Cunningham
Und hier noch einige Texte, die ich abseits der Haupthandlung gesponnen habe.
Kha’al Rhak Airbase, Jaspair II.,
Colonial Confederation
6. Dezember 2632
„Herein“, Colonel Arthur Devaskatov löschte den Bildschirm und erhob sich um seinen zweiten Besucher zu begrüßen.
„Guten Abend Jules, dies ist Lieutenant Boronev, vom Verbindungsbüro der Navy zur TSN“, Devaskatov deutete auf seinen anderen Besucher, der sich ebenfalls erhob und Jules die Hand zum Gruß darbot.
„Major Stafford“, murmelte Boronev.
„Lieutenant“, Jules schüttelte dem Lieutenant die Hand und gemeinsam nahmen die drei Offiziere wieder Platz, „es freut mich zu sehen, dass mein Problem ernst genommen wird.“
„Nun, Major“, Lieutenant Boronev sah nicht sehr glücklich aus, „wir haben da tatsächlich ein Problem. Ihrer Akte habe ich entnommen, dass Sie auf Vargas III. aufs College gegangen sind und sich diesen Schulbesuch dadurch, ehem Finanziert haben, dass sie dem ROTC, Reserve Officers Training Corps, der Terran Space Navy beigetreten sind und nach Abschluss der Schule drei Jahre bei der TSN gedient haben und sind dann in die aktive Reserve gewechselt.“
„Und was heißt das jetzt für mich, Lieutenant“, Jules schwante übles.
Boronev holte tief Luft: „Nun, die TSN hat das Recht Sie einzuberufen.“
„Aber ich diene doch in den colonialen Streitkräften und wir sind doch ebenfalls mit den Akarii im Krieg.“
„Nun, das ist im Grunde korrekt, doch sind sie letztlich nur Major in einem Miliz-Geschwader und kein Navy-Pilot. Und nun, wir sind jetzt Kriegsbedingt sehr auf den Goodwill der Terry’s angewiesen und empfehlen daher, dass Sie von der Jaspairian Space Force frei gestellt werden.“
„Und was ist mit meiner Freiwilligmeldung für den Flugdienst bei der Navy? Ich meine, wir brauchen doch jetzt auch jeden Piloten!“
„Grundsätzlich ist das natürlich richtig“, bestätigt Boronev, „nur und da sollten wir uns nichts vormachen, sind zurzeit für uns die Nachschublieferungen durch die TSN weitaus wichtiger als hundert oder zweihundert Offiziere, welche die Terrys einziehen.“
Jules schüttelte den Kopf, als hätte er einen Schlag einstecken müssen: „Und was ist mit unseren Leuten, im Frontdienst, die ebenfalls zur aktiven Reserve der TSN gehören?“
„Nun, die TSN weiß, dass wir diese Frauen und Männer nicht freistellen werden und hat daher auf deren Aktivierung verzichtet. Im Gegenzug dafür und für die Zusicherung von entsprechenden Nachschublieferungen, werden wir uns der Einberufung von, naja Leuten wie Ihnen, Major, nicht in den Weg stellen.“
„Das kann doch nicht Ihr Ernst sein, Lieutenant, wissen Sie als was ich eingezogen werde? Als 2nd Lieutenant, das ist zwei Stufen unter meinem jetzigen Rang. Ich werde im gleichen Rang stehen wie Leute mit zehn Jahren weniger Diensterfahrung, Absolventen von der Pilotenschule und wissen Sie, was das für ein Verdienstverlust für mich ist?“
„Major, persönlich kann ich Sie da vollständig verstehen, doch die Konföderation ist tatsächlich eher an guten diplomatischen Beziehungen zur Republik interessiert“, antwortete Boronev, den Kopf leicht einziehend, „wenn Sie zivilgerichtlich gegen diese Einberufung vorgehen wollen, bitte nur zu.“
„In Kriegszeiten vor einem Gericht der Republik gegen die Einberufung in die TSN vorgehen, sehe ich so dämlich aus“, Jules wandte sich an seinen Vorgesetzten, „und was sagt unser Oberkommando dazu?“
Colonel Devaskatov lehnte sich zurück: „Nun Jules, die Jasparian Space Force stellt Sie für den Kriegsdienst in der TSN frei, genau so, wie man Sie für den Dienst in der Colonial Navy freigestellt hätte. Sie werden in den Reservestatus versetzt und man ist bereit, ihre Seniorität weiterlaufen zu lassen.“
„Toll, dann bin ich wenn ich aus dem Krieg zurückkomme der Dienstälteste Major der Space Force und werde dann unter jüngeren Vorgesetzten dienen, einfach klasse und ob mich die TSN als Jagdpilot verwendet steht ja noch auf einem ganz anderen Blatt, die Pilotenausbildung habe ich hier auf Jaspair erhalten.“
Devaskatov blickte unglücklich drein.
Shuttel Alpha-Romeo-1-0-4
Kalard-System, FRT
4. Januar 2633
Jules Stafford zog also in den Krieg. Er trug die Offiziersuniform der Navy, die khakifarbene der TSN, nicht das Grau der Colonial Navy, mit allen autorisierten Dekorationen, die er sich während seiner drei Jahre als Ensign und 2nd Lieutenant erworben hatte, nachdem die TSN ihm das College finanziert hatte.
Natürlich hatte er die Flugtauglichkeitsprüfung der TSN bestanden und war zusammen mit einigen anderen Reservisten in einen Auffrischungskurs gesteckt worden und hatte sich als Pilot für die F-102 C Typhoon qualifiziert und war jetzt auf den Weg zu seinem ersten Dienstposten. Als Ersatzpilot auf einen leichten Träger.
In der Heimat hatte er eine Schwadron aus sechzehn Mustangs befehligt, hier würde er Befehle von jüngeren und unerfahreneren Offizieren entgegen nehmen müssen.
Gut, dass war jetzt vielleicht etwas unfair den jüngeren Offizieren gegenüber, hatten sie doch gerade in letzter Zeit viel Kampferfahrung sammeln müssen.
Seine neuen Kameraden waren in der Regel acht Jahre jünger als er und waren gerade ihren Flugschulen entwachsen.
Krampfhaft versuchte Jules das Geschnatter der jüngeren Piloten auszublenden und sich seinem NASTOPS, Naval Air/Space Traning and Operations Procedure Standards, zuzuwenden. Doch irgendwie fand er keinen Zugang zu der Lektüre. Trotz seiner Karriere als Pilot war er noch nie von einem Träger aus geflogen und der fieberhaften Neugierte und natürlich auch Vorfreude auf die baldige Ankunft auf seiner neuen Heimat für die nächsten Monate machte auch ihn kribbelig.
Dem konnte er sich letztlich genau so wenig verschließen wie seine jüngeren Kameraden.
Battle Cat 2-0-3
Kalard-System FRT
4. Januar 2633
Lieutenant Junior Grade Chester DuMont überprüfte die Anzeige auf seinem Radar. Sein Computer zeigte ihm den Bogey als Personentransportvariante des S-41 Mulitfunktionsshuttles an. Die IFF, Freund-Feind-Identifikation, weiß es der TSN zu. Vor wenigen Monaten, hätten er und das Ziel nur kurze Funksprüche ausgetauscht, doch die Einsatzrichtlinien für die CAP, Combat Air Patrol, sahen vor, das unbekannte Objekt abzufangen, zu identifizieren und nötigenfalls zu neutralisieren.
Bei seiner ersten Mission als Rottenführer wollte er natürlich alles ganz hundert Prozentig richtig machen.
Zu seinem persönlichen Unbehagen hatte Lieutenant Commander Schramm ihm einen erfahreneren Piloten als Rottenflieger mitgegeben, um ihn zu beaufsichtigen. Und er wusste ganz genau, dass wenn sie sich in der Nähe der Front befunden hätten, wäre Nero der Anführer und nicht er.
„Nero, Cheese, Waffen scharf, wir werden das Ziel abfangen und uns ihn von achtern nähern. Bei viertausend Klicks funken wir den Bogey an!“
„Cheese, Nero“, kam die ruhige Antwort, „Roger, Waffen sind scharf, Du führst!“
„Nero, Cheese, Roger, dann mir nach.“
Der junge Pilot beschleunigte seine F-102 C Typhoon und sah mit einer gewissen Befriedigung, dass Nero mit leichter Verzögerung folgte.
„Cheese, Nero, ich glaube, wir haben es mit zwei Bogeys in enger Formation zu tun!“
„Nero, Cheese, negativ, dass… nein warte, Du hast recht, Bogey zwo ist ebenfalls ein S-41, verdammt!“ DuMont fletschte die Zähne, besser etwas früher anrufen. Er schaltete die allgemeine Frequenz zu: „Unidentifizierte Schiffe, hier ist Battle Cat zwo-null-drei, identifizieren Sie sich!“
„Battle Cat zwo-null-drei, hier sind TSN Shuttle Alpha-Romeo eins-null-vier und Bravo-Lima sechs-zwo-sechs für TRS Shiloh. Wir bringen Piloten und Ersatzteile für das Bordgeschwader.“
„Verstanden Alpha-Romeo eins-null-vier, wir klären dies mit der Shiloh ab. Halten Sie Kurs und Geschwindigkeit. Battle Cat zwo-null-drei over.“
„Verstanden Battle Cat zwo-null-drei!“
DuMont wartete ab, während sein Flügelmann die Shiloh anfunkte und sich eine Bestätigung einholte. Währenddessen schlossen sie zu den beiden Shuttles auf. Die beiden Busfahrer hielten tatsächlich eine ziemlich enge Formation.
„Cheese, Nero, Mother bestätigt, beide Transporter werden erwartet.“
„Nero, Cheese, roger.“ Er wechselte auf die allgemeine Frequenz: „Alpha-Romeo eins-null-drei, Battle Cat zwo-null-drei, wechseln Sie auf Flottenfrequenz X-Ray-sieben-zwo-zwo!“
„Battle Cat vier-null-drei, Alpha-Romeo eins-null-drei, wechseln die Frequenz.“
Es dauerte einen kurzen Moment, dann meldete sich der Shuttlepilot erneut: „Battle Cat, Alpha-Romeo, Rufzeichen Kona, hören Sie mich?“
„Kona, Cheese, laut und deutlich, Ihr habt Freigabe, wir Eskortieren Sie. Reihen Sie sich ein.“
„Cheese, Kona, in Ordnung aber denkt daran, wir können nicht ganz so schnell.“
DuMont lachte auf: „Kona, Cheese, keine Sorge, wir wollen ja, dass Ihr unseren Nachschub sicher abliefert.“
Alpha-Romeo 1-0-2
Kalard-System FRT
4. Januar 2633
Vom plötzlichen Kurswechsel aufgeschreckt wurde Jules aus seinen Gedanken gerissen, neugierig und ohne große Hoffnung, dass er was sehen konnte, blickte er dennoch aus dem Fenster.
Aber er wurde freudig überrascht, an Backbord hatte eine F-102 C Typhoon Position bezogen. Dieser wendige und schnelle Jäger stellte alles in den Schatten, was er bislang geflogen war.
Die schlanken Linien und die lang gezogene Nase gaben ihm etwas Raubvogelhaftes. Dass er bald selbst so einen fliegen würde, steigerte seine Vorfreude weiter: „Hallo Schönheit!“
Ivan Petronov, ein frisch graduierter Pilot, der ihm gegenüber saß blickte ihn fragend an.
Jules deutete zum Fenster.
„Wow, wir haben Gesellschaft“, frohlockte Petronov und nun drängten sich alle Passagiere an den Fenstern.
„Sind Sie schon mal mit einer geflogen?“ Petronov wahrte aufgrund des Altersunterschieds respektvollen Abstand.
„Nein, ich bin in der Navy noch nie einen Jäger geflogen, bevor der Krieg ausbrach.“
„Aber Sie sind schon Jäger geflogen, heißt es und auch Kampfeinsätze.“
Jules nickte: „Ja, ich habe schon mit Piraten gekurbelt. In einer der vielen dezentralisierten Milizen der Konföderation. Eine uralte Mustang, die älter war als Sie oder auch ich.“
Petronov blickte ihn fasziniert und neugierig an.
„Na los, fragen Sie schon, Lieutenant.“
„Warum dienen Sie dann nicht in der konföderierten Flotte?“
„Ich wurde eingezogen“, Jules Grimasse und Tonfall entmutigten den jüngeren Piloten und so verfielen sie beiden wieder in Schweigen. Tatsächlich auch zu Jules Bedauern.
Etwa eine Stunde später meldete sich der Pilot der Raumfähre über Interkom: „Ladies and Gentlemen, wenn Sie an Steuerbord aus dem Fenster sehen, werden Sie gleich unser Ziel erblicken. Wir haben bereits Landeerlaubnis erhalten und werden in etwa fünfzehn Minuten auf der Shiloh aufsetzen. TSN-Spacelines bedankt sich, dass Sie mit uns für Ihren Trip an die Front gewählt haben und wünscht Ihnen allen Hals- und Beinbruch.“
Jules machte sich lang, musste jedoch aufstehen um nach Steuerbord hinaussehen zu können. Dort erhaschte er tatsächlich einen kurzen Blick auf den leichten Träger, der inmitten seiner Zerstörereskorte durchs All stampfte.
Doch schon bald leuchteten die Zeichen auf, dass man sich anschnallen soll und er setzte sich wieder hin. Die Spannung stieg noch einmal und Jules versuchte den Zeitpunkt zu erhaschen, wann der Traktorstrahler der Shiloh das Shuttle erfasst, doch es gelang ihm nicht.
Trotz der Vorwarnung, war es so, als ob sie plötzlich in einen Hangar gezogen wurden. Mit einem sanften Ruck setzte das Shuttle auf und rollte auf dem Flugdeck aus.
Die Anschnall-Zeichen erloschen wieder und ehe die Rampe der Raumfähre das Flugdeck berührte, stakste ein Offizier die Rampe hoch und betrat das Passagierabteil. Goldenes Eichenlaub wies ihn als Lieutenant Commander aus, die goldenen Schwingen als Piloten, das Namensschild über der rechten Brusttasche verkündete Al-Matari.
„Hergehört Piloten“, blaffte Al-Matari, „Sie schnappen jetzt Ihre Seesäcke und sehen zu, dass Sie in Bewegung kommen. Auf dem Flugdeck treten Sie entlang der roten Mittellinie in zwei Reihen an! BEWEGUNG WENN ICH BITTEN DARF!“
Das ließen sich die neuen Piloten nicht zweimal sagen und begannen teilweise Hecktisch ihre Seesäcke hervorzukramen und sich gegenseitig beim Aussteigen über den Haufen zu rennen.
Jules ließ wohlweißlich jedem der wollte den Vortritt, nur um sich von Al-Matari anhören zu dürfen, ob er einer Extraeinladung bedürfe.
Dann nach endlosen zwei Minuten standen die neuen Piloten in zwei Reihen angetreten, die Seesäcke rechts neben sich liegen.
Jules hatte kaum Zeit die neuen Eindrücke aufzunehmen. Das Flugdeck der Shiloh war seiner Meinung nach tip-top. Doch deutlich war die eigentümliche Luft eines Raumschiffes zu vernehmen, an die er sich trotz all der Jahre die zurück lagen noch gut erinnern konnte. Als Ensign an Bord eines Zerstörers war das natürlich alles viel deutlicher und eindrucksvoller gewesen.
Jemand wie Al-Matari war ihm damals wie ein Halbgott vorgekommen und solche kleinen Anschnauzer wie eben waren für ihn wie Peitschenhiebe gewesen. Heute war er abgeklärter und er fragte sich einen Moment, ob er unter den ganzen jungen Hüpfern irgendwie als schlampig in seiner Habt-Acht-Stellung auffallen würde und ob Al-Matari oder der Commander hinter dem dieser jetzt Aufstellung nahm, ihre Zeit damit verschwenden würden IHN daraufhin zurecht zu weisen.
„Rühren, Herrschaften, bitte stehen Sie bequem“, begann der Commander mit sympathischer, Vertrauen erweckender Stimme, „meine Name ist Jackson Sandoval, ich bin Ihr Geschwaderführer. Willkommen an Bord der Shiloh und beim siebenundzwanzigsten Fighter Wing. Willkommen Hellcats.
Dies ist mein XO, Lieutenant Commander Hassan Al-Matari und Kommandeur von VFA 213, unserer Jagdbomberschwadron. Ich selbst befehlige VF 214 unsere Allzweckschwadron, die Black Tiger.
Sie meine Damen und Herren sind hier, weil wir uns seit dem 9. September mit dem Sternenimperium der Akarii im Krieg befinden. Ein Großteil unserer Veteranen wurden auf andere Träger zu anderen Geschwadern versetzt um Gefechtsverluste, verwundete oder gefallene Piloten zu ersetzen. Sie sollen hier den letzten Schliff erhalten um volle Gefechtsbereitschaft zu erhalten und machen gleichzeitig andere, erfahrenere Piloten für den direkten Fronteinsatz frei.
Lassen Sie sich davon nicht täuschen, die Shiloh befindet sich im Kriegseinsatz und jeder Ihrer Einsätze findet unter Gefechtsbedingungen statt.
Wenn dieses Geschwader wieder als voll einsatzbereit eingestuft wird, lösen wir entweder einen anderen Träger an der Front ab oder Sie werden in Geschwader im Fronteinsatz versetzt und wir beginnen hier mit neuen Rookies.
Damit habe ich dann auch das böse Wort benutzt. Bis Ihre Staffelführer oder ich etwas anderes beschließen sind Sie Rookies und Sie werden ihren kampferfahrenen Assistenzausbildern gehorchen, auch wenn diese im gleichen Rang stehen wie Sie. Jeder der älteren Piloten hat schon auf die ein oder andere Weise Kampferfahrung gesammelt und Sie werden uns erst noch beweisen müssen, dass Sie für den Kampfeinsatz bereit sind.
Als erstes werden Sie Ihre Quartiere beziehen, im Bereitschaftsraum eins sind die Belegungen und Staffelzuteilungen ausgehängt. Um vierzehnhundert melden Sie sich bei Ihren Staffelführern zur Einweisung. Diese findet in den Bereitschaftsräumen der jeweiligen Staffeln statt. Um sechzehnhundert beginnen die Flugoperationen, eventuell sind einige von Ihnen dafür schon eingeteilt. Wie gesagt, Sie sind hier um den letzten Schliff zu erhalten, also werden Sie fliegen.
Abschließend kann ich Ihnen nur heiße Düsen wünschen und baut keine Scheiße.
Weggetreten!“
Und baut keine Scheiße. Wohl der wichtigste Rat den man als Pilot bekommen konnte. Eines von Jules Privilegien als Staffelführer war es ein eigenes Zimmer gehabt zu haben. An Bord der Shiloh musste er sich ein Zimmer mit einem anderen Lieutenant teilen.
Rechts wurde das Zimmer durch eine Doppelbettkonstruktion mit eingebauten Schränken und Schubladen begrenzt.
Links eine kleine Sitzecke, nicht mehr als zwei Sitzgelegenheiten mit einem Tisch dazwischen, einen in einen Schrank integrierten Schreibtisch mit einem Stuhl.
Das auf der einen Seite die Tür zum Korridor und auf der anderen Seite die Tür zu einem Bad mit WC, Dusche und Waschbecken, das man sich mit zwei weiteren Piloten teilen musste verschaffte dem ganzen Raum den Eindruck eines Durchgangsflures.
Ein nicht geleerter Aschenbecher auf dem Tisch zeigte, dass sein Stubenkamerad Raucher war oder zumindest nichts gegen rauchenden Besuch hatte. Da der andere zuerst da gewesen war und somit das Prädikat Stubenältester inne hatte, konnte Jules da nicht viel gegen machen. Außer ihn zu erziehen. Da er hin und wieder gerne Zigarre rauchte hatte er einen kleinen Karton Montenegro Maximos in seinem Seesack und eine dieser zwölf Zentimeter langen Kotzbalken war bestens dazu geeignet das gesamte quartier einzunebeln.
Jedoch blieb Jules gerade genug Zeit seinen Seesack auszuräumen und seine Habe zu verstauen, dann musste er sich beeilen den Bereitschaftsraum seiner Staffel zu finden.
Wenn man zum ersten mal auf einem neuen Raumschiff ist, kann man sich leicht verlaufen, vor allem, wenn es sich um quasi eine Autarke Stadt wie einen leichten Träger, mit mehreren tausend Mann Besatzung, handelt.
Die Bereitschaftsräume seiner Staffel, VF 212, Ausgerüstet mit den F-102 C Typhoons mit dem Spitznamen Battle Cats befanden sich wie die der anderen fünf Staffeln steuerbord auf Deck acht, mit Blick auf das vier Decks hohe Flugdeck des Trägers.
Sie umfassten einen Briefingroom, eine Umkleide mit Duschen und WCs, ein Büro für den Staffelführer.
Der Briefingroom war das Herzstück des Staffellebens. Vier Reihen zu je vier gepolsterten Stühle, eher Sessel waren aufsteigend angeordnet, so dass man wie im Kino auf den großen Wandmonitor sehen konnte.
Auf der linken Seite war ein Rednerpult mit Computerinterface aufgestellt. Hinter den Stuhlreihen befand sich noch ein großzügig bemessener Schreibtisch für den Offizier vom Dienst.
Die Linke Wand besaß abdunkelbare Scheiben zum Flugdeck hin, links war das wandhohe Staffelemblem angebracht. Eine aufrecht stehende schwarze Katze im Gladiatorenoutfit.
Während nach und nach die letzten Piloten eintrafen und sich auch einige Unteroffiziere, den Abzeichen nach die leitenden Mechaniker der Staffel dazugesellten stand am Rednerpult eine brünette Offizierin, die Jules auf etwa fünf Jahre jünger als sich selbst einschätzte und gab Daten in das Computerinterface ein. Die Rangabzeichen am Kragen wiesen sie als Lieutenant Commander aus.
Kurz vor zwei blickte sie in die Runde und aktivierte den Wandbildschirm, auf ein Sternensystem erschien.
„Da ja schon alle da sind“, begann sie, „können wir auch gleich beginnen. Ich bin Lieutenant Commander Ester Schramm, mein Rufzeichen ist Twist. Ich bin ihre Staffelführerin.
Ich heiße Sie bei den Battle Cats und den Hellcats gleichermaßen willkommen.
Wie Sie alle wissen, sind wir mit der F-102 Typhoon ausgerüstet, einen schnellen und sehr wendigen Abfangjäger. Unsere Aufgaben sind daher recht vielfältig, respektive unsere Einsatzparameter. Wir fliegen Punktverteidigung für die Shiloh und ihre Eskorten, Begleitschutz für Bomber, Frachter und Shuttles in den unterschiedlichsten Varianten. Unsere primäre Aufgabe ist daher der Schutz und die Verteidigung und dies werden wir intensiv üben.“
Twist gab einen Befehl in das Computerpult ein und in dem System erschien eine Darstellung der Shiloh-Strikegroupe.
„Sie sehen, patrolliert die Shiloh das Kalard-System. Dieses System wurde offiziell vor zwanzig Jahren aufgegeben und die letzten Einwohner, seinerzeit Schürfer im Asteroidengürtel, sind ausgewandert. Tatsächlich ist Kalard alles andere als unbewohnt, wobei die Zahl an Einwohnern auf um die fünftausend geschätzt wird, davon die meisten auf Kalard II. Wir sind hier stationiert, weil es zwei Wurmlochtunnel in die Colonial Confederation gibt und einen tiefer in republikanisches Gebiet.
Seit Kriegsbeginn hat leitet die TSN einen Großteil ihrer Nachschublieferungen an die Colonial Navy durch dieses System. Der Stab der 4. Flotte hat demnach dieses System als äußerst Wertvoll für die Kriegsanstrengungen deklariert.“
Während ihres Vortrages musste Twist immer wieder ihre Unterlagen sortieren und spielte nervös mit ihrem Lichtgriffel.
„Nachdem wir heute unseren Teil an Patrolien beigetragen haben, übernehmen diese Aufgabe für den Rest des Tages die Black Tiger-Staffel und die Tomcatters. Das gibt uns genügend Zeit für etwas Eingewöhnung im Simulator.“
Ohne es wirklich zu wollen hob Jules die Hand, was seiner Staffelführerin ein Stirnrunzeln abrang: „Ja, Lieutenant.“
„Der CAG sagte bei seiner Begrüßung, dass diese Fahrt unter Kriegsbedingungen stattfindet. Sollten wir dann nicht als erstes in unser Flieger eingewiesen werden?“
„Lieutenant, Erstens: Bevor ich Sie und die anderen Rookies auf echte Flieger los lasse, sehe ich mir an, was auf mich zukommt und zweitens: Kann ich Klugscheißerei nicht leiden. Besonders, wenn Sie von einem Grenzwelt-Cowboy kommt, der meint sich vor dem Simulator drücken zu müssen.“
Von den anderen zehn Piloten erklang teils schadenfrohes, teils gehässiges Gekicher und Jules senkte seinen Arm wieder.
„Wir werden mit Standard-Formationsflug beginnen und später…“
Büro des CAG, TRS Shiloh
Kalard-System FRT
4. Januar 2633
„Oh, man habe ich heute Scheiße gebaut“, Lieutenant Commander Schramm bedeckte mit beiden Händen die Augen, während Commander Sandoval seinen Staffelführern Kaffee einschenkte.
„Wie das Twist?“ Reuben LeCrouix der einzig “wirkliche” Veteran mit mehr als zwölf Jahren Dienstzeit im Geschwader der Shiloh, lehnte sich vor und bestückte seinen Kaffee mit Zucker und Milch.
„Ich habe ohne Grund einen meiner Piloten rund gemacht, einen Kerl namens Jules Stafford, der Knabe hat eine Staffel Mustangs in einer aktiven colonialen Miliz befehligt. Der Mann war drei Jahre Staffelführer und ich nur drei Tage.“
„Älterer, braunhaariger Typ, mit einem Hauch von Easy-Going?“ Al-Matari grinste vergnügt.
„Ja, so in etwa.“
Der Jagdbomberpilot und Geschwader-XO gluckste: „Den habe ich auch schon angeranzt, kam nicht schnell genug aus dem Shuttle.“
„Und, was hat er bei Ihnen verbrochen Twist?“ Wollte der CAG wissen, der ebenfalls wieder Platz nahm.
„Er hat mich mit einer Anmerkung aus dem Konzept gebracht und ich habe ihn vor allen anderen Grenzwelt-Cowboy genannt und Rookie und jetzt ist auch noch Cowboy als Rufzeichen hängen geblieben.“
LeCrouix verzog das Gesicht: „Uih, das ist hart.“
Twist schnaufte: „Und im Simulatortraining hat er die Fetzen fliegen lassen. Hat dann alle Rookies hinter sich gelassen, wen wundert’s und Cheese hat er zweimal abgeschossen und beinahe einmal Nero.“
„Und etwa Sie auch?“
Jetzt war es an der jungen Staffelführerin zu grinsen: „Dazu gehört schon ein bisschen mehr.“
„Wenn Sie meinen Rat hören wollen“, merkte Sandoval an, „und das wollen Sie, sonst hätten Sie dieses Thema nicht auf den Tisch gebracht, reden Sie nochmal unter vier Augen mit… Cowboy und wenn er tatsächlich entsprechendes Talent hat, setzen Sie es einfach ein. Als Assistenzausbilder, Rottenführer, eventuell eine Sektion.“
Sandoval wandte sich seinen beiden anderen Staffelführern zu: „Und haben Sie schon irgendwelche bemerkenswerten Berichte über ihre Rookies?“
Kha’al Rhak Airbase, Jaspair II.,
Colonial Confederation
6. Dezember 2632
„Herein“, Colonel Arthur Devaskatov löschte den Bildschirm und erhob sich um seinen zweiten Besucher zu begrüßen.
„Guten Abend Jules, dies ist Lieutenant Boronev, vom Verbindungsbüro der Navy zur TSN“, Devaskatov deutete auf seinen anderen Besucher, der sich ebenfalls erhob und Jules die Hand zum Gruß darbot.
„Major Stafford“, murmelte Boronev.
„Lieutenant“, Jules schüttelte dem Lieutenant die Hand und gemeinsam nahmen die drei Offiziere wieder Platz, „es freut mich zu sehen, dass mein Problem ernst genommen wird.“
„Nun, Major“, Lieutenant Boronev sah nicht sehr glücklich aus, „wir haben da tatsächlich ein Problem. Ihrer Akte habe ich entnommen, dass Sie auf Vargas III. aufs College gegangen sind und sich diesen Schulbesuch dadurch, ehem Finanziert haben, dass sie dem ROTC, Reserve Officers Training Corps, der Terran Space Navy beigetreten sind und nach Abschluss der Schule drei Jahre bei der TSN gedient haben und sind dann in die aktive Reserve gewechselt.“
„Und was heißt das jetzt für mich, Lieutenant“, Jules schwante übles.
Boronev holte tief Luft: „Nun, die TSN hat das Recht Sie einzuberufen.“
„Aber ich diene doch in den colonialen Streitkräften und wir sind doch ebenfalls mit den Akarii im Krieg.“
„Nun, das ist im Grunde korrekt, doch sind sie letztlich nur Major in einem Miliz-Geschwader und kein Navy-Pilot. Und nun, wir sind jetzt Kriegsbedingt sehr auf den Goodwill der Terry’s angewiesen und empfehlen daher, dass Sie von der Jaspairian Space Force frei gestellt werden.“
„Und was ist mit meiner Freiwilligmeldung für den Flugdienst bei der Navy? Ich meine, wir brauchen doch jetzt auch jeden Piloten!“
„Grundsätzlich ist das natürlich richtig“, bestätigt Boronev, „nur und da sollten wir uns nichts vormachen, sind zurzeit für uns die Nachschublieferungen durch die TSN weitaus wichtiger als hundert oder zweihundert Offiziere, welche die Terrys einziehen.“
Jules schüttelte den Kopf, als hätte er einen Schlag einstecken müssen: „Und was ist mit unseren Leuten, im Frontdienst, die ebenfalls zur aktiven Reserve der TSN gehören?“
„Nun, die TSN weiß, dass wir diese Frauen und Männer nicht freistellen werden und hat daher auf deren Aktivierung verzichtet. Im Gegenzug dafür und für die Zusicherung von entsprechenden Nachschublieferungen, werden wir uns der Einberufung von, naja Leuten wie Ihnen, Major, nicht in den Weg stellen.“
„Das kann doch nicht Ihr Ernst sein, Lieutenant, wissen Sie als was ich eingezogen werde? Als 2nd Lieutenant, das ist zwei Stufen unter meinem jetzigen Rang. Ich werde im gleichen Rang stehen wie Leute mit zehn Jahren weniger Diensterfahrung, Absolventen von der Pilotenschule und wissen Sie, was das für ein Verdienstverlust für mich ist?“
„Major, persönlich kann ich Sie da vollständig verstehen, doch die Konföderation ist tatsächlich eher an guten diplomatischen Beziehungen zur Republik interessiert“, antwortete Boronev, den Kopf leicht einziehend, „wenn Sie zivilgerichtlich gegen diese Einberufung vorgehen wollen, bitte nur zu.“
„In Kriegszeiten vor einem Gericht der Republik gegen die Einberufung in die TSN vorgehen, sehe ich so dämlich aus“, Jules wandte sich an seinen Vorgesetzten, „und was sagt unser Oberkommando dazu?“
Colonel Devaskatov lehnte sich zurück: „Nun Jules, die Jasparian Space Force stellt Sie für den Kriegsdienst in der TSN frei, genau so, wie man Sie für den Dienst in der Colonial Navy freigestellt hätte. Sie werden in den Reservestatus versetzt und man ist bereit, ihre Seniorität weiterlaufen zu lassen.“
„Toll, dann bin ich wenn ich aus dem Krieg zurückkomme der Dienstälteste Major der Space Force und werde dann unter jüngeren Vorgesetzten dienen, einfach klasse und ob mich die TSN als Jagdpilot verwendet steht ja noch auf einem ganz anderen Blatt, die Pilotenausbildung habe ich hier auf Jaspair erhalten.“
Devaskatov blickte unglücklich drein.
Shuttel Alpha-Romeo-1-0-4
Kalard-System, FRT
4. Januar 2633
Jules Stafford zog also in den Krieg. Er trug die Offiziersuniform der Navy, die khakifarbene der TSN, nicht das Grau der Colonial Navy, mit allen autorisierten Dekorationen, die er sich während seiner drei Jahre als Ensign und 2nd Lieutenant erworben hatte, nachdem die TSN ihm das College finanziert hatte.
Natürlich hatte er die Flugtauglichkeitsprüfung der TSN bestanden und war zusammen mit einigen anderen Reservisten in einen Auffrischungskurs gesteckt worden und hatte sich als Pilot für die F-102 C Typhoon qualifiziert und war jetzt auf den Weg zu seinem ersten Dienstposten. Als Ersatzpilot auf einen leichten Träger.
In der Heimat hatte er eine Schwadron aus sechzehn Mustangs befehligt, hier würde er Befehle von jüngeren und unerfahreneren Offizieren entgegen nehmen müssen.
Gut, dass war jetzt vielleicht etwas unfair den jüngeren Offizieren gegenüber, hatten sie doch gerade in letzter Zeit viel Kampferfahrung sammeln müssen.
Seine neuen Kameraden waren in der Regel acht Jahre jünger als er und waren gerade ihren Flugschulen entwachsen.
Krampfhaft versuchte Jules das Geschnatter der jüngeren Piloten auszublenden und sich seinem NASTOPS, Naval Air/Space Traning and Operations Procedure Standards, zuzuwenden. Doch irgendwie fand er keinen Zugang zu der Lektüre. Trotz seiner Karriere als Pilot war er noch nie von einem Träger aus geflogen und der fieberhaften Neugierte und natürlich auch Vorfreude auf die baldige Ankunft auf seiner neuen Heimat für die nächsten Monate machte auch ihn kribbelig.
Dem konnte er sich letztlich genau so wenig verschließen wie seine jüngeren Kameraden.
Battle Cat 2-0-3
Kalard-System FRT
4. Januar 2633
Lieutenant Junior Grade Chester DuMont überprüfte die Anzeige auf seinem Radar. Sein Computer zeigte ihm den Bogey als Personentransportvariante des S-41 Mulitfunktionsshuttles an. Die IFF, Freund-Feind-Identifikation, weiß es der TSN zu. Vor wenigen Monaten, hätten er und das Ziel nur kurze Funksprüche ausgetauscht, doch die Einsatzrichtlinien für die CAP, Combat Air Patrol, sahen vor, das unbekannte Objekt abzufangen, zu identifizieren und nötigenfalls zu neutralisieren.
Bei seiner ersten Mission als Rottenführer wollte er natürlich alles ganz hundert Prozentig richtig machen.
Zu seinem persönlichen Unbehagen hatte Lieutenant Commander Schramm ihm einen erfahreneren Piloten als Rottenflieger mitgegeben, um ihn zu beaufsichtigen. Und er wusste ganz genau, dass wenn sie sich in der Nähe der Front befunden hätten, wäre Nero der Anführer und nicht er.
„Nero, Cheese, Waffen scharf, wir werden das Ziel abfangen und uns ihn von achtern nähern. Bei viertausend Klicks funken wir den Bogey an!“
„Cheese, Nero“, kam die ruhige Antwort, „Roger, Waffen sind scharf, Du führst!“
„Nero, Cheese, Roger, dann mir nach.“
Der junge Pilot beschleunigte seine F-102 C Typhoon und sah mit einer gewissen Befriedigung, dass Nero mit leichter Verzögerung folgte.
„Cheese, Nero, ich glaube, wir haben es mit zwei Bogeys in enger Formation zu tun!“
„Nero, Cheese, negativ, dass… nein warte, Du hast recht, Bogey zwo ist ebenfalls ein S-41, verdammt!“ DuMont fletschte die Zähne, besser etwas früher anrufen. Er schaltete die allgemeine Frequenz zu: „Unidentifizierte Schiffe, hier ist Battle Cat zwo-null-drei, identifizieren Sie sich!“
„Battle Cat zwo-null-drei, hier sind TSN Shuttle Alpha-Romeo eins-null-vier und Bravo-Lima sechs-zwo-sechs für TRS Shiloh. Wir bringen Piloten und Ersatzteile für das Bordgeschwader.“
„Verstanden Alpha-Romeo eins-null-vier, wir klären dies mit der Shiloh ab. Halten Sie Kurs und Geschwindigkeit. Battle Cat zwo-null-drei over.“
„Verstanden Battle Cat zwo-null-drei!“
DuMont wartete ab, während sein Flügelmann die Shiloh anfunkte und sich eine Bestätigung einholte. Währenddessen schlossen sie zu den beiden Shuttles auf. Die beiden Busfahrer hielten tatsächlich eine ziemlich enge Formation.
„Cheese, Nero, Mother bestätigt, beide Transporter werden erwartet.“
„Nero, Cheese, roger.“ Er wechselte auf die allgemeine Frequenz: „Alpha-Romeo eins-null-drei, Battle Cat zwo-null-drei, wechseln Sie auf Flottenfrequenz X-Ray-sieben-zwo-zwo!“
„Battle Cat vier-null-drei, Alpha-Romeo eins-null-drei, wechseln die Frequenz.“
Es dauerte einen kurzen Moment, dann meldete sich der Shuttlepilot erneut: „Battle Cat, Alpha-Romeo, Rufzeichen Kona, hören Sie mich?“
„Kona, Cheese, laut und deutlich, Ihr habt Freigabe, wir Eskortieren Sie. Reihen Sie sich ein.“
„Cheese, Kona, in Ordnung aber denkt daran, wir können nicht ganz so schnell.“
DuMont lachte auf: „Kona, Cheese, keine Sorge, wir wollen ja, dass Ihr unseren Nachschub sicher abliefert.“
Alpha-Romeo 1-0-2
Kalard-System FRT
4. Januar 2633
Vom plötzlichen Kurswechsel aufgeschreckt wurde Jules aus seinen Gedanken gerissen, neugierig und ohne große Hoffnung, dass er was sehen konnte, blickte er dennoch aus dem Fenster.
Aber er wurde freudig überrascht, an Backbord hatte eine F-102 C Typhoon Position bezogen. Dieser wendige und schnelle Jäger stellte alles in den Schatten, was er bislang geflogen war.
Die schlanken Linien und die lang gezogene Nase gaben ihm etwas Raubvogelhaftes. Dass er bald selbst so einen fliegen würde, steigerte seine Vorfreude weiter: „Hallo Schönheit!“
Ivan Petronov, ein frisch graduierter Pilot, der ihm gegenüber saß blickte ihn fragend an.
Jules deutete zum Fenster.
„Wow, wir haben Gesellschaft“, frohlockte Petronov und nun drängten sich alle Passagiere an den Fenstern.
„Sind Sie schon mal mit einer geflogen?“ Petronov wahrte aufgrund des Altersunterschieds respektvollen Abstand.
„Nein, ich bin in der Navy noch nie einen Jäger geflogen, bevor der Krieg ausbrach.“
„Aber Sie sind schon Jäger geflogen, heißt es und auch Kampfeinsätze.“
Jules nickte: „Ja, ich habe schon mit Piraten gekurbelt. In einer der vielen dezentralisierten Milizen der Konföderation. Eine uralte Mustang, die älter war als Sie oder auch ich.“
Petronov blickte ihn fasziniert und neugierig an.
„Na los, fragen Sie schon, Lieutenant.“
„Warum dienen Sie dann nicht in der konföderierten Flotte?“
„Ich wurde eingezogen“, Jules Grimasse und Tonfall entmutigten den jüngeren Piloten und so verfielen sie beiden wieder in Schweigen. Tatsächlich auch zu Jules Bedauern.
Etwa eine Stunde später meldete sich der Pilot der Raumfähre über Interkom: „Ladies and Gentlemen, wenn Sie an Steuerbord aus dem Fenster sehen, werden Sie gleich unser Ziel erblicken. Wir haben bereits Landeerlaubnis erhalten und werden in etwa fünfzehn Minuten auf der Shiloh aufsetzen. TSN-Spacelines bedankt sich, dass Sie mit uns für Ihren Trip an die Front gewählt haben und wünscht Ihnen allen Hals- und Beinbruch.“
Jules machte sich lang, musste jedoch aufstehen um nach Steuerbord hinaussehen zu können. Dort erhaschte er tatsächlich einen kurzen Blick auf den leichten Träger, der inmitten seiner Zerstörereskorte durchs All stampfte.
Doch schon bald leuchteten die Zeichen auf, dass man sich anschnallen soll und er setzte sich wieder hin. Die Spannung stieg noch einmal und Jules versuchte den Zeitpunkt zu erhaschen, wann der Traktorstrahler der Shiloh das Shuttle erfasst, doch es gelang ihm nicht.
Trotz der Vorwarnung, war es so, als ob sie plötzlich in einen Hangar gezogen wurden. Mit einem sanften Ruck setzte das Shuttle auf und rollte auf dem Flugdeck aus.
Die Anschnall-Zeichen erloschen wieder und ehe die Rampe der Raumfähre das Flugdeck berührte, stakste ein Offizier die Rampe hoch und betrat das Passagierabteil. Goldenes Eichenlaub wies ihn als Lieutenant Commander aus, die goldenen Schwingen als Piloten, das Namensschild über der rechten Brusttasche verkündete Al-Matari.
„Hergehört Piloten“, blaffte Al-Matari, „Sie schnappen jetzt Ihre Seesäcke und sehen zu, dass Sie in Bewegung kommen. Auf dem Flugdeck treten Sie entlang der roten Mittellinie in zwei Reihen an! BEWEGUNG WENN ICH BITTEN DARF!“
Das ließen sich die neuen Piloten nicht zweimal sagen und begannen teilweise Hecktisch ihre Seesäcke hervorzukramen und sich gegenseitig beim Aussteigen über den Haufen zu rennen.
Jules ließ wohlweißlich jedem der wollte den Vortritt, nur um sich von Al-Matari anhören zu dürfen, ob er einer Extraeinladung bedürfe.
Dann nach endlosen zwei Minuten standen die neuen Piloten in zwei Reihen angetreten, die Seesäcke rechts neben sich liegen.
Jules hatte kaum Zeit die neuen Eindrücke aufzunehmen. Das Flugdeck der Shiloh war seiner Meinung nach tip-top. Doch deutlich war die eigentümliche Luft eines Raumschiffes zu vernehmen, an die er sich trotz all der Jahre die zurück lagen noch gut erinnern konnte. Als Ensign an Bord eines Zerstörers war das natürlich alles viel deutlicher und eindrucksvoller gewesen.
Jemand wie Al-Matari war ihm damals wie ein Halbgott vorgekommen und solche kleinen Anschnauzer wie eben waren für ihn wie Peitschenhiebe gewesen. Heute war er abgeklärter und er fragte sich einen Moment, ob er unter den ganzen jungen Hüpfern irgendwie als schlampig in seiner Habt-Acht-Stellung auffallen würde und ob Al-Matari oder der Commander hinter dem dieser jetzt Aufstellung nahm, ihre Zeit damit verschwenden würden IHN daraufhin zurecht zu weisen.
„Rühren, Herrschaften, bitte stehen Sie bequem“, begann der Commander mit sympathischer, Vertrauen erweckender Stimme, „meine Name ist Jackson Sandoval, ich bin Ihr Geschwaderführer. Willkommen an Bord der Shiloh und beim siebenundzwanzigsten Fighter Wing. Willkommen Hellcats.
Dies ist mein XO, Lieutenant Commander Hassan Al-Matari und Kommandeur von VFA 213, unserer Jagdbomberschwadron. Ich selbst befehlige VF 214 unsere Allzweckschwadron, die Black Tiger.
Sie meine Damen und Herren sind hier, weil wir uns seit dem 9. September mit dem Sternenimperium der Akarii im Krieg befinden. Ein Großteil unserer Veteranen wurden auf andere Träger zu anderen Geschwadern versetzt um Gefechtsverluste, verwundete oder gefallene Piloten zu ersetzen. Sie sollen hier den letzten Schliff erhalten um volle Gefechtsbereitschaft zu erhalten und machen gleichzeitig andere, erfahrenere Piloten für den direkten Fronteinsatz frei.
Lassen Sie sich davon nicht täuschen, die Shiloh befindet sich im Kriegseinsatz und jeder Ihrer Einsätze findet unter Gefechtsbedingungen statt.
Wenn dieses Geschwader wieder als voll einsatzbereit eingestuft wird, lösen wir entweder einen anderen Träger an der Front ab oder Sie werden in Geschwader im Fronteinsatz versetzt und wir beginnen hier mit neuen Rookies.
Damit habe ich dann auch das böse Wort benutzt. Bis Ihre Staffelführer oder ich etwas anderes beschließen sind Sie Rookies und Sie werden ihren kampferfahrenen Assistenzausbildern gehorchen, auch wenn diese im gleichen Rang stehen wie Sie. Jeder der älteren Piloten hat schon auf die ein oder andere Weise Kampferfahrung gesammelt und Sie werden uns erst noch beweisen müssen, dass Sie für den Kampfeinsatz bereit sind.
Als erstes werden Sie Ihre Quartiere beziehen, im Bereitschaftsraum eins sind die Belegungen und Staffelzuteilungen ausgehängt. Um vierzehnhundert melden Sie sich bei Ihren Staffelführern zur Einweisung. Diese findet in den Bereitschaftsräumen der jeweiligen Staffeln statt. Um sechzehnhundert beginnen die Flugoperationen, eventuell sind einige von Ihnen dafür schon eingeteilt. Wie gesagt, Sie sind hier um den letzten Schliff zu erhalten, also werden Sie fliegen.
Abschließend kann ich Ihnen nur heiße Düsen wünschen und baut keine Scheiße.
Weggetreten!“
Und baut keine Scheiße. Wohl der wichtigste Rat den man als Pilot bekommen konnte. Eines von Jules Privilegien als Staffelführer war es ein eigenes Zimmer gehabt zu haben. An Bord der Shiloh musste er sich ein Zimmer mit einem anderen Lieutenant teilen.
Rechts wurde das Zimmer durch eine Doppelbettkonstruktion mit eingebauten Schränken und Schubladen begrenzt.
Links eine kleine Sitzecke, nicht mehr als zwei Sitzgelegenheiten mit einem Tisch dazwischen, einen in einen Schrank integrierten Schreibtisch mit einem Stuhl.
Das auf der einen Seite die Tür zum Korridor und auf der anderen Seite die Tür zu einem Bad mit WC, Dusche und Waschbecken, das man sich mit zwei weiteren Piloten teilen musste verschaffte dem ganzen Raum den Eindruck eines Durchgangsflures.
Ein nicht geleerter Aschenbecher auf dem Tisch zeigte, dass sein Stubenkamerad Raucher war oder zumindest nichts gegen rauchenden Besuch hatte. Da der andere zuerst da gewesen war und somit das Prädikat Stubenältester inne hatte, konnte Jules da nicht viel gegen machen. Außer ihn zu erziehen. Da er hin und wieder gerne Zigarre rauchte hatte er einen kleinen Karton Montenegro Maximos in seinem Seesack und eine dieser zwölf Zentimeter langen Kotzbalken war bestens dazu geeignet das gesamte quartier einzunebeln.
Jedoch blieb Jules gerade genug Zeit seinen Seesack auszuräumen und seine Habe zu verstauen, dann musste er sich beeilen den Bereitschaftsraum seiner Staffel zu finden.
Wenn man zum ersten mal auf einem neuen Raumschiff ist, kann man sich leicht verlaufen, vor allem, wenn es sich um quasi eine Autarke Stadt wie einen leichten Träger, mit mehreren tausend Mann Besatzung, handelt.
Die Bereitschaftsräume seiner Staffel, VF 212, Ausgerüstet mit den F-102 C Typhoons mit dem Spitznamen Battle Cats befanden sich wie die der anderen fünf Staffeln steuerbord auf Deck acht, mit Blick auf das vier Decks hohe Flugdeck des Trägers.
Sie umfassten einen Briefingroom, eine Umkleide mit Duschen und WCs, ein Büro für den Staffelführer.
Der Briefingroom war das Herzstück des Staffellebens. Vier Reihen zu je vier gepolsterten Stühle, eher Sessel waren aufsteigend angeordnet, so dass man wie im Kino auf den großen Wandmonitor sehen konnte.
Auf der linken Seite war ein Rednerpult mit Computerinterface aufgestellt. Hinter den Stuhlreihen befand sich noch ein großzügig bemessener Schreibtisch für den Offizier vom Dienst.
Die Linke Wand besaß abdunkelbare Scheiben zum Flugdeck hin, links war das wandhohe Staffelemblem angebracht. Eine aufrecht stehende schwarze Katze im Gladiatorenoutfit.
Während nach und nach die letzten Piloten eintrafen und sich auch einige Unteroffiziere, den Abzeichen nach die leitenden Mechaniker der Staffel dazugesellten stand am Rednerpult eine brünette Offizierin, die Jules auf etwa fünf Jahre jünger als sich selbst einschätzte und gab Daten in das Computerinterface ein. Die Rangabzeichen am Kragen wiesen sie als Lieutenant Commander aus.
Kurz vor zwei blickte sie in die Runde und aktivierte den Wandbildschirm, auf ein Sternensystem erschien.
„Da ja schon alle da sind“, begann sie, „können wir auch gleich beginnen. Ich bin Lieutenant Commander Ester Schramm, mein Rufzeichen ist Twist. Ich bin ihre Staffelführerin.
Ich heiße Sie bei den Battle Cats und den Hellcats gleichermaßen willkommen.
Wie Sie alle wissen, sind wir mit der F-102 Typhoon ausgerüstet, einen schnellen und sehr wendigen Abfangjäger. Unsere Aufgaben sind daher recht vielfältig, respektive unsere Einsatzparameter. Wir fliegen Punktverteidigung für die Shiloh und ihre Eskorten, Begleitschutz für Bomber, Frachter und Shuttles in den unterschiedlichsten Varianten. Unsere primäre Aufgabe ist daher der Schutz und die Verteidigung und dies werden wir intensiv üben.“
Twist gab einen Befehl in das Computerpult ein und in dem System erschien eine Darstellung der Shiloh-Strikegroupe.
„Sie sehen, patrolliert die Shiloh das Kalard-System. Dieses System wurde offiziell vor zwanzig Jahren aufgegeben und die letzten Einwohner, seinerzeit Schürfer im Asteroidengürtel, sind ausgewandert. Tatsächlich ist Kalard alles andere als unbewohnt, wobei die Zahl an Einwohnern auf um die fünftausend geschätzt wird, davon die meisten auf Kalard II. Wir sind hier stationiert, weil es zwei Wurmlochtunnel in die Colonial Confederation gibt und einen tiefer in republikanisches Gebiet.
Seit Kriegsbeginn hat leitet die TSN einen Großteil ihrer Nachschublieferungen an die Colonial Navy durch dieses System. Der Stab der 4. Flotte hat demnach dieses System als äußerst Wertvoll für die Kriegsanstrengungen deklariert.“
Während ihres Vortrages musste Twist immer wieder ihre Unterlagen sortieren und spielte nervös mit ihrem Lichtgriffel.
„Nachdem wir heute unseren Teil an Patrolien beigetragen haben, übernehmen diese Aufgabe für den Rest des Tages die Black Tiger-Staffel und die Tomcatters. Das gibt uns genügend Zeit für etwas Eingewöhnung im Simulator.“
Ohne es wirklich zu wollen hob Jules die Hand, was seiner Staffelführerin ein Stirnrunzeln abrang: „Ja, Lieutenant.“
„Der CAG sagte bei seiner Begrüßung, dass diese Fahrt unter Kriegsbedingungen stattfindet. Sollten wir dann nicht als erstes in unser Flieger eingewiesen werden?“
„Lieutenant, Erstens: Bevor ich Sie und die anderen Rookies auf echte Flieger los lasse, sehe ich mir an, was auf mich zukommt und zweitens: Kann ich Klugscheißerei nicht leiden. Besonders, wenn Sie von einem Grenzwelt-Cowboy kommt, der meint sich vor dem Simulator drücken zu müssen.“
Von den anderen zehn Piloten erklang teils schadenfrohes, teils gehässiges Gekicher und Jules senkte seinen Arm wieder.
„Wir werden mit Standard-Formationsflug beginnen und später…“
Büro des CAG, TRS Shiloh
Kalard-System FRT
4. Januar 2633
„Oh, man habe ich heute Scheiße gebaut“, Lieutenant Commander Schramm bedeckte mit beiden Händen die Augen, während Commander Sandoval seinen Staffelführern Kaffee einschenkte.
„Wie das Twist?“ Reuben LeCrouix der einzig “wirkliche” Veteran mit mehr als zwölf Jahren Dienstzeit im Geschwader der Shiloh, lehnte sich vor und bestückte seinen Kaffee mit Zucker und Milch.
„Ich habe ohne Grund einen meiner Piloten rund gemacht, einen Kerl namens Jules Stafford, der Knabe hat eine Staffel Mustangs in einer aktiven colonialen Miliz befehligt. Der Mann war drei Jahre Staffelführer und ich nur drei Tage.“
„Älterer, braunhaariger Typ, mit einem Hauch von Easy-Going?“ Al-Matari grinste vergnügt.
„Ja, so in etwa.“
Der Jagdbomberpilot und Geschwader-XO gluckste: „Den habe ich auch schon angeranzt, kam nicht schnell genug aus dem Shuttle.“
„Und, was hat er bei Ihnen verbrochen Twist?“ Wollte der CAG wissen, der ebenfalls wieder Platz nahm.
„Er hat mich mit einer Anmerkung aus dem Konzept gebracht und ich habe ihn vor allen anderen Grenzwelt-Cowboy genannt und Rookie und jetzt ist auch noch Cowboy als Rufzeichen hängen geblieben.“
LeCrouix verzog das Gesicht: „Uih, das ist hart.“
Twist schnaufte: „Und im Simulatortraining hat er die Fetzen fliegen lassen. Hat dann alle Rookies hinter sich gelassen, wen wundert’s und Cheese hat er zweimal abgeschossen und beinahe einmal Nero.“
„Und etwa Sie auch?“
Jetzt war es an der jungen Staffelführerin zu grinsen: „Dazu gehört schon ein bisschen mehr.“
„Wenn Sie meinen Rat hören wollen“, merkte Sandoval an, „und das wollen Sie, sonst hätten Sie dieses Thema nicht auf den Tisch gebracht, reden Sie nochmal unter vier Augen mit… Cowboy und wenn er tatsächlich entsprechendes Talent hat, setzen Sie es einfach ein. Als Assistenzausbilder, Rottenführer, eventuell eine Sektion.“
Sandoval wandte sich seinen beiden anderen Staffelführern zu: „Und haben Sie schon irgendwelche bemerkenswerten Berichte über ihre Rookies?“