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Zum Ende der Seite springen A Cavaliers Legend
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A Cavaliers Legend Auf diesen Beitrag antworten Zitatantwort auf diesen Beitrag erstellen Diesen Beitrag editieren/löschen Diesen Beitrag einem Moderator melden       Zum Anfang der Seite springen

A Cavaliers Legend
Von Ace

Schweißgebadet fuhr Oberleutnant Zorn Kenderson von seinem Feldbett hoch. Er atmete schwer und sah sich gehetzt um! Doch da war nichts. Kein fünfundsiebzig Tonnen schwerer Mech vom Typ Marodeur, der versuchte, ihn zu zertrampeln, keine Lanze Burke-Panzer, die versuchten, seinen Tomahawk mit ihren Drillings-Partikelprojektorkanonen zu braten und auch das Gesicht von Major Cranston, das zum Totenschädel skelettierte, bevor der Knochen verbrannte, fehlte völlig.
Zorn beugte sich vor und stützte den Kopf auf seinen Handflächen ab. Es war nur ein Traum, machte er sich klar und versuchte, den rasselnden Atem unter Kontrolle zu bringen. Der Marodeur war nicht zurückgekommen, um nun auch noch ihn zu holen. Er hatte den Bastard ein für allemal zur Hölle geschickt. Aber leider war der Kerl da in bester Gesellschaft, denn bis auf ihn und MechKrieger Ventis waren ihm die anderen zehn MechPiloten der Söldnereinheit Cranstons Cavaliers in die Hölle gefolgt.
Aus der Panik, die Zorn aus dem Schlaf geweckt hatte, wurde Wut, aus der Wut schnell Hass. Nein, schlafen würde er heute nicht mehr, das wusste der junge Lyraner. Ein Blick zum Wecker. Achtundzwanzig Uhr vierzehn Minuten Ortszeit, fast Mitternacht. Bald würde der 9. Mai 3043 beginnen, eine der seltenen Gelegenheiten, zu denen der interstellare terranische Kalender und der Kalender von St. Jones übereinstimmten. Zu dieser Zeit würden die Überlebenden des gemischten Bataillons fast alle schlafen - die Glücklichen.
Sofort schämte sich der Offizier bei diesem Gedanken, denn er wusste, dass sich viele in den Schlaf geweint hatten. Sie hatten in den letzten Tagen Freunde und - noch schlimmer - Familienmitglieder verloren. Major Cranston, der Kommandeur war in seinem Feuerfalken gefallen, als sein Mech auf eine Mine getreten war. Ein gegnerischer Infanterist hatte ihm mit einer Inferno-KSR den Rest gegeben. Stu Werner, der InfanterieCommander war ebenfalls tot. Einer der FeindMechs war auf ihn gesprungen, so als hätte der Bastard genau gewusst, wer der einzelne Infanterist mit Sprungtornister war.
Damit war Zorn Kommandeur von dem geworden, was ihre Angreifer von den Cavaliers übrig gelassen hatten. Okay, sie hatten gewonnen, irgendwie, aber Zorn war sich sicher, dass die Einheit sich auflösen würde. Würde müssen. Und das machte ihm Angst, denn dies war seit vier Jahren seine Heimat, hatte ihn auf fünf verschiedene Planeten begleitet und sechshundert Lichtjahre weit durch die Innere Sphäre getragen. Und jetzt sollte das alles vorbei sein... Für diesen Fall hatte die Einheit bei ComStar, dem mystischen Orden der sämtliche Hyperpulsgeneratoren der Inneren Sphäre kontrollierte, ein Konto eingerichtet, das aufgelöst wurde, wenn dieser unmögliche Fall eintrat. Die Versehrten und die Hinterbliebenen sollten daraus eine stattliche Rente beziehen. Schlecht würde es ihnen nicht gehen, aber ihre Heimat, Cranstons Cavaliers, würde verloren sein...
Nein, Schlaf konnte der Oberleutnant nicht mehr finden. Zorn schwang sich aus dem Bett, griff nach der nachtschwarzen Uniformhose. Es war gerade Sommer in dieser Region von St. Jones, also verzichtete er auf die Gefechtsweste und zog nur das alte Hemd vom Vorabend wieder an. Dazu setzte er die schwarze Schirmmütze mit dem goldenen Einheitslogo auf.

Leise verließ er sein Quartier. Im Moment war er zwar der einzige Offizier, der einen der neun Räume des Offizierstrakt bewohnte, aber über ihm schliefen die Zivilisten des Bataillons, und die hatten jede Sekunde Schlaf bitter nötig.
Er verließ das alte Kasernengebäude und spazierte über den Exerzierplatz zu den nahen MechHangars herüber. Sie teilten sich die Kaserne mit einer Einheit der Planetaren Miliz, einer Panzertruppe. Ihr Kommandeur, Captain Jorgenssen hatte ihnen diese Fluchtmöglichkeit geboten, nachdem ihr Auftraggeber, Haus Medice, eines der kleineren Handelshäuser der Mark Capella, Teilstaat des Vereinigten Commonwealth sie nach der Zerschlagung hatte fallen lassen wie eine saure Naranji. Der Captain war ein anständiger Kerl, Zorn wusste das zu schätzen. Eine Einheit, Söldner noch dazu, deren Kampftruppen aufgerieben worden waren, hatte nicht viele Freunde.

Im ersten MechHangar wurde noch gearbeitet. Licht drang aus dem halb geöffneten Haupttor, und immer wieder hallte das Geräusch von Metall auf Metall zu Zorn herüber. Das war natürlich auch eine Möglichkeit, mit dem Schmerz fertig zu werden. Einfach in die Arbeit stürzen, dachte Zorn amüsiert.
Als er den Hangar betrat, der beachtliche zwanzig Meter hoch war, um auch die riesigen hundert Tonnen schweren Monster der SturmMech-Klasse warten zu können, erschauerte er kurz, denn es war immer wieder ein erhebender und erschreckender Anblick zugleich, diese bis zu zwölf Meter hohen Stahlgiganten zu sehen, wie sie in den Wartungsbühnen hingen, als wären sie nur schlafende Riesen, die darauf warteten, wiedererweckt zu werden. Ja, Riesen waren sie, aber ihr Herz war ein Pilot, ein Mensch, der sie steuerte und ihnen seinen Gleichgewichtssinn lieh.
Zorn wusste genau, er hatte hier höchstens einen Augenblick gestanden, aber schon kam MeisterTech Jeannie Crawford zu ihm herüber. Die alte Frau mit den grauen Strähnen im pechschwarzen Haar salutierte vor ihm und rasselte eine knappe Meldung herunter. Liebend gerne hätte Zorn sie mit einem Schulterzucken abgetan, aber das hätte die Moral der Truppe nur noch weiter verschlechtert. Also salutierte er zurück und ließ rühren.
„Ich hätte Sie zu dieser Uhrzeit nicht im Hangar erwartet“, eröffnete Jeannie den inoffiziellen Part.
Zorn grinste matt. „Ich konnte nicht schlafen, und da dachte ich mir: Hey, Zorn, warum siehst du nicht mal nach, wie es deiner Mühle geht? Tja, da bin ich.“
Die MeisterTech grinste wissend. Oh, diese MechKrieger hingen ja alle so an ihren stählernen Riesenbabies. „Wir müssen zwar noch etwas Arbeit investieren, Sir, aber in drei Tagen haben wir Ihren Tomahawk wieder einsatzbereit.“
Zorn nickte wissend. Das entsprach dem täglichen Bericht, den er über den Fortgang der Arbeiten an den Mechs der Cavaliers und der Beutemaschinen bekam. Nebeneinander gingen sie durch den Hangar. Zorn war überrascht, wie viele Menschen um diese Uhrzeit noch an den Mechs arbeiteten. Er erkannte sogar ein paar Gesichter von der Miliz wieder, die sie aufgenommen hatte. „Können auch nicht schlafen, eh?“, meinte er grinsend.
MeisterTech Crawford schüttelte den Kopf. „Nein, Sir. Die Milizionäre haben an den vier Burke-Panzern gearbeitet, die wir ihnen geschenkt haben. Sind heute fertig geworden und wollten noch ein paar Erfahrungen mit Mechs machen, also helfen sie uns.“
„Klingt einleuchtend“, gestand Zorn. Techs mit Kenntnissen über BattleMechs waren in der gesamten Inneren Sphäre fast noch heißer begehrt als die Idioten, die sie steuerten.
„Die Ballista war nicht zu retten. Wir haben sie ausgeschlachtet und alles, was wir verwerten konnten, dazu benutzt, den Feuerfalken vom Major und Ihren Tomahawk auf Vordermann zu bringen. Der Kampfschütze von Leutnant Jenkins ist auch wieder repariert. Die Wespe von Philips war weiter kein Problem, da er durch einen direkten Cockpittreffer getötet wurde. Wir konnten das Cockpit von Ventis´ Wespe wieder verwenden, da war ja nur der Kopf einigermaßen heil geblieben. Aber wir haben ein paar Überraschungen für Sie, Sir. Eigentlich wollte ich es Ihnen erst Morgen sagen, aber wenn Sie schon mal hier sind...“ Crawford winkte ihn tiefer in den Hangar. In einem Gerüst, etwas abseits stand der Marodeur, den er abgeschossen hatte. Aber er wirkte anders, irgendwie neu.
„Wir haben das Mistding wieder einigermaßen hinbekommen, Sir. Im rechtem Arm konnten wir das Ursprungsprinzip von einem Mittelschweren Laser, der mit einer PPK kombiniert ist, leider nicht aufrecht erhalten und haben stattdessen für die zerstörte PPK eine Leichte achtziger Autokanone eingebaut. Hat leider nur zwanzig Salven, aber stellen Sie sich mal die Überraschung vor, wenn da einer auf `n Marodeur trifft, der zwei Autokanonen hat. Wir haben die A-Kanone natürlich auf panzerbrechende Muni eingestellt, als Nahkampffaktor sozusagen.“
Zorn war fasziniert. Beim Hinterhalt, in den dieser Medice-Bastard sie geführt hatte, war dieses Monster über sie hergefallen wie der grimmige Schnitter persönlich. Zusammen mit seinen drei schweren Kollegen, dem Kampftitan und den beiden Kreuzrittern hatte er blutige Ernte unter ihnen gehalten, bis Zorn ihn mit der Titanstahlaxt die dem Tomahawk den Namen gab, das Cockpit ausradiert hatte. Aber jetzt schien es, als... Als warte dieses Monster auf einen neuen Herrn.
„Wir haben uns gedacht, Sir, dass Sie dieses kleine Schmuckstück steuern wollen.“
Zorn trat näher an den riesigen Mech heran. Der krabbenartige Koloss lauerte in Hockstellung in seinem Gerüst. Es sah so aus, als wäre er jederzeit bereit zum Sprung.
Crawford deutete unter das Cockpit. Dort war das Einheitszeichen von Cranstons Cavaliers angebracht. Direkt daneben standen sein Name und Rang.
Zorn schüttelte den Kopf. „Verdammt, Jeannie, Sie wissen doch, dass die Einheit am Ende ist! Wir haben nur noch zwei MechKrieger und zwei Züge von der Infanterie. Wir werden uns auflösen müssen und die meisten Mechs verkaufen. Es wäre nicht richtig von mir, wenn ich jetzt aufstehe und sage, dass ich den wertvollsten Mech für mich beanspruche.“ Nervös scharrte der Oberleutnant mit den Füßen. Irgendwie misstraute er seinen eigenen Worten. Es war... ja, er wollte in diesen verdammten Mech reinkriechen und sich das Ding mal von innen ansehen. Das konnte doch nichts schaden. „Äh, aber vielleicht sehe ich ihn mir mal an.“
Zorn ergriff die Strickleiter, die vom Cockpit herabhing und hangelte sich die Maschine hinauf. Crawfords Grinsen konnte er bis in sechs Meter Höhe spüren, ohne es zu sehen.
Zorn kletterte ins Cockpit und setzte sich auf die Pilotenliege. Er umklammerte die beiden Sticks der MechSteuerung und bewegte sie wahllos hin und her. Fühlte sich gut an, irgendwie. Mehr Platz hatte er hier auch als in seinem Tomahawk. Bestimmt konnte er zwei Leute auf Notsitzen mitnehmen, wenn es sein musste.
Aber nein, er durfte nicht einmal daran denken. Dieses Baby war ein sehr wertvolles Beutestück und würde einen verdammt guten Preis einbringen. Das bedeutete eine höhere Abfindung für die Hinterbliebenen. Zorn nahm den schweren Neurohelm aus der Halterung über seinem Kopf und legte ihn an. Es war ein allzu vertrautes Gefühl, das Gewicht noch durch die weichen Polsterungen auf der Schulter zu spüren. Neben ihm hing eine einsatzbereite Kühlweste. Diese kleinen Dinger legten MechPiloten an, um zu verhindern, dass die Abwärme der eigenen und die Treffer der gegnerischen Waffen den MechPiloten brieten. Schon oft war ein Mechkampf entschieden worden, weil der Pilot ausgefallen war.
Hey, auf der Weste stand ja sein Name! Es schien, als wäre alles für ihn bereitet, als wolle der Mech jederzeit mit ihm losziehen. Oh, hätte er nur etwas früher schon in diesem Monster gesessen, dann wäre all das nicht passiert.
Wütend hieb Zorn auf die Konsole vor sich. Das waren die ersten Anzeichen für eine gewaltige Schuldneurose. Nicht mehr lange, und er würde jeden Morgen mit dem Gedanken erwachen, dass er Schuld am Tod seiner Kameraden war. Dass er nur hätte mehr tun müssen, um sie alle zu retten. Kein erstrebenswertes Ziel.
Der junge MechKrieger hielt sich die schmerzende Faust. Er konnte seine Kameraden, seine Freunde nicht mehr zurückholen. Er konnte nur gut für ihre Angehörigen sorgen und ihren Tod rächen.
Es war ein automatischer Reflex, mit dem er den Neurohelm von der Schulter hob und in die Halterung einrastete. Zorn kletterte wieder aus dem Cockpit heraus und tätschelte die Stelle der Panzerung, an der sein Name stand.

„Und, Sir?“, fragte Jeannie erwartungsvoll.
Zorn wusste, was sie meinte. Wie sollte es nun weitergehen?
Erst wollte er mit den Schultern zucken, etwas Unverbindliches sagen, aber unter seiner Linken fühlte er die kalte Panzerung des mächtigen Marodeurs. Er musste lächeln. „Morgen ist auch noch ein Tag, MeisterTech.“
Die ältere Frau erwiderte das Lächeln zögerlich. „Ja, Sir. Morgen ist auch noch ein Tag.“
***
Zorn verließ den MechHangar und spürte die klare, kühle Nachtluft auf seinem Gesicht. Welche Optionen hatten sie? Zurück nach Outreach und die Einheit nachrüsten? Oder hier in der Peripherie neue Leute anwerben? Immerhin hatten sie nun ein paar freie Mechs, und gute Piloten waren zwar selten, aber nicht unmöglich zu finden. Vielleicht konnten sie auch ein paar Leute für die eroberten Burkes bekommen. Die Hauptwaffe des Panzers, eine Dreifache PPK, war gerade gegen Mechs sehr erfolgreich, wie er am eigenen Leib hatte erfahren müssen.
Irritiert stellte Zorn Kenderson fest, dass er mit keinem Gedanken mehr daran dachte, die Einheit aufzulösen. Und dass er mittlerweile vor der Tür stand, die direkt in sein provisorisches Büro führte.
Na, wenn er schon mal hier war, konnte er sich auch gleich an die Arbeit machen, dachte er. Aber als er in sein Büro trat und nach dem Lichtschalter griff, ermahnte ihn eine matte Stimme: „Lassen Sie das verdammte Licht aus, Herr Oberleutnant.“
Zorn erstarrte mitten in der Bewegung. Er kannte diese Stimme mehr als genau. Sie gehörte dem Bastard, der sie alle mitten in die Falle geführt hatte.
„Tun Sie das nicht, Kenderson. Ich habe ein Nachtsichtgerät. Bevor sie sich auch nur bewegen, habe ich Sie bereits erschossen.“ Um die Worte zu unterstreichen hörte er neben sich an der Wand ein leises Prasseln. Etwas Scharfes streifte seinen Oberarm und riss eine Wunde hinein. Flechetten aus Hartplastik. Eine lautlose und extrem tödliche Waffe. Zorn hatte schon ein paar Flechettenwunden gesehen, und eine war schlimmer als die andere gewesen.
Für einen Moment kämpfte er mit seinem Zorn - wie süß, ein Wortspiel - und rang ihn nieder. Wenn Clark Duvalle ihn hätte töten wollen, dann würde er jetzt nur noch aus einem großen Haufen zerschnetzelter Muskeln bestehen. Also wollte der ehemalige Verbindungsoffizier von Haus Medice etwas von ihm.
„Setzen Sie sich doch. Der Sessel ist direkt vor Ihnen, Zorn. Ich darf Sie doch Zorn nennen?“
Der Oberleutnant setzte sich und behielt seine Hände dort, wo Duvalle sie sehen konnte. „Ich bin im Moment nicht in der Lage, Ihnen irgendwas zu verbieten, Duvalle. Oder muss ich Sie Clark nennen?“
Ein unterdrücktes Husten war die Antwort. „Bringen Sie mich nicht zum lachen, Zorn!“
War der Kerl verletzt? Sicher, er verdiente jeden Schmerz, den diese Welt ihm bereiten konnte, und den Schmerz von tausend Welten noch dazu, aber was trieb ihn mitten ins Lager derjenigen, die wegen seines Verrats vernichtet worden waren?
„Sie würden mich gerne tot sehen, nicht? Und am liebsten würden Sie mich gerne persönlich töten, ist es nicht so? Ich kann es Ihnen nicht einmal verdenken, Zorn. Immerhin habe ich Sie in die Falle geführt. Aber wenn es Sie beruhigt, es war nur ein Job, nichts persönliches.“
„Nur ein Job!“ presste Zorn zwischen den Zähnen hervor.
„Ja, nur ein Job. Und ich habe ihn auch noch falsch ausgeführt.“
Zorn hörte die plötzliche Hoffnungslosigkeit in der Stimme des Mannes, den er seit zwei Wochen hasste, wie nichts sonst in der Inneren Sphäre. Selbst der Hass vom legendären General Alekzandr Kerensky auf den Usurpator Stefan Amaris konnte nicht so heiß gebrannt haben wie sein eigener Hass. Nun, nicht, dass der Hass plötzlich versiegt war oder nachließ, aber Zorn stellte ihn zurück. Irgendwie wusste er, dass die Unterhaltung mit Duvalle interessant werden würde - falls er sie überlebte.

„Sie wollen wissen, wie ich das meine, nicht? Okay, ich werde es Ihnen erklären. Was Sie wissen ist, dass ich Verbindungsoffizier vom Handelshaus Medice bin. Ich wurde Ihrer Einheit zugeteilt und habe Sie in einen Hinterhalt im Beregost-Wald geführt. Dabei wurde sie beinahe ausradiert.“
Zorn knurrte leise. Daran brauchte er nicht erinnert zu werden.
„Was Sie nicht wissen, ist, dass ich keine Ahnung vom Hinterhalt hatte. In den Anweisungen, die mir Vicomte Medice zukommen ließ, hatte es geheißen, dass ich Ihre Einheit vom Handelsposten fortführen sollte. Anschließend wollte der Vicomte mit einer anderen Söldnereinheit die Handelsstation plündern. Es sollte nur ein Versicherungsbetrug werden. Ab und an machen die Medice so was eben.“ Duvalle hustete. Es klang erbärmlich. „Leider war das nicht mein einziger Irrtum. Nach der Schlacht konnte ich meinen Kreuzritter mit Hilfe der überlebenden Infanterietruppen durch den Wald in Sicherheit bringen und ins Lager der Piraten schaffen. Dort empfing mich niemand anderes als Vicomte Janard Medice. Er hatte den Einsatz geleitet. Aber Ziel war es eigentlich gewesen, alle Cavaliers abzuschlachten, so dass sie keine Bedrohung für die Operation auf St. Jones mehr sind.“
„Das ist ihnen vortrefflich gelungen. Es gibt keine Cavaliers mehr“, murmelte Zorn leise.
Wieder lachte sein Gegenüber. Ein Hustenanfall folgte. Duvalle fluchte unterdrückt. „Sie verstehen nicht! Die ganze Einheit sollte ausgelöscht werden! Alle, Männer, Frauen und die Kinder. Egal, ob Krieger oder Zivilist. Es sollte wirklich niemand mehr übrig bleiben, der Janards Pläne bedrohen könnte. Und Cranstons Cavaliers sind eine solche Bedrohung.“
„Warum sollte die Einheit ausgelöscht werden? Was ist den Medice so viele Tote wert? Wieso haben sie uns nicht einfach befohlen, den Planeten zu verlassen? Wir stehen bei ihnen im Sold.“
Duvalle grunzte unwillig. „Wenn es nach dem Rat des Handelshauses geht, dann würden Cranstons Cavaliers immer noch den Handelsstützpunkt bewachen. Janard Medice handelt nicht im Interesse seines Hauses. Er kocht sein eigenes Süppchen. Dabei wären ihm ein paar zusätzliche Mechs sehr hilfreich gewesen.“
Zorn stutzte. „Sie meinen unsere Mechs.“
„Stimmt. Hätten seine Piraten im Wald gesiegt, dann wären alle Mechs an ihn gefallen. Vier oder fünf hätte man sicherlich noch zusammenflicken können.“
„Aber wieso? Entschuldigen Sie, aber ich sehe keine Logik in diesem Vorgehen.“
„Wissen Sie, was ein Brian-Kastell ist?“, fragte Duvalle unvermittelt.
Zorn war überrascht und antwortete automatisch. „Es ist eine Art Depot aus der Zeit des Sternenbundes. Die meisten waren mit Vorräten der Sternenbund-Verteidigungsstreitkräfte gefüllt. Sie wurden fast alle von Alekzandr Kerensky für den Exodus seiner Armee aus der Inneren Sphäre oder von den Hausfürsten im Ersten Nachfolgekrieg geplündert oder zerstört. Aber angeblich findet man noch vereinzelte Kastelle irgendwo in der Inneren Sphäre. Die Gray Death Legion hat so ein Depot `26 auf der Marik-Welt Helm gefunden.“
Zorn konnte fast körperlich spüren, dass sein Gegenüber nun breit grinste. „Können Sie sich vorstellen, dass es auf St. Jones ein solches Nachschubdepot gibt? Angefüllt mit Materialien, um zwei Bataillone BattleMechs zu warten? Wissen Sie, was das für ein Vermögen ist?“
Zorn Kenderson stockte der Atem. Er hatte diese Worte erwartet, trotzdem ließen sie ihn erschauern. „Jede Menge harter C-Noten.“
„Nicht nur das. Es bedeutet Macht, unglaubliche Macht. Der Vicomte verfügt über Hinweise, dass sich in diesem Depot auch eine Kompanie BattleMechs befinden soll! Mechs aus den Zeiten des Sternenbunds. Brandneu vom Fließband und nicht einmal gebraucht. Nicht so lädiert und tausendmal geflickt wie die Maschinen, die ansonsten in der Inneren Sphäre verwendet werden, Zorn! Diese Mechs wiegen locker ein ganzes Bataillon herkömmlicher Mechs auf. Und mit den Versorgungsgütern werden sie das eine lange Zeit.“
„Was hat der Vicomte mit den Mechs vor, Duvalle?“
Wieder lachte der andere, hässlich diesmal und kein Hustenanfall unterbrach ihn. „Was wohl? Er will eine Armee aufstellen. Dieses Depot ist nicht das einzige in seinen Unterlagen. Ich selbst habe Pläne von vier weiteren Depots auf anderen Planeten gesehen. Stellen Sie sich vor, was in diesen Depots auf den Finder wartet. Man könnte ein Bataillon mit diesen Mechs aufstellen, vielleicht sogar ein Regiment. Können Sie sich vorstellen, wie kampfstark dieses Regiment wäre? Keine Hauseinheit hätte eine Chance gegen diese Streitmacht. Die meisten Söldner oder Piraten sowieso nicht.“
„Was hat er vor?“, meinte Zorn spöttisch. „Will er New Avalon erobern und neuer Archon-Prinz des Vereinigten Commonwealth werden?“
„So weit reichen seine Pläne wohl nicht, hoffe ich. Ich glaube, für den Anfang stehen nur die Außenweltallianz und ein paar Banditenkönigreiche auf seinem Programm. Danach vielleicht das Tauruskonkordat und anschließend die Konföderation Capella, etwas in der Art.“
Wieder fuhr ein eiskalter Schauer über Zorns Rücken. Kein Wunder, dass der Vicomte dabei nicht hatte gestört werden wollen. Wenn jedes Brian-Kastell so ergiebig war wie dieses auf St. Jones, hatte der Vicomte die Macht, einen oder zwei seiner Pläne durchzusetzen. Vor ein paar Jahrzehnten war ja mal ein Hauptmann der Steiner-Haustruppen mit seiner Kompanie in den kernwärtigen Bereich der Peripherie geflohen und hatte dort sein eigenes Königreich aufgezogen. Was konnte man erst mit den Machtmitteln aus den Depots erreichen?
„Sie haben seine Pläne ganz schön durcheinander gewirbelt, Zorn. Eigentlich hätten alle MechKrieger in der Falle sterben sollen. Und es war bestimmt nicht geplant, dass alle sieben Angreifer-Mechs vernichtet werden, von den zwölf Panzern mal ganz abgesehen. Jetzt hat er nur noch meinen Kreuzritter und seinen eigenen Mech, einen Victor. Aber er hat noch vier entrechtete Piloten, die nichts lieber täten, als in den nächst besten Mech zu steigen, um zu beenden, was sie angefangen haben.“
„Sobald er das Depot gefunden hat, ist meine Einheit also in tödlicher Gefahr.“
„Ihre Einheit und jeder Mensch auf dieser Welt, der erzählen kann, was der Vicomte hier gefunden hat. Wenn er hier fertig ist, wird das Kentares-Massaker oder die Zerstörung der Stadt Tiantan im Sirius-System aussehen wie ein zweitklassiger Mord.“
„Verstehe. Und deshalb sind Sie desertiert, Duvalle?“
„Nein, nicht nur deswegen. Er hat herausgefunden, wer ich wirklich bin. Ich konnte mich gerade noch mit einem Savannah Master absetzen.“
`Und dabei wurdest du verletzt, Bastard,´ dachte Zorn. „Und wer sind Sie? SEKURA, ISA, ROM, MI6, LOKI, MASKIROVKA?“, zählte er die wichtigsten Geheimdienste der Inneren Sphäre auf.
„Nein, weder noch. Ich bin Agent der Versicherung, die alle Besitztümer Haus Medices im Vereinigten Commonwealth versichert hat. Die Medices, genauer gesagt, Vicomte Medice hat in den letzten Jahren eine Menge Schadensfälle geltend gemacht. Ich wurde eingeschleust, um herauszufinden, ob er die Versicherung betrügt.
Und ob er das tut. Er braucht schließlich Geld und Material für sein Abenteuer.“
„Wir sollten den nächsten Stützpunkt der Vereinigten Commonwealth-Streitkräfte kontaktieren und ihnen sagen, was hier abgeht.“
„Das sollten wir. Aber bis die hier sind hat er sein Ziel sicher schon erreicht, und hier gibt es nur noch Tote.“
„Verstehe. Was schlagen Sie vor? Sollen wir ihm zuvor kommen und das Depot selbst ausräumen?“
„Ich sehe, wir verstehen uns.“ Auf der Oberfläche des Schreibtischs wurde etwas verschoben. Zorn beugte sich vor und erkannte eine Karte. Am Rand klebte Blut.
„Und mit seiner eigenen Schatzkarte sind wir ihm gegenüber im Vorteil.“
„Hm“, machte Zorn. „Das klingt alles recht gut. Aber was garantiert mir, dass das hier keine Falle ist, um auch den Rest der Einheit auszulöschen? Verstehen Sie mich nicht falsch, Duvalle, ich will Ihnen ja glauben, aber ich brauche einen Beweis. Für den Anfang genügt mir schon eine Legitimation Ihrer Versicherung.“
Eine Plastikkarte rutschte heran und blieb vor Zorn liegen. Trotz der Dunkelheit konnte er das Logo der New Avalon General-Versicherungen erkennen. Daneben prangte ein dreidimensionales Bild von Duvalle. „Hm, gut. Und was jetzt?“
„Sie sollten sich darauf vorbereiten, dass der Vicomte versucht, die Karte wiederzubekommen. Oder er versucht, eher als wir beim Depot zu sein. Sicher weiß er noch, wo das Depot liegt, auch wenn er aus Sicherheitsgründen nur diese eine Karte hatte.
Und wenn es Ihnen nichts ausmacht, hätte ich gerne einen Arzt.“
Wieder rutschte etwas über den Schreibtisch. Es war der Nadler.
„Okay, ich glaube Ihnen. Vorerst.“ Zorn nahm den Nadler an sich, schwang sich aus dem Sessel und aktivierte das Licht. Duvalle bot einen grauenhaften Anblick. Sein linker Arm war blutüberströmt, Zorn konnte eine tiefe Fleischwunde im Bizeps ausmachen. Sein Gesicht war von einer dicken Kruste getrockneten Blutes bedeckt. Mit einer unendlich müden Bewegung nahm er das Nachtsichtgerät ab und ließ es in seinen Schoß fallen. Seine Augen sahen ihn hoffnungslos an, die Gesichtshaut war eingefallen und gräulich.
Der Oberleutnant kam um den Schreibtisch herum und aktivierte sein Komm-Gerät. Zuerst ließ er sich mit dem Lazarett verbinden. „Hier Kenderson. Schicken Sie sofort den Sanitäter vom Dienst mit Erster Hilfe-Ausrüstung in mein Büro. Und wecken Sie den Arzt. Ich habe hier einen Mann mit hohem Blutverlust und einer ziemlich gemeinen Armwunde.“
Er wartete die Bestätigung gar nicht erst ab und kontaktierte Leutnant Muller, den ranghöchsten Infanterie-Offizier. „Kommen Sie sofort in mein Büro und bringen Sie ein Team mit Standart-Bewaffnung mit.“
Kruger blinzelte ihn aus schwarzgeränderten Augen an. „Jawohl, Sir.“ Plötzlich riss der Jüngere die Augen auf. „Ist das nicht Duvalle bei Ihnen? Wie haben Sie den denn gefangen?“
„Er ist freiwillig hier. Ich möchte, dass Ihr Team ihn vor unseren Kameraden beschützt.“
„Was? Aber Sir“, begehrte der Infanterist auf. „Das ist Duvalle! Die Ratte, die uns verraten hat!“
„Die Situation hat sich geändert, verstehen Sie? Er wurde genauso wie wir hereingelegt. Und ich möchte die Gelegenheit haben, das den Cavaliers zu erklären. Ich möchte das nicht unbedingt während seiner Grabrede tun müssen.“
„Ja, Sir. Verstanden. Aber ich will hoffen, dass es eine wirklich gute Erklärung ist.“
Der Schirm erlosch, und Zorn hoffte, dass der Mann sich beherrschen konnte und ihm glaubte.
Der nächste Anruf verband ihn mit ComStar, der halbreligiösen Gesellschaft, die den gesamten interstellaren Funkverkehr unter sich hatte. Sein Gegenüber, eine Akoluthin, verneigte sich und sagte: „Blakes Segen über Sie, Oberleutnant Kenderson. Was kann das Erbe des seligen Blakes heute für Sie tun?“
„Ich möchte, dass Sie eine Nachricht nach New Avalon aufnehmen. Empfänger ist das Hauptquartier der Vereinigten Commonwealth-Streitkräfte. Der Text lautet: Piraten sind auf St. Jones gelandet und versuchen, ein Brian-Kastell zu finden. Die Möglichkeit besteht, dass die Zivilbevölkerung eliminiert werden soll, um die Spuren der Piraten zu verwischen. Gezeichnet: Oberleutnant Zorn Kenderson, Kendersons Cavaliers, vormals Cranstons Cavaliers.
Den Betrag buchen Sie bitte vom Konto der Einheit ab. Die Nachricht muss mit Priorität versendet werden, am besten sofort.“
„Ich danke Ihnen für den Auftrag, Herr Oberleutnant. Die Nachricht geht noch in dieser Nacht raus. Ich...“ Eine Sirene übertönte die Akoluthin. Verwirrt sah sie auf. Ein Adept lief an ihr vorbei. Sie hielt ihn an seiner Kutte fest. Er rief ihr hastig ein paar Worte zu, die der Akoluthin nicht besonders zu gefallen schienen. Im Hintergrund ertönte plötzlich eine Explosion. Entsetzt sah die Frau Kenderson an. Ihre Lippen formten Worte, die er schon viel zu oft gehört hatte: Wir werden angegriffen!
Kurz darauf ging die Sirene der Kaserne los. Die ComStar-Vertretung auf St. Jones verfügte über keine Schutztruppe, sie war einfach zu klein. Deshalb übernahm die Miliz diesen Job mit.
„Na? Medice will wirklich ComStar angreifen?“, murmelte Duvalle erschöpft. „Er ist verrückt genug dafür.“
Zorn löschte die Verbindung und kontaktierte den MechHangar. „Keine Zeit für Fragen! Machen Sie den Marodeur klar und stecken Sie Ventis in den Feuerfalken. Und bemannen Sie irgendwie die Panzer. Verstanden, MeisterTech?“
Jeannie Crawford nickte knapp.
Etwa gleichzeitig trafen der Sani und Leutnant Kruger ein. Zorn hatte sich schon bis auf Stiefel und Shorts entkleidet und war gerade dabei, das Waffenholster mit seiner Autopistole umzulegen und sich die Kühlweste überzuwerfen. „Kruger, beschützen Sie diesen Mann mit ihrem Leben. Wenn ich wiederkomme, und er ist tot, werde ich Sie standrechtlich erschießen lassen. Und wenn ich es persönlich machen muss, ist es mir auch recht. Verstehen wir uns?“
„Ja, Sir“, brummte der Infanterist, völlig überrascht von Kendersons harten Worten.
„Falls es Sie beruhigt, unsere Piraten sind zurück. Duvalle war gerade dabei, mich davor zu warnen. Im Moment greifen sie ComStar an, und wer das tut, ist verrückt genug, auch diese Milizkaserne anzugreifen. Ach, Kruger, achten Sie trotzdem darauf, dass er keinen Unsinn anstellt.“
Das schien den Infanteristen einigermaßen zu versöhnen. „Ja, Sir.“
„Und bewachen Sie diese Karte!“, rief Zorn, drückte die blutbefleckte Folie in Mullers Hände und eilte hinaus.
Der Sanitäter legte einen Druckverband an und gab Duvalle eine erste Infusion mit einer Kochsalzlösung, um den Blutverlust auszugleichen.

Zorn Kenderson schloss die Kühlweste im Laufen und sprintete zum MechHangar. Auf halbem Weg stieß Nedra Ventis zu ihm. Auch sie trug ihre Cockpit-Uniform, Shorts, Stiefel und Kühlweste. Ihr Busen blitzte beim Laufen unter der Weste hervor, aber Zorn hatte weder Zeit noch Interesse, darauf zu achten.
„Was gibt es, Sir?“, fragte sie im Laufen.
„ComStar wird angegriffen. Von den gleichen Leuten, die uns vernichten wollten. Ich nehme den Marodeur. Der ist heute fertig geworden. Nehmen Sie den Feuerfalken, der ist schnell und nicht munitionsabhängig. Außerdem ist er sprungfähig.“
„Verstanden, Sir.“
Sie sprinteten in den Hangar hinein. Die Techs wuselten um die beiden Mechs und um die gefechtsbereiten Panzer. MeisterTech Crawford drückte den beiden Kriegern eine Keycard in die Hand, mit der sie das Sicherheitssystem der Mechs auf sich eichen konnten. Zorn hatte keine Zeit, sich großartig damit zu befassen. Er erklomm das Cockpit des Marodeurs in Rekordzeit, warf sich hinein und schloss die Kanzel. Mit Bewegungen, die ihm bereits in Fleisch und Blut übergegangen waren, stöpselte er seine Kühlweste an den Kühlkreislauf des Mechs an, klebte sich die Sensorpflaster an Knöchel und Arme, setzte den schweren Neurohelm auf und aktivierte den Bordcomputer. Die Card überbrückte die eingebauten Sicherheitssysteme.
„Erstbenutzung dieses BattleMechs“, säuselte der Bordcomputer. „Bitte legitimieren Sie sich und geben Sie eine individuelle Erkennung ein!“
„Zorn Kenderson, Oberleutnant.“ Ein kleines Piepen zeigte an, dass der Computer akzeptiert hatte. „Kennung: Trag mich in die Schlacht, Schrottmühle!“
„Verifiziert“, meldete der Computer. Die Systeme fuhren hoch, das Metallmonster erwachte zum Leben. Zu einem sehr tödlichen Leben, dachte Zorn grimmig.
Er aktivierte die Funkverbindung zu seiner Einheit. „Hier Kenderson. Ventris und ich rücken aus, um ComStar beizustehen. Ich will, dass Ihr die Panzer bemannt und bereithaltet, falls die Piraten die Kaserne attackieren. Außerdem sollen Infanteriemelder in einem Radius von drei Klicks Beobachtungsposten einrichten, damit ihr nicht überrascht werdet. Ich gehe jetzt in ein paar Ärsche treten!“
„Viel Glück, Sir“, hörte er MeisterTech Crawford sagen.
Zorn bewegte seinen Mech aus dem Wartungsgestell heraus. Drei Plätze weiter regte sich der Feuerfalke der Einheit. „Ventis, Sie übernehmen die rechte Seite. Schlagen Sie schnell und hart zu und überlassen Sie mir den Rest. Ich rechne mit zwei gegnerischen Mechs, einem achtzig Tonnen schweren Victor und einem sechzig Tonnen schweren Kreuzritter.“
Schnell hatte er den Marodeur auf Laufgeschwindigkeit. Neben ihm brach Ventis aus und übernahm die Führung. Ihr Feuerfalke wog nur fünfundvierzig Tonnen und war brandschnell.
„Verstanden, Sir. Das wird ein heißer Tanz.“
„Und ob“, brummte Zorn. „Vergessen Sie nicht, der Feind hat mindestens zwanzig Tonnen mehr Gewicht als wir. Es reicht vorerst, wenn wir ihn vertreiben, abschießen können wir ihn später noch.“
Die ComStar-Vertretung war in der nahen Stadt aufgestellt. Das war ein Marschweg von sechs Kilometern. In der Dunkelheit sah Zorn die Mündungsblitze einer wirklich schweren Autokanone.
„Warum greifen sie bloß ComStar an? Die sind doch neutral“, rief Ventis.
„Damit wir keine Möglichkeit haben, Hilfe zu rufen. Ich hoffe, wir sind nicht zu spät!“ Zorn aktivierte die Magnetbandortung und verifizierte zwei große Metallanhäufungen nahe der Vertretung. Ventis´ Mech ging auf Höchstgeschwindigkeit. Sie würde die beiden FeindMechs attackieren und dann stiften gehen. Anschließend war es an ihm, aufzuwischen. Zwei Klicks. Anderthalb.
Aus dem Gelände der ComStar-Vertretung blitzte es auf, als Kurzstreckenraketen abgefeuert wurden. Eine der Metallanhäufungen, die sein Computer mittlerweile als Kreuzritter identifiziert hatte, wurde schwer getroffen und schüttelte sich. Als Antwort feuerte er eine volle Salve seiner beiden KSR-Raketenlafetten ab. Sie pflügten den halben Vorplatz um.
Inzwischen hatte Ventis Waffenreichweite erreicht. „Sie haben keine Transponder, Sir“, meldete sie. Typisch für Piraten. Normalerweise identifizierte sich jeder BattleMech und jedes Fahrzeug durch einen permanenten Funkimpuls, in dem er seine Truppenzugehörigkeit darlegte. Das half im Schlachtgetümmel, keine alliierten Einheiten zu treffen. Piraten legten verständlicherweise keinen besonders großen Wert darauf, identifiziert zu werden.
„Ich greife jetzt den Victor an“, rief Ventis und feuerte ihren Schweren Laser ab, den ihr humanoider Mech wie eine Pistole in der rechten Hand hielt. Der Waffenstrahl war gut gezielt und traf selbst über die Distanz von über dreihundert Meter sicher das Ziel, den Torso des fünfunddreißig Tonnen schwereren Mechs. Der drehte sich im Torso und richtete den rechten Arm mit der schweren Autokanone auf den heranjagenden Feuerfalken. Einen direkten Treffer mit dieser Monsterwaffe würde der dünnen Panzerung des Cavaliers-Mechs gar nicht schmecken, doch Ventis wusste das. Als es drüben aufblitzte, trat sie in die Pedale ihrer Sprungdüsen und wich dem tödlichen Strom panzerbrechender Urangranaten aus. Wieder feuerte sie ihre Hauptwaffe ab, dazu zwei mittelschwere Laser, die in ihrem linken Arm montiert waren. Alle drei trafen und rissen laut Zorns Computer fast eine halbe Tonne Panzerung vom rechten Arm des Sturm-Mechs. Soweit, so gut. Leider würde der Einsatz der Sprungdüsen sowie die Hitze der abgefeuerten Laser die Abwärme ihres Feuerfalken weit genug in die Höhe getrieben haben, um den Fusionsreaktor ihres Mechs bis an die Kernschmelze zu treiben. Wieder feuerte der Victor seine Autokanone ab. Ventis warf ihren Mech herum, konnte aber nicht verhindern, dass ein Teil der Granaten ihren linken Arm trafen.
„Habe einen Wärmetauscher und einen Mittelschweren Laser verloren, Sir“, meldete sie. „Meine Abwärme ist noch zu hoch, um die Sprungdüsen erneut einzusetzen.“
„Keine Bange, Ventis. Ich bin ja schon da.“ Vierhundert Meter war eine nette Entfernung für die PPK des Marodeur. Zorn hob den rechten Arm seines avoiden Mechs und feuerte im Laufen einen PPK-Blitz ab. Die hoch beschleunigten Partikel zuckten als blauer Schemen durch die Nacht und fraßen sich gierig in die gepanzerte Brust des Victors.
Der Kreuzritter wirbelte herum und feuerte die Torso-Laser auf den Marodeur ab. Der Oberleutnant ließ sich nicht lumpen und richtete die Schwere Autokanone aus, die oberhalb seines Cockpits angebracht war. Er löste einen Feuerstoß aus, der das linke Bein des FeindMechs traf. Die Computeranzeige bestätigte, dass der Treffer die Panzerung an dieser Stelle bis auf die blanken Myomermuskeln abgetragen hatte. Ein weiterer Treffer konnte sogar den Titanstahlknochen des Endoskeletts durchtrennen und den Kreuzritter damit effektiv schädigen. Wieder feuerte Zorn die Autokanone ab, der Kreuzritter wich aber mit seinen eigenen Sprungdüsen aus.
Ein verächtliches Grinsen huschte über die Züge des jungen Offiziers. Das würde die Abwärme seines Gegners schön in die Höhe treiben. Er kam auf hundert Meter an den leichteren Gegner heran und feuerte erneut die PPK ab, obwohl das seine eigene Abwärme ebenso hochtreiben würde. Dazu feuerte er die neue Autokanone im rechten Arm ab. Die panzerbrechende Munition würde ihren Teil tun.
Ein heftiger Schlag in den Rücken seines Mechs erinnerte ihn wieder daran, dass es ja noch einen Gegner gab.
Der Kreuzritter knickte ein, fiel zu Boden. Auf der Infrarotortung leuchtete er durch seine extrem hohe Abwärme auf wie eine lodernde Fackel.
Zorn warf seinen Mech herum, entging so den Laserbündeln seines anderen Opponenten. Er erwiderte das Feuer mit dem mittelschweren Laser in seinem linken Arm, bis der Bordcomputer ihm die automatische Stilllegung seines Mechs androhte, um die Kernschmelze zu verhindern. Zorn schlug auf den Veto-Schalter und verzichtete darauf, auf den zweiten Autokanonentreffer zu antworten, der ihn direkt in die Torsomitte traf. Seine Abwärme senkte sich nur schwerfällig. Ein Blick auf den Statusmonitor zeigte ihm, warum. Er hatte einen Wärmetauscher verloren.
Doch da war immer noch Ventis, die sich jetzt im Rücken des Victors befand und alle Waffen zugleich für einen Alphaschlag auslöste. Bis auf den Schweren Laser trafen alle und reduzierten die Rückenpanzerung des Victors auf eine hauchdünne Schicht, die ein Baby mit einer Rassel hätte durchschlagen können. Sofort wendete sie ihren Mech und verschwand hinter den nahen Gebäuden der Stadt, um von dem Monstermech nicht zerstampft zu werden.
Der Victor aber machte keinerlei Anstalten, den leichteren Störenfried zu vernichten. Stattdessen legte er wieder auf Zorns Marodeur an und feuerte eine 6er-Salve Kurzstreckenraketen ab. Diese ungelenkten Raketen besaßen eine beachtliche Kraft, wenn sie trafen. Das wurde dem Oberleutnant bewusst, als drei der Raketen seinen linken Mecharm erwischten, die PPK ausschalteten und fast die gesamte Panzerung herunterrissen. Die Wucht der Explosionen und der plötzliche Gewichtsverlust brachte Zorns Mech aus dem Gleichgewicht.
Das Feedback des Gyroskops, das sich nach seinem Gleichgewichtssinn zu orientieren versuchte, ließ Dutzende Sterne vor seinen Augen tanzen. Mit einem Seitenschritt schaffte er es, den Marodeur nicht stürzen zu lassen. Wieder feuerte der Victor seine Autokanone ab. Der Strom aus panzerbrechenden Granaten schlug gegen die Panzerung seines Cockpits und schüttelte den Mech kräftig durch. Wieder schaffte es Zorn, den Mech aufrecht zu halten, aber Hilfsmonitor drei warnte ihn davor, dass die Panzerung seines Cockpits nur noch als theoretische Berechnung existierte.
Der Kreuzritter begann sich wieder aufzurappeln und feuerte einen mittelschweren Laser auf Zorn ab. Der Waffenstrahl ging weit an ihm vorbei, erinnerte ihn aber daran, dass er immer noch zwei Gegner hatte.
„Bastard!“, brüllte der Offizier und schickte dem Kreuzritter eine volle Salve aus der Autokanone über seinem Cockpit. Der Hagel aus Urangranaten traf den FeindMech genau in der Seite, als er gerade versuchte, sich wieder aufzurichten. Wieder fiel der Mech zu Boden. Für den war erst mal gesorgt.
„Ventis, verdammt, wo sind Sie?“
„Abwärmeprobleme, Sir. Ich bin immer noch im roten Bereich.“
Zorn bewegte seinen Mech so, dass die ComStar-Vertretung zwischen ihn und die beiden Gegner geriet. Auf diese Art rutschte auch der gestürzte Kreuzritter zwischen ihn und den Victor. Zorn hoffte, sich so ein paar Sekunden zu erkaufen, um seine eigene Abwärme in den Griff zu kriegen. „Ist gut, Ventis. Passen Sie auf, dass Sie nicht noch einen Zufallstreffer schlucken, der Ihre Abwärme noch weiter steigen lässt.“ Er feuerte wieder die Autokanone im rechten Arm ab. Munitionsabhängige Waffen verursachten nicht so hohe Abwärme.
Der Schuss saß gut und schälte Panzerung vom Torso des Victors. Der Schwere Mech wurde einen, zwei Schritte nach hinten geworfen, bevor er sich wieder stabilisiert hatte. Aber dann hob er den Arm mit der Autokanone und richtete ihn auf Zorn. Der Medice-Bastard zielte auf sein Cockpit. Zorn wusste es einfach. Und da dessen Panzerung nur noch in der Theorie existierte, bedeutete dies das Aus für ihn.
Gedanken und Möglichkeiten huschten durch Zorns Kopf, die Zeit dehnte sich und ließ das Geschehen in Zeitlupe für ihn ablaufen. Was jetzt? Mit dem Schleudersitz aussteigen? Oder lieber trotz der hohen Abwärme einen Angriff mit der verbliebenen PPK probieren, in der Hoffnung, dass er den Gegner vernichtete, bevor der Reaktor seines Mechs durch die Abwärme explodierte? Konnte Ventis mit dem vernichteten Wärmetauscher gegen den beschädigten Kreuzritter und vielleicht den Victor bestehen? Nein, entschied Zorn und richtete die PPK auf den am Boden liegenden Kreuzritter und die Autokanone auf den Victor. Wenn er hier schon sterben musste, dann wollte er beide Bastarde mitnehmen!
Plötzlich zuckte ein PPK-Blitz in die beschädigte Seite des Victors und warf ihn aus der Bahn. Ein zweiter zuckte nur knapp an ihm vorbei. Zorn stutzte. Der Feuerfalke hatte keine PPK, geschweige denn zwei.
Über die allgemeine Kom-Frequenz erklang die Stimme von Captain Jorgenssen: „Hey, Zorn, lassen Sie mich und meine vier Shrek-Panzer mitspielen?“
Der Oberleutnant lachte erleichtert. Die Miliztruppen waren eingetroffen. Kerensky sei Dank.
Wieder zuckten PPK-Blitze zum FeindMech herüber, der sich langsam im Torso drehte, um auf die neue Gefahr zu reagieren.

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„Seien Sie mein Gast“, erwiderte Zorn und registrierte erleichtert, dass seine Abwärme endlich etwas sank.
Dem Piloten des Victors schien die Situation gar nicht zu schmecken. Er warf seinen Mech herum und lief mit Höchstgeschwindigkeit in die Nacht. Die Shreks jagten hinterher, aber irgendwie wusste Zorn schon jetzt, dass sie den Victor verlieren würden, obwohl er nicht gerade der schnellste Mech der Inneren Sphäre war. Das Gelände außerhalb der Stadt wurde schnell waldig, für einen sprungfähigen achtzig Tonnen-Koloß kein Problem, wohl aber für Panzer.
Aber die Situation war fast bereinigt, bis auf den Kreuzritter, der nun langsam wieder hochkam. Stolpernd kam der humanoide Mech auf die Beine und versuchte, sich in die gleiche Richtung wie der Victor zurückzuziehen. Aber das ließ Zorn nicht zu! Er feuerte wieder seine Autokanone ab. Die Waffe durchschlug endlich die Panzerung des Gegners und tobte sich in den internen Strukturen aus. Der Mech verharrte mitten in der Bewegung. Einen Augenblick später löste der gegnerische Pilot den Schleudersitz aus und schoss in die Nacht.
Kurz darauf ging der Reaktor des Kreuzritters durch und jagte den Mech in einer prächtigen, silbrig-roten Explosion in die Luft. Als die Explosion verpufft war, standen nur noch die Beine und ein Teil des Torsos da. Der Rest, soweit er in der Explosion nicht zerfetzt worden war, schlug in der näheren Umgebung ein. Zorn hörte, wie Panzersplitter leise gegen seinen Mech prasselten.
Noch ein Abschuss für ihn. Zorn spürte keinen Triumph. Nur Erleichterung, dass es endlich vorbei war. Er öffnete einen Kanal zu Ventis. „MechKrieger?“
„Sir?“
„Statusbericht. Schaffen Sie es, den Feuerfalken zurück zur Kaserne zu schaffen oder soll ich Crawford mit einem MechTransporter ausrücken lassen?“
„Wenn ich es langsam angehen lasse, Sir, schaffe ich es schon. Aber der MeisterTech kann ja mal nachsehen, ob vom Kreuzritter noch was zu gebrauchen ist.“
Zorn nickte dazu. Das war ihr Leben. War ein Feind besiegt, klaubte man die Trümmer auf, um die eigenen Mechs instand zu halten. Bis man selbst besiegt wurde und der Gegner den Mech für die eigenen Maschinen ausschlachtete.
„Sir? Das war knapp, was?“, meldete sich Ventis zu Wort. „Hätte nicht gedacht, dass wir es schaffen.“
Wären die Shreks der Miliz nicht gekommen, gestand sich Zorn ein, hätten sie es nicht überlebt, die Bastarde aber mitgenommen. Aber er sagte es nicht.
„Wir sind die Cavaliers“, antwortete er stattdessen. „Wir sind die Guten. Und die Guten siegen immer am Ende.“
„Ja, Sir“, lachte Ventis erfreut.
***
Eine halbe Stunde später stand Zorn in seinem Besprechungsraum, über einen Satz Karten gebeugt. Neben ihnen lag die Karte, die Clark Duvalle unter Lebensgefahr geborgen hatte.
MeisterTech Crawford, MechKriegerin Ventis und Captain Jorgensson von der Miliz standen neben ihm. Leutnant Akeem Muller, der höchstrangige Offizier der Infanterie, stürmte gerade herein.
„Schön, dass Sie kommen, Leutnant. Wir haben den Ort, den die Karte Duvalles zeigt, gerade identifiziert. Ist gar nicht mal so weit. Es sind nur gut tausend Klicks die Ebene runter bis in ein Berggebiet. Die...“
„Hakkon-Berge“, half Willem Jorgensson aus.
„Richtig, die Hakkon-Berge. Dort befindet sich das Brian-Kastell. Wir müssen unbedingt vor dem Vicomte dort sein.“
„Wieso, Sir? ComStar hat den Hilferuf doch abgestrahlt. Der Vicomte wird vielleicht Wochen benötigen, das Depot zu plündern. Bis er die Beute in den Orbit schaffen kann, ist längst eine Entsatztruppe des VCS eingetroffen.“
„Es gibt da etwas, was Sie nicht wissen, Leutnant. Vicomte Medice verfügt über entrechtete MechKrieger. Die würden nichts lieber tun, als in einen fabrikneuen Sternenbund-Mech zu steigen und uns damit mächtig in den Arsch zu treten. Wir müssen vor ihm dort sein. Wir müssen!“
„Ja, Sir.“
Oberleutnant Kenderson grunzte zufrieden. „Vom Verhör des Piloten des Kreuzritters, einem Peripherie-Piraten, wissen wir, dass der Vicomte noch immer über ein Kontingent von zwei Panzerlanzen verfügt. Auch seine beiden UNION-Klasse Landungsschiffe stellen eine nicht zu unterschätzende Macht dar. Hinzu kommen die bereits erwähnten Entrechteten und gut hundert Mann Sprungtruppen. Selbst mit unserer Überlegenheit durch zwei KampfMechs und mit Infanterie- und Panzerunterstützung werden wir es schwer haben.
Gewinnen wird der, der das Rennen zum Depot gewinnt. Nur stecken wir tief in der Scheiße und müssen uns mühsam unserer Haut erwehren, wenn wir verlieren, während Medici nur ein paar Mechs zu reaktivieren braucht, um mächtig im Vorteil zu sein. Außerdem hat der Vicomte mit seinen Landungsschiffen ein echtes As im Ärmel.
Er ist garantiert schneller da als wir. Aber er muss erst suchen, während wir dies hier haben.“ Zorns Faust sauste auf die Karte nieder und erzeugte einen dumpfen Knall.
„Das ist so nicht ganz richtig“, meldete sich Captain Jorgensson zu Wort. „Die Miliz hat zwar keine Landungsschiffe, aber sie verfügt über zwei Transporthubschrauber, die eine Gesamttonnage von etwa zweihundertzwanzig Tonnen tragen können. Ich würde vorschlagen, sofort ein paar Mechs ans Depot zu verlegen, die es sichern. Anschließend ziehen wir in sicherer Entfernung alle hier entbehrlichen Truppen nach und stoßen überraschend zu den Verteidigern durch. So dürfte es uns gelingen, das Gelände zu sichern, bis die Verstärkung eintrifft.“
„Netter Plan“, kommentierte Jeannie Crawford leise und grinste unverschämt. „Hat nur einen Schönheitsfehler. Wir haben die Mechs, aber nicht die Piloten. Ich kann den Marodeur vom Oberleutnant in einer Stunde wieder einigermaßen gefechtsklar haben, wenn die guten Wüsche halten, und der Feuerfalke hat sowieso nicht so viel abgekriegt, abgesehen von den lädierten Wärmetauschern. Und da sind noch eine zwanzig Tonnen schwere Wespe und der sechzig Tonnen schwere Kampfschütze, die fertig geworden sind, aber wen stecken wir da hinein?“
„Den Kampfschützen kann ich gut gebrauchen“, murmelte Zorn nachdenklich. Der Plan war gut, er hatte ihm in Gedanken sofort zugestimmt, nun war er bereits in der Analyse. „Einen LuftabwehrMech gegen die Landungsschiffe zu setzen ist zwar illusorisch, aber die überlegenen Ortungssysteme des Mechs wären eine echte Bereicherung. Nur wen setzen wir da rein?“
„Vielleicht einen der Anwärter?“, fragte Leutnant Muller leise.
„Sie wissen doch, beide Anwärter auf einen Platz in der MechKompanie waren mit draußen, als wir massakriert wurden. Die anderen sind noch nicht soweit. Sie würden uns in einem Mech mehr behindern als nützen“, wehrte Zorn ab.
„Dann werden wir es mit zwei Mechs und Infanterie schaffen müssen. Ich habe fünfzig Mann in einer Stunde abmarschbereit.“
Zorn nickte. „Diese fünfzig Mann werden einen BattleMech ersetzen müssen. Sorgen Sie außerdem dafür, dass tragbare Kurzstreckenraketenwerfer und Inferno-Munition ausgeteilt werden.“
„Ja, Sir.“
„Ich werde auch meine Leute bereit machen. Sie sollten einen Teil Ihrer Panzer hier in Bereitschaft halten, man kann ja nie wissen. Ich lasse auch die Hälfte meiner Truppe zurück und verlege den Rest zum Depot. Das sind zwei Shrek-Panzer, vier Burke und eine verstärkte Kompanie Infanterie, Zorn“, kommentierte Jorgensson.
„Einverstanden. Also nutzen wir, mit Ihrem Einverständnis, Captain, die Transporthubschrauber, um die ersten am Depot zu sein. Wir nehmen eine Kompanie Sprungtruppen und zwei Mechs mit. Kommen Sie mit einem Kampfschütze klar, Ventis?“
„Nein, Sir. Ich bräuchte Einarbeitungszeit, die wir nicht haben“, gestand sie schonungslos.
Der Oberleutnant fluchte leise. Ein ineffektiv gesteuerter Mech konnte schnell den Tod für die ganze Einheit bedeuten.
„Vielleicht kann ich Ihnen helfen, Herrschaften“, sagte die ComStar-Akoluthin, die leise eingetreten war. Hinter ihr folgte ein alter Mann mit Stirnglatze, ebenfalls in die für ComStar so typische Kutte gehüllt.
„Adept Kirran Leary war in seiner aktiven Zeit als MechKrieger Pilot eines Greif-Mechs, hat also Erfahrung mit mittelschweren Maschinen. Er ist der Beste, den ich Ihnen anbieten kann.“
Zorn sah hin, sah noch mal hin und erkannte die Akoluthin, die seinen Anruf entgegen genommen hatte. An ihrem Kragen blinzelte ein Stück weiße Mullbinde, ein Zeichen dafür, dass sie den Angriff auf den HPG nur teilweise unbeschadet überstanden hatte.
„Bei dieser Sachlage sind wir dankbar für jede verdammte Hilfe, die wir kriegen können, Ma´am.“
„Akoluthin Ennie Walters. Ich leite die hiesige ComStar-Vertretung. Die es nur noch gibt, weil Sie eingegriffen haben, Oberleutnant Kenderson.“ Sie lächelte und fügte hinzu: „Selbst wenn es nicht um unser aller Leben ginge, ich, die HPG-Besatzung und Adept Leary würden Ihnen unsere Arbeitskraft ohne zu zögern zur Verfügung stellen. Denn hat nicht der selige Jerome Blake, der Gründer unseres Ordens, selbst gesagt: Sei dir selber treu?“
Zorn hielt das eher für den Anfang eines Shakespeare-Zitats aus seinem Stück Hamlet, aber er hütete sich, das laut zu sagen. Die ComStar-Typen waren ja soo empfindlich, wenn es um ihren ach so verehrten Jerome Blake ging.
In Gedanken zog er eine vorläufige Bilanz. Es würde knapp werden, verdammt knapp.
„Okay, MeisterTech, eichen Sie den Kampfschütze auf MechKrieger Leary ein und geben Sie ihm einen Crashkurs in sein Ortungssystem. Danach setzen Sie mir eine Deadline für den Abmarsch. Ich will, dass wir in den Helikoptern sitzen, bevor hier der Tag anbricht, okay?“
Crawford sah ihn an, als hätte sich Zorn gerade als Kurita-Ninja demaskiert. Aber schließlich nickte sie. „Vier Uhr Morgens ist möglich. Aber wenn ich die Tonnage durchgehe, wird der Platz höchstens für drei Mechs und einen Zug Infanterie reichen.“
„Das ist schon in Ordnung. Captain Jorgensson, mit Ihrer Erlaubnis würde ich gerne Ihre Leute mitnehmen und meine erst später mit den Panzern nachziehen. Ihre Infanteristen sind mit dem Gelände vertraut und können für unsere Maschinen als Scouts dienen.“
„Einverstanden.“
„Gut. Kruger, sehen Sie das nicht als Zurücksetzung Ihrer Leute an. Die bekommen noch früh genug Stahl und Laser-Impulse zu fressen. Haben Sie mich verstanden?“
Leutnant Akeem Kruger nickte nur.
Zorn grunzte zufrieden. „Jeannie, ich will, dass Sie mir so schnell wie möglich einen weiteren Mech betriebsklar machen. Schaffen Sie es aber nicht, schicken Sie mir die verdammte Wespe raus. Kann sein, dass ich mich über einen ReserveMech mal freuen werde.“
„Habe ich dafür mehr Zeit als bis zum Morgengrauen, Sir?“, scherzte sie.
„Nein, eigentlich nicht“, erwiderte Zorn todernst. „Also, damit wäre ja alles geklärt. Suchen wir dieses verdammte Nachschubdepot, das diesem Bastard von Medice so viele Tote wert ist.“
***
Die Entfernung zum Depot betrug exakt eintausendundzwölf Kilometer. Diese Strecke legten die beiden Transporthubschrauber in vier Stunden und siebzehn Minuten zurück und überquerten dabei ein Mittelgebirge, laut Leutnant Walter Hiller, dem Chef des Infanteriezuges die Rheinberge, die beiden Flüsse Ammon und Rosswell und erreichten schließlich die Ausläufer des Hakkon-Gebirges.
Knapp zehn Klicks vor dem Standort des Depots ließ Zorn die Transporter landen und entladen. Den Rest würden sie zu Fuß zurücklegen, und dies so vorsichtig wie irgend möglich.
Noch während die Mechs hochgefahren wurden und ihre Piloten Bereitschaft meldeten, hatte Leutnant Hiller seine Teams ausschwärmen lassen, um das Gelände zu erkunden.
Das Kastell lag in einem Tal, in die südliche Bergwand hineingearbeitet. Das Tal selbst war von hohen Bergen eingerahmt, die nur einen Zugang von Nordosten zuließen. Selbst die sonst so geländegängigen Luftkissenfahrzeuge würden die anstrengende Kletterpartie über die Bergkämme nicht schaffen.
Oh, es wäre so ein leichtes gewesen, einfach nur den einzigen Zugang zum Tal zu verteidigen. Aber das war bei einer Breite von zwei komma acht Kilometern sehr illusorisch.
Außerdem blieben dem Vicomte immer noch die Landungsschiffe, die seine Mechs einfach über die Blockade hinweg in das weite Tal tragen konnten.
Nein, sie mussten das Kastell nehmen und es verteidigen, bis Hilfe kam.
Zorn hatte die theoretische Möglichkeit mit MeisterTech Crawford durchgesprochen, die deaktivierten Mechs, die sie im Depot vermuteten, in kurzer Zeit wieder zu starten, was prinzipiell möglich war, aber zwei bis drei Tage brauchen konnte. Vier, wenn Waffen und Fusionsreaktoren noch nie erprobt worden waren.
Genug Zeit für den Vicomte, um eine kleine Armee aufzustellen. Zeit, die Zorn nicht hatte, wenn er das verdammte Depot verteidigte.
Trotzdem hatte er ein paar von Crawfords Techs mitgenommen, teils, um die BattleMechs von ihm, Ventis und Leary instand zu halten, teils, um die Möglichkeiten des Kastells von Fachleuten abschätzen zu lassen.
„Hoffentlich bietet uns das Kastell gute Verteidigungsmöglichkeiten“, murmelte Zorn vor sich hin. „Hoffentlich ist es keine verfallene, geplünderte Ruine.“
„Machen Sie sich keine Sorgen, Kenderson“, hörte er Kirran Learys Stimme über Funk. „Die Aufzeichnungen, die ich im Dienste ComStars studiert habe besagen, dass ein Brian-Kastell sogar einem Atomschlag standhalten würde.“
„Na und?“, blaffte der junge Offizier nervös. „Seit der Sternenbund gefallen ist, sind über dreihundert Jahre vergangen. Das ist viel Zeit für die Natur, um das Kastell für sich zu erobern. Wissen Sie, wie viel Kraft eine Wurzel haben kann, die in einen Betonspalt hineinwächst?“
„Malen Sie den Teufel nicht an die Wand“, brummte der ComGuard leise.
Das fiel dem Älteren aber wirklich spät ein, fand Zorn. Er aktivierte den Bordcomputer des Marodeurs. Merkwürdig, er hatte immer noch eine gewisse Scheu den Marodeur als seinen Mech zu bezeichnen und sei es nur in Gedanken.
Zorn ging die Waffensysteme durch, Autokanone, Laser, PPK, die Zielerfassungssysteme, Magnetbandortung, Radar, Identifikation Freund/Feind-Transponder.
Die Sticks der Steuerung fühlten sich gut an. Zur Probe zog er das Fadenkreuz für die primäre Waffenkonfiguration über einen der Transporthubschrauber. Es leuchtete golden, als der Transporter genau im Visier war.
„Bereitschaft“, blaffte er angespannt.
„Ventis hier. Feuerfalke bereit.“
„Leary hier. Kampfschütze bereit.“
„Gut, langsamer Vormarsch auf Taleingang.
Hiller von Kenderson, kommen.“
„Hiller hier. Trupp eins und zwei haben Beobachtungsposition am Taleingang bezogen. Keine Aktivität am Eingang oder im Tal selber. Brian-Kastell kann nicht, ich wiederhole, kann nicht identifiziert werden.“
Diese Nachricht wirkte wie eine kalte Dusche auf den jungen MechKrieger. Was, wenn die Karte falsch war? Was, wenn er sie nicht richtig gelesen hatte? Nein, das Kastell musste da sein! Es musste einfach!
„Verstanden. Trupps drei und vier sollen auf dem Hang Position beziehen. Sobald sie irgendetwas kommen sehen, Mechs oder Landungsschiffe, sollen sie da oben aber verschwinden. Ich habe schon viel zu viele Leute verloren.
Teams eins und zwei rücken mit uns gemeinsam tiefer in das Tal vor.“
„Verstanden, Sir.“
„Ach ja, jagen Sie die Transporter wieder los. Sie sollen sich beim Rückflug Zeit lassen und ein paar Umwege fliegen. Wenn dieser Medice-Bastard sie abschießt und wir keinen Nachschub bekommen, sitzen wir echt in der Scheiße.“
„Auch verstanden, Sir. Jage sie los.“
Zorn konnte das Grinsen des Infanterieleutnants beinahe vor sich sehen. Er gestatte sich ein Schmunzeln.
„Okay, los geht es, Herrschaften. Leary, fahren Sie Ihre Ortung hoch und achten Sie auf den kleinsten Metallrest. Ich habe wirklich keine Lust, wieder in eine Falle zu laufen.“
„Verstanden, Sir.“
Flüchtig musste Zorn über dieses Wort schmunzeln. Sir... Klang merkwürdig aus dem Mund eines ehemaligen ComGuards.
Zorn drehte den avoiden Mech um dreißig Grad nach Süden, auf den Taleingang zu. Als er den ersten Schritt gemacht hatte, war auch schon Ventis mit ihrem Feuerfalke an seiner Seite. Kurz darauf übernahm sie die Spitze, während Leary hinter Zorn blieb und die Nachhut bildete.

Zorn trieb seinen Mech an, er fiel in einen schwerfälligen Galopp, der immerhin 54 Km/h Spitzengeschwindigkeit erlaubte. Ventis war natürlich schneller, ihr Mech wog dreißig Tonnen weniger. Aber sie übertrieb es nicht und hielt einen Vorsprung von zweihundert Metern ein.
Ein bisschen mulmig war dem Cavaliers-Offizier schon, als sie durch die kilometerbreite Schneise traten, die in das Kesseltal führte. Was konnte nicht alles schief gehen?
Alles. Zorn ertappte sich dabei, wie er erwartete, dass sich plötzlich Klappen im Boden öffneten, um automatische Lasergeschütze freizugeben.
Oder dass sich der Victor des Vicomte in seiner Flanke erhob, um ihm mächtig Saures zu geben. Doch nichts geschah. Sie marschierten ein und gelangten bis in die Talmitte, wo ein paar Infanteristen standen und sie einwiesen.
Als er seinen Mech angehalten und frontal zum Taleingang aufgestellt hatte, öffnete Zorn einen allgemeinen Kanal. „Hiller von Kenderson. Wo stecken Sie?“
„Sir? Ich sitze auf dem Steilhang. In der Besprechung hieß es doch, dass das Kastell in die Bergwand gearbeitet wurde. Also dachte ich mir, ich schau mal nach.“
„Netter Ansatz, Junge“, klang Learys Stimme auf. „Und? Schon was gefunden?“
„Bisher noch nicht, MechKrieger. Es wäre ja auch zu schön gewesen, einfach nur aufs Klingelschild zu drücken, oder?“

„Das ist nicht typisch für ein Brian-Kastell“, murmelte Zorn. „Warum sollte man es verstecken, wenn es doch eine offene Bastion gegen Invasoren sein soll? Das habe ich wenigstens immer über Brian-Kastelle gedacht.“
„Der Gedanke kam mir ebenfalls“, gestand der ComGuard. „Ich glaube nicht, dass man ein Brian-Kastell so einfach verstecken kann. Oder dass nach dreihundert Jahren keine Spur mehr von ihm zu finden ist.“
„Hm. Sind wir vielleicht falsch hier?“
„Vielleicht ist die ganze Karte falsch, Ventis“, erwiderte Zorn.
„Oder wir haben es doch nicht mit einem Kastell zu tun“, sagte Kirran Leary nachdenklich.
„Es könnte sich auch um ein so genanntes SBVS-Depot handeln. Diese Dinger wurden während der Vereinigungskriege hundertfach in der Peripherie angelegt.
Sie sollten der Armee des Sternenbunds beim Krieg gegen die Peripheriestaaten als leicht zugänglicher Nachschub dienen.“
„Und einige wurden niemals gebraucht“, vervollständigte Zorn den Gedanken. „Sicher wurden die Depots gut versteckt und entsprechend gesichert, um zu verhindern, dass ausgerechnet die Streitkräfte der Peripheriestaaten diese Depots plünderten.“
„Und deswegen gerieten viele Depots in Vergessenheit, denn als die Sternenbundarmee unter Alekzandr Kerensky die Innere Sphäre verließ, hatten sie angeblich alle Depots geplündert.“
„Angeblich. Die Gray Death Legion hat mal eines gefunden und von Wolfs Dragonern sagt man, dass ihnen bereits drei solcher Depots und sogar ein Brian-Kastell in der Peripherie in die Hände gefallen sein sollen. Und Snords Irreguläre, diese Splittergruppe der Dragoner, sollen auf diesem Gebiet auch recht erfolgreich sein.“
„Was bedeutet: Als General Kerensky seine Truppen aus der Inneren Sphäre abzog, um zu verhindern, dass ihre Macht dazu missbraucht wurde, die gesamte Innere Sphäre in eine Gluthölle zu verwandeln, hatte er gar keine Zeit dazu, alle Depots zu plündern.
Selbst wenn wir davon ausgehen, dass nur auf jedem siebten Planeten ein Depot stand, müssen noch ein paar Dutzend unentdeckt sein.“

„Dann suchen wir also nach einem SBVS-Depot, und nicht nach einem klotzigen Kasten?“, fragte Leutnant Hiller.
„So in etwa, Hiller“, erwiderte Zorn amüsiert. „So in etwa.“
„Dann, Sir, habe ich was gefunden.“
Für eine Sekunde war es, als jage ein Stromstoß durch Zorns Eingeweide. Er riss seinen Mech herum und visierte die Infanteristen an, die in der Wand herumkraxelten. Er zoomte die Sicht soweit heran, wie es ihm möglich war. „Sprechen Sie, Hiller.“
„Sir, erinnern Sie sich an die Sache, die Sie erwähnt haben, so von wegen, welche Kraft eine Wurzel in einem Betonspalt entwickeln kann?“ Der Infanterist kratzte unter einem verkrüppelten Baum in der Erde herum. „Hier ist ein Betonspalt.“
„Das Depot“, rief Leary überzeugt.
„Hiller, hören Sie mich?“ „Sir?“
„Wie groß ist der Spalt? Kommt ein Mann durch?“
„Sicher, aber ich weiß nicht, wie weit der Spalt reicht. Und ich weiß nicht, ob man nicht aus einem halben Kilometer Höhe in die Tiefe stürzt, wenn man hier durch will.“
„TechKommando zu Hiller“, befahl Zorn. „Wir brauchen ein paar Freiwillige, die klettern können.“

„Sie wollen durch den Spalt, Zorn?“ Leary klang überrascht.
„Das ist doch die Gelegenheit, oder?“, erwiderte Zorn fröhlich. „Ich wette mit Ihnen, wenn das Depot abgesichert ist, dann bestimmt nicht gegen einen Feind, der von innen angreift.
Mit etwas Glück kommen unsere Techs und Infanteristen rein und können den Eingang von innen öffnen.“
Begleitet von Infanteristen fuhren die Techs auf dem einzigen Luftkissentransporter ins Tal.
„Leary? Gehen Sie zurück zum Taleingang und achten Sie auf Feindbewegung.
Ich glaube, die Idee, Medice einen heißen Kampf zu liefern, während unsere Leute nach dem Eingang suchen, können wir getrost vergessen. Wir werden hoffentlich schon bald aus dem Innern des Depots agieren können!“
„Wir werden ihm mächtig in den Arsch treten.“
Zorn nickte grimmig. „Ich weiß nur nicht, ob das die vielen Toten wert war. Das würde ich den Vicomte gerne mal fragen.“
„Besser nicht“, riet Leary ab. „Die Antwort würde Ihnen nicht schmecken, Junge.“
„Nichts, was dieser Medice-Bastard noch zu sagen hat würde mir schmecken, Kirran!“ erwiderte der MechKrieger zornig.

„Wir lassen jetzt Leutnant Hiller an einem Seil in den Spalt, Sir“, meldete einer der Techs. „Er trägt ein kabelgebundenes Sprechgerät bei sich. Wir werden also in jedem Fall hören, was er zu sagen hat.“
„Na, da bin ich aber mal gespannt“, kommentierte Ventis leise.
Zorn sagte nichts. Er richtete seine Augen weiterhin auf die Rundumsichtanzeige seines Mechs, aber mit den Ohren hing er an jedem Lebenszeichen des mutigen Infanteristen.
„Hiller hier“, klang seine Stimme nach einigen bangen Minuten auf. „Ich habe wieder festen Boden unter den Füßen. Ich bin ungefähr zwanzig Meter tief unter dem Spalt. Die Wand, durch die ich gekommen bin hat eine Stärke von mindestens drei Metern. Ich aktiviere den Scheinwerfer und... Bei Blakes Wort, das... Das ist...“
Der Infanterist verstummte.
„Hiller!“, brüllte Zorn. „Hiller, melden Sie sich! Was ist los bei Ihnen?“
„Sir? Entschuldigen Sie. Es ist nur... Mechs sind mein Hobby, ich sammle Miniaturen von ihnen, vor allem von denen aus den alten Tagen des Sternenbundes.
Aber ich habe noch nie in meinem Leben einem richtigen Exterminator gegenübergestanden...“
„Verdammt noch mal“, brüllte Zorn, um seine Erleichterung zu überspielen, „machen Sie vernünftig Meldung, Soldat!“
„Sir!“, blaffte der Infanterist überrascht. „Ich befinde mich hier in einer weiten Halle. Die Enden sind nicht festzustellen, aber vor mir identifiziere ich vier Mechs: Einen Exterminator, einen Heuschreck und zwei Greifen. Ihre Torsi sind teilweise geöffnet, aber alle Mechs sind unter einer Art Plane abgedeckt. Ich gehe jetzt weiter, um das Ende der Halle oder einen Ausgang zu finden.“
„Negativ, Junge, negativ. Wir schicken weitere Infanteristen und Techs runter. Warten Sie auf die, bevor Sie die Suche fortsetzen.“
„Verstanden, Sir. Unsere Primäraufgaben?“
„Wie besprochen, Hiller. Suchen Sie den Türknauf, um uns rein zu lassen!“
„Verstanden, Sir.“
„Gut. Und, ach Hiller?“ „Ja, Herr Oberleutnant?“
„Wenn Sie mir noch mal so einen Schrecken einjagen, lege ich Sie übers Knie, haben Sie verstanden?“
Sein Gegenüber lachte leise. „Verstanden, Sir. Ab sofort gebe ich regelmäßig Lebenszeichen."
„Leutnant Hiller, bitte leuchten Sie den Weg des Seils aus. Wir schicken jetzt weitere Leute runter“, meldete der Tech.
„In Ordnung. Können Sie den Scheinwerfer sehen?“ „Positiv, Sir. Jackson kommt als erster, danach Corrand und Philips.“
„Jackson ist unten. Und ich sehe Corrand schon. Corrand, halten Sie das Seil für die anderen, ich mache mich mit Jackson schon auf die Suche nach dem Türknauf. Wäre doch unhöflich, den Chef unnötig warten zu lassen, wenn er rein will.“
Zorn schmunzelte. Ein guter Junge. Er überlegte ernsthaft, ob er nicht versuchen sollte, den Infanteristen abzuwerben. Würde sich bestimmt gut bei den Cavaliers machen, der Mann.
Der Rest der Übertragung waren Routinemeldungen und dergleichen. Also schaltete Zorn wieder auf die allgemeine Frequenz um.

„Beobachtung, habt Ihr was für mich?“, rief er die Infanterietrupps drei und vier auf dem Kamm an.
„Negativ, Sir, noch ist alles ruhig.“ „Weiterbeobachten.“
„Können wir mal auf die MechFrequenz wechseln, Sir?“, fragte Leary vorsichtig.
Ohne zu zögern schaltete der Offizier um. „Was gibt es, Leary?“
„Zorn“, wurde der ehemalige ComGuard plötzlich vertraulich, „vergessen Sie nicht, wir haben es mit Landungsschiffen zu tun. Die Dinger fliegen sonst von Sprungpunkten zu Planeten und wieder zurück. Ich meine, noch habe ich nichts in dieser Richtung geortet, aber der Vicomte könnte mit seinen beiden Landungsschiffen, seinem Mech und seinen beiden Lanzen Panzern und der Infanterie geradewegs in sechzig oder hundert Kilometern Höhe über unseren Köpfen lauern und nur darauf warten, dass wir etwas finden.“
Zorn schluckte trocken. „Das klingt plausibel, Kirran. Diese Gefahr dürfen wir nicht unterschätzen.“ Zorn ging wieder auf die Infanteriefrequenz. „Hiller, hören Sie mich?“
„Sir, ja. Wir gehen tiefer in die Anlage rein. Das MechLager erwies sich als Halle mit einem quadratischen Grundriss von sechzig Metern und einer Höhe von dreißig. Es gibt ein paar kleinere, verschlossene Türen und zwei große MechSchotts. Alle verschlossen, aber wir konnten eine der Türen knacken. Es gab keinen Alarm oder so. Auch keine Abwehrmaßnahmen. Wir sind auf einem langen Gang, groß genug für einen Mech. Wir sehen Schotte und Türen, die in mindestens einen weiteren Raum dieser Art führen. Wir folgen dem Gang in beide Richtungen, Sir. Ich inwärts und Jackson in Ihre Richtung. Entweder finde ich eine Schaltzentrale oder Jackson den Türknauf.“
„Gute Arbeit. Holen sie so viele Techs und Infanteristen wie möglich nach. Ich will den Eingang so früh wie irgend möglich offen haben. Aber Hiller? Sagen Sie mir Bescheid, bevor Sie Knöpfchen drücken. Es kann sein, dass wir sofort angegriffen werden, sobald hier ein Tor aufrauscht. Verstanden?“
„Verstanden, Sir. Links und rechts von mir sind weitere Räume dieser Art, also große Lagerhallen. Sieht nicht so aus, als würde ich in nächster Zeit auf bunte Knöpfchen drücken können.“
„Witzbold“, brummte Zorn und ging wieder auf den offenen Kanal. „An alle von Kenderson. Das Depot ist riesig. Vermuteter Grundriss mindestens hundertfünfzig Meter. Ein Eingang wurde noch nicht gefunden. Aber das scheint nur noch eine Frage der Zeit zu sein.
Ventis, Leary, sobald das Tor aufgeht, stellen Sie sich davor und sichern den Abzug unserer Leute. Die Infanterie und die Techs ziehen sich sofort ins Innere zurück. Das Ganze geht gefälligst geordnet ab. Ich will keinen Paniklauf ins rettende Innere, Herrschaften.“
Die verschiedenen Trupps und die beiden MechKrieger bestätigten.
***
Eine halbe Stunde später hatte sich noch nicht mehr ergeben. Private Jackson war am Tor angekommen, konnte aber nirgends Bedienungselemente ausmachen, um es zu öffnen.
Walter Hiller war auf einen Komplex gestoßen, der auf vier Stockwerke verteilt Mannschaftsräume, Kantinen, Besprechungsräume und dergleichen enthielt. Mittlerweile unterstützten beide Soldaten mehr als zehn Mann, während die Techs den Exterminator von der Plane befreit und eine erste Untersuchung vorgenommen hatten.
„Sir“, meldete Andrea Koenig, die SeniorTech der Gruppe, „soweit ich das übersehen kann, ist der Exterminator noch fabrikneu. Die Plane hat anscheinend die Feuchtigkeit zurückgehalten, es kam zu keiner Rostbildung oder Verrottungserscheinungen im Innern des Mechs. Wir können davon ausgehen, dass auch die anderen Mechs in dem Zustand sind.“
„Hm, wie schnell kriegen Sie eine der Mühlen fit, Koenig?“
„Hm, schwer zu sagen. Wenn ich ihn auf Risiko hochbringe und kampfbereit melden soll, vielleicht in anderthalb Tagen, wenn wir rund um die Uhr dran arbeiten.
Gehen wir aber auf Nummer sicher und sorgen dafür, dass Ihnen der Reaktor nicht unterm Arsch hochgeht und die Waffen auch dahin schießen, wohin Sie zielen, brauche ich selbst mit drei Schichten noch drei bis dreieinhalb Tage.“
Zorn seufzte leise. Soviel also zu ErsatzMechs aus dem Depot. „Gut, lassen wir das. Suchen Sie lieber das Depot nach Ausrüstung ab, Raketen, AK-Mun, Waffen und dergleichen.“
„Verstanden, Sir. Aber eines sage ich Ihnen, sobald das vorbei ist, will ich an diesem Baby arbeiten.“
„Machen Sie Ihre Arbeit gut, SeniorTech“, sagte Zorn leise, „und Sie dürfen die erste sein, die dem Exterminator seine ersten Schritte entlockt.“
„Kenderson von Hiller“, meldete sich der Infanterieleutnant. „Sir, wir haben so etwas wie einen Generatorraum gefunden. Scheint so, als hätte die SBVS nicht viel von stationierten Fusionsreaktoren gehalten. Dies hier ist eindeutig eine Dieselanlage. Habe ich Erlaubnis, sie hochzufahren?“
„Tun Sie, was Sie nicht lassen können, aber seien Sie vorsichtig.“
„Verstanden, Sir.“
„Diesel?“, brummte Leary. „Muss ein Notsystem sein.“
„Was auch immer“, entgegnete Zorn leise. Er musste gestehen, er wurde immer nervöser, je länger der Vicomte ausblieb. Das war Nahrung für die Theorie des Adepten, und das wollte Zorn gar nicht schmecken. Denn das bedeutete, dass der Medice-Bastard sie bereits seit Stunden beobachtete und auf seine Chance wartete.
„Sir?“, rief Koenig erschrocken. „Hier geht überall das Licht an.“
„Kenderson von Hiller, das Baby läuft. Und es schluckt brav den Diesel, obwohl der Sprit ein paar hundert Jahre alt sein muss. Ich stelle einen Mann ab, der die Kontrollen überwacht und mache mich mit den anderen auf, nach einer Zentrale zu suchen.“
„Das brauchen Sie nicht mehr, Sir. Jackson hier. Ich habe sie gerade gefunden.“
„Bericht“, schnarrte Zorn.
„Sir, ich befinde mich am Tor. Es ist eine große Halle, die ähnliche Ausmaße wie die Lagerräume hat. In etwa zwanzig Meter Höhe befindet sich ein verglaster Bau, der an der rückwärtigen Wand leicht in die Halle ragt. Das wird wohl der Türknauf sein. Abwehrmaßnahmen sind keine zu entdecken.“
„Kommen Sie an das Ding ran, Jackson?“
„Definitiv, Sir. Es führen zwei Metalltreppen in die Höhe. Ich nehme die linke.“
Atemlose Spannung griff nach Zorn. Beinahe vergaß er zu atmen. War es jetzt soweit?
„Ich bin drin. Ich sehe Computerkonsolen, die zum Leben erwachen. Auch Monitore, die verschiedene Räume des Depots zeigen. Hier gibt es auch eine Art Steuerung für halbautomatische Abwehrsysteme in der Halle vor dem Tor. Sieht mir aber nur nach MG aus, Sir.
Hier ist etwas, das könnte der Türknauf sein. Ein großer roter Knopf in der Mitte der Konsole. Daneben ist ein Anagramm einer sich öffnenden Tür eingelassen. Soll ich mal?“
„Warten Sie. Hiller, stoßen Sie dazu und nehmen Sie einen Tech mit. Ich will nicht, dass die rein kommenden Infanteristen von den MGs zerlegt werden.“
„Bin schon unterwegs, Sir. Ich hole gerade SeniorTech Koenig ab.“
Es blieb einige Zeit still, bis sich Hiller wieder meldete. „Sir, wir sind jetzt da. Die MGs sind nicht automatisch. Das heißt, einer im Kontrollraum muss sie auslösen. Keine Gefahr für unsere Truppen.“
„Okay, an alle von Kenderson. Bereithalten für das Öffnen der Tür. Beginnen Sie, Leutnant Hiller.“
Der Offizier atmete deutlich hörbar aus. „Gut. Ich drücke jetzt den Knopf, Sir.“
Nichts geschah.
„Soll ich noch mal drücken, Sir?“ „Warten Sie. Vielleicht braucht das Ding einfach nach dreihundert Jahren etwas, um auf Touren zu kommen.“
Plötzlich kam ein lauter Knall über die Funkleitung. Es klang fast wie ein Schuss. War die Infanterie des Vicomte etwa bereits im Depot? Nein, unmöglich. Vielleicht aber gab es einen Verräter? Erneut erklang das Geräusch. Und dann geschah es...

Erst ging nur ein Beben durch den Hang, einzelne größere Steine lösten sich und rollten zu Boden. Ein Schwall Erde folgte und plötzlich wurde der Hang längs gespalten und fortgedrückt. Zwei mächtige Flügeltüren schwangen unendlich langsam auf. Die Öffnung, die sie schufen, maß gewiss zwanzig Meter in der Höhe und sicher zwölf in der Breite. Drei oder vier BattleMechs hätten sie nebeneinander passieren können.
„Los! Los! Los!“, brüllte Zorn und setzte seinen Mech in Bewegung. Die erste Abteilung Infanterie stürmte bereits hinein. „Vorsicht, wenn Sie uns folgen, Sir“, meldete eine atemlose Stimme. „Der Eingang hat ne Macke. Geradeaus laufen Sie direkt auf eine dreißig Zentimeter dicke Stahlwand auf. Links und rechts sind sechs Meter breite Öffnungen, durch die Sie eintreten können.“
„Von Kenderson, verstanden. Klingt logisch. Angreifer können so nicht direkt ins Depot hineinschießen.
Hören Sie, Leary, wenn Sie Recht haben, dann werden wir jetzt die Reaktion des Vicomte erleben. Beinahe wünsche ich es mir, denn die Ungewissheit wäre vorbei.“
„Das kann ein paar Minuten dauern, bis die Union-Landungsschiffe aus der Mesosphäre herabgeklettert sind. Hoffentlich genug Zeit für uns, um sicher rein zu kommen.“
Zorn hatte seinen Marodeur mit dem Rücken zum Depot aufgestellt, Ventis flankierte ihn links, Leary rechts. Zwischen ihnen huschte Infanterieteam drei ins Depot. Team vier verließ gerade den Berghang, auf dem es Wache gestanden hatte. Eine Strecke von fast drei Kilometern stand ihnen noch bevor. Zu lange, wie sich herausstellte, als Kirran Leary meldete: „Ortung! Sie kommen! Zwei große Metallansammlungen direkt über uns am Rande meiner Ortungsreichweite. Feuerreichweite in sechs Minuten, AZ in elf oder weniger.“
„Verdammt! Team vier, beeilt euch, oder Ihr steht demnächst auf dem Speiseplan der Schiffsgeschütze von zwei Landungsschiffen der Union-Klasse.“
Nervös überprüfte Zorn seine Feuerbereitschaft. Die PPK war klar, ebenso die beiden M-Laser. Sowohl die kleine als auch die große Autokanone meldeten Bereitschaft. Auf Feuerleitkreis eins hatte Zorn die Laser und die PPK gelegt. Die Munitionsabhängigen Waffen lagen auf zwei. Er wusste, dass er diese Konfiguration nicht lange durchhalten würde, seine Abwärme würde viel zu schnell in die Höhe getrieben werden. Aber es sollte reichen, den Landungsschiffen ein oder zwei schmerzhafte Hiebe zu verpassen.

Neben Zorn wurde der Boden aufgerissen, als eine Salve Autokanonenmunition einschlug.
„Die Landungsschiffe sind jetzt in Waffenreichweite“, meldete Leary trocken, richtete die Zwillingsläufe seiner Mecharme in den Himmel und feuerte die M-Laser ab, von denen sich je einer in einem Arm befand. Für die Autokanonen, welche die andere Hälfte der Zwillingsläufe bildete, waren die gegnerischen Schiffe noch zu hoch.
Wieder schlug Feindfeuer in seiner Nähe ein, traf aber nicht. Zorn musste grinsen. Anscheinend hatte der Kanonier Schwierigkeiten, den stark ansteigenden Feuerwinkel durch den rapiden Abstieg mit einzurechnen. Seine Ortung meldete eine Erfassung und er erwiderte den Gruß mit seinen Lasern. Es wurde kein nennenswerter Schaden am erfassten Landungsschiff registriert, aber das hatte Zorn auch nicht erwartet. Diese Dinger waren sowieso schwer gepanzert und machten es einem einfachen Mech nicht gerade leicht, sich da durchzuknaspern.

Endlich war Team vier fast heran. Damit kamen sie aber in den Bereich, den sich die Kanoniere als Hauptziel erkoren hatten und die Gefahr, zufällig getroffen zu werden, stieg für sie.
Zorn hatte den Gedanken kaum zu Ende gebracht, als drei Infanteristen zu Boden fielen. Rund um sie verfärbte sich das Gras braun und ihre Kleidung begann, Feuer zu fangen. Laserbeschuss! Diese Halunken! „Weiter, Trupp vier, weiter! Sie sind tot! Wir können nichts mehr für sie tun!“
Eine schwere Erschütterung erinnerte ihn an seine eigenen Sorgen. Eine AK-Salve hatte gesessen und ihn mittig im Torso getroffen. Neben ihm zog sich Ventis langsam in Richtung Eingang zurück und feuerte abwechselnd ihre M-Laser und den Schweren Laser auf die Landungsschiffe ab.
Sein Statusmonitor informierte ihn über den Verlust einer halben Tonne Panzerung. Neben ihm begann Leary auch mit den Autokanonen auf die Landungsschiffe zu feuern. Zorn schloss sich an. „Ventis zuerst, Sie sind am schwächsten gepanzert. Danach sofort Sie, Leary. Ich folge, sobald Sie drin sind. Stellen Sie sich so, dass Sie mich reinlassen können, aber den Eingang gegen nachsetzende Truppen halten. Und Hiller, sorgen Sie dafür, dass niemand über unseren Noteingang rein kann.“
Die Reste von Team vier huschten in die vermeintliche Sicherheit der Anlage. Auch der Feuerfalke von Ventis schritt jetzt zügiger aus und drehte nach rechts ab hinter den Panzerschutz. Sofort begann auch der Kampfschütze Learys mit dem Rückzug. Er feuerte nun aus allen Rohren und schaffte es tatsächlich, einem Segment seines Ziels ein paar Tonnen Panzerung abzuschmirgeln.
„Kommen Sie, Sir!“, rief Hiller über Gefechtsfunk. „Kommen Sie rein!“
Ein heftiger Schlag auf die bereits geschwächte mittige Torsopanzerung überzeugte ihn davon, dass es wirklich Zeit wurde. Der Statusmonitor meldete, dass an dieser Stelle nur noch ein Hauch von Panzerung existierte. Noch ein Treffer, und er riskierte Myomerschäden, einen Reaktortreffer oder Gyroskopschäden.
Zorn führte seinen Mech im Zickzackkurs zurück auf den Bunkereingang. Ventis und Leary gaben ihm aus ihrer gedeckten Position Feuerschutz, so gut es bei diesem noch ungünstigen Winkel ging. Noch während Zorn endlich den Vorraum mit der Panzerplatte erreichte, setzte das erste Landungsschiff auf. Es feuerte beinahe sofort eine Salve Langstreckenraketen auf den Eingang ab. Der MechKrieger hatte den Marodeur gerade so gedreht, dass er rückwärts an Ventis vorbei in den eigentlichen Vorraum gelangte, so wurde nicht die bereits empfindliche Mitte perforiert, nur der linke Arm und das Cockpit schwer getroffen.
Zorn sah die Panzerung am linken Arm bedenklich schwinden. Am Cockpit hielt sie stand, aber allzu viel war auch hier nicht mehr übrig.
Doch sie hatten es geschafft. Sie waren drin. Sie hatten das Depot genommen.
„Ich bin drin. Tore schließen“, befahl Kenderson.
Wieder knallte es durch die Halle. Die Flügel begannen, nach innen zu schwenken, blieben aber stehen. Die Beleuchtung flackerte und ein lautes Krachen kündete davon, dass die Tore so schnell nicht wieder zugehen würden.
„Verdammt! Was läuft da schief?“, brüllte Zorn.
„Die Motoren der Tore sind uns durchgegangen. Verschleißerscheinungen oder so. Da müssen die Techs ran“, meldete Hiller aufgeregt.
„Negativ, negativ. Hiller, ich will sofort Trupp drei mit Infernowerfern hier haben. Sie sollen sich bereithalten, den Bereich vor dem Tor mit ihren Raketen zu braten. Und sagen Sie den Techs Bescheid, dass mein Mech so schnell es irgend geht ein Wartungsgerüst und Panzerung braucht. Wäre auch nett, wenn sie einen mobilen Kühlmitteltank entdecken würden. Und Munition für meine und Learys Autokanonen.“
„Ziehen Sie sich tiefer in die Anlage zurück, Sir. Ihre Panzerung ist stark mitgenommen. Mein Feuerfalke wurde nur angekratzt. Besser, wenn ich weiter vorne stehe.“
„Tun Sie, was sie sagt, Sir. Wir halten die Stellung. Bringen Sie Ihren Mech nach hinten und lassen Sie die Panzerschäden flicken. Dann nützt er uns mehr als wenn er uns durch einen Glückstreffer hier in der Halle explodiert.“
„Negativ. Sie werden meine Feuerkraft brauchen, wenn der Vicomte seinen Mech und die beiden Panzerlanzen gegen das Tor in Marsch setzt. Hiller, haben Sie unser Mauseloch geschlossen?“
„Besser, Sir. Ich habe Sprengladungen legen lassen, die den Spalt in sich zusammenrutschen lassen. Vorher habe ich da oben aber eine automatische Kamera installiert. Dieses Mistdepot hat nur interne Systeme. Oder nur noch. Deswegen dachte ich, ein Auge nach draußen wäre ganz nett.“
Zorn nickte anerkennend und bewegte seinen Mech weiter nach hinten, um die Stahlplatte herum. „Den Jungen merke ich mir“, brummte er.
Bei Kirran Leary kam der Krieger wieder hervor. „Die rechte Seite ist immer noch vollständig gepanzert. Einwände?“
„Sie sind der Boss“, brummte der Adept.

Die beiden Union waren mittlerweile gelandet. Mit zwei Kilometern Entfernung waren sie außerhalb der Reichweite der Waffen seiner Mechs, aber die standen hier in einer guten Deckung, um dem Feuer der schwereren Schiffswaffen zu widerstehen.
Der Vicomte hatte mit dem Entladen begonnen. Den linken Transporter verließen die beiden Panzerlanzen, insgesamt acht unbeschädigte und einsatzbereite Kampfkolosse vom Typ Shrek. Das war übel, PPKs für den Kampf gegen Mechs.
Infanterie mit Sprungtornistern verließ das andere Schiff. Kurz darauf stapfte ein massiger Victor aus dem Hangar. Vicomte Janard Medice. Der größenwahnsinnige Händler.
Zorn spürte, wie sich seine Hände um die Steuerknüppel verkrampften. Er versuchte, sie wieder zu lockern, aber sie waren hart wie Stein. Aber irgendwie genoss er dieses Gefühl, die Härte, die Ausdauer und Kraft und den Schmerz. Es erinnerte ihn daran, dass er noch lebte. Und das sollte noch lange so bleiben.
„Was machen die da, verdammt?“, brummte Leary.
Die Infanterie teilte sich schnell in kleine Grüppchen auf. Das Gros verteilte sich vor den Landungsschiffen, während drei der kleinen Fünfertrupps nach rechts in Richtung des Taleingangs aus der Blickrichtung Zorns verschwanden.
Zorn Kenderson grinste schief. Ihm war klar, was diese Infanteristen vorhatten. Sie versuchten, auf dem gleichen Weg ins Depot zu kommen wie Zorns Kommandos eine halbe Stunde zuvor. Na, dann würde ihnen noch eine große Überraschung bevorstehen.
„Ich lasse Ihnen jetzt die Kamera auf einen der Monitore legen, Sir.“ Hillers Stimme klang unsicher, aber angesichts dieser Situation war das annehmbar. Für einen Milizinfanteristen hielt sich der junge Soldat geradezu hervorragend.
Der Computer meldete das eintreffende Signal, Zorn legte es auf einen Hilfsmonitor. Die Kamera erfasste nicht den gesamten Bereich, anscheinend war sie eingegraben worden. Ihr Fischaugenobjektiv aber erreichte immer noch einen Winkel von zweihundertvierzig Grad. Diese Perspektive führte zu Verzerrungen, aber die waren auch nicht schlimmer, als die auf hundertachtzig Grad gestauchte dreihundertsechziger Rundumsicht seines Mechs. Der Infanterietrupp begann den Hang zu erklimmen und systematisch abzusuchen. Das beruhigte Zorn. Der Vicomte schien sie beobachtet zu haben, aber nicht genau zu wissen, wo sie ihr Mauseloch gefunden hatten. Das eröffnete ihnen die Möglichkeit, die Kamera noch einige Zeit zu benutzen. Außerdem bestand immer noch die Gefahr, dass es weitere Spalten im Beton gab. Spalten, die sie immer noch nicht entdeckt haben konnten, die aber von ihren Gegnern entdeckt worden waren. Auf ein Infanteriegefecht im Innern der Anlage aber wollte sich Zorn nicht einlassen.

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„Hiller, hören Sie, haben Sie daran gedacht, die Decken der Lagerhallen auf weitere Risse absuchen zu lassen?"
„Selbstverständlich, Sir. Ich habe acht Techs und drei Infanteristen mit Scheinwerfern ausgerüstet, um danach zu suchen. Bisher ohne Erfolg. Aber ich halte ein paar Leute mit Plastiksprengstoff bereit, um so ein Schlupfloch rechtzeitig zu schließen.“
„Gute Arbeit, Hiller. Was haben Sie die nächsten dreißig Jahre so vor?“
„Wollen Sie mich anwerben, Sir?“, kam die nervöse Erwiderung.
„Wäre nicht die dümmste Idee. Sollten wir den Tag überleben, werde ich Sie das vielleicht noch mal fragen, Hiller."
„Ich fühle mich geehrt, Sir.“

Infanterie huschte plötzlich zwischen den Beinen seines Mechs herum, auch bei Ventis und Leary. Team drei war da. Beim Feuerfalken brachte ein Zweierteam ein schweres Zeus-Gewehr in Stellung, eine verdammt gemeine Scharfschützenwaffe. Einer war der Spotter und der andere traf, was der eine fand. Die Waffe hatte eine Trefferreichweite von über tausend Meter. Ein guter Schütze schaffte es, auf das anderthalbfache zu treffen. Als die Waffe ruckte und der Panzerkommandant eines Shreck in seiner Luke zusammensackte, wusste Zorn, wie gut der Schütze wirklich war. Das waren gut und gerne sechzehnhundert Meter gewesen.
„Guter Schuss“, lobte Zorn. „Wer ist am Zeus, Hiller?“
„Unser Scharfschütze? Gefreite Winston, Sir.“
Zorn grinste. „Vielleicht sollte ich mal eine Wunschliste zusammenstellen.“ Er feuerte die rechte PPK auf einen wagemutigen Shreck ab, der in vollem Galopp auf das blockierte Tor vorstürmte. Der satte Treffer machte der Panzerung nicht wirklich was, zwei oder drei dieser Treffer hielt ein Panzer dieser Klasse ohne weiteres aus. Aber der Fahrer verlor die Nerven und warf das schwere Gefährt herum, raus aus dem Schussfeld. Damit kam er in Ventis´ Schussfeld, die sich nicht lange bitten ließ und dem Shreck einen feurigen Gruß ihres S-Lasers hinterher jagte.
Ein Panzer ausgebrochen, ein Kommandant tot. Die nächsten Minuten war mit denen nicht mehr zu rechnen. Blieben sechs Panzer, der Victor und die Infanterie.

„Sir, die gegnerischen Scouts haben das Loch entdeckt“, meldete Hiller plötzlich. „Ich schicke Team eins rüber, um sie zu empfangen.“
Zorn schluckte trocken. Die Kamera war ins Tal gerichtet. Von den Infanteristen sah er gerade mal ein Bein, wenn es nahe durch das Sichtfeld huschte. Sie bereiteten den Abstieg vor.
„Schließen Sie das Mauseloch.“
„Aber Sir, es sind nur ein paar. Sie können nur einzeln durchkommen und wir erwarten sie. Das wäre es wert, die Kameraverbindung zu erhalten."
„Und wenn diese Bastarde einfach ein paar Sprengladungen fallen lassen? Schließen Sie, Hiller! Sofort.“
„Ja, Sir.“ Die Antwort des Infanteristen kam ruhig, geradezu trocken. Er musste damit rechnen, dass sich bereits die ersten Gegner abseilten. Zündete er nun die Sprengsätze, würde die Erde in sich zusammenrutschen und sie zerquetschen.
Es gab eine leichte Erschütterung und das war es. „Verluste?“
„Negativ, Sir. Keine Verluste bei uns. Sie sind wohl auch nicht mehr dazu gekommen, uns einen Gruß zu schicken.“
Wieder ging eine kleine Erschütterung. „Bündelladung“, kommentierte Zorn leise. „Schäden?“
„Negativ, negativ. Der Verschluss hält. Die Kameraverbindung ist ebenfalls noch aktiv. Da haben wir ja noch mal Schwein gehabt, Sir.“
„Das kann man sehen, wie man will, Hiller“, brummte Zorn.
Die Schonzeit war vorbei. Die Panzer rückten vor, zwischen ihnen die Infanterie, und dahinter der gewaltige Mech vom Typ Victor. Natürlich ging der Bastard hundert Meter hinter seinen Leuten. Er wollte nicht selbst ins Feindfeuer geraten, dieser Halunke, und opferte seine eigenen Männer dafür.
"Sir, wir haben jetzt einen Wagen mit frischer Kühlflüssigkeit da. Die Techs sagen, das Zeug wäre dreihundert Jahre alt, aber durchaus noch zu gebrauchen", meldete Hiller.
"Wollen Sie da stehen bleiben, oder kommen Sie etwas rein, Sir?“, erklang die Stimme der SeniorTech. "Ich habe nämlich keine Gefechtsweste."
"Okay, ich komme ein paar Schritte zurück, Andrea. Aber es muss schnell gehen. Ein paar Panzerplatten haben Sie nicht für mich?"
"Selbst wenn ich welche hätte, wie soll ich sie auf die Schnelle befestigen? Mit Glaube und Spucke?“, erwiderte die Technikerin. "Wir arbeiten daran, Sir, wir arbeiten daran."
"Am Glauben oder an der Spucke?“, scherzte Zorn und bewegte seinen Mech etwas tiefer in die Halle. Er war somit nur noch aus einem recht unmöglichen Winkel zu treffen. Und wer dies versuchte, befand sich im Feuerbereich seines linken Arms mit der PPK.
Sofort schwärmten Koenig und ihre beiden Techs aus. Die SeniorTech hangelte sich das Knie hoch und öffnete eine Wartungsklappe im Rumpf der Maschine. Ein Tech reichte ihr einen Schlauch, den sie in der Klappe einstöpselte, während der andere die Pumpanzeigen überwachte.
"Wir pumpen jetzt ab", meldete Koenig. Kurzfristig begann die Abwärme in Zorns Anzeige anzusteigen, kam schnell in den gelben Bereich. "Und das Gute rein. Das gute ins Töpfchen, das Schlechte ins Kröpfchen."
"Sie lesen die Gebrüder Grimm?“, fragte Zorn beiläufig, während seine Abwärme weit in den grünen Bereich hinuntersackte.
"Gebrüder Grimm? Nein, das habe ich aus Der Ewige Krieger, sechste Season, Folge zwanzig. Es ging da auch um Kühlflüssigkeit, Sir."
"Ah, ja. Sagen Sie Bescheid, wenn Sie fertig sind, Andrea. Ich glaube, da braut sich was zusammen. Und sehen Sie zu, dass Sie mir nicht doch ein Gerüst und Panzerplatten anbieten können. Mit etwas Munition wäre ich bereits zufrieden."
Der Tech am Tank gab ein Zeichen, Koenig stöpselte aus. "Fertig, das Baby dürfte jetzt etwas ruhiger laufen. Aber halten Sie den Kopf zwischen den Beinen, Sir. Ihr Cockpit sieht nicht so aus, als würde es einem Volltreffer standhalten können."
"Danke, Andrea. Erinnern Sie mich daran, dass ich Sie vor Jeannie lobend erwähne."
"Eine Solderhöhung wäre mir lieber, Sir", erwiderte sie trocken.
Zorn lachte leise und schob den Mech langsam vorwärts, zurück neben den ehemaligen ComGuard. Die Situation hatte sich geändert, war aber noch nicht bedrohlich. Die verbliebenen sechs Panzer rückten weiter vor, zwischen ihnen die Infanterie. Dahinter kam der Victor des Vicomte. Nun gesellte sich auch der Shreck dazu, der den Kommandanten verloren hatte.
Wieder ruckte die schwere Zeus. Fast gleichzeitig fiel ein Infanterist zu Boden, als hätte man eine Wespe auf seinen Schultern abgestellt.
"Unsere Kamera ist aus, Sir. Diese Halunken haben sie gefunden", meldete Hiller leise.
Zorn checkte seinen Hilfsmonitor und fand ihn schwarz. "Diese Ärsche haben doch irgendwas vor...
Ventis, Leary, noch nicht feuern. Lasst sie erst mal auf vierhundert Meter herankommen. Ich will sichere Schüsse. Nur ein paar satte Treffer und noch besser ein oder zwei ausgefallene Shrecks werden sie beeindrucken. Das erkauft uns Zeit.
Team drei, bereithalten. Irgendwas passiert da über unseren Köpfen. Private, ziehen Sie sich mit dem Zeus und Ihrem Spotter etwas weiter in die Halle zurück."
Wieder ruckte das Zeus, ein weiterer Infanterist hauchte sein Leben aus und fiel zu Boden. Kurz darauf ein zweiter. "Verstanden, Sir. Ziehen uns zurück", hauchte eine ruhige Frauenstimme.
Zorn wischte sich über die Stirn. Sie war schweißnass. Und das, obwohl die Temperatur seines Mechs wieder tief im grünen Bereich waren. Was hatte dieser Kerl vor? Einen Sturmlauf auf das Depot? Konnte er nicht sehen, dass das in einem Fiasko für ihn enden würde?
Bei den Landungsschiffen blitzte es auf. Kurz darauf schlugen Granaten rund um das Tor ein. Prasselnd gesellten sich PPK-Blitze und Lasertreffer hinzu, die aber keinen wirklichen Schaden anrichteten. Das Meiste prasselte in den Erdwall neben dem Tor, einiges hämmerte auf die schwere Schutzwand ein, die genau gegen diesen Fall errichtet worden war.
Die Panzer setzten sich nun von der Infanterie ab und erreichten schnell zwei Drittel ihrer Höchstgeschwindigkeit. Auch sie feuerten ihre Waffen ab, ohne einen größeren Erfolg damit zu erzielen. "Feuer!“, brüllte Zorn und nahm den vordersten Tank unter Beschuss. Die PPK saß, aber der M-Laser ging vorbei. Learys Kampfschütze ließ seine Autokanonen aufbellen, eine Garbe strich über einen Shreck hinweg und fraß sich gierig durch eine Gruppe Infanterie.
Ventis feuerte eine volle Breitseite ihrer Waffen ab. Soweit es Zorn erkennen konnte, hatte zumindest der S-Laser voll gesessen.
"Ich brauche frische Kühlflüssigkeit, Sir", brüllte die MechKriegerin. "Die alte kocht schon."
"Koenig, fahren Sie rüber und geben Sie Ventis´ Baby was zu saufen."
"Für einen Mech wird es wohl noch reichen. Verstanden, Sir. MechKrieger, ziehen Sie den Feuerfalken ein paar Schritte zurück."

In diesem Moment geschah es. Zorn bemerkte die Handgranaten im Eingang erst, als sie explodierten und einen Schrapnellregen entließen, der auf seine Panzerung prasselte. Wäre Koenig nicht bereits hinter der Stahlplatte verschwunden gewesen, um zu Ventis zu kommen, und hätte er selbst nicht die Infanterie etwas zurückbefohlen, hätte es das erste Blutbad gegeben.
Seile hingen den Eingang herab, die Landungsschiffe stellten das Feuer ein. Die Panzer gingen nun auf volle Geschwindigkeit und preschten heran. Wieder feuerte Zorn die Waffen des linken Arms ab und rupfte einem Shreck einen Teil der Aufbauten vom Chassis.
An den Seilen glitten Infanteristen herab. Sie hielten in ihren Händen MPs und Bündelladungen.
"Infanterie im Stützpunkt!“, gellte die Stimme Learys auf. Er versuchte, seine Waffen auf die Soldaten auszurichten. "Weiter auf die Shrecks feuern!“, rief Zorn und gab seinem Panzer den Rest. "Unsere Infanterie macht das schon."
Zorn bemerkte eine feine Rauchsäule zwischen den Beinen seines Mechs. Kurz darauf entließ eine Infernorakete ihr hoch brennbares Gel. Die entzündete Masse begrub sechs der insgesamt neun Infanteristen unter sich. Die anderen hatten bereits Ventis´ Mech erreicht und versuchten, die Bündelladungen zu platzieren. Plötzlich wurde eine der Gestalten schwer gegen die Mechbeine des Feuerfalken geschlagen und fiel danach haltlos zu Boden, in die Ausläufer des brennenden Gels. Ein Teil des Gels begann bereits die Schräge, die den Eingang hinab führte entlang zu fließen.
Es war nicht einmal bis zu den Beinen des Marodeurs gekommen.
Auf der anderen Seite tauchten Soldaten von Team drei auf. Die restlichen beiden gegnerischen Infanteristen hoben die Hände zum Zeichen, dass sie sich ergaben. Einer sprang vor, legte die Hand auf die Bündelladung. Er wurde plötzlich wie welkes Laub durch die Halle geschleudert. Daraufhin leistete der andere Infanterist keinen Widerstand mehr.
"Das waren zwei verdammt gute Schüsse, Winston", lobte Zorn, der die zielsichere Arbeit der Scharfschützin erkannt hatte. "Aber es war auch waghalsig. Das Brandgel hätte auch zwischen die Beine meines Mechs fließen können. Das hätten Sie nicht überlebt."
"Nun, vielleicht doch, Sir", erwiderte sie trocken. "Ich bin nämlich auf dem linken Fuß Ihres Mechs."
Leary feuerte erneut, setzte nun die Waffen beider Mecharme ein und gab einem weiteren Shreck den Rest.
Auch Ventis holte sich ihren Abschuss.
Dies war zuviel für die Angreifer, die noch gut hundert Meter zu bewältigen hatten. Sie brachen den Angriff ab und strebten bei fünfzig Meter auseinander, um sich außerhalb der Waffenreichweite des VerteidigerMechs zu sammeln. Bei dieser Aktion gelang es Leary und ihm, in Zusammenarbeit einen weiteren Shreck auszuschalten.
Der Victor feuerte eine zornige Salve seiner Autokanone auf die wartenden Mechs ab und zog sich dann ebenfalls zurück.
Misstrauisch beäugte der Oberleutnant die Szene. Sie hatten Zeit gewonnen. Wie lange würde sie reichen?

Drei Stunden später wünschte sich Zorn, dass diese Pause nicht so lange gedauert hätte. Die Warterei zehrte an seinen Nerven. Und seine verkrampfte Haltung auf der Pilotenliege tat ihr übriges.
Wenigstens hatten sie die Zeit nutzen können, um auch Ventis´ Feuerfalke und Learys Kampfschütze mit frischer Kühlflüssigkeit zu versorgen. Zorn hatte es sogar gewagt, Kirran für zehn Minuten vom Tor abzuziehen, damit er seine Autokanonen aufmunitionieren lassen konnte. Der Glückliche. Er bekam Bewegung.
Aber er selbst blieb wo er war. Nervös schlug er sich fest auf die rechte Wange. Vor wenigen Minuten wäre er beinahe eingenickt. Und das in dieser prekären Situation! Es half nicht viel, aber Zorn wagte es nicht, die verbrauchte Luft durch das Öffnen der oberen MechLuke auszutauschen.
Es hatte keine weiteren Angriffe von oben gegeben, und obwohl sie nicht wissen konnten, ob sich da über ihren Köpfen nicht noch ein paar Infanteristen der Piraten unter dem Kommando Medices aufhielten, glaubte er nicht an noch so einen Überraschungsangriff.

"Ventis?" "Sir?" "Alles in Ordnung bei Ihnen?" "Ja, Sir. Die sollen nur kommen. Die kriegen die Prügel ihres Lebens." Zorn lächelte kalt. "Hinten anstellen, MechKriegerin.
Leary?" "Was gibt es, Oberleutnant?" "Wie geht es Ihnen?"
"Beschissen. Die Warterei geht mir auf die Nerven. Je länger es dauert, desto sicherer werde ich, dass Janard Medice eine Riesensauerei plant. Vielleicht schmeißt er eine Atombombe nach uns."
Entsetzt keuchte Zorn auf. Atombomben waren geächtete, ja verabscheute Waffen in der gesamten Inneren Sphäre. Sie zu benutzen, ja zu besitzen war Grund genug, von der Gemeinschaft der Nachfolgerstaaten als vogelfrei erklärt und zu Tode gehetzt zu werden.
"Das war nur ein Scherz, Zorn", brummte Leary leise. Und fügte hinzu: "Medice würde niemals zulassen, dass seine Beute radioaktiv verseucht wird."
"Das tröstet mich nicht wirklich, alter Mann", erwiderte Zorn leise.
Der lachte meckernd. "Sehen Sie es doch mal so. Je mehr Zeit vergeht, desto wahrscheinlicher wird es, dass Janard Medice einen wirklich gemeinen Trumpf in der Hand hat. Aber mit jeder Minute die verstreicht erhöht sich auch die Wahrscheinlichkeit, dass sich etwas entfernt vor den Hakkon-Bergen unsere Unterstützungstruppen sammeln. Noch etwa eine Stunde, und die Transporthubschrauber haben die erste Tour hinter sich. Das bedeutet dann mindestens eine Kompanie Infanterie und eine Panzerlanze für uns. Könnte reichen um das Depot zu verteidigen!"
"Sir, Koenig hier. Wir haben in Halle sieben eine Wartungsnische vorbereitet. Wenn Sie mit Ihrem Marodeur rüber gehen, können wir ihn aufpanzern und die Munition der Autokanonen ergänzen."
"Sorry, das kann ich nicht. Ich weiß genau, sobald wir uns eine Blöße geben und einer unserer drei Mechs nicht mehr zu sehen ist, werden diese Bastarde angreifen. Ich will meine Mühle dann nicht bewegungslos in einer Wartungsnische stehen haben."
Ein langer Seufzlaut erklang über Komm. "Dachte ich mir doch. Klarer Fall von Heldenmut. Okay, Sir, dann ziehen Sie Ihre Maschine mal zwei Schritte zurück. Wir haben hier Panzerplatten und fünf Techs mit Schweißgeräten. Wir versuchen, Ihren Panzerungsschaden mit Hilfe eines Minikrans zu beheben. Das können wir jederzeit abbrechen und Sie können sich wann immer Sie wollen in die Schlacht werfen. In Ordnung?"
Zorn lachte auf. "Was meinen Sie, Leary?"
"Herr Oberleutnant, das klingt nach einer guten Idee. Ich passe solange auf, dass unser Freund keinen Unsinn macht."
"Malen Sie den Teufel nicht an die Wand, Leary", brummte Zorn und zog den Mech ein paar Schritte zurück und um die Panzerwand, die das Depot gegen direkten Beschuss sicherte.
Sofort wieselten die Techs heran. Für einige Zeit war also für Zorn nicht viel zu tun. Also löste er seine Gurte und dehne und streckte sich, so weit es die Kabine des Marodeurs zuließ. Himmel, war er verspannt.
Hammerschläge landeten auf seinem Mech, die Techs lösten rabiat die geschmolzenen Reste der alten Panzerplatten ab. Kurz darauf surrte der Minikran heran. Gleich danach stoben die Funken der Elektroschweißgeräte, die das Metall an der neuen Position verankerten.

"Sir, dies wäre vielleicht der richtige Augenblick, um mit Ihnen zu reden", meldete sich Hiller. "In Ordnung, Leutnant, schießen Sie los."
"Wir haben den überlebenden Infanteristen verhört. So wie es aussieht hat er weit mehr Angst vor Janard Medice als vor uns. Er hat uns eine Geschichte erzählt, die uns jetzt noch die Haare zu Berge stehen lässt. Demnach hat er persönlich einen Soldaten zu Tode gepeitscht, der in seinen Augen Feigheit vor dem Feind gezeigt hatte. Als eines seiner eigenen Kinder eingreifen wollte, hatte er mit der Peitsche so lange auf es eingeprügelt, bis es am Boden gelegen und gewimmert hat.
Sir, ich habe dem Soldaten in die Augen gesehen. Der Mann sagt die Wahrheit. Was muss dieser Mann für eine Bestie sein."
"Das wundert Sie, Hiller? Immerhin ist ihm dieses Depot die Auslöschung der gesamten planetaren Bevölkerung wert. Hören Sie, bieten Sie dem Gefangenen Kriegsrecht an. Wir behandeln ihn nicht als Piraten, sondern als legitimen Soldaten. Vielleicht lockert das seine Zunge etwas mehr."
"Ja, aber Sir, er ist doch ein Pirat und war laut eigener Aussage auch auf dem Überfall auf Ihre Kompanie beteiligt."
Für einen Moment fühlte sich Zorn, als wäre er gerade kalt abgeduscht worden. Musste ihn dieser Narr nur daran erinnern? Heiße Wut kroch in ihm hoch, aber er behielt sie im Griff und rang sie nieder. "Manchmal wird man gezwungen, Dinge zu tun, die man gar nicht will. Ich biete diesem Soldaten hiermit offiziell meinen Schutz an und die Möglichkeit, seine Verbrechen wieder gut zu machen. Sagen Sie ihm das. Und erzählen Sie ihm, dass ich Clark Duvalle den gleichen Schutz gewährt habe, als er überlief."
"Ich werde es ausrichten, Sir, ungern, aber ich werde es ausrichten."
"Höre ich in Ihrer Stimme da etwas wie Missmutigkeit, Soldat?“, hakte Zorn nach. "Haben Sie wirklich was gegen meine Befehle?"
"Sir, es ist ja nur so, einige der Cavaliers waren meine Freunde. Die Hälfte ist tot, und ich bin gerade dabei, einen von denen, die das verursacht haben, zu beschützen. Das schmeckt mir nicht."
"Himmel", brüllte Zorn, laut genug, dass es zu einer Rückkopplung unter seinem Neurohelm kam. "Meinen Sie, mir schmeckt das? Meinen Sie, ich will diesen Mann nicht am liebsten an die nächste Wand stellen? Meinen Sie, ich will nicht die Verkörperung meines Vornamens werden? Aber ich tu es nicht. Weil ich weiß, dass dieses Gefühl vergehen wird. Dass die Wut vergehen wird und der Logik Platz macht. Und wenn ich dann nüchtern meine Taten betrachte, dann will ich sagen können: Ich habe gut und richtig gehandelt und kein Verbrechen begangen, das mich auf eine Stufe mit Janard Medice stellt. Genau deswegen gibt es Gerichtsverhandlungen im Militär der Vereinigten Sonnen und keine standrechtlichen Erschießungen als Procedere im Militär der Vereinigten Sonnen. Also seien Sie ein guter Militär, mein Junge, und tun Sie das, was ich Ihnen befehle. Tief in Ihrem Magen wissen Sie doch, es ist richtig so, nicht?"
Zögerlich kam die Antwort: "J-ja, Sir. Aber ich hätte sowieso auf Ihren Befehl gehandelt, weil ich Ihnen vertraue." Und Sie bewundere, schwang unhörbar in den Worten mit. War Zorn dieser Bewunderung wert? Vielleicht, wenn die meisten von ihnen den Tag überlebten.

"Es gibt Ärger", brummte Leary über Funk.
"Soll ich vorkommen?“, blaffte Zorn und schnallte sich wieder an.
"Nae. Noch nicht. Warten Sie ruhig ab, bis die letzten beiden Panzerplatten sitzen. Im Moment sieht es mehr so aus, als würden die Landungsschiffe feuern, während sich die Panzer und der Mech vor ihnen sammeln."
Wie zur Antwort rieselte feine Erde von oberhalb des Depots den Eingang hinunter. "Verdammt, was macht der Kerl da? Es sieht so aus, als würden die Landungsschiffe den Hang über dem Tor beschießen!"
Wieder rutschte Erde nach, mehr diesmal. "Ruhig, Ventis, ruhig. Das ist noch keine Gefahr für uns. Selbst wenn hier alles zusammenstürzt, das hat das Depot schon mal mitgemacht. Solange die Dieselmotoren da hinten funktionieren, kriegen wir hier auch ausreichend Luft. Und ich bin sicher, irgendwo gibt es eine Notluke, aus der wir selbst dann noch entkommen können."
"Aber was dann, Sir? Wenn uns dieser Bastard wirklich lebendig begräbt? Dann sind unsere Mechs außen vor, unsere stärkste Waffe. Wenn unsere Verstärkung in diesem Moment eintrifft oder später, wird Medice mit der Lanze Panzer und der Infanterie Schlitten fahren. Denn seine Waffen sind da draußen.
Danach hat er alle Zeit der Welt, um uns zu belagern und vielleicht über einen der Notausgänge anzugreifen."
"Nicht alle Zeit der Welt, Ventis, bestenfalls drei bis vier Wochen, bis Entsatz eintrifft." Zorn wurde unbehaglich. Dieses Gefühl steigerte sich noch, als Ventis seine Gedanken aussprach: "Drei bis vier Wochen, in denen wir hier drin sind. Drei bis vier Wochen, in denen Medice so ziemlich alles machen kann, was er will. Einschließlich unsere Basis zu erobern und unsere Mechs zu klauen, die Auld Jeannie gerade herrichtet. Einschließlich der Zeit, das Massaker zu beenden, das er vorhat."
Zorn stieß einen Fluch über Funk aus, der ihm ein tadelndes Na, na von Kirran einbrachte.
Wieder rutschte Erde nach und bedeckte einen Großteil des von der Inferno verbrannten Bodens vor dem Tor.

"Kenderson an alle. Team drei und vier sofort zum Tor. Wir brauchen Infernos, Scharfschützen und MP-Teams. Hiller, haben Sie irgendetwas schnelles hier entdeckt? Ein Motorrad oder einen Schweber?"
"Da ist ein altes Einrad-Bike, Sir, das augenscheinlich mit Diesel läuft. Ich habe es aber bisher nicht weiter beachtet."
"Richten Sie es her. So schnell es irgend geht. Und dann setzen Sie Ihren besten Mann drauf."
"Sir?“, fragte Hiller verwundert.
"Und dann sorgen Sie dafür, dass sich die Techs beeilen, die an den Motoren für die Türflügel basteln. Ich will, dass sich die Dinger endlich schließen."
"Verstehe, Sir. Sie wollen ausbrechen. Team eins und zwei sollen in der Zeit das Depot vor Infanterie verteidigen. Ich kümmere mich um das nötige. Mein bester Fahrer für diesen Job ist Jackson, Sir."
"Okay, richten Sie die Mühle her. Geben Sie ihr notfalls Diesel von den Notgeneratoren. Jackson soll sich bereithalten, aus unserer Mitte raus zu schießen wie der Ewige Krieger, wenn er ein neues Bordell entdeckt."
"Sehr witzig", kommentierte Ventis leise.
"Wir gehen da raus und stellen uns zum Nahkampf. Ich weiß, gegen die Landungsschiffe halten wir nicht lange durch. Deshalb beeilen Sie sich mit den Toren, Leutnant. Sobald sie sich schließen, setzen wir uns hinter den Wall am Eingang ab. Dort vereinigen wir uns mit der Verstärkung und setzen dem Vicomte zu, so gut wir können. Sie sehen, Hiller, ich will Sie bestimmt keine drei Wochen hier alleine lassen. Selbst wenn wir uns absetzen, wir bleiben in Ihrer Nähe. Die Teams drei und vier bleiben im Tor und verteidigen es, bis es schließt. Team eins und zwei suchen und besetzen diverse Notausgänge. Wir bleiben im Kontakt, so gut es geht, Hiller. Ihr Befehl lautet, das Depot zu verteidigen, und das bis zum letzten Mann. Sie öffnen die Pforte nur, wenn Captain Jorgensson vor der Tür steht, verstanden? Für niemanden sonst, einschließlich mich.
Wenn der Captain in den Kämpfen fällt, dann bleiben Sie drei Wochen da drin. Sie öffnen aber auch dann nur einem Offizier der Armee der Vereinigten Sonnen. Haben Sie das verstanden, Hiller?"
"Sie... rechnen damit, gefangen genommen zu werden?"
"Ich rechne damit, dass einer von uns dreien gefangen genommen wird, gefoltert wird und vor Schmerzen bereit ist, alles zu tun. Sogar dieses Depot zu verraten. Haben Sie das verstanden, Hiller? Öffnen Sie nicht mal, wenn Medice mich oder Ventis oder Leary direkt vor dem Portal zu Tode foltert. Das ist ein Befehl. Ich hoffe inständig, dass Sie ihn nicht ausführen müssen. Also, Team drei und vier, bereit?"
"Klar, Sir." "Bereit. Und wir sollen nicht mit Ihnen raus?"
"Sie wären nicht schnell genug für unsere Mechs, Winston. Was ist mit Jackson? Ist das Einrad bereit?"
Wie zur Antwort raste das schnelle Gefährt neben Ventis´ Wespe. "Bereit, Sir. Ich reite das Ding bis zur Hölle und zurück. Darf ich das behalten?"
Zorn musste lachen, trotz der angespannten Situation. "Eigentlich wollte ich Ihnen einen der Mechs geben", scherzte er, "aber wenn Sie lieber das Motorrad haben wollen...
Okay, Leary?" "Bereit. Denen geben wir Saures."
"Ventis?" "Sir, falls ich abgeschossen werde... Falls ich am Boden bleibe oder die Infanterie mich gefangen nimmt..." Ihre Stimme bebte. "Sie wissen, was Piraten mit Frauen machen. Bitte bringen Sie mich vorher um."
NEIN, schrieen seine Gedanken. Nedra Ventis war so ziemlich alles, was ihm von Cranstons Cavaliers geblieben war. Diese Frau war ihm näher als seine eigene Schwester. "Ich verspreche es Ihnen", hörte er seine eigene Stimme tonlos antworten. Er hasste sich für diese Worte. Denn er selbst erbat sich diese Option nicht.

"Cavaliers, hergehört. Langsam rutscht die Erde recht bedrohlich nach. Ich hoffe, die Tore schaffen das. Wir brechen aus, jetzt oder nie!"
Zorn setzte seinen Mech in Bewegung, kam schnell in einen schwerfälligen Trab. Sofort feuerte er die PPK ab, die einzige Waffe, die gegen die fernen Landungsschiffe, die Panzer und den Mech einen Effekt versprach. Direkt neben ihm feuerte Kirran Leary bereits seine Laser ab. Ventis in ihrem Feuerfalken preschte etwas vor und setzte die M-Laser in den Armen abwechselnd ein. "Ruhig, Ventis, ruhig. Ich habe die stärkste Panzerung, nicht Sie.
Jackson, noch da?" "Ich bin zwischen Ihren Beinen, Sir." "Bleiben Sie da. Ich warne Sie, bevor ich einen Ausfallschritt mache. Sie ziehen dann raus. Wenn ich nichts sage, ziehen Sie weg, sobald wir in effektive Waffenreichweite der Panzer kommen."
"Ja, Sir."
An den Landungsschiffen brach Unruhe aus. Der Victor erhob sich mit seinen Sprungdüsen in die Luft und kam den drei Cavaliers-Mechs so gute zweihundert Meter näher. Zwei Shreks setzten sich ebenfalls schwerfällig in Bewegung. In den Reihen der Infanterie brach Tumult aus, als schnell hintereinander vier Mann ausfielen. Ein weiterer Panzer setzte sich in Bewegung und überfuhr dabei einen weiteren Infanteristen, was das Chaos vervollständigte.
"Jetzt rausziehen, Jackson. Viel Glück und lassen Sie sich nicht treffen."
"Ja, Sir. Wir sehen uns, wenn ich mit Captain Jorgensson zurückkomme."
Das schnelle Bike ließ sich kurz zurück fallen und zog dann nach rechts weg, zum Taleingang. Schnell gewann es an Geschwindigkeit und huschte bald wie ein Schemen davon.

"Beginnen mit kreuzen. Splitten", befahl Zorn. Die Landungsschiffe hatten nun gute Chancen, sie zu treffen, wenn sie weiterhin gerade auf sie zugelaufen kamen.
Ein Shrek brach aus dem Gegenangriff aus und feuerte auf das davonhuschende Einrad.
Leary ließ sich da nicht lange bitten und versetzte dem Feindpanzer zwei Volltreffer mit den M-Lasern, die ihn wieder daran erinnerten, dass hier eine Schlacht tobte, kein Fang mich Spiel. Der Victor preschte weiter vor, direkt auf Zorns Marodeur zu.
"Nicht zu weit, Leute, nicht zu weit. Bleibt wenn es geht, achthundert Meter von den Landungsschiffen entfernt." Zorn schickte dem Victor einen ersten Gruß mit der PPK, der auf dem rechten Arm mit der Autokanone traf und dort etwas Panzerung abschmirgelte.
Ventis hatte sich mit einem Shrek angefreundet und tauschte Feuer mit ihm aus. Die gegnerischen Waffen des Panzers und der Landungsschiffe zogen neben ihrem Feuerfalken ihre Bahn. Wenn eine der Salven nur zufällig traf, weil Ventis in sie hineinzog, dann würde der 45-Tonner echte Schwierigkeiten haben.
Leary war nun auf effektive Reichweite heran und feuerte im Wechsel die beiden Autokanonen auf den Shrek ab, der immer noch versuchte, das Einrad zu treffen. Beide Salven trafen, und ein Lasertreffer brach schließlich in die ohnehin lädierte Flanke. Das war das Ende für den Feindpanzer. Er wurde vom eigenen Schwung noch ein paar hundert Meter getragen und blieb schließlich liegen. Seine Beute, das schnelle Einrad, verschwand gerade um die Biegung des Walls, der den Eingang des Tals abschottete.

Damit waren es nur noch vier Panzer, stellte Zorn nüchtern fest. Vier Panzer, ein Victor und ein Haufen aufgeschreckt herumlaufender Infanteristen. Wieder und wieder hielten Winston und ein zweiter Scharfschütze blutige Ernte unter den Soldaten. Neun Tote lagen bereits auf dem Boden, und wenn sich ein Infanterist nur den Hauch einer Blöße gab, lag er schnell daneben.
"Wir schließen jetzt, Sir. Viel Glück."
"Kenderson hier. Habe verstanden. Und Ihnen auch viel Glück, Hiller. Sie werden es brauchen."
Zorn warf einen schnellen Blick auf die Hundertachtzig Grad Anzeige und bemerkte zu seiner Erleichterung, wie sich die Pforten schlossen.
"Absetzen!“, blaffte er.
"Leary hier, verstanden."
"Ventis hier, verstanden."

Aus den kreuzenden MechBewegungen wurde ein ziemlich gerader Kurs, weg von den Landungsschiffen und ran an den Talausgang.
"Ventis, springen Sie und geben Sie uns vom Wall aus Deckung."
"Ja, Sir." Gehorsam löste sie die Sprungdüsen aus und kam dem Wall mit diesem Satz zweihundert Meter näher. Doch im Moment der Landung wurde der Feuerfalke am linken Bein von einer Autokanonensalve getroffen. Der Knieaktivator gab nach, der Unterschenkel wurde abgerissen. Für einen Moment noch versuchte Ventis das Gleichgewicht zu halten, dann fiel sie vornüber.
"Ventis! Status!“, blaffte Zorn während kalte Angst nach seinem Herzen griff. Nicht jetzt! Nicht so nahe am Ziel!
Der Victor hatte getroffen, und das verdammt gut. "Ventis!“, blaffte Zorn wieder. Er änderte den Kurs seiner Maschine und raste auf den gestürzten mittelschweren Mech zu. Dort drehte er ein und stellte sich beschützend vor dem Feuerfalken auf. Er schoss die PPK auf den näher kommenden Victor ab und traf erneut den rechten Arm mit der Autokanone. "Ventis, verdammt, melden Sie sich."
"Sie ist ohnmächtig, Zorn. Der Sturz muss sie betäubt haben!“, rief Kirran Leary, während er seinen Kampfschütze neben Zorns Marodeur aufstellte.
"Leary, ziehen Sie sich zurück. Das ist ein Befehl."
"Glauben Sie wirklich, ich will Nedra hier alleine lassen? Glauben Sie wirklich, ich würde Sie im Stich lassen?"
"Das ist dumm, Kirran, verdammt. Wenigstens ein Mech muss das hier überleben, damit wir eine Chance gegen den Victor haben."
Wieder feuerten die Landungsschiffe. Es war ein Wunder, dass die Salven nicht so besonders saßen und alle drei Mechs um mehrere Meter verfehlten. Wieder feuerte der Victor. Mit Bedauern sah Zorn, wie die frisch aufgesetzten Panzerplatten davon wirbelten. So würde also sein Ende aussehen.
Die Shrek-Panzer griffen nun ebenfalls an.
Leary empfing den vordersten mit einer vollen Salve. Alle vier Waffen trafen und reduzierten die Panzerung des Gegners auf einen winzigen Hauch. Der Kommandant schien das zu wissen, denn er brach aus der Formation aus. Vom linken Landungsschiff löste sich daraufhin eine Salve LSR und vernichtete den Abtrünnigen. Zum Glück waren sie außerhalb der Reichweite dieser Waffen.
"Ventis, verdammt", rief Zorn hilflos.
"Sir?" "Ventis!“, rief Zorn erleichtert. Nicht einmal die schweren Treffer im Myomer seines linken Armes konnten dieses Gefühl trüben. "Drehen Sie Ihren Mech um und benutzen Sie die Sprungdüsen."
"Geht nicht, Sir. Mir müssen ein paar Platinen durchgeschmort sein. Der Feuerfalke bewegt sich nicht."
"Dann steigen Sie aus, hören Sie."
"Ich habe es schon versucht. Die Luke hat sich verklemmt. Hier komme ich wohl nicht mehr raus."
Verdammt, warum hatte keiner der anderen beiden Mechs humanoide Arme und Hände? Er hätte den Feuerfalken forttragen können. So aber musste der Mech hier bleiben.
"Sir, bitte lassen Sie mich nicht in die Hände von denen fallen. Ich bin bereit."
"Negativ", erwiderte Zorn und tauschte Feuer mit dem Victor aus, der erneut voran gesprungen war. Lief dieses Mistding nicht irgendwann mal heiß?
Mit Bedauern sah Zorn dabei zu, wie sich der linke Arm verabschiedete. Schade um die PPK.
"Ich lasse Sie nicht hier zurück, Ventis. Ich habe schon genug gute Leute verloren. Heute verliere ich keinen mehr."
"Was? Das ist verrückt! Sie sind hier auf dem Präsentierteller! ZORN! Hauen Sie ab. Meinetwegen schießen Sie nicht auf mich, aber opfern Sie sich nicht. ZORN! Ich habe auch schon zu viele Freunde hier verloren." Ihre Stimme klang verzweifelt. "Kirran. Sagen Sie diesem Narren doch, dass er endlich verschwinden soll."
"Er ist ein Dickkopf, Nedra, und ich bin es auch. Wir bleiben."

Wieder feuerte der Victor die Autokanone. Der Marodeur taumelte einen Schritt nach hinten, als er mittig im Torso getroffen wurde. Zwei Raketen einer KSR-Salve taten ein übriges.
So sterbe ich also, ging es Zorn erneut durch den Kopf, während er den Mech wieder in Kampfposition brachte. Er feuerte alles, was er noch hatte, auf den nächsten Panzer. Die Autokanonen bliesen ihn aus diesem Leben.
Erneut schlugen KSR in Zorns Torso ein, ließen den Mech wieder einknicken. Noch so ein Treffer, und die Panzerung war durch.
Zorn konzentrierte sich auf den Panzer, mit dem sich Leary bereits ausgiebig beschäftigt hatte und gab ihm den Gnadenstoß mit der großen Autokanone. Seine Abwärme schnellte sprungartig hoch. Er hatte Wärmetauscher verloren.
Der Computer kündigte die Notabschaltung des Reaktors an, Zorn hieb auf den Vetoschalter.
"Gehen Sie jetzt, Kirran. Sie brauchen beim Ende der Cavaliers nicht mit draufgehen", sagte er so ruhig wie selten in seinem Leben.
Kirran Leary lachte hart zur Antwort. "Ab sofort bin ich auch ein Cavalier."
"Dickschädel", lachte Zorn betrübt und befreit gleichermaßen. Wieder ging ein Wärmetauscher verloren. Es wurde Zeit, die AK-Munition abzuwerfen, wenn er keine interne Explosion riskieren wollte. Der Marodeur knickte erneut ein und wurde starr. Wütend hieb Zorn auf den Vetoschalter. Nichts geschah. Dafür kam der Victor immer näher und setzte erneut eine Salve direkt in seinen Torso. Die Panzerung existierte nun nicht mehr. Erneut schlug Zorn auf den Vetoschalter, doch wieder geschah nichts.
Zugleich knickte der Kampfschütze schwer ein, getroffen von einer Autokanonensalve eines Landungsschiffs. Der letzte Kampfpanzer preschte heran, um Leary den Rest zu geben.
Der Victor sprang und reduzierte die Entfernung zu Zorns Marodeur auf hundert Meter. Der Arm mit der Autokanone hob sich. Beinahe glaubte Zorn, in die Mündung sehen zu können. Er war nun unglaublich ruhig. Er wusste, dies waren seine letzten Sekunden in diesem Leben.

Plötzlich wuchsen kleine Feuerblumen auf dem rechten Arm des Victors. Zwei Volltreffer rissen die Autokanone von der Schulter des Gegners.
Das war eine Autokanone gewesen. Leary? Nein, der kämpfte mit seinem Gleichgewicht und dem letzen Shrek.
Wieder traf eine Autokanonensalve den Victor, diesmal im Torso.
"Darf ich mitspielen, Zorn?“, erklang eine Stimme, die er tagelang gehasst hatte wie nichts auf der Welt. Nun aber erschien sie ihm wie das helle Lachen eines Engels.
Sein Mech erwachte wieder zum Leben, als die Abwärme unter die Rotmarkierung rutschte. Sofort richtete er seinen Marodeur auf und feuerte die Autokanone in die Bresche, die bereits in den Rumpf des Victors geschlagen worden waren. Die eingelagerte KSR-Munition ging hoch und riss den anderen Arm auch noch ab. Der Mech taumelte und sackte schließlich in sich zusammen.
Kurz darauf sprang ein Tomahawk - sein alter Mech, das Zeichen der Cavaliers war noch drauf - direkt neben ihn.
"Duvalle, hat Ihnen der Arzt nicht Bettruhe verordnet?“, rief er erleichtert. Was immer dieser Mann getan hatte, was immer ihm die Cavaliers jemals vorgeworfen hatten, mit seinem Erscheinen hier machte er all das wieder gut."
"Tja, Jeannie Crawford meinte, ein Tomahawk wäre allemal besser als eine Wespe. Und da ich der einzige MechPilot bin, der diese Mühle benutzen kann, hat man mich hierfür fit gemacht. Haben Sie schon mal eine Infusionsanlage in einem MechCockpit gesehen? Sieht witzig aus."
"Danke, dass Sie Ihr Leben riskieren, Clark."
Der Tomahawk sprang neben Learys Kampfschütze. Die Titanstahlaxt sauste herab und schlug in den letzten Shrek ein. Ein Autokanonentreffer von Leary vervollständigte das Vernichtungswerk.
"Bleiben nur noch die Landungsschiffe", stellte Duvalle fest. "Aber das ist nichts für mich. Dem Mech fehlen noch zwei Wärmetauscher, das hat Ihr MeisterTech auf die Schnelle nicht hingekriegt, aber das müssen wir Medice nicht erzählen."

Im Taleingang tauchten drei Panzer vom Typ Burke auf. Sofort begannen sie damit, die Landungsschiffe unter Feuer zu nehmen.
Die Infanteristen kamen aus ihren Deckungen hervor und liefen die Rampen der Landungsschiffe hinauf, die sich bereits schlossen. Einige schafften es nicht. Die Klügeren versuchten, Abstand zu gewinnen, um beim Start nicht gebraten zu werden. Andere wurden zu lebenden Fackeln, als die Feuerlohe des Notstarts die Union in die Höhe lupfte. Ein Landungsschiff startete durch. Das andere schob zu ihnen herüber und nahm den Victor unter Feuer. Tausendzweihundert Meter, noch zu weit für einen effektiven Treffer.
Einem Gedanken folgend preschte Zorn vor und stellte seinen Mech als Schutz vor dem Victor auf.
"Was soll denn der Scheiß? Lassen Sie den Vicomte doch von seinen eigenen Leuten töten", blaffte Leary gereizt.
"Da sitzt nicht der Vicomte drin, verdammt. Ist Ihnen das noch nicht aufgefallen? Dieser Bastard würde sich niemals derart in Gefahr begeben. Da sitzt einer seiner entrechteten MechKrieger drin. Und wenn er den Vicomte einen Todesstoß wert ist, dann ist er lebend für uns von Bedeutung.“
Wieder feuerten die Panzer. "Captain Jorgensson hier. Habe verstanden und gebe Deckungsfeuer. Wie ich sehe, haben Sie Erfolg gehabt. Sie leben sogar noch. Dabei standen die Wetten fünf zu eins gegen Sie", meldete sich der Milizoffizier.
"Wie haben Sie gewettet?" fragte Zorn und feuerte die große Autokanone auf das Landungsschiff. "Ich bin jetzt vierhundert C-Noten reicher." "Kluge Wette."
Der Tomahawk trat neben ihn. "Leary deckt weiterhin Ventis, ich leiste Ihnen Gesellschaft, wenn ich darf."
"Seien Sie mein Gast, Clark. Seien Sie mein Gast. Irgend eine Ahnung, wer im Cockpit sitzen könnte."
Eine volle Ladung LSR jagte auf die beiden Mechs zu. Drei trafen Zorn und schüttelten den Marodeur kräftig durch. Vier perforierten die Panzerung des Tomahawks. Aber beide Mechs blieben stehen. "Ja, habe ich. Machen Sie sich auf eine Überraschung gefasst, Zorn.
War übrigens eine gute Idee, den Melder zu schicken. Nur durch ihn haben wir erfahren, was hier passierte und uns für einen schnellen Vorstoß entschlossen, anstatt uns vorsichtig heranzupirschen."
"Er kriegt nen Orden", knurrte Zorn und musste mit ansehen, wie auch der rechte Arm immer mehr Panzerung verlor. Hoffentlich kam der Bastard von Landungsschiffskapitän nicht auf die Idee, direkt auf ihnen zu landen. Er war dann zwar verwundbar, weil er seine Startdüsen präsentierte und nur einen Bruchteil seiner Waffen einsetzen konnte. Aber vielleicht war es ihm dieses Risiko wert.

Neben dem Tomahawk kam ein Burke zum stehen. Der Panzer platzierte einen Treffer mit einer PPK direkt auf das bereits lädierte Schott zum MechHangar des Union. Leary folgte seinem Beispiel und feuerte eine volle Salve ab. Zorn zog nach. Auch die anderen Panzer feuerten. Endlich stoppte der Union die Bewegung auf sie zu und begann, unendlich langsam in den Himmel zu steigen.
Die Mechs und Panzer feuerten, was ihre Waffen hergaben. Aber nur die Mechs waren in der Lage, senkrecht nach oben zu feuern, was die Wirkung rasch einschränkte.
"Das war es dann. Captain Jorgensson, bitte fahren Sie zum Depot. Hiller hat Befehl, nur Ihnen zu öffnen. Da Sie einen Mech dabei haben, nehme ich an, dass Sie auf Infanterie verzichtet haben. Wir werden seine Teams brauchen, um die Verwundeten und die Versprengten einzusammeln. Außerdem muss einer Ventis dabei helfen, aus ihrem verklemmten Cockpit zu kommen.
Leary, Duvalle, Patrouille. Wir sichern das Gelände.
Ventis, wie geht es Ihnen?"
"Ich lebe. Danke. Sie sind ein verrückter Hund, Zorn, wissen Sie das?"
Der Cavalier lächelte matt. "Deswegen leben wir alle wohl noch."
"Nein", meldete sich Leary zu Wort. "Wir leben trotzdem noch." Gelächter antwortete ihm. "Aber ich würde es jederzeit wieder so machen."
"Willkommen bei Kendersons Cavaliers", hauchte Zorn ergriffen.
***
Als Nedra Ventis aus ihrem Mech gehoben wurde, jubelten die Menschen. Sie hatte sich bei dem Sturz eine Gehirnerschütterung zugezogen und einen Arm gebrochen, aber sie lebte. Vor allem für die Cavaliers war das ein Zeichen der Hoffnung. Hoffnung, die auch ihn selbst betraf, Zorn Kenderson.
Nach und nach trafen weitere Einheiten ein. Techs unter MeisterTech Crawford und Infanterie der Cavaliers unter Muller. Medotruppen waren ebenfalls dabei. Sie hatten mehr als genug zu tun. Die Infanterie aus dem Stützpunkt hatte siebzehn Panzerfahrer aus den Wracks gerettet, fast vierzig Tote zusammengetragen und elf Überlebende Infanteristen eingesammelt.
Dazu kam der Pilot des Victors. Er war sofort in einer Arrestzelle des Depots eingesperrt worden. Mit ihm wollte sich Zorn später noch intensiv befassen.

Erst einmal aber waren die Aufräumarbeiten und die Versorgung der Verletzten wichtiger.
MeisterTech Crawford gelang es, den Fusionsreaktor des Depots zu starten. Daraufhin erwachten ein paar weitere Spielereien zum Leben, unter anderem eine schwere Flugabwehr.
Koenig hatte sich derweil in den Computer des Depots gehackt und einige interessante Dateien entdeckt, unter anderem gültige Zugangscodes für SBVS-Einrichtungen.
Im Nachhinein erwies sich Leutnant Hillers Fund, die Erdspalte über die sie eingedrungen waren, als wahrer Glücksfall. Wer weiß, was passiert wäre, wenn sie direkt mit der Tür ins Haus gefallen wären.
Es war bereits später Abend, als die letzten Truppen eintrafen, um das Gelände zu sichern. Unter ihnen war auch Akoluthin Annie Walters.
Mit allen wichtigen Beteiligten fand gegen Mitternacht Ortszeit eine Abschlussbesprechung in einem der Depotkonferenzräume statt.
Für die Miliz waren das die Offiziere Captain Jorgensson und Lieutenant Walter Hiller, sowie die Soldaten Winston und Jackson.
Für ComStar waren Akoluthin Walters und Adept Leary anwesend.
Für die Cavaliers waren das Nedra Ventis, er selbst, Leutnant Akeem Muller, die Techs Crawford und Koenig.
Hinzu kam Clark Duvalle, der trotz des Protestes des behandelnden Arztes auch noch an der Abschlussbesprechung teilnehmen wollte, anstatt das Bett zu hüten.

"Wir kommen zur Verlustrechnung. Leider hat Team vier drei Mann durch Laserbeschuss verloren. Dazu kommen zwei Verletzte in Team eins und MechKriegerin Ventis, die mit ihrer Gehirnerschütterung eigentlich im Bett liegen sollte."
Trotzig schüttelte Nedra Ventis den Kopf, was ihr aber augenscheinlich neue Schmerzen bereitete. Zorn schmunzelte.
"Entgegen der Verluste, die die Cavaliers bei den ersten Kämpfen gehabt haben, erscheinen mir diese beinahe als annehmbar. Eigentlich schon unglaubwürdig.
Kommen wir zum positiven Teil. Belohnungen und Beute.
Wir haben drei Hallen gefunden, in denen Mechs eingelagert waren. In Halle eins waren dies ein Exterminator, ein Heuschreck und zwei Mechs des Typs Greif.
In Halle zwei waren dies ein Mech vom Typ Highlander, ein Orion, ein Schütze und ein Kampftitan.
In Halle drei waren dies vier Mechs vom Typ Hermes.

Hinzu kommen Versorgungsgüter wie Munition und Ersatzteile für diese Kompanie, für ein Gefechtsjahr. MeisterTech Crawford taxiert den Wert der Mechs und des Depots auf eine halbe Milliarde C-Noten. Dabei entfallen einhundert Millionen auf das Depot als Einrichtung, einhundertzehn auf die Mechs und der Rest auf die Ausrüstung.
Kendersons Cavaliers sind bereit, der Miliz für die großzügige Hilfe vier Mechs ihrer Wahl sowie das Depot inklusive einem Drittel der Versorgungsgüter zu überlassen, unter der Voraussetzung, dass Sie sich von Leutnant Hiller und seinen vier Teams trennen können, Captain."
Der drahtige Milizionär lachte. "Habe mich schon gefragt, wann Sie damit rausrücken, Zorn.
Ich bin einverstanden, vorausgesetzt, die Soldaten treten freiwillig in den Dienst der Cavaliers über. Als Mechs wähle ich einen Greif, zwei Hermes und den Orion. Ich denke, das ist ein angemessener Gegenwert. Das Drittel der Ausrüstung vorzusortieren behalte ich meinen Techs vor."
"Ich bin einverstanden. Und ich danke Ihnen. Sie sind wirklich nicht sauer, wenn sich Ihre Leute den Cavaliers anschließen?"
Wieder lachte der Captain. "Himmel, Zorn, wäre ich zwanzig Jahre jünger, ich würde selbst mitkommen wollen. Außerdem bekomme ich ja ein Trostpflaster im Wert von zweihundertvierzig Millionen C-Noten, oder?"
Zorn nickte. "ComStar biete ich für die geleistete Hilfe ebenfalls einen Mech Ihrer Wahl an sowie Ausrüstung für einen vollen Gefechtsmonat für diesen Mech."
"ComStar lehnt ab. Sie haben mit Ihrem Eingreifen am gestrigen Abend die Einrichtung gerettet. Ich soll Ihnen das ausdrückliche Lob vom Präzentor New Avalon übermitteln und Ihnen eine Belohnung im Wert von einer Million C-Noten anbieten. Aber ich denke, Sie werden auf lange Zeit keine Geldsorgen haben."
"Sicher nicht", erwiderte der Cavalier zufrieden. "Wir bedanken uns für die Belohnung, lehnen sie aber ab im Anbetracht der großen Hilfe durch Kirran Leary.
Kommen wir zu den Belohnungen. Ab sofort befördere ich MechKriegerin Ventis für außerordentliche Tapferkeit und hervorragendes Talent in der MechFührung zum Corporal. Außerdem biete ich Ventis hiermit einen der DepotMechs als Standartmaschine an. Sie erhält fünfzig Prozent Besitzrecht an dieser Maschine."
"Danke, Sir", murmelte sie verwundert. "Aber ich würde lieber den Feuerfalken behalten. Ich habe mich so dran gewöhnt."
"Nun gut. MeisterTech, tragen Sie bitte in das Protokoll ein, dass Nedra Ventis ab sofort alleinige Besitzerin des Feuerfalken ist.
Außerdem nehme ich hiermit den Rang eines Majors an. Gleichzeitig ordne ich die Aushebung einer Panzerkompanie unter dem Befehl von Hauptmann Akeem Muller an. Ich hoffe, der Wechsel von der Infanterie zu den Tanks gefällt Ihnen, Hauptmann Muller."
Der zuckte die Achseln. "Ich bin Cavalier. Sie haben mir befohlen, Duvalle nicht zu erschießen. Ich habe gehorcht. Sie haben mir befohlen, die Panzer auszuheben, ich gehorche auch. Bisher hat´s gut funktioniert, Sir."
Zufrieden nickte Zorn und er schmunzelte bei dem Gedanken, wann der gute Akeem herausfinden würde, dass er gerade befördert worden war. "Hiermit werbe ich Leutnant Hiller an. Ich befördere Sie sofort in den Rang eines Hauptmanns und beauftrage Sie damit, eine neue Kompanie Infanterie auszuheben. Dazu ermächtige ich Sie, Gefreite Winston zum Sergeant zu befördern und sie mit der Ausbildung und dem Kommando über einen ebenfalls auszuhebenden Zug Kommandosoldaten zu betrauen."
Walter Hiller starrte Zorn an wie einen Geist. Er suchte den Blick seines ehemaligen Vorgesetzten der lauthals lachte. "Wie ich schon gesagt habe, Walter, wäre ich zwanzig Jahre jünger, ich würde selbst mitfliegen."
Hiller strahlte über das ganze Gesicht. "Ich nehme an, Sir."
"Gut, da wäre noch was. Captain, ich hätte gerne Ihre beiden Transporthubschrauber und die Besatzungen."
Jorgensson verzog das Gesicht zu einer beleidigten Miene. "Ungern. Aber ich werde es den Besatzungen freistellen. Durch das Depot kann ich sicherlich neue Transporter erwerben und neue Crews ausbilden."
"Zuletzt möchte ich mich bei Clark Duvalle entschuldigen. Gleichzeitig bedanke ich mich für Ihre Hilfe, Clark und biete Ihnen das gleiche an wie ComStar."
Der Versicherungsmann lächelte verschmitzt. "Ich denke drüber nach, Zorn. Ich darf Sie doch Zorn nennen?"
"Ich kann es Ihnen jetzt kaum verbieten", spielte er auf das letzte Mal an, als Duvalle ihm diese Frage gestellt hatte.

Zorn Kenderson erhob sich. "Die Besprechung ist beendet. Schicken Sie Ihre Leute in die Kojen. Ich denke, heute Nacht brauchen wir nur minimale Bewachung.
So, ich habe da noch einen Termin mit unserem gefangenen MechKrieger.
Gute Nacht, Herrschaften."
"Gute Nacht, Herr Major", erklang es am Tisch. Für einen Moment stutzte Zorn. Er würde sich an diesen Rang schon noch gewöhnen.
Leary erhob sich ebenfalls und folgte dem Cavalier.

Gemeinsam machten sie sich auf den Weg zur Arrestzelle. Zwei Wachen standen davor und ließen beide anstandslos passieren.
Da erwartete ihn der erste Schreck. Der Feindpilot war eine Frau.
Der zweite Schreck war, sie hatte eine schlecht verheilte und mit Blut verkrustete Schmarre im Gesicht, die ohne weiteres eine hässliche Narbe werden konnte, wenn sich kein erfahrener Mediker ihrer annahm. Auch am Hals waren zwei dieser blutigen Striemen zu sehen.
Diese Frau war gepeitscht worden.
Zorn erinnerte sich daran, was der gefangene Infanterist über die Zustände unter dem Kommando des Vicomte erzählt hatte. War diese Frau hier etwa...?
"Miss Medice?“, fragte Zorn geradeheraus.
Erschrocken sah die Kriegerin auf.
"Miss, wie geht es Ihnen? Wurden Sie anständig behandelt?"
"Warum interessiert es Sie?“, fragte sie mit rauer Stimme. "Sind Sie auch einer der Moralapostel, die nur gesunde Soldaten an die Wand stellen und erschießen?"
Zorn ging nicht darauf ein. Er trat zur Tür und sagte: "Wache, holen Sie den Arzt vom Dienst.
Ich lassen den Doc kommen, Miss. Er wird sich Ihrer Peitschenwunden annehmen."
"Sie wissen...?“, fragte sie erstaunt.
Zorn nickte schwer. "Einer der gefangenen Infanteristen berichtete uns davon. Seien Sie unbesorgt. Wir haben nicht vor, Sie an die Wand zu stellen."
"Was wird dann aus mir?“, fragte sie leise. "Wollen Sie mich den AVS übergeben? Oder gegen Lösegeld an das Handelshaus weiterreichen?"
Zorn schüttelte den Kopf. "Nein, Miss. Ich denke... Nein, ich weiß, dass Sie nicht freiwillig gegen uns angetreten sind. Ich denke, Sie sind weder Ihrem Vater, noch dem Handelshaus Medice noch zu irgendetwas verpflichtet. Wenn Sie dies wünschen, werde ich Sie Morgen früh in die Hauptstadt bringen lassen."
Sie schüttelte den Kopf. "Allein auf einer fremden Welt, in der ich als Pirat gehasst werden würde? Dann erschießen Sie mich lieber."
"Es gibt noch eine Alternative, Miss. Wir wissen von den anderen Depots, die Ihr Vater jagt. Wir wollen vor ihm dort sein. Wenn Sie wollen, kommen Sie als MechKriegerin mit. Ich habe Sie im Victor beobachtet. Sie sind ein guter Krieger. Außerdem kann ich jemanden gebrauchen, der Janard Medice kennt."
"Sie meinen, ich soll gegen meinen Vater kämpfen?"
"Ist das ein Problem für Sie, Miss Medice?“, fragte Zorn streng.
"Ein Problem? Diese Chance? Nein, Sir und ich nehme dankend an."
"Also sind Sie dabei. Falls wir den Victor nicht reparieren können, biete ich Ihnen den Schütze an, den wir hier geborgen haben. Bleiben Sie diese Nacht noch in der Zelle oder im Krankenrevier, je nachdem, was der Arzt sagt. Morgen bereite ich einen Vertrag vor. Miss..."
"Ilona. Ilona Medice."

Als der Arzt eintraf, verbeugte sich Zorn steif in der Hüfte und verließ den Arrestraum. Gerade rechtzeitig, um dem zornigen Gebrüll des MedTechs zu entgehen, der die Soldaten anschrie, warum sie ihn nicht früher gerufen hatten.
Zorn ging weiter, bis er in den Torraum des Depots kam. Jackson empfing ihn mit einem breiten Gähnen.
"Gehen Sie ins Bett, Soldat. Sie sind jetzt fast dreißig Stunden wach", tadelte Zorn.
"Ist schon in Ordnung, Sir. Werde ja gleich abgelöst. Ach ja, danke für das Bike. Ich darf es doch behalten?"
Zorn lächelte. "Natürlich. Immerhin haben Sie mir, Leary und Ventis das Leben gerettet. Außerdem verspreche ich Ihnen, wenn Sie zu den Cavaliers kommen, dass ich Sie auf Ihre MechKriegertauglichkeit testen werde."
Erstaunt sah der Soldat den Offizier an. "MechKrieger? Wow. Ehrlich?"
"Nun", meinte Leary schmunzelnd. "Sie haben ein verdammt gutes Gleichgewichtsempfinden. Zorn ist nicht der einzige, der das gesehen hat. Das ist eine wichtige Eigenschaft für einen MechKrieger."
"Ich will es probieren", murmelte Jackson und schüttelte den Kopf. "MechKrieger...Ich kann es kaum glauben..."
***
Nebeneinander traten Zorn und Leary hinaus und gingen ein paar dutzend Meter.
Wütend starrte Zorn Kenderson in den Nachthimmel.
„Was ist da oben so interessant, Zorn?“, fragte Kirran leise.
Der Anführer der Cavaliers schnaubte leise und sagte: „Irgendwo da oben ist Janard Medice. Wir haben ihm eine blutige Nase verpassen können, und wir wissen, auf welchen Welten er noch nach Depots suchen wird, aber er ist frei. Und ich will, dass er für den Mord an meinen Leuten büßt.“
„Und für den Angriff auf unsere HPG-Station“, brummte der ComGuard leise.
Zorn sah den Älteren an und nickte. „Auch dafür. Das verspreche ich, Kirran.“
Adept Leary grinste den Offizier an und sagte: „Sie brauchen es nicht zu versprechen. Ich werde dabei sein und Ihnen etwas zur Hand gehen, wenn Sie erlauben.“
Der Offizier war überrascht. „Was? Aber... Egal. Ein so verdammt guter MechKrieger ist mir jederzeit willkommen.“
Kirran drückte die Hand des Cavaliers. „Danke, Zorn. Es ist mir eine Ehre, mit Ihren Cavaliers zu kämpfen.“
Danach standen sie lange Zeit schweigend beieinander, der junge Offizier und der ergraute ComStar-Veteran. Endlich fragte Kirran: „Wie soll es jetzt weitergehen, Zorn? Welche Welt werden wir zuerst anfliegen?“
„Sie meinen, ich veranstalte ein Wettrennen mit Vicomte Medice? Das erübrigt sich. Von den Namen auf seiner Liste ist nur ein Planet in relativer Nähe zu St. Jones. Es ist Allans World, eine Welt nahe der Außenweltallianz und an der Kombinatsgrenze. Selbst wenn er dort nicht zuschlägt, können wir das dortige Depot plündern. Außerdem warnen wir die anderen Welten auf der Liste vor dem Vicomte. So leicht wie hier auf St. Jones wird er es nirgends mehr haben.“
„Klingt nach einem guten Plan. Was ist mir Duvalle? Trotz seiner Wunde hat er verdammt gut gekämpft. Ist er ebenfalls auf Rache aus, oder kehrt er nach New Avalon zurück?“
„Ich glaube nicht, dass wir ihn so schnell loswerden. Für ihn ist die Sache ebenso persönlich wie für uns Cavaliers. Ich hoffe, dass er uns weiterhin begleitet, und ich bin sehr dankbar dafür, dass Sie es auch tun, Kirran. Dieser Kampf ist noch lange nicht zu Ende. Nicht, solange einer von uns noch lebt - ich oder der Vicomte.“
„Das klang wie ein Schwur“, kommentierte der alte Krieger gelassen.
Zorn schüttelte den Kopf. „Ich schwöre nicht, ComStar. Ich stelle lediglich fest.“
Kirran musterte ihn stumm. Schließlich zog der Ältere aus seiner Jacke eine Flasche Bourbon und zwei Gläser hervor. „Darauf wollen wir trinken.“

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Sage zwei:
Ein vollkommen frustrierter Major Kenderson verließ die Einzelkabine der ComStar-Vertretung, in der er alle neu eingetroffenen Hyperpulsnachrichten für die Cavaliers abgehört hatte. Leary, der auf ihn gewartet hatte, runzelte die Stirn. „War wohl nicht so erfolgreich?“
Kenderson sah ihn wütend an, bis er sich besann, dass der Mann ein Verbündeter, ja, ein Freund war und entspannte sich wieder. Er seufzte vom tiefsten Grund seiner Seele. „Desaster trifft es eher. Diese verdammten...“
„Die Kurzfassung?“, fragte der ComGuard.
Zorn schnaubte aus, wütend, ärgerlich, frustriert. „Wir haben sieben Planeten vor dem Vicomte und seiner Söldnerbande gewarnt, und sieben Welten haben geantwortet. Aber was sie geantwortet haben, ist... Großer Mist.“ Zorn hielt die Disc mit den Nachrichten hoch, so als könne Kirran Leary die Daten per Augenkontakt abrufen. „Da ist schon mal ein Chairman Ridley aus der Außenweltallianz, der uns vielmals dafür dankt, dass wir ihn gewarnt haben, der uns aber gleichzeitig darauf hinweist, dass die Piloten der Allianz jedwelcher Gefahr gewachsen sind und mit einem Landungsschiff und einem Haufen entrechteter MechKrieger fertig werden dürften, sodass unsere Anwesenheit nicht benötigt wird.“
„Für einen Rauswurf ist das nett formuliert“, sagte Leary.
„Es kommt noch besser. Da ist die Nachricht von einem Tai-sa Schröder aus dem Stab des zuständigen Tai-shu im Draconis Kombinat, der mir unmissverständlich mitgeteilt hat, dass „meine Söldnerbande von Halsabschneidern, Verbrechern und Triebtätern“ gefälligst einen großen Bogen um jede draconische Welt machen soll“. Nett, nicht?“
„Etwas drastisch formuliert vielleicht, aber es sollte klar sein, dass die Dracs nicht gut auf Söldner zu sprechen sind, seit die Dragoner mit ihnen Schlitten gefahren sind“, wandte Leary ein.
„Oh, es kommt noch besser. Da sind noch andere Antworten, zum Beispiel von einem capellanischen Oberst, der sich freut, mich und meine Truppen auf capellanischem Gebiet begrüßen zu dürfen, um Mensch wie Material in den Dienst des Volkswillens der Konföderation Capella stellen zu können.“
„Oha. Zwangsenteignung mit Ansage. Und der Rest?“
„Ja, das sind ausgerechnet Offiziere des Vereinigten Commonwealths. Zwei Offizielle und ein Milizionär. Von „danke, dass Sie uns auf das Problem hingewiesen haben, aber wir kommen alleine klar“ bis „Sie sind derzeit bei niemandem angestellt, weshalb wir Ihren verwahrlosten Haufen als Piraten betrachten und auf Sie Jagd machen, sollten Sie in unser System springen“ ist das ganze Spektrum vertreten.“
„Ach, wie nett. Welches ist die Antwort von Allans World?“
„Die mit der Nichtanstellung und dem Piratenvergleich. Scheint so, als hätte der örtliche Miliz-Chef schon Dollarzeichen in den Augen und sieht sich dabei, entweder den Vicomte umzulegen, oder eine fette Prise für die Auflösung des Depots, das wir auf seiner Welt vermuten, die er sich in die eigene Tasche stecken kann.“
„Aber wir geben die Jagd auf Janard Medice trotzdem nicht auf?“, fragte Leary das Offensichtliche.
„Nun, ich habe natürlich ein Problem damit, auf Menschen zu schießen, die theoretisch meine Verbündeten sein müssten“, sagte Zorn gedehnt. „Aber Colonel Cranston hat mir den einen oder anderen Kontakt hinterlassen. Eventuell können wir den Miliz-Chef von St. Jones genug unter Druck setzen, damit er uns zumindest duldet. Ach, irgendwas wird uns schon einfallen.“
„Es beruhigt mich, dass Sie immer noch beißen wollen, Zorn“, sagte der ehemalige ComGuard schmunzelnd.
„Stand das jemals in Frage?“, erwiderte Zorn Kenderson im gleichen Tonfall.
„Major Kenderson?“, klang hinter ihnen eine Frauenstimme auf.
Hinter ihm stand Adeptin Walters. „Ja, bitte?“
„Es ist noch eine Botschaft für Sie eingetroffen. Direkt von New Avalon. Wollen Sie sie gleich ansehen, oder nehmen Sie sich die Datei für später mit?“
Zorn wankte in seiner Entschlossenheit für einen Moment. Eigentlich hatte er für einen Tag genug versteckte und offene Drohungen hingenommen, und da er nicht masochistisch veranlagt war, reichte es wirklich. Andererseits war New Avalon eine der beiden Hauptwelten des Vereinigten Commonwealths, und vielleicht erfuhr er etwas, was ihnen zumindest weiterhelfen konnte, wenn ausgerechnet jemand, irgendjemand von der Hauptwelt mit ihm reden wollte. Zorn seufzte. „Ich schaue es mir gleich an. Wer ist denn der Absender?“
„Prinz Hanse.“
Irritiert blieb er stehen. „Entschuldigen Sie, Annie, aber für einen Moment glaubte ich, Sie hätten gesagt, der Prinz der Vereinigten Sonnen hätte mir eine Botschaft geschickt.“
„Dann haben Sie mich vollkommen richtig verstanden, Zorn.“ Sie lächelte verschmitzt. „Wieder Kabine eins?“
„Ich bitte darum“, sagte Zorn, bis auf die Grundfesten seiner Seele erschüttert. Prinz Hanse, DER Prinz Hanse, Ehemann der zukünftigen Archontin Melissa Steiner-Davion und Vater von Victor Ian Steiner-Davion, der der erste Archon-Prinz werden und damit beide Reiche zu einem vereinigen würde. Einer der wichtigsten Männer der Inneren Sphäre, vielleicht sogar der wichtigste überhaupt. Und er sandte ihm, dem Anführer eines halb zerstörten Haufens Söldner, eine Videobotschaft? Mehr mechanisch betrat er Kabine eins wieder. „Kommen Sie, Leary. Einer muss mich auffangen, falls ich in Ohnmacht falle.“
„Das wird aber eng werden“, schmunzelte der ComGuard.

Ein Signalton informierte Zorn darüber, dass das Video, welches per Hyperpulsgenerator von New Avalon direkt nach St. Jones gesandt worden war – überlichtschnell, wohlgemerkt – geladen worden war und nun angeschaut werden konnte. Die beiden Männer setzten sich in der engen Kabine und mit sehr gemischten Gefühlen drückte Zorn die Wiedergabetaste.
Der schwarze Bildschirm erhellte sich und zeigte das Logo des Vereinigten Commonwealth, die rotgelbe Sonnenscheide mit dem Steiner-Breitschwert. Abrupt wechselte das Bild und zeigte einen hünenhaften Mann mit langen, roten Haaren in der Ausgehuniform der Davion Heavy Guards – Hanse Davion persönlich. Sein offizieller Herrscher und oberster Anführer.
Hanse lächelte freundlich in die Kamera, aber es war auch ein trauriger Zug in seiner Miene.
„Guten Tag, Major Kenderson.“
Zorn fühlte sich erschrocken und gleichzeitig erhoben. Hanse sprach ihn mit Namen an! Ihn!
„Zuerst einmal möchte ich mein Bedauern darüber äußern, wie sehr Ihre Einheit unter dem Verrat von Janard Medice gelitten hat. Ihre Verluste tun mir leid. Umso erstaunlicher ist es, dass es Ihnen gelungen ist, das Blatt zu wenden und stattdessen diesem menschenverachtenden Bastard kräftig in den Arsch zu treten, Zorn!“ Bei diesen Worten hatten sich die Hände des Prinzen zu Fäusten geballt, und tiefe Genugtuung lag in seinen Zügen. „Dann möchte ich mich entschuldigen, weil ich mich erst jetzt melde. Wie Sie sich denken können, hat der Archon-Prinz sehr viel zu tun, und es ist eine riesige Verwaltung vorgeschaltet, die entscheidet, ob und was überhaupt auf meinem oder Melissas Schreibtisch landen darf. Es ist kein perfekter Prozess und manchmal auch langwierig, aber einen besseren haben wir nicht. Deshalb ist das Geschehen auf St. Jones erst jetzt bis zu mir durchgedrungen. Das, und auch einige Kommentare von örtlichen Kommandeuren.“
Die Hände des Prinzen entkrampften sich. „In einem Punkt hat der regionale Kommandeur Recht – Sie sind gerade nicht unter Vertrag. Andererseits wird niemand mit etwas Verstand und Wohlwollen für das, was Sie und Ihre Einheit durchmachen mussten, verlangen, dass Sie die Jagd abbrechen, Zorn.“
Hanse beugte sich ein wenig vor und füllte fast den ganzen Bildschirm aus. „Deshalb nehme ich Kendersons Cavaliers unter Vertrag, wenn Sie es gestatten, Zorn. Und zwar einzig und allein für einen Auftrag. Janard Medice geht frohlockend über Leichen, um seine Ziele zu erreichen. Er ist einer jener Menschen, die zu bekämpfen ich mir zur Lebensaufgabe gemacht habe. Ich will nicht länger vom gleichen Licht der Sterne beschienen werden wie er, darum... Löschen Sie ihn aus und machen Sie aus seiner Einheit eine böse, verblassende Erinnerung. Wenn Sie zustimmen, ist das Ihr Auftrag, und er wird erst einmal ein Standardjahr gültig sein. Schaffen Sie es in dieser Zeit nicht, werden wir uns zusammensetzen und nachverhandeln, Zorn, aber an meinem Willen ändert das nichts. Janard Medice muss vernichtet werden.“
Nun lehnte sich Hanse wieder leicht zurück. „Standardkontrakt mit einer Ausnahme. Beutegut aus ehemaligen Sternenbunddepots, die Sie und Ihre Leute aufbringen sollten, werden fünfzig fünfzig mit dem Streitkräften des Vereinigten Commonwealths geteilt. Ebenso Versorgungsgüter und dergleichen. Einrichtungen gehen ganz an die Streitkräfte. Da gibt es keinen Verhandlungsspielraum. Im Gegenzug statte ich Sie mit vier entrechteten MechKriegern und einer Lanze voll bestückter und bemannter leichter Mechs aus. Mehr konnte ich in der kurzen Zeit für Sie nicht zusammenkratzen. Es ist zwar anzunehmen, dass Medice sich nicht verstärken konnte, aber auszuschließen ist es auch nicht, also seien Sie vorsichtig. Wenn Sie all das annehmen, sind Sie fortan in meinem persönlichen Auftrag unterwegs, und das ist fast so gut, als wären Sie ein Offizier der Davion Light Guards.“
Hanse legte die Fingerspitzen aneinander und lächelte. „Der alte Cranston war ein alter Freund von mir, und wenn sich die Gelegenheit erbot, haben wir uns ausgetauscht. Über unsere Erinnerungen an Mallory's World, aber auch über seine eigene Einheit. Er hat Sie mir gegenüber stets im besten Licht beschrieben, und ich weiß, der alte Wolf wusste sehr genau, was er sagte. Deshalb räume ich Ihnen diese Sonderrechte ein. Auch, nein, vor allem, weil es Ihnen gelungen ist, dem Vicomte bereits mehrfach in die Suppe zu spucken. Wenn es einer schafft, und zwar nicht durch Glück, sondern durch harte Arbeit, diesen Halunken aufzuspüren, dann sind Sie das, Zorn. Nehmen Sie an und jagen Sie diesen Bastard. Hanse Davion Ende.“
Das Bild fror ein und zeigte Hanse mit seinem so typischen Lächeln, kurz bevor wieder das Logo des Vereinigten Commonwealths eingeblendet wurde. Ein kurzer Dateiname unter dem Bild informierte ihn über zusätzliche Informationen, die zusammen mit dem Video angekommen waren und die zweifellos Zeit und Treffpunkt mit den zusätzlichen MechKriegern enthielten, die Prinz Hanse ihnen besorgt hatte, aber Zorn war nicht wirklich bei der Sache. Er war zu sehr... Erhöht? Aufgewühlt? Ermutigt? Alles zugleich? Hanse Davion hatte ihm einen Blanco-Check ausgestellt! Ihm! Also, wenn dieses Gefühl einem guten Orgasmus nicht nahe kam, was dann?
„Einen Schnaps, oder doch lieber eine Zigarette?“, fragte Leary.
„Beides“, murmelte Zorn, langsam begreifend, dass der miserable Tag gerade gerettet worden war. Als er Kirran Leary ansah, zeigte er das burschikoseste Grinsen, das er zustande brachte. „Teufel auch, der Prinz hat uns wieder ins Rennen gebracht! Der Prinz!“
„Erst, wenn wir geantwortet haben“, mahnte der ComGuard.
„Und das werden wir sofort tun!“, rief Kenderson enthusiastisch. Er aktivierte die Aufnahmefunktion der Kabine. Wie, zum Henker, antwortete man einem Prinzen? Er hatte nicht viel Zeit, um das heraus zu finden...

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Gut gelaunt betrat Zorn sein Büro. Er glaubte, er hatte die richtigen Worte gefunden, ohne allzu devot in seinem Dank gegenüber Hanse Davion versunken zu sein, aber sicher war er sich nicht. Nie im Leben hatte er erwartet, mit dem Prinzen persönlich zu sprechen, und sei es nur durch den Austausch von Videonachrichten via ComStar. Kirran folgte ihm dichtauf und ging zu jenem Schrank, der nur aufgesucht wurde, wenn etwas gefeiert, sonstwie begossen oder betrauert werden musste. Er öffnete den Schrank, entnahm eine Flasche Whisky und schenkte zwei Bleischwenker einen Fingerbreit voll.
„Wie geht es jetzt weiter, Zorn? Wann soll die Einheit abrücken? Was soll mit den Mechs geschehen?“
Dankbar nahm Zorn eines der Gläser entgegen. „Sie wissen selbst, wie teuer es ist, einen Mech zu unterhalten. Oder gar eine ganze Kompanie. Wir haben immer noch meinen Marodeur, den Feuerfalken von Ventis, den Kampfschütze, den du gesteuert hast, und natürlich Ventis' alte Maschine, ihre Wespe. Und Cynthia ist sich ziemlich sicher, dass sie den Victor, den Miss Medici gesteuert hat, wieder zusammengeflickt bekommt.“
„Das ist eine etwas merkwürdige Rechnung für Sie, wenn Sie acht fabrikneue, nicht eingeschossene Maschinen zur Verfügung haben, Zorn.“
Kenderson nahm einen Schluck. „Nun, auch wenn diese Maschinen brandneu sind, sie sind noch lange nicht einsatzbereit und stellen im Moment totes Kapital dar. Genauer gesagt machen sie und die Ausrüstung aus dem Depot uns gerade zu einer begehrlichen Beute, die wir beschützen müssen. Und derzeit haben wir genau zwei MechPiloten, die einsatzfähig sind, um diese Beute zu verteidigen: Dich und mich, Kirran.“ Er seufzte und ließ sich in seinen Sessel sinken. „Davon ab kann ich nicht aus meiner Haut. Auch die brandneuen Mechs werden sehr bald beschädigt, repariert und mit Improvisationen einsatzfähig gehalten werden. Klar, sie stammen aus der Sternenbundzeit und werden eine lange Zeit leistungsfähiger sein als unsere alten, teilweise zweihundert Jahre alten Maschinen. Aber der Vorteil hält nicht ewig.“
„Ich verstehe. Also verkaufen, und die Kriegskasse auffüllen?“ Leary nahm einen großen Schluck, der sein Glas leerte. Er trat zurück an den Schrank und schenkte sich nach.
„Nicht alle. Ich würde ja ums Verrecken gerne den Marodeur behalten. Er ist auch im direkten Vergleich immer noch kampfstärker als beispielsweise der zweite Greif, der uns geblieben ist. Aber ich denke, ich werde alleine aus logischen Gründen auf den Schütze wechseln.“
„Wieso nicht der Highlander? Fünfundneunzig Tonnen, schwer bewaffnet, sprungfähig. Der feuchte Traum eines jeden Lyraners.“
Zorn grinste. Der ComGuard spielte hier auf das alte Gerede an, das den Lyranern unterstellte, alle Mechs unter achtzig Tonnen als „Scout“ zu bezeichnen. „Weil ich als Kommandeur mit einem Fernkämpfer besser aufgestellt bin. Zugegeben, ich könnte den Highlander nehmen, aber ich will mich nicht allzu weit von den mittelschweren Maschinen entfernen.“
„Und?“, hakte er amüsiert nach.
„Und der Highlander ist der teuerste Mech. Er würde einen guten Preis einbringen, würden wir ihn auf Galatea verkaufen.“
„Leider treibt es uns überall hin, aber nicht zu den Lyranern.“
„Stimmt leider.“ Zorn legte den Kopf schräg. „Wir haben fünf alte Mechs, die sofort oder kurzfristig einsatzbereit sein können. Dazu kommen acht Maschinen aus dem Depot. Der Prinz hat uns vier ScoutMechs samt Piloten sowie vier entrechtete Mechkrieger zugesagt, die wir unterwegs aufgabeln werden. Ventis wird bald wieder einsatzfähig sein. Damit hätten wir drei Piloten.“
„Was ist mit unserem Versicherungsmenschen und Miss Vicomte? Damit wären wir fünf, mit den Piloten vom Prinzen neun.“
„Da Miss Vicomte wünscht, uns zu begleiten, haben wir einen Piloten mehr, soweit. Aber sie dürfte es in der Einheit schwer haben. Sie handelte zwar aus Zwang heraus, aber sie hat einige unserer Leute getötet und uns das Leben schwer gemacht. Sie wird geschasst werden, im Großen wie im Kleinen.“
„Das befürchte ich auch. Wird sie es aushalten?“
„Ihr eigener Vater hat ihren Rücken in eine blutige Masse verwandelt, indem er sie mit einer Peitsche verprügelt hat. Anschließend stieg sie in ihren Victor und hat uns die Hölle heiß gemacht. Diese Frau ist tough. Wenn wir sie unterstützen und protegieren, denke ich, wird sie es schaffen.“
„Gut. Unser Versicherungsvertreter?“
„Der hat seinen Ausritt zu unserer Rettung nicht gut verdaut. Clark Duvalle liegt jetzt mindestens zwei Wochen flach. Aber immerhin will ihn niemand mehr umbringen.“
Nachdenklich rieb sich der ComGuard das Kinn. „Thomas?“
„Thomas?“
„Jackson. Der Mann mit dem Einrad. Der Mann, dem du versprochen hast, ihn auf seine Tauglichkeit als MechKrieger zu prüfen. Mit ihm wären wir sechs.“
„Er heißt Thomas? Teufel auch, ich habe nie gefragt.“ Nachdenklich starrte Zorn in sein Glas, bevor er es austrank, wieder aufstand und sich am Schrank ebenfalls bediente.
„Er könnte das Zeug dazu haben. Die Balance, die Reflexe... Sicher, er braucht Training, aber ein paar Monate auf einer leichten Maschine, und er könnte wirklich nützlich sein.“
„Was? Nein, das ist es nicht. Ich habe ihm versprochen, ihn zu prüfen, und genau das werden ich auch tun. Ich hätte das nicht gesagt, wenn der Mann nicht großes Potential zeigen würde. Das ist selten. Normalerweise beginnt die Ausbildung zum MechKrieger mit zehn Standardjahren, und jetzt soll der Junge in ein paar Wochen lernen, was sonst acht Jahre und länger dauert.“
„Lassen wir die Lektionen für Reparaturen weg, und die für die innere Elektronik, dann sparen wir zwei Jahre“, scherzte Leary.
„Das werden wir wohl müssen. Ich frage mich nur, ob wir nicht noch mehr MechKrieger-Anwärter ausheben sollten, Kirran. In einer guten Einheit hat man immer zwei, drei Krieger mehr zur Hand als Mechs einsatzbereit. Die vier entrechteten Krieger werden eine große personelle Spritze sein, aber sie reichen nicht.“
„Was ist mit den Panzern?“
„Fünf Shreks können wir wieder zusammenflicken. Das reicht als Rumpf für Akeems neu aufzustellende Kompanie. Immerhin, ist ein Anfang. Und Hillers Einheit bietet einen guten Anfang für die neue Infanteriekompanie.“
„Wenn es zwölf Panzer inklusive Besatzungen werden sollen, dann...“
„Ja, ich weiß. Rechnen wir mit sechs aktiven MechKriegern verschiedenster Erfahrung, die aktiven Dienst schieben, dazu die vier Entrechteten, macht es zehn. Ich habe nicht vor, von Hanse Davion ausgeschickte Soldaten, die mir helfen sollen, einen Mech zu verweigern.“
„Macht trotzdem dreizehn. Und die Versorgungsgüter aus dem Depot in allen Ehren, aber wir werden sie verbrauchen, auch wenn wir einen Teil davon verkaufen wollen.“
Zorn nickte schwer, trank einen Schluck und nahm wieder Platz. „Was tun, sprach Zeus?“
„Ich hab nachgedacht. Sieh mal, der Exterminator ist ein spezieller Mech, mittelschwer und darauf ausgelegt, feindliche KommandoMechs aufzuspüren und zu vernichten. Das macht ihn heute noch zu einer wertvollen Maschine, aber eben nicht auf Kompanie-Ebene. Jede militärische Einheit ab Regimentsgröße würde ihn uns mit Kusshand für rund acht Millionen C-Noten abkaufen. Elf bis zwölf, wenn wir die Ersatzteile obendrauf legen.“
„Was uns zum leidigen Punkt bringt. Wir brauchen Geld, um die Leute zu bezahlen und um die neuen Panzer zu kaufen. Ganz zu schweigen von den exorbitant hohen Wartungskosten der Mechs an sich. Aber wer würde hier im Nirgendwo so viel Geld ausgeben?“
„ComStar würde den Mech kaufen.“
Zorn, der sein Glas schon angesetzt hatte, stockte. „Was?“
„Teufel, Zorn, ich bin ComGuard. Ich weiß, dass meine alte Einheit bereit wäre, für einen solchen Mech samt Ersatzteilen dieses Vermögen auszugeben und quasi sofort zu überweisen.“
„Und das weißt du, weil...?“
„Ich gefragt habe.“
Zorn stellte sein Glas auf dem Schreibtisch ab. „Okay, welche noch?“
„ComStar hat darüber hinaus Interesse an dem Highlander. Weitere siebzehn Millionen für alles samt Ersatzteile und Versorgungsgüter.“
„Würde achtundzwanzig für beide Maschinen machen.“
„Und wir wären das leidige Bargeldproblem erst einmal los.“
„Wir haben kein Bargeldproblem. Hanse Davion bezahlt uns zu Standardkonditionen“, erwiderte Zorn. „Aber du hast Recht. Wir haben zu viele Maschinen, und das sind gute Preise für die Mechs, bei denen ich mich ohnehin gefragt habe, wie ich sie in die Einheit integrieren kann. Außerdem lässt sich so der Hinterbliebenenfonds erheblich aufstocken. Das bringt die Toten nicht zurück, aber es hilft den Überlebenden.“

Und das war auch richtig so, denn viele Familien in der Einheit hatten im Hinterhalt nicht nur geliebte Menschen verloren, sondern auch diejenigen, die bei den Cavaliers gedient hatten. Viele von ihnen würden sie verlassen, ohne dass ihre Kinder die Plätze ihrer Mütter und Väter in der Einheit übernehmen würden, wie es eigentlich Tradition war. Mit Schaudern dachte er daran, wie er einer dieser Mütter, die mit genau diesem Anliegen zu ihm gekommen war, eine Szene gemacht hatte, bis er sich endlich eingestanden hatte, dass er kein Recht dazu hatte, Mrs. Anderson mit Zwang in der Einheit zu behalten. Davon abgesehen war es sehr viel besser, so wenige Zivilisten wie möglich mitzunehmen. Wie schnell man in einen Hinterhalt geraten konnte, hatte er nicht das erste Mal an eigenen Leib erfahren.
„Noch etwas?“
„Danke, dass du fragst. Einige der Ersatzteile wären für die ComGuards wie die himmlische Erlösung. Ich denke, wir könnten auf rund zehn Prozent verzichten, ohne die Einheit zu schwächen. Darunter sind unter anderem zusätzliche Cockpitverglasungen und dergleichen, überzählige Aktivatoren und der eine oder andere Reaktor.“
„Wie viel?“
„Ich habe das schon mit Jeannie abgesprochen und ihr die Wunschliste gezeigt. Sie hat sie erheblich zusammengestrichen, aber es ist immer noch genug über, was die ComGuards interessiert.“
„Was zahlen sie für die zehn Prozent handverlesener Ausrüstung?“
„Einen echten Freundschaftspreis. Rund dreißig Millionen C-Noten.“
In Zorns Gesicht arbeitete es. Die Wangenmuskeln kontraktierten. Er mahlte mit den Backenzähnen. „Ein überaus großzügiges Angebot.“
„Und wir müssen die Mechs und den Nachschub nicht irgendwo hinbringen, sondern können alles hier lassen“, schloss Leary.

Nachdenklich drehte Zorn das Glas in der Hand. Mit solch einer Summe hätte er alle Cavaliers auszahlen können. Großzügig auszahlen. Und wenn er schon bei dem Gedanken war, wenn er alle brandneuen Mechs verkaufte, dazu ihre alten Maschinen, dann würden sicher insgesamt dreihundertfünfzig Millionen C-Noten zusammenkommen. Mehr Geld als genug, um jedes einzelne noch lebende Einheitsmitglied bis zum Lebensende in Wohlstand leben zu lassen. Aber lohnte sich ein solches Leben, wenn es jederzeit von Menschen wie dem Vicomte Medici zerstört werden konnte? Major Kenderson traf eine rationale Entscheidung. „Kirran, du kannst deinen alten Freunden sagen, wir haben einen Deal. Aber im Gegenzug wären wir dankbar, wenn sie uns bei der Beschaffung weiterer Panzer und neuer MechKrieger helfen könnten. Ich brauche noch drei, zwei von ihnen als Reservepiloten.“
„Ich bin sicher, da lässt sich etwas arrangieren. Also eine unterzählige Kompanie und die Lanze von Hanse Davion?“
Zorn nickte. „Sechzehn Mechs. Das ist weit mehr, als Medici ins Feld führen kann. Ich will nicht so überheblich klingen und behaupten, wir bräuchten ihn jetzt nur noch aufspüren, aber... Wenn wir ihn aufspüren, bevor er ein weiteres Depot entdeckt und geknackt hat und die dortigen Mechs gegen uns in den Einsatz bringen kann, dann werden wir ihn ausradieren. Ihn und seine Söldnerbande.“
Leary holte die Flasche und stellte sie auf den Schreibtisch. „Darauf trinke ich, als wäre dies das Blut des Vicomte.“
„Gut, einer mehr kann nicht schaden“, erwiderte Zorn. Auf jeden Fall war es besser als zu versuchen zu schlafen und doch nur wieder von den Gesichtern der Toten zu träumen.

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2.


23. Mai 3043, St. Jones, Kaserne der Miliz

Es war etwa neunzehn Uhr Ortszeit, als Zorn Kenderson sich des dringlichsten Problems annahm, das er derzeit, zwei Wochen nach den Kämpfen mit Vicomte Medice, noch hatte.
Als es klopfte, ließ er ein lautes „Herein“ hören, das den alten Cranston mit Vaterstolz hätte grinsen lassen. Er war immer ein großer Verfechter der These gewesen, dass Offiziere nicht nur Befehlsgeber, sondern vor allem auch Vorbilder waren. Früher hatten die Offiziere im Feld noch vor ihren Leuten gestanden und waren theoretisch die ersten gewesen, die von den feindlichen Kugeln hätten getroffen werden können, was oft genug auch passiert war. Und so hatte Zorn auch den Kampf geführt, in dem Colonel Cranston und die anderen neun Mechkrieger der Cavaliers hingeschlachtet worden waren. Unter anderem von der Frau, die gerade durch die Tür trat. Unschlüssig kam sie herein, schloss die Tür hinter sich und machte eine etwas zu zackige Drehung, um nicht zu zeigen, dass sie gedrillt worden war. „Sie wollten mich sehen, Herr Major?“
„Ja. Bitte setzen Sie sich, Miss Medice.“
Die junge Frau nahm Platz. Sie hatte zwölf Tage Zeit gehabt, ihren Rücken zu erholen, der ausgerechnet von ihrem Vater mit Hilfe einer Pferdepeitsche misshandelt worden war; der Bericht aus dem Lazarett hatte nicht nur von blutigen Striemen, Entzündungen und Blutverlust gesprochen, sondern auch davon, dass an zwei Stellen die Rippenknochen durchgeschienen hatten, was klar machte, mit welcher Wut Janard Medice zugeschlagen haben musste.
„Wie geht es Ihrem Rücken, Miss Medice?“
„Danke, soweit wieder ganz gut. Ich hatte ein paar Entzündungen und zwei Rippenbrüche. Ohne Ihre MedTechs hätte ich die Woche wohl nicht überlebt.“
„Das freut mich zu hören. Sind Sie also reisefähig?“
Ilona Medice nickte zögerlich.
„Ich weiß, ich habe Ihnen angeboten, uns zu begleiten und uns gegen Ihren Vater zu helfen, aber...“
„Falls Sie Bedenken haben oder glauben, sich mit mir ein Kuckucksei ins Nest zu holen, kann ich Sie beruhigen. Ich wurde von Medice adoptiert. Ich bin nicht sein leibliches Kind.“
„Das ist nicht, was ich meinte, aber sprechen Sie weiter. Kaffee? Tee? Wasser?“
„Wasser, bitte. Wir sind die letzten beiden Wochen nicht dazu gekommen, mehr als ein paar Worte miteinander zu reden, deshalb hatte ich keine Gelegenheit, Ihnen dieses doch recht wichtige Detail mitzuteilen.“
„Und warum hat er Sie adoptiert, Miss Medice? Oder bevorzugen Sie lieber Ihren alten Namen? Ich kann das arrangieren.“ Zorn stand auf, ging zum Couchtisch, nahm eine frische Wasserflasche und schenkte eines der Gläser voll. Anschließend stellte er das Glas vor ihr ab. Für sich selbst füllte er eine große Tasse mit schwarzem Kaffee und nahm wieder Platz.
„Nun, ich bin MechKriegerin, wie Sie sicherlich bemerkt hatte, und Janard hielt es für eine gute Idee, mich auf diese Weise an sich zu binden.“ Sie legte den Kopf schräg. „Papadopoulus. Ich hätte nicht gedacht, dass der Name für mich jemals wieder einen positiven Klang haben würde.“
Zorn hob eine Augenbraue. „Papa... Sollten wir nicht doch bei Medice bleiben?“
„Nein. Nein, Sir, die Idee gefällt mir. Allerdings können wir den Namen etwas abkürzen. Er ist eine Abwandlung von Pappas und ich kann damit leben, so angesprochen zu werden. Wissen Sie, Papadopoulus hieß bei mir Zuhause jede dritte Familie. Sie war eine Sammelbezeichnung, kein richtiger Nachname.“
„Pappas. Einverstanden. Miss Pappas also. Janard Medice sah also die Notwendigkeit, eine MechKriegerin an sich zu binden?“
Sie nahm einen Schluck Wasser und rollte ihn einen Moment im Mund. „Was ich Ihnen jetzt sage, wird Ihnen nicht gefallen. Er hat mich adoptiert, weil er mich brauchte. Ich sollte seine MechKrieger ausbilden und seine Einheit führen. Wissen Sie, ich bin mit Auszeichnung von Sanglamore zurückgekommen, und auf diese Akademie kommen nicht sehr viele Leute. Anschließend habe ich mich drei Jahre in einem Feldkommando bewährt. Sie erinnern sich an den '39er Krieg? Ich war mittendrin, mit der 2. Lyraner. Habe mir dort den Leutnant erkämpft und zwei Auszeichnungen erhalten. Ich hatte sogar die Chance auf meine eigene Kompanie, für etwa fünf Minuten. Dann wurde mir nämlich ein Muttersöhnchen mit den richtigen Eltern vor die Nase gesetzt, den ich auch noch babysitten sollte. Tja, und in diese wundervolle Stimmung platzte das Angebot von Janard, dass ich meine eigene MechKompanie aufbauen durfte und von ihm adoptiert werden konnte. Damals habe ich mir nichts Verwerfliches dabei gedacht. Ich habe wirklich geglaubt, damit wollte er mich ausschließlich ans Handelshaus binden. Was bei der Investition ja auch kein Wunder ist. Ich dachte damals echt, ich hätte es geschafft. Also nahm ich meine Entlassungspapiere, reiste nach Thule zurück, schaute bei meiner Familie rein und erklärte ihr, was ich für Medice tun sollte und was ich dafür bekommen sollte. Sie müssen wissen, er hat noch eine leibliche Tochter und einen außerehelichen Sohn. Zumindest soweit ich weiß. Es ging also nie wirklich um seinen Titel, eher um Loyalität. Aber da hatte der Name Medice noch einen guten Klang, und meine Familie war begeistert.“
Zorn nickte ihr zu als Zeichen, dass sie fortfahren sollte.
„Also ging ich auf das Angebot ein, wurde adoptiert, bekam erst meinen eigenen Mech, und später dann dreizehn weitere Maschinen unterschiedlichen Alters und unterschiedlichen Wartungsstandes. Mechs sind nicht billig, nicht mal die alten Modelle.“
„Ich weiß.“
„Es war aber die Grundlage, um meine Kompanie aufzubauen. Ich ging mit elf Mechs, und behielt die anderen drei als Ersatzmaschinen oder für Ersatzteile. Sie wissen ja, wie das ist, obwohl die Nachfolgestaaten wieder mehr Mechs bauen.“
Zorn nickte verstehend.
„Dann bekam ich das Material. Also die MechKrieger. Die Akten waren frisiert und schön geschrieben, aber damals dachte ich, dass das Schlimmste, was ich mit ihnen würde tun müssen, die Verteidigung eines Handelsposten sein würde. Sie gaben sich recht gut und entwickelten sich viel versprechend. Die meisten zumindest. Red, also mein Stellvertreter, vom Vicomte persönlich zugeteilt, war ein kleiner, intriganter Bastard, der dazu neigte, die Leute zu schinden und seine angehobene Stellung auszunutzen. Er hat zwei meiner Kriegerinnen belästigt und bei der Infanterie, die auf meinem Stützpunkt trainierte, war er auch nicht gerade beliebt. Es heißt, er hat eine der Frauen mit Verweis auf seinen Rang auf seine Stube abgeschleppt und sie vergewaltigt. Ich habe das bei Janard vorgebracht, aber laut ihm ginge mich die Infanterie nichts an, und außerdem sei die Soldatin ein Luder, das es mal gebraucht hatte. Sie können sich vorstellen, dass ich mehr als irritiert war, einerseits als Kompaniechefin, andererseits über meinen Adoptiv-Vater. Solche Worte hatte er mir gegenüber nie ausgesprochen.“
Sie trank ihr Glas leer. „Und dann kam dieser Einsatz. Unser erster. Als wir losflogen, hieß es noch, meine Truppe, die Infanterie und die Panzer wären für eine Schutzmission gedacht. Also meine elf einsatzbereiten Maschinen, zwei Lanzen Panzer und ein Kontingent Infanterie.
Als wir dann auf St. Jones ankamen und die ersten Briefings hatten, mitten im Gebirge in einem provisorischen Feldlager, nicht auf einem Raumhafen oder bei einer Handelsniederlassung, wurde Ihre Einheit, Sir, als Ziel einer Operation genannt, die Piraterie eindämmen sollte. Sie wären eine vogelfreie Einheit. Dementsprechend plante ich meinen Teil der Operation. Wir gingen also mit allen Mechs und einer Lanze Panzer rein, und das Ergebnis kennen Sie.“
„Ja. Beide Einheiten haben sich gegenseitig ausgelöscht. Sie und der Kreuzritter konnten entkommen.“
„Sieben meiner Mechkrieger haben es raus geschafft, leider auch Red Tompson, aber nur zwei meiner Maschinen. Dafür, dass Sie in unseren Hinterhalt geraten sind, haben Sie sich verdammt gut gewehrt. Vor allem dieser Tomahawk hat in meinem Team gewütet wie ein Berserker. Ich gehe davon aus, dass Sie da drin gesessen haben?“
Zorn nickte. „Ich hatte die Ehre, unter anderem den Marodeur Bekanntschaft mit meiner Titanstahlaxt machen zu lassen. Und noch ein wenig mehr. Reden Sie weiter.“
„Als wir uns also zurückzogen, besiegt, geschlagen, den Schwanz zwischen den Beinen, war die Situation eine vollkommen andere. Janard hatte die Maske fallen gelassen und redete Klartext. Vollkommen unverblümt machte er klar, dass ich es nicht mit schlecht gewarteten, überalterten PiratenMechs zu tun gehabt hatte, sondern mit einer Garnisonslinientruppe mit herausragenden Piloten.“
„Na, danke für die Blumen.“
„Sie hatten dank der Panzer zweihundert Tonnen Nachteil, gerieten dank dieses Versicherungsmanns in einen Hinterhalt und gingen trotzdem als Sieger vom Feld.“
Zorn zog die linke Augenbraue hoch. „Im Prinzip haben Sie Recht, aber Sieger sehen eigentlich anders aus. Weiter.“
„Jedenfalls sprach Janard das erste Mal vom Depot und davon, dass ComStars Einrichtung zerstört werden musste, damit Sie niemanden zu Hilfe rufen konnten. Wäre es nach ihm gegangen, dann hätte er auch gleich die ganze Hauptstadt ausgelöscht. Leider bekam Duvalle das alles mit, und bevor wir uns versahen, hatte er die Karte für das Depot geklaut und war stiften gegangen. Einer der Infanteristen hatte noch auf ihn geschossen, aber die Hoffnung Janards, dass er tot umfallen möge, erfüllte sich nicht.
Dann überschlugen sich die Ereignisse, und er befahl den Angriff auf ComStar. Ich weigerte mich. Daraufhin ließ Janard mich anbinden und prügelte mich wegen Ungehorsam krankenhausreif. Den Angriff führten dann Tompson und Chan aus. Dabei verletzte sich Tompson durch seine eigene Dusseligkeit, sodass bei der Schlacht am Depot ich wieder ins Cockpit musste. Janard hatte mir sehr deutlich klar gemacht, auf welche Seite ich schießen sollte, wenn ich von einem Planeten runter kommen wollte, der mich als Piratin an der nächsten Laterne aufknüpfen würde. Sie verstehen?“
„Ja, ich denke, ich verstehe, Miss Pappas. Den Rest der Geschichte kenne ich. Die Frage, die ich Ihnen stellen muss, ist nun: Sind Sie fit für den Kampf?“
Sie streckte ihren Rücken durch, bewegte beide Schultergelenke und grinste dann sehr undamenhaft. „Bereit für den Einsatz, Sir.“
„Dennoch. Sie müssen verstehen, dass ich Ihnen aus moralischen Gründen ein Angebot machen muss.“ Er ergriff einen Umschlag und reichte ihn ihr. „Dieser Umschlag beinhaltet das Planspiel für Ihren Abgang aus der Einheit. Binnen eines Tages kann ich alles umsetzen. Neue Identität, ein Flug in ein System Ihrer Wahl, großzügiges Reisegeld, alles mit ROM abgesprochen. Sowohl ich als auch ComStar sind davon überzeugt, dass Sie keine Bedrohung für ComStar sind, geschweige denn meine Einheit. Wen Sie ansonsten in Ihrem Leben bedrohen werden, wird davon abhängen, bei wem Sie anheuern werden. Tatsächlich liegt mir eine Anfrage von Comte Medice vor, der direkt nach Ihnen fragt und uns bittet, sollten Sie in Gefangenschaft geraten sein, Sie an Haus Medice zu überstellen. Offenbar hat der Hausrat nicht nur ein paar Fragen an Sie, sondern auch einen praktischen Nutzen, weil sich die Medices an der Jagd auf Janard beteiligen wollen.“
„Natürlich, es winkt ja auch ein ansehnlicher Gewinn“, murmelte sie mehr zu sich selbst. „Danke, Sir, für das Angebot, aber ich lehne ab. Für dieses Mal. Reden wir noch einmal drüber, wenn wir Janard zur Strecke gebracht haben oder uns sicher sein können, dass er nie wieder in die Innere Sphäre kommt. Bis dahin bin ich Ihr Mann, Sir.“
„Also gut.“ Zorn zog den Umschlag wieder zurück. „Dann habe ich Arbeit für Sie, First Lieutenant Pappas. Sie kriegen die Kampflanze und bleiben erst mal auf dem Victor. Er ist einsatzfähig?“
Die junge Frau lächelte. „Jawohl, Sir! Ich habe jede freie Minute damit verbracht, bei der Instandsetzung zu helfen.“
„Gut. Später, wenn wir die neuen Leute kriegen, werden wir schauen, wie sich Ihre Lanze letztendlich zusammensetzen wird und ob Sie noch wechseln werden. Ich will eine effiziente Lanze.“
„Die werden Sie bekommen. Aber...“
„Sprechen Sie offen, Miss Pappas.“
„Mein Status in der Einheit... Bisher werde ich als Gefangene geführt.“
„Das ist ab sofort obsolet. Verabschieden Sie sich von Ihren permanenten Aufpassern. Sie sind mit Offizierswürden eingestellt. Das ist mit allen Teileinheitsführern abgesprochen. Aber...“ Nachdenklich sah er die junge Frau an. „Aber sehen Sie zu, sich eher selten alleine in dunklen Ecken herumzutreiben. Es werden uns zwar viele Zivilisten verlassen, die ihre Angehörigen in der Schlacht verloren haben, aber von denen, die bleiben, halten genug Sie für eine Mörderin. Ich kann und will Sie nicht rund um die Uhr bewachen, weil ich Sie dann auch nicht in einen Mech lassen dürfte. Aus dem gleichen Grund kann ich Sie auch nicht dauerhaft beschützen lassen.“
„Ich verstehe. Wie also soll ich mich verhalten, falls ich angegriffen werde?“
„Angemessen, Lieutenant.“
„Das kann vieles bedeuten, oder auch nichts, Sir.“
Zorn beugte sich ein Stück zu ihr herüber. „Sehen Sie die erste Zeit zu, dass Sie sich nicht in ausweglose Situationen ohne Fluchtweg manövrieren. Falls Sie doch in eine solche Sackgasse geraten, dann müssen Sie selbst abschätzen, ob und wie sehr Ihr Leben gefährdet ist, und was Sie tun können und müssen, um es zu beschützen.“
Die junge Frau nickte. „Okay.“
„Sie gehen jetzt selbstständig zur Kleiderkammer rüber und holen sich einen Satz Uniformen mit Ihren neuen Abzeichen. Anschließend holen Sie sich an der Waffenkammer eine Seitenwaffe. Das ist bei uns eine Autopistole. Sie sind für diese Waffe verantwortlich, und auch für die standardmäßig ausgegebene Munition. Sehen Sie zu, dass sie niemals aus Versehen losgeht. Anschließend haben Sie meine Erlaubnis, weiterhin bei den Mechs auszuhelfen, bis Sie eine tatsächliche Aufgabe bekommen. Solange wir auf St. Jones sind, besteht Ihre Lanze nur aus Ihnen, Miss Pappas. Das wird sich ändern, und dann werden Sie zu tun haben. Das verspreche ich Ihnen.“
„Danke, Sir. Verstehe, Sir. Ich nehme an, Sir.“
„Gut, dann machen Sie sich jetzt auf den Weg.“
Sie erhob sich, salutierte und machte dann eine Kehre, die jeden Kadetten neidisch hätte aufsehen lassen. Irrte sich Zorn, oder ging sie ein ganzes Stück aufrechter auf dem Weg hinaus?
Unschlüssig sah er auf die Tür, die sich hinter Ilona Pappas schloss. „Wenn das mal eine gute Idee war“, raunte er mehr zu sich selbst.
***
„Und dann...“, sagte Oberst Kalakov unter lautem Lachen, „...dann habe ich dem Söldnerbrütling gesagt, dass ich mich freue, seine Mechs und seine Leute in den Dienst der Konföderation Capella stellen zu können. Ich hätte gerne sein Gesicht gesehen, als er mich das sagen gesehen hat!“ Daraufhin lachte er noch lauter, und seine Leute fielen ein.
„Aber Oberst, Ausländer hin oder her, sollten wir der Depotgeschichte nicht zumindest nachgehen?“
Juri Kalakovs Gelächter erstarb, und so erstarb auch das Lachen seiner Offiziere. „Duong Ahn Chau, wären Sie nicht die verantwortliche Maskirovka-Offizierin meiner Einheit, würde ich Sie auslachen. So aber ist es Ihre Pflicht, skeptisch und aufmerksam zu sein.“
Die groß gewachsene blonde Frau verzog ihre Miene kaum, als sie diese harsche Kritik traf. Sie war es gewohnt, gerade als Siamesin, schlechter behandelt zu werden und es schwerer zu haben, wenn sie Karriere machen wollte, und das hatte wenig mit ihrem Geschlecht zu tun. Aber was Kalakov da sagte, war mehr als die naturgegebene Arroganz, die die meisten Han-Chinesen ihr eigen nannte. Es war genauso gut, als wenn er aufgestanden wäre, mit dem Finger auf sie gezeigt und zu lachen begonnen hätte. Sie nahm all ihre Courage zusammen, bewahrte ihre volle Würde und sagte: „Herr Oberst, Sie wissen, dass Larsha Aufmarschgebiet der Vereinigungskriege war. Es ist durchaus möglich, dass Major Kenderson Recht hat mit seinem Versorgungsdepot. Und wenn er Recht hat mit dem Versorgungsdepot, dann kann dieser Vicomte Medice hier her kommen und auf Larsha wüten, wie er es auf St. Jones getan hat. ComStar war sehr freigiebig mit Informationen, und...“
„Vicomte Medice hat erstens eine Menge Federn gelassen und praktisch keine militärische Macht mehr, er ist zweitens vor fast zwei Wochen von St. Jones aufgebrochen. Sie wissen, wo St. Jones liegt, Major Duong?“
„Am Rande des Plejaden-Clusters.“
„Das ist wie weit von Larsha entfernt?“
„Ziemlich genau einhundert Lichtjahre.“
„Selbst wenn er also sofort aufgebrochen und auf dem Weg hierher wäre, würde er mindestens drei Sprünge brauchen, falls er überhaupt über ein eigenes Sprungschiff verfügt. Er ist mindestens sechs Wochen mit Aufladezeiten unterwegs. Davon sind gerade zwei verstrichen. Was hat er noch? Zwei Mechs und eine Lanze Panzer? Weniger?“
„Eher weniger, Oberst.“
„Nichts, womit wir nicht fertig werden würden. Wir haben ein ganzes Regiment Infanterie, und jedes Bataillon hat eine Sprungtruppenkompanie und einen Zug Mechabwehr. Dazu kommen unsere zwei Kompanien Kampfpanzer.“
„Die aber ebenso wie die Infanterie über den Planeten verteilt sind“, gab sie zu bedenken. „Und wir wissen nicht, ob Medice keine Reserven in der Hinterhand hat.“
„Zugegeben, das wissen wir nicht“, warf Hauptmann Harrison Wong ein, „und ich stimme Duong zu, dass wir die Depotgeschichte ernst nehmen sollten, alleine schon wegen dem Ruhm, den wir dem Kanzler einbringen, wenn wir einen ähnlichen Fund machen wie ComStar auf St. Jones. Aber es bleibt, wie Oberst Karakov beschrieben hat. Der Vicomte ist weit weg. Selbst wenn er unsere Welt als erstes Ziel nach seinem Scheitern ausgesucht hätte, wäre er noch mindestens vier Wochen entfernt. Wir haben also genug Zeit, die Archive zu durchsuchen auf Spuren der Pionierkommandos des Sternenbunds. Wenn sie in abgelegenen Gegenden gewühlt haben, hätten wir Spuren zu einem tatsächlich vorhandenen Depot.“
Einerseits war sie dem Chef der 1. Panzerkompanie dankbar für seine Intervention. Die Manshus waren eben toleranter als die arroganten Han. Andererseits hatte er sie nicht wirklich verteidigt und nachgebetet, was Karakov gesagt hatte. Allerdings war die Idee, die Archive nach Pionieraktivitäten zu durchsuchen, wirklich gut.
Dem Oberst gefiel die Idee offensichtlich sehr gut. Er strahlte geradezu. „Das ist brillant, Harry. Und weil es Ihre Idee war, übernehmen Sie das mit Ihrem Stab. Wenn Sie das Depot tatsächlich finden, werde ich dafür sorgen, dass Sie nach Sian fliegen und ausgezeichnet werden.“
„Danke, Herr Oberst. Das ist eine große Ehre.“
„Noch haben Sie nichts gefunden. Also freuen Sie sich nicht zu früh. Duong, ich nehme an, es wäre eine gute Idee, wenn Sie ihm dabei zur Hand gehen. Sie und Ihre Schleicher sind es ja gewohnt, Daten zu sichten und auszuwerten, also werden Sie Harry eine große Hilfe sein. Derweil bereite ich unsere Truppen darauf vor, eventuell mit diesem Kenderson Zorn konfrontiert zu werden.“
„Zorn Kenderson, Herr Oberst“, korrigierte Duong.
„Das habe ich doch gesagt“, erwiderte er verärgert. „Aber auch dafür haben wir mehr als genügend Zeit, denn die Cavaliers stehen noch immer auf St. Jones. Na los, an die Arbeit, Harry, Major Duong.“ Mit diesen Worten schickte er sie aus dem Büro.

Draußen auf dem Gang sagte sie: „Danke für die Unterstützung da drin, Hauptmann.“
Wong winkte ab. „Ich denke, der Oberst freut sich viel zu sehr über den Streich, den er diesem Zorn gespielt hat und vergisst dabei die Möglichkeit, die er uns eröffnet hat. Es gibt das Depot auf St. Jones, und es war reich gefüllt. Wenn die gleiche Chance für Larsha besteht, dann weiß mittlerweile die halbe Innere Sphäre davon. Und jeder, der es sich leisten kann, wird die Chance nutzen wollen. Deshalb ist es eine gute Idee, wenn wir zuerst am Depot sind.“ Er sah sie an. „Die nächsten Wochen könnten aufregend werden, Duong Ahn Chau. Das Depot auf St. Jones soll einen Wert von fast dreihundert Millionen ComStar-Noten gehabt haben, davon fast zweihundert Millionen für die Ausrüstung. Ich sage Ihnen, jeder militärische Führer, egal ob Capellaner, Pirat oder aus der Peripherie, würde sich zu gerne an dieser Summe gesund stoßen.“
„Dann unterschätzt Oberst Karakov die Situation definitiv.“ Nicht, dass sie das nicht von vorne herein gewusst hatte. Dass Wong ähnlich dachte, dass er ein potentieller Verbündeter war, das war für sie eine angenehme Überraschung.
„Ja, das tut er. Es gibt etliche Einheiten, die an Larsha sehr viel näher dran sind als der Vicomte es sein könnte. Taurus zum Beispiel ist nur zwei Sprünge entfernt.“
„Nicht viele werden das Risiko eingehen, eine ganze Welt absuchen zu müssen, um eventuell mitten in feindlichem Gebiet ein Depot zu finden.“
„Und viele werden es dennoch tun. Unsere Raumüberwachung ist nicht lückenlos, das wissen Sie am Besten. Bis vor kurzem waren wir ja auch nur eine unbedeutende Agrarwelt mit Grenzbastion. Aber jetzt gibt es hier etwas zu holen. Und just in dieser Zeit musste die 5. Reserve Kavallerie ihr 2. Bataillon abziehen.“
Duong sah, wie Wong die Hände zu Fäusten ballte. Die Ruhe, die er im Büro gezeigt hatte, sein spöttisches Gelächter, war das alles nur Fassade gewesen, hatte er erkannt, dass sie nun tatsächlich in Gefahr schwebten?
„Was, denken Sie, würde jemand tun, der auf dieser Welt ungestört nach dem Depot suchen will?“, fragte sie.
„Natürlich das Militär ausschalten. Zuerst die 5., und danach unsere Miliz, die eh nur aus Infanteristen und veralteten Panzern besteht. Je eher wir also in die Innere Sphäre hinausposaunen können, dass wir das Depot gefunden und seine Vorräte dem Kanzler zu Füßen gelegt haben, desto besser für uns alle.“
„Ich denke da genauso wie Sie. Ich denke... Lang, was ist denn?“

Aufgeregt kam ihr einer ihrer Mitarbeiter entgegen gelaufen. Er winkte mit einem Zettel in der Linken. Und er war augenscheinlich etwas außer Atem. „Ma'am, wir haben eine Notlandung auf Dubai. Wie es ausschaut, ist ein Overlord, das Handelsschiff MINH TAU, wegen Triebwerksschwierigkeiten fünfzig Klicks vom Raumhafen niedergegangen.“
„Und? Was ist daran besonderes? Soll ich jetzt ein Suchkommando losschicken, nur weil ein Händler zu geizig war, um die Wartung seines Schiffs zu finanzieren?“, erwiderte sie. Da kam noch mehr, sie wusste es, aber ein wenig Arroganz gegen die Untergebenen tat gut, vor allem wenn sie sich für schlauer hielten.
„Ein Overlord als Handelsschiff? Und dann kommt es nach Larsha?“, fragte Wong argwöhnisch.
Ihr Bericht über die Miliz, vor allem über den Chef der 1. Panzerkompanie, würde sehr wohlwollend ausfallen, beschloss sie.
„Das ist es nicht mal. Viel wichtiger ist, dass ich die Computer befragt habe. Es gibt keine MINH TAU. Auch ComStar ist so ein Schiff nicht bekannt, zumindest nicht als Overlord.“
„Der Handelshafen von Dubai liegt zwanzig Klicks von der Kaserne der 5. entfernt, oder?“, fragte Wong.
„Und der Overlord ist ziemlich genau unter dem Horizont gelandet, nicht zu weit und nicht zu nahe“, bestätigte Duong. „Gehen wir in die Zentrale. Ich will, dass Dubai einen VTOL schickt, der das Landungsschiff sucht. Dies ist eine militärische Erkundungsmission, keine zivile Rettungsaktion. Falls auf Dubai bereits Rettungskräfte ausgesandt wurden, sollen sie sofort zurückgezogen werden. Das ist eine Anweisung der Maskirovka. Ich übernehme die volle Verantwortung.“
„Jawohl, Ma'am!“ Jeremy Lang salutierte und lief zurück.
„Wenn es wirklich ein Absturz ist, machen Sie sich nicht gerade Freunde, Duong“, warnte Wong.
„Und wenn es ein Landungsschiff voller Söldlinge ist, die gerade auf dem Marsch zur Kaserne der 5. ist, um die Einheit bei einem Überraschungsangriff auszulöschen, dann hat die Kasernenwache heute noch einen sehr schlechten Tag. Kommen Sie, Wong.“
Die beiden gingen weiter, nicht hastig, aber auch nicht gemächlich.
„Offensichtlich wissen sie nicht, dass das 2. Bataillon abgezogen wurde und das 3. erst in vier Wochen kommen soll, sonst hätten sie zuerst einen Milizstützpunkt angegriffen – falls Sie Recht haben. Sollten wir nicht mit dem Oberst sprechen?“
„Ohne einen realen Beweis in der Hand? Nein. Die erste Abfuhr hat mir gereicht. Außerdem können wir bei falschem Alarm den Ball flacher halten. Trotzdem, fragen Sie in der Zentrale nach weiteren Landungsschiffen, die nicht da niedergegangen sind wo sie sollten. Wer mit einem Overlord kommt, hat eventuell auch noch einen Union oder einen Seeker. Oder zwei.“
„Wollen wir's mal nicht hoffen. Ein Overlord alleine kann ein ganzes Bataillon bedeuten“, brummte Wong. „Sollen wir ihn informieren, wenn sich der Verdacht bestätigt?“
„Den Oberst? Natürlich.“
„Nein. Oberst Karasov natürlich auch. Ich dachte an Zorn Kenderson. Das wäre nicht mehr als fair.“
Sie dachte für einen Moment darüber nach. „Ja. Sobald etwas passiert, informieren Sie via ComStar das Oberkommando, das Regionalkommando, und Major Kenderson. Falls der HPG nicht auch angegriffen wird.“
„Eieieieieiei, ich kriege Kopfschmerzen. Sie trauen unseren nichtbestätigten Plünderern ja eine Menge zu.“
„Dreihundert Millionen C-Noten, haben Sie gesagt. Meine Großmutter müsste dafür sehr lange stricken und bekäme die Bürgerrechte zweimal verliehen, Wong.“
„Argument.“
***

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Seit einiger Zeit besaß die Miliz auf Dubai eine Lanze Ferrets. Sie hatten die leichten, billigen Maschinen über einige Umwege durch St. Ives von den Vereinigten Sonnen erhalten. Offiziell sollten die Maschinen für das Magistrat Canopus sein, aber dank alter Verbindungen in die eigentlich desertierte Kommunalität war es möglich gewesen, die wendigen Einsitzer-Hubschrauber zu organisieren. Wenn man ganz ehrlich war, hatte die Konföderation dank dieser „Zusammenarbeit“ mittlerweile hunderte der fünf Tonnen schweren Scout-Maschinen erwerben und über die Nation verteilen können, einerseits weil der Ferret kein wirklich gefährlicher Kämpfer war, da er nur über ein Schweres Maschinengewehr verfügte, und andererseits weil Candace Liao, die Frau, die mit ihrem Lehen St. Ives desertiert war, inoffiziell dafür sorgte, dass sich der technologische Stand ihrer Heimat nach und nach verbesserte. Offiziell existierten diese Kontakte natürlich nicht, und hätte Candace begonnen, auf diesem Wege Mechs in der Konföderation zu verbreiten, wäre Hanse Davion kurz und schmerzlos eingeschritten. Aber gegen Ferrets hatte wohl niemand was, und die Firmen, die dieses Modell produzierten, nahmen das Geschäft gerne mit, immerhin kostete eine solche Maschine ohne Transport rund fünfzigtausend C-Noten. Es hieß zwar, Romano Liao, die derzeitige Herrscherin Capellas, plane, den Ferret in den eigenen Fabriken nachbauen zu lassen, aber dieses Gerücht war schon mindestens so alt wie der erste Ferret, der im capellanischen Raum auf Seiten der Verteidiger eingesetzt worden war.
Eine Lanze, das bedeutete vier Maschinen. Zwei davon waren auf dem Wege, um auf Befehl der Maskirovka das angeblich abgestürzte Handelsschiff zu suchen. An Bord waren Leutnant Kressmann als Flügelführer und Unterleutnant Chan als sein Flügelmann.
Sie hatten gerade die Kaserne der 5. Reserve Kavallerie überflogen, von der sich ein kleiner Strom an Fahrzeugen in Richtung Stadt zurückzog. Chan hatte wie immer mit seinem losen Mundwerk einige Kommentare abgegeben, die nicht für den Funk bestimmt gewesen sein konnten und die, würden sie protokolliert werden, nicht gerade gut für seine nächste Beförderung sein würden. Deshalb hatte Kressmann die Kommentare auch kurzerhand abgewürgt und ihm geraten, sich auf den Flug zu konzentrieren. Fünfundzwanzig Kilometer weiter tauchte dann plötzlich das Oval des gigantischen Landungsschiffs zwischen zwei Hügeln in ihrer Sicht auf.

„Tiefer und Geschwindigkeit weg“, befahl er über den Gefechtsfunk. „Deckung der Bäume suchen. Wir sind in Feuerreichweite der Geschütze.“
„Aber außerhalb der Zielreichweite“, erwiderte Chan frech, befolgte jedoch die Anweisungen.
Beide VTOL hielten kurz inne und versteckten sich erst einmal hinter einer hohen Baumschule einer hiesigen Monokultur an Nadelgehölzen. Fichten wuchsen wirklich wie Unkraut, wenn man sie auf geeigneten Boden einbrachte.
„Was haben Sie gesehen, Unterleutnant?“, fragte Kressmann.
„Nach einem Absturz sieht das nicht aus. Das Gelände dampft von den Schubdüsen, und irgendwo scheint auch was zu brennen, aber das ist nicht das Landungsschiff. Das hat übrigens einen recht intakten Eindruck auf mich gemacht.“
„Auf mich auch“, erwiderte der Flügelführer. „Ich denke auch nicht, dass der Overlord notgelandet ist, Chan. Das Ding steht da wie eine Eins. Bei einer Notlandung oder nur bei einer holperigen Landung hätte ich erwartet, dass das Ding zumindest ein bisschen schief steht.“
„Was tun wir jetzt, Boss?“, fragte Chan.
„Das Ding steht da etwa seit zwanzig Minuten. Ich denke nicht, dass sie, egal was sie planen, damit schon fertig sind. Wir setzen eine Meldung an den Stützpunkt ab, und dann versuchen wir uns weiter ran zu pirschen und mehr zu sehen.“
„Verstanden, Leutnant.“
„Vergessen Sie nicht, dass Sie in einem fünf Tonnen leichten Blechkasten sitzen, der kaum Panzerung und lediglich ein Maschinengewehr sein eigen nennt. Der Overlord kann Sie mit einem einzigen Feuerstoß aus diesem Leben rotzen“, mahnte Kressmann.
„Das wäre dann allerdings ein ziemlich eindeutiger Hinweis dafür, was die da vorhaben“, scherzte Chan derbe.
Kressmann unterdrückte ein Lachen. Wo Chan Recht hatte... „Wir machen es wie folgt. Sie gehen über Osten in der Deckung der Hügel vor und versuchen, ein paar gute Bilder von dem zu schießen, was immer die da gerade tun. Vermutlich Entladearbeiten. Ich versuche das Gleiche, indem ich mich von Bauminsel zu Bauminsel auf den Hügel im Nordwesten vorarbeite und von dort versuche, etwas zu erkennen. Start ist in zwei Minuten.“
„Verstanden, Leutnant.“
Kressmann wechselte die Frequenz. „Able Baker von Romeo eins, bitte kommen.“
„Romeo eins, hier Able Baker, kommen.“
„Able Baker, Romeo eins und zwei befinden sich fünf Klicks südlich der Landestelle des Overlords MINH TAU. Sieht nicht nach einer harten Landung aus. Wir pirschen uns näher und versuchen, bessere Bilder zu bekommen, over.“
„Romeo eins, habe verstanden. Seien Sie vorsichtig und halten Sie diesen Kanal offen. Over and out.“
„Able Baker, hier Romeo eins. Halte Kanal offen, verstanden. Over and out.“

Neben ihm zog Chan nach Osten davon, um die Deckung einiger Hügel aufzusuchen, die es ihm erlauben würden, näher heran zu pirschen. Kressmann selbst zog seinen Maschine in Richtung der nächsten Baumgruppe. Als er dies tat, meldete die Maschine für einen Bruchteil einer Sekunde eingehende Zielerfassung. Kressmann beschloss, diese Warnung sehr ernst zu nehmen. „Able Baker, hier Romeo eins. Melde kurze Aufschaltung eines Suchradars, over.“
„Romeo eins, haben verstanden. Seien Sie extra vorsichtig. Over and out.“
„Verstanden. Romeo eins over and out.“
Sein Ferret erreichte die nächste Baumgruppe. Er umkreiste sie anstatt sie zu überfliegen, und setzte nördlich seinen Weg zur nächsten Deckung fort. Das wiederholte er, bis er den Hang seines Ziels hinaufklettern konnte. Dort angekommen, in der Deckung einer großen Kieferschonung, erwartete ihn der schwierige Part: Entweder um die Kiefern herum zu lugen, oder darüber hinweg, im fatalen Wissen, dass der Gegner eventuell schon in diese Richtung zielte. Von einem abgestürzten Handelsschiff dachte er gar nicht mehr. Kressmann entschloss sich dazu, die Schonung nach Westen zu umfliegen. Er drückte den Knüppel der Rotorneigung in die entsprechende Richtung und sauste an den Nadelbäumen entlang.
„Was zum Herrn der neun Höllen...“, klang der überraschte Ruf von Chan auf.
„Chan, was ist?“
„War kurz unter Beschuss, Leutnant, als ich meine Nase rausgesteckt habe. Meine Panzerung hat ein paar Schrammen, nicht mehr. Aber ich konnte deutlich erkennen, dass der Overlord Panzer ablädt.“
„Schlechte Nachrichten. Ich versuche, auch mal einen Blick auf die Entladungsarbeiten zu werfen, damit wir wissen, mit was wir es zu tun haben. Sie versuchen das Gleiche aus einer anderen Richtung noch mal.“ Er hielt kurz inne. „Sehen Sie aber in jedem Fall zu, dass Ihre Bilder im Hauptquartier landen, verstanden?“
„Jawohl, Leutnant“, erwiderte Chan.
Kressmann zog um den Wald herum, ging ein klein wenig höher, um über eine natürliche Bodenwelle zu schauen und erstarrte innerlich. Zwanzig Minuten, ging es ihm durch den Kopf. In zwanzig Minuten konnte ein Overlord eine ganze Menge Material entladen. Zum Beispiel eine Flugabwehr. Der Alarm der Erfassung ging durch seine Maschine, kaum dass die Nase des Ferrets über die Bodenwelle ragte. Sofort reduzierte er das Rotationsintervall, damit die Maschine sank, aber er war nicht schnell genug. Zwei Laserstrahlen aus den Armen eines Rifleman zuckten zu seiner fünf Tonnen schweren Blechschaukel herüber; einer ging so weit daneben, dass er die Bäume östlich von ihm in Brand setzte. Der andere aber traf den Rotor des Ferrets voll. Die Maschine verlor sofort ihren Auftrieb und stürzte ab. Kressmann kam sehr hart auf, aber er lebte. Noch.
„Leutnant!“, rief Chan.
„Rifleman“, ächzte Kressmann, kaum dass er wieder genug Luft bekam. „Hauen Sie hier ab, Chan, und melden Sie, dass die MINH TAO oder wer immer dies hier ist, mindestens einen LuftabwehrMech entladen hat!“
„Ich kann Sie doch nicht...“
„Was? Mich hier zurücklassen? Natürlich können Sie das. Meine Absturzstelle wimmelt gleich mit allem, was die falsche MINH TAO mitgebracht hat. Sie würden nur ebenfalls abgeschossen werden, Unterleutnant. Hauen Sie hier ab. Ich komme schon durch.“ Kressmann schnallte sich ab, überprüfte kurz, ob seine Beine noch arbeiteten, dann schnappte er sich das Notfallpack unter dem Sitz und stieß die Tür auf. Sein Funkstöpsel löste sich von selbst aus dem Helm, als er mehr fiel als ausstieg. Er brachte den Ferret zwischen sich und den Hügel und versuchte sich daran, in Richtung des weiter entfernten Waldes zu laufen, was ihm gelang, mehr schlecht als recht. Aber er machte sich keine Illusionen. Er war viel zu nahe dran am falschen Händler. Wer mit Panzern und einem Mech kam, der hatte auch Infanterie dabei. Und diese Infanterie würde losgejagt werden, um ihn einzufangen oder zu erledigen. Oder beides.
Das Aufheulen eines Luftkissenantriebs bestätigte diesen Gedanken. Kressmann versuchte, schneller zu laufen und widerstand dem Drang, sich umzudrehen. Wer sich umdrehte, während er verfolgt wurde, verlor Geschwindigkeit. Und es war noch weit bis zur trügerischen Sicherheit des Waldstücks, wo er zumindest für einige Zeit seinen Häschern entgehen konnte. Falls er überhaupt dort ankam. Andererseits, welche Bedrohung war ein abgeschossener Hubschrauberpilot schon, der nichts außer einer Pistole als Seitenwaffe bei sich trug? Für einen einzelnen Gegner war das sicher viel. Für einen Mech oder gar ein Landungsschiff war das gar nichts.
Ein MG bellte auf, und Kressmann sah neben sich den Erdboden aufspritzen, als wäre er eine Flüssigkeit. Ein harter Schlag traf ihn an der rechten Schulter und riss ihn zu Boden. Der Leutnant war nicht sicher, ob der Splitteranzug gehalten hatte, aber alleine der Einschlag hatte die Wirkung eines Vorschlaghammers. Er stürzte zu Boden, überschlug sich und kam ungünstig auf. Sein Rücken verzog sich komplett, und er schrie vor Schmerz auf. Erst die Landung, dann dieser unglückliche Sturz. Trotzdem versuchte Kressmann sofort wieder auf die Beine zu kommen. Das Heulen des Luftkissens nahm zu. Sein unbekannter Gegner beschleunigte, um seiner Beute den Rest zu geben.
Kressmann schaffte es trotz heftiger Schmerzen in der ganzen rechten Seite auf die Knie. Aber er hatte kein Gefühl im rechten Arm mehr. Also fingerte er mit der Linken nach der Autopistole im Hüftholster. Was das bringen würde, war ihm noch nicht klar, aber wenn er schon sterben musste, wollte er kämpfend sterben. Oder zumindest mit der Waffe in der Hand, denn sein Gegner würde ihm wohl kaum Zeit dafür lassen, sich umzudrehen und seine mickrige Handwaffe abzufeuern. Während er die Waffe zu fassen bekam, sah er nach hinten. Es war ein Savannah Master, ein einsitziger Scoutschweber, der lediglich mit einem MG bewaffnet war. Infanteristen fürchteten das kleine Biest, und das zu Recht. Ursprünglich ein reiner Davion-Panzer hatte er schnell seinen Siegeszug in alle Einheiten getan, die so ein Ding kaufen oder erbeuten konnten. Seine Schnelligkeit, seine Agilität waren bessere Waffen als das MG, aber immerhin war es gut genug gegen ungepanzerte Infanterie.
Die Maschine raste auf ihn zu, direkt auf ihn zu. Er brachte seine Pistole, so gut er konnte, in Anschlag und wartete auf das unvermeidliche Ende. Dann rotzte das MG.

Verblüfft stellte Kressmann fest, dass er noch lebte. Noch verblüffter war er allerdings darüber, dass der Savannah Master keine dreißig Meter von ihm ohne Luftkissen auf dem Boden stand und heftig aus dem Heck rauchte. Direkt neben ihm zog der zweite Ferret zu Boden, und Chan winkte ihm zu. Die Klappe zum Frachtraum des Scouts stand einladend offen. Teufelskerl, verdammter, hatte gegen seine Befehle verstoßen, um ihn zu retten. Humpelnd kam Kressmann auf die Beine und schleppte sich die paar Meter bis zum VTOL. Er ließ sich in den Frachtraum fallen, schlug gegen die Wand als Zeichen, dass er drin war und zog dann die Klappe zu, so gut er konnte. Hoffentlich hatte der Splitteranzug gehalten. Sonst würde Chan nur eine Leiche und eine Menge Blut mit nach Hause nehmen.

Unterleutnant Chan neigte kaum, dass das Klopfen erklang, den Rotorwinkel nach Süden, sodass der Heli davon zog, ohne Höhe zu gewinnen. Gerade als er begann, das kleine Wäldchen zu umrunden, das schon Kressmann Deckung geboten hatte, aktivierte sich seine Feuerleitwarnung. Das war das vierte oder fünfte Mal. Wer immer mit dem Overlord angekommen war, der spaßte nicht. Eine Autokanone und ein Laser feuerten, aber beide Schüsse gingen in die Bäume, die Chan umrundete. Kurz wagte er einen Blick über die Bäume, zog aber sofort wieder runter.
„Able Baker von Romeo zwei, kommen“, meldete er und zog weiter nach Süden zur nächsten Deckung. „Romeo zwei, hier Able Baker, kommen.“
„Able Baker, das Landungsschiff ist feindlich, ich wiederhole feindlich. Romeo eins wurde abgeschossen, aber ich habe den Piloten geborgen. Außerdem habe ich mehrere Panzer und Mechs identifiziert, darunter ein Rifleman und mindestens zwei Kreuzritter, over.“
„Romeo zwei, wiederholen Sie die Zahl, over.“
„Able Baker, ich habe mindestens fünf Mechs gesehen, davon identifiziert ein Rifleman und zwei Kreuzritter. Dazu habe ich sieben Panzer gezählt, aber nicht identifizieren können, over.“
„Romeo zwei, können Sie für eine bessere Identifizierung noch einmal anfliegen, over?“
„Negativ, Able Baker. Wollen Sie, dass das Bildmaterial verloren geht, das ich mit der Bordkamera geschossen habe, over?“
„Romeo zwei, natürlich nicht. Kommen Sie zurück. Wir schicken Bodenspähfahrzeuge aus, over.“
„Able Baker, habe verstanden, over and... Able Baker, der Overlord startet Bandits, ich wiederhole, der Overlord startet Bandits, over!“, rief Chan und brachte seinen Ferret so tief zu Boden, wie er verantworten konnte. Keine fünf Sekunden später zogen zwei Luft/Raumjäger über ihn hinweg.
„Romeo zwei, bestätigen Sie Bandits vom Overlord, over!“
„Definitiv bestätigt, Able Baker. Ich habe eine Drossel und eine Cheetah identifiziert. Der Heimflug wird wohl etwas länger dauern als ich dachte, over.“
„Romeo zwei, sehen Sie zu, dass Sie nach Hause kommen. Wir werden Ihre Bilder bald sehr dringend brauchen. Wenn es geht schnell, aber seien Sie sicher, dass Sie es überhaupt schaffen, over.“
„Habe verstanden, Able Baker. Over and out.“
„Copy. Over and out.“

Es waren fünfzig Klicks bis zur Stadt. Mit zwei mittelschweren Luft/Raumjägern in der Luft würde diese Strecke eine sehr lange werden. Allerdings machten beide Jäger keine Anstalten, einzukehren, um nach ihm zu suchen. Das machte Chan neugierig, also folgte er dem Kurs beider Maschinen. Es dauerte einige Zeit, aber schließlich kam er in Sichtweite der Kaserne der 5. Reserve Kavallerie. Die automatischen Abwehrwaffen feuerten, während beide Luft/Raumjäger mit ihren Bordwaffen erwiderten. Dies taten sie aus einer relativ sicheren Distanz, und sie hatten Laserwaffen, der Stützpunkt aber antwortete mit Autokanonen.
„Hm“, machte Chan. Er zog seine Maschine höher, beschleunigte, so gut er konnte und schoss somit auf die Kaserne geradezu drauflos. Über ihm reagierte die Drossel und schoss nach ihm, aber mehr schlecht als recht, obwohl er eine gerade Linie flog. Links von seiner Maschine glasierten die mittelschweren Laser den Erdboden. Chan spürte Schweiß in seine Augen laufen, als er in Reichweite der Fortwaffen kam, aber keine der Autokanonen drehte sich in seine Richtung. Sein Transponder wurde akzeptiert, und die Abwehrstellungen ließen ihn passieren. Er überquerte die Kaserne so schnell er konnte und zog weiter Richtung Stadt. Die Drossel ging tiefer, feuerte erneut nach ihm und versuchte, sich hinter ihn zu setzen. Dabei geriet der Diskusförmige Jäger aber in den Fokus der Autokanonen zurück. Bevor der feindliche Jäger eine Zielerfassung erhalten konnte, feuerten drei der automatischen Waffen und zerfetzten mit der ersten Salve die Panzerung.
Chan grinste frech. Genau das hatte er provozieren wollen. Er hatte die feindlichen Piloten in Reichweite der automatischen Waffen locken wollen, im besten Fall im Glauben, die Stellungen würden nicht auf sie feuern. Der Teil hatte schon mal geklappt. Die Drossel, beschädigt, aber nicht abgeschossen, kippte über die linke Seite, beschleunigte mit ihrem kräftigen Fusionsantrieb und war schnell außer Reichweite der Kaserne. In einem Bogen flog sie zurück in Richtung Overlord.
Chan suchte den Cheetah, konnte ihn aber nicht in seiner Nähe finden. Die Maschine blieb schön außerhalb der Reichweite des Forts, nachdem der Pilot Augenzeuge dessen geworden war, was seinem Kollegen in der Drossel fast zum Verhängnis geworden wäre.
Chan hielt direkt auf den Raumhafen zu, der mittlerweile in Alarmbereitschaft versetzt worden sein musste. Nicht, dass es ihnen ohne die Hilfe der Miliz viel nützen würde.
Chan dachte an seinen Vorgesetzten im Bauch seiner Maschine und hoffte, dass der Leutnant bis zum Stützpunkt durchhalten würde. Es wäre eine Schande gewesen, so einen guten Piloten und Vorgesetzten zu verlieren, nur weil er es nicht rechtzeitig genug in den eigenen Horst geschafft hätte. Und dann war da noch die Auswertung der Bilder, die er geschossen hatte. Vielleicht wussten sie dann, wer den Planeten überhaupt gerade angriff.
***
„Gut, dass Sie kommen, Sir“, empfing Duong Ahn Chau den Kommandanten der Miliz, als er die Operationszentrale betrat.
Oberst Karasov nickte bestätigend. Immerhin, er war Profi genug, um seine Vorbehalte gegen die Siamesin zurückzustellen, wenn die Arbeit anklopfte. „Was haben wir, Duong?“
„Ein Overlord, angeblich auf Dubai abgestürzt. Ein Handelsschiff namens MINH TAI, das aber nirgends registriert ist, zumindest nicht als Overlord. Verdächtig ist, dass zwischen Port Rain und seiner Absturzstelle die Kaserne der 5. liegt. Jon hat die Bereitschaft evakuieren lassen und zwei Scouthelikopter ausgeschickt, um ein Bild von der Situation zu bekommen. Wir...“
„Ma'am, Nachricht von Dubai. Der Overlord entlädt Panzer und Mechs. Ein Ferret wurde abgeschossen, der Pilot geborgen.“
„Wie viele und welche?“
„Um das zu ergründen, müssen wir warten, bis wir die Kamera des verbliebenen Ferrets auslesen können. Der Pilot berichtet von mindestens fünf Mechs, die er gesehen hat, davon identifiziert sind ein Rifleman und zwei Kreuzritter. Der Rifleman hat den zweiten Ferret abgeschossen.“
„Was ist mit den Panzern?“, hakte Karasov nach.
„Ungenaue Zahl. Der Pilot berichtet von rund einem halben Dutzend, aber der Overlord ist auch erst kurze Zeit gelandet gewesen. Er konnte keinen der Panzer identifizieren. Sie kennen das Maximum“, erinnerte die Siamesin.
„Drei Kompanien aka ein Bataillon. Wir mobilisieren“, befahl Karasov.
„Bei allem Respekt, aber ein Bataillon, und das auf Dubai, wird für uns ohne die Reserve Kavallerie ein richtig harter Brocken sein“, wandte Harrison Wong ein. „Wir selbst verfügen nur über zwei Panzerkompanien.“
„Zuallererst benötigen wir mehr Informationen, Harrison, um abschätzen zu können, mit wem wir es hier zu tun haben und was deshalb passieren wird“, sagte Karasov streng. „Es ist offensichtlich, dass wir es hier mit genau den Leuten zu tun haben, vor denen uns Kenderson gewarnt hat, nur eben nicht den Leuten Medices. Die Frage ist also, wem verrät dieser Bastard von Vicomte die Position eines der Depots, die er zu gerne selbst plündern würde, nur damit Kenderson mit seinen Leuten nicht vorher ankommt? Dass er die Sache nicht in den freien Äther posaunt hat, sieht man daran, dass bisher nur eine fremde Einheit auf den Planeten gekommen ist.“
Der Oberst verstummte für einen Moment, dann sah er die Geheimdienstoffizierin an. „Ich muss mich offensichtlich entschuldigen, Duong. Sie haben Recht behalten, und ich hatte Unrecht. Ab hier müssen wir aber alle einen verdammt guten Job machen. Im besten Fall liefern wir uns nur ein Wettrennen zum Depot. Im schlimmsten Fall nehmen diese Fremden ein oder zwei Massaker in Kauf, um diesen Raubzug zu decken.“
Duong Ahn Chau schauderte bei dem Gedanken. Sicher, die Maskirovka war nicht besonders zimperlich, wenn es darum ging, die Bürger und die Kanzlerin zu schützen, sei es vor fremden subversiven Elementen, sei es vor Eindringlingen. Aber sie hatte eben auch einen klar definierten Auftrag. Und dieser war zugunsten des Volkes. „Haben wir das andere Landungsschiff schon geortet?“, fragte sie.
„Welches andere Landungsschiff?“, fragte Karasov verblüfft.
„Na, das, mit dem sie ihre Beute abtransportieren wollen. Kenderson hat auf St. Jones eine ganze Kompanie Mechs und Material entdeckt. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sich unsere neuen besten Freunde mit der 5. Reserve anlegen, und dies nicht mindestens mit einem Bataillon Truppen tun werden. Daher brauchen sie noch einen zweiten Lander, um die Beute wegzuschaffen. Einen Union, einen Seeker, ein Maultier. Lander mit Plattformen sind zu bevorzugen, weil man sie schneller beladen und die Ladung besser sichern kann.“
Karasov nickte verstehend. „Deshalb auch die nahe Landung an der Kaserne. Die falsche MINH TAO ist dreißig Klicks von der Kaserne der Kavallerie gelandet. Seither sind rund vierzig Minuten vergangen. Sagen wir, nach einer Stunde ist die Truppe zu einem Angriff bereit. Das hätte die 5. immer noch kalt genug erwischt, um sie zumindest beschäftigt zu halten. Das bedeutet, dass der zweite oder gar ein dritter Lander in diesem Moment auf dem Weg sein können, um das Depot zu finden und auszuräumen. Ich brauche Telemetriedaten aller Bewegungen im Orbit!“
Ahn Chau war für einen Moment verblüfft. Aus dem Stand heraus leistete Karasov eine Arbeit, die sie ihm in dieser Präzision nicht zugetraut hatte. Sie wechselte einen verwunderten Blick mit Harrison, der ein Schmunzeln nicht unterdrücken konnte. Zumindest ihr gegenüber nicht.
„Harry, wie weit sind Ihre Recherchen bezüglich Pionieraktivitäten des Sternenbundes gediehen?“, fragte der Oberst.
„Overlord startet zwei Bandits! Bandits nehmen Kurs auf Kaserne der 5.!“, rief jemand.
Karasov ignorierte den Einwurf und sah den Panzerkomandanten auffordernd an.
„Nun, es gibt da tatsächlich was. Angeblich ein Wasserversorgungsprojekt für Swanstein auf Dubai, das auch heute noch Frischwasser für die Landwirtschaft staut. Das Ganze liegt in den Niho-Bergen südöstlich des Raumhafens, etwa dreihundertfünfzig Klicks entfernt. Mittelgebirge, größte Höhen bis achthundert Meter, Aufwerfungen aus Kalkgestein durch kontinentale Bewegungen. Kalkstein böte genug Möglichkeiten, um relativ leicht ein Depot zu erschaffen, wie Kenderson es berichtet hat, Herr Oberst.“
Karasov schnaubte zustimmend. „Was wir jetzt brauchen, sind mehr Informationen. Informationen darüber, was die Fremden tun. Wenn die Städte sie nicht interessieren, werden wir die Jäger sein und mit unseren schnellen Einheiten in der Lage sein, sie zu verfolgen und zu dezimieren. Greifen sie die Städte aber an, hat der Schutz unserer Bürger Priorität. Wie kommen wir an die Informationen?“
Duong räusperte sich. „Der zweite Ferret hat Bildmaterial von der Landung geschossen. Eventuell können wir damit weitere Mechs identifizieren und damit ein Bild der Einheit bekommen, vielleicht sogar identifizieren, mit wem wir es hier zu tun haben. Es ist eher unwahrscheinlich, dass eine fremde Einheit hier so weit draußen bei der Peripherie freie Auswahl dabei hat, welche Mechs sie bekommt und welche nicht, geschweige denn sich ein vollkommen neues Profil zusammenstellen kann.“
„Das ist klug gesprochen. Hoffen wir also auf die Bilder vom Ferret.“ Er sah wieder Wong an. „Harry, Sie bereiten Ihre Leute darauf vor, nach Dubai zu wechseln. Nehmen Sie einen Zug MechAbwehr mit. Eventuell die ganze Kompanie, aber das entscheide ich noch. Wie es scheint, werden Sie das Zünglein an der Waage werden. Falls die Luft/Raumjäger uns nicht zu sehr behindern werden.“
„Hoffen wir, dass es bei zweien bleibt“, entgegnete der Panzerfahrer. Er salutierte und verließ die Kommandozentrale, um seinen Auftrag auszuführen.
***
„Wir haben die Bilder, Herr Oberst“, meldete Duong. „Der Overlord wurde teilweise neu lackiert, und Panzer und Maschinen haben einen Camouflage bekommen. Aber wir haben mittlerweile sieben Mechs und fünf der Panzer identifiziert. Alle Faktoren zusammen, insbesondere die Tatsache, dass die Eindringlinge insgesamt drei Kreuzritter aufbringen, haben einen Treffer in den Datenbänken erbracht.“
„Gute Arbeit, Duong. Mit wem haben wir es also eventuell zu tun?“
„Das ist das Hässliche daran. Nur eine Einheit dieser Größe in einem Abstand von maximal vier Sprüngen verfügt über drei Kreuzritter mit der identifizierten Konfiguration.“ Sie atmete aus. „Und das sind die Red Longjacks, einer Truppe in Garnisonsstärke, die sich auf Bewachungsmissionen spezialisiert hat. Oberst Karasov, diese Einheit hat ihre Basis im Taurus-Konkordat.“
„Duong, Sie werden jetzt viel zu tun bekommen. Setzen Sie einen formellen Protest in meinem Namen an das Konkordat auf und schicken Sie ihn per ComStar an den Konkordatsbotschafter auf Sian. Des Weiteren verfassen Sie einen Zwischenbericht über unsere Situation und über die vermutete Existenz des Depots und senden diesen ans Regionalhauptquartier und an Ihr Maskirovka-Hauptquartier auf Sian.“ Karasov verstummte einen Moment, schien mit sich zu ringen. „Und schicken Sie eine weitere Nachricht an Kendersons Cavaliers. Informieren Sie Zorn Kenderson darüber, dass wir augenscheinlich wegen dem Depot attackiert werden, dass es sich aber bei den Angreifern nicht um eine Einheit des Vicomte handelt.“
Beinahe hätte die Maskirovka-Offizierin zustimmend und zufrieden gegrinst. „Verstanden, Herr Oberst.“ Siehe da, selbst ein alter Hund wie ihr Kommandeur konnte über seinen Schatten springen.
„Was die Daten über die Red Longjacks angeht...“
„Besorgen Sie mir alles, was Sie herausfinden können. Ich will jeden Akt an Grausamkeiten, der vielleicht von ihnen verübt worden ist, erfahren. Und ich möchte Berichte über jedes Gefecht, an dem die Longjacks beteiligt waren. Wir müssen immer daran denken, dass Menschen schnell gierig werden können, und wenn sie gierig werden, werfen sie schon mal einiges an Moral über Bord.“
„Ich sehe zu, was ich herausfinden kann, Herr Oberst.“ Duong sagte das trotz der Bedrohung seltsam zufrieden, denn letztendlich waren sie alle hier, um Larsha und die Konföderation und ihre Bürger zu beschützen. Es tat gut, das bestätigt zu sehen.

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3.
29. Mai 3043, Nadir-Sprungpunkt des St. Jones-System

Während ihr Landungsschiff, die TRIELL, ein Union, Seite an Seite mit ihrem Schwesterschiff REBEL der gleichen Klasse auf die HOOD zuschwebte, ein Invasor-Sprungschiff einer zivilen Handelsgesellschaft, angemietet, um sie zwei Sprünge, also rund achtundfünfzig Lichtjahre in diesem Fall näher an Allans World heranzubringen, sichtete Zorn Kenderson diverse Nachrichten, die ihn auch jetzt noch erreichten, solange sie sich im St. Jones-System befanden. Darunter waren auch die Antworten auf sein Angebot, für die doppelte Summe als üblich von Allardi, dem Ergebnis ihres zweiten Sprungs, direkt zu ihrem Ziel gebracht zu werden. Die beiden Sprünge mit der HOOD hatte er sehr teuer bezahlt, sodass der Crew nur drei Stunden statt 24 bleiben würden, um ihre Geschäfte zwischen zwei Sprüngen erledigen zu können. Aber die Dinge hatten sich regeln lassen. Die HOOD würde einen Lander ablegen lassen und einen weiteren Union aufnehmen. Der hatte mit anderthalb G beschleunigt und dürften jetzt in der Abbremsphase sein, um das kurze dreistündige Zeitfenster nutzen zu können.
Auch dafür hatte Kenderson bezahlt. Dafür würde sich ihre Reisezeit nach Allardi um fast einen Tag verkürzen, und wenn dann noch ein Händler auf sein Angebot einging, konnten die TRIELL und die REBEL im Idealfall sofort das Schiff wechseln und innerhalb von einigen wenigen Stunden nach Allans World springen.

Die Nachrichten waren teilweise Antworten auf sein Angebot für den Transport der beiden Lander der Cavaliers, denn selbst in diesem Teil der Vereinigten Sonnen war der Handelsverkehr relativ rege, aber auch Antworten auf seine Versuche, MechKrieger für die freien Maschinen anzuwerben, die sie auf St. Jones erobert hatten. Zwar hatte Hanse Davion ihm vier entrechtete MechKrieger sowie eine leichte Lanze Mechs versprochen, und er verfügte inklusive seiner selbst und Miss Pappas bereits über fünf weitere Piloten... Aber noch war ihr Versicherungsvertreter Duvalle nicht weit genug erholt, um wieder in ein Cockpit zu steigen, geschweige denn in einen Kampf einzugreifen, nachdem der letzte ihn beinahe umgebracht hätte. Allerdings machte sich Private Jackson laut Ventis ziemlich gut in der Einführung, und von seinem Beispiel angesteckt war die junge Ellie Watts ebenfalls in die Kompanie eingetreten, obwohl sie erst fünfzehn war, was einerseits zu alt für das richtige Training war, andererseits zu früh, bevor man einen Menschen einen anderen töten lassen sollte. Das appropriate Alter, um andere Menschen brutal mit mindestens zwanzig Tonnen Stahl zu Tode zu bringen, lag bei zwanzig, und kein Jahr früher. Allerdings wenn sich Jackson und Ellie gegenseitig anstachelten und sie tatsächlich einige Aspekte der Ausbildung auf später verschoben, dann würde sie in einigen Jahren eine wertvolle Ergänzung der Einheit werden.
Das änderte allerdings nichts daran, dass sie immer noch viel zu viele Mechs für viel zu wenig Leute hatten. Sie würden weitere MechKrieger für die erbeuteten Mechs noch bitter brauchen, und seien es nur grüne Rekruten, die immerhin einen besseren Ausbildungsstand haben sollten als Jackson und Watts. Und dann bestand die Chance, dass sie das nächste Depot erneut vor dem Bastard Medice entdecken würden. Dann brauchten sie erst recht jeden, der einen Mech zumindest steuern konnte. In einer Kampfsituation musste das schon jemand mit einer Ausbildung sein. In einem MechHangar reichte ein begabter AsTech, um einen Mech von A nach B zu bewegen.

Aus diesem Grund hatte Zorn auch Rekrutierungsgesuche auf Planeten gestreut, deren Systeme sie streifen würden, sowie auf Allan's World. Und dabei musste er immer im Hinterkopf behalten, dass der Bastard Medice diese Offerte nutzen könnte, um ihm das eine oder andere faule Ei unterzuschieben. Und das war noch nicht das Ende seiner Gedanken. Der Vicomte hatte mit an Tödlichkeit grenzender Sicherheit die Jagd nach den Depots noch nicht aufgegeben, und das bedeutete, er hatte etwas oder jemanden in der Hinterhand, den er bisher geschont hatte. Dazu passte, dass er laut Miss Pappas die Söldner ihrer Kompanie vor vollendete Tatsachen gestellt hatte, aber trotzdem starken Rückhalt in seiner Kerntruppe hatte. Die Panzerfahrer mussten mit ihm verschworen sein, und wo solche Leute waren, gab es mit Sicherheit noch mehr.
Egal, in welchem Verhältnis sie zueinander standen, wenn es nur gewissenlose Schweine waren, würde jede Depotwelt, die sie angriffen, ein Massaker werden.
Aber ehrlich gesagt, wovor Zorn am meisten Angst hatte, das war, dass die Warnungen, die er ausgesandt hatte, nicht genug Beachtung fanden oder er sich mit Allan's World den falschen Planeten ausgesucht hatte und der Vicomte auf dem Weg zu einer der anderen Welten war. Das war etwas, was er sich nie verzeihen können würde. Er hatte diesen Planeten ausgewählt, weil er der nahste und damit die erste logische Wahl war. Allerdings bedurfte es zur Außenweltallianz nur zwei Sprünge mehr, was ein bis zwei Wochen mehr Reisezeit für ein Sprungschiff machte. Zwar hatte sich der Chairman sehr positiv über die Luft/Raumjäger-Flotte der Allianz geäußert und dass sie jedwelche Gefahr schon beseitigen würden, aber das Bemerken war ja das Problem. Medice war auch auf St. Jones vollkommen unbemerkt niedergegangen.

„Zorn?“ Der Major aktivierte seine Seite der Bordkommunikation. Es gab nur drei Leute an Bord, die ihn ohne Umweg über sein Vorzimmer erreichen konnten. Dies waren Leary, Crawfort und Halley Chun, die Kapitänin der TRIELL. „Was gibt es, Halley?“
„Wir haben eine Mitteilung von ComStar bekommen. Adressiert an Sie persönlich. Videobotschaft.“
Zorn Kenderson runzelte die Stirn. „Schicken Sie es mir rüber, Halley.“
„Aye, Sir.“
Sekunden später hatte er die Datei auf seinem Schreibtischrechner und sah sie sich an. Schon nach den ersten beiden Minuten stellte er auf Stopp. „Josie“, rief er sein Vorzimmer, „die Mechkrieger, Muller, Hiller, deren Stellvertreter, Jeannie und Doc Parker sollen in den Besprechungsraum kommen.“
„Verstanden, Chef. Halley und Tako auch?“
„Die Kapitäne der TRIELL und der REBEL informiere ich selbst“, antwortete er und überging die flapsige Anrede. Josie war eine der Zivilistinnen gewesen, die Schwester von Jan Halbard, der im Hinterhalt gefallen war. Im Gegensatz zu einigen anderen hatte sie sich nicht nur entschieden, in der Einheit zu bleiben, sie hatte sich auch etwa zu tun gesucht, und bisher war Zorn mit ihrer Arbeit in seinem Vorzimmer zufrieden. Nur am militärischen Teil würden sie noch arbeiten müssen.
„Geht klar. Ich setze Kaffee auf“, versprach Josie und schaltete ab.
Auch daran würden sie noch arbeiten müssen.
Zorn wählte die Brücken beider Union an und holte sie sich gleichzeitig auf den Stream. „Halley, Tako, große Besprechung. Halley, übergeben Sie an ihre XO und kommen Sie in den Besprechungsraum. Tako, Sie kommen per Liveschaltung dazu.“
„Ist die Nachricht so explosiv?“, fragte Tako Nomura, der Skipper der REBEL.
„Explosiv trifft es wohl. Bis gleich.“
Zorn schaltete ab, schnallte sich von seinem Stuhl los und ließ sich in die Höhe schweben. Er machte Halt beim Garderobenständer und schnallte sich seine Laserpistole um. Eine scharfe, geladene Waffe. Irgendjemand hatte ihm mal erzählt, dass Paranoia nicht bedeutete, dass man nicht verfolgt wurde, und nach der Medice-Geschichte war er lieber etwas zu gut vorbereitet als zu schlecht, selbst im eigenen Landungsschiff. Er öffnete die Tür, schwebte an seiner neuen Sekretärin vorbei, nickte ihr zu und verschwand im Laufgang. Da der Besprechungsraum nebenan war, würde er der Erste sein.

Zu seiner Überraschung war er es nicht. Clark Duvalle war schon da.
„Morgen, Clark.“
„Morgen, Herr Major.“
„Sollten Sie nicht im Bett liegen?“
„Nicht mehr, seit wir Null G haben und uns auf den Sprung vorbereiten. Nichts belastet den Körper weniger als keine Schwerkraft zu haben. Und bevor Sie fragen, ich habe mir auf dem großen Bildschirm ein paar Gefechts-ROMs angesehen, soweit ich sie auftreiben konnte. Mögliche Verbündete.“ „Für uns oder für Medice?“
„Medice.“
„Sie denken also das Gleiche wie ich.“ „Augenscheinlich, Zorn.“
Ventis und Jackson trafen als Nächste ein. Mit sich brachten sie die junge Ellie, und Zorn nickte bei Nedras fragendem Blick, ob die MechKriegerAnwärterin teilnehmen durfte.
Muller und Hiller trafen mit ihren Stellvertretern gemeinsam ein und den Abschluss bildeten die Zivilisten. Jeannie Crawfort zuerst, dann der MedTech und hinter ihm die Skipperin ihres Landungsschiffs. Nicken untereinander wurde ausgetauscht. Der Platz an Bord eines Seekers war groß, aber nicht so groß, dass die meisten einander im Verlauf des Bordtages, der sich nach dem klassischen 24 Stunden-Rhythmus von Terra orientierte, nicht schon begegnet wären.
Als alle saßen und der Skipper der REBEL hinzu geschaltet waren – um die Schlagkraft der Truppe nicht zu schwächen, transportierte das Schwesterschiff vor allem das Material und die pilotenlosen Mechs, während die aktiven Maschinen und die Panzercrews auf er TRIELL waren - und Josie Null G-Tassen mit Kaffee serviert hatte, jedem einzelnen nach seinem Geschmack und für Ellie eine Limonade, was die junge Frau beide Augenbrauen hochziehen ließ, schwebte Zorn neben die große Leinwand. „Wir haben eine weitere Rückmeldung zu unseren Warnungen bekommen“, verkündete er.
Raunen ging durch den kleinen Saal. „Eine der Welten, die wir gewarnt haben, vermeldet einen Angriff.“ Das Raunen wurde lauter. Zorn hob beschwichtigend eine Hand, als sich die Esten zu Wort melden wollten. „Ich spiele das Video gleich ab, das beantwortet alle Fragen.“

Zorn betätigte eine Taste, dann schwebte er selbst zu einem Sessel in der ersten Reihe, zog sich hinein und schnallte sich fest.
Vor ihnen erschien das Logo der Konföderation Capella, das Dreieck mit dem gereckten grünen Katana. Abgelöst wurde das Bild von einer großen blonden Frau mit heller Haut, leicht geschlitzten Augen und der Hausuniform der Liaos. Auf ihren Schultern prangten die Abzeichen einer Majorin. „Ich grüße Sie, Major Zorn Kenderson von den Kendersons Cavaliers. Ich bin Major Duong Ahn Chau, und ich vertrete in dieser Sache auf Befehl von Oberst Kalakov die planetare Miliz von Larsha. Ich grüße auch alle anderen anwesenden Mitglieder der Einheit, besonders aber Adept Kirran Leary und Eleni Pappas aka Medice und Mister Duvalle von der New Avalon General Versicherung. Ihnen, Sir, wünsche ich eine kurze Rekonvaleszenzzeit.“
Wieder ging Raunen durch den kleinen Raum. Mit nur wenigen Worten hatte sich die fremde Capellanerin als ziemlich gut informiert dargestellt, oder um es präziser zu sagen, interessiert.
„Ich rufe Sie an, weil ich ihnen und ihrer Einheit, Zorn, mitteilen möchte, dass Larsha unter dem Angriff einer ausländischen Einheit steht. Es ist nicht, das möchte ich betonen, Vicomte Medice. Nicht nur, dass seine Anwesenheit auf Larsha physikalisch unmöglich ist, wir haben auch keinerlei Anzeichen dafür festgestellt, dass er selbst vor Ort ist. Sollte sich das herausstellen oder sollte er noch ankommen, informiere ich Sie sofort, Zorn.
Ihre Warnung kam leider etwas zu spät, um uns zu helfen, aber wenigstens wussten wir die aktuellen Vorgänge von vorne herein richtig einzuschätzen. Demnach ist ein fremder Overlord, der sich als Handelsschiff MINH TAU ausgegeben hat, jenseits des Handelsraumhafen Dubais notgelandet, in bequemer Reichweite zur Kaserne der Reserve-Reiterei. Wir haben immer ein Bataillon als Garnison, und nur in seltenen Fällen findet das Rollieren mit einer Lücke statt. Dies ist heute der Fall, die Garnison ist nahezu verlassen, und das neue Bataillon wird voraussichtlich erst in vier Wochen eintreffen. Dank unserer Meldung aber wird sich das Geschehen beschleunigen oder wir bekommen aus anderer Quelle vorab Verstärkung.
Die Einheit, die uns angreift, haben wir vorab als die Red Longjacks identifiziert, eine Söldnereinheit im Dienste eines Peripherie-Staates. Art und Ort der Landung lassen uns vermuten, dass die Red Longjacks vorhatten, den Stützpunkt der Reserve-Reiterei anzugreifen. Tatsächlich haben sie dies mit Luft/Raumjägern bereits getan und dafür von der Luftabwehr Prügel einstecken müssen. Was für uns nur einen Schluss zulässt, und der ist schmerzhaft für Sie und für uns, Zorn.“

Kenderson erwischte sich dabei, wie er mit den Zähnen knirschte. Natürlich war ihm klar, was das bedeutete, und es würde seine Arbeit wesentlich mehr erschweren als seine offenen Botschaften zum Beispiel an die Larsha-Miliz.
„Ich gehe davon aus, dass Janard Medice unter Interdikt steht, was nach einem Angriff auf ein ComStar-HPG vollkommen verständlich ist, Adept Leary?“
Unwillkürlich nickte der ComGuard, obwohl sie es nicht sehen konnte.
„Das bedeutet aber nicht, dass er nicht trotzdem Hyperfunkbotschaften versenden kann. Es gibt immer die Möglichkeit, Nachrichten zu kodieren und Mittelsmänner zu benutzen. Zum Beispiel kann er in einem Nachbarsystem mit eigenem HPG einen Mittelsmann installiert haben, der bei der Nachricht von der Niederlage Medices vorbereitete Depeschen an ausgewählte Personen und Einheiten rausgesandt hat, damit diese die Depots finden. Was, wie, warum und auf welche Weise er davon profitieren kann, erschließt sich mir nicht, aber er wird mindestens Chaos ernten, und Chaos, Zorn, ist etwas, wovon er sich einen Nutzen verspricht, um zumindest ein Depot zu bekommen.“
Zorn lachte kurz und abgehackt auf. Ja, das passte absolut in das Bild, welches er sich von Janard Medice gemacht hatte. Wenn er die Depots nicht bekam, dann auf jeden Fall keine offiziellen Stellen, lieber jemand, dem er die Beute später ganz oder teilweise abkaufen konnte. Zorn stutzte. So machte die Sache Sinn. Aber wenn die Longjacks jetzt schon auf Larsha waren, bedeutete das nur eines.

„Die Red Longjacks sind zudem etwas früh hier, also müssen wir beide, Zorn, davon ausgehen, dass Medice von vorne herein nicht vorgehabt hatte, capellanisches Gebiet zu betreten. Er wollte die heißen Kartoffeln a priori von den Longjacks aus dem Feuer holen lassen. Was bedeutet, dass seine Vorbereitungen weiter sind, als wir bisher vermutet haben. Und es bedeutet außerdem, dass die ganze Geschichte mit den Namen der Planeten, auf denen weitere Depots zu finden sind, sehr schnell die Runde machen werden. Und Sie wissen, was das für Sie selbst bedeutet, Zorn: Weitere Einheiten werden sich einmischen. Einige, um sich mit ihnen und anderen Einheiten von Heer oder Miliz ein ganz legales Rennen zu den Depots zu liefern, andere, um sich mit Gewalt ein Stück vom Kuchen abzubeißen. Beides sind keine netten Entwicklungen, und ich fürchte, auch Larsha wird von mehr als einer Einheit Besuch kriegen. Aber das ist unser Problem, nicht ihres, Zorn.
Ich werde Sie von heute an regelmäßig kontaktieren und Sie und ihre Leute über die weitere Entwicklung hier in der Konföderation informieren. Ich kann nicht erwarten, dass Sie das Gleiche tun, aber ich bitte Sie darum, von Soldat zu Soldat. Die Kosten für die Transaktion der Nachrichten übernimmt die Konföderation Capella. Im Übrigen bedankt sich die Larsha-Miliz mit etwas Verspätung für die von den Cavaliers gratis zur Verfügung gestellten ROMs der Gefechte gegen den Vicomte. Unser Analytiker studieren sie bereits und werden jede neuen Erkenntnisgewinn mit ihnen teilen. Zudem werde ich die Kendersons Cavaliers in meinem Bericht nach Siam in positivem Ton erwähnen. Ich hoffe, wenn wir das nächste Mal miteinander Kontakt aufnehmen, kann einer von uns einen Erfolg vermelden. Major Chau Ende.“

Die große Blondine – die rotgoldenen Augenbrauen sprachen dafür, dass sie tatsächlich blond war, und Zorn wunderte sich, seit wann ihm solche Details auffielen – verschwand vom Bildschirm und machte einem Logo Platz. Der Major schnallte sich wieder ab und schwebte vor den Schirm, wandte sich seiner Einheit zu. „Okay, Leute, das ist eine sehr unbequeme Entwickung, und ich fürchte, wir haben sie verschlafen. Ja, Kirran?“
„Ich weiß, was du denkst, Zorn, aber Medice konnte unmöglich hoffen, alle anderen Depots anzufliegen, zu plündern und notfalls mit einem Massenmord alle Zeugen auszuschalten, ohne dass ihm jemand auf die Schliche kommt. Ich denke, und es tut mir leid, das zu sagen, er hält das Hinterland der Vereinigten Sonnen für besonders schlecht aufgestellt, und hier wollte er anfangen, seine eigene MechTruppe aufzustellen. Eine Truppe, für die Sie, Miss Pappas, eher nicht der Kommandeur sein sollten. Sie sollten nur die eigentlichen Leute ausbilden, die seine Traumstreitmacht aufbauen würden. Irgendwann wären Sie entbehrlich geworden, aber das ist ihnen sicherlich mittlerweile klar.“
Die schlanke Frau wirkte eingefallen in ihrem Sessel, obwohl man bei Nullschwerkraft eher dazu neigte, sich trotz Anschnallgurt ständig aus dem Sessel herauszukatapultieren. „Das ist mir auch gerade klar geworden. Wahrscheinlich hätte er mich gleich nach dem Hinterhalt auf die Cavaliers erschossen, wäre ich nicht eine der drei letzten MechKrieger seiner zerschlagenen Einheit gewesen, und darüber hinaus seine beste.“ Sie krampfte ihre schlanken Hände zu Fäusten. Rang nach Worten. Und fand doch keine.
Zorn sagte: „Eleni!“ „Herr Major?“
„Wenn ich es einrichten kann, werde ich dafür sorgen, dass Sie den ersten Schuss auf Janard Medice bekommen, egal ob er in einem Mech sitzt oder zu Fuß flieht. Gemach, Gemach, Leute, er ist praktisch zum Tode verurteilt und durch den Angriff auf ComStar vogelfrei. Wir ersparen den Gerichten nur unnötig kostspielige Verhandlungen, deren Ende ihn so oder so an den Galgen bringt. Würden Sie das machen, Eleni?“
Mit frisch geröteten Wangen sah sie auf. „Ich bin keine Mörderin, egal was man mir alles auf Sanglamore beigebracht hat. Aber ich bin bereit, ihn zu töten, wenn er sich nicht ergibt. Ist das gut genug, Sir?“
„Das ist gut genug, Eleni. Oder?“ Zorn sah ins Rund, und nach und nach nickten die Anwesenden. Zorn registrierte auch, dass die Blicke, die auf Pappas ruhten, nun anders waren. Zuvor war Abstand, Wut und auch Abscheu für die ehemalige gegnerische Pilotin zu sehen gewesen, aber jetzt schien die Einheit für sie Sympathie entwickelt zu haben. Die meisten zumindest.

„Eleni, Clark, ich habe eine besondere Aufgabe für Sie beide. Sie waren in Medices Infrastruktur eingebunden. Ich möchte, dass Sie zwei sich in ein Büro verziehen und gründlich darüber nachdenken, ob Janard irgendwelche Einheitsnamen genannt hat, während Sie zwei in Hörweite waren. Ob Sie Dokumente gesehen haben, die andere Einheiten betrafen. Wir werden jedem Hinweis nachgehen müssen. Zum Beispiel die Red Longjacks.“ Zorn begann zu grinsen, als er das Gesicht von Eleni Pappas sich aufhellen sah wie die Morgensonne.
„Ach so, deshalb hat der Bastard uns … Entschuldigen Sie, Zorn, aber meine Kompanie hat ein paarmal den Kampf mit bestimmten Einheiten, aber auch gegen sie trainiert. Die Red Longjacks waren dabei. Ich erinnere mich gut daran, weil in der Aufstellung drei Kreuzritter sind, manchmal sogar vier. Seine Intentionen müssen gewesen sein, notfalls mit ihnen zusammen um ein Depot zu kämpfen, oder aber ihnen eines wieder abzunehmen.“ Ihr Grinsen wurde ein klein wenig gehässig. „Ich schreibe ihnen alle Einheiten auf, an die ich mich erinnern kann, auf die wir gehetzt wurden.“
„Na, das bringt uns doch einen Riesenschritt weiter. Das bedeutet, unser bisheriges Ziel bleibt bestehen, Halley.“
Die Skipperin der TRIELL nickte. „Habe ich nicht anders erwartet. Aber wir sollten damit rechnen, dass irgend jemand auf unserer Zielwelt zu seiner Seite stößt.“
„Wir müssen vor allem damit rechnen, dass die Namen auf der Liste die Runde gemacht haben, und dass nun eine Menge Glücksjäger auf Allan's World auf unsere Landung warten und sich erhoffen, das Depot vor uns zu finden. Oder sich uns anbiedern, um einen Teil der Beute zu erhalten.“
„Wobei gegen letzteres nicht unbedingt etwas spricht. Wir brauchen ohnehin MechKrieger, und in der Not frisst der Teufel Fliegen“, erwiderte Zorn. „Clark, Sie sind der Recherchespezialist. Neben Daten über die Einheiten, die Eleni ihnen nennt wäre es gut, die letzten bekannten Positionen der Truppen rauszubekommen, sodass wir unsere neuen besten Freunde im Kombinat, hier in den Vereinigten Sonnen und in der Außenweltallianz vor konkreten Einheiten warnen können.“

Clark Duvalle nickte zustimmend. „So langsam ergibt sich ein Muster. Für den ersten Angriff auf ein Depot hat Medice nicht seine Kerntruppe aufgeboten, sondern eine Einheit, die er gegenüber dem Haus Medice ausgewiesen hat. Diese hat er mit eigenen Leuten infiltriert, siehe die Panzerfahrer, während der Blick auf die MechPiloten gerichtet war. Dank Miss Pappas hat das Haus bei einigen geschönten Lebensläufen ein Auge zugedrückt. Ihr guter Ruf hat ja sogar mich geblendet. Beziehungsweise von den eigentlichen Problemen abgelenkt. Ich war ein ziemlich großer Idiot, und die Cavaliers haben dafür den Preis bezahlt.“
„Das ist noch nicht alles. Wir haben nie geklärt, warum wir in diese Art Hinterhalt geführt wurden. Warum hat Medice es mit der ganzen Einheit auf einen Schlag aufgenommen, anstatt sich uns scheibchenweise zu Gemüte zu führen?“
„Das weiß ich nicht, Zorn. Ich weiß nur, dass ich den Auftrag hatte, Cranston und Sie alle von der Kaserne nach Andersonville zu bringen. Als es dann losging und die Raketen und die Laser einschlugen, und niemand auf mich schoss, bin ich einem Leitstrahl mit der Kennung von Haus Medice gefolgt. Bis ich die Details begriffen habe, waren die Cavaliers schon stark dezimiert, aber die Angreifer nahezu ausradiert. Aber da ich Janard Medice kennengelernt habe, weiß ich, dass er zu Größenwahn neigt. Vermutlich wollte er eine möglichst große Schlacht, einerseits um sein Ego zu befriedigen und sich selbst zu beweisen, dass er ganze Armeen in eine Schlacht führen konnte, andererseits, weil er es eilig hatte und eine gewarnte Einheit sich höchstwahrscheinlich nicht hätte abschlachten lassen. Entschuldigen Sie alle meine Worte, aber Sie wissen, ich wurde genauso getäuscht wie Sie.“
„Die Zeit der Vorwürfe ist für Sie vorbei, seit Sie schwer verletzt in einen Mech gestiegen sind und die Reste meiner Einheit raus hauen geholfen haben, Clark“, sagte Zorn und betonte die richtigen Stellen im Satz.
Zustimmendes Gemurmel klang für den Versicherungsagenten auf. „Ich habe versucht, die Scherben aufzulesen von dem, was ich zerschlagen habe, Zorn. Das kann ich nie wieder gut machen.“

„Natürlich können Sie das, Duvalle. Sie helfen, Medice zur Strecke zu bringen und das gesamte Komplott zu entdröseln.“ Kirran Leary schnallte sich ab und ließ sich aus dem Sessel treiben. „Bevor du mir meine Hausaufgaben gibst, Zorn, nehme ich sie selbst mal in Angriff. Ich werde ROM nachprüfen lassen, mit wem Janard Medice im vergangenen Jahr HPG-Kontakt hatte, und ob es auffällige Kontakte Dritter an kleinere Söldnertruppen in unserem Teil der Peripherie gegeben hat, von Planeten, auf denen sich Medice befunden hat. Das sollte relativ einfach sein. Aber es könnte uns weitere Erkenntnisse darüber bringen, was er im Hintergrund aufgebaut hat.“ Kirrans Kiefer bewegten sich. „Cranstons Cavaliers hatten eine Veteraneneinstufung, richtig?“
„Ja, das ist richtig.“
„Dann solltest du dich mit dem Gedanken vertraut machen, dass Medice euch als Übungsziel für seine Ambitionen ausgesucht hat. Was einiges erklären dürfte, vor allem warum er sich sicher war, keine weiteren Truppen, mit denen er würde teilen müssen, so früh auf seiner Mission zu brauchen.“
Zorn stieß einen scharfen Ton des Missfallens aus. „Vielleicht überlasse ich ihnen den Bastard doch nicht, Eleni, und nehme ihn mir selbst vor.“
„Was ich ihnen nicht verdenken kann, Zorn. Machen wir es so. Wer zuerst kommt, schießt zuerst.“ Auch sie schnallte sich ab und winkte Duvalle. „Wir machen uns besser an die Arbeit. Zuerst ein Abstecher zum Victor. Im Computerkern sind einige der Simulationsdaten, nach denen wir trainiert haben, gespeichert, um auch fremde Simulatoren nutzen zu können. Ich denke, die Szenarien werden uns einiges erzählen.“
Duvalle schnallte sich auch ab und schwebte Pappas hinterher. „Eine sehr gute Idee.“
„Gut. Die Versammlung ist aufgelöst. Zurück in die Verfügungen. Falls noch jemand Fragen hat oder Ideen vorstellen will, die noch nicht reif für die Versammlung sind, kann er oder sie gerne bleiben.“

Der kleine Saal leerte sich, wenngleich Akeem Muller einen Moment neben ihm schwebte, um die wichtigsten Probleme beim Aufstellen der neuen Panzereinheit zu besprechen.
Danach warteten Ventris und Ellie auf ihn. Die erfahrene MechKriegerin hatte einen silbernen Datenträger in der kaffeebraunen Hand. „Hier, Ellies Trainingsdaten. Natürlich auch die von Thomas. Beide sind große Talente und haben ein sehr gutes Gleichgewichtsgefühl.“
Ellie hob die blonden Haare links und rechts der Stirn an. „Und ich habe mir die Schläfen ausrasiert für den besseren Kontakt des Neurohelms.“
Unwillkürlich griff sich Zorn an die eigene rechte Schläfe. Man sagte, diese Rasur war es, die sofort und überall einen MechKrieger identifizierte. Das ging soweit, dass Poser und Hochstapler sich die Schläfen ausrasierten, um überzeugend MechKrieger spielen zu können. „Das ist löblich. Ist das alles, was ihr zwei wollt?“, fragte Zorn, den Datenträger mit der Hand umschließend.
Ellie Watts, gerade erst nach Standardzeit fünfzehn Jahre alt geworden, wirkte für einen Moment unsicher. „Sir, ich weiß, ich habe kein Recht, mit ihnen so zu reden, wie diejenigen in der Einheit, die Angehörige verloren haben. Aber ich trainiere sehr viel und sehr hart, um meinen Mech in den Griff zu kriegen und so schnell wie möglich ein funktionierender Teil der bewaffneten Abteilung der Einheit zu werden.“
Irritiert sah Zorn das Mädchen auf der Schwelle zur Frau an. „Du willst kämpfen, Ellie?“
„Ist das nicht das, wofür ich ausgebildet werde? Wenn Sie Bedenken haben, weil Oma die MeisterTech und Mom SeniorTech statt MechKrieger sind, dann...“
„Bei der Beurteilung eines MechKriegers ist der Stammbaum nur relevant, wenn er aus einer Familie von MechKriegern kommt. Sie sind die modernen Ritterhäuser, geadelt durch sich selbst und ihre Taten. Aber das heißt nicht, dass ich nicht auch allen anderen eine Chance gebe. Ellie, ich war auf keiner großen Akademie, habe in keiner Hauseinheit gedient. Ich war auf einer kleinen Akademie auf New Syrtis, musste sie aus Geldmangel verlassen, obwohl ich der Drittbeste in meinem Jahrgang war, ein Jahr, bevor ich abschließen konnte, und der alte Cranston hat mir die Chance gegeben, doch noch das Offizierspatent zu erwerben. Jeder kriegt seine Chance bei mir, Ellie, jeder. Wie du an Jackson siehst. Auch du kriegst deine Chance, aber das offizielle Alter, um aus dem MechCockpit zu töten ist zwanzig, junge Dame.“
„Und wenn ich hochhackige Schuhe anziehe und mich schminke?“
Irritiert sah Zorn sie an. Sicher, das würde ihr stehen, aber … „Und?“
„Na, wenn ich wie zwanzig aussehe, darf ich vielleicht eher aus dem MechCockpit töten, Sir.“
Zorn wollte lachen, aber es blieb ihm im Halse stecken. Schwer legte er beide Hände auf Ellies Schultern. Langsam begannen sie um einen gemeinsamen Schwerpunkt zu treiben. „Schatz, hör mir jetzt genau zu. Du erlernst ein sehr tödliches Gewerbe, und ich werde dich einsetzen, wenn ich muss, auch wenn Jeannie mich anschließend aus Rache an die Panzerung meines Marodeurs nietet. Aber ich hoffe und bete, dass du noch ein paar Jahre hast, bevor du tatsächlich in deinen ersten Einsatz musst. Du hast eine Menge aufzuholen, und ich will, dass du die Zeit hast, genau das zu tun. Aufzuholen und eine fähige Kriegerin zu werden. Aber wenn ich es muss, werde ich dich in eine Schlacht werfen und auch notfalls opfern, solange es die Einheit rettet. Das bedeutet es, eine Söldnereinheit zu kommandieren, das bedeutet es, für eine Söldnereinheit zu kämpfen. Verstehst du das?“
„Ja, Sir. Ich … Sie ließ den Kopf hängen und sah wieder auf. „William war mein Freund.“
„Du kriegst deine Chance, nur vielleicht jetzt noch nicht, okay?“
„Ich will nicht so egoistisch sein und hoffen, dass die Cavaliers so sehr unter Druck geraten, dass Sie mich einsetzen müssen, Sir.“ Aber genau das hoffte sie.
Zorn lachte auf. „Das Herz eines MechKriegers hast du zumindest schon mal.“

Er nahm die Arme wieder ab, stabilisierte sein Trudeln und grinste Ventis an. „Nehmen Sie alle beide hart ran, Sergeant.“
„Ja, Sir, das werde ich. Halt, Sergeant?“
„Sie bilden den Nachwuchs aus. Denken Sie, das überlasse ich einem einfachen MechKrieger?“, fragte Zorn schmunzelnd. „Seien Sie lieber vorsichtig, dass ich nicht noch einen Lieutenant brauche.“
„Danke, nein, Sir. Ich bin schon als Wingleader nicht die Fähigste. Eine ganze Lanze leiten wäre ein Horror für mich.“
„Gleiche Antwort an Sie wie an Ellie, Nedra.“
Die junge MechKriegerin sah ihn aus ihren braunen Augen einen Moment an, als wäre sie nur eine Schaufensterpuppe. Dann ging ein Seufzen durch ihren Leib. „Ich verstehe, Sir. Ich werde dann mein Bestes geben.“
„Ich weiß, Nedra. Ich weiß.“ Er klopfte ihr auf die Schulter und versuchte sich an einem Lächeln. Es misslang nicht völlig. „Und jetzt zurück zum Training. Machen Sie mit Jackson und Ellie eine Doppelschicht im Sim.“
Die Aussicht auf weiteres Simulatortraining ließ Ellie für einen Moment erfreut aufquieken, bevor sie merkte, was ihr da entkommen war. Sofort schaltete sie auf ein ernstes Gesicht um. „Simulatortraining, jawohl, Sir.“ Dann wandte sie sich ab, schwebte zum Ausgang und Ventris folgte ihr mit einem breiten Lächeln.

„Wenn dem Mädchen was passiert, wird Jeannie mich sowieso kreuzigen.“
Eine schwere Hand legte sich auf seine Schulter. Seine MeisterTech schwebte hinter ihm. „Nur, wenn du einen wirklich schlimmen Fehler machst, der zu ihrem Tod führt. Ich habe vierzig Jahre als Söldnerin hinter mir. Ich weiß ganz genau, wie ich vieles einzuschätzen habe und was das Führen einer Söldnereinheit manchmal notwendig macht. Bring ihr einfach alles bei, was sie wissen muss, und versuche, sie nicht zu früh einzusetzen. Und gib ihr den Tomahawk.“
„Ein mittelschwerer Mech für einen Anfänger? Ist das meine Chance, mich freizukaufen?“, scherzte Zorn, nachdem sein Herz wieder zu schlagen begonnen hatte.
„Nein, nicht nur. Sie ist gut mit sprungfähigen Mechs und sie liebt den Nahkampf, genau wie ein gewisser ehemaliger grüner Rekrut, der jetzt einen Marodeur führt. Sie wird eine gute MechPilotin, wenn sie lang genug überlebt.“ Noch einmal klopfte sie ihm auf die Schulter und schwebte dann ebenfalls an ihm vorbei aus dem Besprechungsraum hinaus.
„Ist noch jemand da, der mich überrumpeln will?“, fragte Zorn in die Runde. Aber er war der Letzte im Raum. Mit einem zufriedenen Grunzen schwebte er ebenfalls hinaus und löschte das Licht. Nebenan in seinem Büro wartete genügend Arbeit auf ihn.

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4.
Um den 27. Mai 3043, Peripherie, unbekanntes Sternensystem

Der Mann, der seit über zehn Jahren Janard Medice hieß, stieß sich in der Schwerelosigkeit des Landungsschiffs ab, um die Schleuse zu erreichen, die ihn an Bord der Titanium Wind bringen würde. Er kam allein, keiner seiner geschworenen Leute begleitete ihn, obwohl sie drauf bestanden hatte. Aber er brauchte keinen Begleitschutz, um sich zu rechtfertigen. Und sollte er dies doch tun müssen, war es besser, wenn keiner seiner Leute zu viel Loyalität ihm gegenüber zeigte.
In der Schleuse standen zwei Wachen. Sie trugen die typischen Rüstungen, die sie als Elementare identifizierte, hochgerüstete, genetisch modifizierte Infanteristen. Die eingebauten Armlaser waren auf ihn gerichtet, und die Ziellaser tanzten über seine Augen. Er ließ sich davon nicht beeindrucken und ignorierte die Rüstungsträger, die ihn wahrscheinlich auch ohne ihre Miniaturpanzer zerquetschen konnten. Auf der anderen Seite der Schleuse, schon auf der Titanium Wind, empfing ihn ein uniformierter Raumoffizier in neutralen Farben.
Medice stoppte, richtete sich gerade aus in der Schwerelosigkeit und salutierte. „Janard Polczyk vom 8. Wühlhaufen. Ich erbitte Erlaubnis, an Bord kommen zu dürfen.“
Der Offizier zog die Stirn kraus. „Erlaubnis erteilt, Sterncaptain Janard Polczyk. Willkommen an Bord.“
Janard stieß sich ab und kam damit vollends auf der Titanium Wind an. Der Offizier wandte sich um und schwebte auf gleicher Höhe neben ihm tiefer ins Schiff.

„Da hast du ganz schön ins Klo gegriffen, frapos, Janard?“, fragte der Offizier.
Wütend starrte der Medice den Mann an, bevor er schließlich seufzte und wieder den Gang hinunter blickte. „Wie man es nimmt, Ole. Es wäre besser gewesen, wenn ich das Depot geknackt hätte, und dazu vielleicht noch zwei, drei weitere bevor wir aufgeflogen wären. So musste ich den Plan Große Grabung ein halbes Jahr zu früh beginnen, ganz wie es die Ausweichpläne vorsehen. Aber ich bin noch im Rahmen, frapos?“
„Pos, aber du weißt, wie die alten Säcke sind. Unsere Mission ist hochgeheim und sehr sensibel. Wenn wir auffliegen, fliegt nicht nur uns, sondern dem ganzen Clan die Situation um die Ohren, und das, was wir hier zu gewinnen erhoffen, wird zum Schuss nach hinten. Ich kann mir vorstellen, dass diese senilen Greise, die in eine Solahma-Einheit gehören, dir draus einen Strick drehen. Wenn man zu tief gräbt, weckt man einen Balrog. Warum hast du dich überhaupt mit Cranstons Cavaliers angelegt?“
„Ich muss mich vor dir nicht rechtfertigen, Ole Danforth“, sagte Medice mit sehr ruhiger, fast kalter Stimme.
„Aber du wirst dich vor den Alten rechtfertigen müssen, also kannst du bei mir schon mal üben“, sagte der Raumoffizier amüsiert.
Janard seufzte erneut. „Ich habe zehn Jahre gebraucht, das Vertrauen von Haus Medice zu gewinnen und meine eigenen Leute einzuschleusen und diese Einheit aufzubauen. Ich habe eine herausragende MechKriegerin dafür gewonnen, die Einheit für mich zu trainieren und aufzubauen. Ich hatte, wie erwartet, die Karte mit dem Verzeichnis der Depots in den Archiven der Medices entdeckt und konnte sie vor ihren Augen bergen.
Ich hatte alle Karten auf der Hand, inklusive dieses Spions, den ich für meine Zwecke einsetzen konnte. Ich hatte sie in einem Hinterhalt. Grand Cranston, seine Mechs, alle seine Krieger. Und die verdammte Falle ist zugeschnappt und hat fast die ganze Einheit zu einem Nichts zerquetscht.“
Die beiden Männer hatten gestoppt. Der Raumfahrer sah den Bodenstampfer an. „Und was ist an dieser Stelle schief gelaufen?“
„An der Stelle, als diese beiden MechKrieger nicht sterben wollten. Der im Tomahawk und der in der Wespe. Ich war nicht dabei. Ich bin offiziell kein Mechpilot und stand deshalb im Planungsraum, als dieser Verrückte mit dem Beil seines Tomahawks einen Söldner nach dem anderen umgebracht und mich Panzer und Mechs gekostet hat, fast bis zur Auslöschung meiner Einheit. Was unser Vorteil sein sollte, die kurzen Distanzen, die engen Räume mit vielen Bäumen und anderen Hindernissen, spielte seinem sprungfähigen Mech in die Hände. Bevor ich es versah, musste ich retten, was noch zu retten war. Und das war nicht mehr viel.“
„Du hast nicht damit gerechnet, dass der Tomahawk-Pilot mit so tödlicher Effizienz agiert, franeg?“
„Du denkst, wir haben die Cavaliers zusammengeschossen und aus der Asche schoss der Tomahawk hervor?“ Medice lachte. „Neg. So war es nicht. Wir hatten gute Anfangserfolge und erledigten den Colonel und zwei weitere Mechs ohne eigene Verluste. Dann verloren beide Seiten gleichzeitig zwei weitere Einheiten, aber der Tonnagevorteil war für uns auf fast dreihundert Tonnen angestiegen, wegen der Panzer. Zu dem Zeitpunkt fiel mir allerdings nicht auf, dass beide Ausfälle auf den Tomahawk zurückzuführen waren. Und plötzlich waren beide Einheiten halbiert. Im letzendlichen Schusswechsel zerstörten wir vier weitere ihrer Mechs und töteten ihre Piloten. Aber auch meine missratene Ziehtochter verlor noch einmal vier Einheiten, davon zwei weitere an den Tomahawk, die anderen beiden wurden von den Maschinen zerstört, die später zu Boden gehen sollten. Die ganze Schlacht hätte sehr viel besser ausgehen sollen, mit unbestreitbaren Vorteilen und jede Menge Bergegut für uns. Die Piloten und die Anlagen zur Feldreparatur hatte ich. Aber die Frau konnte das Gelände nicht sichern.“
„Weil du den Rückzug befohlen hast.“ „Weil sie es nicht geschafft hat, den Tomahawk auszuschalten!“, widersprach Medice. „Als mir klar wurde, dass ich eher meine restlichen Maschinen verliere als dass sie den Sieg über den Tomahawk erringen konnte, blieb mir keine Wahl.“
„Es hat dennoch nicht gereicht“, tadelte Danforth.
„Nein, das hat es nicht. Aber es beweist, mit was für einem außergewöhnlichen Gegner wir es zu tun haben.“
„Das werden die Alten als Ausrede nicht durchgehen lassen. Und selbst wenn sie es tun, werden sie dich auffordern, Rache zu nehmen.“
„Dabei stoßen sie durchaus auf offene Schotten bei mir“, knurrte Medice. Er stieß sich wieder ab, und der Raumfahrer folgte ihm.

„Wie viele sind es?“ „Alle.“ „Wie, alle?“ „Alle sechzehn sind da, ob du das magst oder nicht.“
„Auch die Vertreter der Schwarzen Kaste.“ Wenn diese Information Medice erschreckte, zeigte er es zumindest nicht.
„Auch die Vertreter der Schwarzen Kaste. Wegen denen wir überhaupt hier sind“, sagte Danforth.
„Sei es eben so“, murmelte Medice. Sie kamen auf einen weiteren Gang, der tiefer ins Schiff führte. Schweigend folgten sie dem einige Zeit, bis sie erneut auf ein bewachtes Schott trafen. Auch hier standen zwei Elementare Wache. „Janard Polczyk bittet um die Erlaubnis, vor das kleine Konklave treten zu dürfen“, sagte Medice.
Die beiden Elementare blieben stumm, ihre V-förmigen Visiere waren aber auf ihn gerichtet, nicht auf Danforth. Schließlich öffnete sich die Tür und bot Einlass in einen Konferenzraum der Titanium Wind. Die Gespräche, die ihnen entgegen wehten, verstummten sofort. Nur eine Stimme war zu hören, die sagte: „Da kommt er also. Ich habe nicht erwartet, dass er sich tatsächlich hertraut.“
Janard Medice biss die Backenzähne so sehr zusammen, dass es ihn schmerzte. Dennoch schwebte er in den Raum hinein, sah sich um. Es waren tatsächlich sechzehn Personen anwesend, neun vom Clan, sieben von der schwarzen Kaste. Das kleine Konklave war vollständig und damit beschlussfähig. Sein Leben hing damit an einem seidenen Faden.
Dennoch schwebte er ohne zu zögern in die Mitte des kreisförmig aufgestellten Raums, der von den Mitgliedern an ihren Tischen eingefasst wurde. Die Position des Angeklagten.
„Ich bin hier, um vor dem kleinen Konklave Rechenschaft abzulegen“, sagte Medice und sah der Frau, die als einzige gesprochen hatte, in die Augen. Renga war Mitglied der Schwarzen Kaste und eine, wenn nicht die treibende Kraft hinter diesem Projekt, in das beide, Clan und Kaste, sehr viel Zeit, wenngleich wenig Material und wenig Personal gesteckt hatten. Und jetzt entschied diese Frau mit über sein Schicksal, weil es seinem Clan gefiel, auf geradezu obszöne Weise mit der verbotenen Kaste zusammenzuarbeiten.
„Und du wirst Rechenschaft ablegen“, sagte sie mit amüsierter Stimme. „Bisher hat das Projekt nur wenig verloren. Ein paar Krieger, ein paar Freiwillige. Und du hast deine Position im Haus Medice eingebüßt. Das ist nicht wirklich schlimm. Auch dass du das erste Projekt nicht erfüllen konntest, betrifft fast nur Material und Truppen der Inneren Sphäre, nicht uns.“
Medice hütete sich davor, bei diesen Worten zu glauben, er sei vom Haken. Er würde keinerlei Erleichterung zeigen und auf die Worte der Freigeborenen eingehen.
„Aber du hast die Karte verloren, auf der die Depots der Sternenbundarmee eingetragen sind, die wir suchen. Es ist kein essentieller Teil des Plans, dass wir alle Depots selbst plündern. Nicht einmal, dass wir eines oder zwei plündern. Das war immer nur ein Bonus für uns, weil es teuer und zeitaufwändig ist, Truppen und Waffen von den Heimatwelten herzuschaffen. Aber ein Versagen ist ein Versagen, frapos?“
Medice lockerte seinen Kiefer, um antworten zu können. „Pos, Renga.“
„Und wie willst du dein Versagen ausgleichen? Man erzählt sich, du hast versucht, eine HPG-Station zu vernichten. Eine Tat, die unnötige Aufmerksamkeit erzeugt, die wir nicht gebrauchen können.“
„Diese Aufmerksamkeit gilt mir, nicht dem Clan“, widersprach Medice. „Ich bin bereit, mich jederzeit zu opfern, um die Operation und den Clan zu schützen.“
„Was bedeutet, wir können dich auch hier und jetzt entsorgen und sparen uns die weiteren Scherereien“, sagte ein groß gewachsener Mann mit den typischen breiten Schultern eines Elementare.
„Wenn du es wünschst, SternColonel Leo Hutchinson, werde ich nicht widersprechen“, sagte er mit fester Stimme.
„Aber?“, fragte der Elementare.
„Aber ich sehe meinen Teil der Aufgabe noch nicht als erledigt an. Und ich sehe das Potential, unser Ziel doch noch zu erreichen, und das auch ohne das Sternenbundmaterial in den Depots. Im Gegenteil glaube ich daran, dass Zorn Kenderson“- den Namen sprach er aus wie einen Fluch, einer Freigeburt einen Nachnamen zuzugestehen widerte ihn an „-uns einen Gefallen getan hat, als er diejenigen Welten vor mir gewarnt hat, auf denen die anderen Depots stehen.“
„Erläutere dich“, forderte Hutchinson.
„Es ist abzusehen, dass jede Einheit, die von den Depots Wind bekommt und in der Nähe eines der Planeten ist, versuchen wird, sich ihren Anteil daran zu sichern. Oder gar das ganze Depot. Dies wird Chaos und Kämpfe erzeugen, die unsere eigentlichen Aktivitäten noch besser als bisher verbergen werden.“
„Das ist nicht von der Hand zu weisen, aber wie stark diese Kämpfe sein werden und wie sehr sie dem Projekt nützen, wissen wir nicht“, sagte Renja. „Wie du dem Projekt nützt, wissen wir nicht.“
Janard Medice lächelte eiskalt. „Ihr habt von den Red Longjacks gehört?“
„Die Einheit, die den capellanischen Planeten Larsha angreift. Sie gehört nicht zu uns“, sagte ein anderer Schwarzkastler, dem aufgeschlitzte Ohren bei seiner hageren, fast dürren Gestalt gut zu Gesicht gestanden hätten. „Wie soll uns diese Entwicklung nützen?“
„Ich war etwas vorausschauend, als ich plante, Grand zu bestrafen“, sagte Medice. „Daher habe ich meinem Netzwerk die Information und die Position von zwei Depots verkauft. Einmal den Red Longjacks in der Konföderation Capella, und einmal den Daiyamondosame jene in der Außenweltallianz. Die Red Longjacks sind bereits aktiv geworden, getrieben von ihrer Gier. Auch die Same werden nicht lange auf sich warten lassen. Sie können nur zwei, drei Sprünge vom Zielplaneten entfernt sein.“
„Wer sind die beiden Einheiten?“, fragte das Frettchengesicht aus der Banditenkaste.
„Die Red Longjacks haben bereits ein paarmal für mich gearbeitet. Ich habe einige Beziehungen zu ihnen aufgebaut und sie in meine Pläne als Medice eingeweiht. Es ist erstaunlich, wie wenig ihnen die Leben der Freigeburten wert sind, wenn nur genug Gewinn dabei zu erwarten ist. Über die Daiyamondosame bin ich eher zufällig gestolpert. Sie haben nicht erkannt, dass ich Clan bin, ich aber sehr wohl, dass sie hier sind, um die Händleraktivitäten ihres Clans zu beschützen. Ich habe sie ein wenig angeködert und ein paar Geschenke gemacht. Und jetzt sind sie dabei, Unruhe auf einen weiteren Planeten zu tragen. Wenn dieser Angriff bekannt wird, erhöht sich die allgemeine Unruhe. Es wird einen Run auf die Planeten geben, auf denen die Depots stehen.“
„Du hast die Händler involviert?“ Hutchinson lachte laut auf. „Geschieht den Krämerseelen nur Recht. Nur wie kriegen wir die Ausrüstung von ihnen zurück?“
„Sie werden gar nicht erst bis zum Depot kommen. Zumindest erwarte ich das nicht. Während die Red Longjacks die richtige Karte bekommen haben, ist dies bei den Daiyamondosame nicht der Fall. Ich hatte von vorne herein vor, sie als Ablenkung zu benutzen, aber nicht zu beschenken.“

Leises Gemurmel erhob sich. Die sechzehn Vertreter besprachen sich miteinander.
„Was ist mit den anderen Depots?“, fragte Renga.
„Die Einheiten, die ich darauf angesetzt habe, kennen die Positionen der Depots. Ich habe vor, dass, sollten sie erfolgreich sein, ihnen einen Teil der Ausrüstung abzukaufen, vor allem alles, was sie nicht warten können. Und das bezieht sich auf so ziemlich jeden Mech aus Sternenbundzeiten. Wir können das, ComStar kann das.“ Er zuckte die Schultern.
Hutchinson räusperte sich vernehmlich. „Hast du vergessen, warum wir hier sind, SternCaptain Janard Polczyk? Wie dient das, was du tust, dem Clan? Uns Ausrüstung zu besorgen ist eine Sache.“
„Sie dient dem Clan, indem wir die Regionen in der Peripherie der Vereinigten Sonnen in Unruhe halten. Je mehr die Nachfolgerstaaten mit sich selbst oder untereinander beschäftigt sind, desto einfacher haben wir es, unser Hauptziel ungestört zu erreichen.“
„Pos“, sagte jemand, weitere Stimmen fielen ein.
„Also gut. Du scheinst deinen Hals noch einmal gerettet zu haben, SternCaptain Polczyk“, sagte Renga, seinen Vornamen unterschlagend. „Da die Geheimhaltung nicht gebrochen ist und die Diamanthai-Händler vor dem Verlust einer ihrer Tarneinheiten stehen, ist noch nichts verloren. Es ist schade um die verloren gegangene Beute. Aber wenn dein Plan funktioniert, werden wir dennoch an einige gute Stücke kommen. Wenn auch nicht im gleichen Maße wie wenn dein ursprünglicher Plan funktioniert hätte.“
„Wer sagt, dass mein ursprünglicher Plan nicht mehr funktioniert?“, erwiderte Medice.
„Erkläre dich“, forderte das Frettchen. „Und denk gar nicht daran, die Titanium Wind einzusetzen. Wenn wir einen Aegis hier in der Peripherie vorzeigen, schreckt das ComStar und Wolfs Dragoner auf. Das ist das letzte, was wir wollen.“
„Ich habe nicht vor, einen Aegis einzusetzen“, sagte Medice, wenngleich gepresst. „Ich habe vor, mit dem, was mir geblieben ist, nach St. Jones zu gehen und dabei zuzuschauen, wie sich Zorn von den Cavaliers mit den anderen Einheiten und der dortigen Miliz um das Depot prügelt. Um dann, wenn alle geschwächt sind, mit meinen eintreffenden Verbündeten die Reste zu vernichten und das Depot selbst zu nehmen.“
„Ich frage jetzt nicht, wer diese Verbündeten sind“, sagte Hutchinson. „Ich sage nur, dass du diesen einen Versuch hast. Du garantierst mit deinem Leben, dass niemand herausfindet, wer wir sind und wo wir sind. Nichts käme uns ungelegener, als dass die anderen Clans uns folgen. Nicht jetzt, nicht zu diesem Zeitpunkt.“
„Ich habe dazu gesagt, was ich dazu gesagt habe. Ich werde es nicht sein, durch den die Anwesenheit von Clan Vielfraß in der Inneren Sphäre oder gar die Existenz von Kerenskys Kindern bekannt gemacht werden wird. Ich bin nicht so dumm, zu tief zu graben.“
Renga nickte. „Dann erledige, was du tun musst. Erfülle deine Aufgabe, bis wir alle fallen.“
„Seyla.“ Medice stimmte in den Jahrhunderte alten Gruß ein, dann salutierte er und schwebte wieder zum Ausgang, wo Danforth noch immer auf ihn wartete. Es würde eine zweite Runde geben, Zorn, eine zweite Runde.
***
Zorn gab es nicht gerne zu, aber dadurch, dass Prinz Hanse ein großes Geheimnis darum gemacht hat, welche MechKrieger er ihm geschickt hatte, war er ein wenig nervös. Waren es Light Guards? Heavy Guards? Assault Guards? Vielleicht etwas hochgegriffen, aus den Einheiten Verstärkung zu erwarten, die im 3. Nachfolgekrieg die halbe Konföderation Capella aufgemischt hatten. Allerdings erwartete Zorn nicht gerade namenlose Krieger aus irgendeinem Rekrutierungsbüro. Es musste jemand sein, auf dem zumindest zeitweise der Blick des Prinzen ruhte. Als das große Iris-Schott aufging und sie auf den anderen Invasor wechseln konnten, stieß sich der Chef der Cavaliers als Erster ab und trieb in der Schwerelosigkeit hindurch.
„Major Kenderson, nehme ich an?“, klang eine angenehme Baritonstimme auf.
Zorn Kenderson strebte auf den Besitzer der Stimme zu, stoppte seinen Flug und salutierte. „Der bin ich, zu ihren Diensten.“
Der Mann Anfang dreißig schüttelte den Kopf und lächelte amüsiert. „Im Gegenteil. Zu ihren Diensten, Major Kenderson. Mein Name ist Darnell Winningham. Ich und meine Kameraden dienen bei den Wolfs Dragonern, genauer gesagt in Natasha Kerenskys Schwarze Witwen-Einheit.“
Zorn pfiff anerkennend. „Wow. Ich bin nicht sicher, was ich erwartet habe. Ich weiß nicht mal, was genau ich erwartet habe. Aber acht Söldner vom Kaliber der Wolfs Dragoner, und dann noch aus dem Stall von Natasha sicherlich nicht.“ Zorn streckte ihm die Hand entgegen. „Mr. Winningham, es ist mir eine Freude, Sie und ihre Leute zu begrüßen. Ich fürchte,wir werden Sie noch bitter brauchen.“
Der große Mann ergriff die Hand und drückte fest zu. „Und wir sind hier, um die Hilfe zu gewährleisten. Sie werden verstehen, dass ich das Kommando über meine unterzählige Kompanie behalten möchte?“
„Sie befürchten, auseinander gerissen zu werden? Das wird nicht passieren. Wenn Sie mir versichern, dass Sie zu acht miteinander gekämpft haben. Dann wäre es ein dummer Zug, dies zu tun.“
Winningham lachte laut auf. „Das ist genau die richtige Antwort.“ Er klopfte Zorn auf die Schulter. „Sie gefallen mir, Zorn. Natasha hat gesagt, das könnte der Fall sein. Sie kennen Natasha?“
„Flüchtig“, sagte Zorn. „Sie hat aus unerfindlichen Gründen mal ein paar Stunden an meiner Akademie unterrichtet, und ich war aus genauso unerfindlichen Gründen ihr Vorführeffekt. Ich durfte immer zeigen, wie man es nicht macht. Erst ein paar Jahre später habe ich begriffen, dass sie mich damit besser ausgebildet hat als alle anderen. Und eine wichtige Lebenslektion hat sie mir auch noch mitgegeben. Ihre Begleiter?“
Winningham deutete neben sich. „Ich bin hier im Range eines Captains. Dies hier neben mir ist Morgan Alloy, mein Stellvertreter und Führer der zweiten Lanze, Second Lieutenant.“ „Angenehm, Sir.“
Die beiden schüttelten sich die Hände. „Ragnar Lindström, mein Flügelmann, Sergeant.“
„Hrm, Sir.“ „Er ist ein wenig wortkarg.“ „Bestens“, sagte Zorn und drückte die Pranke seines Gegenübers. „Frederica Stone, ebenfalls Sergeant.“ „Angenehm, Miss.“ „Ma'am. Nur um keine falschen Hoffnungen aufkommen zu lassen“, sagte sie.
„Lucie Kerber, Corporal und unser Küken.“ Beschämt senkte die junge Frau den Blick. „Wie lange muss ich diesen Titel noch tragen?“
„Bis wir einen Neuen bekommen“, lachte jemand. Zorn lachte mit und drückte der jungen Frau die Hand. „Angenehm.“ „Sehr sogar, Sir.“
Der Mann, der gelacht hatte, streckte schon von weitem seine Hand aus. „Louis Johannis, Corporal aus Leidenschaft, Sir. Freut mich, Sie kennen zu lernen. Vor allem, weil mir versprochen wurde, Sie hätten einen Mech, den ich mir leihen kann.“
Zorn nickte. „Ja, den habe ich. Für Sie und ihre anderen drei entrechteten Kameraden.“
„Äh, nein, Zorn, sie sind nicht entrechtet. Sie sind nur von ihren Mechs getrennt. Die Hintergründe erzähle ich ein andernmal, aber vor allem liegt es daran, dass die Dragoner so groß und die Aufgaben so vielfältig sind.“
„Ich nehme das mal so hin, und Sie nehmen vier Mechs von mir. Deal.“
Dies brachte die dritte Frau in der Runde zum Auflachen. „Sie sprechen meine Sprache, Major Kenderson. Hattie Jones, Corporal, zur Zeit weit weg von der eigenen Maschine.“
Zorn drückte ihr die Hand. „Willkommen beim Versuch, einen rücksichtslosen Schlächter zu stellen, Hattie.“
Er schwebte vor den letzten Mann. Der war sehr jung, aber er hatte das Alter für einen MechKrieger im aktiven Dienst. „Sir, Private First Class Douglas Stone. Freut mich, mit ihnen auf die Jagd gehen zu dürfen.“
„Die Freude ist auf meiner Seite“, sagte Zorn und drückte ihm die Hand.
„Aber zu den wichtigen Dingen. Welche Mechs bringen Sie mir mit, Darnell?“
Da er Kenderson auch schon mit Vornamen angesprochen hatte, lächelte Winningham breit und signalisierte damit, dass der Status Quo so in Ordnung war. „Da wären einmal mein Vollstrecker. Dazu kommt Morgans Kampfschütze, Fredericas Kreuzritter und der Dunkelfalke von Louis. Was mich gleich zu meiner Frage bringt: Welche Mechs werden Sie uns zuteilen, Zorn?“
„Nachdem sich herausgestellt hat, aus welchem Stall Sie acht kommen, seien Sie versichert, dass ich nicht geizig sein werde, meine Damen und Herren.“
„DER Mann gefällt mir“, sagte Douglas Stone. „Wir werden sehr gut zusammenarbeiten, Sir.“
„Willst du vielleicht auch noch bei ihm anheuern?“, scherzte Hattie Jones.
„Sag niemals nie“, erwiderte Douglas und genoss den entgleisten Gesichtsausdruck der jungen Frau.
„Kommen Sie auf meinen Lander. Meine Leute erwarten Sie bereits, und dort werde ich ihnen die Mechs vorstellen, die zur Verfügung stellen, und wir ermitteln, welche davon am besten zu ihren Leuten und ihrem Kampfkonzept passen, Darnell.“
„Ich sagte doch, der Mann gefällt mir“, sagte Stone, und er klang dabei wie eine satte, schnurrende Katze.
***

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***
Es war nun drei Tage her, seit der mächtige Union-Landungsraumer ohne Beschriftung von einem anonymen Starlord-Sprungschiff am Nadir-Sprungpunkt der Sonne Valasha abgekoppelt hatte. Der energiereiche Stern war ein Paradies für Sprungschiffe, weil die Ladezeiten durch die Partikeldichte der Strahlung Aufladezeiten auf die Hälfte der üblichen Zeit verkürzten. Daher befanden sich an beiden Sprungpunkten Aufladestationen, noch aus Sternenbundzeiten, die penibel gewartet wurden, was das System zu einem wichtigen Durchgangspunkt in die Außenweltallianz machte, zu dem Valasha als Grenzland gehörte.
Die Hauptwelt des Systems, eigentlich die dritte Welt, Valasha III, war noch etwa acht Stunden Flugzeit entfernt. Diese Welt war das Ziel von Henriette Nagasawa. Gerüchte, die ihr zugespielt worden waren, besagten, dass sich auf dieser Welt eines jener Depots befinden mochte, von denen im Moment Kombinat, Konföderation Capella und der Vereinte Sonnen-Part des Commonwealths landauf, landab redeten. Eine Söldnereinheit, Cranstons Cavaliers, war dort massakriert worden, war aber als Kendersons Cavaliers wiederauferstanden, hatte ihre Angreifer gestellt und ihnen ein Depot aus Sternenbundzeiten abgejagt, was fast eine Milliarde C-Noten schwer gewesen war. Die Angreifer, ein vom Handelshaus Medice finanziertes Bataillon zur Piratenjagd, hatten dabei eine Karte verloren, auf der weitere Depots verzeichnet waren, man sprach von sechs bis acht Standorten, genauere Angaben existierten leider nicht. Aber man wusste, dass Major Kenderson, der neue Kommandeur, die betreffenden Welten gewarnt hatte. Ob er auch Karten von den genauen Fundorten hatte, wusste man nicht, auf jeden Fall aber hatte er die nicht weiter gegeben, das war sicher.

Eine dieser Welten war Valasha, das stand fest, und die Warnung hatte die Außenweltallianzstreitkräfte aufgestöbert wie der Stich mit einem Stock in ein Wespennest. Das machte Sinn, denn einerseits war der ganze Planet mit den verschiedensten Formen des Bergbaus überzogen und es gab vermutlich mehr Bergwerksstollen als natürliche Höhlen. Andererseits hatten die Sternenbundtruppen die Sonne und den dritten Planeten als Aufmarschgebiet im Vereinigungskrieg genutzt. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Depot angelegt worden war, musste sehr hoch sein, vor allem weil die Militäraktion krachend gescheitert war und die Einheiten der Inneren Sphäre nach einem Friedensvertrag wieder abgezogen waren, sich einen leichteren Gegner suchend. Das erhöhte auch die Wahrscheinlichkeit, dass die Sternenbundtruppen nicht mehr dazu gekommen waren, das Depot auszuräumen. Vermutlich hatten sie es nur noch besser getarnt, um später wiederzukommen, mit weiteren Truppen. Dazu war es dank des Amaris-Putsch nicht mehr gekommen, der die Sternebundarmee und den Sternenbund selbst komplett zerrissen hatte.
Und nun ... Nun waren die Leichenfledderer auf dem Weg, auch den letzten Rest an Glorie und Reichtum dieser goldenen Ära der Menschheitsgeschichte zu plündern.

"Skipper, Bremsmanöver eins abgeschlossen. Treten ins Schwerefeld von Valasha III ein", meldete Hennings, der 1. Offizier. Violet Sennet, die Kapitänin, erwiderte: "Zur Kenntnis genommen. Weiter wie geplant, Mr. Hennings." Sie sah kurz zu Henriette herüber. "Bisher läuft alles nach Plan. Wenn jetzt noch die Karte dieser Krämerseele korrekt ist, werden wir auf dieser Fahrt nicht nur einen finanziellen Gewinn machen, StarColonel."
Henriette, die etwas abseits stand, lächelte nur schmallippig. Aus dem Mund Sennets das Wort Krämerseele wie eine Beleidigung ausgesprochen zu hören, war eine Überraschung. Immerhin waren die Diamanthaie selbst als Krämerseelen hier, auf der Jagd nach Sternenbundrelikten, wertvollen Rohstoffen, die die Pentagonwelten nicht im ausreichenden Maße zur Verfügung stellten, die sie aber brauchten, und natürlich um ihr Agentennetz zu pflegen, welches sie immer mal wieder an gut zahlende Klienten vermieteten. "Warten wir es ab, Violet Sennet. Wenn etwas zu glatt läuft, stinkt der Fisch am Kopf."
Wie um ihre Worte zu bestätigen, meldete sich der Zweite Wachoffizier von der Ortungsstation. "BANDITS! Sie kommen hinter Lufa, dem größeren Mond hervor! Kurs und Schub führen sie zur MEERKATZ!"
"GAZ? Schaffen wir es noch runter bis auf den Planeten?", hakte die Kapitänin nach.
"Sie erwischen uns etwa zwei Stunden früher."
"Was erwartet uns?"
"Ich erkenne optisch einen Wing Drosseln, eine Lanze Stuka und einen Leopard, augenscheinlich ausgerüstet mit Jagdbewaffnung."
Sennet wechselte einen Blick mit ihrer Kommandeurin. "Sechs Stunden also. Wenn wir uns voll reinlegen, sollten wir das Problem lösen können, alarmieren aber den ganzen Planeten."
"Sechs Stunden." Henriette gähnte und streckte sich ein Stück. "Genug Zeit für ein Nickerchen. Lassen Sie mich in fünfeinhalb Stunden wecken. Sollten wir früher beschossen oder angefunkt werden, holen Sie mich früher aus der Koje. Frapos, Violet Sennet?"
"... pos", sagte sie zögerlich.
"Dann bis in fünfeinhalb Stunden." Leichtfüßig erhob sich Henriette und verließ die Brücke der MEERKATZ.
"Nimmt die SternColonel diese Einheiten nicht zu sehr auf die leichte Schulter?", beschwerte sich Hennings. "Einen regulären, runtergekommenen Union der Inneren Sphäre könnte diese Kombi auslöschen, wenngleich nicht ohne eigene Schäden oder gar Verluste."
"Valeri Hennings, ich kenne Henriette Nagasawa jetzt schon lange genug, um sie einschätzen zu können. Es sieht ganz so aus, als erwarte sie nicht, dass es zu einem Kampf kommen würde."
"Wie will sie ihn verhindern? Sollen wir uns ergeben?"
"Warten Sie einfach die Zeit ab, frapos?"
Statt zu antworten, schnaubte er aus. "Ihre Befehle, Skipper?"
"Alle, die entbehrlich sind, in die Betten. Fünf Stunden Dienstruhe, damit wir fit sind, falls es doch zu einem Kampf kommt. Besser?"
"Pos, SternCaptain. Pos."
Hennet runzelte die Stirn. Der Junge war frisch von den Heimatwelten und das erste Mal auf dieser Position bei so einer Mission dabei. Sie konnte ihm Misstrauen kaum vorwerfen, solange das nicht zu Befehlsverweigerung oder gar Fehlern führte. Aber seine Position war zu wichtig. Wenn er sich bewährte, gut für sie alle. Wenn er versagte ... Die Kunst bestand darin, dies als Vorgesetzte rechtzeitig zu erkennen. Violet beschloss, den jungen Offizier früher auf den Prüfstand zu stellen, als sie vorgehabt hatte.

Fünfeinhalb Stunden später war das Schiff in Aufruhr. Hennet hatte vor einer halben Stunde den Befehl gegeben, die eigenen vier Luft/Raumjäger startklar und kampfbereit zu machen, nur für den Fall der Fälle. Auch waren die Waffen doppelt besetzt, Leckmannschaften eingeteilt, und die Infanterie hatte die Raumkampfausrüstung angelegt.
Als Henriette wieder in die Zentrale kam, sagte sie nur: "Gute Arbeit, Violet Hennet!", und ließ sich in einen Sessel fallen.
"Und was jetzt?", fragte die Skipper.
"Wir warten."
"Wir warten? Worauf warten wir?"
"Du wirst es sofort wissen, sobald es eintritt, Violet Hennet."
Das war eine unbefriedigende Antwort, aber auch sehr typisch für die SternColonel, die im Bereich Kombinat/Vereinte Sonnen den Geheimdienstapparat der Diamanthaie leitete.
"Wir werden gerufen. Von einem Chairman Sarutobi", meldete der diensthabende Funkoffizier.
Es gab keine Reaktion von Henriette, also beschloss Hennet, das normale Programm abzuspulen.
"Hier spricht Chairman Rudolf Sarutobi, derzeit Oberbefehlshaber der Systemverteidigung des Valasha-Systems. Unbekannter Union-Lander, befolgen Sie unsere Anweisungen und gehen Sie in einen von uns vorgegebenen Orbit um Valasha III. Wehren Sie sich nicht. Dann wird ein Enterkommando an Bord kommen."
"Hier spricht Kapitän Hennet von der MEERKATZ. Es ist ein ungewöhnliches Verhalten, das Sie an den Tag legen, Chairman. Soweit ich weiß, haben wir miteinander keinen Händel."
"Ich wünschte", klang die Stimme wieder auf, "ich könnte das auch sagen. Aber ihr Schiff fährt keinen Transponder, entspricht aber der Beschreibung eines Unions, die uns zugespielt wurde und die einer Piratenbande zugehörig ist, die sich Diamondosame nennt. Uns wurde gesagt, Sie planen einen Überfall auf eines unserer Rohstoffdepots. Genauer gesagt auf das Sternenbunddepots, das auf unserer schönen Welt vermutet wird." Einer der Hilfsbildschirme flammte auf, und nun erhielt die Stimme ein Gesicht. Der Mann trug die Uniform eines Commanders, hatte ein nordisches Gesicht mit hochgedrückter Nase, und seine Haare mochten mal blond gewesen sein. Ein kräftiger Bursche, dem man sich ohne einen Elementare als Begleitung eher nicht als zufällige Begegnung in einer dunklen Gasse wünschte. "Deshalb haben wir uns dazu entschlossen, die Sache ein wenig zu beschleunigen. Und seien wir doch ehrlich. Kein Transponder, kein Name, Sie kommen angeschlichen, fehlt nur noch der Jolly Roger über der Polkappe."

In diesem Moment erhob sich Henriette Nagasawa und trat neben den Kapitänsstuhl von Violet Hennet. "Rudolf. Ich bin es."
Ihr Gegenüber runzelte die Stirn. Dann trat eine tiefe Falte über seiner Nasenwurzel auf, bis sich grenzenlose Überraschung abzeichnete. "Henriette! Was machst du denn hier? Und vor allem an Bord eines solchen Schiffes?"
"Na was wohl? Genau das, was du mir vorwirfst. Ich will mir das Sternenbunddepot holen!"
"Aber ... aber ... aber ... Es tut mir leid, bei aller Freundschaft, aber ich kann für dich keine Ausnahme machen. Die Ressourcen aus dem Depot gehören rechtlich der Außenweltallianz. Wenn du dich wie ein Pirat hier einschleichst, muss ich dich auch wie einen behandeln."
Henriette lächelte. "Das verstehe ich vollkommen. Deshalb erwarte ich auch, dass du in vollem Umfang deine Pflicht tust, alter Freund."
Irritiertes Raunen ging durch die Brücke der MEERKATZ.
Sarutobi hingegen schien nicht überrascht. "Komm, Henriette. Führe mich nicht vor. Sag mir, was du gerade spielst. Ich weiß, dass du irgendetwas spielst."
"Nun gut, deinem Seelenheil zuliebe. Zu deiner Information, dieser Medice-Bastard hat mich kurz vor seinem Angriff auf ComStar kontaktiert und mir Valasha als eine der Welten mit Depot genannt. Er hat auch eine ungefähre Beschreibung beigelegt und in den höchsten Tönen ausgemalt, welche Werte ich erringen könnte, sollte mir das Depot in die Hände fallen."
"Er hat versucht, dich zu manipulieren."
"Damit ich mich hier wie ein Pirat einschleiche und die Außenweltallianz bestehle. Zugleich aber hat er dir oder einem anderen Offiziellen eine Nachricht geschickt, an Bord der MEERKATZ wäre eine Ronin-Gruppe namens Diamondosame, die für dieses Depot bereit ist, einen gepflegten Genozid zu veranstalten. Etwas in der Art?"
"Ja, das kommt der Wahrheit schon recht nahe. Weiter?"
Henriette grinste nun breit. "Ich kenne diesen Bastard Janard nun schon einige Zeit und weiß, dass er mir nie etwas Gutes tun würde. Oder der Außenweltallianz. Also habe ich beschlossen, nicht auf ihn hereinzufallen. Aber das Depot hätte ich trotzdem gerne."
"Du hast also ..."
"Richtig. Ich habe das Außenministerium kontaktiert, genauer gesagt Vice Secretary Gordon. Dem habe ich den Fall geschildert und ihn gebeten, nach dem Depot suchen zu dürfen, gegen die Hälfte des Inhalts, bei Erfolg. Die andere Hälfte steht der Außenweltallianz zu, ohne dass sie etwas tun muss. Du kannst dir seine Antwort denken."
"Aber wenn du offiziell unterwegs bist, warum schleichst du dich hier ein?", fragte Rudolf Sarutobi aufgebracht.
"Weil ich zumindest weiß, auf welchem Kontinent das Depot liegt. Weißt du, was passiert, wenn das die Runde macht? Nein, ich bin mit Gordon überein gekommen, dass wir leise reingehen und leise wieder raus, und bevor die ganzen Zecken und Blutsauger, die die Depots jagen wollen überhaupt wissen, was passiert ist, haben wir das Depot entdeckt und aufgeteilt. Sicherlich ist Secretary Holm vor ein paar Tagen gelandet. Er wird unser Verbindungsmann für diese Mission sein."
"Nun wird mir einiges klar. Du hast also eine Falle so weit herum gedreht, dass dir der Köder in die Hände fällt, aber dir nichts passiert." Sarutobi lachte. "Das bist so du, es wundert mich kein bisschen. Die Hälfte, sagst du? Im St. Jones-Depot waren eine gute Milliarde C-Noten an Ausrüstung."
"Das Depot auf Valasha wird nicht viel kleiner sein, Rudi. Wir werden uns alle kräftig gesund stoßen, vor allem aber die Außenweltallianz." Sie beugte sich ein Stück vor in Richtung Kamera. "Du kennst mich. Ich mag keine Deals, bei der eine Seite übervorteilt wird. Jeder soll, darf und muss auch seinen Profit machen, sonst ist es ein schlechter Handel."
"Und deshalb hast du auch einen so guten Ruf, Henriette." Der Chairman gab ein paar Befehle.
"Bandits beginnen Parabole Richtung Mond", meldete die Ortung. "Leopard ebenso."
"Ich lege mich mit meinen Leuten wieder auf die Lauer. Vielleicht trauen sich ein paar echte Piraten ins System. Jeden Ärger, den ich dir und Hol fern halten kann, ist gut für eure Suche. Und je schneller das Depot entdeckt wird, desto schneller ist der ganze Trubel vorbei, zumindest für die Außenweltallianz. Also, beeil dich mit dem Erfolgreichsein, Henriette."
"Ich tue, was ich kann, Rudi." Sie nickte, dann erlosch der Bildschirm.

Henriette sah auf den Hauptbildschirm. "Zeit genug für einen Kaffee, bis wir in die Landekurve einfliegen. Willst du auch einen, Violet Sennet?"
"Sie haben die Brücke, Eins O."
"Ja, Ma'am."
"Du hast das gewusst?", fragte Hennet, als sich das Schott der Brücke hinter ihnen schloss.
"Natürlich. Wie ich Rudi gesagt habe, Janard ist ein Bastard und ein Ekel, der andere benutzt, wie es ihm gefällt. Sobald er nur den Mund aufmacht, muss man erwarten, dass er einem Schlimmes will. Er hält sich für die Krone der Schöpfung, und zwar der ganzen, inklusive der Menschen. Ein arroganter Bastard, dem ich nicht weiter traue, als ich meinen Orion werfen kann. Außerdem - ", sie blieb stehen, sah die Kapitänin an "-wollen wir auch in Zukunft meine Tarnidentität benutzen und die Außenweltallianz aufsuchen, frapos? Also war Ehrlichkeit hier der beste Ratgeber. Flugs ist die grandiose Falle von Janard Medice wieder abgespannt und harmlos." Sie schien für einen Moment nachzudenken. "Es würde mich aber nicht wundern, wenn er ein echtes Kommando in Marsch gesetzt hat, um das Depot zu finden und zu plündern. Wir sollten uns nicht auf zu ruhige Zeiten einstellen, von ungebetenen Zaungästen wollen wir gar nicht mal reden."
"Ich verstehe, warum du SternColonel bist, und ich nur SternCaptain", sagte die Kapitänin.
"Danke für das Kompliment, Violet Sennet."
"Violet. Violet reicht."
"Dann sag Henriette zu mir." Die beiden tauschten einen Handschlag aus, der die besondere Vertraulichkeit des Moments hervor hob.
Für einen winzigen Moment fühlte sich Sennet noch ein wenig besser unter Nagasawas Kommando als ansonsten auch schon.

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Da Allans World seinem Heimatgestirn sehr nahe stand, (sie war der zweite von neun Planeten und von seinem kleineren Zentralgestirn nicht weiter entfernt als die Venus, der Schwesterplanet der legendären Erde im Sol-System) war die Reise nach dem Sprung für die Cavaliers recht kurz. Sie brauchten nur zwei Tage und eine Landeerlaubnis, um auf dem Rufus Space Center, dem größten Raumhafen des Planeten, aufzusetzen.
Und wie Zorn erwartet hatte, war das Empfangskomitee bereits eingetroffen. Einen erkannte er sogar von der zornigen Videobotschaft, die ihm via ComStar zugesandt worden war. Das war Colonel Luckner, der hiesige Milizkommandeur, der ihn und die Cavaliers mit üblen Beschimpfungen hatte fern halten wollen. Nun war Zorn aber im Auftrag des Prinzen unterwegs und konnte sich auf Hanse Davion berufen. Es blieb allerdings abzuwarten, ob und wie viel ihm das nützte, zumindest unmittelbar.
Für den ersten Konflikt, denn mit nichts anderem rechnete Zorn, hatte er sich dazu entschlossen, noch nicht mit den Entladearbeiten zu beginnen. Allermindestens benötigte die Einheit eine Lagerhalle, noch besser eine Kaserne mit MechHangar. Den musste er sich erst erkämpfen, und Luckner hatte auf ihn nicht besonders kooperativ gewirkt.
Seine drei Begleiter für die erste Schlacht waren Miss Pappas, natürlich Adept Leary und Captain Winningham von den Wolfs Dragoners. Dies, weil auch der Colonel drei Begleiter hatte, zwei Frauen und einen älteren, hageren, ja fast mageren Mann, der auf New Avalon als Verkörperung des leibhaftigen Todes als Schauspieler ein Vermögen hätte verdienen können. Zorn meinte zu sehen, dass immer wenn die blonde Frau mittleren Alters redete, der Colonel aufmerksam zuhörte, während die Rothaarige, erheblich Jüngere überhaupt nicht redete. Die blonde Frau trug eine Geschäftkombination aus Rock und Blazer, die Rothaarige eine militärisch anmutende Hose und ein schlichtes beiges T-Shirt mit einer schwarzen Weste drüber. Der Colonel und der böse dreinblickende Man trugen die in den Vereinten Sonnen üblichen Uniformen für die Miliz. Rangabzeichen konnte er keine erkennen.

Er trat an das nächste Komm und aktivierte es. „Brücke, ist noch was dazu gekommen?“
Kapitänin Chun meldete sich sofort. „Nein, Zorn, es bleibt bei den beiden aktiven Heuschreck hinter dem Hangar im Norden. Ich lasse aber auch die Gegend absuchen, falls der liebe Colonel ein paar Sniperteams verteilt hat. Ich meine, wenn er schon dem Beauftragten von Hanse Davion mit zwei ScoutMechs auflauert, habe ich keine Ahnung, was er noch alles tun könnte. Allerdings würde ich mir keine Sorgen machen. Die Waffen der guten alten TRIELL sind vorgeglüht und können die Heuschrecks und jeden anderen Feind in Reichweite in kleine Stücke häckseln.“
„Mache ich mir auch nicht, Halley. Ich frage mich nur, wie weit dieser Choleriker die Situation noch eskalieren lassen wird. Wie ist die Außentemperatur?“
„Sie ist auf dreißig Grad abgesunken. Sie können die TRIELL jetzt verlassen.“ Wie als Bestätigung ihrer Worte öffnete der Union die große Entladerampe, über die normalerweise die Mechs und andere Fracht an Bord und von Bord geschafft wurde.
„Danke, Halley.“
„Ach, eines noch, Zorn. Viel Glück mit diesem geldgierigen Bastard.“
Zorn schmunzelte und wiederholte: „Danke Halley.“ Dann hängte er das Bordtelefon wieder ein. Er sah seine drei Begleiter an und nickte. „Es gilt, Gentlemen.“ Ihnen voran betrat er die Rampe und schritt mit sicherem, aber nicht zu schnellen Schritt aus. Seine Begleiter schritten neben ihm.

Als sie die vier Personen erreichten, ließ Zorn halten. Er bildete das rechte Ende ihrer Reihe. Kurz salutierte der Major dem Colonel. „Sir, ich bin Major Zorn Kenderson von den Kendersons Cavaliers. Wir kommen im Auftrag von Hanse Davion.“
Der Colonel erwiderte den Salut so knapp er es vermochte. „Ich würde Sie auf Allans World willkommen heißen, aber sicher sind Sie bereit, zum nächsten Planeten auf ihrer Liste weiterzufliegen. Wir kommen ohne Sie klar. Teilen Sie uns nur mit, wo sich das hiesige Depot befindet, und ich kümmere mich um alles Weitere, Kenderson.“
Das waren gleich zwei Beleidigungen auf einmal gewesen, aber Zorn hatte sich gut im Griff und zeigte keine Emotionen. „Sir, ich muss darauf bestehen, dass der Prinz der Vereinten Sonnen mir weitreichende Vollmachten und Befugnisse zur Verfügung gestellt hat. Er wünscht ausdrücklich, dass meine Einheit und ich uns um Allans World kümmern,weil es am wahrscheinlichsten ist, dass der fahnenflüchtige Vicomte hier als nächstes zuschlagen wird. Natürlich können sie bei ihm nachsuchen, dass er seine Wünsche ändert. Aber ohne eine direkte Anweisung des Prinzen verlässt meine Einheit diesen Planeten erst wieder, wenn ich die Mission als erledigt betrachte.“
Die Kiefer des Oberst verkrampften sich. „Und ich bestehe darauf, dass Sie sich um die nächste Welt auf ihrer ominösen Liste kümmern. Die Miliz von Allans World braucht keine Babysitter, schon gar keine mit einem … so besonderen Ruf.“
„Wie die Wolfs Dragoner?“, fragte Zorn.
Das brachte Luckner aus dem Konzept. „Wie die was? Wie kommen Sie auf Wolfs Dragoner, Kenderson?“
Zorn deutete auf den Mann, der auf der linken Seite den Abschluss bildete. „Weil wir acht Dragoner in unseren Reihen haben. Darf ich ihnen Captain Darnell Winningham von den Wolfs Dragonern vorstellen? Prinz Hanse selbst hat ihn und seine sieben Leute temporär zu meiner Einheit versetzt, um Janard Medice zu hetzen.“
Entgeistert sah der Colonel den gelassenen Mann am Ende der Reihe an. „Wolfs … Vom Prinzen … Was?“ Sein Blick ging wieder zu Zorn. „Jedenfalls werden Sie wieder starten, Kenderson, oder ich werde dafür sorgen, dass Sie es müssen!“

„Das reicht jetzt, Astro!“, sagte die Frau mit dem Rock.
„Ma'am, ich muss darauf bestehen, dass das hier eine Milizangelegenheit ist, die ich selbst regeln werde!“, beharrte der Colonel.
„Und ich sage, dass es jetzt reicht! Halten Sie die Klappe und treten Sie zurück und lassen uns Erwachsene reden!“
Beinahe hätte Zorn aufgelacht, als er die resoluten Worte der Frau hörte. Die gefiel ihm auf Anhieb, nicht nur, weil sie für ihn und die Cavaliers Partei ergriff.
„Haben Sie vergessen, wer hier die Miliz kommandiert?“, fragte er scharf.
„Haben Sie vergessen, wer den Sold der Miliz bezahlt, Astro?“, erwiderte sie so eiskalt, dass einem das Weltall wie ein angenehmer Ort vorkam. „Strike zwei!“
Das schien den Oberst nicht zu scheren. „Ich werde die Sache auf meine Art regeln, Sharon! Sie halten sich da komplett raus!“
„Strike drei!“
Es war das erste Mal, dass Luckner zu der Frau namens Sharon herüber sah. Aber sie sah ihn nicht an, ignorierte ihn, und das regte ihn auf. Er ließ seine Kiefer mahlen, sah zurück zu Zorn, dann zu Winningham. Schließlich ergriff er sein Funkgerät, das er in der rechten Brusttasche trug und drückte die Sprechtaste. „Go!“ Er hob eine Augenbraue und sah wieder zu Sharon, der Frau mit dem Rock. „Was jetzt folgt, haben Sie sich allein zuzuschreiben, Sharon!“ Sein starres Gesicht hatte sich zu einem feisten Grinsen verzogen.
Aber es geschah nichts. Eine Minute verging. Dann zwei. Irritiert nahm er das Funkgerät zur Hand und sprach erneut hinein. „Go, verdammt!“
Wieder war keinerlei Aktion zu vernehmen. Alles blieb so ruhig, wie es war. „Da soll mich doch …!“, rief er, wandte sich um und eilte ein paar Meter in Richtung des Hangars, hinter dem die beiden feuerbereiten Heuschrecks standen.
„Stop, Mister Luckner!“
Tatsächlich hielt der Mann an. „Mister? Ich bin Colonel, Sie verdammte Zivilistin! Den Rang habe ich mir mit zwanzig Jahren Kampf und verlorenem Blut erarbeitet! Unterschlagen Sie ihn nicht!“
„Ich setze Sie hiermit ab. Sie -“, sagte Sharon, auf den zweiten Mann schauend, „sind ab sofort Chef der Miliz von Allans World, COLONEL Kyrenski!“
„Ich habe verstanden, Ma'am“, sagte der skelettartig wirkende Mann.
„Haben Sie den Verstand verloren, Jasper?“, blaffte Luckner ihn an. „Wie können Sie auf eine Zivilistin hören? Hier habe immer noch ich den Befehl! Er zog seine Dienstwaffe und richtete sie auf den anderen Soldaten. „Ich nehme keine verdammte Meuterei hin!“
„Machen Sie es nicht noch schlimmer!“, rief Sharon. „Waffe wegwerfen, dann werden wir von einem Militärgericht absehen!“
„Sie! Sie haben gar nichts zu sagen!“ Er richtete die Waffe, eine schwere Autopistole, auf die Frau. Dies ließ die paramilitärisch gekleidete Frau aufschnauben, aber Sharon hielt sie mit einer simplen Geste zurück.
Stattdessen gab es eine ganz andere Reaktion. Die beiden Heuschrecks kamen um den Hangar herum. Das ließ Luckner grinsen. „Besser spät als nie, sagt man ja! Treten Sie jetzt ein Stück zur Seite, damit die ScoutMechs freies Schussfeld auf diesen Piraten und seine Leute, inklusive diesem falschen Dragoner haben!“
„Action?“, klang Halleys Stimme im kleinen Empfängerknopf in seinem rechten Ohr auf.
Sie war bereit, die Waffen des Unions sprechen zu lassen, aber merkwürdigerweise sagte sein Magen Zorn, dass sein Leben nicht unmittelbar bedroht war. „Abwarten“, raunzte er in das ebenso kaum zu sehende Kehlkopfmikrofon, das ihn mit dem Funknetz des Landers verband.
Tatsächlich feuerte der vorderste Mech seinen Laser ab, was dazu führte, dass sein Ziel in Flammen aufging und als brennendes Aschebündel zu Boden fiel. Doch weder Zorn noch seine Leute waren das Ziel dieses Angriffs gewesen.

Der Gigant öffnete einen Lautsprecher. „Entschuldigen Sie, Mrs. Gouvernor, aber der Meuterer Astro Luckner hat Sie mit einer Waffe bedroht, sodass ich mich dazu entschlossen habe, ihn sicherheitshalber zu liquidieren!“, sagte eine sonore, leicht amüsierte Frauenstimme.
„Es ist gut, Lieutenant Han. Aber bitte warten Sie das nächste Mal, bevor Sie ihren Schweren Laser feuern, bis ihr Ziel etwas mehr Abstand zu uns hat. Ich fürchte, COLONEL Kyrenski wird sich das Gesicht verbrannt haben.“
„Entschuldigung, Colonel. Aber Sicherheit ging in diesem Fall vor. Befehle?“
Der leibhaftige Tod sagte zu ihr: „Kehren Sie in die Kaserne zurück und bereiten Sie alles für die Aufnahme der Cavaliers vor. Beschleunigen Sie die Räumung des zweiten MechHangars. Major Kenderson wird seine Maschinen angemessen unterstellen wollen.“
„Ich werde es weiterleiten, Colonel.“ Die Maschine hob ihre beiden Maschinengewehrarme wie zum Salut, und der zweite Mech tat es ihr nach, da wendeten beide bereits und stapften in Richtung Raumhafentor davon.

„Das waren nicht Pallas und Sikorsky“, stellte die Gouverneurin fest. Als Antwort erfolgte lediglich ein Schmunzeln des neuen Kommandeurs.
Sie deutete sie auf die verkohlten Überreste. „Colonel, sorgen Sie dafür, dass die sterbliche Hülle von Astro in einen ordentlichen Sarg gesteckt und mit militärischen Ehren beerdigt wird“, sagte die Gouverneurin.
„Sind Sie sich sicher? Ich würde ihn so wie er ist in den nächsten Fluss werfen und die Fische den Rest machen lassen“, sagte Kyrenski.
Sie schnaubte leise. „Offiziell ist unser Freund Astro einem Unfall zum Opfer gefallen. Seinen kleinen Putschversuch übersehen wir geflissentlich, damit seine Anhänger und seine Familie reumütig in unsere Reihen zurückkehren können. Also beerdigen Sie ihn anständig, auch wenn er es nicht verdient hat. Sie wissen, wie das mit der Vetternwirtschaft hier draußen läuft.“
Kurz mahlten die Kiefer des neuen Milizoberst. „Ich höre und gehorche, Ma'am. Im Moment stellt es mich zufrieden, dass er nicht mehr Milizkommandeur ist.“
„Apropos. Wie haben Sie es geschafft, ihn heute anstelle seines Wachhunds zu begleiten, Kyrenski?“
Tatsächlich huschte ein Lächeln über das ausgemergelte Gesicht, wenn auch nur kurz. „Nun, Captain Tranh befindet sich auf der Krankenstation mit einer anständigen Alkoholvergiftung. Deshalb konnte er Luckner nicht zum Empfang der Cavaliers begleiten, also musste der Ex-Colonel zähneknirschend mich mitnehmen. Bevor Sie fragen, Ma'am, Major Pallas und Captain Sikorsky befinden sich auf zwei sehr unerwarteten, dazwischen geschobenen Sonderpatrouillen. Wir werden sehen, wenn sie zurückkommen, wo ihre Loyalitäten ohne das da liegen.“ Erneut deutete er auf die vom Laser verbrannten menschlichen Reste.
„Sehr umsichtig, wirklich, Clannad. Sehr umsichtig.“

Sharon wandte sich Zorn zu. „Ich entschuldige mich dafür, dass Sie das mit ansehen mussten. Wir Allaner waschen unsere schmutzige Wäsche normalerweise nicht vor Fremden, aber ich musste eine Ausnahme machen. Ihr verdammtes Depot weckt eine Menge Begehrlichkeiten. Vor allem seit die Runde rumging, dass die Mechs und die Ausrüstung auf St. Jones einhundert Millionen C-Noten wert sind, hatten viele unserer Leute C-Noten-Zeichen in den Augen für den Fall, dass sie das Depot als erste finden würden. Das ging sogar so weit, dass einige nicht nur von einem Anteil geträumt haben, sondern davon, den Kuchen unter möglichst wenig Leuten aufteilen zu müssen.“
„Ich verstehe.“ Es juckte Zorn in den Fingern, der Gouverneurin zu sagen, was das St. Jones-Depot wirklich wert gewesen war, und vielleicht würde er das unter vier Augen auch noch tun, einfach für den Fall, dass diese Zahl es doch noch nach Allans World schaffte. Aber erst einmal lag ihm nicht an einer Wiederholung des Schauspiels von eben.
„Dann wollen wir noch mal beginnen. Ich bin Sharon Gettysburg, die Gouverneurin von Allans World. Der Mann neben mir ist Lieutenant Colonel Clannad Kyrenski, gerade zum Colonel befördert. Und dies ist -“, sie deutete auf ihre andere Seite „- Jessica Bloodbourne, eine MechKriegerin, die mein besonderes Vertrauen, aber keinen Mech besitzt.“
Zorn reichte den drei Leuten die Hand. „Danke. Dies sind Adept Kirran Leary, sozusagen mein Ersatzgehirn, Miss Eleni Pappas, meine Ausbilderin, und Captain Winningham wurde ja schon vorgestellt. Er bringt wie gesagt sieben Dragonerpiloten mit.“
Kurz flackerte so etwas wie Panik in den Augen der jungen Frau auf, die bis dato gar nichts gesagt hatte.
„Aber ich habe noch Reservemaschinen und suche händeringend zuverlässige Piloten.“
Dies ließ sie merklich aufatmen. Als sie merkte, dass die Cavaliers sie interessiert musterten, räusperte sie sich laut und vernehmlich, legte die Hände auf den Rücken, spreizte die Beine zum „at ease“ und sah starr geradeaus.
„Sie ahnen es sicher schon. Wir wollen ihnen Lieutenant Bloodbourne als unseren Kontaktoffizier mitgeben, in der Hoffnung, dass Sie einen Mech für sie haben. Jessi?“
„Ich bin achtundzwanzig Jahre alt und wurde seit meinem zehnten Lebensjahr auf den leichten und mittelschweren Mechs der Miliz ausgebildet“, ratterte sie herunter. „Ich habe Kampferfahrung auf neun Mustern. Meine Vorgesetzten haben mir immer bescheinigt, dass ich mich auf neue Mechs sehr schnell einstelle. Außerdem habe ich den Eid auf das Vereinte Commonwealth geleistet, und im Gegensatz zu dem da bin ich entschlossen, diesen auch einzuhalten.“ Ein verächtlicher Blick traf den verschmorten Leichnam.
„Wir werden einen Mech für Sie finden, Captain Bloodbourne. Sind Sie ab sofort meiner Einheit zugeteilt?“
„Ich stoße in der Kaserne zu ihnen, wenn es recht ist.“
Zorn nickte. Ja, das war ihm recht.

„Mrs. Gouvernor, ich bedanke mich für den zweiten Teil ihres Empfangs. Ich hatte nicht damit gerechnet, dass Hanse Davions schützende Hand so weit reicht.“
„Es ist nicht Hanses Hand, sondern die Tatsache, dass ich im Gegensatz zu Astro jemanden zu schätzen weiß, der nicht nur schon mal in so einem Depot war, sondern auch bereits gegen Medici gekämpft und ihm einen heftigen Schwinger in die Leber versetzt hat. Ich habe die Antwort gesehen, die Astro ihnen aufgrund ihrer Warnung geschickt hat, und ich halte sie für eine dumme Tat eines dummen Mannes.“ Sie seufzte. „Nur für mein Wohlbefinden. Können Sie ihren Skippern in den beiden Landern bitte mitteilen, dass sie die Bereitschaft für die Waffen einstellen können? Ich stehe nicht so gerne im Fokus einer Partikelprojektorkanone.“
Kyrenski beugte sich zu ihr herüber, flüsterte etwas und deutete auf eines der oberen Luks der Kugel.
Sie lachte. „Oder im Fokus eines Scharfschützengewehrs. Sie scheinen gute Leute zu haben, Major Kenderson, wie ich es erwartet habe. Sie und die Hilfe, die Sie leisten können, zum Teufel zu jagen ist eine Dummheit, die ich nicht begehen werde.“
„Natürlich, Ma'am.“ Zorn drückte sein Kehlkopfmikrofon ein wenig, was unnötig war, aber einen guten Showeffekt bedeutete. „Alarmstufe beenden, Halley.“
„Verstanden“, erklang es aus seinem Ohrstecker. Anschließend begannen gelbe Warnlampen im Hangarflackernd zu leuchten.
„Wenn Sie nichts dagegen haben, Mrs. Gouvernor, würden wir sofort entladen und die Kaserne beziehen.“
„Werden Sie für die Entladung gebraucht, Zorn?“, fragte sie.
Kenderson ahnte, worauf dies hinaus lief. „Ich persönlich nicht, aber bei der Anzahl an Mechs werden alle Piloten gebraucht.“
Die resolute Frau wandte sich halb um und pfiff auf zwei Fingern. Zwei agile Schweber schossen auf sie zu, wendete knapp vor den beiden Frauen und dem frisch gebackenen Colonel und senkten sich auf den Boden. Sie deutete auf den vorderen, der mit Fleckentarncameo bemalt war „Das ist Gefreiter Koda. Sein Schweber wird ihrer Kolonne voran fahren und sie zur Kaserne bringen.“ Ihre Hand wanderte zum hinteren, einem zivilen Modell. „Das ist unserer. Bitte begleiten Sie mich in die Gouverneursresidenz und beantworten Sie ein paar unserer Fragen, Zorn. Es wird nicht lange dauern, das verspreche ich. Anschließend wird Lieutenant Bloodbourne Sie zur Kaserne begleiten.“
Zorn nickte. Viel Auswahl hatte er nicht, wenn er die Frau nicht brüskieren wollte, die gerade sehr effektvoll demonstriert hatte, auf wessen Seite sie stand. Oder zu stehen vorgab. „Dann lassen Sie uns keine Zeit verschwenden. Brechen wir auf. Kirran, du führst die Entladearbeiten.“
„Du meinst, Jeannie führt die Entladearbeiten, und ich darf mit ernstem Gesicht daneben stehen und ja nicht den Mund aufmachen“, erwiderte der ComGuard todernst.
„Ich sehe, du hast dich schon gut eingefügt“, scherzte Zorn.
„Möchten Sie noch jemanden mitnehmen?“, fragte Gettysburg salopp.
„Für ein kurzes Briefing werde ich meinen Stab nicht brauchen“, erwiderte Zorn. Was ihm schmerzlich bewusst machte, dass er noch immer keinen Stab hatte, der ihm zuarbeiten konnte. „Und auch keine Verstärkung. Nach ihrer beeindruckenden Demonstration wähne ich mich unter Freunden.“
„Gut, dann lassen Sie uns wirklich keine Zeit verschwenden.“ Sie winkte in Richtung des Zivilfahrzeugs und öffnete die Seitentür für Zorn. Als alle vier Passagiere eingestiegen war, erhob sich das Gefährt wieder auf sein Luftpolster und fuhr davon.
„Machen Sie sich keine Sorgen um Zorn, Leary“, sagte Eleni Pappas. „Er kennt die Menschen und weiß, wem er vertrauen kann. Für alles andere hat er uns.“
Kirran verzog die sonst eher starre Miene zu einem Schmunzeln. „Sind Sie auch gut in der Einheit angekommen, Miss Pappas.“
Die junge Sanglamore-Absolventin war für einen Moment verblüfft. „Er hat das Zeug zum Menschenführer“, entgegnete sie.
„Ja, das hat er durchaus“, sagte Winningham. „Wenn Sie mich entschuldigen, Kirran, Eleni, ich muss meinen Mech raus schaffen.“ Mit diesen Worten und einem letzten Grinsen wandte sich der Dragoner um und erklomm die Rampe, bevor der erste Mech in der Hangaröffnung erschien.
„Sie auch, Eleni“, entschied Kirran.
„Jawohl, Sir“. Sie eilte dem Wolfs Dragoner hinterher.

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Es wurde eine kurze Fahrt, in der die beiden Frauen locker mit ihm plauderten, vor allem über die allgemeinen und daher bekannten Informationen des Husarenstücks seiner Einheit auf St. Jones. Die Hauptstadt Allansville erwies sich als eher ländliche Gemeinde mit vielen, vielen Häusern, aber nur wenigen mit mehr als sechs Stockwerken. Eines davon, ein achtstöckiger Gigant, war das Ziel ihrer Fahrt. Die beiden Männer und die zwei Frauen betraten den großen, breiten Bau über die Haupttür in ein Foyer aus poliertem Granit. Wachleute der Polizei begrüßten die Gouverneurin freundlich und mit ehrlicher Miene. Zorn versuchte aus reiner Gewohnheit zu erkennen, wie ehrlich ihre Lächeln waren, vor allem nach der Szene am Raumhafen, fand aber keinen falschen Ausdruck.
Sharon Gettysburg bemerkte seinen forschenden Blick, und als sie in einem besonders gesicherten Fahrstuhl gestiegen waren und die Türen sich geschlossen hatten, sagte sie: „Seien Sie beruhigt, Major Kenderson. Wenn ich mich auf eine Institution komplett verlassen kann, dann ist es die Polizei. Und ab jetzt wohl bald wieder auch auf die Miliz.“
Kyrenski grinste mit seinem hageren Gesicht so breit, es hätte kleine Kinder erschreckt. „Ich tue, was ich kann, Ma'am.“
„Um es genau zu sagen wird die Polizei von meinem Bruder geleitet. Sie wissen schon, Vetternwirtschaft auf den Randwelten und so. Auch ich bin gezwungen. mich daran zu beteiligen, aber immerhin muss man dann nicht nur Geldmittel an die eigene Familie umschachern, man kann auch ein paar einigermaßen fähige Leute einsetzen, die einen dann tatsächlich unterstützen können. Und man kann die eigenen Verbündeten für die Gelder arbeiten lassen, damit der Planet auch was davon hat.“
„Ich verstehe nicht, aber ich akzeptiere, Mrs. Gouvernor“, sagte Zorn.
„Keine Sorge, ich werde es gleich deutlicher erklären.“
Der Fahrstuhl fuhr ohne Zwischenstopp bis zur höchsten Etage. Es war der neunte Stock, den es eigentlich von außen nicht gab. Es war ein Penthousekomplex, der etwa ein Drittel des Daches einnahm, der Rest war ein sehr großzügiger Dachgarten.
„Die Residenz des Gouverneurs. Seit über zweihundert Jahren. Alleine das reicht schon, um den Job attraktiv zu machen“, sagte Gettysburg. Aber statt auf den Dachgarten führte sie ihn und ihre Begleiter durch mehrere Räume mit besetzten Büros zu einem Konferenzraum.
Dort erwartete sie bereits ein kleiner Imbiss, diverse heiße und kalte Getränke, und, Zorn sah es sofort, kein einziger eifriger Helfer. Oder Mithörer.

Gettysburg wies Zorn den ersten Stuhl der rechten Seite an, ihren beiden Helfern die linke Seite und nahm selbst das Stirnteil ein. Sie setzten sich, die Frau faltete die Hände ineinander und legte die Ellenbögen auf den Tisch, der aus fast schwarzem, polierten Holz bestand, und sah Zorn an. „Karten auf den Tisch, Major. Wenn der Prinz der Vereinten Sonnen für Sie spricht, ist was im Busch, was ich garantiert nicht mögen werde. Hinterlassenschaften des Sternenbunds findet man immer wieder mal oder verteidigt sie so gut man kann, wie die automatisierten MechFabriken auf den Hauptwelten, oder die Sprungschiffindustrie über New Syrtis, und so weiter. Aber was ist es, was sich auf meiner kleinen Welt befinden könnte und so viel Ärger anziehen kann?“
Der MechKrieger atmete tief ein und wieder aus, dann erzählte er ihr, was die Cavaliers im St. Jones-Depot gefunden hatten, und was es wert gewesen war. Dann erzählte er vom Kontrakt mit Hanse Davion, und wie eventuelle Funde aufzuteilen waren, solange er unter Kontrakt stand. Und anschließend, wie er mit der St. Jones-Miliz auseinander gegangen war.
Kyrenski schnaubte dabei erfreut, aber das war die einzige Regung einer anderen Person am Tisch.
„Major Kenderson. Was wissen Sie über meine Welt?“, fragte die Gouverneurin.
„Allans World ist der zweite Planet im System. Sie befindet sich in einem Zeitalter, das dem terranischen Mesozoikum entspricht, genauer gesagt dem Trias. Noch keine Säugetiere, nur kleinere Populationen von Landlebewesen, kaum Räuber, keine Riesenpopulationen, aber schon Wirbeltiere. Da der Planet kaum Achsneigung und keinen Mond hat, kein Wechsel der Jahreszeiten und ein durchgängiges Klima von zweiundzwanzig Grad Celsius, selten Frost, und das nur in Polnähe. Allans World ist etwa marsgroß und zur Hälfte mit Wasser bedeckt. Es gibt einen Gigantkontinent, den irgendein Scherzbold Pangäa genannt hat, in Anspielung auf den terranischen Superkontinent, der während der Kreidezeit existiert hat, und dieser ist mehr oder weniger geformt wie ein Stern mit verschieden großen Zacken und einem sehr großen, dreieckig wirkenden Kern. Die Zacken sind Subkontinente, die auf verschiedenst Weisen in die Sternenmitte eindrücken, und hier sind die einzigen Gebirge des Kontinents zu finden. Die Hauptstadt, in der wir uns gerade befinden, liegt ungefähr in der Mitte dieser Mitte auf einem Hochplateau. Sie ist etwa zwanzig Quadratkilometer groß und beherbergt rund fünfzig Millionen Menschen. Auf der ganzen Welt leben insgesamt dreihundert Millionen, was eine ganz beachtliche Bevölkerung für die Randbereiche bedeutet. Und wahrscheinlich auch die Größe der Miliz erklärt, die ebenfalls beachtlich für eine Randwelt ist.
Was ich wichtig finde, ist, dass die Gebirge jener Subkontinente, die sich in den Hauptkontinent bohren, kein gemeinsames System bilden, also keinen irgendwie gearteten Ring. Es gibt drei Gebirge über viertausend Meter Spitze, und drei kleinere mit Gipfeln bis zweitausend Metern maximal. Ich erwähne es deshalb, weil ...“
„Weil Sie vermuten, dass ihr Depot wie auf St. Jones in eines der Täler der Gebirge eingearbeitet wurde“, schloss Gettysburg. „Oder haben Sie eine Karte?“
Zorn antwortete nicht darauf.
Gettysburg überging das. „Ich ergänze nun ihr Wissen. Wie ihnen aufgefallen sein wird, haben Sie nur zwei Tage vom Nadirsprungpunkt bis zur Hauptwelt gebraucht. Das ist nach kosmischen Maßstäben ein Klacks. Was dazu geführt hat, dass Händler aus der gesamten Inneren Sphäre unsere schöne Welt gerne aufsuchen, um hier gewissen Vorräte aufzufrischen oder einen Landurlaub einzulegen. Zwei Tage hin, zwei Tage zurück, manches Sprungschiff lädt in dieser Zeit seine Sprungspeicher nicht. Was dazu geführt hat, dass vor etwa hundertfünfzig Jahren viele Händler, die die Region oder gar die Peripherie beliefern, nur noch bis zu uns gesprungen sind und hier ihre Waren an ihre Kunden übergeben haben. Langer Rede kurzer Sinn, durch den Vorteil der kurzen Reise haben über die Jahre Dutzende Handelshäuser und Transportfirmen Lagerhallen und Kontore errichtet, und mein Planet ist durch den Handel zu einem für die Region ungewöhnlich hohen Wohlstand gekommen. Was uns natürlich auch zu einem Ziel für Piraterie macht. Zum Glück nicht für die Capellaner oder die Kuritaner. Dafür sind wir zu weit weg. Acht Sprünge durch feindliches Gebiet für einen Überfall oder eine Eroberung ist eindeutig zu riskant. Drei Sprünge in die Peripherie sind da schon gefährlich näher, aber die kleinen Piratenreiche, die wie Sternschnuppen aufglühen und wieder vergehen, sind nicht lange genug stabil, um sich tatsächlich mit uns zu beschäftigen. Für den Rest haben wir die Miliz. Normalerweise.“

Sie atmete aus und wieder ein. „Sehen Sie, Major, wir leben hier ein gutes Leben, haben ein sehr gutes Auskommen, können uns ein gutes Sozialsystem leisten und unsere Akademiker auf den Hauptwelten ausbilden lassen. Wir sind relativ weit von jedem Ärger entfernt, ausgenommen ein paar Piratenüberfälle, Sie verstehen? Aber jetzt, mit dem Gerücht, dass auf unserer Heimatwelt ein Depot liegt, in dem laut einiger dieser Erzählungen Mechs und Waffen in Regimentsstärke eingelagert wurden – ja, so lauten die wagemutigsten Gerüchte – bringt mehr als eine unbeschäftigte Einheit Söldner und Piraten auf diesen Planeten. Ich will ehrlich zu ihnen sein, Herr Major. Ich mag die Aufmerksamkeit nicht, die Allans World wegen dem Depot erfährt, und könnte ich seine Existenz ignorieren oder verschweigen, würde ich das auch tun. Aber ich bin schlau genug, um zu wissen, dass der Springteufel aus der Box raus ist, und wir jetzt das Beste aus der Situation machen müssen. Also bin ich zu dem Entschluss gekommen, Sie und ihre Leute zu unterstützen. Und, ja, ich gebe es zu, die Aussicht auf Mechs und Ausrüstung aus Sternenbundzeiten vielleicht im Wert von zweihundert Millionen C-Noten, versüßt mir diese Entscheidung schon ein wenig.“

Sie erhob sich von ihrem Platz, ging zu einem der Beistelltische und kam mit einer Kanne Kaffee wieder. Sie schenkte Zorn ungefragt ein, versenkte zwei Würfelzucker und einen Schuss Kaffeesahne im schwarzen Getränk und bediente dann Kyrenski und Bloodbourne, und abschließend sich selbst, bevor sie sich wieder setzte. Als alle mindestens einen Schluck genommen hatten, fuhr sie fort. „Ich musste Sie kennenlernen, Major Kenderson, um zu sehen, ob Sie den Ärger wert sind. Kein Verwaltungsmensch mag Krieg in seinem Zuständigkeitsbereich. Aber wie der große ComStar-Gründer Jerome Blake dazu gesagt hat: Stell dir vor, es ist Krieg und keiner geht hin. Dann kommt der Krieg zu dir.“
„Trotzki“, platzte es aus Zorn heraus. „Das hat Leo Trotzki gesagt. Einer der Konstrukteure des gescheiterten Sowjetexperiments auf der prästellaren Erde.“
Gettysburg grinste plötzlich. „Test bestanden. Ich gehe also davon aus, dass Sie und ihre Leute keine Undercover-Einheit von ROM sind, dem ComStar-Geheimdienst. Das ist äußerst beruhigend, denn es heißt, die ROM-Leute und die ComGuards würden bei den Kuritanern mitmischen, was doch sehr gegen ihr Neutralitätsversprechen verstößt und unnötigen Ärger für meine feine, kleine Welt bedeutet hätte.“
„Kirran Leary ist Adept bei ComStar“, sagte Zorn, vor allem, weil die Frau das bereits wissen musste.
Bloodbourne kicherte leise, Kyrenski lachte wiehernd.
„Das ist bekannt, Major Kenderson. Aber ich bin froh, dass Sie es noch mal ausdrücklich gesagt haben. Also weiter im Text. Es sind bereits mehrere Einheiten gelandet, fünf insgesamt, keine viel größer als eine Lanze Mechs mit Unterstützungseinheiten, die teils bereits losgezogen sind, um das Depot zu suchen, wobei die Schlaueren Leute ausgeschickt haben, die in unseren Archiven nach Hinweisen suchen, wo das Depot gefunden werden könnte. Es werden noch mehr hinzu kommen. Sie können sicher sein, dass diese Leute viel Geld in die Hand genommen haben, um hierher zu kommen. Und wenn Sie das Depot finden und öffnen, Kenderson, kann es sein, dass diese Einheiten ihnen diese Beute abzujagen versuchen. Oder erfolgreich sind und das Depot vor ihnen erreichen. Wir haben mit jeder dieser Einheiten einen Kontrakt und werden so oder so die Hälfte des Inhalts erhalten. Falls die sich an ihren Teil des Vertrags gebunden fühlen. Was ich bei ihnen und den Cavaliers als gegeben ansehe.“
Zorn nickte dazu. „Natürlich, Mrs. Gouvernor.“
„Was bedeutet, am liebsten hätte ich es, wenn Sie das Depot finden, öffnen und den Inhalt gemäß des Vertrages aufteilen.“
Zorn nickte erneut.
„Da Hanse Davion ihr Auftraggeber ist, sollten Sie insofern beruhigt sein, dass wir Sie nicht übervorteilen werden. Das hätte Luckner gemacht. Er hat auch alles versucht, um das durchzusetzen. Aber letztendlich hat er mich unterschätzt und seine eigene Genialität überschätzt.“ Das Wort „Genialität“ sprach sie mit so viel tragendem Schmerz aus, dass die Gouverneurin Zorn spontan leid tat. Dahinter musste eine interessante Geschichte stecken.

Sie trank ihren Kaffee aus und schenkte sich nach. „Noch Kaffee, Major?“
„Danke, ich habe noch. Sie werden sicher verstehen, dass ich den Kreis der Leute, die von der Position des Depots wissen, klein halten möchte, vor allem wenn schon Zaungäste angekommen sind. Zugleich sollten wir uns aber auch beeilen, denn natürlich gehe ich davon aus, dass Janard Medice sich mindestens einmal den entsprechenden Teil seiner Schatzkarte angesehen hat. Der beschreibt zwar nur den ungefähren Ort, ab da muss man schon kräftig suchen. Aber im richtigen Gebirge zu sein, ist schon sehr hilfreich, geschweige denn im richtigen Tal. Was mich zu einigen Fragen bringt. Wie zum Beispiel ist die Miliz aufgestellt und kann ich im Notfall Hilfe erwarten?“
„Clannad?“
„Wir haben eine Regimentskampfgruppe, die aber über den gesamten Planeten verteilt ist“, erklärte der neue Oberst der Miliz. „Also Mechs, Panzer, Infanterie, Luft/Raumjäger, Artillerie, eigene Landungsschiffe und dergleichen. Um es in Zahlen auszudrücken: Anderthalb Bataillone Mechs, hauptsächlich leichte und mittelschwere, dafür aber achtundfünfzig Maschinen, drei in Reserve, ältere Modelle mit Dritter Nachfolgekrieg-Bewaffnung, was sie im näheren Umkreis zu den modernsten macht, aber eben kaum schwere und keine überschwere Mechs darunter. Panzer zwei Bataillone, die sich relativ gleichmäßig auf leicht, mittel und schwer verteilen. Sechs Bataillone Infanterie, teils als Spezialeinheiten ausgerüstet zur Mechbekämpfung, teils als Sprungtruppen. Zehn VTOL zu Kampfzwecken, zwei große VTOL als Transporter. Sechs Luft/Raumjäger. Über den Planeten verteilt in fünf Horsts noch einmal dreißig atmosphäregebundene Jäger. Vier Kompanien Artillerie, die ebenfalls auf dem Planeten verteilt sind, zwei Kompanien Pioniere. Dazu können wir noch mit einer Woche Vorlaufzeit etwa fünftausend Infanteristen ausheben und mit moderner Sprungtruppenausrüstung versorgen. Diese Reserveeinheiten trainieren regelmäßig auf ihrer Ausrüstung. Was unseren Erfahrungsstand betrifft: Insgesamt schätzt uns New Avalon als „regulär“ ein.“
„Und wie viel Hilfe kann ich erwarten, sollte es hart auf hart kommen?“
Kyrenski räusperte sich. „Das kommt natürlich auf die Situation an, in der wir uns befinden. Ich kann ihnen jetzt und hier eine Lanze Leichte Mechs und eine Kompanie gemischte Panzer versprechen, dazu einen Zug Pioniere mit Räumgerät. Sollten Sie in echte, lebensbedrohliche Bedrängnis kommen, werde ich mit allem kommen, was ich zu dem Zeitpunkt übrig habe. Sollten wir selbst zu der Zeit in der Scheiße stecken, wovon ich nicht ausgehe, aber es tun muss, können Sie nur haben, was ich entbehren kann, Herr Major.“
„Für den Moment also fünf Mechkrieger mit vier leichten Mechs“, stellte Zorn fest. „Haben Sie eventuell weitere entrechtete Mechkrieger zur Verfügung? Ich habe während des Fluges zwei entrechtete Krieger über ComStar anwerben können, die heute oder morgen eintreffen werden, aber ich möchte niemanden auf diesem Planeten selbst rekrutieren. Die Gefahr ist zu groß, dass mir ein trojanisches Pferd untergeschoben wird. Schon wieder. Wenn die Miliz allerdings für die Piloten bürgt ...“
„Wir haben einen leichten Überhang an Piloten. Ich kann ihnen zwei versprechen, wenn Sie mir im Gegenzug ihr Wort geben, sie der Miliz zurückzugeben, wenn sie einerseits noch leben, andererseits die Mission beendet ist.“
„Ihre Leute werden wohl gültige Kontrakte haben, die sie erfüllen müssen“, hakte Zorn nach. „Daher dürfte sich die Frage nicht stellen.“
„Die Leute, die ich ihnen geben will, sind Reservisten. Sie haben nur den üblichen Aktivierungsvertrag für den Ernstfall. Aber es sind gute Piloten, dich ich gerne in der Miliz behalten würde“, erklärte Clannad Kyrenski.

Zorn dachte nach. Vier Piloten also, bei denen er beinahe sicher sein konnte, sich kein Kuckucksei ins Nest zu holen. Dazu eine Lanze mit Piloten und dazu Bloodbourne und zwei weitere Reservepiloten. Machte sieben. Das war ein guter Anfang. „Was die Einheiten betrifft, die bereits auf dem Planeten sind ...“
„Insgesamt zweiundzwanzig Mechs und etwa die gleiche Zahl Panzer, insgesamt unterstützt von dreihundert Infanteristen und Unterstützungstruppen plus Familien in der gleichen Zahl. Es sind halbwegs anständige Einheiten mit durchaus passablem Ruf, daher haben wir sie landen lassen und ihre Suche nach dem Depot kontraktiert. Nein, sie arbeiten nicht zusammen. Noch nicht. Zwei Einheiten fallen da besonders heraus, weil der schwerste Mech der einen ein Atlas ist, während der schwerste Mech der anderen ein Marodeur mit recht merkwürdigen Umbauten ist. Sie werden mir zustimmen, dass ein SturmMech in einer Einheit von insgesamt sechs Maschinen ein wenig merkwürdig ist, und ein umgebauter Marodeur in einer Vierertruppe, die zudem aus weiteren schweren Maschinen besteht, ebenso.“
„Sie meinen jetzt nicht umgeflickt?“, fragte Zorn.
„Nein. Umgebaut. Aus dem Marodeur wurde ein kleines Monster gemacht.“ Kyrenski schob Zorn eine dicke Mappe zu, auf der auch ein Speicherchip lag. „Ich habe ihnen das Wichtigste schon mal ausgedruckt, aber die Gesamtdaten auf dem Speichermedium. Wir haben die Mechs alle nach der Landung inspiziert, alleine wegen Konterbande und dergleichen. Jeanne Walton, unsere MeisterTech bei der Miliz, war vom Umbau dermaßen beeindruckt, dass sie diesen Marodeur erfasst und „Marodeur II“ genannt hat. Soweit ich weiß, hat sie die Werte der Maschine nach New Avalon gesendet, einfach weil sie die Konfiguration so interessant fand. Übrigens ist die Maschine dadurch von fünfundsiebzig auf einhundert Tonnen Kampfgewicht gestiegen.“
Zorn pfiff anerkennend. Er wusste, was ein gut austarierter SturmMech mit einer leichteren Maschine machen konnte, wenn der Pilot gut war und den Geschwindigkeitsnachteil gut kompensieren konnte. „Die Umbauten sind auch auf dem Chip?“
„Natürlich sind sie das. Die Einheit mit dem Atlas ist ein alter Bekannter auf unserem Planeten, der von umliegenden Systemen gerne als Garnisonseinheit oder als Werksschutz angeworben wird. Als eilige Feuerwehr.“
„Also bei Bedarf.“
„Und das lassen sich die Freemonds Firefighters auch ziemlich gut bezahlen. Soweit wir wissen, hatten die Firefighters auch ein paar Einsätze außerhalb des Gebietes der Vereinten Sonnen in der Peripherie, aber das ist über zehn Jahre her. Die Einheit existiert schon über siebzig Jahre. Sie ist relativ kampfstark und hat gute Leute.
Die andere Einheit, Logans Hangmen, die mit dem Marodeur II, ist uns nicht bekannt, jedenfalls nicht persönlich. Aber einer unserer Nachbarn hat sie mit einem Verigraphbrief ausgestattet, in dem sich Gouvernor Claus für die Hilfe dieser Einheit bedankt. Wir sind uns nicht sicher, ob sie Piraten sind oder nicht. Nach eigenen Angaben kommen sie aus der Marianischen Hegemonie und durchwandern seit etwa zehn Jahren die Außenbereiche der Inneren Sphäre. Da wir ihnen Piraterie aber nicht beweisen können, durften auch sie landen, Sie verstehen, Major?“
Zorn nickte. „Besser eine bekannte Gefahr auf dem Planeten als eine unbekannte.“
„Richtig, Major Kenderson. Das waren die guten Nachrichten“, sagte Gettysburg. „Die schlechten sind, dass wir Spuren von Landungen entdeckt haben, aber nicht die Gelandeten selbst. Wir haben keine vollumfassende Raumüberwachung, und auf den Inseln und Kleinkontinenten im Gesamtozean gibt es kaum weitere Siedlungen, sodass ein wagemutiger Landungsschiffkapitän durchaus auf der anderen Seite des Planeten in die Atmosphäre eintreten kann, um dann im Atmosphäreflug Pangäa zu erreichen. Tatsächlich gibt es genau drei Signale, die auf eine solche Landung schließen lassen und die uns Sorgen machen, weil wir nicht wissen, was, wer und wie viel angekommen ist. Ich habe immer darauf gepocht, das Budget der Raumüberwachung zu erhöhen und ein engeres Satellitennetz um den Planeten zu spannen, aber die damit verbundenen Kosten inklusive Relaisstationen auf dem Planeten selbst wurden bisher immer als unnötig aus dem Haushalt gestrichen. Hätte ich mich da mal durchgesetzt, als es hier noch ruhig war.“
„Verstehe.“

Zorn zog eine Karte des Superkontinent Pangäa hervor. „Ich traue ihnen jetzt genug, um Sie einzuweihen. Ich habe vor, sobald der letzte Pilot zur Einheit gestoßen ist und und wir eine Lanze Burke-Panzer von einem hiesigen Händler übernommen haben, sofort zum Depot aufzubrechen und vollendete Tatsachen zu schaffen. Laut meinen Informationen liegt das Depot in den Artif-Bergen in einem von einem Fluss namens Risha gebildeten Tal. Falls die Miliz Aktivitäten im Gebirge oder gar im Tal selbst beobachtet, wäre das eine Information, die Sie mir unbedingt weitergeben sollten.“
„Wir wissen es zu schätzen, dass Sie uns einweihen, Major Kenderson. Ich sehe allerdings auch, dass Sie ein schlauer Junge sind“, sagte Gettysburg mit dem Anflug eines Schmunzelns. „Immerhin ist das Risha-Tal in den Artif-Bergen über zwanzig Kilometer lang und an der größten Stelle drei Kilometer breit, sodass allein das Wissen um die Existenz des Depots dort nur einen geringen Vorteil bringt. Oder ist es ganz woanders, und Sie spielen nur mit uns?“
Zorn runzelte die Stirn, während er die Karte wieder einsteckte. „Ich habe keine Zeit für Spielchen und Firlefanz. Ich sagte es bereits, ich vertraue ihnen genug, um dieses Wissen zu teilen. Am Ergebnis, sollten wir erfolgreich sein, ändert es nichts.“ Er sah zu Kyrenski herüber. „Wann kann ich mit der Lanze und den Panzern rechnen?“
„Sie ist in ihrer Kaserne stationiert. Lieutenant Han, ihr Kommandeur, wird sich bei ihnen melden und die Mechs vorstellen, Major Kenderson. Die Panzer treffen im Laufe der Nacht ein.“
„Die Heuschreck-Pilotin“, stellte Zorn fest.
Gettysburg grinste. „Ich habe den Namen nur einmal erwähnt. Mein Vertrauen ins Sie wächst. Und ich fühle Zuversicht, dass unser Anteil am Depot auch in unsere Hände kommt. Was mich auch zu einer Frage führt, Mr. Kenderson: Erwarten Sie, dass Janard Medice hierher kommen wird?“
„Nun, meine Einheit war zwei Sprünge und zwei Tage Flugzeit von diesem Planeten entfernt, und trotzdem haben wir über einen Monat gebraucht, alleine um Ordnung in meine Einheit zu bekommen. Seit meiner Warnung haben es fünf andere Gruppen auf diesen Planeten geschafft, und wer weiß wie viele hier sind, das aber nicht an die große Glocke hängen. Zudem ist es das nächste Depot, von St. Jones aus gesehen. Also denke ich, ja, Janard wird hierher kommen. Ich bin sicher, eine der Einheiten, die hier gelandet ist, hat Verbindungen zu ihm, ob es den Leuten bewusst ist oder nicht. Er selbst hat genügend Zeit, um selbst herzukommen und ist es vielleicht sogar schon. Und sollte er tatsächlich so dreist sein und hier erscheinen, wird er eine sehr nachtragende Gruppe von kampferfahrenen Söldnern erleben, für die die Sache persönlich ist.“
„Ich sehe, es war eine sehr gute Idee, auf Sie zu setzen, und nicht auf Luckner. Nicht, dass ich vorhatte, auf ihn zu setzen. Über kurz oder lang hätte ich ihn abberufen müssen, damit meine Miliz funktionsfähig bleiben kann. Jetzt ist es eben eine heiße Entlassung geworden.“
„Das ist eine hoffnungslose Untertreibung, und sie gefällt mir.“ Zorn erhob sich und reichte der Gouverneurin die Hand. „Auf gute Zusammenarbeit, Mrs. Gouvernor. Sagen Sie Zorn zu mir.“
Die Frau ergriff die Rechte und drückte sie fest. „Danke, Zorn. Sagen Sie bitte Sharon zu mir. Ach, und noch einmal: Sie und die Cavaliers, herzlich willkommen auf Allans World. Wir haben ihren Rücken, nicht nur, weil Hanse Davion auf ihrer Seite ist, sondern weil wir uns bemühen, ehrliche Menschen zu sein und auch zu bleiben. Aber vergessen Sie nie, so beeindruckend Sie die Größe unserer Miliz auch finden, wir müssen dreihundert Millionen Menschen beschützen. Dies ist unsere größte Priorität.“
„Ich bin mit der Hilfe, die Sie mir leisten, bereits mehr als zufrieden.“ Zorn reichte auch Kyrenski die Hand. „Ich bedanke mich für die Scoutlanze, die Panzer und die anderen Truppen, Colonel Kyrenski.“
„Oh, sagen Sie Clannad zu mir. Wenn ich Zorn sagen darf.“
„Natürlich dürfen Sie das, Clannad. Kommen Sie, Bloodbourne. Sie wollten in der Kaserne zu uns stoßen, und ich gehe davon aus, dass Sie ohnehin mit mir mitfahren wollten.“
„Ja, Sir.“
„Eines noch, Sharon, Clannad. Lieutenant Bloodbourne ist in der Truppenleihgabe der Miliz eingebunden?“
„Nein, Zorn. Second Lieutenant Han führt die Mechs, First Lieutenant Steyer die Panzer, beide unter ihrem Kommando. Lieutenant Bloodbourne ist unsere direkte Verbindungsoffizieren und untersteht ihrem Befehl, aber sie ist auch als unsere Stimme und unsere Augen und Ohren vor Ort und wird drauf achten, dass wir als Freunde scheiden.“
„Gut, dass das geregelt ist. Bevor ich aufbreche, werde ich mich melden, Sharon. Und ich werde Sie stets darüber informieren, was ich tue, Clannad.“
„Eventuell werden wir als sehr gute Freunde scheiden“, sagte der frischgebackene Milizchef. Es klang durchaus aufrichtig.

Auf der Treppe vor dem Verwaltungsgebäude stand Zorn für einen Augenblick ein wenig verloren. „Lieutenant, wie kommt man in dieser Stadt in meine Kaserne?“
Die junge Frau erschien verdutzt. „Eigentlich sollte ein Schweber der Bereitschaft hier auf uns warten.“
„Ich habe mir erlaubt, den Fahrer zu schmieren, damit er wegfährt“, erklang eine ältere Männerstimme. „Stattdessen lade ich Sie herzlich ein, mit mir mitzufahren, Major Kenderson. Und Sie natürlich auch, Lieutenant Bloodbourne.“
Zorn wandte sich dem fremden Mann zu. „Und Sie sind …?“
„Auf jeden Fall kein Entführer. Ich bin Charles Freemond von den Freemonds Firefighters, hierher gekommen auf der Suche nach dem Depot, von dem Sie berichtet haben, Major Kenderson. Sehen Sie, ich bin nicht nur kein Entführer, ich sehe mich auch nicht als ihr Feind an.“
Ein Truppentransportschwebepanzer fuhr vor und hielt an der Treppe. „Es würde mich freuen, wenn Sie meine Einladung annehmen, und wir unsere gemeinsamen Grenzen abstecken könnten.“
Zorn runzelte die Stirn. Das hatte schon was von einer Entführung. Da aber keiner der Polizisten vor dem Gebäude in irgend einer Form reagierte, sah er Jessica Bloodbourne an. „Lieutenant?“
„Ich gebe dem HQ Bescheid, dass Captain Freemond uns zur Kaserne fahren möchte.“ Sie zog ein kleines Funkgerät aus der Tasche, meldete sich bei einem Funkposten an und erklärte die Situation. Danach steckte sie es wieder weg. „Erledigt. Sie haben elf Minuten, bevor man in der Kaserne nervös werden wird, Charles.“
„Dann lassen Sie uns keine Zeit verlieren.“
Die Heckklappe öffnete sich und ihr Gastgeber bat sie herein. Der Innenraum war erstaunlich geräumig, und es erwartete sie ein Tisch mit einigen Erfrischungen. „In zehn Minuten zur Kaserne, Paul.“
„Geht in Ordnung, Chief!“
Kaum war die Heckklappe geschlossen worden, fuhr das Vehikel an. Es gab einen kräftigen Ruck, als sich das Luftkissen aufbaute, dann beschleunigte das Gefährt.
„Wie weit entfernt ist die Kaserne, wenn ihr Fahrer bereits jetzt Vollgas gibt?“, fragte Zorn leicht pikiert.
„Keine Sorge, wir sind nur fünf Minuten entfernt. Aber der Stadtverkehr kann um diese Uhrzeit etwas heftig werden. Wenn wir an roten Ampeln stehen müssen, ist es von Vorteil, wenn wir einen Vorsprung haben.“ Freemond deutete auf den Tisch. „Bitte bedienen Sie sich.“
Zorn zuckte die Schultern. Er war gut versorgt worden bei der Gouverneurin, aber ein Mineralwasser ging immer. „Kommen wir gleich zur Sache, Captain.“
„Das ist mir Recht, Major Kenderson. Mir ist klar, dass Sie den größten Vorteil bei dieser Geschichte haben. Mein Plan ist, ihnen auf den Fersen zu bleiben, um den Standort des Depots herauszufinden. Ich habe dabei nicht vor, ihrer Einheit dazwischen zu gehen. Aber: Sollten meine Leute das Depot zuerst finden, würde ich gerne aus ihrem Mund hören, dass Sie als stärkere Einheit uns nicht davon wischen wie lästige Fliegen. Ich würde dann gerne den gerechten Anteil für meine Einheit bekommen.“
„Darüber lässt sich reden“, erwiderte Zorn.
„Sollten Sie aber das Depot zuerst finden, ist für mich und meine Leute außer Unkosten nichts zu holen gewesen. Allerdings ist der Grabenfunk heftig am Summen, Major Kenderson. Sie haben eine beachtliche Streitmacht und gute Piloten, und die Miliz unterstützt Sie ebenso. Aber es sind mittlerweile genügend Mechs auf diesem Planeten, um ihnen Schwierigkeiten zu machen. Sollten Sie in solche Schwierigkeiten geraten, bevor oder nachdem Sie das Depot gefunden haben, zögern Sie nicht, die Firefighters zu Hilfe zu rufen. Wir werden Sie unterstützen, zu einem angemessenen Preis, je nach Grad der Gefahr.“
„Sie meinen, wenn wir bis zur Oberkante der Unterlippe in der Jauche stehen, kommen Sie uns für das halbe Depot retten.“
„Wir werden das tatsächlich vor Ort aushandeln müssen. Ansonsten, das kann ich ihnen versichern, wird kein Firefighter mit den Cavaliers interferieren. Sehen Sie uns als Rivalen in einem Sport an, nicht als Feinde. Wenn Sie also meinen Atlas im Fadenkreuz ihres Marodeurs haben, seien Sie versichert, dass mein Mech nicht auf Sie feuern wird. Ich erhoffe mir das Gleiche von ihnen, Major.“

„Ein Nichtangriffspakt.“
„Wenn Sie so wollen, ja. Ich bin nicht so größenwahnsinnig, mich mit ihnen anzulegen. Wie man hört, ist das eine schlechte Idee, wenn Prinz Hanse, lange möge er regieren, seine schützende Hand über ihnen hält. Ich bin Davion-Loyalist und mag kein Friendly Fire. Aber ich habe Kosten, muss eine Einheit ausrüsten, bewaffnen und ernähren. Wenn schneller als Sie am Depot zu sein bedeutet, dass ich einen Braten auf den Tisch bringen kann, werde ich das tun. Und wie ich gehört habe, sind diese Depots so ergiebig, dass es für einige Braten bei einigen Einheiten reichen dürfte.“
Zorn verkniff sich ein Grinsen. „Mir geht es nicht so sehr um die Werte, als zu verhindern, dass Janard Medice sie in die Finger kriegt“, sagte er bestimmt.
„Das ist ein Punkt, bei dem Sie sich absolut auf meine Firefighters und mich verlassen können. Wir paktieren nicht mit Piraten und Mördern. Erst Recht nicht mit Idioten, die ein ComStar-HPG samt Besatzung ausradieren wollen, um ihre Taten so lange wie möglich zu verschleiern. Ich mag keine Dummköpfe.“
Zorn trank sein Glas aus und stellte es ab. Gerade rechtzeitig zum sehr nachhaltigen Stopp des Schwebers.
„Sind da, Chief.“
„Okay, Paul.“ Freemond sah auf seine Uhr. „Sieben Minuten. Nicht gut, aber auch nicht schlecht. Haben wir einen Deal, Major?“
„Ich denke, wir haben einen Deal, Captain.“ Zorn erhob sich und reichte dem Anderen kurz die Hand. Der griff zu und drückte fest.

Die Heckklappe öffnete sich, um ihn und Bloodbourne rauszulassen.
„Wir sehen uns am Depot, Major Kenderson“, rief Freemond ihnen nach. Danach fuhr der Schweber wieder ab.
„In dem Punkt war er zuverlässig.“
„Seine Einheit hat auch ansonsten einen guten Ruf, Sir“, sagte Bloodbourne. Sie machte eine unwirsche Kopfbewegung. „Geldgierig waren die Firefighters bisher auch nicht, aber Gelegenheit und so. Kommen Sie, Major Kenderson. Dies ist ihre Kaserne, während Sie auf unserer schönen Welt sind.“
Zorn erstarrte, als er das Refugium das erste Mal bewusst ansah. Er hatte einen MechHangar erwartet, dazu eine Truppenunterkunft. Stattdessen erschlug ihn eine acht Meter hohe Mauer zur Mechabwehr und ein riesiges, Stahlbewehrtes, geschlossenes Portal. „Sind das Schwere Laser auf den Ecktürmen?“
„Luftabwehr, Sir. Immerhin, diese Kaserne ist tatsächlich aus den Zeiten des Sternenbunds, erbaut in den Vereinigungskriegen. Das gibt der Geschichte mit dem Depot erhebliche Legitimität.“ Sie deutete auf ein in die Stahlwand eingelassenes Personenschott. „Wir müssen da durch.“
„Gehen Sie voran, Bloodbourne.“ Okay, bis zu diesem Punkt war er beeindruckt. Eine interessante Welt, diese Allans World.

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5.
31. Mai 3043
Kaserne der Cavaliers
Allansville, Planetare Hauptstadt
Hauptkontinent Pangea
Allans World

„Überraschung“, sagte Jeannie Crawford und nahm die Hände von Zorns Augen.
„Die Überraschung ist ihnen gelungen, MeisterTech“, gestand Zorn. „Ich nehme an, das war mal der Kreuzritter, den ich abgeschossen habe, als er das ComStar-HPG angegriffen hat? Oder vielmehr die Miliz?“, fragte Zorn, auf den menschenähnlichen Giganten deutend, der vor ihnen in einem Mechgerüst hing, und nur noch einige wenige offene Wartungsklappen aufwies, sowie ein wenig fehlende Panzerplatten, etwa dreißig Prozent.
„Ja. Dank der Ersatzteile aus dem Depot konnten wir hier und da etwas improvisieren und ihn fast wieder zusammenbauen. Wir mussten hier und da etwas improvisieren, und da läuft noch die Abstimmung. Aber der Computer läuft, die Maschine bewegt sich, die Waffen funktionieren. Ich bin also stolz darauf, ihnen in zwei, drei Tagen eine funktionsfähige Ersatzmaschine anbieten zu können.“
„Was zwei zusätzliche Wochen bringen können. Haben Sie noch mehr solcher Überraschungen auf Lager, Jeannie?“
„Nun, wir arbeiten noch an der Valkyrie, die dem Alten aufs Cockpit gesprungen ist. Die haben Sie sauber gedrittelt mit der Axt, Sir. Vier bis sechs Wochen normale Schichtarbeit, und ich kann sie wieder in Kampfbereitschaft überführen. Nicht, dass das uns heute etwas hilft. Außerdem habe ich gewissen Hoffnungen, den Skorpion wieder zu reaktivieren. Falls uns die richtigen Ersatzteile über den Weg laufen, denn die Vierbeinigen sind tricky und lassen sich nicht so ohne weiteres auf die normalen zweibeinigen Mechs und deren Ersatzteile umstellen, zumindest was die Aktivatoren angeht. Das Gleiche würde ich gerne für den Atlas melden, aber das Ding taugt wirklich nur noch als Ersatzteillieferant. Was aber den Centurion angeht: Sollten Sie einen Attentäter oder einen Donnerkeil auftreiben, könnte ich was zaubern. Allerdings, Vorhaltezeit auch rund sechs Wochen.“
„Das klingt hervorragend. Gerade für unsere Situation.“
„Was ist mit neuen Mechs?“, fragte die MeisterTech. „Es müssen ja keine Brandneuen sein, aber das Geld, um auf dem Markt was zu kaufen, ist da.“
„Ich sehe ihren Einwand, Jeannie, aber ich bin froh, dass ich auf jeden kampfbereiten Mech einen Soldaten setzen kann. Oder im Fall von Duvalle und Ventis, dass Ellie und Thomas die Maschinen zumindest ins Einsatzgebiet bringen können, bis die beiden wieder fit sind. Wir haben das Problem, zu viele Maschinen für zu wenige Piloten zu haben. Auch, nachdem wir Winningham vier Maschinen gegeben haben. Und reden wir nicht über Bloodbourne und Henriks und Steinfeld, die uns als Piloten zur Verfügung gestellt wurden.“
„Vor allem ist damit Captain Winningham derjenige, der über die größte eingespielte Einheit verfügt“, sagte Crawford.
„Und genau deshalb habe ich die Scoutlanze von Lieutenant Han, die uns auch zur Verfügung gestellt wurde, ihm unterstellt. Damit haben wir wenigstens eine vollständige Kompanie.
Was haben Han und ihre Leute mitgebracht?“, fragte Zorn. „Die beiden Heuschrecks, die wir gesehen haben, nehme ich an.“
„Ja, und dazu noch eine Hornisse und ein Stadtkoloss. Gar nicht mal so alte Maschinen. Sehr überraschend hier in der Peripherie. Allerdings, Techs hat Kyrensky keine mitgeschickt. Gut, dass ich über einen großen Mitarbeiterpool verfüge. Ich habe auch schon mit Corporal William Shanks gesprochen, Sallys Stellvertreter. Also dem von Lieutenant Han. Die anderen beiden sind PFC und Flügelmänner. Henrich Chau und Legal Jones.“ Jeannie grinste. „Legal ist eine Frau, etwa Mitte zwanzig. Chau pilotiert “
„Legal ist ein ganz merkwürdiger Name“, sagte der Major.
„Es geht eben nichts über den Stolz einer Mutter. Und außerdem sollten Sie so etwas nicht gerade sagen, Zorn Kenderson.“
Zorn hob beide Hände. „Tadel verstanden, Jeannie.“

„Stimmt es eigentlich?“, fragte die MeisterTech unvermittelt.
„Stimmt was eigentlich?“, erwiderte Zorn.
„Mal abgesehen von den anderen beiden Reservepiloten, Jelena Krivic und Hasso Wardsteiger. Stimmt es, dass ...“
„Ich habe sie beide für Ventis' Scoutlanze eingeteilt. Und bevor Sie fragen, ja, solange Sergeant Ventis noch dienstuntauglich ist und Jackson ihren Feuerfalken im Moment nur bewegen darf, braucht es einen Anführer für die Scoutlanze.“
„Und Sie haben einen aufgetrieben, Zorn?“
„Sagen wir, es hat sich ergeben, dass ...“
„ZORN!“
Der Major fuhr beim Klang der Stimme herum. Es war gerade rechtzeitig, damit er die Arme hochreißen konnte, um das wilde Bündel schwarzer Krauslocken aufzufangen.
„ZORN! Ich bin so froh, dich wiederzusehen!“
Einige Infanteristen im MechHangar, die ob des ungewöhnlichen Vorgangs ihre Waffen hochgerissen hatten, senkten die Mündungen wieder zögerlich, da der Chef keine Anstalten machte, diesem Angriff zu entkommen.
„Ich bin auch froh, dich wiederzusehen, Mala. Und wenn du hier bist, dann ...“
„Natürlich, Major Kenderson. Dann ist Nikki nicht weit entfernt.“ Eine große, schlanke Frau mit langen glatten schwarzen Haaren und milchkaffeefarbener Haut kam in den Hangar und salutierte vor Zorn. „Nicole Farnsworth und Mala N'Gombe melden sich zum Dienst.“
„Rühren, Lieutenant. Steh bequem, und tu nicht so, als wäre ich dein Akademielehrer.“
„Du bist nicht allein, Zorn“, erwiderte Farnsworth mit Blick auf Jeannie.
„Mala stört das nicht besonders“, sagte dieser, auf die junge Frau deutend, die ihn umklammert hielt wie eine Ertrinkende.
Nicole lachte auf. „Das musst du verstehen. Seit deine Nachricht gekommen ist, redet sie von nichts anderem mehr, als dich wiederzusehen. Die Kleine hat halt einen Narren an dir gefressen.“
„Ich bin KEINE KLEINE! Hmpf!“, machte Mala frustriert. „Außerdem, wenn Zorn militärischen Drill bei einer einfachen Begrüßung erwartet, hätte er schon längst was gesagt.“
Sie ließ den Major ein Stück weit los, um sich ein bisschen von ihm zu entfernen. „Das hättest du doch, oder, Zorn?“
„Sagen wir, nach deinem Angriffssprung, und gemessen an der Tatsache, dass du beide Beine um meine Hüften geschwungen hast und ich dich also nur mit wesentlicher Mühe von mir runter bekomme, habe ich mich diesmal gefügt, Mala“, sagte Zorn nicht ohne Ironie.
Die junge Frau mit den großen braunen Augen und den für MechKrieger so typisch ausrasierten Schläfen, der dunklen Haut und der prächtigen Mähne an Krauslocken drückte sich wieder an ihn. „Nun lass mich doch wenigstens ein paar Sekunden meinen Zorn an mich drücken“, murrte sie. „Wir haben uns drei Jahre nicht gesehen.“
„Dreieinhalb“, wandte Farnsworth ein.
„Ähemm“, machte jemand neben ihnen. „Miss, wenn es ihnen nichts ausmacht, könnten Sie vielleicht vom Major runterklettern. Außer, Sie haben vor, ihn zu ehelichen, oder etwas in der Art.“
„Wer ist das, Zorn?“
„Das ist unsere MeisterTech. Jeannie Crawford. Sei nett zu ihr, hörst du?“
„Oooookay.“ Sie drückte Zorn einen dicken Kuss auf die linke Wange auf und begann, ihre eigenen Beine wieder zu benutzen. „MeisterTech Crawford. Es freut mich, Sie kennenzulernen. Und nein, ich beabsichtige nicht, den Major zu ehelichen. Sonst könnte meine Freundin Einwände erheben.“
„Äh, ja?“, machte Jeannie.
„Um das zu erklären, ich kenne N'Gombe und Farnsworth aus meiner Akademiezeit. Wir haben auch ein aktives Jahr nach der Akademie bei der hiesigen Miliz zusammen absolviert. Seither sind wir Freunde. Als ich bei all meinen Bekannten, die Soldaten oder Söldner sind, nachgefragt habe, wer verfügbar ist und kommen könnte, stellte sich heraus, dass die beiden ohnehin gerade in der Region unterwegs waren. Ich habe sie dann kurzerhand zu uns umgeleitet. War zum Glück eine Davion-Armee-Einheit, sodass ich die Fürbitte vom Prinzen einholen konnte. Wird uns sicher noch was kosten, aber jetzt sind sie erst mal hier.“ Er sah zu Farnsworth herüber. „Nikki, ich habe eine nicht existierende Scoutlanze, deren Chefin mindestens noch eine Woche Cockpitverbot hat. Das übernimmst du. Mala, du kommst in meine Lanze.“
Nur widerwillig zog N'Gombe ihre Arme von Zorns Nacken fort. „Was für Muster hast du uns denn anzubieten? Ich meine, ein Mech ist besser als kein Mech, aber es gibt Unterschiede.“
„Ihr kommt beide auf Hermes.“
„Du speist uns mit Dreißigtonnern ab, Zorn?“ Nun trat auch Farnsworth heran. So nahe, als wollte sie den Major küssen. Was sie dann auch tat. „Es tut richtig gut, dich wiederzusehen. Das hätte ich nach all der Zeit nicht gedacht, Schatzi.“ Sie sah an Zorn herab. „Und ich bin nicht die Einzige mit dieser Meinung.“
Kenderson räusperte sich verlegen. Immerhin war er kein Kadett mehr, sondern der kommandierende Offizier einer eigenen Einheit. „Bitte mach das nicht in der Öffentlichkeit, Nikki.“
Die kaffeebraune Frau verzog die vollen Lippen zu einem Schmunzeln. „Aber privat ist in Ordnung?“
Zorn räusperte sich erneut. „Ihr zwei kriegt Hermes, aber es sind die beiden aus dem Depot, die wir behalten haben. Ich kann leider nur zwei Lanzen aufstellen, die Scoutlanze mit vier Maschinen, und fünf in meiner Kommandolanze. Seid froh, dass es Sternenbundmaschinen sind.“
„Danke für die Information, aber lenkst du gerade ab, Zorn Kenderson?“, neckte sie ihn.
„Wie dem auch immer sei, alte Flamme und so, du kannst Zorn nicht einfach so küssen!“, beschwerte sich Mala.
„Aber du darfst ihn anspringen, mit den Beinen umklammern und abknutschen?“, konterte Nicole.
„Ich bin ja auch nicht Bi, und Zorn ist nicht mein Ex. Wenn ich das mache, ist das reine, unverfälschte, unsexuelle Liebe und Begeisterung. Wenn du das machst, denke ich, du willst mir untreu werden. Es war schwer genug, dich von ihm zurückzuerobern.“
Crawford sagte: „Es wird immer interessanter. Ich sollte mir Popcorn holen.“
Zorn warf ihr einen Blick zu, den wohl schon Caesar seinem Adoptivsohn Brutus zugeworfen hatte, und der zu schreien schien: „Du auch, mein Sohn Brutus?“
„Zurückzuerobern? Als ich mit Zorn zusammenkam, waren wir nicht zusammen, Spätzchen.“
„Aber so gut wie“, beharrte Mala.
„Auch nicht so gut wie“, korrigierte Farnsworth. „Mit ihrer Erlaubnis, Sir, würden N'Gombe und ich die beiden Hermes aufsuchen und die Bordcomputer auf unsere Hirnwellen eichen sowie Passwörter vergeben. Ich habe gehört, wir rücken morgen früh aus, da sollte das erledigt sein.“
„Ich geben ihnen recht, Sergeant Farnsworth.“ Er sah Mala an. „Corporal N'Gombe.“
„Hey, das ist unfair. Wieso ist sie Sergeant, und ich nur Corporal?“
„Weil du keine Lanze führst“, sagte Zorn salopp. „Jeannie, wenn Sie das übernehmen könnten ...“
„Natürlich, Zorn. Ladies, hier entlang bitte. Ich bringe Sie beiden zu ihren brandneuen Mechs aus Sternenbundtagen.“
„Wie brandneu?“, fragte Mala.
„So brandneu, es hat noch nie jemand darin geschwitzt. Die Liegen haben sogar noch die Folie drauf.“
Die beiden Frauen wechselten aufgeregte Blicke. Dann fielen beide Zorn um den Hals und drückten ihm einen Kuss auf. „Danke, Zorn. Du weißt, wie du Frauen glücklich machen musst!“, ereiferte sich Mala. Dann ergriff sie Farnsworth bei der Rechten und zog sie vom Major fort. „Wir folgen ihnen, MeisterTech Crawford.“
„Also dann, hier entlang. Sergeant, Corporal.“
Als die drei ein paar Dutzend Meter entfernt waren, rieb sich Zorn unbewusst beide Wangen. Es war eine ganz schön lange Zeit her, dass er so unverholene Begeisterung für seine Person erfahren hatte, zumindest diese körperliche. Bis vorhin hatte er noch mit sich gehadert, ob es wirklich eine gute Idee gewesen war, die beiden zu sich zu holen. Aber hey, zumindest konnte man ihnen keine mangelnde Motivation vorwerfen.
„Äh, Zorn, du ...“
„Ja, ich weiß, Kirran. Vorgesetzter und Distanz und so. Ich werde die beiden ermahnen, so etwas vor den Augen Anderer zu unterlassen.“
Der ComGuard hob eine Augenbraue und trat zu Zorn. „Ich wollte sagen, du hast da eine hübsche Exfreundin. Und ob ihr miteinander auskommt, trotz der alte Flamme-Geschichte.“
„Ich bin sehr froh, dass Nikki und Mala kommen konnten und jetzt hier sind. Und ja, die beiden sind sehr eigen. Ich werde einen Preis dafür bezahlen, dass sie den Cavaliers helfen. Dieser Preis wird ab und an merkwürdig ausfallen.“ Er zuckte mit den Schultern. „Aber wir leben in interessanten Zeiten.“
„Du lebst definitiv in interessanten Zeiten“, sagte der Mann mit der Stirnglatze. „Und ich gebe zu, ich bin neidisch auf dich.“
Der Major sah Leary verdutzt an, dann begann er zu lachen, und der ComGuard fiel ein.
„Ausrücken Null Siebenhundert morgen früh?“, fragte Leary nach dem letzten Lacher.
„Null siebenhundert. Es wird Zeit, dass wir ins Einsatzgebiet kommen.“ Und es war definitiv Zeit dafür, die Falle für den Vicomte aufzuklappen und scharf zu stellen. Der Haken – er, Zorn, war der Köder.

***

Als Jules Kressmann die Augen aufschlug, sagte ihm ein todsicheres Gefühl, dass dies nicht der Himmel war, sondern ein schmuckloses Krankenzimmer im Hospital der Miliz. „Noch am Leben“, ächzte er, und irgendwie konnte der Pilot nicht entscheiden, ob er sich beschweren wollte, oder froh war. Ihm tat einfach viel zu viel weh.
„Das kann ich bestätigen“, klang eine ihm sehr bekannte Stimme an sein Ohr.
Jules wollte aufspringen, salutieren, aber eine kräftige Hand drückte ihn zurück aufs Kissen. „Sie sind außer Dienst, Kressmann. Kein Grund, vor ihrem Oberst zu salutieren“, sagte Juri Kalakov. „Ich bin auch nur ganz kurz hier, weil die Ärzte gesagt haben, Sie würden in naher Zukunft aufwachen.“
„Verstanden, Herr Oberst.“ Was konnte den Chef der Larsha-Miliz an sein Krankenbett führen? Was war wichtig genug, um Kalakov ausgerechnet in sein Krankenrevier zu treiben?
Siedendheiß fiel es ihm ein. „Ich habe den Ferret verloren!“ Erneut wollte er sich aufbäumen, aber wieder hielt ihn die Hand zurück. „Ja, das haben Sie, Kressmann. Das schöne Gerät hat nur noch Schrottwert.“
„Scheiße“, murmelte Kressmann. Er sah den Oberst an. „Ich bitte um eine harte und gerechte Strafe.“
„Strafe? Wofür? Dass Sie ihren Job gemacht haben? Ich bitte Sie, wir sind hier nicht in der Liga Freier Welten, und Sie sind nicht die Gray Death Legion“, schmunzelte der höchste Offizier des Planeten. „Im Gegenteil, ich bin hier, um ihnen zu sagen, dass ihr Flügelmann für seine Tapferkeit und seine herausragende Leistung bei ihrer Rettung einen Bronce Star erhalten wird.“
„Uff“, machte Kressmann. Im Anbetracht dessen, was passiert war, dass er sich selbst bereits mehrfach tot gesehen hatte, und was Harry auf die Beine gestellt hatte, um ihn rauszuhauen, war das mehr als berechtigt. „Die hat er sich verdient, Herr Oberst.“
„Und ich bin hier, um ihnen das zu geben.“ Kalakov reichte ihm ein Dokument. „Ihr Einsatz bei der Aufklärung der Red Longjacks und der Daten, die Sie besorgt haben, hat ihnen die restlichen Punkte eingebracht. Ich gratuliere. BÜRGER Kressmann.“
Erstaunt sah er auf den Umschlag in seinen Händen. Ihn aufzumachen war schwierig, weil plötzlich seine Hände zitterten, als hätten sie ein Eigenleben. Dann aber hatte er das Dokument in der Hand. Mit bebenden Lippen las er es. Die Bürgerrechte. Für ihn. Eigentlich hatte er damit erst nach acht Jahren Dienst gerechnet, und er war erst fünf Jahre in der Miliz. Sie jetzt schon zu erhalten, dafür, dass ihm der Ferret unterm Hintern weggeschossen wurde, brachte ihn in große Verlegenheit. „D-das habe ich nicht verdient, Herr Oberst. Ich kann das nicht annehmen. Ich habe nichts geleistet, was das rechtfertigt.“
„Sie müssen es annehmen, Kressmann. Es ist nicht nur so, als hätten Sie einfach alle notwendigen Punkte erreicht. Wir haben ihr Gefechts-ROM auch per ComStar nach Sian geschickt. Von dort kam als Antwort, dass Sie aufgrund ihrer Tapferkeit die restlichen Punkte für die Verleihung der Bürgerrechte erhalten sollen. Sie wollen doch nicht unserer Kanzlerin Romano Liao widersprechen?“
Entsetzen fuhr durch den Leib des Verletzten, und das nicht nur, weil es Dutzende Gerüchte gab, Romanas hitziges Temperament betreffend. „NEIN! Nein, Herr Oberst, natürlich nicht! Wenn die Kanzlerin sagt, dass ich die Bürgerrechte verdiene, dann wird das stimmen! Die Kanzlerin ist -“
„Unfehlbar in ihrer Weisheit. Richtig. Also, damit steht es fest. Bürger Kressmann.“
Sorgfältig packte Jules das Ernennungsdokument wieder ein. „Bürger Kressmann“, wiederholte er.
„Ich muss mich leider wieder auf den Weg machen. Die Krise ist noch nicht vorbei. Aber Major Duong wird Sie auf den neuesten Stand bringen.“
Bei diesen Worten trat eine hochgewachsene blonde Frau in sein Gesichtsfeld. Verdammt, die hiesige Chefin der Maskirovka.
„Also dann, Bürger Kressmann, ich verabschiede mich.“ Kalakov trat hinaus.

Duong Ahn Chau wartete einen Augenblick, bevor sie sich auf den Stuhl neben das Krankenbett setzte. „Bevor Sie fragen, Chan lebt, es geht ihm gut, und im Moment unterstützt er den Rest der Lanze dabei, den Red Longjacks auf der Spur zu bleiben.“ Sie schien einen Moment lang nachzudenken. „Nachdem Sie und Chan den Overlord besucht haben, muss der Kommandeur seine Meinung geändert haben, oder jemand hat ihm gesagt, dass die von ihm gesuchte militärische Einheit, die 5. Reservekavallerie, gar nicht Zuhause ist. Die Zeit für eine Plünderung der Anlage wollte Colonel Raymond Alonso wohl nicht aufbringen, also hat er alle seine Mechs wieder eingeladen und ist weitergeflogen. Etwa eintausend Kilometer entfernt ist der Overlord wieder runter gekommen, mitten im Yuawen-Mittelgebirge. Wir nehmen an, dass er seine Einheit jetzt zum eigentlichen Depot führen wird.“
„Das klingt nicht gut. Wer schon einmal bereit war, eine capellanische Militäreinheit zu überfallen, der hat auch keine Hemmungen bei einer Miliz“, sagte Kressmann.
„Das sehen wir alle genauso. Ganz davon abgesehen, dass das Depot mit all seinen Werten Eigentum der Bürger der Konföderation Capella ist, niemandes sonst. Es ist unsere Pflicht, das Depot und seinen Inhalt zu retten.“
„Uff“, machte Kressmann erneut. „Wann bin ich wieder einsatzbereit?“
„Langsam, langsam, Krieger“, sagte Duong amüsiert. „Sie haben eine Operation an der rechten Schulter hinter sich, um diverse Splitter zu entfernen und mehrere Knochen zu flicken, und dann hier etwa zehn Stunden gelegen. Insgesamt sechzehn Stunden. Bis Sie aufstehen dürfen, vergeht mindestens noch ein Tag, wenn nicht mehr. Bis Sie wieder Dienst schieben dürfen, oder gar in einen Ferret steigen, vergeht eine Woche minimal. Und sollte es erforderlich sein, dass Sie vorher eingesetzt werden müssen, verletzt oder nicht, dann werde ich Sie persönlich holen, Leutnant Kressmann. Und dann hoffe ich, dass Sie so ausgeruht sind, wie Sie nur sein können. Haben Sie das verstanden, Bürger?“
Kressmann seufzte resignierend. „Jawohl, Frau Major. Ich habe verstanden.“
„Guter Junge. Ich mache mich dann auch wieder auf den Weg. Im Moment ist alles ein wenig turbulent hier, und Sian verlangt alle acht Stunden einen Zwischenbericht. Außerdem machen wir alle Nachbarn rebellisch, um den Anflugsweg der Longjackets nachzuvollziehen und weitere Informationen zu sammeln. Zum Beispiel, ob Alonso wirklich noch Anführer der Einheit ist.
Ach, was auch noch interessant für Sie ist: Bisher haben wir lediglich acht Mechs und eine Kompanie Panzer ausgeschleust. Scheint so, als wäre der Rest des Overlords geleert worden, um die Beute aufzunehmen. Ich finde das sehr optimistisch.“
„Werde ich auf dem Laufenden gehalten?“, hakte Kressmann frech nach.
„Natürlich, Leutnant. Auch wenn Sie hier liegen, sind die Red Longjacks immer noch ihre Mission“, sagte sie mit einem aparten Lächeln.
Duong erhob sich. „Das nächste Mal schaue ich in sechzehn Stunden hier rein. Versuchen Sie zu schlafen. Sobald Sie aber aufgewacht sind, will ich, dass Sie ihren Bericht schreiben.“ Sie legte einen Packen Fotos auf den Nachttisch des Krankenbetts. „Volles Studium aller Aufnahmen. Falls ihnen was einfällt, was dort nicht zu sehen ist, kommt das in den Bericht, verstanden?“
„Verstanden, Frau Major.“
„Gut. Ich mag gehorsame Männer.“ Sie lächelte ihm noch einmal zu, dann verließ sie das Krankenzimmer.
Kressmann brach beinahe vor Erleichterung zusammen. Mit den Maskirovka-Leuten hatte er noch nie gekonnt. Vor allem als er sich seine Bürgerrechte noch erst hatte verdienen müssen, hatte er immer eine unterschwellige Angst vor dem Geheimdienst gehabt. Aber er musste zugeben, Major Duong war keine hässliche Erscheinung – für eine Siamesin.

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12.02.2023 21:03 Ace Kaiser ist offline E-Mail an Ace Kaiser senden Beiträge von Ace Kaiser suchen Nehmen Sie Ace Kaiser in Ihre Freundesliste auf
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Während der halbe Planet vor Nervosität explodierte und diverse angemeldete und nicht angemeldete Söldner und Piraten entweder in den Stadtarchiven recherchierten oder vor Ort an jenen Stellen suchten, wo sie das Depot vermuteten - verschweigen wir nicht die dritte Gruppe, die darauf wartete, dass die Cavaliers ausrückten, um ihnen zu folgen – wartete Zorn.
Nun, das ist nicht ganz richtig. Es war nicht so, als würde Major Kenderson Däumchen drehen. Während der drei Tage ließ er die versprochenen Burke-Panzer entgegennehmen und kampfbereit machen. Und er ließ die ganze Einheit üben. Auf Lanzenebene, auf Kompanieebene und als komplette Einheit, Panzer, Mechs, Infanterie. Die Kaserne bot dafür einen Simulatorraum. Nicht die schicken, überaus realistischen Simulatoren, die sogar Kanzelbewegungen und die Hitze der Wärmetauscher simulieren konnten. Davon hatte es in der Kaserne nur acht, für Lanze gegen Lanze-Gefechte. Aber sie hatte einen War-Room mit mehreren Dutzend Computern, in denen die MechKrieger ihre Modelle steuern konnten und die Panzerkommandeure zumindest ihre Vehikel, während die Infanterie von ihren Kommandeuren mit eingezeichnet werden konnte. Das alles ergab ein nicht realistisches Bild, aber es war eine ziemlich gute Annäherung.
Zur gleichen Zeit belagerten Presse und diverse Spione die Kaserne, um festzustellen, ob Major Kenderson vielleicht ein Vorabkommando rausjagte, welches das Einsatzgebiet überwachen würde, um notfalls Alarm zu schlagen, falls jemand dem Depot zu nahe kam.
Tatsächlich hatte Zorn das mehrfach getan. Besagte Späher waren aber nach einem halben Tag immer in die Hauptstadt zurückgekehrt, und viele Leute hatten dabei eine Menge Zeit und Geld verschwendet.
Am Ende des dritten Tages nutzte Zorn den großzügigen Besprechungsraum, um so viele Cavaliers und Verbündete wie möglich zusammenzurufen. Bis auf zwei Mechs auf Bereitschaft und einen Halbzug Infanterie auf Wachaufgabe fanden sich dann auch alle wieder.

Nach einem kurzen Referat über die neue Lanze Burke-Panzer durch den zum Captain beförderten Akeem Muller und die Einsatzfähigkeit der neuen Kompanie übernahm Ilona Pappas das Wort als Ausbildungsleiterin.
„Meine Damen und Herren, wir wissen alle, dass unsere MechTruppe nicht einsatzbereit ist, wie sie es sein könnte.“
Zustimmendes Raunen, aber auch ein paar Gegenworte kamen auf.
„Lassen Sie mich das verfeinern. Natürlich sind unsere Freunde der Wolfs Dragoner sehr gut aufeinander eingespielt, und natürlich ist dies auch die Erkundungslanze der Allaner Miliz. Deshalb haben wir beide Truppen auch zusammengelegt. Das bedeutet, Sie und Ihre Leute, Mr. Winningham, und ihre, Miss Han, sind der Anker, um die wir uns gruppieren. Der Rest ist, sorry, entweder noch angeschlagen, oder nicht ansatzweise richtig aufeinander eingespielt. Zwar haben Miss Farnsworth und Miss N'Gombe bereits mit dem Major zusammen gedient und Seite an Seite mit ihm gekämpft. Aber das ist nur ein Tropfen auf dem heißen Stein, solange Miss Ventis, Mr. Duvalle und meine Wenigkeit noch als verletzt eingestuft sind.“
„Und das werden Sie auch bleiben, Ilona, bis Sie gesund geschrieben sind“, sagte Zorn dazwischen.
„Das weiß ich. Aber das heißt nicht, dass ich es mögen muss.“
„Oder ich etwa“, meldete sich Duvalle zu Wort, was zustimmendes Gelächter aufkommen ließ, vor allem bei den Infanteristen, die auf St. Joseph sein Eingreifen am Depot miterlebt hatten, wo er sich in sehr große persönliche Gefahr gebracht hatte, ohne es zu müssen. Man war überein gekommen, dass Clark Duvalle ein verdammt zäher Bursche und zudem jetzt auf ihrer Seite war.
Nedra Ventis enthielt sich eines Kommentars. Aber sie legte die Hand auf die Schulter der MechAnwärterin Watts, um sie davon abzuhalten, sich ebenfalls zu Wort zu melden.

„Auf jeden Fall bin ich fit genug, um den Kreuzritter ins Einsatzgebiet zu lenken. Einen Mech mehr vor Ort zu haben, wird vielleicht entscheidend für uns sein. Das Gleiche gilt für den Feuerfalken von Miss Ventis und den Tomahawk von Mr. Duvalle. Wir bringen sie erst einmal mit, wobei Corporal Wardsteiger den Feuerfalken auch einsetzen wird, so wir müssen.“ Sie atmete sichtbar ein. „Herrschaften. Vergessen Sie eines nicht, Sie alle, auch unsere Freunde von Allans World und den Dragonern: Den Cavaliers geht es nicht ums Depot. Wenn wir es finden, wenn wir es erobern, gut. Wir werden eine gerechte Verwendung dafür und die dortige Ausrüstung finden, falls sich überhaupt etwas anfindet. Wenn nicht, auch gut. Uns geht es darum, den ehemaligen Vicomte Medici zu fassen, zu stoppen und auszuschalten. Nichts anderes.“ Sie ballte die Hände zu Fäusten. „Einige von ihnen wissen, dass ich als Ilona Medici von Janard Medici in sein Haus adoptiert wurde und dass ich anfangs gegen die Cavaliers gekämpft habe. Dies geschah, weil ich getäuscht wurde. Sie können sich vorstellen, dass ich darauf nicht sehr stolz bin. Und ich bin auch nicht stolz darauf, dass ich gepeitscht wurde, und mich das weit genug motivierte, um ein zweites Mal gegen die Cavaliers zu kämpfen. Aber ich versichere ihnen eines, und das vom tiefsten Grund meines Herzens. Dass ich Janard entkommen bin, wird er bereuen, ganz fürchterlich bereuen. Ich wurde ausgenutzt, belogen, beinahe von meinen sogenannten Verbündeten ermordet und dann auch noch zum Sterben zurückgelassen.“
Irgendetwas brach mit lautem Knacken, und es dauerte einen Moment, bis Ilona Pappas registrierte, dass es der Kugelschreiber war, den sie in der Hand gehalten hatte. Sie legte die Reste beiseite und sah ins Rund. „Major Kenderson hat mir sein Vertrauen ausgesprochen. Und ich bin dafür beinahe so dankbar wie für die Chance, Rache nehmen zu können. Seien Sie versichert, nur wenige Dinge in der Inneren Sphäre sind so konsequent und intolerant wie die Rache einer betrogenen Frau.“
Zustimmendes Raunen klang auf. Irgendjemand applaudierte, ein paar Hände fielen ein, aber es war eher eine zurückhaltende Geste der Zustimmung. Allerdings entlockte sie Pappas zumindest ein knappes Lächeln.

„Was uns zur Aufstellung bringt. Zur provisorischen Aufstellung. Sie alle haben den offiziellen Aushang gesehen und wissen, wie er lautet. Zum Beispiel, dass Anwärter Jackson seine Wespe führen darf und nicht durch einen Ersatzpiloten ersetzt wird, sollte es zu Kampfhandlungen kommen, Miss Watts aber nicht. Wir haben das lange und ausgiebig diskutiert. Kadett Jackson ist trainierter und erfahrener Soldat, der genug Vorwissen mitbringt und sehr gute Werte in den Simulatoren mitbringt. Kadett Watts ist, das möchte ich betonen, nicht schlechter als Jackson, aber ihr fehlt der militärische Drill. Solange wir es nicht müssen, werden wir sie nicht einsetzen.
Zuguterletzt noch an alle, die Lieutenant Bloodbourne, unsere offizielle Verbindungsoffizierin auf der Liste vermissen: Wir haben bis zuletzt gehofft, dass ich gefechtstauglich geschrieben werden würde, aber ich habe leider zwei weitere Wochen Zwangsurlaub erhalten. Immerhin aber habe ich die Erlaubnis, den Mech ins Einsatzgebiet zu lenken, der mir zugeteilt wurde. Es ist wichtig, dass ich weiter auf der Maschine trainiere, wann immer ich kann. Am Depot selbst aber wird Lieutenant Bloodbourne die Maschine übernehmen. Sie hat unter anderem auf einem Kreuzritter trainiert. Ja, wer es genau wissen will, wir haben uns im Stab über diese Frage die Hörner verhakt, diskutiert, gestritten, und dann hat der Major ein Machtwort gesprochen. Daraufhin kamen wir zu diesem Kompromiss. Weitere Fragen dazu?“

Ilona Pappas sah ins Rund, nicht nur zu den MechKriegern herüber, oder den Offizieren der angeschlossenen Einheiten, auch zu einzelnen Soldaten, die sie in den letzten Wochen kennengelernt hatte. „Gut, wenn es denn keine Fragen gibt, möchte ich kurz die Aufstellung der MechTruppe wiedergeben, obwohl sie hier jeder kenne dürfte.
Die erste Kompanie ist eine unterzählige Einheit mit neun Maschinen, wie wir alle wissen. Ihre Mitglieder haben bisher nicht zusammen gekämpft, und drei Tage Training waren auch nicht besonders viel. Vor allem, wenn ausgerechnet der Kommandeur, der den Marodeur führt, öfter mal nicht teilnehmen kann.“
Zorn Kenderson hob entschuldigend die Schultern. „Die Last des Daseins als Einheitsführer.“
„Das war eine Feststellung, kein Tadel. Ihre taktischen Fähigkeiten und auch ihr Kampfwert stehen außer Zweifel. Nur sollen halt alle anderen auch davon profitieren.
Wie gesagt ist Kompanie eins unterzählig und in eine Viererlanze und eine Fünferlanze aufgeteilt. Jemand hat vorgeschlagen, Adept Leary alleine eine Lanze bilden zu lassen, aber aus Gründen der Menschenrechte für arme Angreifer und Piraten wurde das abgelehnt.“
Leises, beinahe entspanntes Gelächter erfüllte den Raum.
„Daher haben wir die Scoutlanze und die Kommandolanze. Lieutenant Farnsworth führt sie auf dem Feuerfalken an, bis Sergeant Ventis wieder kampfbereit ist. Mr. Wardsteiger steuert, wir haben uns auf einen Rang als Corporal geeinigt, den Feuerfalke von Sergeant Ventis bis zu ihrer Gesundschreibung. Zu dem Zeitpunkt werden wir vermutlich Piloten brauchen. Im Idealfall, weil wir zu dann mehr Mechs haben. Ms. Farnsworth fungiert bis dato als Flügel-, und Lanzenführerin im Hermes eins aus dem Depot. Dazu kommen Sergeant Krivic, auch hier ist der Rang auf eine Einigung zurückzuführen, und Kadett Jackson. Sie steuert den Heuschreck aus dem Depot, Jackson hat die vom St. Josepher Schlachtfeld geborgene Wespe unter seinem Kommando. Fragen? Keine? Dann weiter im Text.“
Pappas ordnete einen Stoß Papiere, und es war zu sehen, dass sie das nicht aus Ordnungsgründen tat, sondern um der Menge Zeit zu geben, die leisen Diskussionen untereinander zu beenden.

„Die Kommandolanze ebenso wie die Kompanie als auch die komplette Einheit steht unter dem Kommando von Major Kenderson, der, wie schon erwähnt, auf dem auf St. Joseph erbeuteten Marodeur bleiben wird. Als Flügelmann würde normalerweise Mr. Duvalle, der einen militärischen Rang abgelehnt hat, auf dem Tomahawk dienen. Wir hoffen, dass seine Gesundschreibung bald erfolgen wird. Sein Blutverlust ist lange ausgeglichen, die Wunden waren hauptsächlich Fleischwunden, und seine Rekonvaleszenz verläuft zufriedenstellend. Kadett Watts wird daher dem Tomahawk ins Einsatzgebiet bringen, vor allem auch, weil ihr das zusätzliche Erfahrung auf der Maschine einbringt. Bis dato ist sie Flügelfrau vom Alten.“ Erschrocken sah Pappas von ihren Papieren auf, als ihr bewusst wurde, was sie gesagt hatte, aber außer Schmunzeln bei Zorn und teilweise Gelächter in der Menge passierte kein Donnerwetter.
Sie fasste sich und sprach weiter. „Den zweiten Flügel der Lanze mit drei Maschinen wird Adept Leary anführen. Auch er lehnt einen militärische Rang ab, und mit Blick auf die Ausgewogenheit der Wolfs Dragoner hat er sich erneut für den Kampfschütze als Mech entschieden. Meine Wenigkeit mit dem Kreuzritter, beziehungsweise im Fall des Falles Lieutenant Bloodbourne werden mit dem Kreuzritter folgen, Sergeant N'Gombe ist mit dem zweiten Hermes aus dem Depot die dritte Pilotin. Soweit unsere Flickschusterei. Immerhin haben wir neben den Kadetten Jackson und Watts durchweg erfahrene Piloten mit tausenden Stunden realer Zeit auf ihren Mechs. Der Rest wird sich einspielen.“

Sie ordnete ihren Stapel erneut. „Kommen wir zum bereits funktionierenden Teil der Truppe. Kompanie zwei, kommandiert von Captain Winningham.
Hier erfreuen wir uns über drei voll bestückte Lanzen, deren Piloten in der Scoutlanze nicht nur die eigenen Maschinen mitgebracht haben, sondern auch vier der acht Mechs in Kampf-, und Kommandolanze. Ich will auch gar nicht langweilen, sondern komme gleiczh zur Sache. Second Lieutenant Han führt die Lanze an, die uns von der Allaner Miliz zur Verfügung gestellt wurde. Sie führt einen Heuschreck. Ihr altbewährter Flügelmann von zwei Jahren ist Corporal William Shanks, ebenfalls Heuschreck. Und wir reden hier über gut gewartete, bestens bestückte Heuschrecks, beide noch mit der ersten Cockpitverglasung.“
Anerkennendes Raunen ging durch den Saal. Das erzählte bei den beiden leichten, sprungunfähigen ScoutMechs einiges über die Fähigkeiten der beiden Piloten und all ihrer Vorgänger auf den Mechs. Gerade die kleinem Zwanzigtonner waren anfällig für tödliche Cockpittreffer. Und wenn die vorigen Piloten in über zweihundert Jahren Glück gehabt hatten, sprach nichts dagegen, dass das Glück auf die neuesten Piloten abfärbte.
„Private First Class Jones, anstehend zur Beförderung, führt mit ihrem Stadtkoloss den zweiten Flügel. Private First Class Chau ist ihr Flügelmann auf einer Hornisse. Ja, ich weiß, die Hornisse ist der einzige sprungfähige Mech und wir sollten die Wespe und den Stadtkoloss austauschen und so weiter. Aber Miss Jones hat auf sprungfähigen 20Tonnern keine Erfahrung, und sie mitsamt Mech zu tauschen würde bedeuten, eine eingespielte Einheit auseinander zu brechen, und das tun wir nicht ohne wirklich große Not. Alle einverstanden? Danke.“

Sie sah zu den Dragonern herüber. „Zum Rest der Kompanie, speziell der Kommando-Lanze. Der Kommandeur, Captain Winningham, hat seinen Mech, einen Vollstrecker, glücklicherweise mitgebracht. Corporal Johannis, sein Flügelmann, seinen Dunkelfalke ebenso. Sergeant Lindström, Führer des zweiten Flügels, wurde dem Schütze aus dem Depot zugeteilt. Corporal Kerber, seine Flügelfrau, hat den Kampftitan aus dem Depot bekommen. Ich denke, wir haben hier eine gute Mischung aus Kampfkraft und Beweglichkeit gefunden.
Die Kampf-Lanze untersteht Second Lieutenant Alloy. Auch er hat seinen Kampfschütze mitgebracht. Im Übrigen macht er die beste Performance in seiner Gewichtsklasse, und eventuelle Gegner sollen sich bei seiner Handhabung der Laserwaffen warm anziehen. Sergeant Stone, die ebenfalls ihren Kreuzritter mitgebracht hat, ist seine Flügelfrau.
Führerin des zweiten Flügels ist Corporal Jones. Sie hat den Victor bekommen, in dem ich abgeschossen wurde. Ich hatte die Wahl, in die reparierte Maschine zurückzukehren, gerade weil mir sprungfähige Mechs gut liegen, aber der Kreuzritter ist für mich wegen meiner längeren Dienstzeit auf dem Muster die bessere Wahl. Schließlich und endlich haben wir noch ihren Flügelmann, Private First Class Stone. Er steuert den Greif aus dem Depot. Auch hier haben wir so gut wie wir es vermochten die Mechs passend zueinander aufgestellt. Ich denke, wir hatten nicht nur kaum eine andere Wahl, wir haben da auch ganz gut gearbeitet.“
Leises, zustimmendes Gemurmel erfüllte den Saal.
„Damit sind unsere beiden erfahrensten Teileinheiten, namentlich Erkundungs-Lanze, Kommando-Lanze und Kampf-Lanze der Kompanie zwei der Anker, um den herum wir uns aufstellen. Unsere Panzer, mittlerweile dreizehn Maschinen, aufgeteilt in drei Lanzen, gruppieren sich um die Mechs herum. Vor allem deshalb, weil dreizehn schwere Mordmaschinen zwischen unseren Mechs für jeden Gegner eine sehr unliebsame Überraschung sein werden, solange sie mit den Ketten folgen können.“
Dies brachte ihr einigen Protest der Panzerfahrer ein, aber es war nun mal eine universelle Wahrheit, dass ein Mech an Orte hingelangen konnte, die für Kettengebundene Kampfmaschinen unerreichbar waren. Einer der Gründe, warum im Sternenbund Mechs als universelle Multiwaffe entwickelt worden waren, die sogar im Weltall oder nach einem ABC-Angriff noch aktionsfähig sein sollten. Zwar pflegten Piloten zu sagen: „Welche Könige des Schlachtfelds sollen das sein? Mechs? Panzer? Ich sehe von hier oben nur Bodenziele!“, aber eine Etage tiefer waren die agilen, schnellen und schwer bewaffneten Mechs eben doch die Könige des Schlachtfelds, und das nicht nur wegen der Multigeländefähigkeiten.

„Damit endet das Resumée auch schon, denn Marschaufstellung, Position einzelner Vehikel und Manöver zur Gefechtsaufstellung haben wir bereits festgelegt. Kommen wir zum eigentlichen Ziel der Mission: Den Sternenbund-Depot, von dem wir wissen, dass es auf dieser Welt existiert, weil wir die Karte haben, die seine Position anzeigt. Wobei, es wäre schön, wenn wir nicht nur die Ersten am Depot wären, sondern es auch übernehmen könnten, weil dies bedeutet, zusätzliche Mechs in Betrieb nehmen zu können. Aber es ist nicht unser eigentliches Ziel, sondern nur ein Bonus. Wir wissen, das Depot ist da. Wir sind uns sicher, dass es bisher nicht entdeckt worden ist. Und der Major sagt, es ist das nächste Depot auf Medicis Wunschliste, und deshalb muss er herkommen. Er hat wahrscheinlich auch schon eine eigene Einheit vor Ort, wahrscheinlich eine der Mech-Lanzen, wir wissen es nicht. Aber er wird kommen. Und ihn zu stellen und aufzuhalten, das ist unsere eigentliche Mission.Das heißt, wenn wir uns entscheiden müssen, ob wir das Depot nehmen, oder Medici aufhalten, werden wir uns für letzteres entscheiden.“ Bei diesen Worten lag tiefer Ernst und Entschlossenheit in ihrer Stimme. „Ich – ich erinnere mich, wie ich herausfand, in was für eine Piratenbande ich da geraten war, die ich selbst aufgebaut und trainiert habe. Ich erinnere mich, wie mir die Wahrheit offenbart wurde, wer die Cavaliers waren und wie ich mich einmal geweigert habe, in einen Mech zu steigen. Das zweite Mal konnte ich mich nicht mehr weigern, weil mein Stiefvater mich zu Tode gepeitscht hätte. Nicht, weil er mich bestrafen wollte, sondern weil er vorgeführt hat, was passiert, wenn man seine Befehle nicht ausführt. Ich hatte also die Option zwischen sofort oder später sterben. Ich habe mich für Letzteres entschieden. Doch das Wunder geschah. Ich lebe noch, ich bin frei von ihm, und oh Wunder, ich habe einen Mech, um auf ihn schießen zu können.“ Sie sah mit wütend funkelnden Augen ins Rund. „Und das werde ich verdammt noch mal auch tun. Nicht, weil er meinen Rücken in eine blutige Masse verwandelt hat, sondern weil Janard Medici skrupellos, brutal, eiskalt und und absolut ohne jeden Funken Menschlichkeit ist. Er muss aufgehalten werden! Er muss! Wir können diesen Westentaschen-Amaris nicht weiter rumlaufen lassen in der Inneren Sphäre. Oder ihn gar in die Peripherie entkommen lassen. Ich will klar mit ihnen allen sein. Sollte ihm der Streich gelingen, eines, nur eines der Depots zu plündern, wird noch sehr viel mehr Blut fließen als bei der Vernichtung der Cavaliers oder dem Angriff auf ComStars HPG. Wenn er die Mittel hat zu tun, was er will, wird er sie einsetzen. Für ihn sind alle Menschen nur Wesen Dritter Klasse, ganz so als würde er sich für ein überhöhtes, genetisch perfektes Exemplar unserer Gattung halten, ganz nahe an Gott selbst. Je eher wir ihn aus dem Spiel nehmen, desto besser für die gesamte Innere Sphäre. Aber es gibt eine weitere Bedeutung für das Depot, die ihnen Major Kenderson selbst erklären wird.“

Zorn erhob sich und trat auf das Podest. Es war schon ein seltsames Gefühl, vor so vielen Leuten zu reden, und das, ohne dass er sich mit den Füßen irgendwo festhaken musste. Viele seiner Besprechungen hatten in Schwerelosigkeit stattgefunden. Und selten in so großer Runde.
„Ich möchte hinzufügen, dass wir nichtsdestotrotz das Depot brauchen, und deshalb nach Möglichkeit als erste dort eintreffen sollten. Denn der einzige Grund, aus dem Janard Medici auf diese Welt kommen will, ist nun mal das Sternenbund-Depot. Wenn wir darüber verfügen, hat er mehr als genug Gründe, uns anzugreifen. Leider ist dies dann auch der Grund für alle anderen Einheiten da draußen, uns anzugreifen. Wir haben es dann also nicht nur mit all dem zu tun, das Medici in den letzten drei Wochen hat zusammenraffen können, sondern auch noch mit irgendwelchen willfährigen Helfern in unbekannter Zahl, und darüber hinaus mit all jenen, die sich zutrauen, uns aus unserer Position zu werfen und das Depot selbst zu übernehmen.
St. Joseph war ein Glücksfall für uns. Nur wir, die Miliz und Medici waren auf dem Planeten. Hier auf Allans World kommen aber eine Menge, ich betone: EINE MENGE Glücksritter dazu. Und viele von denen sind schon für eine Handvoll Steiner-Kronen bereit, jemandem die Kehle aufzuschneiden. Bei unserem Lockvogel geht es um wesentlich mehr, für die meisten unserer potentiellen Angreifer um ein zukünftiges Leben in Luxus und Sorglosigkeit. Erwarten Sie also das Schlimmste von diesen Menschen. Was mich gleich zum nächsten Punkt bringt. Sollten wir das Depot als Erste erreichen, sollten wir es erobern, sollten wir es halten können, bis es aufgeteilt werden kann, werden wir äußerst großzügige, und zudem vollkommen legale Boni auszahlen. Machen Sie sich keine Sorgen, der Bonus wird für jedermann im fünfstelligen C-Noten-Bereich liegen. Und alle werden ihn erhalten, vom Kompaniechef bis runter zum gemeinen Infanteristen bis zum Hilfskoch. Wer mit mir auf St. Joseph war, kann bestätigen, dass wir es dort so gehalten haben. Nebenbei, ich bin dankbar, dass ihr immer noch bei mir seid, Leute, anstatt ein Leben in Luxus und Sorglosigkeit zu führen.“
„Das können wir immer noch, wenn Medici erledigt ist!“, rief jemand von weiter hinten. Gelächter und zustimmende Rufe klangen auf.
„Das freut mich zu hören“, erwiderte Zorn. Demonstrativ sah er auf seine Armbanduhr. „Herrschaften, wir haben so viel erreicht, wie wir in der Kürze der Zeit erreichen konnten. Mehr zu verlangen wäre Hybris. Den Rest müssen wir uns auf dem Marsch aneignen. Lassen Sie uns unsere Zaungäste, Diebe und Piraten noch etwas nervöser machen. Falls am eigentlichen Depot nichts geschieht, befehle ich Nachtruhe bis Null Sechshundert Ortszeit. Null Siebenhundert rücken wir aus. Unser Ziel: Das Risha-Tal im Artif-Gebirge. Sobald wir uns dorthin bewegen und feststeht, dass es keine unserer Finten ist, wird der Run losgehen. Und ich hoffe, wir schaffen es bis zum Depot, ohne das uns dort schon jemand einen Kampf aufzwingt. Cavaliers, in das Dienstende wegtreten.“
Mit diesen Worten salutierte er seinen Leuten. Die versammelten Soldaten und Unterstützungskräfte erhoben sich und salutierten zurück. Dann begannen sie, den Saal zu verlassen. Morgen würde ein unruhiger Tag für sie werden, egal ob Medici eintraf oder nicht, um mitzuspielen. Das hatte dieser eiskalte Bastard gekonnt eingefädelt, das musste Zorn ihm lassen.

Jemand hielt ihm eine Flasche vor die Nase. Es war der Klassiker: Antigua Single Malt, immerhin sechs Jahre alt. Er folgte dem Arm, der die Flasche hielt und sah Kirran Leary in die Augen. Neben ihm standen Pappas und Winningham. „Zum Dienstende ein Glas für jeden in deinem Büro?“
Zorn dachte kurz nach. Ein Glas würde noch keine Kampfuntüchtigkeit bedeuten, und immerhin waren sie einerseits nicht die reguläre Armee, und andererseits hatte er für niemanden ein Alkoholverbot ausgesprochen. „Ein Glas, okay. Und ein paar Absprachen unter uns vier.“
„Einverstanden.“ Die Vier machten sich auf den Weg in Zorns Büro. In Zorns auf illegale Abhörvorrichtungen gechecktes Büro. Heute würden sie das teure Importgetränk trinken wie das Blut des Vicomte. Morgen vielleicht würde schon sein echtes Blut fließen. Ein verlockender Gedanke, fand der Major.

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6.
03. Juni 3043
Kaserne der Cavaliers
Allansville, Planetare Hauptstadt
Hauptkontinent Pangea
Allans World

Es war eine vollkommen übliche Nacht, wie die Cavaliers sie auf Allans World nun schon das vierte Mal erlebten. Sternenklar, unbewölkt, begleitet von den leisen Geräuschen der ländlichen, aber niemals still stehenden Hauptstadt Allansville. Bis auf einen Punkt. Sie war kurz nach Mitternacht Ortszeit abrupt zu Ende. Nach den offiziellen Kalendern hatte der 03. Juni bereits vor sieben Stunden angefangen, hier zählte man dreiundzwanzig Uhr, und damit den Beginn eines neuen Tages. Zehn Minuten nach dieser denkwürdigen Uhrzeit ließ Zorn alle Leute, die er zum Depot mitzunehmen gedachte, wecken. Zwanzig nach waren alle aus den Betten, da die Unteroffiziere einzeln von Koje zu Koje gingen. Dreißig nach hatten sich alle im großen MechHangar eingefunden. Eine Minute darauf wurde das große Panzertor geschlossen. Dann flammten die Lichter auf und entrissen den fünfzehn Meter hohen Innenraum der Finsternis. Winningham ließ die Leute abzählen und erhielt die Meldungen der Teileinheitsführer. Dann wandte er sich Zorn Kenderson zu und salutierte. „Sir, das Einsatzkommando ist geschlossen angetreten.“
Zorn salutierte zurück. „Danke, Captain. Treten Sie wieder ein.“
Der Wolfs Dragoner salutierte erneut und ging dann zu den Mechkriegern, deren Zahl erheblich gewachsen war, seit sie von St. Jones aufgebrochen waren.

Zorn wartete, bis sich der fähige Offizier wieder eingegliedert hatte. Dann sagte er ohne jeden Übergang: „Es geht los, Leute! Ich will die Kolonne in zehn Minuten stehen haben, und in zwölf mit unserem Ausrücken die Stadt wecken!“
Lieutenant Bloodbourne hob die Hand, was unter Militärs ein unübliches Verhalten darstellte. Das passte eher in eine Schule. Aber sie war die Verbindungsoffizierin, und sie durfte einige Dinge mehr als andere. „Sir, warum brechen wir jetzt auf? Ist etwas passiert? Was sage ich der Gouverneurin?“
„Nun, Lieutenant, sagen Sie ihr, die Situation hat sich jetzt endlich so entwickelt, wie ich es für den Idealfall gehofft habe. Die Ungeduldigen unter den Schatzsuchern haben sich einigermaßen verteilt, und das verschafft uns endlich das Übergewicht, welches wir benötigen, um das Depot zu proklamieren. Außerdem ist der Vicomte entweder im System, oder schon auf dem Planeten angekommen. Ich hoffe doch sehr, dass er sich an uns versuchen wird.“
„Mir ist nichts bekannt von unidentifiziert gelandeten Landungsschiffen“, warf sie skeptisch ein.
Zorn lachte. „Sagen wir es mal so. Ich habe eine große Menge meiner letzten Sonderzahlungen ausgegeben, um jemanden zu bezahlen, der sich im Umfeld von Vicomte Medici befindet und für diese Unsumme an Geld sein Leben riskiert, um mir die eine oder andere Sache zu stecken. Dazu gehört leider keine HPG-Kommunikation, aber interplanetarischer Normalfunk.“
Einige der Leute raunten aufgeregt. Das machte Sinn, das passte alles gut zusammen.
Zorn hob seinerseits die Hand, bevor Bloodbourne nachhaken konnte. „Fragen Sie nicht nach dem Wie und Warum. Ein guter Zauberer verrät nie seine Tricks.“ Er sah ins Rund. „Kendersons Cavaliers: AUSRÜCKEN!“
Die Teileinheitsführer übernahmen den Befehl. Darauf folgte eine Explosion an Aktivität, bei der jeder wusste, wo sein Platz war und was er zu tun hatte.

Zorn ging wie alle anderen MechKrieger in die Umkleideräume, wo er sich bis auf seine Shorts ausziehen würde. Seine restliche Kleidung tauschte er gegen eine Kühlweste, die einzige Lebensversicherung, die ein MechKrieger neben dem kugelsicheren Neurohelm hatte, und natürlich zog er seine Stiefel wieder an. Die Erfahrung hatte gezeigt, dass man nach einem Abschuss oder gar nachdem man sich aus dem Cockpit rauskatapultieren musste, zwar die ersten Sekunden von Neurohelm und der Kevlar-Lage der Kühlweste gut geschützt war. Aber das Schuhwerk musste von vorne herein stimmen. Deshalb hatten die meisten Piloten, die Zorn kannte, im Staufach der Pilotenliege meistens Overalls deponiert, die man im Notfall mit Reißverschlüssen über die Füße bekam, ohne die Stiefel ausziehen zu müssen. Wichtig bei Schnee und Eis.
Üblicherweise verstaute man dort auch noch eine Handfeuerwaffe, Munition, ein Erste Hilfe-Pack und ein paar Konzentratriegel Nahrung, darunter auch mehrere Riegel achtzigprozentige Schokolade, sodass man sicher sein konnte, dass man mehrere Tage lang seine Exkremente nicht zu vergraben brauchte. Was einen verraten konnte, wenn man auf der Flucht war.

Zorn war nicht der Erste im Umkleideraum. Einige der Piloten waren gerannt, um schneller zu ihren Spinden zu kommen. Deshalb bekam Zorn einen Einblick davon, was manche der Piloten als Cockpittaugliche Kleidung betrachteten. Während Winningham tatsächlich zur Shorts ein Tank Top anbehielt, hatte O'Leary andere Vorstellungen. Der ältere ComGuard zog sich bis auf einen getigerten Slip komplett aus, bevor er seine Stiefel wieder anzog und die Kühlweste überstreifte. Immerhin, ein dünnes Ding, aber kein String. Andererseits hatte jemand wie Zorn, der mit zehn Standardjahren das erste MechTraining erhalten hatte, schon viel zu viel gesehen, um leicht aus der Ruhe gebracht zu werden. Die Frauen schien es nicht zu stören, und Kirran war viel zu lange im Geschäft, um Hemmungen wegen unnötiger Schamgefühle zu zeigen.
Wenn man lange genug das MechCockpit als seinen Arbeitsplatz bezeichnete, dann empfand man es als normal, dass Männer und Frauen sich in den gleichen Räumen umzogen. Immerhin war man nicht nackt, und wo es ging, duschte man in getrennten Räumen, oder zumindest in Etappen. Manche Einheiten trennten die Geschlechter gar nicht, und Zorn hatte absolut nichts dagegen, wenn Männer und Frauen miteinander duschen wollten. Aber er ließ seinen Untergebenen eben auch gerne die Wahl dazu. Aber das waren individuelle Entscheidungen, genau wie das, was der MechKrieger unter der Kühlweste trug.
Ventis, die zwar im Tross mitkommen würde, aber noch krank geschrieben war, trug normalerweise mit allergrößter Vorliebe pinke Retroshorts, von denen sie behauptete, der dünne Stoff hätte sie mehr als einmal vor dem Hitzetod gerettet. Zorn hielt das für eine Ausrede und die enge Hose für ihren Glücksbringer, ihren „ich komme da sicher wieder raus“-Fetisch. Dazu zog sie meistens ein vollkommen unpassendes Oberteil an, mit Vorliebe ein knapp geschnittenes Sporttop in grau, blau oder grün an, das von ihrer Oberweite mehr zeigte als verhüllte.

Als ihm dieser Gedanke kam, sah er unvermittelt in Richtung ihrer jüngsten Kadettin Elisabeth Watts. Die stand direkt neben Sergeant Kerber von den Wolfs Dragonern an ihrem Spind und beobachtete fasziniert, wie sich die schlanke, aber trainierte Frau bis auf einen schwarzen String-Tanga auszog, um Stiefel und Kühlweste anzulegen. Ihr deutlich zu sehender Busen verschwand dabei zu Ellies großem Bedauern unter dem Kevlar.
Die Mittzwanzigerin bemerkte den Blick der Kadettin. „Nun, MechKrieger, du hast dich noch nicht oft mit anderen umgezogen, wie es scheint. Sei erst mal wie ich fünfzehn Jahre auf einer dieser Höllenmaschinen, dann wirst du lernen, dass Komfort besser ist als Scham.“ Sie klopfte sich gegen die Kühlweste, unter der sie nackt war. „Komfort geht vor.“
Das Mädchen, selbst gerade nur mit einer Shorts und einem T-Shirt bekleidet, sah zu Kenderson herüber. „I-ist das richtig? Soll ich mich nicht auch besser …?“
Zorn fühlte leichtes Entsetzen in sich aufsteigen. Sicher, auch er war seit seinem zehnten Lebensjahr auf dem Mech gedrillt worden und hatte im Umkleideraum jede Scham abgelegt. Aber derart mit der Frage der Enkelin seiner MeisterTech konfrontiert fühlte er sich einen Moment hilflos. „Entscheiden Sie das selbst, MechKrieger“, sagte er daher nur. Was durchaus ein klein wenig Gelächter auf seine Kosten auslöste.
Das Entsetzen stand nun in ihrem Blick, und auf einmal entschlossen drein schauend griff sie nach dem Saum ihres Shirts.
Hattie Jones legte ihr eine Hand auf die Schulter. „Lass mal sein, Mädchen. Du weißt, worum es bei der Kühlweste geht, hast ja schon ein paar Stunden auf dem MechReaktor hinter dir.“
„Um den Körper runter zu kühlen, der von den steigenden Temperaturen von Waffenfeuer und Fusionsreaktoraktivität aufgeheizt wird“, erwiderte sie, den Lehrtext herunter rasselnd.
„Und jetzt schau dir mal Lucie an, und schau dich an.“ Sie griff der Kameradin dort an die Weste, wo sich ihr Busen befand. „Siehst du diese dicken Dinger? Das bedeutet zusätzliche Körpermasse. Diese Teile erhöhen ihr Körpervolumen beträchtlich, doch kaum ihre Gesamtoberfläche, sodass sie mehr für die Gesamtkühlung tun muss. Du aber hast deutlich mehr Körperoberfläche bei deutlich weniger Körpervolumen. Du musst dich also nicht exponieren und das als Coolness tarnen.“ Als die Corporal sah, dass Ellie die kleine Rede positiv und erleichtert aufnahm und nicht als Kritik an ihrer noch jugendlichen Oberweite, stieß Hattie ihr Kinn leicht mit der rechten Faust an. „Deine Zeit wird schon noch kommen. Bis dahin hast du allerdings mit dem T-Shirt keine Abwärmeprobleme, glaub es mir.“
„Aber ...“, begehrte Ellie plötzlich auf. „Was, wenn ...“
„Wenn der ganze Mist hier vorbei ist und Zorn mit Medice den Boden aufgewischt hat“, sagte nun Lucie Kerber, „fahren wir nur mit den Mädels in die Stadt und hauen unsere Erfolgsboni für ein paar schöne Klamotten auf den Kopf. Und du kriegst dann ein ordentliches Sport-Top, das mit einer Kühlweste kompatibel ist, okay?“
Wieder wurde gelacht, aber es war alles sehr wohlwollend, als die junge Kadettin freudig strahlend bestätigte.
Uff, die Klippe war umschifft. Dank der Dragonerinnen. Und zugleich eine Grundsatzfrage geklärt, die ihre Ausbilderin ihr offensichtlich nicht beigebracht hatte. Er hakte das Thema ab, mit etwas Vorsicht als „endgültig erledigt“.
Zorn schloss die Magnetverschlüsse seiner Stiefel und machte sich auf den Weg zum Marodeur. Nicht, dass ausgerechnet er selbst sein Zeitlimit riss.

Als er gerade dabei war, sich im Cockpit mit MeisterTech Crawford durch die Checkliste zu arbeiten, kam Kirran noch kurz zu ihm herüber, bevor er den Kampfschütze bemannte und steckte den Kopf neben Jeannie ebenfalls durch die Einstiegsluke des Marodeurs. „Morgen, MeisterTech. Zorn, auf ein Wort.“
Der Kommandeur der Cavaliers grinste breit. „Du willst wissen, ob ich tatsächlich jemanden in Medices Nähe unterbringen konnte. Und wenn ja, willst du wissen, wie.“
„Ja, das fasst es in etwa zusammen. Ich brenne vor Neugier. Vor allem, wie du das mit deinem Gewissen vereinbaren könntest“, sagte der ComGuard.
„Mach dir keinen Kopf. Natürlich habe ich niemanden anwerben können. Nicht in der Kürze der Zeit, und nicht, wenn der Bastard untergetaucht bleibt.“
„Aha. Und was bezweckst du dann damit, Zorn?“
„Kannst du dir das nicht denken? Ich habe zwar keinen Spion bei Medice, aber ich hoffe doch sehr, dass er mindestens einen bei uns untergebracht hat.“
„Oh. Und das soll was bringen?“
Das Grinsen des Einheitsführers wurde wölfisch. „Die Natur der Beute gegen sich selbst richten. Der Bastard hat Ilona mit der Peitsche ins MechCockpit geprügelt, und jedem mit dem Tod gedroht, der nicht hundert Prozent nach seiner Pfeife tanzt. Er ist ein absoluter Kontrollfreak, der dafür über Leichen geht.“
„Du willst, dass er davon erfährt, dass du angeblich einen Agenten bei ihm hast, der den Sack aushorcht. Paranoid wie er ist, wird er seinen Leuten noch weniger trauen. Und mit etwas Glück tötet er einen von denen, die er für einen Spion hält. Als Folge erhält er Chaos und Entsetzen in der ganzen Einheit. Zorn, manchmal bin ich sehr froh, dass wir auf der gleichen Seite sind.“
„Ich bin auch froh, dass wir auf der gleichen Seite sind. Weißt du noch, wie jemand vorgeschlagen hat, du sollst alleine die Kampflanze bilden, und dass das ernsthaft diskutiert wurde, Kirran?“ Zorn grinste erneut, diesmal aber amüsiert. „Mach dich bereit. Wir gehen da raus und treten hoffentlich Medice in den Arsch.“
„Aye, Commander.“ Mit einem grimmigen, zufriedenen Lächeln zog er den Kopf wieder aus dem Cockpit und eilte über die Gerüstverbindungen zu seiner eigenen Maschine.

„Sie können aufhören zu grinsen. Kirran ist außer Sichtweite“, raunte Jeannie ihm zu.
Erleichtert ließ Zorn das Grinsen fallen und kehrte zu seinem üblichen, nichtssagenden Ausdruck zurück. Emotionen zu haben war die eine Sache. Sie zeigen zu müssen, und sich dazu auch noch zu zwingen, war eine ganz andere, und vor allem schwierigere Sache.
„Danke, MeisterTech.“
„Ich kenne Sie schon eine ganze Zeit, Zorn, und ich weiß, Sie haben genug Emotionen hier.“ Sie klopfte ihm gegen die Brust. „Aber nicht hier.“ Sie tätschelte sein Gesicht. „Aber das ist in Ordnung. Jeder hat seine Stärken und Schwächen. Und Sie treffen immer die Worte, wenngleich nicht immer den richtigen Gesichtsausdruck. Und wenn wir schon mal privat reden: Keine Schonung für Elisabeth, okay? Sie soll gleich merken, was für ein Knochenjob das ist. Vielleicht haben wir ja Glück, und sie hört wieder auf.“
„Ich nehme das mit gemischten Gefühlen zur Kenntnis, Jeannie“, sagte Zorn. Er stutzte. „Ich meine MeisterTech Crawford.“
„Belassen Sie es ruhig bei Jeannie, wenn wir unter uns sind, Zorn.“ Sie tätschelte ihm die Schulter. „Sie dürfen das.“ Mit diesen Worten zog sie den Kopf aus der Einstiegsluke und schloss sie von außen.
Merkwürdig. Diese Worte von der erfahrenen Technikerin und Söldnerin waren ihm vorgekommen wie ein Ritterschlag oder wie die Verleihung eines wichtigen Ordens.
Zorn schloss die Checkliste ab und setzte den Neurohelm auf. Dann aktivierte er den Bordcomputer.
„Kennung, bitte.“
„Major Zorn Kenderson, Kendersons Cavaliers. Kennung: Trag mich in die Schlacht, Schrottmühle.“
„Verifiziert. Willkommen zurück, Major Kenderson, und erfolgreiche Jagd.“
Damit erwachte der fünfundsiebzig Tonnen schwere Mech zum Leben. Dies war das Signal für die Techs, die Halteklammern zu lösen. Der Mech war frei. Zorn richtete den vogelartig gehenden Schweren Mech ein Stück auf, das Signal für die Techs, dass er marschbereit war. Einer der Soldaten – dafür einen Tech abzustellen, hätte die Abteilung überfordert – hob zwei Leuchtsticks und hielt sie gekreuzt, während er in sein Headset sprach. Vor ihm kamen gerade ein Hermes und ein Dunkelfalke aus gegenüberliegenden Wartungsnischen. Der Tomahawk, Winninghams Vollstrecker und der Kreuzritter, den seine Einheit ihrer Verbindungsoffizierin zur Verfügung gestellt hatte, waren direkt davor. Einige der leichteren Einheiten hatten den Hangar schon verlassen.
Endlich hob der Soldat die Stäbe parallel zueinander, dann winkte er sie deutlich sichtbar auf sich zu. Während er rückwärts ging, setzte auch Zorn den Marodeur in Bewegung und ließ das metallene Monster die ersten Schritte machen. Dann reihte er sich hinter Bloodbourne ein und wurde von weiteren Soldaten mit Leuchtsticks aus dem Hangar gewunken. Die anderen Mechs der Einheit schlossen sich nach und nach an. Zorn spürte ein nur zu vertrautes Kribbeln in seinem Magen. Es ging wieder los. Endlich. Und mit etwas Glück würden sie wieder auf Medice, diesen dreimal verdammten Soziopathen, treffen. Dann würde Zorn die Sache ein für allemal klären.

***

Die Kolonne verließ die Kaserne mit großem Bahnhof. Vorweg fuhren einige Fahrzeuge der Infanterie. Das Vorderste hatte sein Signallicht aktiviert, um eventuelle Verkehrsteilnehmer auf die Gefahrensituation hinzuweisen. Ab Ende fuhr ebenfalls eines mit Blaulicht.
Die Mechs, Panzer und Einsatzwagen bildeten vor dem Ausgangstor ein vermeintliches Knäuel, aber in Wirklichkeit war die Reihenfolge für den Ausmarsch seit Tagen vorbereitet und auf Lanzenebene auch trainiert worden. Für das Verlassen des Geländes und für den Marsch durch die Stadt würden sie allerdings eine einfache Linie bilden. Erst vor der Stadt würden sie den Highway Nummer sieben, der in die Ortschaften des Artif-Gebirges führte, in seiner vollen Breite nutzen. Wenn die Schnellstraße dann in der letzten großen Ortschaft Lewisville endete, sollte das Kommando die übliche Gefechtsmarschformation einnehmen, mit Vorhut, Nachhut und Flankenschutz sowie einigen wachsamen Augen, die gen Himmel sahen, beziehungsweise auf die Anzeige ihrer Luftabwehr-Radars. Das Manöver mit dem Lander vor dem Depot auf St. Jones war Zorn noch in nicht so guter Erinnerung, und er wollte gewappnet sein.
Tatsächlich gab es sowohl für den Marsch durch die Stadt als auch auf dem Highway Einsatzpläne, die zumindest besprochen worden waren. Sollten sie angegriffen werden, bevor sie Lewisville erreichten, ja, auch schon in der Hauptstadt, war festgelegt, dass sie sich zu drei Gruppen zusammenfinden würden, die sich dann erst einmal selbst verteidigten, bis Zorn einen Überblick über die Bedrohung erlangt hatte. Dann würde er entscheiden, wie sie weiter vorgehen sollten. Insgeheim hoffte er natürlich, dass sie zumindest in der Hauptstadt nicht bereits beschossen wurden, aber bei der Art ihres Gegners ging Zorn auf Nummer sicher.
Also reihten sich Mechs, Panzer und Einsatzfahrzeuge und -Schweber zur langen Linie ein. *
Einer der Hauptgründe, warum er ausgerechnet in dieser Nacht aufbrechen ließ, war natürlich die Ankunft von Mala und Nicole. Aber dass sie durch die fast schlafende Stadt durch nicht wirklich existierenden Verkehr marschieren konnten und dementsprechend überall Vorfahrt hatten, war ihm auch wichtig gewesen.
Außerdem hatte er eine diebische Freude daran, all jenen, die noch in der Hauptstadt oder irgendwo davor abgewartet hatten, um den Chevaliers zu folgen, die Nachtruhe verdorben zu haben. Ja, auch Zorn Kenderson hatte eine sadistische Ader und machte seinen Feinden gerne auf alle mögliche Arten das Leben schwer. Seine Leute hatte er natürlich fünf Stunden vor dem eigentlichen Abendappell in die Betten stecken lassen, aber außer ihm hatte niemand gewusst, wann geweckt wurde. Ja, das war ein Test gewesen, ein wichtiger sogar, der zu Zorns vollkommener Zufriedenheit abgelaufen war. Tatsächlich hatten seine Leute vom Befehl bis zur Abmarschbereitschaft nur neuneinhalb Minuten statt zehn gebraucht.

Unnötig zu sagen, dass sie mit dem Überraschungscoup zügig durch die Stadt kamen und alsbald die Ausfallstraße nach Südwesten erreichten, auf „ihren“ Sternzacken des Mega-Kontinents. Schnell hatten sie auch die Vororte hinter sich gebracht. Eine Marschkolonne war immer nur so schnell wie ihre langsamste Einheit, und da Zorn darauf verzichtet hatte, den Highlander in der Einheit zu behalten, der mit 95 Tonnen das schwerste Gerät gewesen wäre, war der Victor sein schwerster Mech, und der legte eine Maximalgeschwindigkeit von 65Km/H vor. Bei einem normalen Marsch ließ man ihn mit etwa 55 laufen. Fünfundfünfzig Kilometer war also ihr Stundenpensum, wenn sich ihnen keine unerwarteten Hindernisse in den Weg stellten. Und Allansville war eine Großstadt, aber keine große Großstadt, und die MechKasernen waren ohnehin in den Außenbezirken untergebracht. So kam es, dass erst eine Viertelstunde vergangen war, als sein letzter Mech, Morgan Alloys Kampfschütze, der zweite Mech seiner Art in der Einheit, offiziell die Hauptstadt verlassen hatte. Dabei scheuchte er scheinbar Panzer, Mechs und Lastwagen vor sich her.
Nach etwa einer Stunde hatten sie, schon lange auf dem Highway Nummer sieben, die Formation verändert. Nun staffelten sie sich in Zweierreihen auf der rechten Fahrspur. Das war in Ordnung, solange kein oder kaum Verkehr herrschte. Wer das Pech hatte, diese Straße nehmen zu müssen und hinter sie geraten war, würde also mit dem Höchsttempo des Victors hinterher tuckern müssen, denn selbstverständlich duldeten die Cavaliers keine zivilen Fahrzeuge in ihrer Marschkolonne. Es könnte ja eine Bombe sein.

Fünf Stunden auf dem Marsch später zeigte sich nach etwa einer Stunde bürgerlicher Dämmerung die hiesige Sonnenscheibe von Allans Star am Horizont. In der Zeit hatte die Einheit zweihundertsechzig Klicks gemacht und fünf Ortschaften durchquert oder passiert. Nun liefen sie auf das Endstück der Autobahn zu, und wie alle Verkehrswege in der Inneren Sphäre war auch dieser darauf ausgelegt, von den eigenen Leuten sicher benutzt und jedwelchem Gegner verwehrt zu werden. Deshalb hatte man die Straße auch für eine mögliche Höchstbelastung von hundertzwanzig Tonnen erbaut. Und man hatte das Endstück der Autobahn, die für Mechs eine verdammt schnelle Ebene der Fortbewegung bildete, so konstruiert, dass Mechs sie schnell betreten oder verlassen konnten. Oder das Endstück gegen feindliche Mechs leicht verteidigen konnten. Dafür waren diverse Erdbunker rund um das Ende angelegt, während eine bequeme Rampe auf die Landstraße weiterführte.
Nahe Lewisville verließen die Cavaliers also den Highway und nutzten die Umgehungsstraße, um das Risha-Flusstal zu betreten.
Gleich hinter der Stadt nahm die Einheit militärische Marschformation ein. Scouts gingen vorweg und hinterher, die verwundbaren Radfahrzeuge und Schweber marschierten in der Mitte mit, an den Flanken patrouillierten mittelschwere Mechs. Je an der Spitze und am Ende der Formation ging einer der beiden Kampfschützen, damit sie gegen Überraschungen aus der Luft gefeit waren.
Bis hierhin war kein Angriff erfolgt. Aber das hieß nur, bei all den Truppen und Leuten, die sich hier eingefunden hatten, dass sich die Wahrscheinlichkeit auf einen Kampf ab hier nur noch erhöhte.
„An alle von Alpha Bravo Eins! Vor uns liegt ein fünfundvierzig Kilometer langer Wald. Marschiert vorsichtig und versucht, keine Vegetation zu beschädigen, solange wir nicht angegriffen werden. Marschgeschwindigkeit wird auf vierzig Ka-Emm-Ha reduziert.“
Klarmeldungen aller vier Teileinheiten und der Lanzenführer trafen ein. Bis hierher funktionierte ihr Kommunikationssystem jedenfalls.
Funk war zwar generell verschlüsselt und auch nur schwer zu dechiffrieren, wenn man die Codierung nicht kannte, aber Zorn hatte sich dagegen entschieden, jedem Piloten Codenamen zu geben, denn das hätte bedeutet, dass sie sich erst an die Kampfnamen hätten gewöhnen müssen. Also hatte jeder der vier Bereiche einen griechischen Buchstaben bekommen. Erste Kompanie Alpha, zweite Beta, Panzer Gamma, Infanterie und Transportfahrzeuge Delta. Dann hatte jede Lanze einen Buchstaben des Sternenbundalphabeths bekommen. Und schließlich trug jede Teileinheit, und natürlich jeder Mech und jeder Panzer eine Nummer. Er war also die Nummer eins in der zweiten Lanze der Alpha-Kompanie. Zorn hatte nicht übel Lust, das System so beizubehalten, aber MechKrieger hingen an ihren Kampfnamen. Thanatos, Zeus, Hades, Deathbringer, Gevatter Tod, Pestbringer, Hawkeye, Marodeur, Le Miserable, Yen-Lo-Wang, Shinigami, Lichtgestalt, Phantom, Zauberer, Kittycat, der Phantasie waren keine Grenzen gesetzt, und viele MechKrieger waren sehr erfinderisch.
Für ihn war es in zwei von drei Einheiten „Stoic“ gewesen. Der Stoische. Passend, aber nicht sehr schmeichelnd. Nur bei den Cavaliers hatte er einen anderen Nicknamen erhalten. Hier waren sich die Piloten, von denen fast alle auf St. Jones getötet worden waren, schnell einig gewesen, ihn „Lumberjack“ zu taufen, wegen der Titanstahlaxt seines Tomahawk-Mechs. Später bei den Kämpfen am Depot waren sie viel zu wenige MechKrieger gewesen, um Kampfnamen zu benötigen. Aber wenn Zorn es recht bedachte, war ihm „Stoic“ eigentlich lieber gewesen als „Lumberjack“.
„Lasst die Straßen heile“, mahnte er seine Leute noch mal, denn ein unbedacht aufgesetzter Mechfuß konnte so eine arme, billig gebaute Landstraße erheblich beschädigen, wenn der zu weit am Rand abgesetzt wurde. Manche Planetenverwaltungen schickten eigene Leute aus, selbst mitten in einer Schlacht, um zu schauen, welcher Mech welcher Einheit was beschädigt oder vernichtet hatte. Natürlich konnte man Haus Kurita zwar eine Rechnung für die Reparaturen schicken, aber nicht unbedingt erwarten, dass diese bezahlt wurde. Aber die Heimmannschaft musste die Schäden dann fast immer aus der Einheitskasse berappen. Oder es wurde Beute beansprucht. Merkwürdig, für so etwas die Leben von Menschen zu riskieren. Andererseits war er ein Söldner auf fünfundsiebzig Tonnen Stahl, angetrieben von einer gebändigten Fusionsreaktion. Wer war er, andere Menschen für merkwürdig zu halten?

Sie kamen auf der linken Flussseite weiter gut voran, auch mit nur vierzig Kilometern die Stunde. Das Gelände war dank des Waldes bereits unübersichtlich genug, da brauchten sie nicht zu hetzen. Außerdem wollte er einer bestimmten Gruppe Zeit geben, um zu ihnen aufzuschließen.
Als sie etwa eine halbe Stunde im üppigen Wald marschiert waren und damit gut die Hälfte dieses potentiellen Hinterhalts passiert hatten, erreichte ihn die erste Meldung von der Nachhut. „Alpha Bravo eins von Beta Charly eins, kommen“, meldete sich Alloy.
„Hier Alpha Bravo eins.“
„Wir haben Gesellschaft. Auf der rechten Seite des Flusses bewegen sich sechs Blips, langsam aufholend. Entfernung zwanzig Klicks Nordnordost hinter uns.“
„Sechs? Klingt nach den Freemonds Firefighters. Aktive Transponder?“
„Ja. Sie weisen sich tatsächlich als Freemonds Firefighters aus.“
„Können Sie die Mechs bereits identifizieren?“
„Nein, dafür sind sie noch zu weit weg. Sie werden uns auch in einem Abstand von drei Klicks passieren, wenn sie den Kurs so beibehalten.“
Zorn war nicht ganz klar, was Freemond vorhatte. Eventuell glaubt er, den Standort des Depots gefunden zu haben und versuchte, vor ihnen dort zu sein. Oder aber er wollte auf ihrer Flanke bleiben, bis er gebraucht wurde. Auf jeden Fall waren die Firefighters auf dem Weg zum Depot.
„Es muss ein Atlas dabei sein“, sagte Zorn wie beiläufig.
„Soll ich einen Scout aussenden, der es verifiziert?“
„Ich mach das!“, klang Ellies Stimme auf. Sie marschierte gerade am Flussufer als rechter Seitenschutz mit dem Tomahawk.
„Unbekannter Kontakt, identifizieren Sie sich!“, hörter er Winninghams Stimme scharf aufsprechen, bevor er es selbst tun konnte. Wenn die Nachwuchspilotin hier und heute keine Funkdisziplin lernte, und wie wichtig es war, die Meldungen Personen zuordnen zu können, dann nie.
„Alpha Bravo eins von Alpha Bravo zwei. Befinde mich auf Flankensicherung rechte Seite. Ich melde mich freiwillig für die Identifikation der unbekannten Einheiten!“
„Schon besser“, sagte Zorn. Er wog für einen Moment die Gefahren ab. Für Ellie war es sicher eine gute Erfahrung und würde ihr Selbstvertrauen geben. Zudem waren in der Einheit alle Gefechtstransponder aktiviert, es würde also keinen Fehlschuss geben, kein Friendly Fire.
„Alpha Bravo zwei von Alpha Bravo eins. Erlaubnis erteilt. Gehen Sie bis auf Erfassungsreichweite heran, aber nicht näher. Identifizieren Sie die Mechs der Firefighters.“
„Alpha Bravo zwei hat verstanden.“
„Gut. An alle von Alpha Bravo eins: Firefighters als freundliche Kontakte führen.“
Die Bestätigungen der Teileinheits führer trafen ein. Auf seinem Radarbild, das Alloy mit der Einheit teilte, wurden die sechs grauen Kontakte blau für freundlich.
„Beta Alpha drei, ein Stück aufrücken und die Lücke schließen, bis Alpha Bravo zwei zurück ist.“
„Verstanden, Alpha Bravo eins.“
Das Signal mit der Position von Ellies Tomahawk bewegte sich nun nach hinten rechts, oder als Himmelsrichtung Nordnordost, während der Kontakt für Chaus Hornisse ein Stück nach vorne eilte. Eigentlich eine unnötige Vorsichtsmaßnahme, aber der Wald war stellenweise recht dicht, und Zorn wollte sich keine Vorwürfe machen müssen, unachtsam gewesen zu sein. Und was ihre Kadettin anging, so würde sie hoffentlich nicht selbst in einen Hinterhalt geraten, weil sie sich von der Einheit getrennt hatte. Was auch eine lehrreiche Erfahrung sein würde, und hoffentlich nicht ihre letzte.

Nach etwa fünf Minuten meldete sich die Kadettin erneut. „Alpha Bravo eins von Alpha Bravo zwei. Bin auf fünf Klicks heran und habe Erfassung. Atlas, Kriegshammer, Dunkelfalke, Feuerfalke, Steppenwolf und Valkyrie. Soll ich näher ran für die Waffenkonfiguration?“
„Negativ. Funken Sie einen schönen Gruß an Charles Freemond auf dem offenen Kanal rüber und kehren Sie dann auf ihre Position zurück, Alpha Bravo zwei.“
„Habe verstanden.“ Es vergingen ein paar Sekunden, dann näherte sich der Tomahawk der Einheit wieder. Zorn hatte den allgemeinen Kanal nicht extra freigeschaltet, um zu hören, was Ellie sagte oder Freemond antwortete. Sie würden wahrscheinlich noch genug Kontakt miteinander haben. Wenn der Mann sein Wort hielt und die Cavaliers nicht angriff. Wenn doch, würde es ein sehr kurzer Kontakt sein, denn alleine Zorns Panzer reichten mehr als aus, um die Firefighters dreimal zu überwiegen.
Sieben Minuten später hatte die junge MechKrieger-Anwärterin ihre ursprüngliche Position erreicht, und die Hornisse von Chau ließ sich wieder zurückfallen. „Alpha Bravo eins von Alpha Bravo zwei. Bin wieder in Formation.“
Zorn lächelte schmallippig. Ellies erster eigenständiger Einsatz unter Gefechtsbedingungen. Es würden noch viele erste Male folgen. Dennoch vermied er es, sie zu loben.
„Verstanden. An alle von Alpha Bravo eins. Waldrand ist bald erreicht. Danach sind es noch einhundertundneunzig Klicks bis zu unserem eigentlichen Ziel. Also, aufmerksam bleiben, vor allem, wenn wir vermeintlich weiter sehen können. Das Gelände beiderseits des Flusses hat ein paar Seitenwege und tiefe Rillen, in denen sich durchaus ScoutMechs oder Panzer verstecken können. Und nicht vergessen, dass manche Söldner gerne auch mal ein oder zwei Kompanien Infanterie opfern, um einen Gegner mit Inferno-Raketen zu übergießen.“
Wieder rollten die Bestätigungen rein. Bis hier lief alles wie am Schnürchen. Nach den Gesetzen des Chaos bedeutete das, entweder passierte gar nichts mehr, oder eine mittelschwere Explosion stand bevor. Also im übertragenen Sinne.

Kurz nachdem die Vorhut den Wald verlassen hatte und Zorn den Waldrand von seiner Position schon als klare Linie ein paar hundert Meter entfernt sehen konnte, geschah tatsächlich eine mittelschwere Position. Zorns erster Blick galt seiner Einheit, aber die Blips waren noch alle da. Dann suchte er nach den Firefighters. Diese hatten mittlerweile aufgeholt und befanden sich auf einer Höhe mit seiner Hauptstreitmacht und den Transportfahrzeugen. Aber es waren nur noch fünf Blips, keine sechs mehr. Zorn sah aus dem Cockpit und erkannte eine Pilotenliege, die an ihrem Fallschirm vom Himmel schwebte. Dies, und mehrere kleine Explosionen rund um den hilflosen MechPiloten. Autokanonenfeuer!
„An alle von Alpha Bravo eins! Voller Stopp! Gefechtsbereitschaft! Wer bereit ist, auf die Firefighters zu feuern, der schießt womöglich auch auf uns! Flankenschutz ausrücken, Feuerunterstützung leisten! Gamma Bravo folgt und unterstützt! Wichtig: Wenn da mehr steht als ihr fressen könnt, Rückzug zum Fluss und auf die Einheit warten!“
Drei MechPiloten bestätigten, drei Blips bewegten sich über den Fluss. Kurz darauf bestätigte auch Muller , und die fünf Shrek-Panzer der Kommandolanze verließen ihre Positionen in der Kolonne und setzten über den breiten, aber dankenswerterweise hier sehr flachen Fluss über.
Noch während er beobachtete, wie der letzte der schweren Panzer auf der anderen Uferseite zwischen den Bäumen verschwand, dachte er bereits an seine nächste Aufgabe. Er hatte den Flankenschutz geschickt. Eine Hornisse, zwanzig Tonnen, ein Tomahawk, vierundfünfzig Tonnen, und der Hermes seiner Kommandolanze, dreißig Tonnen. Nicht gerade die schwerste Verstärkung für Freemond, aber eine schnelle Unterstützung.
In der Zwischenzeit war der Kampf weiter gegangen, und nun erfolgte ein Reaktorexplosion an einer Stelle, wo es keine Firefighter-Blips gab. Anscheinend war Freemond nicht bereit, sich einfach auf die Seite zu rollen und abschlachten zu lassen.
Dann fiel ihm siedendheiß ein, wo sein Fehler war: Er hatte Elisabeth da raus geschickt! Kurz zögerte er, wollte sie zurückrufen, dann aber ließ er es sein. Sie hatte genug Routine im Simulator, sie hatte über hundert Stunden auf dem Tomahawk, und sie wies gute Schießergebnisse aus. Es war ohnehin Zeit zu erfahren, ob sie das Zeug zum MechKrieger hatte, und das bedeutete, sie musste auf andere Mechs zu feuern bereit sein. Aber sobald die Statusanzeige ihrer Maschine anfing gelb zu werden schwor sich Zorn, würde er sie ein Stück weit zurücknehmen. Nicht ohne Grund hatte er eine Fünferlanze Shreks hinterher geschickt, jedes Biest ausgerüstet mit drei PPK, und achtzig Tonnen schwer. Normalerweise eine dumme Idee, die schweren Panzer in unübersichtlichem Gelände auf einen unbekannten Feind zuzujagen. Aber die drei leichten und mittelschweren Mechs vorweg würden die Aufmerksamkeit des Gegners binden. Hoffentlich lang genug, damit die Shreks effektiv eingreifen konnten.

„Alpha Bravo eins von Alpha Bravo zwei!“, meldete sich Ellie als Erste. „Zeichne fünf Mechs, ich wiederhole, fünf Mechs! Schwerste Maschine ist ein Marodeur, der von meinem Computer als Marodeur II identifiziert wird! Einhundert Tonnen! Dazu Kriegshammer, Kampftitan, Schütze, Schütze, und von einem Kampfschütze stehen hier nur noch die Beine! Alles nicht identifizierbare Konfigurationen!“ Fünf rote Blips erschienen, welche den blauen von Freemonds Leuten gefährlich nahe waren.
„Alpha Bravo eins hier! Das ist zu heftig für euch. Ein Feueraustausch, dann auf die Höhe der Shreks zurückfallen lassen!“ Ein weiterer blauer Blip der Firefighters verschwand, aber es gab diesmal wenigstens keine Explosion. Das Signal des Kriegshammers. Das war ein extrem schwerer Schlag für die kleine Truppe.
„Ein Feueraustausch, verstanden!“ Ellie ließ den Tomahawk dank seiner Sprungdüsen abheben. Deutlich erkannte Zorn, wie sich die Maschine über das Blätterdach erhob und etwa einhundert Meter sprang. Dann sauste die Titanstahlaxt hernieder, und einer der feindlichen roten Blips verschwand im gleichen Atemzug. Nur einen Augenblick darauf zündete Ellie gehorsam erneut die Sprungdüsen und setzte ganz nach Befehl rückwärts fliegend über die Firefighters hinweg, um hinter ihnen zu landen.
Das war der modifizierte Marodeur gewesen. Zorn stand Schweiß auf der Stirn. Also, bereit zu töten war das Mädchen schon mal. Nur wer hatte ihr beigebracht, unnötige Risiken einzugehen und beinahe unmögliche Gelegenheiten wahrzunehmen? Ach ja. Die meisten seiner eigenen Angriffe mit der Axt waren auf Gefechts-ROM aufgezeichnet und Teil des Lehrplans für den Tomahawk. Und er war schon mal rücksichtslos bei einer guten Gelegenheit.
Nun eröffneten auch die Hornisse und der Hermes das Feuer. Nicole feuerte dabei ausschließlich den Flammer, bevor sie die überlegene Geschwindigkeit des Scouts nutzte, um ohne Gegentreffer wieder zwischen den Bäumen zu verschwinden. Chau stellte sich ähnlich geschickt an und, nachdem er seine 5er LSR abgeschossen hatte, verschwand er mit einem Sprung höchstens in menschlicher Kniehöhe wieder zwischen den Bäumen, anstatt über den Baumwipfeln zu fliegen und ein gutes Ziel abzugeben, jetzt wo der Überraschungsmoment verbraucht war.
Einer der Schütze-Mechs machte mehrere Schritte in Richtung Fluss. Dann feuerte er vierzig LSR auf gut Glück hinter den beiden Mechs her. Nur, um selbst von fünf Partikelkanonenvolleys getroffen zu werden, während der sechste Schuss knapp am gedrungenen ArtillerieMech vorbei ging. Zwei der fünf Shreks hatten freies Schussfeld gehabt und sich für das überraschende Bombardement mit LSR bedankt. Doch während seine Panzer mit zwei, drei und einem Treffer ohne größere Schäden davon gekommen waren, setzten die fünf PPK-Treffer dem Schütze erheblich zu. Doch er blieb aufrecht stehen und öffnete die Abschussvorrichtungen für einen zweiten Volley, da aber rauschte der Hermes vor den Panzern entlang und nahm den Schütze noch einmal mit seinem Flammer unter Feuer. Vom dem dreisekündigen Beschuss traf etwa die Hälfte des Flammenplasmas den Mech.
Daraufhin versteifte sich die Maschine. Überhitzung. Das hieß auch, er konnte seine Raketen nicht mehr abfeuern, bis die Betriebstemperatur wieder im operativen Bereich war.
Aber dazu würde er nicht mehr kommen, denn ein dritter Shrek griff nun ebenfalls an. Von drei Schüssen trafen zwei, und einer von ihnen fuhr direkt in die rechte Schulterlafette. Es gab erneut eine heftige Explosion, dann verschwand auch der Schütze als Blip vom Radar.
Das war das Signal an die restlichen drei Mechs, sich zurückzuziehen. Dies taten sie rückwärts gehend, sich sowohl von den Cavaliers als auch den Firefighters fortbewegend Richtung Nordnordwest, wo der Wald an einem Bergrücken heranreichte. Dort musste es entweder Unterstützung für die schweren Mechs geben, oder aber eine Rückzugsmöglichkeit.

„Alpha Bravo eins von Gamma Bravo eins“, meldete sich Akeem Muller mit einer Seelenruhe, als würde er ein Kreuzworträtsel ausfüllen, und zwar die letzten drei offenen Fragen: „Verfolgen?“
„Verfolgen und vernichten für die nächsten drei Klicks.“ Damit hatte Zorn die Grenze vorgegeben, wie weit die drei Mechs und die Panzerlanze sich von der Hauptmacht entfernen durften. „Wenn es heftig wird, Rückzug.“
„Gamma Bravo hat verstanden.“ Alleine vierhundert Tonnen bislang fast unbeschädigte Panzer gegen nicht mal ein Drittel der Tonnage an beschädigten Mechs, das war beinahe schon unfair.
„Delta Alpha eins von Alpha Bravo eins.“
„Delta Alpha eins hört.“
„Unterstützungsleistung für den ausgestiegenen Firefighter.“
„Delta Alpha eins hat verstanden.“ Zwei der Infanterieschweber lösten sich von der Gruppe und setzten über den Fluss, um die Liege des abgeschossenen Piloten zu finden. Hoffentlich mit ihm in einem Stück drauf, und nicht in tausend Fetzen zerschossen.
Zorn hatte so eine Ahnung, wer die Angreifer gewesen waren. Logans Hangmen. Und er hatte noch eine Ahnung, auf wessen Lohnliste sie standen. Zugriff auf ihre Computer oder noch besser ein Überlebender fürs Verhör würden Gold wert sein.
„An alle von Alpha Bravo eins! Nicht ablenken lassen, Jungs und Mädchen. Wir wären nicht die erste Einheit, die gebannt auf ein Feuerwerk schaut, und dabei vergisst, hinter sich zu gucken, wo dann ein Flankenangriff erfolgt.“
Die Teileinheitsführer bestätigten.

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Als sich der Staub gelegt hatte, in diesem Fall als die Shrek-Panzer die drei Kilometer-Grenze erreicht hatten und umkehrten, zog Zorn seine Leute auf die andere Flussseite und ließ rund um den Gefechtsort einen Schutzperimeter errichten.
Die Infanterie errichtete Beobachtungspunkte in bis zu zehn Kilometern Entfernung ein, und leichte Mechs schauten sich hinter den Bergketten des Flusstals um. Andere Mechs und die Panzer nahmen feste Stellungen ein oder waren auf Gefechtspatrouille. Als das Gelände dermaßen gesichert war, konnte Zorn seinen Marodeur verlassen. Zumindest so lange, bis ein Alarm ihn wieder hinein trieb. Ach, und wenn man schon dabei war, kundschaftete eine motorisierte Truppe einen geeigneten Rastplatz in relativer Nähe aus, denn Zorn rechnete nicht mehr damit, heute noch besonders weit zu kommen. Nicht, dass Zeit eine Rolle spielte, denn der eigentliche Tanz würde erst los gehen, wenn sie das Depot erreichten und damit dessen Position enttarnten.
Bei ihm waren MeisterTech Crawford und Ilona Pappas. Mit ihnen schritt er den Ort des Gefechts ab. Natürlich mit einem der Infanterieschweber. Das gesamte Gemetzel hatte sich über fast einen Klick Entfernung abgespielt, das ging man in einer gefährlichen Situation besser nicht zu Fuß. Dazu kam noch, dass die drei fliehenden Mechs der Hangmen durch die Panzer hatten einstecken müssen, und eine Maschine hatte mindestens einen Arm verloren, aber alle auch Panzerung.
Zuerst suchten sie die Position der zerstörten Hangmen auf. Wie Ellie gesagt hatte, vom Kampfschütze standen nur noch die Beine, aber relativ gut erhalten. „Bitte um Erlaubnis, die Reste zwecks Ersatzteilgewinnung abtransportieren zu dürfen, Sir“, sagte Jeannie Crawford mit leuchtenden Augen. Sie wedelte mit der rechten Hand. „Radioaktivität dürfte kein Problem mehr sein. Der Fusionsreaktor ist vor über einer halben Stunde durchgegangen. Das bisschen Gamma hat sich mittlerweile verflüchtigt.“
„Auf dem Boden campieren würde ich allerdings auch nicht“, warf Ilona Pappas ein.
„Das haben wir ja auch nicht vor. Einverstanden, Jeannie. Aber warte noch ab, was wir darüber hinaus bergen können. Vielleicht verschieben sich die Prioritäten.“
„Darf ich dazu anmerken, dass es die Firefighters waren, welche den Kampfschützen abgeschossen haben?“ Ilona hob die Schultern. „Eventuell erheben sie Ansprüche.“
„Wir bergen die Dinger auf jeden Fall. Sollten die Firefighters Rechte anmelden, werden wir uns schon einigen. Ich meine, wir haben zwei Kampfschütze-Mechs in der Einheit. Wir können die Ersatzteile vermutlich gebrauchen“, erwiderte Zorn. „Fahrer, zum Marodeur.“
„Ja, Sir.“

Als sie diesen Mech erreichten, schauderte es Zorn. Das Ding war gewaltiger als ein normaler Marodeur. Eine stille Drohung ging von ihm aus, selbst jetzt, wo das Cockpit von der Titanstahlaxt des Tomahawks eingeschlagen worden war. Ein paar Infanteristen und Techs hatten die Maschine erklommen und untersuchten das Cockpit.
„Klaasen!“, rief die MeisterTech. „Bericht!“
Einer der Techs steckte den Kopf aus der Bresche mit dem gesplitterten Stahl hervor. „Totalschaden fürs Cockpit, Ma'am! Ellie hat die Liege fast genau im Zentrum getroffen und die arme Sau hier längs halbiert. Ich bezweifle, dass er noch was gemerkt hat. Ist schade, denn es scheint, er trägt einen der alten Sternenbund-Kühlanzüge! Den hätten wir gebrauchen können!“, rief Klaasen zu ihnen herunter.
„Ja. Schade, dass wir im St. Jones-Depot keine gefunden haben“, murmelte Jeannie mehr zu sich selbst. Als sie Zorn verständnislos herüberschauen sah, sagte sie: „Sternenbund-Kühlanzüge. Sind wie Kühlwesten, nur effektiver. Es sind Overalls, die viel effektiver kühlen als es die Westen könnten. Heutzutage ein Mythos. Ich schätze, in der gesamten Inneren Sphäre gibt es nur noch ein paar Tausend.“
„Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass ausgerechnet die Hangmen einen davon haben?“, fragte Ilona irritiert.
„Das ist eine sehr gute rhetorische Frage. Aber zurück zum Thema. Was denken Sie, MeisterTech?“
„Zorn, dieses Springen zwischen persönlich und Arbeit ist etwas nervig. Wir sollten da einen Modus entwickeln. Duzen wir uns, solange nur Offiziere in Reichweite sind, okay?“
„Einverstanden. Also, was denkst du, Jeannie?“
„Elisabeth hat einen eins in einer Million-Schlag abgeliefert. Direkt ins Cockpit. Darüber hinaus ist auch nicht sehr viel zerstört. Will sagen, auf den ersten Blick kann ich den Kumpel hier in drei, vier Tagen mit einem guten MechHangar und den richtigen Ersatzteilen wieder herrichten.“
„Dann nehmen wir ihn mit.“
„Mit zum Depot?“, fragte sie irritiert.
„Ja. Der nächste Ort, der einen guten MechHangar zu bieten hat, oder? Und eventuell auch die Ersatzteile.“
Jeannie dachte kurz nach und nickte dann. „Die Ersatzteile führen wir mit, denke ich. Was die Reparatur angeht, wenn das hiesige Depot aufgebaut ist wie das letzte, dann hast du Recht, Zorn.“
„Ma'am, auf ein Wort!“ Einer der Techs trat an sie heran. „Sir! Ma'am!“, grüßte er auch Pappas und Kenderson.
„Was gibt es, Chun?“
„Dieser Panzerungssplitter ist merkwürdig. Viel zu leicht.“
„Geben Sie das Ding mal her.“ Der Tech reichte ihr den Splitter, und die MeisterTech wog ihn in der Hand. „Verdammte Scheiße, das ist Ferrofibrit-Panzerung. Eigentlich Sternenbund-Hardware, aber selbst da war das Zeug schon selten. Seit einiger Zeit schwemmt irgendjemand jedes Jahr ein paar Tonnen dieser Panzerung in die Innere Sphäre, und ich hatte schon mal eine in der Hand, habe aber nie eine verbauen können. Sie werden nur gegen C-Noten verkauft. Gegen eine Menge C-Noten.“ Versonnen betrachtete sie den Splitter. „Besser, wir sammeln alle ein. SeniorTech, schnappen Sie sich ein paar Leute und erledigen Sie das. Danach melden Sie sich wieder beim Alten, damit er ihnen Geleitschutz mitgibt, wenn Sie den abgeschossenen Arm und weitere Panzerung bergen.“
Zorn hob eine Augenbraue, aber eher, weil er amüsiert war. Hatte sie ihn gerade den „Alten“ genannt? Die übliche Koseform für den Einheitskommandeur? Ein größeres Kompliment konnte sie gar nicht aussprechen. Allerdings mischte sich Irritation in das beginnende Hochgefühl. „Klaasen!“, rief Zorn den Marodeur II hoch.
„Sir?“, rief der Tech zur Antwort und steckte erneut den Kopf hervor.
„Untersuchen Sie den Neurohelm des Toten!“
„Oh, den Helm betreffend! Der Tote war so freundlich zu versuchen auszuweichen! Dadurch ist der Helm unbeschädigt, von ein paar Kratzern abgesehen! Genützt hat es ihm jedenfalls nichts!“
„Bergen Sie den Helm und lassen Sie ihn untersuchen, Klaasen!“, rief Jeannie hoch. „Du denkst das Gleiche wie ich, Zorn?“
Der nickte. „Ein Kühlanzug aus Sternenbundzeiten, Panzerung aus Sternenbundzeiten, und eventuell ein Neurohelm aus Sternenbundzeiten. Mich beschäftigen daher zwei Fragen: Welches der Depots in unserer Liste konnten die Bastarde von den Hangmen plündern, und warum hat Medice sie nicht gegen uns eingesetzt? Warum erst jetzt?“
„Vermutlich, weil er nicht damit gerechnet hat zu scheitern“, murmelte Ilona. „Sein Ego ist übergroß, und alle anderen Menschen ihm von Natur aus unterlegen. Falls er in einer Sache irgendjemand gegenüber schlechter ist, siehe Regel eins.“
„Dennoch. Er hatte solch eine Truppe in der Hinterhand und hat sie nicht eingesetzt?“, zweifelte Zorn.
„Liegt vermutlich an ihrer Ausstattung“, sinnierte Jeannie, die noch immer den Splitter untersuchte. „Für kleinere Scharmützel sind die allemal gut. Aber ein Gefecht, in dem sie drohen, Verluste zu haben wie jetzt, was ihre kleinen Geheimnisse verraten würde, haben die bisher nicht riskiert. Und wer weiß, wo die waren, als der Vicomte versucht hat, uns alle umzubringen. Tschuldigung, Miss Pappas.“
„Ich ging davon aus, dass das mit dem Du unter Offizieren auch für uns beide gilt, Jeannie“, erwiderte sie. „Keine Entschuldigung nötig. Ich bin auch eher dankbar, noch am Leben zu sein nach dem, was ich den Cavaliers unfreiwillig angetan habe. Verdient hätte ich es.“

„Sir?“, kam es knarrend aus dem Handfunkgerät von Zorn. Es war die Stimme ihrer Verbindungsoffizierin.
„Sprechen Sie, Bloodbourne.“
„Ich habe die Gouverneurin kontaktiert und von der Sachlage unterrichtet. Außerdem habe ich ihr unsere ROMs überspielt. Sie hat sich die Gefechtsaufzeichnungen angesehen und ist unserer Meinung, Sir. Die Hangmen wollten uns auflauern und wurden dabei von den Firefighters überrascht. Das reicht noch nicht, um sie für vogelfrei zu erklären, aber es macht sie eindeutig straffällig.“
„Das sind gute Nachrichten. Wir werden, sobald die Firefighters aufgeräumt haben, auch deren Gefechts-ROMs zur Verfügung stellen.“
ROM oder Gefechts-ROMs waren eine nahezu unmanipulierbare Dokumentationsform, die jeder Mech zu jedem Augenblick seiner aktiven Zeit einsetzte. Es hieß, ComStar hätte die Kapazität, tatsächlich eine ROM zu fälschen, und zwar nahezu perfekt. Alle anderen ROM-Fälschungen waren selbst von Laien entlarvbar. Daher galten sie als Beweise. In diesem Fall überführten sie die Hangmen des versuchten Angriffs auf die Cavaliers und ihre einheimischen Unterstützer, und das, ohne provoziert worden zu sein.
„Ich bin sicher, die werden nicht mehr gebraucht, aber schaden kann es nichts, Sir.“ Die Verbindungsoffizierin beendete die Verbindung.
Zorn sah den Marodeur II hoch. „Scheint so, als hätten wir schon eine Prioritätenverschieben, oder, Jeannie?“
Die Frau lächelte zufrieden und sardonisch. „Du kennst mich eben, Zorn. HE, KLAASEN!“
„Ma'am?“
„Sehen Sie zu, dass Sie den Computerkern kopieren! Achten Sie auf die üblichen Schweinereien! Nein, vergessen Sie das! Nike soll das machen, ja? Rühren Sie den Computer nicht an!“
„Uff. Okay. Ist vielleicht das Beste. Wenn die Hangmen irgendwelche Schweinereien eingebaut haben, wird Nike sie schon finden! Ich fordere sie gleich an!“
Jeannie nickte zufrieden. „Weiter zum Schütze?“, fragte sie.
„Weiter zum Schütze“, bestätigte Zorn. Die drei gingen zurück zum Schweber.
„Bleibt eigentlich nur noch eine Sache“, sagte die MeisterTech im Plauderton.
„Ich weiß. Wie kriegen wir Elisabeth dazu, dass sie sich nicht für einen unverwundbaren Superpiloten hält, nachdem ihr erster Abschuss wie ein Spaziergang in einem Simulator ausgesehen hat, gegen eine Bestie von Mech mit einhundert Tonnen Bewaffnung und Panzerung?“
„Ja, das auch. Aber eigentlich meinte ich, dass wir Probleme bekommen werden, wenn wir den Schütze auch noch bergen können. Dann haben wir keine Kapazitäten mehr, um den Firefighters zu helfen.“
„Apropos, wie steht es bei denen?“
„Im Moment ziehen sie ihre eigenen Techs nach, aber groß ist die Truppe nicht“, sagte Ilona, als sie wieder im Schweber Platz nahm. „Ich habe ihnen im Namen der Cavaliers Hilfe angeboten, und sie haben angenommen.“
Zorn runzelte die Stirn. „Es muss sie übel erwischt haben. Laden Sie sie ein, in unserem Feldcamp zu biwaken, damit sie sich sortieren können.“
„Geht klar.“

Der Schweber setzte sich wieder in Bewegung und fuhr zum dritten Kampfplatz, der glücklicherweise nur ein paar hundert Meter entfernt war. Sie stiegen aus, um das führerlose Wrack zu begutachten.
Da stand er also, die Schütze, ein Gigant von einem Mech mit siebzig Tonnen Gefechtsgewicht, zwei 20ern LSR-Werfern, und bei diesem Exemplar mit einer Ausrüstung von vier mittelschweren Lasern. Nur, dass einer der Werfer explodiert war und den halben rechten Torso dabei ins Nirwana geblasen hatte, inklusive des Cockpits. „Ein 2Z? Wegen der vier Laser?“, fragte Zorn.
„Ich weiß nicht. Diese Laser sehen merkwürdig aus“, murmelte Jeannie mehr zu sich selbst. „Auf jeden Fall ist noch genug dran, dass es sich lohnt, das Ding mitzunehmen.“ Sie klopfte gegen das linke Mechbein. „Keine Ferrofibrit-Panzerung. Immerhin das. Es hätte mich sonst gewundert, wenn zwei Mechs in so einer kleinen Einheit eine derart wertvolle Panzerung besessen hätten. Dann hätte ich fragen müssen, mit wem wir es zu tun haben.“
„Vermutlich mit Alekzandr Kerenskys Nachfahren“, scherzte Zorn.
Ilona Pappas runzelte die Stirn. „Zorn?“
„Ein gängiger Witz bei Haus Steiner“, erklärte er. „Sie wissen, dass General Kerensky nach Beendigung der Nachfolgekriege und nachdem er den Erzverräter Stefan Amaris getötet hatte, mit einem nicht unerheblichen Teil der Sternenbundstreitkräfte die Innere Sphäre verlassen hat? Danach hat sich die Innere Sphäre selbst zwei, drei Stufen die Technologieleiter runter gebombt. Wenn wir also irgendwas entdecken, was höherwertiger ist als die übliche Ausrüstung, scherzen wir, dies wäre ein Zeichen für Kerenskys Nachfahren, die hoffentlich ihren Technologiestand bewahren konnten, weil sie keine gottverdammten Bürgerkriege geführt haben.“
„Ah, verstehe. Eine Art geflügeltes Wort.“
„Ja, in der Art.“ Er wandte sich ab. „Ich will zurück in meinen Mech. Die Auszeit ist vorbei. Beeil dich, den Abtransport durchzuführen, Jeannie. Ich möchte mein Camp nicht allzu spät aufschlagen.“ Er griff zu seinem Funkgerät und ging auf die allgemeine Frequenz. „Alpha Bravo eins für Alpha Bravo zwei, kommen.“
„Alpha Bravo zwei hört“, erklang Ellies Stimme.
„Dienstliche Meldung im Besprechungszelt um einundzwanzig Hundert.“
Zorn konnte die junge Kadettin deutlich schlucken hören. „Jawohl, Sir. Einundzwanzig Hundert.“

Etwa fünf Stunden später, weit früher als erwartet, allerdings an einem Ort, den Zorn an diesem Tag eigentlich runde einhundert Kilometer hinter sich wissen wollte, campierte die Einheit unter Gefechtsbedingungen. Beobachtungspositionen waren eingerichtet, Verteidigungspositionen definiert, Mechs und Panzer waren auf Patrouille, der Rest Gefechtsbereit. Und überall waren bewaffnete Posten der Cavaliers, die ihre Ausrüstung eifersüchtig bewachten. Eine kleine Ecke hatte man für die Firefighters eingerichtet, und mehr brauchten sie auch nicht. Zwei von sechs Maschinen zu verlieren war für die Einheit ein herber Schlag gewesen.
Die Frau, welche Zorn im Besprechungszelt aufsuchte, war dann auch nicht Charles Freemond. Die junge Frau, nur mit Kühlweste und Shorts bekleidet, den Neurohelm in der Armbeuge, legte den Helm auf dem Kartentisch ab und salutierte vor Zorn. „Major Kenderson, mein Name ist Lieutenant Nadeen Kenderson, und im Namen der Firefighters bedanke ich mich für die freiwillige Unterstützung, die ihre Soldaten und ihre Techs uns geleistet haben.“
„Lieutenant … Kenderson?“, hakte Zorn nach. Dabei spürte er Winninghams Grinsen in seinem Nacken.
„Ja, Sir, Kenderson. Die Ironie ist mir wohl bewusst. Aber ich nehme nicht an, dass Sie von Avalon stammen.“
„Isle of Skye. Skye, um genau zu sein. Ich will frank und frei zu ihnen sein, Lieutenant. Wo ist Charles Freemond?“
Die junge Frau kämpfte mit ihren Wangenmuskeln, als sie die Zähne zusammenbiss. „Sir, der Captain liegt in ihrem Lazarett.“
„Das hat mir niemand gemeldet“, sagte Zorn erstaunt.
„Liegt vielleicht daran, dass immer noch operiert wird. Er war auf der Pilotenliege, die beschossen wurde“, sagte sie mit Bitterkeit in der Stimme. „Er hat keinen direkten Treffer abbekommen, aber etliche Splitter, und einige sitzen zu nahe am Herzen, deshalb …“
„Schon gut, Lieutenant. Sie sind jetzt also der kommandierende Offizier der Firefighters.“
„Ja, Sir.“
„Ich gehe davon aus, dass Charles den Atlas gesteuert hat. Die Hangmen haben ihn wegen der Tonnage zuerst angegriffen, nehme ich an.“
„Ja, Sir. Dieser besondere Marodeur und die beiden Schützen haben ihn zusammen beschossen.“
„Hm.“ Das erklärte, warum sie es nicht mit beiden Schütze zu tun bekommen hatten. Der hatte irgendwo auf der anderen Seite der Linie gestanden, um seine Aufmerksamkeit den Firefighters zuzuwenden. Sie mussten ja auch mal Glück haben. „Der Kriegshammer?“
„Auch ein Verlust, aber kein totaler. Der Pilot, Sergeant Freckel, konnte aussteigen und ist einsatzbereit.“ Aber entrechtet. Außer, man konnte den Kriegshammer wieder gerade biegen.
„Zustand der Halbkompanie?“, fragte er geradeheraus. „Nein, entschuldigen Sie. Ich habe kein Recht, nach den Interna ihrer Truppe zu verlangen.“
„Nein, schon gut, Sir, Sie erfahren ja eh alles von ihren Techs.“ Unbewusst strich sie sich durch die stoppelkurz geschnittenen roten Haare. „Der Atlas hatte eine Reaktorexplosion. Selbst im besten Fall ist nur noch ein Arm und die Beine zu retten. Totalausfall also. Der Kriegshammer hat ein Bein verloren und diverse Torsotreffer einstecken müssen, sollte aber mit hundert bis zweihundert Arbeitsstunden und einer guten Ersatzteillage wieder einsatzbereit gemacht werden. Der Dunkelfalke von Griers hat lediglich Panzerungsschäden davon getragen. Etwa acht Stunden. Der Feuerfalke wurde mittig getroffen, als er gesprungen ist, aber Corporal Tripole geht es bis auf eine Gehirnerschütterung gut. Der Mech wurde durch ein paar Bäume gehämmert und hat einiges an Panzerung verloren und einer der Schulteraktivatoren wurde erheblich beschädigt, aber auch hier, etwa acht Wartungsstunden.
Mein Steppenwolf hat die Hauptwaffe verloren und diverse Panzerungsschäden einstecken müssen, aber auch ohne Hauptwaffe ist er in etwa vier Stunden wieder gefechtsklar. Die Valkyrie von Private Saunders hat am wenigsten abbekommen. Sie hat allerdings auch nur drei Treffer von insgesamt neun LSR einstecken müssen. Etwa fünf Stunden.“

„Und ihre Techs sind in der Lage, diese Arbeiten zu leisten?“, fragte Zorn.
„Nacheinander, ja, Sir.“
„Heißt das, Sie ziehen sich erst mal wieder in Richtung der planetaren Hauptstadt zurück und lecken ihre Wunden, sobald Charles Freemond aus dem OP raus ist?“, fragte Kirran.
„Ich würde gerne den Captain in ein Hospital senden, ja. Aber wenn Sie erlauben, Sir, der Schaden, den wir einstecken mussten, ist gleichbedeutend mit einer gigantischen finanziellen Bürde. Wir müssen irgendeine Form von Gewinn machen, sonst kann ich die Mechs verkaufen, unsere Schulden bezahlen und die Leute auszahlen.“

Zorn dachte einen Augenblick nach. „Meine Techs werden ihren Leuten bei den Reparaturen helfen, sodass morgen zur Abmarschzeit um Null Neunhundert alle möglichen Arbeiten erledigt sind. Eventuell kriegen wir den Kriegshammer am Depot wieder fit, aber ich fürchte, wenn Sie den Atlas nicht bergen können, muss er hier bleiben.“
„Sir, die Kosten sind ...“
„Kein Problem, das sind sie. Wir haben die Beine des Kampfschütze geborgen. Ihr Abschuss, Kenderson. Ich nehme sie als Bezahlung für die Reparaturen ihrer Mechs entgegen.“
„Sind wir also im Geschäft?“, fragte die junge Frau.
„Das heißt, dass ich ihnen einen Unterkontrakt anbiete. Sie haben den Hinterhalt aufgemischt, der meinen Leuten galt, deshalb bin ich zu großzügigen Konditionen bereit. Aber Sie müssen sich mit ihren vier aktiven Mechs als Kampflanze meiner ersten Kompanie anschließen. Dieser Kontrakt gilt, bis wir wieder in der Hauptstadt sind. Sollten wir bis dahin Beute aufteilen, gelten die üblichen Regeln für Sie und ihre Leute. Was Sie abschießen, ist ihres und Sie kriegen anteilig von allem, was wir an Mechs und Ausrüstung bergen.“ Zorn hob einen Zeigefinger. „Weil Sie die Hangmen zerrieben haben und weil ich eine Abmachung mit Charles habe.“
„D-das ist weit mehr, als ich zu hoffen gewagt habe, Sir. Im Namen der Einheit nehme ich ihr großzügiges Angebot an.“
„Schön, dass Sie es so sehen. Bleiben Sie gleich hier. Miss Pappas, Mister Leary, Mister Winningham und ich gehen gerade ein paar Details durch, unsere Marschformation morgen betreffend. Bei der Gelegenheit können wir Sie und ihre Leute gleich mit einteilen.“
„Ja, Sir.“ Damit trat sie an den Kartentisch.
„Nein, gehen Sie auf die andere Seite, Nadeen. Es ist gleich neun Uhr. Ich darf Sie doch Nadeen nennen?“
„Sir, Sie können mich nennen, wie immer Sie wollen. Was ist um einundzwanzig einhundert?“
„Für diese Uhrzeit habe ich den Tomahawk-Piloten einbestellt“, erklärte Zorn.
„Ah, dieser Teufelskerl. Ich habe das Manöver gesehen. Der Mann muss Eier aus Stahl und Eiswasser in den Adern haben.“
Winningham lachte leise, wenngleich bestätigend, Kirran war da etwas direkter. Das Gesicht von Pappas war eine steinerne Maske, aber Zorn war sicher, sie kicherte innerlich. Und er selbst, nun, er runzelte die Stirn. „Im gewissen Sinne haben Sie Recht, aber es ist ein Kadett im ersten Einsatz. Deshalb versuchen wir, Kadett Watts etwas zu erden.“
„Ein Kadett? Wer hat ihm beigebracht, so mit den Sprungdüsen und der Axt umzugehen? Ich würde die Person dem NAIW als Lehrer empfehlen.“
Zorn hüstelte verlegen. Vielleicht war das New Avalon Institut für Wissenschaften, das auch die Mech-Technologie erforschte und einen eigenen Bataillonskader Mechs sein eigen nannte, doch ein wenig hoch gegriffen für ihn. „Der Tomahawk war mein Mech, bevor ich den Marodeur übernommen habe. Kadett Watts wurde unter anderem mit meinen Gefechts-ROMs geschult.“
„Haben … Haben Sie den Tomahawk auch gesteuert, als ihre Einheit in diesen Hinterhalt auf St. Jones geraten ist? Die ROM ist selbst bei uns Firefighters angekommen.“
Zorn runzelte die Stirn. Wer zum Henker hatte diese vertraulichen Daten freigegeben? Nur seine Einheit, ComStar, das Militär des Commonwealth und Prinz Hanse hatten Kopien bekommen. Hatte sich einer seiner Leute was dazu verdienen wollen? „Ja, das war ich. Ein harter Kampf und ein sehr harter Schlag für meine Einheit damals.“
„Aber gekämpft haben Sie als wären Sie Hanse Davion persönlich“, sagte die junge Frau mit Ehrfurcht in der Stimme. „Sie hätten den Tomahawk nicht abgeben sollen. Sie sind gemacht für sprungfähige Mechs, Sir.“
„Danke für diese Einschätzung meiner Person. Ich werde das berücksichtigen, sollte ich wieder meinen Mech wechseln wollen.“
Die Söldnerin wurde rot, was gut mit ihrer Haarfarbe kontrastierte. „Sir, ich meinte nicht, ihnen Ratschläge erteilen zu dürfen.“
„Machen Sie sich keine Sorgen. Von ihnen und den Firefighters nehme ich Ratschläge gerne an. Ah, da kommt sie ja schon.“
„Das ist Kadett Watts?“, fragte Lieutenant Kenderson erstaunt.
„Ja. Die mit den Eiern aus Stahl“, kommentierte Kirran genüsslich.
„Und dem Eiswasser in den Adern“, fügte Winningham an.
„In dem Alter schon so gefährlich“, sinnierte Nadeen Kenderson, und unwillkürlich nickte Zorn.

Elisabeth Watts trat ein. Sie trug einen leichten Mantel, aber darunter waren deutlich Kühlweste und ihre Shorts zu sehen. Kleidung, die alle MechKrieger trugen, die mitten in einem Einsatz in potentiell heißer Phase waren.
Sie salutierte vor Zorn, und beinahe glaubte er, Tränen in ihren Augen zu sehen. „Major Kenderson, Kadettin Elisabeth Watts. Ich melde mich wie befohlen.“
„Rühren Sie, Kadett. Bevor Sie fragen, dies ist Lieutenant Nadeen Kenderson von den Firefighters. Sie führt das Kommando über ihre Einheit.“
„Ja, Sir, das weiß ich bereits.“
„Gut. Was Ihr Verhalten heute angeht, Kadett Watts, so nehme ich an, Sie haben mir etwas zu sagen?“
Die junge Frau sah nun aus, als würde sie jeden Moment in Tränen ausbrechen. „Sir, ich weiß, dass ich ein unverantwortliches Risiko eingegangen bin, persönlich wie für die Einheit. Ich weiß, dass ich nur knapp dem Tode entronnen bin, aber ich stehe für meine Handlungen gerade. Ich bitte um eine harte und gerechte Bestrafung für meine Eigenmächtigkeit, Herr Major!“ Erneut salutierte das Mädchen.
Zorn gab sich nach außen hin unbeeindruckt, aber die innere Augenbraue wanderte in neue Höhen. Wer hatte denn Ellie schon in der Mangel gehabt, um ihr Vernunft einzubläuen? Da kamen eigentlich nur zwei in Frage. Oma Jeannie, oder Mama Nike. Eventuell beide zugleich, kaum dass sie eine Minute Zeit gehabt hatten.
„Hm“, machte Zorn. Das einzige Zeichen des Auflachens, das aus ihn hatte herausbrechen wollen, bevor er es hatte stoppen können. Er beschloss, seine Strategie zu ändern. Mit der Rechten schlug er auf die Tischplatte, dass es knallte. „SO kommen Sie mir schon mal gar nicht davon, Kadett! Wollen Sie etwa, dass ich ihre herausragende – HERAUSRAGENDE- Leistung in diesem Kampf einfach so vom Tisch wische? Diesen brillanten Sprung, den wohlkoordinierten Angriff auf dieses Monster von einem Marodeur? Ihr herausragendes taktisches Verhalten, als Sie sich hinter die Linie der Firefighters abgesetzt haben? All das hat ein Riesenlob verdient! Und wäre dies nicht ihr erster Gefechtseinsatz, und hätten Sie nicht noch verdammt viel zu lernen, wäre es ihre automatische Beförderung zum aktiven Mechkrieger gewesen, Kadett Watts! Verlangen Sie von mir, dass ich all das ignoriere?“
Erschrocken sah Ellie den Vorgesetzten an. Tränen schwammen in ihren Augen, aber es war eingerahmt in einem Lächeln, weil der erwartete Tadel ausgeblieben war. „Nein, Sir! Aber ich bitte Sie, es auch nicht überzubewerten! Ich weiß, ich bin noch nicht so weit wie Thomas, ich meine Kadett Jackson, aber ich habe gute Lehrer, und in diesem Moment habe ich einfach nur funktioniert! Und dann habe ich das gemacht, was Sie auf Eden III getan haben, Sir, als Sie diesen Piraten-Atlas angesprungen haben!“
'Wir hätten ihr nicht alle ROM meiner Kampfeinsätze zeigen sollen', ging es Zorn durch den Kopf. Er erinnerte sich an diesen Kampf gegen die Red Wellermen im Magistrat Canopus noch sehr gut, als sei es gestern gewesen. Und ja, es war ein riskanter Sprung gewesen, den er vor allem mit Glück überlebt hatte. Andererseits, wozu hatte der Tomahawk seine Axt?
„Trotzdem. Auch wenn Sie sich ein schlechtes Beispiel rausgesucht haben und dieser Sprung definitiv riskant war, es hat funktioniert, Sie haben überlebt, Kadett, und wir haben den Marodeur als Beute davon getragen.“ Zorn warf einen Seitenblick zu Ilona Pappas herüber.
Die Frau verstand. „Kadett Watts, erheben Sie Bergerechte auf den Marodeur II?“
„Was?“, fragte sie irritiert.
„Der Marodeur II ist ihr Abschuss. Wenn Sie Bergerechte daran erheben - und er kann nahezu vollständig geborgen und wieder instand gesetzt werden – erhalten Sie laut Statuten der Cavaliers fünfundzwanzig Prozent Anteil an der Maschine.“
„Die Antwort darauf ist: Ja“, sagte Kirran Leary grinsend. „Ihr Abschuss, ihre Belohnung, Kadett.“
Ihr entsetzter Blick ging von einem zum anderen, bis er bei Zorn hängenblieb.
„Nun?“, fragte er. „Sie können darauf verzichten, dann stehen ihnen allerdings nach Ende der Reparatur und Indienststellung aber nur rund achthunderttausend C-Noten als Belohnung zur Verfügung, und auch nur dann, wenn wir die Maschine selbst kaufen oder verkaufen.“
„A-achthunderttausend?“, rief sie erstaunt, nur um sofort wieder Haltung anzunehmen, als sie merkte, was sie tat. „Sir!“
„Die erste Schätzung beläuft sich eher auf eine runde Million“, merkte Ilona Pappas an. „Alleine die Daten aus dem Computer der Maschine sind für uns nicht gerade unwichtig.“
„Eine Million?“
„Damit könntest du dich auszahlen lassen und zur Ruhe setzen“, gab Zorn zu bedenken.
Zur Ruhe setzen mit vierzehn Jahren, ein Traum ohne gleichen.
Durch das Mädchen ging ein sichtbarer Ruck. „Major Kenderson, ich erhebe hiermit Anspruch auf das Bergerecht des Marodeurs! Ich bin in ein MechCockpit geklettert, um den Cavaliers zu helfen, um meiner Familie zu helfen. Um Sie zu unterstützen, Major Kenderson. Davon habe ich noch fast gar nichts erreicht.“ In ihrer Miene erschien etwas Verbissenes. „Machen Sie einen Soldaten aus mir, Sir, damit ich menschenverachtende Bastarde wie Medice und seine Söldner überall in der Inneren Sphäre davon abhalten kann, mit anderen zu machen, was sie mit den Cavaliers gemacht haben!“ Sie sah zu Ilona herüber. „Nichts für ungut, Ma'am.“
„Ich nehme nichts davon übel, keine Sorge, Kadett.“
„Also gut“, sagte Zorn. Er blickte zu Ilona herüber. „Miss Pappas, tragen Sie bitte fünfundzwanzig Prozent Besitzanteil für Kadett Watts auf den Marodeur II ein. Das wäre alles, Kadett. Ich bin positiv überrascht, dass Sie nach ihrem ersten Abschuss nicht komplett abgehoben sind und begrüße das nachdrücklich. Gehen Sie duschen, was essen und zur Nachtruhe, bis Sie Patrouillenzeit haben. Und lernen Sie weiter so gut und leisten gute Arbeit. Ach, und Ellie.“
„Sir?“
Zorn kam um den Tisch herum und klopfte ihr auf die Schulter. „Gute Arbeit, Ellie. Verdammt gute Arbeit.“
Erneut sammelten sich Tränen in ihren Augen. „Danke, Sir. Sie aber auch.“ Sie salutierte, wandte sich um und verließ das Zelt wieder.

„Den Tomahawk kriegst du wohl eher nicht zurück. Jedenfalls nicht bevor sie was Größeres Sprungfähiges abschießt, Ilona“, sagte Kirran grinsend, und die Anwesenden lachten leise.
„Das glaube ich auch. Zorn, ich habe dich für den Marodeur II vorgemerkt, sobald er repariert ist“, merkte Ilona Pappas an.
Erneut runzelte der neue Chef der Cavaliers die Stirn. „Es scheint mir, du kennst mich mittlerweile schon recht gut, Ilona.“
„Und was ich kenne, gefällt mir gut. Sonst hätte ich deine Offerte mit falschem Namen und einem Flug irgendwohin längst angenommen. So aber sehe ich einen Mann, der stark genug ist, um Janard zu erwischen.“ Ein nicht gerade herzliches Lächeln spielte über ihr Gesicht. Wirklich, diese Frau brannte darauf, wieder kampfbereit zu sein. „Ich werde dann deinen Marodeur übernehmen, und wir lassen Ellie auf dem Tomahawk. Einverstanden?“
„Sie hat sich genug bewährt in ihrem ersten Einsatz und ein gutes Gefühl für die Maschine. Und sie ist nach ihrem ersten Abschuss nicht abgehoben. Einverstanden.“
Ilona Pappas machte sich eine weitere Notiz.
„Reden wir über den Marsch morgen“, sagte Zorn und trat wieder an den Kartentisch heran.

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„Sir?“, fragte Ilona Pappas vom Eingang des Zeltes her.
Zorn sah auf. „Warum so förmlich, Ilona? Solange wir unter uns sind, reicht der Vorname.“ Der junge Offizier stutzte, als er sich die Adoptivtochter des Vicomte genauer ansah. „Ist etwas passiert?“
Die schwarzhaarige Griechin runzelte die Stirn so sehr, dass sie Falten warf. Etwas, was der Major bei der hübschen Frau nie gesehen hatte. Und er kannte ihren gepeitschten, blutigen Rücken. „Ehrlich gesagt, weiß ich es nicht. Aber ich weiß, dass es wichtig ist. Der Doc hat den getöteten Piloten des Marodeur II auf dem Tisch, und … Nun, er hat mich dazu gebeten. Und jetzt bitte ich dich dazu. Kirran, Darnell, bitte kommt auch gleich mit.“
Leary, ein Whiskyglas in der Hand, das exakt einen Fingerbreit gefüllt war, der einzige Luxus, den er sich am Tag leistete, stellte das vorgekühlte Glas mit großem Bedauern zuerst auf den Kartentisch, dann aber in eine Styroporbox, in der die anderen Gläser transportiert wurden. „Ich komme wieder“, versprach er dem edlen Tropfen. „Ein Single Malt, einfach gebrannt, aber im Cherryfass gereift. Einheimisch, zehn Jahre alt, ganz angenehme süße Note. Wo brennt es denn, Ilona?“
„Das habe ich doch schon gesagt. Ich weiß es nicht.“
„Was Kirran meint, ist, ob dein Magen oder dein Kopf brennt. Wo entsteht dein Unwohlsein?“, sprang Zorn ihm bei.
Die Mechpilotin dachte einen Augenblick nach und sagte dann: „In beiden, Sir.“
Nun runzelte auch Zorn die Stirn. Das war mehr als merkwürdig. Sie nannte ihn zweimal in Folge Sir, obwohl nur die Offiziere anwesend waren.
Darnell Winningham erhob sich nun ebenfalls. „Ich habe ein ganz mieses Gefühl bei der Sache.“

Als die drei Ilona Pappas, adoptiert Medice, folgten, kam Nadeen Kenderson vorbei, die derzeitige Brevet-Kommandeurin der Firefighters, in den Armen einen kleineren Myomermuskel für einen Handaktivator. „Nanu?“, machte sie, als vier der Führungsoffiziere der Cavaliers an ihr vorbei gingen.
„Kommen Sie ruhig mit, Nadeen“, sagte Zorn. „Ist das in Ordnung, Ilona?“
„Es ändert nichts, aber vielleicht hilft es“, orakelte sie.
„Sie könnte ruhig mal etwas genauer werden, finde ich“, murrte Kirran zu Zorn.
„Wie soll ich genauer werden, wenn ich selbst nichts verstehe?“, erwiderte sie, obwohl der ComGuard wirklich leise gesprochen hatte.
Den Rest des Weges zum Lazarettzelt verbrachten sie schweigend, aber Winningham nahm Lieutenant Kenderson den Myomerstrang ab, der immerhin rund zwanzig Kilo wog.
Als sie das Zelt erreichten, empfing sie der MedSeniorTech vom Dienst. Immerhin, als die Cavaliers ausgelöscht worden waren, hatte es ihre Hilfstruppen nicht tangiert. Abgesehen von denen, die nach der Schlacht von St. Joseph die Einheit auf eigenen Wunsch verlassen hatten. Das waren glücklicherweise nur wenige gewesen. Deshalb war auch noch Samuel Arbuckle-Krause bei ihnen, ein gestandener, erfahrener Unfallchirurg knapp vor der Fünfzig. Und da es kaum Abgänge gegeben und Zorn die Einheit weit über die alte Größe aufgebläht hatte, war ihnen das vollständige und eingespielte MedTeam natürlich sehr nützlich. Und die Cavaliers konnten vorerst drauf verzichten, neu zu rekrutieren und sich damit potentielle Agenten und Attentäter ins Boot zu holen.
„Sam?“, fragte Zorn, nachdem er dem Mann die Hand geschüttelt hatte.
Wortlos deutete Arbuckle-Krause auf seinen Arbeitsplatz, ein gut ausgeleuchteter Tisch zur Vivisektion.
Zorn folgte der Bewegung automatisch und bereute es sofort wieder. Nicht wegen der kräftigen Wunde links am Hals, die faktisch bis zur Hüfte runter reichte, eine ganze Hand breit war, den Mann quasi gespalten und faktisch zum Tod des Piloten geführt hatte, sondern wegen seinem Gesicht. „Eieieieiei.“
„Was ist los?“, fragte Winningham, als selbst Kirran begann, seine Schläfen zu massieren.
Zorn trat an den Tisch und deutete auf den Toten. „Was Sie hier sehen, ist nahezu ein Ebenbild von Janard Medice, lediglich achtzehn oder neunzehn Jahre alt.“
Winningham wurde bleich. „Wie alt ist Medice? Kann er einen entsprechend alten Bastard gezeugt haben?“
„Er ist fünfunddreißig. Da muss er aber auch früh angefangen haben“, sagte Ilona. Es klang relativ sarkastisch. „Ist natürlich möglich. Aber es erklärt nicht, warum der tote Pilot dem Schuft derart ähnlich sieht. Die Nase ist hochgedrückt statt heruntergezogen, und der Schwung der Augenbrauen ist etwas anders, aber ansonsten könnte der hier der kleine Bruder von Janard sein.“ Sie schnaubte. „Der jüngere Zwillingsbruder, zweieiig.“
„Wollen Sie behaupten, dieser Mann ist ein Klon von Janard Medice?“, fragte Winningham entgeistert. „Aber wer in der Welt würde einen Klon von einem Siebzehnjährigen erzeugen? Das widerspricht sich vorne bis hinten.“
„Er wurde vor etwa zehn Jahren in das Handelshaus Medice, das einen Herzogstitel vererbt, adoptiert. Was er vorher gemacht hat und woher er gekommen ist, weiß keiner. Nur, dass er zuerst als Zuarbeiter dem Haus riesige Gewinne beschert hat, und später auch, als er adoptiert war.“
„Wie das?“, fragte Kirran.
„Ich habe mich damit nie wirklich beschäftigt, weil es nicht meine Aufgabe war“, sagte Ilona. „Aber ich habe gehört, er handelte mit Fragmenten von Sternenbundwissen, LosTech und dergleichen. Das Wissen war so lala was wert, seit die Gray Death Legion den Kernspeicher aus Sternenbundzeiten mit dem gesammelten Wissen der Menschheit veröffentlicht hat. Aber das LosTech und weiterführende wissenschaftliche Erkenntnisse haben sich sehr gut verkauft. Einiges davon ist sogar bis ans NAIW gelangt, und von dort in den Steiner-Raum. Vor allem medizinische Aspekte, wie Blaupausen für Geräte und Therapiewissen. Wie er an das Zeug gekommen ist, hat er nie gesagt. Aber vielleicht war ja eine Klonomatic 2000 dabei“, sagte sie, einen Scherz versuchend.
„Dann muss sein Ego ja schon mit siebzehn enorm gewesen sein, wenn er meinte, da bereits eine jüngere Version von sich zu brauchen“, kommentierte Kirran. „Nicht, dass das nicht sehr wahrscheinlich ist.“
„Haben Sie nach Operationsnarben gesucht?“, fragte Winningham den Arzt. „Falls der Bursche keine Klonmaschine gefunden hat, die er mit siebzehn Jahren angeworfen hat, um sich selbst zu kopieren, können wir es hier mit einer Maskirovka zu tun haben.“
„Maskirovka? Sie meinen Liao sammelt auf unserem Gebiet die Depots ein?“, fragte Lieutenant Kenderson. „Wie passt das mit dem Angriff auf das Depot in der Konföderation?“
Darnell rieb sich nachdenklich das Kinn. „Stimmt, das ist ein Widerspruch. Nicht, dass Haus Liao nicht zwei eigene Einheiten aufeinander hetzen würde, wenn es sich davon einen Vorteil verspräche. Aber ich habe die Nachricht gesehen und denke, die Maskirovka vor Ort weiß von solchen Plänen nichts. Aber den Geheimdienstgedanken sollten wir nicht so ohne weiteres ad acta legen. Es gibt zu viele weitere Möglichkeiten. Die Draconier, abtrünnige Steiner, die mit der Union unzufrieden sind, eine der vielen Liga-Fraktionen, ROM, und eben auch Liao.“

„Also, wenn es ROM ist, hat mir keiner was gesagt, und keiner hat mich gewarnt“, warf Kirran scherzhaft ein. „Nicht, dass es etwas ändern würde. Nicht an meinen Motiven.“
„Auf jeden Fall denke ich, dass die Idee, eine jüngere Version von sich selbst heranzuziehen nicht auf Medices Mist allein gewachsen sein kann, richtig?“ Zorn sah ins Rund. „Es muss also einen Investor geben, der Janard Haus Medice hat infiltrieren lassen, um dessen Möglichkeiten zu nutzen, die Depots zu plündern. Warum er damit so spät anfängt, wenn er bereits zehn Jahre dabei ist, weiß wahrscheinlich nur er selbst.“
„Vermutlich war die Zeit noch nicht reif. Wenn es einen Sponsor gibt, dann kann es einen Plan geben. Und nur wenn die Planung weit genug fortgeschritten ist, kann Janard die zugegeben risikoreiche Suche nach dem Depots beginnen. Ein Fehler, und jeder weiß von ihrer Existenz“, sinnierte Lieutenant Kenderson. „Wie es auch passiert ist.“
„Es gibt auch die Möglichkeit, dass er durchaus wollte, dass die Existenz der Depots bekannt wird“, ergänzte Zorn. „Später. Um Chaos zu stiften. Das Liao-Depot ist zum Beispiel für ihn nicht leicht zu erreichen. Zumindest nicht ohne ein, zwei Bataillone Mechs aus den Depots.“
„Das wäre eine beeindruckende Streitmacht. Zumindest für eine gewisse Zeit und eine gewisse Anzahl an Gefechtsschäden“, sagte Darnell.
„Vielleicht ist der tote Junge aber wirklich ein Bruder von Janard“, sagte Ilona. „Wer weiß schon, woher er kommt und was er damals schon vorbereitet hat.“ Erneut ging ein Stirnrunzeln über ihre Stirn. „Das erinnert mich an ein Gerücht, das ich im Haupthaus der Medice aufgeschnappt habe, als ich dort war. Demnach kam er von einem seiner Unternehmungen vor etwa drei Jahren wieder und hatte sich verändert. Gerade so viel, dass es auffiel.“
„Himmel, Ilona. Willst du sagen, er wurde ausgetauscht gegen einen Jüngeren?“, fragte Zorn entgeistert.
„Oder einen Fähigeren“, spekulierte sie.
„Das bringt jetzt alles nichts. Sam, tüte ihn ein und stell ihn kalt. Wir werden ihn später an die Behörden übergeben. Sollen die daraus schlau werden. Was aber uns angeht: Der Marodeur II war uns schon eine Warnung. Aber dieser Bursche hier sollte uns klar machen, dass wir in etwas geraten sind, was womöglich für uns eine Nummer zu groß ist. Vielleicht nicht heute oder morgen. Aber irgendwann in der Zukunft. Dafür sollten wir uns wappnen.“
„Schweigepflicht, Sir?“, fragte die Interimschefin der Firefighters.
„Schweigepflicht worüber?“, fragte Zorn zurück. „Die Leute sollen ruhig wissen, wen wir gefunden haben. Vielleicht findet einer von ihnen eine plausibel klingende Erklärung.“
Aber insgeheim, gestand sich Zorn ein, würde er froh sein, wenn dieser Kelch an ihm vorbei getragen wurde und jemand anderes ihn leeren musste.


***

Nicht ohne Stolz sah Herbert Glüsen auf den ersten Hilfsmonitor seines Kreuzritters, der die Aufstellung zeigte, die er gerade kommandierte. Seine Kompanie aus BattleMechs, begleitet von einem Zug Infanterie und Pionieren, hatte eine Tonnage von fast achthundert Tonnen, und damit musste er sich auf keiner Welt der Inneren Sphäre verstecken, außer vielleicht den regionalen Zentren, die eigene Armeen hatten. Aber auf einer konföderierten Provinzwelt wie Larsha war das vor allem eines: Nicht der Fall. Trotzdem, der Alte hatte gesagt, sie sollten nicht leichtsinnig sein. Zwanzig Mechs und siebzehn Panzer aller Klassen waren eine Hausnummer, ohne jede Frage. Aber man konnte auch ins Hintertreffen geraten, obwohl man überlegen war.
Entsprechend dieser Maxime wollte Glüsen auch vorsichtig agieren, aber nicht zu vorsichtig, nachdem die beiden VTOL vom Typ Ferret den Red Longjacks beim Ausladen dazwischen gefunkt hatten. Zwar hatten sie von einheimigeschen Gewährsleuten erfahren, dass die 5. Reservekavallerie gar nicht auf dem Planeten war, was ihre Pläne deutlich beschleunigt hatte. Aber wären sie gleich ins Yuawen-Mittelgebirge geflogen, hätten sie wertvolle Zeit dabei gewonnen, das Depot zu finden und zu plündern. Das Finden war jetzt seine Aufgabe, während Colonel Alonso die weitere Mission koordinierte. Die bestand darin, ihre beiden Union sicher zum Erdboden zu bringen, mit denen sie ihre Beute abtransportieren wollten, bevor ihnen die hiesige Miliz auf die Füße stieg. Deren Stärke war lächerlich gering, sie verfügten über ein paar Hubschrauber, zwei Kompanien Panzer und etwa ein Regiment Infanterie, von denen das Gros nicht mal als Sprungtruppen ausgelegt waren. Aber die Longjacks wären nicht die erste Einheit gewesen, die an der eigenen Arroganz gescheitert wäre.
Deshalb führte er seine Kompanie, bestehend aus vier ScoutMechs, vier mittelschweren Maschinen und vier schweren Fernkämpfern nicht nur weit gefächert mit den Scouts weit vorab und aufgefächert, um dieses friedliche, bewaldete Tal nicht zur Todesfalle werden zu lassen und die Chance auf Artilleriebeschuss oder Bombardierungen so gering wie möglich zu halten, aber eben auch nahe genug, damit die Einheit im Falle eines Falles gegenseitig Deckungsfeuer geben konnte. Soweit seine Ideen. Dazu kam natürlich auch noch, dass sie sich weit, sehr weit vom nächsten zivilisatorischen Zentrum auf Dubai, dem für sie interessanten Kontinent, entfernt befanden. Die Larsha-Miliz müsste schon zaubern können, um ihnen jetzt noch Steine in den Weg zu legen.
Schwierigkeiten erwartete er selbst daher erst beim Verschiffen der zu erwartenden Beute, wenn überhaupt. Es schadete trotzdem nichts, vorsichtig zu sein.

„...von Eagle... ...feld! Mi...“
Sofort war Glüsen bei der Sache und wandte sich dem Bildschirm zu, der seine Kommunikation anzeigte. Einer der Scouts hatte gesendet, die Hornisse von Private Baxter.
„Eagle von Tower, wiederholen!“, sagte er hastig, aber so ruhig, wie er konnte. Auf einem anderen Hilfsmonitor sah man die Verteilung seiner Einheit. Baxter aka Eagle war etwa einen Klick von ihm entfernt, leicht nach rechts, auf Erkundung in Richtung eines Durchbruchs in einem Bergschrat, über den möglicherweise ein Angriff gestartet werden konnte. Es schien ganz so, als hätte er Recht behalten.
„...AUS!“, verstand Glüsen. Die Anzeige der Hornisse verschwand, ein Blitz war vage auf dem Hauptmonitor mit der komprimierten 360°-Rundumsicht etwa halbrechts zu sehen, die Feuerlohe einer Pilotenliege auch, und dann rollte der Donner mehrerer Explosionen zu ihm herüber. Zuerst jener der Minen, auf die Baxter aufgelaufen war, dann die Explosion des ScoutMechs. Verdammt.
„Ich gehe ihn holen!“, bot sich Corporal Juin an und setzte ihren Heuschreck in einen leichten Trab in Richtung der Landestelle der Pilotenliege.
„Negativ, Robber! Bleiben Sie auf ihrer Position! Überlassen Sie die Bergung der Infanterie! Es ist nämlich Doktrin der Konföderation, einfach Minenfelder zu legen! Zusätzlich überwachen und bedecken sie noch mit Artillerie!“
„Sicher? Ich habe hier nichts auf den Blips, was darauf hinweisen würde“, sagte Juin.
„Sicher ist man erst, wenn die Granaten auf einen herabregnen! Sie bleiben trotzdem auf ihrer Linie, Robber! Monkey, ihr Einsatz. Schicken Sie außerdem ein paar Motorräder in Richtung des Berges. Ich will wissen, ob und was da ist, und wie groß das Minenfeld ist.“
„Monkey hat verstanden, Tower.“
„Alle anderen bewegen sich weiter auf die Wegmarke Bravo zu! Und Augen auf, wir sind nicht mehr allein. Wer immer vor uns hier war, hatte Gelegenheit, ein Minenfeld anzulegen!“
Die Klarzeichen kamen herein, und Glüsen hätte fast beruhigt sein können. Aber wieso war ein Minenfeld, das auf einen Mech reagierte, also erst bei einer Belastung von fünf Tonnen aufwärts detonierte, hier bereits für sie als Falle ausgelegt worden sein? Ein unangenehmer Gedanke kroch seine Wirbelsäule hoch. Waren sie womöglich eingekreist? Zwei Panzerkompanien konnten es nicht mit alle Red Longjacks aufnehmen, aber sie hatten durchaus eine Chance gegen ihre Kompanie. Aber konnte der Provinkommandeur von Larsha seine Truppen so schnell verlegen?

„Ace of Hearts von Tower“, sagte er nach einem Frequenzwechsel.
„Ace of Hearts hört“, meldete sich Colonel Alonso.
„Ace of Hearts, wir haben Eagle verloren.“
„Konkretisieren Sie, Tower.“
„Eagle ist auf ein Minenfeld aufgelaufen. Der Mech wurde zerstört, Eagle ist ausgestiegen. Ich schicke Infanterie, um ihn aufzupicken und die Größe des Minenfelds sowie seine Umgebung zu erkunden.“
„Wie immer vorsichtig, hm?“, klang die leicht amüsiert klingende Stimme von Raymond Alonso über den Funk. „Achten Sie darauf, dass wenn die Capellaner ein Minenfeld haben anlegen können, vielleicht auch Artillerie in Position gebracht haben können, um zu vernichten, was immer sich im Minenfeld fängt. Und Sie wissen nicht, wie groß das Feld ist, bevor Sie die Enden nicht gefunden haben.“
„Genau meine Gedanken, Ace of Hearts.“
„Sie sind noch etwa zwanzig Klicks vom Ziel entfernt“, fragte Alonso plötzlich. „Schaffen Sie das noch bei Tageslicht, und eine LZ für den Overlord zu sichern?“
„Wie immer verspreche ich nichts, aber ich tue, was ich kann, Ace of Hearts.“
Leises Lachen antwortete ihm. „Die Hornisse können wir verschmerzen, selbst wenn wir das Depot nicht dort finden, wo Medice gesagt hat. Sehen Sie zu, dass wir erst wertvollere Maschinen verlieren, wenn die Beute es wert ist. Der Flug hierher alleine war schon sehr kostspielig für uns.“
„Gleiche Antwort noch mal, Ace of Hearts“, sagte Glüsen mit einem Grinsen auf den Zügen. „Aber wenn alles glatt geht, sind wir in etwa einer Stunde da und sichern die Landezone. Ich wette den rechten Arm meines Kreuzritters, dass der Miliz der genaue Ort des Depots unbekannt ist. Daher können sie unsere neue LZ gar nicht präparieren.“
„Weil sie auch nicht wissen können, dass wir absichtlich nicht in direkter Nähe unseres Ziels niedergegangen sind. Aber Vorsicht. Die Landezone ist eine so gut geeignete Stelle, es kann sein, dass die Miliz sie allein deshalb ins Visier nimmt. Ich würde das tun.“
„Ich nehme mir die Worte zu Herzen, Ace of Hearts. Tower out.“ Er wechselte die Frequenz auf den Funk der Einsatzgruppe. Danach warf er einen Blick auf die Positionen seiner Mechs. Gut. Es waren alle noch in Bewegung. Der plötzliche Verlust eines Mechs ohne jeden Kampf konnte schockierend wirken. Auch wenn es nur ein ScoutMech war. Aber in diesen Tagen und Zeiten gab es kein „nur“, auch nicht für ScoutMechs. Nicht, wenn der Bedarf für jede einzelne Maschine derart groß war, und so wenig neue produziert wurden.

***

Duong Ahn Chau betrachtete aus ihrer Deckung heraus die Szene, die sich etwa einen Klick von ihrem Versteck entfernt abspielte. Eine der beiden Hornissen war auf die Mine gelaufen, welche sie ausgelegt hatten. Damit die zwanzig Tonnen schwere Maschine auch ja zwischen den beiden eng stehenden Bäumen hindurch trat, hatten sie einen kleinen Sender vergraben und per Fernschaltung aktiviert, als der Scout in einer guten Position gewesen war, sodass er zwischen den Bäumen durchtreten musste, wollte er die kürzeste Strecke zum plötzlich aufflammenden Signal nehmen. Das hatte der FeindMech auch getan, und wie Ahn Chau kalkuliert hatte, war er nach dem Verlust des linken Beins vornüber gestürzt. Die zweite Mine aber hatte die Hornisse erst ausgelöst, als der Pilot seine Maschine wieder schwerfällig auf die Knie gebracht hatte. Dadurch war er in einer guten Position gewesen, den Schleudersitz auszulösen, ohne dass er am nächsten Baum als Abziehbild endete. Die Feindmaschine hatte nach der zweiten Explosion einen Reaktordurchbruch erlitten. Mit der Wartung und der allgemeinen Versorgung mit Ersatzteilen konnte es also nicht zum Besten stehen. Sie machte sich mehrere gedankliche Notizen, die sie beim nächsten Funkkontakt mit Colonel Kalakov vortragen würde. Harry Chan, der neben ihr hockte, ein Zeus Scharfschützengewehr im Anschlag – er hatte behauptet, damit umgehen zu können, und Ahn Chau hatte ihm geglaubt – sagte: „Wenn Sie es sagen, Major.“
Sie schwenkte das Fernglas in die Richtung, welche Chan anvisierte. Ein relativ primitives Bodenfahrzeug mit vier Rädern und zwei Bikes waren zwischen den Bäumen zu sehen.
„Kein Feuer“, entschied sie, obwohl sie genau deshalb mit dem Oberleutnant und seinem Ferret hier raus gekommen war. So schnell es ihnen möglich gewesen war, kaum dass sie die Entscheidung getroffen hatten, die Longjacks zu stören. Sie, mehrere Gewehre, genug Munition und acht scharfe Panzerminen, die mit ihr im Stauraum des VTOL mitgeflogen waren. Die Infanteristen zu beschießen wäre Teil dieses Störmanövers gewesen. Aber Ahn Chau wollte mehr als das.
Sie beobachtete wie der Geländewagen neben der Pilotenliege hielt. Mehrere Infanteristen stiegen aus, die Motorradfahrer sicherten mit Maschinenpistolen. Zwei von ihnen öffneten das Heck des Wagens und holten eine Bahre heraus. Einer lief zur Liege, checkte den Zustand des Piloten, der regungslos dalag, und zeigte einen erhobenen Daumen.
„Ziel: MechPilot. Feuer“, sagte sie. Chan feuerte wie befohlen sofort. Sie sah durchs Fernglas eine rote Blume aus Blut auf den Infanteristen spritzen, während das Geschoss des Piloten dem feindlichen MechKrieger das Gehirn pürierte. Fassungslos starrte der Infanterist die Liege und den nun ganz sicher toten Mann mit Kühlweste an. Der Neurohelm wies ein daumendickes Loch auf. Auf der anderen Seite musste es den halben Kopf weggeblasen haben. „Treffer“, kommentierte sie. „Wir räumen.“
„Soll ich nicht nachsetzen?“, fragte Chan.
„Einer der Motorradfahrer hat den Winkel analysiert, aus der der MechKrieger getroffen wurde. Geschickter Bursche. Bleibt in Bewegung und sucht unsere Position.“
„Ich kann ihn auch runterholen.“
„Unser Rückzugsfenster könnte dann zu klein werden. Und ich bin zwar durchaus bereit, für meine Nation zu sterben, aber bitte nicht indem ich unter einer Mech-Fußsohle ende.“
„Gutes Argument“, murmelte Chan und zog den Lauf seiner Waffe ein. Dann schnappte er sich seinen Teil der Ausrüstung, während Ahn Chau ihren Teil aufnahm. Anschließend schlichen sie sich gebückt ins Unterholz und von dort in Richtung des einsamen Trampelpfads, den sie aus der Luft gesehen hatten.

„Das war gute Arbeit, Chan“, lobte die Maskirovka-Agentin. „Ich wusste nicht, dass Sie den Mumm haben, auf einen wehrlosen Feind zu schießen.“
„Wissen Sie, seit Charles im Lazarett liegt, habe ich meinen Skrupeln weitestgehend lebewohl gesagt. Der Mann ist wie ein großer Bruder für mich, wie ein Vater. Wenn ihn jemand umbringen will, nehme ich das sehr persönlich.“
„Behalten Sie diese Einstellung bei. Das Konkordat hat nämlich erklärt, dass sie mit der Entsendung der Longjacks nichts zu tun hat. Daher haben wir es mehr oder weniger mit einer vogelfreien Einheit zu tun. Und sobald denen das auch dämmert, sollten wir weniger Gnade erwarten dürfen als die.“
„Sehe ich absolut genauso“, erwiderte Chan. „Also, zurück zum Ferret, ein paar Kilometer weiter vor fliegen und noch eine Falle legen?“
Chau dachte nach. „Ich hätte es gerne gehabt, dass die MechKompanie langsamer voran rückt, damit der Colonel mehr Zeit hat, die Vorhut zu uns raus zu bringen. Das Ziel der Longjacks ist relativ offensichtlich die einzige Waldlichtung in vierzig Klicks Umkreis, also wissen wir ja, wo wir uns platzieren müssen. Oder die Vorhut.“
„Ich könnte mich mit dem Ferret orten lassen. Ein paarmal, damit es ausschaut, als wären es mehrere“, bot Chan an. „In der Zeit können Sie die anderen Minen auslegen und eine zweite Falle vorbereiten. Ich möchte bezweifeln, dass unser toter Feind weitergeben konnte, worauf er reingefallen ist, bevor er in unsere Minen gestolpert kam.“
Sie erreichten den Bergrücken und ihren Trampelpfad. „Pause“, befahl Ahn Chau. Sie hockte sich hinter ein Gebüsch und zog die Karte aus einer Seitentasche. Chan kniete neben ihr.
„Hier sind wir. Hier ist das natürlich Landefeld. Gerade groß genug für zwei, drei Lander zugleich. Sie setzen mich hier ab, acht Klicks voraus. Dann habe ich genug Zeit, eine zweite Falle zu platzieren. Wenn Sie es schaffen, die Mechs zu verlangsamen, indem Sie sich orten lassen, ist das hilfreich. Riskieren Sie aber weder den VTOL, noch ihr eigenes Leben, okay? Ich will nicht nach Hause laufen müssen.“
„Ich sehe zu, was ich tun kann, Major.“
„Harry!“, mahnte sie laut, aber nicht sehr ernst.
Der Oberleutnant seufzte. „Aber, aber. Ich werde doch der schönsten Frau der Maskirovka von Larsha keinen derartigen Fußmarsch auferlegen. Haben Sie Vertrauen in mich, Kameradin.“
„Das klingt doch schon besser. Weiter!“ Sie schritt voran und betrat den Kammweg. Der Motorradfahrer war nicht zu sehen, zumindest im Moment nicht. Die Gelegenheit war günstig, durch den Bruch zu klettern. Chan folgte dichtauf. Es schien ganz so, als wäre die erste Störaktion ein relativer Erfolg geworden. Sie konnte die Ausschaltung eines ScoutMechs und dessen Piloten melden.

***

Zorn hatte sich lange Gedanken darüber gemacht, wie er vorgehen sollte, um das zweite Depot zu sichern. Hatte sich verschiedene Finten, Varianten dieser Finten, Aktionspläne und ähnliches überlegt. Tatsächlich waren seine Cavaliers dank der Dragoner und ihrer zusätzlichen Piloten die stärkste Streitmacht auf dem Planeten, inklusive der hiesigen Miliz. Und es war relativ sicher, dass die anderen, viel kleineren Einheiten wie die Firefighters definitiv nicht zusammenarbeiten würden, um es mit den Cavaliers gemeinsam aufzunehmen. Zumindest nicht alle. Sodass Zorn durchaus annehmen konnte, dass keine gleichwertige Truppe gegen seine Leute vorgehen können würde. Dabei dachte er vor allem in Tonnagen, denn sein zusammengewürfelter Haufen, der nur einige wenige Tage gemeinsam im Simulator gehabt hatte, war bestenfalls grün zu nennen. Nun, Winningham hatte im Sim bewiesen, das er und seine sieben Piloten sehr effektiv zusammenarbeiteten, und die Scoutlanze der Miliz hatte mindestens miteinander auf Jahre trainiert. Und das, was von den Firefighters übrig geblieben war, nämlich eine einsatzbereite mittelschwere Lanze, würde auch gut zusammenarbeiten können. Also war es Zorns Aufgabe, einen eventuellen Kampf so zu führen, dass alle ihre Stärken ausspielen konnten und ihre Schwächen gegenseitig austarierten. Das war aber nur der Idealfall. Tatsächlich ging es um eine Menge Ausrüstung, und damit um Millionen an C-Noten, genau wie auf St. Jones.
Und das war der Punkt gewesen, an dem es ihm gedämmert hatte, dass er falsch vorging. Was war sein Ziel? Reich werden, weil er noch eines der Sternenbund-Depots plünderte? Falsch. Natürlich durfte die Ausrüstung nicht in die falschen Hände fallen, also weder in die Hände von Piraten oder ausländischen Gegnern. Aber das eigentliche Ziel war, Vicomte Medice zu erwischen. Zu erwischen und für immer aus dem Verkehr zu ziehen. Ob er ihn dafür töten musste oder für immer zuerst durch einen langen Prozess und danach lebenslang in einen Kerker schickte, war Zorn egal. Aber Janard Medice durfte nie wieder in der Lage sein, so etwas wie die Vernichtung der Kerndersons Cavaliers zu wiederholen. Oder den Versuch, die Hyperpulsgeneratoren von ComStar anzugreifen, was alleine schon ein geächtetes Verbrechen war. Also hatte Zorn umdisponiert. Zuerst hatte er dafür gesorgt, dass sich die vielen kleinen Schatzsucher-Einheiten möglichst weit verteilten. Selbst wenn sie jetzt den Cavaliers und ihren Verbündeten hinterher jagten, Zorn zweifelte daran, dass sie mit den eigentlichen Angreifern paktieren würden. Zumindest nicht alle.
Dann hatte er in einer Nacht und Nebel-Aktion ein kleines Kommando zuverlässiger Infanteristen ausgesandt, um in der Nähe des Depots einen Beobachtungsposten einzurichten, der das Gelände mehrere Tage überwachte, um Spuren von Aktivität zu finden. Zorn war schließlich nicht der Einzige, der eine Falle errichten konnte. Als beide Ziele erreicht waren, die Zersplitterung der Schatzsucher und die Meldung, dass es keine Aktivitäten am Depot gegeben hatte, waren sie aufgebrochen. Wäre Medice schon da gewesen, wären sie natürlich sofort durchgestartet, um zu retten, was zu retten war. Immerhin, es war nicht zu erwarten gewesen, dass Medice wieder vorab versuchen würde, die Verteidiger dieser Welt zu eliminieren, um ungestört arbeiten zu können. Nein, eher saß er irgendwo im Weltraum, oder auf Allans World selbst, und wartete ab, wie sich die Cavaliers und ihre Gegner gegenseitig dezimierten, bis er mit dem, was er hatte zusammenraffen können, eine Chance hatte.

Er hatte das ausgiebig mit Clark Duvalle besprochen, dem Versicherungsagenten. Natürlich hatte er auch Winningham, Pappas und Kirran hinzu gezogen. Gerade auch, weil Ilona die Kompanie Medices aufgebaut und trainiert, und Duvalle den Angriff auf die Cavaliers angeleitet hatte, damit sie einschätzen konnten, wie sich Janard möglicherweise verhalten würde. Mit den Hangmen hatten sie zweifelsfrei die erste der Einheiten identifiziert, welche auf der Lohnliste des vogelfreien Vicomte standen. Allein dieser merkwürdige Zwillingsbruder sprach da Bände. Aber Zorn war sich sicher, dass neben den offiziell bekannten Einheiten noch ein paar unentdeckt gelandet waren. Es war durchaus möglich, dass Janard einige von ihnen kannte, selbst herbestellt hatte, oder sie überzeugen konnte, für die Beute das Risiko einzugehen, ebenfalls für vogelfrei erklärt zu werden. Die 500 Millionen C-Noten, die das St. Jones-Depot wert gewesen war, hatte sicher Begehrlichkeiten genug geweckt. Und mit der richtigen Ausrüstung konnte auch eine kleine Einheit in der Peripherie einen eigenen Planeten beherrschen. Wie hieß es doch so schön? Lieber eine große Ratte in einem kleinen Bau als eine kleine Ratte in einem großen Bau.
Das Ergebnis war gewesen, dass die Cavaliers den Kampf würden annehmen müssen. Und zwar nicht den mit dem Bastard Janard, sondern mit seinen freiwilligen und unfreiwilligen Helfern. Dies würden sie aus der bestmöglichen Position heraus tun und so wenige Verluste wie möglich haben. Und dann würden sie Medice zwingen, sich am Angriff zu beteiligen, indem die Cavaliers sich aus den Stellungen rund um das Depot nicht würden vertreiben lassen. Oder ihn vertreiben, das Depot auflösen und ihm zur nächsten Welt hinterher reisen.

Zorn vergaß nicht, dass er zwar die Karten hatte, aber dass Medice sie kannte. Er wusste garantiert genauso gut wie Zorn, wo sich das Allans World-Depot befand. Dass er dort noch nicht mit großem Aufgebot vor allen anderen gelandet war, lag sicher an zwei Faktoren. Erstens, er wusste, dass Zorn ihn auf den Fersen war, und er wünschte sich diesen Kampf. Aber garantiert hatte er unterschätzt, wie sehr die Cavaliers bis dahin wachsen würden. Er hatte sicher bestenfalls mit einer Kompanie Mechs und einer Kompanie Panzer gerechnet, nicht aber, dass Zorn aus allen Teilen der Inneren Sphäre weitere Mechs und Piloten erhalten würde. Der Brocken war zu groß zum Schlucken für Janard. Jetzt.
Zweitens hätte Medice seine Aktion verteidigen müssen, und um das zu können, hätte er eine größere Kraft mitbringen müssen als die Miliz aufzubieten vermochte. Das war ihm augenscheinlich auch nicht gelungen. Und das wusste er durch seine Beobachter am Depot, die sowohl keine verdächtige Aktivitäten festgestellt hatten, als auch dass die Tarnung des Haupteingangs wie auf St. Jones noch immer intakt war. Die Zeit war reif für die nächste Stufe des Plans. Das Depot erreichen, sich vor dem Haupteingang im Wald und auf den Berghängen einzuigeln und abzuwarten, was Janard Medice ihnen entgegen werfen würde. Und welche Überraschungen noch auf sie warteten.
Da saß er also am nächsten Morgen kurz vor Sonnenaufgang auf seiner Pilotenliege, fuhr seinen Marodeur hoch – danke dafür an Medice – gab sein Passwort ein und schloss Kühlweste und Neurohelm an. Dann sagte er nur ein einziges Wort: „Start.“
Zorn war sich sicher, dass die Cavaliers sich mittlerweile zwei oder drei Agenten in die eigenen Reihen geholt hatten, etwas, das sich mit zunehmender Größe einfach nicht vermeiden ließ. Aber auch die würden nicht mehr weitermelden können als das, was sie sahen. Dass sich Zorn bereits nahe des Depots befand, wusste Medice eh schon. Er lächelte schmallippig. Dieses Spiel würde derjenige gewinnen, der sich besser vorbereitet hatte. Und Zorn war ein ganz schlechter Verlierer.
Nach und nach setzten sich die Mechs, die Panzer und die Fahrzeuge des Bataillons in Bewegung. Die Scouts gingen auf Flankenschutz, die beiden Kampfschütze positionierten sich am Anfang und am Ende der Kolonne, um die Einheit vor Luftangriffen zu schützen, die Einheiten, welche zuletzt Nachtwache gehalten hatten, kehrten zurück und gliederten sich ein.
„Nächster Halt: Das Allans World-Depot“, sagte Zorn zu sich selbst. Nun galt es.

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Schließlich ging alles ganz schnell. Nach etwa zwei Stunden stieg die Sonne hoch genug über die Bergketten, um auch die Marschkolonne zu beleuchten, und nach insgesamt vier Stunden meldete die Vorhut, dass sie den letzten Checkpoint erreicht hatte.
„Verteidigungsformation Charly“, kommandierte Zorn. Damit befahl er eine Einigelungsstellung der Panzer und BattleMechs in einer zuvor festgelegten Reihenfolge und Anordnung. Charly bedeutete, dass die Einheit dabei eine „unangreifbare Seite“ hatte, um die sie sich nicht zu kümmern brauchte. In ihrem Fall war es die fast senkrechte Flanke eines ziemlich großen Berges, der sogar einen eigenen Namen bekommen hatte: Mount Brian.
Auch Zorn Kenderson nahm seinen Platz in der Formation ein, etwa in der Mitte des Abwehrbogens, welcher den Berg ausnutzte. Die Infanterie und die Nichtkombattanten fuhren direkt in den so entstandenen Kreis hinein, flankiert von beiden Kampfschütze, um sie nach oben hin zu verteidigen. Infanterie saß ab, Scharfschützen bezogen Stellung, und die Techs trafen ein. Danach die Nachhut, welche sich in den Kordon eingliederte.
Aber, war das wirklich genug? Hatte Zorn an alles gedacht? Zweifel blieben immer, und Fehler wurden einem in diesem Gewerbe zumeist vor Augen geführt, indem es große Explosionen gab, und die eigenen Leute starben. Doch bis hier schien alles gut zu gehen.

Lebhaft erinnerte sich der Major an die letzte Unterhaltung, die er mit der Gouverneurin am Abend vor dem Aufbruch geführt hatte. „Sie haben ein Brian-Kastell auf ihrem Planeten?“
„Ja. Und? Es liegt außerhalb aller besiedelten Zentren und ist daher für unsere Verteidigung sinnlos. Zudem haben die Amaris-Truppen es beim Amaris-Aufstand besetzt und unsere Leute terrorisiert. Natürlich haben wir es mehrfach gefilzt und alles von Interesse entfernt. So sagen es die Aufzeichnungen. Hineingebaut ist es in den Mount Brian. Es gibt Pläne, das Kastell im Falle einer Invasion zum Schutz der Zivilbevölkerung zu nutzen, aber wie gesagt, es ist weitab von den besiedelten Zentren, sogar von jeglicher Agrarwirtschaft.
Sie wollen doch nicht sagen, das Kastell ist ihr Ziel, Zorn? Dann haben wir ihren Weg hierher leider vor Ewigkeiten schon umsonst gemacht.“
„Halten Sie das Kastell in Schuss? Oder inspizieren Sie es ab und an?“
„Wir warten es tatsächlich. Das ist kein großer Aufwand und verursacht auch nicht viele Kosten, weil wir unseren Milizionären ihren Sold ohnehin bezahlen müssen und nur wenige Ersatzteile gebraucht werden, um es oberflächlich funktional zu halten.“
„Also gibt es einen einfachen Weg hinein“, hatte er geschlussfolgert. „Und Sie stellen ihn mir zur Verfügung.“
„Mehr als das. Die Miliz-Soldaten, die Sie begleiten, waren schon mehrfach im Kastell. Sie können einen gewissen Heimvorteil nutzen, Zorn. Aber ehrlich jetzt, ist es ihr tatsächliches Ziel? Oder ist das eine Ablenkung für Medice? Ich mache mir langsam Sorgen um unseren Anteil.“
„Ich beantworte das mit einer Gegenfrage: Wie viele Etagen hat Mount Brian?“
„Acht. Angefangen auf dem Niveau des Haupteingangs, und dann phasenweise zu diversen Bastionen bis knapp unter die Spitze. Ganz konform mit der Agenda der Brian-Kastelle, dass es sogar einem Atomschlag standhalten können sollte.“
„Und wie komme ich rein?“
„Das Haupttor kann mittels einen Funksignals geöffnet werden. Ein Code, wenn Sie so wollen. Es gibt noch eine weitere Methode, die einige Stunden Bergsteigen erfordert. Aber ich fürchte, Sie wollen die schnelle Lösung.“
„Richtig. Ich öffne die Tür und ziehe meine Leute rein. Auf Mallory waren wir nicht ganz so viele, aber es hat sich als gute Strategie herausgestellt.“
„Okay, was haben wir übersehen?“, fragte Sharon Gettysburg. „Wo haben meine Vorfahren und meine Leute nicht gut genug hingeschaut?“
Nun grinste Zorn doch ein klein wenig. „Man versteckt einen Baum am besten im Wald“, sagte er orakelhaft. „Den Schlüssel, bitte. Umso näher kommen Sie ihrem Anteil an der Beute, Sharon.“
Die Gouverneurin war zu ihrem Schreibtisch gegangen und hatte einen Codegeber und eine Datenkarte geholt. „Bitte. Ich hoffe, Sie finden wirklich etwas. Etwas, was sich lohnt. Irgendwie muss ich ja die Kosten für die Leute rechtfertigen, die Sie begleiten.
Ach, und noch etwas. Sie erinnern sich an Captain Tranh, der Mann, der Astro Luckner eigentlich bei ihrem Empfang hatte begleiten sollen?“
„Der Mann mit der Alkoholvergiftung. Colonel Kyrenski hat seinen Platz eingenommen“, sagte er.
„Er hat heute den Dienst quittiert. Man sagt, er ist sofort zu einer der Einheiten gewechselt, welche auf Allans World nach dem Depot suchen.“
„Ich verstehe. Weiß er vom Kastell?“
„Nein, Zorn. Er nicht, und Astro wusste es auch nicht. Ich hatte Gründe, es ihnen zu verheimlichen, Sie verstehen?“
„Nur zu gut.“ Er hatte den Codegeber und die Karte entgegen genommen, sich bedankt und verabschiedet, und war dann zur Kaserne zurückgekehrt. Diesmal nicht mit einem Fahrer, der sich für einen Rennfahrer hielt, sondern mit einem normalen Taxi.

Tja, und jetzt lag er hier auf seiner Pilotenliege, fühlte das leicht eisige Gefühl der Kühlweste auf seiner Brust und seinem Rücken, und die Anschlüsse des Neurohelms auf seine Schläfen drücken und war bereit, die fünfundsiebzig Tonnen Tod und Verwüstung in Gestalt seines Marodeurs zu entfesseln.
Zur gleichen Zeit machten sich die Techs und Pioniere auf zu jener Stelle an der Steilwand, unter der sich der Zugang zum Brian-Kastell befinden sollte. Angeführt wurden sie von der MeisterTech Jeannie Crawfort, welche Codegeber und Karte hatte.
Es dauerte auch nicht lange, bis ein leises Rumpeln verkündete, dass etwas im Busch war. Über die 180°-Anzeige in seinem Cockpit, welche die 360° der Umgebung komprimiert und jederzeit sichtbar für Zorn darstellte, sah er dabei zu, wie schräg rechts hinter ihm ein Segment des Berges, bestehend aus massivem Gestein, auseinander fuhr und zwei Türen bildete. Dahinter gähnte ein großes, schwarzes Loch, an die zwölf Meter hoch und damit groß genug, jeden bekannten BattleMech passieren zu lassen.
Nun begann der zweitschwierigste Part der Aktion. Ein Teil der Infanterie verließ ihre Positionen und drang nun mit Pionieren und Techs in das Kastell ein, um im wahrsten Sinne des Wortes das Licht anzumachen und die Schaltzentrale zu aktivieren. In dieser Zeit konnten sich die Cavaliers selbst verteidigen, aber das Kastell konnte das nicht. Es gab Berichte darüber, dass manche Brian Kastelle Abwehrtürme gehabt hatten, Feuerplattformen mit hoher Reichweite und Feuergeschwindigkeit, aber ihr hiesiges Kastell verfügte nicht darüber. Eventuell nicht mehr. Also hatten die Cavaliers zusätzlich die Aufgabe, den einzigen Zugang mit zu verteidigen und konnten auf keine Feuerhilfe hoffen, bis es seinen Leuten gelang, die verschiedenen Feuerstellungen des Berges zu besetzen. Dann würden sie in der Lage sein, sogar gegen eine Regimentskampfgruppe zu bestehen. Aber nicht gegen einen Dolchstoß von hinten.

Dann folgte die schwierigste Phase, nämlich in die Trutzburg einzuziehen. Sie würden also hier draußen weniger und weniger werden, ihre tatsächliche Feuerkraft verringern, während die Feuerbastionen nicht besetzt werden konnten, und boten damit jedem Angreifer lohnende Ziele, bis alle drin und das Tor wieder verschlossen war. Falls jemand auf den richtigen Augenblick wartete, würde er ihnen dann erhebliche Schwierigkeiten bereiten. Aber immerhin, besser als das Depot auf Mallory war so ein Brian Kastell allemal. Und es bot mehr Möglichkeiten. Wenn man sämtliche Gefechtspositionen besetzen konnte.
Deshalb war Zorn ja so dankbar für die zusätzlichen Truppen, die sich den Cavaliers angeschlossen hatten. Nichts hätte die Einheit verletzlicher gemacht, als eine Feuerstellung des Berges zu nutzen, nur um diese aufgeben zu müssen, weil an einer anderen Stelle Feuerkraft gebraucht wurde. Die Zeit der FlugMechs war noch nicht vorbei, und ein paar wagemutige Verrückte konnten die Stellungen anfliegen und versuchen, dort einzudringen. Gegner im Rücken, das war immer eine schlechte Nachricht.
Hinter ihnen wurde das dunkle Loch von den Scheinwerfern der einziehenden Mechs und Fahrzeuge hell erleuchtet. Das beruhigte Zorn etwas. Das, und die Tatsache, dass es auch hier keinen direkten Zugang ins Kastell selbst gab. Eine massive Mauer versperrte genau wie auf Mallorys World nach einiger Zeit das Eingangstor. Wer immer ins Kastell wollte, musste drumherum fahren. Das verhinderte, dass, wer auch immer, direkt in den Eingang hinein feuern konnte. Das hatte ihnen schon damals den Arsch gerettet.
Damals? Dieses Gefecht war erst zwei Monate her. Aber wenn Zorn ehrlich zu sich war, kam es ihm vor, als wären bereits Jahre, wenn nicht Jahrzehnte vergangen. Und wenn er daran dachte, fühlte er eine gewisse Müdigkeit, die ihn lähmen wollte.
„Eingang passierbar“, meldete Jeannie Crawford, gerade rechtzeitig, um Zorn davor zu bewahren, über die aufkommende Agonie nachzudenken.
„Evakuierung nach Evakuierungsplan Eta ins Brian-Kastell hinein“, kommandierte Zorn.
Bestätigungen trafen ein, und es waren die Zivilisten, die zuerst in das Relikt aus Sternenbundtagen einfuhren. Dann die Infanteriefahrzeuge, danach lösten sich zu gleichen Teilen aus den Igelstellungen Mechs und Panzer aller Gewichtsklassen. Zeitgleich zogen die verbleibenden Kampfmaschinen den Verteidigungsring enger, rückten zusammen und auf den Berg zu. Das machte sie zwar verwundbarer für Beschuss, aber es potenzierte ihre immer geringer werdende Feuerkraft.
Zorn verkniff sich einen Spruch an alle anderen wie: „Scheint zu klappen“, oder „keine Schwierigkeiten bis hier“, weil solche Worte garantiert dazu geführt hätten, dass es doch nicht klappt, oder Schwierigkeiten doch noch auftreten würden.
Schließlich kam die Reihe an ihn. Zusammen mit einem Rifleman-LuftabwehrMech betrat er das hell erleuchtete Schott, umquerte die Barriere und stand dann inmitten der Haupthalle des Kastells auf Ebene acht, der untersten. Ein Gedanke, der Zorn grinsen ließ.
Nach und nach strömten die anderen Cavaliers herein, und irgendwann, irgendwann, trat der letzte BattleMech über die Schwelle in die Sicherheit des Kastells.
Es war Winninghams Vollstrecker, und er meldete: „Keine Ortungen bisher.“
Zorn fühlte sich bemüßigt, etwas zu erwidern. „Bis jetzt.“ Er bereute die Worte, kaum, dass er sie ausgesprochen hatte, sofort wieder, räusperte sich vernehmlich und sagte dann: „Infanterie besetzt nach Plan Omikron Beobachtungskordons vor dem Kastell. Aber in Wurfreichweite. Wenn es enge wird, will ich nicht, dass jemand fünf Minuten laufen muss, um in Sicherheit zu kommen.“
„Verstanden.“
„Techs und zur Pionierarbeit abgestellte Soldaten versuchen, Zugang zu den Bastionsausgängen zu erhalten. Aber noch nicht aktivieren. Wir wollen die Positionen der Plattformen nicht verraten, bevor wir sie mit Mechs besetzen können.“
„Roger“, antwortete Jeannie Crawford. Als Ergebnis entstand Hektik zwischen den Mechs der Cavaliers und Verbündeten. Zwei breite Rampen führten auf die nächste Ebene. Zorn zweifelte nicht daran, dass es so auf allen Etagen, bis hin zu höchsten und kleinsten, aussehen würde. Und das bedeutete …
„Noch etwas, MeisterTech und Captain Hiller.“ Als seine Stimme aufklang, stoppte jede Bewegung auf dem Flur des untersten Levels. Die Leute warteten auf seine Worte. Gespannt. In hoher Erwartung. Beinahe war es schade, dass das, was Zorn zu sagen hatte, eher banal war. „Wenn die Infanterie und die Techs die oberen Etagen betreten, achtet auf Feindeinheiten. Es kann durchaus sein, dass eine Einheit unbekannter Größe von Verrätern in der Miliz hier eingelassen wurde, um uns aufzulauern und über uns herzufallen, wenn wir am wenigsten damit rechnen.“
„Copy, Sir“, meldete Hiller. „Wir betrachten die oberen Ebenen vorerst als Feindgebiet.“
Das war sehr übertrieben vorsichtig, aber es war auch ein angemessenes Vorgehen, egal wie plausibel die Hinterhalt-Geschichte auch war. Zorn hatte nicht vor, Leute zu verlieren, weil ausgerechnet er leichtsinnig gewesen war. „Sehr gut. Ausführung.“
Zwei Infanteriefahrzeuge fuhren beide Rampen hoch, aber beide stoppten knapp vor dem Aufgang, Leute stiegen aus und sicherten. Danach kamen die Fahrzeuge und verschafften sich mit ihren starken Scheinwerfern einen Überblick. „Flur zwei klar“, sagte Hiller mit ruhiger, kaum angespannter Stimme. „Gehen weiter vor.“
Zumindest dort hatte sich kein Feind versteckt. Es war eine Verbesserung, fand Zorn.
„Okay, Butter bei die Fische“, klang die Stimme von Captain Winningham auf, eine alte lyranische Phrase zitierend. „Stehen wir hier auf dem Depot, oder ist das ein geniales Ablenkungsmanöver, Zorn?“
Zwei Schmeicheleien in einem Satz. Nett. Zorn beschloss, dass es Zeit war, die Scharade zu beenden. „Winningham, Bloodbourne, Kenderson, Crawford. Absitzen beziehungsweise bisherige Tätigkeit einstellen. Wir treffen uns auf der gegenüberliegenden Seite der Sperrmauer an der Wand.“ Damit nahm er vier Mechs, seinen eigenen inklusive, samt Piloten aus dem Rennen, wenigstens für einige Zeit.
Licht flammte plötzlich auf und verdrängte das Scheinwerferlicht, in dem sie sich bisher orientiert hatten.
„Sir, wir haben die Zentrale besetzt und aktiviert. Einige der Außenkameras funktionieren noch“, klang die Stimme von SeniorTech Nike Crawford auf, der Mutter von Ellie. „Die melden uns, dass verschiedene Gruppen von Mechs, etwa fünfzehn, auf verschiedenen Wegen auf dem Weg zu uns sind. Darunter unsere alten Bekannten vom Hinterhalt mit den Firefighters.“
„Wie weit entfernt?“
„Mehrere Klicks.“
„Gut. Die Infanterie soll wieder reinkommen. Wenn die Kameraaugen aktiv sind, brauchen wir keine Beobachter da draußen. Und wenn der Letzte drin ist, macht die Tür zu.“
„Verstanden, Sir.“

„Erwartest du was Bestimmtes?“, klang die Stimme von Leary auf. Privater Kanal. Der ehemalige ComGuard klang interessiert.
„Ich rechne im schlimmsten Fall mit einem Angriff durch eine Atombombe“, erwiderte Zorn auf der gleichen Frequenz, aber nicht ohne vorher den allgemeinen Funk auf stumm zu stellen. Von dieser, wenn auch minimalen, Befürchtung brauchten seine Leute nichts zu wissen. Und dass der Berg einer Atomexplosion widerstehen würde, nun, dafür war ein Brian-Kastell konstruiert worden.
„Eine Atombombe gleich? Du traust Medice ganz schön was zu.“
„Kirran, Janard Medice hat versucht, einen Hyperpulsgenerator zu vernichten. Als wenn ein Angriff auf ComStar alleine nicht bereits die Freikarte für die Erklärung zum Vogelfreien bedeuten würde. Und er hat plötzlich Ressourcen offenbart, die ihm keiner zugetraut hat, ich inklusive. Es ist nicht verkehrt, dreimal so vorsichtig zu sein wie sonst. Und wenn du mich jetzt entschuldigen würdest, ich habe mir eine illustre Runde zusammengestellt, der ich einen Zaubertrick zeigen muss.“
„Viel Spaß. Ich werde eine der oberen Plattformen besetzen, sobald sie erkundet sind. Von dort haben Morgan Alloy und ich ein sehr gutes Schussfeld sowohl nach unten ins Tal als auch nach oben zur Luftabwehr.“
„Gut, dass du mitdenkst“, sagte Zorn, und er meinte es nicht als Floskel. „Major Zorn Kenderson, verlasse den Mech“, sagte er auf der allgemeinen Frequenz.
„Verstanden, Sir.“
Bei so vielen Maschinen war eine Echtzeitdatenerfassung wie zum Beispiel wer wann auf welcher Maschine saß, extrem wichtig. Irgendwo in der Zentrale würde jetzt jemand neben der Silhouette seines Marodeurs auf einer Glasscheibe, die für diesen Zweck dort existierte, einen Haken auslöschen, das Zeichen für unbemannt. Oder eben dort, wo sein Stab derzeit seine Antennen aufgestellt hatte.
Zorn ließ seinen Kampfkoloss mit den nach hinten geknickten Vogelbeinen so tief gehen, wie dieser es konnte. Dann schnallte er sich ab und löste die Kühlweste vom Kühlkreislauf des Mechs, was ihn in einem Gefecht vor dem Tod durch Überhitzung bewahren würde. Wieder einmal. Das war der Vorteil des Tomahawk gewesen. Seine Hauptwaffe war die Karbon-Axt, die erzeugte keine Hitze. Sein Marodeur jedoch hatte Energiewaffen, wenngleich nur eine PPK statt zwei.
Danach öffnete er die Verriegelung des Cockpits, ließ die Strickleiter hinab und kletterte hinaus.
„Ebene drei ist gesichert“, begleitete ihn auf den Weg hinab.
Als er auf dem Boden des gut erleuchteten Stockwerks ankam, war Jeannie natürlich schon da. Lieutenant Bloodbourne, seine Verbindungsoffizierin zur Gouverneurin, war bereits auf dem Weg zu ihm, Winningham kletterte gerade die letzten Sprossen der Strickleiter seines Vollstreckers hinab und Nadeen Kenderson sprang gerade auf den Hallenboden. Alle strebten zur gegenüberliegenden Wand, und auch Zorn machte sich auf den Weg dorthin. Dabei beließ er den Neurohelm auf; das eher klobige Kleidungsstück erfüllte auch die Funktion eines Gefechtshelms, und seine Kühlweste war mit Kevlar gepanzert das Flechetten und Kugeln abwehrte; in einem begrenzten Maße auch die Energiedichte eines Lasers, zumindest einmal.

Als Zorn die Gruppe erreichte, nickte er den Versammelten kurz zu. „Bitte, Jeannie.“
Die MeisterTech hob kurz die Augenbraue, weil Zorn sie vertraulich angesprochen hatte, obwohl Einheitsfremde anwesend waren, überging es dann aber doch.
„Herrschaften, was ich jetzt sage, sollten eigentlich alle wissen. Wie viele Ebenen hat ein Brian-Kastell normalerweise?“
Winningham hob die Hand, als wäre er in der Schule und wollte sich melden.
„Ja, Darnell?“, fragte Jeannie in spöttisch-unbeschwertem Ton.
„Acht bis zehn. Es gibt aber auch welche mit elf oder sogar zwölf. Kommt drauf an, wie viel der Berg hergibt, und wie viel Geld zur Verfügung stand. Vermuten Sie etwa, die Sternenbundtruppen, die dieses Depot verlassen haben, könnten eine oder zwei Etagen vor uns verborgen haben?“
„Nicht ganz von der Hand zu weisen“, sagte Jessica Bloodbourne. „Als die Miliz damals das Kastell eingenommen hat, nach dem Abzug von Amaris' Mörderbande, hat sie acht Etagen vorgefunden, so gut wie möglich geplündert. Da der Sternenbund keine Konstruktionspläne zurückgelassen hat, wurden auch keine weiteren Stockwerke erwartet.“ Eine tiefe Falte bildete sich über ihrer Nasenwurzel auf der Stirn. „Moment. Das macht Sinn. Die Truppen, die von hier geflohen sind, um uns unserem Schicksal zu überlassen, wussten, dass Amaris' Leute kommen, und das war zu einem Zeitpunkt, an dem auch der Dümmste begriffen hatte, dass Amaris Lord Cameron getötet und die Macht im Bund an sich gerissen hatte. Zudem handelte es sich nur um eine kleine Besatzung. Sie standen also vor der Wahl, sich im Kastell einzuigeln und das Beste zu hoffen, oder aber rechtzeitig Fersengeld zu geben.“
„Und bevor sie das gemacht haben, versuchten sie, die hier eingelagerte Ausrüstung zu verstecken“, vollendete Winningham. Er trat mit dem Hacken seines rechten Militärstiefels auf den Hallenboden ein. „Dazu mussten sie nur die Rampenbrüstung abbauen und den Rest mit Beton auffüllen. Mit genug Beton, dass es einen Mech aushält.“
„So in etwa“, sagte Zorn.
„Und was machen wir dann hier? Sollten wir nicht schauen, ob wir mit den Mechs irgendwo den Boden durchbrechen können?“, fragte Nadeen Kenderson.
„Das wäre die brachiale Methode, die auch funktionieren würde. Zum Preis einer funktionsfähigen Mech-Halle“, sagte Jeannie in einem leicht tadelnden Tonfall.
„Es gibt also einen besseren Weg“, schlussfolgerte die derzeitige Befehlshaberin der Firefighters.
Die anderen Offiziere schmunzelten. Dass sie sich am Rande der Halle versammelten, ergab also Sinn.
Zorn beschloss, sie nicht länger auf die Folter zu spannen. „Bitte, Jeannie.“
Die MeisterTech der Truppe begann, an der Wand entlang zu gehen und dagegen zu klopfen. „Man kann durchaus mit einer Verschalung ein paar Tonnen Beton ausgießen, sodass man einen ordentlichen, unpassierbaren Pfropfen erhält, ohne die darunterliegende Ebene mit aufzufüllen. Das ist gut genug, um die Randweltbarbaren zu täuschen. Aber im gesamten Stützpunkt wurden Kabel verlegt, zum Beispiel fürs Licht. An die muss man leicht rankommen können. Und zwar so leicht wie irgend möglich. Auch hier gibt es dann natürlich Verbindungen zu eventuellen unteren Etagen. Ich bin sicher, auch hier wurde etwas gemacht, um zu verheimlichen, dass es weiter in die Tiefe geht. Zum Beispiel, indem man Bypass-Kanäle angelegt hat, um vom echten Schacht abzulenken. Den hat man dann gut getarnt, und … Ah, ja. Hier.“ Sie klopfte erneut gegen die Mauer. Es klang nicht anders als an den anderen Stellen. Aber sie schien einen Unterschied zu bemerken.
Keiner wusste, wo sie den fünf Kilo schweren Vorschlaghammer her hatte, aber auf jeden Fall drosch sie ein paarmal auf die solide Betonwand ein. Nach dem fünften Schlag brach ein ganzes, etwa zehn Zentimeter dickes Segment hervor und offenbarte eine Art Luk. Jeannie schob es auf und offenbarte dahinter einen Hohlraum.
Unwillkürlich rückten die Anderen einen halben Schritt von der MeisterTech ab. In der alten Frau steckte die Kraft eines jungen Mannes.
MeisterTech Crawford nickte zufrieden und schlug noch ein paarmal zu. Dann sahen sie alle in einen Schacht hinein. Sie zückte eine Lampe, leuchtete das Loch aus, und als ihr das sicher erschien, steckte sie den Kopf in den Schacht und leuchtete sowohl nach oben als auch nach unten. „Installierte Leiter in beide Richtungen. Keine Fallen auf den ersten Blick. Und ja, da geht es eine gewisse Strecke runter.“
Zorn grinste zufrieden. Das deutete darauf hin, dass es zumindest ein weiteres Stockwerk gab. Und das erhöhte die Wahrscheinlichkeit, dass sie tatsächlich etwas finden würden. Auf jeden Fall barg das Kastell noch das eine oder andere Geheimnis. „Captain Hiller. Ich brauche einen Trupp Leute. Am besten die Truppe, die auf Mallory die Wand des Depots erklommen hat.“
„Verstanden, Sir. Haben Sie den Schacht also gefunden?“
Zorn unterdrückte den Reflex, den Infanteristen zu fragen, woher er das wusste, aber immerhin, er war ja nicht der Einzige, der nachdenken konnte. „Ja, habe ich. Und jetzt brauchen wir Leute, die klettern können und vorsichtig sind.“„Ebene vier ist gesichert“, klang es in seinem Funk auf. Das ging ja schnell. Hoffentlich wurden seine Leute nicht unvorsichtig.

Zehn Minuten später waren sechs erfahrene Kletterer eingetroffen. Sie sicherten sich mit Seilen und ließen einen ihrer Leute in die Tiefe, ohne die Leiter zu benutzen, besser gesagt eine. Für den Fall, dass die Leiter eine Falle war. Nun, Zorn selbst hatte angeordnet, lieber zu vorsichtig als zu wagemutig zu sein. Zwischendurch waren weitere Meldungen zu den Stockwerken fünf, sechs und sieben eingegangen. Noch immer keine Feinde. So viel Glück machte Zorn leicht misstrauisch.
„Luke, Sir“, meldete Private Rhodes, die sich hatte abseilen lassen, weil sie die Leichteste der Truppe war. „Keine Falle zu finden, keine Sprengvorrichtung. Zieht mich ein Stück wieder hoch, Jungs. Ich drehe mich dann runter und öffne.“
Falls es eine Falle war, würde sie nicht direkt vor der Luke hängen. Das war gut mitgedacht. Und eine Explosion, so heftig, dass sie im engen Schacht von der Druckwelle starb, erwartete Zorn nun wirklich nicht. Das hätten die Sternenbundingenieure einfacher haben können.
Die Infanteristen hantierten eine Weile, bis Jelena Rhodes meldete: „Safe. Ich öffne jetzt.“
„Weg vom Schacht“, kommandierte Jeannie automatisch, und die Soldaten, die nicht an der Sicherung von Rhodes beteiligt waren, traten mit den Offizieren zur Seite. „Ausführung, Rhodes.“
„Ja, Ma'am.“ Von unten ertönte ein Geräusch wie von sehr, sehr alten Scharnieren. Aber eine Explosion oder ein anderes Geräusch, welches da nicht hingehörte, erklang nicht.
„Sicher!“, rief Rhodes hoch, und es klang durchaus erleichtert. „Ich schau mal rein, und … ACH DU HEILIGE SCHEIßE! Chef, Sie sollten hier schnellstmöglichst runterkommen!“, drängte sie.
„Und warum soll ich das, Rhodes?“, fragte Jeannie. „Machen Sie ordentlich Meldung!“
„Nicht Sie, Boss! Der Chef!“
Einem inneren Impuls folgend sagte Zorn: „Richten Sie Private Rhodes wieder auf. Ich gehe anschließend runter.
„Aber Zorn!“, begehrte Winningham auf. „Wirst du leichtsinnig?“
„Keine Sorge, ich habe das Gefühl, es ist sicher. Gibt es Licht da unten, Jelena?“
„Die Halle auf Stockwerk neun ist sehr gut ausgeleuchtet, Sir!“, rief sie hoch, während die Seile so gedreht wurden, dass sie ihre über Kopf-Position wieder aufgab.
„Gut. Ich komme runter.“ Zorn ergriff die Leiter, was ihm einen tadelnden Blick der MeisterTech einbrachte. „Was? Wenn schon die Luke unten keine Falle ist, dann wird wohl kaum die Leiter vermint sein!“ Mit diesen Worten schwang er sich in den Schacht und kletterte etwa zwanzig Meter hinab, bis er auf Höhe der zierlichen Infanteristin ankam. Diese deutete wortlos hinaus.
Zorn folgte der Aufforderung. Tatsächlich. Ein neunter Level. Und was für einer. „Kenderson“, sagte er mit einer Stimme, die plötzlich rau war, weil sein Hals schlagartig trocken war.
„Ja, Sir?“
„Machen Sie sich keine Sorgen darum, dass der Anteil der Firefighter klein sein dürfte, weil wir ihnen ihre Rettung in Rechnung stellen. Das, was hier steht, reicht, um selbst Hanse Davion zufrieden zu stellen.“
„Was ist da unten, Zorn?“, fragte der Wolfs Dragoner.
„So wie ich das sehe, etwa fünfundzwanzig Mechs aller Gewichtsklassen und das Gleiche an Panzern, das Doppelte an anderen Fahrzeugen. Aber ich sehe nicht einen einzigen Brocken Ausrüstung.“ Er klopfte der Infanteristin auf die Schulter. „Ich gehe tiefer.“
„Aber SIR!“, rief sie protestierend. „Lasst mich runter, schnell!“ An Zorn vorbei sauste die Infanteristin weiter in die Tiefe und kam vor ihm auf dem untersten Level des Schachts an, knapp davor abgebremst. Damit war sie auch die Erste an der Luke und öffnete sie. „Safe!“, rief sie hinauf, und Zorn, der willkürlich inne gehalten hatte, kletterte den Rest der Strecke hinab. Er warf einen Blick auf Level zehn und konnte nicht verhindern, dass er grinste wie ein Idiot. „Und hier haben wir das Equipment, um die Kampfmaschinen aufzumunitionieren und auszurüsten. Und, wenn ich das richtig sehe, den Rest des Bataillons.“ Ja, wenn er richtig gezählt hatte, waren es insgesamt vierzig Mechs. Also drei Kompanien á zwölf Maschinen, und vier Mechs für die Befehlslanze. Die übliche Bataillonsstruktur im Sternenbund. Zorn war sich sicher, außer Medice hatte niemand damit gerechnet, hier einen solchen Fund zu machen.
Er kletterte wieder höher. „Gehen wir auf Ebene neun rein und schauen wir, wo der Zugang nach oben ist, und wie wir ihn frei bekommen. Jeannie, ich brauche weitere Leute hier.“
„Sind bereits auf dem Weg. Ein Bataillon SternenbundMechs also? Glücklicherweise teilen wir schon mit Hanse Davion, sonst hätten wir jetzt ernsthafte Probleme.“
Da hatte sie nicht ganz unrecht.
„Ebene acht ist gesichert“, klang es im allgemeinen Funk auf.
Das ging zu glatt, einfach viel zu glatt. Oder sollten die Cavaliers endlich ihr verdientes Glück haben?

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