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Zum Ende der Seite springen Starflight: Die Suche nach Kertes von Roland Triankowski und Ace Kaiser
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Ace Kaiser Ace Kaiser ist männlich
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Starflight: Die Suche nach Kertes von Roland Triankowski und Ace Kaiser Auf diesen Beitrag antworten Zitatantwort auf diesen Beitrag erstellen Diesen Beitrag editieren/löschen Diesen Beitrag einem Moderator melden       Zum Anfang der Seite springen

Erstes Buch: Alexander Kaiser Kapitel 1: General der Föderation

Prolog: Die Standardprozedur, um einen fremden Planeten zu betreten, war in der Föderation eigentlich überall gleich. Egal ob um die Kernwelten im Tausend Lichtjahre-Radius um Terra, oder in der im Schnitt fünfhundert Lichtjahren starken Schale der assoziierten Systeme. Man flog ein Sonnensystem mit Hilfe der Wurmlochverbindungen an, flog zum Planeten, den man besuchen wollte, und dockte an einer Raumstation an einem der Lagrange-Punkte an, um sich auszuweisen, seinen Gesundheitsstatus zu überprüfen und eventuell, so man welche hatte, seine Waren checken zu lassen. Das war ein durchaus wichtiges Prozedere, denn nicht erst seit der Koljan-Epidemie war man in der Föderation extrem vorsichtig dabei, wenn es darum ging, Viren verschiedener Planeten einen Austausch zu ermöglichen und damit neue Viren zu erschaffen, für die es außer der Nanobot-Technologie keinen Schutz gab. Und was die Bakterien anging, auch sie waren noch immer im gleichen Maße nützlich wie hochgefährlich. Viele Planeten, die von den verschiedenen Rassen der Föderation besiedelt worden waren, hatten ihre Erfahrungen mit eingeschleppten oder exportierten Krankheiten. Vor der Gründung der großen Gemeinschaft, dem größten Projekt in diesem Teil des Orion-Arms der Milchstraße, hatte oft ein einziger Träger einer Krankheit gereicht, die an seinem Heimatort harmlos war, für die es aber an seinem Ziel keine Heilung und keine Abwehr gab, um Millionen das Leben zu kosten. Sicher, viele Krankheiten, vor allem Virenerkrankungen waren endemisch und damit auf bestimmte Spezies beschränkt. Das hinderte die Viren aber eben nicht am Austausch untereinander. Das, wovor alle Zivilisation Angst hatten, war die eine, multiansteckungsfähige Supervireninfektion, die nicht von Naniten aufgehalten werden konnte. Was durchaus schon versucht wurde herzustellen, alleine aus militärischen Gründen.
Zölle gab es innerhalb der Grenzen der Föderation eigentlich keine; sie wurden nur auf Waren aus den umliegenden Nationen erhoben und galten der Regulierung der Einfuhr, nicht der Staatsfinanzierung.

Hoser Klein wusste das alles. Mit seinen über vierhundertdreißig Jahren im diplomatischen Korps der Föderation der multinationalen Planeten hatte er mehr als genug Welten besucht, um das Prozedere aus dem FF zu kennen. Umso erstaunlicher war es, dass diese Vorgehensweise augenscheinlich auf der fünften Welt der Sonne Tau 395, Eigenname Flora, ausgehebelt schien. Hoser war ganz offiziell eingereist, wenngleich nicht als Diplomat, sondern als Privatmann. Er hatte auf Flora Zwei, der älteren der vier Lagrange-Stationen, seinen Passagierraumer verlassen und war durch den Zoll gegangen. Anschließend hatte er mit seinem Gepäck eines der Shuttles betreten und ließ sich auf den Planeten hinab tragen. Hier aber, auf dem Raumhafen Shallencer, dem nichtmilitärischen Hafen des Planeten, wurde er erneut durch den Zoll geschickt. Flora war Mitglied der Föderation, und damit war dieses Verhalten untypisch. Aber die Beamten rechtfertigten es damit, dass die Hormenk-Allianz ja quasi um die Ecke lag und sich weder für Infiltrationen, noch für die eine oder andere Invasion zu schade war.

„Name?“, fragte der große, bullige Hepharide, dem man die insektoiden Vorfahren deutlich an den Facettenaugen absehen konnte.
„Hoser Klein.“ Hoser reichte dem fast drei Meter großen Giganten seinen ID-Chip.
Das Exoskelett, welches dem Riesen überhaupt erst ermöglicht hatte, so groß zu werden, ohne unter dem eigenen Gewicht zu Boden zu gehen – selbst bei der niedrigeren Schwerkraft dieser Welt bei Null Komma acht Gravos – knirschte ein wenig, als er den Chip entgegennahm und in sein Lesegerät steckte.
Wenn Hoser erwartet hatte, dass der Gigant mit den Abzeichen eines Leutnants von seinem Status als Diplomat beeindruckt sein würde, wäre er enttäuscht worden. Stattdessen seufzte der blauuniformierte Gigant: „Nicht noch einer von denen. Grund der Einreise?“
„Vorbereitung einer diplomatischen Mission im Gebiet der Rau. Geheimhaltungsstufe fünf.“
„Gebiet der Rau?“, echote der Riese. Sein Übersetzer verzerrte die Menschenstimme einen Moment, mit der er kommunizierte und machte ein sehr hässliches, kratzendes Geräusch. Einiges am Exoskelett gehörte dringend gewartet, fand Hoser.
„Es ist eine Geheimmission. Inoffiziell.“
„Und du suchst jetzt eine arme Sau, die für genügend Geld ausgerechnet ins Gebiet der Rau fliegt, in der Hoffnung, nicht aufgegriffen und gefressen zu werden?“
Hoser ignorierte, dass der Beamte ihn duzte. Hephariden waren nun mal so, und in den meisten Teilen der Föderation gab es ohnehin kaum Sprachen, die ein Sie kannten. „Ja, das fasst es in etwa zusammen.“
Der Riese deutete auf die beiden Koffer. „Aufmachen.“
„Darf ich Sie darauf aufmerksam machen, dass ich einen gültigen Diplomatenausweis...“
„Aufmachen. Oder zurückfliegen. Such es dir aus, Hoser Klein.“
„Das sind merkwürdige Zustände hier.“
„Wir hatten diese Woche schon fünf Infiltrationsversuche der Hormenk. Du weißt schon, militärische Sabotage. Deshalb sind wir, tja, etwas mehr darauf bedacht, zu wissen, wer auf unsere Welt kommt und was er mitbringt.“
„Klingt logisch.“ Er gab seinen beiden Koffern den Befehl, auf den Untersuchungstisch zu fliegen und sich zu entriegeln.
Der Insektoide öffnete und untersuchte den Inhalt mit seinen zehn Greiflamellen pro Arm. Hoser wusste, dass Hephariden mit ihren viermal zehn Lamellen bis in den Molekülbereich herunter tasten konnten. Zudem waren die Lamellen mit Rezeptoren geradezu überfüllt. Rauschgifte, Sprengstoffe, illegale Substanzen, ein Hepharide fand sie garantiert. Egal, in wie kleinen Spuren sie verteilt waren.
Der Gigant stockte kurz, fasste mit einer Hand nach und fühlte erneut. „Da ist doch tatsächlich eine Spur Angel Star auf einem der Hemden.“ Die eher begrenzte Mimik des Riesen verzog sich kurz angestrengt. „Aber es ist eine mikrominimale Menge. Die Chance, dass sie zufällig auf das Hemd gelangt ist, ist relativ hoch. Zudem ist das Hemd benutzt, also hast du es getragen, Klein. Wohl unter billigen Drittanbietern gewesen, hä? Das schnelle Vergnügen gesucht, hä?“ Der Insektoide feixte ihm zu.
„Ich wüsste nicht, was Sie das angeht, Leutnant.“
„Stimmt auch wieder.“ Der Riese führte seine Visite zu Ende, dann schloss er die Koffer wieder und seufzte. „Stell dich in den Scanner, Hoser Klein.“
Hoser tat, wie er geheißen und ließ sich erfassen. Der Vorgang dauerte etwa eine Minute, und danach war er sich sicher, dass die Neuronik, die den Scan auswertete, wusste, wie seine Mahlzeiten der ganzen vergangenen Woche ausgesehen hatten und wohin die Nährstoffe gegangen waren.
Als er den Scanner wieder verließ, gab der Zollbeamte die Koffer frei. „Kein Ergebnis. Du kannst einreisen, Klein. Aber überlege dir das mit dem Flug ins Gebiet der Rau noch mal. Euch Menschen finden die echt zum Anbeißen, und das meine ich nicht kopulationstechnisch.“
„Danke“, erwiderte Hoser säuerlich. Er befahl seinen Koffern, ihm zu folgen und verließ den Zollbereich ohne ein weiteres Wort.
Kaum hatte Hoser Klein den gesetzlich vorgeschriebenen Überwachungsbereich des Raumhafens verlassen, ging alles sehr schnell. Ein Kleinschweber kam heran, nahm ihn und die Koffer auf und brauste davon. Dies tat er ohne GPS und ohne Anbindung an das örtliche InfNet. Schnell war er im Gewirr der kleinen Straßen des Raumfahrerviertels verschwunden.
Als der Kleinwagen hielt und der Passagier ausstieg, war es nicht länger Hoser Klein.
***
Die Tiula, welche den Diplomaten empfing, residierte am Rande des Raumhafenviertels in einem der besseren Appartmentgebäude. Was nicht hieß, dass sie luxuriös lebte, lediglich sicherer als die meisten Anwohner. Wie auf Flora war das Umfeld der Raumhäfen einer Föderationswelt eine wilde Mischung aus billigen Einkaufsmöglichkeiten, Amüsierbetrieben jeglicher Couleur, maschineller Prostitution und billigen Wohnraums, denn wer wohnte schon gerne über einer Kneipe, die selbst in der Woche bis sechs Uhr morgens offen hatte? Aber immerhin, wie auf fast allen Föderationswelten gab es nicht wirklich das, was man eine Mafia nennen würde. Staatliche Regulierungen und staatlich etwas locker gelassene Zügel schufen auf Flora eine Grauzone, in der sich Geld verdienen ließ, ohne dass es zu Schießereien auf offener Straße kam. Oder gar dem Handel mit allzu illegalen Drogen. Hehlerei gestohlener Güter gab es sicherlich. Solange es Menschen gab, würde es auch Personen geben, die für sich selbst Abkürzungen suchten, um schnell einen gewissen Wohlstand zu erreichen.
Das Apartmentgebäude gehörte zu jenen, die sich darauf spezialisiert hatten, seinen Bewohnern nicht nur einen gewissen Komfort zu bieten, sondern auch eine gewisse Sicherheit. Dazu gehörte ein Abhörschutz, der seinen Namen auch verdiente.
„Hattest du es schwer?“, empfing die Bewohnerin ihren Gast.
Der Diplomat entledigte sich seiner Jacke und nahm ungefragt auf dem bequemen Sofa Platz, eine der bevorzugten Rastanlagen für Spezies mit bis zu acht Extremitäten. „Es war in Ordnung. Dank des Angel Stars hat der Hepharide sich auf meine Koffer konzentriert, und nicht auf mich. Hätte er mich mit einer Leibesvisitation mittels seiner Lamellen untersucht, wäre die Nanitentarnung so gut wie sicher aufgefallen.“
„Du hast einen Diplomatenpass, Aris.“
Der Mann lächelte dünn. „Es hätte einige unnötige Fragen aufgeworfen, wenn ich als Diplomat der Föderation mit Hilfe von diplomatischer Immunität auf eine unserer eigenen Welten eingereist wäre, findest du nicht, Myu?“
Die große, schlanke Humanoide ließ ein amüsiertes Schnauben hören, bei dem man vergessen konnte, dass ihre Vorfahren die Erde schon vor fünftausend Jahren verlassen hatten, um sich auf der Föderationswelt Tiu ein eigenes Reich nach ganz eigenen Vorstellungen zu schaffen. Dies hatten sie durch genetische Manipulation erreicht. Heutzutage nannte man Tiu auch die Rollenspielerwelt. Die Anpassungen hatten damals fünf neue Unterspezies der Menschen geformt. Die Tiuli, die Grabo, die Okra, die Turoni und die Liliths. Die Tiu waren alle von großem Wuchs, sehr schlank, sehr grazil, aber zäh und ausdauernd. Ihre herausstechendsten Merkmale waren die langen, dünn auslaufenden Ohren, welche eine deutliche Spitze bildeten. Aris wusste, dass die Tiuli damit bis in den Ultraschallbereich hören konnten. Wenn sie es wollten. Die genetische Anpassung ermöglichte es ihnen, diese Fähigkeit bewusst zu steuern, sodass man sie eben nicht auf diese Weise ausschalten konnte. Tiuli waren dank ihrer Geschwindigkeit, ihrer Geschicklichkeit und ihrer Selbstheilungsfähigkeiten, so sie ihre Welt verließen, oft Akrobaten, Raumfahrer, Soldaten. Aber auch Agenten, Händler, Diplomaten.
Das Ergebnis von fünftausend Jahren genetischer Manipulation saß nun vor ihm: Eine schlanke, dunkelbraunhäutige Frau mit schlohweißem Haar und blaugrauen Augen, die ihn noch immer ein wenig spöttisch musterten. Die meisten humanoiden Spezies fanden die Tiuli sexuell höchst attraktiv, wahrscheinlich auch einer der Gründe für die genetische Manipulation. Wo Tiuli die Neigung dazu verspürten, gehörten sie als Sexarbeiter zu den Bestverdienern des Gewerbes.
Direkte Konkurrenz hatten sie dabei nur von ihren Vettern, den Okra.
Die Okra setzten auf Kraft, Ausdauer, Muskelmasse, Energie, Selbstheilung. Die meisten Okra waren im Schnitt einen Meter achtzig groß, aber auch fast ebenso breit. Sie waren lebendige Panzer. Okra, die ihre Welt verließen, tauchten an erster Stelle in der Flotte oder im Marines Corps auf, weil sie geborene Infanteristen waren. Viele hochrangige Admiräle und Generäle waren Okra, die sich zumeist von den untersten Rängen hochgedient hatten. Dabei unterschied man zwischen den grünen Okra und den roten Okra, aber nur der Form halber. Außer der Hautfarbe trennte die Spezies nichts. Und das war schon für mehr als einen Lacher gut gewesen in den letzten fünftausend Jahren. Natürlich fand man Okra auch in anderen Berufen wie Diplomaten, Händlern und ähnlichen Zweigen. Richtig bekannt aber waren sie, wenn sie sich dem Sexarbeitergewerbe anschlossen und dank ihrer besonderen Konstitution sehr gut dabei verdienten. Es hieß aber auch, es waren fast immer Okra, die illegale Sexringe von innen sprengten. Was man bei ihrer körperlichen Ausstattung sofort glauben mochte.

Aris schob die Gedanken beiseite. Myu reichte ihm einen heißen Tee, und er nahm dankend an. Es war ein Chyron von Tiu, ein sehr teures Importprodukt. „Oho. Bin ich dir so viel wert?“
„Natürlich bist du das, Aris. Du hast mich schließlich ausgebildet“, erwiderte sie mit einem spöttischen Lächeln. „Ein guter Schüler ist einem fähigen Meister sein Leben lang verpflichtet. Nicht, dass du das nicht weißt.“
Aris lächelte ganz leicht und nahm einen vorsichtigen Schluck. Wie erwartet war der Tee süß, stark und sehr minzig. Er war belebend und erfrischend.
„Kommen wir gleich zur Sache, Myu ran Tau.“
„Schon?“, fragte sie enttäuscht. „Ich dachte, wir gehen vorher irgendwo etwas essen, danach einen Schluck trinken, und danach...“ Kokett zwinkerte sie ihm zu.
„Danach vielleicht. Das Essen geht auf mich. Aber jetzt sag mir, wie der Stand der Dinge ist. Was kannst du mir berichten, Sektorendiplomatin ran Tau?“
Sie verzog das Gesicht zu einer Grimasse, die Humanoide im Allgemeinen „Schnute“ nannten. „Du musst nicht gleich den Vorgesetzten auspacken, General Stondra.“

Sie seufzte und setzte sich neben ihren Vorgesetzten auf die Couch. Dann streckte sie eine Hand aus und ließ ein Hologramm über dem Couchtisch entstehen. Lichter symbolisierten ferne und nahe Sonnen. Ein pulsierender, blauer Bogen zeigte die derzeitige Föderationsgrenze an. Drei weitere, unterschiedlich große Cluster, ein roter, ein gelber, ein grüner, wiesen auf andere Grenzen hin. „Die allgemeine Lage ist relativ entspannt. Wir haben es in diesem Teil der Schale mit drei Machtblöcken zu tun: Den Rau-Konföderierten, der Hormenk-Allianz und dem hepharidischen Konglomerat.
Die Rau nennen über dreiundachtzig Sonnensysteme ihr eigen. Sie sind eine kriegerische, destruktive Spezies, stets auf der Suche nach neuer Biomasse, die sie ihrer Genetik hinzufügen können. Ihr Ziel ist es, die fortgeschrittenste Rasse des bekannten Universums zu werden. Für dieses Ziel gehen sie im Sinne des Wortes über Leichen. Es heißt auch, es gibt diverse Kulte auf ihren Welten, die die Genetik anders absorbieren, nämlich dadurch, dass sie tote Feinde oder tote Angehörige interessanter Spezies verspeisen.“
„Klingt ja appetitlich. Insektoide?“
„Warmblütige Echsenabkömmlinge, allerdings mit sechs Extremitäten. Vier Augen, Allesfressergebiss. Eingeschlechtlich. Das Schuppenkleid variiert von hellen Sandtönen bis hin zu schwarz, aber sie tragen ohnehin zumeist irgendeine Form von Kleidung. Sie können auf Eiswelten leben, bevorzugen jedoch naturgemäß wärmere Klima. Ihre Flotte ist relativ groß, allerdings keine direkte Gefahr für die hiesigen Föderationssysteme.“
„Die anderen Spezies?“
„Die Hormenk-Allianz ist ein Zusammenschluss der neunzehn Grafschaften der Hormenk. Sie ist etwas über viertausend Jahre alt und wurde ursprünglich von Extrem-Aussteigern der terranischen Urgesellschaft gegründet, so wie Tiu von meinen Vorfahren. Aber anstatt sich an etwas so nettem zu orientieren wie Rollenspielen wollten diese Extremaussteiger den Feudalismus in absolutistischer Monarchie neu beleben. Du weißt schon, der fähigste Intrigant kriegt die Krone. Dabei waren alle Grafschaften im Wettstreit miteinander, und es heißt, früher waren es fünfunddreißig. Mittlerweile gibt es nur noch dreiundzwanzig Systeme mit fünfunddreißig bewohnten Planeten, die von den neunzehn Grafen regiert werden. Wobei weder die Bevölkerung noch die Grafen durchweg Menschen sind. Einige Völker in der Umgebung fanden das Prinzip des Feudalismus so interessant, dass sie sich dem System angeschlossen haben. Teilweise stellen jetzt also Insektenabkömmlinge, Echsenabkömmlinge und sogar ein Urzeller einen der neunzehn Grafen oder sind Bestandteil seiner Hierarchie. Deshalb sind zwölf Grafen Frauen, fünf sind Männer, und zwei sind zweigeschlechtliche Zwitter. Ich will nicht zu sehr ins Detail gehen. Als die Föderation in ihre Richtung wuchs, haben sie die internen Zwistigkeiten begraben und sich gegen uns zusammengeschlossen. Ein Großteil ihrer Anstrengungen gehen in Flotte, Armee und Kirche und sind fast ausschließlich gegen uns gerichtet. Dabei ist der meiste Ärger, den sie haben, der mit den Rau. Dankenswerterweise bindet das ihre Flotte in einem ausreichenden Maße, sodass wir uns auf Föderationswelten weniger mit ihren Angriffsflotten herumschlagen müssen, aber umso mehr mit den von ihnen finanzierten Wanderpredigern, die das feudale System predigen. Furchtbare, engstirnige und verblendete Leute.“
„Das sind die besten Missionare. Und, haben sie damit Erfolg?“
„Es gibt eine Wanderbewegung zur Hormenk-Allianz. Auf dem gleichen Weg aber gibt es auch eine Fluchtbewegung in unsere Richtung. Das hebt sich in etwa gegenseitig auf.“
Aris nahm einen weiteren Schluck Tee. „Der letzte Faktor?“
„Die Hephariden. Du kennst Hephariden. Die hiesigen Hephariden sind Völkerstaatlich orientiert. Sie organisieren sich abseits jeder Individualität im Dienste an ihren Herrschern auf neun Planeten in drei Sonnensystemen. Alle neun sind terrageformt.“
„Sie sind eingewandert.“
„Richtig. Sie sind aus ihren angestammten Siedlungsgebieten emigriert. Die hiesigen Hephariden sind der Meinung, dass das Völkerstaatskonstrukt das Beste für ihr Volk ist und wollten es hier reetablieren. Außerhalb der Föderation. Das ist fast eintausend Jahre her. Jetzt kommt ihnen die Föderation nahe, und die Hepharidenköniginnen sind sich uneins, ob sie um Aufnahme bitten oder auf Neutralität bestehen sollen. Wir haben nicht wirklich Ärger mit ihnen. Aber bedenke, dass ihr Staat in erster Linie darauf beruht, dass der Einzelne so wenig Individuum ist wie überhaupt möglich, nur ein Rädchen im Getriebe. Die Königin ist alles, ihr Wort absolut. Die Arbeiter, wie sie sich nennen, haben so gut wie keinen eigenen Antrieb, nur den Gehorsam. Und angenommen, eine Königin kommt auf die Idee, uns anzugreifen, dann werden das zwischen zwei Milliarden und neunzehn Milliarden Hephariden auch tun, ohne mit einem Fühler zu zucken. Einziger Trost: Die durchschnittlichen Hephariden werden nur knapp einen Meter groß. Sie verzichten für das Individuum auf jede Form von Technik und Exoskelette, sodass sie nur ihm Rahmen ihrer natürlichen biologischen Entwicklung auswachsen können.“
„Nett.“
„Richtig. Deshalb gibt es auch eine gewisse... Sagen wir, Individualitätsbewegung Richtung Föderation.“
„Flüchtlinge.“
„Flüchtlinge. Arbeiter, die mehr eigenes Bewusstsein entwickeln und sich dem Staat durch Flucht entziehen. Die Königinnen nennen sie ihr Eigentum und fordern ihre Rückgabe, aber wenn sie hier ankommen, sind sie so sehr eigene Personen, sodass sie nicht unter den genetischen Akt fallen. Wir schicken sie nicht zurück, sondern ermöglichen ihnen eine sexuelle Orientierung und individuelles Leben. Natürlich bemühen sich die Königinnen, damit möglichst wenig ihrer Arbeiter von dieser Möglichkeit mitbekommen, selbst Nachwuchs produzieren zu können. Das ist der Part, der die dritte Gruppe der Königinnen, jene, die einen Krieg mit uns vorziehen, in letzter Zeit erstarken lässt.“
„Verstehe.“

„Und das ist im großen und ganzen die Lage, General Stondra. Die Lage ist soweit stabil. Aber wenn ausgerechnet mein alter Lehrer inkognito hier raus kommt, dann ist die eigentlich stabile Situation alles, aber nicht stabil, wie es scheint.“
Aris nickte. „Das hast du gut erkannt. Es sieht so aus, als könnte das fragile Patt, das hierzulande gerade herrscht, und das der Föderation eine gewisse, ah, Ruhe garantiert, empfindlich gestört werden.“
„Es mischt sich eine weitere Partei ein?“, schoss die Tiula ins Blaue.
„Nicht ganz. Das Expeditionskorps hat eine wichtige Entdeckung gemacht, und wir fürchten jetzt, dass diese Entdeckung den regionalen Kräften bekannt wird. Sobald das der Fall ist, wird es um die Entdeckung ein Wettrennen geben.“
„Was ist das für eine Entdeckung?“
Aris sah ihr direkt in die blaugrauen Augen. „Wir haben Hinweise darauf, wo Kertes sein könnte.“
„Du verarschst mich, Aris!“, stieß sie hervor. „Kertes. Das ist ein Mythos! Eine Legende! Ein Märchen! Nicht mal ein Märchen! Nur ein Gerücht!“
„Nicht mehr länger. Das Expeditionskorps hat eine sogenannte Kartusche mitgebracht.“
„Eine Zeitkapsel?“, fragte sie.
„Ja. Mit einer Nachricht von vor siebzigtausend Jahren. Eine Botschaft des damaligen kertesischen Herrschers. Er spricht von einem Krieg, der sein Volk zurück ins planetare Zeitalter zurückbomben würde, vielleicht sogar ganz ausrotten; und er redet von einer Welt, die er zuvor hat einrichten lassen, um das gesamte Erbe der Kerti zu bewahren. Dort haben sie alles zurückgelassen: Kopien all ihrer schaffenden Künste, Kostproben ihrer Schmiedekunst, Unterlagen und Blaupausen ihrer Raumschiffe. Und natürlich auch ihre Waffen. Wenngleich nicht die Waffen, so doch auch hier Blaupausen und Beschreibungen ihrer Wirkungsweisen.“
„Und, taugen sie was, diese Kerti-Waffen?“
Aris zuckte die Achseln. „Sie haben ausgereicht, um das kertesische Reich so nachhaltig zu vernichten, dass wir heutzutage nur hier und da auf vage Spuren und fast vollständig zerstörte Wracks treffen. Das, verbunden mit dem Zahn der Zeit, hat alle relevanten Spuren getilgt.“
„Bis auf die Kartusche“, stellte sie fest.
„Bis auf die Kartusche“, bestätigte Aris.
„Und wir wollen diese Waffen haben?“
Der General schüttelte den Kopf. „Wir wollen Kertes haben. Wir wollen das, was von den Kerti übrig ist, bewahren. Aber, ja, wir wollen verhindern, dass jemand, irgendjemand, der Ärger bedeutet, Zugriff auf die kertesischen Waffen bekommt. Selbst in diesen aufgeklärten Zeiten gibt es genügend Idioten und machthungrige Wahnsinnige, die sich vorstellen können, auf den zusammengebombten Resten der Föderation ihr eigenes Reich zu errichten.“
„Und warum ist dann noch nicht eine ganze Flotte auf dem Weg, um Kertes zu finden?“
„Es steht eine Flotte bereit. Angeblich auf Manöver. Aber zuerst muss jemand herausfinden, ob es Kertes tatsächlich gibt, und wo diese Welt zu finden ist. Es muss jemand sein, der notfalls bereit und in der Lage ist, die ganzen verdammten Waffen zu vernichten, bevor sie doch einem größenwahnsinnigen Irren in die Hände fallen. Oder vielen größenwahnsinnigen Irren.“
„Dennoch, wäre das nicht Aufgabe für eine ganze Flotte? Wenn das Explorerkorps ausgesandt wird, dann...“
„Wir gehen davon aus, dass bisher nur diese eine Kartusche gefunden wurde. Also wollen wir versuchen, Kertes zu finden. Mit einer kleinen Gruppe. Die Achte Flotte bleibt dabei in der Hinterhand und in Schlagreichweite. Wir hoffen, dass die hiesigen Machtfaktoren und die üblichen Föderationsrenegaten weder etwas von der Kartusche ahnen, noch davon, wie nahe Kertes ihnen vielleicht ist. Wir wecken am besten keine schlafenden Hunde. Ein Aufgebot von mehr Explorern als wir eigentlich in dieser Region einsetzen wollen, würde aber genau das tun.“
„Ist es das, oder will der große Aris Stondra mal wieder den Nervenkitzel verspüren, mit dem er sich abgegeben hat, bevor er Diplomat wurde?“, spottete sie.
„Teils, teils. Ich bin diplomatisch akkreditiert, und ich habe die notwendige Einsatzerfahrung. Alles, was ich jetzt brauche, ist ein schnelles Schiff mit einem zuverlässigen Kapitän, und eine Einsatzgruppe aus Archäologen und Soldaten.“
„Wäre es nicht einfacher gewesen, so eine Truppe zusammenzustellen, irgendwo im Kern, in ein Raumschiff zu steigen, auf die Grenzen zu fäkalieren und die Welt Kertes zu suchen?“
Aris Stondra grinste sie an.
„Was? Oh, nein, General, sag mir nicht, genau das tun wir. Aber...“
„Exakt, Myu ran Tau. Ich bin die Ablenkung.“ Sein Lächeln erstarb. „Oder der Ersatzplan. Das hängt davon ab, wie erfolgreich die eigentliche Expedition ist.“
„Ja, das klingt nach dir. Und was ist dein Interesse an Kertes? Die Kultur, oder die Waffen?“
„Auch wenn es dich wundern wird, Myu, aber ich will in erster Linie die Kultur bewahren. Du fragst dich, warum? Wo wir doch in der Föderation über siebzig Völker, nahezu zweitausend Verzweigungen dieser Völker und Kultur und Leben auf sechstausend Planeten haben? Mehr Planeten und mehr Kulturen, als man mit den bei uns üblichen achthundert Lebensjahren je besuchen kann?“
„Ja, das frage ich mich in der Tat, Aris.“ Sie blickte für einen Moment durch den General hindurch. „Ich habe da so eine Ahnung, aber sag du es mir.“
Der General schnaubte amüsiert. „Weißt du, die Kerti haben sich selbst ausgelöscht. Bis auf kleine und kleinste Spuren gibt es nichts mehr, was auf ihr Erbe, auf ihre Vergangenheit hinweist. Ich finde, ein Volk sollte nicht nur wissen, wohin es geht, sondern auch, woher es kommt. Wenn sich die Kerti selbst in die prästellare Epoche gebombt haben, besteht eine gewisse Chance, dass die Überlebenden dieses Bürgerkriegs nun unter einem anderen Namen in der Föderation leben. Ich will, dass dieses Volk dann seine Kultur zurückbekommt, Myu. Als Hinweis, aber auch als Warnung für die Zukunft.“
Die Tiuli beugte sich ein Stück herüber. „Und worum geht es noch?“
„Das ist alles.“
„Nein, das ist es nicht. Du hast genügend fähige Agenten, die sowohl die eigentliche Expedition als auch diese Scheinexpedition leiten und durchführen können. Welchen Aspekt hast du noch nicht genannt?“
Nun war es an Stondra, offen zu grinsen. „Man merkt, dass du meine Schülerin bist.“ Er griff in das Hologramm und manipulierte es mit Hilfe seines Armbandgerätes. Ein Schlierenschleier ging über die Sonnen, ließ sie verschwinden. An ihre Stelle erschien eine Person. „Die Übersetzung stammt natürlich von uns.“

„Mein Name ist Guon ter Laghasta mac Ariel. Ich bin der Imperator des souveränen Staates der Freien Kerti. Ich wende mich hier in der dunkelsten Stunde unserer Not, auf dem Höhepunkt des Bürgerkriegs an jene, die hoffentlich nach uns kommen werden. Dies ist vielleicht der letzte Tag unserer Kultur, unseres Volkes. Der Bürgerkrieg strebt seinem Höhepunkt entgegen und wird beide Seiten zermalmen. Niemand gibt nach. Niemand kann nachgeben. Unser Ende ist festgeschrieben, egal, welche Seite gewinnt. Dies aber ist mein Vermächtnis: Wer immer dies eines fernen Tages sieht, macht euch bewusst, wohin Hochmut, Sturheit und Hass mein Volk geführt haben, und wiederholt unsere Fehler nicht! Und ich lade euch ein, sich das, was von unserer Kultur übrig ist, zu eigen zu machen, in der Hoffnung, dass die Erinnerung und die Kultur meines Volkes über den Abgrund der Zeit bewahrt bleibt, damit niemals wieder jemand die gleichen Fehler macht wie wir. Kommt nach Kertes, dem Gedächtnisplaneten.“
Die Übertragung fror ein. „Verstehst du jetzt?“
Myu ran Tau schnappte wie ein Fisch auf dem Trockenen nach Atem. Entgeistert sah sie ihren Vorgesetzten, ihren Mentor an. „Dieser Imperator... Er ist ein MENSCH!“

__________________
Ace Kaiser,
Angry Eagles

Corrand Lewis,
Clan Blood Spirit

Ace bloggt!
20.10.2019 21:18 Ace Kaiser ist offline E-Mail an Ace Kaiser senden Beiträge von Ace Kaiser suchen Nehmen Sie Ace Kaiser in Ihre Freundesliste auf
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Erstes Buch: Roland Triankowski Kapitel 2: Botschafter der Allianz


1. Dialog auf Flora
„Verstehe ich das jetzt richtig?“, fragte Myu. „Diese zweifelsfrei 70.000 Jahre alte Aufzeichnung – und du würdest sie mir nicht zeigen, wenn es nicht so wäre – zeigt einen Menschen? 60 Jahrtausende bevor unsere Vorfahren auf der Erde überhaupt daran dachten, die Pyramiden zu bauen?“
„Um und bei“, sagte Aris. Er hatte sein berühmtes Pokerface aufgesetzt, Myu wusste aber, dass er innerlich feixte. „Unsere Spezialisten haben das Alter mit einer Genauigkeit von ein paar Jahrtausenden – plusminus – bestimmt.“
„Gab es da überhaupt schon Menschen?“, fragte sie. „Meine letzte Einheit in Erdgeschichte ist schon etwas her ...“ Sie unterbrach sich. „Entschuldige“, sagte sie nach einer kurzen Pause. „Diese naheliegenden Dinge habt ihr natürlich alle schon geklärt.“
Nun stahl sich doch ein Lächeln auf Stondras Gesicht. „Nein“, sagte er. „Mach nur weiter! Du stellst genau die richtigen Fragen. Wir haben uns mit ihnen zwar beschäftigt – geklärt ist aber noch überhaupt nichts. Außer, dass es mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit weder ein Fake noch ein Irrtum ist. Das Rätsel ist echt – und es ist gewaltig. Und deine erste Frage trifft gleich in den Kern. Ja, es gab vor 70.000 Jahren schon Menschen. Nach allem, was wir wissen, aber ausschließlich auf der Erde – und sie haben erst 30.000 Jahre später begonnen, Ackerbau und Viehzucht zu betreiben und sesshaft zu werden. Und es hat noch einmal 35.000 Jahre gedauert, ehe sie – beziehungsweise wir – zu den Sternen aufgebrochen sind.“
„Du willst jetzt aber nicht behaupten, dass Kertes die Erde ist?“
„Nein. Diese Hypothese haben wir mit als erste verworfen. Na ja, nicht ganz, ein kleines Team auf der Erde geht ihr trotzdem nach. Wir wollen ja nichts unversucht lassen.“
Myu trank einen Schluck Tee und sagte dann: „Welche Sprache spricht er eigentlich? Irgendeine Verwandtschaft zu alten Erdsprachen?“
Aris schüttelte den Kopf. „Leider eine Sackgasse“, sagte er. „Er spricht eine Kunstsprache. Die Grammatik folgt absolut exakten mathematischen Regeln, das Vokabular entbehrt jeder Bildhaftigkeit. Dadurch war der Text leicht zu übersetzen – aber es gibt nicht den geringsten Hinweis auf kulturelle Zugehörigkeit.“
„Seine Physiognomie wirkt auf den ersten Blick sehr durchschnittlich“, sagte Myu. „Sehr dunkle Haut, schwarze Haare und Augen, runde Ohren, keine Schlupflider – das könnte tatsächlich letzte Woche irgendwo auf der Erde oder sogar hier auf Flora aufgenommen worden sein.“
„Ja, er ist allem Anschein nach ein ganz normaler Mensch, wie er vor 70.000 Jahren, heute oder in 70.000 Jahren herumlaufen könnte“, sagte Aris.
„Das ist nicht dein Ernst!“ Myu stellte die Teeschale ab und richtete sich entrüstet auf.
„Was denn?“, fragte Aris. „Du denkst doch nicht etwa an Zeitreise?“
General Stondra hatte längst wieder auf Pokerface umgeschaltet. „Theoretisch bewiesen, allerdings mit unfassbarem technologischem und energetischem Aufwand verbunden – ist nur eine Hypothese unter vielen.“
„Lass mich raten“, sagte sie. „Ein kleines Team geht dem bereits nach.“
Anstelle einer Antwort griff Aris zu seiner Teeschale und blickte sie beim Trinken vielsagend über den Schalenrand hinweg an.

Myu entspannte sich wieder und lehnte sich zurück. „Jetzt bin ich an der Reihe“, sagte sie. „Womit?“ „Ich habe auch ein Rätsel für dich – nicht so spektakulär wie deines, aber es wird dir gefallen. Und vielleicht können wir sogar beide Rätsel zusammenführen und das eine mit dem anderen lösen.“ Die Tuila schlug die Beine übereinander und genoss den kurzen Moment, in dem ihrem Vorgesetzten und Lehrmeister fast die Gesichtszüge entglitten wären. Leider nur fast. „Lass mich nur schnell ein paar Anrufe machen“, sagte sie.


2. Abschied im Ssom-System

„Was war noch einmal der Grund, aus dem wir nicht einfach das Wurmloch errichten und allen Tragos zur Flucht verhelfen, o Aitu?“
„Was soll das, Kea? Warst du während der letzten Gigasec irgendwo anders als ich? Außerdem sollst du mich nicht so nennen.“ Riho seufzte und streckte in einer versöhnlichen Geste den Arm aus. Die Kresh-Drohne ließ sich darauf nieder und sagte: „Tut mir leid, Riho. Es ist nur ...“
„Mir geht es doch genauso“, sagte dieser. „Aber es ist einfach das beste so. Die Allianz ist außer Gefahr und es ist der ausdrückliche Wille von Takatum und ihren Leuten, den Rückzug der FRIEDE UND FREIHEIT zu decken und zu sichern. Wir haben jede Hilfe geleistet, die sie zugelassen haben. Mehr können wir nicht tun.“
„Ihre Leute?“
Riho nickte. „Takatums Blütezeit müsste vor knapp 500 Kilosec begonnen haben“, sagte er. „Daher ja: ihre Leute.“

Sie machten sich auf den Weg zum Hangar. Kea machte keine Anstalten, selbst zu fliegen und blieb auf Rihos Arm sitzen. „Und die anderen wollen wirklich nicht mitkommen?“, fragte Riho.
„Nein“, antwortete Kea, „sie möchten lieber auf der AVATAR bleiben. Es geht ihnen einfach zu nahe. Außerdem sind sie durch mich ja dabei.“ Trotz seiner eigenen Symbiose mit der AVATAR fand er das sporadische Kollektivbewusstsein der Kresh manchmal etwas sonderbar. Das Spektrum reichte über die volle Bandbreite: mal sprachen sie mit einer Stimme, als wären sie ein Schwarmbewusstsein, und dann gab es wieder Momente, in denen sie sich stritten, als wollten sie künftig getrennte Wege gehen. Das war auf der Heimatwelt der Kresh mit den riesigen teils biologischen, teils mechanischen Schwärmen aber noch deutlich verwirrender. An seine vier Drohnenfreunde hatte er sich längst gewöhnt und sie sehr lieb gewonnen.
Für den Transfer zur FRIEDE UND FREIHEIT wählten sie ein einfaches kugelförmiges Shuttle von zwei Metern Durchmesser. Es schwebte nur wenige Handbreit über dem Hangarboden zwischen den anderen Fahrzeugen. Als sie sich ihm näherten, öffnete sich an seiner makellosen schwarzen Oberfläche ein Zugang. Das Innere war sehr spartanisch eingerichtet: ein Sitz für Riho und eine Art Nest, in dem sich Kea niederlassen konnte. Sobald sie das Shuttle betraten, Riho sich setzte und Kea zu ihrem Nest schwebte, erwachte es jedoch zum Leben. Der Raum war erfüllt von leuchtenden Displays und Hologrammen, die alle möglichen Anzeigen, Diagramme und eine realitätsgetreue Darstellung der unmittelbaren Umgebung zeigten. Sie saßen gefühlt nicht mehr in einer schwarzen Kugel in einer Hangarhalle sondern vielmehr mitten im leeren Raum im Orbit des Planeten Rût, zweite Welt der Sonne Ssom.
„Na, dann wollen wir mal“, sagte Riho, was als Startbefehl vollauf genügte. Das Shuttle hatte keinen Eigenantrieb, es wurde von der AVATAR aus gesteuert und bewegt. Dank ihrer Symbiose wusste die Schiffs-KI, was sie zu tun hatte und steuerte die kleine Kugel auf direktem Wege zum Parkorbit der FRIEDE UND FREIHEIT – aber auch nicht zu schnell, denn Riho genoss solche Flüge und die Aussicht, die sich dabei bot. Mit einer Geste zoomte er den kleinen Lichtpunkt im Zielbereich heran. „Ist sie nicht schön?“, fragte er. Vor ihm schwebte jetzt das Hologramm der FRIEDE UND FREIHEIT und ließ sich durch weitere Gesten in alle Richtungen drehen, aus- und einzoomen.
„Sie wäre noch schöner, wenn sie uns erlaubt hätten, einen Gravitationsantrieb einzubauen“, sagte Kea.
Riho beschloss, Keas Gemecker nicht durch weitere schon tausendfach formulierte Erläuterungen zu würdigen. „Ich mag das klassische Design“, sagte er stattdessen. „So schön es ist, ohne Andruck zu beschleunigen und künstliche Gravitation zu haben – diese Rotationselemente für die Schwerkraftsimulation durch Fliehkraft haben schon etwas Majestätisches.“ Wie gebannt betrachtete er das gemächlich rotierende Hologramm - auch, um den Blick nicht auf den grün leuchtenden Planeten unter ihnen richten zu müssen. „Außerdem hatten sie diese Technologie bereits zur Perfektion entwickelt, als wir kamen“, sagte er – wohl wissend, dass er damit seinen gerade gefassten Vorsatz wieder über Bord warf. „Der magnetische Schutzschild wird sie erfolgreich vor der kosmischen Strahlung schützen – und sammelt gleichzeitig zusätzlichen Treibstoff für das Fusionstriebwerk ein. Sie werden hochrelativistische Geschwindigkeit erreichen und in drei, vier Gigasec bei Neu-Acqia sein. Für sie selbst wird dabei maximal eine Gigasec vergehen.“
Er hörte auf zu reden, denn es beruhigte das schlechte Gewissen, das ihn plagte, auch nicht.
Kea bewies ihre lange Freundschaft, indem sie das Thema wechselte. „Wie steht es eigentlich um Rhadadonts Blütezeit?“, fragte sie.
„Die ist noch mindestens zwei, drei Megasec hin“, antwortete Riho. „Rhadadont ist aktuell ein er.“

„Riho aus dem sonnigen Sternenmeer und Kea vom nebligen Gipfel, seid mir und uns allen herzlich willkommen!“ Der Präsident aller Tragos und Anführer der Flüchtlinge empfing sie mit großer Delegation in einem Saal nahe der Stelle, an der sie ihr Shuttle angedockt hatten. Ein großes Panoramafenster bot den prächtigen Anblick des Planeten Rût, dessen sattes Grün alle Anwesenden in ein unwirkliches Licht tauchte. „Rhadadont aus dem halbschattigen Winkel“, sagte Riho, „ich freue mich sehr, dass ihr mich noch einmal persönlich empfangt und bin voll der Trauer, dass dies gleichzeitig unser Abschied ist.“ Der Präsident fasste ihn mit seinen Rankenarmen an den Schultern und führte ihn zu dem großen Fenster. Kea flog derweil zu den anderen Tragos, um mit ihnen zu plaudern. Wenn sie wollte, konnte die Kresh-Drohne eine großartige Unterhalterin sein.
„Grämt euch nicht“, sagte Rhadadont. „Dies ist für uns alle ein Abschied mit Hoffnung. Das Leid unserer Geschwister von Bleg wird stets den Sinn behalten, dass sie uns rechtzeitig warnen konnten. Dadurch können wir sie in ewigem Andenken behalten, wenn wir in der Allianz ein neues zu Hause für unser Volk finden. Genauso können wir Takatums Mut und Opfer in Ehren halten – und nicht zuletzt euch und eure Freunde. Denn ihr habt uns mit der Allianz ein Ziel genannt, habt für uns geworben, auf dass wir in einhundert Sonnenläufen dort Asyl finden.
Ihr gabt uns die Hoffnung, ja die Gewissheit, dass wir und unsere Nachkommen eine Zukunft haben werden.“
„Ich hätte so viel mehr tun können“, sagte Riho.
„Nein“, sagte Rhadadont nur. Sie hatten diese Diskussion schon so oft in den letzten dreißig Umläufen Rûts um seine Sonne geführt. Es gab einfach kein Argument, das gegen dieses Vorgehen sprach. Die Rau würden kommen, vielleicht in zehn Umläufen, vielleicht erst in zwanzig – aber sie waren längst unterwegs. Hätte er hier das Wurmloch in die Allianz errichtet, hätten die Rau es sofort als Einfallstor genutzt. Nach allem, was er inzwischen über dieses Volk erfahren hatte, wäre die Allianz ihnen nicht gewachsen gewesen. Sie hatten die Trago-Kolonie auf Bleg überrannt, seitdem gab es kein Instafunksignal mehr von dort. Das geschah lange vor seinem Eintreffen im SsomSystem. Als er es vor einer Gigasec erreichte, hatten die Tragos die FRIEDE UND FREIHEIT schon fast fertiggestellt und die Verteidigungsanlagen auf und um Rût festungsartig ausgebaut. Insofern war es ein Glück, dass die Tragos keine Wurmlochtechnologie kannten und nie eine entsprechende Verbindung zwischen ihrer Heimatwelt und ihrer ersten Sternenkolonie errichtet hatten. Da auch die Rau ohne eine etablierte Verbindung erst einmal relativistisch kommen mussten, hatten die Tragos Zeit, die sie auch nutzten. Und die Rau kamen, da gab es kein Vertun. Dies war das erfolgversprechendste Vorgehen, wie man es auch drehen und wenden mochte. Also gab es nichts mehr zu diskutieren. „Erlaubt mir dennoch, euch ein letztes Geschenk zu machen“, sagte Riho und winkte Kea herbei.
Die Kresh-Drohne flog zu ihnen, grüßte den Präsidenten höflich und entnahm einem Stauraum ihres Kunstkörpers eine zehn Zentimeter große Kugel. „Diese Kapsel“, sagte sie, „enthält Elementarteilchen, die mit Gegenstücken auf Neu-Acqia verschränkt sind.“
Rhadadont knickte seine vier Beinwurzeln leicht ein – eine Geste des Danks – und nahm die Kapsel entgegen. „Tragos kennen den Instafunk mindestens seit zehn Gigasec“, sagte Kea. „Ihr müsst es also annehmen.“
Zum Glück kannten die Tragos auch Humor, dachte Riho und sagte: „So könnt ihr die ganze Reise über mit den Acq in Verbindung bleiben und habt eure Hoffnung und den Beweis für eine glückliche Zukunft immer bei euch.“
„Ich danke euch aus tiefster Wurzel“, sagte Rhadadont. Auch wenn die Tragos in streng-gaianischem Sinne keine Pflanzen waren, übersetzte Riho einschlägige Begriffe für sich mit entsprechenden Allegorien.

Den Start der FRIEDE UND FREIHEIT als historisch und bewegend zu bezeichnen, wäre dem einzigartigen Ereignis nicht gerecht geworden. Die Festungsanlagen auf Rût schossen mindestens ein Dutzend Kilosec lang Salut bis weit in den Orbit hinaus, als das gut zehn Kilometer lange Schiff mit seiner millionenstarken Besatzung – die Milliarden eingelagerten befruchteten Keime nicht mitgerechnet – endgültig seine Ursprungs- und Heimatwelt verließ. Die AVATAR flog ein paar hundert Lichtsekunden Geleit (und gab fast unbemerkt mit einer kleinen Gravitationswelle einen zusätzlichen Schubs) ehe die FRIEDE UND FREIHEIT endgültig ihre einsame Reise antrat.

Der Abschied von Marschal Takatum und den Verteidigern Rûts – im Grunde ein komplettes Volk in Waffen – war ungleich schwerer. Was ihnen an Hoffnung fehlte, machten sie mit unerschütterlicher Zuversicht und Tapferkeit wett. Sie wussten, dass sie dem Untergang geweiht waren, wuchsen aber an der Gewissheit, ihren Geschwistern von der FRIEDE UND FREIHEIT die sichere und unentdeckte Flucht zu ermöglichen – und für jene aus Bleg so gut wie möglich Rache üben zu können.
Immerhin war man hier seinen technologischen Innovationen gegenüber etwas offener eingestellt – soweit sie sich waffentechnisch nutzen ließen. Dennoch war sein Angebot, an den Kämpfen teilzunehmen, schon früh abgelehnt worden. Auch wenn die AVATAR beileibe kein Kampfschiff war, hätte sie sich durchaus gut schlagen können – aber letztlich überzeugte auch hier ein Argument: So lange auch nur die geringste Wahrscheinlichkeit bestand, dass die Rau der AVATAR habhaft werden und das Wurmlochende aktivieren konnten, war die Allianz und somit der sichere Hafen für die FRIEDE UND FREIHEIT in Gefahr. Er musste also längst fort sein, wenn die Rau eintrafen.



3. Einsamkeit zwischen den Sternen

Als Zielstern hatte Riho eine gut zwei Gigalichtsekunden entfernte weißgelbe Sonne gewählt, von der recht vielversprechende Emissionen anzumessen waren. Sie ließen auf eine sehr hochentwickelte Kultur schließen – die hoffentlich nicht zu den Rau gehörte. Da Bleg in eine ganz andere Richtung lag, hatte er einigen Grund, guter Dinge zu sein. Auf die Entfernung ließen sich natürlich keine konkreten Datensätze entschlüsseln, dennoch lautete sein Beschluss, sich dort umzusehen und nachzufragen, ob man an einer Wurmlochverbindung mit der Allianz interessiert war. Die AVATAR konnte sehr schnell auf hochrelativistische Geschwindigkeit beschleunigen. Ihm wurde schmerzlich bewusst, dass er sich parallel dazu vom Bezugssystem und somit dem Schicksal der Tragos entkoppelte. Für ihn würden kaum 100 Megasec vergehen, ehe der den Zielstern erreichte – für Takatum und ihre/seine Leute etwa das zwanzigfache. Riho versuchte sich während der Reise mit den unterschiedlichsten künstlerischen Betätigungen von dem Gedanken abzulenken, dass just in diesem Moment ein erbarmungsloser Vernichtungskrieg im Ssom-System toben mochte, dass in jeder Sekunde, die für ihn verging, Tausende oder sogar Millionen starben - und eine einst blühende, vor Leben strotzende Welt verwüstet wurde. Die Kresh-Drohnen waren ebenfalls sehr schweigsam, auch wenn Kea hin und wieder versuchte, alle etwas aufzumuntern. Es war schließlich die ansonsten so stille Dyka, die mit Riho das Gespräch suchte. Sie sprachen über mehrere Wachzyklen hinweg miteinander über ihre Erlebnisse bei den Tragos, über deren Wesen und Historie. Sie redeten auch über die Rau – selbst wenn sie nur wenig über sie wussten. Schließlich begannen sie damit, Modelle und Simulationen über den Verlauf der Kampfhandlungen zu errechnen. Sie waren im Großen und Ganzen so deprimierend, wie es zu erwarten war. Die meisten Durchläufe endeten mit der Besetzung, der Verwüstung oder gar der völligen Vernichtung Rûts. In über zehn Prozent der Fälle kam es jedoch zu überraschenden Wendungen, in denen es den Tragos durch hartnäckige Guerillataktik oder waghalsige Kommandounternehmen gelang, die Invasion der Rau abzuwehren. Das war ein erstaunlich hoher Wert, den Riho so nicht erwartet hätte. Selbst wenn sie in der Simulation den technologischen Stand der Rau weit nach oben setzten – eine der unsichersten Variablen, da sie auch darüber kaum etwas wussten –, sank der Wert nur wenig unter zehn Prozent. In jedem Fall aber würde sich das Schicksal des Ssom-Systems längst entschieden haben, wenn die AVATAR ihr Ziel erreichte. „Danke, Dyka“, sagte Riho am Ende eines Wachzyklus‘ schließlich. Er hatte sich schon ziemlich früh angewöhnt, sein Leben in Zyklen von 100 Kilosec zu unterteilen, was recht genau einem Tag auf Ma’uhi entsprach, was er nach all der Zeit noch immer als seine Heimatwelt betrachtete. Den Rest der Reise fühlte er sich schon etwas besser – nicht gut aber besser. Und er nahm erneut interessiert zur Kenntnis, wie sehr seine vier Begleiterinnen doch noch ihrer klassischen Rollenaufteilung verhaftet waren – obwohl sie schon so lange vom Großen Schwarm der Kresh getrennt lebten.

Die Vierergruppe war traditionell die kleinste Einheit im Schwarm. Wenn sich die Kresh auch permanent wie wild durchmischten und verwandtschaftsgebundene Familieneinheiten unbekannt waren, eine Vierergruppe blieb, wenn sie sich einmal gefunden hatte, ein Leben lang zusammen. Und oft sogar darüber hinaus, da viele Kresh die Möglichkeit hatten, ihr Bewusstsein nach dem Tod auf eine Drohne zu übertragen. In einer solchen Vierergruppe verteilten sich die Rollen stets auf den Sprecher, das Gedächtnis und den Kämpfer, der vor allem für die schwarminterne Hackordnung wichtig war. Die vierte Rolle war für Außenstehende schwer zu definieren. Der oder die Kresh, die diese Rolle innehatte, trat im Schwarm oder nach außen hin kaum in Erscheinung, war für den Zusammenhalt der Vierergruppe aber offenbar von elementarer Bedeutung. Wenn einer der anderen drei starb, konnte die entsprechende Position oft ersetzt werden. Wenn der oder die vierte starb, bedeutete dies stets das Ende der Gruppe. Die drei anderen suchten sich dann eine neue. Dyka erfüllte diese vierte Rolle noch immer hervorragend.



4. Ankunft bei Tau 395

„Du wirst es nicht glauben“, sagte AVATAR. „Aber wir haben die Erde gefunden.“
„Das soll die Erde sein?“, fragte Rihu. Seit er auf diesem Schiff der Retorte entstiegen war, erlaubte sich die symbiotische KI hin und wieder elterliche Scherze mit ihm. Das hatte nach all den Gigasec nicht nachgelassen – dennoch war er sich nie ganz sicher, wann sie es doch mal ernst meinte. „Natürlich nicht“, sagte AVATAR. „Aber Flora – so heißt diese Welt - ist offenbar Teil eines Staatengebildes, das zentral von der Erde aus gelenkt wird.“ Sie hatten es sich zur Gewohnheit gemacht, bei der Ankunft in einem unbekannten Sonnensystem erst einmal aus sicherer Entfernung die örtliche Datensphäre zu checken, um sich einen Überblick zu verschaffen, Sprachen und Gebräuche zu lernen und gegen eventuelle Gefahren gewappnet zu sein. Die AVATAR hatte sich daher an einem Asteroiden des äußersten Gürtels verankert und lauschte den Datenströmen, die vor allem von der fünften Welt ausgehend das System erfüllten. Die wichtigste Erkenntnis war, dass es sich nicht um ein System der Rau handelte. Hier lebten vor allem Menschen und Hephariden – von letzteren hatten Riho und die Kresh noch nie gehört. Und nun offenbarte sich, dass diese Welt Teil eines Sternenbunds – einer Föderation – war, dem kein geringerer Planet als die legendäre Erde angehörte. „Hieß es auf Ma’uhi nicht immer, dass die Erde bei diesem Raumzeit-Brand untergegangen sei?“, fragte Riho.
„Nicht explizit“, sagte AVATAR. „Die Erde wird in dem Zusammenhang nur in ein paar apokryphen Texten erwähnt.“
„Tja“, sagte Riho, „dann hatten doch die Menschen von Myria Recht. Die Erde war die ganze Zeit da draußen und wartete auf ihre verlorenen Kinder.“ Doch das waren längst nicht alle Überraschungen, die ihnen Floras Datensphäre offenbarte. So war die Föderation nicht nur ein ungefähr 100 Gigalichtsekunden durchmessendes Staatengebilde, es war auch noch ein hochkomplexes Wurmlochnetzwerk, das alle angeschlossenen und assoziierten Systeme miteinander verband. Und das seit unfassbar langer Zeit. Auch hier schien die Sekunde als Basiseinheit der Zeit zu dienen, größere Zeiteinheiten maß man aber offenbar in Jahren – ungefähr 31 Megasec lang -, die der Umlaufzeit der Erde um ihre Sonne entsprachen. Daran würde er sich erst gewöhnen müssen. „Was für eine Leistung!“ Riho kam nicht umhin zu staunen, als er eine dreidimensionale Grafik des Föderationsnetzwerks aufrief.
„Wenn man bedenkt, dass wir beide gerade einmal vier Systeme zu unserer kleinen Allianz zusammengeknüpft haben“, sagte AVATAR.
„Dann werde ich bei unserer kleinen Allianz mal anfragen, ob Interesse an einer Verbindung mit der Föderation besteht“, sagte Riho. Die AVATAR war mit jeder der vier Welten per Instafunk verbunden. Auch wenn er sich dank seiner langen Reisen in hochrelativistischer Geschwindigkeit manchmal mehrere Generationen lang nicht meldete, erinnerte man sich doch immer wieder seiner und akzeptierte ihn weiterhin als Botschafter. Nach den Tragos brauchte er nicht zu fragen, sie hatten ihre Reise nach Neu-Acqia höchstens zur Hälfte bewältigt. Aber man gewährte ihm nach einigen Beratungen die Kontaktaufnahme mit der Föderation im Namen der Allianz.



5. Behördenwege

„Verstehe ich das jetzt richtig?“, fragte Aris. „Seit gut zwei Wochen hängt ein 5.000 Jahre altes Wurmlochbauschiff im Quarantäneorbit um den siebten Planeten – weil die Einwanderungsbehörde das so angeordnet hat?“
Myu nutzte die Gelegenheit und wendete an, was ihr Lehrmeister ihr in Sachen Pokerface beigebracht hatte. „Deine Aussage enthält ein, zwei spekulative Elemente – im Großen und Ganzen entspricht sie aber der Wahrheit“, sagte sie.
Aris Stondra zog das Hologramm des Schiffes zu sich heran, vergrößerte und drehte es, um es von allen Seiten zu betrachten. „Stimmen die Angaben?“, fragte er leise, ohne eine Antwort zu erwarten. „Zwei Kilometer lang, einen Kilometer breit, kaum 300 Meter hoch.“ Er schaute zu Myu und fragte: „Was ist mit der Besatzung? Wieso haben die das mit sich machen lassen?“
Die Tuila entschied, dass es mit dem Geplänkel genug war und gab dem General einen erschöpfenden Bericht. Demnach hatte das Schiff mit dem Eigennamen AVATAR direkt die Lagrange-Station angefunkt. Interessanterweise mittels einer winzigen Instafunksonde, die es unbemerkt von einer Parkposition am Systemrand in einem mehrmonatigen ballistischen Kurs zur Station geschickt hatte. „An Bord befinden sich nach bisherigem Wissensstand nur ein Mensch namens Riho Zypher und vier offenbar künstliche Wesen namens Kea, Luma, Cora und Dyka“, sagte sie. „Vom Volk der Kresh, dem sie angeblich angehören, hat man in der Föderation noch nie etwas gehört.“ Sie berichtete weiter, dass Zypher und seine Begleiter sich als Botschafter der „Allianz Freier Welten“ vorgestellt und Kontakt mit den hiesigen Behörden erbeten hätten. Aus nicht mehr nachvollziehbaren Gründen – womöglich weil sie keine Föderationsbürger waren – hatte man sie an die Einwanderungsbehörde verwiesen, was einen automatisierten bürokratischen Prozess ausgelöst hat, der dafür sorgen dürfte, dass die AVATAR noch für Monate wenn nicht Jahre in dem zugewiesenen Quarantäne-Orbit bleiben würde.
Stondras Blick war noch immer vom Anblick des Schiffes gefesselt. Vor allem der einen Kilometer durchmessende Ring, der die hintere Hälfte des Schiffes ausmachte – er nahm an, dass dies das Heck war -, faszinierte ihn. „Das ist ein gewaltiger Gravitationsantrieb“, sagte er. „Vermutlich rotieren mehrere Singularitäten darin, versorgen das Schiff mit Energie, treiben es an, können Schutzwälle aufbauen und vieles mehr. Mit diesen Dingern wurde vor vier-, fünftausend Jahren unser Wurmlochnetz errichtet.“ Er zoomte die Darstellung noch weiter heran bis er die mehrere hundert Meter durchmessende Lücke in dem Ring vor sich hatte. Der Anblick des Planeten dahinter flackerte und war verzerrt, als würde man durch eine Linse schauen. „Haben die etwa ein Proto-Wurmloch dabei?“, fragte er.
„In seiner ersten Nachricht sprach Zypher davon, eine Verbindung zwischen der Allianz und der Föderation anzubieten. Möglich, dass er das ganz real gemeint hat.“
„Haben wir Zugriff auf seine Instafunksonde?“, fragte Aris. Myu hob eine Augenbraue. „Entschuldige die Frage. Magst du für mich anrufen?“



6. Erster Kontakt

Riho hatte es sich im großen Garten bequem gemacht. Der von einer transparenten Kuppel überdachte große Zentralbereich der AVATAR war aktuell einem Landstrich auf Ma’uhi nachgebildet, wo er lange Zeit gelebt hatte: ein See, sanfte grasbedeckte Hügel, ein paar Bäume. Das kam für ihn einem Heimatgefühl am nächsten. Er lag am See und betrachtete den Gasriesen, den sie seit einiger Zeit umkreisten. Der Anblick der bunten Wolkenbänder und Sturmtiefs faszinierte ihn. Alle vier Systeme der Allianz, das Ssom-System und nicht zuletzt der namenlose Stern, unter dem er das buchstäbliche Licht der Welt erblickt hatte – in jedem zog mindestens ein Gasplanet seine Bahn. Doch alle waren sie einzigartig und auf ihre ganz eigene Art und Weise bezaubernd. Die Kresh-Drohnen waren irgendwo im Schiff unterwegs, vielleicht plauderten sie per Instafunk mit dem Großen Schwarm. Es kam hin und wieder vor, dass er die vier mehrere Megasec lang nicht zu sehen bekam.
In ein paar Metern Entfernung baute sich mit einem Mal das Hologramm einer hochgewachsenen Frau auf. Auch so eine Unart von AVATAR, ihm manchmal Anrufe ohne Ankündigung durchzustellen.
„Mein Name ist Myu ran Tau“, stellte sich die Frau vor. AVATAR übersetzte ihre Worte synchron. „Ich heiße Sie im Tau-System willkommen und möchte mich im Namen der Föderation für die Unannehmlichkeiten entschuldigen.“
Riho richtete sich auf und lächelte Myu an. Sie war eindeutig ein Mensch, verfügte aber über interessante physiognomische Merkmale, die er weder auf Mau’hi noch auf Myria bei irgendwem gesehen hatte. „Vielen Dank, Myu ran Tau“, sagte er und erhob sich. „Mein Name ist Riho. Von Unannehmlichkeiten kann keine Rede sein. Es fehlt mir an nichts und ich habe alle Zeit der Welt. Die Kresh haben mich seinerzeit eine geschlagene Gigasec komplett ignoriert, ehe sie mich überhaupt einer Antwort für würdig befunden haben. Insofern habe ich keinen Grund zur Klage.“
„Unsterblichkeit macht gelassen, nicht wahr Mr. Zypher?“ Ein zweites Hologramm erschien. Es zeigte einen männlichen Menschen, der nicht ganz so grazil wie Myu wirkte. Spitze Ohren hatte er auch nicht, wie Riho schnell feststellte.
„Riho genügt“, sagte er. „Zypher ist ein Beiname, den mir die Acq verpasst haben. Im Übrigen kann ich Ihnen versichern, nicht unsterblich zu sein. Denn einmal bin ich mindestens schon gestorben.“ Der Mann ließ sich von seiner kryptischen Antwort offenbar nicht aus der Ruhe bringen. Vielmehr lächelte er und sagte: „Sehr angenehm, Riho. Ich bin General Aris Stondra, aber nennen Sie mich bitte Aris. Verzeihen Sie meine Neugier aber ein Schiff wie das Ihre hat man mindestens seit 4.000 Jahren nicht mehr in der Föderation gesehen und es ranken sich etliche Legenden darum – unter anderem, dass die Besatzung aus genetisch perfektionierten Unsterblichen besteht.“
„Freut mich, Aris“, sagte Riho und verneigte sich leicht. „Über meine Herkunft und die meines Schiffes weiß ich leider kaum mehr als Sie. Der Zähler der AVATAR steht aktuell bei etwa zwölf Gigasec.“
„Zwölf Gigasec?“, fragte Aris.
„Zwölf Milliarden Sekunden“, half Myu aus. „Das sind ungefähr 380 Standardjahre.“
„Genau“, sagte Riho und nahm sich vor, AVATAR anzuweisen, beim Übersetzen künftig auch die Zeiteinheiten entsprechend umzurechnen. „Das betrifft aber nur unser eigenes Bezugssystem.
Wir waren oft mit hochrelativistischen Geschwindigkeiten zwischen den Sternen unterwegs. Auf Ma’uhi sind der gleichen Zeit an die ...“ Er überlegte kurz. „... 800 Jahre vergangen.“
„Und was war vor diesen zwölf Milliarden Sekunden?“, fragte Aris.
„Irgendetwas hat mein Schiff fast vollständig zerstört und die gesamte Besatzung getötet. Das Schiff hat sich wieder rekonstruieren können, verfügte aber nur noch über die Basisprogrammierung. Die Datenspeicher waren leer, keine Aufzeichnungen, keine Erinnerungen.“
„Werkseinstellung“, kommentierte Aris.
„Und in der Basisprogrammierung war nur ein DNA-Datensatz enthalten“, fuhr Riho ungerührt fort, „aus dem ein neues Besatzungsmitglied herangezüchtet wurde. Ich.“ Riho nahm sehr wohl wahr, dass seine Gesprächspartner kurz zögerten. Womöglich froren sie gerade ihre Standbilder ein, um schnell ein paar Worte zu wechseln.
„Und seitdem“, begann Aris wieder zu sprechen, „sind Sie als Botschafter für eine Allianz verlorener Kolonien unterwegs und bauen denen ein neues Wurmlochnetzwerk auf.“
„Das ist eine Möglichkeit es zu formulieren“, sagte Riho.
„Demnach sind sie ohne Zweifel ein Diplomat, dem alle entsprechenden Rechte und Privilegien zustehen“, sagte Aris. „Somit fallen Sie vielmehr in meinen Zuständigkeitsbereich, als in jenen der Einwanderungsbehörde. Und ich bin ein großer Freund schneller Verfahren. Wann hätten Sie Zeit für eine gemeinsame Tasse Tee? Wäre Ihnen morgen recht?“ Nun war es an Riho, kurz zu zögern, was General Stondra für eine Ergänzung nutzte: „In 80 Kilosec?“

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Erstes Buch: Alexander Kaiser Kapitel 3: Krieg

Es war exakt einundzwanzig Stunden, nachdem General Aris Stondra seinen „Anruf“ bei Riho gemacht hatte, dem Kommandanten der AVATAR, und nicht etwa zweiundzwanzig Komma zwei Stunden, was achtzig Kilosekunden entsprochen hätte.
Stondra wurde von einem interplanetartauglichem Shuttle geflogen, in dem sich neben der Sektorendiplomatin Myu ran Tau auch noch eine militärisch-wissenschaftliche Abordnung befand, die die planetare Regierung von Flora quasi in letzter Sekunde zusammengekratzt hatte. Es handelte sich dabei um ein Fünferteam Soldaten unter der Anführung eines Leutnants in Tanksuits, einen Sprachwissenschaftler, einer Physikerin, einem Historiker und zweier Diplomaten des Büros für Auswärtige Angelegenheiten von Flora. Alle erfüllten eine Mindestanforderung, die ran Tau gestellt hatte, und bis kurz vor dem Abflugtermin hatte es nicht so ausgesehen, als wären alle Dinge so ins Rollen gekommen, wie sich Aris Stondra das gewünscht hatte.
Dann aber war die EXCALIBUR ins System gesprungen, und alles entwickelte sich so, wie der General es sich gewünscht hatte.

„Wir kommen in Reichweite des Schwerefelds der AVATAR“, meldete Helen Miarr, die Anführerin des Infanterietrupps. „Es liegt verdammt weit draußen, Sir.“
„Aris reicht“, erwiderte der groß gewachsene Mittvierhunderter.
„Verzeihung, Sir, aber es kommt nicht alle Tage vor, dass der Held von Norik einen persönlich anfordert und in einen Einsatz der Kategorie A mitnimmt. Bis ich meine Ehrfurcht vergessen habe und Sie mit Vornamen anreden kann, geschweige denn Duzen, werden wohl erst noch ein paar Jahrhunderte vergehen müssen“, erwiderte sie verlegen. Dabei war sie selbst laut Akte bereits einhundertneunzig Jahre alt, und die Infanterielaufbahn war ihre dritte Karriere; zuvor hatte sie sich als Raumschiffsingenieurin bewährt und vierzig Jahre praktiziert; anschließend hatte sie fast einhundertzehn Jahre ein Lehramt innegehabt und es am Ende ihrer Karriere zum Sektorleiter gebracht und damit die Lehrpläne von fünfundzwanzig Kernwelten koordiniert. Die zehn Jahre in der Flotte, in der sie quasi von Grund auf bis in diesen Rang aufgestiegen war, schienen dabei geradezu vernachlässigbar zu sein, aber sie war jetzt und hier Offizierin, und hier und jetzt brauchte Aris eine Kommandeurin mit vielschichtigem Hintergrund.
„Beeilen Sie sich damit ein wenig. Wir werden schon sehr bald mit der AVATAR aufbrechen, oder mit der EXCALIBUR. Sie werden dann meine engste militärische Mitarbeiterin für die Dauer des Einsatzes sein, und ich kann mir keine Zeitverluste wegen falschem Respekt leisten“, tadelte er milde, während der typische leichte Ruck durch das Schiff ging, der bewies, dass das Shuttle den Bereich der eigenen Schwerkraft der AVATAR erreicht hatte. In fünftausend Jahren Gegengravitation und Andruckabsorbierung war es nicht gelungen, den Moment vollkommen unspürbar zu machen. Oder er war einfach gewollt, da hatte Aris vergessen zu fragen. Immerhin konnte Andruck von bis zu zweihundertfacher Erdschwere binnen von Millisekunden kompensiert werden, und das mit zivilen Absorbern. Alles andere hätte sich auch schnell als tödlich erwiesen.

Aris drehte sich in seinem Sitz um und sah die zivilen Mitarbeiter noch einmal einzeln an. „Also, um das Ganze noch mal durchzukauen: An Bord dieses Gigantschiffs erwartet uns nicht nur künstliche Schwarze Löcher, die unsere Vorfahren vor bis zu viertausend Jahren verwendet haben, um künstliche Wurmlöcher geradezu zu bauen. Uns erwartet auch ein Menschenabkömmling der Erde, der aus einem gespeicherten DNS-Code quasi von grundauf neu gezüchtet wurde. Dieser Mensch, sein Name ist Riho Zypher, ist IOT (in own Time) rund vierhundert Jahre, ISTAT (in Standard Time) aber über achthundert alt. Er ist vollkommen gelöst von unserem Konzept des Zeitempfindens und lebt abseits seiner eigentlichen Gesellschaft, die, so wissen wir, von einem in unseren Akten verschollenen Geleitzug mit vierhunderttausend Neusiedlern für Brimcom III abstammt, der dort niemals ankam und von dem wir bis heute nicht wussten, was mit ihm passiert ist. Ebenfalls an Bord befinden sich vier offenbar künstliche Wesen namens Kea, Luma, Cora und Dyka vom Volk der Kresh. Sie sind in Vierergruppen organisierte Schwarmwesen, in denen jedes Individuum eine klar definierte Sonderaufgabe einnimmt, ansonsten sind Rollen und Fähigkeiten der vier nahezu identisch, abgesehen von Unterschieden in den Persönlichkeiten. Sowohl Riho als auch die vier Kresh sind diplomatisch akkreditiert und dazu bevollmächtigt als auch in der Lage, für ihre Allianz diplomatisch zu sprechen. Aber, und das schränke ich ganz bewusst so ein, gilt zwischen uns und der Allianz nur, was von beiden Seiten ausgesprochen, bestätigt und gegenseitig gesiegelt wurde. Ich möchte nicht, dass der erste Eindruck der Föderation in der Allianz ist, dass wir den diplomatisch unerfahrenen Herrn Zypher im wahrsten Sinne des Wortes über den Tisch ziehen und ihm die Reibungshitze als Nestwärme verkaufen. Haben das alle verstanden?“
Zustimmendes Gemurmel antwortete ihm.
Aris seufzte und fügte dann an: „Ich weiß, dass dies alles sehr kurzfristig erfolgt ist und dass die Informationslage, die ich Ihnen allen habe zukommen lassen, mehr als dürftig ist. Um Sie alle anständig zu briefen, hätte ich mindestens acht Stunden gebraucht. Aber hätte ich diese acht Stunden gehabt, hätte ich ein Team von der Erde einfliegen lassen, das bereits eingespielt ist und einander kennt. Sie alle sind die beste Lösung, die ich in dieser kurzen Zeit finden konnte. Tun Sie Ihr Bestes und sehen Sie die Situation als Bewährung an, womöglich als Chance auf eine Beförderung. Wenn alles gut läuft.“
Das Raunen wurde lauter, zustimmender.

Myu ran Tau wandte sich nun ebenfalls um. „Ich will das auch noch mal klarstellen. Riho und die Kresh kommen zu uns mit der Bitte um Aufnahme von diplomatischem Kontakt und dem Angebot, ein Wurmloch zur Allianz zu errichten. Dies sind alles Ziele, die der Föderation zugute kommen. Wir brauchen quasi gar nichts zu tun, um diese zu erreichen, nur zustimmen und nicken. Aber leider ist dies nicht mehr das alleinige Ziel, sonst hätten Aris und ich auch alleine zur AVATAR fliegen können. Eines unserer Ziele der kommenden Stunden ist und muss sein, herauszufinden, ob Riho Zypher etwas über Kertes weiß. Ja, Miss Rouven?“
Atiella Rouven war mit fünfzig Jahren die Jüngste an Bord (wenn man von Kert Irgens absah, einem Korporal und Infiltrationsspezialisten unter Leutnant Miarrs Kommando, der erst achtundvierzig war) und blickte auf die kürzeste Karriere zurück. Allerdings war die Physikerin auch eine Erstkarrierin und hatte sich noch nicht an einem weiteren Standbein probiert, was ihr nach dem Zweiten Staatsexamen vierundzwanzig Jahre praktische Erfahrung einbrachte. Dazu kam neben ihrer jugendlichen Frische, die alte Männer mit weniger Agilität durchaus in den Wahnsinn trieb, ein sehr extrovertiertes, neugieriges Wesen, das jeden Diplomaten neidisch lassen werden konnte. „Miss ran Tau, wir alle haben die Botschaft gesehen, und wir wissen, was passiert, wenn jemand, irgendjemand vor der Föderation Kertes erreicht und womöglich plündert, das ist zumindest der praktische Teil. Man stelle sich nur vor, die Rau würden in den Besitz von Waffen kommen, die an einem einzigen Tag ein interstellares Imperium haben auslöschen können. Aber wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass Riho Zypher, das Bordhirn der AVATAR oder aber die vier Kresh etwas über Kertes wissen?“
„Die Wahrscheinlichkeit ist bei Null, zumindest was die AVATAR angeht“, erwiderte Myu. „Das bedeutet, dass unsere Suche sich auf die Köpfe der Kresh, auf den Kopf von Mister Riho und auf die kollektive Erinnerung der Allianz ausbreiten muss. Sobald der Instafunk mit der Allianz etabliert ist, werden entsprechende Expertenteams alles, was wir von ihnen empfangen, auf Spuren von Kertes absuchen; sobald wir Zugriff zu ihren öffentlichen Datenbanken haben, werden diese auf Hinweise durchsucht. Vergiss nicht, Ati, sobald wir Zugriff auf die Daten der Allianz haben, hat sie jedermann in der Föderation; sobald die Föderation Zugriff auf sie hat, werden auch dreihundert Kilosekunden spätestens alle umliegenden Nationen Zugriff auf sie erlangen, so oder so. Dies betrifft die öffentlich zugänglichen Datenbanken. Sind die Hinweise oder gar planetare Koordinaten dort versteckt, müssen wir einfach die Ersten sein, die sie finden.“ Myu winkte ab, als sich die Physikerin erneut zu Wort melden wollte. „Ja, wir untersuchen die Möglichkeit, ob eine der vier Welten der Allianz mit Kertes identisch ist, sobald wir es können.“

Aris schnallte sich ab, als ein Signal ertönte und mitteilte, dass ihr Shuttle sicher in einem Hangar des zwei Kilometer langen Giganten aufgesetzt hatte. „Wichtig ist auch, dass wir sowohl Riho als auch Kea, Luma, Cora und Dyka sowie das Bordgehirn beschäftigt halten. Unsere Gruppe ist vor allem deshalb so groß, damit permanent jemand von uns zur Verfügung steht, falls das Schiff oder die fünf Diplomaten reden wollen; unsere Charaktere sind deshalb vielschichtig, um größtmögliches Interesse zu wecken und zu erhalten. Dies ist der erste Eindruck, den die Allianz von der Föderation bekommt, und diesmal möchte ich einen sehr guten Eindruck auf sie machen.“
Jlen Kenderson, der dienstältere der beiden Diplomaten, ein durchaus sympathischer Achtzigjähriger, dem man die Grabo-Vorfahren an der unterdurchschnittlichen Körpergröße, den kräftigen Schultern und dem wallenden schwarzen Bart mehr als deutlich ansah, schnaubte mit seiner schweren, rauen Stimme auf. „Wenn Sie das wollen, Stondra, warum handeln Sie dann nicht danach?“
Die Anwesenden lachten. „Später vielleicht. Jetzt lassen Sie uns erst mal das Richtige tun, Jlen, okay?“, erwiderte dieser grinsend.
Dann ging das Schott auf und entließ sie in einen Großraumhangar, der zwanzig Shuttles ihrer Größe hätte aufnehmen können. Atembare Atmosphäre erwartete sie, und nach einem automatischen Abgleich auf Zusammensetzung und der Gefahr von Viren-, und Bakterienkontakten erlosch der automatisierte Prallschirm, der die Atmosphären von Schiff und Shuttle getrennt gehalten hatte, vollständig. „Willkommen in der Allianz“, murmelte Stondra eher zu sich selbst.
***
„Willkommen an Bord“, erklang die künstliche Stimme der AVATAR. „Riho Zypher erwartet Sie und Ihre Begleiter im Großen Garten. Anschließend ist es Ihrer Entscheidung überlassen, ob Sie im Garten bleiben, oder einen Konferenzraum beziehen.“
„Danke, AVATAR. Was ist mit den vier Kresh?“
„Kea und Dyka werden an dem teilnehmen, was immer dies hier wird. Eine Konferenz, ein zwangloses Kennenlernen...“
„Ein Krieg...“, fügte Stondra an.
„Krieg, General?“, fragte die Künstliche Intelligenz.
„Wir werden sehen. Bekommen wir ein Fahrzeug, oder nehmen wir einen Turboschacht? Ich nehme an, du hast dich bei der Rekonstruktion an die Baupläne der Schiffe dieser Klasse gehalten, sodass ich mich orientieren kann, AVATAR.“
„Natürlich habe ich mich nicht vollends an die Baupläne gehalten. Ich musste improvisieren und konnte auch einiges verbessern. Sie verfügen über meine Baupläne, General Stondra?“
„Natürlich“, erwiderte er. „Dies ist trotz allem ein terranisches Schiff. Wenn die Umbauten nicht zu gravierend sind, sollte ich mich ohne Führung bewegen können, ohne mich zu verlaufen. Der einzige Ort, der „Großer Garten“ genannt werden kann, ist über achthundert Meter entfernt und zwei Ebenen über uns. Es wäre ein Ton der Höflichkeit, würden wir diese Strecke nicht laufen müssen, AVATAR.“
„Ein terranisches Schiff. Reden Sie deshalb von Krieg, General Stondra?“
„Kriegen wir jetzt einen Wagen?“, erwiderte Aris geradezu barsch.
„Ich fahre zwei Wagen vor. Ich nehme an, die gepanzerten Infanteristen haben nichts dagegen, sich aufzuteilen, weil sonst die Tragkraft der Gefährte überlastet ist. Verzeihung, aber ich brauche normalerweise nur einen Wagen vorzuhalten, weil Riho Zypher meistens zu Fuß geht und die Kresh immer fliegen. Ich musste erst einen zusätzlichen Wagen entmotten und auf Funktionalität prüfen.“
Kurz darauf fuhren zwei offene mehrsitzige Wagen mit Ladefläche ein, auf denen drei Tanksuits gerade so Platz fanden. Von den ungepanzerten Passagieren ganz zu schweigen.
***
Riho empfing die Ankömmlinge mit einem leicht verzerrten Lächeln. „Willkommen auf der AVATAR und damit auf dem Gebiet der Allianz. Was ist Ihr übliches Verhalten zur Begrüßung? Bei meiner Recherche, die Föderation betreffend, bin ich auf sehr viele unterschiedliche Methoden gekommen. Salut, Handschlag, Umarmung, Verbeugung, Bruderkuss, Schwesterkuss, Zungenkuss, Kopulation im Stand, leichtes Nicken, Kopfschütteln, beidhändiger Handschlag...“
Myu hüstelte verlegen, während Atiella Rouven puterrot wurde. „Ähemm, Riho“, sagte Myu verlegen, „es scheint mir, Ihre Recherchen haben auch das mit einbezogen, was wir Pornographie nennen. Es ist eine Form der Kunst und wird üblicherweise zu einer Begrüßung nicht eingesetzt. Die letzte gesellschaftlich akzeptierte Begrüßung zwischen zwei einander fremden Humanoiden ist die Umarmung.“
„Ich bedanke mich für die Information. Welche bevorzugen Sie?“
„Den Handschlag.“ Aris Stondra trat vor und streckte Riho die Rechte entgegen. Der zögerte einen kurzen Moment und legte dann seine Hand in die des Generals.
„Haben Sie AVATAR angewiesen, meine Handfläche darauf zu scannen, ob ich vorhabe, Sie in irgendeiner Form zu manipulieren, von Gift über Biozide bis hin zu Naniten, oder warum haben Sie gezögert, Riho?“, fragte er geradeheraus.
„Ja“, erwiderte er schlicht. „Meine bisherigen Recherchen, die Föderation betreffend und vor allem Ihre Äußerung über einen Krieg machen mich vorwiegend positiv gestimmt, aber mit einer gesunden Portion Skepsis. Wie Sie bereits der AVATAR gegenüber erwähnt haben, dies ist ein terranisches Schiff und Sie sind ein Terraner.“
„Dazu werde ich gleich etwas sagen. Myu, stell bitte unsere Begleiter vor. Die Bordintelligenz sagte etwas davon, dass zwei der Kresh ebenfalls hier sein werden. Kea und Dyka.“
„Sie sind in der Nähe und werden zu uns stoßen, wenn es ... ungefährlich ist.“
Die Sektorendiplomatin reichte dem Retortenmenschen die Hand und drückte sie fest. „Es freut mich, Sie kennenzulernen, Riho Zypher. Dies ist ein bedeutender Tag für die Föderation und für die Allianz. Unsere Begleiter...“

Aris Stondra sah auf, als etwas Schweres auf seiner Schulter landete. „Ich bin Dyka“, sagte das Zwitterwesen.
„Ich bin Aris“, erwiderte der General. „Und ich führe euch ins Licht.“
„Ich weiß, dass du Aris bist. Und in das Licht geführt zu werden kann auch eine Explosion beinhalten.“
„Ist nicht alles Licht Explosion?“, hinterfragte der General.
„Oho, ein Philosoph.“
„Manchmal.“
Derweil war die Vorstellung vorbei. Riho sah zu Stondra herüber und runzelte die Stirn. „Wir hatten schon viele Gäste an Bord, darunter auch viele Menschen von Ma'uhi, unserer menschlichen Kolonie, und ich habe so ein Verhalten schon bei Kea, Luma und Cora beobachtet, aber noch nie bei Dyka.“
„Ich weiß nicht, warum mir Dyka diese Ehre zuteil werden lässt. Über ihre Motive müssen Sie sie selbst befragen. Aber es ist mir sehr angenehm und ein vertrautes Gewicht auf der Schulter.“
„Sie haben schon einmal mit Kresh gearbeitet?“, fragte Riho erstaunt.
„Mit ähnlichen Wesen“, wich Stondra aus. „Wenn Sie uns einen Tisch zur Verfügung stellen könnten, selbstverständlich mit Sitzgelegenheiten, würde ich gerne ein paar Dinge mit Ihnen besprechen, Riho.“
„Ich hatte gehofft, wir würden etwas formeller beginnen“, sagte der Raumfahrer.
„Es gibt Dinge, die dulden leider keinen Aufschub. Deshalb auch dieser Empfang anstelle einer sofortigen Akkreditierung Ihrer fünf Personen und die Weiterfahrt zur Erde.“
Dieses Wort ließ Rihos Augen aufleuchten. „Die Urheimat. Es interessiert mich, ob sie so ist wie die Legenden und Mythen der Menschen auf Ma'uhi beschreiben. Die Filme, Bilder und schriftlichen Berichte sind ebenso durchwachsen wie die Unterlagen für verschiedene Begrüßungen.“
„Wir werden Ihnen Zugang zu einigen öffentlichen Adressen geben, die relativ exakt über die Erde berichten“, versprach Aris.
„Dafür danke ich.“ Riho deutete eine Verbeugung an und bedeutete ihnen, ihm zu folgen. Sie gingen auf etwas zu, was man eigentlich nur als Strandbar an einem kleinen See beschreiben konnte. Musik aus einem Saiteninstrument erklang in weichen, tragenden Tönen in einer einfachen, aber schmeichelnden Melodie. Riho bedeutete den Gästen mehrere Tische mit Hockern als Sitzgelegenheiten und trat selbst hinter die Theke. „Darf ich Ihnen allen Erfrischungen anbieten?“
„Alkoholfreier Fruchtsaft, bitte“, sagte Stondra und warf dem Grabo einen amüsierten Blick zu, dessen Lippen gerade das Wort „Bier“ formten.
„Fruchtsaft für alle. Ich hatte ein Getränk mit Ethanol erwartet und bin dementsprechend ausgerüstet. Aber ich habe da etwas für Sie, das Ihnen allen hoffentlich munden wird.“ Behände, aber nicht hektisch füllte er vierzehn Gläser mit einer rosa Flüssigkeit, die er mit bunten Papierschirmchen verzierte. Dann löste sich der Teil der Theke, auf dem die Gläser standen, vom Rest und ging zu den Tischen. Ein Greifarm erschien und stellte vor jedem ein Glas ab.
Die Gäste hatten sich an zwei Tische gesetzt, die Tanksuits blieben stehen, aber hinter ihren Schutzbefohlenen. Die Tische standen nebeneinander, sodass sie eine einigermaßen einzige Fläche bildeten. Die sieben Föderationsvertreter hatten sich auf einer gemeinsamen Seite eingerichtet. Riho blieb daher die andere Seite mit mehreren vakanten Hockern. Er entschied sich für den mittleren, Stondra gegenüber.

„Kommen wir gleich zum Wichtigsten.“ Aris Stondra streckte die rechte Hand aus. Ein Hologramm erschien. „Dies sind Ihre Akkreditierungspapiere, Riho Zypher. Ich sende sie zeitgleich an AVATAR. Damit sind Sie nicht nur offizieller Diplomat Ihrer Nation in unserer Nation, Sie genießen auch vollkommene Immunität. Ihr Schiff ist dabei als exterritoriale Exklave anerkannt.
Was uns eigentlich auch schon zum Thema bringt. Das Prinzip der Wurmlöcher ist Ihnen bekannt. Aber in welchem Maße, Riho?“
Für einen Moment wirkte er überfahren, aber er fing sich schnell und erwiderte: „Nun, Sie befinden sich an Bord eines Schiffes, das Wurmlöcher baut. So besteht noch immer mein Angebot, eine Wurmlochverbindung zur Allianz zu schaffen. Oder deren mehrere.“
Aris nickte Rouven zu. Die junge Frau erhob sich, nahm ihr Glas und trank einen großen Schluck. Dann wischte sie sich mit dem Handrücken über den Mund. „Tolles Zeug. Trinke ich gerne mehr von.“
„Danke für das Kompliment. Ich ziehe die Früchte an Bord selbst.“
„Ah, Wissen. Der wichtigste Punkt an diesem Tisch. Sie wissen doch hoffentlich, dass es Wurmlöcher im Universum zuhauf gibt, Riho Zypher?“
Ein Stirnrunzeln war die Antwort. „Wollen wir bis zur Basis, oder kann ich etwas höher anfangen?“
„Ich bin Physikerin, wie Sie wissen. Aber meine Begleiter sind es nicht.“
Riho seufzte leise und lächelte schief. „Sie wollen also wissen, was mein Schiff taugt. Nun, zuallererst bilden alle Sonnen in dieser Galaxis sogenannte Gravitationssenken. Man kann sie sich vorstellen wie eine Quillarfrucht, die auf einem Tuch liegt und durch ihr Gewicht eine Delle macht. In die Raumzeit.“
Rouven nickte bestätigend.
„Alle Sonnen produzieren diese Senken, und auch alle Planeten tun dies. Auch die Raumschiffe. Ein Umstand, der nicht vielen bekannt ist. Materie krümmt den Raum.“
„Richtig“, lobte sie ihn wie ein Lehrer.
„Das Prinzip der Wurmlöcher ist etwas komplex zu erklären, aber die einfache Version sieht so aus: Alle Sonnen dieser Galaxis bilden Raumzeitsenken. Diese Raumzeitsenken sind alle miteinander verbunden. Durch eine Art Abkürzung. So als würde man die Delle nehmen, sie unter dem Tuch durchdrücken und auf der anderen Seite bei der nächsten Delle ebenso verfahren. Diese Wurmlöcher entstehen natürlich. Manche sind stabil, manche existieren nicht lange, manche flackern, und, und, und. Die sichersten Verbindungen dieser Art hat eine Sonne mit ihren direkten Nachbarn. Je schwerer diese sind, desto stabiler ist diese Verbindung. Auch leichtere Sterne wie Braune Zwerge und Weiße Zwergsterne haben ihre stabilsten Verbindungen mit großen Sonnen und Gigantsonnen, die Dutzende Lichtjahre entfernt sind.“
„Richtig.“
„Leider bedeutet dies auch, dass die Verbindung zu einer Sonne, die weiter entfernt ist automatisch schlechter ist. Theoretisch also ist Sol, die Sonne der Menschheit, mit allen anderen Sonnen der Galaxis verbunden, auch mit dem Zentrums-Black Hole. Aber durch die Entfernungen sind dies Verbindungen, die so gering sind, dass sie eigentlich existieren, aber nur mathematisch nachweisbar sind. Was ganz gut ist, denn man stelle sich einen hyperstarken Gammastrahlenausbruch im Zentrum vor, der über eine stabile Wurmlochverbindung seine Energie über ein vierzigtausend Lichtjahre führendes Wurmloch auf eine bewohnte Welt abstrahlen würde.“
„Weiter“, ermunterte Rouven.
„Soweit ich weiß, gab es in der interplanetaren Zeit große Anstrengungen der unterlichtschnellen Raumfahrt, um die direkten Nachbarn Sols zu erreichen, die Centauri-Gruppe. Eher durch Zufall wurde ein stabiles, befahrbares Wurmloch nach Proxima Centauri entdeckt. Das zweite befahrbare Wurmloch, das entdeckt wurde, führte zum Doppelsystem des Sirius, das durch die Masse seines Hauptsterns eine sichere und hoch stabile Funktion auszeichnet.
Alle anderen Verbindungen, die man damals fand, eigneten sich lediglich für Transmissionen.“ Er korrigierte sich selbst. „Für Instafunk.“
„Bis hier ist alles korrekt“, sagte sie lächelnd, und auch der General machte eine wohlwollende Miene.
„Etwa einhundert Jahre, nachdem die Menschheit begonnen hatte, sich über den Sirius-Korridor auszubreiten, also den Umweg über einen Riesenstern zu gehen, anstatt von der Erde aus fremde Systeme mit Unterlichtflug anzusteuern, erbrachten die Wissenschaftler von neun verschiedenen Völkern, die dank der Menschen mittlerweile zusammengekommen waren, den praktischen Versuch, dass man Wurmlöcher künstlich stabilisieren konnte. Dies war die Geburtsstunde der ersten Wurmlochbauschiffe. Mit Hilfe von künstlichen Gravitationsressourcen konnte eines der Wurmlöcher, die zu schwach für den Schiffsverkehr waren, oder aber nur theoretisch existierten, soweit stabilisiert werden, dass sie nutzbar wurden. Erforderlich dafür war aber, dass dies zugleich von beiden Seiten geschah. Dadurch erschloss sich die Erde ohne den Sirius-Korridor Wurmlöcher zu den sie in einem Umkreis von zwanzig Lichtjahren umgebenden Sternen Direktverbindungen.
Schließlich aber baute man eine neue Generation von Wurmlochbauschiffen, die in der Lage waren, ein solches Wurmloch auch alleine zu errichten und zu stabilisieren. Falls es zuvor im System, mit dem die Verbindung etabliert werden sollte, eine künstliche Singularität zurückgelassen hatte. Diese Schiffe waren darauf ausgelegt, zwanzig, dreißig, einhundert Jahre in Dilatationsflug zurückzulegen, um geeignete Sterne anzufliegen und von dort dann Wurmlöcher zu etablieren, die bereist werden konnten. Dadurch entstand der Begriff eines Wurmlochbauschiffs, obwohl es sich lediglich um Wurmlochausbauschiffe handelte. Auch die AVATAR ist in dieser Zeit entstanden. Verzeihen Sie, dass ich darüber hinaus nicht sehr viel weiß über Missionen, Wurmlochbauten und dergleichen. Wie ich schon sagte, gab es einen Unfall, dem nicht nur der größte Teil des Schiffs, sondern auch alle Besatzungsmitglieder zum Opfer fielen. Dabei ging auch das Gros der Daten verloren. Was ich Ihnen zugetragen habe, weiß ich aus einem analogen Datenträger aus einem nichtzerstörten Bereich des Schiffs.“
„Er meint ein Buch“, sagte Myu in Richtung Stondras.
„Natürlich. Was sonst? Ihre Informationen sind korrekt, Riho.“

Aris taxierte den Mann mit einem langen Blick. „AVATAR hatte ausgiebigen Zugang zu unseren Netzen und hatte fast eineinviertel Megasekunden Zeit, Ihnen die Daten aufzubereiten. Daher wissen Sie sicher längst, dass wir ein sehr dichtes Netz an Wurmlochverbindungen geschaffen haben, wo wir keine natürlichen Verbindungen entdecken konnten, um die Föderation möglichst gut zu vernetzen. Dies geschah und geschieht mit immer neuen Generationen an Bauschiffen, die unser Wurmlochnetz beständig warten und erweitern. Diese neue Generation von Wurmlochbauschiffen ist bei einer guten echten Verbindung in der Lage, ein Wurmloch für den Raumflug nutzbar zu machen, ohne einen Pendanten im Zielsystem zu haben. Eine aufwändige Geschichte, und wir haben nur wenige Schiffe dieser Klasse zu unserer Verfügung. Diese nutzen wir so gut wie irgend möglich, deshalb sind die Auftragsbücher dieser Schiffe randvoll, und es ist fast unmöglich, eines von ihnen für einen Sondereinsatz loszueisen.“
„Außer die EXCALIBUR, die gerade das System durchquert“, sagte die Schiffsintelligenz.
„Außer die EXCALIBUR“, bestätigte der General. Erneut streckte er die Hand aus, und ein weiteres Hologramm erschien. „Ich habe ein paar Geschenke mitgebracht. Eines davon ist dieses Dokument, das Sie, Riho Zypher, als Eigentümer der AVATAR anerkennt. Im gleichen Dokument verzichtet der Erbauer, die Föderation, auf jeglichem Anteil an Ihrem Schiff. Außerdem erkennen wir Ma'uhi als Heimathafen der AVATAR an.“
Nun war es an Riho, die Stirn zu runzeln. „Und legen damit auch jede mögliche Verantwortung beiseite, die für ein terranisches Schiff gelten würde. Was kommt als Nächstes? Erschießen Sie mich, damit das Schiff keinen Eigentümer mehr hat und Sie es erneut in Föderationsdienst stellen können?“
Aris grinste schwach. „Wie ich sagte, wir brauchen die AVATAR nicht.“
„Ihre Einbringung des Wortes Krieg hat wie gesagt bei mir eine gewisse Vorsicht und Skepsis ausgelöst, Aris“, erwiderte Riho eine kleine Spur zu bissig.
„Wieso, haben Sie Angst vor dem Tod?“
„Ich sagte es Ihnen bereits, ich bin schon einmal gestorben und daher keinesfalls unsterblich oder unverwundbar. Darum interessiert es mich als lebendes Individuum brennend, wie es ab hier weiter geht.“
„Auch das habe ich Ihnen bereits gesagt. Sie sind ebenso wie die Kresh diplomatisch akkreditiert. Dadurch verfügen Sie über Immunität. Die Föderation gewährleistet Ihre vollkommene geistige und körperliche Unversehrtheit durch alles, was Sie durch die Föderation erleiden könnten. Ihr Schiff, die AVATAR, ist in diesem Zusammenhang als diplomatisches Schiff registriert worden. Das bedeutet, Sie könnten die AVATAR auf Flora in irgendeinem Halteverbot abstellen, und wir wären nicht dazu in der Lage, Ihnen ein Ticket zu schreiben.“
„Solange die Föderation meinen Status garantiert.“
„Solange die Föderation Ihren Status garantiert“, bestätigte Myu ran Tau.
„Das ist immerhin besser als meine schlimmsten Erwartungen. Viele Ihrer Filme, interaktiven Spiele, Serien, Romane und Comics sind da relativ eindeutig.“
Jlen Kenderson stöhnte laut auf. „Riho, wir werden uns ernsthaft über Ihr Konsumverhalten der verfügbaren Medien unterhalten müssen. Sie brauchen dringend ein Gespür dafür, was der Unterhaltung dient, und was als Berichterstattung zu verstehen ist. Die Föderation kennt von Ersterem ungefähr das Zweitausendfache des Zweiten. Das macht es einem Außenstehenden, der Sie ja nun mal sind, etwas schwierig, Realität und Fiktion voneinander zu unterscheiden.“
„Später“, winkte Aris ab.

Er ließ ein drittes Dokument entstehen. „Ich habe mir die Zeit genommen und anhand Ihrer Aufnahmen, Riho, auf Ihre DNS geschlossen und auf der Erde recherchieren lassen. Wir haben mit dreiundachtzigprozentiger Sicherheit jene Person identifiziert, von der die Genprobe stammt, aus der die AVATAR Sie in der Retorte wieder entstehen ließ. Eine Akte zur Person, zum Lebenslauf, soweit wir ihn kennen, zur weiteren Schiffsbesatzung und zu heutzutage lebenden Nachfahren, sende ich in diesem Moment an AVATAR. Ob Sie sie öffnen und reinschauen, wer Sie sind – oder wer Sie vor dem Unfall waren – ist Ihre Entscheidung.“
Erstaunt riss Riho die Augen auf. „Damit … hätte ich rechnen müssen. Ich habe es nicht. Ich bin überrascht, und zugegeben verwirrt. Ich habe nicht erwartet, Familie zu haben.“
„Familie, die viertausend Jahre überbrückt hat. Es gibt Menschen, die Ihre DNS teilen. Wir haben jene identifiziert, die mit Ihnen so identisch wie möglich sind. Was nach über einhundert Generationen natürlich nicht besonders einfach ist. Ich kann Ihnen diese Entscheidung nicht abnehmen, Riho. Aber ich freue mich darüber, dass ich Ihnen dieses Geschenk machen kann.“
„Danke, Aris“, erwiderte der Raumfahrer.

„Kommen wir zum letzten Punkt. Lynda.“
Die zweite Diplomatin erhob sich. Sie war fast zweihundert Jahre alt und hatte die meiste Zeit ihrer Berufsfähigkeit in den Ministerien Floras verbracht. „Lynda Danvers, Chefdiplomatin. Riho Zypher, Kea, Dyka, AVATAR, im Namen der Planetaren Regierung von Flora entschuldige ich mich dafür, dass die Einwanderungsbehörde versucht hat, in die Datenbanken des Schiffs einzubrechen. Es war abzusehen, dass das misslingen würde.“
Riho musste lächeln. „Dieses Schiff ist viertausend Jahre alt, aber keinesfalls veraltet“, sagte er. „Ihre Einbruchsversuche, oder vielmehr die des Ressorts Einwanderung haben wir registriert, aber noch nicht als Grund für den Abbruch der Gespräche über diplomatische Beziehungen gewertet.“
„Es war eine große Dummheit“, brummte Aris.
„Dem möchte ich nicht widersprechen“, schmunzelte Riho.
„Dabei wäre alles, was sie hätten tun müssen, AVATAR zu fragen, ob sie ihre Datenbänke zur Verfügung stellt, so wie ich dies vor zwanzig Stunden getan habe“, fügte der General an.
Riho blinzelte. „Bitte, was?“
„Wie wir schon festgestellt haben, die AVATAR ist ein terranisches Schiff. Es war relativ einfach, den Wunsch zu äußern, auf Ihre Daten zugreifen zu dürfen, Riho. AVATAR hat uns vollen Zugang gewährt.“
„AVATAR?“
„Ich sehe nichts, was dagegen gesprochen hätte“, rechtfertigte sich die Künstliche Intelligenz. „Ich habe selbstverständlich nur die allgemeinen Datenbanken geöffnet. Alle systemkritischen Daten sind unter Verschluss geblieben.“
„Ach. Auf einmal wirst du misstrauisch“, tadelte Riho.
„Jedenfalls“, fuhr Aris ihm dazwischen, „haben wir die Speicher nach dem Begriff Kertes durchsucht, aber nichts gefunden.“
„Kertes?“, echote der Wurmlochbaumeister. „Was ist Kertes?“
„Ich hatte gehofft, mehr darüber von der Allianz zu erfahren. So oder so.“ Aris lehnte sich ein Stück zurück, obwohl der Barhocker keine Lehne hatte. „Kertes ist ein Geheimnis, das siebzigtausend Jahre alt ist. Oder einhundertsechsundzwanzig Gigasekunden und ein paar.“
Riho pfiff anerkennend. „Das ist selbst für mich und das Schiff ein sehr langer Zeitraum. Was ist das Geheimnis?“
Myu stützte sich auf dem Tisch ab und bettete ihr Gesicht auf ihren Händen. Dabei lächelte sie fein. „Stellen Sie sich mal vor, Riho, vor rund einhundertsechsundzwanzig Gigasekunden hätte es eine Zivilisation von Menschen gegeben, die in einem Gebilde gelebt hat, das den Begriff Imperium verdient hat. Und stellen Sie sich vor, es wäre zu einem Bürgerkrieg gekommen, der beide Seiten rückstandslos ausgelöscht hätte.“
Riho runzelte die Stirn. „Vor siebzigtausend Jahren waren unsere Vorfahren noch Jäger und Sammler im Paläolithikum. In der Altsteinzeit.“
„Und dennoch gibt es Hinweise, dass es solch eine Zivilisation gegeben hat. Und dass sie sich tatsächlich binnen eines kurzen Zeitraums selbst ausgelöscht hat“, erklärte Aris. „Und was noch besser ist, das Imperium hat eine Art Museumsplaneten eingerichtet, um seine Kultur und seine Technologie über den Abgrund der Zeit zu retten. Eben dieses Kertes.“
„Und auch die Waffen, ja? Das sind tolle Aussichten. Vor allem, da Sie mir das alles erzählen, weil Sie Kertes irgendwo in diesem Sektor vermuten. Aber einen Zahn kann ich Ihnen bereits ziehen. Keine der vier Welten der Allianz kommt als diese Welt in Frage.“
„Das wissen wir. Wie gesagt hatten wir Zugriff auf Ihre Datenbanken. Und auch auf Ihr Logbuch. Ihr Konflikt mit den Rau ist dort auch verzeichnet. Wir bedauern, was mit den Trago passiert ist und wir bedauern, was wohl mittlerweile auf Rût stattfindet“, erklärte Aris.
„Wenn Sie bedauern, was die Rau tun, dann...“, begann Riho, aber Jlen Kenderson kletterte plötzlich vom für ihn viel zu hohen Barhocker, errichtete ein Privatsphärefeld und sprach mit dem General und der Sektorendiplomatin, die Unterhaltung ohne Warnung unterbrechend. Als das Milchfeld wieder erlosch, kletterte er zurück auf seinen Platz.
Aris Stondra wirkte zufrieden. „AVATAR, bitte ein Bild der EXCALIBUR.“
„Natürlich, General Stondra.“ Über den beiden Tischen flammte ein Hologramm auf, das die Einheit darstellte. Ein Raster verriet, dass gewaltige Gravitationskräfte vor dem Schiff wirkten.
„Erweitern auf das Tausendfache“, wies Aris an.
Das Schiffsgehirn tat wie geheißen, und das Bauschiff schrumpfte auf ein Tausendstel der bisherigen Darstellung. Und dadurch gerieten neue Ortungssignale ins Bild. Es waren über ein Dutzend, und im Sekundentakt gab es einen neuen Kontakt.

„Wir kennen die Rau. Wir sind im Krieg mit ihnen. Das bedeutet eigentlich, sie sind im Krieg mit uns, trauen sich aber nicht über die Grenze. Nicht noch einmal. Wir beobachten sie und verteidigen uns, sollte dies nötig sein. Dies war bereits zwanzig Mal der Fall“, erklärte Myu. „Jedes Mal haben wir die Rau-Flotten aufgerieben, bei geringsten eigenen Verlusten. Sie sind keine Bedrohung für uns. Aber wir werden nicht dabei zusehen, wie sie eine Bedrohung werden, zum Beispiel indem sie die Gene der Tragos ihrem Fundus bei tun oder etwas von ihnen lernen, was für uns über kurz oder lang eine Gefahr ist. Zudem vermuten wir Kertes in diesem Sektor, und wenn es der Zufall will, und Rût ist identisch mit Kertes, schweben wir alle in Gefahr.“
„Die Frage, die sich jetzt stellt, Riho Zypher, ist, ob Sie und die Kresh mit der AVATAR mitkommen, oder lieber die Erde besuchen wollen“, schloss Aris Stondra.
„Mitkommen?“, echote Riho. Er deutete auf die EXCALIBUR. „Sie sagen, das kleine Ding baut eine Wurmlochverbindung nach Ssom auf?“
„Richtig. Die Schiffe, die sich dort versammeln, sind die Achte Flotte, einhundert Einheiten aller gängigen Größen und Klassen, vorwiegend Kampfschiffe mit Einsatzerfahrenen Besatzungen. Die Flotte hört auf mein Kommando und wird, nachdem das Wurmloch nach Ssom etabliert ist, hindurchstoßen und anschließend die Rau bekämpfen mit dem Ziel, sie wieder aus dem System zu vertreiben. Und dabei von den Trago zu retten, was noch zu retten ist. Ihre Simulationen waren recht optimistisch, sodass wir wohl auch tatsächlich jemanden retten werden. Natürlich nutzen wir die Gelegenheit und untersuchen, ob Rût mit Kertes identisch ist, oder ob wir im Ssom-System Spuren von Kertes finden können. Aber unser oberstes Ziel ist es, ein Erstarken der Rau zu verhindern. Wir haben die Möglichkeiten, wir haben die Gelegenheit, wir haben die Macht, und ich führe das Kommando. Ihre Expertise vor Ort könnte dabei lebenswichtig werden, Riho. Ihre und die der Kresh und der AVATAR. Aber es ist Ihre Entscheidung. Bleiben wir zusammen, oder wollen Sie zur Erde weiter fliegen?
„Also das haben Sie mit Krieg gemeint, General“, sagte Riho. Es klang erleichtert.

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Kapitel 4: Der Stand der Dinge
von Roland Triankowski

1. Was ist Kertes?
Riho konnte nicht umhin, ein wenig zu schmunzeln, als er den großen Garten verließ und sich zu den Räumlichkeiten begab, die ihm auf der AVATAR als Wohnung dienten. Er hatte das Wort an Kea übergeben und sich ausgebeten, sich zu Beratungen mit der Allianz und zur Beschlussfassung seiner weiteren Pläne zurückzuziehen. Die Kresh würde die Gäste mit der ihr eigenen Eloquenz noch eine Weile unterhalten und sie dann in die für sie vorgesehenen Quartiere komplimentieren. Falls es die eine oder den anderen von Bord seines Schiffes drängte, war ihm das auch Recht. Wobei das nicht ganz der Wahrheit entsprach. Die Delegation der Föderation war ihm ausnahmslos sympathisch und er hatte ihre Gesellschaft sehr genossen.
Wie auch immer, Kea, Dyka – und auch Cora, die irgendwo in der Nähe des Gartens umherschwirrte, – sollten alsbald zu ihm stoßen. Luma wartete bereits auf ihn. Er hatte seine Gäste nur zum Teil angeflunkert. Beratungen mit der Allianz waren nicht vonnöten. Er hatte den direkten Draht zu den Vertretern der Föderation hergestellt, die offiziellen Kanäle wurden etabliert, der Wissens- und Interessenaustausch war längst im Gange. Er hatte seine Aufgabe erfüllt und musste höchstens noch tätig werden, wenn beide Seiten die Etablierung des Wurmlochs von ihm wünschten. Ansonsten konnten die Kresh und er nun tun und lassen was sie wollten – doch was genau das war, bedurfte tatsächlich einer gewissen Erörterung. Dieser Teil entsprach also der Wahrheit.
„Na, wie war ich?“, fragte er Luma und warf sich auf den Sessel. Der Raum hatte sich in letzter Zeit als liebster Besprechungsort der Besatzung etabliert, fast gleichauf mit dem Garten. Neben dem Sessel für Riho waren Nester für die vier Kresh um einen großen flachen Tisch platziert, der aktuell mit Holo-Emittern sowie Eingabe- und Lesegeräten aller Art, Teetassen und weiterem Zeug übersät war. Während der Reise von Ssom nach Tau 395 hatte ihnen allen der Sinn nicht sonderlich nach Ordnung gestanden.
Luma deaktivierte das Datenholo, das sie umgab und sagte: „Ich finde, Du hast es maßlos übertrieben. Deine zur Schau gestellte Dusseligkeit passt nicht im Geringsten zu dem, was unsere Gäste – beziehungsweise unsere Gastgeberinnen und Gastgeber, schließlich befinden wir uns in ihrem System –, schon längst über dich wissen. Wenn diese Sektorendiplomatin oder dieser General auch nur halbwegs geradeaus denken können, haben sie dein Spiel bereits bei der dämlichen Kopulationsanspielung durchschaut.“
„Das will ich doch schwer hoffen“, sagte Riho. „Die spielen ihre Psychospielchen und ich spiele meine – aber beide Seiten haben es so offensichtlich getan, dass die jeweils andere es merken musste. Ob du es glaubst oder nicht – das war eine vertrauensbildende Maßnahme.“
Luma machte ein abfälliges krächzendes Geräusch. „Wenn ich noch Krallen hätte“, sagte sie, „wären sie mir bei deinen so genannten wissenschaftlichen Ausführungen jedenfalls vor Fremdscham hochgeklappt.“
„Die waren ja auch nicht für dich bestimmt“, sagte Riho und schnappte sich ein Lesegerät vom Tisch.
„Hast du schon was über dieses Kertes herausbekommen?“, fragte er. Das Thema war die eigentliche Überraschung dieses denkwürdigen ersten Kontakts – davon abgesehen, dass sie mal eben die legendäre Erde entdeckt hatten und auf einen gigantischen Sternenbund mit unfassbaren technologischen Möglichkeiten gestoßen waren. Aber das alles war schon ein paar Tage bekannt – ja, er zwang sich, die Zeit nun in Erdstandard zu messen, das kam ihm irgendwie richtig vor –, sozusagen Schnee von gestern.
Das Geräusch, das Luma nun von sich gab, war nur noch halb so abfällig. „Wir haben gerade von einer einpoligen Wurmloch-Technologie erfahren“, sagte sie und fügte als Aufzählung an: „Die Ursprungswelt der Menschheit ist für uns und die Allianz ab sofort keine Legende mehr. Die Acq überschütten mich mit Nachfragen, ob es in der Föderation Artgenossen von ihnen gibt. Wir können quasi sofort alles über die Herkunft der AVATAR und deiner …“ Sie zögerte. „… Menschenart herausbekommen. Aber klar! Unterhalten wir uns über Kertes.“
Riho liebte es, wenn die Kresh so aus sich herauskam. Als das Gedächtnis der Vierergruppe war sie oft die schweigsamste, was schade war, da sie unglaublich viel zu erzählen hatte. Wenn sie aber einmal in Fahrt kam, war sie meist kaum zu stoppen. Riho freute sich schon auf ihren nun folgenden Redeschwall.
„Der Begriff Kertes taucht in keiner Datenbank der vier Allianz-Welten auf, auch nicht in den Geschichten des Großen Schwarms. Von zufälligen Lautähnlichkeiten in ein paar Regionalsprachen abgesehen, die aber keinerlei Zusammenhang aufweisen, wird nirgendwo ein Ort dieses Namens erwähnt, nicht bei den Menschen, nicht bei den Acq und nicht bei den Kresh.“
Riho setzte sich etwas bequemer hin. Denn er wusste, dass jetzt ein „aber“ kam.
Luma enttäuschte ihn nicht.
„Allerdings“, fuhr sie fort, „habe ich mir diese Kertes-Legende der Föderation einmal genauer angeschaut – wobei Legende der falsche Begriff ist, schließlich gibt es etliche archäologische Funde, welche die einstige Existenz dieses Sternenreiches belegen. Es gibt erstaunliche Parallelen zum Gründungsmythos auf Mau'hi.“
„Der Raumzeit-Brand?“ Riho setzte sich schlagartig auf. „Wie kann das sein? Diese Katastrophe liegt maximal zwei- bis drei-tausend Jahre zurück. Dieses Sternenreich soll vor mehr als zwei Terasec – will sagen vor 70.000 Jahren – untergegangen sein.“
„Dafür, dass du selbst in diesem Mythos vorkommst, kennst du dich erschreckend schlecht damit aus“, sagte Luma.
Riho machte eine wegwerfende Handbewegung. „Es ist nicht erwiesen, dass ich damit gemeint bin. Wenn überhaupt sowieso nur dieses Schiff, bevor es fast vollständig zerstört wurde.“
„Und mit ihm dein Klonvorgänger“, sagte Luma. Sie hatte sich noch nie durch besondere Einfühlsamkeit hervorgetan. Aber auch das schätzte Riho sehr an ihr.
„Ja, du hast ja recht“, sagte Riho. „Ich habe die Schwarte vor dreihundert Jahren oder so fast auswendig gekannt. Aber irgendwann wurde mir klar, dass keine tiefere Wahrheit darin enthalten ist – oder wenigstens viel zu viele Teile davon fehlen. Jedenfalls habe ich seither das meiste davon wieder verdrängt.“
„Nun gut“, sagte sie. „Dann helfe ich deiner Erinnerung etwas auf die Sprünge. Der Raumzeit-Brand soll von einem uralten in ewigem innerem Krieg befindlichen Sternenreich ausgelöst worden sein. Dieses Reich – und mit ihm der Brand – schickte sich an, sich auf das Bdur-System auszudehnen. Die gewaltigen Maschinen der Brandstifter hingen bereits im Himmel über Ma‘uhi, als der Aitu erschien und die Maschinen fortlockte. Bei einem fernen Stern lieferten sie sich eine erbarmungslose Schlacht, während der das Sternenreich endgültig im Raumzeit-Brand verging.“
„Soweit weiß ich das alles noch“, sagte Riho. „Aber wo ist da jetzt die Parallele zu einer vor 70.000 Jahren untergegangenen interstellaren Kultur? Was der Mythos beschreibt, ist wie gesagt höchstens zwei bis dreitausend Jahre her.“
„In dem gesamten kanonischen Text“, sagte Luma, „ist ständig vom Einstundjetzigen Sternenreich die Rede und an der entscheidenden Stelle heißt es: Und so verging das Einstundjetzige Sternenreich jetzt und vor dreizehn Sonnenaltern im Raum-zeit-Brand, den es selbst entfacht hatte.“
„Lass mich raten“, sagte Riho, „dreizehn Sonnenalter entsprechen etwa 70.000 Jahren.“
„So kann man es deuten“, sagte Luma. „Außerdem passt die Beschreibung der Himmelsmaschinen ziemlich exakt zur Beschreibung der Kertesanischen Raumarchen, wie sie in den Forschungsergebnissen der Föderation beschrieben werden: Zehn Kilometer lange Zylinder, die über eine Art Sprungantrieb verfügen.“
Riho staunte immer wieder, wie oft es ihm auch nach 400 Jahren Lebenszeit noch immer die Sprache verschlagen konnte. Er dachte einen Moment nach.
„Meinst du, die Föderations-Leute haben diese Parallelen auch schon festgestellt?“, fragte er schließlich.
„Vergiss die Frage!“, fügte er schnell hinzu, ehe Luma wieder abschätzig krächzen konnte. “Das ist natürlich nur eine Frage der Zeit und es tut kaum etwas zur Sache, ob sie in diesem Moment oder in ein paar Tagen darauf stoßen. Entscheidender ist: Wie werden sie auf diese Erkenntnis reagieren?“
„Nun, sie werden archäologische Teams nach Mau‘hi und in dein Geburts-Sonnensystem schicken und dort nach Hinweisen suchen. Sie werden alle verfügbaren Datensammlungen der Allianz durchforsten – und sie werden versuchen, in ihren eigenen Datenbanken alles über die ursprüngliche AVATAR und den Raumsektor der Allianz herauszubekommen, was dort zu finden ist. Das sind so im Groben die Spuren, die gerade zur Verfügung stehen.“
„Und was werden sie finden?“
Riho murmelte die Frage eher ungezielt vor sich hin. Dennoch antwortete Luma: „Um das zu beantworten, fehlt mir die Datengrundlage. Es wäre reine Spekulation.“
„Da könnte ich vielleicht weiterhelfen“, erklang auf einmal AVATARs Stimme in der Luft.
„Ach, du bist doch noch nicht zur Föderation übergelaufen?“, fragte Riho.
„Das wüsstest du aber“, lautete die lapidare Antwort. „Schließlich sind wir ein Geist.“
Riho seufzte. „Ich werde mich doch noch selbst necken dürfen“, sagte er. „Aber berichte, was halten wir für das wahrscheinlichste Szenario?“
AVATAR legte unvermittelt los: „Die Föderation hat in den letzten Jahrtausenden einige archäologische Funde in diesem Raumsektor gemacht, die der Kertes-Epoche zugeordnet werden. Vieles deutete bislang darauf hin, dass der Raum der Rau zumindest zum Randgebiet des entsprechenden Imperiums gehörte. Das Kerngebiet vermutete man mehr in Richtung der Allianz. Davon ausgehend, dass das Kertes-Imperium und das Einstundjetzige Sternenreich identisch sind, kann man spekulieren, dass der Gründungsmythos von Ma‘uhi den letzten gescheiterten Expansionsversuch dieses Reiches darstellte, dass das Bdur-System also nicht zum Gebiet des Imperiums gehörte, da wir dies damals vereitelt haben.“
„Falls wir das überhaupt waren“, sagte Riho automatisch. Es war ihm nach all den Jahrhunderten immer noch unangenehm mit diesen mythischen Ereignissen in Verbindung gebracht zu werden.
AVATAR fuhr ungerührt fort: „Ich gehe also davon aus, dass man im Bdur-System keine Artefakte finden wird. Und auch in den anderen Systemen der Allianz nicht. Die Menschen von Myria haben nie etwas vom Raumzeitbrand gehört und in den Geschichten des Großen Schwarms deutet auch nicht das Geringste auf das Kertes-Sternenreich hin – und das Kollektivgedächtnis der Kresh reicht bekanntlich bis zu 100.000 Jahre in die Vergangenheit.“
Von Luma, die sich längst wieder in ihre Datenholos eingehüllt hatte, kam daraufhin ein leises Grunzen. Sie schaltete sich jedoch nicht wieder in das Gespräch ein.
„Neu Acqia?“, fragte Rihu.
„… haben die Acq von Ma‘uhi bekanntlich erst vor ein paar hundert Jahren besiedelt“, sagte AVATAR. „Da könnte eventuell etwas sein.“
„Im Ernst?“
Riho war aufgestanden, um sich einen Tee zu machen, hielt nun aber in seinem Tun inne.
„Neu Acqia liegt dem Raum der Rau am nächsten“, sagte AVATAR. „Beziehungsweise dem Raum, der dazwischen liegt und aktuell mein heißester Kandidat für weitere Kertes-Funde ist.“
„Das Ssom-System“, sprach Riho das Offensichtliche aus.

2. Was ist Instafunk?
Keine Sekunde später öffnete sich die Tür und Kea und Cora flatterten herein, drehten dabei ein paar Runden durch den Raum, um Lumas Nest und um Rihos Kopf herum, ehe sie sich auf ihre jeweiligen Sitzgelegenheiten hockten. Dabei plapperte die sonst auch nicht gerade wortgewandte Cora – wenn man es genau nahm, war es meistens eigentlich Kea, die das Reden übernahm – die ganze Zeit lautstark vor sich hin:
„Wann brechen wir endlich auf? Wir müssen sofort los und die Tragos retten. Es ist unsere Pflicht Takatum gegenüber, ihre/seine Ahnen zu befreien. Und falls sie alle tot sind, ist es unsere Pflicht, den Rau die Augen auszupicken. Wir jagen sie aus dem Ssom-System und gleich noch von der anderen Tragos-Kolonie. Wie hieß die noch? Bleg? Egal! Wir ziehen in den Krieg! Wann geht es los?“
Es genügte ein kurzes Zischen von Kea, um sie schließlich zum Schweigen zu bringen. Die Sprecherin der Kresh-Vierergruppe schaute Riho an, was dieser für einen fragenden Blick nutzte. Dykas Fehlen erstaunte ihn ein wenig. Kea reagierte jedoch nicht darauf, vielmehr nickte sie in Richtung Tür und sagte: „Wir haben einen Gast mitgebracht.“
Riho schaltete schlagartig um und ging mit ausgestreckter rechter Hand zur Tür. Eigentlich hatte er mit einem Besuch von General Stondra gerechnet. Die junge Frau, die in der Tür stand, wäre jedoch sein zweiter Tipp gewesen.
„Atiella, was für eine Freude“, sagte er. „Nehmen Sie doch Platz!“
Ihren belustigten Blick in den Raum hinein deutete er ganz richtig und sagte: „Magst du schnell ein wenig aufräumen, AVATAR? Ein zusätzlicher Sessel wäre auch nett.“
Bis auf die Sitz-Nester der Kresh verwandelten sich alle Möbel und sonstigen Gegenstände schlagartig in Nanostaub und versanken im Boden. Keine Sekunde später waren zwei Sessel und ein kleinerer Tisch mit zwei dampfenden Teetassen aus dem Boden gewachsen.
Atiella Rouven setzte ein breites Grinsen auf und ergriff die dargereichte Hand. „Wow, Nanotech“, sagte sie. „Hatte man das damals in der Steinzeit schon?“
Sie nahm in einem der Sessel Platz, nahm die Teetasse und pustete den Dampf fort. Dabei fixierte sie Riho, der sich ihr gegenübersetzte. Die Kresh schnatterten kurz leise miteinander, verstummten dann aber wieder.
„Warum haben Sie mir meine Arbeit vorhin so schwer gemacht, Riho?“, fragte sie, ehe er das Gespräch an sich ziehen konnte.
„Worin genau besteht denn Ihre Arbeit?“, fragte Riho und griff ebenfalls nach seiner Tasse.
Sie nahm einen Schluck, quittierte den Geschmack mit einem kurzen anerkennenden Nicken und stellte die Tasse wieder ab.
„Wie wäre es“, sagte sie, „wenn wir unsere Beziehung auf die nächste Ebene heben und ab sofort auch ganz offiziell davon ausgehen, dass wir im Grunde schon alles Wesentliche voneinander wissen - sowie dass sie wissen, dass wir alles über Sie wissen und dass wir wissen, dass Sie alles über uns wissen. Okay?“
Riho öffnete gerade den Mund, als sie hinzufügte: „Was also glauben – oder wissen – Sie, was meine primäre Aufgabe heute ist?“
Riho nickte leicht. Ja, die Föderationsleute wurden ihm immer sympathischer.
„Sie sollen herausbekommen, ob ich defekt bin“, sagte er.
Atiellas Lächeln wurde wieder breiter. Sie lehnte sich zurück und sagte: „Genau das. Wir müssen nicht herausfinden, was Sie und Ihr Schiff sind, wie es funktioniert und wie es gegebenenfalls unter unsere Kontrolle zu bringen oder gar zu vernichten wäre. All das wissen wir, da unsere Vorfahren diese Dinger hier einst gebaut haben. Was wir wissen müssen ist, ob die Antiquität, die Sie hier geparkt haben, Gefahr läuft, in nächster Zeit hochzugehen und das ganze Tau-System in ein schwarzes Loch zu verwandeln – oder eben nicht. Ob Sie vertrauenswürdig und sympathisch sind, mag mich vielleicht persönlich interessieren – das kann der gute General aber selbst einschätzen. Von mir will er lediglich wissen, ob Sie und Ihr symbiotisches Schiff – wie sich das anfühlt, müssen Sie mir bei Gelegenheit mal genauer erzählen, aber das ist auch rein persönliches Interesse – intakt sind oder nicht. Und da war es nicht gerade hilfreich, dass Sie den Eindruck erweckt haben, als würden Sie den Unterschied zwischen Instafunk und Quantenwurmloch-Funk nicht kennen – oder wahlweise, dass sie Föderations-Standard nicht korrekt in ihren komischen Pazifik-Sprachmix übersetzen können.“
Sie hatte ihre Sätze schnell und fast ohne Luft zu holen präsentiert, wirkte dabei aber so entspannt, als hätte sie gerade einen Beruhigungstee zu sich genommen. Riho wusste, dass das Gegenteil der Fall war, umso faszinierter betrachtete er die Frau, die ihn nun lächelnd anblickte und auf seine Reaktion wartete.
Er räusperte sich und sagte: „Würden sie mir glauben, wenn ich behaupte, dass es mein Plan war, genau diese Reaktion von Ihnen – oder zugegeben eigentlich von Aris Stondra selbst – zu provozieren?“
„Das läuft bei mir aktuell noch als eine von vielen gleichberechtigten Arbeitshypothesen“, sagte sie.
„Nun gut. Wenn Sie erlauben, beantworte ich Ihre Prüfungsfragen erneut. Meine Kenntnisse zur FTL-Quanten-Wurmloch-Kommunikation sind allerdings fast ausschließlich theoretischer Natur. Auch wenn die Datenübertragungsrate hierbei viel größer sein müsste, setzen die Allianz und ich bei der FTL-Kommunikation ausschließlich auf quantenverschränkte Elementarteilchenpaare, die unabhängig von ihrer Entfernung stets den Zustand ihres Partnerteilchens annehmen – vulgo Instafunk. Zum Zeitpunkt als die Kolonien auf Ma‘uhi und Myria den Kontakt zur Erde verloren haben, war das die gängige Technologie. Es erfordert zwar einiges an Rechenleistung, um die Übertragungsfehler auszugleichen, dafür ist es absolut abhörsicher und die Datenübertragung ist instantan. Leider muss man die verschränkten Teilchen ‚zu Fuß‘ zum Empfangsort transportieren, was die Sache zusätzlich mühsam macht. Nach einigen Jahrhunderten relativistischen Flugs habe ich aber ein recht ordentliches stabiles FTL-Kommunikationsnetz in der Allianz errichten können. Ohne den Verhandlungen vorgreifen zu wollen, denke ich, dass man in der Allianz sehr an einem Technologieaustausch in Sachen Quantenwurmloch-Funk interessiert ist. Bei Gelegenheit müssen Sie mir mal genauer erklären, wie sie das Problem gelöst haben, dass der Funkleitstrahl immer ein neues Quantenwurmloch finden und stabilisieren muss, ohne dass die Kette über Lichtjahre hinweg abreißt. Immerhin existieren natürliche Quantenwurmlöcher nur für Sekundenbruchteile und sind kaum ein Ångström groß. Das Signal müsste ja durch Trilliarden und Abertrilliarden winzigster Wurmlöcher gehen. Wenn nur eines davon zusammenbricht, ist die ganze Verbindung futsch. Oder ist das ein Staatsgeheimnis, wie das Föderations-Monopol auf die einpolige Wurmloch-Technologie? Das müsste ja ganz ähnlich funktionieren. Sehen Sie, ich nehme mir stets ein Quantenwurmloch, stabilisiere es, verankere das eine Ende gravitativ an einer Sonne oder einem Gasriesen und das andere Ende hier am Schiff – ein so genanntes Proto-Wurmloch, durch das in diesem Stadium weder Informationen geschweige denn Materie übertragen werden kann. Dieses Ende schleppe ich zum Zielort meiner Wahl – ich ziehe das Quantenwurmloch quasi lang –, dort wechsle ich die Verankerung zu einer anderen Gravitationssenke und aktiviere dabei das eigentliche Wurmloch, indem ich es vereinfacht gesprochen ‚großziehe‘. Erst dann kann es durchflogen oder als Kommunikationsrelais genutzt werden. Ich nehme mal an, dass ihre einpolige Technologie zumindest im ersten Teil eher wie der Quantenwurmloch-Funk funktioniert. Ein Leitstrahl sucht sich also einen Weg über Myriaden von Quantenwurmlöchern bis zum gewünschten Ziel. Das lässt sich vermutlich durch die Energieleistung des Leitstrahls ziemlich genau steuern. Der zweite Schritt ist dann auch hier das ‚großzie-hen‘, was eigentlich genauso wie mit meinen Mitteln funktionieren müsste. Ich verstehe! Das Geheimnis liegt im Leitstrahl, der nicht nur den Weg durch die Mini-Wurmlöcher findet, sondern sie auch gleich miteinander verbindet. Das heißt, der Strahl erzeugt eine Feldstruktur, die dazu führt, dass sich die Quantenwurmlöcher anziehen. Moment, ich lasse AVATAR die dafür nötige Struktur einmal durchrechnen…“
„Ist ja gut, ist ja gut!“, rief Atiella lachend dazwischen. „Sie haben bestanden. Mit Auszeichnung und Sternchen.“
Sie schlug sich auf die Oberschenkel und erhob sich zackig aus dem Sessel.
„Leider“, sagte sie, „müssen wir beide jetzt in Haft, da weder Sie noch ich über eine ausreichende Sicherheitseinstufung für Ihre soeben gewonnene Erkenntnis verfügen.“
„Das war ein Scherz“, fügte sie nach der entstandenen Pause hinzu. „Aber jetzt sollten wir General Stondra mitteilen, dass sie uns ins Ssom-System begleiten werden.“
„Werde ich das?“, fragte Riho.
„Ich glaube kaum, dass Sie sich dem Mehrheitsvotum Ihrer Besatzung widersetzen können.“
Rihos Blick zu den Kresh wurde mit dreifachem begeistertem Krächzen erwidert. Mit gespieltem Stöhnen stand er von seinem Sessel auf. „Ihr macht mich fertig“, sagte er, meinte es aber nicht im mindesten so.

3. Was ist der Plan?
Umschwirrt von den laut schnatternden Kresh kehrten Atiella und Riho in den großen Garten der AVATAR zurück. Dort trafen sie auf Aris Stondra, der an einen Baum gelehnt zur Kuppel hinaus auf den Gasriesen blickte, in dessen Orbit die AVATAR kreiste. Bei ihm hockte die Kresh Dyka. Als sie ihre Artgenossen kommen sah, schwang sie sich in die Lüfte und stieß zu ihnen. Zur viert flogen sie in einem komplizierten Tanz durch den Garten und ließen die Menschen allein.
Auch Aris erhob sich und schlenderte auf die beiden zu. Riho entging der Blick nicht, den Aris Atiella dabei zuwarf – ebenso wenig wie ihr leichtes Nicken. Offenbar hatte er nun alle Tests offiziell bestanden.
„Es freut mich sehr, dass Sie uns begleiten wollen, Riho“, sagte Aris. „Ihre Kenntnisse über den Einsatzort sind ein unschätzbarer Vorteil für uns. Die Befreiung des Ssom-Systems von den Rau ist selbstverständlich unsere erste Priorität und wir werden auch erkunden, ob wir noch etwas für die Trago-Kolonie auf Bleg tun können – auch wenn deren Eroberung bereits doppelt so lange her ist, wenn ich es richtig verstanden habe.“
„Danke“, sagte Riho und fügte hinzu: „Es wird mir außerdem eine Freude sein, im Anschluss meinen Beitrag zur Lösung Ihres anderen Problems zu leisten.“
Aris lächelte.
„Die Freude ist ganz meinerseits“, sagte er. „AVATAR hat mir ihre Spekulationen zu weiteren Kertes-Funden im Ssom-System gerade mitgeteilt. Sagen Sie, stimmt es tatsächlich, dass ich mich bei einem Gespräch mit Ihrem Schiff im Grunde mit Ihnen unterhalte? Das Wesen Ihrer Symbiose wird in unseren Aufzeich-nungen nur vage beschrieben.“
„Es ist etwas komplizierter“, sagte Riho. „Bei Gelegenheit werde ich gern versuchen, es in Worte zu fassen. Aber erstens muss ich dabei Atiella den Vortritt lassen, da sie zuerst gefragt hat…“
„…und zweitens drängt die Zeit“, beendete Aris den Satz. „Sie haben vollkommen Recht. Ich würde Sie alle“, dabei winkte er in Richtung der Kresh, die sogleich auf sie zugeflogen kamen, „gern einen Blick auf unseren Einsatzplan werfen lassen. Falls wir etwas nicht bedacht haben sollten. Schließlich brechen wir in Kürze auf.“

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„Wenn Sie nichts dagegen haben, Riho, würde ich gerne ein paar meiner Offiziere und Vertreter auf Ihr Schiff einladen, um die Einsatzbesprechung abzuhalten. Vorausgesetzt, Sie vertrauen mir und sehen es nicht als Versuch an, Ihr Schiff zu übernehmen.“
Riho Zypher, der uneingeschränkte Herrscher des Wurmlochausbauschiffs AVATAR, winkte großzügig ab. „Ich denke, diesen Gag haben wir tot geritten. Selbstverständlich bin ich einverstanden. Wie lange wird es dauern, bis Ihre Leute an Bord kommen und auf wie viele soll ich mich einstellen?“
„Es sind fünf Fähren von fünf Schiffen auf dem Weg, drei von militärischen Einheiten, eine von einem Lazarettschiff, die letzte von einem Trossschiff“, informierte das Bordgehirn. „Geplante Ankunftszeit zweihundertelf Se … in etwa dreieinhalb Standardminuten.“
Riho sah den General mit hochgezogenen Augenbrauen an. „Sie lassen auch nichts anbrennen, was?“
„Die Fähren sind in der Tat gestartet, kaum dass die Trägerschiffe in Reichweite waren. Wir erwarten etwa zwanzig Gäste, relevant sind pro Fähre jeweils einer, die anderen drei sind Stabsangehörige. Nur die wichtigsten Stabsangehörigen. Ich wollte einen Massenauflauf auf Ihrem Schiff vermeiden. Natürlich sind alle Stäbe per Holo zugeschaltet, aber die Repräsentanten werden diese Kommunikation moderieren und nur zur Konferenz zulassen, wenn es relevant ist.“ Aris Stondra deutete auf die Strandbar. „Können Sie uns bitte einen Konferenztisch für uns beide, meine sechs zivilen Begleiter und fünf weitere, hm, Personen erstellen, dazu sechs weitere Tische mit holographischen Anzeigen für jeweils drei Personen in der Peripherie für die Unterstützung?“
„Aber natürlich“, sagte der Wurmlochbaumeister. Er brauchte nicht mal zu winken, da fiel der bisherige Tisch scheinbar zu Staub, und mit ihm die Stühle. An ihrer Stelle erhob sich bald ein kreisrunder Tisch mit elf bequemen Sesseln. Rings um diese wurden die anderen fünf Tische erstellt. „Benötigen Ihre Leute auch eine Möglichkeit, sich niederzulassen, Lieutenant Miarr?“
Die gepanzerte Infanteristin winkte ab. „Nicht unmittelbar. Wir werden auch nur als Mäuschen teilnehmen, nicht als aktiver Part der Konferenz.“
„Mäuschen?“, echote Riho.
„Ein Nagetier von Terra, das es in verschiedensten Ausführungen gibt, Säuger, Größe je nach Art von Daumenlänge bis Armlänge eines normalen Terraners“, referierte AVATAR. „Gilt als Kulturbegleiter, und trotz größter Anstrengung der Föderation, diese Wesen nicht über den gesamten Föderationsraum zu verschleppen, sind sie auf achtzehn Welten nachgewiesen. Ich gehe davon aus, dass „Mäuschen spielen“ sich auf die geringe Größe bezieht und eine gewisse Unbemerkbarkeit meint, so eine Art stiller Beobachter. Richtig, Lieutenant?“
„Ja, das ist eine sehr korrekte Formulierung“, erwiderte die Infanteristin.
„Nur achtzehn Welten? Waren Sie doch erfolgreich dabei, die Ausbreitung der Mäuschen zu verhindern?“, hakte Riho nach.
„Wie man es nimmt“, warf Myu ran Tau ein. „Auf den meisten Welten, auf denen die Mäuse eingeschleppt wurden, haben sie sich nicht etablieren können und wurden vom bestehenden Ökosystem ausgemerzt. Das ist ein Phänomen, das wir schon öfters beobachtet haben. Auf Terra kommt es viel öfter vor, dass eine neue Spezies in ein endemisches System einbricht und es kippt; auf den meisten Föderationswelten ist das aber die Ausnahme. Oder um es auszudrücken: Mäuse sind für die meisten räuberisch lebenden Organismen eine zu leichte Beute, nur auf Terra und den achtzehn anderen Welten konnten sie sich durch ihre sehr hohe Reproduktionsrate festsetzen. Ich nehme an, auf Ihrem Heimatplaneten gibt es keine von Terra eingeschleppten Mäuse?“
Riho zog die Stirn kraus. „Keine eingeschleppten Kleinnager von Terra, aber eigene Spezies in dieser Kategorie, allerdings hauptsächlich echsenbasiert, warmblütig, Wirbeltiere, aber Eierleger. AVATAR kann dazu ein Dossier bereitstellen. Aber ich denke, wir schweifen ab. Wo sind unsere Gäste, Kumpel?“

„Sie haben eingeschleust. Da ich die Gelegenheit hatte, die Fahrzeuge bereits zu präparieren, werden sie jeden Moment hier sein“, sagte das Bordgehirn.
„Und wen empfangen wir genau?“, fragte Riho in Richtung des Generals.
„Nun, zuerst ist da Admiral 0011100111. Stören Sie sich nicht an dem Namen, es ist nur eine Simplifizierung für uns Organische. Nennen Sie ihn einfach James. Ja, er identifiziert sich als männlich.“
„Ein Roboter?“, fragte Riho staunend. „Ehrlich, ich habe schon viel gesehen, das können Sie mir glauben, Aris. Aber ein Roboter, der eine Flotte kommandiert, war noch nicht darunter.“
„Eine künstliche Intelligenz im Rang eines Voll-Admirals. Nicht ganz so beeindruckend wie Ihr AVATAR, aber dafür um einiges mobiler“, warf Myu ein.
„Höre ich da leichte Kritik an mir?“, mockierte sich das Bordhirn.
Der Hausherr überging die Frage. „Wen erwarten wir noch?“
„Vice Admiral Kelly, die stellvertretende Kommandeurin. James und sie arbeiten schon mehrere Jahre zusammen und fahren grundsätzlich auf verschiedenen Schiffen, nur für den Fall, dass einer von ihnen ausfällt.
Dann kommt noch General Staund. Er ist Kommandeur der 51. Sturmarmee, die teils auf den Materialschiffen, teils auf den Flottenschiffen mitfliegt. Die 51. ist eine Hit&Run-Einheit für schnelle, harte Schläge. Sie ist im begrenzten Umfang auch zu Garnisonsdiensten fähig, aber ich denke nicht, dass wir eine Föderationsgarnison brauchen werden, nachdem die Rau vertrieben wurden.
Admiral Bagata wird ebenfalls erscheinen. Sie ist die Nummer drei in der Flotte und kommandiert die Frachter, die Zeugschiffe und die Materialschiffe.
Und, um die Runde komplett zu machen, erwarten wir Professor Kull. Er gehört nicht zum normalen Stab der Flotte, sondern seine Schiffe wurden kurzfristig auf meinen persönlichen Befehl ausgehoben, und er mit seiner Position betraut. Er ist Kommandeur einer Flotte von vier Lazarett- und zwei Materialschiffen. Damit hat er auch das Kommando über die PARACELSUS, das eigentliche Lazarettschiff der Achten Flotte. Da ich annehme, dass wir eine scheußliche Situation vorfinden werden, habe ich kaum nach dem Auslesen der Speicher AVATARS Befehl gegeben, so viele Lazarettschiffe wie möglich zusammenzuziehen und der Achten zuzuteilen. Das war das Beste, was wir in der kurzen Zeit hingekriegt haben. Aber zwei Geschwader der 1001. Flotte werden in einigen Tagen dazu bereit sein, uns mit weiteren fünfzehn Lazarettschiffen und Zeugschiffen zu folgen. Wir werden retten, was immer wir retten können, Riho.“
„Und dafür sind wir Ihnen dankbar“, ließ sich Kea vernehmen, während sie zielsicher auf der Schulter Rihos landete. „Ich nehme an, obwohl keine Sitzmöglichkeiten für uns geschaffen wurden, sind wir ebenfalls eingeladen, teilzunehmen?“
„Die Rückenlehnen der Sessel sind hoch genug für euch“, wies AVATAR den Kresh zurecht. „Ihr müsst nicht immer eine Extramuschel bekommen, nur weil Ihr Spaß daran habt die Schale zu knacken.“
„Ja, ja, reg dich ab, Blechkiste. Ich will nur sichergehen, dass wir hier nicht unter ferner liefen registriert werden, sondern als vollwertige Mitglieder der Besatzung.“
„Apropos Besatzung. Riho, wollen Sie eine neue haben?“, fragte Aris.
Der Mann von Mau'hi blinzelte. „Bitte, was?“
„Sie können eine Crew an Bord nehmen, wenn Sie das wünschen. Wenn Sie meinen, dass dies Ihnen und dem Schiff hilft, natürlich. Und ich biete es an, ohne jede Form von Forderung als Gegenleistung.“

„MEIN KÖNIG!“, durchbrach ein lauter Ruf das Gespräch. Die Anwesenden sahen in Richtung des Rufenden, es war einer der Eingänge in die Biosphäre. Ein Mann in Zivil ging mit eiligen Schritten auf sie zu. Vor der Gruppe um Aris Stondra verneigte er sich knapp, aber deutlich, bevor er aufsah und mit freudig strahlenden Augen seine Worte wiederholte. „Mein König. Es tut meinen alten Augen gut, Euch wohlauf zu sehen.“
„Mein Herr. Sie sind...?“, fragte Aris verlegen.
„Kull, Majestät. Sumantha Kull. Von Austoris.“
Verstehen glomm in Aris' Augen. „Austoris. Nun gut. Ihr seid Chevier im Dienste der Kaiserin?“
„Jawohl, Majestät. Die Kaiserin hat mich vor acht Jahren für meine herausragende Arbeit in der Föderationsforschung im Bereich Medizin und Zellularbiologie in den Orden befohlen. In der Heimat bin ich ein Cham, was mir erlaubt“, sagte er in Richtung der anderen Zuhörer, „in bestimmten Fällen im Namen der Kaiserin zu sprechen.“
„Herzog. Professor Kull ist ein Herzog und damit Teil des Oberhauses, einem Element des Regierungssystems von Austoris“, informierte Myu die Anderen, während die restlichen Neuankömmlinge wesentlich gemütlicher zu ihnen herantraten. „Bisschen viel, um es jetzt zu erklären.“
„Er nennt Sie König, Aris“, sagte Riho nicht wenig irritiert.
Jlen Kenderson, der Chefdiplomat, lachte laut und röhrend auf. „Das war noch einige Zeit vor Norik, dem Kampf, der den guten Aris zum Nationalhelden gemacht hat, vor etwa siebzig Jahren.“
Jemand anderes lachte auf, und dieser Jemand schien genau zu wissen, was daran so lustig war.
Die anderen vier Gäste mit ihrem Gefolge kamen heran. Gelacht hatte ein groß gewachsener Terraner in Flottenuniform, der die Insignien eines Voll-Admirals trug. „Austoris war das Größte und das Hässlichste, woran ich je habe teilnehmen dürfen. Hallo, Aris.“
„Hallo, James.“ Der General reichte dem Flottenoffizier die Hand. „Was machen die künstlichen Synapsen? Musstest du schon welche austauschen lassen?“
„Was Ihr Fleischlinge immer mit unseren Ersatzteilen habt. Im Gegensatz zu dir, Aris, werde ich fünftausend Jahre alt, bevor ich überhaupt in die Verlegenheit komme, irgendetwas an meinem neuronalen System ändern oder reparieren zu müssen. Ich stelle vor: Vize-Admiral Jelene Kelly.“
Er deutete auf den riesigen Burschen neben sich, der, grünhäutig und fast zwei Meter zwanzig groß, mit breitem, aber nicht hässlichem Gesicht aus funkelnden violetten Augen die Welt musterte. „Angenehm“, klang eine Sopranstimme auf, die das Aussehen Lügen strafte. Das, und die beiden kräftigen Erhebungen im Brustbereich, die zuzustimmen schienen, dass der Gigant eine Sie war, eine weibliche Okra. „Wir kennen uns noch nicht, General, aber ich bin sicher, ich werde das Erlebnis genießen. Ein Großteil von dem, was Sie tun, wird an der Akademie gelehrt. Teilweise zur Nachahmung, teilweise als schlechtes Beispiel.“
Aris lachte nicht wirklich. Das taten nur seine Augen.
„Major General Hekto Staund“, stellte James einen weiteren seiner Begleiter vor, einen Alvaren. Alvaren waren in der Föderation weit verbreitet, vielleicht nicht so sehr wie die Völker der Rollenspielwelt, aber ihre Herkunft von Alvar, einem Planeten, der fast zwei Gravos Schwerkraft hatte, prädestinierte sie für harte körperliche Arbeit. Und natürlich das Soldatentum. Der einen Kopf kleinere Humanoidenähnliche gab Stondra die Hand. „Hab schon viel von Ihnen gehört, General. Und ehrlich gesagt fürchte ich mich ein wenig.“
James lachte erneut. Es war ein wenig blechern und der einzige Hinweis darauf, dass dort kein Mensch, sondern tatsächlich eine Maschine stand. „Und du tust gut daran, Hekto. Mein letzter Begleiter, nachdem sich der Professor selbst vorgestellt hat. Litha Bagata, meine Krämerin.“
Eine selbst für eine Lilith kleine, zarte Person, nicht einmal einen Meter vierzig groß und so zerbrechlich wirkend, dass man einem Okra in ihrer Gegenwart sagen wollte, er solle nicht zu heftig einatmen, um sie nicht zu verschlucken, trat mit gerunzelter Stirn vor. „Das habe ich jetzt nicht gehört. Hallo, General Strondra. Ich bin die Zeugmeisterin der Flotte. Wir haben zusammengerafft, was wir konnten und auf die Schnelle auf die Tragos abzustimmen in der Lage waren. Wir können kurzfristig bis zu dreihunderttausend von ihnen intensiv versorgen, und das für zwei Wochen. Dazu das Zehnfache ambulant, auch für zwei Wochen. Dann sollte weiterer Nachschub eintreffen.“
Aris schüttelte die zarte, kleine Hand, die aber ziemlich kräftig zupacken konnte. Er nickte. „Wenn wir nach Ssom kommen, werden wir das Material hoffentlich auch brauchen. Ich möchte Ihnen allen Riho Zypher vorstellen, den Eigentümer, Kommandant und Chefdiplomaten der AVATAR und damit der Allianz.“
Hände wurden geschüttelt, kurze Worte ausgetauscht, dann stellte Aris sein restliches Team vor und sah Riho auffordernd an.
Der nickte verstehend und sagte: „Darf ich Sie alle an den Tisch bitten? Dies ist immerhin eine Einsatzbesprechung, und die EXCALIBUR wird nicht ewig brauchen, um das Wurmloch nach Ssom auf Passiergröße zu erweitern.“
„Exakt acht Stunden und einunddreißig Minuten, was uns die Gelegenheit gibt, die Dreiunddreißigste komplett nach Flora zu holen. Einerseits, um das System zu bewachen, andererseits, um uns rauszuhauen, falls wir diesmal in die Scheiße greifen sollten. Eigentlich kennen wir die Rau, aber … Kertes.“ Der Roboter wirkte leicht indigniert, als er das sagte.
„Natürlich. Kertes. Würden die Rau über die Waffen dieser Archivwelt verfügen, könnte es sein, dass sie uns waffentechnisch überlegen sind. Dann müssten wir hart und schnell zuschlagen, bevor uns alle Rau waffentechnisch überlegen sind“, sinnierte der Admiral. Er grinste breit und offenbarte dabei, dass sein Zahnfleisch eine für Menschen ungewöhnliche Farbe hatte: Blau. „Erinnert ein wenig an Austoris, was, Aris?“
„Ein wenig.“
„Also, langsam interessiert mich wirklich, was auf Austoris passiert ist. mein König“, sagte Riho sarkastisch.
„Nach der Einsatzbesprechung stehe ich Ihnen Rede und Antwort, Riho“, sagte Aris.

Sie nahmen Platz, die Kresh flatterten auf und suchten sich ihre Plätze auf den Lehnen, die Adjutanten setzten sich an ihre Tische und schalteten die Flotte und diverse Diplomaten dazu.
Über dem Konferenztisch lief ein Film über die Lage des Planeten der Tragos ab, soweit AVATAR Daten von den Tragos erhalten hatte. Dieser Film brach relativ schnell ab.
„Sperrung der Kommunikation. Eine übliche Methode der Rau“, sinnierte Jelene Kelly. „Auch der Rest des Angriffs passt zu ihrem Schema. Angriff mit einer Drei zu eins-Überlegenheit, Etablierung des sicheren Orbits, anschließend Bombardierung jeder erkannten Bunker-, oder Abwehrstellung. Dabei schonen sie größere Siedlungen und Städte, soweit sie es können. Nicht aus humanitären Gründen.“ Die große grüne Frau schlug ihre kräftigen Zähne zusammen, was ein klackendes Geräusch erzeugte, das durchaus Ähnlichkeit mit jenem Geräusch hatte, das ein schwerer Industriehammer erzeugte, wenn er niederfuhr.
„Ist bekannt“, sagte James. „Es ist jetzt schon einige Zeit her, dass dieser Kampf begonnen hat, und der offene Widerstand der Tragos dürfte gebrochen sein. Was wir wissen, ist, dass die Rau ihre Opfer je nach Bedarf entführen, was uns eine gewisse Hoffnung lässt, dass es nicht nur noch Tragos auf Rût gibt, die sich verbergen oder einen Guerillakrieg führen, sondern auch in den Siedlungen und Städten. Das macht unsere Strategie normalerweise recht einfach, aber … was ist schon normal in diesen Zeiten? Man hat uns über den Museumsplaneten Kertes gebrieft, und hätte ich einen menschlichen Körper, hätte ich längst eine Panikattacke gehabt. Die Rau im Besitz dieser antiquierten Waffen ...“
Riho hob eine Hand. „Dies ist vielleicht ein guter Zeitpunkt, um darauf hinzuweisen, dass die AVATAR vor meiner, hm, Wiedergeburt in etwas verwickelt war, was man als letzten Angriff eines Gegners bezeichnen könnte, der Teil des Staatengebildes sein könnte, das Kertes eingerichtet hat. Allerdings war dies vor ein paar Tausend Jahren, nicht vor siebzigtausend Jahren. Dabei handelte es sich um Gigantraumschiffe mit der Fähigkeit, Planeten zu zerstören. Was sie auch ausgiebig gemacht haben.“
Am Tisch wurde es totenstill. Selbst die Zuarbeiter an den eigenen Tischen verstummten bei den Worten Rihos.
„Was zum ...? Was?“, rief Myu aufgeregt. „Wissen Sie, was das heißt, wenn Schiffe der Kerti noch operiert haben, als es die Föderation bereits gab?“
„Operiert haben ist richtig. Nach dem, was wir wissen, konnte die AVATAR diese Giganten fortlocken und zerstören. Was einiges erklärt, unter anderem meine ...Wiedergeburt. Der Haken ist, das kertische Imperium ist vor siebzigtausend Jahren untergegangen, und vor dreitausend Jahren könnten, ich betone, könnten Relikte der Kerti aktiv geworden sein und beinahe die Allianz vernichtet haben, bevor es der AVATAR gelang, genau das zu verhindern und ihrerseits die Kerti zu vernichten. Haken dabei ist leider, dass wir keine Ahnung haben, ob nicht noch mehr Schiffe der Kerti in dieser unserer Zeit existieren. Einsatzfähig sind. Vielleicht von den Rau kommandiert werden.“
Kea flatterte von ihrem Sitzplatz auf, landete vor Riho, und hieb ihm mit einem Flügel knapp vors Gesicht. „Ich dachte, Raumfahrer sind abergläubisch. Warum malst du dann so ein Schreckensszenario ins Hologramm?“, tadelte sie.
„Weil es nichts bringt, die Dinge schön zu reden.“
„Da hat er recht“, bestätigte Aris. Er besah sich das Hologramm und sagte: „Im Gegensatz zu den Rau können wir nicht warten, bis wir den Orbit in unserer Hand haben. Wir müssen so schnell es geht landen und möglichst viele Orte schützen oder befreien, in denen es noch Tragos gibt. Das setzt unsere Einheiten in der Armee einer gewissen Gefahr aus.“
General Staund schnaubte amüsiert. „Wenn wir es nur mit den Rau zu tun haben, ist es nicht wirklich eine Gefahr. Ihre Schilde sind primitiv, und ihre Waffen können unsere Schilde nicht durchdringen. Eigentlich. Die Frage ist, wenn die Rau Kertes entdeckt haben und plündern, wie schnell können sie Waffen herbeischaffen oder gar bauen? Schaffen wir vollendete Tatsachen. Sprung ins System, Eroberung einer sicheren Zone im Orbit, Gefechtslandung und Sicherung der größten Städte, in denen es noch Tragos gibt. Derweil sichert die Flotte den Orbit und vernichtet jedes Rau-Schiff im System. Und mit vernichten meine ich, den Antrieb zerschießen und das Schiff entern, um jeden Trago befreien zu können, der eventuell droht, verschleppt zu werden. Wir können nicht alle, nicht jeden retten, aber verdammt noch mal, wir sind die Föderation, und wir werden es zumindest versuchen.“
Die anderen Teilnehmer klopften mit ihren Fäusten auf die Tische, um die Worte von Staund zu bestätigen.

„Was uns zu unserem Hauptproblem bringt“, sagte Bagata. „Wer spielt das Versuchskaninchen?“
„Das was?“, fragte Riho.
„Versuchskaninchen. Ursprünglich die Bezeichnung für einen Nager, der für Laboruntersuchungen missbraucht wurde, mittlerweile ein geflügeltes Wort für jene, die sich bei, hm, Experimenten einer Gefahr aussetzen“, erklärte die Lilith.
Einer der Adjutanten meldete sich bei James, der kurz auf eine Stimme hörte, die nur er vernahm, dann dazu nickte. „Captain Zuc hat das 3. Geschwader angeboten. Es ist das modernste meiner Flotte, und zudem besteht es aus Leichten und Mittleren Einheiten, sodass wir keines unserer Bastionsschiffe gleich beim ersten Angriff riskieren. Und ich denke, wenn wir einen Teil der Flotte alleine kämpfen lassen, um herauszufinden, ob der Feind kertische Waffen hat, sollten sie in einer Größe operieren, in der ihnen normale Rau nicht gefährlich werden können.“
„Einverstanden. Das 3. geht zuerst durch das Wurmloch“, sagte Aris. „Sobald sie Feindkontakt hatten und Zuc einschätzen kann, mit welchen Waffen die Rau kämpfen, ziehen wir den Rest nach. Und dann muss es wirklich schnell gehen.“
Sein Blick ging zu James. „Schalt Zuc zu uns rüber.“
Der Android nickte. Über dem Holo erschien der Oberkörper eines Felinoiden in der Standarduniform der Föderationsflotte mit den Abzeichen eines Captains. „Sir, Captain Pee Phi la Zuc.“
„Freut mich, Zuc. Sie sind Orombianer?“
„Ja, Sir.“
„Noch besser. Ich schätze die Orombianer für ihren kühlen analytischen Verstand“, lobte er.
Der Katzenartige verzog die für normale Katzen zu breite Mundpartie zu einem Grinsen. Er fühlte sich gelobt, und das wohl zu Recht.
Stondra machte eine skeptische Miene. „Zuc, ich will, dass Sie eines verstehen. Wenn es schlimm kommt, wenn es hart kommt, halten wir Ihnen den Rückweg so lange auf wie möglich. Aber wenn die Rau Kerti-Waffen haben und diese einsetzen und Sie nicht in der Lage sind, dies zu kompensieren, sind Sie auf sich allein gestellt und dürfen auf der anderen Seite keine Hilfe erwarten.“
Der Felinoide straffte sich. Die schwarz getigerten Ohren zuckten leicht. „Sir, das ist mir bewusst. Ich sehe dann zu, so viele meiner Leute wie möglich wieder raus zu schaffen. Notfalls verschwinden wir im Dilatationsflug, während Sie das Wurmloch schließen.“

„Moment mal, Moment!“, warf Riho ein. „Verstehe ich das richtig? Sie können ein Wurmloch wieder schließen?“
Die Blicke, den ihm die anderen Anwesenden zuwarfen, waren geprägt von Erstaunen. „Natürlich können wir das“, sagte Myu ran Tau. In ihrer Stimme klang die Gegenfrage mit, ohne dass sie sie aussprach. „Können Sie das nicht?“
Riho Zypher lehnte sich in seinem Stuhl zurück. „Das bedeutet also, wenn Ihr 3. Geschwader auf ernsthafte Schwierigkeiten trifft, machen Sie das Wurmloch wieder dicht.“
Aris schüttelte den Kopf. „Nein, Riho. Wir machen dann jedes Wurmloch dicht, das von der Föderation aus in die Nähe des Rau-Raums führt. Wird ein wenig dauern, aber, ja, wir können es. In solch einem Notfall werden wir noch zwei oder drei zusätzliche Bauschiffe zur Unterstützung bekommen. Ich habe eines bereits in Bereitschaft gerufen. Es kann in fünf Tagen hier sein.“
Kea schlug mit den Flügeln. „Wie? Wie machen Sie ein Wurmloch wieder dicht?“
„Wir machen es nicht wirklich dicht. Nur unpassierbar“, erklärte Atiella Rouven. „Genau so, wie wir natürlich existierende Wurmlöcher passierbar machen können, sind wir in der Lage, sie künstlich wieder zu degenerieren. Das vermögen wir auch bei Wurmlöchern, die nicht künstlich stabilisiert und ausgebaut wurden.“ Ein Lächeln glitt über ihre Züge. „Ich bin sicher, die AVATAR kann das Verfahren ebenfalls anwenden. Es ist Verschlusssache, aber ich nehme an, dass der Föderationsrat dafür stimmen wird, dieses Wissen ausgerechnet mit einem terranischen Wurmlochbauschiff zu teilen.“
„Uff“, machte Riho. „Die Föderation wird ja immer interessanter.“
„Und Sie kratzen nur an der Oberfläche, Kapitän“, sagte Lynda Danvers. „Wir haben Ihnen und der Allianz noch wesentlich mehr zu bieten, das verspreche ich.“

Aris erhob sich. „Bei den Einzelheiten der Einsatzplanung werde ich nicht unbedingt gebraucht. James, übernimmst du?“
„Danke, dass du mich meine Arbeit machen lässt“, spöttelte der Androide milde. „Ich denke, du wirst Herrn Zypher mitnehmen wollen.“
Riho sah auf. „Die Einsatzplanung ist für mich nicht so wichtig wie der fertige Plan, weil die AVATAR nicht an der Front eingesetzt werden wird, außer die Front kommt zu mir. Ich nehme an, Sie wollen mich sprechen, General.“
Stondra nickte. „Gehen wir ein Stück. Ich möchte Ihnen aus erster Hand erzählen, was in Austoris passiert ist.“
Kull sah sich genötigt, etwas einzuwerfen. „Nur Gutes, und nur mit den besten Absichten. Von den Toten abgesehen, aber das ist verzeihbar.“ Seine Stimme klang beharrlich, so als wolle er einen unumstoßbaren Fakt herbeischwören.
Auch Riho erhob sich, und gemeinsam gingen sie zur Strandbar. Erneut flog Dyka auf und landete auf der Schulter des Generals.

An der Bar angekommen schenkte Riho beiden den schon bekannten Fruchtsaft ein. „Wird mir gefallen, was ich zu hören bekomme?“
„Ich bin sicher, das Bordgehirn kann Ihnen alle Daten zum Thema Austoris direkt ins Gehirn laden. Das ist aber nicht das Gleiche, wie wenn Sie es von mir hören. Ob es Ihnen gefällt, weiß ich nicht. Ich kann nur berichten.“
Der Kommandant der AVATAR schon Aris sein Glas zu. „Also gut. Berichten Sie. Was ist passiert?“
Aris Stondra seufzte und schnaubte leise aus. „Ich habe vor etwa achtzig Jahren ein Kriegsverbrechen begangen, indem ich eine unseren Streitkräften vollkommen unterlegene Spezies angegriffen, zum Krüppel geschossen, ihre Planeten erobert und ihre Regierung aufgelöst habe. Und das ohne jedes Mandat vom Föderationsrat und ohne, dass Austoris irgendeine Form von Feindseligkeit gezeigt hat. Abgesehen von einer so starken Xenophobie, dass die Austorianer nicht nur jeden Versuch der Kontaktaufnahme unterbunden haben, sie haben auch auf jedes Föderationsschiff geschossen, das ihr System angeflogen hat.“
„Ah, verstehe. Und Sie haben die Austorianer gemeijit?“ „Ge-was?“
„Verzeihung, das ist ein geflügeltes Wort in der Allianz, die sich auf die Expedition von Perry nach Japan bezieht, wo er mit Waffengewalt die Selbstisolierung Japans aufgesprengt und seine Märkte für den Westen geöffnet hat.“ Er zuckte mit den Schultern. „Ich bin ein großer Fan der prästellaren Geschichte der Erde.“
„Ich verstehe. Und so vollkommen Unrecht haben Sie nicht. Lassen Sie mich erzählen“, sagte Aris.

„Ich habe mir damals James' Flotte geschnappt und mit Hilfe meiner Vollmachten unter mein Kommando genommen. Dann haben wir getarnte Späher ins Austo-System geschickt und die Verteidigung der Austorianer ausgespäht. Damals waren sie prästellar, aber bereits interplanetar. Ihre Waffentechnologie hatte aber das Atomraketenzeitalter noch nicht überschritten. Neben Austoris hatten die Austorianer noch Heleb und Lunda besiedelt, zwei weitere Planeten in der Biozone ihrer Sonne. Alle drei Welten wurden durch Orbitalhabitate gedeckt, die mit Atomraketen bestückt waren. Dazu kamen Abschusssilos auf allen drei Planeten, alleine auf Austoris über fünfhundert mit jeweils zwanzig interkontinentalen Raketen, die den Orbit erreichen konnten. Darüber hinaus verfügten sie über etwa dreißig militärische Raumfahrzeuge, auch atomar bestückt. Die normale Schlagkraft der damaligen Zeit umfasste eine Reichweite von einer halben Megatonne bis zu fünf Megatonnen. Zwei Superraketen mit fünfzig Megatonnen Sprengkraft gab es auch noch auf dem austorischen Orbitalhabitat.“
„Für eine prästellare Spezies eine Menge“, sagte Riho.
„Sie sagen es. In der Tat hatte sich der Planet erst vor wenigen Jahrzehnten endgültig zusammengeschlossen und einen Kaiser als Oberhaupt gewählt. Die Waffen stammten noch aus der Zeit der Kleinstaaterei und wurden dann einfach nicht mehr aufeinander gerichtet, sondern eben auf das Weltall.
Jedenfalls waren diese Daten relativ leicht zu bekommen, und der Rest war mehr oder weniger ein Kinderspiel. Ich nahm die achtundsiebzig Kampfeinheiten der Flotte, sprang ins System und griff sowohl jedes interplanetare Schiff als auch die Orbitalhabitate an; zugleich übernahm es ein Teil der Flotte, die Raketenbunker auf den Planeten zu eliminieren und nach weiteren, versteckten zu suchen. Die ganze Schlacht dauerte vom ersten bis zum letzten Schuss etwa zwei Stunden im Weltall und noch einmal sechs Stunden, bis unsere Infanteristen auch den letzten Widerstand auf den Habitaten, in den Raumschiffen und in den militärischen Einrichtungen des Planeten beendet hatten. Anschließend landete ich mit dem Flaggschiff der Achten auf dem größten Raumhafen und forderte den Kaiser zur bedingungslosen Kapitulation auf. Eine weitere Stunde später nahm ich – übrigens nach etwa sieben Attentatsversuchen auf meine Person – die Kapitulation an und fügte Austoris und das gesamte Sonnensystem als Protektorat formell der Föderation an.“

„Das klingt in der Tat so, als hätten Sie mehr als ein Gesetz der Föderation gebrochen“, sagte Riho. „Also, wo ist die Pointe? Gab es eine Seuche, die die xenophoben Austorianer nicht allein bekämpfen konnten, sie aber? Oder stand eine Naturkatastrophe bevor, die nur die Föderation aufhalten konnte? Einen höheren, wichtigeren Beweggrund, der ausgerechnet Aris Stondra wer weiß wie viele Tote in Kauf nehmen ließ, um die xenophoben Austorianer vor sich selbst zu retten? Kommen Sie, Aris, ich weiß, unter so einem Geschehen tun Sie es nicht.“
Der General lächelte dünnlippig. „In der Tat. Es gab, ah, eine größere Bedrohung. Eine, der die Austorianer alleine nicht gewachsen waren. Eine, die sie nicht wahrhaben wollten. Eine, die sie ausgerottet hätte. Zumindest ihre Kultur und ihre Identität. Und ein paar Millionen ihrer Bürger.“
„Und die beste Methode war damals, die Austorianer vor sich selbst zu retten, indem Sie Ihre Verteidigung zu Klump geschlagen haben?“, fragte Riho.
Aris nickte. „Richtig. Denn sofort nach der Unterzeichnung der Kapitulation und der Beitrittserklärung Austoris' als Protektorat in die Föderation war das ganze Sonnensystem Föderationsraum, und ich hatte damit Rechte. Zum Beispiel war es mir nun erlaubt, das Sonnensystem zu verteidigen. Ich zog den Rest der Flotte nach, dazu etliche Materialschiffe, und begann, die Verteidigung der Orbitalhabitate auf Föderationsstandard zu verbessern. Ebenso verfuhr ich, so weit es die Zeit zuließ, mit einigen der moderneren Schiffen der Austorianer. Besserer Antrieb, Schilde, bessere Waffen. Es war wichtig, dass sie quasi doch irgendwie aus eigener Kraft mithelfen konnten, den kommenden Feind abzuwehren. Sehr wichtig für ihr Selbstwertgefühl, nachdem ich genau das gerade zerschlagen hatte. Am Ende einer arbeitsreichen Woche hatten James und ich das System der Sonne Austo so gut es ging auf ein Verteidigungsniveau gebracht, das dem der Föderation sehr viel näher kam als den alten Waffensystemen der Austorianer. Tja, und dann kamen sie auch schon.“ Aris exte sein Glas. „Hätten Sie vielleicht etwas Härteres für mich, Riho?“
„Was? Ja. Natürlich. Ist Schnapps in Ordnung? Dreiundvierzig Prozent.“
„Ein kleiner wird nicht schaden.“

Riho schenkte ein kleines Glas mit einer klaren Flüssigkeit voll. Aris kostete, schüttelte sich kurz und trank es ganz aus. „Können Sie etwas mit dem Namen Qel anfangen, Riho?“
„Nicht sofort und nicht, dass ich es je gehört hätte. Was ist das Qel? Oder wer sind die Qel?“
„Gute Fragen. Die Qel, so muss es heißen, sind stark parasitäre Lebensformen, die sich einer Gemeinschaftsintelligenz untergeordnet haben. Die Qel überfielen andere Spezies, bohrten sich in ihre Gehirne und übernahmen dort das Kommando. So lebten die Qel auf ihrem Heimatplaneten, wo sie sich damit begnügten, in einer Art Symbiose mit der höchstentwickeltsten Lebensform ihrer Heimatwelt zu leben, einer halbintelligenten Echsenrasse.
Dann besuchten Raumfahrer ihre Welt, und die Qel taten das, was sie nun mal taten, sie wechselten auf die weiter entwickelte Lebensform über, um das Überleben als Art zu sichern.“
„Ach du heilige grüne Scheiße, heißt das etwa …?“
„Ja. Die Raumfahrer brachten die Qel auf ihre eigene Heimatwelt, und dort gelang es den Parasiten, sich inflationär auszubreiten. Damit nicht genug, sie übernahmen die ganze Spezies. Und mit ihr auch die leistungsfähigen Gehirne dieser Spezies. Die Qel machten einen Entwicklungssprung zu wahrer Intelligenz, und das Kollektiv wurde zu einer Überintelligenz. Der einzige Vorteil: Das Über-Ich kann nur mit Lichtgeschwindigkeit kommunizieren. Alle Teile der Qel, die nicht im gleichen Sonnensystem sind, sind von der Hauptintelligenz getrennt. Aber das hat ...“
„Soll ich fortfahren? Das hat die Qel nicht aufgehalten. Nachdem sie die eine raumfahrende Spezies übernommen hatten, stand ihnen der Sinn nach mehr. Sie nutzten die Raumfahrtmöglichkeiten der Spezies Null und suchten nach weiteren Spezies, die sie übernehmen konnten. Ich gehe davon aus, dass der Parasit nicht so multimobil war, dass er zu jeder der vielen raumfahrenden Spezies im Universum automatisch einen Schlüssel hatte. Aber zu den Austorianern.“
„Stimmt. Nach etlichen Jahrzehnten ihrer Expansion gelang es unseren Explorern, das kleine Reich zu entdecken, das die Qel sich zusammengeraubt hatten. Und das auch nur, weil sie mit Völkern im Krieg standen, die sie nicht hatten übernehmen können. Diese waren übrigens in der Lage, die Parasiten zu entfernen. Eine Koalition von ihnen versuchte genau dies zu tun und attackierte die übernommenen Spezies und Welten. Die Qel gerieten unter Druck und beschlossen, auf größere Jagdgründe auszuweichen.“
„Die Föderation.“
Aris nickte. „Die Föderation. Die Austorianer waren dabei nur ein Zwischenschritt. Die Gemeinschaftsintelligenz hatte bereits hunderte Agenten vor Ort und die Xenophobie künstlich geschürt, um sich damit einen sicheren Hafen und ungestörte Ausbreitungsmöglichkeiten zu schaffen. Es besteht kein Zweifel, dass wir in der Lage gewesen wären, eine weitere Expansion auf Föderationsgebiet zu verhindern, aber die Austorianer ...“

Riho nickte. „Ich verstehe. Sie haben Austoris gerettet, aber gegen den Willen der Austorianer. Zumindest gegen das, was sie für ihren eigenen Willen hielten. Es gab also noch eine Schlacht, und die Qel fielen in das Austo-System ein, das sie für vorbereitet und schwach hielten.“
„Richtig. Und dank der Beschränkung auf Lichtgeschwindigkeit in ihrer Kommunikation waren die Agenten nicht in der Lage, die Angreifer zu warnen. Da wir aber in der Lage waren, die Infizierten aufzuspüren, konnten wir etliche Parasiten extrahieren, vor allem aus Militärs, Regierungsmitgliedern, Wirtschaftsführern, und dergleichen. Als die Qel auf den Rücken ihrer zusammengeraubten Spezies ins System sprangen, liefen sie in eine Falle. Eine, die ich in aller Eile aufbauen musste, weil wir leider sowohl die Qel als auch ihre Gegner erst sehr kurzfristig entdeckt hatten. Wir versuchten natürlich, die Wirte zu schonen, wo wir es konnten, dennoch wurde es ein furchtbares Gemetzel. Letztendlich konnten wir ein paar Millionen Intelligenzen aus den Händen der Qel befreien, aber fast ebenso viele waren gestorben. Damit war der Versuch der Qel, zu fliehen, gescheitert, und sie wurden von dem Bündnis besiegt. Wir beteiligten uns übrigens nach einem formellen Beistandspakt mit dem Bündnis an der Operation und befreiten im Laufe mehrerer Jahre die anderen von den Qel übernommenen Welten und Wesen.
Letztendlich konnten wir die Qel bis auf ihre Ursprungswelt zurücktreiben und dort die letzten parasitär beherrschten Intelligenzen befreien. Anschließend versiegelten wir den Orbit und erklärten ihre Heimatwelt zum verbotenen Planeten. Das Bündnis wollte lieber die Oberfläche atomar glasieren, aber egal was die Qel angerichtet hatten, letztendlich waren sie auf ihrer Heimatwelt Symbionten, und außerdem wichtige Forschungsobjekte. Deshalb konnte die Föderation sich durchsetzen.“

„Ich kann nicht sagen, dass ich anders gehandelt hätte“, gab Riho zu. „Aber eines interessiert mich noch. Warum nennt Kull Sie König und Majestät?“
Aris verzog die Lippen zu einem sarkastischen Gesicht. „Als keine Notwendigkeit mehr bestand, das Austo-System zu beherrschen, bot ich an, die Protektoratsfloskel auszusetzen und alle Föderationsschiffe und alles Föderationsmaterial wieder abzuziehen. Natürlich bis auf jenes Material, das die Austorianer brauchten, um sich selbst verteidigen zu können. Aber die Austorianer waren schon einen großen Schritt weiter. Sie hatten den alten Kaiser abgesetzt und eine Kaiserin gewählt, die progressiv und xenofreundlich war. Sie strebte auch vom ersten Moment ihrer Regentschaft eine Vollmitgliedschaft in der Föderation an.Also durchaus positiv, das Ganze.“
„Der Königstitel“, erinnerte Riho.
„Nun, das war etwas, mit dem ich nicht rechnen konnte. Da die Föderation, oder vielmehr ich die Austorianer besiegt hatte, galt es nach guter alter austorianischer Tradition, mir einen Preis zuzusprechen. Nein, es war nicht die Kaiserwürde, die hätte ich sowieso abgelehnt. Stattdessen wurde mir ein symbolisches Amt zugetragen, das mir als Sieger über Austoris die Autorität gewährte, die mir als Sieger zustand. Man rief mich zum König aus, natürlich ohne mich vorher zu konsultieren, ob ich das überhaupt wollte. Seither bin ich also Vize-Oberhaupt des Austo-Systems.“
„Ist das mit Annehmlichkeiten irgendwelcher Art verbunden?“
Aris lachte leise. „Alle paar Jahre muss ich mal vorbeischauen und ein paar Staatsakte mitmachen. Und wenn mir Austorianer über den Weg laufen, begegnen sie mir entweder als erklärte Todfeinde, das ist aber nur eine sehr kleine Gruppe, oder aber sie zeigen positive Reaktionen. Wobei die von Herzog Kull schon sehr positiv ist, wie ich anmerken muss. Sie würden es überzogen nennen, Riho.“

Der Wurmlochbauer prustete in sein Glas, als er sich dermaßen ertappt fühlte. „Aha. Und Norik? Was war da los? Auch die Qel? Die Rau? Noch eine invasive Spezies?“
Nun lachte Aris etwas lauter. „Oh, das. Das Norik-System hat sich mir ergeben.“
„Was?“
„Ich bin damals eingeladen worden, um das etwas rückständige System dabei zu beraten, welche Reformen erfolgen müssen, damit es in der Föderation aufgenommen werden würde. Wir stellen da durchaus einige Ansprüche. Rechte, Normen, Gesetze, so was halt. Um eine Welt so sehr zu transformieren, dass sie der Föderationsnorm entspricht, dauert oft Jahrzehnte. Das war den Norikanern eindeutig zu lange, also haben sie sich mir, kaum dass ich auf ihrer Hauptwelt gelandet war, ganz hochoffiziell ergeben, und zwar mir stellvertretend für die Föderation. Die schlauen Köpfe der Norikaner hatten sich nämlich gedacht, dass Reformen einfacher durchzuführen sein würden, wenn die Föderation sie dabei direkt unterstützte, und dass diese dann auch in der Bevölkerung leichter akzeptiert werden würden. Und der schnellste Weg war es, sich dem Sieger von Austoris zu ergeben.
Also, es hat geklappt. Seither kursieren neben den offiziellen Berichten diverse Sagen und Gerüchte von den damaligen Vorgängen auf den Welten und Schiffen der Föderation. Einige Berichte, die sagen, das System sei mir ohne eigenes Verschulden wie eine reife Frucht in die Hand gefallen, was ziemlich genau beschreibt was passiert ist, bis hin zu Versionen, in denen ich nur mit einem Blaster bewaffnet den ganzen Planeten Norika allein erobert habe. Aber das Mutigste, was ich damals getan hatte, war, das Norik-System auf Wunsch der hiesigen Regierung ohne Begleiter anzufliegen.“
Aris lächelte leicht. „Bedeutet das eine Belastung für unsere Beziehung, Riho? Das, was Sie jetzt über mich erfahren haben?“
Der Wurmloch-Baumeister legte für einen Moment den Kopf schräg. „Wenn Sie mir eine Frage beantworten. Was war die Strafe der Föderation für Ihr eigenmächtiges Handeln, für das eigenmächtige Eröffnen eines Krieges im Austo-System?“
Der General sah für einen Moment zu Boden. „Degradierung, natürlich. Außerdem wurde mir mein Kommando entzogen. Bevor ich Austoris erobert hatte, war ich Distriktkommandeur für die galaktische Westside. Mein Kommando umfasste zweihundertfünfzig Flotten und achtzehn Armeekorps. Ich wurde zum General degradiert und bekam einen Schreibtisch auf Terra im Föderationshauptquartier als Kommando ohne eigenen Stab, ohne eigene Truppen.“
„Ist das angemessen oder bereits grausam?“, fragte Riho.
Stondra sah auf. Er grinste breit. „Das war das Beste, was mir passieren konnte. Ich wurde „General ohne festes Aufgabengebiet“. Das erlaubt mir, zu tun, was immer ich will, wann immer ich es will. Ich bin, wenn Sie so wollen, der Feuerwehrmann unserer Flotten und Armeen. Da ich immer noch General bin, habe ich zum Beispiel die Befehlsgewalt, die Achte Flotte anzufordern. Und noch einiges mehr. Ich kann, wann immer ich einen Brennpunkt erahne, selbstständig anreisen, meine Befehle an Rangniedrigere geben und versuchen zu retten, was zu retten ist. Als ich ins Flora-System kam, hatte ich eine ähnliche Absicht.“
„Kertes.“
„Richtig. Mit Kertes steht und fällt die ganze Region. Und wem immer Kertes in die Hände fällt, kann die Föderation auslöschen. Nicht heute, nicht morgen, aber vielleicht in einhundert, vielleicht zweihundert Jahren. Und das hat sie nicht verdient. Also habe ich mich von meinem Schreibtisch erhoben, einen Flug gebucht, ein paar Befehle gegeben und bin hergekommen. Und jetzt stehe ich hier und versuche, Kertes schneller zu erreichen als alle anderen. Oder wenigstens so viele Trümmer aufzuheben, wie es mir möglich ist.“
„Sie erwähnten zwei andere Mächte in der Region. Was, wenn eine von denen Kertes gefunden hat?“
„Die Hormenk-Allianz und das hepharidische Konglomerat. Bei den Hormenkern habe ich keine großen Bedenken. Sie besteht aus zu vielen Einzelfraktionen, die sich zuerst umeinander kümmern würden, hätte auch nur eine Zugriff auf Kerti-Waffen. Das Konglomerat würde ebenso die Kertes-Artefakte eher zum eigenen Schutz, aber nicht zur Expansion benutzen. Außer, es muss eine neue Brutwelt her, und das wird die nächsten fünfhundert Jahre nicht der Fall sein. Ansonsten verhalten sich die Hephariden-Königinnen eher passiv. Von ein paar Konflikten untereinander abgesehen. Und, Riho?“
„Ich denke, ich verabscheue Sie nicht, Aris. Im Gegenteil. Ich mag Leute, die, wie sagen es die Terraner, mit der Katze in der Box denken.“
„Du bringst da was durcheinander“, beschwerte sich Kea. „Das Sprichwort heißt: Außerhalb der Box denken. Und ich denke, unser General passt gut zu uns. Hätte ich Daumen, würde ich sie heben. Auch das ist eine terranische Redewendung, Riho.“
„Ja, ja, belehrt Ihr mich alle nur“, murrte der Kommandant der AVATAR gespielt. Er streckte Aris die Hand hin. „Verbringen wir ein wenig Zeit zusammen. Als Verbündete.“
Aris ergriff die Hand und drückte sie. „Was die Besatzung angeht ...“
„Ich weiß es nicht. Wahrscheinlich würde ich mich darüber freuen, aber genauso wahrscheinlich würde es Stress bedeuten. Einerseits würde ich gerne Nachfahren der eigentlichen Besatzung an Bord haben, andererseits weiß ich nicht so viel mit anderen Menschen anzufangen und bin nicht sicher, ob ich es lernen will. Also ein tägliches Miteinander. Vielleicht gefällt mir ja das tägliche Miteinander mit Ihnen und Ihren Leuten, vor allem Ihrer Physikerin. Aufgewecktes Mädchen.“
„Ich werde mein Angebot aufrecht erhalten, auch wenn die AVATAR nicht wirklich eine Besatzung braucht.“
„Ach was, frische Leute an Bord kann man immer gebrauchen!“
„Ha. Jetzt mischst du dich ein“, murrte Riho in Richtung des Bordgehirns.
„Du brauchst mich nicht zu schimpfen. Du weißt doch, wenn du mit mir schimpfst, schimpfst du eigentlich mit dir selbst. Und das ist merkwürdig und schizophren.“
Aris räusperte sich leicht. „Wie sagt man auf Terra? Mit der Wand zu sprechen ist kein Problem. Das Problem fängt an, wenn die Wand antwortet.“
„Hat der General etwa eine Seite gewählt? Das hätte ich jetzt nicht erwartet“, sagte der Rechner pikiert.
„Da Ihr beide identisch seid, gibt es nur eine Seite, die ich wählen kann, oder?“, konterte Stondra.
„Punkt für Sie, General. Punkt für Sie.“
„Gehen wir zurück“, sagte Aris. „Ich denke auch, wir werden gut zusammenpassen.“

„Steht der Plan?“, fragte er, als sie den Tisch erreichten.
James nickte zufrieden. „Wir haben einiges ausgearbeitet, vor allem für den Fall, dass die Rau erst ihre eventuell vorhandenen Kerti-Waffen herbeischaffen sollten, denn das Ssom-System ist bestimmt kein Brennpunkt für ihre schwersten Geschütze.“
„Sicher nicht.“
„Wir haben so gut wie alle Varianten durchgespielt. AVATAR war uns dabei eine große Hilfe.“
„Das war ich nicht allein. EXCALIBUR hat mich mit Rechenleistung unterstützt. Ein großartiges Bordgehirn, das muss ich wirklich sagen.“
„Freut mich, dass Ihr bereits zusammenarbeitet. Aris, was Kertes angeht, so werden wir von der ersten Minute an Leute abstellen, die nach dem Museumsplaneten recherchieren. AVATAR hat uns alles Material vom letzten Kampf mit dem Einstundjetzigen Sternenreich zur Verfügung gestellt. Außerdem haben wir die üblichen Worst Case-Szenarien ausgearbeitet, inklusive Evakuierungsplänen für den Planeten, falls wir fliehen müssen. Wir werden so lange im Ssom-System auf dem Sprung sein, bis die Kertes-Geschichte gelöst ist.“
„Und ich kann mir keinen besseren Mann dafür wünschen, um die Trümmer beisammen zu halten als dich, James“, sagte Aris, dem Robot auf die Schulter klopfend. Er sah auf eines der Holos, die mittlerweile über dem Tisch schwebten, und das die EXCALIBUR beim Errichten eines stabilen Wurmlochs zeigte. „Der Rest ist Warten, meine Freunde.“

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