Hinter den feindlichen Linien - Season 6 - Brennendes All

Cattaneo
Cunningham

Oh, ich bin den mürrischen Fesseln der Erde entschlüpft
Und tanze durch den Himmel auf den silbrig mir zulächelnden Flügeln.
Ich steige der Sonne entgegen, treffe auf die Leichtigkeit
Von sonnenumglänzten Wolken.
Niemals hast Du davon geträumt - aufgestiegen, emporgeschwungen
Hoch in die sonnendurchflutete Stille.
Dort schwebend habe ich den schreienden Wind gejagt, und schleuderte
Meine begierige Maschine durch das bodenlose Luftmeer.
Hoch, hoch hinaus, entlang des wahnsinnig brennenden Blau,
Habe ich die windgepeitschten Höhen mit einer Leichtigkeit des Seins erreicht,
Wo niemals Lerche oder gar Adler fliegen.
Und samt meines erhabenen Gemüts betrat ich
Die undurchdringliche Heiligkeit des Weltalls,
Streckte meine Hand aus und berührte das Antlitz Gottes.

High Flight, John Gillespie Magee, Jr. Royal Canadian Air Force


Mathew Dodson, Senior Master Chief Petty Officer, Terran Space Navy wurde an seinem eintausendsiebehundertneunundachtzigsten Tag des Krieges zwischen dem Sternenimperium von Akarr und der Bundesrepublik Terra wieder mal viel zu früh geweckt.
Das durchdringende Wecksignal ging ihm wie jeden Tag durch Mark und Bein. Auf der anderen Seite der Kabine regte sich Mario Atti in der unteren Koje. Die höheren Unteroffiziere hatten den Luxus von fast palastartigen Ausmaßen für vier Mann oder Frauen in einer Kabine.
Muffelig kletterte Dodson aus seiner Koje, ließ aber Atti den Vortritt zum Bad. So konnte sich der Chefmechaniker des Geschwaders noch eine Morgenzigarette gönnen.
Dafür ging er in Unterhose und Hemd auf den Gang. Da Atti die Kabine vor ihm bezogen hatte und dieser Nichtraucher war, meistens jedenfalls, war ihre gemeinsame Unterkunft ein Nichtraucherbereich.
Der Gang eigentlich auch, aber das interessierte weder den Bosun noch Dodson sonderlich, und da sich so gut wie nie ein Offizier hierher verirrte war es irgendwie egal.
Vor der Tür gähnte er herzhaft, reckte und streckte sich und kratzte sich zwischen den Beinen. Auf dem Deck begann eine ungewöhnliche Unruhe, nicht der normale Wachwechsel. Es versprach ein arbeitsreicher Tag zu werden.
Nach der Zigarette ging er wieder hinein und begann mit der Morgentoilette, die er routiniert zum Abschluss brachte, als Atti aus der Dusche stieg. Während er sich also unter die Dusche begab, löste der Bosun ihm am Waschbecken ab.
Militärische Präzision in Hochkultur, ohne dass ein Wort gewechselt werden musste, ohne dass Befehl erfolgte. Exakt fünfzehn Minuten nach dem Signal zum Wecken waren beide in ihren Arbeitsuniformen für den Deckdienst.
Atti in seinem gelben Overallunterzieher für den Raumanzug der Katapultbesatzungen, Dodson in seinem Technikeroverall.
„Frühstück?“ das erste Wort, was zwischen den beiden rang- und dienstältesten Unteroffizieren des Flottenträgers Columbia fiel.
„Kaffee,“, bestätigte Dodson, „viel Kaffee.“

Da Wachwechsel anstand war die Unteroffiziermesse gut besucht. Die Küchencrew hatte sich mal wieder selbst übertroffen.
Der Tisch an den sich die beiden Master Chief Petty Officers setzten, war mit den ranghöheren Seniorunteroffizieren besetzt, die entweder ihre erste Schicht beendeten und gleich ihre zweite Schicht antraten, und den frisch Aufgestandenen.
In Friedenszeiten wäre es ungeheuerlich gewesen, wenn einer dieser Männer und Frauen jünger als dreißig gewesen wäre. Es wären gestandene Veteranen mit mehr als fünfzehn Jahren Diensterfahrung gewesen.
Heute war Atti der einzige, der die zwanzig Jahre geknackt hätte.
Am unteren Tischende saß der Leiter von Dodsons Betaschicht, eine Mitzwanziger mit dem Blick eines abgehärteten Veteranen und dem abgemergelten Gesicht, das von ständiger Überarbeitung kündigte.
Cole Aberdeen würgte sich gerade die Hälfte von Yvonne Duvaliers T-Bone Steak hinein, nachdem er sich schon seine Riesenportion rein geschaufelt hatte. Wahrscheinlich würde er sich noch auf dem Weg zum Flugdeck wieder übergeben aber den ganzen Tag unermüdlich schuften.
In stiller Wut über das, was der anhaltende Krieg seinen Leuten antat und sie verbrauchte, aß Dodson schweigend sein Steak.
Atti beobachtete ihn dabei ein Weilchen, selber essend, bis er der Meinung war den Chefmechaniker auf andere Gedanken bringen zu müssen: „Warum eigentlich immer Steak, wenn sie uns was Gutes tun wollen? Ich würde die Ventile meines Katapults für ein gut gemachtes Gyros hergeben, mit selbstgemachten Zarzikki oder Lammkarre, wie es meine Oma noch selbst gemacht hat.“
„Du weißt doch, Schuster bleib bei Deinen Leisten,“, murmelte Dodson zwischen zwei Bissen, „dies hier bekommt die Küche schon wirklich gut hin. Aber mit Mutterns Küche anzukommen ist doch ein Foulspiel.“
„Das mag schon sein, aber hast Du jemals eine bessere Küche als die von Deiner Mutter kennen gelernt?“
Dodson grinste: „Bei uns hat mein Dad gekocht. Meine Mutter ist Ärztin und das eine angesehene. Aber was mein alter Herr immer erstklassig hinbekomme hat war der Truthahn zu Thanks Giving.“


Erwachen, so konnte man es beschreiben. Lucas fühlte sich ausgelaugt und alt. Das war nicht gut, gar nicht gut. Und obwohl er dies schon befürchtet hatte, als er Grovers Zigarre doch angenommen hatte.
Zigaretten waren eine Sache, aber bei einer Zigarre wusste man noch am nächsten Tag, dass man sie geraucht hatte. Jetzt wusste er, wie sich ein Aschenbecher fühlen musste; wieder einmal.
Stöhnend setzte Lucas sich auf, schaltete das Licht ein und musste blinzeln.
Einmal hört man auf Donovan Cartmell und benimmt sich letztlich wie ein frisch der Akademie entschlüpfter Nugget.
„Raven wird mir in den Arsch treten.“, knurrte er und musste husten.
Auf dem Weg ins Badezimmer präparierte er noch schnell seine Kaffeemaschine, nur um beim ersten Blick in den Spiegel feststellen zu müssen, dass er wohl besser erst einen Kaffee getrunken hätte.
Erneut hustend zog er etwas gallertartigen Speichel tief aus der Speiseröhre und spuckte ihn ins Waschbecken.
Etwas angeekelt von sich selbst ging er zur Morgentoilette über, um nach einer schnellen Dusche und Zähneputzen etwas frischer das Bad zu verlassen.
Die Kaffeemaschine hatte auch gerade ihre Arbeit beendet und der himmlische Duft verbreitete sich in seiner Kabine und ließ den Morgen gleich viel angenehmer erscheinen.
Wie so oft verzichtete Lucas auf Zucker und Milch. Tatsächlich war ihm der Kaffee den er diesmal aufgesetzt hatte zu stark, als er anfing von innen gegen die Augäpfel zu pochen, doch jetzt kam er endlich auf Touren; der Krieg hatte ihn wieder.

Nach einem kurzen Umweg zur Offiziersmesse, einem leichten Frühstück mit zwei Tassen recht milden Kaffee, betrat er die PreFlight.
Fast schon routinemäßig prüfte er die Befehle an die einzelnen Staffeln, die Raketenverteilung, Flügel- und Sektionszusammenstellung. Im Anschluss ging er die Einsatzbereitschaft der Maschinen durch. Zwei Thunderbolt Jagdbomber sowie seine eigene Nighthawk waren mit gelb gekennzeichnet, keine endgültige Startfreigabe.
Der Rest des Geschwaders stand auf grün.
„Guten Morgen, Commander.“
Eine angenehme Altstimme ließ Lucas herumfahren. Er erblickte die drei Sterne eines Viceadmiral am Kragen der Sprecherin. Eine dunkelhaarige Frau, von der etwas ausging. Etwas intensives, was er nur bei wenigen Menschen bemerkt hatte.
Angela Mannheim hatte es besessen, Renault hatte es auf jeden Fall, Maike Noltze zu einem gewissen Teil. Neidvoll hatte er erkannt, dass es ihm abging.
Natürliche Autorität, die über den Rang hinausging.
„Achtung an Deck!“ bellte er automatisch.
Mit einer Handbewegung bedeutete Vanessa Girad den Offizieren und Unteroffizieren in der PreFlight, sich bei ihrer Arbeit nicht stören zu lassen.
„Guten Morgen, Ma’am.“, begrüßte er sie dann schließlich.
„Ich dachte, ich könnte Commander Burr hier antreffen.“, bemerkte Girad, als sie an ihm vorbeitrat und durch die Fenster hinaus aufs Flugdeck blickte.
Lucas versuchte eine Reaktion zu verbergen, ein Admiral konnte seinen CAG jederzeit ausrufen lassen: „Ich bin mir sicher, sie wird jeden Augenblick eintreffen.“
„Sicher. Sie sind als der berühmte Lone Wolf Cunningham.“
„Ja, Ma’am.“, was sollte er darauf auch anderes sagen.
„Ich habe munkeln gehört, Sie seien Jean Renaults Zögling.“, sie sprach leise genug, dass das Gespräch privat war und die Besatzung der PreFlight nichts mitbekam.
Eigentlich wollte er etwas Ausweichendes sagen, doch Girads Blick der sich in der Scheibe spiegelte, ließ ihn sich anders entscheiden: „Ich bin vielleicht sein Henchman, möglicherweise seine Wasserträger, aber sicher bin ich nicht sein Zögling.“
Girad drehte sich um und musterte ihn scharf: „Nein? Sie wollen mir doch nicht etwa sagen, Sie wären Noltzes Mann?“
„Wohl kaum, Ma’am.“, mit erstickter Wut musste er an das Ehrengericht zurückdenken, dessen Vorsitzende Noltze gewesen war.
Noltzes Ehrengericht, sein schlechtes Abschneiden beim Perisher, die Kommandoenthebung und die Untersuchung hier auf Victoria Station. Konnte seine Karriere wirklich drei so einschneidende Ereignisse überleben? In Friedenszeiten wäre er sicherlich vor Jahren schon geschasst worden. Auf der anderen Seite standen mindestens zwei Kilo Orden.
Besaß er Protektion? Würden Leute wie Renault oder Noltze ihre schützende Hand über ihn halten?
„Nun, Admiral Noltze hat mir eine, hm, Denkschrift zukommen lassen,“, merkte Girad an, „dort werden Sie gepriesen wie der wiederaufgestandenen Viktor von Bein. Also was sind Sie?“
„Ein Überlebender, Ma’am. Ein Überlebender des Krieges und vielleicht ein Überlebender meiner eigenen… Dummheiten.“
Girad hob fragend eine Augenbraue.
„Jeder begeht Dummheiten, Ma’am.“
„Sehen Sie Lucas,“, sie lächelte etwas gepresst, „ich weiß, dass es nicht immer ohne Strippenzieherei geht. Manch guter Offizier brauch manchmal etwas Anschub von Offizieren aus der Kommandoebene um den Posten zu erreichen, an dem er seine Fähigkeiten am gewinnbringendsten einsetzen kann. Manchmal muss sich die Admiralität um ihre jungen, fähigen Schäfchen kümmern. Leider habe ich viel zu oft gesehen, wie nichtsnutzige Erbsenzähler, die zu dämlich sind sich ohne fremde Hilfe in die eigene Hose zu urinieren, auf wichtige Posten verschoben wurden, und wenn ich mir Ihre Dienstakte so angucke, frage ich mich zählen sie zu erster Kategorie oder zu letzterer und sind einfach nur zu faul sich von den Akarii abknallen zu lassen? Warum empfiehlt Maik Noltze Sie mir?“
„Über die Intention von Admiral Noltze kann ich Ihnen nichts sagen, Ma’am, um ehrlich zu sein habe ich nach meiner letzten, hm, Dummheit schon fast erwartet, dass mich Admiral Noltze unter ihrem Stiefelabsatz zerquetscht.“
„Sie haben also damit gerechnet fallen gelassen zu werden, und trotzdem eine 'hm, Dummheit' begangen?“
„Im Wesentlichen, ja, Ma’am.“
Girads Grinsen wurde zu einem Lächeln: „Im Wesentlichen, so so…“
„Admiral, Lone Wolf,“, unterbrach die eben eintretende Raven das Gespräch.
„Guten Morgen, Sam.“, Girad nickte ihrer CAG zu, „Fit für die Show heute?“
Raven nickte zuversichtlich und nahm von Lone Wolf das Computerpad entgegen: „Ich denke schon. Die Nervosität war zwar in der Messe mehr als nur spürbar, aber die Angry Angels sind für alles bereit, Ma’am.“
„Das freut mich zu hören.“
Die CAG blickte Lucas kritisch an: „Wird Ihre `hawk fliegen können?“
„Sie wird fliegen, verlassen Sie sich darauf.“
Raven wirkte nicht sehr überzeugt und Girad hob fragend die Augenbraue.
„Meine Maschine wird fliegen.“, antwortete Lucas mit der Gewissheit, mit der er Wasser als nass oder den Himmel der Erde als blau beschrieben hätte.
„Dann werden wohl auch die beiden Thunderbolts fliegen, wenn es so weit ist,“, Raven schnaufte belustigt und zeichnete den Bereitschaftsbericht des Geschwaders ab, „gut, dann teilen Sie bitte die letzten Berichte und Änderungen an die Staffelführer aus, es wird Zeit für die letzte Besprechung vor dem Start.“
Die Geschwaderführerin der Angry Angels wandte sich zu Girad um: „Mit Ihrer Erlaubnis, Admiral.“
„Natürlich, CAG, Sie können abtreten, und gute Jagd, Ihnen beiden und dem ganzen Geschwader.“
Girad erwiderte den Salut der beiden Commanders lässig und drehte sich dann wieder dem Ausblick auf das Flugfeld zu.


Im Tower der FlightControl der Columbia nahm Lieutenant Commander Redford „Red“ Cooper seinen Platz ein. Er trug seinen gelben Pullover mit der Aufschrift AIRBOSS.
Theoretisch sollte er ein Full-Commander und für mindestens fünfzig Prozent des fliegenden Geräts der Columbia qualifiziert sein.
Tatsache war, dass er aber nie wieder etwas anderes als ein Shuttle fliegen würde. Tatsache war auch, dass die Navy ihn auf diesen Posten gesetzt hatte, damit ein voll qualifizierter Pilot wieder in den Kampf geschickt werden konnte.
Seine Stellvertreterin, sein MINIBOSS, Lieutenant Commander Cynthia Rowland, war zur Rekonvaleszenz auf diesen Stabsposten versetzt worden, genauso wie sein Vorgänger, der jetzt wieder in den Einsatz flog.
„Also Guys,“, begann er seinen Arbeitstag, „Systemcheck: Katapult eins?“
„Katapult eins, klar!“
„Katapult zwo?“
„Katapult zwo, klar!“
So setzte sich die Litanei fort: Alle Katapulte, Magnetfelder, Decktraktorstrahler, Fahrstühle, Flugdeckfeuerwehr, Fangnetz für die Flieger bis schließlich zur alles entscheidenden Frage…
„ACLS?“
Ein kurzes Schweigen antwortete ihm, dann meldete einer seiner Chiefs: „Computer meldet ACLS auf GO!“
Cooper drehte sich zu dem betreffenden Mann um und mit ihm die gesamte FlightControl: „Wirklich, Mr. Edwards?“
„Aye, Sir, ACLS ist auf GO.“
„Fahren Sie bitte noch einen Systemcheck, Chief,“, Cooper sah wenig hoffnungsvoll aus, „ich traue dem Braten nicht.“
„Um ehrlich zu sein,“, gab Edwards zu, „ich auch nicht, Sir. Fahre jetzt Systemcheck für ACLS.“
Cooper blickte seinen Miniboss an: „Kaffee?“
Rowland griff nach ihrer Kaffeetasse und antwortete monoton wie beim Durchgang der Instrumente: „Kaffee, ist auf GO!“
Beide grinsten und stießen mit kaltem Kaffee an.


Nach dem reichhaltigen Frühstück ging Dodson sofort aufs Hangardeck, wo dicht an dicht gedrängt die Jäger, Jagdbomber, Bomber und Shuttles des Geschwaders standen. Die Einweisung seiner Crew nahm er immer in dieser Atmosphäre vor.
Die ihm untergeordneten Master und Senior Chiefs versammelten sich bei ihm: „Hergehört, ich brauche nicht mehr viel Gewese darum zu machen, wir fliegen heute einen Alphaangriff und alle Maschinen müssen mit raus.
Als erstes werden die Bomber hochgebracht, deren Tanks reichen am weitesten, die gehen zuerst raus, dann die Jabos und die Nighthawks, wichtig die schwarze Staffel vor der roten, ich will so viel Zeit wie möglich haben um an Lone Wolfs Maschine rumzudoktern. Dann die Falcons, die grünen gehen zuerst, sonst wird Commander Eisenherz sauer und unangenehm. Die Griphen gehen tankbedingt als letzte raus.
Ansonsten wird Duvalier Euch die Bestückungslisten herausgeben, ich werde mich jetzt an die Arbeit machen, ach und Bert, sieh zu, dass die beiden Thunderbolts ihre Flugtauglichkeit bekommen.“
Der angesprochene Senior Chief bestätigte und schnappte sich seinen Werkzeuggürtel. Die Hangarcrew ging an die Arbeit. Es waren noch Stunden hin, bis die erste Maschine auf das Flugdeck hinauf gebracht würde.


„… und nachdem er seinen Knochen sauber abgenagt hatte, da hat er sich sogar noch meine Reste quasi hineingewürgt.“ Too-Talls Stimme verriet gutmütigen Spott.
„Ich muss doch noch wachsen!“ Das war einer der Neuen, Lucas konnte ihn nicht ganz zuordnen, entweder The Kid oder Sonnyboy.
Ein Großteil der Staffel lachte auf, aber Lucas konnte durch die angelehnte Tür die Nervosität schon fast schmecken.
Showtime! Er trat hinein.
Es war Donovan Cartmell, der ihn als erster erblickte: „Achtung, an Deck!“
Etwas überrascht verengten sich Lucas Augen, aber innerlich die Schultern zuckend entschied er sich dafür die Ehrbezeugung zu genießen und ließ die Staffel in Achtung stehen, bis er am Rednerpult war.
Dort warf er noch einen kurzen Blick auf die elf Männer und Frauen, für die er heute die Verantwortung trug.
Sonnyboy und The Kid eindeutig nervös. Dog nicht ganz so und Arrow schien sich sehr gut unter Kontrolle zu haben. Die anderen sieben Piloten wahrten auf die ein oder andere Art ihre professionelle Maske.
„Rühren, nehmen Sie Platz. Die Einsatzleitung von der Midway hat noch einige zusätzliche Daten und letzte Änderungen durchgegeben.“, dabei ließ Lucas etwas Verärgerung in seine Stimme einfließen, sollten die jungen Piloten sich die Zeit damit vertreiben über die Offiziere auf der Midway zu schimpfen.
Vieles von dem, was von der Midway kam, sah zu sehr nach der Handschrift von de Kerr aus und war wieder mal viel zu detailliert. Bei den Infos über den Feind war das in Ordnung, aber bei allem anderen degradierte es Geschwader- und Staffelführer zu reinen Befehlsempfängern. Reiner Unsinn, wenn man Lucas fragte, aber das tat man ja nicht mehr.
Während er seinen Vortrag hörte, sah er die unterschiedlichsten Reaktionen darauf.
Arrow, The Kid und Sonnyboy saßen aufmerksam vorgebeugt und lauschten gebannt seinen Worten, als würde er die letzten ungelüfteten Geheimnisse des Universums preisgeben.
Mantis und Stuntman sowie Dog, dem eine gute Imitation der ersteren gelang, nahmen die Anweisungen mit kaum verhohlenem Desinteresse auf.
Der Rest schwankte irgendwo dazwischen.
„In Ordnung,“, beendete Lone Wolf seine Einweisung, „wenn keine Fragen mehr sind, ab in die Raumanzüge. Überprüft bei Euch den Sitz gegenseitig und im Anschluss prüfen Mantis und ich noch mal alle Anzüge durch. Dies ist der erste Kampfeinsatz für den neuen Anzug, also geht sorgfältig vor. Der Weltraum verzeiht keine Fehler.“
Mann, klang das abgedroschen.

In der Umkleide war erstaunlicherweise mehr Platz als sonst, und das war nur den neuen Anzügen geschuldet.
Mit längst nicht so geübten Bewegungen machte Lucas sich startklar.
Einteiliger Raumanzug von den Füßen bis zum Hals, darüber Stiefel, Sauerstoffpack, Sauerstoffreserve, integriertes MedKit mit Vitalmonitor, Seitenwaffe und Magazintasche für zwei Reserveclips. Dann folgte der kleine Rucksack mit dem Fallschirm mit Notfunkboje, Notrationen und Signalfackeln falls man auf einem Planeten abspringen musste. Der Hauptsender war in einer Manschette am rechten Arm eingewebt. Auf einem Chip waren sämtliche Daten über den Träger des Anzugs gespeichert: Name, Rang, Dienstnummer, Blutgruppe, Medikamentenunverträglichkeiten. Das gleiche, was auf dem Chip in der Dienstmarke gespeichert war.
Nun, wo es ans Eingemachte ging, stieg die Nervosität noch weiter an, und als Lone Wolf und Mantis dabei waren die Raumanzüge der Staffel nochmal auf korrekten Sitz und die Verschlüsse zu überprüfen, brach Sonnyboy aus der Reihe aus und hechtete zur Toilette. Als nächstes war zu hören wie sich der junge Pilot reichlich übergab.
Dog Schäfer guckte hinterher und versetzte dann staubtrocken: „Hätte das zweite Steak nicht essen sollen.“
Dafür fing er sich von The Artist, seiner Flügelführerin, einen leichten Schlag auf den Hinterkopf ein.
Nachdem das Röcheln aus Richtung Klo leiser wurde, folgte Mantis ihrem Flügelmann und sah nach dem Rechten. Ein ziemlich bleicher Sonnyboy grinste entschuldigend, als er zurück in die Umkleide kam.
„Hier, nimm einen.“, Cartmell hielt ihm eine Rolle Pfefferminzbonbons hin.
„Ahhh, nee, lieber nicht.“
„Willst Du Dir mit dem Kotzgeruch im Mund in den Helm atmen? Ich würde an Deiner Stelle ein oder zwei oder sogar drei nehmen, Sonny.“, Dog schaffte es auf wundersame Weise ätzend und hilfsbereit gleichermaßen zu klingen.
Billy Laremy, der neben Lucas stand, wirkte auch immer besorgter.
„Kid!“
Der junge Pilot zuckte zusammen und blickte Lucas etwas verschreckt an.
„Wenn Sie auch kotzen müssen, machen Sie das jetzt, wenn Sie Dodson aufs Deck spucken, frisst er Sie.“
„Nein, Sir, ist schon in Ordnung,“, The Kid schluckte trocken, „nur die Knie sind etwas wacklig.“
Lucas überlegte kurz, was ihm sein erster Führer gesagt hatte: „Erstens heißt es da draußen Lone Wolf und nicht Sir. Zweitens Sie sind der Flügelmann, Sie haben die Phönix Raketen; die werden sie bei fünfzigtausend Kilometern abschießen, jeweils zwei auf ein Ziel. Mit etwas Glück holen Sie damit beide Akarii runter.
Anschließend werden Sie mich decken, während ich Akarii jage! Sie decken mich, damit ich nicht selbst zum Gejagten werde.
Sie werden alle Hände voll damit zu tun haben, mir zu folgen und Sie werden dabei jede Menge Treibstoff verbrennen, aber Sie werden dafür sorgen, dass sich keine verdammte Echse an mich ran hängt.
Sie werden keiner Echse hinterherjagen, die Sie vertrieben haben. Ist das angekommen?“
„Aye, Sir.“
„Was sind Sie, Lieutenant?“
„Ein Soldat, Sir, Ihr Flügelmann!“
„Falsch Kid, Sie sind ein Waffensystem, gebaut in der besten Waffenschmiede der Republik und programmiert von den besten Informatikern der Flotte. Gebaut und programmiert für eine Aufgabe. Wie lautet diese?“
„Ihnen die Akarii vom Leib halten Sir!“
„Und was sind Sie, Lieutenant?“
„Ein Waffensystem, Sir!“
Lucas drehte sich zu seinen anderen Piloten um und wurde sich des teils verwunderten Blick gewahr: „Hat sonst noch jemand Fragen?“
Dem war nicht so.
„Gut, dann gehen wir jetzt aufs Hangardeck und checken unsere Maschinen durch. Machen Sie das genauso gründlich wie bei den Raumanzügen, wir haben reichlich Zeit, wir sind relativ weit hinten in der Schlange. Falls wir nicht mehr dazu kommen uns in der Gruppe zu sprechen: Gute Jagd, Ihnen allen.“
Es war recht interessant, für was man als Staffelführer alles Zeit hat, als Geschwaderführer hatte er nie die Zeit gehabt mit seiner persönlichen Staffel so nah zusammenzuarbeiten.

Auf dem Hangardeck war die Hölle los!
Überall lagen Schläuche kreuz und quer um die vielen Jäger zu betanken. Munitionstechniker schoben die mit Raketen beladenen Ordnancecars durch die schmalen Gassen.
Es wurde noch letzte Hand angelegt, hier und da wurde noch geschraubt, Kleinteile ersetzt oder andere Fehlerchen ausgebessert.
Die Maschinen der roten Schwadron – Red Sun Spirit – waren an der Backbordseite des Hangars aufgereiht, und elf der Maschinen waren in verschiedenen Stadien der Bewaffnung und der abschließenden Checks durch die Mechanikercrews.
Die zwölfte Maschine, die mit dem Zeichen des Staffelführers, war noch unbewaffnet und viele der Wartungsklappen waren noch offen. Matt Dodson und zwei seiner Assis arbeiteten noch wie verrückt um die letzten Fehler auszubessern.
Während seine Staffel zu ihren Maschinen ausschwärmte trat Lucas an Dodson heran, der halb im Schacht für das Bugfahrwerk steckte.
„Kann ich helfen Chief?“ Lucas musste brüllen.
„FUCK! Sie könnten mich nicht erschrecken, Lone Wolf und mir nicht im Weg herumstehen,“, kam die gedämpfte Antwort, dann etwas ruhiger, „sie wird fliegen, Commander, mein Wort drauf und wenn ich anschieben muss!“
Lucas zuckte die Achseln und entfernte sich, hier konnte er nichts mehr tun, so entschied er sich seinen Piloten etwas zur Hand zu gehen. Gerade die jüngeren könnten sicherlich etwas Führung gebrauchen.
Auch etwas wofür er als Geschwadercommodore keine Zeit gefunden hatte.
Cattaneo
Tyr

Sterntor-System, COLUMBIA

Nicht zum ersten Mal wünschte sich Kano, dass die so viel versprechend angekündigten Arrow-Marschflugkörper tatsächlich bereits ihren Weg an Bord der COLUMBIA gefunden hätten. Wenn das der Fall gewesen wäre, wenn die TSN die Möglichkeit gehabt hätte, neben den zwei Bomber- und fünf Jagdbomber-Staffeln auch einige Jägereinheiten mit Atomwaffen zu bestücken…
Vielleicht hätten sie dann jetzt zu einem Einsatz starten können, der WIRKLICH etwas bewirken würde. Oh gewiss, er liebte den Kampf mit den feindlichen Raumjägern – wahrscheinlich mehr, als es gut war. Und er empfand eine schwierige Aufgabe eher als Herausforderung denn als Zumutung. Aber inzwischen hatte er schließlich auch mehr Verantwortung als früher. Und dieser Einsatz...
Mit zwanzig Staffeln einen zermürbenden Langstreckeneinsatz gegen einen Gegner zu fliegen, der wahrscheinlich deutlich über dreißig Staffeln starten konnte, die zudem auf unmittelbare Rückendeckung durch etwa einhundert Kriegsschiffe rechnen konnten…nun, das entsprach nicht gerade den Idealen von Fair Play. Falls es so etwas im Krieg gegeben hätte.
Der Gegner würde alle Vorteile nutzen, die ihm zur Verfügung standen – und sie hatten als einzigen Trost die Tatsache, dass die Akarii vermutlich davon ausgehen würden, dass nicht die Kampfflieger, sondern die imperialen Großkampfschiffe das Ziel waren.
Kano musste sich ein sardonisches Lächeln verkneifen: ‚Und was bedeutet das? Dass sie uns erbarmungslos angehen werden, uns alles entgegen werfen, was sie können.’
Und unter diesen Umständen sollten sie versuchen, die Luftüberlegenheit sicherzustellen – also deutlich mehr gegnerische Maschinen abschießen, als selber verlieren.
Immerhin, auf Seiten der TSN stand mit den ‚Angry Angels’ eines der Elitegeschwader der Republik. Einige der anderen Einheiten hatten ebenfalls bereits beachtliche Erfolge erzielen können. Im Vergleich dazu war die Bilanz der imperialen Geschwader bescheidener – oder unbekannt. ‚Aber machen wir uns nichts vor. Wir sind nicht mehr dasselbe Geschwader wie vor sechs Monaten – oder vor Karrashin.’ Die Schlachten der letzten Zeit hatten tiefe Wunden geschlagen. Wunden, die erst oberflächlich verheilt waren.

Das galt auch für die Schwarze Staffel, obwohl sie weniger gelitten und sich schneller regeneriert hatte, als einige andere Schwadronen. So lautete jedenfalls Kanos selbstbewusste Analyse. Ob sie stimmte, würde sich in ein paar Stunden erweisen – in einem Test, der keinen Platz für Illusionen oder Betrug ließ.
Obwohl die Nighthawks der Schwarzen Staffel dank Cunninghams Klientelpolitik teilweise nicht gerade zu den modernsten Chargen gehörten, waren sie in einem guten Zustand. Darauf hatte Kano persönlich geachtet. Er hatte nicht vergessen, dass Maschinenschäden den Butchers Bears in den letzten sechs Monaten drei Nighthawks und zwei Piloten gekostet hatten – darunter den letzten Staffelführer. Wenn ein Pilot sich nicht auf seine Maschine verlassen konnte, dann konnte das tödlich enden. Wenn ihm nicht ein Unfall, ein Maschinen oder Elektronikversagen das Leben kostete, dann besorgte das möglicherweise die fehlende Sicherheit, das mangelnde Vertrauen in seine Waffe und ihre Möglichkeiten.

„Und du bist fest entschlossen, dass dein Flight den Part der Nahkämpfer übernimmt?“
Kano lächelte kurz bei dieser Frage seines Stellvertreters: „Wer denn sonst? Ich selber war schon immer am besten im Kurvenkampf. Und Sugar hat eine Veranlagung dafür.“
„Ja, besonders weil sie am liebsten jeden Akarii mit bloßen Händen erwürgen würde.“
„Solange es nicht ihre Leistungen mindert, ist mir das ziemlich gleichgültig.“
„Von Flyboy wirst du bestimmt keine Widerworte hören. Solange sie mit dir Schritt halten kann…“
„Das wird sie.“
„Ich könnte mir allerdingss vorstellen, dass Jimmy den Kampf lieber …sagen wir mal auf eine größere Distanz führen würde.“
„Hm.“ Es war kein Geheimnis, dass der reaktivierte Veteran es – etwa im Gegensatz zu seiner Flightführerin – an Risikobereitschaft mangeln ließ. Möglicherweise auch über das Maß hinaus, das bei einem Flügelmann gut war.
„Ich werde eben auch ein Auge auf Sugar haben müssen. Und was deine und La Reines Sektion angeht…“
„Ich weiß, ich weiß. Die Phoenix nicht zu früh abfeuern, das Langstreckenfeuer konzentrieren und wenn möglich Sturmjäger aufs Korn nehmen. Auf keinen Fall Langstreckenraketen auf Reaper verschwenden. Ich glaube allerdings nicht, dass die Imperialen viele von denen im Einsatz haben.“
„Wahrscheinlich nicht. Wenn wir Glück haben, fliegen einige von ihnen nur Deathhawks oder Rex. Rechnen würde ich damit aber nicht.“

„Seid ihr alten Männer bald fertig?“
Kano drehte sich zu La Reine um: „Und ich hatte gedacht, dass ich so etwas nur von Huntress zu hören bekomme. Und vielleicht noch Marat. Also entspannen Sie sich, ‚junge Frau’. Wir werden nicht als erste starten. Zuerst heben die Bomber und Jabos ab.“
Er musterte seine Untergebenen. Alle trugen bereits die neuen Raumanzüge, hatten aber noch nicht die Helme aufgesetzt und versiegelt, die sie stattdessen unter dem Arm hielten oder neben sich abgelegt hatten. Sie alle würden in den nächsten Stunden mehr als genug Gelegenheit haben, die immer etwas abgestanden und trocken schmeckende Luft zu atmen, die in ihre Helme strömte.
„Sie wissen alle, was das Ziel dieses Einsatzes ist und wie wichtig unser Erfolg für den Ausgang dieser Schlacht sein kann. Wenn es uns gelingt, die Luftüberlegenheit zu erringen, dann werden wir in der Lage sein, so ziemlich nach Belieben zuschlagen und ausweichen zu können. Dann können wir das Handeln bestimmen, den Gegner auszumanövrieren, ihn ermatten und schließlich vernichten. Auch wenn wir diesmal nicht einmal in der Nähe der feindlichen Schlachtlinie kommen sollten, dieser Einsatz kann uns auf lange Sicht den Sieg bringen.“
„Sagen Sie es doch gleich – wir können Verluste ersetzen. Der Gegner nicht. Das ist eine verdammte Blutrechnung.“
Kano warf Phoenix einen ausdruckslosen Blick zu: „Haben Sie ein Problem mit unserem Auftrag, Jeanpierre?“
Der ehemalige Marines-Flieger schnaubte scheinbar belustigt: „Warum sollte ich? Semper Fidelis.“
„Die Sicherung der Luftüberlegenheit garantiert darüber hinaus, dass die Gefahr eines Angriff auf Masters ausgeschaltet wird.“
„Wenn der Gegner nicht einen Hannover-Stunt hinlegt.“
„Das wird er nicht. Ansonsten hätte er es längst getan.
Wir wissen nicht, wie viele Jäger die Akarii uns entgegenschicken. Aber es werden wohl mindestens genauso viele sein, wie wir starteten. Auch wenn wir die besseren Piloten haben, auch wenn der Gegner teilweise veraltete Maschinen fliegt – es wird ein harter Kampf werden. Machen Sie sich da keine Illusionen. Unterschätzen Sie den Gegner nicht.
Aber da die Imperialen einen Angriff auf ihre Großkampfschiffe befürchten, werden sie sich vor allem auf die Bomber und Jagdbomber konzentrieren. Wir sind für sie nur Hindernisse, nicht das Hauptziel. Das müssen wir ausnutzen.
Wir alle haben in den letzten Wochen hart an uns gearbeitet. Ich weiß, dass ich kein angenehmer Vorgesetzter war. Dass ich viel – sehr viel – von Ihnen verlangt habe.
Jetzt wird sich zeigen, wie viel das Training, wie viel die Strapazen wert sind. Diese Fragen muss jeder sich selber beantworten. Aber ich kann einem jeden von Ihnen sagen, dass ich stolz auf sie bin. Auf jeden einzelnen von Ihnen. Stolz, Ihr Kommandeur zu sein. Und stolz, mit Ihnen in die Schlacht zu fliegen. Gemeinsam haben wir die ‚Butcher Bears’ wieder in das verwandelt, was sie immer schon waren. Eine der besten Staffeln in einem der besten Geschwader der TSN. Wir haben uns den Platz an der Spitze hart erkämpft und wir werden ihn halten. Sie alle sind in den letzten Wochen mehr geworden, als eine Gruppe Piloten – eine EINHEIT. Ich weiß, dass ich mich auf jeden Einzelnen verlassen kann. Genauso, wie Sie sich auf mich verlassen werden.“

Während dieser Worte ließ Kano seine Augen langsam von einem Piloten zum anderen wandern. Er wusste natürlich, dass einiges in seinen Worten Wunschdenken war. Aber darauf kam es jetzt nicht an. Wichtig war, was hinter diesen Worten steckte.
Flyboy, Kanos Flügelfrau wich seinem Blick aus – aber das war wohl eher ihrer Schüchternheit geschuldet, als Zweifeln an ihrem Können. Er war sich sicher, sich auf die junge Vietnamesin verlassen zu können, mochten auch ihre Gefühle und Gedanken vor ihm verborgen bleiben.
Petra ‚Sugar’ Martens erwiderte seinen Blick mit einem ungeduldigen, fast herausfordernden Gesichtsausdruck. Sie brannte darauf, endlich zu starten, und Akariis zu töten.
Ihr Flügelmann ‚Jimmy’ hingegen hielt seine Züge bemüht ausdruckslos. Ihn hatte Kano wahrscheinlich nicht erreichen können. Er würde seine Pflicht tun, aber darüber hinaus…
‚Das muss wohl genügen.’
Um die Lippen von Kanos Stellvertreter Crusader spielte ein leichtes Lächeln. Er wusste offenbar, was sein Vorgesetzter bezweckte. Mochte Crusader in den letzten Jahren vielleicht etwas von seinem bedenkenlosen Draufgängertum verloren haben, die ruhige Selbstsicherheit und Zuversicht, die er stattdessen erworben hatte, würde ihn in dieser Schlacht nicht im Stich lassen.
Fast das gleiche konnte man auch von Submarine sagen, deren Selbstvertrauen in den letzten Jahren zusammen mit ihren Fähigkeiten gewachsen war.
Huntress hatte wahrscheinlich noch nie Probleme mit ihrem Selbstwertgefühl gehabt – und brauchte wahrscheinlich auch keine Ermunterung, um siegessicher in die Schlacht zu fliegen. Die attraktive Pilotin grinste fast raubtierhaft und zwinkerte ihrem Vorgesetzten spöttisch-herausfordernd zu.
Ihr Flügelmann Jin-Ho ‚Spacer’ Lee wirkte etwas weniger forsch als seine Flightführerin, aber schien dem Kampf ebenfalls ohne Angst entgegenzusehen. Nun, da er seine Versetzung von den Seafort-Raumverteidigungsstreitkräften als eine Chance verstand, war das wohl auch zu erwarten. Gut, seine Feuerdisziplin ließ immer noch etwas zu wünschen übrig, aber das wurde durch seine guten Flugfähigkeiten kompensiert.
La Reine gehörte – wie Sugar und Huntress – zu der Sorte von Pilotinnen, die keiner aufmunternden Worte bedurften. Allerdings hatte sie sich in den letzten Jahren wahrscheinlich etwas mehr Verantwortungsgefühl angeeignet, als Sugar bisher bewiesen hatte. Was den Vergleich zwischen La Reine und Huntress anging…da fiel das Urteil schon etwas ungewisser aus. Vor allem, da Huntress sich soviel Mühe gab, ein Rätsel zu bleiben.
Ihm Gegensatz zu ihr waren Phoenix’ Charakter und Motive kein Geheimnis. Der ehemalige Schlachtflieger des Marinekorps und Legionär ehrenhalber wollte nur noch eins – starten, fliegen und Akariis töten. Mit einer Inbrunst, der wahrscheinlich sogar Sugars Rachewünsche in den Schatten stellte. Unter anderen Umständen hätte das Kano vielleicht Sorgen gemacht – Hass war nur solange gut, wie er nicht der Pflicht in die Quere kam – aber Phoenix eiskalte Entschlossenheit und gnadenlose Zielstrebigkeit würde dafür sorgen, dass er ‚funktionierte’. Auf eine Art und Weise, die vermutlich selbst Kanos Pflichtgefühl in den Schatten stellte. Er wusste nicht, ob er den Veteran beneiden oder bedauern sollte – aber er würde das kalte Feuer, das in Phoenix brannte, zu nutzen wissen. ‚Sein Callsign ist gut gewählt.’
Und selbst wenn sich Phoenix zu etwas Unüberlegtem hinreißen lassen sollte, dann würde Babur ‚Bunny’ Shibabs ruhiges und überlegtes Naturell das hoffentlich ausgleichen.

„Das wäre dann alles. Wir sehen uns am Boden wieder. Guten Flug – und viel Glück.“
Während das Dutzend Piloten auffächerte und sich auf ihre wartenden Maschinen verteilte, beobachtete Kano, wie Bunny kurz innehielt. Der von Texas stammende Pilot mit den persischen Vorfahren schloss die Augen, streckte die leicht angewinkelten Arme mit nach oben geöffneten Handflächen aus und verharrte so kurz. Kano glaubte zu sehen, wie sich seine Lippen leicht bewegten.
‚Wir alle haben etwas, was uns Stärke und Kraft gibt. Unsere Familien, unsere Kameraden, unser Pflichtgefühl, unser Hass…oder unser Glaube.’
Kano tastete in die Innenseite seines Helmes und holte das Hashimaki hervor, das er dort verborgen hatte. Behutsam entfaltete er das weiße Stirnband mit dem roten Sonnenemblem und den schwarzen Schriftzeichen und legte es an. Mochte das auch nicht den Einsatzvorschriften entsprechen, er mochte dieses Symbol seiner kämpfenden Vorfahren nicht vermissen. Dieses Band war mehr als eine Erinnerung daran, was seine Pflicht war und welcher Traditionen er sich verpflichtet hatte. Es verband ihn mit all jenen, die unter diesem Zeichen in die Schlacht gezogen waren.

Dennoch, als er die Leiter zum Cockpit seiner Maschine erklomm, galten seine Gedanken nicht seinen Vorfahren, die im 17. Jahrhundert gegen Tokugawa Ieyasu rebelliert hatten, oder seinem Namensvetter, der 1945 bei dem Versuch abgeschossen worden war, einen Schwarm Kamikazeflieger zu beschützen. Sie galten den Männern und Frauen, die ihm bei diesem Flug folgen würden. Sie galten seiner Schwester – und einer indischen Pilotin, die wahrscheinlich im selben Augenblick von der DERFLINGER startete.

**********

Sterntor-System, imperialer Flottenträger KAHAL

An Bord der KAHAL waren in den letzten Tagen die Anspannung und das Gefühl einer nahen und permanenten Bedrohung ständiger Gast gewesen. Doch das war nichts gegen die Atmosphäre, die jetzt die Brücke und jede einzelne Gefechts- und Arbeitsstation überflutete.
Die Menschen hatten sich endlich entschlossen, offensiv auf die Bedrohung zu reagieren, die sich ihren Weg durch das Parrak-System bahnte.

„Admiral, unsere Sensorstation ist mit der Analyse des anfliegenden Verbandes fertig. Seine Stärke wird auf mindestens 250 Kampfflieger geschätzt. Den Flugmustern zufolge vermuten wir vor allem Jagdbomber und Jäger. Dazu kommt noch eine größere Anzahl schwererer Einheiten – Shuttles. Vermutlich überwiegend Betankungseinheiten und Maschinen für die elektronische Kriegführung.“
„250? Das sind mehr als zwanzig Staffeln. Die TSN hat wie viel…vier leichte und einen Flottenträger? Sie schicken fast ihren gesamten Bestand an Kampffliegern.“
„Falls sie nicht ebenfalls Hilfsträger einsetzen.“
Taran zuckte mit den Schultern: „Das glaube ich nicht. Die Menschen setzen diese Einheiten lieber für nachrangige Geleitschutzaufgaben ein – nicht bei den Flottenverbänden. Im Gegensatz zu uns glauben sie anscheinend, sich diesen Luxus noch leisten zu können.
Wann werden die Feindeinheiten uns erreichen?“
Kapitän Matir lauschte kurz den Worten eines Sensoroffiziers, runzelte die Stirn und beantworte dann die Frage seines Vorgesetzten. Auch Taran wirkte überrascht: „So lange? Was bezwecken die Menschen mit einem derartigen Langstreckeneinsatz? Sie erschöpfen damit ihre Piloten und zwingen sie, Zusatztanks zu verwenden oder sich während des Fluges auftanken zu lassen.“
„Vielleicht haben Sie Angst, uns zu nahe zu kommen…“
„Das wäre wirklich ein schöner Gedanke…“
„…oder aber, sie fürchten einen Angriff auf Masters, wenn sie noch länger warten. Vielleicht setzt sie auch ihr Oberkommando unter Druck und verlangt ein schnelles Vorgehen.“
Der Admiral lächelte flüchtig: „Auch das wäre gut, denn dann würden sie Fehler machen. Auf jeden Fall geben sie uns genug Zeit, um zu reagieren.
Los, wir verfügen über 30 Staffeln?“
„Ja, Admiral. Zehn Staffeln Jäger auf den Flugdeckkreuzern und Hilfsträgern und dazu die zwanzig Staffeln der KAHAL und CHA’KAL. Jeweils zwei Staffeln Bomber, zwei Staffeln Jagdbomber und sechs Staffeln leichte, mittlere und Sturmjäger.“
„Ich will einen massierten Einsatz unserer Jagdverbände.“
„Unter Einbehaltung einer Notreserve von vier Abfangstaffeln können wir 18 Schwadronen einsetzen. Dann hätten wir immer noch acht Staffeln Bomber und Jagdbomber, die wir notfalls mit Raumkampfraketen bestücken könnten. Und natürlich die Kanonenboote und Flak-Schiffe.“
„Also machen wir es so. Sobald der Gegner nahe genug herangekommen ist, schicken wir ihm 18 Staffeln Jäger entgegen, und behalten vier weitere als Reserve. Was die Jagdbomber angeht, so werden sie mit Raumkampfraketen bestückt, aber bleiben an Bord. Die Bomber ebenfalls, außerdem behalten sie vorerst ihre Bestückung mit Atomraketen. Ich will nicht unser gesamtes Fernschlagspotential zugunsten der Defensive aufgeben. Was die Schnell- und Kanonenboote angeht, so bleiben sie ebenfalls erst einmal an Bord ihrer Mutterschiffe.“
„Planen Sie einen weit entfernten Abfangpunkt, oder wollen wir uns auf den Rückhalt durch die Flak-Schiffe verlassen?“

Beide Methoden gehörten zum alten Standartrepertoire der imperialen Flotte und hatten ihre Vor- und Nachteile. Der kombinierten Feuerkraft, über die ein von Jagdfliegern unmittelbar abgeschirmter Verband verfügte, stand das Risiko gegenüber, dass der Feind eine relativ dicht vor seinen Hauptzielen formierte Abwehrformation durchstoßen könnte. Die TSN hatte diese Fähigkeit bereits mehr als einmal demonstriert – mit bemerkenswertem Erfolg, allerdings auch spektakulären Verlusten.
Versuchte man hingegen, den Gegner so weit wie möglich von ihrem Ziel entfernt abzufangen, war das Risiko eines schnellen Durchbruchs der Bomber und Jagdbomber gering, wenn auch auf Kosten der Unterstützung der eigenen Kampfflieger durch die Flugabwehrgeschütze der Großkampfschiffe. In einem solchen Fall war es auch weitaus schwieriger und zeitaufwendiger, ausgestiegene Piloten und havarierte Maschinen zu bergen. Und wenn es den feindlichen Kampffliegern gelang, die Abfangjäger zu binden oder auszumanövrieren, wenn sie einen weiteren Bomberverband in der Hinterhand hatten…

Der Admiral schien kurz zu überlegen, und schüttelte dann den Kopf: „Wir sollten eine andere Einsatztaktik verwenden. Solange wir in relativer Nähe zu Masters operieren und nicht genau abschätzen können, welchen Kurs unser Gegner einschlagen wird, will ich unsere Kampfflieger nicht ein oder zwei Stunden entfernt wissen. Denken Sie daran, wir brauchen die Fähigkeit zu kombinierten Schlägen.“
„Sie kennen die Durchbruchsfähigkeit der TSN. Und gerade die ‚Angry Angels’…“
„Haben in ihrer letzten Schlacht schwer bluten müssen und etwa die Hälfte ihres Bestandes verloren. Und ich habe nicht vor, sie auf Klingenlänge herankommen zu lassen. Lassen Sie einen Abfangpunkt in einer Entfernung von 10-M berechnen.“
„Natürlich.“
Hinter diesem Kürzel verbarg sich eine einfache Formel – die zehnfache Maximalreichweite der feindlichen Kampfflieger-Atomraketen vom Typ ‚Maverick’. Das war kein allzu reichlicher, aber doch beruhigender Sicherheitsabstand. Selbst wenn die Angreifer durchbrechen konnten, würden sie so noch etwa zehn Minuten brauchen, bevor sie den äußeren Ring der Kriegsschiffformation erreichten – Zeit, um Flak-Schiffe umzugruppieren, die Kampffliegerreserven zusammenzuziehen oder die Jagdbomber, Bomber oder Kanonenboote zu starten.
„Außerdem möchte ich, dass unsere Jäger von ECM/ECCM-Shuttles begleitet werden. Mindestens einer halben Staffel. Wir sollten auch sicherstellen, dass abgeschossene Piloten so schnell wie möglich aufgesammelt werden. Wir können uns keine vermeidbaren Verluste erlauben. Außerdem können tote Feinde uns keine Informationen mehr geben.
Und geben Sie Zanni Bescheid. Die KALLEH übernimmt die Koordination der Jäger.“ Das war eine der Aufgaben, für die man die schwer bewaffneten Flugdeckkreuzer konzipiert hatte. „Die ELIAK VIII wird gleichzeitig den Einsatz der Flak-Schiffe koordinieren.“
„Wie Sie wünschen.“
„Allerdings. Außerdem will ich, dass die GIBIT den Drohneneinsatz verstärkt. Die Menschen sollen auch weiterhin glauben, dass es sich bei ihr um einen echten Träger handelt.“
„Falls es dem Feind gelingt, in den Flottenverband einzudringen, werden sie sich nicht lange von ein paar Dutzend modifizierter Drohnen, Täuschkörpern, Störsignalen und fingierten Funkbotschaften täuschen lassen.“
„Wenn den Menschen der Einbruch gelingt, dann werden wir noch ganz andere Probleme haben. Bis dahin will ich, dass sie weiterhin von DREI Flottenträgern ausgehen.
Außerdem soll die Flotte eine defensive Marschformation bilden. Wenn die Menschen es uns schon erlauben, uns auf ihren Angriff vorzubereiten…“
„Zu Befehl.“
Der Admiral nickte knapp und wandte sich wieder dem Taktikdisplay zu. Die Arme ruhig hinter dem Rücken verschränkt, musterte er die sich nähernden feindlichen Kampfflieger.
Cattaneo
Ace

"ACHTUNG!"
Durch die versammelten Piloten des Flying Circus ging ein kollektiver Ruck, als Demolisher das Eintreffen von Papa Bear ankündigte. Sie sprangen auf und nahmen Haltung an.
Die DERFLINGER war gewiss kleiner, und ihr Geschwader ebenso. Aber zumindest gab es einen Besprechungsraum, in dem alle sechzig kämpfenden Mitglieder plus dem wichtigsten unterstützenden Personal Platz fanden. Das ging auf Kosten staffeleigener Besprechungsräume, aber die waren nicht wirklich nötig.
"Rühren.", schnarrte Commander Farouk, kaum dass sie den Raum betreten hatte. Sie ging mit erheblichem Schwung zum Sprechpult und sah ins Rund.
"Herrschaften, ich hoffe, das Frühstück hat allen geschmeckt."
Leises Gelächter erklang als Antwort. Die Bordküche hatte sich richtig Mühe gegeben, und ein englisches Frühstück All you can eat gezaubert. Gerüchteweise hatten sie alleine für den krossen Speck vierzig Kilo Schweinebauch verbraten.
"Na, dann können wir ja in die Vollen gehen. Wie Ihr alle wisst, steht uns heute ein Langstreckeneinsatz bevor, der uns nach expliziter Flugzeit in Reichweite der Akarii bringt, die marodierend durch ein urterranisches System fliegen. UNSER System!"
Ihr antwortete erregtes Gemurmel. Die DERFLINGER und ihr Geschwader, der Flying Circus, waren es gewöhnt, sich den Akarii zu stellen, egal ob im Hinterland des Feindes, oder an der Frontlinie. Selten einmal, dass der Skipper wegen überlegener Feindverbände Fersengeld gab. Das ergab eine hohe Fluktuation bei den Piloten, aber es machte auch einen Teil des hervorragenden Rufs des leichten Trägers und ihres CAGs aus. Denn die DERFLINGER schlich auch sehr selten mit blutiger Nase vom Schlachtfeld. Oder anders ausgedrückt fluchten die Werftoffiziere von New Boston bis Texas, sobald die DERFLINGER ins System geschlichen kam - umfangreiche Reparaturarbeiten waren garantiert. Aber dafür hielten ja auch Mannschaft, Piloten und Begleitschiffe ihre Köpfe hin und gaben den Akarii Saures.
"Sie sind hier! Bei uns! Sie wagen es, hier zu marodieren, als wären wir hier in einem unterbesetzten, maroden Grenzsystem! Das wird sich heute ändern! Und den Akarii wird schmerzhaft bewusst werden, warum wir den Krieg mittlerweile zu ihnen getragen haben!"
Das erregte Gemurmel wurde lauter. Vereinzelt pfiff jemand zustimmend.
"Wir gehen heute da raus mit nur einem Ziel: Wir wollen ihr Jägerkontingent hervorlocken, stellen, und von ihnen so viele wie möglich abschießen. Dazu werden wir mit den Angry Angels und den Marines-Staffeln von Masters zusammen arbeiten. Alles in allem bieten wir weit über zweihundert Maschinen auf."
Papa Bear blickte wieder in die Runde. Stolz. Zufrieden. "Ich weiß, Ihr werdet wie immer euer Bestes geben! Ich weiß, Ihr alle kennt eure Verantwortung für die Terran Space Navy und für die vielen Milliarden Menschen auf Seafort, Masters und in der ganzen Republik. Ich weiß, keiner von euch stirbt gerne, aber jeder einzelne hat sich dazu entschlossen, dieses Risiko mit seiner Pilotenkarriere in Kauf zu nehmen. Und bisher hat dieser stolze Träger mehr von denen aus dem Sitz geschossen als sie von uns!"
Lauter Jubel klang in den Reihen auf. Die Abschussquote lag etwa zwei Komma drei zu ein gegenüber den Akarii. Das waren reine Abschüsse, die geborgene Piloten beider Seiten berücksichtigte, und Maschinenverluste waren nicht explizit eingerechnet. Für ein Schiff wie die DERFI, die gerne auch mal weit hinter der feindlichen Front unterwegs war, bedeutete dies eine gute Quote.
"Wenn wir also da raus gehen, dann auch um den guten Ruf der DERFLINGER zu verteidigen, um den guten Ruf des Flying Circus zu verteidigen! Um den Angry Eagles zu zeigen, dass sie nicht das einzige Elite-Geschwader im System sind! Und um der Miliz zu zeigen, was gute Piloten leisten können, wenn sie hart trainieren und den Feind noch härter ran nehmen!"
Nun erhielt Papa Bear Standing Ovations der Anwesenden. Selbst Skipper Hinrick Neumann, der in der offenen Tür stand und zuhörte, klatschte begeistert mit.
"Also, macht mir keine Schande da draußen. Wir fliegen seit langer Zeit ohne eigene Deckungsaufgabe, also können wir endlich mal wieder unsere Geschwaderübungen umsetzen und als perfekte Einheit agieren. Einheiten von Masters decken unser Schiff; Tank-, SAR-, Munitions-, ECM- und ECCM-Shuttles werden uns begleiten und unterstützen.
Wenn wir die Akarii zu fassen kriegen, dann wünsche ich mir, dass der Jägerschutz dieser Flotte hinterher nur noch rudimentär vorhanden ist, und dass unsere Dickschiffe anschließend problemlos mit Admiral Tarans Flotte den Boden aufwischen werden!"
Papa Bear wartete den Jubel gar nicht erst ab. Sie stemmte beide Hände auf das Pult und funkelte die vorderste Reihe böse an. "HERRSCHAFTEN! Für die Hasardie werden wir die Akarii übelst abstrafen! Wir werden, wie wir es hundertmal geübt haben und Dutzende Male getan haben, als Einheit aus achtundvierzig Teilen agieren! Wir werden demonstrieren, was es bedeutet, die Piloten eines Leichten Trägers in die Schlacht zu schicken! Und wir wollen den Angry Eagles zeigen, dass sie sich um unsere Flanke keine Sorgen machen müssen! Eventuell lernen sie ja auch noch was von uns!"
Wieder wurde gelacht, dazu klang Applaus auf. Das Geschwader war sich einig, dass es keine Trainingsrückstände auf das berühmte Geschwader mehr gab. Witze machten die Runde, dass sicher bald auch eine Fernsehserie über den Flying Circus gedreht werden würde, und die einzelnen Piloten tauschten sich bereits darüber aus, wer sie wohl am Besten spielen würde.
"Und jetzt!", rief Papa Bear und sah mit funkelnden Augen in die Runde, "Geht da raus und macht mich stolz auch euch!"
Nachdem auch dieser Jubel abgeklungen war, erhob sich Demolisher von seinem Platz.
"Wer sind wir?"
"DER FLYING CIRCUS!"
"Was liefern wir!"
"DIE GRÖßTE SHOW DER GALAXIS?"
"Und wie schaffen wir das?"
"DURCH SIEGEN, SIEGEN, SIEGEN!"
Papa Bear schmunzelte zufrieden. "Na, dann ab, Ihr Meute! Staffelführer und XO's bleiben noch!"

Der Besprechungsraum leerte sich. Die Piloten waren motiviert und bester Laune. `Hoffentlich´, ging es Helen Kali Mitra durch den Kopf, `sind sie das auch noch nach dem langen Anflug auf die Akarii´.
Sie tauschte mit Bobcat, ihrer Flügelfrau, einen freundschaftlichen Knuff gegen die Schulter aus und trat dann mit den anderen kommandierenden Offizieren des Geschwaders zum Pult.
Die sieben Piloten, die vor Papa Bear traten, stellten das Beste dar, was die DERFI aufzubieten hatte. Ein nicht unbeträchtlicher Teil von Kalis derzeitigen Stolz kam aus der Tatsache, einer von ihnen zu sein.
Papa Bear ließ kurz ihren Blick über die Piloten gleiten, bevor sie sich vergewisserte, dass außer ihren Staffelchefs und deren XO's nur noch der Skipper anwesend war.
"Ihr wisst, wir haben schon oft in schwierigen Situationen gesteckt. Manchmal auch in solchen, die auswegslos erschienen, und aus denen wir uns doch wieder raus gehauen haben. Und Ihr wisst, auch wenn ich den einen oder anderen nicht so recht mag..." Leises Gelächter hallte auf, und Conti konnte ein Grinsen nicht unterdrücken. "...so habe ich doch Vertrauen in die Fähigkeiten jedes Einzelnen hier. Dennoch, diese Situation ist anders. Wir haben schon oft als Geschwader agiert, wir waren auch schon ohne die Deckung durch den Skipper und unsere Begleitschiffe unterwegs. Aber dieser Einsatz ist etwas Besonderes. Es ist einer von jenen Kalibern, die man nur alle paar Jahre einmal erlebt. Der Krieg scheint voll davon zu sein, aber wie oft ist man selbst in der Position, um teilzuehmen? Dieser Kampf wird wie Jollahran sein, eine Schlacht mit reinen Zahlen, wie das Rückzugsgefecht in Manticore, oder etliche weitere Kämpfe in diesem Krieg, in dem sich ganze Flotten geprügelt haben.
Wenn wir da raus gehen, tun wir es als Flying Circus. Aber unsere achtundvierzig Maschinen werden in dem Wust untergehen, und ich sehe den Augenblick kommen, in dem wir zersplittert werden, wenn wir nur noch Sektionsweise, oder im schlimmsten Fall alleine fliegen werden. Ich werde versuchen, dem entgegen zu arbeiten. Und es steht außer Frage, dass auch Ihr dem entgegen arbeiten müsst. Je weiter wir zersplittern, desto verletzlicher ist das Geschwader. Andererseits kann es auch sein, dass in einer maximalen Streuung unsere einzige Rettung liegen wird."
Sie sah in nachdenkliche Gesichter, in aufmerksame Gesichter.
"Ihr wisst, unser Auftrag ist es, die feindlichen Flieger zu stellen und zu vernichten. Das wird ein Malstrom aus über fünfhundert beteiligten Einheiten auf maximale und mittlere Distanz, ein Wirbel aus Waffenimpulsen und Raketen. Es dürfte dem, was die Christen "Hölle" nennen, so ziemlich am Nächsten sein. Aber wir sind Soldaten. Wir haben einen Befehl bekommen, den wir auch ausführen werden. Wir kriegen unsere üppige Flugzulage schließlich nicht für die meisten Stunden auf unseren Maschinen, sondern weil wir Akarii abschießen."
Wieder klang leises Gelächter auf.
"Ich werde mich bemühen, mit den Angry Angels und den Masters-Geschwadern so lange wie möglich eine Koordination aufrecht zu erhalten. Ihr werdet dies auf Staffelebene weiterleiten.
Sollten wir aufgesplittet werden, habt Ihr den Befehl, euch in Sektionsgröße zu sammeln und den Auftrag bis zum Rückzugsbefehl weiter zu führen. Dabei ist es mir Scheißegal, ob Ihr mit zwei Angry Angels und einem Milizionär fliegt - Hauptsache, Ihr fliegt. Neu sammeln und formieren können wir uns später immer noch. Entweder hier auf der DERFI, oder falls sie zu diesem Zeitpunkt ihre Fähigkeiten als Träger eingebüßt hat, auf der COLUMBIA oder Masters selbst. Noch Fragen?"
Conti hob eine Hand. "Rechnen wir damit, dass der Träger angegriffen wird? Sollten wir dann nicht die Albatros zur Verteidigung zurücklassen? Ich meine, die werden die gute DERFI sicher besser und länger verteidigen als die Reserven, die unseren Job hier übernehmen."
"Da haben Sie natürlich Recht, Conti. Aber unsere Befehle sind eindeutig, und im Moment fühle ich mich ganz wohl dabei, dass wir das Gefecht zumindest als Geschwader beginnen können. Nichts für ungut, Skipper."
Der Kapitän der DERFLINGER verzog den Mund zu einem schmallippigen Lächeln. "Kein Problem. Im Krieg weiß man nie, Jasmin."
Papa Bear antwortete mit einem bestätigenden Nicken. "Also gut, Leute, geht da raus, und verbreitet Optimismus. Wir Führungsoffiziere müssen uns mit solchem Mist wie Worst Case-Szenarien beschäftigen, aber davon lassen wir die Kampfmoral unserer Leute nicht herunter spielen. Also, gute Jagd, und viele Abschüsse."
"Ebenso, Papa Bear", erwiderten die Piloten unisono.
Nach und nach leerte sich der Raum. Als Commander Farouk als Letzte den Saal verließ, klopfte sie Kapitän Neumann auf die rechte Schulter. "Bis nachher, Hammer."
"Wir sehen uns nach der Schlacht, Papa Bear."
Cattaneo
Ironehart

An Bord der Derflinger
Im Marsch auf Masters
Sterntor-System

Als Papa Bears Einsatzbesprechung für die Staffelführer und XO´s des Flying Circus geendet hatte, empfing Sharon „Bobcat“ Rodgers ihre XO und Demolisher etwas abseits des Besprechungsraums mit einem kecken Grinsen. „Na, alle Klarheiten beseitigt?“
„Kann man so sagen, Kleine.“ Demolisher grinste seine frühere Ex-Freundin an.
„Na dann ist ja gut. Ich denke Jasmin hat noch weiter schön auf die Motivationstube gedrückt, oder?“ Kali verdrehte die Augen und auch Demolisher musste grinsen, war der freche Ton von Bobcat doch fast vorhersehbar gewesen.
Doch schon einige Wimpernschläge später wich Sharons freches Lächeln einem fast schon wehmütigen Blick gepaart mit einer zappeligen Körperhaltung. Nervös waren sie alle, doch Kali bemerkte, dass das bei ihrer Flügelfrau noch etwas ausgeprägter zu sein schien.
Sie legte den Kopf ein wenig schräg. „Alles klar, Sharon? Du machst mir doch nicht schlapp, so kurz vor der Schlacht, oder?“
„Ich? Ach, i wo. Es ist nur…“ Sie zögerte und blickte die beiden ehemaligen Angels an.
„Was?“
„Es ist nur dieses dämliche Gefühl… dass ich heute…“ sie brachte es wieder nicht fertig ihren Satz zu beenden.
Doch Kali verstand auch so und nickte ihrer Kameradin zu. „Keine Sorge, Sharon. Wir geben auf einander Acht und es wird dir nichts passieren.“
Sharon lächelte. „Das weiss ich Helen. Aber das meinte ich nicht. Zumindest nicht ganz.“
Kali runzelte die Stirn.
„Schau, ich habe das Gefühl, dass ich heute jemanden verlieren werde, den ich liebe!“ Sie blickte hinüber zu Demolisher. „Oder einmal geliebt habe.“
`Na das sind dann aber so einige` dachte Kali, sprach es aber nicht aus um ihre neu gewonnene Freundin nicht unnötig zu verletzen.
„Na danke für dein Vertrauen in meine Fähigkeiten.“ erwiderte stattdessen Demolisher mit gespieltem Ärger. „Ich denke ich kann schon ganz gut auf mich selbst aufpassen. Dein derzeitiger Lover ist doch aber einer dieser Flugdeck-Tekkies, oder? Also keine Sorge nötig!“
„Du meinst solange die Derfi nicht angegriffen wird?“
Demolisher zuckte mit den Schultern. „Es wird schon gut gehen. Wir sehen uns nach der Schlacht und trinken einen Drink darauf, wirst schon sehen. Gute Jagd, ihr beiden!“.
Demolisher nahm beide flüchtig in den Arm und machte sich auf den Weg zu seinem Jäger.
Kali blickte ihm einen Augenblick hinterher und hoffte inständig, das er Recht behalten würde. Dann wandte sie sich dann an ihre Flügelfrau.
Ihr Blick schien die hübsche Blondine noch nervöser zu machen.
Kali nickte ihrer neuen Freundin zu. „Glaub mir Sharon, ich verstehe dich ganz genau. Wie du weißt habe ich auch jemanden, um den ich mir Sorgen machen muss.“
„Ich wußte, dass du es verstehen würdest. Ich wünschte nur ich könnte so abgebrüht sein wie du, Demolisher, Conti oder Papa Bear. Die Derfi war bei weitem nicht so oft in einer so großen Schlacht gewesen wie die Columbia. Und ich habe einfach Sorgen, dass uns die Akarii da draussen in Stücke reissen werden. Nicht weil wir schlecht sind, sondern weil wir im Vergleich so unerfahren sind.“
„Diese Akarii gehören auch nicht unbedingt zur Elite.“
„Vielleicht. Wir aber auch nicht. Zum Glück sind die Angels wenigstens mit von der Partie.“
Kali schüttelte den Kopf. Als ehemalige Fliegerin der Eliteeinheit hielt sie zwar auch große Stücke auf ihr ehemaliges Geschwader. Aber nun war sie Führungsoffizierin des Flying Circus und dementsprechend musste sie sich jetzt auch verhalten. „Jetzt stellst du das Licht des Flying Circus aber doch etwas zu weit unter den Scheffel. Die Mehrheit unserer Piloten mag nicht ganz so erfahren sein wie die Angels. Aber vergiss nicht, das 127te hat auch einige Verluste erlitten, die es erst mal zu ersetzen gilt. Wir sind dagegen eine eingeschworene Truppe, die sich teilweise seit Jahren kennt.“
„Und dennoch, in unserer gemeinsamen Übung haben sie uns gehörig den Arsch versohlt.“
Kali verzog das Gesicht. „Naja, es war doch recht knapp gewesen, oder?“
„Und die ganzen Asse, die die Angels haben?“
Kali lächelte. „Ja, Lone Wolf, Raven, Lilja, Ohka, Ace, Irons, Razor… Eindrucksvolle Namen. Selbst die “Zweite Reihe“ mit Piloten wie zum Beispiel Noname, Imp, Crusader und Blackhawk sind bereits schon mehrfache Asse und haben sich zurecht einen Namen gemacht. Aber unsere Staffel hat auch sehr gute Piloten. Und einige von Ihnen können sich auch getrost zu den Assen gezählt werden. Papa Bear, Conti und Demolisher nur um mal ein paar zu nennen.“
„Und dich!“
Kali lächelte geschmeichelt, schüttelte aber vehement den Kopf. „Jetzt aber nicht einschleimen, Kleine. Ich bin weit entfernt davon, ein solches Ass zu sein.“
„Tiefstaplerin…!!!“
„Das musst du gerade sagen!“
„ICH?“ Sharon lachte laut auf. „Bis eben gerade war ich fast schon geneigt deinen Worten glauben zu schenken. Aber wenn du mich als Ass bezeichnest, ist das ja wohl vollkommen abwegig. Ich hatte mehr Lover als Kampfeinsätze und die Zahl meiner Abschüsse erreicht nicht mal meine zweite Hand.“
„Ich habe nicht gesagt, dass Du ein Ass wärst. Ich meinte, dass Du auch eine Tiefstaplerin bist.“ Sharon erwiderte nichts sondern runzelte nur die Stirn, also fuhr Kali fort. „Du bist eine bessere Pilotin als Du denkst und mit einem kleinen Schuss mehr Ehrgeiz könntest du noch viel mehr erreichen.“
Sharon überlegte einen Augenblick. Doch dann schüttelte sie doch den Kopf. „Du weisst, dass ich einfach nicht als Führungskraft tauge. Ich werde nie so sein, wie du.“
„Das musst du auch nicht. Sei in erster Linie eine gute Pilotin und der Rest wird im Laufe der Jahre noch kommen. Ich musste es schliesslich auch erst langsam lernen.“
„Und wenn es nicht kommt.“
„Auch nicht schlimm. Man kann auch ein Ass werden, selbst wenn man nie eine Staffelführerin werden sollte. Wichtig ist nur eines: Flieg wie ein Engel und schiess wie ein Teufel.“
„Ist das nicht einer der Leitsprüche Angels?“
Kali zuckte mit den Schultern. „Ja, aber er trifft dennoch zu. Also, und nun ab zu den Maschinen, wir haben noch einen langen Flug vor uns.“
„Aye, Aye Madam.“ scherzte Bobcat und Kali musste lachen. Natürlich war sie auch nervös und natürlich wurde sie fast verrückt vor Sorge um ihre Kameraden an Bord der Derflinger und der Columbia. Aber sie musste sich zusammenreissen und mit gutem Beispiel voran gehen und konnte nur hoffen, dass sich Sharons böse Vorahnungen nicht bewahrheiten würden.

***

An Bord der Columbia
Im Marsch auf Masters
Sterntor-System

Sergeant Jean Davis sass in ihrer Felduniform auf einer Bank im Bereitschaftsraum der Bordmarines und starrte konzentriert vor sich hin. Sie war nicht alleine in dem Raum, ein paar ihrer Kameraden warteten hier ebenfalls darauf endlich in Kampfweite zu kommen und den Einsatzbefehl zu erhalten. Sie würden dann ihre Kampfanzüge anlegen und sich bereit machen um entweder den unwahrscheinlichen Fall einer Enterung abzuwehren. Oder – was deutlich wahrscheinlicher war – bei der Schiffsicherung zu unterstützen.
Das Warten, das ewige Warten war das zermürbendste. Es gab im Moment nicht viel für die Marines zu tun, wie so häufig wenn sie in die Schlacht zogen.
Das war das Schicksal, welches die Bordmarines immer wieder ereilte. Während alle anderen Einheiten beschäftigt waren, mussten die Marines warten.
In den ersten Schlachten hatte die Langeweile und die Ungewissheit gehörig an Jeans Nervenkostüm gezerrt. Doch mittlerweile hatte sie sich daran gewöhnt. Sie konnte schliesslich nichts daran ändern, also half es auch nichts, sich zu viele Gedanken zu machen.
Doch gänzlich unterdrücken konnte sie sie aber auch nicht.
Also fragte sie sich, ob das wieder eine der unzähligen Schlachten werden würde, in der sie sich bereit machen würden die Columbia zu verteidigen oder bei der Schiffssicherung zu unterstützen und dennoch nicht das Geringste zu tun bekommen würden. Oder ob es wie in der letzten Schlacht enden würde, in der ihr Ken getötet worden war.
Der Gedanke an ihren Verlobten betrübte sie jedesmal wieder aufs Neue. Es verging kaum ein Tag, kaum eine Nacht in der sie nicht an seinen Tod denken musste. Daran wie er sich schützend vor sie gestellt hatte um in dem Shrapnellregen zu sterben, der auch sie getötet hätte.
Jean zählte nicht zu den Soldatinnen, die die Schlacht herbei sehnten. Sie hatte die Kämpfe und das Gemetzel auf Wron und um Camp Hellmountain nicht genossen, kaum einer tat das. Keiner konnte sich darauf freuen in die Schlacht zu ziehen und zu wissen, dass Kameraden und Freunde sterben würden.
Aber herumsitzen zu müssen und zu wissen, dass um sie herum ein wilder Kampf tobte in der sie nicht helfen konnte und deren Ausgang sie nicht beeinflussen konnte, war auch ein schlimmes Gefühl.
Sie machte sich Sorgen und sie dachte an all die Männer und Frauen an Bord der Columbia, an alle Kameraden, die auf den anderen Schiffen in den Kampf zogen. Sie dachte an die Piloten der Angry Angels. Und natürlich dachte sie an ihre Brüder Ian und Clifford und betete, dass ihnen nichts zustossen möge.
Und dann dachte sie an Donovan. Unbewußt schlich sich ein Lächeln auf ihr Gesicht, wenn sie an diesen älteren, großgewachsenen, breitschultrigen Tolpatsch dachte. Es verging auch kein Tag, an dem sie nicht an ihren Quasi -Bruder dachte. Und daran, das er für sie mittlerweile mehr als nur ein weiteres Mitglied ihrer Familie war.
Sie erinnerte sich an ihre Verabschiedung kurz vor der Schlacht und daran, dass sie ihn fast geküsst hätte. Der Gedanke daran liess sie kurz rot werden und sie musste lächelnd den Kopf schütteln um das Gefühl wieder zu verdrängen. Sie blickte sich kurz zu ihren Kameraden um, ob es jemandem aufgefallen war. Doch alle schienen mit ihren eigenen Gedanken beschäftigt zu sein.
Die Schmetterlinge in ihrem Bauch vollführten Salti und sie freute sich jetzt schon daran, ihn wieder zu sehen und ihn nach der Schlacht hoffentlich wieder in den Arm nehmen zu können.
Und vielleicht… vielleicht ja auch mehr.
Jean Davis konnte in diesem Moment nicht wissen, dass ihre Hoffnungen sich nicht verwirklichen würden.
Cattaneo
Cattaneo

Eine Prise Pathos in einem Becher voll Sorgen

Angriffsverband der Angry Angels, jenseits von Masters

Die Stimme der jungen Frau ließ jede Spur von Wärme oder überhaupt vom Emotionen vermissen, eine Kälte, die problemlos vom Funkgerät übertragen wurde: „Statusmeldung Staffel Grün.“ Der Tonfall schien anzudeuten, dass demjenigen, der die Frechheit haben sollte, Probleme anzumelden, einiges Ungemach blühte. Doch die Antworten, die in kurzer Folge eintrafen, schienen sie zufrieden zu stellen. Schließlich bestätigte sie die letzte Durchsage: „Ausgezeichnet. Es sind noch 15 Minuten bis zum Tankrendezvous. Reihenfolge der Wings ist Drei, Zwei, Eins – wir geben uns wechselseitig Schutz.“ Letzteres war eigentlich überflüssig, denn bis zu den Akarii war es noch weit, ein Überraschungsangriff während des Tankmanövers war nicht zu erwarten. Aber die Staffelchefin der Flying Stallions gehörte zu den Menschen, die grundsätzlich auf Nummer sicher gingen. Und nach dem Überraschungsangriff der Akarii bei Karrashin erst recht. Folglich würden die Falcons schubweise betanken, während ihre Kameraden sie gegen jede denkbare oder undenkbare Gefahr absicherten. Einige der Piloten – etwa unter den Neulingen – mochten ihre eigenen Gedanken dazu haben, aber sie waren klug genug, diese für sich zu behalten.

In der Einsamkeit seines Jägers starrte Knight auf seine geballten Fäuste. Als Angehöriger des zweiten Wings würde er eine Weile bis zur Betankung warten müssen, doch es war nicht Ungeduld oder die Sorge vor dem nicht ganz einfachen, wenn auch inzwischen oft geübtem Tankmanöver, die ihm etwas zu schaffen machten. Er absolvierte einige gedankliche Meditationsübungen – immer ein Auge auf die Anzeigen haltend – die er sich zum Teil bei Shoki, teils bei Huntress abgeschaut hatte. Langsam, sich jeder Bewegung bewusst, zwang er die Finger dazu, sich zu öffnen. Er hob seine Hände vors Gesicht. Natürlich steckten die Finger in den Handschuhen seines Raumanzuges, aber er fühlte deutlich, wie das leichte Zittern erstarb. Er lächelte schief vor sich hin.
Als der Einsatzbefehl gekommen war, hatte er sich – nicht das erste Mal – gefragt, ob er es über sich bringen würde, in seine Maschine zu klettern und zu starten, diesmal wirklich ins Gefecht, das erste Mal seit Karrashin. Sich gefragt, was ihn ein Versagen kosten würde, nicht nur für das eigene Selbstwertgefühl – das war so einiges gewöhnt, sondern auch in den Augen seiner neuen Kameraden und besonders in denen seiner überkritischen Vorgesetzten.
Die Antwort hatte ihn angenehm überrascht. Die Angst war zwar noch da gewesen, die Angst vor der Kälte und dem einsamen Tod, die ihn seit seinem Abschuss in der letzten Schlacht begleitet hatte. Die Angst, die auch jetzt wieder seine Finger verkrampfte, wusste er doch, dass die Uhr gnadenlos rückwärts zählte, hin zum Zusammentreffen mit dem Feind. Doch sie hatte ihn nicht gelähmt. Er hatte nie zu denen gehört, die wirklich begierig auf den Kampf waren – weder in diesem Krieg noch auf Pandora – und ein Stück weit war über Karrashin seine optimistische Gelassenheit gebröckelt, die er im Laufe der Jahre kultiviert hatte. Aber jetzt, als es darauf ankam, hatte er jeden Handgriff mit Leichtigkeit ausgeführt, und trotz einer gewissen Nervosität schien er sich auch weiterhin gut im Griff zu haben. Nur im Hinterkopf quengelte eine leise Stimme, die ihm versicherte, dass nicht aller Tage Abend sei…

Der ehemalige Bewährungspilot fragte sich, woran es lag, dass er seine Probleme bisher so gut im Griff hatte. Nun, da war natürlich sein eigener Stolz. Er war ein erfahrener Pilot, und wenn andere es schafften, dann musste er sich auch Mühe geben. Er war schließlich – davon war Knight überzeugt – nicht irgendwer, kein grünes Gemüse von der Akademie, noch niemals im Hochdrucktopf der Front durchgekocht. Ein Stück weit trug wohl auch die Hilfe seiner Kameraden, wissentlich oder nicht, dazu bei, dass er mit den Dämonen seiner Angst fertig wurde. Die Staffel war ja nicht gerade sein ein und alles, sein einziges Zuhause – nun, wenn man es genau nahm, hatte er allerdings zu seinen Kameraden ein besseres und, im Fall von Huntress, innigeres Verhältnis, als zu sonst jemanden, seine Verwandtschaft eingeschlossen. Aber Staffel Grün hatte ihn ungeachtet seiner Vergangenheit akzeptiert, und das war keine Kleinigkeit. Da war Shoki, die selber über Karrashin verletzt worden und dennoch die optimistische rotzfreche Göre geblieben war, die er noch vor seiner Versetzung auf die Columbia kennen gelernt hatte. Da waren Fidai und Abat, die, wiewohl ebenfalls relative Neulinge und von ganz unterschiedlichem Charakter, eine gelassene Zuversicht verbreiteten. Da war Imp mit ihren Witzen, Sokol mit seiner Kaltblütigkeit, obwohl er wie kein anderer wusste, was der Kampf kosten konnte. Nicht alle waren wirklich Freunde, aber sie waren gute Kameraden. Und da war natürlich Lilja, fordernd, humorlos, stets bereit mindestens soviel wie ihre Untergebenen zu leisten und oft mehr, eine verteufelt nervige Vorgesetzte, die ihn aber sogar respektierte und bereit war, ihn zu fördern.
Tja, Lilja… Der Pilot verzog die Lippen zu einer Grimasse. Er war normalerweise nicht sehr empfänglich für patriotisches Pathos, war es nie gewesen. Und was er auf Pandora und im Gefängnis alles gehört und erlebt hatte, hatte daran gewiss nichts geändert. Aber in diesem Fall…

Viele der Piloten der Grünen Staffel kannten Lilja schon seit Monaten, wenn nicht Jahren, erst als Staffel-XO, dann als Kommandeurin. Sie kannten ihren verbissenen Diensteifer, die beachtlichen Fähigkeiten, die sich aus diesem Eifer, Erfahrung und vielleicht auch einem angeborenen Talent ergaben. Sie kannten den eiskalten Hass auf die Akarii, der sie antrieb – wenngleich die wenigsten ahnten, wie tief dieser Hass wirklich saß und wie weit die Russin bereit war, für ihre Rache zu gehen. Und sie kannten ihre Bereitschaft, jede noch so gefährliche Aufgabe zu übernehmen, doch auch Menschen ebenso leicht ins Feuer zu schicken, wie sie selber in die Hölle flog. Sie selber war bisher immer wieder zurückgekommen, oft lädiert, aber oft mit mindestens einem eigenen oder assistierten Abschuss. Spätestens seitdem sie mit einem gebrochenen Bein gestartet war, einen Akarii-Jäger abgeschossen und bei der Vernichtung eines weiteren geholfen hatte, konnte sie sich ihres Rufes sicher sein. Sie würde nie so beliebt wie ihre Vorgängerin werden – dafür war sie zu kalt, zu sehr auf Distanz bedacht – aber niemand hätte ihre Kompetenz und Befehlsgewalt angezweifelt. Jedenfalls nicht offen.
Doch ungeachtet dessen was ihre Untergebenen über sie wussten oder zu wissen glaubten, selbst ihre Freunde und die Veteranen und ganz bestimmt Knight hatte Lilja diesmal überrascht. Als die Einsatzparameter bekannt geben worden waren, hatte sie sich in der letzten internen Staffelbesprechung zunächst – wie immer – auf die praktischen Einzelheiten konzentriert. Mit kühler, sorgfältig formulierender Stimme war sie die Einzelheiten durchgegangen. Sie hatte kurz zusammengefasst, welche Rolle die Staffel übernehmen würde, wie man die Maschinen bestücken würde, wie sich das kommende Gefecht den Planungen nach entwickeln würde – und welche Alternativen zum Plan denkbar waren. Die Jäger würden jeder sechs Sparrows oder Amraam tragen, dazu zwei Sidewinder. Die wärmesuchenden Kurzstreckenraketen waren im Kampf gegen andere Jäger nur von begrenztem Nutzen, da sie relativ leicht abzulenken waren und auf das Heck des Gegners abgefeuert werden mussten. Da ein Tankzwischenstopp geplant war, konnte man auf Zusatztanks verzichten, und die Begleitung durch leistungsfähige Aufklärer und Shuttles erübrigte die Mitnahme von Sensorpods. Sie hatte sich darüber ausgelassen, welche Aufputschmittel die Piloten mitnehmen sollten und sogar ein Wort darüber verloren, dass die Raumrettung diesmal eigentlich gut funktionieren sollte. Die neuen Anzüge und der Mitflug etlicher SAR-Shuttles klangen beruhigend, vor allem nach den Erfahrungen von Karrashin. Methodisch hatte sie einen operativen Punkt nach dem anderen abgehakt, allerdings nicht aus Routine, sondern weil sie eben so gestrickt war, und weil sie wusste, dass Gründlichkeit Leben retten konnte.
Als die Kommandeurin sich über die Verstärkung ausließ, je zwei Staffeln Mirage, Typhoon und Griphen des TRMC, hatte Marine ihre Begeisterung nicht unterdrücken können. Obwohl sie inzwischen seit Jahren bei der Raumjägern diente, galt bei ihr eben ein Stück weit die alte pathetische Formel, die von den „nachgeborenen“ United States Marines – natürlich hätte jeder Brite bewiesen, dass die Royal Marines die eigentlichen Väter des TRMC waren, während die Russen auf ihre „Schwarzer-Tod-Brigaden“ verwiesen – geprägt worden war: einen Ex-Marine gibt es nicht. Lilja hatte mit mehr Frustration als wirklicher Bissigkeit erklärt, das sei ja alles schön und gut, nur wäre es ihr lieber gewesen, wenn die Piloten mehr Einsatzerfahrung im Raumkampf gehabt und die Maschinen nicht sämtlich Vorkriegsstandart gewesen wären. Die in ihren Augen mangelhafte Leistung der FRT-Kriegswirtschaft war für Lilja ein steter Quell der Erbitterung. Außerdem hätte sie vermutlich, wäre es nach ihr gegangen, auch die Nationalgardepiloten mobilisiert, und etliche von Anfang an auf den Trägern einquartiert…

Nachdem das geklärt war, hatte sie eine kurze Pause eingelegt, gerade lange genug, dass sie sich der Aufmerksamkeit ihrer Untergebenen restlos sicher sein konnte. Wenn dies möglich war, hatte ihr Gesicht einen noch ernsteren Ausdruck als sonst angenommen: „Es gibt einige Dinge, die diese Schlacht – den kommenden Einsatz und alle, die darauf noch folgen mögen – von unseren bisherigen Missionen unterscheiden. Eigentlich kann ich mir pathetisch Appelle sparen. Die Lage spricht für sich. Heute stehen die Angry Angels das erste Mal tief im republikanischen Raum. Bisher waren wir ein Geschwader des Angriffes, selbst wenn wir uns verteidigen mussten. Selbst in den ersten Wochen und Monaten des Krieges haben wir immer den Krieg zum Feind getragen. Wir haben die rückwärtigen Versorgungslinien der Akarii gekappt, wir haben ihre Schlachtflotten zurückgeworfen, und unsere Kampfflieger haben den Himmel ihrer Welten in Brand gesetzt. Wir haben das nicht getan, weil die Bundesrepublik sich Teile des Imperiums unter den Nagel reißen wollte, weil irgendwelche ruhmgeilen Admiräle oder machthungrigen Politiker auf diesen Krieg scharf waren – das waren allein SIE. Wie haben gekämpft, um die verdammten Echsen daran zu hindern, die Planeten der Republik zu verheeren und die Männer, Frauen und Kinder abzuschlachten, die nicht in der Lage sind, sich zu wehren, wie sie es über Manticore gemacht haben. Wir haben dabei gute Arbeit geleistet, nur so konnten die Feinde so weit zurückgeworfen werden.“

Sie atmete tief durch: „Das alles wisst Ihr, ob ihr dabei gewesen seid oder davon gehört habt. Aber heute gilt es noch einmal, und mehr denn je zuvor. Diesmal steht der Feind tief in unserem Gebiet, so tief wie seit Kriegsbeginn nicht mehr. Hinter uns liegt die Heimat, nicht als irgendein abstrakter Begriff, als ein theoretisches Konstrukt, sondern im wahrsten Sinne des Wortes. Masters, Heimat für fast eine Milliarde Menschen, befindet nur ein paar Stunden Flug entfernt von einer der größten Angriffsflotten, die von den imperialen Streitkräften seit Anfang des Krieges zusammengezogen wurde, und Seafort ist nicht sehr viel weiter weg. Die Erde, Heimat ALLER Menschen, ist nur einen Sprung von Sterntor entfernt. Deshalb ist das keine Mission wie jede andere. DIE-AKARII-DÜRFEN-KEINEN-ERFOLG-HABEN! Ich weiß, die Angry Angels als ein Elitegeschwader haben immer wieder bewiesen, das fast nichts für sie unmöglich ist – und unsere Staffel hatte daran erheblichen Anteil. Wenn man unsere Abschüsse zusammenzählt, dann haben die Flying Stallions seit Anfang des Krieges mehr als ein komplettes Trägergeschwader des Feindes vernichtet, dazu ein halbes Dutzend Frachter und kleinere Kriegsschiffe. Wir müssen niemanden etwas beweisen. Uns selbst nicht, nicht den anderen Staffeln, und bestimmt niemandem außerhalb des Geschwaders. Ich weiß, was die Staffel leisten kann – was IHR leisten könnt. Wir gehören zum Besten, was die TSN zu bieten hat, und dabei beziehe ich die Neulinge ein. Ihr seid durch eine harte Schule gegangen, und ich weiß, dass man euch nicht ohne Grund zu uns geschickt hat.“
In diesem Moment war von der sonst üblichen ätzenden Kritik der Offizierin nichts zu spüren, nichts von eventuellen Zweifeln, ob die Staffel bereits wieder voll einsatzbereit war. Wohl auch weil es so selten war, hatte ihr Lob eine gewisse Wirkung, allerdings mochte mehr als einer sich fragen, wie dick es kommen musste, damit Lilja so nett wurde. Die Russin drehte sich um und zeigte auf einen Bildschirm. Offenbar hatte sie diesen Moment vorbereitet, denn sofort erwachte er flackernd zum Leben. Man sah eine weitläufige Ebene, in der sich endlose Felder hinzogen, von Teichen unterbrochen, aufgereiht wie Perlen auf einer Kette. Dann wechselte das Bild und zeigte eine Stadt. Es war kein urbanes Zentrum, zwischen den Häusern war viel Grün zu sehen, Bäume spendeten den Straßen und Gärten Schatten. Mit weißen Mauern erhob sich ein großer Kuppelbau mit goldenem Dach im Zentrum der Stadt – anscheinend ein Gotteshaus.
Liljas Stimme vibrierte vor Spannung: „DAS liegt hinter uns. Das ist Masters. Dafür kämpfen wir. Für diese Felder, die Seen und diese friedlichen Straßen voller Grün. Nicht im übertragenen Sinne – wenn wir versagen, steht nicht mehr viel zwischen DEM und dem Feind. Und wenn wir sie nicht aufhalten…“ sie machte eine knappe Handbewegung: „dann wird DAS HIER passieren!“

Das Bild wechselte erneut. Was nun zu sehen war, erinnerte eher an eine Vision der Hölle. Die Aufnahme war verwackelt, aber deutlich genug, um Details zu erkennen. Auch diese Bilder zeigten eine Stadt, und sie war offenbar einmal schön gewesen. Doch davon war jetzt nicht mehr viel geblieben. Einstmals blühende Gärten und breite Straßen waren förmlich ausradiert worden, aus tausend Brandherden stieg Rauch auf. Wie gigantische Messer stießen Lanzen aus purem Licht vom Himmel herab und fachten das Inferno an. Für einen Augenblick verharrte das Bild auf einer Gruppe von Bodenfahrzeugen, die der Hölle zu entfliehen trachteten. Im nächsten Moment fuhr mit geradezu verächtlicher Leichtigkeit eine der Energielanzen herab, und als sie weiterwanderte, war da nichts mehr, keine Wracks – und keine Spur von Leben.
Liljas Gesicht wirkte einen Augenblick, als sei es aus einer Gussform gekommen, die von purem Hass geformt worden war, während sie fortfuhr: „Das ist…das WAR die Hauptstadt der Colonial Confederation auf Hannover. Die Aufnahmen haben uns diejenigen Konföderierten mitgebracht, die nach der…KAPITULATION…dem VERRAT ihrer militärischen und politischen Führer desertiert sind. Ich denke, das erklärt einiges.“
Es war mehr als unwahrscheinlich, dass Lilja in diesem Moment an die wehrlose Welt dachte, deren Ausradierung sie indirekt mit ermöglicht hatte. Außer ihr erinnerte sich nur noch Imp an Troffen. Die anderen Piloten hatten, wenn überhaupt, nur Gerüchte oder unter dem Siegel der Verschwiegenheit verbreitete Berichte gehört. Doch während die Deutsche an der Erinnerung lange zu knabbern gehabt hatte, hatte Liljas Gewissen wohl niemals deswegen einen Laut von sich gegeben. Die Russin ballte die Fäuste, unterstrich ihre Worte mit energischen Gesten: „Wenn wir verhindern wollen – und wir MÜSSEN es verhindern – dass es auf Masters bald genau so aussieht wie auf Hannover, dass die Städte zu Massengräbern werden, die Felder zu Aschewüsten, die Seen in Geschütz- und atomarem Feuer verdampfen, dann kann es für uns nur ein Motto geben. KEINEN SCHRITT ZURÜCK! Wir fliegen, und wir werden die Echsen aufhalten, um jeden Preis. Nein, ich spiele mich nicht als Aufpasserin auf, dazu habe ich kein Recht. Ihr selber müsst entscheiden, wann ihr den Einsatz abbrechen wollt, weil ihr schwer getroffen seid. Aber denkt immer daran, dass wir vielleicht nur diese eine Chance haben. Wenn wir die Raumüberlegenheit gewinnen, dann können wir und unsere Kriegsschiffe die feindliche Flotte vorknöpfen, falls sie nicht ohnehin fliehen. Dann wird Masters eine blühende, friedliche Welt bleiben, und Milliarden Menschen werden den Krieg weiterhin nicht so kennen lernen müssen wie die Bewohner von Hannover. Ich denke, das ist die Opfer, jedes Opfer wert. Was unsere operativen Ziele angeht…nun, es ist eine simple, eine Vernichtungsmission. Es geht nur darum, den Gegner zu töten. Nicht, seine Bomber aufzuhalten, und auch nicht, Kindermädchen für eine andere Staffel zu spielen. Wir gehen da raus, um das zu tun, was getan werden muss – Akarii töten. Wenn ihr einen getötet habt, dann vernichtet den nächsten. Es ist egal, wer von uns sie tötet, und ob ein Abschuss an zwei, drei oder vier unserer Piloten geht. Hauptsache ist, dass die Gegner sterben. Je mehr wir töten, desto weniger bleiben übrig, um so etwas wie das da…“ sie wies auf die Aufnahmen der bombardierten Stadt: „anzurichten.“ Sie richtete sich fast unnatürlich gerade auf, und ihre Stimme bekam einen metallischen Klang: „Deshalb wird diesmal draufgehalten, bis die feindliche Maschine explodiert, und das könnt Ihr als MEINEN Befehl nehmen. Ich will nicht, dass sich irgendwelche feindlichen Havaristen davonschleichen, um wieder zusammengeflickt zu werden. Wen wir treffen, der muss vor Ort bleiben. Unser Ziel sind Maschinen UND Piloten.“
Mehr sagte die Russin nicht, obwohl der Hass in ihrer Stimme nicht zu überhören war. Wenn es nach ihr gegangen wäre, wäre sie vermutlich so weit gegangen und hätte direkt dazu aufgefordert, den Tod feindlicher Piloten zu garantieren. Aber sie wusste, dass dies nicht nur aus juristischen Gründen unmöglich war, und sicher etliche ihrer Untergebenen aus ethischen Gründen energisch widersprochen hätten. Ihr selber waren natürlich die moralischen Aspekte herzlich egal. Aber ein no-mercy-Befehl barg zudem noch die Gefahr, dass die Piloten sich fragten, ob der Feind es nicht ebenso halten würde. Deshalb beließ sie es bei Andeutungen.

Die Russin ließ ihre Worte einen Moment lang wirken, musterte schweigend ihre Untergebenen, einen nach den anderen. Besonders Fidai schaute sie eine gefühlte Ewigkeit lang an: „Sie wissen es vielleicht nicht, aber die führenden islamischen Geistlichen von Masters – gleich welcher Glaubensrichtung – haben erklärt, dass sie die kommenden Gefechte, im Raum wie – wenn nötig – auch am Boden als Dschihad betrachten, als heiligen Verteidigungskrieg mit Waffen, Worten und der Arbeit der Hände gegen einen ungläubigen Feind, der gekommen ist, um Tod und Zerstörung zu bringen. Als eine bindende Verpflichtung für gläubige Menschen. Ich bin keine religiöse Frau. Aber ich respektiere Menschen, die an eine höhere Macht glauben, gleich welche. Umso mehr, wenn ihnen ihr Glauben die Kraft gibt, das richtige zu tun. Und wenn es überhaupt einen Heiligen Krieg gibt, dann ist es dieser – unser Krieg, um die Heimat zu verteidigen.“ Sie lächelte maskenhaft: „Dies ist nicht nur ein Krieg der Staaten und Nationen – es ist ein Krieg des Volkes, ein wahrhaft heiliger Krieg. Das ist unser großer vaterländischer Krieg. Denken Sie daran.“
Übergangslos erstarrte ihr Gesicht wieder in der Emotionslosigkeit und Kälte, die sie so oft kultivierte: „Grüne Staffel – weggetreten. Und…viel Glück.“ Und mit dem gelegentlich von ihr bewiesenen Gefühl für die richtige Geste hatte sie wortlos ihren Gefechtshelm ihres Raumanzugs aufgesetzt, dessen Gesichtsmaske und verstärkte Oberfläche sie in eine Art dunkle Ritterin des Weltalls verwandelte. Mit energischen Schritten marschierte sie zu ihrem Jäger, routiniert doch zugleich sorgfältig die letzten Check-ups absolvierend. Nur für einen Moment unterbrach sie das Protokoll, als sie neben der weißen Blume unterhalb des Cockpits verharrte, die über den langen Reihen von Abschussmarkierungen und den aufgemalten Auszeichnungen prangte. In diesem Moment wirkte sie fast wie eine düstere Vision aus einem Propagandastreifen. Dann verschluckte sie das Chaos der startenden Staffeln.

Das war vor einer gefühlten Ewigkeit gewesen, vor dem langen Flug zum Tankrendezvous – etwa auf halber Distanz zwischen dem TSN-Kampfverband und dem berechneten Abfangpunkt. Sicher genug Zeit, dass etwaige Begeisterung nach Liljas leidenschaftlichem Appell abkühlen konnte. Wenn man ehrlich war, gab es keinen Ort, an dem ein Mensch – außerhalb des Grabes – einsamer war, als allein im Weltraum, egal ob er Funkverbindung zu Kameraden hatte oder nicht. Es gab kaum eine lebensfeindlichere Umgebung, abgesehen vom Inneren einer Sonne oder eines Gasriesen. Dennoch fühlte Knight noch immer einen Schauer, wenn er an die Worte seiner Vorgesetzten zurückdachte. Vielleicht lag es daran, dass er auf Pandora gesehen hatte, was selbst „leichte“ Luftangriffe auf, na, sagen wir einmal semi-militärische Ziele anrichten konnte. Und sich das auf einer Welt wie Masters vorzustellen, mit Schiffsgeschützen, vielleicht sogar Atomraketen und Fusionsbomben… Das war sogar für einen Zyniker etwas zuviel.
Knight seufzte leise. Dass ausgerechnet ihm das passieren musste! Es wäre besser gewesen, er hätte auf der Wasp bleiben können, oder eher noch auf der Actium, vielleicht sogar gleich im Knast – gut, das Freizeitangebot und die Gesellschaft dort waren ziemlich unterirdisch gewesen. Aber jedenfalls irgendwo eine Nische finden abseits der großen Entscheidungsschlachten, in denen man vor der Wahl stand, die eigene Selbstachtung zu verlieren, oder das Leben. Aber soviel Glück hatte er nicht. Jetzt saß er hier, zwischen seiner Angst, den Akarii und seiner Verantwortung – beziehungsweise seinen Vorgesetzten – eingekeilt wie eine Walnuss zwischen ein paar Dampfwalzen.
Als sich Liljas Stimme meldete: „Wing Zwei – fertigmachen zur Betankung.“, da begrüßte er die Ablenkung beinahe. Nur nicht daran denken, dass die Uhr umbarmherzig in Richtung Schlacht zählte…
Cattaneo
Tyr

Sterntor-System, imperialer Flottenträger KAHAL

„Erklären Sie das.“ In der Stimme des Admirals schwang ein unterschwellig drohender Ton mit, der dem Meldung machenden Sensoroffizier sichtlich unter die Schuppen ging.
„Offensichtlich…benutzte der Gegner einige Großfrachter, um in ihrem Ortungsschatten eine größere Anzahl Kampfflieger von dem Planeten starten und vorrücken zu lassen.“
„Das habe ich schon verstanden. Was ich nicht verstehe, ist, warum wir diesen kleinen Trick der Menschen erst dann durchschauen konnten, als sie ihn auflösten.“
„Die geringe Marschgeschwindigkeit der Frachter ermöglichte den Jägern ein Vorrücken mit Schleichfahrt. Ihre Maschinenemissionen wurden zudem durch die Triebwerkssignaturen der Frachter – sehr emissionsstarken Einheiten – verschleiert. Der Hauptfokus der Sensorstationen war auf den gegnerischen Verband gerichtet. Es waren schließlich nur FRACHTER. Und auf diese Entfernung…“
Taran schnaubte ungnädig: „Also sollte ich wohl dankbar sein, dass die Menschen sich nicht auch noch bis auf Schlagweite heranschleichen konnten. Vielleicht, weil ihnen das zu lange gedauert hätte.
Nein…sagen Sie nichts. Ich weiß, dass Sie sie bemerkt hätten, wenn sie noch weiter genähert hätten. Und sei es nur, weil Menschenfrachter auf Abfangkurs ein doch etwas etwas ungewöhnlicher Ablick gewesen wären.“
Der junge Offizier tat das einzige, was ihm übrig blieb. Er nahm den vielleicht etwas ungerechten Sarkasmus seines Vorgesetzten mit möglichst ausdrucksloser Miene hin.

„Also, was können Sie mir über Stärke und Zusammensetzung des gegnerischen Verbandes sagen.“
„Sobald er seine Deckung verließ, setzte der Gegner Störsender ein, was unsere Ortung erschwerte. Wir bekommen eine große Anzahl von Signaturüberlappungen und widersprüchlichen Anzeigen...“
„Erklärungen und Entschuldigungen interessieren mich im Augenblick nicht. Nur Ergebnisse.“
„Jawohl, Admiral. Der vom Planeten gestartete Verband umfasst nach unseren Schätzungen mindestens vierzig, maximal über sechzig Einheiten.“
„Sie klingen ein wenig vage. Was sind das für ‚Einheiten’? Jäger? Bomber?“
„Es tut mir leid, aber…“
Der Admiral winkte verärgert ab: „Welches Schiff hat die gegnerischen Flieger als erstes bemerkt?“
„Die KALLEH.“
„Also Zanni’s Schiff. Nicht sehr überraschend.“ Der Flugdeckkreuzer gehörte im Gegensatz zu vielen Schiffen der Rikata-Kampfgruppe zur jüngsten Generation imperialer Kriegsschiffstechnik und war erst vor wenigen Monaten generalüberholt worden: „Vielleicht sollte ich Kapitän Zanni nach ihrer Meinung fragen, statt…“
„Mein Lord…“
„Vergessen Sie es. Aber ich brauche Antworten. Rasch. Sagen Sie das unseren Analytikern. Es ist mir egal, ob sie dazu die Knochen ihrer Ahnen oder die Götter der Sternenleere befragen müssen!“
„Aber ohne präzise Daten…“
„Dann sollen sie eben SCHÄTZEN. In spätestens zwanzig Minuten will ich eine Wahrscheinlichkeitsrechnung.“

Tatsächlich dauerte es fünfundzwanzig Minuten.
„Nach einem Abgleich des Bewegungs- und Beschleunigungsprofils können wir schwere Bomber ziemlich wahrscheinlich ausschließen. Vermutlich überwiegend schwere Überlegenheitsjäger und Jagdbomber. Dazu kommt eine Anzahl Tankshuttles.“
„Natürlich.“
„Aber sie werden das Schlachtfeld kaum erreichen, bevor es zur Gefechtsberührung zwischen unseren Abfangjägern und der von den feindlichen Trägern gestarteten Formation kommt.“
„Das ergibt wenig Sinn. Es gibt uns Zeit, Schäden zu minimieren und den Flak- und Jägerschirm gegebenenfalls umzudirigieren. Unsere Reserven einzusetzen. Es nimmt ihrem Angriff die Wucht.“
Wor Matir schnaubte kurz: „Sie sollten davon ausgehen, dass der Gegner auch Fehler machen kann. Wir haben das schließlich auch schon oft genug getan.“
„Auf dieser Annahme meine Strategie aufzubauen erscheint mir allerdings wenig verlockend, Matir. Was wissen wir über unseren neuen Gegner?“
„Es dürfte sich dabei entweder um Einheiten des Marinekorps, der…Miliz oder anderer Systemverteidigungsstreitkräfte handeln.“
„In beiden Fällen also nicht unbedingt erstklassiges Material oder Frontkaliber...ich weiß, Matir. Darauf zu vertrauen wäre ebenfalls wenig weise. Nun, wir werden es wohl noch früh genug herausfinden…“ Niemand sah sich bemüßigt, auf Tarans fatalistische Bemerkung etwas zu erwidern.

***

„Admiral! Der feindliche Flottenverband hat eine weitere Kurskorrektur vorgenommen und die Geschwindigkeit erhöht!“
Taran drehte sich ruckartig um und machte die drei, vier raschen Schritte, die ihn zu dem zentralen Taktikdisplay brachten. Kapitän Matir und Los blieb nichts anderes übrig, als ihrem Vorgesetzten zu folgen.
Aber es war Matir, der, gestützt auf seine jahrzehntelange Brückenerfahrung, als erster erkannte, was das neue Ziel des feindlichen Flottenverbandes war: „Ein Abfangkurs, Admiral.“
„Ja…Sie wollen uns stellen. Aber warum dieser Etappenangriff? Erst ihre Trägermaschinen, dann die bodengestützten Einheiten und dann die Kriegsschiffe? Sind sie inkompetent, unentschlossen, oder…
Die COLUMBIA und diese vier leichten Träger können uns insgesamt etwa sieben Staffeln Atomwaffenträger entgegenschicken – überwiegend Jagdbomber. Das ist nicht allzu viel. Warum konzentrieren sie nicht…“
Der Admiral verstummte und studierte schweigend die Anzeigen, die das Vorrücken der imperialen und der terranischen Kampfraumer simulierten: „Signal an die Flotte – neues Ziel ist die feindliche Flotte. Geschwindigkeit erhöhen auf 100 Kilometer die Sekunde.“
„Es…wie Sie befehlen, Admiral.“
Taran lächelte kurz, als er die leichte Verwirrung seiner Untergebenen bemerkte, enthielt sich aber vorerst einer Erklärung.

Die Spannung, die ohnehin auf der Brücke lastete, schien sich noch einmal zu verdichten, gewann eine fast greifbare Qualität, die manchem der jungen Offiziere – und auch einigen der älteren – das Atmen erschwerten.
Falls der Admiral diese Last ebenfalls spürte, ließ er es sich jedenfalls kaum anmerken. Vielleicht spannte er die hinter dem Rücken verschränkten Arme ein wenig an. Vielleicht wirkte sein schmales Gesicht etwas härter…doch das war alles.
Reglos und schweigend wartete er, während seine Befehle weitergegeben wurden und das Taktikdisplay mit lautloser Objektivität zeigte, wie sich die mehr als einhundert Raumschiffe der Rikata-Kampfgruppe umgruppierten, ihre Geschwindigkeit steigerten und dem feindlichen Flottenverband entgegenstrebten.
„Das bedeutet dann allerdings, dass uns die Trägermaschinen etwas früher erreichen.“
„Allerdings. Genauso, wie dieser bodengestützte Verband länger brauchen wird, um uns einzuholen. Wir gewinnen zwar nicht viel Zeit, aber…“ In einer Kampffliegerschlacht konnten wenige Minuten einen entscheidenden Unterschied bedeuten.
„Außerdem wird es Zeit, den direkten Druck auf die TSN zu erhöhen.“ Letzteres klang eher abwesend, nachdenklich.
„Mein Lord?“
„Einen Augenblick. Kapitän Los, folgen Sie mir. Matir, stellen Sie sicher, dass die Formation gehalten wird. Ich will einen sauberen Anflug.“

Der Trägerkommandant salutierte knapp wenn auch etwas widerwillig und wandte sich wieder dem Taktikdisplay zu: „Stellen Sie eine Funkverbindung zu Kapitän Ka’wal her. Ka’wal, Ihr Verband steht zu weit vorne. Nehmen Sie…“
Während Matir dem der ersten ECHTEN Kampfberührung entgegenfiebernden Kreuzerkommandanten in Erinnerung rief, wo der Platz seiner Schwadron zu sein hatte, beobachtete er aus den Augenwinkeln, wie der Admiral und Los die Köpfe zusammensteckten. ‚Was hast du vor, Taran?’
Als er sah, wie der Admiral einen der Taktikoffiziere heranwinkte, und dann auch noch den ebenfalls auf der Brücke befindlichen Verbindungsmann des Bordgeschwaders, verdichtete sich seine Ahnung zu einer Vermutung. ‚Soll das heißen…’ Aber dann verdrängte er den Gedanken. Er würde es noch früh genug erfahren. Jetzt hingegen musste er darauf achten, dass der Vormarsch nach Plan verlief.

„Wir werden die Bomber und Jagdbomber einsetzen. Und auch die Schnellboote. Ein konzentrierte und massierter Schlag.“
Matir begriff sofort, was das bedeutete: „Aber das heißt, dass unsere Verteidigung geschwächt wird. Oder wollen Sie den Angriff ohne Begleitschutz fliegen lassen?“
„Auf keinen Fall. Wir schicken unsere Reservestaffeln mit. Und die Kanonenboote. Außerdem wird jede Jagdbomberstaffel eine ihrer Sektionen mit Raumkampfraketen bestücken. Das muss ausreichen.“
Matir überlegte kurz. Wenn man davon ausging, dass der gegnerische Flottenverband im Augenblick wahrscheinlich nur noch von drei bis fünf Staffeln Jägern beschützt wurde, könnte das tatsächlich stimmen. Dennoch…: „Und was ist mit diesen Milizpiloten? Sie erreichen uns jetzt vielleicht etwas später als bisher angenommen – aber wir werden ihnen niemals entkommen können.“
„Aber wir haben Zeit, unsere Flakschiffe umzudirigieren. Und auch unsere Jäger, sobald sie den Angriff der Trägermaschinen abgewehrt haben. Die bodengestützten Einheiten der Menschen sind einfach nicht stark genug, um alleine eine ernsthafte Bedrohung darzustellen.“
Für Matir klang das aus Tarans Mund ungewöhnlich unbekümmert. Aber vielleicht wollte der Admiral ja auch selber überzeugen: „Sie gehen von etwas zu vielen positiven Faktoren aus. Die schlechte Qualifikation, Ausrüstung und Schlagkraft der Miliz, unsere Fähigkeit, unser Defensivpotential umzudirigieren…“
„Es wird knapp. Aber wir müssen es riskieren.“
„Warum, Admiral? Außerdem machen wir dann den gleichen Fehler wie der Feind. Wir schicken unsere Kampfflieger auf einen erschöpfenden Langstreckeneinsatz, ohne sofort mit den Großkampfschiffen nachstoßen zu können.“
„Was Sie vergessen, Matir, ist die Tatsache, dass beide Flotten sich im Verlauf der letzten drei Stunden aneinander angenähert haben – und sich jetzt auf Kollisionskurs befinden. Das verkürzt die Flugzeit erheblich. Wir können uns das langwierige Betanken während des Fluges sparen, wenn wir Zusatztanks benutzen.“
„Was allerdings die Kampflastkapazität unserer Maschinen verringert.“
„Ein akzeptabler Preis. Außerdem schlagen wir mit ACHT Staffeln los, davon die Hälfte Bomber. Und dazu kommen noch die Schnellboote.“
„Dennoch, wäre es sinnvoll…“
Der Admiral deutete mit einer abgehakt wirkenden Handbewegung auf die Symbole, die das von Masters gestartete Geschwader darstellten: „Sehen Sie das, Matir? DAS ist unser Hauptproblem. Wenn wir uns einfach darauf beschränken, die feindlichen Kampfflieger abzuschießen, dann werden wir verlieren. Der Feind kann seine Verluste ersetzen. Wir nicht. Wir müssen seine mobilen Startrampen vernichten – also die Träger. Gelingt uns das, dann bleibt es ziemlich bedeutungslos, wie viele Maschinen die Menschen auf Masters und Seafort stationiert haben.
Außerdem…“, der Flottenkommandeur lächelte kurz, „…vielleicht nimmt es unserem Gegner auch etwas den Schwung, wenn Sie sehen, was wir gegen ihre Mutterschiffe schicken. Niemand kämpft gerne in einem brennenden Haus.“
„Das könnte man aber auch von unseren Leuten sagen…“
Der Admrial lächelte sardonisch: „Wir sind Akarii.“
„Dennoch, ich denke nicht…“
„Ihre Bedenken wurden zur Kenntnis genommen. Und werden im Logbuch vermerkt. Führen Sie jetzt ihre Befehle aus.“
„Und warum…“, der ältere Kapitän senkte seine Stimme, „…warum befehlen Sie den Angriff erst jetzt? Nachdem Sie zuvor die Notwendigkeit kombinierter Schläge betont haben. Und ohne sich mit mir oder dem Kapitän der CHA’KAL abzusprechen.“
Admiral Taran presste kurz die Lippen zusammen. Seine Stimme blieb ebenfalls leise, auch wenn jetzt ein harter Unterton darin mitschwang, den Matir inzwischen ziemlich gut kannte: „ICH führe diese Flotte und gebe die Befehle. Das habe ich Ka’wal gegenüber klargemacht. Doch ich nehme nicht an, dass Sie auf ähnliche Art und Weise überzeugt werden müssen.
Die Tatsache, dass der Feindverband jetzt auf einen direkten Abfangkurs gegangen ist, hat die Situation geändert. Wir müssen reagieren – und wir dürfen dem Gegner nicht erlauben, die Initiative zu behalten.
Außerdem…der massierte Angriff, den der Gegner jetzt fliegt, ist zweifellos eine Bedrohung. Aber er ist auch eine Chance. Die TSN hat ihre Flotte weitestgehend entblößt. Das müssen wir nutzen – am Besten, solange sie uns noch für stärker halten, als wir tatsächlich sind. Wir haben keine andere Wahl.
Wenn wir uns nur einigeln, dann erlauben wir den Menschen, uns auszubluten. Und wenn wir warten, bis wir mit den Kampffliegern UND den Großkampfschiffen zuschlagen können, dann geben wir dem Gegner zuviel Zeit. Zeit, in der seine Kampfflieger ihren Angriff durchziehen und wieder zu ihren Mutterschiffen zurückkehren können. Zeit, um sie neu aufzutanken und zu starten. Dann werden wir wohl kaum noch die Möglichkeit haben, zumindest kurzzeitig und schwerpunktartig eine Kampffliegerüberlegenheit herzustellen.“
„Und genau das ist es, was Sie dem Gegner gewähren, wenn Sie jetzt die Reservestaffeln und die Jagdbomber losschicken.“
„Das müssen wir riskieren. Denken Sie daran, der Feind kann selbst bei einer Maximalbestückung seiner Kampfflieger nur einen Bruchteil der Feuerkraft einsetzen, über die unsere Jagdbomber, Bomber und Schnellboote verfügen. Was die Abwehr der terranischen Kampfflieger angeht…wir haben immer noch unseren Flugabwehrschirm. Wir haben die GIBIT. Und wir werden die Sturmfähren rausschicken, um unsere Flakkapazitäten zu verstärken.“
„Sie sind also entschlossen.“
„Ich bin der Meinung, dass uns gar nichts anderes übrig bleibt. Wir haben den Gegner aus der Bahn geworfen, als wir hier wie aus dem Nichts erschienen sind. Als wir damit begonnen haben, den Belt zu verwüsten, und als wir dann plötzlich auf Masters eingeschwenkt sind. Diese ganze Operation dreht sich darum, der TSN die Waffe auf die Brust zu setzen und ihr keinen Augenblick der Ruhe und Besinnung zu gönnen. DAS ist Rians Strategie. DAS hat Ilis seinen Sieg eingebracht, gegen jede Vernunft und strategisches Kalkül. Wenn wir zulassen, dass der Gegner sich besinnt, sich organisiert, haben wir verloren.“
Matir schluckte den Impuls herunter, seinem Vorgesetzten klar zu machen, dass er nicht viel von einer solchen Strategie hielt. Das wusste Taran schließlich schon seit ein paar Monaten – spätestens seit der Konferenz, bei der er Admiral Lay Rians großartigen Plan vorgestellt hatte. Tarans Naturell – und ein Großteil seiner taktischen und strategischen Planung und Vorgehensweise – hatte schließlich auch nicht gerade Ilis und Rians Alles-oder-Nichts-Attitüde entsprochen.
‚Aber vermutlich ist es da wie mit der Verschwörung mit Jor. Wenn der Augenblick gekommen ist, um den letzten Einsatz zu wagen…
Dann ist Taran auf einmal bereit, mit offenen Augen ins Feuer zu laufen. ,Ich weiß bloß noch nicht, ob uns das den Sieg bringt, oder umbringen wird.’
Als er in das angespannte Gesicht seines jungen Vorgesetzten blickte, fragte er sich, ob der Admiral wusste, was Matir dachte. Die kalte Entschlossenheit in Tarans Augen wirkte fast Furcht einflößend. Die Stimme des Admirals war nur noch ein Flüstern: „Und wenn die feindlichen Kampfflieger doch durchbrechen sollten…wenn es zum Schlimmsten kommt…dann wird uns dieser Angriff wenigstens die nötige Zeit verschaffen, um der Flotte einen geordneten Rückzug zu ermöglichen.“
Dann war seine Stimme wieder wie zuvor – ruhig, kühl und beherrscht. Die Stimme eines Admirals: „Matir, Sie kennen Ihre Befehle.“
„Admiral.“

Dieser drehte sich bereits zu dem Verbindungsoffizier des Bordgeschwaders um: „Wie lange braucht es, um die Maschinen für diesen Einsatz umzurüsten und zu starten?“
„Die Jäger sind bereits betankt, aufgerüstet und startklar, wir können uns also auf unseren Angriffsverband konzentrieren. Aber dessen Umrüstung für den Langstreckeneinsatz kostet dennoch Zeit. Ich würde sagen…mindestens eine halbe Stunde, bis die ersten Staffeln starten. Bis der gesamte Einsatz startet…“
„Das ist zuviel. Es bleibt uns auch so wahrscheinlich nicht sehr viel mehr als eine Stunde, bis wir unsere Abfangjäger starten müssen. Ich möchte nicht, dass sich unsere Staffeln gegenseitig behindern. In zwanzig Minuten will ich die ersten Bomber im All sehen. Machen Sie Druck.“
„Zu Befehl.“ Das klang wenig enthusiastisch, aber der Mann beugte sich sofort über sein Komm. Matir war zuversichtlich, dass die Forderung des Admirals erfüllt werden würde. Nach seiner Erfahrung gaben alt gediente Untergebene gerne etwas zu pessimistische Schätzungen ab, um ungeduldigen Vorgesetzten gegenüber noch etwas Freiraum zu haben.
Taran studierte währenddessen einmal mehr das Taktikdisplay, auf dem auch die Größe, Formation und geschätzte Zusammensetzung des feindlichen Flottenverbandes dargestellt wurde: „Wenn der Gegner seine in die Tiefe gestaffelte Formation beibehält, wird es nicht einfach sein, zu den Trägern durchzubrechen.“ Es war keine Frage, sondern eine nüchterne Feststellung. Dennoch fühlte sich Matir genötigt, zu antworten: „Ja…wir können nicht davon ausgehen, dass sie dasselbe Risiko eingehen, wie bei Karashin. Und selbst im günstigsten Fall werden sie ihre Träger erst dann in der Gefechtslinie exponieren, wenn es zu einem Schlagabtausch der Großkampfschiffe kommt. Und sie drohen, dabei zu unterliegen.“
„Solange können wir leider nicht warten, Matir.“
„Wollen Sie, dass sich unsere Kampfflieger auf die COLUMBIA konzentrieren? Sie ist zweifellos das Flaggschiff des Verbandes. Ein massierter Enthauptungsschlag…“
Taran überlegte kurz, und schüttelte dann den Kopf: „Genau damit werden sie rechnen. Und deshalb werden wir das nicht tun. Bei fast allen Schlachten waren die Flottenträger für uns und für die Menschen die Hauptziele. Sie sind zu einer Schimäre geworden, der wir und die Menschen hinterher jagen. Aber wie Sie wissen, haben sich die terranischen Flottenträger als sehr beschuss- und standfest erwiesen. Außerdem wird sich bei der COLUMBIA der feindliche Abwehrschirm konzentrieren. Nein. Wir greifen zuerst die leichten Träger an. Wenn wir zwei oder drei von ihnen ausschalten, dann nehmen wir damit genauso viele oder noch mehr Staffeln aus der Rechnung, als wenn wir die COLUMBIA vernichten. Außerdem geben wir so dem Gegner keine Chance, seine paar Staffeln Abfangjäger zu konzentrieren.“
„Sein Sie sicher? Wenn wir alle Kampfflieger und die Schnellboote ein Ziel angreifen lassen…“
„Dann könnten wir es vielleicht schaffen? Möglicherweise. Aber wir würden hohe Verluste erleiden. Und genau das tun, was der Gegner erwartet. Etwas, was wir vermeiden sollten. Außerdem besteht die feindliche Flotte nicht nur aus dem Flaggschiff.
Wir werden anders vorgehen. Die Schnellboote stoßen, unmittelbar gedeckt von den Kanonenbooten, bis zum äußersten Rand des feindlichen Abwehrschirms vor und setzen die Perimetersicherheit des feindlichen Verbandes außer Gefecht. Trotz ihrer verstärkten Bewaffnung, Panzerung und Schilde sind sie immer noch nur aufgerüstete Shuttles, die Atomraketen tragen. Für Kurvenkämpfe mit Abfangjägern und das Operieren in einem feindlichen Verband sind sie nur…bedingt geeignet.
Dann stoßen die Jagdbomber nach. Wir geben ihnen sektionsweise freie Jagd. Sie erhalten Nahsicherung durch die mit Raumkampfraketen bestückten Sektionen, stiften Verwirrung und helfen, den Weg für die Bomber freizumachen. Und die Bomber…konzentrieren sich auf die leichten Träger. Sobald die Jagdbomber ihre Atomraketen abgeschossen haben, geben sie den Bombern zusätzlichen Geleitschutz.
Was die COLUMBIA angeht…ihre Zeit wird kommen, wenn der Kampf der Kriegsschiffe beginnt.“
„Wie Sie meinen, Admiral.“ ‚Wenn wir so weit kommen.’

***

Sterntor-System, TSN-Kampffliegerverband

Während Kano darauf wartete, dass seine Maschine bei dem quälend langsamen Betankungsvorgang an die Reihe kam, versuchte er, seine angespannten Nackenmuskeln zu lockern. Auch wenn die Shuttles zwei Maschinen gleichzeitig versorgten und das eigentliche Füllen der Tanks nur ein paar Minuten kostete, dauerte das Ganze im Geschwadermaßstab doch sehr viel länger, als ihm lieb war.
‚Und wir hängen dabei mit leeren Tanks im All wie Tontauben.’ Unwillkürlich warf er einen sichernden Blick auf den Radarschirm. Aber das war natürlich Unsinn. Die Akarii blieben wo sie waren – beruhigend weit entfernt. Außerhalb eines Nebels, eines dichten Asteroidenfeldes oder der unmittelbaren Umgebung eines Sprungpunktes war es fast unmöglich, eine größere Zahl von Kampffliegern ungesehen nah an den Feind zu bringen. Tarnvorrichtungen, die einen massierten Überraschungsschlag im offenen Raum ermöglichten, blieben vorerst Science Fiction.

Sie waren jetzt schon mehr als drei Stunden unterwegs – und wenn die letzte der etwa 250 Maschinen ihre Treibstoffvorräte nachgefüllt haben würde, lag immer noch ein etwa einstündiger Flug vor ihnen. Dann erst würde der Kampf beginnen. ‚Und dann müssen wir natürlich irgendwann auch noch zurück.’ Das bedeutete weitere Flugstunden und wohl noch einen zusätzlichen Tankstopp.
‚Auch wenn die ursprünglichen Prognosen inzwischen nur noch Makulatur sein dürften.’ Die Akarii hatten sich offenbar entschlossen, den Einsatz zu erhöhen und hatten als Reaktion auf die Kursänderung des TSN ihrerseits einen Abfangkurs eingeschlagen.
Was sie allerdings bisher unterlassen hatten, war das Ausschleusen ihrer Abfangjäger. ‚Hauptsache, sie haben uns nicht durchschaut. Das wäre wohl der Gipfel – wenn zwanzig Staffeln ohne eine einzige Atomrakete durch einen Akariiverband kurven. Die Imperialen könnten sich totlachen.’ Die TSN-Piloten würden in einem solchen Fall wenig tun können. Gewiss, ein konzentrierter, staffelweise angesetzter Einsatz der Raumkampfraketen konnte zumindest einigen der kleineren Akarii-Schiffe gefährlich werden. Aber für den Aufwand, den sie betrieben, wäre das denn doch etwas wenig gewesen – zumal die Flugabwehrgeschütze der feindlichen Kriegsschiffe dann ohne Rücksicht auf eigene Kampfflieger ihre volle Feuerkraft entfalten konnten.
‚Aber das können sie nicht wissen. Sie müssen auf diese Bedrohung reagieren.’ Er hätte allerdings erwartet, dass die Imperialen die vermeintlichen Angreifer schon früher abzufangen versuchten. Der gegnerische Kommandant war entweder sehr vorsichtig und wollte seine Kampfflieger nicht zu weit weg wissen…
Oder er war selbstsicher genug, um davon auszugehen, dass seine Kampfflieger die Angreifer auch auf kurze Distanz abfangen konnten.
Angeblich hatten die Imperialen ja inzwischen eine richtige Psychose in Bezug auf die terranischen Kampfflieger entwickelt. ‚Aber das glaube ich erst, wenn ich es sehe.’ Ihm hatten sie jedenfalls noch immer einen harten Kampf geliefert.
Doch diesmal… ’Wenn die Akarii zum Beispiel schon alle Maschinen im Raum gehabt und mit Höchstgeschwindigkeit losgeschickt hätten, als wir unseren Tankstopp einlegten…
Dann wäre es mit dem Betanken für uns vielleicht etwas knapp geworden. Diese Chance habt ihr verpasst.’

„Ohka, da tut sich was. Wir kriegen neue Meldungen von unseren Spähern rein.“
„Ich sehe es, Crusader.“
Tatsächlich, die Akarii schienen sich endlich entschlossen haben, zu reagieren. Mindestens zwei der feindlichen Träger schleusten Maschinen aus. Viele Maschinen.
„Das müssen mindestens zehn Staffeln sein.“
„Eher ein Dutzend.“
„Na, mit denen werden wir wohl doch noch fertig werden, oder?“
Kano schnaubte kurz: „Wenn du das sagst, Huntress. Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass dieser Taran uns zwölf Staffeln entgegenschickt, wenn er fast dreißig starten könnte.“
„Vielleicht ist er Sportsmann. Hauptsache, es bleiben ein paar für mich übrig.“
Bei dieser Bemerkung von Sugar verdrehte Kano kurz die Augen. Natürlich. Wenn es nicht Huntress war, dann war La Reine, Marat, oder eben...: „Genug geschwätzt, Butcher Bears! Flyboy, Sugar, Jimmy – aufschließen. Wir haben keine Zeit, um zu trödeln. La Reine, deine Sektion ist als nächste mit dem Betanken dran. Erwarteter Zeitpunkt…“
„Was machen die denn?!“
Kano verglich den Kurs, den die feindlichen Maschinen eingeschlagen hatten, dann begriff er: „Wir sind gar nicht das Ziel. Die wollen zu unseren Dickschiffen durchbrechen.“
„Und was wetten, dass sie nicht nur mit unseren Reservestaffeln raufen wollen!“ In Phoenix Stimme schwang dieselbe kalte Wut mit, die ihn antrieb und sein Handeln bestimmte: „Die meinen es ernst.“
Kano nickte unbewusst, während er im Kopf nachrechnette und zu einem eher ungünstigen Ergebnis kam. Vier Staffeln gegen zwölf. Selbst wenn der größte Teil aus Bombern und Jabos bestand…
Offenbar war auch Phoenix zu demselben Ergebnis geworden: „Das wird so unschön wie ein alter Hurenarsch.“
Huntress lachte gallig: „Sehr eloquent. Ihr Marines seid doch eine echte linguistische Fundgrube.“
„Wir sollten irgendetwas tun, verdammt. Sie abfangen oder so. Wir können die doch nicht einfach vorbeirauschen lassen…“
„Was denn?!“ In Kanos Stimme vibrierte unterschwelliger Ärger: „Wir können sie nicht einfach mal eben abfangen. Nicht, ohne eine verdammt lange Verfolgungsjagd zu riskieren. Das würde die ganze Einsatzplanung über den Haufen werfen…“
„Was vielleicht nicht unbedingt das Schlechteste wäre…“
Insgeheim gab Kano Huntress da Recht. Aber das behielt er für sich: „Erst einmal müssen wir unsere Tanks auffüllen. Und dann werden wir das tun, was Raven befielt. Das hier ist keine Kommune. Wir haben einen Auftrag – und den führen wir aus.“ ‚Selbst wenn die COLUMBIA hinter uns in Flammen aufgeht.’ Aber natürlich sagte er das nicht.
„Du solltest besser tun, was er sagt, Phoenix. Den letzten Piloten, der einen Befehl ‚nicht verstanden’ hat, der hat eine ewige Beförderungssperre, Stubenarrest, Strafdienst und eine verhunzte Akte bekommen. Und DANN hat ihn Ohka aus der Staffel geschmissen.“
„Und lass mich raten…“, mischte sich Huntress ein, „…das war noch eine Vorzugbehandlung.“
„Erraten, Prinzessin.“

Kano verdrängte das Geplänkel und steuerte seinen Jäger näher an das Tankshuttle heran. Während er die Maschine auf die vorgeschriebene Betankungsposition brachte und mit einer inzwischen fast schon zum Reflex gewordenen Routine durch den Tankvorgang lenkte, überlegte er angestrengt, was dieser neue Zug der Akarii für sie bedeutete.
Jedenfalls nichts Gutes. Ganz abgesehen von dem Schaden, den die Imperialen anrichten würden, konnte diese Maßnahme des feindlichen Admirals auch bedeuten, dass er die Taktik der TSN durchschaut hatte – dann würde dieser ganze Einsatz bestenfalls mit einer kolossalen Zeitverschwendung enden. ‚Hoffentlich überschätzt der Akarii sich einfach nur oder will alles auf eine Karte setzen. Das letzte, was wir gebrauchen können, ist ein Gegner, der uns durchschaut.’
Aber wie auch immer – im Augenblick konnten sie nicht viel tun. Nicht, ohne den gesamten Einsatz umzustoßen. Und dazu war offenbar niemand bereit, der etwas zu sagen hatte. Der von Kano ersehnte, aber nicht wirklich erwartete Befehl zum Kurswechsel und Abfangen blieb aus. Offenbar war man weiter oben der Meinung, dass die vier Reservestaffeln und die Flugabwehrbatterien der Großkampfschiffe ausreichen würden, um die Akarii abzufangen. ‚Deren Zuversicht möchte ich haben.’

Ein leichtes Klicken und die Anzeigen in seiner Maschine verrieten ihm, dass die Tanks der Nighthawk voll waren. Kano blickte auf die Zeitanzeige in seinem Helmdisplay. ‚Wenigstens das lief nach Plan.’
Er drehte den Kopf dorthin, wo irgendwo, für das bloße Auge längst unsichtbar, die COLUMBIA vorrücken musste. ‚Viel Glück, altes Schiff. Und all jenen, die an Bord sind.’
Ein weiterer Blick auf den Radarschirm – das war es. Der günstigste Augenblick, um den feindlichen Kampffliegerverband abzufangen, war gekommen und gegangen. Ohne, dass Raven sich zu Wort gemeldet hatte. ‚Also ziehen wir es durch.’
„Achtung! Bei den Akariis tut sich wieder was. Wie es aussieht…wie es aussieht fangen sie jetzt an, ihre Abfangjäger auszuschleusen.“
Also würde es auf jeden Fall zu einer Raumjägerschlacht kommen. ‚Hoffentlich ist es das wert.’
„Butcher Bears, herhören! Wir werden uns heute anscheinend doch noch unseren Sold verdienen können…“
Cattaneo
Cunningham

TRS Columbia
Sterntor

Auf dem Flugdeck begann man mit den Starts. Die ersten schweren Bomber wurden auf die Katapulte gezogen, während im Hangar die Traktorstrahler damit begannen die Jagdbomber und Jäger zu den Aufzügen zu bugsieren, damit die Maschinen entsprechend ihrer Startaufstellung nach oben gebracht werden konnten.
Fast alle Maschinen waren jetzt voll bestückt und einsatzbereit. Nur hier und dort wurde noch geschraubt. Bei einer widerspenstigen Griphen hatte bei einem Testlauf ein Trägheitsdämpfer den Geist aufgegeben und musste schnell ausgetauscht werden, eine Reparatur des Dämpfers hätte Stunden in Anspruch genommen.
Auch wenn er es nach außen hin nicht zeigte, wurde Lucas langsam nervös, was seine Maschine anging. Matt Dodson hatte sich quasi einmal durch die Verkabelung gearbeitet, gut, das stimmte nicht, heute Morgen hatte er gerade mal genug Zeit um die wichtigsten Knotenpunkte abzuarbeiten, und noch immer zierte ein rotes Fähnchen die Bugspitze der Nighthawk.
„Und, wird’s was?“ Bei Mantis hatte sich unruhiger Unterton eingeschlichen. Seine Stellvertreterin hatte alles andere als Lust, die Staffel an seiner statt in die Schlacht zu führen.
Kaum merklich zuckte Lucas die Schultern.
Mantis trat etwas näher an ihn heran und senkte die Stimme: „Wen lassen wir im Zweifelsfall zu hausen?“
„Im Zweifelsfall?“ Lucas antwortete ebenso leise, blickte sich kurz unter seinen Piloten um, „im Zweifelsfall nehme ich The Kid’s Maschine und fliege solo.“
„Halten Sie das für eine gute Idee, Lone Wolf?“
Lucas schüttelte den Kopf: „Nein, aber die Jungs haben sich gerade ans zweier-System gewöhnt, die hätten mit der dreier-Rotte mehr Schwierigkeiten als ich alleine.“
Seine XO nickte.
Über ihnen wuchtete sich Matt Dodson aus der Kanzel und kletterte die Leiter hinunter. Mit einem verächtlichen schnaufen riss der Chefmechaniker des Geschwaders den roten Wimpel von der Nase der Maschine.
„Fliegt?“ Lone Wolf konnte die Hoffnung in seiner Stimme nicht unterdrücken.
„Fliegt! Naja, zumindest die Warnleuchte ist ausgegangen.“
„Woran hat es denn gelegen?“ Mantis klang sehr erleichtert.
Dodson zuckte lakonisch mit den Schultern: „Ich habe nicht die geringste Ahnung.“
„Und die Lampe ist einfach so wieder aus gegangen?“
„Wohl kaum, ich hab’ sie einfach abgeklemmt, das Fahrwerk wird eingezogen und verriegelt also handelt es sich aufgrund meiner Expertenmeinung um einen Computerfehler. Maschine fliegt, Geschwader einsatzbereit.“, Dodson zog eine Packung Zigaretten hervor und friemelte sich unter Mantis’ kritischen Blick einen Glimmstängel hervor.
„Haben Sie auch einen für mich?“
Beide Köpfe fuhren zu Lone Wolf herum.
„Ich dachte Sie hätten das Rauchen aufgegeben.“, merkte Mantis an.
Lucas grummelte etwas Unverständliches und nahm von Dodson eine Zigarette. Schon beim ersten Zug verzog er das Gesicht: „Uahhh, schmeckt ja scheußlich.“
Dodson hob überrascht eine Augenbraue: „Sie haben doch auch Luckies geraucht...“
„Ja schon, die hier schmeckt aber echt widerlich, haben Sie die aus Kameldung selbst gedreht?“ Lucas ließ die Kippe fallen und trat sie mit einem resoluten Schritt aus.
„Da geht er hin, der gute Tabak, sind aber nicht der erste rückfällige Raucher, dem die Fluppen nicht mehr schmecken.“

Hinter Lucas räusperte sich jemand.
Die beiden Offiziere und der Chief drehten sich zu Lieutenant Gant um. Der junge Pilot musterte den Mechaniker fast feindselig: „Chief, laut den Sicherheitsbestimmungen sind das Hangardeck als auch das Flugdeck absolute Rauchverbotszonen!“
Lucas und Mantis warfen sich schnell einen Blick zu, während Dodson den jüngeren, im Rang aber höhergestellten Mann anglotzte wie ein Tier, das gerade zu sprechen angefangen hatte.
„Gut, dass Sie da sind Arrow,“, antwortete Mantis, bevor Dodson was Dummes sagen konnte, „informieren Sie die Waffenkammer, die Maschine vom Skipper braucht noch Raketen!“
„Aber... äh, Aye-Aye, Ma’am!“


Unvernünftiger Weise war Raven sehr früh gestartet und zog jetzt über der Columbia ihre Kreise. Alles sah danach aus, als ob es sich in ein Eins-A Desaster verwandeln würde.
Katapult Nummer vier hatte angefangen zu zicken, kaum dass die erste Schwadron augeschleust worden war, und musste jetzt alle paar Starts neu kalibriert werden.
Die verzögerte den gesamten Start und Captain Crawforf, der den Einsatz leitete, hatte schon zweimal angefragt.
Einmal über einen der Kontrolloffiziere an Bord des führenden SWACS-Shuttles, einmal persönlich. Was sie zu hören bekam hatte ihr nicht gefallen.
Crawford fehlte der fordernde Unterton, den man von einem Geschwaderführer erwarten durfte. Er wirkte fast peinlich berührt, dass er sie drängelte, so als wäre er der Bote mit einer unangenehmen Pflicht.
„Red Beach für Harponeer drei-null-null.“, meldete sich die Columbia.
„Red Beach, Harponeer drei-null-null: Höre Sie klar und deutlich!“
„Harponeer drei-null-null, Red Beach: Das Flugdeck meldetet, dass Spirit-Führer aufs Flightboard gesetzt wurde.“
„Red Beach, Harponeer drei-null-null: Danke für die Neuigkeiten, Sie haben mir heute den Tag gerettet.“
Raven konnte schwören, dass auf der anderen Seite der Leitung jemand schmunzelte.
„Harponeer drei-null-null, Red Beach: Die CIC bat mich Ihnen auszurichten, dass das Flaggschiff schon angefragt hat, wie lange die Verzögerung noch dauern wird. Die CIC möchte wissen, ob der Startzyklus für KAT eins bis drei beschleunigt werden soll.“
Schnell überschlug Raven ihre Möglichkeiten. Ein beschleunigter Startzyklus ging auf Kosten der Sicherheit, und obwohl Katapultscrews und Piloten das sicherlich bewältigen konnten, spielten nachher zwei Katapulte verrückt. Über Sprit brauchte sie sich keine Gedanken zu machen, das Geschwader würde noch einmal tanken, und wenn sie etwas mehr verfeuern würden, das würden die Reserven der Tanker aushalten können. Und nach dem Gefecht würde eh nicht mehr so viel Treibstoff gebraucht werden.
,Du klingst schon so zynisch wie Lone Wolf.‘
„Red Beach, Harponeer drei-null-null: Negativ, wir bleiben bei der Standartgeschwindigkeit. Ich melde das an die Einsatzleitung weiter.“
Raven wechselte auf die Kommandofrequenz für das Unternehmen: „Caveman zwo-null-null, Harponeer drei-null-null, kommen.“
Ihr antwortete eine energische Männerstimme: „Höre Sie laut und deutlich Harponeer! Sie sind spät dran!“
Das war unerwartet formlos. Von dem Offizier, den Admiral de Kerr für den Angriffsverband eingesetzt hat, hätte Raven eigentlich einen saubereren Funkverkehr erwartet.
Tatsächlich schwang auch ein guter Teil Verärgerung in der Stimme des Captains mit. Vielleicht hatte Crawford sie schon als schlampig abgeschrieben, für die sich die Mühe nicht lohnte.
„Wir haben ein Problem mit einem Startkatapult auf der Columbia! Es wird noch etwas dauern, bis mein Geschwader vollständig gestartet ist, Skipper.“
„In Ordnung, Harponeer, wir warten so lange,“, knurrte Crawford, „treiben Sie Ihre Katapultbesatzungen zur Eile an.“
„Aye, Sir!“ ,Den Teufel werde ich tun.‘


Seit ein amerikanischer Pilot in den ersten Tagen der militärischen Luftfahrt damit begonnen hatte die Gurte für seine Maschinengewehre selbst zu bestücken, um die Häufigkeit von Ladehemmungen durch schlecht verarbeitete Patronen zu verringern, war es Tradition, dass Piloten vor dem Start ihre Bestückung selbst überprüften.
Heutzutage konzentrierte sich das nur noch auf die Raketen, die an ihren Aufhängungen hingen, denn für die Bordkanonen musste man sich auf die Aussage des Computers verlassen. Zum Glück kamen solche Kleinigkeiten wie Ladehemmnungen nicht mehr vor. Tatsächlich wäre es auch äußerst schwierig gewesen, bei 400 km/s mit einem neun Gramm Hämmerchen einen Fehler an den Bordgeschützen zu beheben, wie man es bei einer Fokker oder Albatros im Ersten Weltkrieg durchaus der Fall gewesen ist.
Davon ganz abgesehen was die Techniker mit einem Piloten machen würden, der mit einem Hammer auf die Maschine los ginge.
The Kid beobachtete aufmerksam seinen Rottenführer und Staffelchef, wie dieser doch noch seine aufmunitionierte Maschine überprüfte.
Lone Wolf Cunningham wirkte dabei gelassen und ruhig, genau so wie sich The Kid einen Veteranen des Kriegs vorgestellt hatte. Bisher hatte er mit Sonnyboy das Schlusslicht der Staffel gespielt. Arrow hatte sich von Anfang an in seine Pflichten fast übergangslos eingefügt und auch Dog hatte nicht viel Eingewöhnung gebraucht. Der Mistkerl hatte aufgrund der schadhaften Maschinen von Commander Cunningham auch schon eine Patroullie angeführt.
Als sich die Staffel auf den Start vorbereitet hatte, war von den Veteranen wenig Nervosität zu spüren gewesen. Das hatte The Kid zugleich beruhigt und beunruhigt.
Konnte man im Angesicht des drohenden Todes sich soweit abstumpfen, dass es einen nicht mehr interessierte? Bei The Artist war dann tatsächlich so was wie Vorfreude aufgetreten.
Als er sie darauf angesprochen hatte, war die flapsige Antwort gewesen: „Irgendwer müsse Skunk ja vertreten.“
Dann hatte Donovan Cartmell noch einen drauf gesetzt und gemeint, jetzt sei es an der Zeit ihren Job zu erledigen: Akarii töten, alles andere sei jetzt bedeutungslos!
Zwischen den Veteranen der Staffel waren Blicke hin und her gewandert und The Kid hatte sich irgendwie ausgeschlossen gefühlt.
Nun kurz vor dem Start begann sich ein schwerer Klumpen in seinem Magen bemerkbar zu machen und auf dem Rücken begann ein leichter Schweißfilm zu bilden.
Das war Angst, das wusste er, das war nackte, pure Angst.
„Na los Grünschnabel, rein ins Vergnügen; zeigen wir den alten Knackern, dass wir es auch drauf haben.“, Dog grinste ihn aufmunternd an und klopfte ihm auf die Schulter.
The Kid versuchte sich ein Lächeln abzuringen und begann die Leiter zum Cockpit zu erklimmen. Er blickte noch mal rüber zu seinem Staffelführer, der sich noch vom Chefmechaniker des Geschwaders verabschiedete.

Kaum hatte sich der junge Pilot angeschnallt, erfasst ein Traktorstrahler seine Maschine und er wurde in Richtung des Aufzuges manövriert.
Während er zur Startröhre gebracht wurde startete er die Triebwerke und ließ die Nighthawk im Leerlauf warten. Ein Griff zum Steuerknüppel oder zu dem Drosselhebel machte deutlich, welche Kraft der schwere Überlegenheitsjäger besaß.
Ein letzter Check über das interne System zeigte ihm, dass alles in Ordnung war. Bordkanonen und Raketen waren bereit aber gesichert. Das würde sie auch sein, solange der Waffenhauptschalter nicht umgelegt wurde. Ein kleiner roter Kippschalter unter einer schwarz-gelben Sicherheitsklappe.
Schutzschilde, Lebenserhaltung, Antrieb und alle anderen validen wie auch die weniger wichtigen System, wenn denn ein hochtechnisches Gerät wie ein Raumjäger solche haben sollte, meldeten volle Einsatzbereitschaft. Er ließ das Kanzeldach zufahren und verriegeln
Dann kam der große Moment, das Bugrad der Nighthawk wurde auf dem Katapultschlitten arretiert. Der Katapulthandler ließ den rechten Arm mehrfach über dem Kopf kreisen und The Kid kam der Aufforderung die Triebwerke auf vollen Schub aufzudrehen nach.
Zwei kurze Bestätigungen an den Tower, dann salutierten er und der Katapulthandler vor einander, woraufhin sich dieser auf ein Knie fallen ließ und mit geschlossener Faust die Startröhre entlang deutete.
Second Lieutenant William „The Kid“ Laramy betätigte den Auslöser und schoss die Startröhre entlang. Innerhalb weniger Sekunden war er im All und zu seinem ersten Kampfeinsatz gestartet.
Auf dem Radar erschienen Dutzende, nein Hunderte von Blibs. Jäger, Bomber, Fregatten, Zerstörer, Kreuzer und die mächtigen Träger. Einen Moment war er desorientiert.
Laramy klimperte mit den Augen und fokussierte seinen Blick. Ein kleiner Rechtsschwenk brachte ihn aus dem Einzugsgebiet der Columbia. Dann gab er seinem Computer den Befehl den Sammelpunkt für die Staffel aufs HUD zu projezieren und beschleunigte zu dem fiktiven Punkt im All.
„Lone Wolf für The Kid!“ die Stimme seines Staffelführers riss ihn aus der Konzentration.
„Ich höre Sie laut und deutlich, Sir.“, antwortete er, was nicht stimmte, denn der Funk war von der schieren Intensität der verschiedenen Stahlungsquellen leicht verzerrt.
„Schenken Sie sich das Sir, ich sagte es schon, hier draußen heißt es Lone Wolf. Peilen Sie meine Position an und nehmen Sie Flankenposition ein!“ kam die Wirsche antwort.
„Aye...“, The Kid schluckte das Sir herunter, „wird gemacht Lone Wolf, ich habe Sie auf dem Schirm.“
Er war gezwungen eine Kehre zu fliegen und sich neu zu orientieren und kam dabei einer Fregatte gefährlich nahe, wie er fand. Ihm kamen die Berechnungen von der Akademie in den Sinn, bei welchen Einschlagwinkel ein kleiner Luftraumjäger für ein Kriegsschiff zum Verhängnis wurde oder bei welchen Umständen eine Fregatte in der Lage war einen Crusader Bomber stumpf über den Haufen zu fahren.
„The Kid für Lone Wolf: Ich bin an Ihrem Flügel... Boss.“, meldete er seinem Anführer.
„The Kid, Lone Wolf: Gut, ich sehe Sie, nun schalten Sie auf den privaten Kanal.“
„Lone Wolf, The Kid: Ich äh, kenne Ihren privaten Kanal nicht.“
„The Kid, Lone Wolf: Ich meine den Staffelkanal.“
„Verstehe... ähm Lone Wolf, The Kid: Habe verstanden, wechsel jetzt den Kanal.“
Kaum, dass er auf dem Kanal der Staffel war, wurden seine Lautsprecher mit dem belanglosen Gequatsche seiner Kameraden belegt.
Es wunderte The Kid, dass weder Lone Wolf noch Mantis für Ruhe sorgten, doch lange sollte das nicht auf sich warten lassen.
„RUHE im Äther!“ Das war Mantis gewesen, und obwohl Laramy die älteste Pilotin der Staffel, wenn nicht gar des Geschwaders für nicht ganz so durchsetzungsstark hielt, wurde es ruhig auf dem Kanal.
„Okay, wenn ich annehme, dass Arrow geschwiegen hat, gehe ich davon aus, dass alle da sind.“, das war jetzt wieder Lone Wolf.
„Jepp,“, antwortete Mantis, „alle da, was macht das Fahrwerk, Skipper?“
„Gute Frage, Kid, kommen Sie näher und kontrolliert sie auf Sicht, ob mein Fahrwerk eingefahren und verschlossen ist.“
„Lone Wolf....“, er ließ jetzt auch das Protokoll außer acht, „auf Sicht? Wir fliegen mit dreihundertzwanzig kp/s, sollten wir da nicht langsamer werden?“
„Negativ.“, knurrte Cunningham und irgendwer lachte leise über den Kanal. Er könnte schwören, dass das Dog war.
„Dann halten Sie die Maschine aber grade, bitte.“
Mit leichten Korrekturstößen bewegte The Kid seine Nighthawk unter die Maschine seines Rottenführers und beschleunigte kurz um auf gleiche Höhe zu kommen. Er reckte den Hals und begutachtete die Unterseite des anderen Jägers. Zehn weiße Raketen hoben sich unter dem grauen Rumpf hervor und machten es ihm schwieriger was zu erkennen.
„Ich muss noch etwas dichter ran, Skipper.“
„Nur die Ruhe, Lieutenant, noch bekomme ich kein Signal des Abstandswarners.“, war die fast flapsige Antwort.
The Kid näherte sich noch etwas an und starrte den Rumpf der anderen Nighthawk angestrengt an: „Das Fahrwerk ist eingezogen und die Schutzklappen sind zu, sieht soweit gut aus, Boss.“
„Gut, dann wird es jetzt Zeit, Lone Wolf an Rote Schwadron: Sektionsweise formieren. Wie besprochen nehmen wir die Position über den Bombern ein, Okhas schwarze Bande fliegt die untere Deckung. Die Tankkoordinaten sind in den Computern einprogrammiert, wer noch etwas Schlaf finden kann, soll das unterwegs versuchen.“
Anschließend war Lone Wolf von der Staffelfrequenz verschwunden. Wahrscheinlich meldete er Raven die Einsatzbereitschaft.
Es dauerte nicht mehr lange, dann rückte die Streitmach aus. Die vollständigen Geschwader der Columbia, der Midway und der Derflinger unterstützt von den Überlegenheitsjägern und Jagdbombern der anderen beiden leichten Träger.
Bei ihnen flogen SWACS-, SAR- und Tankshuttles. Alles in allem zusammen mit den vier Rafael von der Columbia und den zweien von der Derflinger zweihundertsechsundvierzig Jäger und Bomber sowie noch mal sechsunddreißig Shuttles.
Auch wenn die Zahlen beruhigend wirkten, so bemerkte Laramy wieder diesen Knoten im Bauch, jetzt wo er wieder Zeit zum Nachdenken hatte.



Hilmi Özkök Airbase
Masters, Sterntor

In der langsam niedergehenden Abendsonne war der 45. Marines Fighter Wing angetreten. Auf dem Flugfeld standen die Mirage-Jagdbomber, Typhoons und Griphens, betankt und voll bestückt.
Die Männer und Frauen trugen schon die schweren Raumanzüge, Ausrüstung die bei der Navy schon ausgemustert wurde. Alt aber erprobt, wie es im Scherz hieß. Ihren Fliegerhelm hielten sie in der rechten Armbeuge, der linke Arm im fünfundvierzig Grad Winkel angelegt, die Hand auf dem Rücken, die Beine leicht gespreizt; eine aggressive Rührt-Euch-Stellung.
Richard Thundercloud begutachtete seine Soldaten. Er konnte eine gute Portion Nervosität spüren, vor allem auch bei sich selbst. Es war lange her, dass er Leute in die Schlacht geführt hatte; ist wie Fahrrad fahren, verlernt man nie. Das versuchte er sich zumindest einzureden.
„MARINES! Die Navy braucht unsere Hilfe, wieder einmal!“ Die meisten seiner Piloten mussten auflachen. Als Marines fühlten sie sich allen niederen Lebensformen, vor allem den stolzen Pfauen der Navy, überlegen.
„Wie Sie allen den Einsatzunterlagen entnommen haben, wird dies ein hartes Stück Arbeit! Das Absetzmanöver verlangt größte Präzision und der anschließende Flug wird sich ziemlich hinziehen! All das ist nicht weiter schlimm, wir sind Marines, damit werden wir fertig.
Das große Problem an der Operation ist, dass während wir noch im Anmarsch sind, werden unsere Freunde von der Navy schon im Gefecht stehen.
Und wir alle wissen, was geschieht, wenn man einen dieser überbezahlten, nichtsnutzigen, weißuniformierten Fatzken von einem Gentleman in die Schlacht schickt, ohne dass ihm ein echter Soldat das Patschhändchen hält; richtig, er bekommt den Arsch voll.“
Wieder erscholl Gelächter und diesmal sogar enthusiastischer.
„Das heißt aber auch, dass wir ziemlich viel Geduld brauchen werden, während die Navy sich in Kampfmanövern übt und letztlich bedeutete es, dass wir der Entsatz für die Männer und Frauen von der Navy sind. Man wird uns brauchen und man baut darauf, dass wir zur Stelle sind, wenn es an der Zeit ist.
Man verlässt sich auf uns. Auf unsere Fähigkeiten, unsere Tapferkeit und unsere Loyalität. Und wir alle wissen, sind dies die drei Tugenden sind, die Marineinfanteristen schon immer ausgezeichnet haben, lange bevor es das T.R.-Marine Corps gab!“
Noch einmal ließ er seinen Blick über das Geschwader gleiten und sammelte Luft: „MARINES: KILO-THREE! One, two, three!“
„KILL!“ Brüllten ihm die angetretenen Marines entgegen.
Thundercloud fühlte sich, als würde er drei Zentimeter wachsen, naja vielleicht auch nur zwei: „Geschwader aufsitzen! Wir rücken aus! Weggetreten!“
Die Piloten nahmen kurz Haltung an, drehten sich dann sofort um und schwärmten zu ihren Jägern und Jagdbombern aus.



Sterntor
Terranischer Angriffsverband

Nervosität und Anspannung waren so gut wie verschwunden und dennoch präsenter denn je. Lucas „Lone Wolf“ Cunningham lauschte mit einem Ohr den Meldungen der SWACS-Besatzungen und mit dem anderen dem Gequatsche auf seiner Staffelfrequenz.
Das Geflachse, der gutmütige Spott und die Spekulationen über die Vorgehensweise der Akarii waren irgendwann verstummt.
Tatsächlich war ein leises Schnorchelgeräusch auf dem Kanal der roten Staffel zu hören. Doch auch der Spot über Too-Talls Schlafgeräusche war schnell wieder verschwunden.
Plötzlich erwachten die Frequenzen der SWACS-Aufklärer und Lone Wolf, der letztlich auch schon etwas eingelullt war, saß wieder kerzengerade.
Ohne es wirklich zu bemerken las er die Statusanzeigen seiner Maschine ab, während er seine Staffel vergaß und seine primäre Aufmerksamkeit auf den Datenstrom der Aufklärer richtete.
Schnell war klar, was geschah. Der feindliche Verband startete Maschinen. Kursvektor, Beschleunigung und Geschwindigkeit machten deutlich, dass der Feind einen Großteil seiner Bomber startete und versuchte am Kampfverband vorbeizukommen und die Träger der Terraner anzugreifen.
Auf Lucas Gesicht erschien ein Grinsen. Noch waren keine Abfangeinheiten der Akarii draußen. Niemand der den Kampfverband in Bedrängnis brachte, niemand der eine Falle zuschnappen lassen konnte.
„Jetzt haben wir Dich,“, murmelte er so leise, dass sein Funkgerät nicht aktiviert wurde, „na ja, zumindest Deine Bomber.“
Dann wurde der Befehlskanal des Verbandes lauter. Tatsächlich diskutierten drei Geschwaderführer auf Captain Crawford ein, den Angriff abzublasen und sich die Bomber zu schnappen.
Mit fassungslosem Entsetzen erlebte Lone Wolf wie sich Crawford immer lauter durchsetzte. Der Angriff sollte wie geplant weitergeführt werden.
„Das kann doch nicht Ihr Ernst sein, Captain!“
„Wer zum Teufel ist das?“ wollte Crawford wissen.
Zu seiner eigenen Verwunderung hatte Lone Wolf sich tatsächlich am Ende doch in die Diskussion eingemischt.
„Spirit eins-null-neun, Harponeer drei-null-null: Halten Sie die Klappe Lone Wolf!“ Raven klang mehr als nur ein wenig verärgert.
So sehr verärgert, das Lucas einen kurzen Augenblick hoffte, dass er nicht der Grund dieses Zorns war. Aber wenn doch, was soll’s: „Caveman zwo-null-null, Spirit eins-null-neun: Unser Akarii-Freund verstößt gegen mindestens zwei taktische Grundprinzipien des Raumkampfes und Sie wollen das nicht ausnutzen.“
„Spirit eins-null-neun, Caveman zwo-null-null,“, Crawford klang wirklich genervt, „das habe ich schon mit Ihrer Geschwaderführerin ausdiskutiert, Commander! Darüber hinaus sollten Sie sich noch mal ganz deutlich die Befehlskette vor Augen führen, Mister!“
Die Befehlsfrequenz des Angriffsverbandes war jetzt still. Lucas hatte den Kiefer zusammengepresst und versuchte seine Wut zu bändigen. Lange war es her, dass man derart mit ihm gesprochen hatte und die Betonung von Dienstgrad und Mister ließen ganz deutlich verstehen, was Crawford von ihm und seinem unangemessenen Benehmen hielt.
Lucas selbst hätte jeden Subaltern Offizier, der so in eine Stabskonferenz geplatzt wäre, den Kopf abgerissen und neben die Abschussmarkierungen an seine Nighthawk getackert.
Aber trotz seiner untergeordneten Stellung im Geschwader war er kein Subaltern Offizier. Wahrscheinlich zählte er zu den erfahrensten ein Prozent an Piloten hier im System und viel wichtiger: Auf Seafort saß Melissa, schwanger mit seinem Kind.
„Cavemann zwo-null-null, Spirit eins-null-neun,“, antwortete Lucas in fast sanften Tonfall, „wenn Sie mal den Kopf aus dem Arsch ziehen würden, Sir, dann könnten Sie die Erfahrung einsetzen, die Ihr Dienstgrad und ihre Position implizieren und dann würden Sie gottverdammt noch mal Ihren Job richtig machen können!“
Irgendwer starb über die Kommandofrequenz den Erstickungstod. Dass es nicht Raven war bezeugte deren kalte Antwort: „Spirit eins-null-neun, Harponeer drei-null-null: Nach Abschluss dieser Mission melden Sie sich bei mir, um einen Nachfolger als Staffelführer zu empfehlen.“
Nun fand auch Crawford seine Stimme wieder und diese Troff vor Hass: „Commander, wenn diese Mission nicht so wichtig wäre, würde ich Sie auf der Stelle Ihres Postens entheben und zurück zum Träger schicken! Sie haben Ihren Geschwaderführer gehört, bestätigen Sie den Befehl!“
„Harponeer drei-null-null, Spirit eins-null-neun: Aye-aye, Ma’am!“

Dann wurde es wieder ruhig. Der Flug wurde fortgesetzt.
Fast zehn Minuten nach dem Zwischenfall befahl ihm Raven über die Geschwaderfrequenz sich auf einer untergeordneten Leitung bei ihr zu melden.
„Ich höre, Skipper.“, meldete er sich dann vorsichtig.
„Davon abgesehen,“, begann Raven, „dass Sie mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit Recht haben, war das jetzt wirklich notwendig, Lone Wolf? Mal abgesehen davon, dass Sie jetzt unhaltbar sind, wie stehe ich jetzt da, wo ich Ihnen freundlicher Weise noch eine Chance gegeben habe?“
„Der Mann ist ein Idiot, wahrscheinlich hat er sich bei de Kerr überhaupt erst die Erlaubnis geholt mit den anderen Geschwaderführern zu sprechen.“
Raven schnaufte: „Das ist doch unbestritten, aber das ist nicht das Thema, woher kommt dieser verdammte Aussetzer? Sind Sie zulange Leitbulle gewesen?“
„Raven, da sind achtundvierzig Maschinen von uns, gegen mehr als doppelt so viele Bomber! Die haben keinen Jagdschutz, die vernichten wir ohne groß Federlesen, das ist die gesamte akariische Langstreckenschlagkraft. Und was tun wir? Wir gucken mit offenen Mündern zu!“
„Vielleicht hat de Kerr noch eine Trumpfkarte“, antwortete Raven, doch ihrer Stimme fehlte die Überzeugung.


TRS Columbia

Vanessa Girad hörte sich das Gekeife auf der Befehlsfrequenz des Angriffsverbandes erneut an. Die Admiralin schüttelte innerlich den Kopf und blickte über den Kartentisch zu Captain Ahn: „Haben Sie eine Ahnung, warum Admiral de Kerr die akariischen Bomber nicht abfangen lässt, Ho-Yun?“
Ahn Ho-Yun straffte sich etwas: „Natürlich, Ma’am, wie Sie sehen können, fehlt dem akariischen Bomberverband jeglicher Jagdschutz, was für unsere Abfangjäger grundsätzlich leichtes Spiel bedeutet. Darüber hinaus ist die James Knox in der Lage das Feuerleitsystem der Flotte besser zu koordinieren und eine größere Salvendichte für die Abwehrraketen zu erzeugen. Die letzten Manöver zur Erprobung der James Knox haben da hervorragende Ergebnisse zur Abwehr von Anti-Schiff-Raketen gezeigt.“
„Teilen Sie diese Überzeugung, Ho-Yun?“
„Die Ergebnisse des integrierten Feuerleitsystems der James Knox waren wirklich hervorragend, doch der Ernstfall ist kein Manöver, Ma’am. Ich würde die geltenden Doktrinen nicht so einfach übergehen.“
Girad nickte und wollte sich abwenden.
„Noch eine Sache, Admiral, diesen Commander Cunningham, wir sollten ihn sobald er wieder an Bord kommt ablösen lassen, ich habe seine schillernde Akte schon angesprochen, eine solche Form der Insubordination können wir nicht übersehen, Ma’am. Admiral de Kerr wird es jedenfalls nicht.“
„Darum, Ho-Yun, sollten wir uns Gedanken machen, wenn wir wissen, wie diese Sache ausgeht.“


Angriffsverband der 5. Flotte,
Sterntor, FRT

Erst als es dran ging die Maschinen neu zu betanken wurde es wieder spannend.
Bei den meisten Veteranen war es ein reines Routinemanöver und Too-Tall beschwerte sich, dafür geweckt worden zu sein.
Sonnyboy brauchte zwei Anläufe um den Ansaugstutzen einzufügen und auch The Kid war recht zittrig.
Arrow hingegen meisterte das Manöver wie ein erfahrener Veteran, besser als Dog und fast noch routinierter als The Artist.
Tatsächlich zog sich das Auftanken für die ganze Kampfgruppe fast eine Stunde hin. Zum Glück schlug sich das nicht ganz so stark in der Gesamtrechnung nieder, da man sich trotz der Betankung immer noch mit mehreren hundert km/s dem Feind näherte.
Es war für Lucas immer wieder erschreckend, wie langweilig der Job werden konnte, auch bei Kampfeinsätzen. Langeweile war gut, das hatte er immer wieder seinen Flügelmännern erzählt. Beginnend mit Pinpoint, und The Kid hatte er das auch erzählt.
Jedoch konnte man der Stimme des jungen Piloten entnehmen, dass er sich ganz und gar nicht langweilte.
Nach dem Tankmanöver ging es weiter mit der Monotonie, die einzig von einer Meldung der SWACS-Shuttles unterbrochen wurde; einige Frachter haben den Orbit von Masters mit einem Fluchtmanöver verlassen.
Ich wünschte es wäre akariischer Nationalfeiertag oder die Marines kämen, dachte Lucas bei sich. Da gab sein Bordcomputer Bescheid, dass Raven ihn wieder auf der Privatfrequenz sprechen wollte.
Er schaltete wieder um: „Was gibt es Skipper?“
Die Ansprache kam ihm flüssiger über die Lippen als ihm lieb war.
Doch statt Raven antwortete Irons: „Sich jetzt noch einzuschleimen ist ein wenig spät, finden Sie nicht, Lone Wolf?“
„Könnten wir darauf verzichten,“, meldete sich nun Raven zu Wort, „ich habe eine ganz andere Sorge.“
„Als die wäre?“ wollte Lone Wolf wissen.
„Nach Ihrer beider Expertise, wann hätten Sie anstelle des Akarii-Admirals Abfangjäger gestartet?“
Lucas konsultierte seine Radarmonitore, während Irons schon antwortete: „Spätestens jetzt, wenn ich nicht sogar schon einen Schwarm an Maschinen im All hätte.“
„Ich hätte meine Jäger schon früher gestartet, in der Hoffnung, dass wir den Bombern hinterhergejagt wären, aber ansonsten würde ich Irons zustimmen, jetzt ist eigentlich schon etwas spät.“
Irons schnaufte: „Kommt nur mir das so merkwürdig vor, haben alle Admirale heute einen zu viel gehoben? Kann der wissen, dass unsere Bomber und Jagdbomber keine Atomraketen tragen? So gut können die Sensoren der Akarii doch gar nicht sein.“
„Raven,“, meinte Lone Wolf dann zögernd, „ich habe ein ganz mieses Gefühl.“
„Es ist immerhin Ihr Plan, den wir hier verfolgen, Lone Wolf.“
Der ehemalige CAG der Angry Angels würde gerne widersprechen, doch das konnte er nicht so wirklich: „Ja, das ist er, doch wenn Sie sich erinnern war ich mir nie zu schade einen Schlachtplan umzuwerfen oder an die so genannten Gegebenheiten vor Ort anzupassen. Etwas, was wir von unserer Führung nicht erwarten können oder?“
„Nein,“, gestand Raven ein, „ich werde mich aber nochmal an unseren Anführer wenden.“
Damit war die Besprechung beendet.


Billy „The Kid“ Laramy hätte sich in den eigenen Hintern beißen können, so sehr hatte er sich beim Tankmanöver blamiert. Seit nun gut zwei Stunden wartete er darauf, dass Commander Cunningham ihn zur Sau machte. Der Anschiss kam aber nicht, was die Situation nicht verbesserte.
Nach und nach begannen auf dem Staffelkanal die Spekulationen, warum sich die Akarii so viel Zeit ließen.
„Scheiße aber auch,“, fluchte Stuntman, „wenn wir jetzt anständig bewaffnet wären, würden wir durchbrechen und zwei Träger aus dem All sprengen, ehe die Akarii auch nur wüssten, was Sache ist.“
„Yeah,“, stimmte ihm Too-Tall zu, „wer hatte nochmal die geniale Idee erst mal die Jäger der Akarii niederzukämpfen?“
„Das war Lone Wolf.“, kam es von Mantis schneidend.
„Hey, eine Fehleinschätzung in fünf Jahren Krieg,“, verteidigte The Artist, „das kann man doch mal nachsehen.“
Von Stuntman kam ein abschätziges Schnaufen.
„Glauben Sie mir Lieutenant, rückblickend war da mehr als eine Fehleinschätzung!“
Erst konnte Laramy das gar nicht zuordnen, dann merkte er, dass es der Staffelführer selbst war.
„Oh, Mann, jetzt sind wir aber echt am Arsch,“, wieder Stuntman, „es gab da wirklich mehr als eine Fehleinschätzung.“
„Ja,“, kam es von Lone Wolf und die Stimme des Staffelführers hatte einen hinterhältigen Unterton angenommen, „ich erinnere mich an einen Sträfling, der letztens erst wieder zum Lieutenant Senior Grade aufgestiegen ist.“
Ehe der Lieutenant antworten konnte meldete sich Raven über die Geschwaderfrequenz: „Alle mal hergehört, die Akarii führen einen massiven Jägerstart durch! Alle Staffeln: Bereitschaftsmeldung!“
Jegliches Geschnatter wurde eingestellt und The Kid zog sich der Magen noch ein Stück weiter zusammen. Als Lone Wolf die Staffel abfragte, konnte er bei seiner Meldung das Zittern nicht verbergen.
Auf seinem Monitor wurde angezeigt, wie sich ein riesiger Schwarm kleiner roter Lichter vom Hauptkontingent der Akarii ablöste und wie sich die feindliche Flotte neu formierte und den Kurs änderte.
Scheiße! Scheiße! Scheiße! Jetzt war die Zeit für ihn gekommen.
„… verdammt noch mal, melden Sie sich Kid!“
„Sorry, Skipper, bin da, bin ganz da!“ Wie lange hatte Lone Wolf ihn angerufen?
„Das will ich hoffen! Also in wenigen Minuten geht es los. Halten Sie ihre Position und decken Sie meine Sechs! Ach, und wie ist die Stellung des Waffenhauptschalters.“
„Der ist ähhh….“, seine Augen huschten über die vertrauten Kontrollen, die plötzlich verwirrend reichhaltig waren und er sah den Waffenhauptschalter auf SAVE; oh verdammt, „… aktivere jetzt Raketen und Bordkanonen, Skipper!“
Als antworte atmete Lone Wolf scharf ein: „Gut, Position und Verbandbeschleunigung beibehalten.“
Auf seinem Monitor näherten sich die Akarii immer weiter und würden bald die Reichweite für die Phönix Langstreckenraketen erreichen. In der Akademie hatten sie ihnen beigebracht, dass die Echsen jetzt bald mit den Ausweichmanövern begannen und sich dadurch in Position für ein Zangenmanöver brachten.
Das geschah nicht, die Akarii hielten direkt auf sie zu.
„Angry Angels, Harponeer drei-null-null,“, meldete sich die CAG mit emotionsloser Stimme, „Ziele selektieren und eliminieren! Geschwader: Formation lösen und angreifen.“
Plötzlich begannen Nighthawk- und Thunderboltpiloten ihre Ziele auszurufen und The Kid schloss sich ihnen an.
Er lockte sein Radar auf einen Deltavogel ein und ließ ihn die Maximalreichweite gut unterstreichen. Der feindliche Pilot verlor die Nerven und brach aus der Formation aus.
„Fox-three! Fox-three!“ Vermeldete The Kid die Raketenstarts an seinen Führer und wechselte das Ziel um sofort zwei Raketen auf eine Bloodhawk abzufeuern!
Die erste Raketensalve brach wie ein Gewitter über die angreifenden Akarii herein und Lone Wolf beschleunigte seine Nighthawk ungewarnt auf Maximalschub, dass The Kid sich beeilen musste, hinter seinem Anführer hinterher zu kommen.
Cattaneo
Ace

Raccoon runs!

Zwei Wochen zuvor:
Als der akariische Admiral mit ungewohnter Hast das Büro des Generalgouverneurs betrat, sah Cochrane erstaunt auf. "Narun? Was verschafft mir die Ehre Ihres Besuchs?"
"Mr. Governor, es hat sich eine Situation ergeben, um den Fall Raccoon ernsthaft in Betracht zu ziehen. Es sieht so aus als würden drei akariische Trägerverbände plus Unterstützungsverbände das republikanische Sterntor-System angreifen."
Cochrane unterdrückte das Zittern seiner Hände, als diese Begriffe fielen. Drei Trägerverbände, das waren die Einheiten gewesen, mit denen Kal Ilis beinahe die Konföderation vernichtet hatte. Wäre da nicht ein unheimlich subtiler Diplomat gewesen, der einerseits dem Ego der Akarii genügend geschmeichelt hätte und andererseits der Konföderation mitten in der Niederlage noch einen Sieg eingeredet hatte.
"Bitte, sprechen Sie weiter."
"Abgesehen von der Frontlinie ziehen die Terraner massiv Schiffe ab, rochieren sie von den Grenzen tiefer in die Systeme, um von dort weitere Schiffe noch tiefer in die Republik zu ziehen. Ziel ist es zweifellos, in Texas und, beziehungsweise oder Terra oder Perseus Einheiten zusammen zu ziehen, um Sterntor zu Hilfe zu kommen."
"Mit anderen Worten: Sie dünnen ihre Verteidigung aus."
"Nicht in dem Maße des Idealfalls, den wir uns für Fall Raccoon vorgesehen haben. Aber durchaus besser als wir bei der pessimistischen Planung erwartet hätten."
Cochrane neigte sich interessiert vor. "Wie stehen unsere Chancen für Raccoon, Narun?"
Der Akarii grinste schief. "Mr. Governor, ich müsste lügen, würde ich Ihnen einen Erfolg versprechen. Aber ich garantiere Ihnen, dass wir es zumindest bis ins Zielsystem schaffen werden."
"Neu Hessen?"
"Ist vier Sprünge entfernt. Selbst wenn sie den Sprungpunktnexus und das Hauptquartier der 3. Flotte entblößen sollten, haben wir ein Zeitfenster von ein bis drei Wochen, bevor wir uns Sorgen machen müssen. Aber die Operation muss schnell anlaufen und schnell über die Bühne gehen, das steht außer Frage."
Cochrane trommelte nervös mit den Fingern auf der Tischplatte seines Plastitschreibtischs. Im schlimmsten Fall würde Operation Raccoon bedeuten, dass der Krieg, dem sie gerade erst entronnen waren, neu beginnen würde - nur halt mit vertauschten Gegnerrollen. Andererseits waren die Ziele von Raccoon viel zu wichtig und zu gut nachzuvollziehen. Sie brauchten Raccoon. Sie mussten Raccoon durchziehen. Er erhob sich. "Wen würden Sie mit der Durchführung beauftragen?"
Kalad legte nachdenklich den Kopf schräg. "Elliot Okamba."
"Okamba? Er ist gerade erst Vice Admiral geworden.", erwiderte Cochrane überrascht. "Warum ihn? Warum nicht Lak Tokas oder Henner Daiana?"
"Zwei Gründe, Sir. Erstens hat er seinen Verband ohne Verluste aus dem terranischen Raum zu uns zurück gebracht, nachdem wir kapituliert haben. Und das ohne einen Schuss abzufeuern. Und zweitens hat er zehn Jahre als Verbindungsoffizier auf Neu Hessen gearbeitet. Und drittens, er kennt Maike Noltze persönlich."
Edward Cochrane dachte lange über den Vorschlag nach. "Sie wissen, Narun, ich rede Ihnen nicht in Ihre Personalentscheidungen rein, schon gar nicht in so einem sensiblen Fall. Aber sind Sie wirklich von Okamba überzeugt?"
"Wäre ich das nicht, hätte ich ihn nie für dieses Kommando in Erwägung gezogen."
Cochrane nickte zufrieden. "Vice Admiral Okamba also. Gut, lassen Sie den Stab zusammentreten. Ich trommle das Kabinett zusammen. Wir entscheiden in einer Stunde."
"Verstanden, Mr. Governor."
Kalad verließ das Büro wieder, und Cochrane begann damit, seine Minister zu kontaktieren.
"Ellie? Kommando Raccoon. Komm so schnell du kannst in den Beratungsraum. Wenn es geht mit dem kleinstmöglichen Aufsehen. Und sag bitte Ed und Ryuk Bescheid. Ja. Danke."
Nach diesem Anruf nahm sich der Generalgouverneur die Zeit, um kurz durchzuatmen. Das Leben war seit der Niederlage gegen die Akarii keinesfalls leichter geworden, und eigentlich hätte jetzt die Zeit gekommen sein müssen, um die Wunden zu lecken und heilen zu lassen. Stattdessen führte er sein Land womöglich in einen neuen Krieg. Aber das es getan werden musste, das stand für ihn unumstößlich fest.

***

"Meine Damen und Herren, ich stelle Ihnen die Operationsgruppe Raccoon vor. Einmal haben wir da die Einsatzgruppe Arrow, unsere ausführende Einheit.
Die beiden leichten Träger CNS Robert Delany und CNS Kevin Johnston, die Kreuzerschwadronen 1.4 und 1.5, die Zerstörerschwadronen 1.8, 1.9, 1.11 und 1.14, die Fregattenschwadronen 1,4 bis 1.5, sieben Truppentransporter der Nassau-Klasse, die Lazarettschiffe ROBERT KOCH, PARACELSUS und NIHYT ATADES, zwei Laboe-Frachter als Trossschiffe. Dazu stellt die Army die 4. und 5. Expeditionsbrigaden von London und Eleanor.
Außerdem zur Verfügung stehen die Q-Schiffe CRANSTON und McALLAN. Beide entsprechen vom Profil her Quasar-Transportern, sind aber getarnte Kampfschiffe mit dem Kampfwert leichter Kreuzer. Beide Schiffe haben eine kampferprobte Crew; wir haben sie während des Krieges oftmals eingesetzt, um akariische Hinterlandverbände in die Falle zu locken.
An dieser Stelle muss ich allerdings anmerken, dass wir durch die terranischen Internierungen und diverse Wachaufgaben hauptsächlich nur leichte Kreuzer für den Angriff bereit stellen können. Das sollte uns aber nicht entmutigen. Außerdem bieten die Schwadrone im Schnitt keine Sollstärke auf. Das können wir im Moment einfach nicht leisten. Statt zehn Schiffen pro Schwadron kommen wir im Schnitt auf acht. Bei den Kreuzern ist der Schnitt bei sieben. Aber immerhin, die Kapitäne kennen einander, die Schiffe haben bereits Seite an Seite gekämpft. Diese Kampferfahrung darf nicht unterschätzt werden." Die Monitore vor Admiral Kalak und den Anwesenden bildeten alle angemerkten Schiffe ab, dazu in kleinen Infofenstern die Teileinheitsführer, einzelnen Schiffskapitäne und wichtige Besatzungsmitglieder.
"Die Einsatzgruppe Crossbow dient als taktische Reserve. Der Flottenträger CNS GREGOR SCHWARZ bildet den Kern, darum gruppieren sich die Kreuzerschwadronen 2.3 und 2.4. Auch hier gilt wieder, keine vollen Schwadrone und meist leichte Kreuzer, aber erfahrene Mannschaften und Offiziere.
Zur Fernabsicherung haben wir die Zerstörerschwadronen 2.8 und 2.10 herangezogen. Vier Laboe-Frachter und zwei Altair-Frachter bilden die Tross-Schiffe. Alles in allem bieten wir hier ein zwei Fünftel unserer verbliebenen offensiven Kampfkraft auf."
Kalak sah ins Rund, und wartete Zwischenfragen ab. Als keine erfolgten, fuhr er fort.
"Als Kommandeur von Arrow und damit als Oberkommandierenden haben wir Vice Admiral Okamba vorgesehen. Er kennt die Region und die gegnerischen Kommandeure. Mr. Vice Admiral, nehmen Sie die Aufgabe an?"
Der Angesprochene räusperte sich verlegen. Als er lächelte, blitzten schneeweiße Zähne im kaffeebraunen Gesicht auf. "Sir, um nichts in der Welt würde ich diesen Auftrag ablehnen."
Es dauerte einen Moment, dann aber klopften Stab und Kabinettsmitglieder mit den Fäusten auf den Tisch, um ihre Zustimmung zu geben.
"Crossbow hingegen wollten wir in die Hände eines erfahrenen Routiniers geben, jemanden der selbstständig genug ist um zu entscheiden, ob er eingreift oder lieber die Reste der Aktion zusammenkratzt und flieht, was - wie Sie alle zugeben müssen - in dieser Situation eine mehr als schwere Entscheidung ist. Unsere Wahl fiel auf Admiral Lak Tokas."
Der große, aber altersgebeugte Akarii verneigte sich zustimmend, während die Männer und Frauen wieder auf den Tisch klopften.

Sozialminsterin Elleny Swanks hob zaghaft die Hand. "Mr. Governor, darf ich fragen, was die Ziele dieser Operation sein werden? Soweit ich mitbekommen habe, stand die Planung unter extremer Geheimhaltung, und alle an der Aktion beteiligten Schwadrone bekommen ihre Befehle erst am Sammelpunkt. Aber dank des Lebenslaufs von Admiral Okamba kann ich zumindest die Vermutung aussprechen, dass es die Terraner involviert. Dennoch, ich muss wissen, was die Kampfgruppe Arrow erreichen will."
"Das ist verständlich, und das ehrt Sie, Ellie." Cochrane sah sie ernst an. "Diese Information ist Streng geheim klassifiziert, und darf bis vor Abschluss der Operation nicht einmal Ihren Mitarbeitern bekannt werden."
"Ich bekomme Angst vor der Antwort. Gut, Mr. Governor. Was immer ich höre, lasse ich in diesem Raum. Was also soll Admiral Okamba für uns erreichen?"
"Elliot?", fragte der Generalgouverneur lächelnd in Richtung des Karriereoffiziers.
Der nickte bestätigend. "Wie ich im Vorabgespräch vom Befehlshaber unserer Flotten informiert wurde - auch hier unter höchster Geheimhaltung - ist das Ziel der Operation Raccoon ein Einmarsch auf republikanischem Gebiet."
Für den Moment wurde es laut. Redwin Fisher, der Wirtschaftsminister, brachte es auf den Punkt. "Es gibt nichts, was es lohnen würde, sich ausgerechnet jetzt mit den Terranern anzulegen, Edward! Nichts!"
"Doch, da gibt es etwas. Narun?"
Der alte Akarii lächelte dünnlippig. "Sinn der Penetration von republikanischem Territorium ist ein Überfall. Schnell rein, schnell ran, schnell raus. Und Trophäe dieses Überfalls ist dieses System."
Auf den Monitoren verschwanden die Schiffe, und machten einem Sonnensystem Platz.
"Das ist das Shifang-System", rief jemand erstaunt. "Und dort sind..."
"Richtig, Mr. Xiang. Das Shifang-System, oder genauer die Hauptwelt Vallis Chroma ist das Ziel unserer Expedition. Und um ganz exakt zu sein, Camp Alabaster, in dem die Terraner seit zwei Monaten konföderiertes Flottenpersonal internieren und konzentrieren - von allen Welten."

Für eine Weile herrschte entsetztes Schweigen. "Sie wollen also Camp Alabaster angreifen?", krächzte Fisher mit rauer Stimme.
"Das ist korrekt. Wir holen unsere Jungs und Mädchen da raus.", sagte Cochrane mit ruhiger Stimme.
"Junge, Junge", meinte Fisher mit einem Hauch von Amüsiertheit in der Stimme, "die Schweine fliegen immer noch in der Konföderation."

***

"Ma'am, das sollten Sie sich vielleicht einmal ansehen." Mit gerunzelter Stirn trat Rear Admiral Kilian "Scotty" Scotland zu Admiral Maike Noltze heran, kaum dass sie das Hauptquartier betreten hatte.
"Bitte, Scotty, sagen Sie mir etwas Gutes. Ich kann so früh am Morgen keinen Ärger gebrauchen. Himmel, Scotty, ich bin noch nicht mal in meinem Büro."
Der Ressortleiter Flottengeheimdienst lächelte dünnlippig. "Ob es gut oder schlecht ist, maße ich mir nicht an zu entscheiden, Ma'am."
Maike Noltze seufzte. Sie hatte gewusst, dass sie als Girads Nachfolgerin ein Trümmerfeld übernehmen würde, vor allem in Bezug auf die Beziehungen zur ColCon, gestraft mit einem drastisch erweiterten Grenzgebiet, wo früher der Schulterschluss mit dem ehemaligen Partner gereicht hatte. Zu allem Überfluss hatten auch noch ein paar Hektiker in der Flottenzentrale entschieden, stakkatotartig Einheiten nach "innen" zu ziehen, um kernwärts der Republik mehr Schiffe frei zu machen, die auf den Akarii-Streich in Sterntor reagieren sollten. Oder mit anderen Worten: Größere Grenze, weniger Schiffe. "Nun geben Sie schon her, Scotty.", sagte sie mürrisch und nahm dem Geheimdienstchef der Flottenzentrale Neu Hessen den Bericht aus der Hand.
"Das sind Kopien von elektronisch versendeten Marschbefehlen.", sagte sie. Leidlich interessiert ging sie alle acht Papiere einmal durch. "Ihr Netzwerk scheint intakt zu sein. Wobei ich mich frage, wieso der Flottengeheimdienst ausgerechnet bei einem ehemaligen Verbündeten eine so gute Spionage-Infrastruktur aufzuweisen hat."
Scotland lächelte wie über ein Lob. "Sagen wir, genau für so einen Fall. Wobei ein Großteil des Netzwerks aus Leuten in der ColCon besteht, die gegen den Friedensvertrag mit Akar sind, und sich mit heller Begeisterung haben anwerben lassen. Dazu kommt noch unsere übergelaufene Bouisseau, die ihren Teil dazu beiträgt, die Spionage für uns, hm, salonfähig zu machen. Gerade die Akarii in der ColCon sind geradezu enthusiastisch. Es scheint, dass sie die Gefahr der Okkupation durch das Kaiserreich noch immer drohend vor Augen haben. Aber davon abgesehen, was halten Sie davon, Maike?"
Noltze runzelte die Stirn. "Ein Leichter Träger samt Begleitverband, drei Kreuzerverbände, der Rest Zerstörer und Fregatten, und alle werden zu verschiedenen Punkten verlegt, an denen sie auf einen Kurier mit weiteren Befehlen warten sollen. Entschuldigen Sie, wenn ich falsch liege, aber das Astrogationssystem in meinem Kopf sortiert die verschiedenen Sammelpunkte auf ihrer Seite der Grenze, ziemlich nahe bei uns." Noltze reichte die Kopien zurück. "Ein Raid?"
Scotman nahm die Papiere wieder an sich. "Es ist nicht nur die ROBERT DELANY. Ich habe noch keine Kopie eines Marschbefehls, aber es sieht so aus, als würden sie auch die KEVIN JOHNSTON verlegen. Und ihren letzten Großträger, die GREGOR SCHWARZ. Und alle, ich betone, alle haben Sammelpunkte, die nur zwei oder drei Sprünge von unserer Grenze entfernt sind. Das lässt darauf schließen, dass sie sich anschließend in einem System sammeln werden, in das sie durch die Kuriere gelotst werden. Gäbe es nicht schon diese Bewegungen ihrer schlagkräftigsten Einheiten, so würde spätestens jetzt jedem ordentlichen Spook in meiner Truppe der Arsch jucken. Sorry, Ma'am."
"Schon gut. Wir sind hier in der Flotte, nicht im Kirchenchor. Also wirklich ein Raid?"
"Das klingt wahrscheinlich. Wir haben auf sie geschossen, als wir ihre Schiffe internieren wollten, wenn ich Sie daran erinnern darf."
"Girad hat geschossen! Oder vielmehr schießen lassen. Aber die Befehle waren eindeutig. Was wollen Sie mir also sagen, Scotty?"
"Wir können es der ColCon nicht übel nehmen, wenn sie sich revanchiert."
"Scotty, seit wann sind Sie unter die Romantiker gegangen? Wenn die ColNavy über die Grenze kommt, ist das ein kriegerischer Akt. Wir müssen dann befürchten, dass sie wieder in den Krieg eintritt - nur diesmal auf Seiten der Akarii."
"Nein, Ma'am, das halte ich für ausgeschlossen. Cockroach tanzt gerade auf viel zu vielen weich gekochten Eiern, als dass er es wagen könnte, die Akarii-Enklaven und die Friedensgegner noch mehr gegen sich aufzubringen. Egal wie sehr er in seinen Reden geifert."
Tadelnd sah Noltze den Admiral an. "Scotty, Sie werden es in Zukunft unterlassen, in meiner Gegenwart einen demokratisch gewählten Anführer einer souveränen Nation mit beleidigenden Verdrehungen seines Namens zu titulieren. Aber Sie dürfen ihn gerne Ratte, Feigling oder Wendehals nennen."
Scotland seufzte. "Verstanden, Ma'am. Jedenfalls treffen sich die Schiffe nicht zum Gruppenkuscheln. Und wir wissen aus erster Hand, dass die Kapitäne und Crews der ColNavy den unseren nicht viel nachstehen. Die ursprüngliche Prognose des Geheimdienstes war, dass die ColCon spätestens nach einem Jahr kapituliert, oder mindestens die Hälfte ihres Staatsgebietes an das Kaiserreich verloren hätte. Stattdessen wurden die Akarii auf den Welten der ersten Welle gestoppt und fünf lange Jahre aufgehalten. Bis sich Kal Ilis, möge er Schuppenläuse kriegen, mit brutaler Gewalt bis Hannover durchgebombt hat.
Die gleichen Kampfverbände stehen nun augenscheinlich gegen uns."
Noltze schnaubte wütend. "Zeitfenster?" "Drei Wochen, bevor sie aktiv werden können. Wir wissen, dass viele Schiffe unterbesetzt sind. Und es mangelt ihnen an schweren Kreuzern, die sie erst reparieren oder von der ehemaligen Frontlinie abziehen müssen. Nicht, dass sie nach London und Hannover noch besonders viele hätten."
"Ziele?" "Gibt es nicht viele. Nach der Brandrede von Cockro- ich meine, Cochrane wäre ein mögliches Ziel Admiral Bouisseau. Sauer genug war er ja, der gute Generalgouverneur."
"Ach kommen Sie, Scotty, Cochrane schickt eine Flotte aus, um sie zu töten? Was will er denn damit bezwecken, außer den Widerstand zu vergrößern?"
"Er könnte damit beweisen, dass er jederzeit und überall kriegt was er will." Scotland zuckte mit den Schultern. "Meine Spooks kalkulieren jede Wahrscheinlichkeit durch. Und selbst wenn die Flotte uns hier auf Deneb nicht angreifen wird, so könnte doch eine Attacke als Ablenkung für die eigentliche Todesschwadron dienen. Die ColCon hat ein Geheimdienstnetz bei uns, genau wie wir bei ihnen."
"Jetzt mal ernsthaft, Scotty. Was könnte das Ziel der Aktion sein?"
"Neu Hessen. Ein kurzer, aber heftiger Schlag gegen unseren wichtigsten Transitknotenpunkt in diese Region. Sie brauchen nicht mal einen Schuss abzufeuern. Sie brauchen nur ein wenig im System zu kreuzen und auf unsere panische Reaktion warten. So wie es die Akarii gerade in Sterntor vormachen. Und da es sich um ein Transit-System handelt, hätte die ColNavy jederzeit eine gute Fluchtmöglichkeit."
"Genau wie in Sterntor." Noltze sah Scotland unwillig an. "Ich möchte jetzt meinen Kaffee haben. Danach Besprechung mit dem Stab. Scotty, wir müssen wissen, wohin diese Schiffe fliegen. Und wir müssen bereit sein, unsere Hauptsysteme zu verteidigen. Auch oder gerade jetzt, nachdem wir so ausgedünnt wurden."
"Also erhöhte Wachsamkeit für Deneb und Neu Hessen?"
"Und für Shifang. Es ist zwar eher unwahrscheinlich, dass sich die ColNavy in ein System mit nur zwei Wurmlöchern einfangen lässt, in dem wir nur noch den Deckel zumachen müssen, aber eventuell riskieren sie es. Der Lohn wären zehntausende ausgebildete und hoch qualifizierte Flottenangehörige ihrer Nation."
"Shifang ist eine Rattenfalle. Deshalb haben wir das System ja ausgewählt. Unwahrscheinlich, Ma'am."
"Und genau das, Scotty, sollen Sie mir schwarz auf weiß zeigen. Erhöhte Bereitschaft für die 3. Flotte, erhöhte Bereitschaft für unsere Hauptsysteme und Shifang. Leiten Sie das bitte weiter. Und sorgen Sie dafür, dass unsere Tokio Rose von diesen Schiffen erfährt und über sie singt. Und ich will verdammt noch mal wissen, wo sie sich sammeln und welche Befehle sie haben. Wenn Sie dafür Agenten verbrennen müssen, soll es mir Recht sein."
"Verstanden, Ma'am."
"Die schlechten Nachrichten scheinen sich zu häufen in letzter Zeit. Gibt es denn Bewegungen in Sterntor?"
"Keine Veränderung. Die Akarii halten auf Masters zu, und die 5. Flotte sucht die Entscheidung. Wir rechnen mit Ausbruch der ersten Kampfhandlungen in drei Stunden."
"Und Mokas Taran stellt sich?"
"Bisher sieht es danach aus."
"Dann sollten wir verdammt noch mal genau zuschauen. Könnte sein, dass wir was lernen werden."
Fünf Minuten später hatte Maike Noltze ihren Kaffee, zehn Minuten später wiederholte Rear Admiral Scotland seine Daten vor Noltzes Stab.

*
Spook: amerikanischer Begriff, der einen Analytiker des Geheimdienst beschreibt.
Tokio Rose: Name, den amerikanische Truppen dem japanischen englischsprachigen Sprecherinnen des Propagandasenders Radio Tokio im Zweiten Weltkrieg verliehen hatten.
Cattaneo
Ace

In den ersten Minuten, in denen Ry Hallas den kleinen Saal betreten hatte, da war die Menge skeptisch gewesen. Es hatte vereinzelt vollkommen un-akariisch Pfiffe und Laute des Missfalles gegeben. Und das bei einer Ansammlung von Adligen, Akademikern und hohen Offizieren. Dieses Verhalten hatte bei den Männern nicht gestoppt, und auch einige Frauen infiziert gehabt. Bis er angefangen hatte zu erzählen. Bis seine sonore Stimme, seine Informationen, bis in ihre Gehirne vorgedrungen waren. Bis sie verstanden, was er erlebt, was er hatte durchmachen müssen, um hier an diesem Punkt stehen zu können. Jockhams Spielzeug, so nannten ihn die konservativen Militärs und höheren Adligen. Der Mann, der für einen Kuhhandel befreit wurde, und seine Ehre nicht wiederhergestellt hatte, indem er verdammt noch mal einfach heldenhaft gestorben war. Und der jetzt über Akar zog, von Vortrag zu Vortrag, und die Wehrfähigkeit des Volkes mit seinen Hetzreden unterminierte. Grund genug für die Hardliner, für Ry Hallas mal ein härteres Publikum als den Straßenpöbel einzufordern.
Aber es war wie immer, eigentlich. Selbst der größte Skeptiker merkte schon nach wenigen Worten des Piloten, dass er keine Propaganda-Nachrichten des Kriegsministers verteilte, sondern einfach erzählte, was er erlebt hatte. Und es war jedes Mal das Gleiche, es gab hier und da einige Lacher, wenn er begann von den Verhören zu erzählen, wie er den gegnerischen Piloten Ace kennen gelernt hatte, und wie dieser ihn mit Zigaretten und Schokolade dazu gebracht hatte, ihm Heklar beizubringen. Nach der Art wie er nach seinem Ausstieg aus der Bloodhawk behandelt worden war, von ruppigen, überängstigten Marines, von der Akustik-Folter in seiner Zelle, hatte er nicht erwartet, noch lange zu leben. Ace war ihm da ein Lichtblick gewesen. Und es gelang ihm, dieses Licht auch stets ein wenig für seine Zuhörer strahlen zu lassen, wenn er berichtete, dass sie in der Zeit, die eigentlich ein Verhör sein sollten, einfach nur zwei Piloten gewesen waren, die sich unterhalten hatten. Wobei er sich trotz der Aussichtslosigkeit seine Lage stets bemüht hatte, nicht die wenigen Geheimnisse preis zu geben, die er kannte. Erst später war es ihm in den Sinn gekommen, dass der Drom und Hara sprechende Mensch es auf die Kriegersprache abgesehen hatte.
Es entsetzte die Akarii jedes Mal, wenn er sie daran erinnerte, dass die Terraner auf ihren Propaganda-Sendungen nicht nur auf Drom, Hara, Ibani und Toohl sendeten, sondern seit ein paar Jahren auch speziell für die Soldaten und Offiziere in Sekurr, der Soldatensprache. Die Menschen hatten schnell gelernt. Vielleicht zu schnell, wie der Zustand des Kaiserreichs bewies.

"An diesem Tag dachte ich, er wäre mein Letzter. Ace kam zu mir und verkündete mir, wir würden uns nicht mehr sehen. Alles was ich in diesem Moment wollte, war mit dem Segen des Menschen, der mir ein Freund gewesen war, in Frieden aus dem Leben zu scheiden. Aber ich hatte mich geirrt. Ich sollte nicht getötet werden. Ich sollte weiter leben.", verkündete er der Menge, die bei seiner Vermutung, bald sterben zu müssen, angstvoll geraunt hatte, obwohl er hier vor ihnen sprach.
"Ich und viele weitere Akarii wurden nach Texas gebracht. Dort existiert das größte Internierungscamp für akariische Gefangene. Die Verwaltung des Camps liegt in Akarii-Händen. Als ich zuletzt dort war, hatte Admiral Zweiter Klasse Ryun Chapella das Gefangenenkommando inne. Ihm unterstand die Einteilung der Soldaten zu den verschiedenen Aktivitäten, das Fluchtkommitee, die medizinische Versorgung durch unsere und terranische Mediziner, und die Organisation von Ernährung und Konsum von Luxusgütern."
"Fluchtkomitees?", kam die übliche Frage aus der Menge, allerdings etwas später als gewöhnlich.
Hallas grinste breit. "Nun, wir sind Akarii, und wenn wir gefangen sind, heißt das, dass wir leben. Und wenn wir leben, heißt das, wir dienen immer noch dem Kaiserreich. Und das wiederum bedeutet, dass wir Pläne schmieden, um zu fliehen."
Dies löste wie erwartet Gelächter aus.
"Es ließ sich gut leben in diesem Camp, das muss ich zugeben. Auch wenn es nicht gerade eine Erfüllung für einen ernsthaften akariischen Krieger war. Andererseits waren wir gefangen, und damit hatten sich unsere Pflichten verschoben. Überleben und heimkehren wurden unsere Prioritäten. Und dank der guten Versorgung durch die Terraner genasen die meisten unserer Verwundeten und würden im Falle einer gelungenen Flucht dem Kaiserreich erneut zur Verfügung stehen. Wie es unser aller Pflicht ist."
Zustimmendes Raunen klang auf. Hallas lächelte dazu. Hauptsächlich die Offiziere hatten so reagiert. "Aber die Terraner sind ein ernst zu nehmender Gegner. In den letzten sechs Jahren haben wir es nicht geschafft, die Sicherheit des Camps zu penetrieren."
Schweigen senkte sich über die Menge.
"Ich möchte jetzt nicht sagen, dass es eine gute Zeit war. Ja, wir nutzten die Zeit, hielten uns fit, und unterrichteten einander in zivilen und militärischen Kenntnissen, um sie nicht ungenutzt verstreichen zu lassen. Wir tauschten Erfahrungen aus, stellten Berichte auf und kamen dank der Neuankömmlinge immer auf einen guten Stand der Gesamtübersicht. Aber keinem im Camp hat der Gedanke gefallen, vielleicht warten zu müssen, bis ein akariisches Geschwader über dieser Welt auftaucht und uns befreit. Ich kann Ihnen allen versichern, dass jeder Akarii im Camp daran arbeitet, besser zu werden, selbst in Gefangenschaft."
Er sah ins Rund. Nun hingen ihm die Zuhörer an den Lippen. "Aber es gibt auch andere Seiten. Hässliche Seiten. Die Terraner, oft haben sie mir bewiesen, dass sie den Akarii ähnlich sind. So auch damals, als sie eine Abordnung von uns nach Terra holten. Angeblich, um unseren Metabolismus zu studieren, und um damit die Abhängigkeit von erbeuteten Medikamenten zu reduzieren. Es war nur eine Falle. Und als wir auf Terra ankamen, landeten wir in einer Wüste. Der Kommandeur des neuen Camps ließ uns ungeschützt sechs Stunden in der Sonne stehen, um uns klar zu machen, wer das Sagen hatte. Aber ich sagen Ihnen, von einhundert stolzen Soldaten des Kaisers ist nicht ein einziger in der Hitze zusammengebrochen! Keiner hat es diesem Sadisten vergönnt, diesen Sieg einzutragen. Wir blieben die moralischen Sieger. Dabei hat sicher auch geholfen, dass wir Akarii allgemein der Sonne nicht abgeneigt sind."
Wieder wurde gelacht, wenn auch leiser.
"Erst eine Abordnung seiner Vorgesetzten", fuhr Hallas fort, "machte dem Schauspiel ein Ende. Etwa eine Stunde vor Sonnenuntergang. Das hätten wir allerdings auch noch geschafft.
Wir durften danach unsere Baracken beziehen. Und wir waren auf Terra. Ihrer Hauptwelt."
Hallas atmete tief durch, bevor er weiter sprach. Die nächsten Worte fielen ihm immer schwer. "Es war eine Falle. Ein Coup, wie die Terraner sagen. Eine Handvoll Offiziere aus Flotte und Geheimdiensten hatte uns auf eigene Faust nach Terra holen lassen, um der Menschheit die Gefahr durch uns Akarii klar zu machen, sie mit einem heilsamen Schock auf den Krieg einzustimmen. Und sie waren dafür bereit, alles zu opfern. Uns Gefangene oder ihre eigenen Leben, das spielte in ihren Überzeugungen keine Rolle. So wurden wir ein Spielball dieser Offiziere und der terranischen Öffentlichkeit. Wir..." Hallas stockte für einen Moment. "Es gab einen Sonderauftrag. Fünf von uns wurden abkommandiert, um in einer terranischen Hauptstadt untersucht zu werden. Doch unser Shuttle kam nie an. Eine andere Gruppe Terraner schoss uns ab. Nur drei Personen überlebten. Ich, ein Artab von mir, und der Anführer der terranischen Offiziere. Mein Artab... Er gab mir genaue Anweisungen, die Wüste zu verlassen und den Terraner mitzunehmen. Er selbst war schwer verletzt worden. Sehr schwer, zu schwer. Der Terraner hatte nur einen Beinbruch erlitten.
Es fiel mir schwer, meinen Artab zurück zu lassen, denn ich musste befürchten, dass jene Terraner, die uns angegriffen hatten, nach uns suchen und meinen Artab töten würden. Aber ich sah ein, dass nur wir zwei eine realistische Chance hatten, zu Fuß die Wüste zu verlassen.
Wir wanderten durch die Wüste, durch die endlose, gelbe Fläche, anfangs am Tage, später in der Nacht, immer in Angst vor Verfolgern, immer in Angst davor, was passieren würde, wenn die Menschen mich zu Gesicht kriegen würden. Dann bekam der Offizier Fieber, konnte nicht mehr laufen, geschweige denn gehen. Also schleppte ich ihn auf meinem Rücken mit. Meine Ehre als Offizier verbot es mir, den Terraner sterben zu lassen, war er doch in diesem Fall mein mir von meinem Artab angewiesener Schutzbefohlener. Außerdem erschien es mir unklug, ohne ihn auf Menschen zu treffen."
Unsicheres, leises Gelächter klang auf.
"Ich weiß heute nicht mehr, wie lange wir marschierten, oder wie lange ich den Terraner trug. Aber wir erreichten eine Ansiedlung der Menschen. Natürlich erregte ich Aufsehen, verursachte ich Angst und Panik. Und wissen Sie, was geschah? Was die Terraner mir antaten?"
Nun war die Stimmung so gespannt, dass man sie beinahe sehen konnte.
"Sie nahmen mir den Offizier ab und versorgten ihn, so gut sie es vermochten. Ich wurde auf ein weiches Sitzmöbel verfrachtet, und äußerst behutsam mit Wasser und Nahrung versorgt. Ich meine, ich lag da, auf dieser Couch, ich war ein Offizier der Akarii, ihr Feind. Sie waren normale Bürger Terras, die den Krieg bestenfalls aus dem Trivid kannten - und sie gaben mir zu essen und zu trinken. Ich weiß nicht, ob dies typisch für alle Terraner ist, aber auch heute noch... Auch heute noch beeindruckt mich dieses Verhalten sehr tief. Es zeigt, nein, nicht den Großmut der Terraner, wohl aber, das zu tun, was sie als notwendig erachten. Das zu tun, was ihnen, oder der Menschheit einen Vorteil verspricht. Vielleicht war es Eigennutz, Berechnung, vielleicht war es Barmherzigkeit. Aber eines war es sicher nicht - spontan.
Heute, Jahre später, habe ich vieles über die Menschen gelernt. Sie sind eine gefährliche Spezies. Sie sehen dich, sie lernen dich kennen, und dann vergiften sie mit ihrer Art deinen Geist. Die einen lernst du zu lieben, als Freunde zu sehen, oder wenigstens als Wesen, die sich urakariischen Tugenden wie der Nächstenliebe und der Gnade des Siegers über den Besiegten widmen. Dann aber lernst du sie kennen, rücksichtslos, brutal, entschlossen, grausam, gnadenlos. Ich weiß nicht, ob die Menschheit in sich zerrissen ist, oder ob Menschen an sich schizophren sind. Ich weiß nicht, wie sie denken. Darin unterscheiden sie sich nicht von durchschnittlichen Akarii. Aber ich halte sie für wertvolle Freunde, und für furchtbare Gegner. Sie sind wie Akarii. Erbarmungslos, brutal, skrupellos, und dann wieder voller Gnade, Fürsorge und Mitgefühl. Sie sind wie Akarii. Und das macht mir Angst. Bis zu meiner Gefangenschaft habe ich immer gedacht, wir Akarii wären allen anderen Völkern in dieser Galaxis kulturell, wirtschaftlich und militärisch überlegen. Ich dachte, all die Völker, die wir unterworfen und in unser Reich integriert hatten, würden unsere Größe anerkennen, und auch die Terraner würden es zwangsläufig tun, nach unserem Sieg. Aber wir wissen eines genau: Wir Akarii hätten niemals zugelassen, dass wir unterworfen werden. Das ist nicht unser Naturell. Wir hätten vielleicht für kurze Zeit eine Fremdherrschaft geduldet, nur um sie, sobald wir stark genug sind, hinweg zu fegen. Aber den Terranern wäre selbst das zuwider. Heute weiß ich... Heute weiß ich, dass wir sie nur dann hätten besiegen können, wenn wir ihre Hauptwelt zu Asche verbrannt hätten. Und selbst dann wäre jeder einzelne Überlebende eine Gefahr für die Zukunft. Sie sind wie Akarii. Sie lassen sich nur besiegen, wenn sie tot sind. Und manchmal... Manchmal frage ich mich zwei Dinge. Das erste ist, ob es nicht furchtbar schade für diese Galaxis wäre, würde man die Menschheit ausrotten. Das zweite ist, können wir es überhaupt?
Ich weiß, das werden viele hier im Saal nicht gerne hören, aber es ist die Summe meiner Erfahrungen. Ich möchte meine Worte mit einem Satz einer ihrer großen religiösen Führer beenden, der vor fast tausend Jahren dreimal daran scheiterte, das Ende Terras vorauszusagen, und der sich dennoch nicht beirren ließ, in jenen Dingen, in denen er Recht behielt, weiterhin gut zu sein: Hier stehe ich, ich kann nicht anders."
Mit diesen Worten trat Ry Hallas einen Schritt zurück, um anzudeuten, dass seine Rede zu Ende war. Er sah in viele Gesichter, einige begeistert, andere mürrisch, viele nachdenklich. Nachdenklich, das war gut. Und es würde vielleicht eines Tages das Imperium retten.
"Sie dürfen", erklang die Stimme des Sekretärs, den der Kriegsminister Tobarii Jockham ihm zur Verfügung gestellt hatte, "Commander Ry Hallas Fragen stellen."
Und schon begann die zweite Runde...
Cattaneo
Ace

Der Arbeitstag eines Kriegsministers war meistens um die sechsundzwanzig Stunden lang. Schlimm nur, dass der Tag auf Akar nur fünfundzwanzig hatte. Auch ziemlich schlimm war, dass so ziemlich jeder Akarii auf dieser Welt meinte, die beträchtliche Arbeitslast von Tobarii Jockham noch erhöhen zu müssen. Und dabei waren die Anfragen nach Terminen noch nicht einmal der größte Zeitfresser.
Tobarii hatte es sich früh zur Gewohnheit gemacht, sein Amt "still" zu verrichten, und seine öffentlichen Auftritte auf das absolute Mindestmaß zu begrenzen, einfach um die Zeit für eine Arbeit zu nutzen, die er erst mühsam hatte erlernen müssen. Allen offiziellen Terminen konnte er nicht entkommen, und seinem Leben mit Linai war dieser Arbeitsstil auch nicht gerade förderlich, aber die Arbeit ging vor. Immerhin hatte er hier einen Krieg zu führen. Einen Krieg, der immer teurer wurde, je länger er dauerte. Nicht wenige der unterworfenen Fremdvölker und Akarii-Grenzwelten witterten in dieser Situation Morgenluft, und der Geheimdienst legte täglich einen Krisenbericht zu den potentiellen Unruheherden vor; anhand dessen entschied er auf welchem Planeten in welchem Maße Exempel statuiert wurden.
Er hasste es, diese Exempel anzuordnen, denn sie waren genau das, was sie suggerierten: Nervöse Reaktionen mit brachialer Gewalt, weil einfach keine Kapazitäten für mittelfristige Lösungen zur Verfügung standen. Wahrscheinlich konnte er sich noch glücklich schätzen, dass er im Gegensatz zu den verdammten Terries noch nicht gezwungen gewesen war, eine ganze Welt zu atomisieren. Aber Massenverhaftungen, Internierung von Dissidenten, ja, Exekutionen von Regierungsgegnern ohne Verhandlung lasteten so schon genug auf seinem Intellekt, und auf seinem Gewissen. Ohne Krieg hätte er nie mit dieser unsicheren interstellaren Lage zu kämpfen gehabt. Teufel, ohne Krieg würde er immer noch das Handelsimperium der Familie leiten, nicht das Kriegsministerium.
So aber hatte er mittlerweile acht- bis neuntausend Todesurteile für Rebellen, Dissidenten und Oppositionelle unterschrieben. Um die Vorherrschaft seiner Rasse durchzusetzen, gerade bei seit Jahrtausenden als befriedet geltenden Völkern, musste er so radikal sein. Oder den Krieg sofort beenden, und die Flotte einsetzen. Beides war unmöglich, also musste er mit den Muskeln spielen, den Geheimdienst einsetzen und darauf hoffen, dass die Terraner nicht noch weiteren Völkern bei ihrem Freiheitsbestreben Hilfestellung leisteten, wie es offensichtlich bei den T'rr geschehen war. Gerüchte über einen oder mehrere terranische Piloten, die für die T'rr-Rebellen flogen, hatten sogar seinen Schreibtisch erreicht.
Sein Fazit war: Krieg war ein noch schmutzigeres Geschäft als Politik oder Wirtschaft. Der Krieg hebelte alle Gesetze aus. Wenn ein Akarii in Friedenszeiten ein paar hundert Morde beging, dann war ihm das Drehh und ein geschickter Henker sicher; in Kriegszeiten wurden solche Leute befördert, bekamen Verantwortung über einen Haufen leicht zu beeinflussender Rekruten und bekamen für ihren eintausendsten Mord auch noch einen Orden. Tobarii hasste den Krieg, definitiv. Aber er war dankbar dafür, dass der Krieg ihn in diese komfortable Lage befördert hatte. Er hatte schon vor langer Zeit verstanden, dass er - auch wenn er die Arbeit als Kriegsminister nicht weniger hasste als den Krieg - vom Schicksal auf diesen Posten gesetzt worden war, um etwas zu bewirken, diesem Krieg seinen Stempel aufzudrücken. Wie dieser bei der Schlussabrechnung aussehen würde - wer vermochte das zu sagen? Eines war sicher. Sollten in tausend Jahren noch Geschichtsbücher seinen Namen und seine Handlungen erwähnen, dann wäre er mit einem Kommentar wie "Er hat seine Arbeit gemacht" mehr als zufrieden gewesen. Dafür tat er alles. Er schlug sich dafür auch mit den bornierten Admirälen und Generälen herum, die seit dreißig Jahren keine Front gesehen hatten, aber meinten, ihre veraltete Gefechtserfahrung würde den Endsieg bringen. Und die panisch reagierten, wenn Tobarii ihnen Stabsoffiziere mit echter Gefechtserfahrung gegen die Terraner an die Seite stellte. Oder in schweren Fällen direkt vor die Nase.
Das war der Part am Krieg, der ihm richtig Spaß machte. Schon kursierte das Gerücht, dass, wer einen Adjutanten vom Kriegsminister empfohlen bekam, am besten seine Kriegskunst an der Front auffrischen sollte. Tobarii war das Recht. Auf diese Weise konnte er zumindest etwas bewirken, was nicht gleich einen direkten Befehl erforderte.

"Mylord Kriegsminister?"
"Was gibt es denn, Alen?"
"Mylord Kriegsminister, seine Exzellenz Jura Adila ist wegen seinem Dringlichkeitstermin hier."
"Ich lasse bitten, Alen."
Tobarii erhob sich. Es war erst dreißig Stunden her, dass der alte Adila um einen Termin gebeten hatte. Dies war der Schnellste, den er hatte ermöglichen können. Und zeitlich war er auch nicht besonders ausgedehnt. Dem alten Akarii waren genau zwanzig Minuten zugestanden worden. Ein weiterer Termin, der diesmal zwei Stunden beinhaltete, war von seinen Sekretären in der Anschlusswoche freigehalten worden, nur für den Fall, dass die Zeit nicht ausreichte.
Wäre es nicht für den Botschafter der Colonial Confederation gewesen...
Der alte Mann trat ein, und Tobarii eilte sofort auf ihn zu. "Eure Exzellenz. Ich hoffe, Ihr habt Euch auf Akar bereits eingelebt."
Bedächtig schüttelte Adila die dargebotene Hand. "Das habe ich, danke, Mylord. Und ich muss mich bedanken, dass Ihr so kurzfristig Zeit für mich gefunden habt."
"Es war nicht leicht.", gestand Tobarii. "Was kann ich dringliches für Sie tun? Ich habe einen Ausweichtermin vorbereiten lassen, nur für den Fall, dass..."
"Nein, Mylord Kriegsminister, zehn Minuten werden mir reichen."
Tobarii Jockham legte die Stirnschuppen kraus. Er deutete auf die bequeme Sitzecke. "Bitte, Exzellenz."

Die beiden Akarii nahmen einander gegenüber Platz. Tobarii fragte als höflicher Gastgeber nach den Wünschen des Colonials, aber der alte Mann winkte ab. Er nahm seine altertümliche Aktentasche, und zog einen großen Packen Papierdokumente hervor.
"Mylord, im Namen der Colonial Confederation möchte ich das Imperium von Akar noch einmal ausdrücklich daran erinnern, dass die Colonial Confederation neutral ist. Sie wird sich an keinerlei Kampfhandlungen auf Seite der Akarii-Flotte oder der Armee beteiligen, egal gegen welchen Feind. Im gleichen Atemzug versichere ich Ihnen an Stelle des Generalgouverneurs, dass wir auch nicht auf Seiten der Terranischen Republik kämpfen werden, egal gegen welchen Feind. Und ich möchte an dieser Stelle noch einmal ausdrücklich bestätigen, dass wir keinerlei Rüstungsgüter ins Imperium importieren werden."
Tobarii Jockham hatte aufmerksam zugehört. Und mit dem alten Instinkt eines guten Verkäufers hatte er bereits zwischen den Zeilen gelesen. Diese Worte waren nur zur Hälfte für ihn bestimmt gewesen. "Ich höre.", sagte er und sah den alten Akarii auffordernd an.
Adila grinste gefällig. "Wie Eure Lordschaft bereits erkannt hat, war dies nur die Einleitung. Mylord, ich bin hier, um Sie über die militärische Operation Raccoon zu informieren. Ich wurde angewiesen, Ihnen Operationsgröße, Operationsgebiet, beteiligte Schiffe, Operationsbeginn und Operationsdauer mitzuteilen."
Tobarii erstarrte auf seinem Sitz. Wie passte das mit der ersten Aussage zusammen?
"Was ist das Ziel der Operation Raccoon, Eure Exzellenz?", fragte er mit tonloser Stimme. Er begann, die Antwort zu fürchten.
"Mylord, das Ziel der Operation Raccoon ist es, in republikanisches Gebiet einzudringen, und das Shifang-System zu infiltrieren."
Im ersten Moment wollte Tobarii entsetzt aufspringen. Kampfhandlungen gegen die Terraner! Zu einem Zeitpunkt, den er nicht gebrauchen konnte! Die Terraner würden zurückschlagen, hart, brutal, gnadenlos, das überlebende Militär der ColCon hinweg fegen, und dann über das Staatsgebiet der ColCon hinweg, die Front erneut ausweiten und den Druck auf seine Streitkräfte erneut erhöhen.
Aber da war eine Information gewesen, die eine Erinnerung bei ihm geweckt hatte. "Shifang. Das bedeutet Vallis Chroma. Und dort befindet sich..."
"Richtig, Mylord. Dort befindet sich Camp Alabaster. Jener Ort, an dem die terranischen Streitkräfte unsere loyalen Soldaten und Offiziere konzentrieren. Wir wollen sie befreien."

Tobarii Jockham gingen tausend Gedanken zugleich durch den Kopf. Anderer Titel, gleiches Ende. Andererseits, wenn es gelang, wenn die Navy tatsächlich ein paar tausend Offiziere und Mannschaften retten konnte, wäre das ein erheblicher Schlag für die Terraner. Und es wäre ein empfindlicher Seitenhieb auf die Regierung, deren Internierung des Flottenpersonals einer neutralen Nation nach ihren eigenen Gesetzen nicht rechtens war.
Aber wie würde es ausgehen? Gelang der Streich nicht, würde die Invasionsstreitmacht aufgebracht, womöglich vernichtet werden. Würde ein Gegenschlag erfolgen? Immerhin handelte es sich hier um die Vierte Flotte der Terraner, die das Gebiet der Colonial Confederation fast so gut kannte wie die ColNavy selbst. Bei einer Niederlage, würden sie die ColCon abstrafen? Das konnte man nicht mit Bestimmtheit sagen. Gefechte bedeuteten auch immer, dass sich beide Seiten schwächten. Wenn die Neue im Ring, Admiral Maike Noltze, nicht haushoch und ohne wenige Verluste gewann, würde sie kaum die Kraft haben, um sich die ganze ColCon sofort zu holen. Aber einige Systeme würde die ColCon sicher verlieren. Das musste Cochraine wissen. Er ging dieses Risiko trotzdem ein.
Und wenn die Operation gelang, wenn sie ein paar Tausend Kriegsgefangene befreiten, womöglich sogar alle, dann konnte die ganze Einsatzgruppe zum Teufel gehen, und es war immer noch ein großer moralischer Sieg für die ColNavy. Die Signalwirkung an das eigene Volk und an die Terraner würde deutlich sein. Die ColCon würde sich damit deutlich emanzipieren. Sowohl von der terranischen Urheimat, als auch vom Kaiserreich. Ihre Neutralität würde dann etwas Neues werden, kein Wirken in Schande mehr, sondern eine wirkliche Alternative. Langfristig bot sich hier vielleicht sogar die Gründung eines neutralen Blocks an, durch die Nationen, die direkt oder indirekt vom Krieg gegen Terra bedroht waren. Der neutrale Block schwebte schon länger wie ein Fallbeil über diesem Krieg und war von offizieller Seite nicht wünschenswert. Aber Tobarii wusste, dass der neutrale Block helfen würde, diesen Krieg sehr viel früher zu beenden, und das zu vernünftigen Konditionen für beide Seiten.

Ein Summer erklang, um anzuzeigen, dass die Zeit für den Botschafter um war.
Mechanisch tastete Tobarii nach der Gegensprechanlage. "Alen, sagen Sie alle Nachmittagstermine ab." "Jawohl, Mylord."
Der junge Kriegsminister sah den Botschafter auffordernd an. "Ich nehme an, Ihr Eingangssatz bedeutet, dass Ihre Nation nicht wünscht, dass Akar die Neutralität verletzt und helfend auf Seiten der Colonial Confederation eingreift."
"Nein, Mylord, die Colonial Confederation wünscht in der Tat kein Eingreifen durch das Kaiserreich. Alleine schon aus Geheimhaltungsgründen."
"Das verstehe ich. Bitte informieren Sie mich in vollem Umfang über die Operation Raccoon."
"Selbstverständlich, Mylord."
Während Adila zu recherchieren begann, entschloss sich Tobarii Jockham dazu, die Geheimhaltung in diesem Fall mindestens so hoch zu halten, wie die ColCon es tat. Aber eine gewisse erhöhte Präsenz an der terranischen Grenze auf Höhe der Vierten Flotte der Terraner bot vielleicht eine gute Gelegenheit für einen Angriff, falls Noltze ihre Flanke für einen Vergeltungsangriff entblößte. Oder es überzeugte sie, sich auf ihren Gegner zu konzentrieren, nicht auf eine neutrale Macht, die von ihrer Regierung wie Razziks im Müllhaufen behandelt wurde. Und er kannte auch den richtigen Mann für diese Aufgabe. Er hielt kurz inne und bat Adila um eine kurze Pause.
"Alen, ich will Kal Ilis sehen. Er soll sofort in mein Büro kommen."
"Verstanden, Mylord. Was soll ich ihm als Grund mitteilen?"
"Sagen Sie ihm, er bekommt ein neues Kommando."
Nachdem die Gegensprechanlage abgeschaltet worden war, nickte der Botschafter der Confederation. "Ich sehe, wir haben uns nicht in Ihnen getäuscht, Mylord."
Tobarii überging das offensichtliche Kompliment mit einem terranischen Achselzucken. "Weiter im Text. Operation Crossbow besteht aus welchen Schiffen?"
Cattaneo
Tyr

T’rr, Irgendwo im Rebellen-Gebiet

Von oben wirkte der Dschungel von T’rr wie ein endloses, in der Bewegung erstarrtes grünes Meer, aus dem nur hin und wieder die Wipfel einzelner, besonders hoher Bäume ragten. Das Blätterdach war so dicht, dass es fast unmöglich schien, einen Blick auf den Erdboden zu erhaschen. Nur selten erhellte dort unten ein flüchtiger Sonnenstrahl das geheimnisvolle Zwielicht zwischen den schweigenden Baumriesen, die in der Regel zwanzig bis vierzig Schritt in die Höhe ragten. Das fehlende Licht ließ hier nur wenige Sträucher und kleinere Bäume wachsen, was das Vorrankommen erleichterte. Natürlich galt das für Jäger und Gejagte.

Und die Nacht versprach weder Deckung noch Schutz – viele Raubtiere des Urwalds waren nachtaktiv. In der Dunkelheit weiterzumarschieren wäre auch mit Nachtsichtgeräten zu riskant gewesen. Viele der giftigen oder Fleisch fressenden Jäger des Dschungels waren wechselwarm und wahre Meister der Tarnung. Außerdem…irgendwann musste man auch einmal schlafen. Und essen. Goliath unterdrückte ein Gähnen und kaute wenig enthusiastisch aber nachdrücklich an dem schmalen Streifen aus getrocknetem Fleisch herum, der zusammen mit den Blättern eines einheimischen Gewürzstrauchs sein Abendbrot darstellte. Das Tier, das für diese Mahlzeit hatte sterben müssen, hatte wie eine Mischung aus Waran und Gürteltier ausgesehen – und so schmeckte es auch.

Der Ex-Pilot überprüfte sein Nachtsichtgerät und runzelte die Stirn: „Vielleicht sollten wir es doch noch einmal mit einem Lager in einem der Bäume versuchen. Du hast doch gesagt…“
Seine Gefährtin klackte leise mit den Zähnen: „Nachdem du beim letzten Mal im Schlaf beinahe heruntergefallen bist? Das wäre ein tiefer Sturz geworden. Mindestens…neun Schritt.“
„Oder…wir hätten uns in diesen Ruinen einen Unterschlupf suchen können. Drei Wände und ein halbes Dach sind für mich inzwischen ein Haus. Ich bin nicht wählerisch.“
Arima starrte ihn ein paar Augenblicke an. Vermutlich war sie nicht sicher, ob sie das Mischmasch aus T’rr, Akarii-Brocken und Englisch, das sie gerade benutzten, auch richtig verstanden hatte.
Dann machte sie eine scharfe, hackende Bewegung. Bei einem Menschen hätte das wahrscheinlich einem vehementen Kopfschütteln entsprochen. Oder einer Faust, die auf eine Tischplatte gedonnert wurde: „Wer im Schatten der Ne’Shanatir einschläft, der braucht sich nicht zu wundern, wenn er im Dur’t’rr erwacht.“
„Was sagst du? Was ist…Dur’t’rr?“
Eine weitere Handbewegung, diesmal wegwerfend: „Der Ort…wo die Geister hingehen.
Erinnerst du dich, was du bei diesen Ruinen gesehen hast?“

Natürlich erinnerte er sich. Es war fast ein Schock gewesen, als die etwa anderthalb Meter hohen Mauerreste aus dem spärlichen Unterholz auftauchten. Zuerst hatte er geglaubt, dass es sich um eine natürliche Felsformation handelte, doch ein zweiter Blick hatte ihn eines Besseren belehrt. Kein Zweifel, das waren die Überreste eines Gebäudes. Eines Gebäudes, das anscheinend ohne Mörtel oder ähnliche Bindemittel errichtet worden war, dessen Mauersteine aber so perfekt aneinander angepasst worden waren, dass man wahrscheinlich nicht einmal dann eine Messerklinge hatte dazwischen schieben können, BEVOR jemand die Wände mit einer perfekten Glasur überzogen hatte. Eine Glasur, die die darunter liegenden Steinfugen und seltsam kantig wirkenden Hieroglyphen eingeschlossen hatten, wie Bernstein ein unvorsichtiges Insekt.

Arima schnaubte ungeduldig: „Hast du es nicht gefühlt? Sie waren…ALT. Als du sie berührt hast…wie fühlte sich das an?“
Goliath zuckte mit den Schultern: „Kalt. Wie Glas.“ Nicht, dass er viel Zeit gehabt hatte, denn Arima hatte ihn sofort weggezerrt.
„Ja…kalt. Sie ziehen die Wärme aus der Haut. Aus den Muskeln, den Knochen. Und das Leben. Es heißt, dass die Tiere die Nähe der Ne’Shanatir meiden. Das vorhin war ein kleiner Komplex. An anderer Stelle…sollen sie sich über hunderte Schritte erstrecken. Dutzende Schritte in die Höhe. Und unter die Erde. Sie bringen Unglück.
Früher, vor tausend, zweitausend Jahren, soll es eine Strafe gewesen sein. Man band einen Verurteilten an die Steine und ließ ihn zurück. Drei Tage, vier…
Dann band man ihn los. Wenn er aus der Starre erwachte, in die er gefallen war, dann galt das Verbrechen als gesühnt.“
Goliath unterdrückte ein abfälliges Schnauben. Angesichts dessen, was er von menschlichen Hinrichtungsmethoden wusste, hatte er wenig Grund, auf die Strafpraxis der T’rr herabzublicken. Dennoch... „Und wer hat diese…Ne’Shanatir errichtet?“
Arima zuckte mit den Schultern – eine sehr menschliche Geste, die sie von ihm abgeschaut hatte. Der kulturelle Transfer verlief eben in beide Richtungen: „Das weiß keiner so genau. Es heißt, sie wären schon immer da gewesen. Ich bin keine…Vielleicht sind es Überreste einer unserer alten Hochkulturen. Diese Dschungel sind der Ort, an dem wir angeblich den Schritt vom Tier zum T’rr vollzogen. Es wäre…“
Diesmal schnaubte Goliath abfällig: „Und diese antike Kultur hatte Präzisionsplasmabrenner? Oder womit haben sie sonst die Oberfläche der Mauern geschmolzen?“
Arima bleckte gereizt die Zähne: „Was fragst du mich? Sie können auch einfach flüssiges Glas aufgetragen haben. In Geschichte war ich noch nie gut. Und…die letzten zweihundert Jahren hatten wir…wenig Zeit für Erinnerungen und die Erforschung der Vergangenheit.“
„Entschuldigung. Und die Akarii haben sich wohl kaum für irgendwelche Ruinen interessiert.“
Arima klackte boshaft mit ihren Zähnen: „Vielleicht haben sie das doch. Es gibt da eine…Geschichte. Schon lange her. Da war ich noch nicht geboren.
Sie hatten eine Einheit in den Dschungel geschickt. Dreißig Akarii und fast hundert T’rr. Söldner. Sie sollten einen Vorposten errichten, mitten in der Wildnis. Warum, weiß ich nicht mehr. Und die Akarii wählten dafür eine Ne’Shanatir aus, auch wenn die Söldner sie warnten. Aber der Akariioffizier dachte…ein guter Platz. Frei, leicht zu verteidigen. Die Mauern boten Deckung. Er war nicht sehr schlau. Dachte nur an die Gefahr von AUSSEN.
Dann, nach ein paar Tagen, Wochen…brach der Kontakt ab. Kein Funkspruch, nichts. Als man eine Luftlandeeinheit schickte…fanden sie drei Überlebende. DREI. Von einhundertdreißig. Es waren Akarii. Keiner von den Söldnern hatte überlebt. Und keiner von den Geretteten…konnte sich daran erinnern, was geschehen war. Als hätte man ihre Erinnerung…gelöscht.
Aber was der Rettungstrupp fand…
Überall Tote. Aber keine Aasfresser hatten sich an die Leichen gewagt. Nicht mal Würmer oder Insekten. Manche der Leichen wiesen Schussverletzungen auf. Akarii hatten T’rr getötet, und T’rr Akarii. Aber T’rr hatten auch T’rr getötet, und Akarii Akarii. Einige hatten ihre Waffen auch gegen sich selber gerichtet. Einige waren…zerstückelt. Und andere waren…einfach tot, ohne einen Kratzer.
Und ein paar waren...verschwunden…
Es gab keine Aufzeichnungen, keine Logs über die letzten Tage. Alle zerstört. Nur Schriftzeichen, die in die Wände eingeritzt oder mit Blut geschrieben worden waren. Die die Götter und Ahnen um Hilfe anflehten. Um einen schnellen Tod.
Nach den Spuren…hatten sie die Ruinen durchsucht. Dabei sind sie auf irgendeine Kammer, einen Hohlraum gestoßen. Und haben ihn geöffnet.
Es heißt…dass seitdem in der Gegend immer wieder jemand verschwindet. Akarii, T’rr – Loyalisten, Guerillas, Bauern. Alle paar Jahre…“

Goliath lachte kurz auf: „Eine tolle Gespenstergeschichte.“
Die junge Guerilla schnippte ihm blitzschnell gegen die Schläfe. Natürlich war er mal wieder zu langsam, um ihre Hand abzufangen: „Das ist keine…Geschichtengeschichte. Das ist geschehen.“
„Ich würde dir ja glauben, wenn ich nicht fast die gleiche Story auf ein paar anderen Welten gehört hätte. Auf der Erde, auf Pandora…“
„Und vielleicht ist es überall dort auch passiert.“ Ein paar Augenblicke sah Arima ihren Kameraden ernst an, dann warf sie den Kopf zurück und knackte mit den Zähnen.
„Das hast du dir alles ausgedacht.“
„Ich? Nein. Aber ich kann nicht für den sprechen, der mir die Geschichte erzählt hat. Oder der, der sie ihm erzählte. Oder…“
„Dachte ich mir doch.“

Ein paar Minuten herrschte eine kameradschaftliche Stille, während sie beide mit dem Rest ihres kargen Mahls aufräumten. Diesmal war es Arima, die das Schweigen brach: „Wenn du schon Geschichte sagst…was für eine Geschichte steht hinter deinem Kriegsnamen, Ariel?“
Der Pilot grinste versonnen. Das hatte ihn ja schon Ewigkeiten keiner mehr gefragt: „Das ist eine Name aus einer…Geschichte die ebenfalls angeblich wahr ist. Ein…großer Krieger, der die Vorfahren meines Volkes bedrohte…“
Arima lauschte mit halb geschlossenen Augen seinem Versuch, die alte Geschichte von David und Goliath auf die Reihe zu bringen. Ein oder zweimal klackte sie amüsiert mit den Zähnen. Nun ja, so wie er die T’rr einschätzte, war das für sie vermutlich eine lustige Gutenachterzählung.
Aber als er zum Ende kam, schien sie irgendwie unzufrieden: „Und wieso hat dieser Goliath nicht seinen unfehlbaren Speer geworfen, als er sah, dass David die Steine für seine Schleuder sammelte?“
Die Frage hatte er sich noch nie gestellt: „Vielleicht hat er einfach nicht begriffen, was der Junge mit den Steinen wollte. Vielleicht…fühlte er sich zu sicher.“
„Kch’k. Das klingt nicht gut. Das ist dumm. Nein.
Vielleicht…dachte er, dass es unehrenhaft gewesen wäre. Er starb lieber, als seine…Ehre zu verletzen. Hätte er den Speer geworfen, dann…wäre er nicht mehr ein großer Krieger gewesen. Nur ein Mann, der einen…Jungen tötet.
Und David…tat das, was notwendig war. Auch wenn darin keine Ehre lag.
So ist es eine gute Geschichte.“
„Hm. Wenn du es so sehen willst. Ihr kämpft ja auch nicht anders.“
Arima bleckte kurz die Zähne. In ihrer Stimme klang eine grimmige, stolze Belustigung mit: „Ja. Das haben wir von den Akarii gelernt.
Wer übernimmt die erste Wache?“

Goliath blickte zu dem bereits von dem Dunkel der Nacht überschatteten Blätterdach. Noch ein paar Minuten, dann würde es stockdunkel sein: „Ich bin dran.“
„Aber vergiss nicht, mich rechtzeitig zu wecken. Nicht…dass du irgendwann zusammenbrichst. Ich will dich nicht tragen. Du bist zu schwer, Goliath. Ariel.“
Ein paar Minuten später war sie eingeschlafen.
Der Pilot gönnte sich den Luxus, unbeobachtet ihr gleichzeitig völlig fremdartiges wie inzwischen vertrautes Gesicht betrachten zu können, dass jetzt, im Halbdunkel verwirrend menschlich wirkte.
Er unterdrücke den Impuls, ihr über die Wange zu fahren. Wahrscheinlich würde sie ihm aus einem Reflex heraus die Finger abbeißen, noch bevor sie richtig aufgewacht war.
Goliath packte das Lasergewehr fester und lauschte schweigend in die laute Stille des nächtlichen Dschungels von T’rr.
Cattaneo
Ace

"Truman, Schatz, schaust du dir das bitte mal an?", rief Carol Davis aus ihrem Arbeitszimmer an Bord der CARNEGIE II in den Wohntrakt herüber.
Truman Davis, Ausführender Direktor der Davis Space Corporation, kam, die linke Gesichtshälfte noch voller Rasierschaum, zu ihr herüber. "Was ist denn, Engelchen? Die wöchentliche Entschuldigungsmail von diesem Rumtreiber von ältestem Sohn, weil er die Familienfeier geschwänzt hat?"
Carol seufzte lautstark. "Es würde mich ja freuen, wenn er mal eine zweite senden würde. Aber seine neue Staffel ist so eine starke Ausrede, dass ich ihn nicht mal tadeln kann. Wenn er denn wenigstens mal für eine Freundin sorgen würde, das wäre mir ja schon ein Trost. Aber..." Sie seufzte erneut. "Nein, es geht um eine andere Freundin. Jayhawker, du erinnerst dich?"
"Ah, ich erinnere mich. EMERALD JADE. Du hast sie getestet."
Carol Davis lächelte flüchtig. "Und wie es aussieht, hat sie mit Pauken und Trompeten versagt."
"Hm?", machte Truman, beugte sich vor und stützte sich auf der Schulter seiner Frau ab. "Kann ich das glauben? Killer Bee Davis soll tatsächlich mal bei der Einschätzung eines Menschen falsch gelegen haben? Wem willst du das denn erzählen?"
"Schau es dir einfach mal an.", sagte sie und aktivierte den reichlich mit Links und Videos untermalten Bericht der Kommandantin der EMERALD JADE an. Der Überfall auf die Delaware-Station, der Auftritt des Black Buccaneers, und einige weitere Erläuterungen liefen in schneller Folge über dem Bildschirm ab.
Kapitän Sarah Victor schloss mit den Worten: "Es tut mir leid um die Fracht und den Auftrag, Ma'am."

Nachdenklich trommelte Truman Davis einen Takt mit Zeige- und Mittelfinger der rechten Hand auf dem Brustbein seiner Frau.
"Und, glaubst du ihr?"
"Dass der Black Buccaneer wieder auferstanden ist?"
Carol lachte leise. "Nein, das brauchst du nicht zu glauben. Es steht unbestreitbar fest, dass sich da draußen jemand zu Höherem berufen fühlt und diesen ehrenvollen Piratentitel wieder mit Leben füllen will. Der Colonel war letzte Woche vollkommen aus dem Häuschen, als er mir das erste Mal von einer angeblichen Sichtung des Black Buccaneers berichtet hat. Du weißt, unser neuester Sohn Donovan hatte einige Probleme wegen diesem Namen."
"Na, du bist ja wieder schnell dabei, deine Familie zu vergrößern." Er küsste sie sanft auf den rechten Wangenknochen, was sie lächeln ließ. "Also, was soll ich glauben?"
"Dass es ihr leid tut."
Truman dachte nach. "Reißt du mir den Kopf ab, wenn ich einer anderen Meinung bin als du?"
"Nur ein bisschen.", versprach sie.
"Also, ehrlich gesagt glaube ich ihr. Ich denke, sie hat dich nicht gerne enttäuscht, Schatz. Und das nicht nur, weil eine Partnerschaft mit der Davis Spacefreight Corporation winkte."
"Gut. Dann steht es fest. Ich rufe den Colonel zu uns. Rasier du dich in der Zeit fertig, ja? Wir müssen mit der Planung beginnen und die Versicherung kontaktieren."
"Wie viel Prozent über Soll hast du die Ladung denn versichert, Schatz?", fragte Truman grinsend.
"Einhundertdreißig Prozent. Ich werde der Vereinigten Raumfahrer-Brandkasse wegen der Umstände einen Nachlass von zehn Prozent anbieten, freiwillig, von unserer Seite, wenn sie im Gegenzug unsere Beiträge stabil halten. Letztendlich macht das einen Reingewinn von zwanzig Prozent. Und wir bezahlen die horrende Konventionalstrafe für die ausbleibende Lieferung. Die ist auch noch mit drin."
"Fragt sich nur...", begann Truman, küsste seine Frau erneut auf die Wange und richtete sich wieder auf, "...was du sonst so geplant hast, Killer Bee. Erzähl mir nicht, du kriegst die Ladung nicht doch noch irgendwie dahin. Abgesehen davon, dass selbst du dir zwei Tonnen Industriediamanten nicht aus den Rippen schnitzen kannst."
"Vielleicht nicht sofort. Aber in drei bis vier Wochen sicherlich." Carol Davis lächelte dünnlippig. "Wenn ich jemanden teste, dann versichere ich nicht nur die Ware ein wenig höher, falls er mit der Fracht stiften geht. Ich sorge auch dafür, meine Geschäftspartner nicht zu verärgern, das solltest du wissen, Truman. Das Werftgeschäft beinhaltet, fünf Chargen à zwei Tonnen in einem Abstand von vier Wochen zu liefern. Die RADSTADT macht gerade ein paar Bummelgeschäfte, ist aber nahe genug, um die Diamanten abzuliefern. Nicht nahe genug, um uns von der Konventionalstrafe zu erlösen, aber nahe genug, damit die Navy ihren Waffenbau nicht einschränken muss. Wäre alles glatt gelaufen, hätten sie ihre Tranche in dreieinhalb Wochen abgeliefert. Nun muss es halt ein wenig früher sein."
"Das ist mein Engel!", sagte Truman stolz, und drückte seine andere Wange gegen ihre. "Immer ein Trumpf im Ärmel. Und du glaubst, du kriegst zwei Tonnen in vier Wochen produziert?"
"Die Agyris-Gruppe schuldet uns noch einen großen Gefallen. Und sie haben die Fabriken."
"Wenn sie sich darauf einlassen. Terrys sind immer so... Wie aus der Hauptstadt."
"Das werden sie schon. Kevin hat nicht vergessen, was ein guter Geschäftspartner wert ist." Sie gab ihrem Mann einen Klaps auf den Po. "Jetzt aber ab zum Rasieren."

***

Esterhazys Gesicht war eine steinerne Miene. Er spielte die Bilder der Kameras der EMERALD JADE immer wieder ab, fast eine Stunde lang. Dabei zwinkerte er im nervösen Takt einer Analog-Kamera mit Beleuchtungs-Iris. "Wo befindet sich Cartmell genau in diesem Moment?", verlangte er zu wissen.
"Wenn unsere Informationen korrekt sind, dann fliegt er gerade in einem Geschwader der TSN einen Angriff auf die Akarii-Raider in Sterntor", sagte Truman trocken.
Esterhazy nahm das mit unbewegter Miene zur Kenntnis. "Die Flugmanöver sind... ähnlich. Wer immer dort draußen auf der Mustang geflogen ist, muss zumindest beim Black Buccaneer gelernt haben, da bin ich mir sicher. Ich hätte dazu gerne eine zweite Meinung. Und das ist die von Lieutenant Cartmell. Er vor jedem anderen sollte hierzu eine Meinung haben. Wenn es das gewesen ist, würde ich mich gerne darum kümmern."
"Einen Augenblick noch, Milos." Carol sah den Sicherheitschef der DSC ernst an. "Da draußen schwirren zwei Tonnen Industriediamanten herum. Wo, denken Sie, werden sie wieder auftauchen?"
Der ehemalige Marine legte den Kopf schräg. "Es gibt nur wenige Umschlagplätze in der Nähe von Borealis Abstracta, die nicht von der Flotte kontrolliert werden. Und auf keinem einzigen könnte man zwei Tonnen Diamanten umschlagen. Es wird eher Sinn machen, die Portionen möglichst klein zu machen und weit gefächert zu streuen. Notfalls auch in die ColCon zu schmuggeln. Die dürften gerade händeringend Bedarf haben."
Truman räusperte sich. "Lassen Sie mich die Frage meiner Frau anders formulieren, Milos. Wo wird man Diamanten aus dieser Tranche wohl am ehesten erwerben können?"
"Fort Irresponsible!", antwortete der Mann wie aus der Pistole geschossen.
Die beiden Davis sahen sich an. Schließlich nickten sie.
Truman, nun frisch rasiert, klopfte Esterhazy auf die Schulter. "Dann ist es beschlossen. Wir beide fliegen nach Fort Irresponsible und versuchen, einen größtmöglichen Anteil an den Diamanten zurück zu kaufen. Stellen Sie ein Einsatzteam zusammen und besorgen Sie uns etwas Kleines, Gemeines, einen aufgerüsteten Cougar oder Altair."
"Der Cougar hat Fliegerbays.", sagte Esterhazy automatisch.
"Also einen Cougar. Wenig Frachtraum, aber dafür starke Triebwerke, wie es sich für einen Kratzbuckler gehört.", sagte Truman zufrieden. Kratzbuckler war die Bezeichung für die in der Containerschifffahrt üblichen Frachter, die einen Teil ihrer Fracht magnetisch verankert an der Außenhülle trugen. Ihre gute Bewaffnung und ihre gute Geschwindigkeit sollte das exponierte Risiko dieser Fracht minimieren. Ansonsten bot sich der Cougar vor allem für Termingeschäfte an.
"Wir können in drei Wochen vor Ort sein. Schneller sind die Diamanten auch nicht auf dem Markt.", sagte Esterhazy. Er rechnete schnell im Kopf nach. "Es bedeutet einen satten Gewinn, wenn wir die Diamanten an die Versicherung zurückverkaufen."
Carol und Truman Davis lächelten unisono. "Und bis dahin dient uns die erhöhte Versicherungssumme als zinsloses Darlehen", erklärte Truman.
Misstrauisch hob der Colonel eine Augenbraue. Es war klar, dass die DSC keinen Schmuggel erlauben konnte. Aber wenn die Diamanten erst einmal abgeschrieben waren... "Ich stelle ein Team zusammen, Sir. Rechnen Sie mit acht Wochen Missionsdauer. Haben Sie den Laden solange allein im Griff, Ma'am?"
"Wie man es nimmt. Ich werde selbst unterwegs sein und das Meiste Beth und Steven überlassen."
"Unterwegs?", fragte Esterhazy erstaunt.
"Borealis Abstracta. Oder haben Sie wirklich gedacht, Carol Davis hat ihr großes Herz für in Not geratene Freunde verloren?", sagte Truman mit todernster Miene, während seine Augen tanzten.
"Es gibt viel zu gewinnen.", sagte Carol schlicht.
"Es gibt da auch viel Risiko.", mahnte Esterhazy, aber er wusste aus Erfahrung, dass die beiden Davis, einmal auf der Jagd, nur schwer zu stoppen waren. "Aber tun Sie, was Sie nicht lassen können, Ma'am."
Cattaneo
Ace

"ACHTUNG!", gellte der scharfe Ruf von Master Chief Leonora Bujold auf dem Landedeck der ROBERT DELANY auf, als sich die Luke des Landeshuttles öffnete.
"SALUTIERT!"
Dreihundert voll ausgerüstete, in Gala-Uniform gekleidete Marines, Matrosen und Offiziere ließen ihre Hände zum Gruß an die Stirn fliegen.
Vice-Admiral Elliot Okamba trat bis an den Rand der Plattform, einen Schritt vom Hangarboden entfernt. Hinter ihm sammelte sich sein Stab. "Bitte um Erlaubnis, an Bord kommen zu dürfen, Philip."
Commodore Philip Adorny grinste über die ganze Breite seines Gedichts, als er den Salut des Admirals erwiderte. "Erlaubnis erteilt, Sir."
Der Admiral machte den letzten Schritt auf den Boden der ROBERT DELANY. Damit war er offiziell an Bord. "Ich übernehme das Kommando über die kombinierte Trägergruppe DELANY/JOHNSTON."
"Sie haben das Kommando, Sir."
Die beiden Männer traten aufeinander zu und schüttelten sich die Hände. Darauf folgte der Einzug des Stabes mit der obligatorischen Boarding-Frage.
Mit einem letzten Blick auf die hervorragend exerzierenden Truppen verließen der Kapitän der ROBERT DELANY und der Vice-Admiral mit seinem Stab den Hangar in Richtung Flaggbrücke.
"Ich war drauf und dran, Melissa rüber zu rufen, Sir.", sagte er in Anspielung auf die Kommandeurin der KEVIN JOHNSTON, Captain Melissa Albright.
"Dazu und für die Begrüßung der anderen Kommandeure ist später noch Zeit. Jetzt geht es erst einmal darum, unsere Spuren zu verwischen. Befehl an den Verband per Laserverbindung: Sprung nach Infinity, dort sammeln. Springen nach eigenem Ermessen."
"Nach eigenem Ermessen?", staunte Adorny erstaunt. "Aber..."
"Ich hätte gerne, dass unsere Sprungsignaturen etwas verwischt werden. Wenn wir ohne den üblichen Massentransit nach Infinity wechseln, hinterlassen wir zwar eine Spur groß wie eine Autobahn, aber eventuelle Verfolger können sich nicht sicher sein, dass der ganze kombinierte Verband gesprungen ist."
Die normale Vorgehensweise bei einem Transitdurchgang war, dass man die leichteren Einheiten vorab springen ließ, und erst am Schluss mit den dicken Pötten wie den Trägern sprang. Diese Durchgänge hinterließen identifizierbare Neutrino-Strahlung, anhand derer man ungefähr abmessen konnte, wie viel Schiffstonnage gesprungen war. Hatte man nun kleinere Tonnagen vorab und größere hintenan, ließ dies auf einen Flottentransit schließen. Der schwammige, ja, fischige Transit, der jedoch Okamba vorschwebte, würde die Neutrino-Emissionen, die durch den Transit entstehen würden, in einen großen Haufen unregelmäßige Wellen verwandeln. Jeder Verfolger würde Zeit brauchen, um aus dem Wirrwarr die Anzahl der gesprungenen Schiffe heraus zu finden. Und er würde schnell sein müssen, um die Emissionen überhaupt noch aufzufangen. Dieses Prinzip verbot sich natürlich bei einem Kampfeinsatz oder einem Sprung in potentiell feindliches Gebiet.
"Verfolger? Ich gestehe, die Mission macht mir schon Spaß, bevor ich sie kenne."
Okamba grinste wissend, während ein leises Lachen durch die Offiziere seiners Stabs ging. "Sie werden diese Mission lieben, Philip, das verspreche ich Ihnen. Setzen Sie einen weiteren Sprung an, nach Zeta Borealis."
"Zeta Borealis, Sir?"
"Zeta Borealis. Nach unserer Ankunft in Zeta Borealis bitte ich alle Geschwaderführer und alle Kapitäne sowie die Generäle Gerald Tucson und Lt. General Arielle McCormick samt Stäben zur Besprechung an Bord. Diesen Befehl bitte auch als Laserrichtstrahl versenden, Philip."
"Also rechnen Sie wirklich mit Verfolgern."
Okamba lachte leise. "Unter den Augen der Republik kann man eine Flotte dieser Größe nicht unbemerkt zusammen ziehen. Das Einzige was uns bleibt, ist ihnen die Suche nach uns so schwer wie möglich zu machen."
"Na, dann wollen wir das doch tun." Er hob seinen Kommunikator an den Mund und wiederholte die Befehle mit dem eindeutigen Hinweis, ausschließlich die Laserkommunikation zu nutzen.
Kurz darauf setzte sich der Verband in Richtung des Rockhouse/Infinity-Wurmlochs in Bewegung.

***

Zeta Borealis war als Transit-System nicht zu gebrauchen. Es hatte nur ein stabiles Wurmloch, war also eine Art Einbahnstraße. Die drei staubigen Miniaturen, die ihre Sonne auf den inneren Bahnen umkreisten, boten von dem, wonach Menschen und andere Intelligenzen suchten, nichts, nicht einmal eine Atmosphäre. Am Anfang der Besiedlung der ColCon hatte das System zumindest noch als Erntepunkt für Wasser gedient, aber ergiebigere und leichter zu erschließende Quellen hatten Zeta Borealis unnötig gemacht. Zeta Borealis selbst, siebter Stern der Borealis-Gruppe, war der einzige auf Gebiet der ColCon. Die anderen fünfzehn Sterne der Familie waren unter Kontrolle der Republik.
Man konnte wohl zu Recht darauf hoffen, dass terranische Agenten die ColNavy hier als Letztes vermuten würde. Zudem hatte die ROBERT DELANY ein sprungfähiges Boot auf der anderen Seite gelassen, um unauffällig nach eventuellen Spähern Ausschau zu halten. Es war ein offenes Geheimnis, dass die Terraner seit neuestem mit dem Cunningham-Maleetschev-Verfahren in der Lage waren, auf die andere Seite eines Wurmlochs zu spähen. Diese Information stammte noch aus der Zeit, als sie Verbündete gewesen waren, vor der Neutralität der Colonial Confederation. Vor der Internierung von zehntausenden Soldaten und Offizieren der ColNavy.

Der Besprechungsraum der DELANY war randvoll. Acht Kreuzer-Kommandeure, zwanzig Zerstörer-Kapitäne, zehn Fregattenkapitäne, die Kapitäne der sieben Truppentransporter, die Kommandeure der drei Lazarettschiffe, die Kommandeure der beiden Q-Schiffe, die Befehlshaber der Tender-Einheiten, die Kommandeure der 4. und der 5. Expeditionsbrigaden samt Stäben, zwei Trägerkommandeure und Okamba und sein Stab waren schon reichlich.
Hinzu kamen aber noch die Navy-Kapitäne von Admiral Lak Tokas. Das bedeutete Tokas' Trägerkommandeur, Kapitän der GREGOR SCHWARZ, acht weitere Kreuzer-Kommandeure, zwölf Zerstörer-Kapitäne, sechs Trossschiffs-Kapitäne.
Eng war nicht das richtige Wort, um die Situation im Raum zu beschreiben. Zu allem Überfluss hatte man auch noch die Messestewards ausgesperrt, um ein Höchstmaß an Geheimhaltung zu erreichen. Es gab also keinen Kaffee, keine Getränke, und keine Pinkelpausen. Nun, man sollte davon ausgehen, dass Navy-Offiziere genug Standhaftigkeit hatten, um auch mal aufzuhalten.

"Meine Damen und Herren,", begann Okamba und sah ins Rund, "ich möchte Ihnen nun erklären, warum wir hier sind, was unsere Aufgabe ist. Jene, denen unsere Rangabzeichen bekannt sind, haben sicherlich bemerkt, dass Admiral Tokas ranghöher ist als ich. Trotzdem halten wir die Besprechung hier auf der ROBERT DELANY ab, nicht auf der GREGOR SCHWARZ. Der Grund hierfür ist folgender: Laut Order der Admiralität wurde Befehl gegeben für Operation Raccoon. Zu diesem Zweck bildet der kombinierte Verband DELANY/JOHNSTON die Einsatzgruppe Arrow, die eigentliche Kampfeinheit. Admiral Tokas führt das SCHWARZ-Geschwader unter dem Namen Einsatzgruppe Crossbow. Er wird als unsere Eingreifreserve und Rückwegoffenhalter fungieren."
Der alte Akarii nickte zustimmend.
"Kommen wir zu Operation Raccoon. Sie beinhaltet nicht mehr und nicht weniger als die Befreiung..." Leises Raunen klang auf. Die Menschen und Akarii waren plötzlich wie elektrisiert.
"...unseres Navy-Personals..." Die Unruhe wurde lauter. Ein Fregattenkapitän ließ sich zu einem Jubelruf hinreißen. "...aus den Internierungslagern der Terraner auf Vallis Chroma im Shifang-System!"
Nun gab es kein Halten mehr. Die Offiziere jubelten. Zumindest die Enthusiastischeren. Die Ruhigeren ballten nur entschlossen die Fäuste und lächelten. Die Pessimisten, zum Glück in der Unterzahl, wurden blasser um die Nasen oder bestachen durch Wortlosigkeit.
"Eine Frage, Admiral. Begehen wir nicht einen Akt gegen internationales Recht?", fragte Simpson, einer der Fregattenkapitäne.
"Das ist durchaus richtig, Bartholomew, wir verletzen mehr als zwei Dutzend nicht gekündigter Verträge mit den Terranern. Aber sagen Sie mir bitte, ob der Diebstahl unserer Schiffe und die Internierung unserer Leute von etwas anderem gedeckt war, als von dem übersteigerten Sicherheitsbedürfnis der Terraner."
"Minus und Minus ergibt nur in der Mathematik Plus, Admiral.", mahnte Simpson.
"Ach, hören Sie doch auf, Bart!", sagte Albright wütend. "Die Terries scheißen doch auf Verträge, sobald sie ihnen nichts mehr nützen! Und denen wollen Sie unsere Leute überlassen? Ein Jahr? Zwei? Zehn? Oder solange, bis sie allesamt als Fremdenlegionäre in ihre Navy eingetreten sind, und vielleicht irgendwann gegen uns kämpfen? Nein, Sir, ich bin der festen Meinung, dass wir ihnen zeigen sollten, dass wir bereit sind, für die Heimkehr unserer Leute zu kämpfen, und dass wir nicht zahnlos sind!"
Etliche der Anwesenden stimmten zu, indem sie auf die Tischplatte trommelten oder - jene, die stehen mussten, was jeder unter dem Rang eines Geschwaderführers war - mit den Füßen trampelten.
"Verstehen Sie mich nicht falsch, Admiral, Melissa. Wenn ich meine Befehle habe, führe ich sie aus. Meine Frage lautet: Weiß der Generalgouverneur von diesem Vorhaben, oder ist es ein Alleingang der Navy?"
"In dem Punkt kann ich Sie beruhigen, Bartholomew.", sagte Okamba. "Die ganze Mission ist vom Kabinett besprochen und abgesegnet worden. Unter Berücksichtigung aller Möglichkeiten und Gefahren."
"Dann habe ich keine Einwände.", sagte Kapitän Simpson.
"Gut. Kommen wir zur Besprechung des Einsatzes. Das wird besonders Ihnen gefallen, French, Sounders, denn Ihre Q-Schiffe werden eine wichtige Rolle spielen..."
Cattaneo
Tyr

Sterntor-System, irgendwo zwischen den zwei Flottenverbänden

„Kano, abbrechen Links!“
Der Staffelführer reagierte prompt und ließ seine Maschine zur Seite ausbrechen. Kurz schrillte ein Alarm los, der ihn darüber informierte, dass seine Maschine vom gegnerischen Zielsuchradar erfasst wurde. Dann brach der Warnton jäh ab, als der Bloodhawk-Pilot die Ortung verlor. Seine Salve ging in Leere.
‚Das konntet ihr aber schon mal besser, Imperiale…’
Kano ging routinemäßig in seine persönliche ‚Von Bein’-Variante – eine 180-Grad-Wende nach der der Jäger rückwärts weiterflog und die Bordkanonen auf den Verfolger richtete: „Flyboy, Angriff!“
Die kombinierte Feuerkraft von acht Bordkanonen würde die Schutzschilde der leichteren Maschine schnell überlasten, selbst wenn die beiden Terraner auf den Einsatz ihrer Raketen verzichteten.
Aber der Akarii-Pilot bewies, dass er doch nicht ganz so unerfahren war, wie Kano nach dem eher mittelmäßigen Verfolgungsmanöver vermutet hatte. Der Akarii aktivierte den Nachbrenner, durchbrach trotz geschwächter Schutzschilde das Kreuzfeuer der beiden Nighthawks und entkam dank seiner überlegenen Geschwindigkeit. Flyboys Maschine schloss zu Kano auf. Ein anderer Neuling hätte den Akarii vielleicht weiter verfolgt, aber der jungen Asiatin war dieser Ehrgeiz offenbar fremd.
„Danke, Flyboy. Gute Arbeit.“
Kanos Flügelfrau blieb die Antwort schuldig.

Der Staffelführer der Butcher sah sich nach den beiden übrigen Piloten seiner Sektion um und fand sie in einem wütenden Kurbelkampf mit einem Bloodhawk-Duo. Kano verbiss sich einen Fluch. Auch wenn er selber gerne den Nahkampf suchte – Jimmy und Sugar fehlte seine Erfahrung. ‚Und ich bin ein bisschen zu häufig aus der Maschine geschossen worden, um ein gutes Vorbild zu sein.’ Aber im Augenblick waren die Terraner in der Überzahl. Sie würden das ausnutzen.
„Flyboy, wir nehmen sie in die Zange. Du gehst direkt ran.“
„Verstanden.“
Die beiden Jagdflieger trennten sich. Während Flyboy einen direkten Anflug absolvierte und dabei aus allen Rohren feuerte, schlug Kano einen Bogen, wobei er darauf achtete, die feindlichen Jäger nicht durch ein verfrühtes Aufschalten des Zielsuchradars vorzuwarnen.
Die beiden Akarii, überrascht durch Flyboys Eingreifen, bemerkten ihn erst als Kanos Maschine von der Seite in den Kurbelkampf hineinstieß und dabei einen der feindlichen Überlegenheitsjäger mit gut gezieltem Sperrfeuer überschüttete. Als der Akarii seinen Jäger in einen Abschwung zwang, geriet er Sugar ins Visier. Während Kano nur seine Bordkanonen eingesetzt hatte, zeigte Sugar keine solchen Hemmungen. Zusätzlich zu den vier Plasma- und Tachyonengeschützen schickte sie ein volles Quartett Raketen auf den Weg, die die feindliche Maschine regelrecht in ihre Einzelteile zersprengten.
„YAHOOO! FAHR ZUR HÖLLE!!“
„Guter Schuss, Sugar. Aber spar mit deiner Munition.“
Den zweiten Akarii brachten ein brutales Korkenziehermanöver und der sofortige Nachbrennereinsatz aus der unmittelbaren Gefahrenzone.
„Jimmy! Hinterher!“
„Ich kann nicht. Maschine getroffen. Verliere Sprit. Bin bei unter fünfzig Prozent, fallend…“
Kano verbiss sich einen Fluch. Immerhin konnte Sugars Flügelmann von seinem Pech berichten. Bei einem Treffer bei den Treibstofftanks konnte das als Glück gelten. ‚Ein Heißsporn auf Rachetripp und ein Pilot mit Burnout. Das musste ja schief gehen…’
„Sie sind aus dem Spiel, Jimmy. Setzen Sie sich ab. Sugar, Sie fliegen mit mir.“
„Bin an Ihrem Flügel. Ich bin noch nicht fertig hier.“
Jimmy klang wesentlich wenig enthusiastisch: „Ich könnte Geleitschutz vertragen…“
„Keine Zeit. Ich brauche Sugar. Und Sie haben immer noch die Hälfte ihres Kampfsatzes und genug Sprit für Ausweichmanöver. Halten Sie sich einfach aus dem Gewühl raus und schlagen Sie einen Bogen. Sie passen nicht in das Beuteschema der Akarii.“
„Aber…“
‚Will denn eigentlich jeder hier Staffelchef spielen?’ Kanos scharfe Stimme schnitt alle weiteren Einwände jäh ab: „Ausführen!“
Die verbliebene Nighthawks der Sektion Eins der Butscher Bears beschleunigten auf einen weiteren knappen Befehl Kanos, um sich wieder in den Kampf zu stürzen.

Auch wenn die Intensität der Raumschlacht kaum nachgelassen hatte, im Augenblick durchquerten die drei Maschinen eine Zone der relativen Ruhe. Kano nutzte die Gelegenheit um sich einen Überblick zu verschaffen.
Bisher hatten sich die Butcher Bears gut geschlagen. Abgesehen von Jimmys schwer beschädigter Maschine hatten sie zwar einige Beschädigungen aber noch keine Verluste hinnehmen müssen. Ansonsten…
Der Akarii-Admiral der die Verteidiger des Sterntor-Systems mit der Arroganz eines geborenen Imperialen herausgefordert hatte, hatte sich entschlossen den hingeworfenen Köder mit einem Maul aus Stahl zu schlucken. Die Akarii hatten fast alle ihre Abfang-, Überlegenheits- und Sturmjäger vorgeschickt und sich mit einem fast bewunderungswürdigen Kampfgeist und einer Energie auf die terranischen Jagdbomber und Bomber gestürzt, die an die glorreichen Zeiten der imperialen Marine erinnerte. Was der Nachrichtendienst auch immer an Demoralisierungs- und Auflösungserscheinungen bei den Akariis ausmachen zu können glaubte – diese Imperialen hatten sie jedenfalls noch nicht erreicht.
Am Anfang hatten die Terraner einen kleinen aber signifikanten Vorteil gehabt, da sie über Langstreckenraketen verfügten und zudem leicht in der Überzahl waren. Dieser Vorteil war allerdings teilweise neutralisiert worden, als Terraner und Imperiale sich in den Nahkampf gestürzt hatten. Im Kurvenkampf konnten die Akarii die immer noch häufig überlegene Wendigkeit, Bewaffnung, Panzerung und Elektronik ihrer Maschinen zur Geltung bringen. Aber da die Akarii vor allem versuchten, zu den terranischen Bombern und Jagdbombern durchzubrechen, waren ihre Manöver und Taktiken bis zu einem gewissen Grad berechenbar, ihre operative Freiheit eingeschränkt – ein Nachteil, den Kano auszunutzen entschlossen war.
Die Butcher Bears hatten wie die anderen Nighthawk-Verbände den Kampf mit ihren Langstreckenraketen eröffnet und sich dann auf den Gegner gestürzt. Dabei waren die drei Sektionen zeitweilig auseinandergerissen worden.

Es war an der Zeit, wieder als eine Einheit zu agieren. Crusaders Abteilung war zusammen mit einigen Maschinen der roten Schwadron gerade damit beschäftigt, einen Vorstoß gegen die terranischen Jagdbomber zurückzutreiben.
„Sugar, wir packen sie in der Flanke! Flyboy – Rückendeckung!“
„Verstanden.“
„TALLY HO!“
Bei diesem Ausruf Sugars verdrehte Kano nur kurz die Augen und gab Vollschub: „Crusader, wir kommen von Neun Uhr. Direkter Zielanflug.“
„Verstanden! Schießt nicht daneben.“
„Du auch nicht…“

Die drei Nighthawks die plötzlich in der Flanke der Akarii-Formation auftauchten, waren für die Imperialen einen böse Überraschung. Während Sugar ihren gesamten verbliebenen Kampfsatz auslöste, was Kano mit einem ungewöhnlich drastischen Fluch kommentierte, ging der Staffelchef sparsamer mit seinen Raketen um. Er beschränkte sich auf zwei Amram-Kurzstreckenraketen, die einen Deltavogel schwer in der Flanke trafen und ihn aus seinem Angriffsvektor warfen.
Während Sugar hinter dem Akarii einkurfte, der ihrem enthusiastischen aber ein wenig verfrühten Alphaschlag entkommen war, gab Kano Vollschub um an seinem Ziel dranzubleiben: „Flyboy, sichere Sugar.“
Seine Flügelfrau blieb ihm die Antwort schuldig, aber er wusste, dass er sich auf sie verlassen konnte. Es war ein Risiko ohne Rückendeckung anzugreifen – aber Sugar brauchte den Schutz mehr als Kano. Und im Augenblick waren die Akarii hier so ‚weich’, dass er sich die Chance einfach nicht entgehen lassen konnte.
Zwei Warnsignale informierten ihn fast gleichzeitig, dass der Gegner ihn ins Visier genommen hatte und seine Sidewinder abschussbereit waren.
‚Lassen wir es darauf ankommen…’ Kano schickte die Raketen auf den Weg, während er gleichzeitig alle vier Bordkanonen abfeuerte. Seine Maschine wurde durchgeschüttelt, als die feindlichen Heckgeschütze ihn aufs Korn nahmen, doch davon ließ er sich nicht ablenken. Eine der Sidwinder ließ die gegnerischen Schilde aufflackern, das Sperrfeuer der Bordkanonen brachte sie zum Zusammenbrechen, bohrte sich in die Panzerung des Deltavogels…

Der Akarii musste wissen, dass er keine Chance hatte seinem Angreifer zu entkommen oder ihn auszukurven. Also ging er zum Gegenangriff über. Der Deltavogel absolvierte ein sauber geflogenes Von Bein, um seine massive Bugbewaffnung ins Spiel zu bringen.
Falls er allerdings gehofft hatte, Kano damit überraschen zu können, musste er jetzt eine Enttäuschung hinnehmen. Der japanische Pilot hatte schon mehrmals erlebt wie Akarii-Piloten dieses ursprünglich terranische Manöver anwandten. Kano gab Vollschub um die feindliche Sperrfeuerzone zu durchbrechen und konterte seinerseits mit einer brutalen 180-Grad-Wende.
Der Akarii versuchte auch dieses Manöver nachzuvollziehen…
Und zwei Amram-Kurzstreckenraketen schlugen in seine geschwächten Bugschilde ein, ließen sie kollabieren und verwüsteten die gedrungene Schnauze des Sturmjägers. Nur einer der beiden Akarii-Piloten konnte aussteigen, bevor Kanos Bordkanonen der Maschine den Rest gaben und sie in einer rotgoldenen Explosionsblüte verging.

„Guter Schuss, Ohka…WEGBRECHEN!!“
Wieder reagierte Kano automatisch mit einer scharfen Rechtskurve, dem Ausstoß einer ganzen Wolke von Täuschkörpern und der Aktivierung der Nachbrenner. Ein zurückweichendes Sturmjägerduo, dessen Flugbahn Kanos Position gekreuzt hätte, verpasste seine Chance. Die meisten Salven gingen ins Leere und von den beiden abgefeuerten Raketen explodierte nur eine in der Nähe von Kanos Nighthawk. Dennoch reichte das, um die durch den vorherigen Kampf geschwächten Schilde partiell zusammenbrechen und mehrere Alarmlichter aufleuchten zu lassen. Angesichts der sich mit Höchstgeschwindigkeit nähernden TSN-Maschinen verzichteten die Akarii aber auf eine weitere Verfolgung und versuchten stattdessen, mit Höchstgeschwindigkeit Anschluss zu einer anderen Abteilung imperialer Jäger zu finden, die ihre zurückweichenden Kameraden aufnahmen.

„Danke. Ich glaube die haben erst mal genug, Crusader. Ihre Sektion soll sich…was ist mit Submarine?“
Kanos Stellvertreter antwortete mit einem kurzen Fluch: „Sie musste aussteigen. Eben erst. Ein Deltavogel hat sie erwischt.“
‚Noch ein Verlust! Verdammt…’ „Ist sie…“
„Sie ist sauber raus gekommen. Ein SAR-Shuttle ist schon auf dem Weg.“
„Wenigstens etwas.“ Aber damit war bereits ein Sechstel der Staffel ausgefallen. Immerhin, es hatte noch keine Toten gegeben…
„Pass auf dich auf. Dir fehlt ein Wingman.“
„Das musst gerade du sagen. Was ist mit Flyboy?“
„Passt auf Sugar auf…SUGAR! Angriff abbrechen und aufschließen! Das ist ein Befehl!“
„Aber…“
„Wollen Sie es alleine mit einer halben Staffel aufnehmen?! Fragen Sie Tiburon wenn Sie glauben…“
„Schon gut, schon gut. Kein Grund, gleich mit einer Disziplinarstrafe zu drohen…“
‚Oh doch…’ Kano war nicht gewillt noch einmal ein ähnliches Theater durchexerzieren zu müssen, wie mit dem widerspenstigen Piloten aus der Gelben Staffel.

Ein paar Minuten später tauchte Sugar tatsächlich fügsam an Kanos Flanke auf, auch wenn ihre Stimme etwas angesäuert klang: „Melde mich zur Stelle, Chef.“
Kano lächelte flüchtig: „Sie brauchen mir nicht zu danken, weil ich Ihnen Flyboy als Rückendeckung gegeben habe.“
„Ich brauche keine…“
„Oh doch, das tun Sie. Das hier ist noch lange nicht vorbei, und Sie haben bereits ihren gesamten Kampfsatz verpulvert und ihre Maschine ist beschädigt.“
„Aber ich habe einen Akarii erledigt!“
„Das habe ich auch…“, Kano rief sich zur Ordnung, „…genug geredet. Crusader, Sie kriegen erst mal Sugar als Flügelfrau. Dann schließen wir zu La Reines Sektion auf…
„Ohka, hier Lone Wolf. Es wäre gut, wenn Sie Ihren Arsch mal hierher bewegen würden und noch ein Flankierungsmanöver durchführen. Lilja, das gilt auch für Sie…“
‚Du bist zwar nicht mehr der Geschwaderführer, aber…’ „Verstanden.“

***

Imperialer Flottenträger KAHAL

An Bord des Flaggschiffs herrschte eine eigentümlich angespannte Ruhe. Im Augenblick lag fast alles in der Hand der Jagdpiloten und in der Kompetenz von Kapitän Zanni, deren Flugdeckkreuzer KALLEH die Kampfflieger koordinierte. Admiral Taran, sein Stab und der Rest der Kampfflotte hingegen befanden sich momentan in die Rolle eines Zuschauers gedrängt, der atemlos aber weitestgehend tatenlos die Raumschlacht beobachtete. Auch wenn Taran die erzwungene Untätigkeit nicht gefiel, er war klug genug, seine Grenzen zu kennen. Natürlich hatte man ihn in der Taktik eines Kampffliegergefechtes ausgebildet – aber er war eben kein Pilot. ‚Sei ehrlich – bis vor kurzem warst du auch kein Kriegsschiffkommandant sondern nur Stabsoffizier und so etwas wie ein besserer Verwalter.’
Also hielt er sich zurück und überließ erst einmal den Geschwaderkommandeuren und Kapitän Zanni das Feld. Er hatte den Generalkurs vorgegeben. Die Ausführung der taktischen Richtlinien war Sache der Experten. ‚Schließlich sage ich auch nicht Matir, wie er seine Leute einteilen soll…’

„Wie läuft es?“
„Bisher halten sich unsere Jäger gut. Keine der feindlichen Staffeln konnte unseren Abwehrschirm durchstoßen. Die Jäger und Jagdbomber der TSN wurden in den Nahkampf gezwungen.“
Kapitän Matir, der die Positionsmeldungen der Akariistaffeln im Auge behielt, hielt den Augenblick für gekommen, den aufkeimenden Optimismus zu dämpfen: „Aber unsere Verluste steigen. Und da ist immer noch der Masters-Verband, der…“
„Ich weiß, Matir. Was ist mit der feindlichen Kampfflotte?“
„Kurs, Geschwindigkeit und Formation weiterhin unverändert. Gefechtskontakt in…“
„Also wollen Sie es immer noch ausfechten.“
„So scheint es, mein Lord.“
„Unser Bomberverband?“
„Planmäßig auf Kurs. Der Gegner hat noch keine zusätzlichen Jagdverbände gestartet.“
„Vermutlich wollen sie ihre Piloten nicht ermüden und keinen Treibstoff verschwenden…“
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„Admiral, Meldung von der KALLEH.“
„Stellen Sie durch. Was gibt es Zanni? Bisher schlagen sich unsere Flieger ziemlich…“
„Admiral! Meine Leute haben die Flug- und Manövermuster des Gegners analysiert. Und dauernd kriegen wir merkwürdige Werte von ihren schweren Einheiten rein! Sie…
Mein Lord, die Angriffsmuster der Menschen widersprechen ihren üblichen Angriffs- und Durchbruchsstrategien! Es ist…als WOLLTEN sie gar nicht zu unseren Kriegsschiffen durchbrechen! Sie setzen voll und ganz auf Abfang- und Einkreisungsmaßnahmen als wären...als wären die Jäger ihr eigentliches Ziel!“
„Was? Sind Sie sicher?“
„Sehr sicher, Admiral…“
Taran krallte seine Hände um die Kante der Beobachtungskonsole. Das leise Knirschen des Kunststoffs unter seinen Klauen und der kurze Schmerz an der Stelle wo er sich vor wenigen Tagen beim Gebet an die Götter der Sternenleere in die Hand geschnitten hatte, nahm er nicht einmal unbewusst wahr.
Wenn sich Kapitänin Zanni irrte und er ihr in diesem Irrtum folgte, dann konnte das fatale Folgen haben. Es konnte den feindlichen Jabos und Bombern den Weg in das Herz des Rikata-Verbandes öffnen. Wenn sie sich allerdings NICHT irrte und er ihre Warnung ignorierte…
‚Was haben sie vor? Heißt das, diese Marines-Kampfflieger sind der eigentliche Hauptschlag? Nein, das sind doch höchstens Jagdbomber – und nicht einmal besonders viele. Sie könnten uns Schaden zufügen, aber keinen entscheidenden Schlag versetzen. Aber was sonst? Das alles nur als Abnützungsstrategie für unsere Jäger? Setzen sie alleine auf die Tatsache, dass wir Verluste nicht ersetzen können, sie aber schon? Fürchten sie unsere Kampfflieger so sehr, dass sie sie unbedingt neutralisieren wollen? Schätzen sie unsere Kriegsschiffe so gering ein?’
„Admiral?! Admiral, wie lauten Ihre Befehle?! Die KALLEH…“

Taran blickte auf. Er musste eine Entscheidung treffen. JETZT. „Kapitän Zanni, holen Sie unsere Jäger da raus. Befehl an die Kampfflieger – vom Feind lösen und geordnet zur Flotte zurückziehen. Die Bergungsshuttles sollen so viele Piloten wie möglich aufsammeln, aber sie müssen da weg.“
„Zu Befehl.“ Die junge Kreuzerkommandantin verbarg ihre von Nervosität durchtränkte Erleichterung nur schlecht. Ihr Vorgesetzter hatte auf sie gehört. Sollte sich ihre Analyse als fehlerhaft erweisen…
Diesmal ersparte sich Kapitän Matir eine kritische Bemerkung, sondern hielt seine Stimme betont sachlich: „Wollen Sie die Jäger wieder an Bord? Sollen sie landen?“
„Solange wir nicht wissen, ob die von Masters gestartete Welle mit Atomraketen bestückt ist…nein. Aber ich will nicht, dass die Terraner unsere Jäger dort festnageln, wo SIE es wollen. Beim Flottenverband haben sie wenigstens Feuerschutz durch unsere Flugabwehr. Und wir können sie dann auch schneller gegen die Marineflieger werfen.“
„Wie Sie wünschen, Admiral.“
Kapitän Zanni hatte offenbar besseres zu tun, als auf den Wortwechsel zwischen dem Flottenkommandeur und dem Trägerkapitän zu achten.
„Achtung Jägerführer, hier spricht die KALLEH. Initiieren sie ein Yatani-Defensivmanöver…“

***

Irgendwo zwischen den zwei Flottenverbänden

Wie von Cunningham gefordert – oder eher befohlen – hatten sich die Schwarze und Grüne Staffel an Lone Wolfes Einkreisungsmanöver beteiligt, das allerdings von den Imperialen durch einen entschlossenen Vorstoß von zwei Sturmjägersektionen gekontert wurde, die eine der ‚Zangen’ ihrerseits in der Flanke fassten. Immerhin hatten die Terraner noch einige Erfolge erzielen können ohne schwere Verluste zu erleiden. Unter anderem hatte Huntress ihren Killscore erhöhen können, allerdings dabei den größten Teil ihres Kampfsatzes eingebüßt. Kano hatte weniger Glück gehabt – vor allem da seine Flügelfrau jetzt auch noch auf Sugar aufpassen musste, die mindestens ebenso aggressiv flog wie der Staffelführer der Butcher Bears. Kano hatte einen viel versprechenden Anflug abrechen müssen, weil sich ein Akarii in seinen Rücken geschlichen hatte und Flyboy an anderer Stelle beschäftigt gewesen war. Und dann hatte er einige schwere Treffer hinnehmen müssen, als er einen Verfolger nicht rechtzeitig bemerkt hatte. Ein paar Augenblicke hatte es ziemlich gefährlich ausgesehen, als der Bloodhawk-Jäger in seinem Nacken immer näher gekommen war, ohne sich durch eines von Kanos Manövern abschütteln zu lassen. Es war Kanos Glück gewesen, dass der Akarii keine Raketen mehr hatte oder sie sich für andere Ziele aufheben wollte. Aber der Bordwaffenbeschuss war schon schlimm genug gewesen – bis der Akarii seinerseits von Flyboys Kanonen eingedeckt wurde und sich nur durch seinen Nachbrenner der sicheren Vernichtung entziehen konnte.
Ähnliche Szenen spielten sich auch an anderer Stelle ab. Da der Kampf jetzt auf kürzeste Entfernung geführt wurde, wurde es für die Piloten beider Seiten immer schwieriger, sich auf einen Gegner zu konzentrieren. Die Gefahr war groß, dass ein anderer Feind dies ausnutzte und der Jäger zum Gejagten wurde. Rasante Passierduelle, Vorstöße und schnelle Kurvenkämpfe bestimmten das Gefechtsgeschehen. Dennoch…bisher schien die Strategie der TSN aufzugehen. Die Akarii wurden langsam aber sicher ausgeblutet – aber das hatte seinen Preis…

„Ohka! Wir könnten Hilfe gebrauchen! Wir müssen diese Scheißer abschütteln!“
Die dritte Sektion der Butcher Bears war bei dem Versuch einer zurückweichenden Akaarii-Formation zu folgen mit einer halben Staffel Abfangjäger aneinander geraten, die plötzlich in ihrem Nacken aufgetaucht waren. Normalerweise wären sechs Reaper für vier Nighthawks kein so großes Problem gewesen, aber irgendwie war es den Akarii gelungen, die Terraner aufzuspalten. Und die angeschlagenen drei Sturmjäger, die zuvor vor La Reines Sektion geflohen waren, schienen nun bereit, einen neuen Vorstoß zu wagen.
‚Die sind aber hartnäckig…’ „Crusader, Ihre Sektion hilft Phoenix. Ich kümmere mich um La Reine. Sugar, diesmal keine Alleingänge, verstanden?!“
„Ja, ja…verstanden.“
„Sobald wir die Reaper verjagt haben – konzentriert euch auf die Sturmjäger.“

Die Nighthawks beschleunigten, gruppierten sich neu – und plötzlich ließen die Abfangjäger von ihren Opfern ab, stießen ganze Salven von Täuschkörpern aus und schlossen zu den Sturmjägern auf, die bereits wieder kehrtgemacht hatten und sich entfernten. Überall auf dem Schlachtfeld schienen sich ähnliche Szenen abzuspielen – scheinbar auf Kommando brachen die Akarii ihre Vorstöße ab um sich neu zu formieren und langsam zurückzuziehen. Dabei versuchten sie offenbar eine tief gestaffelte Formation zu bilden, die nach allen Schutz bot und bei der die verschiedenen Sektionen, Halbstaffeln und Schwadronen sich gegenseitig Feuerschutz gaben. Republikanische Jäger, die nachstoßen wollten, drohten jetzt in den Feuerbereich mehrerer Einheiten zu geraten.
„Was machen die denn da?!“
„Vielleicht ist Ihnen langsam klar geworden, dass wir ein bisschen durchbruchsschwach agieren. Oder sie glauben ihre Jäger anderswo brauchen zu müssen…“
„RAVEN FÜR ANGRY ANGELS! Wie Sie sehen glauben die Akarii genug zu haben. Wir haben aber Anweisung, sie nicht so schnell von der Party verschwinden zu lassen. Aber passt mit ihren Flakschiffen auf. Verfolgung bei Erreichen des feindlichen Flugabwehrschirms abbrechen.“
Kano blickte auf den Radarschirm während er die Gefechtszeit abzuschätzen versuchte, die ihnen noch blieb. ‚Nicht sehr viel. Vielleicht nicht einmal zehn oder fünfzehn Minuten. Ich habe gerade einmal noch zwei Raketen und vielen anderen dürfte es nicht besser gehen. Wir haben uns ziemlich verschossen. Und die Imperialen wissen das.’ „Sugar! Du hast die Kommandeurin gehört. Also versuch auch, dich daran zu HALTEN! Flyboy – wenn Sugar wieder einen Alleingang hinlegen sollte, werden Sie ihr diesmal NICHT folgen.“
„Aber…“
Kano überging den ungewöhnlichen Widerspruch seiner Flügelfrau: „Crusader, La Reine - Aufschließen. Folgender Angriffsvektor…“

***

Imperialer Flottenträger KAHAL

„Die feindlichen Jäger verfolgen unsere Kampfflieger. Keine Anzeichen dafür, dass sie zu unseren Kriegsschiffen durchbrechen wollen.“ Kapitän Matirs Stimme klang fast ein wenig ungläubig: „Bei allen Dämonen der Sternenleere – Zanni hat tatsächlich Recht gehabt!“
Admiral Taran nickte abwesend: „Ja, das hat sie. Und wenn sie weiter so gute Arbeit leistet, werde ich wohl nicht umhin kommen, sie auszuzeichnen. Ich hätte mir bloß gewünscht, wir hätten es früher bemerkt. Sinnlos…“, der Flottenbefehlshaber brach ab und wandte sich zu seiner Stabschefin um: „Verluste?“
„Wir zählen noch. Aber mehrere Staffeln melden eine Verlustrate von bis zu einem Drittel an vernichteten oder beschädigten Maschinen…“
„Verdammt. Was ist mit dem Kampffliegerverband von Masters?“
„Immer noch im Anflug. Erwartete Ankunftszeit in…“
„Ich weiß, ich weiß. Was mich interessiert ist, ob DIESE Jagdbomber Atomraketen an Bord haben.“
Von der Sensorstation kam eine wenig viel versprechende Antwort: „Wir bekommen immer noch zu viele Interferenzen herein, um ein verlässliches Sensorprofil zu erstellen. Und selbst wenn – die Bewegungsmuster und Profildaten unterscheiden sich bestenfalls minimal…“
„Dann sollen Sie eben schätzen! Ich will nicht noch einmal denselben Fehler machen. Oder einen neuen…“
„Zanni lässt anfragen, ob unsere Jäger versuchen sollen, den Masterverband abzufangen.“
„Während die Menschen ihnen im Nacken sitzen? Das könnte ein Gemetzel werden…
Nein. Erst mal sollen sie wie geplant Schutz bei der Flotte suchen. Wir gruppieren den Flakschutz unserer Nachhut um und konzentrieren unsere Flugabwehr. Die Jäger…sollen sich dann bei unserer rückwärtigen Außensicherung formieren und bereithalten. Fürs erste. Vielleicht bekommen wir ja doch noch genauere Daten…
Sobald die Bergungsshuttles gelandet sind, will ich jeden der noch flugfähig ist wieder da draußen sehen.“
„Ich gebe es weiter.“
„Gut. Und noch etwas – was die Gefangenen angeht, ich will wissen, was die Menschen für einen Schlachtplan haben. Unsere Nachrichtenabteilung soll Druck machen. Ich wäre für ein Ergebnis dankbar, das vorliegt, bevor die Schlacht vorbei ist.“
„Zu…Befehl.“
Der Admiral winkte kurz und abgehackt ab: „Unsere Bomber und Jagdbomber?“
Die Antwort ließ fast so etwas wie ein kurzes Lächeln über Tarans hageres Gesicht huschen. Es war Zeit, zurückzuschlagen. ‚Ihr habt unsere Jäger ausbluten wollen. Jetzt seht zu, wie wir die Nester eurer Flugbrut ausräuchern…’
Cattaneo
Ironheart

Terranischer Angriffsverband,
Sterntor, FRT

Es war einfach so wahnsinnig schnell. Nachdem er seine vier Phönix-Langstreckenraketen abgeschossen hatte, hatten sie die Linie der Akariilinie schon passiert, er konnte nicht mal feststellen, ob er auch nur eine Rakete getroffen hatte.
Lone Wolf schwenkte hart rechts, zog dann hoch und setzte sich hinter einen Akarii. Kid hatte alle Mühe seinem Anführer zu folgen und konnte nicht einmal feststellen, ob der Jäger, den der Commander unter Feuer nahm, eine Bloodhawk oder eine Deathhawk war.
Zwei-, drei-, viermal blitzte die Geschützphalanx von Lone Wolf auf, der Schutzschild des Akarii loderte auf, dann folgte eine hitzesuchende Rakete. Eine rötliche, mit Sauerstoff angereicherte Explosion brachte den feindlichen Jäger ins Trudeln, dann brach er auseinander.
Lone Wolf führte einen Spinn nach links aus, und auch wenn der Commander sein Manöver Sekunden vorher ankündigte, musste The Kid all sein Können aufbieten um zu folgen.
Sein Anführer feuerte zweimal auf etwas, was er nicht einmal bemerkt hatte.
Dann führten die beiden Jäger eine enge Kehre durch und setzten sich hinter eine funkensprühende Bloodhawk. Lone Wolf gab seine Kursänderungen nur Sekunden vor dem Manöver per Funk durch.
Du ruckelnden Bewegungen, die der Akarii ausführte und die The Kids Anführer mit schon spielerischer Leichtigkeit kopierte, machten selbst für sein ungeübtes Auge sichtbar, dass Lone Wolf versuchte eine hitzesuchende Rakete zu peilen.
Wie lange der Akarii es noch geschafft hätte dem Todesstoß zu entgehen, sollten die beiden Terraner nicht herausfinden, denn ein Paar ältere Deathhawks ging mit flammenden Waffen dazwischen.
Das Manöver, das Lone Wolf ausführte, überraschte sowohl die Akarii als auch The Kid. Die Nighthawk seines Anführers kippte über den rechten Flügel ab, in einem derart engen Winkel, dass Laremy es nicht für möglich gehalten hätte, und er auch nicht mehr reagieren konnte und am Feuergefecht vorbeiraste.
Er drosselte die Geschwindigkeit und brach hart nach rechts weg, um möglichst schnell ins Geschehen wieder eingreifen zu können. In seinem Raumanzug wurden Luftkissen aufgepumpt um zu verhindern, dass die Fliehkräfte ihm das Blut aus dem Hirn drückten. Der Puls in seinen Ohren schwoll an und überlagerte den wilden Funkverkehr. Für einen kurzen Moment drohte im schwarz vor Augen zu werden.
Als sich sein Blickfeld wieder klärte und er beschleunigte, sah er Lone Wolf mit den beiden Deathhawk und der Bloodhawk tanzen. Sein Staffelführer konnte zwar selbst kaum Schüsse anbringen, wurde aber noch seltener getroffen. Kein Wunder also, dass The Kid nichts mehr von ihm hörte.
Der junge Pilot schaltete alle seine Energiewaffen zusammen und nahm etwas Schub weg. Die funkensprühende Bloodhawk war deutlich zu erkennen und er visierte sie an. Der Akarii musste schon einigen Schaden eingesteckt haben, würde also am ehesten auseinander zu schießen sein. Vorhalten… vorhalten… vorhalten… FEUER! The Kid drückte den Feuerknopf, als wollte er ihn zur anderen Seite des Steuerknüppels hinausschieben. Seine Waffenphalanx erhellte das Weltall vor ihm und bunte Strahlenbahnen flogen auf den Akarii zu, umfächerten den leichteren Jäger.
Die Echse begann neu zu manövrieren und wich den meisten Schüssen wie von Geisterhand gesteuert aus, nur zwei, nein dreimal leuchtete das Schutzschild der Bloodhawk auf der unbeschädigten Seite auf.
„Rakete! Rakete! RAKETE!“
Schon war er wieder vorbei und musste erneut eindrehen. Was hatte Lone Wolf da geschrien? Sein Raketenwarner meldete sich nicht.
Panisch überblickte er seine Instrumente und blieb an der Statusanzeige für seine Waffen hängen, er hatte noch sechs Raketen an den Aufhängungen.
„Fuck!“ Einer Rakete wäre die Bloodhawk wohl nicht mehr ausgewichen.

***

Linken Fuss durchgedrücken.
Schubdüsen in der rechten Hand nach Rechts ziehen und vollen Schub nach vorne birngen.
Einschwenken auf Ziel.
Mit dem linken Mittelfinger die Sidewinder auswählen.
Mit linkem Auge und linkem Daumen die Raketenzielerfassung über das Ziel bringen.
Den linken Zeigefinger über Abschussknopf verharren lassen.
Warten auf Aufschaltung der Zielerfassung, mit den Augen Ausbrechen des Ziels nach Links erkennen.
Linken Fuss durchdrücken, rechten Fuss kommen lassen.
Mit der linken Hand Schub nach links geben, mit der rechten Hand Schub nach unten um die Bauchseite des Ziels anzuvisieren.
Mit linkem Auge und Ohren weiter auf optische und akustische Zielerfassung der Sidewinder warten.
Mit rechtem Mittelfinger Plasma- und Tachyonengeschütze auswählen.
Mit rechtem Daumen und rechtem Auge Zielerfassung der Bordgeschütze über das Ziel bringen.
Rechten Zeigefinger durchdrücken und mit dem rechten Auge in der hochauflösenden Bordkamera die Plasma- und Tachyonentreffer auf den Schilden wahrnehmen.
Optische und akustische Zielerfassung der Sidewinder mit linkem Auge und Ohren wahrnehmen.
Mit linkem Zeigefinger Abschussknopf der Raketen aktivieren.
Sofort mit linkem Mittelfinger nächste Sidewinder aktivieren und aufschalten.
Gleichzeitig Ausbrechen des Ziels nach links vorausahnen und eine Breitseite Plasma und Tachyonenschüsse mit Vorhalt auf voraussichtliche Ausbruchsposition schicken.
Mit Befriedigung erwartete Reaktion des Gegners wahrnehmen und wieder mit dem rechten Auge in der hochauflösenden Bordkamera die Treffer auf den Schilden erkennen.
Kurzen Seitenblick auf Nahradar wagen, blitzschnell erkennen, dass der Flügelmann einem noch den Rücken freihält und keine Hilfe für das wehrlose Opfer vor einem kommen wird.
Erneutes Ausbrechen des Gegners nach Rechts vorausahnen und wieder eine Breitseite Laser mit Vorhalt auf voraussichtliche Ausbruchsposition schicken.
Wieder Treffer und erstes Flackern der Schilde wahrnehmen.
Den Raketentreffer der Sidewinder und das Kollabieren der Heckschilde bemerken.
Ausbruchsversuche des Gegners durch entsprechende Gegenbewegungen aller vier Gliedmaßen ausgleichen.
Dabei den rechten Zeigefinger auf den Auslöser der Geschütze durchgedrückt lassen.
Erneute optische und akustische Zielerfassung der Sidewinder wahrnehmen, aber mit dem Abschuss der Rakete noch warten, um nicht unnötig abzufeuern.
Treffer der Laser in Heckpanzerung und an Bauchseite des Gegners erkennen.
Flackern der Triebwerke des Gegners durch Reduktion des eigenen Schubs kompensieren.
Weitere Treffer der Bordlaser feststellen.
Betätigung des Schleudersitzes des gegnerischen Piloten erkennen und Beschuss des explodierenden Jägers einstellen.
Kurz Ausatmen.
Erkennen, dass man wie eine Maschine gehandelt hat, ohne Emotionen, ohne Zeit seine Taten zu reflektieren.
Funkspruch des Flügelmannes und Glückwunsch zum 24ten Abschuss empfangen, den ersten in dieser Schlacht.
Den Flügelmann nach vorne schicken um den eigenen Raketensatz zu schonen.

Donovan „Stuntman“ Cartmell ließ seinen Flügelmann Lt. JG Rouvan “Tulip” van der Rozen übernehmen, um sich für einen Augenblick wieder neu zu orientieren.
Er und Tulip hatten Glück gehabt, dass sie nach dem ersten Schlagabtausch mit dem gegnerischen Fliegerpulk auf den einzelnen Jäger getroffen waren, der ohne Flügelmann und von seiner Einheit getrennt flog.
Natürlich war das Duell zwei gegen einen ziemlich unfair gewesen, aber wer hatte behauptet, dass der Krieg fair wäre. Zumindest war der Akarii ausgestiegen und konnte davon ausgehen gerettet zu werden, bei den vielen SAR-Shuttles die von beiden Seiten unterwegs waren.
Wobei das mittlerweile kein Wunder war. Am Anfang des Krieges waren die Verluste bei den Fliegern durch zu spät oder gar nicht eingeholte Piloten noch deutlich höher gewesen. Jetzt war die Aussicht aufgesammelt zu werden deutlich höher, wenn auch die Aussicht in Gefangenschaft zu geraten auch in gleichem Maße gestiegen war.
Keine der Seiten konnte es sich leisten, mehr Piloten als unbedingt nötig zu verlieren. Denn eine Ausbildung zum Kampfpiloten dauerte meist mehrere Jahre. Die Kriegsindustrie förderte viel schneller neue Kampfmaschinen zu Tage als neuer Pilotennachwuchs ausgebildet werden konnte. Piloten wie Stuntman oder auch Knight, die trotz ihrer früheren „Karriere“ noch fliegen durften, verdankten dies einzig und allein dem Umstand, dass Piloten eben nun mal knapp waren und gute Piloten umso mehr.
Donovan betrachtete die verschiedenen Kurz- und Mittelstreckenradaranzeigen, um sich einen schnellen Überblick zu verschaffen. Ihr Gekurbel mit dem Akarri hatte sie kurzzeitig etwas aus dem Hauptfeld hinausgetragen.
Die Jägerschlacht um Masters war in vollem Gange und er für seinen Teil fand, dass sich die Rote Staffel bis jetzt ganz wacker schlug.
Er hatte zwar ein paar Fetzen eines Fluches von Lone Wolf an die Sektions- und Wingleader aufgeschnappt, die ihm sagten, dass der Kampf aus strategischer Sicht nicht ganz in ihrem Sinne verlief.
Aber das war ihm im Moment egal. Denn sowohl er als auch sein Flügelmann lebten noch, und soweit er dass bislang noch sehen konnte, hatte es bis jetzt noch keinen der Roten erwischt. Um die Strategie musste er sich ja jetzt nicht mehr kümmern, jetzt da er wieder zurück ins Glied gewandert war, und zwar ganz weit zurück. Sich während der Schlacht auch noch um die Gesamtstrategie zu kümmern, das sollten schon Lone Wolf und Mantis machen.

Seine Augen wanderten über die Umgebungsanzeigen seines Radars und er erkannte, dass ihre Staffel im Moment in mehrere Gruppen zersplittert war.
Lone Wolf machte mal wieder seinem Callsign alle Ehre und machte sein eigenes Ding, wobei der junge Kid ihm jetzt schon erstaunlich lange an den Hacken zu kleben schien. Er wünschte dem Jungen aus ganzem Herzen alles Gute, doch er befürchtete, dass es nur eine Frage der Zeit sein würde, bis es ihn erwischte. Cunningham war ein Blitzableiter für Ärger, innerhalb und ausserhalb eines Cockpits, doch es waren fast immer seine Flügelleute, die dann vom Blitz getroffen wurden.
The Artist mit Dog im Schlepptau hatte sich offenbar mit Mantis und Sonnyboy zusammengetan, um sich mit einer Sektion schwächerer Deathhawks zu schlagen. Und dieser Kampf schien im Moment ausgeglichen zu sein, ohne dass eine Seite die Überhand zu haben schien. Kein Wunder bei Mantis zögerlichem Kampfstil.
Titans Sektion schien da schon deutlich mehr Ärger ins Haus zu stehen. Auch dort war der momentane Kampf gegenüber einer Sektion zu führen, aber in diesem Falle handelte es sich um Bloodhawks. Und diese schienen aus anderem Holz geschnitten zu sein, denn die dritte Sektion der Red Sun Spirit wurde ganz schön bedrängt.
Tulip schien dies ebenfalls erkannt zu haben. „Stuntman, wir sollten Red Gamma zu Hilfe kommen!“
Donovan wusste nicht, ob Tulips Einschätzung rein auf taktischen Gründen beruhte oder damit zu tun hatte, das Petal in der dritten Sektion ihren Hals riskierte. Aber in diesem Falle war das egal, da der Niederländer Recht hatte und die Sektion Gamma am ehesten ihre Unterstützung brauchte, auch wenn er sich eigentlich bei seiner eigenen Sektionschefin melden sollte.
„Roger, kommen wir unseren Kollegen mal ein wenig zu Hilfe.“

***

Lt JG Anthony „Arrow“ Gant kribbelte die Kopfhaut vor Aufregung. Und er konnte sich sich noch nicht einmal kratzen.
Das hier war es, worauf er jahrelang hingearbeitet hatte. Wofür er eine mögliche Stabskarriere aufgegeben hatte und sich nach seinem West Point Abschluss noch einmal durch die Markham Fields Akademie gekämpft hatte.
Dieses Gefühl, dieser Adrenalinrausch, dieser Kick war es, auf den er all die Jahre gewartet hatt.
Jetzt endlich konnte er zeigen was in ihm steckte.
Er war in seinem ersten Gefecht und anders als seine drei neuen Staffelkameraden Dog, Kid und Sonny musste er nicht Babysitter für ihre jeweiligen Wingleader spielen. Nein, er kurbelte schon alleine mit einer Bloodhawk und es schien ihm, als hätte er noch nie etwas anderes in seinem Leben gemacht.
Als wollte er nie wieder etwas anderes in seinem Leben machen.
Der Kampf war ausgeglichen, der Gegner wendig und stark. Doch Arrow hatte es dennoch geschafft ihm ein paar empfindliche Treffer mit den Bordgeschützen beizubringen. Das war auch nötig gewesen, denn Arrows Schilde waren nach dem Beginn des Kampfes und dem Austauch der Langstreckenraketen bereits angeschlagen. Von den beiden Langstreckenraketen der Akarii, die auf ihn abgefeuert worden waren, hatte er nur eine abschütteln können, während die andere ihm einen empfindlichen Teil seiner Schilde gekostet hatten.
Ob seine eigenen beiden Phönix getroffen hatten, wusste er nicht. Doch selbst wenn, bezweifelte er einen Abschuss. Die Eröffnungssalven kosteten in der Regel auf beiden Seiten nur eine Handvoll Verluste, und meist waren dies Piloten die mehrfach ins Visier genommen worden waren und entweder zu schlecht flogen oder aber zu langsam waren. Oder beides.
Und das traf auf Arrow nicht zu.
Er hatte kaum Mühe dem Akarii zu folgen und hatte jetzt schon wieder ein paar Treffer mit seinen Bordgeschützen auf der Plusseite, aber kurz bevor er eine erfolgreiche Raketenerfassung zu Stande bringen konnte, war der Feind schon wieder abgedreht.
Gant ermahnte sich zur Geduld, er würde seinen Abschuss schon noch kriegen, da war er sich absolut sicher.
Wieder kurvte er hinter seinen Gegner ein, der in wilden, ja fast schon panischen Flugmustern versuchte auszubrechen. Doch diesmal blieb ihm Arrow im Genick. Die Zielerfassung ruckelte hin und her und dann endlich zentrierte sie sich ein paar Sekunden über der Silhoutte des feindlichen Jägers. Als sie dann begann golden zu pulsieren, schickte Arrow eine seiner Amraams auf den Weg.
Doch irgendwas stimmte an der Situation nicht.
Es dauerte einen Augenblick bis er den Warnton in seinem Kopf richtig zuordnen konnte. Seine eigene Zielerfassung auf dem gejagten Jäger vor ihm wurde überlagert durch die eindringliche Sirene, die einen Raketeneinschlag bei ihm selbst ankündigte.
Die Erkenntnis kam, vielleicht ein paar Sekunden zu spät, und sofort wechselte Arrow panisch den Kurs, schickte Täuschkörper aus um den Raketen, die nun ihn jagten, zu entgehen.
Doch vergeblich.
Nur wenige Sekunden später ging Anthony „Arrow“ Gants Nighthawk in Flammen auf und verwandelte sich durch zwei schnell hintereinander einschlagende Raketen binnen Bruchteilen in einen zerfetzten Haufen Altmetall.

***

„Arrow ist down, Arrow ist down!“
Die angestrengte Stimme Too-Talls auf der Staffelfrequenz ließ nichts Gutes verheißen und Josiah „Sonnyboy“ Scott konnte im ersten Augenblick nicht verarbeiten, was er da hörte.
„Ist er ausgestiegen?“ fragte The Kid und kam ihm damit zuvor.
„Keine Ahnung!“ Man hörte Too-Tall laut keuchen und ein paar saftige Flüche raushauen. „Ich… Ich habe nichts gesehen.“
Sonnyboy rutschte das Herz in die Hose. Er hätte nicht gedacht, dass es ausgerechnet den Musterschüler Arrow als Ersten erwischen würde. Der West Point Absolvent war eine wandelnde Bibliothek, konnte alle Flugmanöver auswendig, beherrschte sein Cockpit im Schlaf. Und im Simulator war er immer der Beste der jungen Piloten gewesen. Aber offensichtlich war die Praxis etwas ganz anderes als die Theorie.
„Kannst Du nicht nochmal gucken.“ fragte The Kid noch einmal nach und wurde dafür von Too-Tall und Lone Wolf mit „Ja hab ich denn nichts anderes zu tun?“ und „Sieh lieber zu, dass du an mir dran bleibst.“ gleichzeitig angeblafft. „Und sieh auch zu, dass Du beim nächsten Mal deine verdammten Raketen benutzt.“ kam es von ihrem hörbar verärgerten Staffelführer noch zusätzlich hinterher.
„Mantis, Titan! Bericht!“
„Artist Wing und mein Wing sind im Nahkampf mit einer Sektion Deathhawks. Stuntman, wo steckst du?“
„Auf dem Weg zu Titan!“
„Das hör ich gern.“ zischte die Sektionsführerin von Gamma. Ihre Stimme kam ähnlich gepresst wie Too-Talls hervor und die Anspannung war klar heraus zu hören. „Wir haben hier ordentlich Ärger. Zwei Bloods kamen quasi aus dem Nichts, als wir grad an vier ihrer Kameraden dran waren. Und jetzt da sie Arrow überrascht haben, sind wir hier drei gegen sechs. Das wird nicht lange gut gehen.“
„Wir sind gleich da…“
Gebannt hörte Sonnyboy dem Staffelfunk zu, während er gleichzeitig Mantis zu folgen versuchte, die wiederum einer Deathhawk hinterher jagte. Die zweite Deathhawk dieses Akariiwings versuchte inzwischen in ihren Rücken zu kommen, und Josiah behielt sie im Auge um seine Wingleaderin rechtzeitig zu warnen.
„Gebt Gas!“ Das war Too-Tall. “Ich habe jetzt drei dieser Bastarde Jäger im Nacken und mehrere Boogies auf dem Weg. Ich glaube das wird jetzt…“ Ein lautes Krachen kam durch die Leitung gefolgt von einem „Shit, Shit. Too-Tall hat´s erwischt!“ Es war Tulips Stimme denn Titan und Petal hatten genug mit den anderen Akarii zu tun. „Mann, war das ein Einschlag, ich kann nicht sehen, ob…er da rechtzeitig raus ist.“
„Wir sind jetzt da.“ kam es in aller Ruhe von Stuntman. „Lone Wolf, wir haben hier immer noch ein 4 zu 6…“
„Schon klar, Kid und ich sind auf dem Weg.“
In diesem Augenblick wurde Sonnyboy von der Deathhawk ins Visier genommen, die sich in ihren Rücken gestohlen hatte.
„Mantis, ich werde anvisiert.“
„Abbrechen, links, Zangenmanöver. Ich komme von Rechts.“
Einen Bruchteil einer Sekunde musste Josiah an den Verlust von Arrow und Too-Tall denken, doch jetzt musste er erstmal seine eigene Haut retten.
Cattaneo
Cattaneo

Wahnsinn und Kalkül

Grüne Staffel, TRS Columbia, in der Jägerschlacht

Ein warnendes Heulen wies Lilja darauf hin, dass ihre Schildenergie besorgniserregend gering war. In einer Typhoon wäre sie jetzt in ernsten Problemen gewesen, aber die Falcon erlaubte ihr Dinge, die sie sich früher tunlichst hatte verkneifen müssen. Oder hätte verkneifen sollen… Feindliches Feuer streifte ihren Jäger, verebbte kurz, als sie aus der Schussbahn driftete, und setzte dann wieder ein, tastete nach ihr. Sie blinzelte Schweißtropfen weg, die ihr in die Augen zu rinnen drohten. Sie sollte künftig vielleicht wie Kano ein Stirnband tragen, am besten ein rotes oder schwarzes mit einer weißen Lilie drauf. Das würde sich gut machen. Die Russin lächelte wölfisch als sie sich bei diesen Überlegungen ertappte – wenn sie für so etwas auch nur einen Nebengedanken übrig hatte, konnte es ja nicht SO schlimm um sie stehen. Allerdings…ihr Verfolger schien sich nicht abschütteln zu lassen, was für Flugmanöver sie auch durchführte. Die Russin behielt die Anzeigen im Kopf, zählte stumm, ließ ihre Maschine zur Seite ausbrechen, ein Fluchtversuch, der sofort in einen Steigflug und dann in einen Looping überging. Aber der Feind blieb ihr immer noch auf den Fersen, ungeachtet dessen, dass seine Maschine einiges schwerer war. Doch sie verhinderte gekonnt, dass er sie mit seinen Raketen erfassen konnte. Ständig stieß sie Radar- und andere Täuschkörper aus und störte so seine Ortung, flog einen Kurs, der nur für ein Computerhirn mit den Reflexen einer Schlange berechenbar gewesen wäre. So blieben ihrem Verfolger nur seine Bordwaffen, und selbst mit denen hatte er seine Probleme. Aber er schien nicht gewillt, aufzugeben. Was auch der Sinn des Manövers war…
Ein weiteres Mal brach die Falcon wild zur Seite aus, diesmal gefolgt von einem Sinkflug.

…wenn alles lief wie geplant. Die Russin starrte auf die Anzeigen, zählte stumm bis drei: „JETZT!“
Liljas Stimme peitschte aus dem Helmmikro ihres Flightkameraden. Dieser krampfte seine Hände beinahe reflexartig um die Feuerknöpfe, und die Bordwaffen seiner Falcon spuckten eine Salve nach der anderen aus. Doch trotz seiner relativen Unerfahrenheit verstand der junge Pilot sein Handwerk. Zwei Raketen folgten dem Laserfeuer – damit war sein Kampfsatz aufgebraucht – und fanden ihr Ziel. Der Akariijäger wurde voll getroffen, taumelte noch ein Stück durchs All und begann abzumontieren. Der Pilot stieg gerade noch rechtzeitig aus. Bad Luck gönnte sich ein verdientes Triumphgeheul.
In der Einsamkeit ihres Helms verzog Lilja ihre Lippen zu einem halb sarkastischen, halb bedauerndem Grinsen. Nicht wegen des Siegesgeschreis ihres jungen Untergebenen, obwohl sie Siege eher kalt genoss. Es störte sie auch nicht, dass der Abschuss nicht an sie ging. Sie hatte kein Problem damit, dass ihr Flügelmann Abschüsse abräumte, vielmehr hatte sie ihm diesen Abschuss wie schon einen zuvor geradezu zugetrieben beziehungsweise vor die Flinte gelockt. Wichtig war nur, DASS die Akarii abgeschossen wurden, nicht von wem, und sie mit ihrem überlegenen Können konnte sowohl die Rolle als Treiberin wie auch als Jägerin mit gleicher Effektivität spielen. Dann hatte sie eben noch keinen Abschuss erzielt – na und? Ihr Ego kam damit klar, und ihre Karriere ebenso.
Nein, die getrübte Freude speiste sich aus anderen Quellen. Zum einen lief der Jägerkampf zwar zufrieden stellend, aber auch das nur gerade so. Die Akarii verkauften sich teuer, und die Verstärkung der Terraner ließ auf sich warten. Außerdem gefiel es ihr nicht, dass sie nicht wusste, was sich gerade bei den eigenen Großkampfschiffen abspielte. Und schließlich – sie betrachtete Akariis, die eine Begegnung mit ihr überlebten, meistens als gefährliche aber… vermeidbare…Versäumnisse. Aber sie konnte Bad Luck ja wohl kaum direkt befehlen, den ausgestiegenen Piloten zu töten, und selber konnte sie sich um das Problem auch nicht kümmern. Wenigstens war die Chance groß, dass die Echse hier eher von den Menschen als von ihrem Kameraden aufgesammelt wurde…

Im nächsten Moment hatte sie diese Gedanken schon als unwichtig weil unfruchtbar abgetan. Es gab Wichtigeres zu tun. Ihre Staffel hatte bisher gut abgeschnitten. Die Akarii wurden schrittweise zurückgedrängt, und die Flying Stallions hatte bisher bei fünf Abschüssen erst zwei eigene Maschinen verloren. Abat hatte aussteigen müssen, war aber glücklicherweise aufgesammelt worden. Der andere Verlust war mindestens ebenso bedauerlich, auch wenn der Jäger kein Totalverlust war. Marine schlich mit einer von einem Deltavogel arg ramponierten Mühle zur Columbia zurück. Die ehemalige Marineinfanteriepilotin war eine der Veteraninnen der Staffel und ein wertvoller Aktivposten. Sie hatte ihr Ziel – einen Deltavogel – erledigt, doch sein Kamerad war um ein paar Sekunden zu spät ausgeschaltet worden. Shoki hatte ihre Flightkameradin zwar herausgehauen und der Akarii war geflohen, aber die Russin hatte ihrer Untergebenen den Rückzug befohlen. Üblicherweise presste sie Maschinen und Menschen erbarmungslos aus, aber sie verheizte sie nicht, jedenfalls nicht grundlos. Marine würde eine Ersatzmaschine erhalten und später bereitstehen, um wieder in den Kampf einzugreifen – denn mit diesem Gefecht würde es sicherlich nicht enden.
Ein schneller Blick verschaffte ihr einen Überblick und sie runzelte die Stirn nachdenklich. Das sah fast so aus als ob…
„Akarii weichen zurück.“ Das kam von Imp, ihrer Staffel-XO, die oft das operative Gewissen der Staffel spielte. Die Russin unterdrückte einen Fluch. Es sah nicht so aus, als ob die Falle wirklich wie geplant funktionieren würde. Wenn die Echsen sich jetzt absetzten – ehe die Marines eingetroffen waren und die zahlenmäßige Überlegenheit Wirkung zeigen konnte – dann würde man nicht viel mehr erreichen als ihnen eine blutige Nase zu verpassen. Und das war es gewiss nicht, wofür die TSN-Piloten sich stundenlang in ihre Maschinen hatten pferchen lassen, wofür man sie ohne Deckung durch Großkampfschiffe losgeschickt hatte. Eine blutige Echsennase gewann auch keine Schlachten. Sicher, man konnte ihnen nachsetzen, doch das hieß, dass man eher früher als später in den Deckungsbereich der feindlichen Flakschiffe kam – ohne auch nur ein paar HARM-Antiradar-Raketen dabei zu haben. Das würde nur Verluste geben, aber kaum Ergebnisse. Nein, das würde nichts bringen. Sie musterte aufmerksam die taktischen Anzeigen. Die Echsen flohen nicht kopflos. Das hätte sie zu viel gekostet, denn die Menschen hatten genug spurtschnelle Abfangjäger um in einem solchen Fall ein Massaker unter den Nachzüglern – Havaristen und schwereren Einheiten – anzurichten. Die Feinde setzten sich geordnet ab, gaben sich Deckung, schossen auch lageunabhängige Raketen ab, die einen Halbkreis beschrieben und die verfolgenden Terraner anpeilten.

Die Russin wollte schon Befehl für einen Blitzraid geben, einen Vorstoß mit aktivierten Nachbrennern, um einige Akarii herauszupicken, als ihr ein anderer Gedanke kam. Das sah doch so aus…
Ja, dort sicherten etliche feindliche Jäger schwerere Einheiten. Lilja verzog ihr Gesicht zu einer Grimasse. Natürlich – die Echsen sammelten an „Spaziergängern“, ausgestiegenen Piloten, ein, was sie kriegen konnten. Akarii vor allem, aber natürlich auch Menschen. Was bedeutete…
„Grüne Staffel, herhören. Blitzangriff in folgenden Vektor…“ Sie gab die Zielanweisungen durch: „Raketensalve auf die Jäger – haut raus was drin ist. Anschließend mit Bordwaffen Zielfeuer auf die Shuttles…“ Weiter kam sie nicht
„WAS?“ Das kam von Guardsman: „Das sind SAR-Shuttles, da sind vermutlich auch unsere eigenen Leute an Bord! Sind Sie ver…“
Diesmal unterbrach Lilja ihr Gegenüber, wie er sie unterbrochen hatte, natürlich ohne auf Privatfrequenz umzuschalten. Wenn es etwas gab, dass sie nicht ertrug, dann Widerspruch im Gefecht, zumal von unerfahrenen Untergebenen: „Schnauze halten, und…“ sie merkte gar nicht, wie sie in ihre Muttersprache verfiel: „meinetwegen fick deine Mutter!“ Sie wechselte wieder auf Englisch, mit einem mörderischen Unterton: „Guardsman, führen Sie den Befehl aus, oder SIE sind es, den ich als ersten abschieße, dann können Sie zusehen ob ihre Schuppenfreunde sie einsammeln! Ich werde KEINEN unserer Leute den Akarii überlassen – und auch keiner Echse die Gelegenheit zu einer zweiten Runde geben! Was die Shuttles angeht, so lautet der Befehl beschießen – aber nicht abschießen! Jagt den Echsen ein bisschen Todesangst ein, bis sie in die Raumanzüge kotzen und türmen. Und dann volles Feuer auf die Möchtegernretter!“
Wenn es klappte, konnten sie noch ein paar Akariijäger anschlagen oder zerstören, und die SAR-Shuttles verjagen oder besser noch lahm schießen, so dass die Menschen sie ihrerseits einsammeln könnten. Letzteres war natürlich riskant – Laserkanonen waren keine Präzisionswerkzeuge. Aber das hier war Krieg, kein verdammtes Tennismatch. Wenn ein Shuttle zerstört wurde, und wenn Menschen an Bord waren…Nein, sie würde keinen Gedanken daran verschwenden.
„Achtung, auf mein Kommando warten…!“

In seinem Jäger biss Knight sich so fest auf die Lippen, so dass sie bluteten. Die Schlacht war ein einziger quälender, greller Alptraum für ihn gewesen. Bisher hatte er sich noch unter Kontrolle halten können, selbst als sein Jäger Treffer abbekommen hatte. Das hatte gereicht um ihm schlagartig wieder die grauenerregenden Momente seiner letzten Schlacht in Erinnerung zu rufen, als er abgeschossen worden war. Er hatte – mehr als einmal – für wenige Sekunden die Sprechleitung seiner Kommunikation blockiert, und mit krampfhaftem Gebrüll versucht, seine Angst niederzuschreien. Es hatte geholfen, ein wenig. Ein Glück auch, dass seine Flightkameradin, Imp, ihr Handwerk so gut verstand. Ein-, zweimal hatte sie unwillkürlich ausgeglichen, was zu verhindern seine Aufgabe gewesen wäre. Nicht, dass er sich nicht bemüht hatte, aber die Angst lähmte ihn zwar nicht, engte aber seine Aufmerksamkeit ein, verlangsamte seine Reaktionen. Er hatte natürlich getan was er konnte. Nicht zuletzt…er mochte Imp genug, damit der Gedanke, sie vielleicht in einem kritischen Moment im Stich zu lassen, fast unerträglich schien. Dennoch, er balancierte praktisch die ganze Zeit auf einem schmalen Grat zwischen Panik, Lähmung und Kampfrausch. Schlimmer noch, er war sich dessen bewusst, traute sich aber nicht, irgendjemandem davon zu erzählen.
Ein Stück weit fühlte er sich wie der letzte Dreck – er hatte sich zwar nie für einen Helden gehalten, aber dennoch…
Er begrüßte es geradezu, als er Liljas kalte Stimme hörte. Auf eigenartige Weise gab ihre Gelassenheit ihm ein Stück weit Halt.
„Achtung – Nachbrenner aktivieren in vier, drei, zwei, eins…JETZT!“
Und Knight flog in den Kampf, brüllend – nicht vor Begeisterung oder Wut, sondern um die Stimme in seinem Kopf, um seine Angst zu übertönen…

Lilja wappnete sich gegen den nur zu bekannten Ruck, mit dem der Jäger beschleunigte – und für den brutalen Halt, der ihr bevorstand. Ihre Jäger fielen wie ein Rudel wütender Wölfe in einem Flankenangriff über die Akarii her, praktisch quer durch die Kampfsektoren von ein, zwei anderen Staffeln. Nur dank der Nachbrenner vermieden sie es, in Gefechte verwickelt zu werden. Sie selber hatte während des ganzen bisherigen Kampfes nur zwei ihrer Amraam-Raketen abgefeuert, doch jetzt schöpfte sie aus dem Vollen – es ging um puren Terror.
Diesmal verließ sie sich voll und ganz auf ihren Flightkameraden um ihr den Rücken freizuhalten, diesmal war sie die Jägerin. Sie visierte eine Bloodhawk an und feuerte erst eine, dann eine zweite Raketensalve ab. Ohne sich darum zu kümmern, ob der Feind vernichtet war, wechselte sie sofort ihr Ziel. Sie passierte ein weiteres Paar Bloodhawks, die gerade auseinander stoben, gejagt von den Raketen ihrer Staffelkameraden. Dabei feuerte sie aus allen Rohren und malträtierte die Schilde ihrer Gegner. Und schon war sie vorbei.
Ihr vernarbtes Gesicht verzog sich zu einem hässlichen Grinsen, als sie ihr eigentliches Ziel anpeilte – ein SAR-Shuttle, das offenbar noch mitten in Rettungsarbeiten war. Das Schiff schoss zwar zurück, aber gegen ihre Waffen hatte es wenige Chancen. Und ausweichen konnte es ihr schon gar nicht. Binnen kurzem leuchteten die Schilde des Akarii auf, wand sich der Feind in einem tödlichen Käfig aus Energiesalven, aus dem es kein Entrinnen zu geben schien.
„Achtung – links!“
Bad Lucks Warnungsschrei kam im selben Moment wie das Aufheulen ihres Raketenalarms. Die Russin hämmerte auf den Feuerknopf für die Täuschkörper und ließ ihre Maschine einen Überschlag ausführen, bei dem ihr für einen Sekundenbruchteil schwarz vor Augen wurde. Da waren sie – Akariis, die den Bergungsshuttles beistehen wollten, genau wie sie es vorausgesehen hatte. Die Echsen hatten offenbar nicht damit gerechnet, wie schnell die Russin auf sie reagierte. Binnen weniger Sekunden hatte sie ihre Verfolger passiert und sich mit einer weiteren brutalen Kurve hinter sie gehängt. Dabei visierte sie zugleich das feindliche Shuttle mit ihrem Raketenradar an. Sie hatte nicht wirklich vor ihre letzten zwei Sidewinder abzufeuern, aber das konnte die Akarii ja nicht wissen. Die mussten jetzt nicht nur sich selbst schützen, sondern auch das Shuttle im Auge behalten. Die eine Bloodhawk reagierte wohl auch deshalb zu langsam und verlor fast einen Flügel, als ihre Schilde und Panzerung vor Liljas Bordwaffen kapitulierten. Irgendwer musste da schon ordentliche Vorarbeit geleistet haben. Als Bad Luck sich einmischte, hatten die Akarii genug – sie schlossen zu den fliehenden Shuttles auf und brachen den Kampf ab. Und nicht nur den Zweikampf mit ihr, auch die anderen Gefechte zwischen der grünen Staffel und den Echsen endeten.
Die Russin verschaffte sich einen raschen Überblick: „Shoki – Stopp, Verfolgung abbrechen.“ Sie wartete einige Sekunden, dann, mit schärferer Stimme: „Ich sagte STOPP!“ Die ungestüme Japanerin stand kurz davor, in den Feuerbereich der feindlichen Großkampfschiffe zu geraten.

Imps Stimme klang gelassener, als die deutsche Pilotin sich vermutlich fühlte, als sie den Zustand der Staffel durchgab: „Hellcat ist schwer getroffen. Sagt, er hat keine Atmosphäre mehr und vermutet eine Gehirnerschütterung, aber der Anzug hält. Er meint, er ist unsicher, ob der Jäger es bis zurück schafft. Wir haben zwei Jäger abgeschossen – einer geht auf dein Konto – und zwei Akarii sind schwer beschädigt, einer davon ein Shuttle. Der feindliche Jäger ist weg, aber das Shuttle fliegt nirgends mehr hin.“
Lilja nickte: „Sagt ihm, er soll sich ergeben – oder wir schießen ihm ein paar Sehschlitze, damit er erkennen kann, wie schlecht seine Chancen stehen.“ Sie klang nicht so, als ob das ein Scherz seien sollte.
So etwas war zwar eigentlich verboten – SAR-Shuttles sollten höchstens „versehentlich“ angegriffen werden – aber sie baute darauf, dass die Echse nach den letzten Minuten mit ihren Nerven am Ende war. Die Russin zögerte kurz: „Hellcat soll aussteigen. Kein Zweck, ein erhöhtes Risiko einzugehen.“ Sie war insgeheim wütend, dass nach Marine noch ein zweiter erfahrener Pilot mindestens zeitweilig ausgefallen war, aber ihre Erfahrung sagte ihr, dass ein unerfahrener Pilot wahrscheinlich nicht so gut davongekommen war. Auf dem Rückflug konnte zuviel passieren, ein havarierter Jäger war einfach nicht für längere Flüge geschaffen. Wenn es eine weitere interne Explosion gab und der Raumanzug von Hellcat etwas abbekam…nein, lieber nicht, selbst wenn das einen eventuell noch reparablen oder zumindest ausschlachtbaren Jäger kosten sollte. Außerdem, für insgesamt sieben vernichtete, einen aufgebrachten und mehrere schwer angeschlagene Akarii waren drei eigene Totalausfälle ohne einen Toten kein zu hoher Preis.
„Grüne Staffel herhören – Angriff vorerst abbrechen. Wir warten auf Befehle vom Oberkommando – keine, wiederhole keine Vorstöße in die Todeszone!“
Bisher war das Gefecht recht gut verlaufen – doch tief in ihrem Innern spürte Lilja die alt bekannte Furcht. Wie mochte es ihrem Mutterschiff, wie dem Flottenverband der Menschen ergangen sein? Inzwischen waren die feindlichen Bomber sicher angekommen…
Doch dann verdrängte sie diesen bangen Gedanken. Was auch immer man ihr befehlen würde – die weitere Verfolgung der Akarii-Jäger, Rückzug oder einen Angriff auf die heimkehrenden Bomber des Gegners, sie würde dafür bereit sein.

*****

TRS Relentless, TSN-Kampfverband

Für einen Moment, einen grauenhaften, sich endlos hinziehenden Augenblick, eine Ewigkeit, hatte Rear-Admiral Chris Mithel das Gefühl eines schrecklichen Deja vu. Als kämen alptraumhafte Momente der letzten zwei Schlachten, an denen er teilgenommen hatte, zusammen.
Doch er behielt die Nerven, und sei es nur, weil eine öffentliche Zurschaustellung von Entsetzen Schwäche und damit seinem Rang und vor allem seinen Pflichten unwürdig gewesen wären. Seine Stimme klang eiskalt und gefasst: „Meldung.“ Er erhob nicht einmal die Stimme.
Auch nach mehreren Jahren aufopferungsvoller Arbeit und erfolgreicher Karriere hatte die Stimme von Lieutenant Commander Yato Fuchida noch immer ein wenig von dem ungeschliffenen Rohdiamanten an sich, der er gewesen war, bevor den Dienst an Bord der Relentless angetreten hatte, gleich nach seinem Abschluss an der Akademie. Die Tretmühle des Dienstbetriebs unter einem Kommandeur wie Mithel hatte ihn zwar abgeschliffen und aufpoliert, aber in Augeblicken wie diesen… Der Schock war ihm anzuhören: „Bestätige Ausfall von Blau 25 bis 28, ebenso Blau 17 und 19, Blau 18 ist schwer getroffen, Blau 20 und 16 mittelschwer.“ Hinter diesen Worten verbargen sich die Vernichtung von vier Korvetten und zwei Fregatten und die Beschädigung von drei weiteren Fregatten. Sie bedeuteten hunderte Tote und Verletzte, und den Ausfall einer ganzen Sektion der Außensicherung des Flottenverbandes.
„Gegner stößt auf zwei Achsen in den Verband vor, Jagdbomber fächern auf.“

Mithel sprach das Offensichtliche nicht aus, dazu war keine Zeit, und es wäre eines Admirals und Schwadronskommandanten unwürdig gewesen. Er vergewisserte sich noch nicht einmal, ob tatsächlich die feindlichen SHUTTLES geschossen hatten, fragte nicht, wie diese Handvoll Gegner sechs terranische Schiffe vernichten und drei beschädigen konnten, auf eine Distanz, auf der herkömmliche Jäger-Schiff-Raketen relativ ungenau und leicht abzufangen waren. Es war eben passiert, und über das WIE konnte man sich später Gedanken machen. Vorzugsweise anhand der Trümmer und Gefangenen des Feindes und nach dem eigenen Sieg. Er gab auch keinen Befehl für die Stationen der Relentless – das war jetzt Aufgabe seiner Kapitänin, einer Frau die er respektierte. Er hatte andere Aufgaben. Nein, er handelte als Kommandeur seiner Schwadron. Jahrelange Erfahrung in diesem Krieg hatten ihn für solche Momente vorbereitet: „An alle Schiffe – Feuer verlagern von den Shuttles auf die Bomber! Sperrfeuer mit Raketen in die Einfallsschneisen!“
Der Angriff der Akarii auf den menschlichen Flottenverband mit vielleicht 150 bis 200 Einheiten – das ECM des Gegners und die hohe Geschwindigkeit machte genaue Einschätzungen schwierig – hatte sich zunächst erwartungsgemäß entwickelt. Die menschlichen Jäger hatten sich den Akarii entgegen geworfen und die Flakkreuzer hatten mit Langstreckenbeschuss begonnen, lange bevor die Akarii hatten zurückschlagen können. Mithel hatte von Anfang an vermutet, die terranischen Staffeln und die Dauntless-Kreuzer würden den Gegner nicht aufhalten können. Die Jäger waren aus den verschiedensten Geschwadern zusammengesammelt worden, zum Teil Reserveeinheiten, und vor allem war keine Elitestaffel der Angry Angels dabei. Nicht, dass er ein Anhänger des Starkults um die Jäger war, dies gewiss nicht, aber der Ruf der Angels als Elitegeschwader kam nicht von ungefähr, und war ebenso teuer erkauft wie wohl verdient. Und die Dauntless-Kreuzer…auch sie waren keineswegs alle mit einer eingespielten Crew bemannt, und inzwischen schaffte es der Feind recht gut, zumindest auf größere Distanz das überlegene Feuerradar der Kreuzer zu neutralisieren. Das ECM der Echsen entwickelte sich ständig weiter.

Dennoch waren die Akarii durch die Flakkreuzer und die TSN-Jäger bereits etwas gerupft gewesen. Ihre eigenen Jäger hatten zwar die Menschen am Durchbruch zu den Bombern hindern können, aber dabei Verluste erlitten, und mehr als ein Raptor oder Avenger war von menschlichen Jägerraketen beschädigt oder zerstört worden. Es hatte also Grund zur Hoffnung bestanden, das Abwehrfeuer der menschlichen Großkampfschiffe – tief gestaffelt ohne sich Gedanken um einen Formationskampf mit feindlichen Kriegsschiffen zu machen, mit leichten Einheiten als Voraussicherung, dahinter Kreuzern und Zerstörern, die Träger im Zentrum des Verbandes – hätte dem Gegner einen wenig Erfolgversprechenden Höllenritt bereiten können. Doch dann…dann hatten ein paar Dutzend Sekunden gereicht, alles zu verändern – als die Shuttles der Echsen das Feuer eröffnet hatten. Die ganze feindwärts gewandte Verteidigung der Menschen war aufgebrochen und zerschmettert worden, weil die nicht betroffenen Schiffe mit zum Teil panischen Ausweich- oder gar Fluchtmanövern auf die Gefahr zu reagieren suchten. Mithel hingegen vermutete, der Gegner hatte nur diesen einen vernichtenden Schlag anbringen können. Was immer genau der Feind auch eingesetzt hatte – verbesserte Miniaturatomraketen oder experimentelle Mikro-Antimateriewaffen – es war unwahrscheinlich, dass es für mehr als eine Salve reichte. Sonst hätte er gleich seine Bomber und Jagdbomber damit ausgerüstet. Außerdem…er war kein Jägerkommandeur, aber selbst für ihn sah es sehr danach aus, als ob die feindlichen Shuttles inzwischen nicht mehr in Angriffsformationen flogen, sondern sich umgruppiert hatten, um den anderen Akariieinheiten den Rücken freizuhalten. Diese…Bombenshuttles? Schnellboote?...schienen auch über eine beachtliche konventionelle Feuerkraft zu verfügen. Dennoch, das war nicht seine Sache. Er musste zuerst das nahe liegende Problem beseitigen, und das waren die Bomber. Jabos alleine hatten gegen Kreuzer und Träger so ihre Probleme, vor allem wenn ihnen Jäger im Nacken saßen.
„Meldung an die Shuttles – Abwehrfeuer koordinieren!“ Mithel hatte in weiser Voraussicht die Entershuttles seiner Schwadron in Bereitschaft befohlen. Sie als Abfangjäger einzusetzen wie über Karrashin war wirklich ein letztes verzweifeltes Mittel, aber sie konnten das Nahbereich-Flakfeuer der Kreuzer verstärken. Jede abgeschossene Atomrakete zählte. Dass er die Männer und Frauen in den kleinen Raumschiffen damit einem hohen Risiko aussetzte, nahm der Admiral in Kauf – eine einzige Atomrakete konnte Dutzende Menschen töten, hunderte sogar.

Im Moment war das Chaos im menschlichen Verband ausgebrochen. Teile der Außensicherung flohen, bemühten sich, die geschlagenen Lücken zu schließen oder havarierten Kameraden zu Hilfe zu kommen. Dazwischen rasten terranische und imperiale Jäger in einem wahnwitzigen Hochgeschwindigkeitsballett dahin und erhellten den Räum mit Explosionen. Die feindlichen Kampfflieger stießen weiter vor, hatten aber aufgefächert, was es schier unmöglich machte, ihre genauen Absichten zu erkennen. Angesichts des starken feindlichen ECM war nicht immer klar zu erkennen, wie viele Maschinen wo angriffen. Bei diesem Durcheinander war es ein Wunder, dass die Menschen nicht aufeinander schossen.
Mithel spürte eine bittere Wut in sich aufsteigen. Dieses Chaos rührte auch daher, dass die menschlichen Verbände aus den verschiedensten Verbänden, ja aus mehr als einer Flotte zusammengewürfelt worden waren. Und es resultierte aus der relativen Unerfahrenheit der Crew einiger Schiffe, und ihrer Kommandeure.
Bisher hielt sich jedoch nicht nur sein eigener Kreuzer gut – etwas anderes hätte der Rear-Admiral auch nicht erwartet – auch Mithels Kreuzerschwadron agierte zufrieden stellend. Das Zusammenspiel war weit von Perfektion entfernt, aber angesichts dessen, dass die Hälfte der Schwadron Neuzugänge waren, konnte man nur sagen, dass sich das erbarmungslose Training der letzten Wochen bezahlt machte. Ein Stück Glück spielte natürlich auch eine Rolle. Die Schwadron war bisher nichts explizit angegriffen worden.
„Admiral – Jabostaffel im Anflug!“
Mithel beugte sich in seinem Kommandosessel vor. Soviel also zum Thema Glück. Er registrierte, dass die feindlichen Jabos sich in mindestens vier Angriffsformationen von etwa Staffelstärke aufgeteilt hatten, eine davon hielt auf seine Kreuzerschwadron zu. Diese Aufsplitterung war nicht sehr effektiv, wenn man ein Ziel vernichten wollte, aber gut geeignet, eine koordinierte Abwehr zu erschweren.
Der Rear-Admiral lächelte fast ein wenig verächtlich. Er wusste seit der Tukama-Schlacht, was ein paar wenige Akarii anrichten konnten. Die fürchterlichen Schäden durch die feindlichen Kamikaze hatte er nicht vergessen. Aber hier stand seine Flotte nicht im Gefecht mit feindlichen Großkampfschiffen und konnte sich auf ihre Ziele konzentrieren. Ein wichtiger Unterschied, wie er den Akarii auf das Schmerzlichste zu demonstrieren gedachte. Und Chris Mithel ließ sich wenn überhaupt dann nur einmal auf dieselbe Weise überraschen. Die Übungen der letzten Wochen hatten auch ein Szenario wie bei Tukama berücksichtigt. Ganz abgesehen davon, dass der Drill an den Gefechtsstationen wie bei den Schadensbekämpfungstrupps auf Mithels Schiffen mindestens so erbarmungslos war wie ein Marines-Bootcamp. Wenn diese arroganten Echsen dachten, sie könnten sich die fettesten Brocken herauspicken, während die menschliche Flotte wie ein Haufen aufgeschreckter Hühner umherflatterte…
„Schwadronsbefehl – Geschützleitzentrale Relentless, Alphaorder Sekundärraketen und Artillerie – Feuervorhang legen!“

Der Waffenoffizier der Relentless reagierte mit bewundernswerter Präzision auf die abgehackten Wortfetzen, die Mithel ihm hinwarf. Binnen weniger Sekunden hatte der Offizier die Zielkoordinaten aus den Daten ermittelt, die von den Kampfkreuzern, der Etna und den Shuttles an das Flaggschiff weitergeleitet wurden. Mittels einer Alphaorder konnte er praktisch allen leichten Raketenwerfern und der Schiffsartillerie Zielkoordinaten zuteilen. Es kam nur darauf an, dass er die richtige Entscheidung traf…
Mit einmal füllte sich der Weltraum mit Geschützfeuer und Raketenschwärmen. Genau in die Flugbahn der anfliegenden Jagdbomber spieen dutzende von Geschützen und Raketenwerfern Tod und Vernichtung. Sie überließen es den Zielerfassungen der Raketen, die feindlichen Maschinen anzuvisieren, und das Sperrfeuer der Geschütze, das nach computergenerierten Algorithmen wanderte, erschwerte Ausweichmanöver. Bei einer ganzen Kreuzerschwadron gab es automatisch Glückstreffer.
Marek Rogulski hatte seine Sache sehr gut gemacht. Der Feuervorhang lag präzise, ja er wanderte mit den feindlichen Jabos mit. Bei einer solchen Feuerübermacht – de facto kam auf fast jeden Akarii ein Kreuzer – waren die Auswirkungen verheerend. Die Akarii verloren binnen weniger Sekunden praktisch die halbe Staffel durch Abschuss oder Beschädigung. Die übrigen Jäger lösten ihre Raketen im Notwurf ab – wenn auch nicht völlig kopflos. Selbst aus der riesigen Entfernung, die im Weltall zwischen den Schiffen bestand, waren ein, zwei Einschläge zu erkennen, dort, wo die Etna lag. Radarsuchende Raketen, soviel war sicher. Und natürlich funktionierte der Feuervorhang nicht perfekt. Trotz Mithels Bemühungen und den Anstrengungen der Kapitäne, das Leistungsniveau der Schiffe wich immer noch deutlich voneinander ab, die Koordination war nicht gerade perfekt zu nennen. Aber es genügte, und nur darauf kam es an.
„Feindliche Jabos auf dem Rückzug! Kein Schiff schwer beschädigt, leichte Schäden auf der Etna, minimale auf der Annihilator.“ kam die Meldung von der Sensorstation. Mithel nickte knapp: „Feuern nach eigenem Ermessen. Nachricht an Schiff und Schwadron – gut gemacht. Schwadron verlegen nach...“ Weiter kam er nicht mehr.

Der Jagdbomberangriff auf die Schwadron 2.3 war für die Akarii katastrophal fehlgeschlagen. Nur ein Rest der imperialen Staffel würde einsatzbereit oder überhaupt zurückkehren. Aber mit ihrem Opfer hatte sie einen der schlagkräftigsten Verbände der Menschen für ein paar entscheidende Momente beschäftigen können. Unter anderen Umständen hätte das nur eine geringe Rolle gespielt, denn eigentlich waren Kreuzer – mit Ausnahme der Dauntless-Klasse – nicht primär zur Jägerabwehr gedacht. Diese Aufgabe übernahmen eigentlich Jäger, Korvetten und vielfach auch Fregatten oder Zerstörer. Aber durch das Durcheinander, und auch, weil selbst das menschliche Flottenkommando durch den überraschenden Ausfall seiner Vorwärtssicherung wenn nicht gelähmt, so doch geschockt war, konnten einige imperiale Jagdbomber einen schieren Glückstreffer landen. Gedeckt durch zwei ECM-Schiffe flogen sie an und hielten strikte Feuerdisziplin. Erst im letzten, dem richtigen Moment lösten sie ihre Marschflugkörper aus. Sie wussten vermutlich gar nicht, dass das Schiff, das sie anpeilten, die James Knox war, das Flaggschiff der 5. Flotte. Für sie war es einfach ein kapitales Ziel, das anzugreifen weitere Verwirrung stiften musste. Und das sollte es auch, weit mehr, als sie gedacht hatten.
Praktisch im Sekundentakt schlug eine Atomrakete nach der anderen auf der Knox ein. Schilde leuchteten auf, kollabierten, meterdicke Panzerung wurde praktisch atomisiert. Als der letzte Treffer erlosch, war das Flaggschiff der menschlichen Flotte nur noch ein um sein Leben kämpfendes Wrack.

Rear-Admiral Mithel sprang nur deshalb nicht auf, weil er in seinem Kommandosessel festgeschnallt war. Die Sensoranzeige und die Meldung des Kommunikationsoffiziers waren nicht nur eine schallende Ohrfeige für ihn, sie waren wie ein Schuss in die Brust. Es war wirklich wie bei Karrashin – ein Treffer auf dem Flaggschiff, ein Ausfall der kommandierenden Offizierin. Und diesmal geschah dies mitten im terranischen Raum. In einem Kampfverband, dem sein Geschwader angehörte. Es spielte keine Rolle, dass er schon Hellseher hätte seien müssen, um diese Katastrophe zu vermeiden, oder dass es andere Kommandeure gab, die mindestens ebenso gefehlt hatten. Es war…eine Katastrophe.
Doch Chris Mithel war ein kampferprobter Kommandant. Er fluchte nicht, er verlor auch nicht den Kopf oder ließ sich von Hass und Rache regieren und schlug blindwütig zurück. Er war kein ‚Krieger’, sondern Soldat und Offizier. Die Stunde der Vergeltung würde kommen, so wie sie immer kam – im Rahmen eines Gesamtplanes. Deshalb handelte der Rear-Admiral, wie man es ihm gelehrt hatte und wie es von ihm erwartet wurde: „Spruch an Schwadron: Kommandoübertragung der Gesamtflotte an..." er zögerte kurz, rief sich ins Gedächtnis, dass hier die 5. Flotte das Sagen hatte: „Vizeadmiral Domenico Zini, Träger Anzac. Anweisung Kreuzerverband – Höchstgeschwindigkeit, Zentrierung um die Träger, Schutz besonders Anzac und Columbia.“ Er zögerte einen Moment…„Leichte Raketen Sperrfeuer vor die Träger. Bordartillerie schießt Eigenschutz.“
Um jeden Preis galt es zu verhindern, dass die Akarii die Verwirrung weiter ausnutzen, vielleicht sogar das neue Kommandoschiff und zugleich den neuen Befehlshaber oder mit der Columbia das schlagkräftigste Schiff des Verbandes ausschalten konnten. Doch noch während er Anweisungen gab, fragte er sich, ob er noch rechtzeitig würde eingreifen können.
Cattaneo
Ace

"ACHTUNG!" Es war ein erhebender Anblick, als fünftausend Elite-Infanteristen der Garde des Imperators, sechshundert Offiziere der Flotte, viertausend Dienstgrade der Flotte und vierundzwanzigtausend imperiale Ranger wie ein einziger Mann - oder eine einzige Frau, das war Ansichtssache in einer Armee, die beide Geschlechter gleich behandelte - ins Stillgestanden gingen.
"PRÄSENTIERT!" Eintausendsechshundert Arme flogen an die Stirn, und dreiunddreißigtausend Waffen wurden präsentiert, all das in einer einzigen, gemeinsamen Bewegung. Man sagte, wenn die Akarii eine Sache hatten, die sie allen anderen Spezies überlegen machte, dann war es ihre Fähigkeit, perfekte Massenaufmärsche zu inszenieren. Spötter deuteten daraus, dass Akarii nichts lieber hatten, als stumpfsinnig dressierte Marionetten in ihren Diensträngen. Vornehmlich solche, die es noch nie mit der imperialen Garde zu tun bekommen hatten, die grundsätzlich mit Wagemut, Ideenreichtum, Geschick und Improvisationstalent glänzte.
Der zweithöchste Offizier, General Tretan Ibari, wandte sich nach seinen perfekt ausgeführten Befehlen zu seinem höchsten Vorgesetzten um. "Admiral Jossan, ich melde die Garnison Ibari angetreten!" Natürlich nicht vollständig angetreten, denn die Sektorverteidigungsflotte Ibari hatte lediglich eine Abordnung von knapp zehntausend Soldaten geschickt, und die Kasernen der Ranger blieben auch nicht unbewacht. Aber es war ein Zustand erreicht, den man mit "vollständig angetreten in Kriegszeiten" umschreiben konnte.
"Danke, General. Treten Sie wieder ein.", sagte der Admiral würdevoll. Dann salutierte er seinem zukünftigen Vorgesetzten. "Admiral Ilis, ich melde die Garnison Ibari vollständig angetreten."
Der alte Ilis vollführte einen exakten Salut. "Ich danke Ihnen, Klev. Sie sind zuverlässig wie immer."
Der Karriere-Offizier erlaubte sich ein zufriedenes Grinsen, bevor er zur Seite trat, und dem Admiral Ersten Ranges, dem Helden von Hannover, den Weg zum Rednerpult freimachte.
Der große alte Mann des Erfolgskrieges trat an das Rednerpult. Er entfaltete ein Papier und hielt es vor sich. "Auf Anweisung der Regentin, Linai Thelam, und auf direkten Befehl des Kriegsministers Tobarii Jockham, übernehme ich ab sofort das Kommando über die Sektorverteidigungsflotte Ibari!"
Diesen wenigen, prägnanten Worten folgte ein beispielloser Jubel aus zehntausenden Kehlen. Man konnte es so oder so sehen; dass der Jubel einstudiert und verlangt worden war, oder dass die hier angetretenen Soldaten und Matrosen den alten Mann dafür verehrten, den ersten von hoffentlich vielen Siegen gegen die Terraner eingefahren zu haben, als jene noch als unbesiegbar galten (und ja, die Konföderation zu besiegen wurde von vielen als Sieg gegen Terra gesehen). Man mochte glauben, dass all dies nur eine Show für die Akarii-Medien war, die dem Sieger von Hannover wie ein Haufen Fliegen einem Hucken stinkender Scheiße gefolgt waren und nun ihre Sensation berichten wollten: Kal Ilis wieder im Dienst an der terranischen Grenze. Kal Ilis auf dem Weg zu einem weiteren glorreichen Sieg. Kal Ilis rettet das Imperium.
Es war dem Admiral einerlei. Solange seine Soldaten gehorchten. Solange die Terraner erfuhren, dass er hier war, zwei Sprünge von ihrer eigenen Front entfernt. Und dann wäre es auch noch nett gewesen, wenn die Terraner ihn für seine kompromisslose Kampftaktik fürchteten. All das zusammen würde Operation Raccoon begünstigen, so es denn funktionierte.
Langsam, bedächtig hob Kal Ilis den Arm, streckte ihn in den Himmel. Findige Reporter würden nun Vergleiche anstellen, sich aufstellen lassen, welche Sterne gerade am Himmel standen, die man dank des Tageslichts nicht sehen konnte. Sie würden sehr schnell feststellen, dass Ilis direkt auf Deneb zeigte, jenen Stern, der das Regionalflottenhauptquartier der Dritten Flotte unter dem derzeitigen Kommando von Admiral Maike Noltze beherbergte.
"Auf zu neuen Siegen!", brüllte der Admiral ins Mikrofon, und die Masse der Soldaten reagierte mit neuem Jubel. Spontan begannen sie den Namen des alten Mannes zu skandieren. Lauter, immer lauter, bis es schien, als würde sich jeder einzelne Soldat die Kehle wund schreien: "ILIS! ILIS! ILIS! ILIS! ILIS!"
Der Admiral lächelte grimmig. Es wurde Zeit, sich ein paar Scharmützel mit den Terranern zu liefern, um ihnen zu zeigen, dass in dieser Region jetzt ein schärferer Wind wehte.
Letztendlich war er der einzige erfolgreiche Admiral Akars, seit Admiral Lian von Jor in den Ruhestand gezwungen worden war. Aber wenn dies hier funktionierte, würden noch etliche Admiräle und Generäle die Chance erhalten, sich einen Namen zu machen. Der junge, interessante und mutige Taran, zum Beispiel.

***

"Ma'am, das müssen Sie sich sofort ansehen."
Admiral Noltze verdrehte in komischer Verzweiflung die Augen. "Himmel, Scotty, ich habe doch ausdrücklich gesagt, nicht vor dem ersten Kaffee."
Der Geheimdienstoffizier blieb stoisch an ihrer Seite. "Entweder, Sie erfahren es von mir, hier und jetzt, oder Sie sehen es auf Hannover Central."
Noltze seufzte und blieb stehen. "Geben Sie schon her, verdammt."
Rear Admiral Kilian Scotland reichte ihr die Depesche.
Die Voll-Admirälin überflog das Papier, stutzte, las es genauer und knüllte es schließlich in einer Hand zusammen. "Wenn das wahr ist..."
"Unsere Agenten in der ColCon haben es uns ausdrücklich bestätigt. Der Ibari-Sektor steht nun unter dem Kommando von Kal Ilis. Er führt keinesfalls eine oder mehrere der dort stationierten Flotten. Er hat nun alles unter sich, was da kreucht und fliegt. Sogar die Imperialen Ranger."
"Schlimm genug, dass die stolze Armee bereit ist, ihre Autonomität aufzugeben, aber dann ausgerechnet für einen Heißsporn wie Ilis, der bereit ist, seine Leute für jeden Meter auf dem Weg zu seinem Ziel zu verheizen!"
"Und der das Ziel dann auch erobert. Ilis hätte damals mit seinen Schiffen das London-System erobern können, aber an Hannover, die Fallen, den Minenfeldern und den Verteidigern, die ihn erwarteten, scheitern müssen. Nur seine absolute Rücksichtslosigkeit gegen Mensch und Material, Verzeihung, hat ihm diesen Sieg ermöglicht. Und dabei haben die Colonials es ihm keinesfalls leicht gemacht. Freilich, wenn sie nicht so schnell aufgegeben hätten..."
Noltze seufzte. "Stabsbesprechung. Sofort. Ich will alles, was fliegen kann und schneller als ein Zerstörer ist, da draußen haben, damit wir ein Auge auf ihn haben. Wenn er etwas vorhat, will ich es wissen! Und ich will es vorhersagen können!"
"Was ist mit Operation Raccoon in diesem Zusammenhang?", hakte der Geheimdienstler nach. "Glauben Sie, die ColNavy plant nun einen Entlastungsangriff?"
"Nein, ich glaube Generalgouverneur Cochraine, wenn er sagt, dass er neutral bleiben will und das auch sein wird. Er kann sich gar nichts anderes leisten, will er die Konföderation nicht in einem Bürgerkrieg zerreißen. Aber... Machen Sie Ihren Spooks mal Beine. Die sollen sich überlegen, was passiert, wenn die Situation umgekehrt ist! Wenn Ilis hier ist, um die ColNavy zu unterstützen!"
"Aye, Aye, Admiral.", erwiderte Scotsman und eilte los.
Noltze seufzte erneut. "Wie friedlich war es doch in der Zweiten Flotte. Da wusste man wenigstens, in welche Richtung man fuhr, und wohin man schießen musste. Ich wette, Girad hat das absichtlich gemacht, um diesen Scheiß Job los zu sein."
Ärgerlich, den zusammengeknüllten Zettel immer noch in der Hand, ging sie weiter. Verdammt, wenn sie jemals einen Espresso gebraucht hat, dann in diesem einen Moment.
Cattaneo
Cunningham

TRS Anzac
Sterntor, FRT

Hätte, wäre, wenn. Die meist gebrauchten Worte, wenn es um Rechtfertigungen ging. Wahrscheinlich würden die Offiziere der 5. Flotten diese Worte sehr häufig gebrauchen, sobald sich der Staub gelegt hatte und die Frage aufkäme, wie ein wohlorganisierter Schlachtplan sich zu einem Desaster entwickeln konnte.
Auch wenn Viceadmiral Domenico Zini es sich nicht anmerken ließ, er wusste schon jetzt, dass diese Frage auftreten würde, selbst wenn die TSN das Spiel noch kippen würde.
„Ich brauche klare Daten, was ist mit der James Knox!“
Der gehetzt wirkende Lieutenant Commander aus der Signalabteilung der Anzac zuckte unbehaglich die Schultern: „Wir bekommen keinen Kontakt zum Flaggschiff und Speedy, ich meine Lieutenant Reinert, interpretiert die Sensoranzeigen so, dass die Knox demnächst anfangen wird zu driften und dann aus dem Verband ausscheidet.“
Dem jungen Offizier war es sichtlich unangenehm den Pilotenslang für jemanden, der Aufputschmittel oder andere Medikamente nimmt, gegenüber dem Admiral verwendet zu haben.
Doch Zini hatte weder die Zeit noch die Lust, sich Gedanken über dessen schlechtes Benehmen, noch über Lieutenant Reinerts schlechten Ruf zu machen.
„In Ordnung, weisen Sie Kreuzer Schwadron 2.8 an, sobald der Verteidigungsring wieder steht, zwei Schiffe abzustellen, welche die Knox in Schlepp nehmen!“
„Aye….“ Weiter kam der Commander nicht.
„ACHTUNG REINKOMMENDE RAKETEN!“ Brüllte der Sensoroffizier.
Ein Blick auf den Kartentisch zeigte Zini die Bedrohung. Sechs schwere Bomber der Akarii waren wie aus dem Nichts im inneren Verteidigungsring der Flotte aufgetaucht und hatten nichts besseres zu tun gehabt als all ihre Raketen auf die Anzac abzuschießen.
,Aber warum denn wir, da ist doch dick und fett die Columbia?‘, dachte der Admiral in einem selbstsüchtigen Moment.
Das Abwehrfeuer setzte ein. Die Anzac und ihre begleitenden Schiffe legten einen Sperrriegel aus Laserfeuer und Abwehrraketen. Dennoch kamen genügend Raketen durch, um wie eine Dampframme in dem leichten Träger einzuschlagen.
Schilde brachen, Panzerung verdampfte, Rahmenkonstruktionen verformten sich und Wände sowie Böden barsten.
Das MSD – Main Ships Display – ihm gegenüber leuchtete in rot und gelb auf, dass ihm fast körperlich schlecht wurde, auch wenn er auf die Entfernung nicht genau entziffern konnte, was der Anzac jetzt genau zugestoßen war.
Die Crew des leichten Trägers jedoch funktionierte wie eine gut geölte Maschine.

Captain Anatoli Istomin blickte in die Runde. Der Schaden an seinem Schiff war kritisch, vielleicht sogar tödlich, das wusste er und das wussten seine Offiziere.
„Wir haben Feuer vor Spant acht, über die sechs untersten Decks,“, Lieutenant Commander Levi deutete auf den Schiffsplan, „die Bandbekämpfung kommt nicht hinterher, ein Großteil der Halonsprüher ist dicht oder einfach nicht mehr mit den Leitungen verbunden.“
„Wir müssen den Sauerstoff in den betroffenen Regionen abpumpen!“
„Captain,“, wandte sein erster Offizier ein, „wenn wir das tun, verlieren wir ein Drittel der Besatzung. In der gesamten Sektion sind fast dreihundert Mann, die haben nicht alle die nötige Ausrüstung, die müssten wir erst da raus holen.“
„Wenn wir nicht schnell handeln, dann laufen wir Gefahr, dass die Flammen die Treibstoffleitungen erreichen, dann ist niemand mehr zu retten!“ Levi zeichnete mit dem Finger die Leitungen nach, die Jägertreibstoff zum Hangardeck hochpumpten.
„Und wenn wir den Treibstoff ablassen?“
„Dann haben wir nichts mehr um die Flieger zu betanken.“
„Scheiß auf die Flieger.“, fauchte der erste Offizier.
„Ein Problem nach dem anderen, meine Herren,“, versuchte Istomin seine Offiziere zu beruhigen, „wir haben Tanker, wir können neuen Treibstoff aufnehmen. Also Mr. Levi, sehen Sie zu, dass wir das Zeug los werden, das verschafft uns Zeit unsere Leute da unten raus zu holen und dann können wir die Sektionen versiegeln und den Sauerstoff hinaus pumpen.“
Der Schadenskontrolloffizier wirkte nicht überzeugt, nickte jedoch: „Aye-aye, Sir!“


Clipper 1-0-6
Sterntor, FRT

Zwei Abschüsse, Lieutenant Senior Grade Eeben Barlow, Callsign Tiger, war zum Ass aufgestiegen. Ein Hochgefühl für den frisch beförderten Flügelführer. Gut, sein Flügelmann lebte nicht mehr, aber irgendwas ist ja immer. War auch kein Wunder bei der Anzahl von Echsen, die ja angeblich ohne Jagdschutz zur Party gekommen waren.
Die Jungs von der Aufklärung waren bei ihm unten durch gewesen. Zu Zeiten seines alten Herren wäre man ins Kabuff der Schlapphüte runter geklettert, hätte sich den Verantwortlichen gesucht und ihn richtig verdroschen.
Aber dazu wäre später noch Zeit, wenn er denn diesen Tag überleben würde und wenn er dann ein zweifaches Ass wäre, würde man sicher heute noch weggucken, wenn er einem von der Intel den Kopf abreißt.
Um auf zehn Abschüsse zu kommen, musste er sich aber ranhalten und dieser verdammte Echsen-Jagdbomber spielte nun schon zu lange Verstecken zwischen den terranen Dickschiffen. Irgendwie war er bisher allem Feuer entgangen. Der letzte Zerstörer, der den Raptor unter Feuer genommen hatte, hatte fast Eeben aus dem All geblasen. ,Scheiß Sonntagsfahrer.‘
Der Raptor führte einen Slide aus, der mit einer derart behäbigen Maschine eigentlich nicht möglich war und brachte ihn um einen Kreuzer herum, der fleißig Raketen auf entferntere Ziele ausspuckte.
Trotz seiner wendigeren Griphen musste sich Tiger ganz schön anstrengen um seinen Ziel zu folgen. Das Bild, was sich ihm zeigte, gefiel ihm gar nicht: Die Anzac loderte über die ganze Steuerbordflanke.
Aus seiner Sicht als Laie würde es der leichte Träger nicht mehr lange machen, das war übel, ganze übel, und die Echse hielt genau drauf zu.
,So nicht, mein Freund.‘
Eeben gab seiner Griphen die Sporen und visierte den jetzt geradeaus fliegenden Jabo nur passiv an. Ohne Zielwarner wusste der Akarii im ersten Moment nicht, was ihn traf, als das Viererbündel aus Energiestrahlen sein Heck erwischte. ,Das hat gesessen und das nächste frisst Du auch.‘ Eeben feuerte seine letzte Sidewinder Rakete ab. Er war nah genug, dass der Hitzesuchkopf ohne lange Vorpeilung das Triebwerk des Jagdbombers anpeilte.
Der Akarii zerbarst, ohne dass seine Besatzung ausstieg. Eeben jubelte und führte eine Siegesrolle aus.
Diese führte den Piloten unter die Anzac, als eine klebrige Flüssigkeit sein Kanzeldach besprühte und dort gefror.
Der Ansaugschacht seines linken Triebwerkes saugte ebenfalls eine gefrierendende Masse Flugzeugtreibstoff ein, erhitzte ihn und brachte ihn zur Explosion.
Die Griphen begann zu trudeln und zog einen Flammenstrahl hinter sich her, der den ausgestoßen und im gefrierenden Treibstoff des Trägers entzündete.
Eeben, der panisch seinen Schleudersitz auslöste, bekam davon nichts mehr mit, denn die nachfolgende Explosion vaporisierte ihn und seinen Jäger.
Die Anzac hätte von dem im All explodierenden Treibstoff bestenfalls durchgeschüttelt werden dürfen, jedoch hatte der massive Beschuss der Akarii teilweise die Ausstoßdüsen des Trägers beschädigt, so dass diese nicht mehr in der Lage waren, die Zündfunken draußen zu halten.
Die Explosion breitete sich durch die Treibstoffleitungen bis in die Bunker aus, wo sich Resttreibstoff und Gase entzündeten und den Träger von innen auseinander rissen.
Das gesamte Vorschiff verschwand und verwandelte sich in Fetzen von der Größe von Chihuahua-Köpfen.
Das Heck wurde in zwei Teile gerissen, von denen eines nach Backbord driftete, wo alle Schiff hecktisch Ausweichmanöver fuhren. Das zweite Teil driftete nach steuerbord, wo ebenfalls Ausweichmanöver eingeleitete wurden. Ein Schiff konnte nicht mehr ausweichen.


TRS Columbia,
Sterntor, FRT

Vanessa Girad erkannte drei Dinge: Das erste war, was für ein Captain sie mit Ahn Ho-Yun hatte, die Manöverbefehle gab, als ob sie die Columbia ins Dock manövrieren würde. Ruhig und sachlich, fast schon entspannt, wäre da nicht die steife Haltung der kleinen Asiatin gewesen, die sie fast einen Meter größer erscheinen ließ.
Nummer zwei war, dass das eine Hecksegment der Anzac und die James Knox kollidieren würden, und bei einer Geschwindigkeit von über sechzig Kilometern die Sekunde brauchte man keinen Doktor in Quantenmechanik um zu wissen, dass niemand von der Besatzung der Knox oder der Anzac die Kollision überleben würde.
Nummer drei war, dass die Erste Schlacht von Sterntor zu Gunsten der Akarii ausgegangen war und dass es an der Zeit war die Verluste zu begrenzen. Dafür musste erst einmal wieder Ordnung in die Flotte hergestellt werden.
Girad schloss die Augen, obwohl die Sensoren das Bild abdunkelten, als die James Knox in die Reste der Anzac einschlug und für wenige Sekunden in Sterntor eine zweite Sonne brannte.
„Signaloffizier,“, befahl Girald, „Senden Sie folgende Nachricht an die gesamte Flotte via Laser. Beginn der Nachricht: Mit sofortiger Wirkung übernehme ich das Kommando über die Flotte. Girad Ende. Ende der Nachricht.“
Als der junge Offizier nicht reagierte, tippte Captain Ahn ihm sanft an die Schulter: „Sie haben den Admiral gehört, Lieutenant.“
Wie von der Peitsche getroffen zuckte der Mann zusammen: „Aye-aye, Ma’am.“
Anschließend trat die Koreanerin an die Admiralin heran: „Ihre Befehle, Ma’am.“
„Wir müssen uns absetzen, neu organisieren und neu formieren, haben Sie da eine Idee, Ho-Yun?“
„Es gibt einen Asteroiden, der das System kreuzt, da hat man einen Fixpunkt und die Ortung der Akarii dürfte erschwert werden.“
„In Ordnung,“, stimmte Girad zu, „wir ziehen uns dorthin zurück, Informieren Sie die Flotte und unseren Angriffsverband und sagen Sie Captain Crawford, er möchte versuchen, die feindlichen Bomber ein wenig zu fleddern.“
„Aye-aye, Ma’am.“
Die Befehle zu geben war recht einfach, jetzt musste sich die Flotte erst einmal vom Feind lösen. Damit hatte die verdammte Echse die Initiative. Das konnte schlecht oder auch gut sein. Girad hatte das Gefühl, dass das jetzt sehr, sehr schlecht war.
,Also gut mein schuppiger Freund, Zeit die Samthandschuhe auszuziehen, wenn Du dich nochmal so anstellst, nehme ich Dir deine Träger.
Wagemut oder Glück? Machte das einen Unterschied? Jetzt nicht, später mit Sicherheit.
Abgerechnet wird zum Schluss.‘


Terranisches Geschwader
In der Nähe von Masters, Sterntor, FRT

Samatha Burr hatte zu Beginn dieser Schlacht eine ganze Menge Frust aufgebaut gehabt. Die Akarii hatten ihn abbekommen, und das reichlich.
Das Rotationsprinzip der Flotte hatte dafür gesorgt, dass die Geschwader in Sterntor keine totalen Anfänger waren. Alle Träger in Sterntor waren schon an der Front eingesetzt worden, und dementsprechend waren die Piloten mit den Grundtaktiken der Akarii vertraut und in den leitenden Positionen fanden sich genügend Veteranen. Hinzu kam die Kampfkraft der Angry Angels, die trotz der letzten Verluste immer noch erschreckend gut war.
Ihre Gegner hingegen hatten lange, lange in der Provinz festgesteckt, und Raven vermutete, dass die Geschwader der Akarii im Bodenangriff sehr geübt waren oder gegen kleinere Verbände, doch schon in den ersten Minuten des Kampfes hatten sich deutliche Defizite gezeigt, welche die üblichen Gegner nicht mehr aufwiesen.
Aufgrund der Phönix-Rakete verzichteten die meisten Akariigeschwader auf einen Sturmlauf gegen einen terranischen Verband, solange es nicht absolut unumgänglich war.
Ein weiterer Punkt, der sofort ins Auge sprang war, dass sich erfahrenere Piloten schnell mal entblößten um das Feuer von weniger erfahrenen abzulenken, statt den Moment für einen eigenen Angriff zu nutzen. Der Rudel- und Herdentrieb der Akarii war für ihre Jagdpiloten zu Anfang des Krieges ein kleines Verhängnis gewesen.
Während bei den Akarii der Anführer auf den Flankenpiloten aufpasste, war es in der Kampfdoktrin des Fightercorps der TSN genau anders herum.
Nur so langsam begriffen die Jagdflieger der Echsen, dass sie nicht das Hindernis, sondern die Beute waren.
„Caveman zwo-null-null, Harponeer drei-null-null,“, funkte sie Captain Crawford an, „die Akarii riechen Lunte, wo bleiben die Marines? Wenn die Echsen sich jetzt verdrücken, wird deren Flug umsonst gewesen sein.“
„Harponeer drei-null-null“, Crawford klang sehr angespannt, „die Marines sind noch zwanzig Minuten entfernt. Wir sind alle davon ausgegangen, dass die Akarii aggressiver abfangen.“
,Tja, wovon wir so alles ausgegangen sind.‘
„Wir müssen aber irgendwas unternehmen!“ Jetzt ließ sie auch jegliches Callsign weg.
„Hören Sie Raven, bei der Flotte ist die Hölle los, und Ihr Lone Wolf wird schon wieder eigenmächtig tätig.“
Erschrocken wechselte sie einfach so auf die Befehlsfrequenz des Geschwaders, wo Lone Wolf tatsächlich auf Irons und einen Staffelführer aus einem anderen Geschwader einredete, sie sollten einen Scheinangriff fliegen.
Raven grinste, Lone Fox, warum bin ich nicht darauf gekommen. Unverblümt mischte sie sich in die Unterhaltung ein: „Vorwärts Irons, greifen Sie an, das wird den Echsen was zum nachdenken geben!“
„Und die Shuttles?“ Wollte der Anführer der zweiten Bomberstaffel wissen.
„Einfach ran, sobald sich die Crusader auf den Weg machen, sind die Shuttles bei den Akarii vergessen.“
„Raven! Ich habe das nicht genehmigt!“ Fauchte Crawford ungehalten dazwischen.
Ohne weitere Worte abzuwarten meldete Irons: „Rain sechs-null-drei, greife an!“
Kurz darauf meldete auch der Lieutenant Commander vom Flying Circus, dass er angriff.
Ob der neuen Bedrohung geriet die sich zurückziehende Streitmacht der Akarii erneut in Unordnung.
Als die Akarii versuchten die Crusader aggressiv abzufangen, feuerten diese auf Maximalentfernung ihr reichhaltiges Raketenarsenal und drehten dann ab. Kurz darauf kam auch der Rückrufbefehl der Flotte.
Raven hoffte nur, genug Zeit für die Marines erkauft zu haben, damit die Akarii noch mehr bluten durften.
Das wäre wenigstens ein kleiner Erfolg und so wie die Nachrichten der Flotte klangen, war selbst das kleinste Quäntchen Erfolg bitter nötig.
Cattaneo
Tyr

Sterntor-System, irgendwo zwischen den zwei Flottenverbänden

Sie flogen zurück – ungeschlagen, aber doch nicht als Sieger. Der ‚große Schlag’, die Vernichtung der feindlichen Jagdflieger in einer koordinierten Zangenoperation der Navy- und Marinekorpsflieger war gescheitert. Zwar hatte der Gegner höhere Verluste erlitten als die Terraner – aber das war etwas wenig für den Einsatz von ungefähr 30 Staffeln.
Vor allem, da sie sich die Gelegenheit hatten entgehen lassen, die von nur relativ wenigen Jägern eskortierten Bomber, Jagdbomber und Raketenshuttles der Akarii abzufangen.
‚Das war ein Fehler.’ Denn während sich die terranischen Jäger ihren Schlagabtausch mit den ‚Kollegen von der anderen Feldpostnummer’ geleistet hatten, hatten sich die feindlichen Kampfflieger auf den COLUMBIA-Verband gestürzt. Die wenigen verbliebenen Verteidiger hatten keine Chance gehabt den massierten Angriff von acht Bomber- und Jagdbomberstaffeln abzuwehren, die von vier Jagdfliegerstaffeln geschützt und von diesen seltsamen Nuklearraketenshuttles unterstützt worden waren.
Ein halbes Dutzend vernichteter Fregatten und Korvetten, ein zum Wrack geschossenes Kommandoschiff, ein vernichteter leichter Träger…
Eigentlich war es ein Glücksfall, dass die Verluste nicht noch größer waren. Aber sie waren offenbar schwer genug, um die Flotte dazu zu veranlassen, ihren Abfangkurs abzubrechen.
Auch die DERFLINGER hatte einige schwere Schläge abbekommen.
‚Kali…Denk nicht daran, Pilot. Du musst funktionieren. Du bist im Einsatz, also gibt es nur die Pflicht - bis wir gelandet sind.’
Aber egal wie oft er sich ins Gedächtnis rief, was seine Pflicht sein musste, er wusste, dass er bereits gegen die Grundsätze verstoßen hatte, die er sich selber gesetzt hatte. Aber es war hoffnungslos gewesen – natürlich störte der Feind den Langstreckenverkehr. Seine Chance, die Frequenz einer bestimmten Staffel oder gar eine bestimmten Jägers aufzufangen…
Das einzige was er gehört hatte, war Statik gewesen. Und einige verstümmelte Wortfetzen ohne Sinn. Die Stimme, die er hatte hören wollen, war nicht dabei gewesen.
‚Sie lebt. Sie muss leben. Wenn nicht…’
Er hatte diesen Gedanken nicht zu Ende zu denken wollen.
Wenigstens seine Schwester war in Sicherheit. Shoki hatte sich anscheinend gut geschlagen, auch wenn es ihr nicht gelungen war, einen Feindjäger abzuschießen. Aber das war Kano egal – solange sie überlebte. Sie würde noch genug Gelegenheiten bekommen, ihren Killscore zu erhöhen. Wahrscheinlich schon ziemlich bald.

Insgesamt war die Schlacht für die Schwarze Staffel gut verlaufen, auch wenn sie diesmal nicht die meisten Abschüsse nach Hause mitbringen würden. Nach den Verlusten der letzten Monate war das wohl auch nicht anders zu erwarten gewesen. Doch wenn Kano sich nicht so viele Sorgen um eine ganz bestimmte Pilotin gemacht hätte, dann hätte er sich bestimmt über das eher durchschnittliche Abschneiden geärgert. Aber darum konnte er sich später kümmern. Wenn die Schlacht geschlagen, seine Männer und Frauen gelandet waren. Wenn er sich sicher sein konnte, dass es Kali gut ging. Immerhin - die Butcher Bears hatten keine weiteren Verluste erlitten, waren also immer noch 10 Maschinen stark, nachdem Submarine hatte aussteigen müssen und Jimmy mit einer zusammengeschossenen Maschine zurückgeschickt worden war.
„Achtung Butcher Bears, noch dreißig Minuten bis zum Rendezvous mit den Tankshuttles. Richtet euch lieber aufs Warten ein, denn die Abfangjäger und Griphen sind als erste dran. Wir übernehmen so lange die Außensicherung…“
In diesem Augenblick schaltete sich die Stimme der Geschwaderkommandeurin ein. Ravens Stimme klang hart, fast brüsk – vielleicht aus Verärgerung über das Verfehlen des Haupteinsatzzieles oder aus Wut über die Verluste des Trägerverbandes. Oder vielleicht auch wegen der Art und Weise wie sich Cunningham mal wieder in den Vordergrund hatte spielen müssen. ‚Und, schlimmer noch, er hat Recht behalten.’
„Achtung Angry Angels, wir haben neue Einsatzbefehle. Nach dem Auftanken werden wir nicht einfach zum Flottenverband zurückkehren…“
Kano lauschte Ravens Anweisungen und nickte unbewusst. Das konnte klappen. ‚Nur ein wenig spät...’

***

Imperialer Flottenträger KAHAL

„Berichten Sie, Kapitän Los.“
Die Stabschefin richtete sich auf und drehte sich dann langsam um: „Admiral. Offenbar waren unsere ersten Analysen korrekt. Der Feind hat einen Großteil seiner vorderen Außensicherung verloren – ein halbes Dutzend Fregatten, Zerstörer und Korvetten. Außerdem haben sie einen neuen Kurs eingeschlagen.“
„Die Schnellboote haben gute Arbeit geleistet…“ ‚Vielleicht hätte ich ihnen mehr zutrauen sollen.’ Dann schob Taran diesen selbstkritischen Gedanken beiseite. Dafür war es jetzt zu spät.
„…dazu kommt ein vernichteter oder zum Wrack geschossener Feindkreuzer, leichte Schäden an einigen weiteren Großkampschiffen und ein vernichteter leichter Träger. Ein weiter leichter Träger, die DERFLINGER, wurde vermutlich schwer beschädigt.“
„Ist sie aus der Schlachtlinie ausgeschert?“
„Nein, Admiral.“
„Dann sollten wir wohl besser davon ausgehen, dass die Beschädigung doch nicht so stark ist…“, der Admiral verzog kurz den Mund, „Korrigieren Sie mich, falls ich überoptimistisch wirke, aber für den Einsatz von acht Staffeln Bombern und Jagdbombern und zwei Schwadronen Schnellbooten…“
„…ist das kein besonders herausragendes Ergebnis.“ vollendete Kapitän Matir mit ausdrucksloser Stimme den Satz.
Taran nickte abwesend und zuckte dann mit den Schultern: „Immerhin, gegen die kombinierten Fla-Geschütze einer ganzen Flotte und angesichts der Tatsache, dass unsere Piloten nicht unbedingt alle zur Elite gehören…
Wir sollten wohl stolz sein auf das Erreichte. Kapitän Los, sorgen Sie dafür, dass das bei nächstbester Gelegenheit auch unseren Piloten gesagt wird. Wir werden noch jeden Fetzen Enthusiasmus und Kampfgeist brauchen können…
Ansonsten…es war ein guter Schlag um den Gegner aus dem Gleichgewicht zu bringen, ihn abzublocken. Den Rest werden wir eben in der Schlachtlinie erledigen müssen.“
„Ich freue mich schon darauf, Admiral.“
Taran drehte sich wieder zu seiner Stabschefin um, musterte sie kurz und lachte dann jäh: „Gesprochen wie ein echtes Mitglied der imperialen Marine.“
Thera Los verzichtete darauf, ihren Vorgesetzten darauf hinzuweisen wie sie diesen Satz WIRKLICH gemeint hatte. Erstens wäre das nicht angemessen gewesen und zweitens…wusste er natürlich Bescheid.
„Admiral, was den Kurs der Terraner angeht…“ Thera Los deutete auf den taktischen Hauptschirm, der jetzt eine Simulation des Gefechtsfeldes zeigte.
Es war Kapitän Matir, der sich als erster zu Wort meldete: „Was beim Imperator MACHEN die da?!“
„Sie ziehen sich zurück.“ In Admiral Tarans Stimme schwang kurz so etwas wie Fassungslosigkeit mit, die dann in kalte Befriedigung umschwang: „Sie ziehen sich zurück.“
Die Stabschefin schnaubte abfällig: „Bei allem Respekt für unsere Kampfflieger. SO HART haben wir sie nun wieder auch nicht getroffen.“
„Vielleicht wollen sie warten, bis sie Verstärkung bekommen. Der Verband der beim Terra-Sprungtor stand…“
„Aber dadurch geben Sie uns den Planeten preis.“
Thera Los zuckte mit den Schultern: „Vielleicht hoffen sie, dass wir nicht mehr genug Bomber und Jagdbomber haben, um ihren Abwehrschirm zu durchbrechen.“
Kapitän Matir lachte abfällig: „Dann hätten wir immer noch die Großkampfschiffe. Wir könnten die Oberfläche dieser Dreckskugel zu nuklearer Schlacke verbrennen, ohne einen einzigen Jagdbomber in die Atmosphäre schicken zu müssen.“
„Admiral…“

Admiral Taran blendete die Stimmen seiner Untergebenen kurz aus. Bisher hatte er geglaubt, sich seinen Befehlen und den Traditionen und Handlungszwängen eines imperialen Befehlshabers folgend in eine Situation manövriert zu haben, in der er eigentlich nur noch EINE Alternative hatte – den Kampf mit der feindlichen Flotte aufzunehmen.
Aber nun, nach der ersten Gefechtsberührung, nach einem einzelnen Angriff, schienen die Menschen auf einmal ihren Schneid verloren zu haben. ‚Oder ist das alles nur eine Falle? Hatten sie so oder so nicht vor, in den Nahkampf zu gehen?’
Wie es aussah hatte er jetzt mindestens drei, nein sogar vier naheliegende Möglichkeiten.
Er konnte den eingeschlagenen Kurs weiter verfolgen und versuchen, dem anscheinend fliehenden Gegner den Rest zu geben.
Er konnte umdrehen und die Feuerkraft der Kampfgruppe auf den Planeten Master konzentrieren. Was auch immer die Terraner dort noch an Verteidigungseinrichtungen, Kampffliegerstaffeln oder Schiffen hatte – gegen die imperiale Flotte hatten sie keine Chance.
Er konnte noch einmal völlig umdirigieren und Kurs auf Seafort setzen. Diese Welt zu verwüsten würde ihn wahrscheinlich in den Rang der Unvergessenen befördern. Ein solcher Schlag wäre mehr wert als alle Siege, die er bisher erzielt hätte. Selbst die Verwüstung der feindlichen Bergbau- und Raffinerieanlagen war im Vergleich dazu unbedeutend. Die Verteidigungsanlagen und Defensivverbände von Seafort waren zwar eindeutig aus einem härteren Holz geschnitzt als die Beschützter von Masters – und außerdem zahlreicher. Aber auch sie würden alleine keine Chance gegen die Rikata-Kampfgruppe haben. ‚Aber sie werden wohl kaum alleine kämpfen. Das kann die TSN nicht hinnehmen. Sie werden umkehren. Versuchen, mich in die Zange zu nehmen. Stecken wir dann erst einmal zwischen Flotte und Planeten in der Zange…’ Und dennoch, dennoch…
Oder aber er konnte den Langstreckenschlagabtausch mit der TSN-Flotte als Sieg verbuchen und mit seinem Verband den nächsten Sprungpunkt ansteuern in der Annahme, den Wortlaut und hoffentlich auch den Geist der Befehle befolgt zu haben, die ihm Großadmiralin Rian vor scheinbar so langer Zeit erteilt hatte. Vielleicht würde der Feind versuchen, ihm dann noch mit seinen Bombern den einen oder anderen Schlag zu versetzen, aber Taran war zuversichtlich, dass seine Jäger derartige Angriffe zuverlässig würden abblocken können. Allerdings...er würde damit die Initiative abgeben müssen. Und das war gefährlich. Auf Dauer konnten selbst Nadelstiche seine Flotte nachhaltig schwächen - und bis zum nächsten geeigneten Sprungpunkt war es noch ein weiter Weg. ‚Die Frage ist vor allem auch – wird der Flotte das genügen, was ich erreicht habe? Der Prinzessregentin? Und reicht es mir?’
Wie auch immer seine Entscheidung ausfiel – er musste sie schnell treffen. Und bald.

*

„Admiral, Kapitän Zanni will Sie sprechen.“
„Was ist es denn diesmal…schon gut. Hauptschirm!“
Die junge Kommandantin des Flugdeckkreuzers salutierte knapp, als ihr Abbild vor der Brückenbesatzung des Flaggschiffs aufleuchtete: „Admiral, Kapitän Matir…“
„Was gibt es, Zanni? Sie melden sich doch sicherlich nicht nur, um sich für Ihre gute Arbeit loben zu lassen...“
Die Kapitänin der KALLEH ging nicht auf die wohlwollend spöttische Bemerkung des Flottenbefehlshabers ein: „Admiral, die feindlichen Jäger haben ihre Betankung abgeschlossen und einen neuen Kurs eingeschlagen. Laut unseren Berechnungen werden sie unsere zurückfliegenden Bomber, Jagdbomber und Schnellboote…“
Admiral Taran murmelte ein paar Worte, die die hinter ihm stehende Stabschefin Thera Los veranlassten, kurz die Augen aufzureißen. Das war ein Infanteristenfluch gewesen, und zwar ein ziemlich obszöner.
„Sie entwickeln sich langsam zu einem Onba’tan, Zanni.“ Das war ein unheilvoller Geist aus der Akarii-Mythologie, ein Überbringer schlechter Nachrichten und Verkünder von Unheil und Zerstörung.
„Wenn Sie wollen, kann ich in Zukunft auch darauf verzichten, Ihnen die Wahrheit zu sagen, Admiral.“
Der Flottenkommandant lächelte frostig: „Gut pariert. Natürlich haben Sie Recht. Befehlen Sie unserem Kampffliegerverband, dass er einen Ausweichkurs fliegen soll.“
„Das wird nicht reichen. Unsere Kampfflieger haben keine Tankshuttles, nur Zusatztanks.“
„Das weiß ich. Aber so gewinnen wir Zeit…“ Der Admiral wandte sich an den Verbindungsoffizier zum Bordgeschwader: „Sind die Jäger betankt und neu bestückt?“
„Ja, Admiral. Auch auf den anderen Trägern…“
„Gut. Unsere Jäger müssen mit Zusatztanks bestückt werden und dann unverzüglich starten. Ich will, dass jede Maschine die noch einsatzfähig ist losgeschickt wird. Wir werden unsere Bomber nicht im Stich lassen. Und schicken sie auch Bergungsshuttles mit. Wir lassen niemanden zurück, den wir retten können.“
„Aber selbst dann werden unsere Jäger niemals eintreffen, bevor…“
„Auch das ist mir bekannt. Aber so setzen wir die Menschen unter Druck. Sie werden nicht noch einmal mit uns kämpfen wollen. Nicht mit ihren begrenzten Treibstoffreserven und angesichts der Tatsache, dass sie ihre Raumkampfraketen bereits verbraucht haben dürften. Ansonsten…“, der Admiral zuckte kurz mit den Schultern: „Wie viele Jäger und Jagdbomber sind bei unserem Kampffliegerverband eigentlich noch übrig?“
Kapitänin Zanni zuckte ebenfalls kurz und unbehaglich mit den Schultern: „Nach den Verlusten durch Flak und die feindlichen Abfangjäger…etwas mehr als sechs Staffeln von ursprünglich acht. Sie haben kaum noch Raumkampfraketen. Gegen die konzentrierte Feuerkraft der feindlichen Jäger…
Wenigstens hat sich auch der Gegner schon verschossen, während unsere Schnell- und Kanonenboote fast alle noch den vollen Kampfsatz Raumkampfraketen haben.“
„Ich fürchte das wird nicht reichen, Admiral.“ äußerte sich Kapitän Matir.
„Leider haben Sie Recht. Aber vielleicht können Sie sie so aufhalten. Verlangsamen. Wie ich schon sagte, wir brauchen nur etwas mehr Zeit…
Und fürs erste bleiben wir auf Kurs. Sonst riskieren wir, dass unseren Bombern und Jagdbombern auf halber Strecke der Treibstoff ausgeht. Dann wären sie so oder so ein allzu leichtes Ziel.“
„Und wenn…“
„Heißt das…“
„Eine Stunde, maximal zwei. Dann haben wir unsere Kampfflieger wieder an Bord. Bis dahin will ich einen überarbeiteten Angriffsplan für Masters UND eine Analyse, wie wir am besten aus diesem System verschwinden könnten, ohne dass uns die feindliche Flotte dabei in die Quere kommt. Und die Analyseabteilung soll feststellen, was das eigentlich für Schiffe waren, die wir da vernichtet haben. Irgendeinen Grund muss es doch geben, warum die Terraner nach so…moderaten Verlusten auf einmal auf Gegenkurs gehen. Normalerweise sind sie etwas härter im Nehmen. Falls ihr Strategiewechsel damit zusammenhängt, dass ihr Befehlshaber ausgefallen ist, dann würde ich gerne wissen, mit wem ich es jetzt zu tun bekomme. Kapitän Matir, Kapitän Los – an die Arbeit. Wir haben viel zu tun.
Und Kapitän Zanni…bringen Sie meine Bomber sicher zurück.“

In Kapitän Zannis Gesicht arbeitete es kurz: die Zeit, die die imperialen Kampfflieger durch ihr Ausweichmanöver gewinnen konnten, die Zeit, bis die feindlichen Jäger die Bomber erreicht hatten, die Zeit, bis die eigenen Jäger den bedrohten Kameraden zu Hilfe kommen konnten…
Admiral Taran nickte langsam: „Ganz recht, Zanni. Jetzt ist es ein verdammtes Wettrennen.“
Cattaneo
Cattaneo

Befehl ist Befehl

TSN-Kampffliegerverband im Weltraum bei Masters, Sterntor-System

Eingepfercht im Cockpit seines Jägers lauschte Knight der kalten, gelassenen Stimme seiner Staffelchefin. Für seine bis zum Zerreißen angespannten Nerven, zermürbt durch Kampf, Angst und Müdigkeit, klang die Russin im Moment wie die Inkarnation des Krieges, eine herzlose Todesgöttin, erbarmungslose Verkünderin des Schicksals, die ohne Mitleid die Menschen zum Untergang verurteilte oder ihnen noch einmal einen Aufschub vor dem Unvermeidlichen gewährte. Ihm war klar, dass er psychisch wie physisch ziemlich am Ende war, wenn er schon anfing, in diesem Ausmaß zu spinnen. Doch diese Erkenntnis änderte nichts daran, dass ihm kalter Angstschweiß auf der Stirn stand und in den Augen brannte, er den Schlag seines Herzens förmlich in der Kehle spürte.
Bis vor kurzem waren sie noch heimgeflogen. Erschöpft, aber auch erleichtert, dass alle bisher überlebt hatten, niemand schwer verletzt worden war. Vielleicht sogar ein wenig euphorisch, ungeachtet der eintreffenden Informationsschnipsel über den Angriff der Akarii auf den Flottenverband. Sie hatten als Staffel dem Gegner ordentliche Verluste zugefügt. Ihr Heimweg war lang, doch am Ende winkte ihre Heimat, die Columbia, die den Angriffen der Echsen getrotzt hatte. Essen, ein Bad, und vor allem Schlaf, ein kurzes Ausruhen von der Schlacht – das alles schien so ungemein verlockend, wie ein Glas Wasser einem Verdurstenden. Doch dann…hatte sich das alles geändert, wie es im Krieg eben oft passierte.
Gerade eben war die Mitteilung gekommen, dass die Jäger der Menschen – die, die noch dazu in der Lage waren – für einen weiteren Angriff gebraucht wurden. Einen Angriff auf die heimfliegenden Bomber und Jabos der Akarii, ein zeitraubender Umweg hinein in den tiefen Raum. Und wenn der Gegner abgekämpft und angeschlagen war – so waren sie es auch.

Lilja ließ sich nicht anmerken, was sie über die neuen Anweisungen dachte. Der Befehl, den sie nicht prompt umsetzte, musste offenbar erst noch gegeben werden. Außerdem, bedachte man ihren Ruf, dann freute sie sich vielleicht sogar über die Gelegenheit, noch mehr Echsen zu töten. In ihrer Stimme war freilich weder von Freude noch von Erschöpfung oder gar Enttäuschung etwas zu hören. Ruhig nannte sie einen Namen nach dem anderen, eine Litanei kaltblütiger Entschlossenheit: „Shoki…Imp…Sokol…Fidai…” sie zögerte kurz: „und Guardsman.“ Sich selbst erwähnte sie nicht einmal, aber es war klar, dass sie nicht zurückbleiben würde: „Die anderen fliegen zurück zur Columbia. Knight, Sie übernehmen das Kommando über die Dreiergruppe. Halten Sie sich bei den Havaristen. Sie sind mir verantwortlich, dass alle heil ankommen. Unfälle bei der Landung darf es NICHT geben.“ Der Tod von Monty und Renegade – obwohl etliche Piloten der Staffel da noch nicht bei den Angry Angels gewesen waren – war im ganzen Geschwader immer noch unvergessen: „Und machen Sie es sich nicht zu bequem. Ich will, dass die Jäger möglichst bald wieder für Alarmstart zur Verfügung stehen. Ruhen Sie sich aus so gut sie können – glaube nicht, dass die Akarii so schnell wieder genug Maschinen für einen Angriff auf die Basis zusammenkriegen, und ihre Dickschiffe sind im Moment noch zu weit weg. Aber man kann nie wissen. Marine übernimmt auf der Columbia das Kommando über Sie vier.“ Knight spürte erst jetzt, als er keuchend Luft holte, zutiefst erleichtert, dass er furchtvoll den Atem angehalten hatte, während die Staffelchefin ihre Befehle gab. Seine Stimme überschlug sich fast, als er sein: „Bestätigt!“ hervorstieß. DIESE Verantwortung schreckte ihn nicht – nur heim! Nur keinen weiteren Angriff, keinen weiteren Kampf hier im tiefen Raum, weit weg von den eigenen Schiffen.

Doch nicht jeder war so zufrieden mit den erteilten Befehlen. Guardsman hatte offenbar seine letzte Zurechtweisung nur schlecht verdaut, und er mochte noch andere Gründe für sein Verhalten haben. Seine Stimme klang verwaschen, einzelne Silben undeutlich, und er hatte einen fast panischen Unterton. Wie jeder der Stallions saß er seit so vielen Stunden im Cockpit seiner Maschine, dass die Augen schon schwer wie Blei seien mussten. Wie sie alle war er erschöpft vom letzten Kampf und den brutalen Hochgeschwindigkeitsmanövern, vom zweimaligen Betanken. Vielleicht war er nur der einzige, der den Mut oder die Dummheit besaß, offen zu sprechen, war der einzige, der zugleich die Staffelchefin noch nicht gut genug kannte um zu glauben, Protest würde irgend etwas ändern: „Wieso? Das mache ich nicht! Warum soll ich diese verdammte Kamikaze-Nummer mitmachen, und…Knight…nicht? Ich kann nicht mehr! Mit welchem Recht…“
Für einen Augenblick hasste Knight seinen Kameraden, mit einer Intensität, die ihn geradezu erschreckte. Hasste ihn, weil dieser ihm das nehmen wollte, was er sich so sehr wünschte – und er fürchtete sich, dass Lilja nachgeben könnte. Wenn sie es tat, das war ihm klar, würde er kaum die Entschlossenheit aufbringen können, sich zu weigern – und ebenso wenig die Kraft, den kommenden Kampf durchzustehen. Außer Angst war nicht viel an Gefühl in seinem Innern geblieben, und Angst reichte nicht, um offen einen Befehl zu verweigern. Aber er bekam keine Gelegenheit irgendetwas zu entgegnen. Lilja musste ebenso erschöpft sein wie jeder der Stallions, doch im Moment zeigte die Leitstute einmal mehr, dass sie zäher – oder wenigstens sturer – war als jeder Pilot unter ihrem Kommando. Und erheblich fester zubeißen konnte. Ihre Stimme kühlte noch einmal um einige Grade ab – wo vorher der Eiswind geheult hatte, schien er jetzt das Fleisch von den Knochen reißen zu wollen: „Ich lasse das mal als undiszipliniertes Gemecker durchgehen. Wir alle sind müde. Bestätigen Sie den Befehl.“ Der drohende Unterton ihrer Stimme war unüberhörbar. Sollte der ehemalige Nationalgardist nicht nur ,gemeckert’ haben, würde sie ihm das kaum vergessen, und bestimmt nicht verzeihen.
Der Moment dehnte sich, wie Gelatine. Für einen Moment herrschte atemloses Schweigen. Knight hoffte schon, es wäre ausgestanden. Dann war Guardsman wieder zu hören: „Ich sagte…NEIN! Sie haben kein Recht…“ Weiter kam er nicht.

War schon die tonlose Befehlsstimme Liljas unangenehm gewesen, ihr erbostes Fauchen war es erst Recht. Wirklich wütend hatte die Russin etwas von einer Naturgewalt an sich. Sie schrie den etliche Jahre älteren Piloten problemlos nieder: „Ich brauche kein RECHT außer meinem Rang! Ich kann einfach BEFEHLEN! Und Sie werden mir verdammt noch mal gehorchen!“ Unvermittelt wechselt sie ins „du“, einziges Anzeichen, dass auch sie etwas angegriffen war: „Wenn du dich einscheißt bei dem Gedanken, nicht mehr zu Frau und Bälgern heimzukehren, dann sag es! Oder schluck es runter und erstick daran! Es ist mir auch so was von egal! Ich mache hier keine Unterschiede, egal ob jemand scharf auf den Kampf ist oder nicht, ob er jemand zu Hause hat oder nicht. Sondertouren gibt es für keinen!“
„Aber ich…!“
„Wir alle sind verdammt noch mal müde, wir alle haben kaum noch Raketen! Du hast noch zwei, Knight keine.“ Offenbar wurde ihr bewusst, dass sie sich doch rechtfertigte, und ihre Stimme wurde noch einen Spur wütender, ätzend vor Hohn: „Und du bist doch angeblich erfahrener als Crow oder Bad Luck! Willst du die Neulinge vorhetzen, du feiges Schwein? Also wirst du deine verdammte Pflicht tun! Wie ich…wie meine beste Freundin…wie Sokol…wie Shoki und Fidai! Wie jeder in dieser Staffel!“ Sie wusste, wie grausam ihre Worte waren, wie sehr sie ihn vor seinen Kameraden ins Unrecht setzte, aber das schien sie nicht zu stören. Ihre Stimme sank zu einem Zischen, doch sie machte sie sich nicht die Mühe, auf Privatfrequenz zu schalten, so dass der Rest der Staffel mithören konnte: „NIEMAND begehrt zweimal gegen meine Befehle auf, du Muttersöhnchen! Falls so etwas wie du überhaupt eine Mutter haben kann! Du wirst angreifen, oder ich schieß dich höchstpersönlich als Deserteur und Meuterer ab, und ich schwör dir, ich stell sicher, dass du dabei krepierst! Und anschließend sorg ich dafür, dass selbst deine Kinder auf dein Grab spucken!“

Für einen Augenblick herrschte lähmendes Schweigen. Lilja war dafür bekannt, dass sie gelegentlich von ihrer üblichen Gefühlskälte zu harten Worten wechselte, aber so einen Ausbruch hatte bisher kaum jemand erlebt. Anders als bei ihrer recht ähnlich klingenden Drohung einige Stunden zuvor, fragte sich wohl mehr als einer der Piloten, ob die Russin nicht wirklich bereit war, ihren Worten Taten folgen zu lassen. Es hatte da in diesem Krieg gerüchteweise schon Fälle gegeben…
An Guardsmans Stelle wäre Knight davon überzeugt gewesen, dass sie es ernst meinte. Ihre Entschlossenheit und Härte gegen sich selbst und andere war nur zu bekannt. Als die Staffelchefin fortfuhr, nach einer gefühlten Ewigkeit, war sie wieder ihr eisiges Selbst, als hätte der Ausbruch gar nicht stattgefunden. Irgendwie machte es das nur umso verstörender: „Grüne Staffel – ihr habt eure Befehle. Paarung Ich-Imp, Sokol-Shoki, Guardsman-Fidai. Ich zähle auf vollen Einsatz.“ Ihr Tonfall schien anzukündigen, dass sie etwas anderes nicht hinnehmen würde, und dass es möglicherweise das letzte Mal war, dass sie First Lieutenant Devgan einen Flight anvertraute. „Mir nach. Knight – viel Glück.“
Abrupt beschleunigte die Führungsmaschine der Stallions, und binnen weniger Sekunden schlossen sich ihr die fünf anderen Maschinen des Angriffsverbandes an. Nicht einmal Guardsman zögerte. Knight schaute den entschwindenden Maschinen hinterher. Er hatte ein schlechtes Gefühl. Wegen Liljas Worten, wegen seiner eigenen Gefühle, aus Gründen die er nicht einmal benennen konnte. In den Funkkanälen herrschte Stille, nicht einmal Imp hatte einen ihrer üblichen lockeren Sprüche auf Lager. Doch so einsam wie sich jeder der Piloten fühlen musste, so unangenehm jedem das Geschehen seien mochte, keiner war vermutlich isolierter als Guardsman. Er hatte keinen Verbündeten, und das musste er wissen. Sokol und Imp waren eng mit Lilja befreundet, Shoki und Fidai waren beutehungrige Neulinge, die sich beweisen wollten – das galt besonders für die junge Japanerin. Für Fidai gab es seit der Verkündung des Heiligen Krieges gegen die Aggressoren ohnehin keine Ausrede mehr, zurückzustehen.
Obwohl Knight kein wirklich gläubiger Mensch war – vor einem Gott zu knien erschien ihm etwas absurd, und wenn man seinen ,sündigen’ Lebensweg bedachte, war er sowieso verloren – murmelte er lautlos ein Gebet.
Dann beschleunigte er die eigene Maschine. Er war auf dem Weg nach Hause, aber er war bei aller Furcht nicht so egoistisch, dass er nicht auch Angst verspürte um die, die er im Kampf zurückließ.

Die sechs verbleibenden Stallions fanden schnell ihren Platz im Angriffsverband der Terraner, sorgsam dirigiert von Lilja. Die Menschen waren immer noch eine formidable Angriffsstreitmacht, zumindest theoretisch. Lilja war sich allerdings darüber im Klaren, dass die wenigsten Maschinen auch nur den halben Kampfsatz mitführten.
Die Russin haderte insgeheim mit sich. Nicht, weil sie Guardsman ,zusammengeschissen’ hatte. Wer sich so etwas herausnahm wie der Koloniebewohner, hatte nichts Besseres verdient oder zu erwarten. Wäre das am Boden passiert, hätte sie ihn vielleicht sogar niedergeschlagen. Sie hielt nicht wirklich viel von solchen Methoden – es war auch unfair, denn wenn jemand zurückschlug, war er noch schlimmer dran – aber manchmal war es eben notwendig, wie etwa Lone Wolf gelegentlich demonstriert hatte. Nein, ihre Besorgnis hatte andere Gründe. Sie traute dem Nationalgardisten zumindest momentan keinen wirklichen Kampfgeist mehr zu, und das konnte zu Lasten seiner Kameraden gehen. Aber sie hatte ihn auch nicht für seine Insubordination belohnen und austauschen können, obwohl vermutlich jeder der drei zurückfliegenden Piloten besser gewesen wäre. Sie konnte ihn auch nicht einfach einem anderen Piloten unterstellen – denn wen sollte sie schon durch so einen Feigling beschützen lassen? In Liljas relativ simpler Weltsicht gab es wenig Verständnis für Menschen, die mitten im Einsatz Schwäche zeigten, oder was sie dafür hielt. Dass Guardsman an seine physischen und psychischen Grenzen gekommen war, dass er nicht sterben wollte, weil er wusste wofür es sich zu leben lohnte – seine Familie – das erschien ihr im Moment unwichtig. Sie alle hatten Menschen, die sie liebten, egal ob Freunde, Partner, Kinder, Eltern oder Geschwister. Lilja machte da keine Unterschiede. Und sie alle waren müde. Sie hatten einen Eid geschworen, und den würden sie erfüllen – freiwillig, oder indem sie dazu gezwungen wurden.
,Na ja…’ dachte sie gallig und nur halb im Spaß ,ich sollte vielleicht Fidai den Keinen-Schritt-Zurück-Befehl für seinen Vorgesetzten geben… Wenn Guardsman ausschert…’ Reflexartig ballte sie die Faust, als würde sie auf ein imaginäres Ziel schießen. Sie war in diesem Krieg schon ein, zweimal verdammt nahe dran gewesen, so handeln zu müssen, damals, in den schlimmen ersten Monaten.
Doch dann verwarf sie den Gedanken. Wenn sie erst einmal im Gefecht waren, würde der Feind schon dafür sorgen, dass alle ihr Bestes gaben.

Routinemäßig kontrollierte sie die Anzeigen ihres Jägers. Noch ein ziemliches Stück zu fliegen bis zur nächsten Gefechtsberührung…
Auf ihrem Anzeigenbrett blinkte ein Licht auf, jemand rief sie über eine separate Leitung. Sie öffnete den Kanal.
Imps Stimme klang behutsam, geradezu vorsichtig: „Meinst du nicht…“
Diesmal schnitt Lilja ihr die Worte ab, sanft, aber unnachgiebig: „Es spielt keine Rolle, was ich meine, Imp. Meinungen haben hier nichts zu suchen, hier geht es um Pflicht und Befehl. Wir sind im Gefecht. Hier wird nicht diskutiert, sondern gehorcht, und ich muss sichergehen, dass man meine Autorität und meine Erfahrung nicht in Frage stellt. Was ich gesagt habe, war nicht fair – und was ich noch tun werde, sobald wir gelandet sind, wird es vielleicht auch nicht sein – aber ich habe es getan.“ Und ihr Tonfall kündigte an, dass sie sich dafür nicht entschuldigen würde. Imp fragte nicht nach, WAS ihre Freundin wirklich später tun wollte. Sie konnte es sich vorstellen. Rückstufung zum zweiten Flightman, Eintrag in die Akte, im schlimmsten Fall eine reguläre Anklage wegen Befehlsverweigerung, vielleicht sogar Feigheit vor dem Feind und versuchte Meuterei. Aber die Deutsche gehörte zu den wenigen Leuten, die sich von Lilja weder einschüchtern, noch vor den Kopf stoßen ließen: „Was Guardsman gemacht hat, war falsch – vor allem hier und jetzt. Und es war mies, gegenüber den anderen. Aber überleg dir, ob du wirklich bis zum äußersten gehen willst. Nicht alle sind aus dem gleichen Holz geschnitzt, und für Devgan war es die erste RICHTIGE Schlacht. Ich denke, er kann es immer noch lernen. Ich glaube nicht, dass er deine Standpauke so schnell vergessen wird. Du solltest ihn wenigstens nicht richtig anklagen.“
Es war schon untypisch, das Lilja in ihrer momentanen Stimmung und bei dem Thema nicht wieder dazwischenfuhr. Aber nach einem Moment antwortete sie: „Ich denk darüber nach…mehr verspreche ich nicht. Aber du musst mir versprechen, dass du in jedem Fall hinter mir stehst. In dem Fall darf kein Blatt Papier zwischen uns passen.“
„Tu ich das nicht immer?“ Imp klang ungewohnt ernst, sie verzichtete auch auf eine launige Antwort. Sie und Lilja kannten sich seit Liljas erstem Tag auf der Redemption, und sie hatten sich beide in den schlechtesten und besten Momenten der letzten Jahre erlebt, hatten sich gegenseitig geholfen und Freud wie Leid geteilt.
Deshalb war auch Liljas Stimme ernst, selbst wenn ihre Worte es nicht unbedingt waren: „Nun, vor allem, wenn du hinter meinem Rücken redest oder irgendwelchen Unfug anstellst…Aber…danke.“

Eine Stunde verging, eine Stunde nervenzehrendes Warten auf den nächsten Kampfeinsatz. Genug Zeit, dass der letzte Rest Adrenalin des letzten Gefechts aus den Adern entschwunden war und erstickende Müdigkeit zurückgelassen hatte. Vermutlich half bereits mehr als einer der Piloten mit Aufputschmitteln nach. Lilja hatte das nicht dem Urteil ihrer Untergebenen überlassen. Sie hatte angeordnet, dass jeder vor dem Kontakt mit dem Feind eine Dosis nehmen sollte, und nur halb im Scherz angedroht, nach der Rückkehr einen „umgekehrten“ Dopingtest durchführen zu lassen.
Die Stimmung in der Staffel war nicht die beste, das spürte sie. Es wurde deutlich in den abgehakten Sätzen, wenn die Piloten miteinander sprachen, in den Pausen, wo keine hingehörten, im Unterton, der oft mitschwang. Lilja war viel zu erfahren, um die Zeichen nicht zu erkennen. Doch das Problem war nicht nur, nicht einmal in erster Linie ihr Wutausbruch gegenüber Guardsman. Nein, einige Zeit nach dem Kurswechsel war die Meldung gekommen, dass die Echsen offenbar dabei waren, ihre Jäger, die die Schlacht mit den TSN-Piloten überstanden hatten, neu zu betanken und wieder in den Raum zu schicken. Jäger, die jetzt mit Höchstgeschwindigkeit versuchten, zu den menschlichen Maschinen aufzuschließen. Das hatte einiges Fluchen gegeben, auf den Gegner und mehr noch auf die terranischen Marines. Ihre sechs Staffeln hatten nämlich mit einigen begrenzten Störangriffen auf den feindlichen Flottenverband genau das verhindern sollen. Aber offenbar hatten sie nicht viel erreicht. Das war an und für sich wenig verwunderlich, da sie nur über leichte Bewaffnung verfügten. Aber sie hatten auch die feindlichen Kampfflieger nicht ausreichend ausdünnen oder beschäftigen können. Die Flottenpiloten – und Lilja machte da keine Ausnahme – schienen den Einsatz der Piloten des Korps insgesamt eher als Luftnummer zu betrachten. Am eigentlichen Jägerkampf hatten sie sich kaum beteiligt, gegen den Akarii-Verband hatten sie nicht viel erreicht. Und jetzt, im Kampf gegen die zurückkehrenden Bomber der Echsen, würden sie weder teilnehmen noch ihren Flottenkameraden den Rücken freihalten können. Erschöpfte Piloten waren nicht gerade für ihr faires Urteil bekannt, schon gar nicht, wenn es um Angehöriger anderer Waffengattungen ging.
Lilja hatte es auf den Punkt gebracht, mit vor Spott triefender Stimme – im sicheren Bewusstsein, dass Marine gerade nicht dabei war: „Dann müssen wir eben wieder einmal die ganze Arbeit machen, während diese Kurzstreckenkrieger in ihre gemütlichen Quartiere zurückkriechen! Vermutlich heißt es deshalb ,First to go – last to know!“

Die Akarii hatten die menschlichen Jäger natürlich kommen sehen. Das ließ sich im Weltraum kaum vermeiden, wenn man nicht irgendwelche Deckung durch kosmisches Material, einen Planeten oder sehr gute ECM hatte – und die wiederum waren als Störungen schon eine Vorwarnung. Hier, im tiefen Raum, glich der Krieg eher ein Stück weit den Kabinettskriegen auf der Erde, als große Heere mit klingendem Spiel auf überschaubaren Schlachtfeldern in langen Reihen gegeneinander aufmarschiert waren und sich in voller Sichtweite gegenüberstanden und mit Feuer und Blei zerstückelten.
Wenigstens konnte man sich im Gegenzug ein ganz gutes Bild vom Feind machen. Seine Formationen machten einen ziemlich gerupften Eindruck und eine ganze Reihe von Maschinen war vermutlich beschädigt. Sie flogen nicht sehr schnell – Shuttles und Bomber waren im Vergleich zu den terranischen Griphen, Falcons und Nighthawks langsam und konnten selbst von den menschlichen Jagdbombern abgehängt werden. Aber immer noch handelte es sich um einen recht massiven Block von mindestens 60 Maschinen aller Größenklassen, eskortiert von rund drei Dutzend Jägern.

Lilja schien inzwischen vollkommen vergessen zu haben, dass sie vor nicht allzu langer Zeit einen ihrer Untergebenen mit dem Tode bedroht hatte. Was jetzt zählte, war nur noch der Gegner, und ihr Kampfauftrag. Die Anweisungen der Verbandsführung waren eindeutig gewesen. Die leichten Maschinen – die Falcons und Griphens – sollten die feindlichen Jäger binden und den Weg freimachen für die Schwergewichte, für die Nighthawks und die terranischen Jagdbomber. Mit ihrer schweren Waffen würden sie die gegnerischen Bomber und Shuttles überwältigen. Soweit der Plan, der nur dann gelingen konnte, wenn die Menschen sich beeilten. Zögerten sie zu lange, dann bestand die Gefahr, dass die Akarii Verstärkung erhielten, und dann mochten die Rollen von Jägern und Beute sehr schnell wechseln.
Lilja wusste all das. Wie gebannt musterte sie den feindlichen Verband, suchte nach Schwachstellen. Die feindlichen Shuttles – das mussten diese verdammten Raketenträger sein, und einige waren nach Berichten ihrer letzten Gegner auch schwer bewaffnete Geschützplattformen – bildeten hinter der Außensicherung aus Jägern den zweiten Verteidigungsring, vielfach in Paare zusammengefasst. Dahinter kamen Jabos und Bomber als eigentlicher Kern des Verbandes. Die leichtesten Ziele, die Havaristen, mussten natürlich am weitesten drinnen sein, dort, wo schwer an sie ranzukommen war. Nun, sie würde ohnehin nicht so weit kommen. Sie musste sich nur überlegen, wie sie…
Für einen Moment verschwammen die Anzeigen vor ihren Augen. Die Situation kam ihr auf einmal erschreckend vertraut vor, so als hätte sie so etwas schon einmal, oder mehr als einmal erlebt. Der Kampf gegen eine Übermacht, hinter sich und vor sich nichts als weitere Kämpfe, bis sie sich gar nicht mehr daran erinnern konnte, dass es einmal etwas anderes gegeben hatte als Krieg und Tod, vor sich ein letzter Flug gegen eine feindliche Übermacht, bevor sie alle verbrannten in einem Feuer, das so heiß loderte wie ihr Hass. Sie fühlte sich unermesslich müde, aber sie wusste, was sie zu tun hatte. Sie öffnete ihren Mund, um ihre Befehle zu erteilen…
Mit einmal sah sie wieder klar. Sie spürte, dass ihre Hände zitterten, ihr Kopf schmerzte, als hätte man ihn ein paar Mal gegen die Armaturen gehämmert. Ihre Augen taten auch weh, als hätte sie zu lange vergessen, zu zwinkern.
Einige Atemzüge später war das alles vorbei. Sie fluchte in Gedanken. Verdammte Müdigkeit! Beschissene Marines! Und was die Akarii anging, für die gab es einfach keinen Fluch, der ausreichte, um ihren Hass angemessen auszudrücken! Sie hatte einfach keine Zeit für Schwäche. Im Kopf stellte sie ein paar Berechnungen an, dann erhöhte sie die Dosis der eingenommen Medikamente, obwohl sie ihre Ration an ,Muntermachern’ eigentlich schon vertilgt hatte. Sie wusste, sie bewegte sich an der Grenze dessen, was noch vertretbar war, aber im Krieg musste man eben Risiken eingehen.

Ihre Stimme klang abgehackt und grimmig, als sie eine Sprechverbindung öffnete: „Blue One?“ Das galt Ace. Die Antwort kam sofort: „Womit habe ich denn deine Aufmerksamkeit verdient?“ Der Pilot schien sich noch immer seine gute Laune bewahrt zu haben, ein Charakterzug – unter etlichen – den sie meistens ziemlich ätzend fand. Lilja hielt nicht viel von Smalltalk in Krisensituationen, ihrer Meinung nach war das etwas für Angeber. Ihr Humor war wesentlich beißender: „Verdient hast du sie gar nicht…“
„Was denn, hast du etwa Sehnsucht nach mir?“
„So viel Sehnsucht wie nach den Narben in meiner Fresse – und genau wie die werde ich dich ja wohl offenbar nicht los. Also, zum Thema. Wenn wir reingehen, werden wir nicht viel Zeit haben, eine Lücke zu schlagen. Es muss beim ersten Mal klappen. Wir sollten uns abstimmen, also hör zu, und hör gefälligst auf eine Frau, die dienstälter ist als du…“ Sie zögerte: „und die immerhin den Rang hat, dich rumzukommandieren.“ Letzteres gab ihr – zumindest im Moment – immer noch einen Vorteil. Allerdings würde Ace wohl nicht ewig First Lieutenant bleiben.

Der Kampf begann höchst einseitig. Kaum einer der Menschen hatte noch eine Langstreckenrakete – im Unterschied zu einigen der feindlichen Shuttles. Diese spuckten ganze Schwärme von Raketen aus, drei bis vier auf jedes Ziel. Wenige Sekunden später fielen die Mittelstreckenwerfer ein, und was als Feuerregen begonnen hatte, steigerte sich zu einem wahren Orkan. Und noch hatten die feindlichen Jäger nicht in den Kampf eingegriffen.
Die Falcons bildeten die Speerspitze des menschlichen Angriffs. Spurtschnelle Angreifer, in der Lage, fast jeden Deckungsschirm zu durchstoßen, flogen sie ihren schweren Brüdern förmlich davon, mitten in das feindliche Feuer hinein. Liljas merkte gar nicht, dass sie brüllte: „Kurs halten!“ Sie selber ging mit gutem Beispiel voran, obwohl sie wusste, dass ihre Täuschkörper nicht lange ausreichen würden. Sie gönnte sich nur sparsame Ausweichmanöver, musste darauf bauen, dass dies genügte. Um sie herum explodierten Raketen an Täuschkörpern, oder auch im Ziel. Die Piloten von Staffel Grün waren in ihrem Anflug nicht allein, aber dennoch war abzusehen, dass es so nicht mehr lange weitergehen würde. Wenn nicht die feindlichen Jäger schon verschossen gewesen wären…
Liljas Jäger wurde durchgeschüttelt, als sie einer Rakete nur knapp ausweichen konnte. Längst leuchtete eine ganze Reihe von Warnlampen. Aufmerksam betrachtete sie die Anzeigen. Vor ihr entfaltete sich die Formation der feindlichen Bloodhawks. Die Akarii hatten offenbar erkannt, dass die Menschen in einem Haken die feindliche Formation frontal angehen wollten. Das war riskant – man setzte sich so den Bugwaffen aus – aber es reduzierte den Flug durch die Todeszone erheblich, und man konnte sich leichter hinter den Gegner setzen, wenn man ihn erst einmal passiert hatte. Das ,Von-Bein’ war inzwischen auch den Echsen bekannt.

„Achtung!“ Der Schrei gellte durch den Sprechfunk. Beinahe synchron lösten die Menschen ihre Formation aus, und verbissen sich in wütende Nahkämpfe mit den Akarii. Die Russin flog mit einer geradezu traumtänzerischen Sicherheit, die daher rührte, dass sie bis ins kleinste Detail wusste, was ihre Flügelfrau tun würde – sie kannten sich lange genug. Sie verzichtete darauf, ihre letzten Raketen einzusetzen – Sidewinder waren bei dieser Art Kampf nahezu nutzlos, brauchten zu lange zum Aufschalten und mussten auf das Heck des Gegners abgefeuert werden, dazu waren sie viel zu leicht zu täuschen. Stattdessen gebrauchte sie ihre Bordwaffen, nicht so sehr für tödliche Hiebe, als vielmehr für verkrüppelnde Stiche, die den Gegner anschlagen sollten.
Sie raste an einer Bloodhawk vorbei, die ein brutales Wendemanöver vollführte, ging in eine Kurve um mit dem Gegner mitzuhalten, den grauen Schleier vor den Augen ignorierend, den die hohen Fliehkräfte verursachten. Der Gegner brach weg, und im selben Moment krachte eine Salve in ihr Heck, nur damit dieser Feind fast sofort von Imp verscheucht wurde. Es war ein klassischer Kurvenkampf – nervenaufreibend, tödlich, und blitzschnell. Genau das, womit sie gerechnet hatte. Sie registrierte nur am Rande, dass der Kampf inzwischen das erste Opfer ihrer Staffel gefordert hatte, obwohl es um ihren besten Freund ging. Sokol schlich vom Schlachtfeld, seine Maschine schwer beschädigt – für mehr als einen schnellen Blick auf die Anzeigen hatten weder Lilja noch Imp Zeit. Sie konnten erst recht nicht wahrnehmen, ob jemand ihrer Kameraden einen Treffer erzielt hatte. Die Russin zischte Flüche, in der all ihr Hass auf den Feind lag, nur um dazwischen Befehle an ihre Untergebenen zu bellen.

Plötzlich zerplatzte vor ihr ein Akarii, scheinbar aus dem Nichts. Das Siegesgeheul über die allgemeine Frequenz musste allen in den Ohren gellen: „Strike! Touchdown!“ Wie aus dem Nichts tauchte eine Handvoll terranischer Jäger auf, fiel den Akarii in die Flanke, die im Kurvenkampf verbissen waren. Ace – denn um Flieger seiner Staffel handelte es sich – hatte seine Untergebenen zurückgehalten und in einem weiten Haken aus dem Frontalangriff der übrigen schnellen Jäger herausgehalten. Jetzt setzen sie dem feindlichen Abfangschirm zu, brachen ihn auf für die schweren Einheiten.

,Ich sag es ihm besser nicht, aber hin und wieder gibt es tatsächlich Momente, da könnte ich fast denken ich würde den Knaben mögen.’ Lilja wusste, der Kampf musste sie schon sehr mitgenommen haben, wenn sie so dachte. Das hieß aber nicht, dass sie nicht voll bei der Sache war. Ein Akarii wandte sich der neuen Gefahr zu, wechselte wütende Feuerstöße mit dem Feind – genau die Art von Gelegenheit, auf die sie gewartet hatte. Sie peilte ihren Gegner an und überschütte ihn mit Salven. Die Echse kassierte einen Treffer nach dem anderen. Von zwei Seiten eingekeilt, brach er in einer schier unmöglich wirkenden scharfen Kehre weg. Er kam nicht weit. Weder Lilja noch einer der Blauen wurde ihm zum Verhängnis – Shoki nutzte gelassen ihre Chance. Die Bloodhawk wurde förmlich tranchiert. Der Pilot stieg aus, doch ob er dem kurzlebigen Feuerball entkam, in den sich seine Maschine verwandelte, ließ sich nicht sagen. Selbst wenn – er würde noch mehr Glück brauchen, damit er aufgesammelt würde, und wenn, dann drohte ihm wohl die Kriegsgefangenschaft.
Die Japanerin schien der Verlust ihres Flügelmannes gut weggesteckt zu haben und behauptete sich mit einem Geschick, das fast an die Flugkünste ihre Bruders erinnerte.
Für einen Augenblick gönnte sich Lilja so etwas wie grimmige Zufriedenheit. Die Abfangjäger der Akarii waren in Nahkämpfe verwickelt, niedergerungen, aus dem Gleichgewicht gebracht – der Weg in die feindliche Formation war frei für die schweren terranischen Jäger. Sicher, auch die feindlichen Jabos waren keine leichten Ziele, jetzt, nachdem sie ihre schweren Raketen losgeworden waren, aber an solche Probleme waren die Angry Angels gewöhnt. Sie selber und die ihren mussten nur sorgen, dass die Bloodhawks nicht in der Lage waren, sich neu zu formieren, und dann…

Der feindliche Gegenschlag erfolgte ebenso kraftvoll wie überraschend. Vor Liljas Augen wurde eine Nighthawk – aus welcher Staffel oder welchem Geschwader war nicht festzustellen – förmlich zerfetzt. Eine Griphen teilte ihr Schicksal, und nur Sekunden später schlich eine waidwunde Falcon davon, mit stotternden Triebwerken, die es nur mit sehr viel Glück bis zum heimatlichen Träger schaffen würden.
In kompakter Formation griffen die feindlichen Shuttles an, ihre mangelnde Geschwindigkeit und Wendigkeit mit schierer Feuerkraft, schweren Schilden und Panzerung ausgleichend. Wie ein Fausthieb in den Bauch eines Rennenden, so trafen sie ihren Gegner. Ihr Angriff dauerte noch keine 30 Sekunden, da befand sich schon eine ganze Sektion des terranischen Angriffs in Auflösung.
Lilja gönnte sich nicht einmal Zeit für einen Fluch: „Fidai, Guardsman – Ablenkungsangriff auf Ziel…der Rest – Zangenangriff!“
Vor ihren Augen spritzten die vier außer ihr noch verbleibenden Stallions auseinander. Ihre wendigen Maschinen gaben ihnen einen geringen Vorteil gegenüber den feindlichen Shuttles, aber den hatten sie auch dringend nötig. Wie eine Rotte Bullterrier einen Stier gingen sie den Feind an. Doch die Stiere wussten sich zu wehren. Lilja hatte keine Sekunde gezögert, zwei ihrer Untergebenen zu riskieren, um den anderen etwas Luft zu verschaffen. Es war nötig gewesen – aber die Folgen waren katastrophal. Vor den Augen der Grünen kassierte Guardsmans Jäger einen Volltreffer. Der ehemalige Nationalgardist verschoß seine letzten Raketen und traf sein Ziel, aber der Akarii schüttelte die Einschläge einfach ab. Die Bordkanonen gabelten das Ziel ein, ließen es nicht entkommen. Mit einem Schrei voll Entsetzen und Wut katapultierte sich Guardsman aus seinem dem Tode geweihten Jäger. Der Schleudersitz trug ihn davon, hinaus in die Dunkelheit. Hinter ihm zerplatzte sein Jäger – doch diesmal gab es kein Entrinnen. Sei es aus Absicht oder zufällig, das Feuer das Akarii verlagerte sich ein wenig – und Ajay Devgan alias Guardsman, First Lieutenant der TSN, Ehemann und Familienvater hörte einfach auf zu existieren. Kein Schrei, kein Blitz, er war einfach nicht mehr da.

Liljas Jäger bäumte sich auf, als nah, viel zu nah eine Rakete detonierte, gefolgt von einer zweiten. Diese verdammten feindlichen Salvenwerfer! Guardsmans Tod hatte sie nur am Rande registriert – nur in so weit, dass das zweite Shuttle jetzt eingreifen würde, wenn Fidai kein Wunder vollbrachte. So oder so, ihr blieb nicht mehr viel Zeit.
Einmal mehr retteten nur Erfahrung und ihr schneller Jäger sie vor einem tödlichen Treffer. Die Shuttles – das musste eines von denen sein, die mehr leichte Waffen und keine Atomraketen trugen – waren unglaublich stark bewaffnet, und ihre Zielsysteme mussten erstklassig sein. Es war, als würde man gegen einen ganzen Schwarm von Korvetten kämpfen! Das Shuttle vor ihr kassierte einen Treffer nach dem nächsten, als Imp und Shoki auf es einhämmerten, aber die massiven Schilde schienen dem standzuhalten, so sehr sie auch an ihm nagten. Die Bugkanonen zerfetzten Liljas Schilde, und nur ein Überschlag rettete sie vor dem Abschuss. Wieder sprach ein gegnerischer Raketenwerfer. Lilja warf einen panischen Blick auf die Anzeigen, dann handelte sie. Sie musste…
Die vier feindlichen Raketen detonierten fast synchron in einem Inferno, das viel zu hell und zu groß wirkte für einen Täuschkörper. Das feindliche Shuttle schien buchstäblich durch den kollabierenden Flammenball zu pflügen, die Bordwaffen rotierten, suchten neue Gegner. Ein fassungsloser Schreckensschrei gellte durch die Funkkanäle, ein Schrei von Imp’s Lippen: „TANJAAAA!“ Auf ihren Anzeigen war nichts mehr zu erkennen – kein FFI- oder Transpondersignal von Grün Eins, nicht einmal eine Notsignalbake.
Doch noch ehe sie das Schreckliche wirklich verarbeiten konnte, flackerten die Anzeigen auf – und im Heck des Akarii erblühten zwei Miniatursonnen. Das Shuttle überschlug sich, dann begann es in Zeitlupe auseinander zu brechen.

Die Russin spürte, wie ihre Zähne klapperten – vor Schock. Kein Siegesschrei wollte ihr über die Lippen. Ihr Atem ging keuchend, und sie schien eine Ewigkeit zu brauchen, ehe sie einen artikulierten Laut herausbrachte. Das war KNAPP gewesen.
Sie hatte im letzten Moment, kurz vor dem Einschlag der feindlichen Raketen, noch ein paar Täuschkörper ausgestoßen, das Notablassventil des Treibstofftanks geöffnet und Triebwerk sowie ihr FFI und den Transponder abgewürgt. Sie hatte selbst nicht geglaubt, alles rechtzeitig, genau im richtigen Timing zu schaffen. Aber dann hatte es doch funktioniert. Die Explosion hatte ihren Jäger die restliche Schildenergie und einen Großteil der Panzerung gekostet, sie verlor Energie – aber die Raketen hatten nur die Täuschkörper und den schockartig gefrierenden Treibstoff getroffen. Ohne Antrieb und Signale war sie auf den Anzeigen effektiv tot gewesen, für ihre Kameraden und die Akarii gleichermaßen. Als sie das Triebwerk wieder hochfuhr und dem Akarii ihre letzten zwei Sidewinder verpasste, hatte der nicht schnell genug reagieren können. Wer rechnete schon mit einem Angriff aus dem Grab?
Doch der Triumph schmeckte bitter, die Freude über das eigene Überleben war schal. Ihr Jäger war praktisch schrottreif, ihre Kameraden sämtlich angeschlagen, Sokol humpelte als Havarist zurück, Guardsman war tot – verdammt, was hatte sie nur angerichtet! – und vor allem, die feindliche Formation war noch immer intakt, zog unerschüttert ihre Bahn. Die Shuttles hielten stand, die Bomber und besonders die Jagdbomber des Feindes schlugen die Angriffe der Terraner auf ihre Formation ab. Die Raptoren kämpften, als wollten sie sich ihres Decknamens wahrhaft würdig erweisen. Die Akarii hatten Verluste erlitten, ernste Verluste – aber es würde kein Abschlachten eines fliehenden Haufens geben, nicht hier, nicht heute. Und in der Ferne, mit jeder Sekunde näher kommend, nahte die gegnerische Verstärkung.
Lilja sah all das. Sie sah auch, dass der eigentlich Kampf während dieses brutalen Hauen und Stechens an ihr und ihrem verlorenen Haufen vorbeigegangen war. Die Akarii rasten weiterhin ihren Kameraden, ihrer Heimat entgegen, und die Stallions waren zurückgeblieben. In ihr war nicht mehr die Kraft weiterzukämpfen, und sie hatte auch nicht mehr die Mittel. Keiner von ihnen hatte sie mehr. Guardsmans Mörder entkam, seine Kameraden entkamen – und sie konnte nichts, aber auch gar nichts dagegen tun.
„Stall…Stallions…Aufschließen. Angriff abbrechen. Wir fliegen zurück.“
Sie zögerte: „Bergungsshuttle? Hier sind ein paar Akarii. Kann sein, dass sich jemand gerne mit ihnen unterhalten würde.“
Dann wendete sie ihren Jäger. Sie wusste nicht, wie die Militärgeschichtsschreibung dieses erste Treffen in der Schlacht von Sterntor bezeichnen würde. Für Lieutenant Commander Tatjana „Lilja“ Pawlitschenko fühlte es sich jedenfalls wie eine Niederlage an.