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Zum Ende der Seite springen Chevaliers Season V
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Cattaneo
Major


Dabei seit: 31.07.2002
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Mehr als Freunde

Unbekanntes System, Juni 3067, Militärdistrikt Benjamin, Draconis-Kombinat

Viele Männer und Frauen fanden die Schwerelosigkeit unangenehm, manche sogar beängstigend. Das hatte nicht nur damit zu tun, dass das normale Gleichgewichtssystem und die Vorstellung, was oben und unten war, ausgehebelt wurden – oder damit, dass eine unbedachte Bewegung einen sonst wohin katapultieren konnte. Vor allem aber war die Schwerelosigkeit eine Erinnerung daran, wie fremd das Medium war, in dem man sich befand – nur durch etwas Stahl getrennt vom schwarzen, unbarmherzigen Nichts des Weltraums. Andere hingegen begrüßten das Gefühl der Freiheit geradezu. Es war leicht, sich wie ein Fisch im Wasser zu fühlen, wenn man sich tatsächlich wie einer bewegen konnte, ohne an einen natürlichen oder künstlichen Erdboden gefesselt zu sein. Und das Dunkel des Alls, in dem ferne Sterne leuchteten, war der perfekte Anblick, wenn man mit den eigenen Träumen – oder auch Sorgen – allein sein wollte.
Die Frau mit dem alterslosen Gesicht und den langen schwarzen Zöpfen gehörte zu letzterer Kategorie Mensch. Ihre Uniform wies keinerlei Rangabzeichen auf, aber in ihrer Einheit kannte sie ohnehin jeder. Keiner wäre auf den Gedanken gekommen, sie herauszufordern oder zu missachten.
Sie verzichtete auf einen sichernden Griff, sondern ließ sich einfach treiben. Ihre dunklen Augen mit dem durchdringenden Blick starrten durch die Sichtluke in die Weite des Alls – dorthin, wo sich das Raumschiff befinden musste, das für das bloße Auge nicht mehr zu erkennen war, seitdem es sein Sprungsegel eingeholt hatte. Wenn die Schiffe ihre Energiekollektoren entfalteten, empfahl sich ein gesunder Sicherheitsabstand. Ihre Gedanken kreisten noch immer um dieses Schiff, wenngleich vielleicht nur, um sich von anderen Dingen abzulenken.

Das fremde Sprungschiff – ein betagtes Scout-Modell – hatte dringend benötigen Nachschub an Spezialgütern gebracht. Für den medizinischen Bedarf, aber auch Munition, Ersatzteile und auch einige andere…Verstärkung…vor allem aber Informationen. Das war auch der Grund, warum sie auf dem Weg von Naraka nach Sulafat einen Zwischenstopp eingelegt hatten. Hier gab es keine neugierigen Augen, vor Überraschungen waren sie relativ sicher. Nachdem die Übergabe arrangiert worden war, würden sich die Wege ihres Schiffes und das der Fremden trennen, und vermutlich würden sie sich nie wieder über den Weg laufen.
Es müsste eigentlich…ja, JETZT. Für einen Moment war ein Lichtblitz zu erkennen, und dann war es wieder, als wäre das andere Schiff nie hier gewesen. Bald, sehr bald würden auch sie sich auf den Weg machen und dieses System für immer verlassen.

Die Frau – von manchen die Gräfin genannt, doch hatte sie im Laufe der Jahre unterschiedliche Spitznamen geführt – fragte sich unwillkürlich, ob die Crew an Bord des anderen Schiffes und des begleitenden Landers, einem modifizierten Seeker, eigentlich wussten in welche Art von Spiel sie verwickelt waren. Wussten, was auf dem Spiel stand – viel mehr als das Leben von einer Handvoll Leute.
Die Fremden schienen sich wenig darum zu kümmern, mit wem sie sich hier getroffen, und was für Fracht sich in den Containern befand, die sie verladen hatten. Vermutlich war dies nicht das erste, nicht das zehnte Mal, dass sie so ein Rendezvousmanöver durchgeführt hatten, in einem unbewohnten System, das nur als Nummern- und Buchstabenkombination auf den Sternkarten auftauchte.
Gewiss hatte es sich bei den Männern und Frauen um professionelle Schmuggler und Schwarzhändler gehandelt, Söldner des interstellaren Frachttransits, die wenn nötig Konterbande an den planetaren und nationalen Zollbehörden vorbei schmuggelten, und für die richtige Bezahlung auch Aufständische, Terroristen und Freiheitskämpfer – als was eine bestimmte Gruppe bezeichnet wurde, war ohnehin eher eine Frage der Standpunkts anstatt objektiver Kriterien – mit Kriegsmaterial versorgten oder Personen transportierten, die ungesehen von A nach B reisen mussten, freiwillig oder nicht.
Im Grunde ähnelten sie einander, auch wenn sie selber für ein Ziel kämpfte, nicht nur für Geld. Sie verachtete Menschen, die NUR für Geld kämpften – am Ende waren sie nach ihrer Erfahrung diejenigen, die am ärmsten waren – aber sie machte sich nichts vor, was ihre eigene Rolle betraf. Sie alle waren Akteure die ins Spiel kamen, wenn ein Auftraggeber jede Spur seiner Beteiligung verwischen wollte. Wenn sie überdachte, wie die Hintermänner dieser Operation vorgingen, dann waren die Überbringer der Fracht wohl nur die letzten in einer ganzen Kette gewesen – ein interstellares Hütchenspiel, bei der es praktisch unmöglich war, den Überblick zu behalten. Nun, das konnte ihr persönlich nur Recht sein.

Sie wusste, der Sprung ihrer Nachschublieferanten war zugleich der finale Startschuss für den ,heißen‘ Teil der Mission. Ihr eigenes Schiff hatte seinen Antrieb UND die Reservebatterien aufgeladen und war bereit für den Sprung zum Ziel. Sie sah dem mit gemischten Gefühlen entgegen. Nicht, weil sie Bedenken über den Auftrag an sich hatte, aber einige der Neuigkeiten waren zumindest beunruhigend.
Die Höllenhunde schienen sich in etwa nach Plan zu verhalten. Sie hatten es leider nicht fertiggebracht, bereits auf Darius oder Numki einen Krieg vom Zaun zu brechen – wenngleich mitunter nicht viel gefehlt und sie sich ganz gewiss nicht nur Freunde gemacht hatten. Die Frau fragte sich amüsiert, ob die Söldner Com Stars eigentlich realisierten, durch wie viele Fettnäpfchen sie bereits getrampelt waren, angefangen mit ihrer bloßen Präsenz in diesem Teil des Kombinats. Aber größere Katastrophen waren bisher leider ausgeblieben. Das war bedauerlich, aber keine allzu große Überraschung. Die Höllenhunde wiesen etliche Mankos auf, aber sie waren keine Idioten.
Es gab jedoch auch keinen Hinweis, dass die Söldlinge im Begriff standen, irgendwelche gefährlichen Wahrheiten aufzudecken. Ihr nächstes Ziel stand fest, und, was sie möglicherweise ahnten, aber in seinem wahren Ausmaß unmöglich erkennen konnten, jeder ihre Schritte wurde beobachtet. Die ,Gräfin‘ wusste inzwischen bis ins Detail wie stark die Söldner waren und was die Stärken und Schwächen ihrer Einheit waren. Als Gegner waren sie durchaus ernst zu nehmen, auch wenn sie in letzter Zeit nur auf Pappkameraden geschossen hatten. Aber sie waren besiegbar. Vor allem, wenn man sie in einer Umgebung erwischte, in der sie sich nicht auskannten, man selber aber einen deutlichen Informationsvorteil hatte. Sulafat würde dieses Umfeld sein.

Weit beunruhigender waren jedoch Neuigkeiten, dass die Schwestereinheit der Höllenhunde, diese Chevaliers, ebenfalls auf dem Marsch war, und ihr Ziel war offenbar genau diese Raumregion. Welcher Hafer sie gestochen hatte, so eine kostspielige und nüchtern betrachtet relativ sinnlose Reise aus der näheren Peripherie zu unternehmen, war unklar. Bisher gab es ja keine Anzeichen für eine ernste Krise für die Höllenhunde, die eine solche Intervention rechtfertigte. Und selbst wenn – wenn den Höllenhunden JETZT etwas zustieß, was nützten ihnen da die Chevaliers in ein paar Dutzend Lichtjahren Entfernung? Sollte dies vielleicht eine Drohung für die lokalen Häuser sein? Damit machte man sich diese natürlich erst Recht zum Feind.
Oder nahm Kurita die lokalen Angriffe vielleicht wesentlich ernster als bisher vermutet oder fürchteten einen großangelegten Angriff aus dem Dominium? Dann wäre es doch sinnvoller gewesen, lokale Truppen in Marsch zu setzen…
Keinen Moment glaubte sie die idiotische Geschichte, welche die Chevaliers durch bezahlte Schmieristen und Speichellecker verbreiten ließen und die sich langsam aber sicher entlang der HPG-Verbindungslinien verbreitete. Es musste ein Vermögen gekostet haben, diese Clips so weit zu verteilen, und doch, die Wirkung war zweifelsohne begrenzt. Schon aus dem Grund, weil die meisten Welten nicht über eigene HPG-Stationen verfügten, und die Nachrichten natürlich nicht als Prioritätsmeldungen herausgingen. Aber selbst wo sie ankamen – der Versuch, um ihre Söldnergöre von Kommandantin einen Starkult aufzubauen, war sicher von jemandem ausgeklügelt worden, der von der Kultur und Gesellschaft des Kombinats nur sehr begrenzte Ahnung hatte. Das Kombinat war nicht Solaris.
Im besten Fall wirkte diese Jara jetzt wie eine verwöhnte Aufsteigerin, die sich nicht ohne eine überdimensionierte Gefolgschaft auf die Reise machen konnte um ihr ‚Erbe‘ anzutreten. Eine Gefolgschaft wohlgemerkt, wie sie vielleicht einer Herzögin angestanden hätte, nicht aber der zweifelhaften Erbin eines zweifelhaften Grafen. Das allein wäre schon eine Geldverschwendung und eine Beleidigung aller echten Grafen gewesen. Und wer war dieser Danton denn schon in den Augen einer Familie, die dem Kombinat seit seiner Gründung diente? Er saß auf einem weitab jeder Bedeutung befindlichen Drecksklumpen von Planeten – den er nicht einmal in seiner Gänze regierte.

Die ,Gräfin‘ dünkte sich selbst über Standesdünkel weitestgehend erhaben – viele Kuritaner ihrer sozialen Schicht waren dies jedoch keineswegs. Schon Fokkers Herkunft war geradezu abstoßend, war doch bereits ihr Vater Söldner gewesen. Sie hatte nicht einen Tropfen Kuritaner-Blut in sich. Gerade indem man mit ihrer Zeit bei den Wölfen hausieren ging, rieb man den echten Adligen – die Claner und Söldner mehrheitlich und aus verständlichen Gründen hassten – unter die Nase, dass Jara viel mehr Clanerin war, als eine echte Kuritanerin von edler Herkunft. Sie im Kimono abzubilden änderte daran nicht viel. Respekt vor einer fremden Kultur war zweifellos eine noble Sache und wurde goutiert, nur gehörte man deshalb noch lange nicht dazu. Besonders, wenn man nicht wirklich von besagter Oberschicht dazu eingeladen worden war – oder wenn man viel zu schnell viel zu weit aufgestiegen war. Wie es ein der ,Gräfin‘ sehr nahestehender Mensch vor langer Zeit ausgedrückt hatte – nur an ihn zu denken bereitete Schmerz: ,Du kannst ein Schwein auch golden anpinseln, es bleibt nun einmal ein Schwein.‘
Wesentlich wahrscheinlicher war, dass die kuritanischen Adligen und Militärs – eine geistig wie genetisch inzestuöse Bande von paranoiden, ehrpusseligen Kriegsgurgeln, die sie nun einmal waren – auf den ersten Blick erkannten, dass hinter der Geschichte von der Erbin auf Reisen mehr steckte als eine Kavalierstour als Imponiergehabe. Sie spannen und konterten Intrigen mit der gleichen Selbstverständlichkeit, mit der andere Menschen atmeten. Und da sie so paranoid waren, würden sie vermutlich einkalkulieren, dass die Charade ihnen aus finsteren Motiven Sand in die Augen streuen sollte.
Vielleicht hätte man beim einfachen Volk punkten können, und bei Aufsteigern, die sich selber nach oben gearbeitet hatten. Aber die Meinung des Volkes war im Kombinat von weit geringerer Bedeutung als in den Vereinigten Sonnen oder dem Lyranischen Commonwealth. Und Aufsteiger hatten es meist an sich, dass sie noch bessere Samurai sein wollten, als die gebürtigen Angehörigen des Kriegeradels.

Die Chevaliers kamen nicht so schnell voran, wie sie sich das vermutlich vorgestellt hatten, doch konnte ihre Reise nur verzögert, nicht gestoppt werden. Und bisher waren nur Nadelstiche erfolgt, keine echten Angriffe. Sie wusste nicht, ob jemand demnächst zu drastischeren Maßnahmen greifen würde. Die Hoffnung starb bekanntlich zuletzt, aber sich darauf zu verlassen wäre töricht gewesen. Irgendwann WÜRDEN die Söldner eintreffen. Sie musste zusehen, dass sie ihre eigenen Pläne bis dahin umgesetzt hatte, und einen Sicherheitsabstand wahren konnte.
Alles, was sie über die Chevaliers wusste, riet zur Vorsicht, wenngleich nicht zur Panik. Ihre Führungsspitze war eine Mischung aus solide ausgebildeten Veteranen und vergleichsweise jungen Offizieren – wenngleich etliche von Brillanz weit entfernt sein mochten. Zu viele der Söldner waren viel zu schnell viel zu weit im Rang aufgestiegen, hatten bisher nur in Scharmützeln gekämpft, nicht in echten Kriegen. Aber sie waren keine kompletten Idioten.
Natürlich musste man von den Geschichten über die Heldentaten der Einheit vieles als Übertreibung wegstreichen, aber sie hatte auch verlässliche Analysen und Detailangaben über die Einsätze der Truppe. Die Chevaliers-Piloten waren gut, einige sogar exzellent, wenngleich es der Einheit ganz offensichtlich an Geschlossenheit mangelte. Sie war zu schnell expandiert, um einen echten Korpsgeist aufzubauen und die Zusammenarbeit zu perfektionieren – immerhin hatten sie vor rund drei Jahren als gemischtes Bataillon angefangen und stellten jetzt zusammen mit den Höllenhunden eine verstärkte Brigade dar. Keine Einheit wuchs so schnell – bei einer erheblichen Fluktuation durch Blutverlust und andere Gründe – ohne dass es im Gebälk knirschte.
Und doch, und doch – sie waren gerade obszön gut ausgerüstet, ausgestattet mit einem Sammelsurium an modernen Maschinen, vielfach auch Clantech, darunter schwere und überschwere Modelle, die ihr Roster…wie hatte ihr Vize es doch genannt?...ach ja ,wie der feuchte Traum jedes Beschaffungs- oder Einsatzoffiziers mit Potenzproblemen‘ erscheinen ließ. Trotz des ernsten Themas hatte er damit in der Besprechung des Kommandostabs die Lacher auf seiner Seite gehabt. Aber das Gelächter hatte einen bitteren Unterton – in einem direkten Schlagabtausch waren die Chevaliers nur sehr schwer zu besiegen. Und von ihren Leuten vermutlich gar nicht.
Nun, die Chevaliers waren momentan noch weit, WEIT weg – und die Innere Sphäre war groß. Die ,Gräfin‘ zweifelte nicht daran, dass sie sich, sollte ihr Plan Erfolg haben, den bleibenden Hass der Söldnereinheit – und der überlebenden Höllenhunde – zuziehen würde. Aber das beunruhigte sie nicht sonderlich, denn sie wusste, nach ihren Fersen schnappten noch ganz andere Kiefer. Sie waren DENEN bisher immer ein Stück voraus geblieben, da würde es, Vor- und Weitsicht vorausgesetzt, auch diesmal gut gehen.
Allerdings…zweifellos hatten sich das viele eingeredet, bevor sie dann doch zur Strecke gebracht worden waren. Sie kannte genug Beispiele. Irgendwann war jede Glückssträhne einmal zu Ende, und sie hatte ihr Glück nun wahrlich zur Genüge strapaziert. Nicht, dass sie nicht auch schmerzhafte Verluste hatte hinnehmen müssen…

Es war nicht so, dass keinen Ausweg gab, wenn sie denn wollte. Das alles hinter sich lassen, diesen schier endlosen Kampf für ein Vermächtnis, das viel zu groß für einen Sterblichen erschien. Nicht mehr durch Blut waten müssen, sei es der eigenen Leute, des Gegners oder Unbeteiligter. Endlich nicht mehr jeden Morgen voll Bitterkeit aufstehen wegen dem was verloren war, voll Hass auf jene, die daran Schuld hatten, jede Minute darauf verwenden, um zu ändern, was vielleicht nicht mehr geändert werden konnte – als Spielfigur in einer Partie, in der sie nicht über den Rand des Bretts sehen konnte und nur halb verstand, was die Hand bezweckte, die sie mal hier-, mal dorthin schob.
Aber aufgeben bedeutete, eine Niederlage einzugestehen, und das war nicht ihre Art. Es hätte bedeutet, dass alle Verluste umsonst gewesen wären. Also verdrängte, wie so oft, den Gedanken an einen ganz speziellen Datenträger, der ganz hinten in ihrem Safe schlummerte.

Sie bewegte sich durch die verwaisten Gänge des Raumschiffs mit einer Eleganz, die von langjähriger Übung zeugte. Mal packte ihr Arm zu, stieß sie sich mit einem kräftigen Tritt ab, drehte sich um sich selbst, um ihren Kurz zu korrigieren. Mit traumwandlerischer Sicherheit fand sie sich zurecht, obwohl miteinander verbundene Sprung- und Landungsschiffe einen verwirrenden Irrgarten bilden konnten.
Die ganze Atmosphäre erinnerte eher an den Anfang eines Sci-Fi-Horrorstreifens – die spärliche Beleuchtung, kein Mensch auf den Gängen, obwohl es Anzeichen für eine kürzliche Nutzung gab. In diesem Fall gab es freilich eine harmlose Erklärung – wie es Brauch war, hatte man alle Mitglieder der Einheit einschließlich der Schiffscrews im Gravdeck des Sprungschiffes versammelt. Im Moment war dies der einzige Ort an Bord, der normale Schwerkraft aufwies. Um die Lebenserhaltung nicht zu überlasten war der Zugang eigentlich reglementiert – die Crews von Landungs- und Sprungschiffen sowie die Passagiere teilten sich einen strikten Schichtplan. Neben den obligatorischen Übungseinheiten war nicht viel Platz für Freizeit, aber die Gräfin hatte ihren Untergebenen gewisse Spielräume zugestanden. Wenn man so lange im Weltraum unterwegs war wie ihre Einheit, war etwas Flexibilität ratsam, um die Moral aufrechtzuerhalten. Dabei war eine halbe Stunde Aufenthalt zu beliebter Uhrzeit – etwa am Nachmittag – so viel wert wie eine Dreiviertelstunde ganz früh am Morgen, oder eine Stunde wenn es an Bord Mitternacht war.
Doch jetzt, kurz bevor viele der Männer und Frauen Abschied voneinander nehmen mussten – wer wusste schon, ob nicht für immer? – war es Brauch, dass ein gemeinsamer Appell stattfand. Er wurde durch ein gemeinsames Essen ergänzt. Wer wünschte, konnte zudem seinen Frieden mit höheren Mächten machen. Die Gräfin folgte natürlich den animistischen Glaubensvorstellungen, nach denen sie erzogen worden war. Aber in der Einheit, die sich aus Männern und Frauen aus unzähligen Systemen zusammensetzte, herrschte Religionsfreiheit – was solche Gruppen wie die Kirche vom Einen Stern und das Unvollendete Buch einschloss.

Der Übergang von dem Bereich der Schwerelosigkeit zum rotierenden Gravdeck des Sprungschiffs war etwas heikel, vor allem für jene, die wenig Übung hatten. Je kleiner das Gravdeck war – und mit 65 Meter Durchmesser gehörte das Deck eines Invasor-Schiffes zu den kleinsten die es gab – desto schneller musste es rotieren, um eine erdähnliche Gravitation zu erzeugen. Aber die ,Gräfin‘ kannte sich nicht nur in den luftigen Höhen der Führungsschicht aus – oder konnte nötigenfalls auch eine Kehle durchschneiden – sie hatte auch in jahrelanger Praxis gelernt, wie man sich in der Schwerlosigkeit zurechtfand. Im genau richtigen Moment erwischte sie die Griffpunkte und zog sich in den Gang des Gravdecks. Sobald die Schwerkraft spürbar wurde, rollte sie sich elegant ab und kam mit einer flüssigen Bewegung auf die Beine. Für einen Moment sammelte sie sich. Abschied zu nehmen war ihr in den letzten Jahren zur Gewohnheit geworden, aber in dem Maße, in dem immer weniger vertraute Gesichter übrig blieben, fiel es ihr immer schwerer. Doch sie wusste, was sie ihrer Mission und ihren Leuten schuldig war. Also atmete sie tief durch und ging dann, stolz aufgerichtet und ohne eine Miene zu verziehen, zu den Türen, hinter denen ihre Soldaten auf sie warteten…

***

Drei Stunden darauf

Die letzten Messen waren gelesen, das letzte Glas geleert, das letzte Hurra verklungen. Die Einheit bereitete sich auf den nächsten, entscheidenden Schritt vor. Bald würde der Sprung nach Sulafat erfolgen. Doch die ,Gräfin‘ hatte sich entschlossen, bis zum letzten Moment, der zehn-Minuten-Sprungwarnung, zu warten, ehe sie sich auf ihre Station begab. Es stand außer Frage, dass sie dann auf Posten sein musste – schließlich hatten sie nur das Wort ihrer schattenhaften Auftraggeber, dass sie nicht erwartet würden. Aber angesichts dessen, dass sie die Offiziere und Soldaten, die ihr (zumeist) blind vertrauten, in ein ungewissen Schicksal vorausschickte, während sie fürs erste in relativer Sicherheit zurückblieb, wollte sie sich die Gelegenheit nicht entgehen lassen, so viel Zeit mit ihnen zu verbringen wie möglich. Sie hatte eine komplette Runde durch das Landungsschiff gedreht, das als erstes auf Sulafat aufsetzen würde.
Im Moment lehnte sie an einem Gefechtsfahrzeug im Haupthangar. Entgegen dem, was manche Laien erwartet hätten, herrschte hier kurz vor dem Gefechtssprung keine emsige Betriebsamkeit. Vielmehr war jedes Stück Fracht schon vor langer Zeit verstaut und gesichert – und diese Sicherung nicht nur ein- oder zweimal, nein drei- bis vierfach überprüft worden. Die Reise versprach heikel zu werden. Um einer Entdeckung zu entgehen, hatte man einen ausgeklügelten Flugplan erarbeitet, der auch noch in einem relativ engen Zeitfenster absolviert werden musste. Man würde sich Lücken in der Überwachung und die Ortungsschatten der fünf kleineren Monde – dazu kamen noch mehrere mondähnliche Himmelskörper – zunutze machen, die Sulafat umkreisten. Doch dies bedeutete, dass der Lander mehrfach bis an die Grenze seiner zulässigen Beschleunigung von 2,5 g würde gehen müssen, um loszuspurten oder abzubremsen, andererseits aber auch Pausen ohne jede Beschleunigung einlegen würde, um nicht aufzufallen. Das war für Piloten, Fracht und Passagiere eine echte Herausforderung. Glücklicherweise hatten sie alle schon einige Übung mit solchen Manövern.

Der Hangar war praktisch verwaist, sah man von einigen Infanteristen in Gefechtspanzern und Techs in Exoskeletten ab, die im Fall eines Frachtunfalls noch die besten Chancen hatten, etwas auszurichten. Vielfach konnten die Stiefel magnetisiert werden, was selbst in der Schwerelosigkeit soliden Halt garantierte.
Die gesicherten Fahrzeuge boten einen beeindruckenden Anblick – die drohenden Geschützmündungen, die massiven Raketenbatterien, die Energiewaffen… Zwar fehlten die prahlerischen Abschussmarkieren und Verbandsabzeichen, die viele Einheiten verwendeten, und auch die markanten Farbmuster vieler Haustruppen. Die Fahrzeuge waren vielmehr alle in dunklen Dschungeltarnfarben gehalten, die ihnen ein fast gespenstisches Aussehen gaben – insbesondere, wenn man die ebenfalls getarnten Gefechtspanzerinfanteristen bedachte, die sich zwischen ihnen bewegten. Im Nachbarhangar sah es nicht anders aus. Gewiss, ein Skeptiker hätte eingewandt, die Fahrzeuge der Einheit waren zumeist nur 50 Tonnen schwer, oft deutlich leichter, und keineswegs durch die Bank weg modernstes Material. Eine Ausnahme war der 75-Tonnen-Alptraum, den Lupus persönlich steuerte. Aber gegen die überschweren Monster der Höllenhunde, ihre Jäger – nicht zu vergessen die lokalen Kurita-Einheiten – schien das wenig, zu wenig. Dennoch atmete die Atmosphäre Zuversicht, strahlten die getarnten Panzer, Mechs und Gefechtspanzer Entschlossenheit und Drohung aus.

Die Kommandeurin der Infanteristen hatte ihren Helm abgenommen und flachste mit der ,Gräfin‘. Violint war – natürlich – eine wahre Hünin. Wenn man das harte, dunkelhäutige Gesicht mit den Spuren vergangener Kämpfe, den kalten, schwarzen Augen betrachtete, hätte wohl niemand vermutet, dass sie ausgezeichnet Geige spielte – daher der Spitzname. Sie war für eine Frau ihres Ranges jung und doch würde sie an Bord des Landers den Posten der stellvertretenden Kommandeurin übernehmen. Aber sie besaß einiges an Erfahrung, hatte gegen Gefechtspanzer, Panzer und Mechs auf mehr als einem Dutzend Welten gekämpft.
Das Gespräch der beiden Frauen drehte sich nicht um den kommenden Einsatz, stattdessen witzelten sie über die Eigenheiten anderer Offiziere – Gleichrangige und Untergebene. Wenn man so lange Zeit miteinander verbrachte, kannte man irgendwann so ziemlich alle Macken und Spleens.

Mit einem Mal wurde das Gesicht der jüngeren Offizierin ernst. Ihre Stimmung und die gesamte Atmosphäre schienen gleichsam deutlich abzukühlen. ,Gräfin‘ brauchte sich gar nicht umzudrehen, um den Grund zu erkennen.
Lupus hatte sich beinahe lautlos genähert. Wie die ,Gräfin‘ und Violint trug er keine Abzeichen, aber wie ihnen machte man ihm selbstverständlich Platz – und er erwartete offenbar, dass seine Befehle ausgeführt wurden.
Violint zog eine Grimasse. Sie und Lupus waren noch nie Freunde gewesen. Das mochte ursprünglich Abneigung gegen seinen Hintergrund gewesen sein, aber es hatte sich nicht wirklich gebessert, als sie sich im Laufe der Zeit von der Kompetenz des Einheits-XO überzeugen konnte. Lupus‘ kaltherzige Art, seine erbarmungslose Unbeirrtheit und Fanatismus, die Befehle, die er gab und nur zu oft auch selber umsetzte, gingen ihr gegen den Strich. Nicht, dass Violint die Ziele der Einheit ablehnte – sie wäre nicht hier, wäre dem so gewesen. Aber es gab Abstufungen darin, wie weit jemand zu gehen bereit war.
Eigentlich wäre es ja logisch gewesen, wenn sie mit der Kommandeurin aus denselben Gründen gehadert hätte – doch es war bekannt, dass Lupus und Sekretärin oft diejenigen waren, die für bestimmte…Aspekte zuständig waren. Es war denn auch bei der letzten Einsatzbesprechung der Vizekommandeur gewesen, der die Richtlinien verkündet hatte, wegen denen Violint und er mal wieder über Kreuz waren. Befehle, die erst einmal nur den Offizieren mitgeteilt wurden: „Mannschaftsdienstgrade und Unteroffiziere der Höllenhunde sind nach Möglichkeit unverzüglich von Offiziersrängen zu trennen. Wir müssen sie bereits unter Gefechtsbedingungen erstmalig verhören – Rang, Name, persönlicher Hintergrund und dergleichen. Weitere Verhöre – die natürlich erst in gesicherter Umgebung durchzuführen sind – sollen intensiv sein. Aber wir werden niemanden foltern oder misshandeln, es sei denn Gräfin, Sekretärin oder ich sanktionieren dies.“ Lupus gehörte offenbar nicht zu der Sorte Mensch, die ihre Zuflucht in Euphemismen wie „drängendem“ oder „verschärftem“ Verhör suchten. Wie Sekretärin war er niemand, der Folter für ein Allheilmittel hielt. Aber unter bestimmten Umständen schreckte er auch nicht davor und Schlimmeren zurück. Seine…Ehrlichkeit…machte die Sache natürlich nicht besser, rieb eher jeden, der mit ihm zusammenarbeitete, die unschönen Aspekte unter die Nase.
„Die Gefangenen werden möglichst korrekt behandelt und versorgt – eventuell brauchen wir sie noch als Tauschobjekte, oder um abgeschnittenen Feinden eine Kapitulation schmackhaft zu machen.“ Lupus betonte dies aus gutem Grund. Die Soldaten der Einheit hatten sich im Laufe der Zeit angewöhnt, mit Gefangenen nicht eben rücksichtsvoll zu verfahren. Die Kommandeure bemühten sich, Brutalität wie ein präzises Werkzeug einzusetzen, aber so perfekt funktionierte dies nun einmal nicht.
„Die Gefangenen sind natürlich weiter zu evaluieren – wer hat wichtige Verwandte, wer verfügt über Spezialwissen… Solche Gefangenen werden wir strikt abzusondern und isolieren. Wir werden sie mitnehmen, wenn wir Sulafat verlassen. Die anderen bleiben im Dschungel. Mit einer Kugel im Hinterkopf. Ohne Ausnahme. Diese Details werden aber erst auf Anweisung von ,Gräfin‘ oder mir an die niederen Dienstgrade weitergegeben, wenn sich absehen lässt, wie sich die Lage entwickelt.“
Lupus hatte nicht einmal die Stimme erhoben, und doch jede Diskussion im Keim erstickt, als er fortfuhr: „Unsere Auftraggeber sind da eindeutig. Die Höllenhunde sind – wie die Chevaliers – dezgra, vogelfrei, unberührbar, suchen Sie es sich aus, wie Sie es nennen wollen. Auf diesen Abschaum ist aus gutem Grund ein Kopfgeld ausgelobt. Aber das WARUM hat uns ohnehin nicht zu kümmern – wir müssen nur die Belohnung einstreichen. Die Dezimierung der Höllenhunde…“ Bei dem Wort ,Dezimierung‘ hatte er spöttisch gegrinst: „soll eine deutliche Botschaft sein. Das heißt, wenn wir wollen, dann können wir sie auch gerne entlang einer Straße ans Kreuz schlagen.“ Haritsuke wurde in Kombinat eigentlich nicht mehr praktiziert, aber die Betonung lag auf ,eigentlich‘. „Ob die Botschaft auch wie gewünscht verstanden wird – wer weiß? Aber wir werden dafür Sorge tragen, dass sie klar und laut genug formuliert ist.“
Das entscheidende Argument war natürlich der Wille der Hintermänner gewesen. Die Einheit war auf Rückendeckung angewiesen. Aber Lupus hatte offenbar wenig Ermutigung benötigt, denn wie er dozierte: „Menschliche Behandlung des Gegners speist sich gemeinhin aus zwei Motiven. Einmal Respekt vor ihm oder ihr als menschliches Wesen. Das können wir hier wohl ausschließen. Die Höllenhunde und Chevaliers haben in den Augen von genug Leuten den Tod und Schlimmeres verdient, aus gutem Grund. Sie sind Abschaum der übelsten Sorte – wie Sie alle wissen. Was den zweiten Grund angeht – die Rettung des eigenen Lebens für den Fall einer Gefangennahme… Ich muss wohl niemanden daran erinnern, was uns im Fall der Ergreifung blüht. Auf UNSERE Köpfe sind auch Preise ausgesetzt. Vorzugsweise ohne den Rest, wohlgemerkt.“

Violint war viel zu klug, zu erfahren und durch eine zu harte Schule gegangen, um nicht die Logik zu erkennen. Aber sie hatte nur sehr unwillig nachgegeben.
Lupus hatte die Arme hinter dem Rücken verschränkt, während er die beiden Frauen musterte. Die Beine waren durchgedrückt, die Hacken der Kampfstiefel gegeneinander gepresst, der Rücken bolzengrade. Er neigte leicht den Kopf und grüßte Violint distanziert, aber nicht feindselig. Für die ,Gräfin‘ hatte er natürlich eine tiefere Verbeugung – wobei er sich solche verräterischen Verhaltensweisen im Einsatz selbstverständlich versagte: „Ich bringe Sie zum Schott, Kommandeurin.“ Eine nicht sehr subtile Erinnerung, dass es Zeit war, sich auf den Sprung vorzubereiten.
Violint setzte mit einer geradezu wütenden energischen Bewegung ihren Helm wieder auf und stolzierte wortlos zurück zu ihren Untergebenen – ohne den Gruß zu erwidern. Die ,Gräfin‘ versuchte nicht einmal, sich ein Grinsen zu verkneifen. Angesichts der besonderen Situation wählte sie eine persönliche Anrede: „Hast du gar keine Angst, dass sie dich in den Ring der Gleichen fordert?“
Ihr Untergebener schnaubte: „Nicht, dass sie mich nicht in einem echten Zweikampf besiegen könnte – aber dazu ist sie zu klug. Was soll das dann bringen? Sie kann ja wohl kaum selber den Einsatz führen – soweit ist sie nicht. Noch nicht. Von Sparringskämpfen mit ihr sollte ich aber in der Tat besser absehen.“
„Die Mutter deiner Kinder wird sie jedenfalls mit Sicherheit nicht.“
Lupus zuckte zusammen – weniger angesichts des doch recht derben Scherzes, als vielmehr aus Überraschung. Gerade von seiner Kommandeurin hätte er eine solche Bemerkung nicht erwartet. Er ging aber auf den Ton ein: „Allerdings. Wohl eher die Frau, die jene hypothetischen Kinder zu Halbwaisen machen würde.“ Das brachte ihm ein Lachen ein.
„Aber wir müssen ja keine Freunde sein – das werden wir vermutlich auch nicht mehr in diesem Leben. Oder im nächsten. Wir sind mehr als das. Wir sind Kameraden. Sie weiß, wie wichtig ich im Moment bin. Nicht unersetzlich – das sind nur Sie – aber doch von Bedeutung. Respekt vor den Fähigkeiten ist etwas Solideres als Sympathie. Und das Wohl ihrer Untergebenen bedeutet ihr nun einmal mehr als die Abneigung gegen mich.“
Die ,Gräfin‘ kicherte: „Na, dann frage ich mich aber doch, was du eigentlich in mir siehst. Eine Freundin? Oder ,mehr als das‘?“ Doch ihr Untergebener gab keine Antwort.

Ein paar Schritte Weges gingen sie schweigend, bis sie den Schott erreicht hatten. Dort blieb Lupus stehen: „Ich gehe davon aus, dass das kein Lebewohl für immer wird.“ Seine Stimme klang nüchtern – immerhin war er Veteran: „Aber falls doch, falls es zum Äußersten kommt, denkt daran, dass Ihr nicht nur für uns eine Verantwortung tragt, sondern für die ganze Einheit. Der beste Kommandeur weiß nicht nur, wann er seine Soldaten in den Kampf zu führen hat. Sondern auch, wann er sie zurücklassen muss.“
Die ,Gräfin‘ starrte ihn einen Moment wortlos an. Es war nicht ganz klar, welche Gefühle in ihrer Miene aufblitzen. Frustration, Verachtung, Wut? Dann lächelte sie freudlos: „Glaubst du nicht, du hast dich etwas zu sehr damit abgefunden, dass uns dieser Auftrag das Leben kosten kann? Wenn man irgendetwas als sicher oder fast sicher ansieht – dann unternimmt man vielleicht nicht genug, um es zu verhindern. Ich habe dich nicht für so jemanden gehalten.“ Der Offizier neigte leicht den Kopf: „Das bin ich auch nicht. Jedenfalls noch nicht. Ich habe mit diesem Leben noch einiges vor – namentlich das von ein paar Leuten vorzeitig zu beenden. Aber ich habe es erlebt, wie gute Kommandeure – gerade gute Kommandeure – zu viel geopfert haben, weil sie meinten, sie wären es einer Handvoll Soldaten schuldig, die irgendwo auf verlorenem Posten standen. Diese Regung ist verständlich, aber wir können uns solche Gesten einfach nicht leisten. Wir wussten alle von Anfang an, worauf wir uns einlassen. Mitgefühl mit den eigenen Soldaten ist gut. Aber als Kommandeur muss man sie nötigenfalls auch sehenden Auges opfern.“
Die ,Gräfin‘ schüttelte traurig den Kopf: „Du kennst doch die Geschichte meiner Leute. Wir sind mehrheitlich die Nachfahren derer, die weggerannt sind, die sich ergeben haben. Deren Gesicht gründlich in den Dreck getreten wurde. Aber wessen Namen, denkst du wohl, nennen wir noch heute mit Ehrfurcht in Liedern und Gedichten? Nicht die derer, die den für sie sicheren Weg wählten.“
Der Offizier dachte einen Moment darüber nach: „Das kann ich verstehen. Nicht aus eigener Erfahrung, aber ich kann zumindest versuchen, es mir vorzustellen. Aber denkt daran – Ihr habt eine Verpflichtung, die über jene uns gegenüber hinausgeht. Den Lebenden gegenüber, nicht den Toten. Denen, die hier bei euch bleiben, und noch mehr. Euer Weg ist noch nicht zu Ende. Ihr habt Menschen, die euch lieben und die euch brauchen.“
Was auch immer seine Vorgesetzte auch darauf hätte erwidern können, das Heulen der Sprungwarnung unterbrach das Gespräch. Lupus straffte sich und salutierte zackig. Kurz darauf schloss sich die massive Stahltür.
Der Sprung nach Sulafat konnte stattfinden.

***

Fünf Tage darauf, Odaga-Shimatze-Grenzgebiet, Hinterland von Sulafat

Der Kugelraumer hatte eine aufreibende Reise hinter sich. Er hatte den Sensorstationen der lokalen Truppen ausweichen müssen, und beim Eintritt in die Atmosphäre hatte derselbe Tropensturm, der ihm Deckung bot, zugleich die Fähigkeiten der Piloten bis zum letzten gefordert. Aber sie waren sicher an ihrem Ziel angekommen. Es war ein Krater, geschlagen vor vielen Jahren von einem Asteroiden – der sich auf den ersten Blick in nichts von den anderen Tälern und Schluchten im hügeligen Dschungel unterschied. Aber was eben aus der Luft NICHT zu erkennen war – der Boden war hier fest genug, um eine Landung zu erlauben, eine Rarität in dieser Region. Der Dschungel war zudem dicht genug um Deckung zu bieten – abgesehen davon, dass das Kratergestein Sensoren störte – aber nicht so dicht, dass er eine Bewegung der Gefechtsfahrzeuge unmöglich gemacht hätte.
Wer nicht beste Insiderinformationen hatte, dem blieben für sichere Landungen im Dschungel nur die Behelfslandefelder der Erntecamps, und sogar die waren für schwere Landungsschiffe nicht geeignet. Aber diese Besucher verfügten über das nötige Detailwissen.
In nicht zu weiter Entfernung gab es einen Zugang zum lokalen Flusssystem, was ganz neue Optionen eröffnete. Die starken Regenfälle, die wenn schon nicht täglich, so doch mehrfach die Woche zu erwarten waren, versprachen ausreichend Wassernachschub – wenn man vorsichtig genug war und das kostbare aber gefährliche Nass gründlich reinigte. Glücklicherweise waren diese Besucher bestens auf die Eigenheiten Sulafats vorbereitet.

Der gigantische 75-Tonner war die erste Maschine, die das Landungsschiff verließ. Es war Präzisionsarbeit gefordert – Seeker waren einfach nicht als Transporter für so schwere Maschinen konzipiert worden. Aber Lupus steuerte seine Kampfmaschine mit ebenso viel Geschick wie Erfahrung. In seinem Tarnanstrich wirkte der Mech wie ein wütender, auf Zerstörung sinnender Waldgeist. Ein Eindruck, der durch die montierten Ghillie-Netze noch verstärkt wurde. Ihm folgte die anderen Mechs, Gefechtsfahrzeuge, gepanzerte Infanterie, Artillerie – die Soldaten und Maschinen allesamt in Tarnuniformen und -anstrich. Es gab kein Durcheinander, keine Unsicherheit, jeder Griff schien zu sitzen. Noch war kein Schuss gefallen, doch die Schlacht von Sulafat hatte bereits begonnen. Und der Wald von Birnam marschierte, um am Dunsinane-Hügel zu kämpfen.

Ende
28.02.2019 07:18 Cattaneo ist offline E-Mail an Cattaneo senden Beiträge von Cattaneo suchen Nehmen Sie Cattaneo in Ihre Freundesliste auf
Marlin
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(Ergänzungen durch Cattaneo)

Training

Kellerebene in der Geheimunterkunft


Beasts harte Stimme hallte durch den Übungsraum, gefolgt von Schlaggeräuschen. In einer Ecke hingen Sandsäcke verschiedener Größe und es stand sogar ein Makiwara bereit, der Großteil des Kellerraumes war mit Tatami ausgelegt. "Härter!".
Die junge Frau mit Decknamen Kitsune schlug wieder zwei Mal in die Pratzen, die er ihr hinhielt. Er veränderte die Stellung, sie schlug zwei Haken hinein, so fest sie konnte. Ihr Atem ging schwer, seit einer Dreiviertelstunde war sie jetzt bereits hier unter seiner Anleitung und übte grundlegende Schläge und Tritte Er nahm die Pratzen herunter, veränderte wieder seine Fußstellung und bellte: "Tritt rechts!". Ihren Tritt gegen seinen Oberschenkel fing er im Thai-Stil mit seinem Bein auf, das er dabei einfach anhob. Wieder ein Ruf: "Uppercut!".

Er hielt die Pratzen entsprechend. Die beiden Aufwärtshaken waren für ihre Begriffe stark, seine Reaktion war nicht vorhanden. Er hetzte sie immer weiter, ließ sie Gegenangriffen ausweichen und weitere Tritte und Schläge ausführen, bis sie nur noch nach Luft schnappte. Mit dem Wort: "Pause", ließ er von ihr ab. Kitsune war sich bewußt, dass sie im Nahkampf deutlich benachteiligt war.

Aber laut Zwerg, mit dem sie sich gut verstand, war Training mit Beast das Beste, was einem passieren konnte, wenn man seinen Trainingsstand zu verbessern hatte. Eigentlich war es egal, was man mit ihm trainierte. Kitsune würde Zwerg nicht widersprechen, aber Beasts Art war ihr rätselhaft und störte sie. Dazu kam, dass es einige Punkte gab, bei denen sie unterschiedlicher Ansichten waren. Seine tierliebe Ader war einer dieser Punkte. Kitsune war gewiss keine Sadistin, aber sie betrachtete Tiere in erster Linie als Werkzeuge – das musste sie auch, angesichts ihrer Aufgabe. Sie machte aus ihnen Waffen, oder Werkzeuge um „Waffen“ herzustellen. Doch Werkzeuge und Waffen zerbrachen mitunter oder mussten geopfert werden – etwas, das Beast nicht so leicht fiel, wie man angesichts seiner langen Einsatzerfahrung vermutet hätte.

Natürlich wusste sie von seiner Besonderheit, nur konnte sie es auf der persönlichen Ebene nicht sehr gut ausblenden. Sie hielt ihm zugute, dass er sich nie negativ über ihre Aufgaben geäußert hatte. Es sprach für seine Professionalität. Nachdem sie viel und tief geatmet und ein wenig Wasser getrunken hatte, rief Beast sie wieder zu sich. Er war in der Rolle eines Sportlehrers auf diese Welt gekommen und hatte daher einiges an entsprechender Ausrüstung dabei, genau wie das Übungsmesser, das er ihr jetzt reichte. Sie hatte noch nie zuvor als Einsatzagentin undercover gearbeitet, und obwohl man sie sorgfältig vorbereitet hatte, machte sie dieser Teil der Arbeit noch immer nervös.

"Nach dieser Einheit machen wir für zwei Stunden Pause, später Sparring." Sie verkniff sich ein Lächeln, es würde etwas zu Essen geben und Beast würde sich eine Sendung ansehen, "Kyungs Küchenjagd", in der ein Koch von vermutlich koreanischer Abstammung Sulafats Flora und Fauna vor der Kamera kommentierte, sie einfing oder sammelte und entsprechend zubereitete. Je nachdem.

Er bereitete nicht alles zu. Einige Folgen bestanden schon aus panischer Flucht vor besonders fiesen Sulafater Einwohnern, einmal auch vor einer Pflanze, die sowohl giftig als auch hochallergen war. Unnötig zu sagen, dass die meisten Episoden nur am Rande des Dschungels spielten, beziehungsweise an der Küste. Es war eine sehr beliebte Sendung auf Sulafat, einerseits für arme Leute, um mehr billige Nahrungsquellen zu erschließen – die sie freilich nur auf einer der kommunalen Bildschirme verfolgen konnten, über die auch die Nachrichten unters Volk gebracht wurden – und andererseits für Wohlhabendere, weil es äußerst unterhaltsam war. Manche dieser Gerichte schafften es bis in die wenigen teureren Küchen der Städte. Kyung-sans Kochkunst war gehobenes Niveau und seine Sprüche humorvoll und manchmal todesverachtend. Kitsune hatte auch schon mehrere Folgen gesehen und fand sie faszinierend.

Trotzdem fand sie den Gedanken daran, dass ein Kommandosoldat wie Beast eine Kochsendung verfolgte irgendwie... komisch. Beast rief sie in die Gegenwart zurück: "Greife mich mit dem Messer an um mich kampfunfähig zu machen. Versuche das so schnell wie möglich, ich versuche, zu überleben. Ich werde Treffer ansagen." Sie nickte zur Bestätigung und beide gingen in Kampfhaltung. Ihre ersten Versuche waren eher zaghaft, so dass Beast sie immer wieder ermuntern musste. Er blieb so lange außerhalb ihrer Reichweite, bis er plötzlich zupackte und andeutungsweise entwaffnete. Wie immer sah sie keinerlei Reaktionen auf seinem Gesicht, außer seiner Konzentration. Spott hätte ihm bisher ruhig zustehen können. Nach dem sechsten ernsthaft ausgeführten und misslungenen Versuch rief er Zwerg nach unten.

Andere hielten oben Wache um die Bewohner des Hauses vor unangenehmen Überraschungen zu bewahren. Beast stellte sachlich fest: "Du brauchst mehr Motivation. Zwerg," rief er dem eintretenden Kommando zu: "Kitsune benötigt zumindest verbale Aufmunterung, kannst du das übernehmen?" Der gedrungene Mann nickte verstehend und machte sich übergangslos ans Werk: "Kitsune-san, stell dir vor, der Typ ist einer der Söldner, dein Team ist tot oder verletzt und das ist deine Chance zu entkommen! Aufstellung, Konzentration. Sobald er die Chance hat, wird er dich ausschalten, also stich ihn ab! Los!" Es half etwas. Kitsunes Bewegungen gingen jetzt entschlossener, ihre Stellung war tiefer, sie versuchte, ihr Training übernehmen zu lassen. Da! "Schnitt, Unterarm, Hand." rief Beast aus, als er sie wieder entwaffnete. Ein Treffer, aber nicht genug.

Zwerg höhnte: "Das war gar nichts, Kitti!", spottete er.
"Ein Söldnerelementar tötet dich mit einem Schlag, versuch ihn zu stechen, so ein Gekitzel merkt er gar nicht!" Langsam wurde sie wütend, nicht so sehr auf Zwerg, sondern eher auf sich und Beast. Wieso konnte sie nicht an ihn herankommen? Wieder griff sie an. Beast war zu schnell, fixierte ihr Handgelenk mit seiner rechten Hand, glitt wie eine Schlange hinter sie und strich mit zwei Fingern seiner Linken über ihre Kehle, eine Andeutung, dass er sie ausgeschaltet hätte. Er raunte ihr zu, während Zwerg sie weiter anfeuerte: "Konzentration, setze alles auf einen Angriff! Atme ruhig!" lauter rief er in die Runde: "Schnitt, Hand." Kitsune versuchte, tiefer und ruhiger zu atmen. Kampf war nicht ihre Spezialität, im Gegensatz zu den beiden Soldaten, aber sie hatte selbstverständlich ebenfalls eine gute Ausbildung zur Selbstverteidigung genossen.

Gegen Beast schien das alles jedoch nichts zu nützen. "Nochmal!", bellte Beast. Zwerg war bereits verstummt. Nach ihrer zutreffenden Einschätzung war Beast ihr in allem überlegen: Kraft, Reichweite, Schnelligkeit. Sie musste also an den Rand seiner Reichweite und dann unvorhergesehen agieren, und vor allem ihm keine Initiative überlassen. Bisher war sie sehr konservativ vorgegangen. Das würde sich jetzt ändern. Sie variierte jetzt nicht nur seitwärts, sondern auch nach oben.

Solange Beast nicht zu dicht stand, um sie sofort zu packen, würde er verletzt werden. Sie suchte mehr Abstand, ihr Atem ging gleichmäßig, der Blick war auf Beasts Oberkörper gerichtet und nahm seine Bewegungen wahr. Er rückte ihr nach. Wieder. Und wieder. Jetzt! Sie sprang nach vorn gerade als er ihr wieder nachrückte, seine Abwehr kam zu spät, seine Hand und sein Unterarm würde zerschnitten worden sein, aber es war noch nicht vorbei. Während er jetzt schräg nach hinten auszuweichen versuchte, war sie bereits in der Abrollbewegung und riss die Messerhand hoch zwischen seine Beine. Der Kontakt war jeweils kurz aber nicht vorsichtig.

Beast rollte nach hinten ab und sackte in die Knie. "Treffer Hand, Unterarm," Kitsune setzte nach und fuhr ihm quer über den Hals. "Schnitte in beiden Oberschenkeln, Tod.", setzte er fort. "Gut gemacht. Die Beine wären vermutlich ausreichend gewesen, ohne sofortige ärztliche Intervention." Zwerg mischte sich ein: "Bedenke jedoch, dass du nur EINE Chance bekommst." Er milderte die Mahnung ab: "Solange wir dabei sind, wird dich aber niemand so unvorbereitet erwischen." Der fast viereckig wirkende Mann grinste wieder. Gegen ihn würde sie auch noch üben müssen. Sie fragte sich, ob das einfacher oder schwerer werden würde. Beast stand wieder in Bereitschaft. "Nochmal." Kitsune zog schnell Luft ein. Das würde noch ein anstrengender Tag werden.

Nach der Pause befanden sie sich wieder im Übungskeller. Beast hatte ein Muskelshirt und eine recht enganliegene kurze Hose der gleichen rötlichen Farbe an. Weniger als vorhin. Er roch praktisch nach nichts. Jedenfalls nichts, was sie wahrnehmen konnte. Hatte er in der Zwischenzeit geduscht? Es war nicht ausgeschlossen, aber ihr war nichts aufgefallen. Sie hatte sich erfrischt, etwas gegessen und sich ausgeruht und war bereit. Jetzt also Sparring, sie mit Kopfschutz und kleinen Handschuhen, mit denen sie greifen konnte, er ohne Schutz und relativ großen Handschuhen. Sie wusste, er würde sich zurückhalten. Allerdings zögerte sie doch etwas, als er ihr bedeutete, den Kopfschutz abzulegen.

Seine Muskeln waren nicht so dick wie bei Bodybuildern, dafür aber wie Schiffstaue, und vermutlich ähnlich stark. Einen Vorgeschmack hatte sie schon vorhin bekommen, als er sie mit Leichtigkeit entwaffnet hatte. Vielleicht bekam er sie ja nicht so schnell zu packen, so dass sie sich eher auf seine Schläge und Tritte konzentrieren konnte. Klar war, dass sie mehr Training brauchte.
Zwar würde sie nicht aktiv Kämpfe suchen, aber die Geschichte bewies, dass selbst Sanitäter nicht sicher waren, sie selbst als Kampfunterstützer erst Recht nicht. Sie hatte bei früheren Einsätzen mehr als einmal eine gefährliche Situation erlebt. Selbst in einer kontrollierten Umgebung konnten die Dinge aus dem Ruder laufen. Schaden konnte es ohnehin nicht, sich mit den Besten ihrer Einheit fitzuhalten. Beast stand bereits in Bereitschaft. "Du wirst versuchen, mich so schnell und effektiv auszuschalten, wie du kannst. Ich werde meine Gegenwehr nach jedem Angriff steigern, bis wir realitätsnah sind. Beginn." Sie stand jetzt bereit, und suchte nach Schwachpunkten in seiner Deckung. Da er sich noch nicht bewegte, war es leicht, ihn nach einem Seitschritt von hinten zu packen und seinen Hals zu würgen. Sofort nachdem sie ihren Würgegriff fixiert hatte, klopfte er ab. "Gut, weiter so."

Sie versuchte es erneut, musste nun aber schneller an ihn herantreten, weil er seine Stellung mitveränderte. Es gelang ihr trotzdem. So eskalierte langsam ihre Übung soweit, dass sie erst nach einigen Finten dicht an ihn herankam und erst nach Treffern gegen verschiedene Körperteile zu ihrem Würgegriff kam. Angriffe gegen sein Genital kamen schon lange nicht mehr durch und auch sein Gesicht und Hals war zu gut gedeckt. Ihr Atem ging jetzt wieder stoßweise, aber immerhin sah man auch Beast etwas Anstrengung an. Am Ende hatte sie einen Erfolg, nämlich hatte sie ihn zu Fall gebracht und ihn kampfunfähig gemacht. Realistisch war es natürlich trotzdem nicht, da er immer noch keine Angriffe auf sie durchführte.

Wie er ihr erklärte, war die Übung nur dafür gedacht gewesen, die entscheidenden Griffe zu üben. Sie würde gegen andere des Teams im Zweikampf weitermachen. Dann würde sie sich durch echte Gegenwehr arbeiten müssen. Seltsamerweise freute sie sich jetzt darauf, Beast war offenbar ein guter Lehrer.

__________________
Combined Arms Mechwarrior, hier fahre ich Epona, stampfe mit NovaCat, fliege Shiva und bin BA.
Stand-alone, ohne irgendwelche Voraussetzungen. Kostenfrei.

http://www.mechlivinglegends.net/2017-01/mechwarrior-living-legends-communi
ty-edition/
10.03.2019 19:12 Marlin ist offline E-Mail an Marlin senden Beiträge von Marlin suchen Nehmen Sie Marlin in Ihre Freundesliste auf
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„Danke, dass Sie mich so kurzfristig empfangen, Hakshaku.“ Manfred Scharnhorst verbeugte sich korrekt und zackig vor dem Grafen Odaga, wie es das Protokoll vorschrieb. Er trug die volle Ausgeh-Uniform der Chevaliers, und seine draconischen Belobigungen waren ganz oben auf seiner Ordensleiste angebracht, um seine Verdienst für das Kombinat hervor zu heben.“
Seizo Odaga nahm beides zur Kenntnis, sowohl das Kampagnenband, als auch die Verbeugung, und deutete dann auf einen freien Platz am Konferenztisch, an dem er mit seinem Sohn und einigen Beratern saß. „Sie sind willkommen, Sho-sa.“ Dies aber sagte er in einem Ton, der deutlich machte, dass er eben nicht willkommen war.
„Danke, Hakshaku.“ Scharnhorst nahm Platz, nur durch Anatoli Tanigakis Sitz vom Herrscher des Planeten Darius entfernt. Bei allem Unmut, den der Herrscher über die Höllenhunde und ihre Mission empfinden musste – als Bedrohung empfand er Scharnhorst und die Höllenhunde nicht.
Scharnhorst wartete, bis das Wort wieder an ihn gerichtet wurde, ein Benehmen, das Odaga verwunderte. Er hätte erwartet, dass der Gaijin-Söldner mit seinem Anliegen gleich herausplatzte. Da er es aber nicht tat, widmete sich Seizo Odaga wieder seinen Beratern und ließ sich im Detail erklären, wie die Stipendien für die Versehrten der Überfälle ausfallen würden, wie der Genesungsstand der Verwundeten war, und wie weit der Wiederaufbau der zerstörten Siedlungen. Dies dauerte über eine halbe Stunde, in der jeder Anwesende mindestens einmal zu Wort kam, aber nicht Scharnhorst. Nach fünfunddreißig Minuten erst richtete der Herrscher sein Wort an den Söldner. „Sie haben um dieses Treffen ersucht.“
Scharnhorst nickte so tief, dass es fast schon eine Verbeugung war. „Hai, Tai-sa. Ich meine, Hakshaku.“ Der Tai-sa – Einwurf war natürlich beabsichtigt gewesen und sollten den Hausherrn als Soldaten ehren und ihn für das weichkochen, was die Höllenhunde noch mit ihm vorhatten. Manfred Scharnhorst bemühte sich nach Leibeskräften, sein bestes Pokerface aufrecht zu erhalten. Er hatte, um dieses Treffen bekommen zu können, ein paar mächtige Köder ausgestreut, und es war sein verdammtes Recht, jetzt an deren Leinen zu ziehen und die Beute einzuholen. Also arbeitete er bedächtig und langsam – auch wegen der zweifellos auf ihn gerichtete Blicke der Wächter – nach seiner Aktentasche, öffnete sie und zog eine ROM hervor. „Wie ich bei der Anfrage nach dem Termin bereits gesagt habe, möchte ich gerne einen Zwischenbericht mit Euch teilen, Hakshaku. Dieser Bericht betrifft sämtliche unserer Ermittlungen auf Darius und liefern ein Fazit. Da die Zusammenarbeit mit Euren Institutionen und speziell mit Tai-i Tanigaki aber sehr gut war, komme ich nicht umhin, zumindest die wichtigsten Fazits der Darius-Ermittlungen mit Haus Odaga schon jetzt zu teilen.“ Scharnhorst sah dem Fürsten direkt in die Augen, als er die ROM über den Tisch schob. „Dabei sind die Einzigen, die ein Anrecht auf meinen Bericht haben, der Koordinator persönlich, der Präzentor Martialum und der Khan der Geisterbären.“ Und das war auch zu einhundert Prozent richtig. Einem quasi Verdächtigen noch während der Ermittlungen etwas über diese Ermittlungen zu erzählen, war normalerweise eine Riesendummheit. Oder ein sehr großer Vertrauensbeweis.

Odaga griff nach der Disk, ohne den Augenkontakt zu verlieren, und reichte sie dann seinem Sohn. „Fassen Sie es für mich zusammen, Sho-sa.“
Scharnhorst nickte erneut. „Odaga-Hakshaku, nach meinem Standpunkt und dem der ISA aus gesehen kommen wir zu dem vorläufigen Schluss, von dem wir nicht ausgehen, dass er sich ändern wird, dass Haus Odaga weder die Einheit ausgerüstet hat und unterhält, die das Geisterbärendominion angreift, noch dass es sich bei den Kämpfen mit der zweiten Einheit, der Bodeneinheit, um eine False Flag-Operation handelt.“ Ein zynisches Lächeln spielte um Scharnhorsts Mundwinkel. „Verstehen Sie mich nicht falsch, Odaga-Hakshaku, ich traue Ihnen durchaus all das zu: Dass Sie eine ganze Kompanie ausrüsten und in den Kampf gegen multiple Ziele schicken können, ohne dass die Kosten auch nur ansatzweise in Ihren Büchern auftauchen; dass Sie kaltblütig genug sind, um auf Ihre eigenen Leute zu schießen, wenn es dem Haus, dem Planeten oder dem Koordinator nützt; und ich bezweifle nicht, dass es einem erfahrenen und gestandenen Soldaten wie Euch an der nötigen Kaltblütigkeit fehlt, das zu tun, was getan werden muss, wenn es getan werden muss. Ihr seid zu lange im Geschäft, um sich von Gefühlen leiten zu lassen, wenn kalte Logik gefragt ist.“
„Ich bedanke mich für das große Kompliment“, sagte Odaga barsch. „Was also verschafft mir die Erkenntnis, dass ich nicht auf meine eigenen Schutzbefohlenen habe feuern lassen? Die Höhe des Schadenswertes?“
„Ich denke nicht, dass das Euch abschrecken würde, Odaga-Hakshaku, wenn der Nutzen nur groß genug wäre. Ihr seid es durch und durch gewöhnt, auch komplexe und schwierige Entscheidungen zu treffen. Nein, es gibt andere Gründe, warum wir Euch nicht verdächtigen, den Angriff auf Eure eigene Welt befohlen zu haben.“
„Ich denke, wir haben das jetzt alle kapiert, Manfred“, sagte Anatoli mit Schärfe in der Stimme.
„Also gut. Ich will nur klarstellen, dass ich nicht eine Sekunde daran glaube, dass Haus Odaga zimperlich oder gar weich ist. Jedenfalls muss ich weiter ausholen, um mich zu erklären.“
„Dann tun Sie das“, sagte der Graf, allerdings in einem wesentlich gefälligeren Ton als zu Anfang.

Manfred zog weitere Unterlagen aus der Tasche und verteilte sie auf dem Tisch. „Wie Sie alle wissen, gab es auf Darius diverse Angriffe durch eine Bodeneinheit, auf Numki allerdings nur einen, und der wurde auch noch abgewiesen, weil eine erratische Flugpatrouille die Mechs auf Angriffskurs auf eine Fabrik abfing und bombardierte, wodurch der Einsatz abgebrochen wurde.“
„Verdächtigen Sie Haus Shimatze, der Financier dieser Angreifer zu sein?“, fragte einer der Berater.
„Im Prinzip ist die Liste derjenigen, die ich verdächtige, relativ lang. Der Schwarze Drache, die Yakuza, eine rebellische Geisterbärenfraktion, die Schwarzkaste, ein anderer Clan, der davon profitieren will, wenn die Bären mit einem neuen Krieg abgelenkt sind, Blakes Wort, eine erratische Söldnereinheit, die von einem unbekannten Financier bezahlt wird, damit sie macht, was sie hier macht, zu einem Zweck, den ich durchaus vermute, und, ja, dazu gehört auch Haus Shimatze, und bis vor kurzem auch Haus Odaga. Und da kratzen wir noch nicht mal an der Operation der Boden/Luft-Einheit, die die Geisterbären aufstachelt.“
„Was machen Sie dann noch hier? Fliegen Sie zurück nach Numki und verhaften Sie das größenwahnsinnige Mädchen!“, forderte der gleiche Berater, der Scharnhorst nicht vorgestellt worden war.
Der lächelte matt. „Es ist ein Verdacht, kein stichhaltiger Beweis. Nicht einmal für die ISA reicht das aus, um Haus Shimatze zu beschuldigen. Und ehrlich gesagt, ist Haus Shimatze nicht mein Hauptverdächtiger. Warum das so ist, will ich weiter ausführen.“
Als alle Anwesenden erwartungsvoll schwiegen, fuhr der Major fort. „Wie ich schon sagte, gab es nur einen Angriff auf Numki, und dieser wurde zufällig entdeckt und rechtzeitig gestoppt, während auf Darius ein drei Angriffe durchgeführt wurden, die teilweise große Schäden angerichtet haben. Dazu kommt auch noch, dass auf Numki die zweifellos vorhandenen Informanten und Helfershelfer der geheimnisvollen Truppe nicht aufgedeckt wurden, während es Haus Shimatze gelang, einen Händler zu stellen, der augenscheinlich Material und Personen auf den Planeten geschleust hat. Besagter Händler wurde extrahiert, und in seinem Besitz wurden mehrere wertvolle Perlen gefunden, die nur auf Sulafat entstehen. Sie stellten ein nicht gerade kleines Vermögen dar, und Haus Shimatze geht davon aus, dass sie vom Planeten geschmuggelt wurden. Untersuchungen an der Numki-Akademie in den Biolabors haben eindeutig festgestellt, dass vier der Perlen aus Odaga-Gebieten kommen, beziehungsweise dort entstanden sind und an den Behörden vorbei geschmuggelt wurden.“ Als der Berater aufbrausen wollte, beschwichtigte Scharnhorst ihn mit beiden Händen. „Fünf der Perlen aber kamen aus Shimatze-Gebiet. Die chemische Zusammensetzung, die Isotopenverteilung und viele andere Feinheiten haben das eindeutig ergeben.
Ich muss weiter ausholen und wiederholen, was Sie alle hier schon wissen: Sulafat ist das größte natürliche Biolabor des Sektors. Bis auf wenige urbane Regionen ist der Planet ein Ozean und ein Dschungel. Er fließt geradezu über von Biostoffen und anderen Schätzen, die weiterverarbeitet werden können und im ganzen Distrikt reißenden Absatz finden. Diese Biostoffe werden seit Jahrhunderten im Dschungel und in den Meeren auf Kosten der Arbeiter und dies auch mit erheblichen Risiken geerntet, vorverarbeitet und vom Planeten geschafft. Die ursprünglichen Herrscher schaufelten sich damit das eigene Grab, indem sie durch die unzumutbaren Arbeitsbedingungen einen Aufstand provozierten, der die gesamte Herrscherfamilie und einen großen Teil der planetaren Elite davon wischte und eine anarchistische Zersplitterung des Planeten erbrachte, oder wie es auch oft genannt wurde, die Zeit der Stadt-Staaten, da jede Stadt ihre eigene Regierung bekam, die den Anspruch vertrat, für die ganze Welt zu sprechen. Das Ergebnis war ein Tohuwabohu, Kämpfe, und eine weitere Verschlechterung der Situation der Arbeiter. Daraufhin wurden Odaga und Shimatze als nächste Nachbarn damit beauftragt, die Ordnung auf Sulafat wieder herzustellen, und was noch wichtiger war, den Fluss der Bioprodukte wieder aufzunehmen. Dies gelang, und seither teilen sich Shimatze und Odaga den Planeten zu je fünfzig Prozent. Den Planeten, die Versorgung der Bevölkerung und auch dessen Verteidigung.
Ein Teil des alten Militärs und auch der Rebellen haben den Planeten verlassen, ein Teil schloss sich nach einigen Säuberungen der Ränge einem der beiden Häuser an, der Rest ging als Partisanen in den Dschungel, wo sie nicht ohne Weiteres ausgehoben werden können. Aus dieser Position führen einige dieser Einheiten einen Guerilla-Krieg gegen beide Häuser. Soweit richtig?“
„Sie haben Ihre Hausaufgaben zweifellos gemacht, Sho-sa“, lobte Odaga. Er kommentierte natürlich nicht, dass dies lediglich die offizielle Version der Ereignisse war: „Und weiter?“
„Wie ich schon erwähnte, deuten die Perlen bereits auf Sulafat hin. Aber es gab auch einen Zwischenfall bei den Höllenhunden, Sulafat betreffend. Wir bekamen einen gepanschten Impfstoff der A-Serie gegen die gängigsten Aerosolkrankheiten auf Sulafat, die wir über normale Wege gekauft haben.“
„Gepanscht bedeutet was?“, hakte Anatoli nach.
„Es war ein verkapselter Erreger integriert, der mitgeimpft worden wäre; die Kapsel hätte sich einige Tage nach der Impfung aufgelöst und einen Virus freigesetzt, der meine Einheit mit einem hochansteckenden, hämmorrhagen Fieber infiziert hätte, und das bei etwa acht Prozent Letalität.“
Nach dieser Eröffnung sprachen alle Anwesenden zugleich, aber der Hausherr schlug auf den Tisch, und alle verstummten. „Wie sind Sie dahinter gekommen?“
„Nun, Odaga-Hakshaku, wir bekamen einen Tipp der ISA. Die ISA versorgte uns auch mit einem nicht gepanschten Impfstoff, den ich aber trotzdem auf ähnliche Spielereien untersuchen ließ.“
„Das ist eine wichtige Information. Das hätten Sie uns sagen müssen, Sho-sa“, sagte Odaga bedächtig.
„Nun, ich hielt es bis dato für eine Sabotage aus einer anderen Richtung. Fakt ist, dass uns eine potente und gefährliche Partei auf dem Kieker hat, und ich vermute nicht zu Unrecht, dass es Blakes Wort ist, mit denen wir schon mal Auge in Auge standen, und denen wir eines blau gehauen haben. Erst im Nachhinein ergibt eine andere Interpretation auch Sinn. Nämlich die, dass unsere Arbeit auf Sulafat behindert werden soll. Und das ist der Punkt: Ich denke, bei der ganzen Sache hier geht es tatsächlich um Sulafat. Und um einen sehr potenten Geldgeber unbekannter Seite, der ein Vermögen investiert, um die Dinge am Laufen zu halten. Wir alle wissen, was allein eine Lanze Mechs an Unterhaltungskosten verursacht. Hier haben wir es mit ClanTech und auch noch einem Lander zu tun, von den Einheiten, die die Geisterbären ärgern, ganz zu schweigen. Und wir wollen auch nicht die Observationsteams vergessen, die zweifellos vor jedem Angriff ausgeschickt wurden. Die ganze Operation ist auf einem Niveau, das durchaus mit der ISA mithalten kann. Die Frage ist nur: Wer finanziert die Geschichte?“
„Haus Shimatze!“, sagte der Berater scharf. „Das Mädchen will den ganzen Planeten Sulafat für sich! Deshalb versucht sie, uns zu schwächen!“
Anatoli schüttelte den Kopf: „Unwahrscheinlich. Die Shimatze müssen bereits kämpfen, um nur das zu behalten, was sie im Moment besitzen. Sie wissen, wie angreifbar sie im Moment sind. Es ist wesentlich wahrscheinlicher, dass Clan Geisterbär – oder ein Teil davon – hinter den Angriffen steckt.
„Möglich. Aber nicht die einzigen Erklärungen“, sagte Scharnhorst. „Bisher gingen wir davon aus, dass es in jemandes Interesse wäre, den Krieg zwischen Kombinat und Geisterbären wieder aufflammen zu lassen. Der Gedanke ist noch nicht vom Tisch, gerade und weil bei der Eroberung Sulafats eine Jägereinheit keinen Sinn macht, die Bären jagt.“
„Das klingt schlüssig. Sagen Sie mir, Sho-sa, warum Sie ausschließen, dass dies mein Plan ist, dass es meine Einheit ist“, forderte der Graf.
„Seite sieben“, sagte Scharnhorst und öffnete eine der Akten, die er verteilt hatte. „Die Liste der zerstörten Gebäude und Güter.“
„Bekannt“, sagte der Berater barsch.
Anatoli Tanigaki las die Seite mit kräftiger Denkerfalte auf der Stirn, bevor ihm die Erleuchtung kam. „Aber das ist dünn, Manfred, ganz, ganz dünn.“
„Ich bevorzuge die Bezeichnung: Unauffällig.“
Graf Odaga brummte unwillig. Anatoli beeilte sich zu sagen: „Die vernichteten Fabriken und Waren, Odaga-sama. Auch die erbeuteten Waren. Insgesamt genommen sieht es so aus, als hätte es der Feind auf Hightech abgesehen und vornehmlich dieses geraubt. Aber etwa ein Drittel der Einrichtungen, die vernichtet wurden, haben unsere Einheiten auf Sulafat mit Nachschub und Waffen versorgt.“
„Das ist uns nicht selbst aufgefallen?“, fragte der Graf.
Einer der Berater sagte: „Bisher war Darius in unserem Fokus, weil diese Welt angegriffen wurde, und nicht Sulafat. Es ist, wie Tanigaki-kun sagt: Etwas dünn.“
„Aber nichts, was wir ignorieren sollten. Was also, schlagen Sie vor, was ich tun soll, Scharnhorst-dono? Haus Shimatze angreifen?“ Er klang freilich nicht unbedingt so, als meinte er es ernst.
Scharnhorst registrierte die veränderte Anrede mit unbewegter Miene, wenngleich ihm ein leichtes Zucken im rechten Mundwinkel entkam. „Nein, Odaga-Hakshaku. Wie ich schon sagte, haben wir keine Beweise gegen Haus Shimatze. Es gibt auch so viel zu viele mögliche Verdächtige, denn Sulafat ist ein Preis, den sich viele planetare Herrscher sichern würden wollen, und nicht nur die. Ich bin sicher, dass der Schwarze Drache auch involviert ist, und dann ist da auch noch Blakes Wort, in dem sich die fanatischen ComStar-Exilanten konzentrieren. Zweifellos hat Blakes Wort nicht nur den Größenwahn, sondern auch die Kontakte, um hier, fünfhundert Lichtjahre von ihrer Basisentfernt, einen solchen Einsatz zu planen und durchzuziehen. Und dann sind da noch die Gerüchte.“
„Gerüchte?“
„Gerüchte über einen Überlebenden der Herrscherfamilie, der von einem entfernten Verwandten finanziert wird“, sagte Scharnhorst. „Und der sein Lehen zurückhaben möchte, aber nicht kann, solange das Dekret des Koordinators besteht, dass Sulafat je zur Hälfte an Haus Shimatze und Haus Odaga geht. Betrachtet man die Geschehnisse in diesem Kontext, macht plötzlich vieles Sinn, sogar die Provokationen auf dem Geisterbärengebiet. Eine Bären-Einheit, die über die Grenze kommen würde, würde sowohl gegen Shimatze als auch gegen Odaga kämpfen und den Planet schutzlos zurücklassen. Bis beide Welten Militär gemustert haben, und das in einer Zeit, in der die Welten selbst angegriffen werden, um Sulafat nach den Geisterbären wieder zu sichern, kann eine dritte Partei kommen und Tatsachen schaffen. Im Anbetracht der nahezu gespenstischen Geheimhaltung, die wir hier erleben, halte ich im Moment diese Variante tatsächlich für die Wahrscheinlichste.
Ich habe dem Dossier einige Namen hinzugefügt von möglichen Erben und ihren möglichen Protektoren, die sich insgeheim um Sulafat bemühen, den größten Bioschatz im ganzen Distrikt.“
„Und Haus Shimatze...“
„Haus Shimatze hat es geschafft, einen Teil der Angreiferstrukturen aufzudecken und zu vernichten, bevor der Feind sich erst richtig um Numki kümmern konnte. Reines Glück also, und mehr, als Darius hatte.“
„Das ist Ihr Schluss, Scharnhorst-tono?“, fragte der Graf.
„Das sind alles nur Zwischenergebnisse, Odaga-Hakshaku. Die Höllenhunde sind noch lange nicht am Ende ihrer Ermittlungen angekommen. Wo wir uns aber ziemlich sicher sind, dass ist, dass sich der ganze Ärger letztendlich um Sulafat dreht. Also werden wir jetzt nach Sulafat fliegen, auf die Büsche klopfen und schauen, welche Schlangen hervor gekrochen kommen.“
„Was das sein könnte, was der unbekannte Angreifer will.“, wandte Anatoli ein.
„Das ist möglich, aber wir werden dafür bezahlt, dass wir Risiken eingehen, Tanigaki-tono“, sagte Scharnhorst.
Seizo Odaga griff nach einem Fächer, der neben ihm auf dem Tisch stand und entfaltete ihn. Dadurch wurde der Kombinatsdrache sichtbar. „Anatoli, du gehst mit.“
„Was?“
„Du und deine Lanze, Ihr begleitet die Höllenhunde. Außerdem werde ich Ihrer Einheit auf unserer Hälfte des Planeten eine Unterkunft auf meine Kosten zur Verfügung stellen, Scharnhorst-tono. Ich bin dankbar für Ihre Offenheit, und ich bin sehr interessiert an der Auflösung. Sehen Sie dies als mein Entgegenkommen, auch um Ihren Eindruck zu bestätigen, dass Haus Odaga sich nicht selbst angegriffen hat. Außerdem sichere ich Ihnen so viel Unterstützung des Hauses zu, wie mir möglich ist, ohne dem Vorwurf ausgesetzt zu sein, ich würde versuchen, Sie zu korrumpieren, Doitsu-jin Yohei.“
Scharnhorst verbeugte sich bei diesen Worten leicht. Das konnte alles, aber auch nichts bedeuten. „Ich nehme dankbar an.“
„Wenn alles gesagt ist, können Sie gehen. Ich erwarte, alsbald Ihren Abflugtermin zu erfahren, Scharnhorst-tono.“
„Sobald dieser vorliegt, werde ich Ihr Büro sofort informieren. Entschuldigen Sie mich, Odaga-Hakshaku.“

Manfred Scharnhorst verließ das Besprechungszimmer. „Manfred!“
Er wandte sich um, als Anatoli ihm folgte. „Ja?“
„Für wie wahrscheinlich halten Sie die Theorie mit dem Erben, der seine Dynastie wieder aufleben lassen will?“
„Sulafat ist sehr wertvoll, richtig? Ein Großteil der Wiederaufbaumaßnahmen des Darius-Militärs wurde mit den Gewinnen aus den Bioverkäufen finanziert. Ich denke, es gibt eine Menge Personen, die Ansprüche auf diese Welt haben, und ebenso viele, die sie einfach nur besitzen wollen. Und es gibt genügend Menschen in der Inneren Sphäre, die bereit sind, über Leichen zu gehen. Das habe ich schon mit eigenen Augen gesehen.“
„Das sehe ich ein. Sie sind sich aber dessen gewahr, dass nicht wenige Gerüchte diesen ominösen Erben bei den Geisterbären vermuten? Oder das Com Star einen neuen Herrscher benutzen könnte, um Zugeständnisse zu erzielen? Haben Sie das in Betracht gezogen? Dass sie von Com Star oder den Bären nur als Marionetten benutzt werden?“
„Generell schließe ich nichts aus, wenngleich es nicht die Art der Bären ist, jemanden zu unterstützen, der sich nicht selbst bewiesen hat, nur weil er am richtigen Ort geboren ist. Glauben Sie mir, ich unterschätze die Rolle der Geisterbären keineswegs. Umso dankbarer bin ich, dass Sie dabei sein werden, wenn wir nach Sulafat gehen, Anatoli.“ Tanigaki schnaubte leise. „Was meine Lanze angeht, kann ich Ihnen nicht versichern, dass ich die Höllenhunde unterstützen kann. Die Interessen des Hauses...“
Scharnhorst lachte kurz auf. „Anatoli, Sie haben uns bereits mehrere Male geholfen, als es für uns dicke kam. Ich weiß das sehr zu schätzen, und glauben Sie mir, die Höllenhunde vergessen nichts, vor allem aber nicht Leute, denen sie dankbar sein müssen. Mir ist klar, dass für Sie zuerst das Haus kommt, dann der Planet, danach der Koordinator, und irgendwann später, viel später erst ein Haufen Gaijins, die sich als Söldner betätigen. Aber wenn ich mir einer Sache sicher bin, dann, dass Sie ein anständiger Soldat sind, der immer bemüht ist, die Menschen zu beschützen und der daher immer das Richtige zu tun versucht.Also, auf gute Zusammenarbeit.“ Er reichte Tanigaki die Hand, und dieser schlug ein. „Es schadet vermutlich nicht und könnte meiner Lanze weitere Erfahrungen bringen“, schloss Anatoli. Allerdings hatte er seine Zweifel und auch seine Prioritäten ernst gemeint. Scharnhorst wusste das.

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Die Landung der Höllenhunde auf Sulafat erfolgte relativ unspektakulär. Der Overlord Crying Freedom setzte auf, und Manfred Scharnhorst mietete für relativ kleines Geld eine große Lagerhalle auf dem Gelände des Raumhafens, in die dann das Gros der Soldaten und des Materials verbracht wurden.
Anatoli Tanigaki war darüber recht verwundert. „Warum bereiten Sie nicht den Abmarsch vor, Manfred?“
Und Scharnhorst antwortete: „Weil Ihr Vater uns drei Möglichkeiten überlassen hat, von denen wir uns eine aussuchen dürfen. Ich schicke gleich ein Team meiner Leute los, das sich alle drei Objekte anschauen und dann eine Empfehlung für das beste aussprechen wird. Vergessen Sie nicht, die Höllenhunde sind das Ziel nicht nur einer Fraktion, und ich will meine Leute so sicher wie irgend möglich unterbringen. Wenn ich also die Wahl habe, dann will ich keine Dartpfeile werfen.“
„Wenn Sie es so ausdrücken...“, sagte der Erbe des Hauses Odaga in versöhnlichem Ton, wenngleich sein Gesicht keine Emotion zeigte.

Als Scharnhorst wieder allein war, schnappte er sich Lieutenant Bishop, den Chef der Pioniere. „Hören Sie, Jim, was uns Haus Odaga da angeboten hat, ist alles ganz großer Schrott.“
„Ich weiß, Sir. Da haben wir einmal ein ehemaliges Einkaufszentrum, dessen Tore für unsere Panzer zu schmal sind, sodass wir sie vor dem Gebäude parken und warten müssten, quasi eine Einladung für alle halbwegs fähigen Scharfschützen. Dann einen Hallenkomplex an einem Seehafen, der quasi nicht abgegrenzt werden kann und jeden Komfort vermissen lässt. Und schließlich und endlich eine Einrichtung, die einer Kaserne noch am nächsten kommt, aber in der früher Dissidenten gefangen gehalten und hingerichtet wurden. Alles keine Wunschoptionen.“
„Die zweite Option ist dabei noch die Beste. Auch wenn wir da nicht weniger auf dem Präsentierteller sitzen wie in dem Einkaufszentrum. Aber es lässt Scharfschützen weniger Spielraum. Hören Sie, wenn Sie da mit Ihrem Team rausgehen, sorgen Sie dafür, dass weder die Kaserne, noch das Kaufhaus in irgendeiner Form bestehen. Ich habe ehrlich gesagt auch keine Lust darauf, den Hafenkomplex zu nehmen. Die ISA hat da einige Andeutungen gemacht. Ich bin sicher, sie würde uns eine sicherere Alternative suchen, wenn diese drei hier ausfallen würden. Aber wir brauchen Gründe, gute Gründe, haben Sie verstanden, Jim?“
„Ich werde Ihnen die Gründe liefern, Sir“, versprach der Pionier grinsend.
***
Das erste Objekt, das die zehnköpfige Truppe Bishops, bestehend aus Techs und Pionieren, besuchte, war das ehemalige Einkaufszentrum, das zumindest mit einem verwilderten, aber großzügigen Parkplatz aufwarten konnte. Ansonsten erstreckte es sich über drei Gebäude auf vier Ebenen mit großzügigen Atrien. Auf den ersten Blick sah James Bishop, dass es schlicht und einfach zu groß für ihre Zwecke war, wenn die Panzer tatsächlich „draußen“ bleiben mussten. Sie betraten das Gebäude in Begleitung dreier Odaga-Handlanger, die noch am ehesten in die Kategorie „Hausmeister“ fielen. In diesem Fall Hausmeister einer ganzen Stadt, nicht nur des Kaufhauses. Großzügige und außerdem intakte Fenster sorgten für eine gute Ausleuchtung, sodass Bishop die Misere auch sah, ohne Licht anschalten zu müssen. Das Gebäude war geplündert und verwüstet worden, und wie es ausschaute, war es auch noch illegal bewohnt. Die Bodenfliesen waren stellenweise geschwärzt, um manche dieser Flecken standen improvisierte Sitzgelegenheiten, ein Feuer glomm sogar noch. Bishop ließ seinen Blick über die höheren Stockwerke gleiten. Das Einkaufszentrum war derart aufgebaut, dass das Atrium mehrere Balkons besaß, hinter denen einzelne kleine Geschäfte zu finden gewesen waren. Heute waren das nur noch dunkle Löcher, oder provisorisch mit Brettern zugenagelt. Allein dieser Teil des Gebäudes hatte über fünfzig Geschäften mit bis zu eintausend Quadratmetern Verkaufsfläche Heimat geboten. Die anderen beiden Gebäude waren von ähnlichem Format, sodass alle drei Gebäude die Form eines Kleeblatts boten, mit einer gemeinsamen großen Halle im Zentrum, die Bishop am Ende des Gebäudes gut erkennen konnte. Ein großer Brunnen markierte das gemeinsame Zentrum, und er war sicher, früher einmal hatte er Wasser geführt. „Ist bewohnt hier, was, Haizo-san?“, knurrte er dem Anführer der Dreiertruppe zu.
Der Draconier lächelte nichtssagend. „War, Bishop-san. War.“
„Vier Ebenen, den Bodenbereich mitgerechnet. Auf drei Gebäude verteilt. Sechs Ausgänge, und keiner von ihnen groß genug für unsere Panzer.“
„Es gibt noch einen Warenlieferungszugang, der über eine versenkte Rampe zu erreichen ist und in die Tiefgarage führt. Zumindest Ihre Transportwagen dürften dort unterkommen. Von Panzern über vierzig Tonnen rate ich ab. Das Gebäude wurde gebaut mit dem Gedanken im Hintergrund, dass es einer feindlichen Mech-Einheit keinen Unterschlupf bieten kann.“ Haizo verbeugte sich mehrfach leicht und lächelte weiterhin nichtssagend. „Draconische Bauvorschriften.“
Bishop schnaubte, und niemand konnte sagen, ob es zustimmend oder ablehnend gewesen war.
„Hier hat doch jemand gelebt“, stellte AsTech Koshina fest. Die junge Frau hob einen Stofffetzen vom Boden auf, entfaltete ihn und hatte nun ein reichlich zerrissenes T-Shirt in Händen, das genauso oft geflickt worden war. Es war keine Erwachsenengröße.
„In der Tat hat es Bewohner gegeben. Illegale Bewohner. Aber niemand kommt wirklich freiwillig hier raus, so nahe am Dschungel, außer Verbrecherbanden, Drogenschmugglern und Prostituierten. Leider war das Einkaufszentrum lange Zeit ein sicherer Umschlagplatz für Biostoffe, die von den Rebellen illegal im Urwald geerntet wurden. Sie wurden hier im Gebäude gegen Lebensmittel und andere Vorräte eingetauscht, bevor man sie in die Stadt und dann zum Raumhafen schmuggelte. Sie können es heute nicht mehr sehen, aber vor zwanzig Jahren war die Stadt noch größer. Sie erstreckte sich rund zehn Kilometer tiefer ins Land und bestand gerade in dieser Region aus den Wohnungen bessergestellter Arbeiter, Kaufleute, Beamter und höheren Angestellten. Nach dem Aufstand war... für viele dieser Wohnungen kein Bedarf mehr und es waren auch etliche Gebäude in... besserer Lage frei, sodass diese Siedlung nach und nach aufgegeben wurde. Der Dschungel holte sie sich dann wieder zurück. Das Einkaufszentrum ist der letzte Rest Erinnerung aus dieser Zeit und unsere natürliche Barriere für den Dschungel selbst, denn als Grundlage für den Parkplatz hat man das gleiche Plastbetonmaterial genommen, das man im Kombinat auch für Raumhäfen verwendet. Was den Urwald natürlich nicht daran hindert, sich auf dem Beton auszubreiten.“
„Ich danke Ihnen für Ihre Offenheit“, sagte Bishop, nicht ohne Sarkasmus in der Stimme. „Sie sagen also, der Dschungel, der direkt an dieses Gelände grenzt, steht zum Großteil auf Teilen der alten Parkfläche?“
„So in etwa, Bishop-san.“

Der Pionier dachte nach. Wieder sah er die Balkons hinauf. Stillgelegte Rolltreppen führten die Ebenen hinauf, und dies nicht durchgängig, sondern durchaus so, dass man einige Meter bewältigen musste, um zur nächsten Rolltreppe zu kommen. Damals zweifellos eine gute Idee, um die Menschen dazu zu bewegen, an mehr Geschäften vorbei zu gehen. Alles in allem schrie dieses Einkaufszentrum einen Wohlstand hinaus, den es so auf vielen draconischen Welten nicht gab. Gut, gut, mit Takashi Kurita hatte es eine Renaissance gegeben, ein kleines Wirtschaftswunder, und auf vielen Planeten hatte es einen Kultursprung gegeben, der sie dann eher einer Kernwelt der Vereinten Sonnen gleichen ließ als einem ihrer Peripherie-Systeme, die teilweise auch heute noch relativ ländlich waren, um es nett auszudrücken. Aber der Aufstand hatte dieses ganze Viertel ausradiert. Allerdings war der Wohlstand der Menschen, die hier eingekauft hatten, auch auf dem Rücken der Aufständischen erworben worden, aber das war auch eine ganz andere Geschichte.
„Was ist mit Strom?“
„Die alten Leitungen existieren noch, sind aber stellenweise unterbrochen.“
„Wasser?“ „Haben wir abgestellt, nachdem das Gebäude aufgegeben wurde. Wir erwarten, dass die Rohre in beide Richtungen noch immer gut funktionieren werden.“
„Aber garantieren können Sie das nicht?“ Das Schweigen des Odaga-Mannes sagte ihm genug.
„Was ist mit den sanitären Einrichtungen, was mit Duschen, Waschräumen?“
Haizo runzelte die Stirn. „Die Geschäfte haben alle Gästetoiletten und Einrichtungen für die Mitarbeiter. Die größeren Geschäfte haben auch Waschräume für die Mitarbeiter. Zudem gibt es auf dieser Ebene eine große öffentliche Toilette.“
Bishop runzelte die Stirn. „Hm. Sollen wir den Brunnen freiräumen, die Fontäne wieder anstellen und uns da drin waschen?“
Tai-ming Koshina lachte. „Das klingt doch lustig, Lieutenant.“
„Ja, AsTech lustig klingt es. Ich hoffe, Sie haben einen hübschen Badeanzug einstecken, dann können Sie im Brunnen auch ein paar Runden drehen.“
Sie grinste noch immer. „Da man auf diesem Planeten eher nicht in den Meeren baden sollte, wäre das eventuell nicht die schlechteste Idee, Sir.“
„Zugegeben.“ Er deutete auf zwei seiner Begleiter. „Tiefgarage aufsuchen, die Zufahrt kontrollieren, Zustand des Bodenbelags ermitteln.“ „Ja, Sir.“
Die nächsten beiden. „Ihr sucht mir zuerst die öffentlichen Toiletten auf, danach alle Geschäfte auf dieser Ebene.“ „Ja, Sir.“
„Der Rest folgt mir. Wir gehen in den zentralen Wachraum, und Sie, Tai-ming, gehen mit Garfield den Hauptverteiler untersuchen.“ „Ja, Sir.“
„Na, dann wollen wir keine Zeit verlieren. Wir...“ Seine Worte gingen durch einen sehr lauten Knall unter, der Bishop an den Abschuss einer Artilleriegranate erinnerte. „RUNTER!“, rief er und riss Haizo mit sich zu Boden. Auch die anderen Höllenhunde sprangen in provisorische Deckungen und rissen die anderen beiden Hausmeister mit sich zu Boden. Dann gab es tatsächlich einen Rumms und eine kleine Druckwelle, aber sie schien nicht aus Ihrem Kleeblatt des Gebäudes zu kommen. Das Feuern mehrerer Autopistolen und das charakteristische Singen eines Lasergewehrs antworteten, und irgendwo gab es einen Rumms, der Putz von der Decke über ihnen ablöste. Bishop schaltete sofort und sprang wieder auf die Beine, Haizo mit sich hochzerrend. „RAUS!“, brüllte er.
Die Höllenhunde, glücklicherweise noch nicht weit ins Gebäude vorgedrungen, hatten nur ein paar Meter bis zum Haupteingang, und von dort nur wenige Schritte bis zu den Fahrzeugen.
Ein paar Sekunden später befand sich die kleine Kolonne schon nicht mehr auf dem Parkplatz, während hinter ihnen weitere Schüsse ertönten, in das sich einmal sogar das Zischen einer abgeschossenen Kurzstreckenrakete mischte. Als sie die Ausfallstraße zurück zur Stadt erreicht hatten, fuhren sie automatisch ein Stück um das Kleeblattgebäude herum. Bishop konnte ein paar aufgemotzte Schweber entdecken, die am Stirnende eines der anderen Gebäude standen, Sie waren bemannt und mit MG und KSR-Werfern nachgerüstet worden. Im Gebäude selbst wurde augenscheinlich gekämpft.
„Hören Sie, Haizo“, sagte Bishop, nachdem sein Puls wieder normal schlug, „den Dschungel hätte ich Ihnen ja vom Parkplatz runter gekratzt, aber Ihre Bewohner sind noch immer da und augenscheinlich auch wehrhaft. Und auch nicht schlecht bewaffnet.“
Der Hausmeister schien hochgradig verstört zu sein. „Das sind Rebellenkräfte. Eine der augenscheinlich größeren Gruppen. Sie müssen versucht haben, illegale Ernte an einen Mittelsmann zu verkaufen, und das ist schief gegangen. Entschuldigen Sie mich, Bishop-san, das muss ich melden. Danach wird das Einkaufszentrum wohl aus der Wahl fallen.“ Der Mann beugte sich ein Stück vor, griff zum Funkgerät, justierte eine neue Frequenz und gab eine sehr militärische Meldung weiter.

Bishop ließ halten, als sie etwa zwei Kilometer entfernt waren. „Sagen Sie Ihren Leuten, sie sollen nicht auf uns schießen, Haizo-san.“ Der nickte und sprach erneut in den Funk. Bishop winkte seine Leute aus den Wagen auf die Straße. „Das sollten wir uns anschauen.“
Am Gebäude gab es Bewegung. Hinter dem Haus tauchten zivile Fahrzeuge auf, bodengebundene Radfahrzeuge, die auf den Dschungel zuhielten. Auch bei den Schwebern gab es Bewegung, einer hob ab und flog nahezu in die gleiche Richtung. „Jemand hat sie gewarnt“, sagte Haizo zähneknirschend. Kurz darauf zogen fünf Schatten über die Höllenhunde hinweg. Und dann brach über dem Einkaufszentrum und dem Parkplatz die Hölle in Form von Yellowjacket-VTOLs los. Sie beschossen den Gebäudeflügel, in dem gekämpft wurde und machten Jagd auf die fliehenden Fahrzeuge.
Bishop steckte sich eine Zigarre an, während er das Spektakel beobachtete. Ein Teil des beschossenen Gebäudes brach in sich zusammen, einer der VTOL zersägte mit seinen MG einen fliehenden Zivilwagen in handliche Einzelteile. „Haizo-san, ich gehe stark davon aus, dass dieses Gebäude für eine längere Zeit eher nicht als Unterbringungsmöglichkeit in Frage kommen wird.“
„Sicher nicht, solange es immer noch als Umschlagplatz für unser heimisches Verbrechen genutzt wird. Obwohl, die anderen beiden Flügel stehen noch, und...“ Dies war der Moment, in dem das zweite Gebäude teilweise zusammenbrach. „Ich halte wohl lieber die Klappe.“
Bishop ließ ein kurzes, kehliges Lachen vernehmen. Gut, jetzt wäre es nicht mehr zu groß. Aber wenn sie ständig mit solchem Besuch rechnen mussten und die einheimischen Hubschraubersoldaten die Rebellen mit solcher Konsequenz jagten, dann war es eine gute Idee, diese Ecke zu meiden.
„Die Show ist vorbei. Alle wieder einsteigen. Wir fahren zurück zur Kaserne. Haizo-san, wir schauen uns morgen den Sicherheitstrakt an.“
„Wollen Sie da heute nicht mehr hin? Wir haben noch fünf Stunden Tageslicht.“
Der Pionier warf einen vielsagenden Blick auf das ehemalige Kleeblatt. „Ich fürchte, für den Besuch müssen wir uns besser ausrüsten, als ich dachte. Morgen früh, Haizo-san.“
„Wie Sie es wünschen, Bishop-san.“
Bishop kurbelte das Seitenfenster runter und blies den Rauch seiner Zigarre nach draußen. In der Stadt musste es wieder hoch, wollte er keine Einladung für einen gezielten Schuss geben. Er beeilte sich mit der Zigarre. Verdammt, was sollte er jetzt Scharnhorst sagen? Auf jeden Fall, dass das erste Gebäude definitiv ausfiel. Vermutlich.

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Unbekanntes System, Juni 3067, Militärdistrikt Benjamin, Draconis-Kombinat

Landungsschiff *zensiert*, Mechhangar 1

"Jesus, Prophet des unvollendeten Buches!," presste Dadif fluchend zwischen seinen Zähnen hervor. Weil der Lander am Sprungschiff hing und sie nur noch auf den Hypersprung warteten, gab es entsprechende Dienste.

Null-G-Boxen war heute das Programm für seine Gruppe aus vorwiegend "Verlorenen", sowie ein paar "echten" Soldaten. Und er fühlte sich wie der Boxsack seines größeren und schwereren Gegners.
Beinarbeit war hier im Mechhangar explizit eingeschränkt worden und mit den schweren Magnetboots auch nicht sehr empfehlenswert. Also versuchte er, seinen Oberkörper so gut es ging zu bewegen.
Mehrere Paare standen sich gegenüber, bewacht von den zwei Trainern, einer ein Mannschaftsdienstgrad und einer von den Unteroffizieren. Beide waren gute Boxer, aber didaktisch nicht auf hohem Niveau. Der Hangar wurde häufig für solche Gruppenübungen genutzt, weil hier einfach mehr Platz als sonstwo auf dem vollbeladenen Landungsschiff war.

In dem Streß der auf ihn einprasselnden Schläge konnte Dadif nur noch schlecht denken. Muskeln anspannen, pendeln, Hände vors Gesicht. Er merkte, daß in Null-G die Schläge nicht so hart waren, dafür die Beinstärke noch wichtiger wurde, um überhaupt Kraft zu übertragen. Bisher hatte er diese geschont, sein Gegner allerdings tat seit einer gefühlten halben Stunde das komplette Gegenteil. Der musste doch langsam ermüden?
Einige Anzeichen erkannte Dadif jetzt, auch wenn er dadurch einen schweren Treffer auf seine Deckung und seinen flachen Bauch einstecken musste. Trotz des Stresses eines auf ihn einschlagenden Gegners wurde er jetzt wieder etwas klarer. 'Atme, Junge!', ermahnte er sich selbst. Er war nicht mehr so schmächtig wie früher mal, aber war immer noch weit von einigen Kraftpaketen in der Einheit entfernt.

Der andere, Gerhardt, wie Dadif einer aus der vielfältigen Gruppe der "Verlorenen" - eingesammelt von verschiedensten Planeten und unterschiedlichster Herkunft -, hatte sich immer mit am stärksten bemüht, von der Einheit wirklich angenommen zu werden. Er strengte sich sehr an und war auch für die unangenehmsten Aufgaben bereit. Es war keine Frage, dass er eine traurige Vergangenheit hatte, die hatten die meisten von ihnen. Dadif erkannte langsam einen Rhythmus in den Schlägen. Er konnte ihn jetzt gut auspendeln und abfangen und formulierte schnell einen Plan: sobald er unkontrollierter und frustriert schlagen würde, zwei gute Konter gegen Gerhardts Körper hatten dies schon vorbereitet, konnte Dadif vielleicht Wirkungstreffer setzten.

Aber lange hielt er auch nicht mehr durch. Es war dafür auch nötig, einen Schritt näher zu machen, da er weniger Reichweite hatte als Gerhardt. Ein weiterer kleiner Vorteil war hoffentlich, dass dieser schon länger seine Deckung vernachlässigte, weil Dadif wenn, dann nur auf den Körper ging. Und ständig Druck zu machen musste in Low-G stark auf die Beinmuskeln gehen.

In normaler Schwerkraft hätte Dadif jedenfalls schon längst verloren. Da, Gerhardt ließ die Arme sinken und wollte wohl kurz durchatmen, aber nicht mit Dadif! Ein Schritt vor und jetzt brachte er alle Kraft auf, die er noch hatte um seine gepolsterten Fäuste gegen den Kopf seines Gegners zu bringen. Der andere versuchte sich zu schützen, und sogar einen Konter zu schlagen, aber es brachte nicht mehr viel, er war zu verausgabt.

Nach sechs guten Treffern unterbrach eine Trillerpfeife Dadifs Angriffswirbel. Jetzt sah er auch, dass sein Gegner nur noch pro forma noch stand. Der war völlig erschöpft, seine Muskeln zitterten und seine blasse Haut war schweißnass. Immerhin hatte er die Fäuste vor dem Gesicht, was die letzten Haken Dadifs jedoch nur geringfügig gemildert hatte.

Viele der Anderen sahen mit einer Mischung aus Staunen, Sorge und vielleicht Bewunderung zu Dadif. So kannten sie ihn gar nicht. Das schweißnasse, etwas lädierte Gesicht war zu einer Maske der Aggression verzerrt, er atmete laut und auch seine Muskeln bebten jetzt von der enormen Anstrengung. Er schaute erst herausfordernd, dann jedoch zunehmend peinlich berührt in die Runde, als der Unteroffizier zu ihm trat und seine Fäuste aus der Kampfhaltung nach unten zog. Auch er schien etwas überrascht zu sein. "Nase, es ist vorbei, gut durchgehalten." Es wirkte fast fürsorglich.
"An alle, jetzt ist Erholung angesagt, passt auf euch auf. Ihr zwei, kümmert euch um ihn." damit deutete er auf zwei andere Soldaten, und meinte Gerhardt, der sich zu sehr verausgabt hatte. Die Magnetboots konnten jetzt gelöst werden, das erleichterte Dadif etwas die Situation. Aber er fühlte sich körperlich und geistig wie Gerhardt aussah. Er würde später nochmal mit ihm reden müssen. Morgen war zum Glück kein schwerer Dienst geplant. Aber in kurzer Zeit würden sie auf dem Zielplaneten sein, da wurde es dann ernst. Zum Glück war Dadif gerade zu müde um sich damit zu beschäftigen. Sie verließen nach und nach den Hangar, wo nur noch die Techs über die festgezurrten Maschinen krabbelten.

***

Der Gedanke an den bevorstehenden Einsatz bereitete Dadif gewisses Kopfzerbrechen. Die ganze bisherige Zeit bei der Einheit war er nicht einmal im direkten Einsatz gewesen, aber er wusste, das würde sich diesmal ändern. Angesichts seines katastrophalen ersten Einsatzes – inzwischen schien ihm das eine Ewigkeit her – spürte er jedes Mal, wie sich sein Herzschlag beschleunigte, wenn er daran dachte. Und das geschah gewiss nicht aus lauter Vorfreude. Da war Angst, natürlich, aber nicht nur. Er fragte sich auch, ob er würde vollbringen können, was man von ihm erwartete – in jeder Hinsicht.

Es war gleich am ersten Tag des verschärften Trainings an Bord des Landungsschiffs gewesen. Sein Mörsertrupp hatte gerade einen Sechs-Kilometer-Marsch hinter sich gebracht. Der vollzog sich, indem sie im Haupthangar des Landungsschiffes 50 Mal hin und her gescheucht worden waren, und das in schwerer Kleidung, um die hohe Lufttemperatur auf dem Zielplaneten zu simulieren. Seine Kameraden und er hatten eine wohlverdiente Pause genossen – das Essen war auch an Bord ein wirkliches Highlight.

Skadi hatte die Gelegenheit genutzt, und ihre Untergebenen über einige Verhaltensmaßregeln zu erläutern: „Also, Mädels und Jungs, wir haben vermutlich so etwas wie einen Logenplatz. Wenn alles glattgeht, ist es nur unsere Aufgabe, dem Gegner unsere Eier an den Kopf zu knallen, vielleicht kriegen wir sie nicht mal zu Gesicht. Denkt dran, wir sind kein Kanonenfutter, Lupus passt auf uns auf. Er wird uns nicht verheizen, denn er nimmt einen Verlust nicht auf die leichte Schulter.“ Sie grinste: „Und sei es nur, weil ihm ,Gräfin‘ sonst den Kopf abreißt.“ Das war mit Gelächter quittiert worden.

„Es kann aber sein, dass wir bei den Aufräumungsarbeiten helfen müssen. Man weiß nie, wie eine Schlacht sich entwickelt. Deshalb hier ein paar allgemeine Regeln zum Umgang mit dem Gegner. Zunächst einmal, bei den Höllenhunden müssen wir vorsichtig sein. Das sind Söldner, die für die Dracs, für Com Star-Geheimprojekte UND für Geisterbären gearbeitet haben. Für die Dracs und die Geisterbären GLEICHZEITIG, und dabei haben sie Dracs abgeschlachtet, die gegen die Clans weiterkämpfen wollten. Ihre Chefs stehen sich gut mit solchen Typen wie dem Kell-Abschaum, und damit meine ich die FAMILIE Kell, und mit den Kuritas. Also Abschaum der schlimmsten Sorte – nur einen Schritt von den Vogelfreien entfernt, und das auch nur, weil sie den richtigen Leuten in den Arsch gekrochen sind. Also lieber kein Risiko eingehen, wenn einer vor euch steht. Wir WERDEN sie gefangen nehmen, wenn sie sich eindeutig ergeben…“ sie hob theatralisch die Arme. Viele Soldaten hätten es schon als recht vielsagend betrachtet, dass Skadi meinte, die Bereitschaft Gefangene zu nehmen extra erwähnen zu müssen.

„Gefangene werden gründlich gefilzt – GEFILZT, nicht ausgeraubt, nicht geschlagen oder dergleichen. Sie werden streng bewacht, aber entsprechend der Vorschriften behandelt. Das Verhör übernehmen natürlich andere, das ist nicht unsere Sache. Aber wer versucht zu den eigenen Leuten abzuhauen – ob er schon kapituliert hat oder gerade aus seinem zerstörten Panzer klettert und sich nicht sofort und eindeutig ergibt – oder gar Anstalten macht, Widerstand zu leisten, den knallt ihr auf der Stelle nieder. Kein Anruf, kein Warnschuss – sofort draufhalten. Wir können bei denen kein Risiko eingehen – Täuschung und Verrat ist praktisch ihre Natur. Und noch was – von den Toten sind nach Möglichkeit Bilder zu machen, am besten vom Gesicht, Namensschild, so was in der Art.“
Einer von Dadifs Kameraden hatte gelacht: „Wenn WIR Dracs wären, könnten wir ja Köpfe sammeln.“
Skadi kicherte böse: „Bring Lupus bloß nicht auf dumme Gedanken.“

***

Dadif fragte sich, ob seine Kameraden nur so abgebrüht taten, oder es wirklich waren. Er fragte sich immer häufiger, ob er in der Lage sein würde, einen Mann oder eine Frau, die nur ,zu den eigenen Leuten abzuhauen‘ versuchte, warnungslos in den Rücken zu schießen. Er brauchte nur daran zu denken, und seine Handfeuerwaffe kam ihm drei- bis viermal so schwer vor, wie sie wirklich war. Er hoffte nur, dass so eine Situation nie eintrat… Hoffentlich hatte er so viel Glück, dass er nie vor dieser Wahl stehen musste.

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Combined Arms Mechwarrior, hier fahre ich Epona, stampfe mit NovaCat, fliege Shiva und bin BA.
Stand-alone, ohne irgendwelche Voraussetzungen. Kostenfrei.

http://www.mechlivinglegends.net/2017-01/mechwarrior-living-legends-communi
ty-edition/
16.06.2019 10:32 Marlin ist offline E-Mail an Marlin senden Beiträge von Marlin suchen Nehmen Sie Marlin in Ihre Freundesliste auf
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Sulafat
Tag der Landung der Höllenhunde


"Kanta-sama! Wach auf!" Kanta öffnete müde seine Augen. Er war vom "Wohlgefühl" angenehm betäubt und hatte seine Probleme damit beiseitegeschoben. Der aufgeregte Junge war das Neueste Mitglied seiner Gang. Er hatte Ano-kun ersetzt, der als Bezahlung seiner Rückstände an die Kräuterhexe gegangen war. Und offenbar hatte er etwas wichtiges mitzuteilen. "Kanta-sama, die Beobachter haben gehört, dass die fremdweltischen Hunde auf den Raumhafen bleiben! Vielleicht wollen sie nicht in ihre Basis." Plötzlich war Kanta schlecht und er war stocknüchtern.

Er griff zitternd nach seiner Wasserschale, die die Nachwirkungen der Droge lindern würde. Keine Söldner in der Basis bedeutete den Auftrag nicht ausführen zu können, bedeutete damit kein Geld des kleinen dicken Gaijins und dadurch nicht seine Schulden abzahlen zu können. Die ersten Zahlungen hatten ihn im Spiel gehalten aber langsam wurde es ernst. Ohne einen riskanten Einsatz gab es kein Geld mehr und damit war alles vorbei.. Er musste mit dem Gaijin reden. Langsam kam sein Gehirn wieder in Gang. Wenn sich die Voraussetzungen geändert hatten, war doch sicher nicht Kanta dafür verantwortlich? Vielleicht konnte er ja andere Dienste anbieten. Diebesgut vielleicht. Oder ein Mädchen? Er schwitzte, trank noch etwas. Das Wichtigste war Klarheit. Er marschierte zum üblichen Treffpunkt, entschlossen, nicht aufzugeben. Allerdings vermied er wohlweislich, am Stand der Kräuterhexe vorbeizugehen.

Niemand war zu sehen, als er ankam, aber das war nicht erstaunlich. Kanta ließ eine Nachricht im toten Briefkasten und schlenderte durch die Straßen, um immer wieder zum Treffpunkt zurückzukehren, in der Hoffnung, dass es doch schnell gehen würde. Er versuchte seine Verzweiflung in Nachdenken umzuwandeln, aber es gelang ihm kaum. Sollten sie im Dschungel gegen die Gaijin-Söldner eingesetzt werden, wären sie in großer Gefahr. Kanta selbst wäre dank seiner Kenntnisse wohl noch am besten dran. Sie müssten also zum Einsatzort transportiert werden, um nicht schon auf dem Hinweg dezimiert zu werden. Und das Geld würde deutlich erhöht werden müssen. Andere Möglichkeiten? Er würde wirklich anbieten, Diebesgut und andere Beute auf die Anforderungen des dicken Mannes abzustimmen. Und noch sein Angebot für Mädchen unterbreiten. Es würde vielleicht nicht einfacher werden, aber alles war besser, als durch den Dschungel zu müssen.

Er nickte unbewusst einem Bettler zu, als er marschierte, jetzt hatte er doch den Treffpunkt verpasst. Also Marsch zurück. Da stand der kleinere, dicke Mann wieder. In einer Seitengasse, die halb überwuchert war. Die Flut und die Stürme hatten hier schon zu oft gewütet, als dass jemand hier Ordnung halten würde, schon gar nicht in diesem Viertel.

Zwerg kam zu ihrem Haus zurück, den Einkauf hatte er diesmal klein gehalten. Möglich, dass sie schon heute aufbrechen mussten. Zwar würde die Söldnerbasis nicht vollständig ungenutzt bleiben können, aber offenbar waren die Höllenhunde auf der Hut. Er hätte fast über diese Bedeutung lachen können, aber es war ihm nicht danach. Vielleicht wollten sie ja einfach bessere Bedingungen verhandeln.

Beast war offenbar wieder beim Training. Amboß, ein Experte für schwere Waffen, Sprengstoffe und Elektronik hielt mit den Kameras Wache. Das hieß, dass Beast mit Zynik trainieren musste. Während Amboß seinem Codenamen entsprechend massiv war, war Zynik fast das Gegenteil. Schlank, beweglich und flink war er ein Alptraum für jeden Gegner. Was ihm an roher Stärke mangelte, machte er durch Technik wett. Dazu war er ein Experte für Gift in allen Einsatzformen, ebenso für improvisierte Fallen und war mindestens ebenso kaltblütig wie Beast. Ein guter Teamplayer, auch wenn sein beißender Spott und seine ätzenden Sprüche vor niemandem Halt machten, außer vor der Sekretärin und manchmal der Gräfin.

Trotz der Veränderungen der Lage war Zwerg sehr interessiert, wie die beiden sich schlagen würden. Wie er Zynik kannte würde er Beast ins Leere laufen lassen um ihn zu frustrieren, ihn dann mit seinen unfassbar schnellen Tritten und präzisen Schlägen vorzubereiten, um ihn in Ruhe ausschalten zu können. Kitsune saß mit einem Datenpad im Übungsraum und war offenbar ebenfalls zu fasziniert um ihre Berechnungen fortzusetzen.
Die beiden Kämpfer hatten alle mögliche Schutzausrüstung angelegt was bei ihren Fertigkeiten auch notwendig war, zumal sie sich wohl einen wirklichen Wettstreit lieferten. Beast schien schon angestrengt zu sein und atmete hörbar, ein seltenes Erlebnis. Zynik tänzelte um ihn herum, mal näher, mal mit Abstand. Zwerg flüsterte seine Frage an Kitsune: "Wie lange spielen sie schon?" Sie wandte den Blick nicht ab, da Beast wieder einige fruchtlose Angriffe startete, Zynik wich entweder aus oder ließ die Angriffe abgleiten. Als Spitze setzte er auch noch einen harten Tritt gegen Beasts Oberschenkel kurz über das Knie. Der hätte Kitsune vermutlich von den Beinen gefegt. Beasts Knie kam zu spät nach oben um den Effekt abzumildern. "Ich bin nicht sicher," flüsterte sie zurück. "Eine halbe Stunde bestimmt schon. Vorher haben sie nur trainiert."

Jetzt wirbelte Beast erst mit einem Roundhouse-Tritt und einem folgenden Rückhandschlag gegen Zynik. Dem Tritt wich er aus, den schwächeren Schlag blockte er und setzte wiederum einen Beintreffer bei Beast. Unwillkürlich fragte sich Zwerg, wieviel von diesen Tritten Beast schon gefangen hatte und ob sie einen Effekt haben würden.

Kurz beantworte Beast diese Frage mit einem Zähneblecken und entlastete merklich sein getroffenes linkes Bein. Trotzig winkte er Zynik nachdrücklich mit seinen behandschuhten Händen aktiver zu werden, da er jetzt nicht mehr nachrückte. Auch Zyniks Anstrengung war sichtbar. Er blieb noch vorsichtig. Immerhin, zwei schnelle Finten ergaben eine schnelle Reaktion von Beast. Da Beast sogar aus Zyniks Reichweite zuückwich, schien dieser doch mutiger zu werden. *Krach* ein schwerer Fronttritt Zyniks in Höhe des Solarplexus ließ Beast wanken. Blitzschnell hielt Zynik jedoch wieder Abstand. Selbst Zwerg hatte den Tritt fast gespürt. Das musste doch etwas Wirkung erzielen? Beast schnaufte jetzt. Noch hielt er sich auf den Beinen.

Zwerg meinte, bei ihm fahrigere Bewegungen als üblich zu bemerken. Die Deckung war deutlich nachlässiger als sonst. Wie lange würde jemand solche Tritte ertragen können? *krach* Ein weiter Tritt ließ Beast auf ein Knie sinken. Er war sofort wieder oben, aber es sah nicht gut für ihn aus. Er rieb sich kurz sein Brustbein, atmete einige Male, so tief er konnte. Noch bevor er sich auf Zynik stürzen konnte, setzte der wieder einen harten Tritt gegen den Rippenbogen seines Gegners. Dann überschlugen sich die Ereignisse.

Während Zynik mit einem weiteren Tritt nachsetzen wollte war Beast urplötzlich nach vorn gestürzt, klemmte das Bein unter seinen Arm, fing sich zwei Harte Schläge von Zynik gegen den Kopf ein und brachte sie beide zu Boden. Zynik wehrte sich nach allen Regeln der Kunst des Bodenkampfes, aber Größe, Kraft und Technik in der seltenen Kombination von Beast waren letztlich zuviel. Er hielt ihn in einem seitlichen Würgegriff mit dem linken Arm, die Beine um seinen Körper geschlungen und Zynik klopfte schnell ab, als Beasts freie Hand seinen Hals berührte und einen leichten Hustenanfall erzeugte.

Als sich beide voneinander lösten, stapfte der Unterlegene zügig von dannen. Beast rappelte sich langsam auf und seine Atmung war immer noch schnell, offenbar waren die Treffer doch so schwer, wie sie Zwerg gesehen hatte. Kitsune und er war gegen Ende unwillkürlich aufgesprungen, so etwas sahen sie nicht alle Tage. Zwerg fragte als Erster: "Hast du mit ihm gespielt, oder war es wirklich so schwer?" Beast sah ihn müde an. Nach einigen tiefen Atemzügen antwortete er: "Zynik glaubt vielleicht, dass ich nur etwas vorgespielt habe, aber das ist falsch. Ich habe ihn nicht erwischt, er ist einfach zu schnell. Also musste ich riskieren, dass er mich schwer trifft um an ihn heranzukommen. Es ist mir gelungen, seine Schnelligkeit und seine Tritte sind jedoch sehr gefährlich. Rede du mit ihm."

Beast verstummte und begann, seine Schutzausrüstung abzulegen. Offenbar war sein Bein ganz in Ordnung, aber er blieb noch etwas in gekrümmter Haltung. Es wurde besser, als er sich zu dehnen begann. Zwerg erwähnte die Neuigkeiten vom Raumhafen und sie machten eine baldige Besprechung aus. Beast schien in keiner großen Eile zu sein, was Zwerg etwas beruhigte. Zwar war er gut vorbereitet, aber der Dschungel war trotzdem nicht sein Lieblingsgebiet.

Vielleicht hatten sie ja doch noch etwas von der relativen Ruhe des Hauses. Zumindest, solange die Höllenhunde auf dem Raumhafen blieben. Sobald sie wussten, wohin sie sich bewegen würden, war die Jagd eröffnet. Kitsune sprach jetzt: "Als medizinisch Verantwortliche für diese Gruppe weise ich darauf hin, dass solche "Wettkämpfe" zu gefährlich sind, um weitere davon zu erlauben. Gegen Training im eigentlichen Sinne habe ich nichts." Beast schien nicht zu reagieren, während Zwerg die Enttäuschung anzusehen war. Amboß hätte er sich gern nochmal vorgenommen. Kitsunes Blick ließ ihn jedoch nicht protestieren.

Beast nickte einmal, bevor er sprach: "Zustimmung. Dir Wartezeit ließ die Gruppe etwas unruhig werden. Jetzt ist unser Ziel da und wir werden unsere Fähigkeiten brauchen." Er sah sie erst jetzt direkt an. "Morgen früh um neun Uhr Zulu hast du wieder Einzeltraining, diesmal mit Zwerg. Besprechung in zwei Stunden.", damit ging er davon. Zwerg musste grinsen, er freute sich darauf.

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Combined Arms Mechwarrior, hier fahre ich Epona, stampfe mit NovaCat, fliege Shiva und bin BA.
Stand-alone, ohne irgendwelche Voraussetzungen. Kostenfrei.

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Liebes Tagebuch. Ich habe Dir, meinem treuen Verbündeten, stets alles anvertrauen können. Du warst immer für mich da, Du warst immer ein sicheres Behältnis für meine Gedanken, meine Wünsche, meine Ziele. Ich verdanke Dir viel, denn oftmals war es der Vorgang, in Dich hinein zu schreiben, der mich viele Dinge hat klarer sehen lassen, der mich zu einem besseren Offizier für die Höllenhunde und meine Leute hat werden lassen. Dafür danke ich Dir sehr. Aber heute, heute muss ich Dich warnen, denn das, was ich Dir erzählen will, ist selbst für einen Höllenhund, ja, einen Chevalier hart an der Grenze des Glaubbaren. Du dachtest, die Schießerei mit dem Luftangriff beim Einkaufszentrum gestern wäre schon extrem gewesen? Oh Du naives Ding. Es kann tatsächlich noch schlimmer kommen. Und wir sind erst einen Tag auf dieser Höllenwelt Sulafat. Und ich bin sicher, es kann auch noch viel unglaubwürdiger werden, je länger wir hier sind. So ist das wohl, auf einer Welt, in der die eine Hälfte der Flora und Fauna versucht, dich zu töten, und die andere Hälfte versucht, dich zu fressen. Aber ich will von Anfang an erzählen. Es begann damit, dass der Alte zu mir kam und sagte: „James, ich möchte, dass Du Jim und die Pioniere zum Lagerkomplex begleitest, den wir heute gezeigt bekommen. Untersuche das Gelände auf Manövrierfähigkeit für unsere Panzer, auf Möglichkeiten, das Gelände mit Heckenschützen zu beschießen, auf Funktionalität der Einrichtung, und so weiter. Aber am Wichtigsten: Finde den Beweis, dass das Ding für uns untauglich ist. Wenn Du keinen findest, dann konstruiere einen. Warum? Das Ding ist ein ehemaliges Konzentrationslager, in dem die alte planetare Führung Angehörige des Widerstands gefangen gehalten, gefoltert und ermordet hat. Ich sehe, wir verstehen uns.“
Natürlich verstehen wir uns, Manfred. Vor allem verstehe ich, dass ich den Schwarzen Peter bei dieser Geschichte habe. Allerdings, wenn man bedenkt, wie aggressiv diese Welt gegen seine menschlichen Bewohner ist und wie schwierig es ist, Bauwerke bei der Feuchtigkeit und Pilzdichte über Jahre hinweg stabil zu halten, sollte es nicht besonders schwierig sein, ausgerechnet ein ehemaliges Konzentrationslager ablehnen zu können, indem man genügend Vorwände findet.
Oh, was war ich doch naiv. Ziemlich, muss ich sagen. Und da frage ich mich schon, was der alte Dolittle gemacht hätte, wäre er jetzt hier und würde uns weiter durch dick und dünn führen. Nicht, dass Manfred eine schlechte Wahl ist, aber der alte Haudegen hat einfach mehr Tricks auf dem Kasten, die er mir längst nicht alle gezeigt hat.
Ja, Dolittle wäre mit dieser Welt Schlitten gefahren, anstatt dass die Welt mit uns Schlitten gefahren ist. Aber... Beginnen wir beim Aufbruch.
(Aus dem Tagebuch von James Battaglini: „Die Höllenhunde und ich“, erschienen im WayFive-Verlag, Dantonville N.H. (Northern Hemisphere))

1.
„Morgen, James.“ „Morgen, Jim.“ Der Panzerfahrer und der Pionier, beide alte, erfahrene und altgediente Chevaliers, gaben einander die Hand zur Begrüßung. „Hat Manfred mit dir gesprochen?“
Der Pionier winkte ab. „Keine Sorge, ich sehe mich in keiner Form zurückgesetzt, wenn du uns begleitest. Im Gegenteil, ich habe so das Gefühl, dass wir die Hilfe noch gut brauchen können. Wenn du als Panzerfahrer einen Blick aufs Gelände wirfst, ist das gar nicht so verkehrt für uns. Wenn ich an die Geschichte in den Chaosmarken zurückdenke, wird mir heute noch übel. Der arme Cliff. So jung, und hinterrücks einfach abgeknallt. Und dann hat dieses durchgeknallte Weib Wallace auch nichts besseres zu tun und Germaine die Eier abzuschneiden, indem sie ihn entscheiden lässt, ob er Manfred oder Peterson sterben lässt. Ah, sorry, das führt etwas weit“, sagte Bishop, grummelte und griff in die Hosentasche, um einen halb zerbissenen Zigarillo hervor zu kramen, den er sich zwischen die Lippen steckte, aber nicht anzündete. Das Ding erfüllte mehr die Funktion eines Beissholzes für ihn, nicht den eines Rauchgegenstandes. Zumindest, wenn er eine Menge Stress hatte. So wie heute.
Battaglini schnaubte einmal laut aus. Cliff und er hatten sich gut verstanden. Und als die Nachricht von seinem Tod kam und als erzählt wurde, wie er gestorben war, hatte auch er den Alten nicht darum beneidet, zu dieser Entscheidung genötigt worden zu sein. Aber er hatte Germaine dafür bewundert, dass er unter der Last dieser Entscheidung nicht zusammengebrochen war und sie getroffen hatte. Ein Kerl, ein harter, das war Danton. Einer, mit dem man sich besser nicht anlegte, wenn man auf Streit aus war und meinte, man könne gewinnen. Der Alte zeigte ihnen schnell das Gegenteil, egal ob durchgeknallter Ronin, ausgeflippte religiöse Fanatiker, Clanner im Tötungsrausch, Schwarzkastler mit Großmachtphantasien, oder wer sonst da noch kommen sollte. „Ich bin verdammt froh, dass niemand von mir verlangt hat, so eine Entscheidung zu treffen. Noch nicht.“
Bishop lachte abgehackt auf. Er klopfte dem Panzerfahrer auf die Schulter. „Na, dann komm. Wir sehen zu, dass wir nicht in ein Gelände gedrängt werden, indem uns der gleiche Scheiß noch mal passieren kann wie damals.“

Wie auf Stichwort traf ein gepanzerter Wagen ein. Es war Haizo-san mit den anderen „Hausmeistern“. Nach einem kurzen, höflichen Geplänkel, bei dem Bishop den neuen Teilnehmer vorgestellt hatte, schwang sich Battaglini in einen der Chevaliers-Geländewagen und schloss sich mit Koshina als Fahrerin dem Konvoi aus drei Fahrzeugen an.
Sie verließen den Raumhafen relativ fix und ohne Hindernisse. Mit Haizo unterwegs zu sein öffnete viele Türen und ersparte viele Formalitäten. Aber vermutlich würden die Raumhafenbetreiber einfach nur froh sein, wenn sie die Höllenhunde und damit die Verantwortung für sie los waren. Was so nicht ganz funktionieren würde, denn die CRYING FREEDOM und die Luft/Raumjäger der Einheit würden mit einer kleinen Schutztruppe auf dem Hafen bleiben. Bleiben müssen. Verzetteln war jetzt keine gute Idee, aber unpragmatisch sein half auch nicht weiter.
Es folgte eine Fahrt durch das Raumfahrerviertel, das sich durch Gebäude auszeichnete, die auch auf Wolcott hätten stehen können, in den wohlhabenden Vierteln mit den Firmensitzen, wohlgemerkt. Dann kamen sie durch eine Ecke der Stadt, in der es tatsächlich Hochhäuser mit bis zu zwanzig Stockwerken gab, und schließlich passierten sie eine Gegend, in der kein Haus höher als zwei Stockwerke war und in dessen Srtaßen es vor Leben nur so wimmelte. Dabei ging es zu wie auf einem Großmarkt auf Galatea. Aber die Hauptstraßen waren frei und gut passierbar, und es waren sehr viele Fahrräder unterwegs, aber kaum Fahrzeuge.
Dann, so abrupt, als wäre es mit dem Lineal abgeschnitten worden, endeten die Häuser und machten einem schier endlosen Meer zusammengezimmerter, einstöckiger Baracken Platz. Battaglini deutete hinaus. „Elendsquartiere?“
Tai-ming Koshina lachte kurz und abgehackt, es klang überhaupt nicht lustig oder amüsiert. „Nein, Sir. HIER leben die Besserverdienenden. Die Elendsquartiere sind die Ecken, in denen es nur für ein Zelt reicht. Und mit Zelt meine ich alte, halb verrottete Plastikbahnen, die man mit Hilfe von ein paar einigermaßen gerade gewachsenen Ästen irgendwie stabilisiert. Aber da fahren wir nicht durch. Das ist zu gefährlich. Die würden sich sofort zusammenrotten und uns für ein paar C-Noten abschlachten.“
„Raues Pflaster“, staunte der Panzerfahrer.
„Ja. Erinnert mich fast an Zuhause.“ Ihr Blick wurde kurz wehmütig, dann ging ein Griff an ihren makellosen, gut sitzenden Overall, mit dem sie am Stoff zog, der aber nicht nachgab. „Ich möchte nebenbei bemerkt eher ungern wieder dahin zurück.“
„Bei Gelegenheit müssen Sie mir da ein paar Geschichten erzählen, Tai-ming, und ich erzähle Ihnen, woher ich komme und wie es bei mir Zuhause aussieht, okay?“
„Sie kommen doch von Skye“, erwiderte Koshina.
„Auf Skye sind beileibe nicht alle Menschen reich, wohlhabend oder gut genug situiert für ein Dach über dem Kopf. Was meinen Sie, wie man so Söldner wird in diesem Universum?“ Er lächelte, und es war eines von denen, die nicht die Augen erreichten. „Lang, lang ist es her.“
„Okay, das sollten wir tun. Bei einem Bier und einem guten Kartenspiel. Viererdrax oder Poker?“
„Was ist aus dem guten alten Schwarzen Peter geworden?“, murrte Battaglini.
Koshina wurde einer Antwort enthoben, denn die Szenerie wechselte erneut. Wieder kamen sie in ein Viertel mit geduckten, zweistöckigen Gebäuden, in der Ferne waren einige mehrstöckige Wohnkasernen zu sehen, die sich zehn, fünfzehn Stockwerke in den Himmel Sulafats schwangen. Wieder ging es auf den Straßen zu wie auf einem Basar der Südwestlichen Welten. Diesmal hatte die Kolonne einige Schwierigkeiten, flüssig durchzukommen, denn obwohl die verschiedensten Transportmittel, Rikschas, Fahrräder, kleine Lastwagen mit Rädern oder was auch immer zum Transport verwendet werden konnte, bereitwillig Platz machten, bekamen sie nicht immer den Platz, um ausweichen zu können.
Battaglini ließ dabei, wenn sie stehen mussten, seinen Blick über die Menge schweifen, versuchte einzelne Augen zu fixieren, um einschätzen zu können, mit wem er es zu tun haben würde. Viele sahen die drei Wagen mit unverhohlenem Neid an, nicht wenige mit Hass. Einige warfen nur versteckte Blicke herüber, manche griffen in ihre Taschen. Battaglini hielt es für eine gute Idee, seine Laserpistole zu ziehen und gut sichtbar für alle einem Funktionscheck zu unterziehen, was dazu führte, dass die Zahl möglicher Aspiranten für einen Überfall dramatisch sank. Aber definitiv war das der erste negative Punkt für ihre mögliche Kaserne.

Der Tross zog weiter, und dabei gingen die Hausmeister der Herrscher der halben Welt recht nett mit der Bevölkerung um. Es gab zwar ein paarmal Situationen, in denen die Wagen halten mussten, und einmal stieg Haizo aus und schimpfte den Besitzer eines Ochsenkarren – oder was immer das für ein Tier war, das er vor seine Holzkonstruktion gespannt hatte – weg von der Straße, aber nicht einmal bahnte sich das Bodenpersonal Haus Odagas mit Gewalt den Weg.
Schließlich änderte sich die Kulisse schlagartig, und die Häuser waren durchsetzt mit großen Lagerhallen. Es war offensichtlich, dass dieser Teil wichtig war, denn zwar nahm die Zahl der Menschen ab, aber die, die anwesend waren, zeichneten sich durch einen hohen Grad an Organisation aus. Battaglini begriff. In diesen Lagerhallen wurden die „Biostoffe“ zwischengelagert oder weiterverarbeitet, die unzählige unterbezahlte Hungerlöhnler mit hohem Risiko im Dschungel Sulafats ernteten, bevor die aufbereiteten Stoffe dann ihren Weg in den Distrikt antraten. Das war, zugegeben, eine interessante Nachbarschaft. Aber die Zahl der Diebe, vom kleinen Taschendieb, der aus einem offen stehenden Korb ein paar Früchte mitgehen ließ bis zu jenen, die gezielt diverse florale Erzeugnisse raubten, bevor sie verarbeitet waren und man noch Rauschgifte aus ihnen machen konnte, nahm extrem zu. Nicht, dass er Schüsse gehört hätte oder Leichen auf den Wegen sah. Oder auch nur große trockene Blutlachen, die darauf hinwiesen, dass es hier Leichen gegeben hatte. Nun. Aber die erwartete er auch nicht an der Hauptstraße, sondern auf den Rückseiten der Gebäude. Wie gesagt, eine interessante Nachbarschaft.

Dann kam ihr Gebäudekomplex in Sicht. Die besagte Kaserne mit dem schlechten Ruf. Die bewachte Kaserne. Groß genug, dass man sie sehen konnte, lange bevor sie sie erreicht hatten.
„Noch mal halt!“, sagte Battaglini zu Koshina. Die gab eine kurze Funkmeldung an die anderen Wagen ab und bremste. Als letztes Fahrzeug konnte sie das ohne Gefährdung tun, denn hier war der zivile Verkehr praktisch nicht mehr existent. „Zurück“, kommandierte der Panzerfahrer.
Koshina gehorchte und setzte zurück. „Stopp.“ Der Wagen hielt, und Battaglini konnte genau zwischen zwei Hallen schauen. Er griff nach dem Funkgerät. „Haizo-san. Die schwarzen Säcke, die hier gelagert werden, ist es das, was ich denke, das es ist?“
„Schwarze Säcke? Worüber reden Sie, Battaglini-san?“
Die anderen beiden Wagen setzten zurück, und Battaglini stieg aus. Dabei lockerte er sicherheitshalber die Holstertasche seiner Laserpistole.
Auch die anderen beiden Wagen hielten, und einige Leute, unter ihnen Bishop und Haizo, stiegen aus. Der Panzerfahrer deutete in die breite Gasse. Dort reihten sich wirklich lange, schwarze Säcke an der Wand einer Halle entlang.
„Ich sehe sie, aber ich weiß nicht, was... Moment mal.“ Haizo ging in die Gasse. Er warf einen Blick auf den ersten Sack und wich zurück. Dann griff er nach seinem Mobiltelefon, das seinen Stellenwert auf Sulafat herausstrich und führte ein kurzes, aber lautes Telefonat. Als er zurückkam, war er nachdenklich und ein wenig blass.
„Was gibt es, Haizo-san?“, fragte Bishop.
„Es sind Leichensäcke. Sie stehen zur Verbrennung an. Die Versorgung kümmert sich darum.“
Versorgung, so nannten die Bewohner dieser Welt den medizinischen Dienst, den Haus Odaga für seine Neubürger eingerichtet hatte. Eine primitive, oberflächliche Grundversorgung für Jedermann, die besser wurde, je höher man in der Hierarchie der Zuarbeiter Haus Odagas stand, aber es war weit mehr, als den Menschen auf anderen Welten zur Verfügung stand. Die Versorgung war aber auch für den Katastrophenschutz zuständig und wurde bei Seuchen eingesetzt, um zu verhindern, dass zu viel Arbeiter bei einer solchen Katastrophe umkamen.
„Leichensäcke? Hier?“, fragte Battaglini.
„Es gab einen Ausbruch an hämorraghem Fieber, nichts Lebensgefährliches. Eigentlich. Für einen gesunden Menschen wie Sie und mich, Battaglini-san. Aber viele Menschen, die in diesem Viertel leben und keine Arbeit haben, sind Mangelernährt, unterernährt oder wegen Vorerkrankungen anfälliger. Wie es scheint, ist hier im Umfeld der Hallen der Ausgang zu sehen, es ist sehr ansteckend, und bevor die Versorgung den Fall als Seuche einstufen und entsprechende Gelder für die Eindämmung bekam, auch sehr ausbreitend. Es gab bisher sieben Tote. Mehr als dreihundert Menschen haben Folgeschäden zu tragen, darunter Organschäden. Lunge, Leber, Magen, Herz. Nicht alle gleich intensiv, manche haben nur einen Ausschlag davon getragen, aber... Wie das halt so ist mit Krankheiten. Die Versorgung sagt, es wäre ein Bakterium, das mit den Biostoffen aus dem Dschungel eingeschleppt wurde. Genauer gesagt mit wilden Mäusen.“
„Teufel auch, Haizo-san, wollen Sie uns hier gerade erklären, die Ratten hätten die Pest in dieses Viertel geschleppt?“, brachte Battaglini erstaunt hervor.
„Nun. Nein, also, nicht ganz so, aber, ja, etwas in diese Richtung, wenngleich nicht so dramatisch.“ Er hob beide Hände in einer abwehrenden Geste. „Aber die Lage ist im Griff. Der Versorgung wurden seit zwei Tagen keine Neuansteckungen mehr gemeldet.“
„Wie überaus erfreulich, vor allem für die Bevölkerung. Fahren wir weiter.“ Bishop sah alles andere als zufrieden aus.

Sie setzten die Tour fort und kamen dabei an einem der großen Gebäude vorbei, mindestens fünfzehn Stockwerke, Innenhof, Platz für eintausend Menschen oder sogar noch mehr, wenn sie zusammenrückten. Was sie sicher auch taten.
„Eine gute Position für Scharfschützen“, brummte Battaglini unzufrieden.
Ihre Kaserne kam in Sicht, nur einen Steinwurf entfernt. Es handelte sich um eine ehemalige Konservenfabrik, die Fisch eingedost hatte. Die Produktionshalle war danach vielfältig verwendet worden, und zuletzt eben auch als Konzentrationslager für Querdenker und Revoluzzer, von denen es im alten System mehr als reichlich gegeben hatte. Unter Odaga und Shimatze war es weit besser, wie man sich erzählte, aber immer noch schlecht genug. Die Verhältnisse besserten sich eben erst, wenn genug Geld zurückfloss. Und solange die Hauptwelten beider Grafen unter den Angriffen litten, floss eben nicht so viel zurück, wie möglich gewesen wäre.
Ein Zaun umgab die alte Fabrik, ein Pförtnerhäuschen, mit Sandsäcken verbarrikadiert, schwerem Tor, bewaffneten Wachen, kam in Sicht. Ansonsten gab es keine besondere Überwachung, nicht einmal Kameras. „Ist hinter dem Gebäude noch ein Wachhäuschen?“, fragte James Battaglini mehr sich selbst als andere.
„Soweit uns gesagt wurde, gibt es regelmäßige Patrouillen, die ein weiteres Wachhäuschen überflüssig machen. Oder gar Kameras oder Wachtürme“, sagte Koshina, und bei diesen Worten klang sie wie eine Sechzehnjährige, die desillusioniert feststellte, dass ihr Sängerschwarm, den sie mit vierzehn zum Sexgott ihres Lebens erkoren hatte, ebenvieles war, aber sicher kein Sexgott, und garantiert auch kein Superstar.
Die Kolonne fuhr vors Tor und wurde sofort eingelassen. Dann ging es noch ein Stück weiter bis zum Haupttor der alten Kaserne. Die Höllenhunde und die Odaga-Leute stiegen aus. Battaglini teilte die Leute ein. Zwei von ihnen schickte er zum Zaun und ließ sie die Innenseite einmal komplett in Augenschein nehmen. Zu zweit, nicht jeder in eine Richtung. Ohne eine wirksame Überwachung, ohne Abdeckung durch Waffen würde ein einzelner Soldat am Zaun vielleicht Begehrlichkeiten wecken, sei es wegen seiner sauberen Kleidung, seiner Waffe oder der Chance, mit ihm eine gewisse Summe aus den Höllenhunden herauszupressen. Der Rest betrat das eigentliche Gebäude. Es war trostlos hier drin, und es fehlte der Flair des Kaufhauses, das sie am Vortag hatten inspizieren wollen, bevor ihnen ein Bandenkrieg dazwischen gekommen war, aber es gab Platz. Genug Platz. Sogar für ihre Panzer.
Die Höllenhunde folgten der Aufteilung und verschwanden im Gebäude. Nicht wenige hatten die Hände an den Waffen. Es war ihnen anzusehen, dass sie eine Erfahrung wie am Vortag ungern erneut machen wollten.
Bevor sich Battaglini einer Gruppe anschließen konnte, hielt Bishop ihn kurz zurück. Er musterte seine Uniform. „Gut. Unauffällig genug. Keiner kann sehen, dass du Offizier bist, James. Wenn du rausgehst und das Gelände checkst, versuche, dich nicht wie ein Offizier zu benehmen und gehe nicht zu nahe an den Zaun, okay?“
„Ja, Mama.“
Bishop zerbiss seinen Zigarillo und spuckte ihn aus. „Du weißt, was ich meine.“
„Schon gut, war nur Spaß.“ Battaglini sah Haizo hinterher, der Koshina folgte. „Hm?“
„Sie hat den Auftrag, zu „beweisen“, dass die Halle unseren Ansprüchen nicht genügt. Sie wird einen Belastungstest des Notstromgenerators durchführen und jede Menge heißes Wasser verschwenden. Haizo möchte natürlich das Gegenteil tun. Und während er beschäftigt ist, schaue ich mir die Schaltzentrale an und stelle fest, dass dieses Gebäude vollkommen ungeeignet ist. Abgesehen davon, dass sich Chevaliers und Massenvernichtungseinrichtungen gegenseitig ausschließen.“
„Zustimmung“, sagte der Panzerfahrer. „Diese Halle atmet was, das ich nicht mag. Gar nicht mag. Ich will hier keine unserer Leute unterbringen müssen. Abgesehen davon, dass die Front vom Wohnsilo aus komplett einzusehen ist. Ein Paradies für Scharfschützen, auf die wir nicht automatisch zurückschießen würden. Und das wissen sie.“
„Ja, das wissen sie, und sie halten es für unsere Schwäche. Dabei ist es eine Stärke der Chevaliers“, erwiderte Bishop. Er grinste breit. „Also, machen wir sie fertig.“
Die beiden Männer tauschten einen kräftigen Händedruck aus. „Tun wir das, Jim.“

Battaglini trat hinaus vor die Halle. Er besah sich das Muster der Verteilung der Hallen, dann suchte er das nahe Wohnhaus mit seinem Monokular nach Reflektionen zum Beispiel eines Feldstechers ab. Etwa ab dem sechsten Stock hatte man von dort über gut fünfhundert Meter Entfernung freies Schussfeld auf ein Drittel der Anlage. Eine Situation, die jedem Scharfschützen leichtes Herzklopfen bereitete. Da hätten sie es im Einkaufszentrum wirklich besser gehabt. Da hatten sie zumindest keine Nachbarn.
Als er keine Reflexionen fand, was nicht bedeutete, dass sie nicht von dort aus beobachtet wurden, und dass ihre Gegner, die Hasardeure, die Odaga und Shimatze das Leben schwer machten, nicht schon längst vor Ort waren, widmete er sich den anderen Häusern und Hallen. Auch hier boten die Dächer der Anlagen gute Positionen für Scharfschützen, aber wenig Deckung, und vor allem keine menschlichen Schutzschilde in Form von unschuldigen Hausbewohnern. Aber quasi das ganze Außengelände war einsehbar, und das war ganz, ganz schlecht.
Nein, kein gutes Gelände. Wirklich kein gutes Gelände.
Die beiden Höllenhunde, die den Zaun inspizierten, kamen ihm entgegen. „Wie sieht es aus, Maier?“, fragte er den Ranghöheren der Zweiergruppe.
Der AsTech schnaubte leise aus. „Loch im Zaun, Sir. Gut getarnt, aber leicht zu erkennen, wenn man sowas schon mal selbst gemacht hat. Augenscheinlich schon etliche Monate alt, den Korrosionsspuren nach zu urteilen.“
Battaglini machte einen abfälligen Laut. „Heißt das, seit einigen Monaten geht hier jemand ein und aus, wie es ihm oder ihr gefällt, und das unbehelligt von der Wache?“
„Das läge nahe, Sir.“
„Hm.“ James Battaglini war nicht erfreut über diese Neuigkeit. „Wenn Sie Ihre Runde beendet haben, machen wir noch eine um die ganze Halle. Wir suchen nach Einbruchsspuren.“
„Was sollte es hier zu holen geben außer dem Diesel für das Notstromaggregat?“, wandte Weber ein, der Pioniergefreite.
Battaglini wollte antworten, aber er ließ es sein. Ja, was wollte ein Einbrecher hier? Betten klauen? Matratzen? Es sah nicht so aus, als wäre die Halle geplündert worden. Ein lautes Rumoren aus dem Innern bewies auch, dass zumindest noch Diesel genug da war. Zuflucht hatte hier auch niemand gesucht, obwohl das Wetter dieser Welt sehr schnell sehr ungemütlich werden konnte, wie man ihnen erklärt hatte.
„Schauen wir nach den Einbruchspuren“, sagte James. So langsam bekam er ein wirklich, wirklich schlechtes Gefühl bei der Sache. Weit schlechter, als er von Anfang an gehabt hatte.

„Hier, Sir, das sind Kratzer. Die hat jemand mit Spray überlackiert. Hätten wir nicht gezielt danach gesucht, hätten wir sie nicht gesehen.“
„Dann ist also tatsächlich jemand rein.“ Battaglini runzelte die Stirn. Er hatte mit den Chevaliers schon einiges erlebt und war erfahren, vorsichtig, aber auch draufgängerisch, wie alle Höllenhunde. Hatte Verluste erlebt, Erfolge errungen. Aber er wollte gerne noch einige Zeit leben.
Das Team, das die Halle untersuchte, war auch vorsichtig. Vielleicht sogar bis zu einem paranoiden Grad. Eigentlich sprach nichts gegen die Höllenhunde, außer Murphy. „Wir sollten...“, begann er, aber eine heftige Detonation, die aus der Halle kam, sich an den Wänden brach und erneut an die Wände geworfen wurde, erschütterte ihn bis ins Mark. Immerhin, das Gebäude blieb stehen, aber er bekam einen Tinnitus. Ohne groß zu überlegen lief er zu den Wagen, ergriff das Mikrofon und forderte an eigenen Leuten an, was immer Scharnhorst ihm geben konnte. Vor allem aber Sanitäter. Die beiden Männer, die ihm gefolgt waren, wies er an, sich zu bewaffnen und aufzumunitionieren und das Gelände zu decken. Die Wachen, die aus dem Wachhäuschen stürzten, schienen genauso überrascht wie sie selbst. Mit einer Explosion im Gebäude hatte niemand gerechnet. James befürchtete das Schlimmste für die Höllenhunde, die die Halle untersucht hatten. Aber er fürchtete auch einen Angriff, während auf seiner Seite die Verwirrung am Größten war, deshalb ging er nicht hinein. Noch nicht. Als sich aber abzeichnete, dass niemand genau das tun würde, stürzte er zum Haupttor und öffnete es.
Als er eintrat, fiel ihm Bishop in die Hände, im sprichwörtliche Sinne. „Jim, alles in Ordnung?“
Der Mann war rußgeschwärzt, verdreckt und verdammt zornig. Er deutete auf seine Ohren und machte das Special Forces-Zeichen für taub. Battaglini verstand. In der Halle musste der Knall noch eine ganze Ecke schlimmer gewesen sein. Er nickte. Dann legte er siene Stirn auf die des Pioniers und rief: „Hilfe ist unterwegs! Höllenhunde sind unterwegs!“
Bishop verstand und zeigte einen Daumen nach oben. Weitere Höllenhunde und einer der Hausmeister der Odaga kamen heraus, traten förmlich aus einer dichten Staubwolke heraus. Aber es waren längst nicht alle, und neben diversen Höllenhudnen und Haizo fehlte auch Koshina. Verdammt. Sie waren ganz geschickt übers Glatteis geführt worden. Respekt. Aber ein Grund mehr, diese Verbrecher in die Finger zu kriegen. Der Rest war warten auf das Eingreifkommando der Höllenhunde.

__________________
Ace Kaiser,
Angry Eagles

Corrand Lewis,
Clan Blood Spirit

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2.
Sehr viele Dinge geschahen nahezu gleichzeitig. Zuerst schwebte der Medevac auf dem schmalen Innenhof ein und entließ neben den Sanis und Dr. Malossi auch vier schwer bewaffnete Infanteristen mit tragbaren Panzerschilden. Battaglini hatte nicht mal gewusst, dass diese Dinger, die Flechetten und normale Kugeln aufhalten konnten, überhaupt Bestandteil der Ausrüstung der Höllenhunde waren. Dann trafen Streifenwagen der hiesigen Polizei ein. Erst einer, dann drei hinterher, und schließlich waren es neun Fahrzeuge, jeder mit mindestens zwei Polizisten bemannt, die aus ihren Kofferräumen schwere Waffen und Körperpanzer holten; mit vier Wagen bildeten sie eine Barriere vor dem Haupteingang, der Rest wurde von den Torwachen eingelassen und verteilte sich vor den verschiedenen Eingängen. Das wirkte routiniert, einstudiert, und wie James später erfahren sollte, war es das auch. Die Routine stammte noch aus der Zeit, in der die Fischdosenfabrik ein Gefängnis gewesen war; die Paramilitärs waren darauf trainiert worden, Ein-, und Ausbrüche zu verhindern.
Dann kamen Rettungseinheiten. Zwei Gerätewagen der hiesigen Feuerwehr, denn in diesem verschachtelten Moloch Brände zu bekämpfen war eine Frage der Notwendigkeit, nicht von arm und reich, dazu mehrere Rettungswagen, die Malossi augenblicklich in seine Aktion einband, während die Feuerwehrleute mit Atemschutz in die Halle eindrangen.
Schließlich und endlich trafen mehrere Lastschweber der Höllenhunde ein und entließen einen Großteil ihres Infanterie-Kontingents. Ebenfalls an Bord war Captain Tanigaki, der sofort zu Battaglini und Bishop kam, um sich über die Situation zu informieren.
„Was zum Henker ist hier überhaupt passiert?“, fragte Tanigaki aufgebracht. Dabei betrachtete er Bishop, der gerade von einem Sanitäter gereinigt wurde, nachdem er versichert hatte, dass keine akuten Verletzungen bestanden. Bis auf den Hörschaden halt.
„Das wissen wir noch nicht, Sir“, sagte Battaglini. „Wir vermissen mehrere Leute drinnen, darunter zwei Ihrer Hausmeister und fünf unserer Leute. Die sind noch nicht rausgekommen, und von uns ist keiner reingegangen.“
„Wahrscheinlich eine kluge Entscheidung.“ Der Draconier warf einen Blick auf die Feuerwehrwagen. „Wissen wir, ob es brennt?“
„Das hätten wir wohl schon gemerkt. Neben dem Rauch ist auch eine Menge Staub in der Luft“, erwiderte Battaglini. „Es hätte längst eine Sekundärexplosion gegeben.“
„Was ist mit Bishop?“
„Taub“, sagte der Panzerfahrer. „Er war in der Halle, als es gerummst hat.“
Ein Infanterist kam zu Battaglini und meldete, dass man das Umfeld der Halle gesichert hätte, dass aber seines Erachtens nach trotz einer zunehmend größer werdenden Zahl Schaulustiger keine Gefahr eines Angriffs bestand. Battaglini stimmte dem zu, denn die Menschenmassen würden einen attackierenden Feind eher behindern als nützen. Und für feige Angriffe aus der Masse hielt er den Gegner für zu überheblich.
„Ja, was ist denn nun passiert?“, verlange Tanigaki zu wissen.
„Ich bin draußen gewesen und habe das Gelände und den Zaun mit zwei Leuten inspiziert. Augenmerk lag auf Scharfschützen und Einbrüchen. Dabei entdeckten wir ein älteres Loch im Zaun, das gut geflickt war, dazu Einbruchspuren an einer Nebentür, die vom Tor aus nicht einsehbar war. Währenddessen wollte Lieutenant Bishop im Gebäude einen Belastungstest der Infrastruktur vornehmen. Dann gab es den Knall, es gab Rauch und Dreck und eine Menge unserer Leute kam taub und halbblind wieder raus.“
„Und das soll heißen?“
„Sie wissen, was das heißt. Entweder ist der Generator hochgegangen, oder unser Einbrecher hat eine hübsche kleine Mine gelegt, die etwas zu früh hochgegangen ist. Nein, oh nein, nein, das ist nicht gut.“

Battaglini ließ Tanigaki stehen und eilte zum mittlerweile großzügig geöffneten Haupttor, aus dem der Rauch abziehen sollte. Zwei der Feuerwehrleute brachten einen Körper raus, es war Koshina. „TAI-MING!“
Tanigaki eilte ihm nach. Ein Sanitäter der Höllenhunde bestimmte den Feuerwehrleuten, die junge Frau abzusetzen. Sie hustete, und das bedeutete, dass sie atmete und noch lebte. Der Sanitäter zog eine Beatmungsflasche hervor, legte die Maske über Mund und Nase und drückte in regelmäßigen Abständen drauf. Das ließ sie husten, und die Maske füllte sich erstaunlich schnell mit Dreck. Der Höllenhund musste sie zweimal reinigen, während er sie verwendete.
„Brauchen Sie Sauerstoff, Kelly?“, fragte der Feldarzt.
Der angesprochene Sani schüttelte den Kopf. „Denke nicht. Sie atmet normal. Was mir mehr Sorgen bereitet, sind ihre Wunden!“
Malossi wies einen seiner Leute an, die Behandlung seines derzeitigen Patienten zu Ende zu führen, also einen Verband anzulegen, bevor er zu Koshina trat. „Was ist mit den Wunden?“
„Sie ist reichlich zerkratzt. Soweit ich das sehen kann, wurde nichts Ernsthaftes getroffen, und sie hat sich nur das rechte Schienbein gebrochen, das rechte Handgelenk und eine sehr große dicke Beule über dem rechten Auge. Aber sie hat viele kleine Wunden, die nicht aufhören wollen zu bluten. Das müssten sie aber bei ihrem Gerinnungsfaktor.“
„Schrapnell? Flechetten?“
„Schrapnell.“
Battaglini sagte: „Hören Sie, Doc, hier in der Gegend gab es eine Seuche mit hämmorhagem Fieber, mehrere Tote. Kann das nicht...?“
„So schnell bricht ein hämorrhages Fieber nicht aus“, wiegelte Malossi ab. „Aber es ist schon merkwürdig. Und dass die Blutungen nicht stoppen, auch. Jemand soll mir Teile vom Schrapnell bringen!“, rief er. „Wir bringen sie als Erste raus. Haben wir noch jemanden, der dringend behandelt werden muss?“

In diesem Moment kamen die Feuerwehrleute mit einem weiteren Menschen heraus. „Ist das Haizo?“, fragte Battaglini. Der Mann gab offensichtlich kein Lebenszeichen von sich, und Malossi ließ seine Patientin sofort stehen. „Kümmern Sie sich, Kelly! Vorbereitung zum Abtransport, Druckverbände! Kleidung aufschneiden!“
„Ja, Doc!“
Malossi rann zu dem reglosen Mann, wies die Feuerwehrleute an, ihn zu Boden zu legen und untersuchte ihn. Auch er wies etliche kleine Wunden auf, die von Schrapnell verursacht zu sein schienen. Sie bluteten immer noch. „Genickbruch. Wir können nichts mehr für ihn tun“, stellte der Arzt resigniert fest. Er erhob sich und schlug ein Kreuz über ihm.
„Ist es Haizo?“, fragte Battaglini erneut.
„Ich bin hier“, ächzte eine reichlich belegte Stimme vom Eingang her. Von einem weiteren Helfer gestützt hüpfte der Draconier auf dem rechten Bein heran und ließ sich neben dem Toten absetzen. „Ich war im Generatorraum, als die Explosion stattfand. Die Druckwelle hat mich gegen das Aggregat geschleudert. Dabei habe ich mir wohl was gebrochen. Eine Zeitlang haben mir die Ohren geklingelt, aber mittlerweile höre ich schon wieder.“ Sein Blick ging zu dem Toten, dann zu seinem dritten Kollegen. „Tohru. Friede seiner Seele. Er hatte nur noch ein Jahr bis zur Pensionierung.“
„Was also ist passiert?“, sagte Tanigaki erneut. „Koshina können wir nicht fragen, selbst wenn sie bei Bewusstsein wäre.“
„Tanigaki-sama!“, rief der Hausmeister und wollte aufstehen, aber der Tai-i hielt ihn zurück. „Schon gut, Mann, schon gut. Sie sind verletzt. Was ist passiert?“
„Corporal Koshina hat einen Leistungstest des Generators verlangt. Dann ist sie mit Tohru in den Duschraum und hat einen Belastungstest der Wasserleitungen durchgeführt. Ja, und dann hat es gerummst, aber gewaltig. Es war definitiv nicht der Generator. Sonst wäre ich nicht mehr hier.“
Battaglini und Tanigaki sahen sich kurz an. „Also tatsächlich eine Mine.“
„Eine Mine im Waschraum. Eine, die hochgeht, wenn viel geduscht wird. Dazu Schrapnell-Wunden, die nachbluten. Da hat sich jemand eine wirklich große Schweinerei ausgedacht, eine große, fiese Schweinerei. Und der Wachdienst hat augenscheinlich nicht so gut gearbeitet, wie ich das erwartet hätte.“ Sein Blick ging über den Innenhof. „Dazu dieses Fieber, von dem Sie mir erzählt haben. Wir sollten die Halle tüchtig ausräuchern, bevor wir sie für irgendetwas benutzen.“
„Das fürchte ich auch, Tai-i. Jedenfalls ist sie nichts für die Höllenhunde. Wer weiß, was für Schweinereien noch hier auf uns lauern.“
Tanigaki murmelte etwas, was man mit viel Phantasie eine Bejahung nennen konnte. Dann erhob er sich und ging zurück zu Koshina. Die junge Frau war mittlerweile wieder bei Bewusstsein, verhielt sich aber kooperativ und tapfer, wenn man bedachte, dass sie nichts mehr hören konnte und unter Schmerzen leiden musste.

Höllenhunde brachten die Trage aus dem Medevac und betteten die verletzte Frau um. Kelly hatte derweil ihre Kleidung aufgeschnitten und Druckverbände auf den Wunden angelegt. Was er an Schrapnell hatte finden können, hatte er entfernt und für eine Untersuchung eingetütet. Auf der Liege wurde Koshina zugedeckt, festgeschnallt und dann zum Hubschrauber getragen. Nur einmal entkam der jungen Frau dabei ein Schmerzenslaut, als sie auf der Ladefläche etwas zu hart abgesetzt wurde. Ansonsten hielt sie sich mit verbissenem Gesicht weit tapferer als es Battaglini in der gleichen Situation gehalten hätte.
Er trat neben den Captain. „Es scheint, wir haben hier ein paar unerwartete Probleme, Sir.“
„Das sehe ich auch so. Und es ist eine große Frechheit gegenüber Haus Odaga. Und eine große Dummheit, einen Truchseß zu töten. Geschweige denn...“ Er schwieg, so als wenn er nicht zu viel sagen wollte. Dann aber fügte er an: „Ab jetzt ist es persönlich zwischen mir und den Unbekannten. Es wird Blut fließen.“ Tanigaki nickte Battaglini zu, dann bestieg er den Medevac und wurde von ihm mit Koshina ausgeflogen.
***
Letztendlich, liebes Tagebuch, stellte sich heraus, dass tatsächlich ein Sprengsatz mit einer Art Wasseruhr an die Leitung gekoppelt war. An der Warmwasserleitung. Das bestärkt den Verdacht, dass die Bombe hochgehen sollte, wenn besonders viel heißes Wasser gebraucht wurde, also wenn besonders viele Höllenhunde duschten; es hätte in einer vollen Dusche mit einer Splitterbombe ein regelrechtes Massaker gegeben. Reste des Sprengsatz wurden von der Polizei gefunden und untersucht, aber großartig neue Erkenntnisse sind wohl nicht zu erwarten, außer dass der Sprengsatz nicht nur gut versteckt war, sondern auch die Höllenhunde zum Ziel hatte.
Das Schrapnell wurde von Doktor Malossi untersucht, kaum dass er dafür die Gelegenheit hatte. Es stellte sich heraus, dass es mit einem flüssigen Rattengift behandelt worden war, einem recht starken Gerinnungshemmer, aber keiner von der Sorte, die erst nach ein paar Tagen wirken. Dieser hat verhindert, dass sich die Schrapnell-Wunden von Koshina von selbst geschlossen haben. Ich stelle mir vor, das Ding wäre in einer vollbesetzten Dusche losgegangen, es hätte ein Dutzend von uns erwischt, und alle hätten mehr oder weniger schwere Wunden gehabt, die nicht aufhören wollen würden zu bluten. Ein schrecklicher Gedanke. Und wenn die Höllenhunde noch eine Bestätigung gebraucht hätten, gegen was für einen Gegner sie hier antreten, dann wäre das Schrapnell eine eindeutige Botschaft gewesen. Es gab ein Bekennerschreiben von einer nichtssagenden örtlichen Guerilla-Truppe, die uns als „Büttel der Odaga“ bezeichnet hatte und uns zum legitimen Ziel erklären wollte, aber nicht einer unserer Leute, geschweige denn Tanigaki, glaubt hier auch nur eine Sekunde daran, dass die so professionell vorgehen würde.
Es bleibt natürlich noch die Frage, wann die Mine gelegt wurde: Schon vor Wochen oder erst vor wenigen Tagen. Natürlich kann es trotz diverser Hinweise wie dem alten Loch im Zaun nur vor einigen Tagen gewesen sein, denn die Möglichkeit, dass wir Höllenhunde möglicherweise in die alte Fischfabrik ziehen würden, steht ja auch erst seit einigen Tagen fest. Bedeutet für uns: Unser Feind ist da und er ist vor Ort.

Morgen geht es dann zum Hafen runter, zu einer Lagerhalle am Tao-Fluss, noch ein ganzes Stück von der Mündung weg, aber bereits beeindruckend groß. Handel und Verkehr ist hier immer eine Frage der Seewege oder des Luftverkehrs. Ich weiß nicht, was uns dort erwarten wird, aber ich habe mir sagen lassen, die letzte Option, die Haus Odaga uns angeboten hat, würde in einem sehr zivilisierten und gut kontrolliertem Gebiet der Hauptstadt des Odaga-Gebiets liegen. Andererseits hat uns auch schon eine recht spöttische Botschaft von Haus Shimatze erreicht, die auch an Odaga gegangen ist, in der die Höllenhunde eingeladen wurden, Taonami zu verlassen und auf Shimatze-Gebiet unterzukommen, wenn auch die dritte Option eine große fette Falle wäre. Den Vertretern unseres Gastgebers hat das nicht besonders gut gefallen, zugegeben. Und wir stehen hier unter einem gewissen Druck, irgendetwas auf Odaga-Gebiet zu finden, weil wir nicht ewig auf der CRYING FREEDOM bleiben können, wollen wir ihn nicht brüskieren und die Shimatze bevorzugen, was einer Kriegserklärung gleich käme. Auf jeden Fall aber einer Absage an Tanigaki, uns mit seiner Lanze Mechs zu begleiten.
Ach ja, bevor ich mich im Morgen verliere: Allen Verletzten geht es soweit gut und sie werden durchkommen. Aber sie liegen alle ein paar Tage auf Quarantäne, wegen dem Fieber, das in die Hallenregion eingeschleppt wurde. Wer weiß, ob unsere Angreifer nicht mehr als Rattengift auf ihr Schrapnell geschmiert haben. Jedenfalls, liebes Tagebuch, liest du morgen wieder von mir. Hoffentlich. Dein James.

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Avon, Präfektur Irece, Militärdistrikt Pesht, Drakonis Kombinat
Landungsschiff DORNKAAT
7. Juli 3067, 13:00 Uhr

Das Dröhnen der Triebwerke und das Rauschen der Rotoren begleiteten die drei Hubschrauber, die zielstrebig hoch über den weiten Steppen von Avons Hauptkontinent Albion durch die Luft zogen. An Bord der zivilen Luftfahrzeuge saß eine Delegation der Danton’s Chevaliers, angeführt von der Einheitseignerin persönlich. Es war eine handverlesene Gruppe von Männern und Frauen sämtlicher Waffengattungen und Dienstgradgruppen, die ihre Anwesenheit in den geschmackvollen und komfortablen Passagierräumen der Helikopter als Auszeichnung und Belohnung begriffen. Jara selbst hatte darauf geachtet, nur solche Einheitsmitglieder mitzunehmen, denen sie die nötigen Fähigkeiten und Charaktereigenschaften zugestand, die für ihren Ausflug notwendig waren.
Die Delegation der Chevaliers folgte einer Einladung eines lokalen Wirtschaftsführers. Shige Hosoe, Hauptgeschäftsführer und Vorstandsvorsitzender Avon Alpha, einer nicht ganz unbedeutenden BattleMech-Fabrik, hatte offenbar Corbin Mays Propaganda-Clips gesehen. Es hieß, er sei einer der einflussreichsten Sprecher der progressiven Gesellschaftsschichten und hatte in seiner Einladung anklingen lassen, dass er Jara für ein Symbol des neuen, modernen Kombinats hielt, dessen Strahlkraft er sich gerne zunutze machen wollte.
Jara, eigentlich kein Fan von Empfängen und PR-Terminen, hatte Corbin May zustimmen müssen, als er erklärt hatte, dass sie dieses Event für ihre Außenwirkung mindestens genauso dringend brauchte wie Hosoe. Die Unterstützung des traditionalistischen Lagers und der alteingesessenen Adelsstände würde sie so zwar nicht gewinnen können, aber die Hoffnung darauf hatte sie sowieso schon längst wieder aufgegeben. Sie war sicher keine Politik-Expertin, aber clever genug, um zu wissen, dass ihre Chancen besser standen, wenn sie sich auf die Teile der Gesellschaft konzentrierte, bei denen sie punkten konnte. Und das waren nun einmal die jungen Leute, die oft aufgeschlosseneren Wirtschaftseliten und natürlich die kleine, aber von Aufstiegshoffnungen getriebene Mittelschicht.
Corbin May hatte ihr auch geholfen, die Delegation zusammenzustellen. Sie hätte gerne Copeland oder Harris in ihrer Nähe gehabt, aber der Medienexperte hatte herausgestellt, dass sie nicht als Söldnerin, als Chevalier eingeladen war, sondern in erster Linie als Angehörige des Schwertadels. Um ihre Führungsrolle zu betonen, hatte sie also nur solche Chevaliers mitgenommen, die im Dienstgrad nicht über ihr standen. Außerdem hatte sie bevorzugt solche Leute ausgewählt, die vor ihrer Zeit bei den Chevaliers Erfahrungen im Umgang mit diplomatischen Empfängen, höfischen Gesellschaften oder in der Wirtschaft gemacht hatten.
Teil der fast 30 Einheitsmitglieder an Bord der Helikopter waren beispielsweise Sergeant Haruka Yamada, die als Vorzeige-Drakonierin herhalten musste und gleichzeitig auch als eine informelle Leibwächterin für Jara diente und ihr Partner, Sergeant-Major Rudi Teuteburg, dessen Erfahrungen in der Mecherprobung des NAIW möglicherweise hilfreich sein könnten, um Pluspunkte in Fachgesprächen zu sammeln. Aus dem gleichen Grund war auch SeniorTech Doreen Simstein Teil der Delegation, zumal Jara ihr nicht die vielleicht einmalige Chance nehmen wollte, eine BattleMech-Fabrik von innen zu sehen. Corporal Sue Min Nerekov hatte die Teilnahme gewonnen, weil sie über Erfahrungen in höfischen Kreisen verfügte, Jaras guter Freund Captain Markus van der Roose begleitete sie als Infanterist, Offizier und Mensch mit ausgezeichneten Umgangsformen. Lieutenant 1st Class Charles Decaroux, der Chef ihrer Gegenspionage, war Teil des Trosses, weil Jara sich erhoffte, dass er einen Erfahrungsaustausch mit den Sicherheitsverantwortlichen von Avon Alpha initiieren könnte.
Die Liste der Namen ging noch ein gutes Stück weiter und bei jedem Chevalier gab es einen oder mehrere spezifische Gründe, warum er mitkommen durfte und jeder von ihnen repräsentierte auf seine Art die positiven Seiten des Söldner-Regimentes und würde vor den Kameras eine akzeptable Figur machen.
Und natürlich hatte Jara doppelt und dreifach überprüft, keine Soldaten mit allzu krimineller Vergangenheit, allzu aufbrausendem Temperament oder allzu starken Alkoholproblemen mitzunehmen. Ein Skandal in irgendeinem mehr oder weniger seriösen Lokalblatt war so ziemlich das Letzte, was ihre PR-Kampagne gebrauchen konnte. So viel verstand sogar sie von diesen Dingen.
Hinzu kam dass Avon nur einen einzigen Sprung von Luthien, der Hauptwelt des Kombinats, entfernt lag. Und wenn sie schon nicht die Zeit, die Ressourcen und die Erlaubnis hatten, dort persönlich aufzutauchen, so war die Wahrscheinlichkeit doch sehr hoch, dass sie hier genug Aufmerksamkeit erregten, um auch auf Luthien kurzfristig ein Gesprächsthema zu sein. Eine Söldnereinheit in Regimentsgröße zog schließlich nicht jeden Tag durch den zentralen Raum des Kombinats.
Jara strich die Jacke ihrer Gala-Uniform glatt und besah sich das makellose Weiß des hochwertigen Stoffes. Gedankenversunken fuhren ihre Hände über die wenigen Orden und Einsatzabzeichen, die sie angelegt hatte. Die Chevaliers gingen grundsätzlich sehr sparsam mit diesen Auszeichnungen um, verliehen bisher keine eigenen und hatten es als Söldner auch nicht unbedingt leicht, welche verliehen zu bekommen. Ein paar waren in ihren über drei Jahren bei der Einheit nun doch zusammengekommen. Die Dankbarkeit der Auftraggeber und so. Aber auch hier hatte sie streng darauf geachtet, nicht zu viele Ehrungen zu präsentieren, die im Kombinat auf Missfallen stoßen könnten.
War sie übervorsichtig? Ängstlich sogar? Sie war sich nicht sicher. Sie mochte diese Schauspielerei nicht, verabscheute das ganze diplomatische Geplänkel. Jara war in einer Söldnereinheit groß geworden, noch dazu als Tochter der Eigentümer. Sie hatte von Kindesbeinen an gelernt, offen und ehrlich zu sein und keine Zeit mit ausschweifenden Höflichkeiten zu verschwenden. Sie hatte sich auch bisher kaum verstellen müssen, hatte nicht aufpassen müssen, wer was wann und wo vielleicht falsch interpretieren könnte. Ihre Eigenschaft, Konflikte direkt anzugehen, machte sie zu einer guten Taktikerin und einer brauchbaren Kompaniechefin und möglicherweise sogar zu einer guten Anführerin der Chevaliers. Zu einer wortgewandten Diplomatin machte es sie sicher nicht.
Vielleicht fehlte ihr auch schlichtweg das Verständnis. Jara war der festen Überzeugung, dass Menschen ihren Wert durch ihre Taten zu beweisen hatten und alles andere bestenfalls zweitrangig war. Vermutlich war sie auch deswegen während ihrer Zeit beim Wolfsclan so gut zurechtgekommen. Bis heute fiel es ihr schwer, diesen Abschnitt ihres Lebens als eine Gefangenschaft oder eine traumatische Erfahrung zu sehen, immerhin hatte sie doch ganz ausgezeichnet davon profitiert. Sie war definitiv als bessere Kriegerin zurückgekommen und noch dazu mit einem schweren Omni-Mech als Bonus.
Die Stimme des Piloten riss sie aus ihren Gedanken: „Meine Damen und Herren, wir kommen nun in Sichtweite des Avon Alpha Hauptwerkes. Das Werksgelände wird gleich zu Ihrer rechten Seite schräg voraus zu erkennen sein. Die Gesamtfläche des Geländes beträgt…“
Während der Pilot die Fakten zusammenfasste, die ihre Delegation auch schon vorab zugeschickt bekommen und hoffentlich verinnerlicht hatte, ging Jara noch einmal das geplante Programm durch. Sie würden mit einem kleinen Empfang auf dem Werksgelände beginnen und anschließend die Produktionsanlagen besichtigen. Sie freute sich auf diesen Teil des Events ziemlich, denn sie wollte unbedingt einmal sehen, wo ihr Arbeitsgerät eigentlich herkam. Weniger schön würde es am späten Nachmittag werden, wenn sie mit Schwebefahrzeugen zum nicht weit entfernten Wohn- und Geschäftssitz von Direktor Hosoe gefahren werden würden. Dort war erst eine Mischung aus Podiumsdiskussion und Pressekonferenz zur gegenseitigen Beweihräucherung geplant. Anschließend hatten die Chevaliers eine knappe Stunde Zeit, um die Gala-Uniform abzulegen und sich in festliches Zivil zu werfen. Auch hier hatte Corbin May viel Überzeugungsarbeit leisten müssen, denn Jara hatte nicht einsehen wollen, warum sie auf dem abschließenden Bankett und der nächtlichen Party nicht in Uniform erscheinen durfte. May hatte ihr wiederholt erläutert, dass ihr Gastgeber die Abendveranstaltung nicht als Geschäftsführer von Avon Alpha ausrichtete, sondern als einflussreiches und vielleicht wichtigstes Mitglied der progressiven politischen Gruppierungen des Planeten. Entsprechend würden das Publikum und die mediale Aufmerksamkeit auch anders sein als beim Aufenthalt in der Mechfabrik. Sie hatte irgendwann akzeptiert, dass sie in erster Linie als Adlige des Kombinats hier war und nicht als Söldnerin, aber es wurmte sie dennoch.
Die Nacht würde ihre Delegation dann in den Gästezimmern des Anwesens verbringen und am nächsten Tag nach einem gemeinsamen Frühstück mit ausgewählten Verantwortlichen und Angestellten der Mechfabrik wieder in die Hubschrauber steigen und den Rückweg antreten.
Die entspannte Perfektion, mit der die Hubschrauber ihre Landung durchführten, zeigte dass die Piloten die Strecke zwischen Hauptstadt und Mechfabrik häufiger zurücklegten und auf eine gut eingespielte Routine zurückgreifen konnten.
Jara warf Markus van der Roose einen vielsagenden Blick zu. Sie waren gelandet, Zeit zum Aussteigen. Als sie bemerkte, dass der Infanterie-Offizier aus Gewohnheit nach seinem Gepäck suchte, musste sie lachen: „Falls es dich tröstet: Mir kommt es auch seltsam vor, meine Sachen in einem Frachtabteil zu haben. Und noch seltsamer finde ich, dass ich die nicht selber ausladen muss.“
Markus, den sie schon seit langer Zeit zu ihren Freunden zählte, lächelte charmant: „Ich lasse nicht so gerne Zivilisten an mein Gepäck, aber wir können ja jetzt auch kaum die ganze Zeit unser Gepäck mit uns rumschleppen, während wir präsentabel aussehen sollen.“
„Gut erkannt.“ Sie bemerkte, dass die Rotoren langsamer wurden und konnte durch ein Fenster erkennen, wie jemand von der Bodencrew sich dem Hubschrauber näherte, wahrscheinlich, um die Tür zu öffnen. „Achtung“, raunte sie, „es geht los. Versuch nicht zu sehr wie ein Schlammkriecher auszusehen!“
„Stolper du besser nicht über deine Haare“, erwiderte er die freundschaftliche Neckerei. „Außerdem steigst du zuerst aus und dann achtet sowieso niemand mehr auf uns gemeines Fußvolk. Eure Majestät.“
Jara schaffte es gerade eben noch, ein gespielt entrüstetes „Arschloch!“ zurückzugeben, bevor sich die Tür öffnete und jemand ihr eine Hand entgegenstreckte, um ihr beim Aussteigen behilflich zu sein.
Sie verzichtete auf die Unterstützung.

***

Als Jara aus dem Hubschrauber stieg und sich die Offiziersmütze auf den Kopf setzte, die zu ihrer Parade-Uniform gehörte, klickten und blitzten die Fotoapparate der wartenden Journalisten. Es waren weit mehr als ihr lieb waren, aber doch auch deutlich weniger als sie befürchtet – und Corbin May erhofft hatte. Sie wartete einen Moment, um ihrer Delegation die Gelegenheit zu bieten, sich hinter ihr zu versammeln und schritt dann auf die wartende Gruppe an Anzugträgern zu. Im Näherkommen musterte sie das Empfangskomitee der überwiegend älteren Herren japanischer Abstammung. Die wenigen Nicht-Asiaten, Frauen und Menschen unter 50 stachen deutlich aus der Gruppe heraus.
Weniger Meter vor ihrem Ziel lösten sich drei der Männer aus der Reihe der Geschäftsleute und kamen ihr das letzte Stück entgegen. Der Mittfünfziger an der Spitze ließ sich dank der Dossiers, die sie gelesen hatte, als Shige Hosoe identifizieren, der aktuelle Geschäftsführer von Avon Alpha. Hosoe war von durchschnittlicher Statur mit einem freundlichen Gesicht und wachen, intelligenten Augen. Er war nicht wirklich dick, aber man sah ihm seinen Wohlstand an. Sein Auftreten war so sehr das eines reichen Zivilisten, dass Jara Mühe hatte, ihr Befremden nicht zu deutlich zu zeigen.
Weniger fremd wirkte der Mann an der rechten Seite des Direktors. Der hochgewachsene, drahtige Mann musste der Verbindungsmann der Novakatzen sein, Viktor aus dem Haus Drummond. Obwohl er als Mechkrieger in seiner Ausbildung gescheitert war, wirkte er körperlich fit und jünger als seine zweiundvierzig Jahre. Jara wusste aus dem Dossier, dass er als Mitglied der Händler-Kaste seines Clans großen Erfolg gehabt hatte und durchaus Einfluss auf den höchsten Ebenen der Novakatzen ausüben konnte.
Ihr Blick fiel auf den deutlich jüngeren Mann auf der anderen Seite des Direktors. Aus ihren Unterlagen und Dokumenten fiel ihr niemand ein, dessen Beschreibung auf den muskulösen Halb-Japaner passte, der mit anmaßender Selbstsicherheit neben den beiden älteren Männern ging. Obwohl seinem Blick die Abgeklärtheit und Nüchternheit eines Kriegers fehlt und seine Bewegungen die eines Sportlers und nicht die eines Kämpfers waren, gefiel ihr das, was sie sah. Viel zu gut, wie Jara sich eingestehen musste, als sie sich innerlich zur Ordnung rief.
„Es ist ein weiter Weg von Wayside bis nach Avon, Komtess Fokker-sama“, begrüßte Hosoe sie in fließendem Englisch und mit kaum hörbarem Akzent. „Willkommen auf Avon und willkommen bei Avon Alpha! Es ist uns allen eine große Ehre, den aufgehenden Stern des drakonischen Adels bei uns begrüßen zu dürfen.“
Jara verneigte sich so, wie Corbin May es ihr eingebläut hatte. Zumindest hoffte sie das. „Die Ehre ist ganz meinerseits, Direktor Hosoe-sama. Ich freue mich, die besten Grüße des Herzogs von Wayside und des Grafen von Dantonville überbringen zu können. So wie ich sind sie dankbar für die Gastfreundschaft, die ich und die Chevaliers hier erfahren.“
„Nichts bereitete mir mehr Stolz als den beiden Herren behilflich sein zu können. Madame Fokker, darf ich meine beiden wichtigsten Begleiter vorstellen: Händler ersten Ranges Viktor aus dem Hause Drummond vom Clan der Novakatzen, der die Interessen seines Clans bei uns vertritt und uns mit wertvollen technischen Details unterstützt. Und meinen Sohn Alexander, der gerade sein Studium auf Luthien erfolgreich abgeschlossen hat und als Junior Direktor in das Unternehmen einsteigen wird.“
Das war es also, schoss es Jara durch den Kopf. Sohn und Firmenerbe. Das erklärte, warum er so ausgeglichen, sorglos und weich wirkte. Er hatte vermutlich ein sehr bequemes und leichtes Leben gelebt. Ein Emporkömmling. Nun, ihr konnte es egal sein. Sie würde einen Tag lang die Gesellschaft dieser ganzen Zivilisten aushalten und auf einen mehr oder weniger kam es da kaum an.
Sie stellte nach und nach die Mitglieder ihrer Delegation vor, ehe Hosoe den Rest seiner Abordnung bekannt machte, während sie fortlaufend diplomatische Höflichkeitsfloskeln austauschten. Nach einer gefühlten Ewigkeit waren die Formalitäten erledigt und die Presse schien auch für den Moment genug zu haben und begann, ihr Equipment einzuräumen.
Als sie der gesamte Tross in Richtung Hauptgebäude in Bewegung setzte, ging der Sohn des Direktor für einen Augenblick neben ihr her und raunte ihr zu: „Es wird alles etwas lockerer, wenn die Presse ihre Bilder hat. Zur Abendveranstaltung hat sie keinen Zutritt.“
Ebenso schnell wie er an ihrer Seite aufgetaucht war, verschwand er auch wieder, um hier und da kurze Gesprächsschnipsel mit anderen Chevaliers oder Industriellen auszutauschen. Jara blieb etwas ratlos und wütend zurück. Sah man ihr wirklich so deutlich an, welche Mühe sie mit dieser Maskerade hatte? Und was erlaubte sich dieser verwöhnte Idiot eigentlich, sie so zu belehren? Als ob sie ein hilfloses Prinzesschen wäre.
Allerdings blieb ihr wenig Zeit, ihren frustrierten Gedanken nachzugehen, denn Direktor Hosoe verwickelte sie in ein Gespräch, dem sie sich in Gegenwart der Presse unmöglich entziehen konnte. Also plauderte sie höflich über BattleMechs, ihre Erlebnisse und – so gut sie konnte – die besondere Situation der Kriegsgeräte-Industrie. Der Nachmittag versprach lang und anstrengend zu werden.

***

Text von Marodeur74:

Avon Alpha war eine riesige Stadt in der sich alles darum drehte Huntsman herzustellen. Gigantische Gießereien, Schmieden und Elektrotechnische Betriebe reihten sich in riesen Hallen aneinander. Ein eigenes Transportsystem Verband dieses riesige Firmengebilde. Rudi staunte nicht schlecht über die dargestellten Diagramme und Werte dieses Huntsman. Er war variabel konfigurierbar, stark gepanzert und mit der Option auf Sprungdüsen. Hatte eine gute elektronische Ausstattung und insgeheim hoffte ich doch endlich auch mal ein Cockpit zu sehen.
"Rudi!" ein sanfter Knuff von Haruka brachte ihn wieder in die Realität zurück.
"Ja, was denn?" sie schaute ihn an und er bemerkte das alle anderen bereits standen oder dabei waren aufzustehen. "Oh, ich war wohl in Gedanken. Hast du mitbekommen wen man ansprechen kann um mal einen Huntsman von innen zu sehen?"
"Ach Schatz, das ist der nächste Punkt. Sie wollen mit uns in die Auslieferung gehen und stolz zeigen was sie alles schaffen und welche Kapazität die Fabrik hat." sie nahm seine Hand und zog ihn mit in die kleine Gruppe die den Raum in Richtung einer Galerie verließ.

Gleich nach der Tür stand man auf einer Eleganten Galerie, welche durch Transpexscheiben von der vor sich Ausbreitenden riesigen Halle getrennt war. In ihr waren zehn Battlemech Wartungsgerüste und in jedem stand ein fabrikneuer Mech. Fast jede Konfiguration war vertreten und die Firmenvertreter strahlten als sie die ungläubigen Blicke ihrer Besucher wahrnahmen.
"Es freut uns ihnen hier zeigen zu können was für ein hohes Maß an Präzision wir hier haben, um all die Anforderungen unserer Clan Freunde zu erfüllen. Derzeit stehen hier 10 Huntsman, davon drei in der Primär Konfiguration, zwei in der B Konfiguration, drei in der C Konfiguration, einer in der neuen D Konfiguration und einer der noch keine besitzt.
Dies kommt daher, das der letzte Mech noch keinem Krieger zugeteilt ist, da noch Positionstests laufen, frapos?"
"Pos." Antwortete eine junge kraftvolle Stimme. "Ich bin Sterncaptain Jüren von den Novakatzen. Mein letzter Platz wird in dieser Woche durch einen Positionstest unserer Ausbildungseinheit noch besetzt werden und dieser Krieger wird dann eine Maschine erhalten dessen Konfiguration er dann selbst bestimmen kann."
"Stimmt das, das in diesen Positionstests es auch zu Personen und Schäden an Mechs kommen kann?" fragte ich neugierig nach.
Ich wurde abschätzend vom Sterncaptain gemustert. "Pos, denn aus Feuer werden die besten Krieger geschmiedet. Deshalb ist unsere Ausbildung gegenüber der Inneren Spähre ein wenig anders. Wir wollen das sich unsere Krieger beweisen. Dafür genießen sie dann ein entsprechend hohes Maß an Respekt und Ansehen. Auch wenn sie vergleichsweise jung sind, sind sie bereit in jeglicher Situation zu handeln und einen kühlen Kopf zu bewahren."
"Ich verstehe, aber das Konzept der Ausbildung ist schon eine harte Schule. Wie werden die angehenden Piloten denn auf die Mechführung vorbereitet? Kann jeder Clan Krieger jeden Mech führen? Gibt es in der Ausbildung schon Spezialisierungen? Wo sind die Unterschiede bei den Cockpits oder gibt es welche?"
"Sie sind ganz schön Neugierig für einen einfachen Besucher. Warum dieses Interesse?"
"Pos, sagt man bei ihnen glaube ich. Ich bin Mechkrieger und habe auch Gefechte gegen Claneinheiten geführt und mich immer gefragt wie das Leben als kommender Krieger ist und dann als Krieger. Ich kenne schon Clanner, aber wie das Leben so abläuft und das Training habe ich nur vom hören sagen mitbekommen. Könnte ich mal in so einen Mech rein und vielleicht auch mal an einem Training teilnehmen?"
"Ihre Ausdrucksweise des Clanbegriffs ist richtig. Sie werden aber verstehen das es nicht möglich ist an Trainings teilzunehmen, da sie die Kultur nicht kennen und es nicht einfach geht in eine Trainingsgruppe ein geliedert zu werden. Aber ich kann sicher mit ihnen mal in eines der Cockpit, von den Mechs da unten, schauen. Es gibt eine größtmögliche Anzahl an Ausrüstung die überall Standard ist, aber einige feine Unterschiede sind vorhanden."
"Rudi komm, es geht weiter." Haruka hatte interessiert zugehört sich aber entschieden die Führung weiter mit zu machen.
"Haruka, ich habe die Möglichkeit unten in den Hangar zu kommen und mir einen Mech von innen an zu sehen. Wenn du willst geh ruhig, aber ich würde zu gern mal in eines der Cockpits schauen. Ist das in Ordnung?"
"Na gut, mach aber keine Dummheiten." leise hauchte sie noch "Schatzi, ich liebe dich und pass auf, ja." dann ein kurzer Kuss und weg war sie mit der Gruppe.
Ich schaute hinterher, außer ein "Ich liebe dich meine Lotusblüte" hatte ich ihr nicht sagen können. Jedenfalls lächelte ich ihr noch kurz nach und drehte mich dann zum Sterncaptain um, dieser schaute ein wenig komisch zur Seite.
Wir gingen zu einer Tür, die in einem Treppenhaus führte und wir stiegen hinunter in den Hangar. Als wir in den Hangar traten sahen die Mechs noch beeindruckender aus und die Halle wirkte noch größer.
"Tech Nils, komm und bring uns zu Gerüst zehn. Wir wollen uns das Cockpit anschauen. Ist alles vorbereitet um Morgen Abend die entsprechende Konfiguration anzulegen und den Mech noch entsprechend fertig zu machen."
"Pos, Sterncaptain, Kommen sie, wir nehmen den Kleintransporter. Der bringt die letzten Kisten zu Platz zehn. Ist das der neue Krieger?"
Der Sterncaptain schaute zu mir und schüttelte den Kopf. "Tech Nils, der Mann neben mir ist nur ein Besucher und viel zu alt."
Das saß, ich schaute ein wenig verwirrt und der Tech fasste die Antwort erschreckt auf und auch als Dummheit seinerseits sowas überhaupt gefragt zu haben.
Nach kurzer Fahrt in dem Transporter kamen wir beim entsprechenden Platz an. Die Waffen und Torso Module waren offen, auch an den Beinen hingen noch Kabel heraus. Etliche Techs verschoben Container hin und her, es handelte sich um Waffen und zusätzliches elektronisches Equipment, was noch Verbaut wurde, sobald feststand welche Konfiguration der Krieger ausgewählt hatte.
Wir stiegen in den Fahrstuhl am Rande des Wartungsgerüstetes und fuhren nach oben, bis auf Höhe der Schulter, wo ein Steg zum Cockpit führt. Der Tech trat auf den Steg und ließ den Sterncaptain und mich passieren.
Zu zweit gingen wir dann zur Luke und den Sterncaptain tauchte hindurch ins Cockpit, ich folgte so gut es ging. Auch hier sah es noch wild aus. Es gab noch freie Plätze für Monitore, Kabel lugten hier und da raus, aber der Helm, der Sitz und die primären Kontrollen waren vorhanden. In einem Schnelldurchlauf wies der Sterncaptain auf die einzelnen Anzeigen und für was diese dienten. Es roch neu, alles war in einem perfekten Zustand, der Neurohelm war einfach unglaublich. Viel leichter und kleiner als unsere Modelle und dabei um 30% noch Effektiver als unsere IS Modelle. Erstaunlich. Ich quetschte mich aus dem Cockpit wieder raus und der Sterncaptain folgte mit einer eleganten Bewegung. Wir gingen zurück zum Fahrstuhl und dem wartenden Tech.
"Kann man bei ihnen auch solche Mechs in dieser Qualität kaufen oder produzieren sie hier nur zum Eigenen Bedarf."
"Das kann ich ihnen nicht beantworten. Das könnte der Direktor wissen oder jemand aus der Händlerkaste."
„Ich kenne die meisten Konfigurationen dieses Mechtyps, aber die D Konfiguration sagt mir nichts. Sind sie befugt mir näheres dazu zu sagen?“
„Leider nein. Die D Konfiguration ist noch eine neue experimentelle Konfiguration. Sie muss sich im Einsatz erst noch beweisen. Warum Mechkriegerin Ina diese Konfiguration gewählt hat kann ich ihnen nicht sagen. Jedenfalls die Ultra AK und Pulse Laser sind sehr gut für die mittlere und kurze Distanz. Der 6er Raketenwerfer ist meiner Ansicht nach nicht wirklich eine verbesserte Wahl. Ich selbst führe einen Nova Cat Prime. In meinem Stern sind noch ein Katamaran Prime und ein Stormcrow C. Meine anderen beiden Plätze sind frei und werden durch zwei neue Mechkrieger besetzt. Die eine ist Mechkriegerin Ina mit der neuen Konfiguration und der letzte Platz wird noch vergeben. Wie ist das bei ihnen?“
„Ich führe auch eine Einheit, steuern tue ich einen Verfolger, des weiteren gehören noch eine Valkyre, ein MenShen und ein Lynx dazu.“
„Eine ungewöhnliche Kombination an Mechs, frapos?“
„Pos, aber sie erfüllt ihren Zweck.“ Wir kamen mit dem Fahrstuhl am Hangarboden an und verließen diesen.
"Verstanden. Danke für diese tolle private Führung und die Möglichkeit mir dieses Model mal vom nahen an zu schauen. Ich hoffe das die Maschine gut geführt und viele Kämpfe gewinnt."
"Pos, das wird sie. Leider muss ich sie jetzt verlassen, da ich noch andere Pflichten habe. Tech Nils wird sie zu ihrer Gruppe bringen. Entschuldigen sie mich und passen sie auf sich auf.“ Der Sterncaptain drehte sich um und verschwand in Richtung einer Tür und aus dem Hangar. Der Tech ging mit mir zu dem kleinen Transporter und fuhr mit mir in eine andere riesige Halle. Dort angekommen, kam gerade die Gruppe aus der Seitentür in den großen Raum. Es handelte sich hier um ein riesiges Lager, das vollgestopft war mit Material für Mechs, Fahrzeuge und Kommunikation. Ich stieß wieder zu der Gruppe und reihte mich wieder ein.

Ende des Textes von Marodeur74

***

Normalerweise war Jara zufrieden, wenn sie Recht behielt mit ihren Vorahnungen. Das hatte ihr schon mehrfach geholfen, Gefechte für sich zu entscheiden und größerem Ungemach zu entgehen. Diesmal allerdings war es nicht Zufriedenheit, die sie fühlte, sondern vor allem Erschöpfung. Das lag nicht nur daran, dass sie sich nicht im Gefecht befand, zumindest nicht im eigentlichen Sinne, sondern in erster Linie war es dem Umstand geschuldet, dass der Tag tatsächlich genauso zäh und langweilig geworden war, wie sie befürchtet hatte.
Und zu allem Überfluss musste sie auch noch gute Miene zum schlechten Spiel machen, lächeln, Hände schütteln, diplomatisch sein und verdammt aufpassen, was sie zu wem sagte. Einige Male hatte sie nur ein mahnender Seitenblick von Corbin May vor einer Unachtsamkeit geschützt und nun, kurz vor dem Ende des offiziellen Teils, glaubte sie, die meisten Klippen ganz gut umschifft zu haben.
Sicher, sie war keine geborene oder auch nur ausgebildete Diplomatin und in der Rolle als Adlige und Staatsbürgerin fühlte sie sich fremdelnd unwohl, aber sie war lernfähig und unter mehreren Lagen Soldatentum und Kriegserfahrungen lagen gut ausgeprägte Empathie und eine charmante Seite verborgen, die sie mühsam versucht hatte, freizulegen. Und sie hatte sich wiederholt ins Gedächtnis gerufen, dass sie die leidige Presse-Arbeit in erster Linie nicht für sich, sondern für ihre Einheiten auf sich nahm. Sie empfand das als größeren Motivator und hätte für sich selbst auf Rampenlicht und Ruhm durchaus gut verzichten können. Nur wie hatte sie es Germaine gegenüber einmal formuliert? „Ich kämpfe, wo ich hingestellt werde.“
Und nun stand sie also in einer großen, extra umgebauten und dekorierten Halle auf Avon V und verabschiedete nach und nach die Pressevertreter und Gäste, die nicht zum Bankett bleiben durften oder wollten. Fast geschafft.
Und dann kam sie natürlich doch noch. Diese letzte Gelegenheit, nochmal so richtig gründlich alles in den Sand zu setzen und das Top-Fettnäpfchen zu finden. Irgendeine Lokal-Journalistin – Jara hatte nicht einmal richtig hingehört, als sie sich und ihren Sender vorgestellt hatte – mit dem Riecher für den richtigen Augenblick, erwischte sie genau in dem Moment, als ihre Konzentration dahin und Corbin May außer Reichweite war mit der Bitte um ein letztes, kurzes Interview.
Geschickt lenkte die Reporterin das Gespräch mit wenigen Fragen in eine Richtung, die sie vermutlich schon seit Tagen vorbereitet hatte und die Jara bis zum letzten Moment gar nicht als gefährlich wahrnahm. Ihre innere Alarmglocke schrillte erst, als die Falle schon zuschnappte und mit laufendem Tonband die Fangfrage gestellt wurde:
„Komtess, Sie haben sehr viel und sehr farbenfroh von Ihrer Zeit bei Clan Wolf und als Söldnerin erzählt. Jetzt sind Sie Subjekt des Drachen. Was kann er von Ihrer Erfahrung lernen?“
Jara kam innerlich ins Schleudern, unsicher, wie sie die Frage beantworten sollte. Sie war stolz auf ihre Erfahrungen und sah sich nicht in erster Linie als drakonische Adlige. Sie war auch wirklich überzeugt davon, dass sie in ihrer Flexibilität dem halsstarrigen Kombinats-Militär um Lichtjahre voraus war. Und dass die verknöcherten alten Männer an den Schalthebeln der Macht gut daran täten, von ihr zu lernen – und nicht etwa umgekehrt. Das alles konnte sie aber nicht sagen, ohne die traditionalistischen, konservativen Kreise größtmöglich zu brüskieren – und vermutlich einen guten Teil der progressiveren Kombinats-Granden gleich mit.
Sie konnte sich aber auch nicht in unterwürfiger Demut üben, ohne ihre eigene Existenz ad absurdum zu führen und die Frage zulassen zu müssen, wozu sie dann überhaupt einen Adelstitel verliehen bekommen hatte.
Sie ließ sich ausweichend auf das Mittel zurückfallen, das May ihr als Notlösung angeboten hatte: Verschwurbelte Analogien und Symbolismen. In der Hoffnung, damit halbwegs durchzukommen.
„Eine gute Frage“, begann Jara ihre Antwort, um etwas zusätzliche Zeit zu schinden. „Und eine, die nicht einfach zu beantworten ist. Ich möchte Ihr Publikum nicht mit militärischen Statistiken und Eventualitäten ermüden. Erlauben Sie mir deshalb einen etwas bildhafteren Vergleich.“
Die Reporterin nickte leicht als Zeichen dafür, keine Einwände zu haben, aber Jara erkannte den lauernden Blick in ihren Augen. Das war der Blick eines Raubtiers vor dem Sprung. Die Sicherheit des Jägers, gleich zuzuschlagen.
„Der Drache ist größer als der Wolf. Er ist schneller und stärker, er ist auch älter und weiser und schlauer und er hat die schärferen Krallen. Und natürlich ist er anmutiger und voller Güte und Ehre. Damit ist er naturgemäß das perfekte Symbol für das Kombinat und sein Militär, das zielstrebig, unnachgiebig und diszipliniert seiner Pflicht und Tradition folgt. Es ist der Schuppenpanzer und die Klaue gleichermaßen.“
Jara machte eine kleine Pause. Viel geredet, nichts gesagt, aber etwas in die Spur zurückgefunden. Ein Anfang war gemacht. Jetzt wurde es heikel.
„Der Wolf ist ebenfalls ein imposantes Tier, als Raubtier kennt er nicht viele Kreaturen, die ihm überlegen sind. Aber im Vergleich mit dem Drachen zeichnet er sich nicht durch seine Anmut aus oder durch seine Stärke oder durch seine Schnelligkeit. Es sind zwei andere Fähigkeiten, die ihn gefährlich machen und die der Drache von ihm lernen kann, um wahrlich unbesiegbar zu werden.“
„Jetzt sind ich und meine Hörer allerdings sehr gespannt, Komtess.“
„Der Wolf“, fuhr Jara fort, „steht für Wildheit und Wagemut. Das sind Fähigkeiten, die helfen, schnelle Entscheidungen zu treffen, zu improvisieren und aus jeder Situation das Maximum herauszuholen. Und vor allem ist er ein Rudeltier. Wir mögen alle nur kleine Spielsteine im Dienste des Drachen sein. Aber wir müssen in diesen stürmischen Zeiten vor allem zusammenstehen, gemeinsam handeln und kühn und entschlossen agieren, um zu bestehen. Die Innere Sphäre ist im Wandel und nur das Kombinat steht fest und scheint wie ein Leuchtfeuer in der Dunkelheit. Damit das so bleibt, müssen wir lernen, nicht nur der Drache zu sein, sondern auch ein Drachenrudel.“
Jara atmete innerlich durch. Das war vielleicht nicht perfekt, aber es war auch kein Desaster gewesen. Irgendjemand würde ihr sowieso immer irgendwas anlasten können. Ihre Vergangenheit war nun einmal kein Geheimnis. Aber sie hatte sich wenigstens nicht noch tiefer reingeritten, glaubte sie.
„Und die Maus?“, fragte die Reporterin mit einem entwaffnenden Lächeln und zog Jara den gerade gefundenen Boden unter den Füßen wieder weg.
Scheiße, damit hatte sie wirklich nicht gerechnet. Wir zur Hölle sollte sie eine Cartoon-Maus in ihr bescheuertes Gleichnis einbauen, ohne sich, ihre Einheit oder das Kombinat lächerlich zu machen?
Die Rettung kam aus unerwarteter Richtung.
„Die Maus ist immerhin clever genug, eine Waffe mit zum Kampf zu bringen. Auch wenn das Katana möglicherweise eine bessere Wahl gewesen wäre“, sprang ihr Alexander Hosoe bei, der sich unbemerkt genähert und ihre Lage wohl erkannt hatte. Er lächelte freundlich in Richtung der Reporterin und gab Jara allein durch seine Körpersprache zu verstehen, dass er die Situation übernehmen würde.
Jara, die gelernt hatte, taktisch flexibel zu bleiben, steckte da nur zu gerne zurück. Zumal sie sich bewusst war, dass sie wirklich erschöpft war, wenn sie nicht einmal mehr merkte, wenn sich ein Zivilist näherte.
„Vielen Dank für die interessanten Fragen“, fuhr der Direktoren-Sohn fort. „Leider muss ich Komtess Fokker entführen. Das Bankett beginnt bald und ich möchte unseren Ehrengast gerne schon vorher in die Tischordnung einweisen. Sie können weitere Fragen selbstverständlich gerne schriftlich oder telefonisch stellen.“
Die Reporterin verstand den Rauswurf und auch, dass sie nichts dagegen tun konnte und zog sich zurück. Jara konnte den enttäuschten Blick des hungrig gebliebenen Raubtiers jedoch nicht genießen, zu knapp war sie an der PR-Katastrophe vorbeigerutscht.
„Danke“, sagte sie leise zu dem jungen Konzern-Menschen. „Das war Rettung in letzter Sekunde.“
„Nichts zu danken. Krisenkommunikation ist mein Fachgebiet. Außerdem ist es mir eine persönliche Genugtuung die Heuschrecken der Traditionalisten-Presse zu verscheuchen. Es war mir eine Ehre, meine Fähigkeiten dafür auszuleihen.“
„Ich würde mich revanchieren, aber da meine Fähigkeiten eher für das Schlachtfeld geeignet sind, ist das vermutlich keine gute Idee.“
Alexander Hosoe lächelte amüsiert: „Das hier ist auch ein Schlachtfeld. Meines. Und da kämpfe ich gerne für unsere Sache. Immerhin sind wir ein Drachenrudel.“
Jara versuchte, ihre Maskerade zu wahren, konnte sich dann aber ein Grinsen nicht verkneifen. „Einverstanden“, sagte sie, auch wenn sie die allzu selbstsichere und joviale Art ihres Gegenübers irritierte. „Dann jetzt die Tischordnung?“
„Welche Tischordnung?“, erwiderte der junge Mann ihr Grinsen. „Sie sitzen natürlich neben meinem Vater, Komtess. Einigen Ihrer Leute haben wir interessante Gesprächspartner zugeteilt, aber davon abgesehen gibt es keine feste Tischordnung. Und nach dem Hauptgang wird sich erfahrungsgemäß die Gesellschaft an Stehtische und in die Außenbereiche begeben. Das fördert die Gespräche und die Verdauung.“
„Verstanden. Dann noch einmal vielen Dank für die Rettungsaktion. Ich schulde Ihnen was.“
Alexander Hosoe verbeugte sich leicht vor Jara. Gerade tief genug, um ihrem Rang gerecht zu werden, aber nicht demütig und unterwürfig zu wirken. „Ein letzter Tipp, Komtess: Sie sind hier unter Freunden. Achte Sie trotzdem darauf, was Sie sagen und tun. Selbst hier haben die Wände Augen und Ohren.“
Mit diesen Worten verschwand der Unternehmersohn wieder zwischen den übrigen Gästen und Jara registrierte aus dem Augenwinkel, dass er damit gleichzeitig seinem Vater ausgewichen war, der nun an sie herantrat, um sie zu ihrem Sitzplatz zu begleiten.
Jara hasste es. Abendveranstaltungen. Politik. Smalltalk. Diese ganzen Sinnlosigkeiten, die Menschen nur dann für notwendig hielten, wenn sie nicht jeden Tag Gefahr liefen, erschossen, weggesprengt oder im eigenen Cockpit lebendig verbrannt zu werden. Die ständige Todesgefahr sorgte dafür, dass man seine Prioritäten und Lebenseinstellungen gründlich überdachte und zu einer einfacheren, ehrlicheren Person wurde.
Beinahe – aber nur beinahe – hätte sie über ihren inneren Zynismus vergessen, dass nicht alles an der ganzen Aktion unerträglich war. Immerhin sah Alexander Hosoe gut aus und hatte sie beinahe zum Lachen gebracht. Jetzt hasste sie auch diese leise Andeutung eines Kribbelns im Bauch.

***

Stunden später stand Jara so gut sie konnte abseits der Gesellschaft und rieb sich verstohlen die Nasenwurzel, in der Hoffnung, so die nagenden Kopfschmerzen vertreiben zu können. Der Abend war zwar ohne – weitere – größere Zwischenfälle verlaufen, aber das ganze aufgesetzte Gehabe und der ständige Austausch absoluter Belanglosigkeiten lag ihr nicht und zehrte an ihr. Nicht zum ersten Mal verfluchte sie Germaine Danton für die Rolle, die er ihr zugedacht hatte und sich selber dafür, dass sie mitgespielt hatte. Sie vermisste ihr einfaches Söldnerleben.
Nachdem sie mit so ziemlicher jeder wichtigen und unwichtigen Figur der lokalen progressiven Prominenz hatte sprechen müssen, hatte sie sich in den großzügigen Garten des Anwesens zurückgezogen und stand jetzt unschlüssig am Rande eines großen Springbrunnens und blickte müde in das ruhig fließende Wasser. Sie klammerte sich an ihr Glas, in dem immer noch ein Rest eines alkoholfreien Cocktails stand.
Sie bemerkte eine Bewegung in ihrer Nähe, eine Person, die sich ihr näherte und riss sich zusammen, ehe sie sich aufrichtete. Sie versuchte gar nicht erst, sich demonstrativ noch weiter zurückzuziehen und wehrte sich auch nicht, als Alexander Hosoe ihr das Glas abnahm und es gegen ein Weinglas austauschte. „Bester Jahrgang im Weinkeller“, kommentierte er lapidar.
„Sie retten mich schon wieder“, gab Jara zu. „Ich weiß nicht, ob es eine gute Idee war, die Veranstaltung nüchtern zu absolvieren.“
„Es kommt beim Alkohol auf die richtige Menge an.“
„Und was ist die richtige Menge?“
„Für heute?“ Hosoe zuckte mit den Schultern. „Ein Glas nach dem anderen, bis die Flasche leer ist und dann noch ein bisschen mehr.“
Jara konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen: „Wenn das der Versuch ist, mich betrunken zu machen, dann muss es aber mehr sein als Weißwein.“
„Whiskey?“
„Wodka.“
„Klar und ehrlich und direkt“, kommentierte der Industriellensohn. „Das passt zu meinem Eindruck von Ihnen, Komtess.“
„Leider glaube ich, dass mich mindestens ein halbes Dutzend Personen hier sofort von der Bildfläche verschwinden lassen würden, wenn ich anfinge, hochprozentigen Alkohol zu trinken.“
„Gehen Sie ein Stück mit mir, Komtess, und ich bringen später eine Flasche auf ihr Zimmer.“
Jara zog eine Augenbraue hoch und musterte ihren Gegenüber erneut. Das war – vor allem für einen Draconier – eine bemerkenswert offene und gleichzeitig elegante Anmache gewesen. Vielleicht war es der Stress des Tages oder Alexander Hosoe begann tatsächlich, ihr sympathisch zu werden, auf jeden Fall entschied sie sich, auf den Flirt einzugehen. Sie konnte ja jederzeit die Reißleine ziehen, wenn es ihr zu viel wurde.
Nicht ohne eine gute Portion zur Schau gestellter Ironie hakte sie sich bei dem jungen Zivilisten unter und gemeinsam schlenderten sie durch den Garten. Sie plauderten über dies und das und die Zerstreuung tat Jara gut. Stück für Stück und Schluck für Schluck fiel die Anspannung von ihr ab.
„Wir sind uns ziemlich ähnlich“, sagte er irgendwann.
„Ist das so? Ich sehe nicht so viele Ähnlichkeiten außer unserem Alter.“
„Auf den ersten Blick mag das so scheinen“, gab er zu. „Aber wenn man genauer hinsieht, dann ist es viel mehr. Spielen wir es durch. Wir tragen beide Verantwortung. Ich als Firmenerbe und Direktor der Kommunikationsabteilung. Eine falsche Entscheidung von mir, kann immense Summen kosten und die Firme gefährden. Damit steht auch die Rüstungsproduktion des Kombinats auf dem Spiel.“
„Ich trage die Verantwortung für ein gesamtes Regiment“, entgegnete Jara. „Mehrere hundert Menschen, Abermillionen an C-Noten in Rüstungsgütern und Ausrüstung. Meine Entscheidungen… nun, ich denke, sie sind für die militärische Strategie des Kombinats wenigstens beobachtenswert.“
„Wir verdienen beide sehr gut am Krieg“, gab Hosoe zu bedenken. „Im Frieden wären wir schnell ohne eine Aufgabe.“
„Okay, das sind zwei Sachen“, gestand Jara ihm zu. „Das ist noch nicht so viel.“
„Ich finde mehr. Ausbildung?“
„In einer Söldnerfamilie aufgewachsen, Schulbildung so nebenbei, aber ich habe früh alles gelernt, was man zum Führen einer Einheit und natürlich eines Mechs braucht. Sind wir uns da auch ähnlich?“
„Ich gebe zu, ich habe studiert. Aber auch ich habe von Kindesbeinen an beigebracht bekommen, wie man führt, wie man Entscheidungen trifft. Für unser Alter sind wir beide sehr gut auf unsere Führungspositionen vorbereitet worden.“
„Zugegeben. Aber ich finde, so wirklich ähnlich sind wir uns da trotzdem nicht.“
Hosoe wirkte zerknirscht: „Nun, einen Versuch war es wert, Komtess.“
„Lassen Sie mich einmal versuchen! Sport?“
„Laufen, Schwimmen, Tai Chi, Iaido und Yoga, vielleicht zehn Stunden in der Woche.“
Jara nickte. Das war zwar nicht auf ihrem Level, aber es erklärte, wieso ihr Begleiter seine für einen Zivilisten untypische Fitness erlangt hatte.
„Und Sie? Haben Sie Zeit für Sport?“
„Etwa drei Stunden pro Tag“, rechnete Jara zusammen. „Kraftsport, Ausdauertraining, Schwimmen und Kampfsport.“
„Und welchen Kampfsport üben Sie?“
„Ich habe Erfahrung in verschiedenen Stilen. Judo, Kickboxen, Karate, Aikido, Krav Maga, aber auch einige exotischere Spielarten. In der Regel übe ich allerdings militärischen Kampfsport. Das ist etwas…“
„Klarer, ehrlicher und direkter?“, vollendete Hosoe ihren Satz.“
„Genau. Wie sieht es mit Musik aus?“
„Ich spiele Gitarre.“
„Ich auch“, freute Jara sich. „Vielleicht sind wir uns ja wirklich ähnlicher, als ich dachte. Wir müssen übrigens zurück.“
Ihr Begleiter schien über den spontan Wechsel und das vermeintliche Ende ihres Gesprächs wirklich überrascht und betroffen. „Ich hoffe, ich habe nichts Falsches gesagt?“
Jara grinste ihn an: „Ganz im Gegenteil. Aber erstens fragen sich bestimmt schon einige langweilige Menschen, wo ich bin und zweitens ist mein Glas leer.“
„Das sind zwei durchaus nachvollziehbare Argumente. Ich werde sehen, dass ich Ihnen Nachschub besorgen kann und überlasse Sie dann wieder der Gesellschaft. Immerhin sind so viele Leute nur Ihretwegen gekommen, Komtess.“
Jara lächelte freundlich und fluchte innerlich. Aber es musste sein. Sie musste Präsenz zeigen und die vorbildliche Adlige spielen, wenn sie ihre Reise zu einem guten Abschluss bringen wollte. Wenigstens hatten der Wein und der Spaziergang ihr neue Kraft gegeben und sie würde den Rest des Abends nun auch noch überstehen.

***

Stunden später war sie alleine in ihrem Gästezimmer, völlig erschöpft von einem kräftezehrenden Tag. Es war nicht so sehr die körperliche Belastung – lange Stehen und reden ohne dabei einzuschlafen war quasi ihre berufliche Haupttätigkeit als Offizierin – sondern vor allem dabei eine Rolle einzunehmen, mit der sie nicht vertraut war und mit der sie sich nicht identifizierte.
Jetzt aber hatte sie es geschafft, hatte immerhin schon ihre Schuhe ausgezogen, ihren Schmuck abgelegt und ihre Haare aus der aufwendigen Frisur befreit und in einen lockeren Zopf gebunden. Sie wollte sich gerade auch das Kleid ausziehen, als es leise an der Zimmertür klopfte.
Sofort blickte sie sich suchend nach einer Waffe um und verfluchte sich, dass sie nicht wenigstens ein Kampfmesser griffbereit hatte. Das Klopfen war von keinem ihrer Leute. Sie hatte extra Klopfzeichen abgesprochen und außer im Notfall hatten alle Chevaliers strikte Anweisungen, sich auszuruhen und die weichen Betten zu genießen.
Improvisierend griff sie nach einem der Stöckelschuhe und huschte beinahe lautlos zur Tür.
Es klopfte erneut.
„Wer ist da?“
„Ich bin es. Ich bringe Getränke.“
„Wer? Und was für Getränke? Ich habe gar nichts geordert?“
„Wodka“, kam die leise Antwort.
Jaras Hirn brauchte einen Moment, um eins und eins zusammenzuzählen. Nachdem es ‚Klick‘ gemacht hatte, öffnete sie vorsichtig die Tür.
Alexander Hosoe huschte herein, eine Flasche Wodka in der einen und seine Schuhe in der anderen Hand. Als er sah, dass Jara einen Stöckelschuh wie eine Waffe zwischen ihnen hielt, blieb er wie angewurzelt stehen: "Ich kann auch wieder gehen, wenn es recht ist. Ich lasse den Wodka einfach hier und…“
Jara nahm den Schuh herunter und schloss leise die Tür. „Niemand hat etwas bemerkt?“
Er schüttelte den Kopf: „Ich kenne diese Haus seit meiner Kindheit und ich weiß, wie ich unbemerkt bleiben kann.“
„Das ist gut. Dann gibt es also keine Zeugen“, stellte sie trocken fest.
Als sie sah, wie ihr Gegenüber zögerte und sich offensichtlich fragte, ob er sie doch falsch eingeschätzt hatte, lachte sie leise auf. Sie griff nach der Flasche Wodka, besah sich das Label und stellte die Flasche auf dem Boden ab. Dann griff sie sich Alexander Hosoe und drückte sich an ihn. Als er ihr Drängen erwiderte, ließ sie ihre Vorsicht endgültig fallen.

Später saß sie nackt und verschwitzt auf dem Bett, während der junge, attraktive Zilivist neben ihr lag und sie nachdenklich musterte. Als Jara bemerkte, was genau er sich ansah, stand sie auf, ging durch den Raum und kam schließlich mit dem Wodka zurück.
„Gute Marke“, sagte sie anerkennend und reichte ihm die Flasche. „Trink!“
Er öffnete den Verschluss und trank direkt aus der Flasche. Dass er nicht einmal einen Moment zögerte, um nach Gläsern zu suchen, verschaffte ihm ein paar zusätzliche Pluspunkte bei Jara. Nicht dass er die noch gebraucht hätte. Sie nahm die Flasche zurück und trank selber.
Dann fragte sie: „Hast du noch nie eine nackte Frau gesehen? Oder noch nie eine Frau mit Narben?“
Alexander zögerte. „Macht es dir nichts aus? Du bist so… selbstbewusst.“
„Sollte ich nicht?“ Sie sah ihn abschätzend an. „Doch, es macht mir etwas aus und ich fühle mich verdammt unwohl damit. Macht es mich hässlich? Wärst du hergekommen, wenn du es vorher gewusst hättest?“
Er schüttelte den Kopf und fuhr mit dem Finger einige der verheilten Verletzungen nach. Dass er Jara auch dort berühren konnte, ohne ihr Schmerzen zuzufügen, hatten die beiden in den letzten zwei Stunden intensiv untersucht. „Du bist umwerfend schön. Aber… wenn du dich unwohl fühlst, warum lässt du deine Haut nicht behandeln? Die Medizin dafür gibt es doch.“
Jara nahm noch einen Schluck Wodka, bevor sie leise antwortete: „Jede einzelne Narbe erzählt eine Geschichte. Ich trage mit ihnen so viele Kameradinnen und Freund bei mir, die ich nie wiedersehen werde.“
Sie deutete auf eine Ansammlung von kleinen Narben auf ihrem Bauch. „Hier hat eine Granate meine Cockpitverglasung getroffen. Die Glassplitter haben meine Kühlweste und mich ganz schön ramponiert. Es ist ein Wunder, dass nur sehr wenig Kühlmittel in die Wunden gelangt ist. An dem Tag hat nicht viel gefehlt. Für einen winzigen Augenblick dachte ich, mein Leben sei vorbei.“
„Aber…?“
„Aber ich habe überlebt. Wir haben überlebt. Und jetzt sehe ich diese Narben und weiß, dass ich auch weitermachen kann, wenn andere aufgeben, dass ich für meine Einheit stark sein kann und dass ich aufstehe, wo andere liegenbleiben.“
„Ich glaube, ich verstehe“, antwortete Alexander. „Erzähl mir mehr.“
Jara, die mittlerweile ein tiefes Vertrauen zu dem jungen Mann spürte, begann zu erzählen, während die Wodkaflasche zwischen ihnen leerer wurde und die Sonne sich schließlich zaghaft am Horizont bemerkbar machte.
Das war der Moment, an dem Alexander verschwinden musste. Nicht ohne dass sie sich versprochen hatten, über HPG-Nachrichten in Kontakt zu bleiben. Sie sahen sich noch flüchtig bei der offiziellen Verabschiedung, aber außer einem verstohlenen Zwinkern konnten sie sich nicht mehr austauschen.
Jara, die dank übermäßigem Alkoholkonsum und faktisch keinem Schlaf, nur mehr schlecht als recht die Augen aufhalten konnte, lümmelte sich in das weiche Polster des Hubschraubersitzes.
Markus van der Roose, der ihr gegenübersaß, grinste sie breit an. Jara wusste, dass er nicht wusste, was sie getan hatte, aber sie wusste auch, dass er wusste, wie fertig sie war und dass er als erfahrener Offizier sehr wohl sehr gut raten konnte, wie sie in diesen Zustand gelangt war.
„Möchtest du davon berichten?“, brüllte er ihr über den Fluglärm zu.
„Danke nein. Streng vertrauliche Kommandosache“, rief sie zurück.
„So gut war’s?“
„Blödes Arschloch!“, rief sie ihm fröhlich zu und war kurz darauf friedlich eingeschlafen.

__________________
Ama-e-ur-e
is-o-uv-Tycom‘Tyco
is-o-tures-Tesi is-o-tures-Oro
is-u-tures-Vo-e-e

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„Okay, diesmal aber richtig.“ Mit einem verkleinerten, aber nichtsdestotrotz motivierten Team brach James Battaglini auf, um das letzte von Haus Odaga empfohlene Gebäude zu inspizieren, eine Hafenlagerhalle, die jetzt, außerhalb der Saison, nicht gebraucht wurde, und deren Verladeequipment ihre Wartungsarbeiten erleichtern würde.
Battaglini war nicht in der Stimmung, dies zu tun. Die Verletzten und der tote Kämmerer vom Vortag steckten ihm noch in den Knochen. Außerdem passte es ihm nicht, dass er die Verantwortung trug, solange Jim auf dem Krankenrevier der CRYING FREEDOM das Bett hüten musste. Dennoch tat er seinen Job, als er mit drei Bodenfahrzeugen aufbrach, um die eigentlich renommierte Adresse aufzusuchen.
Allein die Fahrt vom Raumhafen dauerte über eine Stunde und ging durch allerlei Bezirke der weitläufigen Großstadt, bevor sie den Tao-Fluss, in dessen Delta die Stadt gebaut worden war, überhaupt rochen. Wie auf den meisten Planeten der Inneren Sphäre war der Tao-Fluss nicht nur Wasserader und Lebensquell, sondern auch Transportmittel und Schnellstraße in einem; wie der legendäre Amazonas durchquerte er ein riesiges Dschungelareal und speiste sich dabei aus Tausenden Nebenarmen, auf denen zehntausende Schiffe fuhren, um Dutzende weitere Städte und hunderte weitere Siedlungen zu erreichen, darunter etliche Erntecamps, die nur in der Saison besetzt waren. Scharnhorst spielte seit einigen Tagen offen mit dem Gedanken, in eines dieser Camps umzuziehen und das Wenige, was sie nicht bei sich führten, also frische Lebensmittel und dergleichen, mit Konvois aus den Städten einzukaufen oder den Medevac zu benutzen, aber die Frage blieb, ob dies ihrer Mission förderlich oder hinderlich sein würde. Immerhin war ihr Auftrag, herauszufinden, wer hinter den Angriffen auf Numki und Darius steckte, und es hatte Hinweise gegeben, dass die unbekannten Angreifer ausgerechnet die Höllenwelt Sulafat als nächstes Ziel erkoren hatten, zudem sogar wussten, dass die Höllenhunde nicht nur hinter ihnen her waren, sondern auch auf Sulafat standen. Ein isolierter Stützpunkt mochte sich als gute Verteidigungsbasis erweisen, aber auch als unflexibler Ausgangspunkt für jede Form der Verteidigung dieser Welt, wenn der Feind angriff und dies auf der anderen Seite des Planeten auf einem der anderen acht Kontinente tat. Aber das war alles Zukunftsmusik. Und sie konnten zu Recht darauf hoffen, dass der fremde Feind den Konflikt mit ihnen suchen würde. Die Sache an der Lagerhalle war recht eindeutig gewesen, und James hatte nicht eine Sekunde die Geschichte von der hiesigen Guerilla geglaubt, die ausgerechnet eine ComStar-Einheit als willfähriges Werkzeug der „Besatzer“ angesehen und angegriffen hatte. Dafür waren die Fallen, die installiert worden waren, doch etwas zu subtil gewesen, gerade die Geschichte mit dem Sprengsatz in der Dusche, der mit Rattengift imprägniertes Schrapnell enthalten hatte. Die Anlage war geschützt gewesen, umso höhnischer war die Leichtigkeit, mit der diese perfide Falle hatte aufgebaut werden können; dazu kamen auch noch die nicht erklärten Todesfälle in direkter Nachbarschaft, die seuchenähnliche Züge angenommen hatte. Zwar war Sulafat durchaus eine Welt, in der Bakterien einmal kräftig um sich schlagen konnten, wurden sie aus dem Dschungel in die Städte exportiert und konnten sich dort nach freiem Gusto verteilen. Aber Battaglini hätte sich die Hose mit dem Schweißbrenner an-, und ausgezogen, hätte er nicht zumindest vermutet, dass ein Zusammenhang bestehen würde. Alles andere wäre ein mehr als merkwürdiger Zufall gewesen.

„Wir sind da“, klang die Stimme des Fahrers auf. Haizo-san, der neben ihm saß, nickte bestätigend. Beinahe meinte man, das Nicken hören zu können.
Deshalb sah James hoch. Was er sah, gefiel ihm. Ein sehr kräftiger, hoher Metallzaun, auf dem Klingendraht befestigt war. Regelmäßige Schilder warnten zudem vor Starkstrom, der durch das Metall floss. Ihre drei Wagen hielten auf ein schweres Panzertor zu, das mit schweren Stahlplatten ausgestattet war. Nur einige Schießscharten bildeten Durchbrüche. James war natürlich klar, dass dieses Tor tagsüber eigentlich offen stand, denn der Bereich, den es versiegelte, hatte einen enorm hohen Warenverkehr, und für jedes einzelne Fahrzeug Kontrollen einzuführen und dieses Ding zu bewegen hätte einen enormen Zeitverlust bedeutet. Aber rechnete man den elektrifizierten Zaun mit ein, war es eine nur kleine Sollbruchstelle, und damit kleiner als bei der umgebauten Fabrik. Das Tor glitt vor ihnen auf, die drei Wagen fuhren in eine Schleuse ein. Ein bewaffneter Wachmann kam heraus und prüfte ihre Papiere, während drei weitere Wachen ihn mit gezogenen Waffen absicherten, betont auffällig unauffällig. Auch das ordnete James als Show für sie ein, gab aber zu, dass es nachts sicher scharfe Kontrollen gab, und dass Fahrzeuge, die das erste Mal einfuhren, besonders scharf kontrolliert wurden. Immerhin wurden auf dem Gelände viele Fertigprodukte im Wert von vielen Millionen C-Noten gelagert, bevor sie zum Raumhafen transportiert wurden, wo sie sich nach einem kurzen Raumflug tatsächlich in bares Geld verwandeln würden.
Nach den eher oberflächlichen Kontrollen öffnete sich die Innenseite der Schleuse für sie, und die drei Fahrzeuge durften einfahren. Sie kamen relativ schnell zu den ersten Hallen; aber ein leerer Streifen von gut fünfzig Metern trennte den ersten Bau vom Metallzaun. Eine unendlich lange, einsehbare Strecke für jeden, der sie überwinden wollte. Man merkte auf den ersten Blick, dass das wahre Geld hier gemacht wurde, und nicht im Umfeld der Fischfabrik, die ihnen Haus Odaga aufschwatzen wollte.

Die Fahrt ging zwischen wirklich großen Hallen entlang, die alle an kleine MechHangars erinnerten; nur die zu kleinen Türen, noch gewaltig genug für ganze Lastschweber, aber eben keine zehn Meter hoch, verrieten, dass diese Hallen nicht für die riesigen Kriegsmaschinen genutzt wurden und dementsprechend auch nicht ausreichend gepanzert waren, wie es bei Hangars üblich war.
Die Hallen wurden größer, die abgehenden Wege breiter. Ein besonders breiter Weg führte bis zu den Hafendocks hinab. Dann noch einer, dann noch einer. Alles in allem war das Areal riesig. Es war beruhigend zu wissen, wie viel Fläche ein potentieller Angreifer würde überwinden müssen, bevor er sich mit den Höllenhunden würde anlegen können.
Endlich erreichten sie eine Ecke, in der die Hallen noch größer wurden, wenngleich nicht höher. Mechs wären hier immer noch nicht möglich gewesen, also sie zu warten, da dies meistens bei der stehenden Maschine stattfand, aber für Panzerfahrer und ihre Vehikel war die Höhe vollkommen ausreichend. Sorgen machten Battaglini nur die Spitzdächer, die anstelle von Flachdächern installiert wurden. Sie waren zwar nicht sehr hoch und hatten auch sehr flache Winkel, um das Ablaufen von Regenwasser zu begünstigen, aber da oben Beobachtungsposten einzurichten würde ein Schmerz im Arsch werden.
Unter Haizo-sans Anweisung nahm der Konvoi endlich eine der Querstraßen, es ging sichtlich noch weiter zum Hafen runter. Der Verkehr auf den Wegen nahm zu, war aber immer noch nicht beachtlich bemerkenswert. Schließlich und endlich hielt der kleine Tross vor einer sehr breiten Halle mit weit geöffneten Toren, bei denen selbst ein Hundert Tonnen-Panzer keinerlei Schwierigkeiten haben würde, einzufahren. Mit einem gewissen Stolz stieg Haizo aus. „Wir sind da, Battaglini-tono.“
Auch er und die anderen Höllenhunde stiegen aus. Der junge Offizier teilte wieder Leute ein, die in Zweierteams arbeiten würden, zwei der Teams schickte er einmal um die ganze Halle herum.

Dann betrat er an Haizos Seite die Halle und blickte erstaunt auf. Das Innere war lichtdurchflutet, obwohl nicht eine Lampe brannte. Man hatte mehrere kleine Gebäude hineingebaut, die zusammen vielleicht ein Zehntel der eigentlichen Fläche einnahmen. Battaglini setzte unwillkürlich ihre Verwendung fest: Schlafräume, Stabsgebäude, Krankenrevier, Küche. „Das ist das letzte Domizil“, verkündete Haizo schließlich. „Unser ganzer Stolz. Also die Hafenanlage. Diese Halle hier dient normalerweise als reiner Lagerplatz, aber wir haben sie schon vor einer kleinen Ewigkeit derart umgebaut, sodass sie entweder als Evakuierungspunkt, oder aber als Notfallstützpunkt dienen kann. Und im Gegensatz zur Konservenfabrik wurde sie noch nie verwendet, geschweige denn von Haus Odaga, um Rebellen zu maßregeln.“
„Maßregeln? Sie meinen foltern?“, fragte Battaglini mit hochgezogenen Augenbrauen.
„Wir bevorzugen den Begriff „maßregeln“, da es sich um einen Aufstand gegen die vom Koordinator eingesetzten rechtmäßigen Herrscher handelte. Sie müssen verstehen, der ganze Planet war in Aufruhr und in Dutzende Stadtstaaten aufgeteilt, die sich teilweise nicht den Reis in der Schüssel gegönnt haben. Tatsächlich war diese Stadt damals schon umkämpft, wegen dem Raumhafen, den sie besitzt. Eine Ressource, die jeder der Stadtstaaten natürlich haben wollte, um sein eigenes Biogeschäft aufzuziehen. Um diese, hm, Querulanten in den Griff zu kriegen, waren anstrengende Maßnahmen notwendig, aber keine, die die Gerichtsbarkeit des Kombinats bei Staatsfeinden nicht vorsieht.“ Er sah Battaglini mit einem amüsierten Seitenblick an. „Falls es Sie beruhigt, die Inhaftierten waren ausschließlich Freischärler ohne militärische Kennzeichen, also bestenfalls Guerilla, aber nach gültiger Rechtsprechung Terroristen, keine Kombattanten. Viele unserer Leute und noch viel mehr Zivilisten fielen ihnen zum Opfer, bevor wir sie in die Dschungelgebiete zurücktreiben konnten.“
„Oh. Na dann.“ Er räusperte sich. „Ich dachte, die alte planetare Regierung hätte gefoltert.“
„Oh ja, das hat sie, aber eben nicht in der Fischfabrik. Das alte Herrscherhaus war recht ehrgeizig. Es stellte dank seines Reichtums große Kontingente an Infanterie und kleinere Mech-Armeen bis zur Größe einer Kompanie, um im Clankrieg zu dienen. Beides war natürlich nur besseres Kanonenfutter, aber es kostete nicht nur Menschenleben, sondern auch eine Menge Geld. Geld, das das Grafenhaus durchaus hatte – aber sich eben lieber von seinen Bürgern holte. Dabei waren seine Schergen nicht gerade zimperlich. Alles, was Haus Odaga veranstaltet hat, ist gegen das, was Haus Imagawa zu verantworten ist, eher ein Geplänkel. Oder, um es zu erklären, wie Sie es verstehen: Imagawa verhielt sich wie die Nebelparder auf Turtle Bay, Odaga hingegen wie die Kell Hounds auf Mallorys World.“
„Ah, okay.“ Der Vergleich hinkte natürlich, aber er verdeutlichte, dass Haus Odaga der Auffassung war, nur getan zu haben, was getan werden musste, und das war schon immer eine gute Ausrede für eine herrschende Elite gewesen.
„Kommen Sie, ich zeige Ihnen alles!“ Haizo ging voran, das Team folgte ihm.
***
Etwa zur gleichen Zeit fuhr ein einsamer Jeep, ein robustes, einheimisches Modell, bei dem man ein wenig Panzerung und Türschlösser hinzu gefügt hatte, die ihren Namen auch verdienten, aus der eigentlichen Stadt aus und machte sich auf einen kaum genutzten Highway auf, näher an den Dschungel heran zu fahren. Sein Ziel war eine Hügelkette, rund fünf Klicks entfernt, die einmal den Reichen und Mittelklässlern des Planeten dazu hätte dienen sollen, ihr Geld in Immobilien und Luxus anzulegen. Tatsächlich hatte es damals aber nur zu Mittelklasse-Häusern gereicht, wenngleich tatsächlich ansprechend vielen, weit genug von der Stadt entfernt, um der Gefahr von Tsunamis und dem Gestank der Straßen zu entkommen. Ausdruck dieses „neuen Viertels“ war ein verschwenderisch großes Einkaufszentrum gewesen, das das Herz dieser Anlage hätte sein sollen, nun aber in Ruinen lag. Mit dem Zusammenbruch der Imagawa-Regierung war auch der Reichtum geschwunden und der Bürgerkrieg ausgebrochen, und die neue Siedlung war nach und nach gegen die Sicherheit der Stadt wieder eingetauscht worden. Und auch die Straßenzüge, die das neue Viertel mit der eigentlichen Stadt hätten verbinden sollen, waren mittlerweile geschliffene Ruinen, denn Baumaterial war immer noch etwas Teures auf Sulafat. Und deshalb lag das ehemalige Reichenviertel ein ganzes Stück vor der Stadt, als sicheres Zeichen dafür, dass der Planet seine besten Zeiten hinter sich gelassen hatte. Ob er diese noch einmal würde erreichen können, stand wahrhaftig in den Sternen. Es würde darauf ankommen, wie viel Haus Odaga und Haus Shimatze von ihren Gewinnen aus den Biostoffverkäufen auf den Planeten zurückfließen lassen konnten. Und es war klar, dass die derzeitigen Angriffe auf die Territorien beider Grafschaften eher Kosten produzierten, die diesen Betrag schrumpfen lassen würden.
Der Fahrer, der einzige Passagier in dem Vehikel, erlaubte sich ein dünnes Schmunzeln. Das war nicht seine Sache, nicht sein Bier, wie man so sagte, aber er würde seinen Teil dazu beitragen, die Situation zumindest ein klein wenig zu verbessern, indem besagte Angreifer mindestens einen auf die Nase bekommen würden, sollten sie Sulafat tatsächlich angreifen.
***
„Das Generatorenhaus sieht gut aus“, sagte Battaglini beeindruckt. „Und die Umformerbank und die Batterien der Solarzellen sind nahezu nagelneu.“
„Ja“, bestätigte Haizo-san stolz, „etwas, mit dem wir sehr zufrieden sind. Die Hallen produzieren nicht nur ihren eigenen Strom und leiten das Tageslicht in die Hallen, sie versorgen auch ein Drittel der Stadt mit Arbeitsstrom. Nachts sind es sogar fünfzig Prozent, wenn der Strom aus den Speichern kommt und der Energieverbrauch der Industrien auf ein Zehntel schrumpft.“
„Auch die Sanitäranlagen sind gut aufgestellt, wie ich finde. Und was wir nicht haben, können wir hier getrost aufbauen“, lobte Battaglini. „Warum haben Sie uns dieses Prachtstück nicht als erstes gezeigt, Haizo-san?“
„Wir hatten die Hoffnung, die anderen Gebäude würden Ihnen bereits zusagen, Battaglini-tono. Immerhin ist dies zwar die modernste Halle im Distrikt, aber sie ist mitten in der Speicherstadt. Ein Angriff auf sie, und sei es ein terroristischer Anschlag, würde enorme Schäden verursachen. Dass wir sie dennoch anbieten, liegt einzig daran, dass die Erntesaison erst in fünf Monaten beginnt. Wir können jede Form von Schäden bis dahin beseitigen, wenngleich die Verluste horrend hoch sein könnten. Man schaue sich nur die Solaranlagen an“, sagte der Kuritaner mit einem gewissen Biss in der Stimme in Anbetracht der möglichen Schäden.
Battaglini verstand das durchaus. Und er sah das auch genauso. Aber seine Einheit konnte nicht ewig auf dem Raumhafen bleiben, das stand ebenso fest, denn der Raumhafen war ein noch schlimmeres Ziel, falls die Höllenhunde, die sich durchaus als Köder anboten, angegriffen werden würden. „Irgendwo müssen wir ja hin“, sagte er deshalb in einem mürrischen Tonfall. „Sie sagten, die Erntesaison startet erst in fünf Monaten?“
„Ja. Vier Monate und dreieinhalb Wochen terranische Zeit.“
„Hm. Ich würde mich gerne für diese Halle aussprechen, aber... Wenn keine Erntezeit ist, heißt das, Flora und Fauna der Region ist derzeit...“
„Inaktiv? Nein. Aber es herrscht eine Saison, die wir Defcon fünf nennen, die Saison, in der die Temperaturen nachts bis unter den Gefrierpunkt fallen können, sogar auf Meereslevel. Dadurch sind Tiere und Pflanzen größtenteils inaktiv, die Kaltblütler sowieso. Man trifft einfach nicht auf sie, und das muss man, wenn man ihre Häute und Drüsen haben will, von den Pflanzen ganz zu schweigen. Viele kann man nur ernten, wenn sie frisch knospen oder ausgeblüht sind, so wie klassische terranische Nelken. All das wird erst wieder in der Erntezeit möglich sein. Zwar kann man zu jeder Zeit lukrativ im Dschungel ernten, aber in der Hauptsaison lassen sich wahnsinnige Gewinne einfahren. Natürlich zu wahnsinnigen Risiken, aber professioneller Ernter ist auf Sulafat ein Job, der zu den bestbezahltesten gehört. Etwas, was Odaga und Shimatze neu eingeführt haben.“
„Die meisten Erntecamps sind also, sagen wir, stillgelegt?“
„Die meisten. Einige ernten das ganze Jahr über, dann aber sehr spezifisch, ja.“
„Ich frage, weil ich wissen möchte, Haizo-san, ob vielleicht eines oder mehrere Erntecamps für unsere Zwecke besser geeignet wären als hier einen ganzen Lagerkomplex zum potentiellen Kampfplatz zu machen.“
Verblüfft sah der Kuritaner den Skyler an. „Tatsächlich wäre das der Fall. Ich kann Ihnen ein paar Daten geben, und...“
***
Der Jeep hielt vor dem großen gläsernen Tor eines mehrstöckigen Baus an, der geradezu im Nirgendwo errichtet worden war. Der Fahrer stieg aus, schloss pflichtgemäß sein Fahrzeug ab und schulterte sein Flechettengewehr. Außerdem nahm er ein paar handliche Granaten mit sich, ohne sie so offen zu zeigen, bei beispielsweise die Sunbeam-Laserpistole im Seitenholster. Er betrat das Gebäude und sah sich in der großen Halle mit den etlichen Balustraden um, inspizierte hier und da ein Geschäft und drang dann zum Schnittpunkt vor, dessen Brunnen teilweise mit Schutt gefüllt war, aber der noch immer existierte. Das als Y konfigurierte Gebäude hatte in letzter Zeit erheblich gelitten, einer der Flügel war eingestürzt, aber der Rest des Hauses hatte den Kollaps einigermaßen gut mitgemacht. Der einsame Mann betrat das Treppenhaus und nahm die abwärts führende Treppe ins Parkhaus.
Als er dieses betrat, pfiff er anerkennend, nicht nur wegen der Größe – und der Tatsache, dass das kollabierte Gebäude nicht hierhin durchgeschlagen war, was den Verdacht mehrte, dass der unbekannte Architekt und die Baufirma hatten aus dem Vollen schöpfen können. Diese riesige, weite, aber nicht sehr hohe Halle bot so viel verschwenderischen Platz und besaß genau drei Ein-, und Ausfahrten, genau am Zentrum, wo die Flügel zusammenstießen, was bedeutete, dass zwei von ihnen verschüttet waren. Aber das musste kein Dauerzustand bleiben.
Anschließend inspizierte er die Generatorräume, und auch hier war er durchaus nicht unzufrieden.
Als er das Gebäude verließ, fiel ein vager Plan in seine abschließende Formen. Bei der Rückfahrt formulierte er diesen Plan weiter aus, und je mehr er das tat, desto mehr gefiel er ihm. Auch und gerade die Trümmer des zusammengestürzten Flügels würden sich noch als sehr nützlich erweisen. „Zeit, den Pionieren Arbeit zu geben“, murmelte er leise.
***
„Und deshalb denke ich“, sagte Battaglini zu Manfred Scharnhorst, „sollten wir noch einen vierten Termin wahrnehmen und uns dieses Erntecamp anschauen, dass die Kuritaner Ichiban A nennen. Es ist eines der größten in der Region und liegt genau jetzt brach. Es bietet uns wahrscheinlich das beste Umfeld, falls es uns tatsächlich gelingt, nicht nur die Saboteure, sondern auch die Kampfeinheit der mysteriösen Angreifer anzulocken. Nur unser Landungsschiff und die Luft/Raumjäger müssen wir am Hafen lassen, aber so eine kleine Einheit lässt sich auch leichter bewachen als unsere Panzerabteilung. Was denkst du, Manfred?“
Der Major rieb sich das Kinn. „Ich denke, dass es eine gute Idee ist, aus der Stadt rauszugehen und das so schnell wie möglich. Aber ich denke nicht, dass es gut für uns ist, fünfzig Klicks oder mehr in den Dschungel zu gehen. Wir würden unsere Versorgungswege eindeutig überdehnen. Selbst wenn wir alles einfliegen, was wir brauchen, sind sie verwundbar. Nicht, dass wir viel brauchen, aber einige Verbrauchsprodukte sind eben einfach fällig.“
„Ach“, machte Battaglini. „Was also ist deine Idee? Doch die Fischfabrik? In der hat übrigens Odaga gefoltert, nicht das alte Herrscherhaus, das mal am Rande.“
„Wusste ich, wollte es dir nur nicht so direkt sagen, um der Halle eine Chance zu geben. Nein, das Mistding fällt für uns aus. Es ist mehr als schlechtes Karma, da rein zu wollen. Aber wenn du schon von alten Optionen sprichst...“ Scharnhorst grinste breit. „Das Einkaufszentrum. Ich war heute noch mal da und habe mir einiges angesehen. Vor allem aber die Tiefgarage. Über den Parkplatz habe ich auch einen Kreis gedreht. Ich denke, wir können das Gelände nutzen, wenn wir ein wenig Arbeit investieren. Natürlich sollten wir dabei schneller sein als die hiesigen Schmuggler und Freischärler, aber... Ich sehe Potential in dem Gelände, und es ist nur fünfzehn Kilometer vom Zentrum und fünf vom Stadtrand entfernt. Trotzdem liegt es im Dschungel, aber auf einem der höheren Hügel der Region. Das sind einige Vorteile.“
„Du willst in die eingebrochene Schutthalde einziehen?“, fragte Battaglini überrascht.
„Nur ein Flügel ist eingebrochen. Aber, ja, ich will da einziehen.“
Der Captain schnaubte amüsiert. „Warum habe ich das nicht anders erwartet? Na, wenn schon. Das klingt wenigstens wie etwas, was die Höllenhunde machen würden. Dolittle wäre stolz auf uns, schätze ich.“
„Ist das ein Ja?“
Battaglini grinste. „Sind wir beide Höllenhunde?“

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Das tägliche Brot

Anfang Juni 3067, Sulafat, Odaga-Verwaltungszone, Provinz Aomori, die Stadt Taonami

Die Sirene heulte wie eine verdammte Seele, ein langgezogenes, schauerlichen Klagen. Jang Won-Tak verschluckte sich fast an seiner heruntergerauchten Selbstgedrehten, was bei seinen Kollegen – fast alles Männern, wenngleich sie von der Herkunft bunt gemischt waren – für leises Gelächter sorgte. Er spuckte den Stummel angewidert aus. Sie alle kannten das Signal – kannten und hasste es.
Sicher, es gab schlechtere Job als seinen. Man konnte dazu verdammt sein, im trüben Wasser des Tao nach Muscheln und Algen zu suchen. Da verbrachte man jeden Tag Stunden damit, in einer Brühe zu waten, die nicht nur alle möglichen Krankheitserreger und Parasiten enthielt, sondern auch giftiges Getier und manchmal größere Raubtiere.
Oder man konnte zu den Spürtrupps der Holzfällerkolonnen gehören, die Bäume markierten, beim Fällen assistierten und dann helfen mussten, die Stämme aus dem Dschungel abzutransportieren. Wer mit tonnenschwerer Last hantierte, brach sich irgendwann todsicher einen Knochen oder mehr.
Aber dennoch, in mancher Hinsicht war Transportfahrer einer der miesesten Jobs auf diesem miesen Planeten. Jedenfalls so wie er und seine Kollegen ihn ausüben mussten. Nicht, dass ihnen eine Wahl blieb – sie gehörten Furomoto-sama mit Haut und Haaren. Und wenn der sagte, macht dies und befördert das, dann taten sie es.

Nur leider beförderte Furomoto seit Jahren nicht mehr einfach nur Rohprodukte aus Erntecamps oder Lebensmittel zu abgelegenen Siedlungen. Nein, er hatte erkannt, dass sich die meisten Ryu mit Militärkontrakten machen ließen. Nicht, dass Polizei und Armee ihre Waffen durch zivile Fahrzeuge befördern ließen. Aber ihre Lebensmittel, Treibstoff, all das Zeug, was man zum Leben brauchte, was benötigt wurde, um Einheiten am Laufen zu halten…das beförderten zivile Vertragsnehmer.
Die Aufträge kamen verlässlich rein, waren nicht einmal schlecht bezahlt, und es gab sogar eine Ausfallversicherung, sollte der Fracht etwas…zustoßen. Nur hatten die Fahrer nichts davon, wenn ihr Boss für verlorene Fahrzeuge und Güter entschädigt wurde, wenn sie in einem ausgebrannten Fahrzeugwrack krepierten, oder in zerschossenen Fahrerkabinen verbluteten. Denn natürlich schlugen die verschiedenen Rebellengruppen gnadenlos gegen den Nachschub ihrer Gegner zu – Opfer unter den Fahrern nahmen sie in Kauf oder begrüßten sie gar. Es gab einfach zu viele Konvois, um sie verlässlich zu schützen. Und die alten Lkws und kleinen Flusstransportschiff waren ersetzbar. Wie ihre Crews. Es gab immer genug Leute, die einfach keine Wahl hatten. Viele waren bei ihrem Boss verschuldet – hatte er ihnen doch das Geld für die Ausbildung vorgeschossen, ihren Familien mit einem Kredit aus der Patsche geholfen oder dergleichen mehr. Und wer einmal tief in der Kreide stand, kam nicht mehr so schnell wieder heraus.

Sie waren zu acht – Fahrer und Beifahrer für vier Transporter. Furomoto-sama war äußerst zufrieden, dass er einen neuen Auftrag hatte an Land ziehen können, und wollte sich offenbar nicht ausstechen lassen. Won-Tak wusste nicht viel über diese ,Höllenhunde‘, die sie beliefern sollten. Es war wohl eine Söldnereinheit, aber auf den Straßen hörte man die verschiedensten Geschichten – warum sie hier waren, oder wer genau sie waren. Die meisten Gerüchte waren, natürlich, alles andere als freundlich – Söldner galten im Kombinat nicht viel. Manche sagten, die Söldner wären hier für eine neue Offensive, um die letzten Rebellen aufzustöbern und zu vernichten. Andere munkelten, es gäbe Spannungen zwischen den Odaga und Shimatze, und die Söldner wären als Puffer gegen oder aber im Gegenteil als Auslöser für einen bewaffneten Konflikt hier.
Nicht, dass ihn die Details sonderlich interessierten. Aus der Politik der hohen Herren hielt man sich besser heraus. Wenn man den Kopf unten hielt, fuhr man normalerweise am besten.
Klar war nur, dass die Söldner einiges an Nachschub benötigten – 300 Männer und Frauen plus gut zwei Dutzend Panzerfahrzeuge hatten einen enormen Verbrauch. Vor allem, wenn sie in so einer heruntergekommenen Klitsche hausen mussten, wie dem aufgegebenen Einkaufszentrum ein paar Meilen außerhalb der Stadt.
Dies war die dritte Fuhre innerhalb von einer guten Woche. Der Stützpunkt hatte bei der ersten Fahrt noch ziemlich improvisiert ausgesehen. Folglich hatten sie bei der zweiten einiges an zusätzlichem Material angekarrt. Doch bedachte man die Geschichte des Einkaufszentrum, all die Jahre des Verfalls – in einer Umwelt, die sehr schnell dabei war, die Spuren der Menschen wieder auszutilgen – dann waren in den letzten Tagen sicher eine Menge zusätzliche Probleme aufgetaucht, die für zusätzliche Nachfrage sorgten.
Immerhin hatten die Söldner eine Eskorte bereitgestellt – einen kleinen, kompakt gebauten Schweber mit einem Zwillingsgeschütz.

Eine gute halbe Stunde später verließ der Konvoi die Außenbezirke von Taonami. Won-Tak spürte, wie seine Nervosität schlagartig wuchs, und er konnte sehen, dass es seinem Beifahrer Nils Tham genau so ging. Der stämmige Rotschopf drehte nervös an dem Empfangsknopf des Radios und sprang von einem Sender für schwedische Lieder zum nächsten. Er hatte das tägliche Würfelspiel gewonnen, bei dem es um die Frage ging, wer die Musik bestimmte – aber das schien ihn momentan nicht sehr zu trösten.
Zwar bestand auch in den Städten die Gefahr eines Anschlages, aber dort hatte man es viel leichter, alternierende Routen zu verwenden, und die Präsenz der Sicherheitskräfte war deutlich höher. Die Landstraßen hingegen…
Nun, natürlich hatten Polizei und Armee ein wachsames Auge, aber selbst auf einer Welt wie Sulafat, wo Straßen für den Transport keine zentrale Rolle spielten – die Wasserwege und Magnetschwebebahnen waren wesentlich wichtiger, und die Siedlungsgebiete um die städtischen Ballungsräume waren meist recht konzentriert, anstatt dass sie sich tief in den Dschungel hinein erstreckten – blieben doch tausende und tausende Kilometer Fahrbahnen zu kontrollieren.
Die Helikopter der Streitkräfte flogen Tag und Nacht Patrouillen, und sie schossen auf alles, was aussah wie Minenleger oder ein potentieller Hinterhalt. Aber wenn es etwas gab, das die Guerilla im Laufen der Jahre gelernt hatte, dann Täuschung und Tarnung. Wer das nicht konnte, wurde nicht alt.

Sie trafen kaum ein anderes Fahrzeug auf der Straße. In dieser Richtung gab es nicht viel – die geplante Expansion der Stadt war nicht zustande gekommen, und momentan war keine Erntezeit, in der die Bauern in den verstreuten Agrosiedlungen weiter im Landesinnern größere Mengen an Feldfrüchten in die Stadt zu befördern hatten. Das war einerseits gut – Partisanen legten ihre Sprengfallen gerne dort, wo sie auch die Aussicht hatten, zeitnah ein Ziel zu erwischen. Andererseits war es auch schlecht, denn natürlich wurden solche Straßen weniger kontrolliert, und der geringe Verkehr erleichterte es ungemein, unentdeckt einen Hinterhalt vorzubereiten.
Natürlich schauten sich Fahrer und Beifahrer argwöhnisch um – nicht, dass die Chance, Heckenschützen von einem fahrenden Fahrzeug aus zu entdecken, sonderlich groß war.
Die Hügel kamen rasch näher. Won-Tak wusste, dahinter lag ihr Ziel, es war also nicht mal mehr weit. Es schien, als würde diesmal alles glatt gehen. Natürlich sagte er das nicht laut – das hätte kein geistig gesunder Fahrer getan, denn das bedeutete schweres Unglück.
Er warf einen flehenden Blick auf die kleine Hotei-Statue, die er in jedem Fahrzeug platzierte, in dem er fuhr. Bevor dieser ehemalige Bettelmönch zu einem der sieben kuritanischen Glücksgötter geworden war, hatte er seine Habseligkeiten stets in einem großem Jutesack mit sich herumgeschleppt – und das machte ihn natürlich zum perfekten Schutzherren für Transportfahrer.
Das Gelände voraus war karg und steinig, was den Schwebepanzer dazu zwingen würde, auf der Fahrbahn zu bleiben – wollte er nicht riskieren, dass ein hochgeschleuderter Stein sein Hubsystem beschädigte. Der leichte Spähpanzer beschleunigte, um sich an die Spitze der Kolonne zu setzen…

Es gab so gut wie keine Warnung – wie eigentlich immer. Im letzten Moment erstarb die schmelzende – wenn auch für Won-Tak weitgehend unverständliche – Frauenstimme im Radio, als hätte man ihr Lied förmlich abgeschnitten. Das war der einzige Hinweis, denn die Guerilla störte gerne vor einem Angriff den Funk. Mehr aus Reflex trat der Fahrer auf die Bremse, während er gleichzeitig das Lenkrad einschlug, um die Fahrbahn zu wechseln – ein dilettantischer Ausweichversuch, aber das einzige, was er tun konnte.
Die Explosion – nein, die Explosionen – waren gewaltig. Der Schwebepanzer an der Spitze der Kolonne verschwand vollkommen in einer Wolke aus Dreck und Rauch, genauso wie der Transporter direkt hinter ihm. Eine weitere Detonation rechts der Straße – auf der linken Seite blühten gar zwei weitere Feuerbälle auf – traf zwar keines der Fahrzeuge direkt, war aber stark genug, einen der schlingernden Lastkraftwagen umzuschmeißen, als hätte die Faust eines Riesen ihn erwischt.
Nils und Won-Tak brauchten sich nicht einmal anzusehen, geschweige denn ein Wort zu wechseln – sie wussten, was zu tun war. Noch während das Fahrzeug ausrollte, lösten sie die Gurte, stießen die Wagentüren auf und sprangen rechts und links aus dem Lkw.
Manche Fahrer versuchten bei einem Angriff, mit ihrem Fahrzeug auszubrechen, doch das war ein extrem riskantes Unterfangen. Wenn es ein richtiger Hinterhalt war – nicht nur eine einzelne Sprengfalle mit automatischem Auslöser oder einem einsamen Partisan als Sprengmeister – dann waren oft auch die Straßenränder vor und hinter der gezündeten Ladung vermint, oder aber Schützen mit automatischen Waffen oder gar Granat- und Raketenwerfern lagen in Position, und schossen auf jedes Fahrzeug, das zu flüchten versuchte. Einzelne Personen – so lange sie keine Uniform trugen – ließ man hingegen meistens unbehelligt, falls sie offenkundig ihre Fracht im Stich ließen.
Auf Hilfe von den Höllenhunden verließen sie sich nicht. Es wäre töricht gewesen abzuwarten, ob der Schwebepanzer noch einsatzbereit war. Und bis zum Lager der Söldner waren es zwar nur noch anderthalb Kilometer. Aber da eine Kette von Hügeln und Höhenrücken von 80 bis 100 Metern den Ort des Angriffs von dem improvisierten Camp abschirmte, würde es dauern, bis man dort überhaupt mitbekam, was hier vor sich ging. Die Erhebungen wirkten nicht nur als Blickfang, sie würden auch den Lärm der Kämpfe dämpfen.

Die beiden Fahrer bewegten sich beinahe auf allen Vieren – nur weg vom Fahrzeug, weg von der Straße!
Wie richtig sie lagen, zeigte sich, als mit einem bellenden Stottern ein schweres Maschinengewehr zu feuern begann. Leuchtspurmunition – zu hoch angezielt – zischte über die teils stehenden, teils noch immer sich bewegenden Fahrzeuge. Ein Lkw versuchte zurückzusetzen. Das Maschinegewehr nahm ihn aufs Korn – doch die nächste Salve lag zu tief und ließ eine ganze Kette von Dreckfontänen aufspritzen, als die Kugeln in den Straßenbelag einschlugen. Eine Rauchgranate segelte aus dem offenen Fenster der Kabine – die einzigen Waffen, die die zivilen Fahrer mit sich führen durften. Der Thermorauch hüllte das Fahrzeug ein. Inzwischen jedoch hatten die Schützen ihr Ziel erneut korrigiert, und diesmal lag der Beschuss im Ziel. Die Ladefläche des Fahrzeugs wurde in wenigen Sekunden buchstäblich von hunderten Kugeln durchsiebt, dann erwischte es das Führerhaus. Das Maschinengewehr spuckte eine Salve nach der nächsten, und zusätzlich bellten noch einige Kleinwaffen. Eine Gestalt versuchte noch, aus der Kabine zu entkommen, in den Rauch- und Dreckschwaden nur undeutlich zu erkennen. Dann sackte sie neben dem Führerhaus zusammen.
Die beiden Fahrer hatten inzwischen den Straßengraben erreicht und warfen sich hinein. Nils presste sich tief in die Erde – immer wieder zischten Querschläger und Fehlschüsse winselnd über ihre Köpfe. Doch bei aller Angst, Won-Tak wusste, er musste das Gefecht im Auge behalten – vor allem, ob die Guerilla vorrücken würde. Vorsichtig spähte er über den Rand des Grabens und betete, dass ihn niemand für ein lohnendes Ziel hielt.

Mit einem Mal mischte sich ein neuer Laut in die Kakophonie von Schüssen. Der Schwebepanzer tauchte aus den Rauch- und Staubschwaden wie ein urzeitliches Monstrum. Offenbar hatten ihn seine Panzerung oder auch einfach nur Glück vor den Sprengfallen bewahrt – zumindest größtenteils. Es war gut zu erkennen, dass die Panzerung beschädigt war, und der Schweberantrieb klang alles andere als gesund. Aber er war offenkundig noch einsatzbereit.
Das Fahrzeug schob mühelose einen havarierten Lkw zur Seite, als es die Straße verließ. Das Fahrzeug nahm Geschwindigkeit, auch wenn es deutlich schwerfälliger erschien als vor Beginn des Angriffs. Die Zwillingskanone im Bug begann sich zu drehen.
Sofort konzentrierte sich das Feuer der Guerilla auf den Panzer – die Salven der Kleinwaffen und des MG schlugen in die Panzerung ein, schwirrten als Abpraller um das Fahrzeug wie ein wütender Hornissenschwarm. Doch die gute Armierung des Schwebers schien ihn vor dem Beschuss zu schützen.
Das Zwillingsgeschütz feuerte – anscheinend Impulslaser – und anders als bei der Guerilla lag hier schon die zweite Salve direkt im Ziel. Weit drüben, von wo der Strom von Leuchtspurgeschossen gekommen war, schlugen die Energieimpulse ein. Sofort wallte Rauch auf, und dann brach die Hölle los, als der Beschuss das Maschinegewehr zerstörte und seine Munition explodieren ließ. Das Feuer der Kleinwaffen verstummte fast völlig – offenbar hatte man dort nicht mit so einer hartnäckigen Gegenwehr gerechnet.

Während bei den Angreifern das Chaos ausbrach, beobachtete ein gut verstecktes Augenpaar das Durcheinander mit einer Mischung aus Geringschätzung und Belustigung. Das hatte ja so ausgehen müssen! Wenn man einer Handvoll Amateuren Handgranaten gab und sie aufforderte, diese zu werfen, würde todsicher einer den Splint wegschmeißen und die Granate in der Hand behalten.
,Anfänger!‘
Offenkundig waren die Sprengfallen zu spät oder zu früh gezündet worden – ein verständlicher Fehler, aber einer, der fatale Folgen haben konnte. Glücklicherweise hatten sie mit genau diesem Ergebnis gerechnet. Natürlich wäre ein besserer Ausgang wünschenswert gewesen, aber wenn ein paar dieser Idioten draufgingen, war es nicht schade. Allerdings…die Höllenhunde sollten sich auch nicht zu sehr als Sieger fühlen. Es war Zeit, ihnen eine erste richtige Lektion zu verpassen, nachdem sie der letzten Falle fast unbeschädigt entkommen waren. ,Eure Glückssträhne ist vorbei.‘
Der KSR-Werfer, den der Beobachter mit einer routinierten Bewegung hob, war eines der besten Modelle, die in der Freien Inneren Sphäre zu haben waren. Er war zweiläufig – nach dem Abschuss der ersten Rakete konnte man die Werferrohre drehen, um in kürzester Zeit die zweite abzufeuern. Und er verfügte über ein effektives wenn auch primitives Lenksystem. Es war eine bewährte Waffe, das Beste was es gab, wenn es darum ging, feindliche Bunker auszuheben – oder einen Panzer zu knacken. Insbesondere einen leichten wie diesen Minion.

Der Schütze nickte seinem Begleiter zu, der das Kontrollgerät in Händen hielt, während er aufmerksam durch sein Sichtgerät starrte.
Man musste nur den Qualm der brennenden Transporter ausblenden, die Schreie der Möchtegern-Guerillas, das Heulen des Antriebs des feindlichen Schwebepanzers, der Strom aus Laserimpulsen, den die zwei Kanonen des leichten Gefechtsfahrzeugs ausspien. Unmittelbar vor dem Abschuss verzogen sich die schmalen Lippen des Schützen zu einem leichten Lächeln. ,Willkommen auf Sulafat, ihr Höllenhunde!‘
Die Rakete startete mit einem raubtierhaften Fauchen. Der Feuerstrahl, den sie dabei ausstieß, barg natürlich die Gefahr, dass der Gegner die Position des Schützen erkannte. Aber mit etwas Glück oder eher Geschick brauchte man keinen zweiten Schuss. Der Schütze ließ sofort die Rohre rotieren, bereit für den zweiten Schuss.
Der gegnerische Schwebepanzer schien zu beschleunigen, ob aus Zufall, oder weil man die Rakete bemerkt hatte, das war unklar. Doch das würde ihnen auch nicht mehr helfen. Der Richtschütze korrigierte die Bahn ein wenig…EINSCHLAG!

Drüben pilzte eine Wolke aus Feuer und Rauch auf, als die Rakete in die Schweberschürze direkt am Bug des Panzers einschlug. Die panzerbrechende Ladung detonierte in einem gerichteten Feuerstrahl, der sich förmlich in das Fahrzeug hineinschweißte. Der Minion sackte abrupt ab, als der Antrieb ausfiel – was bedeutete, dass er sich mit mehr als 80 Stundenkilometern schräg in den Boden bohrte. Dort drüben brachen vermutlich einige Knochen, selbst wenn die Insassen angeschnallt waren. Eine riesige Dreckfontäne wurde hochgeschleudert und verbarg den waidwunden Panzer.
Doch auch wenn der Schweber erst einmal aus dem Gefecht war, sie waren hier noch nicht fertig. Die zweite Rakete traf einen der verlassenen Transporter und zerfetzte ihn förmlich. Dann lud der Schütze hastig nach. Die beiden hatten spezifische Befehle. Ein beschädigtes Fahrzeug war nach Möglichkeit vollständig zu zerstören. Zwar war der Schweber inzwischen praktisch unsichtbar, doch im Grunde war es nur angewandte Mathematik. Diesmal war keine panzerbrechende Rakete von Nöten. Um das feindliche Kampffahrzeug auszuschalten, gab es bessere Möglichkeiten. Keine dreißig Sekunden später feuerte er erneut.
Der Feuerball, der diesmal aufloderte, übertraf den vom ersten Treffer bei weitem. Infernoraketen waren scheußliche Dinger, und besonders gegen ein stehenden Fahrzeug nahezu immer tödlich. Und wenn die Crew noch im Fahrzeug war oder sich nicht weit genug entfernt hatte, erwartete sie ein grauenvolles Ende. Natürlich gab es keine Sekundärdetonation – Minions hatten als laserbewaffnete und fusionsgetriebene Fahrzeuge nun einmal weder Treibstoff noch Munition an Bord. Doch das…nun Inferno…das die Rakete hinterließ, war ein mehr als befriedigender Anblick.
Mit dem beglückenden Gefühl, dass ihre Arbeit getan war, zogen die zwei sich zurück. Sie verschwendeten weder einen zweiten Gedanken an die geflohenen Heckenschützen, noch an die Fahrer der Transportfahrzeuge oder des Spähpanzers. Die Höllenhunde oder die Kuritaner würden zweifellos reagieren, doch diese Reaktion würde viel zu spät kommen.

Vorsichtig lugten zwei Gesichter aus dem Straßengraben. Won-Tak und Nils betrachteten ein Bild der Zerstörung – dabei hatte der Angriff nur wenige Minuten gedauert. Nils zögerte kurz: „Sollen wir nicht schauen, ob jemand Hilfe braucht?“
Sein Kamerad spuckte wütend aus: „Warten wir lieber noch ein paar Minuten. Wir sind sowieso keine Ärzte, und falls dort irgendwo noch ein Scharfschütze sitzt…“ Auf Sulafat waren auch Helfer nicht sakrosankt, im Gegenteil. „Hast du eine Kippe?“
Der hochgewachsene Blondschopf schnaubte: „Du lässt wohl keine Gelegenheit aus?“ Dann holte er eine Zigarette hervor. Er brauchte wegen seiner zitternden Finger nicht weniger als vier Versuche, ehe er das Feuerzeug richtig bedienen konnte. Sie rauchten abwechseln. Erst als nur noch ein kleiner Stummel übrig war, den man kaum halten oder rauchen konnte, ohne sich zu verbrennen, wagten sie sich aus dem Graben. Geduckt huschten sie in Richtung der Wracks. Doch bevor sie sich auf die Suche nach Überlebenden – verwundet oder nicht – machten, kletterte Won-Tak in die Kabine seines Lkws, das bemerkenswert gut erhalten war. Das Heck des Transporter sah hingegen aus, als hätte es jemand mit einem riesigen Messer aufgeschlitzt, das Innere war förmlich ausgeweidet. Aber sie hatten glücklicherweise keinen Treibstoff befördert, sondern Lebensmittel und dergleichen mehr.
Er lächelte, als seine Finger sich um die kleine Statue schlossen, die unversehrt dort hing, wo er sie zurückgelassen hatte. Der Konvoi hatte ganz sicher kein Glück gehabt, aber er selber hatte überlebt, war nicht mal verletzt worden. Und wenn man als Einwohner von Sulafat eines wusste, dann dass dies für sich genommen schon Grund genug für Dankbarkeit war.

*******

Einige Stunden später

Die zwei Männer starrten sich wütend an. Manfred Scharnhorst wusste, dass Tai-i Tanigaki durchaus auch eine menschliche Seite zeigen konnte – doch ihm persönlich gegenüber hatte sich der Kuritaner sich offenkundig dagegen entschieden. Wenn er mit Manfred sprach, oder auch einigen anderen, länger dienenden Höllenhunde, dann machte der Bastardsohn des Odaga-Lords aus seiner Ablehnung kein Geheimnis.
„Ich verstehe immer noch nicht, was Ihr Auftreten hier eigentlich soll.“ Die Stimme des Tai-i klang schroff und abweisend: „Ihr Verlust ist bedauerlich, aber ich wüsste nicht, inwieweit dies diesen…Auftritt…rechtfertigt.“
Der Söldner knirschte mit den Zähnen: „Das waren MEINE Leute die getötet und verletzt wurden! Und Sie haben nichts Besseres anzubieten als das?“
Tanigaki straffte sich, und die Drohung in Stimme und Haltung war alles andere als subtil: „Ganz genau. Ich weiß nicht, warum das noch immer nicht zu Ihnen durchgedrungen ist, aber SIE SIND HIER IN EINEM KRIEGSGEBIET! Und im Krieg sterben eben Menschen. Wir verlieren jede Woche einige unser Leute, und das schon seit Jahren. Das ist unser tägliches Brot. Ich habe dieses Höllenloch lange genug kommandiert um dies zu wissen. Ich hatte Ihnen gesagt – noch bevor die Höllenhunde hier überhaupt gelandet sind – dass die örtliche Guerilla sie nicht als Freunde empfangen wird. Man sollte meinen, jemand wie Sie wäre an Verluste gewöhnt. Und was Ihre Beschwerde angeht – ja, ich habe keine Leute abgestellt, um…sagen wir…die Straße zu Ihrem Stützpunkt zu überwachen oder zu entminen. Warum auch? Sie haben ein gemischtes Bataillon zur Verfügung, richtig? Und wir haben ihnen gestattet, dass Ihre Leute bewaffnet, ja sogar nach Voranmeldung mit den Fahrzeugen den Stützpunkt verlassen können. Ein großes Entgegenkommen, wie ich hinzufügen möchte. Sie sollten meinem Lord und Chu-sa Obuchi dankbar sein.“
Kanze Obuchi war der Kommandeur der Odaga-Truppen auf Sulafat und befehligte mehr oder weniger auch die einheimischen Verbände in dieser Hälfte des Planeten. Er hatte freilich Manfred keines Besuches für Wert befunden, alle Verhandlungen liefen über Tanigaki. Was auch daran liegen mochte, dass der Tai-i eben auch eher mehr als minder offen Erbe seines Vaters war und eines Tages Haus Odaga führen würde.
„Sie können einfach nicht zu viel erwarten! Schließlich helfen Sie auch nicht, die Guerilla zu bekämpfen, sondern jagen irgendwelchen Phantomen hinterher. Offenbar haben Sie noch nicht wirklich verstanden, was Ihre Bewegungsfreiheit für ein Privileg ist! Com-Star mag Sie ja für ihre irrwitzige Schnitzeljagd autorisiert haben, aber das hier ist KEIN Com-Star-Gebiet. Tut mir SEHR leid…“ das troff förmlich vor Sarkasmus: „dass die Terroristen Ihnen die Neutralität nicht abnehmen – aber auch davor habe ich Sie gewarnt. Ich habe in dieser Provinz vielleicht sechs Bataillone Militär und paramilitärisch ausgebildete Polizei um mehr als eine Million Menschen in der Stadt und Umgebung zu beschützen, die Sicherheit auf den Straßen zu garantieren, in einem Gebiet, das ein paar tausend Quadratkilometer umfasst, wenn man die Agrarsiedlungen hinzurechnet – und muss oft genug Teile meiner Einheiten für andere Brennpunkte abkommandieren. Da kann ich nicht auch noch Leute erübrigen, die Babysitter für Gäste spielen sollen, von deren Mission ich nicht überzeugt bin – und mein Lord schon gar nicht. Und wen Sie sich bei Chu-sa Obuchi beklagen wollen, wird er nichts anderes sagen. Wenn auch vielleicht mit etwas weniger höflichen Worten.“
Tanigaki überging natürlich großmütig, dass Teile der Polizei zur Überwachung der Höllenhunde eingesetzt wurden.

Scharnhorst wäre dem Kuritaner zwar am liebsten ins Gesicht gesprungen, aber er wusste, das wäre nicht weise gewesen. Eine Prügelei zwischen zwei Offizieren war niemals eine gute Idee. Zumal nicht klar war, wer Sieger bleiben würde: „Und denken Sie nicht, dass dieser Anschlag bestätigt, dass wir eben KEINEN Gespenstern hinterherjagen?!“
Der Tai-i schnaubte: „Ich bin geradezu fasziniert, wie Sie noch jeden Zufall in ihr Schema von einer großen Verschwörung einpassen. Aber Faszination bedeutet nicht Zustimmung. Aber sei dem wie es sei. Wollen Sie nun hören, was wir herausgefunden haben, oder wollen wir dieses nutzlose Kräftemessen fortsetzen?“
Der Söldner nickte grimmig, was man als Zustimmung verstehen konnte.
„Wir gehen davon aus, dass die Guerilla die letzten zwei Transporte beobachtet – so wussten sie in etwa Bescheid über die Stärke der Eskorte und ihr typisches Vorgehen. Sie haben sich eine Engstelle ausgesucht und dort eine Minensperre verlegt – eine schwere Sprengladung an der Straße, und drei daneben, falls Ihr Begleitpanzer noch versetzt fahren sollte. Die Sprengladungen waren recht massiv, bestehend aus jeweils zwei 150-Milimeter-Granaten. Die Verwendung von modifizierten Granaten ist recht typisch – das verlangt mehr Fingerfertigkeit als eine simple Ammoniumnitratsprengladung, ist aber auch wesentlich gefährlicher. Die Guerilla zündete die Ladungen – übrigens durch Drähte, nicht mittel Funk, deshalb konnten sie Störsender einsetzen – etwas zu spät, so dass Ihr Panzer zunächst nur beschädigt wurde, bis er dann von zwei Raketen getroffen wurde. Zerstört wurden teils durch Beschuss, teils durch Sprengladungen drei der vier Transporter. Drei Fahrer sind tot, ein weiterer schwer verwundet. Nach den Blutspuren in den Schützenstellungen haben die Guerilleros auch einige Verwundete, und wir haben drei Tote gefunden. Wir lassen sie erkennungstechnisch behandeln, ich würde mir aber keine zu großen Hoffnungen machen, dass dabei etwas Verwendbares herauskommt. Wir haben außerdem ein schweres Maschinengewehr gefunden. Es wurde durch einen Treffer des Minion beschädigt und deshalb zurückgelassen. Wie die Granaten stammte es aus alten Militärbeständen – ein einheimisches Kaliber 0.51 Gewehr wie es üblicherweise von Schützenpanzerwagen verwendet wurde. Es wurde leicht modifiziert, um auf einer zusammensetzbaren Dreibein-Lafette montiert zu werden. Keine schlechte Arbeit, da sie sich leicht für den Luftzieleinsatz umbauen ließ. Aber das alles ist nichts, was wir nicht schon gesehen haben.“
Der Kommandeur der Höllenhunde knurrte grimmig: „Und das ist alles, was Sie anzubieten haben? Die Behauptung, eine Bande dahergelaufener Guerillas hätte ausgerechnet meine Leute angegriffen, und das auch noch erfolgreich?“
Der Tai-i zuckte mit den Schultern: „Das wäre nicht das erste Mal. Wenn Sie meinen Ratschlag hören wollen, haken Sie das ab. Und auch wenn Sie ihn nicht hören wollen, rate ich Ihnen, dasselbe zu tun. Denn um eines klarzustellen, was ich Ihnen NICHT erlauben werde, sind irgendwelche Rachefeldzüge in dieser Provinz ohne meine Genehmigung. Und das wird Obuchi nicht anders sehen. Wir können keine Auswärtigen brauchen, die eine ohnehin explosive Lage noch weiter eskalieren lassen. Und Sie wollen sicher nicht, dass ein übereifriger Chu-i das Feuer auf Ihre Leute eröffnen lässt, weil die sich rumtreiben, wo sie nichts zu suchen haben.“ Was man gut und gerne auch als Drohung verstehen konnte – und vermutlich auch sollte.
Offenkundig war der Kuritaner klar, dass er gefährlich dicht an der Grenze von Scharnhorsts Geduld balancierte, und so fügte er – wenn auch kaum aus Furcht oder Respekt – hinzu: „Wir werden die Rebellen natürlich jagen. Und wir sind gut darin. Aber eines ist klar, es mag dauern, bis wir die Schuldigen haben. Falls es da überhaupt jemals Sicherheit geben wird, dass wir die Richtigen erwischen. Um eine Wiederholung so eines Zwischenfalls vorzubeugen rate ich Ihnen, künftig Transporte mit Schwebern oder auf dem Luftweg abzuwickeln. Das ist zwar teurer, aber man ist nicht an Straßen gebunden. Ich erwarte, dass Sie uns weiterhin informieren, aber ich bin bereit Ihnen so weit entgegenzukommen, dass ich beantrage, dass Sie Transportfahrten nebst Route nur zwei Stunden im Voraus ankündigen müssen. Selbst wenn etwas durchsickert – SO schnell baut man keinen guten Hinterhalt auf. Aber eines kann ich Ihnen schon jetzt versichern, auch wenn Obuchi zustimmt, das gilt nicht für andere Einsätze. Und wenn Sie die Straße dennoch nutzen wollen…kann ich Ihnen ein paar Einsatzrichtlinien und Lehrfilme unserer Streitkräfte zur Verfügung stellen. Die machen das nun schon eine ganze Weile länger als die Höllenhunde.“
Der Söldner zögerte, dann nickte er knapp. Ob er sich nicht vielleicht fragte, ob Anatoli den Anschlag insgeheim inszeniert hatte, ließ er nicht erkennen. Vielleicht hegte er diesen Verdacht. Aber das sagte man einem kuritanischen Offizier nichts ins Gesicht – nicht ohne ausreichend Rückendeckung.

******

Viel später

Scharnhorst war schon lange gegangen, aber Anatoli Tanigakis Gedanken kreisten noch immer um den Anschlag. Er hatte dem Söldner nicht ALLES erzählt. Die Kampfmittelexperten hatten in den Trümmern eines der zerstörten Transporter Bauteile einer der Raketen gefunden, die von den Angreifern benutzt worden waren. Beim Minion war nichts mehr zu retten gewesen, aber der Lkw hatte keine Infernorakete abbekommen. Die kuritanischen Experten waren sich sogar in der ersten Analyse ziemlich sicher, dass die Platinen zu einer Lenkrakete gehörten – und das war nichts, was die Partisanen auf Sulafat gemeinhin in ihrem Arsenal hatten. Irgendwer versorgte sie insgeheim mit modernen Kriegswaffen. Welches Typs genau, das hoffte man noch herauszufinden. Aber das konnte eine Weile dauern.
Das warf natürlich beunruhigende Fragen auf. Konnte es tatsächlich sein, dass dies Teil eines größeren Plans war? Wenn ja, dann wessen Plan – und wie lautete er genau?
Einiges deutete darauf hin, dass die Höllenhunde Teil einer Verschwörung waren. Ihre standhafte Weigerung, ernsthaft gegen die Claner zu ermitteln, und mehr noch die Meldung, dass sie inzwischen wieder Teil der Chevaliers waren – die sich just auf dem Weg hierher befanden…Das roch nicht nur nach Verrat, das stank zum Himmel.
Vielleicht ging es in Wirklichkeit darum, einen Anlass zu schaffen, damit dieses Stück Scheiße Danton und diese traurige Karikatur von einem Möchtegern-Adligen, die sein Lehnsherr war, einen Zwischenfall inszenieren konnten. Beide saßen auf einem wertlosen Klumpen Staub weitab aller Zivilisation fest – eine Welt, auf der Menschen mit einem Funken Verstand dafür bezahlten, um wegzukommen. Da ließ man sich vermutlich leicht einspannen für Pläne, sagen wir einen Happen von einer so lebendigen und wertvollen Welt wie Sulafat zu stehlen. Für Com-Star, für die Clans, für gierige kuritanische Adlige oder Beamte…es wäre nicht das erste Mal gewesen. Er war sich inzwischen zu 95 Prozent sicher, dass das Gros der Höllenhunde keine Ahnung von solchen Plänen hatte, und ob Scharnhorst alles durchschaute, war zumindest zweifelhaft. Aber das hieß nicht, dass sie ihre Rolle nicht dennoch wie geplant spielen konnten.
Die Frage war nur, wie verhinderte er das? Sollte er versuchen, sie vor allen Gefahren abzuschirmen? Das war kaum möglich, während sie darauf bestanden, dieser törichten Mission nachzugehen.
Oder sollte er sie ins offene Messer laufen lassen, ja sie direkt in selbiges hineinschubsen? Damit lieferte er möglicherweise genau den Zwischenfall, auf den die wahren Strippenzieher lauerten.
Und er riskierte, dass er Probleme mit irgendeinem Landmann bekam, der schon so weich im Hirn geworden war, dass er nicht erkannte, dass man den Söldner nicht trauen, und ihnen ganz bestimmt keine Vorzugsbehandlung zukommen lassen durfte. Solche Schwachköpfe gab es – wenige zwar nur, aber jeder einzelne war einer zu viel. Seine Leute waren gut, aber nicht SO gut, dass sie garantiert keine Spuren hinterließen. Das blieb besser eine Option für den äußersten Notfall.
Am besten wäre es, die Fremden möglichst schnell loszuwerden. Wenn sie erst einmal von Sulafat herunter waren, war das Problem zwar nicht völlig aus der Welt, aber der potentielle Schaden war weitaus geringer. Und dabei mochten ihm die Guerilleros mit ihrem Anschlag sogar helfen. Wenn er die Höllenhunde davon überzeugen konnte, dass es hier nichts zu holen gab außer Problemen, würde sie ihre Zelte abbauen.
Ja, was wäre, wenn er die Söldner mit falschen Spuren und vielsagenden aber letztlich ergebnislosen Informationen zuschüttete? Ihnen ausreichend Phantome präsentierte, denen sie hinterher hetzen konnten? Dann würden sie doch wohl mal müde werden. Zumal wenn er vielleicht noch etwas fand, was eher weitere Ermittlungen an anderen Orten nahelegte. Natürlich musste er wachsam sein – eine Gefahr blieben die Hunde, umso mehr als ihre Herren auf dem Weg kamen. Die wollte er ganz bestimmt nicht hier haben.
Mit anderen Worten, er hatte zu tun. Chu-sa Obuchi, der diesen Planeten sogar noch besser kannte als Anatoli, würde zweifellos Rat wissen.
Anatoli Tanigaki hatte gegen Claner gekämpft und er hatte darüber hinaus Sulafat gegen Aufrührer verteidigt – hatte gekämpft mit seinem Mech, einer Handfeuerwaffe in der Faust, ein oder zweimal gar mit der blanken Klinge. Er würde sich nicht nehmen lassen, was seiner Familie gehörte. Von niemandem.

Ende
22.09.2019 20:38 Cattaneo ist offline E-Mail an Cattaneo senden Beiträge von Cattaneo suchen Nehmen Sie Cattaneo in Ihre Freundesliste auf
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Die Zeit im Transit verlief gefühlt langsamer als auf einem Planeten. Die Ablenkungen waren dementsprechend auch rar gesäht und allmählich ging der Lagerkoller um. Als erstes kam es zu protesten bei der Essensausgabe, was anfangs als frotzelei und verbal ausgetragen wurde stieg langsam an. Es rumorte in der Gesamteneinheit und so langsam mussten sich die Führungsoffiziere der Entsatzflotte etwas einfallen lassen wie sie das allgemeine Betriebsklima retten konnten.

Zwar gab es immer mal wieder einen Stop in bewohnten Systemen und auch mal etwas länger an Sprungpunkten wo Nachschub aufgenommen werden musste, nur gab es nie einen Landurlaub. Es gab in der Führungsspitze schon die Gedanken doch einmal anzuhalten und den Leuten ein wenig Luft zu geben, aber dies musste verworfen werden, da man nicht wusste wie die Situation der Höllenhunde auf Naraka war und wann und wie der Überfall auf die eigenen Leute stattfinden sollte.

Selbst auf Lanzenebene wurde die Moral immer schwieriger zu halten, vorallem bei einer Lanze die noch garnicht zusammen gearbeitet hatte und nicht eingespielt war und es trotzdem Spannungen gibt. So waren sich Sue Min und MacLaine nicht grün, da beide aber auch nie die Gelegenheit hatten mal im Feld zusammen zu arbeiten, wurde alles was der andere sagte oder Tat auf die berühmte Goldwaage gelegt. Jeder von den beiden war also bestrebt sich über den anderen bei seinem Vorgesetzen zu beschweren. So kam es das Rudi und Anton sich mehr mit diesen beiden und deren Auseinandersetzungen beschäftigen mussten als es gut tat. Bei einem Schlichtungsgespräch kam es zum verbalen Schlagabtausch zwischen den beiden, bei dem es fast zu Handgreiflichkeiten gekommen war, nachdem sich die beiden erst beleidigt und dann an den geistigen Fähigkeiten gezweifelt hatte.

Er, Rudi Teuteburg, war in dieser Situation nicht nur Laut sondern auch sehr direkt geworden und hatte beiden ganz klar gesagt das sie beide auch auf dem nächsten Planeten von Bord gehen könnten und falls wer seine Wut nicht im Griff hat auch gerne im Bunker ein paar Tage bleibe würde. Anton war zwar sofort eingesprungen, aber auch er wurde von ihm sehr Hart in seine Grenzen verwiesen. Er konnte die Situation auch nicht weiter eskalieren lassen und war nach diesem Streit zu Hellmann gegangen und hatte ihn informiert. Bei diesem Gespräch erfuhr er auch offiziell das es in den anderen Lanzen ebenfalls sehr brodelte, irgendwo gab es immer Probleme zwischen den Mechkriegern oder den Mechkriegern und Wartungstrupps oder selbst unter den Wartungstrupps. Aber es schienen alles nur Lappalien, denn einer der Untergebenen der neue Versorgungsoffizieren wurde wohl einmal sogar bedroht und man munkelt einige hatten dem Soldaten offen gedroht. Dies rief natürlich die interne Sicherheit auf den Plan und die untersuchte mit vollem körperlichen und geistigen Einsatz und allen Mitteln diesen Vorfall. So war es auch nicht verwunderlich das es zu einigen Festnahmen und etlichen Verletzungen im Zuge der Festnahmen kam. Am Ende dieser heiss geführten Ermittlungen standen drei angehörige der Chevalliers unter Beobachtung und ihre Verträge waren auf Probe gesetzt. Somit drohte diesen dreien der sofortige Rauswurf falls sie nochmals über die Strenge schlugen.

Das Problem MacLaine und Nerekof hatte sich damit zwar nicht erledigt, aber die beiden schienen sich erstmal auf einen Waffenstillstand geeinigt zu haben, denn in den letzten zwei Wochen war es bei den Besprechungen und Simulatorübungen ruhig geblieben. MacLaine hatte zähneknischend seinen Sprengstoffvorrat im Landungsschiff eingelagert und Sue Min versuchte alles um ein besseres Verhältnis zu ihm zu bekommen. Anton und Rudi saßen mal wieder bei einer Besprechung der letzten Übung und es wurde langsam deutlich das etwas an der Lanze und ihrem Profil geändert werden musste. Zwar hatten wir mit dem Lynx und dem Men Shen zwei mittelschwere Aufklärer, das Problem war jedoch das uns ein echter kleiner Scout fehlte. Zwar war mit MacLaine und seinem Mech ein leichter Mech in der Lanze, aber Rudi mit seiner schweren Maschine war einfach nicht für leise Operationen geeignet. Lediglich als Rückendeckung kam das volle Potenzial des Verfolgers zum Tragen. Bei Schleich und Hinter den Linien Operationen kam es meist wegen der schwere seines Mechs zu Situationen in denen ein Mittelschwerer oder Leichter Mech nicht aufgefallen wäre. Zwar erreichten sie das gestellte Missionsziel, wurden dabei meistens aber entdeckt oder in einigen Szenarien sogar zu den eigenen Linie verfolgt und unter schweren Beschuss genommen. Etliche Male gelang der Durchbruch zu den eigenen Linie auch überhaupt nicht. Also gingen sie ihre Optionen durch, ganz auf den Verfolger konnten sie nicht verzichten. Der Lynx und der MenShen passten gut zu einander. Nur die Valkyrie QD von MacLaine passte nicht richtig in die Lanze.

Der Men Shen in der C Konfiguration brachte zwar ein ECM mit, verlor dadurch aber seine Langreichweiten Bewaffnung. Den anderen Mechs fehlte eine Aktivsonde oder Störsender komplett. Der Verfogler hatte noch im defensiv Bereich ein Antimissle System. Dies war eigentlich zu wenig für eine Lanze die Aufspüren und markieren sollte.
So dachte Rudi an die Besichtigung des Avon Werkes und den dort produzierten Huntsman, ein Clan Omni Mittelschwer, gut bewaffnet und mit der Kapazität eines TAG. Träumen durfte man ja.
Dann dachte er wieder an seine Verlobte Haruka und wie sehr sie ihm doch fehlte, zwar tauschten sie sich über das Bordnetz am Sprungschiff aus, aber es war nicht dasselbe. Ihr strahlenden Augen, ihr Wesen und ihre Wärme das vermisste er doch mehr als er sich eingestehen wollte.

Anton ging es nicht besser, er war auch unzufrieden. Er gönnte seinem Freund die Position, aber es viel ihm auch langsam schwer diese beiden Neuen im Zaum zu halten. MacLaine und Nerekov. Beide irgendwie auf verschlungenen Pfaden zu den Chevaliers gestossen und doch so unterschiedlich. Sie die Cappellanerin, die anscheinend mal sehr weit oben stand in der Herarchie des Hauses Liao und dann der Freigiest vom Northwind, der auch noch ein Spezialist war was Sprengstoffe an ging. Jeder verdrehte und schlimm endende Geheimagentenfilm könnte so beginnen. Anton war auch unzufrieden mit der Lanzen zusammenstellung, aber da konnte man wenig gegen machen. Sie waren eine Lanze mit einer leichten, zwei Mittelschweren und einer Schweren Maschine. Als reine Scouts zu schwer, aber als hinter den feindlichen Linien ein wenig zu leicht und unbeweglich. Aber die Ideen und Szenarien die er mit Rudi entwickelte und sie im Simulator verfeinerten würden hoffentlich im Gefecht ein wenig Sicherheit bringen. Die Zeit würde es zeigen.

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Kabine Sue Min
Träumend und mit einer Träne im Auge lag Sue Min auf ihrem Bett, in dieser kleinen Kabine, irgendwo im Kurita Raum, bei einer Einheit deren Name ihr früher nichts gesagt hatte. Früher als sie noch bei den 4. Capellan Hussars war, da hatte sie ganz vorne gestanden. Durch ihren Familienname alleine, aber auch wegen ihrer eigenen hervorragenden Leistungen an der Sun Zang.... Geld oder Bequemlichkeiten, kein Problem, alles lief gut. Aber die Zeiten änderten sich und die Familie Liao wandte sich auf einmal gegen Teile der Familie Nerekov. Was und warum hatte dies ihr Onkel zulassen können. Nach dieser desaströsen letzten Mission mit den Hussaren, wo 60% der Einheit ausgelöscht wurden hatte das Unglück für sie begonnen. Nachdem sie frei Gesprochen wurde und es nicht ihr Versagen war das der Einsatz so endete, war sie zurück geschickt worden nach Liao, wo sie und die Hussaren wieder aufgebaut werden sollte. Aber es kam ganz anders. Erst wurde ihr eine geheime Nachricht von ihrem Vatet zugespielt, dann verlegte sie nach Hause, wo sie eine grauenvolle Woche verbrachte. Ihre Geschwister tot, das Familieanwesen bis auf die Grundmauern geschleift und bei der Flucht verlor sie ihren Vater. Sie konnte mit einigen wenigen Vertrauten fliehen und die schlechten Nachrichten endeten nicht .... wie konnte sie ahnen das ihre beste Freundin und Vertraute eine Verräterin war. Was konnte jetzt noch passieren? Eigentlich schlimmer ging es nicht und auch der Angriff auf ihr Fluchtsprungschiff hatte gezeigt wie weit der Arm des Kanzlers war. Ja, sie hatte überlebt, aber zu welchem Preis? Ihr altes Leben war weg, ausgebrannt und sie nun mit ihrem Mech bei einer Söldnereinheit in der tiefsten Peripherie im Kurita Raum. Sie schluchzte ... was bedeutete das sie für immer allein war. Sie war nichts und doch loderte in ihr das Feuer des Lebens, der Hunger nach Vergelltung und die Gier nach Wissen, wie das hatte alles passieren können. Dann musste sie auch ein wenig lächeln, denn in der Lanze wo sie war, gab es alles, vor allem drei Kerle, so unterschiedliche wie die Galaxis selbst. Da war Rudi, ein alt gedienter Mechkrieger mit allen Ecken und Kanten eines Davions. Er war aber Gerecht und forderte nichts was nicht machbar war. Dann gab es den Marik Krieger, diesen Anton, an dessen Flügel sie nun diente. Er war mit seinem Lynx ein starker Halt, aber irgendwie mochte sie ihn. Irgendwie komisch. Und dann dieser Highlander, dieser MacLaine. Allein das sich der ganze Planet von Liao losgesprochen hatte, war ihr im Herzen zu wider. Sie hielt alle von diesen Highlander als Verräter und sie würde dies auch nie vergessen. Northwind, einst ein wichtiger Halt im Reich des Kanzlers und dann, nach dieser schändlichen Davion/Steiner verbrecherischen Kriegstreiberei, nun ein Feind.
Sie drehte sich auf die Seite und schlief ein.

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Mitte Juni 3067, Sulafat, Odaga-Verwaltungszone, Provinz Aomori, irgendwo im Hochland

Das Lächeln der Engel

Den ganzen Morgen hatte es geregnet, und auch wenn der Himmel seine Schleusen inzwischen wieder geschlossen hatte, waberte der Wasserdunst noch immer zwischen Zweigen und Büschen. Der Tag hatte kalt begonnen, kein Wunder um diese Jahreszeit und in dieser Höhe – doch unter den Strahlen der Sonne heizte sich der Bergwald rasch wieder auf. Erde und Pflanzen schienen die Feuchtigkeit gleichsam auszuschwitzen.
Naaden* schmiegte sich noch tiefer in die Erdkuhle, die ihr Deckung bot. Ein Mensch, der vom Dschungel keine Ahnung hatte, hätte es wohl kaum für möglich gehalten, wie wenig Platz man brauchte, um nahezu unsichtbar zu werden. Natürlich half es, dass Naaden für ihre vierzehn Jahre kleingewachsen und eher schmal gebaut war – wie ihre Schwestern auch, wie sie alle.
Oskyldig*, die neben ihr lag, zappelte ein wenig. Sie war jünger – gerade mal zwölf – und noch kleiner, noch schmächtiger. Und auch unerfahrener, obwohl sie sich große Mühe gab. Naaden legte ihr die Hand auf die Schulter und drückte wortlos zu – nicht fest, nur als eine Erinnerung, eine Warnung – und sofort erstarrte das jüngere Mädchen.

Die Verfolger bewegten sich fast vollkommen lautlos. Sie schienen selber Geschöpfe des Dschungels zu sein, in Braun und Grün gewandet. Zahllose Blätter und Zweige waren an ihrer Kleidung befestigt und ließen sie förmlich mit dem Unterholz verschmelzen. Die simplen Sandalen – gefertigt aus den dicken Blättern des Gummifarns und mit Flechtwerk an ihren Füßen befestigt – verursachten bestenfalls ein leises Rascheln. Einen Moment verharrten sie wie Gespenster, dann glitten sie hinaus auf die kleine Lichtung, die ein gestürzter Dschungelgigant geschlagen hatte.
Naaden wusste natürlich trotz der Maskierung, um wen es sich handelte. Der Anführer war selbstverständlich Förtjänst*. Er war fast fünfzehn, ein kräftiger, verschlossener Bursche. Simson, direkt hinter ihm, war hingegen nicht viel älter und auch nicht größer als Oskyldig, immer ernst, auch beim Versteckspiel. Und dann war da noch die rothaarige Judit. Sie war in Naadens Alter.
Aufmerksam spähten die drei ins Unterholz – natürlich nicht in dieselbe Richtung, vielmehr sicherte jeder einen eigenen Abschnitt im 360-Grad-Rundblick. Sie verständigten sich durch sparsame Gesten und Blicke. Die Halbwüchsigen bogen die Halme nur behutsam zur Seite, anstatt sie abzubrechen, achten darauf, nicht auf totes Holz zu treten, Geistern gleich, ohne eine Spur zu hinterlassen. Aber so gut sie waren – sie waren nicht gut genug.

Der Angriff kam plötzlich, doch war auch er fast lautlos. Der Busch schien förmlich zu explodieren, als Naaden und Oskyldig aufsprangen und sich auf ihre Geschwister stürzten. Simson, der ihren Angriffsvektor überwacht hatte und ein wenig zu langsam reagierte, ging sofort zu Boden, als Oskyldig ihn einfach umrannte. Judit nahm noch eine Abwehrhaltung ein, doch Naaden rollte sich ab und krachte mit voller Wucht gegen die Beine ihrer Schwester, so dass auch diese das Gleichgewicht verlor. Ein angedeuteter Tritt gegen den Hals besiegelte Judits. Damit waren zwei von drei aus dem Spiel – übrig blieb nur noch Förtjänst.
Der größere Junge schaffte es, die irrlichternde Oskyldig zumindest halb zu erwischen – auch wenn er sie nicht richtig in den Griff bekommen konnte, schubste er sie doch in ein Lianendickicht, in dem sie sich zu verheddern drohte. Das gab freilich Naaden Zeit wieder aufzuspringen. Jetzt standen Förtjänst und das Mädchen einander gegenüber, sich gegenseitig belauernd. Naaden war kleiner und schwächer, aber sie galt nicht umsonst als schnell und ungemein gewandt.
Der Kampf war ein irrwitziger Wechsel von Schlägen, Stößen und Tritten. Das Knie, der Ellbogen, die Stirn war ebenso eine Waffe wie die geballte Faust oder die dolchartig zusammengepressten Finger. Keiner der Kontrahenten hielt sich zurück. Blaue Flecken – und Schlimmeres – bei dieser Art des Wettkampfes waren nicht selten.
Naaden konnte sich zwar behaupten, doch sie musste bald erkennen, dass die größere Kraft und Reichweite ihres Gegners ihm einen Vorteil verschaffte. Deshalb hatte sie ja auf den Angriff aus dem Hinterhalt gesetzt. Je länger sich der Kampf hinzog, desto mehr war Förtjänst im Vorteil. Zunächst begnügte sich Naadens Gegner damit, jeden Angriff abzuwehren, doch dann ging er dazu über, sie zurückzudrängen. Er musste vorsichtig sein – eine unbedachte Bewegung, und er kassierte sofort einen heftigen, wenn auch nicht „gültigen“ Treffer. Schläge, die einen Gegner paralysierten und zu Boden warfen beendeten den Wettstreit und bedeuteten den Sieg.
Naaden war sich natürlich darüber im Klaren, dass sie nicht mehr viel Zeit hatte. Wenn es Förtjänst gelang, sie in die Enge zu treiben – mit dem Rücken zum Buschwerk – dann war sie so gut wie besiegt. Auf Oskyldigs Hilfe konnte sie nicht rechnen, denn die war immer noch damit beschäftigt, aus dem Rankengewirr herauszukrabbeln, in dem sie gelandet war. Sie musste…

Ein gellender, sich überschlagender Schrei zerriss die Stille des Bergwaldes. Für einen Moment zuckten die beiden Kämpfer zusammen und schauten sich sichernd um. Doch Naaden begriff zuerst, dass Oskyldig geschrien hatte, und sie nutzte die Ablenkung. Ehe Förtjänst sich fassen konnte, sprang sie vor und hämmerte ihm ihre zusammengelegten Fäuste vor die Brust. Der Stoß holte den Jungen von den Füßen und schickte ihn zu Boden.
Nach dem Schrei wirkte die Stille fast surreal – kein Tierlaut war zu hören, und die Kontrahenten unterdrückten jedes Keuchen, auch wenn sie außer Atem waren. Stattdessen sogen sie hektisch Luft durch die Nasenlöcher ein.
Naaden bot ihrem Gegner die Hand an, aber er schüttelte nur den Kopf. Wenn man zu Boden ging, musste man auch selber wieder aufstehen – so hatte man es ihnen beigebracht. Er beschwerte sich auch nicht wegen des Tricks, der zu seiner Niederlage geführt hatte. Der Sieg war das einzige, was zählte.

Erst als die fünf Halbwüchsigen sich am Rande der kleinen Lichtung versammelten, bemerkten sie, dass sie nicht länger allein waren. Der Mann bewegte sich mit einem Geschick durch das Unterholz, die sein Alter – er musste gut und gerne 60 Jahre alt sein – Lügen strafte. Er war hager, mit einem grauen Vollbart und geschorenem Kopf, über den sich vom Scheitel bis zum rechten Kinn eine schreckliche Narbe zog. Doch die blauen Augen blickten voller Güte und Zuneigung auf seine Kinder. Naaden spürte, wie sie unwillkürlich lächelte – eine Regung, die sie nur mühsam unterdrückte. Far Femton** war der beste Vater, den sie kannte, und sie wusste, ihre Geschwister sahen das ebenso. Sie hatte schon einige Väter und Mütter gehabt.
Natürlich, keiner von ihnen war wirklich SCHLECHT gewesen. Von so etwas hatte sie nur gehört. Eltern, die ihre Kinder hungern ließen, um selbst mehr zu essen. Die sie nicht nur mit der nötigen Strenge, sondern mit willkürlicher Grausamkeit behandelten. Oder ihnen andere…Dinge antaten. Das war natürlich streng verboten und mochte für den oder die Schuldige schwere Strafe, gar den Tod bedeuten, denn unter Guds Första Barn*** war für dergleichen kein Platz. Doch es kam vor.
Aber Far Femton war ganz anders, anders auch als viele andere Eltern, die ihre Kinder korrekt, aber mit wenig Wärme behandelten. Er konnte natürlich streng sein, wenn seine Kinder sich nicht genug Mühe gaben – er merkte das immer – doch er verzieh stets, nachdem er gestraft hatte. Und er lobte ebenso bereitwillig wie er tadelte. Vor allem aber konnte er wunderschöne Geschichten erzählen, bei denen man alles vergaß.
Naaden kannte natürlich nicht nur die Heilige Schrift, sondern ebenso gut die Geschichte der GFB – geschaffen zunächst als Selbsthilfegemeinschaft, die das Evangelium des HERREN verkündete und Menschen Hoffnung und Orientierung in einer heidnischen, grausamen Welt bot und auch ganz konkrete Hilfe. Die frühen Jahre, immer in Gefahr, von den Schergen der weltlichen Herren verhöhnt oder bestraft zu werden. Die Erkenntnis, dass der HERR ein Zeichen gesandt hatte, alle weltlichen Ketten gelöst im heiligen Feuer des Clan-Krieges. Die Hoffnung des großen Aufstandes, und die harten Prüfung, als zu viele der Freiheitskämpfer durch ihren schwachen oder Un-Glauben Gottes Gnade verspielten. Und den bitteren, wenn auch glorreichen Kampf der letzten Jahre. Doch Far Femton konnte den Zuhörern wahrlich das Gefühl geben, bei allem dabei gewesen zu sein. Ob er nun vom Sturz der Festhalle der Philister vor Simsons Fäusten erzählte, von den Leiden und dem Triumph der ungezählten irdischen Märtyrer oder von den großen Schlachten des Aufstandes auf Sulafat. Er konnte sie alle Mühsal vergessen machen. Den Hunger, die Kälte, Schmerzen – eingehüllt in das Bewusstsein von Gottes Liebe für seine auserwählten Engel.

Denn das waren sie – Engel in menschlicher Form. Gott hatte sie nur eine kleine Weile auf die Erde gesandt, und wenn sie sein Werk verrichtet, sich würdig erwiesen hatten, würde er sie wieder in sein Reich aufnehmen. Das hatte man ihnen erklärt, nachdem man sie aus den Fesseln der Unwissenheit und Verderbtheit befreit hatte, in denen sie aufgewachsen waren. Nachdem man sie auf ihren wahren Namen getauft hatte, unter der sie Gottes Werkzeug sein konnten. Andere Kinder waren nach Gestalten aus der Heiligen Schrift oder wie Naaden nach gottgegebenen Tugenden benannt worden.
Naadens Wirklichkeit, ihr ganzes bewusstes Leben hatte sich in der GFB abgespielt.
Das Gefühl von Dschungelschlamm zwischen ihren Zehen, wenn sie das Lager mitten in der Regenzeit wechseln mussten. Der nagende Hunger, wenn es tage-, wochenlang nicht viel mehr gab als eine Handvoll Reis oder Getreidekörner jeden Abend, gekocht mit einigen würzigen Blättern. Das leise Wispern von Rotorblättern im Wind über den Wipfeln, nur zu oft gefolgt vom peitschenden Hämmern automatischer Waffen. Geschosse, die wie ein tödlicher Regen niedergingen. Die ohrenzerfetzenden Explosionen von Bomben, himmelhohe Dreckfontänen aus Tod und Staub, erblühende Feuerblumen von Infernoraketen. Feuergefechte in finsterster Nacht, wenn Leuchtspurkugeln wie wütende Glühfliegen zwischen den Dschungelbäumen tanzten…
All das war ihre Welt. Ertragbar war dies nur, weil sie wusste, dass Gott sie liebte und gerade deshalb so hart prüfte.
Sie erinnerte sich nicht mehr wirklich an die Zeit vor ihrer Erleuchtung – nicht an den Ort, an dem sie gelebt hatte, nicht an ihre irdische Mutter, die sie zwar geboren und umsorgt, aber in ihrer Beschränktheit zurückgehalten hatte von ihrer wahren Aufgabe. Das waren nur noch vage Bilder, die sich manchmal in ihre Träume schlichen. Und dass sie überhaupt noch hin und wieder von dieser Zeit träumte, behielt sich für sich, denn es war ein Zeichen von Schwäche, dass sie noch nicht ganz bereit war, in Gottes Heerschar aufgenommen zu werden. Aber bald würde sie sich würdig erweisen, dass wusste sie. Wie so viele andere Kinder – ältere als sie, gleichaltrige und jüngere – die ihr vorangegangen waren und bereits an Gottes Seite warteten.

Ihr Vater musterte die kleine Gruppe. Er lächelte, doch in seiner Miene war auch bitterer Ernst. Seit gut einem Jahr war Far Femton für sie zuständig, und er hatte sie bei Einsätzen angeleitet und ihre Ausbildung vervollkommnet.
In Naadens Gruppe waren ursprünglich zehn Kinder gewesen. Doch David war am Biss einer Todesschleiche zugrunde gegangen. Eine Bombe hatte der zehnjährigen Maria das linke Bein abgerissen, und sie hatten sie nie wiedergesehen, nachdem man sie in ein anderes Camp gebracht hatte. Hopp* und Abraham waren elendig an einem hämorrhagischen Fieber krepiert. Renhet* war auf einem nächtlichen Dschungelmarsch verschwunden, als sich ihre Gruppe von einer Streife der Kempeitai absetzen mussten – vielleicht zerrissen von den Mangkon, vielleicht von den Kugeln der Verfolger niedergestreckt.
Andernorts hätte man sie für halbe oder auch ganze Kinder gehalten, doch sie hatten gelernt zu schießen, sie hatten sich im Nahkampf und dem Umgang mit Sprengfallen geübt. Marschieren im Dschungel, lautlos, bei Tag wie bei Nacht. Hatten diese Fähigkeiten mehr als einmal angewandte. Hatten getötet und geblutet.
Und als Naaden die vertrauten Züge ihres Vaters betrachtete, da ahnte sie, dass der Tag nahe war, an dem sich ihr aller Schicksal erfüllen würde.

Far Femton mustere sie nachdenklich, einen nach den anderen, und dann vertiefte sich sein Lächeln – ein strahlendes Lächeln, eines, das vom Herzen kam und die Seele wärmte, ein Lächeln, das sie alle erwiderten: „Ich sehe, ihr übt euch darin, Gottes Werk zu verrichten. Das ist gut, das ist das, was ich von euch erwartet habe, und bald schon werdet ihr wieder Gottes Werk in der Schlacht vollbringen dürfen. Ihr seid wahrlich die besten Kinder, die ich jemals im Auftrag unseres HERREN behüten durfte. Und deshalb macht es mich umso glücklicher, dass ich euch frohe Kunde bringen darf, meine kleinen Engel. Bald schon gehen einige von euch nach Hause.“
Für einen Moment fühlte Naaden so etwas wie Furcht – Furcht vor Schmerzen, Furcht davor, dass sie sich Gottes Gnade vielleicht doch nicht wirklich würdig erweisen würde, doch sie unterdrückte sofort diese unreine Regung. Stattdessen straffte sie sich. Ein verstohlener Seitenblick auf ihre Kameraden verriet ihr, dass diese bereit waren – vielleicht sogar noch mehr als sie. Die kleine Oskyldig strahle förmlich und sah schon jetzt wie ein Engel aus.

Der Vater setzte sich, und während seine Kinder sich um ihn versammelten, begann er ihnen ihre Aufgabe darzulegen. Denn er war nicht nur ihr spiritueller Leitstern und Ausbilder – er hatte selbst auch jahrelang als aktiver Kämpfer an vorderster Front gestanden. Dies galt für alle Väter und Mütter – nur wer gelernt hatte zu gehorchen, durfte auch befehlen. Nur wer gekämpft hatte, konnte andere auf den Kampf vorbereiten.
Schritt für Schritt umriss er die geplante Operation, sprach über Vorsichtsmaßnahmen, die Waffen, die sie erhalten würden, über den Zeitplan. Natürlich würde später noch eine Einweisung in der gesamten Kampfgruppe erfolgen, aber er wollte, dass seine Kinder sich bereits jetzt mit ihren Aufgaben vertraut machen konnten. Er wusste, sie würden die Details wieder und wieder im Geiste durchgehen, auf Schwachpunkte prüfen und alle Eventualitäten abwägen. Doch natürlich vergaß er auch das ,Warum‘ nicht.
Seine Stimme war eindringlich wie immer, und egal wen er gerade anschaute – sie alle fühlten, dass seine Worte jedem einzelnen ganz persönlich galten: „Ihr wisst, wie schwer der HERR uns geprüft hat. Durch welches irdische Fegefeuer wir wandeln, um desto gewisser das ewige Heil zu erreichen. Schwächere als ihr wären vielleicht vom Glauben abgefallen, aber ihr habt euch würdig erwiesen. Und Siehe! - Gott hat uns ein Zeichen gesandt, dass das Ende unseres Leidens, und sein Lohn nahe sind.
So viele Jahre haben wir gegen die unreinen Diener Satans gekämpft, gegen seine Sendboten, die Rotte Korach – die Schergen der Shimatze, Odaga und Imagawa. Gegen die Abtrünnigen und Unreinen. Wir haben Gottes heiliges Werk vollbracht, haben ihm das Blut seiner Feinde und das heilige Leben der Märtyrer dargebracht. Wir haben nie gezweifelt, nie geschwankt – und endlich wankt die Macht der Unreinen! Ihre Welten zittern vor dem Angriff von Gottes unwissenden Knechten, die SEINEM Plan folgend das Feuer des Krieges anfachen! Mehr noch, wie der Schmetterling zur Blume zieht es SEINE irrenden Werkzeuge zum süßen Nektar des wahren Glaubens, und so haben sie uns – endlich! – Hilfe gesandt und uns um Rat ersucht! Ihr Blut und das unsere ist die Flut, die den Schmutz Satans hinwegwäscht, und den Boden reinigt für das Samenkorn des Gottesreiches! Und in dieser Stunde der Entscheidung treten Lichtbringers Knechte endlich unverhüllt hervor, auf dass wir sie umso leichter erkennen und austilgen können!“
Naaden starrte ihren Vater mit großen Augen an. Natürlich hatte man ihr von den Knechten des Widersachers erzählt. Sein waren einfach alle, die Gottes Wirken entgegenarbeiteten, ob wissentlich oder nicht. Aber dass sich des Höllenfürsten Sendboten offen zu erkennen gaben, konnte wirklich nur ein Zeichen für das nahe Ende, für die letzte Schlacht und den unausweichlichen Sieg des HERREN sein!

Far Femton schien mit einmal fast bekümmert, als er fortfuhr: „Wir wussten natürlich, dass die heidnischen Kuritaner Diener des Bösen sind, doch gibt es jene, die gar noch weiter gehen als sie. Denn erst kürzlich haben Außenweltler Sulafat betreten. Nicht nur, dass sie die Gastfreundschaft der falschen Herren genossen haben – und zwar sowohl der Odaga als auch der Shimatze, wie ekle Schmeißfliegen, die sich auf jeden Haufen Unrat setze und von fauligen Gekröse ebenso kosten wie von stinkendem Kot – und gar gemeinsam mit dem blutigen Schlächter reisen, dem verderbten Bastard Anatoli. Nein, sie finden auch nichts dabei, sie selber Diener Satans zu nennen! Diese ,Höllenhunde‘ sind nicht nur unsere Feinde – sie sind auch ein Hindernis für Gottes Plan. Und als solche…sind sie der Vernichtungsweihe verfallen!“
Mit einem Mal straffte er sich und sprang auf, als das Feuer des Glaubens und des gerechten Zorns ihm die Kraft der Jugend verlieh: „Kommt, meine Kinder! Vollbringen wir das Werk des HERREN! Gott will es!“
Und einer nach dem anderen neigten die Engel den Kopf und flüsterten den Schwur, der sie seit sie zurückdenken konnten am Morgen erwachen ließ und am Abend in den Schlaf begleitete: „Gott will es!“

******

* Naaden – Gnade, Oskyldig – Unschuld, Förtjänst – Tugend, Hopp – Hoffnung, Renhet – Reinheit.
** Far Femton – Vater Fünfzehn
*** Guds Första Barn – Gottes erste Kinder, evangelikale Widerstandsgruppe auf Sulafat, laut der Polizei der Shimatze und Odaga kultartige Terroristen
14.11.2019 18:51 Cattaneo ist offline E-Mail an Cattaneo senden Beiträge von Cattaneo suchen Nehmen Sie Cattaneo in Ihre Freundesliste auf
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Tausend Schnitte

16. Juni 3067, Sulafat, Odaga-Verwaltungszone, Provinz Aomori, die Ortschaft Kisakata, 40 Kilometer Tao-aufwärts von Taonami

Der gigantische Fäller-Mech – gut zehn Meter hoch und mit einem Gewicht von 30 Tonnen – bewegte sich durch den Mangrovenwald wie ein gestaltgewordener Bote der Vernichtung. Vornübergebeugt ausschreitend glich er einer Figur aus einer Horrorgeschichte, einem Sumpfungeheuer, das sich seinem Opfer näherte. Die Beine wühlten den Schlamm auf und ließen das Wasser aufgischten, seine Arme mit den schweren Sägeblättern fuhren – dicht über der Wasseroberfläche – durch die Stämme. Das Heulen des schweren Dieselmotors, der sowohl den Mech als auch die Sägen antrieb, klang wie das wütende Röhren eines Ungetüms. Jeder der Bäume die hier scheinbar mühelos wie Schilfrohr vor der Sichel fielen war mindestens 80 bis 100 Jahre alt, ein bis zwei Fuß dick und acht bis zehn Meter hoch. Meterlange Holzsplitter zischten durch die Luft wie tödliche Geschosse.
Die Boote, die dem Giganten folgten, hielten respektvoll Abstand. Mit gedrosselten Motoren – manchmal auch nur durch Paddel angetrieben – glitten sie zwischen die gekappten Stämme und vertäuten sie. Die Insassen – Männer und einige wenige Frauen in ärmlicher Kleidung – gehörten zu den Erntearbeitern. Sie bauten die Reichtümer ihrer Welt ab, doch für sie selber blieb dabei wenig übrig. Es ging ihnen zwar besser als den Slumbewohnern, doch die Sterblichkeit durch Unfälle, Krankheiten, Angriffe von Tieren und durch Gewalt war hoch.
Immer wieder warf einer der Arbeiter einen besorgten Blick zum Horizont, wo sich dunkle Wolkenbänke abzeichneten. Ein für Sulafat typischer Wintersturm kündigte sich an, und das konnte im ungünstigsten Fall bedeuten, dass die Arbeit für Tage ruhen musste. Tage, in denen sie nicht nur auf den Lohn verzichten mussten – Lebensmittel, Strom und Wasser in ihren Quartieren wurden ihnen zudem in Rechnung gestellt.
Bald schon würde hoffentlich eine neue Ladung flussabwärts ihre Reise antreten. Wie eine große Anzahl anderer Pflanzen auf Sulafat waren auch die Mangroven vielseitig nutzbar, nicht nur als Baumaterial. Die Öle, an denen die Stämme reich waren, fanden vielfältige Verwendung, und auch das unbehandelte Holz wurde gerne verbrannt, wegen des Duftes, den es verströmte.

Keiner der Arbeiter blickte zurück, auf das flachkielige Boot, das ihnen folgte. Neben einer Schraube verfügte es über einen Luft-Druck-Propeller, die Reling und der Rumpf waren offensichtlich gepanzert. Die schemenhaften Gestalten, die aufmerksam nach allen Seiten Ausschau hielten, trugen Gewehre, und das Fahrzeug wies zudem eine lafettierte Waffe auf.
Sulafat war eine Welt, auf der noch immer Krieg herrschte, und nirgendwo war dies offensichtlicher als in den Randgebieten der „Zivilisation“. Hier, wo die Entfernungen zwischen Siedlungen groß, die meisten Menschen arm und unwegsamer Wald und Wildnis nah war, stellten Partisanen und Kriminelle permanent eine zumindest potentielle Gefahr dar. Aus diesem Grund wurde der Fälltrupp von einem bewaffneten Boot begleitet. Es trug nicht das Wappen der Odaga sondern einen stilisierten Baum mit blutenden Wunden, das Zeichen der Kodama* Inc., einem der größeren Biotech-Konzerne. Unternehmen wie Kodama unterhielten mit Erlaubnis der regierenden Häuser paramilitärische Wachdienste, die ebenso der Abwehr äußerer Angriffe wie der Disziplinierung der Arbeiter dienten. Sie waren oft fast genau so verhasst wie das Militär und die Kempeitai.

Der Angriff kam ebenso plötzlich wie er brutal war. Leuchtspurgeschosse von mindestens zwei Maschinengewehren schnitten durch den Nebel. Kugeln zwitscherten, als sie von der dicken Haut des Fällermechs abprallten, doch das waren offenkundig eher Zufallstreffer. Das Wachboot bekam die volle Wucht des Angriffs ab.
Gleich zu Anfang erwischte es einen der Wachposten – er stieß einen gurgelnden Schrei aus und sackte hinter der Reling zusammen. Der Bootsführer jedoch reagierte instinktiv richtig – er beschleunigte abrupt. Ein gedämpfter „Rumps“, gefolgt von einer wesentlich lauteren, zweiten Explosion und einer baumhohen Wasserfontäne, kündeten davon, dass die Angreifer über mindestens einen Granatwerfer verfügten. Nur dank der Beschleunigung des Bootes hatten sie ihr Ziel verfehlt. Während das Boot scheinbar planlos hin und her schoss, spie die Maschinenwaffe Salven von Leuchtspurgeschossen aus, die im Mangrovendickicht nach den Angreifern suchten. Wagemutige Wachmänner unterstützten das Feuer durch einzelne Schüsse ihrer Gewehre, wenngleich das mehr psychologische Wirkung haben mochte, denn an sicheres Zielen war nicht zu denken.
Die kleinen Holzfällerboote spritzen auseinander, als die Erntearbeiter zwischen den Mangrovenstämmen Deckung suchten – obwohl nicht jeder den Querschlägern und Kreuzfeuer der Kontrahenten entkam. Sie dachten natürlich nicht daran, aktiv in den Kampf einzugreifen. Richtige Waffen durften sie ohnehin nicht tragen, und warum sollten sie ihr Leben riskieren, wenn jemand gegen ihre Herren und Ausbeuter losschlug? Doch auch für die Aufständischen hatten die wenigsten viel Liebe übrig – da diese kaum Rücksicht auf Kollateralschäden nahmen, und für ihr eignes Überleben nicht selten Schutzgelder und Naturalabgaben von Arbeitern und Dschungeldörfern erpressten.
Der Fällermech hingegen war eine andere Geschichte. Das Führen eines industriellen Mechs war Arbeit für einen Spezialisten, und solche Männer und Frauen waren gut bezahlt und wurden wertgeschätzt. Schließlich steuerten sie ein Gefährt im Wert von hunderttausend oder mehr C-Noten. Diese Mechs waren zwar nicht für den Kampf konstruiert, doch sie waren robust, extrem geländegängig, und ihre Arme selbst ohne aktivierte Sägeblätter tödliche Waffen. Maschinen wie diese waren zudem bevorzugte Ziele der Guerilla – einen zu erbeuteten war ein rarer Glücksfall, denn sie konnten relativ leicht für den Kampf umgerüstet werden. Zwar waren sie kein Gegner für vollwertige Gefechtsmechs, aber beweglicher als Panzer.
Wer auch immer diesen Mech steuerte, er verstand jedenfalls sein Handwerk. Die gewaltige Maschine duckte sich noch tiefer, um ein geringeres Ziel zu bieten. Und während der Mech Geschwindigkeit aufnahm und gegen die vermutete Feuerstellung vorrückte, ließ er seine Arme durch die Luft sausen wie jemand, der in die Luft boxte. Nicht nur erzeugten die Sägen einen ohrenbetäubenden und beängstigenden Höllenlärm. Sie schleuderten auch Baumstämme wie Streichhölzer umher, was nicht nur sehr eindrucksvoll aussah, sondern zudem auch Deckung bot.

Doch auch die Angreifer waren keine Amateure. Zunächst nahmen sie den Mech unter Feuer – was freilich dem Wachboot etwas Luft verschaffte. Der Mech hatte sich keine fünfzig Meter der Feuerstellung eines der MG genähert, als plötzlich eine Explosion donnerte, offenbar durch eine im Wasser verborgene Sprengladung ausgelöst – deutlich stärker als die Einschläge des leichten Granatwerfers der Guerilla. Wenige Meter vor dem Mech wurde ein riesiger Mangrovenbaum entwurzelt und beiseite geschleudert wie ein morscher Zweig. Er streifte den Mech nur, aber das reichte, um die Maschine aus dem Gleichgewicht zu bringen. Der Gigant wankte – und fiel.
Gurgelnd schlossen sich die schlammbraunen Wassermaßen über dem Mech. Für einen Augenblick erstarb sowohl das Feuer der Guerilla als auch die Salven vom Wachboot. Doch dann brach der Kopf des Mechs wieder durch die Wasseroberfläche. Mühsam kämpfte sich die Maschine wieder auf die Beine. Das Wachboot preschte näher heran, um seinem Kameraden zumindest etwas Schutz zu geben. Die Crew zündete mehrere Rauchgranaten, und indem sie hin und her kurvte, legte sie einen recht effektiven Rauchvorhang, in dessen Deckung der Mech humpelnd zurückwich. Das Feuer der Partisanen stockte und verstimmte schließlich – kein Grund, Munition zu verschwenden.
Als die Verstärkung eintraf – drei leichte Schweber-SPW der lokalen Streitkräfte – waren die Angreifer schon längst verschwunden.
Doch das war erst der Anfang.

***

Die Stadt Taonami, einige Stunden später

Der Auftritt von Tai-i Anatoli Tanigaki war voller Dramatik, wenngleich dies zweifellos nicht beabsichtigt war. In dem Moment als er den Raum betrat, spaltete ein bizarr verzweigter Blitz den Himmel, und der ohrenbetäubende Donner der unmittelbar darauf folgte, übertöne sogar das Heulen des Windes. Die Beleuchtung flackerte und erlosch für einen Moment, so dass die Bildschirme die angespannten Gesichter der Männer und Frauen in ein gespenstisches Licht hüllten. Offenkundig waren die Computer nicht an die reguläre Stromversorgung angeschlossen, ebenso wenig die Kommunikationsgeräte, wenngleich diese mit sturmbedingter Statik zu kämpfen hatten.
Der Tai-i hatte seinen schweren Regelmantel zurückgestreift, und an seinem Gürtel zeichneten sich Pistolenholster und der Schwertgriff ab. Das Gesicht war gerötet und nass, obwohl er nur wenige Meter durch den Sturm gerannt war.
Obwohl der Offizier bereits einen vollen Arbeitstag hinter sich hatte und soeben aus einem kurzen Schlaf gerissen worden war, wirkte er energiegeladen: „Bericht?“

Der Nachmittag hatte nicht weniger als fünf Anschläge im Umland von Taonami gesehen, was selbst für hiesige Verhältnisse ungewöhnlich war. Die Maglev-Bahn zur Hauptstadt Gifu war an drei Stellen gesprengt worden. Angesichts der Länge der Strecke war es unmöglich, überall Präsenz zu zeigen. Zwar hatte man die Vegetation auf 300 Meter zu beiden Seiten zurückgestutzt, es brauchte aber nur zwei oder drei Angreifer, die sich im Küstenwald näherten und die letzten paar hundert Meter im Dauerlauf überwanden, um ihre Sprengladungen zu platzieren. Die Reparaturtrupps der Odaga hatten inzwischen Übung, Schäden aller Arten in erstaunlich kurzer Zeit auszubessern. Aber so ein Einsatz bedurfte natürlich Absicherung.
Parallel zu den Sprengungen hatten Partisanen einen Holzfällertrupp im Tao-Delta angegriffen, und ein Erntecamp mit angeschlossenem Verarbeitungslabor war mit schwerem Mörserfeuer belegt worden. In Reaktion auf die Angriffe hatte der Tai-i mehr als eine Kompanie Infanterie und zwei Lanzen Panzerfahrzeugen von der Garnison der Provinzhauptstadt mobilisiert, die bei der Verfolgung der Schuldigen helfen und die Reparaturtrupps sichern sollten. Es war ja nicht auszuschließen, dass weitere Überfälle folgten.
Der Einsatz von konventionellen Flieger, normalerweise das Mittel der Wahl, empfahl sich angesichts der näherrückenden Schlechtwetterfront nicht. Die Sturmböen konnten einem Helikopter ohne weiteres vom Himmel holen. Tanigaki hatte zudem die Polizeikontrollen an den Zufahrtsrouten zur Stadt verschärfte – wenngleich es schwer war, alle potentiellen Mauselöcher zu schließen.

Die befürchteten Angriffe waren in der Tat erfolgt, und nicht im Landesinnern. Und angesichts der Gesamtsituation hatte man es für nötig erachtet, den Tai-i zu alarmieren.
Eine Go-cho der Polizei fasste die Situation zusammen, während der wachhabende Sho-ko Befehle in ein Sprechfunkgerät bellte.
„An einem Kontrollposten ins Umland hat es eine Schießerei gegeben, als wir einen Lkw kontrollieren wollten. Die Lage dort ist bereits unter Kontrolle. In der letzten halben Stunde hatten wir zudem gezielten Beschuss auf drei Stromtrassen im Stadtgebiet, vermutlich ein oder zwei mobile Gruppen, die über Granatwerfer verfügen. Ein Drittel der Stadt hat starke Spannungsabfälle. Bisher konnten wir die Angreifer noch nicht einkesseln. Wir versuchen sie mit Polizisten auf Motorrädern und Sprungtruppen einzukreisen, aber das Wetter behindert uns. Auf der Tenno-Kurita Brücke sind zwei Autos mit Sprengladungen detoniert – ein Kamikaze als Zugangssprengung, um den Polizeiposten abzulenken, das zweite mitten auf der Brücke. Wir wissen noch nicht, wie schwer der Schaden ist.“ Anatoli Tanigaki unterdrückte einen Fluch. Die Beschädigung der wichtigsten Brücke von Taonami war für sich schon eine Hiobsbotschaft, auch wenn man seit langem sensible Bauwerke mit solchen Gefahren im Hinterkopf konstruierte. Und das war offenkundig noch nicht alles…
„In den letzten zehn Minuten kamen zudem Meldungen von weiteren Schießereien aus der Stadt rein. Eine Kaserne wurde mit Granaten beschossen, drei Polizeistreifen oder Posten mit Gewehrfeuer belegt. Verlustmeldungen stehen noch aus.“
Anatoli verlor nicht die Fassung – es war nicht das erste Mal, dass er sich mit einer solchen Situation konfrontiert sah. Innerlich mochte er wüten – vor allem gegen die Polizei, deren Informanten offenkundig versagt hatten. ,Wieso bei den Kami gab es keinen Hinweis auf den üblichen Kanälen? Wieso ist gerade einmal eine verdammte Angriffsgruppe an unseren Kontrollen gescheitert? Vermutlich waren sie schon in der Stadt, als die Angriffe im Umland losgingen. Dennoch, so schlecht ist unsere Aufklärung eigentlich nicht! Ich weiß, die Rebellen haben Übung, aber inzwischen hatten wir ihre besten Leute eigentlich aus dem Spiel genommen.‘

Aber das war Fragen für später. Zunächst galt es die Krise zu bewältigen.
„Höchste Alarmstufe ist bereits ausgerufen.“ Das war keine Frage. Das Kurita-Militär galt als ungemein hierarchisch, aber in einem Guerillakrieg musste man solche Dinge etwas elastischer handhaben. Tanigaki überlegte kurz: „Ich will zwei Ketten-Panzerlanzen – aufgeteilt in vier Paare – und vier Züge Polizei auf den Straßen. Wir müssen verhindern, dass irgendwelche Narren in den Slums auf falsche Gedanken kommen. Ausgangssperre verhängen über Risikozonen Eins bis Drei.“ Natürlich hatten die Odaga schon längst die Gebiete identifiziert, in denen es am leichtesten zu Aufständen kommen konnte. Stromausfall und allgemeines Chaos führte leicht zu Plünderungen, selbst bei einem so scheußliches Wetter wie diesem, und Plünderungen wuchsen sich schnell zu Volksaufständen aus – wenn man nicht Beizeiten eine deutliche Botschaft sendete.
„Wer gegen die Ausgangssperre verstößt, auf den darf nach EINMALIGEM Anruf geschossen werden. Ich will drei Schweber- und Radpanzerlanzen von der Polizei und den Truppen – ebenfalls in Paaren – an den Reservepunkten. Es steht den Gruppenkommandanten frei, auf Hilferufe zu reagieren. Vier Züge Kempeitai und unsere zwei Mechlanzen…“, Anatoli unterstanden neben seiner Sturmlanze im Moment noch sieben einsatzbereite leichte Maschinen, „…als mobile Gefechtsgruppe bereitstellen. Aktivieren Sie sofort alle Zivilaufklärer, auch die Reserveleute. Wenn sich eine größere Gruppe Rebellen im Umland herumtreibt, will ich das wissen. Einsatzbefehl behalte ich mir vor. Meldung an Gifu ist schon heraus?“
„Ja. Chu-sa Obuchi erwartet Ihre Meldung auf versiegeltem Kanal Zwei.“
Für einen Moment verzog Anatoli Tanigaki die Lippen zu einem grimmigen Lächeln. Er mochte ja der Sohn des Lords und ein Veteran der Kämpfe gegen die Clans und Rebellenabschaum sein – aber auf dieses Gespräch freute er sich keineswegs. „Danke.“
Und damit betrat er einen kleinen Nebenraum. Das hatte einerseits Geheimhaltungsgründe. Außerdem, falls Offiziere von ihren Vorgesetzten zusammenfaltet wurden, dann geschah dies nur dann öffentlich, wenn man sie absichtlich demütigen wollte. Der Verlust des ,Gesichts‘ war schlimmer als eine Bestrafung.

„Sie werden mit dem auskommen müssen, was Sie haben.“ Der Chu-sa hatte nicht wütend reagiert, obwohl er ähnlich wie Anatoli sichtlich irritiert war. „Ich kann keinen Lufttransport schicken – das Wetter ist zu schlecht. Meine Mechs sind im Einsatz oder müssen gewartet werden. Und die Maglev-Bahn ist noch nicht wieder einsatzbereit. Straßen- und Seetransport dauert zu lange.“ Er sprach nicht das Offensichtliche aus – die Rebellen hatten die Bahnverbindung aus gutem Grund beschädigt.
Anatoli nickte knapp: „Wir können natürlich noch nicht einschätzen, was noch kommt – so lange wir keine Gefangene haben, wissen wir nicht GENAU, wer dahintersteckt. Aber ich tippe auf einige dieser abergläubischen Irren. Kamikaze und Bomben mitten auf einer benutzten Brücke sind normalerweise nicht die Handschrift der Imagawa-Loyalisten oder der lokalen Hungerleider.“
Chu-sa Obuchi klang nachdenklich: „Bei uns gibt es keine Anzeichen für Ärger, aber nach Ihren Erfahrungen können wir uns auf die Meldungen wohl nur bedingt verlassen. Hm…ich überlege, ob ich eine Unterstützungsanfrage an die Höllenhunde stellen soll. Oder Sie übernehmen das, immerhin kennen Sie die Söldner.“
Der jüngere Offizier schnaubte, knapp an einer Respektlosigkeit vorbei: „Sie haben das Oberkommando, aber ich würde lieber darauf verzichten. Das letzte was ich erleben will sind Söldner, die sich nicht mit meinen Truppen abstimmen und aus Rache für ihre Kameraden leichtfertig um sich ballern. Am Ende schießen wir uns noch unabsichtlich gegenseitig über den Haufen. WENN es keine Absicht ist. Was, wenn sie mit der Sache zu tun haben? Ich werde das Gefühl nicht los, dass die Guerilla verdächtig gut ausgerüstet ist und professioneller vorgeht als wir es in den letzten zwölf, fünfzehn Monaten gemeinhin erlebt haben. Das mag paranoid klingen, aber mir passt der Zeitpunkt gar nicht. Schlimm genug, dass ich jetzt meine Überwachungstruppen bei dem Söldnerlager abziehen muss, abgesehen von einigen Spähern.“
Der ältere Offizier lachte bellend: „Paranoid zu sein heißt nicht, dass nicht dennoch jemand hinter einem her ist!“ echote er Anatolis geheime Gedanken: „Aber die Entscheidung überlasse ich in diesem Fall Ihnen.“ Er sprach es nicht aus, aber da sein Untergebener auch der Erbe des Lords war, trug er auch eine hohe Verantwortung, die eher auf ihn, als auf den Chu-sa zurückfallen würde, sollte er versagen: „Ich nehme an, deshalb wollen Sie ihre Sturmlanze auch nicht ausrücken lassen?“
„Ja. Wenn die Söldner ein doppeltes Spiel planen – oder aber ein größerer Rebellenangriff bevorsteht – habe ich gerne gute 330 Tonnen schwere Argumente parat, um sie zu überzeugen, dass das eine schlechte Idee war.“
Chu-sa Obuchi schwieg einen Moment. Mit einem Mal klang seine Stimme ungewöhnlich förmlich: „Sollen die Haie die Höhle verlassen?“ Eigentlich war er der Oberbefehlshaber der Odaga-Truppen auf dieser Welt, doch es gab einen gewissen, ganz speziellen Aspekt, bei dem er sich in jedem Fall Anatoli unterzuordnen hatte.
Die Antwort kam ohne Zögern, denn der junge Kuritaner hatte sich genau diese Frage gestellt, seit er mit den Höllenhunden auf dieser Welt angekommen war: „Ja. Mögen ihre Zähne scharf sein. ALLE ihre Zähne.“
„Jawohl, mein Lord.“

Als Anatoli Tanigaki die Kommandozentrale betrat, wirkte sein Gesicht wie versteinert. Die Entscheidung, die er getroffen hatte, wog schwer. Noch war es nicht so weit, zu diesem letzten Mittel Zuflucht zu nehmen, noch lange nicht. Aber er musste vorbereitet sein. Und für seinen Geschmack kamen hier zu viele Ungereimtheiten zusammen. Die momentane Krise war nichts, was er nicht auch alleine zu meistern vermochte. Doch die Gegenwart eines gemischten leichten Söldnerregiments unklarer Loyalität war genau das, was er im Moment NICHT gebrauchten konnte. Falls sie sich gegen ihn stellten… Nun er war ein Mann, der zu seinem Wort stand. Was immer ihn das auch kosten mochte.

***

Eine halbe Stunde darauf, Hafen von Gifu

Es gab kein Zeremoniell, keine wehenden Fahnen, keinen Appell. Im Herzen des Militärhafens, inmitten unzähliger anderer, identisch aussehender Lagerhallen, Bootsbunker – groß genug, um mehreren Schnellbooten oder einem Paar Kanonenschaluppen Unterschlupf zu geben – grollten starke Motoren, öffneten unsichtbare Panzertore. Hier, wo eine große Halle direkt an das Wasser stieß, änderte sich mit einmal der Verlauf der Wellen, die – vom fernen Sturm bis hierher aufgewühlt – gegen das Kai brandeten. Tief, tief drunten, unsichtbar, schnell und lautlos, glitt der Tod durch die nachtschwarzen Fluten, größer als jedes Seeungeheuer, das Sulafats Meere unsicher machte. Die Haie bereiteten sich auf die Jagd vor.

******

* Kodama sind Waldgeister der kuritanischen Folklore, die von Bäumen Besitz ergreifen. Diese Bäume werden von den örtlichen Ältesten beschützt, denn einen solchen Baum zu beschädigen bringt Unglück. Es heißt auch, dass solche Bäume bluten würden wie Menschen.
26.01.2020 19:45 Cattaneo ist offline E-Mail an Cattaneo senden Beiträge von Cattaneo suchen Nehmen Sie Cattaneo in Ihre Freundesliste auf
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Mit sehr gemischten Gefühlen betrachtete Colonel Harrison Copeland die derzeitigen Berichte über den Status der Einheit, die ihm unterstand: Die Danton's Chevaliers. Eine Raumreise, die so lang war wie die ihre kratzte bei Jedermann an Gemüt und Leistungsfähigkeit. Aber die Chevaliers hielten sich tapfer. Weit tapferer, als er erwartet hatte. Gut, es hatte ein paar Übergriffe gegeben, also kleinere Schlägereien, einige Reibereien, handfeste Streits und dergleichen, aber es war kein Blut geflossen, es waren keine Knochen gebrochen worden. Und die Personen, die sich in die Wolle gekriegt hatten, sprachen auch weiterhin miteinander.
Weit schwerwiegender empfand Harry einen anderen Bericht, nämlich den ihrer Gegenspionage-Einheit. Die Mitglieder dieser aufgestockten Einheit unter dem Kommando von Charles Decaroux hatten mit der Vergrößerung der Einheit auf Regimentsstärke auch ein größeres Aufgabengebiet erhalten. Ihre Hauptaufgabe war, die Truppe vor Infiltratoren ihrer vielen Feinde zu schützen. Dazu zählten neben dem Schwarzen Drachen auch Blakes Wort und die Clanswacht von Jadefalken und Wölfen, mit denen die Chevaliers kräftig aneinander geraten waren, einige Zeit, bevor er selbst zur Einheit gestoßen war. Bisher hatten sie keine Agenten der größeren Bedrohungen aufdecken können, aber immerhin waren ein paar Kleinkriminelle aufgeflogen, ein Drogennetzwerk war ausgehoben worden, und durch den Fokker-Duschzwischenfall, bei der ein weiblicher Offizier Duschfotos von Jara gemacht und verkauft hatte, war auch ein Schwarzmarktnetz der Husaren, seiner alten Einheit, bis zur letzten Schraube aufgeflogen.
Es stimmte schon, je größer eine Einheit war, desto schwieriger war es, jeden persönlich zu kennen. Für ihn bedeutete das, dass er zumindest seine Offiziere sehr gut kannte, und dass diese dann in den Teileinheiten jedermann sehr genau kannten, und das war alleine schon eine große Unterstützung für die Gegenspionage. Nicht, dass er sich da Illusionen darüber machte, dass gerade die Infanterie-Kompanien mit ihren hohen Personalstärken einigen Raum boten, damit jemand „unter dem Radar“ durchschlüpfen konnte. Seien es Schwarzhändler, seien es Agenten ihrer großen Feinde.
Die zweite große Aufgabe war die Abwehr von militärischer Infiltration, oder auch im Volksmund Sabotage genannt. Der direkte Angriff von Kommandosoldaten, Mördern oder Terroristen musste unterbunden werden, und da war die Bilanz etwas, nun, erschreckender. Seit sie den Kurita-Raum erreicht hatten, gab es tatsächlich schon fünf aufgedeckte Sabotageversuche, die Decaroux' Crew verhindert hatte. Alle ausgeführt von Einzelpersonen mit Schleichkampfausrüstung, die Ziele fast immer die Mechs oder die sensiblen Bereiche ihrer Landungsschiffe oder des Sprungschiffs, das das Regiment transportierte. Ernstzunehmen war dabei, dass ein Fall in de ersten Hälfte der Reisezeit passiert war, die anderen vier aber kurz aufeinander erfolgt waren. Die Einschläge kamen näher.

Die Techs waren angewiesen worden, nach jedem dieser Vorfälle auf Manipulationen zu achten und alle sensiblen Bereiche mehrfach zu prüfen, also nicht nur die Reaktoren der Mechs und Fahrzeuge, sondern auch die Waffendepots und die Munition, die Intraleitungen der Computerverbindungen und die Existenz von Abhöreinrichtungen oder Holominen, um nicht aufgedeckte Infiltrationen zu vereiteln, und bisher hatte das gut funktioniert, wenngleich zwar Manipulationen festgestellt worden waren, aber nicht besonders viele. Falls das beruhigte, verspürte Copycat aber keine Beruhigung. Ihm machten die aufgedeckten Manipulationen nicht so große Sorgen wie jene, die sie übersehen hatten. Er war nicht so kaltschnäuzig zu glauben, dass die Techs der Chevaliers jede möglich Form der Sabotage oder Spionage entdeckt und abgewehrt hätten. Aber er konnte ziemlich exakt ahnen, wie es bei ihnen aussehen würde, hätte Germaine nicht Charles in sein Amt berufen und seine Truppe und seine Zuständigkeiten vergrößert. Auch war es recht hilfreich, dass die Chevaliers jetzt als Einheit eines drakonischen Adligen geführt wurden. Das öffnete ihnen nicht nur die eine oder andere Tür, die sonst verschlossen geblieben wäre – gut, es hatte auch die eine oder andere Tür richtig heftig zugemacht, wie er am eigenen Leib hatte erfahren müssen, aber im Gros profitierte die Einheit von ihrem neuen Status – es verschaffte ihnen auch Unterstützung von einer unerwarteten Seite, der ISA. Der Kombinatsgeheimdienst überwachte die Chevaliers nicht, sondern er bewachte sie. Das eine schloss das andere nicht aus, zugegeben, aber dass einer der schärfsten Geheimdienste der Welt prinzipiell auf ihrer Seite sein musste, war schon beruhigend. Gott mochte wissen, ob die ISA schon Attentäter, Saboteure oder Infiltratoren abgefangen hatte, deren Ziel seine Einheit gewesen waren.

Und das waren nur die offensichtlichen Gefahren. Dazu kam freilich noch Jara als offizielle Eigentümerin der Chevaliers, also Lady Fokker-Danton, die derzeitige Erbin des Adelstitels ihres Mentors und nun Adoptiv-Vaters Germaine. Sie hatte einen klaren Auftrag, und der war, ein gutes Bild abzugeben, um ihre Reisewege zu ölen und die Türscharniere für sie zu schmieren. Dafür hatte sie einen Medienprofi an die Seite gestellt bekommen. Und die beiden leisteten durchaus gute Arbeit. Zwar war, wer gegen sie sein wollte, auch weiter gegen sie, die übliche unnütze Rivalität in einem Nachfolgerstaat zwischen Adligen, Militärs und Zivilisten, aber manche von denen mussten sich ihrem Rang beugen oder zumindest ein wenig nachgeben. Jene, die schwankten, waren zumeist von ihrer Präsenz und ihrem Charme beeindruckt worden, und auch wenn sie die Chevaliers nicht direkt unterstützten, standen sie für ein Holo mit Jara Schlange.
In Kategorie drei, also bei jenen, die ihnen generell schon wohlwollend gegenüber standen, hatten sie natürlich offene Türen eingerannt, sowohl mit ihrer Kampagne, Jara zur positiven Identifikationsfigur zu machen, als auch bei der Betonung, auf der gleichen Seite zu stehen. Aber alles in allem ging es dabei nur um mehrere Dutzende Personen, den Entscheidungsträgern und den Verantwortlichen für militärische oder zivile Belange, oder für beides.
Wirklich, die Chevaliers waren auf dem Weg. Aber würden sie ihr Ziel, die Höllenhunde, noch rechtzeitig erreichen? Dass sie in Gefahr waren, stand außer Frage. Aber wie groß war die Gefahr, und wann würde sie zuschlagen? Und wer steckte hinter den Problemen, um die sich Scharnhorst und die Höllenhunde im Auftrag ComStars und der Geisterbären kümmern sollten? Viele unbeantwortete Fragen, aber die Chevaliers waren auf dem Weg.
***
Der dicke Mann war in den ersten Tagen in Kowloon, einen Arbeiterviertel von Taonami, aufgefallen wie ein bunter Hund. Wer konnte es sich leisten, so dick zu werden, wenn er nicht entweder reich, oder eine Made im Fleisch der arbeitenden Menschen war? Er war über den Markt geschlendert, hatte hier etwas gekauft, dort ein wenig gefeilscht, und sich immer so benommen, als könnte ihn kein Wässerchen trüben. Dass das tatsächlich so war, hatten einige Taschendiebe, zwei Raubmörder und sogar einer Diebe auf Motorrad auf die schmerzhafte Weise feststellen müssen, denn für die meisten Augen unsichtbar wurde er von mehreren Einheimischen aus dem Viertel eskortiert. Wie viele es waren wusste keiner, aber es mussten mindestens fünf sein. Und sie waren vom Fach, kannten die meisten Bewohner des Viertels und fackelten nicht lange, wenn es darum ging, ihn zu beschützen. Man hätte meinen können, sie müssten den örtlichen Yakuza-Boss beschützen, oder gleich den Koordinator.
Jedenfalls kam der Dicke an jedem Markttag nach Kowloon und kaufte ein, führte Gespräche und verteilte hier und da ein paar Almosen. Er gab nicht wirklich viel Geld aus, aber das war auch nicht seine Absicht. Er war ein großer, gemütlicher, friedlicher Kerl, der sich den örtlichen Akzent schnell angeeignet hatte und mit den meisten Zwischentönen und Bedeutungen korrekt sprach. Bereits nach einer Woche war sein Anblick für die hart arbeitenden Menschen in Kowloon normal geworden, und irgendwann hatten die Händler und Stammkunden angefangen, ihn um gemeinsame Fotos zu bitten, weil er dem chinesischen Buddha so ähnlich sah und sie sich erhofften, dass mit einem Bild etwas Glück auf sie abfärbte. Anfang der zweiten Woche kam er für geschlagene zwei Tage nicht, und als er dann am dritten Tag mit seinen Leibwächtern wiederkam, war er sogar ein wenig gefeiert worden.
Und so war Willem Kleinweich, Computerspezialist und Logistiker der Höllenhunde, in einem kleinen Viertel mit dreihunderttausend Bewohnern nach und nach zu einer lokalen Berühmtheit geworden.

Mr. Wu war seit vielen Jahren etabliert auf dem Markt von Kowloon. Er hatte sich durch harte Arbeit, geschicktes Handeln und schierem Glück ein kleines Vermögen erwirtschaftet, das ihn und seine Familie unterstützte, sogar so sehr, dass beide überlebenden Kinder zur Schule gehen konnten. Er hatte sogar genug Reserven, um einige Wochen zu überleben, sollte einmal sein Stand geschlossen werden, und das bedeutete in Kowloon eine ganze Menge. Darüberr hinaus war er nicht tiefer in illegale Aktivitäten verstrickt als andere auch, schmuggelte ein wenig, aber meist nur harmlose Dinge wie Medikamente in die Arbeitercamps und beliebtes Fleisch auf den Markt und dergleichen, bestach immer die richtigen städtischen Mitarbeiter und Polizisten und hatte durch diverse Gefälligkeiten das Ohr des hiesigen Oyabuns. Und ihm gefiel dieses Leben, denn in der Mikrogesellschaft des Stadtteils war er jemand. Man konnte also sagen, er war recht gut vernetzt.

„Ah, Chibipuny-sama“, begrüßte er Willem Kleinweich, als dieser auf seinen Stand zutrat. Entgegen drakonischer Traditionen gab er dem Riesen mit den breiten Händen die Rechte, und nickte auch Killian Oboto zu, dem inoffiziellen Anführer von Kleinweichs Wache.
„Wu-sama“, erwiderte der Riese mit einem breiten Lächeln. „Es tut gut, Sie zu sehen. Geht es Ihrer Frau wieder besser?“
„Es war tatsächlich eine Thrombose. Dank Ihres Hinweis konnte der Arzt sie mit dem richtigen Medikament behandeln, bevor ihr Leben bedroht war und bevor sie sich einer teuren Operation unterziehen musste. Ich danke Ihnen vielmals. Ihr Wissen hat ihr das Leben gerettet.“
„Kein Dank, kein Dank“, wehrte der sanfte Riese ab. „Ich habe nur einmal von einem ähnlichen Fall gehört, der sich als Thrombose entpuppt hat, daher habe ich nur gesagt, woran ich mich erinnern konnte.“
„Und es passt sehr, sehr viel in diesen beachtlichen Kopf hinein, Chibipuny-sama“, stellte Wu fest. „Ich bin nicht der Einzige, dem Sie mit medizinischem Rat geholfen haben: Sie wissen so viel, Chibipuny-sama. Aber was stehen wir hier draußen herum. Kommen Sie, kommen Sie rein. Makoto hat Tee aufgesetzt. Wir wollen uns hinsetzen und ein wenig plaudern.“ Er nickte Sam zu, der in der Abwesenheit seines Chefs weiter verkaufen würde, dann lud er den Riesen in sein Haus ein, das direkt auf den Marktstand folgte. Oboto und zwei seiner Leute blieben draußen, weitere sah Wu nicht, aber er wusste, dass sie da waren, einer wie der andere hier geboren, aufgewachsen und Überlebende sowohl der guten als auch der schlimmen Zeiten. Was hatte der Fremde ihnen gegeben oder versprochen, dass sie ihn derart aufmerksam beschützten?
Sie ließen ganz japanisch ihre Schuhe am Eingang zurück und betraten den eigentlichen Wohnraum. Dort führte er seinen Gast ins gute Wohnzimmer, ließ ihn auf dem Sessel, der sonst ihm als Familienoberhaupt vorbehalten war, Platz nehmen und setzte sich auf die kleine Couch ihm gegenüber. „Mai! Tee für uns!“
Seine Frau lugte aus der Küche hervor. „Wer ist es denn, Schatz? Oh, Herr Kleinweich! Das ist aber eine Freude, dass Sie uns wieder besuchen! Ich habe den Tee gerade frisch gemacht!“ Sie eilte wieder in die Küche und kam mit einem Tablett wieder, das sie auf dem kleinen Tisch zwischen den beiden Männern abstellte. Entgegen drakonischer Tradition kniete sie sich aber nicht hin, sondern füllte die Becher der beiden Männer stehend, was wohl ein deutlicher Hinweis darauf war, dass sie tatsächlich Chinesin war, keine Japanerin. Dazu stellte sie eine Schale mit Snacks hin, die Kleinweich besonders mochte. „Haben Sie vielen, vielen Dank für Ihren medizinischen Rat, Kleinweich-sama. Sie haben uns vor großen Kosten bewahrt, und mich persönlich vor erheblichen Schmerzen.“ Ihre Verbeugung war wiederum sehr japanisch.
„Bitte, tun Sie das nicht, das macht mich verlegen“, sagte Kleinweich. „Wie ich Ihrem Mann schon sagte, war das alles nur ein sehr glücklicher Zufall, und ich habe mehr als genug Dank dafür bekommen.“
„Sie sind einfach zu bescheiden, Kleinweich-sama.“ Die Frau des Hauses verbeugte sich erneut.
„Genug jetzt. Wir wollen Männergespräche führen, Weib. Geh wieder in die Küche zur Buchhaltung.“
„Ich lasse euch ja schon alleine“, sagte sie mit schelmischem Zug um den Mund. Dann verließ sie tatsächlich den Raum und schloss die Tür hinter sich.

„Eine umsichtige Person, Herr Wu. Sie haben sehr viel Glück, mit ihr verheiratet zu sein“, sagte Kleinweich.
„Oh ja, das bin ich, das bin ich jeden Tag. Und ich bin dankbar für die beiden Kinder, die uns bisher geblieben sind. Man sagt, wenn Kinder über zwölf Jahre alt werden, sinkt die Gefahr, dass sie an Fieber oder Verletzungen sterben, um vier Fünftel.“
„Dann sind sie ja jetzt aus dem Gröbsten raus“, erwiderte der Söldner. „Das freut mich zu hören, wirklich.“ Er legte einen Geldschein auf den Tisch, den der Händler einstrich, ohne ihn auch nur anzusehen. „Was meine Frage vom letzten Mal angeht, Herr Wu...“
„Moritani-sama hat mir die Informationen, die Sie haben wollen, zusammengestellt. Der Oyabun war sehr erfreut darüber, den Vasallen von Jara Fokker-Danton und damit dem Reich zu Diensten sein zu können.“ Er schob einen Datenträger über den Tisch, eine alte Minidisc. Willem nahm sie an sich und verstaute sie in einer Hosentasche. Er griff nach seinem Tee und trank einen Schluck. „Sie müssen mir versprechen, mich mit diesem Tee zu beliefern, Herr Wu. Ich möchte ihn gerne meinem Kommandeur kredenzen. Und auch Jara-sama ist begeisterte Teetrinkerin und wird ihn lieben.“
„Ich werde Ihnen einen guten Preis machen“, versprach der Händler lächelnd. „Wie viele Tafeln sollen es denn sein?“
Kleinweich tat, als würde er nachrechnen. „Fünf Kisten sollten es erst einmal tun.“
Wu lachte auf. Der einheimische Tee wurde geerntet, getrocknet, dann gepresst. Dabei entstanden die berühmten Taomani-Tafeln. Jede einzelne dieser Tafeln trug das Aroma von einhundert Pflanzen in sich. Eine Tafel reichte aus, um einem erwachsenen Menschen ein ganzes Jahr lang drei Tassen Teee zu bereiten, indem er ein paar Späne abschabte und mit heißem Wasser aufgoss. In einer Kiste waren einhundert Tafeln. Kleinweich sprach also von fünfhundert Tafeln.
„Und natürlich brauche ich einen Lieferkontrakt für weiter fünf Kisten im nächsten Jahr nach Wayside V.“
„Natürlich, natürlich“, sagte Wu angemessen überrascht. Das war kein riesiges Geschäft, aber durchaus ein gutes, und Wu wusste gute Geschäfte zu schätzen. „Siebenhundert C-Noten die Kiste.“
„Vierhundert.“ „Sechshundertfünfzig.“ „Fünfhundert.“ „Sechshundertzwanzig.“ „Sechshundert.“
„Sechshundert, einverstanden.“ Die beiden Männer reichten sich die Hände, um den Handel zu besiegeln. Wu wusste, dass diese kleine Verhandlung nicht umsonst so positiv für ihn gelaufen war, und Kleinweich wusste, dass der Preis, den Wu ihm gemacht hatte, gut genug war, dass er nicht übervorteilt wurde. Auf dieser Basis tätigten sie ihre Geschäfte, und auf diesem Wege, bei Wu und anderen hiesigen Händlern hatte Kleinweich schon einiges an Ausrüstung zusammenkaufen können, für die die eigentlichen Einkäufer der Höllenhunde nur überteuerte oder minderwertige Ware bekommen hätten. Allerdings hielt er für diese Geschäfte „den Ball flach“, wie man auf Lyons sagte. Er machte gerade genug Geschäfte, um seinen Status nicht zu verlieren, und er sorgte auch immer dafür, dass es für seine Partner profitabel blieb. Diesen Kanal für Waren zu haben, ihn sich offen zu halten, war seines Erachtens überlebenswichtig, und Scharnhorst war der gleichen Meinung.
„Was die andere Sache angeht...“, begann Wu zögerlich.
Kleinweich legte einen weiteren Schein auf den Tisch.
„Nein, diese Information ist umsonst, Chibipuny-sama.“ Er schob den Schein wieder zurück. „Seit der Taifun den Norden getroffen hat, vermerken die Behörden erhebliche Aktivität bei den Rebellen. Militärs, Polizei, Erntetrupps und andere wurden angegriffen, wenn sie ein weiches Ziel waren. Die Anzahl, die Dichte und die Verteilung lassen darauf schließen, dass jemand sie koordiniert. Kein Ziel wurde zweimal attackiert, auch nicht, um einem angeschlagenen Gegner den Rest zu geben. Das ist merkwürdiges Verhalten für Sulafat. Auch wurde nicht viel geplündert. Es steht zu befürchten, dass diese Gruppen, zumindest jene, die ihre Angriffe überlebt haben, erneut zuschlagen werden, wenn der Taifun die Stadt trifft. Zwar wurde mir nichts zugetragen, was die Höllenhunde betreffen würde, nur die örtlichen Behörden, Exportlagerhallen und dergleichen, aber gerade das Fehlen solcher Hinweise macht mich misstrauisch, nachdem bereits einmal einer der Nachschubtransporte angegriffen worden ist.“
„Ja, das stimmt. Das ist verdächtig“, stimmte Kleinweich zu.
Herr Wu beugte sich vertraulich vor. „Sehen Sie, die Rebellen sind nicht das, was wir, nun, umgänglich nennen würden. Oder kooperativ. Wenn die Stadt noch mehr Angriffe erleben wird, ist es unwahrscheinlich, aber nicht unmöglich, dass Kowloon auch leiden wird. Wir haben darüber keine Kontrolle und die Rebellen lassen sich nicht bestechen.“
„Was ungewöhnlich ist.“
„Was sehr ungewöhnlich ist. Meine Bitte an Sie ist, dass, wenn die Dantons Höllenhunde involviert werden, Scharnhorst-sama daran denkt, dass wir alle in Kowloon ihn, seine Soldaten und Sie, Chibipuny-sama, sehr wertschätzen und es zu würdigen wüssten, wenn Sie Kowloon nicht zum Kampfgebiet machen oder, wenn es sich wie so oft im Krieg nicht vermeiden lässt, die Schäden gering halten. Soweit es in der Macht der Höllenhunde ist.“
„Soweit es in der Macht der Höllenhunde ist“, echote Kleinweich.
„Ich danke Ihnen. Seien Sie versichert, dass die Bewohner von Kowloon die Höllenhunde unterstützen würden, sollte hier gekämpft werden, um die Bedrohung schnell wieder zu beenden. Wir hülfen mit Informationen über Ort, Zahl und Bewaffnung etwaiger Feinde.“
„Die Höllenhunde wüssten das sehr zu schätzen“, sagte Kleinweich.
Die beiden Männer nickten einander zu. Damit war alles gesagt, was es für dieses Thema zu sagen gab. Die weitere Unterhaltung der beiden tangierte Warenlieferungen, den Stand der hiesigen Ökonomie, die Schule von Herrn Wus Kinder, die Probleme, die Beziehungen so mit sich brachten, und auch die Stimmung in der Stadt.

Nach mehr als einer Stunde und nach zwei weiteren Tees und einer ganzen Schale mit Snacks verabschiedete sich Kleinweich von Wu und verließ das Haus, wo ihn seine Eskorte wieder in die Mitte nahm.
„Fündig geworden?“, fragte Oboto.
„Fündig genug.“
„Nach Hause?“
Kleinweich schüttelte den Kopf. „Wir gehen noch zu Spencer, zu Haraguchi und zu Kisame. Danach geht es nach Hause. Außer, du hast etwas einzuwenden.“
„Nein, Sir, es sieht nicht danach aus, als hätte es heute jemand auf Sie abgesehen“, sagte er mit einem dünnen Lächeln. „Mein Team meldet sich regelmäßig. Keine Verluste bisher.“
„Ist doch schön, wenn mal was klappt“, lachte Kleinweich, hielt an einem Stand und kaufte eine Tüte Higoshi, eine einheimische Obstsorte, die ihn stark an Sharons von der Erde erinnerte. Den Inhalt teilte er mit seinen sichtbaren Leibwächtern. Bei Oboto fühlte er sich so sicher, wie er hier sein konnte.
***
Stunden später kam der Computerspezialist in Scharnhorsts Büro. Er wedelte dabei mit der Minidisc. „Die Yakuza haben geliefert. Das wird unser Gesamtbild vervollständigen.“
„Denkst du, sie haben einen Hinweis darauf gefunden, wer uns die Bombe in der umgebauten Fabrik hat unterschieben wollen?“, fragte der Alte.
„Das werden wir wissen, wenn ich die Minidisc ausgelesen habe. Aber das war ja nur ein Teil unserer Fragen. Zusammen mit dem, was Odaga und Shimatze bereit sind, mit uns zu teilen und was uns die ISA verrät, kriegen wir vielleicht ein stimmiges Gesamtbild zusammen. Ja, ich weiß. Ich soll Marcus hinzuziehen. Das hätte ich sowieso gemacht.“
„Du duzt unseren ISA-Wachhund?“, fragte Scharnhorst interessiert.
„Wir sind beide Profis, wir respektieren einander, er hat mir diese sehr effektive Eskorte besorgt, also, ja, wir duzen uns. Schade, dass wir ihn nicht behalten dürfen, Manfred.“
„Bevor wir die Zeit haben, das zu bedauern, sollten wir erst mal überleben, Willem“, mahnte der Alte. „Wir haben hier viel getan, um das alte Einkaufszentrum herzurichten, aber ich weiß, ich fühle es in den Nieren, dass es bald wieder Ärger für uns geben wird.“
„Ja“, erwiderte der Computerspezialist, „weil wir genau für diesen Ärger überhaupt erst hier sind.“
„Stimmt“, erwiderte Scharnhorst und lachte leise. Das Los von Söldnern.

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Das Hauptlager der Höllenhunde wurde die zu einem Drittel eingestürzte Mall. Nicht das Konzentrationscamp, nicht der Raumhafen, nicht die Halle am Hafen, sondern tatsächlich die Mall. Manfred Scharnhorst fühlte eine gewisse Befriedigung bei diesem Gedanken, während er durch den großen Eingangsbereich schritt, der direkt zum großen Springbrunnen führte. Links und rechts von ihm waren Balkons, und jeder führte zu einer Anzahl kleinerer Geschäfte. Die Höllenhunde hatten hier jede Menge Platz, sie hätten sich jeden Raum nehmen können, der zur Verfügung stand. Aber letztendlich hatte der Kommandeur der Einheit befohlen, dass sich die Leute nur Wohnraum auf der Ersten Etage nahmen, um in einem nicht so unwahrscheinlichen Notfall schnell in die Tiefgarage kommen zu können, dem sichersten Ort des ganzen Geschehens. Scharnhorst war sich sicher, dass sie selbst dann in der Tiefgarage sicher waren, wenn eine Atombombe in der Nähe einschlug. Einen direkten Treffer würde wohl auch sie nicht überstehen, aber immerhin hatte das bunkerähnliche Gebilde den Einsturz des zerschossenen Flügels auch problemlos überstanden, und die Pioniere hatten sichergestellt, dass es so blieb. Seinen Leuten stand also nur der eine Flügel zur Verfügung, was die Zahl der potentiellen Eingänge auf die Haupttür und sechs Wartungstüren reduzierte, aber die gesamte Tiefgarage, die ausgereicht hätte, um ein ganzes Panzerregiment unterzustellen.

Der Brunnen in der Mitte der drei Flügel war vom letzten Einsturz verschont geblieben, zumindest war er nicht so weit beschädigt worden, dass er sein Wasser nicht mehr hätte halten können. Auch hier waren die Pioniere erfinderisch gewesen und hatten eine Filteranlage installiert, dazu eine Heizung, und nun konnten die Höllenhunde in der Freizeit in dem etwa kniehohen Wasser tatsächlich heiße Bäder nehmen. Es hieß ja, Not machte erfinderisch. Scharnhorst hatte festgestellt, dass Gelegenheit mindestens ebenso erfinderisch machte.
Er bog ab zu einem kleinen Supermarkt, in dem er sein Büro und den Hauptbesprechungsraum aufgeschlagen hatte. Die Möbel dafür hatten sie aus einem teilzerstörten Herrenausstatter auf Etage vier gefunden. Es hatte nur wenig Restauration gebraucht, um die teils unbrauchbar gemachten und besudelten Möbel wieder herzurichten. Und Junge, mit was sie besudelt gewesen waren... Bevor die Höllenhunde eingezogen waren, hatten lokale Gangs, Obdachlose und Vertriebene hier gelebt; das war vor etwa einem Jahr vorbei gewesen, als die letzte Busverbindung in relativer Nähe eingestellt worden war und man nicht mehr so ohne weiteres in die Stadt hatte gelangen können. Die Menschen, die hier gehaust hatten, hatten alles geplündert, was sie hatten finden können. Und sie hatten in diesem rechtsfreien Raum getrieben, was man eben so trieb, wenn man keine Strafen befürchten musste. Der Anführer der Höllenhunde hatte genug Details mitgeteilt bekommen, um zumindest zu ahnen, was genau im ehemaligen Bälleparadies mit einigen heimatlosen Jugendlichen von irgendeiner billigen Gang getrieben worden war, die sich hochtrabend „Rote Triaden“ genannt hatte. Ein klitzekleiner Bandenkrieg hatte diese Gruppe schon vor dem Ende der Bushaltestelle auseinandergesprengt, also war sie nicht besonders mächtig. Außer hier, in dieser Mall.
Eine wichtige Lektion. Egal, wie stark man war, es kam immer darauf an, wo man diese Stärke hatte, wenn man sie brauchte. Und ein einzelner Panzer konnte einen Riesenunterschied machen, wenn er zur richtigen Zeit am richtigen Ort war.

Scharnhorst trat ein, grüßte einige Leute an ihren Schreibtischen und betrat dann den einzigen Raum, der über heile Glastüren verfügte. Meistens ließ er sie offen, denn in dieser Einheit waren Geheimnisse eine ganz dumme Idee. Heute schloss er sie, denn es liefen derzeit fünfzehn, zwanzig Einheimische in der Mall herum, die als Hilfskräfte angeworben worden waren. Er konnte sich ihrer Loyalität nicht sicher sein, außer vielleicht bei denen, die bereits das Angebot bekommen hatten, die Einheit zu begleiten, wenn sie wieder ins All aufbrechen würde. So etwas löschte alte Loyalitäten relativ schnell. Heute aber dachte er gar nicht daran, die Pläne der Einheit auf einem Silbertablett zu servieren.
„Guten Tag, Herrschaften.“ Er nickte den Anwesenden kurz zu, bevor er sich an seinen Platz setzte. Cindy reichte ihm einen Stoß Akten, die er oberflächlich durchsortierte. „Was also wissen wir derzeit?“
Lane räusperte sich. „Der Sturm flaut weiter ab. Er hat seinen Zenit überschritten. Für uns bedeutet das, Starts und Landungen sind wieder sicher genug. Wir können die Luft/Raumjäger einsetzen. Außerdem geht mit dem Abflauen des Sturms die Deckung für die Angreifer verloren. Die Zahl der Anschläge nimmt weiter ab.“
„Was wissen wir über diese Anschläge? Sind sie vergleichbar mit dem Angriff auf unseren Konvoi?“, hakte Scharnhorst nach.
Battaglini meldete sich zu Wort. „Wir haben es hier mit einem massiven Widerstand zu tun, der sehr punktuell vorgeht, genauso wie beim Angriff auf unsere Lastwagen. Sie kommen, sie attackieren und sie ziehen sich wieder zurück. Selten haben die Verteidiger die Gelegenheit, die Stärke der Angreifer festzustellen. Aber fest steht, dass es wesentlich mehr Angreifer sind, als Odaga selbst für den schlimmstmöglichen Fall angenommen hat, und dass ihre Ausrüstung umfangreicher ist als angenommen.“ Er räusperte sich vernehmlich. „Bisher hieß es, die Guerilla, die den Planeten zurückerobern will, sei auf dem absteigenden Ast und keine Gefahr mehr, vielleicht abgesehen von den fanatischen religiösen Gruppen, die für die Errichtung ihres Gottesstaates kämpfen. Wenn du mich fragst, Manfred, hat hier jemand eine nicht unbeträchtliche Menge Material in die Guerilla gepumpt und dann die verschiedensten Gruppen dazu gebracht, miteinander zu arbeiten oder zumindest nach einem Plan vorzugehen, den vermutlich keine Guerillagruppe kennt.“
Scharnhorst sah skeptisch drein. „Dafür muss aber eine Menge Material und Geld geflossen sein. Wie soll so etwas auf den Planeten gelangt sein?“
„Es gibt ein paar Beweise für illegale Landungen“, meldete sich Kurosawa zu Wort. „Bezeichnend ist auch, dass zwar Haus Odaga angegriffen wird, nicht aber Haus Shimatze. Das mag damit zusammenhängen, dass „andere Hälfte des Planeten“ hier wörtlich zu nehmen ist, aber wenn nicht, wäre dies eine Erklärung, wie Material und Geld auf diese Welt gelangen konnte. Geschweige denn in die Hände der Terroristen.“
„Sie beschuldigen Haus Shimatze, die Guerilla auf Odaga-Gebiet zu unterstützen?“, fragte Scharnhorst.
Marcus Kurosawa runzelte die Stirn. „Es gibt Anzeichen für einige massive Korruptionsfälle in der Shimatze-Verwaltung und deren Verflechtung mit einem Handeshaus, das die Shimatze erst vor ein paar Wochen mit Spezialeinheiten ausgehoben hat. Diese Händler haben nachweislich mit Schmuggelgut von dieser Welt gehandelt und dafür Ausrüstung und Devisen geliefert. Die ISA ist da schon seit einiger Zeit dran, seit Lady Shimatze den Vorgang an den Distrikt weitergemeldet hat.“
„Und was ist die Einschätzung der ISA? Ist das ein Bauernopfer der Shimatze, oder wurde das kleine Mädchen tatsächlich vorgeführt?“
„Falls sich der Verdacht, die Korruptionsfälle betreffend, als wahr erweist, geht die ISA derzeit damit, dass die derzeitige Anführerin von Haus Shimatze noch einiges zu lernen hat, zum Beispiel ihre Vasallen unter Kontrolle zu halten. Wir gehen aber auch dem Verdacht nach, sie sei ein Genie, das einen sehr komplexen Plan aufgebaut hat, der so geschickt verborgen ist, dass nicht mal die ISA ihn aufdecken kann und ihrem Haus den ganzen Planeten Sulafat auf dem Silbertablett servieren soll. Auch wenn wir das derzeit nicht für wahrscheinlich halten.“
„Sie wollen sagen, einige der Vasallen arbeiten gegen Lady Shimatze oder versuchen sogar, sie zu entthronen?“
„Es besteht die Möglichkeit, und hier gibt es Indizien, ja“, schloss Kurosawa.
„Dann haben wir es diesem Machtkampf zu verdanken, dass Odaga so unter Beschuss steht? Es wird nicht lange dauern, bis die Einschläge auch zu uns kommen. Zwar werden sich die Angreifer auf die bekannten Gegner stürzen, aber wir bieten als Fremdweltler natürlich billige Opfer für die Guerilla ab. Der Angriff auf den Versorgungstrupp hat zudem gezeigt, dass jemand bereit ist, für einen Angriff zu bezahlen, der uns beeinträchtigt, dem Angreifer aber keinen materiellen Vorteil bringt. Wir dürfen nicht vergessen, warum wir hier sind, und wen wir hier durch offene Provokation hervorlocken wollen.“
„Und dieser Jemand bedient sich der hiesigen Guerilla, weil sie schon ausgebildete Truppen vor Ort hat“, sagte Kleinweich. „Wenn wir schon bei der Guerilla sind, ich habe gehört, dass Odaga vor etwa einem Vierteljahr, einen beträchtlichen Teil der Führungskräfte ausbomben konnte. Trotzdem kommt es zu massiven Angriffen auf die hiesige Kempetai. Das lässt eigentlich nur einen Schluss zu: Die Engelskrieger sind involviert worden, was einerseits kompliziert und andererseits auch höchst gefährlich ist.“
„Engelskrieger?“, echote Manfred.
„Religiöse Fanatiker, die an der Errichtung ihrer idealen Gesellschaft arbeiten. Das tun sie normalerweise tief im Dschungel, aber sie sind auch verdammte Missionare. Mit der Waffe, wohlgemerkt. Meistens geben sie sich mit Schutzgeldern zufrieden, aber wenn sie die Chance wittern, ihre ideale Gesellschaft zu errichten, suchen sie den offenen Kampf. Oder wenn die Kollekte stimmt.“ Kleinweich dachte kurz nach. „Sie bedienen sich dabei einer Ressource, die es hier auf dieser Welt im Überfluss gibt: Menschen. Genauer gesagt, Kindern. Sie entführen sie oder lesen sie von der Straße auf, indoktrinieren sie, trainieren sie, machen sie hörig, und setzen sie dann als Kanonenfutter ein. Wer lange genug überlebt, um erwachsen zu werden, steigt in ihre Führungsriege auf.“
„Das ist ja grauenvoll“, sagte Cindy entsetzt.
„Das ist wirklich grauenvoll. Dazu kommt, dass diese Kinder derart fanatisiert sind, dass sie sich selbstmörderischer benehmen als die Ronin, gegen die die Chevaliers gekämpft haben. Eine Gefangennahme dieser Kinder ist schwierig, eine Resozialisierung nie gelungen. Kinder sind billig auf dieser Welt, und dies ist das Ergebnis. Kinder sind zudem leichter zu versorgen als Erwachsene, und die meisten Waffen, mit denen man sie ausrüstet, sind relativ leicht, der Umgang mit ihnen einfach.“ Kleinweich schnaubte abwertend. „Haus Odaga hat uns empfohlen, dass wir uns mit überlebenden Kindern überhaupt nicht abgeben, sondern sie von ihren Leiden erlösen, indem wir sie erschießen.“ Das aufkommende aufgeregte Raunen schnitt er mit einer Geste ab. „Weil die Erfahrung von Haus Odaga gezeigt hat, dass sich diese Kinder unauffällig und lernfähig verhalten, wenn es ihrer Natur entspricht. Um dann im schlimmstmöglichen Fall zu versuchen, jemanden umzubringen oder zu fliehen, oder beides.“
„Eine furchtbare Entscheidung“, sagte Battaglini. „Selbst wenn ich es so erkläre, werden meine Panzerfahrer keine verletzten Kinder hinrichten.“
„Das hat ja auch keiner verlangt“, sagte Scharnhorst. „Ich bin ganz froh darüber, dass sich uns die Frage des Umgangs mit ihnen vorerst nicht stellt. Drückt die Daumen, dass es so bleibt. Wir...“

Irgendwo außerhalb des Gebäudes klang das stakkatoartige Feuer eines Flugabwehrgeschützes auf. Sofort sprangen die Offiziere auf und verließen im Laufschritt den Besprechungsraum. „ZIVILMITARBEITER IN DEN BUNKER!“, rief Scharnhorst Cindy zu. „ALLE ANDEREN GEFECHTSBEREITSCHAFT!“
Es gab einen Einschlag, eine Detonation. Zum Glück außerhalb des Gebäudes.
Wieder feuerte das Luftabwehrgeschütz. „Scharnhorst hier! Was ist los?“
„Obermayer hier, Sir! Granaten in der Luft! Wir werden von mindestens zwei Mörsern beschossen! Abschusspunkt wird berechnet. Wir feuern, wenn bereit! Infanterie sucht bereits nach den Spottern, die den Beschuss einweisen!“
Scharnhorst eilte weiter in den Hangar, zu seinem Panzer. Eine weitere Explosion erklang, und sie war stark genug, dass die letzten heilen Scheiben zu klirren begannen. Die Kombattanten, die nicht bereits in ihren Maschinen saßen oder ihre Verteidigungsstellungen erst erreichen mussten, wuselten wild durcheinander, aber für die Eingeweihten mit einem Ziel, einem Plan, einer Ordnung. Jeder hatte seinen Platz, jeder wusste, wo er hin musste.
Scharnhorst entschied: „Das ist eine gute Gelegenheit für einen Bereitschaftscheck. Die Höllenhunde machen mobil und erstellen einen Sperrriegel vor dem Gebäude. Nur für den Fall, dass die Mörsergranaten nur der Anfang sind.“ Er wechselte die Frequenz, wofür er kurz stehen blieb. „Rufen Sie den Raumhafen und geben Sie Startbefehl für die Luft/Raumjäger. Ich will sie einerseits vom Boden weg haben, andererseits brauchen wir sie vielleicht noch“, befahl er. Damit hatte er getan, was er außerhalb seines Panzers tun konnte. Hoffentlich war es genug. Aber es war nie genug, das wusste er aus Erfahrung.

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Mitten ins Herz

16. Juni 3067, Sulafat, Odaga-Verwaltungszone, Provinz Aomori, die Stadt Taonami, Randgebiete

Naima biss wütend die Zähne zusammen, während sie krampfhaft versuchte, den Druck mit ihren Händen aufrecht zu erhalten – mit Fingern, deren Griff trotz der Handschuhe immer wieder abzugleiten drohte, waren sie doch glitschig von Blut und Wasser. Sie bemühte sich, alles andere auszublenden. Sie durfte sich nicht ablenken lassen, sonst würde sie verlieren. Mit ihrer Linken schlitzte sie das Hosenbein des Verwundeten weiter auf, dann schob sie den Gürtel darunter hindurch. Jetzt musste alles ganz schnell gehen. In Gedanken wiederholte sie die Misbaha, ein genau abgezählte Lobpreisung Gottes, die man ihr in der Kindheit beigebracht hatte, und die ihr bei ihrer Arbeit half: „gepriesen sei Gott… gepriesen sei Gott… gepriesen sei Gott…“ Während dessen lockerte sie für einen Moment ihren Griff – sofort sprudelte Blut in einem grässlichen Schwall hervor – packte den Gürtel mit beiden Händen und zog zu. Als sie schließlich bei der dritten Wortkette angelangt war: „Gott ist größer…“ war tatsächlich alles andere aus ihrem Bewusstsein verschwunden. Die Hitze des Feuers auf ihrer bloßen Gesichtshaut, der Gestank nach Blut und Asche, das Heulen des Sturmwindes, die Flüche und Befehle – und die schrecklichen, schrillen Schreie.
Sie wusste, was sie tat war im Grund Stümperei. Der Erstverband, der dem Verwundeten angelegt worden war, hatte sein Leben gerettet, doch inzwischen waren die Bandagen durchgeblutet, und es gab keinen Ersatz – zu viele Verletzte benötigten Hilfe.
Das Bein auf diese Weise abzubinden schuf zudem neue Probleme. Man konnte eine Beinschlagader nicht unbegrenzt lange abdrücken – im besten Fall verlor der Verwundete die Gliedmaße. Er brauchte dringend eine Transfusion, musste abtransportiert, operiert werden.
Doch was sollte sie tun? Der Verbandsstoff war knapp, und der Sanitätstransporter war bereits abgefahren mit zwei Fällen, die in der Ersttriage als aussichtsreicher und wichtiger eingeordnet worden waren. Aber sie hatte sich geweigert, ihren Patienten aufzugeben. Und deshalb knirschte sie mit den Zähnen und versuchte durchzuhalten.
„Es gibt keinen Gott außer Gott…“ Und damit begann sie von neuem. Das zerfetzte Bein war nicht die einzige Wunde…

Sie hatte bereits gewusst, dass eine Menge Arbeit bevorstand, als der Sturm angekündigt worden war. So etwas bedeutete stets Doppelschichten und eine Flut von Einsätzen. Verletzungen durch Trümmerstücke, die durch die Luft gewirbelt wurden, durch abgebrochene Äste und dergleichen, Menschen, die aus ihren zusammengestürzten Hütten gezerrt wurden. Opfer von Kurzschlüssen, von Bränden, Stürze, Halbertrunkene…die Liste war endlos.
So etwas wie dienstfrei gab es im Angesicht eines herausziehenden schweren Unwetters dieser Kategorie nicht, jeder wurde einbefohlen. Die Odaga zahlten nicht schlecht für jene, die ihnen direkt dienten – aber sie erwarteten auch rastlosen Einsatz und unbedingten Gehorsam.
Womit freilich weder Naima noch ihre Kollegen, ja nicht einmal die Herrscher Sulafats gerechnet hatten, waren die Angriffe der Dschungel-Narren in ihrem idiotischen Kreuzzug. So etwas hatte es seit Jahren in dieser Größenordnung nicht mehr gegeben. Und folglich waren die Rettungsdienste durch Sturm UND Angriffe vollkommen überlastet gewesen. Als die Zahl der Anschläge immer weiter zunahm, hetzten die Rettungsdienste von einem Einsatzort zum nächsten. Es war, als ob man einen Buschbrand mit einem Eimer Wasser und einer einzigen Decke zu löschen versuchte.

Dieses Stück Hölle hier – mit dem Feuer, den Toten, die man notdürftig zugedeckt hatte, und den Verwundeten – das war, nach allem was sie gehört hatte, nur ein unwichtiger Nebenschauplatz. Ein Guerillatrupp, der auf dem Rückzug von einem Einsatz oder auf dem Weg zu einem Ziel war, war direkt in einen provisorischen Kontrollposten gelaufen – für beide Seiten eine böse Überraschung, die nach einem erbitterten Schusswechsel mit der Zerschlagung der Rebelleneinheit endete.
Insgesamt waren an dem Gefecht nicht mal 20 Personen beteiligt gewesen. Doch in einer Umgebung wie dieser war das Chaos vorprogrammiert, hier, in einem der schlechteren Viertel. Kugeln durchsiebten dünne Häuserwände, fehlgegangene Granaten setzten Hütten in Brand. Der Narr, um dessen Leben sie kämpfte, war einfach ein Zivilist, der in Panik aus seinem Haus gerannt war, nachdem eine explodierende Handgranate eine Wand eingedrückt hatte. Zu fliehen war zweifellos die richtige Entscheidung gewesen, nur musste man dabei auch auf Deckung achten, eine kurze Feuerpause abpassen. Und durfte nicht vergessen, dass BEIDE Seiten zuerst schossen und erst dann genauer hinsahen, wenn plötzlich jemand in ihrem Visier auftauchte, der nicht eindeutig ein ,Eigener‘ war. Es ließ sich unmöglich sagen, wer diesen armen Kerl niedergeschossen hatte – die Polizei, die Guerilla, oder beide.

Naima hatte inzwischen ihre Arbeit beendet – so gut es eben ging, wohl wissend, dass sie dem Namenlosen bestenfalls einen Aufschub verschafft hatte – und langsam nahm sie wieder ihr Umfeld wahr. Doch etwas war anders…ja – da war, zunehmend deutlich hörbar, ein Laut, der ihr zumindest etwas Hoffnung machte: das Heulen eines Schweberantriebs. Wenn es eine Hoffnung für ihren Patienten gab, dass ein schneller Transport ins Krankenhaus.
Der Neuankömmling hatte sich offenbar angekündigt und legitimiert, denn die Polizisten wirkten nicht so, als ob sie einen weiteren Angriff befürchteten. Als allerdings die Maschine – ein leichter Truppentransporter – aus dem Dunkel auftauchte und mit geradezu prahlerischer Eleganz abbremste und mit gedrosseltem Motor langsam auf den Kontrollposten zurollte, spürte die junge Azami*, wie ihr Mut sank. Das Fahrzeug gehörte nicht zur Polizei, und auch nicht zu den regulären Truppen Sulafats oder der Odaga. Die Abzeichen wiesen es vielmehr als Teil der Kempeitai aus. Und wenn man einer religiösen Minderheit angehörte, die von den Kuritanern außerhalb der Kernwelten der Azami bestenfalls ostentativ ,übersehen‘ wurde, fühlte man sich in der Nähe von Angehöriger einer solchen Truppe…nervös. Es war ein geringer Trost, dass die übrigen Zivilisten – ein halbes Dutzend Angehörige der örtlichen Feuerwehr bemühte sich, die Feuer in den Elendsquartieren unter Kontrolle zu halten, was mehr oder weniger darauf hinauslief, dass sie Gebäude niederlegten, dazu kamen natürlich die Bewohner der Hütten – offenkundig mindestens ebenso eingeschüchtert und verunsichert reagierten.

Die Militärpolizisten in ihren olivbraunen Uniformen, die sich von denen der zivilen Polizei vor allem durch ihre weißen Armbinden mit dem Odaga-Mon und dem Namen ihrer Einheit unterschieden, schwärmten aus, während ihr Fahrzeug wachsam den MG-Turm schwenkte. Obwohl sie sich nicht sicher sein konnten, ob nicht noch versprengte Guerilla in der Nähe lauerten, gingen sie mit einer bedrohlich wirkenden Professionalität und Gelassenheit vor. Ihr Anführer war ein Sho-ko mittleren Alters. Seine Kavalleriestiefel knallten auf das Pflaster, er hatte eine schwere Laserpistole gezogen und blickte sich sichernd um. Dann winkte er den Polizei-Kashira heran, der hier das Sagen hatte. Gehabt hatte…
Naima war nahe genug, um den knappen Rapport zu hören. Der Sho-ko nickte gleichmütig, als sein ,Kollege‘ ihn ins Bild von der Lage setzte. Dann legte er den Kopf leicht schief: „Und warum haben Sie sich nicht…“ er machte eine knappe Handbewegung: „DARUM gekümmert?“
Der andere Polizist senkte das Haupt. DAS – das war der Körper, der einige dutzend Meter vor der niedrigen Sandsack-Barriere des Kontrollpostens lag. Ein kleiner, schmächtiger Körper, aber die wimmernde, hohe Stimme – man konnte sich nicht einmal sicher sein, ob sie von einem Jungen oder Mädchen stammte – voller Schmerz war nur zu deutlich zu vernehmen.
Der Kashira klang resigniert: „Ich war mir nicht sicher, ob da draußen nicht noch andere Rebellen sind. Und es ist gefährlich sie zu bergen, wir kommen kaum mit den zivilen Verwundeten zurecht…“
Der Sho-ko schnaubte: „Ausreden. Und das wissen Sie. Aber gut, ich sehe, dass es hier schlimm steht. Deshalb…“ Wieder eine knappe Geste.
Es ging blitzschnell. Eine Militärpolizistin hob mit einer einzigen fließenden Bewegung ihr Gewehr. Naima wollte sich die Augen, die Ohren zuhalten, doch ihre Arme waren wie gelähmt. Der Schuss krachte, der kleine Körper zuckte zusammen. Dann, mit einem fast müde klingenden, leisen Seufzer erschlaffte er. Mit einmal herrschte – vom Sturm abgesehen, und selbst der schien eine Pause zu machen – vollkommene Stille. Die Zivilisten, die eben noch um ihre zerstörte Habe geklagt hatten, wirkten wie versteinert.
Die Stimme des Sho-ko hallte über die Straße, sie klang dabei nicht einmal grob: „Es ist immer noch Sturm, es gilt immer noch eine Ausgangssperre. Geht nach Hause, Leute. Und wer keines mehr hat, muss bei den Nachbarn unterkommen. Ich nehme an, die haben nichts dagegen, die Tür zu öffnen für jemanden, der in Not ist – ODER? Gut, das dachte ich mir. Lasst die Feuerwehr arbeiten.“
Es überraschte wenig, dass der Aufforderung sofort Folge geleistet wurde.

Erst als die meisten Zivilisten sich entfernt hatten, wandte sich der Kempei wieder an seinen Kollegen. Seine Stimme war fast freundlich: „Sie kennen die Befehle. Also führen Sie diese auch aus. Ich weiß, dass sie schwer sind. Aber Sie wissen auch, warum es sein muss.“
Die Sanitäterin unterdrückte ein Schaudern. Auch wenn sie nicht der Polizei angehörte, sie kannte genug Soldaten und Paramilitärs um zu wissen, wovon er sprach. ,Engelssoldaten‘ – minderjährige Kämpfer von religiös motivierten Guerillagruppen – waren nur schwer gefangen zu setzen, da sie oft bis zum Tod kämpften, und auch verwundet noch ihre Gegner mit sich zu nehmen versuchten. Und selbst wenn man sie überwältigen konnte, fingen die Probleme erst an. Als Insassen von Gefangenenlagern und Gefängnissen waren sie einerseits leichte Opfer für Übergriffe von älteren Gefangenen oder Wächtern, andererseits wild entschlossen zu fliehen. Es hieß, die Shimatze versuchten ihre minderjährigen Gefangenen in isolierten Einrichtungen umzuerziehen und zu resozialisieren. Das war, wie man hörte, extrem mühselig, denn die Kinder waren einer jahrelangen Gehirnwäsche unterzogen worden, und ihre Erzieher hatten ihnen eingehämmert, dass Flucht und Widerstand unbedingtes Gebot waren. Immer wieder kam es zu Rückfällen. Halbwüchsige Gefangene brachen aus den ,Reprogrammierungseinrichtungen‘ aus, um zu ihren ,Eltern‘ zurückzukehren, selbst aussichtsreiche Kandidaten, die als Musterbeispiele für eine aussichtsreiche Heilung betrachtet wurden, verschwanden mitunter einfach spurlos. Einzelne waren auch Amok gelaufen. Sie hatten Wachen angegriffen , das Erziehungspersonal, sogar gegen Mitgefangene, die Zeichen von ,Schwäche‘ zeigten.
Die Odaga hielten denn auch nichts von solchen Bemühungen. Sie hatten ebenso erbarmungslose wie klare Weisungen erteilt – wer als ,Engelssoldat‘ angesehen wurde, der konnte, ja sollte unverzüglich erschossen werden.

Der Sho-ko schien die Sache abgehakt zu haben – mit Sicherheit nicht das erste Mal, dass er einen verwundeten Gegner exekutiert hatte: „Ich sehe, Sie scheinen die Lage jetzt halbwegs unter Kontrolle zu haben. Meine Leute laden gerade zusätzliche Munition aus. Ich lasse Ihnen vier Kempei als Verstärkung da. So wie der Sturm nachgelassen hat, bergen Sie – VORSICHTIG – die Leichen unserer Gegner.“ Er lachte bellend und voller Sarkasmus: „Auf das Köpfe-Sammeln können Sie verzichten.“ Das war wohl seine Vorstellung von einem Witz.
Mit diesen Worten grüßte er knapp, ohne die Ehrenbezeigung des Kashira abzuwarten, drehte sich um und marschierte zu seinem Fahrzeug zurück.
„Tono…!“
Naima war über sich selber verdutzt – und etwas bestürzt – dass sie gewagt hatte, den Kempei anzusprechen. Und offenbar war der ebenfalls erstaunt. Die junge Frau verneigte sich: "Mein Patient muss dringend in ein Hospital, und Euer Transporter…“
Der Unteroffizier verzog leicht die Lippen. Zu sagen, dass das Verhältnis der Bewohner der Elendsviertel und der Angehörigen des Kempeitai nicht das Beste war, war noch SEHR untertrieben. Ungeachtet dessen, dass nicht wenige Polizeisoldaten selber aus solchen Vierteln kamen. Doch wer einmal die Uniform anzog, war für seine ehemaligen Nachbarn und Freunde so gut wie tot. Immer wieder kam es auch vor, dass die Familien von Kempei zum Ziel von Angriffen wurden. Denn die Militärpolizei griff bei Unruhen erbarmungslos durch, und wenn sie Dissidenten und Helfer der Guerilla jagten, schreckten sie nicht davor zurück, auch deren Familien als Druckmittel zu missbrauchen.
Doch dann nickte der Sho-ko abgehackt, zu Naimas Überraschung: „Meinetwegen.“
Binnen kurzem war der Verletzte im Mannschaftsraum der Schweber-SPW verstaut, und die Maschine startete. Tatsächlich waren die Sitzbänke mit Gurten ausgestattet, die es ermöglichten, einen Verwundeten sicher zu fixieren. Wer immer diese Dinger konzipierte, hatte den Einsatz als Behelfskrankenwagen offenkundig einkalkuliert. Nachdem die Sanitäterin sich vergewissert hatte, dass es ihrem Patienten so gut wie möglich ging und sich, dem Vorbild der übrigen Insassen folgend, ebenfalls eingehakt hatte, blickte sie sich vorsichtig um. Sie hatte nicht damit gerechnet, jemals in einem Kempeitai-MTW mitzufahren – jedenfalls nicht ohne Handschellen. Überraschenderweise – oder eben auch nicht – sah das Fahrzeug von innen ziemlich profan aus. Die Bänke waren offenbar auf individuelle Initiative zum Teil gepolstert worden, in einer Ecke hingen Fotos, vermutlich des zugeteilten Polizeitrupps und der Crew. Es gab sogar ein Bild einer schwer bewaffneten aber spärlich bekleideten ore no yome**, wie in ihrem eigenen Krankenwagen – möglicherweise das Idol des Trupps. Es war bizarr, sich zu vergegenwärtigen wie ,normal‘ die Männer und Frauen erschienen, die zugleich bereit waren, ohne zu Zögern ein verwundetes Kind zu erschießen.
,Hm, ich wette, die Engelsoldaten singen auch ein Lied oder lachen über einen Witz – bevor sie Kehlen durchschneiden. Diese Galaxie ist wirklich im Eimer.‘
Die Mitte des Mannschaftsraums wurde durch einen drehbaren, angelegentlich leicht um die eigene Ache rotierenden Stuhl dominiert, auf dem der Bordschütze saß – sein Oberkörper steckte in dem MG-Turm.
Die anderen Insassen ignorierten die Azami. Der Sho-ko tippte auf seinem Computerpad, die zwei übrigen Soldaten behielten die Sichtgeräte – eine Mischung aus spiegel-optischen und elektronischen Installationen – im Auge.

Mit einmal stoppte das Fahrzeug abrupt. Dem Sho-ka flog der Datenblock aus der Hand, was er mit einem saftigen Fluch quittierte. Eine der Polizeisoldaten wurde zur Seite geschleudert, und nur sein Gurt rettete ihn vor einem schweren Sturz.
„Was zum…“
Die Stimme des Fahrers unterbrach den Unteroffizier: „Tono, schaut nur! Rechts von uns.“ Alle starrten nach rechts, auf die Bildschirme und -spiegel. Und da sahen sie es – ein roten Leuchten, flackernd, aber so stark als sei die Sonne bereits aufgegangen.
Naima war die erste, die sprach: „Das kommt aus Richtung Raumhafen…“ Sie hatte ein SEHR schlechtes Gefühl bei der Sache.
Der Sho-ko drehte den Kopf, und möglicherweise das erste Mal sah er sie direkt in, nahm sie wirklich als Person wahr: „Ich fürchte, unser aller Einsatz hat gerade erst angefangen.

***

Etwa zur selben Zeit, die Stadt Taonami, Yoshitoshi Tokugawa-Raumflughafen

Die Sturmbö riss ein großes Stück Wellblech vom Dach des Lagerhauses ab, an dem sie schon eine Weile gezerrt hatte. Wie ein übermütiges Kind wirbelte sie ihre Beute herum, bis sie schließlich mit einem selbst über das Heulen des Windes hörbaren Scheppern gegen die Wand der benachbarten Lagerhalle krachte.
Kitsune musste ihre Lippen zusammenbeißen, um ein Zähneklappern zu unterdrücken, und nicht nur vor Kälte. Bei diesem Wetter auf einem Dach zu hocken – selbst wenn man angeschnallt war und einen Schutzhelm trug – war alles andere als eine gute Idee. Es kam ihr mehr und mehr wie eine ziemliche Idiotie vor. Allerdings, wenn man die Alternativen bedachte…
Und dabei war dies noch nicht einmal mehr der richtige Sturm, eher seine Ausläufer. Ein einziger Blick nach Norden, wo der ganze Horizont hinter der langsam abziehenden Wolkenfront in Flammen zu stehen schien – die fernen Blitze zuckten in einem wahren Trommelfeuer – verstärkte das flaue Gefühl, das sie in ihrem Magen verspürte. Hier gab es ,nur‘ noch Sturmböen, und heftigen Regen, und alle 20, 30 Sekunden einen schweren Donnerschlag…
Doch dann riss sie sich zusammen, hob wieder ihr Sichtgerät – eine Kombination aus Fernglas und Entfernungsmesser – und leierte Angaben herunter, die für den neben ihr kauernden Zwerg bestimmt waren. Externe Messgeräte lieferten ihm zudem Angaben zu Windgeschwindigkeit und Luftdruck.
Beide trugen Tarnanzüge, die über IR-Dämpfung verfügten, und waren deshalb für einen Beobachter bei diesem Wetter so gut wie nicht auszumachen. Mal abgesehen davon, dass momentan kein vernünftiger Mensch freiwillig unterwegs war. Als zusätzliche Vorsichtsmaßnahme war jede blitzende Fläche ihrer Ausrüstung geschwärzt worden. Das schloss auch Zwergs Gewehre ein, langrohrige Modelle, ursprünglich für die Jagd gebaut. Doch was geeignet war, Sulafats größere Tiere auszuschalten, das machte auch mit Menschen kurzen Prozess. Das eine Gewehr wies einen selbstgebastelten Schalldämpfer auf. Dazu kam noch eine Laserpistole als Reserve und ein Kommandodolch. Und ein paar Granaten…
Dennoch war ihr Begleiter unzufrieden gewesen und hatte sich beinahe mit Beast gestritten. Es passte ihm nicht, dass er anstatt einem regulären Scharfschützengewehr mit den umgebauten Zivilmodellen vorlieb nehmen musste, die sie in ihrem Versteck gefunden hatten. Sie waren nicht ganz so genau und wiesen eine geringere Durchschlagskraft auf. Aber der Teamchef hatte jeden Einspruch niedergebügelt. Es war zu gefährlich, echte Kriegswaffen von außerhalb der Stadt einzuschmuggeln – an den Straßen fanden zu oft Kontrollen statt. Vor allem aber galt es den Gegner nicht mit aller Gewalt darauf zu stoßen, dass er es mit Professionellen zu tun hatte. Und das hieß, ihre Waffen mussten das Sammelsurium lokal hergestellter Modelle widerspiegeln, auf dass die Guerilla angewiesen war.

Kitsune hingegen war nur vergleichsweise leicht armiert: eine schallgedämpfte Nambu, eine leichte Laserpistole und einige Blend- und Rauchgranaten. Sie kam sich etwas albern vor – sie war nun einmal keine Einsatzagentin. Aber sie wusste, wenn etwas schief ging, würde sie jedes bisschen an Feuerkraft brauchen. Und an den Rest des Teams wollte sie lieber nicht denken.
Eine leise Klickfolge aus ihrem Funkgerät signalisierte ihr, dass der eigentliche Einsatz begonnen. Ein letztes Mal aktualisierte sie die Messdaten für Zwerg. Der Scharfschütze zielte sorgfältig, dann drückte er ab. Das Fauchen der schallgedämpften Waffe wurde fast vollständig vom Wind geschluckt. Kitsune spähte kurz durch ihr Sichtgerät, dann gab sie dem Rest des Teams die Freigabe.
Sie waren zu viert – das siebente Teammitglied hielt beim Fluchtfahrzeug die Stellung – allesamt in Schleichanzüge gehüllt und bis an die Zähne bewaffnet. Die Bewegungen der Kommandosoldaten waren zielsicher, rasch, aber nicht hektisch. Ohne sich um die Kamera zu kümmern, huschten sie zum Zaun, an dem Warnschilder vor Hochspannung warnten und mit schwersten Strafen für illegale Eindringlinge androhten. Blitzschnell wurde die portable Sturmleiter angelegt, dann waren sie schon hinüber. Kleine Sprengladungen stellten sicher, dass man zur Not beim Rückzug eine ganze Sektion des Zauns umlegen konnte. Kamera und Strom waren ausgeschaltet worden, als Zwerg den entsprechenden Verteilerkasten zerschossen hatte. Natürlich würde der Ausfall in der Zentrale bemerkt werden. Aber bei diesem Wetter waren solche Ausfälle unvermeidlich, die Crew des Raumflughafen auf ein Minimum heruntergefahren. Wenn Sturmwinde an Landern zerrten und Lagerhäuser beschädigten, kamen Überwachungskameras und Sicherheitszäune ziemlich weit unten in der Prioritätenliste. Was hieß, sie hatten etwas Zeit. Und wenn alles lief wie geplant – ein großes WENN – dann würde die Flughafensicherheit zudem bald noch ganz andere Probleme haben…

Der Einsatz war minutiös vorbereitet worden, wochenlang hatten sie geplant und trainiert. Sie hatten das Terrain studiert und sich die Lage der Gebäude genau eingeprägt, ebenso wie die potentiellen Gegner. Fluchtrouten waren ausbaldowert und präpariert, jedes Stück der Ausrüstung mehrfach getestet worden. Dies war es, weshalb man sie auf diese Welt geschickt hatte – um den Gegner mitten ins Herz zu treffen. Oder, genauer gesagt, ihm die Schwingen zu stutzen.
Von Anfang war es ihre Aufgabe gewesen, nach Wegen zu suchen, das Luft-/Raumjäger-Kontingent der Höllenhunde auszudünnen. Die Entscheidung der Söldner, sich in einer vergleichsweise kleinen Anlage außerhalb der Stadt niederzulassen, spielte Kitsunes Kameraden dabei in die Hände. Man konnte Raumjäger nicht in einer ehemaligen Fabrik oder einem Einkaufszentrum abstellen. Sie brauchten betonierte Pisten zum Starten und Landen, die je nach Gewicht und Waffenladung des Jägers mehrere hundert Meter bis zu einem Kilometer oder mehr lang sein mussten. Und diese Söldner hatten geradezu obszön schwere Modelle, dazu zum Teil aus Clan-Beständen, in ihrem Arsenal. Ein Start aus dem Mutterschiff war in der Atmosphäre selbstverständlich vollkommen unmöglich, anders als im Weltall.
Und so waren die vier Jäger der Höllenhunde auf dem semizivilen Raumflughafen von Taonami verblieben, untergestellt in dem Lagerhaus, das den Mietlingen in den ersten Tagen als Quartier gedient hatte. Zusammen mit den Piloten und Technikern der unterbesetzten Staffel befanden sich auf dem Flugfeld das Landungsschiff, dessen Crew und ein Infanteriezug als Wachmannschaften. Die Männer und Frauen schliefen im Landungsschiff – ein weiser Entschluss, doch waren sie immer noch verwundbarer, als wenn sie sich inmitten ihrer kompletten Einheit aufgehalten hätten.

Natürlich waren sie schon für sich genommen kein leichtes Ziel für ein gutes halbes Dutzend Saboteure, und der Flughafen wurde zudem auch noch von der einheimischen Polizei und einem kleineren Militärkontingent der Odaga überwacht. Doch glücklicherweise verfügten Beast und seine Untergebenen über hervorragende Informationen und Unterstützung durch ihre mysteriösen Verbündeten. Ein Aspekt, der viele Angehörige des Sabotageteams insgeheim beunruhigte. Schließlich wussten sie nicht, in wie weit sie sich auf diese Hilfe verlassen konnten. Doch die Befehle der Gräfin waren eindeutig gewesen.
So war ein Plan ausgetüftelt worden, der aus drei Komponenten bestand. Da war natürlich das eigentlich Einsatzteam, bis an die Zähne bewaffnet – ausreichend, um die Handvoll Wachposten an, sagen wir einmal, dem Lagerhaus zu überwältigen, damit ein paar Sprengladungen an den tragenden Wänden platziert werden konnten. Das Landungsschiff der Söldner konnte seine schwere Bewaffnung nicht einsetzen, da es ja seine eigenen Jäger getroffen hätte. Das Ganze war als Blitzangriff geplant.
Natürlich war der Plan für sich genommen Wahnsinn – er mochte glücken, aber die Kommandos würden niemals der unvermeidlichen Menschenjagd durch die Odaga-Polizei entgehen. Doch hier kam Komponenten zwei und drei ins Spiel.
Da waren zum einen die Angriffe durch Guerillas und angeheuerte Schläger in der Stadt und Umland, die darauf zielten Chaos zu verbreiten. Kitsunes Kameraden hatten sich mit ein paar Sprengladungen und dergleichen beteiligt, wobei es ihnen – anders als der Guerilla – nicht darauf ankam, ob sie wirklichen Schaden anrichteten. Die lokalen Sicherheitstruppen würden – bereits durch den Sturm behindert – in jedem Fall überlastet sein.
Und schließlich Komponente drei, die eigentlich in diesem Moment anlaufen musste…

Im Augenblick schien alles ruhig. Die Kommandos arbeiteten sich geduckt und quälend langsam in Richtung auf das Lagerhaus vor, dabei stets das Gebäude als Deckung gegenüber dem Landungsschiff nutzend. Von den gegnerischen Wachposten war im Moment nichts zu sehen – sie hatten natürlich Deckung vor dem Sturm gesucht. In den letzten zehn Minuten hatten sie nur sporadisch aus dem Tor gespäht. Es gab natürlich einige kleine Fenster unter dem Dach des Lagerhauses, und dort standen todsicher ein oder zwei Söldner mit Nachsichtgeräten. Die Mietlinge hatten natürlich mitgekriegt, was in der Stadt los war, und waren mit Sicherheit vorsichtig, um nicht in die Kämpfe hineingezogen zu werden. Aber relativ weitab vom Schuss und mit der Feuerkraft des Landers hinter sich, fühlten sie sich wohl vermutlich sicher. Aber ihr Blickfeld blieb eingeschränkt, und Beasts Team wusste genau, wie es vorzugehen hatte.
Doch mit einmal änderte sich das – das gequälte Heulen einer Sirene vom Landungsschiff ließ Kitsune zusammenfahren. Für einen Moment fürchtete sie, dass der Einsatz aufgeflogen war, doch dann begriff sie, dies war kein Gefechtsalarm.
Stattdessen begann sich die Rampe des Landers zu senken, am Tor des Lagerhauses tauchten einige Söldner auf – und das Tor des Gebäudes setzte sich langsam in Bewegung.
Der Beobachterin fiel beinahe die Kinnlade herunter, als sie erkannte, was vor sich ging, und auch wenn dies wenig professionell war, konnte sie sich nicht versagen, das offensichtliche auszusprechen: „Die wollen ihre Jäger klarmachen? Verrückt – bei dem Wetter.“ Dann besann sie sich auf ihre Pflicht und gab die Meldung an das Team durch. Die Antwort kam sofort – offenbar war der Kommandeur nicht gesinnt, den Einsatz abzubrechen, doch er musste sein Vorgehen anpassen. Er würde das Lagerhaus jetzt nicht mehr ungesehen erreichen können – und es waren vermutlich zu viele Söldner unterwegs, um sie lange genug niederzuhalten, bis die Sprengladungen angebracht waren: „Zwerg – Feuerschutz vorbereiten. Sprengung ist zu riskant. Wir starten Feuerüberfall auf die Jäger und Crew und setzen uns dann hinter Vorhang ab.“ Mit ,Vorhang‘ war eine Mischung aus Thermorauch und Tränengas gemeint, die einen Beschuss oder Verfolgung erschweren sollte.
Der Scharfschütze hatte inzwischen seine Waffe gewechselt. Methodisch ließ er sich durch Kitsune die Entfernungen zu verschiedenen potentiellen Zielen durchgeben.

Die Söldner hatten es offenkundig eilig. Ein Schlepper zog bereits die erste Maschine heraus, um sie zum Rollfeld zu befördern. Vom Lander näherte sich ein Tankfahrzeug – offenkundig ein Halbkettenfahrzeug, langsamer als ein klassischer Lastkraftwagen und mit geringerer Nutzlast, aber im Notfall deutlich geländegängiger. Es würde dauern, alle vier Jäger startklar zu, vielleicht wollte man auch erst einmal zwei in die Luft bringen, und die beiden anderen in Bereitschaft halten.
Der Jäger – eine schwere Maschine mit stumpfer Nase, einem verkümmerten Heckleitwerk und geschwungenen Flügeln, die grob ein X bildeten – trug keine externe Waffenlast, aber die massive Buglafette und die Waffenstationen in den unteren Tragflächen kündeten von mörderischer Schlagkraft. Von ihrer Position aus konnte Kitsune erkennen, dass im Inneren des Lagerhauses Söldner um eine zweite Maschine herum wuselten. Diese war einiges schlanker und besaß zusätzlich zu ihren primären Tragflächen, die sich weit im Heck befanden, ein zweites Paar kleiner Flügel vor dem Cockpit. Weiter hinten waren schemenhaft zwei massive Deltaflügler zu erkennen, die wohl anschließend an die Reihe kommen sollten.
„Wie steht es mit Pandora?“
Auf diese Frage nach der dritten Komponente des Angriffs ließ Kitsune ihr Sichtgerät schwenken: „Trifft gerade am Haupttor ein.“
Beast brach für einen Moment die Funkdisziplin, was sehr ungewöhnlich war: „Verdammt! Jetzt kommt es drauf an…“

Kitsune brauchte einige Sekunden um zu verstehen, was ihren Vorgesetzten beunruhigte. Komponente drei unterstand nicht dem Kommandotrupp, sondern war eine unabhängige Aktion der Guerilla. Die junge Frau fragte sich, wie es gelungen war, die Rebellen so auf Linie zu bringen, dass sie sich ein spezielles Vorgehen vorschreiben ließen. Das war, wie sie nur zu gut wusste, ein heikles Unterfangen. Aber es hatte offenbar geklappt.
Und so rollte gerade ein Treibstofftransporter auf das Haupttor des Raumhafens zu. Versehen mit gefälschten Papieren – und dank entsprechender Vermerke im Computersystem des Raumflughafens – sollte er eigentlich als eine von den Odaga wie von den Außenweltlern abgesegnete Lieferung für die Höllenhunde durchgehen. Das freilich der Laster neben mehr als 20.000 Litern Treibstoff auch eine hochexplosive 50-Kilogramm Bombe enthielt, tief im Tank verborgen und deshalb hoffentlich nicht zu orten, stand auf einem anderen Blatt. In der ursprünglichen Planung war diese kleine Aufmerksamkeit als Autobombe für das Landungsschiff vorgesehen gewesen. Sie hätte es selbst im besten Fall nicht zerstören, aber auf jeden Fall ernsthaft beschädigen können.
Allerdings…wenn die Söldner gerade SELBER auftankten, würde es der Torwache nicht auffallen, das komischerweise im selben Augenblick eine externe Lieferung eintraf? Würden sie nicht zumindest nachfragen…? Und würden die Söldner nicht argwöhnisch auf so eine Lieferung reagieren, wenn sie sich ungefragt näherte?
Nun, es blieb zu hoffen, dass sie ausreichend abgelenkt waren.

Kitsune schwenkte ihr Sichtgerät hektisch hin und her, bemüht, sowohl das Raumflughafentor, den gegnerischen Lander und das Lagerhaus mit den Jägern im Auge zu behalten. Sie versagte es sich, nach den eigenen Leuten zu schauen – sie musste sich darauf verlassen, dass die alleine klarkamen und ungesehen blieben. Die Chancen dafür standen nicht schlecht, denn bei den Söldnern war die Aufmerksamkeit natürlich auf die Startvorbereitungen fokussiert. Vier geübte Infiltranten waren da leicht zu übersehen, vor allem da sie im Dunkeln blieben, während die Fläche zwischen Lagerhaus und Lander inzwischen gut ausgeleuchtet wurde – was die Nachtsicht der Höllenhunde ruinierte.
„Pandora ist durchs Tor…VERDAMMT!“
Der Tanklaster war im Begriff gewesen, Fahrt aufzunehmen, nachdem er die Kontrolle passiert hatte. Doch dann war zu sehen, wie Gestalten aus dem Wachhäuschen sprangen und mit Leuchtfackeln fuchtelten. Sie näherten sich dem Fahrzeug…
Für einen Moment fühlte sich Kitsune, als hätte sie direkt in die Sonne geschaut. Das Sichtgerät verfügte über einen automatischen Filter, doch selbst der verhinderte nicht, dass sie für einen Augenblick praktisch blind war. Dann erreichte sie das Donnern der Explosion, und die Druckwelle fegte über sie hinweg – deutlich spürbar auch aus über einem Kilometer Entfernung.
,Der Idiot hat sich tatsächlich selber in die Luft gesprengt…‘

Unter den Söldner brach – das musste man ihnen lassen – keine Panik aus. Einige Techs warfen sich zu Boden, schrien, unsicher was als nächsten kommen würde. Doch die Soldaten behielten die Nerven. Die Waffen nach außen gestreckt, versuchten sie mögliche Bedrohungen auszumachen, und auf dem Landungsschiff heulte mit einmal der Gefechtsalarm auf.

In diesem Moment gab Beast das Signal zum Angriff.
Zahlenmäßig waren die Saboteure ihren Gegnern weit unterlegen. Einschließlich der Techniker hielten sich gut 30 Höllenhunde außerhalb des Landers auf, und angesichts des Alarms war damit zu rechnen, dass rasch weitere Wachsoldaten auftauchen würden. Aber das Überraschungsmoment lag auf Seiten der Angreifer. Das Feuer aus den Laserwaffen der Kommandos wurde durch ihre einzige schwere Waffe unterstützt, einen Granatwerfer – ein Splittergeschoss zerplatzte über der Landebahn, und auch Zwerg begann methodisch zu schießen. Binnen weniger Sekunden waren die Wachmannschaften ausgeschaltet oder in Deckung gezwungen. Selbstverständlich verschaffte das den Angreifern nur wenige Sekunden, bevor ihre Gegner sich fassten. Doch das war genug.

Kitsune, die mit einer Gelassenheit, die sie selbst überraschte, Entfernungsangaben heruntergeleiert hatte und Zwerg Ziele anwies, hielt den Atem an, als sie sah, wie einer der Höllenhunde zu dem Treibstofftransporter der Söldner huschte – zweifellos, um diese tickende Zeitbombe vom Gefechtsfeld zu entfernen. Laserimpulse schlugen neben ihm in die Außenwand ein, verfehlten den Mann aber knapp.
Für einen Moment schien es, als würde er sein Ziel erreichen – doch dann traf die Werfergranate. Ungeachtet des böigen Windes erwischte das 40-Milimetergeschoss das Tankfahrzeug dicht hinter der Fahrerkabine.
Aus Erfahrung klug geworden, schloss Kitsune die Augen. Ein dumpfer Knall…dann schien einmal mehr die Welt unterzugehen. Die Explosion klang fast so laut wie die viel größere Detonation am Flughafentor, die freilich deutlich weiter entfernt gewesen war.
Als Kitsune wieder in Richtung des Gefechtsfeldes blickte, bot sich ihr ein Bild der Zerstörung. Der stumpfnasige X-Flügel-Jäger war von der Wucht der Detonation glatt auf den Rücken geworfen worden, sein Bauch stand in Flammen. Die Schwestermaschine war eingebrochen – das Fahrwerk schwer beschädigt, mehrere Waffen abgerissen. Kitsune versuchte krampfhaft den Anblick zu verdrängen, der sich im Umfeld des zerstörten Treibstofftransporters bot. Zwar hatten die Jäger einiges von der Explosion abgefangen, aber mehrere Söldner standen lichterloh in Flammen. Die grässlichen Schreie waren bis hierher zu hören. Sogar das Lagerhaus war in Mitleidenschaft gezogen worden – das Tor war nach Innen gedrückt, Teile der Mauer zerfetzt worden, Flammen loderten empor, sowohl an der Außenwand als auch im Innern. Nichts, was man nicht löschen könnte – aber das würde Zeit brauchen…

Ein erstickter Schmerzensschrei über den Funkkanal des Kommandotrupps war die einzige Warnung, dass der Gegner immer noch zurückschlagen konnte. „Abbruch! Abbruch!“ Die Stimme gellte über das Funkgerät – nicht die von Beast, soviel war sicher. Drüben auf dem Flugfeld detonierten die Rauch- und Gasgranaten, mit denen die Infiltranten ihren Rückzug sicherten. Dazwischen explodierten konventionelle Handgranaten zur Abschreckung, feuerte der Granatwerfer mehr oder weniger blind. Zwerg hingegen focht das Durcheinander nicht an: „Kitsune – Entfernung zu der Gruppe direkt neben dem Lander!“
Die ,Spotterin‘ schwenkte das Sichtgerät. Tatsächlich, da kamen sie. Einige Wachsoldaten und…ja, das mussten die Piloten der beiden beschädigten Jäger sein. Klügere Menschen hätten Deckung gesucht, aber in einer solchen Situation handelten Menschen oft impulsiv, und dort draußen auf dem Flugfeld starben und litten Höllenhunde – brannten ihre kostbaren Maschinen. Doch seinen Gefühlen zu folgen, konnte fatale Folgen haben: „485 Meter. Windgeschwindigkeit…58 Kilometer, aus drei Uhr. Luftdruck unverändert.“
Das Gewehr ruckte, als der Scharfschützt feuerte und sofort durchlud, dann peitschte schon der nächste Schuss, und der nächste. Schließlich nahmen Rauch und Nebel ihnen die Sicht.
Wieder meldete sich die Stimme im Funkgerät: „Commander ist ausgefallen, Rest des Teams leicht bis mittelschwer verwundet. Evakuierung sofort nötig.“
Die beiden auf dem Dach schauten sich für einen Moment wortlos an. Jetzt entschied sich, ob diese Nacht auch ihr Ende bedeuten würde. Mit dem Teamchef tot oder schwer verwundet würden sie zwangsläufig evakuieren müssen. Wenn sie es aus der Stadt herausschafften, ehe die einheimische Polizei das Netz zuzog…
Geduckt hasteten sie los – die Uhr lief gegen sie.
An Mitleid mit den toten Söldnern verschwendete keiner einen Gedanken.

***

Hauptquartier der Odaga-Truppen in Taonami, anderthalb Stunden später

In seiner Kommandozentrale kämpfte Anatoli Tanigaki gegen ein schier überwältigendes Gefühl der Frustration – gespeist aus der Tatsache, dass er gegen nichts anderes kämpfen konnte. Er war kein hirnloser Nur-Krieger wie viele Claner und FIS-Mechpiloten, aber es fiel ihm schwer in der Sicherheit des Befehlsstandes zu hocken, wenn er draußen direkt ins Kampfgeschehen hätte eingreifen können. Aber das stand nicht zur Debatte. Sein überschwerer Mech war wirklich nicht das geeignete Werkzeug, um versprengte Partisanen zu jagen, und die Einsätze von hier aus zu koordinieren war wesentlich nützlicher.
Zumindest zeichnete sich mehr und mehr ab, dass sie die Lage wieder unter Kontrolle bekamen. Die Möglichkeit der Guerilla, eventuelle Verstärkung für ihre Einsatzkräfte zu schicken, war durch aggressive Patrouillen im Umland unterbunden worden. Einer nach dem anderen hatte man die im Stadtgebiet aktiven Kommandos der Guerilla aufgespürt und unschädlich gemacht. Einige waren zweifellos entwischt, aber die Rebellen hatten einen hohen Preis für den Angriff gezahlt. Ein halbes Dutzend ihrer Kämpfer war gefangen genommen, mehr als dreißig getötet worden – die abschließende Zählung stand noch aus, und hoffentlich würde man noch einige weitere erwischen.

Die Schäden waren allerdings erheblich. Nicht weniger als 18 Polizisten und Soldaten, fünf Zivilangestellte und mindestens 30 Zivilisten waren bei den Angriffen umgekommen, dazu kamen insgesamt über 100 Verwundete, von denen es etliche wohl nicht schaffen würden. Der Eingangsbereich des Raumflughafens und die Tenno-Kurita-Brücke waren beschädigt, ersteres Ziel schwer, doch auch die Brücke würde für Wochen oder Monate bestenfalls eingeschränkt nutzbar sein.
Auch die Höllenhunde hatte es ordentlich erwischt – neben einem Angriff auf ihr Hauptcamp hatte das Detachement am Raumflughafen erheblich bluten müssen. Die Söldner waren nicht eben mitteilsam, was die Schäden angingen, aber die Beobachter der Odaga rechneten mit insgesamt um die 20 Toten und Schwerverwundeten. Ein Jäger vom Typ Jagatai war schwer, ein Visigoth mittelschwer beschädigt. Und auch die verbleibenden zwei Slayers hatten zumindest leichte Schäden davongetragen, durch Feuer und herabfallende Gebäudeteile, als die als Behelfshangar dienende Lagerhalle partiell ausgebrannt war. Nicht, dass der Tai-i deswegen Tränen vergossen hätte, aber sogar er – der den Söldner nicht so weit traute, wie er ihren feisten Chef-Schnüffler werfen konnte – musste eingestehen, dass es abwegig war, jetzt noch eine Kooperation zwischen der Guerilla und den Mietlingen zu unterstellen. Was nicht hieß, dass er die Verschwörungstheorien der Fremdweltler glaubte, die offenbar in jedem Anschlag eine grandiose Intrige vermuteten. ,Was wetten, dass Scharnhorst mir als nächstes wieder damit in den Ohren liegt?‘ Als Fremdkörper hatten sie sich als Ziele nun einmal angeboten, aber das wollten sie offenbar nicht erkennen…
Allerdings, der Angriff am Raumflughafen WAR ziemlich effizient geplant und durchgeführt worden. Irgendwie hatte es die Guerilla geschafft, zumindest auf niederer Ebene nicht nur die elektronische Administration des Raumhafens, sondern auch die damit verknüpften polizeilichen und militärischen Sicherheitsprotokolle teils zu umgehen, teils zu manipulieren. Die Computerfachleute der Sicherheitsdienste nahmen das bereits genauer unter die Lupe, aber dass es überhaupt gelungen war ohne aufzufallen, war ein beunruhigendes Zeichen.

„Tono!“ Die Stimme der Go-cho, die wie der Rest des Teams seit Beginn der Angriffe die Stellung gehalten hatte, signalisierte beunruhigende Meldungen: „Chu-sa Obuchi mit einer Meldung höchster Dringlichkeit!“
Der Tai-i straffte sich. Egal was es war, er würde ein angemessenes Bild der Entschlossenheit bieten müssen: „Verbindung herstellen!“
Die Verbindung flackerte gelegentlich, war aber klar genug, um ein ausreichendes Bild zu übermitteln. Und auch wenn es beunruhigend war, dass sich der Oberkommandierende der Odaga-Truppen auf Sulafat zum zweiten Mal an einem Abend meldete, strahlte der ältere Offizier doch beruhigende Professionalität und Gelassenheit aus. Er nahm sich sogar Zeit für eine formelle Begrüßung, und ließ sich auf den neusten Stand der Dinge bringen. Doch dann kam er direkt zur Sache: „Es sieht aus, dass die Angriffe möglicherweise Teil einer größeren, von langer Hand geplanten Aktion sind. Ich habe soeben eine Nachricht direkt von Sho-sa Kanze Maeda erhalten.“ Auch das war, natürlich, ein beunruhigender Umstand. Der Kommandeur der Shimatze-Streitkräfte auf Sulafat rief nicht einfach an, um sich zu erkundigen, wie es seinen Nachbarn ging. Und tatsächlich: „Eine seiner Radarstationen hat unregelmäßige Werte aufgefangen, die offenkundig NICHT von Asteroiden stammen können. Ich habe daraufhin die elektronische Aufklärung ausgeweitet.“ Angesichts dessen, dass nur ein kleiner Teil Sulafats wirklich bewohnt war und es sich nicht empfahl, im tiefen Dschungel und unter der Nase der Rebellen Ortungsantennen aufzubauen, verfügte das Militär beider Schutzmächte über einige Seeschiffe und Flugzeuge, die der elektronischen Aufklärung dienten, und die Reichweite der landgestützten Einrichtungen im Notfall deutlich erweitern konnten.
„Wir konnten die Ortungen der Shimatze bestätigen und konkretisieren. Offenkundig ist ein unidentifizierter Lander – der Gewichtsklasse nach ein Union oder Seeker – auf dem Weg in die Umlaufbahn. Er hat es verstanden, der Langstreckenaufklärung zu entgehen, aber inzwischen hat er begonnen abzubremsen, und ist deshalb besser zu erkennen. Er hält sich direkt hinter der Sturmfront und wird voraussichtlich in Ihrer Provinz niedergehen. Ich schicke die ermittelten Flugvektoren.“ Was er nicht hinzufügen brauchte, war der Umstand, dass ein geübter Kapitän solche Berechnungen problemlos nutzlos machen konnte, indem er in letzter Sekunde mit Vollschub einige Kurswechsel vornahm. Minimale Abweichungen konnten Dutzende Kilometer Unterschied bedeuten.
Tai-i Anatoli hatte mit einer Offensive der Rebellen kämpfen müssen, und man musste ihm zugutehalten, dass er die Nachricht, dass nun anscheinend auch noch ein Raid bevorstand, ziemlich gut wegsteckte: „Danke, Tono. Ich kümmere mich darum. Wir bleiben in Kontakt.“
Dann nickte er der Kommunikationssoldatin zu: „Rufen Sie die Höllenhunde. Sagen Sie Ihnen, es sieht so aus, als ob die Claner da sind. Es wird Zeit, dass die Söldner sich ihr Geld verdienen.“

Ende

************
* Azami sind Angehörige einer im 21. Jahrhundert in Nordafrika entstandenen Sekte der Schiiten, die Elemente der frühislamischen Schurat (von ihren Gegnern Charidschiten genannt) übernahmen, etwa recht egalitäre Vorstellungen, nach denen jeder Gläubige ungeachtet seiner Herkunft zum politischen und religiösen Anführer berufen sein kann – bis hin zum letzten Imam. Die Azami gehörten zu den ersten Muslimen, die Terra verließen. Vom Kombinat nach blutigen Kriegen integriert, behaupteten sie auf ihren Welten religiöse Autonomie, doch außerhalb dieser müssen sie zumeist ihren Bräuchen im Geheimen nachgehen – abhängig von der Position des jeweiligen Herrschers. Gegenüber Angehörigen anderer Religionen meist tolerant, haben sie wenig Geduld mit Abweichlern in den eigenen Reihen, namentlich wenn diese den Status Quo mit dem Kombinat bedrohen könnten.

** Anime-Idol, mitunter an der Grenze zum Fetisch. Im westlichen Kulturkreis sind eher Begriffe wie Waifu (für weibliche Idole) bzw. Husbando (für männliche) gebräuchlich.

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Landungsschiff im Anflug auf Sulafat

Vorgesehene Ankunftszeit: 19,65 Stunden



Nur noch Stunden bis zur Landung. Das Schiff hatte mehrere Umwege sowohl innerhalb des Systems, als auch in der Atmosphäre gemacht und somit seinen Anflugweg verschleiert. Hadriana Framma alias Spike war ruhiger als sonst. So kurz vor einem entscheidenden Einsatz war dies für viele andere selten, außer für die abgehärtetsten Profis im Kriegsgeschäft. Aber Spike hatte gelernt. Nachdem sie noch vor einiger Zeit fast jede Nacht von Starschina, ihrem Kameraden aus Sicas Theaterlanze, aus Alpträumen geweckt, beziehungsweise beruhigt wurde, hatte sie eine Lösung gefunden: sie schlief in ihrem Cockpit. Im Sprinter. Dies war seitens der Befehlshaber eigentlich nicht erlaubt, aber mit dem Cheftech und ihrem Tech hatte sie Vereinbarungen getroffen, so dass ihr niemand auf die Schliche kommen sollte. Seitdem hatte sie verdammt gut schlafen können, war sogar früher auf den Beinen als Weckzeit war und hatte keine Alpträume mehr. Ihre Stimmung war geradezu euphorisch. Der Mech, so klein er war, war ihre Maschine. Zumindest für die Zeit der Mission auf Sulafat, jedoch machte sie sich keine Gedanken um danach. Sollte sie ihre Sache gutmachen, und kaum jemand konnte härter arbeiten als sie, würde sie mit Sicherheit der Maschine zugeteilt bleiben. Sollte sie im Einsatz sterben… dies war ihr keinen Gedanken wert. Sie wurde mit jedem Tag der Übung besser, körperlich, geistig und mit der Maschine.

Ihre Konfiguration für den Einsatz hatte sie in Abstimmung mit der Theaterlanze zusammengestellt, natürlich auch in Hinblick auf ihre Rolle in der gesamten Einheit.

Da sie keine Claneinheit waren, würden auch die Optionen einer Rekonfiguration im Feldeinsatz eingeschränkt sein, immerhin kostete so etwas Zeit, so gering dies im Vergleich auch war, und sie hatten als freie Einheiten natürlich auch nur begrenzt Zugriff auf Ressourcen und den entsprechenden Platz. Abgesehen von einer Feldbasis, die ein lohnendes Ziel abgab. Zu Beginn ihrer Reise waren noch viele Verbrauchsgüter sogar im Mechhangar gelagert gewesen, der Großteil wurde entsprechend auf dem Weg verbraucht. Daher hatte sie aus den begrenzten Vorräten eine recht flexible Beladung zusammengestellt.

Ein weiteres Mal prüfte sie ihre Konfiguration. Die Infernoraketen waren nicht voll bestückt, aber das war in Ordnung. Es gab nicht genug Munition für den Raketenwerfer. Normale Raketen waren nicht annähernd so wirkungsvoll in puncto Schaden und Wirkung. Zwar würde der Dschungel die Flammen nicht so weit ausbreiten lassen, jedoch war ein getroffener Panzer praktisch ein Ausfall für den Feind. Multipliziert mit ein paar Treffern aus einem vollen Magazin konnte Spike theoretisch die halbe Söldnereinheit ausschalten. Dies war natürlich keinen weiteren Gedanken wert, da ein guter Treffer oberhalb eines mittleren Lasers ihre Maschine ausschalten konnte, jedoch war es ein gutes Argument für die Wirkungsmacht dieser Munition. Die Laser waren voll in Ordnung, und die Elektronik, das Kernstück ihrer Maschine, funktionsfähig. Die ECM-Suite hatte einige Kalibrierungsfehler auf längere Entfernung die sie morgen angehen würden und die Aktivsonde brummte zuverlässig, auch wenn beide zusammen eingeschaltet ihre kaum sichtbaren Armhaare aufrecht stehen ließen. Das war ein geringer Preis für die Schutzwirkung durch Eloka und damit schnellere, präzisere Aufklärung samt Störung für den Gegner. Im Dschungel war die Reichweite eingeschränkter, jedoch dadurch noch wertvoller für die Einheit.

Einige Diagnosen später war sie wieder fertig für die Nachtruhe. Der letzte Tag vor der Vernichtung der Höllenhunde war angebrochen…


***

Sulafat, gemischte Kampfgruppe


Kotzi war im Gegensatz zu anderen Kameraden nicht nervös, er war nur schlechter Laune. So lange ohne Landgang und nur wenig Sinnvolles zu tun zehrte an seinen Nerven. Wenigstens hatte er wieder festen Boden unter den Füßen, und allen Unkenrufen zum Trotz konnte man auf Sulafat sogar ohne Maske herumlaufen – im Unterschied zu Naraka. Allerdings war es strikt verboten, sich zu weit vom Landungsschiff zu entfernen. Und natürlich war der bevorstehende Einsatz auch kein Stimmungsaufheller in dem Sinne.

Kotzi wollte nicht sterben, also musste er wohl Söldner töten. Soweit das möglich war, sollte er weiterhin nur Transporter fahren dürfen. Irgendwann konnte er vielleicht Panzer fahren und damit direkt zum Kampf beitragen, jedoch wusste er derzeit noch nichts. Es war jedoch zu erwarten, dass es Ausfälle bei der Panzertruppe geben würde, Sulafat war ein garstiger Planet, der viele widerliche Gefahren in groß und klein versteckte. Die großen konnten sie hoffentlich bekämpfen, die kleinen waren ebenfalls hoffentlich durch die Impfungen abgedeckt.

Was Kotzi noch ankotzte war, dass Spike offenbar nichts mehr von ihm wissen wollte. Ihr Abschied am Sprungpunkt war alles andere als herzlich gelaufen, und schon auf der Reise nach Sulafat war sie spürbar auf Distanz gegangen. Er wusste ja, dass es gut war, wenn sie die Einheit gut mit Aufklärung versorgte, aber ihm ging es nicht darum.

Missmutig leerte er einen Schluck Naranjisaft, sein persönlicher Vorrat, der praktisch alle war. Vielleicht gab es die Chance auf Sulafat etwas Alkohol zu besorgen, der einen nicht umbrachte.

***

In seiner Koje lernte Nase wie hypnotisiert. Vom Aufbau eines Kearny-Fuchida-Kerns bis zum Einbau von Türen auf Sprung- und Landungsschiffen. Von der Sprungprozedur nach Sternenbund-Norm bis zu obskuren optionalen Notprozeduren der Freihandelsgilde (die gern auch von Söldnern und Piraten angewendet wurden). Einen Teil hatte er davon nur überflogen. Es ging jedoch weiter mit den Vorschriften für die Größe der Wartungsluken zum KF-Kern (niemals direkt, weil man sonst dank des tiefsttemperierten Heliums sofort sterben würde) und die Abmaße von Andockpunkten an raumfähigen Fahrzeugen. Dies ging von elektrischen Anschlüssen, die praktisch nur eine Buchse waren bis zu gigantischen Frachttoren an Behemoth-Landungsschiffen, die jedoch drolligerweise nie auf Planeten landen konnten, weil sie einfach zu schwer waren, ihr Eigengewicht zu tragen, geschweige denn abzuheben.

Er saugte die Informationen auf wie ein Schwamm.

Sein potentiell tödlicher Einsatz als Mörsertruppler war dagegen vernachlässigbar, jedenfalls dann, wenn niemand mehr etwas Dienstliches von ihm wollte.

Nach dem Einsatz musste er eine Eingangsprüfung bestehen, allerdings hatte er den Stoff schon vor Wochen verschlungen und beschäftigte sich mit Daten, die erst in den letzten Jahren einer Ausbildung als Sprungschiffmatrose bzw. -techniker gefordert wurden. Er war in seiner Freizeit... glücklich.

Seine Kameraden behelligten ihn nicht, sie schüttelten nur die Köpfe über ihren "Nase", und baten ihn selten mal um Rat, wenn es unterschiedliche Auffassungen zu Sprichwörtern (die Einheit war vielsprachig, kein Wunder bei der gemischten Herkunft der Soldaten) oder Etikette ging. Er galt als Kapazität geistiger Art, ansonsten war er nicht sehr unterhaltsam. Selbst seine Vorgesetzten hatten bis auf seine eigenbrötlerischen Anwandlungen keine Beschwerden über ihn.

Bald war Nachtruhe, wie ein kurzer Alarm ankündigte. Kurz schoss Nase der kommende Einsatz durch den Kopf, aber er sah ein Diagramm eines nur vermuteten Spionagesprungschiffs aus Sternenbundzeiten, stellte seinen Alarm auf 2 Stunden und las vom Nightwing und dessen Daten.

__________________
Combined Arms Mechwarrior, hier fahre ich Epona, stampfe mit NovaCat, fliege Shiva und bin BA.
Stand-alone, ohne irgendwelche Voraussetzungen. Kostenfrei.

http://www.mechlivinglegends.net/2017-01/mechwarrior-living-legends-communi
ty-edition/

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07.08.2020 23:25 Marlin ist offline E-Mail an Marlin senden Beiträge von Marlin suchen Nehmen Sie Marlin in Ihre Freundesliste auf
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Mit der gebotenen Routine und der Selbstsicherheit, die langes Training mit sich brachten, rückte die Alarmrotte der Panzer aus; ein paar Minuten später waren auch alle restlichen Panzer voll bemannt und verließen die Tiefgarage nach Gefechtsplan.
Als Scharnhorsts Panzer in der Mitte des Pulks auf den ehemaligen Parkplatz fuhr, gab es vereinzelt Feuer in den nahen Wald hinein, aber die Feuererwiderung war äußerst spärlich bis nicht existent.
„Able Romeo, hier Able Romeo. Bericht.“
„Able Romeo, hier Baker Zulu. Kein direkter Feindkontakt, ich wiederhole, kein direkter Feindkontakt. Verifiziere Beobachtung der Infanterie mit Plus zwei Mörsern, begleite Infanterie zu den errechneten Abschussstellen. Vermute dort geräumte Stellungen und eventuell versteckte Sprengfallen.“
„Baker Zulu, verstanden. Ich sende Conrad Romeound Diana Romeo zur Unterstützung.“ Die beiden Panzer der zweiten Rotte der Befehlslanze zogen an den anderen Gefechtswagen der Höllenhunde vorbei und stießen auf den Spuren der Alarmrotte ebenfalls in den Wald vor, was praktisch war, denn auf den plattgewalzten Schneisen gab es garantiert keine Minen.
„Der Rest bildet eine feste Stellung in den vorbereiteten Gruben. Achtet mir vor allem im Osten und Westen auf mögliche Mech-Angriffe. Mit ein paar Mörsereiern beworfen zu werden ist nichts weiter als eine halbherzige Ablenkung. Falls Feindkontakt, je nach Situation selbst entscheiden, ob frei manövriert wird.“
Über ein halbes Dutzend Bestätigungen erreichten Scharnhorst, der auf seiner gedanklichen Liste hinter jedem Panzer einen Haken setzte.

Die Höllenhunde waren nicht faul gewesen und hatten ausschließlich im zum Pool umgebauten Brunnen geplanscht. Sie hatten auch über zwanzig Schutthügel halbkreisförmig aufgeworfen oder gleich befahrbare Gruben ausgehoben – von denen der Bauschutt für die Hügel stammte, welche den Panzern Deckung vor Beschuss boten. In diesen Stellungen würden die auf dem Gelände verbliebenen Panzer der Höllenhunde das Gelände absichern und eventuell einen Flankenangriff vereiteln. Scharnhorst lächelte schwach. So unpraktisch die alte Mall für einen Außenstehenden auch aussehen mochte, das Verteidigungssystem konnte sich sehen lassen und würde selbst einer Übermacht so lange Schwierigkeiten machen, wie noch ein Höllenhundpanzer feuern konnte. Sein Panzer fuhr in die vorgesehene Grube ein und stellte die elektronischen Lauscher auf. Viel erwartete der Major der Höllenhunde eigentlich nicht, denn bei all dem, was auf dem Gebiet der Odaga vorgegangen war, konnten die unidentifizierten Angreifer kaum noch Material und Kraft übrig haben, um die Söldner in eine ernsthafte Situation zu bringen oder gar ihre Auslöschung heraufbeschwören, sonst hätten sie solche Fähigkeiten längst gegen Kampfeinheiten eingesetzt, die auf Sulafat bleiben würden, nicht auf eine Einheit, die nach dem Ende ihrer Untersuchungen wieder abfliegen würde.
„Feindkontakt! Feindkontakt!“, gellte der Ruf über Funk auf.
„Hier Able Romeo, Bericht!“
„Baker Zulu für Able Romeo! Wir haben einen der Mörsertrupps aufgespürt und bekämpfen ihn! Ich erkenne einen Mörser und vier Bewaffnete, Automatikgewehre! Nichts, was unseren Panzern gefährlich werden könnte! Sollen wir auf Humble Alpha warten und den Feind niederkämpfen?“
Scharnhorst dachte kurz nach. Würden ihnen Gefangene etwas nützen? Vielleicht. Vor allem Anatoli Tanigaki würde zumindest rudimentäres Interesse am Wissen dieser Leute haben.
„Negativ. Bekämpfen und, falls sich jemand ergibt, stellen und dann auf die Infanterie warten. Ich möchte die Angreifer nicht entkommen lassen, Baker Zulu.“
Ein Panzer, der fliehender Infanterie hinterherfeuerte, bedeutete nicht gerade großartige Überlebenschancen, aber Scharnhorst war in allererster Linie dem Leben seiner Leute verpflichtet, nicht dem irgendwelcher Guerillas, die meinten, sie könnten ihren Stützpunkt bombardieren.
„Baker Zulu, bestätige.“ Schweres MG-Feuer röhrte im Wald auf. „Situation bereinigt, Able Romeo.“
„Gute Arbeit, Baker Zulu. Humble Alpha schickt Aufräumtrupps. Markieren Sie die Stelle auf der Karte und suchen Sie nach weiteren Angreifern.“
„Verstanden, Able Romeo.“

Scharnhorst hielt kurz inne, dann kontaktierte er Battaglini. „Kilo Foxtrott von Able Romeo, Bericht.“
„Hier Kilo Foxtrott. Melde: Keine Vorkommnisse, keine Infrarotschatten, nichts.“
„Das schmeckt mir nicht“, gestand Scharnhorst.
„Zustimmung“, sagte Battaglini. „Wozu dann überhaupt der schwache Angriff mit den Mörsern? Ist nicht so, als würde das zu jeder vollen Stunde passieren und uns mental auslaugen. Irgendwas steckt dahinter.“
„Zustimmung. Senden Sie Lima Foxtrott und Mike Foxtrott aus. Sie sollen auf den Busch klopfen und nachsehen, ob Schlangen darunter hervor kriechen.“
„Habe verstanden. Ich lasse Lima Foxtrott und Mike Foxtrott den Waldrand planieren.“
„Bestätige“, sagte Scharnhorst. Zwei Ajax, ein Standard und ein A-Version, beide neunzig Tonnen schwer und sehr gut gepanzert, aber noch besser bewaffnet, waren mächtige Stöcke, um direkt vor den eigenen Kanonen, die jederzeit Unterstützung leisten konnten, mit denen man aufs Unterholz kloppen konnte.
„Able Romeo von Papa Yankee. Gleiches Vorgehen auf der Westseite?“, kam es von Second Lieutenant Angström.
Scharnhorst dachte kurz über die Frage nach. In Richtung Westen war vor allem Sumpfland und die Straße in die Stadt. „Negativ. Auf der Seite haben wir nur den Angriff sehr schwerer oder sehr schneller Einheiten zu befürchten, und die werden wir sehr rechtzeitig sehen. Aber bleibt wachsam.“
„Habe verstanden, Able Romeo.“
Scharnhorst war zufrieden. Sein Befehlsstiel unterschied sich doch sehr von dem Dolittles, aber die Panzerfahrer, allen voran Battaglini selbst, hatten sich gut unter ihm eingefunden, wohl wissend, dass eine gute Führung ihnen ihre Privilegien erhalten würden. Und das hatte es getan.

„Able Romeo von Humble Alpha. Wir haben einen Code Red am Raumhafen.“
Scharnhorst spürte, wie sich ihm der Magen zusammenzog. War das der eigentliche Angriff für die Ablenkung, die hier inszeniert worden war? „Sprechen Sie, Humble Alpha.“
„Die Hafenwache meldet einen direkten Angriff und einen explodierten Kerosintanker. Schwere Schäden und Verluste, alle Maschinen haben Schäden erlitten, wie schwer ist noch nicht klar. Mehrere Piloten sind ausgefallen, und auch da wissen wir von noch von nichts. Die Hafenwache bittet um Entsendung des MedEvacs und weiterer Leute.“
„Bestätigt“, sagte Scharnhorst mit ruhiger, sonorer Stimme, die seine Leute in Zeiten wie diesen dringend brauchten. „Schicken Sie ein Fire Team mit den VTOLs zum Hafen runter, Humble Alpha. Wir müssen schnellstmöglich die Situation klären. Und ich muss wissen, welcher unserer Vögel noch einsatzbereit sind, geschweige denn die Piloten.“
„Verstanden, Able Romeo. Entsende Team.“ Auch die Stimme von Captain Lane ließ sich nicht einen Funken Nervosität anhören. Auch er wusste, was nun von ihm verlangt wurde.
Scharnhorst gestattete sich ein sehr leises und sehr unauffälliges Zähneknirschen. Verdammt. Der Raumhafen, der verdammte Raumhafen. Dabei hatte er gedacht, mit dem Flugbefehl hätte er die Luft/Raumjäger aus der Gefährdung genommen. Wahrscheinlich war er genau die eine Minute zu spät gekommen, die die Höllenhunde am Hafen gebraucht hätten, um zumindest die erste Rotte sicher zu starten. Das bedeutete auf absehbare Zeit keine Luftdeckung. Das machte nicht viel, solange sie es mit Guerillas zu tun hatten. Aber sobald ihr renitenter Feind mit eigenen Luft/Raumjägern aufwartete, konnte es in einem Tontaubenschießen enden. Wer immer ihnen das angetan hatte, er hatte hoch gepokert und augenscheinlich dieses Blatt gewonnen.
***
Die erste Schlächterrechnung war unerwartet brutal ausgefallen. Drei der Maschinen, die beiden Clansvögel und der Slayer von Jeanne Schultz waren für längere Zeit ein Fall für den Hangar. Ein Pilot, To-wai Zhai, wurde vermisst, Status unbekannt. Captain Ross sowie Lasse Blutström lagen mit verschieden schweren und mittelschweren Verletzungen im Lazarett. Blutström wurde notoperiert. Nur Jeanne Schulz war mit einigen Verbrennungen Zweiten Grades, diversen Blauen Flecken und einer gebrochenen Nase davongekommen und daher im Anbetracht der Umstände fast einsatzbereit, aber was nützte ihnen fast einsatzbereit? Sie konnte notfalls auf Blutströms Slayer steigen, und dies war eine Option, die die Höllenhunde in der Hinterhand halten würden, aber zwei Rotten auf eine Maschine reduziert zu sehen war ein verdammt harter Schlag.
Scharnhorst hatte nicht erwartet, dass der gut gesicherte Raumhafen angegriffen werden würde, und dies hatte sich jetzt bitter gerächt.
Dazu kam zu allem Überdruss noch eine Nachricht von seinem ganz persönlichen Wachhund, Tai-i Tanigaki. Demnach war die Mech-Einheit, die sowohl Shimatze-Gebiet als auch Odaga-Gebiet angegriffen hatte,augenscheinlich im Schutz des Sturms im Dschungel gelandet, und dies in bequemer Schlagdistanz zur Stellung der Höllenhunde. Nun war klar, warum ihre Luft/Raumjäger attackiert worden waren. Nun war allerdings auch klar, dass sie es nicht mit einer Geisterbäreneinheit zu tun haben konnten. Und dass sich ihr unbekannter Feind so exponiert präsentierte, war natürlich eine Falle, da machte sich Scharnhorst keine Illusionen. Allerdings war eine Falle, die man kannte, nur noch halb so effektiv, und irgendwann musste er den Waffengang mit ihrem gesichtslosen Gegner suchen. Aber es sollte nichts überstürzt werden, überhastet, allerdings die Gelegenheit auch nicht verschwendet werden. Also würden die Leichten Einheiten den Feindkontakt suchen und Aufklärung betreiben und dann, wenn möglich, hinter sich her ziehen, in Richtung der nachfolgenden schweren Einheiten. Zu dem Zeitpunkt würde Manfred Scharnhorst bereits genug über ihre Gegner wissen, um entscheiden zu können, ob er mit den schweren Einheiten ebenfalls zuschlug, oder doch lieber Fersengeld geben würde. Er spürte das Verlangen, sich für den feigen Angriff auf den Hafen zu rächen, aber es hätte nicht seiner Bekanntschaft mit Germaine Danton bedurft, um ihn zur Vorsicht zu mahnen. Dennoch, egal in welche Richtung er dachte, dies war eine Gelegenheit, und er musste sie annehmen. Musste. Und dafür würden die Höllenhunde einen Preis bezahlen, denn dafür worden wiederum sie bezahlt. Noch einen Preis. Vielleicht höher als den, den sie bereits erreichtet hatten. Vielleicht auch nicht.
„Ausrücken“, befahl Scharnhorst.

__________________
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Angry Eagles

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Clan Blood Spirit

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Scharnhorsts von Luckner reihte sich in die Marschkolonne auf dem Parkplatz ein, während die Sprunginfanterie mit ihren Transportern aufschloss. Zwei Züge würden die großen gepanzerten Brüder begleiten, bin Shagmans 3., und McRonnoughs 4. Zug. Dazu kam ein Trupp Pioniere mit Sprengausrüstung. Für den Fall, dass ein paar Minen gelegt, oder abgeschossene Mechs entmint werden mussten. Um sich wusste er die leider nicht ganz vollständigen zwei Kompanien seiner Höllenhunde; bisher waren sie nicht in der Lage gewesen, den Verlust in der Schweberscoutlanze und in der Kettenkampflanze auszugleichen, denn im Dienste ComStars hatte es nicht viele Möglichkeiten gegeben, fähige Leute anzuwerben, geschweige denn geeignete Fahrzeuge zu bekommen. Und als Scharnhorst davon gehört hatte, dass es eine aus den Husaren entstandene, neu aufgestellte Panzerkompanie bei den Chevaliers gab, die einen fähigen Captain hatte, war es eigentlich nicht mehr notwendig gewesen. Bis es zu spät war. Und jetzt stand er hier mit zweiundzwanzig Panzern statt vierundzwanzig. Und von denen ließ er auch noch eine Lanze zum Schutz der Basis zurück. Seine Wahl war auf Ruth Sweetmakers Schlaglanze gefallen, obwohl auch die Artillerielanze in seinen Gedanken eine Rolle gespielt hatte, weil beide Lanzen mit sehr schwerem Gerät aufwarteten, das in unwegsamen Gelände schnell zum Hindernis wurden; allerdings wollte er auf die Luftabwehreigenschaften des Ontos und der LSR-Lafetten nicht verzichten, sollte es hart auf hart gehen.

„An alle von Tank“, sagte er auf der allgemeinen Frequenz. „Der Plan sieht wie folgt aus. Vorhut ist die Schweberkampflanze. Das hat Gründe, zu denen ich gleich komme. Danach folgen Kommandolanze, Artillerielanze und als Nachhut die Kettenkampflanze. Die Scoutschweber flankieren mit je einem Vehikel auf den Seiten und hinten, um uns vor unliebsamen Überraschungen zu schützen.
Leute, wir machen einen schnellen bewaffneten Erkundungsvorstoß. Sollten wir dabei feststellen, dass wir den Gegner besiegen können, gehen wir in den Kampf. Stellt sich heraus, dass der Gegner zu stark ist oder das Gelände in seinem Sinne präpariert ist, tropfen wir ab und sammeln uns in einer Ausweichstellung, die ich rechtzeitig bestimmen werde. Sollte er uns dann nicht folgen, poolen wir alle bisher ermittelten Daten und entscheiden dann unser weiteres Vorgehen. Fragen?“
„Hammer für Tank. Die Piraten sind gerade erst gelandet. Warum erwarten wir eventuell ein präpariertes Gelände?“
„Weil unser Gegner augenscheinlich die Möglichkeiten dazu hat. Ich erinnere nur mal an die präparierte Fabrikhalle. Oder an den gerade erst erfolgten Anschlag auf unsere Luft/Raumjäger. Wir müssen davon ausgehen, dass sie noch mehr Schweinereien in Petto haben. Alles andere anzunemen wäre von uns sträflich leichtsinnig. Außerdem, sie wissen, dass wir hier sind und kommen trotzdem in Schlagreichweite zu uns runter. Das riecht nicht, das stinkt ja schon nach Fisch.“
„Und wir wissen das und greifen trotzdem an?“, fragte Hammer aka MacRough.
„Ja. Erstens, es ist unser Job. Zweitens, jede Feindeinheit, die wir ausschalten können, steht den Piraten dann nicht mehr zur Verfügung. Und drittens sind sie gerade erst gelandet, und wir haben eine gewisse Chance, sie mit runtergelassenen Hosen zu erwischen. Aber wie ich sagte, zuerst bewaffnete Erkundung um Art, Zahl und Kampfkraft des Gegners festzustellen. Achtet dabei vor allem auch auf Luft/Raumjäger. Füttert den Ontos und die LSR-Lafetten rechtzeitig mit Rohdaten.“

Scharnhorst sagte es nicht, aber er verließ sich darauf, dass jeder Panzerführer von den Übungen noch genau wusste, was eine bewaffnete Erkundung bedeutete. Nämlich, dass die erkundende Einheit den Feindkontakt suchte, ihn bekämpfte und sich danach zurückzog, um die gewonnenen Daten zu sichten. Natürlich, erwischten sie den Feind tatsächlich mitten im Auslademanöver, wurde es ein Tontaubenschießen für die Höllenhunde. Aber auf so viel Glück hoffte Manfred nicht. Was ihm im Idealfall vorschwebte, waren ein paar harte Schläge mit der Schwebekampflanze, die schnell rein und wieder raus gehen konnte, und die dann den Feind der Kommandolanze und der Artillerielanze vor die Rohre lockte, wo sie dann kräftig Saures beziehen würden.
„Noch mal für alle Ränge. Wir erwarten mindestens die bereits bekannten Streitkräfte, ClanMechs in der Stärke eines Sterns, dazu Krötenunterstützung mindestens in Binärsternstärke. Dazu die uns bereits bekannten Luft/Raumjäger, die auf Geisterbärenterritorium eingesetzt wurden. Überdies Infanterie in unbekannter Zahl. Jede Sichtung eines unbekannten Mechs oder Fahrzeug muss sofort gemeldet werden, haben das alle gefressen? Und wenn es nicht zu schaffen ist, zurück zur Auffangstellung. Ja, wir sind hier, um diese vermeintlichen Clanner zu stellen und wenn es geht zu vernichten. Ja, das wird nicht ohne Verluste abgehen. Aber ich will, dass sie stärker bluten müssen als wir, okay, Höllenhunde?“
Allgemeine Bestätigungen kamen über den Kampfkanal herein.
„Dann los, Leute. Die Höllenhunde rücken aus zur Jagd.“
Und dies war der Moment, in dem sich die ersten Panzer in Bewegung setzten. Die Infanterietransporter suchten sich wie in den Übungen ihre Lücken und beschleunigten mit. Sobald sie den zivilisierten Bereich rund um die Stadt verlassen hatten, würden sie auf Dschungelpisten Richtung Landestelle unterwegs sein, alles in allem noch eine Fahrt von mindestens achtzig Minuten, bevor sie überhaupt in Ortungsreichweite kamen. Und dann würden sie überhaupt erst abschätzen können, womit sie sich da gerade anlegen wollten.
Als sein von Luckner anruckte, um den anderen Höllenhunden zu folgen, biss sich Scharnhorst fast auf die Zunge. Die Piraten mussten sich sehr stark fühlen, wenn sie so nahe bei den Höllenhunden runter gingen. Oder sie vertrauten darauf, dass ihre Verbündeten ganze Arbeit geleistet hatten. Oder noch leisten würden. Das Beispiel mit den Kindersoldaten, die so sehr indoktriniert waren, dass sie sich notfalls selbst in die Luft sprengten, war eine klare Warnung gewesen, und Scharnhorst und Lane hatten der Infanterie noch einmal deutlich eingeschärft, dass sie kein Risiko eingehen sollten. Natürlich mussten sie das keinem der Infanteristen erklären, die schon bei den Chevaliers gewesen waren, als sie Kendas Ronin gestellt hatten und sich die Verwundeten lieber selbst und die Sanis in die Luft gesprengt hatten, als sich helfen zu lassen, ganz einfach aus der Gewissheit heraus, dass ohnehin der Tod auf sie wartete. Auch die Piraten waren bereits zum Tode verurteilt. Und das wussten sie.

Ein Pfeifton kam über den Komm und Scharnhorst wechselte die Frequenz. „Was gibt es, Cindy?“
„Der Tai-i ist am Rohr und will dich sprechen, Manfred.“
„Ist gut. Stell ihn durch. Scharnhorst hier.“
„Tanigaki. Major Scharnhorst, Ihr Feind ist da, direkt vor Ihrer Nase. Ich erwarte, dass Sie etwas für das Geld tun, das ComStar Ihnen bezahlt.“
Das waren nicht gerade freundliche Worte, aber Haus Odaga war auch nicht besonders freundlich zu ihnen, weil der Clanchef von den Söldnern keine Lösung des Problems mit den marodierenden ClanMechs erwartete.
„Dessen bin ich mir bewusst, Tai-i. Kann ich im Falle eines Falles mit der Unterstützung von Haus Odaga und Haus Shimatze rechnen?“
Unwirsch klang die Stimme des Hauserben auf: „Haus Shimatze müssen Sie selbst fragen, Scharnhorst. Was Haus Odaga angeht, so flaut zwar der Sturm ab, und damit die Angriffe, aber sie sind noch nicht vorbei, und wir erwarten jetzt, wo vermeintlich Ruhe einkehrt, eine weitere Serie von Angriffen. Da bedeutet: Nein, Haus Odaga wird nicht helfen können, weil es sich und seine Zivilisten verteidigen muss. Ist das relevant für Ihren Aufbruch?“
Manfred fragte sich, ob Tanigaki ihn beim Nachnamen nannte, weil dies ein offizieller Funkkanal mit einer offiziellen Anfrage war, oder ob es eine tiefere Bedeutung für den Draconier hatte, ihn diesmal nicht beim Vornamen zu rufen.
„Wie Sie sicher wissen, wurde der Raumhafen angegriffen, und die Höllenhunde haben einhundert Prozent ihrer Luft/Raumstreitkräfte verloren. Eine Unterstützung, egal wie gering, zum Beispiel durch Ihre hervorragende VTOL-Staffel, würden wir sehr zu schätzen wissen, Tai-i.“
Tanigaki zögerte. „Ich kann nichts versprechen, Scharnhorst. Sie sind kein Teil meiner Truppen, nicht mein Untergebener. Und wir wurden angewiesen, Ihnen Freiheiten einzuräumen, aber keine Rückendeckung.“
„Ich verstehe, Tai-i. Und um Sie zu beruhigen, die Höllenhunde kennen ihren Job. Wir rücken bereits aus für eine bewaffnete Erkundung. Allerdings muss ich Sie noch einmal dran erinnern, dass diese Feindeinheit nicht das Problem der Höllenhunde ist, sondern das Problem von Haus Odaga und Haus Shimatze.“
„Wie ich schon sagte, Haus Shimatze müssen Sie selbst fragen. Ich habe keine Entscheidungsgewalt über ihre Streitkräfte. Aber Sie haben Recht, die Piraten sind unser Problem. Teilen Sie Ihre Gefechtsdaten mit meinem Lagezentrum, und ich werde mit meinen Offizieren zeitnah entscheiden, ob wir Sie unterstützen müssen, können oder sollten.“
Mehr war wohl nicht aus ihm herauszuholen. „Ich bedanke mich, Tai-i. Das ist doch immerhin etwas.“
„Tut mir leid, dass es nicht mehr ist. Wir wurden hart getroffen“, rechtfertigte sich der Kompaniechef. „Ach, und noch was, Scharnhorst. Viel Glück da draußen.“
„Danke, Sir. Scharnhorst Ende.“
Cindy unterbrach den Funkkontakt. „Und jetzt, Able Romeo?“
„Rufzeichenwechsel nach Schema Zulu für alle. Und gib mir eine Verbindung mit dem Hauptquartier der Shimatze. Vielleicht kann ich denen zumindest ein paar Luftstreitkräfte abschwatzen.“
„Falls Tanigaki sie auf sein Gebiet lässt“, erwiderte sie skeptisch.
„Falls er sie auf sein Gebiet lässt“, wiederholte Scharnhorst. Auch er war skeptisch, aber versuchen musste er es, und hatte Tanigaki nicht gesagt, er müsse selbst fragen? Wenn er eine positive Antwort bekam, dann wäre Haus Odaga im Zugzwang. Und das war ein durchaus amüsanter Gedanke.

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