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Geschrieben von Ace Kaiser am 03.11.2002 um 14:51:

  Blakes Djihad - Angry Eagles

Prolog

Ein Lächeln glitt über meine Lippen, als ich die Holobotschaft betrachtete. Zum wievielten Mal schon? Zum hundertsten? Ich wußte es nicht. Aber ich wußte, daß ich sie immer sah, wenn meine Arbeit mir einen Funken Zeit ließ.
Meine Frau Jean hatte sie mir nach Skye hinterhergeschickt. Gott, wußte Jean, was diese Aufnahme mir bedeutete?
Die GREYHOUND II machte sich bereit zum Sprung nach Outreach. Neben uns hin die GLADOR im All und meldete letzte Bereitschaft. Ein Signal ging durch die Sprungschiffe und die angedockten Landungsschiffe. Auch durch den Overlord CALIBRA, meinem Flaggschiff. Noch fünf Minuten bis zum Sprung. Das bedeutete Freizeit für mich.

Das Holo aktivierte sich und zeigte die hübsche junge Frau mit den kastanienroten Haaren, in die ich mich verliebt hatte. „Hallo, Ace“, sagte sie und lächelte. Alleine für dieses Lächeln wäre ich den ganzen Weg zurück nach Towne gelaufen, wenn es sich ergeben hätte.
„Hier in Cimmerien ist einiges passiert, seit du mit den Eagles von Alexandria aufgebrochen bist. Ich dachte immer, meine Kompanie zusammenzuhalten wäre anstrengend“ - sie verdrehte die Augen in komischer Verzweiflung – „aber diese beiden Banditen unter Kontrolle zu halten ist um einiges schlimmer.“ Sie seufzte laut. „Was hast du mir nur angetan, du alter Pirat?“
Sie beugte sich vor. Als sie wieder ins Blickfeld der Kamera kam, hatte sie zwei Kleinkinder auf dem Schoß. „Schaut mal, wenn ihr in diese Kamera sprecht, dann kann Dad euch in zwei Wochen sehen.“
Der Junge war zwei Jahre und sieben Tage alt. Ich hatte seinen Geburtstag verpasst. Aus großen Augen starrte er in die Kamera und fragte: „Wo ist Daddy? Kommt er nicht wieder?“
„Dummkopf!“ sagte das kleine Mädchen und knuffte ihrem jüngeren Bruder gegen den Arm. „Dad ist weit, weit weg mit Onkel Chad und den anderen und hilft den anderen Kindern, denen es nicht so gut geht, David.“ Sie warf ihrer Mutter einen großen traurigen Blick zu. „Isdochso?“
„Ja, Rebecca, du hast Recht. Dad fliegt mit den anderen Eagles nach Outreach. Dort wird er einen Vertrag mit einem fernen Planeten machen und den Menschen dort helfen. Und wenn der Vertrag abgeschlossen ist, fliegen wir dort hin und sehen Dad.“
„Wir sehen Daddy“, jubelte Rebecca. David bekam feuchte Augen. „Warum kann ich Daddy nicht sofort sehen?“
Jean gab ihrem Sohn einen Kuß auf die Stirn. „Jetzt nicht, aber bald.“
Sie sah in die Kamera. „Abgesehen davon daß die Kleinen dich vermissen, hat sich nichts verändert. Sobald der Kontrakt steht, kommen wir zu euch, Ace. Also sieh zu, daß du einen Planeten erwischst, der in der Nähe liegt. Kittery, Kathil, etwas in der Art.“ Sie sah zu Boden, wenn auch nur für einen Moment. „Ich schätze, die Schäden des Bürgerkrieges sind weit schlimmer als wir alle erwartet haben. Vielleicht hätten wir uns nicht so lange raushalten dürfen. Aber vielleicht nützen wir als funktionierende Einheit mehr, indem wir beim Aufbau helfen.
Ich habe übrigens Nachricht von Alex Streb erhalten. Er verlegt die Bulls demnächst auch nach Towne, um seiner Einheit Ruhe von den letzten Kämpfen mit den Katrina-Loyalisten zu gönnen. Damit dürfte unsere neue Basiswelt bis auf weiteres die bestgeschützte Welt des Sektors sein. Wir...“
Der Sprungalarm gellte durch das Schiff. Mit einem Tastendruck unterbrach ich die Aufzeichnung. Bedauernd strich ich über Jeans wehmütig lächelndes Gesicht. Dann hielt ich mich an den Lehnen meines Stuhls fest.
Als der Sprung erfolgte, hatte ich das Gefühl, der Inhalt meines eigenen Magens zu sein. Kurz nachdem und kurz bevor er im Magen war. Ich hasste es zu springen.
Wie lange ein Sprung dauert, ist ein subjektiver Eindruck. Manche Menschen schwören Stein und Bein, sie würden während eines Sprungs Stunden im Zustand „Dazwischen“ verbringen. Andere wiederum meinten, er wäre vorbei, bevor er überhaupt richtig begonnen hatte.
Alles, was ich darüber wußte, war, daß dieses Beben und Grollen überhaupt nicht zu den normalen Erscheinungen eines Sprungs gehörte. Ebenso wenig das Flackern der Beleuchtung.

Ich hieb auf den KommSchalter in meinem Schreibtisch. „Kaiser hier. Was liegt an, Charlie?“
Kapitän Marquard meldete sich sofort. Er war kreidebleich, während er sprach. Im Hintergrund seiner Zentrale raunten die Offiziere. Ein Mann brach zusammen. „Ace, geh am Besten sofort auf die Brücke der CALIBRA!“
Sofort schnallte ich mich los. „Bin unterwegs. Gib Alarm, Charlie.“
Der Mann nickte schwer, trennte die Verbindung. Kurz darauf erscholl Gefechtsalarm und rief alle Mann auf die Stationen. Sehnsüchtig glitt mein Blick über das angehaltene Holo meiner Familie.
Ein kurzer Stoß mit den Füßen, und ich segelte über den Schreibtisch Richtung Tür. Im Flur angekommen zog ich mich von Halteschlaufe zu Halteschlaufe. Somit erreichte ich eine beachtliche Geschwindigkeit. Auf jeden Fall ging es bedeutend schneller als mit den Magnetsohlen.

Als ich in die Zentrale der CALIBRA einschwebte, wandte sich Kapitän Xavier zu mir um. „Ace, das glaubst du nicht. Und verstehen kannst du es wahrscheinlich auch nicht.“ Er schüttelte den Kopf. „Ich tu’ s ja nicht mal.“
Anton Xavier deutete stumm auf den Holotank in der Zentralemitte. Unsere beiden vollbesetzten Invasorsprungschiffe waren im Zentrum durch zwei Eagle-Mons gekennzeichnet. Einige Dutzend Kontakte füllten den Zenitsprungpunkt von Outreachs Stern. Aber nur ein Kontakt war relativ nahe bei unseren Einheiten und strebte relativ schnell fort. Ein Kamerafenster war neben dem Kontakt aufgepoppt und zeigte die amputierten Reste eines Raumschiffs.
„Was ist passiert?“ Ich schwebte zu einem Notsitz, schnappte mir ein KommSet und schnallte mich an.
„Tja, sieht so aus, als wäre dieser Kahn mit einem Affenzahn quer durch den Zenitsprungpunkt gejagt. Du siehst ja, was seine Reste für eine Geschwindigkeit drauf haben. Dadurch waren sie nicht in der Lage, unseren Infrarotschatten auszuweichen, als sie kurz vor dem Sprung hierher projiziert wurden. Vielleicht haben sie es noch versucht, aber der größte Teil des Schiffes wurde regelrecht zermahlen, als wir hier ankamen.“
„Rotalarm für alle Schiffe. Wenn das ein Dragonerschiff war, könnten wir mächtig Ärger kriegen.
Alarm für Luft/Raumjäger. Ausschleusen und Verteidigungskordon um Landungsschiffe bilden. Für Noteinschleusung in der Nähe halten.
Befehl an GREYHOUND und GLADOR. Bereithalten für zweiten Sprung.
Achtung, KommZentrale, versuchen Sie, in den Überresten des Wracks jemanden zu erreichen. Versuchen Sie zugleich, Outreach zu kriegen und sagen Sie denen, wir wären über diesen Unfall entsetzt und tiefbetrübt.“
„Transponderdaten der anderen Ortungen kommen rein“, meldete der Funk. „Vereinzelte Signaturen der Dragoner, verschiedene Regimenter. Vielleicht fünf Landungsschiffe.
Dazu einzelne Signaturen, die verschiedenen Söldnereinheiten angehören. Blauer Sturm, Zwölfbund, Waco Ranger, Shepards Panzer.
Dazu Signaturen von dreiundzwanzig Luft/Raumjägern aller Klassen und verschiedener Einheiten.“
„ACHTUNG!“ gellte ein Ruf in meinen Ohren: „Jäger drehen bei! Ich wiederhole, Jäger drehen bei!“
„Scheiße“, murmelte jemand. Wie Recht er doch hatte.
„Abwarten“, befahl ich leise. „Wir schießen nicht zuerst.“
„Computer identifiziert Schiffswrack als Fregatte.“
„Auch das noch.“ Xavier warf mir einen verzweifelten Blick zu. Während des Bürgerkrieges waren eine Menge Kriegsschiffe zerstört worden. Mit diesem Unfall hätten wir uns normalerweise schon keine Freunde gemacht. In dieser Situation aber schon gar nicht.
„Transponder?“ fragte ich leise.
„Negativ, Sir. Computerberechnungen gehen davon aus, daß die Fregatte bei ihrer Zerstörung abrupt um dreißig Prozent abgebremst wurde. Die ganze Feinelektronik an Bord muß zumindest in Mitleidenschaft gezogen worden sein. Wenn dort noch jemand lebt – falls noch jemand lebt, wird er das Wrack verlassen wollen, aber bestimmt nicht die Transponder herrichten.“
„Kontaktieren Sie die anderen Landungsschiffe und Luft/Raumjäger im Sektor. Wie lange noch, bis Antwort von Outreach zu erwarten ist?“
„Dreißig Minuten, Sir.“
Ich fluchte innerlich. Ich hatte zwar dreiundvierzig Jäger da draußen, zudem die Feuerkraft der Landungsschiffe und war außerdem zum Sprung bereit. Aber konnten wir das nicht alles aufklären? Mussten wir noch mehr Leben auslöschen?“
„Keine Antwort von den Jägern. Keine Antwort von den Landungsschiffen.“
Ich blickte resignierend zu Boden. Eine Antwort von der Hauptwelt hätte sie sicherlich gezügelt. Ein Blick auf das Holo offenbarte mir, daß ich die Chance auf eine schnelle Flucht vertan hatte. Zumindest einen Waffengang würde es mit den Jägern der Eagles geben, bevor ich sie einschleusen und uns hier wegbringen konnte.
„Jäger als feindlich deklarieren“, befahl ich tonlos.
„Deklariere Jäger als feindlich“, meldete der Computeroffizier. Im Holotank wurden die Jägerkontakte von grün auf rot geändert.
„Banditen passieren Wrack in zwanzig...neunzehn...achtzehn...“
„Computer gibt an, Wrack der Fregatte ist mit siebzig Prozent Sicherheit eine LOLA III.“
Das passte. Sternenbundtechnik. Keine Nachfolgerstaaten. Also doch ein Dragonerschiff? Das erklärte, warum die so sauer waren.
„...zehn...neun...acht... Vom Wrack sind es noch mal zwanzig Sekunden bis zu uns... drei... Banditen eröffnen Feuer auf Wrack!“ gellte der scharfe Ruf des Ortungsoffiziers durch die Zentrale. Sofort reagierte der Computeroffizier und vergrößerte das Szenario um das Wrack.
Tatsächlich. Die Luft/Raumjäger griffen das Wrack mit ihren Waffen an. Vereinzelt wurde aus den Resten sogar zurückgefeuert.
„Jäger drehen ab, meiden die Waffenreichweite unserer Jäger. Energiesignaturen und erhöhte Infrarotortung vom Wrack. Kollaps des Kearny/Fuchida in fünf...vier...drei...zwei...eins...“
Die Chance verpasst, Überlebende zu retten? Oder die eigenen Leute nicht unnötig in Gefahr gebracht? Was war die Wahrheit?
Das Wrack verging in einem stillen Lichtblitz.

Ich senkte den Blick. Es hatte noch Überlebende gegeben, verdammt! Das Abwehrfeuer aus dem Schiff bewies es.
„Holen Sie mir den Staffelführer auf die Leitung!“ blaffte ich. „Und wenn er sich wieder nicht meldet, drohen Sie damit, alle Einheiten aus dem All zu fegen!“
„Ja, Sir.“
Die Jäger drehten ab, zogen einen regelrechten Bogen um die Explosionsstelle, so als wollten sie sichergehen, daß die Fregatte wirklich vernichtet war.
„Verbindung steht. Ein Captain Spencer vom Blauer Sturm-Bataillon, Sir.“
„Etablieren. Auf den Großen Schirm.“

Die Sternenkarte verschwand und machte dem erschöpften Gesicht eines jungen Mannes Platz. „Sie haben uns nicht angegriffen. Das bedeutet dann wohl, Sie arbeiten nicht für die Blakies“, stellte er müde fest. Er atmete sichtbar aus. „Dann müssen wir Ihnen doppelt danken, daß Sie die Fregatte mit Ihrem Sprung vernichtet haben.“
„Ich verstehe nicht. Es war ein Unfall. Wir hatten bestimmt nicht vor, ein Kriegsschiff anzugreifen oder zu vernichten.
Warum haben Sie und Ihre Kameraden überhaupt auf das Wrack gefeuert? Hätte ich Sturmboote mit Rettungsmannschaften drüben gehabt, wären die mit drauf gegangen.“
Der müde Mann zuckte die Achseln. „Wir mußten sichergehen, Sir. Laut Signatur sprechen Sie von der CALIBRA aus, dem Flaggschiff der Angry Eagles. Ich nehme also an, Sie sind Oberst Kaiser.
Verstehen Sie, Herr Oberst, das war ein Blakes Wort-Schiff.“
Ich sah ihn an. „Hm, ein Schiff der Sekte über Outreach ist sicherlich ungewöhnlich. Aber mir ist der Zusammenhang immer noch nicht klar, Captain.“
Das Gesicht des Mannes verzerrte sich vor Schmerzen. Er sah aus, als wolle er weinen, aber er schien keine Tränen mehr zu haben. „Sie wissen es wirklich nicht? Sir, Blakes Wort hat vor drei Tagen Outreach angegriffen! Sie haben den ganzen Planeten mit Atombomben gepflastert. Wir sind alles, was zum Zenitsprungpunkt entkommen konnte. Wie es am Nadir aussieht, kann ich Ihnen nicht sagen. Aber auf beide Sektoren haben die Blakies ein Kriegsschiff angesetzt.“
„Was reden Sie da? Outreach ist neutral. Und überhaupt, niemand setzt heutzutage Atombomben ein.”
Nun begann der Mann dennoch leise zu schluchzen. „Diese Schweine schon. Sie kamen überraschend über einen Piratensprungpunkt. Schossen alles ab, was sich ihnen widersetzte, Und dann begannen sie, die Planetenoberfläche abzustreuen. Ich habe es gesehen, Sir. Ich habe die Atompilze gesehen. Ich... ich habe alle Beweise auf den GefechtsROMs meines Jägers.“
Ungläubig starrte ich den Mann an. Wenn das wahr war...
„Ist die Antwort von Outreach immer noch nicht da?“ blaffte ich.
„Noch drei Minuten, bis sie bei uns sein kann“, meldete die Komm.
„Bemühen Sie sich nicht. Da gibt es niemanden mehr. Und sobald das zweite Kriegsschiff seine Arbeit auf der anderen Seite der Sonne beendet hat, kommt es rum und räumt bei uns auf.“

Was hatte Blakes Wort vor? Einen solchen Schlag gegen die Söldnerzentralwelt konnten sie niemals verheimlichen, selbst wenn sie alles und jeden in diesem System vernichteten.
Es ergab nur einen Sinn, wenn sie es nicht verheimlichten mußten.
Und das konnte nur bedeuten... Mir wurde heiß und kalt, als ich mir bewusst wurde, was ich gerade erfahren hatte.
„Signal wird erwartet. Der Kanal ist tot.“ Nach dreißig Sekunden meldete die Komm erneut: „Der Kanal ist tot.“ Halbminütig hörte ich mir fünf weitere Meldungen an.
„Bleiben Sie auf Empfang. An Jäger. Die Hälfte schleust wieder ein. Der Rest geht auf kurze und weite Phalanx.
Captain Spencer, was Sie mir hier sagen, ist für die gesamte Innere Sphäre von größter Bedeutung. Die Eagles übernehmen ab sofort den Flankenschutz. Ihre Landungsschiffe sollen sich um ums sammeln. Falls einige Ihrer Jäger keine Möglichkeit haben, zu landen und aufzumunitionieren, können sie dies auf den freien Plätzen auf meinen Schiffen tun.
Ich denke, Sie alle können Ruhe, eine warme Mahlzeit und eine Dusche gebrauchen.
Nehmen Sie sich alle zwei Stunden Zeit. Danach will ich Sie und einen Vertreter jeder Einheit hier draußen an Bord der CALIBRA sehen. Und diese verdammten ROMs!“
„Das werden Sie, Sir. Und danke. Obwohl wir alle bald drauf gehen werden.“
Ich zwinkerte ihm zu. „Ach, habe ich vergessen zu erwähnen, daß meine Landungsschiffe noch Saft für einen Sprung haben?“
In seinen Augen leuchtete es auf. „Das... das bedeutet...“ Ich nickte. „Schleusen Sie ein und kommen Sie in zwei Stunden rüber, Captain. Gemeinsam finden wir eine Lösung.“
Die Verbindung erlosch.

Ich fühlte, wie die anderen Eagles mich anstarrten. Major Stannic vom 2. MechBataillon kam gerade hereingeschwebt und ließ sich leise informieren. Sein keuchendes Ausatmen beschrieb das Entsetzen ganz gut, welches wir alle empfanden.
Hauptmann Tsuno war schon etwas länger hier. Ihr schmales Gesicht war blass und eingefallen. „Wenn das wirklich stimmt...“, murmelte sie.
„Wir haben mindestens zwei Tage, bevor der andere Blake-Kahn um die Sonne rum kommt und uns sehen kann“, stellte ich fest. „Zeit genug, um jederzeit hier zu verschwinden.
Aber erst müssen wir herausfinden, was hier passiert ist.“
Ich blickte den Anwesenden nacheinander in die Augen. Die Männer und Frauen strafften sich und nickten mir zu.
„Der Kanal ist tot“, meldete die Komm.



Geschrieben von Ace Kaiser am 03.11.2002 um 14:51:

 

1.
Gute zwei Stunden später saß ich mit einer Handvoll meiner Offiziere und den von mir gewünschten Vertretern im Konferenzsaal der CALIBRA.
Stumm studierte ich den Bericht über die drei Jäger, die auf einem meiner Jägerträger eingeschleust hatten. Rudimentäre Radioaktivität, Gammastrahlung. Teilweise Spuren von Cäsium, Radium und Strontium. Die Werte lagen etwa dreißig Mal höher als erlaubt. Grund genug für MeisterTech Klyne, die Entseuchung der Maschinen und der Piloten anzuordnen.
Die Kleidung der Piloten war entsorgt worden, sie hatten sich mehrfach abduschen lassen müssen. Ihnen war Pseudoadrenalin gespritzt worden, um einer eventuellen Verstrahlung vorzubeugen. Eigene Radioaktivität hatten sie nicht ausgewiesen, ihre Jäger hatten sie beschützt. Andererseits konnten sie harter Strahlung ausgesetzt gewesen sein. Und ich hatte nicht vor, wegen einer Nachlässigkeit noch ein Leben eines Menschen erlöschen zu sehen.
Wir hatten die Entseuchung auch den anderen Landungsschiffen empfohlen. Eines war für solch einen Fall nicht ausgerüstet gewesen. Die drei Luft/Raumjäger hatten ebenfalls in einem meiner Schiffe das Procedere durchlaufen müssen.
Vom technischen Standpunkt aus waren alle Jäger mittel bis schwer beschädigt. Sie mußten durch die Hölle gegangen sein. Ich wagte nicht zu fragen, wie viele Kameraden diese tapferen Piloten verloren hatten, als sie den Landungsschiffen die Flucht erkämpft hatten.

Als der Letzte eingetreten war, sah ich mich kurz um. Ein einziger Soldat von Wolfs Dragoner war anwesend. Er war noch recht jung und trug eine Gefechtsweste mit den Abzeichen eines Leutnants. Wenn die Dragoner mir ihren ranghöchsten Offizier geschickt hatten, sprach das Bände davon, wie schwer die Söldner erwischt worden waren. Sie und vermutlich jede andere Einheit auch, die sich auf Outreach befunden hatte, als der Überfall über sie reingebrochen war.
Ich nickte Major DéForét zu. Meine Stabschefin legte eine der GefechtsROMs ein. Deutlich erkannte man die Silhouette einer Stadt. In der Ferne gab es einen Lichtblitz, vielleicht sechzig Kilometer entfernt. Nach dem Blitz folgte eine Feuerwalze, die alles verbrannte, was ihr näher als zehn Kilometer war. Dabei wurde Staub und Erde in die Atmosphäre gewirbelt. Zwei Hauptwolken bildeten sich. Die eine in etwa zehn Kilometern Höhe in der Tropospause, die zweite in etwa fünfundzwanzig Kilometern Höhe in der Stratospause.
Ich keuchte entsetzt. Für einen bangen Moment dachte ich, dies wäre vielleicht nur eines der Videos über den Ersten Nachfolgekrieg, die ich während meiner Ausbildung gesehen hatte.
Die Kamera flog parallel zur Staubwolke davon und zog hoch. Der Pilot zog seine Maschine in die Ionosphäre hoch, zweihundert Kilometer über der Oberfläche. Dort drehte er ein, zog eine Schleife um das Landungsschiff, welches er mit sieben Kameraden eskortierte und bot einen exzellenten Blick auf die Stadt, die er gerade noch überflogen hatte. Ein Blitz blendete die Kamera, dann sah man deutlich die kreisförmige Druckwelle, die sich aus dem Stadtzentrum hin ausbreitete. Kurz darauf raffte das Vakuum der Explosion Tausende Tonnen von Dreck und Erde zusammen und legte dieses Bild des Grauens unter einen gnädigen Schleier.
Je höher der Jäger stieg, desto deutlicher sah man den Rest des Kontinents. Überall blühten die charakteristischen Staubwolken einer Atomexplosion. Der Atompilz.

Einige Zeit darauf verließ der Jäger mit dem Landungsschiff die Exosphäre, den letzen Ausläufer der Atmosphäre und stach mitten in ein Wespennest. Hier oben wurde schwer gekämpft. Und gestorben. Wie eine todbringende Gottheit hing ein Kriegsschiff im Orbit um diese Welt und feuerte Bombe um Bombe auf die Planetenoberfläche ab, während Schwärme von Luft/Raumjägern alles vernichteten, was dem Riesen gefährlich werden konnte. Deutlich erkannte ich, wie ein Landungsschiff in einem Feuersturm regelrecht zerplatzte, welches dem Riesen zu nahe gekommen war.
Ein anderes Landungsschiff stürzte sich in einer Kamikazeaktion auf den Giganten. Es wurde vernichtet, aber Teile des Triebwerks prasselten dennoch auf ihn nieder. Die Beschädigungen waren eher oberflächlicher Natur.

Ich stoppte die Aufnahme. Behutsam nahm ich die GefechtsROM aus dem Leser und reichte sie Major DéForét. „Denise. Echtheit prüfen. Name des Schiffes und des Planeten feststellen. Danach einen Vergleich mit der historischen Datenbank anstellen.“
„Sie glauben doch nicht etwa, wir würden Ihnen eine Fälschung auftischen?“ rief Captain Spencer entrüstet.
„Ich glaube gar nichts, Captain. Jedenfalls nicht, bevor ich nicht alle Fakten habe. Aber das bedeutet nur, daß ich vorsichtig agieren werde. Nicht mehr und nicht weniger.“
Spencer schüttelte den Kopf und warf mir einen Blick zu, als hielte er mich für verrückt.
„Kommen wir zu Ihnen und den Landungsschiffen, die Sie evakuieren halfen. Ich nehme an, ein Sprungschiff wird Sie nicht abholen?“
„Nein, Herr Oberst. Wir sind einfach nur geflohen. Natürlich hatten wir die Hoffnung, hier ein paar Sprungschiffe zu finden. Aber ich denke, wer fliehen konnte, hat dies getan, solange er Zeit dafür hatte.“
„Was uns zum Thema bringt“, meldete sich der Dragoner zu Wort. „Sir, wir stehen unter enormen Druck durch die Tatsache, daß da tatsächlich noch ein Kriegsschiff um die Sonne rumkommt. Und wer weiß, ob das Einsatzkommando um“ - er schluckte hart – „Outreach noch an seinem Platz ist.
Ich habe mit den Vertretern der anderen Dragoner gesprochen. Für uns ist es erst einmal wichtig, zu überleben. Mechs und neue Schiffe werden sich beschaffen lassen.“
Er schluckte erneut und sah mir dann direkt in die Augen. „Sir, wir sind bereit, unsere Waffen und unsere Schiffe aufzugeben und bitten Sie, uns auf Ihren Landungsschiffen mitzunehmen.
Ich empfehle selbiges den anderen Söldnereinheiten.“
Sine Blick bekam etwas flehentliches. „Wir haben es durchgerechnet, Sir. Wenn Sie... Wenn Sie auf einen Teil Ihrer Ausrüstung verzichten und ein Drittel Ihrer Hangars räumen, dürften Sie alle Überlebenden an Bord nehmen können!“
„Bullshit. Ihr Dragoner habt leicht reden. Ihr habt doch sicher irgendwo in der Peripherie ein Ausweichdepot, aus dem Ihr euch versorgen könnt. Dazu kommen garantiert noch irgendwelche geheimen Konten, von denen Ihr zehren könnt“, brummte eine verhärmt aussehende Frau, die auf ihrer Brust das Logo des Zwölferbundes trug. Obwohl ihre Haut tiefschwarz war, hätte ich schwören können, die noch schwärzeren Ringe unter ihren Augen zu sehen. „Der Union RIGOLETTO ist alles, was von meiner Einheit noch übrig ist.“
„Was wollen Sie machen, Sergeant?“ spottete der Leutnant. „Die beiden Sprungschiffe der Eagles haben nur noch einen Dockkragen frei. Wollen Sie sich für Ihre Leute eine Passage erkaufen?“
„Vor allem“, stellte Major Benton scharf fest, „ geht es uns um unsere Eagles.“
Protestrufe wurden laut, die der Infanterist mit einer Handbewegung unterbrach. „Aber uns lagen Leben seit jeher am Herzen. Wir werden niemanden zurücklassen, auch wenn dies auf Kosten von unserer Ausrüstung sein sollte. Aber soweit werden wir es nicht kommen lassen müssen.“
Ich nickte. „Nein, soweit lassen wir es nicht kommen.
Wie viele Landungsschiffe haben Sie da draußen? Elf? Gut. Ich verschaffe Ihnen und Ihrer Ausrüstung eine Passage hier raus. Aber zu meinen Bedingungen.“
Erstaunte Blicke trafen mich. „Erwarten Sie noch weitere Sprungschiffe, Sir?“
Ich grinste den Dragonerleutnant an. „Negativ. Sie werden meine Sprungschiffe nehmen.“
Von einem Moment zum anderen war es absolut still im Raum.
„Was?“ fragte Captain Spencer dann. „Haben Sie den Verstand verloren? Wollen Sie etwa gegen das Kriegsschiff kämpfen? Das wäre Wahnsinn, sogar für einen verdammten Ritter wie Sie.“
Ich schüttelte den Kopf. „Nicht ganz. Ich werde mit meiner Einheit nach Outreach fliegen.“
„Und was dann? Outreach ist tot. Tot, verdammt!” Der junge Leutnant verlor letztlich die Fassung und sprang auf.
„Setzen Sie sich wieder, Leutnant, und hören Sie sich meine Bedingungen an.
Nichts ist umsonst, auch Ihre Rettung nicht, meine Damen und Herren.
Es gibt einen Grund, warum ich nach Outreach möchte. Wenn es auf dieser Welt noch Leben gibt, fühlen sich die Eagles verpflichtet zu helfen und sie zu retten.“
„Mitten hinein ins Wespennest? Was, wenn die Blakies noch dort sind?“
„Halten Sie jetzt endlich mal die Klappe und hören zu, Leutnant?“ blaffte ich.

„Also, in diesem Moment befinden sich vier meiner Luft/Raumjäger auf einer Langstreckenmission. Einer versucht, ein paar gute Ortungen von Outreach zu kriegen, die anderen drei umrunden die Sonne, um festzustellen, ob und wann und auf welchem Kurs das angekündigte Kriegsschiff von Blakes Wort kommen wird. Mit etwas Glück hat es das System bereits verlassen. Wenn nicht, umrunden wir die Sonne in der Gegenrichtung und gehen auf Schleichfahrt tiefer in das System. Wir werden schon unsere Gelegenheit bekommen, unerkannt nach Outreach vorzustoßen. Früher oder später. Früher ist mir lieber.“
„Warum wollen Sie zurück, Sir?“ stammelte der Leutnant. „Die Blakies haben den ganzen Planeten genuket. Auf der ganzen Erdoberfläche lebt nichts mehr.“
„Richtig“, meldete sich Nathan Kreuzer zu Wort. Der alte Pilot klopfte mit seinem Bleistift nachdenklich auf den Tisch. „Aber Sie vergessen die Bunkersysteme auf dieser Welt. Die Bomben werden einen Teil, wenn nicht einen Großteil von ihnen nicht erwischt haben. Mit ein wenig Glück können wir sie freilegen und die Eingeschlossenen bergen. Und wenn ich ehrlich bin, haben wir so auch die Möglichkeit, hier und da etwas Dragonerausrüstung zu bergen.“
„Sie wollen plündern“, stellte der Sergeant fest.
Ich nickte. „Natürlich. Unsere Priorität hat die Rettung von Menschenleben. Aber wenn wir bei dieser Aktion Ausrüstung bergen können, werden wir dies tun. Ich habe so ein Scheiß Gefühl im Magen, daß wir sie noch bitter brauchen werden.“
„Verstehe. Immerhin sind wir alle Söldner.“
„Weiter im Text. Wir verlangen von Ihnen als Gegenleistung ein Landungsschiff. Sie werden es mit allen Vorräten beladen, die Sie entbehren können sowie mit allem, was man auf einer strahlenverseuchten Welt wie Outreach gebrauchen kann. Medikamente, Schutzanzüge, Pioniergerät. Ein paar erfahrene Soldaten für das Landungsschiff und das Gerät wären ebenfalls nett. Selbstverständlich verbleiben Schiff und Ausrüstung in Ihrem Besitz. Sie borgen es uns nur.
Dafür bringen wir Ihre anderen zehn Schiffe in ein sicheres System. Alexandria dürfte noch sicher sein. Von dort, so befehle ich Ihnen, verbreiten Sie Ihre Zeugenaussagen und Ihre GefechtsROMs über ComStar. Ein solches Verbrechen muß kollektiv von allen Mitgliedern des Sternenbundes geahndet werden. Wenn es nicht bereits zu spät dafür ist...“
Der Leutnant erhob sich. „Wir werden einen Union unseres Kontingents bereit machen. In zwanzig Stunden haben Sie Ihr Landungsschiff und Ihre Crew.“
Captain Spencer ergriff das Wort. „Dadurch wird die Transportkapazität der übrigen Schiffe wohl eher verschlechtert. Ich sehe es kommen, Sie werden die Luft/Raumjäger an Bord Ihrer Schiffe behalten müssen. Teufel, Sie werden sie sicher auch brauchen können.“
„Dann ist es abgemacht. Sie springen in vierundzwanzig Stunden. Ich wünsche Ihnen allen viel Glück.“
Major DéForét kam wieder in den Raum. In ihren Augen standen Tränen. „Die Aufnahmen sind authentisch. Die Welt ist eindeutig Outreach, Ace. Aber das Kriegsschiff... Es hat keine Transpondersignale ausgesandt, aber es scheint eigentlich der Liga Freier Welten zu gehören, Ace.“
Erschüttert sah ich sie an. „Denise, weißt du, was du da sagst?“



Geschrieben von Ace Kaiser am 03.11.2002 um 14:52:

 

2.
Erinnerungen.
„Ich will MechKrieger werden!“ verkündete der sechsjährige Blondschopf stolz.
Sein Großvater drückte die Hand des Jungen ein wenig. „Nein, das wirst du nicht, Ace.“
„Ich will MechKrieger werden. Und ich werde es auch“, erwiderte das Kind trotzig.
Corrand seufzte vielsagend. Warum hatte er dem Jungen nur versprochen, ihn zur großen Parade mit nach Port Howard zu nehmen? Da mußte er ja die todbringenden, waffenstarrenden Giganten sehen. Da mußte er ja auf diese dumme Idee kommen.
Vor ihnen stapfte gerade ein Katapult in den Farben der Miliz vorbei, frenetisch begrüßt von den Menschen.
Corrand Kaiser ging auf ein Knie runter und sah seinem Enkel lange in die Augen. „Sieh mal, Ace, das da sind BattleMechs. Es sind Waffen. Waffen zur Zerstörung, zur Vernichtung. Aus ihnen kann niemals etwas gutes entstehen.
Sieh mal, es waren BattleMechs, die deine Eltern getötet haben. Und beinahe hätten sie auch dich getötet“, brummte Corrand etwas hilflos. Wie konnte man einem Kind nur einen so abstrakten Begriff wie den Tod nahe bringen?
„Weißt du, Krieg führen die Menschen schon sehr lange, mein Junge. Aber seit es den BattleMech gibt, ist ein einziger Krieger in der Lage, eine ganze Stadt zu vernichten.“
Der Junge bekam große Augen. Corrand meinte, in ihnen ein wenig Angst zu sehen.
„Ja, eine ganze Stadt. BattleMechs gibt es seit über dreihundert Jahren. Länger, als ich lebe, Ace. Und seither haben sie die mit Abstand größten Verwüstungen angerichtet, die es gibt.“
Er sah hinüber zu den Giganten und fühlte seine alten Gefechtsnarben schmerzen. „Aus diesen Ungetümen entsteht nichts gutes. Und nichts und niemand kann sie aufhalten, wenn sie durchdrehen. Nur ein anderer BattleMech...“
„Ich will MechKrieger werden“, krähte der Kleine wieder.
Himmel, der Junge war doch sonst so intelligent! Warum beharrte er jetzt wie ein mißratenes Balg auf dieser dämlichem Meinung?
„Aber warum, Ace? Warum?“
„Wenn BattleMechs so schlimm sind, Opa, dann will ich MechKrieger werden, um... Um sie aufzuhalten. Ich will auch in einem BattleMech sitzen. Und dann achte ich auf sie.“
Corrand war beeindruckt. „Aber du wirst nicht alle aufhalten können. Egal, wie gut du bist. Egal, wie viele Freunde du um dich scharst.“ Er zog den rechten Ärmel hoch und deutete auf eine große, tiefe Narbe. „Glaub mir, ich habe es versucht. Und dies ist der Preis. Du wirst niemals alle retten können.“
Die Augen seines Enkels wurden alt, sehr alt. „Aber die, die ich rette, die sind es doch wert, oder?“
Der alte Mann starrte seinen Enkel entgeistert an. Dann hob er ihn hoch und setzte ihn auf seine Schultern. „Ja, die sind es wert. Schau mal, gleich kommt ein Tomahawk. In so einem Ding habe ich im 4. Nachfolgekrieg gegen die Draconier gekämpft...“


3.
Es war ein seltsames Gefühl, die GREYHOUND II und die GLADOR springen zu sehen und zu wissen, daß es das letzte Mal gewesen sein könnte.
Oberst Nathan Kreuzer, der Chef meiner Luft/Raumjäger und Lufteinheiten, hatte mir vor kurzem gemeldet, daß der erste Jäger einen Teil des Nadirsprungpunktes einsehen konnte, aber noch nichts von einem Blakes Wort-Kriegsschiff entdeckt hatte. Nur Trümmer. Gleißende Trümmer.
Dies hatte meinen Entschluß, rasch aufzubrechen, nur bestärkt. Und statt der Schleichfahrt durch das halbe System konnten wir Outreach direkt anfliegen. Der vorausgeeilte Jäger meldete keine Ortungen aus dem Orbit des Planeten.
Mittlerweile hatten wir uns eine halbe Tagesreise bei doppelter Gravitation vom Sprungpunkt entfernt. Der doppelte Schub würde unsere Reisezeit von drei auf anderthalb Tage reduzieren.
Es war nicht genügend Zeit, unsere Truppen ausreichend auf das vorzubereiten, was uns erwartete. Aber es würde reichen, die Ausrüstung zu präparieren.
Der Plan stand im groben und ganzen fest. Von den vier Overlords, sechs Union und dem Leopard meiner kleinen Streitmacht und dem Union der Wolfs Dragoner würden acht in einer leicht verstrahlten Region des Planeten landen. Welche der beiden Kontinente dies sein würde, Romulus mit der Hauptstadt Harlech oder Remus mit dem Gros der Trainingsgebiete, würde sich noch zeigen.
Unsere Spezialisten sagten den ersten Radioaktiven Regen erst für die nächste Woche voraus. Solange würde es dauern, über den Meeren genügend Wasser verdunsten zu lassen, um genügend Feuchtigkeit zu bilden, der sich um den radioaktiven Staub sammeln und dann abregnen würde.

Seit capellanische Agenten während der Xin Sheng-Offensive Giftgas gegen Politiker und Zivilisten eingesetzt hatten, rechnete ich mit dem Schlimmsten, mit Zuständen wie sie während des 1. Nachfolgekrieges geherrscht hatten. Unser Kriegsgerät war erbaut worden, um solchen Zuständen wie biologischen, chemischen und atomaren Angriffen zu trotzen. Und wie es schien, mußten auch die Soldaten im Umgang mit ihnen wieder ausgebildet werden.
Die Eagles kannten den Umgang mit Verseuchungen. Nicht umsonst hatte man uns gerufen, um Kontaminationen nach Schwarzer Lenz-Anschlägen zu untersuchen und zu beseitigen.
Auch mit Radioaktivität kannten sie sich aus – zumindest in der Theorie.
Die Maxime für diesen Fall war klar. Das Gros der Landungsschiffe würde ein Basislager errichten. Sicherlich in den Bergen, die Verseuchung dürfte in diesem Bereich recht gering sein. Zudem bestand die Chance auf Überlebende zu treffen. Hier ließ sich bestimmt auch unverseuchtes Wasser finden. Entweder in arthesischen Brunnen unter dem Gebirge, oder in den Jahrhunderte alten Schichten des Eises großer Gletscher. Und Wasser würde in den nächsten Wochen eine unserer wichtigsten Ressourcen bilden. Allein für die Dekontamination unserer Fahrzeuge und Einheiten, die im Strahlungsgebiet im Einsatz gewesen waren, würden wir Wasser Hektoliterweise brauchen, um den radioaktiven Staub abzuspülen.

An der Bürotür klopfte es. „Herein.“
Captain Aaron Spencer trat ein. Er hatte das Kommando über die Truppen übernommen, die zusammen mit Gerät und Vorräten auf die ROMULUS gewechselt waren, das Landungsschiff der Dragoner. Zweitausend Tonnen Hilfsgüter, vierhundert Tonnen Räumgerät und vierzig Soldaten unterstanden ihm. Viele von ihnen waren Dragoner.
„Sie hatten mich sprechen wollen, Sir?“ fragte er müde. Er hatte drei volle Tage im Cockpit seines Jägers verbracht und gerade mal die beiden Stunden geschlafen, die ich vor unserer Besprechung befohlen hatte. Der Mann gehörte ins Bett.
Ich nickte ihm zu und bedeutete ihm, neben Chadrik Benton Platz zu nehmen. Ich schob ihm ein Dokument zu.
Noch während er sich niederließ, schnappte er sich das Blatt und las es durch. Aufmerksam, mit jedem Moment wurde er etwas wacher. Schließlich sah er auf. „Das ist ein Standardvertrag.“
„Ja, da haben Sie Recht. Ich könnte Ihnen einfach befehlen, mir zu gehorchen. Schlau genug, zu wissen, daß dies in dieser Situation nötig ist, sind wir beide. Aber ich mache gerne Nägel mit Köpfen. Ich möchte Sie und die ROMULUS unter meinem Befehl, solange diese Krise dauert.“
Spencer lachte rauh. „Mit dem gleichen Trick hat Haus Marik sich bis ans Ende aller Tage den Rang als Generalhauptmann gesichert.“
Ich grinste. „Und es geht der Liga Freier Welten doch verdammt gut, oder?“
Übergangslos wurde ich ernst. „Wir befürchten das Schlimmste, Captain. Das Allerschlimmste. Wenn ich da runter gehe, muß ich wissen, daß alle Leute hinter mir stehen. Ich brauche eine ordentliche Befehlskette und keine Soldaten, die erst mal zu Ihnen schauen, ob sie meinen Befehl auch ausführen dürfen. Davon könnte vielleicht unser aller Überleben abhängen.“
„Ich weiß“, erwiderte der Pilot gereizt. „Es bleibt uns ja ohnehin nichts anderes übrig, als anzunehmen. Ich werde die Besatzung der ROMULUS anweisen, ihre Ränge an die der Angry Eagles anzupassen. Und ich werde unmissverständlich klar machen, daß Sie das letzte Wort haben, Sir. Ich will auch nicht, daß um uns herum das Chaos ausbricht, wenn unsere Nerven sowieso blank liegen.“

Blank liegen... Der Mann beliebte zu scherzen. Erste vorsichtige Schätzungen bezifferten die Verluste an Menschen auf Outreach auf etwa dreihundert Millionen. Vom materiellen Schaden einmal ganz zu schweigen, wenn wir den Einsatz von Atombomben mal außen vor ließen. Was eigentlich schon reichte, um jedem gestandenen Soldaten die Nackenhaare aufzustellen, daß die Uniform abstand.
„Gut“, sagte ich leise. „Mein erster Befehl an Sie lautet: Legen Sie sich hin und schlafen Sie sich aus. Lassen Sie sich dafür ein leichtes Schlafmittel im Bordlazarett aushändigen. Und nehmen Sie es auch. Ich brauche Sie wie jeden meiner Offiziere ausgeruht, wenn wir auf Outreach landen werden... Hauptmann.“
Spencer stand auf und salutierte. „Jawohl, Herr Oberst.“
Seine Miene verhärtete sich. „Die erste Hürde haben wir gemeistert und sind dem Tod von der Schippe gesprungen. Aber glauben Sie... Glauben Sie ernsthaft, wir...“
„...finden Überlebende?“ vervollständigte ich den Satz.
„Tausende“, sagte ich mit Nachdruck. „Und viele, wenn nicht alle werden auch überleben.“
Spencer sah mich an und lächelte matt. „Sie glauben das wirklich, was?“
Ich legte die Hände vor dem Mund zusammen. „Ich hoffe es. Wirklich, ich hoffe es. Auf Outreach gibt es tausende von Bunker. Viele von ihnen sind dazu konstruiert, einem Atomschlag stand zu halten. Wir werden sie frei räumen müssen.
Außerdem sind Menschen wie Kakerlaken. Ein paar überleben immer. Überall.“
Ich sah auf. „Weggetreten, Hauptmann Spencer.“
Der Mann salutierte erneut und verließ den Raum. Sein Gang war schleppend. Bei doppelter Schwere eigentlich kein Wunder.



Geschrieben von Ace Kaiser am 03.11.2002 um 14:53:

 

„Also?“ fragte ich Chad Benton leise.
„Scheint ein guter Junge zu sein. Ist relativ schnell beim Blauen Sturm aufgestiegen. Nie durch Gräueltaten aufgefallen oder mit ihnen in Zusammenhang gebracht worden. Ruhig, kompetent. Ideales Offiziersmaterial. Wir sollten zusehen, ihn zu behalten.“
„Das meinte ich nicht, Chad. Wie sieht es bei deinen GEST aus? Die gröbsten Brocken werden die Mechs und die Räumgeräte beseitigen können. Aber wenn es in die Bunkeranlagen geht, brauchen wir die gepanzerten Infanteristen deiner GEST.“
„Kein Problem. Die GEST-Panzeranzüge sind autarke Systeme. Selbst in einem Gebiet mit starker Strahlung rechne ich mit einem Operationsfenster von bis zu zwei Stunden. Ein Mech bietet sicher mehr Schutz, ist mir klar. Aber die Infanterie wird ihren Teil beitragen.“
Nachdenklich kratzte sich der Infanterieoffizier am Kinn. „Womit haben wir wohl auf Outreach zu rechnen? Als im prästellaren Krieg die Vereinigten Staaten von Amerika die japanische Stadt Hiroshima mit der Atombombe Little Boy vernichteten, gab es fünfzigtausend Tote am ersten Tag. Weitere zweihunderttausend in den nächsten Tagen, gestorben an Verbrennungen, schweren Verletzungen und an einer Überdosis Strahlung. Wobei nur ein Viertel einen Strahlenkater hatten. Eine beinahe tödliche Dosis, die erst nach mehreren Tagen letal wirkte. Die Liste lässt sich fortsetzen.“
„Ich weiß, Chad. Ich weiß. Die Bomben, die Blakes Wort gegen die planetare Hauptstadt Harlech eingesetzt hat, waren hundertmal so stark wie die in Hiroshima. Die Stadt selbst wird eingeebnet sein. Ebenso die Randbezirke. Ich setze alle meine Hoffnungen auf die Raumhäfen und die Bunkeranlagen. Dort werden wir vor allem mit Verstrahlungen, Wassermangel, konventionellen Verletzungen zu tun haben. Verbrennungen in Verbindung mit Strahlenkater vielleicht in Randbezirken, die von der Feuerwalze der Explosionen weitestgehend verschont geblieben sind.“

Müde rieb ich mir die Augen. „Mehrere hundert Millionen Tote. Wie kann Blakes Wort das in Kauf nehmen? Wie kann irgend jemand das in Kauf nehmen? Was haben diese Bastarde vor, Chadrik? Wie können sie es auch nur wagen?“
„Was weiß ich, was in den Köpfen dieser religiösen Spinner abgeht“, erwiderte der Major ruhig. „Ich weiß aber, daß sie sich ihrer Sache sehr sicher sein müssen, wenn sie sich nicht davor fürchten, daß die gesamte Innere Sphäre sie für den Einsatz von Atomwaffen zur Rechenschaft ziehen wird.“
Ich zuckte hilflos mit den Schultern. „Hätten wir es verhindern können, Chad? Hätten wir, die Eagles, es verhindern können?“
Der Blondschopf lachte rauh. „Wer weiß, auf wie vielen Welten Blakes Wort gerade zuschlägt. Hätten wir Outreach verhindern können? Vielleicht. Aber es wäre nur ein Aufschub gewesen. Beinahe müssen wir dankbar dafür sein. Denn Outreach ist für Blakes Wort sicherlich vorerst abgehakt. Ich hasse es, das zu sagen, aber vorerst sind wir hier sicher.“
„Auf einem toten, radioaktiv verseuchten Planeten.“
Chad nickte. „Wir werden die Zeit brauchen, Ace. Wir müssen planen, uns was überlegen. Ob wir wollen oder nicht, wir stecken fett im Geschehen mit drin. Und wir müssen es überleben.“
Die Hände des Majors ballten sich zu Fäusten. „Wir müssen es den Blakies zurückzahlen. Niemand darf so etwas tun. Niemand.“ Hilflos öffnete er sie wieder.
Wortlos stellte ich eine Flasche Whisky auf den Schreibtisch. Noch ein Tag bis in den Orbit um Outreach.


4.
Charlene war verzweifelt. Der letzte Befehl hatte gelautet, den zivilen Schutzbunker zu verschließen. Es war nicht gerade so, als hätte sie ein paar Millionen Menschen daran gehindert, hinein zu gelangen. Viele hatten den Großalarm sicher nicht einmal ernst genommen. Aber der Kontakt zum Hauptquartier war abgerissen und die Computer allesamt abgestürzt. Sie kannte die Symptome aus ihrer militärischen Schulung. Elektromagnetischer Impuls, Nebeneffekt einer Atombombenexplosion.
Sie hatte die Aufsicht über zweitausend Menschen, die wenigsten von ihnen Soldaten. Normale Menschen mit ihren Familien. Ein paar Veteranen. Zusammengepfercht auf zweihundert Quadratmeter pro Etage.
Ängstliche Menschen. Verzweifelte Menschen. Sie konnte es ihnen nicht verdenken.
Ihr standen genau sieben Dragoner zur Seite. Sieben gegen zweitausend. Nicht, daß sie Angst vor diesen Menschen hatte.
Aber sie sah die Gefahr, daß diese Menschen versuchen würden, die Tore des Bunkers mit Gewalt zu öffnen. Mit Gewalt nach draußen.
Charlene hatte versucht es ihnen zu erklären, hatte auf die Geigerzähler verwiesen, auf die Explosionen, die sie sogar hier unten noch gehört hatten, auf den Ausfall der Computer.
Aber nach drei Tagen entglitt ihr das Kommando merklich. Diese Menschen hatten Angst. Angst, Charlene könnte Recht haben.
Sie verdrängten die Möglichkeit, daß die Dragonerin Recht haben könnte. Einige der Zivilisten sprachen von einer perversen Übung, welche Commander Wolf mit ihnen durchführte. Von einem Reaktionstest für den Ernstfall. Anderen war das egal. Sie wollten einfach raus. Raus aus diesem engen Bunker. Ihre Familien und Freunde sehen... Die vielleicht allesamt längst tot waren.
Charlene war für sie alle verantwortlich. Musste dafür sorgen, daß sie überlebten. Auch wenn das bedeutete, mit der Dienstwaffe auf Zivilisten zu zielen.

Die Menge stoppte, als sie den gezogenen und entsicherten Nadler sah.
„Dieses Tor bleibt verschlossen“, sagte Charlene fest. „Dahinter erwartet uns eine Strahlungshölle. Wer immer es öffnet, tötet nicht nur sich selbst, er bringt die Strahlung auch in unser geschlossenes System und verstrahlt uns alle.“
„Wir wollen hinaus“, brüllte jemand. „Wir sind keine Spielzeuge Ihres Commander Jaime Wolf. Wir wollen unsere Leben fortsetzen!“
Charlene schüttelte ungläubig den Kopf. Hatte dieser Mann ihr auch nur ein wenig zugehört? Hatte er verstanden, worum es hier ging?
Eine junge Frau trat aus der Reihe der Zivilisten hervor. Auf ihrem Arm trug sie ein vielleicht zwei Jahre altes Mädchen. „Bitte“, sagte sie, „mein Mann und mein Sohn sind noch da draußen. Wir... wir müssen sie suchen. Sie müssen doch noch irgendwo da draußen sein.“
Charlene schossen die Tränen in die Augen. Was sollte sie dieser Frau sagen? Was konnte sie sagen, was durfte sie? „Es geht nicht“, haucht sie mit erstickter Stimme.
Wieder ergriff der erste Sprecher das Wort. „Sie kann uns nicht alle erschießen! Stürmen wir!“
Bevor sich auch nur ein einziger in Bewegung setzen konnte, legte sich eine riesige Hand auf die Schulter des Mannes. Sofort wurde es ruhig. Die Hand gehörte Paul, dem einzigen Elementare im Raum. Der Mann war Captain, Abtacha von den Novakatzen, der zufällig vor dem Bunker gestanden hatte, als der Alarm ertönt war. Sie hatte es nicht übers Herz gebracht, den Riesen abzuweisen. Vielleicht hatte sie ihm damit das Leben gerettet. Bestimmt aber die Vorräte gemindert.
„Du hast Angst“, stellte er mit ruhiger, sanfter Stimme fest. „Wir haben alle Angst. Vielleicht aber hilft es dir, wenn ich von meiner Vision erzähle.“

Der Elementare setzte sich. Wie durch Magie ließen sich auch die anderen Menschen auf dem Boden nieder.
„Ich sah in meiner Vision ein riesiges Weizenfeld. Es war durchsetzt mit großen, tragenden Ähren. Es war ein gutes, gesundes Feld. Doch dann fiel ein Schatten auf die Ähren, ein Sturm brach los.
Dieser Sturm aber knickte die Ähren und glättete das ganze Feld.
Doch halt, hier und da standen noch immer Ähren, alleine oder in Gruppen beisammen und trotzten dem Sturm, bis er vorbei war.
Und als die Sonne wieder schien, da kam ein Mann in weißem Schimmer. Er schritt über das Feld und sah die geknickten Ähren. Stumm schüttelte er den Kopf und begann die gefallenen Ähren aufzulesen. Doch als er die ersten stehenden Ähren erblickte, da lief er zu ihnen, betastete sie, und goss sie mit seinen Freudentränen.
Und diese Ähren waren gesund und gediehen und warfen ihre Körner ab eines Tages, um sich fortzupflanzen.“
Der Riese stand auf. „Wir sind die stehenden Ähren, das weiß ich jetzt. Habt noch Geduld. Wir werden gerettet werden. Und das schon sehr bald.“
Und tatsächlich, die Menschen beruhigten sich und gingen wieder zurück in die Anlage.

„Danke“, sagte Charlene und wischte sich die Tränen aus den Augen.
Doch der ehemalige Novakatze hörte sie nicht. Er sprach leise weiter: „Und wie ich auf das Feld sah, da erhob ich mich vom Boden. Und je weiter ich mich erhob, desto mehr sah ich vom meiner Umgebung. Schließlich war ich so hoch, daß ich erkannte, das Weizenfeld bedeckte einen ganzen Kontinent. Und dieser Kontinent war Romulus.“
Charlene erstarrte. „Du hast es gewusst?“
Der Elementare schüttelte traurig den Kopf. „Ich hatte eine Vision. Hätte ich gewusst, was passiert, wäre ich dort draußen in meiner Gefechtsrüstung gestorben.“
Wie es sich gehört, schwang in seinen Worten mit, auch ohne das er es sagte.
„Ich bin dankbar dafür“, sagte sie leise und legte eine Hand auf seinen Oberarm.
Für einen Moment huschte ein Lächeln über sein Gesicht. Für einen winzigen Moment.



Geschrieben von Ace Kaiser am 03.11.2002 um 14:55:

 

5.
Wir landen auf eine Welt, die vor Leben brodeln sollte. Vor Jahrhunderten hatte der Sternenbund hier seine Olympiaden abgehalten, alle zehn Jahre maßen sich die besten der Besten Militäreinheiten miteinander.
Nach dem Exodus der Sternenbundtruppe war es ruhiger geworden, aber gewiss nicht weniger lebendig.
Als Prinz Hanse dann diese Welt den Wolfs Dragoner schenkte, begann ein Kapitel in der Existenz dieser Welt, die beispiellos ist.
Outreach mauserte sich in wenigen Jahren zu DER Welt, auf der Söldner ihre Dienste anboten. Streng kontrolliert von der Söldnerkontraktkommission.
Galatea, die eigentliche Söldnerwelt versank in die Bedeutungslosigkeit. Sie wurde zur Welt der Zweiten Reihe, für Auftraggeber, die wenig erklärten und Söldner, die keine Fragen stellten.
Hier auf Outreach aber drängten sich die Eliteeinheiten dicht an dicht. Wer was auf sich hielt, hatte hier eine eigene Kaserne oder zumindest ein Büro. Auch die Eagles hatten hier eine kleine Vertretung.
Wer es sich leisten konnte, nahm die weitläufigen Trainingsanlagen in Anspruch und ließ sich von Dragoneroffizieren drillen.
Vorbei.
Alles vorbei. Die Welt hat einen neuen Abschnitt in ihrer Geschichte erreicht. Es war ein Abschnitt, der für Jahrhunderte einen Schlussstrich zog unter allem, was sie die letzten dreißig Jahre ausgemacht hatte.
Das Leben brodelt nicht länger hier.
Hier regiert fortan der Tod.
Persönliche Aufzeichnung von Oberst Ace Kaiser in das Regimentstagebuch der Angry Eagles.

6.
Die Landung erfolgte wie im Bilderbuch. Luft/Raumjäger schossen über das Gebirge hinweg und sondierten das kleine Tal, welches wir neu getauft hatten, New Hope. Anschließend schleuste die VTOL-Kompanie aus, ging tiefer und sicherte den Anflug der Transporthubschrauber. Diese zogen eine enge Schleife über dem Tal und entließen dann ihre Ladung – GEST-Aktivpanzer. Fünfzig von ihnen sondierten den Boden, stellten Ausmaße und Tragfähigkeit der Bodenflächen fest und maßen die Radioaktivität. Schließlich gaben sie das O.K.-Zeichen.
Die Landungsschiffe senkten sich herab, zuerst der Leopard, danach die Overlords, die eng beieinander ins Zentrum des schmalen Tals steuerten.
Die Union bildeten einen losen Ring um die Overlords. Drei von ihnen würden bald wieder von hier aufbrechen. Schon sehr bald, um auf dieser Welt Überlebende zu suchen.
Die Radioaktivität lag nur wenig über dem Durchschnitt, den man in dreitausend Metern Höhe erwartete. Also öffneten sich die Schotten der Schiffe und entließen ungeschützte Mannschaften. Sofort begannen sie, eine untereinander vernetzte Zeltstadt zu errichten. Zwei der Union wurden komplett ausgeräumt, um als provisorisches Lazarett zu dienen.
Die Pioniere brachen derweil zu einem nahen Gletscher auf, um dessen Unterschichten abzubauen und das Schmelzwasser abzufangen.
Die Prognosen waren gut. In den Bergen würde es für ein Vierteljahr verdammt kalt, aber trocken bleiben. Radioaktiver Regen war nicht zu erwarten. Aber keiner meiner Offiziere war so naiv zu vergessen, sich nicht darauf einzustellen.
Deswegen wurde der Leopard als Waschmaschine umgebaut. In seinem Landedeck würde die erste Verseuchung mit radioaktivem Staub abgespült werden.
Schließlich wurden auch die Landungsschiffe vernetzt. Bei einigen wurden die Hangars direkt mit speziell konstruierten Manschetten an die Zelte gekoppelt, andere hingen nur mit Mannschleusen am System.

Ich unternahm meinen ersten Rundgang.
Denise DéForét scheuchte ihre Leute im MASH-Bereich der Zeltstadt umher. Nun zahlte es sich aus, daß die Eagles viel wert darauf legten, daß sich ihre Krieger in Nichtmilitärischen Belangen auskannten. Die meisten Soldaten hatten eine Ausbildung zum Sanitäter, einige von ihnen hatten Praxis als Feldärzte. Denise selbst war auf Schusswunden spezialisierte Chirurgin und würde unser MedTech-Team unterstützen, wo es nur ging.
Betten wurden aufgestellt. Interne Kammern eingerichtet und OP-Räume errichtet.
Sie sah mich aus großen, stumpfen Augen an. „Wir sind bereit, Ace. Die Strahlungsopfer können jederzeit kommen.“
„Haben wir genügend Pseudoadrenalin?“ fragte ich leise.
Sie sah fort. „Wäre schön, wenn Du noch was besorgen kannst. Wir haben Reserven für zehntausend Menschen. Aber ich wette, irgendwo auf Outreach gibt es noch ein unbeschädigtes Lager.“
Ich deutete auf einen Bereich, der eine eigene Schleuse bekam. Und das inmitten der Zeltstadt.
„Was wird das denn? Platz für fünfzig Personen, schätze ich.“
Ihr Blick traf mich wieder. Ich erschauerte. „Das ist der Bereich für die Strahlenopfer, die selbst so sehr strahlen, daß wir sie isolieren müssen, Ace. Ich habe bereits ein Team um Dr. Ling zusammengestellt und Schutzanzüge austeilen lassen.“
Ich wollte aufschreien, meinen Schmerz in die Welt brüllen. Stattdessen ballte ich die Hände zu Fäusten, bis es schmerzte. „Gute Arbeit, Engelchen. Gute Arbeit.“
Sie lächelte blass. „Danke, Sir. Ach, Ace, sie werden doch bezahlen, ja? Ich meine, wir werden die Blakies dafür doch zur Rechenschaft ziehen, ja?“
„Sie werden bezahlen, und zwar weit mehr, als ihnen lieb ist.“
Ich ergriff mein Funkgerät und sagte: „Landungsplatz gesichert. Nathan, Patrouillen ausschleusen. Ich will drei Augen im Weltraum haben. Dazu Erkundungspatrouillen auf beiden Kontinenten.“
„Wird erledigt“, kommentierte der alte Pilot wortkarg.
„PAX TERRA hat Starterlaubnis. Ich werde mitkommen.“
„Verstanden, Sir“, erwiderte Kapitän Andressen. Ihm unterstand das kleine Erkundungskommando, dessen Ziel der Ort war, an dem wir Überlebenden vermuteten: Die Raumhäfen von Harlech.

Eine Stunde später waren die Union PAX TERRA, WATERKANT, GLOCK und die Leopard WILDFANG auf dem Weg nach Osten. Die Luft/Raumjäger hatten uns Bilder geliefert, die das detailliert zeigten, was wir aus dem Orbit bereits gesehen hatten: Harlech war dem Erdboden gleichgemacht worden. Vereinzelt sah man schwarze Pyramiden in den Himmel ragen, doch keine war größer als zwei, drei Stockwerke. Die Straßen der bombardierten Stadt waren mit Schutt gefüllt. Nur auf den Hauptrouten würde ein Vorankommen noch einigermaßen möglich sein. Auf den Raumhäfen sah es ähnlich wüst aus. Die Piloten hatten über vierzig Landungsschiffe gezählt, ein Großteil beschädigt. Dazu Dutzende Trümmer, die früher einmal Landungsschiffe gewesen waren.
Bei einem Pulk relativ unbeschädigter Lander wollte ich unser provisorisches Quartier aufschlagen. Von hier würden wir die Bunker der Raumhäfen erkunden, die Landungsschiffe nach Überlebenden untersuchen und in die Stadt Harlech selbst vorstoßen.
Die Radioaktivität war stark genug, einen ungeschützten Menschen irreversibel zu verstrahlen, aber in der Stadt selbst herrschte eine Strahlungsstärke, die einen Menschen binnen weniger Sekunden sofort getötet hätte. Die Jäger meldeten fünf Punkte in der Stadt, an denen nicht einmal BattleMechs einen ausreichenden Schutz boten.
Also hatten diese Verrückten fünf Atombomben alleine auf die Hauptstadt geworfen. Hatten wohl auf Nummer Sicher gehen wollen.

Peter Andressen sah mich an. Ich nickte. Der junge Mann räusperte sich einmal, zweimal, endlich begann er zu sprechen. „Kapitän Andressen an Einsatzkommando. Wir haben grünes Licht, ich wiederhole, wir haben grünes Licht. Landung beginnen.
GEST schleusen zuerst aus, sichern und beginnen mit ersten Erkundungen. Mechs und Pioniere räumen uns ein Areal für einen Notstützpunkt und beginnen mit der Suche nach Vorräten und Bunkeranlagen. Die Strahlung ist moderat, ich wiederhole, moderat. Niemand setzt sich ihr ungeschützt aus. Die Pioniere bleiben in ihren Räumgeräten.
Die MedTechs agieren nur mit Unterstützung der GEST und der Mechs.
Und unsere Waschmaschine“- Leises Gelächter ertönte-„macht sich bereit für erste Entseuchungsmaßnahmen.“
Oberleutnant Wang kommentierte den Scherz über sein Schiff mit einer chinesischen Verwünschung. Wieder wurde gelacht.

Andressen grinste fahl. „Bootsmann geben Sie Signal zur Landung.“
Ein Unteroffizier trat vor und ergriff seine Pfeife. Direkt vor der Komm pfiff er das Signal zur Landung. Auf weniger traditionsbewussten Schiffen wie der WATERKANT und der GLOCK würde nun eine Lautsprecherdurchsage oder ein schlichter Gong ertönen.
Kurz darauf setzte der Gigant zur Landung an. Sofort öffneten sich die Hangartore im Windschatten, um zu verhindern, daß der Wind radioaktiven Staub in die Schiffe drückte.
Die GEST schwärmten als erste aus. Die Gefechtspanzer waren hermetisch abgeschirmt. Ihre Luftvorräte erlaubten ihnen ein Aktionsfenster von vier Stunden. Die Panzer selbst konnten der Strahlung noch Wochenlang widerstehen.
Danach kamen die ersten Mechs. Men Shen und Raben, die mit ihren sensiblen Ortungsgeräten die erste Suche beginnen würden.

“Eine Nachricht von der CALIBRA, Sir. Kapitän Xavier spricht.“
„Durchstellen“, befahl Andressen.
„CALIBRA hier. Wir melden die ersten Überlebenden. Die GEST haben eine Gruppe von dreiundvierzig Überlebenden entdeckt und ins Lager geleitet. Die Ärzte haben sie schon durchgecheckt. Sie werde es alle schaffen. Sie haben kaum Strahlung aufgenommen.“
„Das ist eine sehr gute Nachricht“, meldete ich mich zu Wort. „Anton, Ihr gebt uns allen Hoffnung.“
„Genug, um mal über meinen Sold zu reden?“ erwiderte der Offizier. „CALIBRA Ende.“
Wir lachten. Humor tat uns gut, half uns, dieses Grauen zu verarbeiten. Zu verstehen, nein, zu akzeptieren, ja.
„Na, das sollte uns wohl motivieren, was? Finden wir auch ein paar Überlebende“, sagte ich fest. „Oder soll uns das Basislager etwa überflügeln, obwohl wir ausgesandt wurden, Überlebende zu finden?“
„Nein, Sir“, antworteten mir die Eagles und begannen hektische Aktivität zu entfalten.

7.
Chadrik Benton war selbst in einem der Teams, welche die Hafenanlagen durchkämmten. Das Gros war zerstört worden, hinweggefegt von der Urgewalt der atomaren Explosionen. Einige Terminals, die das Glück gehabt hatten, im Deckschatten einiger Lander zu stehen, sahen besser aus, hatten aber keine Scheiben mehr. Ein Überleben in diesen Gebäuden war definitiv nicht möglich. Chad benutzte dennoch eines von ihnen, um Zugang zu den unterirdischen Anlagen zu erhalten. Wenn, dann lebte hier noch jemand. Vielleicht gab es kleinere Bunker.
Genaueres wußten sie nicht. Die Dragoner waren nicht sehr freizügig mit der Weitergabe solcher Daten gewesen.

„GEST eins von Pionier eins“, kam eine Funkmeldung.
„Sprechen Sie, Hauptmann Marco.“
„Wir beginnen jetzt mit der Tiefenlotung. Nicht, daß Sie sich erschrecken.“
Chad grinste kurz über den Kommentar des Elementare, den sie einst von den Jadefalken erobert hatten. „So laut ist der Knall nun auch wieder nicht. GEST eins Ende.“
Kurz darauf hallte ein Schuß über den Raumhafen. Die Pioniere hatten einen schweren Bolzen mit doppelter Schallgeschwindigkeit in den Boden geschossen, um die Schwingungen der Schallwellen durch die feste Erde zu jagen. Ein Spezialgerät zeichnete eventuelle Reflektionen auf. Anhand dieser Daten konnten sich Objekte im Boden ausmachen. Ursprünglich wurde diese Technik für die Archäologie entwickelt, hatte sich aber auch in anderen Bereichen bewährt.
„GEST eins von Pionier eins. Chad, wenn du im Gebäude bist, such dir einen Weg in den Keller. Dort unten scheint es einen großen Quaderförmigen festen Bereich zu geben.“
„Hm, könnte ein Bunker sein. Danke, Marco. Sucht weiter.“
„Das hatten wir ohnehin vor. Pionier eins Ende.“
Chad sah sich kurz um. Sieben Mann in GEST-Rüstungen begleiteten ihn. Team eins. „Ihr habt den Hauptmann gehört. Wenn wir drin sind, suchen wir uns einen Weg in den Keller. Von dort muß es einen Zugang zum Bunker geben. Wenn wir einen entdecken, benachrichtigen wir die MedTeams und die Pioniere, damit sie den Bunker öffnen und eventuelle Überlebende herausschaffen können. Dazu werden sie einen Teil des Gebäudes abtragen müssen und eine strahlungsabweisende Manschette anbringen. Aber ihr kennt das ja. Ist im Prinzip das Gleiche wie bei den Übungen für den Schwarzen Lenz.“
„Was, wenn wir im Gebäude selbst Überlebende finden, Boß?“
Chad schüttelte unwillkürlich den Kopf. „Unwahrscheinlich. Der Angriff mit den Atombomben ist fast eine Woche her. Kein Mensch überlebt solange ohne unverseuchtes Wasser. Wenn er aber radioaktives Wasser getrunken hat, ist er mittlerweile tot.“
Die Worte auszusprechen schmerzte Chad Benton. Dies war vielleicht die schwerste Mission, die er jemals mitgemacht hatte. Bei anderen Gelegenheiten waren die Eagles als Retter gekommen, als Rekonstrukteure ganzer planetarer Ökonomien. Aber hier auf Outreach würde sich ein Wiederaufbau nicht lohnen. Nicht für die nächsten tausend Jahre.
„Aber wenn wir doch jemanden finden?“ beharrte der GEST-Spezialist. McCullen, der Sprengstoffspezialist und Spotter für den Scharfschützen des Teams.
„Dann reißt ihn zu Boden, deckt ihn mit einer der Planen aus den Notfallpaketen ab und ruft sofort die MedTechs, damit sie mit ihrem abgeschirmten Bus rüberkommen, um den Überlebenden aufzunehmen. Haben das alle kapiert?“
„Ja, Sir“, antworteten seine Leute.



Geschrieben von Ace Kaiser am 03.11.2002 um 14:56:

 

Die GEST hielten sich nicht lange mit der Suche nach einer nicht eingestürzten Tür auf. Chad zündete die Sprungdüsen und flog durch ein leeres Fenster im ersten Stock ein. Das Team folgte ihm, verteilte sich.
Über die Leitung erklang ein Würgen. „Holloway hier“, erklang die gepresst klingende Stimme der Nahkampfexpertin. „Ich habe einen Toten gefunden, Sir. Sieht grauenvoll aus, die Strahlung muß ihn voll erwischt haben. Großflächige Verbrennungen auf dem Körper, die Kleidung offensichtlich verbrannt, regelrecht vom Körper zerfetzt. Dazu Dutzende Wunden von Glassplittern. Viele stecken noch im Körper. Ich kann nicht sagen, wie dieser Mensch gestorben ist, aber ich hoffe, es ging schnell. Ich kann nicht einmal sagen, ob es ein Mann oder eine Frau war.“ Wieder würgte sie.
„Alles okay, Laura?“ fragte Chad besorgt, während er sich einen Weg die halb zusammengefallene Treppe hinab bahnte.
„Es.. es geht schon. Ist nicht mein erster Toter. Aber beim Gedanken daran, was hier passiert ist, schnürt sich mir die Kehle zu. Wenigstens ist er nicht von Ratten oder Kakerlaken zerfressen.“
„Wieso von Ratten zerfressen?“ hakte McCullen nach.
„Na, kennst du das nicht, Greg? Es heißt doch, nur Ratten und Kakerlaken würden einen Atomschlag überleben.“
„Das ist so nicht richtig, Herrschaften!“ Als erster erreichte Chad den Fuß der Treppe. Links von ihm war ein großes Fenster geborsten. Rechts endete der Gang, der sich an die Treppe anschloss, blind. Dort hatte sich ein kleiner Berg aus Unrat und Menschenleibern gebildet, die von der Wucht der Detonation zusammengekehrt worden waren. Vorsichtig begann der Eagle damit, den Haufen auseinander zu nehmen. Er fand neun Tote in unterschiedlichen Stadien der Verbrennung und Verletzung. Immerhin schien niemand erst unter diesem Leichenberg gestorben zu sein. „Hier sind noch mehr Tote, unten im Erdgeschoss. Wurden alle in eine Ecke gedrückt.“
„Warum ist es nicht richtig, Boß?“ „Was?“ „Na, Sie sagten, es wäre so nicht richtig.“
„Ach ja. Es stimmt schon, Kakerlaken sind beinahe unempfindlich gegen Radioaktivität. Und Ratten haben das Talent, sich sehr schnell an eine veränderte Lage anzupassen. Aber ich würde sagen, die gesamte Population dürfte zu neunundneunzig Prozent ausgelöscht worden sein. Der Bestand wird sich erholen, aber auch hier gilt, wie in allen Fällen, daß das Nahrungsangebot die Population regelt. Die Leichen der Toten werden nicht sehr lange vorhalten. Und sehr viel mehr zu fressen gibt es hier nicht. Nein, ich denke, wir werden auf Wochen hinaus keine Ratten sehen.“
„Was ist mit wilden Hunden? Ich habe mal ein Buch gelesen, über Nagasaki, eine Stadt auf Terra, die wurde auch gebombt. Und die Überlebenden berichteten, Nachts seien Rudel wilder Hunde in die Ruinen eingefallen und hätten die Toten und Kranken gefressen.“
„Na, guten Appetit. Soweit ich weiß gibt es keine Hunde auf Outreach. Überhaupt ist die Fauna hier nicht gerade ausgeprägt. Das machte diese Welt ja so ideal für große Manöver und Kampftraining.“
Chad brach eine Tür ein. Hinter ihr führte eine enge Treppe in die Tiefe.
Wieder hallte ein Schuß von draußen herein. Die Pioniere sondierten ein weiteres Gelände.
„Na, wenn das einer hört und falsch versteht“, lachte jemand.

„Eagle eins an alle Eagles. Erfreuliche Nachrichten. Unsere Luft/Raumjäger haben eine Gruppe MechKrieger auf den Übungsarealen auf Remus entdeckt. Sie haben bis jetzt in ihren isolierten Cockpits überlebt und freuen sich, uns zu treffen. Ein Union holt sie gerade ab.“
„Sehr gute Neuigkeiten. Dragoner?“
„Können wir noch nicht sagen. Die Krieger sind erschöpft und die Mechs in Tarnfarben bemalt. Beim einschleusen werden wir mehr sehen.“
„Schickst du die Waschmaschine hin, Ace?“
„Nein, ich denke nicht. Das Gebiet, in dem sich die Mechs bewegen, ist nur rudimentär verstrahlt. Die Mechs selbst werden zurückgelassen, falls sie selbst strahlen sollten. Wir können sie immer noch bergen.“
„Eine gute Idee. GEST eins an Team. Ich habe eine Treppe ins Untergeschoss gefunden. Bei mir sammeln.“
„Auch gute Nachrichten, Chad. Marco hat mir berichtet, daß die Pioniere unter deinem Gebäude einen Bunker ausgemacht haben.“
„Wir hoffen das Beste. GEST eins Ende.“

Neben und hinter ihm traten die Rüstungen zusammen. „Hält die Treppe?“ fragte jemand. Wahrscheinlich Kabrinskaya, die Scharfschützin.
„Na, das finden Sie doch bitte gleich mal raus, Lady“, erwiderte Chad grinsend und machte eine einladende Handbewegung auf die Treppe zu. Eine der Rüstungen löste sich aus der Gruppe und folgte der Handbewegung. „Danke“, säuselte sie. „Es gibt eben immer noch echte Kavaliere, die einer Dame den Vortritt lassen.“
„Dame würde ich nicht unterschreiben“, raunte McCullen leise. Die anderen lachten.
Alexi Kabrinskaya tastete sich vorsichtig auf die Treppe. „Kein Holz, scheint Beton zu sein. Ich belaste sie jetzt mit den vollen tausendzweihundert Pfund. Hm, hält.“
Vorsichtig stieg die Scharfschützin hinab, immer darauf bedacht, ob ein verräterisches Knirschen ertönte. Der Panzer würde sie schützen, aber es war immer peinlich, sich aus einer Lawine aus Schutt zu befreien. Nichts geschah.
Als die GEST-Frau unten war, winkte sie einladend. „Nun kommt schon, Ihr Angsthasen.“
Die anderen folgten. Chad schmunzelte. „Okay, Keller erkunden. Wir suchen einen Weg, der uns tiefer hinunterführt. Laut den Daten, die Hauptmann Marco mir überspielt hat, liegt der Bunker nördlich von uns. Die Richtung nehmen ich und Holloway.“
„Typisch. Der Chef schnappt sich wieder das Sahnestück“, murrte McCullen leise.
„Danke“, flötete Laura schnippisch.
Chad meinte beinahe, den stämmigen Schotten rot werden zu sehen. „Ich habe den Weg gemeint, Holloway. Den Weg.“
„Ja, ja“, neckte Andy Stone, der KommExperte, „hinterher kann man das immer sagen.“
„Genug Unsinn angerichtet. Auf den Weg, GESTs. Und achtet auf Schweinereien wie automatische Abwehranlagen. Ich glaube nicht, daß die Dragoner ihre Feinde bis zu ihren Bunkern vordringen zu lassen. Und im Moment haben wir keine Möglichkeit, eine automatische Anlage davon zu überzeugen, daß wir keine eindringende Feinde sind.“
Gemurmelte Bestätigungen erklangen. Die GEST gingen auseinander.

Schnell fand Chad, was er hier auch vermutet hatte. Ein isoliertes Treppenhaus, daß sichtlich weiter in die Tiefe führte. „Kennst du diesen Türentyp, Laura?“
„Hm, scheint mir der obere Bereich einer Schleuse zu sein. Wir riskieren nichts, wenn wir sie aufreißen.“
„Aber der Gang dahinter könnte verstrahlt werden und uns die Rettung von Überlebenden unnötig erschweren.
Eagle eins von GEST eins. Wir brauchen einen großen Bruder.“
„Hier Eagle eins. Mech ist unterwegs. Weise ihn ein. Soll ich auch gleich einen SanLKT in Marsch setzen?“
„Positiv. Wir haben hier im Keller eine Schleuse gefunden. Wenn wir sie gleich mit einer Manschette abdecken, dürften wir schnell nachsehen können, was sich dahinter verbirgt.
Okay, GEST. Ich weise den Mech ein. Der Rest hat fünf Minuten, um diesen Bereich des Gebäudes noch einmal abzusuchen. Danach reißen wir ihn ein, um besser an den Bunker zu kommen.“
Neben ihm schlug Holloway gegen die schwere Tür.
„Was soll denn das werden?“ brummte Chad ärgerlich.
„Na, Klopfzeichen. Morsecode. Ich habe gerade gefragt, ob jemand Zuhause ist.“
„Und du glaubst, die antworten?“ spottete der Major.
Klopf-Klopf-Klopf...
„Ich nehme alles zurück und behaupte das Gegenteil. Was sagen sie?“
„J-A... Ja. Es ist jemand Zuhause. Warte, ich frage, wie viele sie sind.“
Wieder hämmerte Laura Holloway gegen das Schott.
Kurz darauf erklang die Antwort. „Über zweihundert Menschen. Wir werden mehr brauchen als einen SanLKT.“ Ich gebe ihnen Bescheid, daß sie warten sollen. Wir reißen einen Teil des Gebäudes ab, damit wir sie direkt in Fahrzeuge evakuieren können.“
Sie klopfte erneut und erhielt prompt Antwort.
“Was sagen sie?“ „Sie wollen wissen, von welchem Regiment wir sind.“
„Sag ihnen...“ Hilflos warf Chad die Arme in die Höhe. Wie sollte er diesen Menschen verständlich machen, daß es vielleicht keine Dragoner mehr gab, geschweige denn als Regiment? „Sag ihnen, wir sind Sternenbundtruppen.“
„Sie wollen wissen, welche. Und warum wir so schnell da sind.“
„Sag ihnen nur, wir sind die Angry Eagles. Wenn ihnen das nicht reicht, dann sollen sie von mir aus da drin versauern. Moment, das letzte war aber nicht für die da drin gedacht. Laura!“
Ihr Kopf schwenkte zu ihm herum. „Zu spät, Boß.“
Wieder erklang die Antwort. „Sie sagen, das reicht ihnen. Und das wir loslegen können.“
„Okay, ist der Mech in Position?“ „Kampftitan ist bereit.“
„Dann evakuieren wir jetzt. Alles, was GEST heißt, raus hier.“

8.
Ein Teil des Gebäudes war eingeebnet worden. Der Kampftitan hatte ganze Arbeit geleistet. Ohne die PPK verfügte der Schwere Mech über zwei vollmodellierte Hände, was ihm die Abrissarbeit erleichtert hatte. Den Schutt hatte der Gigant äußerst vorsichtig fortgeschafft, um den Bunkerweg nicht zu beschädigen. Anschließend hatte er eine Rampe für die Luftkissentransporter geschaffen. Der erste fuhr bis kurz vor das Tor. Sie wurde mit einem Schaum abgespritzt, der Schaum fortgeblasen und anschließend die Manschette angelegt. Sie war etwa zwei Meter lang. Genug Raum für zwei Pioniere, um die Schutzmembran auf der Türseite zu öffnen und an der Tür selbst zu arbeiten.
Kurz darauf schwang sie auf. Die Pioniere warfen einen Blick auf die Geigerzähler, der Treppengang in die Tiefe war nur leicht verstrahlt. Wenn sie die Menschen hier durch evakuierten würde es ihnen nicht schaden. Ein Schutztunnel in die Tiefe erübrigte sich.
Die Pioniere arbeiteten sich weiter in die Tiefe vor und schlugen gegen die untere Tür. Die öffnete sich und entließ zwei Schwerbewaffnete Dragoner, die sofort auf die beiden Pioniere zielten.
Beide waren unbewaffnet, genau mit dieser Reaktion hatte Ace gerechnet.
„Sie können uns erschießen“, sagte einer von ihnen, „oder die Menschen mit uns in Sicherheit bringen.“
„Woher wissen wir, daß Sie nicht doch zu den Angreifern gehören?“ argwöhnte der Ältere.
„Warum sollten wir dann so einen Aufwand betreiben? Wir wollen Sie retten.“
Der Ältere senkte die Waffe. Der andere Dragoner folgte seinem Beispiel.
Müde wischte sich der Mann durch die Augen. „Himmel, seit Tagen habe ich nicht geschlafen. Seit dieser Scheiß passiert ist. Dann brach der Kontakt zur Zentrale ab, oben war alles tot und die obere Kamera fiel auch aus. Die Geigerzähler tickerten wie wild. Die Menschen hatten Angst. Die Vorräte sind beinahe aufgebraucht. Wasser haben wir seit Heute Morgen nicht mehr.
Und dann kamen Sie.“ Übergangslos sackte der Mann in sich zusammen. Sein Kamerad wollte ihn stützen, war aber selbst zu schwach. Die Pioniere sprangen hinzu und fingen ihn auf. „Wir sollten beginnen“, wies einer den jüngeren Dragoner an. „Unser LKT kann immer zwanzig Personen zugleich zu den Landungsschiffen schaffen. Teilen Sie die Leute entsprechend ein. Frauen und Kinder bitte in den ersten Wellen, Soldaten zuletzt. Aber achten Sie darauf, keine Familien auseinander zu reißen.“
„Ja, Sir. Darf ich Ihren Namen erfahren?“
Der Mann grinste. „Ich bin Ace Kaiser von den Angry Eagles. Dieser Gentleman neben mir ist Keene Richards.
Braucht jemand ärztliche Versorgung? Haben Sie Strahlungsopfer da unten? Tote?“
„Nein, Sir, nur Hysterische Menschen, dehydriert und hungrig.
Sie sind da ein ganz schönes Risiko eingegangen, Sir. Wir hätten Sie erschießen können.“
Der Eagle lachte und deutete die Treppe hoch in Chads Richtung. „Erstens muß ich bereit sein, die Risiken einzugehen, die ich von meinen Leuten verlange. Und zweitens haben Sie, seit das Tor aufging, das Laservisier eines Scharfschützen auf der Stirn. Ihr Risiko war ungleich größer als meines.
Fangen wir an.“



Geschrieben von Ace Kaiser am 10.11.2002 um 16:27:

 

9.
Mit zitternden Händen akzeptierte der Mann das Glas Wasser. Auf seiner Kühlweste prangten die Zeichen eines Sergeants. Nachdem er hastig getrunken hatte, begann er stockend zu berichten. „Wir waren auf dem Trainingsgelände Sigma unterwegs. Die Übung sah den Konflikt eines Bataillon Mechs mit Panzerunterstützung gegen eine Kompanie SturmMechs mit Sprungtruppen vor.
Wir hatten bereits eine Woche Übung hinter uns. Endlich gelang es uns, die Infanterie zu stellen. Sie hatten sich eingegraben und uns für jeden Meter furchtbar bezahlen lassen.
Mindestens neun unserer Mechs wurden deaktiviert, bevor wir sie überwunden hatten.“
Der Sergeant grinste flüchtig, als hätte er gerade einen guten Witz erzählt. „Unterschätze nie ein Bataillon Infanterie. Wenn sie sich eingraben, sind die verdammt effektiv.
Der Rest des Bataillons zog um einen kleinen Hügel herum und traf dort auf eine Lanze der SturmMechs. Wir gingen sofort in den Nahkampf über. Hinter uns brachen die anderen beiden Lanzen aus einem Waldstück hervor und nahmen uns in die Zange. Erst dachte ich Major Terence hätte uns mitten in die Falle geführt. Aber die Panzer fielen den SturmMechs in die Flanke und zwangen sie, uns die Zeit zu geben, um zwei Drittel des Bataillons zu drehen.“
Die Hände des Sergeants begannen plötzlich so sehr zu zittern, daß er beinahe das Glas fallen ließ. „Ich gehörte zu dem Kommando, daß sich mit der einzelnen Lanze herumschlug, während der Major rausging, um die Panzer zu unterstützen.
Mein Bushwacker befand sich im Nahkampf mit einem aufgemotzten Highlander. Wir bewegten uns während unserer kleinen Schlacht bis hinter den kleinen Hügel.
Das war unser Glück. Oder unser Verhängnis. Plötzlich war da dieses grelle Licht. Dieses gleißende, alles erfüllende Licht. Es war... es kam von überall, sogar aus dem Boden. Für einen Moment noch hörte ich die panischen Schreie meine Kameraden, dann rissen sie ab. Mein Mech desaktivierte sich. Doch ich sah, was vor mir geschah. Kathies Katamaran stand zu weit vom Hügel entfernt. Im einen Moment war ihr Mech noch im Clinch mit einem Schläger, und als ich wieder sehen konnte, war da nichts mehr. Absolut nichts mehr.“
Der Sergeant grub das Gesicht in die Hände. „Alles, was nicht nahe genug und auf der richtigen Seite des Hügels gestanden hatte, war ausgelöscht worden. Weg. Fort. Als hätte man sie wegradiert.
Als mein Mech wieder hochfuhr, bewegte ich ihn als erstes den Hügel hinauf, um einen Überblick zu bekommen. Doch was ich sah, war... Nichts. Absolut nichts. Kein Wald zur Linken, keine Grenzmarkierungen, keine eingegrabene Infanterie. Sogar unsere neun Mechs, die während der Übung deaktiviert wurden, waren fort.“
Der Mann schluchzte. „Ihr Versagen bedeutete auch ihren Tod.
Übrig geblieben waren ich, fünf Leute aus meiner Kompanie und zwei von der SturmMechgruppe. Harris ist leider erblindet, hat zuviel von der Explosion gesehen. Als dann der Geigerzähler raste, da... da habe ich erkannt, daß da eine besonders fette Bombe geplatzt sein mußte. Eine Atom- oder Wasserstoffbombe. Die Strahlenwerte lagen so hoch, wir konnten unser Mechs nicht verlassen. Und sie wurde verdammt schnell höher. Also tat ich das einzig Richtige und befahl den Abzug von der Strahlenquelle fort.“
Mühsam ging er sich durch sein Haupthaar. „Ich wollte einen Hangar erreichen, einen Schiedsrichterbunker. Aber von Sigma war nichts mehr übrig geblieben.
Also marschierten wir weiter zum nächsten Gelände. Aber auch dort war alles planiert, und die Geigerzähler machten Überstunden. So alleine war es nicht leicht, aber Harris mitsamt Mech mitnehmen zu müssen, gab uns wenigstens eine Aufgabe, an die wir uns halten konnten, die uns nicht verzweifeln ließ.
Als wir den dritten Punkt mit starker Strahlung erreicht hatten, erkannte ich, daß uns gar kein Unglück erwischt hatte. Wir waren flächendeckend bombardiert worden.
Also irrten wir über die Trainingsgelände. In der Hoffnung, andere zu finden, einen intakten Hangar oder zumindest einen Ort, an dem wir anhalten konnten, an dem die Strahlung nicht mehr so intensiv war, um wenigstens Harris zu helfen.
So war es, bis die Jäger der Eagles uns entdeckten.“

Major DéForét legte dem erschöpften Mann eine Hand auf die Schulter. „Danke für Ihren Bericht, Sarge. Ruhen Sie sich nun etwas aus. Ihre Leute werden noch untersucht, aber ich kann Ihnen schon jetzt sagen, daß es Hoffnung für Harris gibt. Wir haben noch viel zu tun auf Outreach und brauchen dafür jeden Mann.“
Der Sergeant nickte schwer. „Und danach, Ma´am? Sie haben gesagt, Blakes Wort hat ganz Outreach zerstört. Werden wir uns rächen?“
„Wenn die Zeit kommt“, erwiderte sie leise, „wird uns nichts und niemand daran hindern können.“


10.
Ich unterdrückte mühsam ein Gähnen. Es war eine Sisyphusarbeit. Alleine an den Raumhäfen gab es Dutzende Bunker, und wir suchten gerade mal den zweiten Tag. Dazu kam noch Harlech selbst. Unter der Stadt vermutete ich mehrere Großbunker, die einigen Tausend Menschen als Aufenthaltsort dienen würden. Dazu militärische Bunker und dergleichen.
Wieder gähnte ich. Chad Benton stieß mich an und meinte: „Geh schlafen, Ace. Ich kann die Evakuierung von Lima, Ecco und Papa auch allein koordinieren.“
Ich schüttelte unwillig den Kopf. „Nein, Chad. Ich bleibe, bis ich im stehen schlafe.“
„So kenne ich dich ja gar nicht, Ace. Sonst machst du doch immer einen auf supervernünftig.“
„Wenn ich die Augen schließe, Chad, dann sehe ich nur wieder allzu deutlich, daß das, was wir hier tun, nur Flickwerk ist. Verdammt, Romulus ist ein Riesenkontinent. Harlech alleine war einen Großstadt von gigantischen Ausmaßen. Alles abzusuchen wird uns für paar Menschlein Monate dauern.“ Ich grinste matt. „Direkt am Raumhafen neben diesem hier können gerade Menschen in einem umgeworfenen Landungsschiff elendig verrecken, und wir würden es nicht einmal mitkriegen. Die Zeit, die verdammte Zeit, sie macht uns zu schaffen. Wir wissen zu wenig. Wie ist die Versorgungslage? Wo stehen die Bunker? Wo sind die von den Dragonern für diesen Zweck angelegten Ressourcen? Und wann kommt Blakes Wort wieder?“
„Wieder?“ Chad zog eine Augenbraue hoch.
„Ja, wieder. Wie viele Mechfabriken gibt es auf Outreach? Fünf? Sechs? Würde mich nicht wundern, wenn sie hier vorbeischauen, um ihre Verluste aufzubessern. Wenn hier keiner mehr lebt.“
„Was, wenn sich diese Einsatzkräfte bereits auf Outreach befinden? Würden unsere Jäger sie finden?“
„Schwer zu sagen. Vielleicht würden wir nur zehn Kilometer aneinander vorbei laufen und uns nicht bemerken.“ Ich winkte ab. „Beruhige dich. Zwar sind wir auf Alarm, aber ich glaube nicht daran, daß sich hier wirklich Wobbies befinden. Und wenn doch werden sie kaum ein Feuerwerk machen, um uns auf sich aufmerksam zu machen.“

Von einem Moment zum anderen schrillte der Gefechtsalarm durch die PAX TERRA. Gefechtsalarm? „Hier Kaiser. Was ist los?“
„Sir, wir messen Gefechtsemissionen von Luft/Raumjägern an. Siebzig Kilometer südlich unserer Position.“
„Okay, Kapitän Andressen, wir gehen nach Standard vor. Eine Lanze Jäger zur Erkundung raus. Eine Lanze Mechs in Bereitschaft halten. Panzer auf Patrouille. Und macht meinen Tai-sho klar.“
Ich zog meine Uniform aus und nahm Kühlanzug und Weste aus einem Eckschrank. „Scheiße, scheint so, als hätte ich mich geirrt. Entweder flippen da gerade ein paar Dragoner aus...“ „...oder jemand bekämpft ein paar Bad Guys“, vervollständigte Chad leise. „Und da wir bisher keine Luftaktivitäten festgestellt haben...“
„Keine Spekulationen, bitte. Ich sehe es mir mal selbst vor Ort an. Du übernimmst hier das Kommando. Und fordere eine zusätzliche Kompanie Mechs an.“
Als ich hinausstürmen wollte, hielt mich der GEST-Kommandeur einen Moment zurück. „Ace, wenn es Blakies sind, schieß einen für mich ab, ja?“
„Versprochen“, sagte ich und rannte den Gang hinab, Richtung MechHangar.



Geschrieben von Ace Kaiser am 10.11.2002 um 16:28:

 

11.
Hauptmann Aaron Spencer zog seinen Sperber in eine enge Wende über dem Raumhafen und besah sich die Lage. „Eagle eins von Kolibri eins. Habe mit Lanze Koordinaten des Kontakts erreicht und gehe zur Sondierung tiefer. Keine Luft/Raumkräfte, ich wiederhole, keine Luft/Raumkräfte auf der Ortung.“
„Hier Eagle eins. Das Profil entsprach einem Bodenangriff. Seien Sie vorsichtig. Wer immer bereit ist, auf dieser Strahlenverseuchten Welt zu kämpfen, hat am Kampf mehr Interesse als am Überleben.“
„Copy, Eagle eins. Beginne Anflug.“
Der Sperber ging tiefer und raste über das weitläufige Areal hinweg. „Sir, ich zeichne MechWracks. Laut Infrarot rauchen sie noch. Sieht so aus, als wären sie zu Klump geschossen worden.“
„Können Sie Details erkennen? Hat ein Transponder überlebt oder sehen Sie Abzeichen auf den Mechs?“
„Negativ, die Mechs sind verrußt. Ich tippe auf Infernos. Moment, ich rufe die Daten meiner ROM auf. Hm, ich erkenne hier eindeutig eine zerstörte Cockpitkapsel. Aber da ist auch nichts zu finden. Scheint mal zu einem Tomahawk gehört zu haben.“
„Scheiße, Tomahawks werden in der halben Inneren Sphäre verwendet. Kreisen Sie mit der Lanze über dem Gelände in zwei Höhen und decken Sie unseren Anmarsch. GAZ Vierzig Minuten.“
„Sie kommen selbst, Eagle eins? Ist das wieder der Ich muß bereit sein zu tun, was meine Leute tun-Scheiß?“
Sein Gegenüber lachte. „Nein, ich will mir nur einen Abschuss holen, wenn Blakes Wort da draußen ist. Überspielen Sie Ihre GefechtsROM nach New Hope. Major DéForét soll die Daten gleich mal auf leicht beschädigte Landungsschiffe untersuchen. Eventuell dehnen wir unsere Suche auf diesen Hafen aus, wenn es sich lohnt.“
„Wie man es nimmt. Es scheint eine A-Bombe in der Nähe explodiert zu sein. Die Strahlung ist ziemlich hoch, Operationsfenster liegt unter einer Stunde. Aber es war wohl ein kleinerer Kaliber.“
„Unter einer Stunde. Verdammt. Eagle eins Ende und aus.“

Spencer grinste gedankenverloren. Das würde eine verdammt kurze Erkundung werden. Im Groben hatte er den Suchplan im Kopf. Zuerst wollten die Eagles die Randgebiete der Hauptstadt und die Häfen untersuchen, weil die Wahrscheinlichkeit nach Überlebenden hier sehr hoch war. Viele große Bunkeranlagen. Danach nach Harlech vordringen. Die Tiefenbunker der Planetaren Verteidigung suchen und vielleicht öffnen, wenn es möglich war und Blakes Wort sie nicht durch spezielle Bunkerknackerbomben vernichtet hatte.
Die Zeit war knapp, das Areal riesig, und es waren viel zu wenig Eagles auf dieser Welt, um wirklich allen helfen zu können. Bei dem Gedanken, wie viele Menschen bis jetzt überlebt hatten und in den nächsten Tagen starben, weil die Eagles ihnen nicht helfen konnten, legte sich wie ein dunkler Schatten über seine Gedanken.
„Okay, Wesley und Sparks gehen auf Höhe. Tyrelle bleibt bei mir. Wir ziehen noch eine Runde über die Anlagen.“

Kurz darauf machte Hauptmann Spencer einen zweiten Anflug, seinen Flügelmann an der Seite. „Ich werde erfasst, Sir“, meldete Tyrelle kühl. Die alte Pilotin war ein Eagle.
Erfasst? „Ausbrechen!“ befahl Spencer und riß seinen Sperber nach links weg, während der Subutai Tyrelles nach Rechts wegbrach. Vor ihnen kreuzten sich plötzlich PPK- und Laserstrahlen.
„Eagles eins und Auge eins von Kolibri eins. Wir werden beschossen. Ich wiederhole, wir werden beschossen. Augenscheinlich eines der Landungsschiffe. Erlaubnis zum Angriff?“
„Ich orte Jägerausschleusung“, kommentierte Tyrelle trocken.
„Negativ, Kolibri eins. Schalten Sie Ihre Transponder ein und werfen Sie, wenn es geht erst mal einen Blick auf das Landungsschiff, daß sich mit Ihnen anlegen will. Ich will sicher sein, daß wir die Richtigen zum Henker jagen.“
„Der Feind schleust Jägerunterstützung aus.“
„Versuchen Sie, die Banditen zu kontaktieren. Vermeiden Sie einen Kampf. Sollten Sie angegriffen werden, weichen Sie aus. Aber bevor es brenzlig wird, kommen Sie in Richtung meiner Mechs und lassen Sie die Höhenpatrouille absteigen.“
„Copy, Sir. Also, Tyrelle, Transponder an.
Hier spricht Hauptmann Spencer von der Söldnereinheit Angry Eagles. Unbekannte Luft/Raumjäger, identifizieren Sie sich.“
„Die Jäger kommen schnell näher. Einer will sich an mein Heck setzen.“
„Ruhig bleiben, Tyrelle. Durch Ihre Panzerhaut braucht der Tweety eine Weile.
Ich wiederhole, hier spricht Hauptmann Tyrelle von der Söldnereinheit Angry Eagles. Wenn Sie sich nicht identifizieren, sind wir gezwungen, Sie abzuschießen.“
Ein kehliges Lachen antwortete ihm. „Mit einem Sperber und einem Subutai wollen Sie gegen zwei Visigoth bestehen? Lächerlich.“
Immerhin, er hatte Kontakt. Immerhin.
„Wir sind gute Piloten“, konterte er und ging in eine enge Kehre, um den Avatar abzuschütteln.
„Der gerade versucht, mich vor die Läufe seines Flügelmanns zu bugsieren. Netter Trick.“
„Achtung, Achtung, hier spricht Captain Naginata vom Ulster Space Marine Corps. Soweit ich weiß, gibt es keinen Sperberpiloten namens Spencer bei den Eagles. Ihre Erklärung wird darüber entscheiden, ob ich Sie abschießen lasse oder nicht.“
„Ich bin adoptiert, Ma´am. Die Eagles haben mich und meine Leute am Zenitsprungpunkt vor den Blakeisten gerettet. Und weil ich die Schnauze voll davon hatte, davon zu laufen, bin ich mit zurück geflogen, um hier was Gutes zu tun. Und wenn Sie zu diesen Fanatikern gehören, wird es mir eine Freude sein, erst Ihre Jäger und dann Ihr Landungsschiff in tausend Fetzen zu zerballern.“
„Hooo, langsam, langsam, Kleiner. Sergeant Striker hier. Wir sind nicht von den Wobbies und sind ebenfalls sauer auf die. Aber wie kannst du beweisen, was du sagst? Bisher sind uns nur bewaffnete Wobbies hier begegnet. Und die Geschichte mit den Angry Eagles ist doch etwas weit hergeholt.“
„Nun“, meldete sich eine weitere Stimme amüsiert zu Wort, „vielleicht diskutieren Sie das besser mit mir aus, Striker.“
„Kaiser? Sind Sie das? Teufel, was machen Sie hier auf Outreach?“
„Wahrscheinlich das selbe wie Sie. Arbeit suchen. Scheint so, als hätten wir mehr als genug gefunden. Kolibri eins, Kampfhandlungen einstellen. Ich glaube, die Space Marines und die Eagles haben einiges zu bereden. GAZ in fünfunddreißig Minuten.
Ach, eines noch, haben die USMC Feindkontakt?“
„Wir hatten. Eine Sechserlanze Wobbies.“
„Weitere Ortungen?“ „Neeee.“
„Na, immerhin etwas. Ich hätte nur nie geglaubt, daß Blakes Wort auf dieser Welt Truppen landet. Und das Letzte, was ich hier wollte war zu kämpfen. Bis gleich, Striker.“
Es knackte in der Leitung, als Ace das Gespräch auf den Kanal zwischen sich und Spencer umstellte. „Hören Sie, Kolibri eins, es ist mir sehr peinlich, daß ich nicht daran gedacht habe. Noch peinlicher ist mir, daß wir keine Landungsschiffe der Blakies entdeckt haben. Ich möchte Sie bitten, darauf zu achten. Haben Sie auch ein Auge auf Spionagesatelliten und MechAktivitäten am Boden. Kann sein, daß gerade ein Regiment Mechs mit den Resten der Dragoner den Boden aufwischt. Obwohl... Nach über einer Woche haben sie es wohl schon längst getan. Eagle eins, Ende und aus.“
Spencer nickte schwer. So wie die Wobbies es mit ihm und dem Blauen Sturm gemacht hatten. Aber es schien so, als wären noch nicht alle Feinde mit dem Aufwischen fertig. Die würden sich noch wundern!
„Tyrelle, wir gehen auf hohe Beobachtung.
USMC-Pilotin, wir haben vielleicht bei der Jagd auf Blakes Wort noch Gelegenheit, herauszufinden, wer der Bessere ist.“
„Das werden wir. Mein Name ist First Lieutenant Katharina Griegoriejewitsch. Ich freue mich auf diese Gelegenheit. USMC Ende und aus.“



Geschrieben von Ace Kaiser am 10.11.2002 um 16:29:

 

12.
Zwei Tage auf Outreach, und sie verfluchte bereits jede Minute. Denise DéForét grinste matt. Mit den Angry Eagles hatte sie bereits einiges erlebt. Sie war auf Strana Mechty gewesen, hatte gegen und im Bürgerkrieg gedient, zuvor einem guten Dutzend Welten geholfen, wirtschaftlich wieder auf die Beine zu kommen und schließlich und endlich war sie mit ihrer Einheit nach Outreach gekommen. Wie so oft.
Doch dieses Mal würde bestimmt das letzte Mal werden.
Outreach war eine Strahlenhölle. Eine verdammte, verfluchte, verseuchte Strahlenhölle. Die Winde, der radioaktive Staub und der Regen würden schon dafür sorgen, daß selbst kaum oder gar nicht kontaminierte Landstriche wie die Bergregion, in der New Hope, ihr Stützpunkt lag, verseucht werden würden.
Doch hier hatten sie eine Chance, eine echte Chance. Zu helfen, zu retten. Zu überleben.
Und vielleicht würden sie von hier aus auch kämpfen müssen.
Seit Hauptmann Spencer auf seiner Patrouille an Ace und sie Feindkontakt gemeldet hatte, wußten sie, daß Blakes Wort sich nicht mit der atomaren Vernichtung zufrieden gegeben hatte. Sie mußten die überlebenden Söldnereinheiten der Dragoner und ihrer Verbündeten am Boden angegriffen haben. Dies war nun mindestens neun Tage her. Der größte Teil der Kämpfe mußte abgehandelt worden sein, sicher zum Nachteil der Dragoner. Es war eine Erklärung dafür, daß sich keine Sprungschiffe von Blakes Wort mehr im Orbit befanden. Drei, vier Landungsschiffe der Union und Overlord-Klasse fielen auf einem Planeten wie Outreach nicht besonders auf, vor allem nicht, wenn der Elektromagnetische Impuls das halbe Magnetfeld der Welt rebellisch gemacht hatte.

„Also“, sagte sie wie eine Oberlehrerin und ging im großen Holotank des Stabes auf und ab. Neben ihr kreiste eine zwei Meter durchmessende Holosimulation des Planeten. Die neuesten verfügbaren Daten waren eingearbeitet worden. Immer wieder klappten kleine Fenster auf, schraffierten eine Region und berichteten über Radioaktivität, Regenwahrscheinlichkeit und vermutete Überlebende, Ressourcen oder Bunker. „Wir wissen jetzt, daß Blakes Wort doch nicht so sang- und klanglos abgezogen ist. Mit welchen Kräften haben wir zu rechnen, und vor allem wo?“
Hauptmann Miko Tsuno verzog das Gesicht zu einem spöttischen Grinsen. Von ihrer zurückhaltenden draconischen Art war in den letzten acht Jahren nicht viel geblieben. „Der Auftrag der Truppen ist klar. Die Vernichtung allen Widerstandes. Die Stärke der Einheit dürfte in etwa ein Regiment Mechs betragen. Dazu eventuell Unterstützungstruppen, alles in allem genug für einen, maximal zwei Gefechtsmonate. Dies dürfte in etwa das Operationsfenster sein. Erst dann können sie frühestens ein Sprungschiff zurückerwarten.“
Oberleutnant Warren, ebenfalls gebürtiger Draconier, nickte eifrig. „Sie werden auf einen Guerillakrieg eingestellt sein. Das bedeutet großzügige Ressourcen und mittelschwere Mechs und Scouts. Ich denke nicht, daß sie besonders viele Luft/Raumjäger haben werden. Dann könnten sie gleich über eine bestimmte Region des Planeten fliegen und rufen: Wir kommen gleich mit Mechs zur Jagd, bleibt bitte solange hier.“
„Großzügige Ressourcen?“ echote Denise leise.
Tetsu Warren zuckte die Schultern. „Ma´am, ich habe mich vorhin mit Major Stannic unterhalten, und er meinte, die Wobbies würden erst zufrieden sein, wenn sie wissen, daß die Brutanlagen der Dragoner sowie das gesamte Generbe vernichtet als auch die wichtigsten Offiziere getötet worden sind.“
Virgil Stannic sprang auf. „Vom Generbe habe ich gar nicht gesprochen, Junge“, keuchte er.
Auch Denise starrte den frisch beförderten Kompaniechef aus großen Augen an. „Weißt du, was du da gerade gesagt hast, Tetsu?“
In völliger Missachtung der Tragweite seiner Worte warf der junge Draconier die Arme in die Luft und rief: „Himmel, das ist doch logisch. Die Brutstation wurde sicher beim ersten atomaren Angriff vernichtet. Aber das Genarchiv ist garantiert in einem Bunker, gut gesichert und noch besser verteidigt. Die Wobbies können nur zwei Dinge tun: Das Ding für immer verschließen oder es erobern.“
Denise wechselte einen schnellen Blick mit Virgil. Der grinste.
„Wir sollten Ace warnen. Da will einer auf seinen Posten“, lachte sie. Denise griff an ihr Bügelmikrofon. „Auge eins hier. Alarm für den MechHangar. Alarm für den Jägerhangar. Alarm für das GEST. Sofort eine Verbindung zu Eagle eins. Es bereiten sich vor: Ein Overlord und zwei Union für einen Außeneinsatz auf Remus. Zwanzig Luft/Raumjäger. Wir nehmen mit: Zwei schwere Panzerkompanien sowie alles, was wir noch an GEST hier haben. Dazu zwei Kompanien Mechs. Ja, ich weiß, daß wir dann nur noch eine Kompanie hier haben. Das ist mir egal. Die Mission auf Remus wird der größte Coup, den wir hier landen können. Aber danke für den Hinweis, Andy.“
Sie sah wieder in die Runde. „Herrschaften“, sie nickte in Richtung von Oberst Charles Morai, dem capellanischen Kommandeur der Panzereinheiten, „wir versuchen, uns das Genarchiv von Wolfs Dragonern zu holen. Panzer und Mechs stehen Wache und die GEST geht rein und rettet, was zu retten ist. Vielleicht gelingt es uns auch, einige Persönlichkeiten der Dragoner zu retten.“
„Falls es noch was zu retten gibt“, brummte Charles leise.
Denise nickte zustimmend. „Wir können nicht mehr tun, als es zu versuchen. Und wenn wir bei der Gelegenheit ein paar Wobbies erwischen, um so besser.“
„Das werden wir. Wenn sie sich für erobern entschlossen haben, finden in diesem Moment gerade schwere Infanteriegefechte im Genarchiv statt“, murmelte Tetsu Warren und grinste sardonisch. „Das wird der Schock ihres Lebens, wenn sie Feuer im Rücken kriegen.“

„Gut. Gut. Wer übernimmt das Kommando über diese Mission?“
Charles erhob sich. „Ich mach das schon, Denise. Kriege ich Tetsus Kompanie?“
Der Draconier nickte. „Meine Leute rosten schon ein.“
„Dazu die Amboß-Kompanie von Hauptmann Schreiber. Sie soll sofort mit der schweren Kommandolanze von der Patrouille zurückkommen. Ich will die Kompanien nicht unnötig auseinander reißen. Sagt mal jemand Nathan Kreuzer Bescheid, er soll zum aufmunitionieren landen und sich neunzehn Begleitjäger aussuchen. Leutnant Grace, da die anderen Offiziere der GEST gerade in Einsätzen sind, übernehmen Sie das Kommando über unsere GEST-Truppe. Sind alles in allem fünfzig Mann.“
Die riesige Elementare schaffte es, selbst im voll besetzten Holotank unscheinbar zu wirken. Bis sie sich bewegte und man sie nicht übersehen konnte. Sie war den Eagles noch in der GeschKo in die Hände gefallen und seither in der Rangordnung nach oben geklettert. Langsam erhob sie sich und verließ den Tank mit den Worten: „Bin schon unterwegs.“
Denise verdrehte die Augen. „Manchmal wünschte ich, sie würde nicht mit so vielen Kontraktionen um sich schmeißen.“
Leises Gelächter antwortete ihr.
„Weiter im Text. Das Genarchiv liegt in einem Tiefenbunker auf Remus, wir haben die genaue Position einmal aus reiner Neugier von ROM gekauft. Etwas abseits der MechAnlagen. Etwas tiefer mit gut ausgebautem Verteidigungssystem. Genaue Pläne existieren nicht. Verständlich. Wenn Blakes Wort diese Anlage erobern will – das Bombardement wird sie gut überstanden haben - wird in der Nähe mindestens ein Landungsschiff als Ressource und Kaserne bereit stehen. Ich will es haben. Nathan soll es mit den Jägern am Boden halten. Tetsu, du eroberst es.“
„Apropos Ressourcen“, meldete sich Miko Tsuno noch mal zu Wort. „Ich glaube, die Wobbies haben irgendwo auf dieser Welt eine ähnliche Anlage aufgebaut wie wir sie hier haben. Von dort operieren sie. Wir sollten ihn uns holen.“
„Faszinierender Gedanke“, murmelte Charles Morai. „Ich werde Nathan sagen, er soll seine Augen nach ungewöhnlichen Metallansammlungen in strahlungsarmen Gebieten aufhalten. Wäre doch nett, wenn uns der gesamte Nachschub von Blakes Wort in einem Handstreich in den Schoß fällt, während ihre Mechs Dragoner jagen.“
„Negativ. Sollten er und seine Jäger was finden, sollen die Helis eine Gruppe Schleicher absetzen, die sich das mal ansehen. Wir wissen nicht, wie stark solch eine Anlage verteidigt wird. Wenn wir Pech haben, nutzen sie sogar eine gute verteidigte Kaserne, die sie zu diesem Zweck extra verschont haben.“
„Soll ich meine VTOL schon mal suchen lassen?“ brummte Hauptmann McKenzie, der Chef der Hubschraubertruppen.
Denise winkte ab. „Zu auffällig. Warte das Ergebnis der Suche ab.“

Sie klatschte in die Hände. „So, meine Verbindung zu Ace steht. Ich werde ihm Bericht erstatten. Raus mit euch Halunken und bereitet den Einsatz vor.
Außerdem habe ich gleich eine Sitzung mit dem medizinischen Stab.“
Während die anderen Eagles den Holotank räumten, berichtete Denise DéForét Ace Kaiser in knappen Worten vom neuesten Plan und den Möglichkeiten, die sie darin sahen.
„Das die Entsatztruppe vorsichtig sein muß, brauche ich nicht zu erzählen, oder?“ klang die spöttische Stimme des Oberst auf. „Immerhin sind gerade mal bestenfalls zwei, drei Luft/Raumjäger über den Kontinent geflogen. Das ist keine flächendeckende Erkundung.“
„Ich weiß. Aber Ace! Das Genarchiv der Dragoner. Wir können sie alle retten. Ich denke, das ist das Risiko wert.“
„Genehmigt. Aber halte dich zurück, falls ihr den Stützpunkt der Blakies findet. Ich will erst sichergehen, daß wir stark genug sind, um es mit ihnen aufzunehmen.
Ich verhandele gleich mit den USMC, vielleicht kann ich ihnen einen Kontrakt anbieten, der sie dazu verführt, uns zu helfen.
Ach, und Denise. Wenn neben der GenAnlage zufällig ein Landungsschiff rumsteht, will ich es haben.“
„Kriegst du, Ace. Kriegst du. Mit ner hübschen Schleife drum und beinahe unbeschädigt.“
„Beinahe unbeschädigt?“ lachte Ace. „Denise, ich wünschte, du würdest diese Kontraktionen lassen.“
„Arschloch“, murrte sie.
„Angenehm“, erwiderte der Oberst, „ich bin Ace Kaiser.“
Denise verdrehte in komischer Verzweiflung die Augen. Na, sie hatte es auch nicht besser verdient. „Okay, Ace, ich halte dich auf dem Laufenden. Auge eins ende und aus.“



Geschrieben von Ace Kaiser am 10.11.2002 um 16:30:

 

Unruhig wanderte sie durch den Holotank. Hatte sie auch nichts vergessen? Die Daten über das Genarchiv wurde gerade an den Overlord NANJING überspielt, die Truppen würden in zwei Stunden abmarschbereit sein. Die Hälfte der Jäger konnte sie jederzeit vorschicken. Einer solchen Walze an Feuerkraft würde nur eine gleich große Walze oder ein Kriegsschiff etwas entgegenzusetzen haben. Sie behielt diese Option im Hinterkopf.
Dann das Meeting mit dem MedTechs. Sie gab zu, daß sie ihre Kompetenzen immer mehr in die Hände von Dr. Ling legte. Der organisatorische Albtraum, die immer größer werdende Zahl an geretteten Menschen und Kriegern zu versorgen, nahm sie immer mehr in Anspruch. Sie sah den Tag kommen, an dem die Zeltstadt auf ein weiteres Tal ausgedehnt werden mußte. Die Pioniere, die mit Panzerunterstützung die Raumhäfen und kleineren Städte evakuierten, hatten schon lange die Anweisung, nach unverseuchten Materialien und Nahrung Ausschau zu halten. Wenigstens mit dem Wasser brauchten sie nicht zu sparen.
Aber nur wenn sie sowohl die Medizin als auch die Logistik im Auge behielt, konnte sie die Hilfe reibungslos organisieren und vielleicht ein paar Stunden Schlaf herausschinden. Während des Anfluges hatte sie jede freie Minute der anderthalb Tage geschlafen. Das schaffte Vorrat, reichte noch ein wenig.

Sie... Ein lauter Knall löschte den letzten Gedanken aus ihrem Bewusstsein. Sofort warf sie sich zu Boden. Der Knall einer Projektilwaffe. Einzelfeuer, Kaliber neun. Wahrscheinlich Shimatzu oder Glock. Geschrei der Sicherheitskräfte wurde laut, aber das Geräusch wiederholte sich nicht. Denise sprang auf und verließ den Holotank. Die Zeltstadt war weitläufig. Aber wenn sich ihr Gehör nicht getäuscht hatte, war der Schuß aus der Nachbarkuppel gekommen, wo die Eagles die OPs und den Isolationstrakt betrieben. Schnell hetzte sie durch den Verbindungstunnel. Dabei schob sie andere Menschen –Eagles und Gerettete – beiseite. Die meisten erkannten sie und machten dem Major Platz.
Vor dem Isolationstrakt angekommen sah sie einen Mann im weißen Sicherheitsanzug des Medopersonals aus der Schleuse getaumelt kommen. In der Hand hielt er eine Glock Halbautomatik, wie sie die Sprungtruppen der Eagles mit Schalldämpfer für Schleicheinsätze benutzten. Der Mann ließ die Waffe aus seinen kraftlos werdenden Fingern gleiten, sank in die Knie und legte beide Hände auf die Stirn. Dort berührten sie den Schutzanzug. Er griff sich in den Nacken, um den Helm abzunehmen. Dabei ging er nicht sehr ordentlich vor, erwischte den Verschluss mehrfach nicht. Er riss und wühlte und schrie, bis der Helm endlich lose war und er ihn nach hinten schieben konnte.
Der Mann legte die Hände auf sein Gesicht und begann leise zu schluchzen.

„Was ist hier los?“ fragte Denise, und nahm vorsichtig die Glock auf. Der Soldat vor ihr war Eric Straten, frisch beförderter Fähnrich bei den Sprungtruppen, seit zwei Jahren ein Eagle. Denise konnte verstehen, daß seine Augen noch viel zu jung waren, um das Grauen eines atomaren Konfliktes zu überstehen. Teufel, jedermanns Augen waren zu jung.
Aus der Schleuse trat Doktor Ling. Als Chefarzt betreute er auch den Bereich Strahlenkater. Den Sektor der Anlage New Hope, der den Verstrahlten vorbehalten war. Denen, die so stark verstrahlt waren, daß man sie isolieren mußte und sogar die behandelnden Mediziner in Schutzkleidung steckte. Der Arzt sah sie an. Sein Gesicht war vollkommen emotionslos. Er hatte, seit die drei Soldaten in diesen Bereich eingeliefert worden waren, bereits zwei seiner Patienten durch den Strahlentod verloren. Die drei waren Überlebende eines halb zerstörten Leopards gewesen. Ihre Überlebenschancen hatten gleich null gelegen, von vorne herein. Es war nur eine Frage der Zeit gewesen.
„Ich bedaure, Ihnen mitteilen zu müssen, Major DéForét, daß auch die Patientin Sergeant Annafred Terence mittlerweile verstorben ist. Ich werde Anweisung geben, den Isolationstrakt für erneute Benutzung zu präparieren. Außerdem...“, die Stimme des Arztes verlor für einen Moment die Ruhe, „bitte ich um die Ressourcen für ein ehrenvolles Begräbnis des Sergeants, Ma´am.“
„Wie ist das passiert?“ fragte Denise gefährlich leise.
Niemand antwortete ihr. „WIE DAS PASSIERT IST, VERDAMMT!“ Der laute Befehlston ließ die Menschen zusammenzucken. So waren sie die zierliche Frau nicht gewohnt. „Und ich will die Wahrheit wissen.“
Ling zögerte, warf einen Blick auf den jungen Offiziersanwärter. „Langfristig gesehen liegt es an der radioaktiven Strahlung. Wir teilen die Verstrahlungen in neun Stufen ein, von denen die obersten drei definitiv tödlich wirken. Wie Sie wissen, hat der Sergeant eine Dosis der Stufe sieben über einen längeren Zeitraum erhalten. Der ungedeckte rechte Arm erhielt sogar eine Dosis der Stufe neun...“
„Doktor“, sagte Denise ruhig und sah dem Arzt direkt in die Augen.
„Himmel, Denise“, rief er und deutete auf den Fähnrich, „ich kann ihn verstehen. Hätte ich eine Waffe gehabt, hätte ich es vielleicht sogar selbst gemacht. Ich weiß, es war mein Fehler, einen untrainierten Mann als Hilfskraft in den Trakt zu holen. Aber er hat Private Watson und Corporal Kent an der Strahlung sterben sehen. Hat dabei zugesehen, wie sich ihre Zellen aufgelöst haben, wie sie aus allen Poren und aus allen Öffnungen zu bluten begannen. Wie sie langsam den Verstand verloren haben. Ihnen ist das Gehirn nahezu aus der Nase geflossen.“
Der Mann trat vor und legte eine Hand auf die Schulter des Fähnrichs. „Terence hat mich und fast jeden auf der Isolationsstation angefleht, ihr einen würdigen Tod zu geben. Doch erst als... Erst als wir Kent in einem Sack rausgeschafft haben, hat der Fähnrich wohl auf Sergeant Terence gehört. Da wir ihr den verstrahlten Arm amputiert hatten und der andere mehrfach gebrochen war, konnte sie es nicht selbst machen. Es war ein glatter Schuß in die linke Schläfe, er trat zwischen Großhirn und Kleinhirn am Hinterkopf wieder aus. Sie zerfetzte Teile des Stammhirns. Der Sarge war sofort tot. Die Kugel wurde vom Bett aufgefangen. Es gab keine Beeinträchtigung in der Isolation.“

Fähnrich Straten stand auf und schüttelte die Hand des Arztes ab. „Danke“, sagte er schwer atmend, „aber ich brauche Ihre Hilfe nicht. Nicht mehr.“
Er wandte sich der Offizierin zu und sagte fest: „Ma´am, ich bin bereit, die Konsequenzen meines Handelns zu tragen. Ich bin es nicht wert, ein Eagle zu sein.“
Denise sah dem jungen Mann lange in die Augen. „Eric, ein Eagle zu sein bedeutet nicht, sich an Vorschriften zu klammern. Es bedeutet, das Richtige zu tun.
Doktor Ling, Sie sagen, es war eine Verstrahlung der Stufe sieben?“
„Ja, Ma´am. Definitiv tödlich.“ „Und die Patientin Sergeant Annafred Terence starb an der Verstrahlung innerhalb dieser Stunde?“
„Nun, sie hätte bestenfalls noch zwei, drei Stunden überlebt.“
„Und die Patientin starb an der Strahlung?“ wiederholte Denise stur.
Die Augen des Arztes leuchteten auf. „Ja, Ma´am. Sie starb an der Strahlung. Sie...“, fügte er leise hinzu, „hat nicht lange gelitten.“
„Dann ist es ja gut. Fähnrich Straten, stellen Sie das Begräbniskommando auf und begleiten Sie Sergeant Terence auf ihrem letzten Weg.“
De Offiziersanwärter sah sie überrascht an.
„Sind Sie bereit für diese Ehrenpflicht?“
„Jawohl, Major DéForét.“
„Dann führen Sie meinen letzten Befehl aus.“
Sie sah sich einmal in der Runde um. Es waren Dutzende Eagles und etliche Zivilisten anwesend. „Ich sehe hier niemanden“, stellte sie fest.
Die Eagles verstanden als erste und zogen sich leise zurück, um ihren Beschäftigungen nachzugehen. Die Patienten und Zivilisten, die freiwillig in der Zeltstadt halfen, folgen ihnen.

„Gibt es eine inoffizielle Nachricht an Ace?“ fragte Ling leise.
Denise erhob erstaunt die Brauen. „Wovon, Edward?“
Der Arzt sah sie an und nickte. „Vom Tod unseres letzten Isolationspatienten.“
„Sicher, Edward. Delegiere die Dekontaminierung des Iso-Traktes. Wir haben eine Besprechung in drei Minuten.“



Geschrieben von Ace Kaiser am 11.11.2002 um 23:25:

 

13.
Das WA1-Warzenschwein bewegte sich vorsichtig über die Trümmer der einst stolzen Stadt Harlech. Eigentlich war das Pionierfahrzeug dazu bestimmt, mit dem nach Art eines Mähdreschers in Front befestigten Schlagwerkzeugs Minen aus dem Boden zu fegen und auszulösen. Dadurch verfügte der Panzer naturgemäß über eine robuste Technik und eine enorm gute Panzerung – falls mal eine Mine übersehen worden war.
Im Moment aber war das Schlagwerk einem Keilschub gewichen, welches es dem Kettenfahrzeug ermöglichte, kleinere Hindernisse beiseite zu schieben.
Alls in allem ermöglichte es den neun Angry Eagles, inmitten von Harlech mit einem anderthalbstündigen Fenster zu operieren, ohne eine erhöhte Strahlung zu registrieren.
Die Mission von Feldwebel Blaut Copak und seinen Spezialisten war eine Good Will-Tour. Ace, das heißt, Oberst Ace Kaiser, der Chef der Söldnertruppe, hatte ihnen den Auftrag gegeben, im Stadtgebiet von Harlech nach der Ruine zu suchen, die einst das Bürogebäude gewesen war, welche die Räume der Rekrutierungs- und Logistikbüros der Angry Eagles beherbergt hatten. Blaut glaubte nicht wirklich, daß sie wesentlich mehr finden würden als das, was er und seine acht Männer bereits sahen: Schlackeberge, Geröll und Staub. Tonnen, Abertonnen von Staub.

„Hm“, brummte Zimmerman leise vor sich hin. Er war der Fahrer des Warzenschweins. „Wenn wenigstens Nelly mitgekommen wäre...“
„Du weißt, daß das nicht geht“, erwiderte Blaut Copak leise, während er anhand des Computers die Ruine rechts vom Wagen als Einkaufszentrum identifizierte. „Frauen dürfen in diese Extremzone nicht eindringen. Sie reagieren wesentlich empfindlicher auf Strahlung als Männer. Sie neigen eher zu Tumoren.“
„Aber wir können uns ruhig etwas Strahlung einfangen, wie?“ brummte Zimmerman wieder. „Was, wenn ich unfruchtbar werde?“
Jason Chan lachte von hinten. „Darauf hofft die gesamte Menschheit, Hank.“
Zimmerman sah böse zurück und warf dem Capellaner einen Wenn Blicke töten könnten, wärst du jetzt nur noch Asche-Blick zu.
Blaut grinste. Die beiden waren wie die zwei Seiten einer Medaille. Sie ergänzten sich als Richtschütze und Fahrer beinahe gespenstisch, aber ihre gegenseitige Abhängigkeit und die tiefe Freundschaft hätten sie niemals freiwillig zugegeben.
Blaut Copak gab dem Korporal am Steuer einen Klaps auf den Hinterkopf und meinte grinsend: „Augen nach vorne.“
„Ja, Sir, Arsch, Sir“, brummelte Zimmerman beleidigt.
Blaut streckte die Beine aus und legte sie auf die Konsole vor sich. „Was beschwerst du dich auch? Der Alte hat ausschließlich Freiwillige für diese Mission haben wollen. Und du warst der Erste, der sich gemeldet hat.“
Für einen Moment verschwand das Mürrische aus Hank Zimmermans Miene. „Nimm das nicht so ernst, Blaut. Du weißt, ich würde für den Alten sterben...“
Blaut blinzelte überrascht. So emotional kannte er den Mann sonst nicht – und sie arbeiteten schon zusammen, seit die Eagles die alte Einheit Zimmermans während des Bürgerkrieges absorbiert hatten. Damals wäre die Truppe, bestehend aus einem Bataillon Steinertreuer Miliz beinahe von einer neutralen VerCom-Einheit vernichtet worden. Die Miliz hatte die Einheit etwas übereifrig attackiert und sich eine blutige Nase geholt. Als Zimmermans alte Truppe nur noch aus einem Drittel der alten Größe bestanden hatte, waren es die Eagles gewesen, die verhindert hatten, daß die VerCommies auch diesen Rest vernichteten. Seither waren die Milizionäre nicht immer glücklich mit den Entscheidungen des Alten gewesen, aber sie vertrauten ihm. Sogar so sehr, daß sie sich an den Kämpfen gegen Steinertreue Truppen beteiligt hatten. Bisher waren sie verdammt gut damit gefahren. Wie sie alle. Es hielt sich bis heute hartnäckig das Gerücht, daß Zimmerman mit seinem zerschossenen Savannah Master bereits unter der Sohle eines Wächter gelegen hatte, als Ace persönlich in seinem Tai-sho verhindert hatte, daß der VC-Mech zutreten konnte.
„So habe ich das auch nicht gemeint. Jeder hier würde für den Alten die Hand ins Feuer legen. Und jeder hier würde für einen Bull das letzte Hemd hergeben.“
Zustimmendes Gemurmel erfüllte den Transportraum.
„Aber du bist doch eigentlich nicht der Typ für diese Selbstmordmissionen, Hank. Du bist besonnen, ruhig, tust das Richtige zur richtigen Zeit... Meistens jedenfalls.“
Zimmerman blinzelte kurz in seine Richtung. „Weißt du, es gibt da diese Frau im Büro...“
Blaut sah erschrocken auf. Frau? Der alte Bärenbeißer? „Im Büro der Eagles?“
„Ich weiß nicht, ob du sie kennst. Jellico. Sie hat uns damals mit Kaffee versorgt, nachdem uns Major Kramstedt und Oberst Morai nach der missratenen Übung den Marsch geblasen haben.“
„Ich erinnere mich. Mann, waren die beiden geladen.“
„Und, na ja, ich bin mit Erie ins Gespräch gekommen. Hat mich sowieso gewundert, daß sie mich überhaupt freiwillig ansieht.“
„Erie? Erie Jellico? Das Model? Rasalhaag, wenn ich mich nicht irre“, brummte Jason. „Verdammt schönes Kind. Und die hast du rangenommen? Respekt.“
„Nein, ich habe sie nicht rangenommen“, blaffte Zimmerman. Etwas leise fügte er hinzu: „Wir haben angefangen, uns zu schreiben. Die letzten beiden Jahre, fast jede Woche...“
Blaut schluckte den lockeren Kommentar runter, der ihm auf der Zunge lag. Jellico war mit Sicherheit tot. Darüber Witze zu reißen war nicht fair. Einfach nicht fair.
„Ich glaube, ich habe mich verliebt“, sagte Zimmerman leise. „Ich wollte eigentlich mit ihr reden, wenn ich hier bin. Aber das hat sich ja jetzt wohl erledigt.
Hm, tja, und ich bin eigentlich nur dabei, damit ich den Schlackehaufen selbst sehe, damit ich mir keine falsche Hoffnung mehr mache. Die letzte Woche habe ich mich selbst belogen, mir was vorgemacht, in Gedanken durchgespielt, wie sie als letzte in den rettenden Bunker stürmt, oder wie die Druckwelle der Explosion sie hineindrückt und die Tore hinter ihr schließt, so einen Kram eben. Das kann so nicht weiter gehen. Ich muß da raus. Ein Ende machen, versteht ihr?“
Jason begann leise zu pfeifen. „Dann hättest du besser nicht mitkommen sollen. Denn deine Hoffnungen erhalten gerade ungeahnte Nahrung, Hank.“
„Wie meinst du das, Jason? Ist in der Nähe ein Bunker?“
„Besser, mein Freund, besser. Wir kommen gleich an einem Einschlagskrater einer der fünf Atombomben vorbei. Neben dem Kraterwall steht was, das dürfte dich interessieren.“
„Was?“
Der Asiate winkte ab. „Gleich, wenn wir um die nächste Ecke biegen.“

Die Geigerzähler begannen für ein paar Sekunden in schnellem Stakkato zu rattern, beruhigten sich aber wieder, als der Wall des Bombenkraters hinter ihnen zurück blieb.
Zimmerman umfuhr einen besonders großen Schlackeklumpen und stieß einen Fluch aus, der einen Mech zum Erröten gebracht hätte. „Das kann doch nicht wahr sein“, fügte er ehrfurchtsvoll hinzu. Sechshundert Meter vor ihnen erhob sich das Bürohochhaus, in dem sich auch die Büros der Eagles und der mit ihnen befreundeten Söldnereinheit Stampeding Bulls befanden. Bis auf rudimentäre Schäden an der Fassade war es vollkommen unversehrt. Im neunten Stock prangte sogar noch das Einheitsabzeichen, der zornige Cartoon-Adler.
„Wie ist das möglich? Wie zum Henker ist das möglich?“
Blaut Copak wurde übergangslos ernst. „Strahlung?“ „Eher schwach. Hauptsächlich sekundäre Verstrahlung durch aufgewirbelten Staub“, meldete Jennings, der an den Ortern saß.
„Wie groß ist die Enklave?“
„Soweit ich das beurteilen kann, umfasst sie das Hochhaus sowie einen Bereich von zwanzig Metern Radius, der unzerstört ist“, meldete Chan leise von seinem Beobachtungsposten. „Hey, wir können da sogar ungeschützt reingehen. Nicht für lange, aber bis in den neunten Stock sollten wir es schaffen.“
Zimmerman schüttelte den Kopf. „Wie ist das möglich? Wie zum Henker ist das möglich?“
„Nun, ich bin kein Experte, Jungs, aber dieses Phänomen trat auch schon in Hiroshima auf, der ersten Stadt, die die zweifelhafte Ehre hatte, von einer atomaren Bombe zerstört zu werden“, meldete sich Maffeo Antani zu Wort, ihr Einheitsgenie. „Ein paar hundert Meter rund um die Explosionsstelle war alles planiert. Aber direkt neben dem Explosionskrater soll ein Gebäude beinahe unzerstört erhalten geblieben sein. Das Geheimnis war die Wucht der Explosion. Sie behinderte sich im wahrsten Sinn des Wortes selbst und schuf so einen blinden Bereich. Eine Ecke, in der die Luft geradezu still stand. Hier gab es keinerlei Zerstörungen.
Tja, denkt euch das ne Nummer größer, und wir haben das hier.
Aber macht euch keine Hoffnungen auf Überlebende. Hier ging eine atomare Feuerwalze durch. Auch wenn das Gebäude noch steht, die Walze hat sämtlichen Sauerstoff in der Umgebung weggebrannt. Die Luft aus diesem blinden Bereich muß regelrecht rausgesaugt worden sein. Sorry, Zimmerman.“
„Schon gut“, erwiderte der Fahrer. Hoffnungsvoll sah er den Sarge an. „Gehen wir rein?“
Blaut Copak dachte nach. „Eddie, Nachricht an die PAX TERRA. Sag ihnen, was wir gefunden haben. Unser Aktionsfenster erhöht sich gerade beträchtlich. Von dieser Insel aus können wir beinahe im gesamten Stadtgebiet operieren.
Wir bilden zwei Teams. Eddie bleibt im Warzenschwein und hält Kontakt. Team eins geht rein und sucht nach Überlebenden und versucht, in unseren Büros die Computer und Unterlagen zu bergen. Hank, das führst du an.
Team zwei macht eine Lotung und sieht nach, ob es hier Bunker gibt. Eines unserer Mottos ist: Die Hoffnung stirbt zuletzt.“ Er schlug Zimmerman kräftig auf die Schulter. „Wenn sie noch lebt, verdammt, dann finden wir sie.“

Zehn Minuten später stürmten vier Mann unter der Führung von Corporal Zimmerman das Treppenhaus des Bürogebäudes hoch. Sie meldeten beträchtliche Schäden, allerdings keine Leichen.
Derweil ließ Blaut Copak das Bolzenschussgerät aufbauen. Sie versprachen sich nicht wirklich etwas davon, aber falls es auch in dieser Region Bunker gab, dann wollten sie diese natürlich aufspüren.
Eher lieblos feuerten die Leute den ersten Schuß ab, während Blaut gelangweilt am Empfänger saß.
„Ein Grauen, was?“ fragte Antani leise.
„Was meinst du, Maffeo?“ „Na, wie viele Bunker gibt es im Stadtgebiet? Zehn, zwanzig? Dreißig? Wie viele wurden zerstört, wie viele gibt es noch? Wie viele Menschen haben in ihnen überlebt?“ Demonstrativ stampfte er auf. „Die Explosionen haben alles dicht gemacht. Ohne Räumgerät geht da nichts. Und Funkwellen dürften zu schwach sein, um durch zehn Meter Erde zu gehen. Antennen, die nach außen führen, wurden vernichtet.
Alles, was uns bleibt, ist russisches Roulette, indem wir raten, welcher Bunker Hilfe bekommen soll und welcher warten kann.“
„Ja, das ist ein Grauen. Hey, Professor, was ist das denn? Das habe ich auf diesen Dingern noch nie gesehen. Sieht aus wie ein Darm.“
Antani beugte sich vor und sah dem Sarge über die Schulter. Er prustete los. „Darm. Ha, ha. Darm. Sarge, das ist die U-Bahn.“ „Die U-Bahn?“
Antani grinste. „Ein Verkehrsweg unter der Erde. Spart Platz und verbindet jeden Punkt der Stadt.“
„Ich weiß, was eine U-Bahn ist“, erwiderte Blaut wirsch. „Aber warum ist die da? Warum ist sie nicht zerstört?“
„Tja, weiß nicht. Liegt vielleicht daran, daß Blakes Wort für Harlech Oberflächenexplosionen für geeigneter hielt als Tiefendetonationen. Dadurch wird das, was tiefer liegt, natürlich geschont. Die U-Bahn. Die Kanalisation. Das Stromnetz, was nett wäre, wenn die Generatoren und Kraftwerke nicht vernichtet wären.“
In Blauts Augen blitzte es auf. „Denkst du, das Netz ist vollständig?“
„Neeeee. Dort wo die Bomben runterkamen ist es sicherlich unterbrochen. Aber ansonsten, tja, wer weiß?“
„Und? Wie sieht es da unten aus? Strahlung?“ „Keine Ahnung. Auf jeden Fall isoliert. Möglich, daß genügend atembare Luft vorhanden war, um bis jetzt zu überleben. Aber Wasser und Nahrung? Man müsste halt nachsehen.“
„Copak an Zimmerman. Hank, du suchst deine Freundin in der falschen Richtung. Geh in den Keller, verdammt. Soweit ich mich erinnere, gab es da einen Wartungszugang für die Linie Raumhafen – Rathausplatz.“
„Das ist die U-Bahn“, kam die verstörte Antwort.
„Richtig. Die beinahe unzerstörte U-Bahn, Hank.“ Der Korporal atmete keuchend aus. „Bin schon unterwegs. Ich lasse Jason und Cho hier oben, damit sie weitere Unterlagen bergen. Und da wundere ich mich die ganze Zeit, daß es keine Toten im Gebäude gibt...“

„Das ist doch eine verdammte Chance“, erwiderte Antani grinsend. „Hey, wo willst du hin, Blaut?“
Der Sergeant klopfte ihm kurz auf die Schulter. „Du bist ein Genie. Ich empfehle dich für den Silbernen Sonnenorden, wegen herausragender Genialität, Professor. Und ein Empfehlungsschreiben für das NAIW kriegste auch.“
Blaut kletterte ins Warzenschwein zurück. „Gib mir Ace, Eddie.“
Der kleine Mann grinste und reichte dem Sergeant ein Headset. „Habe ich schon dran. Er fragt bereits nach dir.“
Blaut ergriff das Set und begann die Unterhaltung mit seinem Chef. „Sir, es ist so. Die U-Bahn ist fast vollständig erhalten. Sie lag zu tief, um komplett zerstört zu werden. Wir können sie nutzen, um Menschen auf unzerstörten Linien aus der Stadt rauszukriegen. Und da wäre noch eine Idee. Alles was wir brauchen sind transportable Stromgeneratoren und ein paar Computerspezialisten...“



Geschrieben von Ace Kaiser am 11.11.2002 um 23:25:

 

14.
Langsam fielen Charlene die Augen zu. Sie schreckte wieder hoch. Erneut senkten sich ihre Lider herab. Doch wieder schreckte sie hoch. Das Spiel wiederholte sich, bis die Lider ganz zufielen. Ihr Körper erschlaffte und sie fiel von ihrem Drehstuhl. Der Aufschlag brachte sie wieder zu sich. Sie fluchte laut.
Paul lachte leise auf, als er sich erhob und der Dragonerin half, wieder auf die Beine zu kommen. „Warum schläfst du nicht etwas, Charlene? Du kannst die Ruhe gebrauchen.“
Sie sah den riesigen Elementare an. „Ja, vielleicht. Aber wie sieht das denn aus? Als würde ich mich gehen lassen. Ich...“
Paul legte ihr einen Finger auf den Mund. Er reichte aus, ihn vollständig abzudecken.
„Leg dich hin, Charlene. Morgen ist auch noch ein Tag. Die Menschen sind ruhig, deine Untergebenen ausgeruht. Gönn es dir.“
Mühselig befreite sie sich von Pauls gutgemeinte Block. „Und wenn was wichtiges passiert?“
Der Elementare lachte. „Was soll den passieren?“
Charlene setzte zu eine Antwort an, als sie ein schrilles Geräusch unterbrach. Zuerst dachte sie an einen Alarm. An eine Säge. An irgend etwas, nur nicht an das, was dieses Geräusch auslöste.
„Das Telefon“, kommentierte Paul trocken.
„Das Telefon“, bestätigte Charlene ebenso trocken.
Es klingelte noch ein paar Mal. Keiner von beiden bewegte sich.
„Wir sollten rangehen“, stellte der Riese fest.
„Ja, das sollten wir“, erwiderte Charlene leise. Sie ging zum Arbeitspult, in dem das Telefon integriert war. Vorsichtig nahm sie es ab und legte es an. „Hallo?“ fragte sie zaghaft.
Die Erwiderung ging ihr durch Mark und Bein. Unwillkürlich nahm sie Haltung an. „Sir, Sergeant Charlene Andrews am Apparat. In meinem Bunker befinden sich acht Dragoner und zweitausendvierzig Zivilisten. Unser Vorratsstatus ist ausreichend. Wir haben Wasser und Nahrung für weitere zwei Wochen.
Wie haben Sie... Ach, wirklich? Die Telefonleitungen verlaufen aus Kostengründen in der U-Bahn? Wie, nicht zerstört? Ach so... Neue Stromerzeuger? Gute Idee, Sir. Geniale Idee. Was? Nein, das ist nicht so schlimm. Jetzt wo ich weiß, daß es Rettung gibt, können wir sicher warten, bis sich die Eagles zu uns durchgewühlt haben. Was? Durch die U-Bahn? Die Strahlung ist moderat? Das sind gute Neuigkeiten. Aber Sir, eine Frage. Was soll ich den Menschen sagen? Wer hat uns angegriffen? Und wie sieht es oben aus?“
Stumm hörte die junge Frau zu, nickte ein paar Mal, bejahte und merkte nicht einmal, wie ihr die Tränen aus den Augen schossen. „Blakes Wort. Mögen diese Bastarde in der Hölle schmoren.
Nein, ich habe mich im Griff, Sir. Ich kann warten. Was? Das Telefonnetz ab jetzt nutzen? Kann ich es den Zivilisten ebenfalls zur Nutzung freistellen? Viele haben Verwandte, die sich vielleicht in andere Bunker retten konnten. Oh, danke, Sir. Ja, ich achte darauf. Zwanzig Leitungen für meinen Bunker. Ich danke Ihnen.
Ob wir... Ja, ich denke, das geht. Wir können eine der Telefonleitungen auf die Lautsprecher im Bunker schalten, aber wieso? Ein Radioprogramm? Ja, ich glaube auch, daß das den Menschen Hoffnung geben wird. Jetzt gleich? Okay, ich schalte Sie auf die Lautsprecher. Danke, Sir, und ich hoffe, wir werden uns bald sehen.“
Charlene nahm die Schaltungen vor. Kurz darauf erscholl eine Stimme im gesamten Bunker.
„Hallo. Mein Name ist Major Chadrik Benton von der SöldnerEinheit Angry Eagles. Ich kann ihnen mitteilen, daß Sie gerettet sind. Wir werden ein paar Tage brauchen, um bis zu Ihnen vorzudringen, und damit Ihnen in dieser Zeit nicht langweilig wird, hören Sie ab sofort Radio Eagle.“
Charlene lauschte verzückt der Stimme, die von einer fetzigen Rocknummer abgelöst wurde. Sie fluchte. Sie lebte. Sie durfte leben. Sie würde leben. Sie und alle in diesem Bunker. Himmel, sie hatte alles richtig gemacht. Erleichtert knickte sie ein, fiel zu Boden und war eingeschlafen, bevor die kräftigen Arme des Elementare sie vor dem harten Sturz bewahrten.
Schmunzelnd nahm Paul sie auf seine starken Arme und brachte sie in ihre Koje.

Im Bunker war derweil die Hölle los. Die Menschen waren bereits aufgewacht oder wurden geweckt. Viele schrien ihre Freude geradezu hinaus. Es gab Hoffnung. Endlich wieder Hoffnung.

15.
Als Hank Zimmerman der schlanken Frau half, durch das aufgesprengte Schott in den Keller heraufzuklettern, liefen ihm Tränen über die Wangen. Die Menschen, die aus der Tiefe nach oben strömten, waren schmutzig, schlecht gelaunt und hungrig. Aber sie lebten. Siebenundachtzig Menschen aus dem Bürogebäude hatten in der U-Bahn Schutz gesucht. Und gefunden. Soeben flog ein Transporthubschrauber in den Weak Spot, wie die Zone schwacher Radioaktivität genannt wurde, MedTechs, Nahrung und Zelte ein. Tatsächlich würde dieser Bereich nun Ausgangspunkt für eine Menge Aktivitäten in der Region werden. Solange der radioaktive Regen nicht fiel. Solange sich die Verwehungen radioaktiven Staubes in Grenzen hielten.
Merkwürdig, welche Gedanken ihm durch den Kopf gingen, während er der Frau klettern half, die er zu lieben glaubte, ging es Hank durch den Kopf.
Kaum stand Erie Jellico einigermaßen sicher auf dem Boden des Kellerraums, versetzte sie dem Panzerfahrer einen schmerzhaften Hieb auf den Solar Plexus. „Was habt Ihr so lange getrödelt?“ fauchte sie. „Die GAZ für die Eagles war Gestern Abend.“
„Mann“, beschwerte sich Hank und rieb sich den schmerzenden Magen, „Blakes Wort, ein paar Atombomben, Dutzende Bunker mit Überlebenden, das hält alles etwas auf, Erie.“
Das sie bereits den dritten Tag auf dieser Welt waren, erwähnte er lieber nicht.
Übergangslos fiel Erie dem Panzerfahrer in die Arme. Sie klammerte sich an ihn, als hätte sie Angst, er könnte wieder verschwinden. „Sag mir, daß es kein Traum ist. Sag mir, daß du wirklich bist. Und sag mir, daß du nicht wieder verschwindest.“
Nur mühsam legte Hank seine Hände um ihren schmalen Körper und drückte sie an sich.
Jason Chan bedeutete ihm grinsend, daß er den Platz des Fahrers einnehmen wolle.
Hank nickte dankbar und zog die Frau tiefer in den Raum hinein.
„Erie, sieh mich an. Ich bin da. Ich bin wirklich da. Die Eagles sind hier, hier auf Outreach. Sie sind hier, um euch zu retten.“
„Ich habe davon geträumt“, schluchzte sie. „Davon geträumt, daß du kommst, mir sagst, daß wir gerettet sind. Und jedes Mal bin ich aufgewacht und lag wieder in diesem verdammten Schacht. Gestern ging uns das Wasser aus und ich habe an die Decke gestarrt und gedacht: Wenn ich schon sterben muß, Gott, dann verschone bitte die anderen. Laß sie nicht in die Arme der Angreifer geraten.
Und wenn du hier bist, dann...“
„Pssssst“, machte er. „Es ist alles in Ordnung. In Harlech regieren die Eagles, niemand sonst. Wir sind gut durchgekommen. Und wir kommen hier auch wieder raus.“
Vorsichtig nahm er Erie auf seine Arme, trat in den Strom der Zivilisten und verließ den Keller. Draußen wartete er geduldig, bis ein MedTech die junge Frau auf Radioaktivität kontrolliert hatte. Dann trug er sie zum Medozelt, wo ihr Pseudoadrenalin gespritzt und ein Bett zugewiesen wurde. Die MedTechs hängten sie sofort an einen Salzwassertropf. Alle Überlebenden zeigten Anzeichen einer Dehydrierung.
Der Lösung war ein leichtes Schlafmittel beigemengt. Erie spürte, wie sie schläfrig wurde.
„Hank“, hauchte sie, als ihre Lider schwerer und schwerer wurden, „bist du da, wenn ich aufwache?“
„Ich bin da. Ich bin da.“ Er beugte sich vor und küßte sie.
Ein Lächeln spielte um ihre Lippen. „Danke. Jetzt weiß ich, daß ich nicht träume. In meinen Träumen hast du nie nach Paprika geschmeckt.“
Sie schlief ein.
Hank Zimmerman setzte sich auf die Bettkante. Und schwor sich, solange zu bleiben, wie man ihn ließ.



Geschrieben von Ace Kaiser am 14.11.2002 um 23:05:

 

16.
„Lotsen Sie mich, Bóand“, gab ich schnell durch, als mein Tai-sho sich bereits ruckend in Bewegung setzte. Gleichzeitig aktivierte ich eine zweite Verbindung. „Lanze melden.“
„Henker bereit“, meldete sich Oberleutnant Sarna, eine Abtachakriegerin, die wir von den Jadefalken bekommen hatten. Sie war ein wichtiges Mitglied meiner Befehlskompanie.
„Hatamoto-kaze bereit“, meldete sich Hauptfeldwebel Henry Roberts. Der baumlange Schwarze stellte mit der Artilleriekonfiguration seines Drac-Mechs eine tödliche Bedrohung für jedermann dar – und eine verdammt gute Rückendeckung für uns.
„Banshee bereit“, kam die letzte Meldung. Sie gehörte Feldwebel Gordon. Wir hatten ihn als Leibeigenen auf Diana genommen. Seither hatte er sich seinen Weg in die Kriegerränge erkämpft und war stur geblieben. Der ehemalige Nebelparder führte die Banshee souverän und tödlich. Was würde der Bengel wohl erst leisten, wenn ich ihm eine Clanschüssel unterschob?
„Zero Leader, hier Zero Leader“, meldete ich mich im Befehlscode der MechKrieger meiner Einheit. „Bòand ist Auge, ich wiederhole, Bóand ist Auge. Roberts bleibt hinten, ich bin die Mitte. Sarna geht links voraus. Gordon rechts voraus. Auf Angriffsbefehl warten. Vorrücken Nordnordost. Einen halben Klick. Marsch.
Also, Bóand, was haben Sie für mich?“
„Noch nichts definitives, Sir. Strikers Lanze ist auf Abfangkurs zu den ersten vier Kontakten. Deutlich überschwer, eine Verifizierung ist noch nicht möglich.
Die anderen vier Kontakte versuchen eine Umgehung. Wäre nett, wenn Sie die abfangen, bevor die bösen Buben meinen Kids in die Flanke fallen.“
„Roger. Aktualisieren Sie meine Karte. Anzeichen, daß sie uns geortet haben?“ „Negativ, Sir.“
Ich überlegte einen Moment. Meine Truppe war schwer. Die FeindMechs aber waren laut der Erschütterungen, die sie verursachten, ebenfalls schwer, wenn nicht überschwer. An ein ausgeglichenes Gefecht war nicht zu denken, wenn nicht wenigstens einer oder zwei meiner Krieger aussteigen sollten. Aber da keiner von ihnen über eine Cockpitkapsel verfügte, bedeutete dies den sicheren Strahlentod.
„Wegpunkt erreicht“, meldete Sarna. Ich hörte ihre Stimme zittern. Sie freute sich auf den Kampf. Andererseits zitterte ihre Stimme auch, wenn es in der Kantine Erdbeerkuchen zum Nachtisch gab. Oder wenn sie das Papier von ihren Weihnachtsgeschenken riß.
„Gordon aufschließen. Ich und Roberts folgen. Wir suchen den Deckschatten des Leopards auf.“
„Wollen Sie nicht lieber angreifen, Sir? Was, wenn die zweite Lanze zu Striker durchbricht?“
„Das werden sie nicht, Bóand, mein Wort drauf. Sagen Sie mir lieber Bescheid, wenn Strikers Einheit mit dem Tanz beginnt.
Zero Leader, hier Zero Leader. Standby.“
Dreifaches Roger kam als Erwiderung. Die vier Mechs meiner Lanze wurden runtergefahren. Ihre energetischen Emissionen waren nun auf einem Tiefstand. Der Reaktor lief mit sowenig Belastung, wie irgend ging. Normalerweise hätte man uns auf kurze Distanz dennoch aufspüren können. Aber nicht in dieser Strahlung. Und nicht direkt neben achttausend Tonnen Metallschrott.

„Strikers Lanze hat jetzt angegriffen, Sir“, meldete Bóand. „Greifen Sie jetzt an?“
„Negativ. Seien Sie mein Auge. Veränderungen bei unseren Opfern?“
„Sie beschleunigen. Passieren Ihre Stellung bei vier... drei... zwei...“
„Aktivieren“, befahl ich, fuhr meinen Mech hoch und warf ihn in einen schwerfälligen Trab. „Fuchs und Hunde“, gab ich schnell die taktische Anweisung.
„Sind schon unterwegs“, meldete Sarna und zündete die Sprungdüsen. Neben ihr erhob sich die Banshee von Gordon in die Luft.
Ich beschleunigte noch ein wenig mehr. Gerade eben kam der erste Blakie um die Spitze des zerstörten Leopards herum. Ich ließ den Schwarzer Ritter ziehen. Der zweite Mech war ein Toyama, das erste sichtbare Zeichen, daß Blakes Wort wirklich in diesem Überfall involviert war. Ich zögerte nicht lange und feuerte meine beide PPKs im schnellen Wechsel, während ich meine Kiste näher ran brachte.
Gleichzeitig bemühte ich mich, den dritte Mech, einen Grashüpfer, mit meinem Zielerfassungslaser erfasst zu halten.
„Habe ihn, Boß“, meldete Henry.
Der erste PPK-Schuß traf den Toyama am linken Arm, der zweite schmolz Panzerung vom rechten Bein. Die schwere Maschine beendete ihren Sturmlauf und ging schwerfällig in einen Kurs, der sie in meine Richtung drehen würde.
Kurz darauf schoß eine volle Salve LSR des Hatamoto über meinen Mech hinweg und landete im Torso des Grashüpfers, der sich ebenfalls zu drehen begonnen hatte. Sein RakAbwehrsystem erwischte nur drei. Die übrigen sieben LSR brachen Panzerung aus seinem Torso.
Der Toyama erwiderte das Feuer auf mich mit den schweren ER-Lasern, doch nur einer traf und wischte über den rechten Mecharm. Seine LSR-Salve ging an meiem Mech vorbei. Ich war bereits zu nahe für eine Zielerfassung.
Der erste Mech, der Schwarzer Ritter, hatte seinen Sturmlauf ebenfalls beendet und kam nun langsam zurück. Ich grinste. Zwei Mechs gegen vier, das mußte doch ein gefundenes Fressen für sie sein.

Neben mir zuckten zwei PPK-Blitze vorbei und trafen den Grashüpfer erneut zentral. Eins mußte man Henry lassen, wenn seine LSR ein Ziel erfasst hatten, dann saßen auch die anderen Waffen.
Während sich der Grashüpfer nun auf einen Clinch mit dem DracMech einzulassen schien, feuerte ich erneut die PPKs auf den Toyama, um mich für die ER-Laser zu bedanken. Einer ging vorbei, der andere saß in der rechten Schulterlafette seinr 20er LSR. Als ich nahe genug dran für einen todsicheren Treffer war, setzte ich das erste Mal meine AK/10 ein, ebenfalls auf die Lafette. „Ja, Kleiner, mein Mech ist nicht nur hübsch, er hat auch Zähne.“
Der Schwarzer Ritte war noch etwas entfernt, außerdem standen seine FreundMechs zwischen ihm und einem sauberen Treffer auf mich. Ich überlegte, meine Luft/raumjäger hinzu zu bitten, während ich meinen Mech herumwarf, um der Antwort der gegnerischen AK/10 zu entgehen, als der Tai-sho ungeahnte Hilfe beim Manöver erhielt und dem Granantenstrom knapp entging. Leider zum Preis von sechzig Prozent Panzerung am rechten Arm. Dabei war ich nur gestriffen worden. Ein Gaußtreffer. Mir klingelten die Ohren. Wieder feuerte ich die PPKs im Wechsel und versuchte das Kunststück, den Toyama sowohl zwischen mich, den Schwarzer Ritter als auch den neuen Gegner zu bringen. Einen Atlas.
„ATLAS auf dem Schlachtfeld!“ blaffte ich. Hundert Tonnen Kriegsmaschine sollte man immer ernst nehmen, selbst wenn es nur nachgerüstete IS-Tech war. Mein RA begann knatternd zu leben, als der Atlas mir eine volle Salve LSR aufdrückte. Elfe erwischt, drei gingen vorbei. Sechs verteilten sich auf meinem Torso, als ich den rechten Arm aus dem Trefferbild rausdrehte. Ich brauchte die PPK noch, verdammt.

„Zimmerservice“, erklang plötzlich Sarnas Stimme. „Ist jemand Zuhause?“
Von einem Moment zum anderen senkte sich der Henker auf den Atlas nieder. Die Laufgeschwindigkeit des Hunderttonners war dem Fall des Henkers angepasst und so riß der ClanMech den Gegner zu Boden und ritt auf ihm, bis sich seine Bewegung aufgezehrt hatte.
„Anscheinend nicht“, höhnte Sarna und feuerte ihre S-Laser und das Gaußgeschütz auf den Grashüpfer ab, der sich nun zwei Gegnern gegenüber sah.

In meinem Gegner schlug eine Gaußkugel ein. Dem folgten zwei PPK-Blitze, von denen jedoch nur einer traf, und den linken Arm, abriß, den der Gaußtreffer bereits arg mitgenommen hatte. „Darf ich mich an Ihrem Abschuß beteiligen, Sir?“ lachte Gordon.
„Such dir einen eigenen Mech“, erwiderte ich grinsend und fügte ein Danke an.
„Jederzeit, Sir. Jederzeit.“ Der Banshee löste die Sprungdüsen aus, um dem Schwarzer Ritter näher zu kommen, der mittlerweile nahe genug heran war, um seine Kameraden zu unterstützen.
Der Toyama hatte nun seine Hauptwaffe verloren, die AK/10. Das vereinfachte die Sache für mich. Wieder feuerte ich meine Autokanone auf die LSR-Lafette ab. Der Schaden war immens, warf den Toyama einen Schritt nach hinten und löste Panzerung. Mehr geschah nicht.
„Explodier endlich, verdammt“, blaffte ich atemlos und setzte eine PPK hinterher.
Diesmal hatte ich mehr Erfolg. Der Treffer schlug in die Lafette ein, erwischte die frisch geladene Munition und ließ sie hochgehen. Die Explosion zertrümmerte die Lafette, trennte den rechten Mecharm ebenfalls ab und demolierte das Cockpit.
„Selber Schuld, wenn du kein CASE hast“, brummte ich böse und ging näher.
Mit dem Mut der Verzweiflung eröffnete der Toyama das Feuer aus seinen mittelschweren Lasern auf mich und ging erneut auf Geschwindigkeit. Der Bastard wollte mich rammen.
Ich hielt meinen Mech an, drehte die Beine in einen 45er Winkel zum Torso. Distanz zum Toyama waren achtzig Meter, schnell weniger werdend. Wieder flammten seine Laser auf und kochten Panzerung von meinem Mech. Ich atmete die heiße Luft in meinem Cockpit und legte die AK mit einer PPK zusammen. Bei vierzig Meter feuerte ich beide auf das Cockpit meines Gegners ab und setzte meine Maschine in Bewegung.
Ich sah gerade noch, wie das Cockpit des Toyama unter einer Detonationswolke verschwand, als mein Mech aus dem Sturmlauf des 75er Koloss heraustrat. Bei zwanzig Metern fiel der Mech vornüber und rutschte noch gute vierzig, bevor er zur Ruhe kam. Dieser Bastard. Er hätte mich selbst im Tode noch gerammt.

„Zero Leader, hier Zero Leader. Bin rot, aber gleich wieder gelb. Braucht jemand Hilfe?“
„Negativ, Sir.“ Der bullige Henker unterstützte den Hatamoto gerade dabei, den Grashüpfer mit Lasern und PPKs auszuweiden. Der Mech machte nicht mehr lange.
„Ace!“ blaffte Gordon. “Mein Gegner wendet dir den Rücken zu!”
Ich grinste. Was für eine Gelegenheit.
Der Kampf der beiden hatte den Schwarzer Ritter gedreht. Nun stand er mit dem Rücken zu mir, den Wahlspruch jedes MechKriegers vergessend, in Bewegung zu bleiben – keine sechzig Meter entfernt. Schwerfällig setzte ich meinen Mech in Bewegung.
Vor mir taumelte der Blakie unter der Salve eines PPK-Treffers.
„Bóand, wie sieht es bei Striker aus?“ „Zwei Ausfälle. Aber die USMC hat mit ihren Gegnern bereits den Boden aufgewischt.“
„Tot?“ „Die medizinischen Sensoren sagen nein. Und wenn wir unsere Piloten schnell genug versorgen, bleibt es auch dabei.“
„Aber Striker war schneller? Na, hat ja auch früher angefangen.“
„Wollen Sie sich um die Party drücken, Sir?“ lachte der Kommunikationsoffizier.
„Eine andere Frage, haben Sie in letzter Zeit mal ein Verhör geführt, Bóand?“
„Wieso fragen Sie, Sir?“
Ich stellte meinen Funk auf den offenen Kanal und rammte dem unachtsamen Schwarzer Ritter den Lauf meiner rechten PPK in den Rücken.
„Deaktiviere deinen Mech, Feindpilot. Oder du erlebst eine Reaktorexplosion aus erster Hand.“
Keine Reaktion. Der Schwarzer Ritter feuerte erneut auf die Banshee. Gordon hielt sich zurück, um mich nicht zu gefährden.
Wütend zog ich den Arm zurück und stieß erneut zu. Die Rückenpanzerung brach, der Lauf der PPK drang tief in die Eingeweiden des Mechs ein. „Drei...zwei...eins...“
Vor mir sackte der Schwarzer Ritter in sich zusammen. Er hatte sich deaktiviert.

„Zero Leader, hier Zero Leader. Bericht.“
„Banshee hier. Kampfbereit mit mittleren Panzerungsschäden. Brauche Munition.“
„Henker hier. Leichte Schäden. Brauche Munition.“
„Hatamoto-kaze hier. Mittlere Panzerungsschäden, leichte Schäden in der Internen. Brauche Munition.“
„Sarna, sieh dir mal den Toyama an. Wenn sein Cockpit zerstört ist, laß es gut sein.“
„Und wenn nicht?“ „Tritt drauf. Wir brauchen nur einen zum Verhör.“
Irrte ich mich oder ging ein leichter Ruck durch meinen Gegner?
„Sie haben es gehört, Bóand. Ich brauche ein Taxi, eine Arrestzelle und einen Verhörraum.“
„Sir, Sie wollen diese Bestie doch nicht am Leben lassen?“
Ich atmete tief ein. „Hat Akila zugestimmt, sich meinem Kommando zu unterstellen?“
„Ja, Sir, aber...“
„Dann führen Sie meinen Befehl aus. Der Gefangene wird vor ein ordentliches Militärgericht gestellt. Meinetwegen dürfen Sie es anführen, aber vorher quetschen wir ihn aus. Mich interessieren Dinge wie Einheiten, Truppenstärke, Gefechtsplanung, Vorräte und dergleichen.“
„Eigentlich keine dumme Idee, Sir. Und... Ich wäre lieber beim Erschießungskommando dabei.“
„Läßt sich einrichten.“ Ich nickte wütend. Ein Mech würde feuerbereit bleiben, die PPK in den Eingeweiden des Gegners, bis das Gefechtstaxi der USMC den Gegner aus dem Cockpit geholt hatte.
„Zero Leader an Zero sechs bis acht. Das Sensornetz der USMC gibt uns eine gewisse Sicherheit. Zum Landungsschiff zurückziehen, reparieren und aufmunitionieren.“
Die EaglesMechs setzten sich in Bewegung.
„Ach, Ace, das Cockpit des Toyamas war zwar eingebrochen, aber zur Sicherheit habe ich noch mal reingetreten. Wer Atomwaffen einsetzt, hat jedes Anrecht auf die Würde eines Kriegers verloren“, schnaufte Sarna wütend. „Aber keine Sorge. Ich habe es so dosiert, daß unsere Techs nicht zuviel zu tun haben, um ihn wieder flott zu kriegen.“
„Gute Arbeit. Wir sollten mal über deinen Sold sprechen, Sarna.
Eagle eins an Kolibri ein.“
„Kolibri eins hier.“ „Spencer, fliegen Sie eine weite Höhenpatrouille um diesen Raumhafen herum. Suchen Sie nach einem feindlichen Landungsschiff. Diese Bastarde müssen doch irgend wo her kommen. Wenn Sie es gefunden haben, alarmieren Sie Major Benton. Er soll einen Zug GEST darauf ansetzen. Wenn möglich erobern.“
„Verstanden, Sir. Darf ich es abschießen, falls es flieht?“
„Nein, vielleicht ergibt sich später noch eine Gelegenheit, es zu erobern. Eagle eins Ende und aus.
Zero Leader an Bóand. Ist Striker unter den Verwundeten?”
„Nein, Sir. Stahl bricht nicht.“
Ich lachte. „Da habe ich meine eigenen Erfahrungen, Bóand.“
Für mich begann das Warten. Aber wenn es eines gab, was ich in meiner Zeit als Krieger gelernt hatte, dann war das Geduld.
„Mist, jetzt schulden die Eagles den USMC ja eine Party...“, ging es mir durch den Kopf.



Geschrieben von Ace Kaiser am 14.11.2002 um 23:06:

 

17.
Kurz nachdem mein Mech dekontaminiert war, schob ich den Neurohelm in die Halterung und öffnete den Sechspunktgurt. Schnell löste ich die Neuropflaster vom Körper und verstaute die Kabel in einem Staufach unter meine Liege. Routiniert stöpselte ich den Kühlanzug und die Kühlweste aus dem Kühlkreis des Mechs aus und hängte den Schlauch auf.
Ich entsiegelte das Cockpit, nahm dankbar die Hand an, die sich mir entgegen streckte und trat auf den Laufsteg.
„Danke“, brummte ich dem Tech zu.
„Gern geschehen, Sir. Reparaturen, Sir?“
„Panzerschäden ausbessern und aufmunitionieren. Ich glaube zwar nicht, daß die Blakies noch mehr Mechs und Fahrzeuge hier draußen haben. Aber ich habe mich in dem Punkt schon einmal geirrt.“
Der Techniker grinste mich an. „Junge, wie Sie will ich mich auch mal irren. Da laufen Sie einer Wobbie-Lanze in die Arme und wischen mit ihnen den Boden auf.“
Ich erwiderte das Grinsen. „Ist deren eigene Schuld. Wer nicht auf seine sechs achtet, der kann schon mal von hinten beschossen werden.
Ist der Gefangene schon da, Corporal?“
Der Tech nickte. „Kam vor fünf Minuten an. Es gab ein ganz schönes Geschrei an Bord. Hätte nicht viel gefehlt, und die Gefangene wäre gelyncht worden. Aber Captain Naginata hat das verhindert. Hat gesagt, wir brauchen sie noch. Die Gefangene hat trotzdem ein paar Zähne verloren.“ Argwöhnisch sah der Tech mich an. „Sie haben da doch kein Problem mit? Sir?“
„Wieso?“ „Na, wissen Sie, der Cap sagt immer, Sie seien so ein verdammter Ritter und hätten so einen Ehrenzeuchs. Und da wir jetzt unter ihrem Kommando stehen...“
„Das nennt sich Kodex, junger Mann. Und nein, ich habe damit kein Problem, daß die Gefangene verprügelt wurde. Erstens hat sie gegen die Ares verstoßen und damit ihren Schutz verloren. Und zweitens soll sie den Gedanken gleich mal vergessen, ihr Status als Frau würde irgend etwas hier für sie vereinfachen.“
„Wow“, brummte der Tech. „Sie sind doch ganz schön taff. Respekt.“
Ich klopfte dem Corporal auf die Schulter und sagte: „Niemand vergrößert mitten im Bürgerkrieg seine Einheit, ohne taff zu sein.
Nehmen Sie sich zuerst den rechten Arm vor. Falls ich schnell wieder raus muß, soll die PPK geschützt sein.“
Ob der junge Mann vom Themenwechsel überrascht war, zeigte er nicht. Stattdessen salutierte er karikiert und rief: „Ja, Sir. Sofort, Sir. Für den Helden von Outreach, Sir.“
„Spötter“, erwiderte ich mit einem Schmunzeln und ging die Bühne entlang. Unterwegs sammelte ich meine Krieger ein.

Sarna verschränkte die Finger ineinander, drückte sie nach außen und seufzte genießerisch, als es knackte. „Das war mein dreißigster Kill. Und mein neunter erfolgreicher Todessprung. Das die Leute aber auch nie kapieren, was passiert, wenn fünfundneunzig Tonnen Stahl und Myomer auf sie niederfahren.“
„Du bist eine Angeberin, Sarna“, lachte Gordon und knuffte ihr in die Seite. „Hätte Ace meinen Gegner nicht dazu bestimmt, Kriegsgefangene zu werden, hätte ich garantiert auf sechzehn Kills erhöht.“
„Sie ist keine Kriegsgefangene“, stellte ich ruhig fest.
Die ehemaligen Clanner sahen mich entsetzt an. Henry Roberts war blankes Entsetzen ins Gesicht geschrieben. „Ace...“
„Nichts, Ace“, knurrte ich. „Wer gegen die Ares-Konvention verstößt, verliert ihren Schutz. Und diese Lady hat geholfen, Atombomben auf eine dicht besiedelte Welt zu werfen, Entschuldigung, aber das ist das schlimmste Verbrechen, was ich bisher erlebt habe. Wir schleifen ihren Arsch so schnell es geht vor ein Kriegsgericht.“
Nachdenklich fügte ich hinzu: „Aber vorerst brauchen wir sie lebendig. Gordon, Sarna, seht mal zu, daß die USMC ihr nicht zu übel mitspielen. Ich will keine Brüche sehen, okay?
Henry, bleib bitte im Hangar und überwach die Wartung unserer Mechs. Ich will sie alle vier so schnell wie möglich wieder einsatzbereit haben.“
Ein KommTech der USMC trat an mich heran. „Sir, die PAX TERRA ruft nach Ihnen, in der Zentrale, Sir.“
Ich nickte. „Ihr habt eure Befehle, also ab mit euch.
Führen Sie mich, Crewman.“

O´Connor nickte mir zu, als ich eintrat. Er warf mir ein KommSet zu.
„Ace hier. Was gibt es?“ Schweigend lauschte ich den Ausführungen des Anrufers. Meine Miene hellte sich auf. „Gute News. Stellt mich zum Warzenschwein durch.
Ace hier. Gib mir den Kleinen Dicken, Eddie.“
Ich hörte das Gelächter des Funkoffiziers und wartete einen Augenblick. Leise ging ich mit Sergeant Copak die Details durch und tat meinen Teil, dem Mann die Arbeit zu erleichtern.
„Weiter so, und wir haben bald einen neuen Master Sergeant, Blaut“, sagte ich zum Abschied.
Ich nahm das KommSet ab und fühlte mich für einen Moment leicht und unbeschwert.
„Meine Damen und Herren, ich darf Ihnen zwei Dinge mitteilen, die ich gerade erfahren habe.
Nummer eins ist: Ein Einsatzteam der Eagles konnte bis zu unserem Büro vorstoßen. Das Gebäude steht noch.
Nummer zwei: Die Bürocrew konnte sich in die U-Bahn retten und hat überlebt. Über nicht zerstörte U-Bahnen kommen wir an sämtliche Bunker im Stadtgebiet heran und haben eine Möglichkeit, die Überlebenden zu bergen.
Außerdem haben wir die Hoffnung, daß das Telefonnetz von Outreach unzerstört geblieben ist und von uns wieder in Betrieb genommen werden kann. Wir können also bald mit den Bunkern Kontakt aufnehmen.“
Von einem Moment zum anderen veränderte sich die Szene. Gerade noch hatten mir die Space Marines konzentriert zugehört. Beim nächsten Augenzwinkern sprangen sie auf, fielen einander in die Arme und jubelten.
„Das sind verdammt gute Neuigkeiten, Sir“, lachte O´Connor und schlug mir auf die Schulter.
„Es ist ein Anfang“, erwiderte ich.

„Ein guter Anfang“, klang hinter mir eine Stimme auf.
Ich drehte mich um und erkannte Captain Naginata, die Einheitsführerin.
„Es freut mich für die Eagles. Ich wollte gerade zum Verhör der Gefangenen gehen. Kommen Sie mit, Oberst Kaiser?“
Ich lächelte, knuffte O´Connor freundschaftlich in die Seite und ging neben Naginata durch die Korridore des Landungsschiffs.
„Sagen Sie Ace zu mir, Captain“, brummte ich.
Die Asiatin sah mich an.
„Da Sie jetzt unter meinem Kommando stehen, ist es nur Recht und billig, wenn ich Ihnen erlaube, was jeder in meiner Einheit tut.“
„Okay. Ace. Aber Ihre dämlichen deutschen Ränge muß ich nicht übernehmen, oder?“
Ich schmunzelte. „Nein, das müssen Sie nicht. Ich fand es schon immer dämlich, eine Frau mit Hauptmann anzureden. Deswegen befördere ich weibliche Hauptleute auch so schnell es geht in den Majorsrang.“
Ich grinste Naginata an. „Nur ein Witz.
Ach ja, abgesehen von den Nahrungsvorräten, die wir Eagles Ihnen liefern. Ich habe eine erste Bezahlung für die USMC. Ich überlasse Ihnen den fast unbeschädigten Schwarzer Ritter.“
Akila Naginata schmollte. “Ich hätte auch den Toyama genommen.”
Ich lachte laut auf. „Schießen Sie sich selbst einen, Captain.
Falls es noch einen gibt, lasse ich dem USMC gerne den Vortritt.“
Naginata fiel in das Lachen ein. „Das wird eine gute Zusammenarbeit, Ace.“
„Das hoffe ich.“ Ich wurde ernst. „Gut und erfolgreich.“

18.
Als wir den Verhörtrakt erreichten, war Willard bereits an der Arbeit. Gordon war bei ihm und versuchte, mit einer bösen Miene den Druck auf die Gefangene zu erhöhen.
Sie sah übel aus. Das Gesicht war grün und blau geschlagen, ein Auge geschwollen. In ihrem Blick lag Trotz, zorniger Trotz. Nicht ein Wort kam über ihre Lippen, egal was Willard versuchte.
„Darf ich?“ fragte ich leise. „Seien Sie mein Gast, Ace“, sagte Naginata.
Ich trat in den Verhörraum ein. Gordon trat in Hab Acht und brüllte: „Offizier anwesend!“
Automatisch glitten auch Willard und die Gefangene in Hab Acht.
Aha, die Kleine war also Soldatin. Ein wichtiger Hinweis.
„Das würde ich gerne öfters bei den Eagles sehen“, raunte ich Gordon zu.
„Willst du nicht“, erwiderte der ehemalige Nebelparder grinsend.
„Touché“, schmunzelte ich.

Ich setzte mich an den kleinen Tisch und starrte der Gefangenen in die Augen. Nach gut drei Minuten sah sie weg. Ein erster, wichtiger Sieg.
„Name, Rang, Dienstnummer, Einheit.“
„Sie töten mich doch sowieso“, erwiderte meine Gefangene und entblößte beim sprechen eine lückenhafte untere Zahnreihe.
Willard raunte überrascht. Bei ihm hatte sie wohl nicht mal gesprochen.
„Das hängt davon ab, wie gut Sie kooperieren!“ brüllte ich mit Lautstärke sieben auf meiner persönlichen Skala. Zehn, die höchste Stufe konnte problemlos – so sagte man mir – mit einem durchgehenden Reaktor mithalten.
Die Gefangene zuckte zusammen.
„Name, Rang, Dienstnummer, Einheit.“
Unsicher sah sie mich an. „Rogers, Eileen. Corporal. 149382XZ83.”
“Einheit?” Keine Reaktion. „EINHEIT?“
„Crescent Hawks.“
Gordon nickte unmerklich und verließ den Raum. Er würde nun zusammentragen, was die Speicher der USMC und der Eagles zu einer militärischen Einheit namens Crescent Hawks zu sagen hatten.
„Was ist Ihr Auftrag?“ Wieder zeigte sie keine Reaktion. „Auftrag.“
Sie begann zu schmunzeln. Unwillkürlich rieb sie sich den rechten Oberarm. Sie hob den Kopf und sah mich an. Spöttisch, wie es schien.
Das passte nicht. Sie sollte ängstlich sein, verschüchtert. Wieso bekam sie nun Oberwasser?
Einem Gedanken folgend sprang ich auf und riß den Ärmel ihres Shirts hoch. Sie wehrte sich dagegen, aber Willard sprang geistesgegenwärtig hinzu und hielt sie fest.
„Intramuskulärer Einstich“, konstatierte ich, als ich die leichte Rötung in ihrem Bizeps sah. „Sie hat sich irgend was gegeben.“
Die Augen von Corporal Rogers funkelten böse. „Ihr seid tot. Alle miteinander. Das Unreine wird ausgemerzt.“
Denken, Ace, denken. Denk nach. Überlege und tu das richtige.
„Ich will sofort einen MedTech hier haben“, blaffte ich. „Er soll eine Blutprobe nehmen. Dann holt den Schwarzer Ritter rein und nehmt das Cockpit auseinander. Was immer jetzt in ihrem Körper ist, wird Spuren hinterlassen haben. Eine leere Verpackung, eine nicht ganz geleerte Spritze. Etwas in der Art.“
Corporal Rogers sprang auf. Ich drückte sie zurück auf den Stuhl. Sie wehrte sich gegen meinen Griff. „Ihr seid unrein!“ blaffte sie. „Unrein. Das Feuer wird euch reinigen. Das Feuer von innen und von außen! Blakes Wille geschehe!“
„Das Feuer von innen und von außen?“ argwöhnte ich. „Erklären Sie das.“
Trotzig sah sie mich an. „Ich sage nichts.“

Ein paar Minuten später stand sie in einer Schleuse.
„Hinter der Außenschleuse herrscht Strahlung, die binnen einer Stunde tödlich wirkt. Zehn Minuten reichen aus, den Körper irreparabel zu schädigen. Zwanzig, um den Körper selbst in eine Strahlenbombe zu verwandeln. Erst fallen die Haare aus. Dann die Zähne. Zum Schluß tritt Blut aus. Aus Haut, Mund, After, Ohren. Der letzte Punkt ist dann, daß sich die Gedärme verflüssigen.“
„Das wagen Sie nicht“, rief Rogers. „Ich bin eine Kriegsgefangene.“
Ich zuckte die Schultern. „Sind Sie nicht. Sie haben gegen die Ares-Konvention verstoßen. Damit verlieren Sie deren Schutz. Außerdem haben Ihre Freunde das Chaos da draußen angerichtet. Wollen Sie es sich nicht ansehen?“
„Das wagen Sie nicht“, heulte sie auf.
„Sagen Sie mir, was ich wissen will“, blaffte ich zurück.
„Niemals!“
Ich drückte auf den Kontakt. Vor mir schloß sich das Innenschott der Schleuse. Als das Grünzeichen kam, öffnete ich die Außenschleuse.

Aus meiner Gefechtsweste zog ich eine Packung Kaugummi und verteilte sie unter den Anwesenden.
„In dieser Höhe wird sie gut dreißig Stunden überleben. Solange der Schwarze Regen nicht kommt und die Schleuse kontaminiert und sie tödlich verseucht“, stellte Naginata fachmännisch fest und versuchte, eine Blase zu machen.
„Das weiß ich, das wissen Sie. Aber unser Corporal weiß das nicht“, erwiderte ich.
„Eine Minute“, kommentierte Willard leise. „Zwei Minuten.“
Die Gefangene hämmerte gegen das Innenschott. „Lassen Sie mich rein! Im Namen Blakes, lassen Sie mich rein! Ich sage Ihnen alles, was Sie wissen wollen! Alles!“
Ich grinste. Es wurde bösartig. Ich ließ das Außenschott wieder zufahren. Dekontaminationsexperten reinigten Corporal Rogers und die Schleuse, bevor sie die Gefangene freigaben.

Im Verhörraum legte ich ihr einen Block vor. „Aufschreiben. Alles. Einheitsstruktur, Namen, Erfahrung, Mechtypen. Ausrüstung. Einfach alles. Aber zuerst sagen Sie mir, was Sie sich gespritzt haben.“
Die Frau war gebrochen. Sie zitterte und hatte erbärmliche Angst. „E-ein Gegenmittel, Sir.“
„Gegenmittel?“ „Ein Gegenmittel für den biologischen Kampfstoff, mit dem die Ruinen der großen Städte verseucht wurden...“
Ich sprang auf. „Gordon! Die Harlech-Gruppe untersteht ab sofort der Quarantäne! Sag dem USMC, sie sollen sofort Techs losschicken, um die abgeschossenen FeindMechs nach dem Antidot abzusuchen. Würde mich nicht wundern, wenn jeder Mech eine Ration an Bord gehabt hätte.“
„Ja, Ace.“
Oh Gott, ging es mir durch den Kopf. Biologische Kampfstoffe. Was hatte ich meiner Einheit angetan?
Jean. Rebecca und David. Was hatte ich ihnen angetan?



Geschrieben von Ace Kaiser am 17.11.2002 um 20:08:

 

19.
Der bullige Helikopter legte sich auf die Seite und jagte knapp über den Wald hinweg. Hauptmann McKenzie grinste schief, als einer der Baumwipfel von den Landekufen abrasiert wurde.
„Hoooo, Jockey, vorsicht. Das ist ein Bell 1UHD-Transporthubschrauber, nicht Ihr leichter Hawk Moth“, brummte Allard Jackson von hinten.
Zur Antwort ging McKenzie noch ein wenig tiefer und rasierte diesmal einem Baum den Wipfel absichtlich ab.
Die Infanteristen protestierten wütend. Der Hubschrauberpilot hatte den Ruf eines Heißsporns, eines Draufgängers und waghalsigen Spinners, der überflüssige Risiken liebte. Doch gerade diese Eigenschaften machten den Mann am Steuerknüppel eines Jagdhelis so gefährlich. Verständlich, wenn die Soldaten dachten, daß Ray McKenzie auch bereit war, sein Leben zu riskieren, wenn er nicht in seinem eigenen Helikopter saß.
Allard Jackson wußte es besser. Die Bell war gut gepanzert. Sie konnte einige Treffer einstecken, bevor sie zu Boden ging. So ein Baumwipfel war für sie nur eine Lachnummer.
Ray McKenzie drehte sich zum Transportraum um und grinste.
„GAZ drei Minuten für Gruppe eins. Das Gebiet ist wahrscheinlich leicht verstrahlt. Wir befinden uns in einem Gebiet, in dem sich die Ausläufer von zwei atomaren Explosionen überlappt haben. Die Marschrichtung ist in die Computer eurer Schleicher eingegeben worden, Jungs.
Geht raus, seht euch die Anlage an und macht Meldung.“
„Ich weiß“, erwiderte Jackson in beleidigtem Tonfall. „Ich habe die Besprechung geleitet.“
Ray ging nicht darauf ein. „Ace hat gesagt, wenn es ein Ausweichposten oder etwas anderes Kleines ist, dann dürft Ihr ihn selbst hochnehmen.
Und noch was: Die Radioaktivität ist nicht besonders hoch. Aber der Wetterbericht sagt für den Abend Regen voraus. Und Ihr wisst, wenn der Regen schwarz ist, dann haben wir es mit einer schweren Kontaminierung zu tun.
Macht also um Himmels Willen nicht die Anzüge auf. Das alleine schon, weil wir nicht wissen können, ob die Wobbies hier nicht auch ihren Kampfstoff versprüht haben.“
Allard Jackson schüttelte sich. Biologische Kampfstoffe, besser gesagt, ein hochinfektiöser Virus auf einem Trägeraerosol, der sich durch Tröpfcheninfektion verbreitete.
Der Alte hatte auf einem Raumhafen eine gegnerische MechPilotin gefangen genommen. Die hatte ihm im Verhör davon berichtet, daß Blakes Wort diese Welt nicht nur durch atomaren Beschuß vernichtet, sondern auch die zerstörten Städte verseucht hatten, um Outreach ein für alle mal zur lebendigen Hölle zu machen.
„So eine verdammte Scheiße“, murrte Maria Andrews, seine Scharfschützin. „Wenn die Wobbies sauer sind, dann aber richtig, was?“
„Wenn du nicht raus willst, brauchst du auch nicht, Mädchen“, sagte Ray leise und übergab das Steuer seinem Co-Piloten. „Wir können niemanden gebrauchen, der sich und seine Kameraden da draußen gefährdet. Ist nicht böse gemeint, aber keiner von uns hat noch besonders viel Nerven übrig.“
Maria winkte ab. „Nee, ist schon gut. Ich stehe das durch. Ich verstehe es nicht, aber ich stehe es durch.“
„Okay, GAZ eine Minute.“

Als der Helikopter landete, wurde der Cockpitbereich hermetisch versiegelt. Die Seitenluken öffneten sich, und der kleine Trupp Schleicher sprang hinaus. Sofort spritzten sie auseinander und sicherten die Umgebung.
Die Verständigung erfolgte durch Handzeichen, was zugegeben in den leichten Rüstungen ein wenig komisch aussah. Das übliche Handzeichensystem hatte nicht übernommen werden können, aber zum Glück hatten die GEST schon sehr lange ein System für ihre Gefechtsrüstungen entwickelt.
Jackson gab Anweisung, die Umgebung zu sichern. In Zweiergruppen gingen sie sternförmig auseinander und verschwanden in der Umgebung.
Jackson hockte sich hin und lauschte atemlos auf alles, was die feinen Außenmikrofone seines Nighthawk-Schleichkampfanzugs auffingen. Er hörte allerdings nur den Herzschlag seines Partners Kent, der drei Meter von ihm entfernt in einem Busch geradezu unsichtbar geworden war.
Als sich nach zehn Minuten noch niemand meldete, keine Schüsse fielen oder eine Meldung bei ihm ankam, öffnete er einen Kanal für den Funk. Die Sendeleistung war schwach und würde keine hundert Meter reichen.
„Okay, Ihr Höllenhunde. Jetzt könnt ihr mal beweisen, daß der Alte die hübschen Nighthawks nicht sinnlos angeschafft hat. Seid dankbar dafür, denn ohne müsstet Ihr jetzt in den stinknormalen Schleichkampfanzügen durch den radioaktiven Dreck robben. Wir gehen vor wie geplant. Funkkontakt nur im Notfall. Andrews, du baust deine Wumme an einem Punkt auf, an dem du das Feindlager einsehen kannst. Der Rest hält sich zurück, macht Beobachtung und sichert Andrews´ Position. Abmarsch.“

Was wußte er über den Einsatz? Ziel war es, die planetare Basis der Wobbies zu finden. Beim Abflug für den Einsatz Genarchiv hatte einer der Luft/Raumjäger in dieser Region von Remus eine ungewöhnliche Metallansammlung geortet. Möglicherweise ein Landungsschiff. Vielleicht auch zwei. Die Schleicherkompanie der Infanterie war daraufhin in Marsch gesetzt worden, um sich die Lage mal anzusehen. Immerhin eine Möglichkeit, denn die Metallansammlung hatte direkt neben einem Außenkomplex der Blackwell Industries gestanden. Hier waren die Bandits hergestellt worden, die leichten Luftkissenpanzer, die der Konzern ehemals angeboten hatte. Eine willkommene Beute.
Nur für wen?
Jackson hielt es für wesentlich wahrscheinlicher, daß sich die Wobbies wenn schon im Hauptkomplex von Blackwell eingerichtet hatten. Wenn überhaupt.

In seinem Helm knackte es zweimal, danach noch zweimal. Maria war in Position und begann, das schwere Zeusgewehr aufzubauen. Auch er selbst kam dem Komplex jetzt nahe genug. Er reduzierte seine Geschwindigkeit und begann zu schleichen. Die Mimikry-Tarnung versteckte ihn effektvoll, aber er wollte nicht unwissentlich eine Sensorenfalle auslösen. Dann hätten die GEST, mit denen die Infanterie seit jeher einen harmlosen Wettstreit hatten, echt was zu lachen gehabt.
Gruppe zwei kam von Norden, Gruppe drei von Westen. Damit hatten die Schleicher hier dreißig Soldaten in Position. Und alle warteten auf das Zeichen ihres Oberleutnants.
Für einen Moment fühlte der junge Mann die volle Last, für neunundzwanzig andere Menschen verantwortlich zu sein. Er fragte sich, wie der Alte es aushielt, für mehrere tausend Menschen sorgen zu müssen.
Neben dem Industriekomplex, fünf monströsen Hallen, die von einer zehn Meter hohen Mauer umgeben waren, parkte unübersehbar ein Union-Landungsschiff. Es stand recht günstig, so daß Allard Jackson sehen konnte, wie fertig gestellte Bandits vollgepackt die Rampe hochgefahren wurden.
Dragoner, die ihr Material bargen? Vielleicht Blackwell-Sicherheitsleute? Auf keinen Fall waren sie aber von Blakes Wort. Die Menschen dort arbeiteten hastig, aber vollkommen ungeschützt. Sie wußten anscheinend von der leichten Radioaktivität in der Region, aber nichts über das Aerosol, daß durchaus auch über diesem Komplex versprüht worden sein konnte.
BattleMechs sah Jackson keine. Dafür aber patrouillierten Jeeps mit schweren, aufgesetzten MGs, die auch einem Nighthawk gefährlich werden konnten, wenn genügend Kugeln die gleiche Stelle trafen. Allard zählte acht auf seiner Seite. Er ließ die Leitung zweimal kurz knacken und danach in schneller Folge acht mal.
Ein Doppelknack antwortete ihm, gefolgt von vier schnellen Knacken.
Noch ein Doppelknack, dem aber nur zwei schnelle Knacken folgten. Vierzehn Jeeps also.
Aber wer waren die da?
Er zoomte an einen der hastig arbeitenden Männer heran. Unrasiert, verkniffenes Gesicht. Die Uniform war zerrissen und dreckig. Kaukasier, hm, das ließ keinerlei Rückschlüsse auf die Einheit zu. Kaukasier gab es wie Sand am Meer in der Inneren Sphäre.
Kurz glitt er mit dem Zoom über den Rumpf des Unions. Enola Gay, stand da in großen, bunten Buchstaben. Kein Einheitsabzeichen.
Wer also waren diese Knaben? Im besten Fall mußte er damit rechnen, daß es sich hier um Plünderer handelte.
Die Eagles besaßen auf dieser Welt kein Polizeirecht. Aber als größte reguläre Streitmacht hatte ihr Wort einiges an Gewicht. Sollte er sie gewähren lassen? Aufhalten? Vernichten?
Oder ihnen einfach sagen, daß Schluß mit lustig war, wenn sie nicht unter die Räder kommen wollten.
„Links vom Tor“, kam eine knappe Meldung über Funk. Es mußte wichtig sein, wenn Maria dafür die Funkstille brach.
Allard zoomte sich ran und erschrak. Leichen. Mindestens zwanzig. Ein Blick die Wand hoch zeigte braungetrocknete Blutspuren, regelrechte Bahnen. Diese Menschen waren erschossen worden. Dabei ließ die Kleidung keinen Zweifel daran, daß es sich um Zivilisten gehandelt hatte. Durchgehend Männer und zwei ältere Frauen.
Allard Jackson wurde es heiß und kalt zugleich. Plünderer, Plünderer der übelsten Sorte!



Geschrieben von Ace Kaiser am 17.11.2002 um 20:08:

 

Mit sicherem Griff überzeugte er sich, daß die Shimmie im Oberschenkelholster entsichert war. Die KSR-Einzelschußlafette war bereit. Er zog das leichte Lasergewehr hervor und machte es feuerbereit. „Go auf drei“, flüsterte er. Doppelklicker meldeten Bereitschaft.
Er vergrößerte die Funkleistung, um die anderen beiden Trupps zu erreichen. „Go auf drei.“
Wieder antworteten ihm Doppelklicks.
„Eins...!“ Er erhob sich und visierte den MG-Schützen auf dem vordersten Jeep an. Die KSR wollte er noch nicht benutzen. Falls hinter der Mauer ein Mech stand und sie überraschte, würde der bald seine eigene Überraschung erleben. „Zwei...!“ Keuchend atmete er aus und wieder ein. Die Entscheidung war gefallen. Er würde den Komplex nehmen.
„Drei!“ blaffte er und feuerte einen Schuß ab. Der Mann sackte in sich zusammen wie eine Marionette, der man die Fäden gezogen hatte. Sofort sprang er auf und lief auf den Komplex zu.
„Auf Feuer aus dem Union achten!“ befahl er, während vor ihm ein führerloser Jeep kreuz und quer fuhr. Vor ihm starb in den ersten Sekunden jeder Plünderer, der keine Deckung hatte. Jackson sah zweimal, wie auf den Köpfen von zweien die charakteristische Blutblume aufging, die von den Kugeln des Zeus-Scharfschützengewehrs verursacht wurden. Er hetzte über einen umgeworfenen Jeep hinweg, tötete den Mann, der sich dahinter gekauert hatte und rief: „Vier in den Union. Was sich nicht ergibt, wird getötet. Der Rest kommt mit mir rein.
Keller, Durac, wie sieht es bei euch aus?“
„Keller hier. Haben die FeindJeeps ausgeschaltet und gehen jetzt über die Mauer. Soll ich dir bei dem Union helfen?“
„Schick mir vier.“
„Durac hier. Beide Jeeps ausgelöscht. Gehe ebenfalls über die Mauer. Wir... FEINDMECH!“
Die Verbindung brach ab.
„Meldung!“ blaffte er, als sein Nighthawk neben dem großen Tor zum stehen kam. Er warf einen kurzen Blick um die Ecke und erkannte einen abgestellten Heuschreck. Er sah noch mal herum und bemerkte den Piloten, der sich ins Cockpit hangelte. Sofort schoß Allard Jackson und traf den Feind von hinten in den Rücken. Der Mann fiel sechs Meter in die Tiefe und blieb leblos auf dem Beton liegen.
“Warninger hier. Den Leutnant hats erwischt. Ist einem Vulcan direkt in die Arme gelaufen. Kalinsky ist ebenfalls gefallen. Wir haben ihn aber mit den KSR erledigt. Rücken weiter vor.“
Verdammt, zwei Ausfälle. Und das so früh im Gefecht.
„Heuschreck gesichert“, gab er bekannt. „Rücke weiter vor.“
„Hangar gesichert, dringe zur Brücke vor“, meldete Roberts, der das Kommando über die kleine Entergruppe übernommen hatte.
„Wir sind gleich da, Gerard“, meldete Keller leise. „Übernimm dich nicht.“
„Auf Mechs achten“, blaffte Jackson wütend. Zwei hatten sie schon gesehen. Ein Union konnte zwölf transportieren, dazu zwei Luft/Raumjäger. Er rechnete mit vier Maschinen. Die Piraten würden für ihre Beute keine BattleMechs auf dieser Welt zurücklassen.
Als er auf das Verwaltungsgebäude zugestürmt kam, eröffnete jemand aus den oberen Stockwerken das Feuer auf ihn. Sein Partner feuerte eine Granate in das Fenster. Es gab eine heftige Explosion und das Feuer erstarb.
Zu zweit warfen sie sich durch die Frontverglasung der Empfangshalle. Drei Plünderer. Sie feuerten sofort. Jackson hörte das leise plicken, mit dem die Kugeln ihrer Gewehre von der Panzerung absprangen. Er griff die Shimatzu und gab einen langen Feuerstoß auf einen der drei Männer ab. Die anderen beiden warfen sich in Deckung, während der erste von den Kugeln herumgeworfen wurde, als hätte er einen epileptischen Anfall.
Sein Partner feuerte erneut eine Granate ab. Sie ging hinter der Deckung der beiden Männer runter und zerfetzte sie vollständig. Was es noch an Glas gegeben hatte, wurde von der Druckwelle hinaus gefegt.
Hinter ihm stürmte eine Zweiergruppe seiner Teileinheit in das Treppenhaus. Sie sicherten die Position und gaben kurze, konzentrierte Feuerstöße nach oben ab.
„Das ist nur Pistolenfeuer, verdammt!“ blaffte Jackson. Er stürmte die Treppe hoch. Das Pistolenfeuer konzentrierte sich auf ihn. Aber solange kein Glückstreffer sein Visir traf, war er absolut sicher vor dieser Spielzeugwaffe. Er blickte in entsetzte Gesichter, als er scheinbar unbeschadet bis nach oben kam. Sein Partner Kent gab ihnen keine Zeit, diese neue Erfahrung zu verdauen. Aus kurzer Distanz erschoss er den vorderen der beiden mit der eigenen Shimatzu. Jackson richtete den anderen hin, bevor der Mann auf die Idee kam, die Handgranaten zu zünden, die er am Gürtel trug. Die hätten selbst den Nighthawk beschädigen können.
„Treppe sicher“, gab er durch. Die zweite Gruppe kam hoch und ging in den Gang bis zur ersten Tür, während er ihnen Deckung gab. Sie traten die Tür auf, warfen einen schnellen Blick hinein.
Daraufhin ging einer hinein, sah sich kurz um. „Leer.“
Das Spiel wurde an der nächsten Tür wiederholt. „Leer.“
Bevor sie auch die nächste Tür auftreten konnten, bellte ein Gewehr auf und hustete seine Kugeln durch die Holzplatte nach draußen. Die Kugeln erwischten einen der Nighthawks, Korporal Morai wurde nur einen halben Schritt zurückgeworfen. Sie trat die Tür ein und gab sofort einen konzentrierten Feuerstoß ab. Danach trat sie ein und stellte fest: „Sicher.“

„Landungsschiff gesichert“, kam die Meldung von Gerard Roberts. „Keine Ausfälle, keine Gefangenen. Drei Geiseln gesichert.“
Geiseln? „Geiseln?“
Die Stimme des Infanteristen klang mit einem Mal sehr alt. „Weiblich, jung. Muss ich mehr sagen?“
„Verdammt!“ presste Jackson hervor. Nein, Roberts mußte nicht mehr sagen.
„Halle eins gesichert. Kein Widerstand“, kam eine neue Meldung, begleitet von einem anerkennenden Pfiff. „Das wird den Alten aber freuen. Die ganze Halle ist voll mit fertigen Bandits. Genug, um ein Bataillon aufzustellen. Und alle lassen sich hermetisch versiegeln.“
Wieder bellten Schüsse durch den Gang. Wieder blieben die Schleicher Sieger.
„Ja, klingt nicht schlecht. Sucht weiter.“
Die linke Seite hatten sie durch. Nun begann das gleiche Spiel auf der rechten Seite. Die Zimmer waren allerdings alle leer.
„Nächster Stock“, befahl Allard Jackson leise.
Auch dort wurden sie nicht fündig. „Hat das Ding einen Keller?“ fragte Morai nachdenklich.
„Sehen wir mal nach.“

„Halle zwei gesichert. Sieben Tote. Sie tragen leichte Schutzkleidung. Sicherheitsleute. Wurden ebenfalls hingerichtet.
Der Rest der Halle ist sehr interessant. Scheint so, als würden einige der Maschinen hier für die Innenpanzerung der Bandits Kevlar herstellen. Die Maschine neben mir spuckt das Kevlar als Endlosstreifen von zehn Meter Breite aus.“
Jackson grunzte amüsiert. „Toll. Damit können wir gesamt New Hope überdachen.“
„Negativ. Kevlar hält keine Radioaktivität ab.“
„Das war ein Scherz, Warninger.“
„Hm, die Idee hat aber was. Eine andere Maschine klatscht nämlich eine Alu-Kaschierung auf das Kevlar.“
„Ich melde das dem Alten. Mit den Fahrzeugen, dem Lander und dem Kevlar müsste sich doch was anfangen lassen.“
„Vergiß den Heuschreck nicht. Und wir sollten prüfen, was die Plünderer geladen hatten und was sie zugeladen haben.“
„Klingt gut“, gestand Allard Jackson leise. „Es scheint, als würden wir hier fette Beute machen, ein paar böse Buben bestrafen und noch ein paar Leben retten.“
„Und das alles für den Preis von zwei toten Infanteristen“, brummte jemand leise.
Allard wollte ihn maßregeln, konnte es aber nicht. Er hatte ja Recht.

„Das ist die Bilanz, Ma´am. Vierunddreißig Bandits, Nahrungsmittelvorräte für mehrere Wochen, ein paar hundert Quadratmeter Kevlar sowie ein Heuschreck und ein lädierter Vulcan.
Wir wissen noch nicht, wer die Plünderer waren, aber sie gehörten nicht zu Blakes Wort. Sonst wären sie nicht ungeschützt auf dem Gelände unterwegs gewesen. Vielleicht können die überlebenden Frauen uns mehr über sie sagen. Ma´am, wir sollten sie isolieren, solange wir nicht wissen, womit wir es zu tun haben.“
„Das sollten wir und werden wir. Gute Arbeit, Oberleutnant. Ein Landungsschiff mehr ist eine verdammt gute Nachricht.“ Aber es ist nur ein Anfang, schwang in der Stimme von Major DéForét mit, auch ohne, daß sie es sagte.
„Wir werden es schaffen. Wie immer, Ma´am.“
Ein amüsiertes Lachen antwortete ihm. „ Ich schicke Ihnen den Union SPIRIT mit einer Verladecrew, um Ihnen zu helfen. Passen Sie auf weitere böse Buben auf, bis Sie mit den Verladearbeiten fertig sind. Und bringen Sie mir jeden Fetzen Kevlar, den Sie finden. Auge eins ende und aus.“
Allard Jackson kommentierte amüsiert: „Scheint so, als wollen wir New Hope doch überdachen.
So, die drei Scharfschützenteams auf die Mauer. Vier Mann tragen die Leichen zusammen und begraben sie. Seht aber zu, daß dieser stinkende Abschaum nicht mit den Werksarbeitern zusammengelegt werden. Der Rest überwacht die Verladearbeiten.
Die SPIRIT kommt in einer halben Stunde. Bewegung.“
Ein leichtes Zittern ging durch das Gebäude, daß anschwoll und sich zu einem ausgewachsenen Beben entwickelte. „Ein Erdbeben? Diese Region des Planeten gilt als stabil!“
„Blakes Wort“, knurrte Kent. Das sagte alles. Ihnen war wirklich jede Schandtat zuzutrauen, einschließlich der Destabilisierung der kontinentalen Schelfs.
„Bastarde“, knurrte Jackson.



Geschrieben von Ace Kaiser am 24.11.2002 um 13:45:

 

20.
Ich hatte es ihnen verboten. Ich hatte einen Tagesbefehl erlassen, der eindeutig besagte: Das und das und das dürft Ihr nicht tun.
Ich hatte untersagt, Bunker zu untersuchen, die nicht auf unsere Telefonanrufe antworteten. Ich ahnte, nein, ich wußte, was meine Leute dort erwarten würde.
War es Neugier? War es das berühmte Pflichtbewusstsein der Eagles? Was trieb sie dazu, den Bunker Charly Lima dennoch zu öffnen und zu untersuchen?
Charly bedeutete, daß es ein kleinerer Bunker im Stadtgebiet war, ausgelegt auf gut sechshundert Personen. Lima bezeichnete die entsprechende Zahl, die der Buchstabe L im Alphabet einnahm und zeigte damit, daß dieser Charly unsere zwölfte Entdeckung gewesen war.
Nach Menschen Ermessen waren die Telefonleitungen intakt gewesen. Und nach menschlichen Erkenntnissen hätte eine Verbindung zum Bunker bestehen müssen, nachdem unsere findigen Ingenieure das Telefonnetz reorganisiert und mit Strom versorgt hatten. Die Tests der Leitungen hatten ergeben, daß sie nicht unterbrochen waren. Die Logik, die eiskalte Logik gebot nun, daß es ergo keine Überlebenden im Bunker geben konnte – an sich ein Widerspruch. Denn bisher hatten die Pioniere und die GEST noch in jedem entdeckten Bunker Überlebende retten können.
Ja, vielleicht lag es daran, daß Hauptmann Kramstedt die Erlaubnis gegeben hatte, den Bunker zu entsiegeln. Vielleicht hatte er deswegen nur Freiwillige geschickt.
Was sie gefunden haben, wurde dokumentiert. Ich habe die Aufnahmen gesehen, und ich weiß, tief in meinem Herzen, die Perspektive, ein Beobachter auf der anderen Seite der Kamera zu sein, hat mich beschützt. Ich weiß nicht, wie es in den Eagles aussieht, die dabei gewesen waren.
In meinen Armen war ein gestandener Feldwebel zusammengebrochen.

Was die Kamera aufgenommen hatte, war schrecklich, obwohl dieses Wort nicht einmal dem nahe kommt, was ich empfand, als ich die Aufnahmen sah. Aber die Menschheit hat kein anderes Wort dafür.
Als das Team über einen unzerstörten U-Bahntunnel bis in die Nähe des Bunkers vorgedrungen waren, hatten sie sich bis an die Wand der Schutzzelle gesprengt. Den Zugang hatten sie sich mit schwerem Gerät aufgebrochen.
Hätten sie nicht alle schwere Schutzanzüge getragen, um einer eventuellen Kontaminierung mit dem von Blakes Wort versprühten Virus zu entgehen, sie hätten bereits gerochen, was sie erwartete.
Die ersten Menschen, die sie fanden, lagen in dichten Haufen beieinander. Sie hatten sich zusammengedrängt, wie um beieinander Schutz zu suchen. Erste Untersuchungen hatten keine äußeren Einflüsse erkennen lassen. Die Männer und Frauen dachten zu diesem Zeitpunkt, die unbekannte Seuche sei Schuld gewesen.
Dann fanden sie die ersten, die erschossen worden waren. Dann mehrere Männer, die sich mit ihren Waffen das Leben genommen hatten. Alle tot. Fünfhundertdreiundvierzig Zivilisten und sieben Wolfs Dragoner tot. Dahingerafft, als wäre der grimmige Schnitter zwischen sie gefahren und hätte ihnen ihre Leben durch eine bloße Berührung genommen.
Frauen, Männer, Kinder... Nichts und niemand war verschont worden...
An diesem Ort konnten die Eagles niemanden retten.

Vor mir liegt der abschließende Bericht.
Der Charly-Bunker war niemals für einen Atomschlag ausgelegt gewesen. Er hatte lediglich über oberirdische Filtersysteme verfügt, die radioaktiven Staub für gut zwei Wochen aus der Atemluft sortiert hätten.
Und diese Filter bargen das Verhängnis. Denn sie waren beim Atomschlag vom Antlitz Harlechs gewischt, der Schacht sowie der Zugang regelrecht zusammengedrückt worden. Den Menschen war nur das bisschen Luft geblieben, was sich im Bunker befand. Hoffnung auf Rettung gab es keine.
Untersuchungen.... Untersuchungen der Leichen hatten ergeben, daß der letzte von ihnen gerade mal zwölf Stunden vor der Reaktivierung der Telefonanlagen erstickt war.
Wir waren zu spät gekommen. Die Eagles hatten versagt.
Und auf dieser Welt der ewigen Prüfung, auf diesem Mahnmal werden die Eagles noch öfter versagen...

Persönliche Aufzeichnung von Oberst Ace Kaiser in das Regimentstagebuch der Angry Eagles.

21.
Nate hatte sich dafür entschieden, mit allen zwanzig Jägern, die Denise für ihn losgeeist hatte, zugleich loszufliegen. Zwei als hohe Erkunder, zehn vorweg, und je zwei auf Flanke und Nachhut für die Landungsschiffe. Er selbst flog als Chef der Vorhut in seinem Visigoth vorweg.
Bei den Eagles hatte der alte Mann nicht gerade steile Karriere gemacht. Aber mit der Entscheidung seines Freundes und Vorgesetzten Ace, das Luft/Raumkontingent der Eagles auf ein verstärktes Geschwader auszubauen, war er die Rangleiter während des Bürgerkrieges schließlich und endlich bis auf den Rang eines Oberstleutnant gefallen. Nachdem ihm formell auch das Kommando über die Landungsschiffe übertragen worden war, hatte er den Rang eines Oberst angenommen – und eine Verdreifachung seiner Arbeit.
Nate pfiff einen schnellen Marsch. Das Outreach von Blakes Wort regelrecht zerbombt worden war, bedeutete für Nathan Kreuzer eine der wenigen Gelegenheiten, selbst mal wieder in ein Cockpit zu steigen.

Seine übergroße Staffel aus fünf Rotten flog dicht über dem Boden. Der Plan sah vor, über einen Gebirgskamm zu hüpfen, wieder dicht auf den Boden zu gehen und das Genarchiv von zwei Seiten in einem Kreuzanflug zu sichern. Wenn... Falls sich Truppen der Blakies dort aufhielten, würde ein Zwei Seitenangriff ihnen gehörig zusetzen, bis die Landungsschiffe der Eagles mit Oberst Morai und seiner hastig zusammengestellten Einsatztruppe eintrafen und landen konnten.
Der Gebirgszug kam schnell näher.
„Okay, Kids, hier spricht Pappie Nate. Chandler, deine Stuka-Rotte bleibt bei mir.
Junior, dir gehören die Drossel-Rotte und die beiden Stingray-Rotten. Kreuzüberflug im neunzig Grad-Winkel. Bei Zielerfassung sofort feuern. Noch Fragen?“
„Ja“, kam es von Sharon Kreuzer, „wann hörst du auf, mich Junior zu nennen, Dad?“
Gelächter kommentierte den Disput.
„Wenn du mir einen Enkel schenkst, Junior.“
„Im nächsten Leben vielleicht“, erwiderte sie frech.
„Wie die Mutter“, kommentierte Nathan und befahl: „Falcon eins, hier Falcon eins. Tank eins, wir beginnen mit der Vorauserkundung.“
„Falcon eins von Tank eins. Verstanden. Und, Nate, gute Jagd.“
„Verstanden, Tank.“ Nate nickte grimmig. Charles würde was bekommen für sein Geld. „Falcon ende und aus.
Okay, Eagles, wir starten auf drei. Eins... zwei... drei...“

Kurz noch dachte er an die merkwürdige Ortung massierten Metalls, die Chandler gemeldet hatte. Was die anderen Eagles dort wohl entdecken würden?
Noch bevor dieser Gedanke zu Ende formuliert war, zog er den Steuerknüppel leicht zu sich heran. Der schwere Clanjäger hüpfte geradezu elegant über den kleinen Kamm.
Neben und hinter ihm folgten die anderen Jäger seiner Maschine in die Tiefe.
Nathan ließ sich von Computer ein Hologramm geben und glich damit die wahrscheinliche Position der zweiten Abteilung mit seinen Jägern ab. Für den Vorteil des Erstschlags war es wichtig, nahezu gleichzeitig anzukommen.
Falls Blakes Wort-Luftabwehr sie erfasste, würde sie sich für einen der Pulks entscheiden müssen und damit das eigene Ende heraufbeschwören.
„Auf Erfassung achten“, brummte er leise. Beinahe glaubte er es zu hören, das leise Singen der Warnung, daß die eigene Mühle von einem Feuerleitsystem gesehen und gelockt war, bereit, von einem guten Kanonier vom Himmel geputzt zu werden. Nichts passierte.
„GAZ eine Minute“, gab er durch. „Geschwindigkeit zurück, Junior. So eilig haben wir es nicht.“

Und dann ging es doch rasend schnell. Sie erreichten den Aktionsradius ihrer Waffen, fuhren die Aktivorter hoch und erfassten sofort eine unglaublich starke Wärmesignatur.
„Wow, ist da ein McKenna abgestürzt?“ raunte jemand.
„Keine Ortungen außer der IR-Quelle“, meldete Sharon Kreuzer.
„Wachsam bleiben.“
Sie überflogen die Stelle, an der sich das Genarchiv der Wolfs Dragoner befand unbehelligt – wo es sich hätte befinden sollen.
„Was ist das?“ rief Chandler aufgeregt.
„Das, mein Junge, ist ein Mischung aus Vulkan und Schlucht.“
Hatte er das wirklich gesehen? Nate griff auf die Aufzeichnung seiner GefechtsROM zurück und wiederholte den schnellen Anflug. Tatsächlich. Ein mehrere Kilometer langer Riss im Boden, aus dem glutflüssiges Gestein quoll, im Volksmund auch Lava genannt.
„Was... was ist da passiert?“ Nate schüttelte den Kopf. „Falcon eins, hier Falcon eins. Suchradius, sternförmig, rottenweise. Hier in der Gegend muß es etwas geben. Etwas, was das da überlebt hat.“
„Und was ist das da, Dad?“
„Das da ist die Auswirkung einer speziellen Atombombe. Sie schimpft sich Bunkerknacker. Sie schlägt im Erdboden auf, bohrt sich mehrere Dutzend Meter tief und explodiert erst dann.
Dieses Baby hier ist noch etwas weiter entwickelt. Es war dazu gedacht, gleich die gesamte Planetenkruste zu sprengen. Wie man sieht hat es geklappt.“
„Diese verdammten Bastarde von Blakes Wort!“ Die Stimme gehörte Yamuga, einem der Stuka-Piloten. „Wenn ich die in die Finger kriege...“

„Mayday, Mayday“, blaffte der harte Ruf im Funk. „Werden erfasst. Wir drehen ab.“
Das war seine Tochter. Sie flog nur einen Aufklärer, eine verdammte kleine Drossel.
„Sharon!“ rief er.
„Nichts passiert, Dad.“ Nate atmete auf. Sie auch noch zu verlieren hätte er nicht ertragen können. „Meldung, Captain.“
„Der Zielcomputer eines Unions hat mich und meinen Flügelmann erfasst. Voraussichtlicher Standort ist zweihundertzehn Klicks nordwestlich von der Lavaspalte.“
„Feindlich?“ „Nicht zu erkennen.“
Nathan dachte nach. Dragoner? Oder Blakes Wort? Wenn Blakes Wort, was taten sie da? Was war ihnen wichtig genug, um auf Remus ein ganzes Union, wahrscheinlich voll gestopft mit Truppen zu verlegen?
Dragoner? Ein hoher Offizier? „Was sagt der Computer? Kam ein Transponder rein?“
„Negativ. Transponder war nicht aktiviert.“
Nathan traf eine Entscheidung. „Ortung wird als feindlich deklariert. Wir machen einen vierfachen Angriff über Kreuz.
Tank eins von Falcon eins, Charles, das Gendepot wurde vernichtet. Aber ich habe voraussichtlich am Fuß des Gebirges, gut zweihundert Klicks nordwestlich unserer Position was neues zum spielen gefunden. Mindestens ein Union ohne Transponder.“
Der Panzerkommandeur überlegte nicht lange. „Angriff.“
„Ihr habt den Mann gehört. Greifen wir an. Und wenn es Blakies sind, dann gebt ihnen Saures.“
Und wenn sie es nicht sind, gebe Gott uns die Kraft, es rechtzeitig zu erkennen und keine Freunde zu bombardieren, ging es Nate durch den Kopf.



Geschrieben von Ace Kaiser am 18.12.2002 um 22:45:

 

22.
Milos, drei Jahre zuvor.

„Ace, hast du mal Zeit?“ Denise DéForét nahm ihren Vorgesetzten beiseite.
„Schieß los, Denise. Was gibt es Wichtiges? Hat die Weltpresse wieder ein Ultimatum der Gruppe Freies Milos veröffentlicht?“
„Nicht ganz... Wie du weißt, beginnen wir gerade Truppen aus der gesamten Inneren Sphäre zusammenzuziehen. Laut Standardvertrag, den wir mit den von uns aufgestellten oder wiederhergestellten Firmen abschließen, können wir zehn Prozent der von uns trainierten oder gegründeten Schutztruppen für die Angry Eagles rekrutieren.“
„Ich weiß. Wir machen das seit Beginn des Bürgerkrieges, um uns auf ein Regiment zu vergrößern. Hat DeHavilland Enterprises sich wieder über den Abzug seiner Hammerschlag-Mechlanze beschwert?“
Denise sah den Major ernst an. „Gestern trafen die neuen Rekruten von Gunderland ein. Die Eagles hatten für ein halbes Jahr einen Pionierzug auf dieser Welt und drei Großbetrieben wieder auf die Beine geholfen.“ „Sowie Truppen trainiert, um die ewigen Piratenüberfälle einzudämmen. Ich weiß. Der Befehl ging über meinen Schreibtisch. Die von uns ausgebildete Truppe geht aber nicht über eine verstärkte Kompanie Mechs und Infanterie hinaus. Sie werden uns bestenfalls zwanzig Mann Infanterie schicken, richtig?“
„Nun, Borland-Yodama Unlimited ging noch etwas weiter. Sie schickten uns zwei Killer. Beide Luft/Raumjäger sind in exzellentem Zustand. Dazu kommen die Piloten und ein dreiköpfiges Wartungsteam pro Maschine. Direktor Ishino bezeichnet diese übergroße Gabe als Pflicht. Nicht an die Eagles, Ace, sondern an dich. Kannst du dir das erklären?“
Ein Schatten fiel auf das Gesicht des Majors.

Fünf Minuten später saßen beide bei einem Kaffee in seinem Büro. „Es gibt einen Grund, warum ich nur einem Zug Pioniere erlaubt habe, nach Gunderland zu gehen.
Dies ist die draconische Welt, auf die ich verschleppt worden war. Dort hielt man mich für die sechs längsten Monate meines Lebens gefangen wie ein Tier.
Ich... Ich hatte einfach Angst, diesen Ort wiederzusehen.“
Denise rechnete im Kopf nach. „Hm. Das dürfte jetzt in etwa neunzehn Jahre her sein, richtig?“
„Dürfte stimmen. Wieso?“ „Und anschließend hast du noch ein halbes Jahr in der Obhut des planetaren Herrschers verbracht, wo du von deinen seelischen und körperlichen Wunden genesen bist, japanisch lerntest und in den Bushido eingeführt wurdest.“
„Ja, richtig. Aber wieso ist das alles interessanter, als der Ärger, den wir hier auf Milos haben?“
Denise legte eine Akte auf den Schreibtisch. Ace ergriff sie und blätterte sie durch. „Beachtlich. Der junge Mann ist noch keine zwanzig, aber führt den Killer bereits wie ein Großer. Ich werde Nathan sagen, er soll den Bengel mal hart ran nehmen. Vielleicht eignet er sich zum Staffelführer. Akira Tenoh...“
„Tenoh ist die romanische Schriftweise der Lautfolge. Du kannst sie auch Tenno schreiben.“
Nachdenklich kratzte sich der Eagle am Kopf. „Tenno bedeutet Kaiser.“
„Was genau hast du eigentlich gemacht, als du in der Obhut des planetaren Herrschers warst, Ace?“
Dem Major entgleisten die Gesichtszüge. Sein Kiefer sackte nach unten. „Arghllll“, brachte er mühsam hervor.
„Nun, ich höre“, bemerkte Denise spitz.
„Eine Geisha war zu meiner Genesung abgestellt worden. Sie... kümmerte sich um all meine Bedürfnisse. Kulturelle und körperliche.“

Der Eagle barg sein Gesicht in den Händen und schnaufte laut. „Himmel, ich kann es mir nicht erklären. Ich kann mir nicht vorstellen, daß sie freiwillig...
Vielleicht hat man ihr befohlen... Wie habt Ihr es gemerkt?“
Denise wurde ernst. „Wir haben die Neuankömmlinge wie immer durch die Medizinische gejagt. Dabei wurde die Blutgruppe bestimmt. Nebenbei, wir testen seit Jahren für den Feldeinsatz, welcher Eagle einem anderen bedenkenlos Blut spenden kann. Dabei kam heraus, daß Du der ideale Spender für Akira Tenoh bist, Ace.
Das kam uns merkwürdig vor, also ordnete ich eine Genanalyse an. Das Ergebnis ist: Du bist Akiras Vater.“

Ace sackte in sich zusammen. „Und jetzt, nach neunzehn Jahren, schickt man mir also den Menschen als Soldaten, der mein Sohn hätte sein sollen.“
Er stand auf, lehnte sich schwer gegen die Wand. „Weiß Akira es?“
„Nein. In den Unterlagen wird geführt, er sei ein Bastard des Herzogs von Gunderland. Wir haben ihn von der Genanalyse nicht informiert.“
„Ich will ihn sehen.“
„Ace...“ „Ich will ihn sehen. Dieser Junge ist achtzehn Jahre alt. Er ist ohne mich aufgewachsen. Ich habe ihn nicht in dieser Welt begrüßen dürfen. Ich habe ihm kein einziges Wort beigebracht. Ich weiß nichts über ihn. Jetzt erfahre ich, daß es ihn gibt und daß er Krieger geworden ist.“
„Wirst du es ihm sagen?“
„Ich weiß es nicht. Ich weiß es wirklich nicht. Vielleicht lebt es sich für ihn besser, wenn er weiterhin glaubt, der Herzog wäre sein Vater.“
Denise erhob sich. „Ich schicke ihn dir, Ace.
Und, ich glaube, du wärst ein toller Vater geworden.“


23.
Die Ereignisse überschlugen sich. Aus einer einfachen, atomar verseuchten Welt, auf der mehrere hundert Millionen Menschen gestorben waren, war ein Tollhaus geworden. Wütend ballte ich die Hände zu Fäusten und öffnete sie wieder. Blakes Wort...
Schritt für Schritt offenbarte sich mir die ganze Tragweite des Verbrechens, welches sie an dieser Welt, welches sie an den Dragonern begangen hatten.
Nach der atomaren Vernichtung von Remus hatten sie auch die großen Städte auf Romulus bombardiert. Und, um sicher zu gehen, auf die Raumhäfen und die Großstädte noch ein paar Atombomben mittleren Kalibers gesetzt.
Doch das war ihnen noch nicht genug gewesen. Zusätzlich hatten sie ein Aerosol versprüht, eine Trägersubstanz für ein Bakterium oder Virus, um diese Welt auf Jahrtausende hinaus zu verseuchen.
Und um dem ganzen das I-Tüpfelchen aufzusetzen streiften Söldner aus der Peripherie über die zerstörten Landstriche und vernichteten, was die Bomben übrig gelassen hatten.

Corporal Rogers von den Crescent Hawks hatte angegeben, daß ihr Teileinheitskommandeur in Ungnade gefallen war. Er hatte den Chef seines Bataillons, die Finger des Todes, offen für die Unterstützung von Blakes Wort kritisiert. Die verstärkte Kompanie war daraufhin nach Romulus strafversetzt worden. Das, was wir den GefechtsROMs entnehmen konnten bewies, die Soldaten hatten seitdem einige hundert Überlebende auf dem Gewissen.
Mich schmerzte der Gedanke, das es oft – zu oft - eher ein Akt der Gnade gewesen war anstatt pure Grausamkeit. Mit Schrecken sah ich die Aufzeichnung einer unregelmäßigen Kolonne aus blinden, nackten, vollkommen verbrannten Gestalten, die zufällig alle in die gleiche Richtung wankten. Wer fiel, versuchte, sich aufzurappeln oder wurde von den Nachfolgenden totgetreten. Apathisch wanderte der Rest weiter. Diesen Menschen, Opfern des Feuersturms der Atomexplosion, den Tod zu geben war wahrlich eine Erlösung gewesen. Die Verbrennungen lagen bei nahezu hundert Prozent. Nicht einmal das NAIW konnte Verbrennungen von über neunzig Prozent der Haut heilen.
Sprach das aber für die Finger des Todes? Sprach das für die strafversetzte MechKompanie der Crescent Hawks?
Müßig, entschied ich. Wir hatten sie alle erwischt. Alle sechzehn Maschinen. Weitere ROM-Auswertungen hatten auch den Einsatzbeginn auf Romulus hervorgebracht. Dort waren immer sechzehn MechTypen in Erscheinung getreten. Die sechzehn, die das USMC erledigt hatte. Mit bescheidener Hilfe der Eagles.

Dann die Überlebenden aus dem Büro. Sie kamen direkt aus dem kontaminierten Gebiet. Wohl oder übel mußte ich davon ausgehen, daß Jedermann, der sich ungeschützt am strahlungsarmen Brückenkopf unserer Pioniere nahe Detonationspunkt Ecco bewegte, mit dem Träger und damit dem biologischen Kampfstoff kontaminiert war. Die Ärzte der Eagles erforschten bereits den Impfstoff, den wir Corporal Eileen Rogers abgenommen hatten, um eventuelle vergleichbare Medikamente aus der eigenen Reserve parat zu haben, um eventuelle ausbrechende Symptome lindern zu können.
Ich machte mir nichts vor. Die Waffe würde schnell wirken und sie würde tödlich wirken. Wer sich infiziert hatte, bekam eine Chance von acht zu eins, daß er überlebte. Danach blieb er garantiert Überträger – permanenter Brutofen für neue Erreger und wandelnder Ansteckungsherd. Nur eine vollständige Heilung konnte die Erlösung bringen.
Wenn sich kranker menschlicher Verstand eine derartige Perversion ausdachte, war das Augenmerk immer auf größte Effizienz ausgelegt. Darauf, so viele Leben wie möglich auszulöschen und zu zerstören. Die Virologen von Blakes Wort bildeten da keine Ausnahme.
Was mich zu einer weiteren Frage brachte. War es ein Bakterium, als ein relativ eigenständiges mikrobiologisches Lebewesen, welches durch diese Eigenart recht schwierig zu kontrollieren aber ebenso schwer zu verbreiten war.
Oder ein Virus, eine mikrobiologische Hülle, die im Gegensatz zu den Bakterien darauf angewiesen war, ihren Gencode in andere Zellen zu transferieren, damit diese neue Viren produzierten. Etwas, was für Bakterien nicht notwendig war. Sie reproduzierten sich selbst.
Ich tendierte eher zum Virus, da dieser nicht so leicht mutieren konnte. Leichter zu handhaben. Leichter zu verbreiten. Der eigene Schutz konnte besser koordiniert werden.

Aber ich konnte weder die Einsatztruppe noch die Geretteten lange in der Stadt lassen, denn die Meteorologen sprachen von Regen in den nächsten Tagen. Und mit dem Regen würden radioaktive Staubpartikel gebündelt werden und zur Erde fallen. Womit jeder einzelne Regentropfen zu einer hochaktiven, strahlungsstarken Bombe werden würde. Ergebnis war ein Strahlungskater und darauf folgender Tod. Schwarzer Regen, nannten die Experten das, so benannt nach dem Staub, der die Regentropfen schwarz färbte.
Was ich brauchte, waren drei oder vier Overlords, um direkt im Stadtgebiet zu landen, und die ganzen Leute aufzunehmen.
Natürlich gab es immer noch die Option, daß Blakes Wort derart nahe an einem Explosionsherd keine Kampfstoffe versprüht hatte. Was nicht einmal unwahrscheinlich war, denn die Piloten hätten sich vor allem selbst gefährdet.
Aber dennoch erschien mir eine mindestens zehntägige Quarantäne für angebracht. Dazu eine Aufsplittung in kleine und kleinste Grüppchen, um wenigstens zu versuchen, die Infizierten nicht noch unzählige Gesunde anstecken zu lassen.
Mit zitternder Hand unterschrieb ich den Befehl, der eine Erweiterung des Isoliertraktes vorsah.

Müde strich ich mir durch die Haare. Was nun? Ein Kontingent der Eagles brach auf, um das Gendepot einzunehmen und zu sichern. Eine weitere Truppe der Infanterie war auf dem Weg, eine metallische Anormalie zu untersuchen.
Die Ulster Marines würden sich bald mit einigen tausend Menschen aufmachen, um nach New Hope zu kommen. In eines der wenigen Gebiete auf dieser Welt, die strahlungsfrei und höchstwahrscheinlich auch unkontaminiert waren.
Was mich aber auch wieder zu unserer Gefangenen brachte. Laut ihr hatte Blakes Wort mit mehreren Regimentern angegriffen. Acht oder neun. Das Gros hatte die Welt wieder verlassen und war weitergezogen. Ebenso die Kriegsschiffe. Aber eine Einsatzgruppe von der Größe eines knappen Regimentes mußte sich noch auf Outreach befinden. Mechs, Infanterie und Panzer. Söldner und ein paar Blakeisten. Allerdings eingespielte Truppen, gestählt durch den Kampf gegen Wolfs Dragoner. Um ebenso wie die Hawks alles auszulöschen, was die Vernichtungsorgie überlebt hatte.

Was hatte ich dem entgegen zu setzen? Meine Eagles, ausgerüstet mit etwa vier Kompanien Mechs, einem Bataillon Panzern, drei Kompanien Infanterie und GEST sowie eine Kompanie Pioniere. Dazu kamen unsere Luft/Raumjäger und die Landungsschiffe.
Dem schlossen sich die Ulster Space Marines an. Eine Lanze Mechs, Panzer, Infanterie, teilweise gepanzert. Alles in allem fast ein Bataillon.
Dazu kamen einige Dutzend Überlebende, die teilweise über eigenes Kriegsgerät verfügten. Die Beute von den Fingern des Todes. Ein wenig erbeuteter Nachschub.
Durch die Neurekrutierungen während des Bürgerkrieges waren die Eagles bestenfalls Veteranen, weit entfernt vom Status einer Eliteeinheit. Wenn wir jetzt erneut rekrutierten, würde das die Gesamtkampfkraft zwar verstärken, aber auch die Ressourcen mindern und einige Teileinheiten sehr verwundbar machen. Andererseits konnte ich diese Menschen nicht davon abhalten, gegen Blakes Wort zu kämpfen. Nicht einmal wenn ich es gewollt hätte.

Nachschub. Wir brauchten Nachschub.
Und das dringend. Viel. Sehr viel.
Outreach hätte voll davon sein müssen. Nur wo war dieser Nachschub? Wo war dieser verdammte Nachschub?

Es klopfte an meiner Bürotür.
Striker trat ohne meine Aufforderung ein und strahlte mich an. „Ace, verdammt, jetzt spendierst Du uns zwei Parties.“
Ich blinzelte, wie ich es oft tat, wenn ich etwas nicht sofort verstand. „Was?“
Striker grinste. „Ist ein ganz einfacher Deal. Wir haben einen Standardvertrag mit den Eagles unterschrieben. Bedeutet, Ihr kriegt euren prozentualen Anteil von fünfzig Prozent an allen Beutestücken, die wir machen – ausgenommen das volle Bergerecht.“
Der Sergeant ging zum Getränkeschrank meines kleinen Büros und holte eine Flasche Scotch und zwei Gläser hervor. Er stellte beides auf meinen Schreibtisch und goss die goldene Flüssigkeit bis zur Unterkante ein.
„Was habt Ihr gefunden, Striker?“ fragte ich geradeheraus.
Wieder grinste der Space Marine. „Lebensmittel, unverseucht, wie ich anmerken möchte. Waffen, Nachschub für die MechWartung und dergleichen. Alles in allem Material im Wert von einigen hundert Millionen C-Noten. Wir haben einige versiegelte Lagerhallen entdeckt, die vielleicht sogar das Ziel der Finger des Todes waren.
Deine Eagles bekommen die fünfzig Prozent. Die USMC versorgen sich bis auf drei Monate im voraus. Den Rest bieten wir dir zum absoluten Vorzugspreis an. Sagen wir zehn Prozent vom Marktwert. Wir sind zwar nicht die Eagles, aber wenn wir mit etwas weniger Verdienst etwas Gutes tun können, machen wir das gerne.“
Ich ergriff mein Glas und stieß mit Striker an. „Abgemacht. Wir sind im Geschäft. Und der erste Mech, den ich abschieße, gehört den USMC.“
Wendete sich das Blatt? Von Anfang an hatte ich nicht besonders große Hoffnung gehabt, besonders viele Menschen auf dem verseuchten Staubball zu retten. Später hatte ich die Angst gehabt, zu wenige der tausenden Überlebenden retten zu können.
Nun hatte ich Angst, sie nicht gut genug vor Blakes Wort beschützen zu können.
„Wieviel Lebensmittel, Striker?“ fragte ich.
Der grinste mich an. „Zweitausend Tonnen in Notrationen, Konserven und eingeschweißt.“
Ich atmete auf. „Danke, Striker, das ist die beste Nachricht des Tages.“
Ich nahm einen vorsichtigen Schluck vom Whisky. Ein recht junger Bursche, noch wild im Mund, aber recht angenehm im Magen. „Und die zweite Party spendiere ich auch.“



Geschrieben von Ace Kaiser am 29.12.2002 um 18:16:

 

24.
Wieder flogen die Luft/Raumjäger der Eagles ein Manöver über Kreuz.
Dabei hielten sie ihre von Fusionsreaktoren angetriebenen Maschinen tief. Je später sie geortet wurden, desto besser.
Rasend schnell kam der Punkt näher, an dem sich der Union befinden sollte. Nathan hatte nicht viel mehr zu tun, als beim aufblinken des Zielkreuzes einmal durchzuziehen, um alles rauszuhusten, was sein Visigoth ausspucken konnte. Mit ein wenig Glück würde er treffen. Den konzentrierten Angriff von zehn Jägern konnte der Lander nicht ohne Schaden überstehen.
„Auf Mechs achten“, schnarrte Nathan leise.
Das Fadenkreuz blinkte auf, Nathan Kreuzer drückte den Feuerknopf. Dann war er auch schon wieder vorbei. Hastig sah er auf sein Datendisplay, aber keines der Einheitsicons der Eagles war verschwunden.
„Schadensbericht“, blaffte er.
Leichte Schäden, war der Grundtenor. Es sah ganz so aus, als hätten die Geschütze des Unions versucht, alle Ziele gleichzeitig abzuschießen anstatt das Feuer auf ein oder zwei Jäger zu konzentrieren. Schwein gehabt.
„Noch einen Anflug“, wollte der Oberst befehlen, als seine IR-Ortung eine kleine Explosion zeichnete.
„Munitionsexplosion an Bord des Unions. Scheint, als hätten wir ihn übel erwischt. So schnell fliegt der nirgends mehr hin“, meldete sich seine Tochter Sharon zu Wort.
„Wir gehen noch mal rüber. Aber diesmal langsamer. Wir schalten die restlichen Geschütze aus und jagen Mechs. Hat jemand Mechs gezeichnet?“
„Ich hatte ein paar leichte Scouts auf der Ortung, östlich am Berghang. Sah so aus, als wären sie auf Wache oder so“, brummte Yamuga. „Da scheint es irgend etwas interessantes zu geben. Meine ROM hat eine Straße in der Region aufgezeichnet.“
Nathan dachte kurz nach. „Haben wir Transponder gezeichnet?“
„Negativ, Pappie. Die sind mucksmäuschenstill.“
„Als Feinde betrachten. Stukarotte löscht sie aus. Visigothrotte hilft. Der Rest vernichtet die Waffen am Union. Ausführung.“

Wer es noch nicht selbst gesehen hatte, konnte sich nicht vorstellen, was passierte, wenn ein Stuka einen Mech am Boden beharkte. Der Lao Hu hatte nicht wirklich eine Chance, als zwei Drittel der Breitseite von Yamuga in ihn hineinrauschten. Der Mech wurde regelrecht von den Beinen geprügelt. Nathan setzte zwei Salven LSR hinterher und vernichtete den Mech vollständig. Bei diesem Anflug wurden noch ein Feuerfalke vernichtet und zwei Stadtkoloß schwer beschädigt. Der zweite Anflug radierte sie aus. Das Gegenfeuer war ungenau, sporadisch und grundsätzlich verzogen. Der Oberst hatte das Gefühl, gegen eine grüne Einheit angetreten zu sein. Oder hatten die Eagles sie einfach überrascht? Und das, nachdem die Rotte seiner Tochter bereits erfasst worden war?
Nein, entschied Nathan. Etwas anderes war der Grund. Was immer hier getan wurde, es stand kurz vor der Vollendung. Dies war die letzte, die allerletzte Chance für die Eagles, noch etwas zu retten.
„Tank eins von Falcon eins, Charles, mach mal Dampf unterm Kessel. Ich brauche hier Bodentruppen.“
„Ich schicke einen Union vorneweg. Er trägt die GEST-Einheit. GAZ in einer Minute. GAZ für Kommando in drei Minuten.“
„Copy. Ich hoffe, das reicht.“
„Das hoffe ich auch, Tank aus.“
„Ihr habt es gehört, Eagles. Unsere GEST treffen ohne Panzerschutz oder Mechs ein. Ich will die Gegend sauber haben. RICHTIG sauber. Sternförmige Patrouille. Die Stukas gehen auf Höhensicherung. Die Drosseln untersuchen die nähere Umgebung. Ausführen.“

Die gut trainierten Piloten ließen ihre Maschinen auseinander spritzen. Mehr konnten die Luft/Raumpiloten der Einheit nicht mehr tun. Der Rest mußte den Bodenratten überlassen werden.

25.
„GAZ fünf Minuten“, hallte die Stimme von Oberleutnant Tenoh durch die BLOOD, dem Unionsklasse-Transporter, der die GEST transportierte.
Zwei Firmen in der Lyranischen Allianz, eine im Arc Royal Defensiv-Kordon, eine auf Roadside fertigten die Aktivpanzer exklusiv für die Eagles und die Bulls an. Die Stückzahl war gering, aber die Auftragsbücher immer voll. Vor allem, da viele von den Angry Eagles eingerichteten Garnisonen oftmals eher auf die GEST-Panzer als Mechs setzten und ständig Ersatzteile orderten.
Der flexiblen GEST-Waffe hatten die Eagles Rechnung getragen und einen kompletten Lander für die Bedürfnisse der speziellen Infanterie umgerüstet.
Es waren zusätzliche Zwischenböden gezogen worden, sowie neuartige Wartungsnischen für die Rüstungen. Außerdem verfügte die BLOOD über genügend LKT-Stellplätze, um die Truppen noch flexibler zu machen. Für die folgende Operation waren die Luftkissentransporter allerdings unnötig.
Leutnant Grace sah die Hand ihres persönlichen Techs vor der Visirscheibe. Er zeigte den hoch gestreckten Daumen, das Zeichen, daß mit der Rüstung alles in Ordnung war.
Grace nickte dankbar. Eine gute Wartung war der Schlüssel zum Erfolg.
Sie linkte sich in den internen Funk ein.
„Gruppe von Haudrauf eins. Hergehört.
Wir teilen uns klassisch in Achterteams auf. Ich weiß nicht, was uns erwartet, aber da draußen steht ein halb zerschossener Union und eine Lanze abgeschossener Mechs rum. Möglich, daß sie eine Infanterieoperation decken. Das könnte Bunkerkampf bedeuten.
Unsere Jäger haben zu laut angeklopft, als das wir heimlich rankommen könnten.
Unsere Ziele sind wie folgt: Alles was nach Blakes Wort aussieht, wird abgeschossen. Alles, was auch nur nach Dragoner aussieht, ist unser Freund, auch wenn sie es noch nicht wissen. Feuer von Elementaren oder regulärer Infanterie der Dragoner wird nicht erwidert. Sollten wir auf sie treffen, versuche ich, die Dragoner davon zu überzeugen, daß wir keine Feinde sind.
Zwei, drei Dutzend eliminierter Blakeisten wären dabei ein hilfreiches Argument.
Ach, noch was, die Blakeisten haben sich mit den Dragonern angelegt. Das heißt, sie rechnen mit Elementaren. Damit geraten auch unsere Aktivpanzer in Gefahr. Denn was einen Elementar verletzen kann, ist auch in der Lage, einen GEST-Anzug zu schädigen.“

„GAZ eine Minute!“
Kurz stockte Grace. Das war der Moment. Der Augenblick vor der Schlacht. Der letzte Moment, bevor ihr Kampfinstinkt die Kontrolle übernahm. Bevor sie vollends bereit war, zu kämpfen und zu töten.
„Auf geht´s, Kids“, rief sie, als der Lander hart aufsetzte und die Innenseiten der Schleusen auffuhren. In Anbetracht einer möglichen Kontamination mit Kampfstoffen hatte sich Oberleutnant Tenoh für die langsame Ausschleusung entschieden. Es konnten somit immer drei GEST zugleich in einer Schleuse das Schiff verlassen. Das machte vier Durchgänge, bevor alle Soldaten des Kommandos kampfbereit waren.
Grace schleuste als eine der Ersten aus. Sie mußte auf den Rest ihres Trupps warten. Trupp zwei war schon bereit.
„Andy, nimm deinen Trupp und hol dir den Lander. Komm dann nach zu den Mechwracks.“
Der Feldwebel bestätigte und zündete die Sprungdüsen seiner Rüstung, um im nahen Wald zu verschwinden.

Als ihr Trupp vollständig war, setzte sich auch Grace in Bewegung. Das Ziel waren die Mechs. Was immer in dieser Gegend von Interesse für Blakes Wort war, entweder fanden die GEST es bei dem Lander – oder bei den Mechs.
Trupp drei eilte ihrer Eins hinterher und ging auf Flankendeckung.
Eine zweischneidige Vorgehensweise. Wer schnell das Ziel anging, lief Gefahr, in Minen oder eine andere Falle zu laufen.
Wer langsam war, vielleicht den Feind.
Grace hatte sich für einen schnellen Anmarsch entschieden. Und sie behielt Recht.
Als Erste erreichte sie das Wrack des Stadtkoloß, der als Alpha bezeichnet worden war. Mehrere direkte Treffer mit PPK und großkalibriger Autokanone hatten den zweibeinigen Mülleimer, wie er liebevoll genannt wurde, böse zugerichtet. Das Cockpit war ebenfalls zerstört, und von der Einrichtung war nicht einmal genug übrig geblieben, um einen Sarg zu füllen.
Ihrem Instinkt folgend wechselte sie auf die nahe Straße und ging sie nach. Sie passierte das Gebirge nahezu parallel auf einer Serpentine und hätte für die Operation keine Bedeutung gehabt. Wenn nicht der kleine, kaum befestigte Weg in einen kleinen Hain aus Fichten abgezweigt wäre. Und wenn der nicht mitten vor einem aufgeschossenen Bunkertor geendet hätte.
Die Offizierin pfiff leise. „Aha. Die Dragoner haben hier also ein hübsches, kleines Nebenversteck eingerichtet.
Team von Haudrauf eins. Bei mir sammeln. Zweierteams bilden und reingehen. Zeichnet jemand Feindkontakt oder ungewöhnliche Ortungen?“
Negativrufe antworteten ihr.

Grace erlaubte sich ein schmales Grinsen. Sie trat zwischen die zerschossenen Stahltüren und feuerte mehrere flächendeckende Salven ihres Lasers in den relativ großen Vorraum hinein. Boden, Wände, Decke.
Als keine Sekundärexplosionen erfolgten, glaubte sie umso mehr an eine Falle.
„Langsam vorrücken. Achtet auf Feindkontakt, Bündelladungen, Sensoren und Minen.
Haudrauf eins geht rein.“
„Haudrauf zwei geht rein.“
Janner Arguile hielt sich direkt neben ihr, in der rechten Hand das schwere Autogewehr. Wegen der rotierenden Trommel, die zwanzig panzerbrechende Schüsse pro Sekunde erlaubten, wurde es gerne Tommygun genannt. Im Nahkampf auf engstem Raum war sie eine der effektivsten Waffen.
Grace selbst hatte sich für einen Leichten Impulslaser als Primärbewaffnung entschieden. Zusammen mit dem Feuerleitcomputer erlaubte diese Waffe ihr, eine bereits angeschlagene Stelle immer wieder unter Beschuss nehmen zu können.
Hinter ihr kam das zweite Zweierteam ihres Trupps.
Henderson trug ein großkalibriges Scharfschützengewehr vom Typ Zeus, welches bei den geringen Distanzen in einem Bunker selbst eine Elementarrüstung durchschlagen konnte. Seine Partnerin Chen wiederum verließ sich lieber auf die großkalibrige, speziell für den Kampf gegen Elementare entwickelte Schrotflinte.

Der Vorraum wies alle Anzeichen eines heftigen Kampfes auf. Mehrere Tote lagen herum, einige Dragoner, von den hereinbrechenden Türen zerquetscht, zwei Elementare, die aus wenig mehr als verkohltem Fleisch und Metall bestanden. Und drei unbekannte Tote in unmarkierten Rüstungen, die mit Präzisionsschüssen in den Schwachstellen der Rüstungen getroffen und getötet worden waren.
„Da soll mich doch Blake persönlich holen“, stieß Chen Soon erstaunt aus. „Seit wann hat Blakes Wort Aktivpanzer?“
„Scheiße, scheiße, scheiße“, fluchte Grace unbeherrscht. „Blood eins von Haudrauf eins, kommen.“ „Blood eins hört.“
„Ich melde Alpha Papa bei Blakes Wort, ich wiederhole, Alpha Papa bei Blakes Wort. Ich lasse einen Trupp mit unseren Fundstücken zurückkehren und rücke weiter vor.“
„Haudrauf eins von Blood. Blakes Wort sollte nicht über Alpha Papa verfügen. Nutzen Sie das zu Ihrem Vorteil. Die Gefechtsdoktrin der Rüstungsträger ist garantiert veraltet.“
Grace mußte grinsen. Der Junge vom Alten hatte einiges auf dem Kasten.“
„Haudrauf eins, GAZ Tank eins liegt bei Fünnef Minuten, haben Sie verstanden, fünnef Minuten.“
„Verstanden. Haudrauf rückt ein.“
Sie wechselte auf die interne Einheits-Kommunikation zurück. „Okay, Herrschaften, Gefechtsrüstungen oder nicht, wir treten jetzt in ein paar Wortie-Ärsche.“
Bestätigungen erreichten sie. „Trupp vier sammelt die Rüstungen ein und bringt sie an Bord. Danach rückt Ihr sofort nach. Der Rest folgt mir.“
Für einen Moment dachte Grace daran, daß ihr alter GeschKo-Leiter für eine derartige Anweisung, geschweige denn bei ihrer Aussprache eine Lektion im Kreis der Gleichen erteilt hätte. Und sie dachte auch daran, um wie viel effektiver der Stil der Eagles war. „Los!“



Geschrieben von Ace Kaiser am 04.01.2003 um 22:27:

 

26.
Wütend blitzten Jean Kaisers Augen in die Runde. Die anwesenden Offiziere duckten sich unmerklich. „Okay“, begann sie, „wer hat David eine Shimatsu-SpielzeugMP geschenkt?“
Die anwesenden fünf Offiziere taten bemerkenswert harmlos und uninteressiert. Keiner wollte sich anscheinend diesen Schuh ansehen. Sie wußten alle, wie Jean zum Thema Spielzeugwaffen stand, gerade in Bezug auf ihre und Ace´ Kinder.
Während dessen jagte der kleine Mann durch den Konferenzraum und strahlte über das ganze Gesicht, als das Spielzeug laut zu knattern begann. Seine Schwester Rebecca hatte ihre liebe Mühe, den Zweijährigen einzuholen. „Will auch. Gib her, David.“
Eine riesige Hand griff zu und hob den Jungen vom Boden auf. Rebecca wäre fast gegen die Beine des Giganten gerannt. Aber auch hier war die Hand da und ergriff sie vorsichtig. Sie landeten beide auf den breiten Schultern des Riesen. Hauptmann Pawly strahlte dabei über das ganze Gesicht. Der ehemalige Elementare liebte kleine Kinder über alles. Und die Rasselbande der „kleinen Jean“, wie er die quirlige MechPilotin mitunter nannte, im besonderen. Die Kinder kreischten vor Vergnügen, als der Riese sich mit ihnen in Bewegung setzte und durch den Saal schritt.
Hauptmann Larry Crux schüttelte nur den Kopf. „Den können wir für die nächste Stunde abschreiben“, kommentierte er.
Jean sah dabei zu, wie der Elementare die beiden wieder absetzte und Hand in Hand mit ihnen nach draußen stürmte.
„Okay, Herrschaften, Pawly hat euch wieder mal vor dem Gong gerettet. Aber aufgeschoben ist nicht aufgehoben, verstanden?“
„Ja, Frau Oberst“, kamen die mürrischen Kommentare. Warum durfte man dem Sohn eines Söldnerchefs keine Spielzeugwaffen schenken? Das ging ihnen einfach nicht in den Kopf. Jeans Lieblingsgegenfrage dazu war stets, warum Rebecca nur Puppen bekam.

Einen kurzen Moment noch dachte Jean daran, wie sie von den Bulls zu den Eagles gewechselt war und Pawly, damals der Adjutant des alten Strebs, sie begleitet hatte. Heute war er wieder Infanterist in einem Gefechtspanzer. Und Babysitter. Und Stabsoffizier. Und Leiter der Theatergruppe. Und freiwilliger Literaturlehrer auf der Stützpunktschule. Die Liste schien sich endlos fortsetzen zu lassen. Es schien, als hole der Riese all die Aktivitäten nach, die ihm während der ersten dreißig Jahre seines Lebens bei den Jadefalken entgangen waren.
„Also, beginnen wir. Wie ist der Status unserer Truppen?“
„Wenn ich es mal auf den Punkt bringen darf, Jean“, meldete sich Larry Crux zu Wort, „das 3.MechBataillon ist soweit gefechtsklar. Wir haben volle Gefechtsstärke von vierzig Maschinen aller Klassen. Dazu fünf leichte und mittelschwere Mechs in Reserve.“
„Die Lufteinheiten in der Stärke von einer Staffel sind ebenfalls einsatzbereit.“ Oberleutnant Cord Kolibri McHale grinste schief. „Sechs Mühlen sind nicht viel, zugegeben. Aber nur weil Ace fast alle unsere Jäger mitgenommen hat, heißt das noch nicht, daß wir zwangsläufig in ein Dilemma geraten, in dem wir um jeden Preis fünfzig Jäger brauchen.“
„Oberleutnant, Sie erhalten einen Verweis. Es ist eine ungeschriebene Anweisung bei den Eagles, derartige Horrorszenarien nicht beim Namen zu nennen. Nach Murphys Gesetz treten sie dann nämlich auch ein.“
Als Jean den irritierten Blick des jungen Ligisten bemerkte, begann sie zu schmunzeln. „War nur Spaß, Cord. Was machen die Panzer?“
Major Yvonne DeRoche nickte beiläufig. Und nickte wieder.
„Yvie, die Panzer.“ Erschrocken fuhr die Majorin hoch. „Oh. Sorry, ich war in Gedanken. Dachte gerade daran, welchen Spaß die anderen jetzt gerade auf Outreach haben, während wir hier auf Towne festsitzen und unsere Wunden lecken.
Status der Einheit: Ein Bataillon mittelschwerer und schwerer Panzer mit einem leichten Überhang von Kettenpanzern und Energiewaffenträgern. Dazu eine Kompanie Leichte Erkunder. Alles in allem habe ich sechsundfünfzig Panzer aller Klassen, aber die wirklich schweren Brocken hat Tank mit nach Outreach genommen.“
„GEST“, begann Hauptmann Makoto Kaneda ohne Aufforderung, „haben wir leider nicht mehr. Der Boß hat alle mit nach Outreach genommen. Dafür verfügen wir aber über ein volles Bataillon Infanterie, wobei zwei Kompanien als Infanterie mit Sprungausrüstung geführt werden und eine Kompanie als Kommando ausgebildet ist. Die Kommandos verfügen über einen Zug Kröten. Ein wildes Sammelsurium. Zwei Grenzgänger, vier Chevaliers, elf Nebelparderrüstungen und acht KAGE. Letztere werden aber derzeit durch die Bank repariert, weil irgend jemand auf die witzige Idee gekommen ist, ein neuartiges Software-Update einzuspielen.“
„Ich kenne die Geschichte. Ein Tech hat eine Software für den Chevalier mit dem der KAGE verwechselt. Konnte ja keiner ahnen, daß sich nicht nur Davies und Kuritas, sondern auch deren Rüstungen und Computerprogramme einander an die Kehle gehen.“
Leises Gelächter antwortete der Oberstleutnant.

Sie blätterte in ihren Unterlagen. „Wo bleiben Leutnant Wong von den Helis und MeisterTech Klyne? Es liegt mir keine Entschuldigung für ihre Abwesenheit vor.“
„Was Auld Andy macht, weiß ich nicht“, meldete sich wieder Makoto zu Wort. „Aber Ellen ist heute raus, um ihren Hawk Moth zu erproben. Er war lange in Reparatur und sie wollte ihn auf Herz und Nieren prüfen. Aber ich bin mir sicher, ich habe dir eine Notiz zu den Unterlagen....“ Der Draconier kramte in seinen Taschen. „Mist, doch nicht hingelegt. Ist noch in meiner Tasche. Hier, bitte, Jean.“
Die Frau nahm den Zettel entgegen und las die kurze Notiz, mit der die St.Iveslerin um die Freistellung von der täglichen Besprechung bat, um ihr Arbeitsgerät auf Herz und Nieren zu checken. „Geht in Ordnung. Aber einer sollte sich Notizen machen, um sie später über die wichtigen Details zu informieren.“
Sie aktivierte ihre Sprechanlage. „Charlize, geben Sie mir doch bitte Bescheid, wenn Oberst Klyne kommt.“
„Okay, Frau Oberstleutnant“, flötete die Sekretärin zurück.
„Ist doch sonst nicht seine Art“, brummte sie.

„MeisterTech Klyne hat gerade angerufen“, meldete sich die Sprechanlage unerwartet zu Wort. „Es wird später. Er war noch in der KommAnlage des Stützpunktes. Er klang sehr ärgerlich.“ „Ist in Ordnung. Sobald er da ist, lassen Sie ihn gleich rein.“
Jean desaktivierte die Verbindung wieder. „Wird wohl um den Kontakt mit Outreach gehen. Seit drei Tagen kriegen wir keine Verbindung mehr zu unserem Büro. Und dieser beknackte Akoluth behauptet immer wieder, auch Alphastationen könnten mal kaputt gehen oder für eine Wartung herunter gefahren werden.
Weiter im Text. Der Wettpool für unseren nächsten Einsatzort ist mittlerweile auf vierzigtausend C-Noten angewachsen. Yvie, würdest du uns bitte einiges dazu sagen?“
Die Panzerfahrerin stand auf. Diesmal hatte sie anscheinend zugehört.
„Das sind die Quoten von heute Morgen, sieben Uhr.
Die beste Quote hat Diana im Kerenskycluster. Sie liegt bei sieben zu eins.“
Leise lachten die Anwesenden.
„Darauf folgt Tharkad mit fünf zu eins und Skye mit immerhin drei zu eins.
Coventry ist genau bei eins zu eins. Dann kommen Kittery mit eins zu drei, Woodstock mit eins zu dreieinhalb, New Avalon mit eins zu vier und zuguterletzt Kathil mit der Spitzenquote eins zu elf. Diese Welt ins hoffnungslos überboten. Für eine auf diese Welt gewetteten C-Note bekommt man nicht einmal zehn Cent raus.“
„So wie Ace verhandelt wird es vielleicht doch Coventry“, scherzte Larry und zückte eine 10er C-Note. „Zehn auf Coventry.“
Yvie ergriff das Geld und machte sich eine Notiz. „Ist registriert. Und was machst du mit deinem Gewinn? Einen neuen Mech kaufen?“
Wieder lachten die Offiziere.

In diesem Moment ging die Tür auf. MeisterTech Klyne trat ein. „Well, Lads und Lasses, sorry, daß es so lange gedauert hat, aber uirr hatten ae damn Problem zu lösen.
Hier, Lass, lies das mal.“
Jean nahm den Zettel aus der Hand des großen Schotten entgegen.
Sie ging grob über den Zettel und stutzte. Dann las sie ihn noch mal. „Geben Sie Alarm für den Stützpunkt, wir gehen auf Bereitschaft. Ausgang ist bis auf weiteres gestrichen.“
Die Offiziere sahen sie erstaunt an.
Jean hielt das Blatt hoch. „Dies ist eine Erhebung. Demnach ist die Kommunikation zu elf bewohnten Welten ausgefallen, unter ihnen Outreach. So verdammt unfähig können die ComStarTechs gar nicht sein. Wir wollen auf Nummer sicher gehen.“
Die Eagles bestätigten und verließen den Raum, um in ihren Teileinheiten einen Wirbel der Geschäftigkeit auszulösen.
Jean starrte auf den Zettel. Ace, ging es ihr durch den Kopf. Ace, er war auf dem Weg nach Outreach. Was, wenn ihm etwas zustieß? Was, wenn er in einen capellanischen Großangriff geriet?
Sie spürte eine Hand auf ihrer Schulter.
Der alte Mann nickte ihr beruhigend zu. „Well, Lass, wenn ich eines gelernt habe in den letzten fünfzehn Jahren, dann, daß Ace nicht umzubringen ist.“
Sie berührte die Hand auf ihrer Schulter. Dieser Mann hatte sie gewiegt, als sie noch ein Baby war. Er war sogar der Brautführer auf ihrer Hochzeit gewesen. Und all die Jahre war er unerschütterlich loyal gewesen. Einmal davon abgesehen, daß noch nie eine seiner Prognosen daneben gegangen waren.
Sie schmunzelte bei dem Gedanken. „Sag mal, Andy, auf welche Welt hast Du gewettet?“
Er sah sie an, ernst. „Well, auf Towne, Lass. Auf Towne.“


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