Hinter den feindlichen Linien - Season 4

Tyr Svenson
Als das Alarmsignal ertönte, reagierten die Angehörigen der Grünen Staffel quasi reflexartig. Sie waren nicht unbedingt Elite, und schon gar nicht alles Veteranen – aber die meisten hatten genug Erfahrung, so daß ihnen der durchdringende Ton durch alle Glieder fuhr. Sie wußten was er bedeutete. Und die „Frischlinge“ – wenn man überhaupt alle Neuzugänge so nennen konnte, bei zwei von ihnen war das nicht ganz klar – waren auf ihrer ersten richtigen Feindfahrt genug auf Adrenalin. Insgeheim haßten sie den Klang vermutlich alle, und dies keineswegs nur weil er sie in dem unterbrach, was sie gerade taten. Das Signal war zu sehr mit Schlacht, Tod und Verwundung verbunden. Spötter meinten, einige Piloten reagierten wie Pferde, die Blut rochen. In gewisser Weise war da viel Wahres dran.
Aber natürlich machten sie sich alle auf den Weg. Die Handgriffe, mit denen sie ihre Uniformen gegen die Fliegermonturen vertauschten, waren oft geübt oder auch im Ernstfall durchgeführt worden. Aber manche Hand war klamm und mochte zittern.
Die Lautsprecher an Bord der COLUMBIA plärrten durcheinander – bei acht Staffeln und den Dutzenden Stationen gab es einiges mitzuteilen. Aber auch daran waren sie ja gewöhnt. So fanden sie alle den richtigen Weg.

Lightning wich einigen Ensigns aus, die wohl auf dem Weg zu ihrem Gefechtsstand waren, oder für den Fall in Bereitschaft gingen, das es zu Schäden kam. Das war auch typisch für sie – die meisten anderen Offiziere ihres Ranges hätten damit gerechnet, daß man IHNEN aus dem Weg ging. Aber sie war auch in Gedanken versunken, und handelte automatisch. Ihre Gedanken gingen durcheinander. Auch wenn der Weg relativ kurz war, sie hatte doch einiges aufgeschnappt. Natürlich hatten sich die Leute unterhalten, sich Latrinenparolen und Vermutungen zugerufen. Alles in allem – es sah gar nicht gut aus. Auch wenn sie die Sache mit Vorsicht nahm, mindestens zwei bis drei Träger der Akarii waren im Anmarsch. Und die kamen sicher nicht nur, um die Menschen ein wenig einzuschüchtern. Nach ihrer ersten RICHTIGEN Niederlage in diesem Krieg – Jollahran zählte für Lightning nicht, offizielle Kommuniqués hin oder her – wollten sie sicher Rache. Die Kommandantin unterdrückte mühsam den sich automatisch aufdrängenden Gedanken. Jollahran...
Dort war die alte REDEMPTION vernichtet worden, zwei weitere Trägergeschwader waren vernichtet worden. Sollte sich das wiederholen? Und was würde aus ihren Leuten werden?

Wieder mal so ein verdammt großartiger Plan der Flottenführung, der so verdammt großartig funktionierte. Etliche Staffeln waren schon im ersten Gefecht übel dezimiert worden, und das war erst der Anfang gewesen. Lightning gab – sonst nicht ihre Art – dem inneren Druck nach. Mit einem saftigen, für sie sehr untypischen Fluch betrat sie den Bereitschaftsraum ihrer Staffel. Im nächsten Augenblick hätte sie sich am liebsten auf die Zunge gebissen. Direkt neben der Tür stand Lilja, und die Russin, deren vernarbtes Gesicht wie gewöhnlich nicht viele Gefühle zeigte, zog in gespielter Überraschung und Schockiertheit eine Augenbraue hoch. Die übrigen Staffelmitglieder, die auf den verschiedenen Stühlen lümmelten – teils nur halb sitzend, bereit aufzuspringen , teils die Lehne vor dem Bauch, teils hinter dem Rücken – brachen in Gelächter aus. Freilich lag darin ebenso Nervosität wie echte Belustigung. Dann standen sie auf und nahmen Haltung an. Vielleicht nicht jeder mustergültig, aber das war momentan Lightnings geringstes Problem.
Nun, wenn das so war, spielte sie am besten mit. Also grinste die Steffelchefin breit und zuckte freundlich mit den Schultern ob ihres sprachlichen Lapsus. Was mit einem weiteren Gelächter – fast noch nervöser als das erste – quittiert wurde. Bei einigen schwang fast schon Hysterie mit. Vermutlich hatten sie auch schon einige Gerüchte gehört. Dann nahm die Kommandantin ihre Position ein, von der aus sie normalerweise ihren „Schäfchen“ predigte.
Als sie einen schnellen Blick in die Runde warf, stutzte Lightning. First Lieutenant Haugland war kein Mann, der in der „Menge“ unterging. Im Gegenteil, er ragte aus der Truppe heraus wie ein Laster inmitten einer Gruppe PKW’s. Eigentlich war er immer noch nicht wieder kv geschrieben. Der ehemalige Nationalgardist wirkte nicht übermäßig enthusiastisch, hielt sich aber gerade. Dafür warf ihm Lilja hin und wieder einen Blick zu, wie eine Schäferhündin einem Lamm, dem sie unterstellte, es wolle aus der Reihe tanzen. Nun, wenn das Lamm die Größe eines Auerochsen hatte, mußte man hinzufügen. Daher wehte also der Wind... Nun, das konnte warten.

Lightning straffte sich: „Alle mal herhören. Ich weiß im Augenblick auch noch nichts Definitives, aber es sieht so aus als ob die Akarii zurückgekommen sind, um unsere Hausbesetzer rauszuschmeißen. Warum sie die Bruchbude wiederhaben wollen, ist mir ja schleierhaft, aber so sind sie eben. Sie sind uns offenbar an Zahl überlegen, also rechne ich damit, daß wir uns zurückziehen um sie auf den Rest der Flotte zu ziehen.“ Der gewollt lockere Ton fiel ihr nicht leicht, aber sie konnte ja kaum jetzt schon eine Leichenbittermiene aufsetzen.
Die Staffelchefin bemerkte wie Marine zusammenzuckte. Natürlich – sie war halb und halb immer noch beim Corps, zumindest in Gedanken. Und daß die armen Schlammschweine jetzt da unten blieben, während die Flotte sich zurückzog, konnte leichthin zum Todesurteil für die Bodentruppen werden. Vermutlich hatte Marine halb das Gefühl, sie im Stich zu lassen. Und Lightning verstand ihre Untergebene nur zu gut. Aber dafür war jetzt keine Zeit. Die Kommandeurin konnte der Pilotin nicht helfen, so wenig wie diese ihren früheren Kameraden zu Hilfe eilen konnte.
„Wir können nicht ausschließen, daß die Echsen was dagegen haben, wenn wir die Party verlassen ohne uns angemessen zu verabschieden. In dem Fall schätze ich mal, sie werden uns ihre Geschwader hinterher schicken. Alles was fliegen und angreifen kann. Vielleicht kommen ein paar schnelle Kampfschiffschwadronen hinterher, aber dann riskieren sie, daß wir ihnen mit unseren Bombern die Schwanzschuppen kappen. Ihre Großschiffe sind jedenfalls nicht schnell genug, um uns zu stellen. Ihre Kampfflieger könnten in ein paar Stunden hier sein, wenn sie Höchstgeschwindigkeit fliegen. In dem Fall ist unsere Aufgabe klar. Wir müssen raus und sie abfangen. Denn wenn sie durchkommen und Schiffe von uns anschießen...“

Die Kommandeurin brauchte es nicht deutlicher auszuführen. Der Verband ging vor – also würde man Havaristen zurücklassen, vermutlich war es nicht einmal möglich alle Leute zu evakuieren. Und es war auch klar – jeden ausgestiegenen Piloten erwartete das gleiche Schicksal. Die Gesichter der Staffelmitglieder waren dem entsprechend ernst. Einige Veteranen ließen sich kaum etwas anmerken – Routine oder Schauspiel. Tyr, El Cid und Marine sahen definitiv unglücklich aus, wobei sich die junge Pilotin noch die meiste Mühe gab, es zu unterdrücken. Bei einigen war ihre scheinbare Gefühlskälte kein Wunder. Claw zum Beispiel war einer der fliegenden „Kühlschränke“.
Lightning atmete einmal tief durch. Zeit, etwas für die Aufmunterung zu tun: „Vergeßt aber nicht, unsere Gegner sitzen dann schon einige Stunden in ihren Cockpits. Sie müssen einen Teil ihrer Kampflast zugunsten von Treibstofftanks aufgeben, und sie können sich längere Kurbeleien kaum leisten, weil ihnen sonst der Sprit ausgeht – und dann wären sie ein leichtes Ziel. Also werden sie versuchen schnell und hart zuzuschlagen, ihre Raketen anbringen und wieder abziehen. Eine gute Chance, unsere überlegene Beweglichkeit auszunutzen und unseren schweren Jägern den Weg freizukämpfen.“ Lightning strapazierte mal wieder das Klischee, daß die Typhoons – eingeschränkt auch die Griphen – den Phantome und Nighthawk den Weg freikämpfen müßten, damit diese sich mit den Bombern befassen konnten.
„Vorerst können wir nur abwarten, bis sich der Wirre Wolf mal dazu herabläßt einen klaren Heuler von sich zu geben.“ Wieder wurde gelacht. Nun, das hätten sie wohl auch über noch schlechtere Wortwitze, in ihrer Verfassung.
„Ich verlasse mich auf euch. Ich denke, eine große Rede kann ich mir sparen. Wir haben die Akarii oft genug in den Arsch getreten, und oft genug unter ungünstigen Bedingungen unseren Teil geleistet. Ich weiß, das wird auch diesmal so sein. Macht euch nicht verrückt, das erledigt der Gegner noch früh genug.“

Die Kommandeurin nickte Lilja zu: „First Lieutenant Pawlitschenko, kann ich Sie mal sprechen?“ Die Russin war, natürlich, sofort zur Stelle: „Commander?“
Lightning dämpfte ihre Stimme auf ein kaum hörbares Niveau: „Wieso ist eigentlich Tyr hier? Ich dachte er hätte mindestens noch zwei Tage Ruhe.“
Liljas Gesicht hätte einem Pokermeister zur Ehre gereicht: „Er hat sich freiwillig gemeldet und ist bereit zu fliegen. Und angesichts der Lage scheint es mir besser, dem Gesuch stattzugeben.“
Die Staffelchefin seufzte: „Lilja, so ganz perfekt bist du mit deinen Geschichten noch nicht. Freiwillig? Hast du ihm das Messer auf die Brust gesetzt oder ihn mit einer Vodkaflasche bearbeitet?“
Die Russin lächelte schmal: „Weder noch. So etwas wie physischer Zwang ist etwas für Kriminelle, Alkoholiker und Marines. Ich habe ihn nur überzeugt das es besser wäre, er bliebe nicht hier.“ Ihre Stimme, wiewohl ebenfalls kaum hörbar, klang sehr ernst und eindringlich: „Ich glaube, daß es ziemlich dick kommen könnte. Und dann brauchen wir jeden Piloten. Ich brauche einen Flügelmann, und wir können uns keinen Fehlbestand leisten, bloß weil diese Kurpfuscher überängstlich sind. Diese...“ hier folgte ein Wort in ihrer Muttersprache, das Lightning nicht kannte, doch es war wohl kein Segenswunsch: „...hätten mich in der Etappe versauern lassen, wenn ich mich nicht dahintergeklemmt hätte. Im Krieg kann man Soldaten nicht in Watte packen.“
„Er könnte dabei draufgehen.“
Für einen Augenblick wirkte Lilja gequält, doch dann hatte sie sich wieder unter Kontrolle: „Das kann er auch, wenn er hier bleibt. Und draußen kann er wenigstens zurückschießen, etwas Nützliches tun. An Bord kann er nichts. Ich denke, er sieht das ein.“
Lightning war sich da nicht so sicher. Sie kannte ihre XO inzwischen gut genug. Lilja war imstande, die patriotische Leier durchaus kunstvoll zu spielen. Kameradschaft war ein kostbares Gut, und kein Pilot ließ sich gerne sagen, er ließe seine Freunde im Stich. Und jeder hatte Angst, wie eine Ratte an Bord eines Dickschiffes gefangen zu sein, das zusammengeschossen wurde. Vermutlich hatte sie Tyr so lange bearbeitet, bis der nachgab. Immerhin war er mit El Cid gut befreundet, und außerdem glaubte er wohl, er hätte was gutzumachen.

„Na schön. Und ICH übernehme die Verantwortung.“ knurrte die Britin. „Du hast Recht. Vielleicht brauchen wir da draußen wirklich jeden Piloten.“ Lilja nahm Haltung an: „Ich bringe ihn auch wieder zurück. Ich verspreche es.“ So wie sie es sagte könnte man meinen, sie war felsenfest davon überzeugt, daß dies allein an ihr lag.
In dem Augenblick erwachte der Lautsprecher zum Leben: „Achtung, Achtung, Durchsage an alle! Feindliche Flottenverbände identifiziert. Gegner stößt in zwei Kampfgruppen zu je zwei Trägerverbänden vor. Flotte zieht sich planmäßig zurück. Erhöhte Alarmbereitschaft. Kampfmaschinen gefechtsbereit machen. Ende der Durchsage.“
Lilja verzog ihr Gesicht zu einer Grimasse: „Na so was, wir ziehen uns planmäßig zurück. Ist das nicht ein Schlager.“ Diesmal lachte keiner. Die Mitteilung, das vier Akarii-Träger im Anmarsch waren, bedeutete mit geradezu absoluter Sicherheit das Todesurteil für einige der Piloten. Und sie alle wußten das.
Tyr Svenson
Corsfield

Auf den Bildschirmen in der CIC der COLUMBIA sah man die riesigen Atomexplosionen am Sprungpunkt. Die Akariiflotte hatte einen Massentransit durchgeführt, jetzt waren viele der Führungsschiffe in das Minenfeld geraten.
"Hoffentlich fahren viele von euch Schweinen zur Hölle", hauchte jemand ehrfürchtig.
"Hm, sieht aus als ob die sich jetzt am Sprungpunkt formieren und versuchen einen Weg durch das Minenfeld zu bahnen." Wulff fuhr sich durch die Haare.
Die CIC wurde erneut erhellt, als die Bildschirme nicht schnell genug die Explosion abzuschwächen, welche sich am Sprungpunkt ereignete.
"Yeah, das war ein Yankee!" Brüllte einer der Stabsoffiziere.
"Sehen Sie, die Kreuzergruppe schiebt sich an die Spitze. Die werden alle Minen räumen, die der Kampfgruppe im Weg sind. Und die, die sie nicht mit ihren Geschützen erwischen, werden wohl an ihren Schilden zerplatzen. Mit etwas Glück den ein oder anderen beschädigen."
Erneut wurde eine gleißend helle Explosion sichtbar. Der gesamte Wurmlochbereich erstrahlte in einer Kaskade sich ausbreitenden Lichts.
Die rangniederen Offiziere jubelten und auch Melissa Alexander konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen, das musste ein Schiffskiller gewesen sein.

***

Jor fluchte im wilden Tonfall.
Diese Explosion hatte ein Großteil der Sicherheitssysteme der Bordbildschirme überlastet. Fast blind tappte er zu seinem Kommandostuhl und ließ sich hineineinfallen. Nach mehrmaligem Blinzeln kehrte das Sichtfeld langsam aber sicher zurück.
"BERICHT!"
"Die NAR HAVOK wurde schwer getroffen, sie driftet." Die Stimme des jungen Offiziers zitterte leicht.
"Diese elenden, feigen ...", Jor unterbrach sich, "...die Kreuzer GENJAIN und MEK NOVAR sollen die HAVOK mit den Traktorstrahlen stabilisieren und hinter die Kielformation der anderen Träger bringen. Die NAKOBI soll sofort die Position der HAVOK einnehmen und ich will schnellstens einen Bericht über die Einsatzbereitschaft der HAVOK."

Jor hätte am liebsten etwas zertrümmert. Die HAVOK war bis eben ein vollständig einsatzbereiter Flottenträger gewesen, wie es jetzt um das Schiff ausschaute vermochte er nicht mal zu erahnen. "Und verdammt nochmal, Kreuzerschwadron Ikara soll uns den Weg durch die Minen bahnen und wenn Ikara und seine Schwachköpfe noch so einen Schiffskiller übersehen, hole ich mir seinen Kopf."
Insgeheim wusste der Prinz, dass er wahrscheinlich Glück hatte, dass die HAVOK schwer beschädigt war. Einer der Träger/Kreuzer oder ein regulärer Kreuzer hätte so einen Treffer nicht überlebt.

"Hoheit, die HAVOK meldet sich." Der Singnaloffizier sprach leise, so als wolle er den Prinzen nicht stören.
Jor grunzte und ein Akarii mit blutverschmierter Stirn erschien auf dem Display seines Kommandostizes. Es war weder Admiral Girin, noch Captain Vorak.
"Mylord Großadmiral, ich bin der erste Offizier der NAR HAVOK, sowohl der Admiral wie auch der Captain sind gefallen. Ich fürchte ich muss Euch mitteilen, das die NAR HAVOK kaum noch einsatzfähig ist. Vier der sechs Katapulte sind zerstört, im Hangar brennt es und wir verlieren Sauerstoff."
"Sorgen Sie für die Verlegung aller noch einsatzbereiten Bomber und Jäger auf die NAKOBI." Jor konnte es nicht fassen, er hatte noch keinen Schuss abgefeuert und schon war einer seiner kostbaren Träger wohl nur noch als Kugelfang nützlich.
"Mylord Großadmiral, bitte vergeben Sie mir meine ehrlose Feigheit und meine Impertinenz, aber ich bitte darum die NAR HAVOK vom Schlachtfeld zu entfernen, sobald das Geschwader - soweit noch vorhanden - verlegt worden ist." Der erste Offizier der NAR HAVOK sah aus, als ob er sich am liebsten erschossen hätte, als ob er so etwas wie Verrat begehen würde.
Jor hingegen nickte gebieterisch: "Sofern die NAR HAVOK noch sprungtauglich ist, gestatte - nein befehle ich Ihnen, das Schiff nach Graxon zurückzubringen. In seinem derzeitigen Zustand wäre es nur eine leichte Beute für die Menschen."
"Danke Mylord. NAR HAVOK Ende."

Jor knurrte erneut.
Langsam aber stetig arbeitete sich die Akariiflotte durch das Minenfeld hindurch. Dabei verlor sie noch zwei Zerstörer und eine Fregatte.
Drei von Admiral Ikaras zwölf Kreuzern wurden beschädigt.
Die NAR HAVOK wurde von drei Zerstörern zurück nach Graxon begleitet und nahmen Kurs auf den einzig - derzeit von Terranern - besetzten Planeten, in dessen Umlaufbahn ein riesiger Truppentransporter wartete. Dieser wurde ebenfalls von Zerstörer, sechs an der Zahl, eskortiert.
Als die HAVOK ankam begannen die Regimenter der 14. Gardelegion der imperialen akariischen Streitkräfte mit der Landeoperation.

***

Im Corsfield Sternensystem hingegen formierte sich die Akariiflotte. Vor den drei Flottenträgern und den beiden Trägerkreuzern hatten zwei Kreuzerschwadronen mit insgesammt 24 Schiffen Position bezogen.
Die Flanken der zum Keil formierten Träger deckten einige leichte Kreuzer und Zerstörer. Die Rückseite des imposanten Flottenspektakels deckten wiederum leichte Kreuzer und Zerstörer.
Die Fregatten der Flotte hatten oberhalb und unterhalb der Träger Position bezogen.
Langsam aber zielstrebig kroch die Akariiflotte auf die beiden kleineren Formationen der INTREPID- und COLUMBIA-Trägergruppen zu, welche auf der Position der JAMES WINDSOR gewendet hatten um sich dem Gegner zu stellen.

Jean Baptist Renault, Admiral der TSN, Oberkommandierender der zweiten Flotte und bekanntermaßen der Antreiber des Widerstandes gegen die Akarii fletschte die Zähne. Die CIC der GETTYSBURG war abgedunkelt und wurde hauptsächlich durch die glimmenden Lichter auf dem Kartentisch erhellt.
"Sieht aus als wären es nur noch drei." Bemerkte Maike Noltze grimmig.
"Drei sind immer noch eine gewaltige Streitmacht Maik." Nikolai Kowalski der Trägerkampfgruppenchef GETTYSBURG beugte sich über den Kartentisch. "Ich würde unseren Jetjockeys gerne eine möchtige Salve Antischiffraketen als Deckung mitgeben, wenn wir sie rausschicken. So auf Maximalentfernung und dann die Dickschiffe zurückziehen, ehe die ihre Langstreckenraketen auf uns abschießen."
Renault nickte: "Müssen wir nur zusehen, dass die Echsen nicht vorzeitig den Braten riechen."
"Hoffentlich halten sich Alexander und Long lange genug." Kowalski machte in finsteres Gesicht.
"Alexander ... gottverflucht, wie konnten Long und Wulff die Frau nur ans Ruder lassen." Renaults Hände verkrampften sich am den Rand des Kartentisches. "Wenn das mit der man gut geht."

***

Zittern, erwartungsvolles Zittern überkam Lucas Lone Wolf Cunningham. Wie ein aufgeregtes Rennpferd in der Startbox saß er nun in seiner Phantom, die auf das Katapult Nummer eins gezogen wurde.
Er war ein Pilot erster Garnitur, das wusste er, doch niemals hatte man ihn als Beispiel eines großen Anführers genommen, und so ungern er es zugab niemals würde er das natürliche Talent haben Leute zu führen wie etwa Johann von Richter, Darkness McQueen oder gar Jean Baptist Renault.
Also hatte er sich die Karriere zurechtgeboxt und hatte sich damit nicht gerade viele Freunde gemacht. Besonders einige seiner Lieutenant Commander schossen schon beinahe systematisch quer. Okay, das war nicht fair. Ein weiterer Aspekt seines Charakters der ihn vor innigen Freundschaften abschirmte, er neigte nicht zur Fairniss.
Aber heute würde er der erste sein, der in die Schlacht zog. Wie es sich für einen Anfüher gehörte, jedoch hatte er auf die platten Attitüden verzichtet, mit denen so manch anderer die Staffel auf den Kampf eingeschworen hatte.
Professionell und ruhig hatte er seinen Schwadronenkommandanten den Plan erklärt. Mit Ausnahme der Crusader würde alles starten, bis an die Zähne mit Raumkampfraketen bewaffnet, und sich zusammen mit den Phnatomen, Mirages, Griphens und Typhoons der INTREPID und den Nighthawks und den Typhoons der JAMES WINDSOR im Verbund mit einigen Kreuzern und Zerstörern den angreifenden Akarii-Raumjägern stellen.
Senior Master Chief Petty Officer Mario Atti salutierte Lucas zu und duckte sich weg.
Der Commander wurde in den Sitzt der Maschinen gepresst, als das Katapult losschoss.

Tripple E Gonzales zog an seiner Zigarre. Langsam stieß er den aromatischen Rauch aus, der sogleich von einer Lüftung abgesaugt wurde.
"Die RELENTLESS ist in das System eingeklingt. Wir sind jetzt bei 15 Schiffen plus uns gekoppelt." Commander Turner sah sehr missmutig aus. "Welcher hinrverbrannte Idiot hat sich diese Idee einfallen lassen?"
"Ich habe keine Ahnung Warren. Aber ich sehe zumindest die Chancen, die diese Strategie dem Kampfverband bringt, aber Sie haben recht, für uns hier vorne ist es nichts anderes als hirnverbrannte Idiotie."
Turner blickte auf das Plot, direkt auf das Signal der RELENTLESS: "Zumindest sind wir in guter Gesellschaft."
Gonzales grunzte Zustimmung.
"Skipper, da kommen unsere Jäger." Meldete der Taktische Offizier.
"Wurde auch Zeit, wäre ja noch schöner, dass die nach den Akarii hier wären." Gonzales blickte auf die rote Wolke, die auf sie zuraste.
"Gott segne was Du uns beschert hast." Murmelte der Steuermann der DAUNTLESS das alte Marinegebet.

***

"Scheiße sind das viele!" Hal Chrispin klang mittlerweile wie ein Profi, kein Zittern verriet die Angst, die der Pilot spühren musste.
"Yeah, und dabei fehlt denen sogar ein ganzer Träger!" Ruben James alias Pops klang nicht halb so sicher wie der jüngere Pilot.
"Lasst die Schweinepriester nur kommen, für jeden von Ihnen haben wir schwarze Essensmarken." Skunk klang genauso fiebrig auf den Kampf wie Cunningham sich fühlte. Abschüsse erzielen, triumphieren, töten. Dafür waren sie alle ausgebildet worden. Es hieß zwar immer, dass Soldaten es waren, die den Krieg am meißten fürchteten und ihn um jeden Preis vermeiden wollten. Lucas fand die Theorie in keinster Weise bestätigt. Er war hier draußen, er wollte töten, und um nichts auf der Welt wäre er jetzt lieber woanders gewesen, ungeachtet aller Konsequenzen.
Von Skunk wusste er, dass er ebenso dachte, Radio hingegen war ein ganz anders Blatt. Die Reste der roten Staffel hatten wohl alle so ihre Rechnung mit den Akarii offen.
Sicherlich auch die drei Ersatzmänner von der INTREPID, die für Hacker, Bob und Goblin einsprangen.
Lucas wollte seine Leute noch eimal daran erinnern, dass die gegnerischen Bomber Priorität hatten, doch er besann sich eines Besseren, die Angry Angels waren Profis, er brauchte den Plan nicht zu Tode quatschen. Vor allem da sich dieser im Handgemenge wohl bald in Wohlgefallen auflösen würde.
"Sieht danach aus, als bilden Ihre Bloodhawks und Reaper die Speerspitze." Darkness McQueen, leidenschaftslos und monoton, wie immer. Na mein alter Freund bist auch Du auf Blut aus? Na, komm gibs zu, es rauscht auch Dir in den Ohren.
Dann bahnten sich die ersten Langstreckenraketen den Weg durch die unendliche Leere, das Töten begann von neuem. Grausamer als je zuvor.
Tyr Svenson
Corsfield Sternensystem

Die Schlacht von Corsfield war im vollem Gange und schon kurz nach dem die beiden Schlachtreihen aufeinander getroffen waren, konnte von einer irgendwie gearteten Staffelordnung nicht mehr die Rede sein.
Die Rote Staffel war mitten hinein in das schrecklichste Gemetzel geraten, einer Raumschlacht deren Ausmaß sich Cartmell noch nicht einmal im Traum so schlimm vorgestellt hätte. Die erste Raumschlacht um Graxon hatte er nur im Krankenquartier erlebt. Und ihm wurde schnell klar, dass diese Schlacht hier etwas vollkommen anderes war, als der kurze Kampfeinsatz, den er im Orbit von Graxon erlebt hatte und wo er sich den ersten Abschuss dieses Krieges und seinen vierten insgesamt geholt hatte. Doch wenn die Deathhawks schon schwer gewesen waren, so kamen ihm die Bloodhawks und Raptors in dieser Schlacht deutlich heftiger vor und Donovan konnte nur hoffen, irgendwie zu überleben.
Die deutlich schnelleren und agileren Akarii-Bloodhawks setzten ihm ordentlich zu und er hatte sich mehrmals nur mühevoll aus ihrem Griff befreit.
Er hatte versucht so lang es ging an Skunks Seite zu bleiben, doch sie waren schon kurz nach Beginn der Schlacht getrennt worden. Und Donovan hatte sich erstmal seiner Haut erwehren müssen, außer seiner Eröffnungssalve von zwei Raketen hatte er noch keinen einzigen Schuss abgegeben.
Doch bislang hatte es irgendwie geschafft zu überleben, was vielleicht zu einem Teil an seinem äußerst unorthodoxen Flugstil lag.
Dann klingelte wieder eine Raketewarnung durch sein Cockpit und er musste einiges kurbeln, bis er sie abgeschüttelt hatte, was ihm direkt zwei Bomberpaare ins Visier brachte. Er setzte blitzschnell zwei Raketen ab und fegte schon wieder davon. Er hatte keine Ahnung ob er getroffen hatte, oder nicht. Und es interessierte ihn auch nicht. Denn zum einen hatte er wieder andere Sorgen, weil sich erneut eine vorwitzige Bloodhawk in seinen Rücken setzte. Und zum zweiten war er nicht scharf auf irgendwelche Abschusslisten oder Orden. Zumal er als Ex-Sträfling gar keinen Anspruch auf Orden oder Beförderungen hatte.
Die Bloodhawk war jetzt in seinem Rücken und deckte ihn jetzt langsam aber sicher mit seinen Lasern ein. Donovan hatte seinen Nachbrenner voll durchgedrückt und ging in einen scharfen Korkenzieher und dann in eine enge Kehre, die ihn zurück zu seiner Staffel brachte.
Vielleicht konnte ihm einer seiner Kollegen helfen. Doch noch bevor er einen Hilferuf hatte absetzen können, war der Feind in seinem Rücken wieder verschwunden.
Donovan runzelte die Stirn, bis er Skunks Stimme vernahm. „Hey, kannst dich ruhig bedanken wenn ich dir schon den Arsch rette…“
„Danke, Skunk“ gab er kurz zurück und gliederte sich bei seinem Windleader ein. „Wie siehts aus?“
„Wir holen uns weiter ihre Bomber“ gab er durch und sie flogen wieder die zwei Bomberpaare an, die Donovan bereits einmal im Visier gehabt hatte. „Mach deine Raketen auf die Bomber scharf, der Rest ihrer Eskorte wird nicht lange auf sich warten lassen.“
„Aye“ gab Donavan kurz angebunden zurück und sie näherten sich der Avengersektion von der Steuerbordseite aus tief kommend.
Donavan wählte sich die Avenger aus, die er bereits bei seinem ersten Anlauf als Ziel gewählt hatte. Als sie die Abschussreichweite erlangt hatten, feuerte Donovan genau wie Skunk seine Raketen ab. Dann waren sie schon auf Laserreichweite und Donovan drückte die Auslöser durch. Die Schilde des Avengers glühten förmlich auf und durch die Raketen bereits geschwächt brachen die Schilde kurz darauf zusammen.
Doch die Avenger waren nicht wehrlos. Die Steuerbordneutronenkanonen nahmen die anfliegenden Jäger unter Feuer und Donovan musste seinen ersten Impuls unterdrücken, abzudrehen. Noch war sein Bugschild stark genug, dass er weiter auf den Avenger feuern konnte. Und er traf dessen Steuerbordkanone, was den Bomberpiloten dazu verleitete den Kurs auf die terranischen Dickschiffe zu verlassen und direkt auf Donovan zuzujagen. Und jetzt feuerten auch die vier Plasmakanonen im Bug und zeigten Donovan, was für ein gefährlicher Gegner auch so eine Avenger sein konnte.
Donovan legte seine Maschine in einen Korkenzieher und auch wenn er mehrfach getroffen wurde hielt sein Schild stand.

Als sie vorüber waren, drehte Skunk wieder bei und sie bereiteten sich auf einen erneuten Überflug vor.
„Wo ist ihre Eskorte?“ fragte Donovan, dem es nicht geheuer war, dass sie einen zweiten Anflug machen konnten ohne bedrängt zu werden.
„Weiss ich nicht, der Rest unserer Roten hält sie gerade auf. Sollen die sich mal ruhig balgen, wir müssen uns weiter um die Bomber kümmern, bevor sie ihre Fracht auf die Dickschiffe ablassen können. Also fertig machen zur nächsten Angriffswelle.“
Donovan antwortete nicht und machte seine letzten beiden Raketen scharf. Wieder nahm er sich den bereits angeschlagenen Avenger vor und erneut stießen sie auf die langsameren Bomber nieder, die derzeit ohne nennenswerte Eskorte da standen. Wieder schossen Donovans Raketen auf den Avenger zu und diesmal kollabierten die Schilde endgültig.
Jetzt entschied der Avenger, dass es Zeit war sich zurück zu ziehen, doch Donovan setzte nach und feuerte mit seinen Lasern auf den bereits beschädigten Akarii, auch wenn sich dieser gar nicht mehr auf Kurs zu ihren Schiffen befand.
Doch Donovan wollte sich diesen Bomber holen und nichts und niemand würde ihn davon abhalten können. Seine Treffer zerschmolzen Panzerung und trafen empfindliche Teile des Bombers, inklusive des Hecklasers, und gnadenlos hämmerte er auf die mittlerweile fast wehrlose Maschine ein. Dann entschlossen sich die Akarii ihren stark beschädigten Bomber aufzugeben, kurz bevor er auseinanderbrach.
„Der war für Lydia“ flüsterte Donovan und musste an die zierliche Bomberpiloten denken, die im ersten Angriff auf Graxon ihr Leben gelassen hatte.
„Wir sind hier nicht auf einem Schauschiessen, Noname“ kam Skunks Stimme aus dem Funk und riss ihn aus seinen Gedanken. „Du sollst die Bomber nicht Stück für Stück auseinander nehmen, sondern verjagen. Wenn ich dich noch mal dabei erwische, dass Du einem bereits abgedrehten Bomber hinterher jagst, nur um dir einen Abschuss zu holen, dann reiß ich dir den Arsch auf, verstanden?“
„Verstanden“ gab Donovan zurück, ohne Skunk darauf aufmerksam zu machen, dass es nicht der Abschuss an sich gewesen war, der ihn dazu verleitet hatte. Er wusste aber, dass Skunk auch seinen Wunsch auf Rache genauso wenig gelten lassen würde, also erwähnte er es gar nicht erst.
Als sie bereits mitten im nächsten Angriff auf die Bomber lagen, fiel Skunk etwas ein.
„Hey, war das nicht auch dein fünfter Abschuss? Nur schade, dass du keine Orden kriegen kannst, oder?“ Er lachte fies, während seine Raketen und Laser einen weiteren Avenger davon abbrachten, den Bombenflug fortzusetzen.
Doch Donovan reagierte nicht darauf. Anders als viele seiner Staffelkameraden waren Orden das Letzte worauf er aus war.
Alles was er wollte, war zu überleben. Nicht mehr und nicht weniger.
Tyr Svenson
Haupthangar der GUADALCANAL
Im Orbit um Pasumata IV, Pasumata-Sektor

Als Thomas „Thor“ Jörgensen den Haupthangar betrat, schien augenblicklich sein Herz zu flackern. Wie jedes Mal, wenn er wusste, dass er Mel sehen würde.
Er konnte es nicht fassen, dass erst ein paar Tage seit der Schlacht um Pasaumata V vergangen waren und damit genau so lange, dass er zwischen all dem Tod und der Vernichtung sich Hals über Kopf verliebt hatte.
Fast eine Woche – davon drei gemeinsame Tage auf der MAGELLAN – hatten er und Mel erst miteinander gehabt und sie kannten sich noch nicht einmal seit einem Monat. Aber es kam ihm vor, als würden sie sich schon seit Ewigkeiten kennen.
So etwas hatte er davor noch nie erlebt und er war verwirrt. Und auch wenn es in der Navy eine Direktive gab, die Verhältnisse zwischen Mitgliedern der Navy verboten, so war das Gefühl in seinem Bauch zu verführerisch als das er widerstehen konnte. Er wusste zwar, dass er damit auch seine Karriere gefährdete, doch im Moment war ihm das egal.

Als er den Hangar entlang ging, erkannte er sie schon in der Ferne bei Sparkys Maschine stehend, angeblich um ein paar Modifikationen am Aufklärungspod vorzunehmen.
Chief Petty Officer Sumi Ishida schien gemeinsam mit Sparky an dem Ding herumzuschrauben, jedenfalls waren beider Overalls mit Öl verschmiert, während Mels Uniform noch in einem makellosem Zustand war.
„Lieutenant!“ nickte er Mel zu und grinste mit wild schlagendem Herzen, als er neben ihr angekommen war.
Auch sie antwortete knapp und mit vor der Brust verschränkten Armen, während ihre Augen und Wangen zu Glühen schienen. Thor hätte sie am liebsten geschnappt und mit sich fortgeschleift, aber natürlich beherrschte er sich.
Auch Ishida und Sparky hatten seine Anwesenheit wahrgenommen, gingen aber nicht weiter darauf ein und arbeiteten weiter.
„Wie geht’s voran?“ fragte Thor so harmlos und unauffällig wie möglich.
„Wir testen das Aufklärungspod für Ensign Saskijewicz und haben eventuell eine Möglichkeit gefunden, die Eingangsdaten so zu polarisieren, dass es als externer Datentransponder genutzt werden kann um somit eingeschränkte, aber richtig eingesetzt durchaus effektiv wirkende ELOKA-Funktionalitäten zu gewährleisten, die die elektromagnetischen Systeme des Feindes stören könnten.“
„Hmmm, ja ach ja…“ murmelte Thor ein wenig baff zurück, da er kaum ein Wort verstanden hatte, von dem was sie gesagt hatte, was aber nur zum Teil daran lag, dass er sich mit dieser Materie nicht auskannte. Seine Ohren rauschten und trotz seiner offensichtlichen Unkenntnis grinste er wie ein brünftiger Elch.
„Und… Und wie lange dauern, diese Tests noch? Ich meine, wann musst Du… ähh… müssen Sie…“
Sparky hatte anscheinend Mitleid mit seinem rumstotternden Wingleader und kam ebenfalls grinsend unter seinem Jäger hervor, sich die schmierigen Hände an einem Putzlappen abwischend. „Na geht schon…“ zwinkerte den beiden frech lachend zu.
„Wie war das, Ensign?“ fragte Thor mit scharfer Stimme, was allerdings Sparkys Grinsen nur noch erweiterte.
„Nu komm schon, Thor. Ich und Chief Ishida können die Tests auch alleine durchführen. Du und Mel habt doch sicher auch noch was zu testen, oder?“ Sparky wieherte fast vor Lachen und Thor hätte ihn am liebsten an Ort und Stelle umgenietet. Er machte eine ruckartige Bewegung nach vorne, doch Mel stoppe seine Bewegung mit einer zärtlichen Berührung seines Unterarms noch im Ansatz.
Mit einem Lächeln, dass seine Knie weich werden ließ, blickte sie erst Thor wortlos an, dann ging sie zu Sparky hinüber, stellte sich auf die Zehenspitzen um dem Ensign leise etwas ins Ohr zu flüstern.
Sparkys Gewieher hörte fast augenblicklich auf, sein Gesichtsausdruck entgleitete ihm und er blickte sie verwirrt, aber sprachlos an.
Dann drehte sich Mel zu Thor um und zwinkerte ihm zu. „Kommen sie Lieutenant, wir haben nicht viel Zeit für unsere Besprechung“ sagte sie zu ihm und ging voraus.
Thor blickte erst Sparky Stirnrunzelnd an, doch dieser starrte der kleinen Wissenschaftsoffizierin hinterher. Dann wanderte sein Blick zu Chief Ishida, die immer noch am Boden unter Sparky´s Maschine kauerte. Sie zwinkerte ihm ebenfalls zu, dann ließ sie ihren Kopf hinüber zu Mel rucken, womit sie ihm andeutete, sie nicht warten zu lassen.
Er konnte im Grunde froh darüber sein, dass sie ihm überhaupt den Rücken freihielten. Thor nickte den beiden schließlich dankbar zu und machte sich auf den Weg. Bald würden sie wieder ausrücken müssen und wer wusste schon, was dann passieren konnte.
Tyr Svenson
CIC der ONTARIO
Im Orbit um Pasumata IV, Pasumata-Sektor

Drei volle Tage dauerte nun schon der Kampf auf der Station, von der Brevet-Major Chabiz verächtlich gesagt hatte, dass sie sie im Handumdrehen nehmen würden. Doch das Gegenteil war eingetreten. Die angeblich so unterlegenen Truppen der Akarii hatten den terranischen und den konföderierten Truppen erhebliche Verluste beigebracht. Mittlerweile waren fast die Hälfte der Marines und der Stormin´ gefallen oder verwundet und sie waren immer noch weit davon entfernt die Station zu nehmen.
Igor erinnerte sich an die Bilder, die er von dem misslungenen ersten Angriff auf die Kommandobrücke gesehen hatte. Auch wenn die Stormin´ dann schließlich doch in einem zweiten Angriff die Brücke hatten übernehmen können. Den Kampfeswillen der Akarii hatte das nicht gebrochen. Immer wieder waren sie förmlich aus dem Nichts gekommen. Aus Wartungsschächten, Quertunneln oder sogar über die Außenhaut. Und meist hatten sie dabei kurze, gezielte und wie Igor ärgerlicherweise anerkennen musste auch äußerst gelungene Guerilla-Taktiken angewendet. Hatten Chabiz Truppen einen Abschnitt scheinbar in ihrer Hand, kamen die feindlichen Soldaten aus einer vollkommen unerwarteten Richtung und machten den vermeintlichen Erfolg sofort zunichte. Der feindliche Kommandeur schien darin sogar so versiert zu sein, dass die Leute wohl schon begannen vom Phantom der Station zu reden.
Mittlerweile wussten sie auch, dass Corporal Durant und die anderen ColCons von eben diesem Phantom – die Analyse der Aufzeichnungen hatte ihn als einen Oberst identifiziert – getötet worden waren. Zwar mussten auch die Akarii einen hohen Blutzoll zahlen, aber das Verhältnis blieb seit Anfang der Kampfhandlungen stets bei vier zu eins.
Zu schlecht für die Terraner um die Station noch zu nehmen, es sei denn sie konnten diesen Trend umkehren.

„Sir, die von der KAZE gesetzte Frühwarnboje am Wurmloch verzeichnet Transitaktivitäten“ meldete in diesem Augenblick die aufgeregte Stimme der Kommunikationsoffizierin und lenkte Igor von seinen Gedanken ab.
„Welcher Art?“
„Daten deuten auf Transitbewegungen im mittleren Bereich hin“ gab sie zurück. „Wahrscheinlich 6 plus X Kontakte…“ in der CIC war es leise geworden „8 plus X…“ korrigierte sich die Soldatin, dann nach kurzer Zeit eine dritte Korrektur, wie es schien die Finale „10 bestätigte Kontakte, Sir. Transit ist durchgeführt.“
„Frachter oder Kampfschiffe?“ fragte Igor, natürlich in der Hoffnung auf das Erstere.
Es dauerte ein paar Augenblicke, bis die Daten analysiert waren. „Kampfschiffe, Sir. Die Signaturen zeichnen 3 Zerstörer, 3 Fregatten und 4 Korvetten. Detaillierte Analyse folgt.“
Igor blickte hinüber zu Singh, der schweigend auf seinem Platz saß und die Daten begutachtete. „Wenigstens kein Kreuzer und kein Träger“ war sein einziger, trockener aber todernst gemeinter Kommentar. Dann wandte er sich direkt an Igor „Nun gut, Eins-O. Wie lange bis die Kampfschiffe hier eintreffen werden?“
Igor brauchte nicht nachzurechnen um die Antwort zu geben. Dieses Szenario hatte er in den letzten drei Tagen schon zigmal durchgerechnet „Zwei Tage, Sir. Vielleicht etwas früher.“
„Nicht genug Zeit um die Station zu nehmen“ bemerkte Commodore Garribeaux, was Igor wiederum ein leicht verächtlich klingendes Schnauben entlockte.
„Selbst wenn, Ma´am. Wozu sollte das gut sein? Diese kleine Streitmacht ist uns immer noch deutlich überlegen und stark genug um die Station, selbst wenn sie sich in unserer Hand befände, in Nullkommanichts aus dem All zu pusten. Oder sie hätten wahrscheinlich sogar genug Akariimarines an Bord um sie sich wieder zurück zu holen.“
„Wir müssen nur solange Stand halten, bis unsere Kreuzerschwadron hier eintrifft…“ begann die deutlich ältere Offizierin und Igor musste sich zurückhalten, um sie nicht laut anzublaffen. Er schüttelte aber wenigstens mit dem Kopf, als er ihr schwer beherrscht antwortete. „Commodore Garribeaux! Selbst wenn ihre Kreuzerschwadron je kommen sollte und selbst wenn sie genau in diesem Augenblick das Wurmloch in der Zerberus-Dunkelwolke erreichen würden. Sie wären erst in vier Tagen hier, was den gerade angekommenen Akarii-Kräften genug Zeit geben würde uns alle vollkommen zu vernichten.“
„Sie wollen also diese wertvolle Station…“
„Wertvoll??? Meine Güte, diese Raumstation ist nicht wertvoller als zig andere an der Grenze liegender Stationen…“ Dann hörte er aber auf mit der ColCon-Offizierin zu streiten und wandte sich direkt an seinen Captain, da er befürchtete, dass diese dickköpfige Närrin eh nicht auf ihn hören würde. „Sir, wir müssen unsere Truppen zurückholen und die Station in die Luft jagen. Und zwar sofort! Sonst ist alles verloren.“

Igor betete, dass Singh auf ihn hören würde, doch dieser schien zu zögern. Ein Zug den er bisher noch nie an den Tag gelegt hatte.
Atemlose Stille schien in der Station zu herrschen, als die Männer und Frauen auf die Entscheidung des Einsatzgruppenleiters warteten.
„Holen sie unsere Leute zurück, Eins-O“ sagte er schließlich und Igor fiel ein Stein vom Herzen.
Nachdem er den Befehl weitergegeben hatte, wandte er sich wieder an den Kapitän.
„Sir, wir haben da noch ein weiteres Problem.“
„Und das wäre?“
„Nach meinen Berechnungen bleibt uns für die Evakuierung und für die Sprengung der Station nur wenig Zeit. Wenn wir in den nächsten vier Stunden nicht mit dem Bombardement auf die Station beginnen und aufbrechen, werden wir das Wurmloch nicht mehr rechtzeitig erreichen, falls die Akarii dann auf Abfangkurs gehen sollten.“
Singh runzelte die Stirn und schien die Berechnungen seines ersten Offiziers im Kopf nach zurechnen „Eins-O, Respekt für ihre akkurate Szenario-Vorbereitung, aber rechnen sie bitte noch einmal und zwar mit 120% Reaktorleistung“
Igor schüttelte den Kopf „Mit Verlaub, Sir, aber das habe ich bereits. Und ich habe ebenfalls berechnet, dass die Wahrscheinlichkeit eines Reaktorbruchs auf der bereits beschädigten AZINCOURT bei 60% liegt.“
„Dann müssen wir die Station sofort vernichten und bereits jetzt aufbrechen“ mischte sich Commodore Garribeaux wieder ein.
Igor fiel die Kinnlade fast herab und ihm fehlten bei dieser eiskalten Abgebrühtheit die Worte. Sie hatten noch mehr als 200 ihrer Leute auf der Station und was die Offizierin da von sich gab, war in Igors Augen unglaublich. „Aber, das wäre Mord…“ Dieses Mal würde er nicht tatenlos zusehen. Dieses Mal nicht.
„Unsinn“ wischte sie Igors Einwand mit einer Handbewegung einfach davon „es wäre nur die Abwägung höherer Interessen. Sollte diese Akariigruppe das Wurmloch in das ColCon-Gebiet einnehmen können, wären ihnen in diesem Frontabschnitt Tür und Tor geöffnet. Das heißt, diese Schiffe sollten so schnell wie möglich zurück, um das Wurmloch zu verteidigen. Das ist von enormer strategischer Bedeutung, dagegen wiegt das Leben von 200 Infanteristen nicht so viel.“
„Nicht so viel…?“ zischte er zurück und bereitete sich darauf vor, sich mit der ranghöheren Offizierin anzulegen.
Doch zu seinem Glück kam er nicht dazu.
„Solange wir noch etwas Zeit haben, um unsere Leute da raus zu holen, werden wir das auch machen“ ging Singh mit scharfer Stimme dazwischen und schnitt damit seinem Ersten Offizier das Wort ab.
„Nun gut, Captain, es ist ihre Entscheidung. Aber sie haben Maleetschev gehört“ erwiderte die ältere Offizierin „wenn wir in vier Stunden nicht von hier weg sind, werden wir alle untergehen.“
Singh nickte. „Das weiß ich sehr wohl, Commodore. Aber ich bin der Einsatzleiter und ich trage dafür die Verantwortung.“ Und die Endgültigkeit in seiner Stimme machte sowohl Igor als auch seiner Widersacherin klar, dass er keine weitere Diskussion wünschte. Auch wenn Singh damit auch den Aussagen des Commodore nicht widersprochen hatte, so hatte er doch zumindest dafür gesorgt, dass den Infanteristen an Bord der Raumstation zumindest etwas mehr Zeit zur Rettung blieb.
Die Frage würde nur sein, ob das ausreichen würde.

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Abschnitt JUNE, Raumstation KRIL PARAM
Im Orbit um Pasumata IV, Pasumata-Sektor

Hauptmann Kiral Shiram hüstelte leicht hinter dem Rücken von Oberst Korr Barthu, der mitten im Gang stand und in die von den sich zurückziehenden Menschlingen verursachten Rauchschwaden blickte. Die Kampfhandlungen hatten vor nicht allzu langer Zeit überraschenderweise gestoppt und die mal wieder vorwärts stürmenden Terraner hatten sich zurückgezogen. Und jetzt schienen sie sich sogar in Richtung des Haupthangars der Station zurück zu ziehen.
Barthu blickte über seine Schulter und schaute dann wieder den Gang entlang. „Wie ist die Lage, Hauptmann?“
„Die Menschlinge ziehen sich zurück, mein Oberst. Das melden zumindest alle Sektionen.“
„Sammeln sie sich zum großen Showdown?“
„Das glaube ich weniger. Ein Rückzug bis zum Haupthangar wäre aus strategischer Sicht nicht logisch, viel zu viele Zugänge, schlecht zu verteidigen. Und warum alle schwer erkämpften Sektionen aufgeben um sich dort zu sammeln, das macht keinen Sinn.“ Shiram schüttelte den Kopf. “Der gegnerische Kommandeur schien mir kein Dilettant zu sein. Ich denke es wird andere Hintergründe haben.“
Barthus Augen verengten sich zu Schlitzen und er stellte den Kontakt zu dem Team her, das gerade die Kommandobrücke wieder in Besitz nahm. Wenig später hatten sie ihre Bestätigung. Kapitän Kuusta hatte ihre Nachricht erhalten und war mit seinen Schiffen zurückgekehrt um die Weichhäute wieder aus ihrem System zu prügeln.
Selbstgefällig plusterte sich Oberst Barthu auf und nickte gönnerhaft zu seinem Hauptmann hinüber. „Hauptmann Shiram, du hast gut gekämpft in den letzten Tagen, wir haben die Station erfolgreich gehalten. Der Imperator wird stolz auf uns sein!“
Aus bösen Augen funkelte Shiram den Oberst an. Dann konnte er sich doch nicht mehr beherrschen. „Stolz? Stolz worauf? Das ich fast 100 meiner Kameraden sinnlos geopfert habe, um eine Station zu schützen, die schon seit der Ankunft der Menschen dem Untergang geweiht war?“ Shiram musste an all die Verluste denken, die sie in der Zeit seit dem Angriff der Menschen zu beklagen hatten. Unter anderem Leutnant Keel, der zwar dafür gesorgt hatte, dass ein feindliches Shuttle weniger die Station anfliegen konnte, dafür aber auf der Außenhaut der Station mit seinem Leben bezahlt hatte.
„Wieso Untergang? Die feigen Weichhäute geben sich geschlagen und ziehen sich zurück. Wir haben gesiegt…“ grinste der eingebildete Oberst.
„Bei allem Respekt, Oberst Barthu. Aber sie glauben doch wohl nicht im Ernst, dass die Weichhäute sich einfach so zurückziehen werden und diese fast noch intakte Station in ihrem Rücken einfach so zurücklassen werden?“
Mehr brauchte Shiram gar nicht sagen. In den gelben Augen seines Vorgesetzten erkannte er den Blick des Verstehens und seine Fäuste ballten sich vor Wut zusammen. „Diese elenden, feigen Weichhäute. Sie werden meine Station vernichten…“ Dann blickte ihn der Oberst direkt an. „Halt, warte. Das heißt dann aber auch, dass wir hier in der Falle sitzen.“
Shiram schüttelte seinen Kopf. „Nicht ganz, Oberst. Wir könnten uns mit den Rettungskapseln absetzen…“
„Und uns wie Feiglinge abschießen lassen? Niemals! Lieber gehe ich kämpfend zugrunde.“
„Ich glaube, wir haben genug gekämpft, Oberst. Die Menschlinge ziehen sich im Haupthangar zusammen und werden von dort aus ausgeflogen. Sie geben die Station auf, das heißt wir haben bereits gesiegt, auch wenn wir die `KRIL PARAM` nicht vor ihrer Zerstörung bewahren konnten. Aber jetzt ist es an der Zeit unsere Leute in Sicherheit zu bringen, damit sie an anderer Stelle den Kampf wieder aufnehmen. Ich glaube nicht, dass sie die Rettungskapseln abschießen würden.“
„Es ist mir egal, was Du glaubst, Hauptmann. Ich bin immer noch der Kommandant an Bord und ich befehle dir und deinen Männern, diesen Angriff auf die Weichhäute durchzuführen, haben wir uns verstanden?“
Shiram blickte seinem sturen Vorgesetzten in die Augen und zischte mühevoll ein „Ja, Oberst Barthu“ hervor.
„Gut“ nickte dieser ohne auf Shirams offensichtliche Respektlosigkeit einzugehen und fuhr dann fort. „Wir werden ihnen zeigen, mit welchen Verlusten sie rechnen müssen, wenn sie es wagen ihre Füße auf den Boden des akariischen Imperiums zu setzen. Jeder Tote mehr, den wir ihnen hier und jetzt zufügen, wird Sie in Zukunft davon abhalten, so etwas Törichtes zu tun. Und wenn der letzte von diesem feigen Pack von meiner Station vertrieben worden ist, dann bleibt uns immer noch genug Zeit zur Flucht, verstanden?“
Zerknirscht nickte Shiram seinem Vorgesetzten zu. Sie waren Soldaten, also würden Sie kämpfen und sterben.
Das war ihr Los und so wie es aussah, gab es keine andere Wahl für sie.
Tyr Svenson
„Achtung Butcher Bears! Primärziele Avenger, Doomhammer, Raptor.“ Das war reiner Automatismus. Darkness hatte den Piloten die Primärziele bereits genannt, bevor sie in ihre Maschinen gestiegen waren.
„Verstanden, Schwarz Eins!“ Montys Stimme war so kühl und präzise wie sonst, aber wie immer wenn er verärgert war, wurde sein britischer Akzent deutlicher. Er verarbeitete wohl immer noch den Streit kurz vor dem Start. Es hatte Darkness nicht überrascht, daß Monty wenig von der Einsatzorder hielt. Im Kampf eiskalt und anscheinend furchtlos, HASSTE Monty Va banque-Spiele. Und vor allem, wenn so viel auf dem Spiel stand. Aber schließlich hatte Darkness ihm befohlen, gefälligst seine Pflicht zu tun und nicht Entscheidungen zu kritisieren, die zu ändern nicht in seiner Kompetenz lagen. Und wie Ohka pflegte Monty, wenn er seine Verärgerung nicht äußern konnte, sich noch korrekter und steifer zu benehmen als üblich. Nun Darkness konnte damit leben. Es gab auch wichtigeres...

„Schwarz Führer, hier DAUNTLESS Flugleitstelle Alpha-Vier. Sie sind online.“
„Verstanden Alpha-Vier!“ Darkness runzelte kurz die Stirn. Er hatte wie fast alle Staffelführer noch gewisse Zweifel an der neuen „Wunderwaffe“. Immerhin sollte die DAUNTLESS nicht nur den Einsatz der Fliegerstaffeln koordinieren, sondern auch noch als Feuerleitschiff des Kreuzerverbandes agieren und mitkämpfen. Vergleichbare Aufgaben waren bisher selten in diesem Umfang und dann nur von weiter hinten stationierten Trägern wahrgenommen worden. Es wäre Darkness lieber gewesen, wenn die DAUNTLESS ihre Fähigkeiten nicht ausgerechnet im Ernstfall das erste mal unter Beweis stellen mußte.
Dann verbannte er diesen Gedanken. Jetzt gab es kein zurück mehr. Er faßte die heranjagenden Akarii ins Auge und lächelte dünn, als in dem Schiffsverband der Akarii mehrere Minenexplosionen erfolgten. Vielleicht hatte dieser verrückte Plan jetzt eine Chance.

Kano überprüfte noch einmal die Waffen seines Jägers. War das früher eine Möglichkeit gewesen, seine innere Unruhe zu bekämpfen, so geschah es jetzt unbewußt. Gleichzeitig überflog er die Anzeigen, die die Entfernung zu den Akariifliegern maßen. Nicht mehr lange... Zuerst kamen natürlich Jäger und Abfangjäger, dahinter die Bomber, Jabos, Schlachtflieger. Noch einmal überprüfte er die Waffen. Die Kanonen waren feuerbereit, die Raketen – vier Phoenix, vier Sparrow und zwei Amram – ebenso. Wie vor fast jeder Schlacht sah er sich noch einmal um. Der Radarschirm verriet ihm, wo Staffel Rot sich formierte, welches der zahllosen Symbole Kalis Jäger darstellte. Unwillkürlich hob er die linke Hand, tippte leicht gegen den Radarschirm. ‚Viel Glück - und Guten Flug...‘ Dann faßte er den Steuerknüppel fester.

Jeder in der Staffel wußte, was auf dem Spiel stand. Sie mußten den Angriff der Akariiflieger aufhalten, oder sie würden hier nicht mehr wegkommen. Und mehr noch, diese Schlacht konnte über den weiteren Kriegsverlauf entscheiden. Siegten die Akarii, dann würde die TSN sich von diesen Verlusten nicht mehr erholen können. Siegten die Menschen... Nun dann war die Schlappe von Mantikor ausgeglichen, dann würde der durch Operation Husar und Jollahran verlangsamte Vormarsch der Akarii vielleicht gestoppt, ja umgekehrt werden. Jedem Piloten war das mehr als einmal eingehämmert worden. Und wie viele anderen war Kano fest entschlossen, mit dafür zu sorgen, daß genau das geschah. Und dazu mußten die feindlichen Bomber vernichtet werden...

„Crusader! Sobald die Bomber in Phoenix-Reichweite sind – Angriff, dann mit Nachbrenner `ran. Bleib‘ an meiner Seite!“ Kanos Stimme klang jetzt ruhig und emotionslos, während Unruhe und Sorgen von ihm abfielen. Es hatte lange gebraucht, bis er gelernt hatte, sich nur noch auf das Fliegen zu konzentrieren, alles andere hinter sich zu lassen. Aber er war sich sicher, nur deswegen lebte er noch.
„Verstanden!“ Crusader war die Begeisterung anzumerken. Das war sein drittes Raumgefecht und er brannte darauf, sich in dieser entscheidenden Schlacht zu beweisen.

Bei den Akarii beschleunigten jetzt die Bloodhawks und Reaper. Kano suchte die feindliche Formation ab. Wo waren –Da! „Crusader, die Avengersektion auf Ein Uhr!“ Er wartete erst gar nicht die Bestätigung ab, visierte schon eine der schweren Maschinen mit dem Zielcomputer an. Noch nicht...
‚Rakete los!‘ Noch während Kano die Raketen abfeuerte, heulte ein Annäherungsalarm auf – Eine Sektion Reaper war ihren Kameraden vorausgeeilt und ging die zwar besser bewaffneten, aber auch schwerfälligeren Nighthawks an. Kano blieb nicht einmal Zeit festzustellen, ob seine Raketen trafen. Er riß die Maschine in eine Spirale und stieß zwei Täuschkörper aus, ein Manöver das er inzwischen automatisch ausführte und das auch diesmal funktionierte – der Raketenalarm verstummte. Die zwei Reaper ließen sich aber nicht so leicht abschütteln, sondern hängten sich an Kanos Heck. Auch wenn sie nur leicht bewaffnet waren, die acht Laserkanonen würden schnell kurzen Prozeß mit seinen Schilden machen. Jetzt vermißte er die Wendigkeit einer Typhoon! Er versuchte, einen Reaper mit einer Von-Bein-Wende ins Visier seiner Bordwaffen zu bekommen, doch der rettete sich durch einen Abschwung und entkam, wenn auch mit arg zusammengeschossenen Schilden. Der andere Reaper passierte währenddessen Kanos Maschine, um ihn nun seinerseits mit einer Vollwende anzugreifen. Die abgefeuerte Rakete explodierte zwar an einem Täuschkörper – aber die vier Laserkanonen lagen im Ziel, schüttelten die Nighthawk heftig durch. Kano zerbiß einen Fluch zwischen den Zähnen, riß die Maschine herum, um den Akarii frontal anzunehmen – doch der war kein Anfänger und brachte sich mit einer Neunzig-Grad-Wende und Vollschub aus Kanos Feuerbereich, der zu allem Überfluß merkte, daß der andere Reaper inzwischen gewendet hatte und wieder näherkam. Diese Maschinen waren verflucht wendig und die Piloten erstklassig.
„Crusader! Wir müssen sie in die Zange nehmen!“
„Ich kann nicht! Mir kleben zwei am Arsch! Ich brauche Hilfe!“ Noch schwang keine Panik in Crusaders Stimme, aber ein kurzer Blick auf den Schirm verriet Kano, daß es ernst aussah. Zwei Reaper spielten offenbar mit seinem Flügelmann das gleiche Spiel wie mit Kano – und Crusader war zwar talentiert, aber es fehlte ihm an Erfahrung. Der Rest von Staffel Schwarz war inzwischen in einen wütenden Nahkampf verstrickt – nur wenigen der Nighthawks war es gelungen, nach der ersten Raketensalve zu den Bombern durchzubrechen, der Rest kurbelte mit Bloodhawk und Reaper, wie Kanos Flight.

Kano gab Vollschub, um die Maschine fast sofort in einen halben Looping zu zwingen. Diesmal bekam er einen der Reaper ins Visier und drückte auf alle Feuerknöpfe. Die zwei abgefeuerten Amrams erfaßten den Feind. Aber nur eine traf, konnte den Abfangjäger nur beschädigen, nicht vernichten. Die Bordkanonen verfehlten den Akarii, der sich absetzte. Immerhin hatte das Manöver Kano etwas Luft verschafft, die er gut gebrauchen konnte, als der andere Reaper aufschloß. Diesmal feuerte Kano zu spät einen Täuschkörper ab, seine Maschine wurde brutal durchgerüttelt, als eine leichte Rakete an seinen Schilden explodierte, sie jedoch nicht durchschlug – die Nighthawk hielt weit mehr aus als die leichten Abfangjäger. ‚Jetzt reicht es!‘ Er richtete seinen Bug auf den heranrasenden Akarii, wohl wissend, daß der vorbei sein würde, bevor Kano ihn anvisieren konnte. Aber er wollte ihn gar nicht beschießen. Stattdessen drückte er den Nachbrennerhebel, wendete aber fast sofort wieder. Das Manöver konnte nicht vollständig von den Andruckabsorbern kompensiert werden, kurz wurde ihm schwarz vor Augen. Aber direkt vor ihm, mit Höchstgeschwindigkeit dem vermeintlich flüchtenden Menschen hinterherjagend, raste der feindliche Jäger genau in Kanos Zielerfassung. Mit zusammengebissenen Zähnen drückte Kano auf die Auslöser der Bordkanonen. Der Feuersturm aus je zwei Tachyonen- und Plasmageschützen war zu viel für die bereits geschwächten Schilde des Abfangjägers, der Reaper explodierte.
Der andere Akarii passierte Kano mit blitzenden Laserkanonen, die Schilde der Nighthawk hielten das nur noch mit Mühe ab – dann jagte der Reaper mit Höchstgeschwindigkeit davon. Eine weitere Nighthawk war im Kampfgeschehen aufgetaucht und der Akarii rechnete sich wohl keine guten Chancen mehr aus. Kano sah zu dem unvermutet auftauchenden Kameraden hinüber. Das war..: „Dutch, danke für die Hilfe. Wir...“
„Keine Zeit! Crusader steckt in Schwierigkeiten!“ Dutch Stimme klang brüsk, ja barsch. Aber es war nichts mehr von der Nervosität zu merken, die er oft am Boden zeigte.
Die beiden Nighthawk verjagten die Abfangjäger, die Crusader in die Zange genommen hatten.

„Wie sieht es aus?“ Kano mußte einen kurzen Anflug von Gewissensbissen unterdrücken – ohne Dutch’s Hilfe hätte er seinem Flügelmann nicht helfen können.
„Geht so, Ohka. Hat mich einiges an Panzerung gekostet. Danke, Dutch. Was ist mit Terry?“
„EV. Und jetzt genug gequatscht.“
Plötzlich mischte sich Darkness Stimme über die Staffelfrequenz ein: „Butcher Bears sammeln! Weisung von der Flugleitstelle – Kurs Zwanzig-Vier-Zehn!“ Die Nighthawks formierten sich und jagten an der Flanke der erbittert tobenden Schlacht entlang. Es waren nur noch zehn – Terry hatte aussteigen müssen und Brawler hatte zwar einen feindlichen Bomber vernichtet, hinkte jetzt aber mit einer wrackgeschossenen Maschine zurück zur COLUMBIA. Und das nach dem ersten kurzen Schußwechsel...
Geführt von der Flugleitstelle stießen die Nighthawk mitten in einen kombinierten Angriff von Bloodhawks, Deltas und Raptoren, die sich mit brutaler Feuerkraft einen Weg durch eine der INTREPID-Staffeln bahnten. ‚Wie ein heißes Messer durch die Scheiße...‘ dachte Darkness ziemlich prosaisch, bevor er den Befehl: „ANGRIFF, ANGRIFF!“ gab.

Die Nighthawks fielen den Akarii in die Flanke und erwischten sie schwer. Schon die ersten Salven schalteten drei Maschinen aus, doch so leicht ließen sich Echsen nicht abschlachten. Die Raptoren lösten ihre Schiff-Schiff-Raketen im Notwurf aus und stellten sich der neuen Gefahr zusammen mit etlichen der Deltas, während die Bloodhawks weiter die Phantome der INTREPID angriffen. Als noch eine unvollständige Sektion Reaper zur Hilfe kam, war jeder momentane Vorteil der Menschen mehr als ausgeglichen. Die Schnelligkeit des Gegenschlages erwischte etliche der Butcher Bears auf dem falschen Fuß – Jeanne, die eben noch einen Deltavogel beschossen hatte, kassierte die volle Breitseite eines Raptors, der ihre Maschine regelrecht aufschlitzte und aus dem Kampf schleuderte. In dem schwer beschädigten Jäger rang sie verzweifelt mit den Kontrollen, bis eine interne Explosion ihren Kopf brutal zurückschleuderte und eine Welle von Schmerz vor ihren Augen explodieren ließ. Blind tastete sie über das Armaturenbrett, während irgendeine salzig schmeckende Flüssigkeit über ihr Gesicht rann – Blut, wie sie begriff: „Notfall, Notfall – hier Schwarz Vier! Bin verwundet, ICH KANN NICHTS SEHEN! ICH BRAUCHE HILFE!!“ Die Antwort bekam sie nicht mehr richtig mit, Wundschock und Blutverlust raubten ihr das Bewußtsein.

Sie bemerkte auch nicht, daß ihr Flightleader, geschockt durch ihren Verlust, in Schwierigkeiten geriet. Fatman war ein erfahrener Pilot, aber als ehemaliger Milizflieger immer noch nicht an die Brutalität und Schnelligkeit der Akariitaktik gewöhnt. Das war sein Verhängnis. Wütend über die Beschädigung Jeannes hatte er einen Delta von vorne angegriffen, doch das Gegenfeuer lag präzis im Ziel und raubte dem Nighthawk die Frontschilde. Als die menschliche Maschine den Delta passierte, hatte der langsamere Akarii erst gar nicht versucht, hinterherzukommen. Während seine Heckwaffe weiterhin den Nighthawk beharkte, löste der Akarii zwei Raumkampfrakten aus, die einen Bogen schlugen und sich an den Gegner hängten. Viele Piloten feuerten ihre Raketen nur auf Gegner ab, die sich vor ihrem Bug befanden. Sie vergaßen, daß die modernen Zielerfassungssysteme es durchaus, wenn auch mit verminderten Treffsicherheit, erlaubten, Raketen auf Jäger abzuschießen, die sich direkt hinter einem befanden.
Eine der schweren Raketen traf voll und raubte dem angeschossenen Nighthawk mit einem Schlag Schilde und Antrieb. Jetzt erst wendete der Deltavogel und vollendete kaltblütig die Exekution. Fatman konnte nicht mehr aussteigen.

Kano hatte mehr Glück gehabt. Zwar hatte sein erster Angriff das Ziel, einen Jagdbomber, nur beschädigt. Aber er hatte fast instinktiv den drohenden Gegenschlag bemerkt und seinen Jäger wieder mit einer Spirale aus der Zielerfassung eines anderen Jagdbombers gerissen. Mit einem halben Looping brachte er seine Maschine jetzt auf Gegenkurs, riß sie aber fast sofort in einem Abschwung wieder herum, zum Heck des Raptors. Die Treffer durch die Heckwaffen des Akarii ignorierte er, bis seine Sparrows den Gegner erfaßt hatten. Dann löste er alle Waffen aus. Der Raptor entkam den Bordkanonen der Nighthawk durch eine Neunzig-Grad-Wende, aber den Raketen konnte er nicht völlig ausweichen. Ein Nah- und ein Volltreffer durchschlugen seine Schilde und verwüsteten sein Heck. Doch als Kano hinterhersetzte um dem Gegner den Rest zu geben, packte irgend etwas die rechte Flanke seines Jägers und riß es regelrecht herum – mit flammenden Strahlenwaffen pflügte ein Sturmjäger der Delta-Klasse durch seinen Flugvektor, nur Vollschub retteten Kano vor der sicheren Vernichtung. ‚So nicht!‘
Einen internen Alarm wie den ‚grauen Vorhang‘, das Zeichen übergroßer Belastung ignorierend, brachte er die Maschine wieder auf Gegenkurs, setzte sich neben, dann hinter den Deltavogel. Er hatte jetzt nur noch zwei Phoenix-Raketen, aber die würde er nicht auf so kurze Entfernung verschwenden. Diesen Akarii würde er mit den Bordkanonen ausschalten! Der Akarii-Pilot sah, was in seinem Rücken geschah und versuchte, in einer scharfen Kurve zu entkommen – ein vergeblicher Versuch. Die Nighthawk mochte weniger wendig als eine Bloodhawk oder Reaper sein, ein Sturmjäger aber war kein Gegner im Kurvenkampf. Mit knappen Bewegungen glich Kano die Manöver seines Gegners aus, näherte sich unaufhörlich feuernd seinem Heck.

„OHKA - WEGBRECHEN LINKS!!“ Crusaders Stimme überschlug sich regelrecht, aber Kano reagierte prompt – das rettete ihm das Leben. Die Salve des Raptors, der sich herangeschlichen hatte, ging ins Leere. Und während der Akarii noch versuchte, dem Menschen mit seinen Geschützen zu folgen, hatte sich Crusader bereits unter den Jabo gesetzt. Zwei Raketentreffer zerschlugen die Schilde und rissen den Bauch der Maschine auf. Bevor Crusader der Maschine den Rest gab, katapultierten sich zwei Akarii aus dem verlorenen Jagdbomber.

„Guter Schuß, Crusader. Und danke für die Warnung.“ Kanos Stimme blieb ruhig, trotzdem er wußte, wie knapp er dem Tod entkommen war. In Crusaders Stimme hingegen schwang ein geradezu überschäumender Triumph mit: „War nichts! Aber den hab ich echt fertiggemacht, was?!“
„Ja...“ Kano sah sich um. Die Akariis hatten sich formiert. Die Bomber und Sturmjäger bildeten einen Abwehrkreis, während die überlebenden Reaper und Bloodhawks sie abschirmten. Aber es mußte eine Schwachstelle geben, sie würden...
Da mischte sich wieder Darkness Stimme ein: „Nighthawks und Phantome – Sammeln! Befehl von der Flugleitstelle. Kurs Zehn-Eins-Eins...“
„Aber Sir...“, das war La Reine, die Stimme wutverzerrt, „...die haben Fatman und Jeanne erwischt!“
„Mund halten!“ Montys Stimme schnitt durch den Staffelfunk, bevor Darkness antworten konnte, „Befehl wird ausgeführt! Maximalschub!“ Und die Piloten folgten.

Darkness preßte die Lippen zusammen. Jeanne war mindestens verwundet, Fatman tot. Der erste Pilot, der unter seinem Kommando gestorben war. Er würde sich daran gewöhnen müssen. Als Flugleitstelle Alpha-Vier ihm den Befehl gegen hatte, sich zu lösen und die verbliebenen Jäger zu einem anderen Brennpunkt der Schlacht führen, hatte er widersprechen, die verdammten Akariis auslöschen wollen. Aber dann hatte er erkannt – hier bildeten die Akarii eine Abwehrformation, zogen sich zurück. Dieser Angriff war abgewehrt worden, andere aber noch nicht. Und seine Pflicht galt den Lebenden, dem Missionsziel – nicht den Toten. Die verbliebenen acht Nighthawks und vier Phantome beschleunigten und jagten einem neuen Gefecht entgegen.

Sie vereinigten sich mit etlichen Nighthawks der JAMES WINDSOR und den acht überlebenden Maschinen von Lightnings Staffel. Die Kommandantin der Typhoons war nicht zu Small Talk aufgelegt: „Da seid ihr ja endlich. Wo ist der Rest?!“
„Der fliegt nicht mehr.“ Darkness Stimme war ziemlich frostig, Lightning verstand den unausgesprochen Hinweis: „Auf Elf Uhr, mindestens zwei Sektionen Avenger, eine Raptoren. Eskorte `ne knappe Bloodhawkstaffel und ein paar Sturmjäger. Die Scheißkerle haben uns abgedrängt.“
„Gut – Phantome, Typhoons – gebt uns Deckung. Nighthawks - Drauf und Durch.“
Die Jäger bestätigten der Reihe nach. In Liljas Stimme lag kalter Haß: „Löschen wir sie aus.“

Natürlich bemerkten die Akariis die kombinierte Streitmacht von etwa 30 Maschinen, aber sie reagierten zu spät. Die wendenden Bloodhawks wurden von der Staffel Grün und den INTREPID-Phantomes kalt erwischt. Und die Nighthawks stürzten sich auf die Avenger, die versuchten sich durch überlappende Schußfelder gegenseitig zu unterstützen.
Das heftige Abwehrfeuer traf Darkness Maschine schwer, nur ein schneller Abschwung rettete ihn. Der erfahrene Pilot fluchte lauthals während er den Bug seiner Maschine wieder auf den Feind richtete. Das würden sie büßen! Er hängte sich an eine Avenger und hätte beinahe geschrien, als zwei Deltavögel versuchten, ihn in die Zange zu nehmen – fast als würden sie wissen, daß er der Staffelführer war. Automatisch löste er eine volle Salve aus, die die geschwächten Backbordschilde des einen Deltas durchschlugen. Aber das Gegenfeuer war fast genauso gut gezielt und um einiges schwerer. Die Nighthawk bäumte sich auf, die rechte Tragfläche wurde zerfetzt – im letzten Augenblick katapultierte sich Darkness aus dem Jäger.
„SCHWARZ EINS IST EV!! DARKNESS IST DRAUSSEN – SCHEISSE!!“ Das war Jaws, der sich bei diesen Worten auf eine der Deltas stürzte, die Darkness angegriffen hatten. Er war nicht der einzige, der vor Überraschung und Wut aufschrie – Darkness war einer der Asse der Angry Angels. Und jetzt...
„Ich übernehme...“ Montys Stimme war eisig: „...schlachtet sie ab!“
Der Abschuß des Staffelführers half den Akarii wenig – denn jetzt stürzte sich Staffel Schwarz wie Berserker auf sie. Sie wollten Rache.

Kano war diesmal nicht mit an der Spitze der Angreifer gewesen. Offenbar hatte seine Nighthawk mehr abbekommen, als er gedacht hatte, die Schubkraft war deutlich verringert. Während er versuchte aufzuschließen, sah er, wie die Bloodhawks niedergekämpft wurden, lautlos wünschte er seiner alten Staffel Glück. Dann tauchte er in den auseinanderbrechenden Pulk der schweren Akariibomber. Direkt vor ihm zog eine Maschine zur Seite weg, um einem Bordwaffenangriff zu entgehen – und tauchte direkt in Kanos Zielerfassung auf. Es war so einfach, nicht einmal die Bordschützen der Avenger bemerkten ihn. Kano drückte auf alle Feuerknöpfe, schickte seine letzten Raketen los. Im letzten Augenblick roch der Akarii dann aber Lunte. Im Versuch, den Raketen zu entkommen, legte sich die schwere Maschine halb auf den Rücken und tauchte nach unten weg – vergeblich, diesmal ließ sich Kano nicht abschütteln. Ein Nah- und ein Volltreffer mit den Raketen und das stetige Bordwaffenfeuer ließen die Schilde binnen weniger Sekunden kollabieren. Kano ignorierte das verzweifelte Gegenfeuer des Heckgeschützes, das die Nighthawk durchschüttelte und feuerte so lange, bis die Tachyonen- und Plasmastrahlen den Rumpf der Avenger aufschlitzten, die Luft und den Treibstoff an Bord entzündeten, die Maschine in einer Explosion vergehen ließen. Nur einer der Akarii konnte aussteigen. Ringsum wurden die Akarii zersprengt, niedergehetzt und abgeschossen – dieser Bomberpulk kam nicht durch.

Als Kano dazukam, sich um den Zustand seines Jägers zu kümmern fluchte er unterdrückt. Der Avenger hatte noch im Untergang beträchtlichen Schaden angerichtet. Die Nighthawk war ziemlich schwer beschädigt, er verlor Treibstoff. Wenn er Glück hatte, schaffte er es noch geradeso zurück zur COLUMBIA. Mit fast etwas schlechtem Gewissen meldete er Monty seinen Zustand, doch der war wieder so ruhig wie sonst. Pragmatisch wie immer teilte er Crusader erst einmal Jaws zu und befahl Kano, zur COLUMBIA zurückzukehren und eine der Ersatzmaschinen zu übernehmen. Dann führte er den Rest der Maschinen in den nächsten Kampf...
Kano brachte seinen Jäger vorsichtig auf Heimatkurs. Die Steuerung fiel schwer. Inzwischen hatte er wieder zu seiner inneren Ruhe gefunden. Die Schlacht lief nicht schlecht. Trotz heftiger Verluste, trotz wütender Angriffe, die TSN hielt die Stellung. Darkness hatte es sicher geschafft. Und Kano würde bald wieder aufsteigen können. Und er würde dabei sein, wenn sie die Akarii aus diesem System schossen...
Tyr Svenson
Der Nachthimmel über Wron wurde schlagartig hell, als die Sturmshuttles der Akarii auf das Plateau niederkamen.
Schnell waren die Fremdenlegionäre und Infanteristen auf dem Plateau in Stellung gegangen. Gewehre und Granatwerfer wurden entsichert.
Captain Johanna Graf befehligte das Außenkontingent. Die von Mantikor gefechtserprobte Offizierin hatte ihre Truppen in kleinen Gruppen an Schlüsselstellungen in Position gebracht und eine größere Verteidigungslinie vor dem Stolleneingang.
"Lieutenant Madison: Raketen und Laser sind freigegeben, so bald die ersten Shuttles die Sturmluken öffnen."
Die Lichter kamen näher und näher.
"Wow, was für eine Ansammlung." Hauchte ein Soldat links von ihr.
Die ersten Shuttles wurden erkennbar.

Drei Shuttles setzten zur Landung an. Die Vorarbeiten der Verteidiger hatte jegliche Massenlandung im vornherein zum Scheitern verurteilt.
Keinen Meter über den Boden schwebend öffnete das erste Shuttle seine Sturmluke.
Die Hölle brach los.
Aus vier verschiedenen Stellungen starten SAM's. Mehrere Flaklaser jaulten los. War der Himmel eben noch im weißen Licht von Antriebsdüsen erhellt, begann jetzt ein grelles Feuerwerk verschiedenster Farben.
Während die Boden-Luft-Raketen auf die Shuttles losgingen die weiter oben in Warteposition waren wurden die untersten Shuttles von den Lasern förmlich zerrissen.
Die drei ersten Shuttles verwandelten sich in brennende Wracks, ehe vierzig Akarii das Plateau gestürmt hatten.
Diese wurden vom gezielten Feuer der Verteidiger niedergemäht.
Das Feuer der Verteidiger wurde jedoch schnell von den Akarii erwidert.

Die nächsten Shuttles, die ihre Truppen ausschleusen sollten gingen mit flammenden Waffen in den Sturzflug über, während andere mit Raketen Deckungsfeuer lieferten.
Die Splittergefechtsköpfe der Raketen wirkten sich verheerend auf die Verteidiger aus.
Zwei weitere Shuttles gingen in Flammen zu Boden, ohne ihre Truppen abgesetzt zu haben.
Die Angriffstruppe eines Shuttles wurde von dem konzentrierten Feuer von Infanterietruppen und einem Flaklaser niedergemetzelt.
Schließlich gelangte es den Akarii ein Großteil der Luftabwehr auszuschalten und eine genügende Anzahl Bodentruppen aufs Plateau zu bringen. Doch davor verloren sie über 600 Mann und 11 Shuttles.

Das Plateau stand in Flammen. Der Geruch von verbranntem Fleisch und Metall überzog den Gipfel von Hellmounten.
Johanna Graf bleckte die Zähne: "Da formieren sie sich! FEUER FREI!"
Die Gefechtslinie im Schützengraben legte geschlossen an. Alle Waffen waren auf Vollautomatik geschaltet. Orange Blitze fuhren in den Ansturm der Akarii.
Zwei Shuttles in der Luft eröffneten aus Bordwaffen das Feuer auf den Schützengraben der Menschen. Lautes Kriegsgebrüll der Akarii donnerte den menschlichen Verteidigern entgegen.
Dutzende von Akarii starben im Blitzhagel. Die schnell hintereinander abgefeuerten Granaten der Verteidiger fügten den dutzenden noch viele weitere hinzu.
Doch auch diese Vernichtungskraft vermochten den Ansturm immer neuer Akarii nicht aufzuhalten. Die Akarii kamen immer näher.

"BAJONETTE!" Kaum das Graf ihren Befehl herausgebrüllt hatte klickte es im Graben als die Soldaten ihre Granatwerfer abwarfen. Dann ertönte des zischen von Bajonetten die aus den Scheiden gezogen und aufgepflanzt wurden.
Sekunden später fielen die Akarii über den Schützengraben her.
Die erste Schlacht um Wron hätte man durchaus als Sieg für die Menschen werten können, bei einem Verhältnis von ca. 250 Menschen zu über 700 Akarii.
Doch gab es auf Seiten der Menschen keinen einzigen Schlachtteilnehmer, der die Nacht überlebt hatte.

Die Akariitruppen formierten sich mit der Schnelligkeit erfahrener Veteranen. Während Sanitäter ausschwärmten und Minenräumabteilungen vorrückten, sammelten sich die Sturmtrupps in den genommenen Schützengräben. Scharfschützen, Schnellfeuerlaser und Granatwerfer wurden installiert, um jeden Gegenangriff abzufangen. Jenek Tas, der momentane Kommandant der Sturmabteilung der 14. Gardelegion, saß auf dem Rand eines von Laserwaffen regelrecht zusammengeschmolzenen Graben und starrte hinüber zum Tor des Gefangenenlagers. Trotz des Atemfilters glaubte er, den beißenden Gestank von verschmorten Menschen- und Akariifleisch zu riechen. Der eigentliche Kommandant der Sturmtruppe war gefallen, ebenso zwei seiner Stellvertreter. Aber das änderte nichts. Die Befehle blieben dieselben...

Ein Alarmruf ließ ihn herumfahren. Bei der Sicherung der Gräben war man schon wieder auf eine Sprengfalle gestoßen. Einer der Minenräumer hastete herbei, drängte sich durch die Soldaten, bückte sich...
Jenek sprang auf: „IDIOTEN! WEG DA! IHR...“ Eine Explosion zerschnitt seine Warnung. Während der Kommandant sich in den Graben warf, gellten hinter ihm Schmerzens- und Todesschreie auf. Aber diesmal war die Sprengladung wenigstens nicht mit weiteren Minen gekoppelt. Als Jenek Tas den Kopf hob, eilte auch schon ein Sanitätsteam herbei. Der Kommandant fluchte wütend. So ging das nicht mehr weiter! Hier konnten sie nicht bleiben.
„Team Pakut, Rassak, Okam! Ich will einen freien Sturmkorridor zum Tor – und wenn sie die Minen mit ihren LEIBERN räumen müssen! Schützenabteilung Vier bis Zehn – Sie vernichten ALLES was noch nach automatischen Anlagen aussieht! Wenn wir beim Vorrücken unter Feuer geraten, tragen SIE die Verantwortung! Bewegung!“

In der Kommandozentrale der Graxon-Garnision war die Spannung greifbar. Die Außenposten antworteten nicht mehr. Man mußte davon ausgehen, daß sie vernichtet worden waren. Jetzt wußte man nur noch dank einiger Außensensoren, was auf der Oberfläche geschah – und zu allem Überfluß hatten die Akarii anscheinend durch Bombardement und gezieltes Feuer die meisten der Sensoren ausgeschaltet. Mit angehaltenem Atem warteten die Offiziere deshalb auf die schwachen und widersprüchlichen Signale, die die Lauschposten auffingen.
„Sie haben sich festgesetzt.“ Captain Schlüter stellte nur das Offensichtliche fest. General Garth drehte sich nicht einmal zu ihr um: „Sie werden dort nicht sitzenbleiben. Geben sie Alarm an die nächste Sperrstellung. Sobald die Akarii zum Tor vorrücken – Zünden sie ALLE Signalminen in diesem Sektor. Schlüter, Stellung Eins-Beta, Gamma und Delta sollen sich vorbereiten – und die A-Kompanie soll sich zum Gegenstoß vorbereiten.“
„Sir, Ja, Sir!“

Sperrstellung Eins-Alpha war die vorderste Position hinter dem massiven Tor. Die Stellung war nicht übermäßig stark besetzt worden, um im Falle eines Luftbombardements nicht unnötige Verluste zu verursachen. Zwar hatten die Marineinfanteristen hier nur ein paar Gänge zu verteidigen, aber die kurze Entfernung zum Tor war von einem entschlossenem Feind schnell zu überwinden. Schweigend und angespannt hockten die Marineinfanteristen hinter den Sandsäcken. Jedes Gespräch war verstummt, nicht mal die allgegenwärtigen Zoten wurden aufgewärmt. Das Tor schirmte die Soldaten ab, aber es verwehrte ihnen auch einen Blick nach Draußen. Sie wußten nur, das Feuergefecht war zu Ende – und keiner ihrer Kameraden hatte ihre Stellung erreicht...
Lieutenant Johnson bleckte die Zähne in dem Versuch zu grinsen. Es mißlang – aber es sah sowieso keiner. Er fühlte, wie sich seine Kehle zusammenzog. Was machten die verdammten Schuppenhäute nur?! Fast wünschte er, sie würden endlich kommen – das verfluchte Warten hätte ein Ende. Dann blickte er auf. Irgendetwas schien über die Außenseite des schweren, aber von den Erdstreitkräften nur provisorisch reparierten Tors zu kratzen. „SIE KOMMEN!!“ Überall rissen Soldaten die Waffen hoch.

Auch die Horchposten hörten die Geräusche. Und sie handelten nach Befehl...

„VORWÄRTS!! FÜR DIE GARDE! FÜR DAS IMPERIUM!!“ Jenek Tas riß die Hand hoch und brüllte seinen Wut, seinen Haß hinaus, als die erste Sturmabteilung loshetzte. Vor ihnen explodierte das Tor – und zündeten die Sprengladungen, die die Pioniere der Akarii nicht hatten finden können. Das erste Dutzend der Sturmtruppen wurde regelrecht zerfetzt. Doch die nächste Welle ließ sich nicht stoppen, nicht verunsichern. An den Leichen ihrer Kameraden vorbei, über sie hinweg stürmten sie, erreichten den Schutz der massiven Mauern. Granaten und Rauchbomben flogen in den freigesprengten Gang – und ohne innezuhalten, ohne zu zögern, stießen die Garden vor. Nur wenige Sekunden dauerte es, bis sie Stellung des Gegners erreichten. Als Jenek Tas in den Gang eindrang, waren Menschen und Akarii bereits in einen Nahkampf verwickelt. Die Menschen hatten keine Chance. Wer nicht flüchtete, starb.

Captain Schlüter war gerade erst bei der A-Kompanie angekommen, als sie die Hiobsbotschaft erreichte: „Eins-Alpha gefallen!“
„Scheiße – geben sie das zur Zentrale durch! Und dann jagen sie die Stellung in die Luft!“ Es war klar gewesen, daß Eins-Alpha schnell fallen würde. Deshalb war auch diese Stellung vermint – und die Gänge dahinter nur so mit Sprengfallen gespickt worden. Schlüter wünschte aus tiefstem Herzen, das die Akarii allesamt zur Hölle fuhren. Aber sie wußte auch, die Minen würden den Feind nur verlangsamen und schwächen, nicht aufhalten...
„A-Kompanie rückt vor bis Eins-Beta! B-Kompanie, Platoon Eins und Zwei folgen!“

Die A-Kompanie war speziell für Gegenstöße zusammengestellt worden. Zu fast einem Drittel bestand sie aus SAS-Mitgliedern, der Rest waren Veteranen des Marinekorps und ein paar Infanteristen und Legionäre. Mit Flammenwerfern, Schnellfeuerlasern, Sprengmitteln, Granat- und Raketenwerfern ausgerüstete Trupps sollten mit leichten Sturmeinheiten zusammenarbeiten, die leichter bewaffnet, aber mobiler und nahkampferfahren waren.

Die B-Kompanie hingegen war einfach nur eine Reserveeinheit. Zu ihr gehörte auch Schiermers Platoon. Etliche der jungen Soldaten reagierten etwas zögerlich, als der Befehl kam, sich abmarschbereit zu machen. Egal was man über Marines erzählte – vielen war klar, daß diese Verlegung nach Vorne das Risiko erheblich erhöhte. Aber der Master Sergeant sorgte schon dafür, daß seine „Schäfchen“ zusammen blieben: „Na was ist, ihr Schlappohren?! Habt ihr gedacht, ihr könnt den ganzen verdammten Krieg aussitzen? Jetzt könnt ihr mal was für euer Geld tun – und immer noch besser, wir gehen den Akarii den Arsch aufreißen, als daß sie es bei uns tun! Bewegt EURE Ärsche, oder ihr könnt was erleben!“ Schiermer schien in guter Stimmung, wofür es einen guten Grund gab. Die Akarii hatten sich offenbar entschlossen, es auszufechten, statt das Gefangenenlager einfach niederzubomben. Damit hatten sie sich in Schußweite an die Marines herangewagt. Statt wehrlos aus dem Orbit gekillt zu werden, konnte man wenigstens zurückschlagen. Und mit diesem Szenario kam Schiermer ganz gut klar, auch wenn er die Chancen nicht übertrieben gut einschätzte. Zusätzlich würde seine Einheit mit der A-Kompanie eine gute Einheit zur Seite haben, während er der Kampfkraft seiner Soldaten nicht völlig traute...
Während die Soldaten die Gänge und Treppen hienaufhasteten, grollten über ihnen dumpfe Explosionen auf. Als Schiermer sah, daß etliche Soldaten dabei zusammenzuckten, lachte er schneidend: „Waschlappen! Mann, daß sind UNSERE Sprengfallen – die Akarii geh’n mit dem Arsch auf Grundeis!“

Jenek Tas unterdrückte den Impuls, wütend mit der Hand gegen die Wand zu hämmern. Als ihm gemeldet wurde, daß man in der eroberten Stellung eine Sprengladung gefunden hatte, hatte er sofort alle Sturmtruppen zurückbefohlen. Nicht ganz rechtzeitig, wieder hatte es Tote und Verletzte gegeben, als der Gegner die gesamte Stellung in die Luft jagte. Danach hatte Jenek Tas endgültig kapiert, das es so nicht weiterging, zumal Späher weitere Sprengfallen in den Gängen meldeten. Entgegen der ursprünglichen Befehle hatte er einen Stop des Vormarsches befohlen. Erst einmal würde das Plateau geräumt und gesichert werden. Dann mußte Spezialgerät rangeschafft werden: tragbare Sensorgeräte, die größere Sprengladungen auch aus mehreren Metern Entfernung feststellen konnten. Er würde nicht noch weiter sinnlos Soldaten verlieren!
Pflichtbewußt, wie es einem Gardesoldaten zustand, hatte er sein Vorgehen in die Kommandozentrale weitergegeben. Zu seiner beträchtlichen Erleichterung war sein Verhalten akzeptiert worden. Und in diesem Augenblick dockten wohl schon Shuttles mit Verstärkung und Ausrüstung ab. Und wohl auch mit einem neuen Kommandanten für die Sturmtruppen, aber das war Jenek momentan egal. Mit der richtigen Ausrüstung würden sie diesen verdammten Betonklotz schon kleinkriegen und die verfluchten Menschen schlachten – und er würde dabei sein! Er zuckte nicht einmal zusammen, als unweit von ihm die Pioniere eine Sprengladung hochjagten.

So begann für die Landungstruppen die erste Nacht auf dem Planeten, die immer wieder erhellt wurde durch auflackernde Explosionen und die flammenden Triebwerke startender und landender Shuttles, die Nachschub und Material brachten und mit Verwundeten abflogen. Mehr als eintausend Akariis waren ausgefallen, tot oder schwer verwundet. Und die Schlacht hatte gerade erst begonnen...
Tyr Svenson
Das Ende der Station

Abschnitt JUNE, Haupthangar, Akarii-Raumstation
Im Orbit um Pasumata IV, Pasumata-Sektor

Verschwitzt, verdreckt, erschöpft und demoralisiert.
So konnte man die Situation des Restes von Lieutenant Chi-Zhou Hues Platoon beschreiben. Nachdem sie im Landeanflug förmlich auseinander genommen worden waren, hatte Hue Mühe gehabt seine Leute dazu zu bringen, ihm ins Innere der Station zu folgen. Er konnte sich noch gut daran erinnern wie er und Sergeant Hancock mit gutem Beispiel voran gestürmt waren, nachdem sie über das Shuttle an die Schleuse angedockt hatten.
Und sie hatten Glück gehabt.
Die Akarii hatten nicht auf sie gewartet und keine Minen gelegt. Entweder hatten sie ebenfalls keinen Sprengstoff mehr oder sie hatten auch genug gehabt. Jedenfalls waren sie unbeschadet hinein gekommen, auch wenn Hue das Gefühl hatte, sein ganzer Körper würde zittern und seine Atmung hätte jeden Augenblick aussetzen können.
Und er hatte gespürt, dass es seinen Leuten nicht besser gegangen war. In ihren Augen war nichts mehr von der Vorfreude und der Selbstsicherheit geblieben, der eine oder andere war sogar kurz vor dem Zusammenbruch gewesen. Doch Hue hatte das Glück einen guten und fähigen Sergeant an seiner Seite zu haben. Zusammen mit Hancock hatte er es geschafft zumindest etwas Ruhe in seine Truppe zu bringen.

Dann waren sie tiefer in die Station vorgedrungen, immer mit der Gefahr vor Augen über Akarii Sperrstellungen oder über versteckte Minen zu stolpern. Hue hatte das beklemmende Gefühl gehabt, dass er auch noch den kümmerlichen Rest seines Platoons verlieren würde.
Doch so schrecklich ihre Landung am ersten Tage gelaufen war und so horrend die Verluste für seine Einheit gewesen waren, soviel Glück hatten sie in den folgenden Tagen gehabt. Sie waren in einige Scharmützel verwickelt worden, hatten eine Sperrstellung stürmen müssen und waren einmal aus dem Hinterhalt attackiert worden.
Aber Sie hatten aus diesen Kämpfen nur drei Verletzte zu beklagen gehabt, wenigstens keine weiteren Toten.

Und jetzt, drei Tage nach ihrer Landung, stand Hue übermüdet im Haupthangar und half beim Abrücken der Marines und der Stormin´. Die Nachricht, dass akariische Kampfverbände im System angekommen waren, erforderte ihren sofortigen Rückzug. Und in diesem Moment wurde das mobile Feldlazarett des Zusammengewürfelten Batallions aufgelöst. Und da Hues Platoon bislang die größten Verluste zu verzeichnen gehabt hatte, übernahm es diesen ungefährlichen Teil des Abzugs.
Hue stand direkt vor einem seiner verwundeten Privates, einem schlanken chinesischen Jungen namens Pang-Yuan Weng, der während der Stürmung der Sperrstellung in vorderster Linie gekämpft hatte. Der Junge – mit dem Hue alleine schon aufgrund der Abstammung enger verbunden war - hatte das Pech gehabt, von einer Akariigranate erwischt zu werden und gleichzeitig das Glück, dabei der Granate nicht zu nahe gekommen zu sein. Trotzdem sah er fürchterlich aus, der halbe Kampfpanzer hing nur noch in Fetzen an ihm herunter, das darunter liegende Fleisch war versengt und blutig rot. Aus seinen Ohren tropfte Blut, sein Kopf ruckelte immer hin und her und seine Augen zuckten nervös.
Hue wollte dem Soldaten Trost spenden und beugte sich herunter um die unverletzte, zitternde Hand des Private zu ergreifen. Doch dieser entriss sie ihm sofort wieder, sah ihn wutschnaubend an und brüllte dann los: „IIIICCCHHH HASSSEEE DICCHHH. ICH HASSE EUCH ALLE…“
Hue zuckte zurück, fing sich aber schnell wieder. „DUUU… DU BIST SCHULD“ schrie der Private weiter und erst als einer der Sanitäter kam und dem Jungen eine schnell wirkende Morphium-Spritze verpasste, begann dieser sich zu beruhigen.
„Nehmen sie ihn nicht zu ernst, Sir. Er steht unter Schock und ist zudem taub. Da kommt so was schon mal vor.“
Hue nickte dem Sanitäter nur zu, doch die Worte des Private hatten ihn tief getroffen.
Hatte er versagt? Hatte er sein Platoon auf den Gewissen? Er konnte sich selbst nicht so ohne weiteres eine Antwort darauf geben. Das sein Platoon quasi aus dem Shuttle geschossen worden war, war sicher nicht ihm anzukreiden. Und auch das anschließende Gefecht auf der Außenhülle war zwar mit erdrückenden Verlusten einhergegangen, doch es hatte nicht wirklich in seiner Hand gelegen, oder?
Diese Selbstzweifel nagten an ihm schon seit Tagen, auch ohne den Ausraster von Private Pang-Yuan.

„Na Lieutenant, Probleme mit ihrem Platoon?“ kam es hinter Hues Rücken und riss ihn aus seinen Selbstzweifeln, der sich daraufhin gleich nach dem Urheber dieses schnippischen Kommentars umdrehte. Vor ihm stand die deutlich kleinere, drahtige Kommandantin der Stormin´ und grinste abfällig. Hinter ihr stand 1st Lieutenant Dan Chambers, der Kompanieführer der Ontario-Marines und derzeit Second-In-Command hinter Chabiz.
„Nein, Ma´am!“ gab er kurz angebunden zurück.
Sie ging nicht weiter darauf ein. „Wie läuft das Einschiffen des Feldlazaretts?“
„Alle kritischen Fälle sind eingeschifft, Ma´am. Die Mittel- bis Leichtverletzten sind noch dran, aber in der nächsten Stunde, werden wir diese auch so weit haben.“
„Sie haben nur eine halbe Stunde, also machen sie voran, verstanden?“
Hue blickte sie mit leeren Augen an. Er war viel zu erschöpft um sich jetzt mit ihr zu streiten. „Aye, Ma´am“ erwiderte er daher tonlos, obwohl er wusste, dass sie es nicht schaffen würden. Sollte sie doch dann wieder kommen.
Sie stapfte davon, doch 1st Lieutenant Chambers blieb noch einen Augenblick.
„Alles in Ordnung, Hue?“ fragte ihn sein Vorgesetzter und gleichzeitig sein Freund, der mit seinem Platoon A derzeit einen der Ein- bzw. Ausgänge bewachte, mit besorgter Miene.
„Ich weiß nicht, Dan.“ Er seufzte und ließ seine Schultern sacken. „Ich habe in den letzten drei Tagen 80% meiner Männer verloren, 25 von Ihnen sind tot. Kann da noch irgendetwas in Ordnung sein?“
Dan schloss für einen Augenblick die Augen und drückte seine Schulter. „Hue, wer seine Leute noch nach all diesen Verlusten immer noch dazu bringen kann, ihm zu folgen, der kann gar nicht versagt haben, oder? Keiner wirft dir etwas vor.“
`Keiner bis auf mich selber` schoss es Hue durch den Kopf, doch es blieb unausgesprochen. Als er seinem Kompanieführer hinterher blickte, wusste er, dass er sich Zeit seines Lebens Vorwürfe machen würde.
Die Frage würde wohl noch sein, wie lange das noch war.

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Von Hauptmann Kiral Shirams Kompanie war gerade mal ein Platoon übrig geblieben, von den ursprünglich knapp 200 „Freiwilligen“ hatten gerade mal 80 überlebt. Und statt sich zurückzuziehen von dieser zum Untergang verdammten Station befahl Ihnen Oberst Barthu einen letzten Frontalangriff auf die abziehenden Menschlinge.
Kiral ärgerte sich über diesen in seinen Augen äußerst unnützen Angriff, der auf beiden Seiten nur Leben fordern würde, aber keinen nennenswerten militärischen Sinn hatte. Er war Soldat, dass Töten an sich machte ihm nichts aus, im Gegenteil, es gehörte zu seinem Beruf. Aber es musste doch zumindest einen Zweck haben wenn man sein Leben riskierte. Was nützte es, diese Station noch weiter zu verteidigen, wenn sie eh schon bald vernichtet werden würde?
Aber es machte keinen Sinn sich darüber aufzuregen, Befehl war Befehl und Hauptmann Kiral Shiram würde der letzte sein, der sich einem Befehl widersetzen würde. Sie würden in einem letzten Angriff auf die Erdlinge prallen und beide Seiten würden in einem letzten Kampf um diese Station kämpfen, ob es ihm nun gefiel oder nicht.

Oberst Barthu hatte die Überlebenden Verteidiger in mehrere Gruppen eingeteilt, die in wenigen Augenblicken auf verschiedenen Wegen zuschlagen würden. Kiral hatte 20 seiner Kämpfer zugewiesen bekommen, ein wilder Haufen von Infanteristen, ehemaligen Raumstationsmatrosen und Maschinisten. Mit knapp der Hälfte von Ihnen stand er im Augenblick auf dem Dach einer der Fahrstühle, während die andere Hälfte noch unten im Fahrstuhl war. Sie fuhren langsam hinauf zu einem der Zugänge zum Haupthangar und einer der Maschinisten, der auch die Idee dazu gehabt hatte, ließ nun durch eine Fernsteuerung den Fahrstuhl solange hochfahren, bis sie die Zugangstür zum Hangar erreicht hatten. Er brachte den Fahrstuhl zum stehen, als das untere Ende der Tür auf der Höhe ihrer Brüste war. Somit würde der Boden der hinter den Türen liegenden Flures automatisch eine Verteidigungsstellung bieten.

Kiral blickte auf seine Uhr und beobachtete die hinuntertickende Zeit. Dann war es mal wieder soweit.
In dem Augenblick, in dem Oberst Barthu am Hauptzugang eine irre Kakophonie des Todes auslöste und die Explosionen zu rollen begannen, stemmten zwei seiner Männer die massiven Türen des Fahrstuhls um einen Spalt weit auf.
Ein weiterer seiner Männer steckte eine lange Eisenstange durch die Tür bewegte sie vor der Tür nach links und rechts, während alle anderen die Köpfe einzogen.
Und tatsächlich ging erst eine leichte Mine hoch, dann eine zweite und hüllte den Flur in Rauch. Kiral und seine Leute warfen weitere Nebel- und Blendgranaten in den Flur und stemmten die Tür nun vollends auf.
Dann prasselten die ersten Schüsse der Verteidiger durch die offenen Türen und regneten in die Wand über Ihnen.
Die Akarii erwiderten das Feuer, während Kiral mit ein paar seiner Männer durch den dicken Nebel halbwegs geschützt an den Seiten hinaus schlüpften und an den Seitenwänden und Wegebiegungen Deckung nahmen.
Es entbrannte ein wildes Feuer und ein paar seiner Männer fielen. Aber auch die Menschlinge, die zwar provisorische Barrikaden errichtet und ihren Rückzug durch ein paar Mienen gesichert hatten, schienen empfindliche Verluste zu erleiden. Die Verteidigungsstellungen waren letztlich nicht so gründlich gewesen, wie es Kiral vermutet hatte. Sie schienen zumindest etwas überrascht zu sein, derart hart angegangen zu werden, obwohl sie sich doch im Rückzug befanden.
Vielleicht hatte Oberst Barthu Recht gehabt und sie würden den Menschlingen noch einmal eine ordentliche Lektion erteilen.
Doch als einer seiner Leute neben ihm von einer Salve der Verteidiger niedergestreckt wurde, erkannte Kiral, dass er zunächst einmal zusehen musste, dass er diesen Kampf überhaupt überlebte.

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Der Haupthangar der Akarii-Raumstation schien früher vornehmlich als Umschlagplatz für Güter gedient zu haben, die von den angedockten Frachtern auf kleinere Versorgungsshuttles gebracht wurden, die wiederum zwischen Pasumata IV und der Raumstation gependelt waren.
Das war allerdings schon seit drei Tagen vorbei.
Die knapp 200 Meter tiefe und 30 Meter breite Halle war schon am ersten Kampftag ein hart umkämpftes Ziel gewesen, welche die Stormin´ unter Verlusten hatten einnehmen können. Und jetzt bildete eben dieser Haupthangar die letzte Verteidigungsposition der abrückenden Stormin´ und Marines. Am tiefen Ende der Halle gab es drei Hauptzugänge, die im Moment von noch von drei gemischten Platoons der Terraner und Colonialisten gehalten wurden. Dahinter lagen links und rechts zwei riesige Verladekräne, die bis an die knapp 12 Meter hohe Decke reichten. Auf der Höhe von 6 Metern zog sich eine Balustrade um die Verladekräne herum, womit eine Zwischenebene bedient werden konnte. Dieser Bereich war im Moment nicht extra gesichert, war aber sorgfältig vermint worden. Zu Füßen der Verladekräne lagen große würfelförmige Container, teilweise aufgeplatzt und teilweise mit Löchern übersäht. Aber zumindest boten sie genug Deckung, um im Notfall eine zweite provisorische Sperrstellung zu bieten. Dann kam eine ungefähr fünfzig Meter lange mit kleineren Trümmern übersähte, aber ansonsten leere Strecke, ehe die dritte der provisorischen Verteidigungsstellungen kam. Diese war in einem Halbkreis aus ehemaligen Verladefahrzeugen, Kisten und herumliegenden Trümmern um das Feldlazarett und den Landeplatz der Shuttles gebaut.

2nd Lieutenant Chi-Zhou Hue und die übrig gebliebenen sieben Männer seiner Einheit hatten sich hier zurück gezogen und bildeten auf Befehl von 1st Lieutenant Dan Chambers eine letzte Linie um den Abzug der Verletzten und des Lazarettpersonals zu sichern.
Als der Angriff der Akarii begann, konnte Hue von seiner Position aus erkennen, dass der Kampf an den drei Hauptzugängen gleichzeitig losgebrochen war. In der Mitte am Haupteingang standen die Stormin` von Brevet-Major Chabiz anscheinend unter schwerem Feuer, links von Ihnen ein Platoon von der KAZE unter dem Kommando von einem 2nd Lieutenant namens Johansson und rechts davon hatte sich das Platoon von 1st Lieutenant Chambers aufgestellt.
Sie alle mussten sich in diesem Augenblick ihrer Haut erwehren, dass wusste Hue und schaute voller Sorge nach hinten zu den Ärzten und Sanitätern, die gerade in diesem Augenblick die letzten Verletzen in das Shuttle luden. Der ranghöchste Feldarzt stand zu Füßen der Shuttlerampe und tippte kurz mit seiner rechten Hand an seine rechte Schläfe, ein Zeichen des Dankes an Hue und seiner Leute und gleichzeitig das Zeichen, dass sie fertig waren.
In diesem Augenblick explodierte seine Stirn und sein Kopf wurde nach hinten geschleudert.
„NEEEEIIN“ schrie Hue und schaute sich nach dem Scharfschützen um.
Doch Hancock war schneller. Sein Schnellfeuerlaser bestrich eine der Balustraden auf denen nun sehr zum Entsetzen von Hue ein paar Akarii in Stellung gingen. Wenn auch unter Verlusten, da die Minen der Marines ihre Arbeit aufnahmen. Einer der akariischen Soldaten wurde von so einer Mine erfasst und durch die Explosion über die Balustrade Richtung Hangarboden geschleudert. Trotzdem hatten sich jetzt da oben genug von Ihnen verschanzt um den Boden des Hangars mit Tod und Vernichtung zu übersähen. Jetzt eröffneten auch er und der Rest seiner Männer das Feuer auf die Akarii auf der Balustrade, doch sie waren zu wenige um die Akarii wirklich in Bedrängnis zu bringen.
„WEG, WEG“ schrie Hue den Sanis hinter sich zu, die gerade die Überreste ihres Feldarztes einsammelten. Als sie über die Rampe gegangen waren, jagte das Shuttle raus und kurz darauf landete das nächste um die nächste Evakuierungswelle aufzunehmen. Das Problem war nur, das sie jetzt hier nur noch zu acht waren und die Akarii auf der Balustrade leichtes Spiel mit den noch im Kampf befindlichen Stormin´ und Marines haben würden, wenn er und seine Männer jetzt abrücken würden.
Als er sah, dass einer seiner Leute ebenfalls die Stellung räumen wollte, brüllte er ihn sofort wieder zurück. „Stellung halten, Private, wir haben da noch Leute von uns.“
„Die kommen da doch nie wieder raus, Lieutenant“ stammelte er zurück. Doch Hue war unnachgiebig. „Erst recht nicht, wenn wir Ihnen jetzt keine Rückendeckung geben.“ Der Private verstand, nickte und eröffnete wieder das Feuer auf die Akarii.
Doch irgendwie hatte er auch Recht. Wenn sie nicht bald was unternahmen, würden die zurückweichenden Truppen von zwei Seiten aufgerieben werden. Der Gedanke an Dan Chambers und seine Leute versetzte Hue einen Stich.

An der Rampe des Shuttles erschien einer der Piloten und Hue bedeutete ihm augenblicklich in Deckung zu gehen. Wer wusste schon, ob der akariische Sniper nicht darauf wartete, sich seine nächste Trophäe zu holen. Der Pilot rannte zu ihm hinüber und ging ebenfalls in Deckung. „Verflucht, was ist denn hier los?“ schrie er gegen den Kampflärm an.
„Kleine Grillparty mit unseren Gastgebern.“
„Na schön, aber die Party ist jetzt vorbei. Ich habe Befehl von Singh persönlich, wir müssen in spätestens 30 Minuten mit der letzten Evakuierungswelle abheben…“
„WAAAS? Niemals! Sie sehen doch was hier los ist“ brüllte Hue zurück und feuerte eine lange Salve auf die Akariistellungen ab, um seine Worte noch zusätzlich zu unterstreichen.
„Da draußen ist eine Zerstörerschwadron auf dem Weg zu uns. Wenn wir hier nicht bald weg sind, werden wir alle nur noch klump sein…“
Hue nickte und baute augenblicklich Kontakt zu Major Chabiz auf.
„Major Chabiz von Lt. Chi-Zhou“ gab er durch die knisternde Leitung durch „Ma´am, stellen sie bitte augenblicklich das Feuer ein und kommen sie zu unseren Stellungen zurück. Das Shuttle wird nicht mehr lange auf uns warten.“
„WAAAS??? Sind sie vollkommen verrückt geworden?“ Chabiz schien ihn durch den Funk hindurch erwürgen zu wollen. „Sagen sie das dieser Gottverfluchten Echse und nicht mir, Lieutenant. Solange diese Bastarde auf uns feuern, werden wir nicht mit dem Feuer stoppen, klar?“
„Ma´am, das Shuttle hat Befehl in 20 Minuten abzufliegen“ er verkürzte die Zeit absichtlich „und es wird kein Neues kommen.“
Statt einer Antwort erhielt Hue einen Strom von Flüchen, Beleidigungen und Verwünschungen. Dann hatte sich Chabiz einigermaßen beruhigt. „Wir können hier nicht weg, Lieutenant. Einige unserer Verwundeten und Versprengten lassen sich unter diesem Feuer nicht bergen, und ich lasse hier niemanden zurück.“
„Ma´am, dann werden sie alle untergehen“ flehte Hue förmlich.
Doch Chabiz änderte ihre Meinung nicht. „Solange die Akarii die Balustrade in ihrer Hand haben, und wir hier immer noch unter Feuer liegen, werde ich nicht abrücken. Chabiz Out.“
„Verflucht, diese verdammte, dickköpfige…“ Hue beruhigte sich und versuchte wenigstens Dan Chambers zu erreichen. Doch er erhielt keine Antwort, eine Tatsache, die ihm die Kehle zuschnürte.

„Und jetzt?“ fragte der Pilot des Shuttles.
Doch Hue antwortete nicht sofort. Ihm schossen in diesem Augenblick alle möglichen Bilder durch den Kopf.
Die Zerstörung des Shuttles während ihrer Ankunft.
Der Tod seiner Männer auf der Außenhaut.
Die Vorwürfe von Private Pang-Yuan.
Er konnte jetzt nicht einfach so abfliegen und seine Kameraden ihrem Schicksal überlassen, er musste einfach etwas tun.
„Gehen sie an bitte an Bord, Lieutenant Jurcic, legen Rüstung und Helm an und holen sich ein Sturmgewehr aus dem Arsenal, wir brauchen hier jeden Mann.“
Der Pilot runzelte die Stirn, doch Hue blieb energisch. „Bitte, Lieutenant. Ich werde jede Rückendeckung brauchen, die ich kriegen kann, wenn ich da rein gehe.“
Jurcic blickte in das von Feuer und Explosionen erfüllte hintere Teil des riesigen Stationshangars und dann entgeistert wieder zurück zu Hue. „Sie wollen da in diese Hölle hinein?“
„Meine Freunde und Kameraden sind da drin. Ich muss etwas tun. Kann ich auf sie zählen?“
Der Lieutenant nickte. „Wir werden die letzte Linie an der Rampe bilden, aber ich gebe Ihnen nicht mehr als 30 Minuten, klar?“
Hue nickte zurück und explodierte dann förmlich vor Befehlen.
„Hancock, schnappen sie sich zwei Männer und alle Handgranaten, die sie kriegen können. Werft alle Nebelgranaten, die ihr habt, ich will die Hand vor Augen nicht mehr sehen können. Der Rest gibt Sperrfeuer auf die Balustrade.“

Eine Minute später schien eine weiße Wand aus Rauch durch den Hangar zu waben und konnte wenigstens den Shuttlelandeplatz einhüllen.
Dann sprintete Hue los, Sergeant Hancock und zwei Privates im Schlepptau. Sie rannten mitten hinein in die Schutzgebende Nebelschwade und gelangten unbeschadet zu den Containern der zweiten Verteidigungsstellung. Noch immer war keiner der vorderen Verteidiger zurückgekehrt, also gingen die vier in Deckung, machten die Granaten scharf und warfen sie von ihrer Position aus über die Balustraden. Dabei wurden sie entdeckt und von den Akarii unter Feuer genommen. Einer der Privates wurde dabei in die Seite geschossen, konnte sich aber gerade noch rechtzeitig in Deckung bringen.
Dann gingen die Granaten und im Anschluss daran einige der Minen hoch. Mit grimmigem Blick konnte Hue sehen, dass es zumindest ein paar der Akariis erwischt haben musste, da das Feuer auf ihre Position zumindest für den Augenblick eingestellt wurde.
Doch es war nur ein Teilerfolg, dass wusste Hue, denn Ihnen lief die Zeit davon. Zudem war jetzt einer seiner Leute verletzt und er konnte sich nicht sicher sein, wie lange sie die Position halten konnten. Außerdem musste ja noch mindestens einer von Ihnen nach vorne, um Major Chabiz zur Umkehr zu bewegen.
Ohne lang zu überlegen schnappte er sich den verletzten Private und hievte ihn sich über die Schulter, rief den anderen beiden zu, dass sie die Stellung halten sollten und machte sich auf den Weg zu wieder zurück zum Shuttle.
Er rannte was das Zeug hielt, doch einer der Akarii musste ihn trotzdem gesehen haben, oder es war ein Zufallstreffer, jedenfalls wurde er von hinten am rechten Schulterblatt getroffen.
Der Aufprall des Geschosses raubte ihm für einen Moment den Atem, er kam ins stolpern und Schmerz durchzuckte ihn. Doch er hatte Glück im Unglück, denn sein Kampfpanzer schien ihn nicht nur vor dem schlimmsten bewahrt zu haben, sondern er torkelte auch noch vorwärts und kam erst kurz vor der Shuttlerampe zum Stehen.
„Wollen sie die da vorne jetzt alle einzeln hertragen?“ fragte der Shuttlepilot sarkastisch, mittlerweile mit Helm, Schutzweste und Sturmgewehr bewaffnet.
Hue ging nicht weiter darauf ein und legte den verletzten Private ab, um sich sofort umzudrehen und wieder nach vorne zu gehen. „Sir, sie sind auch verwundet“ rief einer der Shuttlesanitäter ihm zu.
Hue blickte vom Sani zu dem Lieutenant des Shuttles, der ihn besorgt anblickte. „Das ist nicht mein Blut, sondern seins“ log er den Sani an.
„Sir, ich sehe doch, dass…“
„Ich habe keine Zeit um mich zu wiederholen, Private, IST DAS KLAR?“ ging er den jungen Sanitäter an und bereute es im nächsten Augenblick sofort wieder. Der Junge wollte schließlich nichts anderes als helfen.
Doch der Sanitäter schien zu verstehen. „Dann nehmen sie wenigstens das, Sir“ sagte er, drückte ihm eine kleine Spritze an die Wunde und Hue merkte sofort, dass der Schmerz nachließ.
Dankbar nickte er dem Sani zu und sich den Rest seiner noch unverletzten Männer, gerade mal noch vier Mann und rannte erneut zurück zu Hancocks Position.
„Verteilt euch und gebt den Akariis da oben Saures, ich hole den Rest hierher zurück“ rief er und machte sich dann sofort auf den Weg zu Major Chabiz, während Hancock und die anderen die Balustrade unter Feuer nahmen, um Ihm Feuerschutz zu geben.

Als er die Position der Majorin erreicht hatte, drehte sie sich ungläubig zu ihm um. „Was machen Sie denn hier? Sie waren doch gerade noch da hinten? Wer hat Ihnen erlaubt ihren Posten…“
Doch Hue ließ sie nicht ausreden. Jetzt war keine Zeit für Höflichkeiten und er hatte die Faxen langsam Dicke. „ Major, wir haben die zweite Sperrstellung gesichert, den Akarii auf der Balustrade haben wir eingeheizt…“
„Haben sie sie alle erledigt?“
„Das kann ich nicht sagen, aber Sergeant Hancock und meine Männer sind noch dort und geben uns Feuerschutz. Wir können uns jetzt zurückziehen, Ma´am.“
Die Majorin blickte Hue in die Augen. „Sehen Sie das da?“ Sie zeigte auf eine knapp 20 Meter weit entfernte Position, an der einige ihrer verletzten Leute anscheinend im Kreuzfeuer am Boden kauerten. „Da sind noch fünf meiner Männer und ich lasse keinen zurück…“
Hue nickte. Er konnte das verstehen, musste dann aber doch widersprechen. „Ma´am, in zehn Minuten hebt das letzte Shuttle ab. Wir werden hier ALLE sterben, wenn wir nicht…“
„Ist ja gut, Lieutenant ich bin nicht schwer von Begriff. Informieren sie ihre beiden Schwesterplatoons, sie sollen sich auf die zweite Stellung zurückziehen. Wir werden einen Ausfall machen um unsere Leute da vorne rauszuholen, dann lassen wir uns auf ihre Position zurückfallen und wir ziehen uns gemeinsam zum Shuttle zurück, klar soweit? Sie haben fünf Minuten, dann starten wir mit dem Ausfall.“
Hue nickte erleichtert, das schien ein machbarer Plan zu sein. Sie hatten jetzt noch knapp 25 Minuten für die Evakuierung übrig, das müsste zu schaffen sein. Dann informierte er über Funk 2nd Lieutenant Johansson, der den linken Zugang kontrollierte, dass er sich auf Hancocks Position zurückfallen lassen sollte. Zu Chambers würde aber hinüber laufen müssen, deren Funk schien ausgefallen zu sein.

Als er kurz darauf ihre Position erreichte, erkannte er auch, warum er sie nicht hatte erreichen können.
Ein Bild der Verwüstung breitete sich vor ihm aus, die provisorische Verteidigungsstellung an dieser Stelle bestand so gut wie nicht mehr, die Wände waren durchsiebt von Einschlägen und Einschusslöchern und der Boden war übersäht von Körpern sowohl von Marines als auch von Akarii.
Und Hue kam anscheinend genau richtig, um das Finale Furioso mit zu erleben. Mit lautem Hurra gingen die letzten Akarii und Marines gerade in den in den Nahkampf über, wobei die Akarii dabei waren, die Überhand zu gewinnen.
In vorderster Front sah er gerade noch wie Dan Chambers von einem Akarii-Bajonett durchbohrt wurde.
Und in diesem Augenblick verwandelte sich seine Welt in einen Nebel aus Wut. Mit lautem Brüllen riss er sein Sturmgewehr hoch und durchsiebte den Mörder seines Freundes und Vorgesetzten, dann richtete er das Feuer auf einen weiteren kaum gepanzerten Akarii, der auf den Neuankömmling losgehen wollte, allerdings auf seinem Wege in Stücke gerissen wurde. Im vollen Lauf rannte er zur Stellung, riss sein Gewehr hoch und rammte den Kolben einem Akarii in den Nacken, der gerade auf einem am Boden liegenden Marine lag und diesen zu erstechen versuchte. Doch Hue hielt sich nicht lange mit ihm auf, wandte sich wieder einem auf ihn zustürmenden Matrosen zu und zerschoss diesem den Kopf. Fast schon im Blutrausch wandte er sich weiter nach rechts und rammte wieder einem Akarii, der im Zweikampf mit einem Marine war, den Kolben an den Hinterkopf. Ein weiterer Akarii erreichte ihn, ebenfalls brüllende Zischlaute ausstoßend. Doch der Akarii war nicht schnell genug, denn Hue rammte ihm das ausfahrbare Bajonett seines Sturmgewehrs in den Bauch und drückte dann voll ab, so dass die Eingeweide seines Gegners zu explodieren schienen. Der Akarii kippte um, hielt aber dabei krampfhaft Hues Sturmgewehr umklammert und entriss es ihm dabei aus der Hand. Hue zog blitzschnell seine Pistole und sah gerade noch aus dem Augenwinkel, dass links von ihm ein Akarii zum Wurf ausholte. Er drehte sich um, feuerte dem Akarii direkt in den Oberkörper, konnte aber dennoch nicht verhindern, dass der die Granate in seiner Hand auf ihn zuschleuderte.
Doch die Granate fiel zu kurz, und landete einige Meter vor ihm. Hue konnte nicht mehr rechtzeitig reagieren und als die Granate hochging, wurde er von den Beinen gerissen, spürte, dass die Sichtscheibe seines Helms splitterte und ihm das Gesicht zerschnitt. Doch den Schmerz spürte er kaum, da er zunächst damit kämpfen musste wieder Luft in die Lungen zu kriegen, nachdem er hart auf dem Rücken ankam.
Auch wenn sein Helm und damit auch sein Funktransponder zerstört war, so hatte er zumindest verhindern können, dass Hue durch die Explosionen taub wurde. Somit bekam er gerade noch mit, dass in dem Gang weiter geschossen wurde. Doch er konnte nicht sehen, wer gewann. Als ein Schatten in sein Blickfeld trat, geriet er in Panik und versuchte seine Waffe zu greifen, ehe er endlich sah, dass es einer von Chambers Männern war.
„Sir, kommen Sie in Deckung. Da sind immer noch ein paar Akarii, die auf uns feuern.“
Hue richtete sich unter Schmerzen auf und blickte auf die Szenerie. Wie es schien, hatten sie gewonnen, zumindest hier an der Stellung. Doch wieder einmal waren die Verluste horrend gewesen. Von Chambers Truppe waren noch 26 Marines kampffähig gewesen, als sie die Verteidigung dieses Zugangs übernommen hatten.
Jetzt standen nur noch sechs und erwiderten das Feuer auf ein paar weitere Akariis, die anscheinend immer noch aus dem Gang auf sie feuerten. Hue kroch in Deckung und wischte sich das Blut aus dem Gesicht und rief den Überlebenden zu. „Los, alle unsere Leute nach Verwundeten absuchen, wir müssen uns sofort zurückziehen“ rief er und machte sich auf den Weg zu Dan Chambers, dessen Leiche hinter den Barrikaden in Schutz lag. Wenn er auch nicht alle zurückholen konnte, er würde zumindest seine Leiche nicht zurücklassen.

Doch umso überraschter war er, als er bemerkte, dass sein Freund noch lebte, auch wenn er nur schwach keuchen konnte.
„Dan, wie zur Hölle überlebt man ein Akariibajonett?“ fragte er den verletzten 1st Lieutenant, während er ihm etwas auf die blutende Wunde drückte.
Schmerzverzerrt und hustend grinste dieser zurück, antwortete aber nicht.
„Reiß dich zusammen, ich bring dich hier raus, ist das klar?“
Dann wollte er sich gerade daran machen, seinen Freund auf seine unverletzte Schulter zu hieven, doch eine Bewegung rechts von ihm ließ ihn herumfahren und seine Pistole in den Anschlag bringen.
Einer der Akariis machte Anstalten aufzustehen und Hue wollte ihn schon über den Haufen schießen. Doch der verletzte Akarii stieß einen wenig aggressiv klingen Ton aus, beugte den Kopf seitlich nach unten und streckte seine gepanzerten und unbewaffneten Hände rechts und links von seinem Körper ab.
Sein Blick fiel auf das Rangabzeichen des Soldaten auf seiner rechten Panzerungsseite. Das war ein Offizierszeichen, mindestens Leutnant wenn nicht höher. Einer der Marines trat vor und richtete das Gewehr direkt an den Kopf des akariischen Soldaten, doch Hue ließ ihn stoppen.
„Wir nehmen ihn mit“ sagte er und hievte Dan Chambers auf die Schulter, die Pistole immer noch im Anschlag auf den Akarii. Hue war wütend auf den gegnerischen Offizier und er konnte seinen Zorn kaum im Zaume halten. Aber einen unbewaffneten Soldaten, noch dazu Offizier zu erschießen, brachte er nicht fertig. Zumal er Ihnen jetzt und hier helfen konnte.
Hue bedeutete dem Akarii mit seiner Waffe, dass er aufstehen sollte. Dann zeigte er ihm pantomimisch, dass seine Leute dass Feuer einstellen sollten.
Der Akarii blickte ihn aus seinen Reptilienaugen an und schien verstanden zu haben. Er stieß einen lauten, kreischend klingenden Singsang aus und das Feuer der Akarii stoppte. Noch ein Schrei und die Akariiinfanteristen traten in den Gang mit ihren Armen seitlich vom Körper abgewinkelt und unbewaffnet. Dann kamen sie langsam zu Ihnen hinüber.

Inzwischen hatten die übrigen Überlebenden Marines ein paar ihrer verletzten Kameraden eingesammelt.
„Gut“ rief Hue dem bunt gemischten Haufen an Marines, Verletzten und Gefangenen zu „auf direktem Weg zum Shuttle. Los.“
Wenige Minuten später kamen sie an der zweiten Sperrstellung an, wo sie von Sergeant Hancock und 2nd Lieutenant Johansson erwartet wurden.
„Sir, alles in Ordnung?“ fragte Hancock, sichtlich besorgt durch die vielen Schnittwunden in Hues Gesicht.
„Wird schon gehen, Sarge.“
„Netten Fang hast du da gemacht“ merkte Johansson an „den Rangabzeichen nach ist das da ein Hauptmann.“
Hue blickte hinüber zu dem Akarii, der trotz seiner Verletzung und Hues Pistole im Nacken versuchte den Kopf in stolzem Ausdruck erhoben zu halten. Dann nickte er nur matt. „Was ist mit den Stormin´?“
„Die sogenannte Elite der ColCon hat ihren Ausfall durchgezogen, ihre eigenen Leute rausgeholt und ist schnurstracks hier vorbei zum Shuttle abgezogen“ spie Hancock verächtlich aus.
Hue ging nicht weiter darauf ein. „Wir müssen auch zurück zum Shuttle. Was ist mit der Balustrade?“
„Die haben anscheinend genug, feuern schon seit ´ner Weile nicht mehr.“
Hue schaute auf seinen Chronometer. „Gut, wir rücken ab. Wir haben nur noch zehn Minuten, ehe das Shuttle abhebt.“
Die Marines zogen sich zügig zurück und erreichten kurz darauf die Position des Shuttles.

Inzwischen waren alle Kampfhandlungen eingestellt worden und sowohl die Marines als auch die Stormin´ verluden die letzten Verwundeten.
Hue wurde von Lieutenant Jurcic, dem Shuttlepiloten empfangen. „Sie sehen jedes Mal schlimmer aus, wenn Sie wieder aus diesem Nebel auftauchen, wissen Sie das? Können wir jetzt endlich starten?“
Hue legte Dan Chambers vorsichtig auf eine Trage. Er schien mittlerweile bewusstlos zu sein und Hue hoffte, dass er es schaffen würde. Dann wandte er sich zurück an den Piloten. „Warum fragen sie mich das?“
„Weil sie der ranghöchste ihrer Leute sind, der noch stehen kann. Naja bis auf ihn hier“ sagte er und zeigte auf den neben ihm stehenden Johansson.
„Also ich bin nicht scharf auf das Kommando“ sagte der ältere 2nd Lieutenant und übergab damit schulterzuckend das Kommando an Hue.
Dieser runzelte die Stirn und blickte sich dann um. Tatsächlich, er konnte Major Chabiz nirgendwo entdecken. Stattdessen schien ein Master Sergeant mit Namen Martinez das Kommando zu haben. Hue tritt an ihn heran „Sergeant, was ist mit Chabiz? Ist sie gefallen?“
Der Master Sergeant schüttelte den Kopf. „Ich weiß es nicht, Sir. Wir haben den Ausfall gemacht, volles Rohr, Nebel- und Blendgranaten und das komplette Programm. Aber dieses verfluchte Phantom hat wohl damit gerechnet. Wir haben unsere Leute zwar rausgeholt, aber erst hat es Lieutenant Darringfield und einige weitere meiner Männer erwischt, dann wurde Major Chabiz getroffen. Wir haben versucht sie zu erreichen, aber wir kamen nicht an sie heran.
„Hat sie noch gelebt?“ fragte Hue.
„Ich… ich… weiß es nicht… ich denke, sie ist gefallen.“
„Sie denken…?“ Hue blickte in die Augen des knorrigen Master Sergeant. Und er erkannte, dass der ältere Soldat sein Leben nicht für die arrogante, karrieregeile Offizierin riskieren wollte.
Sein Blick wanderte hinüber zu Johansson, der aber genauso wenig Anstalten zu machen schien, noch einmal in diese Hölle hinein zu marschieren, nur um nachzusehen, ob sie auch wirklich alle Tod waren.
Und was war mit ihm selbst? Konnte er jetzt einfach abfliegen und die Kommandeurin dieses Angriffs einfach so ihrem Schicksal überlassen?
Hue zögerte, sein Kopf drehte sich. Er war jetzt der Kommandeur, ob er nun wollte oder nicht und er musste sich jetzt entscheiden. Da war diese eine Stimme in seinem Kopf, die ihm sagte, dass das Leben seiner Männer in diesem Shuttle und der gesamten Einsatzgruppe wichtiger war, als das Leben einer einzigen Offizierin.
Andererseits, wer war er schon, dass er diese Entscheidung einfach so treffen durfte. Noch war ihre Einsatzzeit nicht überschritten, wenn er jetzt abzog, würde er sich nicht vielleicht ihres Todes schuldig machen?

Hue drehte sich zu Jurcic um. „Wir haben noch mehr als fünf Minuten, oder?“
„Nein! Nein, nein und noch mal Nein.“ Der Pilot schien bereits zu ahnen, was Hue vorhatte. „Sie gehen da nicht noch mal rein, ist das klar?“
Hue hörte bereits nicht mehr auf ihn und schnappte sich ein am Boden liegendes Sturmgewehr, überprüfte das Magazin und nahm ein paar Granaten mit. Dann tauschte er seinen zerstörten Helm gegen einen neuen aus und drehte sich zu den anderen um.
„Sprechen sie Akarii?“ fragte er Master Sergeant Martinez.
„Ein wenig.“
„Gut, sagen sie ihm und den vier übrigen unverletzten Akarii, dass er mich begleiten wird.“
„Was soll das werden?“
„Ich werde nachsehen gehen, ob ihre Majorin noch lebt. Irgendwelche Freiwilligen?“
Hancock schulterte wortlos seinen Schnellfeuerlaser. Hue hatte gewusst, dass er sich auf seinen treuen Sergeant verlassen konnte. Auch Master Sergeant Martinez machte sich bereit, anscheinend wollte er den Marines nicht nachstehen. Und als letztes meldete sich Johansson mit einem frechen Grinsen zu Wort. „Ich hab dir zwar das Kommando überlassen, aber glaub nicht, dass ich dir auch den ganzen Spaß alleine überlasse.“
Hue nickte und sie machten sich auf den Weg.
„Ihr seid doch alle wahnsinnig. Vollkommen verrückt! Ich werde in fünf Minuten abheben, ist das klar? Ich warte nicht noch länger, da kann ich Singh meinen Kopf ja gleich auf einem Silbertablett servieren, ihr verfluchten HURENSÖHNE…“ brüllte Jurcic wütend hinter ihnen her, doch die hörten ihm schon gar nicht mehr zu und verschwanden – die fünf Gefangenen Akarii vor sich hertreibend - im leicht durch den Hangar wabernden Nebel.
„Glauben sie, er fliegt ab?“ fragte Hancock, und ein klein wenig Sorge schwang in seiner Stimme mit.
Hue grinste schräg. „Vielleicht! Ich denke aber eher nicht. Würde er uns sonst so verfluchen…?“ war seine lakonische Antwort.
Er konnte im Augenblick selbst nicht genau sagen, warum er das jetzt tat. Chabiz war ihm weder sonderlich sympathisch gewesen, noch hätte er sagen können, ob sie dasselbe für ihn getan hätte.
Mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht.
Aber solange sie noch ein paar Minuten Zeit hatten, musste er einfach nachsehen, ob Chabiz noch am Leben war. Es war seine Pflicht und er würde es sich nie verzeihen, wenn er es nicht überprüfen würde.

Und in diesem Augenblick lichtete sich der Nebel im Hangar und die zweite Sperrstellung kam in Sicht. Abrupt stoppte die Gruppe und Johansson rutschte ein „Ach Du Scheiße“ heraus.
Auf den Barrikaden standen die letzten der Akariiverteidiger. In der Mitte der gegnerische Kommandeur, deutlich erkennbar an seinen silbern schimmernden Prothesen. Neben ihm standen noch ungefähr 30 weitere Akarii, die meisten von Ihnen hinter den provisorischen Barrikaden der Verteidigungsstellung.
Links vom Phantom stand mit einer blutenden Kopfwunde Major Chabiz im Griff der silbernen Armprothese, während das Sturmgewehr in seinem rechten Arm auf zwei auf den Knien kauernden Soldaten zeigte.
„Ganz ruhig“ zischte Hue „keine falsche Bewegung.“ Ihm und allen anderen war klar, dass eine einzige falsche Bewegung ihr Tod werden würde. Und in diesem Augenblick bereute er es fast zurückgekommen zu sein. Wenn dieser unerbittliche Kommandeur jetzt das Feuer eröffnen lassen würde, würden sie davon gefegt werden. Eine unheimliche Stille breitete sich im Hangar aus und dann zischte wie aus dem Nichts der direkt vor Hue stehende Hauptmann etwas hinüber zu seinen Kameraden. Hue hätte ihn fast erschossen, so sehr musste er zusammenzucken. „Scheiße, was hat er gesagt?“
„Er sagte, dass sie nicht schießen sollen“ antwortete Martinez.
„Das ist ein guter Vorschlag“ gab Johansson zurück.
Die Situation war bis aufs Äußerste gespannt. Und der akariische Hauptmann begann erneut zu sprechen. Und diesmal übersetzte Martinez simultan. „Jetzt sagt er, dass die Schlacht vorbei ist und wir gekommen seien, um dem Sieger Tribut zu zollen…“
„Das stimmt doch gar nicht…“ begann Hancock und zog seinen Schnellfeuerlaser etwas näher an die Schulter.
„Ruhe“ sagte Hue, der verstand was sein gefangener Hauptmann vorhatte „jetzt ist nicht der Zeitpunkt für falschen Stolz.“
Martinez fuhr fort. „… wir würden den Mut der Verteidiger ehren und so weiter und so weiter. Wenn ihr mich fragt, schmiert er dem Oberst da drüben Honig ums Krokomaul. Naja, wir würden unsere fünf Gefangenen frei lassen, für die drei Gefangenen da vorne.“

Der Hauptmann stoppte und drehte seinen Kopf leicht nach hinten zu Hue, der ihm kurz zurücknickte. Seine Wut auf diese verfluchten Echsen war immer noch immens, aber dieser Offizier schien sich äußerst vernünftig zu verhalten. Und Hue war des Kämpfens für heute mehr als müde.
Der gegnerische Oberst krisch irgendetwas zurück. „Scheiße“ war Martinez Kommentar, was Hue nicht gerade beruhigte. „Er sagt, dass reicht ihm nicht.“
„Was will er dann?“ fragte Johansson.
„Biete ihm freies Geleit“ sagte Hue, was Martinez im gebrochenem akariisch auch tat.
Der Oberst schien laut zu bellen. „Was macht er jetzt?“ fragte Hue und wurde langsam ungeduldig. Das Shuttle würde wirklich nicht mehr lange warten.
„Er lacht“ antwortete Martinez. „Seiner Meinung sind im Moment nicht wir diejenigen, die ihm freies Geleit zusichern müssten. Er sagt, dass er so gnädig sei, es uns zu gewähren, aber er beansprucht weiterhin den gegnerischen Kommandeur als Trophäe.“
Chabiz war zwar angeschlagen, aber dass schien sie mitgekriegt zu haben. „Nehmt das Angebot annnn“ krächzte sie unter Schmerzen, anscheinend bereit ihr Leben für das ihrer Leute zu opfern.
Doch Hue schüttelte den Kopf. „Sag ihm, dass nicht ICH ihm freies Geleit geben werde, sondern unsere Jäger. Wenn er Chabiz behält, werden wir jede Rettungskapsel, die diese Station verlässt, genauso vernichten wie die Station selbst. Nur wenn er sie auch freigibt, kann er sich und seine Leute in Sicherheit bringen.“
Als Martinez fertig übersetzt hatte, konnte Hue sehen, dass einige Akarii ihre Waffen zu senken begannen. In dieser Sache waren Akarii genauso wie Menschen, niemand starb gerne.
Erneut drehte sich sein gefangener Hauptmann um und musterte ihn aufmerksam.

Der Akarii-Oberst hingegen bellte erneut, wieder ein Lachen, wie Hue mittlerweile ja wußte. Doch dieses Mal ließ er Chabiz aus seinem eisernen Griff los. Und sie fiel vornüber auf die Knie. Doch dann richtete sie sich schnell wieder auf und drehte sich immer noch leicht benommen zu dem größeren Akarii um. Doch bevor sie irgendwelche Dummheiten machen konnte, schnappten die beiden übrigen Gefangenen Stormin´ sie rechts und links und zerrten sie förmlich zu Hue und den übrigen Soldaten.
Gleichzeitig ließen diese ihre Gefangenen gehen. Der Hauptmann drehte sich noch einmal um und nickte ihm noch einmal zu, dann machte er sich auf den Weg zu seinen Reihen.
Als Chabiz und die beiden übrigen Soldaten Sie erreicht hatten, gingen sie - die Waffen weiterhin im Anschlag - vorsichtig rückwärts zurück in den Nebel und zum wartenden Shuttle.
Dann war es vorbei. Sie erreichten das Shuttle, Jurcic war bereits in seinem Cockpit, und kaum war der letzte der Soldaten über der Rampe, schloss sich diese und das Shuttle hob ab.
Hue blieb einen Augenblick stehen und betrachtete das Chaos an Bord des letzten Shuttles, dass von der Akarii-Station abhob. Überall lagen Verwundete und traumatisierte Soldaten, umringt von den unverletzt Überlebenden. Das Shuttle war vollkommen überladen, aber letztlich war wichtig, dass sie gerettet worden waren.
Chabiz wurde gerade versorgt, ihre Kopfwunde war aber anscheinend nicht sonderlich tief. Hue torkelte nach vorne, er spürte, dass er nicht mehr lange durchhalten konnte. Aber eine Sache musste er noch tun, also nahm er noch mal seinen Helm ab, wischte sich das Blut aus seinem Gesicht und biss die Zähne zusammen. Er ging zum Cockpit und öffnete die Tür.
Jurcic schaute ihn nur kurz an. „Hey, sie haben ja noch alle Gliedmaßen, ich dachte schon, sie lassen sich noch die Rübe abschießen.“
Hue antwortet nicht darauf, sondern ließ durch den Piloten kurz durchgeben, dass bald Rettungskapseln die Station verlassen würden und sie diesen freies Geleit zugesichert hätten. Dann bedankte er sich bei dem Piloten, drehte sich um, schloss die Tür und dann kippte er einfach um.
Kurz bevor er in Ohnmacht fiel, sah er, wie ein Sani und 2nd Lieutenant Johansson sich über ihn beugten.
„Jetzt hast Du doch das Kommando“ krächzte er und dann war dieser Einsatz endgültig für ihn vorbei.
Tyr Svenson
Im Schatten

Corsfield, An Bord der TRS RELENTLESS

Das Gesicht von Captain Henning Schupp verblaßte auf dem primären Bildschirm der RELENTLESS. Captain Mithel wußte, daß dies im selben Augenblick auf allen anderen Schiffen der Schwadron geschah. Für einen Moment fragte er sich, was die anderen Kommandeure denken mochten. Vermutlich nichts, was man offen aussprechen konnte, ohne mindestens einen Eintrag in die Dienstakte zu riskieren. Es ging ihm beinahe genau so.
Was Schupp befohlen hatte, machte durchaus Sinn. Aber nicht immer war logisches gut zu vermitteln, vor allem wenn es darum ging, Männer und Frauen in den beinahe sicheren Tod zu schicken. Wie in diesem Fall.
Aber, wie er sich oft genug gesagt hatte – und inzwischen glaubte er auch selber daran – es war nicht seine Aufgabe Befehle zu LIEBEN. Er hatte sie auszuführen. Nicht als Marionette, aber die Flotte brauchte Gehorsam. Und ebenso wie er diesen von seinen Untergebenen einforderte, schuldete er ihn den Vorgesetzten.

Ein Blick über die Brücke sagte genug. Die meisten Gesichter waren bleich. Der Kommunikationsoffizier fluchte leise vor sich hin. Unter anderen Umständen hätte Mithel First Lieutenant Fuchida einen scharfen Verweis erteilt, aber diesmal war er geneigt, Großmut walten zu lassen. Allein sein Waffenoffizier war äußerlich unberührt. Aber der Pole war auch seit dem ersten Kriegstag an seiner Seite. Mithel hob die Stimme. Entschlossen, aber nicht mit der Schärfe, die er sonst in seine Worte legte: „Lieutenant Fuchida, Prioritätskanal via Interkom. Durchsage an alle Stationen. Und ich meine ALLE. Ich will, daß meine Stimme in jedem Winkel des Schiffes zu hören ist.“ Der junge Offizier fing sich, vermutlich weil die Monate mit Mithel eine gründliche ,Erziehung‘ mit sich gebracht hatten: „Aye, Sir!“
Der Captain straffte sich. Seine Augen blickten geradeaus, keine Miene verriet, was er denken mochte. In diesem Augenblick mußte er mehr als sonst der eiskalte Befehlshaber sein.

„Achtung, Achtung, hier spricht der Kapitän. An alle Stationen!
Der Feind hat die Verfolgung aufgenommen. Er wird uns in Bälde durch das Sprungtor folgen. Es ist unsere Aufgabe, daß er das Corsfield System nicht als einsatzbereite Streitmacht verläßt. Unsere Flotte hat dabei den Auftrag, ihn zu binden, damit der Reserveverband dem Gegner in die Flanke fallen kann. Das Oberkommando hat Anweisung gegeben, den zu erwartenden Jägerangriff abzufangen. Dazu werden die Kampfflieger der COLUMBIA, INTREPID und JAMES WINDSOR den angreifenden Feind stoppen. Unterstützung erhalten sie dabei durch eine vorgeschobene Linie von Flakschiffen, bestehend aus zehn Zerstörern und sechs Kreuzern. Von unserem Verband sind dazu die DAUNTLESS, die FURY und unser eigener Kreuzer detachiert worden.“

Er schwieg einen Augenblick, damit die Leute erfassen konnten, was er sagte. Vorgeschobenen Flaklinie bedeutete ,Präsentierteller‘, falls die Akarii entschieden, daß sechzehn Dickschiffe als Beute ausreichten. Oder wenn ihr Angriff von einigen Zerstörergeschwadern begleitet wurde. ,Schupp wird vermutlich nie mehr den Ruf loswerden, ein Feigling zu sein.‘ Der Schwadronschef tat ihm leid. Sein Entschluß, weder sein altes noch sein neues Schiff zu detachieren machte Sinn. Die TIREDLESS war invalide und würde den Akarii nicht viel abverlangen. Und die MERCILESS war als Schwadronsführer nicht prädestiniert für die vordere Linie, zumal die Flaklinie vermutlich von der DAUNTLESS aus koordiniert, wenn auch nicht geleitet werden würde.
,Noch ein Nagel an meinem Sarg.‘ Dachte Mithel säuerlich, der nie recht Vertrauen zu diesem Schiff und, schlimmer, zu seinem Kapitän hatte fassen können. Aber mochte dem sein, wie es wollte – in den Augen der Besatzungen stand Schupp vermutlich nicht gut da.

„Ich brauche Ihnen nicht zu sagen, daß dies ein ebenso wichtiger wie riskanter Auftrag ist. Es hängt entscheidend von uns ab, ob die Trägergeschwader den Gegenschlag werden führen können. Das kann über den Ausgang der Schlacht entscheiden. Und in dieser Schlacht, daß wissen Sie, geht es nicht um eine Dutzendbataille. Wir kämpfen um den Zugang nach Sterntor, und dies bedeutet, wir kämpfen um das Überleben der Republik. Sie alle haben sich schon in der Schlacht bewährt, und ich weiß Sie werden es erneut tun. Ich erwarte hundertprozentige Pflichterfüllung, und mehr. Versagen wir, dann werden unsere Schwesterschiffe untergehen, und mit ihnen im schlimmsten Fall jede Hoffnung auf Sieg. Was einst über das dünne blaue Band gesagt wurde, daß gilt heute unverändert. Mehr noch, es gilt heute so sehr wie noch nie zuvor. Diesmal werden wir den Akarii von gleich zu gleich begegnen. Es liegt an uns, ob der Feind in Zukunft behaupten kann, Menschen seien keine ebenbürtigen Gegner, wenn sie nicht aus dem Hinterhalt angreifen. Heute können wir ihnen zeigen, was für ein Wahnwitz ihr Angriff wirklich war. Ich zähle auf Sie.
Mit sofortiger Wirkung sind alle Disziplinarstrafen aufgehoben. Bemannen Sie die Stationen. Möge Gott – ob Sie ihn Allah oder anders nennen spielt im Weltall keine Rolle – mit uns sein. Captain Mithel Ende.“

Es gab natürlich keine Hurrarufe. Mithel wußte, seine Leute hätten auch ohne das ihre Stationen benannt. Sie kämpften letzten Endes auch um ihr eigenes Überleben, und um ihre Familien. DAS brauchte er ihnen nicht zu sagen, und er hätte es auch für unpassend gehalten. Aber wenn sie sich als Teil eines großen Ganzen fühlten, und wenn ihr sich sonst atheistisch gebender Captain sogar himmlischen Beistand anrief, dann gab ihnen dies vielleicht das Stücken moralischen Auftrieb, der den Ausschlag geben konnte.
Mithel gefiel der ganze Plan natürlich nicht unbedingt. Es widerstrebte sogar seiner mitunter gnadenlosen Ethik, einen Teil der Flotte einfach als Prellbock zu verwenden. Es ging hier ja nicht um Abfall, um Strafkompanien. Das waren stolze Schiffe, zum Gutteil schlachtbewährt. Bemannt von hunderten, ja Tausenden Männern und Frauen. Mehr als diese aufgeblasenen Jagdjockeys, soviel war sicher. Daß die einfach so riskiert wurden, erbitterte ihn. Er hatte schon oft genug im Kreis anderer Kapitäne wütend konstatiert, daß die Trägerkommandeure die Kreuzer als entbehrliche Schilde einsetzten, damit ihren eigenen Hinterteile nicht in die Luft geblasen wurden. Hier hatte er wieder mal den Beweis.
Nicht, daß der Plan keinen Sinn machte. Aber er war Zeichen einer fatalen Mentalität. Statt beizeiten auf ein vernünftiges Abwehrkonzept zu setzen, daß der Flotte eine Reihe guter Mehrzweck- und auch Flakschiffe gab, hatte man die Träger zu lange gehätschelt. Und wenn sie es nicht brachten, wie jetzt wieder, durften die anderen Dickschiffe die Zeche bezahlen. Das hatte nichts mit unfair zu tun – es war einfach schändlich den Schiffen und Menschen gegenüber. War man denn Matrose und Offizier Zweiter Klasse, bloß weil man keine Schwingen hatte? Wer hatte die TSN eigentlich groß gemacht? Statt eines halb unerprobten Flakkreuzers hätten sie ein halbes Dutzend haben können, wenn nur...

Überall an Bord des Schiffes liefen nun die Vorbereitungen an. Nach kurzer Rücksprache mit ihrem Vorgesetzten kümmerte sich Ariane Raffarin darum, daß die Lösch- und Reparaturtrupps an strategisch günstigen Punkten verteilt wurden. Sie sollten nicht erst ausrücken, wenn es zum Gefecht kam. Taschenlampen wurden ausgegeben, Notleinen gespannt. Sowohl Schwerkraft als auch Licht konnten im Schadensfall leicht ausfallen. Atemmasken mußten überall griffbereit sein. Die Sträflinge – auf Mithels Schiff war der Arrest nie GANZ leer – reihten sich ein. Sie hätten es wohl vorgezogen, ihre wiedererlangte Freiheit anderen Umständen zu verdanken. Aber auch sie hatten keine Wahl. Die Offiziere waren ohnehin alle durch Mithels Sieb gegangen, und der britische Captain hatte aussortiert, was ihm unbrauchbar erschien. Wobei er allerdings auch auf Disziplin achtete – Leistung allein war keine Entschuldigung für schlechte Zucht und Ordnung, denn irgendwo wirkte dies sich auch wieder auf die Effizienz aus.

An Bord der MERCILESS hatte Schupp einen guten Überblick über die Flotte. Er sah auf dem taktischen Bildschirm die Anzeigen. Hinter ihnen blieb das Sprungtor nach Graxon zurück. Er wußte, daß dort die Marines fochten und fielen – wenn sie nicht schon alle aus dem Orbit ausradiert worden waren. Aber er konnte an sie nicht mehr als einen flüchtigen Gedanken verschwenden. Vor ihnen wartete die JAMES WINDSOR. Er traute dem Schiff nicht ganz. Es mochte unsinniger Aberglaube sein, aber mit dem Prinzen hatte es kein gutes Ende genommen...
Daß da noch die vier anderen Träger mit ihren Begleitflottillen waren, beruhigte ihn nur unwesentlich. Ein kleiner Fehler im Timing, eine überraschend geschickte Finte der Akarii, und der Gegner würde beide Flottenverbände auseinandernehmen, einen nach dem anderen. Er hatte die Macht dazu, und die Akarii hatten den Ruf, selten von einer einmal gestellten Beute abzulassen. Bald, sehr bald würden die ersten Akarii durch das Sprungtor vorstoßen. Direkt ins Minenfeld hinein. Das würde sie sicher etliche Schiffe der Voraussicherung kosten. Aber wieviel mochte das sein? Sie würden vielleicht ein halbes, im besten Fall ein volles Dutzend Schiffe verlieren. Das war viel und minderte ihren Sieg – aufhalten würde es sie nicht. Und das Gros der Streitmacht würde durchstoßen. Vier voll bestückte Uniform, vermutlich die selbe Anzahl Golf. Dazu sicher mehr als drei Dutzend Yankee und Kilo. Selbst wenn man ALLE irdischen Schiffe zusammenrechnete, die Sache blieb unsicher. Die Akarii konnten vermutlich vier Dutzend Staffeln mobilisieren. Bei den Menschen waren es hingegen würden es wohl eher dreieinhalb Dutzend sein. Die bisherigen Gefechte über Graxon waren nicht ohne Verluste abgegangen, und wo man Maschinen zumeist ersetzen konnte, was es bei den Piloten die Lazarett und Leichenhallen füllten nicht möglich. Ähnlich dürfte es mit den Dickschiffen aussehen. Viel hing davon ab, wie fähig die Soldaten und die Führer waren. Und da hatte Schupp kein unbegrenztes Vertrauen in die eigene Seite.

Die drei detachierten Kreuzer begannen zurückzufallen. Andere Schiffe gesellten sich zu ihnen. Alles in allem eine formidable Streitmacht – aber würde das ausreichen? Sie hatte genug Feuerkraft um hunderte von Anti-Jäger Raketen abzuschießen, aber was auf sie zukommen würde war eine der größten Kampfliegerverbände die es in der Geschichte der Raumträger an einem Ort gegeben hatte. Zumindest wenn man menschliche Maßstäbe anlegte. In Gedanken wünschte ihnen Schupp viel Glück. Nicht lange mehr, und sie würden sich endgültig vom Hauptverband lösen. Die Kreuzer, bei denen seine Gedanken besonders waren, hatten einerseits bessere Chancen als die kleineren Zerstörer, denn ihre Schilde waren stärker, ihre Abwehrwaffen effizienter. Aber sie waren auch verlockende Ziele. Welcher Bomberpilot träumte nicht davon, einen Kreuzer ,auf seinem Heck‘ zu haben? Zumindest war es bei den Menschen so. Nur Größenwahnsinnige riskierten es, in der vagen Hoffnung auf einen Trägerabschuß so eine Möglichkeit auszuschlagen. ,Nun,‘ dachte Schupp zynisch: ,nach dem was ich über Prinz Jor gehört habe, besteht ja noch Hoffnung...‘ Aber wer sich auf die Fehler eines feindlichen Kommandeurs verließ, konnte ebensogut gleich Selbstmord begehen. Und wenn man es genau nahm, mußte sich Schupp eingestehen, dann dachte er im Augenblick nicht nur an den Sieg der TSN. Er dachte vor allem an die Männer und Frauen unter seinem Kommando. Er hatte sie in die Schlacht kommandiert und sie hatten gehorcht. Hunderte waren dabei gestorben. Jetzt hatte er nicht wenige wieder dorthin geschickt, wo der Tod auf sie lauerte. Nein, Schupp wollte nicht, daß ein Sieg der TSN auf der Opferung seiner Untergebenen fußte. Natürlich, ohne Risiko gab es keinen Sieg. Aber bewußtes In-den-Tod-schicken – diese Strategie drehte ihm den Magen um. Bloß damit ein paar beschwingte Karrieristen sich noch ein paar Orden anheften konnten!
Aber er kannte seine Pflicht. Es gab Gedanken, die durfte man nicht einmal im engsten Kreis aussprechen – im Marinejargon nannte man sie spöttisch „Potemkinsche Gedanken“. Er würde tun, was zu tun war. Schupp preßte die Hand auf seinen Magen. Es war weniger der Alkohol, als vielmehr Streß und Ermattung, doch manchmal hätte er sich am liebsten übergeben. Ihm kam in den Sinn, was Mithel entgegnet hatte, als er ihm den Befehl für sein Schiff mitteilte. Mit einem kalten, fast bitteren Lächeln hatte sein Untergebener gesagt: „Nun, wenn sie kommen, dann werden sie sicher die Sterne verdunkeln. Aber was soll es, so werden wir wenigstens im Schatten kämpfen.“

Mithel kannte Schupps Hang zu Zitaten, und das hier mochte ein bitterer Gruß sein, oder ein Schlag ins Gesicht. Angeblich hatten nach diesem Motto 300 Spartaner unter ihrem König Leonidas mit 700 Verbündeten die Thermopylen mehrere Tage lang gegen die Perser gehalten, gut 500 Jahre bevor irgend ein nazarenischer Schreinersohn als Aufrührer ans Kreuz genagelt worden war. Der Rest des griechischen Heeres hatte sich zurückgezogen. Durch Verrat war der Feind durchgebrochen, und alle 1000 Verteidiger waren gefallen, bis zum letzten Mann. Die Griechen aber hatten den Krieg gewonnen.
Aber was Mithel ihm damit auch sagen wollte – Schupp konnte ihm nicht widersprechen.
In diesem Augenblick ging der Alarm los: „Gegner springt ins System!“
Schupp schüttelte die quälenden Gedanken ab. Die Schlacht hatte begonnen.
Tyr Svenson
Eröffnung

Lilja bemühte sich, ihre verkrampften Kiefermuskeln zu lockern. ,Wenn ich jetzt was sage, hört sich das bestimmt grausig an.‘, dachte sie. ,Na komm schon, Mädchen, es ist doch nicht deine erste Schlacht!
Die erste nicht, aber wie stehen die Chancen, daß es die letzte wird? Und vor allem – wenn es schief geht, wie tief im Dreck sitzen wir dann? Was wenn die Fritzen Sterntor nehmen?‘
Lilja hatte früher davon geträumt, einmal bei einer wirklich entscheidenden Schlacht dabei zu sein – wie wohl die meisten jungen Frauen und Männer, die mit auch nur einem bißchen an Begeisterung in irgend einen Krieg gezogen waren. Einmal dabei zu sein, wenn Geschichte geschrieben wurde. Und vielleicht auch selber ein Held zu werden. Die jugendliche Begeisterung war schnell verfolgen, auch wenn die Freude am siegen – und in ihrem Fall am töten – nie ganz abstarb. Aber jetzt, wo sie wirklich vor einer wichtigen Schlacht stand, noch wichtiger als der mit reichlich Vorschußlorbeeren bedachte Angriff von Jollahran, hatte sie daß Gefühl von der Last der Verantwortung niedergedrückt zu werden. Was wenn sie versagten? Wenn SIE persönlich versagte?

Lightning hatte vielleicht ähnlich empfunden, allerdings hatte die Kommandeurin eine andere Art, mit solchen Problemen fertig zu werden. Sie hatte im lockeren Ton erklärt, neben der Möglichkeit den armen Brüdern von den Dickschiffen mal wieder den Hintern zu retten, gäbe es diesmal gleich zwei Wege zur Unsterblichkeit.
Da beim Gegner sowohl die NAKOBI als auch das persönliche Flaggschiff von Print Jor gemeldet worden waren, würden sich gleich zwei Chancen ergeben, den ultimativen Abschuß zu erzielen: den Roten Baron oder den Thronfolger. Imp hatte – frohgemut wie immer, wenn sie sich Mühe gab konnte ihr nichts die Laune verderben – den Ball aufgenommen und zurückgeschossen. Das eine wäre sicher ein harter Schlag für die Echsen – aber wenn das andere eintreten würde, müßte man sich den Vorwurf gefallen lassen, den Krieg für die Echsen gewonnen zu haben. Womit sie darauf anspielte, daß die Gerüchte Prinz Jor selten gewogen waren. Er sollte ein exzellenter Pilot sein, aber von seinen anderen Tugenden sprach man weniger gnädig. Ob das stimmte war natürlich eine andere Sache, die kaiserliche Familie war für die Menschen ein Buch mit mehr als sieben Siegeln, auch vor dem Krieg waren die Informationen spärlich gewesen. So war nur allgemein bekannt, was über die Colonial Confederation vor dem Krieg durchgesickert war. Und das bedeutete das galaktische Gegenstück zu Informationen der Yellow-Press.

Der Russin hatte all das nicht wirklich weitergeholfen. Ihr Flügelmann hatte wohl gemeint, wo er schon den Schaden hatte, als eigentlich krankgeschriebener Pilot mitmachen zu müssen, könnte er auch den Spott noch nehmen. Er hatte innerhalb der Sektion launisch fallengelassen, wo er schon mitkomme, wolle er das Recht auf einen der beiden Abschüsse haben. Lilja war ihm, ganz gegen ihre Gewohnheit, ziemlich scharf über den Mund gefahren – eine Folge ihrer Nervosität. Da ihr das klar war hatte sie sich, auch dies nicht eben üblich für sie, sofort danach entschuldigt. Jetzt war Tyr ruhig – vermutlich hatte er auch nur versucht so seine Aufregung zu überdecken.

Um sie herum wimmelte es von Kampffliegern. Alles an Jägern und Jagdbombern, was der Verband aus COLUMBIA, JAMES WINDSOR und INTREPID aufbieten konnte, war bestückt und einsatzbereit. Es war beruhigend, die Red Arrows zur Seite zu haben. Lilja hielt ja sonst nie so viel von dem aufgeblasenen Gehabe mancher Eliteformationen, auch weil sie ziemlich davon überzeugt war, selber eine gute Pilotin zu sein, jedenfalls nicht schlechter als die meisten von denen. Aber trotzdem, in diesem Augenblick war es ihr schon ganz lieb...

Die Hauptflotte blieb schnell zurück. Die Träger lagen ,vorne‘, an der dem Feind abgewandten Seite. Jeder Angreifer würde sich in eine Feuerkugel von 30.000 Kilometern Durchmesser hineinkämpfen müssen, wollte er seine schweren Raketen abfeuern. Selbst wenn die Akarii den vorgeschobenen Flakgürtel und die Abfangjäger überwanden – wehrlos war die Restflotte keineswegs. Aber vermutlich würde es dennoch nicht reichen. Eine einzige Staffel Avenger die durchbrachen konnten einen stolzen Träger auseinanderreißen. Nun, nur, wenn sie es nicht verhindern konnte. Die Russin atmete ein paar Mal krampfhaft durch. Das half etwas. Sie brauchte aber nur einen Blick auf die Anzeigen zu werfen, schon schnürte sich ihre Kehle erneut zusammen. Die Gegner nahten. Noch waren sie ziemlich weit weg – aber der Abstand schwand zunehmend. Und es waren VIELE.
Sie hatte den irrationalen Drang, eine Zigarette zu rauchen, um endlich ihre Gedanken etwas zu beruhigen, das Zittern der Hände zu bekämpfen. Nun, dann mußte das Adrenalin des Gefechts dies übernehmen. Wenn es nur endlich RICHTIG losging. Noch mehr warten im sicheren Angesicht der Schlacht, und sie wurde wahnsinnig.

Die Stimme der Staffelchefin klang ruhig und souverän: „Sektionsführer Klarstand?“ Blackhawk bestätigte sofort, und für einen Augenblick empfand Lilja Zorn auf den Veteranen, daß er so ruhig und beherrscht agieren konnte. Dann preßte sie ein: „Einsatzbereit – Sektion wartet auf Angriffsbefehl.“ hervor. In ihren eigenen Ohren klang es schauderhaft, aber Lightning gab sich anscheinend damit zufrieden.
„Denkt dran, unsere Primäraufgabe ist es, den schwereren Jägern den Weg zu bahnen. Sie haben mehr und bessere Waffen – wir sollen verhindern, daß ihnen die Bloodhawks die Schwanzfedern kappen. Bomber sind natürlich eine nette Dreingabe, aber achtet vor allem auf ihre Jäger.“

Das war keine dankbare Aufgabe, allerdings würden vermutlich die Akarii primär auf die Phantom und besonders auf die Nighthawk achten, die ihren Jabos und Bombern besonders gefährlich werden konnten. Das konnte den agilen Typhoon manches verlockende Ziel bieten. Oder auch nicht – die Akarii waren möglicherweise zahlreich genug, daß sie sich mit ALLEN menschlichen Jägern auseinandersetzen konnten, ohne daß jemand unversorgt blieb. Der Gedanke an den eigenen Flakschild war etwas beruhigend – auch wenn es immer wieder Schauergeschichten über ,blue on blue‘-Zwischenfälle gab – aber insgesamt reichte er doch nicht ganz aus.

Sie zögerte einen Augenblick, schwankend und unsicher, doch dann öffnete sie einen Privatkanal: „Imp? Ich bin es.“ Sie wartete nicht, bis die Kameradin ihr antwortete.
„Ich wollte bloß sagen, pass‘ bloß auf. Ich wünsche dir viel Glück. Und wehe du machst Dummheiten – und wenn ich dich an den Ohren aus der Hölle schleifen muß!“
Sie spürte wie ihre Stimme zitterte, und unterbrach den Funkkontakt sofort. ,Dumme Gans!‘ fluchte sie innerlich. ,Nächstens fängst du noch an zu heulen wie ein altes Weib!‘ Aber das war mehr Fassade, als daß sie wirklich mit sich wütend war. Sie hatte Angst, um die Schlacht, ihre Freundin – die Sorge um sich selber kam ein gutes Stück weiter hinten.
,Ach zum Teufel!‘ schnauzte sie sich selber an: ,Konzentriere dich gefälligst auf das Gefecht, und fertig.‘
Erneut blickte sie auf den Entfernungsmesser. Es war soweit Liljas Stimme klang so kalt wie das Eis, aus dem ihr Herz Gerüchten zufolge bestehen sollte, als sie den Befehl erteilte: „Raketenradar scharf. Auf Langstreckenfeuer achten. Countdown zum Angriff beginnt.“

***

Fünf Minuten später

Lilja riß ihren Jäger herum. Ihre Schildanzeigen flackerten wie wild, während der Akarii-Jäger mit seinen Bordwaffen auf sie eintrommelte. Rein auf Verdacht hin löste sie zwei Täuschkörper aus, und der im selben Augenblick anspringende Raketenalarm zeigte ihr, daß sie sich nicht getäuscht hatte. Sie beschleunigte ihre Maschine mit einem wütenden Hieb auf den Nachbrenner. Dann riß sie den Jäger mit einer einzigen brutalen Bewegung um 180 Grad herum – nicht horizontal sondern vertikal. Einem unerfahrenen Piloten wäre vermutlich bei so einem ,unlogischen‘ Manöver schlecht geworden. Immerhin ,lag‘ sie jetzt auf dem Rücken. Aber Lilja hatte ihre Lehre teuer erkauft, und wußte das gelernte anzuwenden. Während der Akarii sie mit Höchstgeschwindigkeit passierte, hämmerte sie nun ihrerseits wütend auf ihn ein. Ihr Gegner war anscheinend etwas überrascht, und das gab ihr die nötigen Sekunden, wieder zu beschleunigen, so daß er sie nicht allzu stark unter Feuer nehmen konnte. Ohnehin sah es mit seinen Schilden auch nicht mehr zum Besten aus. Als er vorbei war, setzte sie das Manöver fort – weitere 180 Grad. Sie kämpfte die ganze Zeit damit, nicht ohnmächtig zu werden. Manche Dinge belasteten Mensch und Maschine bis an die Grenzen dessen, was noch ertragbar war.
Als sie ihren Gegner wieder ins Visier nahm, war er nur noch eine Blume aus Feuer und Stahl – ein surrealistisches Kunstwerk, und eines, daß sie zu schätzen wußte. Über Funk kam das Kriegsgeheul von Tyr.
„Dem geht der Arsch auf Grundeis! Den hab‘ ich erwischt! Den habe ich voll erwischt!“
Für einen Augenblick grinste Lilja. Fast wie ein kleines Kind benahm sich ihr Flügelmann. Na, sollte er, sie erinnerte sich an ihren ersten Abschuß. Auch wenn es nicht wirklich sein erster war – das hier war was anderes als Piraten jagen.
„Werde nur nicht übermütig. Es sind noch genug für uns alle da.“, meinte sie deshalb nur – unter anderen Umständen hätte sie ihn strenger zur Ordnung gerufen.
Ihre eigene Maschine hatte einiges an Schildenergie verloren. Und es gab keine Möglichkeit, so lange zu warten, bis die Schilde wieder ,aufgeladen‘ wurden. Sie brauchte ohnehin jedes bißchen Energie für Manöver und Kampf. Dann mußte es eben so gehen.
„Sektion – mir nach. Bloodhawk auf Drei Uhr, abdrängen!“

Ihr blieb wenig Zeit, einen Blick auf das Schauspiel ringsum zu verschwenden. Das Gefecht war mit einem Sturm aus Langstreckenraketen eröffnet worden. Die Akarii hatte das einige ihrer schweren Maschinen gekostet, die weniger gut manövrieren konnten als die schnellen Maschinen der Menschen. Aber sie hatten gezielt und massiert zurückgeschossen. Eine Maschine der eigenen Staffel – der Jäger von Virago, also Second Lieutenant Moratti – war gleich zu Anfang ausgefallen. Er war nicht explodiert, aber technisch gesehen so gut wie tot und mußte wohl geborgen werden. Kein Wort von der Pilotin – vielleicht war sie in der Kanzel erstickt oder verblutet. Und ob beziehungsweise wann man sie bergen konnte, hing auch vom Gefechtsverlauf ab.
Die DAUNTLESS hatte ordentlich mitgeschossen, so weit man das beurteilen konnte. Und als die feindlichen Maschinen näher heran waren, war es erst richtig losgegangen. Die Kreuzer und Zerstörer hatten ihre Anti-Jägerraketen ausgelöst, die Kampfflieger ihre Mittelstreckenraketen. Da die Akarii es ähnlich hielten, waren buchstäblich hunderte Raketen auf einmal durch den Raum gezogen.
Das Gros der Echsen hatte versucht zum menschlichen Hauptverband durchzubrechen. Aber natürlich waren die Echsen nicht gewillt, sich dabei und auf dem Rückweg die ganze Zeit von der Flakformation und den Erdjägern beschießen zu lassen. Einige Staffeln, vor allem Raptoren und einige Deltavögel, hatten offenbar Befehl bekommen, sich um die vorgeschobene Sicherung zu kümmern.
Jetzt trieben mehrere Schiffe schwer havariert im Raum – von einigen war kaum mehr geblieben als Mikrotrümmer. Das geschah, wenn sie von mehreren Atomraketen gleichzeitig erst ,nackt‘ geschossen wurden, also ihre Schilde verloren, und dann noch ein, zwei Volltreffer erhielten. Da konnte von Glück sagen, wessen Schiff ,nur‘ von den Deltavögeln aufgeschlitzt wurde wie eine Konservendose. Denn dann gab es noch Überlebenschancen. Doch Lilja konnte sich den Luxus von Mitgefühl nicht leisten – jetzt nicht.

Trotz aller Bemühungen der Akarii war es einigen Jägern der Menschen gelungen zu den Bombern durchzubrechen, und zusammen mit den Flakschiffen ein erhebliches Maß an Verwirrung und Verwüstung anzurichten. Immerhin genügte es auch schon, wenn die Akarii ihre Schiff-Schiff-Raketen im Notwurf loswerden mußten oder zu schwer beschädigt wurden. Aber das alles kostete natürlich Blut, und zwar erheblich. Die feindlichen Jäger waren so gut wie ihr Ruf – und das bedeutete bei denen der NAKOBI und Jors Flaggschiff, sie waren SEHR gut.

Liljas Sektion hatte bisher mit Bloodhawks gekurbelt. Sie hatten einige Angriff auf schwerere Maschinen ihres oder anderer Geschwader abgeschlagen oder zumindest abgeschwächt. Die Russin hatte zwar einer feindlichen Maschine das Hinterteil ruiniert, aber leider versäumt ihrem Gegner den Rest zu geben. Sie hoffte aber, er hatte genug für heute.
Sie neidete Tyr seinen Abschuß nicht. Hauptsache die Echse war weg, am besten tot. Vier Raketen hatte sie noch, und die gedachte sie einzusetzen.
Als sie zu den Akarii aufschlossen, die versuchten eine Lücke im Jägerschirm zu schließen, mußte Lilja einmal mehr – widerwillig – die feindlichen Maschinen bewundern. Die Bloodhawk waren ebenso agil und wendig wie ihre eigene Maschine, aber wesentlich besser bewaffnet und gepanzert. Wenn doch nur... Aber die Eierköpfe zu Hause kamen eben nicht auf die Idee, einen wirklich GUTEN Jäger in kurzer Zeit frontreif zu machen, auch wenn er zehnmal benötigt wurde. In Kantinengesprächen hatte die Russin sich mitunter soweit verstiegen und den Forschungsabteilungen halbe Sabotage zu unterstellen - woran sie einen vollen Strafwunsch anhängte.

Seitlich schoben sich die Maschinen der Ersten Sektion heran. Es waren noch drei – Stormrider fehlte. Hinter ihnen bahnten sich sechs Nighthawk von den Red Arrows den Weg. Lightnings Stimme klang frischer, als die Staffelchefin sich sicherlich fühlte: „Fertigmachen – auf meinen Zeichen. ANGRIFF!“
Lilja beschleunigte ihren Jäger. Die sieben Typhoons kamen als lockerer Verband, aus allen Rohren feuernd. Die Akarii stoben auseinander, um sich sofort neu zu formieren – sie mußten einerseits auf die Abfangjäger aufpassen, konnten aber natürlich auch nicht zulassen, daß die Maschinen der JAMES WINDSOR durchbrachen. In diesem Dilemma wurde ihre Geschwindigkeit und Wendigkeit teilweise ausgeglichen – sie waren als Kettenhunde gehandicapt.

Bald befanden sich die Maschinen in einem wütenden Kurvenkampf. Jäger und Gejagte wechselten ihre Rollen ständig. Sekunden konnten entscheiden. Lilja wich einem Gegner aus, der sie frontal angriff und hängte sich hinter einen, der versuchte sich an eine Nighthwak heranzupirschen, die wahnwitzige Abwehrmanöver flog – Lilja hätte nie geglaubt, daß so etwas mit der doch etwas schwerfälligeren Maschine überhaupt ging. Sie hörte wie ihre Zielerfassung ansprach – und feuerte. Die Russin haßte die Sidewinder, da diese zum Erfassen viel zu lange brauchten. Aber diesmal tat die Kurzstreckenrakete ihre Pflicht. Ihrem Zweck entsprechend zerfetzte sie die feindliche Maschine. Liljas Gesicht verzog sich zu einem häßlichen Grinsen, ehe sie sich zu Ordnung rief. Es gab noch genug zu tun.
Dann waren die Nighthawk durch – oder besser, vier von ihnen. Zwei hatten es nicht geschafft. Sie überflog die Anzeigen und fluchte wütend. Es waren mit ihr nur noch SECHS Typhoon. Aber was als Wut und Ärger begann, wurde zu Entsetzen, als sie bemerkte, wessen Maschine fehlte...

Für einen Augenblick überlegte sie, ihren Jäger herum zu reißen. Sie konnte ja suchen, ein Shuttle dirigieren. IRGEND ETWAS versuchen. Sie mußte doch etwas tun. Aber sie tat nichts. Sie flog an der Spitze ihrer Sektion, die Hände verkrampft, während sie lautlos weinte. In der Sektion ihrer Kommandeurin fehlte Grün Vier.
Die Red Arrows gingen zum Angriff über. Die Typhoon blieben an ihrer Seite, sicherten sie gegen feindliche Jäger ab. Die ließen auch nicht lange auf sich warten. Mit einem Laut der halb Schluchzen, halb Knurren war, stürzte sich Lija wieder ins Gefecht. Sie wußte nicht, ob Imp noch lebte. Aber im Augenblick hätte sie wohl jeden Akarii umgebracht, egal welchen Alters, ob Soldat oder nicht.

Lightning spürte wie der Schweiß über ihre Stirn lief. Schon wieder ein Nahkampf! Langsam aber sicher fühlte sie, wie ihre Kräfte nachließen. Der Körper eines Menschen verkraftete nur begrenzt viele Hochgeschwindigkeitsmanöver. Ihre Maschine war ebenfalls nicht mehr im besten Zustand. Sie mußte mit dem Energiehaushalt vorsichtig umgehen, sonst versagten die Waffen, Schilde oder der Antrieb in einem kritischen Augenblick. Mit einem durch und durch unbritischen Fluch warf sie ihre Maschine einmal mehr herum. Verdammt, so nah! Und doch – die Nighthawk hatten ihren Angriff abbrechen müssen, nachdem sie zwei Bomber abgeschossen und zwei angeschlagen hatten. Die Bloodhawk hätten sie sonst zerfetzt – da mochten die Typhoon tun was sie konnten. Es reichte einfach nicht. „Grüne Staffel, es hat keinen Sinn. Abbrechen. Achtung, wir ziehen uns zurück – Fluchtvektor der Arrows abschirmen. Mir nach!“ Und in dem Augenblick wurde Claw endgültig wahnsinnig.
Jedenfalls war das der erste Gedanke, der Lightning kam, als ihr Flügelmann aus dem Verband ausscherte – und sich direkt auf die feindlichen Bomber stürzte. Nicht mit einem Kriegsgeheul, sondern schweigend. Lightning aktivierte ihr Komm: „Grün Zwei, sofort zurückkommen! Grün Zwei! Claw, verdammt, was machst...“ Sie sah im selben Augenblick, daß es zu spät war.

Der leichte Abfangjäger stieß von unten in den Verband hinein. Er feuerte seine vier verbliebenen Raketen synchron ab – alle trafen. Die Akarii waren von dem... Banzai-Angriff nannte man so etwas wohl... so überrascht, daß sie nicht rechtzeitig Gegenmaßnahmen ergriffen. Ein Avenger verglühte sofort in einer gewaltigen Explosion. Zwei andere waren offenbar schwer beschädigt, zumal Claw auch noch mit Bordwaffen nachsetzte. Seine Maschine, auf Nachbrenner und damit ein Vielfaches schneller als die schweren Feindmaschinen, raste geradezu durch die Formation. Aber seine ganze Geschwindigkeit reichte nicht. Einer der Akariipiloten richtete seine Maschine aus. In seiner augenblicklichen Stimmung, die wohl von Panik und Haß dominiert wurde, feuerte der Akarii vier Raumkampfraketen auf einmal ab. Drei trafen den schlanken Erdjäger.
Grün Zwei wurde zu einem Reflex auf dem Ortungssystem, der sich auflöste wie ein Fetzen Nebel im Sturm. Es gab keinen Zweifel, daß er tot war.

„Aufschließen!“ schnappte Lightning. Wut, Trauer und Schuldgefühle rangen in ihr miteinander. Wut auf den Feind, auf ihren Flügelmann, auf sich selbst. Ein Drittel ihrer Staffel war in den ersten Minuten des Gefechts abgeschossen worden, und wie viele überlebt hatten, war unklar. Und damit hatte sie ihre gesamte Sektion verloren. Sie hörte Liljas Stimme. Die Russin klang kälter als ein Winter ihrer Heimat: „Bestätige.“ Lightning verstand wieso. Und die Schlacht hatte gerade erst begonnen. Sie öffnete einen Kanal zu den Nighthawk: „Gehen wir noch mal ´ran?“ Im Grund war es keine Frage. Die Stimme des anderen Piloten klang resigniert aber entschlossen: „Verstanden. Schnappen wir sie uns.“ Sie hatten ohnehin keine Wahl.
Die neun Erdjäger begannen zum ,Bomberstrom‘ der Akarii aufzuschließen, der sich unablässig in Richtung der Träger vorkämpfte. Man wartete bereits auf sie.
Tyr Svenson
Triumph und Tragödie

Es gab nicht viele Orte im Universum, die Chris Mithel im Laufe seines Lebens so erstrebenswert erschienen waren wie der, an dem er sich jetzt befand. Seit er in die Streitkräfte eingetreten war – eine Ewigkeit war das her – hatte er sich etwas wie das hier erträumt. Das eigene Kommando über ein schweres Raumschiff. Er hatte nie ernsthaft davon darauf gehofft, einmal einen Träger zu kommandieren. Als Flottenoffizier, einem ohne Schwingen, war ihm klar gewesen, daß dergleichen so gut wie unmöglich war. Natürlich hatte er nicht von seinem ersten Tag in den Streitkräften an einen Kommandoposten gezielt angestrebt – aber man durfte ja träumen...
Als jedenfalls aus den Träumen eine echte Möglichkeit gewesen war, da hatte Mithel bereits genug Vorurteile über die Platzhirsche der Flotte angehäuft, daß er nicht einmal mehr ernsthaft daran dachte, einen Träger kommandieren zu können. Das mochten zum Teil „saure Trauben“ sein, aber es war eben nicht nur das. Er hatte die Lehren verinnerlicht, die weit eher in den schweren Schiff-Schiff-Raketen und den Geschützbatterien eine Grundlage interstellarer militärischer Macht sahen. Böse Zungen behaupteten zwar, diese Flottenfraktion habe sich seit Trafalgar – oder im günstigsten Fall seit dem Ersten Weltkrieg – nicht wirklich weiter entwickelt, aber das focht seinesgleichen wenig an. Zum einen war es falsch. Schlachtschiffe, ähnlichen den Dreadnoughts früherer Zeiten, hatten lange Zeit das Rückrat der TSN gebildet, bevor sich die Träger zu den Publikumslieblingen gemausert hatten.
Zum anderen hatte ihm die Praxis bewiesen, daß sie eben nicht so überflüssig waren, wie oft behauptet wurde.
Dazu kamen natürlich noch die psychologischen Faktoren. Mithel verabscheute die teilweise auftretende Zwei-Klassen-Struktur der Flotte, in der sich die ,Engel‘ – für ihre Gegner auch ,Bratgänse‘, ,Krähen‘, ,Truthähne‘ und dergleichen mehr – also die Flottenoffiziere, welche die Schwingen hatten, als etwas besseres betrachteten. Und die Starallüren einiger Piloten selber waren ihm noch mehr zuwider. Warum bloß konnten die ihren Leuten nicht ein wenig Disziplin beibringen?

Nein, er war durchaus da, wo er seien wollte. Es sah freilich im Augenblick durchaus so aus, als würde er hier auch sterben. Der Anblick, der sich auf den taktischen Schirmen bot, war wahrlich atemberaubend. Die Akariiflotte an sich war schon ein überwältigender Anblick. Auch für Mithel, der bei Mantikor einen sogar noch größeren Verband der Echsen im Einsatz gesehen hatte. Aber die ausgeschleusten Kampfflieger verstärkten den Eindruck noch. Und Mithel war bei aller Abneigung niemals so töricht gewesen, die kleinen Maschinen zu unterschätzen.

Die DAUNTLESS leistete zumindest als Feuerleitschiff gute Arbeit, das mußte man ihr zugestehen. Die Informationen die er bekam, waren um etliche zehn Prozent besser als normale Sensoren sie bieten konnten. Aber sie waren nicht so revolutionär, wie einige Leute es wohl gehofft hatten. Die Maschinen der Akarii für elektronische Kampfführung waren alles andere als ineffizient. Nun, wenig war besser als gar nichts.
Der Flakkreuzer hatte das Feuer bereits eröffnet – seine Raketen erlaubten das. Vielleicht würde man irgendwann mal dazu übergehen, ein oder zwei dieser Werfer auch auf serienreifen Kriegsschiffen wie der RELENTLESS einzubauen. Die Raketen schienen gut zu liegen, aber es war anzunehmen, daß die Akarii auch hier keine Anfänger waren. Die Abschüsse, die registriert wurden – noch ein Vorteil der leistungsfähigen Sensoren des Flugabwehrschiffes – lagen in ihrer Anzahl deutlich unter jener der abgefeuerten Flugkörper. Wie nicht anders zu erwarten – Täuschkörper und gut geflogene Manöver retteten so manchen Akarii.
Zusammen mit den Phönix-Raketen der menschlichen Jäger ergab sich eine beachtliche Feuerkraft, doch das schien die Echsen kaum zu bremsen. Es schwächte sie – aber es machte sie vermutlich auch wütend.
Es war für die Akarii zweifelsohne frustrierend, so anzufliegen. Ihre Langstreckenraketen reichten so weit wie die Flugkörper der DAUNTLESS, aber gegen einen leichten Kreuzer waren sie nicht besonders effizient – es wären schon sehr viele Treffer nötig gewesen. Also hielten sie sich an die menschlichen Jäger, und schossen einen nach dem anderen ab, kaum weniger als diese bei ihnen. Gut 40.000 Kilometer Differenz zwischen der maximalen Feuerdistanz und dem Abstand, aus dem die Akarii ihre Schiff-Schiff- und Mittelstreckenraketen einsetzen konnten, bedeuteten anderthalb Minuten, in denen die meisten Akarii nur ,schlucken‘ konnten. Nun, dafür würden sie sich sicher rächen wollen.

Der Captain beugte sich in seinem Sitz leicht nach vorne: „Feuerleitstand – Ziele auffassen. Sekundärwerfer bereithalten. Ziel auf Gruppe Drei-Sechs, drei Raketen pro Ziel.“ Die vier Amram-Werfer richteten sich nach seinen Befehlen hin aus. Es war eigentlich Aufgabe des Waffenoffiziers, aber Mithel gab, wie viele Kommandeure, zumindest den ersten Feuerbefehl persönlich. Er hatte diesmal klargemacht, daß Bomber und Jabos ihre Ziele waren – um den Rest mußten sich die Erdjäger kümmern. Die klassischen Geschütze würden vor allem in der Abwehr feindlicher Raketen zum Einsatz kommen – und in dem Fall, daß sich feindliche Maschinen näher an den Kreuzer heranwagten.
Mithel konnte sich gut vorstellen wie auf den anderen Kreuzern und Zerstörern unzählige Lafetten ausgerichtet wurden. Er lächelte schmal. Mal schauen, wen die Akarii am Ende mehr zu fürchten haben würden – die Großkampfschiffe oder ihre ,Brüder von der anderen Feldpostnummer‘. Er straffte sich.
„Geschütze – FEUER!“
Mit einem Schlag schickten die Werfer der RELENTLESS 50 Amramraketen auf den Weg. Und wenige Sekunden später noch einmal 50. Und dann noch einmal...

Die Akarii waren zwar auf das edelste Wild, auf den menschlichen Hauptverband, ausgerichtet, aber das hieß nicht, daß sie bereit waren sich die ganze Zeit beschießen zu lassen. Mit einer beeindruckenden Perfektion scherte eine Sektion Kampfflieger nach der anderen aus – ein Rinnsal im Vergleich zum Strom, der weiter dem alten Ziel zustrebte, doch keineswegs zu unterschätzen. Beschützt von agilen Reapern und Bloodhawks, begleitet von Deltavögeln, deren schwere Bugbatterien und breite Palette an Raumkampfraketen geschwächte Schilde durchaus zu durchschlagen vermochten, griffen Bomber und Jagdbomber an.

Ihr Hauptverband aber versuchte durchzubrechen. Unablässig feuerten die Werfer der Kreuzer und Zerstörer auf die Akarii, und in Scharen kamen jetzt die menschlichen Jäger heran, um die Echsen in Nahkämpfe zu verwickeln. Die Jäger der Akarii konnten als Eskorte ihre überlegene Beweglichkeit nicht voll ausnutzen, so daß binnen kurzem heftige Gefechte ausbrachen. Es würde kein schneller Durchbruch werden, bestenfalls ein blutiges Durchkämpfen. Aber noch sah es so aus, als könnten die Echsen es schaffen.
Mithel lächelte nicht mehr. Sein Gesicht war eine Grimasse der Konzentration. Die Augen huschten über die Anzeigen, während er einen Befehl nach dem anderen bellte. Seine langen Dienstjahre kamen ihm jetzt zugute. Er wußte, was ein Schiff konnte und holte das letzte aus ihm heraus – doch sogar das genügte kaum. Die RELENTLESS drehte sich, beschleunigte, kippte ab. Ständig spien ihre Geschütze Tod und Vernichtung ins Weltall hinaus – doch bei weitem nicht jede Rakete, die das Schiff aufs Korn nahm, konnte abgeschossen werden. Nicht jede Sektion feindlicher Sturmjäger, die sich auf ein geschwächtes Teilschild konzentrierten, wurde sofort bemerkt und mit massiertem Feuer verjagt, beschädigt, vernichtet. Wie ein Bär gegen ein Rudel Hunde schüttelte sich der Kreuzer, zerschmetterte seine agilen Feinde, wenn sie in die Reichweite seiner tödlichen Pranken gerieten – und wurde selber ein ums andere Mal getroffen. Blutete aus immer mehr Wunden.

Was als Gefecht wie auf dem Schießstand angefangen hatte, war schnell zu dem geworden, was der britische Captain erwartet hatte. Ein blutiges Schlachten, in dem es nur noch ums Überleben ging. Schon lange feuerten nur noch wenige Werfer der RELENTLESS auf die Bomber des Akarii-Hauptverbandes, die immer noch versuchten sich ihren Weg zum Hauptverband freizukämpfen. Der Kreuzer brauchte so gut wie seine gesamte Feuerkraft, um selber zu überleben.
Und wie in vielen Gefechten ging alles sehr schnell – und zog ein Schlag den nächsten nach sich.

Es begann mit einem unterdrückten Aufschrei des Sensoroffiziers: „Treffer auf der FURY. Zähle zwei, drei, SECHS Einschläge!“ Auf dem primären Sichtschirm blühte für einen Augenblick eine exotische Blume aus Feuer und flüssigem Stahl auf, tausendfach größer als die Explosionswolken der Jäger, die beinahe im Sekundentakt zu sterben schienen – Akarii wie Menschen. Die Kameras filterten die Eruption, und nach einer Sekunde war alles vorbei. Ein letzter Augenblick, in dem das sterbende Schiff einen grandioseren Anblick bot als jemals in seiner Laufbahn. Der leichte Kreuzer FURY war nicht mehr – eine Sektion Raptoren hatte ihn zerfetzt. Das Abwehrfeuer war zu zersplittert gewesen angesichts der Übermacht der Feinde, vermutlich auch einige Batterien bereits ausgefallen. In Sekunden starb ein kampferprobtes Schiff, und mit ihm gut 800 Flottensoldaten und Marines. Bei einem Treffer wie diesem gab es kein Entkommen. Der einzige Trost war, das es auch keinen Schmerz mehr gab, nicht einmal ein Begreifen.
Mithel biß sich auf die Lippe: „Schiff horizontal 30, vertikal 90, Maschinen AK! Batterien konzentrierter Schlag auf Sektor 3-24-15- JETZT!“ Er hatte keine Zeit für ein Gebet, nicht einmal für einen Gedanken. Es ging um SEIN Schiff. Die Trauer, das Begreifen würde später kommen. Wenn auch das Sterben von Schiffen zur Gewohnheit geworden war – ganz daran gewöhnen konnte man sich nie daß ein Kamerad einfach ausgelöscht wurde. Ausgelöscht in dem Sinne, das wirklich NICHTS blieb. Keine Trümmer, geschweige denn Körper, die man beerdigen konnte. Nur dürre Koordinaten im Weltall, die ein Massengrab kennzeichneten.

Aber der Kelch des Verlustes war noch nicht bis zur Neige gelehrt – nicht einmal annähernd. Vor Mithels Augen fielen zwei, drei weitere Schiffe aus. Zerstörer ,nur‘, doch auch das bedeutete hundertfaches Leid und Tod. Auch wenn nicht jeder so endgültig und vollkommen vernichtet wurde wie die FURY.
Dann flackerten auf einmal die taktischen Anzeigen, zahllose Signale verschwanden, erschienen wieder, verschwanden erneut. Mehre Schirme wurden dunkel.
Mithel drückte sich von seinem Sessel hoch, so weit die Sicherheitsgurte ihm dies erlaubten: „Was...? Ortungsoffizier – Meldung!“ Die Antwort kam prompt.
„Sir, melde Treffer auf DAUNTLESS. Zahlreiche Sensoren und Kommunikation offenbar zumindest vorübergehend gestört.“

Auf dem einen Sichtschirm erschien der Flotte neustes Wunderkind. Der erste Blick ließ es scheinbar unversehrt erscheinen – doch dann drehte sich der Kreuzer leicht. Die Backbordflanke war aufgerissen. Fast ein halbes Dutzend Decks hoch, und Dutzende Meter lang klaffte eine schwere Wunde in dem Giganten, war die Außenhülle zerstört. Feuer schien für Augenblicke aufzuflackern, um sofort von der Kälte des Raums erstickt zu werden.
Die Stimme des Ortungsoffiziers klang beinahe gelassen – vielleicht hatte der Mann schon halb mit dem eigenen Leben abgeschlossen. „Telemetriedaten weisen auf den Einschlag eines festen Objekts hin, ich wiederhole, kein Raketentreffer.“
Mithel fröstelte. Das also. Ein Unfall? Nein, unwahrscheinlich. Irgendein Akariipilot hatte mit Absicht – wenn auch nicht unbedingt mit Bedacht – den Tod gewählt, und damit seinen Feinden schwere Wunden geschlagen. Es war nicht das erste Mal in diesem Krieg, auf beiden Seiten.
Später, viel später, würden die Untersuchungen ergeben, daß ein beschädigter Raptor die DAUNTLESS gerammt und 132 Besatzungsmitglieder getötet sowie 63 verwundet hatte. Der Jagdbomber hatte sein Ziel nicht mit den Schiff-Schiff-Raketen nicht treffen können, das Abwehrfeuer des Flakkreuzers hatte die Flugkörper zerstört. Mehrere Treffer hatten die Maschine schwer beschädigt. Aber sie fand dennoch die Kraft, und der Pilot die Entschlossenheit, auf eigene Art und Weise einen Schlußstrich zu ziehen.
Die Menschen würden freilich nie erfahren, daß ihre Treffer die Pilotin des Jagdbombers getötet hatten, und daß der Bordschütze die Maschine ins Ziel brachte, und so Rache nahm.
Die Ruhe, die Mithel verspürte, als er sah wie der Sperriegel zu zerbrechen schien, war so etwas wie die Erkenntnis: ,Jetzt sind wir dran.‘ Aber er war Captain und Befehlshaber eines Kriegsschiffes, kein Opferlamm. Also gab er seine Befehle: „Bugbatterie – Zielformation Alpha-9 Auffassen, Abgestimmtes Feuer. Ab...JETZT!“ Und die schweren Schiffsgeschütze gehorchten seinem Befehl.

Es war nicht zu erwarten gewesen, daß die RELENTLESS unbeschädigt davonkam. Sie war ein kampfstarkes Schiff, mit guten Schilden und starker Panzerung. Ihre Waffen hatten eine vernichtende Feuerkraft, vor allem wenn man bedachte, daß ihre Gegner nur Jäger und Jagdbomber waren, die Besatzung war so gut ausgebildet wie nur möglich. Aber das alles reichte eben nicht, wenn man nicht auch noch etwas – VIEL – Glück hatte. Nicht in einer Schlacht wie dieser.
Die Angriffe schienen zwar nachzulassen, viele der Gegner hatten sich verschossen, waren beschädigt oder abgeschossen worden. Und unablässig tobte der Kampf Jäger gegen Jäger, der bei den Akarii wie bei den Menschen wachsende Opfer kostete. Aber auch das Gegenfeuer der Kriegsschiffe war längst schwächer geworden, die Anzahl der Ziele gesunken, so daß den Akarii eine Konzentrierung leicht viel. Die Schilde der überlebenden Großschiffe waren angeschlagen, die Besatzungen erschöpft. Jetzt ging es nur noch darum, wer bis zuletzt durchhielt.

Der lange befürchte Alarmruf kam, als die Heckgeschütze einen weiteren Angriff abwehrten: „Schilde achtern ausgefallen! Verlieren Schilde im hinteren Drittel des Schiffes!“
Mithel reagierte sofort, in der Erkenntnis daß es vermutlich ohnehin zu spät war: „Schiff rotieren lassen! Täuschkörper ausstoßen!“ Auf dem Bildschirm waren einige rote Punkte zu sehen, die zu einem weiteren Angriff ansetzten. Mithel packte die Armlehnen seines Kommandosessels: „Auf Einschlag vorbereiten!“
Er biß die Zähne zusammen, teil um ein Zittern zu vermeiden, teils weil man sich leicht die Zunge amputieren konnte, wenn man nicht vorsichtig war. Gleich würden...
Treffer ließen das Schiff erbeben, mehr als einer der Brückenoffiziere verlor den Halt. Eine der Außenkameras zeigte für einen Augenblick Explosionen im Heck der RELENTLESS, dann einen Deltavogel, der mitten durch die Flammenzungen raste, die von dem wunden Giganten aus ins All hinaus schossen. Es war der austretende Sauerstoff, der für Augenblicke ein Flammeninferno entfesselte, das jedoch sofort wieder erstarb.

An den Anzeigen auf der Hauptbrücke leuchteten gelbe und rote Lampen auf, Alarmsirenen schrillten. Einer nach dem anderen erloschen Bildschirme, bis die Hälfte von ihnen in Dunkel gehüllt war. Schreie und Flüche hallten durch den Raum.
„Ruhe!“ bellte Mithel: „Meldung Stationen – SOFORT!“
„Heckgeschütze ausgefallen!“, „Primärwerfer zwei unklar!“, „Druckverlust in den Sektionen...“
Nur dank seiner Erfahrung konnte er überhaupt so etwas wie den Überblick bewahren: „Feindpositionen?“
Der Sensoroffizier drehte sich um: „Im Augenblick kein weiterer Anflug.“ Der Mann wagte es noch nicht, Hoffnung zu zeigen. Auch wenn im Gefecht zwischen den Akariijägern und den vorgeschobenen Kriegsschiffen der TSN hunderte Menschen gestorben waren – es war nur eine Nebenfront in dieser Schlacht. Und hier waren die Kämpfe so gut wie vorüber. Beide Seiten hatten sich bis zur Erschöpfung, oft bis zur Vernichtung, ausgeblutet. Dann mischte sich doch etwas wie vorsichtige Hoffnung in die Stimme: „Sir, die Renault-Kampfgruppe meldet, daß ihr Angriff begonnen hat!“
Der Captain verwehrte sich noch jede Hoffnung. Die Akarii die hier waren reichten möglicherweise mehr als aus, seinem Schiff den Rest zu geben.

Mithel versuchte immer noch, ein klares Bild zu bekommen: „Schadenssicherungabteilung?“
Die Stimme einer jungen Frau antwortete: „Lieutenant Commander Alverado hier. Gehe mit Trupps aus Hauptschiff vor. Hecktrupps an der Arbeit. Wir haben die Zweitbrücke verloren, Feuer im Maschinenraum. Einzelheiten folgen.“
Der Captain bemerkte aus den Augenwinkeln eine Bewegung. Der Waffenoffizier hatte sich von seiner Station gelöst. Er wirkte noch halb desorientiert, aber...
Mithels Stimme war scharf wie ein Hieb mit einer Peitsche. Er kannte Marek Rogulski schon seit vor dem Krieg, aber das machte hier keinen Unterschied: „Lieutenant Commander, gehen Sie auf Ihren Posten!“
Der Offizier blickte sich um. Er schwankte, aber er blieb stehen: „Sir, die Zweitbrücke...“
Mithels Stimme klang eiskalt, gefährlich: „Das ist nicht unsere Sache. Im Augenblick können wir da nichts tun. Wir stehen weiterhin im Gefecht. Muß ich den Befehl erst wiederholen?“
Der polnische Offizier zögerte. Aber er hatte Mut – wenn auch diesmal, zumindest aus Mithels Sicht, an der falschen Stelle. Er machte noch einen Schritt in Richtung Tür...
Der Captain legte die Hand auf das Pistolenhalfter, das er immer am Gürtel trug: „AUF IHREN POSTEN! Oder ich lasse Sie wegen Befehlsverweigerung und Meuterei festsetzen.“
Sein Waffenoffizier blickte ihn stumm an. Schaute auf das Holster, das jetzt offen war und in dem der Griff der schweren Pistole dunkel schimmerte. In das Gesicht des Kommandeurs, der ihm Vorbild und auch Freund war – oder gewesen war. Mithel erwiderte den Blick ohne zu blinzeln.
Dann drehte sich Rogulski um und ging zu seiner Station zurück. Er bemerkte nicht, wie sein Vorgesetzter sich in den Sessel zurücksinken ließ. Die Stimme des Captains klang unbeteiligt, routiniert, als wäre nichts geschehen: „Kurskorrektur 90 Grad. Manöverdüsen einsetzen. Ausführung.“
Der angeschlagene Kreuzer bewegte sich. Bemühte sich, ein möglichst schlechtes Ziel zu bieten. Wenn er überhaupt noch eine Chance hatte, dann weil die Akarii durch den Angriff des zweiten Flottenverbandes auf ihre Mutterschiffe abgelenkt wurden, und weil das unablässige Flakfeuer und die Jägerkämpfe auch sie zermürbt hatten. Zahllose ihrer Maschinen waren zerstört, beschädigt, leergeschossen. Die RELENTLESS feuerte immer noch unablässig mit den verbliebenen Geschützen. Der Sperriegel schien so gut wie zerschlagen – aber er hatte seine Aufgabe erfüllt.

Die Teams der Schadensbekämpfung kämpften sich schrittweise voran. Die Schäden waren nicht so schwer wie befürchtet – es waren „nur“ konventionelle Raumkampfraketen und Bordwaffen gewesen, die den ungeschützten Kreuzer getroffen hatten. Aber auch so loderten Brände, lagen Verwundete und Tote in den Gängen.
Lieutenant Commander Alverado atmete noch einmal unwillkürlich tief durch – eine überflüssige Reflexhandlung, denn in ihrem versiegelten Anzug roch sie ohnehin nichts – dann betätigte sie den manuellen Öffnungsmechanismus für die Tür der Zweitbrücke.
Der Qualm, der ihr entgegenschlug, nahm ihr die Sicht. Sie taumelte, stolperte, fiel hin. Das automatische Löschsystem der Brücke schien funktioniert zu haben. Aber dennoch...
Sie mußte einen Schrei unterdrücken als sie sah, über was sie gestürzt war – ein menschlicher Leib, von Splittern und Feuer verstümmelte. Krampfhaft schluckte sie, um sich nicht zu übergeben. Dann hörte sie einen Ruf über ihr Headkom: „Achtung – wir brauchen Medteams. Hier lebt noch jemand!“
Tyr Svenson
Für die menschlichen Infanteristen dehnte sich die Nacht zur Ewigkeit. Kaum einer außer den abgebrühtesten Veteranen konnte schlafen, jetzt wo sich die Akarii über ihren Köpfen festgesetzt hatten. Jeder wußte, sie würden kommen – und zwar bald. Während die Stunden zäh verrannen, ließen immer wieder dumpfe Explosionen und ein an- und abschwellendes Dröhnen die Soldaten zusammenfahren. Die Akarii schienen ebensowenig Ruhe zu kennen, aber auch keinen Schlaf nötig zu haben – sie räumten offenbar die letzten Sprengladungen auf dem Plateau und schafften pausenlos Verstärkung heran. Die dumpfe Anspannung, die Ungewißheit der Zukunft und diese vermaledeiten Explosionen zehrten an den Nerven der Soldaten. Mancher wünschte sich den Beginn des Kampfes herbei, bloß damit das Warten endete.

Acht Stunden nachdem der letzte menschliche Verteidiger des Plateaus von einem Akariibajonett durchbohrt worden war, begann der Angriff. Die Akarii kamen. Nicht mehr im Sturmlauf, mitten in die Falle hinein, die ihnen die Erdstreitkräfte gelegt hatten. Jetzt rückten sie langsamer vor, methodischer – aber mit dem gleichen Kampfgeist, der gleichen Unaufhaltsamkeit. Voraus wurden Spähtrupps und Sensordrohnen geschickt, um eventuelle Sprengfallen zu finden. Diese wurden möglichst aus der Entfernung gezündet. Auch wenn der rücksichtslose Angriffsgeist der Gardetruppen berüchtigt war, sie sahen keinen Sinn darin, unnötige Verluste zu erleiden. Gleichzeitig stießen sie auf jedem der Gänge vor, die in das Innere des riesigen Komplexes führten.

„Alles hoch, ihr Arschlöcher!“ Schiermers Stimme schnitt durch den fernen, dumpfen Knall einer Minenexplosion. Sein Platoon hatte die letzten Stunden irgendwo hinter Sperrstellung Eins-Beta verbracht, zusammen mit dem Vierten Platoon der A-Kompanie. Der Befehlshaber des Vierten, ein Lieutenant der SAS, hatte natürlich das Kommando. Aber vorerst gab es keinen Einsatzbefehl, sie konnten nur warten. Dann ließ ein Laut Schiermer herumfahren. Leise, fern, aber unverkennbar – Schnellfeuer von Laserwaffen, dazwischen der scharfe Explosionsknall einer Granate.
Der Master Sergeant sah, daß der SAS-Lieutenant ihn anblickte. Der untersetzte Komandosoldat grinste zynisch, schob die Klinge des Kampfmessers in die Scheide, das er gerade geschärft hatte, nickte Schiermer kurz zu und stülpte den Helm über, der sein Gesicht vollständig verbarg. Wenn Schiermer noch eine Bestätigung brauchte, jetzt hatte er sie. Es mußte bald losgehen...
„Waffen laden – LADEN! Bajonette auf!“

Die Kampfhandlungen begannen an fast einem halben Dutzend Punkte gleichzeitig und immer nach dem gleichen Muster. Die Spähtrupps der Akarii stießen vor, liefen in das wütend aufflammende Feuer der Sperrposten und zogen sich hastig zurück. Doch nur Sekunden später waren die Akariis wieder da, flogen Sprenggranaten, Blitz- und Rauchbomben, in deren Schutz die Sturmtruppen vorstießen. In der Kommandozentrale der Graxon-Garnison gingen die Alarmmeldungen im Sekundentakt ein, während die Männer und Frauen um Garth versuchten festzustellen, welcher der Angriffe nur ein Ablenkungsmanöver war, um ihre Kräfte zu binden.

Es war keine Überraschung mehr, als der Marschbefehl kam. Die Stimme des SAS-Lieutenant war rauh und kalt: „Stellung Eins-Beta-Vier wird angegriffen. Alles ab, es geht los. Los, los, los!“ Der SAS-Mann setzte sich nicht an die Spitze, das überließ er einigen seiner Leute, aber er bestimmte das Tempo. Hinter ihm hetzten die Marines, Infanteristen und Kommandosoldaten vorwärts, die Waffen vor der Brust. Das dumpfe Dröhnen der Panzerstiefel auf dem Betonboden, der eigene, keuchende Atem übertönte kurzfristig den Gefechtslärm. Während er seinen Posten dicht hinter dem Lieutenant hielt, zählte Schiermer lautlos die Abzweigungen. Nicht mehr weit, gleich...

Wie als Antwort auf diesen Gedanken schnitt das peitschende Stakkato eines schweren Schnellfeuerlasers durch das Knallen der Panzerstiefel. Jetzt hörte er auch einzelnes Schützenfeuer – ganz nah. Irgendjemand schrie gellend, dann eine dumpfe Explosion... Die Soldaten stürzten um die letzte Ecke, vor ihnen lag Sperrstellung Eins-Beta-Vier.
Eine Rakete hatte voll in den Sandsackwall eingeschlagen, einen der beiden Schnellfeuerlaser der Stellung zerfetzt. Rauch- und Blitzgranaten hatten den Akarii erlaubt, weit vorzustoßen – bis sie in die Salven der zweiten Schnellfeuerwaffe gelaufen waren, die die erste Sturmabteilung niedergemäht hatte. Doch in diesem Augenblick, noch während die ersten Soldaten der Entsatztruppe versuchten, die Situation zu erfassen, flogen zwei, drei, vier Granaten über den Brustwall und explodierten fast gleichzeitig, überschütteten die überlebenden Verteidiger mit einem Hagel tödlicher Splitter. Schlagartig verstummte der Schnellfeuerlaser – und die Angriffsschreie der Akariis schienen zu einem Orkan anzuwachsen, übertönten das spärliche Abwehrfeuer.
Aber jetzt waren die Ersatztruppen da. „VORWÄRTS!! VORWÄRTS!!!“

Der erste Akarii, der über der Brustwehr erschien, eine kurze Schnellfeuerwaffe mit aufgepflanztem Bajonett schwenkend, wurde von einem guten Dutzend Treffer regelrecht geköpft, kippte nach hinten weg. Nur Sekunden später waren die Soldaten an der Brustwehr, die Waffen im Anschlag – die stürmenden Akarii hatten nicht den Hauch einer Chance gegen diesen Feuersturm. Sie wurden im Vorrücken in die Brust getroffen. Und sie wurden in den Rücken getroffen, als sie sich zur Flucht wandten. Drei, vier Sprenggranaten wurden abgefeuert und explodierten zwischen den Imperialen, die fast schon wieder die sichere Deckung erreicht hatten. Ohne auf ihre Deckung zu achten standen die Marines hinter der zusammengeschossenen Brustwehr und schossen wie besessen, selbst als kein Akarii mehr zu sehen war, der noch auf den Beinen stand. Manche lachten, andere schrien.

Bis neben Schiermer der Kopf eines Schützen regelrecht explodierte. Noch bevor der kopflose Leib zusammensackte, lag Schiermer am Boden: „VOLLE DECKUNG! SCHARFSCHÜTZEN!“ Dennoch kostete es noch einer Soldatin das Leben, bevor die anderen die Gefahr begriffen und in Deckung gingen. Der plötzliche Tod ihrer Kameraden wirkte wie eine eiskalte Dusche auf die unerfahrenen Soldaten. Schiermer drehte sich nicht einmal nach den Toten um. Andere Veteranen ließen sich ebensowenig aus der Ruhe bringen. Unregelmäßigkeiten in dem Brustwall nutzend, oder einfach die Waffe über den Rand der Sandsäcke haltend, erwiderten sie das Feuer.
Auf der anderen Seite war kurz ein scharfer, unverständlicher Befehl zu hören, ein paar Rauchbomben explodierten, erschwerten die Sicht.
Momentan aber war Treffsicherheit unwichtig – der Feind durfte keine Gelegenheit finden, unter dem Schutz des Snipers vorzurücken. Während der SAS-Lieutenant die überlebenden Soldaten der ursprünglichen Besatzung sammelte und mit knappen Befehlen dafür sorgte, daß wieder zwei Schnellfeuerlaser aufgebaut wurde, kroch Schiermer an den am Boden kauernden Soldaten vorbei: „DAVIS! Beweg deinen Scheißarsch hierher!“
„Ja, Sarge!“ Die junge Soldatin richtete sich halb aus der Deckung auf.
„UNTEN BLEIBEN, blöde Kuh! Ich sag dir schon, wann du krepieren kannst!“
„Sarge...“
„Schnauze und zuhören! Die Scheißer haben einen Sniper, falls du das noch nicht geschnallt hast. Der Wichser muß irgendwo an einer der Ecken liegen – vielleicht auch unter einem seiner Freunde, die schon den Löffel abgegeben haben. Du sollst ihn aufspüren – NUR AUFSPÜREN! Ihn killen lassen wir einen der Eisenschmeißer, verstanden?! An die Arbeit!“
„Ja, Sarge!“
Vorsichtig, langsam kroch die junge Soldatin vorwärts, bis sie an den Rand der Bresche kam, die eine feindliche Rakete gerissen hatte. Jetzt kam ihr der wochenlange Drill zunutze und die diversen Kniffe und Tricks, die sie von nicht sehr geduldigen Lehrern wie Schiermer und Pork gelernt hatte. Sie wußte, wie dieses Kommandounternehmen vor ein paar Tagen war das hier auch eine Prüfung. Eine Prüfung, bei der starb, wer versagte.

Sorgfältig darauf achtend im Schatten zu bleiben, schob sie das Sichtgerät vor. Sie zuckte ziemlich zusammen, als einen Fuß neben ihrem Kopf ein Lasergewehr loshämmerte. Das war Juan. Na ja, er wollte ihr wohl Feuerschutz geben... So gut es ging den Lärm ausblendend, ließ sie ihre Augen über den Gang schweifen. Durch die Sichtoptik rückten alle Einzelheiten schlagartig näher. Überdeutlich sah sie jetzt den von Schüssen und Explosionen aufgerissen Boden des Ganges, die überall verstreuten Akariileichen. Die Körper waren von dem wütenden Sperrfeuer zerfetzt, verbrannt, zerstückelt worden. Aber dafür hatte Jean kein Auge, das nahm sie nicht mal richtig wahr. Jetzt ging es nur um den feindlichen Sniper. Der Tunnel war kein gutes Gelände für einen Scharfschützen, bot zu wenig Deckung und trug der Reichweite seiner Waffe kaum Rechnung. Der Akarii mußte entweder sehr mutig, oder sehr dumm sein, es dennoch zu versuchen. Wo war er bloß...
Da! An der rechten Seite des Ganges, dort wo zwei, drei Akariikörper verdreht übereinander geworfen lagen, da hatte sich doch was bewegt. In der Zieloptik erkannte sie, daß unter dem einen Kadaver der lange Lauf einer Schußwaffe hervorzuragen schien – sie konnte in die Mündung sehen. Im selben Augenblick, als sie das begriff, ließ sie sich nach unten sacken – und in den Sandsack über ihrem Kopf bohrte sich mit einem dumpfen Schnalzen ein Projektil.
„SARGE! DREISSIG SCHRITT RECHTS – UNTER DEN KADAVERN!“
„PORK! KNALL DAS SCHWEIN AB!!“
Der massige Corporal hob seinen Granatwerfer. Langsam, methodisch und präzise stellte er die Waffe ein – und drückte auf den Abzug. Einmal, zweimal. Der verhältnismäßig leise Knall des Abschuß ging unter in dem wütenden Schützenfeuer der Marines. Aber drüben, bei der Stellung des Scharfschützen, war die Wirkung spektakulär – Akariileiber wirbelten regelrecht durch die Luft, ob bereits tot, war nicht mehr zu erkennen. Aber der Scharfschütze war verstummt.

Der SAS-Lieutenant übersah die Lage. Momentan schien Eins-Beta-Vier wieder gesichert.
„SCHIERMER! Ihr Platoon und der Rest der Sperrtruppen – Sie halten die Stellung. Wir rücken ab. Sie haben das Kommando. Sie werden die Stellung halten...“
„Verstanden, ich kenne den Text.“ Bei der etwas forschen Antwort des Master Sergeants lachte der Lieutenant kurz auf. Dann drehte er sich um. Platoon Vier formierte sich und verschwand in den Gängen, die sich hinter der Sperrstellung verzweigten. Als eine der jungen Soldatinnen etwas zu lange den abrückenden Kameraden nachsah, bekam sie einen wuchtigen Schlag gegen den Helm: „HIER spielt die Musik! Oder willst du dich von ‘nem Akarii in den Arsch ficken lassen?!“

Schweigend lagen die knapp dreißig Soldaten hinter den Sandsäcken, angespannt, wartend. Jeder Sinn war auf den Gang vor ihnen gerichtet, aus dem die Akariis vorstoßen mußten, wenn sie weiterkommen wollten. Drüben schien es ruhig. Fast zu ruhig, für Schiermers Geschmack. Die Akarii würden doch nicht so schnell aufgeben, oder? Es sei denn... Warum war er nicht gleich darauf gekommen – doch Schiermers Helmkom erwachte in diesem Augenblick zum Leben und machte alle Gedanken überflüssig: „An alle Sperrstellungen der Linie Eins-Beta. Der Feind ist durchgebrochen, wiederhole durchgebrochen! Rückzug auf Eins-Gamma – SOFORT! Waffenmaterial mitnehmen. Ende.“
„SCHEISSE!“ Nun, damit hätte man rechnen müssen. „Alles fertigmachen – wir hauen ab! Aber packt das Material ein! Laßt keine Feuerspritze und keinen Knallfrosch für die Echsen zurück.“
„Wir verpissen uns einfach?!“ Das war Pork, der wesentlich forscher klang, als es er sich sicher fühlte.
„Die Scheißer sind anderswo durch. Wenn du dir’s nicht von Vorne UND Hinten besorgen lassen willst...“
Aber das kam eher halblaut, während Schiermer die Lage sondierte. Bei den Überlebenden der ursprünglichen Sperrabteilung waren etliche Verletzte. Dazu noch das Sprengmaterial und die Schweren Waffen...
„SIE KOMMEN!!“ Der gellende Schrei eines Marinesoldaten riß Schiermer herum. Tatsächlich – wieder flogen Rauch- und Blendgranaten um die Ecke. Dichter Qualm füllte binnen Sekunden den Gang, machte das Feuern zum Glücksspiel. Und aus den weißgrauen Schwaden zuckten bereits die ersten Feuerstöße. ‚Diese Hunde!‘ Die Akarii waren offenbar nicht gewillt, die Menschen einfach abziehen zu lassen. Wenn sie die Stellung hielten, würden sie von den an anderen Stellen durchgebrochenen Echsen unweigerlich im Rücken gefaßt werden. Und wenn die Marines sich einfach zurückzogen, würden die nachstoßenden Akarii sie wie Spatzen abknallen können.
„Pork! Howard! Juan! Parker! HIERHER! Howard – an den Schnellfeuerlaser. VOLLES ROHR! Der Rest – HAUT AB! Und zwar schleunigst!“

Andere Soldaten hätten vielleicht nach dem Sinn dieses Befehls gefragt, aber im Marinekorps und noch mehr in Schiermers Platoon gab es so etwas kaum. Während die übrigen Soldaten mit den Waffen der Toten, Munition, Sprengmitteln und Verwundeten beladen zurückhasteten, eröffneten die vier verbliebenen Marinesoldaten um Schiermer ein wütendes Sperrfeuer. Pork leerte binnen kürzester Zeit das Magazin des Granatwerfers, griff nach einem zweiten, den er einem der abrückenden Soldaten einfach aus den Händen gerissen hatte. Howard streute in Hüfthöhe über die gesamte Breite und Länge des Gangs. Die anderen hatten ihre Waffen auf Schnellfeuer gestellt und schossen pausenlos in den wabernden Rauch.
„SARGE! WOLLEN SIE EIGENTLICH EWIG HIER BLEIBEN?!“ Das war Pork, brüllend, während er eine neue Energiezelle in seine Waffe rammte, das Sturmgewehr hochriß und weiterfeuerte.
„Mach dir nichts in Hemd! Ich kann den Heldentod abwarten. Wir legen den Akariis noch ein paar Überraschungen und machen uns dann dünn. Juan, hierher...“

In diesem Augenblick drückte mitten in den Rauschwaden vor der Barriere ein Akariisoldat auf den Auslöser seines Raketenwerfers. Er schoß ins Ungewisse, während er sich flach auf den Boden preßte, um den heranzuckenden Lasersalven zu entgehen. Deshalb traf die Rakete nicht das anvisierte Ziel. Statt auf der Sandsackbarriere explodierte der Flugkörper kurz davor. Dennoch war die Wirkung verheerend. Private Parker wurde von den Splittern regelrecht geköpft und Corporal Porks Panzerung wurde von einem faustgroßen Schrapnell zerfetzt, der massige Soldat wie ein Kreisel herumgewirbelt und zurückgeworfen. Juan hatte dahingehend Glück, daß er nur von den Beinen gerissen wurde und beim Sturz voll auf seinen Arm krachte, ihn brach.

Schiermer schüttelte den Kopf, schluckte das Blut hinunter, das in seinen Mund sickerte. Rings um ihn schien alles so still... Dann begriff er, die Explosion hatte ihn kurzfristig taub gemacht. Aber trotzdem, er war klar genug, um zu begreifen, das Stellung Eins-Beta-Vier endgültig verloren war.
„ALLE MANN ZURÜCK! ALLE ZURÜCK!!“ Die zwei Soldaten, die sich aufrappelten, verstanden Schiermers Worte nicht, aber seine ausholenden Armbewegungen. Taumelnd, geduckt kamen sie auf die Beine und stolperten zurück, wobei Howard seinen Kameraden stützte. Parker und Pork standen nicht mehr auf.
Schiermer kannte Pork schon lange, seit mehreren Jahren. Aber jetzt, während der Sergeant auf ihn zukroch, begriff er nur mit kalter, emotionsloser Klarheit, daß der Corporal tot sein mußte. Und selbst wenn er überlebt hätte, man hätte ihn nicht zurückschleppen können. Jetzt nicht mehr. Es blieb nur noch eines zu tun und es mußte schnell geschehen. Mit knappen, präzisen Bewegungen riß sich Schiermer die Sprengladung vom Gürtel, schob sie unter den Körper des Kameraden, entsicherte sie. Dann kroch er zu einem anderen gefallenen Marines, den zweiten Sprengkörper hervorholend. Dann, zusammengekrümmt, humpelnd, folgte er seinen Soldaten. Er hatte Glück – keiner der aus den Nebelschwaden hervorzuckenden Laserimpulse erwischte ihn, bevor er sich um die Ecke warf und in Sicherheit war – vorerst.

Das dichte Sperrfeuer der fünf Marines hatte die Akarii zwar aufhalten, aber nicht täuschen können. Sie hatten sehr wohl begriffen, daß der Feind abrückte. Und als der Beschuß unmittelbar nach dem Raketentreffer abbrach, verloren sie wenig Zeit. Die Gardetruppen stießen vor, pausenlos feuernd, bis sie sich hinter der feindlichen Sandsackbarriere in Deckung warfen. Während hinter ihnen bereits die Sanitätssoldaten die Verwundeten zurückschleppten, sprangen die ersten der Sturmabteilung über die Wall, die Waffen im Anschlag, nach allen Seiten sichernd. Aber kein Mensch war mehr zu sehen, der noch auf den Beinen war.

Ein brennender Schmerz riß Pork aus der Ohnmacht. Er stöhnte langgezogen, qualvoll. Seine Brust schien zu brennen, während gleichzeitig ein unerträglicher Druck auf ihr lastete, ihn am Atem hinderte. Er konnte nicht ATMEN! Er hustete und irgendeine dunkle Flüssigkeit rann aus seinem Mund über die Innenseite des Helmvisiers. Blut. Wieder stöhnte er – dann erst bemerkte, schattenhaft, die fremden Gestalten, die ihn umstanden, die zischende, rauhe Sprache. Akarii! Er hatte nicht einmal Zeit, zu begreifen, Angst zu empfinden. Grobe, unmenschlich starke Hände packten ihn an der Seite, zogen ihn hoch. Unter ihm klickte etwas leise, unhörbar...

Schiermer war einer der letzten Soldaten, die Sperrlinie Eins-Gamma erreichte, die letzte Verteidigungslinie der „Obersten Ebene“. Auch wenn er es nicht laut sagte, er war erleichtert, daß es auch Juan und Howard geschafft hatten. Wo allerdings der Rest von seinem Platoon war, entzog sich vorerst seiner Kenntnis. Vermutlich hatte es irgend jemand schon wieder in den Einsatz gehetzt. Aber er würde es schon finden. Jetzt nutzte er die paar Minuten, um zu Atem zu kommen, den Helm vom Kopf gerissen, Nase, Mund und Ohren blutverschmiert. Er hatte immer noch Probleme, richtig zu hören. Er brauchte deshalb einige Zeit, bis er begriff, was Howard wissen wollte.
„PORK UND PARKER?! DIE SIND KAPUTT...“ Er schüttelte den Kopf und fuhr langsamer, leiser fort: „Aber ich denke mal, sie haben Gesellschaft mitgenommen.“ Das schiefe, zynische Lächeln des Master Sergeants wirkte ausgesprochen widerlich.
Howard unterließ weitere Fragen, sie waren unnötig. Und es blieb ohnehin nicht lange Zeit, über die Verluste des letzten Kampfes nachzudenken. Die Akarii stießen nach.
Tyr Svenson
Die Phönix hatten zusammen mit dem Dauerfeuer aus dem SM-2 Werfern der DAUNTLESS ihren Job erledigt und den vorderen Schutzwall der Akarii aufgebrochen.
Ein Großteil der Raumüberlgenheitsjäger und der Jagdbomber der COLUMBIA und der INTREPID stießen auf die Akarii-Bomber nieder.
Die leichten Jäger versuchten den Vorstoß vor den Jagdmaschinen der Akarii abzuschirmen.
Die Schwärze des Alls wurde durch orange, rote, gelbe grüne, blaue und weißblaue Energieblitze erhellt.
Lone Wolf hielt sich und Hal solange es ging aus dem Gefecht heraus um die Schlacht zu koordinieren, konnte jedoch nicht verhindern, dass die beiden Phantome dennoch in Gefechte verwickelt wurden.
So gab Lone Wolf endlich seinem Kampfrausch nach und warf sich mit Hal zusammen ins Getümmel.

Schließlich verlagerte sich die Jägerschlacht auf die Kreuzer und Zerstörer der Flakplattform zu und neben den beiden SM-2 Werfern der DAUNTLESS konnten jetzt auch die Sparrow- und Ammram-Werfer ins Geschehen eingreifen.
Die Raketen die so schnell gefeuert wurden, wie die Nachlademechanismen arbeiteten brachten enorme Vernichtungskraft ins Geschehen und noch mehr Verwirrung und Unordnung unter die Akarii-Staffeln.

Hal gab dem angekratzten Deltavogel den Rest. Der schwere Jäger platzte unter dem konzentrierten Strahlenfeuer auseinander.
"Yeeeeeeeeeeehaaaaaaaaaaaaaw!"
Lucas musste unter seinem Helm grinsen. Dieser Enthusiasmus erinnerte ihn an Pinpoint, auch wenn dieser nie über einen abgeschossenen Gegner gejubelt hatte.
"Immer mit der Ruhe Hal, kommen Sie zurück an .......... FUCK VERDAMMT! WEGBRECHEN!"
Hal schaffte es gerade noch dem konzentrierten Strahlenfeuer der blutroten Bloodhawk auszuweichen.
‚Scheiße...‘ Lucas gab seinem Jäger die Sporen und versuchte den roten Baron im Bereich seiner Strahlengeschütze zu halten.
Er drückte ab, doch die wenigen Schüsse, die die Bloodhawk trafen reichten nicht aus um die Schilde zu durchbrechen.
Elegant durchquerte Norr Wilko das Schussfeld der Phantom.
"Diesmal krieg ich Dich!" Presste Lone Wolf zwischen den Zähnen hindurch.
Mit einem wilden Slide schaffte er es gerade so auf der Sechs Uhr Position zur Bloodhawk zu bleiben. Er war sich sicher, dass er mit einer Nighthawk oder einer Typhoon in perfekter Schussposition gewesen wäre.
Seine letzten beiden Raketen, zwei Sidewinder, konnte er nicht abschießen, da diese sich beharrlich weigerten aufzuschalten.
"FOX ONE!" Verkündete Hal den Abschuss einer Ammram.
Norr ließ drei Täuschkörper fallen und musste rechts wegbrechen. So gelangte er doch noch in Cunninghams Schussfeld. Dieser drückte erneut ab.
Ein Großteil der Strahlenschüsse trafen die Bloodhawk. Die Schilde blitzten auf und brachen zusammen. Die Panzerung schützte den Jäger jedoch vor schwerwiegenderen Beschädigungen.


Auf dem Bildschirm der GETTYSBURG waren die Explosionen gut und deutlich zu erkennen.
"Die armen Schweine müssen aber kräftig einstecken." Der Junge Lieutenant wäre am liebsten gleich wieder in der Versenkung verschwunden, als die drei Admirale Renault, Noltze und Kowalski ihn niederstarrten.
"Sorgen wir mal lieber für Entsannt." Renault nickte seinem Stabssignaloffizier zu: "Befehl an die ganze Flotte, Abfangkurs auf Akariiflotte. Volle Marschgeschwindigkeit, alle Schiffe klar zum Gefecht. Träger bereithalten zum Alphastart!" Der Admiral wollte seinen Signaloffizier schon wegschicken. "Ach und Miguel, Signal an die Jena, Commander Hawking soll Admiral Girad von der 3. Flotte bescheid geben, sein Weg nach Wron ist frei."
"Aye, aye Sir."

Auf fast neunzig Kriegsschiffen, die bis eben auf Schleichfahrt gewesen waren dröhnte nun der Alarm.
Man brauchte den Männern und Frauen nicht mitteilen, dass es sich um keine Übung handelte. Jeder Handgriff saß. Die meisten Männer und Frauen dieser Streitmacht hatten sich über ein Jahr auf diesen Moment vorbereitet. Trainiert und Manöver durchgeführt.
Das Warten war vorbei. Heute würde ihr Bluttag werden und die Schmach von Manticore gesühnt werden.
Geschützstationen wurden besetzt, Schilde und Antriebe hochgefahren. Auf den gegnerischen Radarschirmen musste ein roter Pulk erscheinen.
Zehn Minuten später wurden die Jäger, Jagdbomber und Bomber der vier Träger ausgeschleust. 312 Maschinen an der Zahl.
Die GETTYSBURG brachte zudem zwei ihrer SWACS-Shuttles raus, um den Angriffsverband besser kontrollieren zu können.

Die exellent gezielten Schüsse von Lone Wolf und Hal jagten unnütz ins All, während Norr Wilko nicht nur ihnen, sondern auch zwei Typhoonen der Red Arrows auswich.
Hätte der Geschwaderkommandant der Angry Angles nicht sosehr mit seiner Phantom zu kämpfen, würde er den Augenblick nutzen um seinen überragenden Gegner Respekt zu zollen. Die rote Echse war mit Sicherheit der beste Jagdpilot dem er jemals begegnet war.
Das Manöver, was der Baron hinlegte, um dem Feuer von vier Jägern, von denen drei ganz sicher von Elitepiloten gesteuert wurden, wirkte weder überstürzt noch knapp. Es schien einen Hauch von Noblesse und Eleganz zu verinnerlichen.
Die Phantom protestierte unter der Misshandlung ihres Piloten, der krampfhaft versuchte eine stabile Sechs-Uhr-Position auf seinen Gegner zu bekommen.
Wieder und wieder wurde die Zielauffassung der Sidewinder abgebrochen, als das Akarii-Ass kurz bockte und versuchte auszubrechen.
Für eine Sekunde kam der Signalton einer aufgeschalteten Raketen. Lucas wusste schon während er den Knopf drückte, dass die Sidewinder daneben gehen würde, doch der Baron zeigte einen leichten Rechtsdrang zum Ausbrechen.
Und tatsächlich die rote Bloodhawk ließ einen Teuschkörper fallen und schnellte nach rechts, in Lone Wolfs Geschützfeuer.
Die wieder aufgeladenen Schilde fraßen einen Großteil des Beschusses, die Panzerung hielt einen weiteren Brocken der Vernichtungskraft auf, doch etwas ging durch.
Etwas grünliches, gasförmiges trat aus der linken Tragfläche aus.
Der Raketenwarner von Lone Wolf sprang an, was diesem nur ein kaltes Lächeln entlockte. "Ja, Baron feuer Du nur Deine Raketen ..."
Und tatsächlich feuerte die rote Bloodhawk in dem Moment zwei Raketen nach vorne ab.
Eine der beiden radargelenkten Raketen verlor sich erwartungsgemäß in der Leere des Alls. Die andere - wie Lucas mit erstaunen und wachsendem Entsetzen beobachtete - zog einen eleganten Kreis und peilte tatsächlich seine Phantom an.
Er ließ eine Reihe von Teuschkörpern fallen, doch die Rakete zeigte sich davon gänzlich unbeeindruckt und steuerte weiterhin die Phantom an.
"Nein ..." Es war mehr ein verzweifeltes Hauchen als ein gesprochenes Wort. Lucas musste mit seinem Jäger wild ausbrechen und noch zwei weitere Teuschkörper ausstoßen um der Rakete zu entgehen.
Der Rote Baron war entkommen.
Es gab ein Ding im Universum das Lucas "Lone Wolf" Cunningham zu tiefst verabscheute und hasste. Er konnte nicht verlieren. Ein ergaunerter Sieg bedeutete ihm weit aus mehr als eine ehrenvolle Niederlage.
Und eben, eben hatte er den Moment verpasst seinen Namen in das steinerne Buch der Geschichte einzumeißeln.
Schnell noch schaltete er den Sender seines Kehlkopfmikros ab, bevor er Gift und Galle über einen Jeden und das gesammte Universum in sein Cockpit ergoss.
"Skipper!" Hal Chrispin schrie über Funk, so das Lucas die Ohren klingelten.
Dieser atmete noch zweimal kräftig durch: "Ich höre."
"Die Akarii versuchen sich aus dem Kampf zu lösen. Renault und der rest der Flotte fällt ihnen in die Flanke. Boah, denen scheint mächtig der Arsch auf Grundeis zu gehen."
Lone Wolf verzichtete auf eine Antwort und schaltete auf die allgemeine Geschwaderfequenz: "Alle Mirage: Zurück zu den Homebases, aufmunitionieren zum Flottenangriff! Der Rest bindet die Echsen, bindet sie, wo immer Ihr nur könnt. Lone Wolf ende."
Er atmete noch einer kräftig durch. Ihm dürste nach Blut. Jetzt würde er sich seinen Teil des Schlachtfestes holen und gnade dem Akarii der tollkühn genug war ihm trotzen zu wollen. Zeit das kochende Blut abzukühlen.
Tyr Svenson
„Nein verdammt, ich will, daß die Maschinen JETZT starten können!“ Monty wurde selten laut und auch jetzt blieb seine Stimme relativ leise, aber eiskalt. Im Hangar der COLUMBIA herrschte ein nur noch vage organisiertes Chaos. Irgendwoher war die Weisung gekommen, die zurückkommenden Mirage noch einmal mit Raumkampfraketen zu bewaffnen. Doch dann war der Gegenbefehl ergangen, statt dessen Mavericks zu laden. Raven hatte den verantwortlichen Waffenwart mordsmäßig abgekanzelt - wegen so etwas seien schon Schlachten verloren gegangen! Und während die Techs wie besessen an dem Problem arbeiteten, staute sich der Bordbetrieb, denn auch andere Staffeln landeten und wollten ihre Flieger so schnell wie möglich wieder im Raum haben. Die Schlacht war noch nicht gewonnen, aber da jetzt endlich der andere TSN-Trägerverband eingriff, war sie in die entscheidende Phase getreten – die Erdstreitkräfte rückten vor.
Also machte Monty Druck und reichte seine schlechte Laune an die Bodencrew weiter. Seine Piloten waren bereits in ihren Maschinen – jetzt mußten die aber noch bewaffnet werden, nachdem endlich die Tanktrupps ihrer fertig waren.

Kano mußte sich zusammenreißen, um nicht ebenfalls zu fluchen, oder nervös auf dem Steuerknüppel herumzutrommeln. Ungeduldig wartete er auf die Startfreigabe. Er warf einen Blick nach draußen. Immer noch waren die Waffenwarte mit dem Fixieren einer Phoenix beschäftigt – sie brauchten zu lange! Wenigstens hatte er während der verdammten Wartezeit erfahren, daß man Terry und Darkness aufgefischt hatte und Jeannes angeschossener Jäger eingeschleppt worden war. Sie war wohl verletzt – aber am Leben. Er hatte allerdings nicht erfahren können, wie es Kali ging. Gewaltsam drängte er seine Sorge in den Hintergrund. Sie war eine gute Pilotin und er half weder sich noch ihr, wenn er sich immer wieder verrückt machte...
Da, endlich hatten die Techs die Phoenix befestigt. Einer winkte zum Cockpit, signalisierte ‚Alles klar!‘, dann entfernten sie sich im Laufschritt. Kano atmete scharf ein. Der Jäger war kampfbereit. Jetzt mußte nur noch...

„Achtung, Butcher Bears! Start in drei Minuten!“ In Montys Stimme vibrierte fast greifbar das Jagdfieber. Ein Chor von ‚Jawohl, Sir!‘ antwortete ihm. Monty grinste knapp, dann öffnete er einen Kanal zu Dutch’s Maschine:
„Dutch, ich habe gehört, Sie haben einen Avenger abgeschossen. Damit sind Sie dann wohl Aß. Glückwunsch, gute Arbeit...“
Dutch brauchte ein paar Sekunden, um die Worte zu verdauen. Ein Lob, ausgerechnet von Monty... Bevor er antworten konnte, setzte Monty hinzu: „...Sie könnten sich ruhig für die Glückwünsche bedanken.“
Dutch wollte erst hochfahren, bis er begriff, der XO hatte einen Scherz gemacht – oder was er darunter verstand.
„Danke...“
„Nun ja, Sie haben es verdient. Willkommen zurück.“ Monty schloß die Verbindung. Wenn Dutch tatsächlich wieder der wurde, der er wohl vor Mantikor gewesen war, dann war das ein gutes Zeichen. Momentan nur acht Maschinen stark, waren die Butcher Bears nicht in der besten Verfassung. Und jetzt sollte es gegen den feindlichen Kernverband gehen...

„SCHWARZE STAFFEL – START! START! START!“ Eine nach der anderen hoben die acht Jäger ab, formierten sich zusammen mit anderen Einheiten, richteten sich auf die ferne Akariiflotte aus und gaben Vollschub. Zusammen mit den verbliebenen Mirages und Crusaders der INTREPID und COLUMBIA bildeten sie eine schlagkräftige Streitmacht, zu der noch andere Jagdflieger hinzustießen.

Die Atmosphäre an Bord der DAUNTLESS war spannungsgeladen. Zwar war der leichte Kreuzer gerade nicht in direkte Kämpfe verwickelt und die DAUNTLESS war zur Zeit alles andere als kampffähig. Schwere Treffer – und mehr noch der KAMIkazeangriff – hatten die Flanke des Kreuzers aufgerissen und fast die Hälfte der Geschütze ausgeschaltet. Man zählte immer noch die Toten. Jetzt bewährten sich vor allem auch die Offiziere, die von der RELENTLESS abgestellt worden waren. Von ihrem früheren Kapitän gnadenlos ausgesiebt und gedrillt funktionierten sie mit der Präzision eines Uhrwerks.
Aber auch wenn die DAUNTLESS nicht kämpfen konnte, während andere, glücklichere Schiffe vorrückten und die Akarii im Verbund mit den Kampffliegern in die Zange nahmen, so konnte sie immerhin noch als Flug- und Feuerleitschiff agieren. Und diese Aufgabe war nicht weniger wichtig als der direkte Kampfeinsatz.
Captain Gonzales mußte husten, die Luftumwälzungsanlage funktionierte nicht mehr richtig.
„Sir!“ Gonzales drehte sich um, einer der Flugleitoffiziere stand vor ihm. „Unsere Kampfflieger stoßen auf heftigen Widerstand, der Gegner koordiniert offenbar sein Flakfeuer. Zusammen mit den Abfangjägern...“
„Und? Da kann ich auch nicht viel tun.“
„Wir glauben durch Funkmessortung das Feurleitschiff ermittelt zu haben. Einer der Golf, ziemlich am Rande der feindlichen Formation, leider aber nicht im Schußfeld unserer Kampfschiffe. Wenn wir welche detachieren, werden die Akarii das aber bestimmt bemerken. Bleiben also... “
„Zeigen Sie schon! Und öffnen Sie einen Direktkanal zur COLUMBIA!“

„...zumal der Golf seine Jäger detachiert hat. Es ist riskant, aber machbar.“
„Arbeiten Sie einen Angriffsvektor aus – wir versuchen es.“ Captain James Waco verzog den Mund. Er mochte solche Spezialeinsätze nicht besonders, aber momentan war es die beste Möglichkeit. Kurz überlegte er, ob er der Admirälin die Entscheidung überlassen sollte, verwarf die Idee aber. Es gab momentan genug zu tun und die Zeit war begrenzt. Knapp winkte er einen Lieutenant der Brückencrew heran und gab ihm Anweisung, die Admirälin bei passender Gelegenheit zu informieren. Dann wandte er sich zum Taktik-Leitstand. Die Anlage war auf fast dem selben hohen Stand wie auf der DAUNTLESS und diente zur Koordinierung der Kampfflieger. Schnell überflog Captain Waco die Anzeigen, während er mit halben Ohr den Ausführungen des Diensthabenden lauschte. Zur Verfügung standen ihm nur begrenzte Kräfte, wenn er sich primär auf die Einheiten des eigenen Verbandes stützen wollte. Dann traf er seine Entscheidung: „Rufen Sie die Mirages und Nighthawks!“

Monty lauschte schweigend den Worten des Kommoffiziers: „...Ihre Jäger aber sind schnell und gut gepanzert. Sie müssen nahe an das feindliche Feuerleitschiff herangehen, um seine ECM-Kuppeln anzuvisieren und zu vernichten. Wir hoffen, daß die Akarii eine verhältnismäßig kleine Gruppe von Jagdfliegern nicht als Bedrohung betrachten. Wenn Ihr Angriff Erfolg hat, wird der Gegner abgelenkt sein. Dann werden die Mirages angreifen. Sollte das feindliche ECM intakt bleiben, könnten sie die Mavericks aber erst auf kürzeste Entfernung abschießen. Angesichts der Flugabwehrkapazitäten des Golf und da wir nur eine begrenzte Anzahl von Maschinen detachieren können, wäre dies zu riskant. Es liegt also an Ihnen. Der Golf MUSS vernichtet werden.“
Ungefragt mischte sich Raven ein, die mitgehört hatte: „Das ist doch ein Himmelfahrtskommando!“
Aber First Lieutenant Terrano quittierte den Befehl nur mit einem knappen „Verstanden, Ende!“ Dann steuerten die acht Nighthawks und nach einem unmerklichen Zögern auch die verbliebenen Mirage der COLUMBIA einen neuen Kurs, der sie „unter“ die feindliche Flotte führen sollte.

In der Staffel herrschte Schweigen. Die Piloten hatten an dem neuen Befehl zu arbeiten. Einige mochten darin eine Chance auf Bewährung, Ruhm und Auszeichnungen sehen – und andere ein sicheres Todesurteil. Die Kreuzer der Golf-Klasse waren fast so etwas wie ein Mythos: schnell, wendig, gut gepanzert und bewaffnet, mit exzellenten ECM- und Feuerleitsystemen und zusätzlich noch der Fähigkeit, zwei Staffeln Jäger zu tragen. Es gab nichts Vergleichbares in der TSN...
Montys Stimme riß die Piloten aus ihren Gedanken: „Übermittle Flugroute. Crusader, La Reine – Sie werden sich an die Mirage halten.“
„Aber...“ Das war La Reine, in ihrer Stimme klang wütender Protest, auch Crusader meldete sich mit einem nur unwesentlich ruhigeren Ton: „Sir!“
„Ruhe! Das ist ein Befehl. Sie geben den Mirage Geleitschutz und greifen mit ihnen gemeinsam an. Momentan bin ICH der Kommandant dieser Staffel. Wenn Sie Probleme mit der Befehlskette haben, ist in den Streitkräften kein Platz für Sie. Verstanden?!“
„Ja, Sir!“ Die Stimmen der beiden jungen Piloten klangen keineswegs einsichtig – aber beide merkten, daß sie hier nicht durchkamen. Monty war offenbar fest entschlossen, sich durchzusetzen. Er überging alle weiteren Einwände einfach: „Wie Sie sehen, werden wir den feindlichen Verband, nicht direkt anfliegen. Wir werden uns gewissermaßen anschleichen...“

Kano grinste bei diesen Worten Montys humorlos – der XO verstand unter „anschleichen“ offenbar, in kürzester Entfernung zwei Zerstörer der Echo-Klasse zu passieren. Aber Monty hatte wohl Recht – die Akarii-Schiffe hatten nicht sehr gute Flakkapazitäten und dieser Angriffsvektor würde den Golf vielleicht überraschen. Wenn nicht – dann konnte das ein Flug ohne Rückkehr werden.
„Raven, ihr greift erst an, wenn der Weg frei ist. Ich will keine Kamikaze-Anflüge. Aber dann mit allem was drin ist...“
Ravens Stimme klang amüsiert: „Verstanden, LIEUTENANT. Schmeißen Sie nicht daneben. Wir sehen uns dann am Boden.“

Die sechs Nighthawks beschleunigten mit den Nachbrennern und stiegen der über ihnen drohenden Schlachtflotte entgegen. Dort war die Hölle los. Aus zwei Richtungen stießen die Großkampfschiffe der TSN vor und belegten die Akariiflotte mit immer dichteren Feuer. Dazwischen tobte nicht minder erbittert die Schlacht der Kampfflieger. Explodierende Atomraketen und Jagdmaschinen und brennende Kriegsschiffe erhellten die Dunkelheit des Alls. Selbst die meisten Veteranen der „Butcher Bears“ fühlten sich gefesselt von der Schönheit und Grausamkeit dieses Anblicks.

„Feindlicher Zerstörer kommt in Raketenreichweite. Verbandsflug auflösen, Vorrücken in offener Formation!“
Montys Stimme war jetzt wieder so kalt wie immer in der Schlacht. Keiner der Piloten antwortete, aber sie gehorchten mit einstudierter Präzision. Während er die Anzeigen im Auge behielt, die ihn im Falle eines Raketenangriffs warnen sollten, packte Kano den Steuerknüppel fester. ‚Wir werden es schaffen. Wir müssen es schaffen, oder sterben. Wir müssen... Hoffentlich haben sie uns nicht erfaßt.‘

Dieser lautlose Wunsch ging nicht in Erfüllung. Auch wenn auf den Zerstörern der Echo-Klasse alle Aufmerksamkeit der voraus tobenden Raumschlacht galt, an Bord des imperialen Flugdeckkreuzers HA’KUN waren die Sensoroffiziere auf ihrem Posten und meldeten pflichtschuldig. Aber der Zweite Offizier, der die Nachricht aufnahm, schüttelte nur den Kopf: „Ein Ablenkungsangriff wahrscheinlich. Weisen Sie die Mekatur und die Stepat an, diese Weichhäute zu verscheuchen!“

Kano riß den Flieger mit Gewalt aus der Spirale, die ihn vor der feindlichen Rakete gerettet hatte und glaubte kurz, das Knarren des überlasteten Materials zu hören. Verdammte Echsen! Montys Befehl war gerade noch zur rechten Zeit erfolgt – beide Zerstörer hatten wie auf Verabredung das Feuer eröffnet.
Monty’s Stimme blieb ruhig: „Butcher Bears – Maximalschub Vier-Drei-Drei. Wir brechen durch!“ Die sechs Nitghthawk folgten dem Befehl und jagten zwischen den beiden Echo-Zerstörern hindurch, das feindliche Feuer so zeitweilig verwirrend – zu kurz für Jaws Maschine: „Bin getroffen, bin getroffen! Steige...“
„JAWS!!“ Niemand antwortete Bralwers Ruf – Jaws hatte sich nur mit knapper Not aus seiner Nighthawk katapultieren können, dann verglühte seine Maschine im Kreuzfeuer.
„WEITER! WEITER!“ peitschte Montys Stimme die verbliebenen fünf Jäger vorwärts, aus dem Schatten der zwei Zerstörer – direkt auf den Golf-Kreuzer zu. Kano zerbiß einen Fluch zwischen den Zähnen. Die starke ECM-Anlage des Golf machte jeden Raketenabschuß unmöglich – sie mußten näher ran!
„Weiter!“

„ANFLIEGENDE FEINDFLIEGER, EIN UHR!“ Kel Baren, der Kapitän der HA’KUN fuhr herum: „Was... Bugbatterien – FEUER! Raketenwerfer – Einsatz nach eigenem Ermessen!“ Das würde einen schweren Verweis für Morat Gei, den Zweiten Offizier, bedeuten. Auch wenn die HA’KUN zur Zeit primär als Feuerleitschiff fungierte, es war inakzeptabel, feindliche Kampfflieger so nahe herankommen zu lassen.
Kel Baren handelte nach den Vorschriften und so schnell er konnte – aber ein wenig zu langsam. In den wenigen Sekunden, die zwischen der Alarmmeldung, Barens Befehl und der Feuereröffnung lagen, überbrückten die mit Nachbrennergeschwindigkeit heranjagenden Nighthawk die Entfernung, die sie von einer sicheren Zielerfassung trennten.

„RAKETEN LOS, LOS!!“ Zwanzig Phoenix- und zehn Sidewinder-Raketen schossen ins All. Die TSN-Piloten hatten gut gezielt, mehr als zwanzig der Flugkörper trafen.

„SCHILDE VIER UND DREI KOLLABIEREN!!“ Als Kel Beren diese Meldung hörte, wußte er was die Menschen beabsichtigten - die ECM-Kuppeln! Aber er verstand nicht, warum – die Feindjäger konnten doch nicht glauben, nur mit leichten Raketen und Bordwaffen einen Schweren Kreuzer zu knacken! Aber auch jetzt handelte er schnell und präzise: „RESERVEENERGIE ZULEITEN! DREHEN SIE DAS SCHIFF UM DREISSIG GRAD!“

Durch die Treffer verunsichert, fehlte es den Bordkanonieren der HA’KUN an Glück – für Kano war es dennoch, als würde er durch die Hölle fliegen, in der feurigen Fingern gleich die Bordgeschütze und Raketenwerfer des Kreuzers nach den plötzlich zerbrechlich wirkenden Nighthawks tasten. Ein, zwei Nahtreffer schüttelten seine Maschine durch, ließen seine Heckschilde kollabieren, spießten Vikings Jäger regelrecht auf, rissen die rechte Tragfläche des Nighthawks ab. Viking stieg aus.
Aber immer noch waren die ECM-Kuppeln an der Oberseite des Golf intakt, machten jeden Angriff aus größerer Entfernung unmöglich.
„NOCHMAL!! ALLES WAS DRIN IST!“ Jetzt schrie Monty, überschlug sich seine Stimme regelrecht – und die Nighthawk gehorchten.

First Lieutenant Benk „Dutch“ van Geel aber wendete genau in die Strahlenbahn eines Schiffslasers. Er hatte Mantikor überlebt, doch jetzt blieb ihm keine Zeit mehr auszusteigen, als ihn das gleißende Licht erblinden ließ, sich durch die Schilde und dann das Cockpit brannte. Es blieb nur ein schriller Schrei, der von der Explosion der Treibstofftanks abgeschnitten wurde.

„RANN! BORDWAFFEN!!“ Kano nahm Montys Stimme nicht mehr bewußt war. Für ihn gab es nur noch das feindliche Schiff, diesen riesigen, feuerspuckenden Dämon, der vernichtet, ausgelöscht werden mußte! Das Gesicht zu einer leblosen Maske verzerrt, die Hand um den Steuerknüppel gekrampft stieß er auf den Feind herab. Brawler schrie vor Wut und Angst.
Im Vergleich zu den dreißig Raketen der ersten Salve war das Dutzend Amrams und Sparrows, die zwölf Plasma- und Tachyonengeschütze wenig, die jetzt abgefeuert wurden. Aber die erste Salve hatte gute Arbeit geleistet, die Schilde an dieser vergleichsweise kleinen, aber wichtigen Stelle kollabieren lassen – und jetzt schlug der Angriff der Menschen durch, ließ die ECM-Kuppeln des Golf explodieren.
„RAVEN - JETZT!“

Auf den ersten Blick war wenig passiert, nicht einmal Hülle des Golf-Kreuzers war ernsthaft beschädigt. Aber mit einem Schlag hatte das Schiff eine wichtige Verteidigung verloren.
„SCHADENSBERICHT!“
„ANFLIEGENDE JAGDBOMBER! DREI UHR!!“
Kapitän Kel Beren konnte es nicht glauben, wie sich binnen Sekunden sein stolzes Schiff vom Jäger zur Beute verwandelte. Aber er zögerte nicht, das Notwendige zu tun: „ABWEHRFEUER AUF DIE BOMBER! HART BACKBORD!“ Er wußte, es war zu spät.
„FEIND SCHIESST RAKETEN AB!! ZÄHLE VIER, SECHS, ACHT...“
AUF EINSCHLAG VORBEREITEN!“ Kel Beren grub seine Krallen in die Armlehnen des Kapitänsessels. Fast abwesend registrierte er, wie einer, zwei der feindlichen Maschinen von seinen Kanonieren getroffen wurden, die eine aus ihrer Flugbahn geschleudert, die andere sauber zerteilt wurde. Das würde nicht reichen.

Kano sah nur aus den Augenwinkeln, wie mehr als ein Dutzend der riesigen Feuerblumen erblühten, die die Explosion einer Maverick verkündeten. Es kam zu plötzlich, daß er nicht einmal in das Siegesgeheul seiner beiden Kameraden einstimmen konnte. Sie hatten es geschafft! Sie hatten...
Die Faust eines Riesen schien Kano zu packen, erbarmungslos zu schütteln. Wie ein Racheengel erschien der Zerstörer der Echo-Klasse, der sich jetzt heranschob, mit seinen Bordgeschützen und Raketenwerfer versuchte, seinem Kameraden zu Hilfe zu kommen. Aber er kam zu spät.
Auch wenn Kano überrascht war, er reagierte dennoch schnell genug, um wenigstens seinen Abschuß zu vermeiden. Vielleicht hatten die Bordschützen des Zerstörers auch in ihrer Wut überhastet geschossen. Eine Faßrolle und ein Hieb auf den Nachbrenner brachten ihn aus der unmittelbaren Gefahr. Doch dann explodierte irgendetwas am Heck der Maschine und schlagartig ließ der Schub nach, trudelte die Maschine steuerlos aus ihrer Bahn. Ein schneller Blick auf die Instrumente brachte Kano Gewißheit: das Triebwerk war ausgefallen – und er hatte Glück gehabt, daß sich keiner der Treibstofftanks entzündet hatte. Aber mit dieser Maschine würde er nirgends mehr hinfliegen. Er konnte nur warten, bis ihn jemand auffischte – und hoffen, daß es die eigenen Leute waren. Viele der Bordinstrumente waren ausgefallen. Über ihm drehte sich das ferne Feuerwerk der Schlacht, während der wracke Jäger um die eigene Achse rotierte. Kano schloß die Augen, er mußte die aufsteigende Übelkeit unterdrücken. Dann begann er plötzlich leise zu lachen. Sie hatten es geschafft. Er hatte es geschafft. Das konnte ihm keiner nehmen, selbst wenn die Akarii seinen wehrlosen Jäger vernichten würden.

Kel Baren hustete krampfhaft. Er hätte schreien oder weinen mögen, er tat es nicht. Er tat seine Pflicht. Geschützt von der Makatur gingen seine Männer und Frauen mit der eisernen Diziplin der Akariiflotte von Bord. Er würde der letzte sein, der den Posten verließ. Das schuldete er seinem Schiff. Morat Gei war gefallen – eine Konsole war explodiert und hatte seinen Kopf regelrecht zerfetzt. Der Kapitän bedauerte seinen Zweiten Offizier nicht. Hätte er überlebt, nach diesem Debakel hätte sich Morat Gei schnell vor einem Kriegsgericht wiederfinden können. Jetzt war er im Einsatz gefallen. Für Kapitän Kel Baren hingegen... Doch ein letzter Blick auf einen der noch funktionsfähigen Bildschirme zeigte ihm, daß das Kriegsgericht jetzt das geringste Problem war. Die HA’KUN war das Feuerleitschiff gewesen. Jetzt... Es kam zuviel zusammen – der Beschuß der feindlichen Kriegsschiffe, die unausgesetzten Angriffe der feindlichen Kampfflieger. Der Ausfall der HA’KUN hatte eine Lücke geöffnet, in die jetzt knapp zwanzig Bomber des Gegners stießen und ihre Schiff-Schiff-Raketen im Schnellfeuer abschossen. Die Schlachtlinien der Akarii zerbröckelten. Kel Baren kostete den bitteren Geschmack der Niederlage. Es war nicht die Schuld der HA’KUN alleine, daß dies geschah – doch hätte er sie gehalten...
Langsam, müde stolperte der Kapitän zur nächsten Rettungskapsel. Er mußte sich zwingen zurückzublicken, als die Makatur die HA’KUN mit sechs schweren Atomraketen vernichtete – dem Feind sollte nichts von der modernen Technik des Kreuzers in die Hände fallen.

First Lieutenant Miguell „Monty“ Terrano war schweigsam auf dem Flug zurück zur COLUMBIA. Als Brawler gar nicht aufhören konnte, seiner Begeisterung Ausdruck zu geben, fuhr ihm der provisorische Staffelkapitän sogar ziemlich grob über den Mund.
Brawler konnte natürlich nicht verstehen, was Monty belastete. Mit acht Maschinen war er gestartet, mit vier kehrte er zurück. Er wußte nicht, was mit Ohka, Jaws und Viking geworden war. Viking war der einzige Freund, den Monty in der Staffel hatte. Und er wußte, daß Dutch tot war. Dutch war kein Freund gewesen. Im Gegenteil, Monty hatte dem Mann mißtraut, ihm schonungslos jeden Fehler vorgehalten. Und in dieser Schlacht, da Dutch endlich das Trauma von Mantikor überwunden zu haben schien, das ihn überschattet hatte – da war er gefallen. Und so spürte Monty keine überschäumende Freude – nur eine kalte, grausame Genugtuung, als die Abwehrfront der Akarii zerbrach, die Erdstreitkräfte sich ihren Weg zu den Trägern des Feindes freischossen.
Tyr Svenson
Rückzug

CIC der ONTARIO
Im Orbit um Pasumata IV, Pasumata-Sektor

Igor Maleetschev war sich seiner Gefühle nicht sicher, als die schweren Exocet-Raketen der ONTARIO die im Bau befindliche Station trafen und förmlich in Stücke rissen. Anscheinend hatte es bis zuletzt noch Kämpfe auf der Station gegeben, doch schließlich hatten sich alle Überlebenden, sowohl Menschen als auch Akarii, von der Station absetzen können. Die Jäger der Einsatzgruppe hatten die akariischen Rettungskapseln passieren lassen, einer der Marines hatte Ihnen anscheinend freies Geleit für die Freigabe von Gefangenen zugesichert, obwohl Igor niemals einen Beschuss von unbewaffneten Rettungskapseln erlaub hätte. Aber dennoch waren die Verteidiger unbehelligt Richtung Pasumata IV entschwunden.

Doch jetzt spielte das alles keine Rolle mehr, da mehrere äußerst helle Lichtblitze vom Ende dieser akariischen Raumstation kündeten, die Igor deutlich auf den Sichtschirmen erkennen konnte, obwohl sich der Zerstörer bereits auf dem Weg zur Zerberus-Dunkelwolke befand.
Er konnte erkennen, dass ein Teil der Trümmer vom Planeten wegdrifteten und womöglich als langsame Kometen um Pasumata IV schweben würden, bis sie von der Schwerkraft eingefangen und auf diesen stürzen würden. Andere Trümmerteile würden sich nicht ganz so lange Zeit lassen. Sie nahmen bereits direkten Kurs auf die Oberfläche und würden in Form eines Meteoritenregens auf den Planeten treffen.
Igor hoffte, dass der Planet noch nicht ganz so besiedelt war. Er hatte von irgend so einem akariischen Provinzplaneten namens Troffen gehört, der anscheinend durch so ein solches „Trümmerbombardement“ in großen Teilen so sehr in Schutt und Asche gelegt worden war, dass es einem nuklearen Beschuss nahe gekommen war. Er hoffte nicht, dass sie jetzt ebenfalls Urheber einer solchen Katastrophe werden würden.
Auf der anderen Seite war er erleichtert darüber die Station noch rechtzeitig vernichtet zu haben. Es wäre für die Situation der Terraner und Kolonialisten in diesem Sektor nicht sonderlich vorteilhaft gewesen, wenn die Akarii über eine intakte Flottenbasis als Aufmarschgebiet verfügt hätten. So würde es der akariischen Marine zumindest schwerer fallen, einen Einmarsch in die ColCon durchzuführen.
Dennoch, sie hatten zwei Drittel der ihrer Marineinfanterie durch Tod oder Verwundung verloren und mussten die Station am Ende doch aufgeben. Und das war mehr als ein großer Wermutstropfen. Igor hatte den Angriffsplan dafür ausgearbeitet, auch wenn er von Anfang an geahnt hatte, dass es schief gehen würde. Doch letztlich war er für diese Aktion mitverantwortlich. Und er konnte sich nicht sicher sein, dass das nicht eventuell unangenehme Auswirkungen auf seine Karriere haben könnte.

Doch erst einmal gab es wichtigeres als seine Gedanken um seine Zukunft in der Navy. Die bereits beschädigte AZINCOURT, die mittlerweile als Lazarettschiff fungierende MAGELLAN und der Hilfsträger GUADALCANAL waren schon los geflogen. Aber sie würden sie wohl relativ bald einholen. Und die Frage war, ob sie lange genug durchhalten würden, um dieses System noch rechtzeitig zu verlassen.
Dazu kam noch die KAZE, die am zweiten Sprungpunkt des Systems gewesen war und den Frühwarnsender überhaupt erst platziert hatte und die hoffentlich bald wieder zu Ihnen stoßen würde.
Auch wenn ihm Schneiders Führungsstil äußerst suspekt war, musste Igor anerkennen dass Schneider und seine Crew bei dem Hinterhalt am Gasriesen Pasumata V gute Arbeit geleistet hatten. Und jetzt konnten sie jedes Schiff und jedes Geschütz brauchen, dass sie kriegen konnten.
Igor kannte die Kalkulationen und die Zahlen und er wusste, dass es schon einer Portion Glück bedürfen musste, wenn sie alle unbeschadet wieder hier raus kamen.

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Zwei Tage später
Briefingraum der GUADALCANAL
In der Nähe von Pasumata V, Pasumata-Sektor

„ACHtung“ erschallte der Ruf als Lieutenant Commander Santiago „Tigre“ DeLaCruz den Raum betrat. In seinem Schlepptau waren seine XO Arrow und seine Zweit-XO Lady Death. Nach der Schlacht bei Pasumata V und dem Kampf an der Raumstation hatte sich Diane in seinen Augen bewährt und Tigre hatte Arrow gebeten, die Stellvertreterposition für die Jäger an Lady Death abzugeben. Falls Tigre ausfallen sollte, würde Arrow die Gesamtstaffel übernehmen und Diane würde die Position der XO übernehmen und für die Jäger verantwortlich sein.
Arrow hatte damit kein Problem gehabt und interessanterweise auch Thor nicht. Er hatte befürchtet, dass der Großgewachsene Skandinavier damit Schwierigkeiten haben würde, doch der hatte kaum darauf reagiert und schien auch ansonsten mit seinen Gedanken im Augenblick eh woanders zu sein. Tigre hatte Gerüchte mitbekommen, dass er sich in ein Besatzungsmitglied der MAGELLAN verguckt hatte und seine gesamte Freizeit, wenn nicht sogar mehr, mit seiner Liebschaft verbrachte. Das hatte ihn nicht gerade erfreut und war letztlich einer der Gründe gewesen, sich doch Lady Death als Stellvertreterin zu nehmen und nicht Thor.
Einem Offizier, der unter diesen nicht voll bei der Sache war, konnte er nicht im Ernstfall die Verantwortung über die Staffel überlassen. Es machte ihn sogar traurig, dass Thor anscheinend persönliche Dinge über seine Pflicht stellte.
Es schien also doch so zu sein, dass Thor die Konzentration und die Ernsthaftigkeit abgingen, die ihn für höhere Aufgaben empfohlen hätten.

Als Tigre sich an seinem Pult aufgestellt hatte, gab er das Wort nach kurzer Einleitung an Commander Baker und 1st Lieutenant Jamison-Bowyer von der MAGELLAN weiter, die ebenfalls an der Besprechung teilnahmen.
Thor und Sparky sollten die Aufgabe erhalten mit dem Aufklärungspod die Verfolger ein wenig stärker unter die Lupe zu nehmen und der Rest würde Ihnen dabei Deckung geben. Sie würden sich zwar nicht in Reichweite der Schiffsgeschütze begeben und mit fendlichen Jägern war jetzt zwar auch nicht zu rechnen, aber sicher war sicher. Singh wollte möglichst jede Überraschung vermeiden und ein umfangreiches Bild über Zerstörerschwadron machen, die sie zum Wurmloch in der Zerberus-Dunkelwolke hetzten und vielleicht auch noch einholen würden. Letztlich hoffte Tigre zwar, dass die Zerstörer es nicht rechtzeitig zu Ihnen schaffen würden. Tigre brannte ganz und gar nicht darauf, sich und seine Staffel mitten hinein in die Geschütze von zehn Akariischiffen zu steuern. Sie hatten schon genug Leute verloren und Tigre wollte es gerne vermeiden noch mehr Briefe an Hinterbliebene schreiben zu müssen. Aber wenn Singh mehr Daten haben wollte, würde es ihm das Dirty Bunch liefern.

Als Baker ein paar Einsatzparameter zum Besten gab, hatte sich Tigre an die Seite gestellt und beobachtete seine Piloten. Sein Blick fiel dabei auf Thor, der wie ein Honigkuchenpferd von einer Wange zur anderen strahlte. Als Tigre seinem Blick folgte, bemerkte er, dass die hübsche Wissenschaftsoffizierin den Blick mit leicht geröteten Wangen erwiderte.
Baker übergab das Wort mit frostiger Stimme an seine Untergebene und seine gesamte Körperhaltung signalisierte, dass zwischen ihm und der jungen Wissenschaftlerin etwas nicht in Ordnung war.
Diese haspelte kurz etwas herum, fing sich dann aber extrem schnell wieder und war nach kurzer Zeit in ihrem Element und feuerte nur so mit wissenschaftlichen Begriffen um sich.
„Ähm, Ma´am…“ begann Sparky mit seiner frechen Schnauze nachdem sie geendet hatten. „Danke für die Nachhilfestunde, aber was soll´n wir eigentlich machen?“ Leises Gekicher der anderen Piloten verriet, dass auch diese wenig von dem wissenschaftlichen Zeug verstanden hatten.
„Wir fliegen ran, machen ein paar Bilder und fliegen wieder weg! Alles klar soweit, Ensign?“ fragte Thor ein wenig aufbrausend, so als hätte man ihn selbst angegriffen. Und in diesem Augenblick wusste Tigre, dass Thor in die Offizierin verknallt hatte.
„Glasklar, Lieu-te-nant…“ gab Sparky spöttisch zurück und schob sich ein Kaugummi in den Mund.
Tigre´s Blick wanderte weg von dem kindischen Gehabe der beiden hinüber zu seinen übrigen Piloten. Abseits der Gruppe saß sein Flügelmann Ares und starrte düster vor sich hin. Der Junge hatte sich nach dem Verlust seiner Freundin bei dem Hinterhalt am Gasriesen von allen abgeschottet und war förmlich in sich versunken. Tigre hoffte, dass er irgendwann darüber hinweg kommen würde, aber es war offensichtlich, dass Ares derzeit von Trauer und Wut erfüllt war. Er konnte nur hoffen, dass sich das nicht auf sein Verhalten im Kampf auswirken würde.
Ähnlich sah es mit Aslan aus, der seine enge Freundin Cougar an die Akarii verloren hatte. Er brannte förmlich darauf es den Echsen heimzuzahlen.
Daneben saßen mit Stinger und Whitey zwei weitere seiner Jägerpiloten. Während der erstere bislang nur mit seinem aufsässigen Verhalten aufgefallen war, hatte Whitey durchaus Potenzial gezeigt. Tigre hoffte, dass er sich weiterhin so gut entwickeln würde.

Die Bomberpiloten hingegen machten Tigre keinerlei Sorgen, auch wenn sie bisherigen Kämpfe für sie glimpflich verlaufen waren. Arrow hatte ihre Leute gut im Griff und Tigre machte sich keine Sorgen, dass sich das ändern würde.
Die Frage war nur, ob sie noch einmal in den Kampf mussten und wenn es nach Tigre ging, dann war die Antwort darauf klar. Doch wenn er daran dachte, dass er sich schon einmal darin geirrt hatte, was die Zukunft für ihn brachte, stellte er sich jetzt lieber gedanklich auf das Schlimmste ein.
Tyr Svenson
Bis zum Letzten

Lightning quittierte die Weisung des Geschwaderkommandeurs eher unwirsch. Der hatte gut reden! Die Akarii binden? Das war schon ein merkwürdiger Auftrag für eine abgekämpfte Streitmacht, die zudem zahlenmäßig unterlegen war. Die Feuerunterstützung des Sperrverbandes wurde immer schwächer. Die Offizierin wollte gar nicht SO genau wissen, woran das lag. Der Anblick sterbender eigener Schiffe war ihr seit Manticor mehr als vertraut, aber sie hatte sich nie richtig daran gewöhnen können.
Aber Befehl war Befehl, auch wenn sie den Befehlenden im besten Fall für einen geistig minderbemittelten Egomanen hielt. Sie durfte eben zusehen, wie sie die Weisung in die Tat umsetzen konnte.
Und das mit einer Staffel, die noch zwei Drittel Einsatzstärke hatte, vielleicht ein Drittel des üblichen Kampfsatzes Raketen, nicht mehr unbegrenzt Treibstoff und an etlichen Maschinen Spuren des gegnerischen Beschusses. Es war doch einfach herrlich...

Sie hatte die Reste ihrer Staffel zu zwei Sektionen zusammengefaßt. Die Britin hatte Marine an ihre Seite befohlen, da diese den Flightleader verloren hatte.
Wenigstens war die Typhoon eine Maschine, die für die gestellte Aufgabe recht gut geeignet war. Sie öffnete einen Funkkanal. Die Kommandeurin fühlte sich wesentlich weniger sorglos, als sie klang: „Alle mal herhören. Renault und Noltze sind dabei, den Akarii die Schwanzschuppen zu kappen. Unsere Aufgabe ist es sicherzustellen, daß keine Echse ihnen die Party verhagelt. Wir müssen die Akarii so lange beschäftigen, bis ihre Landebahnen abgewrackt sind. Auf mein Kommando – Aufsplitten und Hochgeschwindigkeitsangriff!“
Die Piloten bestätigten. Ihr Enthusiasmus war gedämpft durch Erschöpfung und das ungewisse Schicksal – im Falle Claw konnte man kaum von zweifelhaft sprechen – ihrer Kameraden. Aber die Aussicht, daß die Schlacht doch noch eine Wende nehmen konnte, gab ihnen zumindest etwas Mut.

Die Akarii versuchten tatsächlich verstärkt, sich vom Feind zu lösen. Ihnen war offenbar klar, ihre Träger bedurften der Unterstützung durch Jagdflieger. Ohne diese aber wären die schwereren Maschinen ein vergleichbar leichtes Ziel für die Menschen gewesen. Also mußten die Echsen den Angriff schweren Herzens abbrechen – eine andere Wahl blieb ihnen nicht. Der Flakgürtel und der auf beiden Seiten verlustreiche Kampf mit den Kampffliegern der COLUMBIA, INTREPID und Windsor hatten zu viele Opfer gekostet. Die schweren Einheiten der Akarii schlossen sich zusammen, die Jäger bemühten sich, die Bomber, Sturmjäger und Jagdbomber abzuschirmen. Und einige Sektionen der schnellsten Maschinen, vor allem Reaper, brachen den Kampf sofort ab und rasten mit Höchstgeschwindigkeit zu ihren Trägern zurück.
Lightning überlegte kurz. Im Augenblick waren die Jäger vermutlich das wichtigste Ziel. Aber wie konnte man die genug ,interessieren‘, daß sie sich nicht davonstahlen? Sie lächelte schief – man konnte ja...
„Bereitmachen. Ziel ist Verband bei sechs Uhr – die Doomhammer!“

Die menschlichen Maschinen beschleunigten. Es gab auch bei den Akarii nicht viele Maschinen, die es mit ihnen aufnahmen, sie gar übertrafen, was Wendigkeit und Geschwindigkeit anging.
Rasend schnell schwand die Entfernung zu dem halben Dutzend schwerer Jäger. Lightning blickte sich argwöhnisch um...Aha!
„Achtung – Wegbrechen und Verband auflösen, freie Jagd, ab JETZT!“
Die menschlichen Maschinen spritzten auseinander wie ein Beutel Murmeln, den jemand auf einem Tisch ausschüttete. Die Kommandeurin hatte richtig kalkuliert – die Akarii ließen ihren neuen Superflieger nicht ohne Schutz. Eine dezimierte Staffel Bloodhawk nahm den Kampf an.

Auch wenn Lilja hundert Jahre alt werden würde – die Chancen dafür standen momentan wohl nicht sonderlich hoch – und tausend Luftkämpfe gekämpft hätte, sie glaubte nie, daß ein Gefecht jemals zu etwas alltäglichem werden konnte. Es war wie immer – ein Stoß von Adrenalin, der ihre Sinne aufs äußerste schärfte, bis sie förmlich vor Anspannung zu vibrieren schien. Sie genoß das Gefühl, obwohl sie genau wußte, nach der Schlacht würde sie dafür bezahlen. Es war wie eine Droge, von der man nie genug bekommen konnte.
Alles außer dem Gefecht war bedeutungslos geworden – der Kampf und ihr Haß auf den Feind dominierte alles.
Sie reagierte fast im Unterbewußtsein auf Warnsignale und Informationen ihrer Sensoren. Alles wurde zu einem wahnwitzigen Tanz mit dem Gegner.
Stürzen, steigen, drehen, kurven – mal vor, mal über, mal hinter dem Feind. Sie genoß es geradezu, für einen Augenblick mal nicht die XO zu sein. Lightning hatte befohlen den Verband in Paare aufzuspalten, und Lilja damit ,von der Leine gelassen‘. Die Russin verabscheute ihre neuen Aufgaben keineswegs – aber das hier hatte sie doch etwas vermißt.
Natürlich – jeder Einsatz war zugleich das, was man einen ,Tanz mit dem Tod‘ nannte. Und neben dem Kampfrausch flog auch immer die Angst mit, besonders vor und nach einem Gefecht. Oder wenn man gejagt wurde.

Aber sie vergaß nicht völlig, weswegen sie hier war – neben der Aufgabe, Akarii zu killen.
Wann immer ihr eine kostbare Sekunde blieb, eine Möglichkeit sich bot, da peilte sie mit ihrem Zielradar erneut eine der Doomhammer oder eine andere entfernte Maschine der Akarii an. Denn wenn die auch nur ein paar falsche Ausweichmanöver flog – das würde sie Zeit kosten, vor allem aber Treibstoff. Ein unbefriedigendes Ergebnis, gewiß. Lilja wünschte sich zum wer weiß wievielten Male, ihre Maschine hätte mehr Raketen an Bord als das halbe Dutzend. Oder zwei, wie jetzt noch.
Der Gegner war jedenfalls durchaus ,würdig‘ zu nennen. Nicht, daß Lilja so ein Wort im Zusammenhang mit Akarii gebraucht hätte. Es war schwer, sehr schwer, eine Bloodhawk ins Visier zu bekommen. Und dann blieb noch die Frage, ob eine abgefeuerte Rakete auch treffen würde. Glücklicherweise hatten die Gegner anscheinend die selben Probleme. So beschossen sich die Maschinen überwiegend mit ihren Bordwaffen – und die waren gefährlich genug.

Lilja biß die Zähne zusammen, als ihre Maschine durchgeschüttelt wurde. Da gingen sie hin, ihre Heckschilde. Und ein Teil der Panzerung gleich mit. Verdammt, sie würde sich doch nicht von so einer Echse abknallen lassen! Von Tyr war momentan keine Hilfe zu erwarten – der hatte genug mit eigenen Problemen zu tun.
Die Russin fluchte wütend. Na, wollen wir doch mal sehen, ob wir es noch können...
Sie riß ihre Maschine in eine seitliche Rolle. Brach um 90 Grad von ihrer bisherigen Flugrichtung weg. Rollte sich auf den Rücken und tauchte nach unten ab. Drehte sich dort erneut und raste in wieder eine ganz andere Richtung. Jetzt eine Wende und...
Die Akariimaschine wurde in ihrem computergeneriertem Visier förmlich riesig. Sie mußte SEHR nahe sein. Lilja bleckte die Zähne, und hieb auf die Feuerknöpfe.
Der Akarii bäumte sich auf. Auch seine Maschine war nicht unbeschädigt gewesen. Blitzartig rollte er zur Seite und versuchte mit Hilfe des Nachbrenners zu fliehen. Aber Lilja hatte so etwas erwartet, und blieb dicht hinter ihm. Sie ignorierte, daß auch ihr eigener Sprit nicht mehr lange reichen würde. Gleich...JETZT!
Erneut flammten die Geschütze auf. Energiebahnen bohrten sich in den Jäger, faßten nach. Eine kleine Explosion, weitere Einschüsse – Vernichtung!
Wie schon so oft zelebrierte Lilje die Eliminierung ihres Gegners, genoß den Triumph des Sieges. Einen Augenblick nur. Dann blickte sie sich um. Tyr war seinen Gegner offenbar losgeworden. Aber der Rest der Staffel...
Die Stimme Lightnings kam über den Bordfunk: „El Cid hat es erwischt. Keine Ahnung ob er es raus geschafft hat.“ Sie mußte spüren, was wohl in Tyr vorging: „Ich habe aber die Koordinaten einem SAR-Shuttle gegeben.“
Lilja überprüfte ihre eigenen Anzeigen. Sie klang emotionslos. Keine Zeit für Gefühle. Keine Zeit an einen Piloten zu denken, der seit Anfang des Krieges bei der Staffel war: „Wir haben Harpy verloren.“
Damit war die Hälfte der Staffel abgeschossen. Sie wartete. Eigentlich war klar was kommen mußte...
Lightning seufzte: „Vorbereiten – Neuer Angriff beginnt.“

Die Typhoon formierten sich erneut, nur noch ein Gespenst der kampfstarken Staffel, die sie vor nicht einmal einer Stunde – einer Ewigkeit – noch gewesen waren. Aber sie hatten ihre Befehle.
Auf den taktischen Schirmen war zu erkennen, daß die Maschinen der COLUMBIA und INTREPID sich offenbar dem Großangriff auf den feindlichen Flottenverband anschlossen. Allerdings – auch die Akarii hatten Flakschiffe, und keine schlechten. Sie mußten sich zwar zunehmend an zwei Fronten verteidigen, und dazu kamen die schweren Schiff-Schiff-Raketen von Renaults Flottenverband. Aber sobald die feuern konnten, waren sie selber auch mögliche Ziele, und die Flottenwaffen der Akarii ließen sich nicht lange bitten. Ihre Kreuzerschwadronen feuerten ununterbrochen die Raketenwerfer ab, und nicht alle Marschflugkörper wurden von der Abwehr der menschlichen Flotte zerstört. Die Kommandeurin sah, daß die Angriffsverbände ihres Geschwaders sich darauf vorbereiteten, den Flakgürtel der Akarii zu durchbrechen. Wenn sie dabei auch noch mit einer wachsenden Zahl feindlicher Jäger kämpfen mußten, waren ihre Chancen nicht sehr gut.

Was bedeutete, daß Lightning es sich einfach nicht leisten konnte, ihre Staffel zu schonen. Die Akarii durften einfach nicht wieder Tritt fassen. Das hing natürlich nicht von ihrem halben Dutzend ab – aber jedes bißchen war von Bedeutung. Die Britin spürte Übelkeit. Anders als viele Offiziere - ,Die ich namhaft machen könnte.‘ Dachte sie – sah sie ihre Bestimmung auch und besonders darin, auf ihre Leute zu achten. Und nicht, sie in eindeutige Selbstmordmissionen zu schicken. Aber was sollte sie tun?
Diesmal kamen sie erst gar nicht so weit wie beim letzten Mal. Zwei Sektionen Reaper fingen sie schon vorher ab. Die pfeilschnellen Akariijäger deckten den Rückzug ihrer Kameraden, und das sehr effektiv.
Es ging im Grunde alles sehr schnell. Eben noch hatte Lightning einen Reaper zusammengeschossen – die geringe Panzerung war ein wesentlicher Nachteil des Abfangjägers der Echsen – als dessen Flügelmann an Marine vorbei raste. Irgendwie mußte er noch eine Rakete übrig haben – und die traf voll.
Im Heck von Lightnings Jäger flammte eine Stichflamme auf. Man sah, wie das Cockpitdach wegflog und die Pilotin hinaus katapultiert wurde. Dann breitete sich das Feuer aus und vernichtete den Jäger.
Lilja fühlte sich, als hätte ihr jemand eine eiskalte Faust in den Magen gerammt. Ihre Stimme hatte beinahe den Klang des Flehens eines kleinen Kindes: „Lightning!“

Die Kommandeurin war in gewisser Weise ihre Freundin gewesen – und davon hatte sie wahrlich nicht viele. Jetzt war sie ausgefallen, vielleicht verletzt, vielleicht gar tot. Aber sie war auch ein Schild zwischen Lilja und der vollen Last der Verantwortung gewesen. Ein Schild, der jetzt zersplittert war.
Sie hörte Blackhawks Stimme: „Befehle?“
Sie spürte die Zweifel in seiner Stimme. Oder bildete sie sich die nur ein? Sie wußte es nicht, aber für einen Augenblick wollte sie einfach sich die Ohren und Augen zuhalten. Fliehen vor den Verlusten, vor ihrer Verantwortung.
Sie tat es nicht. Ihre Stimme klang kälter als Eis: „Ni schagu nasad!“ Dann besann sie sich und wiederholte den Befehl auf Englisch: „Keinen Schritt zurück.“ und fügte hinzu „Wir greifen an.“ Dann, mit lauterer Stimme: „ANGREIFEN!“ Und die Staffel folgte ihr.

An unzähligen Stellen tobten solche und ähnliche Rückzugsgefechte. Akarii opferten sich, um angeschlagenen Kameraden die Flucht zu ermöglichen. Die offizielle Statistik zählte nach dem Ende der Schlacht nicht weniger als sechs KAMIkaze der imperialen Marine. Einer auf die DAUNTLESS, einer auf einen Zerstörer – die vier anderen gegen feindliche Jäger. Es wurde gekämpft bis zur äußersten Erschöpfung. Ebenso wie die Menschen gewillt waren, die Akarii nicht ziehen zu lassen, waren diese entschlossen, ihren Mutterschiffen zu Hilfe zu kommen. Und auf beiden Seiten gab es keine Rücksicht auf die, die bei der Erfüllung der jeweiligen Mission im Wege standen. Ritterlichkeit und faires Verhalten mochte in Fliegerfilmen geben – im echten Krieg waren sie die Ausnahme.

Lilja wußte später selbst nicht – und fragte sich auch nie – wieso sie ihre Entscheidung traf. Es war auf einmal da, auf ihrem Radar. Ein größerer, ,fetter‘ roter Kontakt. Sie kontrollierte die Entfernung. Erkannte das Ziel. Es gab kein Zögern bei ihr. War es Haß, war es die Trauer um ihre Kameraden – sie wußte es nicht. Vielleicht auch eine fast perverse Auffassung vor Pflichtgefühl. Aber all das waren Worte, abstrakte Gedanken, und für die ließ sie sich keine Zeit. Sie überprüfte nur die Zielerfassung. Dann feuerte sie.
Das Akarii-Bergungsshuttle hatte nur wenige Sekunden Zeit um zu erkennen, daß sie angepeilt worden waren. Sie waren geschickt worden um nach abgeschossenen Piloten zu suchen. Ein riskanter Job, mitten in einer Raumschlacht – aber WIE riskant, das zeigte sich erst jetzt.
Der Pilot legte die Maschine auf die Seite, stieß Täuschkörper aus. Aber er war kein Kampfpilot, war nicht ausgebildet für so einen Fall, und seine Maschine war kein Jäger. Als das Heulen des Raketenalarms zu einem durchdringenden Schrillen wurde, drehte er halb den Kopf: „Vorbereiten auf...“ Weiter kam er nicht.
Die beiden Raumraketen, Liljas letzte, schlugen voll ein. Es gab einen Blitz – und dann existierte das Shuttle nicht mehr.

Tyr starrte auf die Anzeigen. Er wußte, was er gesehen hatte: „Was zum Teufel, Lilja...“
Die Stimme der Russin klang gelassen: „Aufschließen zum Rest der Staffel.“ Sie schwieg eine Augenblick. Ließ den Ton noch etwas abkühlen: „Stimmt was nicht?“
Der Skandinavier schüttelte den Kopf: „Was ist mit den Akarii?“ Er klang unsicher. Tyr war Soldat, gewiß – aber das hier...
Seine Vorgesetzte ließ ihre Stimme noch ein paar Grat kälter werden. In solchen Augenblicken klang sie wirklich wie das Miststück mit dem Eisherzen, als das manche sie bezeichneten, und das sie wohl gelegentlich auch war: „Was wohl? Gestorben sind sie. Eta voina – das ist Krieg. Es war ein schwerer Akariikontakt. Vielleicht ein Bomber. Vielleicht ein Kanonenboot-Shuttle. Vielleicht eines zur elektronischen Kampfführung.“
Tyr wollte etwas erwidern, doch dann zögerte er. Ihm war klar, auch wenn das nicht nachzuweisen war, Lilja hatte wohl kaum SO gedacht. Sie klang nicht einmal, als ob sie es ernst meinte. Er dachte an El Cid und an die anderen. Er atmete tief durch – und schwieg. Er glaubte etwas sagen zu müssen, doch er tat es nicht. Aber in seinem Inneren fragte er sich, ob er mit seinem eigenen Schweigen fertig werden würde.

Staffel Grün formierte sich. Sie waren endgültig abgekämpft. Ein Teil der Akarii hatte sich rechtzeitig von den Verfolgern lösen können – aber zu wenige, zu spät. Die Meldungen des Angriffes auf den feindlichen Flottenverband kamen herein, und sie klangen gut. Die Staffeln von Darkness und Raven hatten offenbar eine Lücke geschlagen, und durch die stießen die Bomber von INTREPID und COLUMBIA auf die feindlichen Dickschiffe vor. Jetzt konnten die Akarii nur noch um ihr Überleben kämpfen, und es sah nicht so aus, als ob das allen gelingen würde. Die Männer und Frauen der Staffel konnten aber kaum noch Begeisterung aufbringen. Sie waren allein mit ihren Ängsten, ihrer Erschöpfung. Vielleicht auch mit ihrer Schuld. Es waren noch fünf Maschinen.
Tyr Svenson
Hoffnungen

Der Bildschirm zeigte ein wahres Meer von Leuten – und von roten Fahnen. Es war nicht ganz zu überblicken wie viele Menschen auf dem Platz versammelt waren, aber es mußten sicher Hunderttausende seien. Gewiß nicht nur aus der Stadt selber, aber dennoch...

Mitten auf dem Platz parkte ein LKW, auf dem ein Mann stand, der mit Hilfe eines Mikrophons zu den Versammelten sprach. Es war mehr als wahrscheinlich, daß die Analogie gewollt war, bedachte man, WO er sprach und zu welcher Gruppierung er gehörte. Vor allem wenn man das Thema berücksichtigte.
„...Nach fast vier Jahren ununterbrochenen Ringes, in dem Millionen der Söhne unserer geliebten Rodina geopfert worden waren, da erhob sich hier, in dieser Stadt, mit Macht die Stimme, die den Kriegstreibern Einhalt gebot. Es war die Stimme des Volkes – die Stimme der Mütter, Frauen und Schwestern der Soldaten, der Arbeiter, die in den Fabriken für den Krieg schufteten, und dennoch Hunger litten. Es war die Stimme EURER Vorfahren, von Menschen wie euch. Und selbst die bisher gehorsamen Schergen mußten vor dieser gewaltigen Kraft kapitulieren. Hier errang das Volk seinen Sieg über diejenigen, die den Krieg mit vom Zaun gebrochen hatten! Diejenigen, die sich an ihm bereichert hatten, während die Bevölkerung – Bauern, Städter, Studenten, Männer wie Frauen – in den Schützengräben blutete! Während nicht einmal jeder ein Gewehr hatte, da fuhren JENE noch in goldenen Kutschen! So lange, bis das Volk sie aus dem Amt jagte!
Und als diejenigen, die sich Vertreter des Volkes nannten, den Krieg aber fortsetzten, und damit das Volk ein weiteres Mal verrieten, da wurden auch sie verjagt. Und auch dies ging von dieser Stadt aus!
Söhne und Töchter der Heimat! Wir wollen diesmal nicht erst vier Jahre warten! Sollen wieder Millionen sterben, wo das Leid angesichts der Hunderttausenden Hingeschlachteter schon zum Himmel schreit?
Wieder hat man unsere Brüder und Kinder in den Krieg getrieben, wieder verdienen einige wenige daran, während unsere Soldaten oft nicht einmal Waffen haben, die denen des Gegners auch nur ebenbürtig sind! Den Reichen, der Regierung ist das gleich – aber unsere Angehörigen fallen!
Wieder ist es ein Krieg, in dem es im Grunde nicht um die Interessen des Volkes geht. Weder um unsere, noch viel weniger um die des Akarii-Volkes. Die Generalität und der Adel des Imperiums hat diesen Krieg begonnen, und unsere Führung, sei es militärisch, politisch oder wirtschaftlich, ist unfähig oder unwillens ihn auf dem besten möglichen Wege zu beenden – durch einen Frieden ohne Kontributionen und Annexionen, einem wirklichen Frieden, der beiden Seiten Möglichkeit zum Atmen läßt. Einen Frieden der es den Akarii erlaubt, mit den Schuldigen abzurechnen, und in dem wir und sie sicher stellen können, daß sich dergleichen niemals wiederholt.
Ich höre die Stimmen der Kriegshetzer, die unser Volk aufstacheln wollen. Doch frage ich – glaubt hier jemand, den Akarii, deren Angehörige an der Front stehen, ist dieser Krieg ein Herzensbedürfnis? Glaubt jemand, sie sind glücklich mit den schweren Lasten und Verlusten, die der Krieg auch für sie bedeutet?
Das könnte uns egal sein, werden einige sagen – immerhin haben sie den Krieg angefangen. Aber hatten sie eine Wahl? Ihre Generalität hat wohl kaum den einfachen Mann auf der Straße gefragt. Genauso wenig wie unsere militärischen Führer und unsere Politiker das Volk fragen, ob ihm ein Frieden der gleichen nicht lieber wäre als ein jahrelanges mörderisches Ringen, daß am Ende den Sieger fast ebenso erschöpft wie den Verlierer.
Brüder und Schwestern! Die Geduld des Volkes ist nicht grenzenlos, das sollten die Mächtigen wissen! Und so wie vor mehr als 800 Jahren von hier ein Signal aus ging, so mag es erneut geschehen! Laßt uns unsere Stimmen vereinen, daß sie als Mahnung den Mächtigen in den Ohren gellen! Laßt nicht zu, daß sie euch blenden – wir fordern FRIEDEN JETZT!“

Der Zuschauer knurrte etwas, das nicht sehr freundlich klang, dann schaltete er das Gerät aus. Noch eine halbe Stunde bis zu den neusten Frontnachrichten. Das war etwas was er nie verpaßte. Er gehörte selber nicht mehr dazu, aber er sammelte jedes bißchen an Informationen. In Gedanken war er immer noch halb ,da draußen‘. Vielleicht würde er nie ganz wieder zurückkehren, so wie es vielen ging... Er schüttelte den Gedanken ab.
,Ach Unsinn. Es ist einfach nur gut zu wissen, wie sie sich machen.‘ Und es war hoffentlich erfreulicher als die Sendung eben. Eigentlich hatte er der Partei früher nicht SO fern gestanden, aber neuerdings...
Dabei konnte er sie ein Stück weit verstehen. Vieles was sie anprangerten sah er so ähnlich. Die Ausrüstung der Soldaten WAR schlecht, schlechter jedenfalls als sie seien sollte, seien mußte. Das wußte er nur zu gut, besser als jeder andere. Wie die Regierung daran dachte zu gewinnen, war angesichts der technischen und materiellen Verteilungsverhältnisse nicht nur für die Kommunisten schwer zu verstehen.
Und daß einige Industriezweige massive Gewinne einfuhren, daß die Führung im Vorfeld des Krieges massiv versagt hatte – auch das ließ sich schwer leugnen.
Aber seiner Meinung nach war die Zeit für Korrekturen nicht gerade JETZT. Nach dem Krieg, da konnte man mit denen abrechnen, die nicht ihren Anteil geleistet hatten. Wenn man mit den Akarii fertig war, ein für alle mal. Im Augenblick galt es natürlich, erst einmal zu gewinnen. Denn halb gegen seine eigenen Erfahrungen und Überlegungen hoffte er noch immer, oder vielleicht hoffte er auch wieder, daß es gelingen mochte die Akarii zu schlagen.
Aber einige – nun, mehr als nur einige – sahen das eben anders. Sie waren weder gewillt, so lange zu warten, noch teilten sie seine Hoffnungen. Zumindest glaubten sie, der ,Sieg‘ würde sie weit mehr kosten, als gut für die Menschheit wäre. Und sie würden es seien, die den Preis zu zahlen hätten, während andere den Profit einfuhren.
Solches Denken kam an. Vor allem in einem Land, das sich politisch nicht voll repräsentiert fühlte. Die Spitzen der Regierung kamen zum Gutteil aus dem, was man früher den ,Westen‘ genannt hatte. Und für die Nachfahren früher Groß- und Supermächte war es nie leicht zuzugestehen, daß Geschichte anderswo gemacht wurde. Deshalb sahen sie sich nicht selten als die, die nur Lasten, aber wenig Mitspracherecht hatten. Und ein gewisses Mißtrauen gegen die Obrigkeit hatte in Rußland lange Tradition. Zwar war es oft auch mit Apathie gepaart gewesen, doch ein paar Mal in der Geschichte hatte es sich in etwas anderes, brisanteres verwandelt, und dann war das Land bis in die Grundfesten erschüttert worden – und manchmal auch die ganze Welt.
Er wußte das. Sicher, SO weit würde es hier wohl nicht kommen. Aber ,die da oben‘ mochten sich hüten! Wenn sie die Zeichen nicht ernst nahmen, konnte es ihnen gehen wie einst den Zaren. In der Hinsicht hatte der Redner schon Recht, der in St. Petersburg die Menschen anfeuerte.
Sollte der Krieg noch lange so weitergehen, und ohne eine wirkliche Wende in Sicht...
Er hoffte, daß es nicht dazu kam. Ein anderer hätte vielleicht gesagt, er bete darum, aber mit Religion hatte er nicht viel zu schaffen. Sie erklärte wenig, und sein Schicksal als von Gott gegeben zu betrachten war ihm kaum als sinnreiche Lebenshilfe erschienen. Bisher zumindest. So hoffte er eben nicht im Vertrauen auf Gott, sondern im Vertrauen auf die Menschen. Sein eigenes Beispiel machte ihm dabei Mut. Es gab wieder Hoffnung, in einem Leben, das lange ohne hatte auskommen müssen. Denn auch wenn für ihn leidlich gesorgt war – ein ,Samowar‘ zu sein, war kein leichtes Schicksal. So nannte man in Rußland die Kriegskrüppel, da sie, wie der Volksmund es brutal durch diesen Spitznamen formulierte, nur noch dazu gut waren, einen Samowar zu bedienen.

Alexander Jegorowitsch Gulajew, früher stets nur ,Alex‘ gerufen, erinnerte sich noch sehr gut daran, was man ihm genommen hatte. Er wußte, daß manche Menschen sich daran gewöhnten gelähmt zu sein, aber er hatte das für sich nie ganz glauben wollen. Man mochte sich damit abfinden, sich in das Schicksal fügen. Aber daß es Normalzustand wurde, man nicht in fast jeder Sekunde spürte was man verloren hatte – unmöglich. Es war ihm schwer genug gefallen sein Leben überhaupt fortzuführen, so wie es ihm jetzt noch möglich war. Bis vor einer Woche.
Vor acht Tagen hatte man ihn wieder zu einer Reihenuntersuchung bestellt. Daran war er gewöhnt gewesen, und er betrachtete sie als unvermeidliches Übel – wie seinen Rollstuhl. Etwas um das man nie herumkam, das aber nie ganz Normalität wurde. Immer diese prüfenden Blicke der Ärzte, halb als sei es seine und nicht ihre Schuld, daß sie nichts machen konnten! Helfen konnten sie ihm ja ohnehin nicht. Aber diesmal war es anders gewesen. Man hatte ihn gründlich untersucht, und dann hatte ihn der behandelnde Arzt zu einem Gespräch gebeten. Der Mann war vage geblieben – anders als viele seiner Kollegen war er als Militärarzt nicht darauf angewiesen, die Kunden durch Versüßen der Lage bei der Stange zu halten, und er hielt offenbar Offenheit für den besseren Teil der Wahrheit.
Er hatte ihm noch einmal erklärt, warum eine klassische Therapie bei ihm unmöglich war. Die Verletzung, die ihn zum Krüppel machte, hatte die Nervenbahnen nicht einfach nur an einer Stelle gekappt. Dergleichen konnte man – wenn der Patient es überhaupt bis in ein ordentlichen Lazarett schaffte – heutzutage bereits mit oft gutem Erfolg therapieren. Man pflanzte spezielle Zellen ein, die eine Regeneration der beschädigten Nervenbahnen einleiteten. Bei Alex war das anders gewesen. Als man ihn aus seinem Jäger herausholte, war sein Rückrat an mehreren Stellen beschädigt gewesen. Er hatte sowieso nur knapp überlebt, und man war froh gewesen, ihn nicht ganz zu verlieren. Unter Feldbedingungen war mehr nicht möglich gewesen, und als man ihn zurückschaffen konnte, war es für eine normale Therapie zu spät. Auch darin war er ein Opfer des Krieges. In Friedenszeiten hätte man jemand wie ihn sofort evakuiert. Aber in dieser Zeit war das nicht möglich gewesen, es war einfach kein Transport möglich. Er wußte, daß seine ehemalige Staffelkameradin, die einzige die noch lebte, deshalb das erste Mal ernsthafte Schwierigkeiten mit ihren Vorgesetzten riskiert hatte, weil sie ob der Umstände mehr als ausfällig geworden war. Genützt hatte es natürlich nichts. So war er erst viel später ,heimgekehrt', falls man das SO überhaupt eine Heimkehr nennen konnte.

Aber jetzt hatte man ihm wieder vage Hoffnung gemacht. Die Medizin stand nie ganz still, und es wurde stets weiter experimentiert. Manchmal – er war inzwischen Zyniker genug um das einzugestehen – brachte sogar der Krieg etwas Gutes, den die Forschung für die Versorgung von Kriegsversehrten wurde dann verstärkt gefördert. Es war alles noch unsicher geblieben. Eine modifizierte Zellstruktur, eine neue Art der Therapie, Mikrooperationen – alles noch in der Erprobung. Aber vielleicht, vielleicht ein Hoffnungsschimmer.
Sicher, Wunder waren nicht zu erwarten. Er gehörte nicht zu den Leuten, die von der Medizin annahmen, sie könne alles zusammenfügen, was Krieg und Gewalt zerstört hatten. Es war unwahrscheinlich, daß er wieder würde fliegen können. Und so sehr er das Fliegen auch geliebt hatte, die Weite des Alls, die Freiheit des Fluges – das war für ihn vorbei, für immer. Aber vielleicht würde er den Rollstuhl verlassen können, der ihm oft, sehr oft als ein viel ärgeres Gefängnis als selbst das Grab erschienen war. Denn im Grab merkte man nichts mehr – er aber war lebendig an seine eigene Behinderung gefesselt.
Nur einmal wieder laufen zu können, nicht mehr die Mischung aus Mitleid und...Distanz?...in den Augen der Menschen sehen zu müssen. Nicht mehr das Gefühl haben, einfach nur eine Last, unnütz, überflüssig zu sein. Das war es schon wert, auch wenn die Hoffnung noch so klein war. Und wenn das möglich war, wieso nicht auch das andere?
Tyr Svenson
Johannes von Richter, Commander der Erdstreitkräfte, Sohn des Chief of Naval Operations und Kommandeur des 33th Fighter Wing den Death Merchants, fühlte die Erregung der bevorstehenden Schlacht.
Die F-107 D Nighthawk gehorchte exakt seinen Befehlen. "Alle Phantom- und Nighthawkschwadronen: Wir stellen uns ihren Jägern. Die Griphens und Typhoons begleiten unsere Bomber, für den Fall, dass noch einige Akarii abgekämpft bei den Enten ankommen. Für die Bomberjungs: Gute Jagd!"
Die Nighthawk- und Phantomstaffeln der GETTYSBURGh, MELBOURNE, GALLILEO und LIBERTY scherten aus dem Angriffsverband aus und hielten auf die ungeordnete Wolke Akarii-Jäger zu, die sich krampfhaft versuchte aus dem Nahkampf mit den Geschwadern der COLUMBIA, INTREPID und JAMES WINDSOR zu lösen.
"An alle Bomber und Jagdbomberschwadronen hier Bishop: Ziele illuminieren und ausschalten!"
Die Stimme des rangältisten Bomberpiloten war emotionslos.
Doch von Richter wusste es besser. Jeder von ihnen war auf den Kampf aus. Die Manticore-Veteranen wollten Rache, die jungen wollten ihren Teil beitragen.

Radio machte einen Immelmann um an der Reaper dran zu bleiben, die sich mit waghalsigen Manövern versuchte ihm zu entziehen.
Er presste den Auslöser seiner Bordwaffen. Die vier Strahlengeschütze fraßen sich tief in die Panzerung. Die Schilde hatte er schon vorher ausgeschaltet.
Eine kleine unspektakuläre Explosion verkündete das Ende seines Gegners.
Der Lieutenant Commander leiß es sich nicht nehmen seinen vierzehnten Abschuss mit einer Siegesrolle zu feiern.
"Guter Schuss Sir!" Lieutenant Juan da Silva, der Ersatzmann für Pops von der INTREPID, klang so ausgelaugt wie Radio sich fühlte.
Die Akarii durften nicht weniger kaputt sein und es waren nicht sie, die in wenigen Minuten frische Jäger in die Schlacht warfen.
Konnte es wirklich war sein? Konnte es wirklich geschehen? Würden sie heute siegen?

Duv Ren's Herz zog sich zusammen. Sein Flügelmann verging in einer Explosion. Gegen einen Gegner, der weder so schnell noch so wendig war wie er selbst.
Sein Herz schrumpelte weiter, als er den roten Punktewall auf sienem Radar bemerkte, der auf die Akarii-Flotte zuhielt.
FALLE! Die schuppenlosen Dämonen haben uns eine Falle gestellt und wir sind ihnen reingetapt, wie die Anfänger.
Er spührte förmlich, wie die menschlichen Jäger des ersten Flottenverbandes ihren Druck erhöhten. Einmal noch soll unser Schlachtgeheul ertönen. Dieses eine mal müssen wir noch halten. Fechten. Unseren Mann stehen. Zum Wohl des Kaisers. Unserem Volk zu liebe. Kämpft Brüder. KÄMPFT BRÜDER! ZUM BLUTTAG!
Ja, diese alte Akarii-Historie passte zu dem, was die Menschen jetzt taten.
"Aber es ist noch nicht vorbei Menschenlinge!" Er öffnete die allgemeine Frequenz, jene die auch die Menschen hören konnten: "Njak, njak, njak!"
Er stürzte sich mit flammenden Lasern auf den Jäger der gerade seinen Flügelmann abgeschossen hatte. Auf minimaldistanz feuerte er seine beiden letzten Raketen ab.


"WEGBRECHEN RADIO!" da Silva schrie in sein Funkgerät, so das Radio die Ohren klingelten. Dann war zu allem Überfluss auch noch Akariigelächter zu hören.
Der Lieutenant Commander brach hart nach rechts und "unten" weg, doch die meißten Schüsse der angreifenden Reaper fanden ihr Ziel.
Es waren zwar nur Laser, doch die Massen an Strahlenschüssen schwächten die Schilde enorm.
Die Hauptwucht jedoch stellten die beiden Raketen dar.
Alle beiden saßen genau. Die erste zerschmetterte den Rest, der vom Schild noch übrig war. Die Zweite schlug dicht hinterm Kockpit ein. Das Sicherheitsglass splitterte in zigtausend Teile.
Funken sprühten und fraßen das bisschen Sauerstoff im Cockpitt innerhalb einer Sekunde auf.
Der rechte Verbindungsschlauch der Sauerstoffversorung des Piloten brach. Der Hochkomprimierte Sauerstoff entweichte ins All.
Das lebenspendende Gerät wurde zur Todesfalle. Ein erneuter Funkenflug entzündete den austretenden Sauerstoff.
Die Stichflamme leckte aus dem Cockpit hinaus, über den Piloten und fand den Weg über die aufgerissene Sauerstoffeinlassöffnung ins innere des Helmes.
Hätte jemand Curtis Longs Schmerzensschrei gehört, niemand hätte ihn als Schrei eines Menschen erkannt.

Auf der COLUMBIA starteten die ersten Crusaders. Voll betankt und aufmunitioniert.
Trisha "Irons" McGil blickte zu ihrem Co-Piloten. Das Gesicht von Wolfgang von Hauenstein war verschlossen und doch finster.
Irons glaubte nicht, dass der Count schon wieder Einsatzbereit war, doch heute konnte sie nicht wählerisch sein. Und Marines, die den Count auf der COLUMBIA hätten halten können gab es auch keine mehr.
"Commander, Monty hier", Irons hörte den XO der Angry Angles auf der Geschwaderfrequenz. "Die Bomber brauchen umbedingt Geleitschutz."
Der Veteran der Geleitzugschlacht von Jollarahn klang abgekämpft und erschöpft.
"Dann kümmern Sie sich drum!" Lone Wolf Cunningham schnauzte den Lieutenant förmlich an. Irons zuckte leicht zusammen. Ja, jetzt verstand sie Raven und vor allem auch Lightning.
Naja wenigstens hatten sie jetzt Geleitschutz.
Der arg zusammengeschrumpfte Bomberverband von der COLUMBIA und der INTREPID schwenkte auf die Akarii-Flotte ein.
Unterwegs hörte Irons die Angriffsmeldungen des zweiten Angriffsverbandes.
Grelle Lichtplitze deuteten die Zerstörung von Akarii-Schiffen an.
Der weit aus schwerere Bomberverband von Renaults Flotte wütete unter den Akariischiffen.
"Bronce-Leader an alle!" McGil's Stimme war fest. "Ziele auswählen und angreifen!"
Tyr Svenson
Jor starrte voller Entsetzen auf die Monitore die den Schlachtverlauf zeigten. Er fühlte sich auf die lägst zerstörte Nas Havar nach Manticore zurückversetzt.
Als die zweite Erdflotte ihnen in den Rücken gefallen war und ihn den vollständigen Sieg über die Menschenlinge gekostet hatte.
"DIE JÄGER ..." rief er aus, atmete dann nochmal Tief durch, "Signaloffizier: Beordern Sie die leichten Abfangjäger und einen Teil der Überlegenheitsjäger zurück um die Flotte zu schützen. Die Bomber und Jagdbomber sollen den Druck auf die Menschenflotte erhöhen."
Der Signaloffizier bestätigte mit einem schnellen Nicken und führte seine Befehle aus.
Der Magen des Prinzen zog sich zusammen, als er auf dem Bildschirm den schier unaufhaltsamen Angriffsschwarm der Erden-Bomber sah.
Die dutzenden von Anti-Schiff-Raketen rissen ein Loch in die Verteidigung der Akarii-Flotte.
Das Herz aus den drei Trägern und den beiten Trägerkreuzern wurde verwundbar.


Jamie Gordon saß in ihrem Crusader-Bomber. Als rangältiste Staffelchefin der Bomberstaffeln durfte sie die 96 Bomber und Jagdbomber gegen die Akarii-Flotte führen.
Der Anblick dieser gigantischen und zugleich majestätischen Großkampfschiffe ließen der erfahrenen Manticoreveteranin das Herz in die Hose rutschen.
Es war ein erhebender Anblick. Fregatten, Zerstörer, Kreuzer und schließlich Flottenträger. Riesig! Stolz! Unüberwindlich! Der Moloch, der einen zu verschlingen droht! Das Schreckgespenst des Krieges. Das ultimative Zeichen der überlegenen Kriegskunst der Akarii.
"Alles herhören! Die Jagdbomber machen uns den Weg Frei, je acht Maschinen auf einen Kreuzer! Commander Baumgarten: Sie und Ihre Schwadron nehmen sich mit je drei Maschinen die Zerstörer vor! Die anderen Bomberschwadronen gehen die Träger an!"
Die 48 Mirages und Baumgartens 12 Crusader beschleunigten. Dazwischen tummelten sich einige Rafale um die erste Welle mit ELOKA zu unterstützen.
Dennoch war das Abwehrfeuer der Akarii-Flotte überwältigend.
Doch zum Glück mussten die Akarii nicht nur die Bomber sondern auch die Anti-Schiff-Raketen der Flotte abwehren.

Die Monitore hatte größte Schwierigkeiten die Atomexplosinen der Raketen und die Sekundärexplosionen sterbender Schiffe runterzufiltern.
Die Brücke von Prinz Jors Flaggschiff war hell erleuchtet.
Jor jedoch hatte nur Augen für die ankommenden Bomber. Einer unaufhaltsamen Plage gleich
Die Verteidigung gegen diesen Ansturm wirkte nicht eimal mehr ausreichend.
"Wir werden beschossen!" Der Radaroffizier klang beinahe gelassen. "Zähle: acht, nein zwölf, neunzehn, oh mein Gott, die ganze Staffel feuert nur auf uns!"
Zwölf der angreifenden Crusader Bomber hatten Jors Flaggschiff ins Visier genommen. 72 ASM-83 Mavericks jagte auf ihren Raketentriebwerken dem riesigen Flottenträger entgegen.
Macht, ehrfurcht erregende Macht und Majestät eines Schiffes wie der JOALINGUR, zerbrach in Sekunden zu Scherben.
Die meisten Jäger waren noch in Kämpfe verwickelt, dijenigen, die zur Flotte zrückkehrten waren ausgebrannt, ohne Raketen und mit wenig Treibstoff, so dass sie selbst zur Beute für die Jagdbomber der Terraner wurden, sobald diese erst Ihre tötlichen Antischiffraketen abgefeuert hatten.
Dieser Angriff überlastete das ECM und die Raketenabwehr der Flottenträger, zumal die Schiffe, die den Trägern Flakkschutz liefern sollten jetzt selbst mit Raketenfeuer zu kämpfen hatten.

"Mein Prinz, Ihr müsst Euch schnellstens zu Eurem Jäger begeben, wir werden auf jeden Fall schwer getroffen werden!" Die Stimme des Kapitäns der JOALINGUR klang eindringlich.
Jor blickte nachdenklich auf seinen Monitor.
"Mylord: Ihr müsst umbedingt gehen!" Der altgediente Kommandant des Trägers flehte regelrecht.
Der Prinz nickte unmerklich und verließ dann gemessenen Schrittes die Brücke. Als sich die Türen jedoch hinter ihm schlossen begann er zu rennen.
Zur gleichen Zeit begannen zu den Abwehrraketenwerfer auch die Impulslaser der JOALINGUR zu feuern. Die ECM Spezialisten bemühten sich wie die Verrückten möglichst viele Raketen abzulenken, doch nichts half.
Über dreißen Mavericks schlugen in den Träger ein.
Atomexplosionen trafen auf die Schutzschilde und zerrissen diese. Danach folgte die meterdicke Schiffspanzerung und zum Schluss brannten sich die Explosionen bis tief in das Schiff hinein.
Doch statt in einem grellen Lichtblitz unterzugehen blieb der Wrack geschossene Träger bestehen.
Die JOALINGUR verlor an Fahrt und legte sich langsam auf die rechte Seite. Explosionen und Feuer wüteten im Inneren. Sauerstoff wurde verbrannt.
Jor wurde durch den Gang geschleudert und schlug hart gegen die Lifttüren.
Der Prinz rappelte sich langsam auf und Spuckte etwas Blut aus und fluchte.
Mit aller Kraft schleppte er sich zu einer Wartungsröhre, die eine Leiter bis hinunter zum Flugdeck enthielt.
Mit letzter Kraft schaffte er es auf das Flugdeck, während er spührte dass um ihn herum sein Flaggschiff starb.
Auf dem Flugdeck herrschte das blanke Chaos, der Heckbereicht brannte im grellen Flammenschein. Verzweifelt versuchten die Brandbekämpfungseinheiten das Feuer aufzuhalten.
"Hoheit! Euer Jäger steht auf Katapult fünf bereit! Beeilt Euch, der Kommandant hat befohlen sofort nachdem Ihr gestartet seid das Schiff aufzugeben!"
Jor nickte dem Techniker zu: "Dann will ich mich beeilen."
Die beiden liefen los, gerade als auf dem Landebereich etwas detonierte. Eine Flammenzunge schoss zum Bug und verzehrte unzählige Brandbekämpfer.
Der Techniker und Jor mussten sich hinwerfen um nicht ebenfalls erfasst zu werden.
Die Uniform des Technikers war angesängt, als die beiden sich wieder erhoben.
Schnell sprinteten die beiden Akarii zur Startröhre Nummer fünf.
Die Checkliste wurde übersprungen und der Prinz wurde mit seinem exellent bemalten Jäger ins All geschossen.

Erst hier draußen konnte der Akarii-Prinz den vollen Ausmaß des Angriffs erkennen. Die JOALINGUR war verloren, die Konx war sehr schwer beschädigt. Dutzende kleinere Kriegsschiffe waren zerstört oder kämpften ums Überleben.
Er schaltete das Funkgerät aus: "Ich werde Euch töten ihr weichhäutigen Basdarde! Ich werde ich jagen, bis zum jüngsten Tag! Ausrotten!"
Die JOALINGUR zerbrach in der Mitte. Nicht mal die Hälfte der noch lebenden Besatzung hatte es in die Rettungskapseln geschafft.

"DAS FLAGGSCHIFF! ES WURDE ZERSTÖRT!!" Der Sensoroffizier kreischte regelrecht.
"Mylady Admiral: Die Konx hat einen direkten Treffer auf der Flaggbrücke erhalten! Admiral Kerran ist tot." Der zweite Sonsoroffizier klang um einiges gelassener.
Lay Rian kniff die Augen zusammen.
Damit hatte sie das Kommando über die Flotte und jetzt hieß es unangenehme Entscheidungen treffen. Unangenehme Entscheidungen für Situationen für die sie nicht verantwortlich war.
"Befehl an die gesammte Flotte: Enger grupieren und Flakkfeuer konzentrieren. Kurs auf den Sprungpunkt, wir ziehen uns zurück. Keelan, suchen Sie mir die am schwersten beschädigten Schiffe raus, zehn oder zwölf. Die sollen sich zu einer Einsatzgruppe zusammenschließen und einen Ausfall machen. Aber einen agressieven."
"Jawohl!" Antwortete ihr Adjudant tonlos.
Ihr Götter, voll der Gnade, vergebt mir den Tod den ich heute über meine eigenen Leute bringe.
Tyr Svenson
Dies war der zweite Tag der Bodenkämpfe. Relativ schnell hatten die Akarii das Plateau erobert, wenn auch unter horrenden Verlusten. Dafür war die erste Sperrstellung schnell und verhältnismäßig billig genommen worden. Die nächste Kette von Schützenverhauen und Sandsackwällen aber war nicht so einfach zu stürmen gewesen. Obwohl es nur wenige Stunden gedauert hatte, bis die Sturmtruppen durchgebrochen waren, hatten sie diesen Erfolg teuer bezahlt. Schlimmer noch, die Menschen hatten sich geordnet zurückgezogen, fast alles an Waffen und Munition mitgenommen und waren einfach auf die nächste Sperrstellung zurückgefallen. Langsam dämmerte den Akarii, in welchem Ausmaß die Menschen die riesige Basis befestigt und sich auf einen Kampf in den Gängen vorbereitet hatten – wer wußte, wie viele dieser Sperrstellungen noch auf die Akarii warteten? Und wenn man eine Stellung nahm, dann mußte erst noch vorsichtig, umständlich und zeitraubend nach Sprengfallen und Minen gesucht werden.

Der erste Angriff auf die Sperrstellung Eins-Gamma war überall zurückgeschlagen worden. Als sich die Akarii zurückzogen, ließen sie zahllose Tote auf dem Betonboden zurück. Danach waren die Angriffe erst mal gestoppt worden. Die Verluste waren einfach zu hoch. Während die vielfach verwundeten, erschöpften und frustrierten Sturmtruppen ausgetauscht und neue Waffen nach vorne geschafft wurden, erhielten auch die Verteidiger eine kurze Atempause. Auch hier wurden Verwundete und Leichen beiseite geräumt und Munition und Waffen nach vorne geschafft. Allerdings konnten es sich die Verteidiger nicht leisten, ihre Fronttruppen auszutauschen. Sie hatten zu wenig Leute. Deshalb wurden auch nur die Schwerverwundeten nach Hinten geschafft – wer schießen konnte, der bekam ein Schmerzmittel und ein Antibiotika gespritzt und blieb in der Frontlinie.

Stellung Eins-Gamma-Drei war von Anfang an ziemlich unterbesetzt worden. Gerade mal vierzehn Marines waren hinter der Sandsackbarriere in Stellung gegangen, unterstützt von einem Schnellfeuerlaser und einem Granatwerfer. Andere Sperrposten waren wichtiger, gefährdeter – deshalb war es dem Lieutenant gar nicht unrecht gewesen, daß er „Verstärkung“ von ein paar zurückweichenden Soldaten erhalten hatte, als die Sperrlinie Eins-Beta fiel. Von den drei Versprengten waren zwar einer verwundet gewesen, aber nur leicht. Kurzerhand hatte der Lieutenant die Soldaten „rekrutiert“.

Schiermer lehnte halb zusammengesunken an der Wand und schlief. Aber als ihn Howard leicht gegen den Fuß trat, war er sofort wach: „Was ist, Grünschnabel?“
„Sag mal, wie kannst du so einfach schlafen, Sarge?“
„Gewohnheitssache. Schlaf wenn du kannst, friß, was du bekommst – Zwei der drei wichtigsten Infanteristenregeln.“
„Und Nummer drei?“
„Erzähl‘ ich dir, wenn du älter bist. Wenn du’s nicht mal schaffst, es Davis zu besorgen, sondern einen auf Ritter machst...
Und wenn du mich nur geweckt hast, um dumme Fragen zu stellen, kriegst du eine in die Fresse.“
„Schon gut – der LT will uns sehen.“
Der junge Lieutenant hatte kaum einen Blick für die beiden Soldaten übrig, während er über einer Karte des Gängesystems brütete. Er sah nur kurz auf: „Befehl, alle Versprengten gehen zurück bis Zwei-Alpha. Wenn sie noch voll einsatztauglich sind. Also behalte ich euren flügellahmen Sniper hier. Haut ab.“ Das war alles – Schiermer winkte nur kurz Juan zu, der hinter der Sandsackbarriere kauerte, seine Waffe aufgelegt, dann machten sich die beiden Soldaten auf den Weg.

„So, jetzt hast du deinen ersten Akarii umgelegt, was?“ In Schiermers Stimme war eine Mischung aus Amüsement und Zynismus, aus welcher der junge Private immer noch nicht ganz schlau wurde.
„Na ja, ich glaube schon, Sarge. Aber bei diesem Massaker... Hab ich’s ehrlich gesagt nicht so genau gesehen.“
„Das kannst du dann aber nicht zu Hause erzählen. Glaubst du, das reicht um anzugeben?“
„Nun...“
„Keine Sorge – du hast schon noch genug Gelegenheit, einen sicheren Abschuß zu machen, denke ich. Kommt schon noch. Wir werden JEDER noch mehrere Akarii killen müssen, damit die Rechnung stimmt.“ Der Sergeant erklärt allerdings nicht, wie er das meinte.

Bei Sperrlinie Zwei-Alpha war die Hölle los. Hier kamen die Opfer der bisherigen Angriffe durch, hier war die erste Kette von Verbandsplätzen eingerichtet worden. Und jetzt wurden hier auch noch die Versprengten gesammelt und Verstärkungstruppen nach vorne durchgeschleust. Das Geschrei der Verwundeten, die Befehle und Flüche der Soldaten und Offiziere veranstalteten in den Gängen einen Höllenlärm. Dazu stank es nach Blut, nach Fäkalien und vor allem nach den scharfen Desinfektionsmitteln. Auch wenn Schiermer sich wieder und wieder umsah, er konnte die Männer und Frauen seines Platoons nirgends sehen. Wenn diese Idioten sich verirrt hatten und den Akarii in die Arme gerannt waren...
Es war Jean, die als erste auf Howard stieß, der mit blassem Gesicht zusah, wie sich die Ärzte mit einem Verwundeten mit Bauchschuß abmühten. Und dicht daneben stand Schiermer, den Helm in der Hand und brüllte einen Private an. Jean lachte vor Erleichterung und währe Howard beinahe um den Hals gefallen. Dann aber hatte sie der Sarge schon bemerkt, an der Schulter gepackt und zu sich herumgerissen: „Das wurde aber auch Zeit. Ich dachte schon, ihr Grünschnäbel seid bei der anderen Feldpostnummer untergekrochen oder habt `nen kalten Arsch...“ er rammte grinsend Jean seine Faust gegen die Schulter und fuhr fort: „...Meldung, Private.“
„Alle sicher durchgekommen, Sarge. 26 Mann kampffähig, bewaffnet und aufmunitioniert. Die schweren Waffen mußten wir aber an Eins-Gamma abgeben. Die Verwundeten wurden zurückgeschickt. Und Sarge...“
„Parker und Pork hat’s erwischt. Juan haben sie bei Eins-Gamma behalten. Los, führ‘ uns zu den anderen.“

Jean mußte schlucken. Irgendetwas schnürte ihre Kehle zu. Die ersten Toten. Keiner hatte Pork besonders gemocht, der Mann war fast so ein Schleifer wie Schiermer. Aber dennoch...
Als Schiermer und Howard bei den anderen Soldaten des Platoons eintrafen, gab es ein großes Hallo. Auch wenn die Männer und Frauen den Sarge nicht liebten – seine kaltblütige, professionelle Art und Weise wirkte irgendwie beruhigend. Er galt, das hatten auch die Neulinge aus den Geschichten mitbekommen, die Pork und Juan erzählt hatten, als Mann, der noch jede brenzlige Lage überlebt hatte.
Aber es blieb nicht viel Zeit zu Begrüßungen – denn irgendwo über ihnen brandete wieder Gefechtslärm auf. Das dumpfe Wummern der Schnellfeuerlaser und der helle, berstende Knall der Granaten hallte durch die Gänge, wurde verstärkt und verschmolz, ließ alle Gespräche verstummen. Das Durcheinander vergrößerte sich möglicherweise noch. Brüllend versuchten die Offiziere, Ordnung in das Chaos zu bringen. Einzelne Einheiten, Trupps und Platoons, gerade erst wieder gesammelt, wurden wieder nach vorne gehetzt. Die Flüche und Schmerzensschreie der Verwundeten verfolgten die vorwärts hastenden Soldaten.
Binnen Sekunden sah sich Schiermer einem Lieutenant des Marinekorps gegenüber, der ihm brüllend befahl, Stellung Eins-Gamma-Sechs zu verstärken. Was blieb, als zu gehorchen?
„Bewegt euch, ihr Hurenärsche! Wir haben einen verschissenen Krieg zu gewinnen. LOS, LOS!!“

Etwa vierzig Minuten später spähte Schiermer vorsichtig über den Sandsackverhau und fluchte obszön. Die Akarii hatten sie offensichtlich an der Nase herumgeführt. Eins-Gamma-Sechs hatte zwar etliche Granaten und sogar zwei Raketen kassiert. Aber der erwartete Sturmangriff war ausgeblieben. Ein paar Akaari hatten mal einen Vorstoß riskiert und waren zusammengeschossen worden. Aber ansonsten beschränkten sich die Echsen darauf, Granaten in den Gang zu werfen und gelegentlich eine Waffe in den Gang zu halten und Sperrfeuer zu geben. Und fast dreißig Marines aus der knappen Reserve hatten nichts zu tun, als dem hier stationierten Platoon Gesellschaft zu leisten. An anderer Stelle schien es heftiger zuzugehen, jedesmal wenn das Feuer bei Eins-Gamma-Sechs abflaute, war in der Ferne heftiger Gefechtslärm zu hören.
„Schiermer!“ Das war der befehlshabende Lieutenant – nach Schiermers Meinung so grün wie die meisten seiner Soldaten. „Ja, Sir?“
„Sie sollen zurück. An X-6 sammeln.“
„Ja, Sir!“ Während Schiermer seine Leute hochtrieb, wunderte sich der Sarge. X-6 war keine Sperrstellung, nur eine Wegkreuzung...

Tatsächlich war das Bild, daß sich bei X-6 den Marines von Schiermers Platoon bot, überraschend. Drei weitere Platoons Marineinfanterie und Armee lagerten hier – und zusätzlich ein halbes Platoon der SAS. Das reichte, um Schiermer und jeden Veteranen davon zu überzeugen, daß irgend etwas Wichtiges im Busch war. So viele SAS’ler gab es nicht bei den Garnisionstruppen auf Graxon...

Und Schiermer erkannte auch die Kommandantin der Kampfgruppe. Captain Arianna Schlüter hatte zur Zeit den Helm abgesetzt und studierte den Bildschirm eines tragbaren Computers, um sie herum drei Lieutenants der Marines und ein Sergeant der SAS. Schlüter sah nur kurz auf, als Schiermer sich meldete: „Entzückend, daß Sie auch schon da sind. Dann können wir ja endlich anfangen. Also die Akarii haben mit Eins-Gamma-Neun eine Stellung unserer Truppen genommen, die von zentraler Bedeutung ist. Kurz dahinter verzweigt sich das Gängesystem – sie könnten ein halbes Dutzend Stellung von hinten aufrollen. Und wir können nicht schon wieder zurück, wir stehen an zu vielen Stellen unter Druck. Wenn wir jetzt nachlassen und die Soldaten das Rennen kriegen, können wir auch gleich die nächste Sperrlinie aufgeben. Zu unserem Glück haben die Akarii wohl noch nicht ganz begriffen, was sie da beinahe in der Hand haben – und ein paar von unseren Truppen halten sie noch davon ab, vorzustoßen. Das wird aber nicht halten. Wir müssen Eins-Gamma-Neun nehmen. Mit ALLEN Mitteln. Sie verstehen?!“
Natürlich verstanden die Offiziere. Mit solchen Worten waren schließlich schon genug Selbstmordangriffe befohlen und Soldaten auf verlorene Posten gestellt worden. Das Marinekorps hatte in der Beziehung eine fast so umfangreiche Tradition wie die Fremdenlegion.
„Wie nimmt man eine befestigte Stellung am besten?“ Schlüter sah ihre Offiziere an. Der SAS-Sarge meldete sich als erster: „Überraschend.“ Schiermer fiel ein: „Von mehreren Seiten gleichzeitig.“
Captain Schlüter grinste kurz: „Exakt. Und wir werden es genau so machen. Es gibt Lüftungsschächte, die es uns erlauben eine kleine Gruppe, ich denke zwanzig Mann, in den Rücken des Feindes zu schicken. Nur leichtbewaffnet – also ist der Überraschungsmoment entscheidend. Gleichzeitig wird der Rest der Truppen stürmen. Schiermer, Sie befehligen den Stoßtrupp. Sie kriegen acht Mann von der SAS – suchen Sie sich den Rest aus.“ Der SAS-Sergeant verzog den Mund, verkniff sich aber den Protest, sondern wandte sich an Schlüter: „Ich bitte darum, bei dem Stoßtrupp dabei zu sein.“
„Wenn Sie wollen. Schiermer?“
„Selbstverständlich. Sie sind willkommen.“ Dabei klang die Stimme des Veteranen etwas sardonisch.
„Na schön. Schiermer – beeilen Sie sich. Schnelligkeit ist entscheidend. An die Arbeit.“ Captain Schlüter drehte sich und begann, unterstützt von den Offizieren und Mannschaftsdienstgraden, ihre Sturmtruppen hochzuscheuchen.

Die beiden Sergeanten sahen sich gegenseitig an. Der breitschultrige Marineinfanterist und der hagere SAS-Mann schienen gleichzeitig den jeweils anderen abzuschätzen. Schiermer unterbrach das mißtrauische Starren indem er wohlkalkuliert seine Hand ausstreckte: „Freut mich, daß wir die SAS dabei haben. Klingt so, als währe das ein Auftrag nach eurer Kragenweite.“
Der SAS-Mann grinste dünn, nahm das „Friedensangebot“ aber an: „Du meinst durch einen engen, dreckigen Schacht kriechen, hinter dem feindlichen Aufmarschgebiet aufzutauchen, eine Stellung unbekannter Stärke zu stürmen, während die eigenen Truppen gleichzeitig einen Sturmangriff mit Flammen-, Granat- und Raketenwerfern unternehmen? Ja, du hast Recht. Für so was gibt’s die SAS. Was dagegen, wenn ich meine Leute selber aussuche?“
„Natürlich nicht.“ Dann wandte sich Schiermer zu den Marinesoldaten um und begann, sein eigenes Dutzend Leute zusammenzuschreien: „Alles Gepäck zurücklassen! Nur Granaten, Pistolen und Sturmgewehre. Und die Bajonette – ich will verdammt sein, wenn es keine Messerarbeit gibt!“

Jean zuckte zusammen, als sie hörte, wie der Sarge ihren Namen brüllte. Klar, sie war als Sniper ausgebildet, aber dafür gab es bei dieser Sache wohl kaum Verwendung. Und auch wenn sie sich für gut hielt – Schiermer schien sie immer noch als „auf Probe“ einzustufen. Aber dann begriff sie, als sie die anderen elf Marines sah, die Schiermer aufrief: entweder Veteranen, oder eher schmächtigere, kleingewachsene Typen. Natürlich, es sollte durch enge Lüftungsschächte gehen. Trotz der Eile ließen es sich Schiermer und der SAS-Sarge nicht nehmen, die Ausrüstung ihrer Leute kurz zu mustern, bevor sie diese loshetzten. Schiermer selber hatte außer dem kurzen Sturmgewehr eine Laserpistole, mehrere Granaten, ein Seitengewehr und einen geschliffenen Klappspaten bei sich. Das war mehr als die meisten seiner Soldaten trugen, schien ihn aber nicht sonderlich zu behindern. Der Karte folgend, die Schlüter den Offizieren gezeigt hatte, erreichte der kleine Trupp schnell den Zugang zu den Lüftungsschächten. Blitzschnell waren die Schutzgitter entfernd, dann krochen zwei SAS-Männer hinein, gefolgt von Schiermer, dem SAS-Sergeanten und dem Rest seiner Leute. Jean gehörte zum „Mittelfeld“ und sie mußte einen plötzlichen Anfall von Raumangst niederkämpfen, als sie in die enge Röhre kroch, vor sich und hinter sich andere Soldaten, die ihr Blickfeld – und jeden Versuch eines schnellen Rückzuges – versperrten. Es war stockdunkel, nur die in die Helme integrierten Lampen spendeten Licht. Der Gefangenenkomplex war ohnehin nicht gerade in tadellosem Zustand gewesen – und das galt besonders für diese Schächte. Unwillkürlich heftiger atmend, während sie auf Knien und Ellbogen vorwärts robbte, hatte Jean schnell das Gefühl, daß die Luft für die zwanzig Soldaten knapp wurde. Der Weg schien sich endlos zu dehnen. Als die Reihe vor ihr stoppte und sie beinahe in ihren Vordermann rammte, mußte die junge Soldatin eine erneute Panikattacke niederkämpfen, bevor sie begriff – sie waren am Ziel.
Der an der Spitze kriechende SAS-Soldat handelte schnell, aber sorgfältig. Statt sofort das vor ihm liegende Gitter zu öffnen, machte er ein dünnes, biegsames Rohr los, das an seiner Brust befestigt gewesen war und schloß das Endoskop an seinen Helm an. Vorsichtig spähte er dann durch das Gitter. Der kleine Seitengang schien frei. Erst jetzt schraubte er vorsichtig das Gitter auf und ließ sich auf den Boden des Ganges gleiten, das Kommandomesser in der einen, die Laserpistole in der anderen Hand. Sein Kamerad folgte.
„Schneller, schneller!“ Schiermers Stimme war leise, aber scharf. Er stand unter Zeitdruck – das verdammte Tunnelkriechen hatte länger gedauert, als erwartet. Jetzt aber den Zeitplan zu aktualisieren war zu riskant, Funksignale konnten zu leicht abgefangen und entschlüsselt werden. Sie mußten sich beeilen.
„Vorwärts, aber vorsichtig! Schießen nur im äußersten Notfall, bevor wir bei der Stellung sind. Los, los!“
Die Marines benutzten einen Teil des verwinkelten Gängesystems, der etwas abseits lag. Von hier aus gab es keine Zugänge in die tieferen Ebenen – deshalb hoffte Schiermer, unbemerkt zu bleiben.

Die Rechnung ging nicht völlig auf. Noch waren es über hundert Meter bis zu der Stellung, als der an der Spitze rennende SAS-Soldat ruckartig die Hand hob, zur Faust geballt und sich gegen die Gangwand preßte. Das Signal wurde weitergegeben. Die Soldaten stoppten, rissen die Waffen hoch, nach allen Seiten sichernd. Jean schaute sich um, aber sie sah nicht den Grund des Stopps. Das Keuchen ihres eignen Atems war der einzige Laut, den sie hörte, keiner der Marinesoldaten in ihrer Umgebung sagte etwas. Schiermer hatte sehr klar gemacht, daß er jeden eigenhändig erdrosseln würde, der ein überflüssiges Geräusch machen würde.
Vorne signalisierte der SAS-Soldat nach hinten: ,Vier Akarii.‘ Schiermer grinste verzerrt unter dem Helm, zog das Kommandomesser aus der Scheide und winkte den SAS’lern zu ,Vorwärts.‘

Der kleine Akariitrupp bestand aus einem Sanitäter und drei Soldaten, die allerdings ihre Waffen umgehängt hatten. Sie schleppten zwei Schwerverwundete zurück. Nur durch einen unglücklichen Zufall hatten sie sich überhaupt in diesen Teil des Komplexes verirrt und versuchten jetzt sich beim spärlichen Licht ihrer Handlampen zu orientieren. Das wurde ihnen zum Verhängnis.
Sie hatten keine Chance, als sie plötzlich von zwei Seiten von geduckten Gestalten angesprungen wurden. Kampfmesser blitzten kurz auf im schwachen Licht der Lampen, stießen zu, wieder und wieder. Der Sanitäter ließ den Griff der Trage los, tastete nach seinem Funkgerät. Schiermer rammte ihm dreimal, viermal das Messer in den Leib. Dann warf er sich nach vorne und beendete den Schrei, den einer der Schwerverwundeten ausstieß mit einem Schnitt durch die Kehle. Keiner der Akarii hatte Meldung machen oder auch nur den Versuch der Gegenwehr unternehmen können.
„Weiter! Schneller jetzt!“
Die Soldaten verfielen jetzt in einen Laufschritt. Noch achtzig Meter, sechzig, fünfzig, vierzig. Aus einem Seitengang tauchten plötzlich ein paar Akariisoldaten auf,rissen die Waffen hoch. Beide Seiten feuerten gleichzeitig, die Akarii gingen in einem wahren Blitzgewitter unter, doch auch bei den Menschen riß es einen Soldaten von den Füßen, schrie ein anderer schmerzerfüllt auf.
„Weiter! Weiter!“

Captain Schlüter warf sich in den Schutz des Gangkrümmung zurück, unmittelbar vor ihrem Gesicht schlug eine Lasersalve in die Wand ein. Die Offizierin fluchte wütend. Der Sturmangriff war gerade rechtzeitig gekommen, die paar Marines, die die Akarii noch an einem Ausbrechen aus der eroberten Stellung gehindert hatten, waren bereits halb überrannt worden. Schlüters Truppen hatten zwar die Akarii zuücktreiben können, aber der Schwung hatte nicht gereicht, um Eins-Gamma-Neun zurückzuerobern. Und jetzt... „FLAMMENWERFER VOR!!“ Einer der Marinesoldaten stürmte vor, die fauchende Flammenlanze strich über die feindliche Stellung, hüllte sie in Feuer – bis ein kaltblütig gezielter oder vom Schicksal gelenkter Schuß den Rückentank des Marinesoldaten traf. Der Marines explodierte förmlich in einem Flammeninferno, das auch zwei, drei Soldaten in seiner Nähe erfaßte, die sich jetzt schreiend am Boden wälzten und versuchten, die Flammen zu ersticken. Auch wenn die Körperpanzer etwas schützen mochten, die Flammen blendeten sie und konnten, wenn sie nicht schnell gelöscht wurden, einen Gepanzerten regelrecht ‚kochen‘.
Doch noch während die Schreie in Schlüters Ohren gellten, sprang ein SAS-Corporal auf und feuerte seinen Granatwerfer einmal, zweimal ab, rette sich wieder in den Schutz der Gangkrümmung.
„SCHIERMER! WO BLEIBEN SIE VERDAMMT!“ Es war Schlüter egal, wer diesen Funkspruch abfing. Wenn der Umgehungstrupp nicht bald eintraf, würde sie ihre Leute niemals zum Sturmangriff hochkriegen können.
„SIND DA!“ Und in diesem Augenblick ertönten auf der anderen Seite der Befestigung das vertraute Hämmern von H&K-Sturmgewehren und der Explosionsknall von Wurfgranaten. Arianne Schlüter sprang auf: „VORWÄRTS! VORWÄRTS! STURM!!“ Und die Marinesoldaten und SAS-Kämpfer stürmten. Nur ein paar vereinzelte Schützen antworteten ihnen noch.

Die Akarii-Truppen waren von Schiermers Angriff nicht völlig überrascht worden. Als der menschliche Stoßtrupp die Stellung Eins-Gamma-Neun erreichten, versuchte ein Akariileutnant gerade, mit einem halben Dutzend Soldaten und einem Schnellfeuerlaser eine Abwehrfront nach hinten aufzubauen. Die Akarii überlebten diesen Versuch um keine drei Sekunden, aber das reichte, um fünf der Menschen niederzuschießen.
Auch die anderen Akarii verfielen nicht in Panik. Von zwei Seiten angegriffen, kämpften sie weiter und starben. Fast die Hälfte von Schiermers Stoßtrupp war gefallen oder verwundet und bei Schlüters Abteilung hatte es zwanzig Tote und fast die selbe Anzahl Verwundeter gegeben. Die zwei Dutzend Akariikämpfer waren ausnahmslos gefallen – die Marinesoldaten nahmen keine Gefangenen.

Captain Arianna Schlüter wirkte gleichgültig, fast abwesend, als ihre Platoonführer die Verluste meldeten. In Wirklichkeit mußte sie sich Mühe geben, um deren Worte überhaupt zu erfassen. Die Luft war stickig, es roch ekelerregend nach Rauch, Blut und verbranntem Fleisch. Sie mußte sich zusammennehmen, um die nötigen Befehle zu geben: „Die...Verwundeten nach hinten. Und wir brauchen Verstärkung, Waffen, Munition, Verpflegung. Und diesmal wird die Stellung auch nach hinten gesichert. Zur Not können wir die Linie ja auch als zweite Sperrstellung nutzen. Sperrt die Luftschächte – nicht daß die Akarii auf dieselbe Idee kommen. Oder verminen. Der Gang wird auch vermint – wenn die Akarii nach mal stürmen, soll ihnen das nicht mehr so leicht fallen. Und...“ Sie verdrängte dabei gewaltsam das Jammern der Verwundeten, die verrenkten Leiber der Gefallenen. Es war nur ein Gefecht gewesen. Die Schlacht ging weiter.