Tyr Svenson
Gelbe Warnleuchten blinkten auf. Dreimal dröhnte ein Warnton durch die COLUMBIA.
"1 MC, hier spricht der 1. Offizier: Alle Mann auf Sprungstation! Alle Mann auf Sprungstation!"
Senior Master Chief Marco Atti marschierte über sein Flugdeck wie ein König über seinen Schlosshof: "Los, los, los! Macht Euch ran vordere und hintere Röhrentore schließen und versiegeln!" Er wedelte mit der rechten Hand um seine Leute anzutreiben. "Coq: Aufzüge Steuer- und Backbord sichern! Fink: Alle Schotten schließen!"
Er ging an einer der Sprechanlagen: "Flugdeck für Hangar!"
"Hier Hangar, Simpson am Rohr?"
"Sind die Bomber und Shuttle festgezurrt?"
"Yeah, alle gesichert Bosun, wir geben Bereitschaft an die Brücke weiter."
"Allright." Atti schaltete ab und machte dann seinen Rundgang über das Flugdeck, legte da Hand an, wo gebracht, korrigierte fehlerhafte Handgriffe seiner Männer. Teilt sowohl Lob und Tadel aus.
20 Minuten nach dem der Sprungalarm durchgegeben worden war, hatte man an Bord der COLUMBIA alle Türen und Schotten gesichert. Alles was verrutschen könnte gesichert. Es waren die Vorkehrungen, die man immer vor dem ersten Sprung eines Raumschiffes traf.
"Sir: Alle Stationen gesichert!"
Waco nickte seinem 1. Offizier zu und griff nach dem Mikro der Sprechanlage: "Brücke für Maschinenraum, Captain hier."
"Maschinenraum hört, L.I. hier!" Kam die Antwort aus dem Lautsprecher.
"Sind die Sprungspulen bereit?"
"Maschinenraum ist klar und bereit zum Sprung", bestätigte der Ingenieur. "Ich wartete nur auf ihren Befehl die Sprungspuhlen in Betrieb zu nehmen."
"Nehmen Sie die Spulen in Betrieb Karl."
"Aye, aye Sir!" Kurz war Stille, dann sprach der L.I. erneut. "Beide Sprungspulen auf Stand By Sir."
"Sehr gut, danke." Waco unterbrach die Sprechverbindung und wandte sich an die Steuerkonsole. "Lieutenant Tseng: Sprung einleiten. Bringen Sie uns nach Sterntor."
"Sprung einleiten, aye aye Sir!" Der weibliche Steuermann der COLUMBIA gab die Befehle an.
Die beiden Garnison Mark 14 Sprungspulen fingen an zu glühen. Doch aufgrund der zehn Meter dicken Abschirmung die jede dieser beiden Monstrositäten umgab konnte niemand sehen, wie sich die kohlschwarzen Spulen kristallblau färbten.
Dann stießen beide ihren unsichtbaren Energiestrom ins All hinaus. Genug Energie um die Erde über zwei Wochen mit Energie zu versorgen. Seit über zweihundert Jahren forschten Wissenschaftler nach einer Möglichkeit die freigesetzten Energien zu speichern oder die Sprungspulen zu Waffenumzubauen. Mehrere hunder Millionen Real waren in derartige Forschungsprojekte geflossen. Das Ergebniss war bisher immer: Nichts.
Das Wurmloch an Sprungpungt Delta des Solsystems öffnete sich.
Zeit und Raum krümmte sich. Zog sich zusammen und dehnte sich. Ewigkeit und Augenblick trafen aufeinander.
Die COLUMBIA war im Sterntor-System.
"Hindernisse voraus", meldete der Sensoroffizier. "Viele Schiffe. Alles unsere, sehe Kreuzer, Zerstörer und massenhaft Truppentransporter Sir."
"Sehen wir uns mal die Transporter etwas genauer an!" Waco ging zu der Sensorstation.
"Oh, Man, all die großen Schlachtfelder sind vertreten: STALINGRAD, WATERLOO, MANASSAS, BULL RUN, VERDUN, AMAZONAS und die großen Fußlatscher auch noch: WELLINGTON, STONEWALL JACKSON, ERNST GOERZ*, MONTGOMMERY und einige unbekanntere." Der junge Ensign der Wache hatte war ganz aus dem Häuschen.
"Ja, sieht aus, als ob die Hohen Tiere doch was größeres Planen. Steuermann: Fahren Sie eine lange Wende! Und dann zurück nach Terra, wir haben noch den Rest der Besatzung unser Bordgeschwader und unseren Admiral einzusammeln. Von der Begleittruppe ganz zu schweigen."
Waco blieb noch eine Weile hinter dem Ensign stehen und begutachtete die Ansammlung der Schiffe im Sterntor System. Leute, ich hoff ihr wisst was ihr macht.
Hochsicherheitstrakt,
Militärgefängnis, auf Graxon
Jason Rowland macht Liegestützen. Er zählte nicht die Anzahl, sondern die Zeit. Seine Einzelzelle war ständig beleuchtet. Dreimal täglich gab es annehmbares Essen. Ansonsten überließ man ihn mit Ausnahme von Verhören, die in unbestimmten Zeitabständen statt fanden sich selbst. Da er wusste, dass man seine Zelle streng überwachte hielt er sich an einen strengen Zeitplan.
Nach dem "Frühstück", dem "Mittag" und dem "Abendbrot je 90 Minuten Konditionstraining. Ansonsten auf der Pritsche sitzen und vor sich hinstarren.
Es lief seiner Einschätzung nach recht gut. Sein erstes Verhör hatte er so gelenkt, dass ein zweites kommen musste. Dem zweiten folgte ein drittes und nach dem vierten Verhör hatte man ihn aus den Großraumsälen separiert und in den Hochsicherheitstrakt verlegt.
Dann folgten die wirklich intensiven Verhöre.
Exakt nach dem letzten Liegestütz wurde die Tür geöffnet und zwei Akarii traten herein.
Beide trugen sie Infanterieuniformen. Grüne Hosen und grünes Oberteil mit Stehkragenansatz, ähnlich einer Husarenjacke. Sowohl Hosen wie auch Oberteile wiesen rote Verzierungen und auch Rangabzeichen auf.
Rowland Identifizierte den einem als etwa einem Leutnant gleich, der Weibliche Akarii war einfacher Soldat.
Beide hatten wuchtig erscheinende Seitenwaffen, die Soldatin hielt ein Gewehr in den Händen. Die Akarii schienen bis auf Helme für Piloten und Infanteristen auf dem Schlachtfeld gänzlich auf Kopfbedeckung zu verzichten. Wohl wegen ihrem Kamm.
Die Soldatin trat nach links, machte die Tür für zwei weitere Soldaten frei und legte das Gewehr auf Rowland an.
"Aufstehen!" Befahl der Offizier.
Rowland gehorchte und die beiden Soldaten ohne Gewehr traten hinter ihn, ohne die Schussbahn des auf ihn angelegten Gewehres zu passieren. Profies
Sie legten ihm fesseln an.
Dann ging es durch die unterirdischen Korridore die das Gefangenenlager bildeten. Rowland war wie auf Troffen über die Architektur der Akarii sehr erstaunt. Was er sich nicht anmerken ließ.
Es ging vorbei an den schweren Lastliften, die zu den Stollen führten, in denen die POWs Erz abbauten. Seine Eskorte verfrachtete ihn in einen Personenlift und es ging nach oben.
Der Lift endete auf dem Stockwerk, wo sich das eigentliche POW-Camp befand.
Die Höhle, war mehrere Quadratkilometer groß und gut 50 Meter hoch. Sie beherberge ein eingezäuntes Gebiet, auf dem die Häftlingsbaracken standen. Stabile Fertigbauten mit so wenig beweglichen Teilen wie möglich, so das die Häftlinge kaum Chancen hatten, sich selbst auch nur irgendwas herzustellen. In der Mitte der Hüttenstadt befanden sich ein paar Gebäude mit Großraumduschen.
Die Umzäunung war fünf Meter hohes und 15 cm dickes Sicherheitsglas, wie es die Akarii auch als Bullaugen für ihre Kriegsschiffe verwendeten.
An jeder der vier Ecken erhob sich ein 10 Meter hoher Wachturm, auf dem ein schweres Impulsgewehr installiert war.
Das Licht wurde von riesigen Scheinwerfern an der Decke gespendet und wurde niemals ausgeschaltet.
Nach allem, was er wusste wurden die Häftlinge recht human behandelt. Zumindest was die normalen Häftlinge anging. Jedoch hatte er vom Rangältesten Kriegsgefangenen Colonel Markus Heinze gehört, dass die Akarii jedoch einige hohe Offiziere - darunter gerüchteweise auch Vizeadmiral Melissa Alexander - separiert hatten und in Einzelhaft hielten.
Rowland ließ seinen Blick schweifen und ihm fiel erneut auf, dass die medizinische Versorgung der Gefangenen jedoch recht mangelhaft war. Ein Mensch der einen orangen Anzug trug - diese wurden von den Akarii ausgeteilt an diejenigen Gefangenen, deren Uniformen nicht mehr zu gebrauchen waren - recht Jung und doch schon Glatze, dem der Rechte Arm fehlte.
Der junge Mann blickte zurück. Der Blick war leer.
Rowland blieb stehen. Seine Bewacher entfernten sich kurz und Waffen wurden auf ihn gerichtet. Die sind zu gut, sagte sein Verstand während er den anderen Menschen durch die Glaswand anstarrte, Man wird irgendwas bemerkt haben.
Die verhämten Gesichtszeuge des anderen Menschen kamen Rowland bekannt vor. Und schon packte ihn seine Eskorte an den Armen und trieb ihn zum nächsten Lift, der ihn an die Oberfläche brachte.
Der einzig bewohnbare Fleck des Planeten Graxon war keine 1000 mal 1000 Meter groß und war die Eingeebnete Spitze des größten Berges dieses Planeten in einer Höhe von 2258 Metern.
Es gab ein paar Verwaltungsgebäude, einen Tower und mehrere Shuttlelandeplätze und einen Hangar. Keine Wachtürme, keinen Zaun. Nur die klare Aussicht auf die giftigen Wolken, die sich zu einer festen Deck in etwa 1700 Metern zusammenschloss.
Ein Shuttle mit laufenden Turbinen wartete schon auf ihn.
"Wohin geht's?" Brüllte er, als seine Eskorte ihn zum Shuttle führte
"Akar", antwortete der Offizier.
Rowland blinzelte überrascht. Scherzt Du?
Die Turbinen jaulten auf, als das Shuttle sich erhob und sich selbst aus dem Schwerefeld des Planeten katapultierte.
Man ließ ihn ungestört aus dem Fenster gucken.
Erst sah er nur einen kleinen Weltraumbahnhof, ein Orbitalfort, an dem einige Kriegsschiffe und Frachter angedockt hatten.
Als das Shuttle jedoch seine Flugbahn korrigierte kam auch ein Flottenträger ins Blickfeld. Majestätische Schönheit war der Begriff mit dem er diesen Koloss beschreiben würde. Schlanke Linien, perfekt abgerundete Formen und einen Hauch tödlicher Eleganz. Jedes Erdschiff war ein unförmiger, hässlicher Kasten im Vergleich zu einem Akarii-Träger der Uniformklasse.
Umgeben war der Träger von einem Schutzring aus Kreuzer und Zerstörern, sowie einigen Fregatten als Kundschafter.
Ohne das er es merkte hatte ein Traktorstrahl das Shuttle erfasst und zog es in den Bauch einer Fregatte.
Als Jason Rowland merkte, was für einen Wirbel die Akarii um ihn machten beschlich ihn das unguten Gefühl, dass irgendetwas gewaltig schief lief.
**
*Ernst Goerz: General der Europäischen Truppen, die in den Südamerikanischen Bürgerkrieg entsand wurden (siehe Timeline). Benannt nach dem Großvater mütterlicher Seits des Autors *g*
Tyr Svenson
Learon, zweiter Mond von Akar
Prinz Jor betrat sein Büro. Nun war er endlich der einzige und auch bestätigter Oberkommandierender der imperialen Flotte. Nach dem Debakel mit den Schlachtschiffen hatte man endlich diesen alten Narren Koo entfernt.
Er stellte sich vor den Spiegel und stellte den rot, grün, weißen Kamm auf.
Seine neue Uniform war prächtig gearbeitet. Der Einzelne goldene Streifen an der Naht der schwarzen Hose hatte jetzt die doppelte Breite als er noch den einfachen Admiralsrang innehatte.
Das blaue Oberteil war mit beträchtlich mehr Gold besetzt. Am Stehkragen, den Schulterpartien und an den Unterarmen. Ja, definitiv eines Großadmirals würdig. Und eines Prinzen.
"Störe ich?" Die Frage hatte einen einschmeichlerischen Unterton. Sein neuestes Stabsmitglied Thera Los stand in der Tür. Die Frau zeigte ein Lächeln, welches verführerisch wirken sollte, wenn es ihre Augen erreicht hätte.
Jor ging um den Schreibtisch herum und setzte sich auf seinen Bürostuhl: "Worum geht es?" Wenn er den Gerüchten glauben schenken durfte hatte Los sich ihren Rang auf einem anderen Schlachtfeld als dem des Krieges erworben. Er machte sich die geistige Notiz diese Frau so schnell wie möglich wieder aus seinem Stab zu entfernen. Er konnte es jetzt ganz und gar nicht gebrauchen, dass dieser durch die Ränke einiger Offiziere durcheinander gebracht wurde.
Er brauchte Ergebnisse, mehr denn je. Ihm war das klare Ausmaß des Kaperkrieges erst klar geworden, als sein, SEIN höchst eigenes Kurierschiff vor drei Erdzerstörer hatte fliehen müssen und dies nur geschafft hatte, weil sich die beiden Begleitfregatten geopfert hatten.
Die Stabsoffizierin trat an seinen Schreibtisch heran und legte mehrere Datendiscs hin: "Wichtige Geheimdienstberichte, die umbedingt abgearbeitet werden müssen. Sieht aus, als ob wir eine lange Nacht vor uns haben." Ihre lächelnden Augen straften ihren beklommenen Tonfall Lügen.
Jor legte die erste Disc mit der Aufschrift PERSEUS ein. "Sie können gehen Thera, ich brauche etwas Ruhe."
Die Akarii blinzelte kurz verwirrt: "Wie Ihr wünscht Mylord."
Beleidigt verließ die Stabsoffizierin sein Büro. Er war jedoch schon in den Perseus-Bericht vertieft.
Die Rückschlüsse waren eindeutig, dass ein Großteil der Angriffe auf seinen Nachschub von diesem System ausgingen.
Er machte sich schnell eine Notiz, dass gegen dieses System schnellstmöglich vorgegangen werden müsste. Und jetzt hatte er - durch die Kontrolle über die Reserven - sogar die Möglichkeit dazu.
Die letzten Meldungen von Perseus zeugten aber davon, dass man die Spionagesonde entdeckt hatte.
Die nächste Disk handelte von Berichten über die so genannte Colonial Conföderation.
Dieser Erdableger schien sich darauf vorzubereiten sein Gebiet mit Händen und Füßen zu verteidigen.
Seine Quellen meldeten, dass die Flotte der Conföderation durch Hilfe der Erdrepublik einen drastischen Zugang an Schiffen erwartete.
Er war die Disk aus und wollte gerade die nächste einlegen, als sich sein Vorzimmer meldete: "Mylord Großadmiral." Der Junge Offizier hatte anscheinend beschlossen, dass dieser Titel mehr wog als der des Kronprinzen und Jor musste ihm zustimmen. Als Prinz wurde man geboren. Den Großadmiral musste man sich erarbeiten. "Eure Schwester Prinzessin Lenai wünscht Euch zu sprechen."
"Stell sie durch und ich will nicht gestört werden, so lange das Gespräch andauert."
Er legte die Disc die er gerade in den Computer einlegen wollte zusammen mit den beiden durchgearbeiteten Discs in die Ablage 'erledigt'.
Schon erschien das zarten und liebliche Gesicht seiner ältesten Schwester auf dem Bildschirm und strahlte ihm mit einem Lächeln an, welches die Sterne vor Neid erblassen ließen.
"Jor, als ich erfuhr, dass Du hier bist ..."
Am nächsten Morgen würde die Disc mit der Aufschrift TROFFEN schon im Archiv des Geheimdienstes verschollen sein.
***
Fort Lexington
"ACHTUNG Admiral an Deck!"
Lautes Stühle Scharren hallte durch das kleine Auditorium von Fort Lexington. Die Männer und Frauen die aufstanden waren es nicht gewöhnt wie Kadetten hochgescheuchte zu werden. Es waren die Schiffskommandanten, Commander und Captains, und Schwadronenkommandeure, Commodore und Rearadmirals, der Lexington- und Pekingträgergruppen.
"Bitte setzen Sie sich wieder." Admiral Jens Thomsen hinkte in den Raum. Die blonden Haare des Admirals waren schon längst alle ergraut, ebenso sein Vollbart.
Statt der normalen Halbschuhe trug er Reiterstiefel.
Über den sechs reihen Ordensspangen war ein goldenes Abzeichen zu sehen, doch es waren keine Schwingen, sondern die beiden Delfine der alten terranischen U-Boot Waffe der USA. Thomsen hatte sie geschenkt bekommen, als er seine Beförderung zum Captain erhalten hatte. Klaus von Richter, sein letzter Kommandeur hatte erfahren, dass Thomsons Ahnenreihe sich bis zur U-Boot-Waffe Europas zurückverfolgen lassen und die Delfine erstanden. Am Kragen seines khakifarbenden Uniformhemdes steckte auf beiden Seiten jeweils die vier Sterne eines Volladmirals.
"Guten Morgen, meine Damen und Herren. Ich hoffe Sie alle haben die letzten beiden Tage genossen. Es wird für lange Zeit ihr letztes freies Wochenende gewesen sein. Und wenn Sie wissen wollen, es war nicht meine Frau die mich so zugerichtet hat, mein Pferd Esmeralda hat mich getreten."
Gelächter stieg auf.
Thomsen stopfte sich seine Pfeife, zog mehrmals dran und holte dann einen Zettel hervor:
"An: Admiral Jens Thomsen, CO 1. Flotte, TSN:
Hiermit werden Sie angewiesen die Trägerkampfgruppen Lexington und Peking ins Texas Sternsystem zu verlegen und dort die 2. Flotte abzulösen und für Offensivaufgaben frei zu stellen. Gezeichnet Klaus von Richter, Admiral, CNO."
Die Offiziere klopften mit den Fingerknöcheln auf den Tischen Applaus.
"Das bedeutet: Sie haben drei Tage Zeit Ihre Schiffe zum auslaufen klar zu machen. Der Sammelpunkt für die Trägergruppen ist eine weite Umlaufbahn um den Saturn."
Der Bildschirm hinter Thomsen erwachte zum Leben. Fort Lexington und ein Punkt in der Nähe des Saturn blinkten auf.
"Commodore Stansky: Sie und Ihre Zerstörerschwadron werden zur COLUMBIA und der 2. Flotte überstellt."
Thomsen hakte kurz auf die Tastatur des Rednerpults und die Bildschirmsicht veränderte sich. Die Überschrift lautete 'Texas Sternsystem'.
Die sechs Planeten, die Sonne, die beiden Raumstationen, sowie die vier Jumppoints und ein Minengürtel leuchteten in verschiedenen Farben und beschriftet auf.
"So meine Damen und Herren, wenn wir in Texas sind, werden die Kreuzerschwadronen 1.1 und 1.2 als zweite Verteidigungslinie 24.000 Kilometer hinter dem Minenfeld in gefächerter Position in Stellung gehen.
Der Rest der Flotte wird sich um das Orbitalfort Benning sammeln ..."
Eine Hand schnellte in die Höhe. "Ja bitte?"
Der Captain erhob sich: "Werden wir auch offensive Operationen durchführen?"
"Das ist zwar nicht geplant, aber wir alle wissen, wie es im Krieg um die Planung bestellt ist. Bereiten Sie Ihre Schiffe und Besatzungen auf jeden Fall darauf vor. Also, dann wollen wir an die Arbeit gehen." Thomsen klatschte in die Hände.
Zurückblieben neben Thomsen noch Viceadmiral Gloria Burghoff, seine Stellvertreterin und Kommandeurin der Victoryträgergruppe und Rearadmiral Julian Escobar Senior von der Pekingträgergruppe.
"Gott, was würde ich dafür geben Sie begleiten zu können." Burghoff wirkte ernstlich geknickt. "Sicher das Sie keinen weiteren Steward mehr brauchen?"
"Hm, ich wollte schon immer mal einen Viceadmiral als Steward." Thomsen klopfte seiner Stellvertreterin auf die Schulter. "Aber keine Panik Glory, ich werde mich mit Renault noch mal kurz schließen."
"In wie fern 'kurz schließen'?" Escobar kramte in seiner Aktentasche. "Wo sind die verdammten Zigaretten?"
"Rotationsprinzip bei den offensiven Trägern. Und Julian, Sie sollten auf Pfeife umsteigen, die gehen nicht so schnell verloren."
Tyr Svenson
Lieutenant Commander Chun konnte kaum schlafen. Die Schmerzen der Brüche waren sehr groß, und die wenigen Medikamente aus der Notfallbox des Shuttles waren eher gegen Kopfschmerzen geeignet.
Er und Ry Hallas waren so gut es ging die erste Nacht durchmarschiert. Chun machte sich klar, dass der drahtige Hallas ohne ihn als Behinderung wesentlich schneller gewesen wäre. Er schien die Wüste zu mögen. Chun aber auf seinen Krücken und mit der provisorischen, schlecht sitzenden Schiene, dauernd in Gefahr über irgend etwas zu stolpern und sich noch mehr zu verletzen, war hier eine genauso große Last, wie die Wüste ihm zur Last wurde.
Chun war natürlich klar, warum Archon Banto darauf bestanden hatte, dass er Hallas begleitete. Wäre er beim Shuttle geblieben, hätten die Attentäter, so sie denn nach der Absturzstelle suchten, nicht nur Archon Banto sondern auch noch ihn erwischt. Eine gewisse Rolle spielte dabei wohl auch, dass er Ry Hallas alleine nicht so viele Möglichkeiten einräumte, wirklich Hilfe zu holen. In Begleitung eines Menschen aber hörte man ihm wohl eher zu.
„Wir müssen weiter, Archon Chun.“ Ry Hallas war leise neben den Offizier getreten. „Ich werde Sie auf meinen Rücken nehmen.“
Chun stemmte sich in seine Krücken und kämpfte sich auf die Beine. Die Sonne ging unter, war bestenfalls noch einige Minuten zu sehen. Die beste Zeit, um sich das nächste Teilstück auf dem Weg vor ihnen noch einmal gut einzuprägen.
Artan Hallas hatte sicherlich bereits ein gutes Stück der Strecke erkundet, während er selbst geschlafen hatte – eigentlich eher gedämmert.
„Nein, Ry Hallas. Das wäre Ihr Tod.“
Stur wie ein Panzer marschierte Chun los. Den Akarii neben sich. Mittlerweile hatte der Geheimdienstoffizier herausgefunden, dass er das linke Bein nur etwas schneller vorzuziehen brauchte, um besser voranzukommen und weniger Schmerzen zu haben. Damit erreichte er beinahe normale Geschwindigkeit – für einen gehenden Menschen. Laufen war ihm unmöglich.
„Mich beschäftigt eine Frage“, bekannte Ry Hallas, als die Sonne hinter einem Berg verschwand.
„Sprechen Sie, Artan.“
„Nun Archon Chun, diese Frage ist, warum Sie uns nicht getötet haben. Als wir gefangen genommen wurden. Wenn alle Berichte stimmen, die ich von den Menschen erhalten habe, wenn alle Berichte stimmen, die ich selbst kennen gelernt habe, als ich noch im Dienst war, dann hat unser Prinz Jor mit seinen Truppen etliche Soldaten der Republik getötet. Und auf einige sogar eine Neutronenbombe abgeworfen. Dennoch nehmen Sie Akarii gefangen. Wieso? Wäre eine Rache nicht etwas, was der Natur des Menschen entspricht?“
Chun dachte über diese Worte nach. „Nun, Artan, es ist so, ich gehöre dem Geheimdienst der Navy an. Eine Zeitlang war ich Teil einer besonderen Abteilung, die kurz nach dem Manticor-Debakel gegründet wurde. Sie untersuchte als Zuarbeiter des JAG besondere Vorkommnisse in der Flotte. Sie untersuchte die Fälle von toten Akarii an Bord terranischer Schiffe.
Oder um es deutlich zu machen, sie filterte die Soldaten und Schiffe der Navy heraus, auf denen Lynchjustiz an den Akarii begangen worden war.
Ich muss leider gestehen, dass es etliche Fälle waren. Und das JAG hat längst nicht alle unsere Hinweise untersucht. Sie können davon ausgehen, dass über eintausend Akarii während der Gefangenschaft ermordet wurden.“
„Dies ist ein Verbrechen?“, fragte der Akarii erstaunt.
„Ja, laut unseren Statuten ist es ein Verbrechen. Es ist keine Ehre damit verbunden, einen Gefangenen zu töten. Und es beraubt uns wichtige Ressourcen. Jeder Gefangene ist in erster Linie eine Informationsquelle für uns. Diese dem Geheimdienst vorzuenthalten ist sträflich.
Außerdem haben wir Menschen eine lange Tradition darin, in einem Krieg Gefangene zu internieren. Nach dem Krieg kommen sie wieder frei.“
„Eine interessante Tradition. Wenn diese Menschen nach dem Krieg wieder freikamen, waren sie doch in der Lage, erneut gegen das Land zu kämpfen, in welchem sie interniert waren.“
Chun nickte dazu und kam sich dumm dafür vor. Mittlerweile war es vollkommen dunkel geworden. Nur das Licht der Sterne erhellte die Mondlose Nacht mehr als notdürftig.
„Wir Menschen sind ein kompliziertes Volk. Und nicht alle unsere Nationen sind auf diese Weise mit ihren Kriegsgefangenen verfahren. Manche haben sie hingerichtet. Manche haben sie bis zum Umfallen schuften lassen. Manche… Aber lassen wir das.
Dies ist jedenfalls der Grund für das Gefangenenlager, eine alte Tradition. Und die Navy liebt ihre Traditionen.“
„Wie ich bereits sagte, Archon, eine interessante Tradition.“
„Nun habe ich eine Frage, Artan. Warum führen die Akarii Krieg gegen uns?“
Hallas schien überrascht. „Das wissen Sie nicht?“
„Nein, ich ahne etwas, aber ich weiß es nicht. Können Sie Licht in das Dunkel bringen?“
„Licht in das Dunkel…“
„Das ist eine Redensart der Menschen. Sie bedeutet, etwas aufzuzeigen oder zu erklären. Wie in einem dunklen Raum das Licht zu entzünden und alles zu erkennen, was um einen herum vorgeht.“
„Nun, Lichtbringer ist selbst für mich eine neue Erfahrung.
Warum wir Akarii euch Menschen angegriffen wollen Sie wissen, Archon.
Es gibt dafür mehrere Gründe. Der Flottenstützpunkt im Trafalgar-System, der wie ein Messer an der Haupttransportader des Reiches lauert, ist nur einer davon.
Auch das rasante Wachstum und die schnelle Ausbreitung der Menschen gehört in diese Kathegorie.
Aber der wichtigste Grund ist wohl: Die Menschen sind da.“
Überrascht blieb Chun stehen. „Was? Sie führen Krieg mit uns, weil wir da sind?“
Diese Erwiderung überraschte nun den Akarii. „Ja.“
„Diese Antwort ist mehr als lapidar. Erklären Sie sie.“
Ry Hallas holte Luft. „Nun, vieles brauche ich nur anzudeuten. Immerhin sind wir beide Soldaten. Das alleine dürfte bereits einiges erklären.“
„Ja, es wurde Ihnen befohlen“, brummte Chun. „Weiter.“
„Aber was wichtiger ist, die Menschen haben eine starke Flotte. Eine gute Flotte, wenngleich nicht so groß und modern wie die Flotte meines Volkes. Dennoch, sie sind eine Herausforderung. Der letzte Krieg, in dem mein Volk verstrickt war, ist fast dreihundert Jahre her. Die Krieger, welche der Schutz unserer Rasse sein sollen, kennen keine Bedrohung, kennen keine Gefahr. Intrigen und Ränkespiele treten an die Stelle von harter Arbeit und Erfahrung. Die Akarii werden weich, Archon.
Und wenn unsere Soldaten das Volk nicht mehr beschützen können, dann ist dies der Anfang vom Ende für die Akarii.“
„Verstehe ich Sie richtig? Sie benutzen uns Menschen als Wetzstein für Ihr Militär?“
Ry Hallas nickte. „Wie es mir erklärt wurde, erproben wir in diesem Krieg neue Waffen und neue Taktiken. Zugleich bereinigen wir die Grenze zu den Menschen, unterwerfen sie im besten Fall und gewinnen einen neuen Vasallen.
Das Blut der Krieger wird dicker werden, weil die Schlechteren wie ich aussortiert werden und die besseren den Ruhm ernten und ihre Gene in den Familien weitergeben und eine neue Generation bestens motivierter Soldaten erschaffen werden. Der Schutz unseres Volkes wird gesichert sein, für weitere dreihundert, vierhundert Jahre.“
Chun schüttelte nur den Kopf. „Das kann nicht Ihr Ernst sein. Das ist es also? Sie wollen uns ein paar Systeme abnehmen, neue Waffen und Schiffe erproben und dann den Krieg wieder beenden?“
„Nicht ganz, Archon. Es gibt natürlich noch andere Optionen. Zum Beispiel sah ein Plan bevor, die Republik der Menschen ein für allemal zu zerschlagen, falls der Widerstand gegen unser Militär zu schwach gewesen wäre.
Doch das ist nach den schweren Kämpfen um Manticor sicherlich widerlegt.“
Chun lachte leise. „Wirklich eine tolle Idee. Wirklich eine sehr tolle Idee. Die Sache hat nur einen Haken. Wir Menschen lassen uns nicht gerne unterwerfen. Und wir lassen uns nicht gerne etwas wegnehmen, was uns gehört. Zudem sind wir sehr fatal. Es muss nicht, aber es kann passieren, dass wir bis zum bitteren Ende kämpfen. Also entweder bis wir auf Akar stehen oder die Erde zerstört wird.“
„Das halten Sie für möglich? Es könnte bedeuten, dass auch der Sieger dabei ausblutet. Niemand hätte in dem Fall etwas gewonnen.“
„So sind wir Menschen. Es scheint, als hätten Sie sich den falschen Gegner ausgesucht.“
Ry Hallas schüttelte den Kopf. „Nein, ich denke nicht. Denn es gibt noch etwas, einen weiteren Grund. Die Menschen sind uns ähnlich. Sogar sehr ähnlich. Genau wie wir stellen sie das Überleben ihrer Spezies oft genug über das eigene Leben. Oft genug beweisen sie in Handlung und Taten, dass viele von ihnen ein tiefgreifendes Ehrgefühl besitzen, dass einen Akarii beschämen würde.
Und das macht die Menschen zu so guten Gegnern für uns… Zu würdigen Gegnern. Ich bin sicher, bevor Sie Ihr Volk vernichtet sehen wollen, würde die Republik aufgeben. Um zu einer anderen Zeit, unter einem anderen Anführer erneut zu kämpfen. So würden es die Akarii auch tun.
Und ich bin sicher, dass die Menschen, falls sie es bis auf die Zentralwelt schaffen, ihrem Rachedurst nicht nachgeben würden. Denn sie haben zuviel gesehen. Und das, was sie gesehen haben, wird sie daran hindern, etwas zu tun, was selbst diese Bilder noch übersteigt.“
„Nicht alle“, kommentierte Chun leise.
„Nicht alle. Aber es kommt in diesem Fall nur auf einen an. Einer reicht bereits.“
„Vielleicht…“, brummte Chun und ging schweigend neben dem Akarii her. Sie teilten sich Wasser und Notfallverpflegung auf ihrem Weg durch die Wüste.
Tyr Svenson
„Marines sterben nicht. Sie fahren zur Hölle und formieren sich neu.“
Terranisches Sprichwort
Captain Schlüter trommelte leicht mit den Fingern auf der Oberfläche ihres Schreibtischs, während sie den Mann musterte, der vor ihr stand: „Sie sind schnell wieder gesund geworden, Sergeant Schiermer. Glückwunsch. Immerhin galt Ihr Überleben als ziemlich zweifelhaft.“
„Danke, Ma’m!“
‚Und mehr werde ich von dir nicht zu hören bekommen...‘ Captain Schlüter starrte in die ausdruckslosen, hellen Augen des Sergeanten und entschied sich, das Smalltalk hier nicht angebracht war. Sie war sich nicht einmal sicher, ob der Sergeant überhaupt wußte, was das war.
„Nun es scheint, daß Sie gerade rechtzeitig gesund geworden sind. Unsere Einheit wird vergrößert und auf die COLUMBIA verlegt. Da Sie als wieder voll kriegsverwendungsfähig eingestuft werden, ist das auch Ihr Marschbefehl.“
Wieder war bei Schiermer keine sichtbare Reaktion festzustellen. Mit ausdruckslosen, fast stumpf zu nennenden Gesichtsausdruck stand er in Habacht.
„Ihren Unterlagen zufolge haben Sie bereits einmal eine größere Truppeneinheit befehligt?“
Diesmal zeigte Schiermer eine Reaktion. Er kniff leicht die Augen zusammen, wirkte wachsamer als zuvor: „Ma’m?!“
„Auf Pandora, richtig?“
Schiermer schien sich etwas zu entspannen. Was er auch verborgen halten wollte, sein Dienst auf Pandora, im Bodeneinsatz gegen die örtliche Guerilla, schien nicht dazu zu gehören. Obwohl der blutige zwanzigjährige Konflikt auf dieser Welt nicht nur bei regierungskritischen Journalisten als „Kolonialkrieg der Republik“ verschrien war und ein ehemaliger Colonel der Fremdenlegion geäußert hatte, auf Pandora sei die Republik „in den Dreck und die Scheiße geschlittert“.
„Ja, Ma‘m! Eine Gruppe aus den Resten eines Zugs des Marinekorps und einer Korporalschaft der Legion. Vierzig Mann.“
„Man hat Ihre Leistungen gelobt.“
Schiermer verzog kurz den Mund, aber seine Stimme blieb ausdruckslos: „Es kommt darauf an, Ma‘m. Außer mir haben nur neun Mann die eigenen Linien erreicht.“
Captain Schlüter bohrte nicht weiter. Sie zog es vor, so wenig wie möglich über diesen schmutzigen Konflikt im Hinterhof der Republik zu wissen. Wußte man zu viel, konnte es einem schwerfallen, seinen Patriotismus zu behalten...
„Jedenfalls habe ich festgestellt, daß Sie etwas unterqualifiziert eingesetzt werden. Sie haben durchaus gewisse Fähigkeiten bei der Ausbildung und vor allem der Einsatzführung. Nicht zu vergessen Ihre persönlichen Leistungen...“ ‚Wozu auch gehört, ohne die geringsten Skrupel einen Deserteur zu erschießen. Oder einen Zivilisten, wenn auch nur die Hälfte von dem stimmt was man von Pandora hört.‘
„...Sie erhalten den Rang eines Master Sergeant. Von nun an kommandieren Sie ein Platoon.“
„Ma’m.“ Schiermer war diesmal wieder überhaupt nichts anzumerken. Keine Freude, keine Verunsicherung.
„Dieses Platoon besteht zum größten Teil aus Neuen, frisch aus der Ausbildung. Von 18 Mann sind außer Ihnen nur zwei Veteranen: Private Juan und Corporal Johnson.“
„Private Juan ist ein guter Soldat, aber er hat gerade mal ein Jahr Dienst. Johnson ist ein guter Drillcorporal.“
„ICH kenne die Leute. Haben Sie Probleme mit der Zusammensetzung Ihrer Platoon?!“
„Nein, Ma’m. Ich habe bloß eine Einschätzung vorgenommen. Natürlich habe ich kein Problem, Ma’m.“
Schlüters Versuch, Schiermer aus der Reserve zu locken war offenbar gescheitert. Also machte sie am besten im Text weiter: „Hören Sie, Schiermer. Es geht verdammt bald los. Üben Sie vor allem Häuserkampf, Infanterieeinsatz und Landungen in einer heißen Zone. Und noch etwas. Es sieht ganz so aus, als könnte es ein harter Einsatz werden. Ich will HUNDERTPROZENTIGE LEISTUNG! Keines dieser verdammten Greenhorns soll dann an der Front schlappmachen. Wie Sie das gewährleisten ist mir egal und wenn Sie sie in kleine Stücke brechen müssen! Sie sollen endgültig begreifen, daß sie jetzt Marines sind!“
„Ma’m!“ Schiermer salutierte und ging.
Er fand Corporal „Pork“ Johnson in der sonst menschenleeren Kantine: ein Flasche Bier vor sich, die Beine auf einem Tisch. Der Corporal hatte seinen nicht sehr schmeichelhaften Spitznamen - "Mastschwein" - von seiner massigen Gestalt und seiner unzählige Male in zahllosen Prügeleien verschandelten und zerschlagenen Nase. Pork nickte lässig - er wußte offenbar schon von Schiermers Beförderung.
Mit einer schnellen Schlag stieß Schiermer Porks Beine vom Tisch. Der Corporal sprang wütend auf, beherrschte sich dann aber: „Übst du schon für die Frischlinge, Legionär?“
Dieser Spitzname Schiermers war ein weiteres Überbleibsel aus seiner Zeit auf Pandora.
„Wie du mich in der Freizeit nennst ist mir scheißegal. Aber vor den Jungspunden baust du Männchen wie in der Grundausbildung, Pork.“
Der Corporal sah so aus, als wollte er ausspucken, überlegte es sich aber anders: „Ich bin kein Schwachkopf, MASTER SERGEANT.“
„Meistens nicht. Los komm mit, Zeit, daß wir den Neuen Beschäftigung besorgen. Du hast mit ihnen schon gearbeitet?“
„Habe ich. Durchwachsenes Material. Die meisten sind ganz brauchbar, zwei sind unter Durchschnitt. Drei scheinen gute Anlagen zu haben. Aber leider wissen sie das auch.“
Schiermer schnaufte angewidert. Soldaten mit zu großem Selbstbewußtsein - erst recht Neulinge - galten als Risiko.
„Wer ist in der Bande der Chef?“
„Na du, ‚Master Sergeant‘.“
„Laß den Quatsch, du weißt, was ich meine.“
„Acht sind Mischgemüse. Aus verschiedenen Ausbilungseinheiten. Aber sieben kommen aus dem selben Drillcamp. So ein blonder Schrankwandtyp scheint das Wort zu führen. Michael Howard heißt er, übrigens mit verdammt guten Anlagen.“
„Na schön. Dann fangen wir am besten mit einer Runde Nahkampftraining an. Und dann sehen wir mal, was man ihnen in der Grundausbildung beigebracht hat. Und was sie WIRKLICH wissen müssen.“
Porks fing an zu grinsen - nicht, daß es sein Gesicht hübscher machte. Die „Neuen“ hatten verflucht unangenehme Wochen vor sich...
Tyr Svenson
"Die Kurznachrichten:
Gestern lief in den Kinos Jerry Johnsons neues Kriegsepos 'Brennendes All' an. In den Hauptrollen Rodney Buzz als eiskalter Pilotenveteran Frank "Viper" McKinley und Ashley Croft als Charlene "Ice" Ferrow. Es begaben sich sehr interessante Szenen bei der Premiere im Londoner Kinopalast CINEdome."
Armando Cortez lächelte noch kurz in die Kamera, bevor die Kinopremiere eingespielt wurde.
Rodney Buzz war gewohnt schlecht rasiert, trug einfach Jeans, ein gelbes T-Shirt, die Haare waren zerzaust. Statt der normalen Disignersonnebrille trug er eine Pilotenbrille der Navy, die hervorragend zu seiner Fliegerjacke mit den Aufnähen der Red Arrows - nur Experten oder Piloten der Navy würde diese als sehr gute Imitate erkennen - passte.
Seine Kollegin Ashley Croft viel weniger aus dem Rahmen, mit ihrem schwarzen Abendkleid passte sie perfekt ins Blitzlichtgewitter und zu den ganzen Smokingträgern.
Buzz zog seine gewohnte Show ab, grinste so zu sagen in alle Kameras gleichzeitig und machte mit beiden Händen Victory-Zeichen.
Einer der Reporter ging auf die beiden zu und wandte sich sofort an den bekannteren Buzz: "Hallo Rodney, es ist Ihnen sicherlich zu Ohren gekommen, dass viele gerade jetzt Kriegsfilme anprangern, als Geschmacklos und einer meiner Kollegen erzählte mir, dass einige Piloten sich über den Film abwertend geäußert haben, zu unrealistisch, die hälfte der Stunts die Sie und Ashley durchziehen sein mit einer Griphen nicht möglich und der Angriff der Crusader auf die Bodenbasis sei auch nicht möglich."
"Hm, so, nicht möglich, was beschweren die sich beim Film, wenn die Regierung ihnen kein vernünftiges Handwerkszeug zur Verfügung stellt? Hey, das ist ein Heldenepos." Buzz spießte den Reporter mit dem Finger auf.
"Außerdem zeigt der Film genau, was passieren wird." Er nahm dem armen Mann das Mikro ab. "Seht Ihr dass Ihr blöden Echsen? Dann hört gut zu: Ihr habt Euch mit den falschen angelegt. Wir werden über Euch kommen wie die Nemesis persönlich. Wir rotten Euch aus, schänden Eure Frauen und Kinder! Wir brennen Eure Tempel nieder und löschen jede Erinnerung an Euer Dasein aus! Wir ..."
Weiter kam der Filmstar nicht. Seine Filmpartnerin war bei seiner Rede rot angelaufen, klebte ihm eine und rauschte Richtung Kinoeingang davon.
Buzz blickte der zierlichen rothaarigen verblüfft hinterher. Als sich sein Blick wieder der Kamera zuwand stahl sich ein schmieriges Lächeln auf sein Gesicht.
Er rückte seine Jacke zurecht: "Sie steht auf mich."
Es wurde wieder das Studio eingeblendet.
"Das war eine eindeutige Botschaft", kommentierte Cortez, "von beiden."
Er legte einen Notizzettel beiseite: "Allerdings war London gestern nicht nur von Glanz und Glemmer gesegnet. Ein Mob aus dreißig Leuten mit IPKP-Bannern und Fahnen bewaffnet stürmte ein Recrutierungsbüro der Navy. Griff die dort arbeiteten Navyangehörigen an und verletzte alle sechs schwer. Ein junger Lieutenant liegt mit einem Schädelbasisbruch im Londoner Zentralkrankenhaus.
Nachdem diese 'Friedensdemonstranten' mit dem Navypersonal fertig waren demolierten sie die gesamte Einrichtung, zündeten Mülleimer an und schmierten die üblichen Parolen der IPKP an die Wände.
Da das Recrutierungsbüro Vidoeüberwacht war konnten viele der Randalierer bereits identifiziert werden und befinden sich zum Teil schon in Haft."
Cortez wechselte erneut den Notizzettel: "Das FCID* gibt bekannt, dass der Zustand von Isabella Pavon immer noch unverändert kritisch ist.
Desweiteren teilte man uns mit, dass man den Schützen der versuchte der Generalsekretärin der IPKP das Leben zu nehmen identifiziert habe. Jedoch weigerte man sich die Identität aus ermittlungstechnischen Gründen - wie es heißt - preis zu geben.
Heute Morgen wurden die beiden Personenschützer Pavons - die den Schützen niederstreckten - aus der Haft entlassen."
Und wieder wechselte der Notizzettel: "Und nun geben wir anlässlich des Jubiläums unserer Republik ins Haus der Republik, Berlin."
Patricia Birmingham stand hinter dem Rednerpult des großen Pressesaales im Haus der Republik. Sie trug ein dunkelblaues, festliches Kostüm. Die Haare waren zu einem komplizierten Knoten zusammengebunden. Der Schmuck den sie trug war elegant aber dezent. Ihr Gesicht zeigte heute eine gewisse Strenge und war ganz und gar nicht festlich.
"Vor genau 383 Jahren entschieden unsere Vorväter das es an der Zeit war die Welt wie sie sei damals kannten zu vereinen und das Streben der Menschheit zu bündeln und in eine Bahn zu lenken, die alle nützte. Es war damals der 71 Jahrestag der Beendigung des letzten terranischen Krieges." Ihre Stimme war fest und doch irgendwie traurig. "Zweifler gaben diesen Traum nur wenig Chance doch es begab sich wie so häufig, dass Träume Wahrheit wurden und die Menschheit wurde unter einem Banner vereinigt und blieb es bis zum 19. Juli des Jahres 2583. Doch im Gegensatz zu vielen anderen Sezessionen unserer Geschichte spaltete sich die Colonial Conföderation friedlich ab.
Das es damals keinen Krieg gab verdanken wir nur einer Tatsache: Die Menschheit war als Rasse geeint. Es gab Menschen die wollten nicht aus purem Nationalismus auf das eigene Blut schießen."
Langsam glitt ihr Blick über die Masse der Reporter und geladenen Gäste: "Doch heute in unserer dunkelsten Stunde verzagt eine kleine Bande von unzufriedenen, von Neidern und ewigen Querköpfen nicht uns das Messer in die Rippen zu stechen.
Viele von Ihnen mögen jetzt denken es sei unangebracht - jetzt da Isabella Pavon mit dem Tod ringt - davon zu sprechen, doch dieses Attentat gibt niemanden einen Freibrief.
Die Damen und Herren des Pariser Paktes sprechen von Zahlen. Was uns dieser Krieg kosten. Was die Wirtschaftsunternehmen an Geld scheffeln.
Doch was ist Geld schon im Vergleich zu dem wahren Preis den unsere Republik zahlt."
Sie suchte die Blicke der einzelnen Gäste. Viele von ihnen waren keine berühmten Politiker, Medienstars fand man schon gar nicht. Es waren einfache Leute und die meisten der Männer trugen über dem Herzen den verwundeten Löwen in Gold, der Sohn oder Tochter, Vater oder Mutter, Bruder oder Schwester gehörte.
"Noch heute würde ich den Friedensvertrag unterschreiben, wenn es so einfach wäre wie es sich Pavon und ihre Mannen vorstellen. Noch heute würde ich Ihnen das verlorene zurückgeben, wenn es in meiner Macht stünde. Würde Ihnen das Blut zurückgeben welches Sie auf dem Altar der Freiheit für unser Volk und unsere Nation opferten.
Ich kann Ihnen nur versprechen, dass die Opfer, dass Ihr Opfer nicht umsonst gewesen sind und das wir uns nicht den wirren Forderungen dieser ignoranten Minderheit beugen werden und alles erreichte einfach wegwerfen."
Der Applaus setzte stockend ein, viele der Anwesenden mussten sich erst die Tränen aus den Augen wischen.
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*Federal Criminal Investigation Department
Tyr Svenson
Das Platoon wartete. Und wartete. Und wartete noch länger. Längst hatten die meisten Marines vom Rührt euch eine noch bequemere Position eingenommen.
„Der Alte lässt uns ganz schön lange zappeln, was?“, brach der Erste das Schweigen. Und löste damit eine wahre Welle entsprechender Kommentare der anderen aus. Lediglich Private Davis schwieg, eine von sechs Frauen im Platoon, und zusammen mit den Jungfüchsen angekommen. Auch hatte sie ihre starre Haltung nicht aufgegeben.
Somit war sie es auch, die als Erste die Ankunft des Anführers des neu gegründeten Platoons bemerkte. Ihr scharfer Befehl: „ACHTUNG!“, brachte sofort wieder Disziplin in die Doppellinie.
Der Master Sergeant trat an sie heran, ging die Reihe ab und sah dem einen oder anderen direkt in die Augen. Besonders schien er sich für Howard zu interessieren, diesen selbst verliebten Gockel.
„Mein Name ist Master Sergeant Clas Schiermer. Und Ihr seid ab sofort mein Platoon. Ihr sprecht mich mit Master Sergeant oder mit Sarge an. Ich will kein verdammtes Sir hören, verstanden?“
„Jawohl, Master Sergeant“, blafften die Marines.
„Nur um es von Anfang an klarzustellen: Ihr seid jetzt im Fronteinsatz. Es ist hier völlig egal, warum ihr hier seid, was ihr vorher wart und was ihr werden wollt. Eure Hautfarbe ist unwichtig. Mir ist es auch scheißegal, wen, was oder wie Ihr in eurer Freizeit rumvögelt. Ihr seid jetzt Marines – und es zählt nur noch was Ihr könnt und was Ihr leistet. Denn das kann euch und euren Kameraden das Leben retten. Also lernt eure Stärken zu nutzen und eure Schwächen zu unterdrücken – sonst vernichten sie euch. Ein Marine zu sein, bedeutet, aus einem fliegenden Sturmshuttle zu springen – mitten ins Feuer hinein, notfalls auch in die Garbe einer Laserwaffe. Ein Marine zu sein bedeutet, dass nur noch zwei Regeln gelten: Ein Befehl wird ausgeführt – und du tötest, oder wirst getötet. Das Geschwafel von Heldentum, Ehre und sauberen Krieg ist was für Selbstmörder und Zivilisten – und ich will weder das eine noch das andere in meiner Truppe haben. Der Gegner ist kein Mensch und kein Akarii, kein Individuum – er ist nur Ziel, eine Ansammlung von Risiken und Chancen. Risiken, dass er euch erwischt, Chancen, ihn auszulöschen. Es zählt nur, dass Ihr siegt, egal, was dazu nötig ist.
Seht euch eure neuen Kameraden genau an. Ihr werdet euer Leben in ihre Hände legen und sie ihr Leben in eure. Respektiert das gefälligst. Ich halte nichts von diesem „Wir-sind-alle-eine-große-Familie“-Scheiß. Aber wenn ihr euch nicht von den Nachbarmann verlassen könnt, dann könnt ihr euch gleich eine Energieladung durch den Kopf jagen.
Ihr habt das wahrscheinlich schon im Drillcamp gehört – aber das hier ist nicht mehr die Ausbildung. Hier wird scharf geschossen. Ich will im Einsatz keine Extratouren und keine Drückeberger. Wenn der Befehl kommt, eine feindliche Stellung zu stürmen, dann werdet Ihr angreifen. Wenn der Befehl kommt zu töten, dann tötet ihr. Mit dem Impulsgewehr, der Handgranate, dem Dolch, dem Kolben, den bloßen Fäusten. Oder mit den Zähnen! Wer von euch Grünschnäbeln schlappmacht, sich drücken will, dem garantiere ich nur eins: entweder die Akarii erwischen ihn, oder ich. Er kommt auf jeden Fall nur noch als Leiche nach Hause.
Wir sind nicht die Panzertruppe und nicht die Jagdflieger, die vom Feind nur einen Punkt auf dem Radarschirm sehen. Wir sind die Frontlinie, wir liquidieren den Feind - auch im Nahkampf, auch während wir ihm in die Augen blicken. Wer das nicht verkraftet, ist tot.
Noch etwas, dass Ihr euch einprägen solltet: der Tod ist eine Konstante. Merkt euch die Regel: es ist egal wer du bist, für wie toll du dich hältst oder was für eine Ausbildung du hast. Wenn du zur falschen Zeit am falschen Ort bist, erwischt es dich. Macht euch das klar. Im Einsatz müsst Ihr zu jeder Zeit und in jedem Augenblick wachsam sein. Beherzigt das und Ihr überlebt vielleicht.“
Schiermer fixierte sie weiterhin. „Einige von euch sind bereits erfahrene Marines. Andere kommen frisch aus der Ausbildung. Mein Corporal und ich werden uns jetzt ein Bild von eurem Leistungsstand machen. Das bedeutet Nahkampf, Marines. Gibt es einen Freiwilligen für die erste Runde?“
Niemand meldete sich.
„Dann werde ich jemanden bestimmen.“
Schiermer schritt wieder die Reihen ab und blieb bei Howard stehen. Er fixierte ihn lange. Und sah dann direkt Davis an. „Sie zuerst, Private.“
„Jawohl, Sarge!“ Jean Davis trat steif aus der zweiten Reihe vor und stellte sich ebenso steif vor dem Master Sergeant auf. Der gab seine Mütze ab und zog die Jacke aus. „Wollen wir doch mal sehen, was man Ihnen in der Grundausbildung beigebracht hat.“
Nun legte auch die Private Mütze und Jacke ab. Man konnte ihren Oberkörper nicht gerade als muskulös bezeichnen, aber sie schien drahtig zu sein. Ihr Blick wurde verbissen, als sie in die Grundstellung für einen Faustkampf ging.
„Greifen Sie an, Marine.“
Ohne Ansatz spurtete Davis los und versuchte, einen Schwinger auf dem Gesicht Schiermers zu versenken. Der Sarge tänzelte sie einfach aus. Er war vielleicht alt, aber gewiss nicht langsam.
Davon ließ sich Davis aber nicht beeindrucken. Sofort griff sie wieder an, schlug zu und traf den harten Block des Sergeants. Sie wirbelte zu einem Kick herum, der unweigerlich den Kopf des Vorgesetzten getroffen hätte, wenn dieser nicht in einer vollkommen unorthodoxen Verteidigung die junge Frau einfach umgeworfen hätte.
„Lachhaft“, kommentierte Schiermer, als sie sich wieder aufrappelte. „Ist das alles, Private? Dann sollte ich Sie wieder in die Grundausbildung zurück schicken.“
In ihren Augen zeichnete sich blanke Panik ab. Sie ging wieder in die Grundstellung und griff erneut an. Drei Hiebe und einen Tritt später lag sie am Boden und hatte Schiermers linken Arm um den Hals gewunden. „Ja, ich schicke Sie definitiv zurück, Private. Anfänger kann ich in meinem Platoon nicht brauchen.“
Davis stemmte sich in den Körper ihres Vorgesetzten und drückte sich mit einer unglaublichen Kraftanstrengung hoch. Dann ergriff sie den Arm um ihren Hals und versuchte den schwereren Mann über sich hinweg zu hebeln. Es scheiterte, weil der Sarge ihr ein Bein unter dem Körper wegsäbelte.
Schiermer schüttelte den Kopf und schubste sie zu Boden. „Lachhaft.“
Davis wirbelte herum. „Ich muss mit!“ Der Ernst in ihren Worten ließ keinen Zweifel daran, dass sie alles daran setzen würde, um dieses Ziel zu erreichen.
„Warum glauben Sie, dass ich eine derart dilettantische Nahkämpferin als Marine in meinem Platoon behalten will? Was haben Sie überhaupt für ein Interesse daran, ein Marine zu werden?“
„Ich“, presste sie zwischen zusammengekniffenen Lippen hervor, „will Akarii töten. Dieses Platoon geht auf die COLUMBIA, und die geht an die Front! Ich muss dabei sein!“
Schiermer hob eine Augenbraue. Das sollte eine Private eigentlich nicht wissen können. So gut war der Latrinenfunk nun auch wieder nicht.
„Das ist wenigstens mal ein anständiges Ziel. Nun gut, Sie kriegen Ihre Chance, Private. Aber wenn mir Ende der Woche nicht gefällt, was ich sehe, gehen Sie zurück. Das gilt für Sie alle! Zurück ins Glied, Private Davis“
Schiermer grinste Howard an. „Na, wie ist es, wollen Sie es mal probieren, Private? Besser als Davis sollten Sie doch sein, oder?“
Der junge Marine war größer und etwas kräftiger gebaut als der Master Sergeant, der selbst ein großer Bulle war. Er schien sich aber recht gute Chancen auszumalen, als er freudig – etwas zu freudig – vortrat. „Ja, Sarge.“
Die beiden gingen in Grundstellung, Schiermer sprintete los, unterlief den Schlag des Private und versenkte seine linke Faust tief im Bauch des Gegners. Doch damit nicht genug, der Sarge löste sich von seinem Gegner, landete mit der Rechten einen kräftigen Schwinger in Howards Gesicht. Als der Marine ob der Gewalt des Treffers vorwärts taumelte, setzte Schiermer einen Sicheltritt an, der den Private von den Füßen holte und schmerzhaft zu Boden schickte. Dort blieb er benommen liegen, bis er es endlich schaffte, Atem in die gequälten Lungen zu saugen.
„Davis, ich glaube, Ihre Chancen im Platoon zu bleiben sind gerade gestiegen. Vielleicht schicke ich nur den da zurück“, spottete der Master Sergeant.
„Corporal, Zweiergruppen bilden lassen und Nahkampf trainieren.“
Mit diesen Worten klaubte er seine Jacke und die Mütze vom Boden auf und trat ab.
Jean Davis aber ballte die Hände zu Fäusten und starrte ihm hinterher. Es war ihre gottverdammte Pflicht, auf die COLUMBIA zu kommen! Die Marines waren die schnellste Möglichkeit dafür. Ihr Ticket direkt in den Krieg.
Tyr Svenson
Als Commander Chun erwachte, registrierte er benommen, dass der Boden wackelte und schaukelte. Von diesem Moment bis zur Erkenntnis, dass es sich nicht um ein Erdbeben handelte, sondern um einen Akarii, der ihn trug, vergingen ein paar Sekunden.
„Lllllassen Sie mich“, krächzte er. „Kannalleinegehn…“
„Nein, Commander, das können Sie nicht. Ihre Wunden haben sich infiziert. Sie haben hohes Fieber. Deshalb habe ich mich entschlossen, den Weg noch am Tag fortzusetzen und so schnell wie möglich eine menschliche Behausung zu erreichen. Sie brauchen dringend Medizin, sonst überleben Sie nicht lange.“
Chun versuchte dagegen aufzubegehren, aber Ry Hallas war stur wie ein Panzer.
Wie durch einen dichten Nebel registrierte Chun, dass Hallas seine Krücken zurück gelassen hatte. Er war auf den Rücken des Akarii geschnallt, seine Hände vor der Brust des Artan zusammen gebunden, damit er nicht herabfiel. Die Sonne stand noch recht hoch, Hallas musste sehr hektisch aufgebrochen sein. Stand es wirklich so schlimm um ihn?
Und wieso machte sich der Akarii mit seinem Kerkermeister so viel Mühe?
„Danke“, hauchte er und nickte ein.
Als Commander Chun diesmal wieder erwachte, lag das daran, dass Ry Hallas ihn heftig am Arm rüttelte. „Wir haben eine Straße erreicht, Archon. Ein Schild belehrt uns, dass eine Art Siedlung drei Meilen entfernt ist. Die Frage ist nur, gibt es diese Siedlung noch, oder ist dies hier verlassenes Gebiet?“
Verzweifelt versuchte Chun seine Gedanken zu ordnen. „Wwwie… Wie heißt die Siedlung?“
„Harris Springs.“
Der Name sagte dem Commander überhaupt nichts. Konnte das eine Geisterstadt aus den Anfängen der stellaren Raumfahrt sein? „Wir müssen…Wir müssen es riskieren, Artan“, hauchte er und drohte wieder einzunicken.
Doch ein rasend stechender Gedanke riss ihn wieder ins Bewusstsein. „Wawawarten Sie, Hallas! Ich muss Ihnen was Wichtiges sagen…“
Der große Akarii stoppte. „Sprechen Sie, Archon.“
„Dies… dies ist nicht das Texas-System. Sie sind im Sol-System. Die Menschen… Die Menschen sind keine Akarii gewöhnt. Es kann…sein, dass man Sie in Panik erschießt oder schwer verletzt.“
„Ist das nicht der Hauptgrund für die Verlegung von dreihundert Akarii auf die Erde?“, fragte Hallas geradeheraus. „Panik?“
„Ja“, gestand Chun und nickte wieder ein.
Nach einem unruhigen Dämmerschlaf zuckte Chun hoch und sah, dass eine Ansammlung kleiner Bungalows tatsächlich näher gekommen war. Und sie schienen sogar bewohnt zu sein.
Eine junge Frau trat mit einem vollen Wäschekorb heraus, pfiff dabei ein fröhliches Lied. Als sie den Akarii mit dem halb toten Menschen erkannte, ließ sie den Korb entsetzt fallen, schlug die Hände vor das Gesicht und lief wieder ins Haus.
„Wa-warten Sie!“, krächzte Chun mit einer Stimme, die er kaum als seine eigene erkannte. „Wir brauchen Hilfe.“
Ry Hallas brach in den Knien ein. „Weiter kann ich nicht, Archon.“
Nebeneinander stürzten sie zu Boden. Ry Hallas nahm die Arme des Menschen um seinen Hals ab und trennte die Fesseln auf.
Die junge Frau kam zurück, in der einen Hand einen Krug mit Wasser, in der anderen einen Erste Hilfe-Kasten.
Sie kniete neben den beiden erschöpften Gestalten nieder und schien sich nicht entschieden zu können, wem sie zuerst helfen sollte.
„Commander Chun zuerst“, hauchte Hallas. „Er hat hohes Fieber.“
Sie gab dem Commander als Erstem zu trinken, ließ ihn kurze Schlucke machen. Danach gab sie dem Akarii zu trinken, bis der Krug leer war. „Es wird alles gut. Ich habe den Sheriff alarmiert. Er hat sofort ein Rotkreuzshuttle in Fresno angefordert. Es wird jede Sekunde hier sein.
Clark und der Sheriff kommen sicher auch gleich, dann bringen wir Sie erst mal ins Haus.“
Sie strich sich eine Sträne ihres Haars aus dem Gesicht. „Ich bin übrigens Alice.“
„Lieutenant Commander Chun Wei. Navy“, krächzte der Commander und stemmte sich auf die Ellenbögen. „Haben Sie fiebersenkende Medikamente in Ihrer Box?“
„Leider nein, Sir. Nur Pflaster und Verband.“
„Alice, was machst du da? Das ist ein Akarii, ein verdammter Akarii!“, blaffte eine harte Männerstimme.
Die junge Frau erwiderte: „Ein erschöpfter Akarii, der einen Offizier der Navy bis an die Grenze der Belastung durch die Wüste geschleppt hat, Orwell Brown. Also halt die Klappe und hilf mir, Lieutenant Commander Chun und dann den Akarii ins Haus zu schaffen. Wie heißen Sie eigentlich?“
„Ry Hallas, Jägerpilot.“
„Wir sollten ihn hier draußen in der Sonne vertrocknen lassen“, brummte der Mann wütend.
Was ihm eine Ohrfeige einbrachte. „So redet ein Christenmensch nicht.“
„Außerdem ist er… mein Gefangener. Ich bin für ihn verantwortlich. Tun Sie was in Ihrer Macht steht, um mich zu unterstützen.“
„Sicher, Lieutenant Commander. Also, du am Kopf, ich an den Füßen. Wir holen Sie auch gleich, Ry Hallas.“
Chun spürte, wie er hoch gehoben wurde. Danach bettete man ihn auf eine weiche Couch. Einig Zeit später öffnete er die Augen und erkannte Ry Hallas auf einem anderen Teilstück. Der Raum war mittlerweile regelrecht überfüllt. Die Menschen drängten sich darin, und der Sheriff versuchte die Unordnung in den Griff zu kriegen. „Also, alle raus, die den Akarii gesehen haben. Ein Shuttle aus Fresno ist bereits unterwegs, und von Fort von Bein haben sie schon einen Trupp Marines geschickt.“
Chun ergriff die Hand des Sheriffs. „Hören Sie, mein Shuttle wurde über der Wüste abgeschossen, als ich mit einigen Akarii und Begleitschutz vom Gefangenenlager zu einem medizinischen Seminar unterwegs war.
Es gibt noch einen Akarii, der überlebt hat. Sie müssen ihn finden. Und Sie müssen aufpassen, dass Sie nicht auch abgeschossen werden!“
„Richard Anderson von der LA Gazette. Würden Sie das wiederholen, Commander? Es gibt Akarii auf der Erde?“
„Was macht der Reporter hier?“
„Der hat bei Mae zu Abend gegessen und ist gleich los gerannt, als er das mit dem Akarii gehört hat, Bob.“
„Versprechen Sie mir, Sheriff, suchen Sie meinen Gefangenen!“, hauchte Chun.
„Ich verspreche es. So, und jetzt alle raus hier, auch Sie, Mr. Anderson. Die beiden brauchen Ruhe. William, rufe Poindexterville an, ich brauche Sheriff Ducruex und seine Leute. Wir machen eine Rastersuche wie in den Übungen.“
„Eine Frage noch, Commander, wie viele Akarii sind auf der Erde? Mehr als tausend? Werden sie uns gefährlich werden können?“
„Nun aber raus, Schreiberling.“
Es kehrte Ruhe ein. Nur unterbrochen vom leisen Plätschern von Wasser. Jemand legte Chun an den Gelenken und auf dem Kopf Kompressen an.
„Die Medikühlpacks brauchen noch ein paar Minuten. Bis dahin muss es so gehen. Und das Shuttle aus Fresno müsste auch gleich kommen.“
„Danke“, hauchte Chun. Er öffnete die Augen und sah zu Ry Hallas. Der Akarii hatte sich aufgerichtet und dabei die Kompresse auf seiner Stirn verloren. „Wind kommt auf“, murmelte er. Kurz darauf landete das Shuttle aus Fresno mit dem Notarzt.
**
Eine Stunde später berichtete die LA Gazette exklusiv und mit einem fünfseitigen Sonderbericht über den Vorfall. Die Schlagzeile lautete: AKARII AUF DER ERDE!
Im weiteren Bericht wurde auf den überlebenden Akarii und seinen entbehrungsreichen Marsch mit dem verletzten Navyoffizier eingegangen und die Leistung und die Ehre von Ry Hallas hoch gerühmt.
Dennoch las kaum jemand weiter als bis Seite zwei, wo bereits wieder auf den laufenden Krieg eingegangen wurde. Zwei Stunden später war es das Topthema in jeder Nachrichtensendung. Und weitere drei Stunden später fanden ausgerechnet Reporter das Wrack des Shuttles und den halbtoten Akarii Gin Banto.
Noch während ein Shuttle ihn abtransportierte, gingen die Bilder von ihm um die Welt.
Tyr Svenson
Bereit für alles
In Lightnings Büro sah es nur bedingt so aus, wie man es bei einer Staffelkapitänin erwartet hätte. Sie hatte natürlich ein paar Familienphotos parat, denn darauf verzichteten nur wenige Soldaten. Es gab den meisten mindestens soviel Trost wie die selteneren Kreuze, Götterstatuen, religiösen Banner und dergleichen, die manche parat hatten. All dies sagte einem, das da etwas war, auf das man sich verlassen konnte – der Glauben war in der Hinsicht ebenso nützlich wie die Erinnerung an daheim.
Es fehlten allerdings die etwas angeberischen Souvenirs, die in den meisten der neuen Filmstreifen auf den Tischen der menschlichen Eliteflieger zu finden waren. Seien es nun Teile von Schiffswracks, Bruchstücke des ersten eigenen „zu Tode gerittenen“ Jägers, Schnappschüsse von zerstörten Akarii- oder Piratenschiffen oder was dergleichen mehr war. Ihre Laufbahn hatte ihr durchaus die Möglichkeit gegeben, mit dergleichen zu protzen, hätte sie es darauf angelegt - immerhin gehörte sie zur Elite des Geschwaders. Nun, vermutlich war zumindest ein Pilot ihrer Staffel besser als sie, wenn es um die reine Fliegerei ging, zumindest war er es gewesen, denn sie hatte dazugelernt, so daß dies nicht mehr so sicher war. Und zudem – an ihrer Stelle, auf ihrem Posten, hätte sich Claw vermutlich nicht sehr gut gemacht. Auch wenn er inzwischen seine disziplinarischen Probleme in den Griff bekommen hatte, er flog manchmal zu sehr auf Risiko, und sie zweifelte daran, daß er im Kampf auch nur über eine Sektion die Übersicht behalten würde. Das entsprach einfach nicht seinem Naturell, auch wenn seine „killing-rate“ über der ihren lag. Weswegen er immer noch Second Lieutenant war, und sie Lieutenant Commander. Vielleicht war es mal an der Zeit, ihm zumindest seinen alten Posten wiederzugeben, aber sie zögerte noch. Manchmal flog er immer noch wie jemand, der den Tod suchte. Und damit war und blieb er als Führer ungeeignet, denn solche Piloten nahmen oft ihre Kameraden mit. Als ihr Flügelmann leistete er gute Arbeit, nachdem sie sich erst einmal aneinander gewöhnt hatten. Und sie würde daran nicht so schnell etwas ändern. So hatte sie ihn unter Kontrolle, und an der Leine, als ihr Kettenhund – so hatte sie zumindest den Eindruck – leistete er nicht weniger als er in „Freiheit“ hätte erreichen können. Und dabei blieb er am Leben, und gefährdete auch keinen anderen.
Es gab auch keine Orden oder Belobigungsschreiben unter Glas, von denen die Filmhelden zumeist etliche hatten, wiewohl Lightning dergleichen durchaus besaß. Sie empfand es allerdings als ein wenig lächerlich, wenn man die eigenen Verdienste zu sehr zur Schau stellte. Ein Offizier, der dies nötig hatte, so ihre Philosophie, mit dem konnte sonst nicht viel los sein. Oder er spekulierte darauf, daß es ihm bei einem zufällig hereinschneienden Reporter oder Inspektionsoffizier nützen würde. Nein, sie brauchte es ihren Leuten nicht unter die Nase zu reiben, wie gut sie war und was sie alles schon erlebt hatte. Die Mundpropaganda funktionierte sowieso, und ein übertriebenes Hinweisen auf die eigenen Genialität – so dachte sie ironisch – konnte auf niedere Dienstgrade verletzend oder einschüchternd wirken, beides gehörte nicht zu ihren Erziehungsmethoden. Wenn sie jemand „fertigmachen“ wollte, dann genügte ihre Stimme schon, so hoffte sie zumindest.
Was hingegen einen „Ehrenplatz“ einnahm, waren die Kaffeemaschine, ein solider Trinkbecher sowie ein Wasserglas und einige Packungen mit Tabletten – vor allem gegen Kopfschmerzen und Müdigkeit. All dies waren unentbehrliche Waffen im Kampf gegen den täglichen Papierkram. Obwohl sie sich manchmal eher einen Aktenvernichter gewünscht hätte...
Es gab auch keine Bilder verflossener Liebe – von früheren Staffeln oder Schiffen. Lieutenant Commander Parker bemühte sich immer, jede Staffel und jedes Schiff nach Möglichkeit so zu behandeln, als seien sie die „einzigen“ für sie. Sich allzusehr an die Vergangenheit zu klammern, war dabei nur Ballast. Es war nicht so, daß nicht einige Einheiten oder Schiffe in ihrer Erinnerung einen Ehrenplatz einnahmen – aber sie wollte weder bei ihren Untergebenen noch bei den Offizierskameraden den Eindruck erwecken, als betrachte sie ein anderes Schiff, eine andere Staffel als hochwertiger. So etwas war nicht gut für das Selbstvertrauen der Untergebenen, außerdem war es ungerecht. Und zudem – sie wollte das Schiff, auf dem sie Dienst tat, auch nicht kränken, denn nach altem Raumfahrerwissen wußte es dies und nahm es möglicherweise übel. Außerdem erleichterte dies das Abschiednehmen, was ohnehin zum Soldatenberuf, viel mehr aber noch zum Krieg gehörte.
Vor dem Schreibtisch waren zwei Stühle plaziert, ein dritter stand in der Ecke. Sie bestand selten darauf, daß ihre Gäste die ganze Zeit „Männchen machen“ mußten, vor allem, wenn es um eine längere Unterredung ging. Außer, es war einmal wirklich notwendig, ihre Autorität ins Spiel zu bringen, dann erledigte man das am besten so gründlich wie möglich. Aber sie hatte dies vielleicht wegen ihres eher ruhigen Führungsstils selten nötig – und war nicht wenig stolz darauf.
Heute war dies jedenfalls nicht der Fall. Ihre beiden Gäste – die Führer der Sektionen ihrer Staffel – waren nun wirklich nicht die Sorte von Menschen, die man disziplinieren mußte. Blackhawk war dazu viel zu ruhig und erfahren, und Lilja war, trotz ihres mitunter heftigen Temperaments, zu sehr damit beschäftigt, sich als Mustersoldatin zu präsentieren. Beide stellten ihre Befehle nie in Frage, zumindest bisher, leisteten akzeptable, sogar gute Arbeit – wenn man von einigen kleinen Schwächen abseits des regulären Dienstes absah, jedenfalls was Lilja betraf. Nichts definitives, aber inzwischen kannte sie die Russin gut genug, um einige Dinge mit ziemlicher Sicherheit zu wissen. Ihre Privatfehde mit ein oder zwei Geschwadermitgliedern, wenn man das so nennen konnte, und ihre etwas isolierte Stellung gehörten dazu, doch das war nicht das einzige. Aber in der Hinsicht hatte sich Lightning dazu entschlossen, beide Augen zuzudrücken und ihrer XO weitestgehende Toleranz zu gewähren. Immerhin kannte sie die Hintergründe...
Sie nickte beiden aufmunternd zu: „Nun, wie wir alle wissen geht es morgen los. Bleibt die Frage – wie steht es so?“ ,Es‘, das bezog sich auf den Bereitschaftsstand der Staffel. Natürlich hatte sie selber auch ein gutes Auge dafür, sie war ja auch mal XO und Sektionsführerin gewesen. Aber manchmal konnten die niederen Dienstgrade Dinge wahrnehmen, die ihr verborgen blieben. Außerdem ließen ihr die Pflichten als Chefin nicht so viel Zeit, wie sie gerne gehabt hätte.
Blackhawk ließ Lilja mit einem leichten Nicken den Vortritt. Weniger aus Galanterie, aber immerhin war sie stellvertretende Kommandeurin und für das Trainingsprogramm verantwortlich. Die Russin nahm, übrigens überflüssiger Weise, Haltung an. Selbst in einem Sessel konnte sie quasi strammstehen: „Ich würde sagen, wir sind so bereit, wie wir nur seien können. Die Piloten haben sich von ihrem Urlaub erholt.“ Damit meinte sie nicht etwaige ,Entbehrungen‘ während der freien Zeit, sondern den Umstand, daß Soldaten nach einem Urlaub oft ein wenig brauchten, ehe sie wieder ganz auf Krieg umschalteten. Lightning wußte, daß Lilja die Staffel hart rangenommen hatte, in der Hinsicht war auf ihr Wort verlaß. „Ich habe die Leistungen bei den Übungen und vor allem beim Geschwadermanöver mit den bisherigen im Ernstfall verglichen und würde sagen, wir sind auf altem Niveau.“ Die Staffelführerin nickte versonnen. Sie hatte darauf gehofft, daß die Piloten den Verlust ihres Trägers gut verarbeiten würden. Es war schon mehr als einmal vorgekommen, daß solche schweren Gefechte wie das bei Jollahran zu psychischen Schäden geführt hatten. Nicht gerade im Sinne einer echten Erkrankung – solche Leute wurden zumeist rechtzeitig aussortiert. Was sie gefürchtet hatte, war eher Unsicherheit und Angst vor einem erneuten Kampf gewesen, gebrochene Zuversicht – den Feind zu überschätzen konnte fast so schlimme Folgen haben, wie ihn gering zu achten und sich für unverwundbar zu halten. Wer mit der Gewißheit in den Kampf zog, geschlagen zu werden, dem geschah dies auch meistens. Aber offenbar hatte der Urlaub geholfen, die schlimmsten Schäden zu beheben. Und der öffentliche Rummel um die Schlacht, der den Soldaten das Gefühl gegeben hatte, mit ihrem Blut zumindest einen Sieg für die Erde erkämpft zu haben, hatte ein übriges getan. Sie selber sah das Gefecht wesentlich kritischer, aber das behielt sie für sich.
„Blackhawk – wie machen sich die Neuen?“ Der First Lieutenant zuckte leicht mit den Schultern: „Angemessen. Ich würde sagen, el Cid hat gute Anlagen. Er ist nicht waghalsig, aber er ist da, wenn man ihn braucht. Kein KAMIkazetyp, aber ich denke, man kann sich auf ihn verlassen. Immerhin hat er ja mit drei Abschüssen schon einige Erfahrung. Soweit ich das beurteilen kann, hat er vor den Akarii gehörigen Respekt, aber nicht zuviel. Nun, er will wohl zu seiner Familie zurückkehren, deshalb kann ich mir vorstellen, daß er lieber auf Nummer Sicher geht.“ Er grinste leicht, als er sah, wie Lilja die Lippen schürzte. Sie war zwar auch keine Selbstmörderin, aber anders als Blackhawk – der Karankas Motive und Einstellung verstand – war sie doch eher darauf fixiert, den Gegner zu vernichten und hatte dabei mehr als einmal die eigene Sicherheit hinten angestellt. Ihre Stimme klang scharf: „Wenn er Feigheit zeigt...“ aber Blackhawk winkte nur ab: „Nein, das meine ich nicht. Er wird bloß nicht leichthin Kopf und Kragen riskieren. Er ist für seine Familie hier – um sie zu beschützen, aber auch, um zu ihr zurückzukehren“ Die Russin schien immer noch nicht ganz zufrieden, vielleicht auch, weil sie versteckte Kritik witterte – immerhin hatte SIE sich ja schon zwei Verletzungen im Krieg eingefangen. Aber dann ließ sie es auf sich beruhen.
Der First Lieutenant fuhr fort: „Marine zeigt gute Anlagen – sie könnte vermutlich eine bessere Pilotin werden als el Cid, der eher im guten Mittelmaß liegt. Aber ihr fehlt es an Erfahrung. Wir haben ihr aber mitgegeben, was möglich ist. Wie sie sich genau in einer Kampfsituation verhält, kann man vorher natürlich nicht sagen. Aber sie wird es schon machen.“
Lightning schien nicht wunschlos glücklich, aber sie wußte, den hundertprozentig perfekten Piloten gab es nur im Film. Und mit SOLCHEN Typen hätte sie bestimmt nicht gegen die Akarii fliegen wollen. Manche dieser Schauspieler schienen zu meinen, sie verstünden tatsächlich was vom Krieg...
„Na, das wird reichen müssen. Ich verlasse mich dabei auf Sie und Virago.“ Beide Flightführer galten als geübt darin, andere am Leben zu erhalten, und sie hatten genug Kampferfahrung.
„Wie steht es mit Tyr?“
Lilja Gesichtsausdruck schien Zufriedenheit zu signalisieren – was bei ihr eher selten der Fall war: „Es gibt mit ihm keinerlei disziplinarischen Probleme. Ich würde sagen, er fliegt nicht gerade phänomenal, aber ist guter Durchschnitt. Und er hat sich in die Einheit gut eingefügt, würde ich sagen.“ Lightning grinste. Zunächst, das wußte sie, war das Verhältnis von Lilja und Tyr ein wenig gespannt gewesen. Die Russin hatte ein wenig gefürchtet, der ältere Pilot würde eventuell etwas dagegen haben, von einer wesentlich jüngeren Gleichrangigen herumkommandiert zu werden. Tyr wiederum schien Liljas verbissenen Diensteifer ein wenig übertrieben zu finden. Außerdem hatte es da wohl noch Streit darüber gegeben, wo er sich ein paar Blessuren eingefangen hatte Lilja hatte es als Angriff auf ihre Autorität aufgefaßt, als der Pilot eisern dichtgehalten hatte. Aber schließlich hatte sich das geklärt, wenn auch auf unkonventionelle Art und Weise...
Bei einem der üblichen Übungskämpfe – Lilja ließ nichts aus in ihrem Trainingsmarathon, und sie erwartete natürlich, daß die anderen ihr folgten – waren die beiden gegeneinander angetreten. Natürlich nicht ernsthaft, SO weit wären sie wohl beide nicht gegangen. Jedenfalls aber hatte der Schwede zwar seiner Vorgesetzten einige Hiebe verpaßt, aber er hatte sich in gewisser Weise geweigert, mit vollem Einsatz gegen sie zu kämpfen. Irgend etwas schien ihn daran zu hindern, obwohl keiner ausgerechnet bei ihm Galanterie erwartet hätte. Jedenfalls wollte er offenbar eine Frau nicht schlagen. Worauf ihn Lilja zu Boden geschickt hatte, denn sie hatte das nun wieder als Geringschätzung verstanden.
Danach hatte er sich wohl dazu durchgerungen, sie für voll zu nehmen, und die Russin hatte sich damit zufriedengegeben. Lightning wußte nicht, ob er mit der Wahrheit rausgerückt war, wo er seine Blessuren her hatte, aber jedenfalls waren die beiden danach besser miteinander klargekommen. Wenn ja, dann mußte es etwas gewesen sein, was Lilja akzeptieren konnte. Auch sie hatte ihren Rangkollegen – der im Einsatz jedoch jeden ihrer Befehle würde befolgen müssen – danach wesentlich entkrampfter behandelt. Nicht mehr mit dem Gedanken, austesten zu müssen, ob er im Ernstfall ihren Anweisungen Folge leisten würde und ob er ihre Position als XO respektierte.
„Außerdem“ fügte die Russin hinzu: „Scheint er sich gut mit den Starlancern zu verstehen. Seit diesem dämlichen Testosterongehampel, das unser Geschwaderstinktier abgezogen hat, ist das Verhältnis ja etwas gespannt gewesen. Aber mit Tyr kommen sie offenbar gut klar, und das färbt auch auf die Staffel ab.“ Lightning musterte ihre XO mißtrauisch. Da hatte es einen gewissen Unterton in Liljas Stimme gegeben...
So als ob sie etwas wüßte, sich offenbar köstlich darüber amüsiere – und es für sich behielte. Das Gesicht der Russin jedenfalls war die personifizierte Unschuld. Was einem Geständnis gleichkam, denn ein solcher Gesichtsausdruck gehörte nicht zu ihrem üblichen Gebaren. Aber Lightning legte dies mit einem mentalen Achselzucken vorläufig zu den Akten. Sie hatte freilich den Verdacht, daß dies etwas damit zu tun hatte, daß Tyr anders als seine Geschwaderkameraden keinen Ausgang bekommen hatte.
„Na, das freut mich aber. Ich möchte nicht, daß wir hier als Bande von Streithammeln und Angebern in Erinnerung bleiben.“ Lilja nickte enthusiastisch, doch dann hustete leise und preßte sich die Hand vor den Mund – auf die Art und Weise, wie man ein Kichern kaschierte. Dies brachte ihr von der Staffelchefin einen gespielt finsteren Blick ein und die Bemerkung: „Wenn Sie nicht gesund sind, sollten Sie zum Arzt gehen.“
Lightning wußte, gewisse Dinge gab es, die besprachen Soldaten kaum einmal mit ihren Vorgesetzten. Krumme Touren wurden in allen Einheiten gedreht, das war ihr klar – schließlich war sie selber auch mal Second Lieutenant gewesen. Nun ja, sie kannte Lilja, und die hätte nichts geduldet, was den Dienstbetrieb gefährdet hätte. Wenn Tyr bei einem Wettsaufen mit selbstgebranntem Schnaps den ersten Platz erobert hatte, nun es gab Schlimmeres als das. Oder womit man sich sonst die Achtung anderer Piloten verdiente, es gab da die wildesten und unglaublichsten Geschichten, die teilweise sogar wahr waren.
Trotzdem klang Lightnings Stimme ausgesprochen trocken: „Schön, das wäre also geklärt. Staffel ist also voll einsatzbereit – sehr gut.“ Sie wußte, welche Frage ihren Untergebenen auf der Zunge brannte: „Nein, ich weiß nicht, wo sie uns genau hinschicken werden mit der COLUMBIA. Sie machen wieder mal ein Geheimnis draus.“ Letzteres gefiel der Staffelkommandeurin ganz und gar nicht. Die letzten zwei Einsätze, um die man so ein Gewesen gemacht hatte, Troffen und Jollahran, hatten sich als äußerst kostspielig für die TSN entpuppt, und ihr Geschwader hatte dabei auch bluten müssen. Irgendwie schafften es diese Eierköpfe, trotz strengster Geheimhaltung die Sache zu verbocken, mochte der Teufel wissen wie. Das war wohl so eine Art Naturtalent von denen.
Tyr Svenson
Am selben Abend
Der Raum lag im Halbdunkel. Das lag weniger daran, daß die Männer und Frauen ihrem Treffen das Flair des Geheimnisvollen geben wollten. Obwohl es gepaßt hätte. Nein, hier diente das allein dem Zweck, eine Entdeckung zu verhindern. Auf der geräumigen Militärbasis gab es immer ein Plätzchen, an dem man sich treffen konnte. Viele Piloten nutzen das für ihre kleinen Nebengeschäfte, für illegales Glücksspiel oder für romantische Treffen. Nun, wenn man das Romantik nannte...
Aber es gab auch wesentlich ernstere Dinge, weswegen manche die ,Abgeschiedenheit‘ suchten, auch wenn die Zeiten der Duelle im Morgengrauen schon lange vorbei waren – außer in der Legende...
„Also, ich bin immer noch dafür, daß wir dem Dreckschwein den Heiligen Geist geben – damit er kapiert, daß er hier nicht willkommen ist. Und diesmal so, daß keiner einschreitet. Dieser dämliche Reisfresser und seine Matratze...“ die Stimme war die eines Mannes. Eines sehr wütenden Mannes, doch keineswegs erfüllt von blinder Raserei. Eher voll grimmiger Entschlossenheit.
Die Antwort gab eine Frau – sie klang kalt, aber gelassen: „Er konnte ja wohl kaum wissen, was da los war. Schließlich hatte es ihm keiner angekündigt. Was sollte er denn denken? Also bitte keine Racheakte, ja? Er hat seine Strafe sowieso bekommen, denke ich. Ein paar Hiebe und dazu Ausgangssperre. Wäre besser gewesen, unsere Helden hätten sich vorher abgesprochen und das Terrain erkundet. Allerdings - die Idee an sich war ja in Ordnung.“ Eine der schemenhaften Gestalten kicherte: „Was die Strafe angeht, da werden Ohka und Kali sich schon drüber weg getröstet haben. Immerhin dürften 90 Prozent der Vögel ausgeflogen sein...“
Die Stimme der Frau klang genervt: „Darüber kannst du meinethalben unter der Bettdecke nachdenken, wir sind nicht deshalb hier!“ Ein Vierter mischte sich ein, ehe der Strei eskalieren konnte. Auch wenn sie zusammensaßen, nicht in allem waren die Anwesenden einer Meinung. Und der fragwürdige Status ihres Treffens machte einige nervös. Der Sprecher hingegen schien vollkommen ruhig: „Das reicht! Wir sollten uns nicht wie die letzten Rekruten benehmen! Entschuldige dich, und dann ist Schluß.“ Die Frau knurrte etwas, doch dann kamen ein paar Sätze, die wie eine Entschuldigung klangen, über ihre Lippen. Die offenbar nicht gewohnt waren, derartige Worte zu formulieren. Die Annahme war ebenso unwirsch, aber wurde anscheinend gleichfalls akzeptiert.
Dann kam sie zum Thema zurück: „Ich würde sagen, wir sollten dem Banditen eine Chance lassen. Ja, er hat sie vielleicht nicht verdient, aber wir sollten das Urteil nicht ignorieren. Immerhin wurde er mangels Beweisen freigesprochen.“ Sie fügte nicht hinzu, daß mangels Beweisen etwas ganz anderes war, als wegen erwiesener Unschuld, doch jeder wußte es. Die Stimme des einen Mannes klang hitzig: „Sein Verhalten seit dem Prozeß legt nicht gerade den Schluß nahe, daß er sich einer Schuld bewußt ist und versucht, diese zu sühnen. Schließlich hat er gesessen. Meiner Meinung nach hat er seine Chance, seine Aufrichtigkeit zu beweisen, spätestens mit seiner Verurteilung wegen der anderen Sache verwirkt. Ich kann nicht nachvollziehen, wie sie uns so ein Stück Dreck unterschieben können.“ Der Widerspruch hielt sich deutlich in Grenzen. Einer warf jedoch ein: „Na, wenn er wirklich unschuldig ist, und alle haben ihn geschnitten – vielleicht ist er deshalb ausgerastet…“ Zweifel waren jedoch auch in diesen Worten deutlich hörbar. Nach ihrem Verständnis machte kein Soldat so etwas. Er hätte sich durch mustergültige Pflichterfüllung rehabilitieren sollen, egal wie sehr man ihn schikaniert haben mochte.
Die Frau mischte sich wieder ein: „Ich stimme zu. Selbst wenn er unschuldig wäre – er hat sich wie ein Verbrecher benommen. Wenn er wieder akzeptiert sein will – eigentlich sollte man so etwas in Strafeinheiten stecken und nicht unter richtige Soldaten – muß er mit Blut seine Schuld sühnen. Mit Akariiblut und seinem eigenen. Nur so kann er zeigen, daß er das Recht darauf hat, sich zu rehabilitieren. Zu uns zu gehören. Jeder hier hat bereits Akarii getötet, hat Kameraden verloren und sein Leben riskiert. Wir haben ein Recht darauf, von unseren Mitkämpfern nicht weniger zu erwarten.“ Das fand schließlich Zustimmung.
Eine zweite Frau, die bisher geschwiegen hatte, faßte es schließlich zusammen: „Also würde ich vorschlagen, wie verfahren wie folgt. Jeder wird seine Kameraden dazu anhalten, daß sie Noname klarmachen, daß er bis auf weiteres kein gleichberechtigtes Einheitsmitglied ist. Er muß sich diese Ehre erst noch verdienen. Warnt die anderen, sie sollen ihn im Auge behalten. Wenn er ein Verräter ist, wird er wieder rückfällig werden. Wer einmal aus dem Blechnapf frißt - einen Hund, der einmal gebissen hat, dem kann man das auch kaum mehr aberziehen. Aber diesmal wird ER sterben, kein Mitglied der TSN, dafür muß Sorge getragen werden.“ Sie warf einen Blick in die Runde: „Ich weiß, wir können niemanden zwingen, auf diese Warnungen zu hören. Aber das Verhalten von Noname ist eher dazu angebracht, uns Recht zu geben. Er erhält seine Chance, aber er wird teuer bezahlen müssen. Stimmt Ihr mir zu?“
Die Antworten waren nicht immer von Begeisterung erfüllt, aber in ihrem Inhalt eindeutig – sie waren sich einig.
Dies hier war natürlich kein offizielles Ehrengericht. Wenn es so was überhaupt gab. Einfach ein paar Piloten, alles Veteranen, die eine Übereinkunft trafen. Die Sprecherin nickte: „Dann ist es beschlossen.“
Das Klopfen an der Tür ließ alle auffahren. Natürlich würde ihnen niemand etwas beweisen können, außer er hatte gelauscht. Aber dennoch, das Treffen mochte Mißtrauen wecken, wenn es bekannt wurde. Und was sie taten war illegal – wenn auch kaum nachweisbar.
Der Wachposten trat ein – solche Vorsichtsmaßnahmen waren unerlässlich: „Abrücken, wir kriegen Besuch. Offenbar ein Pärchen…“ Derjenige, der vorhin gekichert hatte, warf einen spöttischen Blick in die Runde: „Schon wieder unser Samurai und Anhang?“ Die Antwort war trocken: „Nur wenn Ohka sich eine Neue zugelegt hat und über Nacht einen Kopf größer geworden ist.“
Sie nahmen den Hinterausgang und trennten sich sofort. Jeder machte sich auf den Weg zu seinem Quartier. Bald würden sie verlagern, und wenn sie erst auf der COLUMBIA waren, wartete Arbeit auf sie…
Tyr Svenson
Die Maschinen waren generalüberholt worden und den Energiegeschützen hatte man die interne Sicherheitssperre entfernt. Die Möglichkeit zu Übungen war immer noch gegeben, diese mussten jetzt jedoch ohne Lichteffekt durchgeführt werden, was ihnen einiges an Realität abnehmen würde.
Lucas überprüfte routinemäßig die Systeme seines Jägers.
Die Flanke unter seinem Namen war mit Abschussmarkierungen übersät. Die Heckflosse zeigte das Geschwaderwappen. Einen weiblichen Engel in einem sexy Lederoutfit, dessen Gesicht zu einer dämonischen Fratze verzerrt war und in der rechten ein Schwert schwang.
An der Nase war Lone Wolfs eigenes Wappen, jedoch kein Zähne fletschender Wolf, sonder ein schwarzer Schachspringer vor einer orange/roten Flamme.
Systematisch ging der Pilotenveteran die Checkliste durch. Die Maschine war im ausgezeichnetem Zustand. Sie kam direkt aus einem Reservedepot und die Bodencrews von Miramar hatten sie beim Eintreffen durchgecheckt und rund um gewartet.
Rechts und links von ihm arbeiteten die anderen Piloten der Schwadron und die Bodencrews an den Jägern. Sämtliche Piloten trugen ihre Flightsiuits.
Das Funkgerät im seinem Pilotenhelm erwachte zum Leben: "Okay Boss, alle Jäger sind, so weit fertig."
In Darkness Stimme schwang ganz schwach etwas Vorfreude mit durch.
"Roger", erwiderte Lucas nachdem er sich den Helm aufgesetzt hatte. "Radio, wie steht es mit den roten?"
"Ähm .... einen Augenblick, ich bin gerade bei Hacker." Lucas blickte nach rechts und sah zwei Piloten winken, Radio hatte sich Hackers Helm an die rechte Kopfseite gepresst. "Wir haben da noch eine kleine Unstimmigkeit, fünf Minuten."
Aus den fünf Minuten wurden sieben, dann zehn und schließlich zwölf, ehe Hacker Bereitschaft meldete.
Nach und nach wurden die Maschinen des Geschwaders von gelben Traktoren zu den vier Start- und Landebahnen gezogen.
Nach und nach hoben jeweils acht Maschinen hab, bis alle sieben Schwadronen in der Luft waren.
In einem langwierigen Ballet formierten sich die 84 Maschinen zu Sektionen und zu Schwadronen.
Über Funk kamen immer wieder Korrekturen der Staffelkommandanten und anderen Veteranen.
Besonders Radio und Skunk hechelten ihren Leuten geradezu gluckenhaft hinterher.
Nanu, wir wollen uns doch nicht in einen mustergültigen Offizier verwandeln, dachte Lucas belustigt, als Radio vor Shaka eingriff als Bob Marley seine Maschine etwas überzog.
Das Geschwader durchbrach wellenweise die Erdatmosphäre, da sie so nicht mehr daran gebunden wahren mit lächerlichen drei Mach zu schleichen, sondern auf 400 Kilometer die Sekunde beschleunigen konnten und nahmen Kurs auf Fort Lexington.
Auf halben Weg kam sie ihnen entgegen. Umringt von vier schweren Kreuzern glitt die COLUMBIA durch das Weltall als es allein dafür geschaffen um solche Schiffe aufzunehmen.
Wie jeder Raumfahrer in der Tiefe seines Herzens wusste hatte es vor der Erfindung der ersten Raumschiffen kein Weltall gegeben. Und er war nur deshalb so unermesslich groß geworden, weil Schiffe dieser Größenordnung damit begonnen hatten seine entferntesten Orte aufzusuchen, seine Grenzen immer weiter zurückzudrängen, seine Weiten durch ihren unermüdlichen Forscherdrang zu erobern. Raumschiffe, immer größer und mächtiger, majestätischer waren das Glanzlicht des menschlichen Daseins.
Zumindest dachten die Raumfahrer so.
Ein Musiker hingegen würde sicherlich der Musik eine derartige Bedeutung geben. Es war eben Ansichtssache.
Lucas "Lone Wolf" Cunningham und mit ihm sicherlich viele andere Angehörigen der Terran Space Navy sahen jedoch die Flottenträger als Krönung der Menschlichen Evolution.
Und als er heute die COLUMBIA vor der bläulichen Kugel seiner Heimatwelt sah wollte er eines Tages so ein Schiff kommandieren.
Aber den Gedanken dachten in diesem Moment wohl über 50 % der Angry Angles.
"Rein kommendes Geschwader, hier Flugsicherung TRS COLUMBIA: Drehen Sie eine Ehrenrunde und halten sie sich bereit über Sektor Grün zwo eingeholt zu werden. Over."
"Angry Angles haben verstanden Over."
Das Geschwader folgte den Anweisungen, dann begann das Einschleuseverfahren.
Man merkte den Offiziere der Flugsicherung an, dass sie Profis waren und mit Hilfe des modernen ATLS der COLUMBIA verlief der Landevorgang recht zügig und beinahe reibungslos.
Lucas war der erste der landete. Er überließ seinen Jäger sofort der Bodencrew und sprintete zum Eingang des Bereitschaftsraums für die zweite Alarmstartgruppe.
Es war der beste Platz, den er kriegen konnte um die Landungen zu beobachten, da er dort niemanden im Weg stehen würde.
Nach der vierten gelandeten Phantom begann auf dem Landedeck die Hölle auszubrechen.
Kaum das er sich suchend umblickte schien Chief Atti hinter ihm zu materialisieren: "Sir?"
"Ah, Bosun, Sie habe ich gesucht. Ich will zwei Jäger zur Bewaffneten Raumüberwachung draußen haben. Zwei Thypoon." Er dachte kurz nach und natürlich war Lightningparker immer noch in sein Gedächtnis eingebrannt. "Das übernimmt fürs erste die Grüne Schwadron, die brauchen noch etwas Training in Zusammenarbeit, also zwei auftanken, bewaffnen und ab durch die Röhren."
"Aye Sir, sonst noch etwas?"
"Ja, ich will auf Cat 3 und 4 einen Alarmstart 5 haben, zwei Phantome, stellen Sie ..." Lucas stockte, als er seine Liste überflog. Albert "Ace" Mbane. "... Mantis Shaw und Hacker Lambert, knallen Sie einer der Phantome Nahkampf- und der anderen Stadoff-Bewaffnung drunter."
"Sir." Der Buson salutierte und machte sich an die Arbeit.
Lucas hingegen ließ seinen Blick suchend über die größer werdende Gruppe von gelandeten Piloten kreisen: "Lieutenant Mbane! Kommen Sie mal her!"
Der große Schwarze legte einen kurzen Sprint hin, stoppte exakt 90 cm vor Cunningham und legte einen Salut hin, der dem eines Kadetten Ende ersten Jahr glich. Schwungvoll, präzise und zu vollsten Zufriedenheit der Ausbilder.
Der Gruß seines Geschwaderführers hingegen wirkte eher flapsig.
"Was soll denn der Scheiß?" Lucas deutete auf Alberts Callsign in der Liste, dass ihm bis eben unbemerkt geblieben war.
"Sir?" War die erschöpfende Antwort die er erhielt.
"Die Callsignänderung Lieutenant", Lucas holte tief und theatralisch Luft, "halten Sie das für gut?"
"Sir, Lieutenant Davis hat sich in eine Akariische Antischiffsrakete gestürzt, so eine ..."
"Ich kenne mehr als einen Piloten, der sein Leben auf die Weise aushauchte und nein, ich möchte von keinem den Namen annehmen", unterbrach Lucas den jungen Piloten, "Lieutenant Davis ist wie ein Held gestorben, dennoch war er alles andere als beliebt bei vielen seiner Kammeraden..."
"Sir ..."
"Lassen Sie mich ausreden Mister. Es gibt in dieser Staffel mehr als einen toten Helden. Und ich glaube nicht, dass es klug ist so einen Querschläger wie Davis auf die Art hervorzuheben. Einige könnten auf den Gedanken kommen, dass andere gefallene Angles dadruch herabgewürdigt werden." Lucas pausierte kurz. "Sie können abtreten."
"Sir!" Mbanes Gruß viel um einiges weniger enthusiastisch aus als zuvor.
Tyr Svenson
Die COLUMBIA war ein Erlebnis sondergleichen. Albert hatte noch die gute alte REDEMPTION gekannt, und im Vergleich war dieser nagelneue Träger ein Luxushotel, und die ZEUS-Klasse eine bessere Schaluppe.
Sogar das Essen in der Kantine schmeckte besser, fand er.
Obwohl, im Moment malträtierte er es eher zu Tode.
Gedankenverloren verfolgte er die Nachrichten, die auf einer großen Leinwand im Hintergrund projiziert wurden. Eine Schlagzeile weckte kurz sein Interesse, in der enthüllt wurde, dass die Navy ein Akarii-Gefangenenlager auf der Erde unterhielt. Im Untertitel wurde die Gefahr eines Ausbruchs der Echsenabkömmlinge und die damit verbundene Gefährdung der Menschen unnötig weit aufgebauscht.
Doch auch das war nur ein Intermezzo bei Alberts Weg durch das Steak zum Boden des Tellers.
„Alles klar, Schwarzbrot?“, erklang eine Stimme hinter dem Afrikaner.
Albert sah sich um und erkannte Radio, die Tratschtante der Einheit und durch ein unglückliches Schicksal auch noch XO der Roten Staffel.
Ungefragt setzte sich Curtis Long. „Und wenn der Träger untergeht, ich bleibe hier“, erklärte er grinsend. „Kaum hast du mal nen halben Streifen mehr am Ärmel, schon denken alle, du hast die Pest im Gepäck.“
Albert ignorierte ihn und stocherte weiterhin in seinem Essen herum.
„Du hast doch irgendwas. Los, raus damit.“
„Damit du es übers halbe Schiff ausposaunen kannst?“, erwiderte Albert und sah erneut auf.
„Na klar, was hast du denn gedacht?“, erwiderte Radio grinsend. „Aber nicht sofort. Vorher gebe ich dir einen guten Rat auf deine Sorgen.
Mist, scheint wirklich zu stimmen, man wächst an seiner Verantwortung.
Da fällt mir ein, brauchst du immer noch diese spezielle Creme für deine Ebenholzhaut? Ich kann dir da was besorgen, beinahe zum Marktpreis.“
„Der CAG hat mich zusammen gestaucht!“, platzte Albert heraus.
Radio runzelte die Stirn. „Wieso das denn? Deine Leistungen sind recht gut Zurzeit, und deinen Flügelmann kriegen wir auch langsam in den Griff. Hast du ihm ans Bein gepisst, oder was?“
„Ich… Es ist wegen meinem Callsignwechsel. Er hat mich fürchterlich zusammengefaltet, weil ich mich Ace nenne. Er meinte, eine solche Art von Heldenverehrung würde die anderen, die bei Jollahran gefallen sind, entwürdigen.“
Radio nickte beiläufig. „Womit er nicht ganz Unrecht hat. Ich bin ja sowieso der Meinung, dass du Ace zu hoch hältst. Und in eine Schiffsrakete fliegen kann jeder Trottel. Morelli hat es auch gemacht, aber nennt sich deswegen einer Merkur?“
„Das ist es nicht. Ich denke, nein, ich weiß einfach, dass ich heute tot wäre, wenn mir Ace nicht die Grundlagen beigebracht hätte. Wenn er mir meine Arroganz nicht ausgetrieben hätte. Aber das willst du bestimmt nicht hören. Du konntest ja noch nie mit Ace.“
Radio ließ Messer und Gabel fallen. „Was hast du gehört?“
„Ich weiß alles über das Ehrengericht und so.“
„Jetzt hör mal genau zu, Schwarzbrot. Das Ehrengericht hat Ace inszeniert, weil er dachte, meine Gerüchteküche wäre Schuld am Selbstmord eines Fliegerkollegen. Dieser Suizid hat dazu geführt, dass man auf PERSEUS ein Ehrengericht für den CAG veranstaltet hat. Was er mir auch angehängt hat.
Ich fand es wirklich nicht nett, plötzlich von allen anderen Piloten für zwei Wochen geschnitten zu werden. Und das Ace dahinter steckte, ein dämlicher Frischfisch, hat mich noch mehr geärgert.
Ja, ich bin eine Zeitlang wirklich nicht gut mit ihm ausgekommen. Ich war verärgert und wollte alle anderen dafür bestrafen. Ich habe sogar den Schwarzmarkt aufgegeben, nur um es allen zu zeigen und zu beweisen, dass sie mich mehr brauchten als ich sie.
Aber da habe ich geirrt. Ich brauche sie mehr als sie mich. Auch wenn ich es nicht zeige, ich liebe es, Menschen um mich herum zu haben. Und Teufel, meine Klappe konnte ich noch nie halten.
Stimmt, ich mochte Ace nicht. Aber ich hasse ihn auch nicht. Viele hier sehen Ace als Möchtegernhelden an, als arroganten Angeber. Als in den Tod verliebt.
Ich denke eher, er hat seine Pflicht getan.“
Radio sah zu Boden. „Spätestens als wir gemeinsam Pinpoint zu Grabe getragen haben, wurde mir das bewusst.“
Er sah wieder auf. „Arrogant war er trotzdem.
Hm, du hast also ein Problem mit dem CAG. Sag mal, warum hast du Lone Wolf nicht gesagt, warum du Cliffs Callsign übernommen hast?“
„Habe ich doch. Ich habe gesagt… Oh mein Gott, ich habe gesagt, dass ich es übernommen habe, weil er in diese Rakete geflogen ist! Ich Idiot!
Danke, Radio. Wenn du mir die Creme besorgen kannst, ist das super.“
Albert sprang auf und verließ die Messe im Laufschritt.
Radio sah ihm hinterher. Er grinste schief. „Wehe, du verrätst auch nur einer Menschenseele, was ich über Ace gesagt habe, Schwarzbrot. Sonst hast du ein schweres Leben mit mir.“
**
Als es klopfte, sagte Lucas Cunningham automatisch herein. Auch wenn dies die COLUMBIA war, der CAG hatte nicht den Luxus eines Sergeants im Vorzimmer – geschweige denn ein Vorzimmer.
Albert Mbane trat ein, salutierte und stand vor dem Schreibtisch des Commanders stramm.
„Sir, ich bitte um Erlaubnis, mit Ihnen sprechen zu dürfen.“
„Erlaubnis erteilt, Lieutenant. Setzen Sie sich.“
„Negativ, Sir. Erlaubnis, offen sprechen zu dürfen, Sir.“
Cunningham legte die Stirn kraus. „Wenn das wegen der Sache neulich im Hangar ist, dann…“
„Ja, Sir, das ist es. Erlaubnis, offen sprechen zu dürfen.“
„Erlaubnis erteilt, Lieutenant. Dann schießen Sie mal los.“
Statt einer direkten Antwort nestelte Albert an seiner Uniform und nahm die Schwingen ab. Er legte sie mittig auf Cunninghams Schreibtisch. „Sir, Sie entscheiden am Ende des Gesprächs, ob ich sie wieder mitnehme oder ob ich sie hier lassen soll.“
„Na dann raus mit der Sprache, Lieutenant. Ich bin schon sehr gespannt“, brummte Cunningham.
„Sir, auf dem Landedeck habe ich mich sehr missverständlich ausgedrückt. Tatsache ist, Second Lieutenant Davis ist in eine Antischiffsrakete geflogen und hat damit wahrscheinlich die REDEMPTION zu diesem Zeitpunkt vor der Vernichtung bewahrt. Aber das ist nicht relevant und nicht der Grund für das Wechseln meines Callsigns.
Mir ging es eher darum, eine Lücke zu füllen, Sir. Ich weiß, viele sind mit der Art von Ace aneinander geraten, er hat Dutzende beleidigt und es nicht einmal bemerkt. Für jeden Freund, den er an Bord hatte, gab es fünf, die ihn nicht mochten oder sogar hassten.
Mir liegt nichts daran, diese Menschen auf mich zu beziehen. Von vorne herein wollte ich versuchen, dort anzuknüpfen, wo Ace gestorben war. Beim Abschuss von dreizehn Feindjägern. Dabei ein wichtiger Teil der Roten Schwadron zu sein. Und dabei, meinen Wingman zu beschützen, wo immer dies möglich ist. Mit anderen Worten, meinen Job zu tun, egal wie schwer es ist.“
„Wenn man es so sieht…“, brummte Lone Wolf leise.
„Ich habe nachgedacht, Sir. Sehr lange und sehr gründlich. Und ich bin zu einem Entschluss gekommen. Mit Ihrer Erlaubnis, Sir, werde ich zu meinem alten Callsign Shaka zurückkehren. Aber ich gebe den Namen Ace nicht auf. Sir, ich biete Ihnen an, mich während der nächsten Mission zu beobachten. Sobald Sie meinen, ich hätte ein Callsign wie Ace verdient, werde ich es annehmen. Keine Sekunde vorher.“
Cunningham dachte einen Moment nach. „Das erscheint mir fair zu sein, Shaka. Erlaubnis erteilt.“
Der Commander ergriff die Schwingen, wog sie nachdenklich in der Hand und gab sie Shaka zurück. „Hier, die werden Sie brauchen, Pilot. Und jetzt, wegtreten.“
Shaka salutierte, drehte auf dem Absatz um und verließ das Büro.
Seufzend öffnete Cunningham eine Schublade, entnahm ihr einige Notizzettel und jagte sie durch den Reißwolf. "Was denken sich diese Kids eigentlich? Das ich auch noch Zeit habe, die Geschwaderaufstellung andauernd neu auszudrucken?"
Tyr Svenson
Akar,
Südküste des Hauptkontinents
Der Kejal Ozean schimmerte in herrlichen Türkies. Eine sanfte Briese zog über den 50 Meter breiten, künstlichen weißen Sandstrand.
An den Strand schloss gleich ein besonders gepflegter öffentlicher Park an.
Deero Gjin betrachtete die vereinzelten Paare die am Strand turtelten.
Auch er wartete auf eine Frau, doch es würde nichts weiter als eine geschäftliche Unterredung sein. In einem der Paare erkannte er zwei seiner sechs Agenten die ihm als Leibwache dienten. Haben die beiden wirklich was miteinander oder sind sie wirklich derart gut?
Er ging etwas Richtung Parkeingang.
Aus einem Gebüsch brach ein Arigo hervor. Ein recht großes Exemplar dieser Reptilienspezies. Es baute sich vor Deero auf und knurrte drohend, während drei kleinere Arigos ebenfalls aus dem Gebüsch kamen, hinter dem größeren vor bei über den Weg huschten und wieder in einem Buschwerk verschwanden.
Das größte der Reptilien gab nun seine drohende Haltung auf und folgte seiner Familie.
Der Arigo war über Jahrhunderte eine Delikatesse gewesen, der auf allen Festen in den verschiedensten Formen auf den Tisch gekommen war.
Jedoch hatte ein Wissenschaftler vor knapp 1.000 Jahren herausgefunden, dass sich der Pflanzen fressende Arigo wie der Akarii aus dem Urakarii entwickelt hatte.
Schließlich war der Verzehr von Arigos verboten worden. Es hatte jedoch wieder mehrere Jahrhunderte gedauert, bis die Dunkelziffer des unerlaubten Arigoverzehrs in den vier stelligen Bereich pro Jahr sank.
Ebenso gab es auch dieser Tage noch eine Gruppe von radikalen, die den Agiro Bürgerrechte einräumen wollten.
"Sie hat scheinbar einen höheren IQ als Biologen ihnen zugestehen."
Deero drehte sich um und sah sich seiner 'Verabredung' gegenüber.
Admiral ersten Ranges Kenai Ras, Kommandeurin des Marinanachrichtendienstes, trug ihre maßgeschneiderte Uniform.
Das dunkelblaue Uniformoberteil weiß neben den goldenen Verzierungen und Admiralsabzeichen kaum Ehrungen oder Auszeichnungen auf.
Mit 32 Zyklen war sie der jüngste Admiral der Imperialen Sternenflotte. Was um so bemerkenswerter ist da sie weder Günstling der alten Garde noch der neuen Sterne um Prinz Jor war.
"Aaahh, Mylady Admiral, darf ich Euch zu einem kleinen Spaziergang einladen. Ich weiß, es ziemt sich nicht für einen alten Kauz wie mich, doch bitte ..." Er deutete auf den Wanderweg der in den Park führte.
Zu seinem Unmut jedoch prallte seine Schmeichelei gänzlich von ihr ab.
"Ich nehme an, es hat einen guten Grund, warum mich der Direktor des imperialen Sicherheits- und Geheimdienst sprechen möchte." Sie schritt voran und er musste sich sputen um ihren energischen Schritten mithalten zu können.
"Oh, können wir nicht einfach davon ausgehen, dass ich versuche unser beider Beziehung und die Beziehung unser beider Dienste zu verbessern?"
Sie lachte auf und unter dem Sarkasmus hörte er auch eine Spur Belustigung.
"Bitte Mylady, könnten wir die Geschwindigkeit senken, meine Agenten kommen sicher mit dem Lasermicro nicht mehr hinter her", schnaufte der ältere Akarii.
Und Ras wurde tatsächlich langsamer: "Also bitte, was wollen Sie von mir?"
"Ich möchte mit Ihnen über die Berichte über Troffen sprechen."
Sie blieb stehen und wirbelte zu ihm herum: "Hier in aller Öffentlichkeit?"
"Ja. Ich weiß, dass Jor einen Bericht auf dem Schreibtisch hatte, mit allerlei Spekulationen und ich weiß, dass eine Sonderabteilung Ihres Nachrichtendienstes fieberhaft an den Geheimnissen um Troffen arbeitet. Desweiteren gehe ich, basierend auf den Beobachtungen des Verhaltens des Prinzen, davon aus, dass er den Troffenbericht nicht gelesen hat."
Die Admiralin knirschte mit den Zähnen: "Ja und, was wollen Sie nun von mir."
"Ich ..." Er scharrte kurz mit dem Fuß und knetete sich die Hände. "Ich wollte Sie bitten die Berichte über Troffen unter Verschluss zu halten ..." Deero wagte nicht sein Gegenüber anzusehen.
Der Geheimdienstchef zuckte zusammen als Ras nach Luft schnappte. "Ich soll WAS!" Ihre Stimme war kein flüstern mehr, es war eine Mischung aus keuchen und zischen.
"Wissen Sie was dort geschehen ist außer das diese ... diese Monster, diese Barbaren, diese verabscheuungswürdigen Bestien in der Verkleidung vernunftbegabter Wesen dort getan haben außer alles und jeden zu atomisieren?"
Deero nickte: "Ja, wir haben den Biowaffeneinsatz rekonstruiert."
"Und Sie verlangen allen ernstes, dass ich so was unter den Tisch fallen lasse."
Als der alte Akarii aufblickte hatte die Admiralin eine Waffe in der Hand. Er konnte sich nicht erklären, wo diese herkam.
Noch bevor sie den Disruptor auf ihn richten konnte entstand ein roter Punkt auf ihrer Uniformjacke.
Mit Entsetzen stellte er jedoch fest, das auch auf ihn Waffen angelegt waren, und die Schützen ihn mit Laservisieren ins Ziel genommen hatten.
"Bitte hören Sie mich Kenai. Ich flehe Sie an, hören Sie mir zu."
Sie nickte.
Als er fort fuhr war ihm klar, dass sie bereit war ihr eigenes Leben herzugeben um ihn, den vermeintlichen Verräter zu töten: "Dieser Krieg hat viele Gründe. Für die Allgemeinheit sind die Menschen eine Bedrohung. Eine Bedrohung die sich bildete, weil wir und sie es wie dumme Kinder zuließen, dass sie sich bildet.
Für die wenigsten von uns sind es andere Gründe. Für Jor ist es Mittel zum Zweck. Um der starke Mann zu werden. Seine Machtbasis auszubauen.
Für seinen Mentor Relath Gor ist es Rache. Rache für seinen Sohn der im kalten Krieg sein Leben ließ."
Er suchte nach Worten: "Wenn Jor und durch ihn Relath Kenntnis von Troffen bekommen, was wird dann geschehen? Ich werde es Ihnen sagen: Holocaust. Wir werden einen zweiten Holocaust erleben.
Man wird anfangen Massenvernichtungswaffen zu entwickeln, gegen den die Atombombe nur ein Knallfrosch ist.
Wir haben die Kori damals ausgerottet, weil sie niemals in unserer Gesellschaft Platz gefunden hätten, weil es durch den genetischen unterschied einfach unmöglich war.
Der Duft den sie absonderten ging auf unsere Nervenbahnen im Hirn und Wahnsinnsanfälle waren die Folge. Letztendlich endete alles in den unkontrollierten Exzessen von den wir beide nur in Geschichtsbüchern lasen.
Aber stellen Sie sich vor, was passiert, wenn wir mit B- und C-Waffen um uns schmeißen, wie schnell die Menschen es uns gleich tun werden."
"SIE HABEN ES DOCH SCHON GETAN!"
Deero zuckte zusammen: "Ja, aber wieso haben sie es nicht öfter eingesetzt? Was stimmt da nicht? Bitten, lassen Sie das Problem unsere Dienste lösen statt es Relath und Jor oder sonst wem in die Hand zu geben damit diese es für ihre Politik zu gebrauchen."
"Und die Gefahr eingehen, das diese Massenmörder einen weiteren Planeten einfach auslöschen? Eine Armee vernichten?"
Er schloss die Augen in der Gewissheit in den nächsten Sekunden zu sterben: "Es wären nur ein Planet oder eine Armee, die dann wirklich nicht mehr ins Gewicht fallen bei den Folgen, die das nach sich ziehen würden. Aber wenn nicht und wenn wir Erfolg haben, werden Milliarden von Akarii überleben, statt in einem biologischen Armageddon zu verenden."
"In Ordnung." Sie drehte sich auf dem Absatz um und ging.
Er konnte sich nicht vorstellen, wie schwer es für jemanden war, der seine Heimatwelt in einem atomaren Inferno verloren zu haben und nun zustimmte, dass die Sache geheim blieb.
Tyr Svenson
„...aber jetzt geht es endgültig los. Vor ein paar Stunden bekamen wir den Marschbefehl, wir verlegen auf die COLUMBIA. Wohin es dann geht weiß ich noch nicht, der ‚Alte‘, wie die Piloten Commander Cunningham nennen, hüllt sich in Schweigen. Aber aus den Gesprächen zwischen den Offizieren, ihrem Verhalten, spricht eine gewisse Anspannung – aber auch Erwartung. Keiner glaubt, daß sie uns in der Etappe lassen.
Du weißt, wie paranoid die Navy mit der Geheimhaltung ist. Es kann also sein, daß ich nicht mehr so regelmäßig schreiben kann. Aber mach dir keine Sorgen, mir passiert bestimmt nichts. Immerhin haben wir den besten Jäger der Streitkräfte und die Hälfte der Piloten in der Schwadron sind Fliegerasse. Ich liebe dich...“
„Es wird Zeit.“ Crusader legte den Stift beiseite und blickte auf. In der Tür stand sein Flügelmann. In dem Pilotenanzug wirkte Ohka ziemlich massig. Der Japaner trug den Raumhelm in der Armbeuge. Ohka lächelte dünn: „Du solltest dich langsam fertig machen, sonst schickt dir Darkness noch die MP auf die Stube.“
„Ich komme schon.“ Crusader faltete den Brief zusammen.
Ohka hatte sich schon umgedreht. Crusader warf sich beinahe in die Flugkombination, schulterte den schweren Seesack und die zwei schweren Taschen, die seine Habseligkeiten faßten und beeilte sich, hinter dem Wingleader hinterherzukommen. Aber er fand dennoch noch die Zeit, den Brief einzuwerfen. Natürlich hätte er auch einfach eine elektronische Nachricht schicken können – aber in der Beziehung war er altmodisch, besonders in solchen Momenten. Dann hastete er zu den Hangars der Schwarzen Schwadron.
Die anderen waren schon da. Aber er hatte Glück – Darkness war damit beschäftigt, noch irgendwelche Einzelheiten mit dem Chef der Bodencrew zu besprechen. Der einzige, der auf Crusaders spätes Erscheinen reagierte, war La Reine: „Wenn du im Einsatz genauso fix bist, dann habe ich die Wette schon in der Tasche!“
„Aufsitzen! Es geht los!“ Darkness erstaunlich gutgelaunt wirkende Stimme hinderte Crusader, die Antwort loszuwerden, die ihm auf der Zunge lag.
Einer nach dem anderen rollten die Maschinen auf die Startbahn. Überall ringsum das gleiche Bild: anrollende Maschinen, abhebende Jäger. Über dem Flugplatz flogen Maschinen Schleifen, bis alle Einheiten einer Schwadron in der Luft waren, formierten sich dann und strebten steil in den Himmel – dem Weltraum entgegen.
Kano fühlte das gleiche Hochgefühl, den gleichen Triumph wie sein Flügelmann, als die Nighthawk die Atmosphäre verließen. Auch wenn er schon etwa achtzig Einsatzflüge und zahlreiche Übungsmissionen hinter sich hatte.
Der Flug war weder lange noch schwierig, aber für die Neuen im Schwadron war es etwas Besonderes. Das war kein Übungsflug, keine Simulation. Als vollwertige Angehörige des Jägerkorps, der Elite der TSN, flogen sie ihre Jäger zu ihrem Trägerschiff. Es gab in der TSN ein Sprichwort: „Der erste Raumflug, der erste Jäger sind etwas Besonderes. Wie der erste Raumkampf, der erste Sieg im Duell mit dem Feind gräbt sich dieses Erleben tief in das Gedächtnis ein, bleibt bestimmend und gegenwärtig bis an dein Lebensende.“
Daran war sicher mehr dran, als die Selbstidealisierung einer Waffengattung...
Schließlich kam die COLUMBIA in Sicht – ein riesiger, stählerner Koloß, von Waffen starrend, anderthalb mal so groß, wie die alte REDEMPTION und frisch von der Werft, während der Zeus-Träger älter gewesen war, als die Männer und Frauen, die ihn führten. Ein brandneuer Flottenträger der Pegasus-Klasse. Der zweitgrößte Schiffstyp der TSN.
Kano bemerkte den Unterschied zur REDEMPTION schon bei der Landung. Die COLUMBIA konnte weitaus schneller die Jäger und Jagdbomber aufnehmen, als das alte Schiff – obwohl es doch eine Staffel mehr war. Und natürlich konnte die COLUMBIA auch Nighthawk-Jäger in den Einsatz bringen, wozu die REDEMPTION nicht fähig gewesen war.
Vielleicht war es nur Einbildung, aber es kam Kano so vor, als wenn auch das ATLS sicherer und schneller arbeitete. Der Hangar war viel größer als bei der REDEMPTION und Wände, Geräte und sogar die Böden schienen vor Sauberkeit zu glänzen. Es fehlte das Patina, die Spuren jahrzehntelangen Gebrauchs.
Und in einer Ecke des Hangars standen sauber aufgereiht Crusader und Rafalle – auch diese schweren Maschinen hätte die REDEMPTION nie aufnehmen können.
Nicht nur die Neuen sahen sich neugierig um, als sie ihre Maschinen verließen. Darkness grinste leicht spöttisch: „Schon beeindruckend nicht? Na, mal sehen, wie ihr euch auf diesem Luxusliner macht. Die Angry Angels sind auf der REDEMPTION zum Akariischreck geworden – ihr habt also einiges vor euch.“
Der Chef der Bomberschwadron war den Veteranen nicht unbekannt – Jack „Martell“ Murphy hatte früher die Griphenschwadron der „Angry Angels“ geführt. Er galt als guter Staffelchef – auch wenn ihm seine ziemlich offen zur Schau getragene Religiosität Spitznamen wie „Betbruder“ eingebracht hatten.
Er und der „Alte“ tauschten einen Handschlag aus. Viel Zeit alte Erinnerungen aufzufrischen hatten sie allerdings nicht, denn der Commodore der COLUMBIA tauchte plötzlich auf und verwickelte Cunningham in ein Gespräch. Kano konnte nicht genau sehen, worum es ging – aber von der Körperhaltung und Gestik des Commodore war es wohl kein lockeres Freizeitgespräch.
Als Kano den Befehl hörte, daß die Grüne Schwadron zwei Jäger startfertig machen sollte, hätte er sich beinahe freiwillig gemeldet. Dann erinnerte er sich daran – er gehörte jetzt zur Schwadron Schwarz. Alte Gewohnheiten waren wohl schlecht auszurotten. Dann sah er aus den Augenwinkeln Kali, drehte sich um ihr zuzuwinken – und stieß dabei mit einem Mann zusammen, der gerade vorbei ging.
„Können Sie nicht aufpassen?!“
„Entschuldigung, ich habe dich nicht gesehen.“
Die Stimme wurde bissiger: „Können Sie nicht anständig grüßen?!!“
Erst jetzt sah Kano genau hin und erstarrte – er war mit dem Commodore zusammengestoßen. Der Befehlshaber der COLUMBIA schien in einer scheußlichen Laune und fixierte den jungen Pilot unheilverkündend.
Kano erstarrte zur Salzsäule: „SIR! Entschuldigen Sie, ich habe Sie nicht gesehen, SIR!“
Der Commodore musterte ihn noch ein paar Augenblicke. Aber seine schlechte Laune schien nicht auf Kano fixiert – der war wohl nur zufälligerweise ins Visier geraten. Der Commodore knurrte wütend: „Passen Sie gefälligst in Zukunft auf, Lieutenant!“ und stampfte davon.
Kano hatte das Gefühl, einer kleineren Katastrophe nur knapp entronnen zu sein.
„Herhören. Ihr habt eine Stunde Zeit, euch einzurichten, dann will ich euch bei den Simulatoren sehen. Nur weil wir jetzt an Bord sind, heißt das nicht, das ihr Fett ansetzen könnt!“ Das brachte Darkness einige Stöhner ein, die er völlig ignorierte.
Selbst die Gänge waren anders als auf der REDEMPTION. Statt der offen sichtbaren Röhren und Leitungsbündel an den Wänden, waren die Gänge ausnahmslos hell getäfelt. Und die Quartiere erst...
Sie waren viel größer. Außerdem natürlich moderner und bequemer eingerichtet. Kano kam sich fast wie in einem Hotel vor, wenn er sich an die REDEMPTION erinnerte. ‚Entweder die Navy hat mehr Geld zum Ausgeben – oder sie sind der Meinung, daß die Ansprüche gestiegen sind. Nächstens bieten sie wohl noch Einzelkabinen.‘
Er verstaute den Inhalt seines Seesacks – viel war es nicht. Besonders vorsichtig ging er natürlich mit dem Schwertkasten um.
„Ich verstehe nicht, wie du mit so wenig auskommst.“ Crusader hatte eine seiner Taschen auf dem Bett ausgeschüttet und versuchte den Inhalt möglichst platzsparend im Spind zu verstauen.
„Na ja – nach dem Untergang der REDEMPTION ist nicht viel übrig geblieben. Es stimmt schon, was die Veteranen sagen. Wenn man viel mitschleppt, verliert man viel. Bücher hat die Bordbibliothek genug. Wenn du Sachen brauchst gibt es den Army-Store. Leichtes Gepäck ist besser. Schau dir Darkness an.“
„Klingt nicht sehr bequem.“
Kano grinste kurz: „Es ist Krieg. Und wenn du unbedingt etwas willst, dann wende dich an Radio. Ich glaube nicht, dass er seine Schwarzmarktgeschäfte aufgegeben hat, Lieutenant Commander oder nicht.“
„Was weißt ausgerechnet DU über den Schwarzmarkt?“ Das passte überhaupt nicht in das Bild, das sich Crusader von seinem Rottenführer gemacht hatte.
„Ich weiß, daß es ihn gibt. Und ich würde vorschlagen, du beeilst dich. Ich will jedenfalls duschen, bevor Darkness uns in die Simulatoren hetzt...“
Tyr Svenson
Der Abschied von Miramar war Donovan nicht sonderlich schwer gefallen. Auf der Basis hatte er sich zwar einigermaßen frei bewegen dürfen, doch brannte er doch wie alle anderen des Geschwaders darauf endlich auf ihren neuen Träger versetzt zu werden.
Als sie schliesslich den Befehl zum Ausrücken erhalten hatten, war Donovan einer der ersten an seinem Jäger gewesen.
Als die riesige COLUMBIA schliesslich in Sichtweite herangekommen war, verkniff sich Donovan – anders als einige seiner Staffelkameraden - jeglichen Kommentar, auch wenn er doch schwer beeindruckt war von dem Träger der Pegasus-Klasse. Dieses waffenstarrende Monstrum war atemberaubend und auch wenn er versuchte seine Verbitterung gegenüber der Navy aufrecht zu erhalten, so konnte er nicht abstreiten, dass dieses Schiff eine Augenweide für jeden Angehörigen der Navy war – Donovan mit eingeschlossen.
Als seine Maschine auf dem Flugdeck an seinem Bestimmungsort angekommen war, fuhr Donovan die Systeme herunter, öffnete das Kanzeldach und stieg vollkommen unbeachtet aus. Das Chaos schien von der COLUMBIA Besitz ergriffen zu haben, überall wimmelte es von frisch angekommenen Piloten und Crewmitgliedern. Das Flugdeck des Trägers schien zu summen wie ein großer Bienenstock. Niemand kümmerte sich um Donovan und auch er scherte sich nicht um die anderen.
Er wollte nur so schnell wie möglich zu seinem Quartier, raus aus dem Flightsuit und duschen. Noch wußte er nicht mit wem er seine Kabine würde teilen müssen, aber er hoffte schneller als derjenige zu sein, damit er sich verdrücken konnte, wenn sich sein Zimmergenosse häuslich einrichten würde.
Cartmell schulterte seinen Seesack und kramte nach dem Zettel mit seiner Quartiernummer. Auf dem Wisch war zwar die Kabinennummer eingetragen, aber natürlich keine Wegbeschreibung. Natürlich hatten Sie in Miramar Unterlagen über die COLUMBIA erhalten und er hatte daher auch eine grobe Idee, wie er zu seinem Quartier kommen würde. Aber offensichtlich galt das nicht für alle Neuangekommenen. Am Rande des Flugdecks war eine sehr große Papptafel aufgestellt worden, die mehrere Querschnitte der COLUMBIA zeigte und vor der sich eine große Traube Navymitglieder drängte.
Cartmell lachte innerlich über all diese Schafe und er hatte noch ein Lächeln auf den Lippen, als er sich noch etwas umsah und in einiger Entfernung seinen CAG stehen sah. Er nahm sich gerade einen Piloten vor, den Donovan als Albert Mbane, genannt Ace der Zweite, erkannte.
Augenblicklich fror Donovans Lächeln ein.
Da stand er inmitten seines Geschwaders, der Mann der sein höchster Vorgesetzter und sein Staffelführer war und der ihm offensichtlich aus dem Weg ging.
Während der letzten Wochen auf der Miramar Air- and Spacebase hatte er sich nicht einmal die Mühe gemacht persönlich mit Donovan zu reden. Sie hatten sich, wenn überhaupt nur unter Anwesenheit des gesamten Geschwaders oder zumindest ihrer Staffel gesehen. Sicher, der CAG hatte viel zu tun gehabt und auch Donovan hatte es nicht gerade darauf abgesehen, ihm über den Weg zu laufen. Aber trotzdem wurde er das Gefühl nicht los, dass da etwas Unausgesprochenes zwischen Ihnen in der Luft lag.
Im Augenblick war dafür sicher nicht die richtige Zeit, doch andererseits hatte Donovan nicht vor es noch weiter auf die lange Bank zu schieben.
Er nahm sich vor, dass wenn schon der Berg nicht zum Propheten kam, der Prophet eben zum Berge gehen musste.
Und mit diesem Gedanken im Kopf machte sich Donovan auf den Weg in seine Kabine.
****
Etwas später an diesem ersten Tag hatte sich Donovan, frisch geduscht und umgezogen, auf den Weg gemacht seinem Geschwaderkommandanten einen Überraschungsbesuch abzustatten. Donovans Zimmergenosse war noch nicht aufgetaucht, vielleicht hatte der andere Pilot gleich Dienst oder eine Staffelbesprechung gehabt. Aber im Grunde war das Donovan ganz recht so, denn dadurch hatte er in Ruhe seine wenigen Habseligkeiten verstauen können.
Als er den Gang erreicht hatte, indem sich Lone Wolfs Büro befand, überlegte er einen kurzen Augenblick das folgende Gespräch zu verschieben. Lone Wolf hatte als CAG sicher noch eine Menge zu tun, es war schliesslich ihr erster Tag in neuer Umgebung. Vielleicht sollter er lieber einen passenderen Moment abwarten…
Doch wenn er jetzt genauer darüber nachdachte, fragte er sich, warum er überhaupt Rücksicht auf Cunningham nahm. Wenn es Lone Wolf nicht passte, gut! Wenn es ihm sogar unangenehm war, umso besser!
Entschlossener denn je, das ganze endlich hinter sich zu bringen, hämmerte er gegen die Schottwand. Ein gedämpftes „Herein“ zeigte Donovan, dass er Glück hatte und dass der CAG tatsächlich in seinem Büro war.
Das Büro war in einem sauberen und ordentlichen Zustand. Noch zierten keine persönlichen Gegenstände den Schreibtisch oder die Kabinenwände, aber ein offener Karton aus dem vereinzelte persönliche Gegenstände herausragten, zeigten Donovan, dass das wohl bald noch kommen würde.
Lone Wolf blickte von seinem Stapel auf und ein kleines Zucken in seinen Augen verriet Donovan, dass ihm der Besuch im Moment tatsächlich gar nicht recht war.
Dann straffte sich sein Kommandant. „Was kann ich für Sie tun, Ensign?“
„Nana, warum so förmlich, Lone Wolf?“ begann Donovan frech, setzte sich ohne Gruß auf den freien Stuhl vor Cunninghams Schreibtisch und grinste ihn mit einem kalten Lächlen an. „Es ist zwar jetzt fast 10 Jahre her, aber ich wußte nicht das sich das Duzen verjähren würde, oder?“ Natürlich hatten sich Donovan und Lone Wolf während ihrer gemeinsamen Zeit auf der Gallipolli geduzt.
Lone Wolf antwortete zunächst nicht, sondern beobachtete seinen Untergebenen missbilligend. Es schien so, als ob ihn Donovan hatte überraschen können und das war ihm mehr als recht so. „Du hast Recht, Highball!“ begann er schliesslich und benutzte Cartmells früheres Callsign. „Reden wir über die Vergangenheit. Du hast dein altes Callsign abgelegt. Warum?“
Jetzt war es an Donovan verdutzt zu schauen. Sie hatten sich solange nicht gesehen, so viel war passiert, so viele unbeantwortete Fragen hingen zwischen Ihnen in der Luft und das erste was Lone Wolf interessierte war sein altes Callsign?
„Nachdem du mich im Stich gelassen hattest, bin bei den Hooker´s Pirates tausend Tode gestorben. Also ist auch Highball gestorben…“
Cunningham ging nicht weiter darauf ein. Im Gegenteil, er unterbrach Donovan. „Das SAR-Shuttle, das ich nach deinem Abschuss ordnungsgemäß angefordert habe, hat dich nicht finden können. Wenn Du jemandem die Schuld in die Schuhe schieben willst, dann probier es bei denen.“
„Klar, Wolf. Immer sind die anderen Schuld, nicht wahr? Dass DU einen Fehler gemacht hast, kommt dir wohl nicht in den Sinn?“
„Und wie stehts mit dir?“ Cunningham ging auf Donovans Provokation nicht ein. „Das dich eine altersschwache Mustang rausgeschossen hat, gibt dir nicht zu denken?“ warf er ihm stattdessen süffisant lächelnd an den Kopf.
Donovan ruckte wütend hoch „Es waren DREI! Drei gegen EINEN!!! Und … Und“ Auf einmal fehlten Donovan die Worte. Weswegen war er nochmal her gekommen? Hatte er nicht vor gehabt, Cunningham deutlich zu machen, dass das alles dessen Schuld gewesen war? Wollte er nicht kühl und überlegen aufzeigen, das es Lone Wolf gewesen war, der für seine jetzige Situation verantwortlich war?
Doch stattdessen stand er hier vor seinem Kommandanten, mit hochrotem Kopf und geballten Fäusten, während dieser seelenruhig vor ihm sass und alles an sich abprallen liess. Mit einem mal erkannte Donovan, dass das alles keinen Sinn hatte. Wie auch immer die Wahrheit aussah, was auch immer ihm zugestossen war nach diesem Einsatz, Cunningham war gar nicht daran interessiert es zu erfahren.
Und als ob Lone Wolf seine Gedanken gelesen hätte, lehnte er sich langsam in seinem Sessel zurück und erwiderte mit einer eisigen Schärfe in seiner Stimme. „Jetzt hör mir mal gut zu, Donovan. Was passiert ist, ist passiert. Nichts was wir jetzt sagen, kann das wieder rückgängig machen.“
Donovan stand immer noch und blinzelte ausdruckslos auf seinen lässig in seinem Sessel sitzenden Kommandanten herunter.
„Du bist von einem Navy-Gericht von dem Vorwurf des Hochverrats und der Piraterie freigesprochen worden. Von einem anderen Gericht bist du der schweren Körperverletzung für schuldig befunden worden. Das sind die Fakten.“
Cunningham legte eine kurze Pause ein, wohl um zu überlegen wie er weiter fortfahren sollte. „In beiden Fällen interessieren mich nicht die Umstände, die zu dem Frei- bezeihungsweise Schuldspruch geführt haben. Ich habe die wohl berechtigte Hoffnung, dass die jeweilige Jury am besten gewußt haben dürfte warum sie so entschieden hat. An irgendwelchen anderen Spekulationen beteilige ich mich nicht.“
`Ganz im Gegensatz zu allen anderen Mitgliedern dieses Geschwaders`, dachte Donovan bitter.
„Du bist Pilot in meinem Geschwader“ fuhr Cunningham fort „und als solcher hast du meine Befehle zu befolgen. Wenn Du dich weiter so respektlos gegenüber mir oder irgendeinem anderen deiner Vorgesetzten oder Kameraden verhältst, verspreche ich dir, das Du keine schöne Zeit hier an Bord haben wirst, verstanden?“
Donovan reagierte nicht sondern starrte Cunningham weiter fassungslos an. `Konnte jemand wirklich so aalglatt und kalt sein?`
„ICH HABE EINE FRAGE GESTELLT, ENSIGN!“ brüllte Cunningham unvermittelt und stand jetzt seinerseits abrupt auf.
„Ja, Sir. Ich habe verstanden“ gab Donovan resigniert zurück. Er hatte das Gefühl gegen soviel Abgebrühtheit nicht ankommen zu können.
„Wenn Du glaubst, das dir wegen früher irgendwelche Sonderrechte zustünden, irrst du dich. Du warst einmal mein Wingman, mehr nicht.“
Cunningham liess jetzt nicht locker, kam um den Tisch herum und baute sich direkt vor Donovan auf, sein Gesicht nur knapp 30 cm von seinem entfernt und seine Stimme war nicht sehr viel mehr als ein bedrohliches Knurren. „Ob es dir nun gefällt oder nicht, ich bin dein Kommandant. Entweder findest du dich damit ab, oder du wanderst früher oder später wieder in den Bau, ist das klar?“
Donovan´s Hass auf seinen Kommandanten verdrängte seine Resignation. „Ja, Sir!“ zischte er zurück und fixierte Cunningham aus hasserfüllten Augen.
„Gut, und jetzt weggetreten.“
Donovan salutierte betont schlampig, drehte sich um und verliess den Ort seiner neuerlichen Niederlage. Als er sich langsam auf den Weg zurück zu seinem Quartier machte, erkannte er, dass er nicht an Lone Wolf heran kommen würde, es sei denn er würde ihn erdrosseln.
Tyr Svenson
Ein neues Heim
Die Einweisung für Lightning dauerte nicht lange. Es gab ja auch nicht viel zu besprechen. Sie hatte nicht vor, sich zu beschweren, weil ihre Staffel den Patrouillendienst zugewiesen bekam. Mißtrauische Zeitgenossen hätten darin eine Schikane des Geschwaderchefs sehen können – schließlich hätte jeder Pilot sich wohl gerne mit seinem neuen Zuhause vertraut gemacht, als gleich wieder zu starten. Aber obwohl Lieutenant Commander im Umgang mit Lone Wolf dem Geschwaderchef grundsätzlich eher das Schlechteste unterstellte, war sie nicht sonderlich verstimmt. Sie beschloß es einfach so aufzufassen, daß ihre Staffel eben eine der besten des Geschwaders war – besser jedenfalls als die andere Abfangjägereinheit. Obwohl sie sich vorstellen konnte, daß Cunningham es kaum so ausgedrückt hätte. Aber es zählte nur, was für sie galt – mochte sich der Alte denken, was er wollte...
Das Flugdeck bot immer noch ein Bild des Chaos. Kein Wunder, immerhin waren Dutzende Maschinen zu versorgen, zu den Liften zu transportieren und wegzustauen, die Piloten schleppten ihre Sachen hierhin und dorthin – die Umgebung war vielen neu und unvertraut, etliche waren das erste Mal auf einem Pegasus-Träger. Sie wußte inzwischen, woraus die achte Staffel des Geschwaders bestehen würde - Crusaders und deren ECM/ ECCM Variante. Ein wenig säuerlich dachte sich: ,Wenn sie uns schon so einen Haufen Breitärsche schicken, dann hätten sie vielleicht auch eines unserer Miragegeschwader umrüsten können. Oder den Griphen und Phantoms endlich moderne Maschinen geben. Oder ein paar zusätzliche Reservemaschinen für die Jagdflieger...‘ Na ja, so waren sie halt. ,Hoffentlich machen sie um ihre Bulettenschmeißer nicht zuviel Gewese.‘ Als Abfangpilotin hatte sie klare Vorstellungen darüber, wer in der Nahrungskette des Kampffliegerökosystems an höchster Stelle stand...
Murphy war ja früher halbwegs erträglich gewesen, auch wenn sein Bibeltick ihrer Meinung nach nur etwas für einen Mann in Rente war. Aber das mochte auch daran liegen, daß sie eine recht laxe Anglikanerin war und keine stocksteife Katholikin...
Lilja war leicht zu finden. Die Russin war offenbar mit dem beschäftigt, was sie besonders gut konnte: sich Freunde zu machen. Sie kanzelte gerade einen Techniker ab – ihr Rang gab ihr da ziemlich viel Vollmacht – damit die Jäger der Staffel entsprechend versorgt wurden, den Piloten ihre Quartiere zugewiesen oder was auch immer. So chaotisch wie es hier zuging, war damit zu rechnen, daß es eine Weile dauern würde, bis alles geregelt war. Und Lilja gehörte zu der Sorte Leuten, die meinten, ein wenig Druck könne ihren Wünschen Nachdruck verleihen. Blackhawk grinste die Staffelführerin an: „Sie gibt sich ja richtig Mühe. Man könnte meinen, sie wolle dir deinen Posten wegschnappen.“ Lightning lachte mit. Lilja würde zwar alles tun, was man von ihr erwartete – aber der Gedanke an eigene Staffel hätte sie wohl mit mehr als nur gelinder Panik erfüllt. Die Russin schien sich nicht selten mit Versagensängsten herumzuschlagen. Schon ihre Aufgabe als XO ging sie allen Anschein nach mit verbissener Energie an. In etwa ebenso fanatisch wie den Angriff auf einen Akariibomber. Sie schien ständig zu fürchten, ihrer Verantwortung nicht voll gerecht zu werden. Das war zwar der Qualität ihrer Arbeit eher zuträglich, aber im Augenblick schienen ihre Ambitionen voll zufriedengestellt. Wenn sie welche hatte, außer der, sich weitere Markierungen auf die Flanke ihrer Maschine zu malen – und ihre Kameraden durchzubringen.
Als sie Lightning erblickte, ließ die Russin von dem Techniker ab und salutierte zackig. Lightning nickte nur und rief die Piloten zusammen: „Alle mal herhören! Der Alte will eine Patrouille draußen haben. Zwei Maschinen, kampfbereit. Und die Ehre haben wir.“ Sie sah, wie einige das Gesicht verzogen, und grinste: „Tja, er weiß eben, was er an uns hat.“ Das ließ einige müde lächeln. Die ,harmonische‘ Beziehung zwischen Lone Wolf und Lightning war nur zu bekannt. Aber sie waren offenbar entschlossen, zumindest so zu tun als glaubten sie ihrer Kommandeurin. Die fuhr gutgelaunt fort: „Nun, zu erwarten ist nichts. Aber bitte keine übermütigen Manöver oder so. Ich würde sagen, wir losen die Rotation aus.“ Lilja straffte sich: „Ich geh als Erste raus.“
Das schien Tyr nicht eben zu freuen – aber noch weniger zu überraschen. Er hatte schließlich erkannt, daß er mit der Staffelstreberin ,verheiratet‘ worden war. Wie man so sagte, bis daß der Tod...
Lightning akzeptierte das Angebot bereitwillig, aber nicht kommentarlos: „Du glaubst wohl, so dem Papierkrieg entkommen zu kommen.“ Sie schüttelte gespielt traurig den Kopf: „Meine eigene Nummer Zwei läßt mich feige im Stich, mitten in einer erbitterten Schlacht. Lilja, Lilja, daß gerade du mich verraten mußtest...“ Die anderen Piloten brachen in Gelächter aus, während die Russin etwas säuerlich dreinblickte, bevor sie sich anscheinend entschloß mitzuspielen und ein Gesicht wie eine ertappte Sünderin aufsetzte. Was das Lachen nur verstärkte.
Es stimmte freilich in gewisser Weise – zu Beginn einer solchen Verlagerung, an Bord eines neuen Trägers, kam auf die Staffelführung oft eine Menge zusätzlicher Arbeit zu. Das Büro und die Quartiere mußten ja noch bezogen werden, eventuell gab es Probleme mit der Unterbringung der Piloten, alles war neu und ungewohnt, hunderte von Dingen galt es zu bedenken, anzufordern, zu klären.
Imp setzte noch einen drauf: „Sie will bloß, daß ich ihr die Arbeit abnehme, ihr Quartier schon mal notdürftig herzurichten, das ist doch klar. Da würde sie doch lieber mit einem kaiserlichen Elitegeschwader kurbeln.“
Wieder lachten die Staffelmitglieder, während die XO in teils protestierender, teils kapitulierender Geste die Hände hob. Aber sie lachte mit – was selten bei ihr war.
Die Anweisungen an das technische Personal waren schnell erteilt – zwei Maschinen auftanken und aufmunitionieren, zwei weitere rechtzeitig für die Ablösung vorbereiten. Und dann mußten den Piloten die Quartiere gezeigt werden und...
Tyr trug sein Schicksal eher mit Gelassenheit. Er wußte noch nicht, bei wem er einquartiert werden würde – anders als viele anderen Geschwadermitgliedern war er ja nicht Teil einer festen Belegschaft, die nach Möglichkeit beibehalten wurde. Aber das würde sich schon rechtzeitig ergeben. Er trug nur Sorge, daß sein Gepäck mit der nötigen Vorsicht behandelt wurde. Wenn ein Hüne von zwei Metern jemanden darum bat, daß seine Sachen nicht in gewohnter Manier durch die Gegend geschleudert oder zur Seite gestoßen wurden, hörten die meisten Leute darauf...
So hoben die zwei Kampfflieger – der eine trug die weiße Lilie, der andere eine verschlungene Rune – schon kurze Zeit ab, nachdem sie gelandet waren. Bestückt mit je zwei Lenkflugkörpern des Typen Amram, Sparrow und Sidewinder und ,bis zum Stehkragen‘ aufgetankt. Zwischen den gewaltigen Rümpfen der Kriegsschiffe wirkten sie wie kleine Vögel, die auf den Rücken gewaltiger Bisons oder Elefanten ritten und jetzt, durch irgend etwas aufgeschreckt, davon flatterten. Andererseits – sie waren den Riesen nur zu oft Auge, Schild und Schwert. Woraus sich auch das ungebrochene Selbstbewußtsein ihrer Piloten speiste, daß so viele, nicht immer zu Unrecht, für Arroganz hielten.
Lilja empfand es als gewisser Verlust, daß sie nicht Vollschub geben konnte. Dazu gab es keine Notwendigkeit, und auf einem Patrouillenflug mußte Treibstoff gespart werden. Schließlich hatte man Stunden vermutlich ereignislosen Fluges vor sich. Außerdem hatte Lightning Kunstflugnummern verboten. Die Russin gehörte normalerweise nicht zu der Sorte Piloten, die unbedingt mit ihrem Können angeben mußten. Genauer gesagt verachtete sie dieses angeberische Gehabe sogar ein wenig. Es war auch nicht besser als Schausaufen oder ähnliches, und das war in ihren Augen ziemlich kindisches Imponiergehabe.
Aber diesmal juckte es auch ihr in den Fingern. Es war so lange her, daß sie einen voll kampfbereiten Jägern durch das Sternenmeer des Weltraums gesteuert hatte – und sie hatte das vermißt, als sie verwundet auf einem fremden Schiff nach Hause zurückgekehrt war. Sogar während des Urlaubs hatte sie diesen Augenblick herbeigesehnt. Er sagte ihr, daß die Akarii sie nicht kleingekriegt hatten. Ihr alter Träger, ihr Kampfflieger waren zerstört, nur noch Geschichte, Erinnerung. Aber sie war wieder voll im Einsatz, und sie würde es den Akarii heimzahlen! Dennoch, sie beherrschte sich, und durchforschte wachsam mit ihren Sensoren den Weltraum.
Sicher, sie gab Lightning Recht. Eigentlich war hier nichts zu erwarten. Was der Alte sich bloß dabei dachte? Wenn die Akarii oder Piraten HIER auftauchten, nun, also so schlimm stand es wirklich nicht. Aber Befehl war Befehl. Und so bekam sie ihren Freiflug. Sie genoß es, wie ihre Maschine auf die kleinste Handbewegung hin sich sacht von einer Seite auf die andere wiegte – ein perfektes Kunstwerk von Menschenhand. So zerbrechlich und fragil, und doch so voller Kraft und tödlicher Eleganz. Deshalb liebte sie die Abfangjäger. Es gab kaum eine Maschine, die es mit der ihren an Wendigkeit und Geschwindigkeit aufnehmen konnte. Andere mochten bessere Waffen, stärkere Schilde haben – aber sie konnte sie alle hinter sich lassen oder fiel zumindest nicht hinter sie zurück. Einzig die Reaper der Akarii war noch agiler und rasanter. Sie hätte gerne einmal so eine Maschine ausprobiert – auch wenn sie die Echsen abgrundtief haßte, und ihre Jäger auch. Die feindlichen Jäger hatten gleichzeitig eine Eleganz und Schönheit, die das Herz jedes Piloten ansprachen, was er auch immer über ihre Piloten dachte.
Tyr war wesentlich nüchterner. Er ahnte nichts von den Gedanken, die seine Flightleaderin bewegten, und hätte ihr derartige ,Gefühlsduselei‘ auch kaum zugetraut. Er hatte den Weltraum schon oft erlebt, als friedliches, ruhiges Meer, als unergründliche Tiefen, die dunkle Geheimnisse bargen, die nicht für Menschenaugen bestimmt waren – und auch als Schlachtfeld. Auch wenn das lange zurück lag, und seine Vorgesetzte in der Hinsicht ihm weit voraus war. Ihn konnte wenig beeindrucken. Er machte sich eher Gedanken über die Zukunft. Es war wohl ausgemacht, daß es an die Front ging. Und auch wenn er den ,Veteranen‘ einiges zutraute und wußte, daß die Miliz ihr Handwerk halbwegs beherrschte – es war auch eine Menge ,Grünzeug‘ an Bord. Und nach allem, was er von seinen Kameraden gehört hatte, vertilgten die Akarii solches Gemüse gerne zum Frühstück. Was bedeutete, halb und halb stand auch er auf ihrer Abschußliste – denn gegen die Echsen fehlte es ihm an Erfahrung.
Ein Glück, daß er kein Neuling mit einem Ego größer als ein Träger der Uniform-Klasse war. Denn dann hätte er vermutlich danach gegiert, mit seiner Vorgesetzten gleichzuziehen. Eine sichere Fahrkarte in die Hölle, soviel war sicher.
Nein, besser, er verfiel erst gar nicht in solche Spinnereien. Es hatte Lilja ebenso wie die anderen Veteranen Monate gekostet, ehe sie ihre Abschüsse zusammen hatten. Und viele Piloten waren auf der Strecke geblieben, keineswegs nur Akarii. Besser, er bemühte sich alles zu lernen, und blieb vorerst bescheiden. Von seiner Karriere erwartete er sowieso nicht viel. Die Navy wollte ihn an der Front und zahlte dafür – die Frontzulage würde er sicher gut gebrauchen können, es gab gewiß angenehme Möglichkeiten, sie durchzubringen. Nun, die Navy würde auch was dafür bekommen. Aber für Märtyrertum zahlte sie noch lange nicht genug, auch wenn einige Staffelmitglieder das anders sahen. Aber für Einar Haugland war der beste Soldat der vorsichtige Soldat, weil überlebender Soldat bei Kriegsende. Oh, er würde Lilja nicht im Stich lassen. Aber wenn er hörte wie manche etwa über den Heldentod dieses Ace redeten – nun, SO etwas war nicht seine Sache. Zumeist war derartiges auch nur überhastete Reaktion auf eine Situation, die man mit etwas Hirnschmalz auch anders hätte lösen können. Nun ja – das war nicht seine Sache. Ein Platz auf der Gedenktafel der Helden war eine schöne Sache, doch das Grab im Weltraum war kalt und einsam...
Er blieb an Liljas Seite und wachsam, ebenso wie sie – seine Pflicht würde er jedenfalls erfüllen.
Tyr Svenson
Captain Mithel hielt sich aufrecht. Die Hand mit der Waffe zitterte nicht. Er verschmähte es, mit beiden Händen zu schießen. Bei den rückstoßarmen Laserwaffen war dies eigentlich auch nicht nötig. In schneller Folge betätigte er den Abzug der schweren Dienstpistole. Eine kurze Serie von sechs Schüssen, dicht hintereinander.
Auch links und rechts von ihm wurde gefeuert. In früheren Zeiten, in der Ära der automatischen Feuerwaffen, hätte man sich hier höchstens mit Kopfhörern aufhalten können, aber hier war nicht viel zu hören. Dennoch waren die Waffen von tödlicher Durchschlagskraft, zumindest gegen leicht gepanzerte Ziele.
Der Kommandeur kontrollierte seine Erfolge – insgesamt nicht schlecht, zwei Volltreffer und drei Nahschüsse, nur eine Fahrkarte. Er machte sich keine Illusionen über seine Schießkünste – richtig glänzen konnte er damit nicht. Wenn man an die Marines dachte - die schossen auf die Entfernung so gut wie nie daneben. Für einen Captain, der eigentlich nicht damit rechnen mußte, daß ihn der Ernstfall dazu zwang, eine Waffe in die Hand zu nehmen, war es aber ziemlich gut. Ein Erbe seiner Dienstlaufbahn „von unten“. Auch wenn er heute eher mit Waffen kämpfte, oder besser kämpfen ließ, deren Feuerkraft ungleich größer war, so vernachlässigte er seine alten Kenntnisse nicht völlig.
Weniger, weil er glaubte sie noch einmal brauchen zu können, oder weil er aus Leidenschaft schoß. Aber wenn der Kapitän eines Schiffes Waffenübungen für alle – und das meinte genau das, ALLE, inklusive Küchenbüllen und Sanitäter – verordnete, dann sollte dieser Kapitän auch mit gutem Beispiel vorangehen, ebenso seine Offiziere.
Deshalb befand er sich hier in der Trainingshalle der Marines, ebenso wie etliche seiner Bordoffiziere. Alles eine Frage der Psychologie und Symbolik. Obwohl ihm nicht viel Zeit dazu blieb, schließlich hatte er ein Schiff mit mehreren hundert Mann Besatzung zu führen. Aber wenn man außer dem Dienst kaum ein Hobby hatte, blieb gerade noch genug Platz in Terminkalender für solche außerplanmäßigen Dinge...
Ein Glockenton verkündete das Ende der Übung. Gleichzeitig wurden auf einer Anzeige die Ergebnisse eingeblendet. Der Captain gestattete sich ein schmales Lächeln, als er feststellte, daß er an dritter Stelle kam. Nicht schlecht – zumindest im Vergleich zu seinen Offizieren konnte er also durchaus mithalten.
Die Waffen wurden vorschriftsmäßig gesichert und überprüft, bevor die Offiziere den Übungsbereich verließen. Trotz solcher Vorsichtsmaßnahmen kann es hin und wieder zu Unfällen mit Dienstwaffen, ein Problem jeder Armee. Die Pistolen mußten gesichert und im Holster verstaut werden – seitdem Mithel Einsatzbereitschaft angeordnet hatte, war das Tragen Pflicht. Er wollte jedoch nicht so weit gehen und Unfälle riskieren.
Der Captain neigte leicht den Kopf, als er der Siegerin gratulierte: „Sehr gute Leistung, Lieutenant Commander Alverado. Wirklich gut geschossen.“ Die junge Frau lief rot an, dann straffte sie sich und salutierte. Lob aus dem Munde des Kapitäns war nicht sehr häufig zu hören, und sie hatte zu Beginn ihrer Dienstzeit an Bord der RELENTLESS zweimal einen Verweis von Mithel kassiert. Vermutlich bedeuteten ihr deshalb seine Worte einiges.
Trotz seines recht guten Abschneidens war Chris Mithel freilich nicht recht zufrieden. Er wußte, die Leistungen seiner Besatzung waren recht gut, auch auf diesem Feld. Aber sollte das Schiff geentert werden, würden Pistolen nicht viel ausrichten können gegen die gefürchteten Akariimarines. Es war zu erwarten, daß die Akarii in einem solchen Fall genau wußten, wie sie vorzugehen hatten. Der innere Aufbau eines Schiffes war nicht so geheim – und die Echsen hatten mit Sicherheit einiges an Informationen bei ihrem Überraschungsangriff erbeutet. Auch waren etliche wracke Kreuzer zurückgeblieben, die man untersuchen konnte. Und es gab Gerüchte, bei Jollahran sei mindestens ein Erdkreuzer von den Akarii erbeutet worden. Obwohl Mithel durchaus nachvollziehen konnte, daß ein Schiffskommandeur eine Verantwortung seinen Leuten gegenüber hatte – das eigene Schiff dem Feind auszuliefern, so etwas war ihm unverständlich.
Sicher, es war nicht wahrscheinlich, daß es zum Nahkampf an Bord des Kreuzers kam. In heutigen Zeiten würden Schiffe zehnmal öfter zum Wrack geschossen, als daß jemand versuchte, sie zu erobern. Immerhin lagerten in den Magazinen hunderte von Atombomben, und da war es ziemlich riskant, eigene Marines hinüber zu schicken. Gelegentlich kam es jedoch vor. Ein erbeutetes Schiff war immer eine wahre Schatzkammer, was Informationen über den Gegner betraf. Wo lagen die Schwachstellen seiner Schiffe? Wie lebte die Besatzung? Konnte man vom Feind etwas lernen?
Bisher lagen jedenfalls die Akarii in dieser Hinsicht deutlich vorne. Würde es den Menschen gelingen, genug feindliche Schiffe zu erobern, dann konnten vielleicht Schwachstellen entdeckt werden, die den Technologievorteil des Gegners aufhoben. Aber das war zweifelhaft.
Noch war nicht heraus, ob die terranische 2. Flotte den Feind erwarten oder ihn angreifen würde. Alle Anzeichen – und zahllose Gerüchte – deuteten auf einen Angriff der republikanischen Streitkräfte hin, wobei es über das Ziel nicht mehr als Spekulationen gab. Die Zahl der versammelten Schiffe, darunter einige Truppentransporter, ließ vermuten, daß es um einen „dicken Fisch“ ging, nicht nur um einen kurzen Raid ins Hinterland. Einige träumten bereits von der Rückeroberung Mantikors, doch dort sollten nicht weniger als sechs Uniforms der imperialen Flotte samt ihren Begleitschiffen stationiert sein. Möglicherweise waren es auch mehr. Dem war man noch nicht gewachsen, falls man es in absehbarer Zeit überhaupt seien würde.
Nur wenige Gerüchte hielten es für möglich, daß man sich auf einen großen Akariiangriff vorbereitete. Seit der Schlacht von Jollahran waren die Hoffnungen der Menschen etwas gestiegen. Es hatte den Anschein, als habe man den Gegner gestoppt – und viele brannten auf Angriff. Mithel sah dies mit Sorge. Nicht nur einmal in der menschlichen Geschichte hatten vorzeitige, zu ehrgeizige Angriffspläne fatale Folgen gehabt. Nur weil einige Leute nicht die Geduld gehabt hatten, abzuwarten. Wer nicht wagte, der gewann nicht, doch wer alles wagte, verlor oft genug auch alles. Sicher, es war hier eine gewaltige Feuerkraft versammelt. Allein das Kreuzergeschwader, dem er angehörte, hatte ein ungeheures Vernichtungspotential. Eine einzige Breitseite würde aus nicht weniger als 90 Exocet- und 120 Harpoon-Marschflugkörpern bestehen. Die Sprengkraft EINES dieser Flugkörpers genügte vermutlich, ein leichtes feindliches Schiff zu vernichten. Aber so ähnlich hatte es bei Mantikor auch ausgesehen – wo die Akarii die republikanische Flotte aus dem System gejagt hatten.
Mithel war nie eine Spielernatur gewesen. Aus diesem Grund wollte er für alle Eventualitäten vorbereitet sein. Deshalb die erhöhte Kampfbereitschaft, die Schutzwesten, die Schießübungen.
Während er auf dem Weg zu seinem Büro war, grübelte der Captain darüber nach, was noch zu tun sei. Ein Captain mußte seine Mannschaft auf Trab halten. Er mußte ihr den Ernst der Situation klar machen, und vor allem mußte er ihr das Gefühl vermitteln, daß der Mann an der Spitze sein Handwerk verstand. Zuneigung, ein freundschaftliches, kameradschaftliches Verhältnis – das war entbehrlich. Aber die Untergebenen mußten davon überzeugt sein, daß ihr Kapitän alles notwendige tat, um sie lebend und siegreich nach Hause zu bringen. Sie durften natürlich auch selber nicht nachlässig werden.
In Gedanken machte Mithel unablässig weitere Notizen. Die Zahl der Notlampen mußte erhöht werden – im Gefechtsfall fiel oft die Beleuchtung als erstes aus, besonders wenn der Gegner ein Schiff sturmreif schoß. Wenn die Reparatur- oder Kampftrupps dann zum Einsatz kamen, mußten sie die Möglichkeit haben, sich in der Dunkelheit zu orientieren. Marines hatten Nachtsichtgeräte, die wesentlich effektiver als die beste Lampe waren. Aber Mithel wußte, eher ginge ein Kamel durch ein Nadelöhr, als daß man ihm für jedes Besatzungsmitglied ein solches Gerät zuteilen würde. Also blieben die Lampen...
Dann mußten ausreichend Waffen bereitgelegt werden. Die Dienstpistolen würden im Falle eines Enterns nicht genügen – also mußten Lasergewehre und Handgranaten an neuralgischen Punkten deponiert werden, damit die Besatzung sich zur Not bewaffnen konnte. Natürlich unter Verschluß, denn bei den hunderten Mann besatzung an Bord eines Schiffes konnte immer ein "fauler Fisch" dabei sein. Aber im Ernstfall mußten die Waffen leicht erreicbar sein. So würde die Besatzung den Gegner wenigstens etwas aufhalten können.
Wichtiger aber war auch hier, daß sie vor allem das Gefühl hatten, im Notfall – mit dem er nicht rechnete – nicht ganz wehrlos zu sein. Gleichzeitig würden sie die Eventualität eines feindlichen Angriffs immer vor Augen haben. Das würde verhindern, daß sie in Routine verfielen.
Und er mußte sich etwas wegen der Treppen überlegen. Im Falle eines Enterangriffes würden die Akarii vermutlich dort vorrücken. Lifte fielen schnell aus und waren leicht zu blockieren, sie konnten zu reinsten Todesfallen werden. Natürlich konnte man noch durch die leeren Schächte vorrücken...
Ein Kreuzer war keine Festung. Er war eher eine Kleinstadt, und wenn die Mauern erst einmal überwunden waren, war es schwer, den Gegner wieder hinauszuwerfen. Außer, man zündete die ganze Stadt über dem eigenen Kopf an und verbrannte zusammen mit den Angreifern...
Doch dies war bei weitem nicht das einzige, worüber er sich Gedanken machte. Eigentlich nur ein Stein, der ihm im Schuh drückte, wie man so sagte...
Wie alle Kapitäne, wie vermutlich selbst der letzte Matrose, grübelte er darüber nach, WANN, WO und WIE sie zuschlagen würden. Viel, sehr viel hing davon ab. Er hatte von daheim gehört, daß der Kriegskurs keineswegs unumstritten war. Die Flotte und die Regierung brauchten Siege, um sich zu legitimieren. Ein eindeutiger Sieg würde die Friedensbewegung schwächen, der Präsidentin neue Popularität bringen. Mit einem Sieg konnte man vielleicht wirklich erste Fühler zu den Akarii ausstrecken. Denn so und nicht anders wurde Frieden gemacht – mit der stählernen Faust in Reserve, die dem Feind Vernichtung androhte, falls er nicht aufgab.
Mithel machte sich keine Illusionen. Krieg bis zum Gesamtsieg – das würde schwer werden. Die Akariiflotte war stark, sehr stark. Sie war der menschlichen zahlenmäßig vermutlich mindestens ebenbürtig. Natürlich mußten die Akarii auch andere Grenzen bewachen, mußten Krieg gegen die Konföderation führen – das band Kräfte. Und das Akar-System mußte beschützt werden – ebenso wie Terra von der Republik nicht entblößt wurde. Wenn die Akarii erst einmal mit dem Rücken zur Wand kämpften, dann konnte der Krieg sich Jahre hinziehen. Vermutlich waren beide Seiten nicht in der Lage, die andere schnell und eindeutig zu schlagen und schnell ins Zentrum vorzustoßen. Oder besser – er war sich ziemlich sicher, daß die Menschen dazu nicht in der Lage waren.
Also würde man die Akarii vermutlich nicht völlig zu Boden zwingen können, ebenso wenig, wie sie vermutlich vorhatten, jede Welt der Republik zu erobern. Die stärkere Seite würde einen Frieden diktieren – und hier begannen die Schwierigkeiten. Denn es mußte ein akzeptabler Frieden sein, der dem Unterlegenen eine echte Chance bot. Doch gleichzeitig mußte der Frieden den Krieg und alle seine Opfer rechtfertigen. Die öffentliche Meinung würde nur schwer weniger als einen Frieden akzeptieren wollen, der einen erneuten Überraschungsschlag unmöglich machte. Aber wie dann verhindern, daß dies Formen annahm, die für die Regierung, und viellecht ebenso wichtig die Flotte, der Akarii unannehmbar waren?
Der Frieden würde also vermutlich hart werden. Und einen solchen Frieden erreichte man am besten dann, wenn man dem Gegner einen großen Sieg präsentierte, und mit weiteren Siegen drohte. Die Alternative vor Augen, noch mehr zu verlieren und am Ende die Bedingungen diktiert zu bekommen, mochte dann den Schwächeren zum Nachgeben zwingen. So die Theorie – sie hatte in der Geschichte mindestens so oft versagt wie funktioniert. Alternativen dazu gab es jedoch nicht.
Der Captain grinste säuerlich – nun, wenn Wünschen helfen würde, dann würde die imperiale Armee die Flotte für Niederlagen verantwortlich machen und einen Frieden auf deren Kosten durchsetzen. So wenig man über die Akarii wußte, die Rivalität zwischen Armee und Flotte wurde als sicher angesehen. Aber so weit würde das wohl doch nicht gehen. Oder der Kaiser nutzte den Frieden, um die Streitkräfte zu entmachten oder...
Wenn man nur mehr über die Akarii gewußt hätte! Alles, was man überlegte, alles, was er selber dachte, basierte auf sehr fragmentarischem Wissen. Es gab keine Anzeichen dafür – und die politische und militärische Führung der Republik handelte auch nicht so – als ob man auch nur EINEN „Mann auf Akar“ hatte. Wie sollte man da ein Konzept entwickeln?
Eines war sicher – er beneidete die politische Führung nicht. Vor sich die imperiale Flotte, hinter sich die nur teilweise sichere Heimatfront mußte sie mit verbundenen Augen durch ein Minenfeld laufen. Und ein Fehltritt würde fatale Folgen haben. Dieser Krieg an sich war eine solche Katastrophe, zu verdanken der unsicheren Politik und den alten, dummen Männern im Flottenstab, die nur daran gedacht hatten, ihre geliebten Lexington-Träger bewilligt zu bekommen. Jetzt rächte sich das. Die Führungen hatten Fehler gemacht – und es würde auch an seinem Schiff, seiner Besatzung, und auch ihm selbst sein, diese Fehler auszugleichen. Wenn das möglich war. Er hoffte es, doch meistens – im geheimen – überwogen Zweifel. Zumindest zu sich selbst konnte er ehrlich sein. Zu anderen hingegen...
Der Captain schritt straff aus, den Rücken durchgedrückt, den scharfen Augen entging nichts. Ihm war anzusehen, daß er vom Erfolg seiner Mission, seines Schiffes überzeugt war – so sahen ihn seine Leute.
Tyr Svenson
Die Gedanken von Juliane Volkmer jagten sich. Die letzten Tage waren für sie wie im Rausch vergangen. Wie im Absynthrausch, wohlgemerkt, einigermaßen ausgewogen aufgeteilt auf Freude und Leid.
Mit der Ankunft auf der COLUMBIA hatte ihr Arbeitspensum noch einmal deutlich zugenommen, eine Staffel führte sich schließlich nicht von selbst.
Aber der Träger selbst war ein mittelschweres Wunder. Gegenüber der MARYLAND brauchte sich dieser Riese jedenfalls nicht zu verstecken, obwohl der Leichte Träger schon topmodern gewesen war.
Gegenüber der guten, alten REDEMPTION aber war der Vergleich in etwa so ungerecht als würde man Fort LEXINGTON mit PERSEUS Station vergleichen.
Doch auch dieser Rausch ging vorbei, Routine griff und verschaffte ihr die lebensnotwendige Zeit, um auch mal außerhalb der kargen Schlafenszeit zu ein wenig Ruhe zu kommen.
Überhaupt, die Aktenstapel, welche sie immer dann in Angriff nahm, sobald keine Übung, Schulung oder Briefings stattfanden, schienen sogar abzunehmen.
Zeit, das kostbarste Gut überhaupt.
So langsam beschlich Juliane der Verdacht, dass die Navy diese Aktenberge absichtlich anhäufte – damit die Führungsoffiziere gar keine Zeit haben konnten, um negativ aufzufallen oder einen Fehler zu begehen.
Nun aber hatte sie sich ein paar Minuten erkämpft, und diese gedachte sie zu einem Vorhaben zu nutzen, welches sie nun schon seit Monaten vor sich her schob. Und welches dringend erledigt werden musste.
Ihr ganz persönlicher Gang durch die Spießruten.
Als sie an der Bürotür von Diane Lightning Parker klopfte, der Kommandeurin der Grünen Staffel, der Schwesterstaffel ihrer Blauen Typhoons, gab sie sich einen Ruck, die Sache jetzt auch durchzustehen.
Nach dem Herein öffnete Juliane die Tür und trat ein.
Da sie beide dienstranggleich waren, beließ es die Staffelkommandeurin der Blauen mit einem Nicken und verzichtete auf einen Salut. Zwar war sie Dienstjünger im Rang, aber das sollte sich nach der letzten Feindfahrt relativiert haben.
„Huntress. Schön, Sie zu sehen. Kann ich was für Sie tun?“ Diane deutete auf einen der beiden freien Stühle vor ihrem mehr als karg ausgestatteten Schreibtisch. Sie erhob sich und ging zur Kaffeemaschine. „Kaffee? Den besten Freund des aufmerksamen Navyoffiziers?“
Juliane schüttelte den Kopf, setzte sich aber.
Die Kommandeurin der Grünen schenkte sich selbst eine Tasse ein und setzte sich wieder.
„Was liegt Ihnen auf dem Herzen?“, fragte sie in dem Tonfall, den große Schwestern benutzten, wenn sie wissen wollten, wo sie der kleinen Schwester das bunte Pflaster hinkleben sollten.
„Ich hasse Sie“, stellte Huntress fest.
Diane Parker riss die Augen auf. „Was, bitte?“
„Ich hasse Sie, Lightning“, wiederholte Juliane.
Sie beugte sich leicht vor. „Ich hasse Sie, weil Sie mir unbedingt zur Hand gehen wollten, als ich das Kommando über die Blauen bekommen habe.
Ich hasse Sie, weil Sie mir gezeigt haben, was der Unterschied zwischen einem XO und einem Staffelchef ist.
Ich hasse Sie, weil Sie mir sinnvolle Tipps gegeben haben.
Ich hasse Sie, weil mir diese Tipps mehr genützt haben, als ich sagen kann.
Ich hasse Sie, weil Sie Zeit von Ihrer eigenen Staffel verloren haben, nur um für meine Kindermädchen zu spielen.
Ich hasse Sie, weil Sie mit traumwandlerischer Sicherheit meine Schwächen entdeckt, bloßgelegt und eliminiert haben.
Ich hasse Sie, weil Sie die ganze Zeit besser waren als ich.
Ich hasse Sie, weil Sie Lightning sind, die Unfehlbare.
Ich hasse Sie, weil ich ohne Ihre Nachhilfe mehr als einen Piloten verloren hätte.“
Juliane lehnte sich wieder zurück.
„Dies ist ein neuer Träger, eine neue Situation. Ich erwarte, dass Sie sich in Zukunft aus meiner Staffel raushalten. Sie sollten mehr als genug mit Ihren Grünen zu tun haben, um mir auch noch Zucker in den Arsch zu blasen.
Und ich will keine Tipps mehr von Ihnen hören, egal ob gut gemeint oder nicht. Nach Jollahran kann ich den Stoff, oder ich ersticke daran.“
Lange Sekunden gingen ins Land. Die beiden Frauen sahen sich in die Augen. Lightning war der Kaffeebecher aus der Hand gefallen, sie hatte es nicht einmal bemerkt.
In ihrem Gesicht tobten die Emotionen. Endlich fragte sie: „War es das, Huntress?“
Die Kommandeurin der Blauen erhob sich. „Nein, das war es noch nicht.“
Juliane ging vor die Tür, bückte sich und nahm etwas auf.
Danach betrat sie wieder das Büro. In der einen Hand hielt sie einen riesigen Blumenstrauß.
In der anderen eine sehr große Schachtel eines beliebten terranischen Konfektherstellers.
„Eins habe ich noch, Lightning“, brummte sie. Ihr harter Blick wurde freundlich, geradezu sanft. „Danke, Lieutenant Commander. Danke für Ihre Hilfe.“
Sie drückte der verdutzten Offizierin die Blumen und die Pralinen in die Hände.
Danach umarmte Juliane die andere kurz.
Sie ging zur Tür, drehte sich für einen kurzen, aber korrekten Salut um, und verließ das Büro.
Fortan würde sie keine Einmischung in die Interna der Blauen mehr dulden. Und dies vor allem auch deswegen, weil dies Zeit für die Grüne Staffel bedeutete, die sich die Teamarbeit erst erarbeiten musste, welche ihre Jokers for REDEMPTION schon besaßen.
„Hoffentlich ist die Schokolade ihre Sorte“, brummte Huntress und machte sich auf den Weg in ihr eigenes Büro. Sie konnte Demolisher mit dem Papierkram ja nicht alleine lassen.
Tyr Svenson
Zimmergenossen
Vor sich hinfluchend und in Gedanken versunken war Donovan auf dem Weg zurück zu seiner Kabine. In erster Linie war er wütend auf sich selbst, hatte er sich doch das Heft aus der Hand nehmen und sich wie ein tölpelhafter Amateur von Cunningham zusammenfalten lassen.
Aber er war auch weiterhin wütend auf seinen Geschwaderkommandanten. Gewissenlos hatte dieser sich seine eigenen Wahrheiten zurechtgelegt und schien damit auch ganz gut leben zu können. Kein Wunder, hatte er es doch auf diese Weise geschafft Karriere zu machen.
Und Donovan war wütend auf das Schicksal und auf die Ungerechtigkeiten des Lebens. Er wußte, dass er gut war, sonst hätten sie ihn gar nicht erst aus dem Knast geholt. Und obwohl er sich im Moment nicht einmal sonderlich anstrengte gehörte er zu den besseren in seiner Staffel. Aber registrierte das überhaupt irgend jemand? Interessierte sich überhaupt jemand dafür? Nein, er war sich sicher, dass es nichts gab, dass er hätte tun können um seinen Makel aus der Vergangenheit tilgen zu können. Sie würden weiter alles daran setzen ihn fertig zu machen. Und selbst die, die ihm gegenüber zumindest nicht negativ eingestellt waren, trauten sich nicht in seine Nähe, weil sie den Zorn ihrer Kameraden fürchteten.
In diesen Gedanken versunken, öffnete Donovan das Schott zu seiner Kabine. Ein neuer Seesack war halb geöffnet in der Mitte des Quartiers zu sehen.
`Mein Zimmergenosse ist also endlich angekommen`, dachte Donovan und spielte für einen kurzen Augenblick mit dem Gedanken gleich wieder kehrt zu machen und später wieder zu kommen. Da er aber nicht die geringste Idee hatte, wo er hingehen sollte, entschloss er sich doch herein zu kommen und die schloss die Tür hinter sich.
In dem Augenblick, in dem er sich wieder umdrehte, kam ein Hüne durch die Tür aus der Nasszelle und es dauerte nur einen Bruchteil einer Sekunde, bis es Donovan dämmerte, wer da vor ihm stand. Auch wenn Donovan keine Freunde an Bord hatte, konnte er eins und eins zusammenzählen. Und an Hand der Verletzungen, die der vor ihm stehende Riese sich in Miramar eingehandelt hatte, wusste er wer für den Angriff auf Ihn verantwortlich gewesen sein musste.
Auch in Tyr Hauglands Augen konnte er das Erkennen aufblitzen sehen. Er hatte sich offensichtlich gerade frisch gemacht und hatte ein großes weißes Handtuch um seinen Nacken geschwungen. Seine beiden Pranken hielten je ein Ende des feuchten Handtuches umschlungen und lösten sich in dem Moment, in dem sein gesamter Körper sich anspannte und nach vorne schnellte um Donovan zu packen. Wahrscheinlich vermutete der große Pilot, dass Donovan gekommen war um sich bei Ihm zu rächen und so ging er ohne lang zu fackeln zum Angriff über. Donovan stand mit dem Rücken am Schott, an eine Flucht war nicht zu denken. Und noch bevor er einen Mucks heraus bekam, hatten ihn Hauglands kräftige Hände bereits am Kragen gepackt, emporgehoben und ihn gegen das Schott gepresst.
Donovan konnte gerade noch so die beiden freien Enden des Handtuchs fassen, stiess sich mit den Füssen vom Schott ab und zerrte im selben Augenblick am Handtuch. Die Kopfnuss, die er Haugland auf diese Weise verpasste, war höchsteffektiv.
Der Riese lies ihn los und fasste sich instinktiv an den Kopf. Donovan fiel knapp 10 cm zu Boden, liess aber das Handtuch nicht los, so dass auch Haugland sich mit nach vorne beugen musste. Blitzschnell riss Donovan sein Knie empor und traf den grunzenden Piloten in den Weichteilen, so dass dessen Krümmung gen Boden noch zunahm. Die Gelegenheit des momentanen Benommenseins seines Kontrahenten packte Donovan am Schopfe und schlang das Handtuch nun ganz um Hauglands Hals. Gerade als er ihn dann etwas zum Röcheln bringen wollte, schossen Hauglunds Arme wieder blitzschnell empor und drückten nun ihrerseits Donovans Kehle wie riesige Schraubstöcke zu. Gleichzeitig wuchtete der Riese seine Schulter gegen seinen Gegner, so daß der mit der Wucht eines Vorschlaghammers gegen die Wand gedrückt wurde.
Donovan erwiderte den Druck dadurch, dass er mit voller Wucht am Handtuch zog und somit liess auch Hauglands Griff ein wenig nach. Aber nicht genug um zu verhindern, dass Donovan spürte, wie ihm selbst die Luft wegblieb.
Beide versuchten sich nun mehrfach aus dem Griff des jeweils anderen zu befreien, in dem sie sich gegen die Schottwände warfen, aber sie schienen sich wie zwei Pitbulls ineinander verbissen zu haben. Donovan legte all seine Wut und seinen Frust in seine Arme und konnte damit verhindern, von Hauglund zerquetscht zu werden. Aber auch aus der Kehle seines Gegners klang ein beinahe raubtierhaftes Knurren, und auch wenn dem Schweden die Luft zunehmend knapp wurde, gab er nicht nach. Schliesslich aber fehlte beiden die Kraft um sich noch weiter hin- und herzuschleudern, so dass sie an eine Schottwand gekauert stehen blieben
und sich nun beide darauf konzentrierten einander zu erdrosseln.
Er konnte nicht sagen, wie lange die beiden sich gegenseitig die Luft abdrückten und wer von Ihnen die Oberhand behalten würde. Doch als lila Flecken vor seinen Augen zu tanzen begannen, quetschte er ein „Lass los“ hervor.
Haugland, dem es nicht sonderlich besser zu gehen schien, antwortete mühsam „Du zuerst“. „Auf Drei“ schlug der kleinere der beiden Piloten gepresst hervor und Haugland nickte mühsam.
„Eins…Zwei…Drei“ röchelte Donovan und da Hauglund dasselbe tat, gingen beide erst einmal in die Knie und holten tief Luft. Donovan sog den wohltuenden Sauerstoff so tief in seine malträtierten Lungen, dass er husten musste. Alles drehte sich und er brauchte ein paar Sekunden um endlich wieder klar sehen zu können.
„Verpiss dich… aus meiner Kabine…, du verfluchter Pirat“ keuchte Haugland.
„Das ist… auch meine… Kabine…“
Das schien den Riesen seinen weit auf gerissenen Augen nach zu urteilen ehrlich zu erstaunen. Anscheinend hatte er gedacht, dass Donovan in seine Kabine gekommen war um eine alte Rechnung zu begleichen. Dass jemand auf die wahnwitzige Idee gekommen war, die beiden Streithähne in eine gemeinsame Kabine zu verlegen, auf diesen Gedanken war der Hüne wohl nicht gekommen.
„Das… das… kann nicht…“
„Doch“ unterbrach ihn Donovan und zeigte nach oben auf seinen Seesack, den auf der oben liegenden Koje deponiert hatte.
Haugland schüttelte den Kopf und schien zu überlegen. Er rappelte sich langsam auf und ein teuflisches Grinsen bildete sich in seinem breiten Gesicht.
„Für die Aktion landest Du da hin, wo Du hingehörst: In den Bau!“
„Du hast mich zuerst angegriffen.“
„Das weiss keiner.“
„Genau, also steht Aussage gegen Aussage.“
Ein triumphierendes Lachen entfuhr Hauglunds Kehle. „Hah! Was glaubst Du wem sie eher glauben werden? Einem vorbestraften Piraten wie dir oder einem unbescholtenen Piloten wie mir?“ Die Stimme klang bei dem Wort „unbescholten“ zwar gelinde sarkastisch, aber das änderte nichts an der Grundaussage.
Eiskalte Panik floss Donovan durch die Adern. Haugland hatte Recht, im Zweifel würden sie wohl eher dem ehemaligen Milizpiloten glauben als ihm. Doch dann fiel ihm ein, warum er sich vielleicht doch keine Sorgen machen mußte.
„Deine Fingerabdrücke an meinem Hals sind sicher sehr viel deutlicher zu erkennen als anders herum. Willst du es wirklich darauf ankommen lassen?“
Hauglunds überhebliches Grinsen verschwand. „Scheisse. Jedenfalls will ich nicht mit dir in einer Kabine liegen, Pirat!“
„Und was willst Du dagegen machen?“
Hauglund verschränkte seine Arme vor der Brust und sein Grinsen kehrte wieder. „Na warts mal ab.“
Tyr Svenson
Zehn Minuten später standen die beiden Streithähne in Lieutenant Commander Justin „Darkness“ McQueen`s Büro, der die beiden stramm stehenden Piloten durch stahlharte Augen beobachtete. Nicht, dass einer der beiden dadurch sonderlich eingeschüchtert schien.
„Hmmm, soso ihr beiden wollt also nicht gemeinsam in einer Kabine bleiben?“
„Ja, Sir!“ antworteten sowohl Hauglund als auch Cartmell.
Fast hätte Darkness geseufzt. Die feindselige Haltung der Angels gegenüber dem Ensign war ihm schon mehrfach negativ aufgefallen und wie er so hörte, hatte es bereits einen Zwischenfall auf der Miramar-Base gegeben. So konnte das nicht weiter gehen, er musste dem Ganzen einen Riegel vorschieben. Er dufte es nicht zulassen, dass sich die Piloten dieses Geschwaders, aus welchen Gründen auch immer schon vor dem ersten Feindkontakt gegenseitig umlegten.
„Na dann schauen wir doch mal, meine Herren…“ sagte er mit einer ordentlichen Prise Sarkasmus in seiner Stimme während er wahllos ein Klemmbrett auf seinem Schreibtisch schnappte und so tat als würde er Belegungspläne durchgehen „... ob ich nicht etwas passenderes für sie finden kann. Hmmm, warten Sie hier habe ich noch zwei hübsche Einzelkabinen, die für die beide interessant werden könnten. Wenn es Ihnen nichts ausmacht, dass die Kabinen weniger Komfort und Gitterstäbe vor dem Bullauge haben, kann ich Sie auch ohne Probleme im Sicherheitstrakt unterbringen. Sie kennen sich da ja bereits wunderbar aus, nicht wahr Noname? Ich bin mir sicher, dass Sie sich da gleich wieder heimisch fühlen werden.“
Dann warf Darkness das Klemmbrett auf seinen Schreibtisch und musterte wieder die beiden Piloten, die ihm nun deutlich unsicherer in ihren Uniformen vorkamen. Möglicherweise, weil sie sich beide ungerecht behandelt fühlten.
„Hören Sie mir beide mal gut zu:“ fuhr er diesmal mit deutlich mehr Schärfe in seiner Stimme fort. „Ich dulde keinerlei Extrawürste in diesem Geschwader. Ich erwarte nicht, dass Sie sich die Hand geben, sich vertragen und Freunde werden. Wenn Sie ein Problem miteinander haben, schlucken Sie es gefälligst herunter und zwar beide. Verflucht, wir sind im Krieg und Ihren persönlichen Kindergartenkram können sie sich sparen. Also gut. Ich gebe Ihnen beiden hiermit mein Wort: Sollte einer von Ihnen beiden auch nur eine Erkältung bekommen, werde ich den jeweils anderen zur Rechenschaft ziehen, verstanden? Und jetzt weggetreten.“
Haugland schien noch etwas sagen zu wollen, aber mit einem wütenden Blick überlegte er es sich dann offenbar anders – vorläufig.
Darkness beachtete den Salut der beiden Piloten kaum und schien schon wieder in seiner Arbeit vertieft, als sich die beiden aus seinem Büro entfernten.
Als sie draussen waren lehnte er sich seufzend zurück und notierte sich herauszufinden, wer so intelligent gewesen war, ausgerechnet diese beiden in eine gemeinsame Kabine zu stecken. Es war ein Risiko, beide in einem Quartier zu belassen, dessen war sich Darkness bewußt. Wenn sich die beiden gegenseitig die Schädel einhauen würden, wäre das kurzfristig sehr ärgerlich, verlören sie doch zwei Piloten und das ganz ohne Feindeinwirkungen. Aber andererseits, würde es wohl schwer werden, jemanden zu finden, der nicht ein Problem mit Cartmell gehabt hätte. Und den anderen Piloten der Angry Angles – allen voran diesem Haugland – musste endlich klar werden, dass sie nicht einfach so einen Piloten der Terran Space Navy aus dem Geschwader mobben konnten, nur weil ihnen etwas an ihm nicht passte. Was würde als nächstes kommen? Asiaten nur mit Asiaten, Schwarze nur mit Schwarzen? Allerdings – ein Stück weit flüsterte ihm eine innere Stimme zu, dass die Vorurteile der Piloten nicht ganz unverständlich waren. Formal war Cartmell freigesprochen worden, aber es war ein recht wackliger Freispruch gewesen. Und wer wollte mit einem Piloten fliegen, der auch nur vielleicht ein Mörder von Kameraden war? Aber Recht war Recht, auch wenn einem dabei nicht ganz wohl war.
Nein, es war wichtig dem ganzen jetzt und hier Einhalt zu gebieten. Und mit ein bisschen Glück würde sich die Situation im Laufe dieser Feindfahrt wieder bereinigen.
So oder so.
Tyr Svenson
"... Der Captain ist endlich, wie es sich für einen Träger gehört, ehemaliger Pilot. Er macht einen sehr patenten Eindruck, wenn auch etwas sprunghaft. Manchmal gebieterisch streng und an anderen Tagen gerade zu lax. Ich hoffe nur, dass er sich ähnlich wie Clarke nicht allzu sehr in die Angelegenheiten meines Geschwaders einmischt." Lucas lächelte in die Kamera. "Die COLUMBIA ... nun ich fühle mich auf ihr schon wie zu Hause, sie ist ein schönes, modernes Schiff. Im Gegensatz zur Red, wo man unter den Mannschaften und auch Teile des Offizierscorps vom alten Eisen zurückgeholt hat ... oh, natürlich nicht Dich Liebling ... hat man sich Mühe gegeben auf der COLUMBIA den Vorkriegsstandard aufrechtzuerhalten. Du hättest hervorragend in diese Crew gepasst."
Der Pilot schwieg eine Weile und als er weitersprach klang seine Stimme belegt: "Ich hoffe die Behandlung geht gut voran. Ich hab meine Eltern gebeten Dich zu besuchen ... ich weiß, vielleicht nicht die beste Entscheidung, doch ich fand es wichtig, dass sie Dich kennen lernen und Dir eventuell helfen. Wobei ich mittlerweile befürchte, dass die einzige Hilfe für Dich sein wird, dass mein Vater versuchen wird meine Mutter von Dir fern zu halten. Ach, Mel, ich vermisse Dich furchtbar und würde Dich gern noch einmal besuchen, doch weiß ich nicht, ob das klappt. Es wartet zurzeit eine Menge unerledigte Arbeit auf mich. Tja nun alles, alles Gute, auf ein baldiges Wiedersehen. Dein Lucas."
Er schaltete die Kamera ab und lehnte sich zurück. Der Chefsessel war viel zu gemütlich um wirklich Arbeiten zu können.
Es klopfte.
Ein schneller Blick auf die Uhr verriet ihn den Besucher: "Komme schon."
Nachdem Lucas einen schnellen Blick in den Spiegel geworfen hatte stapfte er zur Tür und fand tatsächlich denjenigen vor, den er erwartet hatte.
"Wir sind spät dran." Darkness brauchte das 'wieder mal' gar nicht aussprechen, Lucas hörte es auch so.
"Ja, hab ich eben auch bemerkt." Er setzte seine Schirmmütze auf. Beide Pilotenveteranen hatte ihre khakifarbene Dienstuniform an, jedoch auf Befehl Wacos ihre Ordensbänder und Kapagnenbänder angesteckt. Mit ihren drei Reihen Ordensbändern und den goldenen Schwingen drüber hätten beide von einem Rekrutierungsplakat herabgestiegen sein können. Beinahe. Darkness wirkte einfach zu finster und Lucas wirkte etwas übermüdet und gestresst.
Auf dem Flugdeck warteten schon die anderen Staffelkommandanten, Captain Waco samt seinen Führungsoffizieren und ein Teil des Unteroffizierscorps.
Außer Waco hatten die drei Gruppen sich in drei Reihen formiert. Bosun Atti schritt gerade die Reihe der Führungsoffiziere ab um diese ungewohnte 'Aufgabe' der Commander und Lieutenant Commander noch mal zu überprüfen.
Als er fertig war reihte er sich ganz vorne bei den Unteroffizieren wieder ein.
"Verdammt Cunningham, wo haben Sie beide gesteckt?" Herrschte Waco.
"War ganz allein meine Schuld", gestand Lucas ein. Er bemerkte den etwas erstaunten Seitenblick von Lightning Parker, "ich habe eine Video-Mail an meine Verlobte aufgezeichnet."
Waco war sofort milde gestimmt: "Achso, naja ab in die Reihe."
Der Befehl war einfacher gesagt als getan, da sich die Reihe der Staffelkommandanten beinahe im wilden Geschnatter auflöste. Besonders die älteren Mitglieder des Geschwaders war das eine recht interessantere Neuigkeit. Besonders da Darkness es nicht schaffte seine Überraschung zu verbergen.
"ACHTUNG STILLGESTANDEN!" Donnerte Darkness mit hochroten Kopf, ehe Waco laut werden konnte, dem man ansah, dass er wieder auf 180 war.
Die Piloten verstummten und nahmen wieder Haltung an. Darkness und Lucas reihten sich links von Jack Murphy der Nr. 3 im Geschwader ein.
Am Ende der Reihe stand Radio, wie es sich für einen Führungsoffizier ohne Geschwader handelte. Zusammen mit der XO-Position der Roten Staffel war ihm die Rolle des Nachrichtendienstoffiziers des Geschwaders zugefallen. Ein Posten, den er eigentlich auf Lieutenant Commander McGill abschieben wollte, die auch begierig war diesen zu übernehmen. Das Problem war, wie jubelt er das Cunningham unter. Links von ihm stand Lightning Parker, die wohl, so viel Abstand zwischen sich und Cunningham bringen wollte, wie sie nur konnte.
"Achtung! Achtung! Flugdeckoperation. Shuttle im Landeanflug." Plärrte es aus diversen Lautsprechern.
Ein mehrmaliger Alarmton erklang und ein Shuttle schwebte wie von Geisterhand getragen in das Flugdeck.
Kaum das es aufgesetzt hatte schwärmte eine Gruppe Techniker um das Shuttle aus.
Kurze Zeit Später öffnete sich die Seitentür.
Ein Senior CPO pfiff mit seiner Bootsmannspfeife Seite.
"ACHTUNG STILLGESTANDEN! Admiral kommt an Bord!" Gab ein zweiter CPO bekannt.
Aufs Stichwort verließ eine Frau das Schuttle. Die Roten Haare waren schulterlang und vom ersten Grau durchzogen.
Waco ging ihr zielstrebig entgegen, während hinter der Admiralin eine ganze Gruppe von Stabsoffizieren aus dem Shuttle quoll.
Wie es das Zeremoniell verlangte salutierte die Admiralin zuerst: "Bitte um Erlaubnis an Bord kommen zu dürfen."
"Erlaubniss erteilt. Willkommen an Bord Ma'am."
Waco nahm die dargebotenen Hand.
"Bianca Wulff." Stellte sie sich ihm vor.
"James Waco. bitte erlauben Sie mir, wenn ich Ihnen meine Offiziere vorstelle." Waco deutete auf seine Ressortoffiziere.
"Gern." Sie blickte den Offizieren entgegen. "Rühren."
Waco stellte als erstes seinen XO vor und arbeitete sich die Reihe der Ressortoffiziere vor. Wulff schüttelte jedem die Hand und redete mit dem ein oder anderen Kurz.
Schließlich kamen die beiden zu der zweiten Reihe.
"Das ist Commander Cunningham, der Air Group Commander der COLUMBIA. Er kann Ihnen seine Offiziere sicherlich besser vorstellen als ich." Stellte Waco vor.
"Commander. Sie waren bei Manticore?"
"Ja Ma'am, ich hatte das zweifelhafte vergnügen."
"Und, ist Ihr Geschwader bereit den Echsen erneut entgegen zu treten?"
"Aye, aye Ma'am, die Angry Angles stehen Gewehr bei Fuß um ihren Anteil für unsere Sache beizutragen."
Wulff blickte ihn etwas abschätzig an. Die Überschwänglichkeit passte ihr nicht ganz: "Gut, gut, dann schlage ich vor, Sie veranstalten für das Geschwader ein Party am Freitag zur Wiedergeburt, die Navy zahlt."
"Vielen Dank Ma'am, das wird die Jungs und Mädels aber freuen." Lucas spielte den Vater einer glücklichen Gruppe fast perfekt.
Die Admiralin blickte die Reihe seiner Staffelführer entlang.
"Mein Stellvertreter", reagierte Lone Wolf prompt, "Justin McQueen, ebenfalls ein Manticoreveteran."
Außer mit Martell, den sie kurz auf seine Zeit als Fluglehrer ansprach, kannte Wulff keinen der Staffelführer.
Jedoch brauchte Lucas den letzten in der Reihe nicht vorstellen.
Mit einem freudigen Lächeln umarmte Wulff den sehr verdutzt, eher verschreckt, gucken den Radio.
"Curtis, schön Dich zu sehen. Und noch schöner zu sehen, dass Du Deinen Platz in der Navy gefunden hast und endlich Karriere machst. Dein Vater hat sich schon ernsthaft sorgen um Dich gemacht."
Radios Kinnlade viel herab: "Ähm ..."
"Du erinnerst Dich nicht mehr an mich richtig?" Die Admiralin hatte ihm die Arme auf die Schultern gelegt und musterte ihn stolz. "Du warst drei Jahre alt, Dein Vater und ich waren in Fort Hermann Brockhold stationiert. Du saßt immer auf meinem Schoß. Ich hab Dir damals den Stoffraumjäger geschenkt."
Radio blickte sich um. Sein Blick traf Waco und Cunningham, die beide verzweifelt daran arbeiteten ein Lachen zu unterdrücken.
"Hach Lieutenant Commander. Das wird Deinen alten Herren wirklich freuen." Wulff schüttelte ihm noch mal die Hand und rauschte dann, Waco im Schlepptau, zu den Unteroffizieren weiter.
Lucas hingegen trat an Radio heran: "Ja, der Lieutenant Commander sieht sehr Schick an Ihnen aus. Herrliches Gold."
"Ach, das goldene Eichenlaub gefällt Ihnen?" Erkundigte Radio sich sarkastisch. "Naja, ich könnte ja mal mit der Admiralin reden, ob sie Ihnen das Eichenlauf auch wieder vergoldet."
Lightning Parker, die genau daneben stand prustete los.
Lucas funkelte beide wütend an, kehrte jedoch wortlos in die Reihe zurück.
"Du bist verlobt?" Zischte ihn Darkness von der Seite an, als der CAG gerade das linke seiner beiden silbernen Eichnblätter berührte.
***
Noch am selben Abend fand in einem abgelegenen, noch leer stehenden Quartier eine Pokerrunde statt. Der erste Teilnehmer war noch keine 30 Minuten da, schon hatte man das Zimmer schon entsprechend vollgequalmt.
Skunk bot dem zweiten Ankömmling auch gleich eine Zigarre an und Jaws war nur zu hilfsbereit, den Dunst zu verdichten.
Der dritte war Radio, der einen knallbunten Rucksack mitbrachte: "Mann, wer hat die verdammte Rauchgranate geschmissen? Verfluchte Heiden, nichtmal ne Pokerrunde ist denen heilig."
"Nu mach mal halb lang, Commander, und steck Dir auch ne Granate an." Skunk hielt ihm das Kästchen mit Zigarren hin.
Nachdem Radio diese kurz angestarrt hatte wunk er ab: "Behalt mal Deine Fabrikschornsteine, ich hab hier was ganz Feines."
"Wow", machte Jaws als Radio eine 20er Packung Zigarren aus dem Rucksack zog, "hast Du beim Alten geklaut?"
"Der raucht nur seine Lucky Strikes, ich glaube eher, der müsste trotz all seiner tollen Verbindungen zu mir geschlichen kommen um diese - auf den Schenkeln einer Jungfrau gerollten - Cubaner zu bekommen."
Schnell wurden die Billigzigarren gegen Radios Edelcubaner ausgetauscht.
"Sag mal, was hast Du noch in Deinem Rucksack drin", wollte Skunk wissen, doch Radio zog ihn weg, ehe der ältere Veteran den Rucksack zu packen bekam.
"Nana, ich bin hier der Weihnachtsmann."
Die Tür wurde erneut geöffnet und die letzten beiden Besucher traten ein. Fiorette Bossi und Torben Wunderlich aus Ravens Bomberschwadron.
"Nabend die Herren", grüßte Bossi.
"Ahh, Lady Bossi, es wäre mir eine Ehre, wenn Ihr Euch neben mich setzen würdet." Jaws stand auf und richtete der großen Bomberpilotin den Stuhl.
"Ha, nennt sie Zero", Der Professor und seine Studenten mögen das beste Gesamtergebnis haben, aber Madam hier hat eine Bombentrefferquote von 88 %."
"Einfache Mathematik", äffte Bossi den Staffelführer der zweiten Jagdbomberschwadron nach.
Alles lachte.
"Hm, ich hab hier was ganz feines, wie wir das neue Callsign begießen können." Radio zog eine Flasche Antiqua Single Malt hervor.
"Moment, hast Du dem alten auf der letzten Fahrt nicht auch so eine verkauft, wo bekommst Du die denn her?" Jaws sah Radio erstaunt an, welcher zur Antwort nur die eigene Nase rieb.
"Wir sollten anfangen zu spielen. Ladies First." Skunk schob ein altes abgegriffenes Kartenspiel über den improvisierten Tisch zu Zero.
Jaws schenkt großzügig vom Single Malt ein: "Man, wo hat er das nur immer wieder her?"
Skunk lehnte sich zu Radio rüber und flüsterte ihm ins Ohr, während sein Blick starr auf Bossi gerichtet war: "Ich sag nur: Taufe."
Radio nickte grinsend.
"Was grinst Du so?" Wollte Wunderlich wissen.
"Ach, ich zähle nur schon meinen Gewinn."