Ace Kaiser
Den Stützpunkt Axixo zu nehmen gestaltete sich für meine Hekatoncheiren als ziemlich schwierig. Ich meine, welcher ernstzunehmende Soldat konnte denn selbst ernst bleiben, wenn sich die anderen über Funk lachend über die unmöglichen Situationen unterhielten, in denen sie die erstarrten Anelph und Naguad vorfanden? Und wie dankbar die meisten nicht Erstarrten waren, dass sie auf lebende, sich bewegende Wesen trafen?
Ich fühlte mich genötigt ein Machtwort zu sprechen, aber dann ließ ich es doch. Sollten sie doch ihren Spaß haben. Sie taten es ja nicht aus Boshaftigkeit oder sogar Hass. Manche Situationen waren einfach witzig. So wie die fünf Naguad, die beim dauerduschen erwischt wurden, ein Pärchen beim Knutschen in eine Abstellkammer – zumindest war es knutschen, als die Meldung bis zu mir vorgedrungen war – ein Koch, der auf seinen vollkommen leer gekochten Topf starrte, ein Adjutant, der beim trinken erwischt worden war und den Inhalt seiner Tasse gleichmäßig über seine Uniform verteilt hatte. Das waren alles so Kleinigkeiten, die in der Summe eines ergaben: Mit einem Schuss gewonnen.
Ich arbeitete mich mit Megumi und Yoshi zur Hauptzentrale des Stützpunktes vor, während Yohko das Einschleusen unserer Mechas überwachte und die Patrouillen am Rand des Feldes aufstellte und koordinierte.
Dabei nahmen unsere Helmkameras alle Eindrücke auf, die sie gewannen und funkten sie live ins Fernsehnetz der Anelph auf Jomma. Quasi in Echtzeit wurden sie über die Zustände in der Basis informiert.
Jedermann konnte mit ansehen, dass die Besatzung des Stützpunkts erstarrt war.
Wir nutzten diese Aufnahmen natürlich, um ausgiebig über das Resonatorfeld zu referieren, Schaubilder wurden gezeigt und mit den realen Aufnahmen untermalt. Natürlich verschwiegen wir nicht, dass das Feld so eingestellt werden konnte, dass es langsam nachließ und sich die Resonanzwirkung auf das KI aufhob. Oder es lief weiter bis keine Energie mehr hinzugeführt wurde, um plötzlich die Wirksamkeit zu verlieren. Aufnahmen der fünf Techniker, die damals vom OLYMP zur Titanen-Station herunter geschickt worden waren, wurden geschickt in den Bericht eingebaut und verdeutlichten, was dann passieren würde.
Und was mit Naguad passierte, die man im erstarrten Zustand aus dem Feld holte.
Danach folgte eine geschickte Überleitung zum geplanten Blockadegeschwader, welches mit sechs Resonanzfeldern den Planeten Lorania gegen jeden Eindringling abschotten würde.
Offiziell würden sie an Bord von sechs Korvetten stationiert werden – eine List, um die Naguad zu täuschen und wenigstens den ersten Angriff abzulenken.
Auch gab es schon Pläne, Korridore für den interplanetaren Verkehr zu schaffen, die aber notfalls sehr schnell geschlossen werden konnten.
Der Stab Makotos war sehr gründlich gewesen und arbeitete noch immer.
„Hey, Chef!“ „Hm?“, antwortete ich auf die vollkommen unmilitärische Anrede.
In meinem Helm aktivierte sich das Headupdisplay und informierte mich darüber, dass Captain Daynes mich angesprochen hatte.
„Chef, ich bin im Knast, und rate mal, wer hier rum steht wie eingestellt und sauer geworden. Du wirst ihn lieben. Es ist Colonel Connar vom Geheimdienst.“
Abrupt blieb ich stehen. Gewiss, die Idee war von Taylor gekommen, mich zu vergiften. Und auch das schwere Betäubungsmittel, dass mir statt dem ultragefährlichen Nervengift Borex verabreicht wurde, war auf seinem Mist gewachsen.
Aber der da war sein williger Erfüllungsgehilfe gewesen. Er war es gewesen, der den behandelnden Arzt erpresst hatte, um mich zu töten.
„Soll ich ihn aus dem Feld schmeißen?“, fragte der Amerikaner leichthin.
Ich atmete lange aus. „Warum einen schnellen Tod? Lassen wir ihn langsam sterben – vor einem Militärgericht, wie Admiral Achander und Admiral Ikosu es geplant haben.“
„Manchmal kannst du ganz schön sadistisch sein, Chef“, scherzte der Amerikaner. Aber ich hörte aus seiner Stimme gut heraus, dass er es durchaus ernst gemeint hatte.
„Danke“, bemerkte ich sarkastisch. „Übrigens habe ich dir und Goran noch gar nicht gedankt.“
„Schwamm drüber. Wofür eigentlich?“
„Dafür, dass Ihr beide… Auf Yellow Slayer aufgepasst habt.“
Peinliches Schweigen antwortete mir. Erst nach mehreren Minuten sagte Jordan Daynes leise: „Das meinst du ernst, nicht wahr, Akira?“
„Ich zähle dich und Goran zu ihren Freunden.“
„Na, Schwamm drüber. Man wächst halt mit seinen Aufgaben.“ Das Lachen im Anschluss klang irgendwie wässrig. Mensch, heulte der Junge etwa Rotz und Wasser, wegen dem kleinen Lob?
Und wieso bezeichnete ich einen Älteren nur als Jungen? Ich selbst stand kurz vor meinem einundzwanzigsten Geburtstag und war damit immer noch einer der Jüngsten auf dieser Expedition.
Wir erreichten die Zentrale. Bis auf zwei Adjutanten, die sich mit Handfeuerwaffen verbarrikadiert hatten, war sie leer. Sie schossen auf alles und jeden, der auch nur in Sichtweite der Tür kam.
„Granate, Sir?“, fragte Amanda Leary von den Briareos, die durch die Umstrukturierungen zur Kompaniechefin und zum Captain aufgestiegen war.
„Negativ. Die erstarrten Naguad können nicht in Deckung gehen. Yoshi.“
Der große Blondschopf grinste breit und trat neben mich. „Wurde ja auch mal wieder Zeit für eine echte Angebernummer. Du die Beute, ich der Eintreiber?“
„Klar. Ich bin ja auch der größere Blickfang.“
Yoshi lachte laut. „In deinen Träumen, Kleiner. In deinen Träumen.“
Ich schmunzelte und schmiedete KI. Aus dem KI formte ich einen schwachen Schild. Er würde einer oder zwei Kugeln standhalten, wenn ich ihn permanent reparierte vielleicht sogar sechs bis sieben. Dann nickte ich Yoshi zu, der seinen hier irgendwie antiquiert wirkenden Bogen von der Schulter zog und einen Pfeil auflegte. „Hey, Akira, ich habe mir mal gedacht, wieso habe ich nicht ein ganzes Sortiment an Pfeilen? Einen Explosionspfeil, einen mit einer Betäubungsgranate, einen mit einer Ultraschallpfeife zum ablenken…“
„Einer mit nem Boxhandschuh vorne dran.“
„Hey, bleib ernsthaft.“
„Du aber auch. Was für ne miese Aerodynamik sollen die Dinger denn haben? Das taugt doch mit solchen Köpfen nur im Nahkampf, Alter. Und dein Bogen ist ne Fernkampfwaffe.“
„Dafür habe ich sie aber schon ziemlich oft im Nahkampf eingesetzt“, erwiderte er maulig.
„Na, zumindest die Sprengpfeile wären mal ne Idee.“
Schlagartig hörten wir mit unserem Dialog auf. Ich nickte Yoshi zu, der die Geste stumm erwiderte.
Ich riss meinen Helm herab und trat in das offene Schott. „Feuer einstellen! Diese Basis ist ab sofort Eigentum der United Earth Mecha Force und des loranischen Komitees. Widerstand wird als terroristischer Akt bestraft!“
Wie erwartet trafen mich während meines Monologes zwei Kugeln. Eine dritte sauste heran und versuchte das, was ihren beiden Vorgängern nicht gelungen war: Meinen Schild zu durchschlagen.
Ich grinste schief. „Das ist zwecklos, meine Herren. Fügen Sie sich, und Ihnen wird nichts geschehen.“
„Sie kommen hier nicht rein! Eher bringen wir alle hier um!“, klang eine junge, viel zu junge Stimme auf.
Yoshi huschte gerade hinter mir durch die Tür, während ich die Aufmerksamkeit der beiden Schützen hatte. Sie hatten sich hinter einem Pult verbarrikadiert und besaßen nur eingeschränktes Sichtfeld. Diesen Umstand nutzten wir aus.
„Seien Sie vernünftig. Die Basis ist gefallen, die Soldaten in unserer Hand. Die Frage ist nur, werfen wir Sie ins Gefängnis oder in die Leichenhalle? Diese Entscheidung liegt nicht bei mir, aber bei Ihnen.“
„Sie kriegen Admiral Ikosu nicht!“, blaffte die gleiche Stimme erneut. „Eher erschieße ich ihn und… Yamu!“
Yoshi huschte aus seinem Versteck hervor, lief auf das Pult zu. Ich setzte mich ebenfalls in Bewegung und sprintete los. Dann fiel ein Schuss.
Yoshi hielt sich die schmerzende rechte Hand, während ich den beiden Helden die Waffen abnahm. Vor uns saßen ein junger Bursche und ein Mädchen auf dem Boden, gekleidet in die Uniform der Ordonnanzen. Sie waren nicht einmal von der kämpfenden Truppe.
Yoshi stierte das Mädchen wütend an. „Sag mal, Engelchen, wie weh so eine verdammte Kugel tut? Was die für eine Geschwindigkeit drauf hat? Wenn ich meine Hand nicht rechtzeitig vor die Mündung gekriegt hätte, dann würde jetzt ein heftiger Durchzug durch deinen hübschen Kopf pfeifen!“
Ich wischte mir den Schweiß von der Stirn. Die junge Frau zitterte, aus Angst vor uns, aus Angst vor der Welt und vor allem weil sie bereit gewesen war zu sterben und wir es unterbunden hatten. Nun tobte sich alles Adrenalin in ihrem Körper aus, und das auf einmal.
Sie zitterte und begann dann hemmungslos zu schluchzen.
Verdammt, sie war viel zu jung, um mit so einer Situation klar zu kommen. Sie erinnerte mich an Yohko vor dem ersten Marsangriff, aber meine Schwester hatte damals schon Schlachten hinter sich, die sich diese beiden nicht einmal im Traum vorstellen konnten.
Ich winkte weitere Leute herein und bedeutete ihnen, die Zentrale zu sichern.
„Ihr beide habt erst mal Hausarrest auf euren Stuben, bis ich entschieden habe, was ich mit euch anstelle.“ Böse sah ich auf das Mädchen herab. „Yamu heißt du, hm? Was hast du dir dabei gedacht? Das Militär hat Zeit und Geld in deine Ausbildung gesteckt, eine Menge Leute haben sich große Mühe damit gegeben, dir was beizubringen. Und deine Familie verzichtet hier auf dich, damit du einem höheren Ziel dienst. Und was machst du? Denkst du, das war eine mutige Entscheidung?“
Sie sah auf, ihr Gesicht war fleckig von den vielen Tränen. So ein Anblick war überhaupt nichts für mich, und ich knickte ein wie ein Holzhaus nach vier Wochen Termitenfraß.
Ich tätschelte der jungen Frau den Kopf und meinte: „Ist ja nichts passiert. Bedanke dich dafür bei Major Futabe. Sag mal… Loran, ist es in Ordnung, wenn wir euch beide zusammensperren? Sie sieht mir nicht so aus als sollte sie die nächste Zeit alleine bleiben. Und so schnell kriege ich keine Psychologen hier her.“
Der Junge nickte zögernd. „W-was passiert jetzt?“
„Na, was wohl? Wir machen nebenan einen Lagerraum fertig und dann stellen wir die ganze Zentralebesatzung darin unter, bis sie sich wieder bewegen können. Amanda, du trägst die Verantwortung für die beiden. Bring sie auf seine oder auf ihre Stube und lass sie dort bewachen. Eine Wache drinnen, eine draußen.“
„In Ordnung, Akira. Kommt, Ihr zwei.“
Das Mädchen strauchelte, versuchte es erneut, strauchelte erneut. Loran hielt sie fest und bedeutete ihr, sich wieder zu setzen. „Sie sind Commander Otomo, richtig? Darf ich eine Bitte äußern?“
„Sprechen Sie, junger Mann.“
„Darf… Dürfen wir dabei helfen, die Zentralebesatzung in den Abstellraum zu bringen?“
Hm. Wollte der Knabe nun versuchen, einige seiner hohen Offiziere doch noch umzubringen, damit sie nicht in unsere Hände fielen oder wollte er sehen, wie wir mit ihnen verfuhren?
Und warum kümmerte ich mich überhaupt darum? Wäre nicht die richtige Entscheidung gewesen, die zwei zu den anderen Gefangenen in eine Halle zu stecken anstatt sie auf vertrautem Terrain in ihren Zimmern einzusperren? Verdammt, ich, der die meisten Mechas der Geschichte abgeschossen hatte, der das Unmögliche möglich machte, ausgerechnet ich war ein solcher Weichkeks und nahm sogar Rücksicht auf die Gefühle und den Gemütszustand dieser beiden Kinder.
„Sie dürfen helfen, Loran, Yamu. Aber danach geht es ab in die Kabine, verstanden?“
Für einen Moment fühlte ich mich wie ein Vater, der seinen Kindern gerade erlaubt hatte, die nächsten zehn Minuten vom Spätfilm noch zu sehen, wenn sie anschließend brav in die Heia gingen.
Ich hielt jedem eine Hand hin und zog sie auf die Beine. „Amanda. Du teilst sie ein, verstanden?“
„Danke, dass ich sie jetzt ganz an der Backe habe, Akira, Sir.“
„Nur nicht mehr spitzfindig werden, sonst lasse ich dich bei der nächsten Klausur nicht abschreiben“, scherzte ich.
Für einen Moment schien die Kompaniechefin lachen zu wollen, dann zu weinen. Lachen setzte sich durch. Sie wusste nur zu genau, dass es Klausuren für uns beide eine lange Zeit nicht mehr geben würde. „Okay, fürs abschreiben, Akira.“
Ich grinste sie an, aber es lag Wehmut darin. Doch genauso funktionierten wir. Wir, die Hekatoncheiren.
„Und jetzt mache ich was richtig idiotisches“, brummte ich und ging zu einem Konferenztisch, der mit hohen Offizieren voll besetzt war. „Praktisch. Einige sitzen auf Rollstühlen. Die können wir gleich so evakuieren, hm?“
„Und was machst du hier idiotisches?“, hakte Yoshi nach. Er schüttelte noch ein paar Mal die Rechte. Ohne KI-Schild wäre sie glatt durchschlagen worden. Nicht einmal ich konnte ahnen, wie knapp es wirklich um Yamus Leben gestanden hatte.
Ich ging zu Admiral Neon Zut Achander herüber. Ich salutierte knapp vor ihm und sagte: „Entschuldigen Sie, Admiral.“
Dann trat ich vor Fenn Ikosu, den Vize-Admiral und wiederholte die Prozedur.
„Ihr könnt sie jetzt abräumen.“
„Das war wirklich idiotisch“, brummte Yoshi laut. Als Admiral Achander an ihm vorbei gerollt wurde – mitsamt Stuhl – nahm er aber Haltung an und salutierte. „Und es ist ansteckend.“
Andere Hekatoncheiren folgten dem Beispiel und salutierten ebenfalls.
Megumi kam herein gerauscht, die beiden Admiräle keines Blickes würdigend. Sie warf mir meinen Helm zu. „Akira, du musst sofort zurück zur AURORA! Sie wird von zwei Kompanie KI-Meistern mit Banges angegriffen!“
Alarmiert ergriff ich meinen Helm, setzte ihn auf. „Kei, Meldung!“
„Die Kacke dampft.“
„Danke, das erklärt einiges!“
„Komm am besten hoch in den Orbit. Ich habe zwei Booster dabei, damit schieße ich dich und Yoshi hinüber. Yohko und Megumi sollten hier bleiben, falls der Angriff eine Finte ist.“
„Gut mitgedacht, Kei“, haspelte ich hervor, legte meinen Helm kurz auf den meiner Freundin und formte mit den Lippen die Worte: Ich lieb dich.
Dann folgte ich Yoshi, der schon vorgelaufen war.
Im Hangar angekommen erklomm ich Prime Lightning, versiegelte ihn und befestigte die Anschlüsse.
„Durchstarten, Prime!“
„Müssen wir wieder durch die Decke, Sir? Ich glaube, die Stelle da oben haben sie neulich erst geflickt.“
„Nein, heute nehmen wir die Schleuse.“
Neben mir kam Yoshi in seinem Eagle in die Schleuse. Die Innenschleuse glitt mit atemberaubender Geschwindigkeit zu. Dies verdeutlichte mir die eigentlich sehr effektive Technik des Naguad-Militärs. Auch die Sauerstoffatmosphäre wurde sehr schnell abgesaugt.
Als sich das Außenschott öffnete, blinzelte ich verwundert mit den Augen. Ging das wirklich so schnell?
Ich trat die Pedale durch und startete direkt, neben mir stieg Yoshi auf.
Im Orbit, den wir relativ schnell erreichten, parkten bereits zwei Boosterpacks auf uns. Mit unseren Fähigkeiten als KI-Meister würden wir aus ihnen weit mehr herauskitzeln als an Leistung vorgesehen war.
Mittels Lasertechnik dockten die Booster relativ schnell an. Nach einem oberflächlichen Check traten wir die Pedale durch und ritten auf einer KI-verstärkten Welle zurück nach Lorania. Die Schirme des Boosters flammten verdammt oft auf, aber das war uns egal. Unsere Freunde waren in Gefahr!
3.
Michi Tora drehte sich in den Schlag hinein, gelangte so an den Körper des Angreifers und versetzte ihm einen harten Hieb mit dem rechten Ellenbogen. Danach glitt er mit einer Drehung fort von dem Mann.
Der große Naguad sah auf seinen Bauch, wo er den Treffer kassiert hatte und musterte dann den kleineren jungen Mann, der eindeutig Elwenfelt-Gene in sich trug.
„Du glaubst doch nicht etwa, dass mir so ein kleiner Hieb mit dem Ellenbogen den Saft aus den Knochen lutscht? Da bist du hundert Jahre zu früh dran. Und jetzt mach dich… Uh…“
Der große Naguad brach in die Knie ein. Schaum stand vor seinem Mund und mit Entsetzensgeweiteten Augen starrte er den frechen Bengel vor sich an. Auf dem Weg hierher hatte er zwanzig Elite-Infanteristen besiegt, aber diese Bursche hier… Der KI-Meister fiel zur Seite und röchelte leise.
Michi nahm eine entspannte Haltung an, gab die Abwehrstellung auf. „Ein normaler Mensch und ein normaler Hieb hätten die sicherlich nichts getan. Aber ich bin der Elite-Schüler von Akira Otomo. Selbstverständlich war mein Hieb auf das Zentrum deines KI gezielt und mit meinem eigenen KI geladen. Bei Akira-O-nii-sama lernt man, selbst in den unmöglichsten Situationen die entscheidende Menge KI zu schmieden und zu konzentrieren.“
Michi faltete die Hände vor der Brust zusammen und verneigte sich vor dem besiegten Gegner. „Ich werde einen Sanitäter vorbei schicken, versprochen.“
Dann wandte er sich um und lief den Gang hinab.
Dort kämpfte Akari mit einem anderen KI-Meister, einer kleinen, zerbrechlich wirkenden Frau. „Dass du so nett über O-nii-chan reden würdest hätte ich nie gedacht!“, rief sie, während ihre Gegnerin sie mit einer Serie von Hieben eindeckte.
Michi schoss hinzu und nahm einen Teil der Aufmerksamkeit auf sich. „Ich bin nun mal sein Meisterschüler. Was soll ich dagegen machen?“
Akari lachte dazu. Kurz darauf ging ein Lichtblitz durch den Gang, während ihre KI-Rüstung entstand. Ein einziger, wie beiläufig wirkender Hieb fegte die Gegnerin an die Wand.
Die Luft wurde aus ihren Lungen gepresst, als sie zu Boden ging.
White Slayer wandte sich Michi zu und lächelte süß. „Ich bin aber auch nicht schlecht geworden, was?“
„Mit welcher Antwort kann ich mein Leben retten?“
White verzog das Gesicht zu einer verdrießlichen Miene. „Sogar den Humor hat der Meisterschüler von seinem Lehrer übernommen.“
Michi setzte zu einer Antwort an, kam aber nicht dazu, sie auszusprechen. In diesem Moment kam ein Körper den Gang herab geflogen, überschlug sich mehrfach undlandete schließlich genau vor Whites Füßen.
Ein ziemlich lädierter Makoto Ino ließ seine Knöchel knacken und kam den Gang herunter. „KI-Meister, pah. Haben überhaupt nichts drauf, die Kerle. Was ist mit den anderen beiden, Michi, Akari?“
„Sch-schon erledigt, Nii-chan!“, beeilte sich White zu sagen. „Einer ich und einer Micchan.“
„Hm. Gut. Colonel Ino hier. Schicken Sie jetzt die Sanitäter herunter. Die vier KI-Meister, die in Poseidon eingedrungen sind, wurden besiegt. Bleiben noch die vier, die draußen mit den Abwehrmaßnahmen spielen.“
„Hä? Vier? Wer hat denn den vierten KI-Meister fertig gemacht?“
Makoto zuckte mit den Schultern. „Ich natürlich. KI-Meister, tsssss. Die werden maßlos überschätzt. Und sie überschätzen sich selbst.“
Er sah den Gang hinunter. Über fünfzig Infanteristen der AURORA lagen hier herum, Opfer der angreifenden KI-Meister. Wie es andernorts aussah, konnte man nur ahnen.
„Was macht Ihr beide eigentlich noch hier? Blue hat alle Slayer zu den Plattformen befohlen. Aber ich möchte, dass du und Micchan euch zum Antrieb aufmacht. Doitsu ist bereits auf dem Weg, aber ich befürchte einer von uns wird nicht reichen. Akira hat zu viele mitgenommen… Ja, seid Ihr noch nicht weg?“
„Wir sind schon auf dem Weg, Nii-chan!“, rief White, ergriff Michis Hand und lief den Gang hinab, hinaus auf den Bahnhof der Poseidon-Station.
Sie sprangen in die bereitstehende Bahn; sie fuhr sofort ab. Angreifende Mechas wurden sofort von den automatischen Geschützen abgedrängt.
„Mann, Mann, Mann, warum bin ich eigentlich durch den ganzen Ärger mit der KI-Ausbildung und dem Waffentraining und dem unbewaffneten Kampf gegangen, wenn Makoto-nii gleich zwei KI-Meister besiegen kann?“, murrte Michi.
White riss sich vom Anblick der Mechas fort, die noch immer mit den automatischen Waffen fochten. Dauerte der Angriff wirklich erst ein paar Minuten?
Glücklicherweise waren sie beide zufällig in Poseidon gewesen, als der Angriff erfolgt war. Und glücklicherweise hatten sie sich den abgeschossenen und nun zu Fuß vorrückenden KI-Meistern in die Flanke werfen können.
„Nun, ich bezweifle, dass er es mit vier hätte aufnehmen können. Also haben wir doch sicherlich ein gutes Stück Arbeit geleistet, oder?“
Sie sah dabei zu, wie aus der Decke der AURORA humanoide Gestalten herab rieselten. Wenn sie näher hinsah, erkannte sie Banges, die direkt im holographischen Himmel zu entstehen schienen. Diese Banges ließen sich fallen, aktivierten ihre Antriebe erst kurz vor dem Boden und rasten dann auf die Poseidon-Zentrale hinzu. Sie wurden nicht unter Abwehrfeuer genommen.
„Das Red-Team?“, fragte White gedankenverloren. Nein, dafür waren es zu viele.
„Die Fünfte. Ehre oder Tod. Sie greifen auf unserer Seite in die Schlacht ein. Hm, was sind sie wohl wert, wenn Akira-o-nii-sama derart mit ihnen Schlitten fahren konnte?“
„Die da sind nicht Akira“, wandte White ein.
„Ist ein Argument.“
Die Bahn hielt das erste Mal im Heckbereich der AURORA. Sie hatten fünf Stationen überfahren und waren direkt abgeliefert worden. Als sie aus dem Hochgeschwindigkeitszug sprangen, erwartete sie bereits ein Hawk. Sie stiegen auf seine voll modulierten Hände und ließen sich von ihm zwei Kilometer in die Höhe heben.
Dort öffnete sich für sie ein Wartungsschacht und ließ sie ein, tief hinein in den Heckbereich der AURORA, wo die Antriebe warteten.
Der Antrieb selbst war über neun gigantische Kavernen verteilt, die künstlich verstärkt worden waren. Jede einzelne Komponente war schwimmend gelagert, um die Arbeitsvibrationen abzufedern. Diese schwimmende Komponente war nun ein Schlachtfeld geworden, denn die Zwischenräume reichten durchaus dafür aus, um die Aufklärungskonfiguration der Banges hindurch zu lassen. Diese und die Sparrows, die ihrem Codenamen in diesem Fall mehr als gerecht wurden.
Mehrere ausbrennende Sparrow- und Banges-Wracks deuteten darauf hin, wie erbittert der Kampf geführt wurde.
Auf dem Boden kämpften die ausgestiegenen Piloten weiter.
Michi erkannte Kenji unter ihnen, der mit brachialer Kraft versuchte, den KI-Vorteil auszugleichen.
White und Michi nickten sich zu und sprangen von den Händen des Mechas hinab, mitten hinein ins Getümmel. Im Laufen griff Michi nach einer Stahlstrebe, die einem Schwert am nächsten kam und griff einen Banges an, der gerade einem Sparrow ausgewichen war und nun für ein paar Augenblicke den Erdboden berührte. Michi zog den Stahl über die Beine des Banges und hackte dabei eines ab. Der Miginagi war einer der Lieblingsstöße von Akira, der als Rechtshänder den Hieb von rechts auf den Rumpf bevorzugte.
Der Pilot stieg aus.
Er landete federnd auf den Knien, erhob sich und nahm seinen Helm ab. Dann wandte er sich Michi zu.
Der junge Mann erstarrte. Der Kerl sah Akira ähnlich. Erschreckend ähnlich. Nur um einiges älter.
„Was wollt Ihr Kinder hier?“, fuhr er Michi und White an. „Dies ist ein Krieg. Im Krieg wird man verletzt!“
„Unterschätze uns besser nicht, Kerl!“, rief Michi und brachte die Stahlstrebe nach vorne.
„Interessant“, murmelte sein Gegenüber. Hinter ihm landete der Sparrow, der ihn die ganze Zeit so bedrängt hatte. Der Naguad reagierte darauf, erklomm den Mecha und trat hart auf die Cockpit-Panzerung. Sein Fuß schlug durch, zerbrach den Cockpitschutz und landete wohl dosiert auf dem Kinn des Piloten. Für eine Sekunde wirkte es, als würde er dem Sparrow-Piloten auf diese Weise den Kopf abtreten. Aber es schickte ihn nur ins Reich der Träume.
„Takashi-kun!“, rief Michi entsetzt.
Der fremde KI-Meister sprang mit einem Salto vom Mecha herab und zog im Fallen seine eigene Klinge. KI umfloss die Klinge und ließ sie blau aufleuchten. „Interessant“, wiederholte er. Dann griff er an.
Michi wich dem ersten Hieb aus, einem Tsuki, dem Stoß direkt auf den Leib und setzte einen Hidarinagi an, der vom KI-Meister blockiert wurde.
Verwundert zog der Mann eine Augenbraue hoch, als die Klinge und die Stahlstrebe aufeinander trafen, und die Strebe nicht zerbrach. Seine Verwunderung steigerte sich, als er das glimmende KI um den Stahl sah. „Wer bist du, Junge?“
„Es ist unhöflich, jemanden nach seinem Namen zu fragen, ohne sich selbst vorgestellt zu haben“, blaffte Michi wütend und sprang einen Schritt zurück.
„Da hast du vielleicht Recht. Ich bin Marus Jorr, Kapitän Marus Jorr. Und du bist?“
„Michi Torah, Meisterschüler von Akira Otomo!“, rief er wütend und griff erneut an.
„Du bist ein Schüler meines Bruders?“, fragte Jorr interessiert und wich den Angriffen spielerisch aus.
„Wie, dein Bruder?“
„Ach, hat er es seinem Meisterschüler nicht erzählt? Wir stammen aus dem gleichen Bluterbe. Sprich, seine Eltern und meine Eltern sind miteinander verwandt. Er ist aus dem Hause Arogad, genau wich ich. Oder um es auf den Punkt zu bringen, er ist ein Naguad.“
„Na und, das bin ich auch!“
„Und dann kämpfst du gegen mich?“
„Warum nicht? Menschen auf der Erde haben sich früher auch untereinander bekämpft, oder? Scheint ne ziemlich normale Sache im Universum zu sein.“
„Im Imperium eher nicht“, schloss Jorr ernst.
Hinter ihm prallten ein Hawk und ein Banges aufeinander. Der Hawk zerteilte den Gegner mit einer Herkules-Klinge und trennte den Torso zwischen Cockpit und Reaktor sauber auf.
„Was spielst du so lange mit dem Kerl? Mach ihn fertig, Micchan!“, erklang Doitsu Atakas Stimme. Der Hawk zeigte mit der voll modellierten Hand ein Daumen hoch-Zeichen.
Michi erwiderte es mit einem breiten Grinsen.
„Noch hast du mich nicht besiegt, Kleiner!“, rief Marus Jorr amüsiert und griff wieder mit einem Tsuki an.
Die Spitze der Waffe stoppte eine Handbreit vor Michis Schädel. Eine Fingerkuppe hatte sich auf sie gelegt und gestoppt. Marus Jorr sah auf. „Wer bist du denn?“
„Ich bin White Slayer. Und ich werde nicht zulassen, dass du Micchan etwas tust.“
Über die junge Frau im Trikot und dem kurzen weißen Rock zuckten KI-Entladungsblitze. „Entschuldige, dass ich dir den Spaß nehme, Micchan, aber wer dich attackiert, kriegt Ärger mit mir.“
Die Entladungsblitze zuckten weiter vor, über Jorrs Klinge bis zu seinen Händen. „Erstaunlich. Wirklich erstaunlich.“
Jorr baute seine eigene KI-Aura auf, verstärkte sie und ließ ebenfalls Blitze entstehen. Die beiden Energien trafen aufeinander und reagierten wie zwei Plus-Pole eines Magneten.
Für eine Sekunde trat Angst in die Augen von White Slayer, als sie erkannte, wie stark ihr Gegner wirklich war.
Michi ergriff ihre andere Hand und drückte sie leicht. Auch er wurde nun von sichtbarem KI umspült.
Die beiden lächelten sich an. Als sie synchron in Jorrs Richtung sahen, riss der Naguad erschrocken die Augen auf.
Dann gab es einen Lichtblitz, der alle Sinneseindrücke auslöschte.
Als sich Marus Jorrs Sicht wieder klärte, fand er sich am Boden wieder. Eine Wolke aus Staub hüllte ihn ein. Hustend und spuckend richtete er sich wieder auf.
Eine mitfühlende Seele reichte ihm eine Wasserflasche. Dankbar nahm Jorr sie entgegen und trank einen kräftigen Schluck. Wieder spie er aus und goss sich einen Teil über die Stirn. „Danke“, sagte er und gab die Flasche zurück.
„Keine Ursache“, sagte Doitsu Ataka.
Er deutete auf Akari Otomo und Michi Torah, die bewusstlos nebeneinander auf dem Boden lagen. „Was hast du jetzt vor?“
Marus Jorr grinste schief. „Was wohl? Ich habe gegen die beiden verloren. Sie haben mich besiegt und mein KI versiegelt. Ich hätte nicht gedacht, dass ich das überleben würde.“
Doitsu setzte sich neben den Naguad auf den Boden und trank nun selbst einen Schluck aus der Flasche. „Verdammt, die beiden haben meinen Hawk vom Himmel geholt. Hey, Kenji, hast du alles von dir gefunden?“
Der riesige Kenji Hazegawa kam zu ihnen herüber, wich dabei den Trümmern eines Banges aus. „Wenn die beiden das nächste Mal so einen Overkill veranstalten, sollten sie uns vorher besser vorwarnen, was?“
Nach und nach kamen weitere Soldaten der Erde und KI-Meister der Naguad zusammen.
Alle ließen sich bei den beiden nieder und teilten an Notfallreserven, was sie bei sich hatten.
Einer von ihnen, Commander Vardan Kors, deutete auf den mit Löschschaum bedeckten Aggregatblock des Antriebs in dieser Kaverne. „Gut, dass die Ingenieure den Block vom Strom genommen haben. Nicht auszudenken, was passiert wäre wenn nicht nur dieser sondern alle neun Energielieferanten durchgeschmort wären.“
„Tja, dann hätten wir unseren Auftrag erreicht gehabt und den Antrieb der AURORA vernichtet“, schloss Marus ernst. Er brach sich eine Rippe von einem Schokoriegel ab und reichte ihn Kenji zurück.
„Und uns alle mit dazu. Zudem haben sie die KI-Kräfte von uns allen in Dissonanz gebracht“, sagte Doitsu ernst. „Kann es etwas Gefährlicheres geben als dieses Paar?“
„Mir ist noch nichts derartiges begegnet“, sagte Marus ernst. „Absolut nichts, was sich aus der Energie zweier KI-Meister derart synchronisiert und potenziert hätte.“
Marus Jorr spürte, wie ihn zwei kräftige Arme von hinten umschlangen und in einen wirklich gemeinen Griff nahmen, welchen die Menschen Doppelnelson nannten. „Ist das zufällig dein Stiefelabsatz auf meinem Kinn, hä?“, rief Takashi Mizuhara wütend.
„Hey, das ist Misshandlung von Kriegsgefangenen“, beschwerte sich Jorr laut.
„Ich habe nicht gehört, dass du dich ergeben hättest“, konterte der Riese.
„Dann tue ich es eben jetzt!“
„Spielverderber.“ Takashi ließ den Mann fahren und setzte sich dazu. Er musterte die anderen KI-Meister. „Was ist mit euch?“
Abwehrend hoben sie die Arme. „Wir ergeben uns auch ohne dass du uns in die Mangel nimmst. Unsere KI-Kräfte sind sowieso versiegelt“, erklärte Vardan Kors. Die anderen nickten zustimmend.
Takashi sah zu der riesigen Anlage herüber. „Junge, alleine das putzen wird Wochen dauern.“
„Wir sollten es den beiden hier aufhalsen. Immerhin haben sie es verbockt. Himmel, für einen Augenblick dachte ich, die ganze AURORA explodiert. Was für eine Macht.“ Doitsu Ataka schüttelte nur fassungslos den Kopf.
„Schade, dass Kei nicht hier ist“, murmelte Kenji. „Der könnte jetzt ein paar tolle Fotos machen.“ Er deutete auf Akari, die ihre KI-Rüstung verloren hatte. „Die schlafende Akari Otomo mit seligem Babylächeln, Händchenhaltend mit dem gut aussehenden Michi Torah, der zudem auch noch seinen Kopf auf ihre Brust gebettet hat. Was für ein Bild.“
„Nur nicht neidisch werden. Du hast doch Emi, oder?“
„Schon. Aber bei diesem Lächeln, diesem offensichtlichen Glück kann man schon neidisch werden, oder?“ Kenji grinste breit.
„Das weiß seiner Haare und das schwarz von ihren bilden einen tollen Kontrast“, murmelte Marus Jorr. „Das hätte mir eine Warnung sein sollen, dass sich die beiden gut ergänzen.“
„Man sollte sich eben nicht so ohne Weiteres mit Akiras kleinster Schwester anlegen“, kommentierte Takashi amüsiert.
„Kleinste Schwester? Ich sehe keine Anzeichen für die Gene meines Hauses.“
„Das ist eine längere Geschichte. Eigentlich ist Akari ja ein als Mensch wiedergeborener Oni und…“
Entgeistert starrte Jorr den Major der Hekatoncheiren an. „Sie ist ein Bindeglied zwischen Menschenwelt und den Dämonen?“ Marus Jorr sackte in sich zusammen. Er lachte rau auf. „Dann ist sie ja Torum Acati ziemlich ähnlich. Er ist auch ein halber… Wie nennst du das? Oni. Sie hätte ihn vielleicht aufhalten können. Niemand sonst. Nicht einmal mein Bruder Akira.“
„Hm. Abwarten“, brummte Kenji.
„Ihr erwartet doch nicht etwa ein Wunder von Akira, oder?“
Die Offiziere und Mannschaften der Hekatoncheiren sahen sich an und begannen spontan zu lachen. Doitsu hatte bald Tränen in den Augen und Kenji musste sich seinen Bauch halten.
Takashi hatte sich sogar auf den Rücken fallen lassen.
„Was war denn daran so witzig?“
„Du hast gerade Akiras heraus ragendste Eigenschaft beschrieben, Kumpel“, antwortete Doitsu mit heiserer Stimme.
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Die beiden Banges vom Red Team der AURORA waren knallrot. Aria mochte das, denn auch Lady Death, den sie wieder an Megumi abgetreten hatte, war knallrot gewesen.
Nebenbei war die Leistung der Red Team-Banges erhöht worden. Es erstaunte sie jedes mal aufs Neue, was die Menschen doch so alles schafften, wenn man sie ließ.
„Und du bist dir absolut sicher?“, fragte Aria die Pilotin im Banges direkt neben ihr, während sie zusammen mit zwanzig weiteren Maschinen der Fünften Division aus dem holographischen Himmel herab fielen.
Jora Kalis brauchte nicht lange zu überlegen. „Worüber sicher? Dass ich desertiert bin? Dass ich gerade in einem Banges stecke und dabei bin, meine Kameraden anzugreifen? Dass ich gerade gegen die Interessen des Imperiums handle? Nein, absolut nicht sicher.
Sicher ist nur eines: Die AURORA darf nicht zerstört werden. Die gute Million Anelph da hinten müssen verteidigt werden.“
„Na, immerhin etwas. Fünftes Bataillon, seid vorsichtig beim Angriff. Mit KI-Meistern habt Ihr noch nie gekämpft. Also achtet auf Leutnant Kalis´ Anweisungen.“
Die Klarmeldungen überschlugen sind. Es schien als wäre sie aus dieser Einheit nie fort gewesen, so schnell hatten die Männer und Frauen sie wieder akzeptiert.
Und es schien als wäre ihr Dienst mit ihnen schon eine Ewigkeit und nicht ein paar läppische Wochen. Sie kannte noch immer die Namen ihrer Soldaten nicht auswendig, dennoch glaubte sie jeden und seine Fähigkeiten genau zu kennen.
Es rasten noch immer vier Banges um Poseidon, hatten mittlerweile fast alle Abwehrstellungen ausgelöscht. Ein Magnetschwebebahnzug verließ gerade den Bahnhof, wurde gedeckt von den verbliebenen Geschützen auf dieser Seite. Dann beschleunigte er auf Höchstgeschwindigkeit und war fort.
„Da hat es wohl jemand eilig, was?“ Jora riss ihren Banges herum. „Hergehört, Ihr Trantüten. Jeweils fünf greifen einen Banges an. Zwei Fernkampfkonfigurationen attackieren den Banges permanent, drei Nahkampfmodelle bedrängen ihn im Nahkampf. Schnelle, kurze Attacken. Lasst euch nicht treffen, die meisten Schüsse und Schwertsteiche sind KI-verstärkt und können euch in Fetzen reißen. Verstanden?“
Die Piloten bestätigten und teilten sich selbstständig auf. „Was dagegen, wenn wir zusammen fliegen, Aria-Schatz?“, fragte Jora, während sie den Gruppen ihre Ziele zuteilte.
„Du bist auch eine KI-Meisterin, hm? Kein Problem. Je schneller wir unser Ziel eliminieren, desto schneller können wir den anderen helfen. Wen hast du uns denn ausgesucht?“
„Den Stärksten, Chad Noran.“
„Irgendwie habe ich nichts anderes erwartet. Na dann los!“
**
Als Yoshi und ich aus der Abbremskurve kamen und mit vollen Werten die Geschwindigkeit reduzierten, wurde die AURORA größer, immer größer, bis ich meinte, sie mit meinen Händen greifen zu können. In Momenten wie diesen wurde mir erst wieder bewusst, wie groß das Riesenschiff wirklich war. Der kleine aufleuchtende Ausschnitt, der Primes Hangar markierte, wirkte jedenfalls regelrecht verloren auf der gigantischen Oberfläche.
Seite an Seite mit Yoshi schoss ich hinein. Wir stoppten unsere Mechas hart an der inneren Schleusenwand, das Metall beulte sich unter dem Druck des Aufpralls ein.
Die äußere Schleuse schloss sich, der Druckausgleich erfolgte und die innere Schleuse öffnete sich. Wir rasten mit unseren Mechas hinein. Der Hangar war zum Glück nahe einem der Notzugänge für Mechas in den Innenraum der AURORA ausgestattet, die genau für solch einen Notfall erschaffen worden waren.
Ich flog vorneweg, Yoshi direkt hinter mir.
Als wir im Innenraum ankamen, war mir als hätte jemand mein Blut eingefroren. Als ich mich wieder gefangen hatte, war Prime nur noch wenige hundert Meter vom Boden entfernt. Hart fing ich ihn ab.
„Was ist passiert?“, rief Yoshi außer sich. „Da hat irgendjemand eine unglaubliche KI-Kraft entfaltet, so mächtig wie ich sie noch nie gespürt hat. War das wirklich ein Mensch?“
„Eher zwei oder mehrere Menschen! Otomo hier, wie ist die Lage?“
„Schön, dass du mal vorbei schaust, Akira. Aria kümmert sich mit ein paar Leuten von der Fünften Banges um die KI-Meister an der Poseidon-Station, aber sie hat einige Probleme damit. Wäre nett, wenn du Yoshi entbehren könntest.“
„Bin schon unterwegs“, rief der Freund und änderte seinen Kurs.
„Im Heck gab es gerade eine große KI-Eruption. Einer der Reaktoren ist vom Netz gegangen. Weitere Kämpfe werden nicht gemeldet. Hat wohl wenig Sinn, dort mal nachzusehen.“
„Verstehe.“
„Wo wir dich am dringensten brauchen ist bei den eingefrorenen Anelph. Ein einzelner KI-Meister ist dort gelandet und hält unsere Truppen in Atem. Es gab schon Dutzende Ausfälle. Wir haben eine Kompanie Hekatoncheiren von Kottos aktiviert bekommen, aber der Gegner hat sogar mit Daisuke den Boden aufgewischt, obwohl der in einem Mecha saß. Dafür hat er aber fünf Slayer in die Nähe der Plattformen geschafft. Wenn du den Gegner ablenken könntest, bis die fünf einen ähnlichen Schild erschaffen, der gerade Fushida City schützt, wäre das echt hilfreich.“
„Nur ablenken? Darf ich ihn auch besiegen?“
„Du kannst es gerne versuchen. Aber mich erreichen keinerlei Nachrichten aus dem Gebiet, kaum dass die ausgesandten Truppen ankommen. Der Kerl ist fies und stark.“
„Das heißt also ich muß mich vorsehen, was?“
„Nein, das heißt du musst überleben. Und noch was, Akira. Joan ist noch in Charleston. Du passt gefälligst auf sie auf, versprich mir das. Nur für den Fall dass sie glaubt, sie müsste einen KI-Meister mit bloßen Händen angreifen. Dies ist nicht der zweite Mars-Feldzug, wo sie eine Artemis-Lanze mit bloßen Händen gestoppt hat.“
„Schon klar, du hast mein Wort!“
„Danke, kleiner Bruder.“
Ich schmunzelte und korrigierte meinen Kurs. Tatsächlich holte der Zoom mir schnell das Kampfgebiet heran. Mehrere Panzer versuchten einen einzelnen Mann vom Resonatorfeld abzudrängen. Der aber nutzte geschickt das Feld als Deckung und lockte seine Gegner ein ums andere Mal in die Falle.
Ich zoomte noch tiefer und erkannte die fünf Slayer, die sich im Deckschatten der erbitterten Angriffe tiefer in das Feld hinein arbeiteten. Wenn der Mann sie entdeckte und direkt angriff, was konnte dann alles passieren? Das Schutzfeld aufzubauen hatte nun höhere Priorität als den Slayern Gelegenheit zu geben, sich im Kampf zu beweisen. Moment mal, fünf? Wo war White? Und wer hatte dann das Feld um Fushida aufgebaut?
„Mako, wo ist Akari?“ „Die habe ich zusammen mit Micchan zum Antrieb geschickt.“
„Du hast was?“ „War vielleicht ein Fehler.“
„Na, danke. Solltest du mich nicht besser beruhigen oder so?“
„Hast du mir nicht mal gesagt, du willst lieber immer gleich die Wahrheit wissen anstatt angelogen zu werden? Hm? Außerdem bin ich ja schon dabei, weitere Truppen hinzubeordern, um auf den neuesten Stand zu kommen.“
„Ist ja schon gut. Halte mich auf dem Laufenden, ja?“
„Ist gut.
„Verdammt“, fluchte ich. „Wenn Micchan nicht ordentlich auf Akari aufpasst, dann…“
Ich landete den Mecha am Rande eines Panzerwracks. Es war an der Seite aufgespaltet worden, die innen gelagerte Munition war hoch gegangen. Verdammt, das war doch nur ein Mann, zudem ohne Banges!
Ich warf Prime herum, begann zu laufen, auf den Gegner hinzu, der gerade einen Hawk mittig traf. Ich konnte beinahe sehen, wie der Fluss seines KI den Körper des Mechas erfasste, auflud und dann meterweit davon schleuderte.
Ich… Entsetzt sah ich zur Seite des Schlachtfeldes. Dort hockte Gina, auf ihrem Schoß eine junge Frau gebettet. „Ai-chan!“ Hastig aktivierte ich die Lautsprecher. „Gina, was ist passiert?“
„Er…“, begann sie mit erstickender Stimme, „…hat Ai-chan das Genick gebrochen. Und dann hat er Joan mit seinem KI den Verstand aus dem Hirn geblasen!“
„WAS?“ Ich suchte und fand Joan Reilley ein paar Dutzend Meter entfernt. Sie kniete auf dem Gras und schwankte vor und zurück, wie ein Grashalm in starkem Wind. Ihre Augen waren leer und starrten ohne zu blinzeln in unerreichbare Fernen. „Joan…“ Ich ballte meine Hände zu Fäusten. Schon wieder. Schon wieder hatte jemand Joan dieses Verbrechen angetan. Schon wieder war alles was sie war und was sie wusste ausradiert worden!
Ich entsiegelte das Cockpit, löste Anschlüsse und Gurte und schoss daraus hervor. Auf dem Boden rollte ich mich ab, kam auf die Beine und lief zu Joan herüber. „Joan!“
Ihre Augen starrten durch mich hindurch, mit keiner Bewegung ihrer Miene registrierte sie meine Anwesenheit. Fassungslos brach ich vor ihr in die Knie ein. „Joan…“ Ich strich über ihre warme Wange, sah in die verlorenen Augen. „Joan…“
Meine Augen füllten sich mit Tränen, als ich das Mädchen in die Arme schloss. Wie hatte dieser Kerl ihr das antun können? Wie hatte irgendjemand meine Joan überhaupt verletzen können? „Ich räche dich.“
Entschlossen stand ich wieder auf. „Otomo hier. Alle Truppen haben sich aus dem Bereich des Angreifers zurückzuziehen. Ich übernehme ab jetzt.“
„Division Commander, Begam Torum Acati hat bereits sieben Hawks, neun Panzer und vierunddreißig Infanteristen getötet. Sie sollten dieses Monster nicht alleine stellen!“
„Sie haben Ihre Befehle. Warten Sie das Ende des Kampfes ab und schicken Sie dann Sanitäter.“
„Verstanden, Sir. Und viel Glück.“
„Blue, kannst du mich hören?“
„Laut und deutlich, Akira-san.“
„Ich lenke den Begam ab. Erschafft Ihr das Schutzfeld, ja?“
„Du trittst ihm alleine entgegen? Er hat sogar Daisuke umgehauen. Sein Mecha liegt in Charleston auf der Straße. Und er flucht seitdem wie ein Rohrspatz. Außerdem hat sich Dai-chan was gebrochen und…“
„Hina, ich komme schon klar. Okay?“
„Okay. Viel Glück und bleib am Leben.“
Ich nahm den Helm ab, warf ihn fort. Dann schälte ich mich aus dem Pilotenanzug. Bei dem was nun kam würde er mir eher hinderlich sein. „Das kann ich nicht versprechen, Hina-chan.“
Torum Acati also war mein Gegner?
Irritiert über den Rückzug seiner Opponenten ging er zu dem Wrack seines Banges zurück. Genau in meine Richtung. Ich ergriff mein Katana, zog es blank.
Der Begam musterte mich interessiert, hob seine eigene Waffe. „Noch so einer? Hier muß irgendwo ein Nest sein.“
„Mit mir wirst du es wesentlich schwerer haben, versprochen“, sagte ich düster und hüllte meine Klinge in KI ein. Wütend knurrte ich auf. Ein blaues Licht umspülte mich, verhüllte meinen Körper, mein Gesicht und meine Augen.
Als das Licht erlosch, trug ich eine blaue Uniform mit goldenen Akzenten.
Torum Acati sah mich erstaunt an. „Hm? Hätte ich mir ja gleich denken können, bei dem Gesicht. Die Familienrüstung der Arogad. Interessant. Jetzt erwarte ich doch einiges von diesem Kampf.“
„Jetzt, Hina“, murmelte ich mehr zu mir selbst und prallte mit Acati zusammen.
Hinter uns gab es plötzlich eine große KI-Entfaltung. Die Mädchen begannen damit, das Schild aufzubauen. Acati spürte es auch, sah es, vielleicht sogar besser als ich. Er drückte mich zur Seite, lief auf das Feld zu. Ich fiel darauf herein, wollte ihm nachhetzen und wurde von einem Tritt getroffen, der mich meterhoch nach hinten und in die Luft schleuderte. Die KI-Rüstung fing einiges ab, aber da war Acati schon heran und trieb mir seinen Ellenbogen auf den Halsansatz.
Es schmerzte höllisch, trieb mich wieder dem Erdboden entgegen.
„Zwei Schläge und du lebst noch? Bist du ein Banges, Bursche?“
Benommen schüttelte ich den Kopf. „Verdammt. Verdammt. Verdammt!“
„Ich sage dir, woran es hapert, Sohn von Arogad. Du bist stark und schnell. Deine Rüstung hält viel aus. Aber du bist noch ungeschliffen. Du liest mein KI nicht. Ich deines aber schon. Deshalb weiß ich, wie du dich bewegen wirst. Deshalb weiß ich was du tun wirst.“
Mühsam versuchte ich mich aufzurappeln. Ich fiel wieder zu Boden. Mist, hatte der Bastard mich hart getroffen. Wieder versuchte ich hoch zu kommen.
„Du bist dann wohl der Letzte, oder? Wenn ich dich besiegt habe, ist die AURORA in meiner Hand, richtig? Dann nützen euch auch diese Schutzfelder nichts mehr.“
Ich sah auf, gerade rechtzeitig um zu erkennen, wie ein gigantisches, golden glitzerndes Feld entstand und den gesamten Bereich um die Podeste einhüllte. Blue stand inmitten der Tribünen, die anderen, Black, Red, Orange und Green hatten sich um sie herum angeordnet. Hina konvertierte das KI, welches die Mädchen ihr spendeten und kreierte damit das Schutzfeld.
„Wenn du der letzte starke Gegner warst, dann wird euer Anführer hoffentlich einsehen, dass weiterer Widerstand sinnlos ist. Tut mir Leid, Junge, aber ich glaube, du musst jetzt sterben.“
Acati trat auf mich zu, hob seine Waffe.
Verzweifelt baute ich ein KI-Schild auf. Verdammt, konnte es, musste es so Zuende gehen? Ich sah die Klinge niederfahren und schloss die Augen. Nicht stark genug. Falsch gehandelt.
Die Klinge kam nie an. Stattdessen stieß der Begam einen derben Fluch aus. „Du schon wieder?“
Ich öffnete die Augen. Direkt vor mir stand eine junge Frau in einer aparten Kombination aus Minirock und ärmellosem Shirt. Sie hatte die Klinge des Begams zwischen zwei Händen aufgefangen und stemmte sich in dessen Druck hinein.
„Joan?“, rief ich ungläubig.
Begam Acati stemmte sich noch mehr in seine Klinge hinein, aber Joan hielt stand.
„Aki… chan…“, hauchte sie. Kurz sah sie zu mir zurück, in ihren verlorenen Augen stand für einen Augenblick ein wenig Gefühl. „…beschützen… Aki… chan…“
Mühsam richtete ich mich wieder auf. Joan hatte mir die Zeit erkauft, die ich gebraucht hatte.
„Ich habe deinen Verstand ausradiert. Wie kann das sein?“ Acati befreite seine Klinge mit einem Ruck und sprang ein paar Meter weit davon.
„Diese Situation ist nicht neu für sie. Auf der Erde wurde sie von den Kronosiern entführt und zum Cyborg gemacht. Damit ihr keine unnötigen Gefühle im Weg waren, hat man ihren Verstand komplett gelöscht. Also im Prinzip haben sie das gleiche getan wie Sie jetzt.“
„Aber sie nennt deinen Namen. Sie spricht! Sie erkennt dich! Das dürfte überhaupt nicht möglich sein!“
„Schon damals“, sagte ich ernst und fühlte einen dicken Kloß im Hals, „war ihr für sie ein Anker in die Realität.
Joan sah mich wieder an, begann zu zittern. „Aki… chan.“
Ich trat an die junge Frau heran, legte den linken Arm um sie und drückte sie an mich. „Für das was du ihr angetan hast, wirst du jetzt büßen, Begam Torum Acati!“
Die Dankbarkeit für Joan, die Wut auf den Begam, mein fester Wille und das Wissen, dass der Tod von Ai-chan nicht umsonst sein durfte, ebenso wenig wie die Tode der tapferen Verteidiger rings um mich, aktivierte mein KI. All das manifestierte sich in meinem Blick.
Und plötzlich konnte ich mit meinem eigentlich fast blinden rechten Auge, das lediglich Schattierungen erkannte, wieder etwas sehen. In Farbe, mit Tiefe… Und mit dem pulsierenden KI in Acatis Körper.
Acati schrie auf, wandte sich ab. „Das Auge! Sieh mich nicht mit dem Auge an! Die Großmeisterin… Natürlich, die Warnung vor dem Auge! Du!!!“
Wieder sah er mich an, vermied aber den direkten Blick. „Du… Du musst hier sterben! Du bist zu gefährlich für dieses Universum! Ich muß dich töten, und wenn das ganze Schiff um uns herum explodiert. Und wenn ich sterbe!“
„Versuch es doch!“, rief ich wütend und verstärkte meine Aura mit all meiner Kraft.
Acati handelte ebenso, fuhr sein KI bis ans Maximum. Ich sah die ungeheuren Mengen, die von seinem Sternum ausgingen und seinen ganzen Körper erfassten, die Aura erreichten und diese verstärkten.
Auf der höheren Ebene entstand ein Kontakt. Wieder standen sich zwei Krieger gegenüber, mit langen Lanzenwaffen bewehrt. Sie griffen einander an, tauschten Hiebe aus und passierten sich. Beide waren verletzt worden, gingen aber sofort wieder in Angriffshaltung.
Ich stöhnte leise, als der Schmerz bis zu mir durchschlug. Erneut verstärkte ich meine Aura. Ich fühlte regelrecht, wie mein rechtes Auge von innen heraus zu leuchten begann!
Dann griff mein Krieger erneut an, stürzte auf seinen zu, während ich in der Realität den Arm um Joans Schulter abnahm und Acati direkt angriff. Allerdings machte der ganze Staub meiner Sicht schwer zu schaffen. Torum Acati erwartete mich schon, hatte seine Klinge zu einem Karatake, einem Hieb von oben erhoben. Ich würde einen Miginagi ausführen, einen Schlag von rechts auf seinen Rumpf. Wenn nur der ganze Staub nicht wäre.
Ich spürte, wie sich zwei schlanke Arme um meine Hüfte legten und mich stoppten.
„Nicht… sterben… Aki… chan…“
Entsetzt hielt ich inne. Und erkannte, woher der Staub kam. Wir, ich und der Begam, vernichteten den Boden mit unseren Auren!
Aber es war für einen guten Preis, für die Rettung der AURORA! Wieder wollte ich angreifen, als vor meinem Auge plötzlich ein bekanntes Gesicht erschien. „Akira!“
„Hina-chan!“
„Akira-san, was tust du da? Ihr vernichtet die AURORA!“
„Was?“, rief ich entsetzt. Und erkannte, dass sich unsere Auren bereits zwanzig Meter weit in den Boden gefräst hatten. „WAS?“
Ich fühlte mich genötigt ein Machtwort zu sprechen, aber dann ließ ich es doch. Sollten sie doch ihren Spaß haben. Sie taten es ja nicht aus Boshaftigkeit oder sogar Hass. Manche Situationen waren einfach witzig. So wie die fünf Naguad, die beim dauerduschen erwischt wurden, ein Pärchen beim Knutschen in eine Abstellkammer – zumindest war es knutschen, als die Meldung bis zu mir vorgedrungen war – ein Koch, der auf seinen vollkommen leer gekochten Topf starrte, ein Adjutant, der beim trinken erwischt worden war und den Inhalt seiner Tasse gleichmäßig über seine Uniform verteilt hatte. Das waren alles so Kleinigkeiten, die in der Summe eines ergaben: Mit einem Schuss gewonnen.
Ich arbeitete mich mit Megumi und Yoshi zur Hauptzentrale des Stützpunktes vor, während Yohko das Einschleusen unserer Mechas überwachte und die Patrouillen am Rand des Feldes aufstellte und koordinierte.
Dabei nahmen unsere Helmkameras alle Eindrücke auf, die sie gewannen und funkten sie live ins Fernsehnetz der Anelph auf Jomma. Quasi in Echtzeit wurden sie über die Zustände in der Basis informiert.
Jedermann konnte mit ansehen, dass die Besatzung des Stützpunkts erstarrt war.
Wir nutzten diese Aufnahmen natürlich, um ausgiebig über das Resonatorfeld zu referieren, Schaubilder wurden gezeigt und mit den realen Aufnahmen untermalt. Natürlich verschwiegen wir nicht, dass das Feld so eingestellt werden konnte, dass es langsam nachließ und sich die Resonanzwirkung auf das KI aufhob. Oder es lief weiter bis keine Energie mehr hinzugeführt wurde, um plötzlich die Wirksamkeit zu verlieren. Aufnahmen der fünf Techniker, die damals vom OLYMP zur Titanen-Station herunter geschickt worden waren, wurden geschickt in den Bericht eingebaut und verdeutlichten, was dann passieren würde.
Und was mit Naguad passierte, die man im erstarrten Zustand aus dem Feld holte.
Danach folgte eine geschickte Überleitung zum geplanten Blockadegeschwader, welches mit sechs Resonanzfeldern den Planeten Lorania gegen jeden Eindringling abschotten würde.
Offiziell würden sie an Bord von sechs Korvetten stationiert werden – eine List, um die Naguad zu täuschen und wenigstens den ersten Angriff abzulenken.
Auch gab es schon Pläne, Korridore für den interplanetaren Verkehr zu schaffen, die aber notfalls sehr schnell geschlossen werden konnten.
Der Stab Makotos war sehr gründlich gewesen und arbeitete noch immer.
„Hey, Chef!“ „Hm?“, antwortete ich auf die vollkommen unmilitärische Anrede.
In meinem Helm aktivierte sich das Headupdisplay und informierte mich darüber, dass Captain Daynes mich angesprochen hatte.
„Chef, ich bin im Knast, und rate mal, wer hier rum steht wie eingestellt und sauer geworden. Du wirst ihn lieben. Es ist Colonel Connar vom Geheimdienst.“
Abrupt blieb ich stehen. Gewiss, die Idee war von Taylor gekommen, mich zu vergiften. Und auch das schwere Betäubungsmittel, dass mir statt dem ultragefährlichen Nervengift Borex verabreicht wurde, war auf seinem Mist gewachsen.
Aber der da war sein williger Erfüllungsgehilfe gewesen. Er war es gewesen, der den behandelnden Arzt erpresst hatte, um mich zu töten.
„Soll ich ihn aus dem Feld schmeißen?“, fragte der Amerikaner leichthin.
Ich atmete lange aus. „Warum einen schnellen Tod? Lassen wir ihn langsam sterben – vor einem Militärgericht, wie Admiral Achander und Admiral Ikosu es geplant haben.“
„Manchmal kannst du ganz schön sadistisch sein, Chef“, scherzte der Amerikaner. Aber ich hörte aus seiner Stimme gut heraus, dass er es durchaus ernst gemeint hatte.
„Danke“, bemerkte ich sarkastisch. „Übrigens habe ich dir und Goran noch gar nicht gedankt.“
„Schwamm drüber. Wofür eigentlich?“
„Dafür, dass Ihr beide… Auf Yellow Slayer aufgepasst habt.“
Peinliches Schweigen antwortete mir. Erst nach mehreren Minuten sagte Jordan Daynes leise: „Das meinst du ernst, nicht wahr, Akira?“
„Ich zähle dich und Goran zu ihren Freunden.“
„Na, Schwamm drüber. Man wächst halt mit seinen Aufgaben.“ Das Lachen im Anschluss klang irgendwie wässrig. Mensch, heulte der Junge etwa Rotz und Wasser, wegen dem kleinen Lob?
Und wieso bezeichnete ich einen Älteren nur als Jungen? Ich selbst stand kurz vor meinem einundzwanzigsten Geburtstag und war damit immer noch einer der Jüngsten auf dieser Expedition.
Wir erreichten die Zentrale. Bis auf zwei Adjutanten, die sich mit Handfeuerwaffen verbarrikadiert hatten, war sie leer. Sie schossen auf alles und jeden, der auch nur in Sichtweite der Tür kam.
„Granate, Sir?“, fragte Amanda Leary von den Briareos, die durch die Umstrukturierungen zur Kompaniechefin und zum Captain aufgestiegen war.
„Negativ. Die erstarrten Naguad können nicht in Deckung gehen. Yoshi.“
Der große Blondschopf grinste breit und trat neben mich. „Wurde ja auch mal wieder Zeit für eine echte Angebernummer. Du die Beute, ich der Eintreiber?“
„Klar. Ich bin ja auch der größere Blickfang.“
Yoshi lachte laut. „In deinen Träumen, Kleiner. In deinen Träumen.“
Ich schmunzelte und schmiedete KI. Aus dem KI formte ich einen schwachen Schild. Er würde einer oder zwei Kugeln standhalten, wenn ich ihn permanent reparierte vielleicht sogar sechs bis sieben. Dann nickte ich Yoshi zu, der seinen hier irgendwie antiquiert wirkenden Bogen von der Schulter zog und einen Pfeil auflegte. „Hey, Akira, ich habe mir mal gedacht, wieso habe ich nicht ein ganzes Sortiment an Pfeilen? Einen Explosionspfeil, einen mit einer Betäubungsgranate, einen mit einer Ultraschallpfeife zum ablenken…“
„Einer mit nem Boxhandschuh vorne dran.“
„Hey, bleib ernsthaft.“
„Du aber auch. Was für ne miese Aerodynamik sollen die Dinger denn haben? Das taugt doch mit solchen Köpfen nur im Nahkampf, Alter. Und dein Bogen ist ne Fernkampfwaffe.“
„Dafür habe ich sie aber schon ziemlich oft im Nahkampf eingesetzt“, erwiderte er maulig.
„Na, zumindest die Sprengpfeile wären mal ne Idee.“
Schlagartig hörten wir mit unserem Dialog auf. Ich nickte Yoshi zu, der die Geste stumm erwiderte.
Ich riss meinen Helm herab und trat in das offene Schott. „Feuer einstellen! Diese Basis ist ab sofort Eigentum der United Earth Mecha Force und des loranischen Komitees. Widerstand wird als terroristischer Akt bestraft!“
Wie erwartet trafen mich während meines Monologes zwei Kugeln. Eine dritte sauste heran und versuchte das, was ihren beiden Vorgängern nicht gelungen war: Meinen Schild zu durchschlagen.
Ich grinste schief. „Das ist zwecklos, meine Herren. Fügen Sie sich, und Ihnen wird nichts geschehen.“
„Sie kommen hier nicht rein! Eher bringen wir alle hier um!“, klang eine junge, viel zu junge Stimme auf.
Yoshi huschte gerade hinter mir durch die Tür, während ich die Aufmerksamkeit der beiden Schützen hatte. Sie hatten sich hinter einem Pult verbarrikadiert und besaßen nur eingeschränktes Sichtfeld. Diesen Umstand nutzten wir aus.
„Seien Sie vernünftig. Die Basis ist gefallen, die Soldaten in unserer Hand. Die Frage ist nur, werfen wir Sie ins Gefängnis oder in die Leichenhalle? Diese Entscheidung liegt nicht bei mir, aber bei Ihnen.“
„Sie kriegen Admiral Ikosu nicht!“, blaffte die gleiche Stimme erneut. „Eher erschieße ich ihn und… Yamu!“
Yoshi huschte aus seinem Versteck hervor, lief auf das Pult zu. Ich setzte mich ebenfalls in Bewegung und sprintete los. Dann fiel ein Schuss.
Yoshi hielt sich die schmerzende rechte Hand, während ich den beiden Helden die Waffen abnahm. Vor uns saßen ein junger Bursche und ein Mädchen auf dem Boden, gekleidet in die Uniform der Ordonnanzen. Sie waren nicht einmal von der kämpfenden Truppe.
Yoshi stierte das Mädchen wütend an. „Sag mal, Engelchen, wie weh so eine verdammte Kugel tut? Was die für eine Geschwindigkeit drauf hat? Wenn ich meine Hand nicht rechtzeitig vor die Mündung gekriegt hätte, dann würde jetzt ein heftiger Durchzug durch deinen hübschen Kopf pfeifen!“
Ich wischte mir den Schweiß von der Stirn. Die junge Frau zitterte, aus Angst vor uns, aus Angst vor der Welt und vor allem weil sie bereit gewesen war zu sterben und wir es unterbunden hatten. Nun tobte sich alles Adrenalin in ihrem Körper aus, und das auf einmal.
Sie zitterte und begann dann hemmungslos zu schluchzen.
Verdammt, sie war viel zu jung, um mit so einer Situation klar zu kommen. Sie erinnerte mich an Yohko vor dem ersten Marsangriff, aber meine Schwester hatte damals schon Schlachten hinter sich, die sich diese beiden nicht einmal im Traum vorstellen konnten.
Ich winkte weitere Leute herein und bedeutete ihnen, die Zentrale zu sichern.
„Ihr beide habt erst mal Hausarrest auf euren Stuben, bis ich entschieden habe, was ich mit euch anstelle.“ Böse sah ich auf das Mädchen herab. „Yamu heißt du, hm? Was hast du dir dabei gedacht? Das Militär hat Zeit und Geld in deine Ausbildung gesteckt, eine Menge Leute haben sich große Mühe damit gegeben, dir was beizubringen. Und deine Familie verzichtet hier auf dich, damit du einem höheren Ziel dienst. Und was machst du? Denkst du, das war eine mutige Entscheidung?“
Sie sah auf, ihr Gesicht war fleckig von den vielen Tränen. So ein Anblick war überhaupt nichts für mich, und ich knickte ein wie ein Holzhaus nach vier Wochen Termitenfraß.
Ich tätschelte der jungen Frau den Kopf und meinte: „Ist ja nichts passiert. Bedanke dich dafür bei Major Futabe. Sag mal… Loran, ist es in Ordnung, wenn wir euch beide zusammensperren? Sie sieht mir nicht so aus als sollte sie die nächste Zeit alleine bleiben. Und so schnell kriege ich keine Psychologen hier her.“
Der Junge nickte zögernd. „W-was passiert jetzt?“
„Na, was wohl? Wir machen nebenan einen Lagerraum fertig und dann stellen wir die ganze Zentralebesatzung darin unter, bis sie sich wieder bewegen können. Amanda, du trägst die Verantwortung für die beiden. Bring sie auf seine oder auf ihre Stube und lass sie dort bewachen. Eine Wache drinnen, eine draußen.“
„In Ordnung, Akira. Kommt, Ihr zwei.“
Das Mädchen strauchelte, versuchte es erneut, strauchelte erneut. Loran hielt sie fest und bedeutete ihr, sich wieder zu setzen. „Sie sind Commander Otomo, richtig? Darf ich eine Bitte äußern?“
„Sprechen Sie, junger Mann.“
„Darf… Dürfen wir dabei helfen, die Zentralebesatzung in den Abstellraum zu bringen?“
Hm. Wollte der Knabe nun versuchen, einige seiner hohen Offiziere doch noch umzubringen, damit sie nicht in unsere Hände fielen oder wollte er sehen, wie wir mit ihnen verfuhren?
Und warum kümmerte ich mich überhaupt darum? Wäre nicht die richtige Entscheidung gewesen, die zwei zu den anderen Gefangenen in eine Halle zu stecken anstatt sie auf vertrautem Terrain in ihren Zimmern einzusperren? Verdammt, ich, der die meisten Mechas der Geschichte abgeschossen hatte, der das Unmögliche möglich machte, ausgerechnet ich war ein solcher Weichkeks und nahm sogar Rücksicht auf die Gefühle und den Gemütszustand dieser beiden Kinder.
„Sie dürfen helfen, Loran, Yamu. Aber danach geht es ab in die Kabine, verstanden?“
Für einen Moment fühlte ich mich wie ein Vater, der seinen Kindern gerade erlaubt hatte, die nächsten zehn Minuten vom Spätfilm noch zu sehen, wenn sie anschließend brav in die Heia gingen.
Ich hielt jedem eine Hand hin und zog sie auf die Beine. „Amanda. Du teilst sie ein, verstanden?“
„Danke, dass ich sie jetzt ganz an der Backe habe, Akira, Sir.“
„Nur nicht mehr spitzfindig werden, sonst lasse ich dich bei der nächsten Klausur nicht abschreiben“, scherzte ich.
Für einen Moment schien die Kompaniechefin lachen zu wollen, dann zu weinen. Lachen setzte sich durch. Sie wusste nur zu genau, dass es Klausuren für uns beide eine lange Zeit nicht mehr geben würde. „Okay, fürs abschreiben, Akira.“
Ich grinste sie an, aber es lag Wehmut darin. Doch genauso funktionierten wir. Wir, die Hekatoncheiren.
„Und jetzt mache ich was richtig idiotisches“, brummte ich und ging zu einem Konferenztisch, der mit hohen Offizieren voll besetzt war. „Praktisch. Einige sitzen auf Rollstühlen. Die können wir gleich so evakuieren, hm?“
„Und was machst du hier idiotisches?“, hakte Yoshi nach. Er schüttelte noch ein paar Mal die Rechte. Ohne KI-Schild wäre sie glatt durchschlagen worden. Nicht einmal ich konnte ahnen, wie knapp es wirklich um Yamus Leben gestanden hatte.
Ich ging zu Admiral Neon Zut Achander herüber. Ich salutierte knapp vor ihm und sagte: „Entschuldigen Sie, Admiral.“
Dann trat ich vor Fenn Ikosu, den Vize-Admiral und wiederholte die Prozedur.
„Ihr könnt sie jetzt abräumen.“
„Das war wirklich idiotisch“, brummte Yoshi laut. Als Admiral Achander an ihm vorbei gerollt wurde – mitsamt Stuhl – nahm er aber Haltung an und salutierte. „Und es ist ansteckend.“
Andere Hekatoncheiren folgten dem Beispiel und salutierten ebenfalls.
Megumi kam herein gerauscht, die beiden Admiräle keines Blickes würdigend. Sie warf mir meinen Helm zu. „Akira, du musst sofort zurück zur AURORA! Sie wird von zwei Kompanie KI-Meistern mit Banges angegriffen!“
Alarmiert ergriff ich meinen Helm, setzte ihn auf. „Kei, Meldung!“
„Die Kacke dampft.“
„Danke, das erklärt einiges!“
„Komm am besten hoch in den Orbit. Ich habe zwei Booster dabei, damit schieße ich dich und Yoshi hinüber. Yohko und Megumi sollten hier bleiben, falls der Angriff eine Finte ist.“
„Gut mitgedacht, Kei“, haspelte ich hervor, legte meinen Helm kurz auf den meiner Freundin und formte mit den Lippen die Worte: Ich lieb dich.
Dann folgte ich Yoshi, der schon vorgelaufen war.
Im Hangar angekommen erklomm ich Prime Lightning, versiegelte ihn und befestigte die Anschlüsse.
„Durchstarten, Prime!“
„Müssen wir wieder durch die Decke, Sir? Ich glaube, die Stelle da oben haben sie neulich erst geflickt.“
„Nein, heute nehmen wir die Schleuse.“
Neben mir kam Yoshi in seinem Eagle in die Schleuse. Die Innenschleuse glitt mit atemberaubender Geschwindigkeit zu. Dies verdeutlichte mir die eigentlich sehr effektive Technik des Naguad-Militärs. Auch die Sauerstoffatmosphäre wurde sehr schnell abgesaugt.
Als sich das Außenschott öffnete, blinzelte ich verwundert mit den Augen. Ging das wirklich so schnell?
Ich trat die Pedale durch und startete direkt, neben mir stieg Yoshi auf.
Im Orbit, den wir relativ schnell erreichten, parkten bereits zwei Boosterpacks auf uns. Mit unseren Fähigkeiten als KI-Meister würden wir aus ihnen weit mehr herauskitzeln als an Leistung vorgesehen war.
Mittels Lasertechnik dockten die Booster relativ schnell an. Nach einem oberflächlichen Check traten wir die Pedale durch und ritten auf einer KI-verstärkten Welle zurück nach Lorania. Die Schirme des Boosters flammten verdammt oft auf, aber das war uns egal. Unsere Freunde waren in Gefahr!
3.
Michi Tora drehte sich in den Schlag hinein, gelangte so an den Körper des Angreifers und versetzte ihm einen harten Hieb mit dem rechten Ellenbogen. Danach glitt er mit einer Drehung fort von dem Mann.
Der große Naguad sah auf seinen Bauch, wo er den Treffer kassiert hatte und musterte dann den kleineren jungen Mann, der eindeutig Elwenfelt-Gene in sich trug.
„Du glaubst doch nicht etwa, dass mir so ein kleiner Hieb mit dem Ellenbogen den Saft aus den Knochen lutscht? Da bist du hundert Jahre zu früh dran. Und jetzt mach dich… Uh…“
Der große Naguad brach in die Knie ein. Schaum stand vor seinem Mund und mit Entsetzensgeweiteten Augen starrte er den frechen Bengel vor sich an. Auf dem Weg hierher hatte er zwanzig Elite-Infanteristen besiegt, aber diese Bursche hier… Der KI-Meister fiel zur Seite und röchelte leise.
Michi nahm eine entspannte Haltung an, gab die Abwehrstellung auf. „Ein normaler Mensch und ein normaler Hieb hätten die sicherlich nichts getan. Aber ich bin der Elite-Schüler von Akira Otomo. Selbstverständlich war mein Hieb auf das Zentrum deines KI gezielt und mit meinem eigenen KI geladen. Bei Akira-O-nii-sama lernt man, selbst in den unmöglichsten Situationen die entscheidende Menge KI zu schmieden und zu konzentrieren.“
Michi faltete die Hände vor der Brust zusammen und verneigte sich vor dem besiegten Gegner. „Ich werde einen Sanitäter vorbei schicken, versprochen.“
Dann wandte er sich um und lief den Gang hinab.
Dort kämpfte Akari mit einem anderen KI-Meister, einer kleinen, zerbrechlich wirkenden Frau. „Dass du so nett über O-nii-chan reden würdest hätte ich nie gedacht!“, rief sie, während ihre Gegnerin sie mit einer Serie von Hieben eindeckte.
Michi schoss hinzu und nahm einen Teil der Aufmerksamkeit auf sich. „Ich bin nun mal sein Meisterschüler. Was soll ich dagegen machen?“
Akari lachte dazu. Kurz darauf ging ein Lichtblitz durch den Gang, während ihre KI-Rüstung entstand. Ein einziger, wie beiläufig wirkender Hieb fegte die Gegnerin an die Wand.
Die Luft wurde aus ihren Lungen gepresst, als sie zu Boden ging.
White Slayer wandte sich Michi zu und lächelte süß. „Ich bin aber auch nicht schlecht geworden, was?“
„Mit welcher Antwort kann ich mein Leben retten?“
White verzog das Gesicht zu einer verdrießlichen Miene. „Sogar den Humor hat der Meisterschüler von seinem Lehrer übernommen.“
Michi setzte zu einer Antwort an, kam aber nicht dazu, sie auszusprechen. In diesem Moment kam ein Körper den Gang herab geflogen, überschlug sich mehrfach undlandete schließlich genau vor Whites Füßen.
Ein ziemlich lädierter Makoto Ino ließ seine Knöchel knacken und kam den Gang herunter. „KI-Meister, pah. Haben überhaupt nichts drauf, die Kerle. Was ist mit den anderen beiden, Michi, Akari?“
„Sch-schon erledigt, Nii-chan!“, beeilte sich White zu sagen. „Einer ich und einer Micchan.“
„Hm. Gut. Colonel Ino hier. Schicken Sie jetzt die Sanitäter herunter. Die vier KI-Meister, die in Poseidon eingedrungen sind, wurden besiegt. Bleiben noch die vier, die draußen mit den Abwehrmaßnahmen spielen.“
„Hä? Vier? Wer hat denn den vierten KI-Meister fertig gemacht?“
Makoto zuckte mit den Schultern. „Ich natürlich. KI-Meister, tsssss. Die werden maßlos überschätzt. Und sie überschätzen sich selbst.“
Er sah den Gang hinunter. Über fünfzig Infanteristen der AURORA lagen hier herum, Opfer der angreifenden KI-Meister. Wie es andernorts aussah, konnte man nur ahnen.
„Was macht Ihr beide eigentlich noch hier? Blue hat alle Slayer zu den Plattformen befohlen. Aber ich möchte, dass du und Micchan euch zum Antrieb aufmacht. Doitsu ist bereits auf dem Weg, aber ich befürchte einer von uns wird nicht reichen. Akira hat zu viele mitgenommen… Ja, seid Ihr noch nicht weg?“
„Wir sind schon auf dem Weg, Nii-chan!“, rief White, ergriff Michis Hand und lief den Gang hinab, hinaus auf den Bahnhof der Poseidon-Station.
Sie sprangen in die bereitstehende Bahn; sie fuhr sofort ab. Angreifende Mechas wurden sofort von den automatischen Geschützen abgedrängt.
„Mann, Mann, Mann, warum bin ich eigentlich durch den ganzen Ärger mit der KI-Ausbildung und dem Waffentraining und dem unbewaffneten Kampf gegangen, wenn Makoto-nii gleich zwei KI-Meister besiegen kann?“, murrte Michi.
White riss sich vom Anblick der Mechas fort, die noch immer mit den automatischen Waffen fochten. Dauerte der Angriff wirklich erst ein paar Minuten?
Glücklicherweise waren sie beide zufällig in Poseidon gewesen, als der Angriff erfolgt war. Und glücklicherweise hatten sie sich den abgeschossenen und nun zu Fuß vorrückenden KI-Meistern in die Flanke werfen können.
„Nun, ich bezweifle, dass er es mit vier hätte aufnehmen können. Also haben wir doch sicherlich ein gutes Stück Arbeit geleistet, oder?“
Sie sah dabei zu, wie aus der Decke der AURORA humanoide Gestalten herab rieselten. Wenn sie näher hinsah, erkannte sie Banges, die direkt im holographischen Himmel zu entstehen schienen. Diese Banges ließen sich fallen, aktivierten ihre Antriebe erst kurz vor dem Boden und rasten dann auf die Poseidon-Zentrale hinzu. Sie wurden nicht unter Abwehrfeuer genommen.
„Das Red-Team?“, fragte White gedankenverloren. Nein, dafür waren es zu viele.
„Die Fünfte. Ehre oder Tod. Sie greifen auf unserer Seite in die Schlacht ein. Hm, was sind sie wohl wert, wenn Akira-o-nii-sama derart mit ihnen Schlitten fahren konnte?“
„Die da sind nicht Akira“, wandte White ein.
„Ist ein Argument.“
Die Bahn hielt das erste Mal im Heckbereich der AURORA. Sie hatten fünf Stationen überfahren und waren direkt abgeliefert worden. Als sie aus dem Hochgeschwindigkeitszug sprangen, erwartete sie bereits ein Hawk. Sie stiegen auf seine voll modulierten Hände und ließen sich von ihm zwei Kilometer in die Höhe heben.
Dort öffnete sich für sie ein Wartungsschacht und ließ sie ein, tief hinein in den Heckbereich der AURORA, wo die Antriebe warteten.
Der Antrieb selbst war über neun gigantische Kavernen verteilt, die künstlich verstärkt worden waren. Jede einzelne Komponente war schwimmend gelagert, um die Arbeitsvibrationen abzufedern. Diese schwimmende Komponente war nun ein Schlachtfeld geworden, denn die Zwischenräume reichten durchaus dafür aus, um die Aufklärungskonfiguration der Banges hindurch zu lassen. Diese und die Sparrows, die ihrem Codenamen in diesem Fall mehr als gerecht wurden.
Mehrere ausbrennende Sparrow- und Banges-Wracks deuteten darauf hin, wie erbittert der Kampf geführt wurde.
Auf dem Boden kämpften die ausgestiegenen Piloten weiter.
Michi erkannte Kenji unter ihnen, der mit brachialer Kraft versuchte, den KI-Vorteil auszugleichen.
White und Michi nickten sich zu und sprangen von den Händen des Mechas hinab, mitten hinein ins Getümmel. Im Laufen griff Michi nach einer Stahlstrebe, die einem Schwert am nächsten kam und griff einen Banges an, der gerade einem Sparrow ausgewichen war und nun für ein paar Augenblicke den Erdboden berührte. Michi zog den Stahl über die Beine des Banges und hackte dabei eines ab. Der Miginagi war einer der Lieblingsstöße von Akira, der als Rechtshänder den Hieb von rechts auf den Rumpf bevorzugte.
Der Pilot stieg aus.
Er landete federnd auf den Knien, erhob sich und nahm seinen Helm ab. Dann wandte er sich Michi zu.
Der junge Mann erstarrte. Der Kerl sah Akira ähnlich. Erschreckend ähnlich. Nur um einiges älter.
„Was wollt Ihr Kinder hier?“, fuhr er Michi und White an. „Dies ist ein Krieg. Im Krieg wird man verletzt!“
„Unterschätze uns besser nicht, Kerl!“, rief Michi und brachte die Stahlstrebe nach vorne.
„Interessant“, murmelte sein Gegenüber. Hinter ihm landete der Sparrow, der ihn die ganze Zeit so bedrängt hatte. Der Naguad reagierte darauf, erklomm den Mecha und trat hart auf die Cockpit-Panzerung. Sein Fuß schlug durch, zerbrach den Cockpitschutz und landete wohl dosiert auf dem Kinn des Piloten. Für eine Sekunde wirkte es, als würde er dem Sparrow-Piloten auf diese Weise den Kopf abtreten. Aber es schickte ihn nur ins Reich der Träume.
„Takashi-kun!“, rief Michi entsetzt.
Der fremde KI-Meister sprang mit einem Salto vom Mecha herab und zog im Fallen seine eigene Klinge. KI umfloss die Klinge und ließ sie blau aufleuchten. „Interessant“, wiederholte er. Dann griff er an.
Michi wich dem ersten Hieb aus, einem Tsuki, dem Stoß direkt auf den Leib und setzte einen Hidarinagi an, der vom KI-Meister blockiert wurde.
Verwundert zog der Mann eine Augenbraue hoch, als die Klinge und die Stahlstrebe aufeinander trafen, und die Strebe nicht zerbrach. Seine Verwunderung steigerte sich, als er das glimmende KI um den Stahl sah. „Wer bist du, Junge?“
„Es ist unhöflich, jemanden nach seinem Namen zu fragen, ohne sich selbst vorgestellt zu haben“, blaffte Michi wütend und sprang einen Schritt zurück.
„Da hast du vielleicht Recht. Ich bin Marus Jorr, Kapitän Marus Jorr. Und du bist?“
„Michi Torah, Meisterschüler von Akira Otomo!“, rief er wütend und griff erneut an.
„Du bist ein Schüler meines Bruders?“, fragte Jorr interessiert und wich den Angriffen spielerisch aus.
„Wie, dein Bruder?“
„Ach, hat er es seinem Meisterschüler nicht erzählt? Wir stammen aus dem gleichen Bluterbe. Sprich, seine Eltern und meine Eltern sind miteinander verwandt. Er ist aus dem Hause Arogad, genau wich ich. Oder um es auf den Punkt zu bringen, er ist ein Naguad.“
„Na und, das bin ich auch!“
„Und dann kämpfst du gegen mich?“
„Warum nicht? Menschen auf der Erde haben sich früher auch untereinander bekämpft, oder? Scheint ne ziemlich normale Sache im Universum zu sein.“
„Im Imperium eher nicht“, schloss Jorr ernst.
Hinter ihm prallten ein Hawk und ein Banges aufeinander. Der Hawk zerteilte den Gegner mit einer Herkules-Klinge und trennte den Torso zwischen Cockpit und Reaktor sauber auf.
„Was spielst du so lange mit dem Kerl? Mach ihn fertig, Micchan!“, erklang Doitsu Atakas Stimme. Der Hawk zeigte mit der voll modellierten Hand ein Daumen hoch-Zeichen.
Michi erwiderte es mit einem breiten Grinsen.
„Noch hast du mich nicht besiegt, Kleiner!“, rief Marus Jorr amüsiert und griff wieder mit einem Tsuki an.
Die Spitze der Waffe stoppte eine Handbreit vor Michis Schädel. Eine Fingerkuppe hatte sich auf sie gelegt und gestoppt. Marus Jorr sah auf. „Wer bist du denn?“
„Ich bin White Slayer. Und ich werde nicht zulassen, dass du Micchan etwas tust.“
Über die junge Frau im Trikot und dem kurzen weißen Rock zuckten KI-Entladungsblitze. „Entschuldige, dass ich dir den Spaß nehme, Micchan, aber wer dich attackiert, kriegt Ärger mit mir.“
Die Entladungsblitze zuckten weiter vor, über Jorrs Klinge bis zu seinen Händen. „Erstaunlich. Wirklich erstaunlich.“
Jorr baute seine eigene KI-Aura auf, verstärkte sie und ließ ebenfalls Blitze entstehen. Die beiden Energien trafen aufeinander und reagierten wie zwei Plus-Pole eines Magneten.
Für eine Sekunde trat Angst in die Augen von White Slayer, als sie erkannte, wie stark ihr Gegner wirklich war.
Michi ergriff ihre andere Hand und drückte sie leicht. Auch er wurde nun von sichtbarem KI umspült.
Die beiden lächelten sich an. Als sie synchron in Jorrs Richtung sahen, riss der Naguad erschrocken die Augen auf.
Dann gab es einen Lichtblitz, der alle Sinneseindrücke auslöschte.
Als sich Marus Jorrs Sicht wieder klärte, fand er sich am Boden wieder. Eine Wolke aus Staub hüllte ihn ein. Hustend und spuckend richtete er sich wieder auf.
Eine mitfühlende Seele reichte ihm eine Wasserflasche. Dankbar nahm Jorr sie entgegen und trank einen kräftigen Schluck. Wieder spie er aus und goss sich einen Teil über die Stirn. „Danke“, sagte er und gab die Flasche zurück.
„Keine Ursache“, sagte Doitsu Ataka.
Er deutete auf Akari Otomo und Michi Torah, die bewusstlos nebeneinander auf dem Boden lagen. „Was hast du jetzt vor?“
Marus Jorr grinste schief. „Was wohl? Ich habe gegen die beiden verloren. Sie haben mich besiegt und mein KI versiegelt. Ich hätte nicht gedacht, dass ich das überleben würde.“
Doitsu setzte sich neben den Naguad auf den Boden und trank nun selbst einen Schluck aus der Flasche. „Verdammt, die beiden haben meinen Hawk vom Himmel geholt. Hey, Kenji, hast du alles von dir gefunden?“
Der riesige Kenji Hazegawa kam zu ihnen herüber, wich dabei den Trümmern eines Banges aus. „Wenn die beiden das nächste Mal so einen Overkill veranstalten, sollten sie uns vorher besser vorwarnen, was?“
Nach und nach kamen weitere Soldaten der Erde und KI-Meister der Naguad zusammen.
Alle ließen sich bei den beiden nieder und teilten an Notfallreserven, was sie bei sich hatten.
Einer von ihnen, Commander Vardan Kors, deutete auf den mit Löschschaum bedeckten Aggregatblock des Antriebs in dieser Kaverne. „Gut, dass die Ingenieure den Block vom Strom genommen haben. Nicht auszudenken, was passiert wäre wenn nicht nur dieser sondern alle neun Energielieferanten durchgeschmort wären.“
„Tja, dann hätten wir unseren Auftrag erreicht gehabt und den Antrieb der AURORA vernichtet“, schloss Marus ernst. Er brach sich eine Rippe von einem Schokoriegel ab und reichte ihn Kenji zurück.
„Und uns alle mit dazu. Zudem haben sie die KI-Kräfte von uns allen in Dissonanz gebracht“, sagte Doitsu ernst. „Kann es etwas Gefährlicheres geben als dieses Paar?“
„Mir ist noch nichts derartiges begegnet“, sagte Marus ernst. „Absolut nichts, was sich aus der Energie zweier KI-Meister derart synchronisiert und potenziert hätte.“
Marus Jorr spürte, wie ihn zwei kräftige Arme von hinten umschlangen und in einen wirklich gemeinen Griff nahmen, welchen die Menschen Doppelnelson nannten. „Ist das zufällig dein Stiefelabsatz auf meinem Kinn, hä?“, rief Takashi Mizuhara wütend.
„Hey, das ist Misshandlung von Kriegsgefangenen“, beschwerte sich Jorr laut.
„Ich habe nicht gehört, dass du dich ergeben hättest“, konterte der Riese.
„Dann tue ich es eben jetzt!“
„Spielverderber.“ Takashi ließ den Mann fahren und setzte sich dazu. Er musterte die anderen KI-Meister. „Was ist mit euch?“
Abwehrend hoben sie die Arme. „Wir ergeben uns auch ohne dass du uns in die Mangel nimmst. Unsere KI-Kräfte sind sowieso versiegelt“, erklärte Vardan Kors. Die anderen nickten zustimmend.
Takashi sah zu der riesigen Anlage herüber. „Junge, alleine das putzen wird Wochen dauern.“
„Wir sollten es den beiden hier aufhalsen. Immerhin haben sie es verbockt. Himmel, für einen Augenblick dachte ich, die ganze AURORA explodiert. Was für eine Macht.“ Doitsu Ataka schüttelte nur fassungslos den Kopf.
„Schade, dass Kei nicht hier ist“, murmelte Kenji. „Der könnte jetzt ein paar tolle Fotos machen.“ Er deutete auf Akari, die ihre KI-Rüstung verloren hatte. „Die schlafende Akari Otomo mit seligem Babylächeln, Händchenhaltend mit dem gut aussehenden Michi Torah, der zudem auch noch seinen Kopf auf ihre Brust gebettet hat. Was für ein Bild.“
„Nur nicht neidisch werden. Du hast doch Emi, oder?“
„Schon. Aber bei diesem Lächeln, diesem offensichtlichen Glück kann man schon neidisch werden, oder?“ Kenji grinste breit.
„Das weiß seiner Haare und das schwarz von ihren bilden einen tollen Kontrast“, murmelte Marus Jorr. „Das hätte mir eine Warnung sein sollen, dass sich die beiden gut ergänzen.“
„Man sollte sich eben nicht so ohne Weiteres mit Akiras kleinster Schwester anlegen“, kommentierte Takashi amüsiert.
„Kleinste Schwester? Ich sehe keine Anzeichen für die Gene meines Hauses.“
„Das ist eine längere Geschichte. Eigentlich ist Akari ja ein als Mensch wiedergeborener Oni und…“
Entgeistert starrte Jorr den Major der Hekatoncheiren an. „Sie ist ein Bindeglied zwischen Menschenwelt und den Dämonen?“ Marus Jorr sackte in sich zusammen. Er lachte rau auf. „Dann ist sie ja Torum Acati ziemlich ähnlich. Er ist auch ein halber… Wie nennst du das? Oni. Sie hätte ihn vielleicht aufhalten können. Niemand sonst. Nicht einmal mein Bruder Akira.“
„Hm. Abwarten“, brummte Kenji.
„Ihr erwartet doch nicht etwa ein Wunder von Akira, oder?“
Die Offiziere und Mannschaften der Hekatoncheiren sahen sich an und begannen spontan zu lachen. Doitsu hatte bald Tränen in den Augen und Kenji musste sich seinen Bauch halten.
Takashi hatte sich sogar auf den Rücken fallen lassen.
„Was war denn daran so witzig?“
„Du hast gerade Akiras heraus ragendste Eigenschaft beschrieben, Kumpel“, antwortete Doitsu mit heiserer Stimme.
**
Die beiden Banges vom Red Team der AURORA waren knallrot. Aria mochte das, denn auch Lady Death, den sie wieder an Megumi abgetreten hatte, war knallrot gewesen.
Nebenbei war die Leistung der Red Team-Banges erhöht worden. Es erstaunte sie jedes mal aufs Neue, was die Menschen doch so alles schafften, wenn man sie ließ.
„Und du bist dir absolut sicher?“, fragte Aria die Pilotin im Banges direkt neben ihr, während sie zusammen mit zwanzig weiteren Maschinen der Fünften Division aus dem holographischen Himmel herab fielen.
Jora Kalis brauchte nicht lange zu überlegen. „Worüber sicher? Dass ich desertiert bin? Dass ich gerade in einem Banges stecke und dabei bin, meine Kameraden anzugreifen? Dass ich gerade gegen die Interessen des Imperiums handle? Nein, absolut nicht sicher.
Sicher ist nur eines: Die AURORA darf nicht zerstört werden. Die gute Million Anelph da hinten müssen verteidigt werden.“
„Na, immerhin etwas. Fünftes Bataillon, seid vorsichtig beim Angriff. Mit KI-Meistern habt Ihr noch nie gekämpft. Also achtet auf Leutnant Kalis´ Anweisungen.“
Die Klarmeldungen überschlugen sind. Es schien als wäre sie aus dieser Einheit nie fort gewesen, so schnell hatten die Männer und Frauen sie wieder akzeptiert.
Und es schien als wäre ihr Dienst mit ihnen schon eine Ewigkeit und nicht ein paar läppische Wochen. Sie kannte noch immer die Namen ihrer Soldaten nicht auswendig, dennoch glaubte sie jeden und seine Fähigkeiten genau zu kennen.
Es rasten noch immer vier Banges um Poseidon, hatten mittlerweile fast alle Abwehrstellungen ausgelöscht. Ein Magnetschwebebahnzug verließ gerade den Bahnhof, wurde gedeckt von den verbliebenen Geschützen auf dieser Seite. Dann beschleunigte er auf Höchstgeschwindigkeit und war fort.
„Da hat es wohl jemand eilig, was?“ Jora riss ihren Banges herum. „Hergehört, Ihr Trantüten. Jeweils fünf greifen einen Banges an. Zwei Fernkampfkonfigurationen attackieren den Banges permanent, drei Nahkampfmodelle bedrängen ihn im Nahkampf. Schnelle, kurze Attacken. Lasst euch nicht treffen, die meisten Schüsse und Schwertsteiche sind KI-verstärkt und können euch in Fetzen reißen. Verstanden?“
Die Piloten bestätigten und teilten sich selbstständig auf. „Was dagegen, wenn wir zusammen fliegen, Aria-Schatz?“, fragte Jora, während sie den Gruppen ihre Ziele zuteilte.
„Du bist auch eine KI-Meisterin, hm? Kein Problem. Je schneller wir unser Ziel eliminieren, desto schneller können wir den anderen helfen. Wen hast du uns denn ausgesucht?“
„Den Stärksten, Chad Noran.“
„Irgendwie habe ich nichts anderes erwartet. Na dann los!“
**
Als Yoshi und ich aus der Abbremskurve kamen und mit vollen Werten die Geschwindigkeit reduzierten, wurde die AURORA größer, immer größer, bis ich meinte, sie mit meinen Händen greifen zu können. In Momenten wie diesen wurde mir erst wieder bewusst, wie groß das Riesenschiff wirklich war. Der kleine aufleuchtende Ausschnitt, der Primes Hangar markierte, wirkte jedenfalls regelrecht verloren auf der gigantischen Oberfläche.
Seite an Seite mit Yoshi schoss ich hinein. Wir stoppten unsere Mechas hart an der inneren Schleusenwand, das Metall beulte sich unter dem Druck des Aufpralls ein.
Die äußere Schleuse schloss sich, der Druckausgleich erfolgte und die innere Schleuse öffnete sich. Wir rasten mit unseren Mechas hinein. Der Hangar war zum Glück nahe einem der Notzugänge für Mechas in den Innenraum der AURORA ausgestattet, die genau für solch einen Notfall erschaffen worden waren.
Ich flog vorneweg, Yoshi direkt hinter mir.
Als wir im Innenraum ankamen, war mir als hätte jemand mein Blut eingefroren. Als ich mich wieder gefangen hatte, war Prime nur noch wenige hundert Meter vom Boden entfernt. Hart fing ich ihn ab.
„Was ist passiert?“, rief Yoshi außer sich. „Da hat irgendjemand eine unglaubliche KI-Kraft entfaltet, so mächtig wie ich sie noch nie gespürt hat. War das wirklich ein Mensch?“
„Eher zwei oder mehrere Menschen! Otomo hier, wie ist die Lage?“
„Schön, dass du mal vorbei schaust, Akira. Aria kümmert sich mit ein paar Leuten von der Fünften Banges um die KI-Meister an der Poseidon-Station, aber sie hat einige Probleme damit. Wäre nett, wenn du Yoshi entbehren könntest.“
„Bin schon unterwegs“, rief der Freund und änderte seinen Kurs.
„Im Heck gab es gerade eine große KI-Eruption. Einer der Reaktoren ist vom Netz gegangen. Weitere Kämpfe werden nicht gemeldet. Hat wohl wenig Sinn, dort mal nachzusehen.“
„Verstehe.“
„Wo wir dich am dringensten brauchen ist bei den eingefrorenen Anelph. Ein einzelner KI-Meister ist dort gelandet und hält unsere Truppen in Atem. Es gab schon Dutzende Ausfälle. Wir haben eine Kompanie Hekatoncheiren von Kottos aktiviert bekommen, aber der Gegner hat sogar mit Daisuke den Boden aufgewischt, obwohl der in einem Mecha saß. Dafür hat er aber fünf Slayer in die Nähe der Plattformen geschafft. Wenn du den Gegner ablenken könntest, bis die fünf einen ähnlichen Schild erschaffen, der gerade Fushida City schützt, wäre das echt hilfreich.“
„Nur ablenken? Darf ich ihn auch besiegen?“
„Du kannst es gerne versuchen. Aber mich erreichen keinerlei Nachrichten aus dem Gebiet, kaum dass die ausgesandten Truppen ankommen. Der Kerl ist fies und stark.“
„Das heißt also ich muß mich vorsehen, was?“
„Nein, das heißt du musst überleben. Und noch was, Akira. Joan ist noch in Charleston. Du passt gefälligst auf sie auf, versprich mir das. Nur für den Fall dass sie glaubt, sie müsste einen KI-Meister mit bloßen Händen angreifen. Dies ist nicht der zweite Mars-Feldzug, wo sie eine Artemis-Lanze mit bloßen Händen gestoppt hat.“
„Schon klar, du hast mein Wort!“
„Danke, kleiner Bruder.“
Ich schmunzelte und korrigierte meinen Kurs. Tatsächlich holte der Zoom mir schnell das Kampfgebiet heran. Mehrere Panzer versuchten einen einzelnen Mann vom Resonatorfeld abzudrängen. Der aber nutzte geschickt das Feld als Deckung und lockte seine Gegner ein ums andere Mal in die Falle.
Ich zoomte noch tiefer und erkannte die fünf Slayer, die sich im Deckschatten der erbitterten Angriffe tiefer in das Feld hinein arbeiteten. Wenn der Mann sie entdeckte und direkt angriff, was konnte dann alles passieren? Das Schutzfeld aufzubauen hatte nun höhere Priorität als den Slayern Gelegenheit zu geben, sich im Kampf zu beweisen. Moment mal, fünf? Wo war White? Und wer hatte dann das Feld um Fushida aufgebaut?
„Mako, wo ist Akari?“ „Die habe ich zusammen mit Micchan zum Antrieb geschickt.“
„Du hast was?“ „War vielleicht ein Fehler.“
„Na, danke. Solltest du mich nicht besser beruhigen oder so?“
„Hast du mir nicht mal gesagt, du willst lieber immer gleich die Wahrheit wissen anstatt angelogen zu werden? Hm? Außerdem bin ich ja schon dabei, weitere Truppen hinzubeordern, um auf den neuesten Stand zu kommen.“
„Ist ja schon gut. Halte mich auf dem Laufenden, ja?“
„Ist gut.
„Verdammt“, fluchte ich. „Wenn Micchan nicht ordentlich auf Akari aufpasst, dann…“
Ich landete den Mecha am Rande eines Panzerwracks. Es war an der Seite aufgespaltet worden, die innen gelagerte Munition war hoch gegangen. Verdammt, das war doch nur ein Mann, zudem ohne Banges!
Ich warf Prime herum, begann zu laufen, auf den Gegner hinzu, der gerade einen Hawk mittig traf. Ich konnte beinahe sehen, wie der Fluss seines KI den Körper des Mechas erfasste, auflud und dann meterweit davon schleuderte.
Ich… Entsetzt sah ich zur Seite des Schlachtfeldes. Dort hockte Gina, auf ihrem Schoß eine junge Frau gebettet. „Ai-chan!“ Hastig aktivierte ich die Lautsprecher. „Gina, was ist passiert?“
„Er…“, begann sie mit erstickender Stimme, „…hat Ai-chan das Genick gebrochen. Und dann hat er Joan mit seinem KI den Verstand aus dem Hirn geblasen!“
„WAS?“ Ich suchte und fand Joan Reilley ein paar Dutzend Meter entfernt. Sie kniete auf dem Gras und schwankte vor und zurück, wie ein Grashalm in starkem Wind. Ihre Augen waren leer und starrten ohne zu blinzeln in unerreichbare Fernen. „Joan…“ Ich ballte meine Hände zu Fäusten. Schon wieder. Schon wieder hatte jemand Joan dieses Verbrechen angetan. Schon wieder war alles was sie war und was sie wusste ausradiert worden!
Ich entsiegelte das Cockpit, löste Anschlüsse und Gurte und schoss daraus hervor. Auf dem Boden rollte ich mich ab, kam auf die Beine und lief zu Joan herüber. „Joan!“
Ihre Augen starrten durch mich hindurch, mit keiner Bewegung ihrer Miene registrierte sie meine Anwesenheit. Fassungslos brach ich vor ihr in die Knie ein. „Joan…“ Ich strich über ihre warme Wange, sah in die verlorenen Augen. „Joan…“
Meine Augen füllten sich mit Tränen, als ich das Mädchen in die Arme schloss. Wie hatte dieser Kerl ihr das antun können? Wie hatte irgendjemand meine Joan überhaupt verletzen können? „Ich räche dich.“
Entschlossen stand ich wieder auf. „Otomo hier. Alle Truppen haben sich aus dem Bereich des Angreifers zurückzuziehen. Ich übernehme ab jetzt.“
„Division Commander, Begam Torum Acati hat bereits sieben Hawks, neun Panzer und vierunddreißig Infanteristen getötet. Sie sollten dieses Monster nicht alleine stellen!“
„Sie haben Ihre Befehle. Warten Sie das Ende des Kampfes ab und schicken Sie dann Sanitäter.“
„Verstanden, Sir. Und viel Glück.“
„Blue, kannst du mich hören?“
„Laut und deutlich, Akira-san.“
„Ich lenke den Begam ab. Erschafft Ihr das Schutzfeld, ja?“
„Du trittst ihm alleine entgegen? Er hat sogar Daisuke umgehauen. Sein Mecha liegt in Charleston auf der Straße. Und er flucht seitdem wie ein Rohrspatz. Außerdem hat sich Dai-chan was gebrochen und…“
„Hina, ich komme schon klar. Okay?“
„Okay. Viel Glück und bleib am Leben.“
Ich nahm den Helm ab, warf ihn fort. Dann schälte ich mich aus dem Pilotenanzug. Bei dem was nun kam würde er mir eher hinderlich sein. „Das kann ich nicht versprechen, Hina-chan.“
Torum Acati also war mein Gegner?
Irritiert über den Rückzug seiner Opponenten ging er zu dem Wrack seines Banges zurück. Genau in meine Richtung. Ich ergriff mein Katana, zog es blank.
Der Begam musterte mich interessiert, hob seine eigene Waffe. „Noch so einer? Hier muß irgendwo ein Nest sein.“
„Mit mir wirst du es wesentlich schwerer haben, versprochen“, sagte ich düster und hüllte meine Klinge in KI ein. Wütend knurrte ich auf. Ein blaues Licht umspülte mich, verhüllte meinen Körper, mein Gesicht und meine Augen.
Als das Licht erlosch, trug ich eine blaue Uniform mit goldenen Akzenten.
Torum Acati sah mich erstaunt an. „Hm? Hätte ich mir ja gleich denken können, bei dem Gesicht. Die Familienrüstung der Arogad. Interessant. Jetzt erwarte ich doch einiges von diesem Kampf.“
„Jetzt, Hina“, murmelte ich mehr zu mir selbst und prallte mit Acati zusammen.
Hinter uns gab es plötzlich eine große KI-Entfaltung. Die Mädchen begannen damit, das Schild aufzubauen. Acati spürte es auch, sah es, vielleicht sogar besser als ich. Er drückte mich zur Seite, lief auf das Feld zu. Ich fiel darauf herein, wollte ihm nachhetzen und wurde von einem Tritt getroffen, der mich meterhoch nach hinten und in die Luft schleuderte. Die KI-Rüstung fing einiges ab, aber da war Acati schon heran und trieb mir seinen Ellenbogen auf den Halsansatz.
Es schmerzte höllisch, trieb mich wieder dem Erdboden entgegen.
„Zwei Schläge und du lebst noch? Bist du ein Banges, Bursche?“
Benommen schüttelte ich den Kopf. „Verdammt. Verdammt. Verdammt!“
„Ich sage dir, woran es hapert, Sohn von Arogad. Du bist stark und schnell. Deine Rüstung hält viel aus. Aber du bist noch ungeschliffen. Du liest mein KI nicht. Ich deines aber schon. Deshalb weiß ich, wie du dich bewegen wirst. Deshalb weiß ich was du tun wirst.“
Mühsam versuchte ich mich aufzurappeln. Ich fiel wieder zu Boden. Mist, hatte der Bastard mich hart getroffen. Wieder versuchte ich hoch zu kommen.
„Du bist dann wohl der Letzte, oder? Wenn ich dich besiegt habe, ist die AURORA in meiner Hand, richtig? Dann nützen euch auch diese Schutzfelder nichts mehr.“
Ich sah auf, gerade rechtzeitig um zu erkennen, wie ein gigantisches, golden glitzerndes Feld entstand und den gesamten Bereich um die Podeste einhüllte. Blue stand inmitten der Tribünen, die anderen, Black, Red, Orange und Green hatten sich um sie herum angeordnet. Hina konvertierte das KI, welches die Mädchen ihr spendeten und kreierte damit das Schutzfeld.
„Wenn du der letzte starke Gegner warst, dann wird euer Anführer hoffentlich einsehen, dass weiterer Widerstand sinnlos ist. Tut mir Leid, Junge, aber ich glaube, du musst jetzt sterben.“
Acati trat auf mich zu, hob seine Waffe.
Verzweifelt baute ich ein KI-Schild auf. Verdammt, konnte es, musste es so Zuende gehen? Ich sah die Klinge niederfahren und schloss die Augen. Nicht stark genug. Falsch gehandelt.
Die Klinge kam nie an. Stattdessen stieß der Begam einen derben Fluch aus. „Du schon wieder?“
Ich öffnete die Augen. Direkt vor mir stand eine junge Frau in einer aparten Kombination aus Minirock und ärmellosem Shirt. Sie hatte die Klinge des Begams zwischen zwei Händen aufgefangen und stemmte sich in dessen Druck hinein.
„Joan?“, rief ich ungläubig.
Begam Acati stemmte sich noch mehr in seine Klinge hinein, aber Joan hielt stand.
„Aki… chan…“, hauchte sie. Kurz sah sie zu mir zurück, in ihren verlorenen Augen stand für einen Augenblick ein wenig Gefühl. „…beschützen… Aki… chan…“
Mühsam richtete ich mich wieder auf. Joan hatte mir die Zeit erkauft, die ich gebraucht hatte.
„Ich habe deinen Verstand ausradiert. Wie kann das sein?“ Acati befreite seine Klinge mit einem Ruck und sprang ein paar Meter weit davon.
„Diese Situation ist nicht neu für sie. Auf der Erde wurde sie von den Kronosiern entführt und zum Cyborg gemacht. Damit ihr keine unnötigen Gefühle im Weg waren, hat man ihren Verstand komplett gelöscht. Also im Prinzip haben sie das gleiche getan wie Sie jetzt.“
„Aber sie nennt deinen Namen. Sie spricht! Sie erkennt dich! Das dürfte überhaupt nicht möglich sein!“
„Schon damals“, sagte ich ernst und fühlte einen dicken Kloß im Hals, „war ihr für sie ein Anker in die Realität.
Joan sah mich wieder an, begann zu zittern. „Aki… chan.“
Ich trat an die junge Frau heran, legte den linken Arm um sie und drückte sie an mich. „Für das was du ihr angetan hast, wirst du jetzt büßen, Begam Torum Acati!“
Die Dankbarkeit für Joan, die Wut auf den Begam, mein fester Wille und das Wissen, dass der Tod von Ai-chan nicht umsonst sein durfte, ebenso wenig wie die Tode der tapferen Verteidiger rings um mich, aktivierte mein KI. All das manifestierte sich in meinem Blick.
Und plötzlich konnte ich mit meinem eigentlich fast blinden rechten Auge, das lediglich Schattierungen erkannte, wieder etwas sehen. In Farbe, mit Tiefe… Und mit dem pulsierenden KI in Acatis Körper.
Acati schrie auf, wandte sich ab. „Das Auge! Sieh mich nicht mit dem Auge an! Die Großmeisterin… Natürlich, die Warnung vor dem Auge! Du!!!“
Wieder sah er mich an, vermied aber den direkten Blick. „Du… Du musst hier sterben! Du bist zu gefährlich für dieses Universum! Ich muß dich töten, und wenn das ganze Schiff um uns herum explodiert. Und wenn ich sterbe!“
„Versuch es doch!“, rief ich wütend und verstärkte meine Aura mit all meiner Kraft.
Acati handelte ebenso, fuhr sein KI bis ans Maximum. Ich sah die ungeheuren Mengen, die von seinem Sternum ausgingen und seinen ganzen Körper erfassten, die Aura erreichten und diese verstärkten.
Auf der höheren Ebene entstand ein Kontakt. Wieder standen sich zwei Krieger gegenüber, mit langen Lanzenwaffen bewehrt. Sie griffen einander an, tauschten Hiebe aus und passierten sich. Beide waren verletzt worden, gingen aber sofort wieder in Angriffshaltung.
Ich stöhnte leise, als der Schmerz bis zu mir durchschlug. Erneut verstärkte ich meine Aura. Ich fühlte regelrecht, wie mein rechtes Auge von innen heraus zu leuchten begann!
Dann griff mein Krieger erneut an, stürzte auf seinen zu, während ich in der Realität den Arm um Joans Schulter abnahm und Acati direkt angriff. Allerdings machte der ganze Staub meiner Sicht schwer zu schaffen. Torum Acati erwartete mich schon, hatte seine Klinge zu einem Karatake, einem Hieb von oben erhoben. Ich würde einen Miginagi ausführen, einen Schlag von rechts auf seinen Rumpf. Wenn nur der ganze Staub nicht wäre.
Ich spürte, wie sich zwei schlanke Arme um meine Hüfte legten und mich stoppten.
„Nicht… sterben… Aki… chan…“
Entsetzt hielt ich inne. Und erkannte, woher der Staub kam. Wir, ich und der Begam, vernichteten den Boden mit unseren Auren!
Aber es war für einen guten Preis, für die Rettung der AURORA! Wieder wollte ich angreifen, als vor meinem Auge plötzlich ein bekanntes Gesicht erschien. „Akira!“
„Hina-chan!“
„Akira-san, was tust du da? Ihr vernichtet die AURORA!“
„Was?“, rief ich entsetzt. Und erkannte, dass sich unsere Auren bereits zwanzig Meter weit in den Boden gefräst hatten. „WAS?“