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Thema: Kritik: Hinter den feindlichen Linien
Tyr Svenson

Antworten: 2.018
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17.06.2023 20:11 Forum: Kurzgeschichten


Ganz ehrlich, dass weiß ich nicht so recht.

Dass von dir und Ironheart schon seit sehr langem (seit letztem Jahr?) keine Texte mehr gekommen sind, hat etwas dazu beigetragen, dass ich ein bisschen die Motivation verloren habe. Die Sache ist so groß, sie braucht einfach mehrere Autoren, die dabei sind.


Ich meine, ich traue es mir nicht zu, dass alleine zu einem Ende bringen zu können - und Catta ist momentan beruflich ganz schon gefordert und nachdem wir Cunnigham verloren haben...


Einiges an Stress im Beruf (und auf der pos. Seite der Start einer neuen RPG-Gruppe) haben bei mir noch dazu beigetragen, dass ich nicht mehr so richtig Zeit gefunden habe...
Thema: Kritik: Hinter den feindlichen Linien
Tyr Svenson

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07.02.2023 17:40 Forum: Kurzgeschichten


Es wäre verdammt riskant, sich jetzt in größerer Zahl in der Nähe von Arta'Rijen zu zeigen. Die Gegend brummt von Kaiserlichen, die alle sehr lockere Zeigefinger haben.

Und sagen wir es mal so - es sind momentan definitiv weniger Guerillas als noch vor kurzem. Durch ihre Angriffsoperationen (und die imperialen Gegenschläge9 haben sie ganz schön eingebüßt o. mussten erst mal etwas verlegen/abtauchen. jedenfalls wenn sie schlau sind.

Und nein, momentan plane zumindest ich keinen Text zu den Guerillas. Ich muss sowieso zusehen, dass ich mit den regulären Streitkräften hinterher komme... traurig
Thema: Kritik: Hinter den feindlichen Linien
Tyr Svenson

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02.02.2023 17:41 Forum: Kurzgeschichten


Hallo,

Ich sagte doch, dass da noch ein zweiter Teil kommt, diesmal zu den Alliierten. Augenzwinkern
Da ich mit der Story nicht so schnell vorankam wie erhofft (und sie länger und länger wurde9, dachte ich, ich poste mal lieber den ersten Teil, als dass es noch einen Monat dauert und eine Riesentext wird...
Versprochen, da geht es um die 4. Sturmdivision und um das 30. Korps und wie es bei denen aussieht.

Was die Guerilla angeht...nun ja, mal ehrlich, nach einer Reihe von Schlägen gegen die Akarii (und ihren hohen Verlusten bei Arta'Rijen) und weil das Hinterland jetzt wegen den Luftlandetruppen ziemlich rotiert, sollten die sich erst mal wieder etwas abducken. Augenzwinkern
Thema: Kritik: Hinter den feindlichen Linien
Tyr Svenson

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01.02.2023 17:48 Forum: Kurzgeschichten


So, von mir kommt mal wieder eine kleine Geschichte. Diesmal mal wieder zum Bodenkrieg.

Eine zweiter Teil zu den Ereignissen auf alliierter Seite ist in Planung, kann aber noch etwas dauern...
Thema: Hinter den feindlichen Linien - Season 7 - Zwischen Himmel und Hölle
Tyr Svenson

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01.02.2023 17:47 Forum: Kurzgeschichten


Kriegssplitter V


4:15 Uhr: Angriff auf Objekt 25 beginnt
5:09 Uhr: Objekt 25 weitestgehend in imperialer Hand. Feind hält obere Stockwerke und Keller
7:18 Uhr: Feindlicher Gegenstoß beginnt, unterstützt von Mörserbeschuss und Scharfschützen. Keine Verstärkung unserer Angriffstruppen möglich.
9:20 Uhr: Imperialer-Konterangriff bricht durch und wirft feindlichen Angriff zurück
12:10 Uhr: Objekt 25 vollständig in imperialer Hand. Gegner zurückgeschlagen oder vernichtet, Objekt schwer beschädigt.



Gamma-Eridon, im Stadtgebiet von Arta‘Rijen
Vierter Tag der Operation Markat

Die Explosion war so nahe, dass die massiven Kellerwände zu wanken schienen. Ein Schauer aus Betonbröckchen und Staub prasselte auf die Köpfe der Akarii-Infanteristen, doch nur wenige zuckten kurz zusammen. Die meisten der Gesichter hinter den hochgeklappten Helmvisieren waren angespannt aber ruhig. Die Mehrzahl dieser Männer und Frauen waren altgediente Veteranen des Terranerkrieges.
Was auch für die Frau galt, die vor ihnen stand. Majorin Danik ‚Die Totengräberin‘ Atara von den ‚Herolden des Todes‘ hielt sich sehr aufrecht, obwohl sie nur wenig Schlaf gefunden hatte und immer noch ihren verletzten Arm nicht richtig bewegen konnte. Aber von so etwas hatte sich die zur Kampfkommandantin von Arta’Rijen ernannte Panzeroffizierin noch nie aufhalten lassen. Ihr heftig vernarbtes Gesicht gab davon ein beredtes Zeugnis.
„Ich brauche wohl nicht zu sagen, wie wichtig es ist, dieses verdammte Hochhaus zu sichern. Mit Objekt 25 haben wir eine Position, die uns eine klare Sicht auf die Brücke und das vom Feind kontrollierte Gebiet gewährt. Mit der Einnahme dieses ehemaligen Büro- und Verwaltungshochhauses verwehren wir dem Gegner zudem eine günstige Position für Scharfschützen, Artilleriebeobachter und Zieleinweiser für Luftschläge. Und wir sind unserem Ziel, einen Keil in das von den Menschen gehaltene Territorium zu treiben und die Glatthäute und ihre Lakaien in mehrere Kessel aufzusplittern, einen großen Schritt nähergekommen. Der Feind weiß das natürlich und wollte Gebäude 25 schon einmal zurückerobern. Er kann es noch einmal versuchen. Also muss das Umfeld gesichert und die verbliebenen feindlichen Feuernester ausgeschaltet werden, die unsere Verbindungslinien bedrohen. Und an dem Punkt kommt ihr ins Spiel…“

Eigentlich war es nicht die Aufgabe einer Bezirks-Kampfkommandantin, einem Infanterie-Stoßtrupp kurz hinter der Hauptkampflinie eine persönliche Motivationsrede zu halten. Aber Atara war keine gewöhnliche Befehlshaberin und der Kampf um Arta’Rijen keine normale Schlacht. Es stand viel auf dem Spiel. Was auch der Grund war, warum die imperialen Truppen Tag und Nacht angriffen.

Als sie die Straße betraten, wandte sich die Kampfkommandantin noch einmal um und sah dem ausrückenden Angriffstrupp hinterher. Ein dumpfes Rattern übertönte die Schritte und halblauten Worte der Soldaten, als ein schweres Laka-Sturmgeschütz in die Straße einbog, dem zwei leichte Radpanzer folgten.
Während die Kommandantin sich auf dem Weg zu ihrem Transportpanzer machte, war sie mit ihren Gedanken allerdings offenbar schon wieder woanders: „Was ist mit der Feuerunterstützung durch unsere Artillerie?“
Lieutenant Haktar, den Atara von Hauptman Golis, dem früheren Kommandanten von Arta’Rijen ‚übernommen‘ hatte, räusperte sich und musste die Stimme erheben, um den vorbeirollenden Panzerjäger zu übertönen: „Werferabteilung Drei unterstützt den Angriff. Aber was die schwere Raketenartillerie angeht, warten wir immer noch auf Nachschub.“
„Ich dachte, der nächste Transport sollte inzwischen eingetroffen sein. Was ist passiert? Schon wieder ein Luftangriff, oder wurde unsere Munition umdirigiert?“
„Es…war die Guerilla.“
Danik Ataras Kommentar war so prägnant wie unflätig und verriet ihre Herkunft von der Panzertruppe.
„Die Hälfte der Transporter wurde vernichtet, die meisten übrigen beschädigt. Wir versuchen so viel wie möglich von der Ladung zu bergen, aber das…“
„Kostet Zeit, die wir nicht haben. Ich dachte, inzwischen hätten wir dieses Ungeziefer zurück in seine Löcher gejagt. Wie kann es sein, dass sie uns immer noch Probleme machen?“
Haktar war froh, wenigstens eine gute Nachricht weitergeben zu können; „Zumindest diese Einheit wird das nicht mehr tun. Die Guerillaeinheit wurde kurz nach dem Angriff gestellt und aufgerieben.“
„Besser wäre es gewesen, wenn das VOR ihrem Angriff passiert wäre, aber…wissen wir, zu welcher Einheit die Angreifer gehörten und wo sie ihre Basis hatten?“
„Die Leichen werden noch untersucht. Ein Turam*-Jagdkommando hat den Guerilla-Angriffstrupp gestellt und…es gab keine Überlebenden.“
Danik Atara zischte abschätzig: „Schlamperei. Erinnern Sie mich daran, dass ich diese Bande nie für die Bewachung von Gefangenen einsetze. Zumindest keinen, die vielleicht noch einen WERT besitzen. Wir…“

Ihre nächsten Worte wurden von einem schrillen, anschwellenden Pfeifen übertönt, das sich zu einem ohrenbetäubenden Heulen steigerte. Haktar duckte sich instinktiv neben der zerschossenen Hauswand zu seiner Rechten in die Knie und presste den Kopf mit weit geöffnetem Mund auf die Brust.
Die folgende Explosion konnte er ebenso hören, wie fühlen – fast schien es, als würde der Boden kurz zusammenzucken. Aber der Einschlag war zum Glück mindestens zweihundert Meter entfernt und mit einem lautlosen Fluch richtete er sich wieder auf. Die ‚Totengräberin‘ schien nicht einmal zusammengezuckt zu sein: „Entspannen Sie sich. Noch eine dieser verdammten Hydra-Raketen, die die Terraner als Artillerie umfunktioniert haben. Ein Glück, dass die Raketen ungelenkt sind und eher zum Sprengen gepanzerter Ziele konzipiert wurden.“
‚Sie machen uns auch so genug zu schaffen. Vor allem, da diese verfluchten Luftlandetruppen eigentlich gar keine schwere Artillerie haben DÜRFTEN.‘
„Was gibt es Neues von der anderen Seite des Flusses?“

Ataras Kampfauftrag wurde dadurch kompliziert, dass der Feind sich auf beiden Seiten des Rijen festgesetzt hatte. Dass die Menschen und ihre Verbündeten immer noch die Brücke über den Fluss hielten und von der einen Seite das 30. Peshten-Korps und von der anderen die im imperialen Hinterland gelandete 4. Peshten-Sturmdivision zu ihrer Verstärkung anrückten, machten die Mission der ‚Totengräberin‘ zu einem logistischen Albtraum.

„Wir machen Fortschritte. Aber auf der anderen Flussseite fehlt es noch stärker an Artillerie und Truppen, da die benötigt werden, um die 4. Sturmdivision aufzuhalten. Wir…“
„Ich bin mir dessen bewusst. Richten Sie Hauptmann Golis aus, dass er wegen dem Nachschub Druck machen soll. Wir brauchen mehr Munition und mehr Soldaten. Eigentlich auch noch Panzer, Artillerie und Luftunterstützung, aber ich kenne den Unterschied zwischen ‚schwierig‘ und ‚unmöglich‘.
Apropos Golis. Macht sein Pontonbrücken-Projekt Fortschritte?“
„Ah…die Arbeiten sind angelaufen. Und da die Einflüge der feindlichen Luftwaffe seit gestern deutlich nachgelassen haben, ist er zuversichtlich, dass die neue Rijen-Brücke termingerecht fertig sein wird.“
„Lieber wäre es mir, wir würden diese Ersatzbrücke nicht brauchen.“ Immerhin war es Danik Ataras Aufgabe, die ECHTE Rijen-Brücke wieder in imperiale Hand zu bringen. Auch wenn sich das als langwieriger erwies als gedacht: „Sonst noch etwas?“
„Eine Anfrage vom Oberkommando. Sie wollen wissen…“
„Ich kann mir vorstellen, was sie wollen. Generaloberst Tyrosch möchte erfahren, wann ich diese Eiterbeule endlich ausgedrückt habe. Sagen Sie ihm…Nein. Ich werde selber…“, sie deutete auf das etwas weiter die Straße hinunter stehende Kommandofahrzeug.

Wieder schnitt das Aufheulen eines abgefeuerten Hydra-Werfers durch Danik Ataras Worte, auch wenn es diesmal von einem anderen Ort zu kommen schien. Außerdem war das Kreischen diesmal schriller, lauter und schneidender.
„Verdammt.“, übergangslos sprintete die Kampfkommandantin los. Die Sohlen ihrer Kampfstiefel knallten über den mit Trümmern übersäten Straßenbelag. Ohne auf die ebenfalls in Deckung hechtenden Soldaten ihres Begleitkommandos zu achten, warf sich Atara unter das Panzerfahrzeug. Haktar war ihr auf den Fersen, strauchelte kurz – die Kommandantin zerrte ihn kurzerhand am Knöchel unter den Radpanzer: „Kopf runter!“
Dann versank die Welt in Dreck, Staub und Chaos.

Lieutenant Haktar wusste nicht, wann er das Bewusstsein zurückgewann. Vielleicht waren nur ein paar Sekunden, vielleicht Minuten oder sogar Stunden vergangen.
Die Umgebung war immer noch in das Grauschwarz der Explosionswolke getaucht. Dreck und Staub überzogen Haktars Panzeranzug, den Radpanzer, der ihm Schutz geboten und möglicherweise das Leben gerettet hatte, den zerschundenen Straßenbelag und die Reste des benachbarten Gebäudes, das halb in sich zusammengestürzt war. In dem unheimlichen Zwielicht schienen alle Konturen verzerrt und alle Geräusche gedämpft. Nur schemenhaft waren die Soldaten des Begleitkommandos zu erkennen, die sich wie in Zeitlupe durch den Qualm zu bewegen schienen.
Irgendjemand packte Haktar an der Schulter und rüttelte ihn, während er vergeblich versuchte seine Gedanken zu ordnen. Er musste…
Ein heftiger Schlag mitten ins Gesicht schleuderte seinen Kopf herum und riss ihn aus dem Wirrwarr unzusammenhängender Gedankenfetzen: „Reißen Sie sich zusammen!“
Mit Mühe fokussierte Haktar seinen Blick und seine Gedanken auf die vor ihm kniende ‚Totengräberin‘. Abgesehen von der Dreck- und Staubschicht, die sie von Kopf bis Fuß bedeckte, schien Danik Atara seltsam unberührt von dem Chaos: „Geht es wieder?“
„Was…“
„Ein Nahtreffer.“, in Danik Ataras Worten schwang fast so etwas wie grausame Belustigung mit: „Wir haben Glück gehabt. Zwei Leichtverletzte. Kommen Sie, wir verschwinden. Falls die Glatthäute uns auf Korn genommen haben sollten, wollen wir ihnen doch keine Gelegenheit bieten, es noch einmal zu versuchen. Unser kleiner Frontbesuch ist vorbei.“

Während ihr Adjutant etwas schwerfällig auf die Beine kam, kletterte die Kampfkommandantin bereits gewandt in das Kommandofahrzeug, auch wenn sie nur eine Hand gebrauchen konnte. Der Motor des Radpanzers erwachte zum Leben, während der Gefechtsturm eine Neunzig-Grad-Drehung vollführte – offenbar wollte sich die Besatzung überzeugen, dass die Turmmechanik nichts abbekommen hatte. Auch die Soldaten des Begleitkommandos kletterten auf ihren Schützenpanzer.
Haktar war kaum durch die Luke, als das Fahrzeug auch schon anrollte. Der Lieutenant riss sich den Helm vom Kopf und atmete gierig die gefilterte Luft des Panzers ein. Die stank allerdings ebenfalls noch nach Qualm und Staub. Er sah sich nach Kampfkommandantin Atara um, aber die ‚Totengräberin‘ war in das C3-Holo-Display vertieft, das die Stellungen und Frontlinien der Schlacht um Arta’Rijen zeigte. Natürlich hatte sie auch über ihr Helmdisplay darauf Zugriff, aber das ging auf Kosten des Detailreichtums.
„Stellen Sie eine Verbindung zur anderen Flussseite her. Die 4. Sturmdivision ist immer noch auf dem Weg hierher. Wir müssen auf jeden Fall verhindern, dass sie Anschluss an unsere Freunde hier gewinnen.“
„Ein erneuter Angriff? Die letzten Meldungen…“
„Sind mir bekannt. Ich weiß, wie wenige Truppen wir zur Verfügung haben. Aber die gegnerischen Einheiten sind schließlich auch nicht unbedingt Frontkaliber. Schalten Sie unsere Artillerie dazu – auf BEIDEN Seiten des Rijen. Mal sehen, ob ein paar konzentrierte Artillerieschläge etwas bringen. Und ja, ich weiß, wie knapp unsere Munition ist.“
„Die nächsten Angriffe auf dieser Flussseite…“
„Starten wie geplant. Wir müssen von beiden Seiten des Kessels Druck machen.“

Während Lieutenant Haktar sich an die diensthabende Kommunikations-Offizierin wandte, spürte er, wie der Radpanzer langsamer wurde und kurz zur Seite gelenkt wurde. Ein Blick aus dem Fenster verriet ihm den Grund: eine vorrückende Infanteriekolonne blockierte einen Großteil der Fahrbahn. Die meisten der Männer und Frauen trugen keine vollständigen Gefechtsanzüge, sondern lediglich Panzerwesten, Infanteriehelme und nur vereinzelt zusätzliche Panzerung an den Gliedmaßen. Aber immerhin waren sie gut bewaffnet. Neben Lasergewehren registrierte Haktar Schnellfeuerlaser, schultergestützte Raketen- und Granatwerfer, sogar mehrere Plasma-Flammenwerfer. Falls die Infanteristen das Kommandoabzeichen auf der Flanke des Radpanzers bemerkten, dann ignorierten sie es – bis auf einige, die spöttisch winkten oder sich sogar vereinzelt zu unflätigen Gesten hinreißen ließen. Doch Danik Atara war so sehr in die holografische Schlachtfelddarstellung vertieft, dass sie es nicht bemerkte. Und hätte sie es gesehen, sie hätte wahrscheinlich nur darüber gelacht.


**************


Gamma-Eridon, Vereinigtes Hauptquartier der 17. und 22. Heeresgruppe der imperialen Armee
Ungefähr zur selben Zeit


„Und das ist gesichert?“, Generaloberst Tyroschs Stimme klang ruhig, fast tonlos. Aber etwas in seinen Augen ließ den unglücklichen Stabsoffizier auf dem Bildschirm vor ihm schlucken.
„Kein Zweifel, was das Ausmaß der Zerstörung angeht. Das Treibstofflager wurde fast vollständig vernichtet. Nach den Bombenabwürfen kam es zu Sekundärexplosionen und bränden, die letztendlich fast das gesamte Areal erfassten. Weniger als zehn Prozent der Tanks wurden verschont oder konnten gesichert werden. Die Verluste an Tankfahrzeugen…“
„Wissen Sie auch, wie es dazu kommen konnte?“
„Ich verstehe nicht…“
„Wie konnte es passieren, dass – zwei? – Kampfflieger fast die Hälfte von Generalin Jerons Treibstoffreserven vernichten und dann sogar noch entkommen konnten? War das die Inkompetenz der Luftabwehr? Oder Verrat?“
Der Stabsoffizier versteifte sich: „Ich versichere Ihnen, dass niemand…“
„Also einfach nur Dummheit.“, der Oberkommandierende schwieg ein paar Herzschläge. Dann hatte er sich wieder im Griff und den unangemessenen Impuls unterdrückt, den unglücklichen Überbringer der schlechten Nachrichten verbal in Stücke zu reißen: „Wissen Sie, wer den Bombenangriff geflogen hat?“
„Nach unseren bisherigen Erkenntnissen war es eine kombinierte terranisch-peshtische Operation, mit mehreren flankierenden Einsätzen um den eigentlichen Schlag zu verschleiern. Den Luftschlag gegen das Tanklager haben Maschinen der ‚Angry Angels‘ geflogen.“
„Natürlich.“, Generaloberst Tyrosch kniff die Augen zusammen und unterdrückte einen weiteren Wutanfall: „Gehe ich recht in der Annahme, dass Sie mir mitteilen sollen, dass Jerons Imperiale Ranger damit für die geplante Offensivoperation ausfallen?“
„Abgesehen von Aufklärungseinsätzen und kurzen Vorstößen auf Kompanieebene reichen unsere Reserven nur noch für Defensivoperationen. Das vorgesehene Umschwenken unserer Panzer- und mechanisierten Verbände gegen die Flanke des vorrückenden 30. Peshten-Korps ist hingegen unmöglich. Wenn wir nicht riskieren wollen, dass unsere Fahrzeuge auf dem Marsch oder schlimmer noch mitten in der Schlacht liegen bleiben.“
‚Ein bisschen Rückgrat hast du also doch, Junge.‘ „Und was gedenkt Generalin Jeron wegen dieses Problems zu unternehmen?“
„Wir haben bereits nach der Einnahme der Rijen-Brücke durch den Gegner begonnen, unsere Nachschublinien an die neue Situation anzupassen und diese Maßnahmen werden intensiviert. Die Reserven werden strikt rationiert. Lufttransporter und Schweber werden eingesetzt, um prioritär Munition und Treibstoff über den Rijen zu bringen. Aber die Luftangriffe der letzten Tage, die Landung der 4. Sturmdivision im imperialen Hinterland und die verstärkten Kommando- und Guerillaaktivitäten des Gegners haben unsere Transportkapazitäten stark dezimiert. Im Kommandobereich von Kampfkommandantin Atara wird zwar bereits an einer Pontonbrücke gearbeitet…“
„Die ‚Totengräberin‘ sollte sich lieber darauf konzentrieren, dass Arta’Rijen wieder in unsere Hand fällt.“, schnaubte Tyrosch, aber dieser Bemerkung fehlte es an Nachdruck.

Ein anderer Oberkommandierender hätte Generalin Jerons Schwierigkeiten und Kampfkommandantin Ataras Unvermögen, die Brücke über den Rijen gemäß dem ihr gesetzten Zeitplan zurückzuerobern, vielleicht als Beweis gewertet, dass Frauen doch nicht für Kommandoaufgaben geeignet waren.
Aber Generaloberst Tyrosch war zwar alt, aber nicht SO altmodisch – und auch nicht dumm. Er wusste um Generalin Jerons Leistungen. Und mit welchen begrenzten Mitteln er die ‚Totengräberin‘ in den Häuserkampf geschickt hatte.

„Sagen Sie Generalin Jeron, dass sie die Flanke des 30. Korps unter Druck setzen muss. Artillerieschläge, Infanterievorstöße – ja, auch mit Panzerunterstützung auf Kompanieebene. Wirbeln Sie Staub auf. Sie dürfen die Peshten nicht zur Ruhe kommen lassen.“
„Aber wir können unmöglich…“
„Das ist mir bewusst. Ich verlange nicht, dass Sie den Gegner werfen. Aber das kann er ja schließlich nicht wissen. Ich will, dass Peshten sich in keiner Sekunde sicher fühlen. Wir dürfen ihnen nicht erlauben, dass sie das Ausmaß von Jerons Treibstoffknappheit realisieren und Truppen an andere Frontabschnitte verlegen können.“
„Sie haben unser Treibstoffdepot wohl kaum zufällig angegriffen. Das war ein gezielter Schlag. Und was den Erfolg des Luftangriffs angeht…den können wir wohl schwerlich geheim halten. Einige Tanks brennen immer noch. Der Qualm ist dutzende Klicks weit zu sehen – vermutlich sogar aus dem Orbit. Die Peshten müssten blind sein…“
„Und dabei haben sie ja sogar drei Augen, jaja. Aber sie können eben nicht mit absoluter Sicherheit WISSEN, wie viel Treibstoff Jeron noch zur Verfügung hat. Sie können es nur vermuten. Wir müssen sie glauben machen, dass ein Angriff der Imperialen Rangers immer noch jederzeit erfolgen kann.“
„Glauben Sie wirklich, dass das funktioniert?“
„Was ich glaube, soll nicht Ihre Sorge sein. Aber wir haben die Peshten und die Menschen schon einmal überrascht. Sie sollen fürchten, dass das wieder geschieht. Also muss Jeron Druck machen.“
„Es wird Verluste geben.“
„Ich bin mir dessen bewusst. Sie haben Ihre Befehle. Geben Sie diese an Generalin Jeron weiter. Ich erwarte die Ausführung.“
Der Stabsoffizier salutierte unglücklich. Nicht, dass er wirklich eine Wahl gehabt hätte. Dann beendete er die Verbindung.

Generaloberst Tyrosch schloss kurz die Augen und erlaubte sich einige wenige Augenblicke der Ruhe. Am heutigen Tag spürte er die auf seinen Schultern lastende Bürde besonders deutlich. Er hatte diesen Befehl weder gerne noch leichtfertig gegeben, aber es hatte sein müssen. ‚Stellt sich nur die Frage, ob die Geschichte mir rechtgeben wird. Oder die Geister der Toten. Und ihre Familien…‘ Dann schob er diese Gedanken als sinnlos beiseite: „Verbinden Sie mich mit General Bû.“

Wenige Augenblicke später stand die Verbindung zum Befehlshaber der ‚Herolde des Todes‘, dessen Einheit zusammen mit den Imperial Rangers vor scheinbar so kurzer Zeit noch die Speerspitze des imperialen Streitkräfte gebildet hatte. Und die jetzt durch den Angriff des 30. Korps drohten, in zwei Teile gespalten zu werden: „General Bû, sind Ihre Truppen angriffsbereit?“
Der General wirkte übernächtigt, aber er wusste, was von ihm erwartet wurde: „Die Neuformierung unserer Angriffsverbände läuft planmäßig.“
„Es freut mich, dass alle Ihre Panzer wieder einsatzfähig sind.“ Diese kleine Spitze konnte sich Tyrosch nicht verkneifen. Als er vor wenigen Tagen General Bû befohlen hatte, den Großteil seiner Panzer zu Generalin Jeron zu verlagern, da deren Angriffskeile sich noch nicht in der alliierten Abwehrfront festgebissen hatte, hatte Bû eine verdächtig hohe Anzahl Fahrzeuge ‚nicht transportfähig‘ gemeldet. Nicht gewillt, seine Kampfwagen abzugeben, hatte Bû einen uralten Panzerfahrertrick angewendet. Seine Mechaniker hatten die Ketten und Schweberturbinen der Maschinen abmontiert – und schon konnten diese als ‚in Reparatur‘ zurückbehalten werden. Tyrosch hatte das Bû nicht einmal übelgenommen – höchstens die Tatsache, dass der General glaubte, seinen Vorgesetzten mit so einem billigen Trick hereinlegen zu können.
„Meine Techs haben ganze Arbeit geleistet.“, parierte Bû mit ausdrucksloser Miene: „Letzten Endes erweist sich das vielleicht sogar als Vorteil. So haben wir jetzt mehr Panzer, um das 30. Korps anzugreifen.“
Ungewollt spürte Tyrosch, wie es um seine Mundwinkel zuckte, während Bû fortfuhr: „Die ‚Herolde des Todes‘ sind angriffsbereit, wenn Sie den Befehl geben.“, der General zögerte kurz und fuhr dann fort: „Die ‚Imperialen Ranger‘…“
„Können leider nicht in der erhofften Stärke antreten. Aber Generalin Jeron wird alles in ihrer Macht stehende tun, um den Angriff gegen das 30. Korps zu unterstützen.“

Das Verhältnis zwischen Bû und Jeron war von einer kräftigen Dosis Rivalität gekennzeichnet gewesen. Aber jetzt hätte Bû wohl gerne die zusätzliche Unterstützung der ‚Rangers‘ gehabt: „Ein Aufschub des Angriffs…“
„Ist unmöglich – und das wissen Sie. Wir müssen jetzt zuschlagen und den feindlichen Vormarsch stoppen. Jede Stunde, die das 30. Korps vorrücken und gleichzeitig seine Flanken befestigen kann, bringt uns einer Katastrophe näher. Wenn sie es schaffen, nach Arta’Rijen vorzustoßen und sich mit den gelandeten Truppen und am Ende sogar der 4. Sturmdivision zu vereinigen, dann bekommen wir sie da nicht mehr weg. Dann steht alles auf dem Spiel, was wir in den letzten Wochen gewonnen haben. Und die ‚Imperialen Ranger‘ wären halb eingekesselt. Das darf nicht geschehen.“
‚Und wenn wir es nicht verhindern können?‘ Diese Frage äußerte General Bû nicht laut, aber seine Miene sagte mehr als tausend Worte.
„Deshalb müssen Sie angreifen und die Linien des 30. Korps durchbrechen. Schneiden Sie seine Panzerspitzen ab – oder stoppen Sie sie zumindest. JETZT, solange es noch nicht zu spät ist – und solange dem Gegner durch die Abkommandierung der COLUMBIA in den tiefen Raum ein komplettes Elitegeschwader fehlt.“
„Unsere vom Sprungpunkt aus anrückende Verstärkung…“
„Braucht zu lange. Wir können nicht warten. Ich vertraue unserer Flotte, dass sie sich ihren Weg an den feindlichen Raumstreitkräften vorbei freikämpfen kann.“, das war eine Lüge, tatsächlich waren Generaloberst Tyroschs Meinung nach die Chancen der anstehenden Raumschlacht zu ausgeglichen, um auf IRGENDETWAS zu vertrauen, „…aber bis sie hier sind, könnte es zu spät sein. Das 30. Korps DARF Arta’Rijen nicht erreichen.“
„Ich…verstehe.“
„Unsere Fernartillerie und Luftwaffe wird Ihren Angriff unterstützen.“, Tyrosch wusste, dass dieses Versprechen nicht viel bedeutete. Die imperiale Fernartillerie war nach den Frontverschiebungen der letzten Wochen und den Luftlandungen feindlicher Kräfte im imperialen Hinterland nicht in der besten Position um Bûs Gegenschlag zu unterstützen. Das gleiche galt für die notorisch überlasteten Luftstreitkräfte, die zudem hohe Verluste erlitten hatten. Und natürlich wusste das auch der General der ‚Herolde‘. „Ich werde das an die Männer und Frauen weitergeben.
Was die Schlacht um Arta’Rijen angeht…“
„Ich weiß, dass Sie Majorin Atara keine weiteren Frontlinientruppen zur Verfügung stellen können. Sie wird mit dem auskommen, was sie hat. Es wird Zeit, dass sie ihrem Ruf gerecht wird.“
„Die ‚Totengräberin‘ ist eine meiner besten Panzerkommandantinnen. Wir könnten Sie gut beim Durchstoßen der feindlichen Linien gebrauchen.“
‚Offensichtlich will jeder etwas, was er nicht haben kann…‘ „Atara ist momentan unabkömmlich. Ich brauche sie bei Arta’Rijen. Diese Schlacht ist fast genauso wichtig wie Ihre Aufgabe. Und ich werde nicht eine Kampfkommandantin ablösen, die gerade erst das Kommando übernommen hat.“ Dazu war die Situation bei der Schlacht um die strategisch entscheidende Stadt und die Brücke über den Rijen zu instabil. Und auch wenn Majorin Atara bisher Tyroschs Hoffnungen auf einen schnellen Sieg enttäuscht hatte, hatte sie eine potentiell außer Kontrolle geratene Lage stabilisiert und angefangen, den Gegner zurückzudrängen. Aber sie würde mehr Zeit brauchen. ‚Auch noch etwas, was ich nicht versprechen kann.‘
„Ich weiß, dass ich mich auf Sie verlassen kann, Bû. Und ich freue mich darauf, von Ihren Siegen zu hören.“, Tyrosch wusste, wie hohl diese Floskel in Bû’s Ohren klingen musste – aber mehr konnte er ihm im Augenblick nicht bieten. General Bû salutierte förmlich, schaltete ab und ließ Generaloberst Tyrosch mit einem unangenehmen Déjà-vu-Gefühl zurück.

Der Oberkommandierende der Akarii-Streitkräfte auf dem Planeten Gamma-Eridon wandte sich von dem dunkel gewordenen Bildschirm ab und konzentrierte sich wieder auf das Gefechtsfeld-Hologramm, das die gefährdete Lage der Imperialen veranschaulichte.
Da waren subtil eingefärbt die Gebiete, die sie vor so kurzer Zeit in einem vermeintlich unaufhaltsamen Sturmlauf erobert hatten. Da war der sich immer weiter vertiefende Keil, den der Konterangriff des 30. Korps in die Linien des Imperiums getrieben hatte. Und da waren, wie hässlich wuchernde Geschwüre in einem geschwächten Körper, die mitten im imperialen Hinterland aufpilzenden Positionen der feindlichen Luftlandetruppen. Binnen einer halben Woche hatte sich ein vermeintlicher Sieg in fragiles Patt verwandelt, das das das Risiko einer Katastrophe in sich barg. Die Lage mochte sich ein wenig stabilisiert haben – doch die nächsten Stunden und Tage würden entscheidend werden. ‚In einer Woche ist der Gegner geschlagen und auf dem Rückzug – oder wir haben unseren letzten Trumpf umsonst ausgespielt…‘
„Verbinden Sie mich mit Admiralin Morr.“
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* Auf Gamma-Eridon aufgestellte Einheit zur Guerillabekämpfung, berüchtigt für ihr rücksichtsloses Vorgehen.
Thema: Kritik: Hinter den feindlichen Linien
Tyr Svenson

Antworten: 2.018
Hits: 364.852
10.01.2023 22:05 Forum: Kurzgeschichten


Vielen dank für das Feedback! großes Grinsen
Jetzt muss ich aber nach der Weihnachts-/Neujahrspause mich mal wieder etwas zusammenreißen und mit dem schreiben anfangen... Augenzwinkern
Thema: Kritik: Hinter den feindlichen Linien
Tyr Svenson

Antworten: 2.018
Hits: 364.852
31.12.2022 09:41 Forum: Kurzgeschichten


So, von mir kommt heute mal wieder ein Text.

JA, er ist noch mal für die Akarii-Hofintrigen (und ein weiterer wird irgendwann folgen), aber das ist wichtig dafür, wie die Story weitergeht. Ich bitte deshalb, den Mangel an explodierenden Schiffen/Kampffliegern/Panzern zu entschuldigen. Augenzwinkern

Ich verspreche, dass der nächste Text den ich hier reinstelle, sich mal wieder dem Bodenkampf auf Gamma Eridon widmet und mehr Action enthalten wird. Teufel
Thema: Hinter den feindlichen Linien - Season 7 - Zwischen Himmel und Hölle
Tyr Svenson

Antworten: 210
Hits: 133.312
31.12.2022 09:38 Forum: Kurzgeschichten


‚So starb der Lord des Hauses Jockham.
Er fiel im Kampf – und das war seine größte Tat.
Denn er starb besser, als zu leben er wohl wusste…‘
Anonymes zeitgenössisches Spott-Kallat* aus der Akarii-Hauptstadt Pan‘chra


Admiral Kern Ramals Tage hatten zu wenig Stunden für all die Aufgaben, die mit der Leitung des Flottenstabes verbunden waren – vor allem, da durch den seit dem Duelltod von Prinzessgemahl Tobarii Jockham verwaisten Kriegsministerposten dem Flottenstab zusätzliche administrative Entscheidungen zufielen oder durch das Fehlen einer zentralen Instanz zumindest verzögert wurden. Dazu musste er mit selbstbewussten Untergebenen wie Admiral Taran umgehen, dem Chef des Planungsstabes, und nicht zuletzt die immer noch virulenten Auswirkungen der Offiziersverschwörung gegen Prinz Jor und die sich daran anschließenden ‚Säuberungen‘ ausgleichen. Und einen Krieg führen, der trotz jüngster Erfolge immer noch am Rande der Katastrophe balancierte.
Dennoch war Ramal fast dankbar für sein übervolles Arbeitspensum. All die Entscheidungen, Stabstreffen und Expertenberatungen gaben ihm das Gefühl etwas TUN, das Schicksal gestalten zu können – und lenkten ihn von anderen Dingen ab, die zu entscheiden nicht in seiner Macht lag.
Aber das war letztlich nur ein Aufschub, wie er es schon geahnt hatte. Wenn er auch nicht damit gerechnet hatte, dass der heutige Vorstoß aus DIESER Ecke kommen würde.

„Ich habe nicht erwartet, Sie wiederzusehen.“
Orris Yass zuckte mit den Schultern. Es wirkte fast nonchalant. Die neben ihm stehende Arish Lassat enthielt sich jedweder Gefühlsäußerung. Aber davon ließ sich Kern Ramal nicht täuschen. Keiner der beiden ehemaligen Sekundanten des im Duell gefallenen Prinzessregenten Tobarii Jockham wollte hier sein.
Und ihre Worte bestätigten Ramals Einschätzung: „Ich spreche nicht für das Haus Yass.“
„Und ich vertrete heute nicht das Haus Lassat.“
Die beiden Sekundanten tauschten einen Blick aus, der Übereinstimmung auszudrücken schien und vielleicht sogar mehr. Die nächsten Worte sprachen beide wie mit einer Stimme: „Wir sind nicht im Auftrag des Hauses Jockham hier.“
„Ich…verstehe.“
Tatsächlich war das keineswegs der Fall. Unwillkürlich fragte sich Ramal, ob es ein Fehler gewesen war, alleine und auch noch unbewaffnet zu diesem Treffen gekommen zu sein. Die Worte der beiden jungen Adligen, die einem Brauchtum folgten, das bis in die Akarii-Antike zurückreichte, klangen unheilverkündend ominös und erinnerten Ramal an die Geschichten von antiken Attentätern, die sich vor einem Mord von ihren Familien lossagten, um sie vor Vergeltung und Blutrache zu schützen.
„Und warum sind Sie dann hier?“
Wieder ein wechselseitiger Blick und erneut war es Yass, der das Wort ergriff. Vielleicht, weil seine Gefährtin Tobarii Jockhams Cousine war und deshalb das Reden lieber jemandem überlassen wollte, der dem toten Prinzessgemahl weniger nahe gestanden hatte: „Weil manche Dinge sein müssen.“
Dass Arish ihrem Mitsekundanten nicht nur Gesellschaft leistete, zeigte sich, als sie jetzt vortrat und das Tuch beiseite zog, das den länglichen Gegenstand in ihren Händen verbarg. Und bei dem es sich um ein Kampfschwert handelte.
Ramal unterdrückte ein Zusammenzucken oder eine Abwehrbewegung. Er kannte diese Waffe. Dieses Schwert hatte Tobarii Jockham an seinem Todestag geführt.
„Was…“
„Diese Klinge muss Linai Thelam übergeben werden.“
„Und warum wollen Sie, dass ich das übernehme?“, Ramal beäugte das Schwert wie ein giftiges Reptil. Er wollte die Waffe nicht anfassen. Auf Heft und Scheide glaubte er immer noch winzige, inzwischen schwarz verfärbte Blutspritzer zu sehen, auch wenn das vermutlich nur Einbildung war.
„Weil der Prinzessgemahl es so gewünscht hat.“, lautete Yass Antwort. Ramal blinzelte überrascht. Das hatte er nicht erwartet. Es passte nicht so recht zu dem eher pazifistischen Tobarii Jockham, der wenig mit den überalteten Bräuchen des Adels und den teilweise noch aus der Antike stammenden Duellregeln anfangen konnte.
„Und weil Haus Jockham keinen Kontakt mit Haus Thelam wünscht.“, fügte Arish widerwillig hinzu.
DAS war keine Überraschung. Seit dem Tod von Linais Gemahl hatte dessen Familie eine regelrechte Brandmauer zwischen sich und der Prinzessin errichtet. Es war ein offenes Geheimnis, dass sie weder zur Totenwache noch zur Beisetzung ihres Ehemanns geladen worden war. Natürlich hätte sie ihre Teilnahme erzwingen können. Doch darauf hatte Linai verzichtet – ob aus persönlichen Gründen oder weil sie wusste, was das für ein Bild in der Öffentlichkeit abgegeben hätte. Offiziell hatte sie sich ‚in ihre Trauer zurückgezogen‘, so eine traditionelle Umschreibung für eine nach einer Tragödie selbstgewählte Isolation und den Verzicht auf ein öffentliches Auftreten. Doch das war eine zunehmend fadenscheinig wirkende Entschuldigung.
„Ich…verstehe.“ Und diesmal stimmte es in mehr als einer Hinsicht. Denn Ramal verstand nicht nur die aus Tradition und Loyalität gestrickten Bande, die die beiden jungen Adligen vor ihm lenkten. Er begriff auch, dass ihm der verstorbene Prinzessgemahl Tobarii Jockham mit seinem Wunsch über den Tod hinaus auch eine Möglichkeit bot und gleichzeitig eine Verpflichtung auferlegte, der er sich nicht würde entziehen können.
Die beiden ehemaligen Sekundanten Jockhams verneigten sich leicht und fasst wie abgestimmt, wandten sich dann um und gingen. Sie sagten nicht auf Wiedersehen. Und sie blickten auch nicht zurück.

***

Einige Stunden später

Prinzessin Linais Palais gehörte nicht zu den ältesten der kaiserlichen Paläste. Dennoch war der Gebäudekomplex fast tausend Jahre alt, auch wenn er natürlich mehrfach modernisiert und umgebaut worden war. Zuerst eine außerhalb der immer weiter wachsenden Hauptstadt gelegene Sommerresidenz, hatte der Palast seit der frühen Neuzeit in der Regel die älteste Tochter oder Schwester des herrschenden Kaisers beherbergt. Inzwischen lag das Palais schon lange innerhalb der Stadtgrenzen, auch wenn er immer noch von ausgedehnten Parkanlagen umgeben war.
In besseren Tagen war der Park für die Öffentlichkeit oder zumindest Mitglieder der Oberschicht zugänglich gewesen, doch damit war es seit dem Tod von Prinzessin Linais Ehemann vorbei. Die Kaiserliche Garde, die sonst eher unauffällig agierte, hatte die Bewachung deutlich verschärft und das Gelände weiträumig abgeriegelt. Was hinter den neoklassischen, klar-kantigen und nur von wenigen Säulen- und Statuen-Ensembles aufgelockerten Gebäudemauern geschah, blieb ein Geheimnis. Seit dem Tag von Prinzessgemahl Tobarii Jockhams Tod hatte seine Ehefrau Linai das Gelände nicht mehr verlassen und nur wenige Gäste empfangen. Kern Ramal hatte nicht dazu gehört, auch wenn er darauf gewartet hatte. Tage, Wochen…Linai war stumm geblieben, der erwartete Ruf war nicht erfolgt.
Und jetzt…

„Das Ganze ist höchst ungewöhnlich. In mehr als einer Hinsicht“ Die Stimme der Offizierin der Kaiserlichen Garde blieb emotionsfrei. Falls es sie nervös machte, den Stabschef der Admiralität warten zu lassen, verbarg sie es geschickt – so wie das Visier des Helms ihr Gesicht verbarg.
„Dessen bin ich mir bewusst.“ Kern Ramals Stimme war ebenfalls ausdruckslos.
„Wenn es jemand anderes wäre, würde ich denken, dass Sie mich auf den Arm nehmen wollen. Oder dass das Ihr Ansinnen nur ein Vorwand ist. Und dass Sie auch noch DAS da mitnehmen wollen…“
‚DAS da‘ war das Kampfschwert, dass Kern Ramal nur wenige Stunden zuvor erhalten hatte und das die Offizierin jetzt in den Händen hin und her drehte, während sie wachsam das Gebinde inspizierte, welches die Klinge in der Scheide fixierte und ein schnelles Ziehen unmöglich machte. Dennoch war das natürlich mehr eine Geste als ein echter Schutz. Mit einem Messer, ja vermutlich sogar mit Zähnen und Klauen konnte die Klinge problemlos befreit werden.
Dann, mit einer jähen, fast abrupten Bewegung streckte die Offizierin das Schwert wieder Ramal entgegen: „Hier. Lassen Sie mich das nicht bereuen.“
Kern Ramal neigte den Kopf während die Wachoffizierin ihn durchwinkte. Er wusste, was dieses Entgegenkommen für einen Vertrauensbeweis darstellte. Allerdings reichte das Vertrauen nicht soweit, dass sie Ramal alleine weitergehen ließ. Stattdessen folgte sie dem Flottenstabschef persönlich. Die zwei Schritte Abstand mochten einer Ehrengarde angemessen sein. Sie sicherten aber auch, dass die Offizierin ihre Waffe jederzeit ziehen und abfeuern konnte.

Während die beiden die momentan verwaisten Gartenpfade passierten, musste Kern Ramal den Impuls unterdrücken, sich nach den Wachposten umzusehen, die wie er wusste auch den Park patrouillieren mussten. Und er dachte an die seltenen Gelegenheiten zurück, zu denen er das Anwesen früher besucht hatte. Das schien jetzt lange her, fast in einem anderen Leben. Zumindest er war ein anderer gewesen. Junger, hoffungsvoller…dümmer.
Ein kaiserlicher Bastard, dessen fragwürdige Herkunft ein Geheimnis und doch für zu viele bekannt war, der immer im Schatten seiner Geburt stand…

Kern Ramals melancholisches Abirren in den Gefilden der Vergangenheit wurde unterbrochen, als sie eine Seitentür des Hauptkomplexes erreichten, wo sie bereits erwartet wurden.
„Lassen Sie mich das nicht bedauern.“ Lady Cassei Merû’s Begrüßungsworte echoten die der Wachoffizierin und Kern Ramal begriff, wem er vermutlich die Entscheidung zu verdanken hatte, ihn überhaupt vorzulassen.

Er kannte die enge Vertraute und Freundin der Prinzessin nicht besonders gut, aber das konnten auch sonst nur sehr wenige von sich behaupten. Sie hatte wenige Freunde und schien über kein Privatleben zu verfügen – zumindest keines, das allgemein bekannt war. Fast dasselbe galt für ihre Vergangenheit, die deshalb umso mehr der Fokus von Gerüchten und Spekulationen war. Dass Cassei aus ärmlichen Verhältnissen stammte, war bekannt. Aber danach fingen die Ungewissheiten an. Manchen Gerüchten zufolge war sie ein Findelkind ohne bekannte Eltern, andere munkelten wahlweise von einer Slum-Prostituierten oder einer in Ungnade gefallenen Hof-Kurtisane als Mutter sowie von mehreren Geschwistern. Casseis Schönheit, ihr pragmatischer, durch einen unverstellten Blick auf die Realität geschärfter Verstand und ihre noch schärfere Zunge trugen dazu bei, diesen Gerüchten vermeintliche Plausibilität zu verleihen.
Angeblich war Cassei schon als Kind eine Begleiterin der fast gleichaltrigen Prinzessin und dann auch eine ihrer Jugendfreundinnen gewesen. Das zumindest war nicht so ungewöhnlich: In der Kaiserfamilie gab es seit langem die Tradition, die Prinzessinnen und Prinzen nicht nur mit Kindern der Oberschicht zusammen aufwachsen zu lassen. Spielkameraden und Freunde aus niedrigeren Klassen waren als keiner der großen Familien zugehörend…unkomplizierter. Sorgfältig ausgebildet und erzogen stellten sie später zuverlässige Adjutanten, Leibwächterinnen, Leibdiener, Vertraute und manchmal auch Geliebte. Andererseits konnten die sich eventuell anbahnenden Freundschaften, Feindschaften, Rivalitäten oder knospenden Romanzen viel weniger Gefahr laufen, sich zu politischen Komplikationen auszuwachsen und gegebenenfalls mit einem Minimum an Flurschaden unterbunden werden. Solche Weggefährten gaben überdies den künftigen Hoheiten Einblicke in die Welt, die im Kreis der Hofgesellschaft wohl kaum gewonnen werden konnten.
Natürlich gab es noch andere, fantasievollere Geschichten über Linais Hofdame. Die harmlosesten sprachen wahlweise von einer früheren Liebschaft Casseis mit Linai, ihrem verstorbenen Bruder Jor oder gar mit dem verblichenen Imperator.
Kern Ramal glaube nichts davon. Auch nicht, dass er in Cassei eine heimliche Halbschwester hatte, wie andere behaupteten. Und noch weniger glaubte er das wohl phantasievollste Gerücht, dass alle Vermutungen über Casseis Herkunft und Aufwachsen für Lügen erklärte und in der Hofdame eine in unmittelbarer Nähe der Prinzessin installiertes Mitglied der berüchtigten Cha’Kal-Eliteagenten zu erkennen behauptete, das deshalb vielleicht nicht einmal auf natürliche Weise geboren oder überhaupt ein sterbliches Wesen war.
Das bedeutete freilich nicht, dass er Cassei unterschätzt hätte. Ihre wachsamen, methodisch immer wieder die Umgebung absuchenden Blicke und die federnden, energischen Bewegungen ließen auf ein Training in Selbstverteidigung, wenn nicht eine Leibwächterausbildung schließen. Das ließ die Gerüchte, dass Linai ihre Hofdame dazu auserkoren hatte, als die Amme für Linais noch ungeborenen Sohn zu fungieren, umso wahrscheinlicher klingen.

Die Kern Ramal begleitende Wachoffizierin salutierte knapp und wandte sich nach einem knappen Nicken der Hofdame wortlos zum Gehen. ‚DEFINITIV ist Cassei nicht nur Linais Jugendfreundin.‘
Ein paar Augenblicke musterte Cassei Merû ihren Gegenüber schweigend, dann trat sie beiseite und bedeutete ihm, ihr zu folgen: „Unter anderen Umständen hätte ich Sie einfach fortgeschickt. Die Prinzessin will Sie eigentlich gar nicht sehen.“ Der nüchterne, fast ein wenig bedauernde Ton gab den Worten paradoxerweise zusätzliches Gewicht. Die Hofdame seufzte: „Aber Sie bringen DAS DA…Also bleibt mir wohl nichts anderes übrig. Sie lassen damit weder mir noch der Prinzessin eine echte Wahl. Ihr…Adligen und eure vorsintflutlichen Traditionen.“
Kern Ramal straffte sich leicht. DAS war eine Sichtweise auf die Situation, die ihm nicht unbedingt behagte: „Es war nicht meine Absicht, IRGENDJEMAND unter Druck zu setzen.“
Vielleicht lag es daran, dass sie den Palast durch einen der Seiteneingänge betreten hatten und die Hauptflure mieden, aber die beiden Adligen waren praktisch alleine, die langen Flure und Treppen schienen verwaist. Nur einmal glaubte Kern Ramal in einiger Entfernung sich entfernende Schritte zu hören, und vielleicht auch ein paar halblaute, unverständliche Worte. Der kaiserliche Bastard war nicht leicht einzuschüchtern. Dennoch spannte er sich unwillkürlich an. Der Palast wirkte so…leer. Verwaist bis auf die Geister verpasster Gelegenheiten und falscher Entscheidungen. Aber das war wohl auch nicht so überraschend. ‚Wie ein Haus, in dem jemand gestorben ist…‘


Auch wenn Cassei Merû’s Stimme leise blieb, schnitt sie doch unnatürlich laut durch die Stille: „Letzten Endes ist es vielleicht gut, dass Sie hier sind. Vielleicht kann ihr das den Abschluss geben, den sie braucht.“
„Verdanke ich diesem Umstand meinen Zutritt?“ Kern Ramal achtete darauf, seine Stimme frei von Ironie zu halten. Egal, als was Cassei Merû geboren war, als Vertraute der Prinzessin hatte sie zumindest im Augenblick die Macht, auch dem imperialen Flottenstabschef die Tür ins Gesicht zu schlagen.
„Das ist einer der Gründe. Der zweite ist, dass leider nur wenige bereit sind, einem Mitglied des Herrscherhauses das zu sagen, was es hören muss. Und nicht, was sie meinen, dass es hören WILL. Und noch weniger sind dazu bereit und nicht gleichzeitig eine potentielle Bedrohung. Der Platz auf der Spitze der Pyramide ist ein einsamer.“
Kern Ramal fragte sich, ob diese Worte auch eine kaschierte Warnung enthielten: „Und der dritte Grund?“

Statt einer Antwort klopfte Cassei an eine unauffällig lakierte, fast mit den Flurwänden verschwimmende Tür, die sie dann leise öffnete und Kern Ramal schweigend winkte, einzutreten. Der kaiserliche Bastard spürte kurz den irrationalen Drang, das Zimmer nicht zu betreten, überwand aber sofort die unpassende Anwandlung und trat ein. Cassei begleitete ihn nicht, sondern schloss die Tür fast unhörbar hinter ihm
Die Zimmerflucht, in der sich Kern Ramal wiederfand, war keine der hoheitlichen Suiten. Zwar war sie geräumig und ebenso geschmackvoll wie bequem eingerichtet, aber für eine Prinzessin wäre sie unter normalen Umständen als zu wenig repräsentativ angesehen worden. Und dennoch war es eine Prinzessin, die ihn hier erwartete.
Linai Thelam war allein. Kern Ramal wusste, was für einen großen Vertrauensbeweis auch dieser Umstand darstellte, obwohl er sich ziemlich sicher war, dass sich Leibwächter oder kaiserliche Gardisten in Rufweite befanden.
Die Prinzessin sah…nicht gut aus. Die Thelams neigte nicht zur Fülle. Linais verstorbener Bruder Jor war muskulös gewesen, ohne eine Unze überflüssiges Fett. Ähnliches konnte man von Karrek Thelam sagen. Selbst Rallis Thelam konnte nicht wirklich fett genannt werden und Linai war immer schlank gewesen, ohne zerbrechlich zu wirken. Doch jetzt wirkte sie abgehärmt, was die Zeichen ihrer Schwangerschaft deutlicher hervortreten ließen, als es deren Dauer hätte vermuten lassen. Ein unruhiger Ausdruck schimmerte in den müden Augen. Aber sie hielt sich sehr gerade und da war keine Schwäche in ihrem Blick.
„Admiral Ramal.“ Linais Stimme war rau, aber klar.
„Hoheit…“, Kern Ramal zögerte kurz. Aber egal, was er jetzt am liebsten gesagt hätte, zuerst hatte er einen Auftrag zu erfüllen, dem ihn ein Toter gegeben hatte. Er verneigte sich aus der Hüfte und ging dann auf ein Knie. Tobarii Jockhams Duellschwert streckte er dabei waagerecht vor sich, peinlich darauf bedacht, weder Griff noch Stichschutz zu berühren: „Ich bringe euch das Schwert eures Gatten. Kan Drehh’na’can.“ ‚Die Klinge ist nicht gebrochen.‘

Die Prinzessin musterte den vor ihr Knieenden und das Schwert in seinen Händen schweigend. Solange, dass die Stille unangenehm wurde. Doch dann, als sich Kern Ramal bereits fragte, ob Linai ihn für alle Ewigkeit auf dem mit einem klassisch-schlichten Mosaik geschmückten Boden knien zu lassen beabsichtigte, ergriff sie die ihr entgegengestreckte Waffe. Vorsichtig, als ob die Klinge aus Kristall und nicht aus gehärtetem Stahl geformt worden wäre. Ein paar weitere Augenblicke starrte sie auf das Schwert in ihren Händen, bevor sie es behutsam auf den runden, mit Schnitzwerk und zurückhaltenden Intarsien geschmückten Tisch ablegte. Dann wandte sie sich wieder dem Knienden zu. Und schlug ihm mit einer jähen Bewegung mit aller Kraft ins Gesicht.
Kern Ramal hatte nicht erwartet, mit offenen Armen erwartet zu werden. Aber DAS kam dennoch überraschend – wie auch die Wucht des Schlages. Linai hatte einen stärkeren Arm als er gedacht hätte.
„Du kannst dich wieder erheben.“ Trotz der vertraulichen Anrede schwang in der Stimme der Prinzessin keinerlei Freundlichkeit mit.
Kern Ramal erhob sich, während er mit der Zunge prüfend über seine Zähne fuhr. Ja, alle saßen noch fest: „Geht es dir jetzt besser?“
Die Prinzessin lachte jäh auf, ein beunruhigend trostloser Ton: „Besser?! Das kannst wirklich nur du sagen, nachdem du meinen Mann hast sterben lassen.“
„Ich habe nichts dergleichen getan. Ich habe versucht ihm beizubringen, wie er diesen Kampf GEWINNT.“
„Offenbar ohne Erfolg. Vielleicht bist du doch nicht so fähig, wie du selber meinst. Oder wolltest du es auch gar nicht sein?“
„Ich habe Tobarii auf das Duell vorbereitet, so gut das in der kurzen Zeit möglich war. Wenn das nicht genug war…“
„Dann hättest du ihm das klarmachen müssen!“
„Ich bin nicht allwissend. Ich dachte wirklich, dass er es schafft. Dero kann man schließlich auch nicht gerade ein Duell-Ass nennen.
Und ich bin auch nicht Tobariis Gefolgsmann. Oder deiner. Es ist nicht meine Aufgabe, für einen von euch zu denken oder ungefragt die Verantwortung für euer Handeln zu übernehmen. Das habe ich auch Rallis klargemacht.“
Das wäre ihm wohl besser nicht herausgerutscht, denn die Prinzessin versteifte sich sichtlich: „Was hat mein Cousin damit zu tun?“
„Ich habe ihn mal getroffen. Er hat mir – übrigens ungefragt – Interna über Deros frühere Duelle zugespielt. Ich habe das überprüft, das Material war authentisch. UND ich musste mir seine Anspielungen und Klassiker-Sentenzen anhören. Der Mann hört sich selber viel zu gerne reden. Er…“
„Er hat vorgeschlagen, dass du an Tobarii’s Stelle mit Dero die Klingen kreuzt?“
„Er hat so etwas angedeutet. Und du willst nicht wissen, was sonst noch alles.“
Die Prinzessin, deren kalter Blick bisher starr auf Kern Ramals Gesicht gerichtet gewesen war, blickte rasch zur Seite. Sie konnte sich ziemlich gut vorstellen, welche Gerüchte ihr verschlagener Cousin sonst noch angesprochen hatte. Aber die kurze Verlegenheit war keinesfalls genug, um ihre Wut zu ersticken: „Das ist wahr. Du hast dabei versagt, meinen Mann auf den Kampf vorzubereiten. Du hast einfach danebengestanden.“
„Hast du mir nicht zugehört? Ich habe sehr viel mehr getan als das! Ohne mich hätte er Dero nicht einmal eine Schuppe ritzen können. Ich habe dafür gesorgt, dass er eine ECHTE Chance hatte!
Und wenn dir das Wagnis zu groß war, wenn du Zweifel gehabt hast…warum hast DU es dann geschehen lassen? Warum hast du nichts gesagt? Und warum hast du mich nicht gefragt, ob ich den Zweikampf übernehme? Oder irgendjemand anderen? Es muss dutzende Fechter geben, die bereit gewesen wären, an Tobariis Stelle zu treten.“
„SEI STILL!“
Die Heftigkeit von Linais Ausbruch überraschte Kern erneut und ließ ihn seine nächsten Worte überdenken. Er erkannte ein schlechtes Gewissen. Es hatte keinen Sinn, Linai noch tiefer in den Morast zu drücken, in dem sie zu versinken drohte. Dafür empfand er immer noch zu viel für sie: „Nicht, dass es eine Rolle gespielt hätte. Nachdem die Herausforderung erst einmal ausgesprochen worden war, hätte Tobarii nicht mehr zurückgekonnt. Egal ob ich oder irgendein junger, aufstrebender Offizier bereit gewesen wäre, an seine Stelle zu treten. Dein Mann hätte das niemals zulassen können.“
„Aber jetzt ist er tot.“, Linais Stimme blieb unversöhnlich: „Und ich bin nicht die einzige, der sich jetzt fragt, ob es das war, was du wolltest. Worauf du gehofft hast. Damit du dann seinen Platz treten wolltest…“
„DAS IST NICHT WAR!“, jetzt wurde auch Kern Ramals Stimme lauter: „Das glaubst du doch selbst nicht. Du weißt, was ich wollte. Was ich niemals haben kann. Und ganz bestimmt nicht über den Leichnam deines Mannes!“
„Wirklich nicht? Und warum nicht? Dero…“
„Ich bin nicht Dero. Wirf mich nicht in einen Topf mit diesem…
Dann wär es mir schon lieber, wenn du mich einfach noch mal ins Gesicht schlägst.“
Die Prinzessin schnaubte wenig amüsiert: „Weißt du eigentlich, dass die Dechanaras mir ihre Unterstützung angeboten haben, im Ausgleich für deinen Kopf? Und ich habe abgelehnt. Wegen dem, was du für Tobarii zu tun behauptest hast. Wegen…Was war ich doch für eine Närrin.“

Das kam überraschend und doch eigentlich auch wieder nicht. Kern Ramal wusste natürlich, dass das in manchen Kreisen eher ignorierte als wirklich verborgenes Geheimnis seiner kaiserlichen Herkunft schon durch seine bloße Existenz eine tödliche Beleidigung für die Familie der verstorbenen Kaiserin darstellte. Er hatte allerdings nicht damit gerechnet, dass die Familie von Linais Mutter so weit gehen würde. Und dass Linai sein Leben über die Macht und den politischen Einfluss des Hauses ihrer eigenen Mutter gesetzt hatte, erfüllte ihn kurz mit einem etwas unangebrachten Glücksgefühl. Das, und was diese Entscheidung über Linais Werte, über ihren eigenen Wert verriet. Allerdings ließ ihm diese Enthüllung wiederum eigentlich nur eine Wahl. Auch wenn er nicht Linais Gefolgsmann war.

„Wenn die Dechanaras meinen Kopf wollen, dann sollen sie ruhig versuchen, ihn zu beanspruchen. Wenn meine Prinzessin allerdings der Meinung ist, dass…“
„Lass das! Männer. Ihr und eure verdammte Ehre. So hätte das nicht ablaufen sollen.“, noch einmal Linai lachte freudlos auf: „Mein Mann ist für mich gestorben. Mein…Dero war bereit für mich zu töten. Und jetzt bietest du mir deinen Kopf an. Was habe ich doch für ein Glück.“
„Du musst…“
„Ich muss, ich muss…Das sagen mir alle. Rallis, Mukar Nellan und jetzt du. Ich soll etwas tun. Und meint damit doch nur das, was ihr für euch selber wollt. Als wäre ich eine Puppe, an deren Fäden man ziehen kann.“
„Ich will dir nicht sagen, WAS du tun sollst. Das steht mir nicht zu. Aber wenn meine Dienste für das Imperium, meine Rolle als Tobariis Fechtlehrer und Duellbegleiter und meine…unsere Vergangenheit und das Blut, das wir teilen…wenn das einen Wert hat, dann wohl genug, um dir zu sagen, dass du ETWAS tun musst.
Ob du dich mit den Allecars eine Übereinkunft triffst und Deros Anspruch auf dein Kind anerkennst. Ob du die Allecars zu Feinden des Imperiums erklärst und die Garde marschieren lässt. Ob du das Bündnis mit Rallis oder einem deiner anderen Cousins suchst. Es ist deine Entscheidung. Nur TU endlich etwas, bevor jemand anderes das Heft des Handelns an sich reißt.
Was du auch wählst, ich werde mich dir nicht in den Weg stellen. Und was auch immer für ein Gewicht mein Wort momentan in den Streitkräften und im Flottenstab hat…es steht dir zur Verfügung. DAS wollte ich dir sagen.“
Er erhielt keine Antwort. Die kaiserliche Prinzessin musterte ihn nur lange und eindringlich. Als würde sie zu ergründen versuchen, ob er seine Worte ernst meinte. Und was dahinter steckte. Aber sie hakte nicht nach: „Du hast mich nicht gefragt, wer der Vater meines Kindes ist.“
„Das steht mir nicht zu. Und es würde nichts an meiner Entscheidung ändern. Oder der Entschlossenheit, ihnen auch Taten folgen zu lassen.“ ‚Außerdem…wenn ich zu sehr darüber nachdenke, kann ich mich vielleicht nicht beherrschen, wenn ich dem nächsten Mal einem Allecar über den Weg laufe.‘ Auch wenn er Dero Allecars Mut und Können anerkennen musste, auch wenn dessen tödliches Duell mit Linais Ehemann ihm einen Anspruch auf ihr ungeborenes Kind geben mochte, hasste Ramal ihn dafür, mit einer Intensität, die ihn manchmal selber erschreckte. Was dadurch nicht besser wurde, dass es ihm nicht zustand.
„Versprechen sind billig. Ich denke, dass wissen wir beide inzwischen.“
Kern Ramal nickte langsam: „Doch wenn es irgendetwas gibt…“
„Deros Vater nimmt an den Treffen der Flottenführung teil.“ Das war keine Frage, trotzdem fühlte sich Kern Ramal bemüßigt zu antworten: „In der Tat. Wie der Kanzler uns mitteilte, auf Wunsch des Hofes.“
„Ich kann mir vorstellen, dass Kanzler Qau das gesagt hat. Aber es ist…kompliziert.“
„Soll das heißen…“
„Ich will wissen, wie Meliac Allecar in diesem Kreis aufgenommen wurde. Wie die Admiräle auf ihn reagiert haben.“
„Sicherlich hat man dir schon mittgeteilt…“
„Vielleicht. Ich will es aber von dir hören.“
‚Das ist ein erster Test.‘ Kern Ramal wählte seine nächsten Worte sehr sorgfältig: „Meliac Allecars Teilnahme blieb…nicht unkommentiert.
Admiralin Kenai Ras hätte ihn vermutlich am liebsten mit einem Tritt durch die nächste Luftschleuse befördert. Ich weiß nicht, ob wegen Deros ‚Seid-nett-zu-den-Menschen‘-Politik – denn sie hasst die Menschen mit einer Intensität, die selbst Prinz Jor in den Schatten stellt - oder weil sie die Ambitionen der Allecars als unnütze Ablenkung von den Kriegsanstrengungen ansieht. Seitdem die Menschen ihre Heimatwelt vernichtet haben, gibt es nichts, was für Ras wichtiger ist, als die Vergeltung. Und wer auch immer sich ihr auf dem Weg dahin in den Weg stellt, wird deshalb Ziel desselben Zorns.
Admiral Lann war kaum freundlicher, aber er ist ja auch ein Anhänger deines Cousins Rallis. Und wir wissen alle, was der von den Allecars hält.“
„Ja…Rallis. Mit dem werde ich mich noch mal beschäftigen müssen.“ Linais Stimme klang eher nachdenklich als drohend, trotzdem war sich Kern Ramal nicht sicher, was diese Ankündigung für den immer noch von vielen etwas unterschätzten Thronprätendenten bedeuten mochte.
„Bei Admiral Taran bin ich mir nicht sicher. Der Junge lässt sich ungern in die Karten schauen. Außerdem weiß ich bei dieser ‚Ich-diene-dem-Reich‘-Attitüde der Tarans nie so ganz genau, wie sie sich am Ende positionieren. Die Tarans und die Allecars haben eine lange gemeinsame Geschichte. Aber das hindert meinen Chef des Planungsstabes nicht, einige unangenehme Wahrheiten an den Mann zu bringen.“
„Und Admiral Reik Latasch?“, kam die Prinzessin zu dem wohl wichtigsten Mitglied des Flottenstabes.
„…war ungewöhnlich konziliant. Entweder weil er es für Zeitverschwendung hält, die Allecars zu konfrontieren – oder weil er glaubt die Zeichen an der Wand zu erkennen und auf die richtige Partie setzen will. Reik Latasch hat jetzt schon das Kriegsministerium praktisch in der Hand. Ich kann mir vorstellen…“
„Das er das offiziell machen möchte. Ja.“
Während Kern Ramlas Linais jetzt wieder gleichmäßiger und kühl überlegender Stimme lauschte, fühlte er so etwas wie Erleichterung, fast sogar Freude. Es war, als würde er durch all das Chaos und die Tragik der letzten Wochen und Monate wieder einen Blick auf die ‚alte‘ Linai erhaschen, die er aus der Ferne bewundert hatte. Und mehr als das. Sie war also immer noch da, trotz der Schicksalsschläge und Selbstvorwürfe. Und solange das der Fall war, gab es eine Hoffnung. Wenn auch vielleicht nicht für seine persönlichen Wünsche, aber dafür für das Reich.


*****

* ‚Kallats’ waren Sprechgesänge, mit denen sich die antiken Akarii auf die Schlacht einstimmten. Später wurde der Begriff für Gedichte gebräuchlich, die den Tod in der Schlacht, Ehre, Tapferkeit, einen ‚guten Tod’ oder die Bereitschaft zum Selbstopfer thematisieren. Die Kallats berühmter Feldherren, Dichter und Kaiser der Antike, verfasst vor oder nach einer Schlacht, im Angesichts einer Katastrophe oder des nahenden Todes, sollten die Gedanken, Gefühle ihrer Verfasser für die Ewigkeit festhalten. In einigen Militärakademien gehörte das Rezitieren und Verfassen immer noch zum Unterricht.
Thema: Kritik: Hinter den feindlichen Linien
Tyr Svenson

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09.12.2022 17:26 Forum: Kurzgeschichten


Er meinte vermutlich nicht die Kampfkommandantin persönlich. Auch wenn die Ortsangaben etwas vage bleiben...
Thema: Kritik: Hinter den feindlichen Linien
Tyr Svenson

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06.12.2022 17:35 Forum: Kurzgeschichten


Ich bin heilfroh, dass mal wieder was kommt und es weitergeht. großes Grinsen

Ich plage mich momentan ein bisschen an meinem Akarii-Text. Aber ich bleibe dran! Augenzwinkern
Thema: Kritik: Hinter den feindlichen Linien
Tyr Svenson

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05.12.2022 19:29 Forum: Kurzgeschichten


Gut geschriebene Geschichte! Freude

Da werde ich wohl auch mal wieder etwas in die Tasten hauen müssen... Augenzwinkern
Thema: Kritik: Hinter den feindlichen Linien
Tyr Svenson

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17.10.2022 20:40 Forum: Kurzgeschichten


Nach (allzu) langer Zeit kommt hier mal wieder ein Text von mir. Sorry, das es so lange gedauert hat.

JA, es ist zu den Akarii (und es werden noch zwei weitere Texte folgen, die auf der Akarii-Hauptwelt spielen), aber ich will damit ein paar Pflöcke einschlagen, an denen wir die weitere Entwicklung entlanghangeln können. Also habt Geduld mit mir. Augen rollen
Thema: Hinter den feindlichen Linien - Season 7 - Zwischen Himmel und Hölle
Tyr Svenson

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17.10.2022 20:37 Forum: Kurzgeschichten


„Retter oder Eroberer, Held oder Schurke. All das könntest du sein – und doch bist du ein Nichts. Denn du dienst weder der Dunkelheit noch dem Licht. Und deshalb wirst du immer im Schatten stehen. Auf ewig einsam und allein…“
Umstrittene Neufassung des antiken Akarii-Dramas ‚Der Bastardprinz‘



Akar, Imperiale Hauptstadt, Allecar-Anwesen

„Wir haben Landefreigabe.“, die Stimme des Schweber-Piloten klang routiniert. Dennoch glaubte Dero Allecar, eine gewisse Anspannung herauszuhören.
„Schon gut, ich habe es nicht eilig.“

Eigentlich hätte Dero auch einen Bodenwagen nehmen oder selber den Schweber fliegen können. Aber er war nicht mehr nur der Ex-Unteroffizier und Zivilanwalt aus einem Adelshaus, das deutlich hinter seine frühere Macht zurückgefallen war. Jetzt war er der Mann, der von vielen als der Architekt des Friedens zwischen der Konföderation und dem Akarii-Imperium angesehen wurde. Er war der Ex-Liebhaber einer kaiserlichen Prinzessin, der deren Ehemann im Zweikampf getötet hatte. Der Vater eines Kindes, das einen Anspruch auf den Thron hatte. Er war der Mann, dem man Ambitionen auf eine Regentschaft, ja sogar die Krone nachsagte. Und das Haus Allecar war auf einmal zu einem Machtfaktor geworden, um das sich andere Adelsfamilien scharten – und gegen das noch mehr Häuser Front machten, da sie ihre eigene Position gefährdet sahen.
Unter diesen Umständen war eine Fahrt durch die teilweise recht unübersichtlichen Straßen der Hauptstadt ohne eine entsprechende Eskorte als zu riskant eingeschätzt worden. Ebenso wie die Idee, dass der Erbe von Haus Allecar eigenhändig einen Schweber steuerte. Dero war versucht gewesen, seine Eigenständigkeit durchzusetzen, hatte sich dann aber entschieden, eine solche Konfrontation für eine wichtigere Gelegenheit aufzusparen.

Das Fluggerät setzte so sanft auf, dass Dero kaum die Erschütterung verspürt. Das leise Summen der Triebwerke verstummte. Der Erbe des Haus Allecar nickte dem Piloten kurz zu, schwang sich aus der Luke – und sah sich mit einer weiteren Sicherheitsmaßnahme konfrontiert. Statt ein paar wartenden Technikern empfing ihn ein ganzes Team Sicherheitsleute auf dem kleinen Landeplatz.
Noch sehr viel furchteinflößender waren die um den Landeplatz postierten kaiserlichen Gardisten, die von einem ferngesteuerten Flugabwehrlaser und einem Zwillings-Abschussgerät für leichte Boden-Luft-Raketen unterstützt wurden. Wie fast immer trugen die Gardisten Gefechtshelme, deren verspiegelte Sichtvisiere ihre Gesichter verbargen. Aber auch ohne Helm wären ihre Gesichter vermutlich zu jenen gefühllosen Masken erstarrt gewesen, die die Soldatinnen und Soldaten wie eine zusätzliche Panzerschicht trugen.

Kurz nachdem die kaiserliche Garde es ungefragt übernommen hatten, das Allecar-Anwesen zu schützen, hatte Dero seinem Vater vorgeschlagen, das angespannte Nebeneinander der Allecar-Security und der Gardisten durch einige Gesten des guten Willens aufzulockern. Meliac Allecar hatte nur geschnaubt: „Glaub nur nicht, dass die Kaiserliche Garde unser Freund ist. Sie beschützt uns, weil du der Vater eines Thronprätendenten bist. Aber dieser ‚Schutz‘ könnte ganz leicht wieder entzogen oder in eine Bewachung verwandelt werden. Was meinst du, warum die Gardisten nicht mal Lebensmittel oder Getränke annehmen und weshalb die Wachtruppen regelmäßig ausgetauscht werden? Ich habe gehört, unsere neue ‚Leibwache‘ hat klare Anweisungen erhalten: ‚Wer einen Allecar beleidigt, wird zur Infanterie versetzt. Wer einem Allecar zujubelt, muss Strafdienst schieben.‘ SO sieht es aus.“

Die Gardisten und Sicherheitsleute waren freilich nicht die einzigen, die Dero erwarteten. Narhita Candras, seine Adjutantin, schien vor Ungeduld geradezu zu vibrieren: „Da sind Sie ja.“
„Sie hätten mitkommen können.“
„Ich fliege nicht gerne in so einer Nussschale. Außerdem hätte das ihrem Vater wohl nicht gefallen.“ Womit sie natürlich Recht hatte, denn Meliac Allecar hielt Candras für eine von Prinzessin Linai auf seinen Sohn angesetzte Spionin. Am liebsten wäre er sie so schnell wie möglich losgeworden, aber da hatte sich Dero durchgesetzt. Nicht nur mit dem Verweis auf Candras Effizienz, sondern auch mit dem Argument, dass ein enttarnter Spion allemal besser sei als einer, dessen Identität und Auftraggeber noch unbekannt waren.
„Irgendetwas Wichtiges?“
„Ihr Vater möchte Sie sprechen. Allein. Sie finden ihn im Zweiten Innengarten.“

Das Anwesen der Allecars war nicht der größte oder prunkvollste Adelspalais in der Hauptstadt – und weit entfernt von der Pracht und der Weitläufigkeit der kaiserlichen Paläste. Aber neben Unterkünften für Familienmitglieder, Vertraute, Bedienstete und Sicherheitskräfte und sogar einem heutzutage kaum genutzten Schrein für religiöse Zeremonien bot der Gebäudekomplex Raum für opulente Festlichkeiten, für zahlreiche Gäste und für vertrauliche Treffen. Zu dem Anwesen gehörten auch mehrere Innenhöfe, von denen zwei als Gärten gestaltet waren.
Der erste entsprach dem momentanen Palastideal: sorgfältig gepflegte Pflanzenarrangements umgaben klassische Statuen von Göttern, Sagengestalten und antiken Heroen. In diesem Fall handelte es sich vor allem um preisgünstige Kopien berühmter Originalstücke, sah man von einigen Werken ab, die antike oder frühneuzeitliche Mitglieder der Allecars darstellten und sich seit Generationen im Besitz der Familie befanden.
Der zweite, kleinere Innengarten hingegen wirkte wilder, fast ungepflegt. Hier war es den Sträuchern, kleinen Bäumen und den an ihnen hochkletternden Blütenranken erlaubt, fast uneingeschränkt zu wachsen. Ein geschickt angelegter Wasserlauf, der in einem kleinen Teich mündete, vervollständigte die Illusion einer natürlichen Oase. Der Garten war ein Rückzugsort für die Familie, zu dem nur enge Vertraute Zugang erhielten. Hierher kam auch Dero Allecars Vater Meliac, wenn er in angespannten Zeiten Ruhe und Entspannung suchte – eine Angewohnheit, die so gar nicht zu seinem gefürchteten Temperament und seiner ausgeprägten Persönlichkeit zu passen schien. Aber so war es und angesichts der dramatischen Ereignisse der letzten Monate war es wohl kein Wunder, dass Dero seinen Vater jetzt hier vorfand.

Das mehr gefürchtete als bewunderte Oberhaupt des Hauses Allecar saß mit übereinandergeschlagenen Beinen im hohen Gras. Neben ihm stand ein silbernes Tablett mit einem Becher eisgekühlten Rishi-Saft und einem Teller mit Raganöl-Paste bestrichener Pi’ri-Brotscheiben, die mit Looson-Knospen garniert waren.* Meliac wirkte ungewöhnlich in sich ruhend, aber Dero hatte so eine Ahnung, dass es damit bald vorbei sein würde.
„Wie lief dein Treffen?“
Dero unterdrückte ein Seufzen: „Wie zu erwarten und wie das halbe Dutzend, auf die du mich schon geschickt hast. Ein paar Adlige machen verklausulierte Unterstützungszusagen oder ergehen sich in wenig belastbaren Versprechungen, während der Großteil im Vagen bleibt. Und etliche sind gar nicht erst erschienen. Ich weiß nicht…“
„Ich erwarte gar nicht, dass jemand bei einer so…öffentlichen Veranstaltung dem Haus Allecar Gefolgschaft schwört, der es nicht schon längst getan hat. Nein, es geht darum, dass du dein Gesicht zeigst. Dass du, dass WIR Präsenz zeigen und die anderen Häuser registrieren, dass wir uns um sie bemühen. Und selbst das Fernbleiben einiger Gäste ist wichtig – denn es ist eine Stellungnahme. Das hilft uns, unsere Feinde zu erkennen.“
Jetzt seufzte Dero tatsächlich: „Feinde…“
Manchmal fragte er such ernsthaft, ob die Machtspiele am Hofe, in die er freilich tief involviert war, nicht zur Unzeit stattfanden. Es gab Feinde des Imperiums – an seinen Grenzen und innerhalb davon – denen es gleichgültig war, wer auf dem Thron saß…
„Mach dir keine Illusionen. Dieser Kampf wird vielleicht mehr mit Worten als mit Waffen geführt – auch wenn auch die häufig genug zum Einsatz kommen, wie du inzwischen begriffen haben solltest – aber das macht ihn nicht weniger gefährlich.
Hast du von diesen…‘Friedensgesprächen‘ im Draned-Sektor gehört?“
Der plötzliche Themenwechsel überraschte Dero: „Ah…Gerüchte. Das Kolonialministerium…“
„Hüllt sich in Schweigen, weil es von dieser Initiative der Streitkräfte kalt erwischt wurde. Verdammt.“
„Ich verstehe nicht, warum du dich ärgerst. Ein Frieden mit den T’rr gibt dem Imperium die Chance…“
„Mir geht es vor allem darum, was das für uns bedeutet. Und das solltest du auch bedenken. Dieser Frieden wird die Feuerköpfe in der Kolonialverwaltung UND in den Streitkräften mobilisieren, die ihre kostbare Beta-Borealis-Doktrin von der galaktischen Herrschaftsbestimmung der Akarii gefährdet sehen. Nur werden wir davon nicht profitieren, weil jeder weiß, wo du in dieser Angelegenheit stehst. All die verhinderten Imperialisten werden sich deshalb um Prinz Karrek Thelam scharen, der als einziger der Thronprätendenten uneingeschränkt auf der Seite der Expansionisten steht.“
„Und was ist mit den Gemäßigten und den Reformern in der Verwaltung und den Streitkräften? Sie werden von der Idee eines Friedens mit den T’rr begeistert sein.“
Meliac Allecar schnaubte spöttisch, was Dero dazu veranlasste, seinen letzten Satz etwas einzuschränken: „Oder sie werden ihn zumindest gutheißen.“
„Einige allerdings lieber nur heimlich.“, ätzte sein Vater: „Aber das ist egal, weil das für uns genauso gefährlich sein kann, wie die feuerspuckenden Betonköpfe. Weil nicht WIR es waren, die diesen Frieden ausgehandelt haben. Sondern Marschall Parin, Admiral Rau und vor allem dieser Jungprinz Navarr Thelam. Also ein verhinderter Ex-Putschist, ein Weiberheld und die Marionette von Prinz Rallis Thelam.“
„Du tust Navarr unrecht. Er ist vielleicht jung…“
„Und hängt an den Fäden, die diese alte Kröte Rallis geknüpft hat.“ Die ‚alte Kröte‘ war jünger als Meliac Allecar, wenn auch fülliger: „Ich weiß, dass dein alter Trinkfreund Taran diesen Friedensplan mit angestoßen hat. Hätte unser aufsteigender Stern der Admiralität nicht ein wenig warten können, statt diese Chance ausgerechnet der Rallis-Fraktion auf dem Silbertablett zu servieren?“
„Hätte ich ihm diese Frage stellen sollen?“
„Das wäre nicht das Schlechteste gewesen…“
„Und genau das würde ich auf keinen Fall tun. Wenn dir irgendetwas an den Tarans liegt, solltest du nicht versuchen, dich zwischen sie und das zu stellen, was sie für das Reich als notwendig ansehen. Wie Xias der Blutige lernen musste.“
„Wir Allecars waren mit dabei, als dieser Wahnsinnige vom Thron gestoßen wurde. Aber ich verstehe, was du meinst. Die Tarans und ihre ‚Wir-dienen-dem-Reich-und-erst-dann-dem-Herrscher‘-Attitüde, die sie wie ein Banner vor sich hertragen. Und zu allem Überfluss scheint dein Freund auch noch daran zu glauben…“
„Du hast mich doch nicht hierhergerufen, um über Mokas Taran herzuziehen.“
„Natürlich nicht – zumal die Tarans ihre Nützlichkeit haben. GANZ BESONDERS dein alter Bekannter. Wir haben sowieso nicht allzu viele Unterstützer im Militär. Noch weniger, nachdem Ilis sich einkassieren lassen musste.
Aber eigentlich wollte ich von dir wissen, wie du mit Prinzessin Linai vorankommst.“

Dero, der sich vorgebeugt hatte, um sich eine Pi’ri-Kruste zu angeln, richtete sich jäh auf. Der Appetit war ihm vergangen: „Ich weiß nicht, was du meinst.“
„Versuche nicht, mir auszuweichen. Hast du wenigstens mit ihr gesprochen?“
„Du meinst, nachdem ich ihren Ehemann erschlagen habe?“
„Das kannst du mir jetzt nicht vorwerfen. Ich habe dich nicht dazu gezwungen, mit ihr zu schlafen.“
„Nein, aber du hast mitten im Adelsrat für Haus Allecar Anspruch auf ihr ungeborenes Kind erhoben.“
„EUER ungeborenes Kind. Nachdem du unbedingt eine verheiratete kaiserliche Prinzessin schwängern musstest, war es an der Zeit, dass du auch die Verantwortung dafür übernimmst.“
„Darum geht es dir? Um Verantwortung?“
„Es geht mir um das Schicksal unseres Hauses. Und nachdem die Gerüchte über eure Affäre schon in aller Munde waren…“
„Ich frage mich, wieso eigentlich? Das war ja dann die passende Grundlage für deinen Auftritt im Adelsrat.“
„Ich habe die Gerüchte nicht in die Welt gesetzt. Diese Schuld kannst du nicht bei mir abladen. Entweder ihr wart nicht vorsichtig genug, oder…Hm. Ich weiß, wem es sehr gelegen kommen würde, wenn die Herkunft von Linais ungeborenen Kind auf der Seite des Vaters plötzlich zweifelhaft erscheint, auch wenn es die kaiserliche Mutter ist, die den Anspruch auf den Thron begründet. Und wer davon profitiert, dass du und Linais Ehemann Tobarii aufeinander losgehen. VOR ALLEM da ihr beide mit eurer menschenfreundlichen Politik bei den radikaleren Reformern gepunktet habt.“
„Du meinst…Karrek Thelam?“
„Weil er sich für einen wiedergeborenen Jor Thelam hält und all die Expansionisten und Kriegstreiber hinter sich schart? Naheliegend, aber ihm fehlt die Raffinesse. Ich glaube eher, dass es Rallis war.“
„Und ich glaube, dass deine Obsession mit ihm langsam lächerlich wird.“
„Du solltest Rallis nicht unterschätzen. Und endlich die Sache zwischen dir und Linai klären. Sie kann nicht ewig die trauernde Witwe spielen.“
„Was meinst du mit ‚spielen‘?“
„Ich bin mir bei diesem Mädchen nie so ganz sicher, was sie will. Und was bei ihr echt und was nur Theater ist. Hm.“
Dero musste sich auf die Zunge beißen, um nicht etwas zu sagen, was gegen die Regeln des Anstandes und des Respektes verstieß, die zwischen Vater und Sohn herrschen sollten. Dennoch klang seine Stimme sehr brüsk: „Ich will darüber nicht reden.“
„Und ich will, dass wir, dass DEIN Haus endlich wieder den Platz einnimmt, der uns zusteht. Nur geht das nicht ohne Linai.“
„Wenn es das war, weswegen du mich hast herkommen lassen…“
„Oh nein, auch wenn das wichtig ist. Ich habe die Zügel zu lange locker schleifen lassen. Es wird Zeit, dass wir die Gangart verschärfen.
Was würdest du von einem Posten im Kriegsministerium halten?“
„Wie bitte?“
„Es wird Zeit, dass deine Leistungen endlich die angemessene Würdigung erfahren. Und du hast dich lange genug vor einer ECHTEN Tätigkeit gedrückt.“
Dero knirschte unwillkürlich mit den Zähnen. ‚DAS schon wieder.‘: „Ich sehe das nicht so. Und ich dachte, du würdest endlich…“
„Was ich würde oder nicht spielt keine Rolle. Sondern, was die Mitglieder des Adelskonvents denken. Mit deiner Rolle als Sondergesandter bei der Konföderation hast du viele deine…Eskapaden als Unteroffizier und kleiner Zivilanwalt vergessen lassen. Aber jetzt musst du nachliefern. Erneut beweisen, dass du für Größeres geschaffen bist. Und deshalb…“
„Und weshalb willst du mich ausgerechnet im Kriegsministerium unterbringen? Nachdem du und so ziemlich jeder anderer mir zu verstehen gegeben hat, wie wenig vielen Armee- und vor allem Flottenangehörigen meine bisherigen militärischen Meriten gelten? Im Justizministerium oder als Diplomat…“
„Wir müssten taktisch denken. Wir haben nicht die Macht, dir in einem dieser Ministerien eine hochrangige Position zu verschaffen. NOCH nicht. Außerdem ist das Kriegsministerium einflussreicher. Und sowohl unserer leider vorfristig verstorbener Kronprinz Jor Thelam als auch Prinzessin Linai Thelams ebenso unzeitig verblichener Ehemann…“, Meliac Allecars Stimme war purer Hohn, „…hatten den Posten des Kriegsministers inne.“
Dero zuckte zusammen. Hatte er das richtig verstanden?: „Sag nicht, dass du vorhast…“
„NOCH nicht. Wenn wir jetzt versuchen, dich zum Kriegsminister zu machen, würden wir den Bogen überspannen. Und ich bin schon gar nicht für den Posten geeignet, weil dies das falsche Signal wäre. Nein. Ein gescheiterter Vorstoß würde uns zudem noch mehr schaden als wenn wir gar nichts täten. Alles zu seiner Zeit.
Aber der Posten des Kriegsministers IST schon zu lange verwaist. Wir dürfen nicht zulassen, dass dieses Vakuum weiter besteht oder gar von einem unserer Gegner ausgefüllt wird. Stattdessen muss jemand diesen Posten übernehmen, auf den wir zählen können. Der aber gleichzeitig sowohl für die Reformer als auch für die Traditionalisten zumindest akzeptabel ist. Und er darf natürlich nicht zu große eigene Ambitionen haben. Also…“

Dero überlegte. Die Niederlagen der letzten Jahre hatten die oberen Ränge der Streitkräfte ausgedünnt. Viele potentielle Kandidaten waren tot, in Gefangenschaft, hatten sich im politischen Hauen und Stechen am Hofe und in den Streitkräften zu eindeutig auf eine Seite geschlagen oder den eigenen Ruf durch erlittene Niederlagen ruiniert. Deshalb…: „Vermutlich nicht Taran.“
„Zu jung, als Angehöriger der Offiziersverschwörung zu kontrovers – und gerade erst in den Flottenstab befördert. Außerdem ist der Kriegsminister zwar ein politisches Schwergewicht aber kein Posten für einen Admiral, der selber eine Flotte führen oder taktische Entscheidungen treffen will. Ich glaube nicht, dass Taran schon so weit ist, das für einen Posten aufzugeben, der vor allem logistische und politische Aufgaben beinhaltet.“
Dero überlegte kurz und musste seinem Vater Recht geben. Auch wenn sein alter Freund Mokas Taran meist recht zurückhaltend wirkte, genoss er es vermutlich zu sehr, selber militärische Entscheidungen treffen zu können.

„Dann bleiben eigentlich nur noch zwei Möglichkeiten: Großadmiralin Rian oder Admiral Reik Latasch.“
„Etwas hast du also gelernt. Es wäre verführerisch, Rian die Treppe hinaufzubefördern – vor allem, da sie anscheinend einen Narren an Prinz Karrek Thelam gefressen und ihn unter seine Fittiche genommen hat. Sie aus dem aktiven Flottendienst herauszulösen würde das Risiko minimieren, dass die Flotte eines Tages in die falsche Richtung feuert.“
„Großadmiralin Rian würde niemals einen Bürgerkrieg vom Zaun brechen!“
„Meinst du? Naja…
Aber wie dem auch sei, ihr dafür das Kriegsministerium in die Hand zu geben, wäre ein etwas hoher Preis. Außerdem ist sie als Kommandeurin schwierig zu ersetzen. Wir bräuchten jemand, der genauso gut ist, von ihren Untergebenen akzeptiert wird UND nicht auf einmal eigene Ambitionen entwickelt. Und da Ilis sich hat wegfangen lassen…“
„Es ist ja nicht so, dass er es darauf angelegt hat! Und ich würde ihn noch nicht abschreiben…“
„Selbst wenn die Menschen so wahnsinnig wären, Ilis freizulassen, er wäre beschädigte Ware. Unsere glorreichen Streitkräfte verzeihen keine Kapitulation. Da müsste er sich schon mit bloßen Händen freikämpfen…
Nein, den müssen wir abschreiben. Und ohne einen geeigneten Ersatz brauchen wir Lay Rian vorerst weiter gegen die Menschen. Sie ist eine der wenigen, die unserem Gegner noch so etwas wie Achtung und unseren stolzen Kriegern noch etwas Siegeszuversicht einflößen kann.
Latasch hingegen…Latasch ist einer der wenigen hochrangigen Militärs, auf den wir WAHRSCHEINLICH zählen können. Er ist ein Traditionalist – aber pragmatisch genug, um auch von den Reformern akzeptiert zu werden. De facto leitet er das Kriegsministerium ohnehin seit Jahren. Und du kannst viel von ihm lernen. Zum Beispiel, dass Veränderungen und Reformen nur allmählich durchgesetzt werden können – um die Moderaten nicht zu verschrecken und die Traditionalisten nicht ZU SEHR vor den Kopf zu stoßen.
Es ist wie mit einer Steinkröte.** Wenn man sie in kochendes Wasser wirft, wird sie versuchen herauszukriechen, zappeln – und das Fleisch kann hart und übelschmeckend werden. Aber wenn man sie in einen Topf mit kaltem Wasser steckt und ihn ganz langsam erhitzt, bleibt das Fleisch zart. So müssen wir es machen.“
„Das ist ja widerlich.“
„Ganz im Gegenteil, das schmeckt sehr gut.“
„Hast du noch mehr kulinarische Weisheiten für mich? Und wenn die Akarii immer dieser Maxime des graduellen Fortschritts gefolgt wären, würden wir heute vermutlich gerade mal mit der Druckpresse experimentieren.“ Dann runzelte Dero die Stirn. In Meliacs Worten hatte so ein Unterton mitgeschwungen...: „Wofür soll ich genau von Latasch lernen?“
„Latasch hat viele Qualitäten – aber er ist ALT. Er wird nicht ewig Kriegsminister sein. Und in ein, zwei Jahren…wer könnte ihn dann besser ersetzen, als sein persönlicher Schützling? Vor allem, wenn er der Vater des künftigen Imperators ist…“
„Ist für dich eigentlich jeder nur eine Figur in deinem Spiel?“
„DU bist mir wichtig. Und das Schicksal unseres Hauses. Aber mach dir keine Illusionen. Wer die Regeln im Spiel der Häuser nicht begreift, der muss damit rechnen ALLES zu verlieren. Nicht nur die Partie. Das musst du begreifen. Als du die Friedensmission in der Konföderation übernommen, als du dich mit Linai eingelassen und erst Recht, indem du ihren Ehemann getötet hast, hast du alle Brücken zurück in die behagliche Anonymität deiner Vergangenheit abgebrochen. Du wirst jetzt immer derjenige sein, der einen Frieden geschlossen, eine kaiserliche Prinzessin geschwängert und ihren Ehemann erschlagen hat. Jetzt geht es nur noch darum, ob du dein Schicksal selber bestimmen willst. Oder ob du tatenlos abwartest, bis dir jemand, dessen Ambitionen du im Wege stehst, die Schlinge um den Hals legt und zuzieht. Und ich und alle deine Verwandten, unsere Gefolgsleute und Verbündeten…stecken ebenfalls in dieser Schlinge. Im Augenblick scheint es vielleicht, dass uns keine Gefahr droht. Aber glaube mir, dass kann sich binnen ein paar Tagen, ein paar Stunden ändern. Und je länger wir warten, desto größer wird die Gefahr. Schwäche und Zögern locken die Raubtiere an. Wir müssen in die Offensive gehen und klare Verhältnisse schaffen.
Und dafür musst du mit Linai ins Reine kommen!“
„Ich habe dich schon beim ersten Mal verstanden! Ich würde lieber…“
„Und mir wäre es lieber, Linai hätte dich geheiratet und nicht diesen Versager, dann hätten wir jetzt nicht dieses Problem.“
„Tobarii ist tapfer gestorben.“
„Na ja, von mir aus. Das macht deinen Sieg größer.“
„So habe ich das nicht gemeint…“, Dero winkte ab: „Wie willst du dein Personalmanöver eigentlich durchsetzen? Glaubst du wirklich, dass Kanzler Qau das mitträgt? Und der Adelsrat…“
„Vielleicht hat uns Rallis Thelam mit seinem dramatisch inszenierten Auszug aus dem Adelsrat sogar einen Gefallen getan. Dadurch haben wir jetzt eine Mehrheit.“
„Die Mehrheit von zwei Drittel ist keine Zwei-Drittel-Mehrheit des gesamten Adelsrates. Und damit ist er nicht beschlussfähig.“
„Vielleicht nicht, um einen Imperator zu bestimmen oder einen Regentschaftsrat einzurichten. Aber ansonsten…Hm.
Entscheidend ist sowieso die Admiralität.“
„Und die Armee.“
„Die Armee steht in diesem Krieg in der zweiten Reihe und das weiß sie. Der Krieg wird durch die Flotte entschieden. Es wäre momentan politisch höchst schwierig, ein Armeemitglied zum Kriegsminister zu machen. Später vielleicht…“

Dero konnte sich vorstellen, an wen sein Vater dabei dachte. Dass er den von jungen Adligen fast erwarteten Militärdienst bei der Armee abgeleistet hatte, im Gegensatz zu vielen seiner Altersgenossen aber auf eine Offizierslaufbahn verzichtet und es nur zum Unteroffizier gebracht hatte, war ein Quell wiederholter Streitigkeiten mit Meliac Allecar gewesen, der mehr von seinem Sohn erwartet hatte.

„…aber momentan schafft es die Armee ja nicht mal, auf Gamma Eridon einen Sieg einzufahren, der praktisch sicher war. So wie es aussieht, ist General Anwhars Offensive ins Stocken zu geraten.“
„Wie entwickelt sich die Lage?“
„Schlechter, als unsere Propaganda es glauben machen will. Die Armee übt sich in Zweckoptimismus, aber die Analysten der Flotte schätzen die Chance auf einen Sieg momentan noch auf sechzig-vierzig. Aber wie auch immer – ich glaube nicht, dass selbst die Eroberung von Gamma Eridon die Peshten aus dem Krieg werfen wird.“
„Vielleicht, wenn wir ihnen den richtigen Anreiz bieten.“
„Daran habe ich auch schon daran gedacht. Wenn du auch noch einen zweiten Frieden präsentieren könntest, hätten der Adelsrat und Linai kaum eine Wahl…“
„Es geht mir nicht nur um mein Standing am Hof!“
„…aber Verhandlungen mit den Peshten sind mehr als heikel. Und nachdem sie sogar einen kaiserlichen Prinzen ermordet haben, geht es in diesem Konflikt nicht nur um Sicherheitsinteressen und Einflusszonen. Das ist etwas…Persönliches. Die Konföderation war nur ein Anhängsel der Republik, lästig vor allem wegen ihrer Offene-Arme-Politik gegenüber Flüchtlingen und Exilanten aus dem Imperium.“
„Ich sehe die Konföderation nicht so. Und ich wäre bereit, dass Risiko mit den Peshten einzugehen.“
„Sehen wir erst einmal, wie sich die Lage auf Gamma Eridon weiter entwickelt. Ich will auf keinen Fall, dass du sinnlos dein Leben riskierst.“
Dero hätte wirklich gerne geglaubt, dass diese Sorge seiner Person galten und nicht der Rolle, die er in den ambitionierten Plänen seines Vaters spielen sollte. Falls es da für Meliac einen Unterschied gab.
„Um auf deine Frage zurückzukommen: Kanzler Qau kannst du meine Sorge sein lassen. Um den kümmere ich mich.“, Meliac Allecars Lächeln hatte eine grausame Note.

Bevor Dero nachhaken konnte, kam sein Vater zu einem anderen Punkt: „Aber wir müssen uns auch um Kern Ramal kümmern.“
„Was willst du vom Stabschef der Flotte?“ Das war eine eher rhetorische Frage.
„Das weißt du doch. Ich habe immerhin keinen Dummkopf großgezogen. Es ist ein offenes Geheimnis, wer sein Vater war.“
„Er mag Kaiser Eliaks unehelicher Sohn sein, aber der hat ihn niemals anerkannt.“
„Normalerweise würde ich dir Recht geben, vor allem da es noch so viele legitime Mitglieder der Thelam-Familie gibt. Aber wir leben nicht in normalen Zeiten. Ramal hat einige hochrangige Gönner. Und es gibt wohl einen Grund, warum IRGENDJEMAND kürzlich eine Neufassung des ‚Bastardprinzen‘*** herausgebracht hat.
Eine Aufführung, die mit dessen anfänglichen Erfolgen endet und sein…unschönes Ende ausblendet. In der es darum geht, dass Verantwortung nicht davon abhängig ist, auf welcher Seite der Bettdecke jemand geboren ist. Dass man gegen einen ‚Tyrannen‘ rebellieren muss, selbst wenn der der rechtmäßige Herrscher ist.“
„Der Bastardprinz ist blutig gescheitert. Auch weil die meisten Adelshäuser damals Xias dem Blutigen**** noch die Treue hielten. Auch die Tarans, obwohl ihr Erbe ein persönlicher Freund des Bastardprinzen war – und angeblich als Bote zwischen ihm und dessen kaiserlichen Halbschwester fungierte. UND sie später heirate, um sie vor dem Zorn Xias zu schützen.“
„Ich weiß, ich weiß. Ich kenne den Taran-Monolog und die Duellszene. Aber es heißt auch, dass der gescheiterte Aufstand des Bastardprinzen – und das Blutbad, das Xias anrichtete – der letzte Abstoß für die spätere Rebellion waren, die Xias die Krone kostete.
Wie gefällt dir das?“
„Ich glaube, du siehst Gespenster. Glaubst du ernsthaft, dass Ramal mit so einer…Posse das Wasser testen will?“
„Solche Possen können wirksamer sein als du denkst. Ein Lied kann einen Aufruhr entfachen. Ein Theaterstück kann das Ansehen eines Adelshauses ruinieren.
Aber du hast Recht, das ist nicht Ramals Stil. Ich denke da an jemand anderen.“
„Und wer…oh bitte! Nicht schon wieder Rallis!“
„Wer den sonst?! Ich weiß nur nicht, ob er damit dem kaiserlichen Bastard eine Option anbieten, einfach nur Unfrieden stiften oder Häusern wie den Tarans ein Angebot machen will.“
„Das wäre selbst für Rallis sehr um die Ecke gedacht. Und keiner der Tarans würde sich wegen irgendwelcher alten Geschichten ausgerechnet mit Kern Ramal zusammentun.“
„Vermutlich nicht. Ich habe Kern Ramal und Mokas Taran im Flottenstab beobachten können. Die beiden können sich nicht ausstehen. Wenn der eine rauf sagt, will der andere runter. Taran ist ein Reformer, während Ramal ein Expansionist ist. Taran hat gegen Prinz Jor rebelliert – und das hat ihm Kern Ramal nicht verziehen. Ramal träumt davon, den Krieg mit einem grandiosen Vernichtungsschlag gegen die Menschen entscheiden, Taran will das Reich konsolidieren und aus der Hinterhand kämpfen, mit einer Abnützungsstrategie und schnellen Schlägen gegen die Schwachpunkte des Gegners. Ramal will diesen Krieg unbedingt gewinnen. Taran will ihn vor allen Dingen beenden.“
„Genau wie ich…“, Dero zögerte kurz. „Und was glaubst du, welcher von beiden Recht hat?“
„Spielt das eine Rolle? Ich glaube, dass beide Recht haben – und beide Unrecht. Denn ich weiß nicht, ob wir Tarans Abnützungsstrategie durchhalten können. Allerdings habe ich auch meine Zweifel, ob wir überhaupt noch die Stärke haben, die für Ramals großartigen Entscheidungsschlag nötig ist. Egal. Wichtig ist, was wir aus der Tatsache machen, dass der Befehslhaber des Flottenstabs und der Chef seiner Planungsabteilung einander nicht grün sind.
Wo wir schon vom Bastardprinzen reden – ich brauche dich wohl nicht an Ramals…komplexes Verhältnis mit Prinzessin Linai erinnern?“

Dero war sich sicher, dass sein Vater DIESES Thema vor allem zur Sprache brachte, um ihn gegen Ramal aufzustacheln. Was durchaus funktionierte.

„Beziehst du deine Informationen ausschließlich aus dem Hofklatsch, Vater?“
„…auch wenn er sich inzwischen einen Ersatz gesucht hat.“
„Was?“
„Also interessiert es dich doch? Dem ‚Klatsch‘ zufolge hat Ramal etwas mit einer Tochter von Prinz Lisson Thelam. Dass sagt auch einiges aus. Über Lisson und über Ramal. Mit welcher der beiden Prinzessinnen, weiß ich allerdings nicht. Vielleicht beiden? Im Zweifelsfall würde ich aber annehmen mit der, die Linai am ähnlichsten sieht.“
„Das reicht!“, Dero wurde nur ungern laut, erst recht nicht gegenüber seinem Vater. Aber das ging langsam zu weit.
Offenbar erkannte das auch sein Vater: „Schon gut. Spar dir deinen gerechten Zorn für etwas Konstruktives auf.“
„Und was meinst du damit? Willst du, dass ich mich auch mit Ramal duelliere?“
Meliac Allecar verschluckte sich beinahe an dem Saftbecher, obwohl die Frage seines Sohnes naheliegend war: „AUF KEINEN FALL! Und das meine ich ernst. Das wäre dein Tod!“
„Ich habe immerhin Tobarii besiegt.“

Dero war verärgert über das leichte Zögern, das in seine Stimme mitschwang. Er dachte nicht gerne an den Zweikampf zurück, und an den Prinzgemahl, der im Schlamm des Duellrunds sein Leben ausgeblutet hatte. Die Erinnerung bescherte ihm immer noch Albträume. Natürlich war er eifersüchtig auf Tobarii gewesen, hatte ihn auch etwas verachtet, aber er hatte ihn nicht gehasst. Und er hasste auch Ramal nicht wirklich. Das beruhte allerdings kaum auf Gegenseitigkeit, jedenfalls soweit sich Dero an die wenigen Gelegenheiten erinnerte, bei denen er dem kaiserlichen Bastard persönlich begegnet war. Jedes Mal hatte Kern Ramal sehr überzeugend den Eindruck vermittelt, kaum dieselbe Luft wie Dero atmen zu wollen.

„Knapper, als es mir lieb war, mein Sohn. Und wir wissen beide, wie es um Tobarii Jockhams Fechtkunst bestellt war.“
„Er war besser, als du denkst.“
„Und nichts anderes werde ich sagen, falls man mich fragt.“, stimmte Meliac Allecar etwas sarkastisch zu: „Aber wenn dem so war, denk daran, dass Ramal ihn für den Kampf trainiert hat. Wenn er Tobarii in ein paar Wochen soweit bringen konnte, was meinst du, was das über Ramals Fechtkünste aussagt? Ramal hat weitaus mehr Duelle bestritten als du. Er ist seit seiner Kindheit dazu erzogen worden, seine Ehre mit der Klinge zu verteidigen. Wir sprechen von einem der wohl besten Schwertfechter deiner Generation. Und ich kann dir versichern, dass Ramals Opfer sein Gewissen nicht belasten.“
Dero presste die Lippen zusammen. Er durfte seinen Vater nicht unterschätzen. Auch wenn Meliac Allecar manchmal nur das zu sehen geruhte, was er auch sehen wollte, so war er auf keinen Fall dumm. Und er durchschaute Dero offenbar besser, als es dem lieb war: „Und was soll ich dann tun? Mich mit ihm anfreunden?“
„Wäre das doch bloß möglich…
Mir wäre ein kaiserlicher Bastard auf UNSERER Seite allemal lieber denn als unser Feind. Zumal ich für deine Cousine Gilat noch keinen geeigneten Ehemann gefunden habe.“
„Meinst du das ernst? Und weiß Gilat von diesen Überlegungen?“
„Es würde sowieso nicht funktionieren. Nein, ich fürchte wir werden Ramal auf traditionellere Art und Weise loswerden müssen.“
„Wie traditionell? Ich werde mich ganz bestimmt an keinem Mordkomplett beteiligen.“
„Für wen hältst du mich?! Das wäre denn doch sehr grobschlächtig und würde unseren Feinden den perfekten Vorwand liefern uns auszuschalten. Wenn es herauskommt.
Aber wie du ja erfahren hast, kommen Geheimnisse immer irgendwann an Tageslicht.
Nein, wir werden uns nicht die Hände schmutzig machen. Ramal hat genug andere Gegner.“

Dero verzog den Mund abschätzig, als würde er in eine übersaure Frucht beißen. Er wusste genau, was sein Vater meinte. Und das war nur graduell besser, als wenn die Allecars selber das Messer geführt hätten: „Mir gefällt das nicht. Ramal ist…“
„Er ist ein Mann von Ehre.“, Meliac Allecars Tonfall zufolge hätte er auch sagen können, ‚Er ist ein Dummkopf‘: „Auch wenn es die verbogene Ehre eines Bastards ist. Und das macht ihn berechenbar.“
„Und du willst das ausnützen.“
„Wir können es uns nicht leisten, nichts zu tun. Denn Ramal wird auf keinen Fall tatenlos bleiben. Ich schätze, er hat dich nur deshalb nicht selber gefordert, weil es seinem merkwürdigen Kodex widerspricht, nach dem Tod des Prinzessgemahls in seine Fußstapfen zu treten. Sonst kann ich mir jedenfalls keinen anderen Grund vorstellen.“
„Vielleicht hat er auch anerkannt, dass unser Anspruch gerechtfertigt war. Und akzeptiert, dass ich ihn mit der Klinge in der Hand erworben habe.“
„Das meinst du nicht wirklich ernst. Wenn das der Fall wäre, wäre er allerdings wirklich keine Gefahr. Weil er dann ganz einfach zu dumm wäre um eine Bedrohung darzustellen. Ich bin allerdings nicht bereit, dein und unser aller Leben darauf zu verwetten. Ich denke ja eher, dass er nicht genau weiß, wie er sich verhalten soll, da unsere geliebte Prinzessin Linai sich in Schweigen und Untätigkeit gefällt.“
„Lass Linai da raus!“
„Dafür ist es bei weitem zu spät. Ich weiß nicht, was dieses Mädchen will oder tun wird. Aber wie auch immer…weder dieser Bastard Ramal noch Rallis Thelam oder sein Cousin Karrek werden ebenfalls so untätig bleiben. Wenn sich eine günstige Gelegenheit ergibt…“
„Sollen wir keine Skrupel zeigen und sie gnadenlos ausnutzen?“
„Wir…ICH werde tun, was getan werden muss. Für unser Haus – und auch für dich. Aber ich kann uns nicht alleine über die Ziellinie tragen. Ich brauche dich. Wegen Linai, wegen unseren Verbündeten und Gefolgsleuten, die in dir die Zukunft unseres Hauses sehen. Und dann ist da noch Admiral Latasch, der dir den Weg im Kriegsministerium ebnen und endlich auch einen signifikanten Teil der Militärs auf unsere Seite bringen kann. Wenn wir…wenn DU alles richtig machen, dann bietet sich die Chance, das Imperium zu formen, wie kaum eine Familie außer den Thelams es vermocht hat.“

‚Und wenn ich das gar nicht will?‘ hätte Dero am liebsten gefragt. Aber das wäre sinnlos gewesen und außerdem eine halbe Lüge. Er WOLLTE das Imperium mit in die Zukunft führen. Und er WOLLTE Linai. Wenn auch nicht zu dem Preis, den sein Vater zu zahlen bereit war. Aber sich gegen seinen Vater zu stellen fiel ihm schwer. Und nicht nur, weil er wusste, dass Haus Allecar auf sein Oberhaupt angewiesen war. Dero war der Erbe des Hauses, viele würden sagen seine Zukunft – aber Hirn und Wille der Allecars war immer noch Lord Meliac.
Es war Dero schwer genug gefallen, sich gegen seinen Vater durchzusetzen, als es um seinen Dienst als einfacher Soldat der Streitkräfte ging. Und um seinen Entschluss, nach der juristischen Ausbildung weder einen Posten in der Verwaltung noch an einem der angesehenen Gerichtshöfe zu suchen, sondern als einfacher Zivilanwalt zu arbeiten. Er hatte sich damals durchsetzen können, wenn auch nur knapp.
Aber die Zeiten waren andere.
Seine Mutter war gestorben, die – in dieser Hinsicht den tradierten Vorstellungen des Akarii-Adels folgend – immer eine Stimme des Ausgleichs und der Mäßigung gewesen war. Vielleicht hatte ihr Tod auch Meliacs Bewusstsein für die eigene Sterblichkeit geweckt und sein Verlangen gestärkt, dem Hause Allecar ein bleibendes Andenken zu setzen und seine Zukunft dauerhaft zu sichern.
Gleichzeitig hatte der Krieg viele Häuser groß gemacht, wenn auch teilweise auf Kosten anderer Adelsfamilien. Und Haus Allecar hatte zu den ‚Verlierern‘ gehört. Auch wenn die Allecars sich nicht in die gegen Kronprinz Jor gerichtete Offiziersverschwörung hatten verwickeln lassen, politisch standen sie auf einer eher moderaten Linie. Während der de-facto-Herrschaft des Kronprinzen hatte ihnen das wenig Zuneigung von Seiten Jors und dessen Kamarilla eingebracht.
All das mochte dazu beigetragen haben, dass Meliac nur zu willig nach der Gelegenheit griff, die sich durch den Aufstieg seines Ältesten und dessen Affäre mit Prinzessin Linai geboten hatte.
Deros Verhältnis mit seinem Vater war immer kompliziert gewesen. Aber er wusste, wann es sinnlos war zu argumentieren. Einfache Akarii mochten den Adel für den Luxus und die Möglichkeiten beneiden, die das Leben ihm bot. Aber sie wussten wenig über die Zwänge, Erwartungen und Pflichten, die auf ihm lasteten. Besonders auf den erstgeborenen Söhnen.
Manche Zwänge konnte man aufbrechen, machen Erwartungen sich entgegenstellen. Aber wenn das Schicksal des ganzen Hauses, ja sogar des Imperiums auf dem Spiel standen welche Wahl hatte man da noch?


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* Rishi: eine in den Trockengebieten des Hauptkontinents von Akar vorkommende Kulturpflanze, deren dickwandige, stachelbesetzte Früchte roh oder zu Mus gekocht verzehrt werden oder für Säfte Verwendung finden
Pi’ri: die bis zu einem halben Meter langen Früchte des bis zu fünfzig Schritt hohen Pi’ri-Baumes können roh oder gebacken verzehrt oder zu Mehl zermahlen werden. Der vielseitig nutzbare Baum gab einer ganzen Steinzeitkultur der Akarii ihren Namen.
Ragan: eine Küstenpflanze, deren faustgroße Früchte verzehrt oder zur Gewinnung eines vielseitigen Öls ausgepresst werden können.
Looson: die Knospen dieser vielseitig verwendbaren Seerose gelten als Delikatesse.

** Steinkröte: eine bis zu zwei Kilogramm schwere, insektenfressende Amphibie tropischer und subtropischer Regionen von Akar. Dieses als faul, gefräßig und ungeheuer fruchtbar bekannte Tier dient als Fleischlieferant. Seit der späten Steinzeit wurde sie auch gezüchtet. Heute gilt der Verzehr als bäuerlich, ist aber immer noch weit verbreitet.

*** ‚Der Bastardprinz‘: eine antike Akarii-Tragödie um Verrat, Intrigen, Mord und Inzest.

**** Xias ‚der Blutige‘: ein Imperator und berühmter Eroberer der Akarii-Antike. Seine zur Terrorherrschaft ausartende Regierungszeit wurde durch eine Adelsverschwörung beendet, an der die Häuser Taran und Allecar maßgeblich beteiligt waren.
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Tyr Svenson

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13.09.2022 19:22 Forum: Kurzgeschichten


Ein kurzer Zwischenbericht:

Ich schreibe gerade an einer Geschichte zu den Akarii. Die ist aber länger geworden als gedacht, also werde ich sie in drei Teilen posten.

Der erste Teil (was zu Dero und den Plänen seines geliebten Vaters :rolleyessmile kommt hoffentlich noch im September raus.

Ace
Keine Bange, ich schicke es dir vorab, damit du vorgewarnt bist. Augenzwinkern Und wir das ggf. noch etwas ausklamüsern können.
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Tyr Svenson

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20.08.2022 20:04 Forum: Kurzgeschichten


Lesen sollte klappen (vielleicht mit kleiner Verzögerung). Augenzwinkern

Beim Schreiben muss ich sehen, wie schnell ich vorankomme... unglücklich
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Tyr Svenson

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20.08.2022 17:28 Forum: Kurzgeschichten


Ironheart,


es wäre natürlich fantastisch, falls du wieder dazustoßen würdest! Freut mich, dass dein privates und berufliches Leben wieder im Lot ist!
Also herzlichen Glückwünsch auch von mir! Und du bist natürlich jederzeit und immer willkommen!


Und wenn du hier irgendwelche Unterstützung beim "aufholen" brauchst (Fragen hast, einen Überblick brauchst etc.), ich stehe gerne zur Verfügung!


Auch wenn ich zugeben muss - aufgrund diverser beruflicher Termine werde ich selber wohl den September über etwas kürzer treten müssen... Augen rollen
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Tyr Svenson

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31.07.2022 19:14 Forum: Kurzgeschichten


Eigentlich gäbe es vermutlich v. a. einen der Thronprätendenten, bei dem das glaubhaft wäre mit dem "Frieden mit dem Konkordat - NIMMERMEHR" - die anderen sind da etwas pragmatischer. Augenzwinkern
Und selbst Karrek dürfte kapiert haben, dass das Hauptproblem die Menschen sind - nicht das Konkordat.

Aber was das angestrebte Friedensabkommen für T'rr angeht, natürlich besteht immer die Gefahr, dass Hardliner auf beiden Seiten (oder vielmehr allen drei Seiten - T'rr-Loyalisten, T'rr-Rebellen und die Akarii) Ärger machen.
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Tyr Svenson

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31.07.2022 07:37 Forum: Kurzgeschichten


Falls du mir jetzt Plagiarismus vorwirfst... Teufel

Ich hatte schon gedacht, dass ich SOWOHL Navarr, ALS AUCH den T'rr eine durchaus eigene Note gegeben habe. Zumal ich weder zu Dero noch zu Cockroach, äh Cochrane so einen schreiberisch guten Draht habe Zunge raus
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Tyr Svenson

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30.07.2022 08:29 Forum: Kurzgeschichten


Danke!
Die Story sollte (inGame und outGame) v. a. auch ein wenig Lücken füllen. Mit der nächsten Story habe ich schon etwas mehr vor - das soll einiges anlegen, was später noch mal wichtig werden kann.
Aber da eine Figur, die du früher ziemlich häufig geschrieben hast, eine nicht ganz unwichtige Rolle dabei spielt, schick ich dir den Teil auf jeden Fall vorab.

Wenn ich denn mal zum Schreiben komme... Augen rollen
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Tyr Svenson

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28.07.2022 19:25 Forum: Kurzgeschichten


Nach (allzu)langer Zeit kommt hier mal wieder ein Text von mir.

Thema sind allerdings diesmal Ereignisse abseits der Schlacht um Gamma-Eridon - was das angeht, liegt der Ball nämlich momentan eher bei Cattaneo und Ace *wink mit dem Zaunpfahl* Augen rollen

Ich hoffe, die Geschichte gefällt trotzdem, obwohl es mal wieder um die verd***ten Echsen geht. großes Grinsen

Ideen für eine weitere Nebenstory (diesmal auf Akar selber) sind schon fix, jetzt muss ich nur die Zeit finden, zu schreiben... unglücklich
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