“, hauchte er.
Germaine gab ihm die Hand und klopfte ihm auf die Schulter.
Dann trat er vor Belinda Wallace. „Doktor. Ich erwarte von Ihnen, dass Sie Ihre Patienten sicher und in bestmöglichstem Zustand nach Outreach bringen.“
„Das versteht sich von selbst, Sir.“
Germaine versuchte in ihren Augen Emotionen zu finden, die verschütteten Gefühle für ihn. Aber da war nichts. Seit sie ihn hatte entscheiden lassen, ob er Scharnhorst oder Peterson retten lassen sollte, war da nichts mehr. Ihre Beziehung war in diesem Moment gestorben, das wusste Germaine. Dennoch tat es ihm weh, sie so gehen zu sehen. Es tat ihm weh, sie abmustern zu sehen. Er wollte sie umarmen, sie anflehen, bei ihm zu bleiben. Aber ihre kalten Augen hielten ihn auf Distanz. Letztendlich salutierte er nur vor ihr und das auch nur ein einziges Mal, ohne ihre Antwort abzuwarten.
Danach sah er Cindy in die Augen, seine Sekretärin. „Mach einen guten Job bei den Neuanwerbungen. Wir brauchen Piloten und Infanterie, ja?“
Die elegante Frau lächelte sanft und umarmte Germaine. „Wir sehen uns schon bald wieder und dann werden die Chevaliers stärker sein als je zuvor.“
„Das werden sie“, sagte Germaine und reichte Willem Kleinweich, der wie selbstverständlich neben ihr stand die Hand. „Passen Sie gut auf Cindy auf.“
„Das brauchen Sie nicht extra zu betonen, Sir“, erwiderte der schwergewichtige Mann.
„Ich weiß. Deswegen habe ich ja auch darauf verzichtet Ihnen einen fürchterlichen Tod anzudrohen“, sagte Germaine grinsend.
Der Nächste vor den er trat, war Kapitän van der Merves, der Skipper der SKULLCRUSHER.
„Ihre Crew hat hervorragende Arbeit geleistet, Kapitän“, stellte Germaine fest.
Der junge Mann grinste schief. „Und sie wurde hervorragend bezahlt, Sir. Die gute alte SKULL braucht einen oder zwei Monate in der nächsten Werft, dann fliegt sie wieder und macht die Innere Sphäre unsicher.“
„Ich kann…“, begann Germaine leise.
„…Den Kontrakt verlängern? Danke, Sir, aber wir bringen die anderen Chevaliers runter nach Outreach und nehmen danach einen anderen Kontrakt auf. Irgendetwas Harmloses wie lyranische Truppen nach Kentares IV transportieren oder so.“
Gegen seinen Willen musste Germaine lachen. „Sie machen das schon, Kapitän. Und falls Sie sich doch anders entscheiden sollten…“
Der Mann nickte ernst. „Ein Chevalier zu sein bleibt irgendwie hängen, egal was man danach tut“, sagte er ernst mit einem Seitenblick auf Doc Wallace.
„Vielleicht“, murmelte Germaine, salutierte und trat vor die letzte Gruppe, die er verabschiedete.
Vor dem Sarg von Captain Peterson salutierte er und spürte die Tränen fließen. „Tut mir Leid, Cliff. Es tut mir so Leid. Ich habe dich getötet, aber das ist eine Entscheidung, die ein Vorgesetzter manchmal treffen muß. Ich muß damit leben, aber du bist nun tot. Ich hatte große Hoffnungen auf dich gesetzt, und dann habe ich dir die lebensrettende Operation versagt. Ich…“ Germaine versagten die Worte. Stattdessen salutierte er stumm, während die Tränen seine Wangen benetzten.
Danach trat er vor die anderen Särge, angefangen bei Sergeant Hank Borer über Sergeant Caprese und den Elementare Philip bis hin zu Sergeant Sagrudsson.
Es waren alles Leute mit großem Potential gewesen. Menschen, von denen er sich viel erhofft hatte. Jedem einzelnen schenkte er einen korrekten militärischen Salut, bevor er sich umwandte, vor der ganzen Truppe salutierte. Von dem Geisterbär allerdings würde nur die Asche auf die Reise gehen in der Hoffnung, dass sein letzter Kodax-Eintrag der Chevaliers es ermöglichte, dass seine Asche in die Nährlösung einer neuen Geschko gefüllt werden würde.
„Schiffen Sie ein, Herrschaften. Gute Reise und auf ein baldiges Wiedersehen.“
Vereinzelt kamen die Wünsche zurück, wurde gewunken oder gezwinkert. Danach schnappten sich die Leute ihre Habseligkeiten und begannen auf die SKULLCRUSHER zu wechseln.
Anschließend begannen die Ehrenwachen, die Särge zu verladen.
Germaine hatte sich dazu entschlossen, jeden einzelnen von ihnen, wie es die Tradition der Chevaliers war, mitzunehmen und anschließend in die Heimat schaffen zu lassen.
„Nii-san“, erklang Mikos Stimme neben ihm.
Er wandte sich um, sah die draconische Pilotin an, sah die Sorge um ihn in ihren Augen und musste lächeln. „Es geht mir gut, Miko-chan. Seit langer Zeit geht es mir einfach nur gut.“
„Lügner“, erwiderte sie und wischte sich die Tränen aus den Augen.
Sie hatte ja Recht. Es war einfach zuviel passiert. Viel zuviel. Aus der vermeintlichen leichten Bergungsmission war ein blutiger Feldzug geworden, in dessen Verlauf sich die Chevaliers einen mächtigen Feind gemacht hatten.
Zu blutig. Germaines Gedanken schweiften zurück, zurück zu den Geschehen, die kaum zwei Wochen her waren.
Und während die SKULLCRUSHER von der ROSEMARIE abkoppelte hing Germaine übergangslos wieder an den Gleitdrachen, neben sich Corporal Koopmans.
1.
Sie waren beide in nachtschwarze Thermosuits gehüllt, um sich gegen die beißende Kälter der Breiner Nacht zu schützen. In einer Höhe von über zweihundert Meter, in der zudem ein wirklich eisiger Wind pfiff, mehr als nötig. Germaine fror trotzdem und er war sich sicher, dass es Mareeike nicht besser erging.
Die junge Soldatin hatte sich mit dem Drachen, den sie von Bryanter Agenten erbeutet hatten, gut arrangiert. Zudem schien sie sich im nächtlichen Brein gut orientieren zu können.
Germaine war auf diesem Flug nicht mehr als nutzloser Ballast.
Sie berührte ihn am Arm, deutete auf den Horizont. Dort flammten Mündungsblitze auf.
Es war also immer noch im Gange. Das erfüllte Germaine mit einer gewissen Zufriedenheit, denn das bedeutete, dass es noch Chevaliers gab.
Sie hielten auf einen gut ausgeleuchteten Bereich in der Nachbarschaft zu, das HPG und Germaine betete, dass die reichlich vorhandenen Soldaten des Schatuns nicht nach oben sahen, sie beide entdeckten und mit einem Glücksschuss vom Himmel holten.
„Ich melde uns jetzt an, Sir“, sagte Mareiike, indem sie ihren Helm gegen den von Germaine presste. Auf Funk hatten sie bisher verzichtet, um sich nicht zu verraten.
Germaine maß die Entfernung, schätzte ihre Geschwindigkeit und nickte.
Kurz darauf aktivierte die Soldatin den Funk und informierte Lieutenant Harris darüber, dass sie nun rein kamen.
Nichts wäre peinlicher gewesen als auf die letzten Meter von den eigenen Leuten abgeschossen zu werden.
Als der Drachen im Innenhof aufsetzte, fühlte sich Germaine für einen Moment unendlich erleichtert. Er war wieder Zuhause. Und sein Zuhause waren die Chevaliers.
„Meldung“, blaffte er als Erstes, als Infanteristen ihm aus dem Geschirr heraus halfen.
„Wir haben die Lage im Griff, Sir. Die ComStar-Leute brauchen noch drei Stunden für ihre Verlade- und Löscharbeiten, aber bei uns fehlt nur noch die Verladung des Lazaretts. Lieutenant McHarrod hat entschieden, dies im letzten Moment zu tun, um die Belastung für unsere Verletzten so gering wie möglich zu halten.“
„Gut“, sagte Germaine ernst und marschierte auf das Mobile HQ zu. „Koopmans, melden Sie sich bei Ihrem Teileinheitsführer. Sagen Sie ihm, ich merke Sie für eine Beförderung vor.“
Die junge Frau schwieg verdutzt.
Als Germaine das HQ erreichte, aufriss und es betrat, klang spontaner Applaus auf.
Stoisch ließ der Major ihn über sich ergehen, bevor er abwinkte.
Juliette Harris trat vor ihn und umarmte ihn fest. „Gott sei Dank bist du wieder da. Ist noch alles dran?“
„Keine Sorge, die Bryanter haben mich gut behandelt. Aber sie haben mich hochkant rausgeschmissen. Und die Chevaliers gleich dazu. Wir haben einen Verbündeten unter den Leuten des Schatuns, aber selbst dessen Wohlwollen endet diese Nacht. Wie ich hörte sind die Vorbereitungen fast abgeschlossen?“
Juliette nickte. Sie deutete auf zwei Holos auf dem Kartentisch. Eines zeigte die nähere Umgebung des HPG, ein anderes die Marschroute zum Raumhafen, wo die Landungsschiffe warteten. „Die Blakes Wort-Miliz plänkelt im Moment, um unsere Abwehr aktiv zu halten und zu ermüden. Eine unserer Stukas hat eine Bruchlandung hingelegt, und kann vorerst nicht eingesetzt werden. Wir haben zwei Ausfälle bisher. Sparrow hatte einen Kreislaufkollaps und Tear wurde übel zusammen geschossen, als sie auf Patrouille war.“
„Du hast Dawn da raus gelassen? Himmel, sie ist schwanger!“, blaffte Germaine.
„Wir sind in einer Notlage!“, erwiderte Harris streng. „Jeder Mech, den wir nicht einsetzen, bringt uns dem Grab ein wenig näher. Da draußen lauert eine Sektion II mit C3i, von den anderen Mechs gar nicht zu sprechen! Außerdem geht es ihr den Umständen entsprechend gut.“
„Okay, darüber reden wir ein andernmal. Ich war nicht da, um diese Entscheidung zu treffen, also sollte ich dazu die Klappe halten. Beute?“
„Zwei, einer davon reparabel. Ein Highlander. Wir vermuten, dass er vom Anführer der Miliz gesteuert wurde. Leider wirkt sich das nicht auf die Fähigkeiten der anderen Piloten aus. Im Gegenteil. Sie sind eher noch aggressiver, wie man an Dawn sieht.
Und unsere Luftüberlegenheit nützt im Moment auch nicht viel.“
Dankbar nahm Germaine einen Kaffee entgegen und ließ sich in seinen alten Sitz fallen. „In drei Stunden brechen wir auf, eher, wenn ComStar grünes Licht gibt. Wo ist Adept Yalom?“
„In seinem Mech. Er beteiligt sich nicht an den Patrouillen, aber er beschützt den Innenhof und seine Kameraden von ComStar.“
Germaine nickte ernst. „Okay. Kriegen wir den Highlander bis dahin wieder aktiv? Du hast selbst gesagt, jeder Mech, den wir nicht einsetzen ist ein Schritt zu unserer Vernichtung.“
„Wir haben ihm bereits ein Ersatzcockpit vom Kampftitan verpasst und die Steuerplatinen gegen Reserven des Tai-sho ausgetauscht. Aber uns fehlt ein Pilot.“
Germaine betrachtete die Karten nachdenklich. Leise merkte er hier und da etwas zum Kurs an, den sie beim Rückzug nehmen wollten. Sprach über mögliche Fallen, Minen und über die letzten drei Kilometer über freies Gelände.
Dann sah er Harris in die Augen und meinte: „Lass den Highlander vorbereiten. Ich werde ihn steuern. Meinen Neurohelm werden wir sicherlich irgendwo herumfliegen haben, oder?“
„Germaine…“, hauchte sie ängstlich. „Aber dein Mittelohr…“
Der Chevalier winkte ab. „Ist wieder ganz. Versprochen.“
Er nahm sich ein KommSet und aktivierte eine Leitung zu allen Chevaliers. „Hier spricht Major Danton von Bord des Mobilen HQ. Hiermit übernehme ich wieder das Kommando über die Einheit. Bereiten Sie sich alle auf den baldigen Aufbruch vor. Es gibt da ein paar Kameraden auf Tomainisia, die wir dringend abholen sollten. Danton Ende!“
Ace Kaiser
„Versuch es jetzt mal, Isthvan!“, rief Germaine aus luftiger Höhe herab.
„Wuirr hauben äääne Rrreauktion, Chef!“, erwiderte der Cheftechniker und bestätigte in seinem harten Akzent, dass die stundenlange Arbeit endlich von Erfolg gekrönt war. Endlich zeigte die 20er Holly LSR wieder Funktion.
„Sehr gut, Isthvan. Sehr gut. Wir machen ne Pause“, rief Germaine noch mal herab, bevor er sich sein KommSet griff und mit dem HQ verbunden wurde. „Knave hier. Es geht voran. Wenn wir in der Dämmerung abrücken, werden die Waffen bereit sein. Ich wünschte nur, ich könnte etwas mit den Sprungdüsen üben. Gibt es sonst was Neues?“
„Sergeant Fokker hat auf eigenen Wunsch wieder ihren Dienst aufgenommen, Sir. Sie kommt bald von ihrer Patrouille herein.“
„Gut. Wie geht es Corporal Ferrow?“
„Der Doc sagt, es geht ihr dem Umständen entsprechend gut, hat ihr aber Bettruhe verordnet.
Wir versuchen ihren Mecha zu bergen und auf den Mechtransporter zu schaffen, denn zum reparieren dürfte es etwas wenig Zeit sein.“
Germaine nickte bestätigend, obwohl er sich darüber im Klaren war, dass sein Gegenüber das nicht sehen konnte. „Okay, Wilson. Geben Sie an McHarrod weiter, dass er die Patrouillen aufrechterhalten soll wie bisher. Und ich will stündlich über den Status unserer drei verbliebenen Flieger informiert werden sowie über den Status von ComStar. Wenn sie abmarschbereit sind, zählt jede Sekunde.“
„Zu ComStar kann ich Ihnen etwas sagen. Adept Yalom hat dafür gesorgt, dass ComStar sich etwas mehr Zeit lässt, sodass sie ebenfalls voraussichtlich in der Dämmerung fertig sein werden.“
„Der Junge denkt ja mit“, murmelte Germaine mehr zu sich selbst. Der Chef der Chevaliers wusste, dass die Blakes Wort-Miliz höchstwahrscheinlich einen Sturmangriff starten würde, sobald die verbliebenen Spione meldeten, dass ComStar die Segel strich. Und genau dem galt es zuvor zu kommen. Nachdem die Miliz ihren Anführer verloren hatte, in dessen altem Mech Germaine gerade saß, konnte man sich auf nichts mehr verlassen. Nicht einmal mehr darauf, dass sie sich an das Verbot von Leonid Dvensky halten würden, nicht in der Stadt zu kämpfen.
„Gut, gut, gut“, sagte Germaine lauter. „Die Elementare um Sergeant Rowan sollen in die Betten. Ich brauche sie frisch, wenn es losgeht.“
„Das wird dem Sarge aber gar nicht gefallen“, erwiderte der KommTech amüsiert.
„Deswegen wird er den Befehl dennoch ausführen müssen. Ach, und Rowan soll sich aus einem der Soldaten, die damals im Vakuum auf den Rüstungen trainiert haben, einen aussuchen, der für den Abmarsch Philips Rüstung übernimmt. Und zwar nur für den Abmarsch. Die Techs haben sechs Stunden für die Anpassungsarbeiten.“
„Verstanden, Sir. Gehen Sie jetzt wieder off?“
Von draußen klang leiser Donner herein. Dem folgte das charakteristische Geräusch reißender Panzerplatten.
„Nur ein Scharmützel, Sir. Der Hatamoto hat sich ein kleines Duell mit dem Shootist geliefert. Nur Panzerschaden auf beiden Seiten.“
„Sie versuchen immer noch uns nervös zu machen, hm? Ich gehe off, ja, aber ich bleibe auf Stand-by. Sagen Sie Sergeant Fokker Bescheid, dass sie sich in meinem Büro melden soll, sobald sie wieder reinkommt. Ich bin solange im Krankenrevier.“
„Verstanden.“
Germaine deaktivierte die Verbindung. Dann kletterte er aus seinem Cockpit hervor und tätschelte die Panzerung des Highlander. „Bist eine gute Mühle. Du wirst einem ungeübten alten Knacker wie mir schon zeigen, wie man das Beste aus dir rausholt, nicht?“
„Das wird er sicher. Aber das nützt nichts, wenn Sie vom Fleisch fallen, mit Verlaub, Sir“, erklang eine energische Stimme hinter ihm.
Germaine wandte sich um und erkannte Sonja. Die große Schwarze hielt mit beiden Händen einen riesigen Korb, in dem in Plastiktüten gehüllt Fresspakete gestapelt waren. „Nehmen!“, befahl sie ernst. „Essen.“
Germaine nickte und nahm sich einen der Beutel. Es waren drei Sandwichs und eine Plastikflasche mit einem isotonischen Drink darin. Ein Apfel und eine einheimische Gemüsesorte, die vom Äußeren an Spargel erinnerte, rundete die Ration ab.
„Sie sind ja schlimmer als mein Master Sergeant, Sonja“, scherzte Germaine.
Die Köchin lächelte sanft, obwohl sie schon seit dem Angriff mitten in der Nacht auf den Beinen sein musste. Die rückwärtigen Dienste mussten oft länger und härter arbeiten, das vergaßen die kämpfenden Truppen meist zu schnell. Seit Ausbruch der Kämpfe jedenfalls schmierte die Küche Toasts, Brote und andere kleine Leckereien und kochte im Akkord Kaffee und Tee für fast vierhundert Personen. „Das muß ja auch so sein. Wir können es uns nicht leisten, unseren Kommandeur schon das dritte Mal innerhalb eines Jahres zu verlieren. Sir.“
Das letzte Wort hatte trotzig geklungen, aber Germaine verstand wie die Frau es gemeint hatte.
„Schon gut, Tadel ist angekommen. Sorgen Sie nur dafür, dass alle ein Fresspaket bekommen. Ach, und sagen Sie Leon doch bitte, er soll Schokolade und Zigaretten an alle austeilen lassen.“
Misstrauisch zog Sonja eine Augenbraue hoch. „Wenn jetzt noch die Anweisung kommt, Steaks für alle zu braten, sollte ich mir eine kugelsichere Weste anziehen.“
Germaine lachte kurz über den Einwand. Es war allgemein bekannt, dass die Einheiten versuchten, ihre Soldaten in guter Stimmung in eine Schlacht zu schicken. Deshalb gab es bei vielen ein Festmahl vor dem Gefecht.
Ein alter lyranischer Witz wollte nun wissen, dass die Art des Essens Aufschluss über die Mission oder deren Gefahr erlaubte. Gutes Bürgerliches Essen all you can eat zum Beispiel deutete auf eine gefährliche Mission hin. Schnitzel, Steaks und Pfannkuchen satt hingegen auf eine wirklich gefährliche Mission. Gab es allerdings Kaviar, Quillar in fünf Geschmacksrichtungen und andere importierte Leckereien, dann war es definitiv ein Himmelfahrtskommando. Schokolade wurde in etwa zwischen eins und zwei angeordnet.
Germaine nickte Sonja zu und murmelte ein: „Sie machen das schon.“
Dann verließ er die Wartungsempore.
Auf dem Weg zur Krankenstation begegneten ihm sehr viele Chevaliers. Er registrierte erstaunt, dass die Männer und Frauen erschöpft wirkten, aber bei seinem Erscheinen einen Energieschub zu erhalten schienen, der sie schneidig salutieren ließ. Germaine erwiderte jeden Salut sachlich und schnell, aber doch korrekt.
Er konnte sie ja verstehen. Mit Manfred war ein wichtiger Anführer ausgefallen und Dolittle blieb noch immer verschollen. Dazu war der liebe Major in der Hand des Schatuns gewesen.
Das er nun wieder über den Kasernenhof wanderte, einen Mech vorbereitete, den sie erst vor wenigen Stunden erbeutet hatten und das Kommando wieder übernahm, erleichterte viele, vor allem die Veteranen des ersten Feldzugs gegen Kendas Ronins.
Germaine betrat das Revier. Im ersten Moment erwartete er Hollys Stimme zu hören. Aber die Krankenschwester war gegen die Ronin gefallen. Ein Verlust, den Germaine nicht wirklich gut verkraftet hatte. War damals schon der Bruch zwischen ihm und Belinda passiert? Hatte er da schleichend seinen Anfang genommen? Germaine schüttelte heftig den Kopf, um sich von diesen Gedanken zu befreien.
„Welches Zimmer hat Corporal Ferrow?“, fragte er die Diensthabende Krankenschwester. Die junge Frau wirkte nervös. Immerhin standen sie alle im Kampf und ein guter MedTech stellte sich in so einer Lage auf jede Menge Arbeit ein.
„Die drei, gleich neben Captain Scharnhorst“, antwortete sie mit zittriger Stimme.
„Danke“, erwiderte Germaine und ging weiter.
„Sir!“, hielt die Tech ihn zurück. „Schön, dass Sie wieder bei uns sind.“
„Ganz meine Meinung“, erwiderte der Major und lächelte der Frau freundlich zu.
Germaine hielt sich nicht mit anklopfen auf. Um genau zu sein konnte er sich gar nicht erklären, wie er es so lange ausgehalten hatte, ruhig zu bleiben, seit er von Dawns Niederlage erfahren hatte. Aber als guter Kommandeur hatte er sich zuerst um andere Dinge zu kümmern. Aber endlich, endlich konnte er seine Sorgen zeigen.
Er trat ein und hatte augenblicklich Dawns volle Aufmerksamkeit. Sie war allein und als sie ihn sah, begannen ihre Lippen zu zittern.
Germaine trat an ihr Bett heran und umarmte sie sanft. Beinahe sofort begann die junge Frau zu schluchzen. „Hab´s vermasselt“, klagte sie leise. „Der verdammte Black Knight. Ich wollte mich doch gar nicht soweit rausziehen lassen. Ich wusste ja nicht, dass er schon wieder repariert war. Ich… Der Tessen hatte mich unter Feuer. Und ich wusste ja, dass er zu schwer für mich war“, erzählte sie unter Tränen, immer wieder von schwerem Schlucken und Schluchzen unterbrochen, „aber Katana hatte ihn ja schon weich geprügelt. Also bin ich raus, aber nur bis zu den Minen. Doch das hat dem Black Knight schon gereicht und bevor ich mich versah, haben sie zu zweit auf mich geschossen und…“ Ihre Stimme versagte, während sie sich in Germaines Uniform krallte.
„Es ist gut, Dawn. Es ist alles gut. Dir ist nichts passiert, dem Kind ist nichts passiert. Und den Mech können wir wieder flicken.“
„Ja, aber es ist ein Fenris, eine Clansmaschine! Sie ist wertvoll…“
„Und verdammt schwierig zu warten. Wir haben sowieso viel zu viele Clan-Mechs in unserer Aufstellung. Die laufenden Kosten werden uns über kurz oder lang noch auffressen. Ist vielleicht ganz gut, wenn wir einen weniger haben. Falls wir den Fenris doch nicht wieder repariert kriegen, dient er uns eben als Ersatzteillager“, murmelte Germaine und versuchte seine Worte so wahr wie irgend möglich klingen zu lassen. „Außerdem ist der Tag, an dem mir ein Mech wichtiger ist als der Mensch in ihm der Tag, an dem mich jemand erschießen sollte. Denn dann bin ich das geworden, was ich seit Jahren vernichten will.“
Germaine schluckte hart, um seine eigenen schlechten Gedanken zu bekämpfen. Drei Namen standen noch auf seiner Liste. Drei. Auch wenn er sich nun in erster Linie um seine Leute sorgte, vergessen war es nicht.
„Ich habe mit Al gesprochen. Auf dem Raumhafen steht ein Kurita-Lander. Ein Overlord mit Kurs Vereinigte Sonnen. Er wird ebenfalls diese Nacht starten. Ich… Ich denke, damit bist du schon auf halbem Weg Zuhause, Dawn. Jedenfalls kennt Al den Kapitän, und er hat versprochen, gut auf dich acht zu geben. Bezahlt ist auch schon alles. Du musst nur noch bei ihnen einsteigen, zu deinem Bruder fliegen. Und natürlich musst du zurückkommen. Das musst du mir versprechen. Ich will doch meinen Neffen kennen lernen. Oder meine Nichte.“
Erst war Dawn bei Germaines Worten entsetzt gewesen, doch nach dem Scherz am Schluss musste sie gegen ihren Willen lachen. „Versprochen“, hauchte sie.
„Ich weiß leider nicht, ob ich dir Sergeant van Roose nachschicken kann. Wahrscheinlich werde ich das nicht, denn ohne Captain Peterson brauche ich fähige Leute wie ihn. Aber ich werde dafür sorgen, dass er dir jeden Tag schreibt. Und wenn ich jeden einzelnen Tag eine Alpha-Nachricht bezahlen muß.“
Übergangslos umarmte Dawn dem Major fester. Wieder brach sie in Tränen aus. „Ich will nicht weg“, hauchte sie. „Ich will es nicht. Aber…“
„Aber du musst deinen Bruder sehen. Du hast nun zwei Familien. Und in beiden bist du stets willkommen. Deswegen sagte ich ja, dass du wiederkommen sollst. Nach der Geburt.“
Der Major beendete die Umarmung und sah sie mit Stolz an. „Du hast dich sehr verändert. Du bist stärker geworden. Sicherer. Du bist auf einem sehr guten Weg. Die neue Dawn gefällt mir sehr. Auch ein Grund, warum du wiederkommen sollst. Ich will wissen, wie du in einem Jahr ausschaust.“
„Ich verspreche es“, hauchte sie leise.
Germaine stand auf, streichelte die junge Frau noch einmal über die Wange und verließ das Zimmer. Er hatte nicht gelogen. Jedes seiner Worte war wahr gewesen. Und so sehr seine Professionalität auch dagegen war, sich so sehr auf eine Untergebene einzulassen und seine Emotionen kühl danach fragten, ob der Major verliebt war, er konnte nicht anders. Seine Gefühle für Dawn waren stark, aber nicht von der Art, wie sie van Roose für sie verspürte. Ein großer Bruder-Komplex vielleicht.
Was ihn zu seinem zweiten Termin brachte.
Nach einem kurzen Abstecher an Manfred Scharnhorsts Krankenrevier, der von Doc Wallace nach fünf Minuten unterbrochen worden war, weil der Captain einzuschlafen drohte, kam Germaine in sein Büro.
Cindy vernichtete gerade ein paar unwichtige Akten, die nicht mitgenommen werden sollten. Ihr Lebensgefährte ging ihr dabei zur Hand.
„Ist sie schon da?“, fragte der Major leise.
„Sie sitzt da drin und zittert wie Espenlaub, das arme Ding“, erwiderte Cindy ernst. „Sei pfleglich mit ihr, ja?“
„Natürlich.“
Germaine trat ein. Jara sprang auf und wollte salutieren, aber der Major ergriff ihre Schultern und drückte sie wieder auf den bequemen Sessel zurück. „Sitzen bleiben, Sergeant. Dieses Treffen ist informell.“
Er nahm auf seinem Sitz hinter dem Schreibtisch Platz und sah Jara lange in die Augen, bevor er zu sprechen begann. „Okay, ich bringe es auf den Punkt. Mädchen, du isst zuwenig.“
Überrascht und verwirrt starrte Jara den Major an. „Was? Ich… Wie?“
„Du isst zuwenig. Ich habe mir dein Krankenblatt kommen lassen. Und da steht, dass du vier Kilo abgenommen hast. Verdammt, Jara, du bist doch nur Haut und Knochen. Vier Kilo sind bei dir eine Welt. Ich kann ja verstehen, dass der Stress im Moment sehr hoch ist. Und jetzt wo Dawn für die Geburt ihres Kindes abreist ist es auch nicht leichter für dich. Aber Schatz, deswegen bist du doch in Zukunft nicht allein. Wenn du Sorgen hast, oder Probleme, was es auch sein soll, dann kannst du immer zu mir kommen. Oder zu Cindy, wenn dir das lieber ist. Diese Tür steht für dich immer offen.
Aber auf keinen Fall will ich, dass du so was in dich hinein frisst und dann zusammen klappst. Es sind schon Menschen an so etwas gestorben, Jara. Und ich will einen Arm verlieren wenn ich dabei zusehe wie es dir passiert.“
Die MechKriegerin sah Germaine aus großen Augen an und brach in Tränen aus.
Es war ein harter, heftiger Weinkrampf, der sie schüttelte und verkrampfen ließ. Germaine stand auf, kam um den Schreibtisch herum und legte eine Hand auf ihre Schulter, was die Krämpfe etwas dämpfte. Nach ein paar Minuten hatte sie sich soweit beruhigt, dass sie dem Major von ihren Sorgen erzählen konnte. „Mein Vater… Meine Einheit, sie…“, begann die Puma-Pilotin und sprach sich die Sorgen der letzten Wochen von der Seele. Und die ganze Zeit hörte Germaine schweigend zu und ließ seine Hand auf ihrer Schulter.
Als sie geendet hatte, sah sie zu dem Major auf. „Das war alles“, hauchte sie.
„Dummkopf. Warum bist du nicht früher zu mir gekommen?“, tadelte er sie und legte eine Hand in ihren Nacken. Er drückte ihren Kopf gegen sich, woraufhin Jara erneut weinte, aber nicht mehr so schlimm. „Ich bin immer für dich da. Das verspreche ich dir.“
Germaine schluckte hart bei diesen Worten. Denn damit, das erkannte er sehr gut, hatte er sich so weit von seiner Rache verabschiedet wie es ihm möglich war. Dies war seine Einheit. Dies waren seine Leute. Seine Familie, sein Leben. Und auch wenn die Mitglieder wechselten, starben und kamen, er wollte für sie alle da sein. Und für einige von ihnen besonders. Kurz ging sein innerer Blick zu Miko, die draconische MechKriegerin, die er quasi adoptiert hatte. Für sie fühlte er ähnlich wie für seine anderen Mädchen.
Und für sie hatte er sich geändert. Sehr geändert. Und das zu seinem Vorteil, hoffte er.
„Geht es?“, fragte er leise.
Jara nickte stumm. „Okay, Schatz. Dann gehst du jetzt duschen, was essen und legst dich sechs Stunden hin. In sieben Stunden ist die Abschlussbesprechung vor dem Aufbruch. Ich brauche dich und den Puma als schnellen Späher und ich will, dass du für den Abmarsch fit bist. Kriegst du das hin?“
„Ja, Sir“, erwiderte sie.
„Als ich dich zum Sergeant gemacht habe“, sagte Germaine leise, „habe ich viele Chevaliers vor den Kopf gestoßen. Viele meinten fähiger zu sein als das junge blonde Mädchen, das nur Partys im Kopf hat. Viele dachten auch wir hätten eine Affäre und die Beförderung wäre deine Belohnung dafür. Aber ich will heute einen sehen, einen einzigen Chevalier, der dir deine Beförderung missgönnt, nachdem du nach einem kompletten Kreislaufzusammenbruch wieder in deinen Mech gestiegen bist, um deine Pflicht zu tun. Jara, du bist eine Chevalier. Und du bist eine, auf die ich sehr stolz bin.“
Germaine zog sie hoch, trocknete ihre Tränen mit einem Taschentuch ab und sagte: „Und jetzt gehen Sie schlafen, Sergeant. Draußen sind ein paar Mechs der Blakes Wort-Miliz, die wollen eine Tracht Prügel. Außerdem kann es immer noch sein, dass Lord Dvensky wieder sein eigenes Spiel spielt. Dafür müssen Sie ausgeruht sein. Verstanden?“
Jara sah ihn an und in ihren Augen leuchtete ihre alte Kraft. Sie salutierte schneidig vor ihm und sagte: „Jawohl, Sir.“
Dann trat sie ab.
„Ach, Jara“, hielt sie der Major zurück und zog ein Kleidungsstück aus seinem Spind, das er der blonden Kriegerin zuwarf, „zieh das lieber an. Erstens ist es draußen etwas kalt für das Cockpit-Outfit und zweitens sollst du den Jungs nicht zu sehr den Kopf verdrehen.“
Sie wurde rot und entfaltete den großen Frotteemantel, auf dem das Chevalierslogo prangte. Im Jargon wurde sie auch oft Abschwitzdecke genannt.
„Aber wenn ich damit aus deinem Büro komme, Chef, dann…“
Germaine grinste. „Lass sie doch reden. Erstens wissen wir es besser und zweitens sind diese Gerüchte schon alt und uninteressant.“
Jara nickte knapp. Dann streifte sie den Mantel über und verließ das Büro.
Zurück blieb Germaine Danton. Sein Lächeln gefror auf den Lippen. Das war der angenehme Teil seiner Arbeit als Vorgesetzter und Freund gewesen. Was nun folgte war der unangenehme Teil. Der, der mit Tod und Zerstörung zu tun hatte.
„Al? Beginnt mit den Vorbereitungen. Wir kommen wie geplant rein. Ach, und… Motte doch deinen Falkner aus, ja? Nur für den Fall, dass wir ihn brauchen.“
Ace Kaiser
Germaine Danton ließ seinen Blick über die Anwesenden streifen. Die MechKrieger und wichtigsten Offiziere waren in diesem Raum versammelt, ausgenommen die KIampflanze, die mit Hilfe der Artillerie-Panzer die Patrouille aufrechterhielt.
Der Major konnte es nicht verhehlen, er war stolz auf seine Leute. Und dies zeigte er auch in seinen Augen durch ein strahlendes, selbstbewusstes Leuchten.
„Herrschaften“, begann er mit einer Stimme, die den ganzen Raum erfüllte, „wir hauen hier ab!“
Je nach Temperament nickten die Chevaliers, klatschten oder pfiffen begeistert.
Germaine hob eine Hand und unterbrach den kleinen Tumult. „Um exakt zwei Uhr siebenunddreißig Ortszeit werden die ComStar-Transporter fertig beladen sein und sofort losjagen. Lupo, deine Leute und die Elis übernehmen die Front. Ich übernehme den Oberbefehl über die Kommandolanze und decke mit ihr die Flanken. Fang deckt den rückwärtigen Bereich.“
Der Blick des Majors ging zu dem Chef der Panzer. „Mike. Deine Leute fahren im Konvoi mit. Eure Aufgabe ist es, uns Blechdosenfahrer immer dort zu unterstützen, wo ihr gebraucht werdet. Das bedeutet eine Menge Stress und wenn Ihr gerade vorne ein Gefecht hattet, werdet Ihr vielleicht hinten schon gebraucht. Die Aufteilung der einzelnen Lanzen überlasse ich dir. Aber habe ein Auge drauf, dass wir immer eine ausgewogene Mischung aus Nahkämpfern und Fernkampfwaffen haben.“
Der frisch gebackene Lieutenant nickte schwer.
„Bishop, Ihre Pioniere haben die Arbeit hinter sich. Es kann sein, dass wir noch einmal den Minenwerfer brauchen. Und halten Sie ein wenig Donner-LSR bereit, aber ansonsten ziehen Sie mit Ihren Leuten einfach den Kopf ein und warten Sie auf die Ankunft in den Landern. Die Kommandos und die Sprungtruppen teilen sich auf die Fahrzeuge auf. Wir teilen tragbare KSR aus. Kein Wagen soll unbewacht sein.“
Bishop nickte.
„Herrschaften, wir haben einen weiten Weg vor uns. Der Konvoi kommt nur so schnell voran wie sein langsamstes Mitglied. Das bedeutet dass Blakes Wort uns locker überholen und einen Hinterhalt legen kann, sobald sie gemerkt haben, dass wir ausrücken. Auf Hilfe von Count Dvensky brauchen wir nicht zu hoffen. Im Gegenteil, wir müssen sogar drauf achten, dass ihm ein Angriff auf uns nicht vorteilhaft erscheint. Er war für uns ein Feind, seit wir hier gelandet sind. Und er ist ein Feind geblieben. Behaltet das immer im Hinterkopf. Vor allem, wenn wir aus der Stadt heraus sind, bedeutet das für uns noch lange keine Sicherheit. Einer der Luft/Raumjäger wird uns permanent Deckung geben, aber auch das bedeutet nicht automatisch Sicherheit.
Der Bogen, den wir um die Stadt schlagen müssen, wird uns viel Zeit kosten. Zeit, in der wir verletzlich sind. Das alte Flussbett bedeutet für uns eine sichere Marschroute, aber auch die Möglichkeit, in eine exzellente Falle zu laufen. Die letzten Kilometer über offenes, weites Land aber werden unser eigentliches Problem sein. Nicht nur wir Krieger werden in dieser Zeit leicht getroffen, nein, auch die LKTs, die wir eigentlich beschützen wollen.
Und machen wir uns doch nichts vor, der erste Schuss eines Blakes Wort-Milizionärs geht zuerst auf einen zivilen Wagen von ComStar und dann erst auf uns.
Also bleibt wachsam.“
Germaine machte eine lange Pause, um der Küchencrew die Möglichkeit zu geben, jedem erneut ein Essenspaket auszuteilen. Katana, die Neue, betrachtete etwas indigniert das Viertelpfund gebratener, daumengroßer Fleischklopse, die den Kriegern schnell Energie bringen sollten. Aber sie sagte nichts.
„Wie ich schon sagte, erwarten Sie alle keinen Spaziergang. Es wird hart und ich wäre enttäuscht, wenn es nicht so wäre. Denn das würde bedeuten, dass ich Blakes Wort überschätzt habe. Und das glaube ich nicht. Oder Dvensky. Auch das glaube ich nicht.
Außerdem bedeutet dies noch lange nicht den Abschluss unserer Mission. Denn danach erwartet uns noch der Sprung nach Tomainisia. Dort, genauer gesagt in der ehemaligen planetaren Hauptstadt Leipzig erwarten uns unsere Kameraden. Sie haben ihren eigenen Auftrag ausgeführt und warten nun nur noch darauf, dass wir zu ihnen stoßen. Wir alle bis auf Sie, Corporal Ferrow. Am Raumhafen wechseln Sie wie besprochen auf den Drac, der Sie in die Vereinigten Sonnen bringen wird, um Ihre Babypause anzutreten.“
Für einen Moment war Germaine überrascht über die Reaktion der anderen weiblichen Soldaten im Raum. Er hatte gedacht, dass die Information über Dawns Schwangerschaft allgemein bekannt gewesen war. Aber so wie die Damen sich nun gebärdeten, konnte er das nicht wirklich glauben.
Nachdem sich die Aufregung gelegt hatte, fügte Germaine an: „Doc Wallace. Der Corporal fährt bei Ihnen mit. Ich hoffe doch sehr, dass Blakes Wort das Rote Kreuz respektiert.“
„Das hoffen wir alle, Sir“, erwiderte Belinda mit dünnem Lächeln.
„Nach dem Hopser nach Tomainisia“, sagte Germaine mit unberührter Stimme, „haben wir uns Dvensky mit Sicherheit richtig zum Feind gemacht. Das bedeutet, bereits wenn abzusehen ist, dass wir nicht direkt ins Weltall durch starten haben wir jederzeit mit Angriffen zu rechnen. Ernst zu nehmenden Angriffen, die unsere Lander und Jäger beschädigen, ja, zerstören können.“
„Wäre es dann nicht klug, am Raumhafen erst einmal die gegnerischen Flugeinheiten auszuschalten?“, fragte Eleni Papastratas alias Artemis.
„Nicht wirklich. Seit wir auf dem Raumhafen aufgesetzt haben, befinden sich dort genügend Artillerieeinheiten, um einem startenden Union das Leben wirklich zur Hölle zu machen. Wir haben nicht die Zeit und vor allem nicht die Ausdauer, um einem permanenten Beschuss lange Widerstand zu leisten. Da ist es einfacher mit dem Feind in der Luft umzuspringen.
Außerdem weiß ich aus zuverlässiger Quelle, dass das Topaß des Gegners während der Kämpfe mit den New Home Regulars verletzt und damit noch immer dienstuntauglich ist.“
„Wenigstens eine gute Nachricht“, brummte MacLachlan.
„Und eine weitere folgt sofort.“ Germaine nickte schwer. „Ursprünglich sah der Einsatzplan von ComStar vor, Bryant zu verlassen und uns hinter dem dritten Mond zu verstecken, bis ein turnusmäßig erscheinendes Sprungschiff am Nadir der bryanter Sonne materialisiert, das jede Woche einmal erscheint.
Aber dank Sergeant van Roose haben wir eine andere, schnellere Möglichkeit. Fragen Sie mich nicht wie, aber seit drei Tagen wartet ein ziviles Sprungschiff zwischen dem zweiten und dem dritten Mond auf uns. Beide Welten stehen in Konjunktion und haben die Ankunft des Schiffes verschleiert. Sobald wir es erreicht haben, springen wir nach Outreach. Für einen Teil von uns bedeutet es dann, auf die Dragonerwelt zu fliegen. Der Rest wird zum ARDC weiterfliegen, unserem eigentlichen Auftrag entgegen.
Fragen?“
Niemand stellte eine Frage oder hakte nach. Aber es herrschte allgemeines Erstaunen über die vorausschauende Planung des Alten.
„Gut. Dann lasst uns fertig werden.“
**
Akoluth Delaware war irritiert. Nicht nur, dass er sechs seiner Mechs abgegeben hatte, für eine Mission, über dessen Fortgang oder gar Erfolg er keinerlei Informationen hatte, nein, die Söldner wagten es, seinen anderen beiden Sektion II ernsthaften Widerstand zu leisten. Nein, der Verlust von zwei Mechs und zudem seines kommandieren Offiziers, Dem-Präzentors Kiluah, hatten den Angriff entscheidend geschwächt.
Akoluthin Hayes, die Pilotin des Black Knights, war nicht annähernd so effektiv wie Aden Kiluah, im Gegenteil, sie war eine zögerliche und übervorsichtige Person und bevorzugte einen überlegten Kampfstil, den Delaware für dieses Gefecht als überhaupt nicht angebracht empfand. Was sprach dagegen, auszurücken, in die Kaserne einzufallen und die Chevaliers zu zerquetschen?
Hätte Kiluah diese Methode von Anfang an und nicht so halbherzig verfolgt, wäre er möglicherweise am Leben und zudem siegreich.
Aber der Idiot hatte sich ja umbringen lassen. Und zudem verstand Delaware zu wenig, viel zu wenig vom MechKampf, um sich effektiv und mit ruhigem Gewissen über Hayes hinweg zu setzen und seine eigenen Befehle durch zu drücken. Es wäre Wahnsinn gewesen und er wusste das. Schuster, bleib bei deinen Leisten, hatte der selige Blake einstmals gesagt und das bedeutet nicht mehr und nicht weniger als dass er selbst bei der Diplomatie blieb und Hayes den Angriff führte.
Die junge Frau stand vor seinem Pult. Ihre Augen schienen in der Halbdunkelheit zu glühen. Tatsächlich aber reflektierten ihre Pupillen nur den Reflex von Delawares Zigarrenglut.
Nervös zog er an dem Stumpen, wie er es nur sehr selten und unter größtem Druck tat. Dann nickte er langsam. „Ich gebe Ihnen die Agenteneinheit, Akoluth Hayes. Setzen Sie diese zwanzig Mann weise ein.“
Die junge Frau atmete erleichtert auf. „Danke, Akoluth Delaware. Ich werde Sie nicht enttäuschen.“ Sie wandte sich um und wollte gehen, doch Delaware hielt sie noch einmal zurück. „Ach, Akoluth Hayes…“
„Sir?“
„Hayes, wenn es irgendwie geht, geben Sie Dvensky einen Grund, auf unserer Seite in den Kampf einzugreifen. Und zerschießen Sie die schönen Mechs nicht zu sehr. Wir könnten damit unseren Bestand aufstocken oder unseren Verbündeten friedlich stimmen.“
Wieder blitzte es in ihren Augen auf. Erwartungsvoll. Aufgeregt. „Ich habe verstanden, Sir. Blakes Wille geschehe.“
„Blakes Wille geschehe“, intonierte der Akoluth und entließ die MechKriegerin.
Als sie sein Büro verlassen hatte, lehnte sich Delaware weit nach hinten. Wenn er doch nur endlich Nachrichten aus Leipzig bekommen hätte…
**
„Ist mein Black Knight wieder klar?“, blaffte die Akoluthin, als sie den geheimen MechHangar der Miliz betrat. Der Hangar hatte eine Kapazität, um eine Sektion III permanent zu versorgen. Ursprünglich war die hier stationierte Einheit dazu gedacht, den Planeten notfalls gewaltsam zu übernehmen. Zu wichtig waren diese Welt und New Home mit der strategisch günstigen Lage zur Mammonwelt Outreach mit den fünf Regimentern der Clan-Häretiker und Todfeinde, den Dragonern. Und zu offensichtlich lagen die Pläne der Führung des heiligen Ordens vor ihr. Warum diese Welt gewaltsam nehmen? Ein nutzloser, unterbevölkerter Eisbrocken mit mäßigen Ressourcen? Nein, da musste etwas hinter stecken. Etwas wichtiges – so wichtig, dass Demi-Präzentor Kiluah bei Erfolg seine Beförderung zum Präzentor sicher in der Tasche gehabt hätte. Nun war er tot, die letzten Daten aus der C3i-Vernetzung waren eindeutig gewesen.
Und nun war es an ihr, ihrem ehemaligen Vorgesetzten Ehre zu erweisen und Blakes Worts Wille auf dieser Welt zu erfüllen.
„Der Fliegerangriff hat große Schäden verursacht“, begann der ChefTechniker. „Eigentlich müssten wir die Armwaffen austauschen, aber…“
„Ist mein Black Knight wieder klar?“, hakte sie nach, mit starrem, aber fanatisch loderndem Blick.
„Wir haben die Panzerung ergänzt, aber wir übernehmen keine Garantie für die Reparaturen an den Waffensystemen“, sagte der ChefTechniker ernst.
„Das reicht mir“, rief sie und lief auf die Hebebühne zu, die sie in ihr Cockpit hieven würde.
„Passen Sie dennoch auf!“, rief der ChefTech ihr nach. „Wir haben getan, was wir konnten, aber lassen Sie sich dennoch nicht am rechten Arm treffen! Die Panzerung ist…“
„Sie muß nur lange genug halten, bis wir die Häretiker vernichtet haben!“, rief die Milizionärin herab. „Die Söldner nehmen wir uns danach vor!“
Der Tech schluckte hart. Er verstand diese Aussage sehr wohl.
„Ich übernehme das Kommando“, sagte sie, kaum das der Neurohelm richtig saß. „Wie lange braucht der Lynx noch für die Reparatur?“
Wolters, der Pilot des Lancelots meldete: „Selbst wenn wir nur die Panzerung flicken wird er noch einen halben Tag hier stehen müssen. Damit sind wir nur neun Mechs. Wir…“
„Neun Mechs sind mehr als genug für diese Verräter und Ungläubigen“, hauchte Hayes leise. Sie löste ihren Mech aus dem Reparaturbay und ließ ihn einen Schritt vortreten. „Er soll nachkommen so bald es geht. Der Rest folgt mir!“
Klarmeldungen trafen bei ihr ein und ließen sie kurzfristig auf einer Euphoriewelle schwimmen. Kurzfristig, bis sich der Gedanke an die Verräter von ComStar wieder in ihre Gedanken schlich. Ihre Augen verengten sich zu Schlitzen. „Aden… Ich werde deinen Tod rächen!“
**
Als Germaine die Pflaster des Neurokontakts a seinem Körper spürte, erfüllte ihn eine gewisse Euphorie. Es war eine Mischung aus Angst, Aufregung und Zufriedenheit. Dies war sein Platz. Hier gehörte er hin.
Als er den schweren Neurohelm aufsetzte, zögerte er nur einen winzig kleinen Moment. Als dann der vertraute Druck auf seinen Schultern ruhte und ein leichtes Feedback ein kurzes Schwindelgefühl auslöste, hätte er beinahe befreit aufgelacht.
Langsam löste er sich aus dem Wartungsgerüst. Vor ihm auf dem Boden standen die beiden Chefs der Wartung, Istvan Nagy und Doreen Simstein. Beide sahen sehr zufrieden zu ihrem Werk empor. Germaine konnte es ihnen nicht verdenken. In Rekordzeit eine Ersatzkuppel für einen Kampftitanen an einem Highlander anzubringen, zu panzern und auch noch einigermaßen dicht zu bekommen war eine Leistung, die gewürdigt gehörte.
Germaine hob den rechten Arm zum Salut für die Krieger der Zweiten Reihe.
„Keine Probleme. Unsere Arbeit war erfolgreich“, sagte er über die Lautsprecher.
Die beiden nickten. Doreen hielt ihm den gehobenen rechten Daumen hoch. Dann kletterten sie an Bord des vorletzten LKTs, der zusammen mit anderen Maschinen hier in der Halle mit laufenden Motoren wartete. Germaine drehte vorsichtig ein und ließ das Neunzig Tonnen-Monster als Erster den Hangar verlassen.
Draußen waren ComStar-Mitarbeiter eilig damit beschäftigt, die letzten Reste ihrer Ausrüstung auf die eigenen Fahrzeuge zu schaffen und abmarschbereit zu werden.
Noch sicherte die Kampflanze und die Artilleriepanzerlanze die Nord- und die Südeinfahrt, doch sobald der Tross formiert war, würden sie ihre Plätze am Heck einnehmen.
Germaine hoffte wirklich, dem Gegner damit eine Überraschung zu bieten und wenigstens einen kleinen Vorsprung zu gewinnen, der ihnen erlauben würde, die Stadt zu verlassen.
Er setzte sich auf die vordere rechte Flanke, den Tai-sho von Metellus direkt hinter sich wissend. Auf der anderen Seite hatten Frank Simstein und Karel Svoboda Aufstellung bezogen, als die LKTs den MechHangar verließen und zwischen die beiden Mechs fuhren. Die Kampfpanzer verließen den eigenen Hangar und reihten sich zwischen den zivilen Fahrzeugen ein. Aus einer Seitenstraße kam das mobile HQ hervor und beanspruchte einen Platz im vorderen Drittel. Der MechTransporter, auf dem bereits Dawns Mech Platz gefunden hatte, gelangte ins hintere Drittel. Den Abschluss würde die Kampflanze machen. Germaine hoffte wirklich, dass das reichen würde.
Auch das Hospital evakuierte. Die am schwersten Verletzten, unter ihnen Scharnhorst würden von Malossi und seiner Helikoptercrew ausgeflogen werden.
Germaine hatte dies auch Dawn angeboten, obwohl er die Antwort schon gekannt hatte. Sie war recht harsch ausgefallen. Aber auch das hatte den Major sehr zufrieden gestellt.
Nun trafen die Klarmeldungen en gros ein. Ein letztes Mal wurde abgezählt. Die Pioniere aktivierten schnell noch ein paar automatische Kameras, bevor auch sie einstiegen.
Dann traf auch das Okay von Bishop ein.
Germaine wandte den Oberkörper dem Helikopter zu. „Fliegen Sie los, Captain Malossi.“ Der Pilot und Arzt der Chevaliers ließ sich nicht lange bitten und startete den Helikopter.
Daraufhin wandte sich der Major wieder in Marschrichtung um. Der Molosser, wie der Doc in Anspielung auf eine riesige, aber sanfte Hunderasse oft genannt wurde, würde ein paar Schleichwege durch die Stadt nehmen und dadurch hoffentlich unbeschadet den Raumhafen erreichen. Zumindest die Bryanter hatten das Rote Kreuz bisher respektiert.
„Abmarsch!“, gab Germaine das erlösende Kommando. Die Schlaglanze unter McHarrod reagierte sofort. Die nunmehr drei Mechs sprinteten vom Gelände und hielten auf die Bresche im Häuserwald zu, welche die Chevaliers in die freie Wildnis nehmen würden.
Nach und nach ruckten die Fahrzeuge an und dann war es an Germaine, auch den Highlander in Bewegung zu setzen. Langsam verließen sie den Innenhof, gewannen draußen aber schnell an Geschwindigkeit. Mit fast fünfzig Klicks die Stunde hastete der Konvoi auf die Bresche zu.
In der ganzen Zeit befürchtete Germaine einen Überfall in der Flanke. Tatsächlich hatte er den Raijin ein paar Mal in der Ortung. Aber anscheinend fühlte er sich nicht in der Lage, eine derart kompakte Gruppe anzugreifen.
Der Major der Chevaliers konnte sich vorstellen, was jetzt auf den Kanälen des Gegners los war, wie hastig Anweisungen gegeben und wieder verworfen wurden, während sie von der eiskalten, stockfinsteren Nacht umschlungen wurden.
Er gönnte Blakes Wort diese Panik und Hektik. All das würde sich zu ihrer aller Vorteil auslegen.
„Germaine? Die Kameras reagieren!“, kam eine Meldung von Juliette Harris.
„Gib es mir durch“, sagte er leise und beobachtete die Bilder von drei Kameras auf seinen Hilfsmonitoren. Die erste Kamera zeigte den Blick von der Außenmauer. Die Blakes Wort-Miliz rückte mit drei Mechs, dem Wyvern, den Black Knight und der Crab auf das Gelände vor. Zwei LKTs folgten ihnen dichtauf. Infanterie?
Aber warum hatten die Milizionäre sie dann nicht schon früher eingesetzt?
Neben den schweren Schritten des Black Knight gingen mehrere Minen hoch. Kurz blieb der Riese stehen und feuerte mehrere Ladungen ab, die weitere Teile des Minenfeldes vernichtete.
Schade. Germaine hätte es zu gerne gesehen, wenn sich die Milizionäre durch Unachtsamkeit weiter beschädigt hätten.
Kurz darauf erlosch das Bild von Kamera eins.
Die zweite war im Hof stationiert. Der Raijin war nirgends zu sehen, Germaine nahm an, dass er den Auftrag bekommen hatte, mit seiner immensen Geschwindigkeit Kontakt zum abmarschierenden Pulk der Chevaliers zu halten.
Die beiden LKTs hielten an und bewaffnete Kommando-Soldaten mit Gesichtsmasken und Shimatzu-MPs stürmten in die Gebäude. Kamera drei zeigte, wie sie in den Kontrollraum des HPG kamen, mit ihren Waffen herumfuchtelten und sichtlich enttäuscht waren, keine Ziele vorzufinden.
Germaine lächelte kalt, während er einen unscheinbaren Knopf auf seinen Armaturen drückte.
„Bumm.“
Für ein paar Sekunden gab er sich der Illusion hin, die riesige Schüssel des Beta-HPGs würde in diesem Moment ihrer Standfestigkeit beraubt werden und dank ihres Eigengewichts in den Innenhof sacken und dabei sowohl das Kontrollgebäude als auch die drei Mechs im Innenhof vernichten.
Aber leider war das nur der Schalter für die Reinigungsanlage der Cockpitscheibe.
Und so gerne Germaine einen solchen fetten Knall auch gesehen hätte, er hatte viel zuviel Respekt vor dem ehrwürdigen Begriff LosTech. Abgesehen davon dass jedes zerstörte HPG eine maßlose Verschwendung war – solange man diese Technik nicht nachbauen konnte war jeder einzelne, ob Beta, ob Alpha, ein immenser Schatz, den man abseits aller Streitigkeiten der Nachwelt erhalten musste. Diese Dinge waren viel zu kostbar für die ganze Menschheit und sogar Blakes Wort respektierte das.
„Wir haben das Delta erreicht“, sagte Wolf McHarrod auf direkter Leitung. „Ich lasse jetzt Sergeant Rowan ausschwärmen und die Hänge absuchen, bis Ihr aufgerückt seid.“
„Verstanden. Haltet gut die Augen offen“, gab Germaine zurück.
McHarrod enthielt sich einer Antwort. Aber der Major konnte sich das verkniffene Grinsen gut vorstellen, welches der ehemalige Geisterbär-Leibeigene nun gerade zum Besten geben würde.
Germaines Blick schwenkte zum fernen Raumhafen herüber, der neben dem Lichtermeer von Brein in der Ferne funkelte. Ihr Ziel war so weit, so endlos weit entfernt.
Er fasste die Steuerknüppel fester. Sie würden ihr Ziel erreichen. Und dann würden sie diesen Eisball verlassen. Ein für allemal!
**
Der Angriff kam überraschend und war vorbei, bevor Germaine es überhaupt richtig mitbekommen hatte. Zwischen den LKTs und Panzern im Konvoi fuhren schlecht gezielte KSR hernieder, richteten aber kaum Schäden an. Bevor Fasterman und Snob reagieren konnten, war der Kintaro, der für den Beschuss verantwortlich war, wieder vom Kamm des Flussbetts verschwunden.
Sie konnten von Glück sagen, dass der Feind nicht nahe genug gewesen war, um einen wirklich sauberen Schuss auf die Fahrzeuge abzugeben.
„Nicht nervös machen lassen“, raunte Germaine auf Lanzenkanal den beiden MechKriegern zu. „Das war nur eine Begrüßung. Sie sind da und sie werden uns auf den Fersen bleiben.“
„Sollen wir nicht auf die Hänge klettern, Sir?“, fragte Fasterman drängend. „Da oben können wir viel effektiver Feuerschutz geben.“
„Nein, Frank, bleiben Sie beim Konvoi. Da oben sind Sie zu weit vom Rest entfernt und verzichten auf die überlappenden Feuerfelder. Außerdem haben Sie ja gesehen, dass wir außer Reichweite für sichere Schüsse sind.“
„Aber können wir nicht wenigstens die Elementare auf den Absätzen patrouillieren lassen?“, hakte Snob nach.
„Das ist eine schlechte Idee, Karel“, erwiderte Germaine. „Wollen Sie die gepanzerten Infanteristen zu Zielscheiben machen, weil sie immer gleichen Kurs und gleiche Geschwindigkeit wie der Konvoi halten müssen?“
Sich überlappende Schussfelder waren nach Germaines Erachten wirklich ihre beste Chance. Das Flussbett war recht breit und würde ihnen Gelegenheit bieten, das Feuer einer MechLanze zusammen zu legen, eventuell auch das einer Panzerlanze. Dazu kamen die Fallen Angels, von denen Hellboy bereits über ihnen kreiste, während die anderen beiden nur noch auf den Befehl zum ausschleusen warteten.
Germaine hätte die Flieger effektiver einsetzen können. Tat es aber nicht, weil er sie noch für den Flug nach Tomainisia bitter benötigte. Sehr bitter benötigte.
„Verstehe, Sir“, maulte der Pilot des Kampftitans.
„Halten Sie einfach gut die Augen auf. Und wenn Sie merken, dass der Gegner mehr vorhat als eine Stippvisite – drauf!“
„Ja, Sir!“, erwiderte der junge Mann, nun wesentlich enthusiastischer.
Germaine verkniff sich ein zynisches Grinsen. Wenn er daran dachte, dass er Snob bereits einmal abgeschrieben hatte… Der Junge hatte ein erstaunliches Comeback hinter sich und war auf dem Weg, ein wirklich guter Soldat zu werden. Vielleicht sogar auf dem Weg ein guter Anführer zu werden, aber das würde die Zeit zeigen.
Aufgeregte Rufe auf den Funkkanälen riefen Germaine in das Jetzt zurück. „Knave, hier Knave. Bericht!“
„Lupo hier. Wir haben einen Verlust, ich wiederhole, wir haben einen Verlust!“
„Bestätigen Sie, Lupo!“, blaffte die Stimme von Harris über die Leitung.
„Bestätige den Verlust eines Luftkissentransporters von ComStar. Bitte um Erlaubnis, den Konvoi anhalten zu dürfen und die Überlebenden zu bergen.“
Tausende Gedanken jagten Germaine durch den Kopf. Seine militärischen Erfahrungen und seine Ausbildung in Sandhurst kollidierten heftiger miteinander als ansonsten. Die Spitze des Konvois musste in einer schlecht überschaubaren Ecke stecken, wenn es Blakes Wort gelungen war, einen ComStar-LKT abzuschießen, ohne sich vorher mit der Schlaglanze anzulegen.
Germaine hatte nun zwei Möglichkeiten. Entweder den Rest der Einheit die Gefahrenstelle schnell passieren zu lassen oder anzuhalten, zu allen Seiten zu sichern und damit vielleicht in eine vorbereitete Falle zu tappen, die schon ein Fahrzeug unter seinem Schutz gekostet hat.
„Major Danton!“, blaffte Yalom empört. Der wortkarge Verbindungsoffizier vom ComStar hatte es schnell und einfach auf den Punkt gebracht.
„Erlaubnis erteilt. Saint und MAgus vor zur Bergung von Überlebenden. Hellboy soll näher heran kommen, um für uns zusätzliches Auge zu spielen. Chevaliers, wir igeln uns ein paar Minuten ein.“
Demonstrativ wendete Germaine den Highlander der Felswand zu, die sich links von ihm erhob und richtete die Waffenarme auf den Sims. Hinter ihm kamen die Fahrzeuge zum stehen, während sich zwei Fahrzeuge mit dem roten Kreuz auf der Seite nach vorne drängelten.
Die Techs und Ärzte begannen sofort mit der Bergung der Überlebenden und arbeiteten schnell und effektiv. Dennoch wurden die knapp sieben Minuten sehr lang für Germaine.
„Abschlussbericht“, meldete sich Doc Wallace zu Wort. „Sieben Tote, elf Verletzte, davon zwei schwer. Drei unter Schock.“
„Soll ich Malossi anfordern“?, fragte Germaine.
„Nein, sie werden es schaffen. Unnötig, den Helikopter zu gefährden“, antwortete die junge Frau müde.
Germaine hatte eine spitze Anspielung darauf auf der Zunge, wie sie ihm die Entscheidung über Leben und Tod seiner Offiziere aufgezwungen hatte, aber er schluckte sie runter. Es wäre sinnlos gewesen und hätte nur die Nervosität gesteigert, unter der sie alle standen.
„Weiter“, kommentierte er, nachdem die Medo-Teams und die Techs ihr Okay gegeben hatten.
Wieder setzte sich der Konvoi in Bewegung und ließ die fatale Engstelle schnell hinter sich.
Kurz vor der Auffahrt auf den Sims und dem Weg zum Raumhafen ließ Germaine erneut halten. Die Schlaglanze ging vor, ließ die Elementare absteigen und die Umgebung untersuchen. Germaine zweifelte nun nicht mehr, dass die FeindMechs aufgeholt hatten. Aufgeholt und voll aufmunitioniert, eventuell vollständig repariert. Zehn Maschinen gegen seine elf, davon fünf im C3i-Verbund.
„Oben ist alles sauber, Sir“, meldete Lupo.
Germaine ließ die Worte auf sich wirken, bevor er sich seinerseits meldete. „Gut. Bleiben Sie wachsam, McHarrod.
An alle Chevaliers. Uns steht nun das schwierigste Teilstück bevor, über freies, offenes Land. Dies wird eine schwierige Phase, die uns große Verluste bringen kann. Dennoch – werdet nicht hektisch. Lasst das Ganze nicht zu einem Rennen in die vermeintliche Sicherheit verkommen. Löst die Formation nicht auf und hört auf eure Vorgesetzten.
Einen Wagen mit ComStar-Personal haben wir schon verloren. Einen zweiten oder dritten wollen wir gar nicht erst verlieren. Bleibt bei den Wagen, wenn es nötig ist kämpft, aber kehrt zurück, sobald Ihr euch zu weit entfernt. Und denkt daran, dies ist erst ein Teil unserer heutigen Arbeit. Wir müssen noch immer zum Nachbarkontinent rüber und unsere Kameraden raus hauen. Verstanden?“
„Verstanden!“, hallte es ihm entgegen.
„Gut. Dann los, Chevaliers.“
Kurz darauf donnerten metallische Füße in den gefrorenen Boden, gruben sich schwere Räder in Eis hinein und zischte gefrorene, eisige Luft auf Luftkissenfeldern über das Land.
Ace Kaiser
„Yehaaa!“, kam es von Lieutenant Mike McLloyd, als sein Pegasus mit Höchstgeschwindigkeit über den Hang preschte, leicht abhob und aus einem Winkel von sieben Grad wieder zu Boden stürzte.
Als hätte er damit ein Zeichen gesetzt, taten es ihm die anderen Mitglieder der Scoutlanze nach und bald war das Funknetz der Chevaliers von wüstem Gebrüll erfüllt.
Germaine ließ sie gewähren, denn die Jungs und Mädels brauchten nun ein Ventil. Etwas, um Spannungen abzubauen, Frust über Bord zu werfen und weiter zu machen.
Er selbst löste im vollen Lauf die Sprungdüsen des Highlander aus und hüpfte den Sims hinauf. Während des Sprungs betete er freilich inständig darum, dass er sich nicht blamierte und mitsamt dem Neunzigtonner hinlegte. Erstens wäre das Gelächter dann groß gewesen und zweitens wären die zu erwartenden Beschädigungen nicht von schlechten Eltern gewesen.
Doch es ging alles gut, mehr oder weniger geschickt landete er neben Katana in Scharnhorsts Hatamoto, die seine Kommandolanze verstärkte. Kurz hatte Germaine mit dem Gedanken gespielt, den schweren Mech McHarrod zuzuteilen, ihn aber wieder verworfen. Der Hatamoto war zu langsam für die agilen Mechs der Schlaglanze.
Die Schlaglanze stellte das unter Beweis und lief dem Konvoi vorweg. Als sie einen guten Klick Distanz aufgebaut hatten, gaben sie ihre ursprüngliche Richtung auf und fächerten einen halben Klick auseinander. Zugleich rasten die vier Panzer der Scoutlanze seitlich davon, um den Aufstieg der langsameren Fahrzeuge zu schützen. Mike und Aaron Pearl in den Pegasen eins und zwei nach links gut einen halben Klick, sowie Jack Meyers Harraser und Anastasia Yindis Saracen nach rechts.
Das Ergebnis eines sehr langen Trainings. Fünfhundert Meter war für die meisten Waffensysteme der Inneren Sphäre die Distanz für einen sauberen Schuss. Alles darüber hinaus musste entweder Glück, eine Extremreichweitenvariante oder Artillerie sein.
Dadurch, dass sich die Schlaglanze und die Scouts der Panzer derart auffächerten, setzten sie sich selbst der Gefahr aus getroffen zu werden, aber zugleich stellten sie fest: Wollt Ihr auf den Konvoi schießen, müsst Ihr erst bis auf unsere Höhe vorrücken!
Germaine grinste zufrieden. Bis hierhin ging es einigermaßen glatt.
Adept Yaloms Mech patrouillierte derweil den Abhang auf und ab, bis die restlichen sieben LKT mit dem ComStar-Stern auf der Flanke sicher die Höhe erreicht hatten.
Der Major konnte es dem Veteran der Clankriege nicht verdenken, dass er sich nun primär um seine Kollegen kümmerte. Eigentlich verlangte es Germaine sogar; somit konnten sich die Chevaliers auf Wichtigeres konzentrieren und mussten nicht auch noch den schweigsamen Krieger integrieren.
Die letzten Wagen, Pioniere und Küche kamen hoch, während Germaine mit Decius Metellus Wache hielt. Danach folgte die Kampflanze, die unter Rebeccas Führung enorm gewonnen hatte. Insgeheim wünschte sich der Major, dass die junge Wahrgeborene auf die vollkommen unsinnige Idee kam, nicht wieder in ihren Clan zurück zu kehren.
„Es sind alle oben. Komm nach, Fang“, meldete Germaine.
„Verstanden. Die Kampflanze rückt nach, Knave.“
Kurz glitt ein Schmunzeln über das Gesicht des Majors. Codenamen waren bei den Clans eher selten. Dennoch hatte sich die Geisterbärin bereits gut angepasst und benutzte die Bezeichnungen schon unbewusst.
Wenigstens diesen Part hatten sie hinter sich gebracht. Nun blieb nur noch der Run auf den Raumhafen. Zehn Klicks über offenes Land. Ein höllischer Ritt. Und der Konvoi, der bereits versuchte, zu der Schlaglanze aufzuschließen, hatte sich bereits bedenklich gedehnt.
Germaine erwartete einen Angriff, genau jetzt in der Flanke, trotz der bereit stehenden Panzer, genau jetzt, wo die Verteidigungslinien überdehnt waren. Ein massiver Einbruch und dann Feuer auf die zivilen Wagen.
„Jetzt gut aufpassen, Grim Reaper und Archer“, rief Germaine Peter Niedermeye, Chef der Kampflanze und Gray Gordon, Anführer der Artillerielanze zu.
Nun würde es sich zeigen, ob die Panzer, die im Konvoi mitfuhren, schnell genug ausscheren konnten, um jedem Feind zu begegnen.
„ORTUNG!“, gellte Rebeccas Ruf auf. Germaines Blick ging zu seinen Anzeigen. Tatsächlich. Zwei rote Punkte identifizierten Hitzequellen von… Hinten!
Germaine ließ den Mech herumwirbeln, hob die Arme mit den Waffen, versuchte für die LSR ein Ziellösung zu bekommen, als das Eis des Flusses unter enormer mechanischer Belastung aufbrach und den Wyvern entließ. Neben ihm schoss der Lynx in die Höhe.
Beide mittelschweren Maschinen ritten auf ihren Sprungdüsen parallel zu den Chevaliers den Abhang hinauf und feuerten was ihre Waffen hergaben.
Germaine reagierte bereits und zog hinter dem Wyvern eine lange Garbe mit seinen Harmon M-Lasern hinterher, verdampfte aber nur Schnee und gefrorene Erde. Neben ihm schoss Metellus eine PPK ab und hatte mehr Glück. Sie traf und schubste den Lynx aus der Bahn. Der Mech verlor den linken Arm, konnte aber noch eine Salve abgeben, bevor er sich herum warf und wieder ins Flussbett sprang. Zwei weitere PPKs blitzten auf, als Rebecca mit ihrem Kriegshammer IIC eingriff und den spritzigen Wyvern zu fassen zu kriegen versuchte.
Auch Germaine beteiligte sich erneut und feuerte nun das Gaussgeschütz ab, etwas über den Kopf gezielt, falls der Miliz-Mech von der Gewalt der PPKs fort springen wollte.
Tatsächlich tat ihm der Wyvern den Gefallen, wurde mittig in die Torsopanzerung getroffen und meterweit davon geschleudert. Leider erwies sich der Pilot als Könner, löste die Sprungdüsen aus und landete ebenfalls im Flussbett.
Rebecca bewegte den Kriegshammer schon wieder ins Flussbett hinab, aber Germaine hielt sie zurück. „Nein, Fang. Es könnte eine Falle sein.“
„Aber Sir, es sind nur ein Wyvern und ein Lynx und…“
„Sie sind zu schnell für unsere schweren Brocken!“, erwiderte Germaine ernst. Strategisch gesehen hatte er es versaut. Er hätte für genau diesen Fall ein oder zwei flinke Einheiten hinten halten sollen, anstatt die schweren und langsamen Sachen hier zu konzentrieren. Sein Fehler. Ein tödlicher Fehler.
„Bericht, Pilum“, hauchte er tonlos, während der Highlander wendete und auf das Malheur herab sah.
Der Marianer bewegte seinen Mech ein wenig den Hang hinab, um den Miliz-Mechs deutlich zu machen, dass der Trick mit dem Eis nur ein einziges Mal funktionierte und sagte: „Sie haben einen Küchenwagen abgeschossen.“
Germaine schloss entsetzt die Augen. Ausgerechnet die Küche. Die Küche! Die harmlosesten Nonkombattanten der ganzen Einheit. „Wie schlimm ist es?“
„Wir können es noch nicht sagen. Pioniere und MedTechs sind bereits unterwegs. Ich habe den Konvoi stoppen lassen.“
„Es ist gut, Pilum“, bestätigte Germaine den Befehl.
Langsam wendete er seinen Highlander so weit, dass er auf den noch immer rauchenden Wagen sehen konnte. Einige Menschen lagen wie Gliederpuppen verrenkt im Schnee, während andere saßen und vor Angst und Schrecken nicht fähig waren sich zu bewegen.
Dazwischen lagen Tote, zum Teil verbrannt oder anderwegs fürchterlich entstellt.
Germaine schloss die Augen. Verdammt. Leon! Sonja! Er wusste noch nicht wen es alles erwischt hatte, aber für die Moral der Einheit würde dieser Überfall, dieser eine Treffer ein echter Schlag ins Kontor sein. „Und dann sind sie auch noch entkommen“, hauchte Germaine so leise, dass das Kehlkopfmikrofon nicht ansprach.
Unter ihm begannen die Sanitäter mit der Bergung.
Und er hatte Angst vor der Verlustliste.
„Augen auf, Chevaliers!“, rief er seinen Leuten zu. „Gerade jetzt sind wir verletzlich!“
Betätigungen liefen bei ihm ein.
„Feindkontakt!“, gellte es beinahe sofort darauf.
Wieder wurde ein roter Punkt angezeigt und ziemlich schnell als Crab identifiziert.
Die Maschine eilte mit hoher Geschwindigkeit auf Jaras Puma zu und eröffnete bereits aus großer Entfernung das Feuer aus dem M- und dem L-Laser.
Jara Fokker nahm die Herausforderung an und hielt nun ihrerseits auf den schwereren Miliz-Mech zu.
Artemis setzte ihren Dunkelfalke in Bewegung, aber Germaine hielt sie zurück. „Auf Position bleiben, Artemis. Es könnte eine Ablenkung für einen Flankenangriff sein.“
„Aber Sir, Sparrow ist…“
„Sparrow ist die Rose der Chevaliers“, sagte Germaine leise. „Und der Pilot der Crab wird sehr schnell eines merken: Jede Rose hat ihre Dornen.“
„Da kommt der Flankenangriff“, meldete Metellus.
Ein Blick auf den Bildschirm bestätigte die Worte des Marianers. In schnellem Tempo kamen vier FeindMechs heran, um die Chevaliers in der Flanke zu nehmen. Der Bordcomputer identifizierte die Angreifer als Tessen, Kintaro, Black Knight und Shootist. Mittlerweile gute alte Bekannte, ging es Germaine mit einem Schmunzeln durch den Kopf.
Zwei hinter ihnen, einer in der Flanke, vier auf der anderen Seite, das machte noch mal drei wirklich fette Brocken irgendwo auf ihrem Kurs.
„Fallen Angels, starten“, kommandierte Germaine und schickte damit die restlichen drei Flieger der Einheit auf Kurs.
Derweil hatten die vier Angreifer die beiden Scouts erreicht. Der Tessen bremste ab und legte sich mit den beiden Panzern an, während der Rest durchbrach.
In diesem Moment ließ Archer seine Lanze vorpreschen. Und kaum das sie in Waffenreichweite kamen, begannen die LSR-Plattformen mit ihrem Bombardement. Fasterman und Snob reagierten ebenfalls und liefen auf Abfangkurs.
Aus größter Distanz feuerte Fasterman seine PPKs und die Medium-Laser im schnellen Wechsel ab und suchte sich ausgerechnet den Kintaro als Gegner aus, während die Autokanone des Kampftitans dem Black Knight mit einer Garbe direkt vor seine Füße unmissverständlich zu verstehen gab: Bis hierher und nicht weiter.
Mit Entsetzen sah Germaine, wie einer der agilen Pegasi getroffen wurde. Der andere nutzte diesen Moment dazu, um seine Zähne schmerzhaft in dem Rücken des Tessen zu beißen, aber dennoch hatten die Chevaliers gerade einen Panzer verloren.
Der Black Knight ließ sich von dem Beinahetreffer des Kampftitans ebenso wenig aufhalten wie durch zwanzig LSR-Treffer und eröffnete nun seinerseits das Feuer auf eine LSR-Plattform. In einer wahren Lichtorgie zerriss der Angreifer eine der Plattformen. Als die eingelagerte Munition hoch ging, beeilten sich die anderen LSR-Träger, um Distanz aufzubauen. Damit öffneten sie dem angreifenden Mech eine Gasse auf die Wagen des Konvoi.
Dies war der Moment für die Infanterie. Die Männer und Frauen des Ersten Zuges saßen ab und rannten dem Angreifer entgegen. Ohne Zögern, ohne Angst. Und bevor sich der Black Knight versah schossen zwanzig KSR auf ihn zu.
Dieser Wolke aus Stahl und Gefechtsköpfen hatte der fünfundsiebzig Tonnen schwere Mech nichts entgegen zu setzen, also setzte er sich seitlich ab, nur um fünf, sechs, sieben Treffer zu kassieren. Die Infanterie ließ nicht locker, blieb aber schnell zurück. Der Black Knight erwies sich als launischer Verlierer und ließ seine Laser zwischen die tapfere Infanterie fahren. Mit Zornverzerrter Miene sah Germaine dabei zu, wie drei seiner Leute regelrecht verpufften, als das Wasser ihrer Körper vergast wurde.
Nun hatte Fasterman den Gegner erreicht, entschied sich aber für den Kintaro als Gegner.
Unterstützt durch die neu formierten LSR-Wagen ging er den Feind an und setzte ihm mit PPKs und Autokanone mächtig zu, während Snob dem Tessen klar machte, dass der letzte Pegasus nicht alleine war.
„Wir sind abmarschbereit“, meldeten die SanTechs.
„Langsam aufrücken und erneut stoppen“, befahl Germaine. Sie hatten heute schon zu viele Leben verloren. Wenigstens die toten Körper ihrer Kameraden wollten sie noch bergen.
Der Shootist nutzte die Tatsache, dass er nicht beachtet wurde und brach durch, kam schnell auf dreihundert Meter heran.
Hier stellte sich ihm aber Artemis mit ihrem Dunkelfalke entgegen und feuerte eine Salve LSR und KSR auf ihn ab, setzte mit dem M-Laser nach. Der Shootist taumelte, bedankte sich aber für das Geschenk mit einer Salve seiner Autokanone.
Ungläubig sah Germaine dabei zu, wie das Cockpit des Dunkelfalke zerplatzte und der geköpfte Mech haltlos in den Schnee fuhr.
Verdammt, Artemis!
Der Shootist wollte sich nun wieder dem Konvoi zuwenden, wurde aber von zwei Dutzend KSR empfangen. Wie im Rausch feuerte die Infanterie auf den FeindMech und zwang ihn mit über zwanzig Treffern zu Boden. Doch das reichte den Soldaten noch nicht. Ohne Kletterausrüstung erklommen sie den gefallenen Giganten, während ihre Kameraden weitere KSR hinein pumpten.
„Verdammt, Home Base, was ist mit dem Ersten Zug los?“, blaffte Germaine, dem bei dieser Aktion Angst und Bange um seine Leute wurde.
„Sie…“, begann Juliette Harris und musste mehrmals hart schlucken, bevor sie sprechen konnte, „sie haben MacLachlan verloren.“
Das war es also. Einer der drei verdampften Soldaten musste der Sergeant-Major gewesen sein. Nach Peterson hatten sie nun auch noch den alten Sergeant verloren.
Neben den wütenden Soldaten landeten zwei Elementare-Rüstungen, anscheinend vom Rücken des gefallenen Dunkelfalke. Sie stürzten sich auf das Cockpit und halfen ihren schlechter geschützten Kameraden, den Feind zu stellen.
Ein Laserblitz wanderte über die vordere Rüstung und der gepanzerte Gigant antwortete mit einer vollen Salve aus seinem MG.
Danach senkte sich über diesen Teil der Schlacht tödliche Stille.
Der Tessen hatte mittlerweile festgestellt, dass die Neuankömmlinge eine Nummer zu groß für ihn waren. Er setzte sich langsam ab, dabei immer versuchend, sowohl Snob als auch den Pegasus auf Distanz zu halten, gleichzeitig aber für den Kintaro und den Black Knight eine Gasse offen zu halten.
Der Kintaro ging noch einmal in den Nahkampf mit Fasterman, kam nahe genug für einen Schlag aufs Cockpit, bekam allerdings schweres Feuer von der Seite.
Jara Fokker war ihn ihrem Puma heran und bohrte ihre Waffen in die Seite des Gegners. Dies war der letzte ausschlaggebende Grund für den Feindpiloten, aufzugeben und stiften zu gehen. Sich gemeinsam sichernd zogen sich die drei Piloten aus den Linien der Chevaliers zurück. Doch Germaine konnte nicht aufatmen, wollte nicht. Zu sehr hatten die Chevaliers verloren, gelitten.
„Bericht“, hauchte er leise, während der Konvoi wieder hielt, diesmal um nach Überlebenden des zweiten Pegasus zu suchen, verletzte Infanteristen aufzunehmen und den Dunkelfalke der Einheit zu bergen.
„Wir haben Artemis verloren, Hermes zwei und Archer vier“, meldete Juliette Lewis leise.
„Außerdem einen Küchenwagen, fünf Tote, neun Verletzte. Keine neuen Verluste bei ComStar.
Auf der Haben-Seite stehen ein zerstörter Shootist und eine erledigte Crab.“
Germaines Blick glitt für einen Moment, einen winzigen Moment zum Crab herüber, der mit rauchendem Cockpit im Schnee lag und mit seiner auslaufenden Kühlflüssigkeit einen schmutziggrünen Fleck um sich verbreitete. Dann sah er sich den Puma genauer an, erkannte die schweren Gefechtsschäden und den halb abgetrennten rechten Arm.
„Gratuliere zum Abschuss, Sparrow“, sagte Germaine leise und in einem gewollt neutralen Ton.
„Er hat mich halt unterschätzt“, antwortete sie sachlich, mit mühsam zurückgehaltenen Emotionen.
Das haben wohl viele hier, auch Chevaliers, ging es Germaine durch den Kopf, aber er sprach es nicht aus.
„Weiter. Die Gefahr ist noch nicht vorbei. Wer Munition braucht, soll jetzt Bescheid geben.“
Germaine setzte seinen Highlander in Bewegung. „Und lasst die Miliz-Mechs hier liegen. Sie sind ein Geschenk für Count Dvensky.“
„Verstanden“, hallte es ihm entgegen.
Germaine hatte zuversichtlich klingen wollen und hoffte, das es auch geklappt hatte. Doch in seinem Inneren sah es ganz anders aus. Erst die beiden Mechs, die unter dem Eis gelauert hatten, dann die beiden Flankenangriffe. Die Verluste, diese verdammten Verluste. Die Küche, zum Henker. Und MacLachlan. Germaine glaubte, sein Herz krampfe sich zusammen und hielt sich die Brust. Das waren alles Freunde gewesen. Gute Freunde, viele noch aus den Anfangstagen der Chevaliers. Gewiss, es kamen immer wieder neue hinzu. Aber die Toten brachte nichts wieder zurück. Und alles was die Lebenden konnten war, dem Gegner ausreichend zurück zu bezahlen.
Germaine erreichte den gefallenen Shootist. Und ließ den Highlander drauf treten. Eine sinnlose Geste, aber sie tat so verdammt gut.
Hinter ihm vollführten auch Snob, Fasterman und Pilum diese Geste wie ein Ritual.
Ace Kaiser
Nach und nach setzte sich der Konvoi nach dem Ende der Bergungsarbeiten wieder in Bewegung. Mit einem Schaudern betrachtete Germaine die Wracks der LSR-Lafette und des zweiten Pegasus.
Aaron Pearl, der Kommandant hatte es nicht mehr raus geschafft. Von ihm war nicht mehr genug übrig geblieben, um ihn zu bergen.
Ähnlich übel sah es bei der LSR-Lafette aus. Dinh Uoc, der Fahrer hatte es raus geschafft, war aber vom Druck der hoch gehenden Munition getötet worden.
Mehr Glück hatte Thi Thuen, die Richtschützin gehabt. Sie und Walt Whitman hatten es noch in die Deckung einer Bodenmulde geschafft, bevor es das spektakuläre Feuerwerk gegeben hatte.
Und dann war da noch Eleni Papastratas, Artemis. Ihr Dunkelfalke konnte nahezu unbeschädigt geborgen werden, aber die Pilotin war bei einem Cockpittreffer gefallen.
Germaine ballte die Hände zu Fäusten. Verdammt, dieser kleine Überbrückungsauftrag kostete sie mittlerweile mehr als die Chevaliers eigentlich zahlen konnten!
Und über die Verluste auf Tomainisia wusste er auch noch nicht Bescheid. Ihm graute ehrlich gesagt vor dem, was ihn dort erwartete. Denn ehrlich gesagt konnte sich der Major nicht vorstellen, dass Blakes Wort dort nicht aktiv war. Immerhin hatte ihm Jegorova, die Spinne, ja gesteckt, dass ihr Geheimdienst einen seiner Leute mit einem Sender ausgestattet hatte. Selbst in dem Gewühl tropischer Stürme würde der Sender irgendwann einmal geortet werden.
Bei diesem Gedanken griff eine eiskalte Hand nach seinem Herzen und presste es zusammen. Verdammt, er hatte Freunde in der Einheit! Gute Freunde!
Der Gedanke daran, dass Miko oder Patrick was passieren konnte, ließ seine Hände zittern.
Verdammt, Doc. Er erinnerte sich noch gut daran, wie Dolittle dieses Rennpferd besorgt hatte, um es gegen einen neuen Panzer zu tauschen. Die Panzerfahrer hatten es damals mit einem Geschirr zur Hallendecke gezogen und Germaine hatte so getan, als sehe er es nicht.
Jedenfalls so lange dies möglich war, also der Zosse keine Äpfel fallen ließ.
Und das waren nicht die einzigen Verrücktheiten, die… Leben in die Einheit gebracht hatten.
Als die Reihe an ihm war, setzte er den Highlander in Bewegung, den Torso auf die linke Flanke gedreht und die Waffen feuerbereit.
Zwei Mechs hatten die Blakisten bisher noch nicht wieder eingesetzt aber nun auch zwei verloren. Germaine machte sich nichts vor. Bisher hatten sie die C3i-Vernetzung noch nicht wieder zum tragen gebracht, aber das konnte durchaus genug sein, um weitere Zivilisten zu töten oder noch ein, zwei Mechs heraus zu picken.
Germaine wollte das nicht, aber eine Regel hatte sich wieder einmal bestätigt: Es gab keine Sicherheiten im Gefecht, die Abläufe waren dynamisch.
Er konnte nur eines tun, sein Bestes geben und hoffen, dass es reichte.
„Sparrow hat gute Arbeit geleistet“, sagte Metellus über ihren Privatkanal, als sie den Mech passierten, den Jaras Puma zerrissen hatte.
„Sie hat mächtig leiden müssen, aber die Crab hat gelernt, dass ein ClanMech einen Gewichtsvorteil locker wieder aufwiegt.“
„Das ist es nicht alleine. Die Rose hat Dornen und wer unvorsichtig ist und sie unterschätzt muß bluten“, erwiderte Germaine.
„Warum hast du ihr nicht geholfen, Germaine?“, kam es von Metellus.
Der Major hatte diese Frage erwartet. In der Einheit war es allgemein bekannt, dass er Jara sehr mochte. Und er wusste sehr wohl, dass einige ihm nachsagten, er würde mit der jungen Frau schlafen und sie hätte ihre Beförderung zum Sergeant nur so bekommen.
„Sie brauchte keine Hilfe, Decius Metelle. Sie brauchte ein Erfolgserlebnis. Dringender als ein Ertrinkender Wasser. Sie musste dieses Metallmonster selbst ausschalten, mit ihren eigenen Fähigkeiten, ihrem Können. In letzter Zeit ist die Welt über sie zusammen gebrochen. Und sie musste lernen, dass es da immer noch eine Konstante gibt. Ihre eigenen Fähigkeiten.“
„Sie hätte sterben können“, warf der Marianer dem Chef der Chevaliers vor.
„Sicher. Und das kann sie immer noch. Wir alle können sterben. Aber letztendlich war es eine taktische Entscheidung. Eine Frau in einem Puma, die schon erfolgreich gegen die Clans gekämpft hat gegen einen Miliz-Offizier in einer Crab, der sich während der Belagerung des HPG nicht besonders hervor getan hat. Sie hätte durch einen Glückstreffer sterben können. Aber die Chancen waren klar auf ihrer Seite.“
„Wenn du es so siehst“, brummte der Marianer amüsiert.
Die Landungsschiffe kamen in Sicht und auch schnell näher. Germaine atmete erleichtert auf, als das Gelände des Raumhafens immer näher rückte. Und als die Schlaglanze endlich auf dem Gelände des Hafens stand, atmete Germaine erleichtert auf.
An der ROSEMARIE stand Mustafa al Hara ibn Bey und winkte in seinem Falkner die Wagen weiter. Wieder setzte sich die Schlaglanze in Bewegung, um die Nonkombattanten von ComStar und den Chevaliers sicher zu geleiten.
Nun erreichte auch Germaine mit der Mitte den Hafen. Ihn erwartete eine Doppelreihe Milizpanzer der Bryanter.
„Heute ist ein sehr schöner Tag“, kam es über den offenen Funk.
Germaine hielt seinen Mech neben dem linken Partisan an und sah herunter. In der offenen Luke saß ein bryanter Offizier und grinste zu ihm hoch.
„Sind Sie das, Tereschkow? Was freut Sie denn so?“
„Natürlich bin ich das, Söldner. Um nichts in der Welt hätte ich mir nehmen lassen, Ihren Abflug mit zu erleben. Deshalb ist es ja so ein schöner Tag. Steigen Sie in Ihre Lander und kommen Sie bitte niemals wieder.“
Germaine richtete unwillkürlich den rechten Arm mit der Gauß auf den Panzer aus und bekam sofort eine Feuerlösung. Es wäre ein Leichtes gewesen, den einen Meter durchmessenden Titanstahlball auf den kleinen Panzer zu jagen. Von Tereschkow würden nicht einmal Atome übrig bleiben, wenn die Kugel, auf Überschall beschleunigt, ihn direkt traf.
Der Offizier verzog keine Miene, als er in die Mündung der riesigen Waffe sah.
„Nett“, kommentierte er. „Ich wünschte, ich hätte Gelegenheit gehabt, Ihnen die Mündung meiner Waffen zu zeigen.
„Ich würde jetzt wirklich sehr gerne abdrücken, mein lieber Freund“, säuselte Germaine und ließ den Lauf noch ein wenig mehr nach vorne rücken.
„Was hindert Sie daran?“, forderte der Major der Miliz den Chevalier heraus.
„Natalija würde mir das niemals vergeben. Und das sind Sie einfach nicht wert.“
Zufrieden sah Germaine dabei zu, wie der Milizionär der Bryant Regulars rot wurde, vor Ärger und Scham und wandte den Mech ab. Dieser kleine Disput ging nach Punkten an ihn.
Eine Explosion riss ihn aus den Gedanken. Mitten zwischen ihnen ging eine Salve ungelenkter KSR hoch und verfehlte einen Wagen mit dem ComStar-Logo nur knapp.
Germaine versuchte sich zu orientieren. „Knave hier, Bericht!“
„Home Base, hier Home Base. Die letzten beiden Mechs, die bisher nicht in die Gefechte auf der Ebene eingegriffen haben, der Crockett und die Guillotine greifen uns auf der linken Flanke an!“
„Verdammt!“, entfuhr es Germaine. Er wusste eine Sache: Den Verantwortlichen ging es jetzt nur noch darum, so viele ComStar-Leute wie irgend möglich zu töten.
„Schützt die Wagen! Setzt das Einladen fort!“
Beide Mechs kamen aus einer Lagerhalle geschossen. Der Crockett versuchte ins offene Ladedeck der ROSEMARIE zu schießen, aber beide schweren Laser und die Autokanone zerschrammten nur die Panzerung.
Germaine warf den Highlander herum, eröffnete mit der Gauß das Feuer, schruppte aber nur Panzerung vom Crockett.
„Feuer einstellen!“, erklang Major Tereschkows Stimme über den offenen Kanal. „Dies ist bryanter Eigentum, und ich lasse niemanden hier kämpfen, keine Chevaliers und auch keine Blakes Wort-Miliz!“
Neben Germaine wurde eine LSR-Lafette getroffen, aber glücklicherweise nicht vernichtet.
„Können vor lachen!“
„Feuer einstellen, oder wir eröffnen das Feuer auf Sie!“, hielt der Major dagegen.
Germaine sah die näher tobenden Mechs, sah ihr präzises Feuer, das gerade über einen Luftkissentransporter der Infanterie tanzte.
„Chevaliers, beladen fortsetzen, aber Feuer einstellen. Beschützt die zivilen Fahrzeuge um jeden Preis, aber erwidert nicht das Feuer.“
Zögerlich bestätigten die Chevaliers.
Den Crockett und die Guillotine störte dies freilich nicht. Sie kamen schnell auf zweihundert Meter heran und feuerten weiter.
Ein ComStar-Fahrzeug konnte nur gerettet werden, weil sich Sparrow mit ihrem Puma mitten in die Salve des Extremreichweitenlasers warf. Der Treffer gab ihrem Arm den Rest und kostete sie viel, viel zuviel Panzerung und der FeindMech setzte mit KSR nach.
Germaine war zu weit entfernt um ihr zu helfen, viel zu weit. Die abgefeuerten KSR aber würden dem bereits stark angeschlagenen Mech den Rest geben und Jara würde sterben.
„Letzte Warnung!“, blaffte Tereschkow wütend.
In diesem Moment trat der massige Tai-sho zwischen Jara Fokker und die heran fliegenden Kurzstreckenraketen und nahm die volle Salve mit der noch immer unbeschädigten Frontpanzerung.
„Ziehen Sie sich zurück, Sergeant Fokker. Ihr Mech wird ja nur noch vom Glauben zusammen gehalten. Wir regeln das hier schon“, sagte Metellus über die Kompanieleitung.
„Verstanden, Sir!“, klang Jaras Stimme auf und sie hörte sich seltsam erfrischt an.
„Sie lassen mir keine Wahl!“, zischte Tereschkow und ließ die beiden Partisan und die Bulldog das Feuer auf die beiden anrückenden Mechs eröffnen.
Dies störte sie nicht besonders. Zwar schwankte der Crockett unter den Einschlägen, setzte seinen Sturmlauf aber fort. Wieder erwischte er einen ComStar-Wagen, und nur das beherzte Eingreifen des Verbindungsoffiziers verhinderte das Schlimmste.
Leider kostete es Yalom so viel, wie er nur bezahlen konnte. Ein glücklicher Treffer schlug durch die interne Struktur und ließ seinen Reaktor hoch gehen.
Von seiner Position konnte Germaine nicht gut sehen, was die Sechsersalve M-Laser angerichtet hatten und ob es der ComGuard noch schaffte auszusteigen. Aber die silbrige Fontäne, mit der sich der Mech verabschiedete sprach Bände.
„Regeln Sie das, oder ich nehme es doch selbst in die Hand!“, blaffte Germaine den Major an. „Lange halte ich nicht mehr still!“
„Ich tu ja was ich kann!“, kam es von Tereschkow zurück. „Also halten Sie die Klappe, Mietling!“ Wie zur Bestätigung seiner Worte brach der Crockett in den Knien ein und verlor den linken Arm.
Plötzlich aber bekam der Partisan Tereschkows selber Feuer. Eine KSR-Salve schlug in seiner Flanke ein und hob den schweren Panzer einen guten Meter in die Höhe, nur durch den Explosionsdruck.
„TERESCHKOW!“, brüllte Germaine.
„Bin noch da, bin noch da“, hörte Germaine die von schwerem Husten unterbrochene Stimme des Panzerfahrers. „Was zur Hölle war das?“
Germaine wandte seine Aufmerksamkeit dem Eisfeld zu und sah das Dilemma. Die restlichen Mechs der Blakes Wort-Miliz kamen im gestreckten Galopp angelaufen. Nun wollten sie es wissen. Und der Black Knight hatte sich ausgerechnet Tereschkow heraus gepickt, unterstützt vom Kintaro.
Es wäre nun so einfach gewesen. Das Feuer der beiden Mechs betrachten, dabei zusehen wie der Panzer in Flammen aufging oder explodierte. Hatte Tereschkow ihm nicht befohlen, nicht zu feuern? War er nicht selbst Schuld an seinem Schicksal? Gierige Laserfinger griffen nach dem angeschlagenen Panzer und eine weitere Salve KSR raste auf ihn zu. Das würde definitiv sein Ende bedeuten.
„Verdammt!“, blaffte Germaine missmutig und trat die Pedale der Sprungdüsen durch.
Er landete wieder vor dem Partisan und kassierte die Treffer für ihn, verlor tonnenweise Panzerung und den rechten Arm. Zu allem Überschuss blockierte nun auch noch der Knieaktivator.
„Germaine, wieso…“, hauchte Tereschkow erstaunt über Funk.
„Gleiche Antwort wie eben. Natalija würde mir nie vergeben, wenn ich Sie hier sterben lasse. Dürfen meine Leute jetzt endlich schießen?“
„Hier spricht Count Dvensky. An alle Einheiten der Bryant Regulars. Die angreifenden Truppen von Blakes Wort sind als Renegaten zu betrachten und dürfen bekämpft werden. Die Chevaliers erhalten ebenfalls Feuerfreigabe.“
„Danke, Leonid“, knurrte Germaine und zog das Fadenkreuz der Gauß über den Black Knight und drückte ab.
Auf dem Raumhafengelände geschah nun Unglaubliches. Verborgene Stellungen erwachten zum Leben, Artillerie aus gut gesicherten Positionen feuerten ihre Ladungen ab. Eine mittelschwere Lanze Panzer fuhr in den Rücken der beiden Miliz-Mechs und feuerte was die Kanonen hergaben. Zusammen mit dem Wirkungsfeuer der nicht gerade wenig überraschten Chevaliers verschwanden die angreifenden Mechs hinter einer Wand aus Feuer. Die drei Piloten der Luft/Raumjäger der Chevaliers verstärkten das Inferno zusätzlich.
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Fünf Maschinen der Blakes Wort-Miliz hatten letztendlich das Feuer eingestellt und waren abgezogen. Für Germaine kam es einer Beleidigung gleich, dass der Wyvern, dieses zähe kleine Mistding, die Überlebenden anführte. Germaine ballte die Hände zu Fäusten. Vielleicht sollte er selbst noch mal da raus gehen und… Und einen schwerfälligen Mech gegen die mittelschweren da draußen führen? Nach den Beschädigungen? Mühsam entkrampfte er die Hände wieder.
Kurz sah er zu den Verladearbeiten herüber. Selbst Al in seinem Falkner war zurück an Bord, der letzte Wagen, ein LKT der Infanterie rumpelte an Bord.
Neben den Landungsschiffen ragte der persönliche Mech von Leonid Dvensky empor.
„Eine Frage, Mylord“, fasste sich Germaine ein Herz. „Wie steht es um Ihre Beziehung zu Blakes Wort, nach diesem Massaker?“
„Nanu?“, kam die amüsierte Stimme des Schatuns herüber. „Sorgen Sie sich etwa um Bryant? Vielleicht hätte ich… Egal. Machen Sie sich mal keine Sorgen und fliegen Sie endlich heim. Ich habe mit dem Vertreter von Blakes Wort, Akoluth Delaware, eine Vereinbarung getroffen. Der Angriff auf den Raumhafen kann nur als barbarischer Akt gewertet werden. Der Befehl dazu spricht gegen die Ares-Konvention. Deshalb hat Delaware die kämpfenden Einheiten aufgefordert, das Feuer einzustellen und die Piloten der dennoch feuernden Maschinen zu Renegaten erklärt.“
„Politik“, murrte Germaine. „Er hat seine Piloten geopfert, um auf Bryant weiterhin im Geschäft bleiben zu können.“
„Stimmt. Aber wenn man eine ganze Welt am laufen halten muß, sollte man nicht kleinlich sein.“
Germaine stimmte dem Schatun innerlich zu. „Vielleicht… Vielleicht hätten wir auf dieser Basis starten sollen, Mylord, und nicht mit einer Konfrontation.“
„Vergebenen Chancen nachzutrauern ist idiotisch. Genauso idiotisch wie Ihr Auftritt damals“, kommentierte der Schatun amüsiert. „Nun hauen Sie schon ab, bevor ich Sie noch anwerbe.“
Germaine hob den rechten Arm des Highlanders zum Gruß und gab Katana, die ihren Hatamoto verlassen hatte, das Zeichen zum einbooten. Wie versprochen ließ er ihn als Beute für den Schatun zurück. Dafür hatte er sich entschlossen, den Highlander zu behalten.
Er öffnete die Außenlautsprecher und sagte: „Trauern Sie dem Ding nicht nach, Haruko“, sagte er zur draconisch stämmigen Pilotin. „Wie wäre es zur Abwechslung mal mit einer mittelschweren Maschine? Einem Dunkelfalke zum Beispiel?“
Die frisch angeworbene Pilotin sah zu ihrem kommandierenden Offizier hoch. „Alles ist besser als entrechtet zu sein, Sir. Und der Dunkelfalke ist ein zäher Brocken.“
„Dann ist es abgemacht“, erwiderte Germaine.
Als sich hinter ihm und Yamada die Hangartore schlossen, wollte er aufatmen, aber es war noch nicht vorbei.
Er bewegte den Highlander in den vorgesehenen Kokon. „Al, hier ist alles gesichert. Du kannst starten.“
„Kommst du auf die Brücke?“
„Für den kurzen Hüpfer? Ich helfe lieber bei den Reparaturen. Kann ja immerhin sein, dass wir die Mechs noch brauchen, wenn wir der SKULL zu Hilfe kommen.“
„Verstanden. Dann muß ich dir den frischen Kaffee eben bringen lassen.“
„Du bist so gut zu mir“, säuselte Germaine.
„Hey, flirtest du etwa mit mir? Das wird meiner Frau nicht gefallen.“
Germaine verkniff sich ein Schmunzeln. „So hübsch bist du auch wieder nicht. Nun bring uns schon weg.“
„Ah, du brichst mir das Herz“, kam es von al Hara ibn Bey, bevor er den Befehl zum Start gab.
Die beiden Lander erhoben sich auf ihren Düsen und setzten sich dann schwerfällig Richtung Norden in Bewegung.
Die drei einsatzbereiten Luft/Raumjäger flankierten sie.
Noch war es nicht vorbei. Noch nicht.