Tyr Svenson
Die Staffelführer hatten sich ihre Leute für diese Mission ausgesucht und diese eingewiesen.
Lucas stand in der Flugsicherung und blickte aufs Flugdeck hinab.
Acht Mirage waren hochgeholt worden und wurden jetzt bestückt. Die Maschinen der Goldenen Schwadron erhielten je zwei HARM, Sparrow und Sidewinder.
Die Jagdbomber des Professors erhielten jeweils sechs lasergelenkte Bomben vom Typ Rock-Eye und zwei Sidewinder.
Lucas sah wie einige Piloten ihre "Pakete" beschrifteten. Grüße an den Feind. Bomberpiloten.
Als die erste Welle Mirages zu den Katapulten gezogen wurden, wurden vier Nighthawk aufs Flugdeck geschafft und bewaffnet.
Zuzüglich wurden noch vier Phantome bewaffnet und hinausgeschleudert als Eskorte für die zweite Sektion Mirages.
Das SWACS bekam von zwei mit Störsendern ausgerüsteten Griphens Begleitschutz.
Lucas beobachtete wie die letzten Jäger der Angriffsgruppe starteten und ging dann in die CIC.
Dort wartete Darkness auf ihn, der ebenfalls auf Grund seiner Übermüdung Flugverbot hatte. Sein XO reichte ihm einen Becher Kaffee.
Zusammen starrten sie auf den Kartentisch, der die sich formierenden Kampfgruppe zeigte.
"Dies sind die Tage in denen große Taten vollbracht werden. Vollbracht von jungen Männern und Frauen, aus allen Kulturen der Menschheit. Große Taten, die einst Legenden werden.
Vollbracht von Männern und Frauen die man Helden taufen wird.
Sie sind diese Männer und Frauen und heute, ist einer dieser Tage, die Legende werden. Geben Sie Ihr Bestes. Wir alle zählen auf Sie." Lucas sprach leise, nur für sich und seinen Freund hörbar.
Darkness sah seinen Freund schräg an: "Du erinnerst Dich an ihre Worte?"
"Natürlich Jus, immerhin waren es Mannheims Worte vor unserer ersten Schlacht. Gott, waren wir von uns überzeugt."
"Und Gott haben wir auf die Schnauze bekommen."
"Wir waren ja auch bloß 240 Piloten gegen die Hauptstreitmacht der Akarii, wir konnten nur verlieren. Sie waren uns mehr als 5 zu 1 überlegen."
Darkness nickte: "Und Renault hat uns rausgehauen, irgendwie hat er uns und die Moskau da wieder hinausbekommen. Glaubst Du er ist der Mann, der diesen Krieg gewinnen kann?"
"Ja, er wird uns den Sieg bringen."
Raven war einen Blick über ihre Schulter. Ihr RIO arbeitete an den Instrumenten.
"Okay, Ladies und Gentlemen, wir drehen jetzt auf Kurs zum Planeten. Buckaneers: Einfache V-Formation. Escord-Leader: Escord-Formation einnehmen!"
"Roger Buckaneer-Leader!" Monty klang kühl und professionell.
Raven und ihre Schwadron drehten nach rechts, während der Professor und seine Begleiter nach links drehten. Das SWACS mit seiner Eskorte flog gerade auf das Angriffsziel zu.
Nach kaum zwanzig Minuten Flug erreichten die Mirages von Raven und ihre vier Nighthawk-Begleiter die Atmosphäre von Graxon II.
"Also Jungs und Mädels, verdienen wir unser Gehalt." Die Schutzschilde glühten auf, als die Mirage die Atmosphäre durchquerte.
"Oh Fuck, Raven, was ist das für ein Planet." Kevin North versuchte Monty's professionellen Ton nachzuahmen, schaffte es jedoch nicht ganz.
"Ganz ruhig kleiner, ganz ruhig. Wir tauchen auf unter 2.000 Meter ab, Flug nach Instrumenten, ganz wie auf der Akademie Kinderchen." Raven war ganz der Profi. Sie war ganz sicher nicht vom Schlage Cunningham, nie und nimmer. Aber sie war Soldat, und sie war ein guter Soldat und sie wollte einen guten Anführerin sein. Vielleicht fehlte ihr die Kaltblütigkeit von Cunningham und jeder tote der eigenen Staffel ging ihr nahe, doch so wusste sie auch, dass sie ihren Piloten nur die besten Chancen geben zu Überleben, nur die Chance, das Überleben konnte sie niemanden versprechen.
Mit Unterschallgeschwindigkeit näherte sich die Formation dem Angriffspunkt des Plateau. Gelbgrüner giftiger Nebel umgab die Jäger und Jagdbomber.
"Bergspitze voraus, ausweichen, 30 Grad nach Backbord!" Monty hatte als erster reagiert, was daran lag, dass das moderne Radar der Nighthawk sogar den exzellenten Systemen der Mirage überlegen waren.
Die Formation brach nach Backbord aus und umflog den knapp 1.700 Meter hohen Berg, der es nicht schaffte, aus dem Giftnebel auszubrechen.
Schließlich waren die Jäger und Jagdbomber in Position und fingen an zu kreisen.
Als der leitende Sensortechniker des SWACS die letzte Bestätigung vom Professor erhalten hatte gab er die Befehle an den Piloten des Shuttles durch: "Roy, wir gehen rein, die Bomber sind in Position."
Das SWACS und die beiden Griphen stiegen in V-Formation in die Atmosphäre hinab.
"Feindliches Radar peilt uns an!" Meldete einer der Sensor Techniker.
"Buccaneers-Leader: Der Feind hat sein Flugabwehrradar aktiviert, die erste SSM wurde gestartet! Greifen Sie jetzt an! Wiederhole: Greifen Sie jetzt an!"
"Verstanden Eagle-Eye! Buccaneers, wir greifen an! Feuerleitradar an! Aufsteigen!" Raven riss den Steuerknüppel zum Körper hin und gab Vollgas.
"Feuerleitradar ist an! Beide Raketen sind scharf! Nehme Peilung auf!" Kevin North' Nervosität war verschwunden.
"Okay Jungs, ziele illuminieren und ausschalten! Greife Raketenstellung Nord an!" Raven richtete die Nase ihrer Mirage auf die feindliche Stellung aus. Die Luftpolster ihres Raumanzuges bliesen sich automatisch auf, um das Blut, welches aus ihrem Kopf entwich wieder hinaufzudrücken.
Die Laserstellungen der Basis eröffneten das Feuer auf die anfliegenden Jäger.
"Ziele erfasst!" Brüllt North.
"Feure Raketen: eins und zwei!" Raven betätigte den Auslöser.
Die beiden HARM-Raketen zischten los und aus dem etwas schwerfälligeren Jagdbomber wurde ein schnittiger Jäger mit anständigen Flugeigenschaften.
"Raketen im Anflug, die peilen uns!" Jetzt setzte sich doch wieder Nervosität in North' Stimme durch.
"Werfe Täuschkörper, breche rechts weg!" Raven manövrierte hart. "Los! Los! Los! verpasst ihnen Eure Raketen und dann wieder ab in den Nebel!"
Eine der beiden anfliegenden Raketen detonierte nahe der Mirage und ließ das Schild aufflammen.
Kurz darauf meldeten dann auch anderen Piloten der Buccaneers den Raketenabschuss.
"Raketen haben die Ziele ausgeschaltet!" Kam die Meldung des SWACS.
"Hier Professor: Wir nehmen uns die Laserstellungen und Hitzesucher vor!"
Die zweite Welle an Mirages tauchte auf der anderen Seite des Plateau auf und griffen im Tiefflug an.
"Ziele erfassen! Bomben LOS!" Die Mirage ließen ihre tödliche Fracht fallen und verkrochen sich in alle vier Himmelsrichtungen, verfolgt von Laserkanonen und hitzesuchenden Raketen.
"Ich seh es mir noch mal an!" Der Professor wendete seine Mirage und flog noch mal über das jetzt brennende Plateau.
Sofort eröffneten die überlebenden Stellungen auf dem Plateau das Feuer. Mit größter Mühe schaffte es der Professor den Laserstrahlen auszuweichen, jedoch darauf eine der hitzesuchenden Raketen und zerstörte das Seitenschild wie auch große Teile der Panzerung. Danach zog die Mirage eine schwarze Rauchspur hinter sich her.
"Okay, wer die südliche Raketenbatterie ausschalten sollte schuldet der Staffel nen Kasten Bier. Und könnten die Nighthawks mal hinter uns aufräumen?"
Der Professor tauchte ab.
Tyr Svenson
Am Boden blühten Explosionen auf und der Sprechfunkverkehr war mit einmal durch die Meldungen der angreifende Miragepiloten fast überlastet:
„YAHOO!!“
„Das hat gesessen! Volltreffer bei...“
„Achtung! Flakfeuer aus drei Uhr!“
„Raketenpeilung! Raketenpeilung! Breche ab!“
Einzelne oder gebündelte Laserstrahlen tasteten nach den angreifenden Maschinen. Irgendwo explodierte eine SAM in einer rotgelben Feuerblüte.
"Jetzt sind wir dran!" Montys blasierter Stimme war weder Kampfeseifer noch Aufregung anzumerken. "Tiefflugzielangriff - Tally Ho!“
Die Nighthawks gingen noch tiefer und jagten knapp über den Rand des Plateaus wie riesige Haie über eine Riffkante. Praktisch sofort drückte Kano auf die Feuerknöpfe – zu früh und ohne genau zu zielen. Ob er überhaupt etwas traf, wußte er nicht. Schon jetzt stiegen Rauchschwaden auf - ob durch den Beschuß verursacht oder ein Versuch der Akarii, sich einzunebeln. Kano versuchte, eine klare Zielortung zu bekommen. Immer noch streikten die Raketen.
Als die Akarii das Gegenfeuer auf seinen Jäger eröffneten geschah dies mit einer Plötzlichkeit, die Kano überraschte – obwohl er doch darauf gewartet hatte. Irgendetwas traf die Unterseite des Jägers, rüttelte die Maschine durch.
„VERDAMMT!“ Kano zog die Maschine in einer Spirale nach oben. Sein Jäger lag offenbar im Kreuzfeuer einer einzelnen schweren Kanone und eines Laservierlings, die unangenehm genau schossen.
Gleichzeitig warf Monty seine Maschine zur Seite als zwei SAM aufstiegen, die allerdings an den ausgestoßenen Täuschkörpern explodierten. Fatman und Viking ließen sich davon nicht beirren und deckten bereits angeschlagene FLA-Stellungen mit einem regelrechten Feurorkan ein.
Wo waren diese FLAK – DA! Kano warf die Maschine auf den Rücken und ließ sie wie einen Stein fallen – aus allen Rohren feuernd. Die einzelne Strahlenkanone verstummte, als am Boden irgendetwas explodierte. Aber der Laservierling schoß immer noch, während Kano seine Maschine in den Horizontalflug brachte, bohrten Laserstrahlen sich in die rechte Flanke. Warntöne erschollen und informierten Kano, daß schon wieder die Schilde zusammengebrochen waren. Brutal riß er die Maschine herum und wandte dem FLA-Geschütz seinen Bug und das noch intakte Frontschild zu. Dann biß er die Zähne zusammen und drückte alle Feuerknöpfe.
Es war ein ungleiches Duell: der Jäger hatte noch Schilde und die weitaus schwereren Waffen – als Kanos Maschine die Feuerstellung passierte loderte auch an dieser Stelle ein Brand.
Montys Maschine setzte sich mit einmal vor Kanos Maschine.
„Der Raketenwerfer, Sir?“
„Existiert nicht mehr. Damit wären wir wohl fertig. Hier gibt es keine Gegenwehr mehr.“
Tatsächlich hatten Fatman und Viking von den bereits vorher ausgemachten Feuerstellungen nur noch Trümmerhaufen übriggelassen. Dafür hatten allerdings beide einiges an Panzerungsschäden erhalten. Als die Nighthawks noch einmal im Tiefflug über die Anlage hinwegdonnerten schoß da unten keiner mehr.
Dennoch hatte Monty sich geirrt in der Annahme, jeder Boden-Luft-Widerstand sei ausgeschaltet worden. Als kurze Zeit später die Sturmshuttles der SAS angriffen, wurde tatsächlich von ein oder zwei Stellen das Feuer eröffnet. Es war unklar, ob der Akarii-Befehlshaber iin weiser Voraussicht noch irgendwelche Geschütze zurückgehalten hatte, oder ob das einzelne Feuer von todesmutigen Akariis kam, die mit Schulter-SAM den aussichtslosen Kampf aufgenommen hatten. Das konzentrierte Feuer der Fähren und ihrer Begleitjäger löschte jeden Widerstand binnen Sekunden aus.
Dann senkten sich die Shuttles dem Boden entgegen und noch bevor sie den Boden erreicht hatten sprangen die ersten Soldaten aus den Luken. Nicht wie Marines mit lautem Gebrüll und flammenden Laserwaffen, sondern schweigend. Die SAS schoß in der Regel nur, wenn sie ein Ziel vor Augen hatte. Der Bodenkampf hatte begonnen...
Die Nighthawk-, Phantome- und Miragepiloten bekamen davon nichts mehr mit. Sie waren bereits auf dem Rückflug. Die meisten stießen unwillkürlich erleichtert die Luft aus, als sie die Atmosphäre hinter sich ließen. Ihr Element war und blieb der Weltraum.
Die Landung verlief ganz anders als in den üblichen Propagandastreifen. Kaum jemand außer der Bodencrew beachtete die Kampfflieger besonders. Denn gleichzeitig startete die nächste CAP und um die Sturmfähren der COLUMBIA ballten sich die schwergepanzerten Marinesoldaten. Es herrschte das übliche "organisierte Chaos". Ein hochgewachsener Sergeant brüllte ein paar unglückliche Privates an: „REISST GEFÄLLIGST DIE AUGEN AUF, VIELLEICHT GEHEN DANN DIE ARSCHLÖCHER ZU! BEWEGT EUCH, VERFICKTE HURENBÖCKE!“
Kano ließ sich beinahe aus dem Cockpit fallen, nur mit Mühe hielt er das Gleichgewicht. In nicht einmal 24 Stunden vier Einsätze – das war wohl zu viel gewesen. Während er sich mit der Rechten abstützte, versuchte er abzuschätzen, ob seine zittrigen Beine ihn überhaupt tragen würden. Er wollte nicht mitten im Hangar über die eigenen Füße stolpern. Der Lärm, den die Marines und die startenden Jäger verursachten rollte über ihn hinweg.
„Nakakura...“
Mühsam nahm Kano etwas an, was man mit sehr viel gutem Willen als Habacht bezeichnen konnte. Monty winkte ab: „Lassen sie das. Interessante Technik bei dieser Flak. Etwas grobschlächtig, aber erfolgreich – warum haben Sie nicht Ihre Raketen eingesetzt?“
Kano versuchte den Nebel zu verdrängen, der plötzlich im Hangar zu herrschen schien. Seine Stimme hallte ihm selber seltsam in den Ohren: „Fehlfunktion, Sir. Die Zielerfassung war defekt.“
Monty preßte die Lippen zusammen: „Das war unklug. Sie hätten mich darüber informieren müssen. Mit einem kampfgeminderten Jäger anzugreifen, ist unverantwortlich.“
„Verzeihen Sie, Sir.“
„Nun, es hat funktioniert. Und das zählt ebenfalls. Aber denken Sie daran – beim nächsten Mal. Weggetreten.“
„Sir...“
Nach ein paar Augenblicken wurde sich Kano bewußt, daß er alleine war. Lieutenant Terrano war gegangen. Mit eckigen, automatischen Bewegungen suchte sich Kano seinen Weg. In einem der Bereitschaftsräume mußte er einen Zwischenstop einlegen. Seine Beine machten einfach nicht mehr mit.
Er wollte erfahren, wie der Angriff lief. Er wollte sehen, wie es Kali ging, erfahren, wie die Schlacht für sie gelaufen war. Gleich...
Keiner achtete auf den jungen Piloten, der auf einem Stuhl zusammengesackt war, den Kopf auf die Brust gesunken. Zur Zeit kam ohnehin keiner in den Bereitschaftsraum. Im Schlaf wirkte das sonst meist maskenhaft starre Gesicht des Piloten gelöst, er lächelte sogar leicht.
Tyr Svenson
Sie brauchten nicht weniger als elf Stunden. Elf Stunden voll verzweifelter Anstrengungen, voll Verzweiflung und zunehmender Erschöpfung. Stunden des unermüdlichen Kampfes, in denen nur wenige Meldungen dazu geeignet waren, den Mut wieder aufzurichten. Elf Stunden in denen sich fast alle zumindest einmal in ihrem Inneren fragten, ob der Kampf sich überhaupt noch lohnte, ob es nicht besser sei, einfach aufzugeben.
Und dennoch hielten sie durch und machten weiter – elf Stunden lang. Dann waren die Brände an Bord der TIREDLESS unter Kontrolle, die wichtigsten Schäden zumindest notdürftig behoben. Erst jetzt konnten Reparatur- und Bergungsteams in gepanzerten Raumanzügen in die Sektionen vordringen, die ihre Atmosphäre verloren hatten. Zumeist rückten sie über die Außenhülle vor und bahnten sich ihren Weg durch die Narben, die von der Schlacht in die Flanke des Schiffes gerissen worden waren. Es gab keine Hoffnung, hier noch Überlebende zu finden. Die Menschen in diesen Teilen des Schiffs waren vermutlich in weit weniger als einer Minute gestorben – was aber nicht hieß, daß sie alle einen leichten Tod gehabt hatten. Das Vakuum und die eisige Kälte, die alles Leben ausgelöscht hatten, hatten auch verhindert, daß von hier eine Bedrohung für das übrige Schiff ausgehen konnte. Das Feuer war eben so schnell erstickt wie die Menschen. Deshalb hatte man sich diese Arbeit bis zuletzt ausgespart. Die Hauptaufgabe der Männer und Frauen war es, die sterblichen Überreste ihrer Kameraden zu bergen. Es wäre leichter gewesen, im Inneren des Schiffes vorzugehen, doch die Zwischenschotts waren keine Druckschleusen. So blieb der Weg über die Außenhaut – und so wurden auch die Leichen evakuiert.
Das Kommando über das wracke Schiff hatte Commander Juliene Dutreil übernommen, der XO des Schiffes. Der Franzose war immer ein Realist gewesen. Er hatte es stets für durchaus denkbar gehalten, daß er das Schiff vom Kapitän würde übernehmen müssen, weil dieser ausfiel. Aber er hatte sich nie träumen lassen, daß ihm Schupp das Kommando über den Kreuzer übergeben würde, und auf ein anderes Schiff wechselte, während die TIREDLESS um ihr Überleben kämpfte. Auch wenn er sich sagte, daß Schupp seine Gründe haben mochte – im Inneren fühlte der junge Offizier verraten. Der Captain hatte ihn, und viel schlimmer noch, er hatte sein Schiff und seine Crew verraten. Dutreil gehörte zur „Mantikor-Generation“. So nannte man die zumeist jungen Offiziere, die nach den katastrophalen Verlusten der ersten Tage und Wochen des Krieges rasch aufgerückt waren, um die Lücken zu füllen, die Tod, Verwundung und die Last des Kommandos geschlagen hatten. Er hatte schon mehr als einmal vom bitteren Kelch der Niederlage kosten müssen. An Bord mancher der Schiffe, deren Namen sich in der immer länger werdenden Liste der zerstörten Einheiten verloren, waren gute Kameraden gewesen, Bekannte aus der Akademie und gute Freunde. Aber dies hier, das war das Schlimmste.
Wie viele seiner Besatzung hielt sich der neue Kommandeur nur noch mit einer Mischung aus Willenskraft, aufputschenden Getränken und Medikamenten aufrecht. Die Hilfe von den anderen Schiffen war spärlich. Die Flotte war immer noch in erhöhter Alarmbereitschaft. Niemand konnte wissen, wie schnell die Akarii reagieren würden. Seit dem Sprung ins System war genug Zeit vergangen. Wenn sich eine feindlicher Kampfverband in der Nähe aufhielt – was angesichts der Jagdgruppen, mit denen die Akarii ihr Hinterland sicherten, nicht auszuschließen war – dann konnte er jederzeit eintreffen. Und einer der Träger der Menschen war beschädigt und wurde immer noch repariert. Also konzentrierten sich die republikanischen Streitkräfte darauf, kampfbereit zu sein. Eigene Schäden mußten repariert werden, man konnte zudem die Mannschaftsstärke nicht reduzieren. Die TIREDLESS mit ihren schweren Schäden war sich zum Gutteil selbst überlassen. Wenigstens waren die Verwundeten evakuiert worden.
Commander Dutreil bemühte sich, alle Aufgaben wahrzunehmen, die er als Kapitän zu erfüllen hatte. Besonders an den Schutz- und Waffensystemen wurde fieberhaft gearbeitet, sobald die Lebenserhaltungssysteme notdürftig repariert worden waren. Und irgendwie fand er die nötige Kraft. Als das Schiff angefunkt wurde, befand er sich nach einem Inspektionsgang gerade wieder auf der Brücke. Es war Schupp.
Der Captain trug seinen Arm in einer Stützschlinge. Er trug immer noch die selbe Uniform, in der er das Gefecht geleitet hatte. Sein Gesicht wirkte müde, aber entschlossen.
„Captain“, begrüßte Dutreil seinen Vorgesetzten mit weit weniger Achtung als sonst. Doch wenn Schupp es bemerkte, so ließ er sich nichts anmerken: „Wie ist der Status des Schiffes? Nur knapp – das Wesentliche.“
Der Commander mußte an sich halten, um Schupp nicht anzuschreien. Das Wesentliche? Etwa 300 Besatzungsmitglieder waren tot, 200 verwundet – und der Captain fragte nach dem Wesentlichen? Doch er beherrschte sich, wie er es gelernt hatte. Seine Stimme klang kalt, beinahe feindselig: „Lebenserhaltungssysteme bei 80 Prozent. Antrieb wieder betriebsbereit, gesamter Energieausstoß liegt bei 67 Prozent. Maximale Geschwindigkeit und Beschleunigung bei 40 Prozent Normal. Schilde rekalibriert und wieder intakt, bei 75 Prozent. An Waffensystemen einsatzbereit und verfügbar sind Sekundärwerfer Beta, Sekundärwerfer Gamma und Delta. Dazu Lasergeschütztürme Eins bis Sechs, vier Impulslaser und die Tachyonengeschützetürme 1 und 2. Betriebsbereit überdies vier Shuttles. Verwundete evakuiert.“ Schupp schien etwas sagen zu wollen. Der Brite sah auf einmal aus, als sei er binnen kurzem um Jahre gealtert. Doch was es auch war, es kam ihm nicht über die Lippen. Stattdessen nickte er nur knapp: „Gute Arbeit. Schalten Sie die Lebenserhaltungssysteme so weit herunter wie es geht, und nutzen Sie die Energie für Antrieb, Schilde und Waffensysteme. Notbeleuchtung auf den Gängen, Besatzung in Notunterkünften konzentrieren. Unnötigen Energieverbrauch einstellen. Wasser und Lebensmittel – vor allem aufbereitete – rationieren.“
Dutreil erwiderte den Blick seines Vorgesetzten: „Sir? Das Schiff ist doch so kaum kampfbereit zu nennen. Wir sind wrack.“ Schupp preßte die Lippen zusammen. In seiner Miene schienen verschiedene Gefühle miteinander zu ringen. Doch das Pflichtgefühl siegte, wie immer: „Das Schiff ist so lange kampfbereit, wie es feuern und sich bewegen kann. Und bei Gott, wir werden es noch brauchen. Sie werden ALLES Nötige tun, um es einsatzbereit zu halten. Dies ist ein Befehl. Schupp...“, er wollte vermutlich sagen: ,Ende!‘, doch dann zögerte er.
„Commander Dutreil – ich setze mein Vertrauen in Sie, und in die Frauen und Männer an Bord. Ich wäre lieber an Bord meines Schiffes, doch ich habe hier meine Aufgabe zu erfüllen. Verstehen Sie bitte, es ist meine Verpflichtung. Ich muß mich um alle neun Schiffe kümmern. So wie Sie um das Ihre. Sie werden mich nicht enttäuschen. Viel Glück.“ Der Bildschirm erlosch.
Der neue Kapitän des Schiffes starrte einen Augenblick auf den nun leeren Monitor. Schupp hatte quasi vor aller Augen einen Tabubruch begangen. Ein Captain erklärte seine Befehle nicht Untergebenen, die daran zweifelten. Er rechtfertigte sich nicht, denn das war ein halbes Schuldeingeständnis. Doch der Brite hatte es getan. Dutreil schüttelte den Kopf. Er war nicht – noch nicht, wenn überhaupt je – bereit, Schupp zu verzeihen. Aber er würde seine Aufgabe erfüllen. Der junge Franzose kannte die Notfallpläne. Wasserverbrauch und tägliche Fertigrationen würden streng limitiert werden, ebenso die Zuteilung für hygienische Zwecke. Ein Schiff nahm nie genug Wasser für seine monatelangen Reisen mit. Es mußte aufbereitet werden – aus der Luft des Schiffes und aus den Abfällen. Das verbrauchte Energie. Und die mußte man sparen. Die Heizungen würden herunter geschaltet werden, ebenso die Beleuchtung. Alles, um das Schiff möglichst einsatzbereit zu halten. Das Leben würde nicht nur unbequem, im Laufe der Zeit würde es regelrecht zur Qual werden. Er holte tief Luft. Nun, wenn es unausweichlich war, gab es keinen Grund, es zu lange hinauszuschieben. Dutreil aktivierte das Interkom, um die wichtigsten Schiffsoffiziere zu sich zu bitten, soweit sie noch am Leben und einsatzbereit waren.
Eine Stunde später waren die wichtigsten Maßnahmen eingeleitet worden. Es gab kaum Murren – vermutlich waren die Leute auch einfach zu müde. Auf Anordnung der neuen Befehlshabers wurden die weiteren anfallenden Arbeiten, und die würden noch eine Weile andauern, zum Teil vorerst zurückgestellt. Die Mannschaft brauchte Ruhe. Es gab sowieso die ersten Zusammenbrüche. Sollte das Schiff je wieder eine Schlacht schlagen ohne ein halbes Jahr im Raumdock, dann brauchte es eine ausgeruhte Gefechtswache. Mit müden, verbitterten Gesichtern suchten die Männer und Frauen ihre neuen Quartiere auf. Aber im Augenblick erschienen ihnen selbst die Notunterkünfte als eine angenehme Schlafstelle.
Dutreil jedoch gönnte sich keine Pause. Auch er würde schlafen müssen – wenn er konnte. Doch es gab noch etwas zu erledigen, was sich nicht aufschieben ließ. Er wußte nicht, ob er danach Ruhe finden würde. Davor jedoch mit Sicherheit nicht.
Der Haupthangar, aus dem die Landungs- und Spähshuttle gestartet wurden, hatte immer etwas von einer gewaltigen Halle an sich gehabt. Es war der größte und höchste Raum des Schiffes, und hatte deshalb fast etwas wie eine Kathedrale an sich. Zahlreiche kleine Kerzen, die trübe flackerten, verstärkten diesen Eindruck noch. Dutreil wußte, es wäre seine Pflicht gewesen, die Feuer auszulöschen. Schließlich verbrauchten sie auch Sauerstoff, und an Bord war Feuer außerhalb der kontrollierten Bereiche sowieso eine heikle Sache. Aber das brachte er nicht übers Herz.
Auch wenn er auf den ersten Blick wie eine Kathedrale wirkte – der Eindruck trog. In Wahrheit war der Hangar eine gigantische Leichenhalle. Sie lagen Seite an Seite, in schier endlosen Reihen. Die sterblichen Überreste, die man hatte bergen können bedeckten den Boden. Und dabei fehlten viele. Ihre Leichen würde man nie finden. Bei aller Hektik und Müdigkeit, die Besatzung hatte Zeit gefunden – oder besser, hatte sie sich einfach genommen, ungeachtet aller Befehle – die Leichensäcke mit den Fahnen zu bedecken, die jedes Schiff für diesen Zweck bereit hielt. Fahnen waren auch ausgelegt für die, deren Name noch auf der Liste der Vermißten stand. Wer bis jetzt nicht gefunden worden war, der war auf immer verloren.
Dutreil schritt die Reihen ab. Er war allein, denn dies war seine Aufgabe – eine Pflicht, der er sich nicht entledigen konnte. Seine Finger, die sich für ihn selbst kalt und leblos anfühlten wie die Toten vor ihm, gaben die Namen in einen Taschencomputer ein. So viele Namen – Menschen, die er gut gekannt hatte. Manchmal blieb er stehen, öffnete einen der Säcke. Er wich dem Anblick nicht aus, der sich ihm bot. Aufgeplatzte Haut, Brandnarben, grauenhafte Wunden. Der Anblick der Krieges hatte sich nicht geändert, nicht in all den Jahrtausenden, die die menschliche Rasse freiwillig oder gezwungenermaßen einander und andere ermordete. Er klagte nicht an, er fühlte nicht einmal Haß. Das würde später kommen. Er zählte nur die Toten, hielt ihre Namen fest. Und die ganze Zeit weinte er lautlos. Aber er ging immer weiter, allein. Ein Lebender unter den Toten.
Auf Terra würde es heißen, die Flotte der Menschen habe gegen die Akarii einen grandiosen Sieg errungen. Graxon war genommen, die feindlichen Streitkräfte beinahe vernichtet. Der feindliche Kommandeur war gefallen oder gefangen, die Befreiung der republikanischen Soldaten lief. Die eigenen Verluste seien nur unbedeutend.
Tyr Svenson
Pasumata IV
Raumstation KRIL PARAM,
Im Orbit um Pasumata IV, Pasumata-Sektor
Brrrriiit, Brrrriiit
Der Kommunikator in Oberst Korr Barthu Quartier brauchte nur zweimal eindringlich aufzubegehren, um den momentanen Kommandeur der Garnisonsstreitkräfte auf Pasumata IV zu wecken, obwohl dieser sich im tiefsten Schlaf befunden hatte. Doch manche Gewohnheiten ließen sich nun mal nicht abschütteln.
Der ehemalige Infanterieoffizier war sofort hellwach, knurrte aber trotzdem seinen Gegenüber auf dem Bildschirm an. „Ich hoffe für dich, dass Du einen guten Grund hast um mich aus dem Schlaf zu reißen, Tuan Keel.“
Der junge Leutnant richtete nervös seinen Kamm auf, schien sich aber ansonsten seiner Sache sicher. "Verzeiht mir, Lordoberst Barthu, aber einer unserer Satelliten an der Zerberus-Dunkelwolke hat Aktivitäten aufgezeichnet, die sie sich unbedingt ansehen sollten, mein Lord.“
Barthu strich sich mit seiner gesunden rechten Hand über das Gesicht und rieb sich mit den Krallen über die Schuppen. „Gut, Keel, spielen sie es mir auf den Bildschirm…“
„Aber, Herr, die Daten sind streng vertraulich…“
„Wer soll sie hier schon abhören, die Sandvögel auf Pasumata?“, herrschte er seinen Adjutanten an „Spielen sie es ab, oder soll ich rüberkommen und es selber machen?“
Sein kehliges Knurren klang nach einem Geelam, dem man qualvoll die Kehle durchschnitt und Barthu hatte nicht selten daran gedacht dasselbe mit seinem unfähigen Leutnant zu machen.
„N-Nein, mein Lord, wir spielen ab.“ antwortete Keel zitternd und sein Bild wurde ersetzt durch die fast vollkommene Schwärze des Weltalls durch die sich langsam und majestätisch ein Raumschiff schob. Sofort verengten sich Barthus Reptilienaugen zu Schlitzen. Sein Gehirn meldete ihm augenblicklich – und noch bevor die Aufzeichnung um ein kleines Datenfeld rechts oben ergänzt wurde – dass es sich hierbei um ein Kriegsschiff der Weichhäute handeln musste. Sein Blick zuckte hinüber in das Datenfeld rechts oben und das Schiff wurde als eine Fregatte der so genannten Midway-Klasse angegeben, zumindest wenn die Klassifizierung durch den Akariischen Geheimdienst richtig sein sollte.
Barthus Gedanken überschlugen sich. Was machte das Schiff hier? Eine einsame Fregatte, die sich verirrt hatte und nun geradewegs in ihre Krallen flog?
Während Barthu die Details dieses Kriegsschiffes begutachtete, schob sich schräg hinter diesem Schiff ein zweites ins Blickfeld. Dieses Mal gab die Aufzeichnung den Blick auf einen Zerstörer wieder, der von den Weichlingen anscheinend als ein Norfolk klassifiziert wurde, was immer ein Norfolk auch sein sollte.
Das reichte Barthu, mehr brauchte er nicht zu sehen. Sofort richtete er sich auf und zog sich hastig aber gewissenhaft seine Uniform über. Noch ehe die kurze Übertragung geendet hatte, befand er sich schon auf dem Weg zur Kommandobrücke.
Als er kurz darauf in diese wie ein wild gewordenes Hurthanimännchen eintrat, erschrak nicht nur sein Adjutant, sondern auch etliche weitere Anwesende auf der Kommandobrücke.
„Herr, ich dachte ihr seid noch…“
„KEEL!“, giftete er seinen Adjutanten an, der sichtlich zusammenzuckte. “Warum ist noch kein Alarm gegeben worden?“
Ohne eine Antwort abzuwarten, hämmerte Barthu mit seiner mechanischen linken auf den Alarmknopf und augenblicklich wurde die gesamte Station durch ein lautes, pfeifendes Geheul und grellblaue Warnleuchten in Alarmzustand versetzt.
„Verbindet mich sofort mit Kapitän Talohn, Commander Nurrka und Hauptmann Shiram und schickt sofort eine Nachricht an Kapitän Kuusta, er soll unverzüglich mit seinen Kriegsschiffen zurückkehren…“
Keel unterbrach seinen Vorgesetzten zögerlich. „I-Ich fürchte, dass geht nicht, Herr“ druckste er herum „Lordkapitän Kuusta ist mit seinen Schiffen schon vor geraumer Zeit gesprungen. Es wird sicher eine Weile dauern, bis wir sie erreicht haben und noch länger bis sie umkehren können.“
„AAAHHHHH!!!“ Vor Wut hämmerte Barthu mit seiner Metallhand auf die linke Lehne seines Stuhles, in dem er sich gerade hingesetzt hatte. Kuusta war vor kurzem von der Admiralität an die Front berufen worden, wo die Akarii anscheinend doch größere Probleme mit den Weichhäuten hatten, als sie ursprünglich gedacht hatten und als sie zugeben wollten.
Jedenfalls hatte man ihm damit mit 10 Kriegsschiffen einen großen Teil seiner Raumverteidigungskräfte von Pasumata IV genommen. Die Admiralität hatte einen möglichen Angriff der Terraner in diesem Sektor als unmöglich bezeichnet und damit bestand alles, was Barthu an Raumschiffen und Jägern noch zur Verfügung hatte aus einer einsamen Fregatte und drei alten Korvetten sowie einer Staffel alter ausrangierter Deathhawks. Nicht mal die Bomber hatten sie ihm gelassen.
Barthu verdrängte seinen Ärger über die Admiralität und konzentrierte sich stattdessen wieder auf seine Aufgabe. „Wo kommen diese Schiffe her? Wie konnten die Weichlinge alle unsere Frühwarnsysteme entlang der Grenzen umgehen und so weit hinter den Linien auftauchen?“
„Wenn wir ihren momentanen Kurs zurückrechnen, kommen sie direkt aus der Zerberus-Dunkelwolke…“
„Wurde diese nicht schon längst geprüft?“
„Ja, Herr, aber außer einigen unbedeutenden Raumanomalien haben unsere Sensoren nichts entdecken können.“
Barthu hätte seinen Adjutanten vor Wut am liebsten gegen die Wand geschleudert. Eine dieser „Anomalien“ hatte sich offensichtlich als Wurmloch entpuppt, und das direkt vor seiner Nase. Bedrohlich richtete er seinen Kamm auf, beruhigte sich aber ein weiteres Mal. Wäre er noch so jung und ehrgeizig wie am Anfang seiner Karriere, würde Keel wahrscheinlich nur noch aus der Schnabeltasse saugen, so aber zog er zischend die Luft der noch im Bau befindlichen Station ein und starrte auf die Übertragung der terranischen Kriegsschiffe.
„Soll ich Kapitän Talohn anweisen in Verteidigungsstellung um die Raumstation zu gehen?“, fragte indessen Leutnant Keel, anscheinend bemüht das Thema so schnell wie möglich zu wechseln.
„Nein, die Verteidigungssysteme der Station sind noch zu schwach. Es sind erst ein Drittel der Schilde aktiv und keines unserer Verteidigungswaffen. Beim Kaiser, wir sind diesem Angriff fast schutzlos ausgeliefert.“ Seit Kriegsbeginn hatte sich der Bau der KRIL PARAM immer weiter verzögert. Rohstoffe waren in die riesigen Kriegsmanufakturen umgeleitet worden, dringend benötigte Bauteile wie Panzerung, Schildgeneratoren und Defensivwaffensysteme waren an die Front gegangen. Der Bau und die Fertigstellung der Station hatten sich dadurch erheblich verzögert.
„Gerade deshalb sollten wir doch die Kriegsschiffe hierher beordern, Lordoberst Barthu“ insistierte Leutnant Keel, der anscheinend noch nicht begriffen hatte, dass er seine Position mit seinen überflüssigen Kommentaren alles andere als stärkte.
Doch noch bevor Barthu antworten musste, erschienen Kapitän Talohn, der Kommandant der zurückgebliebenen Fregatte und Commander Nurrka, der Staffelführer der Deathhawks auf den Schirmen.
Milas Talohn, wie Barthu ein Veteran der alten Garde, ließ seine blitzenden Zähne blicken, ein deutliches Zeichen seiner Verärgerung. „Wenn das eine Übung sein soll, Korr, dann sprich das mit mir in Zukunft ab…“ Kapitän Talohn war der einzige in diesem Sektor, der es wagen konnte, so mit Korr Barthu zu reden und gleichzeitig darauf hoffen konnte, es danach auch zu überleben.
„Keine Übung, Milas“ knurrte Barthu zurück „mach dich auf ein Raumgefecht gefasst.“
Das Leuchten in Talohns Blick war unübersehbar. „Wie viele?“
Barthu blickte hinüber zu Keel.
„Ein Zerstörer, zwei Fregatten, vier Korvetten und ein leichter Träger, wahrscheinlich Hilfsträger. Dazu noch ein Schiff, dass wir nicht identifizieren konnten, den Daten nach zu urteilen aber eher schwach bewaffnet, höchstens Korvettenstärke. Trotzdem sind die Feindverbände unseren momentanen Verteidigungskräften um mindestens das doppelte überlegen, wenn nicht sogar mehr. Da sich unsere Station noch im Aufbau befindet, verfügen wir nur über 30% der normalen Schildkapazitäten und nur über rudimentär vorhandene Verteidigungsanlagen.“
Talohn schien die Analyse des Leutnants gar nicht zu hören, genauso wenig wie Barthu, der seinem Adjutanten nur einen abschätzigen Blick von der Seite zuwarf. Die Reptilienaugen des Raumschiffkapitäns fixierten dagegen den Lordoberst „ Mein Lord, ich erbitte die Ehre, den Feind im Kampf stellen zu dürfen.“
Noch bevor Barthu geantwortet hatte, überschlug sich Commander Nurrka förmlich. „Herr, meine Jäger bitten ebenfalls um die Ehre, diesen Angriff durchführen zu dürfen.“
„Was für einen Angriff?“, fragte Leutnant Keel. „Entschuldigen sie, Lordkapitän, aber das wäre Selbstmord, wäre es nicht ratsamer, ihr würdet euch zurückziehen und auf Verstärkung…“
Weiter kam der junge Akarii-Leutnant nicht, da ihn Barthu bereits blitzschnell und ohne die geringste Vorwarnung mit seiner metallenen Linken an der Kehle gepackt und in die Höhe gerissen hatte. Ein seitlicher Schritt und der keuchende Leutnant wurde zwischen der künstlichen Hand des Obersts und einigen Armaturen an der Wand eingequetscht, die Krallenfüße knapp 5 cm über dem Metallboden.
„Du feiger, kleiner, nichtsnutziger…“ Barthus knurrende Stimme war kaum mehr als ein Zischen und er spielte für einen Augenblick mit dem Gedanken mit seiner Metallkralle zuzudrücken und diesen jämmerlichen Abklatsch eines Akariioffiziers auf der Stelle zu beseitigen.
Nur das bellende Lachen Kapitän Talohns und die Gewissheit, dass er diesen feigen Leutnant noch brauchen würde, retteten diesem das Leben.
Zumindest für den Augenblick.
„Nein, Keel, wir werden den Feind umgehen und auf ihn warten“, schnarrte Talohn durch die Übertragung, „dort wo er uns am wenigsten erwartet. Und genauso wie Prinz Jor und seine ruhmreichen Truppen Mantikor im Handstreich genommen haben, werden wir diese Weichhäute aus dem Weltall blasen.“ Das Funkeln in den Augen des Kriegsschiffkapitäns verriet Barthu, dass es ihm Ernst war und dass er nicht einen Augenblick daran zweifelte, auch einer zweifachen Übermacht ohne weiteres gewachsen zu sein. „Ehre dem Kaiser!“, sagte Talohn schließlich, schlug sich mit der rechten Faust auf die Brust und verneigte sich vor Oberst Barthu.
„Ehre dem Kaiser!“, erwiderte dieser in dem er seinerseits den Abschiedsgruß ausführte, während er weiterhin mit der Linken seinen Adjutanten in der Luft hielt.
Ein Teil von ihm vermisste den alten Haudegen schon jetzt, ein anderer Teil von ihm hoffte insgeheim, dass Talohn scheiterte. Es war lange her, sehr lange, dass Barthu in einer Schlacht gestanden hatte. Und obwohl er sich Ruhm und Ehre im Namen des Kaisers erworben und seine Feinde reihenweise dahingemetzelt hatte und sein Name voller Ehrfurcht von Freund und Feind geachtet wurde, hatte man es ihm damit „gedankt“ ihn zum Oberst und damit ranghöchsten Offizier über diesen unbedeutenden Sektor des Akariischen Reiches zu machen. Es war eine ehrenvolle Position, ohne Zweifel, doch Barthu wusste, dass er einigen seiner Vorgesetzten ein Dorn im Auge gewesen war, eine Gefahr für deren eigene Karriere. Doch schon damals hatte er geahnt, dass er hier nichts anderes als alt werden würde. Und so war es letztlich auch gekommen. Während andere den jüngsten Feldzug vorbereitet und auch durchgeführt hatten, hatte er den Aufbau der Kolonien und der Raumstation auf Pasumata IV betreut. Eine Aufgabe, bei der fast versauert war, weit ab von der Front und ohne Aussicht darauf, sich erneut auszeichnen zu können.
Sämtliche seiner Versetzungsgesuche hatten Sie abgelehnt, immer mit dem Hinweis auf sein fortgeschrittenes Alter und seine Prothesen. Diese Narren, hatten sie doch nicht begriffen, dass sein linker Arm und sein linkes Bein durch den Einsatz von Trillion fast noch besser waren, als seine natürlichen Gliedmaßen.
Ein Krächzen an seiner linken Seite erinnerte ihn wieder daran, dass er hier noch nicht fertig war. Sein Blick traf den des deutlich sichtbar mit Panik erfüllten Leutnants. Barthu ließ ihn weiter zappeln und wandte sich an einen weiteren seiner Untergebenen. „Schafft mir endlich jemand Hauptmann Shiram her!“, brüllte er ihn an.
„Ich bin schon eine kleine Weile hier, mein Lord“, kam die prompte Antwort rechts hinter Korr Barthu.
Er war beeindruckt, auch wenn er es nicht zu zeigen versuchte. Es gab nicht viele, die sich an ihn heranschleichen konnten und auch sonst machte Shiram einen deutlich kompetenteren Eindruck als sein jämmerlicher Leutnant.
„Da sind sie ja endlich“, fauchte er den Hauptmann aber trotzdem an.
„Gut, da sie ja angeblich bereits eine Weile hier gewesen sind, haben sie das wichtigste bereits mitbekommen. Bereiten sie ihre Männer auf die Verteidigung der Station vor“, befahl Barthu dem nach ihm selbst höchstrangigen Infanteriekommandeur an Bord der Raumstation.
„Glauben sie wirklich, die Menschen könnten dumm genug sein, unsere Station stürmen zu wollen, mein Lord? Bislang haben sie das noch nie gewagt“, fragte Shiram vorsichtig.
„Soweit ich weiß, haben sie bislang auch nur mit voll einsatzfähigen Stationen zu tun gehabt. Feige wie diese Menschen sind, haben sie daher nie den direkten Kampf um eine Station gewagt. Doch in unserem Fall könnten sie zu dem Trugschluss kommen, dass wir eine leichte Beute sind. Und außerdem bin ich gerne auf alle Eventualitäten vorbereitet, Hauptmann. Wir haben derzeit nur eine Kompanie an Bord, daher halte ich es für angebracht, wenn sie entsprechende Vorkehrungen treffen. Und um ehrlich zu sein, ich hoffe sogar, die Menschen versuchen es wenigstens.“ Ein boshafter Gesichtsausdruck formte sich in seinem Gesicht und er wandte sich wieder dem nach Luft röchelnden Leutnant zu. „Ach ja, noch eines, Kommandant: Weisen sie Leutnant Keel eine Position zu, die es ihm ermöglicht seine Ehre wieder herzustellen, verstanden?“
„Wie sie befehlen, mein Lord“, gab Shiram zurück und Barthu wusste, dass er verstanden hatte.
Genau wie Keel, der erschrocken aufkeuchte. Dann ließ Barthu den Leutnant los, der prompt japsend zusammenbrach und sich erst mühsam wieder aufrappeln musste. Barthu beachtete ihn keines weiteren Blickes und war schon voll und ganz damit beschäftigt Vorbereitungen jeglicher Art zu treffen. Er bemerkte noch nicht einmal, wie die beiden Infanterieoffiziere zu ihren Truppen gingen, um sie auf den möglicherweise bevorstehenden Angriff vorzubereiten.
Korr Barthu hatte nur noch eines im Sinn: Die womöglich letzte Möglichkeit seinen Wert für den Kaiser zu beweisen voll und ganz auszunutzen.
Tyr Svenson
Über Graxon II schwebten drei Sturmshuttles der Terran Republic Army. Auf die drei Shuttles waren 2 Kompanien des Special Air Service, der Eliteeinheit der Army verteilt. Damit waren alle drei Shuttles unterbesetzt.
An Bord herrschte Anspannung und Ruhe zu gleich. Alle angehörigen der Bodentruppe trugen schwere Raumkampfanzüge, zur Sicherheit vor den giftigen Nebelschwaden, auch wenn diese nicht auf das Hochplateau reichten.
Die schwergepanzerten Anzüge machten die Bewegungen um einiges schwerer und bei vielen der SAS-Soldaten wirkten die Handschläge, die sie an ihre Ausrüstung anlegten etwas unkoordiniert.
Colonel Blake blickte von einem seiner Männer zum anderen. ‚Wenn man Euch so sieht. Welch ein Unterschied zu sonst. Ich hab Euch lachen, spielen und weinen gesehen. Habe mit einigen von Euch tagelang im Dschungel, in Wüsten und Eiswüsten auf verschiedenen Planeten gesessen. Habe einige von Euch ausgebildet. Als Beichtfater oder als Stütze in der Trauer gedient.‘
"Crazy Horse One für Striker One", meldete sich der Shuttlepilot, "die Angriffsgruppe der COLUMBIA zieht sich vom Objekt zurück, das SWACS meldet, dass der Weg frei ist!"
"Mit dem Zielanflug beginnen!" Befahl Blake.
Neben Blake rammte Staff Sergeant Kramer ein Magazin mit zwanzig panzerbrechenden Geschossen in sein Sig und Sauer Alfa II Präzisionsgewehr...Im Gegensatz zu den Standard-Strahlenwaffen der Streitkräfte konnte man beim Alfa II von einer hundertprozentigen Schall- und Mündungsfeuerdämpfung ausgehen.
Die drei Shuttles senkten die Spitzen und stießen durch die Atmosphäre von Graxon. Die sechs Typhoon, welche die Eskorte bildeten hielten mühelos Schritt.
Der Angriff der SAS erfolgte direkt und frontal, jetzt nachdem die Bomber und Jäger die gegnerische Raum- und Luftabwehr ausgeschaltet hatten.
80 Meter über dem Plateau begannen die Typhoone zu kreisen und die drei Shuttles hoben ihre Nasen und gingen ansatzlos vom Sturzflug in den Schwebeflug über und senkten sich dann langsam zu Boden.
Knapp einen Meter über dem Boden leiteten die Shuttles den Schwebezustand ein und begannen mit ihren Strahlengeschützen die Umgebung zu bestreichen.
Einige in Stellung gegangene Akarii antworteten sofort und eröffneten mit ihren Gewehren das Feuer. Die relativ schwachen Strahlenblitze zerpufften an der Panzerung der Sturmshuttles.
Auf die größten Feindkonzentrationen wurden ungelenkte Impraketen abgefeuert.
Dann wurden Backbord und Steuerbord die Sturmtüren geöffnet und die SAS-Soldaten stürmten hinaus.
Anders als bei Landungen der regulären Army-Verbände oder dem Marine Corps wurde kein Feuersturm entfesselt.
Die Soldaten des SAS feuerten in kurzen präzisen Feuerstößen.
Von dem Angriff beinahe überrannt flüchteten die zur Außenverteidigung eingeteilten Akarii zum Hauptbunker, mit dem Großraumlift zum Gefängnisinneren.
Die meisten Verteidiger wurden jedoch von den vier Scharfschützen und den drei Mann mit den schweren Impulsgewehren niedergemäht.
"Crazy Horse Two, hier Striker One, öffnen Sie uns das Tor!"
"Roger!" Das rechte Shuttle schwebte noch etwas nach rechts und feuerte dann zwei konventionelle Mavericks auf den Hauptbunker ab.
Panzerung platzte vom Tor ab, welches jedoch intakt blieb. Daraufhin feuerte Crazy Horse Two alle seine Imp-Rakten in das Tor, unterstützt vom Dauerfeuer seiner Strahlengeschütze.
Noch immer hielt das schwer mitgenommene Panzertor.
Allright Kip mach mal Platz!" Crazy Horse One brachte sich in Position.
Das Shuttle feuerte ebenfalls seine beiden Mavericks ab. Zwei riesige Löcher wurden in die Panzertür gerissen.
"Siehst Du Kip, so macht man das." Der Pilot von Crazy Horse One schien sich königlich zu amüsieren.
"Ja ne, is' klar, nachdem ich damit fertig war stand ja eh schon zerbrechlich drauf!"
"Striker One an alle Striker: Auf Bunker vorrücken! Scharfschützen geben Deckung!"
Das SAS-Bataillion arbeitete sich zu beiden Seiten der Löcher auf den Bunker vor, dabei gingen sie langsam vor und nutzten jede sich bietenden Deckung aus. Zweimal sah Blake, wie im inneren des Bunkers irgendetwas zusammenzuckte und hin fiel.
Nachdem sich die SAS-Truppen zu beiden Seiten in Position gebracht hatten rückten die Scharfschützen nach.
"Granaten!" Befahl Blake und jeweils die beiden vordersten Männer schossen zwei Explosivgranaten hinein und nach dem dieses hochgegangen waren folgten zwei Blendgranaten.
Der Sturm begann. Mit gezieltem Feuer auf die verwirrten, verwundeten und geblendeten Feinde rückten die SAS-Truppen in den Hauptbunker ein, brachen jeglichen Widerstand und sicherten ihn.
Der Bunker beinhaltete drei riesige Lastenliften und sechs große Personenlifte. Mehrere Check-In Schalter für die neuen "Gäste".
"Zweiter und dritter Zug, B Kompanie! Sicherungspositionen einnehmen!" Blake sah sich die Anlage genau an. "Der Rest: Wir nehmen vier der Personenlifte! Die Lastlifte brauchen wir noch für die Evakuierung! Chappel: Setzen Sie müssen alle Lifte außer Betrieb setzen, bevor wir runter gehen."
"Aye Sir." Der angesprochene Lieutenant ging an eines der Computerterminal, die den Angriff überstanden hatten und fing an sich in das System zu hacken. Es dauerte fast eine Stunde bis sich der Computer- und Linguistikexperte in das System eingehackt hatte und beinahe eine weitere bis er mit seinen Verwüstungen fertig war.
***
In der großen Grotte, wo die Baracken der Kriegsgefangenen standen war indes reges Treiben. Die Akarii hatten ein zusätzlich zu der Glaswand, welche das Gefangenencamp umgab ein Energieschild hochgeladen um sicher zu sein, dass die terranischen Gefangenen ihnen keinen Ärger machen würden.
Auf dem Vorhof des Camps bereiteten die Akarii die Schlacht vor.
Es wurden Barrikaden aus Erzloren und Kästen und ähnlichem errichtet. So dass die Akarii die angreifenden Terraner in dem einzigen Zugangskorridor gut unter Feuer nehmen konnten.
Der Zugangskorridor zur Grotte stellte ein Nadelöhr dar, wo selbst ein entschlossener Angreifer ein ganzes Regiment verlieren konnte.
Oberst Valkon Rekk war sich sicher, dass Gefängnis halten zu können.
Jedoch störten ihn zum ersten Mal die über vierzehntausend Kriegsgefangenen. Vom Camp hallte Spott herüber und einige diszipliniertere Terraner hatten einen Chor zusammengestellt, der terranische Kriegslieder herüberschmetterte. Was für ein verfluchtes Volk.
There was a soldier, a Scottish soldier
Who wandered far away and soldiered far away
There was none bolder, with good broad shoulder
He’s fought in many a fray, and fought and won.
He’d seen the glory and told the story
But now he’s sighting, his heart is crying
To leave these green hills of Tyrol,
Because these green hills are not highland hills
Or the island hills, they’re not my land’s hills
And fair as these green foreign hills may be
They are not the hills of home
And now this soldier, this Scottish soldier
Who wandered far away and soldiered far away
Sees leaves are falling and death is calling
And he will fade away, in that far land.
He called his piper, his trusty piper
And bade him sound a lay … a pibroch sad to play
Upon a hillside, a Scottish hillside
Not on these green hills of Tyrol.
And so this soldier, this Scottish soldier
Will wander far no more and soldier far no more
You’ll see a piper play his soldier home.
He’d seen the glory, he’d told his story
Of battles glorious and deeds victorious
The bugles cease now, he is at peace now
Far from these green hills of Tyrol.
***
Die SAS-Kommandosoldaten hatten sich - nachdem die Aufzüge lahm gelegt worden waren - die Aufzugsschächte abgeseilt und waren bis tief in die Anlage vorgedrungen.
Jeglichen Akarii denen sie begegneten wurde mit tödlicher Gewalt die Absicht des SAS-Bataillions verdeutlicht.
"Striker One, hier Chappel, Sie werden in eine Falle laufen, der Hauptkorridor ist nicht geschützt passierbar, man wird sie abknallen wie die Hasen!"
"Verstanden Chappel, gibt es eine Möglichkeit, dass wir anders in die Grotte kommen?"
"Also Sie müssten sich schon selbst einen Tunnel anlegen. Auf der rechten Seite des Tunnels sind Räume, wohl Mannschaftsquartiere und Messen, wenn Sie sich durch die verschiedenen Wände sprengen könnten."
Blake dachte kurz nach und rief dann seine Offiziere zu sich.
"Henderson: Sie und Ihr Zug bekommen alles an Granaten und Raketen. Sie arbeiten Sich bis zur Kreuzung des Hauptkorridors vor, von wo man in die Grotte kommt, von dort aus Feuern Sie auf meinen Befehl Raketen und Granaten in die Grotte."
"Und was ist mit unseren Jungs Skipper?"
"Die werden von einem Energieschild geschützt." Meldete sich Chappel zu Wort.
"Wir anderen Arbeiten uns durch die Zimmer und Räume entlang des Hauptkorridors und sprengen uns letztendlich mehrere Wege in die Grotte. Das ist dann der Moment, wo auch Sie durch den Hauptkorridor stürmen. Alles klar?"
"Haben wir genügend Sprengstoff?" Fragte Lieutenant Marcel de Nuevell, der Chef vom zweiten Zug der A Kompanie.
"Wenn wir Henderson seinen Sprengstoff wegnehmen sollten wir auskommen. Also vorwärts."
Während sich die A Kompanie durch die Zimmer und Räume entlang des Hauptkorridors arbeiteten bezog Hendersons Zug Stellung an der Kreuzung.
"Lieutenant, bitte um Erlaubnis den Raumanzug ablegen zu dürfen." Bat Miguel
Hernandez einer der Scharfschützen.
"Darf ich fragen warum Hernandez?" Henderson spähte mit einem Teleskop um die Ecke und gab Handzeichen, dass fünf Mann die Kreuzung überquerten und auf der anderen Seite in Stellung gingen.
"Bin dann schneller!"
Henderson guckte noch einmal fragend, gab dann jedoch sein Okay.
Hernandez gab sein Vierundzwanzigtausend Real teures Sig und Sauer Alfa II Scharfschützengewehr. an den anderen Scharfschützen. Niemals hätte er das Alfa II an jemand anderen gegeben.
Das Alfa II war heilig. Es wurde nur an das SAS und die SEAS ausgegeben. Einmal hatte ein junger Scharfschütze seinem Gewehr einen Namen gegeben und diesen in den Lauf graviert. Der Lauf war ausgewechselt worden, auch wenn das nicht zwingend gewesen war. Der Scharfschütze war aus dem SAS entfernt worden und man hatte noch über Jahre hinweg Teile seines Soldes einbehalten um die Reparatur zu bezahlen.
Das Alfa II war etwas ganz besonderes. Perfekt ausbalanciert, zu über 99,99 Prozent schallgedämpft, zu 100 Prozent mündungsfeuergedämpft, rückstoßfrei. Man hatte sogar dafür gesorgt, dass die Patronen zurück ins Magazin wanderten und nicht ausgeworfen wurden..
Nachdem Hernandez seinen Raumanzug abgelegt hatte nahm er sein Alfa II wieder an sich und legte sich auf den Boden und rollte los.
Nach zwei Rollen war er auf der Mitte der Kreuzung, suchte innerhalb von Millisekunden sein Ziel, Schoss und rollte dann weiter.
***
Oberst Valkon Rekk erahnte die Bewegung auf der Kreuzung mehr, als dass er sie sah. Dann war nichts mehr, der Oberst hörte auf zu existieren.
Die 7,52 Milimeter-Kugel schlug in seiner Stirn ein und hinterließ ein winziges Loch in der Schädeldecke. Brach sich ihren Weg durch den Knochen wie ein Laserstrahl durch Butter und zerschnitt das Gehirn des Akarii-Offiziers in zwei ungleichgroße Hälften.
Am Hinterkopf angekommen bohrte sie sich erneut durch Knochen und Gewebe und trat wieder aus, zog etwas Blut und Hirnmasse mit hinaus.
Wie eine Marionette, der man die Fäden durchschnitten hatte, fiel Rekk der Länge nach hin.
Einige Augenblicke bemerkte keiner seiner Untergebenen was passiert war, bis schließlich einem Unteroffizier der Leichnam des Kommandanten auffiel.
Die war der Moment, wo ein anderer Akarii keine fünf Meter von Rekk entfernt ebenfalls umfiel.
Schnell wie der Blitz schmissen sich die Soldaten und Offiziere der Gefängnissmanschaft in Deckung. Der Chor der Kriegsgefangenen wurde daraufhin lauter.
***
Die A Kompanie des 1. SAS-Bataillions hatte sich auf einer Breite von 30 Metern zum Angriff bereit gemacht. Die Richtsprengsätze waren angebracht worden. Man war bereit.
"Henderson: Beginnen Sie mit dem Feuerwerk!"
"Roger Colonel! 1. Zug, Baker-Kompanie VORWÄRTS!"
Blake hörte, wie Rakten und Granaten zischten und Explodieren. Dann folgte das laute Knistern von Energiewaffen.
"Steve: Sprengung!" Befahl Blake.
Sofort detonierten die Richtsprengsätze und der Weg war frei. Die A Kompanie griff an. Mit einer eiskalten Präzision rückten die SAS-Soldaten vor. Die Soldaten feuerten höchstens Drei-Schuss-Salven. Der gezielte Angriff überraschte die Akarii-Verteidiger total und die Hauptstreitmacht der Echsen begann nach weniger als fünf Minuten den Rückzug. Wenig später verwandelte sich der Rückzug in panische Flucht.
Angesichts der kalten, unmenschlichen Präzision, mit der die SAS-Soldaten den letzten Widerstand in der Grotte niederkämpften verstummte der Gefangenchor geschockt.
Tyr Svenson
Ich bin Ono sam Gokke sam Haki sam Zoryu sam Pash. Nicht mehr. Nicht weniger. Eine Nummer. Eine Nummer von vielen. Eine Nummer, die für ein Schicksal steht. Für das Schicksal eines Soldaten der Terran Space Navy.
Ich bin Gefangener im Camp Hellmountain, dem größten Kriegsgefangenenlager, welches die Akarii für uns Menschen eingerichtet haben.
Die Nummern, das heißt wir, die Menschen, bauen hier unter großen körperlichen Anstrengungen Erze für die Akarii ab.
Mein Schicksal? Ein Hohn. Aufgefischt aus Raumnot mit multiplen Krebs, notdürftig bei Kräften und am Leben gehalten durch eine uralte Methode, die man Chemotherapie nennt, mit einem faustgroßen Tumor im Kopf und ohne meinen rechten Arm.
Gedächtnisverlust oder Verdrängung, warum erinnere ich mich kaum an meine Vergangenheit?
Verdränge ich Schlachtbilder? Was haben die Schatten zu sagen, die Nachts in meinen Träumen auf mich zujagen, von denen ich weiß, dass es Bloodhawks sind?
Wenn ich auch sonst alles vergessen zu haben scheine, dieses Bild, es spielt sich immer wieder ab. Ich stehe in einem weiten, leeren Raum, nur durch einen Energieschirm vor dem absoluten Vakuum des Alls getrennt. Die Schatten rasen heran, ich sehe aufleuchtende Partikelkanonenspulen. Dann ein Blitz, grell, heiß, so heiß, und ich wache auf.
Schon lange schreie ich dabei nicht mehr, oder bin schweißgebadet. Auch wenn der Traum sich so real anfühlt, ich bin daran gewöhnt. Ich nehme ihn hin, wie den Verlust meines Arms. Wie den multiplen Krebs, der nur widerwillig zurückzugehen scheint. Wie die harte Arbeit. Wie die Verzweiflung meiner Kameraden, die nach und nach abstumpfen und nur noch wie Maschinen ihre Arbeit tun.
Ist der Traum wichtig? Ich weiß nicht, ob ich in der Lage bin, dies zu entscheiden. Ginge es nach einem motivierteren Ich von mir, wäre alles wichtig, was auch nur den Hauch einer Ahnung ließe, wer ich war, bevor ich in diesem Camp erwachte. Doch auch ich stumpfe ab.
Ich arbeite hart, um das bisschen, was mich im Körperlichen hält, nicht zu verlieren. Auch wenn ich vieles nicht mehr weiß, ich kenne noch den Geschmack von Rotbier und vermisse ihn. Ich lechze nach Nudeln in Tomatensoße. Ich will noch einmal den süßen Duft einer Rose riechen. Und ich will ums Verrecken noch einmal Adriana Batuma in Flug zur Hölle III ansehen.
Mit drei Worten: Ich will zurück. Zurück in ein Leben, dass ich nicht mehr kenne. Zurück in eine Welt, in der ich mich vielleicht niemals orientieren kann.
Zurück in ein Leben, dass ich der Navy gewidmet habe. Augenscheinlich.
Zu meiner Arbeit gehört auch die Essensausgabe. Ich bin es, der dreimal täglich in den Trakt für die Hochsicherheitsgefangenen herunter fährt, und ihnen Essen austeilt.
Anscheinend denkt der Lagerchef, dass ein einarmiger Krüppel dort unten nichts bewirken kann.
Doch er irrt. Ich bin der Halt dieser Männer und Frauen. Ihre Post. Ihr Trost. Ihre Hoffnung.
Der Berg hat seine eigenen Gesetze und seinen eigenen Lebenszyklus. Einige findige Ärzte haben anhand eines ruhigen Pulses herausgefunden, dass der Zyklus im Berg neunzehn Stunden umfasst. Plus ein paar Minuten. Ein Hinweis darauf, dass auch der Planet, auf dem das Lager steht, sich in neunzehn Stunden einmal dreht.
Oder ein Indiz darauf, dass die Akarii mit allen Mitteln arbeiten, um eine Flucht unmöglich zu machen.
Nach dem Zyklus ist jedenfalls Mittag. Ich komme mit meinem Wagen aus dem Fahrstuhl, stehe vor der großen Stahltür. Manchmal erscheint es mir weniger, dass die Tür das entkommen verhindern soll. Es sieht eher so aus, als solle nichts hinein kommen.
Die Akarii-Wachen öffnen mir. Sie sind leise, ungewöhnlich still. Und beobachten mich argwöhnisch. Selbst auf die übliche Ermahnung, ich solle nicht so lange trödeln, unterlassen sie. Verwundert runzle ich die Stirn.
Als sich hinter mir die riesige Stahltür schließt, beginne ich meine Runde.
Verbreite Neuigkeiten. Nehme Informationen mit. Commander Roussel hatte mich gebeten, seinem Untergebenen Anweisungen mitzunehmen. Nun bringe ich die Antworten.
Colonel Han will über den Ablauf der Gefangenenschachmeisterschaft informiert werden. Er wettet über mich mit und hat schon einen beträchtlichen Haufen Geld gewonnen. Dass ich vielleicht eines Tages einsammeln und ihm übergeben kann.
Admiral Alexander aber…
Als ich die Klappe öffne und zu der höchstrangigen Offizierin von Manticore herein sehe, starrt sie blicklos geradeaus.
„Admiral, Ihr Essen“, sage ich und schiebe ihr Tablett hinein. Die Stimmung gefällt mir nicht. Ganz und gar nicht.
„Zwei Wochen sind um“, sagt sie unvermittelt, und mir wird heiß und kalt.
Vor zwei Wochen habe ich ihr versprochen, dass eine Entsatztruppe der TSN eintreffen würde, um uns alle zu retten. Die Zeit ist um.
Normalerweise würde ich mich jetzt revidieren und noch eine Woche dran hängen. Aber ich würde es nicht aussprechen. Ich würde es niemals aussprechen. Doch Admiral Alexander tut es. Und bricht die ungeschriebene Regel zwischen uns.
Die Frau strafft sich und ich befürchte schon das Schlimmste. Sie ist Offizierin der TSN, hoch intelligent und erfahren, zudem hatte sie in den letzten Monaten in ihrem Gefängnis mehr als alle Zeit der Welt. Mir stockt der Atem, als ich weiterdenke. Wenn sie sich umbringen will, dann wird sie wissen, wie es geht. Sie wird es sich ausgedacht haben, oft genug. Und sie wird es durchführen.
„Admiral“, beginne ich zaghaft, „vielleicht habe ich den Commander falsch verstanden. Vielleicht meinte er gar nicht…“
Sie sieht herüber, lächelt etwas. „Sie brauchen mich nicht länger anlügen, Lieutenant. Sie kommen nicht. Ich habe das akzeptiert.“
Wieder wird mir Angst und Bange. „NATÜRLICH KOMMEN SIE!“
Wütend stiere ich sie an. „SIE KOMMEN UND RETTEN UNS!“
Der Admiral zuckt bei meinem Gebrüll zusammen. Für einen Moment wankt sie. Und sieht mich an.
„Vertrauen Sie mir, Admiral. Wir kommen alle hier raus. Alle.“
Sie winkt ab, bedeutet mir zu schweigen.
Irritiert halte ich den Mund.
Dann fragt sie leise: „Was war das?“
Die richtige Antwort wäre eine Gegenfrage gewesen, angefangen von einem schlichten Was bis zu einem ausführlichern Was meinen Sie? Doch ein Donnerschlag, wie ich ihn im Camp Hellmountain noch nie gehört habe, lässt mich zusammen zucken.
Ihm folgen weitere Schläge. Aufgeregte Rufe aus den anderen Zellen dringen an mein Ohr. In denen übrigens das Blut rauscht.
„Lieutenant“, haucht Alexander, und ich sehe eine trotzige Träne in ihrem rechten Auge, „Sie haben sich eine Beförderung verdient. Sie hatten Recht. Sie kommen. Sie kommen uns holen!“
Wieder erfolgen die Schläge. Könnte es vielleicht doch ein Erdbeben sein?
Nein, entscheide ich. Die Explosion von Munition würde ich immer erkennen, auch durch hundert Meter Felsgestein!
Sie kommen, sie kommen, sie kommen.
„SIE KOMMEN!“, schreie ich meine Begeisterung heraus.
Und befinde mich in meiner persönlichen Hölle.
Wenn die TSN wirklich angreift, was wird dann passieren?
Ich meine, was machen die Akarii? Werden sie die Gefangenen exekutieren? Sie als lebende Schilde missbrauchen?
Oder kommen sie nur hier herunter in den Hochsicherheitstrakt, versuchen, ihre wichtigsten Gefangenen auszufliegen oder zu töten, indem sie einfach eine Thermalgranate in jede Zelle werfen?
Was steht zwischen diesem Schicksal und den Offizieren? Nur ein Krüppel mit einem Arm, mit multiplem Krebs und einem Servierwagen als einziger Waffe.
Während sich die Offiziere in den anderen Zellen die Kehle wund brüllen, sehe ich zu Admiral Alexander herein, die seelenruhig damit beginnt, ihre Mahlzeit zu essen.
Sie nickt mir aufmunternd zu. „Die Echsen werden keinen Widerstand von Ihnen erwarten. Sie machen das schon, Lieutenant Doe.“
Ich nicke fest. „Verlassen Sie sich auf mich, Admiral. Ich schütze Sie mit meinem Leben.“
„Ich weiß“, erwidert die Frau und ist für einen Moment wieder betrübt.
Ein Krüppel mit einem Handwagen als Waffe, was für ein Witz. Aber habe ich nicht in meinem Leben… Habe ich da nicht gelernt, dass man alles zur Waffe umfunktionieren kann, wenn man nur will? Wenn ich den ersten Akarii umfahre, mir seine Waffe schnappe und damit auf die Nachrückenden feuere, kann ich genügend von ihnen töten, um den Offizieren hier das Leben zu retten?
Ich weiß es nicht. Aber ich weiß, dass ich es probieren muß.
Ein anderer, amüsierter Gedanke schießt mir durch den Kopf, während ich in einer günstigen Position mit dem Servierwagen verharre. Sollte ich zuerst einen Terraner erwischen, nimmt es mir der gute Mann hoffentlich nicht übel und verzichtet darauf, mich im Affekt zu erschießen.
Immerhin hat er es nur mit einem größenwahnsinnigen Krüppel zu tun.
Der versucht, jemanden zu beschützen.
Ono sam Gokke sam Haki sam Zoryu sam Pash alias Second Lieutenant John Doe. Nur eine Nummer mit einem Schicksal. Das vielleicht hier und heute endet.
Ich habe Angst.
**
"Winslow: Lassen Sie den Hof sichern. Lassen Sie die Marines einfliegen und schicken Sie ein Team los, den Hochsicherheitstrakt zu befreien!"
Blake sah sich hinter der aufgetürmten Palisade um. Zerfetzte Akarii-Leichen bedeckten das Feld. Männer wie Frauen. Bläuliches Blut tropfte aus den Einschusswunden der Scharfschützengewehre. Blake war froh, dass seine Vollrüstung ihn mit Sauerstoff verfügte, der Gestank von verbranntem Akariifleisch musste grausam sein.
Der Colonel des SAS-Bataillions ging auf die Glasmauer zu, die den Gefangenenbereich umgab.
"Chappel: Sehen Sie mal zu, dass Sie das Kraftfeld offline bringen."
"Geben Sie mir bitte noch etwas Zeit, ich hacke mich gerade durch das halbe Computersystem, um kriegswichtige Daten zu kopieren, ehe diese doch noch gelöscht werden."
Marc Singer arbeitete sich an der Spitze des kleinen SAS-Trupps den Gang zum Hochsicherheitsbereich vor.
Sein erster Einsatz beim SAS, nicht zu vergleichen mit denen bei den Fallschirmjägern, ganz und gar nicht.
Der Umgang beim SAS war nach dem Probetraining und den weiterführenden Fort- und Ausbildungskursen ganz anders und viel ungezwungener als bei einer normalen Infanterieeinheit.
Ranghöhere Unteroffiziere und Offiziere fragten öffter nach Rat und brüllten ihre Befehle nicht so, wie es bei den Fallschirmjägern häufig oder besser gesagt meißtens der Fall war.
"Sarge Holmer, da vorne die Tür, sieht nach dem Eingang zum Hochsicherheitstrakt aus." Singer legte sein H&K Sturmgewehr an.
"Roger Singer. Tomlinson, mach mal das C18 klar, wir sprengen."
"Aye, Sarge."
Tomlinson eine große Frau huschte katzenartig an Singer vorbei, welcher sich weiter auf die Tür zuschob. Das Gewehr immer im Anschlag, jedoch nie auf Tommlinson gerichtet.
"Bereit!" Kam die Meldung von Tomlinson.
"Singer, wen die Tür auf ist, gehst Du als erstes." Der Sergeant nahm gleich hinter ihm Aufstellung um ihm zu folgen.
"Roger", hauchte Singer in sein
Kehlkopfmikro.
Die sprengladung gab ein kurzes Zischen von sich und ein paar Funken flogen. Das wars.
Singer rammte die Tür mit seinem ganzen Gewicht.
Mit lautem Scheppern ging die Tür zu Boden. Singer macht zwei Schritte vorwärts, um sich selbst zu stabilisieren.
Der SAS Soldat schwang das Gewehr erst nach links, dann nach rechts.
Aus dem halbdunkel des Ganges kam etwas auf ihn zugerollt, mit steigender Geschwindigkeit.
Geschickt wich er nach rechts aus und gab dem Gefährt einen Tritt in die Seite.
Der Servierwagen landete an der linken Wand und kippte um.
Singer hatte unterdessen sein Gewehr auf den Kopf des Wesens gehalten, welches den Servierwagen geschoben hatte.
Sein Zeigefinger zitterte und tippte immer wieder an den Abzug, während Singer mit aller Gewalt ein Abdrücken verhinderte um den einarmigen Menschen, der vor ihm lag, nicht doch noch über den Haufen zu schießen.
Der einarmige Mensch in dem Gefängnissoverall rappelte sich bis auf die Knie hoch und starrte in Singers Gesicht, oder versuchte zumindest durch das Visier des Raumanzuges zu blicken.
"Menschen, Sie sind gekommen um uns zu holen, Gott sei Dank. Admiral, haben Sie gehört, wir kommen hier raus!"
"Los aufstehen! Gesicht zur Wand!" Sergeant Holmer war der erste, der sich aus seiner Starre befreite. Der massige Unteroffizier zerrte die abgemagerte Gestallt auf die Beine und schubste sie gegen die Wand.
"Singer: Das nächste mal schickst Du so jemanden mit dem Gewehrkolben ins Reich der Träume, kein Zögern, dass hier hätte tötlich für uns ausgehen können." Holmer wandte sich an die anderen Teammitglieder. "Los öffnet die Zellen."
Die SAS Soldaten schwärmten aus und begannen damit die Zellentüren mit C18 zu spicken.
Der Sergeant schaltet die Anzugsprechanlage lauter: "Achtung! Alle Zelleninsassen weg von den Türen, wir öffnen diese jetzt!"
Die Sprengsätze zischten und sprühten Funken.
Nach einigen Sekunden des wartens machten sich die Kommandosoldaten daren, die Zellentüren aufzudrücke und die Insassen herauszuholen.
Alle Insassen der Einzelzellen sahen aus, als ob sie geißtig wie körperlich am Ende wären.
Vice Admiral Melissa Alexander schüttelte jedoch die helfende Hand des Kommandosoldaten ab und trat stolz und aufrecht in den Gang.
Eine schwarze etwa menschenkopfgroße Metallkiste unter den linken Arm geklemmt.
"Gott tut das gut, mal mehr zu sehen, als die paar Quadratmeter Zelle", Brigadier General Lorenzo Garth streckte sich.
"In Ordnung", Alexander blickte sich um, "bringen Sie mich zu ihrem kommandierenden Offizier und ...." Sie erblickte John Doe an der Wand stehend. "Herrgottnochmal, lassen Sie den Mann in Ruhe! SOFORT!"
Sie marschierte zum Ausgang: "Kommen Sie Lieutenant Doe, ich brauche einen Adjudanten!"
Die übrigen Gefangenen aus der Isolationshaft folgten der Admiralin und die Kommandosoldaten umringten ihre Schützlinge.
In die Grotte rückten gerade die ersten beiden Kompanien der Marineinfanterie ein.
Ezra Blake war tief damit beschäftigt die Evakuierung der Gefangenen vorzubereiten, als ihn eine Autoritäre Stimme von hinten Ansprach.
"Colonel Blake?"
Der Colonel des SAS-Kommandos drehte sich um: "Ja? .. Oh, Admiral Alexander, ich werde sofort veranlassen, dass Sie und die restlichen Isolationsgefangenen auf die MARIA THERESIA gebracht werden."
"Geben Sir mir erstmal eine Übersicht über Operationen, die Laufen und geplant sind, sowie die zur Verfügung stehenden Resourcen!" Die Admiralin blickte sich ungeduldig um.
"Ma'am, ich werde für Ihre sofortige Verlegung sorgen ..."
"Ich möchte einen genauen Überblick!"
"Bei allem Respekt, dafür habe ich jetzt keine Zeit." Blake wollte sich umdrehen wurde jedoch von der Admiralin am Arm gepackt.
"Jetzt hören Sie mir mal zu Söhnchen, Sie werden jetzt hier eine anständige Meldung machen oder sich wegdrehen und mit den Konsequenzen leben. Und eine Denkstütze, ich habe Ihnen einen direkten Befehl gegeben. Im Angesicht des Feindes. Malen Sie sich ruhig die Kosenquenzen aus!"
Blake versteifte sich: "Aye, aye Ma'am: Das Graxon Sternensystem wurden von den Trägerkampfgruppen INTREPID und COLUMBIA erobert.
Danach landete ich mit zwei SAS-Kompanien auf Graxon II, um die Gefangenenbefreiung vorzunehmen.
Jetzt sollen wir von einem leichten Regiment Marines entsetzt werden.
Die Larzarettschiffe MARIA THERESIA und Albert Schweizer schicken medizinisches Personal, welches die Evakuierung überwachen und leiten soll.
Die Gefangenen sind so schnell wie möglich auf die beiden Larzarettschiffe und den Truppentransporter Kiev zu evakuieren.
Mein SAS-Kommando soll nach der Ablösung durch die Marines auf den leichten Kreuzer Hermes evakuiert werden.
Die Isolationshäftlinge sind mit besonderer Sorgfalt zu behandeln.
Sämtliche weiteren Pläne sind mir unbekannt."
Alexander hatte während der Litanei genickt: "Sehr schön Colonel, wer hat das derzeitige Oberkommando?"
"Admiral Long auf der INTREPID. Die INTREPID wurde jedoch bei den Kampfhandlungen beschädigt."
"Aha, gut, sogen Sie bitte für ein Shuttle welches mich auf die COLUMBIA bringt. Ich werde in der Zwischenzeit mal sehen, ob ich ein paar Angehörige meines Stabes finden kann."
"Aber Ma'am ..."
"Hatten wir das nicht eben geklärt?" Alexander wandte sich schon ab. "Lieutenant Doe, Sie bleiben hier und warten auf das Medizinische Personal!"
Die beiden Offiziere blieben zurück, während die Admiralin förmlich vor Aktivität explodierte.
Tyr Svenson
Ich bin Ono sam Gokke sam Haki sam Zoryu sam Pash. Oder um es in der Sprache der Menschen auszudrücken: Gefangener 13409.
Das ist es also, geht es mir durch den Kopf. Die Befreiung ist da. Ich denke an die Aufregung, an die Angst zurück, als ich im Gang gestanden habe, den Servierwagen im Griff meiner verbliebenen Hand. Wie die Tür aufging, der Schlitz immer größer wurde, wie die Gestalt in der Rüstung herein kam. Wie ich reagierte, um mein Leben und das der Offiziere kämpfen wollte. Wie ich kläglich versagte, wie mein Herz zu bersten drohte, bis ich merkte, wer mir da seine Waffe an die Stirn hielt. Ein Mensch! Ein MENSCH! Ich brüllte meine Begeisterung heraus, und es machte mir überhaupt nichts aus, dass er mich an die nächste Wand drückte. Es befriedigte mich sogar, dass er in mir einarmigen Krüppel so etwas wie eine Gefahr sah. Noch immer tobt die Erleichterung in mir, die ich empfunden habe. Ist das wirklich erst zehn Minuten her? Hat mir Admiral Alexander, lebensgroß, aufrecht vor mir stehend, wirklich erst vor kurzem gesagt, sie brauche einen Adjutanten?
Nun, der Part hat sich wohl erledigt. Admiral Alexander hat energisch das Kommando an sich gerissen, einen SAS-Colonel zusammen gefaltet und will mit dem ersten Shuttle auf die COLUMBIA aufbrechen. Mich hat sie hier abgestellt. Oben, bei den Baracken. Aber auf der falschen Seite des Schildes. Ich soll hier auf die Sanis warten.
„Doe!“, ruft eine begeisterte Stimme. Ich sehe herüber zur Glaswand und erkenne meinen behandelnden Arzt. Doktor Pfeuffer winkt mir zu. Er wirkt gelöst, aber auch aufgeregt. Genau wie die vielen anderen Kriegsgefangenen kann er es nicht erwarten, endlich hinter der Barriere hervor zu kommen und diesen elenden Berg zu verlassen. Das letzte Kapitel von Camp Hellmountain weit hinter sich zu lassen.
„Doktor!“, erwidere ich.
„Jetzt kommen wir wirklich hier raus. Es geht für uns auf ein Lazarettschiff, die MARIA THERESIA. Ein supermodernes Teil, perfekt ausgerüstet. Dort werde ich erst mal Ihren Krebs bis auf die letzte Zelle beseitigen, und dann beginne ich mit der Regeneration Ihres Arms. Soll ich die Muskeln und die Nervenzellen etwas frisieren?“, ruft der Arzt aufgeregt.
„Das Bier, das Sie mir versprochen haben, ist mir erst mal lieber“, erwidere ich.
Der Arzt lacht. Und stellt fest, dass die ankommenden Marines damit beginnen, Abmarschkolonnen aufzustellen. Hastig reiht er sich ein. Überhaupt scheinen sich alle Häftlinge daran zu erinnern, dass sie mal Soldaten waren. Sie sind sehr diszipliniert.
„Versprochen!“, ruft er herüber und verschwindet in der Menge.
Ich atme tief durch. Ich bin mir nicht sicher, ob ich tatsächlich auf die MARIA komme, oder ob mich der Admiral doch noch auf die COLUMBIA holt. Ich bin mir sicher, nein ich hoffe inständig, dass sie das mit dem Adjutanten ernst gemeint hat. Das sie mir so schnell es geht einen Sinn für mein Leben gibt. Ich brauche etwas zu tun!
„Lieutenant Doe?“
Ich drehe mich um und sehe einem Marine in die Augen. Der Mann trägt eine weiße Armbinde mit einem roten Kreuz. „Wir haben einen Sammelplatz für die Offiziere aus dem Hochsicherheitstrakt gebildet. Admiral Alexander hat befohlen, dass wir sie dorthin bringen. Nach einer ersten Untersuchung.“
Der Sanitäter mustert mich. „Abgemagert. Abbau der Muskelmasse. Rechter Arm abgenommen. Anzeichen für Leberschaden. Welche Medikamente kriegen Sie, Lieutenant?“
„Das müssen Sie meinen Arzt fragen. Nachdem er mich aus dem Cryogenebad geholt hat, hat er meinen Krebs mit einer Mischung aus Akarii- und terranischen Medikamenten behandelt. Es kann schon sein, dass die meinen Organismus belastet haben.“
Der Sani leuchtet meine Augen mit einem Lichtstab aus. „Schwerer Leberschaden. Mann, was immer der Junge Ihnen gegeben hat, er hat den Teufel mit dem Beelzebub ausgetrieben. Können Sie laufen?“
„Die Marathondistanz schaffe ich wohl nicht. Aber für ein paar Meter wird es wohl reichen, Corporal“, erwidere ich amüsiert.
Der Sanitäter ergreift meinen Arm, will mich stützen, aber so schwach bin ich nicht. Freundlich aber bestimmt lehne ich seine Hilfe ab.
Am Verbandsplatz ist eine Menge los, ich verliere schnell die Übersicht. Mein Sanitäter ist beinahe sofort verschwunden, nachdem er mich neben einer Trage geradezu abstellt.
Nein, schwöre ich mir. Sie müssen mich schon niederschlagen, bevor ich mich auf so etwas lege.
Amüsiert stelle ich mir die Frage, ob ich schon immer ein Dickkopf gewesen war.
„Sir, Sie müssen sich auf die Trage legen“, erklingt eine Stimme neben mir. Ich drehe mich um und sehe in ein sehr junges Gesicht unter einem Helm, der zu groß aussieht. „So steht es in der Vorschrift.“
Vor mir steht eine Frau, stelle ich fest. In der einen Hand hält sie einen elektronischen Notizblock, in der anderen ruht der Riemen ihres Scharfschützengewehrs, welches sie auf dem Rücken geschnallt trägt. „Bitte, Sir. Sonst gibt das nur wieder Ärger mit dem Sarge.“
Ich lächle die junge Frau an. „Kompromiss. Ich setze mich auf die Trage, ja?“
Sie lächelt. „Angenommen.“
Also setze ich mich. Sie hockt sich daneben, legt das Scharfschützengewehr ab und dazu den Helm. „Blaue Haare?“, frage ich verwundert.
Sie lächelt wieder herüber. „Genetischer Defekt in der Familie. Kommt durch die Radioaktivität im Raum.“
„Interessant. Wie ist Ihr Name, Private?“
„Davis, Sir. Ich bin hier, um Ihre Daten aufzunehmen für die weitere Bearbeitung. Die Sanis und Ärzte sind hoffnungslos überfordert, also helfen wir etwas aus. Denn ein Marine fürchtet sich vor keiner Aufgabe – selbst wenn es Verwaltung ist.“
Ich lache und sie fällt ein. Ich blinzle die Tränen fort und fühle eine merkwürdige Hochstimmung. Ja, es tut gut. Es tut gut, wieder frei zu sein.
„Also, dann wollen wir mal. Sie sind Offizier, Sir?“
„Second Lieutenant, Private.“
„Mist, ich habe das salutieren vergessen“, scherzt sie. „Name, Vorname?“
„Doe, John.“ „Doe…“ Ernst sieht sie mich an. „Ist das nicht der Name, den man Menschen gibt, die man nicht identifizieren kann?“
„Das ist richtig, Private“, erwidere ich. „Denn ich kann mich nicht an meine Vergangenheit erinnern, weil ein daumengroßer Tumor auf die entsprechende Gehirnregion drückt.“
„Mann, wo haben Sie denn das abgekriegt?“, fragt sie schaudernd.
„Ein SAR hat mich aus einer radioaktiven Trümmerwolke gefischt. Scheint, ich war einem explodierenden Schiff etwas zu nahe. Jedenfalls waren von mir nur zwei Dinge übrig, als ich geborgen wurde. Die Second Lieutenant-Abzeichen und die Schwingen. Abgesehen von einer satten Überdosis Radioaktivität.“
„Oh“, machte sie. „Aber Sie sind auf dem Weg der Besserung? Sir?“
Ich nicke und lache dabei. In einer freundlichen Geste fahre ich ihr durch ihr kurz geschorenes Haar. „Ja, das bin ich. Und wenn ich ein paar erfahrenen Ärzten in die Hände falle, ist die ganze Geschichte bald Vergangenheit.“
„Das freut mich, Sir. Das freut mich wirklich. Hoffentlich erinnern Sie sich dann bald. Haben Sie irgendwelche Verletzungen, einmal abgesehen von dem Verlust Ihres Arms?“
„Brauche ich denn welche?“, frage ich grinsend.
„Nein, Sir, natürlich nicht“, erwidert sie. Ich mag ihr Lächeln. Ich mag sie, stelle ich fest.
„Also Second Lieutenant John Doe, Krebs in Behandlung und rechten Arm verloren. Pilot. Auf die Personalnummer verzichte ich jetzt einfach mal.“
Ich drohe ihr mit dem Zeigefinger. „Vorsicht, Private, je fauler der Witz desto weiter wird ein Marine befördert.“
Sie lacht wieder und setzt ihren Helm auf. „Danke, das ist alles, was ich brauche.“ Ein Aufkleber mit einem Strichcode landet auf meinem Gefangenenoverall. „So, damit sind Sie in unserer Datenbank, Sir. Die Ärzte müssen nur den Strichcode einlesen. Ich wünsche Ihnen gute Genesung.“
„Danke, Private Davis. Ich weiß noch nicht, auf welches Schiff ich komme. Aber vielleicht haben Sie Lust, mich mal zu besuchen.“
„Ich will sehen, was ich tun kann. Sie wissen doch, ein Marine ist immer für eine Überraschung gut.“
Ich nicke und sehe sie zum nächsten Offizier gehen, Lt. Colonel Hargreaves.
„Die Kids, die sie einziehen, werden auch immer jünger“, brumme ich und strecke mich dann doch auf meiner Trage aus. Kurz darauf fühle ich, wie mir die Augen zufallen. Hoffentlich nicht für immer, geht ein zynischer Scherz durch meine Gedanken
Tyr Svenson
High in the sky
Nachdem die Mirages und die Nighthawks die Verteidigung auf dem Plateau aus dem Weg geräumt hatten, waren Sie zurück zur COLUMBIA geflogen um aufzutanken und aufzumunitionieren. Dann hatten sich die Shuttles der SAS auf den Weg gemacht, eskortiert von je sechs Phantomen der Roten Staffel und sechs Typhoon der Grünen Staffel.
Während die roten Phantome die hohe Luftüberwachung übernahmen, indem Sie in 6000 Metern Höhe über den im Landeanflug befindlichen Sturmshuttles der SAS kreisten, folgten die Typhoone den Shuttles in nächster Nähe und würden knapp über das Plateau fegen, um jeglichen erneut aufflackernden Widerstand im Keime zu ersticken.
Da Mantis ihren Flügelmann erst kürzlich verloren hatte und man Ihr daher etwas Zeit zum Verdauen geben wollte, und da Lone Wolf – und damit auch Hal – anderes zu tun hatte, waren Radio und Pops, Skunk und Donovan sowie das neue improvisierte Duo Kali und Shaka für diesen Einsatz bestimmt worden. Zwar hatten die beiden auch jeweils ihre Flügelmänner verloren, aber nicht für immer.
Bei dem Gedanken daran, dass es jeweils die Wingman erwischt hatte, war Donovan ganz froh darüber, das er die erste Schlacht nicht hatte mitmachen müssen. Nicht das er Skunk was unterstellen wollte, aber bei der Heftigkeit der Kämpfe wäre er vielleicht ebenfalls unter die Räder gekommen.
So wie Hacker.
Donovan konnte sich noch gut an den arroganten Gesichtsausdruck des jungen Piloten erinnern und auch an ihre Auseinandersetzung auf Miramar, und es kam ihm mittlerweile wie eine Ewigkeit vor. Und auch wenn Donovan sich einredete, dass er gerade Hacker nicht vermissen würde, überkam ihn ein kalter Schauer in seinem Raumanzug, jetzt da er an ihn denken musste.
Um sich abzulenken – denn wer dachte schon gerne an den Tod – studierte er eingehend sein Radar.
Die stationäre Verteidigung des Kriegsgefangenenlagers war zwar bereits außer Gefecht gesetzt und weit und breit keine feindlichen Jäger mehr auszumachen. Doch trotzdem war Vorsicht geboten, denn solange die Shuttles noch nicht gelandet waren, würden Sie ein gefundenes Fressen für alle Jagdverbände sein, die vielleicht der Vernichtung im Raum um Graxon II entkommen sein mochten.
Doch das konnte sich eigentlich niemand vorstellen, auch nicht Donovan. Die Akarii waren tatsächlich vernichtend geschlagen worden und jeder ging davon aus, dass die Moral dieser eh nur eher zweitklassigen Garnisonsstreitkräfte tief am Boden sein musste.
Kein Wunder, so wie die Raumschlacht um Graxon II bis jetzt gelaufen war. Donovan war nicht dabei gewesen und konnte es daher nicht wirklich einschätzen. Aber es gab kaum einen Piloten, der den Einsatz, trotz oder gerade wegen der relativ niedrigen eigenen Verlusten nicht als grandiosen Sieg feierte. Es war den Leuten anzumerken, das nach der Niederlage von Mantikor, den verlustreichen Feindfahrten während Operation Husar und dem Phyrrus-Sieg von Jollahran ein so eindeutiger Sieg die Moral hob. Donovan hatte viele Kommentare und Meinungen innerhalb der letzten Tage dazu gehört und viele verglichen diesen Sieg bei Graxon II bereits jetzt mit so bedeutenden historischen Schlachten wie GETTYSBURG, Stalingrad, Midway oder Regulus, die Wendemarken in Ihren jeweiligen Kriegen gewesen waren.
Es gab zwar auch die Zweifler und Mahner, die darauf hinwiesen, dass es noch nicht vorbei war und dass sie das Graxon-System ja noch nicht verlassen hatten. Aber sie waren in den Diskussionen an Bord eindeutig in der Unterzahl.
An keiner dieser Diskussionen hatte sich Donovan beteiligt. Wie viele Stunden war es erst her, dass er Hunderte von Menschen hatte leiden und sterben sehen, dass Lydia bis zur Unkenntlichkeit verkohlt in seinen Armen gelegen hatte? 24, 48 oder 72?
Er hatte jegliches Zeitgefühl verloren zwischen all den Einsatzbesprechungen, CAP`s und Aufklärungsmissionen seit ihrem Zusammenprall mit den Akarii. Er hatte – immer noch tief geschockt – dem Einsatzbriefing zugehört, war wie in Trance zu seinem Jäger gegangen und selbst als er die COLUMBIA Richtung Graxon II verlassen hatte, hatte er fast emotionslos, ja wie versteinert gewirkt.
Aber in seinem Inneren loderte es, so sehr er sich gegen die Navy auch gesträubt hatte. Im Moment war er ganz und gar Pilot und hatte eine Mission zu erfüllen. Und das hatte nicht nur mit Lydia´s Tod zu tun gehabt. Erst seit kurzem wusste Donovan mehr über den wahren Kern der gesamten Operation. Die Tatsache, dass Sie unterwegs waren um Kriegsgefangene zu befreien, hatte ihm auch zu schaffen gemacht. Wollte er wirklich den auf Graxon II inhaftierten POW´s durch seine störrische Haltung die Hilfe verweigern, auf die er selbst während in den ersten Jahren seiner Gefangenschaft bei den Piraten gewartet hatte? Er wusste nur zu gut, wie die Kriegsgefangenen sich fühlen mussten. Und auch wenn er der Navy an sich immer noch nicht verziehen hatte, konnte er sich einfach nicht weigern bei der Befreiung von Graxon II nicht zu helfen.
Der Funk ließ ihn aufhorchen und riss ihn aus seinen Gedanken. Es war die XO der Grünen Staffel, diese Lilja, die knapp und mit kühler Präzision in Ihrer Stimme verkündete:„Shuttle-Eskort abgeschlossen, Grün kreisen und Widerstandsnester ausschalten. Benutzt eure Imps!“
Dann begannen die Shuttles die Tore des Kriegsgefangenenlagers unter Beschuss zu nehmen. Ein Vorgang, den die Roten nicht zu sehen bekamen, nur zu hören.
Doch dann kam eine ganz andere Nachricht über Funk.
„Leader Rot, Leader Grün“ kam es vom SWACS auf den jeweiligen Staffelfrequenzen rein „wir zeichnen vier Banditen, tief aus Nord-Nordwest. Bestätigen!“ Die Stimme klang emotionslos, fast schon übertrieben locker.
„Roger“ bestätigte Lilja als erste „gehen auf Abfangkurs.“
„Roger“ reagierte kurz darauf Radio „wir kommen von oben. Setzt die Nachbrenner ein, Sie dürfen keine Zielerfassung schaffen.“
Soweit durfte es nicht kommen, war Donovan´s erster Gedanke und sein Puls schoss mit einem Mal nach oben, aber er führte routiniert die Befehle aus und klebte dicht hinter Skunks rechter Tragfläche. Es war klar, worauf Radio anspielte. Es war ohnehin überraschend genug, dass die Akarii noch über einsatzfähige Jäger verfügten. Der gegnerische Kommandeur musste Sie entweder zurückgehalten oder rechtzeitig aus dem Spiel genommen haben. Sollten diese jetzt aber in der Lage sein, die anfliegenden Shuttles noch aus der Luft zu holen, bevor die SAS ausgeschifft hatten oder schlimmer noch die Gegend mit Nuklearraketen einebnen, wäre alles umsonst gewesen.
Die Rote Staffel beschleunigte und fiel fast senkrecht aus dem Himmel in Richtung der anfliegenden Feindjäger.
`Selbstmordkommando` dachte Donovan, als er schließlich die vier Icons der gegnerischen Jäger auf seiner HUD beobachtete. Es waren den Instrumenten nach zwar vier Deathhawks, die man nie unterschätzen sollte, aber trotzdem hatten Sie keine Chance gegen 12 Navy-Maschinen.
„Raketenaufschaltung“ raunzte Skunk, ohne dass es nötig war. Sowohl die Roten als auch die Grünen wussten, was zu tun war. Donovan machte seine Raketen bereit zum Abschuss, aber noch waren weder die Roten noch die Grünen in Schussweite.
`Vier gegen zwölf` schoss es Donovan in den Kopf `hat mehr etwas von einer Exekution als von einem Kampf, es sei denn…`. Dann machte es Klick in seinem Kopf.
„Skunk…“
„Keine Zeit für Schwätzchen, Noname…“ raunzte dieser zurück, doch Donovan gab nicht sofort auf.
„Ist es nicht merkwürdig, dass die einfach so in Ihren Tod …?“
Noch bevor Donovan ausgesprochen hatte, meldete sich das SWACS erneut
“Leader Rot, Leader Grün, wir zeichnen fünf weitere Banditen, tief aus Süd. Bestätigen!“ Dieses Mal war jegliche Selbstsicherheit aus der Stimme des Mannes verschwunden und eine Spur von Panik hatte sich darunter gemischt.
„COLUMBIA startet Alarmrotte 1, Alarmrotte 2 in einer Minute“ kam es zusätzlich von COLUMBIA Control, doch alle wussten, was Radio sofort durchgab. „Wenn die Echsen es auf die Shuttles abgesehen haben, kommen die Alarmrotten zu spät. Lilja“ funkte er die Typhoon-Pilotin an „schnappt euch die Bandits NordNorwest, wir holen uns die aus Süd. Lasst keinen durch, zwingt Sie zum Abdrehen, schindet Zeit, was auch immer, aber ich wiederhole: Lasst keinen durch.“
Donovan war beeindruckt. So unsicher Radio als XO der Roten Staffel bisher gewirkt hatte, so sicher und präzise waren seine jetzigen Befehle gewesen. Er musste zugeben, dass er das Radio nicht zugetraut hatte.
Eine Reihe von Copy´s später waren beide Halbschwadronen auf dem Weg um das schlimmste abzuwenden. Die Grünen näherten sich Ihren Gegnern tief über dem Boden, die Roten drehten hart bei, änderten Ihren Kurs auf Süd und beschleunigten was das Zeug hergab.
„Auf Sie mit Gebrüll, Rote Staffel“ rief Radio seinen Leuten zu als Sie auf die tief über dem Boden anfliegenden Jäger zuflogen. die Euphorie des Kampfes in seiner Stimme war unverkennbar. Und selbst Donovan hätte am liebsten laut hinausgebrüllt um seine Nervosität abzubauen. Dann waren Sie in Reichweite. Donovan markierte einen der Gegner als Ziel und richtete seine Raketen aus.
Die Gegner waren auch hier Deathhawks, aber fünf von Ihnen. Aber sie schienen gewillt zu sein, die anbrausenden Phantome zu ignorieren und hielten weiter auf die Shuttles zu. Doch weit würden Sie nicht kommen, denn die Terraner hatten schon bald Zielerfassung.
„Fox one, fox two.“
„Raketen sind los…“
„Yahoooo…“
Die Raketen der Roten fegten los, erst waren es sechs Raketen, dann acht, zehn und schließlich zwölf, die auf die fünf Deathhawks zupreschten. Doch diese reagierten prompt, und das mit einer behänden Eleganz, mit der Donovan nicht gerechnet hatte. Die Akarii fegten davon, alle synchron aber alle in andere Richtungen, so als ob jemand auf einen Knopf gedrückt hatte. Frustriert und hilflos musste Donovan mit ansehen, wie die meisten der Raketen die Zielerfassung verloren und nutzlos davon zischten. Ein paar Raketen trafen, schwächten Schilde, aber keine drang durch.
`Gott, die Akarii müssten doch geschlagen sein, am Boden zerstört, unfähig zum Widerstand` schoss es ihm durch den Kopf.
Sie hatten eine vernichtende Niederlage im Raum zugefügt bekommen und waren trotzdem noch in der Lage einen so gut getimten Angriff zu starten.
Eisige Furcht quälte sich in Donovans Gedanken. Wenn selbst diese Einheiten, von denen man gesagt hatte, sie wären nur zweitklassig, Ihnen noch so viel Paroli bieten konnten und trotz erdrückender Übermacht in der Lage waren so gut auszuteilen, dann fragte sich Donovan, was wohl die Elite erst mit Ihnen anstellen würde.
Donovan hoffte instinktiv, dass er das niemals würde herausfinden müssen.
Die Roten machten sich sofort an die Verfolgung. Zumindest versuchten sie es. Es gelang nicht allen und eine wilde Kurbelei nahm ihren Anfang. Donovan war versucht, sich auch an der Jagd nach einer der Akarii´s zu beteiligen. Das Jagdfieber hatte ihn nun endgültig wieder gepackt. Doch Skunk schien Gedanken lesen zu können.
„Denk´ ja nicht dran, Noname“ funkte Skunk hinüber „Du bleibst an meinem Flügel, klar?“
„Aye“ bestätigte Donovan zähneknirschend, wäre er doch nur allzu gerne selbst auf die Jagd gegangen. Aber so musste er mit ansehen, wie sich Radio und Pops und auch Kali und Shaka trennten, um sich jeweils ein Ziel vor zu nehmen, während er weiter Babysitter spielen musste. Sie trauten ihm immer noch nicht, aber Donovan hatte keine andere Wahl als das zu akzeptieren.
Die Phantome jagten Ihren Zielen hinterher, doch auch wenn Sie es vielleicht mit zweitklassigen Piloten zu tun hatten, so saßen diese immer noch in Deathhawks. Skunk nahm die Maschine vor ihm mit seinen Strahlenkanonen unter Feuer, aber dieser wich geschickt aus. Auch Donovan bekam Ihn nicht ins Visier, so dass seine als Unterstützungssalve gedachten Laserimpulse in einigem Abstand vorbei strichen. Die wendigeren Akarii-Maschinen nutzten ihre Vorteile knallhart aus, schüttelten ihre Verfolger teilweise ab und setzten sich schon nach kurzer Zeit hinter ihre vermeintlichen Jäger, die damit selbst zu Gejagten wurden.
„Fuck, Kali, wo ist meiner…?“
„Shaka, er kommt von links, weich aus…“
„TREFFER“ jubelte Pops, doch seine Freude währte nicht lange, als er erkannte, dass sein Gegenüber den Schlag wegsteckte und sich dann geschickt seinerseits stetig in seinen Rücken bewegte.
Und so ging es ein paar Minuten lang hin und her. Beide Seiten landeten Treffer, doch noch war keine der Kampfmaschinen ausgefallen. Donovan hatte sich das einfacher vorgestellt. Sie hatten eine Maschine mehr und die Akarii waren nur zweite Wahl, die Maschinen nicht mehr ganz taufrisch. Und doch konnten Sie ihnen Paroli bieten. Nun das einzig positive war, dass Sie auf diese Weise die Shuttles der SAS nicht angreifen konnten.
„Bleibt an Ihnen dran, lasst sie nicht …“ die Anspannung in Radio´s Stimme war fast schon greifbar „entkOMMEN.“ Ein Krachen, welches über den aktivierten Funk zu hören war und das anschließende Alarmfiepen von ausgefallenen Systemen kündeten von einem Treffer. „Scheisse, ich ...chrrrrchcrr… were Systemausfälle und …“, ein kurzes Knacken, dann: „Skunk, du überni… chrrrchrr…dio over.“
Und dann zog Radio seine Maschine mit wilden Ausweichmanövern so steil es ging nach oben, eine Rauchfahne hinter sich her ziehend. Der Deathhawk in seinem Nacken folgte ihm ein paar Augenblicke, doch als er erkannte, das Radio sich aus dem Kampf zurückzog, ließ er seine Maschine seitlich abfallen und beschleunigte in Richtung des Plateaus.
„Alles klar, Radio ich übernehme. Noname, wie ist unsere Lage?“ Skunk war weiter voll auf damit beschäftigt den Deathhawk vor sich ins Visier zu nehmen, also gab er die Aufgabe, sich einen Überblick zu verschaffen an Noname ab.
„Vier Deathhawks sind in Dogfights verwickelt, Radio´s Deathhawk macht sich davon Richtung Plateau.“
„Scheisse, verflucht. Noname, schnapp ihn dir, worauf wartest Du?“
„Aye.“
Das musste er ihm nicht zweimal sagen. Noname´s Maschine machte eine harte Wende, dann zündete er die Nachbrenner und ging auf Abfangkurs. Die einzelne Deathhawk vor ihm hatte zum Glück eine weiter östlich liegende Position gehabt, als er sich von Radio hatte lösen können. Da Noname näher am Plateau war, konnte er sich dem Akarii quasi in den Weg stellen. Das hatte dieser anscheinend ebenfalls bemerkt und versuchte erst gar nicht einem Kampf aus dem Weg zu gehen.
Wie zwei gepanzerte Ritter in einem Turnier aus der Zeit des Erdmittelalters, preschten die beiden Jäger aufeinander zu. Und da sie beide fast zeitgleich ihre Raketen aufeinander abfeuerten, schienen die Lanzen aus den Raketenschweifen zu bestehen. Donovan jagte, genau wie der Feind, gleich zwei Raketen auf den Weg, wer wusste schon, ob er wieder so eine günstige Schussposition kriegen würde. Dann drehte er abrupt ab, schleuderte seine Maschine in ein paar wilde Flugmanöver und warf ein paar Täuschkörper aus und wurde durch das davon zischen einer der Raketen belohnt. Eine zweite schlug aber ein, schüttelte ihn ordentlich durch – was ihm prompt einen stechenden Kopfschmerz einbrachte – und reduzierte seine Heckschilde um einiges. Als er erkannte, dass er erstmal ohne Schaden davon gekommen war, suchte er die Anzeigen nach seinem Gegner ab.
Aber dieser war nirgends zu sehen.
„Wo ist meiner hin?“ fragte er hektisch und schaute auch in seiner Sechs nach, aber er konnte den Gegner nicht erkennen. Hatte er sich tief in seinen Rücken gesetzt?
„Den hast Du erledigt, Noname“ gab Skunk etwas gepresst durch, immer noch dabei seinem Gegner die Panzerung von den Flügeln zu schälen.
„Was? Soviel hab ich ihm doch gar nicht…?“
Doch Skunk fiel ihm ins Wort. „Auch ein Blindes Huhn… Du weißt schon, aber jetzt beweg deinen Arsch wieder her, Pops hat Probleme.“
Als er seine Maschine wieder wendete, fiel ihm ein, dass ja Radio der Deathhawk vorher schon tüchtig eingeheizt hatte. Wahrscheinlich hatte er kaum noch Schilde gehabt und war somit chancenlos gegen Noname´s Salve gewesen.
Sein erster Akarii-Abschuss und er hatte es noch nicht einmal mitbekommen.
„Noname, schnell…“ Pops panische Stimme drang durch den Funk und in dem Augenblick in dem Donovan in den neuerlichen Abfangkurs eingeschwenkt hatte und damit Pops Maschine und die seines Peinigers auf der optischen Vergrößerung hatte, sah er Pops Maschine in einem Feuerball in die Luft fliegen.
„Nein“ Donovan hatte keine Chance mehr bekommen Pops zu helfen und er hatte nicht mitbekommen, ob Pops hatte aussteigen können. `Noch ein Wingman weniger` schoss es ihm durch den Kopf und das Gefühl verstärkte sich, dass die Rote Staffel kein guter Ort für Flügelmänner zu sein schien.
Noname visierte seinen Gegner an, doch diesmal war er nicht schnell genug. Die Deathhawk drehte sich dermaßen geschickt davon, dass seine Zielerfassung abbrach. Donovan versuchte ihm zu folgen, aber ehe er es sich versah, wurde er von Treffern aus Strahlenkanonen durchgerüttelt. Er versuchte seinem Gegner zu entkommen, aber er kam nicht weit. Treffer um Treffer reduzierte die Leistung seiner Schilde, bis Sie endgültig zusammen brachen.
„Skunk, meiner reißt mir den Arsch auf…“
Noch ein Treffer fetzte die erste Panzerplatte von seinem Heck.
„Dieser hartnäckige Echsenbastard hat sich in meinen Rücken gesetzt…“ Mehr brauchte Skunk nicht zu sagen.
Wieder ein Treffer, diesmal glühte ein Stück seines linken Flügels kirschrot auf und hinterließ ein hässliches Loch in der Größe einer Melone. Sofort wurde die Phantom unruhig in der Steuerung. Im All waren solche Schäden irrelevant, doch hier in Atmosphärenflug konnte Donovan nicht sehr viel mehr davon einstecken.
„Hab meinen, ich habe meinen“ kam es dann enthusiastisch von Kali und Donovan hoffte auf baldige Hilfe.
„Meiner klebt mir am Heck“ kam es als Antwort von Shaka „verflucht, ich werd ihn nicht los.“ Und damit zerstob auch Donovans Hoffung auf Unterstützung. Kali drehte ab um ihrem Flügelmann zu helfen, da dieser deutlich näher war als Noname oder Skunk. Er musste also sehen, wie er selbst zurecht kam.
Er versuchte weiter Zeit zu schinden, in dem er möglichst wilde und überraschende Manöver flog, aber er konnte weitere Treffer nicht verhindern.
Im Gegenteil, eine komplette Salve mehrerer Treffer hintereinander ließ etwas im Cockpit explodieren, trieb ihn in die Gurte und badete seinen rechten Arm in Schmerzen. In Verbindung mit seinen eh schon vorhandenen Kopfschmerzen brüllte er auf und die Welt verschwamm. Als der Schleier des Schmerzes sich dann langsam wieder hob, erkannte er, dass er senkrecht gen Boden fiel und riss in Panik die Maschine wieder hoch.
Zum Glück funktionierten die Triebwerke noch, so dass er die Phantom, wenn auch unter Schwierigkeiten wieder stabilisieren konnten. Schnell versuchte er sich einen Überblick über das wahre Ausmaß der Schäden zu machen. Alle seine Rundsichtschirme waren geborsten, zwei Drittel seiner Alarmmelder blinkten Rot auf und die Systemstimme gab ihm – emotionslos wie bei einer Wettervorhersage – die Schäden durch. Er schaltete die enervierende Stimme mit einer schnellen Handbewegung aus und versuchte zu sehen, wo sein Feind war. Doch ohne seine elektronischen Bordsysteme war er so gut wie blind. Er musste die altmodischen, dementsprechend selten benutzten Anzeigen wie Höhenmesser, Geschwindigkeitsanzeige usw. erst mit seinen Augen suchen um zu sehen, wo er war.
Aber warum gab ihm der Akarii nicht den Rest? Hatte er von ihm gelassen, weil er ihn für erledigt hielt. Nun, damit hatte er wohl gar nicht mal so Unrecht.
Donovans rechter Arm schmerzte und erst jetzt viel ihm dieser merkwürdige Ozongeruch auf. Als sein Blick auf seinen Arm fiel, musste er schlucken. Die Raumanzugoberseite des Unterarms war zerfetzt worden, wahrscheinlich von Splittern der Sichtschirme. Er blutete und versuchte seinen Arm zu bewegen, und war erleichtert, als er das ohne große Probleme tun konnte. Wahrscheinlich hatten sich nur ein paar Splitter verirrt, aber so wie es aussah, hatte sein Raumanzug das schlimmste verhindern können.
Er wandte sich wieder seiner Maschine zu, die bockig reagierte. Die Waffensysteme waren ausgefallen, die Funkanlage funktionierte nicht mehr, die Lebenserhaltungssysteme waren nur noch bei 40%, die Cockpitversiegelung war aufgebrochen und sein Raumanzug war beschädigt. Noname fuhr ein kalter Schauer den Rücken hinunter. Im Weltall wäre er jetzt tot gewesen.
Aber auch hier hatte er noch so seine Probleme.
Er konnte nicht zurück ins All, er wusste nicht wo er war und zu allem Überfluss näherte sich auch sein Treibstoff langsam aber sicher dem Ende zu. Er konnte sich noch nicht einmal aus der Maschine schießen und hoffen geborgen zu werden, da er mit seinem undichten Raumanzug keine zwei Minuten in dem giftigen Nebel überleben würde, der Graxon II an fast allen Stellen des Planeten kilometerdick bedeckte.
Seine einzige Chance bestand in dem Plateau. Er wendete Richtung Nordwest, in der Richtung, in der das Plateau zuletzt von Ihm aus gelegen hatte. Wenn er es verpassen würde, war er so gut wie tot.
Er flog mit seiner Maschine so, dass er durch die Cockpitscheiben nach dem Plateau Ausschau halten konnte. Panik wallte in ihm auf, als er auf seine Tankanzeige blickte. Wenn er sich geirrt hatte und an dem Hochplateau vorbei flog?
Doch dann erkannte er eine Rauchfahne in der Entfernung hochsteigen und jubelte alleine in die Ruhe seines Cockpits hinein. Die brennenden Baracken des Kriegsgefangenlagers wiesen ihm den Weg.
Als er es dann erreicht hatte, fegte er so langsam wie möglich aber gerade noch so schnell wie nötig über das Plateau hinweg. Viel konnte er unten nicht erkennen. Etwas, das ihm vage wie eine Landebahn vorkam, stach ihm direkt ins Auge.
Sein Herz rutschte ihm in die Hose. Viel zu kurz, die Landebahn war viel zu kurz für einen Jäger. Ohne Fangseile oder –netze würde er wahrscheinlich vorne wieder hinausschießen und direkt in die Tiefe rund um das Hochplateau stürzen.
Aber hatte er eine andere Wahl?
Er überflog das Plateau noch einmal, genau in Landerichtung und nicht mal 100 Meter über dem Landeplatz. Er hoffte, dass jeder der dort unten war, seine Absicht erraten und sich aus dem Weg machen würde. Das letzte was er wollte, war dort direkt auf einem noch geparkten Shuttle der eigenen Leute zu landen.
Dann flog er eine lange Schleife, brachte seine Maschine in exakten Kurs und reduzierte den Schub so gut es ging. Immer noch zu schnell. Als er den Schub noch weiter runter nahm, wurde die Maschine immer schwieriger zu lenken und zitterte förmlich in der Luft.
Dann als er das Plateau in Sichtweite hatte, schaltete er die Triebwerke vollkommen aus, und zog die Nasenspitze etwas hoch, so dass er den Beginn der Landebahn nicht mehr sah.
Wenn er sich verkalkuliert hatte, würde er direkt in die Felswand brettern, oder zu spät aufkommen. Er hatte keine Chance mehr, durchzustarten, keine Chance mehr einen Fehler zu korrigieren. Er lächelte bitter, da ihn dieser Gedanke an seine gesamt Situation erinnerte. Wenn das jetzt sein Ende sein sollte, dann sollte es eben so sein.
Etwas Hartes traf die Unterseite der Phantom, die Räder nahmen Kontakt mit dem Boden auf, zum Glück mit ebenem Boden.
Sekundenbruchteile später setzte auch die Flügelspitze auf und Donovan bremste was das Zeug hielt, die Bremsklappen voll ausgefahren. Dann aktivierte er die vorderen Manöverdüsen, die ein klein wenig Gegenschub bewirken würden. Die Phantom wurde langsamer, doch würde sie langsam genug werden?
Die Landebahn war bei weitem nicht so gut in Schuss, wie er sich gewünscht hätte und die Vibrationen, die durch seinen Jäger geleitet wurden, machten das Lenken extrem schwierig. Donovan musste mit voller Wucht die Zähne aufeinander pressen, damit seine Kiefer nicht seine Zähne zermahlen würden. Sein rechter Arm schmerzte fürchterlich, als er krampfhaft versuchte die Maschine gerade zu halten.
Es gelang ihm nicht.
Mit weit aufgerissenen Augen sah er, wie der Jäger langsam nach links abdriftete, direkt auf eine Betonbewehrte Baracke am Rande der Landebahn zu. Mit letzter Kraftanstrengung riss er an seinem Steuerknüppel und schaffte es gerade noch so, daran vorbei zu sausen.
Eine Ewigkeit schien zu vergehen, als der Jäger immer langsamer wurde und schließlich langsam zum Stillstand kam, keine 10 Meter vom Rand des Plateaus entfernt.
Als die Maschine endgültig stand, zitterte Donovan am ganzen Körper. Er versuchte seine verkrampften Arme vom Steuerknüppel zu nehmen, aber es gelang ihm nicht. Erst als die Last und Anspannung von ihm fiel, sackte er in sich zusammen und schluchzte wie ein kleines Kind.
Sein erster Kampf für die Navy seit so langen Jahren.
Er schloss seine Augen, lehnte sich zurück und versuchte sich trotz Kopf- und Armschmerzen so gut es ging wieder zu beruhigen.
Dieses Mal würde es anders sein, dieses Mal würden Sie kommen um ihn zu holen.
Er hatte sich wieder beruhigt, als ihm die Leute des Bergungsshuttles aus dem Cockpit halfen, aber er hatte sich nicht einen Millimeter bewegt.
Tyr Svenson
Commander Cunningham mußte an sich halten, um nicht lauthals zu fluchen. Wenn es EINMAL den Anschein erweckte, daß alles nach Plan lief... Und er konnte nichts tun, war hier oben zur Untätigkeit verdammt, während die Maschinen seiner Staffel von neun veralteten, aber immer noch gefährlichen Deathhawk-Jägern angegriffen wurden. Gewiß, die Erdjäger waren zahlenmäßig überlegen und die Sturmfähren der SAS auch nicht gerade wehrlos – dennoch... Wenn doch nur die Mirage und die Nighthawks sich nicht schon wieder zurückgezogen hätten! Die Akarii hatten ihren Angriffsflug zeitlich gut gewählt.
Mit angehaltenem Atem verfolgte Lone Wolf das Duell der Kampfflieger dicht über dem Boden. Leise fluchte er, als das Signal von Pops Maschine erlosch. Der Pilot wurde vom Schleudersitz aus der Maschine geschossen.
„Sobald die Akarii abgewehrt sind, schicken Sie sofort ein SAR-Shuttle los! Zwei Maschinen von Staffel Blau begleiten es. Der Rest der Staffel soll sich fertig machen – sie lösen Grün und Rot bei der Abschirmung der LZ ab.“ Cunningham kappte die Verbindung mit dem Deckoffizier, bevor dieser bestätigen konnte und verfolgte weiter mit angehaltenem Atem den Luftkampf.
Weitere Verluste blieben den Menschen erspart – die Deathhawk wurden von der kombinierten Feuerkraft der Typhoon und Phantome niedergekämpft. Nur drei Akarii entkamen angeschlagen im Tiefflug. Die Geräte der COLUMBIA verloren sie immer wieder, während sie dicht über dem Boden davonjagten, jede Bodenfalte ausnützend. Wütend schlug Cunningham mit der Faust gegen seinen Oberschenkel. Das fehlte noch, daß diese Hunde entkamen, um bei nächstbester Gelegenheit wieder zuzuschlagen!
„Eines unser SWACS ist in günstiger Position. Sollen Sie..?“
„NATÜRLICH SOLLEN SIE!“ raunzte Cunningham den Kommunikationsoffizier an. „Und lassen Sie die Daten einspeisen! Ich will wissen, wo diese verdammten Kerle herkamen. Benachrichtigen Sie den NIC, er soll sofort ins CIC!“ Lone Wolf war froh, daß ihn Captain James Waco weitestgehend gewähren ließ – aber der hatte momentan ohnehin andere Probleme.
Die flüchtenden Jäger wußten nicht, daß sie, trotzdem sie praktisch auf Bodenhöhe flogen, aufmerksam beobachtet wurden, an Bord des SWAC und an Bord der COLUMBIA.
„Eine weitere planeteare Basis?“ Cunnigham runzelte die Stirn. Warum hatten die Akariis in der giftigen Zone des Planeten Anlagen errichtet – und auch noch mit mindestens neun Deathhawk gesichert?
„Sie sind auf dem Gebiet des Nordkontinents runtergegangen – ziemlich nahe am Pol. Wir vermuten, daß sich dort erhebliche Trilion-Vorkommen befinden. Anscheinend haben die Akarii mit dem Abbau begonnen und die Bergwerke speziell gesichert. Vermutlich gegen Piraten.“ die Stimme des NIC-Offiziers klang kühl, fast nebensächlich. Commander Cunnigham wandte sich zu dem Lt. Com. um, die Stirn gerunzelt: „Davon erfahren wir aber früh! Helfen Sie mir auf die Sprünge, was ist mit diesem Trilion?“
„Die Akarii benutzen es zur Härtung ihrer Schiffspanzerungen.“
„Na schön. Ich nehme an, wir wollen uns, wenn wir schon mal dabei sind, auch diesen Bonus holen?“
„Es wäre günstig...“
„Nun, das soll Schlüter analysieren. Das ist Sache des Marinecorps, wenn wir das POW-Camp erst mal gesichert haben. Vorerst aber will ich diese Jäger – in Einzelteilen am Boden!“
Commander Cunnigham überlegte fieberhaft. Seine Streitkräfte waren begrenzt – wen schickte er los? Die Staffel Blau würde die LZ sichern. Staffel Rot und Grün wollte er nicht schon wieder auf einen Kampfeinsatz schicken. Die Phantome hatten schwere Verluste erlitten und die Typhoons waren für Bodenangriffe nicht besonders geeignet. Die Crusader und Rafale schieden sowieso für Bodenangriffe aus. Und die Mirages... Auch Staffel Gold und Silber hatten schwer geblutet. Außerdem wollte er die Jabos lieber in der Reserve haben. Die Einheiten der INTREPID... Nein, er würde jetzt nicht eine langwierige Verhandlung anfangen, wer von denen runter mußte. Blieben also die Nighthawk und Griphen. Auch wenn er Darkness erst vor ein paar Stunden mit der Bemerkung entlassen hatte, er solle sich erst mal ausschlafen. Jetzt mußte er wohl doch noch mal ran. Aber er würde es schaffen. Nun ja, die Akarii würden wohl kaum Reserven zurückbehalten haben, nach diesem Angriff. Blieben also die drei geflüchteten Jäger und was auch immer an FLAR und FLAK vorhanden war. Damit müßten Nighthawks und Griphen fertigwerden.
„Geben Sie Schwarz und Gelb Bescheid! Die Griphen stellen zwei Sektionen. Bestücken Sie die Maschinen mit je zwei Sparows und vier Hydra-Werfern. Die Nighhawks werden für den Nahkampf ausgerüstet – Amrams und Sparrows. Sie geben Geleitschutz und decken den Bodenangriff. Eine der Nighthawks wird mit Aufklärungspods bestückt. Wenn wir diese Mienenanlagen doch noch mal übernehmen wollen, will ich keine Überraschungen für die Jarheads! Und binnen fünfzehn Minuten sind die Maschinen in der Luft! Wir müssen sie erwischen, bevor sie wieder aufgetankt sind. Und sagen Sie Thunder und Darkness, daß ich will, daß Sie die Akarii-Stellungen in die Steinzeit bomben! Jede Stellung, die auch nur im Entferntesten nach Hangar, FLAK oder FLAR aussieht, wird in die Luft gejagt!“
„Zu Befehl!“
Cunningham griff nach dem Hörer des Bordtelefons, um persönlich Captain Waco über den Einsatz zu informieren.
Darkness fluchte nicht schlecht, als man ihn weckte. In der Flotte hatte man doch nie Ruhe! Doch dann warf er sich in den Anzug und hastete los, um seine Piloten zu alarmieren. Es ärgerte ihn, daß er nur mit elf Maschinen rechnen konnte – Brawler war noch in der Krankenstation.
Auch Shukova mußte einen Kraftausdruck unterdrücken. Nach der verlustreichen Schlacht hatten ihre Piloten Ruhe verdient. Doch die TSN mußte sie wieder raushetzen, zu einem verdammten Schlachtfliegereinsatz – als ob es dafür nicht noch andere Einheiten gab! Aber andererseits, sie selber hatte keine Ruhe finden können. Sie hatte es nicht wahrhaben wollen, daß es Martell erwischt hatte. Er hatte immerhin drei Feindfahrten überlebt – und kaum wechselte er zu den Bombern... Martell hätte bei den Griphen bleiben sollen, hatte sie in einer abergläubischen Anwandlung gedacht. Denn das war ein alter Navy-Aberglauben: wenn jemand ausstieg bedeutete dies, daß entweder er in der neuen Einheit sterben würde – oder seine alte Einheit vom Schicksal zur Vernichtung bestimmt war.
Shukova konnte Martells Tod eigentlich immer noch nicht glauben – und hätte am liebsten den Schmerz ersäuft. Aber das ging natürlich nicht. Nun, vielleicht half ja der Einsatz. Sie war in der Stimmung, ein paar dieser verdammten Echsen für ihn bezahlen zu lassen...
Kano schreckte hoch, als ihn jemand an der Schulter packte und grob schüttelte. Es war Monty. Trotzdem der XO der Butcher Bears nicht mehr Schlaf gefunden haben konnte als Kano, wirkte er wie aus dem Ei gepellt.
„Kommen Sie mit Nakakura! Wir müssen noch mal raus!“
„Was, Wie?!“ Kano versuchte, seine Gedanken zu ordnen, richtig wach zu werden.
„Die Akarii haben offenbar noch irgendwelche Reserven gehabt. Sie haben die Sturmtruppen mit Deathhawks angegriffen. Es hat eine Phantome erwischt...“
„Was ist mit Kali?!“ Das war raus, ehe Kano es sich überhaupt bewußt war. Der XO musterte ihn nicht eben wohlwollend, bequemte sich dann aber doch zu einer Antwort: „Pops wurde abgeschossen. Wir suchen nach ihm. Alle anderen sind gelandet. Jedenfalls, wir haben die Basis geortet – und werden sie zusammen mit Staffel Gelb vernichten. Und Sie sollten auf Ihr Verhalten achten!“
„Verzeihung.“
„Akzeptiert. Ihr Raketenzielgerät ist noch immer nicht repariert – die Techs lassen sich Zeit. Sie übernehmen deshalb die Späherfunktion. Ihre Maschine bekommt Aufklärungspods. Sie sollen die Wirkung des Angriffs verifizieren und das Gelände für eine eventuelle Landung überprüfen. Alles klar?!“
„Wie lange habe ich eigentlich geschlafen?“
„Etwa zwei Stunden. Wieso, fühlen Sie sich nicht in der Lage zu starten?!“
„Nein Sir! Ich bin voll einsatzfähig!“ Kano richtete sich gerade auf, die Schmerzen ignorierend, die durch seinen Rücken schossen.
„Na bitte!“
Nur ein paar Minuten später starteten die knapp zwanzig Maschinen, formierten sich und stürzten mit Vollschub dem Planeten entgegen.
Der Plan, den Thunder und Darkness entwarfen, während sie sich mit rasender Geschwindigkeit Graxon II näherten, war einfach aber vielversprechend. Dank der Sensoren der Kriegsschiffe und der SWACS waren sie über die Oberflächenstrukturen gut informiert. Sie würden die Taktik der Akarii gegen sie selbst richten. Die TSN-Kampfflieger würden sich dem Zielgebiet im Tiefflug nähern und, wenn alles glatt ging, über den Akariis sein, ehe die wußten, was ihnen geschah. Schnelligkeit war dabei entscheidend, wie auch Präzision bei den Tiefangriffen der Griphen. Aber Thunder war sich sicher, daß es ihre Leute schaffen konnten.
Kano mußte ein Gähnen unterdrücken. Er hatte sicherheitshalber doch ein paar „Muntermacher“ geschluckt, stellte jetzt aber fest, daß er wohl zu wenige Tabletten genommen hatte. Wütend über sich selber schlug er mit der Faust gegen die Seite seines Raumhelmes und schüttelte den Kopf, um die Müdigkeit zu vertreiben. Dann konzentrierte er sich auf die Armaturen vor ihm. Sein Wingman blieb problemlos an seiner Flanke, auch als die Maschinen in die Atmosphäre eintauchten und dabei kräftig durchgeschüttelt wurden. Dann tauchten sie in die grünlichen Nebelschwaden ein, die die Oberfläche verhüllten und tödlich für jeden ungeschützten Menschen oder Akarii waren. Wenn die Echsen in dieser lebensfeindlichen Umgebung einen Stützpunkt errichteten, dann mußten sie etwas Wichtiges beschützen. Vielleicht ein Spezial-Gefangenlager? Es gab Geschichten über Sondereinrichtungen der Akariis, in denen an gefangenen Menschen Versuche vorgenommen wurden, etwa die Erprobung von B- und C-Waffen...
Der Flug war ereignislos, erforderte aber höchste Präzision und Wachsamkeit. In dem verfluchten Nebel konnte man nur nach den Instrumenten fliegen. Und da die Maschinen dicht, fast zu dicht über dem Boden flogen, konnte jeder noch so kleine Fehler tödlich sein. Unangenehm fühlte sich Kano an den Übungseinsatz auf Miramar erinnert, bei dem Crusader um ein Haar abgestürzt war.
Dann erklang Darkness Stimme aus den Lautsprechern: „Achtung! Y-Zeit in fünfzehn Sekunden!“ Kano zuckte zusammen, faßte dann den Steuerknüppel fester. Die Nighthawks flogen leicht hinter den Griphens. Trotzdem Kanos Maschine mit zusätzlichen Sensoren ausgestattet war, sah er noch kein Anzeichen für die feindliche Stellung. Aber sie mußte gleich...
„ZIELERFASSUNG! KONTAKT!“ schrie Thunder mit sich fast überschlagender Stimme voller Wut und Kampfeseifer. Und endlich meldeten auch Kanos Sensoren den Feind. Ein gutes Dutzend einfacher Feldhangars, ein paar durch Röhren verbundene Gebäude. Und auf der kurzen Landebahn standen zwei der Deathhakws, dabei ein paar Fahrzeuge und einzelne Gestalten. Der dritte Jäger, merkwürdig schief wirkend, befand sich ein paar Dutzend Meter neben der Landebahn...
Die Akarii wurden tatsächlich von dem Angriff völlig überrascht. Die Griphen fegten, stählernen Raubvögeln gleich, über die Anlage und eröffneten sofort das Feuer. Schon ihr erster Angriff zerstörte drei der Hangars, ließ einen der Jäger auf der Rollbahn und den notgelandeten Deathhawk in gigantischen Feuerbällen vergehen, die die sie umgebenden Fahrzeuge und Akarii erfaßten, verschlangen.
Durch das Flammeninferno stieß die Schnauze des überlebenden Deathhawk. Der Jäger nahm Fahrt auf, versuchte zu starten. Darkness Maschine stieg in einen halben Looping – aus der Rückenlage feuerte er zwei Amrams ab, die den angeschlagenen Deathawk vernichteten und das Chaos am Boden noch vergrößerten.
Erst jetzt gab es Gegenfeuer – die völlig überraschten Akarii schossen unkoordiniert, aber wütend. Zwei Raketen hängten sich an die Maschine des Staffelführers der Butcher Bears. Darkness rettete sich mit einem Korkenziehermanöver, während er mehrere Täuschkörper abschoß. Die Raketen explodierten unangenehm nah an der Maschine, doch es gab keinen Direkttreffer.
Snake Bit, von Staffel Gelb, hatte nicht so viel Glück. Eine Rakete erwischte die Griphen voll, kam aber nicht durch die Schilde. Auf Thunders wütend gebrüllten Befehl warf Snake Bit ihre Maschine herum und zog mit Höchstgeschwindigkeit ab – Monty schaltete die Raketenstellung mit seinen Bordwaffen aus, während der andere Werfer von Crusader und La Reine gleichzeitig angegriffen wurde.
An vier, fünf Stellen erwachten jetzt FLAK zum Leben: einzelne Partikelkanonen, aber auch ein Zwilling und sogar ein Vierling. Doch die Kanonen hatten kaum die Nighthawks anvisiert, Kano entging durch ein Looping dem Feuer einer FLAK, da waren auch schon wieder die Griphen zurück und sorgten mit ihren Hydra-Werfern für klare Verhältnisse. Das Abwehrfeuer erstarb schnell, zu ungleich war der Kampf.
Kano war noch gar nicht zum Schuß gekommen, aber jetzt sah er ein Ziel für sich. Zwischen den noch nicht vernichteten Hangars erschien ein einzelnes Fahrzeug, das mit Höchstgeschwindigkeit und Zickzackkurs versuchte, die Todeszone zu verlassen. Vergeblich – Kano konnte sich Zeit lassen, genau zu zielen. Dann drückte er leicht auf die Feuerknöpfe – das Fahrzeug explodierte.
Die Griphen und Nighthawks ließen nicht ab, ehe nicht jedes einzelne Gebäude des kleinen Flugfeldes eine rauchende Ruine war, wie auch die Flugzeugabwehrstellungen. Als sie abdrehten, rührte sich da unten nichts mehr. Auch Kano war zufrieden mit seinen Aufnahmen.
„Sir, die Sensoren verzeichnen etliche dieser Mienenanlagen. Ein paar Raketen...“
„Negativ. Wie es aussieht, wollen wir die Dinger vielleicht noch mal in Besitz nehmen. Die Jarheads werden sich darum kümmern. Unsere Arbeit ist getan.“
Auf dem Rückflug stritten Thunder und Darkness scherzhaft, ob ein am Boden vernichtete Jäger genauso viel wert sei, wie ein im Luftkampf abgeschossener. Es hatte keine Verluste gegeben und nur moderate Schäden – die Stimmung war gut.
Als die Maschinen landeten, mußte Kano mit dem Gefühl kämpfen, daß er alles doppelt sah. Er hatte endgültig genug für heute. Er bekam nicht mal mehr den Jubel der Bodencrew mit, als die Nachricht durchkam, daß POW-Camp sei gesichert. Mit unsicheren, schwankenden Schritten schaffte er es gerade noch in sein Quartier, bevor er – voll angezogen – in die Koje fiel. Er war eingeschlafen, bevor sein Kopf das Kissen berührte.
Tyr Svenson
Bestandsaufnahme (einige Zeit nach Ende der Kämpfe)
Die Schlacht war gewonnen, im Weltraum wie am Boden, alle militärischen Stellungen der Akarii waren vernichtet – und es wurde Zeit für Commander Cunningham, Bilanz zu ziehen. Natürlich hatten die Menschen gesiegt, zum ersten mal in diesem Krieg in einer Raumschlacht, die mehr als nur ein Scharmützel war. Die Kampfflieger hatten dabei eine entscheidende Rolle gespielt und konnten zu Recht stolz auf ihre Leistungen sein. Wenn diese Operation so weiterging, wie bisher, dann konnte das seine Karriere gewaltig beschleunigen. Merkwürdigerweise beschäftigte ihn diese vielversprechende Aussicht aber längst nicht so stark, wie noch vor einem halben Jahr. Es war so viel passiert...
Aber der Sieg über Graxon war nicht ohne Verluste abgegangen, ernste Verluste. Die INTREPID war schwer beschädigt worden und würde für längere Zeit nicht voll einsatzfähig sein. Die COLUMBIA hatte da mehr Glück gehabt.
Doch die Kampfflieger beider Träger hatten Verluste erlitten, übersehbar, aber spürbar. Fast alle Maschinen hatten mehr oder weniger schwere Schäden erlitten und die Instandsetzungscrews arbeiteten auf Hochtouren. Die Schwarze, die Grüne und die Blaue Schwadron hatten nur Maschinen verloren, das ließ sich schnell ausgleichen, denn die Piloten waren allesamt einsatzfähig oder würden es bald wieder sein. Bei den anderen Staffeln sah es weniger gut aus...
In der Roten Schwadron hatte es Hacker und Pops erwischt,. Besonders bei Pops war das bitter - er hatte die Raumschlacht überlebt, nur um dann von diesen verdammten "Volkssturm-Akariijägern" abgeschossen zu werden. Im Innersten machte sich Cunnigham Vorwürfe, nicht noch mehr Jäger mit den Sturmshuttles mitgeschickt zu haben. Nun, wenigstens waren die durchgekommen. Pops hatte zwar aussteigen können, aber dann hatte ihn das Glück entgültig verlassen. Der Schleudersitz der Phantome verfügte zwar natürlich über Fallschirme für den Ausstieg in der Atmosphäre, aber zu Recht war das Vertrauen der Piloten in diese Ausrüstung begrenzt. Bei Pops hatte der Fallschirm sich nicht ordentlich entfaltet, sondern um den Schleudersitz gewickelt - der Pilot war wie ein Stein zu Boden gestürzt und hatte nicht den Hauch einer Chance gehabt. Das ausgesandte Bergungshuttle hatte nur noch die Leiche bergen können. Cunningham hatte den Techs einen mörderischen Anschiß verpaßt und eine sofortige Überprüfung ALLER Fallschirme seines Geschwaders angeordnet. Es war schon bitter, einen Piloten in der Schlacht zu verlieren. Aber ein Verlust durch einen technischen Fehler erschien noch - sinnloser... Bob und Goblin waren schwer verwundet worden. Dr. Hamlin, dieser arrogante Wichtigtuer im Arztkittel hatte verkündet, die Piloten seien auf keinen Fall in weniger als fünf Wochen auf dem Damm. Wenn die Akarii sich nicht so viel Zeit ließen, würde seine Schwadron mit erheblicher Unterbesetzung antreten. Ob Radio in der Lage war, seiner Rolle als XO in der so dezimierten Staffel auszufüllen, blieb abzuwarten.
Die Gelbe Schwadron hatte 3 Maschinen verloren. Ein Pilot war dabei draufgegangen und ein weiterer verwundet worden. Der dritte Pilot hingegen war fast völlig unversehrt geborgen worden. Lieutenant Commander Shukowa hatte zwar erhebliche Flugerfahrung, aber Cunningham war sich dennoch nicht so ganz sicher, wie sie mit den Verlusten umgehen würde - vor allem, da Martell gefallen war und die beiden ein recht enges Verhältnis gehabt hatten. Er würde also auch Shukowa im Auge behalten müssen. Immerhin hatte sich die Schwadron auch bei dem Bodenangriff auf die kleine Akarii-Flugstellung bewährt, von der die Deathhawks gestartet waren, die die Invasionsshuttles angegriffen hatten.
Die Gold-Schwadron hatte ebenfalls ziemlich bluten müssen: vier Maschinen hatte es erwischt, davon zwei komplett mit der Besatzung.
Bei der dritten Maschine hatte wenigstens der Pilot aussteigen können, wenn auch verwundet. Nur im Falle des vierten Verlustes war es beiden Besatzungsmitgliedern gelungen, problemlos auszusteigen. Im günstigsten Fall würde also diese Schwadron beim nächsten Kampf mit 10 Jagdbombern kämpfen können, wenn man den fehlenden Rio durch den einzigen Überlebenden der zwei verlorenen Maschinen der Staffel Silber ersetzte.
Die Bronzene Staffel hatte am meisten geblutet. Sie hatte ein Viertel ihres Bestandes an Crusaders verloren und die Hälfte der Rafale. Acht Tote, ein Verstümmelter, zwei Verletzte und nur drei unverletzt geborgene waren eine bittere Bilanz - vor allem die Rafale hatten einen überproportional hohen Anteil an den Ausfällen. Selbst wenn man alle überlebenden "zusammenkratze" und die Verwundeten bis zum Auftauchen der Akarii, mit dem Cunningham sicher rechnete, wieder kv waren, würde man maximal wieder zwei Crusaders mit recht zusammengestückelter Besatzung dazugewinnen. An Ersatz für die ausgefallenen Rafale war nicht zu denken. Das war eine shcwere Hypothek für die nächste Schlacht...
Und mit Martell war der Staffelkommandant ausgefallen. Auch wenn er anscheinend in seiner Schwadron nicht allzu beliebt gewesen war, so etwas war immer ein schwerer Schlag. Man würde einen Ersatz finden müssen...
Es hatte auch diese Pilotin erwischt, die vorher solche Schwierigkeiten mit ‚Noname‘ gehabt hatte. Nun, damit war zwar dieses Problem vom Tisch, aber der Preis war viel zu hoch. ‚Wenn es schon jemanden erwischen mußte, warum bloß nicht...‘ Dann rief sich Cunningham zur Ordnung. Cartmell war jetzt Pilot seiner Schwadron und er würde diesen Mistkerl behandeln, als wäre er ein ganz normales Mannschaftsmitglied. Gerade, weil es im Geschwader und überhaupt an Bord genug Stimmung gegen Cartmell gab. Nun, der Krieg würde diese Idioten schon genug ablenken. Jetzt, nach den Verlusten in der Schlacht mußten die Staffeln kampffähig gehalten werden. Cunningham glaubte nicht einen Augenblick, daß die gewonnene Schlacht die einzige auf dieser Feindfahrt bleiben würde. Die Akarii würden gewiß nicht so einfach den Verlust eines Systems schlucken. Hier oder bei Wron würden sie zurückschlagen und die COLUMBIA totsicher wieder in Gefechte verwickelt werden. Die meisten Staffelchefs würden ihm beim Training des Geschwaders helfen, da war er sich sicher, was sie auch persönlich von „Lone Wolf“ halten mochten. Cunningham machte sich daran, einen detaillierten Trainingsplan auszuarbeiten, der in den nächsten Tagen in Kraft treten würde. Jetzt, wo Darkness seine eigene Staffel hatte, merkte Cunningham erst, wieviel Arbeit ihm der Veteran vorher abgenommen hatte. Darkness war zwar immer noch maßgeblich an der Ausbildung und Schulung des Geschwaders beteiligt – aber er hatte Abstriche machen müssen, um aus seiner neuen, zusammengewürfelten Einheit eine schlagkräftige Einheit zu machen. Sein Erfolg sprach für sich – die Schwarze Schwadron rangierte bei den Abschüssen ziemlich weit oben, hatte keine Mannschaftsverluste erlitten und einen beschädigten Zerstörer vernichtet.
Aber da Darkness sich um seine eigene Staffel kümmern mußte und mit Martell einer der erfahrenen Ausbildungsoffiziere gefallen war, kam auf Cunningham einiges zu – und er hatte weder einen Kommandolehrgang hinter sich, noch Akademie-Erfahrung als Ausbilder. Bei diesem ungewöhnlich selbstkritischen Gedanken kam ihm eine Idee. Wenn er sich recht erinnerte, dann gehörte zur Grünen Staffel mit Blackhawk ein weiterer Pilot, der auf der Akademie gelehrt hatte. Es konnte nicht schaden, diese Erfahrung bei Gelegenheit für das ganze Geschwader zu nutzen – auch wenn Lightning wahrscheinlich wieder Wut schnauben würde, betrachtete sie doch jeden Piloten der Schwadron als ihr persönliches Eigentum. Außerdem stand die Grüne Schwadron in scharfem Konkurrenzkampf mit der Blauen Staffel um den Rang der besten Abfangjägerschwadron. Und Lightning würde jede „Niederlage“ auf ihn schieben, wenn er Blackhawk stärker für das Geschwadertraining einspannte. Aber er hatte wohl sowieso keine Chance, Lightnings persönliche und recht negative Einstellung zu ihm noch mal zu ändern – wenn er es denn gewollt hätte. Commander Cunningham sah auf die Uhr. In einer halben Stunde würde er zu einem Treffen mit den Captains der Träger und den Commander der INTREPID-Flieger müssen. Also hatte er noch ein wenig Zeit. Über Bordtelefon gab er die Weisung, daß Blackhawk bei ihm erscheinen sollte. Während er auf das Erscheinen des Lieutenants wartete, fiel sein Blick unwillkürlich auf das Bild von Melissa, daß auf seinem Schreibtisch stand. Er seufzte leise. Er hatte schon einige Zeit nichts von ihr gehört. Hoffentlich ging es ihr gut...
Cunningham wußte es nicht, aber sein Geschwader XO war zur Zeit mit ähnlichen Gedanken beschäftigt. In Bezug auf das Geschwader stimmten die Einschätzungen des hochgewachsenen, meist ziemlich düster und abweisend wirkenden Schotten mit denen des Commanders überein. Daneben widmete McQueen aber fast ebenso viel Zeit der Einschätzung von Cunninghams Zustand. Lone Wolf war nicht nur sein Freund und uneingestanden fast so etwas wie eine jüngerer Bruderfigur. Er war außerdem nun einmal Geschwaderchef – und es war nicht nur eine arrogante Propagandahülse, daß Staffeln mit ihrem Commander standen oder fielen. Mit einer gewissen Erleichterung konstatierte Darkness, daß sich Cunningham offenbar immer besser in seine Rolle einfand. Natürlich machte er gelegentlich Fehler, aber in der Schlacht und danach schien er die fast instinktive Sicherheit wiedergewonnen zu haben, die Darkness schon vorher in seinem jüngeren Freund gesehen hatte.
Die Bilanz seiner Staffel war in seinen Augen zur Zeit fast ohne Makel, auch wenn Darkness mit Lob sparsam blieb. Die Butcher Bears hatten ihrem Namen bei vier Kampfeinsätzen - zwei im Raum und zwei am Boden - alle Ehren gemacht.
Für die Maschine, die Brawler verloren hatte, gab es Ersatz – an Bord der COLUMBIA konnten glücklicherweise wesentlich mehr Ersatzmaschinen gelagert werden, als auf der leider doch recht veralteten REDEMPTION.
Brawler selber hatte Glück gehabt, war mit einer leichten Erfrierung davongekommen und würde bald wieder einsatzfähig sein.
Darkness blickte zu dem Mann, der auf der anderen Seite des Schreibtischs saß. Miguel „Monty“ Terrano hielt sich sehr gerade, mit durchgedrücktem Rücken und fast schon überpräzisen Bewegungen. Auch wenn Darkness auf fehlerlosen Diensteinsatz achtete, diese Attitüde seines XO ging ihm manchmal gehörig auf die Nerven. Neben den vier Neulingen hatte er mit Kano und Monty für seinen Geschmack etwas zu viele Leute in seiner Schwadron, die sich wie frisch von der Akademie gaben.
„Sind die Schäden an den Maschinen inzwischen repariert?“
„Jawohl. Bis auf die Maschine von Nakakura. Seine Raketen-Zielerfassung konnte trotz aller Bemühungen nicht repariert werden, man mußte sie austauschen. Ich habe selbstverständlich der Bodencrew unsere Unzufriedenheit ausgedrückt, daß sie zu diesem Schluß nicht früher kamen.“
‚Darauf möchte ich wetten...‘ Monty war mit Fehlern wirklich unnachgiebig, mochten sie auch noch so belanglos oder schicksalsbestimmt sein. Diese durchaus verständliche Einstellung nahm in Darkness Augen nicht selten den Charakter von Pedanterie an. Monty war allerdings ebenso rücksichtslos gegen sich selber und ein guter Einsatzführer und Pilot, mit eisernen Nerven.
„Na schön. Wie lange wird das dauern?“
„Sie sagen, maximal 24 Stunden. Zur Sicherheit habe ich natürlich eine Ersatzmaschine kampfbereit machen lassen.“
„Gut. Bei Gelegenheit werden wir aber auf jeden Fall noch mal einen Rundumcheck bei ALLEN Maschinen durchführen – und am Besten eine gründliche Parameterüberprüfung im Raum. Ich will nicht, daß so etwas wie mit Kanos Maschine noch mal passiert.“
„Jawohl, Sir!“
„Wie machen sich die Piloten?“ Eigentlich waren diese Fragen überflüssig. Aber gerade weil Darkness in Monty das Potential zu einem Staffelchef sah, prüfte er ihn bei jeder sich bietenden Gelegenheit.
„Alle sind ausgeruht und voll kv. Brawler wird in zwei bis drei Tagen wieder flugtauglich sein.“
„Gut.“
„Wenn ich allerdings anmerken dürfte, dass Lieutenant van Geel...“
„Darkness schnitt dem XO das Wort ab: „Das hatten wir schon. Dutch bleibt fürs erste Sektionschef. Eine Umgruppierung würde zur Zeit mehr Schaden als Nutzen anrichten. Ich will keine weitere Diskussion.“
„Ja, Sir!“ Montys Stimme klang noch unterkühlter als sonst. Er hatte verstanden, war aber nicht einverstanden.
„Was das Training betrifft – legen Sie bis auf weiteres den Schwerpunkt auf Abfang- und Vernichtungseinsätze. Wenn die Akarii hier einrücken, dann werden wir das brauchen.
„Das weiß ich, Sir.“
„Na schön...“, Darkness stand auf, „...in einer Stunde habe ich den nächsten Patrouillenflug. Kommen Sie mit, sehen wir mal, wieweit die Techs an der Maschine sind.“ Monty erhob sich und folgte seinem Staffelchef.
Sie nahmen nicht den direkten Weg. Auch wenn, oder gerade weil Darkness sich kaum mit seinen Piloten gemein machte, er achtete darauf, sie nicht aus den Augen zu verlieren. Er schloß zwar kaum Freundschaften – Freunde starben zu schnell in diesem Krieg – aber seine Untergebenen waren ihm niemals gleichgültig. Er mußte sie nicht mögen, um sich verantwortlich zu fühlen.
Etliche der Butcher Bears fanden sie in der Kantine, wo mal wieder Radio das große Wort führte. Die Piloten nippten mehr oder weniger enthusiastisch an den diversen Fruchtsäften und Tees – Alkohol auszuschenken war zur Zeit streng verboten, auch wenn viele Piloten Mittel und Wege wußten, dies zu umgehen.
Nur Jaws aß – der Veteran schaufelte, ohne groß auf die neusten Latrinenparolen zu achten, eine Riesenportion Steak mit Pommes Frittes in sich hinein. Er würde dann zusammen mit Darkness auf Patrouille gehen.
Crusader und La Reine waren zur Zeit bei den Simulatoren – und überraschenderweise auch Dutch, der sonst eigentlich immer nur die von Darkness oder Monty angesetzten Übungen absolvierte, nie aus Eigeninitiative. Die beiden Offiziere wechselten einen kurzen Blick und gingen, bevor der Veteran aus dem Simulator kletterte.
Kano fanden sie bei seiner Maschine, das war keine Überraschung. Ebenfalls keine besondere Überraschung war, daß ihm Kali Gesellschaft leistete und bei der Arbeit an seinem Jäger half. Die beiden jungen Piloten bemerkten die Offiziere nicht. Darkness mußte kurz grinsen, als er sah, wie die beiden die Köpfe zusammensteckten und sich von Zeit zu Zeit ihre Hände berührten. Monty schnaubte abfällig, was Darkness Belustigung aber eher steigerte: „Lassen Sie sie doch. Nicht jede Vorschrift macht einen Sinn oder muß befolgt werden.“
„Na ja... Sie kennen die Dienstvorschrift.“
„Wenn schon. Solange sie ihre Pflicht erfüllen. Bis zu meinem Einsatz will ich jedenfalls noch etwas essen, kommen Sie mit?“
„Ähm... Ja, Sir, danke.“ Während er sich zum Gehen wandte, warf Darkness noch mal einen Blick zu den jungen Piloten. ‚Ihr solltet eure Zeit nutzen. Wer weiß, was Morgen ist...‘
Tyr Svenson
Hoch aufgerichtet marschierte Sharon Taylor, bei ihren Kameraden als „Marine“ bekannt, aus dem Zimmer der Staffelkommandeurin. Sie vergaß nicht, die Tür ordnungsgemäß zu schließen. Nach außen war sie das sprichwörtliche Bild einer disziplinierten Soldatin. In ihrem Inneren allerdings hätte sie sich am liebsten irgendeine dunkle Ecke gesucht um... Ja wozu eigentlich?
Sich die Augen aus dem Kopf zu weinen vor Scham? Oder sich aus demselben Grund eine Kugel zu verpassen? Sie wußte es nicht. Die Demütigung schnitt tief und war kälter als der Weltraum, aus dem man sie geborgen hatte, nachdem sie ihren beschädigten Jäger in der Nähe des Trägers aufgegeben hatte. Ihr erster Kampf, und sie hatte sich so blamiert!
Ihr war klar gewesen, daß nicht gerade damit zu rechnen war, daß sie auf ihrem allerersten Feindflug einen Akarii abschoß. Geschweige denn mehr als einen. So etwas glückte nicht vielen. Natürlich hatte sie darauf gehofft. Aber dann, als es wirklich so weit war, daß sie sich bewähren konnte, da hatte sie es noch nicht einmal geschafft, ihre eigene Maschine heil zurückzubringen.
Lightnings ruhige, geradezu sanfte Art hatte das alles noch schlimmer gemacht. Die Kommandeurin hatte mitnichten in der Tradition von Marines früheren Kommandeuren gehandelt. Nun, die Britin war ja auch kein „Leatherneck“. Sie hatte in beinahe freundlichem Ton der jungen Pilotin eine Rüge erteilt. Höflich, aber eindeutig, wie sie immer war. Dabei hatte sie klar gemacht, daß Marine sich offenbar zu sehr exponiert hatte und deshalb abgeschossen worden war. Daß es nicht Aufgabe einer Flügelfrau sei, auf Heldentaten auszuziehen, sondern ihren Vorgesetzten den Rücken freizuhalten. Und das jene, die einen Jagderfolg erzwingen wollten, nicht selten die waren, die am Ende auf der Strecke blieben und die Flanken eines gegnerischen Jägers schmückten. Hüben wie drüben.
Es war im Grunde – zumindest faßte die ehemalige Marine-in-spe dies so auf – die durch die Blume mitgeteilte Einschätzung, daß sie, Sharon Taylor, bei ihrem ersten Einsatz nur insoweit nicht auf der ganzen Linie versagt hatte, weil sie es geschafft hatte, am Leben zu bleiben. Und das tat weh, vor allem da Marine sich eingestehen mußte, daß es stimmte.
Sie ließ sich draußen gegen das Schott sacken. Für einen Augenblick begrüßte sie das Zwielicht auf dem Schiffsflur. Nach Bordzeit war „Nacht“, und die Gänge lagen größtenteils verwaist da. Auch wenn auf dem Schiff nie ganz Ruhe herrschte, so gab es Zeiten, in denen diese fliegende Stadt zu schlafen schien. Zumindest hier - auf den Gefechtsstationen und im Maschinenraum sah es natürlich anders aus. So gab es wenigstens keinen Zeugen ihrer Schande. Sie fühlte Niedergeschlagenheit wie eine erdrückende Last, die ihr den Atem nahm. Für einen Augenblick fragte sie sich, ob sie hier am richtigen Platz war. Konnte sie überhaupt hier tun, was notwendig war? Oder hatte sie sich selber überschätzt? Sie war in der Ausbildung gut gewesen, doch es gab genug Beispiele über Piloten die im Training gut waren, aber im Einsatz versagten. Gehörte sie dazu? Und natürlich würde sie morgen und an allen folgenden Tagen vor ihre Kameraden, und besonders ihren Flügelmann hintreten müssen, denen ihr Scheitern selbstverständlich nicht verborgen geblieben war. Sie rechnete eher mit Mitleid als mit Vorwürfen, aber das machte es nicht besser. Mitleid hatte man mit denen, die in einer mißlichen Lage waren – die also Schuld hatten.
In ihr eigenes Elend versunken, brauchte sie eine Weile um zu erkennen, daß sie gar nicht so allein war, wie sie gehofft hatte. Da war noch jemand – eine einzelne Gestalt, die sich an der Wand abstützte. Offenbar hatte der- oder diejenige gewartet, bis Marine ihre Gegenwart bemerkte. Die schlanke Gestalt straffte sich. Wenige Schritte überbrückten den Abstand, noch ehe die junge Pilotin sich sammeln konnte. Vor ihr stand die XO der Staffel.
Marine spürte, wie sie rot anlief. Ausgerechnet Lilja. Die Russin galt als eine scharfe Schleiferin, und dazu war sie eine Perfektionistin, was den Dienst anging. Marine hatte die XO gesehen, als diese in ihre Maschine geklettert war, um die Landungsfähren der SAS zu eskortieren. Offenbar hatte die Russin gemeint, ihre Diensttauglichkeit trotz mangelnden Schlafes beweisen zu müssen, und war bolzengerade und mit einem strahlenden Lächeln an Lighning vorbei zu den Jägern marschiert. Was, wie die zurückbleibenden Piloten gestichelt hatten, natürlich verdächtig war. Lilja strahlte nie. Sie hätte vermutlich nicht einmal so eine fröhliche Miene aufgesetzt, so hatte einer von Marines Kameraden bemerkt, wenn man ihr ein scharfes Messer und den Akariikaiser, den Oberbefehlshaber der Imperialen Flotte und Clifford „Ace“ Davis zur freien Verfügung überlassen hätte. Vermutlich hatte die Russin verborgen, wie hundemüde sie wirklich war. Jedenfalls war das bezeichnend für ihre Einsatzmoral gewesen. Die Eskorte war bei weitem nicht so glatt gelaufen, wie ursprünglich geplant gewesen war. Die Akarii hatten irgendwie noch einige veraltete Jäger zusammenkratzen können, mit denen sie einen Angriff gestartet hatten. Lilja hatte die sechs Typhoons der Eskorte erfolgreich angeführt. Während sie zusammen mit Blackhawks Flight die Echsen frontal angegriffen hatte, schlug der Rest der Formation einen Bogen und packte die Akarii in der Flanke. Es war kein sehr fairer Kampf gewesen – die Typhoon waren besser bewaffnet und geschützt, was Lilja ausgenutzt hatte. Außerdem waren sie drei zu zwei überlegen gewesen. Die Akarii hatten sich dennoch nicht so leicht geschlagen gegeben. Blackhawks Maschine hatte es nur mit Mühe zum Träger zurück geschafft, und auch Tyr hatte einiges an Schäden kassiert, inklusive einem geprellten Rückrat des Piloten. Aber dafür waren zwei der Akarii abgeschossen worden. Einer davon ging auf Liljas Konto. Sie hatte alle Raketen auf einmal abgefeuert, und zwei hatten getroffen. Das hatte ihr Ansehen natürlich noch gesteigert, denn so viele Piloten gab es nicht, die das Dutzend voll hatten.
Die XO hatte Marine in den Wochen vor der Schlacht auf Herz und Nieren geprüft. Lob hatte sie dabei nur gelegentlich geäußert. Und wenn sie jetzt hier war...
Marine schwankte zwischen dem Impuls, sich umzudrehen und wegzulaufen, und einem verbissenen Trotz. Aber Lilja eröffnete keineswegs die zweite – und vermutlich wesentlich weniger zurückhaltende – Standpauke, mit der Sharon Taylor gerechnet hatte. Sie nickte ihrer Untergebenen nur knapp zu: „Komm mit.“
Lilja führte die jüngere Pilotin zu einem der Lifte. Schnell war klar, daß sie weder zu den Hangars, noch zu den Trainingsräumen oder den Quartieren wollte. Ihr Gesicht war unleserlich, die Narben verliehen ihm noch zusätzlich eine abweisende Note, und Marine wagte in ihrer augenblicklichen Gemütsverfassung nicht, Aufklärung zu verlangen. Schließlich erkannte sie, daß die XO sie zum Aussichtsdeck führte, von dem man aus die sternenerfüllte Weite der Alls bewundern konnte. Die Russin steuerte gezielt eine Ecke an. Dort saß nur ein Pärchen – daß aber nach ein paar knappen, scharfen Worten der Offizierin den Platz räumte. Wenn sie wollte, konnte Lilja durchaus „rabiat“ sein. Die stellvertretende Einheitsführerin nickte ihrer Kameradin zu: „Setz dich.“ Erst als Marine Platz genommen hatte, suchte auch Lilja sich einen Stuhl. Für einen Augenblick schwiegen sie beide. Marine war immer noch unsicher, und im Gesicht der Russin schienen verschiedene Gefühle miteinander zu ringen, falls man das so genau sagen konnte. Aber als sie anfing zu sprechen, erwartete Marine eine Überraschung. Die Stimme der Russin hat ausnahmsweise mal nicht den scharfen, oft kalten Tonfall, den die „Eisprinzessin“ sonst kultivierte.
„Ich kann mir vorstellen, wie du dich jetzt fühlst. Du machst dir sicher Vorwürfe, bist mit dir selbst unzufrieden. Und vermutlich“, hierbei grinste die XO, „verfluchst du Lightning halb, während du ihr halb Recht gibst.“
Sie erwartete offenbar keine Antwort: „Woher ich das weiß? Weil es mir selber auch so gegangen ist.“
Der Gesichtsausdruck der älteren Frau wurde leicht abwesend: „Weißt du, wie für mich der verdammte Krieg anfing? Ich war Second Lieutenant in einem Garnisonsgeschwader. Ein kleinerer Außenposten – ein bißchen wie die Akarii hier, aber keinen Träger vor der Haustür. Nur ein paar bodengestützte Staffeln, ein paar kleine Schiffe, die von dort aus Patrouille flogen. Frachter auf der Durchreise, denen wir manchmal Geleitschutz gaben. Wir hatten natürlich immer gehört, es könne eines Tages zu was kommen. Aber nach Jahren der Bereitschaft glaubte keiner mehr dran.“
Bitterkeit war in ihrer Stimme, als sie fortfuhr: „Sie haben uns gleich zu Anfang einfach so beiseite gewischt – uns und die Kriegsschiffe. Wie eine lästige Fliege. Im Vorbeigehen erledigt. Wir starteten, und wußten nicht im geringsten, was und wer uns erwartet. Die Bloodhawks haben uns zerfetzt. Ihre Jagdbomber flogen einfach vorbei, während wir um unser Überleben kämpften. Sie schossen die meisten größeren Schiffe zusammen. Die Reste türmten.“ Lilja schüttelte den Kopf: „Wir waren so naiv gewesen, was unsere eigene Stärke anging. Wir dachten tatsächlich, wie seien vorbereitet. In einer Viertelstunde haben uns die Akarii eines anderen belehrt. Drei von meiner Staffel haben es geschafft. Bei den anderen sah es nicht besser aus. Und wir, zwölf Maschinen – ich glaube nicht, daß wir mehr als zwei, höchstens drei Akarii abgeschossen haben. Ich selber habe keinen einzigen erledigt, nur ein paar angekratzt.“ Die Hand der Russin wanderte über Hals und Wange: „Als Andenken haben sie mir das hinterlassen. Auf einem angeschossenen Frachter sind wir dann entkommen.“
Erst jetzt schien sie Marine wieder wahrzunehmen: „Verstehst du? Als die Sache vorüber, hätte ich mich am liebsten erschossen. Ich hatte versagt, auf der ganzen Linie. Unser Stützpunkt war zerstört, unsere Schiffe dezimiert. Und viele meiner Kameraden...“ Ihre Stimme verklang. Doch sie hatte sich unter Kontrolle. Nur ganz kurz schimmerte der alte Schmerz durch.
„Natürlich habe ich nichts dergleichen getan. Auch nicht das Handtuch geschmissen, obwohl ich auch daran gedacht habe. Als Kämpferin, so sagte ich mir manchmal, tauge ich wohl nichts. Im Grunde war das Blödsinn. Ein Versagen im ersten Kampf, Feigheit – das gibt es nicht. Denn was dich da erwartet, darauf kann dich einfach keiner vorbereiten. Jeder wird da Fehler machen. Ich verstehe deine Gefühle, weil ich sie kenne. Aber du mußt vor allem eines – daraus lernen. Du brauchst keine Scham darüber zu fühlen, nicht perfekt zu sein. So lange du dich darum bemühst, perfekt zu werden. Es wäre falsch, sich wie ein verwundetes Tier zu verkriechen. Du mußt aus deinen Fehlern Stärken machen – indem du aus ihnen lernst. Wenn du vor deinen eingebildeten oder wirklichen Fehlern kapitulierst, werden sie dich erledigen.“
Im Grunde war dies auch nur daß, was man jedem Piloten sagte. Aber hier und jetzt, aus dem Munde einer Pilotin, die immer als die perfekte Soldatin auftrat, hatte es eine besondere Wirkung. Vor allem, da Lilja keineswegs als Frau galt, die mit tröstenden Allgemeinplätzen um sich warf, um geknickte Egos zu kurieren. Marine glaubte für einen Augenblick eine jüngere Lilja zu sehen, in ihrem angeschossenen Jäger, um sie herum die Gegner, gezwungen, den Tod ihrer Kameraden mitzuerleben.
Die Stimme der Russin wurde fester: „Wenn ich nicht glauben würde, daß du das Zeug dazu hast, hätte ich mich schon vorher dafür eingesetzt, dich aus der Staffel zu schmeißen. Aber ich denke, du kannst es schaffen – und sogar eine verdammt gute Pilotin werden. Aber du brauchst Zeit dafür, und du mußt dir die Zeit auch selber geben. Sieh es nicht als Niederlage – sieh es als Chance. Du weißt, was falsch gelaufen ist. Noch einmal wird dir das nicht passieren. Vielleicht wirst du andere Fehler machen, wie wir alle. Aber du darfst nie aufgeben.“
Eine Sekunde fragte sich die jüngere Pilotin, ob Lilja nicht teilweise auch eine Rede an sich selber hielt. Sie setzte zu einer Frage an, stockte, doch dann faßte sie sich ein Herz: „Und wie war es bei Ihnen?“
Lilja lächelte bitter: „Ich habe gelernt. Die Narben waren eine gute Erinnerung daran, wie ich die Echsen unterschätzt hatte. Eine Erinnerung an meine Fehler. Ich lernte, wie man Akarii tötet. Denn darum geht es in diesem Krieg, um nichts anderes. Einen nach dem anderen. Jetzt sind es zwölf Maschinen – und von den Echsen hat kaum einer überlebt.“ Marine fragte nicht, was Lilja mit ihren letzten Worten meinte.
„Es wird für uns alle neue Kämpfe geben – und auch für dich die Möglichkeit, Akarii abzuschießen. Du hast eine Rechnung offen? Es wird Gelegenheit geben, sie zu begleichen. Unterschätze nie den Feind – das hast du gelernt. Aber du darfst auch nicht dein eigener Feind sein. Gegner hast du genug.“ Sie lachte leise: „Das sind nur Worte, ich weiß. Aber ich kann nur sagen – ich habe es so geschafft. Jetzt bin ich eine Heldin.“ Sie klang beinahe zynisch: „Aber weißt du, daß ich auch heute noch manchmal an damals zurückdenke, und mich frage, was ich falsch gemacht habe?“ Sie verstummte abrupt, als ihr klar wurde, daß sie ihren eigenen Appell an ihre Untergebene in Frage stellte. Eine knappe Handbewegung schien die Gespenster der Vergangenheit zu vertreiben. „Du hast definitiv das Zeug dazu. Schließlich hast du weitergemacht, trotz allem was mit deiner Familie ist. Der Krieg ist nicht dafür da, Rache zu nehmen, aber er bietet die Gelegenheit dazu. Und ich denke, das willst du dir nicht entgehen lassen.“
Mit einer energischen Bewegung stand sie auf: „Ich werde mich aufs Ohr hauen. Aber – wenn du jemanden brauchst, um ein paar Übungsrunden zu fliegen oder um deine Taktik zu analysieren, dann sag Bescheid.“ Sie nickte Marine beinahe freundlich zu – auch dies etwas eher ungewöhnliches bei ihr. Dann ging sie, schweigend.
Die ehemalige Marinefliegerin blickte ihr nach. Aus manchen Menschen wurde man einfach nie klug. Das gerade Lilja Einfühlungsvermögen aufbrachte...
Aber sie fühlte sich auch in ihrer Ehre gepackt. Wenn Lilja glaubte, sie hätte das Zeug dazu, dann war es undenkbar, die XO zu enttäuschen. Marine erhob sich. Natürlich war das Gefühl der Beschämung noch da. Es würde wohl auch bleiben. Aber sie glaubte jetzt wieder etwas mehr daran, daß sie ihre Schlappe ausbügeln konnte. Zumindest im Augenblick. Wenn Lilja es geschafft hatte...
Während sie sich auf den Weg zu ihrem Quartier machte, arbeitete die junge Frau schon an ihrem Übungsplan für die nächsten Tage.
Tyr Svenson
Hinterhalt
Vier Transittage von Pasumata IV entfernt,
Bei Pasumata V, Pasumata-Sektor
Gebannt blickte Thomas „Thor“ Jörgenson aus seinem rechten Cockpitfenster auf die gigantische Kugel von Pasumata V, einem gewaltigen, orangerot leuchtenden Gasriesen, der knapp zwei Drittel seiner Sichtscheibe bedeckte. Thor betrachtete fasziniert die zwei Ringsysteme, die den Planeten umgaben. Ein größerer, grau schimmernder Gürtel einmal um den Äquator herum und ein etwas kleinerer, in einem Winkel von 30 Grad geneigter Gürtel, der von links unten nach rechts oben zu verlaufen schien.
Dazu kamen noch knapp 30 Trabanten, die den Gasriesen umkreisten und auf seinem Radarschirm deutlich sichtbar waren. Thor hoffte, dass es bei Pasumata IV weniger Kontakte geben würde, denn bei all diesen Trabanten, Asteroiden und Ringfragmenten hatte Thor mehr Kontakte auf dem Schirm, als vor Gibraltar Station.
Ein wenig müde rieb er sich die Augen, denn seitdem sie vor etwas mehr als 5 Tagen die Zerberus-Dunkelwolke verlassen hatten, war das schon seine zehnte ForCAP gewesen. Dabei nahmen die Jäger die vorderste Position des wie an einer Perlenschnur aufgereihten Kriegsschiffkonvois ein.
Doch nicht nur, dass sie immer noch keine Spur von Akarii aufgefangen hatten, sie hatten auch eigentlich viel zu wenige Piloten, um diese ständige Bereitschaft aufrecht zu erhalten und die Einsatzgruppe in alle möglichen Richtungen abzusichern. So langsam zehrte das an den Nerven der Piloten und die Anspannung an Bord der GUADALCANAL hatte in den letzten Tagen merklich zugenommen. Auch Thor merkte, dass er sich alles andere als ausgeglichen fühlte. Sein einziger Trost waren seine regelmäßigen Vidophonate mit Melissa, ansonsten gab es derzeit nicht viel erfreulich zu berichten. Nach allem, was er bislang aus der Flotte gehört hatte, waren die Meinungen über den weiteren Verlauf dieses Einsatzes zwei geteilt. Während es einige richtig fanden, dass sich die Operationsgruppe Magellan wenigstens etwas umsah, wenn sie schon den langen Weg hierher gemacht hatte, waren andere der Meinung, dass es nicht ratsam war mit der gegebenen Ausstattung an Kriegsschiffen durch Akariisches Hoheitsgebiet zu schippern und es auf ein Aufeinandertreffen quasi ankommen zu lassen.
Thor selbst wusste nicht genau, was er davon halten sollte. Während er auf der einen Seite darauf brannte, sich endlich beweisen zu dürfen, machte er sich andererseits Sorgen um Melissa auf der MAGELLAN.
Auf der anderen Seite: Je länger sie hier unterwegs waren, desto häufiger ergaben sich Möglichkeiten für ihn, Melissa zu sehen. Wenn sie zurückkehren würden, dann würden sie in spätestens vier Wochen wieder voneinander getrennt werden.
Während er sich noch Gedanken um dieses Dilemma machte, nahm er eine Anzeige am äußersten rechten Rand seines Radarschirmes wahr und sein Bordcomputer zeigte ein paar rot blinkende Icons. Doch kaum hatte er sie gesehen, war es auch schon wieder verschwunden. „Verflucht! Sparky hast Du das auch gerade empfangen? Rechts hinter uns, direkt in Richtung des Gasriesen?“
„Yeah, gab´n kurzes Biepen, aber das is´ jetzt schon ´nen paar mal passiert. Hier fliegt mehr Zeug rum als vor Fort Lexington, oder?“
„Ich weiß nicht, irgendwie war diese Anzeige anders“ gab Thor etwas besorgt zurück.
„Wie, anders???“
„Gleichförmiger, in Paaren gruppiert. Und außerdem, warum ist es schon wieder weg von unseren Schirmen?“ Thor dachte laut nach und dann fiel der Groschen. „Sparky mir nach“ rief er, legte seine Griphen in eine scharfe Rechtskurve und beschleunigte in die Richtung des letzten Radarkontaktes.
„Welcher Hafer hat dich den gebissen, Thor?“ rief Sparky, tat ihm das Manöver aber nach.
„Wir haben sie nicht mehr auf dem Schirm, weil sie mitten auf das Zentrum unserer Linien zufliegen…“ erklärte Thor und tatsächlich wurde der durch die Magellaninstrumente verstärkte Langstreckenscan schnell fündig. Thor zählte 12 Kontakte, in Eins-A Staffelformation. Und sie waren nicht mehr weit entfernt von ihrem Ziel, dem Kurs nach zu urteilen natürlich die GUADALCANAL.
„ForCAP One an Homebase. Roter Alarm, sie werden angegriffen, Roter Alarm“ gab Thor durch, gab die Koordinaten der angreifenden Staffel durch, bestätigte den Nachbrenner und hoffte, dass seine Warnung noch rechtzeitig kommen würde.
Wenn nicht, standen sie bald ohne Landeplatz da.
****
Kommandobrücke der Fregatte KUURAL,
Bei Pasumata V, Pasumata-Sektor
Kapitän Milas Talohn saß vollkommen ruhig in seinem Sessel und beobachtete mit seinen grüngelblichen Augen die Anzeigen. Unbemerkt hatten sie sich dem Konvoi der Terraner genähert, während sie den Ortungsschatten des Gasriesen Pasumata V ausnutzten. Dank des Zwillingsringsystems und der Fülle an Trabanten hatten ihre Feinde sie anscheinend nicht geortet.
Bis jetzt.
Fast schon synchron änderte sich der Kurs aller gegnerischen Kriegsschiffe, ohne Zweifel war Alarm ausgelöst worden. Leider früher als Talohn geplant und gehofft hatte, doch es würde reichen müssen.
Die an vorderster Front fahrende Fregatte der Midway-Klasse wendete so schnell es das Schiff zuließ, und das war schneller als Talohn lieb war. Der Zerstörer, der an zweiter Stelle des Konvois gestanden hatte, wendete deutlich schwerfälliger. Die Perry-Fregatte, die Korvetten Shogun A und Shogun B sowie die Korvette Nelson A, die einen Gürtel um den Hilfsträger und das nicht identifizierte Schiff bildeten, massierten sich jetzt in ihre Richtung, während die Korvette Nelson B als Nachhut erkennbar aufzuschließen versuchte.
Kapitän Talohn lächelte grimmig. Ein fast perfekter Hinterhalt hatte seinen Anfang genommen.
Aber eben nur fast perfekt.
Die Überraschung war eine wichtige Facette für den Gewinn dieser Raumschlacht gewesen und die zweite war es, den gegnerischen leichten Träger auszuschalten. Denn anders als die Jäger Commander Nurrkas, die weit, weit weg von ihrer Station agierten, konnten die Terraner ihre Jäger immer wieder neu auftanken und aufmunitionieren. Zumindest so lange sie den Hilfsträger nicht ausgeschaltet hatten.
Talohns Plan hatte vorgesehen, sich unbemerkt an die Flanke zu schleichen und die gegnerische Raumlandebahn mit einem gezielten Schlag aus dem Kampf zu nehmen. Dann hätten sie sich eines der gegnerischen Schiffe nach dem anderen vorgenommen, bis sie alle die schwächlichen Weichhäute aus ihrem System gejagt hatten. Talohn hatte Aufzeichnungen der ruhmreichen Schlacht von Mantikor gesehen und diese hatten gezeigt, dass die Kaiserliche Akariische Raummarine wie ein heißer Säbel durch Geelamfleisch gegangen war. Diese Menschlinge hatten keine Chance gegen die überlegene Akariische Hochtechnologie – das zeigten alle Militärberichte immer und immer wieder – und Talohn würde es Ihnen beweisen.
Zumindest hatte er das gedacht.
Doch jetzt musste er hilflos mit ansehen, wie stattdessen die als Perry gekennzeichnete Fregatte sich seinen Jägern in den Weg stellte, einige der Raketen abfing, die Nurrkas Jäger abgefeuert hatten und ein paar weitere der Raketen selbst schluckte, die eigentlich für den Hilfsträger gedacht waren. Dessen Schilde wurden zwar geschwächt, konnten aber bei weitem nicht durchbrochen werden. Im Gegenteil, jetzt spuckte der Hilfsträger, den Akarii Geheimdienstunterlagen nach ein Schiff der Strike-Klasse, eigene Jäger aus, die sich augenblicklich daran machten, Commander Nurrkas Deathhawks unter Feuer zu nehmen. Und während der Strike-Hilfsträger sich unter dem Schutz der sie umgebenden Fregatten und Korvetten zurückzog, fiel die erste der Deathhawks dem konzentrierten Flakfeuer der Schiffe zum Opfer.
Einen Augenblick war Milas Talohn konsterniert. Er war erfahren genug, um eine verlorene Schlacht erkennen zu können, wenn er eine sah. Und auch wenn er es nicht wirklich wahrhaben wollte, diese war bereits jetzt verloren, da gab er sich keinerlei Illusionen hin. Die Wahrscheinlichkeit, dass sie hier jetzt noch gewinnen würden, tendierte gegen Null, wie er jetzt besorgt erkennen musste. Der Feind war nicht, wie es die Propaganda es ihnen bisher immer vorgebetet hatte, ein Haufen degenerierter, hirnloser Kreaturen, sondern durchaus in der Lage sich effektiv zur Wehr zu setzen, wie er an dem Einsatz der Perry-Fregatte sehen konnte. Außerdem waren die Weichhäute Ihnen Zwei zu Eins überlegen und es war nur noch eine Frage der Zeit, bis er und seine Leute vollkommen ausradiert werden würden.
Talohn fragte sich kurz, ob er versagt hatte. Doch er verwarf den Gedanken schnell wieder. Unter den gegebenen Umständen war es das Beste gewesen, was Sie hatten erreichen können. Flucht war von vornherein inakzeptabel gewesen, ein Verharren an der unfertigen Station hätte sie jedes Überraschungsmomentes beraubt und ihre Chancen letztlich eher geschmälert als gesteigert. Talohn hatte sich nichts vorzuwerfen, im Gegenteil: Seine Ehre war vollkommen intakt. Er hatte verloren, aber er würde nicht kampflos aufgeben, sondern so viele Weichhäute wie möglich mitnehmen. Die Menschlinge würden schon sehen, was es hieß gegen Akarii zu kämpfen.
„Ehre dem Kaiser“ flüsterte Kapitän Milas Talohn kurz bevor er den Befehl zum Angriff auf die Perry-Fregatte gab.
Es würde eine letzte, aber dafür ehrenvolle Trophäe werden.
***
Im Raum um Pasumata V, Pasumata-Sektor
Als Diane „Lady Death“ Balestier zu ihrem Jäger geeilt war, hatte sie noch grimmig gedacht, dass das mal wieder eine Übung dieses verrückten Singh oder noch schlimmer dieses Kettenhundes Chung sein musste. Doch irgendwas war dieses Mal anders, die Bewegungen der Crew waren hektischer, nervöser und aufgeregter. Ihr Herz schlug augenblicklich schneller, als sie erkannte, dass es wirklich Ernst werden würde.
Endlich!
Endlich hatte das Warten ein Ende und endlich würden sie das tun können, für das sie ausgebildet worden waren: Feindeinsätze fliegen!
Endlich würde sie die Gelegenheit erhalten, das Blut, das an ihren Händen klebte, rein zuwaschen.
Sie sah einige ihrer Kameraden an ihr vorbei hechten. Ihre Flügelfrau, Debbie „Whirlwind“ Bahler, die leicht nervös und den Daumen kurz hoch haltend zu ihrer Maschine rannte.
Sie sah wie Tigre ruhigen und gemessenen Schrittes zu seiner Maschine ging, so als ob er auf dem Weg zum Golfplatz war und nicht in den Kampf. Und im Kontrast dazu seinen Flügelmann Nikolos „ Ares“ Roussos, der Whirlwind noch einmal mit einer Mischung aus Sorge und Aufmunterung zuwinkte. Die beiden waren erst seit kurzem ein Paar und irgendwie hoffte Diane, dass das gut gehen würde.
Als sie ihr Cockpit bestieg, kamen die Erinnerungen an Mantikor wieder, die sie seit so langer Zeit zu verdrängen versucht hatte. Mit Erfolg, wie sie bislang geglaubt hatte. Doch anscheinend hatte sie sich zu früh gefreut.
`Warum ausgerechnet jetzt?` schoss es ihr durch den Kopf, während sich das Kanzeldach schloss. `Weil Du es nicht anders verdient hast` meldete sich ihr Gewissen.
Sie versuchte sich abzulenken, in dem sie den etwas im Hintergrund stehenden Mirage-Bomber beobachtete, die ebenfalls startklar gemacht wurden. Die Griphen waren bereits draußen gewesen, sie hatten zum Zeitpunkt des Angriffs ForCAP gehabt. Die Typhoon wurden gerade raus geschossen und Diane und ihre Sektion würden Ihnen bald folgen.
Und wer wird dieses Mal zurückkehren?
´Nur noch vier Minuten` dachte sie, doch es gelang ihr nicht die Erinnerung, die sie wie ein Mückenschwarm befiel, abzuschütteln.
Mantikor war die Hölle gewesen, in jeglicher Hinsicht und schon lange bevor die Akarii gekommen waren. Provinz, Etappe, Grenzplanet. Wer wie sie länger als drei Jahre als Garnisonsstaffel auf Fort Trafalger stationiert war, musste ja verrückt werden.
Und genau das war Diane geworden. Wie sonst war es zu erklären, dass sie als respektierte Lt. Commander und Staffelführerin den regen Drogenkonsum unter ihren Leuten geduldet hatte. `Scheiße, die gesamte Station hat das gemacht` fluchte sie in Gedanken, während sie ihre Anzeigen checkte. `Die haben sich aber nicht erwischen lassen` meldete sich ihr gehässiges Gewissen zurück.
Ja, Diane erinnerte sich. Als die Akarii wie ein Heuschreckenschwarm über Mantikor und die Trafalgerstation gekommen waren, war die Hälfte ihrer Staffel high gewesen. Während der Dienstzeit wohlgemerkt.
Sie waren trotzdem – ohne Dianes Wissen – gestartet und förmlich aus der Luft gerissen worden, ohne auch nur einen gezielten Gegenschuss abzuliefern. Diane hatte gekämpft, wie eine Löwin, sich drei Abschüsse gesichert und hatte sich auf einen der Träger retten können.
Aber statt wie eine Heldin gefeiert zu werden, hatte man sie für den Tod ihrer Untergebenen verantwortlich gemacht, sie sogar des Drogenhandels bezichtigt ohne auch nur den geringsten Beweis zu haben. Aber die Admiralität hatte nach dem Mantikordebakel ja dringend Sündenböcke gebraucht. Offiziere, denen sie sie Schuld hatten zuschieben können, an denen sie hatten ein Exempel statuieren können.
Was kam da besser als die Kommandeurin einer Staffel, deren Hälfte abgeschossen wurde, ohne auch nur einen einzigen Treffer zu landen.
Sie hatten sie verurteilt, degradiert und auf New Alcatraz schmoren lassen. Erst der akute Mangel an Piloten hatte sie schließlich wieder hierher geführt, zurück in ein Cockpit, zurück in den Kampf.
Und all die Zeit hatte sie versucht, die Verantwortung zu verdrängen, bis jetzt.
Würde sie ihre Schuld jemals gesühnt haben?
In den Augen ihrer so genannten Kameraden und der Navy ohnehin nicht, das war ihr klar. Zu den Vorwürfen und Spekulationen ihrer ach so unbescholtenen Staffelkollegen schwieg sie hartnäckig, was die interessantesten Gerüchte über sie in den Umlauf gebracht hatte. Da sie aber durch sehr gute Leistungen überzeugte und ansonsten nicht weiter auffiel, ließ man sie größtenteils in Ruhe.
Warum dann also nicht auch ihr Gewissen?
Die Antwort auf diese Frage blieb unbeantwortet, ihr Gewissen schwieg.
Wohl auch deshalb, weil sie genau in diesem Augenblick das Signal zum Katapultstart erhielt und ins All geschleudert wurde.
Genau in dem Augenblick, als eine Antischiffrakete oberhalb des Rumpfes der GUADALCANAL, also an der entgegen gesetzten Seite der Jägerkatapulte am Schutzschirm des Hilfsträgers explodierte. Der grelle Lichtblitz wurde augenblicklich von ihrem Cockpit heruntergeregelt und die Geschwindigkeit – mit der sie aus dem Träger katapultiert worden war – verhinderte, dass sie von der Druckwelle erfasst und zu Schlacke verarbeitet wurde. Aber viel hatte nicht gefehlt.
Sie brauchte eine kurze Sekunde um zu erkennen, dass sie mitten in der Scheiße saßen. Jemand hatte gepennt, wenn die Echsen schon so nahe an Ihnen dran waren und sie hatte vor Sparky den Arsch aufzureißen, wenn er derjenige gewesen sein sollte. Doch in der Zwischenzeit musste sie zusehen, dass ihr nicht selber der Hintern weggeschossen wurde.
„Whirlwind, bleib an mir dran. Wir schnappen uns Kontakt Charly 1“ gab sie an ihre Flügelfrau durch und die wilde Hatz begann.
Kaum hatte sie auf die Feindmaschine eingedreht, die gerade im Anflug auf die bereits unter schwerem Feuer liegende MOUNTBATTON war, da drehte diese auch sofort ab. Doch nicht schnell genug um nicht zumindest eine Salve Strahlenschüsse abzubekommen.
`Meine Güte, sind die schnell` schoss es ihr durch den Kopf, als sie vergeblich versuchte eine Zielerfassung für ihre Raketen zu kriegen.
Es dauerte nicht lange und die restlichen Jäger ihrer Staffel waren ebenfalls raus, so dass die Deathhawks und der Dirty Bunch angefangen hatten ein tödliches Ballet zu spielen.
Diane hatte nach kurzer Zeit den Überblick verloren, die Jäger schienen sich gegenseitig aus dem Spiel genommen zu haben. Während sich die Kampfschiffe einen heftigen Schlagabtausch lieferten, tanzten die Jäger umeinander herum und versetzten einander Stiche, aber keine Seite konnte einen deutlichen Vorteil für sich verbuchen. Erst als die Mirage auf der Bildfläche erschienen, wendete sich das Blatt.
Die Bomber ignorierten die Jäger der Akarii und setzten augenblicklich auf die Dickschiffe der Akarii an. Das wiederum konnten die Deathhawks nicht ignorieren. Einige von Ihnen lösten sich aus dem Schlagabtausch mit dem Dirty Bunch – Thor hatte den ersten Abschuss geschafft, dafür hatten sie selbst Stinger verloren – und jagten nun den Bombern nach.
Das machte es Diane leicht. Ihr Kontakt Charly 1 drehte ein, und nahm eine der Mirages mit den Strahlenkanonen unter Feuer, doch der Bomber blieb auf Kurs. Wohl darauf hoffend, dass die Schirme halten würden, bis Diane wiederum den Jäger ausschaltete. Zum Glück für den Bomber ließ Diane sich nicht lange bitten. Die erste ihrer Raketen fegte die bereits geschwächten Schilde der Deathhawk davon, die kurz danach einschlagende Rakete zerfetzte die Feindmaschine komplett.
Diane freute sich nur einen kurzen Augenblick, dann kam der Hilferuf.
„Lady Death, Scheisse, der Akarii hat…“ und dann wurde es still um Whirlwind.
Voller Panik wendete Diane ihre Maschine zu den Koordinaten, an denen sie in der Raumschlacht voneinander getrennt worden waren. Doch nirgends ein Zeichen von Whirlwind. Eisige Furcht schnürte ihre Kehle zu. Hatte sie schon wieder eine der ihr anvertrauten Piloten verloren? Da sie kein Signal ihrer Flügelfrau entdecken konnte, musste sie davon ausgehen, dass sich ihr Callsign wieder einmal bewahrheitet hatte. Nur nicht auf der richtigen Seite.
Voller Wut drosch sie den Nachbrenner vor. Das einzige, was sie jetzt noch für Whirlwind tun konnte, war zumindest ihren Mörder zu erledigen.
***
Primärbrücke ONTARIO
Pasumata V, Pasumata-Sektor
Igor Maleetschev hechtete in die Brücke, die in ein gespenstisches Licht gehüllt war. Er hatte frei gehabt, als ihn der Alarm aus dem Schlaf gerissen hatte und er war so schnell wie möglich gekommen.
Der Angriff der Akarii hatte die ONTARIO genau so wie den Rest des kleinen Flottenverbandes vollkommen überrascht. Der gegnerische Kommandeur musste ein Könner sein, wenn er seine Schiffe so nahe an sie heran gebracht hatte, ohne dass sie auch nur etwas davon mitbekommen hatten.
„Lieutenant Yangwen, Status des Schiffes“ rief er etwas atemlos, während er sich auf den Bildschirmen versuchte einen Überblick zu verschaffen.
„Sir, alle Bereiche melden volle Einsatzbereitschaft.“ Kapitän Singh saß bereits auf seinem Kommandantensessel und nickte seinem Ersten Offizier nur einmal ernst zu und widmete sich dann wieder den Anzeigen. Die Standardprozedur auf Kriegsschiffen ab Zerstörergröße sah zwar vor, dass der Erste Offizier während einer Schlacht die Sekundärbrücke zu übernehmen hatte, während der Kapitän auf der Primärbrücke blieb. Aber Singh hatte dieses Prinzip der Redundanz, dass dafür sorgen sollte, dass die ONTARIO auch bei einem Ausfall der Primärbrücke noch voll einsatzfähig sein sollte, mit dem Argument ausgehebelt, dass die ONTARIO das Flaggschiff der Einsatzgruppe war. Somit würde Maleetschev das Schiff leiten dürfen, während Singh die Einsatzgruppe koordinierte. Und die Sekundärbrücke war vom zweiten Offizier Harun El-Habibi besetzt worden.
Maleetschev hatte nicht lange dagegen protestiert, wäre er doch sonst nur zum zuschauen verdammt gewesen. Und das Singh nichts von seinem zweiten Offizier hielt, war ja auch schon längst kein Geheimnis mehr. Also durfte Maleetschev im Grunde unter Singhs Aufsicht das Schiff kommandieren. Und er würde seinem Kapitän keine Schande machen.
„Mit wem haben wir es zu tun?“
„Eine Fregatte der Sierra III-Klasse, drei Korvetten, zwei davon Quebec-Klasse, eine Tango-Klasse.“
„Was ist mit den Jägern?“
„Eine Staffel Deathhawks, Sir, davon eine Maschine bereits durch die MOUNTBATTON runter geholt. Die MAGELLAN hat ihre Jäger raus, Bomber sind auf dem Weg.“
Maleetschev nickte und studierte die Taktikanzeigen.
Petr Ronacek hatte sein Schiff direkt zwischen die Angreifer beordert und bildete jetzt eine Verteidigungslinie vor der GUADALCANAL und was noch wichtiger war, vor der MAGELLAN. Die beiden schwächsten Schiffe der Einsatzgruppe zogen sich langsam und schwerfällig aus dem Kampf zurück, aber noch waren sie nicht außer Reichweite.
„Petr“ Singhs Stimme drückte kaum Emotionen aus, als er seinen früheren Schützling rief: „Zieh dein Schiff zurück und lass die Korvetten die Verteidigung übernehmen.“
Maleetschev erkannte, worauf Singh aus war. Die Schilde der Perry-Fregatte waren bereits äußerst schwach, den Anzeigen nach zu urteilen waren bereits erste Anzeichen von Hüllenbrüchen zu erkennen. Viel würde das Schiff nicht mehr vertragen können, obwohl es immer noch unbeirrt aus allen vorhanden Rohren und Lasertürmen weiter feuerte.
„Captain Singh“ Ronaceks Gesicht erschien mit einem grimmigen Lächeln auf dem Bildschirm. „wir könnten hier etwas Hilfe gebrauchen.“ Im Hintergrund erkannte Maleetschev das Signal für Feuer an Bord.
Singh nickte. „Wir kommen, so schnell wir können, Petr. Halt dein Schiff zusammen.“
„Aye, Sir“ Und während Ronacek vom Bildschirm verschwand, drehte sich Singh mit einem unmissverständlichen Blick zu seinem Ersten Offizier um.
Igor brauchte keine Anweisung um zu wissen, was Singh jetzt von ihm erwartete.
„Was sagt die Waffenleitkontrolle, Lieutenant Yangwen?“ wandte sich Igor an seinen momentanen Stellvertreter.
„WLK meldet mögliche Zielerfassung in zwei Minuten.“
Maleetschev schüttelte den Kopf, das dauerte ihm zu lange. Er schnappte sich das Direktfunkgerät, mit dem er in Sekundenbruchteilen eine Direktverbindung zu jedem wichtigen Bordoffizier aufbauen konnte. „Chief, bringen sie uns auf 120% für die nächsten zwei Minuten.“
„Aye, Sir, 120%, 2 Minuten“ kam die knappe, korrekte Antwort des Chief zurück.
Maleetschev wechselte den Kanal „WLK, ich will eine Zielerfassung auf die Sierra-III in eineinhalb, verstanden?“
„Aye, Sir, wir geben uns die größte Mühe.“
Ob das reichen würde? Maleetschev wusste, dass der MOUNTBATTON nicht mehr viel Zeit blieb. Die gegnerischen Schiffe hatten es anscheinend auf sie abgesehen. Zumindest die Fregatte und die beiden Quebec-Korvetten. Die Tango-Korvette war hingegen inzwischen von der agilen KAZE gestellt worden und lieferte sich einen heftigen Schlagabtausch mit Schneiders Schiff. Und auch wenn sich der Akarii einigermaßen hielt, das Ende dieses Kampfes war vorhersehbar. Doch auch wenn die KAZE die Tango aus dem Spiel nahm, fehlte das schnelle, schlagkräftige Schiff jetzt bei der Unterstützung der MOUNTBATTON.
Die Minuten des Kampfes zogen sich wie Kaugummi in die Länge. Ronaceks Schiff pumpte eine weitere Salve Schiff-Schiff-Raketen in die feindliche Fregatte, doch die schüttelte den Angriff ab und antwortete ähnlich fulminant. Auf den vergrößerten Anzeigen konnte Igor sehen, wie ein Laserturm der MOUNTBATTON auseinander flog und eine kurze Flamme in den Raum peitschte. Wieder ein paar ihrer Leute, die ihr kaltes Grab gefunden hatten.
„WLK, wie lange noch?“ fragte er ungeduldig nach, Singhs Blick in seinem Nacken spürend. Der gestrenge Kapitän gab seine Befehle leise und ruhig an die übrigen Kapitäne, aber Igor spürte förmlich, dass Singh innerlich kochte.
„Noch dreißig Sekunden“ gab der Feuerleitoffizier zurück „aber die Sierra-III zieht sich hinter die MOUNT zurück, Sir.“
Verflucht, tatsächlich. Der gegnerische Kommandeur beorderte seine Fregatte und die beiden Korvetten so hinter die angeschlagene Perry-Fregatte, dass die ONTARIO keine saubere Zielerfassung schaffen würde. Zumindest nicht ohne das Risiko, das eigene Schiff zu treffen.
Zwar brach das Manöver des Akariikommandeurs die drei Schiffe in die Nähe der Korvettengruppe um die DENVER, AZINCOURT, J.JERVIS und BUENOS AIRES, die auch sofort das Feuer eröffneten, doch der Akarii schien zu wissen, dass die Schlagkraft von sechs Exocet-Raketen, die die ONTARIO bereits scharf machte, bei weitem höher lag als die Feuerkraft der vier Korvetten zusammen.
„Ruder 20 Grad tief“ rief Igor seinem Rudergänger zu, in der Hoffnung eine bessere Zielerfassung auf die ebenfalls nach ´unten´ fallende Sierra-III zu bekommen, doch in diesem Augenblick wusste er, dass es zu spät war.
„Sir, die MOUNTBATTON…“ die Stimme Lieutenant Yangwens war fast erstickt „sie bricht auseinander…“
Ein Kloß bildete sich in Igors Kehle, als er die Fregatte zerbrechen sah und wusste, das damit viele gute Soldaten gerade in diesem Augenblick ihr Leben verloren. Rettungskapseln und –shuttles verließen das vernichtete Schiff und flogen so schnell sie konnten davon. Ronacek schien zumindest noch den Evakuierungsbefehl gegeben zu haben, vielleicht hatte er es auch selbst noch geschafft. Sein Schiff hingegen war nur noch Geschichte. Die MOUNTBATTON schien, von schwerem Geschützfeuer zerfetzt, in der Mitte auseinander zu brechen. Sekundärexplosionen blühten an der Oberfläche der beiden Rumpfteile auf wie eitrige Pockenblasen, die dann schnell aufplatzten und nichts als tiefschwarze Narben zurücklassend vergingen.
Dann wurde eine der beiden Teilstücke von einer Akarii-Schiff-Schiff-Rakete getroffen und wurde von einer grellen Explosionskugel förmlich zerrissen.
Igor musste schlucken und drehte sich langsam zu seinem Skipper um, der scheinbar ungerührt in seinem Sessel saß. Doch Igor wusste, dass dieser Schein nur trog. Der eisige Blick des Inders war von Hass erfüllt, die Kieferknochen mahlten deutlich sichtbar auf den Zähnen und fast hatte Igor den Eindruck, er würde gleich die Armlehne seines Sitzes aus der Verankerung reißen, so sehr traten die Knochen seiner Hand weiß unter der Haut hervor.
Dieser fanatische Blick in Singhs Augen machte Igor fast schon Angst.
„Feuerentfernung erreicht, Zielerfassung steht“ brüllte der Feuerleitoffizier in das aufgeregte Gemurmel auf der Brücke.
Singhs Blick traf den seines ersten Offiziers. „Reißt sie in Stücke…“ Es war fast nur geflüstert, doch jagte es Igor einen kalten Schauer den Rücken hinunter.
„Feuer! Exocet los!“ rief Igor und beobachtete die sechs Raketen, die auf den Feind zupreschten.
Sie würden die MOUNTBATTON rächen, dessen war sich Igor sicher.
Doch er machte sich Sorgen darüber, was danach passieren würde, denn Singhs Gesichtsausdruck schien nichts Gutes zu verheißen.
***
Im Raum um Pasumata V, Pasumata-Sektor
Santiago „Tigre“ DeLaCruz atmete tief aus, als er eine seiner Phönix-Raketen in den Akariijäger vor ihm einschlagen sah. Die vergrößerte Kameraeinstellung zeigte eine kurze kugelförmige Explosion und dann war nur noch Schlacke von der Feindmaschine über.
Es war die letzte der Deathhawks gewesen, die gerade explodiert war. Alle anderen waren inzwischen auch nur noch Geschichte.
Der Schlagabtausch mit den feindlichen Jägern war ein wildes Hauen und Stechen geworden und er musste sich erst einmal ein Bild über die aktuelle Situation machen.
Sein Flügelmann Ares war abgeschossen worden, aber er hatte sich erstaunlich gut gehalten. Nachdem es Whirlwind erwischt hatte, war der junge Grieche wie ein Berserker auf seinen Gegner losgegangen. Erst hatte Tigre sich Sorgen gemacht, dass der Junge sich kopflos auch noch abschießen lassen würde. Doch im Gegenteil, nach dem wahrscheinlichen Tod seiner Freundin hatte er sich erst seinen eigenen Gegner geholt und hätte sich fast noch einen Zweiten geschnappt, ehe er sich dann doch raus schießen musste.
Lady Death hingegen hatte ihrem Namen alle Ehre gemacht und erst zwei ihrer Gegner erledigt um schließlich Aslan den Arsch zu retten, der in erhebliche Schwierigkeiten geraten war. Von den Typhoonen hatte es nach Stingers Ausfall dann auch Cougar erwischt und Tigre wusste nicht, ob sie sich wie ihr Flügelmann hatte retten können.
Währenddessen hatte sich Whitey als Überraschung entpuppt. Der blutjunge koreanische Ensign hatte gleich zwei Akariis in deren ewige Jagdgründe geschickt und es dann sogar noch heil, wenn auch etwas ramponiert, zurück zur GUADALCANAL geschafft.
Ganz so viel Glück hatten die Griphen, die auf ForCAP überrascht worden waren, nicht gehabt. Im Gegenteil, sie hatte es am schlimmsten erwischt. Sparky war der einzige gewesen, der seine Maschine wieder heil zurück auf die GUADALCANAL gebracht hatte. Windmill war tot, gleich drei Akariiraketen auf einmal hatten seinen Jäger förmlich pulverisiert. Thor – der zuvor zwei Akarii erledigt hatte – und Blitz waren ausgestiegen und galten als vermisst. Insgesamt hatte der Dirty Bunch somit gegen die älteren und schwächeren Deathhawks selbst unter dem Unterstützungsfeuer der Korvettenflaks und -flars fast zwei Drittel der eigenen Maschinen verloren. Welch eine jämmerliche Quote!
Da hatten die Bomber mehr Glück gehabt, wohl auch weil sich in diesem Schlachtgetümmel keiner richtig um die vier Mirages gekümmert hatte. Die Jäger hatten ihnen der Dirty Bunch fern gehalten und die Dickschiffe hatten andere Sorgen, als sich um die vier Mirage-Bomber zu kümmern. Für einen der beiden Quebec-Korvetten endete diese Missachtung tödlich. Die Bomber hatten zwei Bombenläufe auf diese nehmen können und sie – mit tatkräftiger Unterstützung der eigenen Korvetten – vernichtet. Zwar hatte die Quebec, fast schon in den letzten Zuckungen, doch noch eine Salve Antijägerraketen auf die Bomber abgefeuert und dabei prompt einen von Ihnen aus dem All gefegt. Doch beide Bordmitglieder hatten sich retten können, so dass die Mirages wohl bald wieder voll einsatzfähig sein würden.
Was man von den Korvetten nicht würde sagen können. Nachdem die MOUNTBATTON zum Schock aller auseinander gebrochen war, hatte sich die ONTARIO wie ein Racheengel auf die Sierra-III gestürzt. Doch das schien diese nicht weiter zu interessieren. Statt das Feuer der ONTARIO zu erwidern, nahmen sich die feindliche Fregatte und die übrig gebliebene Korvette die DENVER vor. Der gegnerische Befehlshaber hatte anscheinend schon mit seinem Leben abgeschlossen und dachte sich wohl, warum er die Schutzschilde eines Norfolk-Zerstörers ankratzen sollte, wenn er sich stattdessen noch eine weitere Korvette holen konnte.
Und dann war alles Schlag auf Schlag gegangen. Die KAZE hatte die Tango-Korvette, die sich mehr als tapfer geschlagen hatte, just in dem Augenblick zerstört, als die Sierra-III von der zweiten Salve Exocet der ONTARIO in Stücke gerissen wurde. Doch deren Abschiedsgeschenk in Form einer letzten kombinierten Salve an die DENVER wiederum zertrümmerte einen Großteil der kleinen Korvette. Die Brücke war sofort zerstört und nur eine Handvoll Rettungskapseln mit Seemännern und den Marines konnten entkommen. Der Rest der manövrierunfähigen DENVER stürzte auf den Gasriesen zu und trieb brennend und lodernd direkt auf die Zwillingsringe zu. Mit fasziniertem Entsetzen musste Tigre mit ansehen, wie das Schiff auf die ersten der Eis- und Geröllfragmente traf und schier zermalmt wurde. Noch Stunden später hätte man noch mitverfolgen können, wie das einst so stolze Schiff sich einen Weg durch die Ringe des Planeten pflügte um letztlich zu einem Teil davon zu werden und bis in alle Ewigkeit um den Planeten herum zu kreisen.
Doch statt sich das schreckliche Spektakel weiter anzusehen, beobachtete Tigre, wie die letzte der Akariikorvetten von den übrigen Schiffen der TSN vernichtet wurde, nicht ohne jedoch auch eine letzte Salve auf die AZINCOURT abzugeben, welche diese wiederum stark mitnahm.
Damit war die Schlacht vorbei und die Wirkung des Adrenalins, welche Tigres Blutbahnen noch vor kurzem in rauen Mengen durchflutet hatte, ließ deutlich spürbar nach. Auch wenn der Kampf relativ kurz gewesen war, überfiel ihn eine bleierne Müdigkeit.
Ein Gefühl des Versagens stellte sich bei ihm ein. Mindestens zwei seiner Leute – Whirlwind und Windmill – waren tot und fünf weitere vermisst, zumindest solange sie nicht aus den eisigen Tiefen des Weltalls gerettet worden waren. Und besonders um Thor und Cougar machte er sich die größten Sorgen, auch wenn das vielleicht nicht fair gegenüber den anderen vermissten Piloten Ares, Stinger und Blitz war.
Und als sein Blick während des Landeanflugs auf die GUADALCANAL fiel, verstärkte sich sein Gefühl der Niedergeschlagenheit. Der Hilfsträger war angeschlagen, aus einem Hüllenbruch entwich offensichtlich wertvolle Luft in Form von loderndem Feuer. Tigre wusste nicht, wie schlimm es um das Schiff stand, aber eine Landeerlaubnis hatten sie ihm zumindest erteilt.
Nun, besonders viele Alternativen gab es ja nicht.
Als seine Maschine schließlich landete, machte sich Tigre schon bereit vor die kümmerlichen Reste seiner Staffel zu treten.
Tyr Svenson
Das Platoon war angetreten. Die Marines bildeten eine Linie, jeder in voller Gefechtsmontur, die Waffe vor der Brust, neben sich einen schweren Militärrucksack. Die Helme hatten sie aufgesetzt und erschienen so wie eine Abteilung von gesichtslosen Kampfmaschinen – ein Eindruck, der durchaus gewollt war. Einzig Master Sergeant Schiermer hielt seinen Helm noch locker in der Armbeuge – und als einziger im Platoon bewegte er sich zur Zeit, ging von Soldat zu Soldat und inspizierte die Ausrüstung.
Bei den unerfahrenen Soldaten nahm er sich besonders viel Zeit – und seine Überprüfungen waren begleitet von einem halblauten: „Brauchst du nicht…Steck das ein…Schmeiß das weg…Überflüssig.“ und dem Scheppern, wenn ein von Schiermer als unnötig angesehenes Ausrüstungsteil auf dem Boden landete. Als er bei einer Soldatin allerdings feststellte, daß sie ihr Gewehr entsichert trug, wurde sie derartig zusammengeschissen, daß sie den Tränen nahe schien. Und ein Soldat, der beim Anlegen der Rüstung geschlampt hatte, bekam einen wuchtigen Schlag gegen die Sichtscheibe seines Helms, der ihn erschreckt zurückfahren ließ.
Aber schließlich schien Schiermer zufrieden und als er sich an seine Leute wandte, klang seine Stimme ruhig, fast freundschaftlich: „Das reicht, ihr Jungspunde. Alles auf, es geht los. Ohne Tritt - Marsch.“
Die Soldaten schulterten ihre Rucksäcke. Auf Befehl Schiermers hatten sie sich vor allem mit Kriegsgerät beladen: Energiepacks und Granaten (Splitter-, Panzerspreng-, Brand-, Rauch- und Blitzgrananten), jeder Soldat trug dazu ein geschliffenes Kommandomesser, das auch als Bajonett verwendet werden konnte. Private Juan und Davis hatten die Scharfschützenvariante der HK-322x geschultert, Juan und eine der Soldatinnen waren zusätzlich mit einem hübschen Arsenal an Sprengmitteln bepackt. Außerdem war es Schiermer gelungen, aus der Waffenkammer ein paar Einweg-Raketenwerfer zu ergattern. Die Soldaten, die die recht gewichtigen Waffen zusätzlich zu den HK-Lasersturmgewehren trugen waren natürlich weniger erbaut darüber. Jetzt stülpte sich auch Schiermer den Helm auf und setzte sich an die Spitze seiner Gruppe.
Im Hangar der COLUMBIA stauten sich die Einheiten der Marineinfanterie um die Shuttles. Die Eskortflieger – Typhoons der Staffel Blau – waren bereits gestartet und warteten im All. Captain Schlüter ließ es sich nicht nehmen, die Kompanien, Züge und Platoons persönlich zu inspizieren. Jetzt, im Einsatz, trug sie einen Panzeranzug ohne Rangabzeichen – eine Angewohnheit, die in den modernen Armeen mit dem Aufkommen von Scharfschützen eingeführt worden war.
Es entging der Captain nicht, daß Schiermer seine Einheit „bis zur Halskrause“ mit Munition beladen hatte.
„Sag mal, Schiermer – was soll das werden? Willst du Iwo Jima spielen?“
Der Veteran zuckte mit den Schultern, aber seine Stimme klang ebenfalls amüsiert: „Eher Wake, Captain.“ Die meisten Soldaten sagten beide Namen natürlich nichts – auf Wake hatten unterlegene Marinetruppen einem anlandenden Feind erbitterten Widerstand geleistet, waren aber schließlich heldenhaft untergegangen...
„Du siehst zu schwarz, Sarge. Das ist ein Sicherungsauftrag.“
„Na wenn, dann haben die Küken wenigstens noch ein wenig Krafttraining abbekommen. An Bord dieses Luxusliners verweichlichen sie nur.“
Schlüter lachte schallend, klopfte dem Sarge gegen den Helm und wandte sich zum nächsten Platoon. Während sie so die Reihen abging, rückten bereits die ersten Marines in die Shuttles ein. Auch wenn am Boden die Kämpfe eigentlich schon vorbei sein sollten, vor allem die Jüngeren waren eindeutig angespannt, entweder schweigsam oder gewollt forsch und aufgekratzt.
Unter den aufmerksamen Augen der Offiziere und Mannschaftsdienstgrade verlief die Verladung problemlos. Schlüter hatte vorher allerdings recht eindeutig klargemacht, wenn es noch mal zu einer vergleichbaren „Sauerei“ wie bei dem Akarii-Frachter kam – nun, dann sollten die betroffenen Offiziere sich schon mal an den Dienst in der Etappe einstellen – natürlich ohne Frontzulage!
Die Shuttles hoben fast zeitgleich ab und schossen mit kurzem zeitlichem Abstand aus dem Bauch der COLUMBIA. Die Typhoons formierten sich sofort zu einem Schutzschirm und folgten den schwerfälligeren Sturmfähren auf ihrem Weg nach Graxon.
Schiermer starrte vor sich hin, das Gewehr zwischen den Knien. Er rechnete nicht mit besonderem Widerstand am Boden, das nicht. Aber er würde ein besonderes Auge auf seine Pappenheimer haben - vor allem nach diesem Reinfall mit dem Akariifrachter. Immerhin würden sie sich auch um die Gefangenen kümmern müssen - und um eventuell überlebende Akarii, die sich versteckt hatten. Wenn da wieder jemand die Nerven verlor und einfach losballerte...
Die SAS hielt sich natürlich mit der Nachsorge nicht auf - sie hatten nicht mal die Gefangenen befreiht, bis auf ein paar aus der Isolierhaft, vermutlich um sich nicht ablenken und behindern zu lassen.
Schiermer grinste unter seinem Helm, als er sah, wie eine befreite Offizierin gegenüber dem SAS-Offizier kurzerhand die Initiative in die Hand nahm. Aber er hatte bald Wichtigeres zu tun, vor allem, als die SAS abrückte, die Sicherungsposten stationiert waren und die Gefangenen freigelassen wurden.
Am Boden herrschte bald einziges Chaos. Die Marines und Sanitätskräfte versuchten so gut wie möglich Ordnung zu halten, waren aber ziemlich überfordert. Bei den ehemaligen Gefangenen reichte die Bandbreite der Gefühle von endloser Freude, bis zu einem Zustand dumpfer Verwirrtheit, überfordert von den dramatischen Veränderungen, die so schnell und brutal über sie hereingebrochen waren. Manche lachten und weinten gleichzeitig, fielen sich gegenseitig und ihren Befreiern um den Hals - wenn die dies denn zuließen. Andere saßen mit stumpfer oder gar mürrischer Miene immer noch auf dem Boden, versuchten mit der neuen Situation fertig zu werden oder sich mit der Schmach abzufinden, die sie empfanden - immerhin hatten sie kapituliert...
An einer Stelle kam es sogar zu einer Schlägerei, als einige Gefangene einen der ihren angingen, der als Kalfaktor gedient hatte - in manchen Augen widerlicher Verrat. Ein paar Marines beruhigten die Situation schließlich, aber der Mann sah ziemlich übel zugerichtet aus.
Sergeant Schiermer war über den Anblick nicht besonders überrascht oder geschockt. Er hatte selber an der Bewachung von Gefangenen-, Flüchtlings- oder "Filtrierungslagern" teilgenommen - und er war dabei gewesen, als eine Einheit des Marinekorps ein paar Soldaten befreite, die von Aufständischen mehrere Monate lang gefangengehalten worden waren. Im Vergleich dazu schienen die Akarii sich korrekt verhalten zu haben.
Dieser Gedankengang wurde unterbrochen, als eine Gruppe ehemaliger Gefangener an ihm vorbeimarschierte. Diese zwei Dutzend hatten offenbar schnell wieder zu sich gefunden und bewegten sich als geschlossene Einheit zu den Evakuierungshuttles - im Gleichschritt, als wollten sie etwas beweisen: den anderen Gefangenen, ihren Befreiern, aber auch sich selbst.
Schiermer kannte diesen Marschschritt, langsam, aber ausholend. Und wie zur Bestätigung fing einer der Soldaten, ein hagerer Mann mit dunkler Haut, an zu singen: "Je ne regrette rien..." Der Akzent war ziemlich schlecht, die Stimme leise, auch wenn seine Kameraden das Lied aufnahmen:
"Nein, ich bereue nichts..." Das Lied weckte Erinnerungen. Vor langer Zeit hatten Fallschirmjäger des 1. REP es gesungen, als sie nach einem gescheiterten Putschversuch in Gefangenschaft gingen. Als man die Legion vergrößert und das 1. Regiment der Legions-Fallschirmjäger wieder aufgestellt hatte, war auch das Lied wieder in Mode gekommen und zu einer der inoffiziellen Hymnen der Legion geworden. Schiermer hatte es auf Pandora gehört. Kurz bevor...
"Sarge?"
Schiermer drehte sich um. Howard stand hinter ihm und salutierte: "Der Captain will Sie sehen."
Schiermer starrte noch einmal den abrückenden Fremdenlegionären hinterher, dann wandte er sich ab: "Also gut. Und beweg dich!"
Howard runzelte verwirrt die Stirn. Die Stimme des Sarge hatte merkwürdig belegt geklungen.
Tyr Svenson
Nach der Schlacht
Besprechungsraum an Bord der GUADALCANAL
Im Raum um Pasumata V, Pasumata-Sektor
1st Lieutenant Diane „Lady Death“ Balestier rieb sich müde die Augen. Sie war erschöpft von der Schlacht und der nachfolgenden Untersuchung ihres Jägers. Sie hatte Glück gehabt, von den 12 Jagdmaschinen an Bord waren gerade mal drei unbeschadet zurückgekehrt. Ihre eigene Maschine, die von Tigre und überraschenderweise von Sparky. Dazu kamen noch die lädierten Maschinen von Aslan und Whitey. Mit den drei Ersatzmaschinen, die sie noch an Bord hatten würde das heißen, dass sie gerade mal zwei Sektionen wieder einsatzbereit kriegen würden.
Vorausgesetzt sie hätten genug Piloten.
Zwei waren definitiv tot. Fünf waren noch vermisst und Diane wusste nicht, wie es um sie stand. Sie hoffte, dass Ihnen Tigre gleich mehr sagen konnte.
Im Moment saßen sie verschwitzt und noch relativ geschockt im Besprechungsraum ihres Hilfsträgers, der ebenfalls angeschlagen war. Die Schilde hatten gerade Mal so gehalten aber der gute Zustand, in dem sich das Schiff vor dem Auslaufen befunden hatte, gehörte schon wieder der Vergangenheit an. Der Haupthangar der GUADALCANAL hatte einem Trümmerfeld geglichen und die Jäger und Bomber hatten von Glück sagen können, das sie überhaupt heil landen konnten. Es hatte nicht viel gefehlt und sie hätten den einzigen Landeplatz verloren, den sie besaßen. Zumindest hatten sie ihre Krankenstation verloren und der Bordarzt war tot, was schon ein herber Schlag war. Sie hatte den Doc nicht wirklich gekannt, bis auf die obligatorische Routineuntersuchung, doch er schien tatsächlich ein freundlicher, höflicher Mann gewesen zu sein, wie es alle von Ihm sagten. Und in sofern war es ein doppelt schwerer Verlust.
Diane blickte hinüber zu Sparky, Aslan und Whitey, die schweigend ins Leere starrten. Sie schienen in ähnliche Gedanken versunken zu sein wie sie. Sie hatten gesiegt heute und trotzdem waren sie irgendwie auch besiegt worden, daran bestand kein Zweifel, man konnte es förmlich an ihren Augen ablesen.
Die Bomber hatten da etwas mehr Glück gehabt. Fünf der zwölf Piloten saßen hier – Arrow war mit Tigre beim Captain – und dass die zwei fehlenden Piloten des abgeschossenen Miragebombers bereits geborgen und so gut wie unverletzt auf die MAGELLAN gebracht worden waren, hatte man schon gehört.
In diesem Augenblick betraten Tigre und Arrow den Einsatzraum, immer noch in Fliegermontur, während alle übrigen Piloten sich wenigstens kurz erfrischen konnten und einen sauberen Overall übergezogen hatten. Sie waren direkt zum Captain beordert worden und hatten die
„ACHtung“ rief einer der Bomberpiloten, bei weitem nicht so enthusiastisch wie noch kurz nach dem Auslaufen. Doch noch bevor sie sich erhoben hatten, antwortete Tigre bereits mit einem „Rühren, bleibt sitzen“.
Sein Gesichtsausdruck sprach Bände. Der Verlust zwei seiner Piloten nagte an ihm, das konnte sie erkennen. Es war nie einfach, Leute zu verlieren für die man die Verantwortung trug. Keiner wusste das wohl besser als sie und wahrscheinlich hatte sie selbst direkt nach Mantikor sicher nicht anders ausgesehen.
Tigre blickte ein paar Sekunden in die Runde und begann dann leise und für seine Verhältnisse noch ruhiger und stoischer als sonst. „Ihr habt euch gut geschlagen da draußen. Trotz des überraschenden Überfalls durch die Akarii habt ihr den Angriff zurückgeschlagen, unseren Träger in letzter Minute erfolgreich verteidigt und dann sogar sofort zurückgeschlagen. Das war eine gute Leistung, für die euch beglückwünschen möchte.“ Tigre versuchte enthusiastisch zu klingen, doch scheiterte damit kläglich. Diane konnte er zumindest nicht täuschen, trotz seiner Lobhudelei und sie war sich sicher, dass es auch den anderen Piloten nicht besser gehen würde.
Sparky schien das jedenfalls genauso zu sehen. „Ach komm´se Tigre, wir haben grad noch Mal Schwein gehabt. Gegen diese alterschwachen Mühlen mit den zweitklassigen Piloten haben wir mehr als die Hälfte unsrer Jäger verlor´n…“
„Wir haben immerhin insgesamt 9 der 12 gegnerischen Jäger abgeschossen und meine Gruppe kann sich eine feindliche Korvette auf die Maschinen malen“ sprang Arrow ihrem Staffelführer unterstützend zur Seite. „Natürlich hätte auch ich mich über ein besseres Ergebnis gefreut, aber unter den gegeben Umständen war es das bestmögliche Resultat“
Auch wenn Diane wusste, warum Tigre und seine XO diesen Zwangsoptimismus an den Tag legten, fühlte sie Ärger in sich hochsteigen. „Meinten sie „Unter den gegebenen Umständen“ oder „Unter der gegebenen Staffelbesetzung“…“ fragte sie bewusst provokativ.
Arrow, die keinen sonderlichen Hehl aus ihrer Abneigung gegen den Dirty Bunch machte, konterte kühl: „Interpretieren sie es so wie sie möchten, Lieutenant.“
Doch noch bevor sie erneut etwas dagegen sagen konnte, ging Tigre dazwischen. Jetzt war er mit seiner natürlich angeborenen Autorität wieder in seinem Element. „Das spielt jetzt keine Rolle, es gibt wichtigeres als das jetzt“ schlichtete er den Streit energisch. „Seht zu, dass eure Maschinen so bald wie möglich wieder einsatzfähig sind und ihr euch ein wenig ausruhen könnt. Die MAGELLAN übernimmt erst einmal die Langstreckenortung, aber das wird nicht ewig langen. Es ist zwar nicht sehr wahrscheinlich, aber wo diese Akarii herkamen, da könnten auch noch mehr auf uns warten.“
Die meisten Piloten nickten, doch Diane brannte noch etwas auf der Seele. „Was ist mit unseren Vermissten, Tigre?“
Sein Blick wechselte sofort von entschlossen und autoritär wieder zurück auf verwirrt und verletzlich. So gut Tigre im Befehlen war, so schwach schien er im Hinblick auf Verluste zu sein. Auch wenn Diane das aus eigener Erfahrung relativ gut verstehen konnte, hoffte sie, dass ihr Staffelführer daran nicht zerbrechen würde.
„Sie haben neben den beiden Bomberpiloten noch Ares und Stinger bergen können“ begann er zögerlich „Sie werden derzeit auf der MAGELLAN versorgt und werden bald wieder kv sein. Aber noch gelten zwei unserer Kameraden als vermisst und wir haben drei verloren, wir sollten uns ihretwillen am Riemen reißen…“
„Drei?“ fragten gleich mehrere Piloten bestürzt. Bisher wussten sie nur von Windmill und Whirlwind.
Tigre schaute betrübt auf das Pult und Diane spürte, das ihm jeder Verlust durch Mark und Bein gehen musste. „Ja“ begann er mit leicht zittriger Stimme „sie haben Cougar geborgen, leider tot.“
Mehr brauchte er nicht zu sagen. Aslan schoss aus seinem Sitz hervor, ballte die Fäuste und stammelte „NEIN, Nein, dass kann nicht…“ Er und Cougar waren enge Freunde gewesen, kein Paar wie Whirlwind und Ares, aber immerhin so eng befreundet, dass man Aslan ansah, wie sehr es ihn traf.
`Wenn Aslan schon so austickte, wie würde es dann wohl Ares gehen?` fragte sich Diane und hoffte, Ares würde es verkraften können.
„Das heißt Thor und Blitz sind die beiden, die sie noch nicht gefunden haben, wa?“ fragte Sparky an Tigre gerichtet, der nur kurz zur Bestätigung nickte. „Na, da hoff ich aber, dass die mal schnell gefunden werden…“
„Wieso?“ fragte der sonst so schweigsame Koreaner Whitey, und Diane hätte aufgrund seiner jugendlichen Naivität fast geschmunzelt, wenn es nicht so ernst wäre.
„Weil es – je länger es dauert umso wahrscheinlicher wird, dass die Beiden da draußen erfrieren werden“ antwortete sie an Stelle von Sparky und fixierte dabei Tigre, der ihrem Blick nicht mal Zwei Sekunden standhalten konnte.
`Soviel zum Nervenkostüm unseres CAG` schoss es Diane durch den Kopf und sie nahm sich in ihrem eigenen Interesse vor, dass im Auge zu behalten.
***
Kapitänskajüte an Bord der ONTARIO
Im Raum um Pasumata V, Pasumata-Sektor
Als Igor Maleetschev den Summer am Schott zur Kajüte seines Skippers drückte, bekam er als Antwort ein leises „Herein“. Nachdem die Schlacht geschlagen war, hatte Singh die Rettungs- und Bergungsarbeiten noch eine Weile begutachtet, obwohl er davor schon 18 Stunden Dienst gehabt hatte. Doch schließlich hatte er – auch aufgrund der Bitte seines Ersten Offiziers – sich zumindest für ein paar Stunden in seine Kabine zurückgezogen. Igor hoffte, dass Singh sich auch wirklich ausgeruht hatte als er die Tür öffnete, in die Kabine eintrat und sich in Habachtstellung vor dem Schreibtisch aufstellte.
Singh war noch vertieft in ein paar Berichte und Igor hatte den Eindruck, dass er auch die letzten Stunden nichts anderes gemacht hatte. Das sorgte bei Igor nicht gerade für Erleichterung und sein Blick schweifte in der spartanisch eingerichteten Kabine umher. Sein Blick fiel schließlich auf ein kleines Medikamentenröhrchen auf dem Schreibtisch des Captain, was bei Igor ein Stirnrunzeln hervor rief. Er versuchte die kleine Schrift auf dem Röhrchen zu entziffern, und gerade als er das Wörtchen Lopolin entziffert hatte, blickte Singh von seinen Unterlagen auf.
Sofort schaute Igor stumm geradeaus, doch Singh folgte seinem letzten Blick zu dem Medikamentenröhrchen und ohne ein Wort nahm er das Lopolinröhrchen in die Hand und steckte es sich in die Uniformtasche.
„Rühren, Commander. Setzen sie sich.“ Seine Stimme hörte sich matt und abgekämpft an, keine Spur von dem Feuer und der Selbstsicherheit in Blick und Stimme, die Igor bisher so sehr in den Bann gezogen hatte. In diesem Augenblick wirkte der düstere Inder einfach nur alt.
„Danke, Sir“ antwortete Igor, ebenfalls etwas erschöpft. Knapp 18 Stunden waren seit dem Raumgefecht vergangen, seinem Ersten überhaupt, doch er hatte bis jetzt keine ruhige Minute gehabt um darüber nachdenken zu können.
„Wie ist die Situation, Eins-O?“
„Sir, die ONTARIO ist voll einsatzfähig. Sämtliche Bereiche melden Status Grün.“
„Sehr gut. Wie ist die der Zustand der Einsatzgruppe?“
„Wir haben die Überlebenden der MOUNTBATTON und der DENVER geborgen. Von der MOUNTBATTON konnten wir 74 Raumleute und den kompletten Zug Marines unverletzt bergen. Das macht also 110, dazu kommen noch knapp 50 Verletzte. Leider sind 45 Seeleute MIA, darunter alle Senioroffiziere.“
Igor machte eine kleine Pause, da er wusste, dass er damit Singh gerade mitgeteilt hatte, dass sein früherer Schützling Ronacek damit mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit gefallen war. Doch Singhs Blick war wie immer fast nicht zu deuten, also fuhr Maleetschev fort mit seinem Bericht.
„Damit konnten sich erheblich mehr unserer Leute von der MOUNTBATTON retten als von der DENVER. Auch dort konnten sich die Marines, die sich beim ersten Anzeichen eines Angriffes standardmäßig abmarschbereit gemacht hatten, rechtzeitig in Sicherheit bringen, doch mit Ihnen leider nur 10 weitere Besatzungsmitglieder, davon 5 verletzt. Damit haben wir hier insgesamt 59 Vermisste.“ Das dieses Wort in diesem Zusammenhang statt Vermisst eher Gefallen hätte heißen müssen, wussten sowohl Maleetschev als auch Singh. Doch die Tradition gebot, dass die Raumleute solange als Vermisst galten, bis entweder ihre Überreste geborgen und identifiziert wurden oder sie offiziell für Gefallen erklärt wurden.
„Die AZINCOURT und die GUADALCANAL melden Bereitschaft, aber teilweise eingeschränkt. Wir haben 17 Tote und 27 Verletzte auf der Korvette zu beklagen, Captain Dominguez meldet 12 Gefallene und 20 Verletzte Raumleute auf seinem Hilfsträger. Erschwerend kommt hinzu, dass die GUADALCANAL ihre komplette Krankenstation verloren hat.“
„Verteilen sie die Schwerverletzten an Bord der unbeschädigten Schiffe“ ordnete Singh an.
„Ist bereits veranlasst, Sir“ antwortete Maleetschev „aber unser Schiff war nicht in der Lage, so kurzfristig den gesamten Strom an Verletzten aufnehmen zu können. Somit haben wir die Leicht- und Unverletzten Überlebenden auf die MAGELLAN verlegt. Die meisten Schwerverletzten werden bei uns versorgt. Doktor Goordelans meldet, dass Sie und ihr Team die Situation unter Kontrolle haben.“
Singh nickte anerkennend und bedeutete Maleetschev dann fort zu fahren.
„Die kombinierte Jägerstaffel meldet 7 einsatzfähige Piloten, zwei davon leicht verletzt aber bald wieder einsetzbar. Dazu kommen 4 einsatzfähige Bombercrews. Wir haben hier 3 bestätigte Verluste und noch 2 Jagdpiloten MIA.“ Das MIA in diesem Fall barg zumindest etwas mehr Grund zu Hoffnung, da die Piloten per Peilsender und Raumanzug ausgestattet in der Regel eher lebend geborgen werden konnten als die Crewmitglieder von Kriegsschiffen. Wobei es natürlich auch bei Ihnen dazu kommen konnte, das Vermisst auch Vermisst blieb.
„Zusätzlich dazu haben wir die beiden Marineskontingente aufgenommen…“ fuhr Igor fort, wurde aber von Singh unterbrochen.
„Moment, wenn wir so überlastet sind, warum haben wir die dann nicht auch verteilt?“
„Nun Sir, ich dachte es wäre ratsam unter der Tatsache, dass wir knapp 20 Überlebende Akarii geborgen haben.“
Jetzt richtete sich Singh in seinem Sessel auf, sein Interesse schien sprunghaft angestiegen zu sein.
„20 Überlebende Akarii? Irgendjemand darunter, der für uns von Bedeutung sein könnte?“
„Ja, Sir. Es scheint auch tatsächlich ein höherrangiger Offizier darunter zu sein. Unser NIC hat bereits zusammen mit Commodore Garribeaux und Major Chabiz mit dem Verhör begonnen…“
Singh richtete sich auf. „Wo sind sie?“ Ein neuer Funken schien sich in den Augen des Captain zu entzünden.
„Im Sicherheitstrakt. Soll ich sie dorthin begleiten?“
„Nein, Commander. Sie haben gute Arbeit geleistet. Während und auch nach der Schlacht. Jetzt sind aber sie an der Reihe, sich auszuruhen, verstanden?“
„Aye, Sir“ antwortete Maleetschev, aufgrund des Lobes durch seinen Captain durchaus mit Stolz in der Stimme. Doch als er gemeinsam mit seinem Skipper die Kabine verließ, fragte er sich schon, was dieser vorhatte. Nun, was immer es auch war, Igor würde sich davon überraschen lassen müssen, da er im Moment einfach zu müde war, um sich wirklich Sorgen darüber machen zu können.
***
MAGELLAN
Im Raum um Pasumata V, Pasumata-Sektor
Melissa Jamison-Bowyer hetzte durch die engen Gänge der MAGELLAN. Nichts war von dem ursprünglichen funktionalen Charme eines neuwertigen Forschungsschiffes übrig geblieben und das gesamte Schiff ähnelte mittlerweile eher einem Lazarettschiff als einem hochmodernen Explorerschiff.
Während Melissa durch die Gänge hechtete und versuchte den Verletzten und Verwundeten auszuweichen, gingen ihr die Augenblicke vor und nach dem Beginn der Schlacht durch den Kopf. Sie hatte gerade die neusten Langstreckenortungen untersucht, als der Angriff begonnen hatte und von dem Sie nichts weiter mitbekommen hätte, wenn der Flurfunk nicht gewesen wäre. Das Wissenschaftsteam hatte während eines Kampfeinsatzes keinen Zutritt zur Brücke, nicht mal Commander Baker, der sich wie alle anderen der Wissenschaftler in der Kantine versammelt und gewartet hatte und dabei krampfhaft versucht hatte sie zu ignorieren.
Doch Melissa hatte gar keine Zeit gehabt, ihn auf sein merkwürdiges Verhalten anzusprechen, befand sie sich doch selber in keinem guten Gemütszustand. Das war das schlimmste gewesen, voller Angst und Bangen in einem engen Raum eingesperrt zu sein und so ganz und gar nichts tun zu können. Das war das erste Mal gewesen, dass sie sich bewusst geworden war, dass sie sich an Bord eines Kriegsschiffes mitten auf Feindfahrt befanden. Bisher hatte das ganze für sie eher den Eindruck eines wichtigen und spannenden Abenteuerurlaubs gemacht.
Doch dieses Gefühl war der Angst gewichen.
Der Angst um ihr eigenes Leben, der Angst um Justus und seiner KAZE, der Angst um Thor in seinem Jäger.
Melissa war sich bis zu diesem Augenblick ihrer Gefühle für den Hochgewachsenen Piloten noch nicht sicher gewesen, aber jetzt war sie sich sicher, dass sie ihn mehr als mochte.
Dann war der Kampf schon wieder vorüber gewesen, ohne dass sie auf der Magellan davon etwas mitbekommen hatten. Und erst als die ersten Verwundeten eintrafen, wallte die Panik wieder in ihr auf, und sie ebbte erst wieder etwas ab, als sie hörte, dass es nicht die KAZE war von der die Verwundeten Raumleute stammten.
Trotzdem, die Bilder die sie sah, hatten sich für immer in ihr Gehirn eingeprägt. Man hatte Ihnen zwar gesagt, dass man die Unkritischen und Leichten Fälle auf die MAGELLAN versetzt hatte. Doch wenn das nur die Leichtverletzten sein sollten, wie sahen dann die Schwerverletzten erst aus. Da sie bis vor kurzem noch Zivilistin gewesen war, war sie solche Bilder schlicht und einfach nicht gewohnt.
Sie versuchte, so gut es ging zu helfen, Trost zu spenden und Mut zuzusprechen, doch die ganze Zeit über waren ihre Gedanken, bei Thor gewesen.
Die Gerüchte um die Jagdstaffel variierten von komplett vernichtet bis heldenhaft, doch mittlerweile wusste sie, dass es auch unter Ihnen Tote und Verletzte gab.
Als sie zufällig gehört hatte, dass zwei der Verwundeten der Jagdstaffel auf dem Weg zu Ihnen waren, einer davon schwer verletzt aber stabil, hatte ihr Herz wieder für einen Augenblick ausgesetzt.
Dann war sie losgerannt und hatte mit wild pochendem Herz die Shuttleschleuse erreicht.
Das Shuttle hatte bereits angelegt und die Insassen kamen ihr durch die Andockschleuse entgegen, doch keiner der Leichtverletzten Männer und Frauen war Thor.
War er also doch der Schwerverletzte?
Sie kam genau in dem Augenblick an der Schleuse an, in dem eine Bahre hinausgetragen wurde. Was sie sah, ließ ihr den Atem stocken. Der Mann lag ruhig mit dick bandagiertem, leicht seitlich geneigtem Kopf auf der Bahre, doch was Melissa eigentlich schockierte war das offensichtliche Fehlen beider Unterschenkel und das Fehlen des kompletten rechten Armes. Dazu schien auch die linke Hand nicht mehr vorhanden zu sein.
Der Anblick war fast zu viel für Melissa, auch wenn alle Arm- und Beinstumpfe fest bandagiert waren. Zitternd näherte sie sich dem Körper und versuchte, während sie neben der Bahre herging, einen Blick in Thors Gesicht zu erhaschen.
Doch was sollte sie ihm sagen? Das er nur noch ein Schatten seiner selbst sein würde, ein Krüppel, der weder über Arme noch Beine besaß?
Die Medizin war mittlerweile so weit fortgeschritten, Extremitäten auch wieder nachwachsen zu lassen. Aber gleich vier auf einmal?
Die Sanitäter parkten die Liege einen Augenblick an der Seite, anscheinend mussten sie noch etwas aus der Fähre holen.
Melissa drehte sich zaghaft zu dem leblosen Körper auf der Bahre um und begann sich ihr langsam zu nähern. Doch sie konnte nicht verhindern, dass ihr die Tränen in die Augen schossen.
„Schlimmer Anblick, nicht wahr?“ flüsterte ihr eine leise Stimme von Hinten zu.
Als sie sich umdrehte und in das unverletzte Gesicht von Thor blickte, musste sie erst zweimal blinzeln ehe sie begriff, dann nahm sie ihn spontan und heftig in die Arme und drückte heftig zu.
„Gott sei Dank, es geht dir gut“ seufzte sie, dann ließ sie ihn peinlich berührt wieder los. „Ich… Ich… Du bist nicht gleich ausgestiegen, da dachte ich… Oh, tut mir leid, was ist mit deinem Arm?“ Erst jetzt sah sie, dass er eine Medomanschette um den linken Unterarm und die Hand trug.
„Ach das, halb so wild“ grinste er und hielt sich selber den lädierten Arm vor das Gesicht. „Leichte Erfrierungen, nichts Ernstes, ist mit diesem Verband in zwei bis drei Tagen wieder in Ordnung. Ich hab da deutlich mehr Glück gehabt als Blitz…“ sagte er und wurde wieder Ernst als er zu dem schlafenden Piloten ging.
„Mich haben sie glücklicherweise sehr schnell gefunden, aber Blitz wurde zwischen einige größere Trümmerteile der zerstörten Akariifregatte getrieben, so dass sie ihn erst nach Stunden gefunden haben. Und dann hat auch noch sein Lebenserhaltungssystem irgendwann den Geist aufgegeben. Er kann von Glück sagen, dass er überhaupt noch lebt.“
In diesem Augenblick kamen die Sanitäter und schoben Blitz auf die Krankenstation, so dass Mel und Thor alleine vor der Schleuse zurück.
„Wird er wieder?“ fragte Melissa nach einer kurzen Zeit des betrübten Schweigens.
„Nun, selbst wenn sie ihm alle seine Gliedmaßen wieder nachwachsen lassen können, wird er mit Sicherheit ein Jahr oder mehr ausfallen. So schade es auch ist, aber so bald wird Blitz kein Cockpit mehr sehen.“
Wieder entstand eine Pause und dieses Mal war es Thor, der die Ruhe unterbrach.
„Hast Du dir Sorgen um mich gemacht?“ fragte er mit einem frechen, freundlichen Ton in seiner Stimme.
Ihr Herz begann wild zu pochen und ein flaues Gefühl in ihrem Magen bestätigte, was sie bereits die ganze Zeit über geahnt und auch irgendwie gewusst hatte.
Sie hatte sich verliebt.
Und auch wenn sie genau wusste, dass das ein denkbar ungünstiger und schlechter Augenblick war um sein Herz an einen Jägerpiloten zu verlieren, lächelte sie ihm neckisch zu: „Na ja, ein bisschen…“
Das Leben war zu kurz, vor allem im Kriege, um sich die schönen Seiten entgehen zu lassen. Und Navy Doktrin hin oder her. Melissa würde sich ihre Gefühle nicht verbieten lassen.
„Komm, ich bring dich zu deinem vorläufigen Quartier“ grinste sie und ging auf ihrem gemeinsamen Wege ganz dicht neben ihm her.
Tyr Svenson
„Das nenne ich aber wahrlich rührende Fürsorge!“ meinte Einar „Tyr“ Haugland zu seinen Besuchern, „el Cid“ und Lilja. Augenblicklich bot er freilich keinen besonders beeindruckenden Anblick, was wohl etwas dazu beitrug, daß seine Bemerkung mit Sarkasmus gewürzt war. Nun, im „Krankenkostüm“ waren wohl wenige Menschen wirklich vorzeigbar.
Nach dem letzten Gefecht hatte man ihm erst einmal 48 Stunden auf der Krankenstation verordnet – nur zur Sicherheit. Dann sollte er als eingeschränkt diensttauglich gelten, bis die „Medizinmänner“ sich dazu entschieden, ihn ganz freizugeben. Mochte der Himmel wissen, wie schnell das ging.
Angesichts dessen fühlte er sich doch recht unbehaglich. Anders als etliche seiner Kollegen gehörte er zwar keineswegs zur Kategorie „trigger-happy“. Ob er nun schnell ein Aß wurde, oder den Krieg mit weniger beendete, war ihm nicht so wichtig – so lange er ihm in einem Stück überstand. Aber er wollte auch keineswegs als Schlußlicht der Staffel gelten. Schließlich hatte man(n) auch ein gewisses Ego, und wenn er hinterher hinkte, tat daß seinem Ansehen nicht gut. In den Augen der Kameraden ein Maulheld zu sein, hatte er jedenfalls nicht vor.
Das Gefecht in Bodennähe hatte mit einigen Blessuren für ihn geendet – der Trägheitsdämpfer und die Schilde hatten nicht alles abfangen können, und er war so heftig in den Gurten hin und her geschleudert worden, daß es nicht ohne Folgen geblieben war. Zumal auch noch der Steuerknüppel eine Rolle gespielt hatte...
Im Grunde war ihm das Ganze ziemlich peinlich. Er hatte sich nicht für einen Elitepiloten gehalten, aber sich doch soliden Können attestiert. Immerhin hatte er reichlich Flugerfahrung. Allerdings – die ersten beiden Begegnungen mit echten Akarii hatten ihm gezeigt, daß dies nicht genug war, um Gegner abzuschießen. Vor allem, da es lange her war, daß er richtige Gefechtsflüge absolviert hatte. Es hatte kaum gereicht, selber halbwegs intakt aus der Sache heraus zu kommen. Als Wingman sollte eigentlich ER seiner Vorgesetzten den Rücken freihalten, und nicht umgedreht.
Tyr hatte damit gerechnet, daß ihn Manuel in seinem „Elend“ trösten würde. Immerhin waren sie gute Freunde, so gegensätzlich ihre Persönlichkeiten auch waren. Was er aber nicht gedacht hatte – auch Lilja war erschienen. Und das nicht, um ihm die Leviten zu lesen. Sie zeigte zwar auch nicht gerade Mitgefühl, bei ihr war es wohl schon ein Übermaß an Menschlichkeit, wenn sie mal in normalem Tonfall redete, aber dennoch...
Die Russin hatte ihrem Kameraden sogar zu seinem Silbernen Löwen gratuliert, und das ohne Sarkasmus. Das war nun wirklich keine Auszeichnung, auf die Tyr scharf gewesen war, allerdings handelte es sich immerhin um die einzige Medaille, bei der man den SILBERLING dem GOLDJUNGEN vorzog. Also hatte er den Orden mit der gebührenden Würde entgegengenommen. Lilja hatte sogar die Fehleranalyse auf später verschoben, anstatt jetzt schon eine Auflistung von Tyrs Sünden zu beginnen. Allerdings, wie er sie kannte, war aufgeschoben nicht aufgehoben.
Nun, vielleicht lag es daran, daß sie sich möglicherweise ebenfalls ein wenig Vorwürfe machte, auch wenn sie dies nicht sagte. Tyr hatte genug über die „Eisprinzessin“ gehört, um zu wissen, daß sie bei allem Geschick, das ihr eingeräumt wurde, als ziemlicher „Schleudersitz“ galt. Mal ganz abgesehen von ihrem Durchsatz in den ersten Kriegsmonaten, in denen sie mindestens drei Wingkameraden verloren hatte, war ihr früherer Vorgesetzter Ohka zweimal zusammengeschossen worden, und ihr erster Untergebener, Perkele, war gefallen. Die Russin mußte sich fragen, ob sie nicht was falsch machte. Piloten, denen so etwas häufiger passierte, gerieten manchmal ins Gerede, sie zögen das Pech magisch an und übertrügen es auf ihre Kameraden.
Tyr glaubte dies weniger, vermutlich war es eher dem Umstand zu verdanken, daß Lilja nebst Begleiter oft dort zu finden waren, wo es besonders hoch herging. Gut, wenn man es genau nahm, WAR es damit auch etwas Liljas Schuld, denn die Russin hatte den Ruf, nicht nur zu „segeln bis die Planken bersten“, sondern anschließend auch noch weiter zu paddeln. Aber in diesem dämlichen Krieg ließ sich das vermutlich nicht vermeiden. Dafür sorgten schon die verdammten Echsen und die eigenen Vorgesetzten. Commander Cunningham zum Beispiel galt als ausgesprochener KAMIkazetyp.
Dennoch, es konnte Tyr nur Recht sein. Wenigstens keine Vorgesetzte – zu diesem Anlaß, in diesem Augenblick – die ihn noch zusätzlich vernichtete.
Die beiden ehemaligen New Bostoner hatten sich über einiges auszutauschen. Natürlich wollte Tyr wissen, wie der Kampf zu Ende gegangen war. Er nahm es mit Genugtuung, daß die Jäger der Akarii endgültig ausgeschaltet worden waren. Ansonsten hatte sich bisher nicht mehr viel ergeben. Tyrs Jäger galt als reparabel und würde ihm wieder zur Verfügung stehen, so teilte Lilja mit. Als sie den Zustand der Maschine mit dem seinen verglich, konnte man sogar fast sagen, daß sie Witze riß. Sie hielt sich aber insgesamt etwas zurück und kommentierte nur gelegentlich die Ausführungen von „el Cid“. Allerdings spöttelte sie – auch dies war ungewöhnlich – daß die Todesnähe in der letzten Schlacht offenbar bei Ensign Cartmell zu einem heilsamen Gesinnungswandel geführt zu haben schien. Vielleicht, so ihr zynischer Kommentar, wollte er seine Aktien auf der „anderen Seite“, womit sie diesmal nicht die Akarii meinte, nicht restlos in den Keller sinken lassen. Tyr wußte, daß die Russin vorher ihr Bestes gegeben hatte, um den Strafpiloten genau zu überwachen, mit dem Ziel, ihn irgendwann rausschmeißen zu können. Ein Ziel, daß er aus vollstem Herzen akzeptiert und geteilt hatte. Daß der ehemalige Sträfling es sich offenbar anders, und besser, überlegt hatte, und sich am Riemen riß, war Lilja aber offenbar auch Recht. Sie schien der Sache allerdings nicht ganz zu trauen. Tyr bemerkte lakonisch, wo er schon im Krankenrevier gelandet sei, es sei wenigstens beruhigend, zwei Nächte zu haben, in denen er schlafen könne, ohne fürchten zu müssen, mit durchgeschnittener Kehle aufzuwachen. Sein Freund gab allerdings zu bedenken, daß auch wenig Wahrscheinlichkeit bestand, daß ihn hier auf der Krankenstation eine angenehmere Überraschung – etwa in Gestalt einer jungen Sanitäterin – für die Nacht erwartete. Lilja verdrehte nur die Augen zu dem Gelächter ihrer Staffelkameraden. Manchmal, so sagte sie sich wohl, benahmen sich erwachsene Piloten doch wie kleine Kinder. Oder schlimmer...
Ansonsten gab es nicht viel zu melden. Die Akarii ließen noch auf sich warten. Lilja versicherte ihrem Kameraden, die würden sicherlich lange genug Zurückhaltung wahren, damit er wieder mitmachen könne. Das erfüllte Tyr auch nicht gerade mit Begeisterung. Aber vielleicht hatte er dann ja mal eine Chance, sich wenigstens als akzeptabler Pilot zu bewähren. Am besten wäre es natürlich, die Echsen würden Vernunft annehmen. Aber dann hätten sie das Ganze wohl gar nicht erst angefangen.
Die Erinnerung, an der ersten erfolgreichen großen Schlacht des Krieges mitgewirkt zu haben, war allerdings immer noch ausreichend, die Moral der Piloten zu heben. Immerhin war das hier keine Dutzend-Bataille sondern eine Treffen von epischen Ausmaßen, wert, in die Sagas einzugehen. So zumindest drückte Tyr es aus, und im Grunde stimmten ihm die anderen da auch zu.
Manuel Karanka zauberte einige Disks aus einer seiner Taschen hervor: „Ich denke, das dürfte dich interessieren.“ Tyr schaute ihn mit einem Grinsen an: „Was ist da drauf? Das Piloten.ABC? Oder eine elektronische Sammlung des Colonial Playboy?“
Sein Kamerad lachte: „Weder noch. Aber ein paar gute Aufnahmen von den gegnerischen Schiffen. Ich denke, das könnte dich interessieren. Die Dinger, die da draußen treiben, werden dir wohl nicht mehr viel sagen.“
Tyr war dafür bekannt, daß er sich sehr für authentische Aufnahmen von den Akarii interessierte. Er verwendete sie als Vorlagen für seine Schiffsmodelle – die authentischsten, die es gab, wie er immer wieder behauptete. Deshalb zeigte er sich hoch erfreut: „Die Firma dankt. Mal sehen, was sich daraus machen läßt.“ Lilja schüttelte nur den Kopf und spöttelte: „Da heutzutage die Modelle in den Filmen sowieso computergeneriert sind, kannst du damit nicht mal was als Bühnenbildner verdienen.“
Tyr lachte nur: „Hobby eben. Außerdem – wenn sie mal ein Museum für diesen Krieg einrichten, was meinst du, wen sie fragen werden, wenn es um Exponate geht? Zum Schlachtenmaler wird es ja bei mir nicht reichen, aber wenn sie den Leuten ein paar gute Modelle von den Akariipötten bieten wollen. Dann werden sie mich fragen.“
„Na, wenn es darum geht, überheblichen Künstlerstolz zu mimen, dann bist du jedenfalls Klasse.“
„Nun, selbst das Modell eines Akarii-Radarshuttle, und ich kann dir sagen, daß das verdammt knifflig ist, ist ein angenehmerer Anblick als die Visage von diesem Friedlosen. Sinneswandel hin oder her, man hätte ihn zu den Shuttlepiloten stecken sollen, und nicht in einen Jäger.“
„Na“, meinte Lilja, und das klang ziemlich widerwillig: „immerhin hat er einen Akarii runter geknallt. Auch wenn er dabei selber einiges einstecken mußte.“ Das war offenbar nicht einmal als verdeckte Kritik an Tyr gemeint, sondern spielte eher auf immer noch strittige Frage an, woher Cartmell seine Flugpraxis hatte.
„Was sagt Lightning eigentlich über die Schlacht?“ erkundigte sich Tyr. Die Großwetterlage in einer Staffel hing zwangsläufig immer davon ab, wie der Chef, oder in diesem Fall die Chefin, gerade gelaunt war. Lilja legte den Kopf schief: „Sie ist nicht gerade glücklich, daß wir etliche Schäden in der Staffel haben. Aber mit dem Abschußverhältnis ist sie zufrieden, und keiner ist ja auf Dauer ausgefallen. Außerdem, sie war von Anfang an dabei, und ich denke es stimmt sie froher als eine Gehaltserhöhung oder drei Wochen Landgang, wenn sie bei jedem Patrouilleflug am Friedhof vorbei kommt.“ Mit „Friedhof“ meinten die Piloten den Raumsektor, in dem die Akariiflotte endgültig zusammengeschossen worden war. Keiner von ihnen hatte bisher die Gelegenheit gehabt, einen so eindrucksvollen Schiffsfriedhof von Akariieinheiten bewundern zu können.
„Außerdem machen wir in letzter Zeit den ,Schlümpfen‘ “, damit spielte Lilja auf Staffel Blau an, deren inoffiziell Codename ihr persönlich aber wenig sagte: „mächtig Druck. Vielleicht haben sie sich etwas zu sehr auf ihren Lorbeeren ausgeruht.“ Sie lächelte bissig: „Du hast also von ihr nicht viel zu befürchten. Allerdings würde ich an deiner Stelle aufpassen. Ohka hat sie auch die Leviten gelesen, als er zu oft eine verpaßt bekam.“ Ah ja, da war sie wieder, die alte Lilja. Es war auch nicht anders zu erwarten gewesen.
Ehe die Besuchszeit sich dem Ende zuneigte, zauberte el Cid noch eine kompakte Flasche hervor: „Damit du auch richtig gesund wirst.“ Tyr lachte und suchte sich ein passendes Versteck. Er würde aber aufpassen müssen, daß bei den Untersuchungen nichts auffiel. Trinken war unter Gefechtsbedingungen natürlich verboten – aber immerhin war er ja momentan dienstuntauglich, oder?
Er blickte Lilja an: „Und, XO, was haben Sie mir mitgebracht? Ein paar Taktiklehrbücher?“ Lilja grinste spöttisch: „ICH habe gewisse Übertretungen nicht wahrgenommen, daß sollte wohl reichen. Was die Taktik angeht, darüber reden wir, sobald die Knochensäger genug von dir haben. Wenn ich dich so ansehe, dann rechne ich damit, daß sie dich schnellstmöglich wieder rausschmeißen werden. DANN können wir uns ja mal damit befassen, wie wir sicherstellen, daß du hier nicht mehr so bald aufkreuzen mußt.“
Und mit diesen Worten marschierte sie raus. El Cid hieb seinem Kameraden noch einmal auf die Schulter. Dann folgte er der XO.
Tyr Svenson
Nebenverdienste
Die Marines hatten sich in dem POW-Camp eingerichtet, so gut es ihnen möglich gewesen war. Das hatte harte Knochenarbeit in den ersten vierundzwanzig Stunden bedeutet. Noch einmal war die gesamte Anlage durchkämmt worden – aber die SAS hatte saubere Arbeit geleistet und so hatten die Marinesoldaten keine überlebenden Akarii gefunden, die sich versteckt hatten. Bei der Untersuchung waren selbstverständlich auch Angehörige des NIC anwesend gewesen: jedes Dokument, jeder Datenchip und eigentlich Alles, was nicht eindeutig zuzuordnen war, war durch ihre Hände gegangen. Das gleiche galt für Gegenstände des täglichen Lebens – eigentlich war jeder Gegenstand von Interesse, der auch nur eine geringe Chance bot, mehr über den Feind zu verraten. Sogar die Feldrationen.
Man hatte die Waffen der toten Akarii eingesammelt und wie alles verwertbare Material erfaßt, katalogisiert und abtransportiert. Die Akariileichen hatte man weggeräumt, nachdem der Nachrichtendienst einige „interessante Exemplare“ für sich beansprucht hatte.
Die Arbeit war langwierig und auch aus Furcht vor Sprengfallen und Sicherheitssystemen ging sie nur langsam vorwärts, trotzdem die NIC-Leute sich ablösten und Mitglieder des Marinekorps als Hilfskräfte heranzogen.
Anschließend hatte man das Gefangenenlager in verteidigungsfähigen Zustand versetzt. Auch wenn das Lager evakuiert werden sollte, Captain Schlüter machte keine halben Sachen, und da man für die Evakuierung des Lagers mindestens fünf Tage veranschlagt hatte, war es selbstverständlich, sich auf eine Verteidigung einzurichten. Auch wenn das zusätzliche Kräfte band – die Eigensicherung war eine eherne Maxime. Die Anlage war massiv, ja festungsartig gebaut, aber eben doch primär darauf ausgelegt gewesen, Leute INNEN, statt DRAUSSEN zu halten. Die von der SAS aufgesprengten Tore waren wieder, so gut es ging, instandgesetzt worden. An strategisch günstigen Stellen hatte man Schützennester ausgehoben – die aber von der Anlage her einsichtig blieben und so einem vorrückenden Feind keinen Schutz bieten konnten. Rings um die Anlage waren Mienen und Sprengfallen gelegt worden, die sowohl bei Kontakt, wie durch Fernzündung zur Explosion gebracht werden konnten. Schwere Schnellfeuerlaser und reaktive Raketenwerfer standen bereit. Man hatte sogar einige leichte Mörser und rückstoßfreie Geschütze eingegraben, die zumindest begrenzten artilleristischen Schutz boten. Gegen einen Angriff eventuell noch auf Graxon befindlicher Akarii war man also gut vorbereitet – selbst eine Division würde Schwierigkeiten haben, zumal die Anlage auf einem Plateau lag und deshalb die Heranführung von schwerem Gerät kaum möglich schien.
Ganz anders sah es natürlich mit einem Angriff von Marinelandetruppen aus. Der Luftschutz, der Schlüters Einheit am Boden zur Verfügung stand, beschränkte sich auf ein paar luftabwehrtaugliche Schnellfeuerlaser und einrohrige Schulter-SAM. Wenn der Feind mit Sturmshuttles anrückte, unter dem Schutz von Raumjägern – dann würden die Marines hier in der Falle sitzen, wie vor ihnen die Akarii. Schlimmer noch, der Feind würde keine Rücksicht nehmen müssen, denn es gab keine gefangenen Akarii in dem Komplex. Die eigentliche Luftabwehrsicherung war die TSN-Flotte. Allerdings war die INTREPID schwer beschädigt worden. Wenn der Feind also mit einer Flotte anrückte, konnte es gut sein, daß er die Anlage einfach aus dem Orbit vernichtete. Schlüters Regiment würde dagegen nichts tun können, und man würde nicht einmal die hoffnungslose Stellung aufgeben können – die giftige Atmosphäre des Planeten verurteilte jeden Versuch sich abzusetzen zum Tode.
Allerdings machten sich nur wenige Soldaten derartige Gedanken. Marineinfanteristen wurden sowieso nicht wegen ihrer besonderen Phantasie ausgewählt, und in der Ausbildung setzte man zusätzlich alles daran, „überflüssiges“ Denken auszumerzen. Außerdem ließen die Corporals, Sergeanten und Offiziere den einfachen Soldaten kaum Zeit zum Nachdenken. Den erfahreneren Unteroffizieren und den Offiziere mochte zwar das Prekäre an ihrer Situation auffallen, aber sie behielten solche Gedanken in der Regel für sich oder äußerten sie nur im kleinsten Kreis. Inzwischen gab es genug zu tun. Der Abtransport der ehemaligen Gefangenen ging nur schleppend vonstatten. Viele waren in einem ausgemacht schlechten Zustand oder nicht einmal transportfähig – also hatte man am Boden auch noch eine Krankenstation einrichten müssen...
Eine ziemlich unbeliebte Aufgabe waren die Patrouillengänge rings um die Anlage, bis zum Rande des Plateau. Die meisten Soldaten hatten zwar nichts gegen Bewegung, aber die lautlose, tote Geröllandschaft machte viele nervös und wenn man auf die giftig-gelben Nebelschwaden starrte, die sich um das Plateau wälzten, dann konnte man schon anfangen, Gespenster zu sehen... Die Doppelposten faßten dann unwillkürlich ihre Waffen fester.
Doch bei einer bestimmten Patrouille achteten die beiden Soldaten fast ebenso sehr nach „Drinnen“ wie nach „Draußen“, sahen sich immer wieder nervös wartend um. Als sich aus dem Schutz eines zerbombten Gebäudes zwei andere Gestalten in Marinepanzerungen lösten und im eiligen Laufschritt zur Patrouille aufschlossen, stieß einer der Posten erleichtert die Luft aus. Seine Stimme klang unter der Atemmaske verzerrt: „Da seid ihr ja endlich!“
„Mach dir nicht ins Hemd!“ Das war Pork. Der stämmige Corporal fischte gewandt zwei Päckchen aus den auf seinem Anzug befestigten Taschen und reichte sie an die Patrouillegänger weiter: „Ihr...“
„Ja, ja – wir haben nichts gehört und nichts gesehen...“fiel der Wachposten Pork ins Wort. „...und denk dran, mit zwei Schachteln ist das hier nicht bezahlt.“
„Den Sprit gibt’s erst, wenn wir die Sache durchgezogen haben. Nehmt’s als Anreiz, daß uns nicht jemand auf die Schliche kommt.“
„Keine Bange. Nicht mal Schlüter revidiert die Außenposten. Aber dafür schicken sie ja auch nur Veteranen hier raus.“
Pork grunzte amüsiert: „Und wie erstklassig die ihre Arbeit versehen, sieht man ja.“
„Haut schon ab und zieht den Scheiß durch!“
„Also ich weiß nicht...“ Juan sah sich nervös um: „...wozu ich mich alles breitschlagen lasse.“
„Ich dachte, du brauchst das Geld.“
„Ich denke, ich lasse mich einfach zu oft bequatschen!“
„Nun mach mal `nen Punkt. Ich habe dich nicht dazu gezwungen. Und für tausend Real pro Stück kannst du mal ruhig aufhören, so rumzubarmen!“
Bei diesen Worten Porks hatten die beiden Marines endlich ihr Ziel erreicht. Etwa zweihundert Schritt von den Außenmauern des POW-Komplexes hatten Marines eine flache Grube ausgehoben und die toten Akariis verscharrt. Die Soldaten hatten ziemlich schlampig gearbeitet und viele Kadaver waren nur von einer dünnen Erdschicht bedeckt oder lagen sogar an der Oberfläche. Als Captain Schlüter dies feststellte, hatte sie dem verantwortlichen Sergeant einen mordsmäßigen Anschiß verpaßt. Morgen sollten dann die Leichen richtig vergraben werden. Diese Ankündigung hatte die Aktion der beiden Marinesoldaten nach vorne verlegt.
Porks bückte sich und begann, die oft nur halb vergrabenen Kadaver zu inspizieren. Nach kurzem Zögern tat Juan es ihm nach, er atmete dabei instinktiv durch den Mund, trotz der Atemmaske. Er hatte zwar schon Leichen gesehen und selber produziert – aber ein Massengrab zu durchwühlen war wieder eine ganz andere Sache...
Wenigstens waren die Körper in gutem Zustand. Seit dem Sturm waren erst knapp zwei Tage vergangen und in der lebensfeidnlichen, fast sterilen Umgebung Graxons verfaulten die Akarii kaum.
Pork schien keinerlei Probleme zu haben, er hantierte mit den Körpern, als wären es Müllsäcke.
„Typisch SAS. Das diese Supermänner immer auf den Kopf schießen müssen! Und dann immer mindestens zwei Schüsse – Scheiße!“
„Also wenn Schlüter das mitbekommt, dann sind wir am Arsch...“
„Wird sie aber nicht, du Schlappschwanz! Und glaub mir, Schiermer ist es scheißegal, was wir hier machen.“
„Wo er inzwischen den Bluthund für Schlüter spielt?“
„Und wenn schon, er war auf Pandora. Da haben sie noch ganz andere Andenken gesammelt...“ Pork klopfte sich betont in den Schritt. Juan stockte kurz, bevor er einen weiteren Kadaver umdrehte: „Du machst wohl Witze?!“
„Frag ihn doch.“
„Danke, ich häng‘ an meinem Leben.“
Nach fast einer halben Stunde hatten sie erst vier geeignete Akarii gefunden. Damit aber war die „obere Schicht“ durch, an weitere Kadaver war schlecht heranzukommen.
„Na, das muß dann eben reichen. Ich hatte eigentlich fünf gewollt...“
„Wir müssen die Scheißdinger immer noch ungesehen nach Oben bringen. Und wenn die tatsächlich tausend pro Stück bringen...“
„Glaub mir, Juan. Es gibt genug Etappenhengste, die ein nettes Souvenir aus dem Krieg mitbringen wollen. Tausend sind das Einstiegsgebot – wenn du gute Ware lieferst! Das macht für uns...“
„Vergiß nicht, Sharon kriegt auch ihren Anteil.“
„Verdammt, was ist denn mit dir los?! Ich dachte, wenn du schon eine Corporalin vom medizinischen Dienst bumst, dann kannst du sie dazu bringen, daß sie uns für lau hilft! Nicht mehr viel los mit euch Latinos...“
Juan ließ das nicht auf sich sitzen, während er einen der ausgewählten Kadaver auf den Bauch drehte: „Ach ja?! Sag mal, du Superhengst, wann hast du das letzte mal `ne Matratze gevögelt, ohne dafür zu bezahlen?!“
Pork wollte antworten, stockte kurz: „Das ...wirst du mir büßen, du Jungspund!“ Juan lachte nur kurz.
Er wurde allerdings wieder sofort ernst: „Na dann, bringen wir’s hinter uns...“ Er kniete jetzt halb auf dem Kadaver, ein Knie und die Linke auf dem Rücken des toten Akarii, währen er mit der Rechten den Kopf des Echsenwesens festhielt. Er wandte allerdings doch das Gesicht ab, als Pork den kleinen Universalschneider hervorholte, den er sich von einem Tech „geborgt“ hatte. Juan versuchte, das dumpfe, vibrierende Geräusch zu ignorieren, das ertönte, als die Edelstahlschneide sich durch Schuppen, Fleisch und Rückgrat des Akarii fräste.
Pork atmete nicht einmal unregelmäßig. Es war schließlich nicht so, daß er einem Lebenden den Kopf absägte. Und es war ja nur ein Akarii.
Die Idee war ihm auf der Perseus-Station gekommen, als er den regen Handel mit Kriegs-Devotionalien mitbekommen hatte. Irgendwelche Idioten aus den besseren Diensten zahlten Unsummen für eigentlich wertlose Kinkerlitzchen wie Panzerfragmente von Akariijägern. Oder für einen Akariikopf...
Dann war er durch. Es war überhaupt kein Blut geflossen, der Akarii war ja auch schon zwei Tage tot. Schnell verstaute Pork den Kopf in einem Plastiksack. Dann ging es zum nächsten Kadaver. Bei den letzten beiden Köpfen sah Juan zu – er wollte wohl nicht als Weichei gelten. Allerdings unterließ er irgendwelche Kommentare und war spürbar erleichtert, als die Sache erledigt war.
Die Marines wälzten die Kadaver wieder zu den anderen Leibern und packten, nur zur Sicherheit, wieder ein paar intakte Körper und Geröllbröcken auf die verstümmelten Leichen. Jetzt würde keiner mehr feststellen können, wann man die Akarii geköpft hatte. Na ja – die SAS waren doch sowieso solche Killer, ganz klar hatten sie ein paar Andenken mitgenommen, nicht wahr...
Dann machten sich die beiden Marines davon. Die Patrouille ließ sie anstandslos passieren, sichtlich froh, von nun an wieder auf alles warnungslos feuern zu können, was sich da draußen bewegte. Die Wachposten fragten auch nicht, was in dem ziemlich gut gefüllten Plastiksack steckte...
Zehn Stunden später waren die Köpfe an Bord der COLUMBIA. Corporalin Sharon Bloch schaffte den Sack unauffällig beiseite, den ihr ein Techniker gab. Und nur zwei Tage später waren die vier Akariiköpfe von allem Fleisch befreit und sorgfältig ausgekocht an einem sicheren Ort verstaut. Jetzt mußte man nur noch einen Abnehmer finden – und dafür würde Pork sorgen, der als altgedienter Korporal genug Kontakte hatten. Auch wenn Juan und Sharon das Geld ohne Skrupel annehmen würden, war beide froh, die „Ware“ nicht auch noch anpreisen und weiterverkaufen zu müssen. Daß Pork dafür wohl den ein oder anderen Prozent des Gewinns einbehalten würde, war ihnen aber auch klar...
Tyr Svenson
Als ich erwachte, aus meinem tiefen, traumlosen Schlaf, befand ich mich auf der MARIA THERESIA, dem Lazarettschiff, welches den terranischen Verband begleitet hatte.
Ich lag in einem sauberen Bett, und ein Kribbeln im rechten Armstumpf bewies mir, dass die Regenerationsbehandlung bereits im Gange war.
Eine Schwester sah zu mir ins Zimmer, brach in Tränen aus und verließ es wieder.
Irritiert sah ich ihr nach. Ein Arzt, der danach eintrat, winkte ab und setzte sich neben mein Bett. „Lassen Sie sich das nicht zu Herzen gehen, Lieutenant. Schwester Jones ist Bürgerin des Commonwealth und mit Leib und Seele Anhängerin der Monarchie.
Seit wir das Gefangenenlager leeren hofft und betet sie darum, dass der Prince of Wales unter den Gefangenen ist. Er wurde nach der Geleitzugschlacht von Jollahran als vermisst gemeldet. Und in Sie, einen Piloten Mitte Zwanzig, der sein Gedächtnis verloren hat, hat sie eben große Hoffnungen gesetzt. Aber eine erste Genanalyse hat leider bestätigt, dass Sie nicht mal zur Königsfamilie gehören.“
„Oh. Das tut mir Leid für die Schwester. Sie haben eine Genprobe genommen?“
„Natürlich, Lieutenant. Sie wollen ja schließlich nicht bis in alle Ewigkeiten als John Doe herumlaufen, oder? Die Computer rechnen noch und suchen nach Ihrer Akte. Aber das kann noch dauern, denn wir haben hier wirklich alle Hände voll zu tun.“
Ich nickte schwer. Nicht mehr lange, und zu meinem Gesicht würde ein Name gehören.
„Ihr behandelnder Arzt hat in Anbetracht der primitiven Möglichkeiten im Camp Hellmountain hervorragende Arbeit geleistet“, informierte mich der Arzt weiter. „Wir können auf seiner Therapie weiter aufbauen. Die meisten Tochtergeschwüre schrumpfen bereits und der Haupttumor im Schädel wurde bereits bei der ersten Medikamentengabe abgetötet.
Wir haben nun Fresszellen injiziert, um ihn abzubauen.
Nicht mehr lange, und der Druck auf Ihr Gehirn wird nachlassen. Vielleicht erinnern Sie sich dann auch schon selbst daran, wer Sie sind.“
Ich nickte schwer. Die Zeit, die ich ohne Erinnerung verbracht hatte, erschien mir mein ganzes Leben zu sein. Mehr hatte ich nicht, außer rudimentärem Wissen über die Navy und die Erinnerung an die Cockpitinstrumente einer Phantom.
„Wir haben auch mit der Regeneration des rechten Arms begonnen. Wir veranschlagen für die Totalregeneration drei Monate. Ich habe Ihre Diät entsprechend austarieren lassen. Sie brauchen nun viel Kalzium, viele Proteine und mindestens fünftausend Kalorien täglich.“
„Danke. Wann bin ich wieder diensttauglich?“
„In gut drei Monaten, wenn Ihr Arm regeneriert ist. Danach brauchen wir noch eine erneute Prüfung für Ihre Flugtauglichkeit und…“
Ich legte meine Linke auf die Hände des Arztes. „Doc. Als ich da unten im Camp war, habe ich trotz meiner Amputation und trotz Krebs so normal wie irgend möglich gearbeitet. Ich habe mich beschäftigt. Und jetzt wollen Sie, dass ich drei Monate in diesem Bett liegen bleibe? Wollen Sie schaffen, was den Akarii nicht gelungen ist und mich töten?“
Der Arzt starrte mich sprachlos an. „Nun gut, ich biete Ihnen einen Kompromiss an. Wir warten, bis Ihre Werte stabil genug für leichten Dienst sind und wir Ihre Identität feststellen konnten, ja, Lieutenant? Danach lasse ich Sie wieder für vier Stunden am Tag arbeiten. Aber nicht eine Minute mehr. Und das wird nicht am Steuerknüppel eines Jägers sein. Denn dazu braucht man zwei Arme.
Sie werden dann bestenfalls Kaffee holen und Laufburschenarbeiten erledigen.“
„Admiral Alexander hat mich zu ihrem Stab gerufen“, wandte ich schüchtern ein. „Ich denke, für einen Laufburschen wird sie schon Arbeit haben.“
Der Arzt nickte leicht. „Wir reden darüber. Wenn Ihre Werte stimmen.“
„Danke, Doc. Mehr habe ich gar nicht erwartet. Haben Sie auch einen Namen?“
Der Arzt grinste leicht. „Hamlin, Lieutenant. Nicolas Hamlin.“
„Hamlin… Haben Sie einen grausamen, tyrannischen Vater, der für sein Leben gerne in Blut watet?“
Der Arzt sah mich grinsend an. „Sie beschreiben ihn gerade. Er diente auf der REDEMPTION, bevor sie nach Jollahran verloren ging. Ist das vielleicht ein erster Erinnerungsfetzen von Ihnen? Haben Sie vielleicht auf der REDEMPTION gedient, Lieutenant?“
„Ich weiß es nicht“, ächzte ich auf. Plötzlich überfielen mich Kopfschmerzen.
„Denken Sie nicht darüber nach, Lieutenant. Geben Sie sich selbst etwas Zeit.“
Doc Hamlin klopfte mir zum Abschied auf den Rücken und ging.
Was mir blieb war eine langweilige Zeit im Bett.
**
Drei Tage später wurde mir erlaubt aufzustehen. Ich durfte den gemeinsamen Aufenthaltsraum nutzen. Dort saß ich in einem bequemen Sessel und starrte auf den Ausdruck in meiner Hand.
Doktor Pfeiffer, mein behandelnder Arzt aus dem Gefangenenlager leistete mir Gesellschaft. Nach drei Tagen Tiefschlafphase hatte man ihm erlaubt, seiner Arbeit nachzugehen. Er arbeitete in einer anderen Abteilung, hatte sich aber Zeit genommen, seinen Lieblingspatienten zu besuchen, wie er sich ausdrückte.
Ich sah von der Akte auf. Tränen flossen meine Wangen hinab. „Das bin also ich.“
„Sieht ganz so aus. Die Größe stimmt. Aufs Gewicht sollten Sie nichts geben, es wird noch einige Zeit dauern, bis Sie wieder Ihr altes Format haben, John.
Verzeihung, Macht der Gewohnheit.“
Ich schüttelte geistesabwesend den Kopf. „Schon gut, Doc. Haben Sie es gut erwischt?“
„Kann mich nicht beklagen. Nach der ersten Welle ist in der Chirurgie nicht mehr viel zu tun. Die Schwestern und Ärztinnen sind durch die Bank hübsch und kompetent und ich werde mit beachtlichem Respekt behandelt. Aber die Arbeit im SAR fehlt mir irgendwie.“
„Vorsicht, Doc“, erwiderte ich lächelnd, „das letzte Mal hat Ihnen die Arbeit im Search and Rescue-Shuttle die Gefangennahme durch die Akarii eingebracht.“
Der Arzt nickte. „Dennoch. Dadurch konnte ich Ihren Arsch retten. Und ich denke, das war es wert. Vor allem, wenn man bedenkt, welches Schicksal die gute alte RED genommen hat…“
Ich nickte schwer. In den letzten Tagen war der Tumor in meinem Kopf geschrumpft, und schattenhafte Erinnerungen waren klarer und genauer geworden. Langsam kehrte mein Gedächtnis zurück.
Und die Akte in meiner Hand half mir dabei, diesen Prozess zu beschleunigen.
„Also, was haben Sie jetzt vor, First Lieutenant?“
„Ich warte immer noch auf das Bier, dass Sie mir versprochen haben, Doc.“
„Holen wir nach. Auf PERSEUS Station. Und bis dahin?“
„Ich darf wieder leichten Dienst verrichten. Sehr leichten Dienst. Ich habe eine Anfrage an Admiral Alexander gerichtet, ob ich wie sie versprochen hat, in ihrem Stab arbeiten darf. Und sei es nur als Laufbursche.“
„Na, ein First Lieutenant als Laufbursche ist für eine Admirälin ja auch das Mindeste, oder?“, scherzte der Arzt leise. Er erhob sich und reichte mir die Hand. „Viel Glück, und melden Sie sich mal bei mir.“
Ich gab ich die Linke und drückte sie herzlich. Dann verzog ich schmerzhaft mein Gesicht.
„Habe ich Ihnen wehgetan?“, fragte Pfeiffer entsetzt.
„Nein. Es ist nur, seit einigen Tagen juckt meine Kopfhaut fürchterlich. Ich werde mir doch keine Pilzinfektion zugezogen haben?“
Der Arzt stand auf und betrachtete meinen blanken Schädel von allen Seiten. „Nein, keine Rötung zu sehen. Aber Ihre Haare wachsen wieder, Lieutenant. Sie können sich von Ihrer Billardkugel verabschieden.“
Pfeiffer grinste mich an und klopfte mir zum Abschied auf den Rücken.
Ich sah ihm lächelnd nach, bevor ich mich wieder meiner Akte widmete.
**
„Lieutenant“, sagte Alexander freundlich. „Es tut gut, Sie gesund wieder zu sehen. Oder zumindest auf dem Weg der Genesung. Man hat mir gesagt, dass Sie vier Stunden am Tag Dienst machen dürfen. Ich bin sicher, ich finde eine Arbeit, die Sie ausfüllen wird.“
Ich nickte dankbar. „Ma´am, ich bin für jede Beschäftigung dankbar. Danke, dass Sie mir erlaubt haben, auf die COLUMBIA zu kommen.
Aber vorweg eines. Können Sie dafür sorgen, dass First Lieutenant Clifford Davis von KIA zu aktiv geschrieben wird?“
Admiral Alexander grinste breit. „Das wird Ihre erste Aufgabe sein, Lieutenant. Ach, und kümmern Sie sich um die Verleihung des Goldenen Löwen. Da es dafür kein Reversabzeichen gibt, sollten Sie beantragen, dass es in den Silbernen Löwen getauscht wird.“
Ich nickte schwer. „Ich habe nichts dagegen, wenn mir der Goldene Löwe nie wieder verliehen wird, Ma´am. Und nochmals danke.“
„Keine Ursache. Da unten haben Sie mir geholfen, hier helfe ich Ihnen, Lieutenant.“ Sie nickte mir zu und kehrte zu ihrer Besprechung mit Wulff zurück.
Ich widmete mich meiner ersten Aufgabe. Meine Kopfhaut juckte fürchterlich, aber ich ignorierte es so gut es ging.
Dies war die COLUMBIA. Das, was vom Geschwader der REDEMPTION übrig geblieben war, befand sich hier an Bord. Gesichter huschten vor meinem Inneren Auge vorbei. Namen entstanden dazu in meinem Geist. Wie viele von ihnen hatten Jollahran überlebt. Wer war an Bord? Ich wagte nicht, nachzuschauen. Soweit es mir möglich war, musste ich ihnen aus dem Weg gehen. Mit meinen wiederkehrenden Erinnerungen und meinen alten Kameraden konfrontiert zu werden würde ich nicht ertragen.
Noch nicht.
Aber ich war keine Nummer mehr. Ich war Offizier der Terran Space Navy, und auf meine Art hatte ich den Kampf wieder aufgenommen.
Mein Name war Clifford Davis, doch Ace würde ich für eine sehr lange Zeit nicht mehr sein…
Tyr Svenson
"COLUMBIA Control, hier Bravo Two Zero, bitte kommen!" COLUMBIA Control, hier Bravo Two Zero, bitte kommen!"
"Hier COLUMBIA Control, sprechen Sie Bravo Two Zero!" Antwortete der diensthabende Com-Offizier der von den Marines eingerichteten Bodenkontrolle auf Graxon.
"COLUMBIA: Wir haben in vier Minuten einen Shuttlestart zu Ihnen. An Bord ist Admiral Alexander. Der Colonel wieß mich an, einen Escortwing anzufordern."
"Bitte wiederholen Sie das Bravo Two Zero!" Der Lieutenant kratzte sich am Kinn.
"COLUMBIA, ich wiederhole: Wir haben in vier Minuten einen Shuttlestart zu Ihnen. An Bord ist Vice Admiral Melissa Alexander, CO Trafalgar Station. Wir erbitten eine Escorte für das Shuttle!"
"Verstanden Bravo Two Zero!" Der Lieutenant schaltete um auf Intercom. "Brücke für CIC, den Captain bitte."
"Ja, verstehe, in Ordnung Roberts, teilen Sie Bravo Two Zero mit, dass eine Escorte unterwegs ist." Waco hängte den Hörer des Intercoms ein. "Cunningham: Ich will, das sofort zwei weitere Jäger gestartet werden. Sie sollen für ein Shuttle Escorte fliegen."
"Hoher Besuch?" Lucas nahm einen Schluck Kaffee.
"Admiral Alexander. Und sie will an Bord der COLUMBIA kommen." Der Captain starrte kurz auf den Kartentisch. "Schmeckt mir überhaupt nicht CAG."
"Ich fliege persönlich. Muss wieder in den Sattel, mein Wingman ebenso."
Waco nickte: "Zischen Sie ab. Ich werde inzwischen Admiral Wulff benachrichtigen."
Lucas gab noch einige Befehle an den Wachhabenden der CIC weiter und verschwand dann in Richtung Umkleideraum für die Rote Schwadron.
Der CAG der Angry Angles war schon fast vertig damit sich den Raumanzug anzulegen, als Hal Chrispin hereinstolperte.
"Scheiße, Skipper, haben Sie mal auf die Uhr geguckt? Wissen Sie wovon ich geträumt habe?" Der Lieutenant gähnte herzhaft und begann damit sich die Uniformhose auszuziehen. Sein Hemd hatte er gar nicht erst angezogen.
"Ein schneeweißer Strand, in lauer Sommernacht, eine kühlende Briese, der Mond stand feurig rot am Firmament und Sie Hand in Hand mit Ihrer Traumfrau." Antwortete Lucas trocken.
Der jüngere Pilot stuzte: "Woher wissen Sie das?"
"Habe den Traum jede Nacht. Naja, nicht gerade Ihre Traumfrau, sondern meine, aber ansonsten ist er derselbe. Und ich wette mit Ihnen, es geht jedem Mann und jeder Frau an Bord ebenso."
"Soso, Sie träumen also von Ihrer Traumfrau und nicht der zukünftigen Ehefrau?" Hal grinste breit.
Lucas schnappte zweimal gespielt nach Luft und deutete drohend mit dem Zeigefinger auf seinen Flügelmann: "Dünnes Eis in der Mittagssonne Mister, verdammt dünnes Eis."
Fünf Minuten später wurden die beiden Phantome ins All katapultiert.
Die beiden Piloten lenkten ihre Maschinen in einem großen Bogen über die Flotte. Diese hatte eine gefächerte Formation oberhalb des Planeten eingenommen.
Sie flogen dicht über einen Zerstörer, an dem gerade einer der Versorgungstender angedockt hatte, um die Raketenmagazine aufzufüllen.
"Man, Skipper, jetzt so im direkten größenvergleich wirkt der Zerstörer ja gerade zu harmlos."
"Sie wissen doch Hal, eine Armee marschiert auf ihrem Magen." Lone Wolf begann mit einigen einfachen Manövern, um zu sehen, ob die Techniker die Maschine wieder vollständig geflickt hatten. Wie jedes Mal nach einer Beschädigung konnte er eine klitzekleine Veränderung im Verhalten seiner Maschine erkennen. Es war dieses Gefühl für eine Sache, die ein Profi, egal ob nun Mechaniker, Tennisspieler oder Jagdpilot mit den Jahren harter Arbeit erlangt.
Als die beiden sich dem Planeten näherten kamen die beiden Larzarettschiffe und der Truppentransporter in Sichtweite. Jedes der drei Schiffe wurde von zwei Zerstörern flankiert.
"Sagen Sie Lone Wolf, warum haben Sie mich eigentlich aus dem Bett gejagt?" Wollte Hal wissen.
"Wir fliegen Escorte für einen Admiral."
"Wie? Was echt? Für einen richtigen Admiral?" Hal's Stimme troff vor Sarkasmus. "Wir haben doch schon zwei."
"Nicht irgendeinen Admiral. Melissa Alexander."
"Heilige Scheiße! Die haben es aber eilig, die Lady vors Kriegsgericht zu stellen."
"Hal, ich glaube es ist eher Admiral Alexander, die hier Druck macht. Und wir sind verdammt spät dran." Lucas schaltete den Flottenkanal zu. "Bravo Two Zero, hier Phantome 203 und 211 von der COLUMBIA, wir kommen als Escorte für Admiral Alexander."
"Verstanden Phantom 203! Schalten Sie auf Kanal Beta 2.9, Rufzeichen der Raumfähre ist Stonewall!" Antwortete die Bodenkontrolle.
"Roger! Lone Wolf für Stonewall, wir sind Ihre Escorte, bitte melden."
[i]"Lone Wolf, hier Stonewall, Sie sind reichlich spät, Madam Admiral ist sehr ungehalten." Der Pilot der Fähre klang auch nicht nach Sontagslaune.
"Yaeh, ich bin auch ziemlich ungehalten, wurde nämlich aus meiner Koje geschmissen!" Platzte Hal dazwischen.
"Ruhe im Äther!"
"Was heißt hier 'Ruhe im Äther'?" Ätzte der Shuttlepilot.
"Roger CAG!" Bestätigte Hal.
"Aye Sir!" Lenkte der Shuttlepilot ein, wo er wusste, wer in einer der Phantome saß.
"Stonewall, wir nehmen Escortposition an Steuerbord ein. Anflugvecktor grün auf COLUMBIA!"
Die beiden Phantom setzten sich rechts neben die Raumfähre, Cunningham etwas nach vorn versetzt.
Die Formation durchbrach die Atmosphäre und flog direkt auf die COLUMBIA zu.
"Shuttle Stonwall, hier COLUMBIA Controll auf der COLUMBIA Wachfrequenz, bitte melden!"
"Hier Stonewall, wir hören Sie klar und deutlich COLUMBIA, sind im Anflug über Vector grün. ETA 3 Minuten."
"Verstanden Stonewall, gehen Sie an Backbord lenksseits und docken Sie an Schleuse Nummer 7 an. Sie werden nach der Passagierübergabe aufgetankt und kehren dann zur Evakuierungsoperation zurück. Bestätigen!"
"Stonewall bestätigt."
"Escortleader, hier COLUMBIA Controll auf der Wachfrequenz, bitte kommen!"
"Hier Escortleader." Antwortete Cunningham
"Escortleader, sobald Stonewall angedockt hat, fliegen Sie zweimal die rote Schleife und landen dann wieder auf der COLUMBIA. Bestätigen Sie."
"COLUMBIA Controll: Zweimal die rote Schleife, dann landen. Bestätigt."
Tyr Svenson
Bianca Wulff zupfte nervös an ihrem Uniformhemd: "Gott verflucht."
"Nervös?" Waco grinste schelmisch. Wieder einmal wurde klar, wie der Knilch an sein Callsign gekommen war.
"Himmel ja, die Frau ist Viceadmiral. Wer weiß, was die hier auf den Kopf stellen will, um ihren Ruf zu retten." Wieder wurde am Hemd gezerrt.
"Stellen wir sie doch einfach unter Arrest, wenn sie zu aufdringlich wird." Waco vergrub seine Hände tief in die Taschen.
"Captain!" Mahnte die Admiralin.
"Naja, zu hoher Stress, nicht diensttauglich. In Annahme, dass sich Madam Alexander vor einem Kriegsgericht zu vertreten hat. Außerdem dürfte ihr routinemäßiger Gesundheitscheck schon etwas her sein. Mangelnde Eignung als Frontoffizier, ausgebrannt."
"Wacko, Sie wissen, dass die Hälfte dieser Begründungen uns nur als Meuterer darstellen würden."
"Ma'am, es könnte hier nicht nur um unser beiden Hälse gehen, wenn die Lady unter irgendwelchen Nachfolgen von Manticore oder der Gefangenschaft leidet. Admiral Alexander dürfte der Ranghöchste Offizier in diesem System sein. Und wenn sie das Kommando übernimmt, ist es ihre Sache, wie sie die Operationsbefehle von Admiral Renault auslegt. Und wenn sie das Kommando übernimmt, sollte sie geistig wie körperlich auch in der Lage sein, dieses zu führen. Und ich glaube, dass es an Ihnen und an Admiral Long liegt darüber zu befinden. Und Sie und Long sollten wissen, dass ich hinter jeder Entscheidung stehe, die Sie beide treffen."
"Danke James." Wulff straffte sich etwas und ließ ihren Blick über die angetretenen Offiziere und Mannschaften schweifen. Wer von Euch würde vor Alexander sofort in den Staub fallen?
Dann erklangen die Geräusche eines andockenden Shuttles.
Bosun Atti straffte sich als die Schleuse sich öffnete: "Das ganze StillGESTANDEN! Flaggoffizier kommt an Bord!"
Melissa Alexander trat durch die Luke. Ihr Gesicht wirkte etwas ausgemergelt, der Blick leicht gehetzt, unstet. Unter dem linken Arm trug sie eine schwarze Box. Ihre Uniform wirkte lange getragen und durchgeschwitzt. Die Admiralin wandte sich der Flagg der Republik zu und salutierte.
"Bitte um Erlaubnis an Bord kommen zu dürfen." Sprach sie dann Wulff an.
"Erlaubnis erteilt, willkommen an Bord der COLUMBIA Ma'am, darf ich Ihnen Captain Waco den Kommandanten der COLUMBIA vorstellen?"
"Captain." Alexander nickte dem Kommandanten der COLUMBIA zu. "Würden Sie beiden mich und meinen Stab zur CIC begleiten?"
Aus dem Shuttle stiegen noch mehrere Offiziere. Alle wirkten sie mehr oder minder abgekämpft.
Wulff zögerte kurz, rang sich dann aber durch: "Was haben Sie vor Ma'am?"
"Zur CIC gehen, sagte ich doch eben gerade."
"Das Meine ich nicht. Beabsichtigen Sie das Kommando zu übernehmen?" Wulff blickte der ranghöheren Admiralin fest in die Augen.
"1. Admirale brauchen kein Kommando zu übernehmen, sie habe es von Natur aus schon inne und 2. wenn die INTREPID von Viceadmiral Long befehligt wird, bin ich ranghöchster Flaggoffizier in diesem System."
"Und drittens ist es nicht klar, ob Sie überhaupt diensttauglich sind." Führte Wulff die Aufzählung fort. "Bei allem gebührenden Respekt natürlich."
"Respekt, warum höre ich dieses Wort immer dann aus dem Mund eines Untergebenen, wenn er gerade respektlos werden will?"
"Nun Admiral, bevor Sie hier anfangen unseren Operationsplan über den Haufen zu schmeißen bestehe ich darauf, dass Sie sich einer Kampftauglichkeitsuntersuchung unterziehen." Innerlich stählte sich Wulff auf einen brutalen verbalen Angriff.
"Und wenn ich das nicht mache?" Fragte Alexander.
Statt Alexander zu antworten wandte sich Wulff an ihren Flaggkommandanten: "Sollte sich Admiral Alexander nicht einer Kampftauglichkeitsuntersuchung unterziehen, ist sie im Flaggquartier Nummer zwei unter Arrest zu nehmen."
"Aye, aye Ma'am." Waco verschränkte die Arme hinter den Rücken und konzentrierte sich auf den Kilometerblick.
Admiral Alexander lächelte hinterhältig: "Ich habe heute schon einen Colonel des SAS als Vorspeise gehabt Ms. Wulff."
"Das zeigt nur, dass das SAS nicht das härteste im Universum ist."
Ehe Wulff antworten konnte sprach Wace: "Master Chief Atti: Begleiten Sie den Viceadmiral in die Krankenstation oder zur Flaggkabine Nummer zwei. Sollte die Flaggkabine Nummer zwei das Ziel der Admiralin sein, stellen Sie zwei Mann Wache vor die Kabine und melden Sie mir die Arretierung ordnungsgemäß."
"Aye, aye Sir." Atti trat an Alexander heran. "Wenn Sie mich bitte begleiten wollen, Ma'am."
Melissa Alexander blickte erst Wulff, dann Waco und dann Chief Atti etwas entgeißtert an. "Sie sind der Bosun, richtig?"
"Aye, Ma'am."
"Und Sie machen Ernst, Bosun?"
"Selbstverständlich Ma'am, ich könnte Ihnen auch die Paragraphen herunterbeten, die besagen, das Admiral Wulff und Captain Waco rechtmäßig handeln."
"Wortwörtlich Bosun?"
"Nein Ma'am, nur sinngemäß." Auch Atti hatte jetzt seinen Kilometerblick aufgesetzt. Diese Szene war keinem der anwesenden angenehm.
"Nach Ihnen, Bosun." Alexander blickte noch mal Wulff an. "Das wird ein Nachspiel haben, sein Sie sich dessen sicher."
"Oh, dessen bin ich mir bewusst, aber ich bin mir sicher Admiral Renault wird meinen Standpunkt verstehen und eventuell als Führsprecher vor dem Militärgericht erscheinen. Immerhin ist das jetzt seine Flotte."
Alexanders Flaggoffiziere warfen Wulff und Waco noch giftige Blicke zu, gingen dann jedoch ebenfalls auf die Krankenstation.
Waco stieß die Luft aus: "Puhhh, wirs ollten uns schon mal gute Anwälte besorgen."
"Erstmal müssen wir mit den Akarii fertig werden Captain. Gehen wir in die CIC und bereiten wir alles vor um die Fragen von Admiral Alexander vor."
"Sie glauben, sie besteht die KV-Untersuchung?"
***
Weit hinter den feindlichen Linien
Trägerkampfgruppe NAKOBI
Die Türglocke summte zum zwölften mal. Lay Rian fand, das der Klang von Mal zu Mal grässlicher wurde. Wenn es nicht etwas wirklich wichtiges ist, werde ich Dir den Kopf abbeißen und Deinen Kadaver dem Unteroffizierscorps zum Frühstück vorsetzen. Versprach die Admiralin in Gedanken.
Langsam rappelte sie sich aus ihrem Bett auf. Ihr Götter, wann bin ich so alt geworden?
"Ja, herein."
Jory Keelan trat ein. Der junge Stabsoffizier wirkte übernächtigt und nervös.
"Bitte verzeiht die Störung zu so früher Stunde, Mylady Admiral, aber wir haben eine wichtige Nachricht vom Träger JOALINGUR, wir sollen uns zum Sammelpunkt bei Gawisch 12 begeben und dort auf die Ankunft der JOALINGUR-Kampfgruppe warten."
Rian grunzte: "Und wer befehligt die Kampfgruppe, dass er sich erdreißtet mir Befehle zu erteilen."
Keelan errötete: "Der Befehl ist unterzeichnet von Großadmiral Jor Teelan, Oberbefehlshaber der Imperialen Raumstreitkräfte, Prinz des Reiches, Großmarschall des Ordens von Kaiser Maouro dem zweiten, Herzog von Ekrou und Träger des Feuerschwertes von Jallinor.
"Ich denke, der Großadmiral hat ein Recht, mich aus dem Bett zu jagen." Sagte sie mehr zu sich als zu Keelan. "Jory, ich werde mir jetzt die Befehle ansehen. In anderthalb Stunden möchte ich den kompletten Stab sprechen. Und der Schiffskoch möchte mir ein leichtes Frühstück raufschicken."
"Zu Befehl Madam." Keelan legte ihr die Befehle auf den Schreibtisch und entschwand um die Stabssitzung vorzubereiten.
Tyr Svenson
Zimmer des CAG, An Bord der GUADALCANAL
Im Raum um Pasumata IV, Pasumata-Sektor
Tigre wusste nicht, wie lange er schon auf das leere Blatt Papier vor ihm starrte. Mit leerem, traurigem Blick schob er das Papier beiseite und massierte sich die Schläfen.
Genau DAS hatte er verhindern wollen, genau DAS war schon immer sein größter Horror gewesen. Einen dieser berüchtigten Briefe aufsetzen zu müssen, die an die Eltern oder den Lebenspartner eines Piloten adressiert waren.
Er hatte bis jetzt immer alles dafür getan sich und seine Leute so weit es ging aus diesem Krieg heraus zu halten. Nicht weil er etwa Angst hatte, nun ja, abgesehen von der normalen Portion an Angst, die jeder Mensch mit sich herum schleppte. Auch war er kein schlechter Pilot, das zeigten seine Abschüsse Nummer vier und fünf, die ihm jetzt auch das Flying Cross eingebracht hatten. Aber was hätte er darum gegeben, dieses Cross gegen eines der Leben seiner Piloten einzutauschen, vor allem gegen das von Susan „Cougar“ Carpenter. Er kannte sie jetzt schon seit Jahren, nein, er korrigierte sich in Gedanken selbst, er HATTE sie schon seit Jahren gekannt, sie hatten gemeinsam einige Fortbildungsjahrgänge betreut, und jetzt war sie nicht mehr. Ihr Verlust schmerzte ihn daher auch am meisten, denn er fühlte sich für ihren Tod verantwortlich und er ahnte, dass ihm das zu schaffen machen würde, egal was er tat.
Er hatte noch nie den Grund dafür sehen können, sich mit einem Hurra an die vorderste Linie zu stellen, sich an die Front versetzen lassen zu wollen, so wie Thor oder Arrow. Sicher, die Chancen auf eine Karriere stiegen vielleicht mit so einem heldenhaften Verhalten. Aber eben auch die Chancen auf ein frühzeitiges Ableben, wie Cougar deutlich gezeigt hatte.
Er hatte bislang noch niemanden in seiner Karriere verloren, noch keinen einzigen seiner Leute. Aber das war gegen Piraten gewesen, in deutlich schwächeren Maschinen. Er hatte bisher nur eine Handvoll Einsätze gegen eher als harmlos einzuschätzende Renegaten gehabt und war daher nie in die Situation geraten einen dieser berüchtigten Briefe aufzusetzen.
Und jetzt musste er derer gleich Drei verfassen.
Und ein böser Gedanke sagte ihm, dass dies nicht die letzten gewesen waren.
Doch wie sollte er anfangen, was sollte er schreiben? Alles klang so hohl und so leer in seinen Ohren.
Er fand einfach keinen Ansatz.
Doch noch bevor er eine Idee über den Text entwickeln konnte, betätigte jemand den Summer zu seiner Kabine. „Ja, Herein?“
Die Tür wurde geöffnet und herein kam Diane Balestier. Ihr Blick glitt auf seinen Schreibtisch, wo sie die drei leeren Blatt Papier entdeckte. „Störe ich?“
„Nicht direkt. Was kann ich für sie tun, Lieutenant?“
Ein flüchtiges Lächeln huschte ihr über markiges Gesicht, während sie vollends in den Raum eintrat und etwas umständlich die Tür hinter ihr schloss. „Sir, ich möchte sie um einen Gefallen bitten.“
Tigre lehnte sich zurück, gespannt darauf, was jetzt kommen würde. Ihm fiel auf, dass die Wing-Leaderin etwas hinter ihrem Rücken zu verstecken schien.
„Das kommt darauf an, um was es sich handelt!?“ antwortete er etwas skeptisch.
„Nun Sir, meine Vorfahren stammten aus dem Norden Frankreichs, eine Gegend die man wie sie vielleicht wissen die Normandie nennt. Vor vielen tausenden Jahren pflegten die wilden Krieger dieser Gegend nach geschlagenen Schlachten aus den Schädeln ihrer besiegten Gegner zu trinken…“ Tigre zog unwillkürlich die Stirn kraus, worauf Diane laut auflachen musste und abwehrend die Hände hob „…nein Sir, nicht das was sie jetzt denken. Ich habe keinen Schädel organisieren können“ zwinkerte sie ihm zu „aber dafür dass dazugehörige Getränk.“
Und jetzt sah Tigre auch, was sie hinter ihrem Rücken versteckt hatte. Eine längliche Flasche ohne Etikett mit einer bernsteinfarbenen Flüssigkeit.
„Whisky?“
„Nein, Sir. Calvados“ antwortete Balestier „Darf ich?“ Ihr Nicken ging in Richtung des leeren Stuhles im engen Raum der Kabine.
Tigre zuckte mit den Schultern, nahm dann aber doch die Unterlagen, die auf dem Stuhl lagen, beiseite. Diane setzte sich, entkorkte die Flasche und goss ihnen beiden jeweils einen Finger breit der Flüssigkeit in zwei kleine Gläser ein. „Wissen Sie, diese Flasche hat mich auf FORT GIBRALTAR ein halbes Vermögen gekostet,…“
„Warum trinken sie es nicht mit ihren Freunden, den Bunchies?“ fragte Tigre, immer noch etwas verwirrt über diesen plötzlichen Ausbruch an Intimität.
Ein säuerlicher Ausdruck huschte ihr über das Gesicht „Erstens sind das nicht meine Freunde, eher eine Zweckgemeinschaft“ antwortete sie „zweitens ist die Stimmung seit Whirlwinds und Windmills Tod und nach Blitz´ ernster Verwundung nicht gerade gut und drittens“ sie hob die Flasche ein Stück hoch „wäre nicht genug für uns alle da.“
Tigre konnte nicht anders als grinsen. Ihm fiel auf, dass das sein allererstes persönlich Gespräch mit Diane war. Und auch wenn sie rein äußerlich nicht im Geringsten sein Typ war, fand er sie in diesem Moment sehr interessant.
„Gut, überzeugt! Worauf trinken wir Lieutenant?“
Diane hob das Glas. „Auf Whirlwind!“ Dann kippte sie den Inhalt des Glases einfach so hinunter und Tigre machte es ihr nach. Die Flüssigkeit brannte in seiner Kehle, entfaltete dann aber doch ein angenehmes Aroma. Indessen hatte Diane bereits nachgeschenkt und erneut ihr Glas erhoben. „Auf Windmill!“
Tigre zog diesmal tief die Luft ein, und verstärkte damit das Brennen in seinem Hals. Dann kroch die Wärme wieder in seine Glieder. Er konnte es nicht leugnen, dieses Ritual tat ihm zumindest ein klein wenig gut.
„Und auf Cougar! Mögen wir genau so tapfer und aufrichtig im Kampf gegen unsere Feinde und bei der Verteidigung unserer Heimat, unserer Freunde und unserer Familien sein wie sie alle.“ Und mit diesen Worten leerte sie den Rest ihres dritten Glases.
Tigre schaute Sie einen Augenblick an, dann kippte er sein Glas ebenso. Die Flüssigkeit brannte sich wieder einen Weg durch seine Speiseröhre und landete in seinem Magen, wo es eine wohlige Wärme sternförmig in seinem Körper verteilte.
Diane lächelte kurz und stand dann auf, die Gläser und die Flasche an sich nehmend. Dann drehte sie sich um und machte Anstalten zu gehen.
„Diane…“ rief Tigre ihr nach und hielt sie damit für einen Augenblick auf.
„Ja, Sir?“
„Danke!“
Sie nickte kurz und verschwand aus seiner Kabine.
Einen Augenblick starrte Tigre ihr nach und wendete sich dann abrupt dem leeren Blatt zu. Und ehe er es sich versah, hatte er auch schon zu schreiben begonnen.
„Sehr geehrte Miss Carpenter,
es tut mir äußerst leid Ihnen mitteilen zu müssen, dass ihre Tochter in vorbildlicher Erfüllung ihrer Pflicht gefallen ist. Ich hoffe, es ist Ihnen ein Trost, wenn ich sage, dass ich dafür bete genau so tapfer und aufrichtig im Kampf gegen unsere Feinde und bei der Verteidigung unserer Heimat, unserer Freunde und unserer Familien zu sein, wie es ihre Tochter…“
Während er schrieb, spürte Tigre, wie ihm die Kehle zugeschnürt wurde und hatte den Eindruck seine Trauer und Wut nur schwer in Schach halten zu können. Doch am Ende waren alle Briefe geschrieben und er fühlte sich zumindest ein klein wenig erleichtert.
*****
Die Brücke der ONTARIO
Im Raum um Pasumata IV, Pasumata-Sektor
Igor Maleetschev betrachtete Gedankenversunken die Oberfläche des Planeten Pasumata IV, eine größtenteils blaue Kugel mit einigen rötlich-gelben Inselgruppen, die sich um den Äquator herum gruppiert zu haben schienen. Die beiden größten Kontinente lagen um den Nord- und um den Südpol gelegen, beide anscheinend von dickem polaren Eisflächen umgeben.
Sein Blick und damit auch seine Gedanken wanderten fort von der blauen Kugel Pasumata IV´s hin zu der halbfertigen aber trotzdem gigantisch wirkenden Raumstation, die im Orbit um den Planeten und knapp außerhalb der jeweiligen Waffenreichweite kreiste. Es war deutlich sichtbar, das die Station noch mitten im Bau war, an vielen Stellen existierte nicht mal eine Panzerung. Schildgeneratoren oder Abwehrsysteme waren ebenfalls nur in deutlich reduziertem Maße vorhanden, wenn man es mit anderen baugleichen Raumstationen der Akarii vergleichte, die man während der Operation Husar entlang der Akarii-Grenze gesichtet hatte. Dazu kam noch, dass diese Raumstation auch für terranische Verhältnisse eher zu den kleineren Orbitalforts gehörte.
Damit würde es wohl trotz der schwachen Ausstattung an Jägern, Bombern und Kriegsschiffen, über die die Einsatzgruppe Magellan verfügte, relativ einfach sein die Station durch ein gezieltes Bombardement in Stücke zu schießen. Es würde vielleicht länger dauern, aber früher oder später würden sie die Station vernichten.
Igor war selbst schon auf dem Wege gewesen sich zu fragen, ob das vorstoßen in das Pasumata-System, vor allem angesichts der Verluste der Raumschlacht von vor vier Tagen, wirklich gerechtfertigt gewesen war. Igor hatte seine Bedenken anders als ein paar andere Kapitäne nicht laut geäußert. Aber es hätte eh nichts genutzt, den halbherzigen Widerstand dieser Kapitäne, die eine Umkehr für die beste Option hielten, hatte Singh resolut davon gewischt.
Und jetzt da sie die Raumstation entdeckt hatten, hatte sich gezeigt, dass es die richtige Entscheidung gewesen war, von Anfang an.
Wenn diese Raumstation zu einem voll funktionsfähigen Flottenstützpunkt fertig gebaut worden wäre und erst einmal dieser Sektor stärker von Kriegsschiffen frequentiert worden wäre, hätten die Akarii früher oder später das Wurmloch in der Zerberus-Dunkelwolke entdeckt. Mit einer voll funktionsfähigen Flottenbasis in diesem Sektor hätten die Akarii das Pasumata-System als Aufmarschpunkt nutzen können, um den Krieg jederzeit tief in die ColCon und vielleicht sogar in den Rücken der Terranischen Republik zu tragen.
Doch daraus würde jetzt zumindest nichts mehr werden.
Sie würden die Station vernichten und damit solche Pläne für eine lange Zeit unmöglich machen. Dann würden sie die Zerberus-Wolke inklusive Wurmloch auf beiden Seiten mit Frühwarnsensoren und Raumminen pflastern, womit die NORTHUMBRIA – der zurückgelassene Minenleger – schon längst begonnen hatte. Die andere Seite des Wurmlochs im Eurydike-Nebel müssten sie sich zwar bewachen lassen müssen, doch dafür wäre eine zukünftige Invasion an dieser wenn auch nicht verhindert, dann doch wenigstens deutlich erschwert.
Diese Tatsache beruhigte Igors Gewissen zumindest ein wenig angesichts des Verlustes der MOUNTBATTON und der DENVER.
Igors Gedankengänge wurden durch die Ankunft von Harun El-Habibi, dem zweiten Offizier, unterbrochen. „Zeit für die Ablösung, Igor. Melde mich zum Dienst.“
„Gut, Zwei-O, wir haben Status Orange“ kein Wunder bei Fastreichweite zu einer unbekannten Raumstation und eines ebenso unbekannten Planeten. „Alle Bereiche melden Status Grün.“
„Lt. Cmdr El-Habibi bittet die Brücke übernehmen zu dürfen, Sir“ fragte der jüngere der beiden förmlich.
„Erlaubnis erteilt. Wo ist Singh?“
„Soweit ich weiß, weiterhin im Sicherheitstrakt. Sie bearbeiten die Echse immer noch.“ Harun grinste düster, doch Igor blickte ihn mit ausdrucklosem Gesicht an.
Die allgemeine Auffassung gegenüber ihren Kriegsgefangenen an Bord gefiel ihm überhaupt nicht, auch wenn er selber nicht die geringste Sympathie für ihre Feinde aufbringen konnte. Aber es gab nun mal gewisse Grenzen und Igor war sich nicht sicher, ob Singh und Garribeaux diese einhielten.
Offiziell hatte Igor jetzt frei, sofern das bei erhöhter Bereitschaft wie Status Orange denn überhaupt ging, aber entschloss sich trotzdem zum Sicherheitstrakt zu gehen. Haruns letzter Satz ging ihm auf seinem Weg nicht aus dem Kopf und da er wusste, dass es ihm eh keine Ruhe geben würde, bis er nicht informiert war, konnte er auch direkt hingehen und sich schlau machen.
Als er das Verhörzimmer erreicht hatte, musste er zunächst zwei Marines in voller Montur passieren, die vor der Tür Wache hielten. Sie nickten ihm nur kurz zu und ließen ihn dann kommentarlos in den Vorraum eintreten. In diesem standen Singh und Commodore Garribeaux mit dem Rücken zur Tür und starrten in das eigentliche Verhörzimmer, welches hinter einem gepanzerten und verspiegelten Glasfenster, das fast die gesamte Front einzunehmen schien, sichtbar war.
Singh und Garribeaux drehten sich nur kurz um, nickten ihm ebenfalls nur schweigend zu, und wendeten sich wieder den Geschehnissen hinter der Glasscheibe zu.
Was Igor durch die Scheibe hindurch sah, als er die wenigen Schritte dorthin überbrückt hatte, ließ ihm fast das Blut gefrieren.
Genau in diesem Augenblick krachte die Faust von Smith, dem NIC-Mann an Bord der ONTARIO, seitlich gegen den Schädel des Akarii, der in der Mitte des Raumes an einen fest im Boden verankerten Stuhl gekettet war. Der Schädel des Akarii ruckte zur Seite und sein Blut spritzte über den ohnehin schon besudelten, ebenfalls fest verankerten Metalltisch. Der offensichtlich verwundete Akarii stöhnte kurz und krisch in einer Igor nicht verständlichen Sprache zurück. Seine Bewegungen waren langsam und abgehackt und es war offensichtlich, dass er enorme Schmerzen zu haben schien, da er jetzt ein Geräusch ausstieß, das sehr stark an das menschliche Wimmern erinnerte.
Doch dieses wurde schließlich durch Captain Ursaya Chabiz überbrüllt, die den Akarii in derselben unverständlichen Sprache anschrie.
Igor war zu geschockt um sich über die Akarii-Sprachkenntnisse der derben Infanterieoffizierin zu wundern. Andererseits hatten und haben die Konföderierten deutlich mehr Kontakt zu den Akarii gehabt, so dass es ihn auch nicht wirklich zu wundern gehabt hatte.
Aber in diesem Augenblick war er zunächst nur geschockt über die Tatsache, dass Singh und Garribeaux, die beiden ranghöchsten Offiziere der Einsatzgruppe, einen Kriegsgefangenen und noch dazu einen Offizier vor Ihren eigenen Augen foltern liessen.
„Sir…?“ begann Igor ohne richtig zu wissen, was er sagen sollte und was er dagegen tun konnte.
„Gut, dass sie da sind, Commander. Der Akarii ist zäh, dass muss man ihm lassen, aber ich denke wir wissen jetzt alles, was wir von ihm wissen wollten…“ Singhs Gesichtsausdruck war eine pure Maske des Hasses und Igor war überrascht über die Gefühlsregungen, die er in dem sonst so verschlossenen Gesicht des Inders mit einem Mal erkennen konnte.
„Und warum wird er dann weiterhin…“
Commodore Garribeaux antwortete ihm auf die Frage, noch bevor er sie zu Ende bringen konnte. „Natürlich müssen wir überprüfen, ob er sich nicht in Widersprüche verwickelt. Aber ich denke, dass er nun nach 72 Stunden genug weich gekocht sein müsste.“ Das vernarbte Gesicht der älteren Offizierin unterstrich die grausamen Aussagen noch zusätzlich.
Igor erkannte vor allem an ihrem Blick, dass er nicht das Geringste für den Gefangenen würde tun können. Kommentarlos blickte er hinüber zu seinem Kommandanten, doch sein Gesicht war wie so häufig in Stein gemeisselt zu sein. Der einzige Unterschied bestand in einem kaum wahrnehmbaren Feuer in den Augen.
Doch es war dieses Feuer, dass Igor dazu brachte – wenn auch schweren Herzens – nicht weiter auf die Folterungen des Akarii-Commanders einzugehen.
„Und was konnten wir in Erfahrung bringen?“ fragte er mit einem Zögern in der Stimme und mit Gewissensbissen im Hinterkopf.
Wieder war es Garribeaux, die antwortete.
„Das Pasumata-System liegt so gut wie wehrlos vor uns, es gibt derzeit keine weiteren Schiff- oder Jägerstreitkräfte in diesem System als diejenigen, die wir bei Pasumata V bereits vernichtet haben. Es ist zwar mit Entsatz zu rechnen, aber so wie es scheint nicht in den nächsten Tagen.“
„Genug Zeit also, um die Station zu zerstören und sich zum Wurmloch zurück zu ziehen…“ stellte Igor fest, doch noch während er es aussprach, konnte er an den Seitenblicken, die sich Singh und Garribeaux zuwarfen, das da noch mehr war.
„Nun, unsere Analysen der Schild- und Verteidigungskapazitäten der Raumstation sind durch die Aussagen des Akarii bestätigt worden. Wenn ich sagte wehrlos, dann meinte ich das auch so. Unsere Gefechtsanalysen zeigen auf, das wir in der Lage sind die wenigen Schilde und die Abwehrbatterien der Station mit gezielten Angriffen außer Betrieb zu setzen.“
„Und wozu soll das gut sein?“ Igor war etwas verwirrt durch die Aussagen der Verbindungsoffizierin.
„Die Station wird nur von einer Kompanie Infanteristen gehalten…“
Igor brauchte ein paar Sekunden, um die Implikationen zu begreifen. Doch dann traf ihn die Erkenntnis wie ein Donnerschlag. „Sie wollen die Station STÜRMEN!!???“ keuchte er fast schon heraus.
„Eine günstigere Gelegenheit werden wir wohl nie wieder…“
„Ma´am, bei allem Respekt, aber sie reden hier immer noch von einem feindlichen Flottenstützpunkt…“
„… der so gut wie schutzlos vor uns liegt. Wenn wir alle Infanteriekontingente unserer Einsatzgruppe zusammenfassen ein Battalion an Truppen, davon eine Kompanie Elite-Truppen der Presidents Storming Infantry. Damit werden wir deren Kompanie davon fegen und die Station übernehmen …!!!“
„Um was zu tun? Sie glauben doch wohl nicht, dass wir die Station halten können, selbst wenn wir es schaffen sollten sie zu übernehmen?“
„Warum nicht? Ein Translichtsignal in die Colonial Confederation ist von uns bereits vor drei Tagen abgesetzt worden. Unsere Entsatzkräfte könnten in knapp einer Woche hier sein. Wir könnten dann gesamten Sektor inklusive einer intakten Raumstation übernehmen. Stellen sie sich doch nur mal vor, was das für eine Signalwirkung in diesem Krieg hätte!“ Garribeaux hatte ein enthusiastisches Funkeln in den Augen, das Igor ganz und gar nicht teilen konnte.
Er verschränkte schließlich die Arme vor der Brust und schüttelte langsam den Kopf „Und was ist, wenn wir die Station nicht erobern können? Was ist wenn der Akarii Entsatz früher hier eintrifft, als ihre Truppen? Und was, wenn…“ Doch Igor konnte seine weiteren Bedenken nicht anführen, da Singh im barsch unterbrach.
„Genug jetzt, Eins-O! Commodore Garribeaux hat Recht: Wir dürfen uns diese Chance einfach nicht entgehen lassen. Das Risiko ist das mögliche Ergebnis durchaus Wert. Wenn wir diese Station übernehmen, wird das sich wie ein Fegefeuer in den Akarii-Reihen verbreiten. Und selbst wenn sie eine starke Streitmacht hierher beordern sollten, so werden diese an anderen Fronten fehlen, was die Akarii als Ganze schwächen wird. Und selbst wenn Sie mit Ihren Bedenken Recht haben sollten, Eins-O, dann können wir die Station immer noch rechtzeitig vernichten. Haben wir uns verstanden?“
Singhs finsterer Blick schien Igor durchbohren zu wollen, doch dieser hielt diesem stand. Er hatte bislang nie die Pläne seines Kapitäns in Frage gestellt, nicht mal annähernd. Doch jetzt und hier, unter dem Eindruck der Folter an dem akariischen Offizier und in dem Wissen, dass sie einen Gutteil ihrer Marineinfanteristen in den sicheren Tod schicken würden, war er kurz davor es das erste Mal zu tun.
Doch dann atmete er einmal tief durch und kniff dann doch.
`Nicht hier, nicht vor den Augen von Garribeaux` dachte Igor und nickte nur einmal pflichtschuldig.
„Also erlassen sie folgende Befehle an die Kapitäne: Schicken sie die KAZE zu dem nahen Wurmloch, das tiefer ins Akarii-Territorium führt, sie sollen dort ein paar Frühwarnsensoren platzieren. Der gegnerische Kommandeur wird mit Sicherheit schon längst Entsatz angefordert haben. Und es wäre schön, wenn wir das, sobald sie hier in den Raum eintreten, erfahren.“
„Und wenn die KAZE am Sprungpunkt von diesen Entsatzschiffen überrascht wird?“
Singhs Gesicht war eine Maske der Verschlossenheit. „Commander Schneider ist doch überzeugt davon, dass er eines der schnellsten Schiffe der Flotte habe. Dann soll er sich eben bei Kontakt auf schnellstem Wege zurückziehen.“
„Aye, Sir. Ich informiere Commander Schneider.“
„Fordern sie zusätzlich sein Infanteriekontingent an, sie werden ebenfalls in die Entertruppen integriert, die unter dem Kommando von Brevet-Major Ursaja Chabiz stehen wird. Geben sie darüber hinaus Befehl an die Schiffskapitäne und an den CAG der GUADALCANAL, sich auf das Bombardement der Station vorzubereiten. Ich will, dass die Schiffe, Jäger und Bomber gemeinsam die Schilde und Abwehrbatterien gezielt ausschalte. D.h. die Station soll gezielt sturmreif geschossen werden, muss aber im Wesentlichen intakt bleiben.
Arbeiten sie einen entsprechenden Angriffsplan aus, Eins-O, sie haben 8 Stunden Zeit.“
„Aye, Sir“ antwortete Igor, drehte sich um und machte sich auf den Weg in das CIC der ONTARIO.
Nicht nur, dass er diesen wahnsinnigen Plan nicht hatte verhindern können, jetzt machte ihn Singh auch noch zum Architekten dieses auf wackeligen Stelzen gebauten Angriffsgebäudes. Igor hoffte nur für sie alle, dass dieses Kartenhaus nicht gleich beim ersten Windhauch zusammenbrechen würde.