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Thorsten Kerensky
Colonel


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Anmerkung: Der hier veröffentlichte Text ist die Zusammenfassung der erdachten Ereignisse der Autorenzusammenarbeit "Red Dragon Corp." aus dem Söldner-Bereich. Das geistige Urheberrecht verbleibt bei den einzelnen Schreibern.



„Fight fire with fire!“

10.05.3059
Galatea-Spaceport
Galatea

Auf einem Planeten wie Galatea war es auch 3059, viele Jahre, nachdem Outreach der Söldnerstern Nr. 1 geworden war, kein großes Ereignis, wenn ein Landungsschiff den Planeten erreichte und BattleMechs ausschleuste.
Der Tag war gerade erst angebrochen, aber schon legte sich die Hitze über den Raumhafen, die typische für den Wüstenplaneten war, als ein Landungsschiff der Union-Klasse majestätisch aufsetzte und zischend seine Versiegelungen öffnete, während die Reaktoren herunterfuhren.
Das Schiff hatte schon bessere Tage gesehen, nur noch Rest der einst grünen Bemalung zeugten vom Glanz alter Tage, die einzige auffällige Farbe, war ein Einheitslogo, ein blauer Hund vor einer roten Rose.
Als sich die Laderampe öffnete, trat ein einsamer Mech in das gleißende Licht der Galatea-Sonnen. Im Gengensatz zu dem Union war der Kriegshammer in tadellosem Zustand. Er war in mattem Schwarz bemalt, rote Akzente ließen ihn beinahe dämonisch wirken. Um Die Mündungen der Partikelprojektorkanonen schienen Energieflammen zu züngeln, kunstvoll mit blauer Farbe gemalt. Auf der Brust des Stahlgiganten prangte ein dreiköpfiger Hund, der zum Sprung ansetzte. Cerberus, der Höllenhund.
Michael Reuter, der Pilot des Mechs, lenkte seine Maschine vom Flugfeld und musterte kritisch die Umgebung. Es war nicht lange her, seit er von hier abgeflogen war. Damals war er noch nicht einmal achtzehn Jahre alt gewesen, als er sein Glück bei der Söldnereinheit der Hell’s Hounds gesucht hatte. Geld, Ruhm und Abenteuer hatte er gesucht, aber es war natürlich alles anders gekommen.
Nur die wenigsten von ihnen hatten überlebt und Kai Dragon, sein ehemaliger Kompaniechef, hatte aus irgendwelchen Quellen Geld aufgetan, um eine eigene Einheit zu gründen. Und er, Reuter, war jetzt die Vorhut. Er sollte den Grundstein legen, bis der Chef in den nächsten Tagen zu ihm stieß.
Wenig später war er durch den Zoll und hatte seinen Mech vorübergehend in einem Lagerhangar abgestellt. Galatea bot diese kostengünstige Möglichkeit und obwohl er schon via HPG ein Kasernengelände angemietet hatte, wollte er vorher noch zu einem der Auffangbecken für herrenlose Söldner gehen und dort sein Glück versuchen.
Gegen den staubigen Wind schlug er den Kragen seines schwarzen Uniformmantels hoch und bahnte sich seinen Weg durch die Straßen bis zu seinem Ziel, einer schmuddeligen und heruntergekommenen Spelunke, die allerdings noch über dem Standard der Piraten und wirklich gewissenlosen Bastarde lag.
Kaum hatte er das Gebäude betreten, nutzte er die Windstille, um sich eine Zigarette anzustecken. Viel zu lange hatte er nun schon darauf verzichtet. Dann erst sah er sich aufmerksam um, ließ seinen Blick über die erstaunlich zahlreichen Anwesenden schweifen.
Er räusperte sich. „Meine Damen und Herren, ich bin Leutnant Michael Reuter und suche im Auftrag von meinem Chef Mechkrieger für die Red Dragon Corporation!“
Im ersten Moment tat sich überhaupt nichts. Zwar fühlte Reuter, dass die Anwesenden ihn aufmerksam musterten und dabei vermutlich sein Alter richtig einschätzen, wie er ihren Blicken entnahm, aber Reaktionen blieben aus.
Bis ein schlaksiger Mann ganz hinten im Raum sich erhob. „Gut gebrüllt, Löwe!“, rief er. „Aber du solltest nie vergessen, wo du dich befindest. Neben der Aussage, dass du Mechjockeys suchst, solltest du das magische Zauberwort hinzufügen. Und das heißt nicht ‚Bitte‘…“
Reuter lächelte. „Was wollen sie? Geld? Hängt vom Kontrakt ab. Rang? Je schneller sie einsteigen, desto besser sind ihre Chancen. Techs und Vorräte? Suchen wir noch!“
Der Mann am etwas näher. „Geld ist immer richtig und der Kontrakt das Einzige, was zählt.“
„Keine Techs?“, erscholl es aus einer anderen Ecke und als Reuter sich in die Richtung drehte, sah er eine Frau, die sicher schon über vierzig Jahre alt war. „Scheinbar zählen meine zwanzig Jahre Berufserfahrung als Tech nicht mehr.“, hängte sie schnippisch an, ehe sie sich wieder ihrer Zeitung zuwandte.
„Wenn ihr Techs habt und das Geld stimmt, dann bin ich dabei“, warf jemand anderes ein. Reuter ordnete den Mann, der gerade seine Füße von einem der Tische nahm, sofort als Pilot ein, nicht zuletzt wegen der Fliegerkombi, die er trug. „Vorausgesetzt, ihr braucht jemanden, der den Schlammhüpfern etwas Luft verschafft, wenn euch das Wasser bis zum Hals steht.“
„Wenn es nur das Wasser ist“, antwortet der Mechkrieger, der zuerst aufgestanden war, „dass mir und meinem kleinen Buben bis zum Hals steht, geht es mir noch gut. Aber wenn in dem Wasser Kröten schwimmen, wäre ich dir dankbar, wenn du die ein oder andere Bombe übrig hättest.“
„Geht in Ordnung“, gab der Pilot zurück. „Ich bin Antonov Gabriel, letzter Dienstgrad Leutnant.“ Er zuckte mit den Schultern, ehe er fortfuhr: „Ich habe noch nie viel auf Dienstgrade gegeben. Freut mich trotzdem.“
„Markus Goddard, ehemals Oberleutnant bei den 4. lyranischen Regulären. Habe nach dem ganzen Hickhack meine Restdienstzeit ablaufen lassen und mich dann abgesetzt. Würde mich freuen, die Techniken kombinierter Attacken zu vertiefen.“
Gabriel grinste und die beiden reichten sich die Hand. Da hatten sich schon zwei gefunden. „War bei einer kleinen Söldnereinheit. Die ist aber pleite gegangen.“
Reuter hatte genug gehört und räusperte sich. „Meine Herren, freut mich, sie im Team begrüßen zu dürfen.“ Er sah zu der Tech. „Gute Frau, ich würde mich glücklich schätzen, sie als Chefin meines Tech-Bereichs begrüßen zu dürfen.“
Die Angesprochene sah nun doch von ihrer Zeitung auf, wirkte allerdings immer noch etwas angefasst: „Anja Silver, wenn ich den Tech-Bereich leiten kann, bin ich dabei.“
„Das ist schön. Wenn sie Kontakt zu anderen Techs haben, die Arbeit suchen, laden sie alle ein. Leutnant Gabriel, für sie werden wir noch einen Flügelmann finden. Mister Goddard, ihnen biete ich den Leutnant an und da wir momentan die einzigen Mechpiloten sind, werden wir wohl eng zusammen arbeiten.“
Er drückte seine Zigarette in einem Aschenbecher aus und sah in die Runde. „Willkommen in der Red Dragon Corp.! Verträge werde ich später aufsetzen, nun biete ich ihnen an, mich in unser neues zu Hause zu begleiten. Ich war selber noch nicht dort und bin gespannt, was uns erwartet.“
Gabriel reichte ihm die Hand und Reuter schlug ein. „Es ist mir eine Ehre, Sir“, grinste der Flieger.
„Ganz meinerseits. Ich habe draußen ein Taxi warten, dann wollen wir mal.“ Er machte eine einladende Geste in Richtung Tür und heftete dann noch einen Zettel ans schwarze Brett. Vielleicht würde sich ja noch der ein oder andere melden.
Im Taxi wartet der Pilot dann schon wieder mit einer Überraschung auf, als er vier Dosen Bier aus seinem Rucksack zauberte und einen Toast auf die neu gegründete Einheit ausbrachte. Die vier Menschen, die unterschiedlicher nicht sein konnten, stießen auf ihre neue Heimat an.

Die Kaserne selbst erwies sich als außerordentlich schlicht. Niedrige, einstöckige Flachdachbauten gruppierten sich um einen Betonplatz, ein schlichter Mechhangar für zwölf Maschinen, eine Fahrzeughalle und eine Sporthalle schlossen sich an. Dahinter lag eine Startbahn für Luft-/Raumjäger, durch deren Betondecke zähes Wüstengras wuchs und an deren Rand eine Tankstelle für die Jäger stand. Eingerahmt wurde die Liegenschaft von einem drei Meter hohen Sicherheitszaun mit nur einem Tor, das von einem kleinen Wachhäuschen geschmückt wurde.
„Wir richten uns darauf ein, drei Wochen hierzubleiben“, erklärte Reuter, als er die Blicke der anderen wahrnahm. „Danach haben wir hoffentlich einen Kontrakt.“ Sie traten durch das Tor und näherten sich den heruntergekommenen Gebäuden. „Ich würde vorschlagen, sie suchen sich ihre Quartiere einfach aus und wir fangen hier ein bisschen mit dem Aufräumen an. Morgen kommt eine Firma, die den Hangar und die Hallen ausmistet, dann sparen wir uns wenigstens dort die Arbeit. Ich werde jetzt erst mal ein Büro benutzbar machen und ihre Verträge aufsetzen.“
Die drei sahen erst ihn an und dann wieder zu den Gebäuden.
„Außerdem telefoniere ich ein bisschen rum und versuche, einen Koch zu bekommen und unsere Truppe zu vergrößern. Sie sind vom Rang und Besoldung jetzt alle Leutnant, beziehungsweise SeniorTech. Ich bin so frei und ernenne mich zum Hauptmann, bis der Chef eintrifft. Alle Neuzugänge werden dann ihren Einheiten zugeteilt. Klingt das akzeptabel?“
Goddard nickte: „Akzeptabler als die Unterkünfte. Da braucht es mehr als ein bisschen Spucke. Benzin zum Beispiel.“
„Wirst du hier wohl nicht finden“, feixte Gabriel. „Also los, Leute, wer zuletzt im Gebäude ist, kriegt die kleinste Stube!“, setzte er nach und marschierte direkt auf eines der Unterkunftsgebäude zu.
„Ich hoffe nur, dass die Wanzen schon verhungert sind“, grummelte Goddard, als er ihm folgte.
Reuter machte eines der anderen Gebäude als das Stabsgebäude aus und wandte sich in diese Richtung. Natürlich suchte er sich das größte Büro aus, das nebenbei auch noch einen Zugang zum Nebenzimmer hatte. Dort würde eine Schreibkraft oder eine Vorzimmerdame gut arbeiten können. Zwei Fenster und eine Menge Staub waren das einzige, was in dem Büro auf ihn wartet und mit viel Kraft gelang es ihm sogar, frische Luft in den Raum zu lassen. Er betätigte den Lichtschalter und war beinahe überrascht, dass nicht nur Strom da war, sondern auch die Neonröhre über ihm noch funktionierte.
Er griff in seinen Mantel und zog ein Mobiltelefon hervor. Die Nummer vom Lagerverwalter hatte er gespeichert.
„Michael Reuter hier, Red Dragon Corporation. Sie können den Container ausliefern, wir sind vor Ort.”

„Zehn Minuten, verstanden. Ich warte am Tor auf sie.“
Er legte auf und führte noch ein zweites Telefonat, ehe er zu den Unterkünften ging.
Dort kam ihm ein Schwall Wasser entgegen und er sah Gabriel und Goddard, die wohl das ganze Gebäude unter Wasser gesetzt hatten und nun mit einem Abzieher dafür sorgten, dass der Dreck nach draußen floss. „Meine Herren, ich sehe, sie kommen voran.“
Die beiden sahen von ihrer Arbeit auf. „Leidlich. Wenigstens haben wir fließendes Wasser.“
„In zehn Minuten kommt ein Container hier an“, erklärte er. „Möbel, Putzzeug und Lebensmittelvorräte, das Nötigste. Außerdem kommt in zwei Stunden der Pizzaservice und bringt unser Mittagessen. Das geht auf meine Rechnung, wenn sie mir helfen, den Container auszuräumen. Ich denke, Betten und Tische würden diese Unterkünfte aufwerten.“
Nickend wandten sich die Leutnante wieder ihren Putzbemühungen zu und Michael machte sich auf den Weg zum Tor. Er kam an der Küche vorbei, warf aber nur einen flüchtigen Blick hinein, ehe er angewidert die Tür wieder zuzog. Es gab noch viel zu tun.

Als er zwei Stunden später die Pizza in die erste fertig eingerichtet Stube trug und sie sich alle zusammenfanden, um eine Mittagspause einzulegen, hielten sie nebenbei auch ein kurzes Briefing ab.
„Sir, wir haben jetzt in jedem Raum außer der Küche Strom. Außerdem hätte ich noch ein paar Leute an der Hand, die eventuell hier anheuern könnten…“, wandte sich Anja Silver an ihn. Er hatte sie seit ihrer Ankunft hier kaum gesehen, aber sie hatte ihm erzählt, dass sie so ziemlich jede einzelne Stromleitung kontrolliert hatte, was eine ziemliche Arbeit gewesen sein musste.
Reuter nickte. „Ihre Leute sollen sich auf den Weg machen, wir brauchen hier dringend helfende Hände. Ich habe hier ein paar wichtige Punkte aufgeschrieben. Miss Silver, bekommen sie das mit dem Strom in der Küche hin?“
„Selbstverständlich. Ich kann aber nicht sagen, wie schnell.“
„Leutnant Gabriel, wenn sie die Wasserhähne in den Waschräumen kontrollieren könnten, wäre uns allen sehr geholfen. Ich habe in dem Container noch neue Armaturen gefunden, die sollten wir benutzen. Leutnant Goddard, wenn sie die Zeit haben, könnten sie sich Fenster und Türen anschauen und danach mit Gabriel zusammen die Möbeltrümmer unserer Vormieter auf den Platz bringen. Dann brennen wir die mit einem gezielten Flammenwerferschuss ein und sparen uns die Entsorgung. Ich kümmere mich noch ein wenig um den Papierkram und bau noch ein paar Möbel auf und werde danach mit unserer SeniorTech Hangar, Flugfeld, Treibstofflager und so weiter inspizieren, bevor es dunkel wird.“
Gabriel machte sich gar nicht die Mühe, mit leerem Mund zu sprechen. „Geht klar“, brachte er zwischen zwei Bissen hervor.

Später, als er mit der älteren Frau über die Kaserne lief und alles gründlich inspizierte, reichte sie ihm nebenbei einen Zettel, auf dem sie diverse Namen notiert hatte, alles Leute, die potentielle Anwerber waren. Es waren die Überreste der Einheit, in der sie zuletzt gedient hatte. Sie waren fast komplett aufgerieben worden und Michael ahnte, dass er hier alle oder gar keinen bekommen würde.
Er las den Zettel sorgfältig. Drei Techs. Marc Colbia, Jens Covo, Brigitte Noppin, wobei letztere Luft-/Raumjäger warten und reparieren konnte.
Fünf Infanteristen. Michel Nürs und Frank Hejin, Spezialisten am Maschinengewehr, sowie Jürgen Flegel, Ina Armand und Frederick Maul, alle auf KSR-Werfern geschult. Er nahm sich vor, Tor und Schlagbaum der Kaserne morgen früh direkt als Erstes zu richten, damit diese Leute auch etwas bewachen konnten.
Zwei Panzer. Ein Schreck unter der Führung von einem Patrick O’Neill und ein stark lädierter und momentan nicht einsatzfähiger Galleon, dessen gesamte Besatzung eine gewisse Mira Jay-Dean darstellte.
Dazu kamen zehn Männer und Frauen aus verschiedenen Bereichen. Küchenkräfte, AsTechs, und so weiter. Hilfspersonal, wie es jede Einheit brauchte.
Ganz unten auf dem Zettel, es schien fast, als wollte Anja Silver diese Namen nicht schreiben, standen noch zwei Leute. Eine Nina Silver, Pilotin eines Shologar Luft-/Raumjägers und Gerrit Silver, Mechpilot und Besitzer eines Cataphracts.
„Familie?“, mutmaßte Reuter.
„Meine Kinder. Sie sind noch jung und müssen noch viel lernen, warum?“
Der Hauptmann merkte, dass er hier besser nicht nachfragte und winkte ab: „Berufliches Interesse.“ Er deutete auf den Mechhangar und lenkte vom Thema ab: „Leutnant Goddard sagt, die Deckenbeleuchtung sei kaputt, ich schätze, das möchten sie sich ansehen?“

Am Ende des ersten arbeitsreichen Tages der kleinen Truppe scharrten sich die vier Drachen um Reuters Schreibtisch. Der Hauptmann war froh, dass wenigstens die Kaffeemaschine schon funktionierte und er schenkte vier Plastikbecher voll, um sie zu verteilen. Er ahnte bereits, dass er in den nächsten Wochen nicht mehr von dem schwarzen Gift loskommen würde, aber er rauchte ja auch, als machte es wirklich keinen Unterschied mehr.
„Meine Damen und Herren, Abschlussbriefing Tag 1!“ Er sah in die kleine Runde. „Eines vorweg: ich bin hochzufrieden mit ihnen. Ich habe echt einen guten Fang gemacht, wie es aussieht. Wir haben Schlafräume für uns, fließendes Wasser und Licht. Die Heizung läuft und wir können mit dem eigentlichen Beziehen der Liegenschaft beginnen.“
Er nahm einen Schluck Kaffee und fuhr dann fort: „Morgen werden wir zuerst zurück zum Raumhafen-Viertel fahren und unser Kriegsgerät abholen. Was sich aus eigener Kraft nicht bewegen lässt, so wie Leutnant Gabriels Luft-/Raumjäger, lassen wir hierher transportieren. Das wird zwar teuer, ist aber unvermeidlich.“
Die drei nickten und nach einem weitern Schluck Kaffee fuhr er fort: „Jetzt ein wenig Organisation: Unsere Mechlanze besteht momentan aus zwei Leuten, Leutnant Goddard und mir, einer vielversprechenden Bewerbung und dem Chef, Kai Dragon, so er dann hier aufschlägt. Ich weiß, dass jeder Mechkrieger, der sich bis jetzt beworben hat oder Teil dieser Truppe ist, schon Erfahrung als Lanzenführer gesammelt hat, aber solange unsere Truppe noch nicht Bataillonsstärke erreicht hat, werden wir uns wohl alle etwas zurücknehmen müssen.
Zu ihren Dienstgraden habe ich mich ja vorhin schon geäußert, Miss Silver trägt den Rang SeniorTech, was sie einem Leutnant gleichsetzt und sie wird die Leiterin des Techbereichs und des Zivilpersonals.“
Er nahm ein Blatt zur Hand und überflog es kurz, ehe er fortfuhr: „Die Jägerabteilung besteht derzeit aus ihnen, Leutnant Gabriel, sie bekommen aber wahrscheinlich eine reizende junge Flügelfrau im Rang eines Sergeant. Dann stößt morgen mit etwas Glück ein Team aus zwei reparaturbedürftigen Panzern zu uns, ein Galleon und ein Schreck. Ich werde beide Kommandeure als Sergeanten anstellen, dem Galleon fehlt noch Rest-Crew, der Schreck ist besetzt, die Crew wird im Rang Corporal angestellt. Desweiteren werden wir von fünf Infanteristen beehrt, die bei uns hauptsächlich für die Torwache zuständig sind, bis wir einen Trupp zusammen haben. Sie sind im Range Private angestellt, sobald sich ein Anführer herauskristallisiert, wird dieser zum Corporal befördert."
Ein tieferer Schluck Kaffe.
"Nun, SeniorTech Silver meinte auch, sie wolle nicht mehr alleine arbeiten und schlug mir drei Techs vor, deren Referenzen für sie sprechen. Zwei auf Mechs eingestellt, eine auf Jäger. Ich stelle sie alle im Rang Tech ein, was in etwa einem Corporal entspricht und sie werden dann den Bereichen zugeteilt, in denen sie arbeiten, solange es nichts anderes zu tun gibt. Bei nur 4 Techs müssen sie sowieso fast alles machen.
Unser Bodenpersonal besteht aus zehn Leuten, die morgen hier auftauchen, alle im AsTech-Rang, vergleichbar zum Private. Küche, Hygiene, was halt so anfällt. Haben sie dazu noch Fragen?"
Gabriel meldete sich zu Wort: „Ja, Sir. Sie sagten, wir verlegen meinen Bomber mit einem LKW. Ich möchte anmerken, dass der Vogel einhundert Tonnen wiegt und es deutlich einfacher wäre, ihn anzutanken und hierher zu fliegen.“ Er zögerte und grinste dann breit: „Ich hoffe darüber hinaus, dass meine Flügelfrau weiß, mit wem sie es zu tun bekommt.“
„Oh, das bekommen wir schon hin. Sie können dann morgen einen Tanklaster ordern, ihre Maschine tanken und sich dann direkt darum kümmern, dass der Rest vom Treibstoff hier in der Kaserne eingelagert wird, hier sind die Tanks nämlich auch leer.“ Er leerte die Tasse und sah in die Runde. „Wenn dann keiner mehr Fragen hat, würde ich vorschlagen, wir gehen schlafen und gehen morgen mit frischen Kräften ans Werk.“
„Ach, bevor ich es vergesse“, warf Anja Silver ein, „ich habe die Bewerber für zehn Uhr herbestellt, sie werden dann bis spätestens zwölf Uhr vollzählig sein und ihre Habe dabei haben. Ich würde vorschlagen, dass ich am Tor Wache stehe und sie in Empfang nehme und einweise.“
Reuter nickte: „Ich habe die Verträge schon aufgesetzt. Sie können zu den Konditionen unterschreiben, die ich ihnen anbiete oder sie warten auf mich und dann kläre ich das mit denen. Ich lasse die Verträge dann hier im Büro liegen.“
Damit schien alles geregelt zu sein und jeder der vier Drachen zog sich in sein Bett zurück und ließ für sich den Tag noch einmal Revue passieren. Michael Reuter, achtzehn Jahre jung, hoffte für sich, dass Dragon bald auftauchte und die Verantwortung von seinen Schultern nahm. Er war nur Leutnant und selbst in diesem Rang hatte er kaum Erfahrung gesammelt. Eine Einheit zu führen war ihm dann doch eine Nummer zu groß. Mit diesem Gedanken schlief er ein.

__________________
Ama-e-ur-e
is-o-uv-Tycom‘Tyco
is-o-tures-Tesi is-o-tures-Oro
is-u-tures-Vo-e-e

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11.05.3059
Kasernengelände der Red Dragon Corp.
Galatea

Der nächste Morgen begann mit der ernüchternden Erfahrung, in voller Uniform auf einem Feldbett liegend aufzuwachen. Reuter fühlte sich, als hätte er die Nacht durchgezecht, dabei hatte er nur noch einen Tagesbericht geschrieben, sich ein Bier organisiert und … war dann irgendwann einfach eingeschlafen.
Sich reckend und gähnend quälte er sich aus dem Bett und war froh darüber, dass noch kein Spiegel in seiner Stube hing. In der Hoffnung, dass er noch heute jemanden anstellen würde, der die Wäsche der Einheit waschen konnte, griff er sich eine saubere Uniform und ein Handtuch und machte sich auf den Weg zum nächsten Waschraum, um sich eine eiskalte Dusche zu gönnen. Als er danach in sein Büro zurückkehrte und sich die erste Zigarette ansteckte, sah er flüchtig auf die Uhr. Es war erst kurz nach halb Sieben und mit einem gequälten Gesichtsausdruck stellte er eine Kanne Kaffee aus, ehe er unwillig auf den Berg Papierkrieg vor sich starrte.
Erst als er den Zigarettenstummel ausgedrückt hatte und den ersten Schluck Kaffee in seiner Kehle spürte, griff er sich missmutig eines der Blätter. Kasernenbuchung, Unterlagen. Er legte es links auf den Schreibtisch. Das nächste Blatt. Vertrag, unterzeichnet, rechts. Ein anderes Blatt. Containerservice, Rechnung, Mitte. Landungsschiff, Kosten, Mitte. Pizzaservice, Rechnung, Mitte. Vertrag, rechts.
Gelangweilt hielt er in seinem recht unkonventionellen Sortier-Verfahren inne, fischte sich einen leeren Notizzettel und kritzelte darauf: „Sekretärin einstellen!“ Zufrieden heftete er ihn an eine Pinnwand, die immer noch nicht an einer Wand hing. Reuter seufzte, suchte sich eine schöne Stellte und verbrachte die nächsten zehn Minuten damit, die Pinnwand aufzuhängen. Danach suchte er die Verträge für die heute ankommenden Zivilkräfte und legte sich oben auf seinen Schreibtisch, ehe er den Rest des Papierkrieges sorgfältig und unsortiert in eine Schublade stopfte.
Er seufzte erneut und verschwand in sein Quartier, um sich einen Trainingsanzug anzuziehen. Vor Dienstbeginn um acht Uhr kannte er in Ruhe eine Runde laufen gehen und danach noch einmal duschen.

Gegen zehn Uhr tauchte Gabriel in seinem Büro auf und gab ihm den unterschriebenen Vertrag rein, während er gleichzeitig nach Geld für den Treibstoff fragte. Dabei fiel dem Hauptmann auf, dass er auch seinen Kriegshammer noch abholen musste und verließ nur wenige Minuten nach dem Piloten die Basis.
Am Tor wechselte er ein paar Worte mit Anja Silver, die auf die Neuzugänge wartete.
„Miss Silver, ich würde gegen zwölf Uhr gerne kurz mit unseren Neuen sprechen und zumindest ihre Gesichter und Namen kurz kennenlernen. Wären sie so freundlich und würden dann antreten lassen?“
„Antreten, Sir? Wir sind keine Soldaten. Aber ich werde die Leute zusammenrufen.“
Reuter deutete ein Achselzucken an. „Die Soldaten in der Truppe treten an, die Zivilangestellten sammeln sich, okay?“
Eine mürrische SeniorTech zurücklassend, stieg er in sein Taxi und ließ die Kaserne hinter sich zurück.
Als er eine gute Stunde später zurückkehrte, musste er feststellen, dass zwei unbekannte Infanteristen am Tor Wache standen. Das hieß, sie waren weniger damit beschäftigt, die Kaserne zu bewachen, als den maroden Schlagbaum zu ersetzen. Als sie den Kriegshammer bemerkten, winkten sie den Kommandeur durch. Reuter wunderte sich zwar, dass seine SeniorTech die Leute so schnell zur Arbeit eingeteilt hatte, hatte aber auch nicht vor, sich darüber zu beschweren.
Noch ehe er den Mechhangar erreichte, sah er, wie ein Schreck und ein Galleon in die Fahrzeughalle einbogen, während ein Jäger des Typs Shologar gerade von der Landebahn einrollte. Spätestens der Cataphract, der im Mechhangar abgestellt war, machte deutlich, dass die Neuen bereits da waren.
Ein Blick auf die Uhr verriet ihm, dass er bis zum Antreten noch eine knappe Stunde Zeit hatte, also entschied er sich dazu, erst noch einmal im Büro vorbeizusehen und die vermutlich schon unterzeichneten Verträge abzuheften.
Als er sein Büro erreichte, stieß er nicht nur die Tür auf, sondern auch beinahe mit einer jungen Frau persischen Aussehens zusammen, die sich gerade durch die Papiere wühlte. Er räusperte sich.
Die Frau fuhr herum und er musste feststellen, dass sie nicht nur etwa in seinem Alter war, sondern auf eine gewissen Art und Weise auch ausgesprochen niedlich. „Ähm … es ist nicht so, wie es aussieht, Sir. Ich bin ähm … Sekretärin und…“
Reuter nickte nur und ließ sich in seinen Stuhl fallen. „Kein Grund, sich zu entschuldigen. Ich bin froh, wenn sich jemand um den Papierkram kümmert, dann kann ich mich um die Dinge kümmern, die ich kann. Ich bin übrigens Hauptmann Michael Reuter, momentan noch der Chef hier.“
„Ja, ich habe ihr Foto in den Akten gesehen. Ich bin Sheila Kashira. Möchten sie einen Kaffee?“
Der junge Mann grinste. „Sie können Gedanken lesen! Sind das die Verträge von den Neuzugängen?“
Während Sheila sich an der Kaffeemaschine zu schaffen machte, antwortete sie: „Ja, ich habe sie schon alphabetisch geordnet und hefte sie gleich ab.“
„Keine Hektik, Miss Kashira. Ich habe noch eine gute halbe Stunde, bis ich alle Neuen begrüße und es wäre schön, wenn sie mir bis dahin etwas über sich und ihre Kameraden erzählen. Sie werden hier im Büro meine rechte Hand sein, da würde ich gerne ein bisschen über sie wissen.“
„Nennen sie mich Sheila, meinen Nachnamen benutzt eigentlich niemand“, bat sie und schenkte Reuter eine Tasse Kaffee ein. Als er sich eine Zigarette anzündete, hob sie missbilligend eine Augenbraue.
„Nichtraucher?“
„Aus Überzeugung, Sir.“
„Ah, gute Angewohnheit. Wenn man einmal damit anfängt, kommt man nicht mehr davon los. Und jetzt setzten sie sich und erzählen sie ein bisschen von sich!“
Die Sekretärin tat, was Reuter gesagt hatte und setzte sich. „Tja, ich bin Sheila, einundzwanzig Jahre jung. Ich stamme aus einer Familie, die ihre Wurzeln bis ins persische Reich zurückverfolgen kann, also über dreitausend Jahre weit zurück. Ich habe Bürokauffrau gelernt und schon vorher bei einer Söldnereinheit als Sekretärin gearbeitet, bis wir geschlagen und aufgerieben wurden. Das ist noch keine zwei Monate her und kaum jemand aus der Einheit wird gerne darüber reden.“
„Gut, wenn sie darüber nicht reden wollen, dann reden wir über etwas anderes. Welcher Religion gehören sie an?“
Sheila faltete die Hände in ihrem Schoß. „Ich bin Atheistin. Allerdings sind viele Mitglieder meiner Familie Muslime. Meine Eltern sind ebenfalls Atheisten und der religiöse Teil der Verwandtschaft ist tolerant genug, um das zu akzeptieren.“
Reuter nahm einen Schluck Kaffee und wollte gerade antworten, als Gabriel zur Tür hereinkam, gefolgt von Goddard.
„Meine Herren, darf ich ihnen meine Sekretärin Sheila vorstellen?“, begrüßte der Hauptmann seine beiden Leutnants.
Ein kurzes Händeschütteln und Höflichkeiten austauschen später kamen die Offiziere zur Sache. „Hier sind die Papiere von meinem Jäger und der Überführungsbericht“, erklärte der Luft-/Raumpilot, während er Reuter einen Stoß Papiere auf den Schreibtisch legte. „Ich mache jetzt noch einen Systemcheck an der Maschine und helfe dann weiter beim Aufräumen und Einräumen, Sir!“
„Tun sie das, danke!“, antwortete Reuter und wandte sich, während der eine schon wieder das Büro verließ, an den anderen. „Leutnant Goddard, womit kann ich ihnen behilflich sein?“
„Sir, ich möchte mich für den Rest des Tage abmelden. Ich würde gerne einige … Besorgungen erledigen und mich mit einem Kontaktmann treffen, der uns vielleicht nützlich sein könnte. Ein exzentrischer Kauz, ich weiß nicht genau, wie schnell ich ihn finden kann.“
Der Hauptmann nickte: „Um zwanzig Uhr möchte ich, dass sie wieder hier sind, ich möchte mich dann mit der gesamten Einheit besprechen und es wäre gut, wenn der Teileinheitsführer der Mechtruppen anwesend wäre.“
„Ja, Sir, bis dahin bin ich zurück!“
Als Goddard das Büro verlassen hatte, stellte Reuter fest, dass es stark auf zwölf Uhr zuging. Er bat Sheila, ihn zu begleiten und machte sich auf den Weg zum Antreten der Neuzugänge.

Als sie den Paradeplatz erreichten, war Reuter erstaunt, wie diszipliniert die Männer und Frauen wirkten, die ihn erwarteten. Wahrscheinlich lag es hauptsächlich an Anja, aber alle waren ordentlich angetreten und zumindest die Soldaten hatten Haltung angenommen. Sheila reihte sich in die Formation ein und der Hauptmann trat zu der SeniorTech, die nicht in der Reihe stand, sondern etwas abseits.
„Sind das alle, Miss Silver?“
„Ja, Sir. Wie möchten sie vorgehen?“
„Ich werde erst ein paar Worte an alle richten und dann schnell die Reihen abgehen. Hände schütteln, Eindrücke sammeln, vielleicht stellen sie mir dann die Leute kurz vor?“
Sie nickte, hatte wohl verstanden, was er von ihr wollte.
Der junge Offizier wandte sich an die Angetretenen und räusperte sich: „Meine Damen und Herren, herzlich willkommen bei der Red Dragon Corporation! Ich bin Hauptmann Michael Reuter, vorübergehend ihr Chef und Soldgeber, bis der Gründer der Einheit eingetroffen ist. Ich freue mich, dass sie den Weg hierher gefunden haben und ich denke, ihnen allen dürfte ja schon hinreichend bekannt sein, wie das Leben in einer militärischen Gemeinschaft aussieht. Wenn sie sich nicht daneben benehmen, muss ich das auch nicht tun und dann können wir wunderbar miteinander auskommen. Sollten sie Fragen oder Beschwerden haben, so richten sie diese an ihren jeweiligen Vorgesetzten oder direkt an mich. Und jetzt freue ich mich darauf, dass Miss Silver sie mir etwas genauer vorstellt.“
Anja trat zu ihm und zusammen begannen sie die Reihe von links nach rechts abzuschreiten. Ganz links standen die Soldaten, geordnet nach Truppengattung und Ranggefälle. Deswegen war Sergeant Gerrit Silver der erste, dem Reuter die Hand schüttelte. Der hagere junge Mann macht einen soliden und fähigen Eindruck. Sie wechselten ein paar Worte, dann ging es weiter zu Sergeant Nina Silver, der einzigen angetreten Luft-/Raumpilotin. Nur wenig älter als ihr großer Bruder, dafür umso hübscher. Leutnant Gabriel würde sich sicherlich freuen, wenn er sie sah. Ein Händedruck, ein paar Worte, weiter.
Der Sergeant mit den ergrauten Haaren, neben dem eine ganze Panzerbesatzung stand, musste folglich Patrick O’Neill sein, Kommandant des Schrecks. Danach kam die deutlich jüngere Sergeant Myra Jay-Dean, Kommandantin und momentan auch einziges Besatzungsmitglied des angeschlagenen Galleon.
Es folgten die Infanteristen Michael Nürs, Frank Hejin, Jürgen Flegel, Ina Armand und Frederick Maul.
Damit war der militärische Teil durch und es folgte der rechte Flügel der Formation mit den Zivilisten. Zuerst stellte Anja ihm dort die Techs vor.
Marc Colbia und Jens Covo, erfahrene Mech-Techniker und Brigitte Noppin, auf Luft-/Raumjäger spezialisiert, aber leider angezogen, als müsste sie mit ihrer gewaltigen Oberweite unbedingt auf Männerjagd gehen.
Es folgten zwei Leute, die ihm als Mike und Nicole vorgestellt wurden, ein Arzt und eine Zahnärztin. Unterm Strich waren sie wohl eher sehr gute Sanitäter als wirkliche Mediziner, aber das war schon viel mehr, als Reuter sich erhofft hatte.
Dann folgte Sheila, die ihm zuzwinkerte, während er ihr obligatorisch die Hand schüttelte, danach Trent, ein Lagermeister und damit ein wertvoller Zuwachs. Björn und Jessy waren beide Fachmänner für Verwaltung. Während Björn sich auf Computer, Netzwerke und Software spezialisiert hatte, schien Jessy eher ein Handlanger zu sein und auf allen Verwaltungsgebieten ein wenig zu können.
Es schlossen sich zwei Köche an: Sunny, ein drahtiger Asiate mit einer Vorliebe für teure Küchenmesser und Betty, die sich eher auf deftige Gerichte spezialisiert hatte. Den Abschluss machte die Frisöse und Waschkraft Mandy mit ihrem Cousin Tobi, der, wie Reuter schon im Vorfeld erfahren hatte, geistig behindert war und von den anderen in der Gruppe beschützt wurde, als wäre er ihr Kind. Er sprach nur ganz wenige Worte, aber Anja erklärte Reuter, dass er als Putzkraft und Gärtner hervorragende Arbeit leistete.
Die ganze Aktion auf dem Paradeplatz hatte gute dreißig Minuten gekostet und Reuter war froh, dass Anja ihm zum Abschluss nur noch mitteilte, dass zusätzlich zu den Leuten und ihren Waffensystemen noch ein Elektro-Gabelstapler und ein J-27 Munitionsträger den Weg in die Einheit gefunden hatten. Danach konnte er aus der brütenden Mittagshitze in sein Büro zurückkehren und auch die neuen Drachen konnten wieder an ihre Arbeit gehen.

Später am Tag kam Reuter am schwarzen Brett vorbei. Es wunderte ihn nicht, dass mittlerweile jemand eine Informationstafel aufgehängt hatte, vielmehr war er erstaunt, dass dort auch schon ein Zettel hing: „Eine Liste zum Eintragen von Speiseallergien oder religiösen Vorbehalten gegen bestimmte Lebensmittel liegt in der Küche aus – bitte eintragen!“
Eine gute Idee, fand er. Die neuen Köche gingen ihre Arbeit professionell an. Also machte er sich auf den Weg in den Speisesaal, wo noch die letzten Leute beim Mittagessen saßen.
„…warum er so einen Jungspund als Kommandeur einsetzt…“
„…werden wir bei der Besprechung sehen…“
„…wird Anja sicher nicht gefallen…“
Die Gesprächsfetzen fügten sich zu einem vagen Bild zusammen und als die essenden Soldaten und Techs, allesamt Neuzugänge, ihn sahen, verstummten sie und taten, als würden sie konzentriert essen. Reuter schluckte eine Bemerkung herunter, trug sich in der Spalte „keine Einschränkungen“ in die Liste ein und kehrte dann in sein Büro zurück.
Sheila war damit beschäftigt, die Unterlagen zu sichten und er goss sich einen Kaffee ein, bevor er sich setzte. Die junge Perserin schien seine schlechte Laune zu fühlen: „Was ist los, Sir?“
„Kann ich sie etwas im Vertrauen fragen?“
„Aber sicher.“
„Halten sie mich für fähig, meine Arbeit zu machen?“
„Zumindest waren sie in der Lage, Dokumente thematisch abzulegen.“
Reuter schüttelte energisch den Kopf und verschüttete dabei fast seinen Kaffee. „Das meine ich nicht. Denken sie, dass alle Leute, die heute angekommen sind, mir vertrauen werden, wenn es hart auf hart kommt?“
„Ich weiß, worauf sie hinaus wollen, Sir. Darf ich frei sprechen?“
„Ich bräuchte sie nicht nach ihrer Meinung zu fragen, wenn ich ihnen dann den Mund verbieten würde.“
„Die Leute, die sie heute eingestellt haben, sind wie eine große Familie. Und die Mutter dieser Familie ist Anja Silver. Es geht gar nicht darum, dass sie so jung sind. Das ist nur der Vorwand. Es geht darum, dass Anja sich nicht gerne Befehle geben lässt. Und dass diese Leute nur ihr vertrauen und sie respektieren.“
Der Hauptmann überlegte kurz. „Warum?“
„Warum? Weil sie vor nicht einmal ganz zwei Monaten ziemlich übel zusammengeschossen wurden. Weniger als zehn Prozent der alten Einheit hat überlebt und von der Erfahrung und der Befehlsgewalt gesehen, ist Anja die Chefin von diesen wenigen geworden. Es sind nicht alle so. Hauptsächlich die Techs und die Soldaten. Das Zivilpersonal war nie so eng mit den kämpfenden Truppen verbunden. Und denen ist es auch eher gleichgültig, wie alt oder jung oder erfahren der Chef ist, wenn sie Geld bekommen. Und O’Neill ist nicht in der Einheit gewesen, den haben wir erst auf Galatea aufgegriffen.“
„Also nur die Silvers, Sergeant Jay-Dean, die Infanterie und die drei Techs?“
Sheila blickte etwas unglücklich drein. „So einfach ist es auch wieder nicht. Wenn sie von denen jemandem auf die Schuhe treten und das ohne Grund, dann wird das den Rest nicht unberührt lassen. Ich würde ihnen empfehlen, sich Zeit zu nehmen, um das Vertrauen dieser Leute zu gewinnen.“
Reuter wollte gerade antworten, als es an der Tür klopfte. Der Mann, der ohne auf eine Aufforderung zu warten in den Raum trat, kaute auf einem Zahnstocher und warf eine Akte auf den Schreibtisch. „Ich hab gehört, sie suchen Mechkrieger. Ich bin einer der Besten. 56 bestätigte Abschüsse, über 100 Beihilfen, der beste Spectorpilot diesseits und jenseits der Clangrenzen. Meine Nummer steht dabei.“ Und noch ehe jemand antworten konnte, war er wieder zur Tür heraus gerauscht.
Michael wollte die Akte eigentlich direkt in den Papierkorb werfen, dann entschied er sich aber dagegen und warf einen Blick in die Unterlagen. Er brauchte gute Mechpiloten, er brauchte vor allem Leute in der Einheit, die SeniorTech Silver noch nicht kannten und hier hatte sich einer der Besten beworben, das sah er auf den ersten Blick. Dieser Mann war kein Aufschneider, eher hatte er gerade noch untertrieben. Es war gut möglich, dass er später gar nicht unterschreiben würde, weil Reuter nicht genug zahlen konnte.
„Sheila?“
„Sir?“
„Nenn mich Michael!“
„Oh … okay. Was kann ich für dich tun?“
„Setz einen Standard-Vertrag für diesen Kerl auf und bestell ihn für 19 Uhr noch einmal her. Und setz für zwanzig Uhr eine Besprechung für die gesamte Einheit an!“
„Ja, mach ich sofort.“

Die Zeit bis zur angesetzten Besprechung verging ohne größere Zwischenfälle, Andrew Mandow, der selbstsichere Spectorpilot, kam um kurz nach 19 Uhr, unterschrieb seinen Vertrag mit einem schiefen Grinsen und wechselte einige Worte mit Reuter, eher er sein Gepäck auf seine Stube brachte.
Um 19:55 Uhr waren bis auf Goddard und den behinderten Tobi alle Drachen anwesend, lediglich zwei Infanteristen hielten Torwache.
Reuter wandte sich an Anja: „Miss Silver, wären sie so gut, und würden Tobi bitte holen? Ich habe schon mitbekommen, dass er Besprechungen nicht mag, aber heute hätte ich ihn gerne dabei.“
Anja nickte und stand auf. Als sie durch die Tür gehen wollte, prallte sie beinahe mit Markus Goddard zusammen. „Entschuldigung“, murmelte der Mechkrieger und trat an den Hauptmann heran. „Sir, könnten wir vor der Besprechung noch kurz unter vier Augen reden?“
Reuter nickte und deutete zur Tür: „Fünf Minuten.“
„Das reicht mir.“ Draußen schlossen die Offiziere die Tür hinter sich und Goddard begann zu erzählen: „Ich habe einen alten Kollegen am Raumhafen kontaktiert. Er ist gut in seinem Geschäft und könnte eine Bereicherung für die Einheit sein, benötigt aber etwas… Platz zum Arbeiten. Er fliegt einen leichten Bumerang und wenn er über dem Schlachtfeld eingeengt wird, bedeutet das für ihn den sicheren Tod.“
Reuter nickte. „Das kann ich verstehen. Das ist aber nicht alles, oder?“
„Nein. Seine wahre Stärke liegt darin, Dinge aufzuspüren, die es eigentlich gar nicht gibt. Eine seltene Waffe hier, ein paar Informationen da. Ich habe ihn schon … überredet, sich hier zu melden. Und den Wachen gesagt, dass sie ihn freundlich, aber bestimmt zum Warten überreden. Sie würden es nicht bereuen, ihn ins Boot zu holen.“
„Solange ihr Freund nicht mehr verschwinden lässt, als er heranschafft, ist das für mich in Ordnung.“ Er deutete den Gang hinab: „Sehen sie, Miss Silver und Tobi sind auch da, dann sollten wir besser hineingehen und anfangen!“
Elegant hielt er allen dreien die Tür auf und trat als letzter in den Raum. Die Gespräche verstummten und die Aufmerksamkeit wandte sich dem Kommandeur zu.
„Meine Damen und Herren, ich würde gerne etwas unkonventionell beginnen. Ich würde mir wünschen, dass wir ein paar Dinge ansprechen, bevor wir mit der Besprechung anfangen. Und zwar möchte ich sie bitten, dass sie ihre Meinung zu der Einheit äußern. Positives, aber auch Negatives, was ihnen einfällt. Da macht auch das Alter des vorläufigen Kommandeurs keine Ausnahme, dass muss ihnen ja geradezu auf der Zunge brennen. Also bitte!“
Michael hatte sich entschieden, in die Offensive zu gehen und diese Sache direkt auszuräumen. Es war O’Neill, der den Ball annahm: „Ich würde schon gerne wissen, welche Qualifikationen sie mitbringen und warum der Gründer der Einheit sie hier die Arbeit tun lässt und nicht jemanden mit etwas mehr Erfahrung.“
„Ein Kind, vermutlich frisch von der Akademie, das noch nie eine Einheit geführt hat“, kommentierte Anja.
„Das war nicht, was ich gesagt habe oder sagen wollte“, versuchte O’Neill richtig zu stellen. „Ich habe zum Beispiel 23 Jahre Gefechtserfahrung, fünf wirklich große Schlachte überlebt, dazu dutzende kleinere Gefechte. Ich war die letzten zwölf Jahre Hauptmann und Kompaniechef und habe eine Beförderung abgelehnt, weil ich keine Stabsarbeit machen wollte.“
Reuter bemerkte, dass auch Goddard etwas skeptisch das Gesicht verzog, als die beiden älteren Drachen sich warm redeten, dann hob der Kommandeur die Hand, um selber zu Wort zu kommen: „Nun, dann möchte ich mich einmal vorstellen. Ich bin Leutnant Michael Reuter und ich bin momentan hier nur der Kommandeur und Hauptmann, weil der Einheitsgründer mich dazu eingeteilt hat. Hauptmann Kai Dragon ist übrigens auch gerade erst vierundzwanzig Jahre alt.“
Er sah in die Runde und versicherte sich, dass alle ihm folgten: „Ich hatte meinen ersten Einsatz an meinem sechzehnten Geburtstag, ich habe nie eine Akademie besucht, sondern fast ununterbrochen im Gefecht gestanden. Ich bringe es zwar nur auf zwei Abschüsse, dafür hat mein Ausbilder mir alles über Strategie, Taktik und Führung beigebracht. Das liegt mir im Blut und ich bin mir sicher, sie finden auf diesem Planeten keinen fähigeren Strategen oder Taktiker. Das klingt jetzt unglaublich überheblich, entspricht aber der Wahrheit. Das ist auch der Grund, warum mein alter Kommandeur mich in die Einheitsführung eingewiesen hat und warum ich in zwei Jahren bis zum Leutnant gekommen bin. Ich habe Lehrgänge in Menschenführung absolviert, ich habe Gruppen unter Stressbedingungen und im Gefecht geführt und ich habe es bis jetzt mit Bravour gemacht. Ich denke, ich kann diese Einheit führen und ich denke, ich kann ihnen fast alles bieten, was auch ein altgedienter Kommandeur bieten kann. Mir fehlt nur die Erfahrung und wenn ich mir ansehe, was für fähige Leute ich hier versammelt habe, dann kann ihr Beitrag für diese Einheit das mehr als nur ausgleichen. Außerdem bin ich ja auch nur solange ihr Chef, bis Hauptmann Dragon zurückkehrt.“
Er wartete einen Moment, ließ seine Worte sacken. Dann: „Gibt es weitere Fragen?“
O’Neill lehnte sich etwas zurück, offensichtlich erleichtert, dass dieses Thema ausgestanden war: „Respekt, Herr Hauptmann, müssen sie sich trotzdem noch von der Pike auf verdienen.“
„Das müssen wir alle, Sergeant O’Neill. Ich weiß, dass ich es da etwas schwerer habe, weil ich nicht nur der Jüngste hier bin, sondern auch den höchsten Dienstgrad bekleide, aber ich bin zuversichtlich, dass jeder von uns auf seinem Gebiet Höchstleistungen erbringen wird.“
„Wie sieht es mit ihren Beziehungen aus?“, warf Goddard in die Runde. „Ich meine damit nicht ihr Privatleben, sondern die Beziehungen zu Politik und potentiellen Auftraggebern. Können sie solche Verbindungen vorweisen oder sind sie willens und in der Lage, auf die Unterstützung andere Einheitsmitglieder zurückzugreifen?“
„Ich bin nicht so dumm, dass ich glauben würde, ich könnte alles. Ich habe leider kaum Kontakte auf Galatea. Hauptmann Dragon hat schon ein paar mehr. Und ich bin natürlich immer dankbar, wenn jemand Kontakte zu einem Auftraggeber hat und bereit ist, diese auszuspielen. Wollten sie das wissen?“
„Jein. Das ist nur ein Teil meiner Frage gewesen. Viel wichtiger ist eigentlich die Frage: Wie weit sind sie bereit, wegzusehen, wenn wir zum Wohle der Einheit in … zwielichtigen Bereichen operieren. Sprich: Dulden sie zum Beispiel Materialbeschaffung auf dem Schwarzmarkt?“
„Ich komme nicht aus den besten sozialen Verhältnissen und ein verdammter Ritter bin ich auch nicht. Wenn wir beißen müssen, um etwas zu bekommen, dann werden wir das auch tun. Offiziell kann ich natürlich keine Verantwortung dafür übernehmen, aber ich werde ihnen sicher keine Steine in den Weg werfen, wenn sie uns auf dem Weg etwas besorgen wollen, das wir sonst nicht bekommen könnten.“
Goddard nickte zufrieden und das Wort ging wieder an Anja: „Wie sieht es mit Beziehungen und Sex innerhalb der Einheit aus? Wir hatten das Problem in meiner alten Truppe, da kam es zu Spannungen wegen Dreiecksbeziehungen.“
Ein wirklich schwieriges Thema. Reuter fragte sich, ob SeniorTech Silver ihm absichtlich diese Stöcke zwischen die Beine warf. „Ich kann und möchte so etwas nicht verbieten. Ich denke auch, ein Verbot würde die Leute nicht abhalten. Solange der Wunsch, eine Beziehung zu führen oder Sex zu haben, auf Gegenseitigkeit beruht, den Dienst nicht beeinträchtigt und auch sonst im Rahmen liegt, sehe ich keinen Grund, da einzugreifen. Sollten sie oder andere Leute hier gegen Partnerschaften oder Sex mit Kameraden sein, dann ist das natürlich ihr gutes Recht.“
Anja nickte zwar, sah aber nicht zufrieden aus. Ihr wäre vermutlich ein striktes Verbot lieber gewesen. Überhaupt wirkte sie auf Reuter zunehmend wie ein Kontroll-Freak.
„Keine weiteren Fragen?“, hakte der Hauptmann nach, als die Leute ruhig geworden waren. „Sehr schön, dann kommen wir zum eigentlich Grund für diese Besprechung: Nämlich Aufstellung und Organisation der Einheit.“
Spätestens jetzt ruhte die ungeteilte Aufmerksamkeit der Drachen auf ihm. „Fangen wir mit den Mechtruppen an. Auf dem Papier verfügen wir über fünf Maschinen, das macht vier Maschinen ohne den Hauptmann. Neben mir sind das Leutnant Goddard und unsere neuestes Mitglied, Leutnant Mandow, dazu kommt Sergeant Gerrit Silver. Leutnant Mandow wird fürs Erste mein Flügelmann, der andere Flügel wird folglich von Goddard und Silver gebildet.
Bei den Luft-/Raumstreitkräften ist Leutnant Gabriel der Teileinheitsführer, seine Flügelfrau ist Sergeant Silver, mit etwas Glück stößt bald noch ein leichter Bumerang-Aufklärungs-Jäger dazu.“
Er machte eine kurze Pause, drehte seinen Zettel um und sah kurz in dir Runde, um sicher zu gehen, dass niemand einschlief. „Unsere beiden Panzerkommandeure sind derzeit Sergeants, ich werde Sergeant O’Neill aber für die erste Beförderung innerhalb der Red Dragon Corporation vorschlagen und ihn zum Teileinheitsführer der Panzertruppen machen. Den Galleon von Sergeant Jay-Dean werden wir mit Priorität reparieren und dafür eine neue Crew suchen. Unsere Infanteristen bekommen ihren eigenen Corporal, sobald sich dort jemand als Anführer profiliert, ansonsten unterstehen sie den Panzern und O’Neill ist ihr Teileinheitsführer.
Die letzte im Bunde der Teileinheitsführer ist SeniorTech Silver, der nicht nur der Techbereich, sondern auch der zivile Apparat unsere Einheit untersteht, letzterer allerdings nicht in der Befehlskette.
Die Techs Colbia und Covo sind primär mit der Betreuung der BattleMechs betraut, Tech Noppin wird sich hauptsächlich um die Jäger kümmern. Bei so wenigen Techs ist es natürlich selbstverständlich, dass hier jeder jedem hilft und dass auch die Soldaten bei der Wartung ihres Kriegsgerätes Hand anlegen.
Bei der zivilen Crew sieht es wie folgt aus: Björn fungiert als PC-Spezialist, nimmt die Verwaltung der Daten und der Software in Angriff. Jessy arbeitet in der Verwaltung, kümmert sich damit um das Personal und um sämtliche Verwaltungsfragen. Sheila sortiert hier meinen Schreibkram und bedient alle Besucher, Bittsteller und andere Leute, die bei uns an die Bürotür klopfen, kurzum, sie dient als meine Sekretärin. Nicole ist Zahnärztin, Mike Mannschaftsarzt, zusammen sollten sie eine stabile medizinische Versorgung gewährleisten können. Mandy kümmert sich um die Kleidung und die Haare der Einheit, steht bei mir nicht nur als Frisöse, sondern auch als Waschkraft auf der Liste, was eine recht wichtige Position ist. In der Küche regieren Betty und Sunny, die ja schon mit der Vorlieben-Liste zu wirken begonnen haben. Übrigens eine lobenswerte Sache, ich hoffe, das funktioniert auch, wenn wir expandieren. Trent ist unser Lagermeister und sämtliche Materialanforderungen und -abgaben sind über ihn zu regeln. Tobi ist als Putzkraft eingestellt und sorgt dafür, dass die Kaserne nicht aussieht, wie die Schlammbahn draußen, ebenfalls eine wichtige Funktion. Sämtliche zivile Angestellte sind erst einmal als AsTech besoldet, damit indirekt Anja unterstellt. Indirekt bedeutet, dass Anja zwar ihre Vertreterin ist, wenn die Teileinheitsführer tagen, allerdings keine Befehlsgewalt in ihren Bereichen hat, weil diese Menschen keine Soldaten, sondern Zivilisten sind. Ich denke aber, dass es dort sowieso kaum Probleme geben wird.
Des Weiteren steht uns ein Elektro-Gabelstapler und ein J-27 Munitionstransporter zur Verfügung. Aus dem J-27 plane ich, einen Transport-LKW zu machen, der uns in Zukunft bei schwerem Transport helfen soll. Munition an die Front zu bringen können wir uns so oder so nicht leisten.“
Stolz ließ Reuter seinen Blick über die Truppe schweifen: „Callsigns zu verteilen, halte ich für unnötig, bevor wir in einen Einsatz ziehen. Einheitsuniformen gibt es nicht, ich würde es aber begrüßen, wenn an den Uniformjacken und an den Mechs das Einheitslogo auf der Brust zu sehen wäre, bei Luft-/Raumjägern und Panzern an einer anderen gut sichtbaren Stelle. Das sollten wir uns gönnen. Gibt es weitere Fragen?“
Unter den Anwesenden brach Gemurmel aus, aber die erste ernstgemeinte Frage kam von Gerrit Silver: „Sir, könnten wir morgen nicht ein bisschen gemeinsames Lauftraining mit unseren Mechs machen, später Eskorte mit den Panzern und dem J-27 spielen?“
Reuter dachte kurz über den Vorschlag nach. Manöver im Einheitsrahmen waren wichtig und die standen bei ihm sowieso auf dem Plan. Aber nicht morgen: „Können wir, Sergeant Silver. Wohl noch nicht morgen, aber schon sehr bald. Ein guter Vorschlag.“
Als niemand mehr etwas sagte, klatschte der Hauptmann in die Hände und sah noch einmal in die Runde: „Dann möchte ich sie auch nicht mehr aufhalten. Ich befehle hiermit Dienstschluss für alle außer die Torwachen, meine Sekretärin, mich und jeden, der noch zu tun hat.“
Die Männer und Frauen standen auf und verließen einzeln oder in Grüppchen den Raum, nur Jens Covo, einer der beiden MechTechs, trat an den Hauptmann heran: „Sir?“
„Was gibt es?“
„Sie sollten da noch etwas wissen.“ Er sah sich um und erst als er sicher war, dass niemand ihnen zuhören konnte, fuhr er fort: „Ich wollte ihnen nur mitteilen, dass Anja die Angewohnheit hat, manche Dinge zu ‚hamstern‘. Sie klaut diese Teile nicht, sondern legt sie nur für schlechte Zeiten beiseite und wenn die Einheit davon etwas wirklich braucht, wird es auch wieder auftauchen. Diese Sachen erscheinen natürlich in keiner Bergungsliste oder Bestandsliste und noch nicht einmal Trent, der Lagermeister, kriegt etwas davon mit.“
Reuter seufzte leise und fragte sich still, wie viele Dinge er über diese Frau noch erfahren würde. „Danke, Mister Covo. Dann weiß ich bescheid, gut, dass sie mir das gesagt haben.“
Der Tech nickte, offenbar froh, ein Geheimnis weniger zu hüten und verabschiedete sich vom Kommandeur.
Reuter entschied sich, erst zum Tor zu gehen und zu fragen, ob Goddards Freund dort aufgetaucht war, bevor er in sein Büro ging, wo Sheila sicherlich dabei war, die Unterlagen weiter in Ordnung zu bringen. Er hätte ihr auch gerne schon Dienstschluss gegeben, aber er brauchte sie noch, denn morgen musste auf seinem Schreibtisch Ordnung herrschen.
Am Tor angekommen, fand er allerdings keinen Bumerang-Piloten, sondern einen der Infanteristen vor, der auf jemanden einredete, den Reuter lange nicht mehr gesehen hatte: Hauptmann Kai Dragon.
Der jüngere Offizier grinste und legte dem Wachtposten beruhigend die Hand auf die Schulter. „Salutieren sie vor ihrem Hauptmann, Private!“
Der Soldat blickte ihn irritiert an und salutierte dann – in Richtung Reuter.
„Nein, nicht vor mir, vor ihrem Hauptmann.“ Als die Verwirrung im Gesicht des Infanteristen überhand nahm, beendete Reuter den Spaß: „Vor ihnen steht Hauptmann Dragon, der Gründer dieser Einheit. Sie können ihn passieren lassen, er zahlt ihren Sold!“
Michaels Grinsen wurde noch breiter, als er seinem Freund auf die Schulter klopfte. „Willkommen auf Galatea, altes Haus! Du hast lange gebraucht!“
Auch Kai grinste, wenn auch nicht ganz so stark. „Das Landungsschiff hatte einen Defekt. Wir haben eine geschlagene Woche nur im All gehangen.“
„Dann wärst du sogar vor mir eingetroffen, ich bin erst seit gestern hier.“ Er griff in seine Zigarettenschachtel und steckte sich eine an, ehe er auch seinem Freund eine Zigarette anbot.
„Lass den Mist, du weißt, dass ich vor sieben Wochen aufgehört habe. Ich klammere mich immer noch an Kaugummis.“
„Stimmt, hatte ich vergessen. Ich hab die letzten beiden Tage hier eine Menge auf die Beine gestellt. Eine Lanze Mechs, zwei Panzer, zwei Flieger, Techs, Infanterie, Zivilpersonal, eine Kaserne. Ich räum das Büro und das Quartier, dann kannst du morgen weitermachen.“
Dragon nahm seine Tasche und ging an Michael vorbei in Richtung Hauptgebäude: „Ich habe schlechte Neuigkeiten für dich, lass uns drinnen reden.“
Die beiden zogen sich in Michaels Quartier zurück und ließen das Büro erst einmal links liegen. Als Reuter seine Zigarette aufgeraucht hatte, sah er zu seinem ehemaligen Lanzenführer: „Also gut, was ist los?“
„Ich habe noch zu tun“, gab der zu. „Ich weiß nicht, wie lange ich brauchen werde. Du machst hier weiter und besorgst der Einheit einen Kontrakt.“
Reuter schluckte hart. „Du tauchst hier auf, nur um wieder zu gehen?“
„Mein Taxi ist in der Tat in zehn Minuten wieder hier. Ich stoße zu euch, sobald meine Angelegenheiten geregelt sind. Bis dahin habt ihr einen Kontrakt schon abgeschlossen. Ich habe dir den Rest von dem Geld freischalten lassen und ich habe hier ein Dokument dabei, was dich bis auf weiteres zum offiziellen Kommandeur macht, dein Unterschrift ist jetzt also genauso viel wert wie meine.“
„Ich soll diese Einheit leiten?“ Reuter seufzte. „Na gut, weil ich keine Wahl habe. Ich habe sowieso noch Bewerber in der Warteschleife, ich bring die Drachen auf Kompaniestärke und dann gehe ich Geld verdienen.“
Sie plauderten noch einige Minuten über dies und das, hauptsächlich berichtete der Jüngere dem Älteren, was er schon geschafft hatte und was er noch zu tun gedachte. Dann verschwand der Chef der Red Dragon Corporation genauso schnell, wie er gekommen war.
Michael blieb für ein paar Minuten sitzen, dann stand er auf und ging in sein Büro.
Dort warteten nicht nur Sheila, sondern auch ein Infanterist und ein untersetzter mittelalter Mann. Der Bumerang-Pilot, wie sich herausstellte. Das Gespräch fiel sehr kurz aus, was bei der vorgerückten Uhrzeit von 22:15 Uhr auch kein Wunder war und danach war die Einheit um einen Scoutpiloten im Dienstgrad Sergeant reicher, der nebenbei auch noch gut darin war, Dinge herauszufinden und aufzutreiben, die andere nicht bekamen. Michael wartete, bis Geoffrey Koehn, so der Name des Neuen, aus dem Büro war, dann streckte er sich und gähnte herzhaft.
Eine halbe Stunde später beschlossen Sheila und er, endlich Feierabend zu machen und um 23 Uhr fiel ein erschöpfter, aber auch stolzer und entschlossener Hauptmann Reuter in sein Bett. Am nächsten Morgen würde er seinen Teileinheitsführern berichten müssen, dass Hauptmann Dragon erst einmal nicht zur Einheit stoßen würde. Aber darüber machte er sich keine Gedanken mehr, denn er war bereits eingeschlafen.

__________________
Ama-e-ur-e
is-o-uv-Tycom‘Tyco
is-o-tures-Tesi is-o-tures-Oro
is-u-tures-Vo-e-e

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12.05.3059
Kasernengelände der Red Dragon Corp.
Galatea

Mit dem schrillen Rasseln des Weckers erwachte Michael aus einem traumlosen Schlaf. Verschlafen sah er sich um und brauchte einige Augenblicke, um zu realisieren, wo er war. Müde schwang er die Beine aus dem Bett und trat vor den Spiegel, um sich frisch zu machen.
Etwa dreißig Minuten, eine kalte Dusche und etliche Flüche wegen der frühen Tageszeit später verließ er sein Quartier, warf sich im Gang seine Uniformjacke über und machte sich auf den Weg zum Frühstück. Die Dienstgradabzeichen eines Hauptmanns fühlten sich immer noch ungewohnt an und der Aufnäher der Red Dragon Corporation wirkte in seinen Augen noch fehl am Platz. Er würde sich damit anfreunden müssen, denn immerhin war er jetzt auf längere Zeit der Chef hier, schoss es ihm durch den Kopf.
Das Frühstück war nicht berauschend. Die Brötchen waren essbar, die meisten Leute in der Kantine noch verschlafen und dementsprechend schweigsam und zu allem Überfluss war auch die Kaffeemaschine noch nicht in Betrieb.
Reuter entdeckte Gabriel und Goddard an einem der Tische und setzte sich zu ihnen. „Guten Morgen, die Herren!“
„Guten Morgen, Hauptmann!“, antworteten die Beiden.
Darüberhinaus ließen sie sich in ihrem Gespräch nicht stören und der Kommandeur nutzte die Gelegenheit, um erst mal eines seiner Brötchen zu essen. Als das Gesprächsthema sich der Einheit annäherte, beteiligte er sich an der Unterhaltung.
Als er mit dem Frühstück fertig war, stand er auf. „Ich wünsche noch einen guten Appetit. Und sie sollten wissen, dass Hauptmann Dragon gestern hier war und direkt wieder abgereist ist. Er wird nach eigener Aussage erst nach unserem ersten Kontrakt zu uns stoßen.“
Reuter sah, dass zumindest Goddard die Tragweite der Worte begriff, während sie Gabriel nicht viel auszumachen schienen. „Sir, ich nehme an, sie führen dann weiterhin die Einheit in Vertretung?“
„Ja. Ich habe Zugriff auf den Rest vom Geld bekommen und die Bevollmächtigung, sämtliche Entscheidung bezüglich der Einheit zu treffen und das auf unbestimmte Zeit. Wir sind also voll handlungsfähig. Ich werde aber jetzt noch stärker auf ihre Unterstützung angewiesen sein.“
„Das bekommen wir schon hin“, warf Gabriel zuversichtlich ein.
„Haben sie die anderen schon informiert?“, hakte Goddard nach.
„Ich bitte sie, diese Info in ihren Bereichen weiterzugeben. Sergeant O’Neill und SeniorTech Silver werde ich selbstverständlich auch noch informieren, sobald ich sie sehe.“
Reuter verabschiedete sich von seinen beiden Teileinheitsführern und räumte sein Tablett ab, ehe er in sein Büro schlenderte. Er ließ sich Zeit, war immer noch müde und es war erst kurz vor sieben Uhr morgens.
Er ließ sich in seinen Schreibtischstuhl fallen und da Sheila noch nicht da war, steckte er sich ohne schlechtes Gewissen seine erste Zigarette an.
Kaum hatte er den ersten tiefen Zug genommen, als es an der Tür klopfte und, ehe er „Herein!“ sagen konnte, Anja Silver eintrat. „Guten Morgen, Sir“, grüßte sie, wobei sie ihm einen Stoß Papier auf den Schreibtisch legte. „Ich habe hier eine Liste aller Dinge, die ich derzeit bestellen möchte, aufgeschlüsselt nach Wichtigkeit und Einsatzgebiet. Da heute eine Auktion stattfindet, bei der die Ausrüstung von drei insolventen Einheiten zwangsversteigert wird, bitte ich um rasche Bearbeitung.“
„Guten Morgen, Miss Silver.“ Michael nutzte die Pause im Redeschwall der älteren Frau, um kurz auf das oberste Blatt ihrer Papiere zu sehen und sah dann zu Anja hoch. „Was genau möchten sie jetzt von mir?“
„Geld. Sie haben mir zwar die Führung über den Techbereich übergeben, aber ich habe keinen Zugriff auf die Einheitskasse. Das heißt ich brauche von ihnen einen Finanzrahmen und die Erlaubnis, auf diese Auktion zu steigern.“
In dem Moment betrat auch Sheila das Büro, nickte verschlafen in die Richtung ihrer beiden Vorgesetzten und machte sich an ihrem Schreibtisch zu schaffen.
„Guten Morgen, Sheila. Machst du uns bitte Kaffee?“, begrüßte Reuter seine Sekretärin.
„Wenn du aufhörst, im Büro zu rauchen, sicher.“ Sie sah missbilligend auf seine fast aufgerauchte Zigarette und ging trotzdem zur Kaffeemaschine. „Warum hast du noch keinen aufgesetzt?“
„Keine Zeit gehabt. Du müsstest Miss Silver danach eine Finanzvollmacht für den heutigen Tag ausstellen.“
„Mach ich.“
Reuter sah wieder zur SeniorTech: „Kaufen sie uns, was notwendig ist, aber ich muss ihnen ja nicht extra sagen, dass sie das Geld nicht verprassen sollten.“
„Ich verstehe mein Handwerk, Sir“, kam die etwas vorwurfsvolle Antwort.
„Schon gut, ich wollte es nur erwähnt haben. Ich möchte übrigens, dass sie den neuen Piloten mitnehmen, diesen Sergeant Koehn. Er hat angeblich Kontakte hier und bringt vielleicht ein paar … Qualitäten mit, die ihre Auktion noch günstiger machen könnten.“
„Illegal?“
„Sagen wir einfach, dass wir über manche Sachen nicht nachdenken sollten. Außerdem hat gestern noch eine Waschkraft angerufen, die in wenigen Minuten hier eintreffen dürfte. Ich wäre froh, wenn sie dieser Emma ihren Arbeitsplatz zeigen würden und sie kurz einweisen.“
„Eine Waschkraft, Sir?“ Sie sprach es zwar nicht aus, aber sie machte schon durch ihren Tonfall sehr deutlich, dass ihr mehr Techs lieber gewesen wären.
„Ich weiß, Miss Silver. Ich suche noch Techs und ich suche auch einen Bordschützen für den Galleon, aber ich kann nichts versprechen.“
„Okay. Wenn das alles wäre, würde ich dann gerne an die Arbeit gehen.“
„Zwei Dinge noch“, hielt er sie zurück. „Zum einen möchte ich, dass sie in ihrem Bereich bekannt geben, dass Hauptmann Dragon frühestens nach unserem ersten Kontrakt zu uns stoßen wird. Ich leite die Einheit so lange für ihn weiter. Geben sie bitte auch Sergeant O’Neill Bescheid. Und zum anderen möchte ich, dass sie bis morgen früh, 02:00 Uhr, alle Mechs und Panzer komplett einsatzbereit haben. Das stellt ja momentan nur bei dem Galleon ein Problem dar, wenn mich nicht alles täuscht.“
„Das sind nur neunzehn Stunden, Sir“, gab sie zu bedenken, während sie den ersten Teil seiner Rede unkommentiert zur Kenntnis nahm. „Das kann ich ihnen nicht versprechen.“
„Wenn dafür Überstunden gefahren werden, ist mir das egal. Die Panzercrews können auch mit helfen. Und ich besorge im Gegenzug dafür Techs und einen Borschützen.“
Anja nickte knapp und verschwand dann mit grimmigem Gesicht, um ihre Leute zur Arbeit zu treiben. Michael wusste genauso gut wie sie, dass er ein kleines Wunder bräuchte, um Techs und einen Bordschützen zu bekommen.
Er bekam ein großes Wunder, als keine halbe Stunde später das Telefon klingelte und Sheila ihm nach einem kurzen Wortwechsel informierte, dass sich zwei Sanitäter, vier AsTechs und ein Bordschütze gerade beworben hatten.
„Du machst Witze“, kommentierte er ungläubig.
„Nein, mache ich nicht. Die sind gerade aus ihrer Einheit geschmissen worden, weil sie dort Probleme mit dem Chef hatten. Ich hab ihnen gesagt, sie können vorbeikommen.“
Das Wunder wurde sogar noch etwas größer, als es an der Tür klopfte. Reuter bat herein und ein sportlicher junger Mann betrat das Büro. Eine Mütze bedeckte nur spärlich seine ausrasierten Schläfen und als er seine Kopfbedeckung absetzte, kamen darunter kurze, dunkelblonde Haare zum Vorschein. Sein Blick fiel auf Reuters Rangabzeichen. „Herr Hauptmann, ich hab gehört, sie bieten arbeitslosen Mechkriegern einen Job?“
„Das ist richtig. Ich bin Hauptmann Michael Reuter und das hier ist meine Einheit. Sie sind?“
„Raven. Jonas Raven, Sir. Ich bin Mechpilot und Besitzer eines Tomahawk.“
Michael suchte das Gesicht des Bewerbers ab und fand darin eine vage Hoffnung, Unsicherheit und einen Schuss Verzweiflung. „Sie brauchen den Job dringend, Mister Raven?“
„Das lässt sich nicht leugnen, Sir.“ Er fischte einen Zettel aus seiner Jackentasche und reichte ihn Reuter. „Ich soll ihnen das hier aushändigen, bevor sie mich rauswerfen.“
Michael las den Zettel durch, dann noch ein zweites Mal. Kai Dragon hatte ihn unterschrieben. Und er bat Reuter darum, diesen Jonas Raven einzustellen.
Schließlich nickte der Hauptmann. „Ich biete ihnen einen Standard-Kontrakt, Mister Raven. Sie werden im Dienstgrad Sergeant eingestellt.“
„Ich brauche Arbeit, wo muss ich unterschreiben?“
Sheila reichte Reuter einen Kontraktbogen und der schob ihn dem Neuen zu. „Dann bringen sie ihren Mech hierher und melden sich dann bei Leutnant Goddard. Er ist ihr Teileinheitsführer und wird ihnen alles Wichtige zeigen.“
„Ja, Sir.“ Jonas Raven unterschrieb den Kontrakt und stürmte fast aus dem Raum.
Reuter lehnte sich zurück. „Interessanter Mann. Sheila, setz' doch bitte schon mal die Verträge für die sieben Bewerber auf, wenn die nicht total unbrauchbar sind, will ich die haben. Die AsTechs werden auch als AsTechs eingestellt, die Sanis ebenfalls. Stuf dann bitte unsere beiden Ärzte zu Techs auf, damit die Befehlsstruktur bei den Sanis geregelt ist. Und den Bordschütze vom Galleon bekommt einen Vertrag als Corporal.“
„Und was machst du den ganzen Tag über?“
„Ich? Ich geh jetzt erst einmal eine rauchen und dann such ich uns einen Kontrakt.“
Reuter stand auf und sah auf die Uhr: 07:35 Uhr. „Ich bin in fünfzehn Minuten spätestens zurück.“
Dann verließ er das Büro. Und stieß beinahe mit Raven zusammen. Der nahm Haltung an. „Sir, ich hätte noch eine Frage!“
„Rühren, Sergeant. Was liegt ihnen auf dem Herzen?“
„Könnte ich einen Vorschuss auf meinen Sold haben, um ein Taxi zum Raumhafen zu bezahlen, damit ich meinen Mech holen kann?“
Reuter nickte, drückte ihm ein paar C-Noten in die Hand. „Sagen sie aber den Torwachen Bescheid, dass sie gleich mit ihrem BattleMech zurückkommen, sonst gibt es noch Verletzte.“
Raven nickte und rannte beinahe, so eilig hatte er es, seinen Mech zu holen.

Reuter war kaum zurück im Büro, als das Telefon klingelte. Da Sheila gerade damit beschäftigt war, Verträge aufzusetzen, griff er selber nach dem Hörer.
„Hauptmann Reuter, Red Dragon Corporation, Guten Tag!“
„Oh, der Chef persönlich am Apparat. Hauptmann Reuter, hier spricht Steve Smith, ich würde gerne bei ihrer Einheit anheuern.“
„Dann kommen sie doch am Besten persönlich vorbei, Mister Smith. Sollen wir einen Termin machen?“
„Das ist gerade etwas problematisch. Ich befinde mich noch auf der Anreise. Ich habe mir allerdings die Freiheit genommen, meinen Mech vorauszuschicken. Er sollte heute im Verlauf des Tages bei ihnen eintreffen, ich komme morgen nach.“
Reuter war etwas überfahren, bewunderte gleichzeitig aber die Voraussicht des Anrufers. „Gut, wenn wir uns dann morgen nicht einig werden sollten, können sie ihren Mech natürlich bei uns abholen. Solange werden wir ihn hier aufbewahren, Mister Smith.“
„Danke, Sir. Ich habe ihnen auch meine Akte zugeschickt, sollte heute in der Post sein.“
„In Ordnung, ich werde einen Blick hinein werfen, wenn ich Zeit habe.“
„Danke. Dann bis morgen, Herr Hauptmann!“
„Bis morgen“, antwortete Reuter und legte auf. Als er Sheilas neugierigen Blick bemerkte, zuckte er mit den Achseln. „Keine Ahnung. Dieser Smith scheint unbedingt zu uns zu wollen. Er hat seinen BattleMech vorausgeschickt.“
Kurze Zeit später, gegen 09:00 Uhr, klopfte es an der Tür und Anja trat ein. „Sir, die Wache sagt, da stünden sieben Bewerber vor dem Tor und ich sollte mich besser bei ihnen melden?“
Reuter nickte: „Ja, das hätte ich schon fast wieder vergessen. SeniorTech, wir haben heute unseren Glückstag. Begleiten sie mich, wenn ich ihr neues Personal einstelle?“
Zusammen gingen sie zum Paradeplatz, wo sieben Leute in einer kleinen Gruppe standen und sich unterhielten, während ihr Gepäck hinter ihnen mehr oder weniger sorgfältig aufgestapelt war. Als sie Reuter und Silver sahen, unterbrachen sie ihr Gespräch.
„Meine Damen und Herren, herzlich Willkommen bei der Red Dragon Corporation!“, begrüßte der Hauptmann die Neuankömmlinge. „Ich bin Hauptmann Michael Reuter, der Chef dieser Einheit und die Dame zu meiner Rechten ist SeniorTech Anja Silver, zuständig für den Techbereich und Fürsprecherin für unsere zivilen Mitarbeiter.“
Ein junger Mann trat vor und salutierte zackig vor dem Offizier. „Herr Hauptmann, ich bin Nick Farentino, ausgebildeter Bordschütze. Das hier sind Steve und Cheng, gute Sanitäter und die anderen vier sind Sally Toe, Irina Chrustow, Mustava Kata und Leif Carlson, ihres Zeichens AsTech, wobei Carlson eine Zusatzausbildung hat, die ihn befähigt, Luft-/Raumjäger zu warten.“
Reuter und Silver schüttelten nacheinander jedem die Hand und musterten die Bewerber kurz.
„Ich habe gehört, sie hatten in ihrer alten Einheit gewisse Differenzen mit ihren Kommandeur?“, stellte der Hauptmann schließlich die Frage, die unausgesprochen in der Luft gehangen hatte.
„Das war wirklich nicht unsere Schuld, Sir. Der Major war ein Arschloch und er hat uns wegen einer Lappalie einfach gefeuert.“
„Eine Lappalie?“
„Wir haben eine Geburtstagsfeier etwas zu lange laufen lassen und sind am nächsten Morgen zu spät zum Dienst erschienen. Jetzt brauchen wir halt ein neues Zuhause.“
Der Chef lächelte und machte eine einladende Handbewegung: „Das werden sie hier finden. Willkommen an Bord. SeniorTech Silver wird ihnen alles Wichtige zeigen und ihnen die Verträge aushändigen. Und sie, Corporal Farentino, sollten danach zu Sergeant O’Neill oder Sergeant Jay-Dean gehen und sich dort melden.“
„Jawohl, Sir. Wird erledigt!“
„Dann auf eine gute Zusammenarbeit.“ Reuter sah zu Anja: „SeniorTech Silver, ich habe meinen Teil der Abmachung eingehalten, jetzt sind sie dran.“
Die ältere Frau verzog das Gesicht: „Ein Wunder, Sir. Ich will gar nicht wissen, zu welchen Göttern sie dafür beten mussten.“

Michael war kaum vom Mittagessen in sein Büro zurückgekehrt, als die Torwache ihn anrief und einen Peter Foxfire ankündigte. Er bat die Wache, dem Gast den Weg zu seinem Büro zu beschreiben und legte auf.
Sheila war noch nicht aus der Kantine zurück, als es klopfte und Reuter den Besucher hereinbat. Peter Foxfire entpuppte sich als ein Mann Anfang dreißig, kaum größer als der Hauptmann, der einen durchtrainierten Eindruck erweckte. Auffällig waren seine langen roten Haare, die er zu einem Zopf gebunden hatte, lediglich die Schläfen waren ausrasiert, wie es bei Mechkriegern üblich war. Er hatte die Hände in den Hosentaschen und schien die Ruhe in Person zu sein.
Er musterte Reuter kurz und räusperte sich dann: „Entschuldigung, wo finde ich den Chef?“
„Hier.“ Der Hauptmann stand auf und streckte dem Fremden die Hand entgegen. „Hauptmann Michael Reuter, Kommandeur dieser Einheit.“
Der langhaarige Pilot zog kurz eine Augenbraue hoch, brachte sein Gesicht aber sofort wieder unter Kontrolle. „Verzeihung, ich hätte mit jemand … älterem gerechnet.“
Reuter zuckte nur mit den Achseln: „Das haben viele. Sie sind Peter Foxfire, Pilot eines Kampfschützen, wie er klassischer nicht sein könnte und den sie, wenn ich meinen Wachen glauben darf, auch schon auf dem Hof geparkt haben, richtig?“
„Richtig.“ Der Soldat legte Michael eine Akte auf den Schreibtisch. „Meine Krieger-Akte: Ausbildung, militärischer Werdegang, Beurteilungen.“
Der Hauptmann legte die Akte auf Sheilas Schreibtisch, ungeöffnet: „Die ist momentan gar nicht von Interesse für mich. Ihre Vergangenheit interessiert mich nur dann, wenn sie der Einheit schaden kann. Kann sie das?“
„Welche Vergangenheit kann das nicht, Sir?“
„Touché!“ Michael wartete einen Moment und räusperte sich dann. „Und jetzt im Klartext?“
„Sie sollte nicht. Ich wüsste von keinen Fehden, Verfehlungen oder solchen Dingen.“
Der Hauptmann nickte: „Gut. Im Moment kann ich ihnen nicht mehr anbieten, als einen Standard-Vertrag im Dienstgrad Sergeant. Sie können sofort anfangen, wenn sie wollen.“
Foxfire hatte schneller einen Kugelschreiber in der Hand, als der Offizier gucken konnte. „Wo unterschreibe ich?“
„Meine Sekretärin wird ihnen später einen Vertrag aufsetzen, sobald sie aus der Mittagspause zurück ist. Sie werden vorläufig mein Flügelmann, ihr Mech dürfte meinen Kriegshammer gut ergänzen. Nachdem sie ihren Mech in den Hangar gebracht haben, melden sie sich bitte bei Leutnant Goddard, ihrem Teileinheitsführer. Willkommen im Team!“
„Aye, Sir!“, bestätigte Foxfire, ehe er sich mit einem fahrigen Gruß abmeldete.
Michael wollte sich gerade seinem Schreibtisch zuwenden, als Sheila eintrat.
„Mahlzeit, Michael. Im Flur steht ein Mann namens Lukas Hartmann. Will sich hier bewerben. Soll ich ihn rein schicken?“
Reuter ließ sich zu einem Seufzen hinreißen. „Wenn das so weitergeht, sind wir morgen größer als die Wolf’s Dragoner“, scherzte er.
Um sich die Peinlichkeit von eben zu ersparen, stellte er sich diesmal direkt vor. Der junge Mann, der sich im Gegenzug als Lukas Hartmann zu erkennen gab, war klein, dünn und wirkte zerbrechlich. Mit 1,60 Meter Körpergröße war er über 10 Zentimeter kleiner als Reuter und der war schon kein Riese.
„Mister Hartmann, sich suchen Arbeit bei uns. Das freut mich. Was bringt sie ausgerechnet zu der Red Dragon Corporation?“
Der Mann kam aus dem Konzept, ehe er nur einen Satz gesagt hatte: „Bitte?“
„Nun, es gibt dutzende andere Einheiten. Warum wir?“
„Die Nachfrage nach Feuerball-Piloten ist momentan nicht sehr groß“, erklärte er mit leichter Verbitterung in der Stimme.
„Ah. Ein Bodenaufklärer. Das passt gut in meine Einheit.“
„Wirklich, Sir?“
„Ja. Sind sie mit dem Dienstgrad Sergeant und einem Standard-Vertrag zufrieden?“ Reuter seufzte erneut. „Entschuldigen sie, diese Frage bete ich seit zwei Tage im Minutentakt.“
„Ja, Sir. Das ist schon in Ordnung so. Aber bevor ich unterschreibe, müsste ich noch etwas klären.“
„Schießen sie los!“
„Also, Sir, mein Mech ist ein Geschenk meiner Familie, wissen sie?“
Der Hauptmann nickte: „Das ist ja schön. Was hat das mit der Einheit zu tun?“
„Ich habe diesen Mech bekommen, als ich aus der Armee der Davions geflogen bin. Die Generäle hatten damals etwas gegen meinen Vater und es wurde viel intrigiert. Meine Familie hat mir aber nicht nur diesen Mech mitgegeben.“
„Was denn noch?“
Hartmann reichte ihm einen Zettel mit einer Auflistung seines Besitzes und der Hauptmann stieß einen anerkennenden Pfiff aus: „Acht Tonnen Fiberstahl-Panzerung, zwölf Doppel-Wärmetauscher, fünf Tonnen Standard-Panzerung, ein komplettes Bein und einen kompletten Arm. Vier mittelschwere Laser, eine Blitz-KSR 2-Lafette, eine Tonne Munition dafür und eine Tonne Endostahl-Komponenten? Da hat ihre Familie ihnen ja eine ganze Menge mit auf den Weg gegeben.“
„Ja, Sir, das hat sie. Und jetzt kommt der heikle Punkt: Ich möchte meinen Mech umrüsten und ich habe auch das Material dafür, aber nicht die Techs. Wenn ihre Techs meinen Mech umbauen, schenke ich der Einheit alles überzählige Material. Und sie bekommen darüberhinaus noch einen viel gefährlicheren Scout.“
Reuter dachte einen Moment lang angestrengt nach, überschlug im Kopf die Zahlen und nickte schließlich: „Einverstanden, Sergeant. Allerdings werde ich mich in dieser Beziehung nicht über meine SeniorTech hinwegsetzen. Der Zeitplan für die Arbeiten wird sich nach ihr richten müssen und die Kampfbereitschaft der Einheit ist selbstverständlich vorrangig. Wie soll ihr fertiger Mech denn aussehen?“
„Die Bewaffnung will ich auf vier mittelschwere Laser umstellen, die Panzerung dank dem Fiberstahl maximieren und die Doppel-Wärmetauscher einbauen, Sir.“
„In Ordnung. Dann holen sie ihr Material, melden sich anschließend bei Leutnant Goddard und danach nehmen sie Kontakt zu SeniorTech Silver auf, Sergeant!“
Der junge Mechkrieger salutierte und stürmte förmlich aus dem Büro. Reuter sah ihm nach, als er wie ein kleines Kind an Weihnachten den Gang hinunter fegte.
Keine halbe Stunde später schloss sich ein drittes Bewerbungsgespräch an und nach den letzten drei Tagen war Reuter nicht wirklich verwundert, als ihm der Mann als Van Ryan-Hartmann angekündigt wurde. Zwei Hartmanns in so kurzer Zeit konnten eigentlich gar kein Zufall mehr sein.
Der weißhaarige, sportliche Mann war kaum älter als Reuter, geschweige denn größer, aber seine Nase trug er mindestens doppelt so hoch.
„Ryan-Hartmann, Vorname: Van. Sie sind Mechkrieger, Infanterist, Scharfschütze, Unteroffizier. Beeindruckend.“
„Ich bin der beste Scharfschütze, den sie bekommen können.“
„Das klingt, als wären sie sich da verdammt sicher.“
„Bin ich, Sir. Ich schieße einem Kind aus einem Kilometer Entfernung die Ohren ab, wenn sie wollen.“
„Wenn sie das täten, würde ich sie eigenhändig aufknüpfen“, gab Reuter zurück, dem die arrogante Ader dieses Bewerbers etwas nervte.
„War nur ein Scherz, Sir.“
„Ein miserabler. Ich hoffe, sie schießen besser, als sie scherzen.“
„Natürlich. Jahrgangsbester, Sir.“
„Ich hoffe, sie erwarten von mir jetzt keine Luftsprünge. Ich biete ihnen den Standard-Vertrag an. Sergeant, wie alle neuen Mechkrieger momentan. Das ist relativ viel für einen Infanteristen, ihr Schakal scheint ja mehr ein Hobby von ihnen zu sein.“
„Sergeant, hm? Ist in Ordnung, angemessen für meine Leistungen. Ich bin ihr Mann.“
„Bei den Referenzen, die sie sich selber zuschreiben, müssen sie natürlich die entsprechenden Ergebnisse zeigen. Ich denke, da sind wir uns einig. Herzlich willkommen im Team, Sergeant Ryan-Hartmann.“
„Danke, Sir. Darf ich dann wegtreten?“
„Eine Frage noch. Sie sind nicht zufällig mit einem Lukas Hartmann verwandt?“
„Ich habe einen Cousin mit diesem Namen, Sir. Warum?“
Der Hauptmann registrierte zufrieden, dass zum ersten Mal Unsicherheit und Überraschung im Gesicht seines Gegenübers zu sehen waren. „Ein Soldat mit diesem Namen dient bereits in dieser Einheit. Das wär’s dann, Sergeant. Melden sie sich bei Leutnant Goddard, ihrem Teileinheitsführer, sobald sie ihre Sachen auf dem Stützpunkt haben! Wegtreten!“
Ryan-Hartmann salutierte knapp und seiner Meinung nach wohl ausgesprochen schneidig und Reuter atmete hörbar aus, als der Sergeant die Tür hinter sich geschlossen hatte.
„Warum hast du ihn eingestellt, wenn du ihn nicht leiden kannst?“, fragte Sheila, die natürlich das Gespräch mitbekommen hatte.
„Du musst dringend ein eigenes Büro bekommen.“ Er sah auf und zuckte dann mit den Achseln, als sie ihre Frage nicht zurückzog. „Ich brauche Männer. Wer kämpfen kann, ist willkommen. Ich stehe in Verhandlungen um einen Kontrakt und wenn ich den an Land ziehen kann, kann es wirklich nicht schaden, wenn die Einheit groß genug ist.“

Die Zeit bis halb drei am Nachmittag verbrachte Michael hauptsächlich damit, seine Unterschrift unter irgendwelche Dokumente zu setzen und tausende Behörden anzurufen. Er plante eine Nachtübung in der kommenden Nacht und dazu mussten Überflugrechte, Marschrouten und so weiter geklärt werden. Bei Galateas korruptem Verwaltungsapparat dauerte so etwas Tage … oder man überwies die richtigen Summen auf die richtigen Konten.
Völlig ausgelaugt von sinnlosen Diskussionen war er froh, als endlich alles geregelt war und er sich die Zeit nehmen konnte, eine Zigarette rauchen zu gehen.
Er meldete sich bei Sheila ab und verband das Angenehme mit dem Nützlichen, indem er sich auch direkt ein wenig die Beine vertreten ging.
Während er über das Kasernengelände ging, fuhr ein gewaltiger Lastwagen am Tor vor. Michael stutzt. Silver und Koehn wurden noch nicht zurück erwartet, was also wurde jetzt angeliefert?
Die Torwache zumindest winkte den Transporter durch und schickte ihn in Richtung Hangar. Da erst erkannte Michael, dass es sich um einen Mechtransporter handelte und folglich musste der unter einer Plane verborgene Mech der versprochene Stahlgigant von diesem Steve Smith sein.
Gemächlich schlenderte Reuter zum Mechhangar und beobachtete, wie ein Tech den Mech in Empfang nahm, die Plane entfernen half und dann in das Cockpit der Maschine stieg. Offenbar handelte es sich um einen Donnerkeil, einen schweren und unglaublich zähen Mech, den Reuter als Verbündeten schätzen und als Gegner fürchten gelernt hatte. Die einfachen Bewegungsprozeduren, die nötig waren, um den Koloss aufzurichten und in einen der Wartungskokons zu lenken, konnte sogar ein Tech ohne Kennwort für die Maschine ausführen und als der Mech im Hangar verschwand, verlor Reuter das Interesse.
Also rauchte er auf und machte sich auf den Rückweg in sein Büro.
„…gerade nicht da“, hörte er Sheila in den Telefonhörer sagen, als er eintrat. „Sie haben Glück. Er ist gerade zurückgekommen. Einen Moment.“
Sie nahm den Hörer vom Ohr und bedeckte die Sprechmuschel mit einer Hand. „Ein Wolfhard Ohnesorg, Mechkrieger, will ein Vorstellungsgespräch.“
Reuter nickte und streckte die Hand nach dem Hörer aus.
„Hauptmann Reuter, guten Tag!“, meldete er sich.
„Guten Tag, Herr Hauptmann. Hier ist Wolfhard Ohnesorg. Ich wollte mich bei ihnen bewerben, wenn sie noch Mechkrieger aufnehmen.“
Von der Stimmlage und der Betonung her ordnete Reuter den Anrufer als Bürger der Liga Freier Welten ein. Das wäre eine willkommene Abwechslung, da ein Großteil der Drachen bis jetzt aus dem lyranischen Raum stammte. „Natürlich suche ich noch. Kommen sie doch einfach vorbei und dann besprechen wir alles Weitere hier.“
„Gerne. Wann passt es ihnen am Besten, Sir?“
„Morgen, 14:00 Uhr. Ist das in Ordnung für sie?“
„Ja, das klingt gut. Danke, Sir. Bis morgen.“
„Bis dann, Mister Ohnesorg.“
Der Anrufer legte auf und Reuter grinste Sheila breit an.
„Was hast du denn jetzt?“
„Ich freu mich nur“, gestand der junge Offizier. „Ich habe ein paar Leute gesucht und innerhalb von drei Tagen habe ich meine erste Kompanie zusammen.“
„Na herzlichen Glückwunsch. Anja hat übrigens angerufen.“
Reuter musterte seine Sekretärin und nicht zum ersten Mal fiel ihm auf, dass sie eigentlich ziemlich süß war. Er verdrängte den Gedanken und zwang sich zur Konzentration auf das Wesentliche. „Oh“, sagte er. „Hat sie das?“
„Ja, sie wird in etwa einer Stunde zurück sein und sie kommt mit einem großen Lastwagen. Ich habe schon in der Fahrzeughalle Platz schaffen lassen.“
„Das wird die Techs sicher nicht gefreut haben. Die schrauben doch da am Galleon.“
Die junge Perserin lachte leise. „Nein, das hatte ich auch gedacht. Aber die sind schon fast fertig. Die haben glaube ich ohne Pause gearbeitet.“
„Glaubst du, Anja hat ihnen die Pausen verboten?“
„Ich denke nicht. Sie wird vermutlich sehr überzeugend darum gebeten haben. Und ich kann mir vorstellen, dass sie ihren Jungs und Mädchen dafür eine Pizza mitbringt, damit die nicht umfallen.“
Der Hauptmann seufzte. „Na dann. Hauptsache, der Panzer wird fertig und keiner meiner Leute stirbt an Erschöpfung oder Mangelernährung.“

Die beiden Beschaffungsspezialisten der Einheit kamen später sehr erfolgreich von ihrem Beutezug wieder. Unmengen an Ersatzteilen, Waffen, Panzerung hatten sie erstanden, darüberhinaus eine Wartungsplattform, eine Feldküche, Verpflegung und Wartungssets.
Am meisten aber freuten sich die beiden über die vier klassifizierten Container, die sie zusätzlich aufgetrieben hatten. Diese Container waren eine Art gewaltige Wundertüte für Söldnereinheiten und in drei Klassen eingeteilt. Silver und Koehn hatten zwei B-Container und zwei kleinere C-Container mitgebracht und brannten darauf, herauszufinden, was darin eingelagert war. Zumal einer der Container, ein absolutes Schnäppchen, wie Koehn ihm versicherte, mit einem Verigraphschloss gesichert war. Zwar hatten sie dafür etwas mehr ausgegeben, als Reuter veranschlagt hatte, aber es hielt sich im Rahmen und das Material war solide und brauchbar, alles in allem ein guter Deal.
Den Rest des Tages verbrachte er damit, Sport zu treiben und ein wenig zu entspannen, ehe er schließlich zum Abendessen schlenderte.
Hier fiel ihm zum ersten Mal wirklich auf, dass die Einheit bereits begann, zusammenzuwachsen. An einem Tisch saß Gabriel mit Nina Silver und unterhielt sich mit ihr, die neuen AsTechs hatten sich zu den anderen Techs gesellt und man schien sich prima zu verstehen. Hartmann, Ryan-Hartmann, Raven und Foxfire hatten sich an einem anderen Tisch zu einer kleinen Gruppe zusammengerottet und Mandow kam gerade mit Gerrit Silver zur Tür herein.
Noch war das zwar alles nur ein vorsichtiges Abtasten, aber zumindest das Fundament für ein Zusammengehörigkeitsgefühl war gelegt.
Reuter setzte sich zu Goddard und Anja Silver, die über die noch ungeöffneten Container plauderten und er nickten ihnen zur Begrüßung freundlich zu.
Die drei waren für einen Moment in ihre Unterhaltung vertieft, als hinter dem Rücken der Mechkrieger Stimmen laut wurden. Anja sprang auf und raunte ihnen ein „Ich regel das schon“ zu und war schon fast am Unruheherd, ehe die beiden Krieger sich umgedreht hatten.
„Leutnant Goddard, wir beobachten erst einmal nur.“
„In Ordnung, Sir.“
Die Situation schien noch nicht eskaliert zu sein. Emma stand da und funkelte Björn böse an, dessen zum Schlag ausgeholte Hand von Ryan-Hartmann festgehalten wurde. Reuter konnte nicht genau erkennen, worum es ging oder wer auf wessen Seite stand, aber Anjas Einschreiten löste die Situation sowieso gründlich.
Ihr „Ruhe!“ war deutlich im ganzen Speisesaal zu hören und zeigte mehr Wirkung, als der Hauptmann erwartet hatte. Sie gestikulierte kurz und heftig und dann verschwand Björn mit hängendem Kopf aus der Kantine und der Rest trennte sich in mehrere kleine Gruppen.
Als Anja zurückkehrte, bohrte Reuter nach, fragte nach dem Grund für den Streit.
„Die neue Waschkraft hat Tobi beleidigt und dann haben sich alle gegenseitig etwas aufgewiegelt.“
„Da nichts passiert ist, werden sie vermutlich keine Meldung machen, oder?“
„Wenn sie nicht drauf bestehen, Sir.“
„Nein, ich denke, wir sollten hierfür niemanden bestrafen. Es ist nichts passiert und ein paar scharfe Worte sind kein Verbrechen. Solange das nicht öfter vorkommt, ist die Sache für mich vergessen.“
Die SeniorTech nickte, halb anerkennend, halb dankbar. „Ich werde dafür sorgen, dass das in meinem Bereich nicht wieder passiert, Sir.“
Und zumindest für diesen Abend blieb es in der Tat ruhig in der Kaserne und da auch kein weiterer Bewerber mehr anrief, gönnte sich der Hauptmann etwas Luxus und ging früh ins Bett.

__________________
Ama-e-ur-e
is-o-uv-Tycom‘Tyco
is-o-tures-Tesi is-o-tures-Oro
is-u-tures-Vo-e-e

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13.05.3059
Kasernengelände der Red Dragon Corp.
Galatea

Um Punkt 02:37 Uhr liefen die Alarmsirenen der Kaserne an, steigerten sich von einem leisen Summen in Sekundenschnelle zu einem Crescendo aus Lärm, das jeden schlafenden Soldaten, Tech und Zivilisten der Einheit unsanft aus dem Schlaf riss.
Reuter war sofort hellwach und auf den Beinen. Er hatte in Shorts geschlafen, seine Kühlweste lag über einem Stuhl bereit und schon halb im Laufen sprang er förmlich in seine Kampfstiefel.
Natürlich wusste er, dass dies nur eine Übung war. Natürlich wusste er auch, dass die Übung mitten in der Nacht anfangen würde. Dennoch hatte er sich keinen Wecker gestellt, wollte sich genauso prüfen, wie seine Männer.
Keine zwei Minuten nach dem ersten Alarmton schwang er sich in das Cockpit seines Kriegshammers und initiierte die Notstart-Sequenz, während eine blecherne Tonband-Stimme die Einheit aufforderte, sich am Navigationspunkt Alpha einzufinden, einem Sammelpunkt auf dem Paradeplatz, von wo aus man sich am einfachsten hätte verteidigen können.
„Stimmmusterabgleich: Bitte Rang und Namen sagen!“, begrüßte seine Kampfmaschine ihn trocken, während im Hangar ringsherum geordnetes Chaos ausbrach, als die anderen Piloten ihre Maschinen bestiegen.
„Leutnant Michael Reuter.“ Er würde seinen Dienstgrad wohl bald ändern müssen.
„Bitte Kennsatz eingeben!“, forderte der Bordcomputer auf. Der Kennsatz war das Credo eines Piloten und eine zweite Sicherheit, damit niemand mit einem Stimmenmodulator seinen BattleMech klauen konnte.
„Legio Patria Noster“, antwortete Reuter reflexartig und mit einem „Korrekt, willkommen an Bord, Leutnant!“ erwachten seine Sensoren und Systeme zum Leben. Immer noch übertönt vom infernalischen Gellen der Sirene füllte sich das Head-Up-Display des Kriegshammers mit Leben, alliierte Funkkennungen tauchten auf seinen Sensoren auf, zeigten die startenden Kriegsmaschinen um ihn herum.
Als erster bewegte der junge Kommandeur die Steuerknüppel seines Stahlgiganten vorwärts, ließ ihn aus dem Wartungskokon treten. „Achtung! Mech verlässt Hangar!“, gab er über die Außenlautsprecher durch, um eventuell herumlaufende Menschen unter ihm zu warnen.
„Foxfire für Führung: Ich bin direkt hinter ihnen!“, meldete sich Sergeant Foxfire über Funk und tatsächlich folgte sein Kampfschütze direkt hinter ihm. Allerdings erkannten die Sensoren ihn als feindlich.
„Sergeant, ihre IFF-Kennung ist nicht aktuell“, tadelte Reuter ihn.
„Ich seh’s, Sir. Erbitte IFF-Code. Nav Alpha liegt an. GAZ 40 Sekunden.“
Reuter und Foxfire erreichten den angesprochenen Sammelpunkt als Erste und der Kommandeur nutzte die Zeit, die der Rest brauchte, um sich zu sammeln, indem er Foxfire die benötigten Daten zukommen ließ. Wenige Augenblick später wechselte die Kennung des Kampfschützen von einem feindlichen rot zu einem freundlichen grün.
Reuter beobachtete die Hektik um ihn herum: Panzer rollten aus dem Hangar, Mechs stapften ins Freie, die Flieger schoben sich auf Startpositionen.
Wirkliche Übersicht bewies allerdings nur Gerrit Silver, der sich über Funk erkundete, wer und vor allem aus welcher Richtung sie überhaupt angriff. In Gedanken notierte Michael sich die Ruhe des Mechkriegers.
Kaum vier Minuten nach dem ersten Sirenenton hatte sich die ganze Einheit in Defensivformation am Sammelpunkt aufgebaut und der Hauptmann öffnete einen Funkkanal an alle: „Meine Damen und Herren, vier Minuten. Das ist ja schon eine ganz akzeptable Zeit.“
Auf einen Befehl von ihm verstummten die Sirenen und selbst den Verschlafensten unter ihnen ging langsam auf, dass dies nur eine Übung war.
„Sie haben sicher mitbekommen, dass uns niemand angreift. Bevor sie jetzt wieder einschlafen, gehen sie bitte alle auf meine Funkfrequenz.“
Eine halbe Minute später hatten sich alle Einheiten im Funkkreis gemeldet und der Hauptmann lud eine Anzahl Daten in die jetzt von jedem einsehbaren Bereiche. „Wir nutzen die Gunst der Stunde, um ein wenig zu üben. Wir formieren jetzt einen Konvoi und bewegen uns entlang der Navigationspunkte, die ich gerade geladen habe. Stellen sie ihre Sensoren auf Passiv und schalten sie die Scheinwerfer aus: Wir tun einfach mal so, als würden wir uns durch feindliches Gebiet bewegen. Der Feuerball bildet die Vorhut, die beiden Panzer gruppieren sich vor und hinter dem J-27, der unser zu bewachendes Fahrzeug darstellt. Der Rest der Mechs nimmt Positionen um die Fahrzeuge herum ein. Der Bumerang wird in sicherer Flughöhe über uns kreise und Sergeant Hartmann bei seiner Arbeit unterstützen. Leutnant Gabriel und Sergeant Nina Silver bleiben hier und unterstützen unser Küchenpersonal, damit es ein stärkendes Frühstück gibt, wenn wir zurückkommen. Formieren und Abmarsch!“
Reuter wusste genau, dass ihn gerade die meisten seiner Soldaten verfluchten, aber wenigstens führten sie seine Befehle aus. Nach und nach verloschen die Scheinwerfer der Mechs und die Symbole auf dem Radar verblassten zu einem matten grün, was ihm zeigte, dass die Sensoren ebenfalls gedrosselt wurden. Dann setzte sich der Zug in Bewegung und passierte das Tor in Richtung Geländebahn.
Das Wüstengelände, das er extra für diese Übung gemietet hatte, war tückisch. Ein Mech konnte hier jederzeit wegrutschen, stolpern und letztendlich stürzen. Ein Panzer konnte sich festfahren.
Reuter hoffte, dass Sergeant Lukas Hartmann in seinem Feuerball seine Arbeit als Aufklärer gut machte und in der Tat kamen die ersten Geländedaten herein.
Sie hatten das Manövergelände kaum betreten, als das Cataphract von Gerrit Silver am Ende der Formation ins Taumeln geriet und sich erst im letzten Moment abstützen konnte. Leider am Rücken des vor ihm gehenden Starslayers.
„So nah wollte ich dir eigentlich nicht kommen…“, ärgerte sich der Sergeant über Funk.
„Reuter für Gerrit Silver: Alles in Ordnung?“
„Ja, Sir. Ich musste mich allerdings bei Leutnant Goddard abstützen.“
Michael, der seinen Mech dicht vor dem Kampfschützen an der rechten Flanke des Konvois entlangführte, war durch das Gespräch für einen winzigen Augenblick abgelenkt und hätte fast gemerkt, dass er seinen linken Fuß auf losen Untergrund gesetzt hatte. Erst im letzten Moment gelang es ihm, die siebzig Tonnen auf den rechten Fuß zu verlagern und einen Ausfallschritt zu machen und verhinderte damit, dass sein Mech auf die Panzer stürzte. Er wollte sich gar nicht vorstellen, was mit dem leichten J-27 passiert wäre, wenn sein Kriegshammer unkontrolliert auf ihn gestürzt wäre.
Die Daten, die Hartmann ihnen durchgab, waren auch nicht gerade hilfreich. Er hatte noch nicht herausgefunden, was er durchgeben musste und was nicht und die Kettenfahrzeuge vergaß er vollkommen, weshalb sie sich mehrmals festfuhren und vom Schreck vorsichtig freigeschoben werden mussten.
Kurz nach dem ersten Navigationspunkt, verschwand der Feuerball dann plötzlich von ihren Sensoren.
„Reuter für Hartmann: Was ist da los?“
„Sir, ich bin abgerutscht und gestürzt. Ich komme jetzt zurück.“ In der Tat tauchte die Ortung wieder auf Reuters Schirm auf. „Meine Panzerung hat es etwas in Mitleidenschaft gezogen. Ohne Licht sehe ich hier gar nichts, Sir.“
„Sie sind Scout, Sergeant. Gerade sie müssen im Dunkeln zurechtkommen.“
Wenigstens Koehn in seinem kleinen Bumerang bemühte sich, ihnen relevante Daten zu liefern, aber aus seiner Höhe und bei diesen Sichtverhältnissen konnte er kaum helfen. Reuter wies ihn an, ein Auge auf die Panzer zu haben und ihnen einen sicheren Weg zu zeigen.
Dennoch blieben die Kettenfahrzeuge in regelmäßigen Abständen in einer Düne oder einer Unebenheit stecken.
Kurze Zeit später geriet der Starslayer von Leutnant Goddard ins Straucheln und geistesgegenwärtig ließ der Offizier seine Maschine auf die Knie fallen, was ihn zumindest vor einem Sturz bewahrte.
„Goddard hier: Nichts passiert, nur minimale Panzerschäden an den Knien.“
Reuter beobachtete das Treiben um ihn herum weiter und atmete erleichtert auf, als sie den zweiten Navigationspunkt gegen 04:00 Uhr erreichten.
Die nächste Stunde verlief relativ ruhig, dafür meldete das Chaos sich umso imposanter zurück, als der Kampfschütze hinter ihm ins Taumeln geriet. Foxfire versuchte, den Mech abzufangen und löste dabei einen Alphaschlag seiner Waffen aus.
Urangranaten und Laserstrahlen fraßen sich in den Sand, die beiden schweren Laser gingen nur einen halben Meter an den Beinen von Reuters Kriegshammer vorbei.
„Reuter an Foxfire: Was zur Hölle war das? Warum sind ihre Waffen scharf?“, fluchte der Hauptmann erschrocken.
„Sir, ich weiß es nicht genau. Ich habe mich abfangen wollen und bin dabei irgendwie an die Auslöser gekommen. Tut mir leid. Und ich habe meine Quittung schon bekommen. Habe mich ganz gut geröstet.“
„Melden sie sich später bei den Sanis!“ Mühsam kämpfte sich der Kampfschütze wieder vorwärts und kopfschüttelnd zwang Reuter sich dazu, wieder auf das Gelände zu gucken.
Ein Poltern und Scheppern lenkte ihn wieder ab. Der Starslayer war erneut gestolpert und dieses Mal war es nicht bei einer kleinen Beule geblieben. Der Mech hatte wohl einen Ausfallschritt gewagt und dabei den Schreck voll erwischt, der in dem Moment direkt neben dem mittelschweren Mech fuhr.
„Scheiße!“, fluchte O’Neill über die offene Leitung.
„Sorry, ich bin weggerutscht“, gestand Goddard seine Schuld ein.
Der Hauptmann mischte sich ein: „Übungsabbruch!“ Es hatte keinen Sinn mehr. Die Leute waren am Ende und er war es auch und wenn sie hier weitermachten, würden die Schäden teuer werden. „Für das Protokoll: 05:12 Uhr, das waren gerade einmal zweieinhalb Stunden. Lichter an, volle Sensoren! Rückmarsch in lockerer Formation! Wecken um 09:00 Uhr, Nachbesprechung um 19:00 Uhr!“
Er konnte die erleichterten Seufzer beinahe spüren, als ringsum die grellen Scheinwerfer die zerklüftete Landschaft erhellten und die Sensoren eine saubere Oberflächenortung lieferten.
Der Starslayer zog sein Bein aus der Seite des Schrecks und mit einem protestierenden Quietschen und Jaulen setzte der schwere Panzer sich wieder in Bewegung. Irgendetwas musste beschädigt worden sein. Anja Silver würde ihre helle Freude haben.
Elf Minuten vor sechs betrat Reuters Mech wieder Kasernenboden und im Licht der Flutlichtanlage wirkte die Truppe noch ungeordneter, verdreckter und zerschlissener als in der nächtlichen Wüste.
Noch während die Mechs und Panzer in den Hangar strömten, begannen die Techs bereits, auszuschwärmen, Schäden aufzunehmen, Sand aus den Aktivatoren zu entfernen und was auch immer sie sonst so an dem Kriegsgerät anstellen mochten.
Reuter fuhr den Reaktor wieder in den Stand-By-Modus und verstaute seinen Neurohelm am dafür vorgesehen Platz, ehe er seine Kühlweste ausstöpselte und sich aus dem Cockpit zog.
Auf dem Weg zu seinem Quartier steckte er sich eine Zigarette an und beschleunigte seine Schritte etwas, als er auf den kalten Kasernenhof trat.
Nur in Shorts, Stiefeln und Kühlweste fröstelte ihm und er war froh, als er das Hauptgebäude betrat. Einer der Infanteristen sprach ihn an, Michael erkannte ihn als Jürgen Flegel. „Sir, da ist ein Steve Smith in der Kantine, der mit ihnen sprechen möchte.“
Gequält warf Reuter einen Blick auf eine imaginäre Armbanduhr und seufzte dann. „Danke, Private. Ich kümmer mich drum.“
Also drehte er sich um, ging nun in die Kantine, wo die zerschlagene Truppe sich für ein schnelles Frühstück vor den verbliebenen drei Stunden Nachtruhe einfand. Als er den Speisesaal betrat, wirkte er wenig imposant: übermüdet, verschwitzt und schlecht gelaunt. Wenigstens drückte er seine Zigarette aus, bevor er den Raum betrat.
Da Michael nur einen Mann sah, der ihm unbekannt war, musste das wohl Smith sein. Der Mechkrieger, der sich gerade mit Nina Silver unterhielt, schien etwa Ende dreißig zu sein und sein dunkelblondes Haar ergraute an einigen Stellen bereits.
Als er näher kam, hörte er, dass die beiden sich über Sport unterhielten, scheinbar über Fußball. Außer dem Quiffel, einer Mannschaftssportart von seinem Heimatplaneten, die meistens in exzessiven Massenschlägereien endete, war Michael kein Sportfan, also räusperte er sich vernehmbar und wartete, dass Smith sich zu ihm umdrehte.
„Entschuldigen sie die Störung, aber ich würde gerne schlafen gehen und das hier so schnell wie möglich regeln. Ich bin Michael Reuter, sie müssen Steve Smith sein.“
„Ja, bin ich.“
„Wir haben ja bereits telefoniert. Ihr Mech steht im Hangar, ich kann ihnen den Dienstgrad Sergeant anbieten. Suchen sie sich ein Quartier, machen sie es sich gemütlich. Wecken um 09:00 Uhr und dann sehe ich sie um … sagen wir mal zwölf Uhr in meinem Büro zur Unterschrift.“
Der Neue bestätigte und Reuter nickte Nina und ihm zu. „Sie dürfen weitermachen, gute Nacht.“ Damit verschwand er und fiel zwei Minuten später, Punkt 06:08 Uhr, in sein Bett.

Drei Stunden später saß Reuter mehr oder weniger ausgeschlafen in seinem Büro, hatte Sheila zuliebe keine Zigarette an und las, die Füße auf dem Schreibtisch, die ersten Schadensberichte, die Anja ihm bereits auf den Schreibtisch gelegt hatte, laut.
„Laufrad am Schreck zerstört. Panzerungsschäden an sechs Mechs. Autokanonenmunition vom Kampfschützen verschossen. Längere Reinigungsarbeiten an Panzerketten.“
Alles in allem eine Katastrophe. Die Koordination und das Teamwork waren miserabel gewesen und das scharfe Schießen von Foxfire hätte schlimmer ausgehen können. Bislang waren noch nicht einmal die Behörden aufgetaucht. Vermutlich hatten die wenigen Nachtschicht-Beobachter im Dienst geschlafen, was sich jetzt als Glücksfall für die Drachen entpuppte.
Reuter seufzte, sah auf die Uhr und entschied, dass es noch viel zu früh für Arbeit war. Gähnend stand er auf und sah zu seiner Sekretärin. „Gehst du gleich noch frühstücken?“
„Ja“, nickte sie unwirsch. „Warum?“
„Bringst du mir was Essbares mit? Ich geh jetzt eine Runde Laufen und komm nicht an der Kantine vorbei.“
„Denk aber daran, dass du um zwölf Uhr wieder hier bist, dieser ComStar-Typ sollte sich dann bei dir melden.“
„ComStar-Typ?“
„Na dieser Smith. Ist dir nicht aufgefallen, dass er in einer ComStar-Uniform rumläuft?“
Reuter schüttelte den Kopf. Es war ihm vorhin wirklich nicht aufgefallen, vermutlich war er zu müde gewesen. „Naja, so viel Fitness muss ja auch nicht sein. Eine Zigarette, eine Stunde Laufen, noch eine Zigarette, Duschen… ich denke, ich bin gegen elf Uhr spätestens wieder hier.“
Sheila nickte und der Hauptmann verschwand in seinem Quartier, schlüpfte in sein Sportzeug und trabte ganz gemütlich los.
Sehr zu seiner Freude trieben auch andere Drachen Sport. Gabriel, Trent und Foxfire amüsierten sich mit Basketball, ein paar andere Soldaten liefen in kleinen Grüppchen oder alleine. Dienstsport war eines der Mysterien, die niemand so wirklich zu verstehen schien. Setzte man Sport auf den Dienstplan und zwang die Leute zur Teilnahme, bekam man mürrische Gesichter. Gab man den Leuten aber dreißig Minuten Zeit, waren sie alle an der frischen Luft und kümmerten sich um ihre Fitness.
Und da auf Galatea nach elf Uhr nicht mehr an Sport zu denken war, aufgrund der hohen Temperaturen, verlagerte sich dieser Bewegungsdrang in die Früh- und Abendstunden.
Als er kurz nach halb elf etwas außer Atem wieder zurück zu den Unterkünften kam, gönnte er sich eine Zigarette und machte sich dann auf den Weg zu den Duschen. Schritte wurden hinter ihm lauter, fielen dann neben ihm in seinen Schritt ein. Ohne hinzusehen wusste der Hauptmann, dass es sich um seine SeniorTech handelte. Sie hatte ihre ganz eigene Art des energiegeladenen Gehens, die man schon am Klang erkannte.
„Was ist so wichtig, dass es nicht bis nach meiner Dusche warten kann, Miss Silver?“
Anja reichte ihm ein DataPad. „Eine Schlägerei gerade in der Kantine. Das ist mein Bericht. Zwei ihrer Mechkrieger sind ohne Grund auf zwei Panzerfahrer los und haben sie als Schweine bezeichnet, bis diese handgreiflich wurden.“
„Weil man sie Schwein genannt hat?“, wunderte Reuter sich. Er fand diese Beleidigung nicht so schlimm und verstand nicht so recht, warum man sich davon zur Weißglut bringen lies.
„Sie sind Moslems. Für die ist das eine ziemlich üble Beleidigung.“
Der Hauptmann sah von dem Bericht auf, sein Blick sprach Bände. „Hier steht, der Streit wurde durch großzügigen Wassereinsatz von Tobi beendet und die Streithähne wischen gerade die Kantine.“
„Ja. Ist das für sie schlimm?“
„Nein, ganz im Gegenteil. Sprechen sie Tobi mein Lob aus und sorgen sie dafür, dass die Leute nach dem Putzen Stubenarrest bekommen. Um fünfzehn Uhr will ich dann die vier in meinem Büro sehen, dazu Sergeant O’Neill und sie.“
Die SeniorTech nickte. „Ja, Sir. Ich kümmere mich darum.“
„Danke. Oh und Miss Silver, sie werden wohl den Thunderbolt, den wir gestern bekommen haben, mit auf ihre Wartungsliste setzen müssen.“
Ohne ihre Antwort abzuwarten, verschwand er in der Herrendusche. Der Tag ging also genauso beschissen weiter, wie er angefangen hatte, dachte er bei sich. Wenigstens hatten sie fließendes Wasser.
Nach der Dusche hatte Michael sich diverse Dinge auf der Kaserne angesehen, unter anderem die Schäden von der Nachtübung und die Überschwemmung im Speisesaal, daher schaffte er es nicht, um Punkt zwölf in seinem Büro zu sein, sondern verspätete sich einige Minuten.
Der Mann in der ComStar-Uniform salutierte überkorrekt. „Sergeant Steve Smith meldet sich wie befohlen um Punkt zwölf in ihrem Büro, Sir!“
„Guten Morgen, Sergeant, entschuldigen sie meine leichte Verspätung.“ Er drehte sich zu seiner Sekretärin: „Sheila, gibst du mir bitte den Vertrag?“
„Sergeant Steve Smith, Standardkontrakt?“
„Ja, genau. Danke.“ Er schob Smith das Papier zu. „Unterschreiben sie einfach hier und wir sind uns einig. Oder lesen sie sich den Wisch und Ruhe durch und geben sie ihn im Laufe des Tages rein.“
Der ältere Mann überflog das Blatt nur und unterschrieb direkt. „Ich kenne diese Verträge. Standard eben. Und mein Thunderbolt bezahlt sich nicht von alleine, Sir.“
Michael nickte. „Das ist wahr. Sergeant, ich habe ihre Akte überflogen und sie haben bei ComStar gedient. Als Bataillonskommandeur, wenn ich ihren Rang richtig gedeutet habe. Haben sie gegen die Clans gekämpft?“
„Ja, Sir. Ich war auf Tukayyid dabei.“ In seiner Stimme klang weder der Stolz noch die Überheblichkeit anderer Veteranen mit, nur eine Kälte, die Reuter einen Schauer über den Rücken jagte.
„In ihrer Akte steht etwas von einem Trauma nach den Gefechten dort. Schaffen sie es, erneut gegen die Clans anzutreten?“
Der sonst sich selbstsicher wirkende Krieger zuckte kurz zusammen, als Reuter ihm diese Frage stellte, aber er fing sich sofort wieder: „Ja, Sir. Ich habe keine Angst, nur Wut und Hass für diesen Abschaum. Aber ich habe mich unter Kontrolle. War das alles?“
„Ja, Sergeant, das war alles. Willkommen an Bord. Und melden sie sich am Besten bei Leutnant Goddard, er ist der Teileinheitsführer der Mechs und wird ihnen alles Wichtige zeigen können.“
Nachdem der Sergeant das Büro verlassen hatte, warf Michael einen Blick auf die Uhr. „Sheila, ich gehe Mittagessen mit einem potentiellen Auftraggeber. Ich gebe mir Mühe, zurück zu sein, bevor dieser Wolfhard Ohnesorg hier auftaucht, aber ich kann nichts versprechen.“
Die junge Perserin sah ihn mit großen Augen an: „Auftraggeber?“
„Ja, zwei Stück gleich. Und selbst wenn daraus nichts wird, bekomme ich umsonst ein gutes Mittagessen.“ Er lachte kurz. „Und kein ganz Schlechtes mag ich meinen.“
„Und du gehst dann in Felduniform dahin?“
In der Tür drehte der junge Söldnerkommandant sich noch einmal um: „Ja, Abendkleider stehen mir nicht besonders.“

Reuter kam gut gelaunt von seinem Essen zurück. Es war gut gelaufen und er war nicht nur pünktlich für das Bewerbungsgespräch von Ohnesorg, er war darüberhinaus auch froh, für seine Einheit direkt zwei Kontrakte an Land gezogen zu haben. Sheila bemerkte seine Hochstimmung und lächelte: „Hat es geklappt?“
„Ja. Wir stehen unter Sold. Aber mehr verrate ich erst heute Abend in der Besprechung. Ich will noch keine Pferde scheu machen.“
Kurze Zeit später und deutlich früher als verabredet, betrat Wolfhard Ohnesorg das kleine Büro, sah sich um, erkannte die Rangabzeichen an Reuters Uniform und salutierte lax. „Wolfhard Ohnesorg, zu ihren Diensten.“
„Michael Reuter, Hauptmann und Kommandeur der Red Dragon Corporation, es ist mir eine Freude. Sie suchen Arbeit?“
„Das stimmt.“
„Setzen sie sich doch bitte.“ Michael wartete, bis Ohnesorg Platz genommen hatte. „Mit dem Motorrad hier? Ihre Kluft sieht danach aus.“
„Ja, aber im Kampf führe ich etwas Größeres.“
Reuter nickte knapp. „Ich will ihnen nichts vormachen. Im Grunde ist meine Einheit schon voll. Was können sie mir bieten, damit ich sie noch einstelle?“
„Einen top gepflegten Feuerfalken und hervorragende Referenzen. Unter anderem habe ich drei Jahre beim Grauen Tod gedient.“
Der Hauptmann musterte den hochgewachsenen, durchtrainierten Mann etwas Genauer. Drei Jahre bei der Legion sprachen für ihn. Ob er dort wohl auch die Narbe erhalten hatte, die sich über seine rechte Gesichtshälfte zog?
„Sie haben mich schon überzeugt. Leider kann ich ihnen nur den Dienstgrad Sergeant anbieten. Standard-Rang für alle neuen Mechkrieger bis jetzt.“
Ohnesorg grinste: „Das ist besser als arbeitslos zu sein, Sir.“
Während Sheila einen weiteren Standard-Sergeant-Vertrag aufsetzte – mittlerweile musste sie den Text auswendig kennen – wies Reuter den Neuen ein, sich bei Goddard zu melden, seine Sachen zu holen und alles Nötige bis zur Besprechung um 19 Uhr geregelt zu haben. Etwas, dass er mittlerweile auswendig beherrschte.
Danach verstrich die Zeit bis fünfzehn Uhr recht schnell, nicht zuletzt dank Aktenarbeit und Verwaltungsangelegenheiten.
Als Anja dann klopfte, merkte Michael, wie die Zeit vergangen war und er bat die SeniorTech herein, zunächst einmal alleine.
„Sir, ich bringe ihnen die vier Streithähne. O’Neill wartet draußen mit ihnen. Ich habe übrigens mit den Arbeiten am Feuerball angefangen. Es wird mehrere Wochen dauern und einen Erfolg kann ich ihnen auch nicht versprechen, aber wir werden jede freie Minute an der Maschine basteln.“
„Danke, Miss Silver. Ich nehme an, unsere Delinquenten sind jetzt etwas ruhiger als heute morgen?“
„Lammfromm“, bestätigte Anja mit einem Grinsen. Dann wurde ihr Gesicht ernst: „Was haben sie zu erwarten?“
„Die Panzerfahrer nicht so viel. Sie haben nur auf Beleidigungen reagiert. Die Mechkrieger werde ich härter rannehmen. Ich plane, hier ein Exempel zu statuieren.“
„Dann sind wir ja mal einer Meinung.“
„Das freut mich. Dann holen sie doch die Leute mal rein.“
Anja öffnete die Tür und nickte O’Neill knapp zu, der daraufhin mit den vier sichtlich geknickten Männern in das Büro trat, wo es nun ziemlich eng wurde.
Michael erhob sich.
„SeniorTech Anja Silver, Zeugin?“
„Anwesend.“
„Sergeant Patrick O’Neill, Teileinheitsführer?“
„Anwesend.“
„Sergeant Lukas Hartmann?“
„Anwesend.“
„Sergeant Van Ryan-Hartmann?“
„Anwesend.“
„Corporal Metin Öztürk?“
„Anwesend.“
„Corporal Kirai Torkmani?“
„Anwesend.“
„Zivilangestellt Sheila Kashira, Protokollführerin?“
„Anwesend.“
„Hauptmann Michael Reuter, kommandierender Offizier, anwesend“, schloss Michael die protokollarischer Erfassung der Beteiligten grimmig. Die vier Soldaten, die am Morgen noch so selbstsicher gewesen waren, wirkten nun kleinlaut, unsicher und sichtlich eingeschüchtert. Was auch immer Anja und O’Neill ihnen erzählt hatten, es hatte mächtig Eindruck hinterlassen.
Michael bot Anja und O’Neill einen Stuhl an, während er vor den angetretenen Tätern auf und ab ging.
„Ich bin enttäuscht von ihnen“, begann er schließlich. „Vier meiner Soldaten verlieren derart die Kontrolle über sich und das schon am zweiten Tag hier. Das ist arm.“ Er legte eine kurze Pause ein und blieb kurz stehen, um die Gesichter der Soldaten zu mustern. „Meine Herren, ihr Verhalten war alles andere als ein Beispiel für Pflicht, Verantwortung und Loyalität. Von der mangelnden Kameradschaft ganz zu schweigen. Ist ihnen das klar?“
„Dieser Mechkrieger hat uns grundlos beleidigt“, wagte Torkmani zu sagen.
„Ich habe aber niemanden geschlagen!“, verteidigte sich Ryan-Hartmann.
„Ruhe!“, donnerte Michael dazwischen. „Ich habe gefragt, ob ihnen das klar ist und ich erwarte eine Antwort von ihnen. Ist ihnen das klar?“
„Ja, Sir!“, antworteten die vier gleichzeitig.
„Das zwei meiner Mechkrieger nichts Sinnvolleres zu tun haben, als ihre Kameraden wegen ihrer Religion zu beleidigen, ist schon schlimm genug. Aber dass sie sich alle danach prügeln wie Schulkinder, das ist wirklich ein Armutszeugnis. Wollen sie so etwas auch während eines Kampfeinsatzes bringen?“
Die vier schwiegen betroffen und Reuter hatte auch gar keine Antwort erwartet. Er griff sich das DataPad mit Anjas Bericht und las laut daraus vor: „Sergeant Ryan-Hartmann provoziert die Corporals … verbal, bis sie ihn körperlich attackieren. Sergeant Hartmann greift auf der Seite von … Ryan-Hartmann ein. Der Streit wurde durch den Einsatz eines Feuerwehrschlauches beendet, den Tobi … geistesgegenwärtig einsetzte.“ Michael legte das Pad zurück auf den Schreibtisch und sah wieder zu den Delinquenten, die jetzt noch kleiner geworden waren. „Ist das so richtig?“
„Ja, Sir“, antworteten die vier.
Michael betrachtete die Soldaten erneut, warf dann einen Blick zu Anja und O’Neill, die ihm kaum merklich zunickten.
„Ihr Fehlverhalten wird für sie nicht ohne Konsequenzen bleiben. Corporal Öztürk, Corporal Torkmani, bis auf Weiteres widmen sie ihre Freizeit der Einheit. Strafdienst im Ermessen von Sergeant O’Neill!“
Der Panzerkommandant schaltete sich kurz ein: „Ich werde den Jungs schon Disziplin beibringen, Sir.“
Michael machte einen Schritt vor und trat zu den beiden Mechkriegern. „Sergeant Hartmann, Sergeant Ryan-Hartmann! Ich stufe sie hiermit zum Corporal zurück. Auch sie werden Strafdienst verrichten und zwar bis zu unserer Abreise und im Ermessen von SeniorTech Silver!“
Während Anja nur gehässig grinste und sich wohl schon ausmalte, wie sie die beiden junge Soldaten bestrafen würde, begann Van zu protestieren: „Er hat doch nur eingegriffen, er…“
Weiter kam er nicht.
„Corporal!“, brüllte Reuter. „Ihr Cousin hat sich in einen Streit parteiisch eingemischt, statt zu schlichten, was seine verdammte Pflicht als Unteroffizier gewesen wäre. Jetzt müssen sie beide mit den Konsequenzen leben. Ich hätte sie genauso gut feuern können, verstanden?“
„Ja.“
„Ich kann sie nicht hören.“
„Ja, Sir!“
Reuter nickte und seufzte dann. „Wegtreten! Und sorgen sie dafür, dass so etwas nie wieder vorkommt!“
Die vier Bestraften und ihre beiden Aufpasser verließen das Büro und Michael ließ sich in seinen Schreibtischstuhl fallen, während Sheila ihre Mitschrift ordnete. Er sah ihr dabei zu und musste schon wieder daran denken, dass sie verdammt niedlich war. Er lächelte still vor sich hin, bis ihm einfiel, dass es am Abend wohl nicht so vergnüglich zugehen würde.
Die Nachbesprechung des Nacht-Trainings stand an, das noch an den Nerven von allen zehrte. Dafür würde er die Leute mit einigen Änderungen, Beförderungen und dem Kontrakt erfreuen können. Zur Auflockerung des Abends hatte er die Verleihung der Callsigns vorgesehen und ein gemeinsames Grillen zur Förderung der Kameradschaft auf seine Kosten.
Sheila bemerkte sein Grinsen und sah ihn fragend an: „Was hast du denn?“
„Hat dir schon jemand gesagt, dass du ziemlich niedlich bist, wenn du arbeitest?“
Die Perserin errötete, aber bevor sie antworten konnte, klingelte das Telefon. „Red Dragon Corp., Kashira am Apparat, was kann ich für sie tun?“
Eine Pause, als der Anrufer antwortete.
„Jetzt sofort?“

„Ja, das geht in Ordnung. Bis gleich.“
Sie legte auf und sah Michael an, hatte seine Bemerkung scheinbar vergessen. „Ein Mechpilot“, erklärte sie. „Will sich bewerben.“
„Noch einer?“
„Er ist auf dem Weg hierher, nur noch zwei Minuten weg. Ehemaliger Claner mit einem Marodeur in seinem Besitz.“
„Claner? Viele Leute hier hassen Claner.“
„Ich ruf die Torwache an und sage ihnen Bescheid“, überging Sheila seinen verwunderten Kommentar.
„Ich werde zumindest mit ihm reden. Er muss gut sein, wenn er bei den Clans zum Krieger geworden ist und ein Marodeur passt gut zur Einheit. Standard-Kontrakt. Sergeant.“
„Wie immer“, grinste die Perserin, während sie die Nummer der Wache wählte.
Es dauerte keine drei Minuten, bis es an der Tür klopfte und ein Mann in schlichter grauer Uniform eintrat. Seine ehemaligen Rang- und Einheitsabzeichen hatte er entfernt, scheinbar war auch ihm klar, dass es unklug sein könnte, mit Claninsignien über Galatea zu laufen. Nur eine Kette mit einem Wolfskopfanhänger deutete die Herkunft des Kriegers an, der sich als Tornamo Breed vorstellte.
Sein Lebenslauf war beeindruckend. Als Freigeburt bei den Wölfen zum Krieger geworden, von den Bären als Abtacha genommen, dort in die Fronttruppen aufgestiegen, um an der Invasion der Inneren Sphäre teilzunehmen. Ein Ehrverlust, die Flucht aus dem Clanraum und schließlich der Verrat an seinem eigenen Clan, der ihn dann zum Söldner hatte werden lassen. Eine Menge Fragen blieben offen, aber Reuter vermied es, sie zu stellen.
„Mister Breed, warum möchten sie hier anheuern?“
„Ich will dem Gröbsten ausweichen. Ich bin Einzelgänger und erhoffe mir hier Ruhe und ein paar Kämpfe.“
„Einzelgänger mit einem Marodeur?“ Der Hauptmann runzelte die Stirn.
„Bis jetzt hat es funktioniert.“
„Ich will mich kurz fassen. Ich biete ihnen den gleichen Standard-Vertrag an, den alle meine Mechpiloten bekommen. Sie steigen als Sergeant ein und werden Teil der Kommandolanze. Passen sie aber auf, wem sie von ihrer Abstammung erzählen, ein paar Leute hier mögen Claner nicht besonders.“
Breed nickte: „Wo kann ich unterschreiben?“
Kurz darauf meldete Markus sich in die Stadt ab, um einige Besorgungen zu erledigen. Koehn nahm er direkt mit und Reuter ließ die Beiden ziehen, trug ihnen aber auf, pünktlich zur Besprechung wieder zurück zu sein.
Danach telefonierte er herum und mietete für den folgenden Tag ein ganzes Simulator-Center, um seinen Leuten etwas Kampftraining zu verschaffen. Viele lungerten schon seit Wochen auf Galatea herum und waren zwar großartig im Saufen und Betrügen, hatten aber genauso lange keinen echten Kampf mehr gesehen.
Gegen 16:30 Uhr stand er auf und meldete sich bis zur Besprechung bei Sheila ab mit der Bitte, ihn bis dahin nur im Notfall zu stören.
In seinem Quartier schlüpfte er in seinen Arbeitsoverall, den er aber am Oberkörper offen ließ. Galatea erreichte in der Nachmittagshitze Temperaturen von fast 40° Celsius und einen Hitzschlag wollte er sich momentan nicht leisten. Dann machte er sich auf den Weg in den Hangar, ließ dabei die letzten Tage Revue passieren und ordnete im Kopf Gesichter und Namen zu, um nicht aus Versehen mal jemanden mit dem falschen Namen anzureden.
An den Mechs wuselten die Techniker herum, beseitigten immer noch die Schäden des Marsches oder überprüften die Maschinen der Neuen. Einer der neuesten Mitglieder, Wolfhard Ohnesorg, ging einem von ihnen bei den Arbeiten an seinem Feuerfalken sogar zur Hand.
Michael wollte sich eine Zigarette anstecken, als ihn ein Warnschild auf das strikte Rauchverbot im Arbeitsbereich hinwies. Leise fluchend steckte er seine Dosis Nikotin wieder weg und kletterte zum Cockpit seines Kriegshammers empor, der bis gerade eben die schwerste Maschine der Einheit gewesen war. Nun stapfte ein Marodeur in das Halbdunkle der Anlage und beanspruchte die Gewichtskrone damit für sich.
Reuter verschwand endgültig im Inneren seiner Maschine und erweckte den Hauptcomputer zum Leben. Ein Systemcheck, die Anpassung der Startprozedur, ein wenig Ruhe, mehr wollte er hier gar nicht.
In nicht einmal mehr 150 Minuten ging die große Besprechung über die Bühne und bis dahin wollte er sich ausruhen und konzentrieren. Und sein Mech nervte ihn nicht mit organisatorischem Kleinkram.

Michael Reuter betrat den Besprechungsraum mit einem Stoß Papier unter dem Arm, den er auf dem Rednerpult ablegte. Die versammelten Drachen verstummten nach und nach und blickten nun erwartungsvoll zu ihm auf.
„Meine Damen und Herren…“
Er überflog die Menge noch einmal. Es waren fast alle da, sah man von den Infanteristen ab, die nur Private Nürs als Stellvertreter geschickt hatten, um die Wache am Tor aufrecht zu erhalten. Außerdem fehlten Goddard und Koehn, die es wohl nicht rechtzeitig zurück geschafft hatten.
„Warum habe ich sie hergebeten? Nun, zuerst einmal möchte ich mit ihnen über die Übung in der letzten Nacht reden und danach ein paar Dinge für die kommende Zeit klären. Damit sollten dann alle grundlegenden Fragen geklärt sein.
Neugier, Verlegenheit und leichte Nervosität machte sich breit, aber die Leute waren voll bei der Sache.
„Kommen wir zuerst zu der Übung“, begann er. „Als wir nur vier Minuten gebraucht haben, um volle Gefechtsbereitschaft herzustellen, hatte ich noch auf eine positive Erfahrung gehofft, aber ich denke, ich muss ihnen kaum erzählen, dass unsere Leistung danach alles andere als berauschend war. Erheblicher Sachschaden, ein miserables Bild als Einheit und Leistungen weit unter dem, was in ihren Akten steht. Wenn sie das nicht ändert, haben wir spätestens beim ersten Feindkontakt ein Problem.
Da ich weiß, wie wichtig Training für uns jetzt ist, habe ich für den gesamten morgigen Tag ein Simulatorcenter gebucht, wo die Mechpiloten ihre Fähigkeiten wieder auffrischen können.
Für die Jäger habe ich Überflugrechte organisieren können und einen Manöverplatz für unsere Panzer und Infanteristen. Morgen steht also ganz im Zeichen des Waffentrainings.“
Er sah kurz in die Runde, versicherte sich der Aufmerksamkeit seiner Einheit.
„Nach dem Debakel heute erwarte ich von ihnen allen, dass sie diese Chance nutzen und ihre Kenntnisse und Fertigkeiten wieder auf Hochglanz bringen. Ich werde darüber aber im Anschluss auch mit den Teileinheitsführern noch kurz reden.“
Er nahm ein andere Blatt Papier zur Hand.
„Nun zu unserer aktuellen Aufstellung. Sie haben sicher gemerkt, dass wir noch etwas angewachsen sind und das macht eine leichte Umstrukturierung notwendig. Darüberhinaus habe ich einen Aufnahmeschluss gesetzt, jetzt nehme ich neue Soldaten nur noch in begründeten Fällen in die Einheit auf. Aber bevor ich sie jetzt mit der Struktur langweile, kommen wir erst einmal zu etwas Erfreulichem.“
Er griff einen kleineren Zettel, nahm dann Haltung an und hob seine Stimme: „Drachen, alle auf!“ Die verwunderten Soldaten und Zivilisten erhoben sich, erstaunt über den plötzlich viel militärischeren Ton. „Stillgestanden!“
Zackig und wie ein Mann gingen die Soldaten in die befohlene Haltung, während die Zivilisten zumindest ruhig standen.
„Kraft meines Amtes als Kommandeur der Red Dragon Corporation ist es mir eine besondere Freude, hier und jetzt die ersten Beförderungen vorzunehmen.
Mit sofortiger Wirkung befördere ich Leutnant Antonov Gabriel, Leutnant Markus Goddard und Sergeant Patrick O’Neill zum Oberleutnant. Ebenfalls mit sofortiger Wirkung befördere ich Sergeant Gerrit Silver zum Leutnant.
Mit sofortiger Wirkung befördere ich Sergeant Steve Smith zum Mastersergeant, Private Michael Nürs zum Corporal und die AsTechs Mike und Nicole zum Tech. Außerdem ernenne ich Mastersergeant Smith mit sofortiger Wirkung zum Spieß der Einheit!
Drachen: rührt euch! Sie dürfen sich wieder setzen.“
Nach dieser Flut von Beförderungen brandete Applaus in der Truppe auf und Reuter gab ihnen ein paar Augenblicke, um Glückwünsche auszutauschen, ehe er sich räusperte.
„Ich werde jetzt die neue Aufstellung bekanntgeben und dann dürfte ihnen auch klar werden, warum ich diese Beförderungen vorgenommen habe.
Beginnen wir mit den Mechs.
Die Kommandolanze, die fortan den Beinamen The Dragon’s Brain tragen wird, setzt sich aus fünf Mechs zusammen. Neben mir stehen Sergeant Breed und Sergeant Foxfire, der zweite Wing bildet sich aus Leutnant Silver und Mastersergeant Smith.
Unsere Kampflanze hört ab jetzt auf den Namen The Dragon’s Claw, Lanzenführer ist Oberleutnant Goddard, der auch Teileinheitsführer der Mechtruppen wird, um das hiermit mal offiziell zu machen. Sein Flügelmann wird Sergeant Raven, der zweite Flügel wird von Sergeant Ohnesorg geführt. Ihm steht Corporal Ryan-Hartmann zur Seite.“
Leises Gemurmel wurde laut, als er den degradierten Van Ryan-Hartmann ansprach, aber Michael überging es einfach.
„Unsere Jägerlanze, ab jetzt The Dragon’s Wings, gibt es keine personellen Veränderungen. Oberleutnant Gabriel bleibt Lanzenführer, unterstützt von Sergeant Silver, darüberhinaus trägt er als Teileinheitsführer auch die Verantwortung für unsere Scoutlanze, fortan The Dragon’s Eye.
Lanzenführer ist hier Leutnant Mandow. Ihm zur Seite stehen Corporal Hartmann und unser Luftaufklärer, Sergeant Koehn.“
Als er die Unterstellung der Scouts unter die Jäger bekanntgab, wurde schon wieder Gemurmel laut, aber Michael hob abwehrend die Hand. Er war noch nicht fertig.
„In der Panzerlanze hat sich auch nicht viel Getan, sieht man von Beförderungen ab. Oberleutnant O’Neill ist Lanzen- und Teileinheitsführer und zwar sowohl für die Panzer, wie auch für die Infanterie, bei der Corporal Nürs jetzt zum Gruppenführer aufgestiegen ist. Die Namen für diese beiden Einheiten sind übrigens The Dragon’s Back und The Dragon’s Guard.
Im zivilen Bereich gibt es, von einigem Zuwachs bei den Techs einmal abgesehen, keine Änderungen.“
In diesem Moment ging die Tür auf und Markus Goddard und Geoffrey Koehn traten ein.
„Herr Hauptmann, Leutnant Goddard meldet sich mit einem Kameraden verspätet, Sir.“
„Herr Oberleutnant“, tadelte Reuter amüsiert, „wenn sie das nächste Mal zu spät kommen, melden sie sich bitte mit ihrem richtigen Dienstgrad, wie es sich für einen Teileinheitsführer gehört.“
„Oh.“ Er schien kurz darüber nachdenken zu müssen und grinste dann. „Aye, Sir. Unsere Besorgungen haben leider länger gedauert.“
„Wenigstens erfolgreich?“
„In der Tat.“ Goddard und Koehn suchten sich freie Stühle und Reuter wartete ab, bis sie sich gesetzt haben, ehe er fortfuhr.
„Nachdem unsere Aufstellung nun geklärt ist, komme ich zu einem Punkt, der vielen sehr am Herzen liegt: Der Verteilung der Callsigns. Natürlich benutzen wir im Funk diese Callsigns nur in Friedenszeiten, aber so etwas macht sich ja unterm Cockpit ganz hervorragend.
Soweit mir von ihnen Wünsche geäußert wurden, habe ich dem Rechnung getragen, ansonsten habe ich mich möglichst nahe an unsere Drachen-Symbolik gehalten.
Ich persönlich werde mein altes Callsign Prometheus behalten. Mein Flügelmann, Sergeant Breed, wird fortan Draco heißen. Sergeant Foxfire wird sich mit Wyvern anfreunden müssen, während Leutnant Silver gerne Razor genannt werden wollte und Mastersergeant Smith schon vor seiner Zeit bei uns als Headshot bekannt war.
Das Callsign von Oberleutnant Goddard ist etwas komplizierter und eigentlich sind es zwei: Cash und Clash, geschrieben wird das L in Klammern, so dass beide Bedeutungen in einem Wort zu lesen sind. Sergeant Raven erhält den Namen Griffin, während sich Sergeant Ohnesorg und sein Flügelmann, Corporal Ryan-Hartmann, als Erzengel und Luzifer auch sehr schön ergänzen.
Oberleutnant Gabriel bestand auf dem Callsign Banshee, ich hoffe, das Venom von Sergeant Silver verträgt sich damit.
Die Callsigns der Scouts sind alle selbstgewählt, macht dann Ghost für Leutnant Mandow, Dragonfly für Sergeant Koehn und Lucky für Corporal Hartmann.
In der Panzerlanze gilt ein Callsign natürlich für den ganzen Panzer, der Schreck läuft in Zukunft unter Spuk und der Galleon als Fog.“
Er schloss seine Ausführung, nahm zur Kenntnis, dass seine Leute zufrieden wirkten und griff nach dem nächsten Blatt.
„Bevor ich ihnen jetzt das Beste erzähle, nämlich die Details zu unserem ersten Kontrakt, gebe ich ihnen an dieser Stelle erst einmal die Möglichkeit, mich mit Fragen zu löchern.“
Smith war der Erste, der sich meldete: „Sir, was genau werden meine Pflichten als Spieß sein?“
„Mastersergeant Smith, primär werden sie für die körperliche und geistige Gesundheit der Leute verantwortlich sein. Sie sind also zuständig für das Training, das Zusammenleben der Leute, Dienstpläne, Wachverteilungen, Aus- und Fortbildungen. Darüber hinaus fungieren sie als Sprachrohr der Einheit zu ihrem Chef und sind auch sonst in allem die sprichwörtliche Mutter der Kompanie.“
Smiths Gesicht zeigte Reuter, dass der erfahrene Soldat bereits Pläne zu schmieden begann, wie er die Leute auf einen Einsatz vorbereiten könnte. Das war auch ein Grund gewesen, warum er ausgerechnet ihn zum Spieß gemacht hatte: Erfahrung.
Ohnesorg stand auf: „Sir, ich würde mich anbieten, zusammen mit dem Spieß ein kleines Basis-Training aufzustellen. Einfache Selbstverteidigungstechniken, Schießen mit Handwaffen und etwas Überlebenstraining.“
„Eine gute Idee. Sprechen sie sich mit dem Spieß ab. Wenn sie das organisiert bekommen, können wir übermorgen den ganzen Tag in dem Bereich trainieren.
Ich habe übrigens, um das Leben hier einfacher zu machen, Uniform-Aufnäher und Dienstgrad-Abzeichen besorgt und in der Wäscherei deponiert. Lassen sie also so bald wie möglich ihre Kleidungsstücke entsprechend ändern.“
Er blickte in die Runde und wartete, bis die kleinen geflüsterten Gespräche im Raum wieder abebbten. „Kommen wir nun zum interessantesten Punkt des Abends: unserem Kontrakt. Es mag sie vielleicht etwas schockieren, aber wir brechen bereits in vier Tagen auf.“
Schlagartig herrschte Stille im Besprechungsraum.
„Wir begleiten einen ZagonTrans-Konvoi als Schutztruppe zu ihrem Ziel, dem recht hinterwäldlerischen Planeten Ballynure. Danach geht es weiter zu unserem eigentlich Auftrag. Wenn wir auf Benfled angekommen sind…“
Nervöses Raunen ging durch die Versammelten.
„Meine Damen und Herren, ich weiß, dass Benfled im Besatzungskorridor von Clan Jadefalke liegt. Dieser Kontrakt erfolgt ohne Wissen der Lyranischen Allianz und ich bin mir bewusst, dass mit den Clanern nicht zu spaßen ist. Aber jetzt bitte ich um Ruhe, ich würde gerne fortfahren.
Sobald wir also auf Benfled angekommen sind, werden wir sofort abtauchen und jeglichen Kontakt mit Clanern oder der Bevölkerung vermeiden. Wir haben Informationen über einige Nachschublager, die wir plündern werden. Nach exakt sieben Tagen verlassen wir den Planeten in einer Touch’n’Go-Aktion wieder. Optimalerweise hatten wir bis dahin keinen Kontakt mit anderen Menschen. Wir verschwinden aus dem System und liefern die Beute hier auf Galatea ab. Mit etwas Glück ist das sicherer, als Peripherie-Piraten jagen und sehr viel profitabler.
Das wär es dann fürs Erste dazu, ihre Teileinheitsführer werden ihnen dann in einiger Zeit mehr dazu erzählen können.“
Leises Gemurmel kam wieder auf, aber die Stimme des Hauptmanns konnte sich problemlos durchsetzen.
„Ich habe auf meine Kosten ein Grillen auf dem Paradeplatz organisieren lassen. Die Teilnahme ist freiwillig, der Konsum von Alkohol ist allen gestattet, die keine Wache haben. Bedenken sie aber, dass morgen relativ zeitig geweckt wird, da wir Simulatorzeit gebucht haben.
Das wäre dann alles, sie dürfen wegtreten. Nur die Offiziere, der Spieß und Miss Silver bleiben bitte noch einen Moment.“
Die Drachen standen auf und verließen den Raum. Lediglich Corporal Hartmann brauchte eine Extraaufforderung, zu gehen. Dafür brauchte der neue Spieß eine Extraaufforderung zu bleiben.
„Sir, ich habe über den Wachplan nachgedacht.“
„Schon, Mastersergeant?“
„Ja, Sir.“ Er kritzelte etwas auf einen Zettel und reichte es dann rum. „Sehen sie, es ist immer ein Mech mit zwei Soldaten zu Fuß eingeteilt. Die Panzerfahrer und Flieger versehen dabei Dienst als Infanterie. Ich übernehme die erste Wache im Mech, danach Leutnant Silver, Ohnesorg und danach sie, Sir. Das heißt Wachschichten zu sechs Stunden. Wachführer ist der höchste Dienstgrad. In der dritten Wache wäre das zum Beispiel Oberleutnant Gabriel.“
Der Angesprochene lachte. „Wache als Infanterist? Nichts für ungut, aber ich hatte noch nicht einmal eine militärische Grundausbildung.“
„Wollen sie sich drücken?“, bohrte der Spieß nach.
„Nein, ich mach das schon, wenn es verlangt wird. Ich halte es nur nicht für klug.“
Reuter schaltete sich ein, bevor die Sache eskalieren konnte. „Ich denke, am Tor stehen, Ausweise kontrollieren und notfalls den Wachmech zu Hilfe rufen kann jeder Soldat. Machen wir es erst einmal so, wie der Spieß es vorschlägt. Eigentlich wollte ich mit ihnen allerdings auch nur kurz noch über die Kontrakt reden.“
Er legte eine kurze Pause ein.
„Gegen die Claner und auch vorher schon wird es nicht leicht. Sie alle wissen das. Ich möchte, dass sie ihre Leute zusammenhalten und vorwärtsbringen.“
„Sir, wer steht überhaupt auf Benfled?“, hakte Goddard nach.
„Ja und wie sieht es mit dem Bergerecht aus?“, wollte Anja wissen.
„Nach letzten Informationen treibt sich dort der 472. Defensiv-Sternhaufen herum. Nur eine Secondline-Einheit, aber wohl kaum zu unterschätzen. Und beim Bergerecht haben wir Glück. Fünf Prozent der Ware in den Lagern, fünfzig Prozent Bergerecht der abgeschossenen Maschinen, dafür haben wir achtzig Prozent Bergerecht im Sub-Kontrakt, auch wenn dort nicht mit Zwischenfällen gerechnet wird.“
„Warum heuern sie dann Söldner an?“
„Naja, sicher ist sicher und ZagonTrans schuldete unserem Auftraggeber wohl noch einen Gefallen, deswegen nehmen sie uns ja auch mit ihrem Sprungschiff mit. Gehen wir dann Grillen?“
Der Mastersergeant schüttelte den Kopf. „Ich werde meine Wache antreten, Sir.“
„Ihr Wacheinteilung, ihre Entscheidung.“ Reuter sah in die Runde. „Dann sollten wir jetzt einmal ein wenig Einigkeit demonstrieren und uns zu unseren Leuten gesellen!“

Als das Offizierscorps der Red Dragon Corporation auf dem Paradeplatz eintraf, war das Grillfest schon in vollem Gange. Kleine Grüppchen hatten sich gebildet und plauderten bei einem Bier über dies und das, die Unteroffiziere wechselten sich am Grill ab und ein Großteil der Leute saß in einem gemütlichen Kreis um das Lagerfeuer, über dem Steaks und Würstchen brieten.
Reuter griff sich ein kühles Bier und lud seine Offiziere ein, es ihm gleich zu tun. Auch wenn das der einzige Alkohol heute für ihn sein würde, genoss er den erste kräftigen Schluck und ließ den Tag vor seinem inneren Auge Revue passieren.
Mit der Nachtübung hatte Tag 4 beschissen angefangen und dank einer Prügelei in der Kantine war es kaum besser geworden. Lediglich der frisch unterzeichnete Kontrakt und die langsam zusammenrückende Einheit stimmten ihn versöhnlich.
Als Sheila sich neben ihn setzte, grinste er unwillkürlich.
„Was hältst du von der Truppe?“, fragte er sie.
„Im Grunde scheinen sie alle anständige Kerle zu sein. Sie müssen sich nur etwas zusammenraufen.“
„Ja, da hast du wohl Recht. Ich muss gerade meine Offiziere besser kennen lernen.“
Sheila lehnte sich an ihn und erst jetzt bemerkte der Hauptmann, dass sie eine Flasche Sekt in der Hand hielt, in der die Flüssigkeit nicht mehr sehr hoch stand. „Nur deine Offiziere?“
Er lachte leise und drückte sie kurz. „Hier gilt es natürlich, Dienst und Privatleben zu trennen.“
Michael sah auf und sein Blick blieb an Antonov Gabriel hängen, seinem Fliegerchef. Er hatte die letzten Tag viel mit Nina Silver geflirtet und nun, da sie noch in der Küche war, schien er auf sie zu warten. „Antonov!“, rief er. „Wären sie so freundlich, ihrer Flügelfrau zu sagen, dass ihr Küchendienst beendet ist?“
Die Augen des Oberleutnants leuchteten auf und er nickte eifrig. „Sicher, Sir.“
„Und sagen sie ihr, dass sie auch die beiden Corporals mitbringen darf.“ Hartmann und Ryan-Hartmann waren von Anja zu Strafdienst in der Küche verdonnert worden und waren dort jetzt damit beschäftigt, die Salate aus den Kühlschränken zu holen.
Reuter beobachtete bis kurz nach Mitternacht, wie die Leute einander näher kennenlernten und er selber nutzte die Zeit, um mit Sheila zu flirten und mit seinen Oberleutnanten ein wenig zu plaudern.
Als Sheila schließlich betrunken einschlief, entschied er sich, auch ins Bett zu gehen. Immerhin hatte er am nächsten Tag Simulatorstunden vor sich, eine Wachschicht und diverse andere Dinge zu erledigen.
Er hob Sheila vorsichtig auf und trug sie unter den amüsierten Zurufen seiner Leute zu ihrem Quartiert. Dann fiel ihm aus, dass er keinen Schlüssel dabei hatte, wollte sie aber auch nicht im Gang liegen lassen, also brachte er sie kurzerhand in sein Bett.
Einen kurzen Moment lang kämpfte er mit der Versuchung, sich neben sie zu legen, dann schnappte er sich seufzend eine Decke und rollte sich auf seinem Sofa ein. Gegen ein Uhr nachts schlief er dann trotz seiner unbequemen Lage endlich ein, während die letzten hartgesottenen Drachen es am Grill noch bis vier Uhr in der Früh aushielten.

__________________
Ama-e-ur-e
is-o-uv-Tycom‘Tyco
is-o-tures-Tesi is-o-tures-Oro
is-u-tures-Vo-e-e

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Thorsten Kerensky
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14.05.3059
Kasernengelände der Red Dragon Corp.
Galatea

Es hatte Vor- und Nachteile, Kommandeur einer Söldnereinheit zu sein. Ein Nachteil war es, dass man selten Zeit hatte, zum Frühstück in die Kantine zu gehen, zu viel war morgens schon zu erledigen. Ein Vorteil hingegen war es, dass das eigene Quartier groß genug war, um einen Kühlschrank zu beherbergen, aus dem man sich sein eigenes Frühstück zaubern konnte.
Als Michael um kurz nach sieben Uhr aufwachte, stieg ihm der Geruch von frischem Kaffee in die Nase. Noch ehe er sich wundern konnte, warum es danach roch, erinnerten ihn Nacken- und Rückenschmerzen daran, dass er auf dem Sofa geschlafen hatte und das rief die Erinnerung an den letzten Abend wach.
Er stand auf und streckte sich, um seine Muskeln etwas zu lockern, als Sheila ihren Kopf aus seiner kleinen Kochnische steckte.
„Guten Morgen, Michael“, begrüßte sie ihn und schon der Ausdruck auf ihrem Gesicht machte den letzten Tag mehr als wett.
„Morgen“, nuschelte Reuter. „Du siehst echt fertig aus.“
„Ich hab Frühstück gemacht und … äh … versucht, mich an gestern Abend zu erinnern. Was ist passiert?“
„Eine Flasche Amaretto ist passiert“, grinste der Offizier. „Nachdem du draußen eingeschlafen bist, habe ich dich in dein Quartier bringen wollen, hatte aber keinen Schlüssel dafür. Da hab ich dich eben hier abgelegt.“
„Mehr war nicht?“
„Keine Panik, ich war noch nüchtern.“
Erleichtert seufzte die Sekretärin, ehe sich ein Grinsen auf ihr Gesicht stahl: „Heißt das jetzt, dass ich nicht interessant bin, wenn du nicht getrunken hast?“
„Nein! … Äh … ich meine … ach, egal, lass uns frühstücken, ich habe heute noch genug zu tun.“
Die Drachen hatten wohl nicht alle so lange geschlafen, wie Michael und Sheila, denn als sie nach dem Frühstück ins Büro gingen, donnerten bereits die Luft-/Raumjäger deutlich hörbar über die Basis und davon. Die ersten Trainingsstunden schienen bereits begonnen zu haben.
Es dauerte keine fünf Minuten – oder eine Zigarette vor der Tür – ehe der erste Soldat im Büro vorstellig wurde.
Mastersergeant Smith salutierte zackig und drückte Reuter einen Zettel in die Hand, nachdem dieser den Salut erwidert hatte. „Der Trainingsplan für heute und morgen, Sir. Heute werden die Lanzen nacheinander gegen einen computergesteuerten Clan-Stern antreten, parallel dazu freies Training. Nach den Lanzentrainings machen wir weiter mit freiem Training, je nachdem, wie viel Zeit wir haben.
Morgen beginnen wir um 0800 mit einem gemeinsamen Aufwärmen, danach teilen wir die Einheit auf. Von 0900 bis 1300 werden die Kommandolanze, die Scoutlanze und unsere Piloten am Schießstand unter meiner Aufsicht das Schießen mit Handwaffen vertiefen. Die Kampflanze, die Infanterie und die Panzer machen währenddessen Nahkampftraining unter der Aufsicht von Sergeant Ohnesorg in der Halle. 1300 bis 1400 ist Mittagspause, danach geht es bis 1800 genau andersrum weiter, von 1800 bis 1900 ist dann gemeinschaftliches Auslaufen, Wachdienst ist natürlich vom Training ausgenommen.“
Michael nickte gequält: „Mastersergeant, das bedeutet ja, dass ich mich bewegen muss. Und das den ganzen Tag lang. Nein, ist schon in Ordnung.“
„Sir, könnte ich sie noch kurz unter vier Augen sprechen?“
„Selbstverständlich, Smith. Sheila, würdest du uns einen Moment alleine lassen.“
Nachdem die Sekretärin das Büro verlassen hatte, sah Reuter seinen Spieß auffordernd an.
„Sir, Oberleutnant Antonov ist zu einem Übungsflug aufgebrochen, der bis zehn Uhr dauern soll. Er ist allerdings ab acht Uhr zur Torwache eingeteilt.“
Das war nicht gut, schoss es Reuter durch den Kopf. Einer seiner Teileinheitsführer war der Erste, der den Wachdienst verpasste. „Wer steht jetzt am Tor?“
„Maul und Ohnesorg. Sergeant Ohnesorg ist momentan Leiter der Wachschicht, aber eigentlich wäre das die Aufgabe von Antonov gewesen. Das ist nicht gut für die Moral der Einheit, Sir.“
Reuter merkte, dass bei Smiths Worten mehr mitschwang, als nur die Dienstpflicht. Er und Gabriel Antonov schienen sich nicht gut zu verstehen. Das könnte noch zu einem ernsthaften Problem werden. „Ich weiß, dass das nicht gut ist. Sorgen sie dafür, dass die Wache vollständig besetzt ist und schicken sie den Oberleutnant zu mir, sobald seine Füße wieder auf dem Boden sind!“
„Ich denke, O’Neill hat nichts dagegen, wenn ich Corporal Öztürk ans Tor stelle.“
„Ja, tun sie das, Mastersergeant. Ach ja, noch etwas…“
„Sir?“
„Wir haben Simulator-Zeit von 1100 bis 2300. Lassen sie um 1030 antreten. Und da ich wegen meiner Wache erst gegen 20:30 Uhr im Sim-Center kämpfen kann, würde ich gerne einen Kampf gegen sie wagen, um wieder in Form zu kommen.“
„Jawohl, Sir!“
„Gut, danke, sie können wegtreten. Und schicken sie Sheila bitte wieder rein!“

Später, es war schon kurz nach zehn Uhr, tauchte eine fremde Mechkriegerin im Büro der Red Dragon Corporation auf. Michael, der gerade eine Zigarette geraucht hatte, beobachtete die Szene unbemerkt vom Flur aus, als die junge und hübsche Frau das Zimmer betrat.
„Was kann ich für sie tun?“, erkundigte Sheila sich, als sie die Frau vom kastanienbraunen Haar, über die haselnussbraunen Augen, das schwarze T-Shirt, die Flecktarn-Kampfhose bis hinab zu den schweren Kampfstiefeln musterte.
„Ich würde gerne mit ihrem Kommandeur sprechen. Er weiß von meinem Kommen.“
„Tut mir leid, ich habe keine Information erhalten“, gab Sheila zurück. „Sie wurden mir nicht angekündigt.“
Reuter löste sich aus dem Schatten des Gangs und trat in das Büro: „Stimmt. Das habe ich vergessen, dir zu sagen.“ Er wandte sich an die junge Kriegerin und reichte ihr die Hand. „Sie müssen Hauptmann Drachenklau sein.“
„Die bin ich. Hauptmann Reuter, nehme ich an?“
Der Offizier nickte. „Darf ich ihnen meine Sekretärin vorstellen? Das ist Sheila Kashira. Sheila, das hier ist Hauptmann Rima Drachenklau, Kommandeurin der Dragonclaws.“ Er deutete auf sein Quartier: „Hauptmann, ich nehme an, wir haben zu reden?“
Sie nickte und folgte ihm in seine Räumlichkeiten, während eine skeptische Sheila im Büro zurückblieb.
„Darf ich ihnen etwas zu trinken anbieten, Rima?“
„Ja, dürfen sie. Limonade wäre nett, aber eigentlich ist es mir egal, solange es kalt ist.“
Michael nahm eine Flasche Limonade aus dem Kühlschrank und zwei Gläser aus dem Schrank. Nachdem er eingeschenkt hatte, bot er seiner Gegenüber einen Stuhl an und setzte sich ebenfalls. „Reden wir mal über die Beladung ihres Landungsschiffes. Wir denken sie, dass wir vorgehen sollten?“
Eine Viertelstunde später hatten sie alles Wichtige besprochen und Reuter verabschiedete die Frau wieder. „Ich freue mich auf eine gute Zusammenarbeit mit ihren Dragonclaws“, versicherte er.
„Bei der Namensgebung unserer Einheiten kann eigentlich nichts schief gehen, Michael.“
Er lachte kurz. „Ja, das ist mir auch schon aufgefallen. Darauf sollten wir aufbauen!“
Grinsend traten sie aus seinem Quartier ins Büro und wurden umgehend förmlicher. Man konnte nie wissen, wer alles zu sah und wenn die Kommandanten der Einheiten zu freundschaftlich miteinander umgingen, konnte das schnell Zweifel an ihrer Objektivität liefern. „Hauptmann Drachenklau, wir sehen uns dann in zwei Tagen beim Einschiffen.“
„In zwei Tagen. Einen schönen Tag noch, Hauptmann Reuter.“
„Was habt ihr besprochen?“, fragte Sheila ihn, kaum dass Rima das Büro verlassen hatte.
„Kontrakt-Interna…“
„Ach so.“
Er musterte sie, dann grinste er plötzlich über das ganze Gesicht. „Du denkst doch nicht … hey!“ Er musste gegen seinen Willen lachen. „Nein, das haben wir sicher nicht gemacht. Sie steht nicht so auf Männer.“
„Sie ist lesbisch?“
„Aye.“
Nun war es an Sheila, zu grinsen: „Vielleicht sollte ich mein Glück versuchen.“
„Gib dir keine Mühe, sie hat schon eine Freundin.“
Die Sekretärin tat enttäuscht. „Oh, schade. Ach ja, Oberleutnant Antonov wartet draußen. Soll ich ihn reinholen?“
„Ja, tu das. Oh … und warte bitte draußen. Frag dann gleich mal den Mastersergeant, wie weit er mit den Vorbereitungen ist, ja?“
Als Gabriel eintrat, wirkte er selbstsicher und schien sich keiner Schuld bewusst zu sein: „Sir, sie suchen mich?“
„In der Tat, Oberleutnant.“ Er wirkte ruhig, beinahe unangenehm ruhig, während er sich seine Worte zurecht legte. „Ich muss sagen, dass ich nicht erfreut darüber bin, dass ausgerechnet einer meine Offiziere, noch dazu ein Teileinheitsführer, der Erste ist, der eine Wache nicht wahrnimmt. Sie sollten eigentlich ein Vorbild für die Soldaten sein und haben den Wachplan gestern schon einsehen können. Stattdessen fliegen sie mit ihrer Flügelfrau eine Übung, über die sich die Bodenkontrolle auch noch beschwert, weil sie die Mindestflughöhe unterschritten haben. Was haben sie sich dabei gedacht, Gabriel?“
„Sir, bei allem Respekt, aber ich sehe das etwas anders. Der Plan, den uns der Spieß gestern gezeigt hat, war ein Vorab-Plan. Wenn er realisiert wird, sollte er als Befehl am schwarzen Brett aushängen. Von ihnen unterschrieben. Ich kann ja nicht jedes Mal zu ihnen rennen und nachfragen, ob eine Notiz vom Spieß nun als Befehl zählt oder nicht.
Und ja, es ist richtig, dass ich mit Sergeant Silver heute Morgen Tiefflugübungen gemacht habe, weil wir heute üben sollten. Und dass sich die Bodenkontrolle dabei erschreckt, ist nicht meine Schuld. Die Wüste eignet sich nun einmal für diese Art von Übung besonders, Sir.“
„Ein bedauerliches Missverständnis, also?“
Antonov war zwar manchmal etwas vorlaut, aber er war nicht dumm. Und er erkannte das bequeme Friedensangebot, das Reuter ihm hier machte. „Ja, so würde ich es sehen, Herr Hauptmann.“
„Nun, ich habe gestern Abend ausdrücklich darauf hingewiesen, dass jeder Teileinheitsführer dafür Sorge zu tragen hat, dass dieser Plan umgesetzt wird. Deswegen muss ich sie wohl oder übel bestrafen. Ich denke, es reicht als disziplinare Maßnahme, wenn sie die nächste Wache von Corporal Öztürk übernehmen, der momentan am Tor für sie eingesprungen ist.“
„Ja, das halte ich für angemessen.“ Jeder, der zwei und zwei zusammenzählen konnte, wusste, dass es eigentlich gar keine Strafe war. Im Grunde war es nur ein Tausch der Wachschicht und damit kam Antonov sehr gut weg.
„Sorgen sie dafür, dass so etwas nicht wieder passiert, Gabriel! Und jetzt weg mit ihnen, ich muss gleich zum Simulator-Zentrum! Oh … und entschuldigen sich bei Öztürk und dem Spieß, auch wenn es ihnen schwerfällt.“
Der Pilot salutierte schlampig und trat dann weg. Michael seufzte und seine Laune hob sich nur geringfügig, als Sheila eintrat und den Spieß im Schlepptau hatte.
„Sir, ich bin bereit, antreten zu lassen.“ Er reichte Reuter ein Audio-Abspielgerät und einen dazu passenden Datenträger. „Die Hymne der US-Marines des zwanzigsten Jahrhunderts“, erläuterte er. „Ich habe meine ComGuards damit immer zum Appell antreten lassen.“
Der Kommandeur nickte. „Dann fangen sie mal an!“
Wenige Momente später schmetterten pompöse Klänge über die Kaserne, gefolgt von der Stimme des Mastersergeants: „Achtung! Hier spricht Mastersergeant Smith. Alle Mann in fünf Minuten auf dem Paradeplatz antreten! Ausnahme nur der Wachdienst!“
Nach dieser Durchsage schlenderten er und Reuter auf den Platz und beobachteten, wie die gesamten Drachen zum Antreten eilten. Reuter sah auch, dass wirklich alle kamen. Auch die Techs und Zivilisten. Anja Silvers Gesicht sah nach Unwetter aus. „Warum treten denn die ganzen Zivilisten mit an?“
„Ich weiß auch nicht, Sir“, antwortete der Spieß.
„Schlechte Kommunikation. Aber es hätte echt gereicht, nur die Mechkrieger zu rufen, Mastersergeant.“
Nachdem die Truppe komplett eingetroffen war – sehr zu Reuters Freude in deutlich weniger als den angesetzten fünf Minuten – ergriff er das Mikrofon, dass Smith im reichte und räusperte sich. „Meine Damen und Herren, keine Panik, wir werden nicht angegriffen. Die erste Simulatorsitzung beginnt in dreißig Minuten und der Bus wartet bereits. Alles Mechkrieger, die nicht zur Wache eingeteilt sind, finden sich in fünf Minuten am Tor ein und zwar abmarschbereit.“
Er reichte das Mikrofon an Smith zurück. „Lassen sie wegtreten!“
Smith gab die entsprechenden Befehle und fiel dann in Reuters Schritt ein, als sie in Richtung Tor gingen. „Sir, ich dachte, wenn wir schon in den Krieg fliegen, kann etwas Disziplin nicht schaden. Es hat funktioniert, oder? Eine gute Einheit, braucht nur etwas Schliff, Sir.“
„Hoffen wir es. Wenn das Ganze nicht größer wird als die Summe seiner dickköpfigen Teile, haben wir ein Problem. Haben sie gesehen, wie Miss Silver ins Gebäude gestürmt ist? Sie hat in ihrer Wut nicht einmal gesehen, dass wir noch draußen sind. Ich hoffe, sie bringt niemanden um.“
Reuter musterte die Mechkrieger seiner Einheit, während er auf die Antwort des Spießes wartete. Er selber hatte im Gegensatz zu ihnen keine Kühlweste und keinen Neurohelm dabei. Da er vor seiner Wache nicht zum Üben kommen würde, hatte er diese Utensilien in seinem Mech gelassen. Er führte nur an seiner Uniform nur seine Dienstpistole verdeckt mit und ein DataPad, um sich Notizen zu machen.
„Sir, bei allem Respekt, diese Frau ist eine viel größere Gefahr für den Zusammenhalt der Einheit, als ein schwammig formulierter Befehl zum Antreten.“
„Aber wir können es uns nicht leisten, so kurz vorm Abflug eine so fähige Tech auf die Straße zu setzen und mit ihr zusammen vielleicht noch 20 unserer Leute. Aber das werde ich mit Miss Silver schon regeln. Kümmern sie sich besser um das Training!“

In der Simulatorhalle versammelte Smith die Soldaten um sich, nachdem er sich vergewissert hatte, dass man ihnen genug Kapseln zugewiesen hatte.
„Folgendes: Ihr kennt hoffentlich den Trainingsplan vom schwarzen Brett. Für alle, die ihn jetzt nicht im Kopf haben, noch einmal kurz der Ablauf:
Als Erstes tritt die Kommandolanze gegen einen Clanstern an. Leutnant Silver führt das Kommando in Abwesenheit des Hauptmanns, der momentan leider nur überwachen kann. Der Rest kann in freier Zusammenstellung trainieren.
Danach tritt die Scoutlanze an, gefolgt von der Kampflanze. Danach freies Training bis 2300. Ausführung!“
Die Mechkrieger zerstreuten sich und bestiegen ihre Kapseln und Reuter trat an das Simulator-Kontrollpult. Smith hatte die ersten Gegner schon geladen, aber ein einfaches Drag And Drop-System erlaubte nachträgliche Veränderungen jeglicher Art.
Er grinste, als er einen weiteren Mech in den Clan-Stern zog und seine Startzeit so einstellte, dass er erst auftauchte, wenn alle übrigen Feinde besiegt waren. Mal sehen, wie seine Leute auf diese Überraschung reagieren würden, allen voran Smith.
Dann schaltete er die Sitzung auf einen Beobachtungsschirm und genoss das Geschehen wie im Kino. Nur das Popcorn fehlte.
Gerrit Silver ging selbstsicher an die Aufgabe als Lanzenführer heran, schickte Breeds Marodeur an die rechte Seite seines Cataphracts und die beiden anderen Maschinen nach links. Er wies seine Lanze an, bei Feindkontakt sich zu teilen, um die Wings etwas zu schützen.
Der Donnerkeil vom Spieß und der Kampfschütze von Foxfire hatten die Gegner als Erste auf dem Schirm. Vier Clan-Mechs und fünf Elementare.
Silver erkannte den Ernst der Lage und wies seine Leute an, nach Möglichkeit auf die gepanzerten Fußsoldaten zu feuern, da nur zwei Mechs der Lanze vollmodellierte Hände besaßen und damit überhaupt eine Möglichkeit hatten, Kröten von ihrer Hülle zu wischen.
Ohne Probleme trennten sich die Halblanzen und während Silver und Breed nach rechts ausbrachen, nahmen Smith und Foxfire schon den Gegner unter Beschuss.
Viel passierte bei diesem ersten Schlagabtausch nicht, sah man einmal davon ab, dass der Mastersergeant mit viel Glück eine Kröte mit seiner PPK traf und aus dem Gefecht nahm.
Nun griffen auch Silver und Breed von der rechten Flanke aus in das Geschehen ein.
„Ich habe hier einen Goshawk!“, gab Smith das erste klar identifizierte Ziel durch.
„Bestätigt, Headhunter!“, kam es von Foxfire. Die gewaltige Radarantenne seines Kampfschützen bot ihm einen gewissen Vorteil bei der Aufklärung feindlicher Truppen. „Die anderen beiden sind zwei Galahads und eine Vixen. Ich nehme mir den Goshawk vor.“
Seine simulierten Autokanonen setzten seine Ankündigung in die Tat um und ein Strahl Granaten fraß sich in den Clan-Mech.
Die Claner schienen sich nicht an ihre Ehrenregeln zu halten. Eine realistische Einstellung, da mittlerweile sogar die Jadefalken sich nicht mehr an diesen Codex hielten. Während Smith und Foxfire sich mit dem Goshawk und der Vixen prügelten, tauchten die Galahads auf und richteten ihre Gaussgeschütze, zwei pro Mech, auf Silvers Cataphract aus.
„Ausweichen, Leutnant!“, warnte der Spieß über den Gefechtsfunk.
Die Warnung brachte allerdings nicht mehr viel, dann zwei der schweren Nickel-Geschosse trafen den Kommando-Mech am linken Arm und rissen die Gliedmaße einfach ab.
Silver ließ sich davon nicht aus der Ruhe bringen und wies Breed an, mit ihm zusammen den vorderen Galahad anzugehen, während er gleichzeitig fast beiläufig einen Elementar zertrat, der gerade auf seinen Fuß springen wollte.
Dann ließ ein Glückstreffer der Vixen den Donnerkeil zu Boden gehen. „Gottverdammter“, fluchte Smith, „mein Gyroskop ist getroffen und meine Reaktorabschirmung angekratzt. Foxfire, ziehen sie sich zu Silver und Breed zurück, ich werde die beiden hier aufhalten!“
Sehr heroisch und beinahe ein wenig dumm ignorierte Smith die langsam steigende Temperatur im Inneren seiner Maschine und deckte den Goshawk mit allen verbliebenen Waffen ein, die er hatte … und traf.
Es war dann ein Laserschuss von Foxfire, der dem Mech den Rest gab und ihn in einer Serie spektakulärer Explosionen vernichtete.
Als einer der Galahads nun in Foxfires Richtung schwenkte und seine Gaussgeschütze hochbrachte, kam Silver den beiden angeschlagenen Kameraden zur Hilfe. Der azurblaue Blitzschlag aus seiner PPK traf den Arm des Clanmechs, drang in die voll aufgeladene Hauptwaffe vor und brachte sie zur Explosion, was den Körperteil mit Wucht vom Torso riss. Der Galahad taumelte und stürzte dann und verriss seinen zweiten Schuss, der weit über Foxfires Mech hinwegging.
Dafür war ein Elementar aufgetaucht und auf den Rücken des Cataphract gesprungen, wo er nun begann, die Panzerplatten herunterzureißen.
Währenddessen kämpfte sich Smith mit seinem beschädigten Donnerkeil wieder auf die Beine, nur um die wendige Vixen in seinem Rücken zu haben. Noch während ihr Waffenfeuer auf die Panzerung des schweren Mechs einschlug, reagierte der Kampfschütze und pumpte Granaten und Laserenergie in den leichteren Mech.
Smith nutzte die kurze Verschnaufpause, um seinen Torso herumzudrehen und seine Hand gegen den Oberkörper des Clanmechs zu treiben.
Der Leutnant hatte Glück im Unglück und der Elementar auf seinem Mech kletterte über den Laser hinweg, der dort eingelassen war, ohne ihn außer Gefecht zu setzen. Der junge Silver feuerte die Waffe und schleuderte den Fußsoldaten zu Boden, wo er ihn einfach zertrat.
Reuter notierte sich im Kopf, dass Gerrit nun schon drei der gepanzerten Infanteristen auf dem Gewissen hatte.
Der Dank dafür kam schnell, als eine Gausskugel in seine Autokanone fuhr und seine Hauptwaffe damit außer Gefecht setzte.
Während seine Kommandolanze mit den Clans kämpfte, bemerkte Reuter eine aktive Simulatorkapsel, die nicht von der Red Dragon Corporation angemietet worden war. Etwas sagte ihm, dass er sich das ansehen sollte und in der Tat zeigte der Überwachungsschirm einen beeindruckenden Kampf. Der Pilot kämpfte in seinem Heuschreck zwar nur gegen Panzer, machte sich dabei aber erstaunlich gut.
Als das Sim-Gefecht zu Ende war und ein verschwitzter Afro-Asiate aus der Kapsel stieg, trat Reuter auf ihn zu: „Guten Tag. Ich bin Hauptmann Michael Reuter, Red Dragon Corporation. Sie haben eine beeindruckende Leistung gezeigt.“
Der große Mann grinste. „Danke, Sir. James Jeffrey Lee. Und wenn ich wirklich so gut wäre, hätte ich längst wieder einen Job.“
„Vielleicht kann ich da helfen. Hätten sie Lust, später mit meiner Scoutlanze zu trainieren? Wenn mein Spieß sie für würdig hält, kann ich sie dort bestimmt einsetzen.“
„Ehrlich, Sir?“
„Es sei denn, sie sind Schwerverbrecher oder so etwas“, gab Reuter lachend zurück. „Wollen sie schauen, wie meine Kommandolanze sich schlägt?“
Die Lanze um Leutnant Gerrit Silver war mittlerweile stark angeschlagen, aber just als Reuter und Lee an den Schirm traten, verging der letzte Gegner, ein Galahad, in einer Reaktorexplosion.
Für einen kurzen Moment kam erleichtertes Aufatmen über den Gefechtsfunk.
Dann folgte ein Fluch von Smith, als zwei schwere Laser und vierzig Langstreckenraketen seine Rückenpanzerung zerfetzten, wichtige Bauteile verwüsteten und den Stahlgiganten zu Boden schickten. „Mist! Mein Gyroskop ist im Eimer. Ich kann nur noch im Liegen feuern!“
Die nächste Salve des Waldwolfs beendete sein simuliertes Dasein, ehe der Claner sich Silver zuwandte. Er brauchte keine Minute, um mit den angeschlagenen Resten der Lanze den Boden aufzuwischen und noch ehe Smith zu ihm trat, konnte Reuter das letzte grüne Licht erlöschen sehen.
„Ah, Mastersergeant, eine beeindruckende Leistung!“
„Danke, Sir. Aber der Waldwolf war dann doch zu viel des Guten.“
„Ich befürchte, die Gegner werden uns nicht um Erlaubnis fragen, bevor sie ihre Einheiten losschicken“, gab Reuter jovial zurück. „Darf ich ihnen James Jeffrey Lee vorstellen? Ich möchte, dass er mit der Scoutlanze trainiert und wenn er sich macht, hat er ein Bewerbungsgespräch bei mir und zwar noch heute Abend. Mister Lee, das ist Mastersergeant Steve Smith, mein Spieß und zuständig für die Ausbildung der Truppe.“
Die beiden reichten sich die Hand und Reuter warf einen Blick auf seine Uhr. „Mastersergeant, ich muss los, sie haben das Kommando hier!“
„Jawohl, Herr Hauptmann!“

Reuter schaffte es, um 13:30 Uhr zurück zu sein und eine Viertelstunde später schaute er, nur mit Stiefeln, Shorts und einem T-Shirt bekleidet, noch kurz im Büro vorbei.
Sheila wollte ihm drei Zettel in die Hand drücken, aber er machte eine ablehnende Handbewegung. „Ich muss zur Wache. Ganz kurz nur: was hast du da für mich?“
„Anja schiebt Stunk und will dich sprechen. Da sind Leute, die anheuern wollen, klang sehr vielversprechend. Und der letzte Wisch ist ein versiegelter Brief von dieser Drachenklau.“
Michael nickte nur und griff nach dem Brief von Rima. „Sag Anja, sie soll mich auf der Wache aufsuchen oder um Punkt 24:00 Uhr hier antreten. Die Anwerber lass morgen hier sein, so gegen elf Uhr. Ich geh die Ablöse machen…“
Er steuerte den Mechhangar an und genoss die Berührung seiner nackten Haut auf dem kalten Metall des Kriegshammers, als er seinen Mech erkletterte. Im Cockpit angekommen, zog er seine Kühlweste an und setzte den Neurohelm auf, ehe er den Reaktor zum Leben erwachte.
„Stimmmusterabgleich: Bitte Rang und Namen sagen!“
„Hauptmann Michael Reuter.“
„Bitte Kennsatz eingeben!“
„Legio Patria Noster.“
„Korrekt. Willkommen an Bord, Hauptmann!“
Michael genoss kurz das Hochgefühl, am Steuer eines siebzig Tonnen schweren Kriegsgerätes zu sitzen, dann aktivierte er die Außenlautsprecher: „Achtung, Mech verlässt Hangar!“
Er trat mit dem Kriegshammer aus dem Zwielicht des Hangars in die Gluthitze der galateanischen Mittagssonne und steuerte seine Maschine zum Tor, wo Ohnesorg ihn schon erwartete. Im Schatten unter seinem Feuerfalken standen Sergeant Jay-Dean, Corporal Öztürk und Private Maul, die zusammen mit ihm Wache geschoben hatten.
Im Wachhaus wartete sein Team, Oberleutnant O’Neill, Corporal Farentino und Corporal Ohan bereits.
Reuter schaltete auf die taktische Funkfrequenz. „Sergeant Ohnesorg, ich melde mich pünktlich zur Wachablösung.“
„Herr Hauptmann, es ist alles ruhig, keine Vorfälle im Wachbereich. Ruhigen Dienst, Sir!“
„Danke, Sergeant. Bringen sie ihre Leute rein und melden sie sich dann beim Spieß im Simulator-Center! Wegtreten!“
Nach einer kurzen Absprache mit seiner Wachmannschaft trat Reuter die erste Kontrollrunde über das Gelände an. Mit O’Neill hatte er einen sehr fähigen und erfahrenen Mann am Tor und dort fürchtete er keine Komplikationen.
Er fuhr seine Sensoren auf volle Leistung und ordnete seine Waffen in Feuerleitkreise, die ihm für die Wache sinnvoll erschienen. Die gewaltigen PPKs deaktivierter er bis auf Weiteres, ebenso die Raketenlafette auf der Schulter seines Stahlgiganten. Die Zerstörungskraft dieser Waffe würde gegen die möglichen Ziele – kleine Fahrzeuge und Menschen zu Fuß – mehr schaden als nützen und nebenbei auch noch die Kaserne und Unbeteiligte gefährden.
Als er mit seinen Einstellungen fertig war, griff er nach dem versiegelten Umschlag mit dem Logo der Dragonclaws.
Er brach das Siegel und ein kleiner Datenträger fiel ihm in die Hand. Verwundert legte er das Speichermedium in seinen Bordcomputer ein und ließ sich den Inhalt anzeigen.
„An Hauptmann Reuter: Michael, die Byzanz wird pünktlich startklar sein. Sie können wie geplant übermorgen einschiffen. Platz ist reichlich vorhanden. Auf eine gute Jagd! Gezeichnet: Rima Drachenklau, Hauptmann.“
Reuter grinste und ließ die Nachricht wieder ausblenden. Das sollte alles gewesen sein? Na dann … er schaltete leise Musik ein, um die Eintönigkeit der Streife wenigstens zu mildern und wandte seine Konzentration wieder seiner Aufgabe zu.
Die nächsten Stunden vergingen recht eintönig. Reuter hatte zwischendurch ein wenig mit O’Neill geredet und sich erkundigt, wie die Panzer momentan übten, wo drei ihrer Leute Wache standen. Der erfahrene Soldat hatte ihm erklärt, dass momentan körperliche Ertüchtigung dran war und die Einweisung der Soldaten auf den anderen, ihnen größten Teils unbekannten, Panzer.
Aber auch diese kurzen Gespräche brachten nicht viel Abwechslung und die digitale Uhranzeige im Cockpit des Kriegshammers schien langsam vorzurücken als eine Armee aus überschweren Mechs.
Es war 18:43 Uhr, als er mehr Abwechslung bekam, als ihm lieb war. Er war gerade auf einer seiner langsamen Kasernenrunden, als er einen Funkspruch bekam.
„O’Neill hier, hören sie mich, Sir?“
„Klar und deutlich.“
„Jemand hat den Kasernenzaun im Osten aufgetrennt. Vermutlich eine oder mehrere Personen innerhalb der Basis. Ein kleines ziviles Kraftfahrzeug steht unweit der Stelle im Halteverbot, könnte ein Fluchtfahrzeug sein.“
„Verstanden. Markieren sie das Fahrzeug für meine Sensoren und geben sie stillen Alarm für die ganze Basis. Jeder, der gerade im Dienst ist, soll nach verdächtigen Personen suchen. Sagen sie Oberleutnant Antonov, dass er das organisiert!“
„Stiller Alarm ist schon gegeben, Sir. Antonov weiß Bescheid. Ich markiere das Fahrzeug für sie.“
Reuter sah auf seinen Radarschirm, wo gerade eine feindliche Kennung auftauchte, ein ziviles Fahrzeug ganz in der Nähe seiner Position. „Hab es. Den knöpf ich mir mal vor.“
Er erreichte das Loch im Zaun und machte sich erst gar nicht die Mühe, seinen Mech vorsichtig über die Begrenzung steigen zu lassen. Mit der vernichtenden Gewalt von siebzig Tonnen Stahl, Waffen und Myomeren brach er durch Stacheldraht und Absperrzaun und kam vor dem geparkten Fahrzeug zu stehen, dessen Fahrer panisch versuchte, den Motor zu starten.
Reuter richtete seine Waffen auf den Wagen und aktivierte die Außenlautsprecher: „Schalten sie den Motor ab und verlassen sie langsam und gut sichtbar ihr Fahrzeug!“
Er verzichtete auf die typischen erhobenen Hände, weil eine Handfeuerwaffe einem Mech sowieso keinen nennenswerten Schaden zufügen konnte.
„Reuter an O’Neill, schicken sie mir einen Mann rüber. Ich habe hier einen Gefangenen. Und verständigen sie die Polizei.“

Unter den neugierigen Blicken des Polizisten schlüpfte Michael in seine Uniformjacke. Der Beamte war alt und sah aus, als hätte er schon eine Menge merkwürdiger Dinge erlebt. Reuter ließ das kalt.
Fertig angezogen reichte er seinem Gegenüber die Hand. „Entschuldigen sie die Verspätung, aber Wache ist Wache und der Rest meiner Mechkrieger ist beim Training.“
Der Polizist winkte ab. „Ich konnte die paar Minuten warten.“ Natürlich wussten sie beide, dass es über eine Stunde gedauert hatte, bis Reuters Wachdienst zu Ende ging. Es wussten auch beide, dass der Beamte nicht erfreut war, dass man ihn warten ließ. „Immerhin haben wir die drei Gefangenen von ihrer Krankenstation in einen gesicherten Krankentransporter verladen können und sie sind bereits auf den Weg in das polizeiliche Krankenhaus. Sie werden bald eine Gerichtsverhandlung bekommen.“
Wieder wussten beide, dass das nicht stimmte. Auf Galatea kümmerte man sich nicht großartig um solche Dinge. Sollten sie wirklich eine Verhandlung bekommen, würde diese weder fair noch zeitnah erfolgen. Michael nickte dennoch: „Ich denke ihnen für ihre Hilfe.“
„Das ist mein Job. Wurde Diebesgut sichergestellt? Waffen? Geld?“
Natürlich war auch dem Beamten klar, dass drei Männer nicht ohne Grund in eine bewachte Kaserne einbrachen, aber Reuter schüttelte den Kopf: „Nein, leider nicht. Aber wir halten die Augen offen.“ Und sollte Björn auf den Computer-Chips der Einbrecher nichts Interessantes finden, würde die Polizei sie natürlich anonym erhalten, fügte er in Gedanken hinzu.
Der Beamte war zu routiniert, um sich sein Misstrauen anmerken zu lassen. Außerdem hatte er natürlich weder Beweise, noch einen Durchsuchungsbefehl und so verabschiedete der alte Mann sich.
Michael schnappte sich seine Tasche für das Training und machte sich auf den Weg.

Als er die Simulator-Halle betrat, stürmte sofort Anja Silver auf ihn zu. Was machte sie überhaupt hier?
„SeniorTech Silver. Ich hoffe, ihr Anliegen kostet nicht zu viel meiner Zeit“, begrüßte er sie kühl. „Selbst ich muss irgendwann mal trainieren.“ Er begann aus seiner Uniform zu schlüpfen und sich für den Simulator fertig zu machen. „Mastersergeant, könnten sie mal eben herkommen?“
„Ich hatte vorhin eine Unterhaltung mit dem Spieß, Sir.“ Die Frau wirkte nur mühsam beherrscht. „Es ging um den Befehl heute Morgen, nach dem alle Mitglieder der Einheit antreten sollten. Das schließt das zivile Personal ein. Da dies vermutlich ein Missverständnis war, habe ich mich mit Mastersergeant Smith darauf geeinigt, dass ziviles Personal in Zukunft nur antritt, wenn es auch ausdrücklich befohlen wird.“
Smith trat zu den beiden, sagte aber vorerst nichts, also war es an Reuter, diese Sache zu regeln. Er kniete sich hin, um die schweren Kampfstiefel zu schnüren, die er im Cockpit trug und musterte Anja skeptisch aus dem Augenwinkel. „Und deswegen nehmen sie die halbe Kaserne auseinander? Wir sprechen darüber noch.“
Er schnitt ihren Protest mit einer Handbewegung ab und wandte sich an Smith: „So, Mastersergeant, es wird mir eine Ehre sein, ihren Mech abzuschießen. Nach sechs Stunden Mechwache kann ich mir nichts Angenehmeres vorstellen, als eine Runde im Simulator.“ Er grinste breit. „Welches Szenario hatten sie sich vorgestellt?“
„Da sie nicht im Mannschaftstraining teilgenommen haben, werden zehn Minuten nach dem Start alle fünf Minuten zwei Leute aufgenommen, einer auf ihrer, einer auf meiner Seite. Ich habe ein extragroßes und unübersichtliches Gelände gewählt, wo Infrarot- und Magnetortung sinnlos ist. Sie werden sich auf ihre Augen verlassen müssen.“
Reuter zog eine Augenbraue hoch. „Sie denken, wir brauchen zehn Minuten? Lassen sie uns entweder direkt voll anfangen oder ein kleines Duell vorschieben.“
Smith blickte in die Runde und schüttelte den Kopf: „Die meisten hier sind noch ausgelaugt. Dann lass sie uns erst eine Runde Mann gegen Mann antreten.“
„Da unserer Jungs gleich alle an den Bildschirmen hängen werden und mir zusehen, würde ich vorher gerne noch wissen, wie das Lanzentraining noch lief.“
„Ich kann mich kaum beschweren, Sir. Ich lasse ihnen die Aufzeichnung zukommen, aber sowohl die Scoutlanze, wie auch die Kampflanze haben gute Leistungen gezeigt, weit über den Erwartungen.“
„Danke, Mastersergeant.“ Reuter trat vor eine der Simulatorkapseln und kletterte halb hinein. „Und viel Glück!“
Der Hauptmann kletterte auf die Pilotenliege, legte Kühlweste und Neurohelm an und wartete, dass die Simulation geladen wurde.
Als er das vertraute Vibrieren eines Fusionsreaktors unter seinen Füßen spürte, entspannte er sich etwas. Ein Blick über die Landschaft verriet ihm, dass seine Sensoren in der Tat wirkungslos waren, als schaltete er sie ab, um schwieriger geortet werden zu können.
Lediglich die seismische Ortung, die Messung der Bodenerschütterung, könnte ihm hier helfen.
„Wollen wir doch mal sehen, wo du steckst“, murmelte er und drückte die Steuerknüppel langsam nach vorne, um so wenige Erschütterungen wie möglich auf dem Boden zu verursachen.
Wie dachte sein Feind? Wie würde er sich mit einem Donnerkeil verhalten?
Richtig, er würde den Langstreckenvorteil ausnutzen. Die LSR würde da sehr wertvoll sein.
Dann fiel Michael ein, dass sein Spieß ja die Steiner-Version des schweren Mechs führte. Das machte ihn waffentechnisch zwar unterlegen, aber seine höhere Panzerung und die bessere Wärmeableitung glichen diesen Nachteil aus.
Er musste dieses Gefecht schnell entscheiden und durfte sich nicht hinhalten lassen, die Zeit arbeitete gegen ihn.
Er war der Jäger, Smith war die Beute. Und dieses Gelände war kein gutes Schlachtfeld für eine Jagd. Anerkennend nickte er und sortierte seine Feuerleitkreise: „Weidmanns Heil!“
Er passierte eine Baumreihe und gelangte an einen schmalen Fluss, der gerade breit genug war, um die Beine eines Mechs zu umspülen und diesen merklich auszubremsen. Er würde aber auch für einen kleinen Trick gut sein.
Er schob die Arme seines Mechs unter einen Felsen und rollte diesen in den Bach. Der Plan ging auf, der Stein blockierte das Wasser größtenteils und fing an, das Gewässer aufzustauen.
Michael lenkte seinen Kriegshammer in die abschwellenden Fluten, auf den nassen Morast. Wer würde seinen Mech schon in einem Flusslauf erwarten?
Reuter war keine dreihundert Meter von seiner Konstruktion entfernt, als er eine Bewegung aus den Augenwinkeln heraus bemerkte. Langsam brachte er seinen Kampfgiganten herum und tatsächlich, da war Smith. Er schien ihn noch nicht bemerkt zu haben.
Grimmig brachte er die Fadenkreuze seiner PPKs über den Mech und presste die Auslöser. Einer der Blitzschläge ging harmlos vorbei, aber der andere trag den Donnerkeil am Bein.
Als Smith reagierte musste er im Gegenzug einen Treffer am rechten Arm hinnehmen, ehe der Donnerkeil sich hinter die Bäume zurückzog.
Reuter fluchte. Sein Plan war doch nicht aufgegangen, der Gegner wieder entkommen. Mit einer direkten Verfolgung würde er rechnen, außerdem hatte der Doppelschlag seiner Kanonen den Kriegshammer aufgeheizt. Also brach er zur Seite aus und schlug einen Kurs ein, der ihn parallel zum Donnerkeil am Wald vorbeiführte. „Glaubst du, du entkommst mir?“
Zwischen ihnen glitten die Bäume und dann eine kleine Hügelkette vorbei. Michael schätzte sich 120 Meter hinter dem Spieß, als er seinen Stahlkoloss über die Hügelkuppe lenkte.
Aber der Thunderbolt war nicht da, wo er sein sollte.
Michael wirbelte herum und sah seinen Gegenspieler auf der anderen Seite, die Waffen angelegt. „Ha!“, rief er überrascht und bremste abrupt ab.
Nur dadurch vermied er nähere Bekanntschaft mit dem azurblauen Blitzschlag der PPK seines Gegners, der jetzt harmlos an ihm vorbeijagte. Mit roher Gewalt zwang er die Zielerfassung seiner rechten PPK über die Silhouette des Donnerkeils und presste den Auslöser der Waffe. Diesmal blieb die Wärmeanzeige im grünen Bereich, während er einen Treffer am rechten Torso des Gegners landete.
Smith blieb ihm die Antwort nicht schuldig, als er seinen Mech vorwärts zwang und auf ihn zustürmte.
Reuter versuchte einen Schuss mit seiner zweiten Hauptwaffe, aber die Geschwindigkeit des heran donnernden Mechs ließ den Blitz vorbeigehen. Dann löste Smith seine Waffen aus und drei Laser und mehrere Kurzstreckenraketen setzten der Panzerung des Kriegshammers zu.
Mit einem Klirren ging ein Sprung durch die Cockpitscheibe, als eine der Raketen direkt am Kanzeldach explodierte und Reuter wurde in seine Gurte geschleudert. Er kämpfte darum, den Mech aufrecht zu halten und schollt sich einen Narren dafür, dass er den Donnerkeil in den Nahkampf hatte kommen lassen.
Wie ein Ringer presste er die Füße des Kriegshammers in den Boden und brachte den laufenden Donnerkeil in seine Zielerfassung.
Fauchend verließ ein Satz Kurzstreckenraketen die Lafette auf der rechten Schulter seines Mechs, gefolgt von zwei mittelschweren Lasern und den Maschinengewehren. Zwei leichte Laser schloss den Angriff ab.
Ganze Panzerplatten platzten vom Donnerkeil, als dieser unter der Wucht der Attacke ins Wanken geriet.
Grimmig schob Michael seine linke PPK vor und drückte ihren Lauf dem anderen Mech fast direkt vor den Torso: „Friss das!“
Er konnte gar nicht verfehlen und während Smith noch um sein Gleichgewicht rang, schlug der Lichtblitz des schweren Waffe krachend ins Ziel.
Eine Hitzewelle schlug über Reuter zusammen, als die Wärmetauscher mit der Kühlung des Kriegshammers nicht mehr hinterherkamen. Unter diesen Bedingungen die zweite PPK nachzusetzen, wäre dumm gewesen, aber das hatte Michael auch gar nicht vor.
Stattdessen ließ er seinen rechten Arm von oben auf den Donnerkeil niederfallen.
Der Schaden, den Smith hatte wegstecken müssen, war gewaltig, aber er fiel nicht. Stattdessen nutzte er die Tatsache, dass Reuter wegen seiner Überhitze nur zu trägen Manövern fähig war und gelangte in seinen Rücken.
Unter Donnern und Getöse rissen seine Kurzstreckenwaffen Breschen in seine schwache Rückenpanzerung und dann traf ihn der Tritt des Donnerkeils wie eine Dampframme.
Michael wäre fast gestürzt, konnte seinen Mech aber im letzten Moment fangen und sogar herumdrehen.
Die Temperatur pendelte sich gerade wieder im unteren Bereich der Skala ein, als die Fadenkreuze golden blinkten und eine sichere Zielerfassung garantierten. Ohne zu zögern löste er den Feuerleitkreis Drei aus – seinen Alphaschlag.
Die geballte Wucht zweier PPKs raste aus einer Distanz von zwanzig Metern in den schon angeschlagenen Gegner. Die mittelschweren Laser verteilten sich großzügig über den rechten Arm, die leichten Laser stießen in die Breschen, die die PPKs geschlagen hatten. Dampf und Rauch quollen aus dem Torso des Donnerkeils und kündeten von zerstörten Bauteilen. Dann donnerten die Kurzstreckenraketen los, suchten und fanden die angeschlagenen Bereiche des Gegners.
Ehe die Hitzewelle über ihm zusammenschlagen konnte, trieb er sein rechtes Bein gegen den heftig schwankenden Donnerkeil.
Dann wurde es höllisch heiß im Cockpit, als die Temperatur in Bruchteilen von Sekunden um beinahe zwanzig Grad anstieg und der Computer die Stilllegung einleiten wollte.
Michael hieb genau in dem Moment auf den Veto-Schalter, als ihn seinerseits die volle Breitseite des Donnerkeils traf.
Michael kassierte Treffer überall am Mech. Mehrfach hörte er das glockenhelle Alarmzeichen für ein defektes Bauteil ertönen, aber der Schweiß lief ihm in die Augen und er sah für einen Moment nicht genug, um zu sehen, was zu Bruch gegangen war.
Dann trag ihn der Tritt des Donnerkeils und in einem Gewirr aus Stahl und Kunstmuskeln gingen die beiden Giganten zu Boden.
Michael schaffte es zwar irgendwie, vor dem Donnerkeil auf die Füße zu kommen, aber er traute sich wegen seiner Überhitze nicht, seine Waffen auszulösen. Dafür hatte er Zeit, sich auf seinen nächsten Schritt vorzubereiten, während Smith hochkam.
Dann handelte Reuter. Ohne Vorwarnung schob er seinen rechten PPK-Lauf in den offenen Torso seines Gegners, auf dem Weg dorthin Panzerreste, Interne Struktur und Bauteile zermalmend. Triumphierend presste er den Auslöser…
… aber die Waffe blieb stumm. Er fluchte. Die Waffe musste beim letzten Schlagabtausch ausgefallen sein.
Da stand er nun, den rechten Arm im Torso des Donnerkeils, beide Mech direkt gegenüber. An Tritte war nicht mehr zu denken, sonst würden sie beide zusammen stürzen.
Die Augenblicke dehnten sich zu Ewigkeiten. Michael wusste, dass der Donnerkeil wieder feuer würde, ungeachtet der Hitze, dafür war die Chance zu gut. Er konnte die Waffen von Smith schon fühlen. Kostbare Schock-Momente seines Gegners verstrichen, ehe Reuter reagierte.
Dann schossen sie beide gleichzeitig.
Während die Waffen des Donnerkeils es schafften, die letzten Panzerreste vom Kriegshammer zu schälen und zwei Wärmetauscher zu verwüsten, war Michaels Aktion etwas kreativer.
Er blockierte den rechten Arm, um den Gegner an der richtigen Position zu halten und wuchtete den Torso herum. Er nahm sich Zeit, auf das Loch zu zielen, in dem seine PPK verkeilt war, eher er seine Waffen auslöste.
Auch wenn nur seine leichten Waffen feuerten, richteten sie gewaltigen Schaden an, da sie direkt in das ungeschützte Innere des Ziels vordrangen. Es war ein Wunder, dass der Donnerkeil noch stand, nach diesem Angriff, aber auch Reuters Mech sah schwer mitgenommen aus.
Dann machte Smith etwas, womit der Hauptmann nicht gerechnet hatte. Trotz der Schäden an seinem Mech und der Überhitze, die auch in seinem System toben musste, löste er fast sofort die nächsten Alpha-Schlag aus.
Dieses Mal kam Reuter nicht so glimpflich davon. Die Waffen rissen sein rechtes Bein knapp unter dem Knie ab, pflügten durch seinen Torso und zerstörten seine verbliebene PPK. Irgendetwas traf die Kurzstreckenraketenlafette und ließ sie als verbogenes und nutzloses Stück Altmetall zurück.
Dann brachte die gewaltige Hitze die Munition des Donnerkeils zur Explosion.
In einem glühenden Feuerball verging der Mech des Mastersergeants und schleuderte den lädierten Kriegshammer wie ein Spielzeug zu Boden. Michael wurde in seinem Cockpit durchgeschüttelt und knallte mit dem Kopf mehrmals gegen seine Liege, was ihm ein gepresstes Keuch abrang. Dann kam der Mech endlich zur Ruhe und flackernd rasselte ein Schadensbericht über einen der wenigen intakten Schirme: Ein Bein abgerissen, eins blockiert, beide Arme zertrümmert, Reaktorabschirmung kritisch getroffen, Gyroskop vernichtet, die KSR-Lafette abgerissen – lediglich seine Torsowaffen waren noch einsatzbereit, aber dafür hatte es seine Sensoren übel erwischt.
Mitten in der Landschaft erschien ein dreidimensionaler Schriftzug: „Remis werden Kampfuntauglichkeit des überlebenden Mechs.“

Schweißgebadet schälte Michael sich aus der Liege und öffnete die Luke des Simulators. Kühle Luft strömte in die Kammer, als der Hauptmann aus der kleinen Kiste taumelte und sich erst einmal auf den Boden fallen ließ. Er blutete am Hinterkopf und aus dem Mund, weil er sich bei seinem Sturz gebissen hatte. Schwer atmend und ausgelaugt setzte er sich auf und sah zu seinem Mastersergeant, dem es nicht viel besser ging: „Ein guter Kampf, Spieß. Sie sind der erfahrenere Mechkrieger, das gestehe ich ihnen neidlos zu. Aber ihre Zügen waren vorhersehbarer als meine.“
Er grinste und griff nach einer Wasserflasche, die man ihm reichte und nahm drei Schlucke, ehe er sich den restlichen Liter über den Kopf laufen ließ. Die Kopfwunde hatte schon aufgehört zu bluten, also rappelte er sich auf und griff nach der nächsten Flasche.
„Ich stimme ihnen zu, Sir. Machen wir eine Pause, ehe wir dann noch ein paar Freiwillige sammeln und uns auf Lanzenebene bekämpfen. Dann können wir mal schauen, wie gut ihre Taktikfähigkeiten sind.“
Reuter nickte. Er schwitzte noch immer und war froh, nicht direkt wieder in die Kapsel steigen zu müssen. „Wie hat Lee sich gemacht?“
„Guter Soldat. Hab ihm gesagt, er soll morgen um sieben Uhr bei ihnen sein.“
„Sieben Uhr? So früh?“
„Ich denke, wenn wir ihn nehmen, kann er auch beim Training mitmachen.“
„Guter Einwand. Wir bekommen eventuell übrigens noch mehr Leute. Meine Sekretärin hat ein paar Anwärter für elf Uhr bestellt, ich weiß allerdings noch nicht genau, was uns da erwartet.“
Anja Silver trat zu ihnen: „Wie ich hörte, gab es in der Kaserne einen Einbruch?“
Smith sah zu Reuter: „Einen Einbruch in der Kaserne, Sir?“
„Ich frage mich, woher sie diese Informationen haben wollen, Miss Silver. Soweit ich weiß, bin ich der Einzige, der seit dem hier aufgetaucht ist und ich bin mir ziemlich sicher, den Leuten untersagt zu haben, darüber am Telefon zu reden. Ich kann sie aber beruhigen. Es ist nichts passiert, sieht man davon ab, dass sie morgen einige Meter Zaun ersetzen müssen.“
Silver nickte: „In Ordnung. Ich nehme an, es muss hier noch niemand wissen, damit sich alle auf das Training konzentrieren?“
„In der Tat. Ich habe den Teileinheitsführern schon einen Bericht im Büro ausgelegt, den sie morgen an ihre Leute weitergeben können. Hauptsächlich, um Gerüchten und Gerede vorzubeugen.“
„Ja, Sir. Dann bis nachher.“
Reuter erinnerte sich. Sie sollte sich ja um Mitternacht noch bei ihm melden. Er nickte ihr knapp zu und besprach dann mit Smith die nächste Simulation. Zwar konnten sie noch einige Zeit mit zwei Lanzen Hasch-Mich spielen, aber bevor die Simulation zu einem Ergebnis kam, meldete das System, dass ihre gebuchte Zeit abgelaufen war.
Tatsächlich war es schon 23:00 Uhr und damit Zeit für den Aufbrauch. „Also gut, Männer! Einpacken und raus zum Bus. In der Kaserne dann Duschen, Dienst ist heute keiner mehr, aber da wir morgen um 0800 mit dem Dienst beginnen und Sport auf dem Programm steht, lege ich ihnen nahe, zeitig schlafen zu gehen! Ausführung!“
Zurück in der Kaserne, wartete Anja schon vor dem Büro. Sheila hatte mittlerweile längst Feierabend gemacht und für einen Moment bedauerte Reuter, dass sie nicht wieder in seinem Bett lag.
Dann bat er Silver herein. „SeniorTech, ich will sie nicht lange aufhalten, kommen wir direkt zur Sache.“
„Das ist gut so, die Arbeiten am Feuerball laufen auf Hochbetrieb und wir nutzen jede Minuten unter Optimalbedingungen.“
Er winkte ab und deutete auf eine Notiz auf seinem Schreibtisch: „Für diesen Zettel haben sie meine Sekretärin ziemlich angebrüllt.“
„Sir?“
„Verdammt, Anja! O’Neill wird nicht immer da sein, um ihre cholerischen Anfälle zu kompensieren. Sie benehmen sich wie ein Kind!“ Er knallte die Faust auf den Schreibtisch und machte damit seiner Enttäuschung Luft. „Wenn sie mit meinen Befehlen ein verdammtes Problem haben, dann wenden sie sich an mich und zwar sachlich oder schlucken sie ihre Wut herunter. Ihre Wutanfälle sind nicht das Verhalten, dass ich von meinen Offizieren erwarte. Haben wir uns verstanden?“
„Sir, ich…“
„Haben sie mich verstanden, SeniorTech Silver?“
„Ja, Sir.“ Sie seufzte. „Erlaubnis, frei zu sprechen?“
Reuter ließ sich auf seinen Schreibtischstuhl fallen und nickte müde: „Raus damit!“
„Hauptmann, der Mastersergeant hat den Ruf zum Appell rausgegeben. An alle Einheitsmitglieder. Also auch an sämtliche Techs und zivilen Mitarbeiter. Der Grund für das Antreten betrat aber nur die Mechkrieger, da fühlt man sich ziemlich verarscht, Sir.“
„Zur Kenntnis genommen. Anja, wir sind hier beim Militär. Bei sämtlichen Einheiten, mit denen ich in Kontakt gekommen bin, ist es Usus, dass beim Appell nur kämpfende Truppen antreten. Und zwar nur die auf dem Kasernen- oder Lagergelände befindlichen. Damit ziviles Personal und Techs antreten müssen, bedarf es einer ausdrücklichen Aufforderung an sie. Bringen sie ihren Leuten das bei!“
„Sir, ich habe mich mit dem Spieß darauf geeinigt, dass er ab jetzt präziser formuliert, wer anzutreten hat.“
Michael blieb reglos sitzen, aber seine Augen funkelten gefährlich. „So? Haben sie das? Ach ja, ich erinnere mich… das ist mit Sicherheit eine gute Lösung, aber das wissen sie ja schon. Eins noch, Anja, dann dürfen sie gehen.“
„Ja?“ Die Frau verharrte, bewegungslos.
„Sie sind als Technikerin top. Das sagen ihre Papiere und das sagt mir der Zustand der Maschinen. Darum sind sie noch in dieser Einheit. Jeden schlechteren SeniorTech hätte ich längst gefeuert. Aber glauben sie bloß nicht, dass ihr Bonuspunkte-Konto ewig reicht. Das wär’s dann, sie können gehen.“
„Ja, Sir.“ Sie nickte kurz und verließ dann das Büro. Michael stand auf und schleppte sich in sein Quartier. Während er aus der Uniform schlüpfte, dachte er darüber nach, wie er diese Frau auf seine Linie bringen konnte.
Er ließ sich ins Bett fallen und sank direkt in einen traumlosen Schlaf.
Das Mondlicht strömte durch das Fenster und fiel direkt auf den neuen Drachenpatch an seiner Uniformjacke…

__________________
Ama-e-ur-e
is-o-uv-Tycom‘Tyco
is-o-tures-Tesi is-o-tures-Oro
is-u-tures-Vo-e-e

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15.05.3059
Kasernengelände der Red Dragon Corp.
Galatea

Als Sheila kurz vor sieben Uhr das Büro betrat, war der Kommandeur bereits bei der Arbeit. Die Füße mit den schweren Kampfstiefeln auf dem Schreibtisch, das Uniformhemd nicht zugeknöpft und eine Zigarette in der Hand studierte er die Berichte der Simulatorkämpfe und die Trainingsberichte der anderen Teileinheiten.
Missbilligend sah die Sekretärin auf die Zigarette und Michael drückte den Glimmstängel schuldbewusst aus. „Ich habe extra das Fenster aufgemacht“, entschuldigte er sich.
„Ich wünsche auch einen guten Morgen.“
„Ähm … ja. Guten Morgen!“
Sheila lächelte und stellte eine Tüte vor ihm ab.
„Was ist da drin?“
„Dein Frühstück. Ich dachte mir schon, dass du dich direkt auf die Arbeit stürzt.“
„Das ist nett. Viel werde ich eh nicht essen können.“
„Keinen Hunger?“
„Kopfschmerzen.“ Er grinste schief. „Ich bin im Simulator ganz schön durchgeschüttelt worden. Und in einer Stunde fängt das Training an. Wenn ich vorher zu viel esse, kotze ich mir die Seele aus dem Leib.“
„Ich hab mir sagen lassen, dass man auch vor dem Sport etwas essen sollte.“
„Ja, gleich. Erst einmal kommt gleich ein neuer Mechkrieger, ein gewisser James Jeffrey Lee. Ich möchte, dass du ihm einen Vertrag aufsetzt.“
„Sergeant?“
„Nein. Corporal. Wir sind schon sehr gut besetzt und ich kann es mir nicht leisten, die Leute weiterhin so hoch einsteigen zu lassen. Außerdem habe ich um elf Uhr ja noch das Gespräch mit dieser anderen Truppe. Sollten wir die aufnehmen, kommen noch einmal acht Gehaltschecks dazu.“
„Gut, dann eben Corporal. Ich soll dir übrigens ausrichten, dass Sergeant Foxfire zwei Nachtwachen und den kompletten Trainingstag hinter sich hat. Die Jungs von den Panzern haben ihn in sein Quartier getragen, er ist am Frühstückstisch eingeschlafen.“
Reuter starrte seine Sekretärin erstaunt an. „Zwei Nachtwachen? Ist mir gar nicht aufgefallen, dass das auf dem Wachplan so steht. Da muss ich mit dem Spieß wohl nochmal reden.“
Er nahm die Füße vom Tisch und sah auf die Uhr, die gerade auf sieben Uhr umsprang. „Dann wollen wir doch mal ein wenig Krach machen“, grinste er und griff nach dem Mikrofon, dass die Lautsprecheranlage der Kaserne ansteuerte.
„Bataillon, aaaufsteeehen!“ Die Außenlautsprecher gaben seinen Ruf um einiges stärker wieder, als er erwartet hatte, taten aber ihre Pflicht und rissen die wenigen Drachen, die noch schliefen, aus ihren Träumen. „Alle Mitglieder der kämpfenden Truppe, mit Ausnahme der Wachen und Sergeant Foxfire treten um 0800 in Sportkleidung auf dem Paradeplatz an!“
Sheila applaudierte amüsiert, nachdem der Hauptmann das Mikrofon wieder abgestellt hatte. „Willst du jetzt vielleicht doch etwas essen?“
Grinsend warf der Offizier einen Blick in die Tüte und wollte sich gerade ein Brötchen herausnehmen, als es klopfte. „Das wird Lee sein“, kommentierte er und legte sein Frühstück wieder beiseite. „Herein!“
Aber es war nicht der Afro-Asiate, sondern Oberleutnant Goddard, der das Büro betrat und fahrig vor seinem Vorgesetzten salutierte. Der Hauptmann stand auf, begrüßte den Mechpiloten mit einem Handschlag und sah ihn fragend an.
„Michael, ich war gerade bei Antonov, um mit ihm zu frühstücken. Wussten sie, dass er gestern angeschossen wurde und nun verletzt und nicht diensttauglich ist?“
Überrascht zog Reuter die Augenbrauen hoch. „Nein, das ist mir neu. Wie ist das passiert?“
„Bei dem Überfall gestern hat er einen der Trupps angeführt und ist mit den Einbrechern wohl in ein Feuergefecht geraten.“
„Man hätte mir vielleicht etwas sagen können“, ärgerte Reuter sich. „Gut, er ist dienstbefreit, bis die Ärzte ihn freigeben. Er soll im Verlaufe des Tages seinen Krankenschein hier abgeben und ich schaue nachher noch bei ihm vorbei. Wir bekommen übrigens noch Zuwachs.“
„Noch mehr Leute?“
„Ja. Einen gewissen James Jeffrey Lee, er hat gestern schon mit uns trainiert. Heuschreck-Pilot. Und dann kommt noch eine Truppe von zwei Panzern und einem Mech, die ich mir allerdings noch anschauen muss.“
„Wissen sie schon, was für ein Mech?“
„Ein Kreuzritter. Und Markus … diesen Mech steuert eine Frau. Damit müssen auch die Mechpiloten sich an den Umgang mit Frauen gewöhnen, ich erwarte selbstverständlich, dass das dort genauso reibungslos läuft, wie beim Rest der Truppe.“
„Selbstverständlich, Sir. Lee steht übrigens vor der Tür, zusammen mit dem Spieß. Wenn sie erlauben, schicke ich die beiden rein und gehe mich umziehen.“
„Ja, machen sie das. Schicken sie bitte nur den Spieß rein? Und danke für die Info.“
Der Oberleutnant bestätigte und verließ das Büro, in das nun der Mastersergeant eintrat.
„Guten Morgen, Herr Hauptmann!“, salutierte der Veteran zackig und Michael erwiderte den Gruß.
„Guten Morgen, Mastersergeant Smith! Sie sind sicher hier, um meine Erlaubnis einzuholen, das Antreten um acht Uhr zu leiten?“
„Ja, Sir. Da ich für das Training zuständig bin, sollte ich auch von Anfang an die Leitung haben.“
„Gewährt. Ich habe allerdings noch ein paar Informationen für sie.“
„Ich bin ganz Ohr.“
„Oberleutnant Gabriel ist gestern verletzt worden, er ist bis auf Weiteres vom Dienst befreit. Ich möchte, dass sie ihn im Verlauf des Tages besuchen, immerhin sind sie der Spieß.“
Widerwillig nickte Smith: „In Ordnung.“
„Außerdem kommen mit Mister Lee und einer Truppe von zwei Panzern und einem Kreuzritter-Mech eventuell noch weitere Kameraden zur Truppe. Und Sergeant Foxfire ist ebenfalls vom Training befreit. Er hatte zwei Nachtwachen in Folge.“
Der Spieß wirkte überrascht, nahm ein DataPad aus einer Uniformtasche und überflog den Trainingsplan. „Oh, da ist mir ein Fehler unterlaufen. Ich entschuldige mich dafür, Herr Hauptmann und werde das natürlich ändern.“
„Ja, danke. Ich muss nicht erwähnen, dass so etwas nicht wieder vorkommen sollte?“
„Nein, Sir.“
„Gut. Dann dürfen sie jetzt Mister Lee hereinschicken!“
Der eintretende Mechkrieger versetzte Reuter auch beim zweiten Eintreten in Erstaunen. Bei seinem asiatischen Nachnamen erwartete man einen kleinen, drahtigen Menschen und nicht den großen, dunkelhäutigen Schwarzhaarigen mit koreanischen Gesichtszügen. Sowohl der asiatische Einschlag seines Vaters, wie auch der afrikanische Einschlag seiner Mutter kamen voll zur Geltung.
„Guten Morgen, Mister Lee!“
„Guten Morgen, Sir!“
„Wir haben die meisten Dinge ja gestern schon geklärt, ich habe ihre Akte heute Morgen überflogen und ich will sie nicht lange aufhalten. Ich biete ihnen einen Standard-Vertrag als Corporal an.“
„Ich nehme an. Ich habe wohl keine große Wahl, wenn ich meinen Mech nicht verkaufen möchte.“
„Sehr schön. Dann unterschreiben sie hier … und hier … und dann sind wir schon fertig. Willkommen an Bord, Corporal! Und jetzt gehen sie sich umziehen, um 0800 treten wir in Sportzeug an und lassen uns vom Spieß einen Tag lang quälen und das auch noch völlig kostenlos!“
Lee salutierte. „Jawohl, Sir!“

„Sillgestanden!
Richt euch!
Die Augen geradeaus!
Zur Meldung an den Kommandeur die Augen rechts!“
Smiths Kommandos hallten wie Kanonenschüsse über den Paradeplatz und trotz der vielen verschiedenen Sportkleidungen schaffte es die Einheit, wie ein großes Ganzes zu wirken, als sie die Befehle ausführte.
„Herr Hauptmann, ich melde ihnen die dienstfähigen militärischen Teile der Einheit wie befohlen angetreten!“
„Danke, Mastersergeant, lassen sie rühren!“
„Drachen, rührt euch!“
Michael trat an das Mikrofon und studierte die Gesichter seiner Leute. Dass sie nicht gerade froh über Reden, Antreten und Training waren, sah man ihnen an. Man sah aber auch, dass sie sich in ihr Schicksal fügten, ja sogar die Notwendigkeit erkannten. Mehr konnte niemand von ihnen erwarten.
„Guten Morgen, Ladies und Gentlemen!“
„Guten Morgen, Herr Hauptmann!“, antwortete die Truppe im Chor. Reuter war beeindruckt. Die Zeiten der militärischen Grundausbildung waren wohl bei den Meisten nicht komplett vergessen.
„Sehr ordentlich!“, lobte er dann auch zufrieden. „Ich hatte heute Nacht eine Vision. Die Vision von einer Einheit aus Drachen, verbunden durch Teamgeist, Zusammenhalt und Vertrauen. Eine Einheit, in der jeder sein Bestes gibt, um sich und vor allem seine Kameraden zu schützen! Wo jeder dazu beiträgt, dass die Einheit wächst, gedeiht und wie eine große Familie jedes einzelne Mitglied schützt und behütet. Eine Einheit, der ihr guter Ruf vorauseilt, wie dem Drachen der Flammenatem vorauseilt!“
Er setzte kurz ab und sah in die Runde. „Diese Vision kann nur dann Wirklichkeit werden, wenn wir alle zusammenarbeiten und in den letzten Tagen haben wir, trotz einiger Rückschläge, viel dafür getan. Aber das wisst ihr sicher schon alle und ihr kennt diese Reden zur Genüge, also komme ich direkt zu den wichtigen Dingen:
Ich habe mir heute Morgen eure Leistungen von gestern angesehen und muss sagen, dass ich beeindruckt bin. Ihr seid gut, wirklich gut! Es ist ein kleines Wunder, dass ich so viele begabte Soldaten jeder Truppengattung in so kurzer Zeit versammeln konnte und wenn ihr im Gefecht die gleichen Leistungen zeigt, dann fürchte ich mich vor keinem Kampf und bald machen wir dem Grauen Tod oder den Wolf’s Dragonern Konkurrenz.“
Leises Gelächter erklang vereinzelt aus den Reihen der angetretenen Soldaten, aber Reuter unterband es mit einer Handbewegung: „Nein, das meine ich ernst. Aber wir dürfen nicht vergessen, dass es einen Unterschied zwischen Übung und Realität gibt. Ich hoffe, jede Kampfhandlung dieser Größe vermeiden zu können, aber wenn es doch zu Gefechten kommt, dann tut mir einen Gefallen und überlebt. Ich will alle Drachen wieder nach Hause bringen und zwar lebend und nicht in Plastiksäcken!“
Einige der Anwesenden nickten ihm bestätigend zu.
„Wir werden bereits morgen unsere Sachen zusammenpacken und einschiffen auf die Byzanz, ein Landungsschiff der Maultier-Klasse. Ich werde ihre Teileinheitsführer noch vor unserem ersten Sprung ausführlich briefen und diese werden sie dann ins Bild setzen.
Wir ihr sicher schon alle mitbekommen habt, begleitet uns die Söldnereinheit The Dragonclaws. Mal ganz von der Symbolkraft abgesehen, möchte ich, dass ihr mit den Leuten dort keine Streitereien anfangt, weil wir gegenseitig auf uns angewiesen sein werden. Vermeidet also Stress im Vorfeld, dann gibt es auch keinen im Einsatzgebiet.“
Er legte eine weitere Pause ein, ehe er zum nächsten Punkt kam: „Der heutige Tag steht ganz im Zeichen des körperlichen Trainings. Die Leitung dieser Ausbildung liegt beim Spieß. Er wird ihnen jetzt alles Weitere zum Ablauf mitteilen. Mastersergeant Smith, sie haben das Wort!“
Reuter trat vom Mikrofon zurück und reihte sich in die Formation ein, ganz auf der rechten Seite, wo ein Kommandeur zu stehen hatte.
„Okay, Ladies und Gentlemen, zugehört!“ Smiths befehlsgewohnte Stimme wäre vermutlich auch ohne Mikrofon ausgekommen, aber so war es für ihn viel einfacher und die moderne Technik machte es sehr bequem, auch bei einem so kleinen Antreten mit diesen Geräten zu arbeiten.
„Wenn ich mit meiner kleinen Rede hier fertig bin, werden wir uns erst einmal warmlaufen und zwar entweder eine Stunde oder bis ihr euch übergeben müsst, je nachdem, was früher eintritt. Dann gehen die Gruppen zu ihren jeweiligen Trainingsstätten!
Gruppe Eins umfasst die Scouts, die Flieger und die Kommandolanze und beginnt um 0900 auf dem Schießstand, wo sie das Schießen mit der Pistole, dem Gewehr und der persönlichen Waffen übt!
Gruppe Zwei besteht aus den Panzerleuten und der Kampflanze und trainiert unter der Aufsicht von Sergeant Ohnesorg den unbewaffneten Nahkampf!
Von 1300 bis 1400 ist dann Mittagspause. Nutzt die Zeit, um in der Kantine etwas zu essen, euch frisch zu machen und zur Ruhe zu kommen, denn nach der Mittagspause nehmen Sergeant Ohnesorg und ich unsere Gruppen und wechseln die Stationen.
Um 1800 finden wir uns dann alle am Außensportplatz ein und absolvieren einen Hindernisparcour. Daran nimmt sogar unsere SeniorTech teil, die sich freiwillig gemeldet hat.
Und damit ist die Schonzeit auch schon rum! Rechtsum und im lockeren Laufschritt zum Sportplatz! Marsch marsch!“
Michael seufzte innerlich. Natürlich musste er am Nachmittag zum Nahkampftraining und das Bewerbungsgespräch um elf Uhr kostete ihn statt der Prügelei die angenehme Zeit auf dem Schießstand. Aber zum Meckern war es nun zu spät und es galt, erst einmal die sechzig Minuten Dauerlauf zu überstehen.
Zum Glück trainierte er regelmäßig und nur seine Nikotinsuchte konnte ihm hier gefährlich werden.

Michael hatte sich recht früh vom Schießstand abgemeldet, geduscht und sich umgezogen, um die möglichen Neuzugänge nicht in verschwitzten Sportsachen begrüßen zu müssen. Außerdem hatte er Oberleutnant Gabriel in seinem Quartier besucht und ein paar Worte mit ihm gewechselt. Krankenbesuche waren eine der unangenehmeren Kommandeurspflichten und er wollte diesen Besuch erledigt haben, um sich voll auf die Neuen konzentrieren zu können.
Seine Entscheidung erwies sich als richtig, als er die Leute musterte.
Mary O’Sinnead, 23 Jahre jung, war zierlich, klein und hatte eine Figur, die wohl viel zu vielen Drachen den Kopf verdrehen würde. Ihre schulterlangen roten Locken rahmten ein niedliches Gesicht ein, aus dem lebenslustige braune Augen frech in die Welt blickten. Nur die ausrasierten Schläfen wiesen sie als Mechkriegerin aus.
Cliff Alister war nicht nur zwei Jahre älter, sondern auch deutlich größer und Kommandant eines Patton-Kampfpanzers. Blonde Haare, blaue Augen und sein selbstsicheres Auftreten machten es einfach, ihn als Lyraner einzuordnen.
Der dritte im Bunde der Rädelsführer war Vince Fletcher, im gleichen Alter wie Alister, aber noch ein Stück größer. Er teilte die Haarfarbe mit der Mechpilotin, die Augenfarbe mit dem anderen Panzerkommandanten und seinen Panzer, einen KSR-Werfer, mit seinen beiden Crew-Mitgliedern, Harry Baskirk und Tobi Samuels.
Diese beiden jungen Soldaten warteten aber, wie auch die Crew des Pattons, vor dem Büro und ließen ihren Kommandanten das Gespräch führen.
Michael hatte auch die Namen von Alisters Leuten erfragt: Saskia de Metuant, Samuel Tobs und Sven Müller, allesamt junge, aber angeblich fähige Leute.
Die drei jungen Menschen, die gegenüber vom Söldnerhauptmann Platz genommen hatten, erweckten den Eindruck, sich blind zu verstehen und zu vertrauen.
Nach einer Begrüßung hatten sie schnell das Geschäftliche geklärt: Reuter bot Mary den Dienstgrad Corporal an, Alister würde er als Leutnant einstellen und Fletcher als Sergeant. Die Crewmitglieder der Panzer würden ebenfalls als Corporal eingestellt werden. Die drei Bewerber hatten sich einverstanden gezeigt, aber Reuter wollte noch etwas geklärt haben, ehe er sie unterschreiben ließ.
„Miss O’Sinnead, ich habe von ihnen gehört. Als ich ihre Unterlagen angefordert habe, hat man mich von offizieller Seite gewarnt, dass sie schon des Öfteren allesamt in Schlägereien und ähnliche Vorfälle verwickelt waren.“
„Wir haben keine Schlägerei angefangen und wir sind auch nie von einem Gericht verurteilt worden, Sir“, wich die rothaarige Frau aus.
„Aber sie haben sich, meist unter Alkoholeinfluss, geprügelt. Ich möchte niemanden meiner Leute aus dem Gefängnis auslösen müssen. Und Schlägereien innerhalb meiner Einheit werde ich aufs Strengste ahnden. Alkoholexzesse und ihre Folgen dulde ich nur in ihrer Freizeit, außerhalb der Kaserne und wenn niemand der Einheit dabei zu Schaden kommt.“
„Das ist uns klar, Sir. Ich meine … wir fangen keinen Streit an. Okay, Cliff vielleicht …“
Die Panzerfahrer lachten und auch Mary musste über ihren eigenen Witz grinsen. Oder über Frechheit, so etwas bei einem Bewerbungsgespräch zu wagen.
„Nein, im Ernst, Mister Reuter: Wie suchen den Streit nicht, aber er hat uns in letzter Zeit oft gefunden. Und wir lassen uns eben nicht blöde anmachen und wenn wir dann schon etwas getrunken haben, eskaliert das leider manchmal. Aber wenn uns niemand provoziert, machen wir auch keinen Ärger.“
Michael nickte: „Solange sie im Dienst nicht trinken, kann ich damit leben.“ Er zögerte noch einen Moment und wog das Für und Wider ab, dann lächelte er. „Willkommen in der Red Dragon Corporation! Sie können bei meiner Sekretärin ihre Verträge unterschreiben. Wir sind momentan im Training, die Panzertruppe trainiert in der Sporthalle den Nahkampf und der Rest ist momentan auf der Schießbahn. Ihre Teileinheitsführer freuen sich bestimmt über ihre Anwesenheit.“
„Sir, sollten wir nicht zuerst unsere Sachen auspacken?“
„Kaum nötig. Wir schiffen bereits morgen ein. Corporal O’Sinnead, begleiten sie mich auf den Schießstand?“
Auf dem Schießstand angekommen, sorgte die hübsche Mary natürlich direkt für Aufmerksamkeit. „Meine Herren, darf ich ihnen Corporal Mary O’Sinnead vorstellen? Sie ist seit zehn Minuten Mitglied dieser Einheit!“
Er trat zu Smith und ließ sich zwei Standardpistolen geben, reichte eine davon an die rothaarige Frau weiter. „Wollen wir doch mal sehen, wie gut sie schießen, Corporal.“
Sie war nicht schlecht. Fünf tödliche Treffer, zwei nicht-tödliche und drei Fehlschüsse bei zehn Versuchen. Reuter schaffte zwar sieben, zwei, eins, aber er war auch schon immer ein begnadeter Pistolenschütze gewesen.
Beim Schießen mit dem Gewehr lagen sie beide gleichauf bei vier, drei, drei, was ihnen die Anerkennung der Anwesenden einbrachte.
Beide legten ihre Waffen zurück und O’Sinnead stand auf. Sie bemerkte die mehr als neugierigen Blicke von einigen der jungen Söldner und grinste: „Noch nie eine Frau gesehen? Ich bin Mary, ich führe einen Standard-Kreuzritter. Und wenn sie meine Körpermaße wissen wollen, müssen sie schon mehr tun als zu glotzen.“
Michael musste ein Lachen unterdrücken und meldete sich zum Schießen mit seiner persönlichen Waffe an.
Neugierig beobachteten die Soldaten ihren Chef, als er eine schlanke Pistole zum Vorschein brachte und in den Anschlag ging. Nach den teilweise sehr exotischen Waffen erzeugte seine harmlos aussehende Pistole beinahe spürbare Enttäuschung.
Er ließ sich davon nicht irritieren und entsicherte die Waffe. Er tippte einen kleinen Schalter an und zog dann den Abzug durch. Es knallte einmal und ein Loch erschien im Kopf des Pappkameraden.
Michael sicherte seine Waffe und legte sie auf dem Schießtisch ab, dann stand er auf: „Einen Moment, ich bin gleich wieder da.“ Er ging zu seiner Scheibe und blockierte den gesamten Betrieb, weil niemand schießen durfte, solange sich jemand auf der Bahn aufhielt. Er musterte das Loch in der Scheibe, dann die Sandwand dahinter, die dazu diente, die Kugeln aufzufangen. „Alle drei, wunderbar.“
Als er zurück kam, sah ihn der Spieß fragend an: „Hülsenlos?“ Keine einzige Hülse hatte die Waffe verlassen.
„Ja. Das macht einen so schnellen Feuerstoß erst möglich. Das waren gerade drei Kugeln in dieselbe Stelle. Das ist eigentlich an jeder Stelle des Körpers tödlich.“
Reuter ging wieder in den Anschlag und feuerte eine Reihe von Einzelschüssen, die auch recht gut im Ziel lagen, bis die digitale Munitionsanzeige am Schlitten der Waffe nur noch zehn Kugeln anzeigte.
Wieder änderte er den Feuermodus und als er nun den Abzug betätigte, ratterten die zehn Kugeln vollautomatisch aus der Pistole und verteilten sich großzügig über die Zielscheibe.
Michael entnahm das geleerte Magazin und sicherte die Waffe, ehe er seine Ausrüstung wieder einsammelte. „Was denn?“, fragte er den etwas verdutzten Spieß. „Ich habe nur abmunitioniert. Hüllenlose Kugeln in ein Magazin zu laden macht keinen Spaß.“
Mary O’Sinnead war gut aufgenommen worden, während Reuter noch am Schießen gewesen war. Sie unterhielt sich gerade mit Foxfire und Goddard und ihr offenes Wesen würde ihr sicher helfen, schnell Anschluss zu finden.
Foxfire? Was machte der überhaupt hier?
„Sergeant Foxfire, schon wieder wach?“
„Ich bin hart im Nehmen, Herr Hauptmann.“
„Sie sind dienstbefreit.“
„Ich bin freiwillig hier. Ich werde mich nachher beim Nahkampftraining zurücknehmen, aber ich wollte das Rumballern nicht verpassen“, grinste der langhaarige Mechkrieger.
Reuter erwiderte das Grinsen. „Dann zeigen sie uns doch mal, was sie können, Sergeant!“

Das Mittagessen bestand hauptsächlich aus Salat, isotonischen Getränken und viel Wasser und das Nahkampftraining am Nachmittag erwies sich als kräftezehrend. Sergeant Koehn verlor während des Trainings die Beherrschung und hätte Smith beinahe das Genick gebrochen.
Er war daraufhin zum Duschen geschickt worden, um sich abzukühlen und der Spieß hatte sich kurz von den Sanitätern durchchecken lassen, ehe die Übungen fortgesetzt werden konnten.
Reuter machte bei seinen ständig wechselnden Gegnern keine gute Figur, den unbewaffneten Nahkampf hatte er bislang einfach nicht geübt und seine Attacken und Finten hätten vermutlich nicht einmal einen Grundschüler sonderlich beeindruckt.
Der abschließende Hindernislauf gestaltete sich da schon angenehmer. Es galt, militärische Herausforderungen zu überwinden. Da musste eine Wand erklettert werden, ein Graben an einem Seil überquert werden und auch einige andere Geländestücke forderten das Geschick und die Kraft der Einzelnen heraus.
Reuter bemühte sich, den etwas schlechteren Kameraden Hilfestellung zu geben und nahm erfreut zur Kenntnis, dass auch andere Soldaten ihrerseits unaufgefordert ihren Mitstreitern halfen, die Strecke zu bewältigen.
Als dann gegen neunzehn Uhr die gesamte Truppe noch einmal antrat, um den abschließenden Worten des Spießes zu lauschen, wirkten sie zwar erschöpft, aber auch erleichtert und froh.
„Herr Hauptmann, haben sie eine Minute für mich?“, nahm ihn der Mastersergeant beiseite.
„Natürlich, was kann ich für sie tun?“
„Das ist der letzte Abend, den wir auf Galatea verbringen, Sir. Ich würde die Einheit gerne in die Stadt führen und zur Förderung der Kameradschaft mit allen etwas trinken gehen, einen draufmachen, Sir, sie wissen schon.“
„Erlaubnis erteilt. Unter zwei Bedingungen.“
„Sir?“
„Sie nehmen mich und die Offiziere mit und sie erlauben mir, die Rechnung zu übernehmen.“
Der Spieß grinste und nickte, dann wandte er sich an die Truppe:
„Das war heute gute Arbeit, Leute. An ein paar Dingen müssen wir noch arbeiten, das habt ihr heute auch sicherlich selber gemerkt. Aber das war schon sehr solide. Ihr habt jetzt eine Stunde Zeit, euch zu duschen und umzuziehen. Um 2000 finden sich dann alle, die keine Wache schieben müssen, am Haupttor ein. Befohlener Anzug ist Zivil oder Ausgehuniform. SeniorTech Silver, geben sie die Information bitte in ihrem Bereich weiter! Hauptmann Reuter hat jetzt wieder das Wort.“
Michael trat vor und musterte den Haufen verschwitzter Soldaten: „Ich kann mich dem Spieß nur anschließen. Das war eine gute Leistung, die ich heute von ihnen gesehen habe. Jetzt gönnen wir uns dafür einen gemütlichen Abend. Das Wecken ist morgen erst um zehn Uhr, ich zahle heute Abend alles außer Sachbeschädigung. Wer nachher nicht mitkommt, meldet sich bitte bei mir oder dem Spieß ab! Und sie können sich sicher sein: ich werde nur begründete Entschuldigungen gelten lassen. Also los, wir sehen uns in einer Stunde am Tor. Wegtreten!“
Reuter trat wieder zu Smith: „Passen sie mir auf die Jungs gut auf! Ich will morgen niemanden bei der Polizei auslösen müssen und es sollte auch niemand verletzt in den Einsatz starten. Wer morgen einen Kater hat, ist selber schuld, aber für alles andere mache ich sie verantwortlich.“
„Kommen sie denn nicht mit, Sir?“
„Doch“, antwortete Reuter mit einem Grinsen. „Aber ich denke nicht, dass ich später noch Verantwortung tragen kann. Ich schätze, ich werde mit einer Menge Leute anstoßen müssen, sie wissen ja, wie das läuft.“
„Aye, Sir. Ich habe ein Auge auf das Ganze.“
„Noch etwas. Ich möchte, dass die ganze Einheit, inklusive Techs und zivilem Personal, um Punkt 2000 komplett angetreten ist. Wie gerade gesagt: Zivil oder Ausgehuniform. Trotzdem möchte ich den nötigen Drill sehen, ich werde vorher noch ein paar Worte an die Leute richten und da wäre es schlecht, wenn wir zu früh ins Zwanglose gleiten.“
„Wird gemacht. War es das?“
„Nicht ganz.“ Reuter schüttelte den Kopf. „Ich muss ihnen an dieser Stelle danken, dass sie ihren Job so gewissenhaft und vorbildlich erledigen. Ich gebe ihnen nachher einen dafür aus.“
„Ähm … sie sagten, sie zahlen die Rechnung sowieso, Sir.“
Der Hauptmann zwinkerte. „Ich weiß“, sagte er und schlug dem Spieß kameradschaftlich auf die Schulter. „Das war jetzt aber alles, wir sollten jetzt auch mal unter die Dusche und in die Kantine, sonst machen wir noch einen schlechten Eindruck.“

Als Reuter später am Tor stand, trug er luftige Freizeitkleidung, die der noch immer heißen Luft von Galatea Rechnung trug. Goddard und Koehn hatten sich abgemeldet, sie wollten die Zeit dafür nutzen, letzte Besorgungen für die Einheit zu machen. Anja und ihre Techs kamen ebenfalls nicht mit, sie wollten stattdessen lieber am Feuerball weiterarbeiten. Bei diesem Projekt lief ihnen die Zeit davon. Und Gabriel war verletzt und das hatte sogar ihm die Lust auf eine Kneipentour verdorben.
Ansonsten waren alle angetreten. Reuters Blick ging zu Sergeant Ohnesorg.
Der riesige Mechkrieger hatte ihn nach dem Abendessen abgepasst und ihm mit bedrücktem Gesicht zwei Dinge in die Hand gegeben: Ein kleines Kästchen, dass sein Testament enthielt, und einen Zugriffscode für ein ComStar-Konto. Er wolle der Einheit einen Teil seines Privatvermögens vermachen, hatte er gesagt.
So unwohl Reuter sich auch bei Gesprächen über den Tod fürchtete, so froh war er andererseits, dass einer der Leute ihm schon genug vertraute, um ihm diese Dinge in die Hand zu legen.
Als Smith nun die Reihen zur Haltung aufrief und ihm das Mikro in die Hand drückte, fühlte der junge Offizier zum ersten Mal die Last auf seinen Schultern etwas abnehmen.
„Mitglieder der Red Dragon Corporation, Mechkrieger, Piloten, Panzerfahrer, Infanteristen, Techs, Zivilisten, Offiziere, Unteroffiziere, Mannschaften und Beamte!
Ich will euch hier nicht lange mit noch einer langweiligen Rede aufhalten, ihr habt euch eure Freizeit verdient und auch ich selber freue mich schon auf unseren Ausflug.
Bevor wir jetzt aber in die Busse steigen, muss ich noch kurz etwas loswerden: Wir brechen schon nächste Nacht auf, das heißt der morgige Tag steht ganz im Zeichen des Verladens und des Aufbruchs. Wir haben Zeit bis zum Starttermin um 0350, daher können wir das relativ locker angehen, das Wecken ist ja auch entsprechend weit nach hinten verschoben.
Wofür ich aber eigentlich habe antreten lassen, ist Folgendes: Ich möchte euch allen dafür danken, dass ihr bis jetzt mit vollem Einsatz an diese große Aufgabe, eine Söldnereinheit zu erschaffen, herangegangen seid! Sei es bei den Trainingstagen heute und gestern, sei es bei Verwaltungsaufgaben, den Umbauarbeiten am Feuerball oder bei all den anderen kleinen und großen Dingen, die angefallen sind. Wenn wir es schaffen, dass alle an einem Strang ziehen und zusammenarbeiten, dann ist euer Bestes für jede Aufgabe gut genug, die sich uns stellt!
Meine Drachen, vor gerade einmal sechs Tagen habe ich eine Einheit gegründet und zu den Waffen gerufen! Ihr seid diesem Ruf gefolgt und ihr seid verdammt würdig, solch einen stolzen Namen zu tragen! Ich bin stolz auf euch!“
Er unterbrach seine Rede, sah stumm über die angetretenen und begann dann, zu applaudieren, um der Einheit seine Anerkennung auszudrücken.
O’Neill und Gerrit Silver reagierten und stimmten ein, Smith nahm die Idee auf, danach Foxfire und dann fielen nach und nach alle ein. Schließlich applaudierte die Einheit … für sich selbst.
„Gut, dann wollen wir uns jetzt mal auf den Weg machen. Wenn wir jetzt in die Stadt gehen, dann tun wir das als Soldaten einer Einheit, die hier nichts zu fürchten hat. Passt aber bitte trotzdem auf, morgen wieder unverletzt hier zu sein, ich muss euch ja nicht sagen, was Galatea für ein Pflaster ist!
Hiermit befehle ich der angetretenen Truppe, sich zu amüsieren und Spaß zu haben! Ausführung!“
Unter allgemeiner Erheiterung löste sich die Formation auf und die Drachen bestiegen die angemieteten Busse, die sie in die Innenstadt bringen würden.
Smith wechselte noch ein paar Worte mit Foxfire und setzte sich im Bus dann zu Reuter. „Sir, bevor es gleich turbulent wird, möchte ich ihnen noch mitteilen, dass Sergeant Foxfire bis auf Weiteres mein Stellvertreter ist. Ich kann draußen immer verletzt werden oder sogar sterben und dann braucht diese Einheit seinen Unteroffizier, der meine Arbeit übernimmt. Außerdem habe ich für morgen, vierzehn Uhr, eine Besprechung der Sergeants angesetzt, es wäre uns eine Ehre, wenn unser Kommandeur als Zuschauer dabei wäre.“
„In Ordnung, Spieß“, gab Reuter zurück. „Ich schaue, ob ich Zeit dafür habe. Ich habe einige Termine wegen den Transporten. Behördengänge und so. Und jetzt lassen wir den Dienst beiseite und kümmern uns um das Vergnügen!“
„Mit Freuden, Herr Hauptmann!“

Sie entschieden sich für das O’Harrigans, eine Kneipe mitten im Zentrum. Kneipe bedeutete auf Galatea eigentlich auch fast immer Diskothek, aber dieser Laden beschränkte sich in der Tat auf Tische, Theken und eine Bühne für Live-Auftritte.
Die Drachen erregten beim Betreten der Gaststätte Aufmerksamkeit. Zwar war Galatea eine Welt, die nur von Söldnern und dem bezahlten Töten lebte, aber dass eine Einheit in dieser Größe geschlossen wegging, war sehr ungewöhnlich.
Sie verteilten sich auf eine ganze Reihe von Tischen und setzten sich in kleinen Gruppen, blieben aber in einem Bereich, wo sie sich alle gegenseitig im Blick hatten.
Während Alister, Fletcher und O’Sinnead mit ein paar ihrer Kameraden die Bar belagerten, fand Reuter sich an einem Tisch mit den Silver-Geschwistern, Smith, Trent Soeren und Sheila wieder.
Im Verlaufe des Abends wechselte er immer mal wieder den Tisch, versuchte, nach Möglichkeit, mit allen Leuten mal ein paar Worte zu wechseln, aber er achtete auch darauf, regelmäßig wieder direkt neben seiner niedlichen Sekretärin zu landen.
Seine Gegenwart schien ihr nicht unangenehm zu sein und er sah den Abend als gute Gelegenheit, ihr näher zu kommen.
Reuter hatte seinen Soldaten gestattet, zu gehen, wann sie wollten, aber bis auf wenige Ausnahmen schienen sich die Leute gut zu amüsieren und niemand war so richtig in Aufbruchsstimmung, als die Ereignisse eine andere Wendung nahmen, als beabsichtigt.
„Fass sie nicht an, du Arschloch!“, rief jemand aus Richtung der Theke. Reuter ordnete die Stimme als die von Cliff Alister ein.
„Die gehört zu uns, also zieh ab!“, pflichtete Vince Fletcher ihm bei, beide klangen deutlich aufgebracht.
„Das ist unser Planet, Söldnerabschaum!“, schrie ein stämmiger und angetrunkener junger Mann zurück. Reuter, der wie fast alle Drachen aufgestanden war, ordnete den Fremden als Einheimischen ein. „Wir schleppen hier ab, was uns gefällt und die Kleine gefällt uns!“
Die Kleine, gemeint war die sichtlich wütende Mary O’Sinnead, spuckte aus: „Und wenn ich nicht mitkommen will, du Trottel?“
Smith bewegte sich plötzlich auf die Gruppe an der Theke zu und musterte den Fremden und seine Leute. Scheinbar hatte er etwas gesehen, was ihn zum Einschreiten veranlasste. „Na na, meine Herren, es gibt keinen Grund für einen Streit. Leutnant, nehmen sie den Sergeant und den Corporal und gehen sie! Mister, lassen sie mich ihnen ein Bier ausgeben!“ Der Spieß nahm ein Bier vom Tresen und reichte es dem Einheimischen.
Der ergriff den Krug und schüttet seinen Inhalt über den Mastersergeant.
Besser gesagt: er versuchte es. Smith wich elegant aus, hatte wohl damit gerechnet und nahm den Mann gekonnt in den Schwitzkasten, während er ihm gleichzeitig ein Messer entwand, das Reuter erst jetzt bemerkte.
Er ließ den Mann los und wollte sich zum Gehen wenden, als er von einem Bierkrug am Kopf getroffen wurde.
Noch während der Spieß in die Knie ging, waren Alister, Fletcher und O’Sinnead wieder bei ihm und einer von ihnen rief: „Kneipenschlägerei!“
Dann brach das Chaos aus, als Einheimische sich auf die drei stürzten und in Folge dessen die Söldner ihren Leuten zur Hilfe eilten. Reuter ignorierte Sheilas erschrockenen Ruf und nahm seinen Bierkrug mit, als er in Richtung der Schlägerei eilte, um zu schlichten.
Er änderte seinen Plan, als er sah, dass einer der Einheimischen die junge O’Sinnead würgte, die von jeder Unterstützung abgeschnitten war.
Außer von seiner.
Er ließ seinen Bierkrug auf dem Hinterkopf des Mannes niedergehen und musste Grinsen, als er Mann zu Boden ging, während Smith sich dank Foxfires Hilfe wieder auf die Beine kämpfte. Was für eine Ironie.
Das war das Signal für die letzten bislang passiven Söldner, sich einzumischen und die Drachen überschwemmten die Gruppe Einheimischer regelrecht. Reuter sah, dass sie mit dem Gegner den Boden aufwischten.
Der Wirt sah wohl eher den entstehenden Sachschaden, denn er griff nach dem Telefon, um die Polizei zu rufen.
Dann waren sie plötzlich auf der Straße und Leutnant Silver gab den Befehl zum Abzählen. Als er festgestellt hatte, dass niemand fehlte, machten sie sich aus dem Staub. Reuter bedankte sich bei dem jungen Mechpiloten für seine Geistesgegenwart. Er hatte nicht nur die Einheit nach draußen geführt, sondern auch geguckt, dass alle mitkamen.
Smith und Foxfire hatten es in dem Chaos sogar noch geschafft, zwei volle Bierkrüge mitzunehmen und als die Busse die Einheit in Richtung Kaserne schafften, sahen sie hinter sich mehrere Polizeitrupps in das O’Harrigans stürmen.
„Mastersergeant!“, rief er durch den Bus.
„Sir?“
„Es ist noch früh, vielleicht sollten wir uns alle etwas beruhigen und die Nacht auf der Kaserne mit einem Bier ausklingen lassen.“
„Alle, Sir? Haben wir so viel Bier noch da?“
„Wir fliegen morgen. Opfern wir alle Vorräte, die wir noch haben.“
„Jawohl, Sir.“
„Aber unter einer Bedingung!“ Reuter warf einen Blick in die Runde: „Keine Schlägereien mehr!“

__________________
Ama-e-ur-e
is-o-uv-Tycom‘Tyco
is-o-tures-Tesi is-o-tures-Oro
is-u-tures-Vo-e-e

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16.05.3059
Kasernengelände der Red Dragon Corp.
Galatea

Smith saß bereits in der Kantine und frühstückte, als der Kommandeur den Raum betrat. Es war erst neun Uhr, deswegen waren noch nicht viele Drachen wach, aber Reuter wollte sich nicht die Blöße geben, erst nach allen anderen aus den Federn zu kommen.
„Guten Morgen, Spieß!“, grüßte er verkatert, während er sich einen Kaffee eingoss.
„Morgen, Sir!“ Der Mastersergeant schob ihm eine Zeitung zu und Reuter überflog die Schlagzeile.
„O’Heeley-Gang in eigener Stammkneipe verprügelt!“, lautete die Überschrift der Titelseite. Reuter grinste und las laut vor:
„Gestern kam es zu einer Kneipenschlägerei im O’Harrigans in der Innenstadt. Nach Augenzeugenberichten provozierte der Anführer der ortsansässigen und einschlägig bekannten O’Heeley-Gang eine Gruppe von Söldnern, worauf es zu Handgreiflichkeiten kam. Die Söldner, deren Identität bislang nicht geklärt werden konnte, schlugen führende Mitglieder der Gruppe krankenhausreif und verließen nach ihrem Sieg ungehindert die Bar. Paddy O’Heeley, mehrfach vorbestraft wegen schwerer Körperverletzung, liegt noch immer bewusstlos im Polizeikrankenhaus. Anwohner und örtliche Polizeikräfte drückten ihre Erleichterung über die Niederlage der gefürchteten Gang aus, dennoch läuft die Fahndung nach den flüchtigen Söldnern weiter.“
Smith sah ihn an und grinste: „Wir sind so eine Art Helden geworden, Sir. Dennoch werde ich die Neuen bestrafen müssen.“
„Nein, Mastersergeant, ich denke nicht, dass sie das müssen. Wir waren doch gar nicht da.“ Der Hauptmann grinste und reichte die Zeitung zurück. „Nein, ich denke, eine Bestrafung würde alles kaputt machen. Wir haben gestern etwas gezeigt, auf das ich lange gewartet habe: Teamgeist.“
Smith stimmte ihm zu und deutete dann mit dem Kopf in Richtung Eingang, wo Oberleutnant Goddard gerade auftauchte.
„Guten Morgen, Sir! Guten Morgen, Mastersergeant!“ Mit einem zufriedenen Lächeln gesellte er sich zu den beiden Kameraden. Er musterte kurz das blaue Auge von Smith und die Blessuren der wenigen anderen Anwesenden. „Wie ich sehe, hatten sie gestern Abend auch noch etwas … zu tun. Schade, dass wir nicht dabei sein konnten. Wie es scheint, hätte vor allem Geoffrey es gebraucht, um sich wieder abzureagieren.“
„Er hätte vermutlich jemanden getötet“, warf der Spieß sarkastisch ein und spielte damit auf die Szene vom Vortag an, als der Scout ihm beinahe das Genick gebrochen hätte.
„Möglich. Aber darauf wollte ich gar nicht hinaus. Was ich sagen wollte: Unsere Abstinenz von der Party hat Ergebnisse gebracht. Ich konnte drei Tonnen Langstreckenraketen und zwei Tonnen Munition für schwere Autokanonen auftreiben. Für nur 72.000 C-Noten und wir bekommen die Ware auch noch geliefert. Geoffrey war ebenfalls erfolgreich: vier Tonnen Kurzstreckenraketen, eine davon Infernos. Für 70.000 C-Noten und wir müssen sie selber abholen.
Ach ja, noch etwas: Fragen sie ihn besser nicht, wie er die Munition bekommen hat. Könnte sein, dass er ihnen sonst auf Grund eines plötzlichen Impulses am Hals hängt.“
„Ich will auch gar nicht wissen, wie sie das beschaffen.“ Reuter schüttelte sich innerlich, als er sich trotzdem ein paar Gedanken nicht verkneifen konnte. „Gute Arbeit, kümmern sie sich um das Abholen der Munition!“
Er griff nach der Zeitung und drückte sie dem Oberleutnant in die Hand und schnitt sich ein Brötchen auf, während Markus den Artikel las. „Wir haben uns ganz gut amüsiert, wir waren ja in der Überzahl. Und jetzt werden ich in aller Ruhe frühstücken.“ Er sah zum Spieß, während er seine Brötchenhälften mit Marmelade bestrich: „Mastersergeant, lassen sie um 1100 antreten, bis dahin sollten auch die ersten Transporter eingetroffen sein. Wir beginnen dann mit dem Verladen. Zuerst die persönliche Ausrüstung, dann die Ausrüstung der Einheit und ganz zuletzt das Kriegsgerät. Ich möchte, dass die Mechs erst ganz zum Schluss an Bord gehen. Eine Ausnahme machen die Techs mit dem Feuerball. Anja will so lange wie möglich an dem Mech arbeiten und hat mich gebeten, sie erst sehr spät einschiffen zu lassen. Sheila wird gleich unsere Partnereinheit anrufen und alles Nötige klären.“
Reuter blieb noch in der Kantine sitzen und plauderte mit Markus Goddard, während der Spieß sich entschuldigte, um an die Arbeit zu gehen. Als um zehn Uhr das Signal zum Wecken ertönte, tauchten die Drachen nach und nach grüppchenweise zum Frühstücken auf und die beiden Offiziere beobachteten zufrieden, dass die Integration der neuen Mitglieder gut zu funktionieren schien.
Die Panzerbesatzungen hatten sich der Truppe von O’Neill und Myra Jay-Dean angeschlossen und die nun auf vierzehn Mann angewachsene Panzertruppe belegte zusammen einen ganzen Tisch. Das Gespräch schien sich, der Gestik nach zu urteilen, um die Schlägerei vom Vortag zu drehen.
Darüber schienen auch Peter Foxfire, Mary O’Sinnead und Wolfhard Ohnesorg zu reden. Foxfire schien sich mit der Neuen gut zu verstehen und die beiden lachten entspannt. Vielleicht trugen ihre gemeinsamen irischen Wurzeln dazu bei.
Gerrit Silver, der gestern mit seiner Besonnenheit Punkte gemacht hatte, tauchte zusammen mit seiner Schwester in der Kantine auf, ihnen schlossen sich aber auch die Cousins Lukas Hartmann und Van Ryan-Hartmann an, die heute morgen schon ihren Strafdienst in der Küche versehen mussten.

Kurz vor elf erscholl dann der Ruf von Smith über die Kaserne: „Alle Mitglieder der Red Dragon Corporation, inklusive der zivilen Teile, umgehend auf dem Paradeplatz antreten!“
Als die Truppe versammelt war, ergriff der Spieß das Wort, diesmal verzichtete er wirklich auf das Mikrofon: „Guten Morgen, Drachen!“
„Guten Morgen, Mastersergeant!“, antwortete ihm der Chor pflichtbewusst.
„Wie ihr wisst, geht es heute Nacht los. Unsere Begleiter haben ihre Sachen schon verstaut und heute sind wir mit dem Einschiffen dran. Damit das reibungslos über die Bühne geht, gebe ich jetzt den Ablauf vor.
Zunächst wird jeder seinen persönlichen Besitz verladen! Corporal Hartmann, sie übernehmen den Transport dieser Ladungen zum Raumhafen und verteilen die Sachen auf die Kabinen. Den Belegungsplan erhalten sie von gleich von mir, sie können sich Private Maul und Corporal Ohan als Unterstützung mitnehmen.
Nachdem wir den privaten Kram verstaut haben, wird unter der Aufsicht von Oberleutnant Goddard und unserem Lagermeister, Trent Soeren, der Teil der Ausrüstung verladen, den wir heute nicht mehr unmittelbar brauchen.
Danach wird der Techbereich unter der Aufsicht von SeniorTech Silver die Arbeit einstellen, verladen und einschiffen.
Zum Schluss gehen dann die kämpfenden Einheiten an Bord, zuerst Flieger, dann die Panzer, schließlich die Mechs und die Infanterie!
Der Hauptmann hat mich ausdrücklich gebeten, dass ich dafür sorge, dass wir uns dort draußen nicht blamieren. Haltet euch daran, Drachen und macht uns keine Schande!
Das war es von mir, Herr Hauptmann, brauchen sie die Truppe noch?“
Reuter wollte gerade abwinken, als einer der Torposten zum ihm gelaufen kam.
„Private Flegel, ich hoffe, es ist dringen?“
„Sir, am Tor steht ein Kommissar von der Kriminalpolizei mit einem Haftbefehl für Sergeant Tormano Breed.“
„Dann begleiten sie den Herrn bitte in mein Büro!“
Während der Infanterist zurückeilte, wandte Reuter sich an den Spieß: „Sie können wegtreten lassen, aber sorgen sie dafür, dass Oberleutnant Goddard, Sergeant Breed und sie sich gleich umgehend am Besprechungsraum einfinden. Corporal Nürs und Private Amand ebenso und zwar bewaffnet und mit Handschellen!“
„Sir?“
„Sergeant Breed scheint Mist gebaut zu haben. Hängen sie es bloß noch nicht an die große Glocke! Ausführung!“
Michael eilte in sein Büro und fand dort den Kriminalkommissar, begleitet von zwei bewaffneten Polizisten. Der Hauptmann schickte Sheila aus dem Zimmer und trat auf den Beamten zu.
„Mr. Reuter?“
„Hauptmann Michael Reuter, ja. Mit wem habe ich die Ehre?“
„Ob es eine Ehre ist, sei mal dahingestellt.“ Der Polizist schüttelte ihm dennoch die Hand. „Hauptkommissar Schmidt, Kriminalpolizei. Ich habe einen Haftbefehl gegen einen ihrer Mechpiloten, wegen dringendem Tatverdacht.“
„Ich habe viele Mechpiloten, sie müssen schon präziser werden.“
„Ein gewisser Tormano Breed.“
„Was wird ihm zur Last gelegt?“
„Mehrfacher brutaler Mord mit besonderer Grausamkeit“, gab Schmidt kühl zurück.
Michael schluckt und zog scharf Luft ein. „Das ist eine schlimme Anschuldigung.“
„Das ist mehr als eine Anschuldigung. Uns fehlen nur noch seine Fingerabdrücke, um sie mit denen vom Tatort zu vergleichen.“ Schmidt reichte Reuter eine dünne Mappe mit Kopien und der Hauptmann überflog die Blätter flüchtig. Die Beweislage schien in der Tat erdrückend.
„Herr Schmidt, bei allem Respekt für ihre Arbeit, aber Sergeant Breed ist leider bei einer Übung gestern ums Leben gekommen.“
Dass der Beamte diese glatte und billige Lüge nicht glauben würde, war Reuter klar. Aber er baute auf ein ungeschriebenes Gesetz von Galatea. „Ich nehme an, wir können dann seinen Leichnam mitnehmen und der Gerichtsmedizin übergeben?“
Reuter deutete mit einem bedauernden Blick auf das Fenster und die Verladearbeiten, die auf dem Kasernengelände begonnen hatten. „Das ist leider nicht möglich. Von seinem Leichnam ist nicht genug übrig geblieben, um es noch zu erkennen.“
„Mister Reuter, lassen wir doch das Getue. Wir wissen beide, wie es läuft. Sie geben ihren Soldaten nicht frei, ich schreibe in meinem Bericht, dass er bei der Festnahme Widerstand geleistet hat und dabei getötet wurde und da sie heute Nacht eh von hier verschwinden, wird niemand Nachforschungen anstellen.“
Erleichtert atmete Reuter auf, für einen Moment hatte er gedacht, er hätte einen der wenigen unbestechlichen Polizisten erwischt. „Dann verhandeln wir also nur über die Bearbeitungsgebühr, richtig?“
„Ich bin nicht dumm. Ich weiß, wer ihr Auftraggeber ist und dass er meine Behörde mit gewaltigen Summen bezuschusst. Mir sind meine Hände gebunden, wenn sie nicht kooperieren. Trotzdem riskieren wir unseren Job. Wir sind also in einer unglücklichen Zwickmühle.“
Reuter musterte erst ihn, dann seine beiden Helfer und seufzte dann. „Okay, wie viel wollen sie?“
Einen Geldwechsel später, reichte Schmidt ihm die Hand: „Es tut mir leid, dass ihr Soldat während seiner Festnahme ums Leben gekommen ist.“ Er bedeutete seinen Männern, zu gehen und verharrte dann noch einen Moment in der Tür: „Und Reuter … nächstes Mal dienen sie einem anderen Auftraggeber und wenn ihre Leute dann wieder so etwas abziehen, werde ich ihren Arsch nicht retten.“

Als Michael am Besprechungsraum eintraf, warteten die fünf Leute, die er bestellt hatte, bereits. Ohne ein Wort deutete er auf die Tür und schloss sie hinter sich, als alle in dem Raum waren.
„Corporal Nürs, Private Amand, nehmen sie Sergeant Breed fest!“
„Sir?“
„Das war ein Befehl!“, brüllte Reuter.
Nürs und Amand nickten und nahmen den Ex-Claner in einen Haltegriff und nahmen ihm seine Waffen ab, ehe sie ihm Handschellen anlegten.
Reuter nahm seine Dienstpistole aus dem Holster und legte sie auf dem Tisch vor sich ab, dann legte er die Akte daneben, die er von Schmidt bekommen hatte.
„Gerade jetzt könnte ich sie erschießen und müsste mich weder vor dieser Einheit, noch vor einem Gericht, noch vor meinem Gewissen dafür verantworten, Breed.“
Der Mann sagte nichts, er schien zu begreifen, was passiert war.
„Dreifacher Mord, Breed.“ Goddard und Smith keuchten entsetzt auf, aber der Hauptmann fuhr unbeeindruckt fort. „Drei unschuldige Menschen abgeschlachtet wie Vieh. Was denken sie eigentlich, wo zur Hölle sie hier sind? Nach jedem verdammten Recht könnte ich sie dafür erschießen lassen, ist ihnen das klar?“
Keine Reaktion.
„Ist ihnen das klar?“, schrie Reuter den Claner an.
„Ja, Sir.“
„Laut Polizeiakte sind sie tot. Und das auch nur, weil sie als Mechkrieger momentan zu wertvoll sind. Glauben sie aber nicht, dass ich deswegen Verständnis für ihre Tat empfinde oder bereit bin, diese bestialische Tat zu ignorieren. Der einzige Grund, warum sie noch nicht tot sind, ist in der Tat die nicht ganz lückenlose Beweislage. Aber das nächste Mal, Breed, verlassen sie meine Einheit und mir ist es dann scheißegal, ob tot oder lebendig. Ist ihnen das klar?“
„Ja, Sir.“
Die übrigen Anwesenden waren stumm geblieben. Verwirrung, Schock und Abscheu malten sich auf ihren Gesichtern ab.
Reuter baute sich vor dem Ex-Claner auf, der ihn trotzig ansah: „Breed, ich werde ihnen das Leben derart zur Hölle machen, dass sie sich wünschen, ich hätte ihnen eine Kugel durch den Kopf gejagt. Verdammt, sie haben drei unschuldige Männer ermordet, zwei von denen hatten Familie. Mein Gewissen fordert ihren Kopf, aber ich denke, es gibt andere Möglichkeiten, sie zu bestrafen und dabei auch noch zu erziehen.“
Der Hauptmann atmete kurz durch und schob seine Pistole wieder zurück ins Holster. Dann sah er zu Smith und Goddard: „Als Spieß und Teileinheitsführer musste ich sie natürlich dazu holen und die Anwesenheit der beiden Infanteristen ließ sich nicht verhindern. Dennoch möchte ich nicht, dass der Grund für den Haftbefehl gegen Breed sich herumspricht. Der Zusammenhalt in der Einheit war gerade am wachsen, ich möchte das jetzt nicht dämpfen.
Als ranghöchster Offizier und Kommandeur dieser Einheit werde ich nun die Strafe verhängen. Da ich aber noch nie einen Mörder bestraft habe, stelle ich Oberleutnant Goddard und Mastersergeant Smith weitere Strafen frei.
Hiermit degradiere ich Sergeant Tormano Breed mit sofortiger Wirkung zum Private und verhänge für ihn eine absolute Ausgangssperre auf unbefristete Zeit. Desweiteren stufe ich Private Breed als potentiellen Verräter ein und es ergeht somit die Erlaubnis an alle, beim kleinsten Vorschriftsübertritt den Delinquenten mit Waffengewalt zu stoppen, was in diesem Fall als Notwehr zu werten ist.“
Smith räusperte sich: „Unter den gegebenen Umstände halte ich zwei weitere Maßnahmen für angebracht. Erstens: Private Tormano Breed wird bis zum Abschluss unserer aktuellen Aufträge den Techtruppen unter Aufsicht helfen. Zweitens: Da sich diese ganze Sache um den Mech des Private dreht, halte ich es für angemessen, ihm deutlich zu machen, dass man sich einen Mech verdienen muss. Bis der Private dies gelernt hat, sollte sein Marodeur in den Besitz der Einheit übergehen. Er ist zwar nicht entrechtet, aber es ist solange nicht mehr sein Mech, bis er ihn sich zurückverdient hat. Unter diesen Umstände ist eine Zwangsenteignung angebracht, Sir!“
Das schien sogar den Ex-Claner zu treffen, denn jetzt erst sah er auf: „Sir, ich habe vielleicht nicht viel gelernt in der Inneren Sphäre, aber ich weiß, dass mein Mech mein Eigentum ist! Jeder, der versucht, ihn hochzufahren, wird sein blaues Wunder erleben!“
Smith bewegte die Hand zu seiner Pistole, einer schweren Sternsnacht. „Dann denken sie, wir würden ihnen den Mech ganz wegnehmen, frapos?“
„Pos!“, antwortete Breed, woraufhin der Spieß seine Waffe zog.
„Sir, wir haben hier einen Claner!“
„Ach … wirklich?“ Reuter verzog das Gesicht. „Lassen sie die Waffe verschwinden, ich mag jung sein, aber die Lebensgeschichte meiner Bewerber lese ich mir schon durch.“
Er musterte Breed finster: „Sie werden den Mech steuern, Private, weil sie ein fähiger Mechkrieger sind. Aber sie werden diesen Mech nicht mehr besitzen, bis ich es mir anders überlege.“ Der Claner wollte protestieren, aber Reuter schnitt ihm das Wort ab. „Sie haben kaum eine Wahl. Wenn sie nicht kooperieren, überstelle ich sie den Behörden und die werden sicher schnell urteilen. Galateas Justiz ist nicht für ihre Milde bekannt.“
Er blickte kurz zu Smith, der mürrisch seine Waffe wegsteckte und fuhr dann fort: „Dem Strafantrag wird stattgegeben. Private Tormano Breed wird in seiner dienstfreien Zeit den Techs helfen und sich den dort existierenden Rangstrukturen unterordnen. Oberleutnant Goddard, sie unterrichten bitte die SeniorTech entsprechend. Desweiteren nehme ich seine Einwilligung, seinen Mech bis auf Weiteres der Einheit als Dauerleihgabe zu vermachen, zur Kenntnis. Oberleutnant, Mastersergeant, haben sie noch etwas hinzuzufügen?“
„Nicht zur Bestrafung, Sir“, antwortete Markus. „Ich denke, die partielle Entrechtung ist auch für einen Claner schlimm genug. Um sicher zu gehen, dass bei den Techs nichts schief geht, würde ich außerdem noch Kontrollen in unregelmäßigen Abständen vorschlagen. Verletzte Techs können wir uns im Augenblick nicht leisten.“
Smith sagte kein Wort mehr dazu und so überließ Reuter dem Angeklagten die letzten Worte.
„Sir, ich werde für sie kämpfen. Sagen sie mir, wann und wo und ich werde einen Sturm entfesseln.“ Seine Augen schienen dabei nicht zu lügen und Reuter hoffte, dass er ihm diesmal glauben könnte. „Ich werde auch den Techs mit vollem Einsatz helfen, auch wenn dies eine Arbeit der niederen Kaste ist. Ich habe nichts mehr zu verlieren, aber ich kann ihnen einiges bieten. Ich hole das Optimum aus mir und meiner … ihrer Maschine. Das ist ein Versprechen, Sir und für einen Claner ist ein Versprechen sehr viel wert.“
Reuter sagte nichts dazu, wollte nichts dazu sagen und so entließ er die Leute wieder an ihre Arbeit. Smith blieb zurück und starte den anderen düster hinterher. „Sie verlangen, dass ich mein Leben einem Claner anvertraue, Sir?“
Reuter schüttelte den Kopf. „Nein, Spieß. Ich vertraue mein Leben diesem Claner an, denn er ist mein Flügelmann. Sie vertrauen ihr Leben Foxfire an und bei dem bin ich mir sicher, dass er ein guter und verlässlicher Mann ist. Silver und O’Sinnead übrigens auch.“
„Also umfasst die Kommando-Lanze nun sechs Mechs? Das erinnert mich an meine Zeit bei ComStar“, wechselte der Unteroffizier das Thema.
„Ja, es ging nicht anders. Ich habe die Kampflanze unverändert gelassen. Goddard und Raven in dem einen, Ohnesorg und Ryan-Hartmann in dem anderen Flügel.
Mandow, Koehn, Hartmann und Lee bilden die Scoutlanze, weiterhin unter dem Oberbefehl von Gabriel und unsere vier Panzer habe ich zu einer Lanze zusammengefasst.“
„Dreizehn Mechs, drei Flieger und vier Panzer. Eine ordentliche Schlagkraft, Sir.“
„Hoffen wir, dass wir sie auch alle wieder zurückbringen.“

Es war nicht viel persönlicher Besitz, den Michael verpacken musste. Seine wenigen Kleidungsstücke, ein paar Fotos seiner Familie und alter Freunde, ein Stück Panzerung vom ersten Mech, den er abgeschossen hatte und die abgetrennten Aufnäher, die ihn an seine alte Einheit erinnerten.
Die paar Bücher, Datenträger und sonstige Besitztümer, die er sich angeeignet hatte, waren noch immer in den Kisten, in denen sie vor gerade einmal sechs Tagen hier angekommen waren und Reuter markierte diese Kisten nicht als persönlichen Besitz, sondern als Frachtgut.
Im Einsatz und unter feindlichem Beschuss würde er keine Verwendung für diese Dinge haben.
Als er mit seinem Seesack auf den Paradeplatz trat, stand die Sonne dennoch schon hoch am Horizont und trieb die Außentemperaturen in die Höhe. Zum Glück würden sie diesem Staubball von Planeten noch in dieser Nacht entkommen. Er drückte Corporal Hartmann seinen Besitz in die Hand und zog sich dann in den Schatten zurück, um das Treiben von dort zu beobachten.
Viel zu tun hatte er jetzt nicht, das erste Mal seit seiner Ankunft. Er ließ seinen Blick umher schweifen und freute sich, dass alles ziemlich reibungslos vonstatten ging.
Zwar stolpert dort mal jemand und ließ beinahe etwas fallen oder ein Unteroffizier brüllte jemanden an, weil er die falsche Kiste erwischt hatte, aber alles in allem hielt sich das Chaos in Grenzen.
„Ah, Hauptmann Reuter! Man hat mir gesagt, ich würde sie hier finden!“, riss ihn eine bekannte Stimme aus den Gedanken.
„Hallo, Rima! Was kann ich für sie tun?“
„Ich wollte nur schauen, wie weit ihr so seid. Ihr habt ja recht spät angefangen, zu packen.“
Michael lachte: „Ja, wir waren gestern noch unterwegs und ich habe den Leuten nach der anstrengenden Woche die Chance zum Ausschlafen gegeben.“
„Haben sie gehört, dass es gestern zu einer größeren Schlägerei gekommen ist? Unten in der Stadt, im…“
„…O’Harrigans. Ja, ich war dabei.“
„Das waren ihre Leute?“
„Oh ja“, antwortete Reuter grinsend. „Aber wir haben uns nur verteidigt.“
„Mit dreifacher Überzahl?“
„Warum nicht?“
Die junge Frau zuckte mit den Achseln und deutete dann in Richtung der Verladearbeiten: „Also?“
„Der erste Konvoi ist auf dem Weg, wir liegen prima in der Zeit. Meine Drachen sind mehr als bereit, zuzuschlagen.“
„Ja, ich habe heute Morgen deine Mappe bekommen. Eine interessante Truppe. Ich bin dafür, dass wir auf dem Flug zusammen trainieren und unsere Ressourcen zusammenlegen. Zum Beispiel könnten die Techs zusammenarbeiten.“
„Gute Idee. Schaden kann es nicht.“
„Jetzt habe ich allerdings eine ganz andere Frage: Wer von uns hat eigentlich den Oberbefehl?“
„Ähm… niemand?“
„Ich weiß“, nickte sie. „So steht es im Vertrag, aber das ist Schwachsinn. Wir wissen beide, dass wir uns nicht dauernd beraten können. Ihre Truppe ist größer und sie sollten das Kommando führen. Ich schlage vor, für die Dauer des Einsatzes ernennen wir sie zum Major.“
„Sie sind allerdings älter als ich und eigentlich bin ich nur Leutnant“, gab Reuter zu bedenken.
Rima Drachenklau dachte kurz nach und grinste dann: „Also gut. Dann befehle ich ihnen hiermit, den Oberbefehl zu übernehmen und ernennen sie zum Major!“
Der junge Söldnerkommandeur seufzte: „Ich füge mich in mein Schicksal.“ Auch wenn er diese Verantwortung nicht unbedingt hatte haben wollen, er würde sich jetzt nicht davor drücken. Sonst hätte er gar keine Söldnereinheit gründen dürfen.
„Dann kommt hier mein erster Befehl: Ich möchte zwölf Stunden nach Abflug eine Besprechung beider Einheitsstäbe durchführen. Hauptsächlich, um sich kennen zu lernen. Einheitsführer, Teileinheitsführer, SeniorTechs und Mastersergeant. Außerdem den Skipper ihres Landungsschiffes und seinen ersten Offizier.“
„Jawohl, Herr Major!“ Rima grinste und salutierte überkorrekt. „Ich bin dann wieder am Raumhafen und koordiniere das Einladen.“
Als sie verschwand, löste sich eine andere Gestalt aus dem Schatten. Es war Sergeant Foxfire. „Entschuldigen sie, Sir. Ich wollte nicht lauschen und bin auch erst seit einer Minute hier. SeniorTech Silver schickt mich. Sie sollen sich die Arbeiten am Feuerball ansehen und irgendwas unterschreiben.“
Reuter nickte: „Danke, Sergeant.“
„Oh … und Sir: Herzlichen Glückwunsch zum neuen Dienstgrad!“ Der rothaarige Riese grinste und Reuter wurde das Gefühl nicht los, dass in zwei Minuten die ganze Einheit Bescheid wissen würde…

Durch seine Anwesenheit im Hangar schaffte es Reuter leider nicht mehr auf die Versammlung der Unteroffiziere, zu der Smith ihn am Vortag eingeladen hatte, aber nach den Reibereien vom Vormittag war es vielleicht sogar besser für alle Beteiligten, wenn er dem Mastersergeant sein Revier überließ.
Den Rest des Tages verbrachten die Drachen damit, ihre Ausrüstung und ihr Gerät zu verladen, jedes einzelne Teil musste verstaut, gekennzeichnet und richtig gelagert werden, ehe es auf die Reise zum Raumhafen ging.
Um 20:00 Uhr verließen dann die Mechs die Basis und ließen ein komplett geräumtes Gelände zurück. Für die Sicherheit der Kaserne war während ihrer Abwesenheit ein privates Sicherheitsunternehmen zuständig, dass mehrmals täglich nach der Liegenschaft sah. Reuter war zuversichtlich, dass sie nach ihrem Einsatz ihre Unterkünfte in einem ordentlichen Zustand vorfinden würden.
Dunkelheit senkte sich langsam über Galatea, als die dreizehn Stahlgiganten ihren Marsch über Galateas Hauptstraßen antraten. Die Waffen waren deaktiviert, es liefen nur die nötigsten Systeme. Dennoch hatte Reuter auf Neurohelme und Kühlwesten bestanden, da sich eine Söldnereinheit seiner Meinung nach nie wirklich sicher fühlen durfte.
An Bord des Landungsschiffs würden die Mechs komplett heruntergefahren werden und die Techs hatten dann Zeit für eine vollständige Wartung der Maschinen.
Reuter bildete mit seinem Kriegshammer die Nachhut und passte darauf auf, dass alles reibungslos verlief. Draußen zogen die Passanten sich Jacken über, ein paar Menschen betrachteten neugierig die Prozession der Kriegsmaschinen, die zum Raumhafen marschierten, wie Ritter in die Schlacht.
Irgendjemand hatte dem jungen Söldner mal erzählt, dass die Textilindustrie auf Galatea hauptsächlich an luftiger Sommerkleidung und an Jacken verdiente. Keine Wunder, waren doch die Nächte erschreckend frostig im Vergleich zur Gluthitze der Tage. Wie froh war er doch, diese Welt gegen eine mit gemäßigterem Klima einzutauschen.
Ohne Zwischenfälle erreichten sie den Raumhafen, wo die Byzanz sämtliche Luken geöffnet hatte, um die Drachen und die kühle Nachtluft an Bord zu lassen.
Der frischgebackene Major ließ sich vom Skipper erklären, in welcher Reihenfolge sie einzuschiffen hatten und schickte die Leute dann einzeln die Laderampe hinauf.
Alles ging wie geplant, bis Ohnesorg an der Reihe war. Reuter wartete eine halbe Minute, aber als der Feuerfalke sich immer noch nicht bewegte, öffnete er einen Funkkanal: „Prometheus an Erzengel: Sie sind dran! Bewegung!“
„Geht nicht Sir!“, gab der Sergeant kleinlaut zu. „Mein Mech ist blockiert und ich habe keine Ahnung, wieso. Oh … scheiße! Kommen sie bitte hierher und bringen sie SeniorTech Silver mit, Sir, wir haben ein Problem!“
Reuter fluchte. Zum Glück lagen sie gut in der Zeit. Er öffnete einen Funkkanal zu Gerrit Silver, der gerade die Rampe emporgestiegen war. „Prometheus an Razor: Hören sie mich?“
„Laut und deutlich, Sir!“
„Wunderbar. Suchen sie bitte ihre Mutter und sagen sie ihr, dass wir hier ein technisches Problem haben!“
„Wird gemacht!“
Reuter stöpselte seine Kühlweste aus und zog den Neurohelm vom Kopf, öffnete umständlich die Cockpitluke und kletterte an seinem Mech nach unten. Er traf Anja am Fuß des Feuerfalken.
„Was ist denn jetzt schon wieder?“, fragte sie genervt.
„Fragen sie das den Sergeant! Ich nehme an, sie können gut an Mechs hochklettern?“
„Gehört zu meinem Beruf!“
Die beiden schwangen sich an der Maschine empor und gelangten flink bis an die mittlerweile offene Cockpitluke des Stahlgiganten.
„SeniorTech, jemand hat einen Virus in mein System eingeschleust und zwar der Logik nach in der letzten Nacht. Dieser Virus löscht den Datenspeicher. Alle Piloten müssen sofort nach einer Datei namens Shadowskull in der Zielerkennung suchen und sie löschen!“
„Woher wissen sie das, Sergeant?“, mischte der Kommandeur sich ein, ehe Anja die Frage auf ihre Weise stellen konnte.
„Diesen Virus haben wir beim Grauen Tod benutzt, Sir. Es gab nur fünf Leute, die Zugang zu diesem Spielzeug hatten und davon sind drei definitiv tot und einer wird seit Jahren vermisst. Und ich habe keine Kopie mehr von diesem Virus, Sir!“
Anja dachte praktischer: „Hier können wir gar nichts machen! Hauptmann, schaffen sie den Feuerfalken mit zwei Mechs in das Schiff. Der Donnerkeil und der Kreuzritter stehen beide noch draußen und haben vollmodellierte Hände. Dann schließen wir den Mech an den Wartungscomputer an und Björn kann man einen Blick drauf werfen.“
„In Ordnung. Sergeant, sobald wir eingeschifft haben, will ich sie unter vier Augen sprechen!“
Nachdem Smith und O’Sinnead den Feuerfalken förmlich in das Landungsschiff geschleift hatten, trat Reuter als letzter Soldat der Einheit auf die Rampe. In einem Anflug von Sentimentalität hob der den rechten Arm seines Mechs zu einem stillen Gruß an den Planeten und steuerte seinen Koloss dann in den für ihn reservierten Kokon.
Dann leitete er den Reaktor-Shutdown ein. Nun würde es Stunden dauern, um den Mech zu aktivieren, ab jetzt war die Einheit wehrlos und verwundbar. Er verstaute seine Kühlweste und seinen Neurohelm und kletterte aus dem Cockpit, wo ihm jemand seine Uniformjacke reichte.
Die Pins am Kragen wiesen ihn bereits als Major aus und er fragte sich kurz, wer sich diese Mühe schon gemacht hatte.
Wolfhard Ohnesorg und Anja Silver traten zu ihm, ihre Blicke waren besorgt.
„Ich bin mir sicher, dass mein vermisster Kamerad damit zu tun hat“, begann der Sergeant. „Nur er kannte meine Zugangscodes und konnte diese Datei auftreiben. Sein Name ist Ragnar Baldurson, Sir. Miss Silver hat eine Datei gefunden, in der uns jemand warnt. Piraten wüssten von unserem Kontrakt und wir hätten eine undichte Stelle an Bord.“
„Und eine gewisse Eva hält man angeblich an Geisel fest“, ergänzte die Tech. „Danach bricht die Datei ab. Sir, ich kriege die Mechsoftware wieder hin, wir haben zum Glück Back-Ups. Ich werde ab morgen die anderen Maschinen überprüfen, damit sich das nicht wiederholt.“
„Gut. Sergeant… selbst wenn wirklich ihr verschollener Kamerad dahintersteckt: Niemand sagt uns, dass er es gut mit uns meint. Momentan können wir nicht viel tun, befürchte ich. Wenn ihnen aber noch etwas einfällt, melden sie sich bei mir!“
Die beiden salutierten und machten Platz für Rima Drachenklau und Patrick O’Donnel, den Skipper der Byzanz.
„Skipper, die Drachen sind komplett eingeschifft. Startzeit unverändert 0350.“
„Aye, die Vorbereitungen laufen bereits. Darf ich ihnen mein Schiff zeigen, Sir?“, fragte der Ire mit unverhohlenem Stolz.
Später, während die Matrosen des Landungsschiffs bereits in reger Betriebsamkeit ausbrachen, ging Reuter noch die Kabinenbelegungen mit dem Spieß durch und ließ sich von ihm seinen straff organisierten Trainingsplan erklären.
Reuter bestand darauf, nun etwas lockerer mit den Leuten umzugehen, immerhin waren sie Söldner und keine Haustruppen und nach einigem Hin und Her fanden sie einen Kompromiss und Reuter machte sich auf die Brücke, um den Start von dort zu verfolgen.
Er schnallte sich dort auf einem Stuhl fest, neben ihm nahm Rima Platz, ansonsten war nur die Brückencrew der Byzanz anwesend, denn die Kommandozentrale des großen Schiffes war eng und auf den nötigsten Platz beschränkt.
Mit einem dumpfen Dröhnen erwachten die mächtigen Triebwerke zum Leben und heizten vor, da sie beim Start sofort auf Vollschub gehen mussten.
Als er merkte, dass alle ihn anstarrten, fiel ihm wieder ein, dass er jetzt das Kommando hatte und darauf wartete im Moment das ganze Schiff, vom Bug bis zum Heck.
„Na dann los, Mister O’Donnel! Bringen sie uns weg von diesem Staubball!“
Der Skipper nickte und gab seiner Crew die entsprechenden Befehle. Die letzte Startwarnung erklang und auch die letzten Leute auf der Brücke nahmen in den dafür vorgesehenen Sitzen Platz.
Dann ging es los.
Mit einem lauten Röhren und einem Vibrieren, das das ganze Schiff erfasste, fuhren die Fusionstriebwerke auf Maximalleistung und schoben die Byzanz erst langsam, dann immer schneller in die Höhe. Das Dröhnen schwoll langsam ab und das Vibrieren reduzierte sich auf ein Minimum, als sie die Atmosphäre von Galatea verließen und auf den Sprungpunkt und die dort wartende Pink Panther, das Sprungschiff von ZagonTrans, zusteuerten, die sie direkt zu ihrem Einsatz fliegen würde.
Die Red Dragon Corporation trat den Weg an zu ihrem ersten Kampfeinsatz. Sie hatten nur eine Woche Zeit gehabt, um sich zu einer Einheit zusammenzuraufen und Michael Reuter, Major auf Zeit, war sich noch nicht ganz sicher, ob er mit dem Ergebnis zufrieden sein konnte oder nicht. Langsam kamen Zusammenhalt und Teamgeist zu Tage, aber es gab noch immer viele offene Baustellen. Und Kai Dragon, der eigentliche Chef, war irgendwo in der Galaxie verschollen.
Mit dieser Einheit einen so heiklen Auftrag zu wagen war der reine Wahnsinn, schoss es ihm durch den Kopf. Aber sie alle hatten keine Wahl und er hatte nicht vor, seine Leute zu verlieren, also würden sie alle das Beste aus der Sache machen müssen.
Egal, was geschah: Sie waren die RDC und schon bald würde jeder dieses Kürzel kennen und fürchten!
„Fight fire with fire!“, murmelte er leise das Credo seiner jungen Einheit, dann nickte er Rima und O’Donnel zu und verließ die Brücke, um vor der Nachtruhe noch seinen Stab über das Ohnesorg-Problem ins Bild zu setzen.

__________________
Ama-e-ur-e
is-o-uv-Tycom‘Tyco
is-o-tures-Tesi is-o-tures-Oro
is-u-tures-Vo-e-e

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17.05.3059
Landungsschiff Byzanz
Auf dem Weg zum Nadirsprungpunkt von Galatea

Pünktlich um 15:50 Uhr fanden sich die Stäbe der beiden Söldnereinheiten im Besprechungs- und Taktikraum der Byzanz ein. Reuter blickte in bekannte und unbekannte Gesichter, als er die elf Männer und Frauen bat, Platz zu nehmen.
„Hauptmann Drachenklau“, begann er, „erlauben sie mir, meinen Stab kurz vorzustellen:
Hier sitzt Oberleutnant Markus Goddard, als Teileinheitsführer zuständig für meine BattleMech-Lanzen. Der Mann, der sich neben ihm in seinen Sessel lümmelt, als wäre er in seinem Cockpit, ist Oberleutnant Antonov Gabriel, zuständig für meine Luft-/Raumjäger und meine Aufklärungslanze. Oberleutnant Patrick O’Neill spricht für meine Panzerlanze und die wenigen Infanteristen, über die wir verfügen. SeniorTech Anja Silver ist nicht nur im Techbereich zuständig, sondern auch bei allen Dingen, die meine zivilen Mitarbeiter betreffen. Und schließlich sitzt dort am Tischende mein Spieß, Mastersergeant Steve Smith, das Sprachrohr für meine Mannschaften und Unteroffiziere und zuständig für das Training und den Tagesdienst meiner Einheit.“
Rima nickte und erhob sich: „Es ist mir eine Ehre, sie kennen zu lernen, meine Damen und Herren. Ich bin eben so frei und stelle meinen Stab ebenfalls kurz vor:
Leutnant Maurice Carpendale, er spricht für die Flieger und die Scouts. Leutnant Simon Jörns von der Panzerlanze. MasterTech Anita Goldblum, meine rechte Hand bei allem, was mit Technik und Logistik zu tun hat. Und Oberleutnant Patrick O’Donnel, der Kapitän dieses Schiffes mit seinem Stellvertreter, Leutnant Richard Martinez.“
Reuter war ihren kurzen Vorstellungen mit dem Blick gefolgt und ergriff nun wieder das Wort. Er verzichtete darauf, aufzustehen oder das Rednerpult zu benutzen. Mit so vielen Offizieren war der enge Raum gut gefüllt.
„Meine Damen und Herren, es ist mir ein Vergnügen, sie zur ersten gemeinsamen Stabssitzung begrüßen zu dürfen!
Ich möchte eines vorweg nehmen: Wir haben letzte Nacht beim Einschiffen einen Sabotageversuch an einem unserer Mechs vereitelt. Dabei wurde ein Computervirus in den Bordcomputer von Sergeant Ohnesorgs Feuerfalken eingespeist. Ich bitte sie also, Augen und Ohren offen zu halten und verdächtige Aktivitäten sofort zu melden.“
Einige der Anwesenden tauschten besorgte Blicke aus, aber es blieb angenehm gelassen in der Runde und der Major fuhr fort: „Bevor wir nun mit der Besprechung anfangen, würde ich gerne kurz den Bereitschaftsstand der beiden Einheiten abgleichen.“
„Ich spreche jetzt einfach für meine ganze Truppe“, antwortete Rima. „Wir sind zu einhundert Prozent einsatzbereit. Keine Ausfälle, keine Verletzten, keine Wartungslücken.“
„Die Mechlanzen sind einsatzbereit, Sir. Allerdings haben wir durch die beiden späten Neuzugänge leichte Trainingsrückstände“, kam es von Goddard.
„Oh, das ist nicht schlimm“, kommentierte der irische Skipper. „Wir haben ein Simulatorsystem an Bord. Da können sie ihre Mechs einstöpseln und die Cockpits als Simulator benutzen.“
„Na darauf kommen wir doch gerne zurück“, antwortete Reuter erfreut. „Das bietet uns auch die Chance, zusammen mit den Dragonclaws zu üben. Guter Hinweis, Skipper. Oberleutnant Gabriel, wie sieht es bei ihnen aus?“
Der Pilot sah auf und verschluckte sich beinahe an seinem Kaugummi, ehe er antworten konnte. „Die Flieger sind wunderbar und in Ordnung. In der Scoutlanze fehlt halt der Feuerball wegen dem Umbau und Corporal Lee kann deswegen auch nicht mit seinem Partner trainieren. Aber da können wir ja nichts machen.“
„Meine Jungs sind einsatzbereit“, schloss O’Neill sich an. „Die neuen Kameraden leben sich gut ein und ich muss jetzt nur etwas aufpassen, dass sie keine negativen Einflüsse ausüben.“
„Eine AsTech hat sich heute Morgen leicht verletzt. Meine Leute konzentrieren sich aber auf die Arbeit am Feuerball. Außerdem arbeiten wir mit den Techs der Dragonclaws zusammen, um die BattleMechs auf Herz und Nieren zu prüfen, solange sie ausgeschaltet sind. Das erlaubt uns Wartungsarbeiten sogar an den Reaktoren. Die Zivilisten unterstützen das Schiffspersonal, soweit sie nichts anderes zu tun haben. Hier geht es mehr darum, genug Arbeit zu finden, damit sich niemand langweilt.“
„Werden sie die Arbeit ohne Schwerkraft fortsetzen können?“
„Selbstverständlich. Das wird uns zwar ausbremsen, aber aufhalten wird es uns nicht.“
Smith war das Schlusslicht der Meldungsrunde. Immerhin hatte er den niedrigsten Dienstgrad im Raum: „Herr Major, mit ihrer Erlaubnis arbeite ich einen Trainingsplan aus, um die Simulatorzeit sinnvoll zu nutzen und werden der 0-G-Phasen die Fitness der Truppe zu erhalten.“
„Einverstanden, Mastersergeant. Wenn möglich, beginnen sie noch heute Abend mit den Übungen!“
Reuter ließ seinen Blick über die Runde der unterschiedlichen Charakter schweifen und begann dann, die Missionsdetails zu erörtern.

Michael gähnte, als er durch den Korridor ging. Die Lagebesprechung lag hinter ihm, die Offiziere wussten, was auf sie zukam. Seine Karten lagen offen.
Zuerst würden die Truppen nach Ballynure reisen, einem keinen, nahezu unbedeutenden Planeten direkt an der Grenze zu den Jadefalken und zum Arc Royal Defensiv-Kordon.
Danach ein Sprung in den Besatzungskorridor, nach Benfled und dann ein komplizierter und gefährlicher Überfalleinsatz gegen die Jadefalken.
Dagegen würde die kleine Eskort-Mission auf Ballynure ein Spaziergang werden.
Plötzlich vernahm der Major laute Stimmen und Gelächter aus einer nahen Kabine. Leise näherte er sich der Tür und öffnete sie ebenso behutsam.
Die neuen Panzerfahrer und Mary O’Sinnead hatten sich in der Kabine breit gemacht und gerade ein Bierfass angestochen. Das letzte Bier vor der Schwerelosigkeit, sozusagen.
„Leutnant Alister, könnten sie mir bitte erklären, was das hier werden soll?“, unterbrach er das Gespräch und machte auf sich aufmerksam.
„Sir, ich dachte, wir setzen uns zusammen, um uns besser kennen zu lernen. Ich erwarte noch ein paar Leute aus der Einheit und es ist die letzte Chance, etwas zu trinken. Darf ich ihnen auch ein Glas anbieten, Sir?“
Wenigstens war der Panzeroffizier nicht auf den Mund gefallen und als Sergeant Foxfire vor der Tür erschien, machte Reuter ihm Platz und winkte ihn sogar noch herein.
„Ja, dürfen sie.“ Er ließ sich auf einem der Betten nieder. „Das nächste Mal würde ich allerdings gerne vorher wissen, wenn sie so etwas planen. Fast hätte ich diese gemütliche Runde verpasst.“ Er grinste und leises Gelächter erklang. Dann zog Reuter den Panzermann beiseite und senkte seine Stimme auf ein Flüstern, so dass nur Alister ihn verstehen konnte: „Das nächste Mal, wenn sie Alkohol ausschenken ohne meine Genehmigung, hat das Konsequenzen. Für heute lasse ich ihnen das noch einmal durchgehen. Und jetzt zapfen sie mir so ein Bier!“
Alister nickte und zeigte, dass er verstanden hatte, dann drehte er sich zu den Leuten um: „Vince, mach mal ein Bier für den Chef, aber pronto!“
Reuter nutzte die Gelegenheit, um seine Neuzugänge besser kennen zu lernen. Viele der Anwesenden waren bei dem Grillabend noch nicht im Team gewesen und nun holte er diese Erfahrung mit ihnen nach. Nur O’Sinnead und Foxfire waren so angeregt in ein Gespräch verstrickt, dass er sich dort nicht einmischen wollte.
Er hatte schon ein paar Bier getrunken, als die Stimme des Spieß über die Schiffskommunikation ertönte: „Major Reuter, bitte melden sie sich sofort im Hangar 2! Dies ist keine Übung!“
Der Kommandeur entschuldigte sich und trat hinaus in den Gang. Die frische Luft vertrieb die leichte Benommenheit, die der Alkohol ihm beschert hatte und als er in den Hangar trat, tat der Anblick, der sich ihm bot, ein Übriges.
Die Mitglieder der Scoutlanze, sowie der junge Leutnant Silver, standen oder saßen in einer Ecke des Hangars und starrten auf das Lasereinschussloch in einem Frachtcontainer. Reuter verfolgte die logische Schussbahn zurück und seine Augen blieben am Kinnturm des Heuschrecks haften. Smith stand etwas abseits und diskutierte mit dem Lagermeister lautstark über den Inhalt des beschädigten Containers. Zum Glück waren es nur relativ unwichtige Ersatzteile gewesen und keine Munition.
„Was ist hier los?“, fragte Reuter laut und richtete damit die Aufmerksamkeit auf sich.
„Eine Fehlfunktion während des Lanzentrainings, Sir.“
„Lassen sie sofort die SeniorTech holen! Sie soll den Heuschreck überprüfen und holen sie mir Ohnesorg und Goddard! Und bringen sie Corporal Nürs auch gleich mit. Ich treffe sie alle im Besprechungsraum! Die Soldaten hier können wegtreten!“
„Auch Corporal Lee, Sir? Immerhin war es sein Mech.“
„Er wird uns auf dem Schiff kaum weglaufen können, oder? Er kann auch wegtreten! Mister Trent, wären sie so gut und erstellen mir einen Schadensbericht?“
Die beiden nickten und machten sich an die Arbeit, während Reuter durch die Schiffskorridore in seine Kabine eilte. Er suchte nach seiner Dienstpistole, lud sie durch und verbarg sie unter seiner Uniformjacke. Gewohnheitsbedingt zündete er sich eine Zigarette an und verließ seine Unterkunft wieder, nur um fast mit Rima Drachenklau zusammenzustoßen.
„Hauptmann, wir haben ein Problem. Folgen sie mir bitte!“
Als alle sich im Besprechungsraum eingefunden hatten, fasste Smith den Vorfall kurz zusammen. Während der Übung hatte der Simulationscomputer die Sicherheitsprotokolle ignoriert und den Laser des Heuschrecks real angesteuert. Die Waffe hatte einen Schuss abgegeben, als Lee den Auslöser im Inneren seines Cockpits gedrückt hatte. Zum Glück war der Laser leistungsreduziert gewesen und hatte nur ein harmloses Ziel getroffen, somit waren sie noch einmal mit einem blauen Auge davongekommen.
Ohnesorg warf Reuter einen vielsagenden Blick zu: „Er ist wieder da, Sir. Und diesmal ist er noch dreister geworden.“
„Das wissen wir noch nicht sicher, Sergeant. Vielleicht handelt es sich hier auch wirklich nur um einen technischen Fehler. SeniorTech Silver untersucht das Problem bereits und ich bin mir sicher, dass sie auch Björn zu Rate gezogen haben wird.“
„Wir sollten dennoch Vorkehrungen treffen, um nicht derart verwundbar zu sein“, wandte Smith ein.
„Das hatte ich vor und darum sind sie hier. Corporal Nürs ist mit sofortiger Wirkung der Sonderbeauftrage für den eventuellen Saboteur an Bord. Alle Männer und Frauen an Bord wird hiermit befohlen, ihm verdächtige Aktionen umgehend zu melden. Außerdem, Corporal, haben sie und ihre Soldaten das Recht, jedem hier an Bord unangenehme Fragen zu stellen, die zur Aufklärung dienen könnten. Darauf ist zu antworten, egal welchen Dienstgrad der Befragte trägt!“
Nürs nickte, er hatte verstanden und auch Smith wirkte beruhigter, aber Reuter war noch nicht fertig.
„Es ist auch nicht undenkbar, dass der nächste Schritt unseres Unbekannten ein Attentat auf mich oder eine andere Führungsperson ist. Hauptmann Drachenklau hat bereits eine offizielle Stellvertreterin. Damit die Red Dragon Corporation nicht plötzlich führungslos ist, ernenne ich hiermit Oberleutnant Goddard zu meinem Stellvertreter als Kommandeur.“
„Vom einzigen Mechkrieger zum Stellvertreter des Kommandeurs in sieben Tagen“, kommentierte Goddard trocken.
Reuter grinste und sah noch einmal kurz in die Runde: „Das wär’s erst mal. Sie dürfen wegtreten!“

12.06.3059
Landungsschiff Byzanz
Ballynure-System

Die vier Wochen, die sie nach Ballynure brauchten, vergingen im wahrsten Sinne des Wortes wie im Fluge. Die beiden Söldnertruppen verbrachten die Zeit zwischen den Sprüngen mit ein paar Handelsaktionen und mit intensiven Vorbereitungen auf den Einsatz.
Während der Drill die Einheiten zusammenschweißte, schweißten die Techs Stück für Stück den Feuerball zusammen. Sie erzielten dabei rasch Fortschritte, aber sehr zu Reuters Bedauern teilte Anja Silver ihm mit, dass der Mech auf Ballynure noch nicht würde eingesetzt werden können.
Erfolgloser erwies sich die Fahndung nach dem Saboteur an Bord. Nur acht Stunden nach dem Zwischenfall im Hangar hatte Björn den Beweis gefunden, dass es kein Unfall gewesen war und dass die Manipulation erst nach dem Start durchgeführt wurde.
Reuter hatte darauf reagiert, indem er Anja und Björn das Simulatorsystem hatte überprüfen lassen. Seitdem musste der IT-Fachmann bei jeder angesetzten Übung als Beobachter dabei sein.
Corporal Nürs war einigen Hinweisen nachgegangen, seine Nachforschungen waren aber jedes Mal im Sand verlaufen.
Das Bewusstsein, einen Verräter in den eigenen Reihen zu haben, hatte zu kleineren Reibereien geführt, aber die Offiziere hatten ihre Leute recht gut im Griff und so war es für Michael ein sehr entspannter und ruhiger Flug geworden.
Nach der Generalüberholung der BattleMechs hatten sie die Zeit auch dazu genutzt, ihren Maschinen ein einheitliches Aussehen zu verleihen: einen grauen Grundanstrich mit roten Akzenten und dem Einheitslogo auf der rechten Brustseite jeder Maschine.
Auch hatten der Spieß und die Unteroffiziere ihn mit einem brandneuen Uniformsatz für die Einheit überrascht, der eine gute Stange Geld gekostet haben musste. In einer beinahe rührseligen Zeremonie hatten die Leute ihm die erste Uniform überreicht und sie trugen nun passend zu ihrem Kriegsgerät graues Tuch mit roten Besätzen. Darüberhinaus zierten Dienstgradabzeichen den Kragen, der Name des Soldaten die linke Brustseite und das Einheitslogo den linken Oberarm.
Passend dazu gab es schwarze Schirmmützen für die Offiziere und schwarze Baretts für die Unteroffiziere und Mannschaften. Das Tragen der Kopfbedeckungen hatte Reuter aber umgehend auf besondere Anlässe beschränkt.
Neben all den Fortschritten, die sie als Einheit machten, hatte der junge Söldnerkommandant auch private Fortschritte erzielt. Er und Sheila waren sich immer näher gekommen und mittlerweile teilten sie sich nicht nur das Bett und die Kabine, sondern auch ihre Gefühle und Gedanken. Gerade Reuter, der als blutjunger Soldat nun die Verantwortung für zwei komplette Einheiten trug, konnte ein offenes Ohr gut gebrauchen.
Und nun, erschreckend schnell, befanden sie sich im Anflug auf ihren ersten Zielplaneten. Die Pink Panther lag achteraus am Nadirsprungpunkt und lud ihre Lithium-Fusions-Batterie voll, um einen schnellen Doppelsprung in den Clan-Raum und sofort wieder zurück durchführen zu können.
Mit einem konstanten Druck von 1,3G schob das Maultier sich auf die Landezone zu. Aufgrund der untypisch weiten Entfernung würde der Anflug sie fast zwei Tage kosten. Dann waren es zwei Tagesmärsche vom Raumhafen zu ihrem Zielpunkt und zwei Tagesmärsche wieder zurück.
Und wenn ihr Saboteur wirklich mit diesem augenscheinlich einfachen Erst-Kontrakt in Verbindung stand, würde es eine interessante Woche für die Red Dragon Corporation werden.

Es war 03:44 Uhr, zumindest sagte das die Digitalanzeige des Weckers, als es stürmisch an Reuters Tür klopfte.
„Was zum…?“ Der Major kämpfte sich erst aus seinem Tiefschlaf, dann aus Sheilas Umarmung, dann aus dem warmen Bett und schließlich, nun bereits hastiger, in seine Hose, um nicht nackt an die Tür zu gehen.
Er durchquerte die kleine Kabine mit zwei Schritten und riss die Tür auf, nur um Wolfhard Ohnesorg zu sehen. „Ich hoffe, es ist wichtig, Sergeant“, knurrte er, als der Mann ihm ein DataPad reichte.
„Lesen sie einfach, Sir!“
Reuter schaltete das Pad ein und überflog die Zeilen:
„Wolfhard, wenn du das hier liest, bist du im System angekommen.
…Informationen über den Verräter…
…eine Frau…Tattoo auf der rechten Brust…Nova um die Brustwarze.
…ist als Lady Pain bekannt.
…Evangeline ist noch immer in ihrer Gewalt…haben sie gefoltert.
Seid wachsam…war der letzte Kontakt…
Ragnar Magnus Baldurson“
Reuter grunzte und steckte das Pad ein: „Wer ist dieser Baldurson?“
„Ein ehemaliger Kamerad von mir, Sir. Ich habe mit ihm beim Grauen Tod gedient. Ich vertraue ihm.“
Der Major gab ein Geräusch von sich, das zwischen verschlafenem Brummen und abwertenden Knurren lag: „Interessiert mich nicht. Ich vertraue ihm nicht. Und was denken sie, soll ich jetzt tun? Alle Frauen bitten, sich auszuziehen? Sergeant, ihr ehemaliger Kamerad kann uns genauso gut hereinlegen. Oder diese Übertragung kommt sogar von unserem Saboteur und soll uns auf eine falsche Fährte setzen.“
„Nein, Sir, ich bin mir sicher…“
Reuters Blick verfinsterte sich so drastisch, dass der Sergeant mitten im Satz abbrach. „Wecken sie Oberleutnant Goddard, den Spieß und Hauptmann Drachenklau, Corporal Nürs und den Skipper und sorgen sie dafür, dass sie alle in zehn Minuten im Besprechungsraum sind, inklusive ihnen, Sergeant! Und kein Wort zu irgendwem über diese Nachricht. Und später erklären sie mir, warum ihr Freund überhaupt weiß, wo er sie erreichen kann.“
„Eine alte Firmware mit fest installierten Frequenzen. Über diese Frequenzen hat er mir die Nachricht zugespielt. Ich denke auch nicht, dass sie von jemand anderem kommen kann. Der Saboteur kann unmöglich von diesem Gerät wissen, Sir.“
„Außer die beiden arbeiten zusammen. Und jetzt holen sie mir die Leute in den Besprechungsraum!“
Reuter schob den Sergeant auf den Gang, schloss die Kabinentür hinter sich und seufzte leise. Dann schlüpfte er rasch in seine Uniform und küsste Sheila sanft auf die Stirn.
„Wasnlos?“, murmelte sie im Halbschlaf.
„Nichts. Ich bin bald zurück. Schlaf weiter!“
Dann verließ er seine Unterkunft in Richtung Besprechungsraum und zündete sich eine Zigarette an. Vielleicht bestand die Chance, den Verräter noch vor der Landung aufzuspüren.
Als Reuter ankam, warteten die fünf Männer und Hauptmann Drachenklau bereits auf ihn. Teils deutlich verschlafen hatten sie bereits Platz genommen und als sie aufstehen wollten, winkte Reuter ab.
„Ich habe beunruhigende Neuigkeiten oder aber den großen Durchbruch bei der Jagd auf den Saboteur.“
Reuter verband das DataPad von Ohnesorg mit dem Holotisch und projizierte den Text der Nachricht in den Raum.
„Sergeant Ohnesorg, bitte klären sie die Anwesenden auf!“
„Ich habe diese Nachricht vor ungefähr einer Stunde auf meinem persönlichen Com empfangen“, begann der Unteroffizier. „Das Gerät besitzt eine Reihe auf mich lizensierter Firmwarefrequenzen und ist eine Erweiterung meines Mechfunks.
Die Nachricht wurde von der ComStar-Station dieses Systems in einem stündlichen Intervall abgesetzt und seit ungefähr sechs Stunden in Richtung Sprungpunkt abgestrahlt.
Der Text ist mit einer Verschlüsselung der Gray Death Legion gesichert und darüberhinaus mit einer Spezialcodierung bearbeitet, die nur meine ehemalige Einsatzgruppe kannte.
Die Nachricht stammt von einem vermisst geglaubten ehemaligen Kameraden von mir, der uns am Tag unserer Abreise vor einem Virus im Feuerleitsystem einiger unserer Maschinen gewarnt hat und uns auch auf einen Verräter in den eigenen Reihen aufmerksam machen wollte.
Seinen kurzen Nachrichten entnehme ich, dass seine Frau als Geisel gehalten wird, um ihn zu einer Kooperation zu zwingen.
Dennoch hat er es hinbekommen, uns zu helfen, indem er uns den Hinweis mit dem Intimtattoo gegeben hat.
Meine Herren, Frau Hauptmann, ich kenne diesen Mann seit über zehn Jahren und habe mit ihm zusammen auf Sudeten gegen die Clans gekämpft. Seine Integrität steht für mich außer Frage.“
„Für sie vielleicht, Sergeant, aber für mich nicht.“ Reuter blickte in die Runde: „Was halte sie davon?“
Es war Corporal Nürs, der zuerst antwortete: „Diese Information scheint unsere einzige Spur zu sein. Wir sollten ihr diskret nachgehen, indem wir die Ärzte fragen, die müssten damit ja etwas anfangen können. Ist die Person identifiziert, können wir sie beschatten und abwarten, was sie tut. Ein direktes Vorgehen halte ich erst dann für ratsam, wenn wir uns sicher sind, den Richtigen zu haben.“
Goddard schaltete sich ein: „Es wird allerdings schwer, die Ärzte zu überzeugen, gegen ihre Schweigepflicht zu verstoßen.“
„Ich denke, sie machen hier vielleicht eine Ausnahme, bevor sie selber in Gefahr geraten“, vermutete Nürs.
Smith räusperte sich: „Sergeant Ohnesorg, ich halte ihren Kontakt nicht für wirklich glaubwürdig. Wir wissen doch nur, dass sie Kontakt mit einer unbekannten Person hatten. Das könnte auch genauso gut unser Saboteur sein. Außerdem, Sergeant, sind sie ihren neuen Kameraden verpflichtet und nicht alten Freunden. Denn diese alten Freunde sind es nicht, die aktuell ihren Arsch retten, wenn es hässlich wird.“
„Dieser Mann riskiert aber gerade seinen Arsch, damit es für uns nicht hässlich wird, Spieß!“, gab Ohnesorg zurück. „Ich gebe ihnen mein Wort, dass er integer ist. Und er ist momentan unser einziger Aktivposten auf Ballynure. Auch ist nicht von der Hand zu weisen, dass es einen Verräter an Bord gibt und wir müssen diese Hinweis nachgehen.“
Reuter stand auf und unterband den sich anbahnenden Streit: „Corporal Nürs, holen sie Doc Mike sofort hierher. Wir wollen erst einmal sehen, was er zu sagen hat.“ Dann wandte der Major sich zu Ohnesorg: „Sergeant, ich stimme ihnen zu. Wir haben einen Saboteur an Bord. Aber wer sagt mir, dass nicht sie unser schwarzes Schaf sind?“
Als der Sergeant protestieren wollte, hob er abwehrend die Hände: „Ich will ihnen nichts unterstellen, aber ich kann diese Möglichkeit nicht ausschließen. Warum sollte ich ihnen mehr vertrauen, als anderen? Sie können von diesem Tattoo gewusst haben und wer sagt mir, dass sie hier nichts inszenieren?“
Nürs tauchte schon wieder auf, den Sanitäter im Schlepptau. Der sah in die Runde und ahnte schon Schlimmes, als er die vielen hohen Offiziere sah.
„Wie kann ich ihnen helfen, Major Reuter?“
„Sie könnten mir sagen, welche Frau an Bord dieses Schiffes eine Nova-Tätowierung an um ihre linke Brustwarze trägt.“
„Sir, damit würde ich gegen meine ärztliche Schweigepflicht verstoßen.“
„Und sie würden uns helfen, einen Saboteur aufzuspüren, der es auf diese gesamte Einheit abgesehen hat. Und was sie uns sagen, bleibt garantiert in diesem Raum. Ihr Ruf wird darunter nicht leiden, Doc.“
Der Sanitäter schien kurz mit sich selber zu ringen, dann zuckte er mit den Achseln: „Christina Richmond, KommTech der ersten Wache. Sie hat neu auf dem Schiff angeheuert, noch auf Galatea.“
„Danke, Mike, sie haben uns wirklich geholfen. Dann dürfen sie auch schon wieder gehen.“
Oberleutnant O’Donnel räusperte sich: „Sir, ich verbürge mich für jedes Mitglied meiner Crew, dass länger dabei ist. Aber sie ist gerade erst vier Wochen dabei. Ich halte es nicht für unmöglich, dass sie eine Verräterin ist.“
„Das heißt, wir spielen so oder so ein gewagtes Spiel. Wenn wir diesem Baldurson vertrauen, dann spüren wir den Saboteur dank seiner Hilfe auf oder… wir laufen in eine geniale Falle. Corporal Nürs, sie behalten diese KommTech im Auge! Solange sie sich unauffällig verhält, werden wir nichts tun. Wenn sie etwas tut, schnappen wir sie uns. Mehr können wir momentan wohl nicht tun. Ich schlage vor, wir nutzen den Rest der Nacht, um zu schlafen.“

Bereits um acht Uhr wurde Reuter erneut aus dem Schlaf gerissen. Diesmal allerdings von guten Neuigkeiten.
Nina Silver und Corporal Nürs hatten Christina Richmond im Hangar auf frischer Tat ertappt, als sie Peilsender an die Mechs angebracht hatte. Reuter schwang sich aus dem Bett und nickte O’Neill, dem Überbringer der Nachricht, zu: „Lassen sie den Besprechungsraum als Verhörzimmer herrichten. Um 0900 werde ich die Gefangene vernehmen. Und wir kommen wohl nicht darum herum, alle Mechs, Panzer, Jäger und sonstigen Kriegsmaschinen nach diesen Sendern zu durchsuchen. Das wird niemanden freuen, aber lassen sie alle antreten, um den Techs zu helfen. Wir haben nur noch vierundzwanzig Stunden, bis wir landen. Nürs und Ohnesorg sollen die Gefangene bewachen, bis Doc Mike und ich soweit sind!“

Der zum Verhörzimmer umgestaltete Besprechungsraum lag völlig im Dunkeln, abgesehen von den beiden starken Lampen, die auf Christinas Gesicht gerichtet waren. Das grelle Licht blendete ihre Augen und verhinderte, dass sie im Dunkeln um sich herum etwas ausmachen konnte, während jeder Beobachter ihr Gesicht sehen konnte.
Wie das Zischeln einer Schlange erklang die Pneumatik der Tür und ein Schatten zeichnete sich im Licht des Schiffskorridors ab.
Mit dem dumpfen Geräusch schwerer Stiefel betrat der Schatten den Raum und wurde für die gefesselte Frau unsichtbar, sobald er aus dem Licht des Flures trat. Eine zweite Gestalt folgte, den Umrissen nach trug sie einen Kittel und das Geräusch ihrer Schritte zeigte Christina, dass diese Person keine Militärstiefel trug. Vermutlich der Arzt der Einheit, Doc Mike.
Sie wollte die emotionslose Maske aufsetzen, die sie schon seit Jahren kultiviert hatte, aber es gelang ihr nicht. Sie wusste, dass sich ihre Angst auf ihrem Gesicht abzeichnete.
„Skopolamin. Ich kenne diese Gefühl, Lady Pain.“ Die Stimme gehörte zu Ohnesorg. Woher kannte er ihren Spitznamen? Er konnte ihn gar nicht kennen.
Christinas Gesicht macht eine Wandlung von ängstlich zu panisch durch. Sie wusste, dass das Skopolamin ihre Selbstbeherrschung beeinträchtigte, ähnlich wie Alkohol. Aber es zum ersten Mal am eigenen Körper zu erleben, was etwas ganz anderes.
„Sie werden mir jetzt erzählen, was sie wissen, wer ihre Auftraggeber sind und so weiter. Danach entscheide ich dann, was mit ihnen geschieht“, drang Reuters Stimme eiskalt an ihr Ohr.
„Ich sage ihnen gar nichts, Söldner!“, spie sie ihm entgegen. Oder zumindest in die Richtung, in der sie ihn vermutete.
„Unser Arzt wird ihnen jetzt eine Spritze geben. Diese Spritze enthält ein kleines Mittel, dass dafür sorgt, dass sie mir wahrheitsgemäß auf meine Fragen antworten. Haben sie schon einmal Leute mit Wahrheitsserum verhört, Miss Richmond?“
„Das können sie nicht tun. Das ist… illegal.“
„Na und? Es ist auch illegal, Sabotage und Spionage zu betreiben. Doktor, tun sie ihre Arbeit!“
Ohnesorg und Nürs traten neben sie und pressten ihre Arme mit Gewalt auf die Stuhllehnen. Dann schoben sich die Unterarme des Arztes in den Lichtkegel und in seiner Hand lag eine Spritze. „Entschuldigen sie die Unannehmlichkeiten, Miss Richmond, aber ich kann nicht zulassen, dass sie diese Einheit zerstören.“
Er stach die Nadel gekonnt in ihren Arm und injizierte ihr das Serum.
„Es dauert ein paar Minuten, bis die Medikamente wirken, Sir“, erläuterte der Doc, aber Christina fühlte bereits, wie ihre Wahrnehmung verschwamm, als die Droge durch ihr Blut tobte.
In der nächsten halbe Stunde erfuhr Reuter von ihr alles, was er wissen wollte. Piraten planten einen Überfall auf den ZagonTrans-Konvoi. Irgendjemand, vermutlich ein konkurrierendes Unternehmen, hatte seine Finger im Spiel und es war eine Menge Geld an die Piraten geflossen.
Er erfuhr auch, dass sie hinter allen Sabotageakten steckte und dass sie über dreißig der kleinen Sender an den Mechs und Panzern angebracht hatte.
Christina bestätigte auch Ragnar Baldursons Version der Geschichte. Dass seine Frau als Druckmittel gegen ihn eingesetzt wurde. Dass ein Attentat auf Reuter geplant war und kein Söldner den Planeten lebend verlassen sollte.
Als sie schließlich ohnmächtig wurde, ließ der Söldnerkommandant das Licht wieder einschalten und schüttelte traurig den Kopf. „Ich verabscheue diese Methoden eigentlich, aber wenigstens waren die Informationen den Aufwand wert.“
„Was machen wir jetzt mit ihr?“, fragte Ohnesorg. „Wir können sie kaum laufen lassen, oder?“
„Wir können sie aber auch nicht töten“, warf Mike ein. „Ich habe meine Definition des Arzt-Berufes heute schon zweimal gebeugt. Einem Mord werde ich nicht schweigend zusehen.“
Der Major stimmte ihm zu: „Ein Mord ist auch zu viel des Guten. Wir werden sie hier festhalten, bis wir mit dem Auftrag fertig sind und danach werden wir sie den örtlichen Behörden übergeben.“

Die nächsten Stunden arbeiteten die Einheiten fieberhaft daran, die Blackboxes aufzuspüren, die Richmond versteckt hatte, aber es war schließlich Foxfire, der auf die Idee kam, die Frequenzen mit der mächtigen Radaranlage seines Kampfschützens zurückzuverfolgen und der es ihnen ermöglichte, ihre Arbeit innerhalb von einer Stunde zu beenden.
Gegen 17:00 Uhr tauchte O’Neill mit Tobi im Schlepptau in Reuters Büro auf.
„Nun, Patrick, was haben sie mir so Dringendes zu sagen?“
„Sir, Tobi hat mich vorhin auf eine Idee gebracht, wie wir die Sender einsetzen können, die bei uns angebracht wurden. Wir waren dabei, die Sender zu suchen, während er die gefundenen Kästen auf seinem Fernlenk-LKW… einem Spielzeug, Sir… zur Sammeltonne fuhr, um uns Arbeit zu ersparen.“
Reuter hatte keine Ahnung, worauf der Panzerfahrer hinaus wollte und O’Neill, der das auch bemerkt hatte, fuhr rasch fort: „Der Gegner weiß vermutlich nicht, dass wir seine Saboteurin gefasst haben. Und selbst wenn er es weiß, wird er vermutlich denken, dass wir nicht all diese Sender gefunden haben. Wir könnten diese Sender an beweglichen Objekten anbringen, wie zum Beispiel an zivilen Fahrzeugen. Der Gegner wird denken, dass es eine unserer Einheiten ist, obwohl wir natürlich weit entfernt von den Sendern sind. Damit könnten wir unsere Feinde zumindest kurzzeitig in die Irre führen.“
„Und woher wissen wir, wann der Gegner die Sender aktiviert?“
„Wir haben mit Hilfe von Anja einen Signalgeber in drei der Sender installiert. Wir empfangen ein Signal, wenn der Sender aktiviert wird. Corporal Nürs hat sich bereit erklärt, mit seinen Leuten hier am Schiff während ihrer Wachen darauf aufzupassen.“
„Dann brauchen wir nur noch genug falsche Ziele.“
„Ich gebe zu, ich habe auch schon überlegt, ob wir nicht einfach einen Sender an Anjas Quad anbringen…“, meinte der Oberleutnant fast beiläufig.
Reuter grinste: „Sie würde sie am Lastkran im Hangar aufhängen.“
„Oh, das macht gar nichts. Die Aussicht von dort oben muss hervorragend sein“, gab der Panzerkommandant locker zurück.
Reuter verzog leicht das Gesicht, als er trocken antwortete: „Über Kopf.“
O’Neill schluckte schwer: „Es war nur so eine Idee…“

__________________
Ama-e-ur-e
is-o-uv-Tycom‘Tyco
is-o-tures-Tesi is-o-tures-Oro
is-u-tures-Vo-e-e

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14.06.3059
Landungsschiff Byzanz
Im Landeanflug auf Ballynure

Auf den meisten Planeten war es so, dass der Raumhafen in oder zumindest nahe bei der Hauptstadt lag. Das hielt die Versorgungswege kurz und die Transportkosten entsprechend günstig.
Auf Ballynure lagen die Dinge anders. Der Raumhafen lag hier in der relativ kleinen Stadt Cap Azur, einer Stadt am Meer mit herrlichen Sandstränden, traumhaftem Wetter und einem blühenden planetaren Tourismus.
Das wirtschaftliche Zentrum lag jedoch einige Hundert Kilometer entfernt, in der planetaren Hauptstadt Anhey City. Im schwer zugänglichen Gebirge gelegen, haben sich hier seit der ersten Besiedlung des Planeten immer mehr Firmen niedergelassen, um Bodenschätze und andere Rohstoffe zu fördern. Aus den ursprünglichen Bergbausiedlungen war die nach und nach die heutige Metropole gewachsen.
Die Entfernung zwischen Raumhafen und Hauptstadt führte gewaltige Transportprobleme mit sich. Ein Konvoi brauchte zwischen zwei und fünf Tagen, um die Distanz zu überbrücken und das Gebiet zwischen den Städten war nur sehr dünn besiedelt und außer einigen Dörfern, die den Frachtzügen Unterkunft und Benzin anboten, gab es kaum Menschen auf dem Weg.
Dieser Umstand hatte immer wieder dazu geführt, dass kleinere und größere Piraten- und Banditengruppen einzelne Konvois überfallen haben und sich danach wochen- oder monatelang im Hinterland versteckt hatten. Einige dieser Banden hatten sich teilweise sogar Dörfer aufgebaut. Und aus manchen dieser Piratennester waren nach und nach kleine Städte gewachsen, die heute ganz normal am planetaren Leben teilnahmen und zum großen Teil von Ackerbau und Viehzucht lebten.
Mit diesen Gedanken im Kopf, stand Reuter auf der Brücke der Byzanz, die Arme hinter dem Rücken verschränkt, und beobachtete, wie das Landungsschiff, gefolgt von den beiden ZagonTrans-Landern, der Zagon 4 und der Zagon 7, in die heiße Phase der Landung überging: dem Atmosphäreneintritt bis hin zum Bodenkontakt.
Alarmleuchten tauchten die Brücke in rotes Licht, die Anspannung war bei der Crew fast greifbar und auch Rima Drachenklau und der junge Major, die als einzige Gäste im Kontrollraum geduldet wurden, konnten sich eines mulmigen Gefühls nicht erwehren. Wie bei jeder Planetenlandung.
Reuter hoffte, die Blackboxes komplett gefunden zu haben. Der Plan war, sie an Zivilfahrzeuge zu montieren, um die Piraten auf eine falsche Fährte zu locken. Anja wollte mit ihrem Quad sowieso Besorgungen in der kleinen Raumhafen-Stadt erledigen, sie hatte den Auftrag, direkt die Sender zu verteilen.
„Achtung, Atmosphäreneintritt in 3… 2… 1… jetzt!“, intonierte eine blecherne Lautsprecherstimme den Beginn der letzten Landeminuten.
Die kugelförmigen Schiffe wälzten sich herum, so dass ihre Düsen gegen die Planetenoberfläche zeigten, und begannen, durch konstantes Gegenschieben, den Fall in Richtung Grund abzubremsen.
Bis Byzanz bockte mehrfach und wurde durchgeschüttelt, das extrem belastete Material knirschte mehrfach protestierend, als das Schiff kilometerweit dem Boden entgegenstürzte.
Dann beruhigte sich der Lander und ging in den letzten Abschnitt des Bremsfluges über, bis er schließlich unter Volllast der Triebwerke über dem Raumhafen schwebte. Die Bodenkontrolle wies den drei Schiffen Landeplätze zu und beinahe behutsam lenkten die kleinen Steuerdüsen den Raumkoloss auf seine Position, bevor der Steuermann langsam die Triebwerke drosselte und das Schiff absenkte, bis es mit einem dumpfen Dröhnen auf dem Spezial-Beton des Raumhafens aufsetzte.
Beinahe sofort verklang das Wummern der Triebwerke, das sie die letzte Wochen über begleitet hatte und machte einem hellen Zischen Platz, als die Frischluft-Tanks mit unverbrauchter Luft geflutet wurden.
Dann kam das Signal, dass die Landung erfolgreich abgeschlossen war. „0613, Landung abgeschlossen, alle System fahren herunter!“
Reuter strich sich seine Uniform glatt und nickte dem Skipper und der Brückencrew anerkennend zu. Die Männer hatten ihre Pflicht getan. Jetzt war er dran. Er hatte nicht viel Zeit, um die nötigen Formalitäten für einen bewaffneten Konvoi mit den Behörden zu regeln. Wenigstens würde ihn ein Vertretern von ZagonTrans begleiten. Das würde den Vorgang vermutlich beschleunigen.

„Bodenkontrolle Cap Azur an ZagonTrans-Konvoi: Marschroute ist geladen und wird an sie übermittelt. Marschgeschwindigkeit in der Stadt maximal 20km/h! Guten Reise!“
„Hier ZagonTrans-Konvoi: Haben verstanden. Bis in vier Tagen, Cap Azur!“
Reuter, der als ranghöchster Militär das Kommando über den Zug hatte, beendete die Verbindung zur Bodenkontrolle und schaltete auf den Einheitsfunk: „Ihr habt es gehört! Erster Wegpunkt ist Nav Alpha, Geschwindigkeit 20. Auf geht’s!“
Die einzelnen Einheiten bestätigten und die vorderen Mechs und Fahrzeuge setzten sich langsam in Bewegung, ehe der Rest ihnen nach und nach folgte.
Achtzehn Mechs, neun Panzer und ein Helikopter der beiden Söldnertruppen begleiteten den Konvoi aus siebenundzwanzig überschweren Transport-LKWs von fünfzig bis siebzig Tonnen Gewicht und vier leichten Geleitpanzern von ZagonTrans. Die hell rosa Händler-Fahrzeuge fielen zwischen den dunklen Söldnermaschinen deutlich auf und würden jedem Angreifer ein leichtes Ziel bieten.
Vor dem Tross aus je drei LKW nebeneinander stapften Smiths Donnerkeil und Foxfires Kampfschütze, flankiert vom Starslayer und dem Tomahawk. Dahinter, auf Höhe der Rückleuchten der vorderen LKW, folgten der Rhino-Panzer der Dragonclaws und deren leichter KSR-Werfer, kaum mehr als ein gepanzerter Lastwagen mit einer Raketenlafette.
Einen Wagen weiter hinten bahnten sich die KSR-Lafette des Red Dragon Corporation und der Patton ihren Weg, links und rechts vom Jenner und Heuschreck der Dragonclaws gesichert.
Die vierte Reihe wurde von Mandows Spector und Lees Heuschreck bewacht, direkt hinter ihnen trotteten Silvers Cataphract und O’Sinneads Kreuzritter. Die Irin und der junge Leutnant waren zwar als Flügelpartner noch nicht eingespielt, aber es musste nun irgendwie gut gehen, denn sie sicherten genau die empfindliche Mitte des Zuges.
Die nächsten Begleittruppen folgten dann nach größerer Lücke zwischen der siebten und der achten Konvoireihe in Form des Schrecks und des Galleons innen und dem Kampfschützen und Quasimodo der Dragonclaws außen. In der schwereren Maschine saß Rima Drachenklau, in dem buckligen Fünfzigtonner auf der anderen Flanke ihre Lebensgefährtin, Lana von Hohen.
Eine Wagenreihe später rumpelten ein Lastwagen der Dragonclaws, auf den man eine KSR-Lafette montiert hatte und ein uralter Gladius, ein Sternenbund-Panzer und das Kleinod der verbündeten Söldnereinheit.
Den Schluss bildeten Ohnesorgs Feuerfalke, Ryan-Hartmanns Schakal und schließlich die beiden schwersten Mechs der Formation: Breeds Marodeur und Reuter Kriegshammer.
Über all dem kreiste ein Cavalry-Helikopter und Reuter wusste auch, dass vier wendige Vendette-Schwebepanzer zwischen den LKW mitfuhren, Kampfeinheiten von ZagonTrans. Der Major wusste nicht, was er davon halten sollte. Wenn die Piloten der Händler nicht gut genug ausgebildet waren, mochten sie sich eher als Ballast erweisen, aber ZagonTrans hatte darauf bestanden, dass die vier Hovercrafts mitkamen.
Der Feuerball, immer noch nicht wieder einsatzbereit, die fünf Infanteristen und alle Non-Kombattanten, waren bei den Landungsschiffen geblieben. Auch wenn Reuter dort nicht mit einem Überfall rechnete, konnte er diese Leute doch unterwegs einfach nicht gebrauchen.
Der Konvoi, der sich nun langsam aus dem Stadt quälte, maß vom Donnerkeil bis zum Kriegshammer beinahe einen Kilometer, war also nur auf gerader Strecke komplett überschaubar. Reuter war nicht glücklich darüber, aber bei dieser Menge an Fahrzeugen und Kriegsgerät ließ sich so etwas nicht vermeiden. Er konnte nur hoffen, dass sie nicht an Engpässe gelangten, wo sie den gut zweihundert Meter breiten Zug strecken mussten. Aufgrund des Gewichtes der Mechs und der Fahrzeuge durften sie die betonierten Straßen nicht benutzten, sondern mussten eine breite Schuttstraße nehmen, die extra für Schwerlastzüge dieser Größe angelegt worden war. Ihre Reisezeit würde ungefähr zwei Tage pro Strecke betragen, die erste und dritte Nacht würden sie in einem kleinen Ort namens Middletown verbringen, um zu rasten, ihre Vorräte aufzufüllen und zu tanken. Das Dorf war bereits informiert und Nahrungsmittel, Wasser und Treibstoff waren auf Vorrat gekauft und deponiert worden. ZagonTrans zahlte ein kleines Vermögen dafür, was Bände über den Wert ihrer Handelswaren sprach.
Ein Überfall aber, so hatte man ihm bei dem Transportunternehmen versichert, wäre für Piraten und Plünderer auf dem Rückweg viel lohnender. Und nach den Vorfällen mit der Saboteurin rechnete Reuter fest damit, dass ihre Gegner genau wussten, was sie taten.
Und sie würden sie finden. Selbst wenn wirklich alle Sender entfernt worden waren: einen Konvoi dieser Größe würde man nicht übersehen.
Außerhalb von Cap Azur beschleunigte die Formation auf ihre maximale Reisegeschwindigkeit von fünfunddreißig Stundenkilometern. Die Mechs und Panzer waren zwar zu höheren Geschwindigkeiten fähig, nicht aber die voll beladenen Mega-Transporter. Der Untergrund war trocken, aber am Horizont zogen langsam Wolken auf.
Sollte es anfangen zu regnen, konnte sich die Straße in eine Schlammpiste verwandeln und dann konnten die LKW einsinken.
Reuter seufzte und hoffte einfach das Beste. Es war 08:35 Uhr Ortszeit auf einem Planeten, der fast exakt Terranormalzeit einhielt. Gegen 23 Uhr würden sie Middletown erreichen und um sieben Uhr in der Früh wieder aufbrechen.
So weit der Plan.

„Whirlwind hier: Ich sehe was, was ihr nicht seht und das ist… grau.“
„Diese verdammte Staubpiste“, kam die sarkastische Antwort von Foxfire.
„Netter Versuch, Wyvern, aber leider falsch.“
Ohnesorg versucht ebenfalls sein Glück: „Hier Erzengel. Meinst du einen von unseren Mechs?“
„Auch nicht“, antwortete O’Sinnead triumphierend.
„Har. Du meinst meinen Patton!“ Die Stimme gehört zu Cliff Alister.
„Och, Phantom, du bist ein Spielverderber!“
„Das war zu einfach, Kleines.“
„Nicht streiten. Der Panzerfahrer ist dran“, meldete sich der Kampfschützenpilot wieder zu Wort.
Reuter überlegte für einen Moment, ob er zur Konzentration mahnen sollte, aber dann wurde ihm klar, dass diese kleinen Spielchen sich eher positiv auf die Aufmerksamkeit der Leute auswirkten, als das stupide Marschieren entlang einer offenen und markierten Route.
Seit ihrem Abmarsch um kurz nach acht Uhr hatten sie erst eine Pause eingelegt. Eine halbe Stunde am frühen Mittag, um sich die Beine zu vertreten, auszutreten und einen Happen Essen zu sich zu nehmen.
Für sechzehn Uhr hatte er eine längere Pause von einer Stunde geplant und um zwanzig Uhr dann noch einmal eine halbe Stunde.
Während sich der Konvoi durch die Weiten Ballynures quälte und die Männer und Frauen unter seinem Kommando sich mit Spielen und Witzen die Zeit vertrieben, verfing Reuter sich in Gedanken.
Wieder einmal grübelte er darüber nach, ob er sich auf seine Leute verlassen konnte und ob sie ihm auch folgen würden, wenn es gefährlich wurde. Er war gerade einmal achtzehn Jahre alt, sein neunzehnter Geburtstag lag noch 23 Tage entfernt und damit war er der Jüngste in der Truppe. Lediglich bei den Dragonclaws gab es einen jüngeren Mechpiloten.
Auch wenn der Altersdurchschnitt in der Red Dragon Corporation nicht so hoch lag, so waren ihm doch zumindest die Offiziere an Erfahrung deutlich überlegen.
Patrick O’Neill zum Beispiel. Seine Männer vertrauten ihm blind, er hatte mehr Abschüsse erzielt als Reuter Feindkontakte. Er war ein guter Offizier, durchaus zum Hauptmann zu gebrauchen und sollten die Panzertruppen aufgestockt werden, würde er ohne zu Zögern an ihrer Spitze stehen. Aber die Verantwortung für die ganze Einheit wollte er nicht, lehnte er sogar entschieden ab.
Andrew Mandow war ein genialer Mechpilot, einer der Besten wahrscheinlich, aber er war viel zu arrogant und zu egoistisch, um mehr als eine Lanze zu führen.
Antonov Gabriel war ein Heißsporn. Er war ein begnadeter Pilot, aber sein Mangel an Disziplin und Verantwortungsgefühl disqualifizierten ihn für eine Führungsposition über seine aktuelle Verwendung hinaus.
Gerrit Silver war zwar ein paar Jahre älter als Reuter, aber viel unerfahrener und zögerlicher. Er hatte sicher schon einiges gesehen, aber erst jetzt wurde er nach und nach bereit, Verantwortung zu übernehmen. Seine letzten Aktionen zeigten, dass er schnell lernte, seine Aufgaben als Offizier zu erfüllen. Nach dem Einsatz würde er vermutlich eine eigene Lanze übernehmen können.
Steve Smith war zwar kein Offizier, aber den ältesten und erfahrensten Soldaten der Einheit zu ignorieren, wäre dumm gewesen. Zumal der ehemalige ComStar-Soldat auf Tukayyid gedient hatte und dort eine recht große Einheit kommandiert hatte. Er würde vermutlich auch als Söldner einen sehr guten Offizier abgeben, aber Reuter brauchte ihn momentan als Kontakt zu den unteren Dienstgraden. Das konnte Smith, in der Rolle war er wertvoll. Trotzdem würde Reuter ihn befördern müssen, wenn die Einheit wuchs. Er hoffte, dass Foxfire die Lücke würde schließen können.
Blieb zuletzt nur noch Markus Goddard, sein Stellvertreter. Routiniert, erfahren, vertrauenswürdig. Goddard war der Schulbuch-Offizier. Sah man von seiner Nebentätigkeit als Beschaffer ab, war er so normal, dass es beinahe anormal war. Von ihm konnte vielleicht die größte Gefahr ausgehen, aber Reuter hatte irgendwie das Gefühl, dass der Oberleutnant auf seiner Seite stand.
Nicht ganz so sicher, war er sich da bei dem Block um Anja Silver. Diese recht große Gruppe löste sich nur ganz langsam aus ihren alten Strukturen. Die Panzerleute waren, dank den beiden neuen Mannschaften, langsam etwas offener und auch Gerrit und Nina fügten sich schon gut ein, aber vor allem der zivile Apparat macht Reuter noch Sorgen.
Und dann war da noch Kai Dragon. Der Gründer und Finanzier der Einheit. Er jagte seiner persönlichen Vendetta quer durch die Innere Sphäre nach, anstatt sich um seine Einheit zu kümmern. Sollte er wiederkommen, so würde er es nicht einfach haben. Die Leute kannten ihn nicht, würden ihn womöglich nicht akzeptieren. Und, gestand Reuter sich ein, auch er würde daran zu kauen haben. Die Idee und der Name stammten von Dragon, aber alles andere hatte er, trotz seiner Jugend, alleine geschaffen und aufgebaut. Die Red Dragon Corporation war seine Einheit, sein Werk, seine Heimat. Und ob er das ohne Weiteres an seinen alten Kameraden abtreten würde, wusste er nicht.
Aber es gab ja im Moment auch Wichtigeres, rief er sich selber zur Ordnung. Seufzend und sich eine neue Zigarette anzündend, wandte er seine Aufmerksamkeit wieder dem Radarschirm zu.

17.06.3059
Middletown
Ballynure

Der Rest des Hinwegs hatte sich als ebenso ereignislos erwiesen, wie die ersten Stunden. Das verschlafene Nest Middletown hatte nichts zu bieten gehabt, außer erstaunlich bequemen Unterkünfte für die Offiziere.
Der zweite Tag und die damit verbundene Wegstrecke nach Anhey City hatten sich sogar noch langweiliger gestaltet. Die weiten Steppen und Ebenen waren zunehmend angestiegen und am späten Nachmittag hatten sie sich über Gebirgsstraßen gekämpft, die zusehends schmaler wurden und streckenweise nur einen LKW auf einmal durchließen. Dadurch war der Konvoi ab und zu aufgerissen und ihre Geschwindigkeit hatte sich drastisch reduziert.
Trotzdem hatten sie gegen zwanzig Uhr des zweiten Tages die planetare Hauptstadt erreicht, wo ein schmieriger Diplomat mit japanischem Akzent das Umladen der Waren beaufsichtigt hatte. Reuter wusste nicht, was in den Containern war, aber er hatte mitbekommen, dass die Rücktour wohl Piraten anziehen musste wie das Licht die Motten.
Nach einem Blick auf die Wettervorhersage für den kommenden Tag hatte Reuter zusätzliches Trinkwasser aufladen lassen und dem Konvoi doppelte Nachtwachen zugeteilt. Dem Rest der Leute hatte er Ausgang bis Mitternacht gewährt. Danach war Bettruhe angeordnet, denn am nächsten Tag hatte es schon um acht Uhr wieder losgehen sollen und er brauchte seine Truppe ausgeruht.
Früh morgens am dritten Tag waren sie aus Anhey City wieder ausgerückt. Quälend langsam hatte sich der Zug das Gebirge herab gewunden, dem Mittag und der aufgehenden Sonne entgegen. Der Tag hatte sich zu einer Gluthölle mit Temperaturen von fast 40° Celsius entwickelt und trotz Kühlwesten und spärlicher Cockpit-Bekleidung hatten die Mechpiloten in ihren Maschinen geschwitzt. Noch schlimmer war es den Panzerbesatzungen in ihren schlechter gekühlten Gefährten ergangen. Die allgemeine Erleichterung über den größeren Trinkwasservorrat war deutlich gewesen.
Gegen Mittag war einer der LKW liegen geblieben, hatte sich unglücklich unter einem Felsen verkantet und musste aufwändig befreit werden, was sie zwei wertvolle Stunden gekostet hatte. Reuter war gezwungen, diese Stunden auch als Pause zu nutzen, um wenigstens halbwegs im Zeitplan zu bleiben.
Als sie nach dem anstrengenden Tag wieder Middletown erreicht hatten, war ein Seufzer der Erleichterung durch den Konvoi gegangen. Dieses Gefühl hatte sich schnell wieder gelegt, als Reuter erneut doppelte Wachen einteilen ließ. Schlafend und unaufmerksam bot auch seine Truppe von der Größe der Red Dragon Corporation einer Pirateneinheit ein gutes Ziel.

Und nun war es zwei Stunden nach Mitternacht und Reuter hatte die zweite Wache selber übernommen. Zusammen mit Ohnesorg patroulierte er zwischen den LKW hindurch. Ihre Mechs standen auf Stand-By ganz in der Nähe, sie trugen über ihren Kühlwesten und Shorts Uniformhosen und eine Jacke, um sich in der kühlen Nachtluft nicht zu erkälten. An ihren Gürteln hingen gesichert, aber griffbereit ihre Pistolen.
„Sir, erinnern sie sich an die Geschichte mit der Agentin auf dem Schiff?“, fragte der Sergeant.
Reuter nickte und unterdrückte den Drang, sich eine Zigarette anzustecken. „Aye. Worauf wollen sie hinaus?“
„Ich glaube, wir haben einen der Piraten auf unserer Seite, einen alten Freund von mir.“
„Das Thema hatten wir doch schon zur Genüge, Sergeant. Wenn ihr Freund bei den Piraten ist, ist er auf der falschen Seite und sie sollten nicht zögern, ihn zu erschießen.“
„Aye, Sir“, nickte der Sergeant. Dann setzten sie schweigend ihre Runde fort. Dann fasste Ohnesorg den Major am Arm: „Sir…“
„Ich dachte, das Thema wäre beendet, Sergeant?“
„Ich habe gerade etwas rascheln gehört“, flüsterte der Mann und zog seine Pistole. Reuter zögerte nicht und zog ebenfalls seine Waffe.
Dann hörte er es auch.
Ein Rascheln.
Links.
Hinter ihm.
Er wirbelte herum und ließ sich gleichzeitig zur Seite wegfallen. Als schallgedämpfte Schüsse fielen, hoffte er, dass Ohnesorg genauso klug gewesen war. Dann ging alles furchtbar schnell.
Jemand rief: „Heckenschütze!“ und „Alarm!“, dutzende Soldaten wurden aus ihrem Schlaf gerissen und eilten zu ihren Waffen. Reuter konzentrierte sich auf die Kiste, hinter der er das Rascheln gehört hatte und fand sich auf einen Piraten zielend wieder, den der unverletzte Ohnesorg als Baldurson identifizierte.
Seine beiden Kameraden, die auf Reuter und Ohnesorg geschossen hatten, hatte der Mann selber niedergeschlagen.
Reuter ließ ihn festnehmen, ebenso seine Kumpanen.
„Sergeant Ohnesorg, Hauptmann Drachenklau, Mastersergeant Smith und der Kriegsgefangene Baldurson sofort in mein Quartier!“, befahl er und tatsächlich fanden sich diese Leute nur zwei Minuten später im Schlafraum des Majors ein.
„Ragnar Baldurson, ist das richtig?“
„Ja, Sir!“ Der Gefangene leistete keinen Widerstand, zeigte sich viel mehr sehr kooperativ und die Tatsache, dass er das geplante Attentat auf Reuter vereitelt hatte, sprach auch für ihn. Reuter war geneigt, Ohnesorgs Versicherungen zu glauben.
„Spezialisiert auf geräuschloses Töten, Nahkampf und Kommandoaktionen?“
„Ja, Sir.“
„Liiert mit einer taktischen Offizierin im Dienste der Piraten Gruppe Hook’s Haufen?“
Jetzt wirkte Baldurson überrascht, Reuters Wissen hatte ihn wie ein Hammer getroffen. „Sir, das…“
„Ruhe!“, blaffte der Major. „Sie riskieren ihren Arsch und das Leben ihrer Frau nicht ohne Grund. Was sollen sie?“
„Da raus, Sir. Ich arbeite für diese Bande nur, weil sie meine Frau haben. Ich will einen Deal: Mein Wissen über die Piraten gegen meine Frau!“

Kurze Zeit später waren die Mechs und Panzer der Truppen bemannt und die Männer und Frauen warteten mit höchster Aufmerksamkeit auf die Piraten, die irgendwo im Dunklen anrückten. Nach den Informationen, die Baldurson ihnen gegeben hatte, warteten dort zwei Mechlanzen, eine Panzerlanze und ein kleiner Trupp Infanterie auf sie. Technologisch und wartungstechnisch war die Piratenbande ein Desaster und für eine vorbereitete Truppe kein Problem. Dennoch würde es heiß werden in Middletown und Reuters Leute waren übermüdet und ausgelaugt von drei Tagen Konvoiüberwachung. Und sie hatten noch nie zusammen in einem echten Gefecht gestanden.
Reuter hatte den Bürgermeister des kleinen Ortes informiert und die wenigen Einwohner des Dorfes verbrachten die interessanteste Nacht ihres Lebens bei einer Evakuierung.
Für den Major bedeutete diese Nacht aber mehr. Sollten Baldursons Informationen sich als falsch erweisen, wäre sein Vertrauen in ihn und vor allem in Ohnesorg erschüttert oder sogar völlig zerstört. Unvorstellbar, was ein Verrat der beiden Freunde anrichten konnte.
Trotzdem hatte er sich entschieden, ihnen zu glauben. Er hatte Baldurson unter dem Protest seines Stabes ziehen lassen, um seine Frau zu befreien und den Anführer der Piraten auszuschalten, sollte er nicht mit ihm Gefecht stehen. Und laut Baldurson ging Hook kein Risiko ein und gab seine Kommandos lieber aus sicherer Distanz.
Die Situation entbehrte nicht einer gewissen Ironie. Nicht nur, dass Reuter den Mann auf den Piratenanführer angesetzt hatte, der eigentlich ihn liquidieren sollte, der Störsender in Mandows Mech würde auch jegliche Langstreckenkommunikation unmöglich machen.
Dann tauchten die ersten Kontakte auf seinem Ortungsschirm auf. Die Piraten würden nur zwei aktive Mechs sehen. Reuters Kriegshammer und Ohnesorgs Feuerfalken, die Mechs der Nachtwache. Der Rest der Söldner wartete noch auf das Signal, ihre Maschinen zu starten. Die Red Dragon Corporation war in Middletown in Stellung gegangen, die Dragonclaws lagen in einem nahen Wald, um den Piraten in den Rücken zu fallen und sie einzukesseln.
Reuter hoffte jetzt, dass sich jeder an den Plan hielt. Ein Nachtkampf mit so vielen Unsicherheitsfaktoren konnte sonst schnell zu einem Fiasko werden.
Reuter ließ seinen Kriegshammer einen Schritt nach vorne machen und die Alarmsirenen im Dorf gellten auf. Die Piraten wussten nun, dass man sie gesehen hatte.
Noch trennten 1500 Meter die beiden Truppen voneinander, aber die Distanz schmolz rasch, als der Gegner der Söldner in einen leichten Trab fiel. Scheinbar auf sich gestellt, wichen Reuter und Ohnesorg ein Stück in das Dorf zurück, bis die Piraten auf Feuerdistanz heran waren.

Der Major zog seine Fadenkreuze über einen mehrfach geflickten Kampfschützen, der seinen Kameraden taktisch unklug voranstürmte und wartete, bis die Zielerkennung golden aufleuchtete, während erste Langstreckenraketen des Feindes rings um ihn herum den Boden umpflügten. Dann löste er einen Doppelschlag seiner PPKs aus, der dem Kampfschützen in die breite Brust fuhr und mit verheerender Wirkung Panzerplatten vom Torso der Maschine sprengte.
Das war das Zeichen für den Rest der Truppe, in den Kampf einzugreifen. Rings um Reuter herum erwachte die Red Dragon Corporation zum Leben und stellte sich dem Feind, der nun abbremste und seinerseits langsam zurückwich, als er die Falle erkannte.
Aber als die Dragonclaws ihre Maschinen hochfuhren und die Piraten von hinten angingen, wusste Reuter, dass Flucht nicht mehr möglich war. Er zwang die Piraten, bis zum Letzten zu kämpfen.
Kurz grinste er, als das Adrenalin der Schlacht sich in seinen Adern austobte und er seinen Mech vorwärts zwang, dem Kampfschützen hinterher, der verzweifelt versuchte, aus der Reichweite des schwereren Mechs zu gelangen.
„Reuter als alle Drachen! Lanzenweise formieren! Kommandolanze übernimmt die Mitte, die Kampflanze die linke Flanke und die Panzerlanze die rechte Seite! Auf geht’s!“
Nun brach das absolute Chaos unter den Piraten aus. Blindlings um sich feuernd, versuchten sie nicht einmal, so etwas wie eine Formation einzunehmen.
Breeds Marodeur schob sich neben Reuters Mech und ließ zerstörerisches Waffenfeuer auf den angeschlagenen Gegner niedergehen.
„Prometheus an Draco: Ruhe bewahren! Bei dem Feuer treffen sie gleich Verbündete!“
„Verstanden, Sir!“, meldete sich der Ex-Claner.
Reuter sorgte sich um den Mann. Er war viel zu impulsiv.
Ruhig verfolgte er selbst seine Beute, den mittlerweile schwer angeschlagenen Kampfschützen, mit seinen Waffen, bereit, ihm den Todesstoß zu versetzen. Ein Strom Urangranaten aus einer der großen Autokanonen fraß sich in das Bein des Kriegshammers, konnte ihn aber nicht aus der Ruhe bringen.
Hitze schlug über dem jungen Kommandeur zusammen, als er das Feuer mit seinen beiden schwersten Waffen erwiderte und die azurblauen Blitzschläge aus idealer Distanz im offenen Torso seines Zieles versenkte. Einer der beiden Strahlen musste die Munitionskammer des Mechs getroffen haben, denn der Kampfschütze verging in einer gleißenden Explosion, die ringsum für einen Augenblick die Szenerie taghell erleuchtete.
Reuter bekam flüchtig mit, wie Mandow einen Heuschreck fachgerecht in seine Einzelteile zerlegte und Gerrit Silver die junge Mary O’Sinnead zurückzitieren musste, weil sie übereifrig zu weit vorgeprescht war.
Dann, plötzlich und ohne Vorwarnung, explodierte Ohnesorgs Feuerfalke, als er gerade seine Sprungdüsen gezündet hatte.
„Gaussgeschütz!“, schrie jemand über Funk, während es den mittelschweren Mech in kleine Stücke zerriss. Wie durch ein Wunder blieb lediglich der Kopf intakt und landete holpernd und rollend vor den Füßen von Reuters Kriegshammer.
Ein Gauss-Geschütz. Woher um alles in der Welt nahmen Piraten so kostbare und teure Technik?
Es war Zeit, dieses Gefecht zu beenden. „Prometheus an Ghost: ECM deaktivieren!“
Reuter wechselte auf einen Funkkanal, der alle Frequenzen abdeckte, während er Feuer mit einem Grashüpfer austauschte und gleichzeitig mit seinen Maschinengewehren die Pirateninfanterie von Ohnesorgs Cockpit verjagte: „Hier spricht Major Michael Reuter von der Söldnereinheit Red Dragon Corporation! Hört mir zu, Piraten! Ich gebe euch jetzt die einzige Gelegenheit, euch zu ergeben und damit dem direkten Tod durch standesrechtliche Exekution zu entgehen!“ Ein Bluff, zugegeben, aber in der Tat waren die Piraten rein rechtlich vogelfrei und sie konnten nicht wissen, dass Reuter unnötiges Töten verabscheute. „Wenn ihr die Kämpfe jetzt einstellt, kommt ihr mit dem Leben davon! Fahrt eure Mechs herunter und steigt aus euren Fahrzeugen aus!“ Er unterbrach sich, um mit seinen Maschinengewehren erneut Fußsoldaten der Piraten aufzuscheuchen. „Und legt eure Handfeuerwaffen ab! Dies ist die erste und letzte Aufforderung, danach…“ Er schickte einen PPK-Blitz gegen einen leicht gepanzerten Schweber, um seinen folgenden Worten mehr Gewicht zu verleihen. „…danach seid ihr alle des Todes!“
Reuter schloss die Funkverbindung und richtete seine Waffen wieder auf die Piratenmechs. Wie zwei glühende Speere bohrten seine mittleren Laser sich in die Seite eines mittelschweren Mechs und warfen ihn um, als das Feuer von Smiths Donnerkeil einfiel.
Dann, einer nach dem Anderen, stellten die Piraten das Feuer ein. Erst langsam und dann, als sie merkten, dass ihre Kameraden die Waffen streckten, immer schneller. Ihnen musste klar sein, wie aussichtslos die Lage für sie war.
Der Major nickte grimmig: „Prometheus an alle: Ein Bergungsteam zu Ohnesorgs Cockpit, der Rest kümmert sich um die Entwaffnung und Gefangennahme der Piraten! Hauptmann Drachenklau, sie haben das Kommando. Ich werde mit dem Bürgermeister von Middletown reden müssen.“
In der Tat hatte das kleine Dorf mehr gelitten, als Söldner und Piraten zusammen. Der Mechkampf war nur kurz gewesen, aber dennoch gab es kaum ein Haus, dass unbeschädigt geblieben war, einige lagen komplett in Trümmern, hier und da loderten Feuer. Bei Gefechten in bebautem Gebiet war so etwas leider unvermeidlich. Aber Reuter hatte da schon eine Idee…

Der Tag brach langsam an und die Techs der Söldner, eingeflogen von einem Hubschrauber, den ZagonTrans dankbar angemietet hatte, arbeiteten sich im Licht der Flutlichtscheinwerfer der Mechs über das Schlachtfeld vor.
Reuter hatte die Verluste und Beschädigungen gesichtet und zusammen mit Rima etwas Übersicht über das Chaos gewonnen. Die zerstörten Feindmaschinen würden sie komplett ausweiden und damit die Beschädigungen an ihren eigenen Mechs kompensieren. Die Panzertruppen der Piraten, besser gesagt die Trümmer, die davon übrig waren, boten nicht einmal mehr genügend Ersatzteile, um O’Neills Truppe damit komplett instand zu setzen. Die Panzer würden als Erste auf die eigenen Reserven zurückgreifen müssen.
Geoffrey Koehn war schon in Cap Azur unterwegs, um das ein oder andere vielleicht auf die Schnelle auftreiben zu können.
Reuter seufzte leise, als er den Tross schwerer LKW überschaute, den sie in dieser Nacht verteidigt hatten. Keines der Fahrzeuge war beschädigt, die Entscheidung, die Händler ins Hinterland zu schicken, hatte sich als richtig erwiesen.
Zu den überschweren Mega-Frachtern hatten sich kleinere Fahrzeuge gesellt, eine Leihgabe des Bürgermeisters von Middletown, um das Bergegut abzutransportieren.
„Nehmen sie diese verdammten Lastwagen und schaffen sie mir die Trümmer hier weg!“, hatte er den Major beinahe angeschrien. „Wir wollen hier keine Waffen mehr sehen!“
Davon abgesehen, dass Reuter den Mann verstehen konnte, kamen ihm die Wagen sehr gelegen. ZagonTrans hatte nicht mit einem Überfall in dieser Größe gerechnet und den Söldnern stand laut Kontrakt 75% des Bergeguts zu. Eine satte Prämie für einen so kleinen Kampf.
Nach dem Ausschlachten der Wracks, Ohnesorgs Feuerfalken eingeschlossen, blieben fünf Bergemaschinen zurück:
Da war zum einen der Holländer, dessen Gauss den einzigen Ausfall bei den Drachen verursacht hatte. Sein Kopf fehlte und wenn er ein Gaussgeschütz anschleppte, würde Anja ihm die Wartungskosten dafür wahrscheinlich sehr körperlich vor Augen führen. In Gedanken teilte er diesen Mech schon den 25% von ZagonTrans zu.
Interessanter wurde es bei den anderen Maschinen. Ein Centurion, ein Feuerfalke, ein Brandstifter und der Grashüpfer, mit dem Reuter sich vergangene Nacht duelliert hatte.
Der Brandstifter, in den Augen der beiden Söldnerkommandanten nur nutzloses Spielzeug, würde auch an die Händler gehen. Von den anderen drei Maschinen hatte er Rima eine angeboten. Die Dragonclaws waren kleiner als die Drachen und mit weniger Schaden davongekommen, daher gab sich die Frau mit einem von drei Mechs zufrieden und entschied sich für den Feuerfalken.
Damit blieben seiner Einheit ein alter, aber robuster Centurion, der im Gefecht kaum hatte einstecken müssen, sowie ein gebeutelter Grashüpfer. Einen der Mechs würde Reuter Ohnesorg anbieten, sobald er wieder auf den Beinen war. Die Sanitäter hatten keine bleibenden Schäden vorhergesagt, aber vorsichtshalber war er mit dem Hubschrauber nach Cap Azur geflogen worden, wo man ihn in einem Krankenhaus bis zu ihrem Abflug behandeln würde.
Das Aufräumen des Schlachtfeldes dauerte bis zum späten Vormittag, danach ließ Reuter die Männer und Frauen etwas ausruhen und ordnete dann an, dass die den Bürgern von Middletown bei ihren Reparaturen und Bergungen zur Hand gingen. Das war das Mindeste, was sie tun konnten.
Zumal sie sowieso zu zerschlagen waren, um den Tagesmarsch zum Raumhafen anzutreten.
Später am Tag nahm Reuter Kontakt zu Baldurson auf und schickte jemanden los, um ihn abzuholen. Aber der Kommandosoldat, der seine Waffen und seinen Gefechtspanzer bereitwillig abgab, wurde nicht in die Halle gesperrt, in der die übrigen Piraten gefangen gehalten wurden. Vielmehr verbrachte Reuter eine Stunde damit, mit ihm über die Ausbildung von Infanterie zu reden.
Als Baldurson später wieder zu ihm kam, hatte der Major in Erfahrung gebracht, dass Evangeline, die Frau des Infanteristen, getötet worden war, bevor er hatte eingreifen können.
„Major Reuter?“
Der Kommandant stellte seinen Kaffee auf den Tisch und schenkte dem Hünen seine Aufmerksamkeit, indem er das DataPad mit den Gefechtsschäden beiseite legte.
„Baldurson. Wie geht es ihnen? Es tut mir leid, was mit ihrer Frau passiert ist.“
„Danke. Herr Major, wir hatten keinen besonders guten Start. Können wir von vorne beginnen?“
Reuter setzte sich und deutete auf den Platz ihm gegenüber. „Natürlich. Wollen sie einen Kaffee?“, fragte er, während er schon einen zweiten Becher griff.
„Gerne, danke.“ Baldurson nahm an und gab Milch und Zucker in die schwarzbraune Flüssigkeit. „Herr Major, ich will runter von dieser Kugel. Hier erwartet mich nur Trauer. Ich will in ihre Einheit. Wieder mit Wolfhard dienen.“
„Sergeant Ohnesorg wurde im Gefecht letzte Nacht verwundet.“
„Scheiße. Wie schlimm?“
„Kein Grund zur Sorge. Ihm scheint nicht viel passiert zu sein. Eventuell kann er ein paar Tage keinen Mech steuern, aber sonst geht es ihm den Umständen entsprechend gut.“
„Das ist wenigstens eine gute Nachricht heute.“
Reuter bewunderte insgeheim, wie gefasst der Mann reagiert. Oder war es nur der Schock? „Baldurson, ich könnte sie gebrauchen. Wenn wir mit unserer Arbeit fertig sind und zurück nach Galatea kommen, will ich meine konventionellen Truppen aufstocken. Ich brauche dann jemanden, der Infanterie ausbilden kann. Der in Kommandotaktiken geschult ist.“
„Dann bin ich genau ihr Mann, Sir.“
„Ich weiß. Momentan sind sie allerdings auch ein Risiko, da will ich ehrlich zu ihnen sein. Aber ich nehme sie mit. Als Private. Erst mal. Die Formalitäten regeln wir auf dem Flug, jetzt gibt es genug anderes zu tun.“
„Danke, Sir. Ich weiß das zu schätzen.“
„Kein Grund zur Dankbarkeit“, winkte der Major ab. „Und wenn sie noch etwas auf dem Herzen haben: Wenden sie sich an mich, an den Spieß oder an Ohnesorg, bevor es sie auffrisst.“
Reuter wollte dem Infanteristen folgen, seinen Leuten endlich zum ersten Sieg gratulieren, aber Smith betrat den Raum und wäre beinahe mit ihm zusammengestoßen.
„Oh. Kommen sie doch herein, Mastersergeant!“, forderte Reuter teils überrascht, teils amüsiert auf. „Was kann ich für sie tun?“
„Sir, ich habe ein Anliegen. Ich brauche einen Stellvertreter und eine rechte Hand auf meinem Posten. Ich habe Stabsverpflichtungen, kümmere mich um die Ausbildung, zusätzlich natürlich zu meinen normalen Pflichten als Soldat und Unteroffizier. Sir, ich möchte Sergeant Foxfire oder Sergeant Ohnesorg zur Beförderung vorschlagen, damit einer von ihnen offiziell mein Stellvertreter werden kann. Foxfire ist erfahrener als Ohnesorg, aber Ohnesorg ist unabhängiger von mir. Ich halte aber beide für gute und zuverlässige Soldaten. Die Entscheidung überlasse ich aber ihnen.“
Reuters Stimmung schlug mit dem letzten Satz von Smith um: „Oh, wie rührend großzügig von ihnen, Mastersergeant. Sie überlassen tatsächlich mir die Wahl?“ Er musterte den Spieß kühl. Jetzt war es soweit. Das erste echte Kräftemessen zwischen dem altgedienten Veteranen und dem jungen Chef. „Nebenbei erhoffen sie sich bestimmt noch eine Beförderung, oder?“
„Zum Mastersergeant Senior, Sir, ja“, entgegnete Smith, nun schon etwas ruhiger. „Es wird sich kaum vermeiden lassen.“
Reuter nickte: „Ich sehe ein, dass sie einen Stellvertreter brauchen. Und ich denke, ihr bisheriger, inoffizieller zweiter Mann, Sergeant Foxfire, ist durchaus geeignet für diesen Posten. Aber mir widerstrebt es doch, sie auf eigenen Vorschlag zu befördern.“
Smith wollte etwas erwidern, aber Reuter schnitt ihm mit einer knappen Geste das Wort ab. „Da kommt mir eine Idee. Foxfire wird, wenn er damit einverstanden ist, zum Sergeant Senior auf Zeit ernannt. Bewährt er sich, wird er dauerhaft in diesen Rang eingeführt. Sonst noch etwas?“
„Sir, Lee und Hartmann sind hier, um die Beutemaschinen zu führen.“
„Gut, das entlastet die LKW.“ Reuter erhob sich und umrundete den Schreibtisch. Zeit, wieder Vertrauen zu zeigen. „Begleiten sie mich zu den Gefangenen?“
„Sir?“
„Wir müssen uns überlegen, was wir mit ihnen machen. Ich bin dafür, sie der Obhut der lokalen Justiz zu übergeben. Hauptmann Drachenklau ist in diesem Punkt meiner Meinung.“
Die beiden Männer verließen den Raum und betraten nach kurzem Fußmarsch die Halle, in der die über fünfzig Piraten noch immer auf eine Entscheidung Reuters warteten.
Der junge Major nickte Baldurson zu, der unbewacht abseits der anderen saß. Er hatte die Erlaubnis, sich frei zu bewegen.
„Piraten! Ich habe mich entschieden. Ihr werdet der Justiz von Ballynure übergeben. Polizeitruppen aus Anhey City sind bereits auf dem Weg hierher. Da auf diesem Planeten die Todesstrafe fest im Gesetz verankert ist, bin ich mir sicher, ihr blickt einer wundervollen Zukunft ins Gesicht.“
Die Männer sagten nichts, starrten den Major nur dumpf an. Die Ares-Konventionen verboten zwar das Töten von Kriegsgefangenen ohne Prozess, aber diese Regelungen griffen nicht für Piraten und Banditen. Außerdem wurde ihnen ein Prozess ja nicht verweigert.
Smith starrte den Offizier überrascht an: „Dafür sollte ich sie begleiten?“
„Nein.“ Reuter schüttelte den Kopf. „Für etwas anderes.“ Er hob seine Stimme zu Kasernenhof-Lautstärke: „Kriegsgefangener Baldurson! Vortreten!“
Ragnar Baldurson sprang förmlich auf und nahm Haltung an.
„Stehen sie bequem! Aufgrund ihrer Leistung beim Angriff in der letzten Nacht und ihrem besonderen Verdienst um diesen Einheit entlasse ich sie hiermit aus der Kriegsgefangenschaft!“
Der ehemalige Pirat wirkte nicht besonders überrascht.
Smith schon.
Der junge Kommandant grinste seinen Spieß an: „Was halten sie davon, einen Trupp Kommando-Soldaten in der Einheit zu wissen?“
„Die Idee klingt gar nicht so verkehrt, Sir.“
„Genau! Und zufällig ist ganz in unserer Nähe ein ausgebildeter Infanterist, der solch eine Truppe aufzubauen im Stande wäre. Mister Ragnar Baldurson, sind sie bereit, der Söldnereinheit Red Dragon Corporation die Treue zu schwören, diese Einheit wie ihre Familie zu lieben und zu schützen und in ihren Namen einen Trupp Kommando-Soldaten auszubilden?“
Der Kommando-Soldat nahm wieder Haltung an, salutierte. „Sir, ja, Sir!“, kam die Antwort laut und deutlich.
„Dann übernehme ich sie im Rang eines Private in die Einheit! Fürs Erste teile ich sie unserer bescheidenen Infanterie-Einheit zu und unterstelle sie dem Kommando von Corporal Nürs. Wegtreten!“
Als der Ex-Pirat gegangen war und Reuter und Smith durch das hektische Treiben im Lager schlenderten, meldete der Spieß sich wieder zu Wort: „Meinen sie, dass das klug war, Sir?“
„Ich weiß es nicht. Aber ich bin bereit, dieses Risiko einzugehen. Ich habe gesehen, was dieser Mann kann. Und ich schätze, nachdem er mich hätte töten können, kann ich ihm vertrauen. Das wäre dann auch alles, Mastersergeant, sie können gehen!“
„Aye, Sir!“
Reuter setzte seinen Weg alleine fort und fand schließlich, wonach er gesucht hatte.
Foxfire war zusammen mit Mary O’Sinnead dabei, die Ruinen eines Zivilgebäudes zu durchsuchen und alles zu bergen, was man noch gebrauchen konnte. Die beiden machten erstaunlich viel zusammen, fiel dem Kommandeur auf.
„Sergeant Foxfire, ich muss sie einen Moment stören“, machte Reuter auf sich aufmerksam.
„Sir?“
„Geht schnell. Wenn sie keine Einwände haben, befördere ich sie zum Sergeant Senior auf Zeit. Damit sie auch offiziell der Vertreter vom Spieß sein können. Und wenn sie sich bewehren, dann bekommen sie den Dienstgrad auf Dauer.“
„Wow… also ich meine…“
„Das fasse ich als ja auf. Weitermachen!“
Reuter drehte sich um und ließ den etwas überrumpelten Peter Foxfire, nun Sergeant Senior, zurück. Das letzte, was er hörte, war Mary O’Sinneads: „So schnell kann es gehen! Und übermorgen General!“

18.06.3059
Cap Azur
Ballynure

Als die Kolonne der Söldner endlich wieder in Cap Azur einrückte, mit einem vollen Tag Verspätung, wollte keiner der Männer etwas anderes, als einzuschiffen und endlich von diesem Planeten wegzukommen. Die Bergung war abgeschlossen, die Reparaturen bereits in vollem Gang und das Einschiffen verlief vorbildlich.
Reuter zog die letzte Zigarette aus der Schachtel und schirmte sie mit der Hand ab, um sie anzünden zu können. Als das Nikotin seine Lungen füllte, entspannte er sich etwas und überwachte mit müden Augen die Arbeiten seiner Leute. Die Drachen hatten ihren ersten Kontrakt erfolgreich beendet, ein Erfolg von besonderer Bedeutung. Die Feuertaufe hatten sie überstanden und noch konnten sie von diesem Triumph zehren.
Der Gouverneur des Planeten wollte der Einheit den höchsten planetaren Verdienstorden für die Zerschlagung der Piraten verleihen, aber Reuter war nicht motiviert, sich mit den ganzen elitären Provinzadligen zu treffen, also hatte er Goddard und Smith in ein Flugzeug gesetzt und in die Hauptstadt geschickt. Während ihre Kameraden das Schiff beluden, durften sie Kaviar und Champagner genießen.
Nach dem Empfang und der Ordensverleihung würden man sie dann mit einer Regierungsmaschine zurück zum Raumhafen schicken und sobald die beiden wieder Fuß auf die Byzanz gesetzt hatten, würde es losgehen. Dann würden die Söldner in den Clanraum aufbrechen.
Anja wütete in seiner Nähe und Bruchstücke ihres Geschimpfes drangen an sein Ohr, aber er ignorierte ihre Tiraden einfach. Sie wusste, was sie tat und solange sie ihre ölverschmierten Finger aus seinen Bereichen heraushielt, ließ er sie gewähren.
Seine Gedanken schweiften ab zu einem anderen Problem: Smith und Ohnesorg.
Beide hatten ein Offizierspatent, beide hatten schon Einheiten geführt, die die Drachen an Größe überstiegen – und beide waren auf Unteroffiziersposten ohne realistische Aussicht auf einen weiteren Aufstieg. Sobald ein Offiziersposten frei wurde, würde er einen von ihnen befördern müssen und keinen wollte er von seiner jetzigen Position abziehen, weil sie ihre Arbeit zu gut machten. Er befürchtete, sie nicht ersetzen zu können und ohne fähige Unteroffiziere brachten die besten Kommandanten nichts.
Gerade Smith drängte auf einen Sprung die Karriereleiter hinauf, sein Vorschlag vom Vortag war deutlich genug gewesen und Reuter hätte vielleicht sogar nachgegeben, wenn Smith sein Anliegen nicht so dreist vorgetragen hätte. Seine Ablehnung hatte der Spieß aber mit Sicherheit als Abschiebung aufs Abstellgleis gesehen und auch deswegen hatte Reuter ihn mit auf den Empfang geschickt: um zu zeigen, dass er der eigentlich dritte Mann der Einheit war.
Ohnesorg hatte er auch besucht. Der Sergeant hatte sich für den Grashüpfer als neue Maschine entschieden. Leider würde er eine Zeit ausfallen und damit waren er und Hartmanns Feuerball die beiden Maschinen, auf die er gegen die Jadefalken nicht direkt zurückgreifen können würde.
Im Notfall konnte er Hartmann in den schweren Mech setzen, aber das war wirklich nur ein Notfallplan.
Sheila trat hinter ihn und schlang ihre Arme um seine Hüfte. Seine Gedanken kehrten ins Hier und Jetzt zurück und er trat die runter gebrannte Zigarette aus.
Stürmische Zeiten lagen vor der jungen Einheit und gerade der junge Kommandant würde seinen Wert noch unter Beweis stellen müssen…

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Ama-e-ur-e
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is-o-tures-Tesi is-o-tures-Oro
is-u-tures-Vo-e-e

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