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Zum Ende der Seite springen Chevaliers Season IV 7 Bewertungen - Durchschnitt: 10,007 Bewertungen - Durchschnitt: 10,007 Bewertungen - Durchschnitt: 10,007 Bewertungen - Durchschnitt: 10,007 Bewertungen - Durchschnitt: 10,00
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Taras Amaris Taras Amaris ist männlich
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Jacks Quartier
Unterkunftsgebäude der Unteroffiziere
Wayside V

Nickend betrachtete Jack sich erneut in dem Spiegel, der an einer Wand seines Quartiers angebracht war. Die in einem grünen Tarnschema gehaltene Standartuniform der Chevaliers saß fast perfekt, auch wenn der Anblick für ihn verdammt ungewöhnlich war. Seufzend griff er nach dem schwarzen Ledergürtel an dem das Halfter seiner geliebten Automatikpistole hing und legte ihn sich um.
Einer der wichtigsten Gründe, warum er das Militär verabscheute, war der erbärmliche Mangel an Individualität welcher innerhalb solcher Organisationen vorherrschte.
Und das man fast keine Chance hatte, Hyänen wie Vascot und Rush aus dem Weg zu gehen. Bereits zum dritten Mal seit seinem Blackout auf dem Dach der Residenz hatten die beiden versucht, ihm eine geheuchelte Entschuldigung aufs Auge zu drücken und langsam gingen ihm die Variationen von „verpisst euch“ aus.
Das Klopfen an der Tür zu seiner Unterkunft riss ihn aus seinen düsteren Gedanken.
„Ja?“
Die Tür schwang auf und erlaubte ihm einen Blick auf einen etwas irritierten Robert Steinberger, welcher in der Bewegung erstarrt zu sein schien.
„Jack, was zum Teufel…“
Weiter kam sein zukünftiger Flügelmann nicht.
„Ist das eine Meldung, Corporal? Sie betreten einen Raum, in dem sich ein ranghöherer Unteroffizier aufhält. Raus! Das versuchen wir gleich noch mal.“
Seine Stimme war laut, jedoch noch weit von einem Schreien entfernt und dennoch mit einem strengen Unterton versehen.
Ohne den Lyraner eines weiteren Blickes zu würdigen, drehte Jack sich um und wartete auf das Geräusch der sich schließenden Tür und des erneuten Klopfens. Sein Blick war dabei flehentlich auf das alte Buch gerichtet, welches aufgeschlagen auf seinem Schreibtisch ruhte.
Dienstvorschriften innerhalb des lyranischen Militärs, ein Leitfaden für den angehenden Offizier, Ausgabe VII aus dem Jahr 3057 von General a.D. Joachim W. von Gunther.
Er hatte das Buch von Jesse bekommen und hoffte nun, dass sich seine fleissige Lektüre auszahlen würde.
„Ja?“
Dieses Mal öffnete sich die Tür und entließ einen präzise in den Raum stiefelnden Corporal Steinberger, der drei Schritte vor ihm stehen blieb, Haltung annahm und die Hand an die Stirn riss.
„Herr Sergeant, Corporal Steinberger, melde mich wie befohlen.“
Jack beantwortete den Salut schnell und atmete erleichtert aus.
„Rühren, Corporal. Puh, bin ich froh, dass das funktioniert.“
Robert blickte seinen Freund fassungslos an.
„Du bist froh das was funktioniert? Jack, was ist los? Hast du heute Morgen einen Ausbilder gefrühstückt oder muss ich mir um Shepard Gedanken machen? Bei deiner Stimmlage eben habe ich gedacht ich wäre wieder ein junger Kadett auf Sanglamore.“
Der ehemalige Pirat schlug das Buch zu und marschierte dann an Robert vorbei in Richtung Ausgang.
„Nein, Robert. Aber wenn das jetzt nicht funktioniert, dann muss ich vielleicht wirklich einen Feldwebel fressen um mich an eure scheiß Vorschriften zu gewöhnen. Ich habe die ganze Zeit versucht hier mein Ding durch zu ziehen, aber die Chevaliers sind einfach kein Piratenhaufen. Das ist der Grund warum ich ständig gegen Wände laufe, warum hier alles und jeder gegen mich arbeitet. Für euch Militärs ist alles, was keine Uniform trägt und wie ein Zinnsoldat durch die Gegend stelzt einfach nicht vertrauenswürdig. Ich habe dem Colonel versprochen, diese freiwillige Schulung auf die Beine zu stellen, aber wie soll ich denn bitte meine Tricks weitergeben wenn der Raum leer bleibt? Ich habe Aushänge gemacht, habe mit Metellus gesprochen und sogar eine Nachricht an die Captains geschrieben, immer mit demselben Erfolg. Außer dir, Jesse unserem über alles geliebten Hauptfeldwebel, der wahrscheinlich nur da ist um zu verhindern dass ich irgendwelchen Schwachsinn von mir gebe und diesen beiden dreimal verdammten Hyänen ist nie jemand aufgetaucht. Eigentlich könnte mir das ja völlig egal sein, aber leider arbeite ich dieses Mal auf der guten Seite. Und wenn ich der einzige bin, der die Piratenmasche kennt wird das blutig ausgehen für uns, weil hören tut ja, wie eben schon mal erwähnt, sowieso keiner auf mich. Deshalb die Uniform und mein Training in militärischer Ausdrucksweise.“
Robert hatte sich seinem Sergeant angeschlossen und folgte einen Schritt versetzt hinter ihm.
„Aha. Und jetzt willst du dich, Befehle brüllend, auf den Exerzierplatz stellen in der Hoffnung, dass du ein paar einfache Krieger in deinen Klassenraum befehlen kannst?“
Jack verließ das Gebäude und trat in das gleißende Sonnenlicht des beginnenden Tages.
„Nein, Corporal, aber die Idee ist eine Erwägung wert. Mein Plan geht aber in eine andere Richtung. Als ich heute Morgen beim Frühstück war habe ich mich mit dem Chefkoch unterhalten…“
„Mit Deveroux? Willst du jetzt Köche trainieren?“
Konsterniert blieb Jack bei dieser überaus dümmlichen Frage stehen und warf Robert einen säuerlichen Blick über die Schulter zu.
„Ja klar. Ich lasse die Küchenbullen meine Tipps in Buchstabensuppe packen und den Kriegern servieren. So ein Unsinn. Ich habe mich mit ihm über den neuen Koch unterhalten. Der hat die Lasagne für das Mittagessen völlig in den Sand gesetzt.“
„Ich verstehe nur Bahnhof. Was hat denn jetzt die Lasagne damit zu tun?“
„Oh, Robert! Die Lasagne hat überhaupt gar nichts damit zu tun. Deveroux hat sich fürchterlich darüber aufgeregt, dass die Sache schief gegangen ist und gesagt, er wird seinem Lehrling jeden einzelnen Schritt noch einmal zeigen. Und damit das nicht noch mal vorkommt wird der die verdorbene Lasagne wohl essen müssen. Und genau das hat mich auf eine Idee gebracht.“
Die beiden Chevaliers hatten mittlerweile den Platz vor dem Stabsgebäude erreicht und erwiderten militärisch korrekt den Gruß zweier Milizionäre, welche sie gerade passierten.
„Aber was den für eine Idee, Jack? Und wozu muss ich hinter dir herdackeln? Dann weihe mich doch wenigstens ein.“
Jack prüfte den Sitz seiner Augenklappe und zog die Uniformjacke gerade.
„Jetzt, mein lieber Robert, ziehe ich meinen letzten Trumpf aus dem Ärmel und glaub mir, dass fällt nicht gerade leicht. Aber wenn die Chevaliers diese Selbstmordmission auch nur halbwegs überstehen sollen, dann müssen wir beide da jetzt reingehen und den sturköpfigen Boss dieses Haufens Dienstvorschriften zitierender Fachtrottel um einen Gefallen bitten.“
Robert folgte dem Blick Jacks in Richtung des Stabsgebäudes bevor die Worte des Piraten zu ihm durchdrangen.
„Danton? Bist du jetzt völlig durchgedreht? Lieber gehe ich auf die Claner mit einem verdammten Dosenöffner los als den Mörder meines Bruders um einen Gefallen zu bitten. In Bezug auf diese Person will ich nur eines! Und das ist sein Tod durch meine Hände. Ich dachte eigentlich, dass wäre mittlerweile zu dir durchgedrungen.“
Noch während er sprach wandelte sich der Gesichtsausdruck seines Gegenübers in eine starre Maske, die keine Gefühlsregung andeutete. Bei seinen letzten Worten war ein Funkeln in Jacks Auge getreten, welches Robert nur schwer zuordnen konnte, ihn aber fast verstummen ließ. Er musste sich zusammen reissen nicht zurück zu weichen als der ehemalige Pirat einen Schritt auf ihn zutat.
„Corporal Steinberger, ich bedaure das mit Ihrem Bruder und wenn wir einmal etwas Zeit erübrigen können, so müssen wir diese Sache definitiv bei einem Bier aufarbeiten. Bis dahin jedoch werden Sie genau das tun was ich Ihnen sage. Und in genau diesem Moment sage ich, dass Sie mich zu Colonel Danton begleiten, sich militärisch korrekt verhalten und Ihren Hass zügeln, während ich dem Mann meinen Vorschlag unterbreite, in dem Sie eine verdammt große Rolle spielen. Sind Sie in der Lage das zu tun oder muss ich mir einen anderen Flügelmann suchen, Corporal?“
Bei den fast geflüsterten Sätzen seines Sergeanten musste Robert unwillkürlich schlucken. Jack meinte es bitterernst. Das wurde ihm gerade nur zu bewusst. Verlegen nickte er kurz, bevor er durch den Piraten hindurch zu sehen schien.
„Wie Sie wünschen, Sergeant.“
Wieder nickte Jack langsam und wand sich dann zu dem Stabsgebäude um.
„Na dann wollen wir mal, Corporal. Ich rede und Sie nicken nur zustimmend wenn es von Ihnen erwartet wird, was ich durch kurze Handzeichen deutlich machen werde. Höre ich auch nur ein leises Seufzen aus Ihrer Richtung, lasse ich Sie den neuen Reaktor meiner Maschine putzen. Von innen!“
Damit marschierte der Pirat zielstrebig auf das gegenwärtige Herz der Chevaliers zu, gefolgt von einem blöde Grimassen schneidenden Robert Steinberger.

„Herein!“
Die Stimme von Sergeant Jan Jensen kam gedämpft durch die Tür, woraufhin Jack die Tür aufriss und einen Schritt in das Büro tat, wo er die Hand an die Stirn fegte und den Schreibstubenhengst neutral anblickte.
„Sergeant Jensen, Sergeant Ryan-Jones. Melde mich in einer dienstlichen Angelegenheit.“
Dantons Ordonanz hatte sich zum Salut erhoben und blickte nun ungläubig in die entstandene Öffnung, anscheinend unfähig, die Situation zu begreifen.
„Dienstliche… ah, ja… natürlich, Sergeant. Kommen Sie rein. Corporal Steinberger. Wie kann ich Ihnen beiden helfen?“
Das die Hand von Jensen nahe seinem Pistolenholster ruhte ignorierte Jack geflissentlich, genau wie den misstrauischen Unterton in dessen Stimme. Er trat einen weiteren Schritt in das Vorzimmer, wartete auf das Geräusch der von Robert geschlossenen Tür und legte dann die Hände zu einer unbequemen Position an seinem Rücken zusammen.
Wer auch immer diese Rührt euch Position erfunden hatte, besaß wohl keine Armgelenke.
„Ich benötige dringend einen Gesprächstermin bei Colonel Danton, Sergeant. Wenn möglich sofort.“
Jack versuchte den Satz so belanglos wie möglich klingen zu lassen und starrte Dantons Ordonanz dabei weiter an, was Jensen sichtlich verunsicherte.
„Ja, natürlich. Bitte warten Sie hier Sergeant Ryan-Jones. Ich werde nachsehen ob der Colonel Zeit für Sie hat.“
Damit drehte sich der Mann auf dem Absatz um und ging zügig durch den Durchgang zu Dantons Büro, aus dem kurz darauf abgehakte Klopfgeräusche erklangen. Der folgende Dialog war für Jack und Robert nicht zu verstehen aber nur wenige Sekunden, nachdem er das Büro verlassen hatte, stiefelte Jan Jensen wieder zu seinem Schreibtisch, gefolgt von einem äußerst neugierig wirkenden Germaine Danton, der mit seiner Krücke sichtlich noch Probleme hatte, mit seiner Ordonanz Schritt zu halten.
„Ist heute Maskenball, Jack? Verdammt, wenn Sie noch militärischer wirken, können Sie den Donegal Guards beitreten. Was ist denn los?“
Mit einer präzisen dreißig Grad Drehung brachte Jack den Colonel in sein frontales Blickfeld, dankte Gott in Gedanken für Miranda Clarks Unterrichtsstunden der letzten Nacht und salutierte erneut.
„Colonel Danton, Sergeant Ryan-Jones. Mit Verlaub bitte ich um eine Unterredung, Sir.“
Nachdem sein Gegenüber die Ehrenbezeugung verwundert erwidert hatte, nickte Danton ernst.
„Wenn Sie einen solchen Aufwand betreiben, Sergeant, dann muss es wohl überaus wichtig sein. Kommen Sie rein. Sergeant Jensen, bringen Sie bitte frischen Kaffee. Solch wichtige Gespräche am frühen Morgen fordern Koffein. Und wenn ich auch nur einen Tropfen Milch in der Brühe finde gibt’s einen Vermerk in der Akte.“


The Devils Bagpipes
22 Kilometer nördlich von Parkensen City
Wayside V

Toni Holler hatte ein wirklich mieses Gefühl, als das gigantische Felsmassiv vor seiner zusammen gewürfelten Einheit auftauchte. Links neben seiner Lanze brachte Sergeant Miko Tsuno ihre Maschinen zu stehen, während auf der rechten Flanke Mehmet Arkabi’s schwere Battlemechs Aufstellung bezogen.
„Fireball von Sakura. Das Gelände vor uns ist extrem unübersichtlich. Die massiven Metallvorkommen in diesem Gebirgsausläufer werden unsere magnetischen Sensoren lahm legen, sobald wir drin sind und die Restwärme des Gesteins macht auch die Infrarotortung so gut wie unbrauchbar. Die Nacht bricht herein und die Dunkelheit in diesem Labyrinth wird uns schwer zu schaffen machen. Ich schlage vor, dass wir geschlossen reingehen, die Ziele suchen und dann massiert zuschlagen.“
Bedächtig nickte Holler, während er die Meldung der Führerin der Scoutlanze überprüfte. Dann aktivierte er sein Funkgerät.
„Sakura von Fireball. Negativ. Wir bleiben bei dem geplanten Ablauf. Hetzlanze nimmt den westlich gelegenen Zugang, Scoutlanze nimmt den voraus und Desert den östlichen. Unsere schweren Jungs haben zwar Feuerkraft, hindern die beweglichen Teile der Kompanie aber massiv am Vorrücken. Das Szenario spricht von einem Search and Destroy Auftrag gegen unterlegene Einheiten. Unsere beiden Lanzen treiben den Gegner in östlicher Richtung aus dem Labyrinth, genau in Deserts Arme. Damit stellen wir zusätzlich sicher, dass niemand entkommt. Wenn einer von uns beiden auf zu starken Widerstand stößt, kommt ihm der andere zur Hilfe. Bestätigen!“
Ein weiteres Mal überprüfte der 2nd Lieutenant die Anzeigen vor sich und brummte zufrieden. Sein Phoenix Hawk war nach der Reparatur wieder in einem perfekten Zustand.
„Fireball von Sakura. Bestätige.“
„Fireball von Desert. Bestätigt.“
Die Stimme von Miko Tsuno klang selbst durch die Verzerrungen der Funkverbindung zweifelnd. Genau wie die des Arkab. Aber Holler war das egal. Er hatte von Danton die Führung über dieses kurzfristig angesetzte Manöver bekommen. Wahrscheinlich als Möglichkeit, seine Beteiligung an der Kneipenschlägerei durch eine herausragende Leistung wieder gut zu machen. Und er würde Danton nicht enttäuschen. Genau so wenig wie Captain Fokker.
Er würde diese Mission erfolgreich abschließen und beweisen, dass er das in ihn gesetzte Vertrauen auch wirklich wert war.
„Fireball an Alle. Wir rücken vor. Gute Jagd!“

Das Cockpit glich einer voll aufgedrehten Sauna, obwohl der überschwere Brandschatzer ruhig in einer Felsnische auf seinen Einsatz wartete. Jack griff zu der bereits halb leeren Sprühpistole, und benetzte seine Arme und Beine mit einem feinen Nebel lauwarmen Wassers, peinlich darauf bedacht, den noch überall offen liegenden elektronischen Bauteilen nicht eine ungesunde Dusche zu gönnen.
„Grave von Twilight. Ich gare hier vor mich hin. Wie lange müssen wir das denn noch aushalten?“
Die Stimme von Robert Steinberger kam klar und deutlich über die Kabelverbindung, welche Jack zu Beginn des Einsatzes gelegt hatte und ließ den ehemaligen Piraten lächeln.
Soldaten! Diese besondere Art der menschlichen Gesellschaft hielt sich für härter als Stahl und konnte doch so weinerlich sein.
„Twilight von Grave. Benutz die Piratendusche, wie ich es dir gezeigt habe. Unser erstes Paket ist auf dem Weg und dürfte in wenigen Minuten hier sein. Wehe du drehst die Klappen der Tauscher auf, mein Freund. Dann setzt es Hiebe.“
Jack prüfte erneut den Zustand seiner eigenen Wärmetauscher und nickte befriedigt. Selbst im inaktiven Zustand produzierte der Reaktor eines Battlemechs eine erhebliche Abwärme, die durch die Tauscher an die Umwelt abgegeben wurde um das Gerät und auch den Krieger in Ihm kühl zu halten. Leider konnte ein Mech so auch hervorragend von Infrarotsuchmasken aufgespürt werden.
Um dies zu umgehen gab es mehrere Möglichkeiten. Einer der ältesten Tricks bestand darin, die Transportklappen der Wärmetauscher, die eigentlich zum Schutz der Lüftungssysteme vor Verunreinigungen gedacht waren, geschlossen zu halten. Somit blieb die Wärme innerhalb des Systems und hinterließ keine verräterische Hitzesignatur. Natürlich war dies eine wirklich unangenehme Sache für den Piloten und nur bei absolut keiner Aktion der Maschine möglich. Wie es bei einem Hinterhalt üblich war.
„Ist ja gut, Jack. Ich lass die Dinger dicht.“
Robert Steinbergers Stimme klang angespannt. Für ihn ein eindeutiges Zeichen dafür, dass sein Flügelmann Ablenkung benötigte.
„Sag mal, Robert, was ist damals eigentlich zwischen deinem Bruder und Danton vorgefallen? Ich meine, der Rest der Einheit schweigt wie ein verdammtes Grab und aus Jesse bekommt man auch nichts heraus. Du musst darauf nicht antworten, aber interessieren würde es mich schon.“
Einige Sekunden blieb der Kabelkanal still, dann knackte es in der Verbindung und eine belegte Stimme antwortete auf seine Frage.
„Wir haben nach der Claninvasion auf unserem Heimatplaneten eine Untergrundbewegung aufgebaut und die ehemalige Miliz hat einen Guerillakrieg gegen die Kanistergeburten geführt. Wolf, mein Bruder, war der Kommandant der Einheit und je länger die Kampfhandlungen andauerten, desto verbissener wurden sie geführt. Irgendwann haben wir wohl das Ziel aus den Augen verloren. Es gab massive Übergriffe auf die Zivilbevölkerung, Verstöße gegen die Areskonventionen. Am Ende waren wir wohl eher wie Tiere, haben uns in Höhlen versteckt und nach Blut gelechzt. Zum Schluss haben die Claner uns mit einem Frontklassestern auf einer Ebene gestellt. Ein ganzer Stern unbeschädigter Clanmaschinen gegen unsere verlotterte Ersatzteilsammlung. Wir hatten nicht den Hauch einer Chance. Wolf hat den Führungsoffizier der Claner kontaktiert und ihm ein Duell angeboten. Wenn Wolf gewinnen sollte, so würden unsere Mannschaften unbehelligt ziehen gelassen und die Offiziere vor ein Militärgericht der inneren Sphäre gestellt. Der Bastard hat wohl gedacht, er hätte leichtes Spiel, aber mein Bruder hat ihn mit der letzten Salve aus seinem Kriegshammer zu seinen Vorfahren geschickt. Die nächste Einheit der Nachfolgestaaten, die in die Nähe kam waren die Chevaliers und Danton wurde zum Richter bestimmt.“
Eine kurze Pause, dann ertönte ein Geräusch, das nach Schlucken klang.
„Er hat Wolf nach einigen Verhandlungstagen in der Zelle aufgesucht. Hat ihm ein Angebot gemacht. Wenn Wolf sich selbst richten würde, würde er den Rest von uns gehen lassen. Also hat der Idiot sich die Pistole an die Schläfe gehalten du abgedrückt.“
Die letzten Worte klangen selbst durch das Rauschen der Verbindung hart, verbittert und emotionsgeladen. Jack nickte, so in etwa hatte sich die Geschichte auch aus der Sicht von Jara Fokker angehört.
„Robert, ohne dich jetzt kritisieren zu wollen, aber das hört sich nach einem fairen Tausch an. Danton konnte kaum anders reagieren. Ich kenne jetzt die komplette Situation nicht, aber dein Bruder hat wahrscheinlich das einzig richtige getan. Du solltest ihm dankbar sein, denn wenn er das Angebot nicht angenommen hätte, wärt ihr wahrscheinlich alle im Massengrab gelandet und das verdient. Du machst da gerade einen Mann zum Sündenbock, der im Grunde genommen nur seine Pflicht getan hat. Wie ein Kind, das den Stuhl schlägt, an dem es sich gestoßen hat.“
Er fragte sich ob es wirklich eine gute Idee gewesen war, den jungen Steinberger gerade in dieser Situation mit einem solchen Gespräch ablenken zu wollen, aber nun war es zu spät.
„Ja, Jack, ich weis es doch. Aber irgendjemandem muss ich die Schuld geben. Sonst suche ich sie bei mir und ich weiss wirklich nicht, ob ich das verkraften würde. Du kannst dir nicht vorstellen was in mir vorgeht.“
„Oh doch, Robert, das kann ich sehr gut. Glaub mir bitte, ich kenne dieses Gefühl. Aber wenn ich dir einen Tipp geben darf, begrab die Vergangenheit, bevor sie dir ein Grab schaufeln kann. Diese Dämonen verfolgen dich sonst dein ganzes Leben und die Bastarde sind verdammt aufdringlich.“
Fast hätte Jack lachen müssen. Was für Ratschläge er hier erteilte. Vielleicht sollte er erst einmal versuchen sein eigenes Seelenleben in den Griff zu bekommen.
„Ich werde darüber nachdenken, Jack. Danke.“
Mit einem kurzen Handgriff deaktivierte der ehemalige Pirat die Verbindung und prüfte dann erneut die externen Sensoren, welche er im Gelände verteilt hatte.
Die seismischen Messgeräte zeichneten Erschütterungen auf und übertrugen diese Daten wiederum per Kabel an seinen Hauptcomputer.
Er konnte die Scoutlanze der improvisierten Kompanie auf sein Versteck zumarschieren sehen, obwohl sie noch lange nicht in seinem Blickfeld waren.
Ein grimmiges Lächeln schlich sich auf seine Züge, bevor die Stimme hinter im ertönte und ihn genervt die Augen schließen ließ.
„Das sind ja tolle Ratschläge von unserem Professor Doktor Jack. Vielleicht machst du eine Praxis auf und stellst das kleine Püppchen von Danton als Sprechstundenhilfe ein. Ich werde in jedem Fall dein erster Patient.“
Peter hatte es sich wieder einmal auf dem Notsitz bequem gemacht und lächelte ihn provozierend an. Er trug die Uniform der Lusan Banditen und spielte mit dem gelben Cocktailschirmchen herum.
„Verpiss dich, Peter. Ich habe deinen Auftritt auf dem Ball noch nicht vergessen, du kranke Einbildung. Wenn du nicht schon tot wärst, hätte ich dich dort umgebracht. Ich konnte deine Lache im Leben schon nicht leiden, aber jetzt ist sie fast unerträglich.“
Verbissen konzentrierte Jack sich auf die Anzeigen vor ihm, was Peter jedoch nicht zu stören schien. Im Gegenteil.
„Ist das der Computer den du auf Tellium gefunden hast? Der aus dem Museum?“
„Ja, Peter. Das ist die Anlage, die ich aus dem Museum auf Tellium gestohlen habe. Ein Nirasaki Bloodthirst Alpha in Kombination mit einem Magic Tactic CU4 Gefechtscomputer derselben Firma. War einer der größten Fehler von Amaris diese Ideenschmiede nieder reißen zu lassen. Ist echt ein hervorragendes Stück Technik, selbst Jahrhundert nach seiner Herstellung. Funktioniert wesentlich besser als die heute produzierte Massenware.“
Neugierig beugte sich sein alter Freund zu den Anzeigen vor und schien sie zu studieren, bis sein Blick über den Rest der geräumigen Pilotenkanzel ausweitete.
„Du hast dich echt gemacht, Jack. Ein Hundertonner. Und dazu noch ein wirklich schlagkräftiger, nicht dass es in dieser Gewichtsklasse ungewöhnlich wäre. Hast du eine Ahnung wie der hierher kommt?“
Abschätzend blickte der Pirat Peter an, bevor er tief seufzte und sich dann zurücklehnte.
„Der kam mit den Highlandern nach Wayside. War eine Maschine der Streitkräfte des ersten Sternenbundes, folgte Kerensky jedoch nicht auf seinem Exodus. Bis zum zweiten Nachfolgekrieg war die Maschine aktiv um dann eingemottet im Familienbesitz vor sich hin zu rosten. Scheinbar haben das Wissen um die Reparatur des Reaktors und einiger anderer Systeme gefehlt. Als der graue Tod dann den Sternenbundspeicher gefunden hat und die Technologie wieder verfügbar wurde, ist der Brandschatzer reaktiviert worden. Hier auf Wayside wurde er schließlich in einem Scharmützel gegen die Parder aufgegeben und vergessen. Ich kann mir nur vorstellen, dass Bulldog es wirklich eilig hatten der Einsatzgruppe Serpent zur Hilfe zu eilen, sonst hätten Sie den Mech wahrscheinlich mitgenommen, denn so schwer waren die Schäden gar nicht. Tja, deren Pech und mein Glück.“
Sehnsüchtig ließ der Pirat seine Blicke über das Chaos offen liegender Platinen und Kabel wandern.
„Er ist noch bei weitem nicht kampftauglich, aber für dieses Manöver wird es wohl reichen.“
„Wo wir genau beim Thema wären, alter Freund,“ Peter griff sich die Sprühpistole und benetzte seine Arme und Beine, während er das gelbe Schirmchen am Stiehl zwischen seine Zähne geklemmt hatte, „was willst du hiermit erreichen? Ich meine, dass du den meisten Piloten der Chevaliers als Krieger überlegen bist, dürfte mittlerweile jedem klar sein. Wahrscheinlich könntest du diese zusammen gewürfelte Kompanie Frischfleisch alleine durch den Wolf drehen, aber was sind deine Beweggründe?“
Nachdenklich verschränkte Jack die Hände hinter dem Kopf und starrte mit Sehnsucht in den Augen auf das mit breitem Klebeband verschlossene Privatfach, in dem sein Absinthvorrat lagerte.
„Die Chevaliers sind etwas Besonderes, Peter. Germaine Danton ist etwas Besonderes. Ich bin erst kurze Zeit bei Ihnen, aber ich möchte wirklich nicht, dass die Parder ein Blutbad anrichten. Die meisten der Chevaliers erwarten auf traditionelle Claner zu treffen, mit all Ihren Ehrenregeln. Aber auch wenn es nicht Conny’s Truppe sein sollte, die wir da jagen, so haben auch diese Nebelparder sich wahrscheinlich entwickelt. Haben Handlungsweisen und Angewohnheiten von Piraten übernommen und kämpfen wahrscheinlich auch so.“
Für einen kurzen Moment war es still in dem Cockpit und Jack hörte auf den ruhigen Atem seines Freundes.
„Du magst Danton also. Das ist wirklich interessant, alter Freund. Liegt das vielleicht daran, dass dieser Söldner alles Das repräsentiert, in dem du versagt hast? Du wolltest die Banditen zu einer Söldnereinheit machen, bist aber gescheitert, weil niemand uns eine Chance geben wollte. Er hat vertrauenswürdige Menschen um sich, während du nur den Abschaum des Universums angezogen hast. Er, das helle Zentrum der Chevaliers, du, das tiefschwarze Herz der Banditen. Ihm folgen die Menschen, weil sie zu ihm aufsehen, weil sie ihn respektieren. Dir sind Sie gefolgt, weil sie Angst hatten und das berechtigt. Frag dich doch mal selbst, ob du ihn wirklich magst oder da eine tiefgreifende Bewunderung im Spiel ist.“
Verächtlich ließ Jack die Luft aus seinen Lungen durch die Nase entweichen.
„Er ist kein strahlender Held, Peter. Er ist ein Mensch, wie du und ich. Zugegeben, er hat sein Leben im Griff, aber er hatte von vornherein einfach bessere Karten. Er wurde nicht von einer Horde Piraten aufgezogen wie Isabell und ich. Er hat eine Offiziersausbildung von einer angesehenen terranischen Militärakademie und ein eher vertrauenswürdiges Äußeres.“
Langsam angelte sich Jack die Trinkflasche mit dem abgestandenen Wasser aus der Halterung an seiner Pilotenliege. Von der Ausstattung her war der Brandschatzer ein wahres Wunderwerk, was ihn zu der Überzeugung brachte, dass die Mechkrieger der Sternenbundverteidigungsstreitkräfte verweichlichte Mimosen gewesen sein mussten.
Kopfschüttelnd öffnete er den Clipverschluss der Flasche und trank in kurzen Schlucken, bevor er fortfuhr und angespannt die Bewegungen seiner Beute auf den Monitoren der Sensorerfassung beobachtete.
„Ich habe mich schon lange damit abgefunden der blutrünstige Kampfhund der besser gestellten Schichten zu sein, Peter. Damit habe ich kein Problem und es macht Danton um keine Spur besser als mich. Eher stellt es uns gleich. Aber was ich ihm zugute halten muss, ist sein verdammter Idealismus. Ich an seiner Stelle hätte die kleine Maus mich vom Dach schießen lassen. Am besten mit dem ganzen Magazin, damit ich auch ja nicht mehr aufstehe. Und was macht er? Er erzählt mir, dass er im Grunde genommen keinen Deut besser ist, als ich, nur mit dem Unterschied, dass er sich irgendwann gefangen hat.“
Nach einem weiteren Schluck, schloss Jack die Augen und ließ die wenigen Bruchstücke, an die er sich aus dem Gespräch mit Danton überhaupt erinnern konnte vor seinem inneren Auge Revue passieren.
„Glauben Sie mir, Jack, ich kenne die Rolle des Dämonen, der Sie seit Jahren nachkommen, nur zu genau. Es gab einmal eine Zeit, da habe auch ich mich dazu berufen gefühlt, blutige Rache über diejenigen zu bringen, die mir Schaden zugefügt hatten. Ich sehe an dem Glanz Ihrer Augen, dass Sie wahrscheinlich nicht mehr in der Lage sind zu sprechen, aber ich hoffe doch, dass Sie mir zuhören. Sie sind kein Monster, Jack, Sie sind ein Mann, dem man alles genommen hat. Dem man alles verwährte bis die Seele dem Druck nicht mehr stand hielt und Sie zu dem gemacht hat, was Sie jetzt sind. Aber andauernder Hass kann einen Menschen von innen heraus zerfressen und führt unweigerlich zum Tod. Mir hat man das klar gemacht, als ich die Orientierung verloren hatte. Mir hat man geholfen, Jack, und genau das ist der Grund, warum ich Sie in meine Einheit geholt habe. Ich will etwas von dem zurück geben, das man mir gegeben hat.“
Der Colonel der Chevaliers hatte ihm in die Augen geblickt und seine Worte waren durch den Alkoholnebel zu Jack Gehirn durchgedrungen.
„Was zur Hölle wissen Sie von meiner Seele, Danton? Sie wissen einen Dreck von dem, was ich getan habe und was mir angetan wurde. Einen verdammten Dreck. Sie sind der strahlende Held in seiner beschissenen weißen Uniform.“
Seine Zunge war wie gelähmt und die Sätze kamen nur unter Stottern über seine Lippen, aber er sprach sie mit Inbrunst und der völligen Überzeugung eines schwer Betrunkenen.
Der Angesprochene hingegen lachte nur leise auf.
„Ein Held? Jack, ich bin von einem Heldenstatus ungefähr so weit entfernt wie Stefan Amaris. Nur habe ich nicht ganz so stark übertrieben. Ich will Ihnen von meiner Verlobten erzählen, Jack. Einer Frau, für die ich meine Karriere bei den ComGuards an den Nagel gehängt habe. Für die ein bürgerliches Leben geführt hätte und mit der ich alt zu werden gedachte.“
Germaine Danton hatte einen seufzenden Laut ausgestoßen und sich suchend umgeblickt. Vielleicht hatte er auch nur sicher gehen wollen, dass Sie alleine waren.
„Sie war Polizistin, Jack, jemand der diesen Beruf wirklich lebte. Kein knüppelschwingender Schläger, sondern jemand, der seinen Mitmenschen helfen und sie verteidigen wollte. Sie wurde von einem Rudel menschlicher Bestien vergewaltigt und gefoltert woran Sie schlussendlich gestorben ist. Das war der Moment in meinem Leben, da habe ich mich selbst verloren. Ich habe die Mörder von Marie-Claire durch die halbe Innere Sphäre gejagt und dabei eine Blutspur beträchtlichen Ausmaßes hinter mir hergezogen. Es war mir absolut egal, wer unter meinem Feldzug zu leiden hatte, ich wollte nur eines. Ich wollte das Blut dieser Bestien an meinen Fingern haben, wollte das Leben aus diesen Bastarden pressen und Ihnen in die Augen blicken, wenn sie verreckten. Bei einigen ist mir das gelungen, andere sind mir entwischt. Wichtig ist aber, dass ich mich gefangen habe, weil mir jemand einen Anker zuwarf. Etwas, an dass ich mich klammern konnte, das mir Halt gab.“
Die weiteren Worte Dantons waren in einem dunklen Rauschen verklungen, das Jacks Gedanken überspült hatte.
Zähneknirschend riss er sich zusammen und öffnete die Augen.
„Peter, dieser Mann tut alles um mir zu helfen. Er riskiert seine Einheit und den Auftrag um mir einen Anker zuzuwerfen. Das unterscheidet ihn von mir. Er glaubt noch an das Gute in jedem Menschen. Ich kann ihm da zwar nicht zustimmen, aber ich will verdammt sein, wenn ich zulasse, dass so jemand einfach vor die Hunde geht. Das so etwas Edles einfach von der Bildfläche verschwindet. Ich war mein ganzes Leben lang ein durch und durch böser Mensch und ich bilde mir nicht ein, daran noch etwas ändern zu können, aber zumindest kann ich dafür sorgen, dass die Chevaliers nicht untergehen. Nicht im Gefecht gegen diese verdammten Parder. Deshalb mache ich das hier. Aus diesem einen Grund. Deswegen komme ich noch lange nicht in den Himmel, aber wenn ich verhindern kann, dass der Teufel einen geringeren Blutzoll an guten Menschen verlangen kann, dann verdammt noch mal tue ich das.“
Sein bester Freund spielte auf so bekannte Art und Weise mit dem gelben Cocktailschirmchen, dass es Jack fast in den Wahnsinn trieb. Als Peter sein Schweigen brach, klang es düster und unheilvoll.
„Ich kann dir garantieren, dass in der Hölle bereits ein Platz für dich reserviert ist und das werden alle guten Taten die du noch vollbringst nicht ändern können. Dafür, mein Freund, sind wir bereits zu weit gegangen. Aber ich verstehe dich. Vielleicht machst du zum ersten Mal in deinem Leben etwas richtig.“
Entschlossen nahm die Einbildung seines kranken Geistes das Schirmchen aus dem Mund und steckte es Jack an eine Öse der Kühlweste.
Das freche Grinsen, welches ihm früher so oft den Tag gerettet hatte, schlich sich auf die Züge des Geistes, der sich auf dem Notsitz festschnallte und seinen giftgrünen Neurohelm aufsetzte.
„Na dann, alter Freund. Wollen wir den jungen Hüpfern mal zeigen, was wir Piraten so alles zu bieten haben. Ich hoffe du hast nichts gegen ein wenig Hilfe von mir.“
Jack lächelte grimmig zurück. Das Dreamteam war wieder vollständig. Die Chevaliers taten gut daran, sich warm anzuziehen.
„Nein, Peter, nichts dagegen. Lass uns Ihnen eine Lektion erteilen, die Sie so schnell nicht vergessen werden.“
Er griff die Kontrollen und beobachtete gespannt die anrückende Scoutlanze der ersten Kompanie. Er wusste, das Miko Tsuno die erfahrenste Lanzenführerin der kleinen Truppe war und hatte vorausgesehen, dass Holler seiner leichtesten Einheit den beschwerlichen Weg durch den Hohlweg befehlen würde. Damit waren die Scouts zu seinem ersten Ziel geworden.
„Ach und Jack, ich fand deine Leistung bei Danielle und Betty eigentlich ganz okay. Relativ gesehen.“
Erschreckt blickte er sich zu Peter um.
„Du hast zugesehen? Was bildest du kleine irische Ratte dir eigentlich ein?“
Das helle Lachen seines Freundes ließ seinen Groll direkt verfliegen.
„Beruhig dich, Jack. Ich bin nur eine Einbildung deines Verstandes. Schon vergessen? Ich muss allerdings zugeben, dass ich versucht war, die Kontrolle zu übernehmen, als du schlapp gemacht hast. Die süße Blonde ist schon eine Augenweide und trifft genau meinen Geschmack.“
Lächelnd wand er sich wieder den Kontrollen zu. Der Erste Gegner hatte seine Position fast erreicht.
„Solltest du so was jemals versuchen, Peter, werde ich mal austesten ob ich eine Einbildung nicht auch verprügeln kann. Streng dich an, damit wir diesen Greenhorns das Fell über die Ohren ziehen, dann stell ich Sie dir vielleicht vor.“
„Ja klar, Jack. Hallo Danielle, ich kann dich zwar nicht leiden, weil du mich verarscht hast, aber mein imaginärer Freund, der vor Jahren auf einem Hinterwäldlerplaneten im Kampf gefallen ist würde dich gerne näher kennen lernen. Er hat uns drei beim Liebesspiel durch meine Augen beobachtet und ist von deiner Beweglichkeit begeistert. Tolle Idee, genau.“
Bei diesen Worten begann Jack Ryan-Jones herzhaft zu lachen. Nicht gezwungen oder verhalte, sondern fröhlich und schallend.
„Na sieh es doch mal positiv, Peter, das Abendessen, zu dem du Sie einladen würdest, wäre nur halb so teuer.“
„Stimmt, nur noch ein Essen das ich nicht bezahlen kann, weil ich ein Geist in deinem Kopf bin. Super! Vorsicht erster Gegner hat unsere Position passiert.“
Immer noch schmunzelnd schloss Jack das Visier seines Neurohelmes und sofort überflutete eine gigantische Datenmenge seine Sehnerven. Er hatte schon seit dem Beginn des Einbaus des Nirasaki Gefechtscomputers mit dem System geübt, aber jedes Mal aufs Neue war er von der Detailgenauigkeit der Projektionen überwältigt. Zusätzlich zu dem auf hundertachtzig Grad zusammengestauchten Rundumblick blendete der Computer eine 3D Karte in sein Blickfeld, die es ihm erlaubt, die Gefechtsverläufe eines gesamten Regiments zu überblicken.
Als ein Steppenwolf gefolgt von Miko Tsunos Nightsky die Felsniesche passierten, in der er seinen Brandschatzer versteckt hatte, wurden die beiden Maschinen sofort identifiziert und Informationen wie Bewaffnung, Panzerung und Schwachstellen analysiert. Leider waren die Techs noch nicht dazu gekommen, den Stimmschaltkreis aus seinem Marodeur in sein neues Lieblingsstück zu integrieren, sonst hätte er sich auf das Lesen dieser Daten nicht auch noch konzentrieren müssen.
Nur Sekunden nach dem ersten Flügel folgten Chappi in seinem Vollstrecker und der Chevalier namens Bramert in dem Derwisch. Jack fixierte den Vollstrecker mit seinem Blick und blinzelte kurz, was das hochmoderne Computersystem erkannte und den Mech als Primärziel einstufte.
Dann atmete er noch mal kurz durch. Die heiße Luft brannte in seinen Lungen und der Sauerstoff ließ seine Instinkte erwachen.
„Es wird Zeit, uns ein wenig Streit zu suchen, Peter. Bereit?“
„Geladen und entsichert, Jack. Geladen und entsichert!“
Grimmig nickend öffnete er den Kabelkanal zu Robert Steinberger.
„Twilight von Grave. Nehme Kampfhandlungen auf. Warten Sie auf Einsatzbefehl.“
„Grave von Twilight. Verstanden.“
Mit einem Knopfdruck trennte er das Kabel von den Anschlüssen auf der Außenhülle des Brandschatzers und fuhr mit einigen weiteren Befehlen die Schutzklappen von den Öffnungen der Wärmetauscher.
Sofort wurde ein kalter Lufthauch durch das Cockpit geweht, den Jack nur kurz genoss, bevor er einen Schritt aus dem Versteck hinaus tat.

Chappi blickte konzentriert auf die eingehenden Sensordaten, als ein gellender Alarm seine Aufmerksamkeit auf sich zog. Eine Wärmesignatur? Hinter Ihnen?
Gerade als er einen Funkkanal zu Sakura öffnen wollte, trat ein mattschwarzes Monster aus einer Felsnische in sein hinteres Blickfeld.
Er hatte keine Zeit mehr, seinen Battlemech zu wenden oder sonst irgendetwas zu unternehmen. Das massive Ungetüm hatte seine Torsowaffen bereits ausgerichtet und feuerte computergenerierte Geschosse und Lichtbolzen in seine Richtung.
Der erfahrene Pilot sah die nicht wirklich existierende Nickel-Eisenkugel des Gaussgeschützes sogar kommen, sah sie über die 360 Grad Rundumsicht direkt auf den Kopf seiner Maschine zurasen, dann wurden seine Monitore und Instrumente schwarz.
„Der Computer hat einen direkten Cockpittreffer einer schweren Waffe registriert. Ihr Mech ist kampfunfähig. Systeme werden abgeschaltet.“
Lauthals fluchend trat Chappi gegen die Pedale im Fußraum. Er war tot. Ausgeschaltet noch vor dem ersten Schuss.
Jetzt blieb ihm nur noch übrig, dem Gefecht aus der Kanzel heraus zuzusehen.
Tatsächlich hatte nur ein Teil der Salve des überschweren Gegners ihm gegolten. Neben ihm krachten einige Autokanonensalven in die dünne Rückenpanzerung von Antons altersschwachem Derwisch, verwüsteten diese und drangen bis zur Inneren Struktur der Maschine vor. Fast gleichzeitig explodierten kurz hinter seinem Freund sechs Raketen in der Luft und verwandelten die Gestalt des mittelschweren Mechs in ein tosendes Inferno greller Flammen, während zwei blutrote Laserstrahlen aus dem rechten Arm gefahrlos über die Maschine hinweg zogen.
Infernomunition! Welcher Wahnsinnige führte in einem überschweren Mech Infernomunition mit? Gebannt starrte Chappi auf seine Rundumsicht als Antons Stimme durch schwere Störgeräusche über Funk in seinen Kopfhörern erklang.
„Skyscraper an Sakura. Überschwerer Mech in unserem Rücken. Chappi ist ausgefallen und ich brenne wie ein Scheiterhaufen. Computer meldet schwere Schäden an interner Struktur und Reaktor.“
Der Derwisch drehte sich unbeholfen dem anrückenden Monster zu und öffnete die Klappen seiner Torsolafetten.
„Verdammt, ich bin zu nah für die Langstreckenraketen und die Laser erzeugen zuviel Hitze. Eröffne Feuer mir Kurzstreckenwerfern.“
Entschlossen hob der mittelschwere Mech seine Arme und entließ vier Raketen aus den Öffnungen seiner klobigen, handlosen Unterarme.
Die ersten beiden Geschosse der hastig gezielten Salve flogen weit über die rechte Schulter des Gegners, die anderen beiden jedoch ließen Explosionsblitze auf dem breiten Torso aufblitzen und tauchten den Mech für einen kurzen Moment in grelles Licht.
Chappi stockte der Atem als der überschwere Brandschatzer Sekundenbruchteile lang auszumachen war.
Das war Jack Ryan-Jones in einer Maschine, die noch vor wenigen Tagen ein völlig desolates Wrack gewesen war. Er konnte es einfach nicht fassen.
Die schweren Raketen schienen den Vormarsch des Giganten nicht im Geringsten auch nur zu verlangsamen und auch die Schäden waren geradezu lächerlich.
Als Chappi jedoch den Hohlweg hinauf zu Sakura blickte, nickte er zuversichtlich. Die restlichen beiden Mechs der Lanze hatten sich dem Gefecht zugedreht und hoben nun Ihrerseits die Waffen um mitspielen zu können.
Aus erhöhter Position würde eine Breitseite aus gleich zwei Battlemechs auch Jack’s neuem Spielzeug überhaupt nicht bekommen.
„Sakura an Skyscraper. Zurückfallen lassen. Wir geben dir Feuerschutz.“
Chappi verkrampfte die Finger um die Steuerung des Vollstreckers als er hinter den beiden Mechs von Sakura und Billy einen weiteren Umriss hinter einem großen Gesteinsbrocken hervortreten sah.
„Miko, hinter euch. Vorsicht!“
Seine Worte verklangen ungehört in der beengenden Stille seines Cockpits, da der Computer mit seinem Tod auch das Funkgerät deaktiviert hatte.
Zwei grelle PPK Blitze schlugen von dem neuen Gegner zu Billy’s Steppenwolf über, rissen Panzerung in großen Brocken vom rückwärtigen Rumpf und drangen dann bis zu dem massigen Extraleichtreaktor vor.
Zwar fuhren die Lichtstrahlen zweier mittelschwerer Impulslaser harmlos an der Silhouette des Chevaliersmechs vorbei, eine Kurzstreckenrakete vollendete jedoch das Werk, indem sie in den bereits geöffneten, rückwärtigen Torso schlug und dort detonierte.
Mit einem kurzen roten Blinken erstarb die Anzeige des Steppenwolfs auf der Übersicht und der Mech ließ kraftlos die erhobenen Arme sinken als der Computer eine Reaktorexplosion errechnete.
Zähneknirschend beobachtete Chappi, wie Miko Tsuno ihre Maschine um neunzig Grad drehte und an die Felswand des Hohlweges rückte. Ihr Nightsky war ein Nahkämpfer, eine schnelle mittelschwere Kampfmaschine, die jedoch in der Enge des Hohlweges ihre Geschwindigkeit nicht ausnutzen konnte.
Fast schon trotzig hob der Nightsky seinen linken Arm und erwiderte das Feuer des neuen Gegners mit seinem schweren Impulslaser.
„Sakura an Fireball. Wir sind hier in eine Falle gelaufen. Fünfzig Prozent der Lanze ausgefallen. Gegner besitzt schwere und überschwere Maschinen. Stärke unklar. Bitte dringend um Unterstützung!“
Miko Tsunos Stimme klang aufgebracht, wütend und wurde kurzzeitig von einem statischen Rauschen überlagert, als ein weiterer gleißender PPK Blitz ihre Maschine am oberen Torso erfasste.
„Fireb… ura… nicht verstehen…massiv… Störungen… bitte wiederholen.“
Die Stimme des second Lieutenants war abgehackt und so dermaßen verzerrt, das Chappi kaum ein Wort verstehen konnte. Einer der gegnerischen Mechs musste einen Störsender besitzen und Ihre Frequenzen überlagern.
„Sakura an Skyscraper. Absetzen! Versuchen Sie sich zu Fireball durchzuschlagen. Nutzen Sie…“
Weiter kam die junge Unteroffizierin nicht, denn der Brandschatzer hatte den langsam rückwärts ausweichenden Derwisch erreicht und entfesselte mit seinen Waffensystemen ein wahres Feuerwerk. Die Gausskugel riss eine riesige Bresche in den linken Torso ihres lichterloh brennenden Opfers, während die Salven der Rotationsautokanone auf fast jede Sektion einhämmerten. Nur wenige der computergenerierten Granaten verfehlten Ihr Ziel. Grelle Explosionsblitze erhellten den dunklen Hohlweg, unterbrochen von den vernichtenden Laserblitzen eines schweren Impulslasers, dessen Strahlen weiter auf den geschundenen Derwisch einschlugen. Die im Gegenzug abgefeuerten Langstreckenraketen der rechten Torsolafette des Derwisch hagelten ohne Schäden zu hinterlassen auf die massive Frontpanzerung des Brandschatzers. Die kurze Strecke hatte einfach nicht ausgereicht um den simulierten Gefechtsköpfen Zeit zur Aktivierung zu geben.
„Guter Witz, Sak…!“
Der Computer schnitt Anton Bramerts Antwort mitten im Satz ab, als dessen Kampfmaschine als zerstört abgeschaltet wurde.
Völlig entgeistert starrte Chappi auf den an seinem Vollstrecker vorbeistampfenden Brandschatzer als eine weibliche Stimme klar und deutlich über die Frequenz der Wayside Miliz erklang.
„Ich bin Sterncolonel Constanze. Meine Einheit ist Conny’s Marodeure vom Clan der Nebelparder. Ihr minderwertiges Freigeburtenpack habt euer Anrecht auf Leben verwirkt. Tut uns allen einen Gefallen und zieht eure Vernichtung nicht unnötig in die Länge. Die Krieger des Parders werden euch zerfetzen.“
Verwirrt lehnte Chappi sich auf seiner Pilotenliege zurück. Wer zum Teufel waren die Marodeure?
Miko Tsuno hatte die Aussichtslosigkeit eines Kampfes eingesehen und versuchte der sicheren Zerstörung im Kreuzfeuer zweier überlegener Gegner zu entkommen indem Sie die Sprungdüsen Ihrer Maschine zündete und mit einem gewaltigen Satz auf feurigen Plasmasäulen abhob. Der Sprung führte Sie auf den Brandschatzer zu, wohl in der Hoffnung, dass dieses Manöver den Gegner verwirren würde.
Nur wenige Meter von der hundert Tonnen schweren Mordmaschine entfernt, setzte Sie den Nightsky auf den felsigen Boden und machte Anstalten, den Hohlweg hinab zu stürmen, als die erneute Breitseite aus dem Brandschatzer und der anderen Maschine ihren Battlemech geißelten.
Unter einem massiven Ansturm von abgehackten Laserstrahlen, PPK Blitzen, Granteinschläge und dem vernichtenden Treffer des Gausgeschützes, welcher den linken Arm fast völlig entpanzerte, ging Miko Tsuno’s Battlemech zu Boden, wo er bis zum Ende des Manövers auch bleiben würde. Dessen war Chappi sich sicher. Zwar war ein Großteil des Waffenfeuers von Jack und dem zweiten Gegner gefahrlos um Mikos Nightsky herum in die Felsen geschlagen, der Rest jedoch richtete beträchtliche Schäden an dem mittelschweren Battlemech an.
Wie zur Bestätigung erlosch auch das letzte Symbol der Scoutlanze von der Übersicht und ersetzte das Rufzeichen von Sergeant Tsuno durch ein mitleidloses „killed“.
Der Brandschatzer schien seinen gefallenen Gegner einen Moment zu begutachten, dann erhob sich der Gigant ebenfalls auf flammenden Sprungdüsen und folgte seinem Kumpanen den Hohlweg hinauf.
„Na super. Das war ja eine wirklich überragende Leistung. Verdammt, Jack. Ich hatte gerade angefangen dich zu mögen. Ist das jetzt die Strafe dafür, dass ich nicht zu deinem Seminar kommen, sondern lieber mit Kress ein wenig pokern wollte?“
Noch während er die Worte aussprach, wurde Chappi klar, wie viel Wahrheit darin steckte.
„Natürlich! Dein Seminar, Jack. Keiner von uns hat es für nötig gehalten, sich dafür einzuschreiben und jetzt zeigst du uns, das es verdammt noch mal nötig gewesen wäre.“
Mit dem Gedanken, sich selbst zu Ohrfeigen, blieb Chappi alleine in der Stille seines Cockpits zurück. Mit genügend Zeit, über diesen Fehler nachzudenken.

Jack’s Laune hatte einen Höhenflug, als er in die Realität zurück gerissen wurde. Die Landung seines neuen Battlemechs war wesentlich härter als beabsichtigt und rüttelte ihn kräftig durch. Die Einstellungen des instand gesetzten Gyroskops stimmten noch immer nicht hundertprozentig, was bei solchen Aktionen tödlich enden konnte.
Mit einigen ruhigen Atemzügen versuchte er das ausgeschüttete Adrenalin zu unterdrücken.
„Twilight von Grave. Status?“
„Grave von Twilight. Status grün. Erreiche Position beta in drei Minuten.“
Die Stimme von Robert Steinberger antwortete völlig gelassen und professionell auf seine Frage, was Jack einiges an Anerkennung abverlangte. Der Junge verstand etwas von seinem Handwerk. Das Lob musste jedoch warten. Da sie nicht mehr auf die Kabelverbindung zurück greifen konnten, war es unerlässlich, den Funkverkehr so gering wie möglich zu halten. Zu groß war die Möglichkeit, aufgespürt zu werden.
Grinsend dachte er über den Einsatz der Aufnahme von Conny’s Stimme nach. War das Miststück doch noch zu etwas zu gebrauchen. Er hatte den Funkspruch absichtlich über eine der ungestörten Frequenzen der Miliz abgegeben um Holler zu verwirren. Er konnte sich schier das dumme Gesicht des jungen Offiziers vorstellen, welcher sich gerade fragte, wer denn diese verfluchte Constanze war.
Gutgelaunt lenkte er den Brandschatzer mit Höchstgeschwindigkeit hinter Roberts Marodeur her. Der wirklich einzige Nachteil seiner neuen Maschine war die relative Behäbigkeit von einhundert Tonnen Stahl und Elektronik im Vergleich zu der Eleganz seines fünfundzwanzig Tonnen leichteren dunkeln Engels.
Dafür war die Feuerkraft, die dieses Monster erbrachte wirklich beeindruckend. Die Scoutlanze der ersten Kompanie würde das bezeugen können.
Mit einem leichten Anflug von Reue dachte er an Chappi, der nun hilflos in seinem Cockpit auf das Ende des Manövers warten musste.
Es tat Jack wirklich leid, seinen Freund als erstes aus dem Gefecht genommen zu haben, aber dieser war der gefährlichste Gegner gewesen. Mit dem Clangausgeschütz des Vollstreckers hätte er schwere Schäden an Roberts und seiner Maschine anrichten können und sie würden noch jedes bisschen Panzerung bitter benötigen.
Vor ihm schlüpfte der Marodeur durch eine enge Felsschlucht in einen Talkessel und schwenkte sofort nach rechts weg um die vorher besprochene Stellung zu erreichen.
Er hingegen marschierte mit donnernden Schritten bis zum neunzig Meter entfernten Ende des fast kreisrunden Kessels, wo eine Steilwand in die Höhe ragte und ein Entkommen unmöglich machen würde.
Nur kurz musste er suchen, dann stand er vor dem fast zwanzig Meter hohen Felsbrocken, den er bei seiner Besichtigung des Geländes entdeckt hatte.
Das fast schwarze Gestein war durchzogen von Eisenadern und anderen metallischen Komponenten und für Jacks Plan hervorragend geeignet.
Mit einer kurzen Eingabe auf einem der neu installierten Schaltpulte öffnete er die Abwurfklapper der Munition für seine aus dem dunklen Engel geborgene Rotationsautokanone und ließ eine ganze Salve der gefechtskopflosen Übungsmunition auf den Boden herabregnen.
Dann trat er auf den Felsbrocken zu, wendete seine Maschine und lehnte den Oberkörper des Brandschatzers so weit zurück, dass er von dem Gestein gestützt wurde. Es erforderte seine ganze Konzentration um das linke Bein der Kampfmaschine anzuheben und senkrecht gegen den Brocken zu stellen.
„Hey, den Trick hat du von mir geklaut, du Dieb.“
Peters Stimme klang ein wenig frustriert, obwohl eine gehörige Menge Stolz darin mitschwang.
„Hallo! Piraa-aaaat!“
Entgegnete Jack gelassen und drückte dann das Pedal der linken Sprungdüse bis die Leistung sich auf fünf Prozent eingepegelt hatte.
Unter ihm brandeten tosende Plasmastürme gegen den Fels und er musste darauf achten, dass er nicht die Kontrolle über den stehenden Battlemech verlor. Für solch einen Einsatz waren Sprungdüsen einfach nicht entwickelt worden.
Aber es würde eine böse Überraschung für Hollers anrückende Lanze geben.

Wütend betrachtete Toni Holler die Reste seiner Scoutlanze, die abgeschaltet über den Hohlweg verteilt herumstanden.
Wie Denkmäler seiner Dummheit ragten die vier Battlemechs in den Nachthimmel und schienen sich über ihn lustig zu machen.
„Das sieht nicht gut aus, Fireball. Gar nicht gut. Muss mindestens eine ganze Lanze gewesen sein, wenn nicht mehr. Wir sollten auf Desert warten und dann geschlossen vorgehen.“
Sergeant Ben Torres war mit seinem Enfield neben den Feuerfalken getreten und blickte nun ebenfalls auf das Schlachtfeld hinab.
Die Lanze hatte sich nach dem verstümmelten Notruf von Sakura so schnell wie möglich auf den Weg hierher gemacht, war jedoch zu spät eingetroffen. Der Gegner war verschwunden und ein Drittel seiner Truppe war vernichtet.
Niedergeschlagen seufzte er, als sich ihm die Vorstellung der Einsatzbesprechung mit Captain Fokker aufdrängte.
„Wenn ich Ihre Ratschläge brauche, Sergeant, dann werde ich danach fragen. Unsere schweren Jungs brauchen noch mindestens zehn Minuten bis sie hier ankommen und wer auch immer die Scoutlanze aufgeraucht hat, er muss selbst eine ganze Menge eingesteckt haben. Kampflos sind die nicht untergegangen. Wir rücken vor!“
Damit ließ er seinen Feuerfalken in einen gemächlichen Schritt verfallen und passierte den reglosen Derwisch der Scoutlanze.
„Fireball, Explosionsgeräusch Richtung Norden. Scheint vom Ende des Hohlweges zu kommen.“
Die Stimme von Elisa Bräuning klang wie Musik in seinen Ohren. Vielleicht war das die Möglichkeit, etwas von seiner Ehre wieder aus dem Dreck zu ziehen.
„Also gut, Fireball an Lanze. Wir rücken auf die Position der Detonationen vor.“
Er wechselte die Frequenz auf Kompanieebene und ignorierte das statische Rauschen, welches ihm entgegen schlug.
„Fireball an Desert. Scoutlanze ist Totalausfall. Haben wahrscheinlich Gegner ausfindig gemacht und rücken vor. Sie folgen so schnell Sie können.“
„Was… bedeutet… total… ich… nicht schnell… vorankommen… schwere Maschinen… warten Sie!“
Die zerstückelte Antwort von Lieutenant Arkabi war nicht im Geringsten dazu angetan, Hollers Stimmung zu verbessern.
„Ich habe Ihnen einen Befehl erteilt, Lieutenant. Schließen Sie mit Ihrer Einheit zu uns auf. Wir werden den Gegner binden bis Sie eintreffen. Fireball Ende.“
Damit deaktivierte er den Kanal und trieb seinen mittelschweren Mech den Hohlweg hinauf, neben ihm der Vollstrecker von Corporal van Eening, der Rest der Lanze hinter ihm.

Robert Steinberger hatte seinen Marodeur auf den Rand des Talkessels gebracht und dort in einem Meteoritenkrater nahe der Klippe abgeduckt. Nun wartete der Lyraner auf das Zeichen seines Flügelführers, aktiv zu werden.
Bisher war die Aktion absolut perfekt gelaufen, auch wenn der schwere Impulslaser des Nightsky ihn einige Panzerplatten gekostet hatte. Diese Schäden konnte er jedoch vernachlässigen.
Der ehemalige Pirat hatte ihm auf dem langen Marsch hierher mehrfach verdeutlicht, dass es nicht darum ging, zu gewinnen, sondern den grünen Mechpiloten der Chevaliers zu verdeutlichen, wie gefährlich unlautere Methoden des Gegners sein konnten.
Noch während er seinen Gedanken nachhing, sah er die Lanze von Toni Holler auf den engen Zugang zu dem Kessel zustürmen.
Da seine Wärmetauscher wieder getarnt waren und der Marodeur tiefschwarz lackiert worden war, hatten die Piloten selbst bei seiner aufgeheizten Maschine kaum eine Chance ihn zu entdecken. Die über den Tag hinweg aufgebaute und immer noch hohe Umgebungstemperatur des Gesteins ringsum half dabei, seine Infrarotsignatur zu verschleiern, was ein wölfisches Grinsen auf sein Gesicht zauberte.
Er wusste, warum Jack gerade ihn für dieses Manöver ausgesucht hatte. Er besaß Erfahrung in der Guerillakriegsführung und hatte genau solche Missionen früher zusammen mit seinem Bruder gegen die Clans geleitet. Das war sein Terrain.
Die gegnerische Lanze stürmte durch den engen Zugang und faserte dann in dem ausladenden Kessel auseinander. Fast wie im Lehrbuch.
Dabei feuerten Sie aus allen Rohren auf die massive Hitzequelle, die wohl selbst Robert als überhitzten Battlemech identifiziert hätte.
Computergenerierte Laserstrahlen, Autokanonensalven und Raketen schlugen in den rotglühenden Felsbrocken, bevor die Chevaliers ihren Fehler erkennen konnten.
In diesem Moment erhob sich Jack’s Brandschatzer keine dreißig Meter von ihm entfernt auf der anderen Seite der Zugangsschlucht, von wo aus er mit seinen mittelschweren Extremreichweitenlasern die abgeworfenen Granten zur Explosion gebracht hatte.
Auch Robert stieg mit seinem Marodeur aus der Senke und zog das Fadenkreuz über die dünne Rückenpanzerung des veralteten Vollstreckers.
Sobald das Kreuz im goldenen Schein der Zielerfassung leuchtete, presste er die Auslöser der beiden Extremreichweitenpartikelkanonen und beobachtete verzückt, wie die aufgeladenen Partikel ihr Ziel fanden.
Einer der Strahlen sprengte die Panzerung vom rechten Bein des gegnerischen Mechs, fand eine Schwachstelle in der Panzerung und verwandelte den Knieaktivator in glühenden Schrott, während der zweite Treffer durch die rückwärtige Panzerung des rechten Torsos schlug und die dort lagernde Autokanonenmunition zur Explosion brachte.
In einem wabernden Feuerball verging die alternde Kampfmaschine und ließ ihre drei Kameraden völlig überrascht zurück.
Jack’s Feuer war nicht weniger effektiv. Der gegnerische Amboss wurde von den Treffern der Gauskanone wie auch der Rotationsautokanone schwer gebeutelt und stürzte nach einem unbeholfenen Seitwärtsschritt zu Boden. Leider zuckten die Strahlen des schweren Impulslasers harmlos über den torkelnden Gegner hinweg.
Auch schienen die neuen mittelschweren Laser mit sich bewegenden Zielen ein Problem zu haben, denn erneut verbrannten Sie lediglich die Luft über der linken Schulter ihres eigentlichen Ziels.
Zwar war der gegnerische Mech noch nicht außer Gefecht, jedoch sehr wohl schwer angeschlagen.
„Das war einer für mich, Jack. Muss ich nun auch noch anfangen hinter Ihnen aufzuräumen, Herr Sergeant?“
Die Notwendigkeit zur Funkstille bestand nun nicht mehr, weshalb Robert einen Kanal zu seinem Flügelführer geöffnet hatte.
„Ist ja gut, Twilight. Der gehört dir. Gib im den Rest und kümmere dich dann um den Enfield.“
Noch während die unbeschädigten Mechs von Hollers Lanze wendeten um die beiden Angreifer in ein frontales Schussfeld zu bekommen, setzte Robert erneut die beiden PPK’s ein.
Wieder kreischten die Entladungen der schweren Energiekanonen über das Kampfgeschehen und beendeten das Leiden des Amboss mit chirurgischer Präzision, indem sie dessen zentrale interne Struktur durch die geschlagenen Breschen im Rücken verwüsteten.
Das Antwortfeuer der beiden Chevaliersmechs war wütend, aber eher ungezielt.
Der Feuerfalke konnte einen Treffer mit einem seiner schweren Extremreichweitenlaser an Jacks rechtem Torso anbringen, während der Enfield Robert mit Schrotmunition aus seiner Autokanone und Lichtlitzen aus dem schweren Impulslaser beglückte.
Alles in Allem ging die Runde jedoch nach Punkten klar an die Piraten- und Kriegsverbrecherfraktion.
„Twilight von Grave. Dritte Lanze rückt an. Wir gehen nach Plan vor. Melde dich bei Problemen.“
Damit feuerte der Brandschatzer noch eine Breitseite auf den sich unter den Einschlägen schüttelnden Feuerfalken und zündete dann die Sprungdüsen um in Richtung des Hohlweges zu verschwinden.
„Verstanden, Boss. Viel Erfolg.“
Robert bewegte seinen Marodeur auf dem Kesselrand entlang um den beiden verbliebenen Gegnern kein stehendes Ziel zu bieten und feuerte dann seine beiden mittelschweren Impulslaser in Kombination mit Ihrem großen Bruder ab.
Der Enfield Pilot jedoch schien etwas von seinem Fach zu verstehen und konnte seine dicke Frontpanzerung in den Treffer schwenken, bevor wesentlich geringer geschützte Teile Schaden nehmen konnten.
Fluchend setzte auch Robert seine Sprungdüsen ein und brachte sich mit einem eleganten Hopser aus der Schussbahn der schweren Laser des Feuerfalken.
Mit einem kurzen Schütteln des Kopfes vertrieb er die Schweißperlen von seiner Stirn. Die heiße Phase des Manövers hatte begonnen.

Jack setzte den Brandschatzer am Anfang des Hohlweges auf und begann dann, hektisch auf einer Tastatur herumzutippen.
Aufgeheizte Battlemechs wie seine Maschine konnten bereits aus großer Entfernung entdeckt werden, aber bei Dunkelheit und Mechs der eigenen Seite im gleichen Gebiet blieb Kriegern nur eine einzige Möglichkeit, ein Ziel zu identifizieren.
Der IFF-Sender eines jeden Mechs, gab Computern in Sichtweite bereitwillig Auskunft über die jeweilige Seite, zu der man gehörte.
Dumm nur, dass man solche Geräte auch umprogrammieren konnte. Zwar war diese Vorgehensweise strengstens verboten und man verstieß damit sogar gegen einige Konventionen, Piraten machte dies jedoch nur selten etwas aus.
„Welche Signatur willst du nehmen?“
Peter beugte sich neugierig nach vorne und studierte Jacks Arbeit.
„Die von Sergeant Tsuno. Die schweren Jungs haben den Hohlweg weiter oben betreten und können die Reste der Scoutlanze nicht gesehen haben. Ich hoffe jetzt einfach mal, dass Sie nicht wissen, dass es ein Totalausfall ist. Aber auch wenn Sie es wissen, dürfte mir die gefälschte Signatur für mindestens ein oder zwei Schüsse Zeit geben.“
In diesem Moment sprang die Anzeige des IFF-Senders auf grün und auch die Ortung zeigte die vier anrückenden Battlemechs. Die schweren Brocken hatten sich massiv aufgeheizt auf ihrem schnellen Aufstieg und donnerten nun den Hohlweg hinauf auf seine Position zu.
„Na die haben es aber eilig. Du wist übrigens angerufen. Der Kanal ist verschlüsselt, aber sie meinen in jedem Fall dich. Oder Sergeant Tsuno, je nachdem, wie man es sieht.“
Wölfisch grinsend aktivierte Jack seine Waffensysteme.
„Na dann wollen wir Ihnen doch die Antwort nicht schuldig bleiben.“
Die Formation der schweren Battlemechs wurde von einem Donnerkeil angeführt. Definitiv die Maschine von second Lieutenant Mehmet Arkabi.
Jack brachte das pulsierende Fadenkreuz seiner Zielerfassung über den breiten Torso des Battlemechs und presste dann fröhlich pfeifend den Auslöser des Gaussgeschützes.
Das silbrige Projektil überbrückte die beträchtliche Entfernung zu dem Donnerkeil in nur Bruchteilen von Sekunden und schlug in den Torso, knapp unterhalb des Cockpits ein.
Sofort versuchten sich die einzelnen Lanzemitglieder zu verteilen, was jedoch in dem schmalen Hohlweg so gut wie unmöglich war.
Die Verwirrung war perfekt. Der Pilot der Ballista versuchte verzweifelt, zu dem weit entfernten Gegner aufzuschließen um seine Mittel- und Kurzstreckenbewaffnung zum Tragen bringen zu können, verhinderte damit jedoch, dass der hinter ihm festsitzende Cestus sein eigenes Gaussgeschütz einsetzen konnte, ohne seinen Kameraden zu gefährden. Jack bemerkte, dass Arkabis Lanze im Gegensatz zu Hollers Leuten zwar weniger überrascht wirkte, jedoch auch wesentlich unkoordinierter vorging. Captain Matthew Brenntein hatte seinen Schützlingen wohl bereits einige der fiesen Tricks vermittelt, aber die Zusammenarbeit ließ dennoch zu wünschen übrig.
Der zweite Donnerkeil hatte die Situation offensichtlich noch nicht ganz erfasst oder war ganz einfach unschlüssig, ob er die an sich freundliche Signatur unter Feuer nehmen sollte.
Einzig der erfahrene Lanzenführer entließ eine Salve aus fünfzehn Langstreckenraketen aus seiner Lafette, von denen jedoch fast die Hälfte ein Opfer des Raketenabwehrsystems des Brandschatzers wurde.
Lediglich fünf der leichten Gefechtsköpfe detonierten auf seiner rechten Armpanzerung, was Jack nur ein müdes Lächeln abrang.
Im Gegenzug setze er erneut seine Gauskanone ein, verschätzte sich diesmal jedoch um einige Grad und fing bereits mit dem Fluchen an, kurz nachdem er den Auslöser gedrückt hatte.
Dass mehrere Kilo schwere Massivgeschoss streifte lediglich die rechte Schulter des Führungsmechs, und verschwand dann trudelnd in der Dunkelheit.
„Grave von Twilight. Ich habe den Feuerfalken ausgeschaltet, musste aber selbst einige Treffer einstecken. Der Enfield ist angeschlagen, gibt mir aber böses Kontra. Ich könnte ihn erledigen, aber ob ich dann noch fluchtfähig bin, steht in den Sternen. Befehle?“
Jack’s Gehirn analysierte die Situation schneller als der hochentwickelte Gefechtscomputer.
„Ich glaube, die haben Ihre Lektion gelernt, Jack. Wenn du jetzt weiterkämpfst gewinnst du dabei nichts. Sobald die schweren Brocken heran sind, zerpflücken sie deine Maschine und selbst wenn Robert seinen Gegner erledigen kann, wir er dir danach keine großartige Hilfe mehr sein können. Es wird Zeit, einer der ältesten Piratentugenden zu folgen.“
Grimmig nickte Jack.
„Schnell weglaufen!“
Er aktivierte den Funk mit einem kurzen Anspannen seiner Kiefermuskeln, während er das Fadenkreuz seiner Zielerfassung über die anstürmende Ballista zog.
„Twilight von Grave. Vom Gegner lösen und absetzen. Treffpunkt Gama 9.“
Damit presste er den Auslöser des Gaussgeschützes ein letztes Mal durch und zog den Brandschatzer dann in die Deckung einer Abzweigung des Felslabyrinthes zurück, während das sich entwickelnde Antwortfeuer von Arkabis Lanze zielgenau über seine ehemalige Position tobte.
Dass die Gausskugel den linken Arm seines Gegners fast abtrennte und dabei den Mittelstreckenraketenwerfer zerstörte, bekam er nicht mehr mit.
Er trieb seinen Battlemech mit Höchstgeschwindigkeit durch die engen Schluchten auf seinen Treffpunkt mit Robert zu.
„Homebase von Grave. Auftrag ausgeführt. Gegner hat schwere Verluste erlitten. Eigenes Material voll einsatzfähig. Erbitten weitere Anweisungen.“
Gespannt lauschte er dem Rauschen der Funkverbindung bis eine junge Stimme ihm antwortete.
„Grave von Homebase. Manöver beendet. Sie haben gewonnen. Einsatzparameter zu vierundsiebzig Prozent erfüllt. Rückmarsch zur Basis antreten. Schließen Sie sich Fireball an. Und ich soll einen herzlichen Glückwunsch von Knave ausrichten Sergeant Ryan-Jones. Er ist sich sicher, dass jetzt mehr Chevaliers Ihren freiwilligen Unterricht besuchen werden.“
Bei den Worten des Techs fiel die gesamte Anspannung der Gefechtssimulation mit einem Mal von Jack ab und er lachte fröhlich auf.
„Homebase von Grave. Danke an Knave. Er möchte bitte einen Aushang machen lassen. Schulungsbeginn ist direkt nach dem Duschen und Uniformwechsel. Sonst müffelt mein Klassenraum so. Und es ist mir verdammt egal, wie spät es ist. Ich habe drei Tage lang auf meine Schüler gewartet. Jetzt bestimme ich die Zeit.“
Wieder ein Rauschen, doch dann ertönte die ebenfalls fröhlich klingende Stimme von Colonel Danton über die Frequenz.
„Grave von Knave. Wird gemacht, Jack. Ich lasse von unserem Chefkoch einige Schnittchen in den Schulungsraum bringen, damit meine Jungs und Mädels nicht vom Fleisch fallen. Und ich bin mir sicher, dass Sie jetzt genügend Zuhörer bekommen werden. Die Zentrale ist überfüllt mit dienstfreien Chevaliers und Milizionären, die es nicht fassen können, was Sie da eben mit Twilight zusammen fertiggebracht haben. Wir sehen uns in der Kaserne. Knave Ende.“
Gemächlich stapfte der Brandschatzer um eine Kurve und stand plötzlich vor dem dampfenden, nachtschwarzen Marodeur von Robert Steinberger.
„Hab ich da gerade was von Schnitten gehört, Jack?“
Der gutgelaunte Tonfall des Lyraners brachte Jack zum schmunzeln.
„Schnittchen, Robert, Schnittchen. Was zum essen, nicht zum vögeln. Aber da ich einen Bärenhunger habe, passt mir das ganz gut in den Kram. Übrigens eine sehr gute Leistung, Corporal. Ich bin verdammt stolz auf Sie.“
Einen Moment war es still in der Leitung, dann brach Robert in schallendes Gelächter aus, was bei Jack ein Stirnrunzel auslöste.
„Was zum Teufel ist denn jetzt los, Robert? Hast du einen Hitzeschlag?“
Das prustende Gelächter verklang erst nach wenigen Minuten, bevor der angesprochene hechelnd antwortete.
„Dienstvorschriften innerhalb des lyranischen Militärs, Jack. Ein Leitfaden für den angehenden Offizier, wahrscheinlich die Ausgabe VII aus dem Jahr 3057 von General a.D. Gunther. Jetzt wird mir einiges klar. Jesse hat dir das Buch geliehen, oder? Ganz ehrlich, Sergeant, an dem Lob für Untergebene müssen Sie wirklich noch ein wenig feilen.“
Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, schwenkte Jack den Brandschatzer in Richtung des Sammelpunktes. In den Kopfhörern hörte er noch immer das Lachen von Robert Steinberger und hinter sich auf dem Notsitz bog sich Peter vor Lachen.
Schmollend deaktivierte Jack das Funkgerät.
„Na wenigstens findet ihr beide das lustig. Sehr komisch. Da versucht man sich anzupassen und wird dafür dann auch noch ausgelacht. Ganz große Nummer, wirklich, ich bin begeistert.“


Kaserne der Miliz
Schulungsgebäude
Wayside V

Gutgelaunt marschierte Jack über den langen Gang des Schulungsgebäudes, wobei sein leises Pfeifen unter dem gleichmäßigen Klacken der Metallbeschläge seiner Stiefel unterging.
Der gemächliche Rückmarsch nach Parkensen City war für Ihn eine Zeit für Reflektionen und Gedankengänge gewesen, an denen sich Peter rege beteiligt hatte.
Er war mit seinem besten Freund, der immer noch in seiner Mechkriegermontur hinter ihm herschlenderte, zu der Erkenntnis gelangt, dass er hier und jetzt an einem Scheideweg in seinem Leben stand.
Selbst unter der Gruppendusche des Unteroffiziersgebäudes hatte Peter eifrig auf ihn eingeredet, wobei er sich hier mit Antworten zurück gehalten hatte. Die vernichtenden Blicke der Kompaniemitglieder hatte er nicht auch noch mit Selbstgesprächen anfachen wollen.
In einer perfekt sitzenden Tarnuniform der Chevaliers mit Säbelgehänge und Aufnäher der Lusan Banditen ausgestattet bog er um die Ecke des Ganges und lief fast in Betty Zapototznie und Danielle Vascot, was seiner Laune einen direkten Dämpfer verpasste.
„Jack, bitte, wir wollen nur kurz mit dir sprechen. Wir wollen nur, dass du verstehst…“
Über die linke Schulter der sprechenden Danielle hinweg beobachtete er, wie Peter hinter den beiden Frauen zum stehen kam, sich zu ihnen umdrehte und dann… ja, es war wirklich schwer zu sagen, was sein Freund tat.
Breitbeinig stand Peter auf dem Gang, die rechte Hand zu einer Faust geballt nach vorne gereckt, als würde er etwas festhalten, das Becken wie ein Lambadatänzer kreisend und die Augen in gespielter Verzückung verdreht. Seine linke Hand war hoch über den Kopf erhoben und schien ein doppelt imaginäres Lasso zu schwingen, wobei der gellende Rebel Yell über den Gang brandete.
„Der alte Jack, wir wolln den alten Jack, wir wolln, wir wolln den alten Jack!“
Der Sprechgesang, den Peter intonierte, ließ Jack bellend auflachen, bevor er Danielle bei den Schultern packte, zu sich zog, das Bein hinter Ihren Füßen platzierte und die völlig überraschte Frau nach hinten in seinen starken Griff kippte.
Der äußerst intensive Kuss, den er ihr auf die Lippen presste, wurde zwar nicht erwidert, aber dass hatte er auch gar nicht erwartet.
Als er die entsetzte Mechpilotin wieder in einen sicheren Stand zog, blickten die beiden Frauen ihn mit weit aufgerissenen Augen an, als wäre er ein Geist.
„Jack, ich…“
Danielle wischte sich mit dem Uniformärmel über den Mund um überschüssigen Speichel zu entfernen, wurde jedoch von einem grinsenden Jack unterbrochen, der sich seitlich abwendete und den Beiden die geöffnete Handfläche der linken Hand in Augenhöhe entgegenstreckte.
„Sprecht mit der Hand, denn das Gesicht hört euch nicht zu!“
Damit führte der ehemalige Pirat seinen Weg zu dem Schulungsraum fort, zwei vollständig verwirrte Husarinnen sowie einen in einem schallenden Gelächter gefangenen Peter hinterlassend.
Nach wenigen Metern bog er erneut um eine Ecke und stand vor der schlichten Tür seines zugeteilten Schulungsraumes, vor der Jesse Stonefield und Robert Steinberger herumlungerten.
„Hallo, Jungs, und wie sieht es aus? Haben sich zwei oder drei eingefunden?“
Seine herausragende Stimmung schien sich auch in Roberts Augen wiederzuspiegeln, während Jesse ein stolzes Lächeln aufsetzte.
„Freut mich, dass du das Buch gelesen hast. Was deine Schulung angeht, Sarge, das solltest du dir selbst ansehen!“
Damit öffnete der Lyraner die Tür und nahm Haltung an, während Robert zackig salutierte.
Jack zuckte zusammen, als er den völlig überfüllten Raum betrat und die Stimme von Miranda Clark aufbrüllte.
„Achtung! Ausbilder betritt den Raum.“
Mindestens vierzig Männer und Frauen der Chevaliers sowie Miliz und Eagels sprangen von ihren Stühlen, den Heizkörpern an der langen Fensterfront, auf der Sie es sich bequem gemacht hatten oder rissen sich von einer stehenden Position in ein Stillgestanden, die Augen auf Jack gerichtet, die rechte Hand zum Salut erhoben.
Völlig irritiert erwiderte er den militärischen Gruß, woraufhin Miranda erneut das Kommando übernahm.
„Rühren, setzen. Sergeant Ryan-Jones, ich melde siebenundvierzig Schulungsteilnehmer verschiedener Truppen und Waffengattungen anwesend. Die Teilnehmerliste liegt auf ihrem Pult bereit zur Einsicht.“
Mit einem Zwinkern lehnte sich die Infanteriesergeantin wieder an die Wand und spielte ihm damit den Ball zu.
Seine Blicke schweiften über die Menschenmenge. Beantwortet wurden sie mit den unterschiedlichsten Gefühlsregungen. Angefangen von freundlichem Nicken aus Chappis Richtung über wütendes Niederstarren von Toni Holler bis hin zu der erwartungsvollen Haltung von Miko Tsuno.
Abwesend widmete er seinen Blick auf seine neue Armbanduhr und bemerkte, dass es bereits kurz nach Mitternacht war, während er seinen Weg zum Pult einschlug.
„Danke Sergeant Clark. Guten Morgen, meine Damen und Herren. Es ist mir eine außerordentliche Freude, dass Sie sich alle zu so später… oder soll ich besser früher Stunde sagen, hier eingefunden haben. Der Inhalt dieser ersten Unterrichtseinheit wird sich mit ungewöhnlichen Taktiken befassen, meinem Spezialgebiet.“
Voller Elan warf Jack einige Unterlagen auf das Pult, als er von dem Ausbruch Toni Hollers überrascht wurde.
„Ungewöhnliche Taktiken? Du verdammter Pirat hast uns hereingelegt. Das ist das einzige, was ihr könnt. Betrügen! In einem fairen Kampf hätte die Kompanie eure beiden Maschinen in der Luft zerrissen!“
Der second Lieutenant war aufgesprungen und offensichtlich so aufgebracht, dass kleine Speicheltropfen seinen Mund beim Sprechen verließen.
Seufzend sackten Jacks Schultern herab, bevor er sich umdrehte und dem jungen Mechkrieger in die Augen blickte.
„Ich habe nicht betrogen, Second Lieutenant Holler. Ich habe mich nicht legale Taktiken bedient um mir Vorteile zu verschaffen, mit denen ich ein gewisses Chancengleichgewicht zwischen unseren Seiten herstellen konnte. Das ist etwas anderes als betrügen!“
Jack steckte völlig unmilitärisch die Hände in die Hosentaschen und trat langsam auf Holler zu, der noch immer vor Wut zu kochen schien.
„Um Ihnen mal eines ganz klar vor Augen zu führen, Second Lieutenant, wir werden unsere nächste Schlacht nicht gegen Frontklasse Sterne der Clans führen, auch nicht gegen Linienregimenter der Inneren Sphäre. Unser Auftrag ist es, eine Pirateneinheit ausfindig zu machen und aufzureiben. Piraten, Holler. Die scheren sich einen Teufel um Konventionen und Verbote. Die haben außer innerhalb der eigenen Gruppe keine Ehrenregeln an die Sie sich halten. Die kämpfen mit allen nur erdenklichen Tricks und ausgesuchter Brutalität. Vor allem, wenn man Sie in die Ecke drängt, denn die haben nichts zu verlieren. Genau das habe ich Ihnen versucht klar zu machen als ich Sie in der Kantine ansprach. Aber Sie haben mich ausgelacht, Holler. Ausgelacht. Vielleicht sehen Sie jetzt ein, dass meine Schulung nicht ganz so hirnrissig ist. Jetzt, wo ich Ihnen mit zwei eigenen Battlemechs eine halbe Kompanie zusammengeschossen habe ohne dass sie mir schwerwiegende Schäden zufügen konnten. Ich will hier nicht über Ihren Plan referieren. Dafür gibt es bei den Chevaliers genügend Experten, die Ihnen die taktischen Fehler vor Augen führen können. Aber Ihre bunt gemischte Einheit ist auf jeden meiner Tricks hereingefallen, Holler. Auf jeden einzelnen. Und das sind Dinge, die ich Ihnen deutlich machen kann, damit Ihre Jungs und Mädels vielleicht eine Chance gegen die Piraten haben. Sie übernehmen das Kommando über die Kompanie, wenn Captain Fokker ausfallen sollte, wovor Gott uns alle behüten möge. Sie, Holler. Das bringt eine beachtliche Verantwortung mit sich. Sie können nun also Ihren Block einpacken und schmollend den Raum verlassen, wozu ich Sie auch auffordern werde, wenn Sie gedenken meinen Unterricht noch einmal zu stören, oder aber Sie setzen sich auf Ihre vier Buchstaben und hören sich an, was ich zu sagen habe. Wie ist Ihre Entscheidung, Soldat?“
Das Blickduell zwischen den beiden Männern wurde von den restlichen Anwesenden gespannt beobachtet, bevor Holler sich geschlagen gab und zähneknirschend auf seinen Stuhl sank.
„Sehr schön, Second Lieutenant Holler. Ich begrüße Ihre Entscheidung und die Männer und Frauen unter Ihrem Kommando werden den Sprung über Ihren eigenen Schatten zu schätzen wissen.“
Damit drehte sich der ehemalige Pirat wieder zu dem Pult um und ließ sich auf der Kante des Möbelstückes mit verschränkten Armen nieder.
„Um das noch mal zu erwähnen. Ich bin nicht hier um Ihnen neue Schliche beizubringen, den Gegner zu vernichten. Die Taktiken, die wir hier besprechen sind hochgradig illegal und teilweise sogar geächtet. Wenn Sie so was im Dienst bei den Chevaliers anwenden, wird Colonel Danton Ihnen die Eier abreissen und zu fressen geben. WIR sind professionelle Söldner mit einem guten Ruf und haben es nicht nötig auf solche Hilfsmittel zurück zu greifen. Ich will Sie nur darauf vorbereiten, was der Gegner so alles tun kann, damit Sie darauf vorbereitet sind.“
Zustimmendes Nicken gab Ihm das Gefühl, auf dem richtigen Weg zu sein. Verdammt, diese Uniform und sein hochtrabendes Geschwafel schien bei diesem Menschenschlag wirklich anzukommen. Verrückt!
„Na dann, gibt es im Vorfeld irgendwelche Fragen? Und ja, Chappi, es tut mir leid, dass ich dich so hinterhältig aus dem Gefecht geschossen habe. Aber den groben Clanknüppel deines Vollstreckers konnte ich einfach so gar nicht gebrauchen. Außerdem bist du einer der erfahrensten Piloten. Du hättest den Second Lieutenant warnen können, was mir auch äußerst ungelegen gekommen wäre. Also pack deinen Groll wieder ein und das Schreibzeug aus. Vielleicht kann ich auch dir noch ein paar Gemeinheiten aus meiner Trickkiste zeigen.“
Das verhaltene Gelächter war für Jack eine Basis, auf die er aufbauen konnte.

Jara Fokker zog noch einmal Ihre Uniform zurecht und wischte sich die Müdigkeit mit einem energischen Atemzug aus dem Gesicht.
Für den Zeitpunkt des Manövers hätte Sie Jack umbringen können. Ihr Teil der zusammen gewürfelten Truppe würde heute völlig übermüdet zum Dienstantritt erscheinen und diesen Zustand wahrscheinlich den gesamten Tag mit sich herumschleppen.
Sie musste dem ehemaligen Piraten jedoch zugestehen, dass die Demonstration der schmutzigen Tricks durchaus beeindruckend gewesen war. Natürlich hatte er fast alle Vorteile auf seiner Seite gehabt. Die Wahl des Geländes, des Zeitpunktes, einen Guerillaexperten auf seiner Seite und natürlich einen überschweren Battlemech, was die zahlenmäßige Überlegenheit Hollers Truppe schon extrem relativierte.
Und trotzdem, er hatte es geschafft fast zwei komplette Lanzen kampfunfähig zu machen, ohne dabei zu schwere Schäden einstecken zu müssen.
Und genau das war der Grund, aus dem Sie sich nach der kurzen Besprechung des Manövers mit Danton und Matthew auf den Weg zu dem Schulungsraum gemacht hatte.
Die meisten Überraschungen des Kampfflügels der ersten Kompanie waren selbst Ihr als erfahrener Offizierin verschlossen geblieben.
Voller Elan öffnete Sie die Tür und betrat den überfüllten Schulungsraum, in dem Jack, zu Ihrer völligen Überraschung in eine vollständige Felduniform der Chevaliers gekleidet, über die Überschwemmung einer Gefechtslinie mit leichten bis mittelschweren Mechs philosophierte.
Als er sie erblickte, riss der ehemalige Pirat seinen Körper zu einem vorbildlichen Stillgestanden und seine rechte Hand an die Stirn.
„Klasse, Achtung! Offizier betritt den Raum.“
Noch während alle Anwesenden von Ihren Sitzplätzen sprangen und seinem Blick folgten, winkte Sie mit einer schnellen Handbewegung ab.
„Weitermachen, Sergeant. Ignorieren Sie mich einfach.“
Damit ließ Sie sich auf einen plötzlich freiwerdenden Stuhl fallen, dem aufgesprungenen Infanteriesoldaten ein freundliches Nicken widmend.
„Ähm.. Danke, Captain. Nun gut, wo waren wir gerade… ach ja. Um der Feuerkonzentration einer geschlossenen Gefechtslinie zu entgehen, werden Piratentruppen in den allermeisten Fällen einen Sturmangriff durchführen, der Ihre mittelschweren und leichten Einheiten in die gegnerische Formation bringt. Dort können Sie Unruhe stiften, den regulären Kräften in den Rücken fallen und den Nahkampf suchen, während beträchtlich schwerere Einheiten Ihr Feuer nur gezielt einsetzen können um dieser Bedrohung zu begegnen, da Sie fürchten müssen, eigene Einheitsteile zu treffen.“
Beeindruckt von Jack’s plötzlicher Redegewandtheit folgte Jara Foker dessen Gedankengängen und musste bereits nach wenigen Minuten eingestehen, dass der Pirat ihr zumindest auf dem Gebiet der unkonventionellen Kriegsführung bei weitem überlegen war.
Seine Ausführungen konnte er mit realen Beispielen belegen und mit einer sehr bildhaften Sprache verdeutlichen, wobei er auch einfache Zeichnungen an der Tafel vollführte um weitere Details aufzeigen zu können.
Immer wieder gab er kleine Geheimnisse aus seinem wohl gewaltigen Erfahrungsschatz zum Besten, angefangen bei technischen Spielereien wieder der Umprogrammierung von IFF-Signaturen bis hin zu taktischen Erwägungen wie der, Battlemechs wenn immer möglich aus erhöhter Position und von hinten zu attackieren um schwach gepanzerte Sektionen treffen zu können oder gleich den Piloten auszuschalten.
Zu Ihrer großen Überraschung nahmen die Zuhörer das Material interessiert auf, machten sich Notizen und stellten themenbezogene Zwischenfragen, denen sich Jack gerne widmete.
Als sich die Stunde dem Ende neigte, war Jara zu dem Schluss gekommen, dass es wohl eine wirklich gute Idee war, auch dem Offizierscorps der Chevaliers eine solche Schulung zukommen zu lassen.
„So, meine Damen und Herren. Damit soll es für heute genug sein. Ich hoffe, dass die Stunde für Sie keine verschwendete Zeit darstellt und dass Sie meine Ratschläge beherzigen. Wenn Sie möchten, werden wir uns am Freitagabend wiedersehen. Dann behandeln wir Thematiken wie Hinterhalte und deren Konsequenzen noch eingehender. Das ganze anhand von Fallbeispielen aus der Geschichte von Morrisons Extractors und Ables Aces. Der Unterricht ist damit beendet und ich wünsche Ihnen allen noch eine angenehme wenn auch recht kurze Nachtruhe.“
Jack hatte seine Hände wieder in den Hosentaschen verschwinden lassen und wartete offensichtlich darauf, dass seine Zuhörer sich auf den Weg machten, als eine weibliche Stimme aus den hinteren Reihen erklang.
„Sergeant Ryan-Jones, Corporal Izuki. Wenn Sie erlauben, habe ich noch eine Frage.”
Lächelnd wand sich der ehemalige Pirat der jungen Drakonierin zu, die aufgestanden war um auf sich aufmerksam zu machen.
„Natürlich, Corporal. Wie lautet Ihre Frage?“
„Sergeant, Sie haben uns unglaublich viele Tipps gegeben, Unmengen an Material, dass aber wahrscheinlich nur gegen Einheiten bis Kompaniegröße genutzt werden kann. Die Chevaliers sind mit den zusätzlichen Einheiten der Husaren aber ein verstärktes Regiment. Glauben Sie wirklich, dass Piraten mit Ihren unlauteren Methoden auch nur die geringste Chance gegen einen solchen Militärapart haben?“
Die Worte der jungen Kriegerin schienen Jack hart zu treffen und es dauerte einige Sekunden, bis er auf die Frage antwortete.
„Das ist eine wirklich gute Frage, Corporal Izuki. Ich könnte Sie jetzt mit Fallbeispielen abfertigen, oder mit einem einfach Ja antworten, aber ich denke ich bin Ihnen allen mehr schuldig. Corporal Steinberger, wenn Sie bitte das Licht ausmachen würden. Ich habe vor, den Holoprojektor zu nutzen.“
Während Yoko Izuki wieder Platz nahm und Robert Steinberger den Lichtschalter betätigte um den Raum in ein diffuses Halbdunkel zu tauchen, griff Jack mit beiden Händen zu seiner Augenklappe und schien mit einer Hand etwas daraus hervor zu ziehen, während die andere das Accessoire an Platz und Stelle hielt. Dann drehte er sich mit einem grimmigen Gesichtsausdruck zu dem Computer des Schulungsraumes um und fing an die Tastatur zu bearbeiten.
Jeder einzelne Schulungsteilnehmer schien sich zu fragen, was der ehemalige Pirat vor hatte, als das scharfe Bild einer Battlemechrundumsicht mitten im Raum auftauchte.
„Das, meine Damen und Herren, ist eine originale Aufzeichnung eines Gefechtsverlaufes. Die verteidigende Einheit besitzt Bataillonsstärke. Eine gemischte Kompanie Battlemechs, eine Kompanie eher schwerer Panzer und eine weitere Kompanie erfahrener Infanterie. Nachdem die Einheit auf einem Clanplaneten gelandet war und den verteidigenden Solahmastern aufreiben konnte, schaltete sich eine weitere Claneinheit in den Kampf ein. Diese war wesentlich besser ausgestattet als der vorhergehende Gegner. Drei komplette Frontklassesterne, von denen jedoch nur zwei aktiv in den Kampf eingriffen, sowie ein weiterer Stern second Line Maschinen, der jedoch ebenfalls nicht aktiv wurde. Neuartige Protomechs, Luft-Raumjäger, Elementare und Infanterie. Das volle Programm. Aber auch schon die Hälfte davon hat völlig ausgereicht um der verteidigenden Einheit ein blutiges Ende zu bescheren. Das könnte unser kommender Gegner sein. Also geben Sie acht.“
Damit aktivierte Jack das Hologramm und aus den Lautsprechern des Schulungsraumes drangen die kratzenden Stimmen seiner einstigen Gefolgsleute.

„Grave von Isis. Jack, die Bastarde reissen uns in Stücke. Scoutlanze zu fünfzig Prozent ausgefallen. Wir können die Stellung nicht halten. Diese Elementare schlachten die Infanterie ab und unsere Panzer werden nach und nach aufgeraucht. Was sollen wir tun? Jack, um Himmels willen, sag doch endlich, was wir tun sollen.“
Auf dem Hologramm erschien die Skyline einer Stadt, aus der dunkle Rauchwolken in den bedeckten Himmel aufstiegen. Brennende Gebäude waren auszumachen und auf der weiten Ebene vor der Stadt tobte ein blutiges Gefecht.
„Isis von Grave. Nicht zurückziehen. Das hat die Kampflanze fast vernichtet. Die stürmen in eure Reihen und verwickeln euch in Nahkämpfe. Das halten unsere Maschinen gegen die aufgepeppten Clanwannen nicht durch. Formiert euch mit den Panzern und der Infanterie neu um das Kapitol herum. Kampflanze hält Stellung am Krankenhaus. Die Befehlslanze hält den Rest der Missgeburten außerhalb der Stadt bis unsere Fluchtgelegenheit eintrifft.“
Die Stimme des Anführers der verteidigenden Einheit hatte fast nichts mehr mit dem rauchigen, tiefen Bass gemein, den Sergeant Jack Ryan-Jones mittlerweile auszeichnete.
„Grave von Zulu. Wir bekommen Schwierigkeiten. Diese völlig Wahnsinnigen brechen durch. Eine Turkina ist gerade durch die Fassade des städtischen Krankenhauses gebrochen. Die reissen die gesamte Stadt nieder. So rücksichtslos sind nicht mal unsere Leute. Kampflanze kann nicht standhalten. Die sind einfach überall. Jack, wir müssen…“
Die Funkverbindung wurde von einem statischen Rauschen verzerrt, durch das man ein unmenschliches Schreien hören konnte. Dann brach Sie zusammen.
„Zulu von Grave. Zulu, kommen. Harry, melde dich. Was ist los, Harry, verdammt, melde dich!“
Noch während die Stimme des jüngeren Jack Ryan-Jones verzweifelt durch die Lautsprecher klang, zeigte die Holovidaufzeichnung zwei mit hoher Geschwindigkeit aufschließende Schwebepanzer auf seine Position zukommen.
Der Computer des Battlemechs identifizierte die Fahrzeuge nur Sekunden bevor deren Salven einschlugen als Epona Jagdpanzer.
Das kurzfristige Flackern des Bildes zeugte von schweren Einschlägen und eine aufheulende Sirene unterstrich dies noch.
„Black von Grave. Halte mir diese verfluchten Panzer vom Leib. Hugh, du und Knife löst euch aus der Formation und stoßt zur Scoutlanze ins Stadtzentrum vor.“
Damit erschien ein golden pulsierendes Fadenkreuz in der Projektion und wanderte schnell über einen entfernt stehenden Blutmilan, bevor zwei kreischende Partikelblitze das Bild wenige Sekundenbruchteile erhellten und kurz darauf in die massige Gestalt des Clanbattlemechs einschlugen.
„Negativ, Jack, negativ. Die haben unsere Panzer und die Infanterie einfach überrannt. Hörst du? Negativ! Das Kapitol ist verloren. Pepp und ich sind mit Höchstgeschwindigkeit auf dem Weg zu euch und wir ziehen einen ganzen verdammten Stern hinter uns her.“
„Grave von Slap. Wir müssen ebenfalls zurückweichen. Mein Bolt ist nur noch Schrott und Keenes Hammer bricht gleich zusammen. Zulu ist gerade von einem Elementar durch das Cockpitfenster gezogen worden und mit Rean haben wir schon seit Minuten keinen Kontakt mehr. Lass dir was einfallen Boss, in einer Minute erreichen wir die Stadtgrenze und bringen eine ganze Menge Besuch mit.“
Die Blickrichtung des Battlemechs schwenkte herum, als der Pilot die brennende Stadt wieder in sein Sichtfeld brachte.
„Also gut, Black, halt uns den Rücken frei! Hugh und Knife, ihr nehmt alles unter Feuer was nach der Kampflanze aus der Stadt kommt. Ich mache dasselbe bei den Scouts. Keine Zurückhaltung mehr. Wenn diese Bastarde ihre eigene Stadt einreissen, dann nehmen wir auch keine Rücksicht mehr. Aus allen Rohren, Jungs und Mädels. Aus allen Rohren.“
Damit setzte sich die Kampfmaschine in Bewegung und hatte bereits nach mehreren Schritten Höchstgeschwindigkeit erreicht.
Erst kurz vor einer Straßeneinmündung brachte der Pilot die Maschine zum stehen und visierte diese an, als ein böse zugerichteter Heuschreck sowie ein brennender Jackrabbit an ihm vorbeisprinteten.
„Vorsicht, Grave, tief zwölf. Ein ganzes Rudel Elementare.“
„Gesehen, Isis, gesehen.“
Ein weiterer Warnton übertönte die Stimme von Jack Ryan-Jones als ein Feuerwerk an Waffenfeuer die Straße überflutete. Mehrere Salven Autokanonengranaten überzogen die Straße und die sich darauf befindenden Elementare mit Tod und Vernichtung, während zwei azurblaue PPK-Blitze sowie grelle Laserstrahlen die Szenerie erhellten.
Als die Waffen verstummten, war die gesamte Straße in einen dichten Rauch und Staubvorhang gehüllt und die Maschine des Piraten auf dem Rückmarsch.
„Jack, Black spricht. Mach dich da sofort aus dem Staub. Hugh und Knife hat es erwischt. Die Claner haben die IFF Signaturen der Kampflanze benutzt und sind mit donnernden Geschützen aus der Stadt gestürmt. Von Slap und Keene ist nichts zu sehen. Ich sehe hier nur noch Gegner. Wir müssen sofort verschwinden.“
Wieder flackerte das Bild, als sich der Battlemech auf seinen Sprungdüsen erhob und sich rasant von der Straßeneinmündung entfernte.
„Wie meinst du das? Die können Hugh und Knife doch nicht in wenigen Sekunden über den Haufen geschossen haben!“
Unglaube schwang in Jacks Stimme als er den Marodeur aufsetzte.
„Glaub es mir. Die beiden sind Geschichte! Ich kann die rauchenden Trümmerhaufen von hier aus sehen. Die sind mausetot, genau wie wir, wenn wir nicht sofort von hier verschwinden.“
Das kehlige Geräusch, das den Funkkanal der Einheit erfüllte, war von jedem der Anwesenden als krampfhaftes Schlucken zu identifizieren.
„Wonderland von Grave. Freddy, die haben meine komplette Einheit auseinander genommen. Bring sofort dein Schiff hierher und hol uns raus!“
Ein Knacken in der Leitung zeugte von dem Wechsel der Frequenz, bevor Jack zu sprechen begann. Auf der Holoprojektion erschien nun wieder der Blutmilan im Sichtfeld und wurde mit den beiden Partikelkanonen unter Feuer genommen, nicht jedoch ohne die Antwort schuldig zu bleiben.
Der überschwere Clanmech überschüttete sein wehrhaftes Opfer mit Langstreckenraketen und Laserfeuer, was mit abermals einsetzendem Rucken der Aufzeichnung belohnt wurde.
„Es tut mir wirklich leid, alter Freund, aber ich glaube, das kann ich wirklich nicht tun. Nimm das nicht persönlich, ich mag dich, aber Geschäft ist nun mal Geschäft. Ich werde nicht eines meiner teuren Landungsschiffe riskieren, nur um die paar Überlebenden deiner Banditen einzusammeln.“
Die mitleidlose Stimme, welche aus den Lautsprechern des Schulungsraumes erklang schien dem jungen Jack die Worte zu rauben. Verständlich, bei der Nachricht, die Sie überbrachte.
„Du fetter Bastard. Bring sofort eines deiner Schiffe hier runter, oder ich schöre ich werde dir das verräterische Herz aus der Brust reissen. Wir verrecken hier! Wir hatten einen Deal, Freddy. Wir hatten einen verdammten Deal. Hol meine Leute hier raus.“
Wieder leuchtete das Fadenkreuz in pulsierendem Gold auf und erneut schlug einer der Partikelblitze zielgenau in den Blutmilan, konnten jedoch erneut nur frische Panzerungsschichten zum Vorschein bringen, während der Marodeur rückwärts stolperte um nicht durch den Aufprall mehrerer dutzend Raketen zu stürzen.
„Ich hab es dir eben schon gesagt, mein Freund. Es ist zu gefährlich für meine Schiffe. Deine eigenen warten am Deltapunkt auf dich. Schlag dich dahin durch. Da ich jedoch irgendwie nicht glaube, dass du das schaffen wirst, sind mir deine Drohungen und auch unser Deal völlig egal. Ich habe was ich wollte. Wonderland, over and out!“
Das Brüllen, das dieser Funkspruch hervorrief war nicht von dieser Welt, schien nicht einmal aus diesem Universum zu stammen, soviel Hass und Wut war in ihm enthalten.
„Banditen, Rückzug zu Punkt Delta. Black, du übernimmst die Gruppe. Ich gebe euch Rückendeckung.“
Nach dem Schrei war die Stimme des Piraten leise, fast nur ein Flüstern, dass in der tobenden Schlacht unterzugehen schien.
„Bist du wahnsinnig? Die reissen dich in Stücke, Jack. Du hast gar keine Chance.“
Erneut erhob sich der Battlemech auf seinen Sprungdüsen in die Luft und raste mit hoher Geschwindigkeit auf einen niedrigen Hügel zu, auf welchem er hart landete.
„Besser mich als uns alle, Black! Bring Nina und Chantal zu den Schiffen und verschwindet von hier. Mein Marodeur ist sowieso am Ende, ich könnte nie mit euch mithalten. Verschwindet jetzt. Es bleibt keine Zeit für Diskussionen. Tu einmal im Leben, was ich dir sage.“
Damit erklang ein weiteres Mal das Geräusch der umgeschalteten Frequenz.
„Na los, ihr kanistergezeugten Bastarde! Ich stehe hier und warte auf euch. Kommt her und holt euch eure Packung. Ich bin Jack Ryan-Jones, Kommandant der Lusan Banditen und fordere jeden einzelnen von euch, ihr ehrloses Pack.“
In dem Frontalsichtfeld der Projektion hatten sich zwei komplette Sterne Battlemechs sowie Panzer und Elementare vor der Kulisse der brennenden Stadt eingefunden, welche geschlossen gegen den Hügel vorgingen.
An Ihrer Spitze marschierte ein majestätischer Höhlenwolf, dem die restlichen Maschinen mit einigem Abstand folgten.
Der Pirat erhielt keine Antwort auf seine Herausforderung, viel mehr schienen sich die Abgründe der Hölle aufzutun, als acht Feindmaschinen gleichzeitig das Feuer eröffneten.
Irgendwann während dem Donner der Einschläge und dem Krachen der Detonationen musste der Marodeur unter dem mörderischen Feuer zusammenbrechen, so dass die Schulungsteilnehmer kurzfristig nur felsigen Boden zu sehen bekamen. Hinzu kam ein schmerzverzerrtes Heulen, als der Krieger offensichtlich schwer verletzt wurde.
Ungläubig beobachteten die anwesenden Chevaliers und Milizionäre wie das Hologramm sich nochmals stabilisierte und erneut das Bild der nahenden Claner auftauchte.
Jack musste den Marodeur wohl auf einer seiner Armmanschetten abstützen und damit den Torso in die Höhe drücken. Ein Kunststück, welches sogar mit einem nicht beschädigten Mech mehr als knifflig war.
„Ist…das…Alles? … Mehr.. habt… ihr…nicht…drauf?“
Nun war der typische Tonfall von Jack Ryan-Jones klar und deutlich zu erkennen. Die Mischung aus Spott, Hass und unbändiger Wut war sogar über die gestörte Funkverbindung für jeden Zuhörer eindeutig.
Trotzig feuerte der Marodeur seine freien Armwaffen ab, aber der Partikelstrahl wie auch die Laserbahn lagen viel zu hoch und verfehlten jedes mögliche Ziel um mehrere Meter.
Es war jedem Anwesenden klar, dass die Sicht des Piraten verletzungsbedingt beeinträchtigt sein musste.
In diesem Moment hatte der Höhlenwolf den gestürzten Marodeur erreicht und eine brutale Frauenstimme erklang durch diverse Störungen der Aufzeichnung.
„Wenn du das überlebst, Freigeburt, dann muss der heilige Kerensky wirklich ein Auge auf dich geworfen haben!“
Mit Entsetzen sahen die Anwesenden, wie der Höhlenwolf seinen Fuß hob und diesen dann auf die Kamera zuschnellen ließ.
Mit einem metallischen Bersten brach die Aufzeichnung ab und der Computer deaktivierte die Projektion.

„Das Gefecht dauerte von Beginn der Sichtung des Gegners bis zu dieser Szene nicht mehr als sechs Minuten. Zweihundertfünfzig Mann Infanterie, zwölf schwere Panzer sowie neun Battlemechs wurden einfach vernichtet. Bis auf die drei entkommenen Mechpiloten und… den Piloten der aufzeichnenden Maschine gab es keine Überlebenden der Kampftruppe. Auf der Gegenseite wurden drei Elementare getötet, es kam zu einigen Schäden an den Battlemechs und Panzerfahrzeugen, aber zu keinen schwerwiegenden Ausfällen.“
Jack Ryan-Jones hatte sich an das Fenster gestellt und blickte in die tiefschwarze Nacht. Seine rechte Hand war in der Hosentasche verschwunden während die Linke krampfhaft den Griff des Säbels umklammerte.
Die Worte waren von Trauer und Wut erfüllt und jeder in dem Raum konnte dies wohl nachvollziehen, denn lediglich betretenes Schweigen antwortete ihm.
„Corporal Izuki, Sie haben mich gefragt, ob ich glaube, dass solche Einheiten wie diese eine reelle Chance gegen die verstärkten Chevaliers haben und ich will Ihnen darauf antworten. Diese Claner haben mit gerade mal der Hälfte Ihres verfügbaren Materials ein kampferfahrenes Bataillon in sechs Minuten weggewischt, haben dabei keine Überlebenden zugelassen und eine Brutalität an den Tag gelegt, die selbst die abgebrühtesten Piraten in Angst und Schrecken versetzte. Ja, Corporal Izuki, ich bin davon überzeugt, dass solche Einheiten die Chevaliers vernichten können. Unsere einzige Chance ist es, dieser Bedrohung gemeinsam zu begegnen. Diesen Bastarden keine Chance zu lassen, uns zu überraschen, Ihnen keine Schwäche zu zeigen. Wenn wir auf eine solche Einheit stoßen, dann rate ich Ihnen mit allem zuzuschlagen was Sie aufbieten können, denn einen zweiten Versuch werden Sie wahrscheinlich nicht bekommen. Der Unterricht ist hiermit beendet. Gute Nacht!“
Noch lange, nachdem sich der Schulungsraum geleert hatte, stand Jack Ryan-Jones an dem Fenster und starrte in die Dunkelheit, die Hand noch immer verkrampft um den Griff seines Säbels geschlungen. Er reagierte weder auf die Fragen von Robert oder Jesse, noch auf die von Captain Jara Fokker.
Er stand einfach nur da und starrte in die Dunkelheit, wobei Tränen sein Gesicht herab liefen.

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Wahnsinn und Genie liegen oft näher beieinander als man denkt.

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Die Tage auf Wayside V gingen so dahin und es gab immer wieder neue Sachen, die einen mit ihrer Dringlichkeit ablenkten. So war es auch nicht überraschend das Chappi mit zwei Techs am Enforcer bastelte, es waren zwar die Gefechtsschäden schon seit langem behoben und die Panzerung wieder auf hundert Prozent, trotzdem schien es das sich die Elektronik von Useless gegen Chappi und die Techs verschworen hatte.

Vor zwei Stunden war Chappi noch auf dem Schießstand als plötzlich die Waffenanzeigen von Grün auf Rot wechselten und trotzdem sich noch ein Gaußschuss löste. Glück im Unglück hatte Chappi noch, da er sich schon in Richtung Schießstand Aufsicht gedreht hatte. Die Gaußkugel schoss rund sechzig Meter am Schießstand vorbei, verursachte aber einen riesen Wutausbruch beim verantwortliche Offizier des Schießstandes.

Jedenfalls war Useless mal wieder in der Wartung. Die Geschütze hatten einen Fehler in den Feuerleitkontrollen gemeldet und sich dann abgeschaltet, trotzdem musste ein Impuls noch durchgekommen sein, was für den Schuss verantwortlich war. Seit nun zwei Stunden waren sie an der Fehlersuche und hatten bereits die Primären- und Sekundären Platinen der Feuerleitkreise ersetzt, die Sicherheitsprotokolle geändert und angepasst. Trotzdem gab der Computer noch immer nicht die Waffen frei, komischer weise war es trotzdem möglich die Waffen einzusetzen, was auf einen Fehler in der Systemsoftware oder den Notschaltkreisen hindeutete. Nachdem man auch noch ein gesamtes Software update der Bordelektronik durchgeführt hatte und alles den Einzelsystemen angepasst hatte, war auch schon wieder ein Tag verstrichen.

In der wenigen Freizeit hatte Chappi sich noch einmal mit Anton getroffen, aber irgendwie schien Anton verändert zu sein. Er war ebenfalls mit dem, sagen wir mal, im Aufbau befindlichen Lynx mehr als ausgelastet. Jedenfalls war der Mech bewegungsfähig und die ersten mittelschweren Impulslaser waren installiert und auch die ersten Computersysteme waren integriert. Anton war froh das es so gut voran ging, aber Chappi war immer noch besorgt.

Und dann gab es noch seine Haruka, ja, seine Blume, sein Elexir des Lebens. Auch wenn sie sich nur Abends sahen und beide meist zu geschafft waren von dem Tagespensum, so hatten sie es doch immer geschafft sich zusammen ein wenig miteinander zu reden und die wichtigsten Sachen zu bereden und einander nahe zu sein. Trotz der Ablehnung des Heiratsantrages war die Beziehung und Liebe der beiden gewachsen. Haruka schien das zu genießen und Rudi fand es ebenfalls sehr angenehm mit seiner Herzdame.

Jedenfalls nachdem ein letzter Check der Elektronik und Waffensysteme erfolgt war erteilte man Rudi am zweiten Tag die Freigabe mit Useless einen letzten Test auf dem Trainingsgelände zu machen. Er kletterte schnell das Gerüst hoch und zwängte sich durch den Einstieg ins Cockpit. Er fuhr die Systeme hoch, meldete sich bei der Controlle und verließ den Hangar in Richtung Schießstand. Auf der Basis an sich war schon viel los, denn der Abflug stand kurz bevor. Vieles wurde bereits in die Landungsschiffe verladen und er war einer der Letzten die ebenfalls am Abend in eines der Landungschiffe einchecken sollte.
Rudi steuerte Useless auf den Startpunkt des Traingsparcours und meldete Bereitschaft. Der Offizier war der selbe vom letzten mal und selbst über Funk spürte man die Nervosität in dessen Stimme als er die Freigabe erteilte. Bei dem Parcour handelte es sich um ein dreiteiliges Manövrier, Schieß und Sprunggelände für Mechs.
Das laufen und das Schießen verlief gut, die Waffen trafen und Useless war sehr agil und folgte den Pilotenanweisungen von Rudi tadellos. Dann begann der Sprungteil des Geländes, während Chappi auf den Graben zustürmte, hitzten die Sprungdüsen auf und mit einem Druck der Pedal sprang Useless elegant auf ihren Feuersäulen dem Ufer entgegen. Es war ein perfekter Sprung in Timing und Ausführung, nur hatte keiner damit gerechnet das mitten im Sprung auf einmal sich eine Laserbreitseite auslöste.
„Hier Controlle an Useless. Was sollte das bitte werden?“
„Ich habe keine Ahnung. Feuerleitkreise sind gesichert, es sollte sich kein Schuss lösen. Verdammt was ist denn nun?“ während des Satzes landet Useless und nachdem Chappi einige Schritte wieder gemacht hatte meldete Useless eine Überhitzung, stoppte den Mech und fuhr ihn runter.

„Verfluchtes Mist Ding, was ist denn nun wieder mit dir los. Wir haben alles überprüft, gereinigt. Deine Software neuinstalliert und alle Flüssigkeiten ausgetauscht. Was machst du mit mir?“ mehr mit sich und seinem Mech beschäftigt hatte Rudi vergessen den Funkkanal zu schliessen.
„Hier Kontrolle. Abbruch der Übung. Schickt ein Bergungsfahrzeug wenn der Mech sich in den nächsten zehn Minuten nicht bewegt.“
„Kein Problem Mech fährt gerade wieder hoch.“ , meldete sich einer der Beobachter.
„Hier Useless, ich breche Übung ab und verlege zurück in die Kaserne. Waffen deaktiviert und gesichter. Sprungdüsen ebenfalls abgeschaltet. Useless ende.“

Dreißig Minuten später kam Rudi voller Zorn das Gerüst runter trat gegen das Mechbein und ging wutschnaubend ins Techbüro, wo er zu seiner Überraschung auf Jules Kress und Doreen Simstein traf. Diese hatte sich die Daten des Trainingsgeländes runtergeladen und überprüfte sie schon, während Jules an einem anderen Terminal nach einem Ersatzteil für seinen Mech suchte.
„Bitte sagen sie mir es war ein kleines Problem und sie wissen die Lösung und ich kann nachher mit Useless einschiffen.“ begann Rudi zu Doreen.
„Das könnte ich tun, werde ich aber nicht. Die Daten sind völlig in Ordnung. Alles ist richtig abgelaufen. Selbst die Waffen waren gesichert, wieso sich da ein Schuss lösen konnte, kann ich nicht sagen. Jedenfalls werden wir nochmal alle Verbindungen zum Waffensystem überprüfen und Notfalls alle Schaltkreis neu machen und eventuell die ganze Kiste neu verkabeln oder im All entsorgen.“
„Scherze wie immer. Ich bin langsam echt am überlegen ob ich nicht auch zum Mechfriedhof gehen sollte und mir einen neuen Mech suche.“
„Keine Zeit mehr für Wunder, Rudi.“ Entgegnete Jules grinsend, von seinem Terminal hochblickend.
„Jules, wenn ich wetten müsste, würde ich sagen ein verrückter hat da ein paar Kabel vertauscht, nur wir haben bereits ein drittel neu gemacht und nach jedem mal eine Überprüfung der Leitungen durchgeführt. Keine Probleme alles grün. Ich werde echt noch wahnsinng mit der Kiste.“ leise fluchend drehte sich Rudi wieder zu Doreen Simstein.
„Also sie können Useless verladen, ich werde ihn in einen Wartungskokon platzieren und während des Fluges werden wir an ihrem und Bramerts Mech weiter schrauben. Mehr kann ich nicht tun, ach doch, ich werde den Einsatzstatus ihres Mechs auf gelb belassen. Das wird Germaine nicht freuen, aber mehr ist zur Zeit nicht drin.“
„Ja, ich denke das ist das beste. Danke für die Hilfe.“ sagte Rudi und ging dann in Richtung Messe um etwas zu essen. Plötzlich durchfuhr es ihn wie ein Stromschlag. In einen Wartungskokon im Landungsschiff, moment auf dem Zivilenlander wo Haruka eingeteilt war gab es gar keine Wartungskokons. Statt weiter in Rictung Kantine zu gehen stürmte Chappi zum Stabsgebäude und polterte direkt auf das Vorzimmer von Germaine zu.
„Ich weiss er hat eine Besprechung … ist mir egal. … wieso erfahre ich von den Techs das ich und Haruka nicht zusammen in einem Landungsschiff fliegen werden?“ Erst jetzt schaute er sich im Büro um und sah das auch Haruka mit Jara im Raum standen und ebenfalls wütend in Richtung Germaine starrten und nun ihn anschauten.
„Oh, entschuldigen sie, Sir.“ brachte Rudi gerade noch raus, bevor ihn die Blicke von Germaine und Jara ihn aufspiessten.
„Herr Teuteburg, es ist mir egal was da zwischen ihnen und Haruka ist, sie gehört zu meiner Lanze und fliegt mit ihrer Lanze zusammen. Da gibt es nichts dran zu rütteln.“ schnaubte Jara.
„Rudi, da hat der Captain recht und ich werde dem zustimmen. Ausserdem können sie sich ja auf dem Sprungschiff sehen, während den Aufladephasen, das ist somit hier und jetzt beschlossen und befohlen.“ sprache Germaine langsam und mit einem Blick der jegliche weitere Diskussion nicht zuließ. Alle Beteiligten schauten sich an, Rudi salutierte und verließ das Büro. Haruka salutierte ebenfalls schnell und lief hinter ihm her. Jara und Germaine schauten sich an und begannen dann wieder mit den Listen und Ladungsprotokollen.
„Du weisst schon das es hart für die beiden ist, das wir sie trennen?“ begann Jara. Germaine nickte, sagte dazu aber nichts weiter.
Draussen holte Haruka Rudi ein. „Schatz, vergiss es doch. Wir sehen uns doch auf dem Sprungschiff. Wir werden da schon ein Plätzchen für uns finden, dafür sorge ich schon. Komm mach nicht so ein Gesicht, mir gefällt das auch nicht. Aber ich habe gelernt ein nettes Lächeln schützt einen vor solchen Sachen.“
„Ja du hast recht. Aber es ist nicht nur das. Useless spinnt immer noch, sie ist nicht einsatzbereit. Er Fehler lässt sich nicht ausfindig machen und ich werde während unseres Fluges sicher an dem Mech schrauben müssen, so dass er dann auch fertig ist. Ich will ja nicht durch irgendwelche zufälle meine Lanzenkameraden oder dich gefährden. Wie lange hast du heute noch Dienst?“
„Also Jara war so großzügig und lässt meinen Mech durch die Techs überführen, sodass ich frei hätte heute Nachmittag und mir schwebt da was vor was etwas mit dir und mir zu tun hat und einem großen schaumigen Bad.“
Rudi gab Haruka einen langen Kuss und so gingen die beiden erst was essen und dann in ihr Quartier. Rudi meldete sich über Funk bei den Techs die ebenfalls seinen Mech zum Lander überführten. Der Abflug rückte näher und so war es dann auch nicht verwunderlich das am nächsten Morgen bei der Verabschiedung der Chevalliers von Wayside V zwei Mechkrieger total müde waren, aber ein mehr als zufriedenes lächeln sich auf ihren Gesichtern wiederspiegelte.

Kurz nach dem Start des Union, waren Anton und Rudi dann wieder im Mechhanger bei den Wartungskokons angekommen und wollten gerade schauen wo sie helfen konnten, als Rudi auffiel das sich Anton schon wieder verändert hatte. Was da war konnte er nicht genau sagen, aber es fühlte sich eigenartig an. Die Bewegungen hatten sich verändert.

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Arc Royal / 03. August 3066

Nach einer sehr langen Reise von Solaris VII nach Arc Royal traten Astech Ruben Holler und Master Tech Fred Brech aus dem Leopard Landungsschiff auf die Gangway zum Terminal von Arc Royal.
Nachdem sie nun nicht mehr zu einem Solaris Mechstall gehörten, sondern offiziell nun einem Rudi Teuteberg unterstellt waren, war viel passiert. In der ersten Zeit waren sie mit drei weiteren Techs damit beschäftigt gewesen den völlig zerbeulten Hunchback II C wieder in Ordnung zu bringen. Zum Glück war Ruben ein Meister für ballistische Waffen und der Meister Tech hatte sein Fachgebiet im bereich Computersystem und Mech Steuerungssysteme. So gelang es den Mech in relativer kurzer Zeit und mit den hervorragenden finanziellen Mittel des Herrn Teuteberg wieder herzustellen und binnen drei Wochen von Solaris VII aufzubrechen.
Dies war aber nun auch schon wieder zwei Monate her und den beiden verging langsam die Lust von System zu System zu springen eingefercht in einer Doppelkabine und keine weiteren Aufgaben zu besitzen. Das erste was sie taten war in einem Union den Mech komplett zu säubern, das dauerte geschlagene drei Wochen, inklusive einer Lackierung und des Auftragens des neuen Einheitswappen. Ebenfalls hatten sie die Möglichkeit genutzt ein wenig die Sekundären Systeme zu checken und auch ein wenig sich gegenseitig zu helfen und fort zu bilden, doch zwei Monate waren einfach zu lang. So freuten sie sich als eine Ordonanz aus der Kaserne sie am ende der Gängway empfing und alles weitere für sie veranlasste, inklusive des Mechtransportes in die Kaserne der Chevalliers.

Vor Ort wurden sie voneiner Ordonanz der Kell Hounds empfangen und gleich mit ein paar arbeiten betraut. Auch wurden sie in die Chevaliers aufgenommen und erhielten entsprechend ihres Ausbildungsstandes einen Arbeitskontrakt, mit der Sonderklausel das sie der Techstab von Rudi Teuteburg waren, aber zur Zeit dem Kommando vom Mastertech Simstein unterstehen sollten.
Desweiteren wurde ihnen mitgeteilt, das es wegen eines Rechtsstreites zwischen Herrn Teuteburg und den Streitkräften der Vereinigten Sonnen ein Urteil und einen Vergleich gab. Es ging in diesem Verfahren noch um ausstehende Ausgleichszahlungen oder -leistungen. Da im Augenblick das Militär nicht bereit war eine so hohe Entschädigung zu stellen oder zu zahlen hatte man sich wie folgt geeinigt. Herr Teuteburg würde erstmal einen Mech des Types VERFOLGER bekommen und des weiteren würde er eine Abfindung von 50.000 C-Noten bekommen. Der Bevollmächtigte Anwalt von Herrn Teuteburg hatte dieses Angebot akzeptiert und so war es dann auch gekommen das den Techs nicht nur einen Hunchback IIC zu warten hatten, sondern auch noch einen brandneuen Verfolger mitnehmen und warten mussten. Die Kell Hounds waren dann mit den Techs übereingekommen, das sie bei ihrer weiterer Reise in die Peripherie den Mech am Raumhafen übergeben bekommen und mitnehmen sollten.

Einige Tage später erfuhren sie von den kämpfen auf Wayside V und das sie nun wieder mit einem Landungsschiff schnellst möglich abheben sollten um nach Wayside V zu gelangen. Diese Reise würde auch einige Zeit dauern, da es keine direkte Sprungschiff Route gab und sie in einem Ausweichsystem nahe der Peripherie einen Aufenthalt von drei Wochen haben sollten.

Nachdem man nun noch überlegte ob die Mechs mit verschifft werden sollte, wurden schon einige Ersatzteile in den Leopard verladen, der zur Reparatur der auf Wayside V ausgefallenen Mechs dienen sollte. Am ende war der Leopard voll und es wurde mit den Kell Hounds vereinbart das die Mechs erstmal auf Arc Royal bleiben würden und man diese später nachschicken würde. Also bestiegen Ruben, Fred und einige andere Kell Hounds und Siedler das Landungsschiff und verließen Arc Royal mit Ziel Wayside V am 30. August 3066.
Inzwischen war bekannt das der Kommandierende Offizier zum Grafen ernannten worden war und das es auf Wayside V nun eine Rückzugsmöglichkeit für alle Chevaliers geben würde. Da diese Information aber zu spät eintraf um noch mehr Material und Maschinen mitzuschicken und der Leopard schon bis unter die Decke voll geladen war, wurde ein für Mitte September 3066 ankommender Union gecharter, der die restliche Ausrüstung die für Arc Royal nicht benötigt wurde nach Wayside V zu schaffen um dort in der neu entstehenden Stadt ein Wartungs- und Ausbildungszentrum für die aktive Truppe zu schaffen. Ebenfalls würden noch von Outreach auch noch Güter und Material geschickt, um so eine erste Logistik aufzubauen.

„Fred, ich glaub nicht das wir rechtzeitig auf Wayside sind um die Einheit zur Jagd zu begleiten. Bei diesen langen Transits in den Systemen und dem ganzen Zeug was noch von Outreach kommt und wir uns mit den beiden Union dann im Temporus System treffen sollen, werden wir nicht vor November weiter springen.“
„Ich befürchte es auch, aber in dem System gibt es ja einen Planeten wo man ja ein paar Tage ausspannen kann, hoffe ich. Jedenfalls die alte Kiste von Solaris wird dann auch auf einem der Transporter sein und wenn uns die langeweile dann nicht schon getötet hat, können wir ja mit den anderen dieser Einheit mal eine Inventur machen oder irgendwo helfen. Vorallem aber nachschauen ob dem kleinen Hunchi und dem Verfolger nichts passiert ist.“ grinste Fred sein Gegenüber an.
„Chevaliers. Naja besser als weiter auf Solaris in irgendeinem Mechstall die Drecksarbeit zu machen. Vorallem unter Laslow, diesem eingebildeten Krieger. Von wegen die Spitze des Clans Geisterbär, oh man. Lässt sich gleich in seinem dritten Gefecht aus dem Cockpit schiessen. Und diese Techs in dem Mechstall waren echt teilweise die totalen Amateure.“ fluchte Ruben vor sich hin.
„Ach komm, der neue Arbeitgeber scheint in Ordnung zu sein. Vorallem in seiner Wohnung und die Bezahlung war doch sehr in Ordnung. Wenn es so weiter geht werden wir den nächsten Auftrag erst aktiv miterleben, solange müssen wir uns mit den anderen Techs und Stabsdienstlern um den Aufbau der neuen Kaserne auf Wayside kümmern. Hast du eigentlich was neues an Informationen über diesen Teuteberg und den Colonel Danton erfahren?“
„Nicht viel. Nur das hier alle seinem Urteil vertrauen und er ein fairer Mann sein soll. Bei unserem neuen Boss, Rudi, konnte ich noch weniger erfahren. Nur das er kurz vor dem Auftrag der Jagd nach den Nebelpadern zu den Chevaliers gestossen ist und sich wohl in der Scoutlanze einen Namen gemacht haben soll. Über den Rest dieser Einheit weiss ich genauso viel wie du. Eben das der konventionelle Teil einen Schutz Kontrakt irgendwo in Rasselhag angenommen hat und man von diesen Truppenteilen bis auf einige standard Anforderungen nichts hört. Ach ja, diese sollen angeblich ebenfalls nach Wayside V verlegen. Merkwürdig ist nur das sie für die Zeit des Auftrages aus den Chevalliers ausgegliedert wurden, weil man in Rasselhag keine Kurita Einheiten haben will. Kurita auch nur deswegen weil ja der Kommandeur Danton nun Graf auf einem kuritistischen Planeten geworden ist. Ein sonderbares wirr warr ist das schon. Wenn alles gut geht sollen die Bodentruppen nach dem ende ihres Kontraktes wieder in die Chevalliers eingegliedert werden und dann direkt nach Wayside verlegen, es könnte sein das diese dann drei Monate nach uns dort ankommen, das wäre eine gute Unterstützung. Denn wohl ein Teil des Pionierkontingents soll mit von der Partie sein und gutes Arbeitsgerät haben. Aber das sind alles nur vage Informationen die du bestimmt auch kennst.“
„Ja, mehr weiss ich auch nicht. Na dann mal auf in die Kantine und sehen was es heute abend als Überraschung in der Küche gibt.“
Beide verliessen das Quartier und gesellten sich im Speiseraum zu den restlichen Chevaliers, Kell Hounds und einigen Siedlern. Es handelte sich dabei um drei weitere Techs für Mechs der Kell Hounds, sowie fünf Stabsdienstler und drei Siedler Familien . Der Abend verging schnell und man sprang immer weiter der Prepherie entgegen.

21.September 3066 Temporus System / Sprungschiff Rasender Tiger Invader Class

Nun warteten sie schon fast zehn Tage auf den nächsten Sprung und die beiden Union Landungsschiffe. Eigentlich sollte auch noch der Union von Arc Royal eintreffen, aber auch der schien sich zu verspäten. Plötzlich öffnete sich ein Raum-Zeit-Riss und ein ziemlich angeschlagener Invader kam in das System. Das Schiff glühte und trotz der grossen Entfernung sah man das zwei Landungsschiffe schnell abgekoppelt wurden und sich mit maximal Schub von dem Sprungschiff entfernten. Nach einigen Minuten begann das Sprungschiff ein Notsignal abzugeben und Rettungskapseln wurden gestartet, nur wenige Sekunden danach explodierte der Invader.
Die beiden Union Landungschiffe wurden schwer durchgeschüttlet, konnten sich aber aus eigener Kraft weiter bewegen, die Rettungskapseln jedoch vergingen in der Explosion des Sprungschiffes. Die beiden Union meldeten sich nun und es waren eines aus Arc Royal und das andere war von Outreach. Beide sahen schlimm aus und es wurde schnell klar irgendetwas musste sehr schief gelaufen sein, als diese Schiffe aufgebrochen waren. Als die beiden Schiffe angedockt hatten und den Kaptiän der „Rasender Tiger“ aufforderten sofort zu springen, da man nicht wisse ob man verfolgt werde, tat dieser erstmal nicht viel. Er liess erstmal das Sprungsegel in aller Ruhe einholen und fuhr dann ganz gemütlich die Sprungsystem hoch. Währenddessen redeten die beiden Landungsschiff Skipper wie verrückt auf ihn ein und die Geschichte war unvorstellbar. Angeblich sei ein unbekanntes Sprungschiff in einem Transitsystem aufgetaucht und hätten in der nähe eines Asteroiden gewartet. Als sie ins System kamen und das andere Schiff anfunkten gab es keine Antwort. Stattdessen wurden zwei Leopard Träger gestartet und kurz vor dem Sprung seien Luft-/Raumjäger gestartet und hätten das Sprungschiff angegriffen. Die vorhandene Daten deutet auf ältere Schiffe aus dem Drakonis- und Steiner-Raum hin. Sie konnten gerade noch fliehen, aber der Invader wurde kurz vor dem Sprung von mehreren Luft/Raumjägern noch beschossen. Es könnte durchaus passieren das sie noch verfolgt würden, denn das andere Sprungschiff hatte es wohl auch eilig und fuhr gerade den Sprungantrieb hoch, während sie das System verliessen..

In dem Augenblick wo die Rasender Tiger gerade ihren Sprung machte erfassten die System noch die Ankunft eines großen unbekannten Sprungschiffes. Es konnte nicht identifiziert werden, war jedoch von den ersten Massendaten durch den Schiffscomputer als ca. 750.000 t Schiff eingetragen. Somit konnte es sich um alles bis hin zu einer Congress Class Fregatte handeln. Jedoch auch die System des neu ankömmlings würden nicht nur die Trümmer des einen Invaders feststellen sondern auch das kurz vor der Ankunft ein weiteres kleines Sprungschiff die Parkposition verlassen und gesprungen war. Das einzig positive an dieser Situation war, das der Ankömmling würde nicht feststellen konnte wohin der Invader gesprungen war und was nun an Informationen weiter gelangt ist.

Der Kapitän der Rasenden Tiger war ein wenig verunsichert und hörte sich nun die Geschichte der beiden Landungschiff Skipper interessierter an. Leider waren sie noch zwei Sprünge von Wayside entfernt und sie mussten nach jedem Sprung erstmal den Antrieb aufladen was in der Regel sechs bis acht Tage dauern konnte. Nach dieser beinahe Begegnung jedoch hatte der Kapitän auch ein wenig Angst bekommen und so lud er den Antrieb heiß auf, was bedeutet das der nächste Sprung binnen eines Tages stattfand. Danach jedoch man mindestens zwei Tage brauchte um die Systeme zu prüfen und dann erst wieder mit dem konventionellen Laden mittels Sprungschiffsegel beginnen konnte. In dieser Zeit wurde es immer klarer das das andere Sprungschiff wohl in einige dubiose Geschäfte verwickelt war und nicht nur das Schiff sondern die ganze Crew von zahlreichen Leuten gesucht wurde. Auf den beiden Union jedoch war der Teufel los, vorallem die eingelagerten Materialien und das Personal war völlig verängstigt und alles durcheinander. Aber zum Glück von Ruben und Fred waren ihr beiden Mechs auf dem zweiten Lander eingelagert und standen gut gesichert in ihrem Wartungsbereich. Was den beiden aber auffiel war, das da keine anderen Mechs an Bord der beiden Lander war. Es handelte sich ausschliesslich um Munition, Ersatzteile aller Art und einen Panzer sowie zwei schweren Kipplader, drei Planierraupen, einer Straßenbaumaschine und Unmengen an Baustoffen. Sehr viele Reparatur Werkzeuge und Fahrzeuge, Anlagen zum Aufbau einer kleinen Kaserne und alles was zum Betrieb ansonsten noch notwendig war. Der andere Lander hatte Siedler mit deren gesamten Hab und Gut an Bord. Insgesamt wirkten alle jedoch ein wenig angespannt, denn der Angriff der unbekannten Jäger kam völlig überraschend in einem Transitsystem.
Die Siedler stellten eine bunte Mischung an Abenteuerlustigen dar, es waren aber auch Handwerker, Lehrer und Geschäftsleute unter ihnen. Die meisten aus dem Darkoniskombinat aber auch ein paar aus dem Steiner Raum. Die Gerüchte über den Angriff der Unbekannten machte natürlich auch schnell die Runde unter den Siedlern und nun war es an den Landungschiffcrews den Leuten die Angst zu nehmen und aufzuklären. Vor allem das es keine Grund für Panik gab, da niemand das Ziel des Invaders kannte und sie bis jetzt niemanden weiter begegnet sein. Auch wies man darauf hin das man in 48 Stunden wieder springen würde und dann im Wayside System wäre, wo bereits am Sprungpunkt Einheiten der Wayside Miliz präsent seinen.
Fred und Ruben nahmen die Informationen gelassen hin, konnten diese aber auch nicht ganz glauben, vorallem wenn sich irgendwer die Mühe gemacht hat in einem Transsitsystem ein Sprungschiff zu positionieren mit einer ausreichend grossen Anzahl an Jägern um andere Sprungschiffe anzugreifen. Einer deutet an das ja die Angreifende Einheit auf Wayside sich ergeben hatte, der Kommandostab aber wegen diplomatischer Immunität wieder freigelassen wurde. Es wäre also möglich das diese Geheimnisvollen Leute auch wieder hinter dieser erneuten Attacke steckten. Diese Erklärung schien jedenfalls den beiden Techs die wahrscheinlichste. Nach Ablauf der 48 Stunden sprang die Rasende Tiger ins Wayside System ohne irgendwelche weiteren Vorkommnisse wurden die Landungsschiffe abgekoppelt und begannen mit der Passage zum Planeten Wayside V. Ruben und Fred hatten in dieser Zeit beide Mechs auf das Chevalliers Camon umgespritzt, alle Systeme gecheckt und für einwandfrei befunden. Auch hatten sie nach der Ankunft im System dem Chevalliers auf Wayside mitgeteilt was sie alles mitbrachten und das man zwei Mechstellplätze benötigte. Auch hatten sie die restlichen Inventarlisten der Lander übermittelt und sich erkundigt wie weit es mit der Siedlung war und wo sie sich nach der Landung melden mussten wegen den ganzen Formalitäten und der Überführung der Mechs.

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Rückblick:

Bramert träumte unruhig, nachdem das Schlafmittel wirkte. Er wanderte mit seinem Vater durch die Wälder von Kikuyu, während um sie herum Clan-Mechs und die Söldner von Storms Metal Thunder sich gegenseitig in Stücke schossen – wobei eher die Söldner in Stücke geschossen wurden als die Clanner. Das sowohl er als sein Vater so ruhig blieben – und das sein Vater überhaupt auf Kikuyu herumlief, anstatt auf Arc-Royal seine Felder zu bestellen, zeigte Bramert, dass er träumte. Der ältere Bramert lächelte traurig. „Ach, Anton. Was machst du bloß für Sachen?“
„Ich weiß nicht, was ich noch denken soll, Dad“, antwortete Anton. „Ich bin völlig verwirrt.“
„Das ist nur verständlich, mein Sohn. Und jetzt wandern wir in deinem Unterbewusstsein herum, während du das schrecklichste Erlebnis deines Lebens wieder und wieder vor Augen hast. Das ist nicht gesund, Anton.“
„Ach, wirklich“, antwortete Anton trocken. „Und du glaubst, es ist gesund, wenn ich mit dir spreche?“
„Nein, natürlich nicht“, antwortete sein Vater – oder das von seinem Unterbewusstsein geschaffene Bild seines Vaters. „Ich denke, du solltest mit einem Psychologen sprechen, sobald du wach bist. Oder mit eurem Priester.“
Anton lachte schallend, während neben ihm ein Barghest explodierte. „Entschuldige bitte, aber das ist einfach zu köstlich. Mein eigenes Unterbewusstsein bittet mich darum, mich an einen Psychologen oder an Father O’Hierlihy zu wenden, damit ich über meine Probleme spreche. Wirklich köstlich.“
Ein Night Gyr in den Farben der Jadefalken trat aus dem nahen Waldstück und eröffnete das Feuer mit zwei Large Pulsern auf ein Ziel im Wald. Anton wich den Laserimpulsen, die um ihn herumflogen, reflexartig aus, das Abbild seines Vaters reagierte überhaupt nicht. „Also, Anton. Warum sind wir hier?“
„Ich möchte verstehen, Dad“, antwortete Anton, obwohl er genau wusste, dass er nicht seinen Vater vor sich hatte, aber er hatte keine Lust, sich einen anderen Namen für sein Gegenüber auszudenken. „Ich möchte verstehen, was mit mir passiert ist. Und wie es soweit kommen konnte.“
„Hm. Keine leichte Aufgabe. Nun gut, lass uns einmal rekapitulieren. Du hast eine Nachricht erhalten, in der ich, oder besser gesagt dein Vater, dir offenbarte, dass du ein Schläfer des Word of Blake wärst. Nach deiner Gefangennahme eröffnete dir dieser Captain Churin, dass diese Nachricht gefälscht wäre und in Wirklichkeit er oder vielleicht auch seine Hintermänner dich hypnotisierten, während die Nachricht abgespielt wurde. Das ist durchaus möglich, aber ebenso kann es natürlich sein, dass er dich angelogen hat, um dein Vertrauen zu erwecken.“
„Dann wäre ich also tatsächlich ein WoB-Agent und die Nachricht von meinem Vater wäre echt“, meinte Anton und Bramert nickte. „Das könnte stimmen. Aber natürlich könnte Churin auch die Wahrheit gesprochen haben, dann wäre im Grunde die Nachricht eine Fälschung und du bist in Wirklichkeit kein WoB-Agent.“
„Ich bekomme Kopfschmerzen“, stöhnte Anton und rieb sich die Schläfen. „Ich bin gerade wieder völlig verwirrt.“
„Oh, warte, es kommt ja noch besser. Was war das letzte, was du gehört hast, bevor du hier gelandet bist? Was hat dir der „Kommandant“ oder wie wir ihn nennen sollen, gesagt?“
„Loki“, antwortete Anton. „Er meinte, ich wäre endlich daheim. Daheim bei Loki.“
„Richtig. Und was bedeutet das für dich?“
Antons Miene erhellte sich, als er verstand, was sein Vater ihm erklären wollte. „Ich bin ein LNC-Agent, ein Mitglied von Loki. Wenn“, schränkte er selbst ein, „wenn das die Wahrheit ist.“
Der ältere Bramert musste wieder lachen. „Das liebe ich so an dir, Anton. Du kannst nichts einfach so hinnehmen, sondern musst alles hinterfragen. Wenn du tatsächlich zu Loki gehörst, dann bist du da wunderbar aufgehoben.“
„Ich weiß nicht, ob ich noch irgendetwas glauben kann“, antwortete Anton. „Und was ist mit meinen Vorstellungen? Ich war bereit, Danton zu töten. Ich war bereit, Sergeant Tsuno, Haruka und Chappi zu töten! Verdammt, ich hätte meinen besten Freund kaltblütig ermordet, wenn ich die Gelegenheit dazu bekommen hätte!“
„Aber diese Gelegenheit kam nie, Anton“, antwortete Bramert und legte ihm eine Hand auf die Schulter. „Du hast einen Fehler gemacht, mein Sohn. Du hast emotional all das aufgesogen, was dir ein paar dreckige Arschlöcher eingegeben haben. Dazu dann noch ein paar Portionen natürliche Paranoia, etwas Wahnsinn und das Halbwissen, was du aus subjektiven Nachrichten und der Klatschpresse entnommen hast, und schon steht ein „waschechter“ WoB-Schläfer vor mir. Das ist die einfachste Erklärung für dein Verhalten, Anton.“
Anton schüttelte den Kopf. „Und wer sagt mir, dass mir das nicht wieder passieren kann?“
„Niemand, mein Junge, niemand“, lautete die ernste Antwort. „Nur du allein kannst entscheiden, welchen Schritt du gehst. Du bist derjenige, der den Finger am Feuerknopf hat. Es gibt keine Macht im Universum, die dir die Entscheidung abnehmen kann, ob du drauf drückst und einen Feuersturm entfachst, oder ob du kapitulierst.“
„Das sind ganz tolle Aussichten, Dad“, antwortete Anton. Er wollte noch etwas sagen, aber auf einmal erschien ein weiterer Mech vor ihnen, ein Jadefalken-Masakari. Der riesige Fünfundachtzigtonner hob den Mechfuß und ließ ihn direkt über Anton niedergehen. Auf einmal wurde alles schwarz um ihn herum und Anton hörte nur noch einmal die Stimme seines Vaters/Unterbewusstseins. „Dein Leben, Anton. Deine Entscheidungen.“
Dann hörte er nichts mehr.

Bramert schlug die Augen auf und sah sich um. Sein Verstand registrierte, dass er in einem weichen Bett lag – dem ersten weichen Bett, seit er Arc-Royal und den heimischen Hof verlassen hatte – und das Zimmer war sehr allgemein gehalten, was ihn vermuten ließ, dass er sich in einem Hotelzimmer befand. Er untersuchte sich schnell selbst auf Verletzungen und verzog mehrmals schmerzhaft das Gesicht, als er in die Rippengegend kam und seinen linken Unterarm berührte. Dann hörte er ein Klopfen und der Mann, den er nur als „Kommandant“ kannte, trat ein. „Hallo, Anton. Sie sind wach, das ist gut. Wir haben einiges zu bereden und leider nicht viel Zeit.“
„Was ist mit den Chevaliers?“, wollte Bramert wissen und überraschte sein Gegenüber damit ein wenig. „Oh, sie haben gewonnen. Wie es aussieht wurden die gegnerischen Streitkräfte von ihren Auftraggebern in Stich gelassen und haben sich Herzog Mikado gegenüber ergeben. Die Chevaliers haben sie jetzt aufgenommen, wie es scheint.“
„Wie lange ist das her?“
„Zwei Tage, Anton. Wir haben uns wirklich Sorgen um Sie gemacht. Ich dachte schon, dass Sie das Beruhigungsmittel, das wir Ihnen geben mussten, nicht vertrugen, aber unser Sanitäter hat mir versichert, dass es Ihnen gut geht. Anscheinend brauchten Sie den Schlaf. Wie fühlen Sie sich?“
„Als wenn ich von einem Mech getreten worden wäre“, lautete Bramerts trockene Antwort und der „Kommandant“ lächelte. „Ja, Sie mussten während Ihrer Gefangenschaft einiges einstecken. Es tut mir leid, dass wir Sie nicht früher rausholen konnten, aber wir haben erst vor drei Tagen von Ihrer Gefangennahme erfahren und mussten den Einsatz entsprechend planen, um Sie gefahrlos und ohne unsere Tarnung auffliegen zu lassen, herausholen zu können. Und wir mussten die Vorbereitungen für Operation Scharade abschließen.“
Bramert registrierte den letzten Satz, aber er konnte damit nicht viel anfangen. „Was haben Sie mit mir vor?“, wollte er von dem anderen Lyraner – er nahm zunächst an, dass der Mann Lyraner war – wissen. Der „Kommandant“ setzte sich in den einzigen Sessel, der sich im Zimmer befand, nachdem er diesen näher ans Bett gerückt hatte. „Zunächst einmal müssen wir Sie wieder auf Vordermann bringen. Außerdem müssen wir dafür sorgen, dass Sie wieder arbeitsfähig sind – in dem Sinne, dass Sie nicht glauben, ein Schläfer von Word of Blake zu sein.“
„Sie wissen davon?“, fragte Bramert erschrocken und der „Kommandant“ nickte mit traurigem Gesichtsausdruck. „Ich habe zum einen mitbekommen, was Churin zu Ihnen sagte, zum anderen haben Sie im Schlaf gesprochen. Ich konnte nicht alles verstehen, aber Word of Blake war relativ deutlich herauszuhören und den Rest habe ich mir dann zusammengereimt.“
„Scheiße“, war der einzige Kommentar, der Bramert dazu einfiel, aber er war zu schockiert, um das Wort laut auszusprechen. Anscheinend war es aber in seinem Gesicht abzulesen, denn der „Kommandant“ meinte. „Das war auch einer der Gründe, warum ich dringend mit Ihnen sprechen wollte, Anton. Ich möchte Sie so schnell wie möglich davon überzeugen, dass Sie tatsächlich nichts mit Word of Blake zu tun haben.“
„Warum sollte ich Ihnen Glauben schenken?“
„Mit dieser Frage hab ich gerechnet“, antwortete der „Kommandant“ und holte eine Aktenmappe hervor, die er Bramert in den Schoß legte. „Das ist Ihr genauer Werdegang, seit Sie an der Pandora-Militärakademie aufgenommen wurden, Anton. Aber wenn Sie wollen, dann gebe ich Ihnen eine mündliche Zusammenfassung.“
„Das hier könnte auch eine gute Fälschung sein“, antwortete Bramert, obwohl er es selbst nicht glaubte. Dafür war er eigentlich nicht wichtig genug. Der „Kommandant“ schien denselben Gedankengang zu haben, denn er lächelte wissend. „Ich würde Sie ja bitten, mir zu vertrauen, Anton, aber ich kann mir vorstellen, dass Sie im Moment nicht einmal Ihrer eigenen Mutter trauen würden, darum bitte ich Sie einfach, Ihren eigenen Instinkten zu trauen. Ihre Instinkte haben Sie schon häufig in die richtige Bahn gelenkt und ich hoffe, dass es in diesem Fall wieder so sein wird.“
Bramert schwieg, nahm die Akte in die Hand und überlegte. Dann antwortete er. „Erzählen Sie, was Sie mir sagen wollen. Danach entscheide ich.“
Sein Gegenüber nickte und machte es sich in dem Sessel bequem. „Wir, also das LNC, traten bereits während Ihres ersten Jahres an der Pandora-MA an Sie heran. Sie erhielten neben Ihrer Ausbildung an der Akademie eine entsprechende Ausbildung zum Spion. Infiltration, Sabotage, der Nahkampf mit und ohne Waffen, das komplette Programm. Dabei fanden wir übrigens zwei Dinge heraus, die uns ziemlich erstaunten. Zum einen scheinen Sie eine ungewöhnliche Auffassungsgabe zu besitzen, die es Ihnen erlaubt, eine Situation aus mehreren Blickwinkeln gleichzeitig zu erfassen. Eine seltene und nützliche Gabe, vor allem für einen Agenten. Zum anderen haben Sie fast übermenschliche Reflexe, wie Sie selbst ja auch schon feststellen konnten. Allerdings, auch das fanden wir recht ungewöhnlich, sind Sie kein Scharfschütze. Wir haben Sie mehrmals getestet und wenn es in den Nahkampf ging, dann waren Sie sehr gut, auch wenn Sie mit Handfeuerwaffen arbeiten sollten. Aber sobald Sie einen Gegner aus der Distanz treffen mussten, versagten Sie völlig. Ich nehme an, auch an den Kontrollen eines Mechs haben Sie keine echten Scharfschützenfähigkeiten entwickelt, oder?“
„Es hat sich inzwischen etwas gebessert“, antwortete Bramert und erhielt dafür ein Grinsen. „Schön zu hören. Nun, wir überlegten uns, wie wir Sie am besten einsetzen konnten und schließlich wurde entschieden, dass Sie die Akademie vorzeitig verlassen sollten, um über mehrere Umwege schließlich bei Storms Metal Thunder zu landen. Die damalige Einschätzung des LNC war, dass SMT loyal, aber nicht einfach zu kontrollieren sei und man wollte jemanden in der Nähe wissen, der uns im Notfall den entscheiden Hinweis geben könnte, sollte SMT aus der Reihe tanzen und zur Räson gerufen werden müssen. Und dieser Jemand waren Sie, Anton.“
„Und warum weiß ich davon nichts?“, fragte Bramert mit gerunzelter Stirn. Der „Kommandant“ nickte. „Dazu wollte ich jetzt kommen. Der Grund, zumindest nehmen das einige Experten, die sich lange und eingehend mit Ihrem Fall beschäftigt haben, an, ist ein durch Stress und Ihre Erlebnisse auf Kikuyu hervorgerufenes Trauma, wodurch Sie Teile Ihrer Vergangenheit einfach verdrängten – unter anderem eben auch Ihre Tätigkeit für das LNC. Und dieses Trauma machte sie anscheinend auch empfänglich für die Einflüsse von anderer Seite, wie Churin leider eindrucksvoll beweisen konnte.“
Bramert wollte etwas sagen, zögerte dann aber. Er dachte über die eben gesagten Worte nach, dann entschied er. „Ich weiß nicht, ob ich Ihnen das alles glauben kann. Ich weiß ja noch nicht mal Ihren Namen!“
„Ah, das war mein Fehler“, antwortete sein Gegenüber. „Mein Name ist Royce McArthur. Ich glaube nicht, dass Sie mit diesem Namen etwas anfangen können, aber wir kennen uns schon ziemlich lange. Ich war Ihr Führungsoffizier, während der ersten Jahre, die Sie beim SMT verbrachten.“
Bramert schüttelte den Kopf. „Keine Ahnung“, dann fragte er. „Was ist Operation Scharade?“
McArthur lachte leise. „Man vergisst gerne Ihre Auffassungsgabe, wenn man mit Ihnen spricht.
Wir haben Operation Scharade begonnen, um Sie vor sich selbst zu retten und gleichzeitig niemandem, weder Ihren Freunden und Verbündeten bei den Chevaliers, vor allem aber nicht unseren Gegnern, zu offenbaren, dass wir wieder Kontakt mit Ihnen aufgenommen haben. Wer auch immer hinter Churin steht, der oder die Personen sind gefährlich und verfügen anscheinend über große Geld- und Machmittel. Außerdem scheinen sie keine Skrupel zu haben, eben diese Mittel einzusetzen. Also mussten wir einen unserer Leute einer Operation unterziehen, damit er Ihr Gesicht annahm – und haben ihn an Ihrer Stelle zu den Chevaliers geschickt.“
„Sie haben WAS?“, fragte Bramert schockiert und riss die Augen auf. McArthur hob die Hand. „Sie müssen das verstehen, Anton. Wir konnten Sie in Ihrem gegenwärtigen Zustand nicht zu den Chevaliers zurücklassen. Sie waren eine Gefahr für Ihre Freunde und sich selbst – und sind es noch, bis wir Sie wieder in die richtige Spur gebracht haben. Sobald Sie geistig wieder voll auf der Höhe sind, können Sie wieder zu den Chevaliers zurückkehren – aber vorher nicht.“
Man konnte an McArthurs Stimme hören, dass er diese Entscheidung nicht zurücknehmen würde und Bramert versuchte es gar nicht erst. „Können Sie mir wenigstens einen Gefallen tun?“
McArthur verengte leicht die Augen. „Kommt darauf an, was Sie von mir verlangen.“
„Könnten Sie bitte wenigstens Colonel Danton über meinen Verbleib unterrichten? Er ist ein vertrauenswürdiger Mann und wird die Sache für sich behalten.“
McArthur schüttelte den Kopf. „Es tut mir leid, Anton, aber ich muss Ihre Bitte leider ablehnen. Wir wissen nicht, inwieweit die Auftraggeber die Chevaliers oder auch die Regierung von Wayside infiltriert haben. Niemand darf von uns erfahren – zumindest solange nicht, bis wir Sie in Stellung bringen können, um zuzuschlagen. Ich hoffe, Sie sind schnell genug fit, um die Chevaliers auf ihrer Mission gegen die Parder begleiten zu können, aber im Notfall müssen wir unsere Vereinbarung mit Captain Cole etwas ausweiten und die Chevaliers im Geheimen begleiten.“
„Cole? Was hat der mit Ihnen zu tun?“
„Was glauben Sie, wie wir nach Wayside gekommen sind, mein Freund? Wir haben Cole kontaktiert, kurz, nachdem wir erfuhren, dass die Chevaliers nach Wayside aufbrachen. Wir haben ein sehr starkes Interesse daran, dass Germaine Danton und seine Chevaliers möglichst gut geschützt werden, darum haben wir sie begleitet – zu Recht, wie ich denke, denn ansonsten wären Sie immer noch ein Gefangener Churins und wahrscheinlich ein psychisches Wrack.“
„Danke“, antwortete Bramert trocken, dann wurde er ernst. „Aber ich habe mich tatsächlich noch nicht bei Ihnen bedankt. Sie haben mir wahrscheinlich das Leben gerettet.“
„Keine Ursache, Anton. Ich habe es mir zum Grundsatz gemacht, immer auf meine Leute aufzupassen.“
„Eine Sache würde mich noch interessieren“, wollte Bramert wissen, als McArthur aufstand, um ihn wieder alleine zu lassen. „Was meinen Sie damit, dass Sie ein besonderes Interesse daran haben, Colonel Danton und die Chevaliers zu schützen?“
McArthur lächelte und ging zur Tür. „Es gibt nicht nur Loki-Agenten, die treu zu Katherine Steiner stehen, Anton. Einige von uns, und ich zähle Sie und mich jetzt einfach mal dazu, stehen auch loyal zu Victor oder einem seiner Verbündeten. Ich denke, Sie wissen, wen ich meine, nicht wahr?“
„Oberst Kell? Ist das Ihr Ernst?“
„Mein voller Ernst, Anton. Und jetzt habe ich genug erzählt und Fragen beantwortet. Ich lasse Ihnen etwas zu essen bringen und unser Sanitäter wird Sie durchchecken.“
Bramert wollte noch etwas sagen, aber McArthur verschwand bereits durch die Tür und ließ einen verwirrten Bramert zurück. McArthur, wenn das überhaupt sein richtiger Name war, hatte ihm gesagt, er solle auf seine Instinkte hören – aber irgendwie war er sich nicht sicher, ob er seinen Instinkten noch trauen konnte.
Er würde über vieles nachdenken müssen, während er versuchte, gesund zu werden.

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A rose by any other name is still a rose

Ein Narr ist eine gefährliche Waffe im Haus der Vernunft

Tu as dèjá le baton fleurdelisé dans ta giberne

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Code of Honor (Soldiers): An officer should be tough but fair; lead from the front, and look out for his men; an enlisted man should look out for his buddies and take care of his kit. Every soldier should be willing to fight and die for the honor of his unit, service and country; obey “the rules of war”; treat an honorable enemy with respect (an dishonorable enemy deserves a bullet); and wear the uniform with pride. -10 points.

GURPS 4th Edition, Basic Characters, Disadvantages




Wayside V („Wildkatz“)
Jaffray-Raumhafen, Kasernenkomplex
20. August 3066, 17:00 Uhr

Darnell Shepard war ein Mann klarer Vorstellungen und Regeln. Zumindest sah er sich so.
Zeit seines Lebens war er Söldner gewesen und hatte die verschiedensten Erfahrungen gemacht: Sein erstes richtiges Engagement, nachdem sich der lockere und namenlose Söldnerhaufen, in dem er von seinen Eltern aufgezogen worden war aufgelöst hatte, waren Luvons Jäger gewesen.
Über seine Cousin Ron war er mit dieser Truppe in Kontakt gekommen und auch wenn die Jäger eine Uniformkollektion aufweisen konnten, die eine Gardeeinheit blass aussehen ließen war es bei ihnen recht locker gewesen.
Dennoch waren dies einige seiner prägenden Jahre gewesen. Man kam nicht ohne ein Mindestmaß an Disziplin, Vertrauen und Korpsgeist aus. Es war ein zusammengewürfelter Haufen aus der Gosse des Söldnergewerbes, Piraten und Flüchtlingen. Es waren Plünderer und Briganden gewesen, die eine funktionierende Einheit gebildet hatten. Ihm war also klar, dass man aus Abschaum eine vernünftige Truppe schmieden konnte.
Dies war jedoch eine Gradwanderung und nach allem, was er bisher erlebt hatte, schien bei den Chevaliers die Gradwanderung nicht zu funktionieren. In seinen ersten Jahren als Söldner hatte er erlebt, was man akzeptieren kann und was nicht. Er hatte gelernt, wen man an seiner Seite kämpfen lassen konnte und wen nicht.
Hier bei den Chevaliers, schien man den Überblick verloren zu haben, und es war an ihm, als Spieß, zu handeln.
Einen Augenblick sammelte er sich und klopfte dann entschieden an Harry Copelands Tür.
„Herein!“
Shepard, der zum ersten Mal die Hemdsärmel nicht hochgekrempelt hatte, trat zackig ein, schlug zwei Meter vor dem Schreibtisch die Hacken zusammen und legte die Hand zum wahrscheinlich mustergültigsten Salut seiner gesamten militärischen Karriere an: „Master Sergeant Shepard bittet den Lieutenant Colonel zu sprechen.“
Der XO der Chevaliers blinzelte überrascht und erwiderte den Salut etwas perplex: „Setzen Sie sich, Darnell. Was kann ich für Sie tun?“
Shepard setzte sich in einen der beiden Besucherstühle, doch statt sich irgendwie gehen zu lassen, hielt er den Rücken kerzengerade: „Sir, ich habe ein Problem, und hoffe, dass Sie mir dabei helfen können.“
Einen Moment hing unangenehme Stille zwischen den beiden Mechkriegern, dann nickte Copeland: „Raus mit der Sprache, dass scheint ja ungemein wichtig zu sein.“
„Ja, Sir, das ist es, es geht um Sergeant Ryan-Jones.“ Shepard machte eine kurze Pause, als ob er nach Worten suchte. „Sir, dieser Mann ist untragbar. Dieser Mann gehört vor ein Kriegsgericht und anschließend erschossen.“
„Kriegsgericht und erschießen“, entgegnete Copeland trocken und etwas ungläubig, „wie kommen Sie darauf, dass ein Kriegsgericht, wenn denn eines stattfinden würde, zu so einem Urteil kommt?“
Natürlich stellte sich Copeland absichtlich dumm, aber Shepard war bereit ihm die Antwort auf diese Frage ins Gesicht zu sagen: „Indem man die richtigen Richter einsetzt, Sir.“
„Das will ich jetzt nicht gehört haben, Master Sergeant.“
Die richtige Antwort darauf wäre ein 'Ja, Sir'. Das wusste Copeland, das forderte Copeland und Shepard wusste es auch. Seit über fünfzehn Jahren war dies die Antwort gewesen, die er gegeben hatte, und zwar unabhängig von dem Offizier, der ihm gegenüber saß. Ob es nun jemand war, der wie Copeland, Shepards Respekt verdient hatte oder irgend so ein Würstchen.
Fünfzehn Jahre lang war Shepard jedoch nur einfacher Mechkrieger, AsTech, Sergeant und stellvertretender Lanzenführer gewesen. Heute war er Spieß. Heute trug er die Verantwortung für jeden Unteroffizier und Soldaten dieser Einheit.
Sein Job war es, dass die Truppe so funktionierte, wie es der Colonel, wie es Colonel Danton verlangte. Sein Job war es als Bindeglied zwischen Offizieren und Mannschaften zu vermitteln. So das die Offiziere ihr Kommando ausüben konnten und sich gleichzeitig nicht wie Idioten, Narren oder Arschlöcher aufführten.
Heute durfte die Antwort nicht 'Ja, Sir' heißen: „Bei allem nötigen Respekt, Sir, dieser Mann ist ein Pirat, ein Mörder und wenn wir genug graben finden wir bestimmt genügend Kapitalverbrechen, für die wir ihn an die Wand stellen können.
Dieser Mann ist eine Bedrohung für die Moral und Disziplin der Einheit sowie für den Fortbestand der Truppe, Sir. Er war in der Nacht des Balls kurz dafür den Colonel anzugreifen und er hat heute Captain Fokker angegriffen, an sich schon ein Verbrechen, für das wir ihn hart bestrafen können und sollten.
Er unterminiert die Autorität der rangniederen Offiziere, hat eine Massenschlägerei maßgeblich mit angezettelt und übt einen schlechten Einfluss auf andere Mechkrieger dieser Einheit aus. Das ist inakzeptabel, Sir.“
Erneut brach Schweigen zwischen den beiden Männern aus. Copeland lehnte sich zurück, legte die Handflächen aneinander und musterte Shepard über die Fingerspitzen hinweg.
Der Lieutenant Colonel befand sich offenbar in einer prekären Lage. Er hatte hier seinen Spieß vor sich sitzen. Jemand, dessen Meinung er nicht ignorieren durfte.
„Ich verstehe Ihre Bedenken, Darnell“, begann er vorsichtig, „aber wir beide sind uns doch einig, dass Jack Ryan-Jones ein exzellenter Mechkrieger ist. Besser als Sie, besser als Vascot und vielleicht sogar besser als ich. Vielleicht.“
„Was nützt uns der beste Einzelgänger, wenn er uns die Formation auseinander reißt? Was nützt uns der beste Einzelgänger, wenn er Befehle ignoriert, der im Kampf durchdreht und sich in seinen Blutrausch versteigt? Wir haben ja bei Vascot schon gesehen, wohin uns ein Tunnelblick führt und die ist verglichen mit meinem stellvertretenden Lanzenführer ein Wunder an Sozialisation und soldatischen Tugenden.“
„Ich verstehe Ihre Argumente und zu einem gewissen Maß teile ich Ihre Sorgen, aber …“
„Aber Sie werden nichts unternehmen, Sir“, unterbrach Shepard ganz gegen seine Gewohnheiten einem ranghöheren gegenüber.
„Richtig.“
„Dann bitte ich um Erlaubnis mit Colonel Danton deswegen zu sprechen, Sir.“
Copeland fuhr aus seiner zurückgelehnten Haltung auf und saß dem Spieß nun kerzengerade gegenüber: „Nein, das werden Sie nicht. Sie werden beim Colonel nämlich nichts erreichen, Darnell, Mr. Ryan-Jones scheint Colonel Dantons Privatprojekt zu sein, also können Sie sich diesen Weg sparen. Herrgott nochmal, glauben Sie ernsthaft ich würde so einen Typen hier dulden, wenn ich auch nur die geringste Chance sehen würde bei Colonel Danton hinsichtlich dieser Sache irgendwelchen Einfluss ausüben zu können? Sie sollten mich gut genug kennen, Sarge.“
„Ich dachte auch Colonel Imara besser zu kennen, Sir.“ Schon als er das ausgesprochen hatte bereute Shepard seine Worte. Nicht, weil er ein schlechtes Gewissen wegen der Worte hatte, sondern weil er wusste, sich nun erklären zu müssen.
„Wie meinen Sie das?“, hakte Copeland sofort nach.
Shepard senkte den Blick: „Nichts, Sir. Entschuldigen Sie bitte, Sir.“
Aber der Colonel war jetzt misstrauisch und neugierig. Darüber hinaus schien er ein magisches Öhrchen für die ganz bestimmten Untertöne zu haben: „Raus mit der Sprache, Darnell.“
„Sir, es ist nichts…“
„Wenn Sie ein Problem haben, Master Sergeant, dann erzählen Sie es mir jetzt! Sofort!“
„Sir, ich sollte nicht, …es wäre nicht angemessen, wenn der Master Sergeant…“
„STOP!“, unterbrach Copeland ihn mit erhobener Hand, und mit einem klicken schloss sich augenblicklich Shepards Mund. Wie ein braver Hund vor seinem Herrchen saß der Master Sergeant nun vor Copeland und schien die nächste Anweisung zu erwarten.
Dieser hingegen stand auf und ging zur Tür um diese abzuschließen. Auf den Weg zur Tür und zurück zu seinem Schreibtisch nahm er seine Rangabzeichen ab. Aus der untersten Schublade holte er dann zwei Gläser und eine Flasche Brandy: „Okay, dann ganz privat, Darnell.“
Er schenkte beiden ein und schob Shepard ein Glas hinüber.
Privat? Ganz Privat? Mit einem Lieutenant Colonel? Shepard blickte unglücklich drein. Er wünschte sich zum Regiment Wreckers zurück. Dort hatte so etwas wie eine angemessene Disziplin geherrscht. Dort hatte man auf Ordnung geachtet. Auch wenn er dort degradiert worden war und drei Jahre lang eine Strafe hatte abbezahlen müssen. Wie kam es nur, dass er sich in der einzigen Einheit, die ihn bestraft hatte wohlgefühlt hatte?
„Es ist diese gesamte Scheißsituation, Sir“, begann Shepard nach dem ersten Schluck, „warum zur Hölle hat Imara nicht weiter angegriffen? Wir hätten gewinnen können! Stattdessen haben wir uns korrumpieren lassen. Dieser Scheiß-Herzogs-Wichser gehört an die Wand gestellt für dieses Angebot! Dafür dass Söldnereinheiten im Gefecht die Seite gewechselt haben, sind schon Truppen platt gemacht worden. Dafür sind Einheiten auf der schwarzen Liste gelandet, dafür wurde schon auf Leute ein Kopfgeld ausgesetzt.
Himmel, Arsch und Wolkenbruch, dafür sollte man ihn, Danton und Imara bei der MRBC melden und was tun wir hier? Wir halten die Hand auf und gut is‘.“
„Hätten wir gewinnen können?“ Copeland blickte ihn fragend an, „unser Gegner hatte die Luftüberlegenheit. Wenn wir die Mechstreitkräfte überrannt hätten wären die Jäger über uns hergefallen.“
„Pah, Luftwaffe, man hätte die Verteidiger ja rechtzeitig zur ehrenvollen Kapitulation auffordern können. Man hätte in die Stadt abschwenken können, viel Spaß beim Bombenwerfen. Das Flugfeld wäre unser gewesen und die hätten nicht ewig in der Luft bleiben können. Die Jäger wären auch entsprechen angeschlagen gewesen, mit ordentlich Sperrfeuer hätten wir die auch vom Himmel holen können. Sie hätten sich sicherlich schon was ausgedacht, sind doch sonst auch nicht auf den Kopf gefallen.“
„Hätten Sie Ihr Leben darauf verwettet, Darnell?“
„Ich verwette jedes Mal mein Leben darauf, wenn ich in den Kampf ziehe, Sir. Ist Ihnen noch nie in den Sinn gekommen, dass Sie für den Sieg der Einheit sterben könnten oder müssten? Haben Sie noch nie darüber nachgedacht, was Sie tun, wenn man Ihnen befiehlt die Nachhut beim Rückzug zu bilden? Haben Sie noch nie daran gedacht, dass man sich für seine Kameraden vielleicht irgendwann mal opfern muss?“
Jetzt blickte Copeland seinen Master Sergeant sprachlos an.
„Waren Sie noch nie in so einer Situation, Sir?“
Der Lieutenant Colonel schüttelte den Kopf und nahm einen Schluck.
„Ich habe dadurch meinen ersten Mech verloren, ein Familienerbstück. Über zwei Jahre lang war ich entrechtet. Meine Lanze musste dem Rest des Bataillons damals Zeit für den Rückzug erkaufen. Ich wurde gefangen genommen, mein Mech als Beute beansprucht und anschließend wurde ich ohne Mech nach Outreach repartriiert. Zwei meiner Kameraden sind dabei ums Leben gekommen.
Sehen Sie Sir, ich habe schon viel erlebt und ich habe auch schon viele Dinge getan, über die man trefflich diskutieren könnte, ob sie legal, rechtens oder richtig gewesen sind.
Aber niemals habe ich mir selbst etwas vorwerfen können. Ich habe meine Pflicht erfüllt, wie immer sie auch aussah.
Nur was soll ich jetzt tun? Ich habe zum einen eine Pflicht aufgebürdet bekommen, die verglichen mit meinem vorherigen Posten fast unermesslich ist, dann diene ich unter einem Kommandeur der diesem Schweinehund von Angry Eagle zur Loyalität verpflichtet ist.
Ich weiß nicht mehr wem ich vertrauen kann außer mir selbst.“
„Wissen Sie, Sarge“, begann Copeland nachdenklich, „ich habe Sie ja für diesen Posten vorgeschlagen. Vor dem Beginn unserer Mission, damals noch als Husaren habe ich mich so gut es ging über meine Leute informiert. Sie sind in der Einheit groß geworden, in der Ihre Eltern gedient hatten. Ihr Vater als Mechkrieger, Ihre Mutter als SeniorTech. Ich habe mir angeguckt wie sie arbeiten, und wie sie mit ihren Mitmenschen umgehen. Ich weiß, sie haben ein Problem mit Frauen, versuchen es aber krampfhaft aus dem Dienst herauszuhalten.“
Ich habe kein Problem mit Frauen, dachte Shepard bei sich, mit beiden Exfrauen habe ich heute noch ein freundschaftliches Verhältnis.
„Obwohl sie ein Eigenbrödler sind kümmern Sie sich um Ihre Kameraden. Ich habe gesehen, wie Sie überall mit angepackt haben, beim be- und entladen der Ausrüstung, bei der Einrichtung der Gemeinschaftszelte. Sie haben schlafenden Kameraden die Decke hoch gezogen, Sie haben dabei geholfen Abzeichen auf die Uniformen zu nähen, sie kümmern sich darum, dass die Jungs was zu essen gehabt haben. Und so weiter und so fort.
Sie mögen jetzt den harten Spieß raushängen lassen. Die Soldatinnen, die Sie kennen gelernt haben, werden Sie immer noch nicht mögen und werden das wohl niemals tun, aber glauben Sie allen Ernstes, es ist dem Gros Ihrer ehemaligen Kameraden bei den Husaren entgangen, was für einen Kameraden man in Ihnen hat?
Herrje, Darnell, ich habe mich für Sie als Spieß eingesetzt, damit die ehemaligen Husaren wissen, dass die Position von jemand besetzt ist, auf den sie zählen können. Jederzeit.
Ich wollte auf dem Posten jemand, der noch kämpft, wenn das Lager brennt, die Fahne zerfetzt im Staub liegt und alles zur Hölle geht.
Es gäbe mehr als einen Husaren, der menschlich vielleicht eine bessere Wahl gewesen wäre, aber niemand mit Ihrem Ruf. Sie schuften bis zum Umfallen. Und wenn sie umgefallen sind, stehen Sie wieder auf.
Ich habe mitgekriegt, wie Sie die Techs der ehemaligen Husaren auf Linie gebracht haben, so was brauche ich auf diesen Posten.
Sie haben ein Problem mit Ryan-Jones, gehen Sie es an, treten Sie ihm die Scheiße aus dem Leib. Treten Sie ihn von mir aus, bis er lacht, und anschließend weil er lacht.
Sie haben freie Hand. Er ist in Ihrer Lanze, bringen Sie ihn auf Ihre Linie. Sie sind der verdammte Spieß. Danton will den Scheißkerl behalten, gut, machen Sie aus ihm einen Soldaten. Und wenn er das nicht packt kann er kündigen. Sie werden sich doch nicht von irgend einem Scheißoffizier sagen lassen, wie Sie Ihre Arbeit zu machen haben.
Und wenn der Dreckspirat ihnen gegenüber aufmuckt, dann machen Sie ihn platt. Oder ist der Schlagstock nur Zierde? Wenn er dann anschließend nicht mehr in der Lage ist einen Mech zu steuern, dann soll er von mir aus im HQ auf dem Beifahrersitz hocken.“
„Ich habe also eine Carte Blanc, darf aber nicht zu Danton rennen?“
„Richtig“, bestätigte Copeland, „aber nun zur Quintessenz. Sie haben einige, schwerwiegende Probleme mit Ihrer neuen Uniform. Kann ich mich auf Sie als Spieß verlassen, Darnell?“
Shepard blickte seinen Vorgesetzten einen Augenblick an, dann nickte er. „Ja, Sir, ich habe bisher immer meine Pflicht erfüllt. Auch die unangenehme. Verlassen Sie sich auf mich.“
„Gut, dann würde ich vorschlagen, Sie machen sich an die Arbeit. Weil den Rest des Abend frei geben brauche ich Ihnen wohl nicht.“
„Nein, Sir, das hätte wenig Sinn.“

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5th Syrtis Fusiliers - Pillage and looting since first succession war


20.11.2010 14:26 Cunningham ist offline E-Mail an Cunningham senden Homepage von Cunningham Beiträge von Cunningham suchen Nehmen Sie Cunningham in Ihre Freundesliste auf
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Wayside V,
22. August 3066

Unerlaubt von der Truppe entfernt, so nannte man es doch. Aber damit kam man durch. Zumindest wenn man Jack Pirat-Drecksack-Scheißkerl Ryan Jones war, also würde er das auch schaffen.
Toni Holler saß in einer kleinen Kellerkneipe an der Bar. Kein dreißig Zentimeter von ihm entfernt ein kleiner werdender Stapel Geld, von dem der Wirt sich immer dann bediente, wenn Holler ein neues Getränk orderte.
Mittig vor ihm auf den aus Kunstholz bestehenden Tresen lagen seine Rangabzeichen. Zumindest waren sie ihm hilfreich gewesen aus der Kaserne heraus zu kommen. Seit er hier auf Wayside angekommen war, war alles schief gelaufen. Naja, nicht alles. Die ersten Kämpfe gegen die Wayside Eagles und ihre Verbündeten waren vom Erfolg gekrönt gewesen. Dann war der unerwartete aber sehr willkommene Geldsegen über sie gekommen, obwohl sie verloren hatten und dann die Beförderung.
Eine schicke Uniform, Offiziersabzeichen und eine entsprechende Besoldung, man hatte das alles großartig geklungen. Wayside war zum Sagen umwogenen Fidlers Green mutiert. Das Land wo Milch und Honig flossen und wo das Schnapsglas niemals leer war.
Ah, Schnapsglas, das Stichwort. Er winkte den kleinen Draconier, der diese Kneipe, deren Namen er nicht hatte lesen können, der ihn aber auch nicht interessierte, heran und deutete auf sein Glas.
Der kleine rundliche Kerl sprach kein Englisch und Holler kein Wort japanesisch. Er bekam aber was er wollte, mit Handzeichen war so vieles möglich.
Der Wirt schenkte ihm erneut den bernsteinfarbenen Brandwein an, der hier auf Wayside hergestellt wurde und den euphemistischen Namen Mekong-Whiskey inne hatte.
Gar nicht mal schlecht. Nach dem vierten oder fünften Glas.
Er nahm einen kräftigen Schluck und starrte in den Spiegel hinter der Theke. Dann wurden die Kompanien aufgestellt und er schien das große Los gezogen zu haben, die kleine Blonde mit dem knackigen Arsch war sein neuer Boss gewesen.
Nicht einer von den alten erfahrenen Schleifern. Keiner von den Arschlöchern. Denkste, die kleine hatte Haare auf den Zähnen und scheinbar viel sie unter die Kategorie jung, dynamisch, erfolglos. Wie Napoleon persönlich hatte sie sich aufgeführt und Forderungen und Erwartungen gestellt. Madame musste Erfolge aufweisen, damit ja niemand auf die Idee käme, dass Colonel Danton Günstlingswirtschaft betreibt und auf wessen Rücken wurde das ausgetragen? Auf seinem.
Toll, gerade Lieutenant geworden und nichts als Druck und dann kein Vorbild und wo waren die fleißigen Bienen des Unteroffizierscorps, die in den schlechten Holovid-Abenteuern den jungen Lieutenants aus der Patsche halfen? Dabei Kinderdienst zu schieben. Genug familiäre Probleme habend, aber gleich wieder Mechkrieger spielen wollen.
Und wer durfte das kompensieren? Natürlich, der frischgebackene Lieutenant Holler.
Er war ja Lieutenant, er musste das können: Fickt Euch doch selbst.
Oh, das Glas ist schon wieder leer: „Eeehy noch einen, kleiner Mann!“
Und dann dieser Pirat. Oh Gott, wie er diesen Kerl hasste. Jahre lang hatte er sich gefragt, wie man jemand nur hassen könnte. Wie die Schurken in den Filmen und Büchern nur so einen unerklärlichen Hass auf jemand anderen entwickeln konnte.
Oh ja, jetzt wusste er es, wie es war zu hassen. Wie das rauschen in den Ohren lauter wurde, nur weil man eine bestimmt Stimme hörte, wie sich bei der Erwähnung, bei einem Gedanken die Wut im Bauch ausdehnte, wie der Puls anstieg wenn man jemanden nur aus der Entfernung sieht.
Oh ja, er wusste jetzt, wie es ist die Nacht hindurch mit klopfenden Herzen wach zu liegen und sich auszumalen jemanden umzubringen.
Langsam fasziniert hob Holler sein Glas über den Kopf und betrachtete es im fahlen Licht der Spelunke. Die ölige Flüssigkeit ließ er durch eine leichte Bewegung durchs Glas schwappen, dann stürzte er den Mekong-Whiskey in einem Zug hinunter.
Hustet und sich selbst schüttelnd knallte er das Glas auf die Theke und bedeutete den Barkeeper nachzuschenken.
„Noch einen“, japste er.
Er Wirt tat wie befohlen und zählte was von dem Geld für die Kasse ab.
„Ich wette Du bescheißt mich jedes Mal, was kleiner Mann.“
Der Draconier blickte ihn verständnislos an und schüttelte leicht den Kopf und sagte etwas auf seinem komischen Einheimischengebrabbel.
„Ja-ja, Konfuzius sei mit Dir“, auch dieses Glas leerte Holler in einem Zug und verlangte dann nach mehr.
Der Wirt, der sich gerade wieder abgewandt hatte blickte auf den Stapel Geld und dann auf die Flasche Mekong-Whiskey in seiner Hand. Etwas daher brabbelnd stellte er die Flasche vor Holler ab und strich den Rest Geld ein.
„Ja, genau, lass auch Du mich im Stich.“
Der Draconier antwortete nicht, sondern kam mit einer fast leeren Flasche richtigen aber billigen Whiskeys an und stellte diese neben den Brandwein.
Holler grinste erfreut: „Oh, alligator oder wie das bei Euch heißt.“
Schon nach zwei weiteren Gläsern stellte sich dieser komische Schwebezustand im Hirn ein, den er eigentlich so verabscheute aber heute kam die betäubende Wirkung des Alkohols wie gerufen.

Geraume Zeit später waren die beiden Flaschen ganz leer und Holler, der war ganz voll, wie er mit seinem benebelten Geist amüsiert feststellte. Aber auch pleite.
Die Worte Kredit und anschreiben verstand der kleine Wucherer hinter dem Tresen scheinbar auch nicht. Was für eine jämmerliche Welt.
Nachdem er es von seinem Barhocker hinunter geschafft hatte, ohne diesen dabei umzustoßen oder hinzufallen sollte er sich langsam zur Tür aufmachen.
Aber wie zur Hölle kam es, dass er auf dem Fußboden kniete, wenn er nicht hingefallen war? Mühsam richtete sich Holler auf, indem er sich auf einem am Boden liegenden Barhocker hochstemmte.
Scheißplanet, was hast du mit deiner Gravitation gemacht, alles dreht sich. Echt zum kotzen.
An der Tür der Kneipe angekommen stellte er fest, dass dies ja ein Kellerlokal war und so drei Treppenstufen konnten bei schadhafter planetarer Gravitation ein echtes Ärgernis werden. Beim dritten Anlauf schaffte er es die Treppe hoch und stand auf dem Bürgersteig.
„Ja scheiß ins Bett, wo hab ich denn nu den Jeep abbestellt? Ich m-m-mu-muss doch surück in die Kasnerne.“
Außerdem war es dunkel, warum das denn, es war doch noch hell gewesen, als er los gefahren war. Aber wo war der Jeep. Sich immer noch am Geländer festklammernd blickte er erst nach links und dann nach rechts. Kein Jeep weit und breit.
„Das geht nich“, beschwerte er sich, „wenn ich ohn Jeep zurück komm, wird der Captain sauer und der Colonel bestimmt traurich.“
Er fuhr sich mit der Hand durch den Kragen, da fehlte doch was. Erstaunt begutachtete er seinen leeren Kragen: „Na, wenigstens die Streifen könn se mir nich mehr wegnehm, sin ja nich mehr da. He-he.“
Mit tapsigen schritten wandte er sich nach links, in Richtung Kaserne. Wahrscheinlich hatte er den Jeep irgendwo auf dem Weg zum Lokal abgestellt. Ganz bestimmt.

Einen Häuserblock später viel ihm ein, dass er den Wagen ja gegenüber von der Kneipe abgestellt hatte. Na klar, wenn alle verbliebenen Möglichkeiten wegfallen, ist die letzte offensichtliche ja normalerweise die Lösung. Oder so ähnlich.
Ah, da war ja eine Ampel, wenn man schon über die Straße muss, sollte man das hier machen, weil Safty first.
Aber der Planet hatte immer noch Probleme mit seinem Schwerefeld und da gerade rot war, lehnte sich Holler an die Ampel und starrte stumpf vor sich hin.
Irgendwann schreckte er hoch: „Verdammt, ich will ja über die Straße!“
Er stieß sich seitlich von dem Ampelmast ab aber da war sie wieder die kaputte Schwerkraft.
Verdammter abgeknickter Bordstein!
Er machte ungewollt zwei oder waren es drei Schritte vorwärts. Na, dann kann ich ja auch gehen.
Ein Nebelhorn oder eine ziemlich hässliche Trompete erklang und von links kamen zwei gelbe Sonnen auf ihn zu.
Zwei Sonnen? Gelbe Sonnen? Hier auf Wayside? Nee, so ein Quatsch!



Kaserne der Miliz,
Stabsgebäude von Dantons Chevaliers,
22. August 3066

Im Hauptquartier der Chevaliers stellte sich Germaine Danton am Tag nach der letzten Übung eine merkwürdige Szenerie da. In dem Vorraum herrschte absolutes und betretenes Schweigen. Niemand arbeitete. Jeder starrte auf die Tür, welche zum Büro des Master Sergeanten führte.
Die Stimme, die zu hören war, machte aber die fehlenden Arbeitsgeräusche mehr als wett. Tatsächlich hatte Germaine die Stimme seines Master Sergeanten schon auf dem Parkplatz vor dem Stabsgebäude gehört.
„NOCH NIE IN MEINER KARRIERE HABE ICH EINE SO FORMVOLLENDE VORSTELLUNG VON DUMMHEIT UND INKOMPETENZ IN GEBALLTER LADUNG SEHEN DÜRFEN!“ hörte Germaine seinen Spieß gerade ausführen. Offensichtlich war sein leitender Unteroffizier schon seit einer Weile in Fahrt.
„SIE LASSEN SICH MIT BEWEGLICHEN MECHS IN EINER SCHLUCHT STELLEN UND SIND NICHT IN DER LAGE SICH MIT EINER DER DREI SPRUNGFÄHIGEN EINHEITEN ABZUSETZEN!
IN WELCHEM HINTERHOF HABEN SIE DAS SETUERN EINES MECHS GELERNT? ICH KANN MIR AUCH NICHT VORSTELLEN, DASS IN DIESER EINHEIT DIE TAKTIKLEHRE FÜR BEWEGLICHE EINHEITEN SO DERMASSEN GRÜTZE IST, DASS SIE HIER DAS FÜHREN EINER LANZE ERLERNT HABEN!“
Germaines Augen weiteten sich. Jemanden so abzukanzeln gehörte nicht zu seiner Vorstellung von Menschenführung oder wie in dieser Einheit miteinander umgegangen werden sollte.
„EINE DERARTIGE UNFÜHIGKEIT IST IN DIESEM UNTEROFFIZIERSCORPS INAKZEPTABEL! GELÄNDE UND BEWEGLICHKEIT DER MASCHINEN WAREN IHR VORTEIL! DARÜBER HINAUS HAT DAS GELÄNDE DIE ÜBERLEGENE REICHWEITE VON RYAN-JONES UND STEINBERGER FAST NEGIERT! WIE KANN ES ANGEHEN, DASS NICHT EINER IHRER LEUTE IN DER LAGE WAR SICH AUS DER SCHUSSBAHN ZU RETTEN UND SICH ZURÜCKZUZIEHEN UM DEN ANDEREN LANZEN MELDUNG ZU MACHEN!“
Germaine ging zum Büro und blickte durch die Lamellen verhängte Glaswand, die den Raum des Spieß‘ vom Rest des Büros trennte und lugte hindurch.
Durch die Ritzen konnte er Miko Tsuno, seine Miko sehen, die in Habt-Acht-Haltung zwei Meter vor dem Schreibtisch des Master Sergeants stand.
Shepard selbst stand hinter seinem Schreibtisch, die Hände auf die Tischplatte abgestützt und brüllte aus voller Lunge, wie er sah, als er sich ein wenig anders hinstellte um den Bereich mit den Schreibtisch ins Blickfeld zu bekommen.
Miko musste die Bewegung an der Fensterwand mitbekommen haben.
„DIE AUGEN GERADEAUS SERGEANT! SEHEN SIE MICH AN! WIR BEIDE SIND NOCH NICHT FERTIG!“ donnerte Shepard weiter, ohne auch nur aus dem Takt zu geraten.
„SIE UND IHRE LANZE SIND DOCH NICHT MIT BOBBYCARS IN DIE SCHLUCHT GESCHICKT WORDEN! SIE WERDEN SO LANGE EXERZIEREN, BIS SIE DAS PROZEDERE FÜR DEN BEWEGUNGSKAMPF VERINNERLICHT HABEN, BIS SIE ES IM SCHLAF KÖNNEN! ICH RATE IHNEN IHRE LANZE UND IHRE KOMPETEZ AUF VORDERMANN ZU BRINGEN SONST REISSE ICH IHNEN DEN ARSCH BIS ZUR HALSSCHLAGADER AUF!“
Germaine unterdrückte den Impuls in das Büro zu stürmen und seinen Spieß zur Ordnung zu rufen.
„SIE WERDEN GEFÄLLIGST LERNEN WIE SIE IHRE MECHS OPTIMAL EINZUSETZEN HABEN! UND WENN SICH IHRE VERSCHISSENE FREIZEIT AUF EIN MINIMUM BESCHRÄNKT!“
Die junge draconierin lief allmählich rot an, rührte sich jedoch nicht.
„SIE WERDEN DIE HANDBÜCHER STUDIEREN UND SIE WERDEN DIE TAKTIKEN AUSPROBIEREN, ÜBEN, VERINNERLICHEN UND VERVOLLKOMNEN!“ Shepard nahm irgendetwas von seinem Schreibtisch und warf dieses nach Tsuno, welche diese geistesgegenwärtig auffing.
Shepards Stimme steigerte sich noch eine Oktave: „ICH HABE SIE NICHT RÜHREN LASSEN! STILLGESTANDEN! AUGEN GERADE AUS! HÄNDE AN DIE HOSENNAT!“
Germaine sah wie Miko wieder in Habt-Acht-Stellung zurück schnellte und hörte etwas zu Boden klappern.
„ICH WERDE SIE SCHLEIFEN, BIS SIE WENIGSTENS ANSATZWEISE BEFRIEDIGENDE LEISTUNGEN ZEIGEN, SERGEANT! ES IST MIR NÄMLICH SCHEISSEGAL, OB SIE SCHON SEIT GRÜNDUNG BEI DIESER TRUPPE DABEI SIND! ES INTERESSIERT MICH NICHT, WEN SIE NACH DIENSTSCHLUSS FICKEN! ES INTERESSIERT MICH NICHT, OB SIE GERADE DIE REGEL HABEN UND SICH NICHT FÜHLEN!“
Der Colonel ging zur Bürotür und legte die Hand an die Türklinke und wollte schon in den Raum stürmen, da wurde er sich der vielen Blicke im Büro seines Stabs gewahr.
Er ließ die Klinke wieder los und drehte sich um: „Haben Sie nichts zu tun, Herrschaften?“
Obwohl es ihm so vorkam, als ob er durch die Wand hindurch von Shepard übertönt wurde explodierte das Büro der Chevaliers wieder in Betriebsamkeit.
„DENN SOLANGE SIE DIESE SCHEISS STREIFEN TRAGEN UND IN MEINEM UNTEROFFIZIERSCORPS DIENST TUN WERDEN SIE DIE LEISTUNGEN ERBRINGEN, DIE ICH UND NUR ICH FÜR MINDESTENS ANGEMESSEN HALTE! UND WENN ICH NOCHMAL SO EINEN BETRIEBSUNFALL ERLEBEN, DEN SIE UND IHRE LANZE MANÖVERLEISTUNG NENNEN TRETE ICH IHNEN SO DERMASSEN IN DEN ARSCH, DASS SIE SICH WÜNSCHEN NIE GEBOHREN ZU SEIN! UND JETZT NEHMEN SIE DIESE VERDAMMTEN BÜCHER UND VERPISSEN SICH AUS MEINEM DUNSTKREIS, BEVOR MIR DER HALS PLATZT!“
Der Master Sergeant hatte Bücher noch Miko geworfen? Dachte Germaine bei sich und trat nun, da Shepard offensichtlich zum Ende gekommen war, doch in dessen Büro.
Miko die zwei Bücher in den Händen hielt blieb bei ihrer Flucht aus dem Büro kurz bei ihm stehen. Er klopfte ihr auf die Schulter und ließ sie durch die Tür schlupfen.
Der Spieß, der sich wohl gerade wieder hingesetzt hatte federte aus seinem Stuhl hoch: „Colonel.“
„Master Sergeant Shepard“, begann dieser ungewollt knurrend, während hinter Miko die Tür zuklappte, „haben Sie einen Augenblick Zeit?“
„Natürlich Sirl“, antwortete Shepard mit fast normaler Stimme und deutete Einladend auf die beiden Besucherstühle, „was kann ich für Sie tun, Sir?“
„SIE!“, Germaine brachte seine Stimme unter Kontrolle, „können mir erklären, was das hier gewesen ist!“
Er setzte sich und überflog dabei kurz den Schreibtisch seines Gastgebers. Das spartanische Militärmodell besaß einen recht großen, originellen und stark frequentierten Aschenbecher. Erstaunlich war jedoch die Fülle der anderen Unterlagen. Die Kennzeichnungen der Datenchips wies diese neben den alltäglichen Unterlagen, wie Dienstpläne, Nachschubanforderungen, Anträgen und Materiallisten auch älteres Material: Missionsberichte, Kopien von Gefechts-ROMs und Kontrakteinweisungen.
„Manöverkritik, Sir“, antwortete Shepard
„Manöverkritik! Sie haben gerade einen Sergeanten abgekanzelt wie einen Kadetten! So ein Verhalten einem anderen Einheitsmitglied ist inakzeptabel, ich dulde nicht, dass irgendjemand so mit Untergebenen umgeht!“
Shepard setzte sich und musterte seinen Kommandeur und wollte ihm schon Antworten, doch Germaine war offensichtlich noch nicht fertig: „Darüber hinaus werde ich solche persönlichen Angriffe nicht tolerieren, weder bei Sergeant Tsuno noch bei irgendeinem anderen Soldaten unter meinem Kommando. Es ist bei den Chevaliers Sitte, dass man sich aus dem Privatleben der anderen Einheitsmitglieder heraus hält. Das geht weder Sie noch irgendeinen ihrer unfreiwilligen Zuhörer dort draußen im Büro oder gar auf dem Parkplatz etwas an!“
„Das geht mich nichts an? Mein Job ist es dafür zu sorgen, dass diese Einheit funktioniert! Sergeant Tsuno ist nicht in der Lage eine Lanze ins Gefecht zu führen und wahrscheinlich selbst für das Kommando über eine Lanze Simulatorkanzeln zu inkompetent; das ist mein Problem. Sergeant Ferrow ist mit ihrem Kind und der gleichzeitigen Führung einer Lanze überfordert; das ist mein Problem. Mein stellvertretender Lanzenführer ist ein Alkoholiker und ein Psychopath; auch das ist mein Problem. Und wissen Sie warum dass meine Probleme sind? Damit es nicht Ihre Probleme werden. Damit diese Truppe im Kampf wie eine gut gestimmte Violine bereit ist das Konzert mit Bravour zu überstehen.
Was nicht mein Problem ist, ist dass unser unerfahrenster Captain dem Unfähigsten Lieutenant diesseits von Terra die Hand halten muss, während jemand wie Captain Brennstein, der die Kompanieführung aufgrund seiner Erfahrung bei den Davionstreitkräfte aus dem Ärmel schüttelt, die guten Lanzenführer bekommt. Dass Colonel, ist Ihr Problem.
Und wenn Ihnen nicht passt, wie ich meine Unteroffiziere auf Linie bringe, dann schlage ich vor, sie besorgen sich jemanden, dem der Knigge mehr liegt und lösen mich ab.
Ich bin sicher Ryan-Jones wird sicherlich mehr Takt ihrer kleinen Freundin gegenüber besitzen.“
Der letzte Satz war geradezu Süffisant rübergebracht.
„Sergeant“, Germaine schlug einen belehrenden Tonfall an, „es ist nicht meine Art mich in die Aufgaben von Untergebenen einzumischen, solange deren Leistungen meinen und nur meinen Anforderungen entsprechen.“
Bei dem Zitat zuckte es kurz belustigt in Shepards Mundwinkel.
„Und wenn Sie einem Ihrer Unteroffiziere ein Donnerwetter verpassen müssen, dann ist das so, unabhängig von der Beziehung in der ich zu dem Unteroffizier stehe. Was ich nicht akzeptiere ist, wenn Sie dabei persönlich beleidigend werden und wie bei Sergeant Tsuno auf eine mögliche Vorteilsnahme anspielen, die es nicht gibt.
Oder gar, dass Sie dabei auf dem biologischen Aspekt wie der weiblichen Periode herumreiten. Vor allem nicht, wenn Sie dabei eine Lautstärke an den Tag legen, das der Wachposten am Tor Ohrenstöpsel braucht um nicht taub zu werden.“
„Ja, Sir.“
Germaine blinzelte: „Ja, Sir? Wie Ja, Sir, das interessiert mich nicht oder wie Jawohl, Sir?“
„Jawohl, Sir.“
Es klopfte schüchtern an der Tür und ohne auf eine Antwort steckte Jan Jensen den Kopf hinein: „Entschuldigen Sie bitte, Colonel, Master Sergeant, wir haben soeben einen Anruf vom Krankenhaus bekommen. Lieutenant Holler ist angefahren worden. Die Ambulanz ist zwar schnell vor Ort gewesen aber der Lieutenant ist auf dem Weg ins Krankenhaus verstorben. Soll ich Captain Fokker verständigen, Sir?“
Es war dem jungen Sergeanten ganz klar anzusehen, dass er sich unwohl fühlte.
„Nein, danke Jan, dass mache ich selbst", war Germaines tonlose Antwort.
„Lassen Sie mir einen Jeep bereit stellen“, befahl Shepard dem anderen Sergeant, „und zwei Mann, sowie einen Leichensack, ich hole Holler nach Hause.“
Der Adjutant blickte Danton an und als dieser nickte bestätigte er den Befehl und verschwand, während Shepard sich schon die Jacke anzog.
Das Gespräch von eben erschein plötzlich nicht mehr wichtig.

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5th Syrtis Fusiliers - Pillage and looting since first succession war


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Mit steinerner Miene stieg Germaine Danton aus dem Jeep, nachdem er vor dem Kasernengebäude gehalten hatte. "Master Sergeant, lassen Sie sofort Copycat kommen. In mein Büro. Und schicken Sie den Läufer danach zu Captain Fokker. Sie soll sofort in mein Büro kommen. Und bringen Sie..." Danton stockte für eine Sekunde. "Bringen Sie den Jungen zu Doktor Fleischer. Er soll ihn zunähen und vorbereiten. Sie kommen dann auch in mein Büro." Danton schüttelte ungläubig den Kopf. "Was für eine unglaubliche Verschwendung. Was für ein dämlicher Unfall."
Er trat zur Ladefläche und tätschelte dem Toten die Schulter. "Ich habe nicht richtig auf dich aufgepasst. Das tut mir Leid, Junge." Er trat vom Wagen zurück. "Fahren Sie."
"Jawohl, Sir." Shepard sandte einen der Begleitfahrer aus, um Copeland und Fokker zu alarmieren, dann setzte sich der Wagen wieder in Bewegung.
Noch immer kopfschüttelnd betrat Danton das Stabsgebäude, wo ihn Sergeant Jensen bereits erwartete. "Sir?"
"Stumpfes Trauma. Er wurde erst umgefahren, und dann hat der harte Asphalt seinen Kopf geknackt. Er hat definitiv nichts mehr mitgekriegt." Dass Holler drei Promille Alkohol im Blut hatte, verschwieg Danton. Die Leute würden mit einem Unfall leben können, nicht so gut aber mit einem Unfall aus Leichtsinn und Dummheit.
Der Läufer kam ihm auf halber Strecke entgegen. "Sir, Colonel Copeland war in seinem Büro. Ich habe ihn informiert. Ich gehe jetzt zu Captain Fokker."
"Beeilen Sie sich, Goldmann", sagte Danton leise.
"Jawohl, Sir!"
Schwer stützte sich der Herr der Chevaliers auf dem Gehstock ab. "Verdammte Scheiße. Wir haben gerade erst neunzig Leute begraben. Ich habe keine Lust auf eine weitere Beerdigung." Merkwürdig, seine Wunden schienen wieder mehr weh zu tun. Dennoch, das Leben und seine Pflichten gingen weiter.
Auf halbem Wege erwartete ihn Copycat mit zwei Tassen Kaffee in den Händen und einem Fragezeichen im Gesicht. "Sir?"
"Holler ist tot."
Copeland erbleichte. "Was, bitte?"
Danton winkte den Mann hinter sich her in sein Büro. Dort setzte er sich hinter seinen Schreibtisch und griff zum Telefon. "Den Herzog, bitte. Ja, ich weiß, dass es schon nach Mitternacht ist. Es ist wichtig. Nein, ich bestehe darauf. Gut, ich warte."
Danton bedeutete dem bleichen Copeland, sich zu setzen.
"Hallo, Ace. Ja, ich weiß, wie spät es ist. Einer deiner Husaren ist tot. Was? Ein Verkehrsunfall. Ein Auto hat ihn erwischt. Wie? Nun, er hat sich aus der Kaserne rausgemogelt, obwohl er Dienst beim Wiederaufbau der Wildsau hatte. Dann hat er sich maßlos betrunken. Anschließend ging er mit drei Promille auf die Straße. Nein, er war nicht als Säufer bekannt. Ja, ich weiß, dass da mehr hinter stecken muss. Ich werde das klären. Ja, Mylord. Ich halte dich auf dem Laufenden. Ja. Ja. Ja. Mylord, ich entschuldige mich aufrichtig dafür, dass einer Eurer Untergebenen, den Ihr an mich verliehen habt, unter meinem Kommando einem Unfalltod zum Opfer gefallen ist. Die Verantwortung liegt ganz bei mir. Ja, bitte verständige Aaron für mich. Nein, eine lückenlose Aufarbeitung. Ja. Ja. Verstehe. Ja, Mylord. Richtig, eine Schande, dass der Junge so früh sterben musste. Wie gesagt, ich trage die volle Verantwortung. Ja. Ja. Danke, Mylord. Gute Nacht, Mylord. Nein, ich werde heute nicht mehr schlafen können. Nochmal gute Nacht."

Danton legte auf und starrte Copeland an. "Harry?"
"Sie wissen, dass Holler Schwierigkeiten hatte, sich als Fokkers Nummer zwei zu etablieren, Germaine. Die Schwierigkeiten waren anscheinend größer als wir gedacht haben. Ich dachte, dass Fokker das hinkriegt. Aber es scheint, dass da viele Einzeltropfen das Fass zum Überlaufen gebracht haben. Dazu kam auch noch, dass seine engeren Freunde gefallen sind, verwundet im Lazarett liegen, oder bei der Miliz gelandet sind. Die Husaren unter seinem Kommando gehörten nicht dazu." Copeland sah auf. "Verzeihung, Sir, bei der Aufstellung des Bataillons habe ich in erster Linie mit den Maschinen gearbeitet und die meisten Krieger auf ihrem bevorzugten Typ gelassen. Da wir zu wenig Offiziere hatten - viele sind tot oder liegen im Lazarett - habe ich versucht, Captain Fokker eine relativ junge Truppe zusammen zu stellen, mit der sie arbeiten kann, und die mit ihr wächst. Ich war mit der Entscheidung für Holler als Lieutenant eigentlich sehr zufrieden. Aber wie es ausschaut, habe ich den Jungen nicht gut genug unterstützt. Und Rückhalt von Sergeant Ferrow hat er augenscheinlich nicht genug erhalten."
"Ich hielt die Aufstellung für gelungen. Und ich dachte, er würde ein gutes Bindeglied für Husaren und Chevaliers werden." Danton rieb sich die Schläfen. "Himmel, ich hätte ihn nach der Kneipenschlägerei nicht noch einmal gegen Jack antreten lassen dürfen. Das musste ja schief gehen. Aber ich habe ihn gerade wegen seiner Unerfahrenheit als Kompaniechef ausgewählt. Er sollte ja verlieren. Gott, ich habe den Jungen auf dem Gewissen."
"Wenn, haben wir beide den Jungen auf dem Gewissen, Sir. Ich war näher an ihm dran. Ich hätte das sehen müssen. Und es war sicher nicht alleine Ryans Schuld. Er war nur einer von vielen Faktoren."
"Sicher, Sie haben Recht. Aber wir haben einen schlechten Job gemacht", sagte Danton leise.
"Das steht außer Frage. Ein Offizier ist tot", erwiderte Copeland. "Das ist immer schlecht für die Truppe."

Es klopfte an der Tür, und nach einem Herein trat Shepard ein. "Master Sergeant, im Schrank ist eine Bar eingebaut. Bitte schenken Sie mir einen Cognac ein. Harry?"
"Whisky, Shepard."
Der Unteroffizier nickte bestätigend.
"Nehmen Sie sich auch etwas, Master Sergeant. Die Bar steht Ihnen offen."
"Danke, Sir. Ich nehme den Bourbon." Shepard schenkte die Getränke ein und servierte. Dann stellte er sich mit seinem Glas in der Hand an die Wand.
"Auf jene, die wir kannten, jene die wir kennen und jene, die wir noch kennen lernen werden. Hoffentlich sind sie es wert", intonierte Germaine, prostete den beiden zu und trank einen guten Schluck vom Cognac. Himmel, hatte er plötzlich eine Lust, sich zu besaufen.
Als es erneut klopfte, bat Danton herein. Jara Fokker betrat den Raum, in einen Morgenmantel gehüllt. Ihr Haar war offen und wirr. Sie wirkte verschlafen, desorientiert und angespannt. "Colonel, ich melde mich wie befohlen. Was ist denn los?"
"Master Sergeant, bitte servieren Sie Captain Fokker einen Klaren. Einen Doppelten."
"Sir?"
"Setzen Sie sich, Captain. Sie werden den Schnaps gleich brauchen."
Ihre Augen flackerten leicht bei diesen Worten. "Ist etwas mit meinem Bruder? Oder..."
"Nein, Ihrer Familie geht es gut." Danton wartete bis der Schnaps für Jara stand, dann begann er wieder zu sprechen. "Holler ist tot."
"Was? WAS?" Sie sprang auf, etwas zu hastig. Aber keiner der Männer interessierte sich dafür, dass dabei ihr Ausschnitt verrutschte. Ungläubig sah sie von einem der Männer zum anderen. "In der Wildsau?"
"Nein." Danton bedeutete ihr, sich wieder zu setzen. "Wir haben ihn gerade abgeholt. Es war ein Verkehrsunfall, keine zweite Prügelei. Trink, Jara. Du kannst es gebrauchen."
Für einen Augenblick zitterten der jungen Frau die Hände, aber dann griff sie doch zu und stürzte den Schnaps mit einem Hieb. "Was ist passiert?"
"Das was ich jetzt sage, bleibt unter uns. Offiziell wurde er bei einem Autounfall getötet. Inoffiziell aber hat er sich unerlaubt von der Reparaturtruppe getrennt, ist in die Innenstadt gefahren und hat sich in einer Kneipe namens Ban Ki Moon voll laufen lassen. Mit über drei Promille ist er dann beim Überqueren der Straße vor einen Bodenwagen gelaufen. Auf der Fahrt ins Krankenhaus ist er dann verstorben. Der Arzt sagte, er ist nicht mehr aufgewacht, bevor es vorbei war."
Jaras Hände begannen zu zittern. Sie streckte die Hand mit dem Glas aus. "Noch einen, Master Sergeant."
Wortlos nahm Shepard das Glas entgegen und füllte nach.
"Ich habe mich bereits als Verantwortlicher bei Herzog Mikado entschuldigt."
"Was? Aber Holler war mein Stellvertreter. Bin ich nicht...?"
"Ja, du bist verantwortlich, Jara. Und Copeland ist verantwortlich. Und Shepard ist verantwortlich. Und schließlich und endlich bin ich verantwortlich. Ich bin der Kommandeur der Einheit und damit für jedes einzelne Leben verantwortlich. Copeland leitet das Bataillon und damit deine Einheit. Du hattest ihn als Stellvertreter in deiner Kompanie. Und der Master Sergeant hatte aus seiner Warte Einblick ins Geschehen, aber nicht die richtigen Schlüsse gezogen."
Danton massierte seine Nasenwurzel. "Jara, wir bleiben dabei. Offiziell ist Holler Opfer eines Autounfalls geworden. Ein dummes, dummes Geschehen. Ich erwarte, dass die Tatsache, dass er sturzbetrunken war, so lange wie möglich aus der Einheit raus bleibt. Wir wollen ihn nicht noch entehren. Aber damit haben wir das Problem noch nicht bei der Wurzel gepackt. Jara, was ist los bei dir?"
Die junge Frau straffte sich. "Wenn Sie meinen, Colonel, dass ich als Kompaniechef versagt habe, bin ich jederzeit bereit, daraus die Konsequenzen zu ziehen."
"Nein, Jara, ich nehme dir deine Kompanie nicht weg. Aber wir haben hier alle Fehler gemacht, und nun ist ein Offizier tot. Wir müssen es diesmal besser machen. Deine Kompanie hat tolle Werte, und Decius Metellus hat dich mehrfach gelobt. Nur für den armen Holler ist es nicht gelaufen. Wieso?"
Jara schnaubte leise. "Ich habe an ihn die gleichen Anforderungen gestellt, die ich auch an mich selbst und an meine Leute stelle. Aber er hatte viel Pech in letzter Zeit. Vor allem mit Jack. Und er hatte keine Freunde im Bataillon, von denen ich gewusst hätte. Ich dachte, ich hätte ihn im Griff und würde einen guten Offizier aus ihm machen. Ich fand ihn als gutes Material."
"Das dachten wir alle. Du hast eine junge Kompanie zugeteilt bekommen, die weniger Schwierigkeiten hat, eine Zwanzigjährige als Kommandeur zu akzeptieren, und wir haben alle die Ernennung Hollers zum Lieutenant bestätigt. Aber ich habe seine Probleme nicht gesehen. Harry hat sie nicht gesehen. Du hast sie nicht gesehen."
Darauf wollte Jara etwas erwidern. Aber schließlich stürzte sie nur ihr Glas und nickte. "Ja, Sir. Die Konsequenzen?"
"Harry und Decius Metelle werden dir in Zukunft vermehrt unter die Arme greifen. Der Master Sergeant wird gleichzeitig ein Auge auf dein Unteroffizierskorps haben und dich aus der Richtung unterstützen. Außerdem werden wir einen neuen Lieutenant für dich brauchen."
"Wenn ich an der Stelle etwas einwerfen darf, Sir", sagte Shepard.
"Sprechen Sie."
"Sharpe, Sir."
"Sprechen Sie nicht in Rätseln."
"Sir, ich schlage Ihnen Feldwebel Sharpe vor. Ich bin der Meinung, dass die Kompanie von Captain Fokker eher einen verdammt guten Unteroffizier braucht als einen Lieutenant. Den kann sich Captain Fokker mit Hilfe von Sharpe heran ziehen. Aber das wäre eine effektive Unterstützung von innen, die Captain Fokker, wie wir gesehen haben, dringend braucht."
Die blonde Frau wollte protestieren, aber Germaine schüttelte den Kopf. "Gerade eben hat mir der Herzog den Kopf gewaschen, und das habe ich verdient. Du hast einen Offizier verloren, und wir müssen verhindern, dass das erneut passiert. Was ist mit diesem Sharpe, Shepard?"
"Er wurde in der Schlacht entrechtet und dem Miliz-Stab zugeteilt. Da wir ja jetzt einen Mech über haben, würde er mehr als glücklich sein, die Chevaliers-Uniform zu tragen, Sir." Er grinste freudlos. "Ich garantiere für seine Fähigkeiten, aber nicht für sein Dudelsackspiel. Er ist ein sehr guter Unteroffizier, der seinen Platz kennt. Und wie ich schon sagte, er wäre für einen Mech sehr dankbar."
"Ist das für Sie akzeptabel, Captain Fokker?"
"Jawohl, Sir." Ihr Blick sagte hingegen: Habe ich eine andere Wahl?
Aber eine militärische Einheit war nun mal keine Demokratie, und auch kein Wunschkonzert. Hätte sich Holler besser integriert, hätte er seinen Job gemacht, hätte es weder die Zweifel an ihrer Kompetenz, noch diese mangelnde Unterstützung gegeben, das war offensichtlich. Aber es war nun mal so und nicht anders gekommen. So gesehen konnte sie froh sein, dass sie mit einer Unterstützungsmaßnahme davon gekommen war, nicht mit einem Akteneintrag oder gar einer Degradierung. Das wäre zwar ungerecht gewesen, und der Situation nicht angemessen, aber es hatte die Möglichkeit bestanden.
"Ziehen Sie sich an, Captain, und nehmen Sie einen Wagen der Bereitschaft. Ich will, dass Sie dem Kommando, das die Wildsau von Glengarry repariert, die Nachricht persönlich überbringen. Und um Himmels Willen, sagen Sie Ryan, dass es nicht seine Schuld ist." Danton runzelte die Stirn. "Nicht seine alleinige Schuld. Ich habe einen weit größeren Anteil daran, dass er nun tot ist."
"Jawohl, Sir. Ich werde mich beeilen."
"Noch etwas, Captain. Die Zweite Kompanie hat morgen Dienstfrei."
"Ja, Sir. Colonel. Lieutenant Colonel. Master Sergeant." Mit einem letzten Nicken verließ sie das Büro.

"Wird sie das verkraften? Sollten wir ihr die Kompanie nicht besser wegnehmen? Manche fragile Offiziere zerbrechen an so etwas", sagte Shepard laut und nachdenklich.
"Jara und zerbrechen? Sie hat sich im Clan Wolf zur Kriegerin hoch gekämpft. Das war für sie eine Kampfansage, und sie hat den Kampf angenommen", erwiderte Danton. "Sie hat großes Potential. Und der Tod von Holler ist nicht einfach nur tragisch, unnötig und traumatisch... Vermeidbar... Es war ein dämlicher Unfall, in den der Junge geraten ist, weil er überschätzt hat, was er verträgt. Das ist ein unumstößlicher Fakt."
"Er hat sich besoffen, weil er mit der Situation nicht klar kam. Weil er zu wenig Unterstützung hatte. Weil dieser verdammte Pirat zweimal mit ihm Schlitten gefahren ist."
"Und das sind zwei Punkte von wie vielen? Wir bleiben beim Unfall, Master Sergeant. Ich weiß, ich werde die Fakten nicht ewig unterdrücken können, aber ich will, dass der Alkohol so lange wie möglich außen vor bleibt. Kümmern Sie sich darum, Master Sergeant. Und sorgen Sie dafür, dass Sharpe morgen früh zu uns versetzt wird."
"Jawohl, Sir."
"Morgen, Master Sergeant. Jetzt schenken Sie uns bitte allen nach, und wir trinken noch einen. Und stellen Sie ein fünftes Glas mit Branntwein auf den Tisch. Ich denke, ein kleines Wake ist angebracht."
"Ja, Sir." Shepard schenkte nach und stellte das fünfte Glas auf eine Tischkante, an der niemand saß.
Schweigend prostete Danton dem Glas zu, und die beiden Männer folgten seinem Beispiel.
"Wir haben in den Husaren einen Spruch für solche Situationen, Germaine", sagte Copeland schließlich. "Er erinnert an die Gefährlichkeit unseres Jobs."
"Lassen Sie hören, Harry."
"Toni, halte uns einen Platz frei. Wir kommen auch bald."
Danton schnaufte amüsiert. "Ja, das erinnert an die Vergänglichkeit des Lebens als Söldner." Er hob sein Glas. "Also auf bald, Toni." Danton und Copeland leerten ihre Gläser, während Shepard nur nippte. Aber er schenkte schweigend nach.
***
In der Wildsau von Glengarry wurde natürlich nicht mehr gearbeitet. Die Kneipe war restauriert worden, und die Chevaliers genossen das Fünfzig Liter-Fass, das der Wirt aus Dankbarkeit spendiert hatte.
Es war eine gesellige Runde, in der Streitereien und Ärgernisse der letzten Tage keine Rolle mehr spielten. Alte und neue Chevaliers saßen einträchtig nebeneinander.
"Hey, Kyle, hast du wirklich keine Probleme damit, gegen deinen alten Clan zu kämpfen?", neckte Ryan-Jones.
Der Mechkrieger grinste dünn. "Mein Clan ist ausradiert und bleibt es, solange das Genarchiv auf Diana in der Hand des Sternenbunds ist. Das, was wir jagen, sind Ursupatoren und Piraten. Sie besudeln den Namen der Nebelparder. Es ist mir eher eine Freude, reinen Tisch zu machen."
"Oh. Gute Antwort. Darauf noch ein Bier, Sergeant", erwiderte Ryan und zapfte dem Parder ein neues kühles Blondes. Seine Stimmung war ausgeglichen, geradezu freundlich.
Clark sah ärgerlich in die Runde. "Wir sind zwar fertig geworden heute, aber ich frage mich, wo Holler ist. Er war jeden Tag mit uns hier. Und ausgerechnet heute, wenn wir unsere Arbeit begießen, schwänzt er. Was für ein Kameradenschwein."
"Ruhig, ruhig, meine Gute", schnurrte Betty Rush. "Der Mann ist Offizier. Er hat das Recht, zu schwänzen, und uns arme, untergeordnete Dienstränge im Stich zu lassen. Zur Strafe lassen wir ihn einfach noch mal gegen Jack antreten."
Miranda Clark lachte glucksend. "Das wird aber diesmal nicht so leicht. Immerhin hat er sich bei Jacks Schulung Notizen gemacht."
"Schön, wenn er was gelernt hat", erwiderte Ryan grinsend. "Und vielleicht kommt er ja noch, wenn wir ihm stecken, dass die Arbeit getan ist."
"Aber erst, wenn das Freibier alle ist!", ereiferte sich Mulgrew. "Dann kann er gleich eine Runde kaufen!"
Zustimmendes Gemurmel erklang.
"Die Runde geht wohl eher auf mich", klang eine frostige Frauenstimme vom Eingang her auf.
Jack, schon etwas angeschlagen, besann sich auf sein Training. "ACHTUNG! Offizier anwesend!"
Die Chevaliers sprangen auf und salutierten in Richtung von Captain Fokker.
Die junge Frau winkte ab. "Setzen, Leute. Sitzen ist jetzt eine sehr gute Idee. Wirt, doppelte Schnäpse für alle." Jara setzte sich dazu, auf ein Stück der Bank, das für sie frei gemacht wurde. Dann wartete sie auf die Whisky-Gläser. "Lieutenant Holler wird nicht mehr kommen."
Ärgerliches Raunen erklang. "Er wird nie wieder kommen." Nun wurde das Raunen erstaunt.
"Ist er desertiert? Habe ich ihn zu hart angepackt?", fragte Ryan.
Jara seufzte leise. "Sie trifft keine Schuld, Sergeant. Jedenfalls nicht mehr als mich oder Colonel Danton." Sie griff nach dem Schnapsglas und hob es hoch. "Second Lieutenant Toni Holler ist heute Abend auf der Straße von einem Auto erfasst worden. Er starb auf dem Weg ins Krankenhaus."
In der Kneipe wurde es totenstill, bis ein leises Mantra aus Neins erfolgte, das aus Jacks Richtung kam. Der Pirat hatte beide Hände hinter den Kopf gelegt, seine Stirn beinahe auf dem Tisch, und stieß die Worte mit tränenschwangerer Stimme aus. Steinberger und Clark kamen an seine Seite und redeten leise auf ihn ein.
"Wie ich schon sagte, es ist nicht Ihre Schuld, Sergeant Ryan. Der Colonel hat persönlich dem Herzog gegenüber die Verantwortung übernommen." Sie hob ihr Glas. "Unfälle passieren. Sie passen nie zur richtigen Zeit. Aber sie passieren. Und das ist besonders unglücklich für jene, denen sie passieren. Auf Toni. Möge er jetzt an einem besseren Ort sein."
Die Chevaliers ergriffen ihre Gläser, und selbst der am Boden zerstörte Ryan ergriff seines. "Auf Toni."
Einige stürzten den Inhalt, andere nippten nur. Gemein war allen, dass sie betreten schwiegen.
Langsam schien sich Ryan zu fangen. "Es gibt einen Spruch für diese Gelegenheit." Er hob sein Glas erneut. "Here's to us. Who's like us? Damn few."
Miranda Clark schien den Spruch zu kennen. Sie hob ihr Glas und intonierte mit Jack zusammen: "And they're all dead."
Der Wirt schenkte die Gläser auf eigene Kosten nach.

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Ort unbekannt:

Das Treffen war so abgesichert, wie es nur menschenmöglich war. Nichts hatte man dem Zufall überlassen, der Ort des Zusammentreffens war zwei Tage lang überprüft worden, bevor man ihn für sicher erklärte. Und trotzdem hatte jedes Mitglied des Treffens einen Leibwächter, der außerhalb des Raums, den sie für das Treffen gewählt hatten, Wache hielt. Die sechs Personen, allesamt Männer, hielten ihre Gesichter im Schatten, sodass man sich nur an den Stimmen erkennen konnte. Jeder von ihnen hatte eine Nummer von Eins bis Sechs. Die Anonymität war die größte Sicherheit, die sich diese sechs geben konnten. Nummer Eins, offensichtlich so etwas wie der Anführer der kleinen Gruppe, eröffnete auch die Gesprächsrunde. „Ich danke Ihnen, dass Sie alle kommen konnten. Wir haben einige Probleme, die vor allem mit unserem letzten Auftrag und dem Unmut unserer Vorgesetzten zusammenhängen. Nummer Vier, wenn Sie beginnen wollen.“
Einer der anderen Männer neigte leicht den Kopf – die Ironie der Situation war, dass die anderen Männer das bestätigende Nicken nicht sehen konnten. „Wir haben inzwischen die Bestätigung erhalten, dass unsere Operation auf Wayside ein Fehlschlag war – die von uns nach Wayside geschickten Einsatzkräfte wurden von der Miliz und Dantons Chevaliers vernichtend geschlagen. Wir sahen uns gezwungen, unsere Mitarbeiter abzuziehen, was die Husaren veranlasste, den Kontrakt für nichtig zu erklären.
Außerdem müssen wir den Verlust Hauptmann Churins beklagen, der von bislang noch unbekannten Tätern erschossen wurde. Wir nehmen daher an, dass Operation Schläfer fehlgeschlagen ist. Selbst wenn Bramert weiterhin denkt, er sei ein Schläfer, haben wir keine Möglichkeit, ihn in unserem Sinne einzusetzen. Ich habe die Anweisung gegeben, jeden unserer Mitarbeiter, den wir noch auf Wayside hatten, zurückzuziehen. Sobald sie in die Innere Sphäre zurückkehren habe ich eine ausgedehnte Befragungsrunde angesetzt, um die Gründe für diesen Verschlag zu ermitteln und zu analysieren. Ich nehme an, unsere Kollegen verfahren mit ihren Leuten ähnlich.“
Nummer Eins ergriff erneut das Wort. „Nachdem dieses Problem geklärt ist: wie gehen wir nun mit der Situation auf Wayside um? Den Informationen, die wir erhielten, konnten wir entnehmen, dass die Chevaliers bald auf die Jagd nach ehemaligen Nebelpardern gehen – können wir das für unsere Zwecke irgendwie ausnutzen?“
Wir könnten eine frische Einheit in Richtung Wayside schicken", meinte Nummer Zwei. "Die Miliz wird mit keinem neuen Angriff rechnen.“
„Dessen sollten Sie nicht allzu sicher sein“, antwortete Nummer Vier. „Die Miliz wird von kampferprobten Männern und Frauen geführt, die wahrscheinlich ihre Verteidigung ausbauen werden. Außerdem könnte es passieren, dass weitere Verstärkungen von der planetaren Regierung herangezogen werden - für eben den von Ihnen genannten Fall, dass es zu einem erneuten Angriff kommt. Außerdem verfügen wir nicht über unbegrenzte Geldmittel. Wir können uns nicht einmal mehr die Möglichkeit eines weiteren Fehlschlags leisten.“
Zum ersten Mal seit langer Zeit meldete sich Nummer Sechs zu Wort. „Erkundigen Sie sich bei unseren Verbündeten, ob diese uns zusätzliche Kräfte für einen Angriff zur Verfügung stellen könnten“, befahl er und die Autorität in seiner Stimme machte deutlich, wer der tatsächliche Anführer der Runde war. „Sollten diese und die nötige Unterstützung verweigern, dann geben Sie das an unsere Vorgesetzten weiter und teilen Sie Ihnen auch mit, dass wir ohne eine Erweiterung unseres Budgets und die Unterstützung unserer "Verbündeten" keine Chance sehen, die gestellten Ziele und Vorgaben zu erfüllen.“
Die anderen Mitglieder der Runde wagten es nicht, ihm zu widersprechen. Nach einer gewissen Zeit sagte Nummer Drei. „Die Bitte um Unterstützung ist rausgegangen. Sie wurde mit Priorität Alpha eingestuft.“
„Ausgezeichnet“, antwortete Nummer Sechs. „Wenn nichts weiter zu besprechen ist, dann beende ich dieses Treffen. Wir bleiben über die üblichen Prozeduren in Kontakt.“
Die sechs Männer zogen sich weiter in die Schatten zurück bis sie völlig verschwunden waren. Der als Nummer Sechs bekannte Mann wartete, bis er sicher war, dass seine Kollegen nicht mehr in der Nähe waren, dann fragte er. „Sie haben alles mitbekommen?“
Ein Schatten löste sich von dem restlichen Schatten und trat vor. Man erkannte einen weiteren dunkelgekleideten Mann, dessen Gesicht nicht vom Schatten verdeckt war. Sein Gesicht war mit Narben übersäht, als ob er eine Explosion überlebt hätte oder unter einer schweren Krankheit litt, die sein Gesicht entstellte. „Ja. Glauben Sie wirklcih, dass unsere "Verbündeten Ihnen die nötige Unterstützung liefern werden? Immerhin haben Sie beim letzten Mal versagt - etwas, was weder unsere Vorgesetzten, noch unsere "Verbündeten" gerne sehen.“
"Für alle Alternativen fehlen uns die nötigen Mittel, Mr. Smith", antwortete Nummer Sechs. Natürlich war Smith nicht der richtige Name des Narbenträgers, aber den hatte dieser selbst wahrscheinlich schon vor Ewigkeiten vergessen. "Unser Budget ist mit der Einstellung und Ausrüstung der Husaren über die Grenzen hinaus überlastet. Alles, was wir jetzt noch an Kosten verursachen wollten, ohne zusätzliche Mittel, würde zum völligen Bankrott führen. Oder haben Sie einen besseren Vorschlag?"
"Sie kennen meine Meinung", anwortete Smith. "Setzen Sie kleine Teams ein, die gezielt Anschläge verüben. Damit hätten sie denselben Effekt wie ein großangelegter Angriff. Selbst ein Schlangenkörper kann ohne Kopf nicht überleben, dass wissen Sie doch ebenso gut wie ich."
Nummer Sechs strich sich über das Kinn - ebenfalls eine Geste, die in der Dunkelheit, in der er sich aufhielt, nicht zu erkennen war. "Vielleicht komme ich irgendwann auf Ihren Vorschlag zurück, Mr. Smith. Aber zunächst will ich die Antwort unserer "Verbündeten" abwarten, bevor ich mich entschließe, den nächsten Schritt zu tun. Haben Sie inzwischen auch positive Nachrichten für mich?"
"Sollte ich?", lautete die Gegenfrage des Narbenträgers. "Zurzeit verlaufen sich viele Operationen im Sand, es gibt keine Strukturen. Der Bürgerkrieg verschlingt zu viele Ressourcen, die wir dringend an anderer Front benötigten. Sie können sich also vorstellen, wie es um unsere Arbeit derzeit steht."
Nummer Sechs schnaubte abfällig. "Ja, ich kann es mir denken. Also gut, dann müssen wir die Sache eben anders angehen. Stellen Sie ein Team zusammen und überlegen Sie, wie Sie am besten nach Wayside kommen. Ich möchte Sie für den Fall der Fälle in Stellung wissen."
Der Narbenträger mit dem falschen Namen verneigte sich leicht, dann verschwand er wieder in den Schatten, aus denen er hervorgetreten war. Stille legte sich über den Raum, dann verschwand Nummer Sechs ebenfalls - und es war, als hätte niemand jemals den Raum betreten.

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A rose by any other name is still a rose

Ein Narr ist eine gefährliche Waffe im Haus der Vernunft

Tu as dèjá le baton fleurdelisé dans ta giberne

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25.11.2010 14:37 CeGrudke ist offline E-Mail an CeGrudke senden Beiträge von CeGrudke suchen Nehmen Sie CeGrudke in Ihre Freundesliste auf
Thorsten Kerensky
Colonel


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Wayside V („Wildkatz“)
Jaffray-Raumhafen, Kasernenkomplex
23. August 3066, 00:25 Uhr

Dantons Laufbursche hatte es sehr einfach gehabt, Copeland zu finden. Der Chef des Mechbatallions war noch in seinem Büro gewesen und hatte gearbeitet. Bei Captain Fokker sah das anders aus. Die junge Frau war weder in ihrem Büro, noch in ihrem Quartier auffindbar gewesen.
Für einen Moment hatte der Soldat überlegt, ob er dem Colonel melden sollte, dass er seinen Befehl nicht ausführen könnte, aber mit dem Mut übernächtigter Verzweiflung hatte er sich zum Quartier von Dawn Ferrow aufgemacht, in der Hoffnung, dass die Mechkriegerin wusste, wo sich ihre Vorgesetzte und Freundin herumtrieb.
Nach mehrmaligem, drängendem Klopfen hatte ihm eine zerzauste und nur notdürftige bekleidete Dawn geöffnet.
„Was gibt es, Private?“
Der Infanterist salutierte zackig: „Verzeihen Sie die späte Störung, Ma’am! Ich bin auf der Suche nach Captain Fokker und konnte sie nirgends finden. Wissen sie zufällig, wo der Captain steckt?“
Dawn seufzte und warf einen Blick den Gang hinunter. Die Kaserne schien noch vor Hektik zu brodeln. Irgendwie kamen die Chevaliers momentan nicht zur Ruhe. „Was wollen Sie denn von Captain Fokker?“
„Der Colonel möchte sie umgehend in seinem Büro sprechen. Es ist dringend!“
„Hören Sie zu, Private! Captain Fokker ist hier und sie wird sich sofort auf den Weg machen. Sie werden aber niemandem erzählen, dass der Captain hier war, verstanden?“
Der Private verdrängte die Bilder, die sich seinem Verstand aufzwängten und nickte: „Selbstverständlich, Ma’am. Es geht mich ja auch nichts an.“
„Sehr gut. Und nun verschwinden Sie!“
Dawn schloss die Tür wieder und verzog das Gesicht. Jara sah im Halbschlaf aus dem Bett zu ihr auf. „Wasn los?“
„Der Alte will dich sehen.“
„Wann?“
„Sofort.“
Es brauchte eine Zeit, bis die Bedeutung des Wortes an Jaras Gehirn vorgedrungen war. Schließlich ächzte sie, setzte sich auf und rieb sich den Schlaf aus den Augen. „Sofort?“
„Ja.“ Dawn ließ sich auf die andere Seite des Bettes fallen und kuschelte sich in ihre Bettdecke. „Ein Läufer war da und hat das so gesagt. Es sei dringend.“
„Ich hab gar keine Uniform hier.“
„Du kannst meinen Morgenmantel haben.“
„Danke. Ich bring ihn dir später wieder.“
„Kein Problem“, murmelte ihre Freundin, schon wieder halb eingeschlafen. „Sei leise, wenn du zurückkommst.“
Jara warf einen kurzen neidischen Blick auf Dawn und quälte sich dann aus dem warmen Bett und stolperte in die kühle Nasszelle. Sie warf sich eine Handvoll kaltes Wasser ins Gesicht und schlüpfte dann in den Morgenmantel.
Musste ja irgendwas unglaublich Wichtiges sein, wenn Danton sie mitten in der Nacht dafür suchen und wecken ließ. Je näher sie seinem Büro kam, desto mehr kam ihr Kreislauf in Fahrt und desto mehr löste sich der Schleier von ihrem Verstand.
Als sie schließlich an der Tür des Colonels klopfte, war sie schon dabei, alle möglichen Szenarien in ihrem Kopf durchzuspielen.
„Herein!“
„Colonel, ich melde mich wie befohlen“, grüßte sie und warf einen Blick durch den Raum. Neben Danton waren auch Copeland und Shepard da. Alle drei hatten harten Alkohol vor sich stehen und wirkten zutiefst betroffen. „Was ist denn los?“
Für einen winzigen Moment dachte sie an einen Männerstreich, aber sie verwarf den Gedanken sofort wieder.
„Master Sergeant, bitte servieren Sie Captain Fokker einen Klaren. Einen Doppelten.“ Ohne zu Zögern erhob sich Shepard und schenkte irgendeine alkoholische Flüssigkeit in ein Glas. Vermutlich eher dreifach als doppelt.
„Sir?“ Jara wurde die Situation zunehmend unheimlich und sie war sich sicher, dass irgendwas absolut faul war. Was ging hier ab?
„Setzen Sie sich, Captain. Sie werden den Schnaps gleich brauchen.“
War irgendjemandem was passiert? Wer konnte…? Ein grausamer Verdacht befiel sie: „Ist etwas mit meinem Bruder? Oder…?“
Weiter kam sie nicht. „Nein, Ihrer Familie geht es gut“, unterbrach der Alte sie. Er pausierte und ließ ihr Zeit, sich zu setzen und ließ auch dem Spieß die Zeit, ihr das Schnapsglas vor die Nase zu stellen. Dann erst sprach er es aus: „Holler ist tot.“
„Was?“ Für einen Augenblick verstand ihr Gehirn nicht, was er gesagt hatte und konnte es nirgendwo einordnen. Dann rastete die Realität wieder ein und die Bedeutung dieser drei Worte brach über sie herein. „WAS?“ Sie sprang auf und Dawns Morgenmantel gab dabei tiefere Einblicke, als ihr normalerweise Recht gewesen wäre. „In der Wildsau?“
In ihrem Kopf begannen Gedanken sich zu überschlagen. Was hatte Jack jetzt angestellt?
Danton begann, sie ins Bild zu setzen. Erzählte von einem Verkehrsunfall. Von Blutalkohol, Verantwortung und anderem Kram.
Dann war sie plötzlich in ihrem Quartier und legte sich eine Uniform an.
Irgendwie war sie in die „Wildsau“ geraten und trank dort mit Jack und seinen Leuten noch mehr Schnaps.
Und dann lag sie irgendwann wieder neben Dawn im Bett. Sie lag einfach da und weinte stumm vor sich hin. Sie merkte kaum, dass die Freundin sie in die Arme nahm.
Holler war tot. Wieder hatte sie ein Mitglied ihrer Truppe verloren. Schon vor dem Beginn der Kämpfe. Wie hatte es dazu kommen können?
„Was ist denn passiert?“
Nur undeutlich drangen Dawns Worte zu ihr vor.
„Jara, was ist los?“
„Holler ist tot“, brachte sie schließlich raus.
„Oh, fuck!“ Dawn hielt sie fest und versuchte, die Nachricht zu verarbeiten. Sie hatte Holler nicht sonderlich gemocht, aber trotzdem traf sie der unerwartete Tod eines Kameraden. Soldaten starben. Das war völlig normal, darauf war man vorbereitet. Aber Soldaten hatten auf dem Schlachtfeld zu sterben.
„Wie?“
„Ein Verkehrsunfall.“ Jara beruhigte sich langsam wieder. Der Gefühlsausbruch war nötig gewesen und hatte ihr gut getan. „Er ist von einem Lastwagen erfasst worden.“
„Das ist ja schrecklich!“
„Und es ist meine Schuld.“
„Deine Schuld? Du kannst doch nichts dafür!“
Jara wischte sich mit dem Handrücken über das Gesicht und blinzelte die letzten Tränen weg. „Er hätte gar nicht dort sein dürfen. Er sollte in der Wildsau seien. Und ich hab es nicht mitbekommen. Ich war für ihn verantwortlich.“
„Und was hättest du tun können? Du kannst nicht jeden rund um die Uhr überwachen, Jara. Und du kannst das Schicksal nicht aufhalten. Menschen machen Fehler, das kannst du nicht ändern.“
„Aber wenn ich ihn nicht so gehetzt hätte, dann wäre er nicht… dann hätte er in der Wildsau geholfen. Und dann würde er jetzt noch leben.“
„Hätte… würde… könnte… Jara, wenn ich in meinem Leben eins gelernt habe, dann dass man nicht alles verhindern kann. Manche Dinge passieren einfach. Du hast dir mit Holler, mit uns allen, viel Mühe gegeben. Du bist nicht schuld daran.“
„Wer dann?“
Dawn seufzte und zog die Freundin an sich, versuchte ihr Trost und Nähe zu geben. „Niemand, Jara. Es hat niemand Schuld. Und du schon gar nicht. Du. Bist. Nicht. Schuld! Okay?“
Jara schmiegte sich an und war froh, in diesem Augenblick schwach sein zu dürfen und für einige Zeit nicht die souveräne Anführerin geben zu müssen. „Okay“, murmelte sie, auch wenn sie es selber noch nicht ganz glaubte.
Beim Morgenantreten würde sie der Kompanie erklären müssen, dass Holler tot war. Und dann kam der grausame, kalte und erbarmungslose Papierkram. Der Brief an seine Angehörigen. Und so ging es weiter.
Aber das war noch einige Stunden weg. Einige Stunden, in denen Jara die Zeit und das Recht hatte, einfach nur eine junge, aufgewühlte Frau zu sein.

Wayside V („Wildkatz“)
Jaffray-Raumhafen, Kasernenkomplex
23. August 3066, 07:31 Uhr

Normalerweise war Wayside V ein Sonnenschein-Planet, aber an diesem Morgen wehte ein unangenehm kühler Wind über den Exerzierplatz der Kaserne. Als würde das Wetter sich ihrer Stimmung anpassen.
Auch die zehn Männer und Frauen ihrer Kompanie sahen mitgenommen aus. Vermutlich hatte sich die Nachricht von Hollers Tod wie ein Lauffeuer durch die Kaserne verbreitet, nachdem die Soldaten aus der Wildsau zurückgekehrt waren.
Dawn, die stellvertretend für Holler vor der Front stand, salutierte vor ihr: „Captain Fokker, ich melde die zwote Kompanie angetreten!“
„Danke, Sergeant, treten Sie ein!“
Jara atmete tief durch und legte sich die Worte zurecht. Es fiel ihr unglaublich schwer, in diesem Moment vor ihren Leuten zu stehen.
„Zwote Kompanie: Rührt euch! Kopfbedeckungen ab!“
Militärisch fast perfekt wechselte die Kompanie ihre Körperhaltung und nahm die Feldmützen vom Kopf. Eine der deutlich sichtbaren Verbesserungen, die in den letzten zwanzig Tagen eingetreten waren. Wenn doch nur alles so gut geklappt hätte…
„Meine Damen, meine Herren… Es ist heute meine traurige Pflicht, Sie darüber zu informieren, dass Lieutenant 2nd Class Toni Holler in der letzten Nacht einen tödlichen Verkehrsunfall hatte.“
Sie machte eine kurze Pause und nahm sich die Zeit, in die leeren Gesichter ihrer Leute zu blicken. Niemand schien überrascht. Einigen sah man aber nun, wo die Gerüchte zur Tatsache wurden, den Schock an.
„Lieutenant Holler verstarb am 22. August 3066 um 23:54 Uhr auf dem Weg ins Krankenhaus.“
Eine weitere Pause. Sie ließ die Worte sacken. Eigentlich hatten diese Menschen ein Recht, zu erfahren, wie es passiert war. Dass Holler voll wie eine Haubitze und vom Strafdienst unerlaubt abwesend war. Aber letztlich war niemandem damit geholfen, wenn sie das Ansehen des Toten durch den Schmutz zog.
„Wir verlieren mit Toni Holler einen hoffnungsvollen Offizier, einen guten Kameraden und einen Freund. Wir behalten ihn als einen von uns in unseren Erinnerungen.
Zwote Kompanie: Stillgestanden!
Eine Schweigeminute für Lieutenant 2nd Class Toni Holler!“
Jara senkte den Blick und wusste, dass zehn Köpfe vor ihr das Gleiche taten. Eine Schweigeminute dehnte sich zu einer Ewigkeit.
Eine Ewigkeit, in der jeder seinen Gedanken nachhing. Bilder, Erinnerungen, Eindrücke, Gefühle brachen hervor und zogen vor dem inneren Auge vorbei.
Jara und die Chevaliers hatten den jungen Offizier kaum gekannt. Den ehemaligen Husaren musste es entsprechend schwerer fallen, mit der Situation umzugehen. Aber sie würden bald alle darüber hinwegkommen. Hinwegkommen müssen.
Schließlich sah Jara auf: „Zwote Kompanie: Rührt euch!“
Sie gab den Leuten deutlich mehr Zeit als üblich, ließ die Ruhe drin und bemühte sich, keine Hektik, keinen Stress zu verbreiten.
„Die Beerdigung von Toni Holler findet übermorgen um 10:00 Uhr auf dem Soldatenfriedhof von Parkensen City statt. Befohlene Uniform ist Paradeuniform mit Trauerflor.
Denken Sie bitte auch daran, dass Sie bei Problemen und Fragen jederzeit mit Father O’Hierlihy oder mit mir sprechen können. Im Namen von Colonel Germaine Danton erteile ich der gesamten Kompanie für den heutigen Tag Dienstfrei!“
Jara wollte noch irgendetwas sagen, wollte die Situation wegreden. Aber da war nichts mehr. Es gab keine Worte, die jetzt geholfen hätten, keine Sätze, die das Absurde hätten wegfegen können. Sie seufzte leise.
„Zwote Kompanie: Wegtreten!“
Während die Soldaten ihre Baretts wieder aufsetzten und sich in alle Winde zerstreuten, trat Dawn neben sie.
„Und jetzt, Jara?“
„Jetzt nichts. Ich muss jetzt den Papierkram erledigen und gegen Mittag kommt der neue Lanzenführer. Den werde ich einweisen müssen. Du lässt morgen früh antreten und ich stelle ihn dann der Truppe vor.“
„Geht klar. Kann ich dir irgendwie helfen?“
Jara schüttelte den Kopf: „Nein, das muss ich alleine machen.“
„Okay. Du weißt ja, wo du mich findest.“
Bei Dawns tröstendem Lächeln strömte etwas Stolz durch Jara. Sie hatte so viel Zeit darauf verwandt, ihre Freundin wieder aufzubauen und aus ihrem Trauertal zu führen. Und auch wenn sie damit noch lange nicht fertig war, so war Dawn mittlerweile doch zumindest so weit, um ihr einen Teil dieser Rückendeckung zurückzugeben.
„Oh, eins noch“, rief sie Dawn zu.
„Ja?“
„Der Colonel möchte dich sprechen. Er hat ein Angebot an dich, was du dir auf jeden Fall anhören solltest.“


Wayside V („Wildkatz“)
Parkensen City, Milizkaserne
23. August 3066, 07:45 Uhr

„Sie wollten mich sprechen, Sir?“ Sergeant Miles Sharpe stand in lockerer Haltung vor Aaron Imaras Schreibtisch und musterte seinen Kommandeur. Seine Uniform saß tadellos, sein Auftreten war ordentlich. Kein Schmutz auf der Kleidung, keine Unruhe. Das war auch kein Wunder, hatte er momentan doch absolut nichts zu tun.
„In der Tat, Sergeant. Wie geht es Ihnen?“
„Ich fühle mich etwas überflüssig, Sir“, gab Sharpe unumwunden zu. „Ansonsten geht es mir gut, danke.“
Imara nickte und deutete dann mit der Hand auf einen freien Stuhl: „Setzen Sie sich doch! Kaffee?“
„Gerne, Sir. Schwarz, ohne Zucker.“
Der Milizchef schenkte aus einer schlichten Thermokanne ein und stellte die Tasse vor ihm ab. Anschließend schob er ein Blatt Papier zu dem überraschten Unteroffizier.
„Sir?“
„Ihre neue Aufgabe, Sharpe. Damit Sie endlich wieder etwas zu tun haben.“
„Danke, Sir. Darf ich erfahren, wohin Sie mich schicken?“
„Zu den Chevaliers.“ Imaras Blick schweifte aus dem Fenster und sein Gesicht wurde ausgesprochen nachdenklich. „Sie übernehmen dort einen Mech und eine Lanze in der zweiten Kompanie.“
Ein neuer Mech? Na der Tag fing ja super an, schoss es Sharpe durch den Kopf. Seit er seine Maschine beim Angriff auf Wayside verloren hatte, saß ihm die Angst im Nacken, für immer entrechtet zu sein. Und nun bekam er schon so schnell wieder eine Chance.
„Danke, Sir. Wie komme ich zu der Ehre?“
Sein Gegenüber seufzte schwer und wandte sich wieder dem Sergeant zu: „Was ich Ihnen jetzt erzähle, ist ziemlich… heikel. Behalten Sie das für sich, Sergeant!“
„Ja, Sir.“
„In der zweiten Kompanie der Chevaliers laufen die Dinge nicht so rund, wie sie sollten. Die Kompanieführerin ist blutjung und kam mit ihrem Stellvertreter nicht klar. Sie braucht jetzt einen fähigen Unteroffizier, der sie unterstützt und ihr hilft, die Truppe zu führen. Trauen Sie es sich zu, den Captain ein wenig an der Hand zu nehmen?“
„Ich tue, was ich kann, Sir. Darf ich erfahren, wo ihr Stellvertreter jetzt ist?“
„Er ist tot.“ Imara schüttelte betrübt den Kopf. „Ein Verkehrsunfall. Das macht Ihre Aufgabe nicht leichter, aber Sie bekommen das schon hin, Sharpe. Sie können mit Menschen umgehen und Sie können vermitteln. Und Sie haben Erfahrung. Genau das braucht die Kompanie jetzt.“
„Tot?“ Der Sergeant runzelte die Stirn. „Die arme Sau. Jemand, den ich kannte?“
„Toni Holler.“
„Oh, scheiße.“
„Ein Freund?“
„Nicht wirklich. Wir waren in der gleichen Kompanie, Sir.“
Imara nickte. „Ich weiß.“ Er atmete tief durch und klopfte dann auf das Blatt Papier. „Ihr neuer Kontrakt. Unterschreiben Sie und melden Sie sich mit Ihrem Gepäck um 11:00 Uhr bei den Chevaliers! Viel Erfolg, Sergeant!“
Sharpe setzte seine Unterschrift unter das Dokument und schüttelte die dargebotene Hand, ehe er sich zackig militärisch verabschiedete und zum Gehen wandte.
An der Tür hielt Imaras Stimme ihn noch einmal zurück: „Übrigens Sharpe… Sie sind ab sofort Sergeant Major. Glückwunsch!“

Wayside V („Wildkatz“)
Jaffray-Raumhafen, Kasernenkomplex
23. August 3066, 11:10 Uhr

Gebäude 7, Stube 23. Doppelbelegung mit Sergeant Lars Asmussen. Das zumindest hatte Captain Juliette Harris ihm gesagt und deswegen war Miles Sharpe nun mit seinem gesamten Gepäck auf dem Weg zu den Unterkünften.
Da hatte Asmussen es also zum Sergeant gebracht. Die Chevaliers schienen ein Karrieregarant zu sein. Blieb nur zu hoffen, dass nicht noch mehr gute Männer und Frauen daran zerbrachen.
Sharpe schob seine Gedanken beiseite, als jemand ihn grüßte: „Hey, Sarge! Ist in dem Koffer ein Dudelsack?“
Er musterte den Mann, der vor ihm stand: Panzeroverall, die Rangabzeichen eines Privates. Kirilov stand auf seinem Namensschild.
„Ganz Recht, Private. Eine Highland Pipe, gut erkannt. Wieso fragen Sie?“
„Ich spiele selber, Sir. Aber noch nicht gut. Vielleicht können Sie mir beizeiten ein paar Tricks zeigen?“
Sharpe grinste: „Ich befürchte, wirklich viel kann ich auch noch nicht spielen. Aber wir können gerne beizeiten gemeinsam üben. Vorausgesetzt man findet hier ein ruhiges Plätzchen dafür.“
„Im Panzerhangar geht das ganz gut, Sir.“
„Das klingt doch gut.“ Tatsächlich freute er sich ein wenig darauf, wieder Musik zu machen. Die letzte Zeit hatte er sein Hobby ziemlich vernachlässigt. Erst war ihm der Krieg dazwischen gekommen und dann hatten seine Kameraden ihm sehr deutlich gesagt, was sie davon hielten, dass er Dudelsack spielte, während sie arbeiten mussten.
„Ich werde mich mit Ihnen in Verbindung setzen, Private. Aber jetzt muss ich erst einmal meine Stube beziehen. Können Sie mir sagen, wo Gebäude 7 ist?“
„Sie laufen direkt darauf zu, Sarge!“
„Danke. Bis bald und einen ruhigen Dienst!“
Sharpe setzte seinen Weg fort und fand sich im Gebäude deutlich besser zu Recht als außerhalb. Militärische Bauwerke folgten eigentlich immer der gleichen Logik im Aufbau und so hatte er keine Probleme, seine neue Unterkunft zu finden.
Die Stube war aufgeräumt und ordentlich, das gefiel ihm. Entweder war sein Mitbewohner ein disziplinierter Zeitgenosse oder in der Einheit wurde viel Wert auf Drill gelegt. Mit beiden Varianten konnte er sich anfreunden.
Ein Blick auf die Uhr verriet ihm, dass er spät dran war, wenn er sein Treffen mit Colonel Danton nicht verpassen wollte, also schmiss er seinen Seesack auf das freie Bett und schloss nur seinen Dudelsack und seine Wertgegenstände in einem leeren Spind ein.
Viel war das ohnehin nicht. Nach seinem Besuch bei seinem neuen Kommandeur würde er auch in die Kleiderkammer müssen, um sich mit den Chevaliers-Uniformen einzudecken. Aber vermutlich war das sowieso sein erster Dienstbefehl.
Den Weg zurück zum Stabsgebäude fand er diesmal ohne Schwierigkeiten. Er war sogar etwas zu früh, also vertrieb er sich die Wartezeit damit, das schwarze Brett der Einheit zu studieren. Dabei fiel sein Blick auf den Dienstplan der Kompanie, welcher er zugeteilt werden würde. Selten hatte er so ein Arbeitspensum auf einem Dienstplan gesehen. Kein Wunder, dass Holler Probleme hatte. Er würde mit seinen neuen Kameraden darüber reden müssen.
Zuerst einmal aber würde er mit einer Menge neuer Vorgesetzter sprechen müssen. Mit kräftigen Bewegungen klopfte er bei Danton an.
„Herein!“, tönte es hinter der Tür und Sharpe ließ sich nicht zweimal bitten.
Schwungvoll trat er ein, erfasst die Anwesenden im Raum auf einen Blick, stellte fest, dass neben dem Colonel auch Harrison Copeland anwesend war, schloss die Tür hinter sich und salutierte mustergültig.
„Colonel, Sergeant Sharpe meldet sich wie befohlen.“
„Heißt es jetzt nicht Sergeant Major?“ Danton lächelte ihn an und deutete auf einen Stuhl. „Schon gut, Sharpe. Setzen Sie sich!“
Etwas unzufrieden mit sich wegen seines Patzers nahm er Platz.
„So, Sie sind als Miles Sharpe. Imara hat Sie in höchsten Tönen gelobt.“
Als den Worten keine weiteren folgten, fühlte sich der Sergeant genötigt, die Stille zu füllen. „Danke, Sir. Ich werde mein Bestes geben, um Sie nicht zu enttäuschen.“
„Da bin ich mir sicher. Ich habe Ihre Akte gelesen. Waren Sie schon bei Captain Harris?“
„Ja, Sir. Ich habe meine Unterlagen abgegeben und meine Stube bereits bezogen.“
„Haben Sie schon Ihre Uniformen und Ausrüstung empfangen?“
„Nein, Sir.“
„Gut, dann machen Sie das im Anschluss. Und um 15:00 Uhr melden Sie sich bei Captain Fokker.“
„Jawohl!“
Danton lehnte sich zurück und entspannte sich. Auch Copeland machte auf Sharpe jetzt einen sehr ruhigen und angenehmen Eindruck. Aber den machte Copeland ja öfter.
„Gut“, fuhr Danton fort. „Jetzt, wo wir das Organisatorische hinter uns haben: Erzählen Sie doch erst einmal ein Bisschen über sich!“
„Nun… ich denke, meine biographischen Daten kennen Sie bereits. Ich bin 28 Jahre alt, geboren auf Tamar und seit zehn Jahren Mechpilot. Angefangen hab ich bei der 23ten Arcturus Garde. Dort hab ich mich in sechs Jahren zum Sergeant hochgearbeitet. Zu mehr wird es vermutlich auch nie reichen, weil ich für Strategie leider kein Händchen habe. Aber ich bin zufrieden mit dem, was ich habe. Ich bin dann abgehauen, als meine Einheit zu den Davies überlief und hab bei einer Söldnereinheit angeheuert, dem ‚Rat Pack‘. Dort wurde ich Sergeant Major, aber dummerweise wurden wir ziemlich zusammengeschossen und haben uns Anfang dieses Jahres aufgelöst. Ich hab dann bei den Husaren angeheuert und wurde wieder als Sergeant eingestuft. Hier auf Wayside wurde mir mein Mech zerschossen und tja… den Rest kennen Sie.“
„Auf Tamar sagten Sie? Das liegt jetzt im Clan-Korridor der Wölfe, oder?“
Dantons Frage klang neugierig und undschuldig, aber sie traf Sharpe an einer Schwachstelle. Er merkte, wie seine Hände sich zu Fäusten ballten und er die Augen zusammenkniff, obwohl er sich um Gelassenheit bemühte.
„Das ist richtig, Sir. Meine Familie ist vor den Clans geflohen.“
Copeland mischte sich nun das erste Mal in das Gespräch ein und legte seinen Finger präzise auf die Wunde.
„Wir haben… einige ehemalige Clan-Krieger in unseren Reihen. Außerdem begleiten uns momentan einige Krieger der Exilwölfe. Kommen Sie damit klar, Sergeant?“
„Natürlich, Sir. Ich werde mich im Dienst nicht von meinen Gefühlen und Erinnerungen beeinflussen lassen.“
„Das ist sehr gut, Sergeant“, ergriff Danton wieder das Wort. „Wie sieht es außerhalb des Dienstes bei Ihnen aus?“
„Ich kann Menschen aus dem Weg gehen.“
Der Colonel wirkte für einen Moment irritiert, dann schien er zu begreifen und winkte ab: „Nein, ich meinte jetzt nicht die Claner-Sache. Die Frage war allgemein gehalten.“
„Oh, ach so.“ Sharpe überlegte kurz und zuckte dann hilflos mit den Schultern. „Viel Spannendes kann ich Ihnen da nicht erzählen. Ich treibe viel Sport und lese gerne mal ein Buch.“
„Welche Sportarten üben Sie denn aus?“
„Was sich anbietet. Ich laufe und schwimme viel, weil das eigentlich überall möglich ist. Und wenn ich Trainingspartner finde, mache ich Aikido.“
„Aikido?“ Danton dachte für einen Augenblick nach. „Ich glaube, da gibt es bei uns sogar eine kleine Gruppe, die sich am Wochenende trifft und gemeinsam übt. Haben Sie weitere Hobbies?“
Sharpe seufzte. „Bei meinen ehemaligen Einheiten war ich für mein Dudelsackspiel… bekannt.“
„Bekannt, berühmt oder berüchtigt?“, hakte Copeland grinsend nach, obwohl er die Antwort natürlich kannte.
Der Sergeant ließ sich von dem Grinsen anstecken. „Das hing immer von den Zuhörern ab, Sir.“
Danton lachte trocken: „Wenn Sie mich damit wecken, dann putzen Sie für den Rest Ihrer Dienstzeit die Latrinen.“ Wenigstens nahm er den Worten sehr viel Schärfe durch ein betont auffälliges Zwinkern.
„Dann wollen wir Sie auch gar nicht weiter aufhalten. Willkommen bei den Chevaliers und genießen Sie Ihren Aufenthalt!“
„Danke, Sir.“
Sharpe stand auf und nahm Haltung an.
„Ach ja, eines noch, Sarge.“
„Sir?“
„Bevor Sie zu Captain Fokker gehen, möchte der Spieß Sie sehen. Sie treffen Master Sergeant Shepard gegen 13:00 Uhr in seinem Büro an. Seien Sie pünktlich, der Spieß wird sich wieder in seine Arbeit stürzen, wenn Sie zu spät sind. Und dann wollen Sie ihn nicht mehr stören!“
„Wird erledigt! Sir, ich melde mich ab!“
Genauso zackig, wie er das Büro betreten hatte, verließ er es auch wieder.
Zurück blieben zwei Offiziere, die sich gegenseitig versicherten, dass Sharpe genau der richtige Mann für seinen Posten sein würde. Sein musste.

Beginn des Gastbeitrages von Cunningham
Wayside V („Wildkatz“)
Jaffray-Raumhafen, Kasernenkomplex
23. August 3066, 12:58 Uhr

Es klopfte zweimal
„Herein“, forderte Shepard kurz angebunden auf und blickte kurz zur Tür um zu sehen, wer da war. Da es sich dabei um Sergeant Major Miles Sharpe handelte verzichtete er darauf sich zu erheben und machte einfach weiter mit seiner Arbeit, „Setz Dich, Kaffee ist in der Kanne im Regal.“
„Klar danke“, Sharpe holte sich zuerst einen Kaffee und setzte sich dann.
„Ich will Dich schnell einweisen“, sagte der Master Sergeant, während er ein Formular unterschrieb und die vier Durchschläge, rot, gelb und blau vom Original löste, „Du sollst einem … Captain dabei helfen in seine Rolle hineinzuwachsen. Reichlich grün hinter den Ohren, gerade frisch Befördert und die Offiziersprüfung, die sie nachholte als sie schon auf dem Sprung vom Lieutenant zum Captain war, liegt auch knapp eine Woche zurück.“
„Jara Fokker“, schlussfolgerte Sharpe.
„Genau die“, er legte die rote Kopie in die Box für die Ablage, stempelte die gelbe und heftete sie dann an das Original, welches in der Box für den Postausgang landete.
Den blauen durchschlag zerriss er und war er in den Papierkorb: „Ich sehe, Du bist im Bilde.“
„Mein feinfühliges Näschen“, Sharpe tippte sich mit links gegen den Riechkolben, „sagt mir, dass da noch mehr dahinter steckt.“
„Richtig, sie hat ihren XO verloren und damit meine ich nicht in der Schlacht, sondern Gestern. Verkehrsunfall. Zwar etwas älter als Fokker aber selbst noch ein grüner Hüpfer was das Lametta anging. Könnte die kleine so kurz nach der Beförderung und nach der Schlacht ganz schön mitnehmen.“ Das ‚weißt ja wie Frauen so sind‘ hing in der Luft.
„Verstehe, irgendwelche Gerüchte wegen seinem Tod?“
„Eine Menge. Angefangen damit, dass er nur besoffen war und auf die Straße gestolpert ist bis hin zu, dass er sich einfach so aus heiterem Himmel vor den LKW geworfen hat. Der übliche Quatsch, wenn ein Offizier in Friedenszeiten hops geht.
Problem ist nur, dass nach der letzten Beerdigung so ein Unfalltod ziemlich plötzlich kommt und weißt ja, wie selbst die hartgesottenen Söldner so sind. Der Tod in der Schlacht ist normal und wird sogar manchmal billigend in Kauf genommen aber wehe ein Unfall oder etwas anderes rafft einen dahin, dann ist die Moral ganz schnell im Keller.
Also abgesehen von Frau Captain musst Du für mich noch ein Auge auf die gesamte Kompanie haben.“
„Klar, wird gemacht“, Sharpe nippte an seinem Kaffee und musterte seinen ehemaligen untergebenen und jetzigen Vorgesetzten, „und Smoky, Deine ehrliche Meinung über Captain Fokker?“
„Ist wie alle Frauen und jungen Offiziere, die sich plötzlich auf solch verantwortungsvollen Posten wiederfinden: Powern was das Zeug hält, arbeiten bis zur persönlichen Erschöpfung und ziehen ihre Leute mit. In der Regel bis sie dann zusammenklappen.“
„Oder jemand anderes“, vervollständigte Sharpe, „was hältst Du von der Theorie, dass dieser …“
„Holler.“
„… dieser Holler sich vor den LKW geworfen hat?“
„Halte ich für unwahrscheinlich“, antwortete Shepard, „ich habe mit einigen aus der Kompanie gesprochen. Der war viel zu ehrgeizig geworden, sich seiner Streifen zu beweisen. Der wäre uns eher in der Schlacht zusammengeklappt, als einzugestehen, dass er es nicht schafft.“
„Auch kein gutes Bild.“
„Das nicht“, gestand der Master Sergeant ein, „nur wie sich jemand in der Schlacht verhält und diese verkraftet, weiß man immer erst, wenn man ihn hinein geschubst hat.
Ich habe schon gestandene Veteranen im Angesicht des Feindes zusammenbrechen sehen und ebenso wie grüne Rekruten in einer aussichtslosen Lage gekämpft haben wie die Löwen. Ob Holler uns einen Gefallen getan hat durch seinen Abtritt oder ob er der nächste CO dieses Vereins geworden wäre, wir werden es nicht mehr erfahren.“
„Hm, sonst noch etwas?“
Shepard überlegte kurz: „Ja, sobald Du das Gefühl hast die kleine und ihre Kompanie haben sich wieder gefangen, sollst Du ihr dabei helfen, einen Stellvertreter aufzubauen. Langsam ans Offizierspatent heranführen. Darüber hinaus musst Du ein Auge auf Sergeant Ferrow haben, die führt eine Lanze, versucht sich als Mutter und das gleichzeitig. Chaos, Du verstehst?“
„Klar, wird gemacht.“
„Fragen?“
Jetzt war es an Sharpe zu überlegen: „Ja, gehört das blaue Formular wirklich weggeworfen.“
Irritiert blickte Shepard in seinen Papierkorb: „Das ist das N1-Standardformular für den Nachschub. Steiner und Davion verwenden es sowie achtzig Prozent aller Söldnertruppen und nur Steiner und Davion haben Verwendung für den blauen Durchschlag für ihr Archiv- und Statistikdepartment. Das wird überall weggeworfen.“
„Aha“, machte Sharpe verständnislos.
Der Master Sergeant schüttelte kurz den Kopf: „Gut, wenn sonst nichts ist, such Dir eine Koje und stell Dich mal Deinen Leuten vor, die haben heute frei, da kannst Du Einzelgespräche führen.“
„Eine Koje hab ich schon. Und mit den Leuten wollte ich sowieso noch reden.“
„Gut. Übermorgen um elfhundert ist die Beerdigung. Bring Deinen Dudelsack mit.“
„Ich dachte Du magst keine Dudelsackmusik.“
„Mich“, knurrte Shepard, als er sich wieder seinen Akten zuwandte, „hat niemand gefragt.“
Ende des Gastbeitrages von Cunningham

Wayside V („Wildkatz“)
Jaffray-Raumhafen, Kasernenkomplex
23. August 3066, 15:00 Uhr

„Sind Sie Sergeant Major Sharpe?“
Die junge Frau in perfekt sitzender Uniform, die ihm diese Frage gestellt hatte, musste Captain Jara Fokker sein. Das würde auch erklären, warum er in den zwei Minuten, die seit seinem Klopfen an ihre Bürotür verstrichen waren, nicht hereingebeten worden war.
Er salutierte vor der Offizierin. Jung, sportlich, attraktiv, stolz. Gute Eigenschaften für junge Soldaten.
„Genau der, Ma’am. Ich melde mich wie befohlen.“
Fokker erwiderte den militärischen Gruß und schüttelte ihm dann Hand. Ein weiterer Pluspunkt, den die Söldnerin aber schon im nächsten Moment wieder ausglich.
„Sie sind also mein neuer Aufpasser“, stellte sie nicht ohne Verbitterung fest, während sie die Tür zu ihrem Büro aufschloss. „Kommen Sie rein, setzen Sie sich!“
Die beiden Soldaten nahmen Platz und Sharpe bekam einen ersten Eindruck von dem, was die Soldaten ihm gegenüber „Perfektionismus“ genannt hatten. Fokkers Büro war pedantisch aufgeräumt und reichlich spartanisch eingerichtet. Einziger Wandschmuck waren ein Kalender und der aktuelle Kompaniedienstplan, ansonsten gab es hier nichts, dass nicht auf einer Bestandsliste vorkam.
Wenn sie ihre Kompanie ebenso nach Vorschrift drillte, würde das einiges erklären.
„Nicht wirklich Ihr Aufpasser“, antwortete er schließlich. „In erster Linie soll ich hier die Scoutlanze übernehmen.“
„Haben Sie sich schon mit der Lanze bekannt gemacht?“
Sharpe bemühte sich, nicht das Gesicht zu verziehen. Er empfand die Frage als Beleidigung. Erstens weil er sich natürlich umgehend einen groben Überblick über sein direktes Arbeitsumfeld gemacht hatte, zweitens aber auch, weil er merkte, dass diese Frau ihm nicht vertraute. „Kontrollfreak“ hatten seine neuen Kameraden das genannt.
„Selbstverständlich, Ma’am. Ich habe auch schon mit den beiden Corporals gesprochen. Sergeant Torres habe ich allerdings noch nicht getroffen.“
„Sergeant Torres nutzt den dienstfreien Tag, um seinen Umgang mit Handfeuerwaffen zu üben. Er ist mit der Miliz auf dem Schießstand.“
„An einem freien Tag?“
Fokker nickte und der erfahrene Unteroffizier merkte, dass sie ziemlich stolz auf das war, was sie nun sagte: „Ich habe meinen Soldaten nahe gelegt, ihre Ausbildungslücken nach eigenem Ermessen zu schließen. Ich erwarte von jedem unter meinem Kommando Höchstleistungen und ich halte dienstfreie Tage so kurz vor dem Abmarsch für Verschwendung. Das Training kann später Leben retten, was wir heute verpassen. Und bevor Sie fragen: Sergeant Torres ist von alleine auf die Idee gekommen, diesen Tag sinnvoll zu nutzen.“
Innerlich schlug Sharpe die Hände über dem Kopf zusammen. Diese Frau war nicht nur ehrgeizig. Diese Frau war vom Ehrgeiz förmlich zerfressen. Er ahnte langsam, welche Probleme Holler gehabt haben muss. Bei seiner mangelnden Erfahrung musste es ihm unmöglich erschienen sein, den Ansprüchen dieser Offizierin zu genügen.
Fokker fuhr fort: „Ich habe Ihnen den Dienstplan und alle wichtigen Unterlagen zusammengestellt. Wenn Sie darüber hinaus irgendwas brauchen, dann fragen Sie mich einfach.“
Sharpe beschloss, erst einmal nichts zu sagen und nichts zu unternehmen, sondern seiner neuen Chefin ein paar Tage zu geben, um sie besser kennenzulernen. Allerdings hatte er da seine Rechnung ohne die Wirtin gemacht.
„Hören Sie, Sergeant! Ich weiß, dass Sie mir auch zugeteilt wurden, um ein Auge auf mich zu haben und um mir… unter die Arme zu greifen. Ich weiß ehrlich gesagt nicht, ob ich deswegen verärgert oder dankbar sein soll. Ich schlage vor, wir versuchen es einfach einmal und schauen, was passiert. Das setzt voraus, dass Sie Probleme mir gegenüber offen und direkt ansprechen. Ich wäre Ihnen aber auch sehr dankbar, wenn Sie das erstens hinter verschlossenen Türen erledigen und zweitens den Leuten keine Flöhe ins Ohr setzen. Sie wissen selber, wie wenig Erfahrung gerade die ehemaligen Husaren haben und Sie werden die Tage auch feststellen, wie unsicher sie momentan sind. Wenn wir jetzt anfangen, gegeneinander zu arbeiten, dann sehe ich schwarz.“
Sharpe seufzte und entschied sich dazu, selber offen zu reden. „Captain… ich habe nicht vor, gegen Sie zu arbeiten. In erster Linie bin ich Lanzenführer und Unteroffizier und, aufgrund des Dienstgrades, Ihr neuer Stellvertreter. Nebenbei stehe ich Ihnen mit meiner Erfahrung zur Seite und natürlich ist mir viel daran gelegen, das vernünftig zu regeln. In diesem Punkt sollten Sie mir vertrauen. Das ist vielleicht eine Sache, die ich direkt ansprechen sollte: Vertrauen ist auf beiden Seiten erforderlich. Wir müssen Ihnen vertrauen und Sie müssen uns vertrauen. Oder zumindest mir. Ich mach den Job nicht erst seit heute. Lassen Sie mich meine Arbeit machen und dann bekommen wir das hin. Sie wären nicht der erste junge Offizier, der scheitert, weil er nicht bereit ist, zu delegieren.“
Die junge Frau seufzte: „Vielleicht haben Sie recht. Ich werde darüber nachdenken.“
Sie zögerte und schob Sharpe dann einen Stapel Akten zu.
„Das sind die Unterlagen, von denen ich gesprochen habe. Sollen wir die kurz gemeinsam durchgehen?“
„Gerne, Ma’am.“
„Ich denke, wir können auf die Förmlichkeiten verzichten, wenn wir unter uns sind. Und Sergeant…“
„Ja?“
„Willkommen in der zwoten Kompanie.“

__________________
Ama-e-ur-e
is-o-uv-Tycom‘Tyco
is-o-tures-Tesi is-o-tures-Oro
is-u-tures-Vo-e-e

27.11.2010 02:49 Thorsten Kerensky ist offline E-Mail an Thorsten Kerensky senden Beiträge von Thorsten Kerensky suchen Nehmen Sie Thorsten Kerensky in Ihre Freundesliste auf
Ace Kaiser Ace Kaiser ist männlich
Lieutenant General


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Es kam nicht sehr oft vor, dass sich Germaine Danton nicht als Herr der Situation sah. Das letzte Mal hatte er sich so vollkommen den Gewalten ausgeliefert gefühlt, als ein Attentäter seine linke Hand und sein rechtes Knie zerschossen hatte, weil Snobs Vater Marek Svoboda für den Tod seines Sohnes zumindest irgendeine Form von Genugtuung hatte haben wollen. Das war ihm gelungen. Germaine war aus dem Cockpit seines Mechs verbannt worden, und das eventuell für immer. Nicht, dass ihm diese Situation unbekannt war. Er mochte sie halt nicht besonders, genauso wenig wie nicht Herr seines Schicksals zu sein. Oder das seiner Leute.
Als er im Vorzimmer des Herzogs von Wayside wartete, wünschte er sich inbrünstig, Ace würde ihn schmoren lassen, damit sein Graf etwas zur Ruhe kommen konnte. Doch Mikado Mamoru hatte kein Interesse daran, seinen Gefolgsmann schmoren zu lassen.
Es war keine Überraschung, dass Germaine nicht ins Arbeitszimmer, sondern auf die Terrasse heraus geführt wurde, wo die Stabsrunde in lockerer Atmosphäre unter einem Sonnenschirm arbeitete. Imara und Klein saßen beim Herzog, ebenso Stannic und Benton. Klein sah trotz seiner Verbrennungen besser aus, nicht mehr wie eine wandelnde Leiche. Weiße Haut dort, wo sie regeneriert worden war, bildete eine eigene Form von Heilungsnarben, waren aber auch ein Zeichen für seine fortschreitende Genesung. Stannic wirkte noch etwas schwach, schien aber eine ähnliche Bullenkondition wie Jack Ryan zu haben. Er saß aufrecht und ohne Hilfsmittel, mit beiden Armen tief in der Arbeit, während Germaine immer noch den Stock zu Hilfe nehmen musste.
"Ah, komm heran, mein Graf. Du hast den Ersatzmann in Augenschein genommen, den ich dir geschickt habe?"
Danton trat an den Tisch, begrüßte die Männer einzeln und mit Händedruck. "Scheint ein guter Bursche zu sein. Ich frage mich, warum ich den nicht gleich gekriegt habe, wenn er schon entrechtet war."
Imara runzelte die Stirn. "Himmel, ich habe halt gedacht, ich kann mal ein paar gute Leute für mich behalten. Irgend jemand, der unter meinen Mech-Captains dienen kann, wenn sie wieder aus dem Krankenhaus kommen. Ich muss hier nämlich auch eine einsatzfähige Einheit aufbauen, Germaine."
"Tja, wie gewonnen, so zerronnen", scherzte Danton.
"Vorsicht, mein Junge, ich bin gerade nicht gut auf Sie zu sprechen. Sie haben einen meiner Leute vor die Hunde gehen lassen, und es ist mir nicht leicht gefallen, Ihnen noch einen guten Mann hinterher zu werfen, verdammt!"
"Womit wir beim Thema wären", sagte Captain Benton mit einem knurrenden Ton in der Stimme. "Germaine, warum zum Henker ist der Junge desertiert und hat sich volllaufen lassen? Du hast versprochen, dass eine junge Kompanie Captain Fokker akzeptieren und mit ihrem Leistungsstandard mithalten kann. Ein Standard, den wir bei der Unerfahrenheit der Leute durchaus für angemessen gehalten haben. Und dann bricht der Junge weg und rennt sturzbetrunken vor ein Auto."
"Ein Unfall ist immer bedauerlich", sagte Mikado ernst, "vor allem wenn es ein so dämlicher Unfall wie dieser ist. Toni Holler ist weg, und wir müssen annehmen, dass er sich betrunken hat, weil er mit seiner Aufgabe nicht klar gekommen ist. Das bedeutet, dein Captain hat ihm nicht genügend Rückhalt gegeben, Germaine. Copycat hat deinen Captain nicht gemaßregelt. Und du hast Copycat nicht im Griff."
"So weit würde ich jetzt nicht gehen, Mylord", sagte Klein nachdenklich. "Immerhin haben wir hier erst einen Toten. Einer zuviel, aber es sieht im Moment nicht danach aus, als würden es mehr werden." Er taxierte Danton. "Noch nicht."
Der Colonel räusperte sich. "Ich gehe davon aus, dass Lieutenant Holler wegen der verlorenen Übung einen miesen Tag hatte. Der Rest war eine Verkettung von unglücklichen Umständen. Das soll keine Entschuldigung sein, nur eine Feststellung. Sprich, ich habe nicht vor, Captain Fokker ihr Kommando abzunehmen, bevor Harry mich nicht bei den Schultern ergreift und mich mit: Sie schafft es nicht! anbrüllt."
"Ich kenne ihre Akte. Du hast sie gezwungen, in der ersten Phase regelmäßig zu essen und einen Gesundheitscheck zu machen", warf der Herzog ein. "Hat sie daraus nichts gelernt?"
"Ihre neue Aufgabe ist bedeutend. Sie bemüht sich nach bestem Wissen und Gewissen. Und wir haben ihre Leute ausgewählt, weil sie jung und körperlich belastbar sind. Wir hätten ihr auch ein paar Faulenzer mitgeben sollen, damit sie das Gegenteil kennen lernt."
"Stattdessen schmeißen wir ihr einen hervorragenden Sergeant in den Rachen. Einen Sergeant übrigens, der sich nicht um seine Tochter kümmern muss", ereiferte sich Imara. "Himmel noch mal, wenn es noch einen Toten gibt, besuche ich Sie in meinem Mech, Germaine."
"Ich kann mich nur entschuldigen und versprechen, dass wir allesamt wachgerüttelt sind. Einen zweiten Holler wird es nicht geben."
Stannic klopfte mit den Fingerspitzen auf der Tischplatte. "Es gibt bereits Gerüchte, nach denen Holler ermordet wurde, und das es den anderen Offizieren aus den Reihen der Husaren ebenso ergehen wird."
"Bitte nicht. Ich brauche jeden weiteren Offizier, den ich noch habe", erwiderte Germaine. "Mir war klar, dass diese Gerüchte aufkochen würden. Mir war aber nicht klar, dass sie einen so ernsten Hintergrund erhalten würden. Sonst wäre es nur Gerede gewesen. So aber..." Er zuckte die Achseln. "Andererseits, wer mag es schon leicht?"
"Sagt ausgerechnet der Mann mit dem Krückstock", sagte Stannic bissig grinsend.
"Um es mal zusammen zu fassen, das war keine Ruhmesleistung, Germaine Danton. Ich erwarte mehr von meinen Offizieren. Und noch weit mehr von einem Adligen, mein Graf."
"Ich kann mich wirklich nur entschuldigen, und jede Strafe annehmen, die du verhängst, Ace."
"Ihnen ist die draconische Methode des Seppuku bekannt, Danton?", fragte Imara verärgert.
"Aaron Jasper, bitte", mahnte Ace ärgerlich. "Du hast das Problem gelöst. Und ich hoffe, Copeland hat jetzt ein schärferes Auge auf Fokker."
"So wie ich auf Copeland", versprach Germaine.
"Dann will ich es für heute auf sich beruhen lassen. Aber sieh das als Warnschuss. Unerklärliche Todesfälle können dazu führen, dass ich die Husaren wieder abziehe."
"Ich habe verstanden, Mylord."
"Gut. Ich habe mich übrigens um die Transportfrage für dein Regiment gekümmert. Ich habe einen Sprungschiff der Händler-Klasse angemietet, die STARTRADER. Sie verfügt über zwei leere Docking-Plätze. Ihr Skipper, Kapitän Herman, ist bereit, die Mission gegen die Parder ins Taliban-System zu begleiten. Außerdem gebe ich dir die KOBE mit. Das dürfte dein neues Regiment an die Grenze des Machbaren führen, was deine Lander transportieren können. Deshalb habe ich noch einen Leopard organisiert. Tut mir Leid, mehr war nicht drin."
"Ein Leopard? Was soll ich mit einem aerodynamischen Lander auf einer unbekannten Welt?"
"Er muss nicht landen. Du kannst auf ihm deine Scouts, Hubschrauber und Jäger befördern. Ein Atmospäre-Touchdown, entlassen, durchstarten. Du kennst das ja."
"Und dann habe ich den Ärger, wie ich die Truppen wieder in den Orbit schaffe."
"Deine Pioniere können eine Landebahn bauen."
"Ja, selbstverständlich", sagte Danton bissig.
"Lass es mich mal deutlich ausdrücken, Germaine." Mikado sah ihm ernst in die Augen. "Entweder den Leo, oder gar nichts."
Danton schnaubte halb frustriert, halb amüsiert. "Ja, mein Lord."
"Die entgegenkommende Seite an dir mag ich, Germaine. Du wirst sie brauchen können, denn Kapitän Nelissens hat was gegen das Militär im Allgemeinen. Aber wie ich schon sagte, sein Schiff ist alles was ich kriegen konnte." Er warf Danton eine Akte zu. "Die Devon's Pride. Leicht modifiziert. Du wirst deine Freude an ihr haben."
"Das fürchte ich schon jetzt", erwiderte er trocken.
***
Der Konferenzraum lag unter einer gewissen drückenden Stimmung. Das Ereignis der letzten Nacht lag noch schwer auf den sechs Anwesenden. Es war normal in einer kriegsführenden Einheit, das Soldaten, ja, auch das Offiziere starben. Aber bitte doch anständig in der Schlacht, und nicht bei einem dämlichen Unfall in der Freizeit. Es war einfach nicht richtig so.
"Herrschaften", begann Germaine Danton, "ich möchte jetzt meine Entscheidung bekannt geben, wen ich als Stellvertreter von Colonel Copeland ernenne. Ihn erwartet eine Beförderung zum Major. Natürlich ist diese temporär, wie das gesamte Konglomerat zwischen uns und den Husaren. Der Sold ist dagegen echt."
Der kleine Scherz lockerte die Mienen etwas, wenngleich jedem der Anwesenden klar war, wie sich Danton entschieden hatte. "Decius Cecilius, du hast den Job."
Copeland langte über den Tisch und reichte dem Marianer die Hand. "Ich gratuliere zur Beförderung, Major Decius Metellus."
"Danke, Sir. Ich werde mein Bestes geben. Aber etwas anderes bleibt mir auch nicht übrig." Auch die anderen Anwesenden, Captain Harris, Captain Fokker und Captain Brenstein, gratulierten dem frisch beförderten Marianer. In Jaras Augen brannte jedoch so etwas wie ein wenig Bedauern, auch wenn sie sich nicht ernsthaft Chancen auf diesen Job ausgerechnet hatte. Nicht hatte haben können. Noch nicht. Nicht so früh. Und nicht im direkten Vergleich zu zwei so erfahrenen Offizieren wie Metellus und Brenstein. Andererseits konnte sie schneller auf dem Posten des Stellvertreters landen als ihr lieb war. Kurz nach der Schlacht hatte es sogar kurz danach ausgesehen, als hätte sie das Feldkommando über die Mechs der Chevaliers übernehmen müssen.
"Die Nummer zwei werden Sie sein, Matthew. Die Nummer drei bist damit automatisch du, Jara."
Danton erhob sich und begann umher zu gehen. Das ging ohne Stock ein paar Minuten ganz gut mittlerweile. "Um das klar zu stellen, wir haben jetzt ein Regiment. Und wir haben Bataillons-Offiziere. Nummer drei im Kommando des Regiments ist McAllister. Dann kommt Major Lüdenscheid, ihre Stellvertreterin. Danach ist Decius Metellus an der Reihe. Anschließend O'Bannon, unser Panzer-Captain. Dann geht es die anderen Captains der Infanterie runter, bis wir schließlich wieder bei euch beiden landen, Matthew, Jara. Nur um das einmal klar zu stellen. Es geht hier streng nach Dienstalter im Rang."
Er beendete seine Wanderung, trat an den Tisch und deckte vier Stofftressen auf, die den goldenen Majorsstern zeigten. Zwei Tressen schob er Metellus zu. Die anderen beiden legte er Harris auf den Platz. "Außerdem sind wir überein gekommen, dass du für deinen neuen Job im Regiment einen stärkeren Stab brauchst. Den kannst du aber nur in einem höheren Rang kommandieren. Gratuliere. Du bist ab sofort Major, Juliette."
"Das kommt... Mehr als überraschend, Germaine. Aber ich nehme dankend an."
"Allerdings", schränkte der Herr der Chevaliers ein, "gilt auch diese Beförderung nur für die Dauer des Kontrakts für die Nebelparder-Jagd."
Jara lachte leise. "Entschuldigung, aber das klingt doch genau nach der Formulierung, mit der sich die Mariks seit drei Jahrhunderten die Hoheit über die Liga Freier Welten sichern. Wie hieß es doch? Der Generalhauptmann bekommt weitreichende Vollmachten für die Dauer der Krise. Und die dauert anscheinend immer noch an."
Zustimmendes Gemurmel erfüllte den Raum.
Danton schnitt es damit ab, indem er mit der Linken auf den Tisch klopfte. "Humor ist eine gute Sache, meine Damen und Herren. Aber bitte nicht im Moment. Jara, ich möchte, dass du etwas für mich tust."
"Sir?" Irritiert blickte sie ihren höchsten Vorgesetzten an.
"Du hast mit Kyle Kotare einen ehemaligen SternCaptain in deinen Rängen. Ich weiß, er hat absolut keine Lust darauf mehr zu kommandieren als seine eigene Maschine, aber er kennt den Job. Zwar nur aus der sterilen Warte eines Clanners, aber immerhin. Ich möchte, dass du ihn zu deinem Adjutanten ernennst und dich von ihm unterstützen lässt. Ganz offiziell. Damit das Bataillon sieht, das wir alle die Situation ernst nehmen und das wir etwas ändern."
"Ich habe seine volle Unterstützung", versprach Jara.
"Das weiß ich. Aber ich will, dass es alle wissen. Das ganze Regiment. Verstanden?"
"Jawohl, Sir."
"Und ich erwarte engste Zusammenarbeit mit Sergeant Major Sharpe. Er wird für dich ein wenig das Tempo aus der Ausbildung raus nehmen. Nein, keine Widerworte. Du hast eine junge, unerfahrene Einheit bekommen, die trainiert werden muss. Und wir wissen, dass eine Stunde Training jetzt ein oder zwei Tote in der Zukunft verhindern wird. Aber Jara, du bist, was Training und Anforderungen angeht, ein Monster. Nicht sehr viele Menschen können mit dir mithalten. Deshalb wird Sharpe dafür sorgen, dass deine Kompanie auf dem Niveau eures schwächsten Kriegers weiter macht. Eine Gruppe ist immer nur so schnell wie ihr langsamstes Mitglied, sonst zerreißt sie. Und wenn Ihr keine Gruppe mehr seid, seid Ihr verwundbarer als mit schlechtem Training. Es tut mir Leid, das so ernst und direkt zu sagen. Aber es ist dein toter Offizier, Jara. Als seine Vorgesetzte bist du jetzt in der gleichen Lage, als wenn du ihn selbst erschossen oder in ein Himmelfahrtskommando geschickt hättest. Es gibt keine Rechtfertigung und keine Entschuldigung. Es gibt nur Verbesserung."
Die junge Frau schnaubte wütend. "Wenn du möchtest, das ich mein Offizierspatent zurück gebe, Germaine, dann..."
"Captain Fokker, weder Ihr Rang, noch Ihr Kommando stehen hier zur Debatte!", erwiderte Danton scharf. "Im Gegenteil. Wir alle stehen hinter Ihnen. Aber diese Situation steht jenseits von Vertrauen und Verdiensten, deshalb wird sie auch so behandelt. Wir wollen Sie nicht nötigen, Captain. Wir wollen Ihnen helfen. Nein, das ist falsch formuliert. Es ist unsere gottverdammte Pflicht, Ihnen zu helfen und Sie und Ihre Kompanie auf gesunde Füße zu stellen, Captain. Ist das klar?"
"Ja, Sir. Das ist es."
"Gut. Wir haben alle aus dieser schmerzlichen Situation gelernt. Und wir haben alle unser Fett weg gekriegt. Erst vor wenigen Stunden hat der Herzog mir angedroht, bei einem erneuten derartigen Vorfall die Husaren wieder abzuziehen."
Erschrockenes Raunen klang am Tisch auf. "Aber das kann er nicht! Alleine sind die Chevaliers nur Kanonenfutter!", rief Copeland aufgebracht.
"Dann bleibt uns wohl nichts anderes übrig, als auf Wayside V keinen weiteren derartigen Fehler mehr zu machen", warf Major Metellus ernst ein. "Ich denke, der Warnschuss kam auch bei uns an. Noch etwas Wichtiges?"
"Ja. Bevor der Herzog die Husaren abzieht, kommt Aaron Imara mich mit seinem Mech besuchen."
"Ja, das klingt nach ihm", sinnierte Copeland. "Und er hat einen Masakari."

"Genug davon. Ich denke, wir haben das Bestmögliche aus dieser vertrackten Lage geholt und machen ab hier weiter." Danton betätigte die Sprechanlage. "Jan, Sleijpnirsdottir, McAllister und O'Bannon können jetzt in den Konferenzraum kommen. Die Interna des Mech-Bataillons sind abgeschlossen."
"Ja, Sir."
Kurz darauf traten die drei ein und nahmen auf ihren Stammplätzen Platz. Ihnen folgte Sergeant Decaroux, der inoffizielle Anführer ihrer fünfköpfigen Gegenspionage.
Danton hob fragend eine Augenbraue und bedeutete Decaroux Platz zu nehmen, doch der Mann winkte ab und stellte sich an das freie Tischende. "Es geht schnell."
Auffordernd nickte Danton.
"Herrschaften, wir haben konkrete Hinweise auf eine nicht autorisierte Geheimdienstoperation in unseren Reihen. Mein Team ist dran."
"Welcher Art ist diese Operation? Infiltration? Sabotage? Attentat?"
"Zur Zeit scheint es sich nur um eine Infiltration ohne konkretere Ziele zu handeln. Wie gesagt, uns liegen Hinweise vor, keine Beweise. Ich informiere die Führung der Chevaliers heute auch nur, weil wir vor ein paar Tagen ein Attentat auf Colonel Danton nicht haben vereiteln können, obwohl genau das unsere Aufgabe gewesen wäre." Er sah in die Runde. "Wir kommen nicht so Recht hinterher. Nicht mit fünf Leuten, nicht bei unserer momentanen Größe eines Regiments. Alleine um unseren Hinweisen nachzugehen, bräuchte ich mehr Leute."
"Wie viel mehr, Sergeant?", fragte Copeland nach.
"Mindestens fünf."
"Mir scheint, heute ist der Tag der Beförderungen", sagte Danton. "Charly, du bist ab sofort Sergeant Major. Deine Leute rücken alle als Sergeant nach. Auch der Leibeigene aus dem Wolfsclan. Danach rekrutierst du eine Einheit von der Größe eines Sprungtruppen-Platoons. Du bist nur mir und Copeland verantwortlich, wenngleich Juliette und Estelle jederzeit ein Recht auf Antworten haben."
Decaroux wirkte erleichtert. "Danke, Germaine. Das wird mir in meiner Arbeit helfen."
"Allerdings sind die Beförderungen wie auch die Vergrößerung ebenso temporär wie alles in diesen Tagen. Nach dem Einsatz schrumpfst du deine Truppe auf zehn Leute gesund."
"Ja, Sir, verstanden. Major McAllister, ich würde gerne Sergeant Bauer und die Bad Boys, soweit sie nicht in Rüstungen stecken, für meine Truppe rekrutieren. Ebenso Sergeant de Gomez. Und Juliette, ich könnte Sergeant Gordon gebrauchen."
"Meinetwegen. Ich werde prüfen, ob ich sie entbehren kann", antwortete McAllister. "Sie sind ein gefährlicher Mann, wenn Ihnen diese Liste gerade erst eingefallen ist, Charly. Und ein noch gefährlicherer, wenn Sie sie vorbereitet hatten."
Decaroux lächelte unbestimmt.
"Von mir ein Okay. Gordon ist ohnehin für besondere Aufgaben vorgesehen", fügte Harris an.
"Danke. Mehr erwarte ich auch nicht."
"Wenn es das gewesen ist, mach dich an deine Arbeit, Charly", sagte Danton leicht amüsiert. "Und schicke bitte Lieutenant van der Roose und Sergeant Ferrow rein."

Der frisch beförderte Sergeant Major salutierte angedeutet und verließ den Raum. Danach kamen der Second Lieutenant der Infanterie und die Lanzenführerin der zweiten Mech-Kompanie herein.
"Sir, Lieutenant van der Roose und Sergeant Ferrow. Wir melden uns wie befohlen."
"Nehmen Sie beide Platz", sagte Danton gedehnt.
Als die zwei saßen, nahm Danton selbst wieder Platz. "Es geht mir hier und jetzt vor allem um eines. Um eure gemeinsame Tochter. Nein, Dawn, ich würde gerne ausreden. Ich will, dass sie den nächsten Einsatz nicht mitmacht. Dass sie hier bleibt. Erst in Parkensen City, und wenn die Infrastruktur am Southern Sea steht, in unserem zukünftigen Zuhause. Ich bin noch nicht fertig, Marcus. Jedenfalls hat mir Herzog Mikado erlaubt, zweihundert so genannte Bushi zum Schutz meines Landes anzuwerben. Ich will, dass entweder einer von euch, oder alle beide diesen Job machen. Damit verbunden wären Beförderungen. Permanente Beförderungen."
Die beiden wechselten einen langen Blick. Es war lange her, das sie Partner waren, geblieben war das gemeinsame Kind. Schließlich klopfte van der Roose auf den Tisch. "Gemacht, Sir. Ich bin Ihr Statthalter! Dawn wird Jara unter den derzeitigen Umständen nicht alleine lassen, und auf diese Weise kann ich mich weiter und vor allem besser um Susan kümmern. Wenn du damit einverstanden bist, Dawn."
Eine Zeitlang sagte die junge Frau nichts. Dann räusperte sie sich geräuschvoll. "Du siehst mich sprachlos und fassungslos. Seit wann bist du unter die Empathen und Gedankenleser gegangen?" Sie dachte einen Moment nach. "Wir können uns diese Aufgabe teilen. Du kannst dann die nächste Mission mit den Chevaliers mitgehen", bot sie vorsichtig an.
"Es ist mir egal, wie Ihr das aufteilt", sagte der Colonel. "Ich will zuverlässige Leute da unten sehen, und Ihr seid die Einzigen, denen ich diese Aufgabe zuteilen kann, ohne mein Team schwer zu schädigen. Auch so bleiben unerfreuliche Lücken."
"Ich denke, über Arbeitsteilung reden wir, nachdem die Chevaliers zurück kommen", sagte van der Roose. "Dann steht vielleicht schon das erste Gebäude unten am Southern Sea."
"Gut." Dawn nickte zufrieden. Zögernd fügte sie hinzu: "Ich bestehe auf einem professionellen Kindermädchen, Marcus. Du wirst mit deinen erweiterten Aufgaben nicht genügend Zeit für Susan haben."
"Ich weiß, Dawn. Das habe ich bereits fest eingeplant. Sonst hätte ich den Job nicht angenommen."
"Dann ist das hiermit geklärt. CAPTAIN van der Roose, Sie sind hiermit mein erster Vasall auf Wayside V geworden. Die Rekrutierung der zweihundert Bushi überlasse ich vollkommen Ihnen. Auch die Zusammenstellung. Aber ich erwarte Pläne für eine Mech-Lanze, eine Panzer-Lanze und mindestens zwei Infanterie-Kompanien, wenn ich wieder nach Wayside komme."
"Was wenn ich eine Mech-Kompanie präsentieren kann?"
"Dann bist du ein verdammtes Genie, Marcus van der Roose." Danton lächelte. "Und ich denke, wir haben damit für heute genug befördert, und genügend Aufgaben verteilt. Die Sitzung ist beendet."
***
"Keinen Alkohol, Sir?", fragte Copeland und reichte Danton eine Tasse Kaffee. "Man hat mir gesagt, Sie seien Alkoholiker."
"Schauen Sie mal auf die Uhr, Harry. Es ist gerade erst drei Uhr Nachmittags durch. Nein, ich habe heute keinen Bedarf nach Alkohol. Ich denke, nach dem Wake für Toni habe ich für lange Zeit genug." Danton zögerte. "Es kommt und geht wie es will, Harry. Aber ich habe es im Griff und lasse mich davon nicht bestimmen. Wer hat es Ihnen erzählt?"
"Major Harris. Sie hat vom Wake erfahren und einen Rückfall in alte Zeiten befürchtet."
"Oh, sie meint die Anfänge bei Team Stampede. Da war ich jeden Morgen blau wie eine Haubitze. Das hat sich erst nach und nach gebessert, je mehr ich meine Aufgaben angenommen habe und den Druck durch neu gewonnene Erfahrung ausgleichen konnte. Nein, keine Sorge. Diese Zeiten kommen nie wieder. Seit ich die Einheit führe mache ich den Druck, nicht umgekehrt. Juliette hat Sie also zu meinem Aufpasser bestimmt?"
"Ich bin Ihr Stellvertreter, Sir. Es war logisch und richtig, mich zu informieren. Immerhin bin ich auch da, um Sie zu decken, wenn es nötig ist."
"Teufel auch, Harry, das ist nett von Ihnen. Und beinahe hätte ich es geglaubt." Er prostete Copeland mit dem Kaffee zu, lächelte verschmitzt und nahm einen Schluck. "Oh, das tut gut."
"Entweder meinte ich es wirklich so, Germaine", sinnierte Copeland, "oder ich habe eventuell Lust auf eine eigene kleine Ortschaft auf diesem Planeten, verbunden mit einem Baronstitel." Er zwinkerte Danton über den Rand seiner Tasse zu.
Danton runzelte die Stirn. "Erinnern Sie mich bitte daran, eine Kiste von Imaras Lieblingsbranntwein zu importieren und ihm zu schenken. Als Dankeschön dafür, dass er freiwillig auf Sie verzichtet hat."
"Southhampton Black Label, Sir. Die Flasche zu einhundertfünfzig C-Noten."
"Was?" "Seine Lieblingsmarke Whisky. Es sind sechs Flaschen in der Kiste."
Danton lachte. "Und es ist mir jeden einzelnen Cent wert. Ich importiere eine Kiste. Wollen Sie auch eine, bei der Gelegenheit?"
"Danke, Sir, aber im Moment schmeckt mir Sake besser. Und den gibt es auf Wayside V billiger und besser zu kaufen."
"Sake? Kalt oder warm?"
"Warm. Schmeckt sehr gut."
"Barbar", tadelte Danton.
"Von einem Franzosen habe ich keine andere Meinung erwartet", erwiderte Copeland lachend.

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Der Loki-Agent OG Jürgen Trank war nervös, als er erfuhr, dass Colonel Danton ihn sprechen wollte. Das Problem war auch, dass er seinen Vorgesetzten, Kommandant Royce McArthur oder Anton Bramert nicht um Anweisungen oder Vorschläge bitten konnte, wie er mit der Situation umgehen sollte. Fast schon befürchtete er, dass er entdeckt worden war, aber den Gedanken verwarf er schnell wieder. Wenn man ihn tatsächlich entdeckt hätte, dann säße er schon lange im Bau – oder hätte auf unsanfte Art sein Leben ausgehaucht.
Sein Problem war allerdings, dass er nicht wusste, wie lange er die Scharade – ein wirklich passender Name für diese Operation – noch aufrechterhalten konnte. Bramerts Freund, dieser Chappi, war bereits misstrauisch, seit sie die Übung völlig vergeigt hatten. Zwar war die Leistung der ganzen Lanze miserabel gewesen, aber Trank hatte besonders schlecht abgeschnitten. Er hatte es zwar auf den alten Dervish und seine Verletzung geschoben, aber die Wahrheit war, dass ihm einfach die angeborenen Reflexe Bramerts fehlten – und das merkte er mit jedem Tag aufs Neue. Und nun musste er sich fragen, was der Alte von ihm wollte.
Er klopfte an der Bürotür des Kommandeurs der Chevaliers, wartete auf das „Herein“ und öffnete die Tür. Danton saß hinter seinem Schreibtisch, Colonel Copeland hatte davor bereits Platz genommen. Trank nahm steif Haltung an uns salutierte. „Corporal Bramert meldet sich zur Stelle, Sir.“
Danton nickte leicht abwesend, während er seinen Kaffee trank, dann wies er auf den anderen Stuhl vor seinem Schreibtisch. „Setzen Sie sich, Anton. Ich habe eine neue Aufgabe für Sie.“
Trank nahm Platz und entspannte sich äußerlich, während seine Nerven zum Zerreißen gespannt waren. Er bemühte sich, sowohl Danton, als auch Copeland im Auge zu behalten, aber das war nicht so einfach – und das machte die Situation noch kritischer. Danton klopfte einmal kurz auf einen Bericht, der vor ihm lag. „Sie mussten während Ihrer Gefangenschaft ganz schön leiden, Anton. Was meinen Sie? Haben Sie die Sache gut überstanden?“
„Ich denke schon, Sir“, antwortete Trank vorsichtig, während sein Gehirn fieberhaft arbeitete. „Die Rippen heilen langsam und die paar blauen Flecke, die noch da sind, verschwinden bestimmt auch bald wieder.“
Danton nickte. „Sie haben natürlich von dem Unfall gehört, den Lieutenant Holler erlitten hat“, eine Feststellung, keine Frage. „Was ich Ihnen jetzt sage, Corporal, darf niemand erfahren – weder Sergeant Tsuno, noch Chappi, noch sonst wer. Habe ich mich deutlich ausgedrückt?“
„Ja, Sir!“, antwortete Trank zackig und wäre fast aufgesprungen, um erneut Haltung anzunehmen. Danton warf Copeland einen Blick zu, dann seufzte er leise. „Holler wurde nicht einfach so überfahren. Er hat sich in einer Kneipe fast ins Koma gesoffen, ist dann raus und direkt auf die Straße spaziert, wo das Fahrzeug ihn erwischte. Und das hat uns vor ziemliche Probleme gestellt, wie Sie sicherlich selbst gemerkt haben. Um diese Probleme zu lösen, habe ich Master Sergeant Shepard gebeten, eine Art Sonderaufpasser zu spielen. Er soll vor allem die jüngeren, unerfahrenen Offiziere und Lanzenführer im Auge behalten, damit ein solcher Vorfall – oder auch ähnliches – sich nicht wiederholen kann. Aber Shepard ist, trotz seiner vielen Fähigkeiten – auch nur ein einzelner Mensch und braucht meiner Meinung nach, und Colonel Copeland stimmt mir da zu, Hilfe von jemanden, der sich mit psychischen Problemen auskennt und ein entsprechendes Auge dafür hat – jemand wie Sie, Anton.“
Trank schluckte, als er das hörte. „Sir, ich weiß nicht, ob ich für diese Aufgabe wirklich geeignet bin. Außerdem bin ich Sergeant Tsunos Lanze zugeteilt und muss mit einem neuen Mech klarkommen. Das ist bereits verdammt viel Arbeit.“
„Da haben Sie recht, junger Mann, aber es kommt für Sie noch viel schlimmer – Sie werden nämlich Ihren Platz in Sergeant Tsunos Lanze behalten und nebenbei mit Shepard zusammenarbeiten, wenn Sie nicht im Einsatz sind. Ich weiß, Sie sind vor allem Mechkrieger, Anton, aber ich brauche Ihre Erfahrungen – wenn man das von Ihnen Erlebte denn so nennen kann – um den Psychologen zu ersetzen, den wir nicht haben. Gehen Sie zu Shepard und reden Sie mit ihm. Er wird Ihnen schon entsprechend mitteilen, wie er Sie am liebsten einsetzen möchte.“
Trank ergab sich in sein Schicksal. Er durfte die Aufgabe nicht weiter ablehnen, wenn er nicht auffallen wollte. „Ja, Sir“, antwortete er darum nur leise. Danton lächelte ihm aufmunternd zu, wie ein Vater, der seinem minderbegabtem Sohn Mut machen wollte. „Sehr gut. Das wäre dann alles, Corporal.“
Trank erhob sich, nahm wieder Haltung an und salutierte, dann verließ er das Büro. Auf dem Weg zu Master Sergeant Shepard kam ihm vor allem eines in den Sinn. „Scheiße! Scheiße! Scheiße!“

Die Tür zu Shepards Büro war offen und Trank klopfte kurz dagegen. „Master Sergeant? Ich bin Corporal Bramert. Colonel Danton wollte, dass ich mit Ihnen spreche.“
Der ranghöhere Unteroffizier sah kurz hoch und nickte. „Kommen Sie rein, Corporal, und schließen Sie die Tür hinter sich. Muss ja nicht gleich jeder mitbekommen, was ich Ihnen zu sagen habe.“
Trank tat wie ihm befohlen, dann stellte er sich vor dem Schreibtisch des Master Sergeants auf und wartete, bis dieser ihn erneut zur Kenntnis nahm. Shepard ließ sich Zeit mit den Papieren, die er gerade studierte. Als er fertig war, legte er sie vor sich ab und lehnte sich mit verschränkten Armen zurück. „Ich will ehrlich zu Ihnen sein, Corporal. Als Colonel Danton mir eröffnete, wen er mir als Assistenten zur Seite stellen wollte, war ich zunächst skeptisch – und das hat sich kein Stück geändert, seit ich Ihre Akte studieren konnte. In meinen Augen sind Sie eine labile Persönlichkeit, eine Art tickende Zeitbombe, die nur auf den richtigen Augenblick wartet, um zu explodieren – was ein Problem für mich darstellt, denn ich habe weder die Zeit noch die Nerven, um mich nicht nur um den labilen Rest der Truppe zu kümmern, sondern auch noch um meinen labilen Assistenten. Verstehen Sie, was ich meine, Corporal?“
„Ja, Master Sergeant“, antwortete Trank und beschloss, alles auf eine Karte zu setzen. „Darf ich offen sprechen, Sarge?“
„Sie dürfen“, lautete die Antwort. „Ich bin gespannt, was Sie mir entgegenzusetzen haben.“
„Sergeant, ich habe Ihre Akte nicht studiert und weiß daher nicht, was Sie bereits alles mitgemacht haben. Aber ich kann Ihnen versichern, dass meine Erfahrungen auf Kikuyu mich vor allem eines gelehrt haben – jede normale Schlacht ist dagegen ein Fliegenschiss und jeder normale Mensch würde bereits vor der Vorstellung, in diese Hölle geworfen zu werden, schreiend davonrennen – sehen Sie mich rennen oder schreien, Master Sergeant?“
Shepard schüttelte den Kopf, sagte aber nichts. Nur seine Hände krallten sich etwas stärker in die Arme. Trank redete – und improvisierte – weiter. „Ich denke also, dass damit meine sogenannte „labile“ Persönlichkeit vom Tisch ist, Sir. Ich habe mir diese Aufgabe bestimmt nicht ausgesucht, aber der Colonel hat mir befohlen, Ihnen zur Seite zu stehen, darum bin ich jetzt hier und werde mit Ihnen gemeinsam dafür sorgen, dass die labilen Mitglieder der Einheit nicht dasselbe Schicksal wie Lieutenant Holler erleiden – Master Sergeant“, schickte er mit deutlicher Verspätung hinterher. Shepard nickte einmal und erhob sich. „Schöne Worte, Corporal“, antwortete er und nahm einen Stift zur Hand. „Wir werden sehen, ob Sie diesen Worten auch Taten folgen lassen können. Wir treffen uns morgen früh wieder hier, exakt um 0800. Dann werden wir die Akten der anderen Chevaliers durchgehen und Profile über deren seelische Verfassung zusammenstellen. Das wäre dann alles, Corporal.“
Trank salutierte, drehte sich zackig um und wollte das Büro mit schnellen Schritten verlassen, als Shepard rief. „Ach, Corporal.“
Trank drehte sich um, als Shepard ihm bereits den Stift zuwarf. „Fangen Sie“, rief er etwas verspätet und Trank reagierte noch später – und fast zu langsam. Er bekam den Stift zwar in die Hand, aber er wusste, dass Bramert dank seiner Reflexe deutlich schneller reagiert hätte – und konnte nur hoffen, dass Shepard nichts darüber wusste. Nachdem er den Stift sicher hatte, fragte er. „Und was soll ich damit, Master Sergeant?“
„Den können Sie morgen wieder mitbringen“, lautete die ungewöhnliche Antwort. „Ein Begrüßungsgeschenk von mir und damit Sie nicht völlig unvorbereitet hier erscheinen.“
„Ich verstehe, Sarge“, antwortete Trank, dann verließ er das Büro. Shepard sah ihm hinterher, dann warf er einen erneuten Blick in Bramerts Akte, die vor ihm lag. Ein Punkt interessierte ihn dabei besonders: ungewöhnliche Reflexe, reagiert schnell auf Situationswechsel, besonders begabt bei Bewegungen des Mechs.
Shepard strich sich über das Kinn, dann sagte er leise zu sich selbst. „Ich behalte dich im Auge, Anton Bramert. Mit dir stimmt irgendwas nicht und ich werde rausfinden, was es ist – verlass dich drauf.“

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A rose by any other name is still a rose

Ein Narr ist eine gefährliche Waffe im Haus der Vernunft

Tu as dèjá le baton fleurdelisé dans ta giberne

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Die folgenden Ereignisse haben einen Tag zuvor stattgefunden!

Wayside V („Wildkatz“)
Jaffray-Raumhafen
22. August 3066, 10:43 Uhr

„LUENGO, PENNST DU HINTER DEM STEUER EIN? ICH WILL DIE CONTAINER SAUBER VERSTAUT HABEN, UND ZWAR BEVOR WIR ABFLIEGEN!“ Kapitän Matias Nelissens versuchte seinem Fahrer des Gabelstaplers mit Brüllen und weit ausholenden Armbewegungen gegen den Lärm des Jaffray-Raumhafens zu erreichen. Entgegen aller Hoffnung schien es gefruchtet zu haben, der Stapler hielt an und der Südländer drehte sich in Richtung seines Arbeitgebers.
„Is was, el Cheffé?“, fragte dieser zurück.
„Du sollst aufpassen, dass nichts zu Bruch geht, verdammt!“ Matias stemmte die Fäuste in seine Hüfte und beugte den Oberkörper leicht nach vorne, um seiner kleinen Maßregelung etwas mehr Bedeutung zu verleihen. Als ob er damit etwas erreicht hätte, legte der gescholtene Luengo eine säuerliche Miene auf und versuchte in Spanisch sich zu entschuldigen, aber Matias kannte seinen Leute zu gut. Sobald er sich umdrehte wäre der Südländer von einer Besserung in etwa so weit entfernt wie Wayside V von Terra.
Kapitän Nelissens setzte eine gepielt skeptische Miene auf – wie immer, wenn so etwas passierte – und sah den Mann hinter dem Steuer mit hochgezogenen Augenbrauen an. Als Erwiderung bekam er von Luengo ein spitzbübisches Grinsen als Antwort. Irgendwann dreh ich dir den Hals um, dachte Matias bei sich. Mit einem kurzen Wink gab er dem Südländer zu verstehen, dass er mit seiner Arbeit weitermachen sollte. Dieser liess sich nicht zweimal bitten, der Stapler nahm mit singendem Motor Fahrt auf und war keine zwei Sekunden später im Hangar der Devon’s Pride verschwunden.
Oh man, Paps, wenn ich gewusst hätte, womit du dich die ganze Zeit herumgeschlagen hast, dann hätte ich doch auf den Verwaltungskram bestehen sollen. Die Gedanken des jungen Mannes wanderten zu seinem Vater auf Marfik, in der Hoffnung auf eine Antwort.
„Kopf hoch, Skipper. So schlecht war das doch gar nicht“, ertönte eine Stimme hinter ihm.
Matias drehte mit verschlossenen Augen seinen Kopf in die Richtung des Sprechers, während dieser in ruhigem Ton weiter redete. „Die Leute wissen, dass sie mal ab und zu eins auf die Ohren kriegen müssen, sonst schleicht sich bei ihnen der Schlendrian ein. Also hör auf, mit dir selbst zu hadern.“ Tim Vries, sein erster Offizier und ein alter Freund seines Vaters, trat näher an ihn heran und hielt ihm ein Klemmbrett entgegen.
Wie aufs Kommando schoss ein wenig Sarkasmus aus Matias Mund, während er das Brett entgegennahm:
“Du hast dich nicht zufällig mal auf telepathische Fähigkeiten untersuchen lassen, Tim? Könnte ziemlich lukrativ sein, wenn ich bei anstehenden Geschäftsgesprächen weiss, wie weit wir mit unseren Preisen gehen können.“
„Beim nächsten Arztbesuch werd ich das mal ansprechen. Hier ist die Frachtliste, die du haben wolltest.“
„Danke. Wenn ich das richtig sehe, sollten die letzten Güter in etwa einer halben Stunde verladen sein. Na schön, sag den anderen Bescheid, dass wir gleich abheben. Ich will nicht unnötig lange auf diesem Staubball bleiben. Apropos, haben wir eigentlich schon was von der Hafenkontrolle über unseren Abflug gehört?“
Tim Vries rieb sich nachdenklich das Kinn. „Puuh, nicht dass ich wüsste. Ehrlich gesagt, mich wundert das schon ein wenig. Von allen Bürokraten im Universum sind die Draks zwar noch nie schnell gewesen, aber das scheint wohl ein neuer Rekord zu werden.“
Matias Nelissens griff zum Funkgerät an seinem Gürtel und betätigte den Sprechknopf:
„Nelissens an Brücke. Irgendwas von der Hafenkontrolle gehört?“
„Negativ, Kapitän, bei uns ist nichts angekommen.“, erklang eine Stimme unter leichtem Rauschen.
„Funkt den Tower an und fragt mal höflich nach, ob alle Startanfragen so lange dauern.“
Ohne eine Antwort abzuwarten hing der Kapitän der Devon’s Pride das Funkgerät wieder an den Gürtel.
„Na wenn man vom Teufel spricht…“, meinte sein erster Offizier und deutete mit einer Hand am Steuerbordtriebwerk des Leopard vorbei. Matias drehte sich um und bemerkte, dass sich ein Fahrzeug der Hafenbehörde dem Landungsschiff näherte. Als der khakifarbene Wagen keine zwei Meter vor den beiden Männern hielt, stellte Matias wie so oft fest, wie winzig doch alles im Vergleich zur Devon’s Pride wirkte, obwohl sie ein Leopard war und mit ihren Ausmaßen noch zur kleineren Art der Landungsschiffe gehörte.
Nelissens und Vries schauten sich einmal skeptisch an, beide schienen wohl das Gleiche zu denken: Ärger im Anmarsch.
Ein Asiate, wesentlich älter als Matias und in der Ziviluniform der Hafenbehörde, stieg aus dem Wagen, kam auf Matias zu und führte eine perfekte Verbeugung vor ihm aus. „Sumimasen, Kapitän Nelissens.“, began der Drakonier. „Ich möchte Sie nicht bei Ihrer Arbeit stören, aber ich habe eine wichtige Nachricht an Sie zu überbringen.“
„Nichts für ungut“, meinte der Angesprochene mit einem Lachen, „ aber eine kurzer Funkspruch für unsere Starterlaubnis hätte es auch getan.“ Matias hoffte, dass zumindest der Asiate seine Nervosität nicht bemerkte. „ Also dann, Herr Vriess, bereiten Sie schon mal unseren Start vor…“ Bevor er weiterreden konnte, wurde er durch den Beamten unterbrochen: „Sumimasen, Kapitän Nelissens, aber es handelt sich nicht um eine Starterlaubnis. Im Gegenteil. Mir wurde aufgetragen, ihnen mitzuteilen, dass Sie und Ihr Schiff bis auf weiteres nicht starten dürfen.“
Der junge Nelissens bekam mit einem gefrorenen Lachen nur noch ein „Das soll wohl ein Witz sein.“ heraus, während er sich wünschte seine Augen wären zwei Laser um sein Gegenüber in ein Häufchen Asche zu verwandeln. Doch dieser führte stattdessen nur wieder eine Verbeugung aus und sprach höflich weiter.
„Ich kann ihre Verärgerung verstehen, Kapitän Nelissens, jedoch werden Sie und Ihr Schiff am Boden bleiben müssen. Ausserdem soll ich Ihnen eine Einladung von Tai-i Benton übermitteln, er würde sich mit Ihnen gerne treffen.
Tai-i! Verfluchte Militärs, ich hätte es mir denken können, war Matias einziger Gedanke. Sofort kamen wieder alte Erinnerungen an die Geschichten seines Großvaters hoch, als dieser noch das Unternehmen geleitet hatte.
„Auf keinen Fall! Sagen Sie ihrem sogenannten Tai-i Benton, dass er sich seine Einladung sonst wohin stecken kann! Er soll mir stattdessen meine Starterlaubnis durchgeben. SOFORT“ Matias lief vor Wut fast rot an. Tim Vries versuchte ebenfalls seinem Ärger Luft zu machen und deckte den Angehörigen der Hafenkontrolle mit einer Schimpftirade ein, die sich gewaschen hatte. Erstaunlicherweise blieb dieser selbst jetzt noch ruhig. Allerdings hatte er seine Gelassenheit abgelegt.
„Kapitän Nelissens“, erwiderte der Beamte nun wesentlich energischer, „ ich muss Sie noch einmal höflich bitten, die Einladung von Tai-i Benton anzunehmen und mit mir mitzufahren. Es ist keine gute Idee, jemanden aus dem Stab von Herzog Mikado warten zu lassen. Also bitte, steigen Sie ein.“Mit diesen Worten deutete er auf den Wagen.
Ehe Matias noch etwas erwidern konnte, schaltete sich Tim Vries in das Gespräch ein.
„Skipper, hier stehen wir auf verlorenem Posten. Ist wohl besser, wenn Sie sich zumindest mal anhören, was dieser Tai-i zu sagen hat“
„Oh klar hat er was zu sagen: Hallo Kapitän Nelissens, entschuldigen Sie, dass ich sie habe zu mir bringen lassen, hier ist ihre Starterlaubnis. Mit einem Autogramm von Herzog Mikado. Übrigens noch seine herzlichsten Wünsche für ihre Abreise.“ Die Stimme des Jüngeren wurde unüberhörbar sarkastisch und seine übertriebenen Bewegungen unterstrichen dies zusätzlich.„Von wegen, Vries. Wenn das Militär wieder was von uns will, stinkt das doch gewaltig nach Ärger.“
„Ich kann es mir denken. Wäre ihr Großvater hier, würde er wahrscheinlich ein echtes Theater veranstalten“, meinte Vries. „Aber ich glaube, uns bleibt nichts anderes übrig, als erst einmal mitzumachen.“
Der junge Nelissens kämpfte langsam seine Wut nieder und brachte widerwillig ein Nicken hervor. Er schaute den drakonischen Beamten an.
„Okay. Ich werde mir anhören, was dieser Benton zu sagen hat. Aber Sie können ihm über Funk schon mal ausrichten, dass er einem Irrtum unterliegt, wenn er glaubt, dass wir uns für irgendwas einfach so vor den Karren spannen lassen.“
Damit ließ der Skipper der Devon’s Pride die beiden anderen stehen und wanderte im gemächlichen Schritt zur Beifahrerseite des Zivilfahrzeugs. Der Drakonier reagierte nur eine Sekunde später und beeilte sich, in seinen Wagen einzusteigen. Bevor Nelissens es ihm gleichtat, sprach ihn sein alter Freund noch einmal an.
„Skipper, tu‘ mir bitte einen Gefallen, wenn du mit diesem Tai-i Benton sprichst.“
„Und der wäre?“
„Verkneif dir um Himmels Willen irgendwelche bissigen Kommentare.“

Hatte Matias Nelissens gedacht, er würde mit Benton im Gebäude der Raumhafenbehörde sprechen, so hatte er sich gewaltig geirrt. Stattdessen hatte der drakonische Fahrer, der sich ihm noch immer nicht mit Namen vorgestellt hatte, das eigentliche Gelände des Raumhafens verlassen und steuerte den Wagen in Richtung Osten, wo die Kaserne der Wayside-Miliz lag. Keiner der beiden Männer sprach nur ein Wort und das machte den jungen Lyraner zunehmend nervös. In Gedanken malte er sich für sein Schiff und die Besatzung mögliche Szenarien aus, angefangen von Beschlagnahmung der Ware bis hin zu einer Zwangsrequirierung der Devon’s Pride für das Kombinat und jede Situation für sich war für ihn der blanke Horror.
Kurze Zeit später erreichte der Wagen das Eingangstor, wo sie von einem Militärpolizisten anscheinend erwartet wurden. Nach einem kurzen Gespräch zwischen dem Drakonier und der MP konnten Nelissens und sein wortkarger Fahrer passieren und das Kasernengelände betreten. Während der Zivilbeamte seinen Wagen im zügigen Tempo über die Straße scheuchte, hatte Matias ein wenig Zeit sich die Anlage näher anzuschauen. Hier herrschte ein reger Betrieb, fast schon wie am Jaffray-Raumhafen. Soldaten in unterschiedlichen Uniformen, wie der Raumfahrer überrascht feststellte, trainierten miteinander, an einem offen stehenden Hangar konnte man sogar sehen, dass einige Miliz-Techs mit der Wartung eines Battlemechs beschäftigt waren.
Unvermittelt hielt der Wagen an. „Kapitän Nelissens, wir sind angekommen. Tai-i Benton werden Sie in diesem Gebäude finden. Melden Sie sich bitte am Empfang, dort wird man Ihnen weiterhelfen.“, erklärte der Asiate.
„Sie kommen nicht mit?“
„Iie, Nelissens-san. Meine Aufgabe war es, Sie bis hier hin zu begleiten und das habe ich getan. Ich wünsche Ihnen viel Erfolg bei Ihrem Gespräch mit Tai-i Benton.“
Damit bedeutete er Kapitän Nelissens auszusteigen, was dieser dann auch tat. Die Türe war kaum zugeschlagen, als sich der Wagen schon wieder in Bewegung setzte und Matias alleine vor dem Gebäude stehen liess.
Na dann wollen wir mal. Cool bleiben, Mati, ganz cool bleiben,versuchte er sich zu beruhigen. Ehe er die Türklinke ergriff wischte sich der Kapitän noch einmal seine leicht verschwitzten Handflächen an seinen Arbeitsklamotten ab und betrat den Plattenbau. Am Empfang war ein Uniformierter mit irgendwelchem Schreibkram beschäftigt und schien Nelissens zunächst nicht zu bemerken, weshalb er sich kurz räusperte.
„Guten Tag“, begann der Lyraner, „mein Name ist Matias Nelissens. Mir wurde gesagt, dass Tai-i Benton mich zu einem Gespräch erwartet.“
Der junge Soldat – tatsächlich schien er viel jünger als Matias mit dessen achtundzwanzig Jahren zu sein – sah kurz auf.
„Ah, Sie meinen Hauptmann Benton. Wenn Sie bitte kurz warten, Sir. Ich werde den Hauptmann informieren.“
Matias stutzte bei der deutschen Bezeichnung. „Hauptmann Benton? Nicht Tai-i?“
Der Milizionär lächelte über die Verwirrung des Ankömmlings. „Ja Sir. Obwohl hier im Kombinat vornehmlich japanische Rangbezeichnungen verwendet werden, so halten wir Angry Eagles es doch eher mit dem deutschen Rangsystem."
Söldner. Das wird ja immer besser, schoss es Matias durch den Kopf. Er konnte noch ein einzelnes „Danke“ aus seinem Mund hervor quetschen, ehe er sich auf einer kleinen, hart gepolsterten Bank niederliess. Der junge Soldat hatte derweil zum Telefonhörer gegriffen und schien nun diesen Benton zu kontaktieren. Das Gespräch war nur von kurzer Dauer und so erfuhr Matias, dass er schon in Hauptmann Bentons Büro erwartet wurde. Matias folgte der kurzen Wegbeschreibung und nach nur einer halben Minute klopfte er an eine Holztür mit dem Namensschild „Hptm. Chadrik Benton“.
„Herein“, erklang es von der anderen Seite der Holztür.
Matias Nelissens sprach sich selbst noch einmal Mut zu, dann betrat er den Raum.
Der Söldner-Offizier saß gerade hinter seinem Schreibtisch und schien eine Menge Papierkram erledigen zu müssen, jedenfalls deutete Matias den kleinen Aktenstapel so. Benton stand bei Nelissens Anblick auf und umrundete mit zum Gruß ausgestrecktem Arm seinen Arbeitsplatz.
„Ah, Kapitän Nelissens. Vielen Dank, dass Sie meiner Einladung gefolgt sind. Ich, ähm, hoffe, es hat Ihnen nicht allzu große Schwierigkeiten bereitet?“
Um wenigstens ein Mindestmaß an Höflichkeit dem Angry Eagle zu bieten, nahm er den Handschlag.
„Nun ja, wenn Sie erwartet haben, dass ich vor Freude in die Luft gesprungen bin, muss ich sie leider enttäuschen. Ihrem Hauptargument einer entzogenen Starterlaubnis konnte ich dann doch nicht widersprechen.“, hielt Matias trocken dagegen.
Sein Gegenüber atmete hörbar aus.
„Hören, Sie, ich bin nicht wirklich glücklich darüber, Sie damit zu einem Gespräch bewegen zu müssen. Und ich kann Ihnen sagen, Sie sind nicht der erste, der sich darüber beschwert hat. Aber ungewöhnliche Situationen erfordern ungewöhnliche Maßnahmen.“ Chadrik Benton machte auf den jungen Lyraner den Eindruck, als wäre ihm dies wirklich peinlich.
„Setzen wir uns, dann erkläre ich Ihnen mein Anliegen.“
Für einen Moment hatte der Skipper der Devon’s Pride die Möglichkeit, sich Bentons Büro etwas näher anzuschauen. Es war spartanisch eingerichtet, zwei große Regalschränke an den Wänden flankierten den einfach gehaltenen Schreibtisch. Darüber hinaus gab es noch ein Sideboard, auf dem eine kleine Kaffeemaschine stand.
„Also schön, Hauptmann Benton. Was wollen Sie von meinem Schiff?“, begann Nelissens.
Bentons erste Reaktion bestand aus einem schiefen Lächeln. Für einen Moment schien er über seine nächsten Worte nachzudenken, eher er zu einer Antwort ansetzte.
„Sie sind wohl jemand, der nicht lange um den heißen Brei reden will, wie? Meiner Meinung nach sollten Sie sich aber dennoch erst alles anhören, bevor ich zum eigentlichen Thema komme.“
„Wieso habe ich das Gefühl, schon wieder keine Wahl zu haben? Na gut, lassen Sie hören, Hauptmann.“ Nelissen zog Bentons Rang in die Länge, dieser sollte ruhig merken, dass sein Gas schlecht aufgelegt war.
„Vor kurzem gab es hier auf Wayside V einen heftigen Kampf zwischen uns und einer größeren Söldnereinheit. Wir konnten die Invasion abwenden, die gegnerischen Streitkräfte haben den Kampf eingestellt, und Herzog Mikado übernahm Sie, um weiteres Blutvergießen auf dem Planeten zu vermeiden.“
„Also ich wusste zwar, dass Ihresgleichen käuflich ist, aber in meiner Branche wäre ein solcher Vertragsbruch sehr hart bestraft worden.“, warf Matias ein. Benton schien ob dieser Antwort für einen Moment konsterniert. Autsch, das hat wohl gesessen.
Die Erwiderung des Hauptmanns fiel ziemlich frostig aus: „Kapitän Nelissens, wir sind Söldner, wir stellen unsere Dienste demjenigen zur Verfügung, der dafür gewillt ist zu zahlen, ja. Doch ich gebe Ihnen einen guten Hinweis, auch wir haben unser Ehrgefühl und unsere Regeln. Ich kann ihnen nicht die genauen Umstände erklären, seien Sie versichert, es lief alles geregelt ab. Und noch etwas: Für so einen Kommentar sind andere schon einfach erschossen worden. Ich habe mich hoffentlich deutlich ausgedrückt?“
Erst jetzt merkte der junge Nelissens, in welches Fettnäpfchen er diesmal getreten war. Aber woher hätte er das wissen sollen? Sein Metier waren der Handel und die Raumfahrt, nicht die Kriegsführung und das Söldnergewerbe. Da er aber nicht vor diesem Offizier nicht klein beigeben wollte, verschränkte Matias die Arme trotzig vor seinem Körper.
„Okay, ich hab’s verstanden. Aber was hat das jetzt mit mir zu tun?“
„Nun, wir möchten einiges an Material von diesem Planeten transportieren. Die meisten der derzeitig auf Wayside befindlichen Lander sind Zivilschiffe, deren Umbau für unsere Bedürfnisse zu lange dauern würde. Die Devon’s Pride dagegen könnte nach unseren Einschätzungen weit kürzerer Zeit umgerüstet werden.“
Bevor er noch weiter reden konnte, winkte Matias entschieden ab. „Auf keinen Fall, Hauptmann Benton. Ich werde nicht zulassen, dass mein Schiff und meine Mannschaft für Militärs arbeitet, egal ob regulär oder Söldner. So etwas hätte unser Unternehmen in der Vergangenheit schon einmal fast zerstört und ein paar Familienangehörigen das Leben gekostet. Das werde ich unter allen Umständen verhindern.“ Nelissens sprang wie von der Tarantel gestochen aus dem Stuhl auf und bewegte sich Richtung Tür, blieb aber kurz davor noch stehen.
„Ich weiss, was sie sagen wollen, Hauptmann.“, seine Stimme nahm einen bitteren Ton an, „Exzellente Bezahlung, minimale Risiken für uns, und vielleicht noch weitere Leistungen wie etwa die Übernahme von Reparaturkosten. Nein, tut mir leid, auf solche Versprechen sind wir schon einmal hereingefallen.“
Chandrik Bentons Antwort darauf kam nur langsam aus seinem Mund.
„Ich weiss nicht, was Ihnen oder Ihrer Familie passiert ist, aber ich glaube es zu verstehen. Ich hoffe dennoch, Sie zu einer guten Zusammenarbeit bewegen zu können.“
Ungläubig drehte der jüngere sich doch um.
„Sie haben es wohl noch immer nicht begriffen, oder? Meine Antwort auf Ihren Vorschlag lautet klipp und klar NEIN. Dabei bleibt es. Und nun möchte ich Sie höflich bitten, meiner Mannschaft und mir den Start von diesem Planeten zu erlauben.“
„Sie sind ein verdammter Starrkopf, Kapitän, aber ich muss Ihre Antwort akzeptieren. Bei Ihrer Ankunft auf dem Raumhafen, wird man Ihnen die Starterlaubnis erteilen. Sollten Sie es sich wider erwarten doch noch anders überlegen, Sie wissen, wo sie mich finden.“
Gerne hätte Matias erleichtert aufgeatmet, dass es nun vom Söldner keine weiteren Schwierigkeiten zu erwarten waren, aber er wollte sich vor diesem keine weitere Blöße geben. Dass er schon ein wenig aus der Familienhistorie geplaudert hatte gefiel ihm nicht.
„Danke, Herr Hauptmann, aber es müsste mit dem Teufel zugehen, dass ich auf ihr Angebot eingehe. Und nun leben Sie wohl.“ Mit diesen Worten verliess er das Büro des Söldners.
Matias sollte kurze Zeit später feststellen, was der Teufel so alles in seiner Trickkiste zu bieten hatte.

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Wayside V („Wildkatz“)
Jaffray-Raumhafen
22. August 3066, 11:32 Uhr

Das aus seiner Sicht völlig überflüssige Gespräch mit Hauptmann Benton war seit nicht einmal mehr einer Viertelstunde vorüber, als Matias Nelissens wieder am Startfeld des Jaffray-Raumhafens erschien und wo noch immer die Gabelstapler in den Bauch der Devon’s Pride und wieder hinaus fuhren. Doch sie waren nicht damit beschäftigt Waren einzuladen.
Was zum Teufel ist denn hier los? Matias blieb für einen Moment perplex auf der Stelle stehen, ehe er auf sein Schiff zu sprintete. Als er näher am Geschehen war, merkte er, dass scheinbar das reinste Chaos rund um das Landungsschiff herrschte. Auf den Staplern saß keiner seiner Leute, diese waren mit Mitarbeitern der Hafenbehörde in heftige Gespräche verwickelt oder schauten ratlos den Gabelstaplerfahrern hinterher. Es schien Ärger in der Luft zu liegen, sonst wären nicht ein paar der Zivilbeamten mit halbautomatischen Gewehren und Schutzwesten ausgerüstet gewesen und würden die Mannschaft der Devon’s Pride argwöhnisch beobachten.
Nelissens griff sich den erstbesten seiner Leute.
„Was zum Teufel ist denn hier los?“, wiederholte er seinen Gedanken. „Was machen diese Affen von der Raumhafenbehörde? Und was soll das mit dem Ausladen?“
„Ich habe keine Ahnung, Skipper“, antwortete Luengo. Das sonst so spitzbübische Dauergrinsen war wie von seinem Gesicht weggewischt, zurück blieb ein Südländer, der langsam aber sicher in Hysterie zu fallen drohte. „Irgend so eine Idiota ist mit diesen verdammten Staplern hier aufgetaucht und meinte gegenüber Vries, dass wir die Ladung nicht transportieren könnten, weil wir keine Genehmigung dafür mehr hätten. Die beiden sind dann irgendwo im Hangar verschwunden. Wir wollten schon was dagegen machen, aber es hat keine zwei Minuten gedauert, da hatten wir la policia hier auf der Matte stehen. Seitdem wird unsere gesamte Fracht ausgeladen.“
Der junge Skipper strich sich mit beiden Händen durch sein langsam zurückweichendes Haar. Er war kurz davor, den Verstand zu verlieren, aber das hätte die Situation auch nicht gebessert.
„Sag den anderen Bescheid, sie sollen sich ruhig verhalten, ich habe keine Lust, irgendwen von euch im Bau oder in der Leichenhalle abholen zu müssen. Ist das klar? Ich werde sehen, was dieser ganze Zirkus soll.“
Mit dieser Aufforderung ließ der junge Skipper seinen Untergebenen am Fuße der Devon’s Pride stehen und durchschritt die offenen Hangartore.

Im Inneren des alten Landers war vom Lärm des Raumhafens nicht mehr viel zu hören, doch durch die Stahlwände wurden die Motoren der Gabelstapler nur noch verstärkt, gedämpftes Licht schien aus einigen Neonröhren an den Wänden des Schiffes und versuchte die Stellen zu beleuchten, an die kein Tageslicht herankam.
Matias brauchte nicht lange nach Tim Vries zu suchen, er fand diesen zwischen zwei größeren Containern in einer heftigen Diskussion mit einem Angehörigen der Hafenbehörde, unverkennbar in seiner Uniform, und einer asiatischen Frau mittleren Alters. Nelissens kam diese Frau bekannt vor, doch er brauchte einen Moment, um seine Erinnerungen zu sortieren. Ayam.. Ayat..Ayaka. Ayaka Ito!
Sie war eine Handelsagentin, die für einen ihrer Klienten eine Transportmöglichkeit gesucht und dabei auf Matias und sein kleines Unternehmen gestoßen war. Dass sie jetzt hier wieder auftauchte, wo doch der Auftrag in trockenen Tüchern gewesen zu sein schien, ließ den jungen Skipper Böses ahnen.
Matias näherte sich mit energischen Schritten der kleinen Gruppe, versuchte aber dennoch ein gewisses Maß an Höflichkeit an den Tag zu legen.
„Guten Tag, Frau Ito, Herr…“, Matias drehte sich zu dem Hafenbeamten um und erkannte in ihm wieder den Asiaten von vorhin, der ihn zu diesem so notwendigen Gespräch mit Chadrik Benton chauffiert hatte und dessen Namen er noch immer nicht kannte. „Sie schon wieder? Langsam habe ich das Gefühl, dass Sie mir nur Ärger bescheren.“
Und wie auch bei ihrem letzten Treffen vollführte der kleine Beamte eine perfekte Verbeugung aus.
„Hai, Nelissens-san. Ich muss zugeben, dass die Umstände, unter denen wir uns treffen nicht sehr angenehm für Sie sind. Doch ich bin nur der Bote, der die Nachricht überbringt.“
„Dann können Sie ja von Glück sagen, dass ich nicht dazu erzogen wurde, einem Überbringer schlechter Nachrichten den Kopf abzuschlagen.“, antwortete der Kapitän der Devon’s Pride schnippisch. Der angesprochene Beamte zuckte bei diesen Worten unmerklich zusammen.
„Und jetzt würde ich gerne erfahren, warum der gesamte Frachtraum meines Schiffes geleert wird. Ich war der Meinung, es gäbe einen regulären Speditionsauftrag.“
Dies schien das Stichwort für Ayaka Ito zu sein. „Nun Herr Nelissens, sie HATTEN einen Auftrag von meinem Kunden bekommen, als wir der Meinung waren, mit Ihrer Firma wäre alles rechtens. Aber anscheinend haben Sie uns getäuscht. Oder wie können Sie uns dieses Schreiben von ComStar hier erklären?“ Mit Verärgerung kramte sie aus einem Bündel von Papieren ein einzelnes Blatt hervor und hielt es Matias entgegen, während sie ihn mit einem fragenden Blick bedachte. Nelissens riss ihr förmlich das Blatt aus der Hand und machte sich daran den Text zu lesen. Zunächst zog er seine Augenbrauen, doch schnell wandelte sich Matias Ärger über leichte Verwirrung in blankes Entsetzen. Er schaute vom Text auf und zu Tim Vries fragend hinüber, aber dessen Blicke wanderten immer zwischen Ito und dem Beamten hin und her, als ob er sich nicht entscheiden konnte, an wem er zuerst seine kaum verhüllte Wut auslassen sollte. Anscheinend kannte sein Erster Offizier schon den Text. Doch Matias konnte immer noch nicht glauben, was vor ihm geschrieben stand.
„…teilen wir Ihnen mit dem Schreiben mit, dass sämtliche Geschäftskonten, die das Unternehmen Nelistar bei uns eröffnet hat, bis auf weiteres wegen Verdunkelungsgefahr gesperrt sind und selbiges Unternehmen bis auf weiteres geschlossen wird. Diese Sperrung wird für die Dauer der Untersuchung durch die lyranische Finanzbehörde aufrecht gehalten. Gezeichnet: Präzentor VI Phi…“ Mehr bekam Matias nicht hin. Das lyranische Finanzamt? ComStar? Erlaubt sich das Universum gerade einen Scherz auf meine Kosten?
Matias Gesicht gewann nur langsam wieder an Farbe, während er nach einer Erklärung für alle Anwesenden suchte.
„Frau Ito, ich weiß nicht, was das Ganze soll, das muss sich um ein riesiges Missverständnis handeln...“
„Hören Sie, Herr Nelissens, “, fuhr ihm die Asiatin dazwischen, „ vielleicht stellt sich diese Untersuchung ihres Finanzamtes als falsch heraus und Ihr Unternehmen hat sich absolut gar nichts zu Schulden kommen lassen. Doch bis es zu einem Urteil kommt, können meine Klienten nicht warten. Ihr Auftrag war ein Termingeschäft, an welches Sie vertraglich gebunden sind. Doch mit der Schließung können Sie unseren vereinbarten Termin nicht einhalten und eine Konventionalstrafe deswegen könnte durch Ihre gesperrten Bankkonten sehr schwierig werden. Daher sehen sich meine Klienten gezwungen, von diesem Auftrag zurückzutreten.“ Ihre Gesichtszüge wurden etwas weicher, sie schien so etwas wie Mitgefühl für den jüngeren Lyraner zu haben.
„Hören Sie, Herr Nelissens: Ich kann mir nur im Ansatz vorstellen, wie Sie sich in dieser Situation fühlen, aber ich muss die Interessen meiner Klienten wahren. Ich hoffe, Sie haben dafür Verständnis.“
Matias hingegen konnte nur fassungslos auf das Schreiben in seiner Hand starren. Was war zu Hause auf Marfik passiert? Das bisschen Verstand, dass er noch zu haben schien kreiste eine gefühlte Ewigkeit lang nur um die Wörter Untersuchung und geschlossen auf dem ComStar-Schreiben.
„Skipper? Alles in Ordnung?“ Tim Vries schien sein Schweigen abgelegt zu haben.
„Häh?“ Der Nebel um Matias Verstand begann sich nur sehr langsam zu lichten. Ayaka Ito und der Angehörige der Raumhafenbehörde schienen wie vom Erdboden verschluckt. Und mit ihnen die restlichen Container.
„Ich habe gefragt, ob mit dir alles in Ordnung ist, Matias.“
„Du fragst mich wie es mir geht? Nach DEM hier?“ Nelissens schrie den alten Freund seines Vaters förmlich an und hielt ihm das Schreiben vor die Nase.
„Soll ich dir sagen wie es mir geht, Tim? Ich hab das Gefühl, als hätte mir jemand in die Weichteile getreten. Und zwar mit Anlauf!“ Matias' Beine gaben ob des noch immer sitzenden Schocks langsam nach, so dass er sich auf den kalten Hangarboden der Devon’s Pride setzen musste. Seine Hände fuhren wie automatisch durch sein Haar und klammerten sich daran fest.
Tim Vries fand auf diese Antwort keine Erwiderung. Er hockte sich vor dem Jüngeren hin und legte ihm eine Hand auf die linke Schulter. Erst nach einer Minute brach er sein Schweigen.
„Bevor ich es noch vergesse: Ich wollte dir noch mitteilen, dass für dich in der ComStar-Anlage zwei Nachrichten hinterlegt sind, eine davon ist von deinen Eltern. Ich denke, die andere Nachricht kennen wir wohl bereits.“ Vries schüttelte bei seinen eigenen Worten nur missmutig den Kopf.
Die Erwähnung seiner Familie schien sein Gegenüber wieder aus der Schockstarre zu lösen.
„Von wem genau, Tim?“
„Ich kann dir leider auch nicht mehr sagen. Das ist alles, was mir mitgeteilt wurde.“ Vries reichte dem jungen Nelissens seine Hand, so dass dieser sich daran wieder hochziehen konnte. „Du solltest dir die Nachricht deiner Eltern anschauen. Vielleicht kannst du daraus erfahren, was diese angebliche Untersuchung der Allianz zu bedeuten hat. Und ich denke, es würde dir gut tun, mal wieder was von deinem alten Herrn zu hören.“
„Ja, vielleicht hast du Recht. Ich wird mir mal anhören, was sie zu sagen haben. Kümmere dich in der Zwischenzeit um unsere Leute und erkläre ihnen in groben Zügen, was los ist. Sobald ich zurück bin, werde ich versuchen, alle Fragen zu beantworten, die sie mit Sicherheit haben werden.“ Matias atmete deutlich aus. „ Und Tim? Tut mir leid, dass ich dich vorhin so angeschnauzt habe.“
„Schon okay, Skipper, hat ja sonst keiner mitbekommen, und in der Situation fühle ich mich gerade auch nicht viel anders als du. Das wird ab jetzt verdammt hart für uns werden.“ Der ältere Raumfahrer rieb sich mit der linkten Hand durch das Gesicht, die Falten darin schienen noch tiefer geworden zu sein.
Die beiden Männer verabschiedeten sich fürs erste von einander. Während Vries die Mannschaft über ihre aktuelle Misere informierte, machte sich Matias Nelissens auf den Weg zu ComStar.

Durch eine Mitfahrgelegenheit in die gleiche Richtung hatte Matias etwa zwanzig Minuten später den Eingang zum ComStar-Gelände erreicht. Nach außen hin von hohen Mauern umgeben, stellten die das Hauptgebäude umgebenden Gärten mit ihrer friedlichen Atmosphäre einen ziemlich starken Kontrast zum Rest von Parkensen City mit dessen lebhaften Straßen dar. Für einen Moment gestattete sich Matias diesen Anblick zu genießen. Er hatte zwar nie einen grünen Daumen in Bezug auf die Gärtnerei entwickelt, aber seiner Meinung nach hätte er es an diesem Ort noch durchaus ein wenig länger aushalten können. Hier und da formten die Blumen mit ihren unterschiedlichen Farben bestimmte Muster oder Logos, unter anderem das von ComStar oder das Drachenmon des Kombinats. In geringer Entfernung besaß der kleine Garten noch einen Steinbrunnen und ein paar Sitzbänke, auf denen die Menschen es sich bequem machen konnten. Eines muss man ComStar lassen. Selbst auf solch weit entfernten Welten wollen die noch einen guten Eindruck schinden.
Allerdings war Matias aus einem ganz bestimmten Grund hier, und der befand sich im Inneren des HPG-Gebäudes. Also riss er sich vom Anblick des Gartens los und betrat die Anlage. Momentan schien kein reger Betrieb zu herrschen, jedenfalls war Matias wesentlich längere Warteschlagen an den Nachrichtenschaltern gewohnt. Und so hatte er nur eine Viertelstunde warten müssen, ehe er an der Reihe war. Ein Akoluth wies ihm ein Terminal zu, an dem er die beiden Mitteilungen ungestört durchgehen konnte.
Zunächst nahm er sich das offizielle Schreiben aus der lyranischen Allianz vor, es war in etwa der gleiche verdammte Wisch, den Ayaka Ito ihm schon vor die Nase gehalten hatte. Demnach wurden Matias und sein Unternehmen der Steuerhinterziehung und Bilanzfälschung angeklagt, da man angeblich Unregelmäßigkeiten festgestellt hatte, was zivilrechtlich harte Konsequenzen nach sich zogen, wenn entsprechende Beweise vorlagen. Da es durchaus möglich war, dass Matias mögliche Beweise gegen ihn unkenntlich machen oder sogar vernichten konnte, waren sämtliche Bankkonten und Eigentum der Firma konfisziert worden. Man hatte ihm förmlich den Geldhahn zugedreht, sodass Matias auf das wenige Geld der Schiffskasse würde zurückgreifen müssen.
Der Haken an dieser Untersuchung war, dass bei ihr kein wirklich belastendes Beweismaterial gefunden werden konnte um NeliStar schuldig zu sprechen. Schon sein Großvater hatte immer Wert auf eine korrekte Buchhaltung gelegt, welche alljährlich auch von den hiesigen Wirtschaftsprüfern auf Marfik auf Herz und Nieren geprüft wurde. Matias hatte daher den Verdacht, dass die Anklage einen anderen Sinn hatte, nämlich ihn und die Devon’s Pride wieder in lyranisches Gebiet zu locken, damit sein Schiff für die LAS requiriert werden konnte.
Durch den noch immer herrschenden Bürgerkrieg im ehemaligen Vereinigten Commonwealth hatte man immer wieder Geschichten von Sprung- und Landungsschiffen gehört, die für die Kämpfe vom Militär konfisziert worden waren. Und nicht selten waren die Schiffe danach nur noch mit kostspieligen Reparaturen wieder zu gebrauchen, sofern sie nicht durch schwere Gefechte zerstört worden waren. Bis vor einem halben Jahr war die Devon’s Pride dieses Schicksal erspart geblieben, doch die Anfragen selbst nach einem Leopard waren immer energischer geworden. Allein die Tatsache, dass fast die gesamte LAS durch den Krieg aktiv war, hatte eine Zwangsrequirierung hinausgezögert. Aber sowohl Matias als auch sein Vater waren der Ansicht gewesen, dass dies nicht immer so bleiben würde. Also hatte er den Entschluss gefasst, die Grenze zum Kombinat zu überschreiten, um so Schiff und Mannschaft dem Zugriff zu entziehen. Haus Kurita war nach Matias' Ansicht nicht wirklich der Anlaufpunkt für freien Handel, aber zumindest konnte man vom Kombinat ausgehen, dass es sich nicht selbst zerfleischen würde.
Bis jetzt war alles gut gegangen, doch nun hatte ihn die Allianz hier auf Wayside V gefunden und mit einer fadenscheinigen Untersuchung durch die Finanzbehörde förmlich an die Wand gedrängt. Der einzige Lichtblick aus Sicht des jungen Skippers war, dass man nicht auch noch seine Eltern damit hineingezogen hatte. Jedenfalls vorerst
Ihr verdammten Bastarde! Nur eine Untersuchung durch das Finanzamt? Von wegen! Weil ich euch nicht an unser Schiff ranlasse, wollt Ihr uns jetzt mit Paragraphen und Geldnot fertig machen, das wird's sein. Ich könnte zu Hause wahrscheinlich ohne Probleme eure Anklage widerlegen, aber bis dahin steckt die Pride schon längst in eurem verfluchten Krieg und dann auf Nimmerwiedersehen. Und Paps kann wegen der Behandlung seiner Leukämie nicht an meiner Stelle dagegen vorgehen, zumal es ihn und Mama unnötig in die Schusslinie bringt.
Vor Wut hätte der Kapitän auf das Terminal vor ihm eingeschlagen, aber er konnte sich gerade noch beherrschen. Eine Sachbeschädigung hätte ihn vielleicht den letzten Rest seines Bargeldes gekostet, und das konnte er sich nicht leisten. Matias druckte das Schreiben aus und rief anschließend die Botschaft seiner Eltern auf. Zu seiner Überraschung bestand sie nicht aus Text, sondern war ein Video.

Auf dem Schirm erschien das Gesicht von Erika Nelissens, seiner Mutter. Mit 58 Jahren schien sie für ihn immer noch eine schöne Frau zu sein, in ihrem schmalen Gesicht waren Sorgenfalten zu sehen, das von kleinen weißen Strähnen durchsetzte lange blonde Haar hatte sie streng nach hinten gekämmt. „Hallo Matti, ich hoffe es geht dir und den anderen momentan gut. Du wirst wahrscheinlich schon Nachricht über eine laufende Untersuchung erfahren haben, die gegen die Firma läuft. Falls nicht, will ich mich kurz fassen. Es sieht so aus, als ob…“ Seine Mutter erklärte ihm in wenigen Worten, was er schon längst wusste. Erika Nelissens war anzumerken, dass sie diese Anklage genauso mitnahm wie Matias selbst.
„Wir haben unsererseits Rechtshilfe in Anspruch genommen, dein Vater und ich sind der Ansicht, diese Untersuchung zu einem guten Ende bringen zu können, aber leider wissen wir nicht, wie lange das dauern wird. Ich weiß, du möchtest bestimmt nicht, dass wir für dich in die Bresche springen, aber du bist nun mal unser Sohn. Und NeliStar ist genauso ein Teil unseres Lebens.
Wegen der Untersuchung werden alle deine Konten bei ComStar gesperrt sein, so dass du nicht auf dein Vermögen zurückgreifen kannst, um währenddessen über die Runden zu kommen. Momentan können wir dir in deiner jetzigen Lage nicht wirklich helfen, aber dein Vater meinte, du müsstest recht gut mit dem Notgroschen auskommen.“ Bei diesen Worten musste Matias schmunzeln. Der sogenannte Notgroschen war ein separates ComStar-Konto, dass ganz offiziell zwar seinen Eltern gehörte, auf dass er aber in Notfällen wie diesen kleinere Credit-Einheiten abheben konnte. Es war nicht viel auf dem Konto, aber zumindest würde er für die nächsten Wochen nicht am Hungertuch nagen müssen.
Seine Mutter fuhr mit ihrem Monolog fort, setzte aber bei den nächsten Worten ein leicht verwirrtes Gesicht auf. „Da wäre noch etwas, was ich dir von deinem Vater ausrichten solle. Er meinte, es wäre wohl an der Zeit, dass du und NeliStar für die nächste Zeit erst einmal einen… Betriebsurlaub einlegen solltet, so wie dein Großvater manchmal davon gesprochen haben soll, bis diese verdammte Untersuchung glatt über die Bühne gegangen ist. Er hätte es dir gerne schon früher vorgeschlagen, aber ihm ist das erst jetzt wieder eingefallen. Keine Ahnung, was er damit gemeint hat. Ach, bevor ich es noch ganz vergesse, ich soll dich und Tim Vries recht herzlich von ihm grüßen. Die Anklage hat ihm einen ziemlichen Schlag versetzt und die Ärzte haben schon befürchtet, es würde einen Rückschlag für die Bekämpfung der verdammten Leukämie bedeuten. Aber er wird es überleben und du kennst ja deinen Vater. Der ist zu stur, um aufzugeben.“
Seine Mutter presste ihre Lippen fest zusammen, sie schien irgendwie mit ihrer Fassung zu ringen und ihre Stimme sank auf ein Flüstern herab. „Momentan spricht er gut auf die Therapie an, und ich werde schon darauf achten, dass er sich nicht zu sehr verausgabt. Also mach dir bitte keine Sorgen um uns. Wir haben dich sehr lieb. Pass bitte auf dich auf.“

Damit endete die Nachricht seiner Mutter und der Bildschirm zeigte das ComStar-Logo. Matias rieb sich nachdenklich übers Kinn. Er hatte irgendwie schon geahnt, dass seine Eltern versuchten ihm zu helfen, und auch wenn sie ihm versicherten, dass bis jetzt alles in Ordnung war, so hatte Matias doch irgendwie seine Zweifel. Er konnte nur hoffen, dass diese Misere nicht auch noch den schlechten Gesundheitszustand seines Vaters beeinträchtigte, denn in der Nelissens-Sippe war Sturheit nichts Unbekanntes, und sein Vater würde sich wie Matias' Großvater mit Händen und Zähen gegen die Anklage wehren, wenn er nur könnte. Bei dem Gedanken an seinen Großvater kam ihm wieder diese eine Bemerkung seiner Mutter wieder in den Sinn. Betriebsferien machen? So, wie Opa das immer mal gesagt hat? Das wäre mal eine ganz neue Seite an ihm. Tatsächlich hatte sein Großvater, als er noch an der Spitze des kleinen Familienunternehmens gestanden hatte, sich nie eine Ruhepause gegönnt, er war ein echter Workaholic gewesen. Innerlich musste er darüber irgendwie lachen. Opa, Opa, Opa. Wenn du dir über was Sorgen gemacht hast, dann wie du unser altes Schiff beschützen konntest. Du würdest wahrscheinlich einen Dreck auf die Anklage geben, und… Moment mal.
Langsam kam in Matias ein Verdacht auf. Als er noch ein kleiner Junge und NeliStar noch immer negative Zahlen geschrieben hatte, hatte sein Großvater hin und wieder davon gesprochen, dass er für den Fall einer zweiten Requirierung ein paar Notizen für einen Plan hätte. Er hatte dann immer davon gesprochen, für eine Weile mit der Devon’s Pride in die Ferien zu gehen.
Ob Paps DAS gemeint hat?, fragte sich der junge Lyraner in Gedanken. Er wusste zwar nicht genau, was dieser Plan wohl gewesen war, aber wenn es wirklich noch Notizen dazu gab, dann wahrscheinlich auf dem Schiff, irgendwo zwischen ein paar alten Sachen, die Matias als Erinnerung an seinen verstorbenen Großvater behalten hatte.
Nelissens verließ das ComStar-Gelände. Draußen auf den Straßen herrschte ein reger Verkehr, und er war sich nicht sicher, ob er durch ein Taxi wirklich schneller wieder am Raumhafen war, also machte er sich zu Fuß auf den Rückweg. In der Zwischenzeit wollte er sich alles in Erinnerung rufen, was er von seinem Großvater noch behalten hatte.



Matias brauchte etwas weniger als eine Stunde, bis er wieder am Jaffray-Raumhafen angelangt war. Von dort aus, hatte er sich von einem Mitarbeiter des Hafens zum Startfeld bringen lassen, auf dem die Devon’s Pride noch immer stand. Auf dem Rest des Raumhafens herrschte reger Betrieb, am Schiff selbst aber war es sehr ruhig. Anscheinend hatte sein Erster Offizier Tim Vries die Mannschaft im Hangar gesammelt.
Am alten Leopard angekommen verließ Nelissens den Wagen und bedankte sich bei seinem Fahrer. Anschließend stieg er eilig die Steuerbordrampe hinauf. Wie er schon vermutet hatte, waren dort alle seine Leute versammelt und hatten auf ihn gewartet. Ihre Gesichter zeigten unterschiedliche Emotionen, manche machten einen nervösen Eindruck, andere wie Tim Vries nahmen eine abwartende Haltung an, und wiederum andere machten einen wütenden Eindruck auf Matias. Ob sie gegen ihn gerichtet war, würde sich jetzt zeigen.
„Also schön, Herrschaften“, begann Matias seine kleine Ansprache. Er hatte sich auf dem Weg von Comstar bis hierhin grob eine Rede zusammengesetzt, aber nun beschlich ihn wieder seine Nervosität. Er war so etwas einfach nicht gewohnt. „Wenn unser Erster Offizier das getan hat, was ich ihm aufgetragen habe, dann wisst Ihr, dass wir in ziemlichen Schwierigkeiten stecken. Fakt ist, dass wegen dieser verfluchten Untersuchung unser Kunde vergrault wurde. Und es wird bei weiteren passieren, sobald die bemerken, was mit unserer Firma nicht stimmt. Das heißt, bis auf weiteres werden wir wohl kaum an Aufträge herankommen. Und das ist noch nicht alles.“
Innerlich wappnete sich Matias gegen das Donnerwetter, was sich bei seinen nächsten Worten auftun würde. „Es wurden weiterhin erst einmal sämtliche Geschäftskonten gesperrt, vor allem die bei ComStar, und damit hat man uns effektiv den Geldhahn zugedreht.“ So, jetzt ist’s raus. Nelissens schloss die Augen.
Für einen Moment schien niemand etwas sagen zu wollen und Matias hatte schon gehofft, dass niemand die Konsequenz der gesperrten Bankkonten ansprechen würde.
„Moment, wenn sämtliche Konten gesperrt sind, was ist dann mit unseren Löhnen?“, fragte sich einer seiner Leute. „Wir werden doch unseren Lohn für diesen Monat erhalten, oder, Skipper?“
Dass ihr Skipper nicht direkt darauf etwas erwiderte, ließ die kleine Gruppe förmlich explodieren. Plötzlich versuchte jeder der Raumfahrer auf den Skipper einzureden, während dieser nur abwehrend die Hände leicht nach oben hielt, um seine Leute wieder zu beruhigen. Es war ein vergebliches Unterfangen, und Matias Nelissens war kurz davor, die Nerven zu verlieren.
Es war Tim Vries, der die aufgebrachte Meute wieder unter Kontrolle brachte, aber deren Groll war nur fürs Erste eingedämmt, aber nicht verschwunden.
Matias wägte auf die eben gestellte Frage seine Worte sorgfältig ab, aber es half nicht, um den heißen Brei herumzureden.
„Fürs Erste sieht es wirklich so aus, als ob ich euch eure Löhne nicht auszahlen kann. Es existiert zwar eine kleine Reserve, aber die möchte ich verwenden, um uns mit dem Nötigsten an Vorräten zu versorgen, während wir zwei uns“, Matias deutete mit dem Finger auf Vries und sich selbst, „nach einer alternativen Geldquelle umsehen. Das könnte etwas dauern, daher bitte ich euch um Geduld. Ihr werdet euer Geld bekommen, sobald diese ganze Angelegenheit sauber über die Bühne gegangen ist. Zu Hause auf Marfik wollen sich meine Eltern um diese Anklage kümmern.“
„Aber sie sagten doch selbst, dass es schwer wird, Kunden an Land zu ziehen“, warf Luengo, der Spanier, in die Diskussion hinein. „Wie willst du da an Geld kommen, el Cheffe?“
„Du solltest mal zuhören, Luengo. Vries und ich werden uns darum kümmern. Aber das könnte dauern. In der Zwischenzeit möchte ich, dass Ihr unsere alte Dame mal so gut es geht durchcheckt.
Es sei denn, irgendwer von euch zieht es vor, sein Glück auf eigene Faust zu suchen. Vielleicht findet Ihr ja irgendwo Arbeit auf irgendeinem rostigen Lander? Oder bestimmt wollt Ihr auch zurück in die Allianz und für das glorreiche Haus Steiner im Bürgerkrieg euer Leben lassen? Aber nein, wartet mal, genau deswegen sind wir ja hier gelandet, oder wie war das nochmal genau?“ Matias' Geduld war langsam aufgebraucht, und sein Hang zum Sarkasmus brach sich langsam wieder Bahn. An diesem Tag war für seinen Geschmack zu viel geschehen. Und dass seine Mannschaft kurz davor war, die Brocken hinzuwerfen und womöglich kündigte, war zu viel für den jungen Skipper.
Seine Leute murrten zwar für Matias unverständliches Zeug vor sich hin, schienen aber ansonsten ruhig zu bleiben.
„Also schön, Ihr habt Kapitän Nelissens gehört. Prüft das Schiff mal gründlich durch.“ Tim Vries schickte die Mannschaft der Devon’s Pride zurück zur Arbeit.
Währenddessen machte sich Matias Nelissens zu seiner Kabine auf. Auf ihn warteten noch die alten Sachen seines Großvaters, insbesondere diese Notizen, die er darunter vermutete. Er wurde sich immer sicherer darin, dass diese Notizen existierten, aber was sie genau waren, das musste sich erst noch zeigen.

In seiner Schlafkabine angekommen – man konnte es genauso gut als Besenkammer mit Klappbett bezeichnen, so bescheiden war alles eingerichtet – begann er seine Suche. Er überflog Fotos, Briefe, dazu noch ein paar Anweisungen oder Bemerkungen über das Schiff selbst. Alles dies weckte vertraute Erinnerungen in ihm. Aber leider nicht das, was er wirklich suchte. Er hatte gehofft, dass sein Großvater es etwas offensichtlicher gehalten hatte, doch Matias würde wohl doch akribischer suchen müssen. Er fand schließlich ein paar Kommentare auf einer alten Bedienungsanleitung für den Tormechanismus. Leider war das Handgeschriebene nur schwer zu entziffern, sein Großvater hatte noch nie eine saubere Schrift besessen.
Matias brauchte mehr Zeit als erwartet, aber schließlich konnte er sich doch mehr oder wenig einen Reim daraus machen. Demnach wollte sein verstorbener Großvater im Falle einer erneuten Requirierung eine Menge Geld auf anderen Konten verteilen und sich mit der Devon’s Pride absetzen. Um sich über Wasser zu halten hatte er sogar ernsthaft Schmuggel in Betracht gezogen, was Matias schockierte, zeigte es doch eine Seite seines Großvaters, die er so nie kennen gelernt hatte.
Opa muss wohl damals ziemlich verzweifelt gewesen sein, wenn er an so was überhaupt gedacht hat. Aber die Notizen sind nicht wirklich zu gebrauchen, und die Sache mit separaten Bankkonten hilft mir nicht weiter, wenn ich kein Geld habe, das ich darauf buchen kann. Frustriert warf Matias die bekritzelte Bedienungsanleitung zu den anderen Sachen. Wenn ich gewusst hätte, wie beschissen dieser Tag wird, wäre ich wohl erst gar nicht aufgestanden. Oder zumindest wären wir schon unterwegs und hätten anschließend für den Transport zumindest Barzahlung verlangen können. Das hätte zumindest etwas Liquidität bedeutet. Aber nein, dieser verdammte Benton musste mit dem Entzug der Starterlaubnis ja dazwischenfunken. „Zur Hölle mit ihm!“, fluchte Matias laut vor sich hin.
„Ich hoffe, du hast nicht mich damit gemeint, Skipper“, erklang es an der Tür. Tim Vries lehnte locker am Türrahmen und sah den jüngeren Lyraner amüsiert an.
„Nein, ich dachte nur gerade an das… Gespräch… mit diesem Benton.“
„Ach ja, da war noch was. Und? Was wollte er denn?“
Matias schnaubte verächtlich. „Dreimal darfst du raten. Er wollte uns für einen militärischen Transport anheuern. Er schien es wohl eilig zu haben. Ich hab ihm auf meine Weise klar gemacht, dass er sich das abschminken kann. Benton war nicht gerade begeistert davon, aber zumindest wollte er sich um unsere Starterlaubnis kümmern.“
„Ja, das kann ich mir gut vorstellen. Aber das mit der Starterlaubnis ist damit wohl auch erstmal für die Katz‘.“ Vries musste dabei leise lachen.
„Hätte ich denn deiner Meinung nach das Angebot annehmen sollen?“ Nelissens sah seinen Ersten Offizier verwundert an.
„Ehrlich, ich weiß es nicht. Aber darum bist du auch der Skipper und ich nur dein Erster Offizier.“ Vries legte eine kurze Pause ein, bevor er weitersprach. „Und wie geht’s jetzt weiter, Matias?“
„Tja, wir müssen an Kapital kommen, und zwar schnell. Aber Luengo hat Recht, es wird verdammt schwer Aufträge an Land zu ziehen, sobald sich das mit der Untersuchung herumspricht. Mein Vater meinte, wir sollten erst einmal Betriebsferien einlegen, so wie Großvater davon manchmal gesprochen haben soll. Ich soll dich übrigens von ihm grüßen. Paps geht es den Umständen entsprechend gut, und zu Hause will er versuchen gegen die Anklage juristisch vorzugehen. Mit diesen „Betriebsferien“ schien er wohl dabei wohl eher das hier gemeint zu haben.“ Matias ergriff die Bedienungsanleitung mit den darauf vermerkten Notizen und reichte sie Tim Vries. Der jedoch schien sich über die Anleitung für den Tormechanismus zu wundern.
„Äh ja, was soll ich mit der Anleitung? Nach 35 Jahren Arbeit als Raumfahrer weiß ich zu genüge, wie die Dinger gehen.“
„Lies dir lieber die Kritzeleien durch.“
Vries zog eine Augenbraue hoch, dennoch ging er die Anleitung durch. Nach einer kurzen Pause ließ er einen langen Pfiff erklingen.
„Junge, Junge, dem alten Mann muss wohl mächtig der Arsch auf Grundeis gegangen sein, wenn er bereit war, so weit zu gehen. Und das willst du jetzt umsetzen? Das wird der Mannschaft aber gar nicht gefallen.“
„Und mir auch nicht, weshalb ich das auch erst gar nicht vor habe. Das einzig brauchbare war die Idee mit neuen Bankkonten, aber dafür ist es mittlerweile zu spät.“
Der alte Lyraner war der gleichen Meinung. „Ja, leider. Dadurch wird uns wohl kaum ein normales Unternehmen für einen Transport anheuern. Bleiben höchstens noch die weniger legalen Unternehmen hier im Kombinat. Aber bei den Yakuza könnten wir auch sehr schnell in der Klemme stecken, falls sie sich entschließen uns noch mehr an sich zu binden. Da kämen wir nicht mehr heraus.“
„Tim, ich habe nicht vor, mich in Schmuggel und was weiß ich noch alles hineinziehen zu lassen.“ Nelissens rieb sich mit den Händen durch das Gesicht. „Oh mann, schlimmer kann’s echt nicht mehr kommen.“
„Sei dir mal nicht so sicher, Skipper“, meinte Vries in einem leicht ironischen Ton. „Es könnte ja noch sein, dass es sich dieser Benton anders überlegt und die Devon’s Pride doch noch für sein Vorhaben requiriert. Na ja, zumindest kämen wir von Wayside V runter.“ Er musste schmunzeln.
Matias hingegen ging noch einmal Vries‘ letzte Bemerkung durch den Kopf. Zwangsrequirierung durch diese Söldner? In ihm keimte langsam eine Idee auf. Aber er würde sie noch mit Vries verbessern müssen. Hastig griff er zum Funkgerät an seinem Gürtel und sprach hinein.
„Luengo, wo steckst du?“
„Ich bin gerade im Hangar, el Cheffe. Was ist denn?“, ertönte es unter leichtem Rauschen.
„Triff mich bitte so schnell wie möglich auf der Brücke. Ich hab eine kleine Sonderarbeit für dich.“
„Äh,si, el Cheffe.“ Der Spanier schien nicht gerade davon begeistert zu sein.
Vries, der den kurzen Dialog mit verfolgt hatte stand die Verwunderung deutlich ins Gesicht geschrieben. „Was hast du denn jetzt vor, Skipper?“
„Na ja, ich bin mir selber noch nicht so sicher, aber du hast mich da auf etwas gebracht, das uns vielleicht helfen könnte.“ Matias stand von seinem Klappbett auf und drückte sich an seinem ersten Offizier vorbei auf den Gang. „Am besten wir besprechen das auf der Brücke weiter. Ich werd es dir erklären.“
Aus Vries Mund kam als Antwort nur ein langgezogenes „Okay“, als er seinem Kapitän zum Bug des Schiffes folgte. Dieser hatte es auf einmal sehr eilig.
Vielleicht ist dieser Tag doch noch nicht so beschissen, dachte sich Matias.

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Wayside V („Wildkatz“)
Parkensen City, Milizkaserne
23. August 3066, 14:37 Uhr


Matias Nelissens wippte unruhig mit seinem Knie während er schon wieder auf der hart gepolsterten Bank im Stabsgebäude der Milizkaserne auf seinen heutigen Gesprächstermin wartete. Am Empfang hatte ihn der diensthabende Corporal eine Tasse Kaffee angeboten, die Matias dankend abgelehnt hatte. Das Koffein würde ihn zwar kurzfristig aufputschen, aber weil er von einer längeren Diskussion ausging, würde später unweigerlich ein Jojo-Effekt eintreten und Matias ermüden. Und das konnte er nicht gebrauchen, nicht bei diesem Gespräch, mit einem gewissen Colonel Germaine Danton, dem Kommandeur der zweiten großen Söldnereinheit Danton’s Chevaliers. Schlimm genug für Nelissens, dass er sich schon wieder mit dem Militär abgeben musste, hatte er auch noch das Gefühl, wie ein Spielball herumgereicht zu werden, ohne zu wissen, was ihn, seine Mannschaft und sein Schiff erwarteten.
Läuft ja wieder alles super, Matias. Hättest du nicht wenigstens auf Benton als Kontaktmann bestehen können? In Gedanken schalt sich der junge Kapitän noch immer dafür, dass er sich darin nicht hatte durchsetzen können. Aber hatte er wirklich eine Wahl gehabt? Nachdem durch diese angebliche Untersuchung seiner Firma sämtliche Konten gesperrt und dadurch der Kontrakt mit Ayaka Itos Klienten geplatzt war, hatte Matias Nelissens keine andere Möglichkeit gesehen, als Bentons Angebot noch einmal ernsthaft in Betracht zu ziehen. Also hatte Matias seinem ersten Offizier in groben Zügen seine Idee erläutert, dass ihnen wohl nichts anderes übrig blieb, als diesen Kontrakt anzunehmen. Allerdings hatte Matias einige Bedingungen damit verknüpfen wollen, und um herauszufinden, wie weit er bei den Verhandlungen mit Benton gehen konnte, hatte er Luengo damit beauftragt, so viele Informationen wie möglich über die Söldner und die planetare Verwaltung zu sammeln, während Tim Vries und er sich daran gemacht hatten, Matias Ideen zu optimieren, soweit das überhaupt in der kurzen Zeit ging.

Mit den spärlichen Informationen, die Luengo ihm hatte besorgen können, hatte Matias noch um einen Termin mit Benton für gestern gebeten, was ihm zu seiner Überraschung auch gewährt wurde. Nelissens war dabei etwas vorsichtiger geworden. Entweder hiess das, dass sich die Misere von NeliStar schon herumgesprochen hatte und Benton wollte sich dies zu Nutze machen, oder aber er war noch immer verzweifelt auf der Suche nach Landungsschiffkapazitäten.
Wie sich herausstellte, hatte Matias zumindest mit einer Einschätzung gar nicht mal so verkehrt gelegen. Jedenfalls hatte dieser Hauptmann Benton nur schwer seine Erleichterung über Matias erneutes Erscheinen verstecken können.
„Nun, ich bin erfreut, dass Sie sich doch noch einmal mein Angebot durch den Kopf haben gehen lassen“, hatte Benton ihn begrüßt. „Hier draußen in der Peripherie hat man es nicht leicht an gute Transportmöglichkeiten zu kommen. Und wenn man bedenkt, was Sie zunächst davon gehalten haben… Was hat Sie umgestimmt?“
Matias hatte nicht schon am Anfang die Katze aus dem Sack lassen wollen.
„Oh, was das Militär angeht, so steht meine Meinung und daran wird sich auch nichts ändern. Aber… Nun ja, in diesen Zeiten … sollte man nicht immer mögliche Kundschaft vergraulen.“
Benton hatte dies anscheinend amüsiert. „Verstehe, wir sind damit wohl ein notwendiges Übel für Sie.“
„Nennen Sie es, wie Sie es wollen.“ Matias war froh gewesen, dass Benton diese Thematik vorerst nicht vertieft hatte.
Danach hatte Benton ihm ein paar grundlegende Informationen gegeben. So sollten Matias und seine Mannschaft als Teil einer kleinen Flotte die Chevaliers transportieren, wann und wohin aber die Reise gehen sollte, konnte man ihm derzeit noch nicht sagen aber Matias hatte den Eindruck, dass es nicht mehr lange bis zum Abflug dauern würde, jedenfalls schien der gute Hauptmann ziemlich unter Zeitdruck gewesen zu sein.
Was Matias aber am meisten verwunderte hatte, war, dass kein Wort von Benton über die Bezahlung kam. Als der junge Kapitän ihn darauf ansprach schwieg Benton für einen Moment, ehe er darauf antwortete.
„Nun, Herr Nelissens, über die Zahlungsmodalitäten kann ich Ihnen keine Auskunft geben.“
„Und wieso nicht?“
„Ganz einfach. Weil Colonel Germaine Danton mit Ihnen darüber sprechen wird. Er ist der Kommandeur der Chevaliers und damit sozusagen Ihr eigentlicher Kunde.“
„Ah, großartig, noch mehr Militärs. Jetzt auch noch ein Colonel. Ich bin beeindruckt.“ Matias Hang zum Sarkasmus hatte wieder einmal kurz vor einem Ausbruch gestanden. Benton war also auch nichts weiter gewesen als ein kleiner Agent im Auftrag eines größeren Fisches.
Die restliche Viertelstunde hatten er und Benton mit belanglosen Gesprächsthemen verbracht, an die Matias sich nur dunkel erinnerte. Er war zu dieser Zeit schon in Gedanken an das neue Gespräch für den nächsten Tag gewesen.

„Sir, Sie werden jetzt im Büro von Colonel Danton erwartet. Melden Sie sich bitte bei Sergeant Jensen im Vorzimmer.“ Der Soldat am Empfang hatte Matias aus seinem Gedanken gerissen und Matias versuchte sein Unbehagen darüber zu verstecken.
Ein gemurmeltes „Danke“ konnte er zumindest noch aufbringen, als er sich der Wegbeschreibung des Corporals entsprechend auf den Weg zu Dantons Büro machte. Ein paar Mal war Matias sich nicht sicher gewesen, ob er sich wirklich am richtigen Ort befand, doch schließlich fand er sein Ziel. Über einer Tür mit Dantons Namensschild war das Wappen der Chevaliers angebracht worden, eine Cartoon-Maus mit Degen.
Auf was für blöde Ideen dieses Söldnerpack doch manchmal kommt, war sein erster Gedanke bei diesem Anblick, den er aber schnell beiseiteschob. Einen Kunden zu beleidigen war das Letzte, was sich Matias leisten durfte.
Nach einem kurzen Klopfen betrat er das Vorzimmer. Man hatte ihn wohl schon erwartet, denn ehe er noch etwas sagen konnte, wurde er von Sergeant Jensen begrüßt.
„Sie müssen Kapitän Nelissens sein? Warten Sie einen Augenblick, ich informiere den Colonel.“ Sprach es und griff auch schon zum Telefon auf seinem Schreibtisch. Der Anruf dauerte nur wenige Sekunden und schon winkte ihn dieser Jensen durch eine weitere Tür, ins eigentliche Büro von Germaine Danton.

Von den spärlichen Informationen, die ihm Luengo in der kurzen Zeit hatte liefern können, war nichts wirklich Brauchbares über den Kommandeur der Chevaliers gewesen, aber bei Betreten des Büros hatte er nicht einen Mann erwartet, der höchstens zehn Jahre älter war als er, zumindest schätzte Matias ihn so ein. Danton stand seitlich seines Arbeitsplatzes, beide Hände auf einen Gehstock gelegt. Auf diesen stützte er sich auch ein wenig, als er auf Matias zuging und dabei ein Bein nachzog.
„Ah, Herr Nelissens. Nett Sie kennen zu lernen“, begrüßte Danton den jungen Lyraner und reichte ihm die Hand.
„Sie sind dann Colonel Germaine Danton? Ich muss zugeben, ich habe Sie ein wenig älter eingeschätzt, so als Kommandeur einer Söldnereinheit“, war Matias Erwiderung. Sein potenziell neuer Kunde quittierte dies mit einem Lächeln.
„Und Ihnen hat man dann wohl anscheinend den Skipper mit ihren achtundzwanzig Jahren vorbehaltlos zugetraut?“
„Keine Ahnung, zumindest waren die Leute bisher immer clever genug, kein Wort darüber zu verlieren.“ Matias bemerkte seinen Fauxpas zu spät und zog eine entschuldigende Grimasse. Glückwunsch Matias, nicht mal ‘ne Minute mit dem Kunden im Gespräch und schon verpasst du ihm eine verbale Ohrfeige.
Danton zog nur eine Augenbraue hoch, schien aber nicht gewillt Matias dafür eins auszuwischen. Stattdessen gab er ihm mit meiner ausladenden Geste zu verstehen, auf einem der Stühle vor Dantons Schreibtisch Platz zu nehmen. Während Matias der unausgesprochenen Bitte nachkam humpelte Danton mit sichtlicher Mühe zu seinem eigentlichen Stuhl, wo er sich anscheinend erleichtert niederließ.
„Ach, möchten Sie vielleicht einen Kaffee?“ Danton sah ihn erwartungsvoll an.
„Nein, vielen Dank, mir ist gerade nicht nach Koffein und dann höchstens als Tee.“
„Wie Sie möchten“, war Dantons einzige Erwiderung.
Der Colonel griff sich daraufhin eine Mappe und schien für einen Moment darin vertieft zu sein, ehe er Matias wieder ansprach.
„Von Hauptmann Benton haben Sie ja erfahren, dass meine Einheit derzeit dringend nach Transportmitteln sucht. Bevor Sie jetzt danach fragen: Nein, Sie werden von mir vorerst nicht erfahren, wohin die Reise geht, dies ist erst nach Vertragsschluss möglich.“ Danton hob beschwichtigend beide Hände, doch Matias liess sich davon nicht beruhigen.
„Achso, ich soll also die sprichwörtliche Katze im Sack kaufen oder wie? Ich muss schon wissen, womit ich es zu tun habe und mein Bedarf an Überraschungen ist in den letzten Tagen schon mehr als gedeckt.“
„Das hat weniger mit Ihnen zu tun als viel mehr damit, dass ich das Risiko für meine Leute minimieren möchte. Hier handelt es nicht um irgendwelche kleinen Handelsflüge, wo es nur um möglichst profitable Routen geht, die man vor der Konkurrenz verschweigen möchte. Ich hoffe, Sie können das verstehen, Herr Nelissens.“
Doch Matias war keineswegs davon beruhigt. Vielmehr bestätigte es seinen Verdacht, dass die Söldner demnächst in Kämpfe verwickelt waren und wenn er nicht aufpasste, würde die Devon’s Pride mittendrin stecken.
„Tja, schön für Ihre Leute, Colonel, aber was ist mit meinem Schiff? Meiner Mannschaft? Für die trage nun einmal ICH die Verantwortung, nur für den Fall dass Ihnen DAS entgangen sein sollte!“ Matias lehnte sich in seinem Stuhl nach vorne, auf den Armlehnen aufgestützt und den Kopf schräg gelegt. Sollte dieser Colonel ruhig sehen, dass er stinksauer war.
„Ich habe keine Lust, aus nächster Nähe mitzuerleben, wie mein Leopard zerbombt wird, und so, wie Sie aus ihrem Reiseziel ein großes Brimborium machen, muss ich wohl davon ausgehen, dass für die Devon’s Pride durchaus die Gefahr besteht, oder?“
„Eine Gefahr für Sie und ihre Mannschaft besteht doch schon, wenn Sie schon starten, Kapitän Nelissens. Piraten, die ihrem Schiff auflauern oder Unfälle wegen einem technischen Defekt. Können Sie so etwas verhindern?“, erwiderte der Kommandeur der Chevaliers erstaunlich gelassen.
„Als Kommandeur der Chevaliers bin ich für jeden Mann und jede Frau in meiner Einheit verantwortlich. Das beinhaltet nicht nur die kämpfende Truppe, auch das Hilfspersonal und Dritte wie etwa Captain Loren Cole mit seinen Schiffen, für all diese Leute bin ich letztlich verantwortlich. Und ich werde keinen absichtlich in den Tod schicken. Nicht, wenn es sich vermeiden lässt. Aber Sie wissen genau so gut wie ich, dass sich manche Dinge nicht verhindern lassen. Wir können aus den jeweiligen Situationen nur das Beste machen.“
Matias klatschte zweimal lautstark in die Hände.
„Bravo, Colonel! Bravo!“ Matias legte kurz ein gespielt aufmunterndes Gesicht auf, doch kurz darauf wich aus seinem Gesicht jegliche Emotion. „Eine wirklich schöne Rede. Und das soll jetzt dafür sorgen, dass meine Mannschaft und ich uns dann besser fühlen? Tut mir leid, aber gegen diesen Pathos-Blödsinn hat mich mein Großvater schon geimpft.“
Germaine Danton lehnte sich zurück und schaute Matias schweigend an, so als ob er ihn eindringlich musterte. Dann entschied er sich anscheinend doch sein Schweigen zu brechen.
„Nach Einschätzung von Hauptmann Benton haben Sie anscheinend etwas gegen das Militär. Davor hat mich übrigens Herzog Mikado persönlich gewarnt. Aber bis gerade eben hab ich es nicht wirklich ernst genommen. Jetzt stellt sich mir dabei eine Frage: Wieso?“
Matias lehnte sich nun ebenfalls zurück und verschränkte daraufhin nur die Arme vor seinem Brustkorb. „Darauf kriegen Sie als Antwort genau das zu hören, was ich schon Benton gesagt habe: Das letzte Mal, als NeliStar für das Militär…gearbeitet hat, hätte es meinen Großvater beinahe erwischt und der Betrieb wäre fast den Bach runtergegangen, weil man ihn mit einem so lächerlich kleinen Betrag entschädigt hat, dass die Devon’s Pride nicht einmal anständig repariert werden konnte. Es hat meinen Großvater zwanzig Jahre“, der junge Lyraner hob den rechten Zeigefinger. „Zwanzig beschissen lange Jahre gekostet, um NeliStar auch nur halbwegs wieder aus den roten Zahlen zu holen. Und wofür das Ganze? Nur damit ein paar Nachschubgüter bewegt wurden, damit die ach so glorreichen LCS die Front gegen das Kombinat halten konnten, während Davion sich die halbe Konföderation Capella unter den Nagel gerissen hat.“
Germaine Dantons Gesicht zeigte Erkenntnis bei den letzten Worten. Typisch Militär. Von Wirtschaft keine Ahnung, aber erzähl ihnen was von einer verschossenen Kugel und schon hängen sie an deinen Lippen.
„Aha“, erwiderte Colonel Danton mit einem kleinen Lächeln. „Ihr Großvater hat also für die LCS im vierten Nachfolgekrieg einige Versorgungsflüge unternommen. Und ich nehme mal stark an, das ist nicht gerade freiwillig geschehen. Zwangsrequirierung?“
Matias presste als Erwiderung nur ein „Ja“ aus seinem Mund heraus.
Danton fuhr fort. „Dann werde ich Ihnen jetzt mal ein paar Dinge erklären. Kapitän Nelissens.
Erstens: Als Söldner sind wir gewissen Regelungen und Gesetzen verpflichtet, die dafür sorgen, dass unsereins Zivilisten wie Sie nicht schlecht behandelt. Ich weiss, ungemein beruhigend, wenn einem ein Gewehrlauf an den Kopf gehalten wird, aber glauben Sie, solchen Abschaum finden Sie in meiner Truppe nicht.
Zweitens: Wir sind kein Staat, der einfach Schiffe beschlagnahmen kann, wie es ihm beliebt. Wir sind genauso auf ein gutes Auskommen mit den Kapitänen angewiesen, wie Sie mit ihren Kunden. Keine Söldnereinheit kann es sich auf lange Sicht erlauben, mögliche Transportmöglichkeiten zu vergraulen, auch heute nicht, wo der Bau von neuen Sprung- und Landungsschiffen stetig steigt.“ Danton beugte seinen Kopf etwas nach vorne und sah Matias erwartungsvoll an.
„Und Drittens: Sie sind eigentlich nicht verpflichtet, sich meinen Vortrag hier anzuhören. Sie dürfen jederzeit gehen. Nur hätte ich das Problem, dass ich nicht so viele Leute wie gewünscht transportieren kann und mir der Herzog wahrscheinlich in den Ohren hängen wird, warum ich Sie verscheucht habe.
Und was Ihre Situation angeht…“ Danton breitete die Hände mit hochgezogenen Schultern leicht aus.
Für einen Moment wurde Matias Gesicht kreidebleich, ehe es fast dunkelrot anlief.
Du verdammter, hinterlistiger Krüppel! Ihr habt herausbekommen, dass ich wegen dieser Untersuchung in Schwierigkeiten stecke und jetzt willst du dir das zu Nutze machen.
Nelissens war kurz davor, über den Tisch zu springen und Danton zu erwürgen, doch er konnte sich noch beherrschen. Jedenfalls noch.
„Was meinen Sie mit meiner Situation?“, fragte der junge Skipper sein Gegenüber monoton.
Als Erwiderung darauf hob Danton ein Blatt Papier aus der vor ihm liegenden Akte, das ComStar-Zeichen prangte überdeutlich darauf.
„Soll ich Ihnen das mal vorlesen, Kapitän Nelissens? Aber ich glaube, den Text kennen Sie ja schon zu Genüge. Oder vielleicht möchten Sie es mir erklären.“ Dantons Stimme wurde etwas sanfter, sein Blick fest auf Matias gehaftet.
Dieser hielt sich mit beiden Händen krampfhaft an den Armlehnen fest.
„Wenn Sie es gelesen haben, dann wissen Sie ja eigentlich alles über mein Problem. Warum wollen Sie dann noch etwas von mir dazu hören?“
„Weil es zu jeder Geschichte immer mindestens zwei Perspektiven gibt und die möchte ich beide kennen. Also?“
Nelissens sprang plötzlich aus seinem Stuhl auf und wanderte zur Bürotür, schien sich aber dann doch noch zu fangen und drehte sich wieder in Richtung Dantons Schreibtisch. Er blickte kurz in Richtung Decke. Was soll’s, schlimmer kann es eh nicht werden, dachte er sich. Er legte seine Hände in die Hüften und atmete einmal laut aus, bevor er sprach.
„Vor etwa zwei Jahren oder so wurden wir ein paar Mal von LAS kontaktiert, sie wollten, dass wir für sie Militärgüter transportierten. Wegen dem verdammten Bürgerkrieg, der gerade tobt, sind beide Seiten verzweifelt auf der Suche, ihre Leute so schnell wie möglich zu den umkämpften Regionen zu bringen, und davon so viele wie möglich. Vor allem die LAS. Mein Vater und auch ich haben sie höflich abweisen können, aber mit der Zeit wurden die Anfragen energischer. Ich frage mich manchmal bis heute, warum sie sich die Pride nicht einfach unter den Nagel gerissen haben. Vielleicht, weil die gesamte LAS aktiv war? Keine Ahnung.“
Matias schritt langsam auf seinen Stuhl zu, doch anstatt sich wieder zu setzen stützte er sich mit beiden Händen auf der Rückenlehne ab, den Kopf in Richtung Sitzfläche gesenkt.
„Ich habe dann vor einigen Monaten den Entschluss gefasst, den lyranischen Raum zu verlassen, solange dort Krieg herrscht. Über die drakonische Grenze zu springen, war für uns das Naheliegenste und so sind wir mit der Zeit hier gelandet.
Aber anscheinend will man sich wohl deswegen an uns rächen.“ Matias schnippte einmal kurz mit den Fingern. „Zack, einfach so den Geldhahn zugedreht. Jetzt sitzen wir mehr oder weniger auf diesem Staubball fest.“
„Für einen alten Leopard so einen Aufwand betreiben?“ Danton schaute ihn ungläubig an. „Also mal ehrlich, Herr Nelissens. Tut mir leid, aber selbst für die lyranische Allianz ist das etwas zu kleinlich.“
„Das können Sie so einfach sagen, Danton“, erwiderte Matias. „Mir hingegen stellt sich immer wieder die Frage, warum ausgerechnet nach meinem Verschwinden plötzlich diese Untersuchung in mein Haus flattert? Obwohl wir jedes Jahr unsere Bilanzen durch Wirtschaftsprüfer durchforsten lassen?“
„Warum können Sie es nicht mal einfach als das ansehen, was es ist: Ein purer Zufall?“
„Oh, ich glaube schon an Zufälle, Colonel Danton. Das Problem ist nur, dass ich solchen Zufällen einfach nicht über den Weg traue.“ Darauf schien Danton nichts sagen zu können.

Es verging eine fast eine volle Minute, in der sich beide schweigend ansahen. Schließlich brach Matias die Stille.
„Und wie geht’s jetzt weiter, Colonel Danton? Wollen Sie sich mein Problem zu Nutze machen und mein Schiff jetzt in einen Kontrakt pressen? Am besten einen, der für Sie so billig wie möglich ist?“
Dieser rollte einmal kurz mit seinen Augen, anscheinend neigte sich auch seine Geduld langsam ihrem Ende.
„Ich habe Ihnen doch gerade etwas erklärt, Herr Nelissens. Die meisten Söldner haben nur begrenzte bis keine Transportmöglichkeiten wie Sprung- oder Landungsschiffe, also sind wir darauf angewiesen, uns möglichst keinen Ärger mit ihnen einzuheimsen. Das gilt dann auch für die Bezahlung. Wie wäre es, wenn Sie sich jetzt noch einmal in Ruhe hinsetzen und sich vielleicht das hier mal anschauen. Könnte Sie womöglich interessieren.“
Danton nahm aus der Akte ein weiteres Blatt Papier und schob es sorgfältig in Matias Richtung. Dieser ging der Bitte des Colonels nach und setzte sich wieder hin. Mit skeptischem Blick nahm er sich langsam das ihm vorgelegte Papier und studierte dessen Inhalt. Mal sehen, mit was für einem Betrag er mich abspeisen will, war Matias erster Gedanke.
Als er das Angebot durchlas, das ihn und seine Mannschaft für zunächst drei Monate unter Vertrag nahm, und er schließlich am Gesamtbetrag ankam, musste der junge Skipper schlucken. Er schaute einmal kurz über den Rand des Papiers herüber zu Danton, doch dieser hatte nur ein dämliches Grinsen im Gesicht. Mit weit aufgerissenen Augen besah sich Matias den Betrag noch einmal genau und zählte die Nullen darin. Tatsächlich so viele!
Er wusste nicht, was er sagen sollte. Würde er den Kontrakt mit den Chevaliers eingehen, konnte Matias allein schon damit die Aufrüstung der Devon’s Pride finanzieren, die er und sein Vater so lange geplant hatten. Hätte er auf die finanziellen Rücklagen aus seinen jetzt gesperrten Konten zurückgreifen können, wäre sogar ein guter Teil für den Ankauf eines Union-Landungsschiff drin gewesen. Zumindest schätzte Matias so.
„Ist das Angebot ernst gemeint, oder wollen Sie nur mit meinen Gefühlen spielen, bevor Sie mir den echten Betrag nennen?“, fragte er den Colonel ungläubig. Das war einfach zu gut um wahr zu sein.
Dieser jedoch schüttelte nur den Kopf. „Nein, das ist durchaus ernst gemeint. Sehen Sie, Kapitän Nelissens, meine Einheit befindet sich gerade etwas in Zeitnot, daher kann ich mir ein langwieriges Feilschen über die Bezahlung gerade nicht leisten.“ Jetzt legte der Söldner ein schiefes Lächeln auf. „Ich bin allerdings froh, dass ich nur einen Teil der Zeche zu zahlen brauche, der Großteil kommt durch den Herzog und seine planetare Verwaltung.“
„Sie müssen bei diesem Herzog ja wohl einen ziemlichen Stein im Brett haben, was?“
„Ja, man könnte es so ausdrücken.“
Matias legte das Blatt vor sich auf Dantons Schreibtisch und rieb sich nachdenklich über das Kinn.
Wenn ich das jetzt annehme, könnte ich meine Leute für die nächste Zeit gut über die Runden halten. Vorausgesetzt wir leben lange genug, um das Geld auszugeben. Und da wäre ja noch etwas…
„Das Ganze ist jetzt schön und gut, aber ein paar Dinge wären da noch zu klären..“, begann Matias.
Dantons Lächeln verschwand mit einem Male, anscheinend war er sich seines Erfolges wohl etwas zu sicher gewesen.
So leicht bin ich nun auch nicht zu haben, du Söldner. Mal sehen, wie weit ich gehen kann.
„Nach dem, was sie mir gerade gegeben haben, wird der Betrag auf einem Konto hinterlegt und für meinen Zugang erst einmal gesperrt. Erst nach Ablauf des Kontrakts wird die Summe überwiesen. Ich würde das gerne ändern, in dem schon ein kleiner Vorschuss jetzt direkt gezahlt wird, bei Vertragsabschluss. Sagen wir… dreißig Prozent? Am besten auf ein separates Konto, dass nicht direkt zu mir zurückverfolgt wird.“
Diese Frage hatte Dantons Widerwillen sichtlich erregt. „Auf keinen Fall dreißig Prozent! Wer gibt mir die Garantie, dass sie sich nicht direkt danach aus dem Staub machen, so wie Sie hier die Türe rausmarschieren? Nichts da, Nelissens. Zehn Prozent wären doch auch nicht schlecht, oder?“
„Fünfundzwanzig Prozent, Colonel. Ich habe vorab noch ein paar Mäuler zu stopfen und wahrscheinlich werden noch ein paar Umrüstungskosten dazukommen“, erwiderte Matias mit einem süffisanten Lächeln. Sieh mal einer an, dieser Danton hat ja doch noch etwas Biss.
„Hat Ihnen jemand mal vorgehalten, den Stereotyp eines raffgierigen Lyraners darzustellen?“, fragte ihn Danton mit einem leicht verärgerten Unterton. „Fünfzehn Prozent. Und bei den Umrüstungen werden wir Ihnen sowieso helfen müssen.“
Matias liess sich seine Freude über diesen kleinen Sieg nicht anmerken und quittierte das Angebot des Chevaliers mit einem emotionslosen Nicken.
„Abgemacht. Wenn jetzt noch festgesetzt wird, dass im Falle unseres Todes…“, Weiter konnte Matias nicht sprechen. Der Gedanke, so früh aus seinem Leben gerissen zu werden, und das womöglich in einem Gefecht, war ihm einfach zu fremd. Wie Danton über so etwas wohl denkt?
„Wir könnten es so arrangieren, dass ein Teil der Bezahlung dann in Abhängig der geleisteten Zeit auf die Hinterbliebenen als eine Art Rente ausgezahlt werden kann. Wäre das in Ordnung?“
Matias nickte Dantons Angebot dankend ab, stutzte dann aber augenblicklich.
„Und was ist mit dem gesonderten Konto? Ich habe keine Lust, dass die ganze Bezahlung direkt in die Arme der lyranischen Finanzbehörden fällt.“
„Keine Sorge, Kapitän Nelissens. Das Konto, auf dem die Zahlung für die Dauer des Auftrags hinterlegt sein wird, wird Ihnen hier im Kombinat überschrieben. Ich denke, das sollte genügen. Sonst noch irgendwelche Fragen?“ Danton schien seine Verärgerung wieder in den Griff bekommen zu haben, er hatte eine Art geschäftsmäßigen Ton angeschlagen.
„Nur noch eine: Bis wann habe ich eine Kopie des geänderten Vertrages vorliegen?“
„Das dürfte nicht lange dauern. Ich werde Sergeant Jensen sofort damit beauftragen. Sie dürften dann in etwa einer halben Stunde den Vertrag unterschriftsreif vorliegen haben. Könnten Sie solange warten?“
Anscheinend hast du es wohl sehr eilig was? Verflucht, ich will endlich wissen, wohin es geht.
Aber auf diese Frage würde Matias wohl jetzt noch keine Antwort bekommen.
„Wäre in Ordnung, solange werde ich mir die Füße vertreten.“ Matias verabschiedete sich für den Moment und verließ Dantons Büro.



Zweiunddreißig Minuten später – er wollte nicht den Eindruck erwecken, als ob er den Vertragsabschluss herbeisehnte – betrat Matias Nelissens wieder Dantons Büro. Dieser saß jedoch diesmal nicht an seinem Schreibtisch, sondern an einem runden Tisch, an dem noch fünf weitere Stühle gestellt worden waren.
„Ah, da sind Sie ja, Kapitän Nelissens“, begrüßte ihn der Colonel und deutete auf drei kleine Packen Papier mit einem anbei liegenden Stift. „Sergeant Jensen hat die Änderungen im Text übernommen. Fehlt nur noch Ihre und meine Unterschrift darauf.“
Matias nahm am Tisch Platz und betrachtete nacheinander noch einmal den genauen Wortlaut der Vertragstexte. Danton schien ob seiner genauen Prüfung ein wenig amüsiert.
„Keine Bange, Sie verkaufen schon nicht Ihre armen Seelen an den Teufel.“
„Ich bin zum Leidwesen meiner Eltern Atheist, Colonel Danton. Wenn ich mir diesen Vertrag aber so durchlese, erkenne ich wieder dieses typische Paragraphenreiter-Gewäsch, und ich habe einfach keine Lust, mich von Ihnen übers Ohr hauen zu lassen. Schlimm genug, dass ich mich mit euch Militärs abgebe.“ Matias spie die letzten beiden Worte regelrecht aus, während er weiter den Vertrag prüfte. Schließlich, als er sicher war, dass nicht doch noch irgendwo das berühmte Kleingedruckte zu finden war, legte er die erste Kopie des Vertrags vor sich hin, bereit zur Unterschrift. Er zögerte.
„Wissen Sie, mein Großvater würde sich wahrscheinlich gerade in seinem Grab umdrehen. Und mein Vater bekäme wohl die Tobsucht“, bemerkte er mit einem schiefen Lächeln.
„Herr Nelissens. Matias…“ Danton sprach ihn zum ersten Mal leise mit seinem Vornamen an. „Es ist Ihre Entscheidung.“ Er sah Matias eindringlich an.
In Nelissens Inneren hörte er von allen Seiten Stimmen, die ihn energisch davon abrieten, diesen Vertrag zu unterschreiben. Das Gesicht seines Großvaters erschien Matias vor seinem inneren Auge und erinnerte ihn daran, was er hatte durchmachen müssen. Seine Eltern, die ihn an die Geschichten von zerstörten Schiffen im Rahmen des Bürgerkriegs erinnerten. Tim Vries Gesicht dagegen schien ihm ein aufmunterndes Lächeln zu schenken.
Scheisse, ich habe einfach keine Wahl. Tut mir leid. Matias setzte seine Unterschrift mit schnellem Schwung auf die erste Kopie des Vertrages. Er wiederholte dies noch zweimal, danach reichte er Germaine Danton den Kugelschreiber entgegen und drehte die drei kleinen Papierstapel um. Danton nahm den Stift entgegen und unterschrieb ebenfalls. „Rien ne va plus.“, merkte er kurz an.
„Er zal niets meer“, antwortete Nelissens entsprechend und sein Gesichtsausdruck verfinsterte sich merklich.
„Hörte sich vertraut an. War das vielleicht niederländisch?“, fragte ihn Danton.
Matias war überrascht. „Ja, woher wussten Sie das? Kaum einer ausserhalb von Terra spricht das noch und selbst dort kommt es nur noch selten vor.“
„Tja, einer der Vorteile, wenn man von Terra stammt. Ich muss allerdings zugeben, dass ich es nur ein paar Mal aufgeschnappt habe. Und woher können Sie es?“
„Entsprechende Vorfahren, nur drei oder vier Familien auf Marfik sprechen es noch. Und Sie stammen wirklich von Terra ab?“
Ehe Danton ihm darauf eine Antwort geben konnte, wurden beide durch ein Klopfen unterbrochen. Sergeant Jan Jensen steckte kurz seinen Kopf durch die Türe.
„Sir, Captain Sleijpnirsdottir, Sergeant-Major Decaroux und Sergerant Rowan Geisterbär sind hier.“, informierte er seinen Kommandeur.
„Ah sehr schön, sie sollen sofort hereinkommen.“ Das Gesicht des Söldners hellte sich merklich auf.
„Ja, Sir“, antwortete ihm sein Untergebener, bevor sein Kopf aus dem Türspalt verschwand.
Matias nahm dies als Gelegenheit wahr, sich zu verabschieden, doch Danton bat ihn zu bleiben.
„Haben Sie sich nicht gefragt, wen oder was Sie für mich transportieren sollen, Kapitän Nelissens?“ fragte er den jungen Lyraner.
Einen Augenblick später betraten eine ziemlich attraktive Blondine und zwei Hünen von Mann den Raum, wobei Letzterer sich sogar merklich bückte, um überhaupt durch die Tür zu passen.
Wow, denen will ich nicht allein im Dunkeln begegnen, dachte sich Matias und staunte nicht schlecht über diese Muskelberge.
Die drei Neuankömmlinge salutierten vor Colonel Danton und die Blondine intonierte ein „Melden uns wie befohlen, Colonel.“
Danton erwiderte den Salut. „Danke, Captain. Setzen Sie sich doch meine Dame, meine Herren. Ich möchte Ihnen Kapitän Matias Nelissens vorstellen. Er ist der Skipper der Devon’s Pride, einem Leopard-Landungsschiff. Er wird ihr Taxi für den kommenden Auftrag spielen. Kapitän Nelissens, dies sind Captain Christine Sleijpnirsdottir, Sergeant-Major Charles Decaroux und Sergeant Rowan Geisterbär. Ihre zukünftigen Passagiere. Zumindest ein repräsentativer Teil davon.“
Matias schüttelte jedem die Hand, als diese neben ihm und Germaine Danton Platz nahmen. Während Sleijpnirsdottir und dieser Decaroux einen festen Händedruck an den Tag legten, schien der ihm als Rowan Geisterbär vorgestellte Riese geradezu darauf bedacht, Matias nicht die Hand zu brechen.
Nelissens schielte kurz auf die Uniformen der Neuankömmlinge. Er kannte sich mit den Rangabzeichen nicht genau aus, aber zumindest bei der Blondine schloss er aus den Flügeln auf ihrer Schulter, dass sie wohl eine Jägerpilotin zu sein schien.
Danton bemerkte den neugieren Blick und beantwortete Matias unausgesprochene Frage.
„Rowans und Decarouxs Infanterie stellen zusammen mit einem Bandit-Luftkissenpanzer für unseren kommenden Auftrag unsere Kundschafter dar. Ihre Aufgabe wird es sein, Kapitän Nelissens, die Jungs und Mädels zu transportieren.“
„Infanterie und ein Panzer?“ fragte ihn Matias skeptisch und lehnte sich erwartungsvoll nach hinten. „Kundschafter? Heisst das allen Ernstes, mein Schiff wird direkt in erste Reihe verfrachtet?“ Matias hatte sich erst gerade einreden können, dass der unterzeichnete Vertrag in Ordnung war, aber mit Dantons Eröffnung bereute er es direkt.
„Keine Bange, ich werde Sie und Ihren kleinen Leopard schon nicht an die Front schicken. Sie werden mehr abseits des Geschehens arbeiten.“
„Und was ist mit Ihnen, Captain Sleijpnirsdottir? Wie passen Sie in das Ganze rein?“ fragte Nelissens sie.
„Als Wingleaderin werde ich dafür sorgen, dass meine zwei Stukas Ihnen Luftunterstützung geben, falls das nötig sein wird“, antwortete die Söldnerin. „Nur für den Fall, dass Ihnen mulmig wird.“, gab sie bissig zurück. Matias zog eine Augenbraue hoch.
„Na wenigstens etwas Positives. Hoffentlich kriegen Sie das auch gebacken… Captain. Wie viele Leute transportiere ich damit insgesamt?“ Nelissens stellte die Frage an alle Anwesenden.
„Insgesamt werden es beim endgültigen Anflug sechsunddreißig Soldaten sein, fünfzehn davon sind die Elementare unter meinem Kommando“, ertönte Rowans Stimme mit einem tiefen Bariton.
„Elementare? CLAN-Elementare?“ Matias schien sich verhört zu haben. Ich glaub’s nicht. Clanner an Bord meines Leos. Das wird mir Vries nicht glauben, wenn ich es ihm erzähle.
Matias schaute ungläubig zu Rowan herüber. „Na das wird ja ganz lustig werden, Sie und Ihre Leute einzuquartieren.“
„Du wirst feststellen, Kapitän Matias, dass meine Leute und ich uns an Bord deines Landungsschiffes gut zu Recht finden werden.“
„Bitte nicht persönlich nehmen, aber ich finde, wir sind nicht so weit, uns mit Vornamen anzusprechen und zu duzen.“ Bei diesem Kommentar schnitt der riesige Krieger eine Grimasse, während sich die restlichen Anwesenden ein Lachen nicht verkneifen konnten, selbst Danton nicht.
„Was?“, fragte Matias sie genervt.
„Sie sind wohl nie einem Clanner begegnet, oder?“ fragte ihn Decaroux.
„Nö, sollte ich etwa?“
Decaroux schaute zu Danton hinüber. „Ich glaube auf unserem gemeinsamen Flug sollten wir uns vielleicht mal darüber unterhalten. Oder was meinen Sie dazu, Colonel?“
Dieser schien vom Vorschlag seines Untergebenen angetan zu sein. „Keine schlechte Idee, Sergeant-Major. Immerhin werden wir es mit noch mehr Clannern zu tun bekommen. Ja, ganz richtig, gehört, Kapitän Nelissens. Meine Leute werden demnächst Jagd auf abtrünnige Clanner machen, Nebelparder um genau zu sein. Wir haben ungefähr eine Vorstellung, wo sie sich derzeitig aufhalten, ganz sicher sind wir uns dabei nicht. Daher das Erkundungsteam.“
„Ach so, ich soll also ihre Schnüffler irgendwo absetzen und dann darauf hoffen, dass die Nebelparder unseren Anflug nicht verfolgt und daraus meine Landeposition berechnen konnten. Na herzlichen Dank auch.“ Matias war jetzt endgültig bedient.
„Nein, mir schwebt da eher etwas anderes vor“, versuchte Danton Matias zu beruhigen. „Haben Sie schon einmal einen Atmosphärenabwurf aus sehr niedriger Höhe durchgeführt?“
„Ist schon eine Zeit lang her, aber ja, bei so etwas war ich schon dabei, als mein Vater die Devon’s Pride führte. Es hatte damals auf Ryde ein recht schweres Erdbeben gegeben und wir wurden damals beauftragt, Material zu transportieren, zu schwer für konventionelle Flieger. Wir mussten das Zeug mit ziemlich vielen Fallschirmen versehen, damit es unten heil ankam, selber landen konnten wir nicht, weil das Terrain selbst für einen umgebauten Leopard keinen Platz bot. So etwas in der Art?“
„Ja, an etwas in dieser Art habe ich gedacht.“, bestätigte Colonel Danton bedächtig. „Allerdings werden noch ein paar Umrüstungen dafür fällig sein.“ Danton wendete sich dem Elementar zu.
„Rowan, ich möchte, dass Sie sich zusammen mit Nelissens Männern an die notwendigen Umrüstungen der Devon’s Pride machen. Sie werden am besten wissen, was benötigt wird.“
„Wann ist denn der ungefähre Abflugtermin?“, wollte Matias wissen. Ich brauch schon etwas Zeit für deinen Wunschzettel, du Träumer.
„Nun, wir haben in etwa sieben Tagen vor, diesen Planeten zu verlassen. Wird das Probleme bereiten?“
„Ja, das will ich aber mal meinen, Colonel“, merkte Nelissens mit einiger Skepsis an. „Meinen schönen Hangar umzugestalten wird schon drei Tage in Beschlag nehmen. Dann kommt noch das Einladen von Material und Leuten…“
„Sie bekommen doch schon Hilfe von uns dafür“, erwiderte Danton mit rollenden Augen.
„Könnte ich vielleicht einmal kurz ausreden, Danton?“, hielt Matias verärgert dagegen. „Mein Problem ist einfach, dass mein Schiff nicht wie Ihre anderen großen Kutschen über irgendwelche Parkbuchten verfügt. Das werde ich in der kurzen Zeit provisorisch einrichten müssen und ich muss sicher gehen, dass dies alles auch hält.
„Hältst du es für notwendig, den Colonel mit solch trivialen Dingen zu belästigen, franeg?“ mischte sich Rowan ein.
„Trivial? Ich werde Sie an dieses Gespräch erinnern, wenn die Ladung schon beim Start ungesichert durch den Hangar rutscht und wir eine Bruchlandung hinlegen. Mal, sehen, ob Sie dann noch immer so starke Sprüche auf Lager haben, Sergeant.“
„Meine Herren, bitte“, versuchte Danton zu beschwichtigen. „Ich habe verstanden, wo Ihr Problem liegt, Kapitän Nelissens, aber der Termin steht nun einmal. Und daran wird nichts geändert. Falls es Probleme gibt, will ich frühzeitig darüber informiert werden. Ansonsten überlasse ich Ihnen beiden“, er deutete mit dem Zeigefinger auf ihn und Rowan Geisterbär, „eine Lösung für das Umrüsten und Einladen zu finden.“
Du blöder Arsch sitzt auch ja wahrscheinlich an einem sicheren Platz, wenn was schief läuft, war Matias geistige Erwiderung, nach außen hin bekam er gerade ein „In Ordnung“ aus seinem Mund. Der Elementar antwortete mit einem schlichten „Pos“.
Der Kommandeur der Chevaliers gab sich damit anscheinend zufrieden. „Dann wäre das ja geklärt. Kapitän Nelissens, ich kann mir vorstellen, dass Sie sich vielleicht noch mit den anderen Skippern in Verbindung setzen wollen. Sergeant Jensen wird Ihnen dabei weiterhelfen können. Gibt es sonst noch irgendwelche Anmerkungen? Fragen?“ Er schaute in die Runde. Seine drei Untergebenen verneinten, Matias schüttelte nur den Kopf. Hätte er den Mund aufgemacht, wäre wahrscheinlich ein Donnerwetter passiert.
„Gut, dann wäre ja zumindest fürs Erste alles geklärt. Sie dürfen dann wegtreten.“
Germaine Danton erhob sich von seinem Stuhl, mit einer Hand auf seinen Gehstock gestützt. Die anderen standen ebenfalls auf. Matias verabschiedete sich kurz von Danton und den anderen anwesenden Söldnern, schnappte sich eine Kopie des von ihm unterschriebenen Vertrages und gab seinem Bedürfnis nach, Dantons Büro ganz schnell zu verlassen, bevor ihm der Kragen platzte. Vorher holte er sich bei Sergeant Jensen die Information über die anderen beteiligten Landungsschiffkapitäne. Mal sehen, was die über diesen Trip zu sagen haben.
Auf dem Gang betrachtete er den Packen Papier in seiner Hand. Ihm gefiel es gar nicht, sich mit dem Militär einlassen zu müssen, damit NeliStar für die nächste Zeit existieren konnte. Andererseits musste er zugeben, dass es ihn weit schlimmer hätte treffen können.
Jetzt gibt es nur noch zwei Dinge zu tun. Meinen Leute das Ganze zu verklickern. Und dann lange genug überleben, dachte der junge Lyraner mit einem flauen Gefühl im Magen.

In Dantons Büro waren Decaroux und Rowan Geisterbär schon verschwunden. Bevor auch Kiki dies tat, drehte sie sich noch einmal zu ihrem Kommandeur um.
„Eine Frage, Colonel. Wo haben Sie denn diesen Jammerlappen aufgegabelt?“
„Ist mir vom Herzog empfohlen worden“, antwortete Danton mit einem schiefen Lächeln. „Hat aber was gegen das Militär. Ist eine lange Geschichte.“
„Großartig.“ Zu mehr Kommentar konnte Christine sich nicht durchringen.

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Irgendwie gefiel Germaine die Rolle als mürrischer Vorgesetzter, versehrt, verletzt und deshalb irgendwie von allem abgehoben. Mit seinen Wunden konnte er sich gut in die exzentrischen höheren Offiziere hinein denken, die mit alten Kriegsverletzungen, mit Gicht und Rheuma, oder einfach mit einem Spleen hantiert hatten. Es machte irgendwie unverwundbar, wenn man etwas hatte, was man als Schild benutzen, oder worauf man einige Verhaltensweisen schieben konnte.
Im Moment, in der Kantine der Chevaliers, nützte ihm diese Rolle nicht besonders, denn dank Jan Jensen hatte er bereits seinen persönlichen Diener, der ihm den ach so langen Weg zur Theke ersparte und ihm sein Essen brachte. Als Einheitskommandeur musste er ohnehin nicht anstehen, und Leon bereitete ihm abgesehen vom bereits hervorragenden regulären Essen der Truppe immer etwas Besonderes, meist aus der Heimat, zu. Im Moment hatte er einen Teller mit Trîpes vor sich, einer Spezialität aus dem Gebiet der Loire. Wenn die anderen Chevaliers gewusst hätten, dass sich ihr Chef über eine Portion Innereien hermachte, hätten sich einige trotz der Stahlgewitter, trotz der Toten die sie gesehen hatten, hier an Ort und Stelle übergeben. Menschen waren schon eine merkwürdige Spezies. Aber davon ließ er sich den Genuss nicht verderben, wenn er schon etwas bekam, was ihn ein klein wenig an Frankreich erinnerte.
Ah, Frankreich. Würde er sein Heimatland, würde er die Erde jemals wieder betreten können? Nicht nur, dass er als Sandhurst-Abbrecher als ComStar-Sympathisant galt, auch die Aktion auf Bryant gegen Blakes Wort hatte ihm in den Reihen der Abtrünnigen, die gerade über Terra herrschten, nicht gerade ein Mehr an Sympathie eingebracht. Außerdem war er nun ein draconischer Adliger, und das Kombinat arbeitete mit ComStar, nicht mit Blakes Wort zusammen. Er seufzte leise. Als er aufgebrochen war, um Marie-Claire zu rächen, da hatte er gewusst, dass er seine Heimat vielleicht nie wieder sehen würde. Er hatte es akzeptiert. Und er war seinen Weg gegangen, eine gewundene und viele Höhen und Tiefen überwindende Serpentine. Aber wenn er so drüber nachdachte, war es keine wirklich schlechte Zeit gewesen. Abgesehen von den Anfangsmonaten, in denen er mehr am Rande des Wahnsinns gewandelt war. Hach, was für interessante Erinnerungen.

Eine schwere, schwielige Hand legte sich auf seine Schulter, und kurz darauf grinste ihn Kapitän Cole von der Seite her an. "Na? Fertig?"
"Mit dem Essen?" "Mit dem Militärspielchen", korrigierte der Sprungschiffskipper. "Ich wollte wissen, ob wir abfliegen können, nachdem du und Ace euch ausgetobt habt."
"Ausgetobt ist vielleicht eine etwas unpassende Bezeichnung für das, was wir erlebt haben", erwiderte der Herr der Chevaliers und hielt ihm die verletzte Linke hin.
"Nein, ausgetobt passt schon. Ich weiß, wie oft du bereits verletzt warst, Germaine. Und ich weiß, dass es dich entweder nicht weiter stört, oder du ein ausgesprochener Masochist bist."
"Masochisten sind Soldaten, die lyranischen Kantinenfraß runter würgen. Ich bin ein Genießer." Er stockte. "Wenngleich nicht bei Schmerzen."
"Gut. Dann ändert sich der Abflugtermin nicht sonderlich. Habe ich sonst etwas verpasst?"
"Wo warst du überhaupt während der letzten Wochen? Eigentlich nicht viel, es bahnen sich nur ein paar Eheschließungen an."
"Eheschließungen, interessant. So bodenständig hätte ich deine Chevaliers gar nicht eingeschätzt. Die Söldnereinheiten, die ich bisher hier in der Peripherie kennen gelernt habe, leben immer nach dem Motto: Live fast, die young. Damit sie nicht so enttäuscht sind, wenn es sie erwischt."
"Oh, ich habe da doch mehr Vertrauen in meine Fähigkeiten, zu überleben. Also, was hast du getrieben?"
Cole nahm Platz und lehnte sich zurück. Er grinste breit. "Ich habe die Zeit genutzt, um ein paar Geschäfte zu machen, meine Schiffe auf Vordermann zu bringen, ein paar Einstellungen vorzunehmen... Und ach ja, das Sprungschiff der Händler-Klasse habe übrigens ich besorgt." Scheinbar desinteressiert betrachtete Cole die Nägel seiner rechten Hand. "Kannst ruhig danke sagen."
Germaine schnaubte amüsiert. "Danke."
"So, nachdem das geregelt ist, werde ich mir mal eine Portion des hervorragenden Kantinenessens der Chevaliers holen, und wir sollten anfangen, ein paar Details zu besprechen. Zum Beispiel unseren ersten Anflugspunkt. Da sehe ich nämlich etliche Gefahren und Chancen. Parder sind eine ebenso anspruchsvolle Beute wie Germanium. Man braucht das je ne sais quoi, um sie aufzuspüren. Vielleicht hast du es, Germaine, aber es schadet nie, ein paar gute Quellen zu haben."
"Da stimme ich zu. Und wie sieht unser erster Anlaufpunkt aus?"
Cole winkte ab, während er aufstand. "Ach, kleine Raumstation in einem kaum frequentierten System für Händler und Prospektoren, für die Region mit erstaunlich guten Leuten besetzt, neulich von ein paar Nebelpardern überfallen... Das Übliche in der Region halt."
Germaines Kopf ruckte leicht hoch. "Unsere Nebelparder?"
"Das herauszufinden ist dann wohl deine Aufgabe, Germaine. Ich bereite den Weg, gehen musst du ihn selbst. Hey, vielleicht ist ja ein Baronstitel für mich drin."
Danton lachte leise. "Ich empfehle den Sauerbraten. Der ist Leon sehr gut gelungen."
"Gibt es etwas, was Leon nicht gelingt, Germaine Danton?", fragte Cole verschmitzt zurück und ging zur Kantinenschlange.

Ein Tablett landete neben seinem, und zwei warme, weiche Lippen drückten sich auf seine rechte Wange. "Morgen, Germaine." Miko Tsuno nahm neben ihm Platz, und breitete ihr Frühstück und einen Stapel Bücher vor sich aus. Während sie Reis, Fisch und Miso-Suppe in sich rein schaufelte, blätterte sie in fünf zugleich.
"Dringende Studien?"
Sie runzelte die Stirn und warf Danton einen Seitenblick zu. "Shepard, ich meine der Master Sergeant hat mich abgekanzelt, als wäre ich frisch von der Akademie. Das Schlimme daran ist, dass er mit den meisten Dingen Recht hatte. Ich war viel zu sorglos. Ich habe mich von Jack einseifen lassen, ich habe meine Leute in den Untergang geführt. Dann hat die Absatzbewegung nicht funktioniert. Nein, sie hat überhaupt nicht stattgefunden. Und genau deshalb sorge ich jetzt dafür, dass so etwas nie wieder passiert. Ich büffle Taktik, bis sie mir zu den Ohren raus kommt."
"Nun, falls es dich beruhigt, Schatz, hat unser Master Sergeant in einem Punkt vollkommen Unrecht. Hätte ich dich befördert, weil du mit mir schläfst, wärst du jetzt mittlerweile der Lieutenant Colonel."
"Weil ich so gut im Bett bin, oder weil ich so fähig bin?", argwöhnte sie.
"Das zu entscheiden überlasse ich dir, mein Engel", erwiderte Danton grinsend.
"Hm. Es sind beides recht angenehme Erklärungen, finde ich", erwiderte sie diplomatisch. "Kein Honig heute?"
"Ich kann das Zeug nicht mehr sehen. Mein Magen reagiert schon auf Süßes und spuckt Säure aus, wenn ich nur dran denke. Und Übelkeit oder Sodbrennen kann ich nicht gebrauchen, wenn der Herzog auf meinem Land den ersten Spatenstich macht."
"Ach, heute war das? Dann bist du erst Abends zurück."
"Ja. Lerne in der Zeit eifrig, und wir reden über ein eigenes Bataillon für dich."
"Das ist ein Scherz, oder?"
"Das zu entscheiden überlasse ich dir, mein Engel."
"Hm. Hat dir schon mal jemand gesagt, dass du ein unfairer Mensch bist?"
"Einige, ja. Aber deshalb lebe ich ja auch noch."
"Gutes Argument", lachte Miko und schaufelte sich gedankenverloren Reis in den Mund.
Zwischen zwei Bissen Fisch - es war immer wieder erstaunlich, wie gut sich Leon selbst mit beschränktesten Mitteln auf die Wünsche der so unterschiedlichen Chevaliers einstellen konnte, was das Essen anging - sah sie ihn ernst an. "Was hast du mit Jack gemacht?"
"Mit wem?" "Du weißt schon: Großer, verletzter, einäugiger Kerl, der von sich behauptet, Pirat gewesen zu sein, hat neulich meine Lanze eingeseift und mir dafür Shepard eingebracht. Der, den ich vor drei Tagen halb wahnsinnig von einem Peter habe brabbeln hören auf dem Boden liegend in Fötus-Haltung gefunden habe."
"Du hast ihn doch beim Antreten gesehen. Hat er auf dich gewirkt, als wäre er zusammengebrochen?"
"Erstaunlicherweise nicht. Also, was hast du wieder gezaubert, Germaine? Wie hast du das Häufchen Elend an nur einem Tag wieder diensttauglich gekriegt?"
Germaine schnaufte leise. Er legte beide Hände auf die Tischplatte. "Habe ich dir je erzählt, was ich mit dem miesen kleinen Vergewaltiger auf Trellwan gemacht habe?"
"Nicht nur einmal. Das machst du immer dann, wenn du glaubst, dass ich dich zu sehr in den Himmel stilisiere, damit ich merke, dass du immer noch ein Raubtier der Gattung Mensch bist." Sie schüttelte sich. "Bitte erzähle mir jetzt nicht davon. Ich esse gerade."
Germaines Grinsen ging noch weiter. "Und habe ich dich nicht ab und an von den üblichen Intrigen in deiner Familie erzählen gehört?"
Miko verschluckte sich fast an ihrer Miso-Suppe. "Bist du verrückt? Du kannst doch nicht...", begann sie, bis ihr auffiel, dass Germaine den Namen ihrer richtigen Familie, den Kuritas, gar nicht genannt hatte.
"Ich habe ein paar der Geschichten an Jack weiter gegeben, mein Engel. Habe ihm erzählt, mit welcher Beiläufigkeit und welcher Arroganz Machtmenschen töten. Das habe ich so lange gemacht, bis er mir zugehört hat. Und bis er gesagt hat, dass er gegen diese Menschen, die zudem auch noch mit unsere Gesellschaft anführen, nur ein winzig kleines Licht ist. Womit er Recht hat. Ich denke, er musste nur die Relationen wieder herstellen, zusammen mit der Erkenntnis, das Toni vielleicht wegen ihm saufen war, aber das er keinesfalls wegen ihm Selbstmord begangen hat. Ein Unfall ist ein Unfall, egal wie er zustande kommt. Er kommt ungelegen, unerwartet, unerfreulich und bringt kein schönes Ergebnis. Niemals. Und Schuld wäre er nur gewesen, wenn er Toni persönlich vor den Wagen geschubst hätte."
"Meinst du nicht, dass du zuviel Zeit auf Jack Ryan-Jones verwendest, Germaine? Nicht, dass der Pirat alles in allem kein netter Kerl ist. Aber da ist immer noch eine Einheit, die dich braucht."
"Und die Einheit braucht Jack. Wer außer ihm hätte Husaren und Chevaliers so schnell einigen können? Gut, gut, er und Shepard. Die Gemeinschaftsstrafen waren eine tolle Idee. Und sie haben zu etwas geführt, was ich so nicht erwartet habe: relative Ruhe und einigermaßen Frieden in der Einheit. Glaube mir, Jack ist jeden Aufwand wert."
"Na, dann hoffe ich doch mal, dass du mir genauso viel Aufwand widmest, wenn ich ihn brauche"; erwiderte Miko schnippisch.
"Das ist unfair. Wo ich dir doch jeden Gedanken meiner freien Sekunden widme."
"Aha, und was sind das für Gedanken?"
"Das erkläre ich dir besser unter vier Augen." Germaine zwinkerte ihr zu und stand auf. Jan Jensen war sofort an seiner Seite, obwohl für ihn nicht mehr zu tun blieb als das Tablett weg zu räumen. "So, und jetzt muss ich los. Überraschungstermin in Dantonville."
"Überraschungstermin? Irgendwie gefällt mir das Wort in letzter Zeit nicht so", murrte sie. "Sei vorsichtig, komm gesund zurück, und lass dir von Ace nicht noch den ganzen Planeten aufschwatzen. Nur für den Fall, dass er vorhat, aus den umliegenden Systemen einen eigenen Militärdistrikt des Kombinats mit ihm als Tai-shu zu erschaffen."
"Niemals. Dann müsste ich ja in die Verwaltung wechseln", versprach Germaine lächelnd, beugte sich vor und gab der jungen Draconierin einen sanften Kuss. "Wenn alles gut geht, bis heute Abend."
"Ach ja, die Erklärung", erwiderte sie lächelnd und sah ihn durch ihre verführerisch langen Wimpern hindurch an.
"Ich beeile mich", versprach der Herr der Chevaliers.
***
"Guten Morgen, Sir", empfing ihn sein Stellvertreter im Stabsgebäude.
"Morgen, Harry." Danton bedeutete ihm direkt in sein Büro zu folgen, legte die Dienstmütze ab und humpelte mehr als notwendig zu seinem Platz hinter dem Schreibtisch.
"Sie wollten mich sprechen? Geht es um die Epidemie an bevorstehenden Hochzeiten in der Einheit?"
Germaine schmunzelte leicht. "Nein, es geht um Dienstliches. Wie Sie wissen, habe ich Marcus van der Roose zu meinem Statthalter auf Wayside V ernannt. Er hat bereits mit den Rekrutierungen begonnen, um meine Garde aufzustellen. Es ist erstaunlich, auf welche Menschen er getroffen ist, die man auf einem frisch besiedelten Planeten wie Wayside gar nicht erwartet."
"Strandgut?", fragte Copeland.
"So würde ich sie nicht nennen wollen. Entrechtete Mechkrieger, teilweise noch von Operation Bulldog hier hängen geblieben, Infanteristen, die in der Peripherie gedient haben und nun einen sicheren Hafen haben wollen, Abenteurer, denen ausgerechnet hier das Geld ausgegangen ist, und so weiter, und so fort. Dazu haben sich auch sehr viele Menschen ohne militärische Vorbildung gemeldet, die glauben, Kenntnisse in der Schwertkunst oder einem anderen Kampfsport würden sie zum Bushi qualifizieren."
"Morgen, Germaine. Bin ich zu spät?", meldete sich Major Harris vom Eingang.
"Nein, ich spreche noch nicht sehr lange, Julie. Komm rein und setz dich. Jan bringt gleich Kaffee."
"Danke." Die Stabschefin der Chevaliers nahm eilig Platz. "Wie weit wart Ihr?"
"Bei meinen neu rekrutierten Bushi. Es gibt mehr Bewerber als freie Stellen. Aber wenigstens gibt es ausreichend Material für ihre Ausrüstung. Wir..."
"Entschuldigen Sie die Verspätung, Sir", sagte Rodriguez, der stellvertretende MeisterTech, als er eintrat. Ihm folgten auf dem Fuß McAllister, Doktor Fleischer, Sergeant Major Hawk und O'Bannon.
Als letzte fand sich Captain Sleijpnirsdottir ein. Sie huschte nach Jensen und dem Kaffee in den Raum. "Morgen, Sir."
"Morgen, Christine. Gut, dann sind ja alle Teileinheitsführer versammelt." Germaine wartete, bis der Kaffee verteilt worden war, dann sah er gewinnend in die Runde. "Herrschaften, wir fliegen jetzt alle runter zum Southern Sea. Dort wird in sechs Stunden der erste Spatenstich für die neue Siedlung Dantonville getätigt - vom Herzog selbstverständlich. Und ich will Sie alle dabei haben."
"Aber Sir, der Dienstplan", begehrte Copeland auf.
"Ich kann meine Leute doch nicht...", warf auch McAllister ein.
"Genug. Sie alle haben Stellvertreter, fähige Stellvertreter. Die werden das Tagesgeschäft übernehmen. Außerdem ist es mal eine gute Lektion für sie. Und wir können sehen, wie sie sich machen, wenn ihnen niemand die Hand hält."
"Bei den Mechs habe ich da wenig Sorgen", meldete sich Kiki zu Wort, "aber Himmel, ich weiß nicht, wie es mit den anderen Einheiten steht."
"Sie meinen also, meine Panzerleute benehmen sich ohne mich schlechter als Ihre Flieger?", fragte O'Bannon trocken.
"So habe ich das nicht gemeint. Aber Metellus ist ein erfahrener, langjähriger Offizier, und viele der nachrangigen Ränge haben ihre Kompetenzen nicht so lange."
"Und genau deshalb lassen wir sie Verantwortung schmecken, solange es noch nicht gefährlich ist", schloss Danton zufrieden. "Und genau deshalb trinken wir jetzt alle in Ruhe unseren Kaffee aus, und freuen uns anschließend auf einen gemütlichen Spazierflug runter und wieder hoch, mit einer kleinen Besichtigung zwischendurch." Für einen Moment wirkte Danton wie ein fetter, fauler, satter und sehr zufrieden grinsender Kater. Derart ihrer kompetenten Führung beraubt würden sich die Stellvertreter bewähren müssen. Was in Friedenszeiten keine großen Probleme bedeuten würde.
"Kommt Shepard auch mit?", fragte Copeland.
"Nein, ich hatte ihn nicht eingeplant. Er würde mir sonst die Ohren voll jammern, wie viel Arbeit für ihn liegen bleibt, wenn er nicht an seinem Schreibtisch ist. Subtil allerdings, und ziemlich trocken, ohne wirklich zu klagen."
"Ja, das klingt nach ihm." Copeland nippte an seinem Kaffee. "Chef zu sein wirkt plötzlich sehr interessant auf mich, Germaine."
"Oh, es hat seine Vorteile", erwiderte der Colonel.
***
Gina Lüdenscheid zögerte lange, beinahe zu lange, bevor sie sich in den Sessel setzte. Seinen Sessel. Germaine Dantons Sessel. Diesem elendigen Bastard, der ihr zwischen Tür und Angel das gesamte verdammte Regiment aufgedrückt hatte. Das Kommando hatte sie bereits, seit der Anhur mit sämtlichen höherrangigen Offizieren vom Kasernengelände abgeflogen war. Aber irgendwie fühlte es sich erst von hier aus richtig an, komplett, irgendwie. Und sie fühlte die Last, die Wucht, für knapp tausend Leute verantwortlich zu sein, wie echten körperlichen Schmerz. Sie war nie die Karrierefrau gewesen, hatte sich nie um die nächste Beförderung geschert. Aber sie beherrschte ihren Job, sie war gut darin. Deshalb hatte sie schnell ihren eigenen Trupp bekommen, ihr eigenes Platoon, ihre eigene Kompanie. Und jetzt, lange bevor sie die dreißig ankratzte, war sie bereits stellvertretende Bataillonskommandeurin der Infanterie, auch wenn das nur ein temporäres Konstrukt war. Heute war sie aus dem Stand gleich zwei Etagen höher gewirbelt worden. Und bei allem was ihr heilig war, sie würde es nicht vermasseln.
Sie sah auf, sah ins Rund der vor ihr versammelten Offiziere. Major Metellus wirkte stoisch, aber sie konnte sich vorstellen, wie er innerlich seinen alten Freund und höchsten Vorgesetzten verfluchte. Erst hatte Danton ihn ohne zu fragen zum Offizier gemacht, und jetzt hatte er die sympathische Aufgabe, stellvertretender Regimentschef zu sein. Zumindest bis die Grundsteinlegung für Dantonville vorüber war.
Leichter war es da für Captain Brenstein. Er hatte nur ein Bataillon an die Backe genagelt bekommen. Im gleichen Atemzug aber war Captain Fokker, ihr tödliches Nesthäkchen, wie man sie hier und da in der Einheit nannte - zumindest all jene, die nicht Deadly Hottie bevorzugten - zur stellvertretenden Bataillonskommandeurin befördert worden. Auch wenn es nur für einen Tag war, es bedeutete die höchste Verantwortung, der sich Fräulein Jara je hatte stellen müssen.
First Lieutenant Gurrow fühlte sich sichtlich unwohl, und das lag nicht nur daran, das sie als einzige Offizierin neben Lüdenscheid saß. Sie trug immer noch den Spezialverband über ihrem Bruch. Aber sie war nun mal für die Flieger verantwortlich.
First Lieutenant Trondhim hingegen schien keinerlei Probleme damit zu haben, im Moment die Panzer ohne O'Bannon befehligen zu müssen. Im Gegenteil, der kleine stämmige Mann grinste von einem Ohr bis zum anderen. Wahrscheinlich hatte er auch noch Spaß an der Situation. Gina seufzte. Sie würde Männer, und im Speziellen Jonas Trondhim nie wirklich verstehen.
Nicht viel anders sah es bei den Captains Takeda, Marhuus und Bode, die ihre Infanterie-Kompanien befehligten. Sie schienen keinerlei Probleme mit ihrem neuen - temporären - Kommando zu haben. Das verursachte eine teils verzweifelte, teils zufriedene Stimmung im Büro des Alten.
Lediglich der Master Sergeant Shepard stach mit einer ungewöhnlichen Emotion aus diesen beiden Grobrichtungen hervor: Er stand hier für die Erste Kompanie, und zeigte deutlich Anzeichen der Ungeduld. Das war etwas, was man dem Master Sergeant zugute halten musste, er war wirklich ein verdammt guter Spieß. Und er kümmerte sich um die ganze Einheit, nicht nur um die Mechkrieger und deren Unterstützungsverbände. Wie viel Schlaf hatte der Mann eigentlich pro Nacht? Und warum hatte er bei seinem Pensum noch die Kraft ungeduldig zu sein? Egal, entschied die Majorin und schob den Gedanken an Shepard in die entsprechende Schublade in ihrem Verstand.
"Nun gut", sagte Lüdenscheid, und sah entschlossen auf. "Machen wir das Beste aus der Situation. Der Alte will uns testen, sehen wie wir ohne die Lametta-Tierchen auskommen. Das soll er meinetwegen dann auch bekommen. Wir machen Dienst nach Dienstplan. Und ich will den besten Dienst nach Dienstplan sehen, den die Chevaliers jemals ausgeführt haben!"
"Jawohl, Ma'am!"
"Zum Mittag treffen wir uns wieder hier im Büro, um eine Bilanz zu ziehen. Dabei interessiert mich vor allem das Verhalten der nachgerückten Offiziere und Mannschaften, vor allem aber das der Truppe. Diese Situation wird uns ein paar sehr interessante Einblicke in die Seele der Chevaliers ermöglichen. Sie können wegtreten."
Die anwesenden Offiziere salutierten, und verließen dann nacheinander den Raum.

Lüdenscheid indes analysierte ihre kleine Ansprache. Was hätte sie deutlicher sagen sollen? Wo war ihr ein dramaturgischer Fehler unterlaufen? Konnte man in drei, vier Sätzen überhaupt Fehler machen?
Eine Tasse, voll mit herrlich schwarzem Kaffee wurde ihr unter die Nase gestellt, verbunden mit einem wirklich sympathischen Lächeln von Sergeant Jensen, dem Mädchen für alles des Alten. Eine zweite Tasse stand auf dem Tisch. Für Major Metellus, der als Letzter im Büro weilte.
"Ihre Befehle, Colonel", sagte der Marianer, nicht ohne einen Hauch Ironie in der Stimme.
"Setzen, Kaffee trinken. Und danach", sagte sie und nippte an ihrer Tasse, "tun wir das, was wirklich Spaß macht. Wenn wir schon einmal Regimentschef und Stellvertreter geworden sind."
Der Marianer lächelte leicht. "Und das wäre, Ma'am?"
"Wir nutzen unseren Rang aus und gehen den Untereinheiten beim Tagesdienst durch unsere mürrische Anwesenheit mächtig auf die Nerven."
"Also, ich bin dabei", schloss Metellus und nahm ebenfalls einen Schluck aus seiner Tasse. Auch das, entschied er, würde wichtige Einblicke in die Seele der Chevaliers erlauben. Der neuen Chevaliers.
***
Ein Anhur war ein relativ bequemes Fortbewegungsmittel, für ein militärisches Fahrzeug, aber es war nicht gerade ein Luxusdampfer oder wenigstens eine Passagierfähre. Der Nutzraum war beengt, die Möglichkeiten knapp bemessen, und der Flug wirklich lang. Umso mehr erstaunte Germaine, was die Techniker des Herzogs aus der Maschine raus geholt hatten. Frachtraum für sieben Tonnen war eben nicht zu unterschätzen, und so hatte die Offiziere der Chevaliers kein nackter Transportraum mit Gurtsitzen aufgenommen, sondern eine gemütliche kleine, leicht überfüllte Party-Lounge, in der ihnen alkoholfreie Drinks serviert wurden. Ihnen und den Offizieren der Angry Eagles. Aber bequem war es bei weitem nicht. Dennoch reichte der Platz, um Danton und dem Herzog ein wenig Freiraum an der geöffneten Heckklappe einzuräumen, die einen wunderbaren Ausblick auf das vormittägliche Ödland bot. Ein Ödland, das gar nicht mal so öde war. Nur etwas eigen, fand Germaine.

"Du musst die Schwerter nicht jederzeit tragen", bemerkte Mikado amüsiert und deutete mit seinem Fruchtsaftglas auf Katana und Wakizashi an Dantons linker Hüfte.
"Ich übe", erwiderte der Chef der Chevaliers. "Und das tue ich, solange ich es noch kann. Weißt du, der Krückstock beißt sich nicht mit den Schwertern, und im Notfall kann ich das Katana als Ersatzkrücke missbrauchen, Ace. Nur setzen und drehen fällt mir mit den Dingern noch schwer. Wir hatten auf Sandhurst nie zeremonielle Seitenschwerter. Jedenfalls keine, die man länger als eine Stunde tragen musste, und das auch noch sehr selten."
"Lass dich nicht dabei erwischen, wenn du das Katana als Krücke missbrauchst", sagte Mikado schmunzelnd. "Das Schwert ist über einhundert Jahre alt, ebenso das Saya, die Schwertscheide, die aus Zedernholz gefertigt wurde. Traditionelle Draconier würden dir ewige Rache schwören."
"Einhundert Jahre? Wow, ich bin erstaunt, dass du mir so alte Waffen anvertraut hast."
"Ach was", wiegelte Mikado ab. "Erstens gibt es eine Menge guter Katanas im Kombinat, weil jeder draconische Planet mindestens einen Schmied ersten Grades hat, und zweitens sind viele Mechs, die auch heute noch im Gefecht stehen, bis zu dreihundert Jahre alt."
"Ja, das ist wahr", meinte Danton mit einem feinen Lächeln. "Daran kann selbst die Maschinenflut unserer Tage nichts ändern." Er stutzte. "Ohne die ich allerdings bestimmt längst entrechtet wäre."
"Als Einheitskommandeur kann man sich nur selbst entrechten, vergiss das nicht, Germaine", bemerkte der Herzog amüsiert.
"Apropos nicht vergessen. Warum trägst du bei offiziellen Anlässen nur ein Schwert? Ich dachte, ihr Buso-senshi müsstet beide tragen?"
"Das ist eine verdammt lange, aber interessante Geschichte", klang die Stimme von Virgil Stannic auf. Der Mechkrieger hängte sich über die Schultern beider Männer und drückte sie damit einen Schritt näher an das Schutznetz vor der offenen Heckklappe. "Und zufällig spielt sie hier auf Wayside V."
Der Major der Angry Eagles wirkte nachdenklich. "Hm, wo fängt man da am besten an? Bei welcher Invasion welcher Parder-Einheit ging es denn richtig los? Wann wurde aus dem Gaijin-Offizier, den ein guter draconischer Soldat nicht unbedingt zu respektieren brauchte, plötzlich ein erhabener und geachteter draconischer Adliger?"
"Es klingt nach einer interessanten Geschichte", meinte Danton lächelnd.
"Die wir ruhig um sechzig bis siebzig Gefechtstage abkürzen können", schloss Mikado.
"Ach komm, Ace, wir fliegen mindestens noch zwei Stunden. Die Zeit ist lang. Wir können ihm die Geschichte ruhig erzählen", murrte Stannic.
"Nein. Du kannst sie ihm erzählen. Ich höre mit zu, und achte mal darauf, was du da wieder ausgeschmückt hast, mein alter Freund."
"Meinetwegen. Obwohl ich nicht gerade ein großer Erzähler bin..."
"Hört, hört", rief Hauptmann Benton von hinten, und die anderen Eagles und Zivilbeamten Waysides fielen bestätigend ein.
"Vielleicht bin ich auch einfach kein sehr spannender Erzähler", fuhr Stannic fort, was ihm noch mehr amüsierten Protest einbrachte. "Aber ich gebe mein Bestes."
"Fang aber nicht beim ersten Angriff an. Fang da an, wo es für uns relevant wird", mahnte Ace.
"Ja, ja. Also, wann ist noch mal der beste Zeitpunkt? Ach ja, da haben wir ihn schon. Es beginnt damit, dass wir nach den letzten großen Kämpfen die allerletzten widerwilligen Nebelparder entweder gefügig geprügelt oder dabei getötet haben... Wir waren auf New Scotland unterwegs, um Oberst Cunningham zu suchen. Nun, zumindest seinen zerstörten Mech und seine Leiche. Dachten wir damals. Und das ist geschehen..."
***
"Eagle vier von Eagle sieben, kein Kontakt. fahre mit Planquadrat neun fort."
"Eagle Center von Eagle vier: Alle Suchmannschaften rücken vor zum nächsten Planquadrat. Kein Fund bisher."
"Eagle Center, haben verstanden. Suchen Sie weiter, Eagle vier." Chadrik Benton sah von seinem Platz in der Zentrale des Leopard-Landers WILDFANG an der Kommunikation auf. "Uns gehen langsam die Verstecke aus, Ace, in denen wir den Colonel finden können."
Oberst Kaiser von den Angry Eagles sah den verzweifelten Blick, der bei diesen Worten über Andrea Cunninghams Augen huschte. Sie suchten hier niemand geringeren als ihren Mann. Und je mehr Zeit verging, desto höher wurde die Wahrscheinlichkeit, dass Colonel Lucas Cunningham ein Opfer seiner versagenden Recyclingeinrichtung geworden war. Falls ihn der Stern Nebelparder, der sich auf ihn festgesetzt hatte, nicht zuvor erwischt hatte. Drei zerstörte mittelschwere und leichte Maschinen hatten sie bisher gefunden, augenscheinlich zu jenen Typen gehörend, die Jagd auf den Colonel gemacht hatten, soweit es seine Kameraden, die um ihr eigenes Leben hatten kämpfen müssen verifizieren konnten. Blieben immer noch zwei übrig.
"Wir finden ihn, Andrea", sagte Ace mit fester Stimme.
"Natürlich werden wir das. Und er wird am Leben sein. Denn er weiß ganz genau was ihm blüht, wenn er es gewagt haben sollte, sich von ein paar dämlichen Nebelpardern umbringen zu lassen." Sie knurrte böse, um die Angst in ihren Augen zu kaschieren. Aber Ace zweifelte keine Sekunde daran, dass die schlanke Frau ihre Drohung wahr machen würde.
"Eagle vier von Eagle sieben! Habe Metallanomalie im Flussdelta entdeckt, die etwas zu konzentriert ist, um eines der hiesigen natürlichen Vorkommen zu sein!"
"Untersuchen, Eagle sieben, mit aller gebotenen Vorsicht."
"Nähere mich der Metallanomalie. Okay, das ist schon mal ein Mech, aber kein Innere Sphäre-Modell. Sieht mir nach einem Ryoken aus. Zumindest war er das mal, bevor jemand auf ihm Cha-cha getanzt hat. Das macht dann wohl vier. Nicht schlecht für einen Colonel."
"Identifizieren Sie den Ryoken, wenn möglich. Trägt er identifizierbare Einheitsabzeichen?"
"Einheiten-Tag des Neunte Klauen-Clusters auf dem Brustkorb. Besser erhalten als der Rest der Maschine, Sir."
"Das macht dann Nummer vier", stellte Ace zufrieden fest. "Und wenn wir den fünften finden..." Er sprach nicht weiter. Aber jedem war klar, dass sie, falls auch der fünfte Nebelparder vernichtet worden war, doch noch eine verdammte Chance darauf hatten, Cunningham lebend zu finden.
"Eagle vier von Eagle sieben! Orte große Metallmasse hier im Delta! Orte hoch fahrenden Reaktor! Orte Waffenfeuer! Gjaaaarg!"
"Eagle sieben! Hören Sie mich? Eagle sieben?"
"Bin noch da! Unter mir ist nur der Boden eingebrochen, und wegen der Waffenfeueranzeige habe ich zu spät drauf reagieren können. Ich... Das ist merkwürdig. Das ist ein Medium Laser, der da feuert. Seine Entladungsintervalle folgen einem Muster. Kurz, kurz, kurz, lang, lang..."
"SOS!", riefen Ace und Andrea gleichzeitig.
"Eagle sieben, halten Sie sofort auf die Quelle des Signals zu!", rief Ace in sein Headset. "Cheforder! Skipper, wir starten und schließen zur Position von Eagle vier auf!"
"Warum nicht zu Eagle sieben?", fragte Andrea.
"Keine Landemöglichkeit für einen Leopard. Das Flussbett fächert zu weit aus. Bei Eagle vier ist es aber lang und glatt wie hier."
"Aye, Herr Oberst." Oberleutnant Wang salutierte, dann begann die WILDFANG langsam anzurollen.
Währenddessen hörten sie den Gefechtsfunk der suchenden Eagles.
"Ich schicke jetzt Kameradaten. Hier in der Nähe wurde die Energiewaffe abgefeuert. Hier ist aber nichts. Ich... Ja, die Metallortung verzerrt sich. Zu viele natürliche Vorkommen in der Nähe."
"Ja, das klingt nach Lucas. Nutze das Gelände immer zu deinem Vorteil", murmelte Andrea leise.
"Ich finde hier nichts, nur einen Haufen Mechspuren, die weiter nach Norden zum ausgetrockneten Binnenmeer führen."
"Alle Eagles sofort in den Quadranten neunzehn! Ich wiederhole, alle Eagles sofort in den Quadranten neunzehn! Wenn Oberst Cunningham Waffenfeuer abgeben konnte, dann lebt er noch und ist in der Nähe", rief Benton.
"WHOAAA!"
"Himmelherrgott, was ist denn jetzt schon wieder, Eagle sieben?"
"E-ein Erdrutsch im Uferbereich direkt neben mir. Ich habe mich ganz schön..."
Das Kameradbild vom Mech schwenkte auf das abgebrochene Ufer zu - und zeigte plötzlich eine S-Laser-Mündung von innen. "Oh, Scheiße."
Eine raue Stimme kam über den offenen Kanal. "Scheiß Eagles. Ha-habt euch ganz schön Zeit gelassen." Ein Hustenfall folgte, und darauf ein Haufen derber Flüche. "Wie zum Henker geht es meinen Dragoons?"
"Es geht ihnen besser als den Eagles, Herr Oberst. Willkommen zurück. Wir beginnen jetzt mit der Bergung. Verhalten Sie sich ruhig", sagte Hauptmann Benton.
"Was anderes wird mir hier wohl auch nicht übrig bleiben, Witzbold", antwortete Cunningham mit rauer Stimme. Anschließend lachte er über seinen eigenen Witz, was ihn mit einem weiteren Hustenanfall belohnte.
"Ja, das ist mein Lucas", stellte Andrea trocken fest. Sie sah Ace an. "Was dagegen, wenn ich mit rausgehe und bei der Bergung zusehe?"
"Nein, natürlich nicht, Ma'am. Ich komme ebenfalls mit."
Er begleitete Cunninghams Ehefrau vor die Zentraletür. Dort fiel die Ruhe und das stoische Gehabe von ihr ab. Sie legte beide Hände um den Leib, als sie sicher war, mit Ace alleine zu sein. "Er lebt. Gott sei Dank, er lebt. Ich..." Sie kämpfte mit den Tränen.
Ace nahm sie in den Arm und drückte sie sanft an sich. "Wir haben nie dran gezweifelt, Andrea."
"Nein", erwiderte sie schniefend. "Das haben wir nicht."
Als sie sich wieder gefasst hatte, hauchte sie ein Dankeschön. "Aber wenn Lucas davon erfährt, das ich hier rumgeheult habe, dann finden wir beide in einem Duell heraus, wer der tödlichere Mechkrieger ist, verstanden?"
Ace grinste über sein ganzes Gesicht. "Alles was Sie sagen, Mrs. Cunningham."
"Wehe, Bürschchen", sagte sie lächelnd und drohte Ace gespielt mit dem Zeigefinger.

Ein paar Stunden später wachte ein vollkommen erschöpfter und reichlich dehydrierter Lucas Cunningham in der Krankenstation der WILDFANG wieder auf.
"Das war ja wieder klar. Wir machen uns alle Sorgen um dich, und was macht der feine Herr Cunningham? Verläuft sich mitten in der Botanik, und anstatt zurückzukehren, ruht er sich in seiner bequemen Mechliege aus und macht Urlaub", spottete Andrea mit vor der Brust verschränkten Armen.
Lucas langte mit dem linken Arm nach ihr und zog sie zu sich auf die Liege. "Ich habe dich auch vermisst, mein Engel. Au, küssen geht wohl noch nicht. Meine Lippen tun tierisch weh."
Ace tat sein Möglichstes, um bei dem kleinen Gekabbel der Cunninghams nicht in lautes Gelächter auszubrechen. "Wir kriegen Ihre Maschine übrigens wieder repariert, Lucas. Meine persönlichen Techs arbeiten bereits daran. Und Sie sind Tagesgespräch, weil Sie vier Parder alleine ausgeschaltet haben."
Cunningham schnaubte amüsiert, ließ aber sofort danach einen Schmerzenslaut hören, als die Bewegung seine Lippe einreißen ließ. Aber er fing sich schnell wieder. "Vier? Gehen Sie mal nach Norden, Ace, zum Binnenmeer. Da habe ich den fünften Mech über die Klippen gejagt. Eigentlich war es der vierte, aber den habe ich am weitesten im Norden erwischt. Nebelparder? Elite der Kriegerkaste? Was für ein Gewäsch. Aber es wundert mich nicht. Viele Schwächlinge versuchen fehlende Stärke durch Tamtam zu übertünchen." Er sah zu Ace herüber. "Nicht, dass ich Ihnen nicht für dieses Bett und meine Rettung dankbar bin, Kaiser, aber im Moment wünsche ich mir doch ein wenig Zeit nur mit meiner Frau."
"Natürlich, Sir. Selbstverständlich." Ace deutete einen Salut an, dann verließ er die Kabine.
Draußen befahl er Chad Benton, nach dem letzten Mech suchen zu lassen.
***
Es war kalt, die Luft war dünn. Die Nacht tat ihr Übriges, um die Situation noch unangenehmer zu machen. Aber da standen sie nun, in dicke Parkas gehüllt, am Fuß einer tiefen Klippe, die den Boden des Binnenmeeres bildete, und vor ihnen lag ein vollkommen zerschlagener Uller.
"Das macht dann tatsächlich fünf, Lucas." Ace schmunzelte. "Habe nie dran gezweifelt."
"Das will ich Ihnen auch geraten haben, Kaiser", schoss Cunningham amüsiert zurück. "Muss aber ein schönes Stück Arbeit gewesen sein, das kleine Ding Metall hier unten zu finden. Sie haben fähige Leute."
"Ach, das", murmelte Ace und machte eine abwehrende Handbewegung. "Diese Mühle zu finden war nicht so schwierig. Das da zu finden, das war die eigentliche Überraschung." Ace wandte sich mit theatralischer Geste um und sprach gleichzeitig in sein Headset: "Illuminieren!"
Über dem flachen Grund des ehemaligen Meeres flammten nun Leuchtkugeln auf. Die beiden Landungsschiffe aktivierten ihre Scheinwerfer. Was sie damit der Dunkelheit entrissen, war eine Einrichtung, die niemand hier vermutet hätte.
"Himmel hilf! Ist das ein Raumhafen?" Staunend rieb sich Cunningham die Schläfe.
"Ja, das ist ein verdammter Raumhafen mit speziellem Flugfeld für Luft/Raumjäger. Er ist voll funktionsfähig, obwohl wir das Alter des Geländes auf rund zweihundert Jahre schätzen. Im Moment arbeiten meine Pioniere daran, die Stromversorgung wieder zu flicken und anschließend an einem Reaktor anzuschließen, den wir hergeschafft haben. Ein Dieselaggregat wäre hier auch leicht überfordert. Immerhin schätzen meine Experten, dass hier zwanzigtausend Menschen Zuflucht finden können. Und das ohne die unterirdischen Hangars."
"Unterirdische Hangars?" Cunningham grinste. "Sagen Sie, Ace, gehört das nicht jetzt alles mir? Ich meine, Sie haben das Gelände doch nur entdeckt, weil ich hier einen Parder runter gejagt habe."
"Lucas, bitte", mahnte Andrea.
"Nein, Lucas, Sie wollen das Gelände hier nicht haben. Das garantiere ich."
"Was? Kaiser, unter uns beiden Pastorentöchtern, das sehe ich anders!" Streitlustig sah Cunningham den anderen Einheitsführer an.
***
"Okay, Sie hatten Recht. Ich will den Scheiß Hafen nicht haben", raunte Cunningham zu Ace herüber, der ruhig und gelassen neben ihm saß, während ein Dutzend draconischer Offiziere über den Raumhafen und seine Verwendung diskutierte. ISA, VSDK, Militärischer Geheimdienst, es waren von jeder Gattung genügend Vertrete anwesend. Und entgegen der üblichen draconischen Gepflogenheiten fetzten sie sich, was das Zeug hielt.
Elden Parkensen beugte sich leicht zu ihnen herüber. Der draconische Garnisonskommandeur lächelte. "Eine weise Entscheidung, mein lieber Cunningham. Die verschiedenen Gattungen unserer ruhmreichen Streitkräfte sind furchtbar, wenn etwas ihre Gier weckt. Sobald sie anfangen, um diese Anlage zu kämpfen, sollten wir uns unauffällig absetzen, bevor wir auch noch mit in die Kämpfe gezogen werden."
"Kämpfen? Hier? Aber das Gelände ist mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Relikt der Exodus-Truppen Alekzandr Kerenskys! Nur ein Narr würde hier Zerstörungen riskieren, bevor nicht ein paar Hundertschaften Archäologen getobt hätten!"
"Soldaten sind sehr oft Narren, Cunningham-san", erwiderte Parkensen.
Der Streit wurde indes lauter, bis plötzlich jemand eine Waffe zog. Dann ging alles furchtbar schnell. Ein Katana wurde gezogen, und die Waffe flog davon. Für einen Augenblick erstarrte der Raum zu absoluter Stille.
Erst das leise Sirren, mit dem Ace sein Katana wieder in das Saya steckte, durchbrach diese Stille. "Es ist genug!", sagte er laut. "Diese Streitereien führen zu nichts! Im Gegenteil! Sie alle entehren gerade alle Ihre gefallenen Kameraden, und den Koordinator selbst!" Er sah ins Rund. "Der Nächste, der es wagt, die Stimme zu heben, wird nicht nur seine Waffe verlieren!"
Irgend jemand im Rund murmelte "Gaijin", und ein anderer bestätigte leise.
Ace beugte sich düster vor. "Bezweifelt irgend jemand in diesem Raum, das ich im Moment das militärische Oberkommando über Wayside V habe?" Er sah von einem zum anderen. Nacheinander wichen die Männer seinem Blick aus.
"Sie haben nicht die größte Militärmacht", wagte es Chu-i Westward einzuwenden. "Was berechtigt Sie zu der Annahme, noch immer das Kommando zu führen?"
Lautes, spöttisches Gelächter klang auf. "Weil er die Cunningham Dragoons unter seinem Kommando hat. Reicht das?", fragte Lucas mit einem gefährlichen Grinsen.
Westward wurde blass, dann nickte er schließlich.
"Danke, Lucas."
"Es ist meine Pflicht, auf dieser Welt die Ordnung und die Oberhoheit des Kombinats zu erhalten, Herr Oberst. So steht es in meinem Kontrakt. Und im Moment sind Sie derjenige, der genau diese Punkte garantieren kann." Dazu flüsterte er: "Außerdem schuldest du mir dann was, Ace."
Der Chef der Angry Eagles konnte sich ein kurzes Grinsen nicht verkneifen.
Doch seine Miene wurde schnell wieder ernst. "Meine Damen und Herren, wir haben zusammen gekämpft. Wir haben zusammen geblutet. Wir haben die Parder gemeinsam abgewehrt, wieder und wieder und wieder. Wir sind Waffenbrüder, mehr noch, Schicksalsbrüder geworden. Und all das, gebt Ihr jetzt dahin, wegen was? Ein paar Landungsschiffen und einer Anlage, die hier draußen niemandem etwas nützt, nicht einmal dem Kombinat?"
"Ein paar Landungsschiffe, ein paar Mechs, ein paar Luft/Raumjäger", murmelte jemand. "Und ein Beta-HPG."
"Die wir gerecht unter uns aufteilen werden", schloss Ace bissig. "Falls der Koordinator erlaubt, das wir diese Beute behalten dürfen."
Als das Zauberwort "Koordinator" fiel, sahen einige betreten zu Boden. Leises, zustimmendes Gemurmel klang auf.
"Also, es gibt keinerlei Zweifel daran, das ich das Oberkommando habe?", hakte Ace nach.
Es regte sich kein Widerspruch. Sho-sa McCormick von der ISA nickte schließlich. "Kein Widerspruch, Herr Oberst."
"Gut. Dann beginnen wir jetzt mit einer gemeinsamen Bestandsaufnahme der Werte dieser Station und der in ihr eingelagerten Einheiten. Jede Teileinheit wird eine Liste der Inventur bekommen, und anschließend werden wir eine Kommission bilden, die diese Werte beurteilt und an alle am Kampf beteiligten Einheiten verteilt. Sobald der Koordinator dem zustimmt."
Wieder klang zustimmendes Gemurmel auf.
"Gut, dann beende ich an dieser Stelle die Konferenz. Wir finden erneut zusammen, sobald wir eine Antwort des Koordinators haben. Wir..."
"Sir!" Die Tür zum Konferenzraum flog auf, und die Stabschefin der Eagles, Denise DeForét, stürmte herein. "HPG-Mitteilung von Luthien! Alpha-Priorität! Koordinator Theodore Kurita gratuliert dem Koshaku von Wayside V zum grandiosen Sieg und dem essentiellen Beitrag zu Operation Bulldog!"
"Dem Koshaku? Herzog? Der Koordinator hat einen Herzog ernannt?"
"Ja! Und er hat ausdrücklich darauf hingewiesen, das alle durch Eid oder Vertrag an das Kombinat gebundenen Soldaten auf Wayside V seinem Kommando unterstellt sind."
Ace straffte sich. Das bedeutete entweder das Ende der Probleme, wenn der neue Herzog Elden Parkensen war, oder richtig Ärger, falls einer der anderen, streitlustigeren Offiziere der erste Herzog wurde. "Das steht außer Frage, Hauptmann."
"Gut, denn der Koordinator hat Sie zum Herzog ernannt, Herr Oberst!"
Ace war viel zu geschockt um geschockt aussehen zu können. Überhaupt kam ihm die Situation unwirklich vor. Und ungerecht. Vor allem ungerecht. Dennoch erhob er sich. "Natürlich. Ich komme zum HPG." Er sah ins Rund. "Begleiten Sie mich, meine Damen und Herren."
Mit dem Pulk draconischer Offiziere verließ Ace den Konferenzraum.
"Herzog? Vielleicht hätte ich doch auf der Basis bestehen sollen", murmelte Cunningham. Dann fing er an zu prusten. "Nein, sicher nicht. Grandpa würde sonst im Grab rotieren." Als Letzter folgte er Ace.
***
"...darum haben wir beschlossen, Mikado Mamoru wegen seiner Verdienste und für die erfolgreiche Verteidigung von Wayside V in den Adelsstand zu erheben und als ersten Herzog von Wayside V einzusetzen." Die Miene Theodores wich kurz vom maskenhaften Zeremoniell ab. "Ace, ich weiß, das kommt sehr überraschend. Aber ich darf zwei Gelegenheiten nicht entkommen lassen. Einerseits die Chance, einen ehrlichen, anständigen Verwalter für die Fundstücke aus der Sternenbundzeit auf Wayside V zu berufen, und andererseits einen fähigen Offizier, der dem Kombinat mehr als freundschaftlich verbunden ist, enger an mein Haus zu binden. Als wir den aktuellen Kontrakt unterschrieben haben, habe ich Sie Mikado Mamoru genannt, als Übersetzung Ihres Namens. Sie haben ihn gemocht, deshalb gehe ich davon aus, dass Sie nichts dagegen haben, im Kombinat ab sofort so zu heißen. Ich bin sicher, unter Ihrer Regie wird es keine Streitigkeiten über die Hinterlassenschaften der Exodus-Truppen geben."
Kurita wurde wieder ernster. "Sie tragen ein Katana, Koshaku Mikado Mamoru. Ich denke, das ist gut so. Ein Buso-senshi empfängt bei seiner Weihe Katana, die Pflicht, und Wakizashi, die Ehre. Sie aber, Koshaku Mikado Mamoru, stehen an einem besonderen Platz in unserem Reich. Sie brauchen nur die Pflicht; die Ehre wäre da draußen nur ein Hemmschuh, wenn Sie meinen Willen ausführen. Ich weiß, Sie verstehen die Intention meiner Worte, und meine Offiziere auf Wayside V verstehen sie auch. Ich bin sicher, dass die Truppen Ihnen gegenüber loyal sind. Alles andere würde ich als persönliche Beleidigung und Geringschätzung meiner Entscheidung werten." Ein Lächeln huschte über sein Gesicht. "Mehr kann ich nicht für Sie tun, Ace. Machen Sie das Beste draus."
Die Verbindung erlosch und zeigte nun das Mon des Kombinats. Es war alles ein wenig schlicht abgelaufen, und dennoch markierte diese Videobotschaft per HPG die gravierendste Veränderung, der Wayside V in der neuen Zeit je unterworfen worden war.
***
"Ja, unsere Buso-senshi haben sich dann doch mit dem Gedanken angefreundet, einen Gaijin als Herzog zu bekommen. Dabei hat natürlich geholfen, das der gute Ace mit den gefundenen Militärgütern, den Mechs, den Jägern und den Landern sehr großzügig gewesen ist. Und die Tatsache, dass ihm die Ehre eines draconischen Buso-senshi nicht aufgebürdet worden war. Einige der üblichen Regeln gelten deshalb nicht für ihn, und das hat schon so manchen Draconier eingeschüchtert. Das, und die unerschütterliche Loyalität von Elden."
"Sie übertreiben, Virgil-san", merkte der Draconier bescheiden an.
"Tja, seitdem trägt er halt nur das Katana. Und was soll ich sagen? Bisher lief doch alles ganz gut für Wayside V, oder? Und heute werden wir Zeuge eines neuen Wendepunkts, wenn wir endlich weitere Teile des Kurita-Beckens für uns erobern."
"Wenn du nur das Katana hast, warum habe ich dann beide Schwerter bekommen?", fragte Germaine das Offensichtliche.
Mikado lachte und klopfte Danton auf die Schulter. "Weil im Gegensatz zu mir Ehre für dich ein wichtiges Argument ist, mein Graf."
"Da könnte was dran sein", erwiderte Danton lächelnd. "Eventuell."

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Wayside, Kaserne der Chevaliers

Der Technische Bereich war ruhig. Die Reparaturen und allgemeinen Wartungsarbeiten an den Mechs, Panzern, Luft-/Raumjägern und Kröten-Panzern waren abgeschlossen. Morgen würde das Werkzeug für die Verschiffung vorbereitet werden.
Colonel Danton hatte Shepard befohlen Dienstschluss zu machen. Das implizierte nun aber nicht, dass er ins Bett gehen sollte. Tatsächlich würde er wohl die Nacht durcharbeiten.
An seinem Kreuzritter standen noch einige Arbeiten aus. Nein, keine Reparaturen mehr, sondern eine Modifikation, die er eigentlich vor dem Einsatz auf Wayside hatte vornehmen wollen. Die Ersparnisse von drei Jahren Arbeit steckten in diesem Projekt.
Shepard hatte Glück gehabt, mit Imara im St. Ives Pakt zu arbeiten, denn dort hatte er die Sprungdüsen eines 3L-Kreuzritters akquirieren können.
Dafür mussten natürlich die vier Hitzetauscher weichen, die sein 3D-Kreuzritter im Seitentorso hatte. Sicherlich würden sowohl die Liao- und Davioningineure sich im Grabe umdrehen, was diese Modifikation anging.
Aber das Profil seiner Lanze hatte deutlich gemacht, dass er jetzt die Sprungdüsen brauchte. Als Lanzenführer konnte er nicht die einzige Maschine ohne Sprungdüsen führen.
Seine technische Qualifikation reichte zwar bei weitem nicht aus, diese Aufgabe alleine durchzuführen aber im neuen Techstab der Chevaliers gab es mehr als eine Person, die ihm einen Gefallen schuldete. So konnte er unter Anleitung erfahrenerer Techs seine eigene Arbeitskraft wie ein AsTech einbringen.
Tagsüber waren schon die Wartungsklappen geöffnet und die Wärmetauscher abgeklemmt worden. Die Entfernung der Tauscher und die Einpassung der Sprungdüsen dauerten fast drei Stunden. Kurz vor fünf war die Verkabelung angeschlossen und die neue Steuersoftware installiert, sowie die Konsole und die Steuerknüppel neu konfiguriert.
Als sich der erste Betrieb im Hangar regte, waren Shepard und seine fleißigen Schergen gerade dabei wieder das Werkzeug zu reinigen und wegzulegen.
Langsam näherte sich auch der Biervorrat, den Shepard für die Hilfe hatte springen lassen, seinem Ende zu.
„Scheiße, Sarge, Rodriguez kommt, mach die Zichte aus!“
Schnell wanderte die Zigarette in die zum Aschenbecher umfunktionierte Bierflasche.
„Darf ich erfahren, was hier vorgeht?“ Der diensthabende Mastertech begutachtete die drei Techs und Shepard eindringlich.
„Ich habe ein paar Modifikationen an meinem ´Ritter vorgenommen, die Jungs haben mir dabei geholfen.“
„Modifikationen? Ich habe keine Modifikationen genehmigt, Master Sergeant. Warum war ich darüber nicht informiert?“
„Nun mal halblang, Rodriguez“, knurrte Shepard, „ich wüsste nicht, dass ich für Modifikationen an meinem Eigentum mit privat finanzierten Ersatzteilen eine Genehmigung bräuchte. Außerdem nehmen Sie erst mal ein Bier.“
Das Gesicht des Techs hatte sich weiter verfinstert: „Danke nein, mein Dienst beginnt in ein paar Minuten. Sie wissen aber, dass ich die Modifikationen abnehmen muss, und wie es aussieht werden drei meiner Leute heute nur mit halber Kraft arbeiten können.“
„Ach, geben Sie denen nur einen ordentlich starken Kaffee, dann klappt das schon.“ Aber ein Blick auf seine drei Gehilfen machte deutlich, dass das Schlafdefizit sich heute deutlich zeigen würde.
Rodriguez deutete auf die vier aufgestapelten Wärmetauscher: „Madre de Dios, sind das Rawlings zwo-vierundachtziger? Richtige Originale?“
„Selbstverständlich, Chief, haben mich damals eine Menge Geld gekostet, als ich den `Ritter wieder auf Vordermann gebracht habe.“
Der Mastertech ging zu den Wärmetauschern hin und fuhr einem über die Flanke: „Die stammen aus Davionproduktion, oder, Sarge? Welche Leistung bringen die?“
„Dreiundneunzig Prozent, bei einem gut gewarteten System vielleicht fünfundneunzig. Aber so wie es heute nur so von doppelten Wärmetauschern wimmelt, will die in der IS wohl kaum noch jemand, aber vielleicht werde ich die hier los.“
„Wie viel wollen Sie dafür haben?“
„Sie haben Verwendung dafür?“ Shepard versuchte sich seine Überraschung nicht anmerken zu lassen.
„Herrje, ja“, Rodriguez drehte sich wieder zu ihm um, „fast die gesamte Doppel-Technologie Davions beruht auf diesen Babies, sämtliche Steuerelemente, die Leitungen, fast alles. Nur sind die modernen Doppeltauscher viel weniger robust, zumindest die ersten fünf Jahresproduktionen, man musste damals wirklich schnell produzieren. Selbst als Ersatzteilelager für beschädigte Tauscher sind die gut. Eigentlich zu schade, aber ja, wie viel?“
„Hm, dreitausend. Das Stück.“
„Was? Niemals, das zahlt der Quartiermeister niemals für veraltete Technologie.“
Shepard zuckte mit den Schultern: „Eben klang das so, als ob Sie die Dinger haben wollten. Überzeugen Sie den QM.“
„Wie denn? Die Tauscher sind sicherlich über zehn Jahre alt und Sie wollen mehr als drei Viertel des Neupreises. Mehr als tausend sind da sicherlich nicht drin.“
„Grundsätzlich würde ich Ihnen ja recht geben“, gestand Shepard ein, „doch wir sind hier in der Peripherie. Weit, weit weg von zuhause. Nachschub ist hier ein schwieriges Thema.“
„Schon klar, Sarge, aber mit so einem Preis gehe ich erst gar nicht zum QM, da muss schon was Realistisches rumkommen.“
„Zweitausend C-Bills und kein Stück weniger und damit bin ich eben um ein Drittel heruntergegangen. Dann nehmen Sie aber auch alle. Ansonsten versuch ich sie hier woanders los zu werden.“
„Gut, gut, mit so einem Preis werde ich anfragen, ob wir die ankaufen und ich vergesse auch, dass Sie sich hier einfach die Ausrüstung ausgeborgt haben.“
„Wunderbar, aber achttausend C-Bills. In bar, entweder in C-Bills oder Kronen.“
„Ja, ja“, Rodriguez winkte ab und ging weiter in den Hangar hinein.


Shepard blickte auf die Uhr, als er den Hangar verließ. Schnell ein kleines Frühstück, eine schnelle Dusche und eine frische Uniform, dann wäre auch er bereit für den nächsten Tag.
Er wollte schon zur Kantine abschwenken, als ihm auffiel, dass in dem Raum, die der Haus- und Hofpirat der Chevaliers für seine Unterrichtsstunden nutzte schon Licht brannte.
Das nächste Seminar sollte doch eigentlich erst am späten Nachmittag stattfinden. Na das ist ja mal interessant.
Statt zur Kantine ging der Spieß der Chevaliers also zu den Unterrichtsräumen und tatsächlich, Jack Ryan-Jones war schon bei der Arbeit.
Der Pirat sah ziemlich übernächtigt aus, so wie er am Computer saß und ein Szenario einprogrammierte.
Auf dem an die Wand projizierten Hologramm war eine Waldlandschaft zu sehen, mit einer kleinen Anhöhe im Süden, hinter der eine kleine Furt verlief.
Verteidiger wurden erst sichtbar auf ihren Positionen und verschwanden dann. Versteckte Einheiten.
Vor dem kleinen Wäldchen erschienen kurz als Minen gekennzeichnete Blibs, und auch diese verschwanden dann.
Etwas hinter dem Minengürtel wurden Metallansammlungen eingefügt, die mehr schlecht als recht getarnte Mechs simulieren sollten.
Jack lehnte sich zurück und blinzelte mit seinem verbliebenen Auge. Ruckartig drehte er sich zu Shepard um, die Rechte fuhr zur Hüfte, hielt jedoch noch rechtzeitig inne.
Gerade so rechtzeitig, dass Shepard ebenfalls stoppte seine Waffe zu ziehen und sie wieder ins Holster zurücksteckte.
„Sie hätten anklopfen sollen, Sir“, knurrte der Pirat, „hätte Sie fast über den Haufen geschossen, Sir.“
„Aber sicher doch! Und ich sagte ihn schon mal, Sie sollen mich nicht Sir nennen, das können Sie sich für den Alten sparen.“
Ja, Shepard war sich nicht ganz klar, was er über Danton denken sollte, doch das ging niemanden etwas an. Vor allen anderen Chevaliers und vor allem vor den niedrigeren Diensträngen war Germaine Danton der Alte, der Colonel, der Chef.
„Selbstverständlich, Sir“, entgegnete Jack, „werde es mir merken, … Sir. Aber was wollen Sie schon um diese Uhrzeit hier?“
Shepard funkelte den Piraten wütend an, während er näher an das Hologramm trat: „Das Gleiche könnte Sie fragen.“
„Kann nicht schlafen, da wollte ich ein paar Vorbereitungen treffen, … für den Vortrag nachher.“
„Pah und das kommt dann dabei raus“, der Spieß deutete auf die Geländedarstellung, „wenn das die Schlacht von Giliad Ridge sein soll, dann fehlen aber hier und hier zwei Minen.“
Jack guckte skeptisch auf die gezeigten Stellen: „Woher wollen Sie denn das wissen?“
„Ganz einfach, die erste hat meinen Lanzenführer getötet und auf die zweite bin ich damals draufgetreten. Und wenn Sie mir jetzt mit `so einem Wahnsinnszufall` kommen wollen, SIE können nicht auf der Gegenseite gewesen sein, die sind nämlich alle tot.“
Jetzt war es an Jack aufzulachen: „Wenn Sie damals beim Regiment Wreckers gewesen wären, Sarge, dann wüssten Sie, dass die damals von den Piraten die Hucke voll bekommen haben.“
„Natürlich weiß ich dass, Selias Cord und seine Bande hatten uns in eine üble Falle gelockt und trotz einer Unterlegenheit von fast zwei zu eins wurde meine Kompanie damals zurückgeschlagen. Zwei Monate später haben wir Cord aber aufgespürt und alle seine verdammte Bande bis auf den letzten verfluchten Drecks-Piraten ausgelöscht. Cord selbst haben wir an einem Baum aufgehängt.“
Der Blick des Piraten verfinsterte sich.
„Ein passendes Ende für ein mieses Schwein wie Cord, finden Sie nicht“, setzte Shepard nach.
Jacks Hände krampften sich zu Fäusten zusammen, dann lockerte er sich etwas: „Wenn Sie dabei waren, Shepard, könnten sie mir etwas mit der Aufstellung und dem Aufmarsch der Wreckers helfen. Wie hoch waren nochmal die Verluste?“
„Sieben Mechs, samt Piloten“, flüsterte Shepard, dann verbannte er den Hass aus seiner Stimme, „und letztlich hatten wir damit noch Glück. Ich habe schon unter Offizieren gedient, die mit etwas mehr Equipment keinen einzigen aus so einer Falle hätten entkommen lassen. Etwas Infanterie bei den Minen, mit KSRs und Bündelladungen sowie ZES zum Einweisen der LSR-Lafetten und gute Nacht, Kompanie, oder zwei.“
„Sie haben also Erfahrung in der Piratenjagd.“
„Ganz recht, Jack, ich habe schon Geschmeiß… gejagt“, auch wenn Shepard das `wie Sie` nicht gesagt hatte, hing es in der Luft.
„Nachdem, wie Sie Tsuno zusammengefaltet haben, hätten Sie scheinbar einen Plan gehabt, wie man mit Steinberger und mir im Labyrinth fertig geworden wären. Das würde ich gerne mal hören.“
„Ich habe da die eine oder andere Idee.“
„Na los, Sarge, nur raus damit.“
Shepard verschränkte die Arme vor der Brust. Sollte er dem Piraten noch Tricks beibringen? Verdammt, er würde in einigen Wochen mit ihm zusammen auf die Jagd gehen, zur Hölle noch eins: „Als erstes würde ich die Lanzen nicht zu weit voneinander trennen.“
„Für so eine Erkenntnis sind Sie sicher auf die Akademie gegangen, Morgan Kell.“
„Dann wäre meine dritte Lanze keine Kampflanze sondern ebenfalls eine schnelle Lanze gewesen, um möglichst schnell Entsatz heranbringen zu können. Auch hätte ich darauf verzichtet Nichtspringer hinein zu schicken. Und natürlich hätte ich nicht so einem unerfahrenen Lieutenant wie Holler das Kommando über die Operation übertragen.“
Jack zuckte sichtlich zusammen, versuchte sich aber weiterhin gelassen zu verhalten: „War das schon alles?"
„Nein, als Sahnehaube hätte ich ein oder zwei Rotten Luft-/Raumjäger über dem Labyrinth kreisen lassen. Schön mit Infernobomben an den Halterungen. Und bei der ersten Sichtung hätte ich für ein kleines Barbecue gesorgt.“
„Einfach druff, was?“
„Darum auch nur Springer in die Jagdeinheiten. Also, Jack, sorgen Sie dafür, dass Ihre Sprungdüsen schön in Ordnung sind, falls wir zwei Hübschen mal in einen Canyon rein müssen.“
„Sie würden nicht auf die eigene Position…“, Jack unterbrach sich. „Doch, Sie würden…“
„Wäre nicht das erste Mal. Aber keine Sorge, Jack, ich tue immer mein bestes, meine Leute wieder nach Hause zu bringen.“
„Wie beruhigend.“
Der Master Sergeant ignorierte die bissige Bemerkung und wandte sich ab, nur um sich an der Tür nochmal zu Jack umzudrehen: „Ach, um halb zehn brauch ich Sie frisch geduscht und in Paradeuniform, Sie haben sich eben als Träger freiwillig gemeldet.“
„Freiwillig gemeldet am Arsch, was zum Teufel trag… Verstehe, Aye, Sir.“



Eternal Father, grant, we pray
To all Marines, both night and day,
The courage, honor, strength, and skill
Their land to serve, thy law fulfill;
Be thou the shield forevermore
From every peril to the Corps.

Das war's also am Ende eines Lebens. Aufgeschnitten, obduziert und wieder zugenäht. Dann in einer Konserve haltbar gemacht und in zwei Metern Tiefe für die Ewigkeit konserviert.
Die zwei Meter lange Aluminiumkiste ruhte auf einem Rollwagen für Tragen in der Leichenkammer des Kasernenkrankenhauses.
Eine lyranische Flagge und die Cartoonmaus der Chevaliers bedeckte die Oberseite. An den Seiten waren je drei Metallgriffe an Scharnieren befestigt.
Sechs Mechkrieger der 1. Kompanie der Chevaliers hatten zu beiden Seiten Aufstellung genommen.
Auf der einen Seite standen Billy Knox, Jack Ryan-Jones und Anton Brahmert. Ihnen gegenüber Jesse Stonfield, Rudi Teutenberg und Robert Steinberger.
Am Kopfende stand Shepard, der wie alle noch die Schirmmütze in der Hand hatte und pietätvoll einige Augenblicke vorgeblich andächtig schwieg.
Als Zeichen, dass es los ging setzte der Master Sergeant die Mütze auf und die sechs Sargträger taten es ihm gleich.
Jack wirkte etwas in Gedanken. Billy war sicherlich teilnahmslos, behielt aber die Maske würdevoller Distanziertheit bei.
Bei den anderen musste es irgendwo dazwischen liegen, und alle gaben sich förmlich.
„Bitte“, murmelte Shepard, und die Träger nahmen den Sarg auf.
Der Master Sergeant machte eine exakte neunzig Grad Wende: „Abteilung: Ohne Tritt Marsch!“
Die Gruppe setzte sich in Bewegung.
Vor der Tür begann dann der große Zirkus, wie Shepard ihn bei sich nannte. Das Corps der Chevaliers war in Formation eines L angetreten, an dessen Ende eine kleine Fahrzeugkolonne wartete und eine zweite Gruppe Chevaliers stand.
Captain Fokkers Kompanie wie die anderen Trauergäste, welche der Beerdigung beiwohnten.
Die Formation der Chevaliers trug im Gegensatz zu den Sargträgern und der Trauergemeinde Dienstuniformen, doch waren alle zum Antreten befohlen worden.
„Regiment! Präsentiert das GehWEHR!“ Der Befehl, den Major Metellus brüllte war natürlich unsinnig, denn keiner trug ein Gewehr. Aber so war das Militär nun einmal. Die angetretenen Chevaliers legten die Hand zum Salut an, während der Sarg mit Toni Holler drin an ihnen vorbei getragen wurde.
Nach dem Linksschwenk gingen sie den langen Schenkel des L entlang auf das Heck eines wartenden Jeeps zu.
Germaine Danton stand neben Captain Fokker an der geöffneten Hecktür.
Dort angekommen trat Shepard nach rechts, direkt gegenüber vom Colonel und die beiden Offiziere und der Master Sergeant legten ebenfalls zum Salut an, während die Aluminiumbox auf die Ladefläche geschoben wurde.
Billy Knox schloss die Tür und schlug zweimal dagegen, dass der Fahrer wusste, dass er losfahren konnte.
Während die Trauergesellschaft die anderen Jeeps bestieg ließ Metellus das Regiment wegtreten.
Shepard blickte noch einen Augenblick den sich entfernenden Fahrzeugen nach, dann drehte er sich zu seinen Leuten um: „Ehrenwache weggetreten!“
Damit war die Angelegenheit für ihn erledigt. Abgehakt und gegessen.

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5th Syrtis Fusiliers - Pillage and looting since first succession war


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Der Anhur landete mit gekippten Rotoren, setzte sanft auf wie eine Feder. Wer die Maschine im Einsatz gesehen hatte, hier unten am Southern Sea, hätte kaum für möglich gehalten, das die Piloten neben waghalsig und lebensmüde noch den Flugstil sanft beherrschten.
Kaum stand die Maschine still, wurde das Sicherheitsnetz entfernt. Die vom Flugwind gut gekühlte Ladefläche kämpfte einen kurzen Kampf gegen die heiße Luft von draußen - und verlor. Allerdings war es keine schwülwarme Luft, auch kein staubtrocken heißes Wüstenaroma. Es war etwas Frisches, Mediterranes, und der Geruch frischer Zitronen hing in der Luft.
Germaine war zum ersten Mal hier, und deshalb überraschten ihn diese Eindrücke.
Mikado stand am Anfang der Rampe und sah den Söldner erwartungsvoll an. "Bitte nach dir, mein Graf."
Dies erweckte Danton aus seiner Starre. An der Spitze seiner Leute verließ er die Laderampe.
Vor dem Helikopter war eine Ehrenwache angetreten, gekleidet in die Sonntagsuniformen der Wayside-Miliz. Das Besondere an ihnen war die Tatsache, dass die gut trainierte Formation, die jeden Befehl des kommandierenden Offiziers buchstabengetreu und auf die Nanosekunde exakt ausführte, erst seit einer Woche gemeinsam trainierte. Dies war die erste von vier Kompanien, die ihm als Grafen zustanden. Seine ersten fünfzig Gefolgsleute, eingedrillt von seinen Infanterie-Offizieren. Noch waren nicht alle zweihundert zukünftige Gefolgsleute ausgewählt worden, aber an Bewerbern mangelte es in der Tat nicht.
Marcus van Roose ließ die Infanteristen geschlossen salutieren. Dann salutierte er selbst. "Willkommen Zuhause, Colonel Hakshaku Danton-sama."
Irritiert bemerkte Danton, dass der Rang nicht eingedraconiert worden war, aber dann erinnerte er sich daran, dass die Wayside-Miliz eine deutsche Rangordnung hatte, genau so wie die Angry Eagles. Das bedeutete dann wohl auch für seine Miliz, dass sie bestenfalls die Eagles-Ränge übernehmen musste, aber keinesfalls die draconischen. Obwohl das auch nur der Unterschied zwischen zwei Wörtern gewesen wäre. Aber auch ein Anzeichen der eigenen Stellung im System.
Danton und seine Offiziere erwiderten den Salut. "Schön hier zu sein, Marcus. Schön, hier draußen..." Er verstummte. Während er gesprochen hatte, hatte er sich ein wenig gedreht, um mehr von der Umgebung mitzubekommen. Und das war wirklich nicht wenig. Er sah direkt auf eine kleine Stadt, die sich hinter der Kompanie von Norden kommend bis zum Wasserloch erstreckte. Okay, keine richtige Stadt, sondern ein Container-Camp. Aber ein großes Camp. "Ja, da soll mich doch...", begann er, verstummte aber erneut.
Mikado lachte hinter ihm auf. "Danke, deine Reaktion belohnt mich voll und ganz für die Mühen, die mich all das hier gekostet hat." Er trat neben seinen Grafen. "Lassen Sie wegtreten, Lieutenant van der Roose."
"Jawohl, Mylord. Kompanie weggetreten!"
Die steife Formation der weiß gekleideten Front löste sich auf. Aber wer gedacht hätte, dass ihre Aufgabe damit erledigt war, sah sich getäuscht. Halbtruppweise begannen die fünfzig Männer und Frauen damit, Positionen rund um den herzöglichen Tross zu beziehen. Im Hintergrund fuhren zwei Mechs hoch, ein Feuerfalke und ein Skorpion, um die Delegation aus einer angenehmen Distanz zu begleiten. "Gehen wir ein Stück, mein Graf", sagte Mikado.
Sie marschierten auf die Container zu, die ihnen am Nächsten standen. Zwischen den großen Gebilden waren Wege planiert worden. Hunderte Menschen sahen neugierig zu ihnen herüber.
"Was du hier siehst, mein Graf, das ist die Angry Eagles Wayside-Corporation. Dies hier sind fünfhundert von dreitausend Arbeitern, die permanent dabei sind, irgendwo auf Wayside V etwas zu bauen. Sie leben in Containern, zugegeben, aber entgegen dem was sie ansonsten gewohnt waren, sind das die reinsten Luxusquartiere. Auch nach meinen Maßstäben, bevor du fragst", lachte der Herzog. "Seit ich den Planeten übernommen habe, sind wir immer irgendwo am Bauen. Parkensen City, Phillip City, rund um Stirling, eigentlich überall. Es hat sich bewährt, die Arbeiter und Ingenieure mitsamt ihrer eingerichteten Wohnungen zu verlegen. Denn ganz ehrlich, mein Graf, deine Stadt wird bei weitem nicht das letzte Projekt auf Wayside V sein. Wir sind ein Zuwanderungsplanet. Die Zahl der Bevölkerung steigt pro Jahr um zehn Prozent an. Und damit meine ich nur die Zahl jener, die sich hier wirklich niederlassen, nicht all jene, die von ihrem Firmen für ein paar Jahre nach Wayside entsandt werden.
Wenn deine Stadt und dein Hafen fertig sind, werde ich noch zwei weitere auf der anderen Seite des Planeten bauen. Und damit wird die Kontrolle über diese eigenwillige Welt wesentlich einfacher sein."
Der Herzog führte Germaine und den Tross zwischen die Container. Die Zahl der Zaungäste wurde immer größer. Es wurde geradezu belebt. Der Bauleiter trat zu ihnen. Ein von Wayside sanft gebräunter Mann unbestimmten Alters, aber asiatischer Herkunft.
"Germaine, darf ich Dir Harry Chun vorstellen? Harry hat früher für mich Panzer kommandiert, bis er irgendwann festgestellt hat, dass ihm das Aufbauen mehr Spaß macht als das Zerstören. Seither hat er schon auf einem Dutzend Welten mit und ohne die Eagles Wiederaufbaumaßnahmen im zivilen, im militärischen und im industriellen Sektor geleitet."
"Freut mich, Sie kennen zu lernen, Graf Danton." Der Mann lächelte herzlich und schüttelte Danton die Hand. "Wenn ich an dieser Stelle übernehmen darf. Wir sind im Moment dabei, den Standort für die einzelnen Gebäude zu ermitteln. Wie Sie sicherlich wissen, bewegen wir uns in atembarer Luft auf Wayside V grundsätzlich auf dem Meeresboden. Und Meeresboden besteht aus einer grandiosen Schicht Sedimenten in ein paar Millionen Lagen. Hier, an der Oberfläche, haben wir Grundwasser, und das kann aus den Sedimenten schon mal eine Rutschpartie machen. Oder anders ausgedrückt: Wir bauen die Gebäude dort, wo der nächste Regen nicht dafür sorgt, dass sie in die Southern Sea gespült werden. Es gibt genügend Erfahrungswerte aus dem Aufbau von Parkensen City bei dieser Problematik. Obwohl wir den ersten wirklichen Wolkenkratzer auf solide Stelzen gepackt hatten, die bis auf den Granitboden unter der Stadt reichten, mussten wir nachträglich einen Gyrokreisel installieren, weil der Untergrund unter Parkensen City jedes Jahr fünf Zentimeter tiefer in die Kurita-See wandert. Aber das sind schon Details, die zu weit führen."
Der Architekt führte sie über die zentrale Straße näher an den See heran. "Wir messen die Dichte des Erdbodens, wir ermitteln die Wasseradern, die uns dankenswerterweise von der Vegetation meistens zuverlässig angezeigt werden, und wir suchen bereits nach einer großen, tragfähigen Fläche für den Raumhafen in direkter Nähe. Wir haben hier eine Menge natürlicher Kavernen, denen wir entweder ausweichen müssen, oder die wir in die Planung einbauen. Eine Menge Stauraum müsste dann nicht erst erbaut werden."
"Ein schlauer Gedanke", fand Danton.
"Kanalisation wird das Erste sein, was wir hier aufbauen. Dazu errichten wir bereits ein Klärwerk. Wasser ist nicht unbedingt kostbar auf Wayside V, aber wir gehen dennoch schonend damit um. Nachhaltigkeit ist eine der Maximen für Wayside V. Danach kommen Wasserleitungen, Stromleitungen, ein Straßennetz, Beleuchtung, und dann sind schon die Gebäude an der Reihe. Wir haben den Platz für das Sanatorium bereits ausgesucht. Und auch Ihr bescheidenes Heim wurde schon abgesteckt, Mylord."
Sie erreichten das Ufer, an dem ein paar Männer in Sicherheitskleidung arbeiteten. Danton hielt es für eine Show zu seinen Ehren. Der Rest der Arbeiter hatte augenscheinlich frei. Damit hatte der Söldnerführer allerdings keine Probleme.
"Hier entsteht das Sanatorium mit angeschlossenem Seebad. Die Kläranlage errichten wir im Osten, etwas von der Stadt entfernt. Das, was die Anlage wieder verlässt, ist praktisch nur noch Wasser. Aber wir wollen den psychologischen Effekt nicht vernachlässigen. Menschen sind abergläubische, leichtfertige Wesen. Ihnen muss nur einmal der Gedanke kommen, sie würden im Klärwasser baden, und die schönste Ecke hier würde nicht einen einzigen Badegast mehr sehen."
Danton besah sich die Arbeiten und nickte beeindruckt. "Das Haus wird ganz schön groß."
"Wir planen mit vier Stockwerken. Da Stürme auf Wayside V äußerst selten sind, und da sie nie besonders intensiv werden, arbeiten wir hier mit eine Leichtbauweise für Gebäude unter vier Stockwerken. Alles was höher wird, braucht einen Kern aus Beton. Der Sternenbundkernspeicher hat da ein paar wirklich faszinierende architektonische Ansätze geliefert, und bei der Wiederentdeckung wirklich guter Baumaterialen geholfen."
Er deutete auf einen weiteren, bereits vermessenen Bauplatz. "Und das, Mylord, wird die gräfliche Residenz mit angeschlossener Milizkaserne."
"Residenz?" Danton schnaubte schockiert. "Ich habe es für das Flugfeld gehalten."
"Na, nun mal nicht so bescheiden, mein lieber Graf", tadelte Mikado. "Ich rechne ernsthaft damit, dass du mit deinen Chevaliers in dein Heim einziehst, wann immer du dich auf meiner Welt aufhältst. Darum habe ich in großzügigen Dimensionen planen lassen. Außerdem habe ich mir sagen lassen, dass es nicht sehr leicht war, einen Platz zu finden, der genügend Größe vorweisen kann, aber minimalen Bewuchs einheimischer Arten. Du weißt schon, die Wasseradern. Wir sind ganz froh, dass es dennoch gelungen ist. Als Ausgleich wird dein Haus aber nur zwei Stockwerke hoch, Germaine."
"Na, das ist mir jetzt ein Trost."
Chun grinste breit. "Na, die Überraschung ist uns gelungen." Er deutete auf eine lange Reihe Baldachine. "Es ist alles bereit für den ersten Spatenstich. Und für das Mittagessen."
"Und es riecht fertig", stellte Mikado fest. "Also, mein Graf, eilen wir uns, bevor die Kochkünste meiner Wayside Corporation verschwendet sind."
"Keine Einwände, Mylord."

Danton war überrascht. Die Dimensionen waren großartig. Er hatte nicht mit einem so großzügigen Geschenk gerechnet. Mikado schien noch einiges von der Entwicklung seiner Welt zu erwarten. Und die Einwanderungsrate ließ darauf schließen, dass er da nicht der Einzige war. Kein Wunder, das er versuchte, fähige Leute an diese Welt zu binden.
Kurz sah Germaine auf die See hinaus und sog noch einmal die warme Luft ein. Ja, hier konnte man gut leben. Sehr gut leben sogar, sobald hier etwas Zivilisation existierte.
Dementsprechend enthusiastisch war er beim ersten Spatenstich. Es wurde eine angenehme kleine Feier im Kreis der Offiziere und Verwaltungsbeamten, ergänzt durch eine große Abordnung der Arbeiter, die an dieser Stelle eine Stadt errichten würden. Seine Stadt. Dantonville.

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Wayside V („Wildkatz“)
Jaffray-Raumhafen
29. August 3066, 06:35 Uhr


Auf dem Jaffray-Raumhafen herrschte an diesem recht warmen Morgen noch wenig Betriebsamkeit, vereinzelt hörte man das Stampfen eines Ladermechs oder die Elektromotoren der Fahrzeuge hier und da. Spätestens in einer halben Stunde würde sich das ändern, wenn der Schichtwechsel vollzogen wurde und eine neue Heerschar an Hafenarbeitern, Lastwagen und Exoskeletten über das Gelände wanderten und der Lärmpegel für kurze Zeit so hoch anstieg, dass man bisweilen einen Hörschutz brauchte.
In der kleinen behelfsmäßigen Kantine der Devon’s Pride hatte es sich Kaptiän Matias Nelissens ein wenig bequem gemacht und war gerade dabei über sein Frühstück herzufallen. Matias schlang regelrecht das mit Käse belegte Brot hinunter und wäre er zu Hause auf Marfik noch im Haus seiner Eltern gewesen, hätte er sich für seine Manieren einiges von seiner Mutter anhören können.
Doch recht schnell hatte er die Erfahrung gemacht, dass Zeit für ein angenehmes und entspanntes Frühstück Luxus war, wenn es darum ging die Devon’s Pride zu beladen und auf den baldigen Abflug vorzubereiten, vor allem bei Termingeschäften. Das hiess nicht, dass er keine Tischmanieren besaß, aber an Bord eines im Dauerbetrieb befindlichen Landers war es in seinen Augen irgendwie nicht dienlich.
Matias beugte sich über den Teller und schob sich gerade wieder einen kräftigen Bissen in den Mund als er einen Schatten über seiner linken Schulter bemerkte. Tim Vries, sein erster Offizier, schaute auf ihn herab, einen Müsli-Riegel genüsslich kauend.
„Morgen Tim, die Nacht gut überstanden?“, begrüßte Matias ihn.
Der ältere Lyraner zog eine Grimasse.
„Ich hab schon besser gepennt. Ich wieß nicht was los war, aber letzte Nacht war irgendwo hier an Bord ein ziemlicher Radau, dass ich kaum ein Auge zugemacht habe. Weißt du vielleicht etwas darüber?“
Matias zuckte nur mit den Achseln. „Also ich habe nichts mitbekommen. Sicher, dass du dir das nicht eingebildet hast?“
„Ziemlich sicher. Allerdings konnte ich nichts entdecken, als ich mich mal umgesehen habe. Irgendwann war der Spuk vorbei. Und jetzt brauch ich erst einmal einen richtigen Muntermacher.“ Kaum ausgesprochen bewegte sich Vries geradewegs auf die Kaffeemaschine zu.
„Möchtest du auch noch was, Skipper?“
„Nein danke, ich hab noch was“, war Matias Antwort, anschließend schob er sich den letzten Rest seines Frühstücks in den Mund. Noch während er mit Kauen beschäftigt war, kam Vries wieder an den Tisch.
„Hast du eigentlich die anderen schon gesehen, Tim?“ Nelissens sah seinen ersten Offizier erwartungsvoll an.
„Gesehen noch nicht, aber die meisten scheinen schon wach zu sein. Luengo muss wohl schon ziemlich früh auf gewesen sein, jedenfalls hat Enrico Davids seinen Kabinengenossen heute noch nicht gesehen.“ Vries nahm eine aufrechte Haltung an und zog die Nase leicht nach oben. „Ach ja, Herr Kapitän, wo sind nur ihre guten Tischmanieren geblieben? Man spricht nicht mit vollem Mund.“ Er zwinkerte kurz mit seinem rechten Auge.
Bei diesen Worten verharrte Nelissens in seiner Kaubewegung, starrte Vries mit seinem Geh-mir-nicht-auf-die-Nerven-Blick an und schluckte übertrieben deutlich den Bissen hinunter. Er wusste, dass Vries ihn mal wieder damit aufziehen wollte, aber Matias war gerade irgendwie nicht in der Stimmung dafür. Um aber nicht wie ein abgerichteter Hund auf diese kleine Falle anzuschnappen nahm er das eigentliche Gesprächsthema wieder auf. „Luengo und Frühaufsteher? Das wäre mal was Neues.“
Vries konnte darauf nur grinsen. „Vielleicht geschehen ja in diesem Universum doch noch Zeichen und Wunder. Wer weiß? Allerdings habe ich ihn noch nirgends gesehen.“
„Ich will bloß hoffen, er kommt nicht auf die Idee, den Hangar umzugestalten, bevor die Söldner mit ihrem Panzer und sonstigem Equipment angekommen sind.“ Matias genehmigte sich einen Schluck Tee, eher er weitersprach. „Die Halterungen für den Panzer, wie war noch mal die Bezeichnung…“
„Bandit.“
„Genau, also die Halterungen für diesen Bandit-Luftkissenpanzer müssen korrekt sitzen, sonst schrammt er noch mit seinem Unterboden über den gesamten Hangar. Wie sieht es mit denen für die Rüstungen der Elementare aus?“
Vries schluckte den letzten Bissen seines Riegels herunter, ehe er auf die Frage seines Kapitäns antwortete. „Scheinen zu funktionieren. Dieser Rowan hat seine Rüstung an eine der Halterungen befestigt. Danach hat er daran gerüttelt um sie auf ihre Festigkeit zu prüfen, aber sie hat gehalten. Jedenfalls schien er damit zufrieden zu sein.“ Vries zog ein nachdenkliches Gesicht.
„Also dass mal Clanner an Bord kommen, das hätte ich mir nur in meinen Alpträumen vorgestellt. Und jetzt arbeiten wir mit denen zusammen. Schon ziemlich komisch. Was hältst du von ihnen, Matias?“
„Willst du die offizielle Version hören oder meine wirkliche Meinung?“, erwiderte Matias fragend.
Das liess seinen ersten Offizier schmunzeln. „Beides, in der von dir genannten Reihenfolge.“
„Also, offiziell komme ich mit ihnen klar. Sie sind zwar nicht wirklich gesprächig, aber mich interessiert das nicht wirklich. Schließlich werden wir ja dafür bezahlt sie zu transportieren, und nicht mit ihnen einen Kaffeeklatsch zu halten.“ Matias lehnte sich auf seinem Stuhl nach hinten, verschränkte die Arme vor der Brust und legte so viel Sarkasmus wie möglich in seine folgenden Worte.
„Und jetzt mal die Wahrheit. Wir arbeiten gerade mit genmanipulierten Übermenschen zusammen, die für den Krieg gezüchtet wurden. Dass sie sich dabei für etwas Besseres halten und uns anscheinend als ihre hörigen Diener oder so in etwa betrachten, ist ja absolut KEIN Problem für mich. Und ihr ach so großes Ehrverständnis wird ja auch bei der kleinsten Diskussion mit unseren Leuten ja auch bestimmt nicht zu einem Problem führen, wenn diese Riesen sich durch irgendeinen achtlosen kleinen Nebensatz beleidigt fühlen und eine Schlägerei anzetteln. Und so wie ich unsere Pappenheimer kenne, könnte das ganz schnell passieren.
Ich sag dir eines, dieser Flug mit denen wird noch stressiger, als irgendeiner glaubt.“
„Tja, dann werden wir zwei wieder einmal die ehrenvolle Aufgabe haben, diesen Zirkus zu leiten.“, merkte Tim Vries an.
„Von wegen, diesen Rowan Geisterbär werden wir dafür auch noch mit ins Boot holen, notfalls noch diese Captain Sleijpnirsdottir. Das sind deren Leute, nicht unsere, die sollen die mal schön im Auge behalten.“
„Zumindest bekommt man durch diesen Captain wenigstens was Nettes zum Angucken. Angucken, Matias, nicht anfassen. Die ist eh ein paar Nummern zu groß für dich.“
„Ja, Großvater, geht schon klar.“ Matias setzte ein schiefes Lächeln auf. „Kannst dich ja mir ihrer Flügelfrau anfreunden, diese Trudy Swanson.“
„Wo siehst du denn bei der, was auf eine Frau hindeutet?“, fragte ihn Vries mit gespieltem Argwohn.
Eine Sekunde später konnten beide Männer ein Prusten nicht mehr aufhalten.



Ein paar Minuten später waren Matias Nelissens und Tim Vries auf dem Weg zum Hangar, um sich mit dem Rest der Mannschaft zu treffen. Heute würden sie zusammen mit den Söldnern den Bandit-Panzer und die letzten Gefechtsrüstungen verstauen. Wenn alles gut ging würden sie dafür nur ein paar Stunden brauchen, so dass Matias seinen Leuten bis kurz vor dem Abflug freigeben konnte.
An einem der Schotts schloss sich ihnen Enrico Davids, der sich mit Antonio Luengo die Kajüte teilte, an.
„Guten Morgen die Herren“, begrüßte er sie.
„Morgen, Enrico. Und? Hast du Luengo schon finden können?“, wollte Vries wissen.
„Nö, leider noch nicht. Und dabei meinte er, er wollte nicht so lange wegbleiben.“
„Wo wollte er noch hin?“, klinkte sich Matias in das Gespräch ein.
„Hat er nicht gesagt, aber ich sah ihn am frühen Abend noch mit einer von diesen großen Clannern abhängen. Schien sich die ganze Zeit über prächtig mit ihr verstanden zu haben. Wohin es ihn verschlagen hat, kann ich nicht sagen.“ Davids begann zu grinsen. „Aber ich könnte mir vorstellen, dass die zwei wohl mehr als nur geplaudert haben.“
Als hätten sie sich abgesprochen, drehten sich Nelissens und Vries mit wissenden Blicken zu einander um.
Na klasse, Luengos Hose ist wohl wieder mal nach unten gerutscht. Ich will nur hoffen, dass das keinen Ärger mit dem Rest der Söldner gibt. Ansonsten kann ich jetzt schon die Krankenhäuser abklappern.
Die drei Raumfahrer setzten gemeinsam ihren Weg in Richtung Hangar fort, wo schon die anderen Besatzungsmitglieder der Devon’s Pride auf sie warteten. Nur von Antonio Luengo war nichts zu sehen.
Matias verschränkte die Arme vor seiner Brust. „Okay, weiß einer von euch, wo Luengo steckt?“
„Vielleicht noch in dieser Elementarin, keine Ahnung“, kam es aus der Gruppe. Das löste ein Kichern aus, vor dem selbst Tim Vries und er nicht gefeit waren. Luengos Ruf als Schürzenjäger vor dem Herrn war allen nur zu bekannt.
„Ernsthaft, keiner weiß was?“ Doch darauf bekam er nur ein kollegiales Schulterzucken.
Bevor Matias noch etwas sagen konnte, hörte er in seinem Rücken ein Schott sich öffnen.
Als er sich dahin umdrehte, war besagter Antonio Luengo damit beschäftigt, möglichst behutsam das Schott zu schließen. Aus irgendeinem unbekannten Grund trug er noch vor dem Sonnenaufgang eine Brille und als er Matias verärgerten Blick erkannte, legte der Spanier ein verlegenes Lächeln auf sein Gesicht.
„Ah, ähem, guten Morgen, el Cheffe“, begrüßte er Matias.
„Morgen, Luengo, schön, dass du…“, Matias schaute kurz auf seine Armbanduhr „es noch rechtzeitig zu unserem kleinen Meeting geschafft hast. Bist du fit für heute?“
„Äh, si Señor, mir geht es blendend.“
„Okay, wenn die Elementare hier auftauchen, wirst du dich mit Enrico und Katja wieder um die Schweißarbeiten für die restlichen Halterungen kümmern. Von den Chevaliers wirst du wie üblich ebenfalls zwei zusätzliche Techs bekommen, also solltet ihr heute recht schnell fertig werden. Der Rest von euch wird sich zusammen mit den anderen Söldnern um die provisorischen Unterkünfte unserer Gäste kümmern. Wir haben zwar den größten Teil davon mehr oder weniger erledigt, aber ihr müsst heute noch darauf achten, dass wir noch Stauraum für Proviant und andere Güter übrig haben.“ Matias schaute in Richtung seines ersten Offiziers. „Tim, sobald es mit dem Einladen des Panzers losgeht, will ich, dass du darauf ein besonderes Auge wirfst. Bei all den Umbauarbeiten hier drinnen, wird das verdammt schwer werden, den Panzer hier ordentlich zu parken. Denk dran, was wir noch damit vorhaben, also behalte auch im Hinterkopf, dass der Bandit wieder entsprechend… raus kann.“
Vries Antwort darauf bestand nur aus einem „Geht klar, Kapitän.“
„Noch Fragen?“ Matias erhielt darauf keine Antwort. „Gut, dann bereitet schon einmal alles vor. Sobald die Chevaliers hier erscheinen, geht’s los.“
Damit löste sich die kleine Versammlung der Mannschaft und zurückblieben nur Tim Vries und Matias Nelissens. Antonio Luengo wollte sich ebenfalls auf den Weg machen, als ob nichts passiert wäre.
Da hast du die Rechnung aber ohne mich gemacht, Freund. Matias hatte mit seinem Mitarbeiter noch ein Hühnchen zu Rupfen, denn die Liste von kleinen Verfehlungen war für seinen Geschmack dann doch etwas zu lang geworden.
„Wohin denn so eilig, Luengo?“, rief Matias ihm hinterher. Dieser drehte sich nur langsam um, wohlwissen, was er sich jetzt wohl würde anhören müssen.
„Si, el Cheffe?“ Der Spanier trottete mit gesenkten Schultern auf ihn zu, wobei er merkwürdigerweise noch immer die Sonnenbrille trug.
„Kannst du mir mal verraten, was das soll?“, herrschte der Kapitän der Devon’s Pride seinen Untergebenen an. „Du wusstest ganz genau, dass wir heute mit den Umbauarbeiten fertig sein müssen. Wir haben zwar noch ein wenig Puffer, um das hinzubekommen, aber es hätte uns nur unnötig Zeit gekostet, wärst du irgendwann später von deinem kleinen Rendezvous zurückgekommen.“
Bei diesen Worten wurde Luengo anscheinend ganz anders, er hatte wohl nicht damit gerechnet, dass sein Kapitän so gut darüber informiert war. Er schwieg.
„Was, denn? Hat’s dir die Sprache verschlagen? Nimm endlich diese bescheuerte Sonnenbrille ab, wir haben noch keinen Mittag und hier gibt’s auch keine Sonnenbänke. Also runter damit!“ Vries war durch Luengos Schweigen anscheinend richtig in Rage geraten, Matias war es sowieso schon.
Der Spanier folgte widerwillig dem Befehl und nahm die Sonnenbrille ab. Als Nelissens und Vries das große Veilchen sahen, pfiff Letzterer erst einmal laut. Kurz darauf explodierte Matias regelrecht.
„Du gottverdammter Idiot, in was bist du diesmal hineingeraten? Wenn hier Danton oder sonst wer von den Söldnern mir die Bude einrennt, weil du plötzlich auf deren Hitliste stehst, kannst du deine Sachen packen und es ist mir scheiss egal, wie lange du schon für uns gearbeitet hat. Ich hab es langsam satt, von deinen Eskapaden krieg ich das Kotzen. ES REICHT!“
Ein paar der übrigen Mannschaftsglieder, die sich wegen der bevorstehenden Arbeiten noch im Hangar aufhielten, sahen hin und wieder mit verstohlenen Blicken in Richtung des Trios, jedenfalls kam es Matias so vor, aber momentan hatte er ganz andere Sorgen.
„Wie ist das überhaupt passiert?“, wollte Vries von Luengo erfahren.
„Nun, es… Señor Matias, wirklich, es nicht das, was sie denken“, stammelte der Spanier. Matias, der erst langsam von seinem kleinen Wutausbruch herunterkam, glaubte ihm kein Wort.
„Achsoooo, dann bist du wohl gegen eine Wand gelaufen und die Wand hat sich revanchiert?“ gab Nelissens sarkastisch zurück.
„Nein, also. Es war wirklich ein Versehen von ihr. Ich habe nichts…“ Matias Mitarbeiter schien nach einer guten Ausrede zu suchen. „Also, sie wissen anscheinend, dass ich mich mit Señora Grace getroffen habe…“
„Ja ja, jetzt komm zur Sache“, unterbrach ihn Tim Vries. Luengo Gesicht errötete, ihm schien irgendetwas peinlich zu sein.
Ähem, jedenfalls, wir sind hier hin zurückgekommen und es …“, der Spanier konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen, „es war sehr gut, ich meine intensiv. Sie wissen schon, was ich meine.“
„Du warst das also letzte Nacht, der mich aus dem Bett gerissen hat“, herrschte Vries ihn an. Luengo ging gar nicht darauf ein und versuchte weiterhin seine Erklärung des blauen Auges zu schildern.
„Jedenfalls, als wir so… jaja, dabei waren. Nun, Señora Grace ist es gewohnt, die Oberhand zu haben und da ich ihrer Meinung nach nicht so… wollte… hat sie mir im Übereifer…einen Schlag verpasst.“ Bei den letzten Worten sackte der Spanier unmerklich zusammen.
Eine gefühlte Ewigkeit – dabei waren es vielleicht nur fünf Sekunden – standen sich die drei Raumfahrer still gegenüber. Dann konnte Matias, als ihm aufging, was wirklich vorgefallen war, ein Prusten nicht mehr zurückhalten. Tim Vries fing ebenfalls an zu kichern, das in ein herzhaftes Lachen überging. Luengo dagegen hatte es durch das Gelächter die Sprache verschlagen.
Irgendwann hatten Nelissens und Vries sich soweit beruhigt, dass sie ihren Mitarbeiter weiter befragen konnten.
„Soll das heissen, diese Elementarin hat dir bei eurem kleinen Schäferstündchen eine gewischt?“ fragte ein belustigter Matias.
„Tja, manchmal sollte man sich den Bullen vorher anschauen, den man reiten will“, kam es trocken aus Vries Mund, was für weiteres Gelächter von Matias sorgte.
„Fragt sich eher, wer hier wen geritten hat“, entgegnete Nelissens mit einem erstickten Lachen.
„Hat sie dir vielleicht noch einen kleinen Klaps auf den Hintern gegeben?“ scherzte Vries.
Antonio Luengo dagegen fühlte sich beleidigt.
„Señor Matias, bitte, ich finde das nicht witzig.“
„Oh, ich schon. Und weißt du, was ich noch viel witziger finde?“ Nelissens legte ein möglichst fieses Grinsen auf sein Gesicht. „Die Tatsache, dass du die nächsten zwei Nachtschichten noch zusätzlich übernimmst. Achja, dein Lohn wird zusätzlich auch noch ein wenig gekürzt.“
Luengo war darüber keineswegs begeistert und wollte sich schon beschweren, aber Tim Vries schnitt ihm das Wort ab. „Luengo, halt‘ die Klappe, oder ich überlege mir noch zusätzlich etwas für dich. Akzeptier einfach mal, dass du lange genug Scheisse gebaut hast und damit durchgekommen bist. Und jetzt an die Arbeit.“
Das hatte gewirkt. Niedergeschlagen schlich sich Luengo davon. Währenddessen vertieften sich Matias und Tim in ein weiteres Gespräch.
„Was für ein Idiot,“ kam es Matias Mund.
„Wart‘ mal ab, bis sich Luengos kleine Geschichte herumgesprochen hat. Glaub mir, Matias, danach wird er sich zweimal überlegen, sowas nochmal abzuziehen. Zumindest für ein paar Wochen.“



Eine Dreiviertelstunde später erschien das übliche Kontingent der Chevaliers auf dem Landefeld der Devon’s Pride.
Matias begrüßte mit Tim Vries Rowan Geisterbär und die restlichen Söldner. Die letzten Tage waren die meisten der Chevaliers technisches Personal gewesen, nur ein paar der wirklichen Krieger waren dabei gewesen, höchstens um hin und wieder sich einen Überblick über den Fortschritt zu verschaffen. Diesmal allerdings waren es erheblich mehr.
Mit heulendem Motor bremste ein Schwebepanzer vor ihnen ab. Also das ist dieser Bandit. Matias hatte dieses Design vorher noch nie gesehen, aber da sie nun mal einen Schwebepanzer vom Typ Bandit transportieren sollten, war es nur logisch, dass er diesen nun vor sich hatte. Neben dem Bandit hielten noch einige Laster. Wahrscheinlich sind in denen wohl die ganzen Rüstungen verstaut.
Ein Jeep im grünfleckigen Tarnschema raste an den anderen Fahrzeugen vorbei und kam kurz vor den beiden Raumfahrern zum Stehen.
Matias war es ein Rätsel, wie er es schaffte, aber aus der offenen Fahrkabine faltete sich tatsächlich der riesige Rowan Geisterbär heraus, seine riesige Pranke zum Handschlag ausgestreckt.
„Guten Morgen, Kapitän Matias. Wie du siehst, haben wir unser gesamtes Equipment dabei. Ich denke, wenn du und deine Leute ihr Arbeitstempo beibehalten, sollten wir am frühen Nachmittag fertig werden.
Matias schlug mit einen Lächeln in die dargebotene Hand ein. „Moin, Rowan. Natürlich werden wir heute gut vorankommen. Es sei denn, ein paar deiner Leute fühlen sich heute nicht so wohl?“ Eine kleine Frotzelei mit dem genmanipulierten Krieger erlaubte sich der junge Lyraner.
Rowans Gesicht zuckte wegen Matias absichtlichem Sprachlapsus unmerklich. Eins zu null für mich, dachte sich Matias, ehe er weitersprach.
„Es wäre am besten, wenn ihr die Laster bis kurz vor das Hangartor fahrt, dann können wir die Rüstungen mit den Staplern hineintransportieren.“
„Du hältst es nicht für klug, mit den Lastern direkt in den Hangar zu fahren, franeg?“
„Nein, nicht wirklich.“ Matias schüttelte leicht den Kopf. „Drinnen herrscht ziemlicher Platzmangel wegen der neuen Halterungen. Da wäre ein Fahrzeug nur im Weg. Selbst die Gabelstapler haben Probleme dort zu wenden.“
„Die Stapler werden uns nichts nützen. Unsere Rüstungen sind zu unhandlich, um sie damit zu heben.“ Der Chevalier war von der Situation gar nicht begeistert. „Es wird uns wohl nichts übrig bleiben, als die Rüstungen einzeln hineinzubringen.“
„Ihr könntet ja in eure Gefechtspanzer klettern und in den Hangar gehen. Dadurch könnten wir sie auch direkt an die Halterungen befestigen, ohne sie unnötig drehen oder wenden zu müssen“, schlug Nelissens vor.
Rowan schien der Vorschlag zu gefallen. „Gut gehandelt und akzeptiert, Kapitän Matias.“
„Und das heisst was genau?“ wollte dieser wissen.
„Das bedeutet, dass ich mit deinem Vorschlag einverstanden bin. Kriegerin Grace! Aktiviere die Gefechtspanzer. Ihr werdet mit ihnen in den Hangar laufen, damit die Techs sie an den Halterungen sichern können.“
„Pos Sterncommander“, erwiderte einige Meter entfernt eine Elementarin.
„Das ist also Grace?“ murmelte Tim Vries zu Matias und dieser nickte kurz.
Rowan hatte Vries Kommentar mitbekommen. „Ja, das ist Grace. Stimmt etwas nicht?“
„Ach, nichts. Alles in Ordnung. Wir haben nur jemanden diesen Namen… sagen hören“, winkte Nelissens mit gespielter Leichtigkeit ab. Nicht drauf eingehen, nicht drauf eingehen, nicht drauf eingehen. Matias wusste nicht, wie der Elementar auf den Vorfall reagieren würde, daher hielt er es für besser, das ganze erst einmal unter den Teppich zu kehren. Er ging davon aus, dass Luengo nur die halbe Wahrheit erzählt hatte.
Der ehemalige Geisterbär tat Matias Antwort mit einem Schulterzucken ab.
„Wir sollten keine weitere Zeit mit Geplauder verschwenden. Am besten wir gehen hinein und besprechen dort unser Vorgehen.“
„In Ordnung, dagegen hätte ich nichts.“
Also machten sich die drei auf dem Weg zum Hangar des Landungsschiffs.
„Ach bevor ich es vergesse, ich soll dir eine Nachricht von Colonel Germaine Danton überbringen. Er wollte mit dir einiges besprechen, allerdings ist er momentan nicht in Parkensen City.“
„Tatsächlich?“ Matias hatte sich schon gefragt, wann der Kommandeur der Chevaliers mal wieder
etwas von sich hören ließ.
„Und wo steckt er jetzt genau?“ wollte Nelissens von dem Elementar wissen.
„Er wurde erst letztens vom planetaren Herzog wegen seiner Hilfe bei der Verteidigung von Wayside V zum Grafen über eine Ortschaft hier ernannt. Er ist seit einer halben Stunde mit anderen hochrangigen Offizieren dorthin unterwegs, um den Aufbau der neuen Stadt zu inspizieren.“
Matias brachte ein desinteressiertes „Ah ha“ hervor.
„Und wer führt die Chevaliers in seiner Abwesenheit?“ wollte Vries wissen.
„Major Gina…Lüdenscheid. Es wäre vielleicht keine schlechte Idee, wenn du zu ihr gehst. Immerhin wird morgen ein großes Simulatortraining angesetzt, bei dem deine Anwesenheit erforderlich sein wird.“
„Simulatortraining? Warum soll ich an irgendeinem Kriegsspielchen teilnehmen?“ Matias war froh gewesen, dass man ihn während der Arbeiten an der Devon’s Pride nicht mit anderen Dingen belästigt hatte. Umso mehr verwunderte ihn nun das angesetzte Training. War ja auch zu schön um wahr zu sein.
„Kannst du mir über diese Simulation genauere Informationen geben?“
Der Elementar hielt auf der Rampe an und drehte sich zu Nelissens um. „Nun, das Training soll noch einmal abschließend zeigen, in wie weit unsere Einheit für den Kampf gegen die…Piraten gerüstet ist. Ich bin mir nicht sicher, was deine Rolle sein wird, aber ich vermute, dass von dir einige Informationen nötig sein werden, um das ganze Training so realitätsnah wie möglich zu halten.
Matias schüttelte ob dieser neuen Erkenntnis nur den Kopf.
„Was zum Geier hat man sich dabei gedacht, mich von den Umbauarbeiten abzuziehen und das für eine Simulation. Tut mir leid Sergeant, aber das ist für mich, gelinde gesagt, unverständlich.“
„Nun, zu einem gewissen Teil kann ich dich verstehen“, gab der Angesprochene zur Überraschung aller zu, allerdings ging er nicht weiter darauf ein.
Dann werde ich wohl in der Kaserne dieser Lüdenscheid mal ein wenig auf den Zahn fühlen.
„Sergeant Rowan“, begann Nelissens, „würde es Ihnen etwas ausmachen, wenn ich mir kurz ihren Jeep ausleihe? Es hat den Anschein, als müsste ich ein kleines Gespräch mit Major Lüdenscheid wegen dem angesetzten Training führen.“
„Hmm, neg. Der Schlüssel steckt noch im Zündschloss.“
„Danke.“ Matias drehte sich zu seinem ersten Offizier um. „Tim, ich versuche nicht allzu lange weg zu sein. Pass mir auf unser Schiff auf.“
Ohne auf eine Antwort zu warten spurtete Nelissens zum Jeep.



Matias hatte nur ein paar Minuten bis zur Milizkaserne gebraucht, weswegen er dem Elementar für die Leihgabe des Jeeps dankbar war. Nachdem er sich an der Wache angemeldet hatte und man ihm den Zutritt zum Gelände gewährte, parkte er den Wagen auf dem Parkplatz vor dem Stabsgebäude der Miliz.
Matias erkundigte sich am Empfang nach Major Lüdenscheid, nur um zu erfahren, dass sie derzeit auf dem Kasernengelände unterwegs war und sie vermutlich erst gegen Mittag hier wieder auftauchen würde. Na Klasse. Da sucht man mal einen Sesselfurzer und schon findet man ihn nicht, weil er tatsächlich mal was arbeiten will, stänkerte Matias innerlich.
Er verliess das Stabsgebäude und wollte schon wieder in den Jeep einsteigen, als ihm einfiel, dass er noch gar nicht wusste, wo überhaupt die Übung stattfinden würde. Zu seinem Glück kam ihm gerade ein Söldner der Chevaliers entgegen. Der wird wohl was wissen, dachte sich Matias.
„Heh, Sie?“ sprach er den Soldaten an.
Der Angesprochene brauchte eine Sekunde, als er mit leicht abstehenden Armen sich zu Matias umdrehte, dabei hatte er den Oberkörper ein wenig nach vorne gebeugt.
Aus welchem Zoo ist der denn ausgebrochen, schoss es Nelissens durch den Kopf. Sein Gegenüber hatte jedoch ein emotionsloses Gesicht aufgesetzt, in dem sich nichts regte. Versuchen wir es nochmal, vielleicht kann es ja sprechen.
„Ja genau, Sie, hier soll doch morgen oder übermorgen eine Übung stattfinden und ihr Chef meinte, ich solle mir das mal angucken, wo findet die den statt?“
Es vergingen wieder ein paar Sekunden, in denen Matias ernsthaft darüber nachdachte, den Kerl anzustupsen, ob er es nicht doch mit einer Aufziehpuppe zu tun hatte. Doch zu seiner Überraschung bekam er doch noch eine Antwort.
„Sie folgen der MSR Richtung Süden, biegen nach dem QM links hab, dann am Fuhrpark vorbei, direkt hinter den APC’s rechts, einen halben Klick entfernt sollten Sie dann die Halle für die Simulation finden.“
Sag mal, kannst du auch normal sprechen? Oder bereitet dir das Schmerzen? Matias kam langsam zu der Erkenntnis, dass er es anscheinend mit jemandem vom Typ Zivilversager zu tun hatte.
Also liess er sich auf das Niveau herab.
„Häh? Wat?“
„Die Hauptstraße“, der kostümierte Halbaffe deutete vom Haupttor weg, „bis zur Quartiermeisterei, direkt dahinter links abbiegen und dann bis zum Fuhrpark, da stehen Panzer, hinter den kleinen, niedlichen biegen Sie rechts ab und dann noch etwa fünfhundert Meter in der größten Halle. Sie sollten um null-sechshundert da sein, das ist nach ihrer Zeitrechnung sechs Uhr morgens.“
Der Kapitän der Devon’s Pride verstand diesmal wenigstens etwas von dem Kauderwelsch, aber er nahm sich insgeheim vor, Rowan Geisterbär danach zu fragen. Der kann sich wenigstens richtig artikulieren.
Mit einem „Äh… danke, schätze ich, warum nicht gleich so.“ versuchte sich Matias bei dem Söldner zu bedanken und wendete sich wieder dem Jeep zu.
Blöde Militärs!


Folgender Text ist von Cunningham

Wir machen Dienst nach Dienstplan. Und ich will den besten Dienst nach Dienstplan sehen, den die Chevaliers jemals ausgeführt haben, äffte Shepard geistig nach. Herrgott im Himmel, warum haben wir uns nicht gleich alle noch bei den Händen gefasst? Und abends wird Hand in Hand um den Flaggenmast getanzt. Blödheit hat einen neuen Namen.
Mit so einer blöden Kuh als Chefin für den Tag, man das konnte ja heiter werden.
„Heh, Sie?“
Heh, Sie? Mit leicht abstehenden Armen und leicht nach vorn gekrümmt drehte Shepard sich um. Einem Beobachter musste der Eindruck eines Gorillas kommen.
„Ja genau, Sie, hier soll doch morgen oder übermorgen eine Übung stattfinden und ihr Chef meinte, ich solle mir das mal angucken, wo findet die den statt?“
Dem Knaben, der ihn angesprochen hatte stand das Wort Zivilist förmlich auf die Stirn geschrieben. Eigentlich ein Tag zum Krank melden, doch das verstieß gegen seine eigene Vorstellung von Krank und sich nur wegen Lüdenscheid und diesem Heini einen Arm abhacken schien ihm übertrieben.
„Sie folgen der MSR Richtung Süden, biegen nach dem QM links hab, dann am Fuhrpark vorbei, direkt hinter den APC’s rechts, einen halben Klick entfernt sollten Sie dann die Halle für die Simulation finden.“
„Häh? Wat?“
Ein lyranischer Zivilist; Armabhacken wurde langsam zu einer Option.
„Die Hauptstraße“, Shepard deutete vom Haupttor weg, „bis zur Quartiermeisterei, direkt dahinter links abbiegen und dann bis zum Fuhrpark, da stehen Panzer, hinter den kleinen, niedlichen biegen Sie rechts ab und dann noch etwa fünfhundert Meter in der größten Halle. Sie sollten um null-sechshundert da sein, das ist nach ihrer Zeitrechnung sechs Uhr morgens.“
„Äh… danke, schätze ich, warum nicht gleich so.“
Der Zivilist wandte sich ab.
„Weil ich nicht nach Canopus reise und mich dann wunder, dass die dort kein Deutsch verstehen“, grummelte Shepard leise. Scheiß Zivilisten!

Ende von Cunninghams Text

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Irgendwo auf Wayside V:

Anton Bramert, Feldwebel bei einer LNC (Loki) - Heimdall – Zelle, durch Psychotricks angeblicher WoB-Agent, und Mechkrieger (inzwischen angeblich Corporal, wenn man den Gerüchten glauben konnte) bei Dantons Chevaliers, sah sich in der kleinen, spartanisch eingerichteten Wohnung um, die das Heimdall-Loki-Team um Kommandant Royce McArthur bezogen hatte, nachdem sie die Räume in dem Hotel aufgaben. Die Wohnung bestand aus zwei Räumen plus Duschbad plus Küchenzeile. In den Räumen verteilt waren Ausrüstungsgegenstände, Schlafsäcke und – natürlich – Waffen. Insgesamt gefiel es ihm deutlich besser als das viel zu moderne und viel zu bequeme Hotelzimmer, in dem er sich vor zwölf Stunden noch aufgehalten hatte, um „sich von dem psychischen Schock zu erholen, den er erlitten hatte“, wie der Sanitäter des Teams es ausdrückte. In dieser „Erholungszeit“ hatte er sich die Akte, die McArthur ihm gegeben hatte, sehr genau durchgelesen und war zu dem Schluss gekommen, dass er möglicherweise tatsächlich eigentlich für das LNC und nicht für WoB-ROM arbeitete – und das er definitiv nicht mehr ganz richtig im Kopf war. In der Akte war auch ein psychologisches Profil über seinen Zustand nach dem Massaker von Kikuyu angelegt worden und dieses Profil bestätigte ihn in seiner Vermutung. Dieses Profil sagte auch aus, dass er für Einflüsse von außen anscheinend besonders empfänglich war, was auch erklärte, wie er über eine Videobotschaft quasi zu einem angeblichen WoB-Agenten werden konnte. McArthur machte sich deswegen anscheinend leichte Vorwürfe, zumindest hatte Anton das aus einem Gespräch mit dem Kommandanten herausgehört, weil er nicht viel früher reagiert und Anton die richtige Hilfe besorgt hätte. Anton selbst war sich nicht sicher, ob er dem Lyraner Vorwürfe machen sollte, im Grunde wusste er gar nicht mehr, was er denken sollte. Er fühlte sich leer und ausgebrannt und hätte am liebsten irgendwo Urlaub – irgendwo, wo ihn keiner suchen würde. Aber sein Pflichtbewusstsein haute ihm bei diesem Gedanken direkt dazwischen und darum war er jetzt hier – auch, weil er, wie sein psychologisches Profil ebenfalls bestätigte, Autoritätspersonen um sich herum brauchte, die ihm sagen konnten, welche Aufgaben er zu bewältigen hatte. Autoritätspersonen, wie Colonel Danton eine war. Oder wie Kommandant McArthur, der gerade den Raum betrat und Anton mit einem traurigen Blick ansah. „Wie geht es Ihnen, Anton? Feldwebel Kurtz meinte, Sie wären noch immer etwas verwirrt.“
Etwas ist eigentlich noch zu freundlich ausgedrückt, Sir“, antwortete Anton fuhr sich durch die Haare. „Ich bin, um ehrlich zu sein, völlig am Ende. Mir schwirrt der Kopf, ich würde mich am liebsten irgendwo verkriechen und habe gleichzeitig das Gefühl, dass ich zu explodieren drohe, wenn ich nicht hier rauskomme und irgendetwas tun kann.“
„Das glaube ich Ihnen“, entgegnete McArthur verständnisvoll. „Aber keine Sorge, wir kriegen Sie schon wieder hin.“
„Und wann kann ich zu den Chevaliers zurückkehren, Sir?“
Jetzt schien McArthur etwas verlegen zu sein. „Nun, es gibt da ein Problem, Anton. Wir konnten Cole noch nicht davon überzeugen, uns aufzunehmen. Das heißt, im Moment haben wir kaum eine Chance, den Chevaliers zu folgen, wenn sie von hier abfliegen.“
Anton riss erschrocken die Augen auf. „Aber… ich muss zurück! Sie werden irgendwann merken, dass ich nicht da bin, egal, wie gut Trank oder wie er auch heißt, sein mag. Chappi wird es irgendwann merken, von Colonel Danton und den anderen ganz zu schweigen! Sir, das können Sie mir nicht antun!“
„Beruhigen Sie sich, Feldwebel“, blaffte McArthur streng zurück. „Ich sagte, wir haben kaum eine Chance, mit den Chevaliers zu fliegen. Mit etwas Glück können wir Cole doch noch davon überzeugen, uns irgendwie bei sich einzuschleusen. Cole ist Händler und ihm geht es eigentlich immer um den Preis. Wir müssen ihn vielleicht nur noch mit mehr Geld überzeugen, dann bekommen wir unseren Platz. Und wenn das nicht hilft, dann müssen wir Ausweichplan B in Anspruch nehmen.“
Anton beruhigte sich etwas. „Was ist Ausweichplan B, Sir?“
„Entweder schleichen wir uns heimlich auf eines der Landungsschiffe oder wir kaufen uns in einen der anderen Freihändler ein. Wie auch immer, wir verlassen den Planeten und mit etwas Glück kommen wir mit den Chevaliers mit. Ich kann es Ihnen nicht versprechen, Feldwebel, aber ich verspreche Ihnen, alles zu versuchen, was in meiner Macht steht, um unser Ziel zu erreichen.“
Anton wollte etwas sagen, hielt sich dann aber doch zurück und nickte schließlich bloß. „Verstanden, Sir.“
In diesem Moment kam ein anderes Loki-Mitglied herein. „Herr Kommandant?“
„Ja, Oberleutnant, was ist los?“
„Wir haben gerade diese Nachricht erhalten, Sir“, antwortete der Oberleutnant und reichte McArthur ein Blatt Papier, der es durchlas und dann mit einem leisen Fluch zerknüllte. „Rufen Sie das Team zusammen, Oberleutnant. Sie sollen die Ausrüstung prüfen und in einer Stunde ausrücken. Abmarsch!“
Der Oberleutnant salutierte kurz und verschwand wieder. Anton sah leicht verwirrt drein. „Was ist passiert, Sir?“
McArthur warf Anton einen abwesenden Blick zu. „Bitte? Ah, wir mussten gerade erfahren, dass unsere Probleme auf Wayside leider noch nicht beseitigt sind. Anscheinend werden wir doch noch länger hier bleiben müssen, als wir ursprünglich vermutet haben. Sie erinnern sich an Ihre Gefangenschaft?“
„Wie könnte ich die vergessen, Herr Kommandant?“, antwortete Anton verwundert. „Dadurch haben doch meine Probleme erst begonnen.“
„Richtig, richtig“, entgegnete McArthur, der nicht ganz bei der Sache war. „Nun, wie es aussieht, gibt es von diesen Leuten noch mehr auf Wayside. Und sie scheinen sich auf uns eingeschossen zu haben.“
Anton nahm Haltung an. „Wie kann ich helfen, Sir?“
Sie?“, wollte McArthur wissen. „Sie müssen erst einmal wieder komplett gesund werden, Anton. Sie sind noch lange nicht soweit, als dass Sie uns helfen könnten.“
„Sir“, sagte Anton. „Sie brauchen jede Person, die Ihnen zur Verfügung steht. Ich stehe zur Verfügung und ich möchte helfen.“
McArthur sah Anton zweifelnd an, dann traf er eine Entscheidung. „Also gut“, er führte Anton in den anderen Raum, wo der eben erwähnte Oberleutnant und zwei andere Loki-Agenten mit der Kontrolle der Waffen beschäftigt waren. „Oberleutnant, Feldwebel Bramert wird uns unterstützen. Welche Nahkampfwaffen stehen uns zur Verfügung?“
Der Oberleutnant sah auf, nickte Bramert zu, dann wandte er sich den vorhandenen Waffen zu. „Nun, wir hätten das Übliche: Vibromesser, Monofildraht, Nadler, Laserpistolen – und ein Vibroschwert.“
Nicht nur Anton sah völlig überrascht aus, auch McArthur war perplex. „Ein Vibroschwert? Woher haben wir das denn?“
„Das wurde uns mitgegeben, weil in Feldwebel Bramerts Akte etwas darüber steht, dass er besonders bewandert im Nahkampf sei. Fragen Sie mich nicht, wer auf diese Idee gekommen ist, Herr Kommandant, aber wir haben eines bekommen.“
McArthur schüttelte verwundert den Kopf. „Völlig verrückt. Aber gut, warum nicht. Suchen Sie sich etwas aus, Feldwebel. Vielleicht können Sie ja sogar mit diesem vermaledeiten Schwert etwas anfangen.“
Anton nahm die ungewöhnliche Stichwaffe in die Hand. Sie war sehr leicht und hatte mehr Ähnlichkeit mit einem Katana, wenn auch etwas länger als die typisch draconische Waffe. Griff und Stichblatt waren pechschwarz. Anton suchte nach einem Knopf, um es zu aktivieren. Als er keinen fand, drehte er kurz an dem Griff und auf einmal ertönte das typische Brummen aller Vibroklingen. Er schwenkte das Schwert ein-, zweimal, um sich an das Gewicht und das Handling zu gewöhnen, schaltete er das Schwert mit einer weiteren Drehung wieder ab. „Also mir gefällt es, Herr Kommandant.“
McArthur schüttelte erneut den Kopf. „Natürlich. Das hätte ich mir denken können. Gut, dann behalten Sie sie. Haben wir eine Schwertscheide für dieses Teufelsding?“
Der Oberleutnant reichte Anton ein ebenfalls pechschwarzes Behältnis und Anton schob das Schwert hinein. Der Gurt war so ausgelegt, dass man die Schwertscheide quer über den Rücken trug und Anton probierte aus, wie schnell er die Waffe ziehen konnte. Er stellte sich gar nicht mal so schlecht damit an und McArthur nickte. „Alles klar. Aber nehmen Sie sich auf jeden Fall noch eine Handfeuerwaffe und ein Messer, Anton. Ich möchte nicht, dass Sie sich ausschließlich auf eine Waffe verlassen müssen.“
Nachdem Anton sich entsprechend ausgestattet hatte, als Handfeuerwaffe schnappte er sich einen Nadler, suchten sie ihm noch eine Schutzweste, die ihn wenigstens vor den leichteren Waffenkalibern schützen konnte. Er sah an sich herunter. Dunkle Kleidung, darüber eine ebenfalls dunkle Weste und auf dem Rücken ein Vibroschwert. Irgendwie fühlte er sich ein wenig wie die Hauptfigur aus Der unsterbliche Krieger. McArthur begutachtete das Ergebnis kritisch, dann meinte er. „Ich bin immer noch nicht ganz einverstanden mit Ihrem Einsatz, Anton, aber Sie haben leider Recht. Ich brauche jeden Agenten, der mir zur Verfügung steht. Ich hoffe nur, dass ich keinen Fehler mache, wenn ich Sie einsetze.“
Der Truppführer wandte sich ab und Anton flüsterte. „Das hoffe ich auch, Sir. Das hoffe ich auch.“

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A rose by any other name is still a rose

Ein Narr ist eine gefährliche Waffe im Haus der Vernunft

Tu as dèjá le baton fleurdelisé dans ta giberne

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Wayside V („Wildkatz“)
Parkensen City, Industrial District
30. August 3066, 05:43 Uhr

Es roch nach Verbranntem. Metall, Plastik und sogar Papier konnte er ausmachen, doch sie allesamt hatten diesen beißenden Geruch, der einem fortwährend ein Kribbeln in der Nase bescherte.
Neben ihm ertönte ein lautes Niesen.
„Was mache ich nochmal hier draußen, um DIESE Uhrzeit?“
Torgeir Akira Svensson brummte die Worte missmutig vor sich hin, als er in die Tasche der leichten Sportjacke griff und sich einen Zigarillo nahm.
Schnell war das kleine Ding entzündet und begann den beißenden Geruch mit einem Hauch Vanille zu überdecken.
Das war deutlich angenehmer. Sichtlich entspannter zog er an dem kleinen braunen Röllchenm blies kleine Rauchringe in die Luft und drehte sich dann zu dem kleineren Mann neben sich um.
Ichiro Harusaki verbeugte sich leicht.
„Gomen na sei, Chu-i Svensson-sama, aber wir dachten uns, dies wäre wichtig für sie.“
Torgeir schnaufte verächtlich und deutete mit dem Zigarillo auf das ausgebrannte Wrack eines LKW vor sich.
„Ein ausgebrannter Wagen, toll, und inwiefern soll das für mich wichtig sein? Ich bin weder bei der Verkehrspolizei, noch sonst wo. Ich bin bei der Mordkommission, Harusaki-san.“
Er erwähnte auch nicht, was Harusaki hier zu suchen hatte. Der eher schmächtige Japaner, unauffällig und stets höflich, war eine ewige Grauzone und Mysterium. Zugeteilt vom Herzog, als Verbindungsmann, wie er es nannte, so wusste der Großteil des Reviers, dass Harusaki mehr, als nur dies war. Eher eine Art Aufpasser und das auch noch für die yakuza und den herzog, wie er vermutete.
Torgeir kratzte sich mit der linken Hand am Ohr. Seit Tagen juckte es ihn schon und sein Magen meldete sich auch grummelnd zu Wort. Es wurde Zeit für die morgendliche Runde Kaffee und Pfannkuchen.
Harusaki lächelte nur auf die typische Kombinatsart, undefinierbar und ging dann voran. Torgeir folgte ihm murrend. Er war müde.
Ein leichtes Gähnen bescherte ihm sofort einen neuen Schwall nach Verbranntem, diesmal schmeckte er es unangenehm auf der Zunge.
Er spuckte instinktiv aus und zog dann wieder an dem Zigarillo, in der Hoffnung den Geschmack zu übertönen.
„Bah, eklig.“
Sie waren an den einsamen LKW Wrack angekommen.
„Wir haben den LKW untersucht, er wurde als gestohlen gemeldet. Vor zehn Tagen.“
„Gestohlen? Das bringt mich immer noch nicht voran, Harusaki-san. Was mache ich hier? Am Rande von Parkensen City, um kurz vor sechs. Ohne anständiges Frühstück, ohne Kaffee und vor allem ohne richtig ausgeschlafen zu sein!“
Harusaki bewies, wie üblich, viel Geduld. Er verneigte sich nur ansatzweise, ignorierte aber ansonsten den Ausbruch Torgeirs. Unbeirrt fuhr er fort.
„Wir hatten den Fall analysiert und auch die Spurensuche angesetzt.“
„Die Spurensuche? Ich dachte das Ding wäre nur gestohlen worden?“
„Hai, allerdings fanden wir den LKW erst gestern Abend. Ein Nachtwächter sah das Feuer, als er später, als geplant zur Schicht antrat.“
„Eine Woche lang keine Spur von dem Ding? Ich weiß, wir sind miserabel als Polizei in solchen Dingen, aber das ist doch arg lange.“
Harusaki verzog kurz eine Miene, auch wenn Torgeir das nur aus dem Augenwinkel mitbekam, aber sofort lag wieder die Maske steinerner Geduld auf seinem Gesicht.
„Hai. Allerdings kann ein solches Fahrzeug nicht lange unentdeckt bleiben, es sei denn jemand möchte es und versteckt es bewusst vor uns. Wir haben also dieses Fahrzeug gestern Abend ausgiebig untersucht, fanden allerdings keine Hinweise.“
„Und?“
Torgeir blickte Harusaki abwartend an, doch der Mann zuckte nur undraconisch mit den Schultern.
„Wir fanden nichts.“
Schnaufend trat er an den LKW heran. Das Metallgerüst war kalt, aber rußbedeckt. Die Tuchplane, die sich über den hinteren Bereich spannen sollte, war komplett abgebrannt, lediglich das Gestell und einige kleine Fetzen kündeten von ihrer ehemaligen Anwesenheit.
Die Reifen waren geschmolzenes Gummi und das komplette Armaturenbrett war ein einziger Haufen Schlacke.
Vor dem Kühler ging Torgeir in die Hocke und zog nochmals tief an dem Zigarillo.
Was gäbe er jetzt für einen warmen Kaffee, dazu einen ordentlichen Stapel Pfannkuchen. Vorzugsweise mit Zucker und Apfelmuss.
„Seit wann ruft man die Mordkommission, wenn man nichts findet? Wir haben eine Ablage P für so etwas.“
„Intuition, Svensson-sama.“
„Intuition?“
Er spie das Wort geradezu aus.
„Scheiße, deine Intuition macht mir wieder unnötig Arbeit. Der Herzog besteht darauf, dass auf seinem Planeten alles reibungslos läuft. Die ISA sucht wohl nach mehr als genug Gründen, einem Gaijin-Planetenlord auf die Finger zu schauen, aber er lässt sie bisher nicht und gibt ihnen keine Anhaltspunkte. Harusaki, weißt du, was das wieder für Papierkram bedeutet?“
„Blaue Blätter, Svensson-sama?“
Er nickte.
„Ja, die auch. Ich glaube beim Militär werden solche Durchschläge einfach vernichtet, aber bei uns besteht irgendein Bürokrat wieder darauf.“
Er seufzte, als er mit der behandschuhten, linken Hand über den Kühler strich und die Konturen bis zur Seite entlangfuhr.
Dann stutzte er.
Er hob die Hand vor die Augen und musterte sie eingehend. In einer Mischung aus rot und braun schimmerte dort unter dem Rußschwarz etwas. Er rieb die Finger leicht aneinander.
Harusaki war heran getreten und schaute ihm auf die Finger.
„Das haben unsere Forensiker als Rost deklariert.“
Der Unterton in seiner Stimme sprach Bände.
Torgeir hob eine Augenbraue.
„Rost? Deklariert? Klingt so nach: Es ist rötlich-braun, es hängt an einem Fahrzeug, es muss Rost sein.“
„Hai.“
Torgeir lächelte und hielt Harusaki die Hand hin.
„DAS, Harusaki-san, könnte doch ein Grund sein, warum ich hier bin. Das ist Blut.“
Harusaki runzelte die Stirn und begutachtete die dargebotene Hand genauer.
„Wie kommst du darauf, Torgeir-sama.“
„Intuition, Harusaki. Lass die Forensiker nochmal antanzen.“
Harusaki verneigte sich leicht und griff bereits nach dem Funkgerät. Als hätte er nicht bereits gewusst, was Torgeir hier finden würde.
Er schnaufte und sog noch ein letztes Mal an dem Zigarillo.
„Oh und sag ihnen, sie sollen Kaffee und was zu Futtern mitbringen.“
Grummelnd unterstützte sein Magen den Vorschlag.

Wayside V („Wildkatz“)
Jaffray-Raumhafen
30. August 3066, 07:23 Uhr

„Raptor hier. Der Wolverine lässt nicht locker und der Enforcer kommt auch noch rüber.“
„Hier Joker. Immer mit der Ruhe, bin gleich da.“
„Raptor, lass dich zurückfallen. Hornet und Joker schließen auf.“
Matthew verfolgte ruhig den Komkanal seiner Kompanie, während er den Nightstar durch den dichten Dschungel trieb.
Er drängte den 95-Tonner durch ein dichtes, viel zu tief hängendes Blätterdach. Dampf stieg von seiner Maschine auf, als Wassertropfen auf die Oberfläche auftrafen und sofort verdampften.
Feucht und heiß.
Nicht unbedingt etwas, was ihm fremd war, aber er mochte es nicht. Unruhig rutschte er auf der Pilotenliege hin und her und versuchte eine Position zu finden, bei der er nicht ständig drohte herunterzurutschen.
Seine Kühlweste lief auf voller Leistung und doch schwitzte er unglaublich stark. Dabei hatte der Kampf für ihn noch nicht einmal angefangen. Bisher waren nur die Scout Lanzen von Jara Fokker und seiner Kompanie auf den Gegner getroffen, scheinbar nur eine Lanze Mechs.
Und doch hielt diese Lanze sie sehr erfolgreich beschäftigt.
Da spielte jemand auf Zeit.
Er fuhr sich mit der linken Hand zwischen die Beine und kratze sich ungeniert.
Gott, war das heiß. Lediglich das Leder der Handschuhe verhinderte, dass seine Hände schweißnass von den Kontrollen abrutschten.
Seufzend duckte er sich unter einer dichten Decke aus Grün hinweg und an einem mammutartigen Baum vorbei.
Ein Blick auf die Sensoranzeige bestätigte ihm die Unbrauchbarkeit eben dieser. Sämtliche Sensoren waren überlastet, sei es durch die enorme Hitze, die schlechte Sicht, den Dunst oder schlichtweg der Fülle an Leben.
Als würden sie es bestätigen wollen huschte ein Schwarm Vögel aufgeschreckt vor seinem Cockpit vorbei.
Selbst seine Aktivsonde hatte ihre Probleme. So blieben nur MADs und Seismische Sensoren, die es ihnen aber nur auf kurzer Distanz etwas erleichterten.
Mit grimmiger Miene erinnerte er sich an die Besprechung vor einer Stunde.

Eine Stunde zuvor

„Morgen Chevaliers. Setzen.“
Harrison Copeland trat vor die versammelten Chevaliers an die Leinwand, während diese sich, wie aufgefordert setzten.
Stühle scharrten, es herrschte kurz Unruhe, dann wieder gebannte Konzentration.
„So, wie sie alle mittlerweile wissen, fliegen wir morgen ab. Sämtliches Material ist vertäut, eingepackt und auf den Landungsschiffen verzurrt. Reparaturen, die noch ausstehen, müssen unterwegs erledigt werden. Ich denke da speziell an Sergeant Ryan-Jones Pillager und den Lynx von Corporal Bramert.“
Copeland suchte kurz den Blick zu den Angesprochenen, dann ließ er ihn wieder schweifen.
Er deutete kurz auf die versammelte Kommandoriege auf ihren Stühlen an der Seite; Danton, Klein, Ace und die Einheitsführer.
„Wir haben beschlossen, ihnen heute nochmal eine letzte Abschlussübung zu spendieren.“
Copeland grinste wölfisch, als Unruhe einkehrte.
„Allerdings wird diese Übung unter speziellen Bedingungen laufen. Der Herzog war so nett uns ein paar neue Simulatoren heranzuschaffen, allerdings kaum genug für das komplette Regiment. Dementsprechend teilen wir die Einheiten auf. Mechs werden voll bemannt und in Echtzeit-Simulation teilnehmen. Panzer und Unterstützungsfahrzeuge werden simuliert. Gleiches gilt für die Jäger und Landungsschiffe. Hierfür werden die jeweiligen Teileinheitsführer mit ihren Stellvertretern in Echtzeit, Befehle und Anweisungen vornehmen.
Dieses Manöver ist in erster Linie für die Mechkrieger.“
Er räusperte sich kurz, bevor er fortfuhr.
„Auf Basis der Berichte, die Captain Fokker und Captain Brenstein ausgewertet haben, als auch dem Wissen, dass durch Captain Cole über die Planeten in den umliegenden Systemen beigesteuert wurde, haben wir ein mögliches Szenario erstellt. Die meisten Systeme sind entweder luftleere Asteroiden, mit, im besten Falle einer kleinen Minenkolonie, oder Dschungelplaneten. Ein Wüstenplanet findet sich auch, allerdings unter sehr unwirtlichen Bedingungen. Da unsere Gegner zwar Clanner, aber auch Menschen sind, brauchen sie Luft zum Atmen, Wasser und Nahrung.
Ihr Angriffsschema weist daraufhin, dass sie zumindest eine Ausgangsbasis haben, von der aus sie operieren. Wir gehen in unserem Szenario davon aus, dass sich diese auf einem der Dschungelplaneten befindet.“

Er begann langsam auf und ab zu gehen, während er erzählte. Interessiert und Aufmerksam hörten ihm die Anwesenden zu.
„Hierzu wird die Regimentskommandolanze, zusammen mit der ersten Mechkompanie, der Panzerbefehlslanze und dem ersten Zug von Lieutenant-Colonel McAllisters Infanterie den Gegner simulieren. Dies dürfte in etwa der zu erwartenden Stärke entsprechen. Die Landungsschiffe, werden zusammen mit den Jägern diverse kleinere Manöver üben. Sie sind allerdings unabhängig von den Mechs. In diesem Szenario wird es keinerlei Luftunterstützung für beide Seiten geben. Die Mechkompanien zwo und drei, sowie die restlichen Panzer, Infanterie und die Elementare werden die Seite der Chevaliers vertreten. Ihre Ziele sind das Festsetzen des feindlichen Kommandeurs und die Zerstörung der gegnerischen Einheit.“
Sein Blick blieb wieder auf den Anwesenden hängen, diesmal auf Jara Fokker und Matthew Brenstein.
„Ich erwarte, dass die beiden Mechkompanien eng zusammen arbeiten. Captain Brenstein wird hierbei das aktive Feldkommando führen, unterstützt durch Major Harris. Sie wird nicht eingreifen, sondern lediglich eine unterstützende Funktion haben.“
Das war ein Punkt gewesen, an dem Matthew geschluckt hatte. Das letzte Feldkommando dieser Größe, hatte er im Bürgerkrieg inne gehabt. Erfahrung war da, aber würde er es schaffen? So viel Verantwortung, so viele Leben, die man verlieren konnte. Schnell schob er die Zweifel bei Seite, wenn er das Nagen auch im Hinterkopf behielt, als Mahnung zur Vorsicht und folgte wieder den Ausführungen Copelands.
„Captain Fokker ist hierbei seine Stellvertreterin. Major Lüdenscheid befehligt die Infanteriezüge und Lieutenant Koenig die Panzer. Sergeant Decaroux wird den Befehl über die Kommandoeinheit und die Elementare übernehmen.“
Er nickte kurz jemanden zu, dann wurde das Licht im Raum abgedunkelt und ein Beamer erwachte zum Leben und projizierte sein Bild auf die Leinwand.

„Sparrow hier, haben Kontakt.“
Matthew riss sich aus seinen Gedanken und musterte wieder seine Anzeigen.
Nichts.
„Prince hier. Sparrow, Status.“
Jaras Stimme kam ruhig und kontrolliert durch den Äther, allerdings leicht verzerrt. Das verhieß nichts Gutes, die Distanz schien den Komm Systemen Schwierigkeiten zu bereiten. Das und der Dschungel.
„Gegnerische Lanze. Mechs, überschwer, tippe auf Befehlslanze.“
Ein kurzes Knistern überlagerte ihre Stimme.
Also vermutlich Pilum und seine Truppe. Harte Arbeit für Jara, aber nichts, was sie nicht auch so schaffen würde. Doch wo war der Rest?
Zwei Lanzen Mechs fehlten, ebenso die Panzer und Infanterie.
Wie hatte Copeland gesagt:
„Rechnet damit, dass die Szenario Bedingungen sich laufend ändern werden. Der Gegner spielt definitiv alles andere als fair!“
Matthew beherzigte das und er hatte vor zu gewinnen, da war für Fairness kein Platz. Nicht unter solchen Bedingungen.
„Hier Sparrow. Haben Kontakt verloren. Gegner weicht in den Dschungel aus. Keine Verluste, aber Ripper hat einen unglücklichen Treffer am Aktivator kassiert.“
Matthew verzog das Gesicht, während er sich mit der Hand über die Stirn strich, aus Angewohnheit. Der Neurohelm verhinderte allerdings, dass er sich den Schweiß wegwischen konnte.

Es war zu erwarten gewesen, dass der Gegner sich ihnen nicht offen stellen würde. Guerillataktiken waren normal unter solchen Bedingungen und in Anbetracht der Größe des Feindes.
„Prince hier. Lasst euch zurückfallen und die Kampflanzen aufschließen. Auf keinen Fall auseinanderziehen lassen. Achtet auf die Umgebung.“
Er vermutete die Panzer mittlerweile sehr nahe, ebenso die Infanterie, aber gut versteckt in diesem dichten Blätterwerk und unüberschaubaren Boden.
„Behemoth von Prince.“
„Behemoth hört.“
„Wechsel auf Position zwo-Alpha. Prince aus“
„Roger. Behemoth aus.“
Die Panzer hatten hier enorme Schwierigkeiten voran zu kommen und Matthew war sich sicher, Copeland hatte das einkalkuliert. Der Verteidiger hatte hier deutliche Vorteile, da er auf feste Stellungen zurückgreifen konnte, das Terrain kannte und generell das Geschehen eher diktieren konnte. Etwas was Matthew nicht gefiel und er würde das ändern.
Er hatte die Panzer im Rücken belassen, verstärkt durch einen Zug Infanterie. Der zweite Zug kam über die Mitte, zusammen mit der mobileren Kommandoeinheit und den beiden Kampflanzen. Die Scoutlanzen bildeten die Vorhut, während die Befehlslanzen jeweils den Flügel stellten.
Durchaus nicht die übliche Vorgehensweise, aber die Beschaffenheit des Geländes und die jeweiligen Maschinen boten es an. Beide Kampflanzen boten schweres Gerät, das nur bedingt voran kam, während Jaras Befehlslanze deutlich schneller war, bot Matthews die Flexibilität der Sprungdüsen.
Sie kamen langsamer voran, aber konnten schneller auf Bedrohungen reagieren und sich leichter absetzen.
Zumindest in der Theorie.
Es war dennoch äußerst wichtig, dass sie die gestreckte Angriffslinie nicht zu sehr ausdünnten.
Er warf einen Blick auf seinen Taktikmonitor und verfolgte zufrieden, wie die gesamte Einheit in einer Diamantformation vorrückte. Scouts vorne, Kampflanze mittig, Befehlslanzen links und rechts und hinten die Panzer.

Dann brach die Hölle aus.
Gleißende PPK Blitze zuckte durch das Blattwerk. Autokanonengranaten donnerten nur knapp an seinem Mech vorbei und ein silbriger Blitz schmetterte in die Panzerung des Daishis neben seinem Nightstar.
„Kontakt!“
Erscholl es auf allen Leitungen und Matthew keuchte kurz erschrocken auf, doch die Erfahrung und Ausbildung griffen schnell.
Er riss den Nightstar zur Seite und erwiderte seinerseits das Feuer, wenn auch blind, während er Befehle gab.
„Blaze zurückfallen und zu Desert aufschließen. Fireball gibt Ziele für Tear vor.“
Er musste die Scouts raus bringen, bevor sie abgeschnitten wurden. Der Angriff von Copeland war perfekt organisiert und er hatte mit Matthews Vorgehen gerechnet.
An jeder Front wurden Angriffe gemeldet, lediglich die Kampflanzen im Zentrum hatten Ruhe. Das würde sich bald ändern.
Ein kurzer Blick, zusammen mit den Meldungen bestätigte ihm die gegnerischen Einheiten.
Grimmig musterte er die roten Dreiecke auf dem Taktikschirm, die verschwanden und kamen, wie es ihnen beliebte.
Ich hätte es ebenso gemacht. Scoutlanze einsetzen, um mit ihrer Agilität und den Scharfschützenfähigkeiten unsere Scouts zu binden.
Befehlslanze um Jaras Lanze zu binden und die Kampflanze, um meine Einheit zu binden. Springer gegen Springer.

Das hieß also auch Jack Ryan-Jones in seinem Pillager. Das würde ein hartes Stück Arbeit werden.
Allerdings fand sich immer noch keine Spur der Panzer oder gar von Copycats Regimentskommandolanze. Das war nicht gut.
„Desert verkürzt die Distanz zu Blaze, deckt sie. Tear indirektes Feuer, sobald möglich. Behemoth Operation Fegefeuer beginnen.“

Er steuerte den Nightstar zur Seite und erhaschte einen kurzen Blick auf einen schwarz-grün lackierten Marodeur. Das war dann wohl Steinberger.
Die beiden azurblauen PPK Blitze zuckten durch die Luft und zogen Dampfschwaden hinter sich her, als sie durch das dichte Blätterdach stießen. Matthew hob den rechten Arm und ließ das Gaussgeschütz aufblitzen. Der Schuss traf allerdings nur einen nahen Baum, als Steinberger abtauchte.
Ein kurzer Rundumblick zeigte ihm, dass jeder in der Lanze seinen Gegner hatte.
Frederic duellierte sich gerade mit Jack Ryan-Jones in seinem Pillager. Beide Mechkrieger schenkten sich schwere Treffer ein, weigerten sich aber vehement zu Boden zu gehen. Noch hielt die Panzerung auf beiden Seiten.
Damien Mulgrew setzte gerade gezielte Schüsse in den Crusader von Master Sergeant Shepard, während Peter Cliche sich gegen den Clint von Stonefield abmühte.
Obwohl deutlich leichter, hatte der Clint keinerlei Mühe gegen den schweren Mech. Schuss um Schuss pflanzte der ehemalige Steineroffizier in den Hopper, während er selber wie ein aufgeschrecktes Huhn hin und her sprang.
Rauchend ging der Grasshopper zu Boden und blieb regungslos liegen.
Aber Mulgrew war sofort zur Stelle und beharkte den Clint mit allem was er hatte, während der Crusader sich seinerseits wieder auf mühte.
Damien machte seinem Callsign alle Ehre. Zielsicher versenkte er seine Schüsse in die beiden Mechs und hielt sie effektiv beschäftigt. Das würde er allerdings nicht auf Dauer durchhalten.

Matthew richtete seine Gaussgeschütze auf den Crusader aus, als der Marodeur von Steinberger wieder hervorkam.
Dumpf hämmerten die beiden PPK Blitze in die dicke Torsopanzerung seines Mechs. Seine Anzeigen blinkten kurzfristig wie ein Feuerwerk auf, beruhigten sich aber schnell. Fast zwei Tonnen Panzerung lagen zu den Füßen seines Mechs, aber noch hatte er genug.
Er zog den Nightstar zurück und löste die Sprungdüsen für einen kurzen Hopser aus.
Im Sprung drückte er den Auslöser für die beiden Gaussgeschütze und sandte zwei silbrige Blitze in den Marodeur. Die eine schrammte am rechten Arm des Mechs entlang, während die andere direkt und brachial in das passende Bein einschlugen und den 75 Tonnen schweren Mech kurz zur Seite drückten. Der Erwiderungsschuss aus der PPK ging dadurch weit fehl und verschaffte Matthew kurzfristig etwas Luft.
„Desert hier. Duke ist ausgefallen. Kopfschuss. Haben Probleme. Infanterie mit Sprengpaketen und Masa…“
Der Rest ging im Knistern einer kurzen Überlagerung unter.
Da hatte sich also Copeland eingeschaltet.
„Behemoth. Wo bleibt Fegefeuer?“
„Kommt Prince, in zwo, eins.“
Dumpf dröhnten die Raketen, als sie über das dichte Blätterdach rauschten und dann niedergingen.
Die Explosionen blieben allerdings aus, stattdessen tat sich ein greller Blitz auf und ein Flammenteppich senkte sich auf die Position, wo sich noch kurz zuvor die Scouts befunden hatten.
„Zweite Salve in zehn. Salven drei und vier folgen.“
Matthew nickte zufrieden und löste die mittelschweren Impulslaser auf Steinbergers Marodeur aus.
Die grünen Lichtnadeln schälten die Panzerung vom Torso der schweren Maschine und zwangen den Krieger, sich kurzfristig in das dichte Blätterwerk und außer Sicht zurückzuziehen. Matthew sandte ihm noch eine Gausskugel hinterher und veränderte dann wieder mit Hilfe der Sprungdüsen die Position.
„Shadow Go.“
Die blauen Icons, die für Sergeant Decaroux und die Kommandotruppe standen lösten sich aus der Formation und teilten sich unter den beiden Kampflanzen auf, während das Icon von Desert einmal aufblinkte und dann ausfiel. Der dritte Verlust seiner Kompanie.
Schnell verschaffte er sich einen Überblick, bevor Steinberger mit seinem Marodeur wieder auftauchte.
Mulgrew schaffte es irgendwie sehr souverän die beiden Gegner zu beschäftigen und selber möglichst wenig Treffer zu kassieren. Frederic lieferte sich ein hartes Duell mit Ryan-Jones. Beide Mechs hatten einige schwere Treffer kassieren müssen, aber noch waren sie voll bewaffnet und standen aufrecht. Wie zwei Raubkatzen umschlichen sie sich und versuchten einen Vorteil über den jeweils anderen zu erlangen.
Die Scouts waren mittlerweile bei der Position von Desert angekommen und schalteten sich ins Geschehen ein. Allerdings folgte ihnen die Lanze von Tsuno dicht.
Insgesamt hatten sie bisher drei Mechs verloren. Den Grasshopper von Cliche, Deserts Thunderbolt und Duke in seiner Trebuchet.
„Hier Sparrow. Ripper ist down, Yamada zeigt schwere Schäden. Weichen auf Position Charlie aus!“
Also vier Mechs, bald fünf.
So langsam kippte das Kräfteverhältnis zu ihren Ungunsten.
Das Zentrum war ein einziges Knäuel aus roten und blauen Symbolen, dort tobte eine wilde Schlacht.
Doch dann war Steinberger in seinem Marodeur wieder da und deckte Matthew mit den Lichtbolzen seiner Laser und der Raketenlafette ein.
Nur leichte Treffer bisher.
Aus den Augenwinkeln sah Matthew wie Frederic in seinem Daishi zu Boden ging und der Pillager sofort mit Feuer spuckender Autokanone nachsetze.
Mulgrew wurde immer weiter zurückgedrängt und der linke Arm seines Mechs hing bereits nutzlos herab.
Dumpf donnernd schlugen wieder die PPK Blitze in seinen Nightstar ein und ließen ihn kurz auf ein Knie sinken.
Siegessicher rückte der Marodeur sofort nach und richtete die Waffen auf ihn.
„Zu vorschnell, mein Freund.“
Mit einem tiefen Knurren zog Matthew das Fadenkreuz über die gedrungene Silhouette des Mechs und löste sämtliche Waffen aus.
Die beiden Gausskugeln schlugen tiefe Löcher in die Torsopanzerung des Marodeurs. Während die mittelschweren ER Laser Panzerung von Armen und Beinen schälten. Die beiden Impulslaser stachen wie zornige Bienen in die Torso Breschen.
Rauchend ging der Marodeur zu Boden und blieb regungslos liegen.
Matthew rappelte sich wieder auf.
Sofort zwangen ihn schwere Treffer wieder zu Boden.
Mit röhrender Autokanone kam Jack Ryan-Jones in seinem Pillager auf ihn zu.
Der stetige Strom an hoch-explosiven Granaten riss die Panzerung in Streifen.
Dann war der 100 Tonnen Koloss heran und löste seine Raketenlafette aus.
Ein schmieriger Film breitete sich vor Matthews Mechs aus und legte sich dann über die Maschine. Sofort züngelten ultra-heiße Flammen an seinem Mech empor und verzehrten alles, was sich ihnen in den Weg stellte.
Fast schon überheblich trat der Pillager einen Schritt zurück. Die Autokanone schwieg für den Moment, aber Matthew konnte eindeutig sehen, wie das Gaussgeschütz sich für den finalen Treffer vorbereitete.
Bläulich leuchteten die Spulen, als sie die Energie für die Beschleunigung der Nickel-Eisen Kugel sammelten.
Laut gellten die Sirenen in seinem Cockpit und warnten ihn vor der drohenden Notfallabschaltung.
Das musste man Jack lassen. Der Moment war perfekt und die Reaktion optimal gewesen. Normalerweise lief Matthews Nightstar außerordentlich kühl, doch nach diesem Alpha Schlag, gepaart mit der Außentemperatur, begann die Wärmeskala unnatürlich schnell zu steigen. Die Inferno Raketen hatten ihren Teil dazu beigetragen.
Schweiß lief Matthew am ganzen Körper entlang und tropfte auf die Armaturen, nur um dann dampfend zu zischen und zu vergehen.
Sein Körper brannte, als würde er in flüssigem Öl sieden, aber er würde nicht aufgeben.
Etwas träge schlug er auf den Veto Schalter und drückte seinen Mech dann nach oben.
Kaum dass beide Füße wieder den Boden berührten, drückte er beide Pedale voll durch und raste auf den Pillager zu.
Ryan-Jones reagierte gut, aber etwas verzögert. Er löste das Gaussgeschütz aus und nahm die Laser zur Hilfe, allerdings fegte die silbrige Kugel knapp über Matthews Mech hinweg und die Laser vermochten den beschleunigten Mech nicht aufzuhalten.
Das war, trotz der Hitze, einer der schönsten Momente in seinem Leben als Mechkrieger.
Die Glut des Gefechtes, die Hitze, das Blut, das in Wallung war, durch seine Adern pulsierte. Er fühlte sich lebendiger, als nie zuvor.
Er war für den Kampf geboren.
Das dreifach Myomer tat sein Übriges. Wie ein Ringer auf Steroiden raste der Nightstar auf den Pillager zu und rammte den 100 Tonner frontal. Brutal wurde Matthew in die Gurte geschleudert und Sterne blitzen vor seinen Augen auf.
Warnsirenen brüllten ihren Frust hinaus und mit einem dumpfen Aufprall gingen die beiden überschweren Kolosse zu Boden.
Ein lautes Scheppern ertönte, gefolgt von einem nerv tötendem Schreien, von Metall, dass in Streifen gerissen wurde.
Der Pillager hieb mit beiden Armen um sich, und die kurzen Klauen an den Handenden rissen die Panzerung mit einem hochfrequenten Geräusch von dannen.
Ein Schlag in die Torsomitte stieß den Nightstar leicht zur Seite und verschaffte dem Pillager kurz Zeit, sich wieder aufzurichten.
Auch Matthew riss seinen Mech wieder auf die Beine, nur um sich sofort wieder auf den Pillager zu stürzen. Noch im Laufen löste er die drei ER Laser aus und schlug dann nach dem Pillager. Dem Schlag folgte ein Tritt, der sich tief in die interne Struktur des rechten Beines des Gegners vergrub.
Aber Jack ließ nicht locker.
Wieder trafen die beiden Klauenbewehrten Fäuste auf den Nightstar und ließen ihn schwere Brocken Panzerung verlieren.
Gehetzt ging Matthew seine Möglichkeiten durch, während er einen flüchtigen Blick auf die Taktikanzeige warf.
Dieses Duell bot ihm wenige Möglichkeiten sich auf die Schlacht zu konzentrieren, was schnell tödlich enden konnte, für eine Einheit, aber die Chevaliers bewiesen, dass das Training der letzten Wochen Erfolg gehabt hatte.
Das dichte Knäuel im Zentrum war mittlerweile deutlich ausgedünnter und das blau fing an, die Oberhand zu gewinnen.
Jara hatte ihren Gegner komplett aufgerieben, wenn es sie auch die Hälfte ihrer Mechs gekostet hatte.
Langsam, aber beständig näherten sie und Kotare sich dem Zentrum.
Behemoth gab permanentes Raketenfeuer und rückte langsam auf, einen Teppich aus heißer Glut im Rücken ihres Gegners legend.
Tear ihrerseits wich zurück und bugsierte ihre Raketen ins Ziel. Die Lanze von Dawn war noch erstaunlich komplett, allerdings die Kampflanze von Matthew nicht mehr existent. An ihrer Stelle mühten sich die beiden Scoutlanzen, die feindliche Scoutlanze und die Reste von Copelands Regimentskommandolanze aufzuhalten, die soweit er das auf die Schnelle erfassen konnte, nur noch aus Copeland selbst bestand.
Jack hatte den kurzen Moment seinerseits genutzt und etwas Distanz zwischen den Pillager und den Nightstar gebracht und zu Matthews Ärger hatten die Infernos aufgehört zu brennen und sein Mech kühlte bereits wieder ab.
Das ist wohl das erste Mal, dass ein Mechkrieger sich darüber ärgert, dass Inferno Raketen aufhören zu brennen.
Der Gedanke brachte ein Lächeln auf seine Züge, während er Jacks Pillager wieder ins Ziel nahm.
In nahezu perfekter Synchronisation brachten beide Mechkrieger ihre Arme und Waffen hoch und lösten gleichzeitig das horrende Arsenal ihrer Mechs aus.
Die Gausskugel des Pillager riss den rechten Arm des Nightstar mit sich, während die Autokanone sich ihren Weg in das Herz des Mechs fraß.
Matthew setze die beiden Gausskugeln zu hoch an, während die Laser fehl gingen.
Das letzte, was er sah, als die Laser des Pillager seine Reaktorabschirmung aufbrachen, war, wie die silbrige Kugel in das Cockpit des Pillager einschlug.
Dann wurde der Bildschirm schwarz und das Manöver war für ihn vorbei. Stille kehrte ein und ließ ihn mit seinen Gedanken, schwer atmend allein.

Seufzend genoss Matthew die prickelnden Strahlen der Dusche auf seinem Körper.
Das Szenario war mittlerweile vorbei und der Großteil der Chevaliers bereits geduscht und auf dem Weg in den besprechungsraum. Er hatte sich die Zeit genommen und noch eine Weile schweigend im Simulator gesessen und war die Schlacht in Gedanken durchgegangen.
Ein kurzes Klappern der Tür ließ ihn die Augen öffnen und den Kopf heben.
Vor ihm stand ein abgekämpfter, durchgeschwitzter und nackter Jack Ryan-Jones.
Er nickte Matthew zu, während er sein Handtuch und die Duschutensilien auf der kleinen Holz Bank ablegte.
Mit einem lauten Zischen sprang die Dusche neben Matthew an.
Unwillkürlich musste er Lächeln, während er aus den Augenwinkeln den zerschundenen Körper des Einäugigen musterte,
Jack starrte stur geradeaus, während die Wassertropfen an ihm herabperlten.
Einige verirrten sich in die Furchen, die die Narben auf seinem Körper bildeten und rannen dort entlang.
Sie erzählten ihre ganz eigene Geschichte von Schmerz und Leid und man konnte nur erahnen, was dieser Mann durchlitten hatte.
Matthew riss seinen Blick los und schaute auf, direkt in das ihn fixierende Auge des Piraten.
Er lächelte entwaffnend und fuhr sich durch die kurzen, nassen Haare.
„Ein guter Kampf. Lange her, dass ich einen solch aufregten Moment erlebt habe und sie sind verdammt zäh für einen Piraten. Die meisten, die ich kennenlernte rannten eher weg, als bis zum bitteren Ende zu kämpfen.“
Jack drehte sich zur Seite und schnaufte.
„Ich laufe nicht weg.“
Dabei beließ er es.
„Ich muss mich bedanken, Jack.“
Verblüfft ruckte der Kopf herum und suchte in Matthews Gesicht nach einer Regung, nach Anzeichen für einen Witz.
„Wofür?
„Dafür, dass sie meinen Jungs und Mädels das eingebläut haben und dass sie sich entschieden haben bei den Chevaliers zu bleiben.“
Matthew hob die Hände, sein Lächeln verflog.
„Verstehen sie mich nicht falsch. Manch einer hält wenig von ihnen persönlich, oder besser gesagt von ihrer Herkunft, aber das eheste was ich ihnen gegenüber empfinde ist Gleichgültigkeit.“
Er drehte sich zur Seite und schaltete die Dusche ab.
„Es ist mir egal wo sie herkommen oder wo sie hingehen. Das ist ihre Sache. Es interessiert mich auch nicht was sie so aktuell treiben, solange sie auf meiner Seite stehen und kämpfen.“
Er beugte sich vor und fixierte Jacks Auge.
„Denn, wenn nicht würde ich sie lieber tot wissen, bevor sie in ihrem Mech sitzen und die Hölle auf Erden entfesseln.“
Er lächelte wieder und griff nach seinem Handtuch.
„Captain!“
Die Hand an der Türklinke hielt er nochmal inne.
„Ich bin auch froh sie auf meiner Seite zu wissen. Sie haben gut gekämpft, danke.“
Matthew nickte und trat hinaus, es klang so, als würde Jack noch etwas murmeln, aber das war ihm egal.

Der Besprechungsraum füllte sich allmählich. Nach und nach trudelten die einzelnen Mechkrieger, Panzerfahrer und Infanteristen ein.
Anwesend waren bereits die Führungsriege, sowie alle Piloten, sowie Matthew und Jack, als erste Vertreter der Mechkrieger.
Ihnen waren kurz darauf die ersten „Gefallenen“ gefolgt. Cliche, Arkabi und die anderen. Sie wirkten niedergeschlagen und abgehärmt, anders als die Mechkrieger, die als letztes eintraten.
Jara Fokker kam als letzte, neben ihr Sergeant-Major Sharpe. Beide wirkten recht zufrieden, hielten diese aber achtungsvoll in Grenzen.
Jara kam auf Matthew zu, nickte kurz und setzte sich dann.
Es kam Ruhe in den großen Raum und Lieutenant-Colonel Copeland erhob sich von seinem Platz am Tisch der Führungsriege.
Gerade als er dazu ansetzte zu sprechen, trat Sergeant Jensen an Colonel Danton heran und flüsterte ihm was zu. Danton nickte kurz und erhob sich dann und folgte seinem Adjudanten nach draußen. Kurz vor der Tür nickte er Copeland nochmals kurz zu und der stellvertretende Kommandeur der Chevaliers setze zum Reden an.
„Gratulation Chevaliers. Sie haben erfolgreich die letzte Gefechtsübung abgeschlossen. Wenn auch mit hohen Verlusten, doch siegreich.“
Er ratterte kurz die Verlustliste herunter und blickte durch die Reihen. Die Betroffenen wirkten beschämt oder frustriert. Jack Ryan-Jones saß erstaunlich ruhig da und blickte ins Leere. Der Körper straff und mustergültig in seiner Sitzposition, während Matthew sich in eine etwas bequemere Position lümmelte.
Irgendwie war er recht zufrieden, als er die Zusammenfassung der Gefechtsergebnisse von Copeland hört, bis dieser vor ihm verharrte und stehen blieb.
„Captain Brenstein, würden sie mir ihre Taktik erklären und wie es zu solch hohen Ausfällen in der Einheit unter ihrem Befehl kommen konnte?“
Matthew blinzelte irritiert und völlig unwillkürlich zuckten die Bilder von Kathil vor sein geistiges Auge.
Die Kämpfe und die anschließend folgende, kurze Untersuchung mit dem Ziel einen Sündenbock für die Fehler der RKG Führung zu finden.
Diesmal nicht, diese Zeiten waren vorbei.
Gemächlich rutschte er wieder in eine anständige Sitzposition und guckte Copeland direkt an.
„Colonel, Sir, mit Verlaub, wir haben gewonnen und nur das zählt. Die Verluste waren ohne Frage weitaus höher, als ich es kalkuliert hatte, aber nichts desto trotz hat meine Taktik dazu geführt, dass es noch Chevaliers gäbe, die man nach Hause führen konnte.“
Es wurde kurz unruhig in der Menge und viele, kritische Stimmen wurden laut. Weitaus mehr, als Matthew erwartet hätte, zumindest von Soldaten.
„RUHE!“
Sofort wurde es schlagartig ruhig.
Mit völlig neutraler Miene, der man den lauten Schrei wenige Sekunden vorher nicht ansah, kam Copeland auf Matthew zu.
„Captain, das klingt mit Verlaub etwas arrogant. So wie ich das sehe, hatten sie vor den Feind auszuräuchern und mit indirektem LSR Feuer zu zermürben? Richtig.“
Matthew nickte.
„Das ist korrekt, Sir. Allerdings war dies nur ein Teil des Planes, da auf dem Gelände davon auszugehen war, dass es recht wenig Erfolg haben würde. Captain Fokker und ich, waren uns sicher, dass wir so einen Frontalangriff provozieren würden und wählten die uns dafür am sinnvollsten erscheinende Aufstellung.“
„Die Idee dahinter in allen Ehren, aber eine solche Taktik provoziert immer hohe Verluste, auf beiden Seiten und in der Regel greift eine solche Taktik am besten, wenn sie als Provozierender aus vorbereiteten Stellungen arbeiten. Was sie nicht waren. Sie waren auf der Pirsch und wurden dadurch schwerer getroffen als notwendig.“
„Das sehe ich nicht so, Sir!“
„Nicht?“ Irritiert hob Copeland eine Augenbraue.
„Nein. Wir hatten ohne Frage höhere Ausfälle an Piloten, die ich allerdings der Klasse unserer Gegner zuschreibe, nicht einer fehlerhaften Taktik an sich. Vorbereitete Stellungen wären optimal gewesen, ohne Frage, waren uns aber aufgrund von Gelände, Zeit und Reaktionszeiten nicht möglich. Wir haben dafür nahezu keine Verluste an Panzer und Infanterie verzeichnet und hätten wir Luftunterstützung gehabt, wären auch die Mechverluste geringer ausgefallen.“
Copeland schwieg kurz, drehte sich dann um und ging wieder auf und ab.
„So weit, so gut. Captain, das hier soll auch keine Gerichtsverhandlung werden. Ihre Taktik war gut, allerdings unter der gegebenen Situation nicht optimal und leicht zu durchschauen. Allerdings hat Captain Fokker ihren Ausfall sofort kompensiert und die Gefechstaktik intensiv fortgeführt.
Obwohl ihr Gegner geplant hatte, sie zu überraschen, hatten sie die ganze Zeit das Zepter in der Hand. Das ist gut. Sagen sie Captain Brenstein, was hätten sie getan, wenn sie erfahren hätten, dass der Feind eine kleine Truppe zu ihren landungsschiffen entsandt hat, um diese zu kapern?“
Eine Fangfrage und noch dazu eine offensichtliche. Matthew grinste breit und zeigte dabei angriffslustig die Zähne.
„Dann Sir, hätte ich mich persönlich darüber gefreut, dass der Gegner uns die Arbeit abgenommen hat. Ich hatte mit so etwas gerechnet, tatsächlich habe ich so etwas bereits erlebt und deswegen die Landezone verminen lassen, sowie zwei Lanzen Panzer und einen Großteil der Pioniertruppe, sowie Sprengstoffexperte vor Ort Stellungen anlegen lassen, als auch Sprengfallen zu legen. Das offene Gelände der Landezone bot den Schiffen optimale Sensorreichweite und kein Mech oder Panzer hätte sich ohne weiteres unbemerkt nähern können. So blieben nur Kröten oder Infanteristen. Beides hatte ich berücksichtigt und deswegen auch einige unserer Gefechtspanzer zurückgelassen.“
Copeland lächelte, kurz, aber es war da.
„Ja, das hat Colonel McAllister schmerzlich am eigenen Leib erfahren. Ihre Truppe wurde bei einem Versuch, eben dies zu Unternehmen, komplett aufgerieben ohne den Verteidigern wirklich nennenswerte Verlust beizufügen.“
Er trat kurz an den Tisch der Führungsriege und nickte sich kurz mit den Anwesenden ab.
„Nichts desto trotz wäre das Mechbataillon der Chevaliers als kämpfende Truppe nicht mehr einsatzfähig gewesen. Die Verlustrate lag bei zwei Lanzen Totalausfall und zwei weitere schwer angeschlagen. Im besten Falle hätte Captain Fokker noch eine Kompanie Mechs um sich scharen können, vom Ausfall ihres Führungsoffiziers ganz zu schweigen.“
„Ich bin mir sicher, Captain Fokker hätte das geschafft, Sir.“
Copeland hob die Hand.
„Ohne Frage, Captain. Allerdings, und das war der Sinn hinter dieser Übung, gebe ich zu bedenken, dass der Gegner uns nahezu völlig unbekannt ist und somit die Verluste auch weitaus höher ausfallen können. Was hätten sie getan, wenn der Feind sich nicht gezeigt hätte oder sie gar ganz umgangen hätte?“
Matthew schüttelte den Kopf.
„Selbst der Dschungel hat irgendwann ein Ende und wir haben unser Sensorgitter zwar spärlich, aber dicht ausgeworfen. Außerdem wäre ich nicht tiefer in den Dschungel vorgerückt. Tatsächlich vor Operation Fegefeuer eher dazu gedacht, den Gegner zu offenbaren, als ihn direkt zu uns zu treiben. Ich möchte nicht ausschließen, dass als das hätte schief gehen können. Letztendlich geht es auch nicht darum perfekt vorbereitet zu sein, sondern das Beste aus der Situation vor Ort zu machen und so viele seiner Jungs und Mädels nach Hause zu bringen, Sir. Alles andere ist Augenwischerei. Sicherlich kann man sich so optimal wie möglich vorbereiten, aber auf das Unerwartete kann man das nun einmal nicht.“
„Das heißt also, wenn ihre Niederlage offensichtlich gewesen wäre, hätte sie den Rückzug befohlen?“
„Wenn ich dazu gekommen wäre, ja.“
„Und wenn es letztendlich zu einem Kontraktbruch gekommen wäre? Feigheit vor dem Feind und Nichterfüllung des Kontraktes.“
Matthew schluckte. Er war Söldner, aber nicht von Geburt an. Tatsächlich verhielt es sich für einen Mechkrieger bei Hauseinheiten völlig anders.
Copeland fuhr allerdings fort.
„So ein Kontraktbruch kann für eine Söldnereinheit das Ende ihrer Existenz bedeuten. Jedoch kann das auch die Auslöschung einer ganzen Einheit sein. dies bezüglich haben sie gute Arbeit geleistet, aber vergessen sie das nie. Der Weg den wir als Söldner beschreiten ist hauchdünn und der kleinste Fehltritt kann das Ende bedeuten, auf die eine oder andere Art und Weise.“
Dann fuhr er fort mit den restlichen Beurteilungen. Es hagelte Kritik, aber auch aufbauendes Lob. Alles in allem war die Grundstimmung im Raum zum Ende von Copelands Vortrag positiver, als vorher, wenn Matthew auch etwas gedankenverloren da saß und vom Rest nur bedingt etwas mitbekam.


Das letzte worauf Torgeir im Moment Lust hatte, war zu warten. Noch dazu mit dieser überaus gesprächigen „Empfangsdame“ in Form eines schwer beschäftigten Corporals, dem es so ziemlich an weiblichen Eigenschaften, Sex Appeal und generell an Dingen fehlte, die diese Person für Torgeir interessant gemacht hätte.
Militärs.
Wenn man mal eine Frau vorfand, war sie meistens so schwer verdorben und wirkte eher wie Hulk mit Brüsten, als wie das anziehende Wesen, dass sie von Natur aus sein sollte.
Seufzend ließ er sich auf die Bank fallen. Selbst der schmale Raum war erschreckend ernüchternd. Grau. Keine Bilder. Ein kleines Fenster mit Ausblick auf den Innenhof der Kaserne und der kleine Tisch, hinter dem der Corporal auf die Tasten seines Comps einhämmerte, als würde er Abwehrlafetten damit bedienen.
Wenn das wenigstens ein Frau wäre. Jede ihrer Bewegungen würde von einem Wippen ihrer Brüste begleitet werden und er hätte wenigstens etwas anzuschauen. So blieb ihm nur der muskulöse Arm und der krampfhafte Versuch sich etwas anderes vorzustellen.
„Mister Svensson?“
Die Stimme riss ihn aus der kurzen Träumerei und enthusiastischer, als beabsichtigt sprang Torgeir auf und starrte auf den Mann vor sich, der ihm die Hand ausgestreckt entgegen hielt, während er sich mit der anderen auf einen Gehstock stützte.
Hinter ihm stand ein Sergeant in strammer Haltung, die Uniform gebügelt, gestreckt und perfekt in Schuss, leider immer noch keine Frau.
„Colonel Germaine Danton. Ich hörte sie hätten etwas Polizeiliches mit mir zu bereden?!“
Torgeir nickte und folgte dann Danton, als dieser sich in Richtung des kleinen Büros am nördlichen Ende in Bewegung setzte.
Der Sergeant hielt sich hinter ihm und folgte still.
„Es heißt übrigens Chu-i.“
Er war hier beim Militär und dafür tat sein Dienstrang seine Pflicht. Gib dem Militär was an die Hand, woran sie sich festhalten können, das macht es dir leichter.
Danton humpelte in den großen Raum, umrundete den etwas bulligen Tisch und ließ sich ächzend auf dem gepolsterten Stuhl sinken.
Das große Panorama Fenster bot einen Atemberaubenden Ausblick auf triste graue Wolken und Lichtschluckende Kolosse in Form der Landungsschiffe der Einheit.
Wieder seufzte Torgeir, als er seinen Schlapphut abnahm und dem Sergeant zusammen mit seiner Jacke in die Hand drückte.
Die Nambu Dienstpistole hing offen unter seiner linken Achsel und rang dem Colonel ein kurzes Aufblitzen in den Augen ab.
Reflexartig griff Torgeir mit der linken unter die rechte Achsel, allerdings befand sich das Etui mit den Zigarillos in der Jacke.
Fluchend kratzte er sich stattdessen leicht und ließ sich auf einen angebotenen Stuhl dem Colonel gegenüber sinken.
„Also, was kann ich für sie tun Chu-i Svensson? Hat einer meiner Jungs und Mädels etwas ausgefressen, von dem ich wissen sollte?“
Torgeir lächelte leicht, ließ es dann aber sein, als er in die ernste Miene seines Gegenübers blickte.
„Nicht dass ich wüsste, Colonel.“
Danton hob wieder eine Augenbraue und blickte kurz zu dem Sergeant, der sich unauffällig im Hintergrund hielt.
„Und was machen sie dann hier bei mir?“
Torgeir zuckte leicht mit den Schultern.
„Tai-i Benton schickte mich zu ihnen, nachdem er von meinem Anliegen gehört hatte.“
Er pausierte kurz und musterte den Mann vor sich eingehender.
Augen die viel gesehen hatten. Ein Körper der noch mehr erlebt hatte und die Seele eines Kämpfers. Die Uniform saß perfekt, nur die Cartoon Maus auf dem Handrücken des Verbandes störte das Bild ein wenig.
Harter Militär Mann und steht auf Mickey Maus. Na Super.Rechtzeitig genug biss er sich auf die Zunge und lächelte stattdessen.
Danke Harusaki, war die Zeit mit dir also doch nicht umsonst.„Es geht um einen LKW. Wir fanden heute früh einen ausgebrannten LKW im Industrial District. Leihwagen, eindeutig für militärische Aufgaben gedachte und zumindest die wenigen Daten, die wir erhielten, führten uns in die Kaserne. Tai- i Benton sagte, dass ihre Einheit bald ausschifft und sie deswegen ein erhöhten Bedarf an Transportfahrzeugen hatten.“
Danton nickte nur.
„Das ist korrekt, allerdings ist mir schleierhaft, warum einer meiner Leute einen LKW abbrennen sollte.“
„Na, ich sage ja nicht, dass es einer ihrer Leute war, aber vielleicht weiß jemand etwas. Ich würde gerne einige ihrer Leute dazu befragen und die notwendigen Unterlagen einsehen.“
„Chu-i Svensson, ich würde ihnen gerne helfen, aber der Zeitpunkt dafür ist denkbar ungünstig.“
„Ah, sie meinen ihren Abflug? Nun geben sie mir einen Tag, maximal zwei und ich bin wieder verschwunden!“
„Tut mir leid! Wir fliegen morgen ab.“
Prächtig und wahrscheinlich sehen wir euch nie wieder. Also wieder etwas für die Akten.Er grummelte und starrte den Mann vor sich an. Nur am Rande bemerkte er den sanften Duft, der sich den Weg in seine Nase emporarbeitete.
„Kaffee? Die Bohnenauslese stammt ursprünglich von Terra, Kolumbien.“
Das Wasser rann Torgeir sofort in den Mund und er konnte nur stumm nicken, als seine Hand nach der Tasse dampfenden Genussmittels griff.
Dieser Duft war betörend.
Verdammt, das ist Bestechung! Aber eine schöne.Schlurfend nahm er einen Schluck und stellte die kleine Keramik dann wieder ab.
Danton trank ebenfalls einen Schluck, bevor er fortfuhr.
„Allerdings kommen wir hoffentlich bald wieder und eine kleine Abordnung meiner Einheit verbleibt hier auf dem Planeten. In erster Linie, um den Ausbau der neuen Stadt zu überwachen!“
Jetzt war es an Torgeir eine Augenbraue zu heben.
Verwirrt lehnte sich Danton zurück und lachte dann.
„Ach sie wissen nicht, dass der Herzog mich zum Grafen ernannt hat, samt Lehen?“
„Nein, das war mir nicht bewusst.“
Als würde mich das interessieren, wen dieser Gaijin zu seiner privaten Nutte macht. Wobei er seinen Job bisher sehr gut erfüllt hat.Grummelnd zollte Torgeir dem herzog in Gedanken Respekt und nippte wieder an seinem Kaffee.
„Der ist wirklich sehr gut. Nun Colonel Graf Danton, wie können wir da verbleiben?“
Er spie das Wort Graf mehr aus, als er beabsichtige, aber das schien sein gegenüber entweder nicht zu bemerken oder er ignorierte es geflissentlich.
„Ich wüsste da etwas. Sergeant Hönigschmid. Er ist uns von den Wayside Eagles als Nachschubunteroffizier und Mat-Wart zugeteilt worden. Ich denke er dürfte einige Listen haben und am ehesten wissen, wer so etwas tun könnte. Nicht zuletzt ist da noch die Wache. Die wird ebenfalls von der Miliz gestellt, meine Jungs und Mädels hatten einen ziemlich vollen Dienstplan und konnten daran nicht teilnehmen.“
Super, Brotkrummen und weiter geht es. Als hätte ich nicht genug zu tun und zu wenig Zeit dafür.Er kippte den Kaffee wenig genießerisch in einem Zug herunter und erhob sich ruckartig.
„Gut, dann fange ich am besten sofort an. Wo finde ich diesen Sergeant Hönigschmid?“
Was für ein bescheuerter Name, man sollte seine Eltern dafür erschießen lassen.
Danton wirkte kurzfristig etwas konsterniert.
„Nun, er sollte im Moment in der Waffenkammer sein. Sergeant Jensen zeigt ihnen den Weg.“
„Danke!“
Er griff die ihm dargebotene Jacke und seinen Schlapphut vom Sergeant und nickte dem Mann zu, voraus zu gehen.
„Ach Chu-i. Sagen sie, wieso ist das so wichtig? Ich meine ein ausgebrannter LKW ist zwar ein Verlust, aber durchaus etwas, womit man selten einen Polizisten betreut.“
Er drehte sich kurz um und blickte dem mann tief in die Augen.
„Es geht vermutlich um einen Mord, wir fanden Blut an dem LKW. Vorderer Kotflügel.“
Torgeir tippte sich an den Hut und wand sich wieder zum Gehen.
„Blut? Von wem?“
„Das wissen wir noch nicht. Die Analyse läuft noch. Vermutlich irgendein Passant.“
Misstrauisch geworden blieb Torgeir stehen und drehte sich abermals um.
Danton war mittlerweile aufgestanden und humpelte auf ihn zu. Eigentlich wirkte es eher leicht hüpfend, wie er das Bein kurzfristig aufsetze und ohne den schmucken Gehstock auf ihn zu eilte.
Wenige Zentimeter vor dem Draconier blieb er stehen und starrte ihm in die blauen Augen.
„Weil ich vor nicht allzu langer Zeit einen Offizier durch einen Unfall verloren habe. LKW. Fahrerflucht. Das passt etwas zu gut ins Bild.“
„Das sind natürlich sehr interessante Informationen. Also könnte es sich unter Umständen um Mord handeln, oder zumindest fahrlässige Tötung.“
„Chu-i ich weise den Corporal an ihnen die medizinischen Daten von Lieutenant Holler zukommen zu lassen. So hieß der verstorbene. Würden sie bitte prüfen, ob das Blut von ihm stammt. Wenn sie sonst noch etwas brauchen, sagen sie Bescheid. Sergeant Jensen kümmert sich darum.“
Seine Stimme war ein Flüstern, aber die Emotionen darin waren unverkennbar. Wut. Hoffnung auf Gerechtigkeit. Der Wunsch Unrecht zu begleichen.
Also doch keine emotionslosen Killer, die für Geld ihre Loyalitäten wechselten, wie Harusaki vermutlich seine Socken am Tag.„Das werde ich tun. Danke Colonel Danton!“
Er reichte dem Mann die Hand, der sie fest ergriff, dann wandte er sich endgültig zum Gehen.
Torgeir griff in die Jacke, zog sich einen Zigarillo hervor und steckte ihn sich in den Mund. Kaffee, Rauchen und jetzt fehlte nur noch eine Frau. Mit Schrecken erblickte er aus dem Augenwinkel den männlichen Corporal, der immer noch auf seinen Comp hämmerte.
Sich schüttelnd zog er den Schlapphut tiefer ins Gesicht, die Jacke enger und trottete hinter Sergeant Jensen hinterher.

__________________
Wer aufhört besser zu werden, hat aufgehört gut zu sein!

"Ich treffe alles, was ich sehe!"
Starcolonel Kurt Sehhilfe, Clan SeeBug
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Wayside V („Wildkatz“)
Loren Jaffray Raumhafen, Milizkaserne
31. August 3066, 04:27 Uhr


Die Kaserne lag noch im Dunkeln. vereinzelte Lichter beleuchteten den Gang nur schwach, zeugten aber entweder von Nachtaktiven oder Frühaufstehern.
Alec Brestwick bewegte sich leise durch die Flure. Nur bedingt nahm er seine Umgebung wahr, so sehr war er in Gedanken versunken.
Er rieb sich mit einem Gähnen die rot-geränderten Augen. Kurzfristig schwankte er und musste sich an der kühlen Metallwand abstützen.
Der Schlafmangel macht ihm zu schaffen. Seit Tagen hatte er nicht mehr geschlafen. Seine Gedanken überschlugen sich in einem Tempo, das mit der besten Autobahn mithalten konnte.
Worauf hatte er sich da eingelassen? Schwarzmarkthandel? Dubiose Gestalten? Mord?
Er hatte doch nur sein mickriges Tech-Gehalt aufpäppeln wollen, aber es war niemals die Rede davon gewesen, dass dabei Leute zu Schaden kamen und jetzt…jetzt war da dieser Polizist aufgetaucht.
Alec zitterte immer noch bei dem Anblick des Mannes, wie er gestern mit Sergeant Hönigschmid gesprochen hatte.
Er hatte im Nebenraum Waffen sortiert und geprüft und dabei das kurze Gespräch belauscht.
Es war schnell offensichtlich geworden, dass der Mann einen Zusammenhang zwischen dem Tod von Holler und der Kaserne sah und dazu kam der LKW, den Lon Devour entsorgt hatte.
Alec schwitzte, trotz der kühlen Luft, die durch den Kasernenkomplex fegte.
Er sah das Licht, dass aus der Waffenkammer fiel schon von weitem, bevor er die Stimmen hörte oder gar alles realisierte.
Eher intuitiv, als direkt geplant blieb er an der Wand nahe dem Eingang stehen und lauschte.
„Lon, du hast scheiß Arbeit geleistet. Verdammt. Den halben Nachmittag hatte ich gestern diesen Verfluchten Drac-Polizisten hier, der mir wieder und wieder Fragen stellte. Du sagtest doch, alles wäre glatt gelaufen!“
Das war eindeutig Sergeant Hönigschmid und das Thema verdrängte sofort Alecs Müdigkeit.
„Konnte ja keiner wissen, dass die hier so motivierte Bullen haben. Der LKW ist jedenfalls beseitigt. keine Spuren, die zu uns weisen. Die Register sind gelöscht, DNS Spuren sind beseitigt. Nichts. Soll er doch im Dunkeln fischen.“
Alec konnte förmlich hören, wie Hönigschmid die Luft zwischen den Zähnen zusammenzog und den Kopf schüttelte.
„Nein, Lon. Die werden solange nachbohren, bis aus Prinzip ein Kopf rollen wird und meiner wird das nicht sein.“
Es folgte kurzes Schweigen.
„Meiner auch nicht, Sarge. Dafür sorge ich!“
„Was schwebt dir vor Lon?“
„Wir hinterlassen ein paar Indizienbeweise, streuen hier und da ein paar Hinweise und können letztendlich sagen, dass wir alles getan haben, bei der Aufdeckung des Falles zu helfen.“
„Und wen gedenkst du dafür zu opfern?“
„Brestwick. Er würde uns früher oder später eh verraten. Entweder mit Absicht oder aufgrund seiner Weichherzigkeit. Er passt nicht zu uns.“
Alec blieb das Herz in der Brust stehen. er hatte echt gedacht, die beiden wären so etwas wie Freunde. Die gemeinsamen Abende, die Unternehmungen, die Pokerabende gegen die Panzercrew von Sergeant Witfield. Keuchend wich er von der Tür zurück.
„Das ist riskant Lon, wenn er zwitschert?“
„Ihm würde keiner Glauben, außerdem würde ich dafür sorgen, dass er nicht mehr reden kann.“
„Du willst ihn umbringen? Das wäre zu auffällig!“
„Nein nicht umbringen, oder vielmehrt es nicht so aussehen lassen. Wie wäre es mit einem unfall? Ein Lastcontainer der zufällig herunterfällt oder gar ein Stabler der auf Automatik gestellt ist und sich von allein in Bewegung setzt!“
Es herrschte kurze Still. Schwer atmend stand Alec mitten auf dem Gang. Das Blut raste durch seine Adern, sein Kopf schien zu explodieren, so viele Bilder, Eindrücke und Gedanken rasten hindurch.
Sie wollten ihn umbringen. Beseitigen, wie Ballast oder Dreck.
„Dann mach es so, Lon, aber unauffällig.“
„Geht klar Boss!“
Alec stolperte rückwärts gegen die Wand, ein lautes Scheppern ertönte und sofort war es still in der Waffenkammer.
Das Adrenalin raste durch seine Adern und er hielt sich nicht länger mit nachdenken auf.
Auf dem Absatz wirbelte er herum und sprintete den Flur entlang. Die kleine, verräterische Dose, die an der rückwärtigen wand gestanden hatte und durch seinen Fuß umgestoßen gefallen war, nicht weiter beachtend.
Mit einem lauten Fluchen sprang Lon Devour aus der Waffenkamer und hetzte Alec hinterher.
Der private war deutlich besser in Form als Alec und mit jedem Mal, mit dem sich der junge Tech umdrehte, konnte er sehen, wie der Abstand beständig schrumpfte.
Er schlug Haken und lief Zickzack, sprang über Hindernisse, setzte durch offene Türen hinweg und arbeitete sich ohne konkretes Ziel durch den kasernenkomplex.
Wo war die verdammte Wache? Wo waren die Soldaten, wenn man sie brauchte. Er hetzte eine kleine Schräge hinauf und bog um eine Ecke ab. Nur aus den Augenwinkeln heraus nahm er ein Hindernis wahr und sprang. Keuchend ging sein Atem, das Blut donnerte tosend durch seinen Körper, dann…
Fiel er.
Mit einem dumpfen Knall schlug er auf und verlor das Bewusstsein.


Vier Stunden später

Torgeirr musterte den Sergeant vor sich und runzelte die Stirn, während Harusaki die Befragung fortführte.
Er konnte nur bedingt der Unterhaltung folgen, einige wenige Wortfetzen drangen zu ihm durch, während er eher desinteressiert an seinem Zigarillo zog und dann von einem Donut abbiss.
Die süße des kleinen Gebäcks verstärkte den Geschmack seine Zigarillos noch und er genoss es.
Es interessierte ihn wirklich nicht, was Harusaki aus dem mann herausquetschen konnte. Der Kerl hatte Dreck am Stecken und das wusste Torgeirr.
Seine Nase zuckte und grummelnd rieb er sie sich.
Sie zuckte immer, wenn er seinem Ziel ganz nahe war.
Wieder biss er von dem Donut ab und lehnte sich entspannt gegen die angewärmte Metallwand der Waffenkammer. Der Schlapphut verdeckte ihm leicht die Sicht und so sah er nur das Stiefelpaar des Mannes ihm gegenüber.
Das war ihm auch ganz recht. er hatte wenig Interesse in das Schweinsäugige Gesicht dieses Pitbull Terriers von Private zu starren.
Dann war da noch dieser andere Kerl, Master Sergeant Shepard. Schwer einzuschätzen, aber eines roch man schon zwanzig Meter gegen den Wind: Militär, durch und durch.
Nicht etwas, was Torgeirr groß störte, es machte den Mann berechenbar, ebenso der spürbare Zorn des Mannes. Hier würden Köpfe rollen, das wusste er und es ließ ihn wiederum entspannt die Unterhaltung zwischen Harusaki und dem Sergeant ignorieren.
„Chu-i Svensson. Wir benötigen sie hier eben.“
Torgeirr stieß sich von der Wand ab und drückte den Schlapphut mit der Fingerspitze nach oben.
Outlaw Jack Jones schoss ihm durch den Kopf, aber er sprach den Gedanken nicht aus, sondern lächelte nur. manchmal gefiel ihm dieses Cowboy verhalten, es entspannte ungemein und es wirkte höchst einschüchternd auf Leute wie Sergeant Hönigschmid. Wie ein Aal in der Falle wand der Mann sich und er schwitzte stark. Torgeirr zog eine Augenbraue hoch und schob sich den letzten Rest Donut in den Mund.
Harusaki schilderte ihm in seiner Engelsgeduld den Sachverhalt, während Torgeirr entspannt kaute. Nichts unerwartetes oder auch, was er nicht schon vermutet hatte.
Er blickte kurz zu dem Sergeant und dann dem private. Während ersteres stark vor Nervosität zu schwitzen schien, bot letzterer die Wand der Wut. kampfeslustig, fast wie ein Gorilla stand er da. Der Kopf hochrot und feucht glänzend, aber er schwitzte nicht so stark, wie sein Vorgesetzter.
Sollen sie ruhig weiter schwitzen.
„Sergeant Hönigschmid. Sie sagen mir also, dass Corporal Alec Brestwick, Techniker der Wayside Miliz und derzeit ihnen als materialwart und Waffensergeant unterstellt, den besagten LKW gefahren hat und damit maßgeblich zum Tode Lieutenant Toni Hollers beigetragen hat?“
Hönigschmid nickte nur stumm.
Torgeirr ging um den Mann herum, zog an dem Zigarillo und blies den Rauch in die Luft, nur um kurz darauf den leichten Vanillegeruch wieder einzuatmen.
„Und sie sagen weiter, dass sie nicht wissen, wo sich Corporal Brestwick derzeit aufhält? Wann haben sie den Mann das letzte Mal gesehen?“
„Gestern Nachmittag, zum Schichtende, Chu-i.“
„Und er machte keinerlei Anzeichen, sich aus dem Staub zu machen? Ich meine Sergeant, hier in der Kaserne herrscht Ausgangssperre und Colonel Danton hat das Verbot erteilt, das Gelände ohne Genehmigung zu verlassen, auf mein Anraten hin. Also wo soll ihr kleiner Vogel denn hingeflogen sein?“
Hönigschmids Augen huschten kurz zum Private, dann wieder zu Torgeirr.
Aha, also doch mehr, als ihr uns sagen wollt.
Die beiden waren eindeutig mehr als nur Untergebene, den ganzen tag über legten beide eine seltsame Vertrautheit an den tag, eine die über das einfache zusammenarbeiten hinaus ging, zumindest im alltäglichen Militärdienst und auch wenn Torgeirr kein Militär war, erkannte er dies.
Der Master Sergeant, Shepard schien dies auch zu sehen, aber noch stand er ruhig, wie ein Fels in der Kammer und hielt seine Wut im Zaum.
Ich hab keine Lust auf diesen Mist hier. Die beiden werden mauern, solange sie können. Das führt zu nichts.
„Das fällt mir äußerst schwer zu glauben Sergeant und ich denke Master Sergeant Shepard sieht dies auch so.“
Irritiert blinzelte Shepard und blickte zu ihm. Er hatte eindeutig nicht damit gerechnet ins Spiel gebracht zu werden, aber er fasste sich schnell und nickte nur, begleitet von einem leichten Knurren, das wie ein Ja klang.
„Ich denke Sergeant Hönigschmid, dass wir dieses Thema vertiefen sollten. Natürlich liegen mir keine Beweise vor und mir sind ein wenig die Hände gebunden, allerdings,“ Torgeirr griff in die Tasche seiner Sportjacke und zog ein kleines Papier hervor, „ hat mir Colonel Danton die Erlaubnis erteilt, im verdachtsfalle alle Personen der Chevaliers oder Wayside Eagles für 24 Stunden festzusetzen und zu verhören.“
Torgeirr beugte sich vor, bis sein Gesicht dem des Sergeants ganz nahe war. der Mann verzog die Miene, als ihn ein Schwall vanillegeschwängerten Atems traf, zusammen mit dem hauch Zucker des Donuts.
„Und ich gedenke von diesem Recht Gebrauch zu machen. Harusaki. festnehmen, alle beide. ich denke wir unterhalten in der Zentrale eingehender.“
Bei einer schönen Tasse Kaffee, mehr Donuts und irgendetwas, dass mich etwas ablenkt. wenn wir uns beeilen schaffe ich es noch rechtzeitig zu den Beach Girls of Galax.
Die proteste der beiden Männer gingen unter, als Torgeirr sich umdrehte und Master Sergeant Shepard musterte.
„Gibt es damit Probleme, Master Sergeant?“
Der Mann lächelte kalt, wobei er mehr Zähne zeigte, als manch einem lieb sein konnte. Sein Blick sprang kurz zwischen den beiden Männern.
„Absolut nicht, wobei ich die beiden Früchtchen sehr gerne selber verhören wollen würde. Leider lassen meine anderen Aufgaben das nicht zu.“
Torgeirr nickte, zwar waren die beiden ursprünglich Wayside Eagles, Milizionäre, aber nach den jüngsten Gefechten den Chevaliers zugeordnet worden.
„Ja sie starten bald. sagen sie ihrem Colonel, dass ich bald mehr für ihn haben werde.“
Er ging aus dem Raum und steckte sich den nächsten Zigarillo an. Die Kommentare der beiden Wayside Eagles ignorierte er, die murrend und keifend von Harusaki und den beiden unterstützenden Polizisten, die bis eben draußen gewartet hatten, abgeführt wurden.
Die sechs Männer legten den Weg trotz der beiden murrenden in ihrer Mitte recht schnell zu den beiden Einsatzwagen auf dem Kasernenparkplatz zurück.
Harusaki half noch dabei die beiden Eagles in den Wagen zu zwängen, als er zu Torgeirr trat, der seinen Zigarillo nachdenklich in der linken hielt und sich mit der rechten das vom Drei-Tage Bart gezierte Kinn kratzte.
Sein Blick lag auf der Kaserne, die friedlich in dem vollen Sonnenlicht vor ihnen lag. Mit einer Mischung aus wärmenden, gelben Strahlen, irisierenden Funkeln und dem Wechsel der Farben von Flecktarn zu Mausgrau, lag die Militäranlage in einem diffusen Licht vor ihm und regte nur noch mehr zum Nachdenken an. mehr als ihm lieb war.
Dann gingen sie beide zu ihrem Wagen und schoben sich aus der Kaserne. Harusaki und Torgeir vorne im Einsatzwagen, der zweite Wagen, mit den Gefangenen dahinter.
Am Haupttor stand bereits der Master Sergeant der Chevaliers und nickte Torgeir grimmig zu, begleitet von dem wütenden Funkeln, als er den Folgewagen kurz ins Auge fasste.
Entspannt lehnte Torgeir sich zurück und ließ den letzten Rest des Zigarillos aus dem Fenster fliegen.

Die Fahrt dauerte nicht lange, allerdings für seinen Magen und andere Bedürfnisse zu lange.
Grummelnd meldete sich das leere Etwas lautstark in der schweigenden Atmosphäre des Einsatzwagens.
Harusaki hob eine Augenbraue, während er den Wagen in den mittlerweile recht dichten Verkehr einschwenken ließ, sagte aber glücklicherweise nichts.
Torgeir schloss die Augen und seufzte.
„Harusaki, mein Freund, ich bin ein Opfer meines menschlichen Da-seins, befürchte ich.“
Harusaki blickte nur kurz zu ihm.
„Hai.“
Dann bog er ab, während Torgeir nach dem Funkgerät griff. Es würde schon nicht schaden, wenn sie einen kurzen Abstecher machen würden.
„Wagen Eins an Wagen zwei. Fahrt ihr voraus, wir machen noch einen kurzen Abstecher.“
Er sparte sich irgendwelche Ausflüchte oder fadenscheinigen Ausreden, zumal ihm, bei aller Fantasie, keine einfielen.
Das Lachen der beiden Polizisten im Wagen hinter ihm konnte er dennoch nur zu gut vor seinem inneren Auge sehen.
Sollen sie doch.
Der Wagen scherte an ihnen vorbei, während Harusaki auf den nächsten kleinen Supermarkt mit angeschlossenem Café zu hielt.
Das Madler Café, ein klassisches, alt-lyranisches Etablissement, das er so über alles liebte. Harusaki wusste das.
Torgeir warf noch einen kurzen Blick hinter dem schwarz-roten Polizei Wagen hinterher, der in dem bunten Gewühl aus Fahrzeugen verschwand.
Selbst mit dem Berufsverkehr waren es nur fünf Minuten bis zur Zentrale, was sollte da schon passieren.

Wie sich zu seinem Leidwesen herausstellte, mehr als genug.
Knappe fünfzehn Minuten, drei Kaffees und eine Ladung Donuts, sowie ein frisches Päckchen Zigarillos später, Menthol diesmal, es brauchte schließlich Abwechslung, saßen sie wieder in ihrem Wagen und fuhren zur Zentrale.
Während Torgeir über eine passable Ausrede und die Notwendigkeit dieser nach sinnierte, knackte das Funkgerät laut.
„Wagen 12 von Zentrale!“
Uh die offizielle Bezeichnung und sexy Carmen ruft uns.
Sich genüsslich über die Lippen fahrend, griff Torgeir nach dem Funkgerät.
„Aber Hallo Carmen, Wagen 12 hier. Was kann ich für dich tun?“
Der zucker-süße Unterton in seiner Stimme ließ Harusaki doch tatsächlich kurzfristig die Miene verziehen, als er in eine dunkle Seitenstraße einbog.
„Lass den Scheiß Svensson. Ich wollte euch nur mitteilen, dass ihr überfällig seid.“
„Das weiß ich, mein weißer Schwan. Wir hatten noch kurz Halt gemacht. Wichtige Dinge und alles.“
Das Schnauben war überdeutlich zu hören und das Missfallen über seinen Kosenamen auch.
Das habe ich noch nie richtig hinbekommen, verdammt.
„Mag sein, aber Wagen 26 ist auch noch nicht da.“
Schlagartig wurde Torgeir aufmerksam. Er rückte in eine aufrechte Position, weg von der lümmelnden, entspannten, die er vorher eingenommen hatte, ganz unbewusst natürlich.
„Was soll das heißen?“
„Sag mal stehst du auf deinem Schlauch, Chu-i? Was ich sagte: SIE.SIND.NICHT.DA!“
Harusaki bog wieder ab und da sahen sie ihn.
Die Rücklichter leuchteten blutrot und die beiden Fahrertüren standen offen.
Etwas feuchtes glitzerte unter dem Wagen und Torgeir schluckte schwer. Die nächsten Worte fielen ihm schwer:
„Wir haben ihn gefunden. Schick Unterstützung und ein Forensikerteam.“
Er ahnte schlimmes, als er das Funkgerät wieder einhakte und zu Harusaki blickte, der den Motor abstellte.
Zehn Meter von dem anderen Streifenwagen entfernt steigen die beiden Männer aus. Die Waffen schussbereit in den Händen und nach unten gerichtet. Die Körper angespannt und leicht geduckt bewegten sie sich auf ihr Ziel zu.
An dem Fahrzeug angekommen, warf Torgeir einen Blick hinein.
Der Fahrerbereich war leer und auf der Rückbank lagen zwei Gestalten zusammengesunken.
Harusaki glitt stumm um den Wagen herum und seine Augen huschten in der Umgebung umher, auf der Suche nach verdächtigem.
Vergebliche Liebesmüh. In dem Labyrinth aus Gebäuden fand man sehr schnell Deckung.
Seufzend schob Torgeir die Waffe wieder ins Halfter, als er erkannte, was dort vor ihm lag.
Er öffnete die hintere Tür und sofort kam ihm einer der beiden Körper entgegen.
Mit stumpfem Blick rutschte Sergeant Hönigschmid halb aus der Tür. Der Kopf hing nur noch an einem hauchdünnen Stück Wirbelsäule und baumelte wie ein Pendel über der Blutlache. Private Lon Devour bettete seinen Kopf auf den Schoß seines Sergeants, mindestens genauso tot.
Harusaki trat neben ihn, auch er halfterte seine Waffe wieder.
Torgeir schnaufte und hob den Zigarillo an den Mund. Der kleine Stummel Menthol konnte allerdings den bitteren Geschmack nach Blut und weiterer Arbeit nicht verdrängen.
Er kannte diese Handschrift nur zu gut und das hieß entweder in weiterem Blut waten und den Fall auf sich beruhen lassen.
„Unko!“
Flüsterte Harusaki neben ihm, fast schon ehrfürchtig.
Torgeir musste dem Mann zustimmen, er fragte sich lieber nicht, wo die beiden Polizisten hin waren oder wer Hönigschmid und Devour hatte töten lassen. Das war in seinem Job, hier auf Wayside das klügste. Meistens zumindest.
Schwer seufzend drehte Torgeir sich wieder um, während der kleinere Mann zu ihrem Wagen los eilte.
„Ich vermisse die Tage wo ich meine Schicht mit Donuts futtern und Holovid gucken verschwenden konnte!“
Die waren wohl vorbei.

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Wer aufhört besser zu werden, hat aufgehört gut zu sein!

"Ich treffe alles, was ich sehe!"
Starcolonel Kurt Sehhilfe, Clan SeeBug

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