Tyr Svenson
Auf der Jagd
Mit einem wütenden Knurren drückte Lilja den Nachbrennerhebel herunter. Der schlanke Jäger beschleunigte abrupt, schneller als sonst eine Maschine der republikanischen Streitkräfte. Aber es gab Feinde, die noch schneller waren…
Vor ihr versuchte eine Gruppe Reaper an die terranischen Bomber heranzukommen. Der wievielte Angriff war das eigentlich? Der vierte, oder war es doch schon der fünfte? Obwohl sie in der Minderzahl waren, zeigten die Akarii nicht das geringste Nachlassen in ihrem Angriffsgeist. Sturmjäger, Bloodhawks, Reaper – immer wieder stießen sie vor und verwickelten die terranischen Kampfflieger in Gefechte in der Hoffnung, daß ihre Kameraden dann durchbrechen konnten. Angesichts der Menge der beteiligten Kampfflieger und dem unablässigen Feuer der Dickschiffe, die das Durcheinander noch vergrößerten, war es fast unmöglich, nicht den Überblick zu verlieren. Die äußerste Verteidigungslinie der Akarii war längst durchbrochen. Etliche Zerstörer der Aussensicherung waren nur noch leblose Wracks – falls überhaupt noch so viel von ihnen geblieben war. Und die Bomber stießen weiter in den Verband vor. Vor allem auf die Crusader, die für den Akarii-Träger eine unmittelbare Gefahr bedeuten konnten, konzentrierten sich die Angriffe. Und die Grüne Staffel, längst in einzelne Sektionen und Wings aufgesplittert, hatte zu kämpfen, um zumindest das Schlimmste zu verhindern. Einen wirklichen Schutz vor aus Distanz abgeschossenen Raketen konnten sie natürlich nicht bieten, das mußten die Bomber schon selbst schaffen. Nicht jedem glückte das.
Aber sie konnten gegen die Angriffe im Nahbereich vorgehen. Und so setzte sich Lilja hinter die angreifenden Hochgeschwindigkeitsmaschinen. Tyr blieb getreulich an ihrer Seite. Seit das Gefecht begonnen hatte, hatte er seine Aufgabe gut erfüllt. Ihm fehlte der Überschwang des Neulings, die manchen Piloten blind machte für Gefahren, und auch wenn er anscheinend nicht schlecht schoß, so sah es so aus, als sei er nicht übertrieben begierig auf ein paar weitere Markierungen auf seinem Jäger.
Der Rest der Sektion hatte sich gut geschlagen – und immerhin einen Reaper abgeschossen. Es fiel ihr immer noch nicht leicht, für vier Maschinen zu denken, aber sie schaffte es, gerade so. Zumal natürlich augenblicklich vieles dem einzelnen Piloten überlassen blieb. Eine enge Führung war einfach nicht möglich bei der Geschwindigkeit , mit der sich im modernen Raumkampf die Gegebenheiten änderten und Entscheidungen zu treffen waren. Auch die Staffelführer konnten oft nicht viel mehr, als sich um sich und ihre Sektion kümmern. Aber es war auch diese Herausforderung, die Lilja bei dem Gedanken Angst machte, sie könnte vielleicht einmal eine eigene Staffel unter ihrem Kommando zu haben.
Die Russin hatte noch keinen Abschuß erzielen können. Sie hatte, so tröstete sie sich, bei unterschiedlichen Angriffsversuchen zwei Deltavögel ernstlich angekratzt. Einer der feindlichen Sturmjäger hatte eine Rakete und Bordwaffenbeschuß kassiert, auf den anderen hatte sie ein wahres Trommelfeuer aus ihren Bordwaffen entfesselt, als er nicht abdrehen wollte. Doch den einen Gegner hatte eine Abwehrrakete von einem der Bomber erwischt, der andere hatte sich in Sicherheit bringen können, während Lilja nur mit Mühe dem Feuer des gegnerischen Wingmans entkommen war. Und auch sonst war es frustrierend – immer, wenn es nach eine guten Chance aussah, mußte man abdrehen, weil die Bomber in Gefahr waren. Der Akarii zog weg und man konnte ihm nicht folgen – oder er suchte Schutz im Feuer eines eigenen Dickschiffes. Und da hatte man selber nur das Nachsehen. Nun, es waren auch reichlich menschliche Maschinen im Einsatz – so viele Hasen blieben nicht für jeden Hund. Wobei diese Hasen allerdings durchaus auch den Spieß umdrehen konnten.
Lilja verfügte nur noch über ihre Sidewinder, den Rest der Raketen hatte sie bereits verbraucht. Sie war mit dem Ergebnis mehr als unzufrieden. Aber mit den Lenkflugkörpern hatte sie noch nie sehr gut geschossen.
Sie aktivierte den Zielerfassungsradar und visierte das Heck eines der vier feindlichen Kampfflieger an. Lautlos zählte sie: ,Drei. Zwei, Eins…’ Plötzlich brach die feindliche Formation auseinander, einen Augenblick, bevor die Infrarotrakete einsatzbereit war. Die Russin grinste grimmig. Natürlich. Die feindlichen Sensoren gaben den Piloten natürlich Bescheid. Und die fragilen feindlichen Jäger konnten nicht riskieren, eine Rakete abzubekommen.
Während ihre Bordwaffen lange Feuerstöße spien – Lilja kontrollierte immer wieder die Energieanzeigen, damit sie sich nicht verschoss – schloss sie wieder zum Verband auf. Die Akarii kurften davon, und wurden fast sofort von einigen Maschinen der INTREPID in ein Gefecht verwickelt. Die kurze Atempause währte freilich nicht lange. „Bloodhawks auf sechs Uhr.“. Tyrs Stimme klang erstaunlich ruhig. Lilja enthielt sich nur mühsam einer Verwünschung: „Harpy – folgen. Tyr – an meiner Seite.“ Diesmal wollte sie die Akarii so früh wie möglich abdrängen. Anders als die Reaper hatten die Bloodhawk eine beträchtliche Feuerkraft – selbst ein Passierflug konnte ernst Folgen haben.
Die vier Erdjäger drehten ab und nahmen Kurs auf den Gegner – eine gleiche Anzahl Bloodhawks, allerdings zum Gutteil offenbar schon beschädigt oder verschossen. Die Russin biß die Zähne zusammen. So langsam wurde ihr Atem knapp. Es war Zeit, es auch mal mit einem Bluff zu versuchen: „An alle – Visiert sie an, egal ob ihr noch Raketen habt!“ Drüben flackerte erstes Feuer auf. Lilja ließ ihren Jäger nur leicht von einer Seite auf die andere taumeln. Ihre eigenen Feuerstöße dienten vor allem der Verwirrung des Gegners. Sie machte ganz den Eindruck eines Piloten, der fest entschlossen war, einen sicheren Schuß zu landen. Erste Treffer erschütterten den Jäger, doch bisher hielten die Schilde. Die Akarii zogen auseinander – so wie sie es erhofft hatte. Die Ausweichmanöver des Gegners kosteten ihn Geschwindigkeit und Zeit.
Dann war sie durch: „Eindrehen!“ bellte sie. Sie bevorzugte scharfe Wendemanöver, da die im Gegensatz zum „Von Bein“ einfacher zu fliegen waren. Nicht, dass sie sich das Manöver nicht zutraute, aber kleine Fehler konnten im Gefecht große Wirkungen haben. Und bei einer Hochgeschwindigkeitskehre mußte man nicht von Null anfangen wieder zu beschleunigen.
Das Manöver brachte sie hinter die aufgelockerte Formation der Akarii. Sie aktivierte erneut den Nachbrenner, um nicht zurückzufallen. Einmal mehr, wie so oft, bildete sie sich ein, ein Knirschen in der Maschine zu hören. Trotz des Trägheitsdämpfers waren solche Manöver für Pilot und Jäger äußerst belastend. Allerdings nicht so belastend wie ein paar Volltreffer… Sie mußte verhindern, daß die Akarii doch noch durchbrachen.
Die Akarii hatten keine wirkliche Wahl. Wenn sie nicht riskieren wollten, von den Menschen abgeschossen zu werden, mußten sie reagieren. Sie stellten sich zum Kampf. „Auf jeden Fall verhindern, daß einer durchbricht!“ zischte Lilja. Es war ein übliches Manöver, wenn auch ein riskantes, einen Teil einer Angriffsgruppe einzusetzen, um Verteidiger zu beschäftigen.
Im Augenblick hatte sie keinen Gegner in unmittelbarer Nähe – Tyr und ihre anderen Untergebenen hielten die Akarii ausreichend in Atem. Aber einer der Gegner war offenbar dabei, sich durchzuschlagen. Er mußte seine Maschine gut beherrschen, denn er hatte sich offenbar ohne größere Probleme von den Terranern lösen können. Mit Höchstgeschwindigkeit griff der feindliche Jäger an. Lilja knirschte mit den Zähnen. Genau das hatte sie verhindern wollen, verhindern müssen! Und, bei allen Teufeln, das würde sie auch! Ihre Maschine setzte sich hinter den Gegner.
Die lange Zielerfassungszeit der Sidewinder verfluchend, visierte sie den Feind an. Drei Sekunden waren normalerweise ein Nichts – doch in der Raumschlacht entschieden sie oft über Leben und Tod. Doch sonderbarerweise wich der Akarii nicht aus. Vielleicht meinte er, ihren Trick zu durchschauen?
Mit einem kurzen Piepen signalisierte der Feuerleitcomputer die Zielerfassung. Lilja hieb auf den Feuerknopf. Die Sidewinder schossen auf das Heck des Gegners zu. Im letzten Augenblick versuchte der Akarii abzudrehen. Aber diesmal bewährte sich die vergleichsweise hohe Geschwindigkeit der Raketen – ihre recht geringe Reichweite überbrückten sie in wenigen Sekunden. Eine Rakete ging fehl, glücklicherweise ohne zu friendly fire zu werden. Die andere traf. Bei dem Akarii wurden die Schilde aufgerissen, doch er war noch nicht vernichtet. Lädiert drehte der feindliche Jäger sich in einer Spirale, während Lilja ihm unaufhaltsam näher kam.
Die beiden Maschinen schienen ein wahnwitziges Ballett aufzuführen. Und auch wenn die Bloodhawk beschädigt war, sie verkaufte sich nicht billig. Lilja bemerkte gar nicht, wie sehr sie schwitzte. Anstrengung und die ständige nervliche Anspannung nahmen sie mit wie eine volle Trainingseinheit in der Sporthalle. Mehr als einmal wurde ihr Jäger durchgeschüttelt, wenn die feindlichen Strahlkanonen trafen. Aber am Ende setzte sie sich durch. Nicht unbedingt auf Grund überlegenen Könnens. Aber ihre Maschine war einfach dem lädierten Gegner überlegen. Er brauchte immer Glück – sie nur ein einziges Mal. Ein fast beiläufiger Treffer, eine Salve, die sie mehr nach Verdacht während einer kurzen Head-on-Head Begegnung abgab, brachte die Entscheidung. Die Flanke der Bloodhawk wurde aufgerissen, das Cockpit kollabierte. Der Pilot schnellte sich in den Weltraum, während sein Jäger ,abmontierte’.
Für einen Augenblick zögerte Lilja. Sie empfand – widerwillig – so etwas wie Achtung vor ihrem Feind. Er hatte sich gut geschlagen. Vermutlich kein Anfänger, vielleicht sogar ein Aß wie sie. Sicher keiner der absoluten Spitzenpiloten, aber dennoch…Andererseits, er war ein Akarii. Er hatte bestimmt einige Menschen auf dem Gewissen. Ihre Finger schwebten über den Feuerknöpfen, sanken langsam herab.
Doch dann wendete sie ihre Maschine und beschleunigte. Sie wußte selber nicht, warum sie ihn verschonte. Sie war noch immer dieselbe Pilotin wie vorher. Aber aus irgendeinem Grund verschonte sie ihren Feind. Immerhin würde er hier bestimmt nicht von den eigenen Leuten aufgesammelt werden. Sollte er doch in die Gefangenschaft gehen, oder ihretwegen auch ersticken! Sie hatte zu tun.
Die restlichen Akarii brachen den Angriff ab, vielleicht entmutigt durch den Verlust ihres Führers. Der Kampf freilich war noch lange nicht vorbei. Einmal mehr mußten die Typhoon mit Höchstgeschwindigkeit aufschließen. Erst jetzt fühlte Lilja die bleierne Müdigkeit richtig, die sich in ihren Gliedern breit machte. Sie fühlte sich, als könnte sie einen ganzen Tag verschlafen – oder gar eine Woche. Aber ihr war auch klar, solche Gedanken waren gefährlich. Wurde sie unachtsam, dann ging es ihr wie ihrem Gegner…
„Formation zusammenhalten – und betet, daß die Lahmärsche endlich ihren Job tun!“ knurrte sie über die Gruppenfrequenz. Und wenn die Bomber es gehört hätten, wäre es ihr wohl auch gleichgültig gewesen. Liljas Stimme klang ziemlich undeutlich, aber ihren Kameraden ging es wohl nicht besser. Bisher hatte ihre Sektion erst zwei Akarii abgeschossen – aber auch keinen Bomber direkt verloren. So gesehen nicht schlecht. Aber wenn es nicht bald vorüber war…
Ein Blick auf den Radarschirm ließ erneut Adrenalin in ihre Adern schießen: „Achtung, bereitmachen – da kommen sie wieder!“ Die vier Erdjäger beschleunigten wieder und machten sich erneut bereit, den Feind zu stellen.
Tyr Svenson
In Kiellinie
Für einen unbeteiligten Betrachter hätte sich gewiß die ästhetische Schönheit des Schauspiels leicht erschlossen. Die Strahlenbahnen der Bordgeschütze, das Ballett der Jäger, die gestaffelten Schwärme von schweren Raketen, deren Triebwerke wie die Spur von Feuerwerkskörpern leuchteten, ergaben ein surrealistisches Bild, das so gar nichts von der Tödlichkeit ahnen ließ, die in ihm steckte. Die Explosionen der Marschflugkörper, wenn diese auf Schilde, Schiffsrümpfe und Täuschkörper stießen oder vom Abwehrfeuer vernichtet wurden, hätte von Ferne leicht wie ein Silvesterfeuerwerk wirken können.
Die Piloten, die mitten in diesem Schauspiel waren, hatten natürlich keine Zeit für derartige Reflektionen. Für sie ging es um Leben und Tod, Sieg oder Niederlage. Hier entschieden Bruchteile von Sekunden, und ein Augenblick konnte eine Legende begründen oder jäh enden lassen. Für die öffentliche Aufmerksamkeit, deren Liebling die strahlenden „Schwingenträger“ waren, zahlten sie einen hohen Preis.
Doch auch den Besatzungen der Großkampfschiffe, dem „Proletariat der Flotte“, wie sie sich mitunter spöttisch-selbstkritisch nannten, bot sich keine Gelegenheit, den Anblick zu würdigen.
Hier präsentierte sich der Kampf eher als eine Art abstrakte Simulation. Sie waren viel zu weit von ihrem Gegner entfernt, um ihn optisch wahrnehmen zu können. Als die ersten Salven abgefeuert wurden, trennte sie mehr als die Hälfte des Abstandes von Terra und Luna von ihrem Feind. Auf den Sichtschirmen, welche die Männer und Frauen auf den Gefechtsstationen vor Augen hatten, wimmelte es von Symbolen. Farbe und Gestalt gaben die Art und Zugehörigkeit des jeweiligen Objekts an. Die Raketenwerfer der Großkampfschiffe schufen buchstäblich hunderte neuer Markierungen, die das Durcheinander noch vergrößerten. Dies hatte wenig mit der realen Dramatik des Kampfes zu tun – vielmehr brauchte man das Auge und den analytischen Verstand eines Wissenschaftlers, um zu erkennen was wichtig war, und darauf zu reagieren. Statt einem grandiosen Schlachtengemälde, einem schrecklich-schönen Panorama, bot sich ein Anblick, den Zyniker als einen Ameisenhaufen beschrieben, in dem Tiere mit unterschiedlicher Färbung durcheinander krabbelten.
Auch wenn es wenig mit dem tödlichen Nahkampf der Jägergefechte zu tun hatte, diese scheinbar sterile Welt war nicht weniger Teil des von Dichtern, Militärs und Politikern so schwülstig besungenen Massenmordes, den man Krieg nannte. Und es hing nicht weniger, oft sogar noch mehr von jedem einzelnen ab.
In der Kommandobrücke der RELENTLESS herrschte die eigenartige Atmosphäre eines Raumschiffes im Kampf. So lange die Abwehr standhielt, merkte man hier nichts vom Krieg. Es gab keinen Geschützdonner, kein schwankendes Deck, kein leuchtendes Mündungsfeuer und dunklen Rauch. Die Gefechte glichen weit eher dem hinterhältigen Angriff eines U-Bootes auf sein Ziel, als einem klassischen Seegefecht.
Captain Mithel gab seine Befehle in rascher Folge, mitten in das Chaos der unterschiedlichen Meldungen hinein. Nur die lange Übung konnte garantieren, daß dieses Durcheinander funktionierte. Er mußte nicht nur auf seine eigenen Leute achten, sondern auch die Befehle des Geschwaderchefs unverzüglich umsetzen.
Dieser hatte seinem Verband befohlen, mit voller Kraft an der Flanke des langsam vorrückenden menschlichen Verbandes zu kreuzen, halb quer zum Gegner. So drehte man dem Feind stets die Breitseite zu und konnte alle Werfer einsetzen – vor allem aber bewegte man sich relativ zu ihm gesehen so schnell wie möglich. Für die modernen Zielcomputer war dies zwar nur ein Ärgernis, doch selbst eine kleine Ungenauigkeit konnte hunderte Leben retten. Die Anti-Jäger-Raketenwerfer der Kreuzer füllten den Raum mit ganzen Schwärmen von Flugkörpern, und die Schützen an den Strahlenkanonen ließen die Energiebahnen bald hierhin, bald dorthin wandern. Sie webten einen Vorhang, an dem viele der feindlichen Marschflugkörper scheiterten – nicht aber alle. Vor allem konnten sie auf Grund ihrer geringen Reichweite erst auf den letzten zwei bis sieben Sekunden des Fluges ihrer Ziele aktiv werden. Die Impulslaser reichten nicht einmal so weit, schossen aber noch schneller.
„Ziel bei Drei-Drei-Sieben, Salve Eins abfeuern – Zwei folgen!“ Hinter diesen nüchteren Worten verbarg sich der Abschuß von dreißig Atomraketen. Nur der angespannte, scharfe Ton in der Stimme des Captains verriet, um was es eigentlich ging. Die Projektile schossen quasi lautlos in den Raum hinaus – und verschwanden fast sofort von den Sichtschirmen. Sie überbrückten die gewaltigen Entfernungen in weniger als einer Viertel Minute, gemeinsam mit hunderten „Schwestern“. Und hunderte kamen ihnen entgegen – eine ungeheure Verschwendung an Geld, Energie und Vernichtungskraft.
„Peilung des Gegners steht – Zähle 20, 24, 30 Vampire!“ In der Stimme des Ortungsoffiziers schwang erstmals so etwas wie Panik mit. Diesmal enthielt sich Mithel eines Kommentars. So lange die Mannschaft ihre Arbeit tat, durfte sie jetzt, vor allem in ihrem ersten „echten“ Gefecht, durchaus auch einmal Nerven zeigen.
„CLD eröffnet Feuer – Vier, Sechs, – melde Zwölf ausgeschaltet! Eigene Abwehr setzt ein!“ Mithel knurrte: „Steuerbord 15 – Volle Kraft!“ Das Schiff beschleunigte, drehte leicht. Seine gewaltigen Batterien, nicht weniger als 30 verschiedene Waffensysteme, feuerten aus allen Rohren auf das nahende Unheil – auch dies quasi lautlos für die Besatzung. „Feindliche Salven abgefangen – Halt! Zwei Vampire kommen durch!“
„Täuschkörper – Maschinen AK!“
Es war wie eine leichte Grundberührung bei einem Schiff. Nicht einmal eine sehr heftige Erschütterung, wenn man bedachte was für Gewalten hier wüteten. Aber man erzählte sich ja, daß der Aufprall, der einst das „unsinkbare“ Schiff Titanic zum Tode verurteilt hatte, an Bord auch nur als scheinbar geringfügiger Stoß zu spüren gewesen war.
Selbst Mithel, der doch sonst bemüht war, keine Schwäche zu zeigen, schloß für einen Augenblick die Augen, als gleißende Helligkeit auf dem primären Sichtschirm aufflammte. Bei einem normalen Fenster hätte der Blitz wohl den Betrachter das Augenlicht gekostet. Die Stimme des Captains klang gepreßt: „Schadensbereicht!“
Die erlösende Antwort: „Schilde bei 85 Prozent.“ ließ ihn unmerklich aufatmen. Im nächsten Augenblick gab er schon wieder neue Feuerbefehle: „Ziel Delta-6 anpeilen – eine Salve. Zweite auf Beta 1.“ Die RELENTLESS feuerte aus vollen Rohren, aber nicht blindlings. Mithel pickte sich vor allem feindliche Großkampfschiffe heraus, die entweder schon angeschlagen waren oder unter Beschuß durch andere Schiffe der Schwadron standen. So hatte man besser Chancen, Volltreffer zu erzielen. Ein leichter Kreuzer, angeschlagen durch Bomber, war ein leichtes Opfer geworden. Seine Verteidigung war völlig überlastet gewesen. In dieser Hinsicht war Mithel Opportunist, ohne sich dessen zu schämen. Krieg war kein Duell, in dem sich Dritte heraus hielten. Ein angeschlagenes Ziel teilte das Schicksals eines kranken Tieres in einer Herde, die von Raubtieren umschlichen wurde – es fiel todsicher einem Angriff zum Opfer.
An Bord der TIREDLESS hatte Henning Schupp einen guten Überblick über den Ablauf der Schlacht – auch weil sein zentraler Schiffscomputer mit dem der DAUNTLESS gekoppelt war. Er mißbrauchte den neuen Flakkreuzer schamlos als „Augen und Ohren“, während sich das „Hirn“ ebenso wie die Fäuste auf anderen Schiffen befanden. Nun, der Prototyp lieferte akzeptable Daten und bisher schlug er sich auch nicht schlecht – allerdings waren die Bedingungen auch noch relativ optimal. So schnell die Marschflugkörper sich auch bewegten, sie brauchten dennoch mehr als zehn Sekunden für ihren Weg – genug Zeit für moderne Computer und trainierte Besatzungen, um zu reagieren. In einem ECHTEN Nahkampf, etwa mit feindlichen Jabos, würde das anders aussehen. Aber bisher lief es gut – und ohne die DAUNTLESS hätte sein Geschwader gewiß mehr einstecken müssen. Bisher hielten sich die Schäden durch feindlichen Beschuß in Grenzen. Und die Schwadron hatte einige Treffer erzielen können. Die Akarii sahen sich dem kombinierten Angriff der terranischen Flotte und Kampfflieger gegenüber, wobei sie in beiden Fällen zahlenmäßig in der Unterzahl waren. Ihre Abwehr konnte einfach nicht beide Bedrohungen gleichzeitig abwehren.
Dennoch war es keineswegs ein einseitiger Kampf. Vor allem die kleineren Schiffe und die Raumjäger der Menschen hatten keinen leichten Stand. Ein aufmerksamer Beobachter konnte unschwer entdecken, daß die Verluste der Jagd- und Bomberstaffeln stiegen.
Schupp entging nicht, was vor sich ging. Er hatte ausreichend Erfahrung, um mehr zu bemerken als nur die Dinge, die ihn und seine Schwadron unmittelbar angingen. Vor seinen Augen wurde eine Fregatte der Brandenburg-Klasse von vier schweren Akarii-Raketen buchstäblich ausgelöscht. Wie so vielen kleinen Schiffen wurde ihr zum Verhängnis, daß ihre Abwehrbewaffnung relativ schwach war, und ihre Schilde weitaus weniger Schaden kompensieren konnten als die der Kreuzer. Einen Norfolk-Zerstörer erwischte es als nächstes – schwerer Treffer, der den Bug aufriß. Das Schiff war verloren und mußte evakuiert werden.
Als altgedienter Kapitän fühlte Schupp eine quälende Bitterkeit, als er den Tod der stolzen Schiffe miterleben mußte. Sicher, es waren „nur“ Kleinkampfschiffe. Aber jedes einzelne von ihnen hatte hunderte von Besatzungsmitgliedern und war allein für sich ein wunderbares, beinahe lebendiges Werk menschlicher Geschicklichkeit. Diese Schiffe jetzt verstümmelt, zerschmettert, vernichtet zu sehen, war schwer erträglich.
Es war nur eine Frage der Zeit, bis auch seine Schwadron dem unablässigen Feuer der Akarii würde Tribut zollen müssen. Natürlich nahm die feindliche Feuerkraft in dem Maße ab, wie Schiffe des Gegners vernichtet oder kampfunfähig geschossen wurden. Aber je länger das Gefecht dauerte, um so näher kamen sich die Flotten, um so mehr stieg die Wahrscheinlichkeit eines menschlichen Fehlers. Längst gab es auf beiden Seiten kaum noch ein Schiff, das nicht auf den Feind feuerte.
Aber der gegnerische Träger war immer noch im Zentrum der feindlichen Formation. Und damit relativ sicher, denn die meisten auf ihn abgefeuerten Marschflugkörper wurden abgefangen. Der Weltraum war so voller Scheinziele und Abwehrfeuer, das einfach kein Durchkommen schien. Die Flotte sollte die Abwehrformation aufbrechen und genau das tat sie auch.
Schupp runzelte leicht die Stirn, als er die Anzeigen auf den Schirmen betrachtete: „Funkspruch an COLUMBIA – Ziehen Bomber sich zurück? Status Träger angeben.“ Die Antwort war alles andere als erfreulich: „Angriff auf Träger gescheitert, Bomber verschossen. Formieren uns zu neuem Angriff.“ Der Captain verzog das Gesicht. Natürlich – die Supermänner in ihren fliegenden Kisten hatten es wieder mal nicht geschafft. Aber immer angeben, daß sie die Besten waren. Ohne Hilfe der Kreuzer und Zerstörer wären sie wohl nicht einmal so weit gekommen. Doch der Captain verkniff sich eine bissige Bemerkung. Hoffentlich machten sie ihre Sache beim zweiten Angriff besser! Inzwischen...
„TIREDLESS an Verband: Geschwindigkeit erhöhen! Kurs 25 Grad backbord, angleichen. Gestaffelte Salven in das Zentrum der feindlichen Formation, Vektor Null-Null-Fünf. Alphaschlag!“ Mal sehen, ob man ihnen nicht etwas den Weg ebnen konnte.
Der Flottenverband nahm Fahrt auf, aus allen Rohren feuernd – seitlich auf den Gegner zu, der sich verzweifelt wehrte. „Melde 22 Raketen im Anflug!“ bellte der Ortungsoffizier des Flaggschiffs. Der Captain verkrampfte sich, wischte die nassen Handflächen an den Armlehnen ab. Wenn es so weiter ging...
Wenn die verdammten Bomber sich nicht sputeten und den feindlichen Träger ausschalteten, würden die Akarii vielleicht noch versuchen, der Schlacht eine Wende zu geben. Und wer wußte, ob es ihnen nicht glücken konnte.
Tyr Svenson
Murphy stürzte den Rest des Kaffees hinunter. Seine Leute hatten einen Kreuzer vernichtet und zwei weitere schwer beschädigt. Dafür waren zwei Maschinen samt Besatzungen drauf gegangen. Die meisten anderen hatten mittelschwere Schäden einstecken müssen.
Die Crusader der INTREPID hatte es schwerer erwischt. Aber die hatten einen ersten Angriff auf den Träger geflogen und waren abgeschlagen worden. Hatten aber dafür zwei leichte Kreuzer zusammengeschossen.
"Commander!" Ein Techniker kam auf ihn zugerannt und drückte ihm ein Headset in die Hand und verschwand wieder im Chaos des Haupthangars.
Martell setzte sie auf: "Murphy hier!"
"Hier Lieutenant Maier. Der CAG fragt, wann Sie endlich wieder draußen sind. Die Bomber der INTREPID haben sich leergeschossen und man will die Akarii nicht zur Ruhe kommen lassen."
"Es dauert so lange wie es eben dauert!" Ärgerlich schaltete er das Headset ab, nach dem ersten Angriff hatte man die Bomber im Wechselrythmuss auftanken und aufmunitionieren lassen.
Sein Blick wanderte zu den aufgereihten Crusaders. Alle zeigten sie Zeichen von der Schlacht. Selbst wenn bei den meisten Maschinen die Schilde nicht durchschlagen worden waren, so schienen sich geisterhaft die Schemen der Schlacht auf den Bombern eingebrannt zu haben.
"Martell?" Sein BN riss ihn aus den Gedanken.
"Ja?"
"Wir wären so weit und können wieder raus." Der Count wirkte über all das Chaos erhaben.
Der Staffelführer der Crusaders setzte seinen Helm wieder auf uns sprintete zu seinem Bomber. Dicht gefolgt vom Count.
Die Checkliste wurde abgekürzt und der Rest wurde im Schnellverfahren durchgenommen.
Dann wurde die Staffel ins All geschleudert.
Außerhalb der Flottenformation gesellten sich zwei Rafale zu ihnen.
"Mailman für Martell: Der einsame Wolf hat da wohl was für uns!"
"Roger." Martel wechselte auf die Geschwaderfrequenz: "Lone Wolf, hier Martell, was haben Sie für uns?"
"Die Crusader der Starwarriors haben den Träger wohl auf der Backbordseite beschädigt. Die Akarii haben einen Kreuzer direkt vor die Sektion gelegt."
"Denken Sie?" Hakte Martell nach.
"Ich kann ja mal nachsehen!" Der Geschwaderkommandant klang angespannt.
Lucas wich geschickt den Schüssen zweier Akariizerstörer aus und setzte sich hinter die Boodhawk, die versucht hatte ihn durch das Sperrfeuer zu entkommen.
Zwei Salven aus den Strahlengesützen erledigten die Schilde. Die den Schüssen folgende Sidewinder ließ die Bloodhawk platzen.
Hals Manöver waren weniger präzisen und seine Schilde flammten auf, als die Strahlenbatterien eines Zerstörers einschlugen.
"Fuck! Das hat mir aber fast alle Panzerung geraubt!" Fluchte sein Wingman.
"Ruhig bleiben Hal. Ich guck mir mal den Träger an, Sie fliegen hohe Deckung."
"Roger Boss."
Hal stieg "über" die Akarii-Flotte, die sich nach Leibeskräften wehrte. Die Echsen waren gut. Keine Frage, aber Hal sah in ihnen nicht den Angstgegener, den ihm die erfahrenen Veteranen von Manticore und der REDEMPTION beschrieben hatten.
Der kombinierte Angriff aus Jägern, Bombern und Großkampfschiffen zermalmte die Akarii langsam aber sicher.
Admiral Long hatte sich gut entschieden. Sehr gut, da die Akarii darauf gehofft hatten, dass die Terraner wieder die alte Doktrin benutzten und ihre Jäger allein in die Schlacht warfen.
Hal sah wie sein Wingleader und Geschwaderchef zwischen dem Träger und dem Kreuzer hindurchzog.
Keines der beiden Dickschiffe eröffnete das Feuer auf die Phantom.
"Skipper, da kleben zwei Bloodhawks an Ihrer Sechs." Hal ließ ein paar Täuschkörper fallen um eine ihn anpeilende Rakete abzulenken und ging tiefer.
Lucas wich den ersten Schüssen der Bloodhawks aus, wurde dann jedoch zunehmend öfter getroffen.
Hal griff von vorn, seitlich an. Mit flammenden Waffen scheuchte er die beiden Bloodhawks davon.
Lone Wolf begann sofort mit einer sehr engen Kurve und eröffnete präzise das Feuer auf die beiden Bloodhawks.
Eine der beiden zerbrach in drei Teile, der Pilot starb an der Dekompression. Die zweite beschädigte er stark genug, das Hal ihr den Fangschuss verpassen konnte.
"Okay Martell, ich habe mir das Flachdeck angesehen, es weißt starke Schäden an der Backbordseite. Aber Sie werden einiges an Feuerkraft brauchen um durch die Schilde zu kommen. Irgendwie müssen wir den Kreuzer los werden." Lucas schnappte nach Luft. Der ständige Kampf zehrte nun auch an seinen Kräften.
"Roger, wir sind in Position." Martell kontrollierte die Formation seiner Schwadron.
"Hier Raven, ich habe noch vier beladene Mirage. Wir räumen Ihnen den Kreuzer aus dem Weg Martell."
Martell Murphy nickte: "Verstanden, gute Jagd."
Er drosselte die Geschwindigkeit. Kurz darauf glich sich seine Staffel an.
Über sie hinweg donnerten vier Mirage.
Sofort eröffnete die Flugabwehr der Akarii konzentriert das Feuer.
Geschickt näherten sich die Jagdbomber dem Kreuzer. Das Geschützfeuer des Kreuzers allerdings war wenig gezielt. Die Mirageschwadron der INTREPID hatte ihn sich schon als Ziel ausgewählt gehabt und Teile seines Feuerleitradars ausgeschaltet.
Die vier Mirage feuerten beinahe synchron ihre Mavericks an und drei von ihnen drehten in verschiedene Richtungen ab. Die vierte wurde von einem Zerstörer in der Nähe mehrfach getroffen und verging in einem orangen Feuerball. Keines der beiden Besatzungsmitglieder überlebte.
Die ersten beiden Raketen wurden vom Schutzschild gestoppt. Doch die Atomexplosionen, die Nagasiki, Hiroshima und Brasilia in den Schatten stellten raubten den Energieschirmen jede Kraft.
Die folgenden sechs Raketen waren alles direkte Treffer. Die ungeheure destruktive Energie brach sich ihren Weg ins Innere des Kriegsschiffes frei. Verzehrte Lebewesen und tote Materie gleichermaßen.
Sauerstoff entzündete sich in einem orangeroten Feuerball und ließ Decksplatten bersten. Schließlich wurde auch das Raketenmagazin erfasst und das Schiff zerbarst in einem Inferno, welches den irdischen Mythos Hölle widerzuspiegeln schien.
Alles was von dem einst majestätischen Kreuzer der Akarii-Marine übrig blieb hatte die Konsistenz von Staub. Verteilt über mehrere Kubikkilometer.
Der Weg für die Crusader war frei.
Martell und seine Leute gaben vollen Schub. Zehn Crusader mit zwei Rafale und zwei Phantomen als Begleitschutz gegen einen Träger der Uniform-Class. Dem Symbol militärischer Schlagkraft des Akarii-Imperiums. Dem Symbol für Kraft. Unbesiegbarkeit. Dem Symbol für den eigenen Triumph.
"Custer wäre garantiert Stolz auf uns", brüllte der Count in sein Mikrophon.
Martell drängte sich die Frage auf, wie sein Stellvertreter gerade jetzt solchen Unsinn von sich geben konnte. Schrieb es aber letztendlich der Anspannung zu, der sie alle unterlagen.
Der Kreuzer, eigentlich dazu gedacht die beschädigte Seite des Trägers zu schützen hatte eigentlich nur die umfangreichen Breitseitenwaffen behindert.
Und nun gab es kein Halten mehr. In sechs verschiedenen grellen Farben leuchtete die Flanke des riesigen Monsters auf.
Jedoch sorgten die beiden Rafale dafür, dass das feindliche Feuerleitsystem mit argen Schwierigkeiten zu kämpfen hatte.
Umso zynischer erschien es, dass der Träger es schaffte als erstes eine der beiden Rafale zu vernichten.
Woraufhin der Beschuss merklich genauer wurde.
Immer stärker wurde die Belastung und immer aufwendigere Ausweichmanöver mussten geflogen werden. Ein Crusader verschwand in einer Salve von Strahlenschüssen.
Dann blinkte die Erfassung golden. Und schließlich wurde die Abschussentfernung erreicht. Der Computer fiepte eindringlich.
Mit einem kräftigen Druck betätigte der Count den Auslöser und hielt ihn gedruckt. Das Revolvermagazin stieß die Mavericks so schnell aus wie es konnte.
Eine weitere Crusader verschwand, in einer Atomexplosion, die von einem Strahlenschuss ausgelöst wurde, der die vierte abgefeuerte Rakete beim Verlassen des Revolvermagazins traf.
Die 51 Atomraketen jagte auf ihren Triebwerken der majestätischen Flanke des Trägers entgegen.
Ähnlich wie die Mirages, doch weit weniger agil verteilten sich jetzt die Crusader.
Murphy's eigenes Manöver jedoch wurde von einem Treffer vereitelt. Der Energiestrahl durchbrach Schilde und Panzerung. Unter der Panzerung verdampfte er einen Stabilisator zu Schlacke und zerschmolz drei Manöverdüsen.
Die Crusader stieg zu langsam an. Viel zu langsam. Der Träger kam immer näher. Die ersten Raketen von den knapp dreißig die durchgekommen waren trafen auf das Schild, welches heldenhaft aber vergeblich Widerstand leistete.
Schon nach den ersten vier Treffern des Schiffsrumpfes begriff Murphy's geschultes Auge, dass er und seine Jungs einen Träger erwischt hatten.
Während der Rumpf des einst furchterregenden Giganten von Sekundärexplosionen durchgeschüttelt wurde kam ihm Murphy immer näher.
Der Pilotenveteran hielt den Steuerknüppel fest umklammert und versuchte ihn immer weiter an sich heranzuziehen.
Aufschlag. Die Schilde der Crusader schrammten das Oberdeck des Akarii-Trägers über eine Länge von fast 40 Metern. Bis die Schilde unter der Belastung schließlich zusammenbrachen.
Die Crusader stieg weiter und ließ das feindliche Schiff hinter sich.
"Oh Gott!" Der Count klang so zittrig wie Murphy sich fühlte. "Oh Gott! Oh Du lieber Gott!"
Schließlich wagte Murphy wieder zu atmen: "Gott behütet uns."
"Streicht ein Flachdeck!" Martell konnte die Stimme nicht einordnen, auch wenn er wusste, dass es einer seiner Piloten war. Er konnte nicht.
"Yeah, burn Baby, burn!"
"MURPHY!!" Eine ihm sehr bekannte Stimme. "RAKETE!"
Lone Wolf schoss es ihm durch den Kopf. Instinktiv brach er nach links unten weg. Doch der Crusader reagierte noch langsamer als sonst.
Der Count ließ zwei Teuschkörper ausstoßen.
Zu spät, die Rakete schlug ein und ruckte die Crusader herum. Er wurde schwer in die Gurte gepresst. Wieder blieb ihm die Luft weg.
Der 24 Tonnen schwere Bomber trudelte. "EJECT! EJECT! EJECT!" Plärrte der Bordcomputer pflichtschuldigst.
Durch einen Blick in den Rückspiegel stellte Martell fest, dass sein BN schlaff im Sitz hing.
"Gott behütet uns!" Hauchte Martel und riss an dem Auslöser für beide Schleudersitze.
Das hintere Kanzeldach wurde abgesprengt und der Count wurde nach draußen geschleuderte. Sein Rettungssystem versagte den Dienst.
Er riss erneut am Auslöser. Nichts geschah. Der Computer empfahl ihm weiterhin den Ausstieg.
Als dann auch noch der Raketenwarner ansprang riss sich Murphy aus den Gurten und zog seine H&K Laserpistole. Diese richtete er auf das Kanzeldach aus.
Dann schlug die Rakete ein. Und es war nichts mehr.
Tyr Svenson
Die beiden Nighthawks kamen nicht weit, bevor Crusader einen Hilferuf auffing: eine Rafale-Pilotin meldete eine schwer beschädigte Maschine und bat um Geleitschutz. Einen Augenblick hatte Kano ein unangenehmes Deja’vu-Gefühl. Doch sie erreichten den einzelnen Flieger ohne Probleme. Die schwere Maschine sah wirklich übel aus: die halbe rechte Tragfläche fehlte, Beschußspuren zogen sich über den gesamten Rumpf. An mehreren Stellen war die schwere Panzerung durchschlagen worden. Es war ein Wunder, daß die Rafale überhaupt noch flog. In der Stimme der Pilotin schwang Erleichterung, aber auch Panik mit: „Da seid ihr ja endlich, verdammt!“
„Nur die Ruhe. Wie sieht es aus?“
„Wie es aussieht?! Unser Gunner ist tot! Mein Chef ist verwundet. Verdammt, ich bin nur Kopilotin! Die Maschine hat höchstens noch zwanzig Prozent Schub und nur noch die Backbordkanone funktioniert! Ansonsten geht es uns prima!“
Kano unterdrückte die Antwort, die ihm auf der Zunge lag. Die Kopilotin hatte schließlich jeden Grund, pampig zu sein... „Schon gut. Wir eskortieren Sie aus der Gefechtszone.“
Die beiden Nighthawks postierten sich zu beiden Seiten der angeschossenen Maschine, die jetzt auf den Rand des Schlachtfeldes zukroch – jedenfalls kam es Kano so vor. Es ging so langsam!
In diesem Ausläufer der Akariiformation war die Schlacht schon fast vorbei. Wie ein heißes Messer durch Butter waren die Crusader und Mirages durch die Reihen der Akariis gegangen. Der massierte Angriff der TSN-Großkampfschiffe hatte die Reste vernichtet. Die Schlacht war weitergezogen, links von den Nighthawks wurde das Dunkel des Alls immer noch durch Explosionen und Strahlenbahnen erhellt. Die Menschen schienen zu gewinnen – aber die Akariis kämpften bis aufs Messer.
Es war Crusader, der den Gegner zuerst bemerkte: „Ohka! Drei Uhr, Hoch!“
Jetzt sah auch Kano den Gegner – eine einzelne Bloodhawk, die mit Marschgeschwindigkeit einen Kurs verfolgte, der sich mit dem Flugvektor der drei Erdmaschinen schnitt. „Es ist nur einer. Er wird wohl kaum...“ Das schrille Heulen des Raketenalarms schnitt ihm das Word ab. „AUSWEICHEN!!“
Der Akariipilot hatte zwei leichte Raketen abgefeuert – aber nicht, wie üblich auf dasselbe Ziel, sondern eine auf Kano und – sofort danach – eine zweite auf Crusader. Seine erste Rakete verfehlte ihr Ziel und explodierte an einem Störkörper. Aber die zweite Rakete saß gut. Crusaders Maschine wurde brutal durchgerüttelt, die Schilde kollabierten.
„Ohka! Ich brauche Hilfe!“ Crusaders Maschine schien schwer beschädigt. Kano riß seine Maschine herum und ignorierte den Schwall von Flüchen, die die Rafalefliegerin ausstieß, während sie versuchte, ihre wracke Maschine aus dem Schußfeld der Bloodhawk zu halten. Die kurvte mit der Zielstrebigkeit und Eleganz eines Haifischs an den beiden beschädigten Erdmaschinen vorbei und nahm Kano aufs Korn. Beide Maschinen gaben Vollschub und gingen sich frontal an.
Kano biß die Zähne zusammen. Normalerweise wäre dies ein zwar riskantes, aber machbares Manöver gewesen. Aber jetzt – er hatte keine nennenswerten Schilde mehr. Auf 3000 Kilometer, die Maximalentfernung, eröffnete er das Feuer mit allen Kanonen und riß seine Maschine in eine Aufwärtspirale, nur um mit einer Vollschubwende zu versuchen, den vorbei jagenden Akarii im Heck zu fassen. Doch der ließ sich nicht so leicht fangen und rettete sich mit einem gleichartigen Manöver. Wütend versuchte Kano, seine Raketenzieloptik auf den Akarii zu richten – als der plötzlich Vollschub gab und sich mit Höchstgeschwindigkeit entfernte. Er ließ einen reichlich konsternierten Piloten zurück; „Was bei den KAMI war denn das?!“
„Scheißegal!“ Das war Crusader. Seine Stimme klang ziemlich geschockt: „Dieser Bastard hat mir zwei Kanonen zerkloppt. Der Nav-Computer spinnt und das Radar auch!“
Von der Fliegerin der Rafale kamen noch ein paar kernige Kraftausdrücke, gefolgt von der Äußerung: „Ihr Weltraumjockeys, ihr seid echt tolle Kerle!“
„Mund halten!“ blaffte Kano, jetzt doch ernstlich verärgert. „Seien Sie dankbar, daß wir da waren. Was denken Sie, hätte der mit Ihnen gemacht, wenn Sie solo nach Hause geflogen wären?!“
Darauf folgte keine Antwort.
„Crusader, du hängst dich an die Rafale. Und siehst zu, daß du nach Hause kommst.“
„Aber...“
„Keine Widerrede. Du wirst nicht in einem wracken Jäger weiter kämpfen. Das ist ein Befehl!“
„Ja, Sir.“ Kano war nicht wenig amüsiert über den Widerwillen, der in der Stimme seines Wingmans zu spüren war. Der Junge hatte wirklich gute Anlagen. Aber ein Grund mehr, ihn nicht zu verheizen.
Die letzten paar Minuten Flug verliefen ereignislos, wofür Kano mal dankbar war. Mit zwei halbwracken Maschinen im Schlepptau hätte er sehr ungern einen Kampf angefangen.
Mit einem recht kühlen „Danke.“ verabschiedete sich die Rafale. Kano überzeugte sich, daß Crusader den Landeanflug auf die COLUMBIA sauber absolvierte. Seine eigenen Schilde hatten sich inzwischen wieder etwas erholt – 25% der Normalstärke. Das mußte reichen. Er hatte noch vier Raketen und war fest entschlossen, sie einzusetzen. Er richtete seinen Jäger wieder auf die immer noch tobende Schlacht und gab Vollgas.
***
Darkness versuchte einen Überblick zu bekommen, wie es um seine Staffel stand. Das Ergebnis war durchwachsen. Bisher hatten sie nur eine Maschine verloren – Brawler hatte aussteigen müssen, als ihn zwei Bloodhawks in die Zange nahmen. Er verdankte es seinem Wingleader, daß er noch Zeit gehabt hatte auszubooten. Jaws, Darkness Wingman, hatte sich mit einer schwer zusammengeschossenen Maschine und gerade mal 10% Schub aus der Schlacht zurückziehen müssen. Er war zu nahe an die Flakschützen eines leichten Akariikreuzers geraten. Von Ohka oder Crusader fehlte momentan jede Spur. Der Rest der Schwadron formierte sich, mehr oder weniger leicht lädiert, die meisten verschossen, um Darkness Maschine. Die Erfolge variierten. Sein Flight führte mit drei bestätigten Abschüssen. An der unteren Skala rangierte Dutch’s Flight: keiner der beiden Piloten hatte einen Abschuß erzielt. Nun, nach der Schlacht würde man die Ergebnisse auswerten. Bis dahin... Der Funkspruch einer Mirage der COLUMBIA weckte sein Interesse. „Silber Drei, hier Führer Schwarz. Ich höre...“
Kano hatte die Funkfeuer seiner Kameraden schon früh bemerkt und den Kurs seiner Maschine angeglichen. Er fand acht Maschinen seiner Schwadron vor – angesichts der erbitterten Raumkämpfe ein gutes Verhältnis. Er wurde zuerst von La Reine angefunkt: „Hallo Ohka! Schön, daß du dich auch Sehen läßt. Wo hast du unseren Kreuzritter gelassen?“ Die junge Pilotin hatte die anfangs vorhandene Ehrfurcht vor den Veteranen der Schwadron fast völlig abgelegt. Und mit Crusader verband sie eine ausgeprägte Rivalität.
„Maschine beschädigt, ich habe ihn zur COLUMBIA zurückgeschickt. Aber er hat einen Jabo vernichtet.“
„Na ja, dann führe ich wohl. Bei mir war’s `ne Bloodhawk. Und ich mußte nicht zurückkriechen...“
Bevor Kano sich für seinen Wingman äußern konnte, schaltete sich Monty, La Reines Flightleader und XO der Staffel, ein: „Ruhe da. Ihr seid Soldaten und keine Piraten. Ich erwarte entsprechendes Verhalten. Wir befolgen Befehle und veranstalten keinen Wettkampf.“
„JA, Sir.“ Bei La Reines ziemlich subversiven Tonfall war es ein Wunder, daß sich Monty nicht zu weiteren Maßnahmen veranlaßt fühlte.
Jetzt aber ertönte Darkness Stimme und erstickte die Streitigkeiten im Keim: „HERHÖREN! Eine Mirage von Staffel Silber meldet einen angeschossenen Zerstörer der Echo-Klasse. Zurzeit sind wir die einzigen zur Verfügung stehenden Einheiten. Wir greifen an!“ Mit diesen Worten beschleunigte die Maschine des Staffelführers. Die übrigen Maschinen schlossen sich an.
Kano rekapitulierte hastig, was er über die Echo-Zerstörer wußte. Es war nicht viel: ca. 20.000 Tonnen, etwa 500 Mann Besatzung. 10 Lasergeschütztürme, 2 Impulslaser, ein leichter Raketenwerfer und 9 Rohre für Schiff-Schiff-Raketen. Selbst „angeschossen“ war das eine beachtliche Vernichtungskraft. Ein Lichtblick war allerdings die Analyse der TSN-Techniker: das Zielsystem und die Bewaffnung des Zerstörers war nicht besonders effektiv gegen massierte Kampffliegerangriffe.
„ICH SEHE IHN!“ Das war La Reine. In der Stimme der hochgewachsenen Schwarzen schwang regelrechte Blutgier mit – offenbar war sie auf den Geschmack gekommen.
Der Zerstörer entfernte sich von der Schlacht, aber er kroch nur noch durch den Raum, sichtlich beschädigt. Nach den Anzeigen der Sensoren waren seine Schilde teilweise zusammengebrochen, etliche Lasergeschütztürme vernichtet – die Mirage hatte gut getroffen. An der Flanke des Kriegsschiffs klaffte ein breiter Riß in der Panzerung. Die Besatzung musste gut sein – sie hatte es geschafft, die Lecks abzuschotten und den Zerstörer flugfähig zu halten. Und immer noch feuerte das Kriegsschiff mit seinen S-S-Raketen auf irgendein entferntes Ziel. Ob es versuchte, seinen Rückzug zu decken oder der Schlacht noch eine Wendung zu geben, war nicht abzuschätzen – es war auf jeden Fall ein Beweis ungebrochenen Kampfgeistes. Eines Kampfgeistes, den die Nighthawks vernichten wollten.
Am Rand des Feuerbereichs der Bordgeschütze hing eine einzelne Mirage im All – Rot Drei: „Da seid ihr ja endlich! Ist das Alles?!“
„Das muß reichen!“ Darkness Stimme duldete keinen Widerspruch. „Wer hat noch Raketen?“
Außer Kano waren das offenbar nur Viking, Darkness selber – und die Mirage. Der Rest der Piloten hatte sich verschossen. Darkness unterdrückte einen Fluch. Es mußte eben genügen: „AN ALLE! Wir vier greifen an...“
„Was denn, ich auch schon wieder?!“ Das war der Miragepilot der alles andere als begeistert wirkte.
„Haben Sie damit ein Problem?!“
„Nein, Sir...“ Der Tonfall sagte aber etwas anderes.
„...der Rest gibt Feuerschutz. Greift von allen Seiten an - und mit Allem, was ihr habt. Aber denkt dran, ihr sollt ihn nur ablenken. Was ihr trefft ist zweitrangig. Veranstaltet einfach ein ordentliches Feuerwerk und macht euch nicht selber zu Zielen. Wenn wir den Antrieb in die Luft jagen, ist dieser Pott nur noch Weltraumschrott! Ihr geht zuerst ran!“
Die sechs Piloten bestätigten, mehr oder weniger enthusiastisch, und gaben Vollschub.
Darkness Rechnung ging voll auf. Der Anblick von einem halben Dutzend Kampffliegern, die aus allen Rohren feuernd heranjagten, war mehr als genug, um die Akarii zu alarmieren. Aus drei, dann vier Lasergeschütztürmen wurde das Feuer eröffnet. Die vier im Verband angreifenden Maschinen bemerkten die Akariis viel zu spät.
Kano klebte förmlich an Darkness Heckflanke. Das war eine Gelegenheit, dem Staffelführer endlich zu beweisen, was er WIRKLICH wert war. Kanos Gesicht blieb ausdruckslos, aber seine Hand verkrampfte sich um den Steuerknüppel, als doch noch, fast zu spät, ein fünfter Lasergeschützturm des Zerstörers aktiv wurde und das angreifende Quartett mit Feuer überschüttete. Ein leichter Schlag gegen den Steuerknüppel ließ die Maschine einen knappen Bogen fliegen.
Nicht weit genug – Kano wurde kurz brutal durchgeschüttelt und die Cockpitanzeigen informierten ihn über den endgültigen Verlust der Schilde. Jetzt riß Kano den Steurknüppel hart nach rechts oben – das Feindfeuer brach ab. Ein kurzes Tippen des Nachbrennerhebels brachte ihn wieder hinter Darkness – der gerade den Zielanflug begann. Vor ihnen ragte das unförmige Heck des Zerstörers auf – gefährlich nah. Immer noch schoß die Laserbatterie. Fast gleichzeitig feuerten Kano und die anderen Piloten ihre Raketen ab.
Die Kampfflieger hatten auf sehr kurze Entfernung das Feuer eröffnet - und der Erfolg der Salve wog das Risiko auf. Das reichliche Dutzend Raketen traf mit vernichtendem Erfolg. Die ersten vier zerstörten die Reste der Heckschilde. Die folgenden Raketen schlugen zielgenau in der Antriebssektion ein. Und dann waren die Kampfflieger nahe genug, um mit ihren Bordkanonen nachzusetzen. Als Kano seine Maschine mit Höchstgeschwindigkeit und aus allen Rohren feuernd über den Rumpf des Zerstörers lenkte, blühte hinter ihm eine ganze Reihe von Explosionen auf. Der Zerstörer verlor an Fahrt, rollte sich unkontrolliert auf die Seite.
„DER IST ERLEDIGT! ANGRIFF – VON ALLEN SEITEN!!“ In Darkness Stimme lag ein grausamer Triumph, der gar nicht zu dem sonst so beherrschten Offizier zu passen schien.
Kano hatte einmal, vor langer Zeit, Aufnahmen von einem echten Piranha-Angriff gesehen: wie diese südamerikanischen Raubfische irgendein großes Tier angriffen und binnen kürzester Zeit skelettierten. Der grausame Anblick war ihm im Gedächtnis geblieben – der zuckende, blutende Körper, die durcheinander wimmelnden Raubfischschwärme. Jetzt fühlte er sich unwillkürlich daran erinnert – die Erdmaschinen attackierten den waidwunden Zerstörer genauso erbarmungslos, von allen Seiten. Die Geschütze des Kriegsschiffs verstummten eines nach dem anderen, wehr- und steuerlos taumelte der Zerstörer durchs All, während die Kanonen der Kampfflieger an seiner Panzerung nagten, seine Flanken aufrissen.
Es gab keine grandiose Explosion, der Zerstörer starb langsam.
Und dann, dann löste sich die erste Rettungskapsel, die zweite, die dritte. Wie auf ein stummes Kommando erstarb das Feuer der Kampfflieger. Das sich überschlagende Triumphgeheul, das Silber Drei anstimmte und das von den meisten Nighthawkpiloten aufgenommen wurde, bildete eine schaurige Begleitung zum Exodus der Akariibesatzung.
Dann beendete Darkness Stimme das Durcheinander: „Ist schon gut. Gute Arbeit. Aber jetzt – Formation bilden. Wir kehren zur COLUMBIA zurück.“
„Schon?“ Das war La Reine. Allerdings klang ihre Forschheit etwas gezwungen.
„Schauen Sie mal auf Ihre Treibstoffanzeige.“
Auch Kano sah jetzt auf die Anzeigen – und verzog den Mund. Der Commander hatte nur zu Recht – bei ihm brannte bereits die rote Lampe. Es würde knapp werden. Sehr knapp.
„Bewegt euch! Box-Formation.“
Die Nighthawks waren nicht die einzigen Maschinen, die zurück zu den Trägern strebten. Jäger, Jagdbomber, Bomber – alleine, in Wings, Sektionen oder losen Gruppen. Viele waren beschädigt. In Kano wurde eine unangenehme Erinnerung wach - der Rückzug der versprengten TSN-Flieger nach der Schlacht von Jollahran. Würde es etwa hier wieder genau so werden. Er versuchte, mit Hilfe seines Bordradars festzustellen, wie die Situation aussah, innerlich den zur Neige gehenden Treibstoffvorrat seiner Maschine verfluchend. Während immer noch gekämpft wurde, muste er im Sparflug "nach Hause" kriechen.
In die lautlosen Verwünschungen brach auf einmal Darkness Stimme. Die Worte des Lieutenant Commander hatten einen hartenUnterton, unmöglich waren die Gefühle zu benennen, die ihn bewegen mochten: "AN ALLE! Der feindliche Träger ist vernichtet. Die Crusaders haben ihn geknackt."
Der letzte Satz ging unter im Triumphgeheul der Piloten. Kano überraschte sich selber, in dem er lauthals mit einstimmte. SIE HATTEN ES GESCHAFFT!
Darkness starrte währenddessen auf seine Hände, die den Steuerknüppel umklammerten. Sie zitterten, ob aus Erleichterung oder Müdigkeit, er wußte es nicht. Entgegen seines sonst immer ruhigen, ja kalten Naturell mußte er sich räuspern, bevor er sich wieder an seine Staffel wandte: "Es ist noch nicht völlig vorbei. Es gibt noch die Kreuzer und Zerstörer. Ich will, daß die Maschinen binnen kürzester Zeit wieder starten. Mit Raketen wenn möglich, aber wenn es nicht schnell genug geht, dann eben ohne. Ende!"
Seine Bemerkung, daß die Schlacht möglicherweise noch nicht ganz vorbei war, war allerdings an die meisten Piloten verloren. Der feindliche Träger war vernichtet. Alles weitere konnte, so dachten fast alle, nur noch ein "Aufwischen" sein.
Tyr Svenson
Wurmloch an der Grenze
Briefingraum ONTARIO
Wurmloch W-369, Eurydike-Nebel, Correlian Sektor
Der Briefingraum der ONTARIO war das erste Mal seit ihrem Ablegen von Fort Gibraltar wieder gefüllt mit allen Kapitänen der Einsatzgruppe. Komplikationslos hatte die Einsatzgruppe das Wurmloch 369 erreicht, die Schiffe der Colonial Confederation hatten sie vor ein paar Tagen bereits wieder verlassen und sie waren hier im Eurydike Nebel alleine zurückgeblieben. Die ONTARIO und der zum Minenleger umgebaute Frachter NORTHUMBRIA hatten das Wurmloch bereits vermint. Und die Vorbereitungen für das Übersetzen liefen auf Hochtouren, die Unterstützungsfrachter hatten einen weiteren Teil ihrer Fracht auf die einzelnen Schiffe transferiert, so dass die Laderäume der Kampfschiffe wieder so voll waren, wie kurz nach dem Verlassen des Barcelona-Systems.
Singh war sehr zufrieden mit den Vorbereitungen, auch wenn er das nicht jedem zeigte. Vor allem die Zusammenarbeit seines 1. Offiziers mit den übrigen Kapitänen war sehr viel versprechend verlaufen. Wobei die Tatsache, dass Singhs Stellvertreter, Captain Ronacek von der MOUNTBATTON, ein alter Vertrauter war natürlich sehr half. Maleetschev hatte dieses Mal das Briefing tadellos geleitet, El-Habibi war hingegen gar nicht erst anwesend.
Singhs Blick schweifte hinüber zu Commander Baker vom NSC, der seinen Bericht über das Wurmloch gleich beenden würde. Der Kapitän der Ontario hatte den Worten des Wissenschaftsoffiziers kaum zugehört, kannte er den Bericht doch längst. Es hatte sich schon lange abgezeichnet, dass die Raumanomalie im Eurydike-Nebel tatsächlich ein Wurmloch war. Nach allem was Singh verstanden hatte, deuteten die Werte auf ein so genanntes tiefes Loch hin, auch wenn es nicht sonderlich stabil zu sein schien. Es war zwar für Transitionen geeignet, aber die Wissenschaftler hatten darauf hingedeutet, dass es kleinerer und instabilerer Natur war als andere bekannte Wurmlöcher. Für Singh war das aber einerlei. Sie konnten durch und damit wahrscheinlich auch die Akarii. Daher war es sehr wichtig, sowohl für die ColCon als auch für die Terranische Republik, dass sie aufklärten, was sich auf der anderen Seite befand.
Als Baker geendet hatte, stand Singh kommentarlos auf und ging hinüber zum Pult. Jetzt würde es Ernst werden. Singh spürte die Blicke der anderen Kapitäne auf ihm ruhen. Sie wussten alle im Grunde genau, was jetzt zu tun war, doch klebten sie ihm alle an den Lippen. Er genoss diesen Augenblick für einen Moment, ehe er begann.
„Ladies and Gentleman, wir stehen kurz vor einem bedeutenden Augenblick. Alle Vorbereitungen der letzten Wochen werden in Kürze ihren Höhepunkt finden.“ Singh aktivierte den Bildschirm an der Stirnseite des Briefing und startete die von Maleetschev vorbereitete Einsatzpräsentation. „Kommen wir nun zu den Einzelheiten. Unser Auftrag ist klar: Wir werden dieses Wurmloch passieren, die andere Seite inspizieren, kartographieren und dann entscheiden, wie es weitergehen soll. Wenn uns die Akarii lassen.“
„Sir“ unterbrach ihn Commander KAMInski von der AZINCOURT „warum rechnen wir mit Akarii auf der anderen Seite, wenn wir auf dieser Seite keinerlei Anzeichen von Sensoren oder dergleichen entdecken konnten?“
„Ich rechne generell mit dem Schlimmsten“ grinste Singh düster. „Vielleicht führt dieses Wurmloch aber auch in eine Region, die nicht in der Nähe der Akarii liegt. In diesem Fall wird die MAGELLAN die Kartographierung vornehmen und wir können wieder zurück. Oder die Akarii haben dieses Wurmloch selbst noch nicht entdeckt. Einerlei, es gibt sehr viele Szenarien, die in Betracht kommen. Wir werden sehen müssen, welche Vermutung die Richtige ist.“ KAMInski nickte und zeigte damit, dass sie mit dieser Antwort zufrieden war.
„Kommen wir nun zum Einsatzprofil. Die Frachter werden zunächst, genau wie die MAGELLAN, auf dieser Seite bleiben und nur überführt werden, wenn die andere Seite frei sein sollte.“
Singhs Blick ging in die Runde und er beobachtete das Mienenspiel der übrigen Kapitäne. Sein Blick blieb hängen an dem Kapitän der KAZE. Schneider hatte sich zähneknirschend mit der Situation abgefunden, ans Ende beordert worden zu sein, auch wenn Singh deutlich spürte, dass Schneiders Frustration tief sitzen musste. Doch das war umso besser, denn es würde ihn und seine Crew anspornen, die Leistung zu erbringen, die er jetzt von Ihnen fordern würde.
„Commander Schneider, sie werden mit der KAZE als Erste springen. Dringen sie nicht zu tief vor, scannen sie erstmal die andere Seite. Wir werden Ihnen fünf Minuten geben ehe die übrigen Kampfschiffe folgen werden.“
„Sir, heißt das, wir werden alleine rübersetzen?“
„Ja, Sie bilden die Vorhut“ erwiderte Singh kalt. „Sollten sie auf Feindverbände stoßen, nehmen Sie soviel davon auf wie sie können und schicken sie die Warnboje durch das Wurmloch zu uns zurück und kehren dann sofort wieder um, verstanden?“ Singh blickte Schneider aus strengen Augen an und wartete auf dessen Reaktion. `Du wolltest die Vorhut haben! Da hast Du Sie!`
Schneider ließ sich bis auf ein Funkeln in seinen Augen nichts anmerken als er mit einem entschlossenen „Aye, Sir“ antwortete.
Singh nickte knapp und fuhr mit seinem Vortrag fort. Er instruierte die übrigen Kapitäne und legte damit die Reihenfolge fest, mit der sie in wenigen Stunden durch das Wurmloch gehen würden.
Als er geendet hatte, standen alle Kapitäne auf und machten sich auf den Weg zurück zu ihren Schiffen. In ihren Augen erkannte er genau die Entschlossenheit, die er erwartete. Auch bei Schneider, der allerdings ohne weiteren Blick aus dem Raum spazierte. Es konnte zu einem gefährlichen Auftrag werden, wenn es auf der anderen Seite Sicherungsschiffe der Akarii warten sollte. Wenn sein Schiff wirklich so gut war, wie der junge Kapitän behauptete, würde er mit der Situation fertig werden. Wenn nicht… nun der Verlust für die Navy wäre in Singhs Augen nicht überwältigend hoch.
Ein Räuspern hinter ihm ließ ihn aus seinen Gedanken hochfahren und er drehte sich zu seinem Ersten Offizier
„Sir, alle Stationen melden volle Einsatzbereitschaft. Die ONTARIO ist bereits bereit zum Sprung. Haben Sie noch weitere Anweisungen?“
„Nein, Eins-O. Sehr gute Arbeit. Richten sie ihren Männern mein Kompliment aus.“
„Danke, Sir.“ Maleetschev war sichtlich erbaut über das Lob, aber irgendwas anderes schien ihn zu beschäftigen.
„Was glauben Sie?“ fragte Singh seinen deutlich jüngeren Untergebenen. „Wird Schneider mit der Situation fertig werden?“
Maleetschev überlegte vor seiner Antwort. „Ich denke schon, Sir. Persönlich halte ich nicht viel von der KAZE, aber für diesen Auftrag ist sie in der Tat die beste Wahl. Darüber mache ich mir keine Sorgen.“
„Worüber dann?“
Es schien seinem Ersten Offizier nicht leicht zu fallen. Er zögerte sichtlich, doch dann rang er sich doch zu einer Antwort durch. „ Sir, es ist nichts weiter von Bedeutung, es ist nur…“ Doch dann verließ ihn wieder der Mut und er stockte.
„Kommen sie, Eins-O. Immer raus damit. Wenn es Probleme gibt, will ich sie lieber jetzt wissen als später.“
„Nein, Sir. Es sind keine Probleme, nur so eine dumpfe Ahnung. Ich möchte nicht, dass sie denken, ich sei abergläubisch, aber ich frage mich, ob es nicht ein schlechtes Omen ist, dass unsere Einsatzgruppe ausgerechnet nach der MAGELLAN benannt worden ist.“
Singh war tatsächlich etwas irritiert. Mit so was hatte er nun wirklich nicht gerechnet. „Wie meinen Sie das?“
„Nun Sir, wie sie sicher wissen ist das Schiff benannt nach Ferdinand Magellan, welcher im 16. Jahrhundert die erste Weltumsegelung schaffte.“
„Und?“ Singh war leicht amüsiert. Natürlich kannte er die Geschichte, jeder Kapitän hatte sich in seiner Ausbildung mehrfach mit der Historie zu beschäftigen und die Expeditionen eines Magellan gehörten genauso zu den Standardwerken wie die von Ibn Battuta, Columbus, Diaz, Cook, Drake, Bering und wie die frühen Entdecker noch so alle hießen. Doch er wollte es aus Maleetschevs Munde hören.
„Magellan hat sich mit 5 Schiffen und 270 Mann auf den Weg gemacht. Und nachdem er selbst auf dieser Reise starb, seine Kapitäne mehrfach meuterten oder desertierten, kehrte ein einziges Schiff und nur 18 Mann zurück.“
„Und sie glauben, das könnte uns auch passieren“ fragte Singh mit scharfer Stimme nach, obwohl er innerlich die Sorgen seines Ersten Offiziers nachvollziehen konnte. Auch wenn sie sich mittlerweile im 27. Jahrhundert befanden, war das Leben auf Schiffen der Navy immer noch geprägt von Aberglauben, teilweise altmodischen Ritualen und Traditionen. Ein Captain, der das nicht berücksichtigte, war kein guter Captain.
Singh legte seine rechte Hand auf Maleetschevs Schulter, eine fast schon väterliche Geste, die er schon sehr, sehr lange nicht mehr an den Tag gelegt hatte. Ein für ihn seltenes, beruhigendes Lächeln erschien in seinem Gesicht, als er seinen Stellvertreter aufmunternd zusprach. „Ihre Sorge ehrt sie, Eins-O. Ich denke es liegt an uns, dass wir aus der Vergangenheit lernen und so etwas nicht zulassen, oder?“
Maleetschev nickte und versuchte deutlich sichtbar, seine Nervosität zu verdrängen. „Aye, Sir. Ich mache mich gleich an die Arbeit.“
Singh nickte zurück und schaute dann seinem Ersten Offizier hinterher. Er hatte bislang zuviel in seinem Leben gesehen, um sich vom Namen einer Operationsgruppe ins Bockshorn jagen zu lassen.
Aber eins war sicher. Wenn es zu ähnlichen Entwicklungen wie im Falle der historischen Magellan-Mission kommen sollte, würde er mit eiserner Hand durchgreifen. Dann machte er sich mit grimmiger Entschlossenheit auf den Weg zur Brücke.
Tyr Svenson
Die Schlacht um Graxon II war bereits voll im Gange und so langsam machte sich das auch bei 2nd Lieutenant Lydia „Freckles“ Quartero bemerkbar, denn es war bereits ihr zweiter Einsatz heute. Nachdem sie bereits Unterstützungsangriffe auf mehrere kleinere Dickschiffe der Akarii geflogen hatten, hatten Sie ihre Rafale wieder aufgetankt und –munitioniert und waren erneut gestartet. Und befanden sich mitten im Herzen der Schlacht.
Im Anflug auf den Akarii-Träger.
Lydia betrachtete die Anzeigen der Rafale und sah das Ende eines der schweren Akarii-Kreuzers, der die bereits angeschlagene Flanke des Trägers der Uniformklasse zu schützen versuchte. Ein greller Blitz, der von den leistungsstarken, hochauflösenden Kameras ihres Bombers abgeregelt wurde, war das letzte was von dem Kreuzer übrig blieb und kurz darauf verschwand das rot leuchtende Icon von den Radarschirmen.
Hunderte Akarii hatten den verdienten Tod gefunden, doch Sie hatte keine Zeit sich darüber zu freuen. Der Weg war frei für die Crusader und Rafale der COLUMBIA, die sich durch die jetzt entstandene Lücke wie Hornissen auf einen verletzten Bären stürzten.
„Freckles, mach unsere Harms scharf“ kam es von Ihrem Piloten 2nd Lt. Alfred „One“ Obasanjo und fügte unnötigerweise hinzu: „Ziel ist der Träger.“
„Roger.“ bestätigte Lydia knapp und hatte bereits die Zielerfassung auf das Symbol des Trägers ausgerichtet.
Die Störsender der Rafale machten es für die Bordschützen des Trägers anscheinend schwierig, die anfliegenden Jäger zu erfassen. Die mittlerweile doch erdrückende Übermacht, die die Terranischen Verbände sich unter hohen Verlusten erkämpft hatten, schien sich nun endlich bezahlt zu machen. Feindliche Jäger, die dem Träger zur Hilfe eilen konnten, waren nicht nah genug um den Anflug der kombinierten Bomberschwadron zu stören. Und mit der Zerstörung des Kreuzers, der die geschwächte Sektion geschützt hatte, war auch einiges an Flak- und Flarunterstützung für den Träger ausgefallen. Weitere Akarii-Kriegsschiffe hatten sich zwar sofort in Bewegung gesetzt um die Lücke zu schliessen, aber auch diese würden nicht mehr rechtzeitig eintreffen.
Lydia spürte, wie ihr das Adrenalin in die Adern schoss. Sie hatte in diesem Augenblick erkannt, dass Sie eine realistische Chance hatten den Träger zu erwischen und zu vernichten.
Sekunden später wurde ihr aber klar, dass das für den Träger andersherum genauso galt. Sie hatte noch keine sichere Zielerfassung, da kam von Aun „Moray“ Shwe, ihrem Eloka-Offizier an Bord, eine leicht aufgeregt klingende Warnung. „Die Trägerabwehr hat uns erfasst. Jägerabwehrraketen sind los.“
„Moray, verstärk` die Störsignale“ kam der knappe Befehl von One an seinen dritten Mann. Dann warf er ein paar Täuschkörper aus.
Lydia begann unbewußt zu hoffen, das die Raketen Sie verpassen mochten. Dann klingelte die Zielerfassung für die eigenen Harm-Raketen auf. Ohne zu zögern schickte Lydia ihre 4 verbliebenen Harm-Raketen auf den Weg., kurz daruf gefolgt von den Harms der Rafale 3. Die acht Raketen, die eine kürzere Aufschaltzeit und eine größere Reichweite als die Mavericks der Crusader hatten, machten sich auf den Weg und passierten die Abwehrraketen der Akarii, die sie ignorierten und sich auf die Jagd nach den Bombern machten.
Gebannt beobachtete Lydia wie die meisten der Abwehrraketen – dem Störfeuer der Rafele sei Dank – die angreifenden Bomber verpassten. Ein paar Raketen trafen zwar und reduzierten hier und da die Schildleistung ohne allerdings durchzuschlagen. Sie selbst hatten weniger Glück.
„Shit, Schilde runter auf 40%“ fluchte One, nachdem eine der Raketen mit einem Näherungszünder explodiert war und die nahe Detonation sich als heftige Vibration im Cockpit der Rafale bemerkbar machte.
„Träger nimmt unsere Harm unter Feuer!“ meldete Moray beinahe emotionslos. Natürlich versuchte der Träger die relativ langsamen Raketen der Rafale auszuschalten bevor Sie ihn erreichen konnten. Diese waren zwar nicht ganz so schlagkräftig wie die Mavericks der Crusaders, die diese hoffentlich bald auf den Weg schicken würden, doch trotzdem stark genug um wenigstens die Schutzschilde zu schwächen.
Lydia erkannte auf ihrem Radar das Aufblitzen weiterer Raketenabwehrraketen, dicht gefolgt von einem weiteren Schwarm Jägerabwehrraketen. „One, da kommen weitere Jäger-AR, sollten wir nicht abdrehen?“ Immerhin hatten Sie ihre Raketenfracht bereits abgeworfen und die Schilde waren nur noch bei 40%. Darum sollten sie mehr Zeit als nötig im gar nicht so ruhigen Auge des Wirbelsturmes dieser Schlacht verbringen.
„Negativ, Freckles, wir bleiben auf Kurs. Die Crusader brauchen unseren Störsender noch.“ Lydia wußte das One Recht hatte. Sie mussten den anderen Bombern noch etwas mehr Zeit verschaffen. Und trotzdem behagte Ihr das nicht.
„Werfe Täuschkörper ab!“ antwortete Sie nur und musste mit ansehen, wie alle ihre Harms den RAR des Akarii-Trägers zum Opfer fielen. Kurz darauf zischten Ihnen selbst die Raketen um die Ohren. Wieder traf eine der Raketen und pulverisierte den verbliebenen Schutzschild. Rote Warnlämpchen leuchteten auf ihren Konsolen auf und signalisierten mit fiependen Tönen, dass sie getroffen waren.
„Wir verlieren Schub, Schadensbericht“ bellte One und Lydia las ab, was Sie sah. „Schilde ausgefallen, Turbinenleistung nur noch bei 60%, Bug-Panzerung um 20% reduziert...“
Jetzt überschlugen sich die Ereignisse als Moray noch weitere Jäger-AR meldete. Lydia´s Herz begann wild zu schlagen. „One, dreh ab…“
„Nein, die Crus…“
„DREH AB...“ schrie Lydia als sie zusätzlich noch erkannte, das auch der Täuschkörperaustossmechanismus ausgefallen war „…einen weiteren Treffer überstehen wir nicht…“
Sie würde nie erfahren, was ihr One antworten wollte oder ob er die Rafale abgedreht hätte. Noch bevor er die Gelegenheit dazu hatte, riss eine Rakete ihren Bomber und damit auch Ihren Piloten auseinander. Die Rafale platzte auf wie eine reife Frucht und innerhalb von Sekundenbruchteilen wurden die Einzelteile in alle möglichen Richtungen katapultiert. Die Explosion der Rakete vermischte sich mit dem übriggebliebenen Treibstoff des Bombers und verzehrte die meisten der auseinander strebenden Einzelteile.
Doch Lydia hatte Glück im Unglück. Das Trümmerstück, an welchem ihr Pilotensitz befestigt war, war nicht mehr nah genug an der Explosion um von Ihr noch erfasst zu werden. Aber als die Detonationswelle sie erreichte, wurde die Verankerung ihres Pilotensitzes von unglaublichen Kräften aus den Halterungen gerissen und sie wurde sich überschlagend noch weiter von dem zuckenden Wrack des Bombers weg getrieben.
Doch damit war ihr Glück anscheinend erschöpft. Irgendetwas, wahrscheinlich ein anderes Trümmerstück, traf die Rückseite ihres Pilotensitzes mit enormer Wucht und der heftige Schlag schüttelte Sie in Ihren Gurten durch, so dass sie mit ihrem Pilotenhelm gegen den Sitz donnerte. Sie sah Sternen vor den Augen, und zwar nicht die die im unendlichen All eisig vor sich hin funkelten, sondern diejenigen, die mit starken Kopfschmerzen verbunden waren.
Sie spürte, wie eine Ohnmacht sich Ihrer bemächtigen wollte, doch Sie kämpfte dagegen an. Sie konzentrierte sich mit aller Macht darauf, sich nicht der Starre einer Bewußtlosigkeit hinzugeben, gewann diesen Kampf und war schon bald wieder im Besitz ihrer kompletten Wahrnehmungsfähigkeit.
Kurz darauf bereute sie das zutiefst.
Kaum war sie wieder vollends zurechenbar, spürte Sie das irgendetwas nicht stimmte. Und zwar gewaltig. Ein undefinierbarer Schmerz durchfuhr Sie am Rücken und kroch ihre Wirbelsäule entlang. Das Ganze wurde von einem grausam klingenden Zischen begleitet und ein merkwürdiger Geruch mischte sich ihr in die Nase.
Panik wallte in Ihr auf und ihr erster Gedanke war, dass Ihr Raumanzug etwas abgekriegt hatte. Aber dann mußte das Loch mikroskopisch klein sein, denn sonst wär Ihr Sauerstoff schnell ins All gesaugt worden sie an der Dekompression gestorben. Voller Sorgen tastete Sie ihren Raumanzug ab, doch dieser schien intakt zu sein, zumindest auf der Vorderseite. Dann nahm Sie einen dumpfen Knall und ein Knistern wahr, diesmal gefolgt von einem noch stärkeren Zischen, der mit einer Zunahme des Schmerzes verbunden war, der Sie laut aufschreien liess. Und diesmal konnte Sie eindeutig den Geruch zuordnen.
Den Geruch verbrannten Fleisches.
Ihres Fleisches.
Die Erkenntnis traf ihr Bewußtsein wie ein Vorschlaghammer und schreiend fing sie in wilder Panik an auf Ihren Raumanzug einschlagen, in der Hoffnung den anscheinend durch einen Kurzschluss in Ihrem Rettungstornister ausgelösten schwelenden inneren Brand in Ihrem Rücken zu löschen.
Vergeblich.
Sie versuchte sich aus dem Gurt zu retten, doch der Mechanismus des Fünf-Punkt-Gurtes schien zu klemmen. Voller Verzweiflung hämmerte Sie auf den Verschluß ein, bis dieser sich endlich löste. Jetzt trieb sie davon und bewegte sich langsam von ihrem Pilotensitz weg.
Doch das Zischen hörte nicht auf.
Die durch den Geruch ausgelöste Übelkeit wurde nur verdrängt durch den Schmerz, den das innerhalb ihres Raumanzugs brennende Feuer ausgelöst hatte. Sie spürte, wie der Raumanzug begann von Innen zu schmelzen und glühende Tropfen sich mit Ihrer Haut verschmelzen. Qualvoll langsam schien sich das Feuer in Ihrem Rücken auszubreiten, kroch in Richtung ihrer Beine und ihres Nackens.
Sie schrie und schrie sich heiser, bis Sie endlich bewußtlos und damit von Ihrer Pein erlöst wurde.
Tyr Svenson
Es war eine gespannte Atmosphäre an Bord der KAZE. Der letzte Befehl des Skippers hatte gelautet, die Testamente auf den neuesten Stand zu bringen. Das war kein unüblicher Befehl, aber er bewies, dass Schneider nicht zurückstecken würde.
Ihr Befehl lautete, als Vorhut durch das Wurmloch zu gehen. Und genau das würde Schneider tun.
Auf der Brücke der alten Fregatte ging es nervös zu. Justus Schneider war ernst und gefasst und hatte nicht mal eine Tasse Kaffee in der Hand. Das machte die Offiziere weit nervöser als es ein Verband Akarii auf der anderen Seite des Wurmlochs getan hätte.
„Zeit bis zum Sprung, Miss Jones?“, fragte der Skipper mit ruhiger Stimme.
„Fünf Minuten, elf Sekunden, Sir.“
„Gut. Schiff geht in Stealth und reduziert die Fahrt. Ich will drüben langsam und mit so wenigen Emissionen wie irgend möglich ankommen. Das gilt nicht für die Waffen, Mr. Ishihiro.“
„Aye, Skipper.“
„Klar Schiff zum Gefecht, Miss Soleil.“
„Aye, Skipper. Klar Schiff zum Gefecht.“ Amber erhob sich von ihrem Platz. „Lieutenant Ishihiro, geben Sie Signal.“
„Aye, Commander.“ Der Hochgewachsene Japaner hieb auf den Alarmknopf. Kurz darauf schallten durchdringend die Schiffssirenen auf und riefen die Matrosen und Offiziere auf ihre Stationen.
Lieutenant Commander Soleil aktivierte die Sprechanlage. „Alle Mann auf Gefechtsstation. Schiff versiegeln. Sektionen versiegeln. Infanterie in die Bereitschaftsräume. Rettungskapseln entsiegeln und bereithalten. Raumanzüge entsiegeln und bereithalten. Möglicher Feindkontakt in X minus vier Minuten.“
Auch in der Zentrale brach Hektik aus. Der Erste, der meldete, war First Lieutenant Ishihiro. „Waffen geladen und bereit, Commander.“
Ihm folgte der Cheforter. „Stealth-Modus steht, Schirme sind stabil.“
Lieutenant Jones meldete: „Schiff ist klar zum Sprung, Kurs ist stabil. Alle Sektionen melden Klar Schiff zum Gefecht.“
„Aye.“ Commander Soleil wandte sich Schneider zu. „Sir, Schiff ist klar zum Gefecht.“
„Aye. Unter einer Minute. Das ist Rekord. Nach Ende des Alarmzustandes sprechen Sie der Mannschaft ein Lob aus, Commander Soleil“, sagte Justus leise.
Nun begann sich Amber wirklich ernsthafte Sorgen um ihren Skipper zu machen. Wie lange wollte er denn noch den ernsten, verantwortungsvollen Offizier mimen? Wo war ihr unordentlicher, laxer und verständnisvoller Justus geblieben? „Aye, Skipper.“
Schneider grinste sie an und faltete lax die Beine übereinander. „Und sobald es die Lage erlaubt, schenken Sie jedem an Bord einen Liter Bier aus.“
Amber spürte, wie sie rot wurde. Nun, das war wieder ihr Justus. „Bier, Skipper? In einer Kampfsituation?“
„In einer potentiellen Kampfsituation“, korrigierte Schneider.
Amber tat ihr Bestes, um zähneknirschend zu wirken, als sie erwiderte: „Aye, sobald es die Lage erlaubt, ein Liter pro Kopf.“
„Selbstverständlich gehören beide Dinge nicht ins Logbuch“, fügte Justus im Plauderton fort. „Weder dass wir Bier an die Mannschaft ausschenken, noch dass wir überhaupt ein wenig an Bord haben.“
„Ein wenig?“, brummte Haruka Ishihiro leise. „Die Vorräte der Kingston-Brauerei auf Barcelona sind ein Witz dagegen…“
Lieutenant Li lachte leise.
„Disziplin auf Deck“, mahnte Commander Soleil. „Steuer, Countdown ab minus zehn Sekunden.“
„Aye, Commander. Sprung in X minus eine Minute.“
„Bringt mir jemand mal einen Kaffee?“, fragte Justus unvermittelt.
Durch die Reihe der Brückenbesatzung ging ein Aufatmen. Der Skipper verhielt sich endlich wieder normal. „Ich hole Ihnen einen“, bot sich Commander Soleil an und eilte in den kleinen Ruheraum der Brücke.
Schneider sah ihr nach und beugte sich dann zu Lieutenant Ishihiro herüber. „Was ist denn mit Amber los? Sie ist so merkwürdig heute, Haruka.“
„Merkwürdig? Sie?“ Mit einem Grinsen legte der Offizier eine Hand vor sein Gesicht. „Manchmal denke ich wirklich, Sir, Sie können mich nicht mehr überraschen. Und dann legen Sie doch noch eine Kohle obenauf.“
Erstaunt riss Justus die Augen auf. „Haruka. Haben Sie mich gerade Sir genannt?“
„Das war bestimmt nur ein Versehen. Gewöhn dich da gar nicht erst dran, Justus“, sagte Commander Soleil und drückte ihm einen Becher Kaffee in die Hand. Danach nahm sie ihre Station wieder ein.
„X minus zehn… Neun… Acht… Sieben… Sechs…“
„Habe ich das geträumt oder hat Amber mich gerade gedutzt?“, raunte der Skipper seinem Waffenoffizier zu.
„…Fünf… Vier… Drei… Zwei… Eins… SPRUNG! SPRUNG! SPRUNG!“
Auf der anderen Seite des Wurmlochs entfaltete Schneider eine unglaubliche, Zielgerichtete Aktivität. „Stealth überprüfen. Emissionscheck. Was sagt die Passivortung?“
„Passivortung negativ. Erste Ortung negativ… Zweite Ortung negativ… Dritte Ortung negativ…“, meldete Lieutenant Li.
„Eine Minute vergangen“, sagte Lieutenant Ishihiro, dessen Hand bereits seit einiger Zeit über dem Auslöser für die Funkboje schwebte, welche die Flotte im Fall eines Hinterhalts warnen sollte. Nach fünf Minuten sollte sie nachkommen. Im modernen Raumkampf eine kleine Ewigkeit.
„Aktivortung, volle Reichweite“, befahl Schneider konzentriert. „Wenn jemand Zuhause ist, dann wecken wir ihn jetzt auf.“
„Logische Entscheidung, Skipper“, kommentierte Commander Soleil. „Da die Passivortung keine Feindbewegung in Angriffsreichweite erkannt hat, ist die Chance groß, dass eventuelle Feinde nicht innerhalb effektiver Waffenreichweite sind, beziehungsweise uns nicht schnell genug erreichen können, bevor wir wenden und abhauen.“
„Gut erkannt, Commander Soleil“, erwiderte Schneider, während die erste Welle Aktivortung einen Radius von fünf Lichtsekunden erfasste. Der zweite Impuls, seit den Zeiten der „nassen“ Navy Ping genannt, erfasste bereits eine Raumkugel mit dem zehnfachen Durchmesser. Ab einer gewissen Entfernung wurde die Ortung undeutlich, und dieser Punkt hing von der Genauigkeit der Ortungsgeräte ab. Und die der KAZE waren einfach Spitze.
„Und aus genau diesem Grund dümpeln wir so vor dem Wurmloch herum“, erkannte die Pilotin der KAZE. „Wir entfernen uns nicht weit vom Wurmloch, haben wenig Masse aufgebaut, die wir für ein Wendemanöver aufzehren müssen und sind hier, falls die Kacke dampft, ruck-zuck wieder verschwunden.“
„Erste Ortung negativ… Zweite Ortung negativ… Dritte Ortung negativ…“, meldete Lieutenant Li.
Commander Soleil sah zu Schneider herüber. „Skipper, keine Feindbewegungen innerhalb der Reichweite unserer Ortung.
Schneider klatschte in die Hände. „Schön, dass alles so wunderbar klappt. Eawy, legen Sie mal etwas Leistung auf den Antrieb. Wenn die Magellan-Gruppe hier durch kommt, will ich nicht, dass die ONTARIO auffährt. Auch wenn’s nur Blechschaden wäre, die nächste Werft ist weit.“
„Aye, Skipper. Halbe Kraft voraus“, erwiderte die Pilotin grinsend.
Schneider sah in die Runde. „Soweit so gut, Herrschaften. Soweit so gut. Ich hoffe, Bapu ist mit unserer Arbeit zufrieden.“
„Bapu?“
Schneider grinste schief. „Ein Ehrentitel, der einem bedeutendem Inder verliehen wurde und soviel wie Vater bedeutet. Dieser Inder war der große Friedensaktivist und Vater des gewaltlosen Widerstands Mahatma Ghandi.“
„Na, das passt ja wie ein Akarii in einem Solarium“, kommentierte Ishihiro.
Und hatte damit das Gelächter auf seiner Seite…
Tyr Svenson
Die Schlacht um Graxon
Endlich war es wieder soweit! Nur mühsam schaffte es Huntress, den viel zu harten Griff um ihren Steuerknüppel zu lockern. Die Erregung, das Adrenalin der sich ankündigen Schlacht hatte sie vollkommen im Griff.
„Wann lässt du mich endlich von der Leine, verdammt?“, brummte sie unzufrieden und warf dem Chief des Katapultteams einen wütenden Blick zu.
Dann kam das Go, und ihre Typhoon wurde mit brutaler Gewalt ins All gespieen!
Die Flotte war im Angriff, aber dennoch gab es keinen Grund, überstürzt und unorganisiert in die Schlacht zu ziehen. Huntress und Chip waren mit die ersten gewesen, die gestartet worden waren. Das bedeutete für den Rest ihrer Blauen Staffel, dass sie mächtig die Nachbrenner malträtieren mussten, um zu ihr und ihrem Flügelmann aufzuschließen.
Tausend Gedanken gingen ihr durch den Kopf, während sie sich in der Formation des Geschwaders neben die Grünen setzte: Würde Foreigner mit ihrem Wing zu Recht kommen? Was war mit den Kids, würde sie alle oder wenigstens die meisten wieder nach Hause schaffen können? Und welche Staffel würde da bessere Ergebnis erzielen, ihre Blauen oder die Grüne?
Für den letzten Gedanken schalt sich Huntress selbst. Dies war nicht mehr das Training, der gnadenlose Drill, in dem Darkness, der XO von CAG Cunningham sie auf diesen Moment vorbereitet hatte. Dies war nicht mehr die freundschaftliche Rivalität zwischen den beiden Typhoon-Staffeln der COLUMBIA. Dies war der Ernstfall.
Und Huntress nahm mit einer Mischung aus Zufriedenheit und Besorgnis zur Kenntnis, dass ihre Einheit, eigentlich für den Trägerschutz zuständig, ebenfalls am Angriff teilnehmen würde. Ihr Blick ging auf die Ortung. Avenger und Sneaker hatten sich bereits hinter sie gesetzt. Demolisher begann seinen Wing zu formen, und beim Träger erschienen die Symbole für Rapiers Flügel.
Dann glitt ihr Blick über die Gesamtformation. Nicht nur über die beiden vollen Geschwader zweier schwerer Träger, sondern auch über die aufgereihten Schiffe. Was für eine gewaltige Streitmacht. So etwas hatte sie noch nie zuvor gesehen.
Dann ging ihr Blick auf die Front der Akarii, soweit die Ortungsshuttles sie bereits ermittelt hatten. Die Daten waren ihr aus der Abschlussbesprechung noch gegenwärtig. Aber es war eine Sache, die nackten Daten zu sehen, und eine völlig andere, direkt auf sie zu zufliegen.
Und was sie da erwartete, war nicht gerade ein Kaffeekränzchen.
Huntress grinste schief. Was hatte sie erwartet? Dass die Akarii ihre wichtigste Gefangenenwelt nur mit einer Kompanie Soldaten mit Steinschleudern bewachten?
Die feindliche Einheit war kleiner als die Navy-Flotte, dennoch würde es eine harte Schlacht werden. Vor allem ihre kleinen, wendigen Jäger konnten davon ebenso profitieren wie darunter Schaden nehmen. Denn ebenso wie sie den entscheidenden Schuss auf ein waidwundes Schiff platzieren konnten, würden sie mit einer Beiläufigkeit fort gewischt werden, die beinahe schon ans Lächerliche grenzen würde.
Doch das war ihr Risiko. Das Risiko ihrer Leute, ihrer Crew. Sie selbst wusste um die Gefahr. Die meisten in der Blauen Staffel auch. Aber sie bezweifelte ernsthaft, das der Rest wirklich wusste, dass diese Gefahr mit einem schmerzhaften Tod zu tun hatte.
**
Kali folgte mit ihrem Flügelmann der roten Staffel ins Gefecht. Das würde hart werden, verdammt hart. Okay, abgesehen von den Nighthawks war ihre Phantom eine der kampfstärksten und zugleich wendigsten Maschinen im Getümmel. Aber das mochte nicht viel machen, wenn aus dem Jägerkampf ein Schiffskampf wurde. Mit Schauder erinnerte sie sich an die Troffenkampagne und die diversen Situationen, während der sich Kampfschiffe gegenseitig geprügelt hatten und die flinken Jagdflieger quasi im Vorbeiflug erledigt worden waren.
Bei Jollahran war es noch schlimmer gewesen. Noch mehr waren gestorben. Dieser Gedanke versetzte ihr einen Stich im Herzen. Verdammt. Selbst nach der langen Zeit war sie noch nicht über den Tod von Ace hinweg.
Und der Gedanken an Kano lenkte sie ab, bereitete ihr Sorgen. Er saß nun in einer Nighthawk, in einer der besten Maschinen der Navy. Damit machte er sich aber auch zu einem primären Angriffsziel.
Konnte, durfte sie sich diese Ablenkungen erlauben? Alleine der Gedanke, dass sie sich noch mehr Gedanken um ihn machen würde, wenn sie ihrer beider Beziehung beendete, hielt sie von diesem radikalen Schritt ab.
Es würde auch einmal Frieden geben, eine Zeit der Ruhe. Eine Zeit, in der auch Liebe eine Chance haben würde. Vielleicht, wenn sie beide noch lebten, konnte dann tatsächlich etwas aus ihnen werden. Und sie wollte sich nicht vorwerfen müssen, bis dahin etwas schwerwiegend falsch gemacht zu haben.
Egal. Der Kampf war wichtiger. Der Kampf war das Hier und Jetzt. Entschlossen griff sie die Sticks ihrer Kontrollen fester. Sie würde ihr Bestes geben. Sie würde überleben.
**
Shaka betrachtete das Ortungsbild seines Flügelmanns mit Sorge.
Er hatte lange Zeit geglaubt, die Aussprache mit Bob hätte wirklich etwas gebracht. Er hatte wirklich geglaubt, Kali hätte ihm den Kopf zurecht gerückt. Doch der junge Pilot frisch von der Akademie benahm sich seit Tagen, als hätte er einen Schwarm Hummeln im Hintern.
Shaka erkannte es an der unruhigen Art, in der Bob, an seinem Flügel flog.
Immer und immer wieder stieß die Phantom leicht vor, nur um dann doch wieder zurückzufallen.
Verdammte Scheiße. War er als Grünschnabel auch so schlimm gewesen? Und hatte er die Kandare nicht fest genug um Bob geschnallt?
„Bob, bleib an meinem Flügel, ansonsten wird man sich schon sehr bald Silent Bob nennen!“, blaffte Shaka.
„Es sind doch nur Akarii“, kam die trotzige Antwort des jungen Piloten. Sie troff vor Sarkasmus und Kampfeseifer.
„Bewaffnete Akarii. Bleib an meiner Seite und flieg ruhiger, verstanden?“
Eine quenglige Antwort erklang.
„Und du löst dich nur dann, wenn ich es dir sage, klar?“
„Ja, du verdammte Nervensäge.“
Albert Mbane schluckte hart. „Lieutenant. Höre ich so etwas noch einmal, schicke ich Sie als nicht kampffähig auf den Träger zurück. Haben Sie das wenigstens verstanden?“
„Jaaaaa“, kam die ergebene Antwort.
„Wie bitte?“
„Ja, Sir.“
Albert enthielt sich eines weiteren Kommentars. Aber er hatte ernsthafte Zweifel daran, dass Bob die Schlacht überleben würde. Seine Arroganz würde ihn umbringen.
Selbst Ace hatte sich nie eigenmächtig von seinem Wing Commander entfernt.
Nun, es sollte dann wenigstens nicht seine Schuld sein, beschloss Shaka und erkannte, warum die Alten auf die Jungen aufpassen sollten.
**
Dann war es soweit. Sie waren im Mahlstrom. Huntress bekam noch mit, wie sich die Grünen in den Dogfight mit einer Staffel Bloodhawks stürzten, da ging es auch schon für sie los.
„Chip, lösen und angreifen“, rief sie und warf ihren Flieger in eine Rolle, um dem Beschuss durch einen Akarii-Zerstörer zu entgehen. Himmel, was brachte den Giganten dazu, mit seinen Schiffslasern auf die flinken kleinen Jäger zu feuern? Mit diesen Waffen beharkten sich sonst die Kriegsschiffe untereinander! Ein Blick den schlanken Rumpf hinunter offenbarte die Wahrheit. Eine oder mehrere Antischiffsraketen waren in den Zerstörer eingeschlagen und hatten ihn hart in die Mangel genommen. Das Schiff brannte und würde wahrscheinlich bald explodieren. Dennoch schossen die aktiven Geschütze weiter.
„Herhören, Ihr Blauen, nehmt Abstand von Zerstörer Ecco. Der Kasten wird wahrscheinlich bald hochgehen“, warnte sie ihre Leute.
Verstanden-Rufe hallten ihr entgegen. Huntress checkte noch einmal, ob auch alle Blauen auf Fluchtkurs waren. Gut, sie war die Letzte in Gefahrenreichweite. Nun wurde es auch Zeit für sie, in die eigentliche Schlacht zurück zu kehren, anstatt dem sterbenden Zerstörer eine Zielscheibe zu bieten.
Sie drehte ab und schlug den Nachbrenner ein, Sekunden, bevor Ecco tatsächlich hoch ging. Die Druckwelle der Explosion erwischte sie und ihre Mühle voll. Verdammt, zu lange gewartet. Das war ihr letzter Gedanke.
„Huntress ist down, ich wiederhole, Huntress ist down. Die Druckwelle der Explosion hat sie erwischt!“, rief Chip aufgeregt.
„Ich übernehme das Kommando über die Blaue Staffel“, klang Demolishers ruhige Stimme auf. „Mach dir keine Sorgen um Huntress. Sie hat schon Schlimmeres überlebt. COLUMBIA, ich fordere ein SAR auf folgende Koordinaten an…“
**
Shaka warf die Phantom in einen Immelmann, trat auf die Slidebremse und schenkte seinem Verfolger eine volle Breitseite ein. Kurz darauf explodierte der Bloodhawk. „Wo bist du, Bob?“, blaffte er wütend. „Das wäre deiner gewesen!“
„Bleib ruhig, Shaka“, kam die Antwort, „ich bin noch mit spielen beschäftigt.“
Shaka checkte seine Ortungen und sah, dass der junge Pilot einen flügellahmen Delta auf dem Weg nach Hause beharkte. „Scheiße, Bob, hau ihm ne Salve Mavs rein und gut ist. Und dann wieder zurück an meine Seite!“
„So macht es aber mehr Spaß“, kam die Antwort.
„Bob, du kommst der Korvette Zulu zu nahe! Mach den Delta fertig und komm zurück!“
Ein Warnblinklicht flammte rhythmisch auf und informierte ihn darüber, dass er einen Teil seines Heckschildes eingebüßt hatte. Verdammt. Er hatte Besuch bekommen!
Wieder trat Shaka auf die Slidebremse, warf die Mühle herum und präsentierte dem Angreifer seine volle Bewaffnung. Eine volle Salve all seiner Geschütze überzeugte den Akarii davon, sich besser eine leichtere Beute zu suchen. Er drehte ab und verschwand im Getümmel der Schlacht.
„Bob, an meinem Flügel formieren!“, blaffte Shaka.
Es kam keine Antwort. Stattdessen bekam er das Peilsignal eines automatischen Notrufs herein.
„Shaka hier. Ich brauche ein SAR-Shuttle zu folgenden Koordinaten…“
**
Kali warf ihre Phantom hart herum. „Goblin, wo bist du? Goblin?“
„Ich bin direkt hinter dir, Boss. Die Hawk schießt jedenfalls nie wieder auf Damen von Welt.“
Erleichtert registrierte sie die Stimme ihres Flügelmanns. „Wen nennst du hier eine Dame?“, scherzte sie, bevor heftiges Waffenfeuer von einem Akarii-Kreuzer sie zwang, auf die Nachbrenner zu gehen.
Langsam aber sicher verlor sie den Überblick. Die Staffeln hatten sich untereinander stark vermischt, und dabei hätte man doch meinen sollen, im Weltraum, selbst im Orbit um einen Planeten, wäre mehr als genügend Platz für alle.
Dazu kam, dass die Akarii-Flotte ihrerseits immer mehr in Verwirrung geriet, sich aufzulöen begann. „Goblin, bist du noch dran?“
Keine Antwort erreichte sie. „Goblin? Spiel keine Spielchen, gib mir ein Lebenszeichen.“
Wieder erklang keine Antwort. Nun, das musste nicht zwangsläufig bedeuten, dass ihr Flügelmann abgeschossen worden war. Er konnte durch den Kreuzerbeschuss auch nur von ihr getrennt worden sein und musste sich nun alleine durchschlagen. Genügend Störemissionen gab es ja, wenn sie sich die brennende Akarii-Fregatte neben dem Kreuzer besah. Dennoch. Sie war für ihn verantwortlich. „Goblin!“
Mit halbem Ohr hörte sie die Anforderung vom CAG, reagierte sofort und nahm Kurs auf seine Position. „Kali hier, ich kann Goblin nicht finden!“
Würde sie schon wieder ihren Flügelmann verlieren? Sie wusste nicht, ob sie dem Schmerz erneut standhalten konnte, wie damals, als Rusty gefallen war. Sie hoffte, sie betete, dass der Pilot noch lebte und es irgendwie auf die COLUMBIA zurück schaffte.
**
Als Huntress erwachte, begleitete sie heftiger Kopfschmerz. Verwirrt sah sie auf und erkannte, dass sie in einem Shuttle lag. Alle Liegen waren belegt. Und insgeheim fragte sie sich, ob sie ebenso schlimm aussah wie der arme Teufel, dem die Ärzte gerade en Raumanzug vom Muskelfleisch schneiden mussten.
Huntress erhob sich. Sofort war ein Sanitäter bei ihr. „Blieben Sie ruhig, Commander. Wir sind in wenigen Minuten auf der COLUMBIA.“
Zornig schüttelte Huntress den Kopf, doch er Kopfschmerz wollte nicht verschwinden. „Wie steht es? Gewinnen wir? Wie geht es meiner Staffel? Steht schon eine Reservemaschine für mich bereit?“
Der Sani sah sie an. „Natürlich gewinnen wir, auch wenn es hier drin nicht gerade danach aussieht. Wie es Ihrer Staffel geht, weiß ich nicht. Aber wir haben nur geringe Verluste, falls Sie das tröstet. Und eine Ersatzmaschine wird es für Sie nicht geben, Commander. Soweit wir das nämlich feststellen konnten, haben Sie sich mächtig den Kopf gestoßen, als die Druckwelle Sie erwischt hat. Sie werden die nächsten Tage ein Krankenbett fliegen müssen. Außer, Sie wollen Ihr Cockpit voll kotzen.“
Huntress schwang die Beine aus dem Bett und wollte sich erheben, aber starker Schwindel überzeugte sie vom Gegenteil. „Schleimschleckende Stellarschiffer“, knurrte sie wütend.
„Außerdem haben Sie sich die Nase gebrochen und wer weiß was noch. Also legen Sie sich wieder hin und lassen Sie uns unsere Arbeit machen.“
Widerstrebend sank Huntress auf ihre Liege zurück. Verdammt. War sie zu dumm gewesen, um rechtzeitig abzuhauen? Oder war es ihr zu verdanken, dass nicht die ganze Staffel in der Explosion des Zerstörers gefangen worden war?
Müde ließ sie sich nach hinten sinken. So oder so, der CAG würde ihr ganz schön den Kopf waschen.
Tyr Svenson
Die andere Seite
An Bord der GUADALCANAL
Wurmloch W-369, Eurydike-Nebel, Correlian Sektor
Thomas „Thor“ Jörgensen beobachtete an Bord der GUADALCANAL im Cockpit seines Jägers die Countdownuhr, die ihren Sprung auf die andere Seite des Wurmloches anzeigte. Er war fertig zum Ausbooten und bereit mit seinem Flügelmann in die Tiefe des Raumes zu stoßen, damit sie mit dem Aufklärungspod an Bord von Sparkys Maschine ihre Langstreckenreichweite deutlich erweitern konnten. Als die Countdownuhr auf 0 heruntergezählt hatte, schien sich die Welt um ihn herum zu verändern. Es war ein merkwürdiges Gefühl, wenn sämtliche Moleküle seines Körpers scheinbar ins Unendliche gedehnt wurden, die Zeit einzufrieren schien nur um dann wieder in ihre ursprüngliche Form zurückzufallen. Als sie sich wieder im Normalraum befanden, brauchte Thor einen Augenblick um sich wieder zu fangen. Er war sich sicher, dass diese Art der Fortbewegungen dem menschlichen Körper nicht gut tat und er deswegen spätestens mit 65 den Löffel abgeben würde. Doch es gab eben keine andere Möglichkeit Dutzende von Lichtjahre in kürzerer Zeit zu überwinden. Seit jeher war Mobilität für Armeen wichtig gewesen. Häufig genug in der Geschichte hatten nicht die stärkeren oder größeren Armeen gewonnen, sondern die schnelleren, flexibleren. Also hatten die Menschen gar keine andere Wahl, als die Wurmlöcher zu nutzen, wenn sie diesen Krieg gewinnen wollten. Doch auch diese Erkenntnis half Thor nicht das flaue Gefühl in seinem Magen als etwas Positives zu sehen.
„Bunch Five und Six fertig machen zum Katapultstart“ meldete sich indessen Flight Control Offizier und Thor meldete sich mit einem knappen „Bunch Five, Bereit.“
„Bunch Six, Bereit“ kam es auch von Sparky und kurz darauf schossen sie auch schon aus der Guadalcanal hinaus. Die beiden Griphen-Piloten setzten sich schnell an die Spitze des gesamten Kampfverbandes, um mit dem Langstreckensensor an Bord von Sparkys Maschine als erweiterte Augen und Ohren des Kampfverbandes zu dienen. Doch sie empfingen erst mal gar nichts, keinerlei Aktivität auf den Radarschirmen. Thor atmete erleichtert aus. So sehr er sich auch gewünscht hatte an die Front versetzt zu werden, so wenig hatte er natürlich vor gleich beim ersten Eindringen in den feindlichen Sektor in ein Wespennest zu stecken. Immerhin war die Operationsgruppe Magellan ja nicht gerade das was man als schlagkräftig bezeichnen würde.
„Sparky, wie arbeitet das Aufklärungspod?“ fragte er seinen Wingman nach einer Weile, da er irgendwie den Eindruck hatte, dass sein eigenes Radar nicht so wie gewohnt arbeitete.
„Alle Systeme Grün. Keine Ahnung, was mit den Daten is´, aber irgendwie habe ich den Eindruck, wir sind hier in ´ner Suppe gelandet.“
„Ja, mein Radar hat auch Schwierigkeiten. Es scheint hier eine Menge Interferenzen zu geben und irgendwas reflektiert unseren Radar.“
„Können das die Akarii sein?“
„Kann ich mir nicht vorstellen. Meinem Wissen nach gibt es keinen künstlich erzeugten Radarschutz, der die Fläche eines kompletten Sonnensystems abdecken könnte. Das muss irgendein astrophysikalisches Phänomen sein.“
„Na dann werden die NSC-Heinis auf der MAGELLAN ja wohl hoffentlich was damit anfangen können, oder?“
Die Daten, die das Aufklärungspod an Bord von Sparkys Griphen empfing, sandte es direkt weiter an die MAGELLAN. Und das brachte Thor dazu mal wieder an Melissa zu denken. Seit er sie kürzlich an Bord der GUADALCANAL getroffen hatte, ging sie ihm nicht mehr aus dem Kopf. Sie hatten in der Zwischenzeit ein paar Mal wegen dem Aufklärungspod über das Intercom miteinander geredet, sicher ein paar Mal öfter als es unbedingt hätte sein müssen. Und Thor war sogar noch einmal vor dem Sprung per Fähre auf dem Forschungsschiff gewesen, um die Testergebnisse persönlich abzugeben, was streng genommen natürlich auch nicht notwendig gewesen wäre. Aber Thor hatte nicht anders gekonnt, er hatte sie noch einmal wieder sehen müssen um festzustellen, ob sein erstes Gefühl ihr gegenüber nicht bloß purer Zufall gewesen war.
Und tatsächlich, jedes Mal wieder hatte sein Herz zu rasen begonnen, er hatte sich glücklich und gleichzeitig verwirrt gefühlt. Er war kein Teenager mehr, auch wenn er sich vielleicht gerade wie einer benahm, und daher wusste er, dass er drauf und dran war sich in diese bildhübsche Wissenschaftlerin zu verlieben. Ein reichlich unpassender Augenblick, aber das konnte man sich im Leben nun mal nicht aussuchen.
„Bunch Five und Six“ meldete sich Flight Control und holte ihn aus seinen Gedanken zurück „nehmen sie Kurs auf Sektor 2.“
„Aye, Flight Control“ bestätigte Thor und versuchte sich, so gut es ging, wieder auf seine Aufgabe zu konzentrieren.
Kapitänskajüte MAGELLAN
Wurmloch W-369, Zerberus-Dunkelwolke, Pasumata Sektor
„Was ist schief gelaufen?“ Commander Jessica Swifton kam schnell zur Sache und war keineswegs erfreut wie es schien.
„Schief gelaufen würde ich es nicht nennen, Captain“ entgegnete ihr Commander Baker so ruhig es ging. Die Analyse ihrer derzeitigen Position war jetzt – knapp zwei Stunden nach dem Sprung – abgeschlossen und hatte zur Enttäuschung aller Beteiligten nicht die Ergebnisse geliefert, die man erhofft hatte. Nachdem der Kampfverband MAGELLAN auf der anderen Seite des Wurmloches W-369 materialisiert war, hatte sich das Forschungsschiff sofort daran gemacht ihre genaue Position zu ermitteln. Das Ergebnis war niederschmetternd gewesen. Statt wie vermutet die Corellian-Gravitationssenke komplett zu durchschreiten und damit einen Weg in den Rücken der Akarii zu finden, waren sie im Pasumata Sektor wieder zum Vorschein gekommen. Damit hatten sie sich eher am Rande der Sternenwüste entlang bewegt. Zum Glück wenigstens nicht direkt an die ColCon-Akarii Front, wo sie vielleicht direkt in die Arme von wartenden Akarii Kriegsschiffen geflogen wären, sondern etwas ins Hinterland. Aber bei weitem nicht tief genug um einen strategisch wichtigen und vielleicht kriegsentscheidenden Transitweg gefunden zu haben. „Ich würde eher sagen, dass sich unsere Berechnungen leider nicht verifizieren liessen.“
„Bah“ bemerkte die Kommandeurin der MAGELLAN abschätzig. „Und sie meinen, dass das Singh zufrieden stellen wird? Das wir mehr als vier Wochen durch die halbe Galaxis schippern, nur um am Rande des Akarii-Territoriums in eine Dunkelwolke geraten. Bestenfalls in der unbedeutenden Provinz sind wir hier gelandet. Wenn es hier überhaupt Akarii gibt.“
„Wie sie selbst gesagt haben, sind wir hier in einer so genannten Dunkelwolke gelandet, also einer Art kosmischer Staubwolke, die alle Ortungen im Langstreckenbereich aufgrund von Interferenzen und Reflektionen erschwert. Daher können wir noch gar nicht sagen, ob es hier Akarii gibt oder nicht.“
Swifton antwortete nicht, schien aber offen verärgert zu sein und Baker konnte es ihr gut nachempfinden. Doch andererseits hatte er keinen Bedarf daran, als Sündenbock abgestempelt zu werden.
Genauso wenig wie Melissa, wie es schien. Die zierliche Astrophysikerin, die bislang zerknirscht geschwiegen hatte, antwortete jetzt der Kapitänin und ließ dabei ihrer eigenen Verärgerung Luft. „Astrophysik ist nun mal keine exakte Wissenschaft“ funkelte Melissa unbeherrscht zur Kapitänin des Forschungsschiffes hinüber. „Wenn wir uns vorher hätten sicher sein können, dass uns dieses Wurmloch hier hin bringt, wären wir erst gar nicht los geflogen, Ma´am.“ Jamison-Bowyer war zusammen mit Baker sicher am meisten über die momentane Situation enttäuscht, schließlich waren Sie beide es gewesen, die auf diese Mission gedrängt hatten. Aber anders als bei Baker, dessen Ärger vor allem darin begründet lag, dass er eine nahe gehoffte Beförderung verpasst hatte, lag Jamison-Bowyers Enttäuschung darin begründet, dass sie dieser Weg nicht tief in Akarii Feindesland katapultieren konnte.
„Sie müssen es den anderen Kapitänen ja nicht beibringen, Lieutenant“ erwiderte Swifton kühl und stand dann auf. „Commander Baker, wir setzen in 15 Minuten über zur allgemeinen Lagebesprechung auf die ONTARIO. Weisen Sie ihr Team ein, damit wir mit der Kartographierung dieses Sektors wie geplant fortfahren und treffen sie mich dann an der Fähre.“ Dann machte sich Swifton ohne eine Antwort abzuwarten auf den Weg und ließ zwei betröppelte Wissenschaftsoffiziere zurück.
Baker und Jamison-Bowyer schwiegen ein paar Sekunden vor sich hin, ehe sich Baker schließlich abrupt aufrichtete. „Na, nun komm schon, Mel. Lass den Kopf mal nicht so hängen. Wir sollten uns auf die Arbeit konzentrieren und weiter machen.“
„Hmmm“ war das einzige, was er als Antwort erhielt. Jamison-Bowyer schien nicht ganz anwesend zu sein und starrte stumpf vor sich hin.
„Mel? Alles ok?“
Die junge Wissenschaftlerin blickte ihren Vorgesetzten aus traurigen Augen an. „Ja, Nein, ich meine, ich hatte gehofft…“ Sie seufzte einmal tief.
„Ich weiss, Mel, ich weiss. Aber wir können nichts anderes machen als zu hoffen einen anderen Weg zu finden, oder?“
Sie nickte und lächelte. „Darf ich dich noch etwas anderes fragen Jeremy? Etwas das nicht direkt mit unserer Mission zu tun hat?“
„Aber klar!“ gab Baker zurück und fragte sich, was sie sonst noch beschäftigen könnte, hier und jetzt im feindlichen Territorium.
„Was hältst Du von Beziehungen zwischen Angehörigen der Navy?“
Bakers Kinnlade fiel herab. Worauf wollte sie hinaus? Ahnte sie etwas von seinen Gefühlen zu Ihr? Er musste ein verdattertes Gesicht gemacht haben, da sie sofort anfing sich hin und her zu winden. „Ich weiß, ich weiß, es ist jetzt gerade etwas unpassend und die Navy-Doktrin verbietet es im Grunde, aber na ja, was sagst Du dazu…?“
Baker wurde heiß und kalt. Insgeheim hatte er sich diesen Augenblick irgendwie herbeigesehnt und geplant cool und relaxed zu bleiben. Andererseits hatte er sich davor auch immer gefürchtet. Anders als bei Mel war ihm seine Karriere sehr wichtig, und ein Verhältnis mit einer Untergebenen zu beginnen, würde sicherlich nicht dazu führen ein weiteres Vorankommen in der Hierarchie zu vereinfachen. „Ich… Ich meine, dass kommt darauf an…“ begann er zögerlich und fragte sich dabei, wie er es ihr am Besten beibringen konnte, dass er das für den Augenblick als hinderlich hielt, er aber offen war für einer Beziehung nach dieser Mission. „… Es ist sicherlich schwierig, wenn man sich jeden Tag sieht.“
„Na ja, so häufig werde ich ihn ja nun auch nicht sehen…“
Baker blinzelte ein paar Mal überrascht. „Ihn?“
„Na klar, immerhin ist er auf einem anderen Schiff…“ lächelte sie ihn freundlich an.
Baker fiel aus allen Wolken. Sie meinte gar nicht ihn, sie meinte irgendjemanden anderen. Was für ein naiver Hornochse er doch war. Wer war dieser andere? `SCHNEIDER!` schoss es ihm durch den Kopf, und automatisch staute sich Wut in ihm auf. Dieser eingebildete, nervige Captain dieser Schande der Navy. Zähneknirschend und mit Wutbelegter Stimme fuhr er sie jetzt an. „Lieutenant Jamison-Bowyer, ich muss sie darauf hinweisen, dass Beziehungen zwischen Mitgliedern der Navy untersagt sind. Falls ich so etwas zu hören bekomme, werde ich das zu melden haben.“ Kaum hatte er es gesagt, hätte er sich am liebsten dafür geohrfeigt.
Mit einem vollkommen überraschten Blick zuckte Jamison-Bowyer zusammen. Dann stand sie auf und mit einem giftigen Blick zischte sie ein „Dann wäre das ja geklärt, Commander!“ zurück, machte auf dem Absatz kehrt und verließ den Raum. Und ließ damit einen verärgerten und in seinem Stolz verletzten Vorgesetzten zurück.
***
Briefingraum ONTARIO
Wurmloch W-369, Zerberus-Dunkelwolke, Pasumata Sektor
Wieder einmal war der Briefingraum der ONTARIO gefüllt mit den Kapitänen der Einsatzgruppe. Mittlerweile lag ihr Sprung ein paar Stunden zurück und die gesammelten Langstreckendaten waren von der MAGELLAN ausgewertet worden. Commander Baker hatte seinen Bericht emotionslos und kühl vorgetragen und die Anwesenden über ihre derzeitige Position aufgeklärt.
Igor Maleetschev ließ seinen Blick durch den Raum schweifen und beobachtete das Mienenspiel der einzelnen Kommandanten. Er nahm eine große Bandbreite an Emotionen wahr. Während Kapitäne, wie Ronacek, KAMInski und Swifton Unmut in ihren Mienen erkennen ließen, schienen Captain Dominguez, Lt. Commander DeLaCruz und Commander Takage eine deutlich erkennbare Erleichterung zu verspüren. Die meisten anderen Gesichter waren eher als neutral zu bezeichnen, bis auf das von Singh, das sich natürlich wieder einmal als unergründlich erwies.
Was der Einsatzgruppenleiter von den Ergebnissen hielt, wusste Igor nicht aber er war sich sicher, dass sich Singh zum Ende der Besprechung offenbaren würde. So tat er es immer, erst die anderen reden und diskutieren lassen um am Ende seine Entscheidung zu fällen. Einige fanden diesen Stil zwar absolutistisch, da Singh es in der Regel eben nicht zuließ, dass NACH seiner Entscheidung darüber diskutiert wurde.
Aber Igor teilte diese Meinung nicht, denn immerhin band Singh die anderen Kapitäne in die Entscheidungsfindung ein. Es gab auch andere hochrangige Offiziere, die noch nicht einmal das zuließen.
Als Baker seine Analyse geendet und sich wieder gesetzt hatte, nickte Captain Singh kurz hinüber zu Commodore Lucienne Garribeaux, die mit leiser Stimme einen knappen Bericht über den Pasumata-Sektor abgab.
„Den Geheimdienstberichten nach zu urteilen, gehört der Pasumata Sektor zum auswärtigen Rand des Akariischen Imperiums. Akar ist von hier aus fast 3-4 Transitmonate entfernt und das auch noch quer durch das Imperium. Die nächste größere Ansiedlung befindet sich bei Tokun, mindestens 3 Transitwochen entfernt. Die Front zwischen den Akarii und dem Gebiet der Colonial Confederation ist wiederum knapp 5 bis 6 Transitwochen weit weg. Kurz gesagt, wir befinden uns hier am Rande des Geschehens in jeglicher Hinsicht.“
„Was befindet sich denn hier in der Nähe?“ fragte Captain Ronacek trocken. Statt zu antworten drehte sich Commodore Garribeaux hinüber zu Commander Baker, der daraufhin wieder das Wort ergriff.
„Nun, den Sternenkarten und den bisherigen Ergebnissen nach zu urteilen, befindet sich auf der anderen Seite der Zerberus-Dunkelwolke ein Stern der Spektralklasse M. Von den 7 Planeten, die es in diesem System gibt, befindet sich Pasumata IV in der für Akarii notwendigen Lebenszone. Die Wahrscheinlichkeit ist also hoch, dass die Akarii diesen Planeten bereits kolonisiert haben könnten.“
Ein knappes Raunen ging von dem knapp Dutzend der anwesenden Kapitäne aus. „Sie glauben also, dass wir dort auf Akarii treffen werden?“ fragte Captain Schneider bei Commander Baker nach.
„Ich glaube gar nichts…“ zischte Baker zurück und Schneider war nicht der einzige, der überrascht die Stirn runzelte bei diesem Gefühlsausbruch des sonst so ruhigen, ja fast schon kühl und emotionslos wirkenden Wissenschaftlers. „Ich sagte lediglich, dass es so sein könnte. Wir müssten es uns schon von der Nähe ansehen, um genaueres zu erfahren.“
„Ach, so wie wir auch dieses Mal hingefahren sind, um es uns das angebliche Super-Wurmloch mal anzuschauen? Vielleicht sollten sie mal ihre Kalkulationen überprüfen“ giftete Schneider zurück.
„Wenn Sie meinen es besser zu können, dann nur zu, Lieutenant Commander“ schnauzte Baker ihn an, immerhin ranghöher.
„Commanders, was soll das?“ unterbrach Singh die beiden Streithähne mit einem tiefen Grollen in der Stimme. „Wir sind hier nicht in einer x-beliebigen Spelunke. Sparen sie sich ihre Streitigkeiten, oder sie werden Ärger mit mir bekommen, haben wir uns verstanden?“
Beide Kontrahenten pressten ein knappes „Aye, Sir“ hervor und setzten sich wieder.
Igor hatte diesen Gefühlsausbruch mit Sorge beobachtet. Dass es viele Offiziere gab, die ein Problem mit der KAZE und seinem Kapitän hatten, wusste Igor. Aber in diesem Fall schien das über das normale Maß hinaus zu gehen. Und auch die Bildung von verschiedenen Fraktionen innerhalb der Einsatzgruppe schien sich zu verschlimmern, was seine Befürchtungen bestätigte. Langsam würden sie aufpassen müssen, dass es nicht zu offenen Konflikten kommen konnte. Im Ernstfall würde sich das sicher nicht gut machen, wenn es zu Abstimmungsproblemen und Kompetenzgerangel kam.
Es war schließlich Commander KAMInski von der AZINCOURT, die sich zu Wort meldete und damit das kurze Schweigen in der Runde durchbrach. „Gut, gehen wir mal davon aus, dass auf Pasumata IV tatsächlich Akarii sein sollten…“ begann sie vorsichtig „Dann würde mich Eins brennend interessieren, und ich habe das schon das letzte Mal gefragt: Warum liegt dieses Wurmloch dann ungeschützt vor uns?“
„Dadurch dass dieses Wurmloch schwacher und eher instabiler Natur ist und sich zudem noch hinter einer Dunkelwolke wenn sie so wollen „versteckt“, ist es sicher nicht leicht zu orten oder sogar fast unmöglich“ antwortete ihr wieder Commander Baker, jetzt aber viel ruhiger. „Wir hatten ja schon im Eurydike-Nebel Probleme, aber der ist sogar um den Faktor 10 transparenter als die Zerberus-Dunkelwolke. Das reine Fehlen von Wurmlochwachen oder entsprechenden Alarmbojen können wir also nicht als Indiz dafür auffassen, dass sich die Akarii nicht auf Pasumata IV aufhalten.“
„Also werden wir hinfliegen und es uns aus der Nähe betrachten, nicht wahr Captain Singh?“ fragte Captain Ronacek seinen früheren Mentor.
Doch noch bevor dieser antworten konnte, mischte sich Lt. Commander DelaCruz, der CAG der GUADALCANAL ein. „Unser Auftrag bestand aber doch darin, dieses Wurmloch zu überprüfen und festzustellen, wohin es führt. Das haben wir getan, damit ist unsere Mission erfüllt.“
„Mais non, mon ami! Sie meinen also, das wir ´aben uns vier Wochen durch die Weltall ´ierherr gewagt, nur um wieder kehren ssurück mit rien?“ antwortete ihm Commander Francois Perrin.
Und schon brach das verbale Chaos aus.
„Was heisst hier nichts…?“
„Wir müssen Pasumata IV wenigstens mal überprüfen…“
„Ohne mich, wir sollten umkehren…“
„Hah, wir sind doch gerade erst angekommen…“
Igor hatte den Überblick verloren, wer hier mit welchen Argumenten um sich warf. Er wollte irgendwie dazwischen gehen und für Ruhe sorgen und stand daher von seinem Platz auf. Doch die Hand von Captain Singh auf seinem Arm ließ ihn innehalten. Singh blickte seinen Ersten Offizier aus dunklen Augen an und bedeutete ihm wortlos sich wieder zu setzen. Igor folgte diesem unausgesprochenen Befehl und wartete gespannt auf ein paar herrische Worte, die die anderen Kapitäne zum Schweigen bringen würden.
Doch nichts dergleichen geschah.
Seelenruhig stand Singh unter all dem Geschnatter langsam auf und stellte sich wortlos an sein Pult. Erst bemerkte ein Kapitän die Veränderung, dann noch einer und dann noch einer, bis schließlich alle Kapitäne nach vorne blickten und schwiegen. Singhs eisiger tadelnder Blick traf jeden einzelnen der Streithähne und viele senkten beschämt den Blick.
„Ladies und Gentleman, ich kann ihnen gar nicht sagen, wie enttäuscht ich über ihr aller Verhalten bin. Aber einerlei, sie werden zu ihren Schiffen und Vorbereitungen zum Ausrücken nach Pasumata IV treffen…“
„Aber Sir“ unterbrach ihn DeLaCruz „das entspricht nicht unserem Auftrag…“
„Unser Auftrag sieht vor, sicher zu stellen, dass von diesem Wurmloch keine Gefahr ausgeht, Commander. Und diese Aufgabe sehe ich als noch nicht erfüllt an“ gab Singh eiskalt zurück während seine Augen Feuer zu speien schienen.
Trotzdem begann der CAG des Dirty Bunch erneut „Sir, aber…“
„Nur ruhig weiter so, Lt. Commander DeLaCruz“ fiel ihm Singh mit vor Kälte schneidender Stimme ins Wort. „Machen sie so weiter und sie werden sich schneller mit einer Anklage wegen Befehlsverweigerung vor dem JAG rechtfertigen müssen, als Ihnen lieb ist, haben wir uns verstanden?“
DeLaCruz fiel für einen Bruchteil der Sekunde die Kinnlade herab, dann hatte er sich aber wieder gefangen und er antwortete mit kaum verhehlter Wut in der Stimme „Sir, meine Staffel steht zu Ihrer Verfügung.“
„Gut“ nickte Singh „nichts anderes habe ich erwartet. Machen sie ihre Schiffe bereit zum Auslaufen. Wir werden in vier Stunden abrücken. Weggetreten.“ Und mit diesen Worten verließ er den Briefingraum und Igor erkannte eine Menge Gesichter, die seinem Kapitän alles andere als wohlgesonnen hinterher blickten.
Tyr Svenson
Lucas starrte auf den riesigen Träger, der langsam in zwei Hälften brach. Riesige Feuerzungen stachen aus dem monströsen Raumschiff.
Langsam zerbrach es. Immer mehr Sekundärexplosionen verzehrten es ein einem Feuerschein, der den Sauerstoff auffraß.
"Herr im Himmel." Es war Hal Crispin. Sein Flügelmann klang beeindruckt.
"Lone Wolf an alle Bomber: Zurück zur COLUMBIA und Aufmunitionieren!"
Skipper, meine Maschine säuft auch schon ihre eigene Reserve."
"Rote Schwadron Zustand?"
"Radio hier: Raketen verschossen, Treibstoff kurz vor der Reserve."
"Hier Mantis: Hacker hat's erwischt, ich bin nicht sicher, ob der Junge aussteigen konnte. Habe noch eine Sidewinder. Treibstoff noch bei 20 % vor der Reserve."
"Skunk! Bob musste aussteigen. Shaka ist okay, jedoch schwere Panzerungsschäden. Mir geht es ähnlich. Sämtliche Raketen sind raus."
"Jo, hier Pops, bei mir leuchtet das Schadensdiagramm wie der Christbaum. Ich weiß nicht, ob die Mühle es noch lange macht. Würde eigentlich gerne aussteigen."
"Radio: Bringen Sie Pops zur COLUMBIA. Er soll sich in der Nähe eines SAR-Shuttles rausschießen."
"Ich wurde von Goblin getrennt, ich konnte ihn nicht wiederfinden." Kali klang aufgeregt.
"Bin ... och dab ... Sch ... ... unk. Bra... ... euch Mas ... ine." Lucas glaubte Goblin zu erkennen.
"Goblin: Sie begleiten Radio und Pops. Nach Möglichkeit auf Sicht landen, wenn nicht katapultieren Sie sich wie Pops raus."
"Bes .. igt!"
***
Long tigerte in der CIC der INTREPID auf und ab.
"Der Träger! Admiral, die Bomber der COLUMBIA haben den Akarii-Träger erwischt. Er zerbricht." Der Ausruf des Commanders war schrill.
"Auf den Schirm!" Der Admiral stützte sich auf den Kartentisch. "Gut. Sehr gut. Signaloffizier: An die COLUMBIA. Sie soll ihr Kreuzerschwadron abstellen, die Raumstation zu vernichten. Sie ist die einzige Anflugstelle für die Akarii-Jäger.
"Schalten Sie den Schirm wieder auf taktisch." Long verschränkte die Arme hinter dem Rücken.
"Sir, die Akarii-Stellen ihr Nahbereichsfeuer ein. Sie schwenken mit ihren Oberdeckwerfern auf uns zu." Die Offiziere in der CIC arbeiteten fieberhaft. "Multible Zielerfassung der Akarii. Sie feuern!"
So schnell es ging spieen alle Kreuzer, Zerstörer, Fregatten und Korvetten der Akarii-Flotte vier Salven Anti-Schiff-Raketen aus.
"Signaloffizier! An DAUNTLESS. Vom eigenen Geschwader lösen und Flottenverteidigung koordinieren! An alle Jäger: Aggressives abfangen der Feindraketen!"
"Aye Sir!"
Zum ersten Mal feuerten die Akarii konzentriert auf die Erdflotte.
Intensiv beobachtete Long, wie die Akarii-Flotte langsam wendete und sich wieder der Nahbereichsabwehr zuwandte.
Nervös kaute Tripple E Gonzales auf seiner Zigarre. Die DAUNTLESS hatte sich von ihrem Geschwader getrennt und drang in das Geschwader der INTREPID ein.
Auf dem Monitor vor Ganzales flammten die Heckdüsen der terranischen Abfangjäger auf.
"O'Keefe meldet, dass er 4 Kreuzer und 6 Zerstörer in den Feuerleitcomputer integriert hat, ein siebter Zerstörer wurde vom System immer wieder rausgeworfen, wir müssen es also so versuchen." Turner wirkte etwas erschöpft. Sein Zustand wurde durch einen Dreitagebart scheinbar noch verstärkt.
"In Ordnung, feuern nach eigenem Ermessen, sobald die Vampire in Gefechtsentfernung sind."
"Aye Sir." Turner gab die Befehle weiter.
Kurz darauf zog die Nighthawkstaffel der COLUMBIA über die DAUNTLESS hinweg.
Fast atemlos beobachtete Gonzales, wie die Raketen näher kamen. Die Jäger geben ihr Bestes und dünnten den anfliegenden Raketenwall gewaltig aus, doch es langte nicht.
"SM 2 Werfer eröffnet das Feuer.m Meldete Turner überflüssiger weise.
Als die Raketen die 25tausender Marke unterschritten übernahm der Feuerleitkomputer der DAUNTLESS auf 10 Schiffen das Kommando und ließ erst Sparrows und dann Amrams abfeuern. Mit absoluter Präzision lenkte der Computer die meisten Raketen in ihre Ziele, trotzdem reichte es nicht.
Selbst als die Impulslaser ihre Arbeit aufnahmen blieben noch Raketen übrig, die ihre Vernichtungskraft entfalteten.
Dreihundert Meter vor der DAUNTLESS wurde ein Zerstörer von einem Atomblitz verschlungen.
Auf der INTREPID gellten die Alarmsirenen und gelbe Warnlichter blinkten auf. "Kolisionsalarm! Kolisionsalarm!" Plärrte der Bordcomputer.
Admiral Long krallte sich förmlich am Kartentisch fest.
Dann wurde die INTREPID durchgeschüttelt. Einmal. Zweimal. Dreimal.
Long verlor seinen Halt und krachte auf den Rücken. Mühsam rappelte er sich wieder auf, nur um dann erneut von einer Erschütterung zu Boden geschleudert zu werden.
Diesmal kam ihm ein junger Lieutenant aus seinem Stab zu Hilfe.
"Danke Mr. Jennings. Ich werde einfach zu alt für den Kram."
Der Lieutenant grinste: "Dafür ist man nie zu alt ... Sir."
"Brücke an CIC, hier Captain de Pinagno, Bericht!" Der Captain der INTREPID klang angespannt.
"Hier CIC", antwortete Long persönlich, "uns geht es gut, wie steht es um das Schiff?"
"Frontschild ist bei 20 %, ansonsten unbeschädigt Sir. Aber es ist noch nicht vorbei, da kommen noch Raketen auf uns zu."
"ADMIRAL! Die RESOLUTE hat es erwischt, sie zerbricht!" Auf dem Monitor wurde ein Ticonderoga-Class Cruiser gezeigt, der sich in der Mitte durchbrach.
Tyr Svenson
Als die letzten Anweisungen von Vizeadmirälin Wulff durchgegeben wurden, wahrte Captain Schupp eine äußerlich unbeteiligte Miene, ganz wie es seinem Image und Naturell entsprach. Innerlich aber triumphierte der sonst eher unterkühlte Offizier. Der Umstand, daß man die DAUNTLESS von seinem Geschwader abzog, minderte seine Freude nur geringfügig. Das war seine Chance! Er ließ sich in den Kommandosessel zurücksinken – zum Klischeebild des immer lässigen, immer überlegenen Kapitäns hätte nur noch eine Tasse Tee oder dergleichen gefehlt: „Schwadronschef an Flotte – Wir haben Anweisung erhalten die feindliche Station auszuschalten. Die DAUNTLESS bleibt bei der INTREPID. Wir werden die Station auslöschen, unseren Sturmtruppen damit den Weg bahnen und die Frachter der Akarii ebenso vernichten wie die Reste ihrer Jäger und Flotte. Sie haben bisher gute Arbeit geleistet, in mustergültiger Erfüllung der lebenden Traditionen unserer Flotte. Weiter so! Ich will, daß bis zum Erreichen der Angriffsentfernung JEDER Werfer weiterhin auf die feindliche Flotte feuert. Formation Omega Alpha Zwei. Volle Kraft voraus!“
Innerlich aber dachte er: ‚Na, dann lehnt euch mal zurück!‘ Die Jägerjockeys hatten endlich ihren Teil getan – jetzt waren diejenigen am Zuge, die hier die wirkliche Arbeit erledigten. Und er würde den Admirälen etwas für ihr Geld bieten. Endlich einmal die Chance, mehr zu sein als ein Schutzschild für die Träger, ein notwendiges Anhängsel. Sicher, es war keine die Schlacht entscheidende Aufgabe, aber besser als nichts. Um ihn herum gruppierte sich seine Flotte. Den Kern und das Herz des Angriffsverbandes bildeten wie lange vorher geplant die drei schweren Kreuzer. Die kleineren Schiffe der Achilles-Klasse sicherten seitlich zurückversetzt die Flanken. Normalerweise hätten sie die Position an der Spitze übernommen, aber Schupp setzte lieber auf die Ticonderogas mit ihrer überlegenen Abwehrbewaffnung als Speerspitze des Angriffs. Sie konnten einen ersten Ansturm des Feindes brechen, sollte der von irgendwoher noch Jäger zusammenkratzen. Schnell setzten sich die acht Kreuzer von der Flotte ab. Sie stießen mit voller Kraft in Richtung ihres Ziels vor, nicht ohne dabei weiterhin unablässig zu feuern, so lange die feindliche Flotte noch im Feuerbereich war. Dann schwiegen zuerst die leichten Kreuzer, während die schweren Einheiten mit ihren weitreichenden Exocet das Feuer noch aufrechterhielten. Auch wenn der Verband sich mit hoher Geschwindigkeit bewegte – den Männern und Frauen an Bord entging nicht, wie sehr die Schwesterschiffe unter Beschuß gerieten. Die Akarii waren offenbar keineswegs schon geschlagen. Oder, wenn sie es doch waren, dann weigerten sie sich, dies zuzugestehen. Für einen aufmerksamen Beobachter war es nicht schwer zu erkennen, daß sich die Reste der feindlichen Jäger zunehmend von den Terranern zu lösen begannen. Vermutlich hatten sie sich verschossen, ihre Tanks waren beinahe leer, die Piloten demoralisiert. Eine Möglichkeit zum Ausruhen bot sich ihnen nur noch bei der Station. Wie es um ihre Moral stand, konnte man sich vorstellen. Allerdings waren sie immer noch im Feuerbereich der eigenen Flak, die übermütig werdende menschliche Jäger unter massiertes Feuer nahm. Dies alles berührte Schupp freilich wenig. Ihn kümmerten nur die Daten, die er über die Station bekam, und die sich verringernde Entfernung. Für seine starke Flotte, da war er sich sicher, würde dieser Gegner keine besonders große Herausforderung bedeuten. Nicht, daß er ihn unterschätzte. Aber Raumstationen waren unbeweglich und somit ein leichtes Ziel. Und auch ohne die DAUNTLESS hatte sein Verband eine gewaltige Feuerkraft – ein Vielfaches dessen was jede bekannte Kampfstation aufbieten konnte, abgesehen von Fort Lexington. Doch wenn es dem Feind gelang, die Reste seiner Jäger neu zu bestücken und er vielleicht noch ein paar leichte Einheiten auftrieb…
So kam es für ihn nicht völlig überraschend, als einer den Sensoroffiziere mit angespannter Stimme meldete: „Feindzerstörer im Anlauf – sechs plus!“ Schupp nickte knapp. Seine Stimme klang kalt: „Primärer Taktikschirm – Zentrierung auf Sektor 4.“ Er brauchte nicht lange, um zu erkennen, was vor sich ging. Während die Akariiflotte immer weiter zurückgedrängt wurde, waren ihre Jäger zur Station zurückgewichen. Dort formierten sich derweil die Frachter und nahmen Fahrt auf. Offenbar gaben die Akarii das System verloren, und ihr Kampf diente dazu, die Menschen hinzuhalten. Damit sollte vermutlich den Frachtern der Rückzug ermöglicht werden – und je länger die Schlacht dauerte, desto näher rückte der Zeitpunkt, an dem Verstärkung eintreffen mußte. Deshalb wollten die Echsen offenbar verhindern, daß das Schwadron 2.3 die Station vernichtete, die Akarii-Jäger so völlig aus dem Spiel nahm und dann die Möglichkeit erhielt, der restlichen Flotte in die Flanke zu fallen oder die fliehenden Frachter zu vernichten. An und für sich keine dumme Idee, bloß fehlte es den Akarii vermutlich inzwischen an Schiffen für einen richtigen Gegenangriff – oder sie hätten sich gegen die menschliche Hauptflotte zu sehr geschwächt. Dennoch nahm Schupp die Meldung nicht auf die leichte Schulter: „Formation auflockern – Ausweichmanöver nach eigenem Ermessen. Zehn Grad abfallen. Feuerfreigabe – JETZT.“ Die Kreuzer neigten sich leicht zur Seite, folgten gehorsam den Befehlen, weit eleganter als jedes Schiff auch nur annähernd ähnlicher Größe es auf einem irdischen Ozean gekonnt hätte. Ihre Batterien erfassten den Gegner, der seinerseits mit Höchstgeschwindigkeit anlief, Haken schlagend – ein klassischer Störangriff. „Raketen im Anflug!“
Die Akarii spielten ihre überlegene Beweglichkeit voll aus. Immer wieder drehten sie auf die Flotte zu und schossen ganze Salven ab, um dann wieder den Kurs zu wechseln. Natürlich gingen sie dabei ein großes Risiko ein, denn auf jedes der sechs oder sieben Schiffe kam ein terranischer Kreuzer mit dreifach überlegener Feuerkraft. Aber die Terraner konnten ihre Schiffsgeschütze über diese Entfernung nicht ins Spiel bringen, und speziell die leichteren Raketen der Achilles-Kreuzer feuerten am Rande ihrer effektiven Reichweite. Ein ums andere Mal mußten die Kapitäne Ausweichmanöver befehlen, und nicht jede feindliche Rakete scheiterte an der massierten Abwehr. Schupp hatte längst die Sicherheitsgurte anlegen müssen, um zu verhindern, daß er aus seinem Sessel geschleudert wurde. Mit einer Mischung aus Respekt, Verärgerung und Wut registrierte er, daß seine Flotte hinter den von ihm anvisierten Zeitplan zurückfiel. Die feindlichen Treffer nagten an den Schilden, konnten sie aber nicht durchbrechen – zu stark war die Abwehr der Menschen
Die ersehnte Meldung kam schließlich doch noch: „Treffer auf Rot Drei und Fünf!“ Rot – die klassische Farbe für den Feind – kennzeichnete die Symbole der gegnerischen Schiffe auf den taktischen Schirmen. Zwei feindliche Zerstörer hatten sich dem Feuer nicht länger entziehen können. Während das eine Schiff den Anzeigen zu Folge auseinanderbrach, begann sich das andere unkontrolliert zu drehen. Schuppe konnte sich vorstellen, wie es an Bord aussah. Brände, die von der ausströmenden Luft angefacht wurden. Automatisch verriegelte Schotten, die einen Fluchtweg versperrten. Die Angst vor einer Reaktor- oder Munitionsexplosion. Er lächelte nicht, doch eine bittere Genugtuung schwang in seiner Stimme: „Auf einem Seemannsgrab, da blühen keine Rosen. Flotte Fahrt aufnehmen – die dürften genug haben.“
Doch der Captain der TIREDLESS täuschte sich in seiner Einschätzung des Gegners. Man mochte es Fanatismus nennen, Todessehnsucht, pure Verzweiflung oder einfach mustergültige Pflichterfüllung – die Akarii griffen erneut an, ohne sich um ihre waidwunden Kameraden zu kümmern.
Die Stimme des Sensoroffiziers klang mehr wie ein ersticktes Keuchen: „Simultanangriff! Sir – sie zielen auf uns!“ Schupp fuhr hoch: „Natürlich! Auf wen sollen sie denn sonst zielen? Auf sich selbst?“
Angst stand in den Augen seines Untergebenen: „Sie zielen auf UNS!“ Und in dem Augenblick, in dem Schupp begriff, was der Lieutenant eigentlich meinte, meldete der Waffenoffizier: „36 Raketen im Anflug. Einschlag in 16 Sekunden.“
Schupp versuchte instinktiv, aufzuspringen. Seine Gurte rissen ihn wieder auf den Sitz zurück. Er gestikulierte. Das erste Mal seit Beginn der Schlacht klang seine Stimme hektisch, überschlug sich fast bei dem Versuch, schneller zu sein als der vielfache Tod, der sich seinem Schiff näherte. Er handelte ganz instinktiv, aus langer Erfahrung: „Vertikaldrehung um Längsachse 180, dann Kurs 90 – SOFORT! ALLE WAFFEN!“ Die gewaltigen Manöverdüsen, die den gewaltigen Raumkreuzer mit 10 Kilometern in der Sekunde beschleunigen konnten, loderten auf. Der Anblick hätte einem Beobachter Übelkeit bereiten können. Das Schiff drehte sich quasi auf den Rücken und tauchte nach unten weg – ein Manöver, wie es so nur im Weltraum möglich war. Gleichzeitig spien die Waffen unzählige Energieimpulse und Raketen. Schupp bemerkte, wie sich die MERCILESS, gleichfalls unablässig feuernd, von der Seite heran schob, um sich in selbstloser Weise zwischen die Marschflugkörper und das Flaggschiff zu stellen. Doch dafür war es zu spät.
Ein Großteil der Raketen zerplatzte im konzentrierten Sperrfeuer, und einige verfehlten ihr Ziel, um unmittelbar danach ebenfalls abgeschossen zu werden. Der noch ungeschwächte Schild, den die TIREDLESS dem mörderischen Angriff dank ihres Manövers entgegenstellte, fing einigen Schaden ab. Doch ein Rest der gewaltigen Energie, die von den explodierenden Raketen entfesselt wurde, schlug durch.
Das Schiff erbebte, als sei es mit voller Fahrt gegen einen Asteroiden gerammt. Die Gurte, die Schupp sichern sollten, hielten einen Augenblick stand, dann rissen sie. Der Körper des Captains wurde wie eine Puppe beiseite geschleudert, schlug gegen den Fuß einer Konsole. Schreie erfüllten die Kommandobrücke.
Doch Schupp war nicht völlig ausgefallen. Sein erster Versuch aufzustehen, noch ganz benommen vom Sturz, scheiterte, und er mußte einen Schmerzensschrei unterdrücken. Vermutlich hatte der Aufprall ihm den rechten Arm gebrochen. Es war eine grausame Art und Weise, wie er voll und ganz in die Wirklichkeit zurückgeholt wurde, doch im Augenblick klammerte er sich an den Schmerz. Keuchend holte er Luft. Aber dann kam er taumelnd hoch und überblickte das Chaos. Etliche Offiziere hingen in ihren Sitzen, andere lagen am Boden. Blut war auf dem Fußboden, teilweise auch an den Wänden. Zumeist stammte es wohl von Platzwunden, aber einige Gestalten rührten sich nicht.
Der Captain mußte zweimal ansetzen, bevor er einen Satz heraus brachte: „Mel... Meld... Meldung Ersatzbrücke!“ Offenbar waren etliche interne Systeme ausgefallen, denn nur die Sprechanlage antwortete ihm: „Hier Ersatzbrücke. Brücke funktionsfähig. Melden schweres Feuer in der Mitte des Schiffes. Atmosphärenverlust achtern auf den Decks 4, 5, 6...“ Schupp unterbrach die Stimme seines XO. Auch wenn alles in ihm sagte, daß falsch war, was er tat, er kannte seine Aufgabe: „Ist der Shuttlehangar B noch klar?“ Der Hangar lag nur wenige Decks unter der Kommandozentrale. Der andere Offizier schien verdutzte: „Shuttlehangar B... ist einsatzbereit. Aber...“ Doch Schupp unterbrach seinen Stellvertreter erneut: „Hören Sie, XO – das Schiff gehört Ihnen. Ich wechsle auf die MERCILESS. TIREDLESS bricht Angriff ab.“ Verdutztes, vielleicht auch entsetztes Schweigen antwortete dem Captain.
Schupp konnte sich vorstellen, was sein XO denke mochte. Ein Kapitän verließ sein Schiff nicht im Gefecht – schon gar nicht in so einer Lage, geschweige denn als Erster. Es war SEIN Schiff. Und doch war er auch Flottillenkommandant – und als solcher für den Fortgang der Operation verantwortlich. Das war eines der Dinge, die er sich schon zu Anfang der Operation klargemacht hatte. Also gab er seiner Stimme einen stählernen Unterton: „Shuttle vorbereiten und MERCILESS anfunken. Schicken Sie ein Medteam sobald als möglich auf die Brücke. Retten Sie das Schiff, wenn möglich – ansonsten...“ Er wollte nicht aussprechen, was ansonsten zu tun war: „Schupp Ende!“
Mit einem letzten Blick auf seine Offiziere, die sich um ihre Kameraden bemühten, und mit dem Gefühl, ein Verräter zu sein, taumelte der Captain der TIREDLESS durch die Tür der Kommandobrücke. Sein Weg führte direkt in die Hölle.
Auf den Gängen hasteten erste Trupps der Schadenssicherung vorbei. Sanitäter waren auf dem Weg zu den Verletzten – es mußte zahlreiche gegeben haben. An die Stellen, wo es am Schlimmsten war, würden sie nicht durchkommen. Die Bildschirme in den Gängen waren tot, der eine oder andere gesprungen. Zwei Besatzungsmitglieder, ein Mann und eine Frau, stützten einen Kameraden, dessen Uniform blutverschmiert war. Sirenen gellten, aus den Lautsprechern erklangen verstümmelte Durchsagen, und wohl auch Schreie voll Angst und Schmerz. Das Schiff erbebte immer wieder leicht, wenn es zu Sekundärexplosionen kam. Die Gesichter der Männer und Frauen waren Fratzen der Angst, und doch, es schien nicht zu einem Zusammenbruch zu kommen. Schupp kannte die Besatzung, er hatte mit ihr seit Anfang des Krieges Dienst getan. Sie jetzt zu verlassen...
Dennoch bahnte er sich seinen Weg, zur Not mit geschrienen Befehlen und Flüchen. Als er Shuttlehangar B erreichte, war seine Uniform von Schweiß getränkt. Der Arm schmerzte fast unerträglich. Während er die Rampe des S-41 hinauf taumelte, fühlte er seine Kräfte schwinden. Drinnen brach er um ein Haar zusammen. Mit undeutlicher Stimme wies er den Piloten an: „Starten. Vollschub. Und auf Mercy soll...Medteam, mit Schmerz- und Aufputschmitteln, Befehl vom Flottillenkommandeur.“ Dann sackte er in seinem Sitz zurück. Er wollte gar nicht sehen, was für einen Anblick sein stolzes Schiff von außen bot. Alles was er konnte war gegen die Verzweiflung und den Schmerz anzukämpfen. Seit dem Einschlag der ersten Raketen waren vielleicht 10 Minuten vergangen.
Er sollte es erst später erfahren, aber mit diesem Angriff brachen die Akarii ihren heldenhaften, aber letzten Endes sinnlosen Versuch ab, Schwadron 2.3 aufzuhalten. Sie zogen sich zurück. Ihr verzweifelter Angriff hatte zwar Erfolg gehabt, doch zwei weitere der Zerstörer hatten ebenfalls schwere Treffer erhalten. Ihr Flottillenchef galt als vermißt, sein Stellvertreter war noch jung und unerfahren. Zwei Drittel seiner Schiffe waren zerstört oder kampfunfähig. Angesichts der unverändert großen Übermacht des Gegners traf er seine Entscheidung: „Rückzug zum Sprungpunkt.“ Er hatte den Schiffen und der Station der Akarii so viel Zeit erkämpft, wie er konnte. Dieser Tag gehörte den Menschen – aber nicht der Krieg...
Tyr Svenson
Ein hoher Preis
Die Schlacht hatte begonnen.
Donovan hatte es nicht nur aus den Gesprächen mit den Bordärzten und den Pflegekräften heraus gehört. Er merkte es auch an kleinen Nuancen im Verhalten der medizinischen Abteilung der COLUMBIA. Die nervösen Vorbereitungen, die hektische Betriebssamkeit und die gesteigerte Erregung war allen anzusehen. Jetzt wurde es ernst. Monate der Vorbereitungen, des Trainings und der Entbehrungen würden sich heute schlagartig entladen. Diesem Fieber konnte sich niemand entziehen, auch nicht Donovan.
Heute war sein letzter Krankentag, vereinzelt taten ihm noch ein paar Knochen weh und er hatte einige deutlich sichtbare Blutergüsse am ganzen Körper und sein Schädel bereitete ihm Schmerzen. Aber er hatte Schmerz- und Aufputschmittel erhalten, war aufgestanden und hatte seine Sachen gepackt um sich auf den Weg zu seiner eigenen Kabine zu machen. Er würde bald wieder Dienst haben müssen, zumal nicht davon auszugehen war, dass die Piloten der COLUMBIA und INTREPID ohne Ausfälle davon kommen würden.
Ganz im Gegenteil.
Das Chaos auf der Krankenstation war bereits ausgebrochen, als Donovan sich auf den Weg machte und er konnte sich dem nicht mehr rechtzeitig entziehen. Ein kontrolliertes Chaos zwar, denn mit zahlreichen Toten und Verwundeten hatte man gerechnet, aber immer noch ein Chaos.
Jetzt stand er unschlüssig auf dem Flur und versuchte niemandem im Weg zu stehen, was bei dem hektisch durch die Gänge rennendem medizinischem Personal gar nicht so einfach war. Die ersten Verwundeten waren eingetroffen und stapelten sich jetzt schon auf den Gängen und in den Krankenzimmern. Wie Donovan erkennen konnte, handelte es sich bei den Verletzten bei weitem nicht nur um Piloten. Auch Besatzungsmitglieder anderer Kriegsschiffe konnte er ausmachen. Die Rettungsshuttles mussten anscheinend pausenlos im Einsatz sein, die OP´s waren komplett besetzt und auch der Schiffskaplan und seine Leute walteten bereits ihres Amtes.
Hektisch musste Donovan einer Bahre ausweichen, die an ihm vorbeigeschoben wurde und konnte sich nur zwischen ein paar an die Wand abgestellten Krankenbahren in Sicherheit bringen. Von überall her drangen die Schreie und das Stöhnen von Verletzten und Sterbenden an seine Ohren. Es hatte so etwas schon einmal erlebt, aber das war bei weitem nicht so heftig gewesen wie hier. Geschockt sah er, wie der halbverbrannte Körper eines Piloten an ihm vorbeigeschoben wurde. Rechts neben ihm auf der Bahre lag ein Junge, vielleicht gerade mal Zwanzig Jahre alt und wimmerte ob der Schmerzen, die ihm sein vom Knie abwärts abgetrenntes Bein verursachen mussten.
Ein anderer Junge, direkt links neben Donovan gelegen, starrte mit weit aufgerissenen Augen und halb geöffnetem Mund an die Decke. Donovan erkannte augenblicklich, dass er tot sein mußte. Mit zwei verkrampften Händen hielt sich das Besatzungsmitglied die vollkommen zerfetzte Bauchdecke und hatte anscheinend versucht diese zusammen zu halten. Vergeblich, wie die große Blutlache auf seiner Liege zeigte, die sich mittlerweile auch auf dem Boden nebem der Liege ausbreitete.
Übelkeit stieg in Donovan hoch, er spürte wie er sich gleich würde übergeben müssen. Niemand war so abgebrüht, so einen Anblick ungerührt ertragen zu können. Ein Arzt hechtete den Flur entlang und noch bevor Donovan eine Warnung ausrufen konnte, die aus mehr als einem verkrampften Würgen bestand, rutschte er auf der Lache aus, schlidderte an Donovan vorbei und konnte sich gerade noch am Bett des Soldaten mit dem abgetrennten Bein festklammern.
„Verfluchte Scheisse“ motzte er, sein Kittel von oben bis unten bereits mit Blut eingesaut „CYNTHIA, wischen Sie die Sosse hier auf, bevor sich hier noch jemand das Genick bricht.“ Dann trat er an den Jungen mit dem abgetrennten Bein heran. Ein kurzer Blick auf die abgeklemmte Arterie, dann verpasste er dem Jungen ohne lange zu fragen eine Morphium-Spritze und das Wimmern hörte relativ schnell auf.
„Sind sie verletzt?“ richtete er sich jetzt an Donovan so dass dieser erschrak und dann den Kopf schüttelte. Das war das äußerste, was er im Moment erwidern konnte.
„Dann gaffen Sie hier nicht dumm rum. Entweder Sie helfen oder Sie stehen uns hier nicht im Weg, klar?“ Und schon machte er sich wieder an die Arbeit ohne auf Donovans Nicken zu warten.
Was sollte er hier schon groß helfen? Sein Schädel brummte selbst wie verrückt, ihm war übel und von medizinischen Dingen hatte er keine Ahnung. Natürlich waren das hier alles arme Schweine und das allgegenwärtige Schreien, Stöhnen und Wimmern ging auch ihm an die Nieren, das war nur menschlich. Er entschloss sich lieber zu gehen, denn hier konnte er nicht helfen, im Gegenteil, er stand tatsächlich nur im Weg.
Fast schon Slalom laufend wich er den Krankentransporten, den schreienden Verwundeten und allem anderen aus. Er kam nur langsam voran und wohin er auch blickte begnegnete er nur Tod und Verstümmelung. Ein paar leichter verletzte Soldaten standen dichtgedrängt in einer Ecke rum und ein leicht am Kopf bandagierter Pilot zeigte mit seinen Händen ein paar Flugmuster.
„… und dann, BUMM, habe ich den Träger der Akarii gesehen, kurz nachdem ihn die Crusader geknackt haben. Spitzenleistung sage ich …“
Donovan blieb nicht stehen, obwohl er sich gerne angehört hätte, was passiert war. Aber zum einen würde er es noch früh genug erfahren und zum zweiten mochte er sich nicht schon wieder einer Beleidigung oder einem peinlichen Ersterben der Gespräche preisgeben.
Er ging weiter und kurz bevor er am Ausgang angekommen war, musste er wieder warten. Die Fahrstühle, mittlerweile in Sichtweite, schienen unaufhörlich Verwundete auszuspucken und Donovan würde die Treppen nehmen müssen. Er ging an ein paar Bahren mit Schwerverwundeten vorbei und erschrak fürchterlich, als ihn ein Arm packte und krampfhaft festhielt. Zumal der Arm fürchterlich verbrannt zu sein schien.
„Dooonovannchhh“ krächzte die Person auf der Bahre, von der er nicht einmal sagen konnte, ob Sie männlich oder weiblich war. Als ihm jedoch klar wurde, dass diese Person seinen Namen wusste, schoss ihm das heisse Adrenalin durch den Körper.
Er versuchte zu erkennen, wen er da vor sich hatte, aber das was von dem halb verkohlten Körper vor ihm übrig geblieben war, passte zu keinem seiner Staffelkameraden. Erst als er in das Gesicht des Verwundeten blickte und die goldgelben Sprenkel in den hellblauen, aber trüben Augen erkannte, wußte er, wenn er da vor sich hatte.
„Lydia, LYDIA! Oh gott, Lydia…“ stammelte er während er sich über sie beugte. Die Hälfte ihres Gesichts war verbrannt, beide Arme und Beine waren pechschwarz und an einigen Stellen schienen sie mit der Fliegermontur, die sie unterhalb des Raumanzugs angehabt hatte förmlich verschmolzen zu sein. Wahrscheinlich war auch Ihr Rücken in einem ähnlichen Zustand. Nur die Brust, der Bauch und teilweise ihr Hals schienen lediglich versengt zu sein.
„So schli… uchhhrr… uchhhrrr“ ein trockener bellender Husten überkam Sie und sie schien sich vor Schmerzen zu schütteln. „So… schlimm?“ machte sie dann schliesslich einen neuen Versuch und sprach dabei ganz langsam und gequält.
„Wird schon wieder“ log Donovan, drehte sich um und schrie „SANITÄTER, SANITÄTER“
„Don…“ ihre Hand verkrampfte sich um seine und dieses Gefühl löste in ihm Übelkeit hervor, was aber sofort beiseite gewischt wurde, als er erkannte welche Schmerzen sie hatte. Wut stieg in Ihm auf, Eiskalte Wut. Warum nur, warum musste ihm das passieren. Schon wieder. Längst verdrängte Erinnerungen wallten wieder in ihm herauf, aber auch diese verdrängte er erneut. „Diese Schmerzen, Arrghhh. Ich will… nicht sterchhhhrrrben.“
„Das wirst du nicht, die kriegen dich wieder hin, reiss dich zusammen…“ versuchte er sie bei Bewußtsein zu halten. „VERFLUCHT, SANITÄTER…“ schrie er wieder, aber niemand reagierte.
Lydia´s Augen begannen zu flackern und Donovan packte sie an den Schultern, auch wenn er Ihr damit fürchterliche Schmerzen zufügen mußte. „Lydia, bleib hier…“ Ihre Augen öffneten sich einen kurzen Augenblick und für einen Moment war Sie wieder klar.
„Wir sind nicht dein Feind, Donovan, du bist… nicht im Krieg… mit uns“ presste Sie mühevoll hervor. „Finde… endlich… deinen Frieden.“ Sie schluckte schwer, dann quälte sich ein Lächeln in Ihren unverletzten Mundwinkel. „Ich sehe die… die Bäume Montanas…“
Das Lächeln erstarb, ihre Hand in seiner verkrampfte sich ein letztes Mal, dann erschlaffte sie endgültig.
Fassungslos starrte Donovan auf Sie herab. Er spürte wie seine Knie weich wurden und er sich abstützen musste. Er liess ihre schlaffe, tote Hand herabfallen und hielt sich an der Bahre fest. Als endlich eine Schwester kam und ihn anblickte, schüttelte er nur den Kopf. Sie überprüfte den Puls der Rafale-Piloten und zog ihr dann das Leichentuch über den Kopf. Die Nachfrage, ob es ihm den gut ginge, nahm er schon gar nicht mehr wirklich wahr. Nur durch einen Schleier, so als ob sich ein Moskitonetz zwischen ihm und die Wirklichkeit gezogen hatte.
Geschockt und wie in Trance ging er zwischen all diesen wandelnden Leichen umher. Irgendetwas in ihm war zerbrochen, eine Schale, die sich vor langer Zeit um einen verwundbaren Kern gelegt hatte. Ihm war schlagartig klar geworden, dass es so nicht weiter gehen konnte.Ihm wurde schlagartig klar, was Lydia mit Ihren letzten Sätzen gemeint hatte.
Bei all dem Leid um ihn herum, bei all dem Elend, was wog da schon sein kleinlicher Privatkrieg mit der Navy?
Zitternd setzte er sich auf die Stufen der Treppe und schaute hinab auf seine Hände. Die Hände, die Lydia in den letzten Sekunden ihres Lebens gehalten hatten. Die Hände, die die Steuerknüppel eines Jägers halten würden.
Die Hände, die Akarii töten würden.
Tyr Svenson
Es dauerte noch einmal eine Viertelstunde, bis Henning Schupp die Brücke der MERCILESS betrat. Der nutzlose rechte Arm hing herab – er hatte sich geweigert, ihn verarzten zu lassen. Die örtliche Betäubung, die man ihm verabreicht hatte, machte aus Fleisch und gebrochenen Knochen nicht mehr als totes Gewicht, das ihn kaum behinderte. Aber es gab Verletzungen, die man so nicht betäuben konnte. Er hielt sich aufrecht – auch dafür sorgten intravenös eingenommene Mittel. Er hatte den Arzt des Medteams angebrüllt, ihm alles bis zur standrechtlichen Erschießung angedroht – aber er hatte seinen Willen bekommen.
Captain Caneira wahrte eine neutrale Miene, als er dem Schwadronschef seinen Sessel anbot. Was er dachte, zeigte er wie immer nicht. Schupp wollte es auch gar nicht wissen. Der Kapitän der MERCILESS hielt seinen Vorgesetzten vielleicht nicht gerade für einen Feigling. Aber vermutlich war er der Meinung, in der augenblicklichen Verfassung sei der Schwadronschef zu nichts zu gebrauchen und sollte besser das Kommando abgeben. Doch Schupp fragte nicht nach Caneiras Meinung. Stattdessen erkundigte er sich nur knapp: „Entfernung zur Station?“
„Wir kommen in fünf Minuten in Feuerreichweite. Unsere Sensoren orten eine Anzahl Schiffe, die ablaufen. Sie werden von Jägern begleitet. Ein Schiff ist bei der Station geblieben. Klassifizierungen noch unklar.“
Schupps Stimme klang verwaschen, trotzdem er sich bemühte, den gewohnten energischen Ton zu treffen: „Auf den primären Taktikschirm. Leichte Kreuzer – EinsFünfNull voraus!“ Und die Flotte gehorchte ihm, ungeachtet dessen, was man von ihm denken mochte.
Die schnelleren Achilles-Kreuzer übernahmen nun die Führung. Schupp rechnete bei der Station nur mit mäßigem Widerstand. Selbst mit dem feindlichen Schiff als Unterstützung war die Feuerkraft der Raumstation nicht auf ein Gefecht mit Kreuzern ausgelegt.
„Identifizierung – steht! Melde, feindliches Schiff ist Hilfskreuzer der Albatros-III Klasse.“ Schupp zog eine Augenbraue hoch. Hilfskreuzer? Die Akarii hatten wohl Todessehnsucht! Andererseits – ein paar lumpige Zerstörer hatten ihm so übel mitgespielt...
Schupp wollte schon den Feuerbefehl erteilen, doch dann zögerte er. Nicht, daß es ihm etwas ausgemacht hätte, die feindlichen Einheiten aus großer Entfernung zu exekutieren. Aber langsam mußte er daran denken, daß selbst die gewaltigen Munitionsbunker der Kreuzer nicht bodenlos waren. Vermutlich warteten noch einige Gefechte auf die Schiffe. „Aufschließen zum Gegner – Volle Kraft voraus. Feuer mit Bordwaffen so bald als möglich.“
Es war gewissermaßen ein Anachronismus, das Gefecht mit Lasergeschützen und Kurzstreckenraketen. Die Schiffe mußten sich auf ein Bruchteil der Entfernung nähern, über die normalerweise gekämpft wurde. Aber noch immer wurde diese Art des Kampfes trainiert – Schiff-Schiff-Raketen reichten nicht ewig, und die Flotte tat sich ohnehin schwer, so etwas Heiliges wie die Dienstvorschrift abzuändern.
Die Akarii eröffneten das Feuer – doch die wenigen Schiff-Schiff-Raketen hatten gegen die Abwehr der Kreuzer keine Chance. Mit beinahe verächtlicher Leichtigkeit fegten Geschützsalven die Marschflugkörper aus dem All. Unaufhaltsam näherten sich die Terraner ihren Feinden – als seien das keine vollwertigen Gegner, sondern Geschmeiß, das man über den Haufen rannte. Unter anderen Umständen hätte Schupp die tödliche Phalanx wohl mit einer heranstürmenden Reiterschar verglichen, schimmernder, funkelnder Tod. Diesmal aber mußte er sich ganz auf das Gefecht konzentrieren.
„Akarii Schiffe – kapitulieren Sie, oder wir vernichten Sie!“ Diesen Satz sendeten die Kreuzer unablässig auf Breitband. Eine Tonaufnahme, von schlechter Qualität. Nur wenige Menschen beherrschten eine der Akariisprachen, und auf Feinheiten legte die Navy keinen Wert. Die Botschaft war ohnehin klar. Aber von drüben kam keine Antwort – nur Feuer.
Es bereitete Schupp eine bittere Genugtuung, als er schließlich den Befehl geben konnte: „Batterien – auf mein Zeichen. FEUER!“ Die Flanken der MERCILESS und ihrer Begleitschiffe loderten auf. Gut hundert Geschütze nahmen den Gegner ins Visier, der verzweifelt zurück schoss. Es war im Grunde kein fairer Kampf, falls es dergleichen im Krieg überhaupt jemals gab.
Die Station erwischte es als erstes. Die beiden schweren Kreuzer und drei ihrer leichten Begleiter tauschten Salve um Salve mit dem Raumfort aus. Das Gegenfeuer wirkte fast erbarmungswürdig. Flar-Raketen, Laserimpulse, ein paar Schiff-Schiff-Raketen – mehr hatte die Station nicht aufzubieten. Viel gegen Jäger, genug gegen Zerstörer. Aber gegen fünf Kreuzer war dies nichts. Unter dem konzentrierten Beschuß gaben die Schilde nach, Panzerung wurde verdampft. Schließlich schlitzte die gebündelte Energie die Flanken der Raumstation auf.
Doch auch wenn dies scheinbar leichtes Spiel war – die beiden anderen Kreuzer hatten es offenbar schwerer. Eigentlich war ein Hilfskreuzer kein Gegner für sie. Sie waren für den Krieg konstruiert – ihr Gegner nur ein aufgerüstetes Handelsschiff. Aber der feindliche Kapitän verstand es offenbar, seine überlegene Beweglichkeit gekonnt einzusetzen. Wie vorher die Zerstörer hielt er einem Gegner stand, gegen den sein Überleben eigentlich eine Frage von Minuten seien sollte.
Und die Geschütze des Akarii trommelten unablässig auf seine Gegner ein, deren Feuer recht ungenau zu liegen schien. „Was zum Teufel!“ zischte Schupp, der das Schauspiel erst jetzt richtig wahrnahm. Er versuchte, sich zu beruhigen. Er durfte keine Schwäche zeigen – nicht jetzt: „MERCILESS und RELENTLESS – volle Breitseite, auf mein Zeichen. JETZT!“ Gegen das konzentrierte Feuer von vier Kreuzern hatte der tapfere Akarii keine Chance.
Dennoch – er hatte Schäden angerichtet, und er hatte die Menschen für kostbare Minuten aufgehalten. Minuten, von denen jede seine Schwesterschiffe um weitere 6.000 Kilometer vom Feind entfernen mochte. Schupp fühlte keinen Triumph. Es war merkwürdig, aber irgendwie schien alles so fern. Die Schäden an der TIREDLESS, die Schlacht, die Verantwortung, der eigene Schmerz... Im Inneren murmelte er Worte, die er irgendwo einmal gelesen hatte: „He did a good fight. He kept the faith.“ - „Er kämpfte einen guten Kampf. Er blieb seinem Glauben treu.“ Sonderbarerweise empfand er keinen Haß gegen den unbekannten Akarii, dessen Schiff er zum brennenden Wrack geschossen hatte. Nachdenklich lehnte er sich zurück. „Verfolgung aufnehmen. Gegner den Weg abschneiden.“ Er konnte seine eigene Stimme kaum noch verstehen – sonderbar...
Captain Caneira sprang herbei und fing den Stürzenden auf. Behutsam, um den verletzten Arm nicht zu berühren, drückte er Schupps Körper in den Sessel zurück. Seine Stimme klang nüchtern: „Bordtagebuch – Datum Heute, Zeit jetzt. Captain Schupp ausgefallen. Übernehme Flotte. Caneira, Jorge, Captain TSN – Ende.“
Der Verband war dezimiert worden. Ein schwerer Kreuzer hinkte zurück, und kämpfte um sein Leben. Ein leichter Kreuzer hatte Beschußschäden hinnehmen müssen und bildete die rückwärtige Absicherung. Den Flakkreuzer hatten sie abgegeben. Aber immer noch war Schwadron 2.3 wie eine geballte Faust, die auf die Flanke und den Rücken der Akarii zielte. Und Jorge Caneira gedachte das auszunutzen. Während die Mediziner Captain Schupp von der Brücke trugen, gab er bereits die nötigen Befehle. „Station vernichtet. Weg für Sturm auf Graxon frei. Wir nehmen Verfolgung des Gegners auf.“
Die taktischen Anzeigen verrieten es – die Akarii waren auf dem Rückzug. Und es sah so aus, als könne daraus jeden Augenblick eine Flucht werden. Gegen die Übermacht hatten sie keine Chance, auch wenn sie den Menschen einen hohen Preis abforderten. Die Schwadron stieß direkt in diese Absatzbewegung hinein. Und da die Formation der feindlichen Flotte aufgebrochen war, hatten sie leichtes Spiel.
„Raketen – FEUER!“ Caneira stand aufrecht, den Kapitänssessel verschmähend. Dies mochte ein Zeichen von Arroganz sein, als fürchte er kein feindliches Feuer. Oder ein Zeichen des Respekts vor dem Kommandeur der Kampfgruppe. Vielleicht hielt es ihn einfach nicht an einem Ort. Die dunklen Augen des Indios flogen über die Anzeigen und seine Stimme erteilte mit klaren und präzisen Worten die Feuerbefehle. Ob havariertes Kriegsschiff oder Frachter – er ließ den Akarii wenig Möglichkeit zur Flucht. Auf seine Anweisungen hin nahmen immer zwei Kreuzer ein feindlichen Ziel unter Beschuß. Derart konzentrierte Raketenschwärme überlasteten fast jede Abwehr und bedeuteten das sichere Aus. Und es verringerte die Wahrscheinlichkeit, daß der Gegner dazu kam, selber noch das Feuer zu erwidern.
Zugleich drängte die Hauptflotte der Menschen unablässig nach. Zwischen Hammer und Amboß zerbrach die Ordnung bei den Akarii zunehmend. Es gab kaum eine Möglichkeit, den schnellen, weitreichenden Raketen zu entgehen. Panik aber führte fast immer zum Tode.
Dennoch – die Akarii waren keine Anfänger. Die meisten Schiffe schossen weiter, auch als es eigentlich schon sinnlos war. Die schweren Kreuzer der Echsen lehnten es ab, zu kapitulieren. Sie fochten, wurden zerstört oder bahnten sich einen Weg. Das Feuer derjenigen, die nicht mehr fliehen konnten – und das waren die meisten – gab ihren Kameraden Zeit, zermürbte die Menschen.
Die RELENTLESS zerschmetterte einen angeschossenen Yankee-Kreuzer. Drei Zerstörer, zwei davon Havaristen, wurden gleich ihm Opfer der Schwadron. Doch auch für die Menschen ging es nicht ohne Schäden ab. Die bereits im Nahkampf beschädigte Fury erhielt einen Treffer, der sie ihre Bugbatterien kostete. Das Schiff mußte den Kampf abbrechen und sich zurückziehen. Und auch die menschliche Hauptflotte mußte manchen schweren Treffer einstecken. Vor allem aber verloren die Menschen Zeit. Und während dessen zogen die Frachter der Akarii davon. Nur wenige waren dem Beschuß auf extreme Reichweite zum Opfer gefallen. Mit sich nahmen sie die Reste der Jäger – Maschinen, vor allem aber erfahrene Piloten. Männer und Frauen, die wiederkommen würden, um die Rechnung zu begleichen. Und zusammen mit den Frachtern entkam auch manches Großkampfschiff der Akarii. Oft lädiert, auf jeden Fall gedemütigt. Aber auch mit dem Wunsch, diese Schlappe wieder auszuwetzen.
Die TIREDLESS driftete langsam durch den Raum. Brände wüteten an Bord. Überall kämpften und starben Menschen. Es war ein weitaus weniger spektakulärer Kampf, verglichen mit der Schlacht von Graxon. Doch er hatte nicht weniger Helden, nicht weniger Tragik. Von den 870 Männern und Frauen der Besatzung zählte man später 315 Tote und 127 Verletzte. Eigentlich war die Statistik ungenau, denn von mehr als 200 Toten fand man keine Spur. Doch in stillschweigender Übereinkunft ignorierte man die Vorschrift, Besatzungsmitglieder, deren Tod unklar war, nur als MIA, als vermißt, zu führen. Wozu den Angehörigen noch mehr Kummer bereiten? Was der Weltraum einmal nahm, das gab er niemals wieder her. In dieser Hinsicht war der Sternenozean weitaus grausamer als die unergründliche See.
Ihre Särge würden leer hinaustreiben, zum Salut der Flotte. Man würde sie ehren. Doch niemals würden sie ein Grabmal haben. Sie alle zahlten den Preis für den Sieg bei Graxon II.
Tyr Svenson
„Wir sollen was?“ Darkness Stimme klang etwas ungläubig, aber eindeutig ungehalten. Der Kommunikationsoffizier zuckte nicht einmal mit einer Wimper, als er den Befehl wiederholte: „Sie sollen starten und sich bereithalten, feindliche ASM durch offensives Abfangen vernichten. Gibt es ein Problem damit?“
Darkness schnaubte nur. Er hatte durchaus ein Problem mit diesem Auftrag. Zwar waren seine Leute auch für solche Aufgaben ausgebildet – aber es war gewiß nicht ihr Spezialgebiet. Den modernsten Jäger der TSN als mobile Lenkwaffen-Abwehrkanone zu benutzen hielt er für eine Verschwendung. Vor allem, da seine Leute eben erst gelandet und nach einem mehrstündigen Kampfeinsatz ziemlich geschafft waren. Lieber hätte er ihnen noch etwas Ruhe gegönnt – oder ein sinnvolleres Ziel angegriffen.
Aber Befehl war Befehl und wenn das knappe Dutzend Maschinen vielleicht mithelfen konnten, das Feindfeuer abzuwehren... Ohne die Träger würden sie hier festsitzen. Er wandte sich zu dem überarbeiteten Chef der Flugdeckmannschaften: „O. K. Ich will meine Flieger JETZT vollgetankt und mit Raketen bestückt. Amrams und Sparrow – so viele, wie Sie auf die Schnelle auftreiben können. Phönix und Sidewinder nützen uns nichts. Bewegung!“ Angesichts der direkt bösartigen Miene, die Darkness schnitt, regte sich kein Widerstand.
Die Piloten der Butcher Bears bildeten an einer der Türen, die in den Hangar führten einen lockeren Pulk. Einige zumindest - Brawler hatte ein SAR-Shuttle aufgefischt, er war wohl gerade mit einer zünftigen Unterkühlung in der Medo-Station. Darkness hatte zu tun. Und Monty war ebenfalls unterwegs. Es war ein Rätsel, woher der kleine, unscheinbare Lieutenant seine Energie nahm.
Bei den anderen Piloten herrschte ein Mischmasch aus Hochgefühl und Erschöpfung. Einige der Jüngeren gingen gestikulierend die Raumkämpfe der letzten Stunden durch – La Reine und Crusader, der seine angeschossene Maschine sicher gelandet hatte, stritten sich, wessen Abschuß der „wertvollere“ war.
Kano lehnte erschöpft an der Wand. Er fühlte sich – ausgebrannt. Irgendjemand hatte ihm einen Riegel Flottenschokolade und einen Becher Kaffe in die Hand gedrückt. Als er einen Schluck nahm, riß er die Augen auf und mußte sich Mühe geben, nicht zu husten. Irgendeine mitfühlende Seele hatte einen ordentlichen Schuß Hochprozentigen in den Kaffee geschüttet. Nun wer es war, er verstand sein Handwerk. Schon nach dem zweiten Schluck fühlte sich Kano viel besser.
Einige andere schienen allerdings noch mehr „geistigen Beistand“ zu benötigen. Ohne auf die anderen Piloten zu achten holte Dutch eine flache Metallflasche unter seiner Montur hervor und führte sie an den Mund. Er legte den Kopf zurück und schluckte mit fast krampfhaften Bewegungen des Kehlkopf – als ihn plötzlich eine Hand an der Schulter packte, herumwirbelte – und dann die Metallflasche wegschlug. Es war Monty. Der kleingewachsene XO der Staffel funkelte den hageren Mantikorveteranen verachtungsvoll an. Seine Stimme war leise – Kano verstand nicht, was er sagte. Aber Dutch lief dunkelrot an und salutierte eckig, während Monty herumfuhr und mit durchgedrücktem Rücken davonmarschierte. Dutch sah ihm haßerfüllt hinterher. Aber die Flasche hob er nicht wieder auf.
Die anderen Piloten wandten sich wie auf ein geheimes Kommando ab, um Dutch nicht anzusehen. Man mußte einen Kameraden – selbst wenn es so ein schwieriger Typ wie Dutch war – nicht noch unbedingt demütigen. Kano drehte ihm den Rücken zu und suchte den Hangar mit den Augen ab. Es erleichterte ihn, daß er die Typhoons der Staffel Grün landen sah. Seine alte Staffel hatte wohl auch einige Verluste erlitten. Allerdings schien Lightning gelassen, vermutlich waren die Piloten in Sicherheit. Aber nirgendwo war ein Jäger der Roten Schwadron zu sehen. Die Phantome mußten noch draußen sein. Hoffentlich ging es Kali gut. Es mußte ihr gutgehen. Sie war eine erfahrene Pilotin, hatte mehr Erfahrung als Kano...
„ACHTUNG! BUTCHER BEARS – AN DIE MASCHINEN!! SOFORTSTART!“ Monty’s Stimme hatte einen schneidenden Unterton, riß die Piloten hoch. Irgendein Pilot rammte voll gegen Kano, der sich infolgedessen von oben bis unten mit heißem Kaffe überschüttete. Wenigstens trug er schon den Pilotenanzug! Trotzdem verlor Kano jetzt seine Ausgeglichenheit. Wütend pfefferte er den Plastikbecher gegen die Wand, fluchte fürchterlich auf Japanisch und rannte in Richtung seines Jägers. Eine knappe Minute später war er schon wieder im Raum.
Darkness war zufrieden. Die Deckscrew der COLUMBIA verstand ihr Handwerk. Die Jäger waren in Rekordzeit wieder bestückt und aufgetankt worden. Die beiden Piloten, die mit schwerbeschädigten Maschinen auf der COLUMBIA gelandet waren, waren in zwei der Ersatzmaschinen gestartet. Und jetzt..: „Butcheer Bears – Folgen! Die DAUNTLESS weist uns ein!“
Als die Akariiflotte – oder vielmehr das, was von ihr übrig war – das Feuer eröffnete, stockte selbst Darkness kurz der Atem. Der Radarschirm war regelrecht überflutet von ASM-Signalen. Alle bewegten sich auf die TSN-Flotte zu. Und die Nighthawk sollten diese Flut aufhalten helfen.
Es war ein merkwürdiger Einsatz, den Kano in Erinnerung behielt. Der erste Feindflug war ein chaotisches, hektisches Raumgefecht gewesen, bei dem in jedem Augenblick der Tod durch feindliche Flak, Raketen oder Jäger drohte. Jetzt bestand für die Jäger keine unmittelbare Gefahr – die ASM waren auf größere Ziele ausgerichtet als die Nighthawks. Aber mittelbar bedrohten sie das Leben der Piloten genauso, wie eine Bloodhawk im Zielanflug. Wenn sie die COLUMBIA und die INTREPID trafen, dann würde dieser Einsatz scheitern. Schlimmer noch. Das Leben der Männer und Frauen an Bord der Träger und der anderen Kriegsschiffe hing jetzt an der Geschicklichkeit und Treffsicherheit der Piloten, genauso, als ob die Nighthawks feindliche Bomber abwehren mußten.
Vollschub – Anvisieren – Raketen abschießen. Einsatz der Bordwaffen. Es lief immer nach diesem Muster ab, binnen weniger Sekunden hatten die Jäger ihre Raketen abgefeuert, doch es kamen immer noch mehr Schiff-Schiff-Raketen. Dann hatten die Piloten nur noch ihre Bordgeschütze. Und das bedeutete, ihnen blieb nur wenig mehr als eine Sekunde, um auf die Feuerknöpfe zu drücken. Die Kanonen hatten nur eine begrenzte Reichweite.
Kano wußte nicht, wie viele Raketen er schon anvisiert, beschossen oder zerstört hatte. Er fühlte keine Müdigkeit, vielmehr eine vibrierende Spannung, eine seltsame Mischung aus Konzentration und Euphorie. Sie würden aushalten. Sie würden den Feind abwehren.
Darkness Befehl war eindeutig: „So lange weiterfeuern, wie auch nur ein verdammter Vampir in der Luft ist!“
Und die Butcher Bears befolgten den Befehl aufs Wort.
Dennoch kamen natürlich Raketen durch. Weder die Jäger, noch die Abwehrmittel der Großkampfschiffe konnten dieses massives Bombardement völlig abfangen. Irgendwo hinter den durch das All hetzenden Nighthawks explodierte ein Zerstörer, wurde einem Kreuzer der Rumpf aufgerissen. Sogar die INTREPID kassierte eine ganze Reihe von Einschlägen, die beachtliche Schäden verursachten. Die Antwort der Erdflotte ließ aber nicht lange auf sich warten und war weitaus verheerender.
Am Ende war es ein zu ungleicher Kampf. Mit dem Verlust des Trägers hatten die Akarii einen schweren, entscheidenden Verlust erlitten. Zwar kämpften sie weiter, doch ohne Hoffnung. Die Menschen waren zahlenmäßig überlegen und die Akariis hatten keine Unterstützung durch Jäger mehr. Ihre Schlachtlinien zerfielen. Einige versuchten, sich mit Höchstgeschwindigkeit der Vernichtung zu entziehen oder zu der Station zurückzuweichen. Andere blieben in Formation, kämpften und gingen unter. Es gab kein einheitliches Kommando mehr, nur noch Flucht oder Tod.
Der Sieg der Menschen war teuer erkauft aber unzweifelhaft – der erste Sieg der TSN in diesem Krieg.
Als die Nighthawk zur Landung ansetzten ließ diese Gewißheit Kano die Müdigkeit vergessen. Die REDEMPTION war gerächt worden, die menschlichen Verluste bei Troffen und Jollahran hatten die Akarii blutig bezahlen müssen. Und Kano war fest entschlossen, sie weiter bezahlen zu lassen.
Aber diese Gedanken wurden bedeutungslos, als er einen inzwischen nur zu vertrauten Jäger im Hangar sah. Auch Kali hatte es geschafft. Ein erleichtertes Lächeln erschien auf Kanos Gesicht.
Im Hangar klopften sich die Piloten, Bordschützen und Techs gegenseitig auf die Schultern, ließen die COLUMBIA, die INTREPID, die Admiralität und sich selber hochleben. Die Nighthawkpiloten wurden sofort in dieses Durcheinander integriert.
Darkness warf den Pilotenhelm einem Mitglied der Bodencrew zu. Er jubelte freilich nicht, sondern lächelte nur düster. Diese Runde war an sie gegangen. Aber es würde ein Revanchespiel geben, da war Darkness sicher. Und dann...
„Herhören! In fünfzehn Minuten ist Staffelbesprechung. Schlaft mir bis dahin nicht ein!“
Dann machte er sich auf den Weg, um Cunningham zu suchen.
Tyr Svenson
Die Schlacht war gewonnen. Tatsächlich gewonnen. Punktlandung.
Lucas grinste in sein Cockpit hinein. Die Phantom wurde in Richtung Lift Nr. 1 gezogen.
Einen Moment wusste er nicht, was er als erstes machen sollte: Den Helm abnehmen, die Gurte öffnen oder das Cockpit öffnen.
Schließlich entschied sich der Geschwaderführer dafür erst das Cockpit zu öffnen, um anschließend den Helm abzunehmen.
Er rubbelte sich mit der Rechten über die Haare. Schweißtropfen verteilten sich im Cockpit.
Ein Techniker hakte die Leiter neben dem Cockpit der Phantom ein und kam halb hoch: "Gratuliere Sir, denen hab'n Sie's aber gezeigt. Warten Sie, ich nehme Ihren Helm."
Das jungendliche, teilweise noch mit Akne befallene Gesicht strahlte in ehrlicher Freude.
"Danke." Lucas gab ihm seinen Helm und löste die Gurte.
Noch vom Adrenalin der Schlacht aufgeputscht schwang sich Lucas athletisch aus dem Cockpit.
Grinsend kam ihm Mario Atti der Bosun der COLUMBIA entgegen: "Saubere Arbeit Skipper, Saubere Arbeit. Der Captain möchte Sie in der CIC sehen, aber ASAP." Der Bosun wollte sich schon abwenden. "Ach, wir nehmen einen Teil des INTREPID-Geschwaders auf. Die DAUNTLESS hat zwar erstklassige Arbeit geleistet, doch hat die INTREPID die Katapulte eins und zwei verloren."
"Alles klar." Lucas klopfte dem älteren Unteroffizier auf die Schulter und machte sich auf den Weg. Als er das Flugdeck überquerte schüttelte er so vielen Piloten wie nur möglich die Hände, klopfte hier und da auf die Schultern. Wie ein Politiker auf dem Weg zur Bühne. Zum Glück musste er keinen mit Namen ansprechen, da er im Moment weder Gesichter noch Namen einordnen konnte.
Als Lucas die CIC betrat besprachen sich Wulff und Waco gerade mit Long via LaserCom.
"... Brände gelöscht. Die INTREPID hat ca. 200 Mann verloren. Aber Captain Martens hat ausgezeichnete Arbeit geleistet und die INTREPID ist weiterhin einsatzbereit. Zwar nicht mehr vollständig, aber dennoch. Die Starwarriors haben ebenfalls einiges abbekommen. Wir haben Commander Torwald verloren. Ihr Commander Cunningham wird daher das Kommando über die Jägeroperationen führen. Ah, da ist er ja." Long unterbrach kurz, damit Lucas sich zu den anderen gesellen konnte.
"Commander: Sie haben sicherlich gehört, dass ich einen Teil der Warriors auf die COLUMBIA detachiert habe."
"Aye, Sir."
"Wir waren hauptsächlich mit den Jägeroperationen beschäftigt Miles, was ist das genaue Ergebnis?" Bianca Wulff sah recht mitgenommen aus.
"Ein Kreuzer und zwei Zerstörer haben die Akarii aufgegeben und dann gesprengt. Dann sind gut ein Dutzend Zerstörer, sowie drei leichte Kreuzer im Todeskampf draufgegangen. Sieben Großkampfschiffe, hauptsächlich schnelle Zerstörer und Fregatten konnten mit einigen Frachtern entkommen. Ein weiterer Akarii-Zerstörer treibt havariert im All. Ich habe zwei Kreuzern befohlen längsseits zu gehen und ihre Marines entern zu lassen."
Waco räusperte sich: "Und wie geht die Operation weiter?"
"Cunningham: Sorgen Sie dafür, dass möglichst viele Ihrer Leute 12 Stunden Ruhe bekommen. Die Flotte wird sich derweil neu organisieren und formieren. In acht Stunden werde ich eine Gruppe Griphen der INTREPID als Aufklärer ausschicken. Danach werden wir den Angriff aufs Gefängnis im Detail planen und durchführen. Sorgen Sie aber für bewaffneten Raumüberwachung. Acht Jäger aber nur Freiwillige."
"Aye Sir." Cunningham merkte langsam wie der Adrenalinkick nachließ.
"Was ist mit den ausgestiegenen Akarii?" Es war wieder Waco.
"Die SAR-Teams haben die Anweisung zuerst unsere Jungs aufzusammeln. Die haben oberste Priorität."
"Sir, entsprechend Genfer Konvention ..."
"Captain, unsere Jungs haben Priorität, um die Akarii kümmern wir uns, wenn es unsere Kapazitäten erlauben. Ist das klar?"
"Aye, aye Sir." Lucas bekam nicht mit wie Waco sich versteifte.
"In Ordnung, das wär's, weitermachen." Der Wandschirm wurde schwarz.
Waco wandte sich an Cunningham. "Sie haben die Admiral gehört." Schnauzte er.
"Ich würde gerne erst im Lazarett vorbeisehen."
"In Ordnung." Waco machte sich am Kartentisch zu schaffen.
Auf der Krankenstation war mittlerweile die Hölle los.
Sowohl ausgestiegene Piloten wie auch aufgesammelte Großkampfschiffbesatzungen wurden behandelt. Strahlenschäden, Verbrennungen, Erfrierungen, gebrochene Gliedmaßen und vieles mehr war zu behandeln.
Cunningham stolperte über Peter Langenscheid.
"Wow, mach Platz, Jetjockey." Langenscheid war in seine Arbeit vertieft. "Oh, Sie sind es. Was kann ich für Sie tun?"
"Wie wär's mit einem kurzen Überblick über meine Jungs und Mädels, die Sie hier haben?"
"Bach und Ruben James haben sie kurz reingeschickt und die wurden dann einfach durchgewunken, weil wir noch einiges mehr erwartet haben.
Ansonsten weiß ich von einem Bomberpiloten Lamar Archer, der auf seine OP wartet."
Lucas nickte und hielt sich an einem Stuhl fest.
"Alles in Ordnung?"
"Ich könnte etwas zum wachbleiben gebrauchen, ich muss gleich wieder raus." Der Geschwaderkommandant rieb sich die Augen.
"Ich könnte Ihnen etwas Flash geben."
"Klingt nach ner Designerdroge." Lucas merkte, wie der Adrenalinschub der Schlacht restlos verschwunden war und sich Müdigkeit und Gliederschmerzen in seinem Körper ausbreiteten.
"Ist auch spezialdesignet, extra Starke Nachwirkungen um eine eventuelle Suchtgefahr zu verringern."
Lucas hörte nicht mehr richtig zu und nickte einfach.
Mit einem leisen Zischen entlud sich das Hypospray in Lucas rechte Handfläche.
"Hm, danke." Lucas rieb sich die Hand.
Der Briefingroom des Geschwaders war zum Bersten gefüllt. Die Männer und Frauen gaben jedoch kein allzu gutes Bild ab. Die meisten lagen eher, als dass sie in ihren Sesseln saßen.
Lucas musste grinsen, er wusste nicht warum.
Darkness McQueen fing ihn ab: "Ich habe kurz mit dem Chefarzt gesprochen und Cartmell wieder auf den Flugplan gesetzt, falls wir wieder Piloten rausschicken müssen."
"Ausgezeichnet Mr. McQueen, weitermachen." Lucas wusste nicht, woher die gute Laune auf einmal kam.
Er klopfte seinem Freund auf die Schulter und ging zum Pult: "Okay, hergehört. Das war exzellente Arbeit da draußen. Wir haben dem Feind das Fürchten gelehrt. Aber ich brauche neben Ensign Cartmell noch sechs Freiwillige für die vorgeschobene Raumüberwachung."
Cartmell zog die Stirn kraus.
Der erste, der bei der Frage nach freiwilligen die Hand nach oben streckte war Kano Nakakura. Die nächste war Ania „La Reine“ Obasanjo.
Ein weiterer meldete sich, den Lucas nicht erkannte: "Jemison Fletcher, Phantompilot von der INTREPID."
Der nächste der sich meldete war Albert Mubane. Ihm folgte eine Pilotin von der INTREPID.
Kein weiterer.
Lucas suchte nach jemanden, den er mal ausgezeichnet hatte. Wie hieß diese Russin doch gleich? Sein Blick viel auf Lilja. Ja Du!
Nach einem kurzen Augenkontakt hob auch die Russin die Hand.
"Okay, der Rest kann wegtreten, hauen Sie sich in die Kojen. In Zwölf Stunden nehmen wir das eigentliche Ziel. Commander McQueen wird in vier Stunden mit sieben anderen Piloten seiner Wahl die Raumüberwachung übernehmen. Das wär's und das war wirklich exzellente Arbeit."
Tyr Svenson
Der Krieg, den sie praktisch vom ersten Tag an mitgemacht hatte, war für Lieutenant Commander Diane Parker äußerst lehrreich gewesen, auch wenn sie auf viele der Lektionen gewiß keinen Wert gelegt hatte. Vieles hätte sie am liebsten wieder vergessen, doch war sie Realistin genug, um diesen Fehler nicht zu machen. Zu den Dingen, die sie gelernt hatte, gehörten auch gewisser schauspielerische Fähigkeiten. So etwas war ja für eine Frau, die Karriere im Militär machen wollte, ohnehin von Nutzen. Etwa, wenn man den Vorgesetzten nicht wissen lassen wollte, daß man ihn für einen Vollidioten hielt. Freilich mangelte es Lightning in dieser Hinsicht noch an Perfektion. In jedem Fall verstand sie es aber, ihren Untergebenen etwas vorzumachen. Vor allem, wenn die sich im Grunde betrügen lassen wollten. Wie etwa gerade jetzt. Sie verzichtete normalerweise darauf, was ja auch einer der Gründe für ihre Probleme mit Commander Cunningham war, doch manchmal war es einfach nötig.
Die müden, besorgten Gesichter ihrer Untergebenen hellten sich doch etwas auf, als die Staffelchefin geschmeidig aus dem Cockpit kletterte, und geradezu eine Aura siegesgewissen Optimismus verströmte. Imp, die in dieser Hinsicht immer eine willige Komplizin war, grinste sogar breit. Mit einem schnellen Rundblick überzeugte sich Lightning, daß keiner der anwesenden Piloten einen allzu niedergeschlagenen Eindruck machte. Das war auch der Kern des Problems – sie waren keineswegs vollzählig. Stormrider war ziemlich zum Anfang des Gefechtes bei einem Blitzangriff von einem Reaper abgeschossen worden. Liljas Sektion hatte Harpy verloren. Ganz zum Schluß, als der feindliche Träger schon zusammengeschossen war, hatte ihn ein Zerstörer erwischt. Auf Maximalreichweite hatte eine Rakete getroffen, und den geschwächten Schilden den Rest gegeben. Und der Jäger von Marine war im Nahkampf zusammengeschossen worden. Die Maschine war zwar noch geflogen, hatte aber auf das Steuer extrem störrisch und schwerfällig reagiert. Blackhawk ihr befohlen hatte, in der Nähe der COLUMBIA auszusteigen. Besser eine Maschine zu verlieren, als daß sie vielleicht bei der Landung Mist baute und möglicherweise einen anderen Heimkehrer rammte. An den Landeplätzen herrschte stets starkes Gedränge.
Alle drei Piloten lebten anscheinend, zumindest hatte alles danach ausgesehen, und würden vermutlich geborgen werden. Aber da blieb immer ein großes Fragezeichen. Der Notsender konnte versagen – davor hatten die Piloten fast mehr Angst als vor einem Loch im Anzug. Dahinzutreiben, hilflos, stumm, während die eigenen Leute vielleicht gerade in der „Nähe“ suchten...
Und natürlich konnten Splitter den Anzug beschädigen, der Sauerstofftank oder das Heizaggregat ausfallen. Gefahren gab es immer, und dazu kamen natürlich noch ein Risiko, über das selten gesprochen wurde, das aber in den Köpfen herumspukte. Auf beiden Seiten gab es Piloten, die nicht allein funktionsfähige Jagdmaschinen als legitimes Ziel sahen. Lightning wollte um jeden Preis verhindern, daß sich ihre Leute zuviel Sorgen machten.
Lightnings Stimme klang so munter wie sie aussah, und sich nicht fühlte: „Also, Soldaten – das war gute Arbeit. Die Sektionskommandeure haben mir die Erfolge gemeldet. Wir müssen natürlich die Bestätigungen abwarten, aber ich glaube, wir können jetzt schon davon ausgehen, daß wir es den verdammten Echsen gezeigt haben! Da werden wir mal wieder die Techniker löchern müssen, damit sie etwas Farbe herausrücken.“
Ihre Piloten grinsten einander zu. Siegreichen Piloten – es gab kaum etwas, was schneller die Runde machte als der neueste „kill score”. Solche Töne kamen natürlich immer gut an. Ein Verhältnis von vielleicht drei zu zwei oder zwei zu eins zugunsten der Menschen war keine Selbstverständlichkeit in diesem Krieg. Und wenn man den Tod des feindlichen Trägers hinzunahm, dann gab es genug Grund, stolz zu sein. Lightning hielt wenig davon, ihre Untergebenen wegen Verlusten „anzuscheißen“. Zumindest, so lange keine Unterlassungssünden festzustellen waren. Dafür war später immer noch Zeit. Und in einem Kampf wie diesem mußte man gar nicht „Schuld“ haben, um abgeschossen zu werden. Es waren genug Gegner unterwegs, genug Raketen wurden abgefeuert, daß einige zwangsläufig ihr Ziel trafen. Am liebsten hätte die Kommandeurin ihren Leuten noch ein paar lobende und beruhigende Worte betreffs ihrer Kameraden gesagt, und die Staffel dann schlafen geschickt. Brauchen konnten ihre Piloten das bestimmt. Aber das war leider nicht möglich. So mußte sie sich mit einer im Brustton der Überzeugung vorgetragenen Versicherung begnügen, es ginge allen gut und sie würden bald geborgen. Dabei half ihr, daß Marine offenbar schon wieder an Bord geholt worden war. So nah am Träger war es ein leichtes, sie einzusammeln, zumal sie kontrolliert ausgestiegen war. Vermutlich schwankte ihre Stimmung zwischen Scham, Wut und Enttäuschung. Ihr erster Kampf – und sie wurde prompt abgeschossen. Nun, Lightning legte sich in Gedanken schon eine passende Rede zurecht, die zwar ermahnend, aber nicht vernichtend wirken sollte. Sie gab rasch die nötigen Befehle, damit die Jagdflieger wieder kampfbereit gemacht wurden – und die Ersatzmaschinen auch. Das war zum Gutteil ebenfalls ein psychologischer Schachzug, mit dem sie zeigen wollte, wie fest sie von der Rettung ihrer Piloten überzeugt war.
Die Kommandeurin führte ihre „wackere Schar“ – momentan sah sie freilich eher nach einer „wracken Schar“ aus – zum Briefingraum. Auch die anderen Piloten des Geschwaders waren anscheinend auf dem Weg dorthin. Und dazu viele Fremde. Der Umstand, daß die INTREPID Probleme hatte, war längst herumgegangen. Das dämpfte die Freude der Piloten, diese typische Mischung aus „noch einmal davongekommen“ und „denen haben wir aber den Arsch aufgerissen“ etwas. Eine ganze Anzahl „Unentwegter“ waren aber natürlich dennoch dabei, Lautstark und mittels Handbewegungen die von ihnen bestandenen Kämpfe zu beschreiben. Andere unterhielten sich darüber, was für einen tollen Anblick die Akariischiffe doch geboten hatten, als sie in die Luft flogen. Irgendwelche tiefschürfenden Gedanken, daß dort drüber ja auch nur lebende, denkende, fühlende Wesen waren, die „nur“ ihre Pflicht taten, äußerste keiner. Zumindest nicht laut und in der Öffentlichkeit. Aber selbst Lightning, die wirklich nicht sehr blutrünstig war, kam gar nicht auf solche Ideen. Sie flachste eher mit ihren Kameraden und äußerste sowohl Lob als auch spöttische Kritik, wie einer von ihnen. Nur zur Hälfte war dies gespielt. Auch sie fühlte sich aufgekratzt, empfand das Glück, noch einmal dem Tod von der Sense gesprungen zu sein, und dabei tüchtig ausgeteilt zu haben. Drei Abschüsse, die Hälfte der gesamten Staffelausbeute, ging auf das Konto ihrer Rotte.
Im Briefingraum ließ sie sich wie die anderen auf einen Stuhl fallen. Sie registrierte, daß Lilja immer wieder den Bordfunk kontaktierte, und nervös rauchte. Ihre XO nahm ihre Pflichten sehr ernst.
Als Commander Cunningham den Raum betrat, fühlte Lightning einmal mehr die alte Antipathie. Diesmal, weil sich Lone Wolf offenbar als blendender Sieger präsentierte. Sie dachte nicht daran, daß es bei ihm vielleicht auch nur psychologisches Theater war. ,Dieser Kerl würde wohl grinsend hereinspazieren, wenn gerade seine Mutter abgekratzt ist, wenn es nur seiner Karriere gut tut. Man stelle sich mal vor, Lone Wolf als Admiral...‘
Sie hob nicht die Hand, als Cunningham nach Freiwilligen fragte. Nicht, daß sie einen Einsatz scheute. Aber sie hatte hier an Bord genug zu tun, und außerdem quälte sie die nach außen durch Optimismus überspielte Angst um ihre beiden noch vermißten Untergebenen. Beinahe hätte sie etwas gesagt, als der Commander ihre XO anschaute – und diese gehorsam die Hand hob, wie könnte es auch anders sein... Aber sie tat es nicht. Einerseits, weil sie Lone Wolfs Drohung durchaus ernst nahm. Und außerdem, Lilja würde es nicht verstehen. Die Russin würde Lightnings Sorge um die abgekämpfte Untergebene vielleicht als Zeichen nehmen, daß die Staffelchefin ihr nicht voll vertraute. Also entließ sie ihre Piloten, die der Russin ermunternd auf den Rücken klopften. Das Lilja darauf kaum reagierte – vor allem nicht so abweisend, wie sie es wohl sonst getan hätte – zeigte besonders deutlich, wie müde sie war. Mit grauem Gesicht marschierte die XO, bemüht aufrecht und zackig, in Richtung Hangar. Lightning schloß auf. „Alles in Ordnung?“ fragte sie, wobei einen zu besorgten Tonfall vermied. Der Seitenblick Liljas zeigte ihr, daß sie gut daran getan hatte – die Russin wirkte so schon unsicher. Sie setzte zu einer Antwort an, vermutlich eine ihrer typischen Paradefloskeln, die sie direkt aus ihren alten Kriegsfilmen importiert zu haben schien. Doch dann überlegte sie es sich anders: „Wie es geht. Bißchen müde schon. Aber es wird klappen. Erstens habe ich Erfahrung, und zweitens gibt es Mittel.“ Lightning unterdrückte ein Seufzen. Nun, mehr war nicht zu erwarten. Und bei einem sturen Untergebenen, und da war Lilja gewissermaßen ein Härtefall, wenn auch ein eher positiver, blieb ihr kaum eine andere Wahl. Sie konnte der Russin ja nicht befehlen, sich auszuruhen. Also beließ sie es bei einem lapidaren, leicht spöttischen: „Aber pass auf da draußen! Kälte ist gut zum Wachbleiben, aber einen Weltraumspaziergang würde ich dennoch nicht empfehlen.“ Die Russin grinste nervös zurück – vermutlich wollte sie sich ihre Müdigkeit nicht anmerken lassen.
Am Jäger angekommen, kletterte Lilja gewandt ins Cockpit. Zweifelsohne eine Vorstellung, die für dir Augen ihrer Vorgesetzten bestimmt war. Ob angekommen, holte sie einige Tabletten aus einem kleinen Fach – offenbar hatte sie dergleichen immer dabei. Dann machte sie sich an Elektronik zu schaffen. Ihr Jäger war noch nicht startklar, er wurde erst aufgetankt. Dann würde man Raketen anbringen. Lightning hätte sich am liebsten hingehauen, aber sie schuldete es Lilja, bis zu deren Start aufzubleiben – und den Vermißten, auf ihre Bergung zu warten. Und das würde sie auch tun, und zur Hölle mit Cunningham! Die Britin beobachtete müßig, wie Lilja hantierte. Was machte die denn bloß?
„Was soll denn das werden, wenn es fertig ist? Eine elektronischer Wecker, der alle fünf Minuten anspringt?“ Lilja blickte auf. Sie wirkte ein wenig „ertappt“ – vermutlich hatte sie kaum wahrgenommen, daß ihre Vorgesetzte gewartet hatte. Sie schien geradezu verlegen: „Ach... nur etwas an der Kanonenkamera. Ich wechsle die Aufnahmedisk aus. Ich habe vorhin schon ein paar Aufnahmen gemacht und will mir draußen noch einige holen, wenn ich schon fliege.“ „Was denn, noch nicht genug Andenken?“
Die Russin lächelte: „Ist nicht für mich – für ein paar Freunde.“ Lightning lachte schallend: „Wenn du dich um deine eigenen Kinder mal so kümmern wirst, wie um deine ,Freunde‘, dann bekommst du noch einen Orden für vorbildliche Mutternschaft!“ Lilja lief rot an, offenbar hatte ihre Vorgesetzte richtig geraten.
„Nun – warum nicht? Sehen sie eben mehr als nur die Wochenschauen, und es ist echt!“ Die Kommandeurin winkte ab: „Meinen Segen hast du – aber sieh dich vor, daß dir keiner wegen Weitergabe von Geheimmaterial an den Wagen fährt.“ Die Russin wirkte aufrichtig dankbar. Wie leicht so etwas manchmal zu erreichen war.
Zehn Minuten später wurde der Jäger ins All katapultiert. Er wirkte einsatzbereit wie immer. Lightning hoffte nur, daß dies für die Pilotin auch galt. Sie mußte ein gewaltiges Gähnen unterdrücken. Selber fühlte sie sich hundemüde, so als würde sie mit ihrem Jäger auch auf freier Bahn den Kurs verfehlen. Sie stapfte zu einem Kommunikationsterminal. „Hier Lieutenant Commander Parker. Sind...“ Die Stimme ihres Gegenübers klang reichlich genervt, und so müde wie sie sich fühlte: „Jaja, wir haben Ihre Leute, und es geht ihnen gut. Sind Sie jetzt zufrieden?“ Abrupt verstummte der Sprecher. Er hatte wohl für einen Augenblick die Beherrschung verloren – und vergessen, mit wem er gerade sprach. Aber Lighting war angesichts der ihr nun zustehenden Ruhepause überaus gnädig gestimmt: „In Ordnung. Die Krankenstation soll sie überprüfen. Verstanden?“ Dann machte sie sich auf den Weg. Ein paar Stunden herrlichen Schlafes warteten – dann begann die Arbeit vom neuen, angefangen mit dem unvermeidlichen Schreibkram wegen den eigenen Verlusten. Und ein paar Gespräche. Und... Aber das war ihr im Augenblick egal. Diesmal nicht. Diesmal würde sie keinen Brief schreiben müssen, voller wohlklingender, teilweise auch ernstgemeinten – aber so unzureichenden - Phrasen, um Eltern, Ehepartnern oder gar Kindern den Tod ihres Angehörigen mitteilen zu müssen. Diesmal nicht...
Tyr Svenson
Während im Graxon-System die größte Raumschlacht seit Mantikor tobte, gab es dennoch an Bord der COLUMBIA Männer und Frauen, deren einzige Aufgabe das Abwarten war. Die Mannschaftsmitglieder und die technischen Dienste hatten ihre speziellen Aufgaben. Aber die Marines waren in einer Raumschlacht so nutzlos, wie eine Schwarzpulverkanone. Enterunternehmen waren diesmal nicht geplant – und so lange der Kampf im Weltall tobte, waren sie sowieso viel zu riskant und zeitaufwendig. Und nur Rekruten frisch aus dem ‚Bootcamp‘ rechneten mit dem Risiko, daß die COLUMBIA selber geentert würde.
Aber Vorschrift war Vorschrift – und die besagte, daß die Marines in voller Gefechtsmontur in den Bereitsschaftsräumen warteten – bis der Einsatzbefehl kam, oder sie im Falle einer Havarie als Hilfstruppe angefordert würden.
Die Mannschaftsräume der Marines unterschieden sich grundsätzlich von denen der Piloten. Sie waren wesentlich spartanischer und kleiner. Die Marinesoldaten von Schiermers Platoon bildeten einen Kreis um den Master Sergeant. Auch wenn die Marines das Bild des furchtlosen, zum Töten gedrillten Kämpfers kultivierten, das endlose Abwarten in Unwissenheit über den Verlauf der Schlacht, die Machtlosigkeit, die Erkenntnis, wehrlos vom Können und Glück anderer Kräfte abhängig zu sein, war eine Belastung. Vermutlich war das einer der Gründe, warum sich Schiermer von einer Seite zeigte, die die jungen Männer und Frauen bisher selten an ihm gesehen hatten. Wie andere Soldaten hatte er, die Dienstvorschrift ignorierend, den Helm abgesetzt und saß, scheinbar völlig entspannt, auf dem Boden. Seine Augen hatte er halb geschlossen, das Sturmgewehr lag lässig über seinen Oberschenkeln. Von Zeit zu Zeit warf er kurz etwas in eines der Gespräche ein, die rings um ihn halblaut geführt wurden. Dabei aber war seine Stimme erstaunlich ruhig – nicht gerade kameradschaftlich, aber ohne den schneidenden oder schleifenden Unterton, den seine Untergebenen kannten und fürchteten. Dieses lockere Gebaren des Chefs beruhigte die Leute unwillkürlich, lenkte sie etwas von der Anspannung ab – was Schiermer natürlich beabsichtigte. Er war kein Platoonführer, der auf Harmonie Wert legte – aber sinnloser Druck brachte nichts.
„...wart‘s ab, Howard. Warum müßt ihr Jungfüchse nur so abschußgeil sein? Bloß weil ihr an Bord keine Nutte flachlegen könnt, müßt ihr das doch nicht an den Akarii kompensieren, ihr Grünschnäbel. Du kommst schon noch zum Schuß!" Die spöttischen Worte begleitete Schiermer mit einer ziemlich obszönen Geste, die von den meisten Soldaten mit wiehernden Lachen honoriert wurde.
Howard konnte das nicht gänzlich auf sich sitzen lassen: „Klar, Sie haben mehr Kampferfahrung. Aber wir wollen auch mal `n Bronzestar.“
Schiermer fixierte den Marine mit einem leicht zynischen Grinsen: „Auf den Bronzestar bist du scharf? Du hast ja gar keine Ahnung...“
Jetzt schaltete sich Porks ein. Der untersetzte Corporal schien ebenso lässig wie der Sergeant: „Warum erzählen Sie mal nicht, Sarge, wie Sie ihr erstes Blech bekamen.“
Schiermer drehte sich um: „Tja, wieso nicht. Das war auf...“ Er stockte kurz: „Wißt ihr Grünschnäbel eigentlich, wie die Scheiße auf Pandora begann?“
Eine der Soldatinnen zuckte mit den Schultern: „Was ist mit Pandora?“
Porks lachte jäh auf, während Schiermer sich mit der flachen Hand vor die Stirn schlug: „Ihr seid ja noch nicht trocken hinten den Ohren. Na schön, also ganz von Anfang an...“ Die Soldaten rückten näher. Es war absolut ungewöhnlich, daß der Sergeant aus eigenem Antrieb irgendetwas aus seiner Vergangenheit erzählte.
***
Der Sergeant erzählt
„Pandora ist ein Drecksloch, ganz nah an unserer Grenze zur heutigen Konföderation. Als es 2320 besiedelt wurde, gab es eigentlich dafür nur einen Grund – der Planet hatte ein ziemlich erdähnliches Klima. Aber es schien dort weder besonders viele Bodenschätze zu geben, noch sonst irgendetwas von großem Wert. Bis 2400 krähte kein Hahn nach Pandora. Man lud massenhaft „Freiwillige“ auf dem Planet ab, ihr wißt schon, als sie die Slums auf der Erde auskämmten, überließ die aber weitestgehend sich selbst. Doch dann kam die Separation der Colonial Confederation. Auf Pandora ging es ganz knapp ab – aber der Planet blieb in der Republik.
Es stellte sich bald heraus, daß die Sache etwas zu knapp für manche abgegangen war. Irgend so ein paar Idioten faselten von Wahlbetrug. Tja, die damalige Verwaltung reagierte etwas ungeschickt. Man wollte wohl keine Weichheiten zeigen. Also setzten sie die Nationalgarde ein. Als der Rauch sich legte, hatte es ein paar hundert Tote gegeben. Und das war der Anfang. Das wurde nicht vergessen.
Pandora wurde jetzt viel wichtiger, als man je gedacht hatte. Dicht an der Grenze zur Konföderation gelegen, stationierte man dort Truppen und baute ein Reparaturdock im Orbit. Die Landwirtschaft wurde wichtiger für die Versorgung der Garnisonsplaneten an der neuen Grenze. Und da die Republik einen ganzen Haufen von Planeten verloren hatte, begann man, die verbliebenen etwas effizienter zu nutzen. Auf Pandora entdeckte man Bodenschätze – strategische Metalle, spaltbares Material und Coltan zum Beispiel. Also begann der forcierte Abbau, `nen richtiger Goldrausch. Die Bevölkerung explodierte und ein Haufen Aasgeier verdiente sich goldene Nasen. Tja und das stieß immer mehr von den „Ureinwohnern“ sauer auf. Und dazu kamen Probleme mit den Bergarbeitern. Ich weiß nicht genau, was da lief, bin nicht beim NIC, aber es wurde wohl viel bei den Lizenzen geschoben und beim Arbeitsschutz und Lohn abgezogen... Jeder gehirnamputierte Schwachkopf hätte merken müssen, daß sich was zusammenbraute. Aber so lang das Geschäft lief, kümmerte es keinen. Die planeteare Verwaltung verdiente wacker mit – und auch die Offiziere der Garnisionstruppen.
Außerdem heißt es, daß irgendjemand aus der Konföderation eifrig mitzündelte. Weiß nicht, ob das stimmt. Bestimmt nicht die Regierung. Aber das läßt noch genug übrig...
Vor dreißig Jahren ging es richtig los. Die ganze Scheiße fing mit einem Bergarbeiterstreit an. Irgend so ein bescheuerter Idiot rief Soldaten zur Hilfe. Ihr kennt das Lied. Als hätte man in `nem Minenfeld getanzt...
Nun sah man schon damals mehr auf die Akariis, als auf den eigenen Hinterhof. Also ließ man die Sache eine ganze Weile schleifen. Die Minenkonsortien und Regionalverwaltungen hatten ziemlich freie Hand – und die meisten verbockten es.
Als dann die ersten Geschichten von „Vernichtungskompanien“ und „Befriedungseinsätzen“ im Hinterland an die republikanische Presse gingen, war das Geschrei groß. Eine Untersuchungskommission wurde gebildet und ein paar Leute geschasst, die zuviel Dreck am Stecken hatten.
Aber die Untersuchung verlief im Sand – die Scheiße reichte zu weit nach Oben, nehme ich mal an. Außerdem wollte die Zentrale vor allem ungestörte Rohstofflieferungen. Der Kalte Krieg mit den Echsen war in vollem Gang... Mit ein paar politischen Organisationen schloß man Abkommen, ein paar Banden gaben ihre Waffen ab.
Aber es kam nie so ganz zur Ruhe. Während die Mienen gesichert wurden, breitete sich die Guerilla im Hinterland aus. Vor etwa zwanzig Jahren wurde dann klar, daß die planetaren Streitkräfte nicht reichten – tatsächlich bezogen die Guerillas von dort einen Gutteil ihrer Waffen. Also setzte man Einheiten des Marinekorps und der Army ein. Zuerst nur ein paar kleinere Verbände – aber das weitete sich aus.
Als ich vor zwölf Jahren mit `nem zum Truppentransporter umgebauten Frachter nach Pandora verlagert wurde, war inzwischen ein ausgewachsener Krieg im Gange. Marinekorps, Army, planeteare Kräfte – und seit einem Jahr auch die Fremdenlegion. Zu allem Überfluß heuerten die Minenkonsortien auch noch „Sicherheitskräfte“ an – Söldner. Typen, die sie bei der Legion als zu durchgeknallt rausgeschmissen hatten. Und daneben hatten einige der Konzerne aber auch angefangen, Schutzgelder an die Guerilla zu bezahlen, damit ihre Geschäfte nicht gestört wurden...
Pandora besteht aus mehreren Kontinenten. Die beiden im Norden – Alpha und Beta – sind relativ klein. Überwiegend gemäßigtes Klima – hier konzentrieren sich 80% der Landwirtschaft. Dazu kommt ein ganzer Haufen von Bergwerken. Die Guerilla war hier nie besonders stark – kein so gutes Gelände. Ein paar Banden in den Gebirgen – aber die „Kampfzone“ sind die Mienensiedlungen. Auch wenn den Bergleuten die national-konföderativen Töne der Guerilla am Arsch vorbeigehen, sie haben genug Gründe mitzumachen.
Gamma ist ein verschissenes Archipel – aber auf einer Fläche, die größer als Europa ist. Die größte Insel hat die Fläche von England. Überwiegend tropisches und subtropisches Klima. HIER sind die größten Bodenschätze zu finden. Daneben noch etwas Landwirtschaft, `ne ziemlich intensive Fischereiwirtschaft und Holzindustrie – für den planetearen Bedarf und den Export. Dazu kommt eine Fauna und Flora, die nach dem Motto giftig und aggressiv funktioniert. Vögel und Säugetiere gibt es nicht – dafür aber alles, was an fleischfressenden Reptilien und giftigen Insekten möglich ist. Die größten Fleischfresser sind die Gila-Warane – schlimmer als `ne Claymormine. Bis zu fünf Meter, auf kurze Entfernungen schneller als jeder Mensch und auch noch giftig. Die gibt’s übrigens auch im Meer.
Ich glaube, als die ersten Schiffe landeten war es auf dem Archipel – daher hat der Planet auch seinen Namen. Und in DER Ecke fanden neun von zehn Gefechten statt. Und finden immer noch. Tja damals – ich war fast genauso grün, wie ihr Jungspunde. Die Grundausbildung und Garnisionsdienst an der Grenze zur Konföderation - aber noch kein richtiger Kampfeinsatz. Konnte vielleicht eine Schützen- von einer Panzermine unterscheiden, aber hatte noch nicht EINEN scharfen Schuß abgegeben...“
Jean hatte Mühe, sich einen jüngeren, unsichereren und wohl auch unschuldigeren Clas Schiermer vorzustellen. Die Aura eiskalter Präzision und zynischer Skrupellosigkeit, die der Veteran auszustrahlen schien, machte es nicht einfacher. Im Gegensatz zu den meisten anderen Marines kam sie nicht aus den unteren Schichten der Gesellschaft und hatte schon einiges über Pandora gehört. Was Schiermer erzählte war ihr nicht völlig neu. Der Sergeant war ziemlich gut informiert, auch wenn seine Sicht manchmal etwas sehr gefühllos-simpel war. Einiges aber hörte Jean zum ersten Mal.
„Das erste halbe Jahr schob ich Dienst in einer verschissenen Garnisonssiedlung. Damals lief wohl so `ne Art Deeskalationsstrategie – jedenfalls rückte meine Einheit nicht aus, wir blieben im Süden von Alpha stationiert. Das maximalste war, daß man uns loshetzte, wenn es mal `ne Demonstration gab. Dann hockten wir in einer Seitenstraße in den MTW‘s und warteten, daß es Ärger gab. Die paar Mal, die ich dabei war, blieb aber alles friedlich. Das exotischste, was wir zu Sehen bekamen, waren die Krankheiten, die sich einige bei irgendwelchen Nutten aufgabelten. Und Verwundete gab’s nur, wenn die Freigänger vom Korps, der Army und der Legion mal aneinander gerieten. Ich Idiot konnte natürlich damals nicht richtig würdigen, was für einen netten Druckposten ich da hatte – also versuchte ich, in die Kampfzone zu kommen.
Um diese Zeit fand mal wieder ein Wechsel an der Spitze statt. Gouverneur Strater verschwand von der Bildfläche. Er stolperte über irgendeinen Dreck der im Hinterland abging – irgendwas mit Waffenschmuggel. Der Planet verschleißt Gouverneure im Jahrestakt, einer wurde sogar ermordet und ein anderer wanderte hinter Gitter.
Der Neue war diesmal General a. D. Wessley Mitchell. Ein richtiger Stahlbeißer. Damit war die „Deeskalationsstrategie“ gelaufen – und ich Idiot bekam meinen Fronteinsatz. Auf Gamma gab es Gebiete, die schon seit Jahren nicht mehr unter Kontrolle der Regierung waren – sieht man mal davon ab, daß gelegentlich ein paar Flieger hingeschickt wurden und wegbombten, was verdächtig schien. Nun, Mitchell, ein echter Armyhengst, setzte nicht auf Suchen-und-Vernichten, sondern Halten-und-Sichern. Und er bot so ziemlich alles auf – Armeeinheiten, Marinekorps, Fremdenlegion und planeteare Truppen, Artillerie, Luftwaffe, Marineverbände. Allein auf Scylla, der Hauptinsel von Gamma, sollte an zwei Dutzend Stellen Luft- und Seelandungen anrollen.
Ich gehörte zu einem Sturmbattaillon, das eine der Küstensiedlungen sichern sollte. Angeblich floß über diesen Punkt ein Teil des Nachschubs für die Dschungelguerilla. Was weiß ich. Der Angriff umfaßte ein Dutzend Sturmfähren und Atmosphärenjäger.“
In Schiermers Gesicht arbeitete es. Er sah seine Zuhörer nicht an, schien völlig gefangen in der Erinnerung: „So etwas habt ihr noch nicht gesehen. Das Ufer und die See brannten, nachdem die Jäger mit Sprengbomben und Napalm angegriffen hatten. Die Luft schmeckte nach Rauch und Vernichtung, als wir aus den Transportern sprangen. Über uns heulten Triebwerke der Transporter und Jäger. Wir bildeten eine Sturmlinie und rückten vor. Überall Feuer. Das war das erste Mal, daß ich Leichen sah – wohl eine Flakstellung, die einen Napalmkanister abbekommen hatte. Die Kadaver waren total verbrannt. Es stank nach verschmorten Fleisch...
Dann bekamen wir Schützenfeuer. Ein, zwei Marines kippten um, wir schmissen uns in den Dreck. Ein Schnellfeuerlaser gab Deckungsfeuer und der Sarge befahl Sturm. Eine Granate – von den Guerillas blieb nur noch Hackfleisch. Es hieß immer „Schneller, Schneller!“, sie wollten wohl nicht, daß jemand uns davonkam.
Zivilisten hab ich keine lebenden gesehen. Hatten sich wohl alle verkrochen oder waren geflohen.
Die ganze Sache war ein Schlag ins Wasser – irgendwie hatten diese Hunde mitbekommen, was wir planten. Wir killten vielleicht zwei Dutzend Guerillas. Das war alles. Das war der „große Befreiungsschlag“ von Mitchell...“
„Und Ihr Orden?“ Privat Juan hakte nach – als einer der „Alten“ konnte er sich das auch erlauben.
„Mein Orden? Ach ja. War eigentlich mehr ein Zufall. Nachdem die Ballerei vorbei war – nicht daß es lange gedauert hätte – mußten wir das Drecksnest ja auch noch durchsuchen. Sie schickten uns in kleinen Teams los. Tja, als wir bei einer Baracke ankamen, glaubte ich, ich hätte was gehört. War sicher nur `ne Ratte – aber damals war ich noch feucht hinter den Ohren. Also pfefferte ich eine Sprenggranate in den Raum. Dann rein – die Waffe im Anschlag – und ich rausche wie ein geölter Blitz durch den Fußboden in ein verschissenes Loch. Die Guerilla hatte da einen Bunker getarnt. War allerdings nicht viel übrig – ein paar Waffen, Karten, bißchen Propagandamaterial. Aber es war ein Erfolg – und den konnte man damals für den Abschlußbericht gebrauchen. Also wurde aus dem Loch ein ausgehobener Kommandobunker und ich bekam den Bronce Star. Etwas desillusionierend nicht?“
Die meisten Soldaten mochten ihm da wohl zustimmend.
„Und ihr nächster Orden?“ das war Howard. Gerade WEIL Schiermer den hochgewachsenen Marines ganz besonders zu schleifen schien, gab sich Howard manchmal etwas vorlaut.
Schiermer blickte auf. In seine Stimme kehrte aus irgendwelchen Gründen der altvertraute, gefürchtete schleifende Ton zurück: „Wir haben noch nicht zusammen im Schützenloch gehockt, oder Private?!“
„Nein, Sarge.“
„Na also.“ Und das war alles, was Schiermer dazu sagte.
Jean Davis fiel auf, daß Juan, der andere Scharfschütze des Platoons, wissend grinste. Sie wandte sich zu ihm: „Was findest du so lustig?!“
„Howard ist mal wieder voll auf eine Mine getreten. Der Alte redet nicht gerne davon. Porks weiß mehr, er sagte mal, sein zweites Blech hat Schiermer ein paar Jahre später bekommen. An der R.C. 3.“
„R. C. 3?“
„Der Kolonialtrasse 3. Einer Magnetbahn. Pork sagt, auf Pandora nannten sie die Strecke ‚die beunruhigende Trasse‘.“
„Komischer Name.“
Beide zuckten zusammen, als hinter ihnen Schiermers Stimme ertönte: „Später bekam die Trasse einen anderen Namen...“ Juan und Jean Davis drehten sich um. Der Sergeant starrte Juan düster an, er überlegte sich wohl, was die passende Strafe für schwatzhafte Untergebene war. Ein unangenehmes Licht schien in seinen Augen zu brennen, die mit einmal wieder abwesend blickten. Mit tonloser Stimme sprach Schiermer weiter: „...später hieß sie nur noch tombeau de 2d B. E. . Das Grabmal des Zweiten Bataillons der Fremdenlegion.“
Tyr Svenson
Nachdem Lucas vier Stunden im Raum patrouilliert und etliche Male die SAR-Shuttles eingewiesen hatte, landete er mit zitternden Händen seinen Jäger wieder auf der COLUMBIA. Müde übergab er den Helm an einen der Techniker. Die Aufputschmittel ließen jetzt merklich nach.
Als Darkness ihm noch etwas melden wollte, winkte er ab und stapfte vom Flugdeck.
In sein Quartier wankte er nur noch. Mühsam entledigte er sich seines Fluganzuges und fiel ins Bett. Kaum, dass sein Kopf das Kissen berührte, war er weg.
Der Adrenalinspiegel schoss schlagartig in die Höhe. Ebenso stieg in ihm die Angst zu ertrinken auf. Lucas schoss kerzengerade in die Höhe und hätte sich beinahe seinen Kopf an dem Regal über seinem Bett gestoßen.
Vor ihm stand Radio mit Cunningham's leeren Zahnputzbecher in der Hand.
Der Geschwaderkommandant atmete zweimal durch: "Sind Sie nicht ganz dicht? Mir kaltes Wasser ins Gesicht zu kippen?"
"Ich kann das nächste Mal auch gerne heißen Kaffee nehmen, wenn Ihnen das lieber ist." Der XO der roten Schwadron drehte sich um und brachte den Zahnputzbecher in das Badezimmer zurück.
Langsam richtete Lucas sich auf. Innerhalb von Sekunden breiteten sich unerträgliche Kopfschmerzen in seinem Schädel aus. Er musste sich kurz am Regal über seinem Bett festhalten.
"Alles in Ordnung?" Er fand, dass Radio für diese Art von Frage viel zu wenig besorgt klang.
"Ja, geht schon." ‚Verfluchtes Flash, wie konntest Du Dir das Zeug nur verabreichen lassen, verfluchter Langenscheid.‘ Während er sich trockene Unterwäsche und eine frische Dienstuniform anzog erwog er kurz sich auf der Krankenstation irgendwas gegen die Kopfschmerzen geben zu lassen. Auf Langenscheids 'Ich hab's ja gleich gesagt' kann ich eigentlich gut verzichten.
"Warum wecken Sie mich eigentlich und wie kommen Sie in meine Kabine?"
Radio ging voran: "Sie sollen sich in der CIC melden, es ist so weit, wir holen unsere Jungs raus. Hätte vor sechs Stunden beinahe einen unserer Aufklärer erwischt, die Akarii haben ne Menge SAM's und SSM's."
Lucas nickte, was die Kopfschmerzen nur verschlimmerte: "Wie ist der Zustand des Geschwaders?"
"Naja, Darkness hat so einiges hin und her gewurschtelt mit den Starwarriors. Bis auf die Ausfälle bei den Nighthawks sind wir auf Soll. Was die Starwarriors ziemlich anpinkelt, weil die jetzt recht kleine Brötchen backen müssen. Lieutenant Commander König, der momentane CO der Warriors hat mehrmals nach ihnen geschrien und war kurz davor Darkness mit dem Argument der Seniorität kalt zu stellen, da haben erst mal Wulff und dann mein Dad auf den Tisch gehauen. Ich bin vorhin einmal über die INTREPID drüber weggeflogen, die haben mehr Glück als Verstand gehabt."
Die beiden kamen im Vorraum der CIC an. Ein Rudel Kommunikationsoffiziere schwirrte wie ein Schwarm Kolibris durch die Gegend.
Ebenfalls waren noch Raven und eine sehr bleiche Thunder anwesend, was Lucas an etwas erinnerte: "Hat es Murphy ..."
Radio schüttelte den Kopf: "Nein, man hat den Count aufgefischt und als man Ihre GunCams ausgewertet hatte, die bestätigen, dass nur einer aus der Crusader ausstieg, hat man Murphy für tot erklärt."
Lucas Schultern sackten kurz herab. Er und Murphy hatten sich niemals nahe gestanden, doch hatte er mit dem irischen Piloten gemeinsam in die Hölle Troffens geblickt, nachdem das NIC dort seine Waffentest vorgenommen hatte. Sowas verband irgendwie, irgendwo.
Die beiden Pilotinnen blickten gerade zu Cunningham herüber, er straffte sich schnell und ging auf Thunder zu.
"Ich habe es eben erfahren, Sie haben Commander Murphy sehr nahe gestanden, es tut mir sehr leid." ‚Knapp, schroff, ungenügend, Lucas, Du bist ein Ekel, wenn es wirklich drauf ankommt.
Wo bist Du, wenn ich Akarii abschlachte?‘ brachte er sein Gewissen zum Schweigen.
"Dann wollen wir mal." Lucas flüchtete vor Ravens und Thunders Blicken und der eigenen Courage in die CIC.
Seine restlichen Staffelkommandanten, sowie Admiral Wulf, Captain Waco und seine Nachrichtendienstoffizierin Illyanna warteten bereits.
Waco zog die Stirn kraus, als er seinen Geschwaderkommandanten erblickte: "Sie haben acht Stunden geschlafen und sehen aus wie der wandelnde Tod, Cunningham."
"Oh, dann sehe ich besser aus, als ich mich fühle." Höfliches Schmunzeln machte die Runde.
Wulff gab ihm mit einem Nicken zu verstehen, dass er kurz noch einige Geschwaderangelegenheiten klären könne.
"In Ordnung Ladies und Gentlemen, nach dem bedauernswerten Ableben von Commander Murphy wird ab sofort Commander Burr die Nr. 3 im Geschwader sein, als dienstältester Lieutenant Commander der TSN." Der Professor studierte akribisch genau die Deckenbeleuchtung. Raven selbst wirkte etwas überrascht.
"Commander McGill, können Sie eine Crusader fliegen?"
"Was soll das heiß... ich wollte sagen, ja natürlich, die Rafale baut auf der Crusader auf und ich bin, bevor ich umstieg, eine Crusader geflogen."
Lucas nickte: "In Ordnung, Sie übernehmen die Bronce Schwadron. Ich weiß nicht wie schnell der Count wieder einsatzfähig ist, zur Not müssen Sie sich einen anderen BN suchen." ‚Ich muss mit dem Nicken aufhören, diese verfluchten Kopfschmerzen.‘
Dann wandte er sich wieder Wulff und Waco zu.
"Okay, Kathi zeigen Sie uns mal, was wir so haben." Waco rieb sich die Hände.
Illyanna rief einige Bilder auf: "Aufgrund der starken Flugabwehr konnten die Griphen nicht wirklich nah ran. Wir schickten danach noch ein SWACS rüber und ließen einen Zerstörer das gesamte Gebiet scannen."
Mehrere Punkte leuchteten rot auf und waren mit SSM und SAM gekennzeichnet. "Wie Sie sehen, haben wir an allen vier Punkten des Plateaus die Fla-Rakten. Jede dieser Stellungen hat eine große SSM- und mehrere kleine SAM-Werferbatterien. Jede der vier Stellungen hat ein autonomes Radar. Unsere Auswertung hat ergeben, dass die Akarii noch einige der veraltete SAM-V-Werfer haben, diese verschießen Raketen mit Infarot-Suchköpfen, so dass es nicht reicht, das Radar mit HARMs auszuschalten."
Raven und der Professor verzogen das Gesicht.
"Es kommt noch besser", Illyanna ließ das Bild wechseln, "die Akarii haben noch ein paar altmodische Flaks in Form von Laserbatterien aufgestellt."
"Also, Admiral Long will Vorschläge, wie wir vorgehen. Wir würden ungern mit einem Zerstörer einen Nagel in die Wand schlagen, wie es so schön heißt."
Lucas kratzte sich kurz am Kinn: "Hm, also ein SWACS müsste in den Schussbereich der SSM, um die lasergelenkten Bomben ins Ziel zu lenken. Aber ich denke, dass ist die beste Möglichkeit.
Wenn die Echsen mit ihrem Radar das Shuttle anpeilen jagen unsere Jagdbomber ihre HARMs in die Feuerleitstellungen. Beim zweiten Überflug peilt das Shuttle die restlichen Stellungen an und die zweite Welle Jagdbomber lässt die Bomben fallen."
"Wie bekommen wir die Jagdbomber so nah ran?" Wollte Wulff wissen.
"Durch den Nebel, der den ganzen Planeten überzieht. Wir schicken je eine Sektion Mirage runter, die außerhalb des Feuerbereichs der Akarii-Flak in die Atmosphäre eintauche und sich dem Plateau im Tiefflug nähern. Die Piloten werden dabei zwar die ganze Zeit nach Instrumenten fliegen müssen, aber das sollte kein Problem sein."
"Sicher, dass ein Flug nur nach Instrumenten kein Problem für Ihre Piloten darstellt?" Wulff war noch nicht überzeugt.
"Nun, da gerade im Atmosphärenflug die Instrumente eine sehr große Bedeutung, da die menschlichen Sinne durch bestimmt Flugmanöver stark beeinträchtigt werden. Daher werden in der Ausbildung Atmosphärenblindflüge durch, nur nach Instrumenten. Diese Flüge finden zwar nur im Simulator statt, jedoch wird so was intensiv geübt."
Wulff blickte zum Captain rüber.
"Der CAG ist der Experte Ma'am", Waco nippte an seinem Kaffee.
"In Ordnung, ich werde den Plan Long empfehlen. Arbeiten Sie den Angriff mit Ihren Staffelführern genau aus." Wulff blickte noch mal in die Runde und ging.
Lucas blickte auf Wacos Kaffeetasse. "Ob ich wohl auch einen Kaffee bekommen könnte?"
Ein Crewman brachte den versammelten Offizieren Kaffee.
Lucas bemerkte jetzt erst, dass seine Hände zitterten.
"Flash?" Waco war an ihn herangetreten und flüsterte.
Wider besseres Wissen nickte Lucas und seine Kopfschmerzen nahmen erneut zu.
"Na dann viel Spass, CAG." Der Captain der COLUMBIA grinste und entschwand ebenfalls.
Lone Wolf atmete tief durch: "Also, wie gesagt, werden wir zwei Angriffswellen fliegen. Raven, Sie entsenden eine Sektion ihrer Schwadron. Bestückt mit nichtatomaren HARMs. Sobald die Akarii mit dem Radar nach dem SWACS tasten schalten Ihre Leute die Feuerleitstellungen aus."
"In Ordnung, ich werde die Piloten raussuchen. Wie steht es mit Begleitschutz?" Raven war jetzt ganz Profi, jedwede Feindschaft zwischen ihr und dem CAG war vergessen.
"Eine Sektion Nighthawks gibt Ihnen Begleitschutz. Ich glaube zwar kaum, dass die Akarii noch irgendwo Jäger herzaubern, aber bei den Echsen kann man nie wissen. Und sehen Sie zu, dass Sie schnell wieder draußen sind."
Lucas wandte seinen Blick zum Professor.
"Ich nehme an, eine meiner Sektionen sollen dann die restlichen Stellungen ausheben richtig?"
"Genau, wie Wulff beschrieben, werden Sie nach dem Okay des SWACS angreifen. Durch die Unterstützung des SWACS wird das ein Präzisionsschlag."
"Na, ob das lehrbuchreif ablaufen wird?" Radio klang zweifelnd
"Vielleicht ist heute der Tag der Tage." Der Professor grinste in die Runde.
Das sorgte für etwas Heiterkeit und Gelächter.
Etwas, das Lucas' Brummschädel gar nicht bekam. Wenn es nur nicht so laut wäre Euch zu erschießen.
"Lightning: Ich möchte, dass Sie zwei Jäger für jedes der drei SAS-Sturmshuttles bereitstellen. Das SAS wird angreifen, sobald es die Meldung bekommt, dass die Raum-/Luftabwehr ausgeschaltet ist."
"Aye Sir."
Tyr Svenson
Einsatzgruppe Magellan.
Mit gemischten Gefühlen sah Justus Schneider auf das Schott, an dem gerade eine Fähre andockte. Die letzten Tage hatten ihn dazu gebracht, einiges von seinem ursprünglichen Standpunkt zu überdenken. Captain Singh war dabei, sich seinen Respekt zu verdienen, was Justus aber nur widerwillig zugab.
Die Aufgabenverteilung war optimal, und die KAZE wurde so eingesetzt, wie sie es verdiente – als vorderster Rammsporn. Singh behandelte seine Leute wider Erwarten gut, wie jeden anderen Crewman oder Offizier in der kleinen Flotte.
Die anfänglichen Animositäten hatten nur geherrscht, um ihn, Schneider unter Druck zu setzen und zu sehen, wie er damit klar kam. Ob er fähig genug war, sein Kommando dennoch zu führen.
Hatte er sich in den Augen des alten Inders beweisen können? War sein Schiff vom Abfalleimer der Zweiten Flotte zu einer ernsthaften Kampfeinheit aufgestiegen?
Noch nicht, entschied Justus. Aber der Captain gab ihm diese Chance, sich und sein Schiff zu beweisen.
Irgendwie wusste der junge Commander nicht, was er davon halten sollte. Er hatte sich eigentlich auf Monatelange Grabenkriege mit Singh eingestellt, dass er sich mehr als einmal schützend vor seine Crew stellen würde müssen. Auf Bezichtigungen auf Unfähigkeit, Sonderschichten und unnötige Aufgaben.
Nichts dergleichen. Stattdessen eine optimale Aufgabenverteilung.
Ein Grinsen huschte über das Gesicht des Mannes aus Europa. Es war einfach kaum zu glauben, er fing tatsächlich an, den alten Inder zu respektieren.
Justus wünschte sich, mit ihm ein ernsthaftes Gespräch unter vier Augen zu führen. Nun, das würde so schnell sicher nicht möglich sein. Aber mit Commander Maleetschew, dem Ersten Offizier des Flaggschiffs sollte vielleicht ein Gespräch möglich sein. Sicherlich war der Russe weit voreingenommener gegenüber der KAZE und ihres Skippers als Singh.
Aber es würde ein Gespräch unter Gleichen werden. Justus erhoffte sich viel davon. Vertrauen, Informationen und zukünftig etwas Beistand vom IO der ONTARIO.
Ein kaum wahrnehmbarer Ruck ging durch den Boden und kündigte davon, dass die Fähre angedockt hatte – und dass der Pilot nachlässig war.
Justus straffte sich.
Das Innenschott glitt auf, und eine junge Frau in der braunen Dienstuniform der Navy betrat sein Schiff. Sie salutierte vor Justus und sagte: „Lieutenant Jamison-Bowyer, Sir. Ich bitte um Erlaubnis, an Bord kommen zu dürfen.“
Justus salutierte zurück. „Erlaubnis erteilt, Lieutenant.“
Mel lächelte, trat an Justus heran und umarmte ihn. Kurz drückte sie ihm einen Kuss auf die Wange, den Schneider erwiderte.
Seltsam, was sie zusammen gehabt hatten, war so lange her, aber manchmal erschien es ihm, als wäre es erst Gestern gewesen. Er hatte immer noch eine Menge Gefühle für Mel. Und er wusste, dass es bei ihr ebenso war.
Nur dieses gewisse Quentchen, die besondere, einzigartige Liebe, die war nicht dabei. Nicht mehr, oder hatte es sie nie zwischen ihnen gegeben?
„Schön, dich zu sehen, Mel. Was treibt dich auf diese fliegende Rostschüssel?“, fragte er mit einem Zwinkern.
Melissa Jamison-Bowyer klopfte auf ihre Aktentasche. „Ich will mir mal deine Sensoren ansehen, Jus. Unser Skipper ist immer noch sauer auf dich, weil es deine Sensoren gewesen waren, die alle drei Kreuzer der Colonials entdeckt haben, und die der MAGELLAN nur einen. Ich dachte, ich sehe mir mal deine Konfiguration genauer an und beobachte deine Ortungscrew bei der Arbeit. Vielleicht komme ich so hinter dein Geheimnis.“
Justus nickte. „Erlaubnis erteilt. Sauer, hm? Das erklärt warum sie nicht mehr mit mir spricht. Komm hier entlang, Mel. Bevor du loslegst, hast du doch sicher Zeit für eine Mahlzeit, oder? Ich habe den Smutje gebeten, für dich eine vegetarische Reispfanne zu machen.“
Ihre Augen leuchteten, als Jus trotz der vielen Jahre bewies, dass er nichts von ihren Vorlieben vergessen hatte. „Danke, Jus. Ich habe tatsächlich noch nichts gegessen.“
Nebeneinander machten sie sich auf den Weg zur Kantine der KAZE. Sie begegneten übermäßig vielen Mitgliedern der Crew, die meisten – vor allem die Männer – trugen saubere und frisch gestärkte Uniformen und salutierten diensteifrig, wenn sie an den beiden vorbei kamen.
Justus schmunzelte bei diesem vermeintlichen Eifer. Männer.
„Was war das denn eben gerade?“, fragte Melissa, während sie sich in der Kantine setzte. „Ich hätte nicht gedacht dass deine Crew soviel Wert auf saubere Uniformen legt. Ich dachte immer, bei dir an Bord geht es lax zu.“
Justus grinste breit. „Alles nur deine Schuld, Mel. Irgendjemand aus der Zentrale muß weitergegeben haben, dass du an Bord kommst. Da haben sich die Herren eben etwas rausgeputzt.“
Mel riss die Augen auf. „Was? Wegen mir? Wieso?“
Justus begann herzhaft zu lachen. „Sag mal, Bücherwurm, hast du in letzter Zeit mal in einen Spiegel gesehen?“
„Wieso?“
Justus schmunzelte. „Weil du in der gesamten Flotte der Einsatzgruppe Magellan die zweithübscheste Frau bist, Schatz. Es wundert mich ehrlich gesagt, dass du nicht mit Liebesbriefen zugeschüttet wirst.“
Mel wurde rot. „Ach, es gibt da schon ein paar. Zehn bis zwölf.“
„Im Monat?“ Verlegen sah die hübsche Frau weg. „In der Woche. Aber so war das schon immer“, fügte sie hastig hinzu.
Justus schlug eine Hand vor sein Gesicht. „Mel, hast du überhaupt eine Ahnung, was du mit einem Lächeln bei einem Mann anrichten kannst? Weißt du überhaupt, dass du locker bei einer Miss-Wahl gewinnen könntest? Ich bin mir sicher, du kannst dir aus jedem Mann an Bord der KAZE oder der MAGELLAN oder einem anderen Schiff der Flotte jemanden aussuchen. Sie würden dir alle verfallen.“
„Wirklich?“, fragte sie aufgeregt. Nur um sofort eine geschäftsmäßige Miene aufzusetzen. „Nicht, dass ich Wert darauf lege, gut bei allen Männern anzukommen. Das ist ja auch gar nicht mein Aufgabe in der Navy, oder?“
„Aber?“ „Was, aber?“ „Da schwang doch noch ein Aber mit, Schatz. Also. Aber?“
Mel zögerte und wurde wieder rot. „Aber… Da ist dieser… Dieser Offizier. Ich glaube, ich mag ihn, aber ich weiß nicht, ob er mich auch mag. Ich meine, wenn ich mit ihm spreche oder wenn ich ihm gegenüber stehe, dann… Dann rast mein Herz, so wie damals bei dir, Jus. Nein, schlimmer. Er ist toll und nett und redet so viel mit mir. Aber… Ich habe Angst, dass er mich nicht mag, Jus. Ich würde ihn gerne auf meine Gefühle ansprechen, doch ich habe Angst vor der Antwort.“
„Ach, deswegen bist du hier. Du willst meinen Rat haben.“
Mel sah verlegen auf die Tischplatte. „Das mit den Sensoren stimmt aber. Es hätte allerdings auch ein Techniker erledigen können. Ich musste einiges tun, um meinen eigenen Auftrag ausführen zu dürfen. Jeremy war vielleicht sauer.“
Justus Schneider schmunzelte. „Commander Baker ist es also nicht, richtig?“
„Nein, wie kommst du darauf? Wir sind nur Kollegen und Freunde.“ Wehmütig sah sie Schneider an. „Obwohl… ich weiß nicht, ob wir noch Freunde sind. Als ich ihn fragen wollte, ihn um Rat wegen meiner Gefühle bat, da hat er nur schroff erklärt, dass Beziehungen zwischen Navy-Angehörigen verboten sind.“
Justus schüttelte den Kopf. „Du bist ein ganz schöner Tollpatsch, weißt du das? Sag mal, wie viele Männer willst du eigentlich vor den Kopf stoßen, bevor du bei dem richtigen landest?“
„Was? Wie meinst du das?“ Schneider grinste schief. „Und das erklärt noch einiges. Commander Baker scheint mich in letzter Zeit echt gefressen zu haben…
Hör zu, Mel. Es ist mir klar, dass du noch nicht kapiert hast, dass Baker etwas für dich empfindet. Sicher kann er es nicht einordnen und wäre mehr als froh, wenn ihr beide zusammen herausfindet, was dieses Gefühl ist. Aber du hast augenscheinlich kein Interesse über eine Freundschaft hinaus für ihn. Und das verletzt ihn. Schlimmer noch, Mel. Du fragst ihn wegen einer Beziehung und kommst dann auf mein Schiff. Er weiß, dass wir mal was miteinander hatten. Spätestens jetzt wird er mich abgrundtief hassen, weil er denkt, du lässt unsere alte Beziehung wieder aufleben.“
Melissa Jamison-Bowyer, staatlich anerkanntes Genie, starrte Justus Schneider mit einem dümmlichen Gesichtsausdruck an, der ihrem Hundertfünfziger IQ Lügen spottete. „Äh…“, machte sie.
„Du hast jetzt zwei Möglichkeiten, Schatz. Entweder klärst du das mit Baker und rettest mich davor, irgendwann mal von der MAGELLAN aus Versehen beschossen zu werden. Oder du benutzt mich als Schild gegen Baker. Und solange er glaubt, dass ich deine Liebe bin, ist er abgelenkt und du kannst deinem Offizier dein Herz ausschütten. Wer ist es überhaupt? Kenne ich ihn?“
Melissa war vollkommen überrumpelt. „Er… Er ist Pilot im Dirty Bunch.“
„Hm. Gute Leute. Sehr gute Leute. Habe auf GIBRALTAR mit einigen von ihnen getrunken. Aber ich hoffe dennoch, es ist einer der Hütehunde, nicht?“
„Hütehunde? Ich… ich weiß nicht. Er ist… Ich weiß gar nicht, ob er auch einer der ehemaligen Sträflinge ist. Das ist mir auch egal. Ich…“
„Ist er Lieutenant oder höher?“ „Lieutenant.“
„Dann ist er definitiv ein Hütehund. Die Sträflinge sind nämlich allesamt Ensign und dürfen auch nicht weiter aufsteigen. Was ich persönlich für Quatsch halte. Also, ich halte gerne den Kopf für dich hin, Mel, aber ich will Ergebnisse sehen. Da ich ja jetzt weiß, wen du meinst, spreche ich ihn notfalls selbst an.“ Justus zwinkerte ihr zu. „Es kommt ja nur First Lieutenant Jörgensson in Frage.“
„Was?“, rief sie entsetzt. „Woher weißt du das, Jus?“
„Jetzt weiß ich es genau“, kommentierte Schneider mit einem breiten Grinsen.
„Oh. Du! Du bist unmöglich, weißt du das, Jus?“
„Und das ist der Grund, warum du mich so liebst, Mel“, erklärte er mit entwaffnender Offenheit.
Sie versuchte, ihr Schmunzeln zu unterdrücken, aber es gelang ihr nicht. „Danke, großer Bruder.“
„Da nicht für, kleine Schwester. Denn im Gegensatz zu Commander Baker glaube ich nicht daran, dass Beziehungen zwischen Mitgliedern der Navy verboten gehören.“
„Ach ja, das erinnert mich doch an etwas. Du sagtest vorhin, ich wäre die zweithübscheste Frau in der Flotte. Die hübscheste wird dann wohl die Frau sein, in du dich Hals über Kopf verliebt hast. Soll ich mal raten, wer das ist?“
Nun war es an Schneider, rot zu werden. „Mel, wir sind hier nicht alleine.“
„Ach, das hat dich vorhin auch nicht gestört, als du über mein Liebesleben spekuliert hast. Ich glaube, ich weiß jetzt, in welche Frau an Bord der KAZE du verliebt bist. Ich habe deinen Kamelblick gesehen, als du mit ihr gesprochen hast. Es ist Commander Soleil, dein Erster Offizier, richtig? Es stimmt doch, oder? Na? Na?“, neckte sie den Kapitän der KAZE.
Hinter ihnen krachte ein Tablett zu Boden. Schneider fuhr herum und sah seinen Ersten Offizier zu sich herüber starren. Zu ihren Füßen lag das Tablett.
„Amber, ich…Ich meine, Commander Soleil, Sie…“, stammelte Schneider.
Aber die junge Frau wandte sich ab und verließ die Kantine im Laufschritt.
„Hinterher, du Trottel“, zischte Mel und trat Schneider schmerzhaft gegen sein Schienbein.
Automatisch stand Justus auf und lief hinterher. Auf dem Gang angekommen warf er einen Blick in beide Richtungen und versuchte zu ergründen, in welche Richtung sein Erster Offizier geflohen sein konnte. Er hielt sich zur Brücke und begann zu laufen. Bis ihn zwei Hände am Kragen seiner Uniform ergriffen und in einen Abstellraum zogen, der ausnahmsweise nicht bis über seine eigentliche Kapazität gefüllt war. Die Tür fiel hinter ihm zu und Licht flammte auf.
Amber Soleil starrte ihren Vorgesetzten aus Tränenverschleierten Augen an. „Commander Justus Schneider, Sie sind der größte und gemeingefährlichste Trottel der ganzen Navy.“
Justus spürte, wie etwas in ihm zu zerspringen drohte. „Commander, ich…“
„Ist es wahr? Hat Lieutenant Jamison-Bowyer Recht?“
„Amber, ich…“ Alles in ihm drängte Justus dazu, den kleinen Raum zu verlassen, der Aussprache zu entgehen und einen fragilen Frieden zu suchen, der es ihnen erlauben würde, einander wenigstens zu sehen. Wenn nun alles unausgesprochen blieb, konnte er nicht enttäuscht werden. Hatte sie keinen Grund, ihn zu fürchten oder zu hassen. Ein Schatten senkte sich über seine Augen. „Amber, ich liebe dich. Seit wir unsmphhhhh…“
Er kam nicht mehr dazu, den Satz Zuende zu sprechen. Sie verschloss seine Lippen mit einem innigen Kuss.
Als sie ihre Lippen von seinen löste, den Körper noch immer eng an seinen gedrängt, hauchte sie: „Warum hat das so lange gedauert, Commander?“
Entgeistert starrte Schneider in ihre Augen. Konnte das sein? Waren die Tränen Freudentränen. „Ich… ich wollte nicht der nächste Vorgesetzte sein, der versucht, aus seinem Rang Kapital bei dir zu schlagen.“
„Trottel. Hast du nicht gesehen, was ich für dich empfinde? Jeden Tag auf der Brücke? Bei unseren gemeinsamen Essen? Bin ich dir nicht auch immer nachgelaufen, wenn Lieutenant Jamison-Bowyer an Bord war?“
„Das leuchtet mir ein“, brummte Schneider leise. Er sah in die Augen von Commander Soleil und versank in ihnen. „Hoffentlich ist das kein Traum. Hoffentlich wache ich nicht auf und muß erkennen, dass du mich doch nicht liebst. Ich würde zerbrechen.“
Wieder drängte Amber heran, küsste ihn. „Es ist kein Traum. Es ist kein Traum“, hauchte sie und hielt ihn fest in ihren Armen.
Er hielt sie nicht weniger innig.
„Der arme Haruka“, murmelte Schneider schließlich.
„Was ist mit ihm?“, fragte Amber leise.
„Er mag dich. Vielleicht ist er sogar verliebt in dich. Er ist mein Freund und ich will ihm nicht wehtun.“
„Richtig, er ist dein Freund. Und auch meiner. Und genau aus dem Grund wird er wollen, dass sich mit uns alles zum Guten wendet.“
Nun küsste Schneider die junge Frau. „Wann hast du Dienstbeginn, Amber?“
„Warum?“, fragte sie.
Justus verriegelte die Tür der Kammer. „Ach, nur so.“
„Wir machen uns strafbar“, bemerkte Commander Soleil amüsiert.
„Hey, dies hier ist die KAZE. Da zählt das fraternisieren zu den harmlosen Sachen.“
Sie lachte leise. Verblüfft legte sie eine Hand vor den Mund. „Wenn uns jemand draußen hört…“
„Wird er bestimmt nicht glauben, dass die beiden ranghöchsten Offiziere der KAZE hier im Abstellraum stehen und einander abknutschen.“
„Wenn die wüssten“, hauchte sie und begann, an seinem Ohr zu knabbern.
Vor dem Abstellraum stand ein reichlich irritierter Second Lieutenant Johansson. Nachdenklich betrachtete er die verschlossene Tür.
„Was ist los, Chef?“, fragte Sergeant Bannockburn, als er merkte, dass Carl stehen geblieben war.
„Hm. Für einen Moment habe ich geglaubt, ich hätte…“ Er zuckte mit den Schultern. „Schon gut, es ist ja auch egal.“ Langsam setzte sich der Marine wieder in Bewegung. „Obwohl, der Gedanke an sich gefällt mir.“
„Welcher Gedanke, Chef?“, hakte der Sergeant nach.
„Das ist nur was für Erwachsene, Sarge“, tadelte Johansson und klopfte seinem Stellvertreter auf den breiten Rücken.
„Dich geht das also auch nichts an, was?“, erwiderte dieser und grinste breit.
Johansson lachte laut und setzte seinen Weg mit dem anderen Marine fort.
Tyr Svenson
Monty musterte schweigend das knappe Dutzend Piloten vor ihm. Gefühle waren seinem Gesicht nicht abzulesen, denn der leicht blasiert-arrogant zu nennende Ausdruck gehörte zu seiner Natur – was ihn bei Untergebenen und Vorgesetzten nicht beliebt gemacht hatte.
Die „Butcher Bears“ hatten die Aufgabe bekommen, mit einer Sektion den Bodenangriff der Mirages zu unterstützen und Lieutenant Miguell „Monty“ Terrano war fest entschlossen, diese Aufgabe mit derselben Präzision und Fehlerlosigkeit zu erfüllen, die er auch sonst an den Tag legte.
Eigentlich hatte Darkness den Angriff mitfliegen wollen. Aber er war gerade mal vor vier Stunden von einer CAP zurückgekehrt und hatte auch vorher kaum Ruhe gefunden – und das nach dem aufreibenden Schlachteinsatz. Monty hatte Bedenken geäußert, immerhin war die Gefahr gegeben, dass doch noch irgendwelche Akarii-Verbände in das erst vor ein paar Stunden gesicherte System eindrangen. Auch Commander Cunnigham wollte Darkness auf dem Träger in Reserve. Und Darkness selber war in der Lage gewesen zu erkennen, daß es einfach nichts brachte, übermüdet einen simplen Eskortjob zu übernehmen.
„Ich brauche drei Mann...“
Praktisch sofort kamen ein paar Hände hoch. Kano und Brawler gehörten zwar zu den Veteranen, waren aber (aus unterschiedlichen Gründen) immer bereit, einen Einsatz zu übernehmen. Und die „Frischlinge“ Jeanne, Crusader und La Reine waren noch motiviert genug, sich sofort zu melden. Der Rest wartete ab.
Monty schüttelte kurz den Kopf: „Das ist kein Freiwilligenunternehmen. Ich bestimme, wer mitmacht. Ich brauche erfahrene Piloten. Die Akademieausbildung reicht mir nicht. Und Brawler – Sie sollten wissen, daß ich niemals jemanden in den Einsatz schicke, der so kurz vorher von einem SAR-Shuttle aufgelesen wurde. Das wäre unverantwortlich – von mir und von IHNEN.“
Der so gerügte musste sich offenbar eine bissige Antwort verkneifen, was Monty mit einem unmerklichen Grinsen quittierte. Es wurde schließlich Zeit, dass dieser Messerstecher lernte, sich angemessen zu verhalten.
„Ich werde die Sektion führen. Ohka, Sie fliegen als mein Flügelmann. Viking, Fatman, Sie bilden Flight Zwei. Der Rest hat frei. Schlafen Sie, Essen Sie – es kann auch für Sie bald wieder losgehen. Einsatzgruppe - machen Sie sich fertig, in zwanzig Minuten geht es los.“
Die drei ausgewählten Piloten eilten davon, um sich für den Einsatz vorzubereiten. Die anderen gingen auf ihre Quartiere. Bis auf Dutch. Der hochgewachsene, hagere First Lieutenant starrte den kleingewachsenen XO direkt an, alles andere als freundlich. Allerdings ließ sich Monty davon nicht einschüchtern: „Ist noch etwas?“
„Das wissen Sie ganz genau! Warum haben Sie die anderen aufgerufen? Fatman ist Milizpilot! Und Kano ist noch immer nicht ganz trocken hinter den Ohren!“
Montys Stimme war sehr trocken: „Fatman hat in dieser Staffel vielleicht nicht die größte Kampf-, aber die meiste Flugerfahrung. Kano hat immerhin bereits zehn Abschüsse erzielt – wenn alle Jungspunde solche Erfolge hätten, ständen wir über Akar Prime. Vor allem aber zeigt er Einsatzbereitschaft. Ich hatte hingegen den Eindruck, daß Sie...es zu schätzen wüssten, wenn ich Sie nicht aufrufen würde.“
Dutch Gesichtsausdruck war nur noch mörderisch zu nennen. Seine Stimme klang gepreßt: „Was wollen Sie damit sagen?!“
Montys Stimme blieb eiskalt: „Das wissen Sie ganz genau. Aber ich würde es begrüßen, wenn Sie in Zukunft diese Kampfbereitschaft gegenüber den Akarii zeigen würden. Statt sie nur gegenüber Angehörigen der TSN zu finden – oder in einer Schnapsflasche.“
Dutchs Gesicht verzerrte sich. Er ballte die Fäuste. Öffnete und schloß sie, fast automatisch. Aber er sagte nichts, bewegte sich nicht, als Lt. Terrano sich umdrehte und aus dem Raum marschierte. Doch als Monty aus dem Raum war, fuhr Dutch herum – und hämmerte seine Faust in ohnmächtiger Wut gegen die Wand. Einmal, zweimal. Er würde sich nicht noch einmal von diesem arroganten Zwerg abkanzeln lassen. Was wußte dieses Arschloch schon von Mantikor. Was wußte er von den Alpträumen, dem Verlust der Kameraden! Was wußte er...
Doch dann erstarb die Wut in ihm. Monty wußte sehr wohl darüber Bescheid. Er kam von der MAJESTIC – die bei Jollahran zum Totalverlust geworden war. Dutch wandte sich ab, hastete aus dem Raum, fast taumelnd. Er fragte sich, wo dieser dämliche Radio sich rumtrieb. Er brauchte einen kräftigen Schluck...
***
Kano umrundete seine Maschine. Er achtete darauf, sich aufrecht zu halten, auch wenn er sich gar nicht danach fühlte. Vielmehr war er hundemüde, aber er wollte sich das auf keinen Fall anmerken lassen. Auch wenn seit der ereignislosen CAP acht Stunden vergangen waren, er war kaum zum Schlafen gekommen. Das rächte sich jetzt. Aber der XO hatte ihn persönlich ausgewählt und er würde lieber sterben, als dieses Vertrauen zu enttäuschen. Das redete er sich jedenfalls ein.
Die Instandsetzungseinheiten an Bord der COLUMBIA hatten ein kleines Wunder vollbracht. Kanos Jäger war in den acht Stunden praktisch vollständig wiederhergestellt worden. Die Schilde waren wieder voll aufgeladen, die Panzerschäden ausgebessert. Der Jäger war aufgetankt und mit zehn Amrams armiert, eine etwas ungewöhnliche Bestückung. Aber für Bodenangriffe oder den Kampf in unübersichtlichem Gelände waren die Sofortfeuerraketen ideal.
Rund um ihn wurden andere Maschinen bestückt und aufgetankt – Mirages, Phantome und Typhoons, die den Rest der Angriffsstreitmacht bildeten oder die Invasionsshuttles eskortieren würden. Kano mußte grinsen und die Erschöpfung war für den Augenblick vergessen. Eine Invasion - das klang gut. Und er würde dabei sein.
Dann sah er, wie Monty gewandt die Cockpitleiter seines Jägers aufenterte. Er trug bereits den Helm, hatte aber das Sichtvisier geöffnet. Kurz blickte Monty zu den anderen Piloten seiner Sektion, auch zu Kano. Dann hob er den linken Arm und winkte. Aufsitzen!