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Anime Evolution: Spiegel

Episode eins: Aoi Akuma

Prolog:
„…kam es erneut zu einem massiven Überfall auf einen von imperialen Fregatten begleiteten Konvoi. Bei dieser Attacke wurden alle drei Fregatten, die TIMBUKTU, die MARS und die ABU DHABI vernichtet. Die drei Frachter NEU-KÖLLN, ROTTERDAMM und CHIEMSEE wurden aufgebracht, geplündert und versenkt. Über den Verbleib der Mannschaften aller sechs Schiffe liegen bis dato keine Informationen vor. Berichten aus dem Pentagon zufolge aber wird dieser massive Rückschlag die Offensive des kronosischen Imperiums in Indien und Arabien weiter zurückwerfen und…“
„…ist die Lage unhaltbar geworden. Mit dem Verlust Alaskas und dem erzwungenen Waffenstillstand sind wir, die stolze amerikanische Nation dazu verdammt stillzuhalten, während die Kronosier von ihren Eroberungen in Südostasien nach und nach die ganze Welt befallen. Ihre Territorien im Westen Australiens, Teilen Chinas, in Arabien, Afrika, Subchina und der Eroberung Islands sind bereits jetzt eine massive Gefahr für alle freien Staaten dieser Welt. Die regelmäßigen Angriffe auf Südamerika, mit denen die Kronosier versuchen, ihre neuen Verbündeten Venezuela, Kolumbien und Brasilien zu unterstützen und Argentinien, Chile und Uruguay zu einem Separatfrieden zu zwingen, wie er auch schon den USA und Kanada aufgedrängt wurde, werden auch in dieser Region zu einem Ungleichgewicht führen und mittelfristig eine zweite Front errichten, die sich dann gegen die USA stellt, die immer noch die weltweit größte Armee unter Waffen hat…“
„…Russland und China große Teile ihrer subsibirischen Territorien an die Kronosier verloren, es drängen sich unwillkürlich Vergleiche mit den japanischen Eroberungen in China während des Zweiten Weltkriegs auf, als große Teile der Mandschurei von ihnen mit harter Hand erobert und noch härterer Hand regiert wurden…“
„…bringe ich es auf den Punkt: Die einzigen Regionen dieser Welt, die bisher nicht betroffen sind, das sind die Kontinente Afrika und Europa. Aber Europa wurde stark bombardiert, die Städte Paris, München, Düsseldorf, Antwerpen, Rom, Madrid, Cordoba, Warschau, Prag, Ankara und Wien, um nur die am schlimmsten getroffenen zu nennen, sind immer noch mit dem Wiederaufbau nach den Verwüstungen beschäftigt und Europa hält still, solange die Angriffe nicht fortgesetzt werden. Natürlich kämpfen sie nicht, solange auch die USA, ihr mächtigster Verbündeter den Waffenstillstand einhält.
Auch Afrikas Hauptstädte wurden bombardiert und teilweise schwer zerstört. Aber wesentlich gefährlicher ist der Streit der Ideologien, der diesen riesigen Kontinent zu spalten droht. Der kronosianische, pragmatische Imperialismus mit dem offenen Angebot mittels der Gift jederzeit in die Herrscherriege aufzusteigen hat viele örtliche Herrscher verführt und zu unzuverlässigen Parametern in der Formel Weltverteidigung werden lassen.
Alles entscheidet sich nun im Wettlauf der Weltraumfahrstühle. Welches System wird eher fertig gestellt sein? Das amerikanische APOLLO-ARTEMIS – System oder die kronosianische Variante mit Titanen-Station und dem OLYMP? Generaldirektor Eikichi Otomo sagte dazu…“
„…sage ich Ihnen ganz klar, was uns Kronosier noch davon abhält, die ganze Welt zu befreien, sie von imperialistischen, trotzkistischen, religiösen oder rein patriarchaischen Weltbildern zu erlösen: Der Aoi Akuma, oder wie Sie ihn nennen würden, der blaue Teufel. Er und nur er mit seiner Höllenbande ist es, der an unserer Kehle hängt wie ein Hund mit seinen Fängen am Hals eines Bären. Ihn müssen wir bezwingen, vernichten, töten, bevor wir der Welt die Freiheit bringen können. Dieser Handlanger der Imperialisten, dieser Massenmörder, dieser Pirat und Schwerverbrecher ist die moderne Geißel dieser Welt und…“
„…die Aufstellung der Helden: Major Megumi Uno, neunzehn Jahre alt führt sie schon die Hekatoncheiren-Schwadron Briareos an im Kampf gegen die Feinde der Aufklärung und des Fortschritts. Auch wenn Amerika heimlich sein Mecha-Programm entwickelt und die geheimnisvollen Sparrows und Eagles weltweit verbreitet haben wir mit ihr die erfahrenste und beste Pilotin auf unserer Seite. Ihr legendärer Daishi ist geachtet und gefürchtet bei ihren Feinden.
Captain Lilian Jones, ebenfalls neunzehn, ist trotz ihrer Jugend bereits gefürchtet und verhasst bei unseren Gegnern. Wir rufen uns in Erinnerung, es war die Attacke mit ihrer Hekatoncheiren-Einheit Kottos, die bei der Schlacht um Hawaii den Sieg gebracht hat.
Captain Takashi Mizuhara, einundzwanzig, Anführer der Gyes-Schwadron und erfahrener Mecha-Pilot. Neben seinen enormen Fähigkeiten als Pilot sind es vor allem sein umfangreiches Wissen und seine scharfe Zunge, die unsere Feinde in die Schranken weist. Als Sprecher der Hekatoncheiren war es oftmals er, der den Menschen in eroberten Gebieten die Augen dafür öffnete, dass sie nicht erobert, sondern befreit wurden.

Denen stehen die Schurken gegenüber.
Voran der Erzverräter, ehemals loyaler Offizier in den Hekatoncheiren, und nun treuer Gefolgsmann von Aoi Akuma: First Lieutenant Daisuke Honda. So wie sich Saulus zum Paulus wandelte wurde er von Paulus zum Saulus, zum größten Verbrecher an der kronosischen Sache. Er erhielt aufgrund seiner hervorragenden Leistungen die Gift, wurde Kronosier – und verriet sie.
Captain Yuri Kruger, desertierter Luftwaffenoffizier der U.S. Air Force. Er gab seine goldene Zukunft auf und wurde lieber ein brandschatzender und mordender Pirat. Die Zahl seiner Opfer geht bereits in die Hunderte und solange er lebt ist kein Ende in Sicht.
Und der Böse der Bösen, das Monster schlechthin, das Übel in dieser Welt, der leibhaftige Teufel, der Scheitan, der Dämon der Dämonen, der eiskalte Krieger, der mit seinem amerikanischen Hawk-Mecha über zweihundert Gegner besiegt hat: Aoi Akuma persönlich, Akira Otomo!“

1.
„Die Wolken des Monsums kommen uns gerade Recht, was, Kleiner?“
Ich grinste. „Keine Satellitenüberwachung bedeutet keine Signale für unsere Gegner, Yuri.“
Drei Hawks und ein Eagle waren es, die dicht über der Wasseroberfläche des indischen Ozeans dahin schossen.
Unwillkürlich griff ich neben mich und drückte Hinas Hand.
Ihrer Kraft, die wir in Ermangelung einer wirklichen Erklärung Aura-Power nannten, verdankte es mein Hawk Blue Devil, dass er den kronosischen Daishis der Agamemnon-Klasse, der Briareos-Klasse und der Gilgamesch-Klasse so hoffnungslos überlegen war.
Ein innovatives Energiesystem nahm die Aura-Kraft von ihr auf und verstärkte damit den Antrieb, die Waffen und die Panzerung. Mit Hina an meiner Seite hatte ich neulich sogar einen kronosischen Zerstörer im Alleingang vernichtet.
Sie lächelte dünn. Ziemlich dünn, wenn man bedachte, dass wir es einige Zeit tatsächlich versucht hatten – intim zu werden. Der Sex war gut gewesen und unsere Koordination war zeitweise hoch gegangen. Aber irgendwann war das Erwachen gekommen, die Ernüchterung, und seit gut vier Jahren waren wir nur noch gute Freunde. Okay, ziemlich gute Freunde, denn die Chance, in die Zivilisation zurück zu kehren und neue Bekanntschaften zu machen war meistens recht gering.
Selbst in den USA und in Europa mussten wir jederzeit damit rechnen, als Mitglieder der Akuma-Gumi verhaftet zu werden.
Tja, Popularität hatte ihren Preis.
Ich drückte ihre Hand ein weiteres Mal, was sie erneut lächeln ließ, etwas inniger, etwas tiefer, etwas ehrlicher.

„Okay, Status vor dem Angriff. Blue Devil mit Pilot und Fairy ist bereit.“
„Red Devil mit Pilot und Fairy ist bereit“, meldete sich Yuri zu Wort. Fairy, so nannten wir die Aura-Beherrscher, fünf junge Frauen, denen wir es verdankten, dass wir acht Jahre Guerilla-Krieg gegen die Kronosier im südchinesischen Meer überlebt hatten.
Seine Fairy war Akane Hazegawa, eine junge Frau, die wir bei einem Einsatz buchstäblich in letzter Sekunde aus der tiefsten Scheiße gerettet hatten. Das war vor vier Jahren. Seitdem war sie unsere zuverlässige Verbündete.
„White Devil mit Pilot und Fairy bereit“, meldete Kei Takahara dünn. Der junge Bursche wirkte hoch konzentriert, wie immer wenn er seinen Eagle in die Schlacht führte. Seine Fairy war Cecilia Wang, eine ehemalige Rotarmistin, die bei der Schlacht um Beijing in Kriegsgefangenschaft geraten war. Sie war nun sechs Jahre bei uns und hatte sich als starke Verbündete und als großartige Fairy erwiesen.
„Green Devil mit Pilot und Fairy bereit“, klang Philip Johanssons Stimme auf. Seine Fairy hieß Ami Shirai, ein kleines, blasses und stilles Mädchen, das wegen Mordes in einem Knast gesessen hatte, den wir gestürmt hatten, um meinen Cousin Makoto zu befreien.
Nun, sie mochte klein, blass und still sein, aber ihr zweiter Dan in Karate war nicht zu unterschätzen. Vor allem nicht von dem Kronosier, der sie hatte vergewaltigen wollen.
„Okay, Devil Team, hergehört. Wir erreichen das Festland in drei Minuten. Vernichtet alles, was euch anvisiert oder sogar beschießt. Unser Ziel ist Nepal, und das werden wir erreichen.“
„Uns beschießen? In diesem Dauerregen? Überschätzt du die Soldaten der Kronosier nicht etwas? Wer von denen ist bei diesem Regen schon freiwillig draußen, Akira?“
„Seit ich einen Schweden als Piloten auf einem Hawk gesehen habe, glaube ich, dass nichts unmöglich ist“, konterte ich.
Philip lachte wiehernd. „Guter Konter, mein Junge. Aber wenn du jetzt noch fragst, ob mein Hawk ein Ikea-Bausatz war, mache ich dich mit meinen Raketen bekannt.“
„Ach, der ist doch schon viel zu alt“, warf Kei ein. „Uns fällt bestimmt ein besserer ein. Bis dahin kann sich Ami ja die Haare blond färben, damit du dich mehr wie zuhause fühlst.“
„Du stehst auf blond, Kei?“, klang Amis Stimme auf. „Also wirklich, wenn du das mal früher gesagt hättest, für dich hätte ich mich doch längst umgefärbt.“
Ich lachte laut, als Kei, vollkommen aus dem Konzept gebracht, zu stammeln begann.

Zwanzig Meilen vor der Mündung des Ganges in den indischen Ozean schlugen unsere Ortungsgeräte an. Ein Schiff wurde gemeldet, ein traditionelles Wet Navy-Schiff.
„Zerstörer, Arleigh Burke-Klasse“, meldete die KI meines Hawks. Ich nannte sie zärtlich Primus, weil ich im Verbund mit ihr und Hina der beste Pilot der Erde war.
„Raketenträger, eh? Amerikaner?“
„Negativ. Das Schiff strahlt keinen IFF aus. Es muss eines der Schiffe sein, welche die Kronosier als Tribut für den Waffenstillstand in Alaska gefordert haben.“
„Werden wir erfasst?“
„Das wird nicht ausbleiben, Sir. Wir werden in nur fünf Kilometern Entfernung dran vorbei kommen.“
„Okay, Füße ins Wasser, alle Mann“, befahl ich und drückte meinen Hawk tiefer. In nur drei Meter Höhe, als wirklich fast mit den Füßen im Meer, rasten wir weiter dahin. Die Crew des Zerstörers musste wirklich, wirklich gut sein, wenn sie unsere vier Mechas in diesem Wust aus teilweise zwei Meter hohen Wellen dennoch fand.
„Ortung! Wir werden erfasst! Ortung, Raketenabschuss auf Arleigh Burke! Multipler Beschuss!“
„Ein verdammtes Aegis-System, was?“ Ärgerlich riss ich meinen Hawk hoch, scherte in Richtung des Zerstörers aus. Ich riss die Linke mit der Schnellfeuerkanone hoch. „Kumpel, hilf mir ein wenig, in dem Regen sehe ich die Raketen etwas spät.“
„Verstanden, Sir.“ Soweit Primus sie erfassen konnte, markierte er die angreifenden Raketen für mich. Ich musste nur noch bestätigen, um das Raketenabwehrsystem auszulösen.
„Siebzehn… Neunzehn… Drei Klicks… Zweieinhalb… Zwei…“
Ich gab die Bestätigung, und das Raketenabwehrsystem beschoss die Gefechtsköpfe nach Priorität, nämlich Kurs und Geschwindigkeit plus Entfernung. Es schoss die fünf Raketen ab, die auf mich gezielt waren, während die anderen vierzehn an mir vorbei huschten.
„Vierzehn kommen durch“, warnte ich meine Gefährten.
Ich warf den Hawk herum, fixierte weitere drei und feuerte dann mit der Hawk-Gatling. „Korrigiere. Sieben kommen durch. Mit denen werdet ihr doch fertig, oder?“
„Hör auf zu reden, furchtloser Anführer. Mach lieber die Arleigh Burke-Klasse platt“, erwiderte Yuri. „Die Fairies verstärken bereits unsere Struktur. Für denn Fall dass wir eine oder zwei Raketen nicht treffen.“
Sein Tonfall sagte deutlich, dass er diesen Fall für unmöglich hielt.

Ich seufzte, griff mit der Rechten auf den Rücken und zog die Artemis-Lanze hervor. Mittlerweile hatte ich mich dem Feindschiff auf fünf Kilometer genähert und der Zerstörer feuerte erneut. Wieder trat mein Raketenabwehrsystem in Aktion, ich feuerte ebenso die Gatling an und vernichtete zwei angreifende Raketen mit der Artemis-Lanze.
Wunderbares Ding, das. So vielseitig einsetzbar und so effektiv. Es gehörte einiges an Übung dazu, das vibrierende Carbon-Blatt der Schneide zu beherrschen, aber wenn man es erst einmal drauf hatte, rockte das Teil wirklich.
Ich setzte hart auf dem Vorderdeck des Zerstörers auf. Das Schiff begann durch den ungewohnten Bewegungsimpuls, ausgelöst durch meine Masse, heftig zu schwanken.
„Hina?“
Die junge Frau nickte, griff nach meiner rechten Hand. „Nur die Brücke, bitte.“
Ich nickte ernst. Hina Yamada hatte wirklich nicht die besten Erinnerungen an die Kronosier, aber dennoch schonte sie ihre Leben, wo sie nur konnte.
Die Kronosier und ihre Söldner würden sie dafür nicht belohnen, an dem Tag, an dem sie uns fingen, uns den Schauprozess machten und anschließend aufknüpften, aber darum ging es ihr auch gar nicht. „Nur die Brücke, ja.“
Ihre Aura begann aufzuleuchten, erfasste das ganze Cockpit, den Torso meines Mechas und schließlich die Artemis-Lanze. Als sie strahlte wie ein Leuchtturm in stockfinsterer Nacht stieß ich sie tief in den Brückenaufbau. Und um auf Nummer Sicher zu gehen, trieb ich sie fünf Meter in die Tiefe, um den taktischen Planungsraum auch noch zu erwischen. Dann zog ich die Lanze wieder zurück und startete durch.
Entschuldigend sah ich zu Hina herüber. „Weißt du, ich…“
„Was denn? Der Planungsraum gehörte zur Brücke.“
Erleichtert atmete ich auf. Aber aus dem Augenwinkel sah ich ihre betrübte Miene. Dieses Kriegsgeschäft war wirklich nichts für sie und es zerriss mir fast das Herz, dass ich ihr das alles antun musste.
„Arleigh Burke erledigt“, meldete ich über Funk. „Hole auf.“
Hina nickte, und ihre Aura ging nun in den Antrieb. Wie von einem Katapult gestartet schossen wir über das Wasser dahin.
Nun würde es nicht mehr weit bis zu unserem Ziel sein.
***
„Otomo-sama!“ „Eikichi Otomo!“ „Direktor Otomo!“ „Hierher sehen, bitte, Vorsitzender!“
Eikichi Otomo ließ den Wust an Fragen, Kameras und Menschen stumm über sich ergehen.
„Sie bitte“, sagte er ernst und deutete auf einen ihm persönlich bekannten Reporter der Tokio Times, dem einzigen Blatt, dass zumindest leise Kritik an der kronosianischen Besetzung äußerte. Nach acht Jahren Assimilation übrigens ebenso mutig wie mit einem einzigem Hawk ein Schlachtschiff anzugreifen. Und nicht minder gefährlich.
„Direktor Otomo, was denken Sie über das Gerücht, dass Ihr Sohn Akira beim Angriff auf den TIMBUKTU-Verband federführend war? Es soll keine Überlebende gegeben haben.“
„Hm“, machte Eikichi ernst. „Erstens ist dies eine Pressekonferenz für den Fortschritt der Arbeiten an der OLYMP-Plattform. Und zweitens haben unsere kronosischen Herren weitaus mehr Feinde als Akira. Nicht jeder tote imperiale Soldat wurde automatisch von ihm umgebracht.“ Eikichi schmunzelte. „Aber vielleicht das Gros.“
Leises Gelächter antwortete ihm, eine subversive Tätigkeit, die vom Geheimdienst sicherlich registriert werden würde.
„Ist es also wahr, dass Sie schützend Ihre Hand über Aoi Akuma halten? Dass Sie es sind, der verhindert, dass dieser außergewöhnlich brutale und fähige Pilot seiner gerechten Bestrafung zugeführt wird?“
„Nun… Nein. Immerhin bin ich Direktor der Imperial Mining Agency, und jeder Schaden, der dem imperialen Großreich zugefügt wird, schädigt letztendlich auch meine Pläne für diese Region. Und den Rohstoffabbau auf dem Mond, der mit der Fertigstellung des Plattformensystems endlich in voller Leistung beginnen wird.
Außerdem habe ich persönlich, aus meinem privaten Vermögen ein Kopfgeld in Höhe von einer Milliarde Dollar auf meinen Sohn ausgesetzt.“
„Das ist richtig, Sir, aber diese Summe wird nur ausgezahlt, wenn Ihr Sohn lebend gefangen wird. Ist das sinnvoll?“
„Hören Sie, die Kronosier sind bereits schuld am Tod meiner Tochter Yohko. Ist es so schwer zu verstehen dass meine Frau Helen und ich nicht wollen, dass auch unser zweites Kind stirbt? Ich bin überzeugt, dass man Akira seine Fehler vor Augen führen kann, dass man ihm begreiflich machen kann, was er gerade tut. Und welcher Weg der Bessere ist. Und das man ihn überzeugen kann, fortan auf der richtigen Seite zu kämpfen. Ich habe meinen Sohn und meine Tochter nicht in diese Welt gesetzt, damit sie vor mir sterben. Und ich will verdammt sein, wenn ich es auch noch bei meinem Sohn zulasse.
Sie, bitte.“
„Otomo-sama, Sie gelten als wichtigster industrieller Verbündeter der Kronosier. Letztendlich war es Ihr Einfluss, der die vorzeitige Kapitulation Japans, Beijings, Wladiwostoks und Shanghais eingebracht hat. Auch das Fahrstuhl-System wurde von Ihnen erdacht und wird nun mit Ihren eigenen Mitteln, aber auch großen staatlichen Zuschüssen finanziert. Wäre dieses immense Kapital nicht besser in sozialen Programmen oder meinetwegen im Militärhaushalt angelegt?“
„Junger Mann, haben Sie vergessen, dass die Amerikaner ebenfalls einen Fahrstuhl bauen? Derjenige, der sein System zuerst fertig hat, wird beim Run auf den Mond einen enormen Vorsprung haben. Und wer diesen Vorsprung hat und hält, wird vielleicht in Zukunft die Welt beherrschen. Ich habe nicht vor, hierbei der Zweite zu sein.“
**
„O-nii-chan!“ „Yohko!“ „O-nii-chan!“ „Yohko!“ „O-nii-chan!“ „YOHKO!“
„Akira.“
Ich fuhr auf. Nur mühsam orientierte ich mich. Ich saß im Cockpit meines Hawks, neben mir saß Hina und sah mich besorgt an. Wir waren im Anflug auf Katmandu in Nepal, und ich hatte, nachdem wir die Ganges-Mündung passiert hatten, die Gelegenheit genutzt, um kurz die Augen zu schließen. Noch fünf Minuten, bevor ich geweckt hätte werden müssen.
Fragend sah ich Hina an.
„Du hast nach Yohko gerufen.“
Ich fasste mir an die Stirn. „Entschuldige, ich hatte wieder diesen Traum. Wie die Kronosier kamen und Yohko verschleppt haben. Wie ich nach Großmutters Schwert gegriffen habe und…“
„Ich weiß. Den Albtraum hattest du früher immer, wenn du dich nicht bis an deine Grenzen verausgabt hast. Es frisst an dir, dass Yohko bei den Verhören des kronosianischen Geheimdienstes gestorben ist. Nein, antworte nicht. Diese Feststellung war rein rhetorisch.“
Ihre Linke ging in meinen Nacken und rieb sanft meine verspannten Muskeln. „Damals konntest du nichts tun. Absolut nichts tun. Es war dumm genug, das Schwert zu schnappen, drei Kronosier umzubringen und anschließend ein halbes Jahr im Knast zu verbringen.“
Ich lachte rau auf, während ich Hinas Berührung genoss. „Knast ist das falsche Wort. Einzelhaft trifft es eher. Ich war vorgesehen als Geisel gegen meinen Vater. Verdammt, damals war ich gerade vierzehn gewesen, und an meinem Katana klebte bereits Blut.“
Hina beugte sich zu mir herüber. Ihre Stirn berührte meine. „Akira. Ich habe das alles mit dir zusammen durch gestanden. Die Selbstzweifel, die Albträume, die Verzweiflung, weil du Yohko nicht retten konntest. Und…“
„Und jetzt ist es langsam mal genug?“, scherzte ich.
„Nein, Akira. Und ich werde es wieder und wieder und wieder für dich tun. Du hast mir das Leben gerettet, nicht umgekehrt. Du bist mein Held, nicht anders herum. Egal was in der Zukunft passiert, ich bin für dich da.“
„Ich danke dir“, hauchte ich. Ihre Nähe tat gut, und ich fragte mich, ob ich sie zu ein wenig Sex überreden konnte, wenn wir in die Basis zurückkehrten. Nun, vielleicht.
Vielleicht überredete sie auch mich, manchmal fielen unsere Bedürfnisse erstaunlich genau zusammen. Und ich konnte diese Verausgabung bis an meine Grenzen sicherlich gebrauchen.
Yohko… Ich hatte meine Schwester nicht beschützen können, aber ich hatte alles getan, was mir als Vierzehnjähriger damals möglich gewesen war. Ich hatte getötet. Es hatte nichts genützt und Yohko war doch gestorben.

„Sir, wir kommen in Reichweite. Unser Mann vor Ort weist uns ein.“
„Danke, Primus. Was sagt er?“
„Der Angriff auf das Kloster hat gerade begonnen. Es sind zwei Kompanien konventioneller Bodentruppen der reformistischen chinesischen Kriegsfürsten und fünf Daishis A sowie drei Daishis B der Kronosier. Sie beginnen gerade mit einem Trommelfeuer auf das Klostergelände.“
„Und alles nur wegen einem einzigen Mann. Haben die Kronosier eigentlich kein Auge für Verhältnismäßigkeit?“, fauchte Hina entrüstet.
„Wenn sie wüssten, wen sie hier gerade gestellt haben, dann würden sie das dreifache aufbieten“, kommentierte ich tonlos.
„Blue Devil an alle Höllengenossen. Es geht los. Unser Mann vor Ort weist uns ein und markiert die wichtigsten Ziele für uns. Ihr kümmert euch um die Daishis, ich übernehme den Schutz des Klosters und entferne die Zielperson. Wenn sie fort ist, stellen die Kronosier den Angriff vielleicht ein.“
„Und was, wenn sie es nicht tun?“, fragte Kei sarkastisch.
Ich antwortete nicht.
„Alles klar“, kam seine Antwort. „Wir machen sie so lange platt, bis keiner mehr eine Waffe heben kann.“
„Die letzten fünf Jahre waren also nicht vergebens“, spöttelte ich.
„Ich liebe dich auch“, antwortete Kei trocken.
„Bitte erst nach mir, Kei.“
„Das war ein Detail, das ich gar nicht wissen wollte, Hina“, brummte der kleine Pilot und erntete dafür wohl meinendes Gelächter von uns.

„Die Daten kommen rein“, meldete Primus. „Unser Agent vor Ort hat alle drei Briareos markiert sowie zwei Raketenwerfer der Infanterie.“
„Fünf Markierungen? Wie viele Helfer hat er?“
„Er ist alleine.“
„Ich will diesen Mann in meinem Team haben. Yuri, Kei, Philip, ihr wisst was zu tun ist.“
„Roger!“

Katmandu kam rasend schnell näher. Der Tempel lag etwas außerhalb, und das erwies sich nun in mehrerlei Hinsicht als Vorteil. Einmal für die Stadtbevölkerung und einmal für uns und unsere Chancen, den Gegner schnell und kompromisslos zu erledigen.
Die drei Hawks und Yuris Eagle fächerten auseinander, wobei ich die linke Flanke einnahm.
Dann waren wir heran, eröffneten das erste Feuer mit Raketen auf Maximaldistanz.
Ich trennte mich von meinen Freunden, schoss meine Garben der Infanterie, die gerade dabei war den Tempel zu stürmen, direkt vor die Füße, um sie zu stoppen. Dann landete ich, die Füße meines Mechas tief in den Boden rammend.
Ich richtete den Mecha auf und wusste, dass die blaue Lackierung meines Hawks nun sehr gut sichtbar war. Die roten Augen meines voll modellierten Sensorkopfs leuchteten bedrohlich auf. Für meine Gegner durfte es keine Zweifel geben. Blue Devil war angekommen. Die Nemesis der Kronosier. Ehrlich gesagt genoss ich diesen Titel.
Yuri nutzte die Schrecksekunde, um aus erhöhter Position mit den Glattrohrkanonen seines Eagles das Feuer zu eröffnen und die Raketenstellungen zu vernichten, während Kei und Philip wie Racheengel niederfuhren und sich mit den Daishi Briareos anlegten.
Vor meinen Füßen flutete die Infanterie zurück, viele warfen ihre Waffen fort.
Tja, dieser Überraschungsangriff war uns wohl gelungen.
Die Information war spät gekommen, beinahe zu spät, und ich wusste nicht was ich getan hätte, wenn sie mich nie erreicht hätte. Das, was es zu verlieren galt, war viel zu wertvoll. Ich hätte es vielleicht nie ertragen. Nun aber hatte ich eine echte Chance.
Ich richtete die Artemis-Lanze auf einen Daishi der Agamemnon-Klasse. Die Waffe entlud sich, verstärkt durch Hinas Aura, und fuhr in den Torso des Gegners. Die Explosion des Fusionsreaktors riss einen weiteren Daishi Agamemnon um und tötete fünf ungeschützte Soldaten.
Nun spritzten die restlichen Daishis auseinander, aber es war zu spät. Meine Freunde waren bereits da und zeigten ihnen den Leistungsunterschied zwischen einem Daishi und einem Leistungsverstärkten Hawk. Ich gab gerne und offen zu, dass die neue Generation Daishis einem normalen Hawk ebenbürtig war. Aber die Aura-Waffe war etwas, dem sie nichts entgegensetzen konnten. Noch nichts. Ihre Aura-Forschung schritt beständig voran. Vielleicht zu schnell für uns.

„Der Feind flieht“, meldete Primus.
„Zeitfenster?“
„Acht Minuten minimal.“
„Okay, ich steige aus. Habt Ihr gehört Akuma-Gumi?“
„Roger.“ „Verstanden.“ „Copy.“
Kurz hauchte ich einen Kuss auf Hinas Wange. „Halte die Stellung, ja?“
„Keine Sorge. Ich weiß wie man einen Hawk steuert. Ich bin nicht annähernd so gut wie du, aber ich kann einiges mit meiner Aura-Kraft kompensieren. Und jetzt geh spielen.“
Ich grinste schief. „Du würdest für jemanden eine gute Ehefrau abgeben.“
„Ja, für jeden gewalttätigen Waffenfreak auf dieser Welt.“
Das Cockpit entsiegelte sich, mein Mecha ging in die Hocke. Nun war es für mich nur ein kurzer Sprung bis zum Boden. „Was? Hast du es auf Yuri abgesehen?“, scherzte ich und entging ihrem schlecht gezielten Wurfgeschoss nur knapp.

Grinsend eilte ich auf das Kloster zu. Es hatte arg einstecken müssen, aber was ich sah waren nur Schäden an Steinen und Mauern. Es lagen keine toten buddhistischen Mönche in ihren safrangelben Kutten herum. Immerhin. Und sobald wir das Ziel entfernt hatten, würde es hoffentlich so schnell keinen weiteren Angriff geben.

Ich eilte durch das zerschossene Haupttor, orientierte mich kurz und jagte dann in den Innenhof. „YOSHI! YOSHI, DU VERDAMMTER BASTARD! WO STECKST DU?“
Noch immer keine Mönche, weder lebende noch tote. Aber eine Minute des Zeitfensters war nun schon vergangen.
Dies war der Treffpunkt. Lag er vielleicht unter einem der Trümmerstücke, die vom Dach gefallen waren? So kurz vor dem Ziel, so ein verdammtes ironisches Ende?
„Akira?“
Ich wirbelte herum, riss meine Waffe hoch und richtete sie auf die Stimme.
Der glatzköpfige, hoch gewachsene Mönch sah mich erschrocken an, hob abwehrend beide Arme.
Aber die Erleichterung, die mich überflutete, ließ mich die Waffe wieder senken. „Yoshi.“
„Es ist lange her, Akira“, sagte der Glatzkopf. Er trat einen Schritt auf mich zu. „Und du bist hier nicht sicher.“
„Wir beeilen uns“, versprach ich und trat auf den alten Freund zu. Wie lange hatten wir uns nun schon nicht gesehen? Seit ich damals die Kronosier getötet hatte. Dennoch hatte ich ihn sofort wieder erkannt, obwohl seine sorgsam gepflegten blonden Haare dieser Glatze hatten weichen müssen.
Yoshi wirkte plötzlich nervös. Er fingerte in seiner Kutte und zog einen länglichen Gegenstand aus Silber hervor.
Ehrfürchtig nahm ich ihn entgegen. Es war eine Grabplatte. Sie stand symbolisch für einen Toten. In diesem Fall eine Tote, und sie steckte irgendwie in diesem Stück Silber fest. Oder wurde davon in dieser Welt gehalten. Jedenfalls sollte der Geist dieser Toten eine Information haben, mit der wir den Kampf gegen die Kronosier entscheidend vorantreiben konnten, ohne uns im diplomatischen Sumpf der gegeneinander handelnden Regierungen in der Welt zu verstricken.

„Danke“, sagte ich schlicht.
Yoshi nickte zufrieden. „Und jetzt beeil dich, Aoi Akuma. Die Kronosier werden bald mit Verstärkungen hier sein. An der Grenze zu Nepal stehen zwei Divisionen, die dieses Land binnen weniger Stunden überrennen können.“
„Halt die Klappe. Du kommst natürlich mit.“
Entgeistert starrte Yoshi mich an. „W-was? A-aber… ich…“
„Hast du vielleicht was Wichtiges vor?“
„Das ist es nicht!“
„Oder traust du mir nicht?“
„Das ist es auch nicht! Es ist nur, ich bin nicht wichtig genug für…“
„Halt die Klappe, bitte! Du hast mich vielleicht im Stich gelassen, als du dem Wunsch deines Großvaters gefolgt bist, und in dieses buddhistisches Kloster eingetreten bist!“, fuhr ich den Freund böse an.
Etwas leiser und versöhnlicher fügte ich hinzu: „Aber ich lasse dich nicht im Stich. Also, falls du noch irgendetwas holen willst, ist jetzt der richtige Zeitpunkt.“
„Mönche binden sich nicht an weltliche Dinge“, erwiderte Yoshi schlicht.
Ich schnappte seinen Unterarm und zog ihn hinter mich her. „Okay, dann können wir ja. Es wird etwas eng, aber da Hina an Bord ist, wirst du wohl nicht protestieren.“
Yoshi errötete. Bei jemandem, der keine Haare hatte und nur aus Gesicht bestand, ein eindrucksvolles Schauspiel.
„We-wenn ich schon mitkomme, kann ich dann nicht in der Faust deines Hawks mitfliegen?“
Ich lachte laut. „Schon mal was von Schallgeschwindigkeit gehört?“
Grinsend schüttelte ich den Kopf. „Ideen hast du. Du wirst es schon überleben.“

Fünf Minuten später war es zwar eng, aber lustig. Lustig für mich, denn Hina und Yoshi hatten sich in der Schule schon nicht ausstehen können.
„Das hast du mit Absicht gemacht“, fauchte sie mir zu. Dabei hatte sie es doch ganz bequem auf Yoshis Schoß.
Ich schwenkte kurz die silberne Tafel. „Wir können tauschen.“
Das wirkte. Hina winkte ab. „Vielleicht habe ich das kleinere Übel, danke.“
„Wer ist hier ein Übel?“, klang Yoshis beleidigte Stimme auf.

2.
„AAAACHTUNG!“ Fünfzig Paar Stiefel klapperten auf dem Beton, als ihre fünfzig Besitzer herum wirbelten und in Hab Acht-Stellung gingen. Fünfzig hochrangige menschliche und kronosianische Offiziere standen stramm, als würde gleich der gesamte fünfzigköpfige Legat eintreffen.
Das junge, dunkelblonde Mädchen mit den tiefen Augenringen schien dabei ein schlechter Ersatz zu sein, wenn man sich die Männer und Frauen nicht genauer ansah. Ihre Gesichter fieberten vor Eifer, die Augen glänzten und so mancher Mund hatte sich zu einem stolzen Grinsen verzogen.
Diese fünfzig Männer und Frauen, Kronosier und Menschen waren angetreten, um die zerrissene Menschheit zu einen, die zweihundertsieben Staaten der Erde in einer Föderation zu verbinden, dem Krieg und dem Elend ein Ende zu setzen und die Eroberung des Weltalls voran zu treiben. Nun, die meisten wollten nebenbei noch unanständig reich werden, aber das war ja auch nicht verboten.
Dem blonden Mädchen folgte eine weißhaarige Schönheit, die so selbstbewusst auftrat, als würde sie vor ihrer Schulklasse sprechen und nicht vor einem der wichtigsten Offizierscorps des Imperiums.
Der dritte, der folgte, war ein riesiger, schwarzhaariger Japaner mit einem Kreuz, aus dem man zwei machen konnte. Er war bullig, hatte das Gesicht eines Preisboxers und die Seele eines Kriegers. Auch wenn er gerade nicht den Mund aufbekam, galt er als Dichter, Schöngeist und exzellenter Redner.

Die fünfzig Männer und Frauen, die hier angetreten waren, salutierten wie ein Mann, als die drei herein traten. Mit ihnen verbanden sie die meisten ihrer Hoffnungen, ihrer Wünsche. Die gesammelten, geballten Wünsche des Pantheons, der absoluten Sondereinheit der Kronosier. Zu ihnen gehörten auch die drei Kompanien der Hekatoncheiren; genauer gesagt führten die Hekatoncheiren das Pantheon an, obwohl Major Megumi Uno nicht die ranghöchste Person in dieser Organisation war.
Megumi Uno legte die Linke zum Gegengruß an die Stirn, als sie ans Rednerpult getreten war.
Sie nahm die Hand wieder ab und die Offiziere des Pantheons beendeten ihren Salut.
Lilian Jones, Captain der Kottos-Kompanie, postierte sich rechts, Captain Takashi Mizuhara links.

„Setzen“, klang Megumis Stimme auf. Unbewusst wollte sie mit ihrer Rechten durch ihren Pony fahren, aber der beißende Schmerz erinnerte sie wieder an ihre Verletzung und warum der Arm ruhig gestellt war.
„Ich bedanke mich bei ihnen allen für das kommen.“ Sie sah in die Runde. „Danke an das Hephaistos-Bataillon, dass sich der Anführer Clifford Monterny von der Südsibirien-Kampagne freimachen konnte.
Danke an das Hermes-Regiment, dass General Ino die befestigten Igelstellungen trotz der schwierigen Kampflage in China verlassen konnte.
Danke an das Gaia-Regiment, dass auf Colonel Jackson Hayes für den Moment verzichtet hat, obwohl die Amerikaner den Waffenstillstand nutzen, um die Truppen an der Demarkationslinie von Anchorage zu verstärken.
Und mein besonderer Dank gilt Colonel Goran Kurosz vom Auslandsgeheimdienst, dass er sich trotz der Vielzahl an geheimen Operationen in Europa freimachen konnte.“

Sie legte eine Kunstpause ein und atmete durch.
„Danke ihnen allen und ihren Offizieren, dass sie so kurzfristig erscheinen konnten. Ich komme gerade direkt von Hawaii, wo ich mit meinen wichtigsten Offizieren an einer Konferenz mit dem Zweiten Vorsitzenden des Legats gesprochen habe, Juichiro Tora.
Und ich bringe keine guten Neuigkeiten.“
Leises raunen ging durch die Soldaten. Wenn Major Uno davon sprach, dass es keine guten Neuigkeiten gab, dann mussten sie gelinde gesagt beschissen sein.
„Um es auf den Punkt zu bringen, unsere geheime Offensive gegen die Dämonenwelt läuft nicht besonders gut. Die Dämonen werden uns binnen Monatsfrist vernichtend geschlagen haben.“
Das raunen wurde lauter, Unruhe trat ein. „Außer natürlich, wir setzen die Hekatoncheiren ein. Ja, ich weiß was sie alle sagen wollen. Mein gebrochener Arm ist Zeichen genug dafür, dass wir die Hekatoncheiren dringender auf der Erde brauchen. Und das die Dämonenwelt, mit der Legat Tora seinen Privatkrieg ausfechtet, für uns und unsere Pläne von einer geeinten Welt nur ein Nebenschauplatz ist.
Aber Tatsache ist, dass wir an diesem Nebenschauplatz verlieren werden. Wir haben hier zwei Möglichkeiten: Entweder wir sehen dabei zu, wie zwei Divisionen gut ausgebildeter Daishi-Piloten und Bodentruppen vor die Hunde gehen, wie es unsere Befehle sagen, oder wir holen sie da raus, bevor das Legat anfängt, ihre Namen aus den Aufstellungslisten zu streichen und die Erwähnung ihrer Soldaten zu verbieten.“
Wieder wurde geraunt. In der Armee der Kronosier gab es keine Niederlagen, keine Verluste. Wer starb – noch dazu in der Niederlage – wurde einfach aus den Daten ausradiert. Wer in einer hoffnungslosen Lage gefangen war, wurde nicht entsetzt, falls es keinen Gewinn bedeutete, diese Person oder Einheit zu retten.
Und genau dies stand Drachen- und Tiger-Regiment bevor.

„Was ich von ihnen allen wissen will ist: Decken sie die Hekatoncheiren, wenn ich diese ungenehmigte Rettungsoperation durchführe?“
Wieder wurde geraunt. Die Männer und Frauen stritten sich, heftige Argumente wurden ausgetauscht. Schließlich stand der ranghöchste Offizier auf. General Sakura Ino nickte Megumi Uno und ihren beiden Offizieren zu. „Sie haben die volle Unterstützung des Pantheons, Major. Sehen Sie aber zu, dass Sie die Aktion schnell durchziehen. Mit jeder Stunde, die sie dauert, laufen Sie Gefahr, mitten im Einsatz zurückgepfiffen zu werden.
Und Sie wissen, was das heißt.“
Megumi nickte schwer. „Ja, das weiß ich. Und ich habe nicht vor, einen solchen Befehl zu verweigern.“
Nachdenklich sah sie wieder in die Runde. „Das Pantheon, das heißt, wir alle sind hier zusammengekommen, weil wir sowohl das Schlechte als auch die guten Möglichkeiten im Handeln des Legats sehen. Wir sind zusammengetreten und haben diese Organisation gegründet, um die Pfründe des Legats so gut es geht zu unterbinden und die für die Erde und die Menschen sinnvollen Dinge zu unterstützen. Das Pantheon ist nicht nur der Vorreiter in der Eroberung der Erde, es ist auch das Bollwerk gegen die negativen Entscheidungen des Legats. Zwischen Mars und Erde stehen wir, wir allein.“

Diese Worte waren so nahe an Subversion, dass die Menge spontan den Atem anhielt. Als aber der erste Offizier applaudierte und immer mehr einfielen, hatte das Pantheon den letzten Schritt getan. Von einer Organisation Offiziere mit gleichen oder ähnlichen Interessen zu einer loyalen Opposition innerhalb des kronosischen Heeres.
Und Megumi Uno war nun in diesem Moment nicht nur Anführer des Pantheons geworden, sondern auch die Führerin dieser Opposition.
Und das wusste sie auch. Es half nicht gerade, ihre Augenringe zu verkleinern.
Lilian Jones legte eine Hand auf Megumis Schulter und lächelte sie an. Es war ein entschlossenes, aber auch zufriedenes Lächeln.
„Ich danke ihnen. Ich danke ihnen allen“, sagte Megumi Uno und tätschelte Lilians Hand auf ihrer Schulter.
Takashi sah sie beide mit ernster Miene an. „Wir sollten uns beeilen. Ich habe die Vorbereitungen bereits treffen lassen, aber der nächste Zugang zur Dämonenwelt wird sich in neun Stunden im südchinesischen Meer öffnen. Das Bataillon dahin zu verlegen wird jede Minute kosten, die wir noch haben.“
„Verstanden, Sempai.“
Megumi verbeugte sich vor den versammelten Offizieren und trat dann mit ihren Soldaten ab.
Eine Stimme der Vernunft hatten sie sein wollen, Schutz für Zivilisten, eine Art Gestaltgewordener Haager Landkriegsordnung oder Genfer Konvention. Und nun waren sie auf dem besten Wege, vielleicht gegen ihre Herren im Legat rebellieren zu müssen.
Es war ein langer Weg bis hierhin gewesen.
Schmerzhaft machte sich Megumi bewusst, dass sie im Pantheon zwar die Elite der Streitkräfte vereinigt hatten, aber diese erstens nur lächerliche sieben Prozent der Armee ausmachte und nicht ein einziges Schiff einschloss.
Ein Widerstand, ein wirklicher Widerstand würde schwer fallen. Wenn es denn so weit kommen würde.
***

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Die Heimreise dauerte acht Stunden. Als wir Senso Island erreichten, war es bereits früher Morgen.
Ich hatte es einigermaßen bequem gehabt und hatte sogar etwas schlafen können. Aber Hina und Yoshi hatten sich entweder angeblafft oder angeschwiegen.
Mehrere Stunden so eng miteinander verbringen zu müssen, vor allem wenn man den anderen nicht mochte, war sehr hart.
Meine Idee, mich mit Hina zu verausgaben konnte ich jedenfalls vergessen. Ihre Laune hatte einen absoluten Tiefpunkt erreicht.
Senso Island war eine der größeren Inseln der Spratly-Gruppe. Vor dem Angriff der Kronosier war es umstrittenes Territorium gewesen, beansprucht von China, den Philippinen und Taiwan. Auf einzelne Inseln hatte sogar Vietnam Anspruch erhoben.
Senso Island war damals als Militärbasis ausgebaut, doch das Equipment wieder von den Rotchinesen abgezogen worden, als die Mandschurei Ziel einer massiven Invasion geworden war. In diese Lücke waren wir gestoßen – und bisher noch nicht entdeckt worden.
Dieser Flecken Land mitten im südchinesischen Meer war einfach zu unbedeutend und damit unser bester Schutz.

Einladend leuchtete der viereckige Eingang des Hangars zu uns herüber, während die Bodenstation uns einwies.
„Senso Island, hier Senso Island. Willkommen zurück, Akira-tachi. Ich hoffe ihr wart erfolgreich.“
„Wie man es nimmt, Makoto. Rate mal, wer hier neben mir sitzt.“
„So wie du die Frage formulierst sicherlich nicht nur Hina. Hat Yoshi also eingewilligt mitzukommen?“
Ich lächelte dünn. „Es war nicht gerade so, dass ich ihm eine Wahl gelassen hätte.“
„Das passt zu dir, Akira. Die Landung ist freigegeben. Zur Zeit sind keine Satelliten im Orbit, die unsere Aktivität aufspüren könnten; verzichtet trotzdem auf Landelichter.“
„Verstanden.“

Ich setzte meinen Hawk als ersten auf und ging die restlichen Schritte zum Hangar.
Dort erwartete uns eine jubelnde Menschenmenge. Techniker, Soldaten, Zivilisten, eine bunt gemischte Truppe an Rassen und Nationalitäten. Sie verband nur eines, der Kampf gegen die Kronosier, der nun mittlerweile sechs Jahre von dieser Insel ausging. Genauer gesagt fünf Jahre und elf Monate, nachdem ich auf meiner Flucht vor den Kronosiern diese Insel in Beschlag genommen hatte.
Ich hatte keine Lust mehr gehabt wegzulaufen, und eine Kuriosität bot mir die Chance, zurückzuschlagen.

Nachdem ich die Boarding Bay erreicht hatte, entriegelte ich das Cockpit, entfernte die Anschlüsse des Druckanzuges und nahm den Helm ab. Eine Brücke fuhr direkt an das Cockpit heran und hilfreiche Hände streckten sich mir, Yoshi und Hina entgegen. Hauptsächlich Hina.
Hinter uns verließen die anderen Piloten ihre Mechas, zusammen mit ihren Fairies und dem jungen Geheimdienstmann, der uns eingewiesen hatte. Der Boden in Katmandu war zu heiß für ihn geworden, um auf herkömmliche Weise zu verschwinden, darum hatte Yuri ihn mitgenommen und auf den verwaisten Bordschützenplatz gesetzt. Er war wahrscheinlich der einzige Eagle-Pilot der Welt, der Waffen und Mecha ohne Leistungseinbußen zugleich bedienen konnte.
Karl kam zu mir herüber, musterte den Hawk und brummte ein paar misstönende Laute. „Elf Stunden“, brachte er schließlich hervor. So lange würde es also dauern, um die Gefechtsschäden zu entfernen.
„Drei minimal.“ So lange, bis er voll funktionstüchtig war, ohne dass die Lackierung und die kleineren Macken ausgebessert worden waren.
Ich klopfte dem Deutschen auf die Schulter. „Du machst das schon, alter Mann.“
„Natürlich. Ich mache es doch immer. Und ohne mich wärst du vollkommen…“
„Aufgeschmissen, verloren und hilflos wie ein Kind.“
„Du sagst es.“
Ich klopfte dem alten Mann auf die Schulter, er boxte mir spielerisch in die Rippen.

Gemeinsam mit Yoshi schritt ich durch die jubelnde Menge. Wieder einmal waren wir gegen einen zahlenmäßig überlegenen Gegner angetreten und wieder hatten wir ohne eigene Verluste gewonnen. Verdammt, wenn wir doch nur zwanzig, nein, zehn Mechas mehr mit Fairies ausrüsten konnten, dann… Ich schnaubte frustriert. Damit hätten wir die Welt auch nicht retten können. Geschweige denn verändern.

„Akira!“
„Mako.“
Mein Cousin musterte mich streng. Oh, das konnte er wirklich. Sein hübsches Gesicht konnte sich so sehr verziehen, dass es selbst einem Ausbilder der U.S. Marines Angst und Bange wurde.
„Keine Verluste, keine gravierenden Gefechtsschäden“, sagte ich schnell, um ihn zu besänftigen. Als Chef des Einsatzstabes plante er unsere Aktionen gegen die Kronosier, genauer gesagt unsere Nadelstiche, mit denen wir diesen Riesen zu fällen gedachten.
„Die anderen?“
„Auch nichts Gravierendes.“
Mako atmete durch. Das sichtbare Zeichen, dass der ernste Teil vorbei war.
Gönnerhaft schlug er mir auf die Schulter. „Na dann… Gute Arbeit da draußen. Hast du es?“
Grinsend hielt ich die silberne Platte hoch. Und unwillkürlich wich Makoto einen Schritt zurück. „Z-ziel damit doch nicht auf mich, ja?“
Seufzend steckte ich die Platte wieder ein.

„Makoto-kun!“ „Yoshi! Schön dich wieder zu sehen!“
„Makoto-kun! Ich habe gehört, sie haben so schlimme Sachen mit dir im Gefängnis angestellt! Ich habe gehört, dass…“
„Dass sie mir einen Arm abgeschlagen haben? Die Augen ausgestochen? Ach Quatsch.“
„Uff. Da bin ich aber erleichtert.“
Makoto lächelte den großen Mönch an. Von einem Moment zum anderen hatte er in den „Ich bin niedlich“ - Modus geschaltet.
„M-Makoto-kun…“
Mein Cousin griff nach Yoshis Unterarm und zog ihn mit sich. „Es ist bereits alles für dich vorbereitet, mein Großer. Du kriegst ein eigenes Zimmer – natürlich direkt neben meinem. Ich habe bereits genormte Sachen für dich rauslegen lassen und selbstverständlich das Badezimmer aufgefrischt. Leider hat es nur eine Dusche. Zum baden wirst du in das Gemeinschaftsbad gehen müssen, dass…“ Unwillkürlich zerrte Mako am Umhang des Mönchs und roch daran. „Ich glaube, wir ziehen das Bad vor, was?“

Belustigt sah ich dabei zu, wie Yoshi von Makoto fortgezerrt wurde. Ich hoffte nur, mein Cousin würde es nicht übertreiben. Früher waren die beiden sehr gut miteinander ausgekommen. Dann war ich ausgebrochen, Mako verhaftet worden und Yoshi ein Mönch geworden. Alles hatte sich anders entwickelt als wir es uns ausgemalt hatten. Also gönnte ich Mako die Chance, den alten Freund tüchtig zu necken. Und Yoshi, den alten Freund wieder zu sehen.
„Wenn man es nicht besser wüsste, könnte man die zwei glatt für ein Pärchen halten“, meldete sich Yuri zu Wort. Der schlanke Russe grinste schief. „Kann ja sogar noch werden.“
„Ich glaube kaum. Makoto hat zwar immer noch diesen Spleen, manchmal als Frau aufzutreten. Aber es wäre mir neu, dass er sich wirklich was aus Männern macht.“
„Er macht sich aber auch nichts aus Frauen.“
„Oh doch“, murmelte ich geheimnisvoll, grinste Yuri an und ging.
„Moment Mal, Akira, du weißt da doch etwas, was ich nicht mitgekriegt habe. Akira, sei kein Schwein und verrate es mir. Akira!“

Am Geländer der Boarding Bay stand ein junger Asiat. Er zog gerade ein Tank Top über seinen nackten Oberkörper, und als ich die schwere Pelzjacke und das schweißdurchtränkte Leinenhemd zu seinen Füßen sah, wusste ich auch warum.
Nun, einige der Frauen hier schienen zu hoffen, dass er auch noch die dicken Hosen wechselte.
„Sie sind?“
Der Mann fuhr zusammen, nahm Haltung an und salutierte. Ich erwiderte den Salut.
„Freier Japanischer Geheimdienst. Captain Mamoru Hatake, Sir. Ich habe Sie und die Akuma-Gumi eingewiesen.“
Ich salutierte ebenfalls und reichte dem Mann die Hand. „Das war sehr gute Arbeit, Mamoru Hatake. Ich will Sie ab sofort in meinem Team haben.“
„Das bedeutet eine große Ehre für mich, Sir.“ Zögernd, aber mit festem Griff, schüttelte er meine Hand.
„Kommen Sie, begleiten Sie mich ein Stück.“
„J-ja, Sir.“

Ich verließ die Boarding Bay, trat auf den Hangarboden und von dort vor die Halle. Draußen war es dunkel, wir hatten eine Neumondphase. Und einen Sternenhimmel, der seinesgleichen suchte. Drüben im Osten glänzte ein besonders prachtvoller Stern. Das war der OLYMP, die obere Plattform des Fahrstuhlsystems, welches mein Vater gerade für das Kronosische Imperium erstellte.
Ich war gespannt, wer schneller sein würde. Mein Onkel Jeremy Thomas mit den Amerikanern oder Vater mit Hilfe der Kronosier. OLYMP gegen ARTEMIS. Ein interessantes Rennen.
„Wissen Sie, Captain, ich habe das eben ernst gemeint. Ich will Sie wirklich für die Akuma-Gumi haben.“
„Und wie ich sagte, Sir…“
„Akira. Und sagen Sie mir nicht, was ich hören will, nur um sogleich etwas anderes zu tun.“
„Ja, Sir. Ich meine, Akira, Sir.“
„Besser.“
Ich blieb stehen, legte den Kopf in den Nacken. Der Sternenhimmel war wirklich eine Wucht.
„Was denken Sie, Mamoru? Von welchem verdammten Lichtfleck sind die Kronosier zu uns gekommen? Der da? Oder der? Oder ist es eine Welt die um eine Sonne kreist, die wir mit bloßem Auge nicht sehen können?“
„Eine schwierige Frage.“
„Allerdings.“ Ich sah zu dem Geheimdienstmann herüber.
„Wissen Sie, warum wir mit Ihrem Vater zusammenarbeiten – und damit mit dem Freien japanischen Geheimdienst?“
„Um den Widerstand aufrecht zu erhalten?“
„Nein, eigentlich nicht. Wir arbeiten zusammen, weil nur unsere beiden Organisationen, die Akuma-Gumi und der FJG nicht korrumpiert werden können. Beide Organisationen sind auf der Flucht und nur beseelt von einem Wunsch: Diese Welt von den Kronosiern zu befreien. Alle anderen koche ihr eigenes Süppchen. Ihr Vater, Tatewaki, und mein Vater, Eikichi, haben das verstanden. Die Akuma-Gumi ist die Essenz dieses Verständnisses.“
Ich sah zu Boden, ging in die Hocke und legte eine Hand auf die Erde. „Die Kronosier haben uns überrollt, uns vernichtend geschlagen, bevor wir überhaupt reagieren konnten. Japan fiel als erstes Land und wurde auch als erstes Land politisch indoktriniert. Unsere Streitkräfte, sofern sie nicht fliehen konnten, gehorchen nun der Stimme der Legaten und die halbe Welt betrachtet uns als feindlich.
Die einzigen, die gegen dieses Bild stehen, das sind wir, die wenigen Truppen im Ausland, die von den Verteidigungsstreitkräften noch übrig sind, und Ihr Geheimdienst.
Wenn Sie es so wollen, Mamoru, sind wir der militärische Arm der FJG.“
Ich bezweifelte, dass er mein Grinsen sehen konnte, aber sicherlich spürte er es. „Soweit unsere Interessen übereinstimmen. Was nicht immer der Fall ist.“
„Verstehe.“
„Hm. Unsere Gruppe wächst nur langsam, weil wir die besten der besten brauchen. Andere, schwächere Piloten oder Soldaten einzusetzen wäre Mord, offener Mord. Deshalb will ich Sie haben, Mamoru. Einen überlegenen Soldaten aus der Elite der Elite.“
Ich klopfte dem Mann gönnerhaft auf die Schulter. „Außerdem hat der alte Tate somit einen Mann direkt an unserem Puls und kann den Einfluss auf uns ausweiten.“
„Wenn die Interessen übereinstimmen.“
„Unsere Interessen werden von unserer Umgebung definiert. Gehört Mamoru Hatake zur Umgebung, definiert er ebenfalls unsere Interessen.“
„Okay, jetzt verstehe ich. Und danke, Akira. Ich glaube ich weiß langsam, warum Vater so große Stücke von so einem jungen Burschen hält. Ich werde drüber nachdenken und Ihnen morgen eine Antwort geben.
Aber bis dahin…“
„Bis dahin?“
„Bis dahin würde ich es furchtbar nett finden, wenn Sie mir mit einer Uniformhose und einem Raum zum wechseln aushelfen könnten. Diese Pelzdinger sind in Katmandu recht praktisch, aber hier schwitze ich mich zu Tode.“
Ich lachte bellend. „Na, dagegen kann man was tun. Hina, ich weiß, dass du lauschst! Komm, ich habe Arbeit für dich.“

Hinter uns raschelte es, aus einem nahen Gebüsch trat eine schlanke Frauengestalt hervor. „Nicht Hina. Die versucht im Gemeinschaftsbad zusammen mit Ami einen Blick auf die beiden nackten Kerle Yoshi und Makoto zu erhaschen.“
„Wahrscheinlich zusammen mit achtzig Prozent der anderen Frauen, hm?“
„Eher so um die achtundachtzig.“
Ich schmunzelte. „Und warum gehört Akane Kurosawa nicht zu diesen achtundachtzig Prozent?“
Akane trat zu uns. „Akane Kurosawa findet den Muskelbepackten Oberkörper von Mamoru Hatake interessanter. Eigentlich hatte ich ja gehofft, dass du ihn zu einem nächtlichen Bad im Meer überredest.“
Ich kratzte mich am Haaransatz. „Nee, keine Chance. Ich stehe nicht auf große, muskulöse Kerle.“
Akane verdrehte die Augen in gespielter Verzweiflung. „Akira. Hast du es denn so nötig, dass bei dir jedes Argument auf Sex hinausläuft?“
„Zu eins: Ja. Zu zwei: Nein. Nur wenn es offensichtlich ist.“
Akane räusperte sich vernehmlich.
„Wie dem auch sei. Mamoru, ich vertraue Sie nun den erfahrenen Händen von Akane Kurosawa an. Sie ist eine unserer Fairies und nebenbei selbst Hawk-Pilotin. Ich verspreche Ihnen, dass sie die Finger von Ihnen lässt, solange Sie ihr keine Einladung geben.“
Ich taxierte sie mit einem nachdenklichen Blick. „Zumindest hoffe ich das.“
„Akira!“, rief sie entrüstet.
Sie griff nach Mamorus Händen und zog ihn hinter sich her, zurück zum Hangar.
„Kommen Sie besser mit, Captain. Akira Otomo mag der beste Mecha-Pilot auf diesem Planeten sein, aber er kriegt es viel zu selten, und dann wird er ein ziemlicher sexistischer…“
„Das ist ein allgemeines Männerproblem, Akane-chan!“, rief ich ihr hinterher, was sie mit einem abwertenden Gelächter kommentierte.
„Schließ nicht immer von dir auf andere, Akira-chan.“
Ich lachte bei diesen Worten. Und dankte Gott, dass das zerlumpte, gefolterte Bündel Mensch,
welches wir vor vier Jahren bei einem Angriff auf Hokkaido gefunden hatten, nun wieder eine lebenslustige schöne junge Frau war.
Unwillkürlich ballte ich die Hände. Manche Kronosier waren in Ordnung, Leute die ich in meinem Team hätte haben wollen, so wie Daisuke Honda.
Manche waren auch nicht ekliger als das Gros der Menschen. Und dann gab es wieder Psychopathen und Schweine, die dringend eine Therapie brauchten. Und denen man Macht gegeben hatte. Ich hatte mir sagen lassen, dass siebzig Prozent der Legatsmitglieder so waren. So und nicht anders. Konnte man nicht alle Gerechten einen? Die Kriege beenden? Die Welt retten?
Manchmal dachte ich, das wäre mein einziger Lebenszweck. Und manchmal dachte ich, was ich doch für ein arroganter Bastard war, von mir selbst zu erwarten, dass ich die Welt retten konnte.
Und manchmal hatte ich Angst, es nicht zu schaffen.

„Einen Cent für deine Gedanken, Akira-chan.“
Ich verzichtete darauf, meinen Schreck zu zeigen oder auf einen Beinahe-Herzinfarkt hinzuweisen, als ich mich der neuen Stimme zuwandte. „Kitsune. Du sollst dich doch nicht so anschleichen.“
Die Dämonin in der Gestalt einer mittelgroßen, rothaarigen Frau kniff die Augen zusammen und glich wirklich einem Fuchs, einer Füchsin, um genau zu sein. Sie hatte mir erzählt, dass sie die Herrin der Fuchsdämonen war. Und ich hatte oft genug gesehen, dass sie sich in einen Fuchs verwandelt hatte. Aber im Moment hatte sie ihre Menschenform inne – in einer wirklich netten Variation der khakifarbenen Felduniform der Akuma-Gumi. Statt der braunen Hosen trug sie zum Hemd einen extrem kurzen Minirock und statt der Stiefel neckische Sandalen.
„Das war kein anschleichen. Das war ein Test, ob dein Kreislaufsystem noch immer auf dem hervorragenden Niveau der letzten Jahre ist.“
„Kitsune. Ich sollte dich übers Knie legen“, drohte ich mit mäßigem Ernst.
„Aha. Akane hatte also Recht. Du kriegst es nicht oft genug und machst aus allem gleich einen sexuellen Akt.“
Seufzend legte ich eine Hand an die Stirn. „Kitsune, bitte.“
Ich spürte, wie sie mich umarmte und ihren Kopf auf meine Brust legte. „Ich hätte da gerade überhaupt nichts gegen, Akira-chan. Ich meine, du bist so groß und stark und du riechst so gut und… Sag mal, freust du dich so sehr mich zu sehen oder ist das ein Revolver in deiner Hose?“
Ich seufzte erneut und zog die silberne Grabplatte hervor.
„Oh, du hast es. Das ist gut. Wir werden uns morgen ausgiebig damit beschäftigen. Aber jetzt erst mal…“
„Kitsune“, mahnte ich, ernster diesmal.
Murrend löste sie sich von mir. „Ist ja gut. Also ehrlich, Akira-chan, wenn du alle deine guten Gelegenheiten bei den Frauen um dich herum ausschlägst, dann verstehe ich Akane. Wer ist eigentlich der Mönch? Yoshi oder du?“
Ich beugte mich vor und gab der Füchsin einen flüchtigen Kuss auf den Mund. „Ich schlage nicht aus, Kitsune. Ich schiebe auf.“
Misstrauisch beäugte sie mich. „Versprochen?“
„Versprochen. Wer belügt schon eine Dämonenkönigin?“
„Vorsicht, Akira Otomo, ich nehme dich beim Wort.“

Sie griff nach der Silberplatte und musterte sie einige Zeit. „Komm raus!“
Ich fuhr erschrocken zusammen. Erstens, weil ich diesen Befehlston bei Kitsune eigentlich nur hörte, wenn einem das Wasser bis zur Unterlippe reichte, zweitens weil der fluoreszierende Nebel wirklich nicht jedermanns Sache war und drittens, weil ich wirklich ein Problem mit der großen Gestalt in dem weißen wehenden Gewand mit den zwei Hörnern und dem grotesk deformierten Gesicht hatte.
„Wer hat mich geweckt? Wer hat mich aus meinem Schlaf gerissen?“, grollte die Gestalt. Sie sah auf und ihre Augen blitzten.
„Der da“, meinte Kitsune mit einem fiesen Grinsen und deutete auf mich. Eigentlich hatte sie zwischen den Zeilen gesagt: Greif lieber den an, denn gegen mich hast du keine Chance.
Der Dämon, unverkennbar ein Oni, stürzte auf mich zu, aber problemlos wich ich aus.
„Das ist ne Maske, oder? Ich meine, wer kann den so ein Gesicht haben?“
„Sterblicher Mensch, ich werde dich…“
Ich griff an, tauchte knapp unter ihrem Schlagarm hindurch und griff in das weite, weiße wallende Haar im Nacken. Tatsächlich ertastete ich einen Knoten und konnte ihn teilweise öffnen, bevor ich die Reichweite der weißen Gestalt verlassen musste.
„Was tust du?“, rief der Oni verzweifelt. „Du kannst doch nicht einfach… Was bist du nur für ein Mensch?“
Wieder griff ich an, versuchte sie auf der anderen Seite zu umgehen. Sie wich aus, leider in die falsche Richtung, und es endete damit, dass wir beide zu Boden stürzten. Übrigens eine reife Leistung für ein immaterielles dämonisches Wesen, sich plötzlich wie ein lebender und atmender Mensch anzufühlen – und nebenbei gesagt, so himmlisch weich.
Der Knoten im Nacken löste sich, die Maske fiel herab, entlarvte die weißen Haare als Accecoir und machte einem wirklich hübschen Frauengesicht Platz, dass mich entsetzt ansah.
Nun gut, dass sie eine Frau war, hatte ich vorher schon an der Stimme erkannt. Und es hatte sich bestätigt, als sie auf mich gefallen war. Seitdem hielt ich unfreiwillig ihren rechten Busen in der Hand.
Was wohl ihren entsetzten Blick erklären konnte.

Erschrocken fuhr sie hoch, wirbelte herum. „Wie kannst du mir das antun? Wie kannst du mich an dieser Stelle berühren? Welche Schande! Wenn ich nicht schon tot wäre, dann müsste ich jetzt Selbstmord begehen!“
Mühsam rappelte ich mich auf. „Ach komm. Erstens ist da nichts, wofür du dich schämen müsstest, und zweitens war es ein Unfall. Also bitte, stell dich nicht so an.“
„Du hast leicht reden. Du warst ja auch nicht in dieser Platte gefangen. Du… Wieso konntest du mich berühren?“
Erschrocken sah sie Kitsune an und ich registrierte, dass sie wirklich sehr, sehr gut aussah. „Er konnte mich berühren, Sama.“
„Das habe ich auch gemerkt. Vor allem, wo er dich berührt hat.“
„Nun koch nicht wieder diese Sache mit dem nicht ausgelastet sein hoch, Kitsune“, bat ich ärgerlich. „Es war ein Unfall, nur ein Unfall!“
„Ja, sicher, Akira-chan.“

„Ist er ein KI-Meister?“, fragte der Oni Kitsune.
„Ja, und zwar ein ziemlich starker KI-Meister. Auch wenn er es selbst noch nicht weiß und im Moment eher einem Stahlblock denn einem scharfen Schwert gleicht.“
„Was zum Henker ist ein KI-Meister? Und könnt ihr bitte in meiner Gegenwart nicht in der dritten Person über mich reden?“
„Ein KI-Meister… Und er kann mich berühren.“
Die Oni verbeugte sich vor mir. „Sama! Ich bitte euch, mich in eure Dienste aufzunehmen. Es ist nicht viel, was ich kann, aber…“
„Wolltest du mich nicht gerade töten oder so?“, warf ich ironisch ein.
„Das war bevor ich gemerkt habe, dass Ihr vielleicht meinen Fluch aufheben könnt, Sama.“
„Deinen Fluch?“
Sie erhob sich und starrte auf ihre Hände. „Meinen Fluch. Das Blut Dutzender unschuldiger Menschen, dass an meinen Händen klebt und…“
Wieder warf sie sich zu Boden. „Sama! Ich bettele euch an!“
„Entschuldige, junge Dame, aber du bist bereits für etwas anderes vorgesehen“, sagte Kitsune ernst. Sie trat zur Oni vor und musterte sie entschlossen.
„Akira. Gib ihr einen Namen.“
„Hm. Was man einen Namen gibt, gehört einem. Ist das der Gedanke, Kitsune?“
„Ja.“
„Mir fällt gerade kein guter Frauenname ein. Bis es das tut, nenne ich dich Akari. Ist das in Ordnung?“
„Akari. Der Name gefällt mir. Du heißt jetzt Akari. Und nun kommen wir gleich zur Aufgabe, die dir zugedacht ist, Hunderttöter.“
Akari zuckte zusammen, als Kitsune sie Hunderttöter nannte. Verzweifelt sah sie zur Fuchsdämonin hoch.
„Ich werde einen Teil deiner Substanz aufzehren, Akari. Aber freu dich, das Ergebnis wird… Nett sein.“
Die Füchsin legte beide Hände auf Akaris Gesicht. Kurz darauf blendete mich ein Lichtblitz, von dem ich nicht bezweifelte, dass er im Weltall gesehen werden konnte.
Und ein Schrei marterte meine Ohren, wie ich ihn nicht einmal gehört hatte, als ich in dem kronosischen Gefängnis eingekerkert gewesen war.

3.
„Oooooookay. Erklär es mir noch mal!“ Hina starrte mit vor Zorn blitzenden Augen auf mich herab. Und sie starrte wirklich herab. Kaum ein Mensch beherrschte diesen Blick so gut wie sie. Die sechs Jahre Kampf hatten sie reichlich gerissen gemacht. Sie konnte ihre Möglichkeiten nun sehr gut einschätzen, und nutzte es aus. Gnadenlos.
„Hör mal, Hina-chan…“
„Genau das will ich. Hören. Und was macht die überhaupt wieder hier?“
„Was denn, was denn, Hina-chi. Neulich hattest du noch nichts gegen mich.“
„Hina-chi?“, fragte ich interessiert.
Kitsune kniff lächelnd die Augen zusammen. „Och, ich habe neulich mit Hina-chi gebadet. Das war lustig.“
„Ihr habt gebadet?“
„Nicht das Thema wechseln!“, rief Hina aufgebracht. „Außerdem haben wir wirklich nur gebadet, was dabei getrunken und uns über Jungs unterhalten.“
„Ich sagte doch, es war lustig.“
„Also, Akira“, sagte Hina bestimmt und kam mir so nahe, dass ich ihren Atem schmecken konnte, „wer ist dieses junge Mädchen neben Kitsune-chan?“
„Äh, das ist Akari, meine… Dienerin?“
Hina japste vor Aufregung. „Deine… Deine Dienerin?“
Ami Shirai hob eine Hand. „Frage, Chef. Was für eine Art von Dienerin?“
„Tja, das weiß ich ehrlich gesagt selbst noch nicht. Kitsune hat es mir noch nicht so genau erklärt.“
„Wie kommt sie überhaupt auf diese Insel? Ich meine, der gesamte Geheimdienst der Kronosier schafft es nicht, und dann gelingt es dieser… Sechzehnjährigen?“
„Vierhundertelf“, half Akari aus.
„Vierhundertelf, danke. Vierhundert… Was bitte?“
„Nun, Akari-chan war in der silbernen Grabplatte gefangen.“
„Du meinst sie ist ein Geist?“
Vehement schüttelte ich den Kopf. „Nein, sie war ein Geist. Kitsune hat sie… Ja, was hast du überhaupt mit ihr gemacht?“
Die Füchsin lachte. „Na, was wohl? Ich habe einen Menschen aus ihr gemacht. Dazu musste ich aber einen Teil ihrer Substanz aufzehren. Energie existiert eben nicht im Überfluss, und KI in Fleisch zu transformieren ist erstens schwierig und zweitens…“
„Du hast sie zu einem Menschen transformiert?“, rief Hina ungläubig.
Ich, Akari und Kitsune nickten.
„Aber… Aber… Aber… Wie geht das denn?“
„Du, das ist eine schwierige Frage. Sie erfordert enorme Beherrschung des KI und eine langjährige Erfahrung. Sie ähnelt ein wenig meiner Transformation, wenn ich mich wieder in einen Fuchs verwandle und… Na, auf jeden Fall ist es möglich. Natürlich gelang das nur, weil Akari ganz tief drinnen in ihrem nun wieder schlagenden Herzen vom Wunsch erfüllt ist, ihre schwere Sünde wieder gut zu machen, die auf ihr lastet. Es ist eine Art zweiter Chance für sie.“
„Okay, das mag ja alles sein. Aber abgesehen davon, dass dies hier kein Platz für Kinder ist, wie soll sie uns im Kampf gegen die Kronosier helfen?“
Ich unterdrückte ein auflachen, als Hina das mit den Kindern sagte. Andere waren nicht so diskret.
Kitsune nickte in Akaris Richtung. „Nun, sie ist eine Fairy. Genau wie du. Außerdem dient sie uns als ehemaliger Oni als Anker.“
„Fairy? Als Mensch ist sie eine Fairy? Nett, aber was meinst du mit Anker?“

„Das kann ich wohl am besten erklären“, sagte eine tiefe Frauenstimme hinter uns.
Daran, wie Hina erbleichte erkannte ich, wer da hinter uns angekommen war. Ich hatte selbstverständlich bereits die Stimme erkannt.
Ich drehte mich um. „Dai-Kuzo-sama. Wir haben uns ewig nicht gesehen.“ Sanft nahm ich die uralte Dämonin in die Arme und drückte ihr einen Kuss auf die Wange.
„Das stimmt. Fünf Jahre sind eine kleine Ewigkeit. Ich hoffe, Kitsune und Okame haben dir nicht zu viele Probleme bereitet.“
„Okame nicht…“
„Akira-chan!“, beschwerte sich die Füchsin und blies entrüstet die Wangen auf.
Die große Spinne lächelte dazu. „Hina-chan. Ihr alle. Akari ist wirklich eine Fairy, weil tief in ihr der Wunsch ruht, Gutes zu tun, wie dieser Wunsch auch in euch die Erweckung zur Fairy bereitet hat. Und sie ist ein Anker. Mein Anker, um leichter von der Dämonenwelt in die Menschenwelt zu wechseln. Was mir nach Toras Manipulationen, nun, etwas schwer fällt.
Übrigens, genau im richtigen Zeitpunkt, denn es sieht ganz so aus, als würden die Kronosier eine neue Offensive planen. Die Hekatoncheiren sind auf dem Weg zum hiesigen Tor.“
„Die Hekatoncheiren?“ Verdammt, die Besten der Besten. „Weckt sofort alle Stabsmitglieder. Und gebt Daisuke den Befehl, sofort zurück zu kommen! Akari-chan, du bist auch dabei. Ebenso Yoshi und Mamoru. Und selbstverständlich Dai-Kuzo-sama.
Wenn die Kronosier die dreiköpfigen Riesen schicken, wird es ernst für uns.“
***
Der Sprung ins südchinesische Meer bedeutete für die Daishis keine große Anstrengung. Die Fusionsreaktoren lieferten unbegrenzte Energie für den Antrieb.
Lediglich der logistische Albtraum sechzig Mechas zu verlegen und dies vor den Vorgesetzten zu verheimlichen war ein Problem.
Megumi flog mit ihrem Daishi Gamma an der Spitze der Formation. Hinter und neben sich wusste sie Lilian und Takashi. Auf beide war absoluter Verlass. Aber das hatte sie auch von Daisuke gedacht, bevor der Ältere sie so bitter enttäuscht hatte.
Was war schon dabei, einen kronosianischen Biocomputer von innen zu sehen? Sie empfand nichts dabei, absolut nichts. Zumindest nichts, was sie nicht unterdrücken konnte.
Aber Daisuke… Er hatte seine Herkunft fortgeworfen, seinen Offiziersrang mit Füßen getreten, seinen Daishi Daedalus gestohlen und war mit einem Biotank auf und davon geflohen.
Eigentlich hätte er nirgends auf der Welt sicher sein sollen, nicht als Kronosier und nicht mit dieser Beute. Aber irgendwie hatte er es nicht nur zu der Akuma-Gumi geschafft, er hatte sogar Akira Otomo dazu gebracht, ihn aufzunehmen.
Als Shirai Akuma galt er nach Otomo als der Gefährlichste in der Runde.
Megumi musste es wissen. Sie hatte den einen ausgebildet und gegen den anderen gekämpft.

Verdammt, manchmal wünschte sie sich, es könnte auch für sie so einfach sein, von heute auf morgen die Sachen zu packen und zu verschwinden. Aber sie wusste nur zu genau, dass nicht alles schlecht am kronosischen System war. Und dass sie und nur sie zwischen dem schlechten und der Menschheit stand.
Sie und ihre Handvoll Verbündeter, die die letzten acht Jahre genutzt hatten, um die Kronosier zu infiltrieren und in eine weniger zerstörerische Richtung zu lenken.
Wäre da nicht dieser verteufelt gute Akira Otomo gewesen, zusammen mit seiner Akuma-Gumi… Nein, sie wurde ungerecht. Akira nützte ebensoviel wie er schadete. Vielleicht nützte er sogar weit mehr als dass er schadete. Immerhin lenkte er die unsäglichen Amerikaner ab, beschäftigte die Russen, hielt die Chinesen nervös und besaß auch noch die Frechheit, beste Kontakte nach Europa zu haben.
Als Verbündeter musste er unendlich wertvoll sein. Als Freund, als Vertrauter, als…
„Geht es dir gut, mein Mädchen? Dein Puls beginnt gerade zu rasen. Außerdem hat sich dein Gesicht gerötet.“
„Schon gut, Amber. Mit mir ist alles in Ordnung.“
Die KI ihres Mechas ließ einen Laut hören, den man durchaus als Nichtbilligung interpretieren konnte, verzichtete aber auf weitere Kommentare.
„Ich habe nur gerade an Blue Devil gedacht.“
„Blue Devil? Akira Otomo? Gehst du die Lektion in Gedanken durch, die er uns erteilt hat? Oder was beschäftigt dich?“
Wütend knirschte sie mit den Zähnen. „Wir waren mal Freunde, habe ich das schon erzählt? Unsere Familien waren so eng befreundet, dass ich mit Akira und Yohko quasi zusammen aufgewachsen bin. Makoto war auch dabei und Sakura unsere große Schwester, die auf die ganze Rasselbande ein Auge hatte. Und Makoto immer in Mädchenklamotten von mir und Yohko steckte, weil er so süß darin aussah. Und dann…“
„Und dann?“
„Und dann bekam der Geheimdienst einen vollkommen unsinnigen Tipp und holte Yohko ab, um sie zum Verhör zu bringen. Sie kehrte nicht mehr zurück. Die Kronosier sprachen von einem Herzfehler und einem absoluten Kreislaufzusammenbruch mit Todesfolge.“
„Ich verstehe. Und Akira Otomo hat das nicht geglaubt und hat so lange protestiert, bis…“
„Falsch. Er griff nach einem scharfen Schwert und hat drei der Agenten getötet, bevor er überwältigt werden konnte. Er hat die ganze Zeit an die Unschuld seiner Schwester geglaubt. Dafür landete er ein halbes Jahr im Gefängnis. In einem der schlimmsten Gefängnisse, die das Imperium unterhält.“
„Ein halbes Jahr für dreifachen Todschlag ist aber ein mildes Urteil“, kommentierte die KI.
„Oh, verurteilt wurde er zu lebenslang. Er war nur ein halbes Jahr im Gefängnis, weil er ausgebrochen ist. Bei dieser Aktion soll er Dutzende Wachen getötet, einen allgemeinen Gefängnisaufstand ausgelöst und zwanzig reguläre Armeesoldaten ausgelöscht haben.“
„Hm. Er scheint ein gesunder und fähiger Junge zu sein. Falls er nicht längst ein durch geknallter Psychopath ist.“
„Er ist kein Psychopath!“, blaffte Megumi wütend. Leiser fügte sie hinzu: „Zumindest hoffe ich das.“
„Hm, es scheint, dass du immer noch was für ihn fühlst, obwohl er uns beim letzten Mal so schlecht hat aussehen lassen.“
„Irgendwie schon, Amber. Auch wenn Vater immer sagt, ich soll ihm so weit es geht aus dem Weg gehen. Wir sind zusammen aufgewachsen. Das steckt in meinen Knochen. Ich werde es nicht los.“ Sie sah auf ihre Hände. „Dennoch wird einer von uns den anderen töten. Ich weiß es.“

„X minus einhundert. Schatz, so gern ich mit dir plaudere, aber das Tor ist knapp vor uns. Es wird Zeit, dass du Befehle gibst.“
„Ist gut, Amber. Öffne mir einen Kanal.
Hergehört, Hekatoncheiren. Dies ist eine Rettungsoperation. Da ich mir den Arm gebrochen habe, kann ich leider nicht überall zugleich sein, also seid bitte dieses eine Mal selbstständiger.“
Raues Gelächter antwortete ihr. Megumi grinste still.
„Wir gehen rein, lokalisieren Tiger und Drachen und beschäftigen ihre Gegner, bis sie sich mit ihren Daishis und Transportern bis zum Portal zurückgezogen haben. Verstanden?“
„Roger!“
„Viel Glück euch allen. Major Uno Ende und aus.“
Langsam zog ihr Mecha das gewaltige Herkules-Schwert vom Rücken, die allerneueste Entwicklung aus den marsianischen Labors. Ein wenig hatten sie dabei zur Artemis-Lanze gelinst, mit der Aoi Akuma in letzter Zeit herumflog. Herausgekommen war eine fünf Meter lange Klinge aus carbonversetztem, ultrahochverdichtetem Stahl, der in seinem Futteral für den Zeitraum einer Zehntelsekunde vibrieren konnte. Megumi hatte noch nichts gefunden, was sie damit nicht hatte schneiden können. Aoi Akumas Hawk ein paar Gliedmaßen abzutrennen stand auf jeden Fall ganz oben auf ihrer Wunschliste.
**
Ihr Mecha setzte hart auf dem Boden auf. Sie feuerte eine Salve Raketen, die den nahen Wald in Brand setzte. Das würde die Dämonen nicht töten, aber aufhalten, lange genug, damit sich die neunte Panzerkompanie der Drachen geordnet zurückziehen konnte.
„Briareos Top ist da! Dem Himmel sei Dank, Briareos Top ist da!“
„Nicht nur ich, die gesamten Hekatoncheiren. Ich will Ihren Captain sprechen!“
„Lieutenant Mills hier. Der Captain ist tot. Fünf Dachsdämonen haben seinen Tank zerrissen, als er sich aus unserer Formation zurückfallen ließ.“
„Sie sind jetzt der Captain, Mills. Ordnen Sie Ihre Leute und ziehen Sie sich zur Hauptbasis zurück. Dort verstärken Sie den Verteidigungsriegel, bis Sie Befehl zum verladen bekommen.“
„Verladen? Heißt das…?“
„Das heißt es. Wir sind nicht als Entsatz hier, wir sind die Rettungsmission.“
„Dann waren wir knapp davor, aufgegeben zu werden?“
„Falsch“, kommentierte Megumi und schoss mit einer weiteren Raketensalve nach einem Geschwader Vogeldämonen. „Sie wurden bereits aufgegeben.“
„Aber was machen dann die Hekatoncheiren hier?“
„Das Richtige. Und jetzt führen Sie meinen Befehl aus, Captain Mills!“
„Aye, Ma´am! Sofort!“
Die fünf Panzer begannen sich langsam nach hinten zurück zu ziehen während die Kanonenpanzer weitere Salven in den brennenden Wald abfeuerten und die beiden Fla-Panzer die fliegenden Dämonen davon abhielten, näher zu kommen.

Megumi lächelte schwach, während sie sich langsam nach hinten zurückzog. „Briareos Top hier. Vorderste Linie gesichert. Neunte Kompanie kehrt zurück. Ziehe mich ebenfalls zurück. Status der Evakuierung?“
„General Yorric hier. Evakuierungsbefehl geht an alle Einheiten raus. Bisher haben alle überlebenden Truppen bestätigt.
Die Evakuierung ist unsere große Achillesferse. Wie lange könnt ihr die Dämonen aufhalten?“
„So lange wie nötig. Immerhin sind wir die Hekatoncheiren. Wie sehen die beiden Divisionen aus?“
„General Strater ist tot, vor einer Stunde in einem Hinterhalt gefallen. Ein Spinnendämon. Seine Drachen-Division hatte bisher zwanzig Prozent Totalverluste. Aber die restlichen achtzig Prozent wurden mehr oder weniger angeschlagen, nicht wenige stehen selbst davor als Totalverlust abgeschrieben zu werden. Meine Tiger-Division steht nicht viel besser da. Siebzehn Prozent Verluste, der Rest ist mehr oder weniger hart angeknackst.“
„Teilen Sie mir einige der weniger beschädigten Daishis zu, General. Sechzig Mechas können nicht überall sein.“
„Verstanden, Verstärkung ist unterwegs.“

„So, die Panzer haben den Wald verlassen. Wir können jetzt auch weg, Schatz.“
„Gut, Amber. Aber habe ein Auge auf die Sensoren. Ich verstehe nicht, warum die Dämonen die Gelegenheit nicht zu einem Angriff auf uns nutzen. Wir stehen hier gerade wundervoll alleine herum. Eine sehr gute Gelegenheit, den Hekatoncheiren den Kopf abzuschlagen.“
„Nun, vielleicht haben sie Angst vor dir, Schatz?“
„Angst? Wohl eher weniger.“
„Respekt?“
„Entweder das“, gab Megumi zögerlich zu, „oder dies hier ist eine Falle.“
Langsam zog sie den Daishi nach hinten zurück. Aber nirgends brach plötzlich die Erde auf, um eine Horde Tierdämonen auszuspeien. Auch die Vogeldämonen stürzten sich nicht als dichter Pulk auf sie herab. Einzig eine einsame Gestalt stand in der Ferne, vielleicht vierhundert Meter entfernt.
Megumi zoomte heran. Es war eine groß gewachsene Frau mit tiefschwarzem Haar, die ein langes, schwarzes Kleid trug. Ihr Lächeln hatte etwas Süffisantes.
„Vierhundert Meter. Eine Aufladung des Herkules-Schwertes kann sie erwischen.“
„Nein. Nein, Amber. Das halte ich für keine gute Idee. Wir ziehen uns ebenfalls zurück. Wenn wir dabei Munition oder Energie sparen können, ist mir das ganz Recht.“
Megumi trat die Pedale der Düsen durch, ihr Daishi hob vom Boden ab und flog in Richtung der sich zurückziehenden Panzer und Daishis zurück.
Dabei hatte sie einen erstklassigen Blick auf das riesige Dämonenland. Nun, zumindest aus einem Teil, eine weite, grün bewaldete Ebene, die im Norden und Osten von riesigen Bergen begrenzt wurde. Eigentlich eine sehr schöne Ecke, aber sie bezweifelte, dass sie hier jemals Urlaub machen konnte.

„Was die Frau wohl wollte?“, sinnierte Amber.
„Vielleicht wollte sie nur sicher gehen, dass wir uns zurückziehen?“
„Etwas in der Art, Daishi Jo-oh“, erklang direkt neben Megumi eine Stimme.
Erschrocken fuhr sie herum, riss ihre Dienstwaffe aus ihrem Holster, aber der gebrochene Arm war ihr in diesem Moment nicht sehr hilfreich. Außerdem entkräftet genug, um von der großen, schwarzhaarigen Frau mit einer nebensächlichen Bewegung wieder herunter geschoben zu werden.
Nachdenklich musterte die Frau Megumi, und sie machte sich klar, dass dies eine Dämonin sein musste, vielleicht sogar eine Dämonenkönigin.
„Mit dieser Verletzung hat man dich in den Kampf geschickt? Schätzen die Kronosier ihre eigenen Leute so gering? Tss.“
„Ich wurde so nicht in den Kampf geschickt. Ich bin von selbst gekommen, um meine Kameraden aus diesem unsinnigen Gemetzel zu retten! Ich…“
„Von selbst gekommen? Das ist ja noch schlimmer. Und dumm. Aber irgendwie auch süß…
Darf ich dir einen Handel vorschlagen? Ich heile deinen Arm, und dafür darf ich dich küssen.“
„Ich küsse keine Mädchen! Außerdem trage ich einen Helm!“
„Gut. Ich bin nämlich kein Mädchen, sondern eine Frau. Und der Helm ist absolut kein Problem.“
Die schwarzhaarige Dämonenkönigin senkte den Kopf zu ihr herab, durchdrang Panzerung und Plastik ihres brandroten Helms als wäre es nur ein Hologramm und drückte dann ihre Lippen auf die von Megumi.
***
„Major Uno!“ „Was?“
„Major Uno, Sie befinden sich seit einer Minute im Steigflug! Captain Mizuhara hat mich mit fünf Daishi Briareos losgeschickt um Sie zu stoppen! Sie sind bereits in drei Kilometern Höhe!“
„Es… Es geht mir gut. Steigflug gestoppt. Amber?“
„Ich bin hier. Aber uns fehlen zwei Minuten unserer Zeit. Bei dem Datenaustausch mit den anderen Daishis habe ich festgestellt, dass…“
„Schon gut, schon gut.“ Megumi hielt sich den schmerzenden Kopf mit beiden Händen. Diese Frau, war es ein Traum gewesen? Und wenn ja, warum träumte sie so einen Mist? Vor allem, warum in dieser Situation?
„Schatz, du bewegst deinen rechten Arm normal! Er ist nicht mehr gebrochen!“
„Was?“ Erschrocken hielt sie sich den Arm vor Augen. Diese Frau, dieser Kuss… Sie hatte Wort gehalten!
Ein eiskalter Schauer ging ihr über den Rücken. Wer war das bloß? Wem war sie da begegnet? Und warum hatte die Dämonin sie küssen wollen, anstatt sie zu töten?
„Major Uno, wir sollten zum Sammelpunkt fliegen. Die Dämonen rücken nicht nach und das macht den General nervös. Das beladen geht ausgesprochen schnell voran, und je weniger Fehler auftreten, desto unruhiger werden unsere Leute.“
„Das brauchen sie nicht. Das brauchen sie wirklich nicht. Die Dämonen haben gesiegt. Sie lassen die Überlebenden nach Hause humpeln.“ Langsam schloss Megumi die Hände um ihre Steuerung. „Glaube ich.“
„Im Moment wäre mir das ganz Recht.“
„Nicht nur Ihnen. Den Überresten von zwei Divisionen auch. Achtung, ich übernehme die Spitze.“
„Aye, Ma´am.“
Sie führte ihren Mecha an die Spitze der Formation und zog in Richtung der Landezone zurück.
Aber wenn sie in diesem Moment auf den Boden gezoomt hätte, dann hätte sie die Frau aus ihrem Cockpit gesehen, die sehr zufrieden hinter ihr herblickte. Und sie hätte diese Frau sagen hören können: „Du bist interessant, Fremdweltlerin. Sehr interessant.“
**
Das Portal lag nicht weit von uns entfernt, genauer gesagt nicht einmal achthundert Kilometer. Ein Katzensprung für alle fünf Akumas.
Wir flogen dicht über dem Wasser, um eine Ortung durch die Kronosier zu erschweren.
Wenn sie tatsächlich eine neue Offensive gegen unsere Verbündeten fuhren und dafür die Hekatoncheiren einsetzten, konnte es sich nur um den Versuch handeln, dieses militärische Abenteuer doch noch zu drehen und die Dämonen mit einem Massenbombardement in die Knie zu zwingen, dass die Bombardierungen Deutschlands im Zweiten Weltkrieg, die Granantenströme in Korea und das Flächenbombardement in Vietnam wie eine zweitklassige Übung aussehen lassen würde.
Es gab da noch die Option, dass die Hekatoncheiren einfach bei der Evakuierung der Truppen halfen, aber für so vernünftig schätzte ich die Kronosier nicht ein. Sie hatten zu viele schlechte Leute in der Kommandostruktur.
„Bereitmachen“, raunte ich.
„Roger!“
„Dai-chan, bist du fertig?“
„Ich habe auch Roger gesagt“, zischte der Kronosianer wütend. In seiner Stimme klang absolute Konzentration mit. Er war ein sehr guter Pilot, fast so gut wie ich. Und mit seiner Fairy fast nicht zu schlagen. Aber erstens steckte seine Fairy die meiste Zeit in einem Biotank, um unseren Supercomputer zu koordinieren und zweitens griffen wir hier seine alte Einheit an, die Hekatoncheiren.
„Das meinte ich nicht. Bist du fertig?“
„Es mag meine alte Einheit sein, aber mich verpflichtet nichts mehr. Ich habe alle Brücken zu ihr abgebrochen, nachdem ich Joan mitsamt dem Tank gerettet habe.“
Ich lachte rau auf. „Joan, was ist mit dir?“
„Mir geht es gut, Akira. Aber können wir die Sache schnell zuende bringen? Die Escaped wollen nachher zu einer schwierigen Rechenoperation zusammen treten und ich muß sie koordinieren. Außerdem muß ich noch die neuesten Videos rendern und die Band will das neue Stück noch mit mir üben.“
Ich grinste schief. Joan Reilley, befreit aus einem Biotank, in dem sie gezwungen gewesen war, als biologische Rechenmaschine für die Kronosier in einem mehrfach vernetzten Supercomputer zu arbeiten, tat dies nun für uns.
Nur mit dem Unterschied, dass unsere vierundzwanzig Escaped, wie wir unseren eigenen Supercomputer nannten, freiwillig zu ihren Rechenoperationen in die Tanks stiegen.
Was übrigens ihre Rechenleistung unter Joan im Vergleich zu den kronosianischen Modellen rapide erhöhte, in denen die Menschen meistens in einer Traumwelt dahin dämmerten und gar nicht wussten, was mit ihnen geschah.
Ansonsten war sie unsere Tokio Rose, unser Propaganda-Minister, unsere Stimme an die Welt. Mit ihren Songs und Videoclips, die illegal im Internet verbreitet wurden unterstützte sie unseren Kampf gegen die Kronosier und rief die Welt zur Geschlossenheit auf.
Obwohl, die meisten ihrer Lieder machten einfach nur Spaß.
So viel Spaß, dass die meisten ihrer Songs die weltweiten Airplay-Charts anführten.
„Ich will sehen, was ich für dich tun kann, Joan.“

„Ortung!“, gellte Yuris Stimme auf. „Akira, verdammt, zwei Zerstörer und ein Kreuzer lauern vor dem Portal!“
Das bedeutete automatisch auch zweihundert Mechas. Verdammt, wollten die Kronosier tatsächlich Kriegsschiffe in die Dämonenwelt schicken? Das gab der Bombardierungstheorie Vorschub.
„Daishis Agamemnon tauchen aus dem Portal auf. Sie eskortieren einen Panzertransporter!“
„Ich gebe zu, jetzt bin ich etwas verwirrt. Rotieren sie die Truppen in der Dämonenwelt eventuell nur?“, murmelte ich.
„Wohl kaum“, kommentierte Kei, als der Kreuzer das Feuer auf den Transporter eröffnete.
Das schwerfällige Gebilde wurde mehrfach getroffen, von Explosionen überschüttet und gierte Richtung Wasser. Aus über zwanzig Meter Höhe stürzte der Gigant ab. Dem nachfolgenden Infanterietransporter erging es nicht besser, während die Daishis des Begleitschutz auseinander spritzten.
„Verdammt, eine Strafaktion! Auf Seiten der Transporter sind auch Hekatoncheiren!“, rief Philip aufgeregt.
„Primus, schalte mich auf die kronosischen Gefechtsfrequenzen.“
„Roger.“

„…spricht Major Megumi Uno! Stellen Sie das Feuer ein, ich wiederhole, stellen Sie das Feuer ein!“
„Admiral Henderson hier, Ma´am. Ihre Hekatoncheiren haben nichts zu befürchten und können frei abziehen. Aber dieses Gestaltgewordene Übel, die Drachen- und Tiger-Divisionen müssen ausgemerzt werden, bevor ihre besiegten Truppen die Moral unserer Leute infizieren wie ein gefährlicher Virus!“
„Aber das ist Wahnsinn! Ich bin nicht bereit dabei zuzusehen, wie Sie zwei komplette Divisionen Bodentruppen abschlachten!“
„Ich befürchte, Sie haben gar keine andere Wahl. Dies ist eine interne Entscheidung der Marine, und ich werde sie durchführen. Ziehen Sie sich zurück, Major Uno. Ich würde ungern dem Legat erklären müssen, warum ich das Aß der Armee habe abschießen lassen müssen.“
„Das werden Sie aber tun müssen!“, blaffte Megumi zurück. „Hekatoncheiren! Angriff!“
„Roger!“

Ich überschlug schnell die Rechung. Acht Transporter pro Division, angeschlagene Mechas, dazu die Hekatoncheiren. Auf der anderen Seite zweihundert frische Daishis aller Klassen sowie ein Kreuzer und zwei Zerstörer.
Megumi Uno war ein tapferes Mädchen, wenn sie sich bei dieser enorm schlechten Kräfteverteilung dazu entschloss die beiden Divisionen zu verteidigen.
Hm, eigentlich war das eine sehr gute Gelegenheit, um den Kronosiern mal so richtig den Arsch aufzureißen.
„Megumi-chan, kannst du vielleicht Hilfe gebrauchen?“
Hina sah erschrocken zu mir herüber. Auch von den anderen vier Mechas des Akuma-Gumi kamen Laute des Erstaunens.
„Akira, bist du das? Wo steckst du?“
„In Gefechtsreichweite. Also, wie ist es? Darf ich dir mit der Akuma-Gumi zur Hand gehen?“
Ich spürte ihr Zögern, ihren inneren Kampf, als würde ich ihre Hand halten und ihr dabei in die Augen sehen. Ich konnte deutlich fühlen, wie sie abwog: Zweitausend Menschen und Kronosier auf der einen Seite, Akira Otomo auf der anderen Seite. Leben retten oder die Gelegenheit nutzen, vielleicht das Aß der Asse zu schlagen.
„Wir haben einen temporären Waffenstillstand, Akira.“
„Verstanden.
Also, meine lieben Teufel, heute gibt es Kreuzer zum Mittag!“
„Dann nichts wie ran ans Buffet!“, rief Daisuke und beschleunigte mit Hilfe der Aura-Kraft seiner Fairy.

Wir folgten ohne zu zögern, während Yuri seinen Eagle steigen ließ, um in optimale Fernkampfposition zu kommen.
Er eröffnete als erster das Feuer und erzielte den ersten Abschuss auf unserer Seite.
Daisuke huschte durch die Reihen der Gyes, seiner alten Einheit, und jagte auf den linken Zerstörer und seinen Verteidigungskordon zu.
„Ich brauche eine Tür zum Zerstörer!“
„Kriegst du, Daisuke“, klang Takashis Stimme auf. „Übrigens, es ist schön, dass wir mal wieder auf der gleichen Seite stehen. Auch wenn es nicht für lange ist.“
Die Hekatoncheiren von Gyes sprangen vor, durchflogen das feindliche Abwehrfeuer und machten deutlich, warum sie als die Besten galten. Takashi und Daisuke flogen nun Seite an Seite auf den Zerstörer zu, der nun nicht mehr auf die Transporter feuerte, sondern sich voll auf die Abwehr konzentrierte.
Takashi schoss vor, auf den Rumpf des Zerstörers zu und schaltete im ersten Anflug zwei Flak-Geschütze aus. Er wurde getroffen, taumelte, kam aber schnell wieder hoch.
„TAKASHI!“
„Nichts passiert. Nur ein Streifschuss. Jetzt liegt es an dir, Daisuke, das Tor ist offen!“
Das ließ sich der Mann, der den Ehrennamen Black Devil trug, nicht zweimal sagen. Seine Fairy aktivierte ihre Aura, umspülte die Artemis-Waffe in seiner Rechten mit ihrer Kraft und beschleunigte den Mecha hart. Mit einem Aufschrei stürzte Daisuke auf die Aufbauten nieder, die Klinge seiner Waffe durchdrang den Stahl wie Butter, die Brücke wurde vollkommen zerstört. Kurz darauf gierte der Zerstörer weg und driftete Richtung Meeresoberfläche.

„Verpiss dich! Ich brauche keine Hilfe!“
„Wie kommst du nur darauf, dass ich dir helfen will, Kronosiertussi? Ich hole mir den Zerstörer vor dir, das ist alles!“
Ein entrüstetes Schnauben von Lilian Jones antwortete Kei Takahara. „DAS wollen wir doch erstmal sehen!“
Ich zoomte das Geschehen heran und beobachtete wie Kei und Lilian durch die Verteidiger des zweiten Zerstörers fuhren, direkt im Angriff auf die Waffenaufbauten.
Der Kapitän zog sein Schiff zurück, wie es schien vorsichtshalber, nachdem er das Schicksal seines Schwesterschiffs mitbekommen hatte.

„Lass sie spielen“, kommentierte Philip gelassen. „Konzentrieren wir uns lieber auf die hundert Mechas des Kreuzers. Das Mistding feuert immer noch auf Transporter. Vier liegen schon im Bach.“
Das bedeutete fünfhundert unmittelbar bedrohte Leben.
„Okay. Megumi-chan, hast du Lust, mit mir ein wenig zu spielen?“
„Sprich, Akira!“
„Die Brücke eines Kreuzers ist leider zu gut geschützt, als dass ich sie mit der Artemis-Lanze erwischen könnte. Aber ich schaffe es in den Maschinenraum, wenn du mir hilfst.“
„Was soll ich tun?“
„Deck mir den Rücken, während wir uns durch die Daishis des Kreuzers kämpfen.“
„Roger!“
Megumi schloss zu mir auf, wir flogen Seite an Seite auf den Gegner zu.
Die Artemis-Lanze in meiner Hand wurde zum personifizierten Tod, zum Ende von zwei Daishi Briareos, während sich Megumi sehr erfolgreich mit einem Daedalus anlegte.
„Philip, du musst mir die Tür öffnen!“
„Chef, nach oben ist die Verteidigung zu dicht! Du musst durch die Katapulte eindringen!“
„Megumi!“, rief ich und schleuderte die Artemis-Lanze. Der Daishi Daedalus, der sie von hinten beinahe geköpft hätte, explodierte in der Luft, als sein Reaktor durchging.
Die Artemis-Lanze fiel beinahe unbeschädigt dem Meer entgegen.
Megumi tauchte ab, fing sie auf und – „AKIRA!“
Ihr Schwert flog heran, ehrlich ein sehr interessantes Ding, das meine Aufmerksamkeit von der ersten Sekunde an beansprucht hatte, direkt auf mich zu. Ich wich leicht aus, und die Klinge bohrte sich in den Torso eines Gilgamesch. Das Cockpit wurde aufgeschlitzt und beendete das Leben des kronosischen Piloten sehr schnell und sehr nachdrücklich.
„Danke“, brummte ich.
„Jetzt sind wir wohl quitt“, kommentierte sie.
Ich griff nach dem Schwert, wog es in der Hand meines Hawks. „Primus, was denkst du?“
„Gut ausbalanciert, kann ebenso wie eine Artemis-Lanze aufgeladen werden.
Übrigens ist dieses Schwert kein Argument dafür, dass Sie die Bewegung des Hawks gestoppt haben, Sir. Der Kreuzer schießt sich auf uns ein!“
Irritiert riss ich den Mecha tiefer – und entging so einer Salve aus drei Mecha-Abwehrgeschützen.
„Das Ding kann aufgeladen werden? Hina?“
Sie lächelte verschmitzt. „Probieren wir es.“
„Philip, Megumi, ich brauche ein Tor und ich brauche es jetzt!“
„Das schaffen wir nicht! Nicht nur mit meinem Briareos!“
„Gyes ist da! Wir helfen Aoi Akuma!“
„Hey, Takashi, ich bin ja auch noch da! Manieren hast du! Akira, der linke Zerstörer und sein Begleitschutz sind Fischfutter. Wir öffnen die Tür für dich!“
„Nun beansprucht mal nicht den ganzen Ruhm für euch, meine Herren!“, klang Lilian Jones´ Stimme auf. Sie rauschte heran, ihre Kottos im Schlepp.
„Ich und Kei-chan haben da wohl auch noch ein Wörtchen mitzureden!“
„Kei-chan?“
„Hey, das gemeinsame vernichten eines Zerstörers bringt Menschen eben zusammen“, scherzte Kei Takahara.
„Egal was Sie vorhaben, tun Sie es schnell. Meine beiden Divisionen sind sonst bald mal gewesen!“
„Du hast General Yorric gehört. Was immer du tun willst, tu es jetzt!“

Die Mechas der Hekatoncheiren und meiner Akuma-Gumi schossen vor, auf den Absperrriegel der Daishis vor dem Kreuzer – wenn sie nicht ohnehin schon mit ihnen im Kampf waren – und kämpften sie nieder. Dutzende Mechas, Angreifer wie Verteidiger, taumelten als brennende Wracks zu Boden.
„Tun wir es“, sagte Hina ernst.
Ich nickte. „Oben herum ist die Verteidigung zu dicht. Aber es gibt immer einen Weg! Ich leihe mir das Ding hier mal, Megumi-chan!“
„Ist in Ordnung, deine Lanze liegt mir sowieso mehr.“
Hina aktivierte ihre Aura, das Cockpit füllte sich mit einem unwirklichen, strahlend weißen Licht. Ich ergriff ihre linke Hand und drückte sie.
Sie lächelte erneut.
Der Mecha machte einen mächtigen Satz nach vorne, schoss durch die Reihen der Kämpfenden hindurch auf den Rumpf des Giganten zu.
Ich spürte es kaum, wie die Aura auch mich erfasste, dann den Hawk und schließlich die Klinge. Wütend brüllte ich auf, die Schneide des Schwertes verlängerte sich mit purer Aura-Kraft um das zehnfache!
Ich zog Den Hawk nach unten, unter dem Rumpf durch, während Abwehrfeuer nach dem Mecha tastete, Raketen uns verfolgten und noch so mancher gemeine Gruß der Daishis hinter uns herkam.
Dann berührte meine Waffe die Außenhülle des Kreuzers.
Wieder brüllte ich, trieb den Mecha voran, jagte ihn unter dem Rumpf des Kreuzers hindurch und zog ihn schnell nach unten, um nicht in den Mahlstrom der Triebwerke zu geraten.
Ich flog eine Kurve, bekam den Kreuzer wieder ins Sichtfeld. „Hat es geklappt?“
Mit dem Kreuzer ging eine merkwürdige Veränderung vor. Er klappte auseinander, als wäre er ein Transformer, beide Teile entfernten sich voneinander, bevor eine gewaltige Explosion das Ende des einstmals stolzen Schiffes verkündete.

„Akuma-Gumi! JETZT!“
Yuri, der uns die ganze Zeit mit Fernfeuer unterstützt hatte, feuerte eine Salve Raketen auf die Hekatoncheiren; ebenso verfuhren wir hier unten mit unseren Hawks.
Ergebnis war eine dichte Bank aus künstlichem Nebel.
„Akira, was soll der Scheiß? Glaubst du etwa, jetzt wo die Schiffe zerstört sind, greife ich deine Akumas sofort an?“, klagte Megumi.
„Ich an deiner Stelle würde es tun. Letztendlich bin ich der größere Feind, oder?“
Die drei Hawks schossen aus der Nebelbank hervor, auf meine Position. Ich passte mich ihrem Kurs an und flog mit ihnen davon.
„Was ist mit meiner Herkules-Klinge?“, rief sie mir nach.
„Du hast doch gesagt, die Artemis-Lanze liegt dir mehr, Megumi-chan. Sieh es als Tausch an. Ach, und es war eine Ehre, zusammen mit den Hekatoncheiren zu kämpfen. Vielleicht bekommen wir ja erneut die Gelegenheit dafür.“
„Eher nicht. So oft retten wir keine Expeditionen in die Dämonenwelt“, erwiderte sie sarkastisch. „Also gut, behalte mein Schwert. Die Lanze liegt mir wirklich mehr. Ach, Akira. Du willst dich ja nur vorm aufräumen drücken. So warst du schon immer.“
Ich lachte leise. „Hast mich erwischt, Megumi-chan. Pass auf dich auf.“ Kaum hörbar fügte ich hinzu: „Bitte.“
Ein Geräusch antwortete mir, das ich nicht einordnen konnte. Fast klang es wie ein trockenes Schluchzen. Aber Megumi?
Ich wechselte die Frequenz. „Das war gute Arbeit, Akuma-Gumi. Ich bin sehr zufrieden mit euch. Das einzige was uns nun noch bleibt ist die Schelte von Karl!“
„Das hatte ich ja fast vergessen!“, rief Daisuke entrüstet. „Vielleicht sollte ich schnell zurückdesertieren.“
„Ach komm, so schlimm wird es schon nicht“, meldete sich Yuri zu Wort.
„DU hast ja auch gut reden. Du hast einen Fernkampf-Mecha. Wir sind es, die die Schäden einstecken.“
Lautes Gelächter antwortete ihm.
„Also, wenn jemand desertieren will, soll er es jetzt tun. Auf den Rest wartet eine Schelte unseres Cheftechnikers und…“
„Und?“
„Und?“
„Raus damit, Akira.“
„Und zwei schöne Dinge. Eine warme Mahlzeit und ein weiches Bett.“
„Klingt doch besser als desertieren“, rief Kei lachend.
Wir fielen ein.

Nachdenklich griff ich nach Hinas Hand und drückte sie. „Das war eine beeindruckende Leistung, die du vorhin gezeigt hast. Die Aura-Klinge die du produziert hast, war mächtig, wirklich mächtig.“
Sie beugte sich zu mir vor. „Akira. Du bist ein Idiot. Das war ich nicht alleine.“
„Was? Aber wer… Aber wie… Was?“
„Du bist wirklich ein Idiot! Wer sitzt denn hier noch im Cockpit?“
Erschrocken sah ich sie an. Dann hielt ich mir meine Hände vors Gesicht. Falls sich Kitsune nicht heimlich als Fuchs hier drin versteckte… War ich das gewesen? Hatte ich auch Aura-Kraft?
Ein merkwürdiger Gedanke. Furcht erregend und erhebend zugleich.
„Na, danke. Noch ein Problem mehr.“
Hina verdrehte die Augen. „Idiot.“
Versöhnlicher fügte sie hinzu: „Aber du bist mein Lieblingsidiot, Akira.“
„Immerhin.“
Ich beschleunigte meinen Hawk. „Der Letzte Zuhause muß Karl beim reparieren helfen!“
Meine Freunde beschleunigten nun ebenfalls hart. Es versprach ein lustiges Rennen zu werden.

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Ace Kaiser,
Angry Eagles

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Clan Blood Spirit

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Anime Evolution: Spiegel

Episode zwei: Biotank

Prolog:
Eigentlich lebte man nicht schlecht in Japan, auch wenn es bereits acht Jahre defacto weder vom Parlament, noch vom Kaiser, aber vom kronosischen Generalgouverneur Hilmer Bont regiert wurde.
Man hatte eine gewisse Meinungsfreiheit, ein gewisses Mitspracherecht, bis zu einem bestimmten Punkt gab es sogar eine freie Presse. Repressalien waren selten, ebenso Verhaftungen.
Nach den großen Säuberungen im ersten Jahr, bei denen wichtige Politiker und Offiziere der Self Defense Army ausgeschaltet worden waren, begnügte sich das neue Gouvernat damit, die Bevölkerung mit Hilfe der staatlichen Medien zu beeinflussen und Mars-freundlich einzustellen. Ja, zu beeinflussen, nicht zu indoktrinieren.
Ansonsten ging das Leben seinen gewohnten Gang, man lebte, ging zur Arbeit, nach der Arbeit in die Bar, dann nach Hause. Einige meldeten sich freiwillig zur Armee, um den Kronosiern beim Befreiungskampf um die Welt zu helfen, ein paar starben, einige kamen als Helden nach Hause.
Und das war eigentlich schon alles. Wenn man den Nonsens mit dem Befreiungskampf glaubte. Eigentlich waren die Kronosier auch nichts anderes als Eroberer. Und nichts anderes hatten sie vor.
Allerdings konnte es schlimmere Herren als sie geben – wenn man das erste Jahr außer Acht ließ, in dem die Kronosier doch meistens über die Stränge geschlagen hatten.
Das dunkle Jahr durfte deshalb auch nicht öffentlich erwähnt werden. Dies war die einzige offiziell existierende politische Einschränkung von der Seite des Gouvernats, was die Redefreiheit betraf.

Nun, Cheong Dae-jung hatte genau diesen Fehler gemacht. Nicht ganz freiwillig und auch teilweise aus Unwissenheit. Nachdem Korea, sein Heimatland, dadurch vereinigt worden war, dass die Kronosier Nord und Süd erobert hatten, hatte es tief greifende Änderungen in ihrer Kultur gegeben. Die Demarkationslinie war aufgehoben worden, getrennte Familien wieder vereinigt und die Kronosier weniger als Eroberer und mehr als Befreier gefeiert worden.
Danach hatte es etliche Spitzenkräfte in die neue Verwaltung gezogen, die in Tokio für die eroberten Gebiete eingerichtet worden war. Und die Koreaner galten aufgrund ihrer Dankbarkeit als loyal und nicht opportunistisch.
Dae-jungs Fehler war simpel gewesen. Er hatte sich bei seinem Vermieter erkundigt, wer vor ihm sein geräumiges Appartement bewohnt hatte. Leider war es ein hoher, allein stehender Beamter der alten japanischen Regierung, der den Säuberungen des ersten Regierungsjahres zum Opfer gefallen war – sein Verbleib war nie geklärt worden und niemand hatte es gewagt zu fragen.
Aber er war so dumm und unwissend gewesen und hatte damit einen Automatismus in Gang gesetzt, der jedes Jahr ein paar hundert Menschen in der großen Stadt Tokio verschlang.

Es war alles relativ schnell gegangen. Ein offizieller Regierungswagen hatte ihn zu einer Befragung abgeholt, man hatte ihn mit seiner unbedachten Nachfrage konfrontiert, seine Beweggründe geklärt und zufrieden genickt.
Dann hatte man ihn allein gelassen.
Cheong Dae-jung war nervös. Sehr nervös, auch wenn er es nicht zugab. Hätte er eine Zigarette gehabt, hätte er wahrscheinlich eher seine Finger als die Spitze des Papierröllchens angesteckt. So blieb ihm nichts anderes als auf seine Fingerspitzen zu starren, nervös mit dem Stuhl zu kippeln und auf die Rückkehr der Verhörspezialisten zu warten.
Nun, es schien ja alles gut zu gehen, sie hatten ihm keine Vorhaltungen gemacht und schienen mit seinen Antworten zufrieden gewesen zu sein.
Vielleicht war er zum Abendessen schon… Was war das?
Irgendwie richteten sich seine Nackenhärchen auf. Und die Gänsehaut, die er gerade bekam. Zog ein kalter Wind ein?
Nein, das konnte nicht sein. Aber was war das für ein Grimmen im Bauch? Was passierte hier?
„I-ist da jemand?“
Nein, natürlich war da niemand. Die Tür war immer noch verschlossen, und den großen Spiegel, auf dessen anderer Seite in den Fernsehfilmen immer wichtige Polizisten saßen, um einem Verhör zu zusehen, konnte man ja nicht durchqueren.
Aber warum drehte sich ihm der Magen um? Warum die aufgestellten Härchen?
Warum zitterten seine Hände so sehr?
Und warum hatten ihn die Verhörspezialisten gefragt, ob er nahe Verwandte in Korea hatte?
„Wer ist da?“
Unsinn, er machte sich lächerlich. Da war niemand, nichts und niemand.
Aber wieso dachte er dann an nichts? Was sollte dieses nichts überhaupt bedeuten?
Dae-jung sprang vom Stuhl auf, wirbelte herum! Tatsächlich, hinter ihm war nichts, absolut nichts! Und genau dieses wandgraue Nichts fiel plötzlich auf ihn. Sein erstickter Schrei verklang, als die Wand ihn unter sich begrub, ihn umschloss und zu Boden riss.

Auf der anderen Seite des Spiegels beobachteten zwei Kronosier und ein Japaner den Vorgang. Die graue Masse hatte sich wie ein Sauerteig über den Koreaner gelegt und begann ihn nun zu assimilieren.
„Der wievielte ist es?“, fragte der Japaner.
„Wenn es klappt, dann ist es unser eintausendneunundachtzigster, Tori-sensei.“
„Gut, Shise-kun. Sobald die Transformation abgeschlossen ist, schicken Sie ihn auf den Mars, zur Ausbildung.“
Die beiden Kronosier bestätigten nickend.
„Und die weitere Familie? Sagen wir, er sei in subversive Tätigkeiten verstrickt gewesen?“
„Warum so etwas kompliziertes, Gordon-kun? Nehmen Sie die alte Ausrede vom Autounfall. Und erstellen Sie seine Todesurkunde.“
„Ja, Sensei.“

In die graue Masse kam Bewegung. Eine gelbe Hand schoss hervor, durchbrach sie, es kam eine zweite hinzu, die sich angestrengt durch die graue Masse arbeitete.
Schließlich richtete sich ein drei Meter großer, gehörnter Riese mit goldgelber Haut auf, entblößte ein Raubtiergebiss und brüllte zornig auf.
„Ein Prachtexemplar haben wir diesmal bekommen“, murmelte der Wissenschaftler. „Er wird der kronosianischen Sache gut dienen, wenn es soweit ist.“
Einer der Kronosier betätigte einen Schalter, Schlafgas strömte in den Raum und betäubte den Besessenen. Wenn er erst einmal dressiert war und seine Herren kannte, würden sie auf solche Kniffe verzichten können. Doch bis dahin half nur die Holzhammer-Methode.
„Wirklich ein Prachtexemplar“, murmelte der Japaner und wandte sich ab.

1.
Megumi Uno… Für eine Frau von guten zwanzig Jahren war sie etwas groß, fast eins vierundsiebzig. Damit überragte sie die meisten einheimischen Männer. Aber ihre schlanke Gestalt und der dezente Busen ließen sie dennoch zierlich erscheinen. Sie war Japanerin, aber sie behauptete auch, sich nicht die Haare zu färben. Und dunkelblond war doch etwas selten in unseren Genen.
Bei mir war das was anderes, immerhin war mein Opa Michael Deutscher, da konnte sich so was schon mal durchsetzen. Aber bei ihr… Ob ihre Mutter europäische Ahnen hatte? Sie war ja die Blonde in der Familie, war sogar noch heller als Megumi. Oder ob ihr Teil der Familie einfach irgendwann eingebürgert worden war?
Nicht, dass das noch einen Unterschied machen würde, wenn sie die Gift annahm, die Umprogrammierung der eigenen DNS auf kronosianische Normen. Die Kronosier hatten alle weiße oder weißblonde Haare, dass sie sehr lang zu tragen pflegten. So als Zeichen: Seht her, wie lange ich schon die Gift habe, ätschibätsch.
Auch die dunklen Augen waren bei ihnen gang und Gebe. Dunkelbraun, schwarz, beides gemischt, es gab ein paar Variationen. Die Haut selbst war im Grundton hell, konnte sich aber erheblich bräunen.
Wenn sie die Gift annahm und fortan so aussah… Ich hätte mich an den Gedanken gewöhnen können. Ich hätte mich an Megumi gewöhnen können.

Mit meiner abgewetzten schwarzen Lederjacke bekleidet, eine uralte Luger im Holster unter der linken Achsel und einer schäbigen schwarzen Jeans bekleidet fiel ich in der kleinen Einkaufsmeile natürlich auf wie ein bunter Hund. Aber dennoch schien mich Megumi bei meiner kleinen Observation nicht zu entdecken. Ob die tiefschwarze Sonnenbrille so eine gute Tarnung war? Nein, das konnte ich mir nicht vorstellen. Immerhin hing mein Steckbrief in jeder U-Bahn und in jeder Polizeistation. Zudem war das Kopfgeld nach der Sache am Portal in die Dämonenwelt noch einmal kräftig erhöht worden, denn offiziell hatte ich versucht, die beiden sich zurückziehenden Divisionen zu vernichten und dabei zwei Zerstörer und einen Kreuzer versenkt, die ihnen zu Hilfe hatten kommen wollen.
Na, danke. War ich Gott, oder was? Wenn die Kronosier so weitermachten, würde mich die ganze Welt fürchten. Und jagen.
„Hallo, Megumi-chan. Soll es heute etwas besonderes sein? Die Bananen sind im Angebot, weißt du?“
„Danke, O-jii-san, aber ich muß mich vitaminreicher ernähren, sagt mein Arzt. Also bitte nur frisches Gemüse. Genügend Kalzium bekomme ich über das Fleisch.“
Ich betrachtete die Szene am Gemüsestand schmunzelnd. Megumi war beliebt. Nicht nur bei denen, die auf die Propaganda der Kronosier hereinfielen. Nein, auch bei den meisten normalen Bürgern. Unvergessen war ihr Auftritt vor drei Jahren, als sie sich vor eine Strafaktion gestellt hatte. Ein Bombenangriff, mehrere Tote und ein Stadtteil Tokios, der als Antwort abgebrannt werden sollte. Und Megumi irgendwo dazwischen, bereit, als erste bei der Strafaktion zu sterben.
Die Kronosier hatten zurück gesteckt und die Attentäter und die Hintermänner waren einer nach dem anderen abgeliefert worden. Mit schönen Gruß an Megumi-sama, die Beschützerin.
Ich hatte meinen Schwur von damals, diese unvorsichtige, impulsive Göre dafür, dass sie ihr Leben riskiert hatte übers Knie zu legen noch nicht vergessen.

Als sie weiterging um beim Schlachter einzukaufen, ging ich selbst zum Gemüsestand. „Ich hätte gerne eine Banane, O-jii-san.“
Der Verkäufer, ein Mann um die Vierzig, deshalb meine Anrede O-jii-san, lächelte mich freundlich an. Er reichte mir die größte Banane die er finden konnte und wedelte mit beiden Händen, als ich bezahlen wollte. „Aber nicht doch. Nicht doch. Aoi Akuma muss doch nicht für eine simple Banane bezahlen.“
Ich lupfte meine Sonnenbrille. „Verdammt, meine Tarnung ist wohl doch nicht so gut.“
Der Ältere grinste mich an. „Es sah für mich nicht gerade so aus, als würdest du dich tarnen wollen, Akira.“
Ich zwinkerte dem Verkäufer zu, schälte die Banane und wandte mich zum gehen. Kein Wunder, Hattori-san kannte mich ja schon, seit ich alt genug bin, um mit meiner Mutter einkaufen zu gehen.
„Akira-kun, wie wäre es mit frischen Brötchen?“, rief mich die Verkäuferin am Bäckerstand an. Deutsche Brötchen, hier hatte sich ja einiges verändert.
„Hm, warum nicht?“
„Akira-kun, trink doch eine Limonade bei mir.“
„Akira-kun, vergiss nicht, bei mir vorbei zu kommen. Für die beiden geretteten Divisionen hast du dir ein Eis verdient!“
„Akira-kun!“
„Akira!“
Ich seufzte schwer. Vom Staatsfeind Nummer eins war ich in dieser Einkaufsmeile weit entfernt. „Ja, ja, ich komme. Überall hin, versprochen, und… URGS!“
Jemand griff erbarmungslos nach meinem Kragen, drehte ihn einmal in der Faust und zog mich hinter sich her. Bei soviel brachialer Gewalt folgte ich automatisch. Wenn man mein unkontrolliertes Stolpern und das balancieren der Brötchen, der Banane, vom Eis und der Limonade so nennen konnte. Wenigstens war die Lamune-Flasche noch verschlossen.
„Ah, Megumi-chan, gehst du mit Akira-kun aus? Benutze ruhig Gewalt, wenn der Dummkopf nicht freiwillig gehen will“, rief eine spöttische Stimme zu uns herüber.
Ich winkte mit einem verlegenen Grinsen herüber, eifrig darauf bedacht, in Megumis hartem Griff nicht zu stürzen oder etwas von meinen Geschenken zu verlieren.

Sie zerrte mich durch eine Seitengasse, durch noch eine Straße und stoppte auf einem Fußgängerüberweg. Wütend richtete sie mich auf und starrte mich nieder.
Ehrlich, ich weiß nicht, woher Frauen so etwas können und wer es ihnen beibringt, wahrscheinlich wurde es ihnen vom Schöpfer in die Wiege gelegt, aber dieses Niederstarren war ihre schärfste Waffe.
„AKIRA!“
„Schrei nicht so, ich stehe ja direkt vor dir.“
„Verdammt, du Idiot! Warum läufst du offen mitten durch Tokio? Willst du dass die Kronosier dich schnappen? Willst du dass dich der Geheimdienst schnappt? Willst du, dass sich irgendjemand die Prämie auf deinen Kopf verdient?“
„Megumi, du machst dir ja richtig Sorgen um mich.“
Nun, es gibt eine zweite Sache, die Frauen sehr gut können. Besonders schmerzhafte Ohrfeigen verteilen. In diesem Fall musste Megumi eine sehr gute Lehrmeisterin gehabt haben, denn ihre Ohrfeige krempelte mir die Zehennägel hoch.
„NATÜRLICH mache ich mir Sorgen um dich! Du großer, blöder Trottel! Wie kannst du dich nur in Gefahr bringen?“ Sie sah zu mir hoch, und Waffe Nummer drei kam zum Einsatz. Bittere Tränen ob des Unverständnis und Gedankenlosigkeit der Männer an sich.
Sie füllten Megumis Augen und flossen in dünnen Strömen über ihre Wangen. Ich hatte das dringende Bedürfnis, jede einzelne fort zu küssen, während ich sie innig umarmte, aber erstens ging das nicht wegen meiner Beute, und zweitens verdrehte sie mir immer noch den Kragen und zwang mich in eine unvorteilhafte Haltung.
„Heißt das, du lieferst mich nicht deinen Vorgesetzten aus?“
Übergangslos wurde Megumi knallrot. Ich befürchtete schon eine weitere Ohrfeige, aber sie wandte sich nur von mir ab.
„IDIOT!“, fauchte sie und ging davon.

Sie verschwand auf der gegenüberliegenden Treppe. Nachdenklich machte ich die Lamune-Flasche auf und nahm einen Schluck. Solange ich alleine auf der Fußgängerbrücke war, musste ich nicht befürchten, erkannt zu werden. Was entweder die Jagd auf mich beginnen lassen würde, oder der unsägliche Wunsch nach Autogrammen von Aoi Akuma, dem blauen Teufel.
„Du bist ja immer noch da!“, fauchte Megumi neben mir.
„Du bist wieder da? Na, weit bist du ja nicht gekommen“, stellte ich fest.
Unschlüssig, gefangen zwischen einem Wutausbruch und Verlegenheit, sah sie mich an. Schließlich riss sie mir die Limonade aus der Hand und nahm einen langen Schluck.
„Also, was mache ich jetzt mit dir?“
„Du könntest dir das Kopfgeld verdienen und vielleicht ein, zwei Ränge aufsteigen.“
„Ja, das könnte ich! Vollkommen problemlos, denn Akira Otomo ist ja so unendlich dumm, vollkommen ohne jede Rückendeckung durch Tokio zu spazieren!“
„Okay, das ist richtig. Aber ich habe ja auch einen guten Grund dafür.“
„Na, da bin ich aber mal gespannt!“
Ich schlang beide Arme um sie und drückte das Mädchen an mich. Ich hoffte, dass das Eis, die Banane und die Brötchen in meinen Händen nicht die Stimmung drückten.
„Ich wollte dich sehen, Megumi, dich berühren, deine Stimme hören, dich küssen und halten und…“
„Das geht gerade so als Grund durch!“ Ihr Gesicht rötete sich wieder.
„Halten tue ich dich ja schon…“, hauchte ich und senkte meinen Kopf, kam ihren Lippen mit den meinen entgegen.
„Akira…“, hauchte sie und schloss die Augen.

„Waaaah! Das unmögliche Liebespaar! Ich hätte mir nie träumen lassen, Akira-sama und Megumi-sama einmal persönlich zusammen zu sehen! Und erst Recht nicht wie sie sich küssen!“
Unwillig löste ich meine Lippen von Megumis und sah auf. Mist, drei Sekunden mehr und ich hätte ihre Zunge in meinem Mund gehabt.
Was ich die ganze Zeit befürchtet hatte war nun eingetreten. Ein ungefähr vierzehnjähriges Mädchen hatte mich erkannt, hatte Megumi erkannt, die Situation, in der wir steckten – und ihre Begleiter, eine geschlossene Schulklasse angesteckt!
Na, wenigstens rannten sie nicht alle auf einmal auf uns los, sondern hielten respektvollen Abstand. Von der Uniform her schätzte ich sie als Schüler der Fushida-Mittelstufe ein. Auf der Schule war ich auch gewesen, bevor… Bevor alles einen vollkommen anderen Gang genommen hatte.

Die Klasse war nun vollends in Begeisterung ausgebrochen, Jungen wie Mädchen riefen die verschiedensten Dinge, von obszön bis anfeuernd, nett bis schüchtern, einige pfiffen auf den Fingern und die Lehrer, die sie begleiteten, hatten alle die Handys gezückt.
Soviel zur trauten Zweisamkeit mit Megumi.
„Halt mal die Brötchen, ja? Und trink die Limo aus, es wäre schade sie wegzukippen.“
Ich gab ihr einen Kuss auf die Wange und einen Klaps auf den Allerwertesten, winkte den Schülern zu – und sprang von der Fußgängerbrücke mitten in den Verkehr hinein.
Keine Sekunde zu früh, denn der glitzernde Punkt am Horizont entpuppte sich als fliegender Infanterietransporter. Sicherlich würde es jetzt nur noch Sekunden dauern, bis auch die ersten Daishis auftauchten. Mit Infanterie wurde ich fertig, aber um gegen Daishis zu bestehen brauchte ich meinen Hawk. Nicht unbedingt meine Fairy, aber definitiv meinen Hawk.

Ich landete auf dem Planenverdeck eines Transport-LKWs und ließ mich fünfhundert Meter weit mitnehmen. Megumi sah mir so lange fassungslos nach, bis der LKW um eine Straßenecke bog.
Ich nutzte die paar Sekunden, die der Fahrer vom Gas ging, sprang ab und landete auf dem harten Asphalt. Dort rollte ich mich ab, hechtete über die Straßenumzäunung und rannte den Fußweg hinab. Mit etwas Glück vermuteten mich die Häscher der Kronosier noch auf dem Dach des LKWs. Mit etwas Pech waren sie mir schon viel zu nahe.
Also huschte ich in den erstbesten Laden, durchquerte ihn, kam in einem Hinterhof raus, nahm die nächste offene Tür und hatte Glück. Eine Bücherei.
Eilig raffte ich ein paar neue Bände meiner Lieblingsmangas zusammen, die ich noch nicht hatte, besuchte die Kasse im Express – auch auf der Flucht sollte man das Angenehme mit dem Nützlichen verbinden, und wer vermutete in einem Kunden mit einer Einkaufstüte schon einen landesweit gesuchten Elitepiloten – und trat ruhigen Schrittes auf die Straße hinaus.

Dort kramte ich einen der Mangas hervor, begann darin zu blättern und setzte mich an eine Bushaltestelle. Kurz darauf liefen kreuz und quer schwer bewaffnete Infanteristen durch die Straße, acht an der Zahl. Zwei Teams also nur. Sie vermuteten mich nicht wirklich in dieser Straße.
Und sie hielten den Busverkehr nicht auf. Grinsend stieg ich ein, bezahlte für eine Fahrt bis zur Endstation, setzte mich ganz hinten hin und las weiter. Auch wenn es meine ganze Disziplin kostete, ich würde den Infanteristen nicht spöttisch zuwinken, während ihre Beute fröhlich mit dem Bus davon fuhr.

„Was ist denn da draußen los?“
„Keine Ahnung, die suchen jemanden.“
„Wäre das nicht cool, wenn sie nach einem aus der Akuma-Gumi suchen? Oh, ich würde sterben, wenn ich einen von ihnen sehen würde!“
Mit halbem Ohr lauschte ich der Unterhaltung der beiden Mädchen auf der Bank vor mir. Und unterdrückte ein Schmunzeln. Wenn sie wüssten, dass einer aus der Akuma-Gumi direkt hinter ihnen im Bus saß… Und in diesem Augenblick den Häschern der Kronosier davonfuhr.
Hoffentlich dachte Megumi daran, die Brötchen mitzunehmen.
***
Eine Stunde später schlug mir jemand auf den Nacken.
„Lass den Mist, das tut weh“, tadelte ich.
Megumi ließ sich auf der Schaukel neben mir nieder. „Das ist das Mindeste, was du verdient hast, Akira. Weißt du, in was für einem Schlamassel du mich zurückgelassen hast? Ich werde einiges zu erklären haben, wenn herauskommt, dass wir zusammen gesehen wurden. Außerdem scheinen die Schüler der Fushida-Mittelschule Fotos davon gemacht zu haben, wie wir uns küssen.“
„Hm, davon hätte ich gerne ein paar Abzüge. Zum träumen für die einsamen Tage auf meiner Insel.“
„Erzähl mir nichts von einsam. Ich kenne alle Akten über die Akuma-Gumi. Du hast doch Hina-chan, oder nicht?“
„Das ist schon lange vorbei. Wir waren nicht füreinander bestimmt.“ Nachdenklich faltete ich die Hände im Nacken und betrachtete den verlassenen Spielplatz im Licht der Abenddämmerung. „Kein Wunder, dass du mich so schnell aufgespürt hast. Hier haben wir früher immer zusammen gespielt. Weißt du noch?“
„Wäre ich sonst hier?“ Ernst sah sie mich an. „Und? Warum bist du hier? Und warum nimmst du es schon wieder mit einer Hundertschaft Soldaten auf?“
„Um dich zu küssen? Um sie zu necken?“
„Du hast mich geküsst und du hast die Soldaten geneckt. Was bleibt jetzt noch? Du hast doch einen Grund, einen guten Grund um hier zu sein. Wenn es nur um mich gehen würde, hättest du in meinem Appartement auf mich gewartet und versucht, mich…“ Sie errötete und sah fort.
„Hm, richtig. Ich hätte es versucht. Gibt es denn einen Hauch Hoffnung, dass ich eines Tages Erfolg haben werde?“
„Akira. Der Tag, an dem wir beide uns lieben ist der Tag, an dem ich dir total verfalle, an dem ich deine Seite nie wieder verlassen will. Dieser Tag ist noch lange nicht gekommen. Wir haben beide noch viel zu viel zu tun auf unseren Seiten in diesem Spektakel und…“
„Ich will dich“, hauchte ich und küsste sie wieder.
Sie erwiderte den Kuss, öffnete den Mund einen Spalt und tauschte Liebkosungen mit mir aus.
„Ich weiß, Akira, ich weiß“, hauchte sie und drückte mich langsam und nachdrücklich fort. „Aber ich kann nicht. Ich kann einfach nicht. Noch nicht.“
„Hast du denn jemals Hoffnung, dass es jemals soweit kommen wird? Das wir auf einer Seite stehen werden? Kann es nicht sein, dass ich in meinem nächsten Einsatz gegen die Kronosier sterben werde? Was dann? Ist unsere Chance dahin?“
„Du verstehst es nicht. Mir geht es nicht um Sex, sondern darum, dass ich für immer bei dir bleiben werde, wenn es soweit ist.“
„Mir geht es auch nicht um Sex. Mir geht es um den Menschen, der mir das Wichtigste auf dieser Welt ist. Desertiere, Megumi, komm zu mir auf die Insel! Komm mit nach Senso Island und bleibe bei mir!“
„Senso Island? Du hast deine Heimatinsel nach dem japanischen Wort für Krieg benannt?“
„Ich war noch nie besonders gut im vergeben von Namen“, gestand ich ein.
„In diesem Fall schon. Es klingt… Sehr passend, Akira.
Aber nein. Nein, Akira. Die Kronosier sind nicht vollkommen verdorben und die Welt da draußen ist nicht vollkommen gut. Das weißt du, sonst würdest du nicht peinlich darauf achten, dass keine Macht der Welt Einfluss auf deine Akuma-Gumi erhält. Es hat seine Gründe, warum du kein Werkzeug der Russen oder der Amerikaner sein willst.“

„Ich… Ich hasse es, wenn du Recht hast.“ Betreten sah ich zu Boden.
Nun küsste sie mich, innig, verlangend und doch unendlich sanft. Die Ohrfeige hatte meine Fußnägel aufgerollt, dieser Kuss glättete sie erst und ließ sie dann auf links rollen.
„Aber irgendwann einmal ja, Akira. Das verspreche ich dir.“
„Das ist also Glück…“
„Also, was ist es? Warum bist du hier? Übrigens sollten wir langsam den Ort wechseln, wenn du nicht doch geschnappt werden willst.“
Ich stand auf. „Heißt das, du hast ein paar Stunden Zeit?“
„Wofür, Akira?“
„Wir wollen jemanden besuchen. Jemand besonderen.“

2.
Offizielle Pressekonferenz des Gouvernats Japans:
„Was wollen Sie mir da sagen? Akira Otomo war heute in der Innenstadt? Hören Sie, wenn ich für jede Akira Otomo-Sichtung einen Yen bekommen würde, dann wäre ich mittlerweile reich genug, um Australien zu kaufen. Er ist kein verdammter Geist, der tun und lassen kann, was ihm immer beliebt. Außerdem haben wir gerade in Tokio eine hohe Polizei- und Militärdichte, bei der es einem Renegaten wie Otomo nicht gelingen kann zu entkommen. Das, was Sie als Otomo-Sichtungen bezeichnen sind nur die verzweifelten Gestalt gewordenen Geschichten von Opportunisten und ewig Gestrigen, die wirklich glauben, ein einzelner Mann könne das kronosianische Imperium besiegen.“
**
Als wir die kleine Bar im Kellergeschoss betraten, schlug uns dichter Rauch entgegen. Zigaretten, Zigarren, Zigarillos und Pfeifen wetteiferten hier darum, die Luft für Nichtraucher möglichst nikotinhaltig zu gestalten.
In einem Land, in dem in öffentlichen Einrichtungen absolutes Rauchverbot herrschte – ein Land erobern konnten die Kronosier ganz gut, das rauchen an sich bekämpfen auch, solange man es nicht daheim machte und eifrig Steuern bezahlte – wies dies auf einen Laden hin, in dem man es mit mehreren Dingen nicht so genau nahm. Gesetze und die Polizei standen sicherlich ganz oben auf der Liste.
„Was ist das für ein Laden?“, fragte Megumi nach dem ersten Hustenanfall.
Ich blickte mich im schummrigen Licht um und grinste wölfisch. Jackpot. Mein Kontakt hatte einen sehr guten Laden ausgesucht.
Der kleine Raum war sehr gut gefüllt, Dutzende kleine Tische waren aufgestellt, auf jeden Tisch war ein Spotlicht gerichtet. Auf jedem Tisch standen ein Schachbrett und eine Stoppuhr, und neben den beiden Spielern saßen und standen diverse Beobachter um die Tische herum. Eine große Tafel im Hintergrund wurde regelmäßig mit den neuesten Ergebnissen beschriftet.
„Eine Schach-Hölle.“
„Eine… Eine Schach-Hölle? Willst du mich verarschen?“
„Hast du noch nie von den Schachhöllen gehört? Nachdem die Kronosier Shogi und Go monopolisiert haben und die Kontrolle über die staatlichen Ligen an sich gerissen haben, wurden diese Spiele höchst populär. Und auch wieder nicht, denn Shogi und Go zu spielen wurde auch zum Ausdruck, den neuen Herrschern zu gefallen. Ähnlich wie Tai Shi Shu´an am Morgen zu trainieren im kommunistischen China erst richtig populär wurde, nachdem die Partei es nachdrücklich gutgeheißen hat.
Schach zu spielen ist eigentlich mehr als einen neuen strategischen Sport zu bestreiten. Es ist eine Art Kriegserklärung an die Kronosier, noch mehr, eine Ideologie und offener Widerstand.
Eine Kneipe, in der Schach gespielt wird, ist immer ein Brutort für Subversivität und Opportunismus. Deshalb verschwinden die Schachhöllen auch so schnell wieder wie sie eröffnet werden, weil der Geheimdienst bemüht ist, sie zu bekämpfen. Bis auf eine Handvoll, die… Nun.“
„Die nun?“
„Die von den Yakuza beschützt werden. Natürlich nicht von den offiziellen Familien, die sich durch offene Kollaboration hervor getan haben. Nein, durch die kleineren Familien, die entweder diesem unsäglichen Nationalismus verhaftet sind, oder in den Kronosiern einfach nicht der Weisheit letzten Schluss sehen. Im Klartext, dieser Keller hier ist ein Rebellennest.“
„So sehen Rebellen aus?“

„Bewege dich nicht, Bastard!“ Der große, schwarzhaarige Mann mit der Brille, der sich vor mir aufgebaut hatte, schob seine Sehhilfe die Nase hoch und schuf dabei einen schimmernden Reflex, der über die Gläser schimmerte. Dafür nahm er die Linke. In der Rechten hielt er ein Katana, dessen Schneide ohne zu zittern einen halben Zentimeter von meiner Halsschlagader entfernt verharrte. „Rebellennest hin oder her, wenn wir die Chance haben, den Staatsfeind Nummer eins zu ergreifen und auszuliefern, dann nehmen wir dieses Angebot gerne an. Akira Otomo!“
Diese Worte ließen ein raunen durch den Saal gehen. Erstaunte Blicke trafen mich und Megumi. Eine herrliche Situation, die noch besser wurde, sobald Megumi Uno erkannt worden war.
Ich griff in einer gedankenschnellen Bewegung unter meine Jacke, riss die alte Luger-Pistole hervor und rammte sie meinem Gegenüber in den offenen Mund. Dann spannte ich den Abzugshahn. „Du hast echt eine Vollmeise, Doitsu! Abgesehen davon dass du mich nie ausliefern würdest, außer der Ataka-Gumi geht der Arsch wirklich auf Grundeis, habe ich immer noch diese kleine feine Luger, die ich jeden Tag auseinander nehme, pflege und öle und wieder zusammen setze, damit jeder einzelne Schuss den Lauf verlässt wie am ersten Tag. Fragen?“
„`A. Kammft du die Wawwe auf mei´m Mumd mehm?“
„Ich verstehe dich nicht, Doitsu Ataka!“
„Aki´aaa!“
Seufzend zog ich die Pistole wieder zurück. „Ist ja schon gut.“
Doitsu zog das Schwert wieder zurück und steckte es in einer geschmeidigen Bewegung zurück ins Futteral. „Ein Blödmann wie immer, Akira. Hallo, Megumi-chan. Schön, dich mal wieder zu sehen.“
„Äh, wer bist du?“, fragte sie mit verlegenem Lächeln.
Ich kam selten in die Situation, herzhaft über Doitsu Ataka, ehemaligen Schulkameraden und guten Freund zu lachen. Aber diesmal war die Situation so herzerfrischend, dass ich nicht anders konnte. Zu sehr amüsierte mich der herzzerreißende Blick, mit dem er Megumi bedachte.
„War nur Spaß, Doitsu-kun“, beeilte sie sich zu versichern. „Ich habe einfach nicht mit dir gerechnet und du hast dich die ganzen Jahre nicht gemeldet, da wollte ich es dir heimzahlen.“
„Als wenn man so ohne Weiteres Kontakt mit der Anführerin der Hekatoncheiren bekommen kann“, brummte Doitsu verstimmt.
Was nun Megumi verlegen werden ließ.
„Was auch immer. Kommt mit nach hinten.“ Doitsu wandte sich um, ging voran. Er wirkte immer noch deprimiert, aber er erholte sich mit jedem Schritt.
„Akira, was erwartet uns hinten? Und wird uns niemand aus der Kneipe verraten?“
„Aus der Kneipe sicherlich niemand. Wer hier nicht rein darf kommt hier auch nicht rein“, versicherte ich und machte damit deutlich, dass dies eigentlich eine geschlossene Gesellschaft war, die sich ihre Mitglieder selbst aussuchte. Außerdem sagte ich damit klar, dass wir erwartet worden waren. Nun, zumindest ich. „Und was uns erwartet… Lass dich überraschen.“
Die Aufmerksamkeit der Kneipengäste wandte sich wieder den Brettern zu. Dankenswerterweise.

Wir wurden tiefer in den Keller geführt. Von dort gelangten wir über eine getarnte Tür in einen Laufgang. Dieser mündete wieder in einem Keller. Dort gingen wir eine weitere Treppe hinab und passierten mehrere Wachen, die zum Teil recht schwer bewaffnet waren.
Doitsu winkte uns durch, niemand hielt uns auf. Und das, obwohl der meistgesuchte Mann Japans hinter ihm herging - und die absolute Elitepilotin der Kronosier.
Doitsu öffnete eine Tür und winkte uns herein. Er folgte uns auf dem Fuß.
Ich grinste schief. „Na, das nenne ich ja wirklich mal eine Überraschung.“
Der Raum den wir betraten war eher eine kleine Halle. Und diese Halle war voll gestopft mit drei Dingen: Fast Food, Computer-Equipment und… Biotanks. Nicht besetzten Biotanks, wohl gemerkt.
Relativ weit vorne saßen mehrere Personen an einem Tisch und schienen sich heftig zu streiten. Ich runzelte die Stirn. Ich kannte jeden einzelnen. Genauer gesagt nicht nur ich. Die halbe Welt kannte die Fushida Hacking Crew, einen der erklärtesten Feinde der Kronosier.
Kenji Hazegawa! Emi Sakuraba! Hiroko Shiratori! Clive O´Hara! Ich vermisste die fünfte Person, Sarah Anderson, aber vier der fünf schlimmsten Hacker der Welt zu sehen war bereits eine Show für sich. Vor allem konnte ich damit die ewigen Diskussionen auf Senso Island, ob es die Mitglieder der Hacking Group überhaupt gab, endlich eindeutig beenden.
Auch die Frage, ob die Namen einiger unserer ehemaligen Freunde und Bekannten als Pseudonym genommen worden waren oder nicht. Nein, sie standen tatsächlich hier vor mir.

Kenji erhob sich. „Willkommen, Akira-kun. Willkommen bei der Hacking Crew.“
Ich trat einen Schritt vor und schüttelte dem Riesen die Hand. „Lange nicht gesehen, Kenji-kun. Arbeitest du jetzt mit Doitsu zusammen?“
„Es ist ein Zweckbündnis. Dies hier ist unser sicherstes Versteck und Quelle unserer besten Verbindung zum Leader. Deshalb kommen wir nur zu seltenen Gelegenheiten hierher.“
Er warf Megumi einen schiefen Blick zu. „Was macht die kronosische Geißel hier?“
„Hä? Du hast gut reden, Mr. „Ich störe die öffentliche Ordnung, wann es mir passt und hacke mich mal ins Verkehrsnetzwerk, um alle Ampeln der Stadt auf grün zu schalten“.“
„Ach. Das war doch nur ne Fingerübung. Ist sie sicher, Akira?“
„Wir können sie jederzeit erschießen, wenn es dich beruhigt.“
„Akira!“, protestierte Megumi.
Kenji zuckte zusammen. „Er… Erschießen? So war das aber nicht gemeint!“
„Ich vergaß. Ihr seid ja Anhänger des gewaltlosen Widerstands“, kommentierte ich schmunzelnd und ließ bei Kenji die Erkenntnis sacken, dass ich gescherzt hatte.
„Hallo, Emi-chan. Lange nicht gesehen. Hiroko-sempai, es freut mich, dass du dir deinen gut gebräunten Teint bewahren konntest, obwohl du dich mit diesen Kellerkindern herumtreibst.“
„Wer ist hier ein Kellerkind?“, begehrte Emi auf.
„Und Sie müssen Mr. O´Hara sein. Ich weiß nicht viel über Sie persönlich, aber ich weiß, was Sie schon alles getan haben.“ Ich tauschte mit dem Iren einen kräftigen Händedruck aus.
„Dies hier ist Megumi Uno, Major und Anführerin der Hekatoncheiren. Ich habe sie mitgebracht, um ihr mal eine Chance zu geben, einen Blick jenseits ihrer Gesellschaftsschicht zu werfen.“
„Das kann sie haben“, brummte Clive O´Hara.
Kenji räusperte sich und deutete auf den größten Tisch in der Halle. „Bitte. Setzt euch. Du auch, Doitsu-kun.“
Wir nahmen Platz, ich reservierte mir ein Stirnende. Megumi setzte sich rechts von mir und kam so in Gesprächsreichweite zu Hiroko. Die beiden taxierten sich mit neugierigen Blicken. Immerhin hatten sie sich mehrere Jahre nicht gesehen.

„Um es kurz zu machen, Akira, wir brauchen deine Hilfe und die deiner Akuma-Gumi.“ Kenji stellte sich hinter das andere Stirnende, nahm das KommSet, das dort für ihn lag und aktivierte es. „Worum es genau geht, wird dir unser Leader sagen.
Pass jetzt gut auf, Megumi-chan, du wirst einiges lernen.“
Über dem Tisch entstand plötzlich ein Funkenregen. Aus diesem Regen schälten sich die Umrisse eines weiblichen Körpers hervor.
„Ein Avatar“, erkannte ich.
„Nicht irgendein Avatar. Der Avatar unseres Leaders.“
Die Gestalt wurde deutlicher und ich erkannte, dass die Haut schneeweiß war. Der Kopf war kahl, und die roten Augen brannten wie Fackeln. Sie trug keine Kleidung, aber ihr Körper zeichnete nur Konturen nach, keine Details.
„Guten Abend, Herrschaften. Guten Abend, Akira Otomo. Guten Abend, Megumi Uno. Guten Abend, Doitsu Ataka. Ich bin Sarah Anderson.“
„N´abend, Sarah. Was kann Aoi Akuma für dich tun?“
„Mich retten.“
***
Ich erstarrte. Und vergaß zu atmen. „Was?“
Der Avatar begann zu schmunzeln. „Auf das was komme ich gleich. Aber vorher muß ich dir und den anderen noch etwas Basiswissen vermitteln.
Kenji? Wie gut ist die Verbindung geschützt?“
„Wir benutzten dreiundvierzig Relais auf fünf Routen, die unregelmäßig wechseln. Dazu fügen wir jede Minute zehn neue Relais ein und verlassen dafür zehn alte.“
„Das sollte für acht Minuten reichen. Die kronosischen Hacker sind nicht verblödet.“ Der Avatar sah mich an. „Akira. Was weißt du über mich?“
„Ich weiß, dass du die Fushida Hacking Crew anführst, die erfolgreichste Hackergruppe der Welt. Ihr kämpft gegen die Kronosier und seid auf der Liste der Staatsfeinde unter den ersten zwanzig. Gleich nach meiner Akuma-Gumi.“
„Gut. Weißt du, wo ich bin?“
„Das“, lachte ich, „ist wohl eines der bestgehütetsten Geheimnisse dieser Welt. Nicht einmal die Kronosier wissen, wo du bist. Und das ist auch gut so.“
Ich sah Megumi an, aber die schüttelte den Kopf. Ihr war auch nicht zu Ohren gekommen, dass die Kronosier wussten, wo Sarah Anderson zu finden war.
„Das ist nicht ganz richtig. Die Kronosier wissen eigentlich wo ich bin. Immerhin bin ich in einem ihrer Supercomputer gefangen.“
Ich spürte kaltes Entsetzen in mir aufwallen. „Was?“, brachte ich erstickt hervor.
„Ich bin in diesem Moment in einem Supercomputer, genauer gesagt in einem Biotank gefangen.“
„Was?“ Meine eigene Stimme klang plötzlich dünn wie Papier.
„Es stimmt, sie ist die Anführerin der Hacking Crew. Und sie ist wahrscheinlich der beste Hacker für die kronosischen Computersysteme, die es gibt. Aber sie ist nicht frei. Sie war es nie.“ Hiroko sah betreten auf die Tischplatte. „Sie ist es. Sie alleine. Sie hat sich selbst aus dem System herausgehackt. Sie hat sich ihre Partner in Freiheit ausgesucht, mich, Kenji, Emi und Clive. Sie führt unsere Versammlungen, wenn wir unsere Ziele auswählen.“
„Und das tut sie über Verbindungen, die sie sich selbst hackt“, fügte Emi hinzu.
„Anfangs waren wir alle skeptisch. Es roch nach kronosischer Falle. Aber sie hat mehr als einmal bewiesen, dass sie es nicht nur ehrlich meint, sondern auch ernst. So hätte es weiter gehen können, bis wir eines Tages die Kronosier besiegt haben oder ausgelöscht worden sind“, sagte Kenji leise und nachdenklich. „Aber es hat nicht sollen sein.“
Sarah musterte mich wieder. „Akira-kun. Du musst mich retten. Du musst mich aus meinem Biotank holen. Du musst…“ Verzweifelt sah sie zu Kenji herüber. „Wird er uns helfen?“
„Er wird. Wenn ich ihn darum bitte.“
„Was ist eigentlich passiert?“, fuhr ich dazwischen. „Haben die Kronosier herausgefunden, dass du in einem der Tanks sitzt?“
„Das wissen sie schon länger. Es spricht für ihre Ohnmacht, dass sie meine Verbindungen nach draußen nicht stoppen können. Aber jetzt…“ Ihr Hologramm wurde instabil. „Mist, heute sind sie aber schnell. Ich verabschiede mich, bevor sie eine Spur zu euch finden.
Kenji, übernimm bitte den Rest.“
Der Avatar verschwand wieder im Funkenregen.

„Okay, ich hole sie raus, wenn mir jemand genaue Koordinaten gibt und genügend Vorbereitung für einen Angriff. Aber ein Grund wäre nicht schlecht.“
Kenji sah auffordernd zu Clive herüber.
„Was weißt du über die Biotanks, Akira?“, fragte der Ire.
„Hm“, machte ich amüsiert. „Ich habe selbst mal in einem gesteckt, kurz bevor ich ausgebrochen bin. Die Kronosier haben versucht, mich in einer virtuellen Welt ruhig zu halten. Hat leider nicht funktioniert. Sie hatten mich sogar in einen Supercomputer integriert, in dem ich als Recheneinheit meinen Dienst tat.“
„Warum als Recheneinheit? Ich weiß, die Antwort ist offensichtlich, aber gib sie mir.“
Ärgerlich musterte ich Clive. „Weil das menschliche Gehirn ein sehr leistungsfähiger Computer ist und die meisten Computer damit übertrifft. Ein paar hundert zusammen geschalteter menschlicher Gehirne erreichen so eine enorme Rechenkapazität.“
„Gut.“ Clive schien zufrieden.
„Akira, was würdest du sagen, könnte ein Gehirn, dass nicht mit Erinnerungen, Erfahrungen, mit Gefühlen und Gedanken belastet ist, noch schneller arbeiten?“
„Ich denke schon. Auf jeden Fall würde ein solches Gehirn nicht an Ausbruch denken und… Oh mein Gott. Sie haben vor, Sarahs Gehirn zu löschen?“ Ich fühlte mich zurück versetzt, in meine Zeit im Tank, wie diese kronosischen Bastarde vor mir standen und etwas von Gehirn löschen faselten, um meine Rechenleistung zu erhöhen. Aber soweit war es nicht gekommen. Man hatte die Wissenschaftler dieses Projekts eliminiert und mich heimlich aus dem Tank befreit. Den Weg hinaus hatte ich mir selbst erkämpfen müssen, aber ich hatte Hilfe gehabt, um aus den Tank zu kommen. Definitiv Hilfe.
„Das ist noch nicht alles. Sarah ist nicht nur für eine Gehirnlöschung vorgesehen, was zugleich auch den stärksten Hacker der Erde ausschaltet. Soweit wir es in Erfahrung bringen konnten, steht ihr auch die Entkernung bevor.“
„Entkernung? Das klingt wie bei der Kirschernte, wenn ich mit Mama für das Marmelade kochen die Steine aus dem Fruchtfleisch steche“, sagte Megumi und wurde blass. „Oh, Scheiße.“
„Ja, Scheiße. Ein Gehirn verbraucht weniger Ressourcen als ein ganzer Körper. Das ist der perfide Plan, der dahinter steht.“
Ich erhob mich. „Wie viel Zeit haben wir?“
„Maximal eine Woche. Jeder Tag weniger wäre sehr gut.“
„Ich brauche jede Information, die Ihr mir geben könnt.“

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3.
Das Leben konnte schön sein. Es brauchte nur eine allgemeine Mobilmachung auf Senso Island, eine Aktivierung der Verbündeten und eine Karte der näheren Umgebung unseres Ziels, einer einsamen Vulkan-Insel in der Südsee Polynesiens.
Mit vier Hawks, einem Eagle und fünf Transporthubschraubern waren wir aufgebrochen, und hatten Ärzte, Sanis, Techniker, Makos Stab und unseren eigenen Biocomputer bei uns.

Unser Ziel kreuzte nun den zweiten Tag knapp außerhalb der Ortungsreichweite der Insel.
Es war ein amerikanischer Träger, der für die Bedürfnisse der neuen Zeit von Kampfflugzeugen auf Mechas umgestellt worden war. Die ENTERPRISE würde uns für unseren Angriff als Plattform dienen. Natürlich hätten wir uns auch auf einer Nachbarinsel einrichten können, aber ich befürchtete, dass Sonnenschein, ein schneeweißer Strand und die gefährliche eins zu eins-Mischung von Männern und Frauen eher zu einer Strandparty als zum arbeiten führte.
Nein, ehrlich gesagt hatte ich über meine Verbindungen die ENTERPRISE angefordert, weil wir den Biocomputer dort besser aufstellen konnten, in einer klimatisierten, staubfreien Umgebung. Eine Höhle zu präparieren oder eine Lagerhalle aufzustellen hätte zu lange gedauert. Außerdem mussten die Amis uns noch ein paar Marine-Infanteristen leihen. Daran waren wir immer etwas knapp.

Die Landung auf dem ehemaligen Flugzeugträger gelang uns problemlos. Die Lotsen hatten mich und die anderen Piloten sehr gut eingewiesen und auf eine freie Stellfläche gelotst, während die Transporthubschrauber über Fahrstühle direkt in die Eingeweide des Schiffes gebracht wurden. Drei Tage war es jetzt her, seit Kenji mir diese Aufgabe gestellt hatte. Einen weiteren Tag würde es dauern, bis wir bereit waren.
Und wenn wir angriffen würden die Probleme erst beginnen. Übergriffe zwischen Kronosiern und der freien Welt gab es immer wieder. Aber eine Attacke auf einen Stützpunkt, der erstens den stärksten Supercomputer der Region beherbergte und zweitens als streng geheim galt, musste eine Reaktion provozieren.
Der Begleitschutz der ENTERPRISE, abgesehen von den dreißig Hawks, den zwanzig Sparrows und den zehn Eagles, bestand aus zehn Fregatten, drei Tendern, fünf Zerstörern, acht Schnellbooten zur Unterseeboot-Suche und zwei Kreuzern, hauptsächlich darauf spezialisiert, Raketen abzufangen oder U-Boote zu versenken. Für alles andere gab es die Hawks. Ob dies ausreichen würde, wenn die Kronosier zwei bis drei Zulu-Kreuzer nach uns ausschickten?
Ich brachte meinen Hawk in den schraffierten Abstellbereich, ließ ihn in die Hocke gehen um ihn leichter verlassen zu können und löste die Anschlüsse. Danach entsiegelte ich das Cockpit. „Du weißt Bescheid, Primus. Wenn die Navy-Leute zu neugierig werden, hau ihnen auf die Finger.“
„Verstanden, Sir.“

Ich sprang die letzten anderthalb Meter hinab, kam federnd auf und orientierte mich kurz. Eine Gruppe der Marine-Infanterie, große, bullige Kerle mit Pistolen bewaffnet standen in Rührt euch-Haltung und hinter dem Rücken verschränkten Händen außerhalb des schraffierten Bereichs. Vor ihnen stand ein Offizier der Navy in der bekannten Khaki-Uniform. Seine Abzeichen bedeuteten Lieutenant Commander.
Nun, ich hatte nicht gerade erwartet, dass mich der Skipper selbst abholte, oder gar Admiral Richards, der Flottenchef. Und Lieutenant Commander war schon recht hoch. Also hätte ich mich geehrt fühlen sollen.
Allerdings tat dieser Mann sein Bestes, um diesen Eindruck zu mindern.
Anstatt mich ordentlich zu begrüßen musterte er meinen Hawk und runzelte die Stirn. „Das ist die berühmte Maschine vom Blue Devil? Sieht auch nicht anders aus als unsere Hawks. Tja, wurden eben bei uns gefertigt, was soll man da erwarten?“
„Sie irren sich, Commander“, sagte ich ernst. „Diese Hawks wurden nicht in Nordamerika gefertigt. Im Gegenteil. Ihre Hawks, ihre Sparrows und die Eagles wurden nach diesen Vorlagen gefertigt. Wir haben unsere Mechas nicht von euch bekommen, wir haben euch die Pläne zu ihrem Bau überlassen.“
Gut, dass ich Hina diesmal in einen der Transporthubschrauber gesetzt hatte. Hätte sie die gering schätzenden Worte des Offiziers gehört, wäre sie sofort wieder an die Decke gegangen. Alles, was die Leistungen der Akuma-Gumi herabwürdigte war für sie ein rotes Tuch.
Der Amerikaner schien schockiert, geradezu entsetzt. Aber er entschloss sich dazu, mir nicht zu glauben. „Wie auch immer. Sie sind Akira Otomo?“
Ich nickte knapp.
„Antworten Sie gefälligst ordentlich, wenn ein Offizier mit Ihnen spricht, Soldat!“
Ich schluckte meinen Ärger runter. „Anführer der legendären Akuma-Gumi, Sieger von New York, Verteidiger Londons, Sieger von Buenos Aires, Nummer eins der Abschussliste, Colonel Akira Otomo. Besser so?“
Erschrocken sah der Mann mich an. „C-colonel von wessen Gnaden?“
„Die japanische Regierung im Exil hat mich mit dem Aufbau der Akuma-Gumi betraut und als Second Lieutenant eingestellt. Im Lauf der letzten sechs Jahre bin ich wegen herausragender Leistungen auf der Erde und im Weltall mehrfach befördert worden. Mittlerweile bin ich Colonel, aber es ist im Gespräch, mir den ersten goldenen Stern zu geben. Der Vorschlag kam übrigens von Ihrer Regierung, also überlegen Sie genau was Sie sagen, Lieutenant Commander Sikes.“

„Na, na, wer macht denn da meine Offiziere unsicher? Wenn das nicht die Plage der Kronosier ist, der blaue Teufel!“
Ich wandte mich dem Neuankömmling zu und grinste breit. Im Schlepp hatte er bereits Yuri und Kei.
„Admiral Richards. Es ist mir ein Vergnügen, Sie wieder zu sehen.“
Der alte Mann salutierte vor mir und seine Augen lächelten dabei. „Gleichfalls, Aoi Akuma. Wie lange ist es jetzt her?“
„Warten Sie, nachdem wir den Angriff auf New York abgeschlagen haben, haben wir uns auf Hawaii getroffen, bei dem Big Drop.“
„Das war vor drei Jahren. Gute Arbeit damals. Nein, letztes Jahr sind wir uns auf australischem Territorium begegnet.“
„Stimmt. So lange ist das gar nicht her.“
„Big Drop?“, kam es leise vom Commander.
„Der Angriff auf Hawaii vor drei Jahren“, half ich aus. „Die Kronosier hatten etwas über einhundert Kapseln, voll gestopft mit Mechas und Infanterie im Orbit abgeworfen und auf die Erde fallen lassen. Der letzte massive Angriff. Ich half damals mit der Akuma-Gumi ausputzen.“
„Nun sei nicht so bescheiden, Akira“, ließ sich Yuri vernehmen. „Ohne uns wäre Hawaii heute ein kronosischer Stützpunkt, das weißt du genau.“
„Allerdings“, bestätigte Richards, trat vor und ergriff meine Hand. „Junge, es ist mir immer eine Freude, dich zu sehen. Deine Leute beginnen schon ihr Equipment aufzubauen und die Fushida Hacking Crew macht es sich bereits bequem. Wenn nichts dazwischen kommt, können wir noch in der Nacht beginnen.“
„Es wird nichts dazwischen kommen“, sagte ich bestimmt. „Es gibt da diesen hochrangigen Offizier bei den Hekatoncheiren, der irgendwie was gegen die Idee hat, das Gehirn eines Menschen aus dem Körper zu entfernen und die Rechenleistung durch Löschung der Erinnerung zu erhöhen. Er sorgt dafür, dass die Kronosier so lange wie möglich, ah, in die falsche Richtung schauen.“
„Ein Offizier der imperialen Armee? Können wir ihn umdrehen?“
Philip und Daisuke, die nun ebenfalls heran waren, feixten sich zu.
„Ich glaube nicht, dass das möglich sein wird“, gab ich bedauernd zu. „Aber es ist doch beruhigend zu wissen, dass sie auch Leute mit Gewissen haben, oder?“

Der Admiral bedeutete uns, mit ihm zu kommen. Alle fünf Piloten der Akuma-Gumi folgten ihm, während unsere Fairies im Hangar unter uns mithalfen, den Stab aufzubauen, die Ausrüstung der Hacking Crew zu koordinieren und die Biotanks zu vernetzen.
Fies? Wohl kaum. Sie hatten die entsprechende technische Ausbildung, während sich das Wissen meiner Piloten vor allem auf Waffensysteme und Strategie und Taktik konzentrierte.
Eine Ausrede? Ja, aber eine gute.

Wir betraten den Planungsraum, auf dem großen Tisch war bereits eine große Karte der Region aufgebaut, frisch von einem amerikanischen Satelliten aufgenommen und ausgedruckt, zudem bereits mit Koordinatennetz und wichtigen Namen versehen.
Findige Offiziere hatten die Geländedaten bereits analysiert und die vermuteten Mecha-Abwehrstellungen eingetragen. Dazu einige der Oberflächengebäude markiert und klassifiziert und die vermuteten Zugänge in die Tiefe eingetragen.
Dieser Bereich war für uns interessant.
„Sie haben eine Alarmrotte aus acht Briareos“, begann Admiral Richards zu referieren. „Die bekommen aber kaum Übung, denn sie steigen nur sehr selten auf. Die Geheimhaltung wird auf der Insel groß geschrieben. Schwieriger wird da schon die Unterseeboot-Eskorte.
Die Inselverteidigung verfügt über vier Gilgamesch, die auf Unterwasserbetrieb umgerüstet wurden. Sie können uns gefährlich werden.
Dazu kommen konventionelle Stellungen, vor allem hier, hier und hier, bestehend aus 10er Raketenwerfern, Gatlings und Kanonen. Flak-Kaliber, aber wenn die Dinger mal treffen, dann rummst es. Wir vermuten die Zugänge zum unterirdischen Supercomputer hier, hier und hier. Wir rechnen mit sechzig Biotanks.“
Ich nickte schwer. „Es sind einhundert Tanks, aber ansonsten ist das doch eine brauchbare Analyse.“ Ich sah in die Runde, zu den Offizieren und meinen Piloten. „Wir starten um drei nach zwei Uhr regionaler Zeit.“
„Nachtangriff?“
„Nachtangriff.“
„Hat dir schon mal gesagt, dass du ein fieser Kerl bist, Akira?“, murrte Kei. „Aber zum Glück bist du auf unserer Seite.“
**
Punkt drei nach zwei Uhr Ortszeit begann die Aktion. Wir befanden uns nördlich der Insel, fünfzig Kilometer entfernt. Die vier Hawks und der Eagle der Akuma-Gumi standen bereit, um sich von den Dampfkatapulten der ENTERPRISE raus schießen zu lassen.
Entgegen unserer üblichen Strategie hatten wir diesmal darauf verzichtet, unsere Fairies mitzunehmen. Ihre geheimnisvollen Aura-Kräfte sollten stattdessen den Träger beschützen und den Marines bei ihrem Vormarsch helfen. Hina und Ami waren für den Angriff mit der Kompanie Marines vorgesehen, Akane, Joan und Cecilia für die Verteidigung.

„Aoi Akuma, bereit zum Start!“
„Schießen Sie ein paar für uns mit ab, Colonel! Aoi Akuma go!“
Das Dampfkatapult begann zu arbeiten, warf mich regelrecht über das Flugdeck hinaus, wo ich die Beindüsen zündete und mich in den Himmel schwang.
„Kuroi Akuma, bereit zum Start.“
„Klar auf Katapult, Captain Honda. Viel Spaß beim spielen!“
Das Dampfkatapult nahm erneut seine Arbeit auf und schickt Daisuke aus. Er orientierte sich kurz und holte dann zu mir auf.
„Akai Akuma, heiß auf ein wenig Action!“
„Gute Jagd, Sir. Akai Akuma go!“
Der Eagle wurde beschleunigt, zog beinahe sofort in den Himmel und schloss dann zu uns auf.
„Shiroi Akuma steht bereit.“
„Shiroi Akuma, go! Spielen Sie schön!“
Auch Kei gesellte sich schnell zu uns, allerdings nicht gerade spektakulär.
„Midori Akuma, klar zum Start.“
„Bringen Sie was Schönes mit. Midori Akuma, go!“

Es bedeutete für Philip keinerlei Probleme zu uns aufzuholen. Gemeinsam gingen wir tiefer, zogen bis auf drei Meter zur Wasseroberfläche herab und steuerten auf die Insel zu.
Zweifellos war der Träger in nur fünfzig Kilometern Entfernung bemerkt worden. Zweifellos waren die umgebauten Gilgamesch im Einsatz. Und zweifellos würden wir diesmal bemerkt werden, selbst wenn wir nur drei Meter über der Wasseroberfläche blieben.
Aber das war auch gar nicht der Plan. Diesmal machten wir es mit der Holzhammer-Methode, während die ENTERPRISE die Transporthubschrauber der Akuma-Gumi und eigene Maschinen, begleitet von Killer Bee-Kampfhubschraubern, bereit machte, um uns zu folgen sobald das Go-Signal erfolgte.
Aber die Kronosier würden nicht sofort reagieren. Sie würden abwarten, denn immerhin war nicht sicher, dass wir wirklich auf ihre geheimste Basis zuhielten. Es konnte auch ein zufälliger Patrouillenkurs sein, wenngleich die geringe Höhe verdächtig war.
Und die Mischung aus vier Hawks und einem Eagle musste eigentlich jedem anständigen Offizier Magengrimmen bereiten.
Es war ein kleines Spiel mit dem Feuer, aber unsere Leben waren schon lange daran vorbei, langweilig zu sein.

Dreißig Kilometer. Dann zwanzig. Zehn.
„Sir, ich orte Raketenabschüsse auf der Zielinsel.“
Die künstlichen Intelligenzen der anderen Mechas bestätigten.
„Okay, wilde Horde, hergehört. Wir fächern aus, Yuri und Philip fallen zurück. Yuri, du gibst uns Rückendeckung. Und Philip, du achtest darauf, dass die umgebauten Gilgamesch nicht zu nahe an unsere Artillerie rankommen, okay?“
„Verstanden.“ „Roger.“
„Der Rest folgt mir. Übrigens, wie geht es Yoshi?“
„Dem geht es gut. Noch. Er sieht zwar aus als würde er gleich kotzen, aber es war seine Idee, sein Mönchsgewand abzulegen und auf meinen Bordschützensitz zu klettern.“ Yuri klang spöttisch. „Die Wetten wann er kotzt deuten auf fünf Minuten nach Feindkontakt hin.“
„Hauptsache er schießt weiter, obwohl er kotzt“, konterte ich. Mit Neuen sprangen meine Freunde stets sehr harsch um. Aber wer sich bewährte, der hatte eine Truppe gefunden, die vorbehaltlos zusammen hielt.

„Raketen in vier Kilometer, näher kommend. Drei Kilometer… Zwei… Eins… Achthundert Meter… Sechshundert…“
„Abwehrmaßnahmen!“ Ich rollte meinen Mecha um die eigene Achse, während die Raketenabwehrkanone stotternd zu feuern begann. Die Künstlichen Intelligenzen unserer drei Hawks hatten sich untereinander abgestimmt und die über siebzig Impulse hereinkommender Raketen aufgeteilt. Auf mich entfielen siebzehn, die ich bequem treffen konnte.
Wir begannen die Raketen zu vernichten, deckten aber längst nicht alle Anflugvektoren ab.
„Yuri, jetzt wäre ein guter Zeitpunkt für etwas Hilfe.“
„Brauchst du mir nicht zweimal zu sagen“, brummte der Eagle-Pilot.
Die Glattrohrkanonen seines Mechas donnerten auf, als Ergebnis explodierten weitere Raketen.
„Wow. War das schon Yoshi oder warst du das noch?“
„Das war Yoshi. Ich glaube, er gibt einen ziemlich guten Bordschützen ab. Darf ich ihn behalten?“
„Nur wenn du seinen Käfig sauber hältst, junger Mann.“
„D-das habe ich gehört“, rief Yoshi dazwischen und übertönte damit unser Gelächter. Ob ihm bewusst war, dass er schneller als jeder andere vor ihm von der Akuma-Gumi akzeptiert worden war? Wohl eher nicht.
Die letzten sieben Raketen passierten uns, versuchten einzudrehen und wurden dabei von Philip und Yoshi zerstört.

„Rakete!“, blaffte Primus auf, versuchte den Mecha mit Überrang nach links zu bewegen. Ich unterband diese Bewegung instinktiv, hob das Herkules-Schwert von Megumi und schlug instinktiv zu. Die Rakete wurde zwei Meter vor der Brust meines Mechas zerteilt, der Sprengkopf huschte harmlos an mir vorbei, während der Tank des Antriebs explodierte und mich in eine Rauchwolke hüllte.
„Verdammt, wo kam die denn her?“, blaffte Kei aufgeregt.
Ich drückte meinen Hawk tiefer, ließ ihn über das Wasser schießen und reduzierte die Geschwindigkeit. „Gilgamesch im Spiel, meine Herren. Steigt höher, das gibt euch mehr Zeit für die Abwehr!“
Gehorsam zogen drei Hawks und ein Eagle höher.
Spätestens jetzt würde auf der Basis Großalarm herrschen. Schlimmer noch, sie würden nach Verstärkungen rufen.
Ich drückte meine Maschine tiefer, ging unter Wasser, nachdem ich langsam genug geworden war, damit die Wasseroberfläche nicht länger wie eine Betonwand auf mich wirkte.
Der Mecha sank ein, drehte sich mehrfach um die eigene Achse und lieferte mir erste Ortungen.
„HAB DICH!“, blaffte ich, trat die Pedale der Düsen durch und schoss Richtung Insel davon. Das Herkules-Schwert in meiner Hand machte kurzen Prozess mit einer weiteren Rakete, dann war ich schon heran und ließ die Klinge einmal quer über den Rumpf fahren. Dann schnappte ich nach einem Arm des Gilgamesch, zerrte ihn hinter mir her aus dem Wasser und warf die sterbende Maschine so hoch ich konnte.
Der Fusionsreaktor verging gut zwanzig Meter über der Wasseroberfläche.

„Akira! Was sollte denn dieser unnötige Stunt?“, blaffte Kei wütend.
„Genau, überlass solche Sachen Philip und Kei“, fügte Daisuke hinzu.
„Das ist nicht der Punkt! Akira, wenn das Ding neben dir hoch gegangen wäre, hätte dich nicht mal dein verdammtes Glück gerettet!“
„Reg dich ab. Ich wollte nur was für die Fische tun.“
„F-für die Fische?“
„Es ist erwiesen, dass Explosionen unter Wasser sehr viel stärker sind als an der Oberfläche. Kennst du Dynamit-Fischen? Eine Explosion unter Wasser lässt die Luftblasen der Fische platzen. Sie ersticken und driften nach oben. Das Problem dabei ist aber nur, dass auch der Laich zerstört wird. Ich meine, das ist wie ein kleiner Fisch-Genozid!“
„Na toll, mach dir nur Sorgen um die Fischpopulation in diesen Gewässern“, blaffte Kei.
„Hey, ich werde dich dran erinnern, wenn du wieder mal Sushi essen willst“, blaffte ich zurück.

„Aktive Ortung, Sir. Wir wurden erfasst.“
„Akuma-Gumi, auseinander. Sie haben uns.“
Gehorsam, ohne ein weiteres Wort drifteten die anderen beiden Hawks von mir fort.
Kurz darauf erwachte die Insel zu gespenstischem Leben. Dutzende Stellen begannen Licht zu spucken, genauer gesagt Granatwerfer mit Leuchtspurgeschossen nahmen ihre Arbeit auf und versuchten uns zu treffen. Es sah aus als versuchten gierige Finger aus Licht nach uns zu greifen.
Ich warf den Mecha in ein Ausweichmanöver und markierte die verschiedenen Stellungen, die sich selbst verraten hatten. „Yuri, Arbeit.“
„Aye.“
Der Eagle begann seine tödliche Arbeit, die beiden Raketenwerfer in den Zwillingsarmen nahmen Ziel und feuerten. Zugleich donnerten die Glattrohrkanonen auf. Kurz darauf schwiegen vier der Stellungen, danach acht.
„Zwei Kilometer.“

Mein Hawk erbebte unter den Einschlägen der gegnerischen Flak. Wüst fluchend brachte ich ihn aus der Gefahrenzone und feuerte meinerseits eine Raketensalve.
„Scheiße dass man Leuchtspur die auf einen zukommt nicht sehen kann!“
„Blödmann“, tadelte Yuri. „Selbst wenn du sie sehen könntest, würde es dir nichts nützen. Denn wenn du sie siehst, sind die Granaten längst bei dir angekommen. Und hör auf zu meckern. Yoshi hat die Stellung schon für dich ausgeschaltet.“
„Also habe ich Raketen verschwendet? Toll.“
„Yuri, brich weg! Gilgamesch unter dir!“
„Puh, danke, Kumpel. Hast du ihn?“
„Ja, kein Problem. Akira, schade um deinen Fischlaich, aber ich musste ihn leider unter Wasser explodieren lassen.“
„Kein Sushi für dich, Mister!“, scherzte ich.
„Wieso? Es dürften doch jetzt ein paar Tonnen an der Oberfläche treiben.“
„Ein Kilometer. Achthundert Meter… Feindliche Mechas starten. Orte vier Briareos.“
„Dann gibt es eben kein Sushi in Zukunft für dich. Man kann nicht das Saatgetreide fressen und trotzdem auf fette Ernte hoffen. Aoi Akuma, ich gehe rein!“
„Landwirtsymbolik, so was verstehe ich. Ich rücke mit Yuri langsam nach. Startfreigabe für die Hubschrauber?“
„Erwisch erst mal die letzten zwei Gilgamesch.“

Ich erreichte den Strand etwa zum gleichen Zeitpunkt, als die Kronosier die anderen vier Briareos in die Luft brachten. Zwei von der ersten Welle empfingen mich über dem Strand mit einem Bombardement aus Raketen.
Ich lächelte dünn, warf meinen Hawk herum, drückte ihn tiefer und schoss direkt über der Brandung auf die beiden Daishis zu.
Einer reagierte, riss schützend seinen Arm hoch.
„ZU LANGSAM!“, brüllte ich und zog die Herkules-Klinge durch den massiven Leib des Mechas. Ich passierte den sterbenden Mecha, drehte mich auf den Rücken und feuerte eine volle Salve Raketen auf den zweiten Briareos ab.
„Was denn, was denn, nur ein Mecha gegen mich? Irgendwie enttäuscht mich das“, rief Kei gelangweilt. „Alle erkannten Bodenstellungen ausgeschaltet.“
„Tröste dich, es kommen ja noch vier zum spielen. Akira darf nur nicht zu schnell mit seinem zweiten Daishi fertig werden, dann bleibt auch was für uns. Autsch, da habe ich was gesagt. Das Ding ist hochgegangen, nur von einer Raketensalve?“
„Muss den Reaktor erwischt haben“, kommentierte ich grimmig, trat die Pedale der Sprungdüsen voll durch und wechselte meine Position. Mehrere Raketen schlugen im Dschungelboden ein. Hätte ich meine Position nicht gewechselt hätte ich mit ihnen nähere Bekanntschaft geschlossen.
„Und wieder gehen zwei zugleich auf Akira los. Ungerechte Bande. Wir wollen auch unseren Spaß haben“, murrte Daisuke. „Übrigens, alle Abwehrstellungen in meinem Sektor zerstört.“
„Bei mir auch. Philip, was machen die zwei überlebenden Gilgamesch?“
„Der eine überlebende Gilgamesch. Ich denke gerade, gegen Oberflächenschiffe sind sie ne tolle Waffe. Aber gegen Hawks sind es nur dahin treibende Enten. Vom Letzten habe ich schon den Schwanz gesehen. Entweder flieht er oder ich habe ihn gleich am Schwanz.“
„Gut, bleib dran. Und ruf die Helis ran.“
„Verstanden.“
„Yuri, hat dein Bordschütze schon gekotzt?“
„Nein, habe ich nicht, Akira! Und ich habe es auch nicht vor!“
„Da hörst du es. Die Glatze hält sich tapfer.“
„Nenn mich nicht Glatze! Ich lasse ja schon wachsen, aber als buddhistischer Mönch konnte ich kaum mit Moscher-Matte rumlaufen!“
„Ich merke schon, ihr zwei versteht euch großartig.“

Ich zerrte den Hawk gewaltsam hoch, ließ ihn in der Luft verharren. Das machte die Daishi-Piloten natürlich misstrauisch, aber sie kamen langsam näher.
Ich hob die Herkules-Klinge für einen Miginagi an. Die beiden Mechas verfügten über Raketen, Gatlings und panzerbrechende Dolchklingen. Mit Befriedigung sah ich, dass beide Piloten meine Einladung annahmen und die Dolche zückten.
Dann vergingen beide Maschinen in einem Wust aus Explosionen.
„Ihr seid zu langsam!“, tadelte ich meine Freunde.
Daisuke kam von rechts heran geschossen, Kei von links.
„Sorry, aber wir sind nun mal nicht so schnell mit zwei Gegnern fertig wie du. Aber danke, dass du uns die zwei auf dem Silbertablett serviert hast, Kumpel.“
„Gern geschehen. Ich suche jetzt die Kommunikation mit dem Träger. Räumt ihr weiter auf und öffnet den Weg in den Hangar.“
„Roger.“

Langsam ließ ich den Hawk auf fünfzig Meter ansteigen. „Aoi Akuma hier, Bericht.“
„Einsatztruppe ist raus, geplante Ankunftszeit ist sieben Minuten. Hacker-Gruppe hat mit Hilfe des Akuma-Gumi – Supercomputers mit der Infiltration der Basis begonnen. Bei uns ist alles ruhig, keine Schiffe, keine Mechas in Reichweite.“
„Gut zu hören, ENTERPRISE. Seid trotzdem vorsichtig, wir haben den letzten Gilgamesch noch nicht gefunden. Wenn er mies drauf ist, könnte er versuchen, sich euren Träger vorzunehmen.“
„Verstanden.“

Ich sank wieder tiefer, orientierte mich, aber es gab nicht wirklich etwas zu tun. Primus tastete permanent nach Hitzequellen, die auf weitere versteckte Geschütze hinwiesen, was unter den Hubschraubern nur vermeidbare Verluste bedeutet hätte, während Philip und Yuri nun ebenfalls die Insel erreichten.
Ich ließ meinen Hawk auf den Vulkangipfel deuten.
Der Eagle führte einen spöttischen Salut aus. „Verstanden. Beziehe neue Stellung auf dem Berg.“
„Philip. Du kommst mit mir.“
„Endlich mehr Action.“
„Was denn? Hattest du nicht genug davon im Wasser?“
„Ich kann nie genug Action bekommen, Akira.“
„Dann heirate gefälligst“, spottete ich und zog den Hawk zu Daisuke und Kei herüber, die gerade dabei waren, den Eingang in die Tiefe zu öffnen.

„AKIRA!“
Erschrocken sah ich auf. Dieser markerschütternde Schrei, er…
„AKIRA! IHR MÜSST SOFORT REINGEHEN!“
„Joan? Was ist passiert? Die Infanterie ist noch nicht da und…“
„DIE KRONOSIER SCHIEßEN AUF DIE TANKS!“
Mit einem lauten Fluch, der diverse Verbindungen zwischen kronosischen Söldnern und Plankton herstellte setzte ich meinen Hawk hart auf einer provisorischen Piste vor dem Zugang auf. „Daisuke, Philip! Ihr kommt mit mir! Kei, mach bitte mal die Tür auf!“
Ich entsiegelte das Cockpit, griff nach der uralten Luger, ein paar Ersatzmagazinen und einer wirklich handlichen Schrotflinte. Dann sprang ich herab.
Vor mir, gut zwanzig Meter entfernt, trat Keis Hawk das große Tor ein. Dahinter lag ein Hangar, der tiefer in den Berg führte.
Daisuke kam geduckt zu mir gerannt, Philip ließ nicht lange auf sich warten.
„Der Plan, Chef?“
„Ganz schnell ganz tief rein. Tötet alles, was sich bewegt. Und was sich nicht bewegt, sicherheitshalber auch!“
„Hey, Munitionsverschwendung!“
„Willst du gerne einhundert Leichen in ihren Biotanks abtransportieren, Kei?“
Der kleine Mann fluchte herzlich. „Nein!“
Ich brummte zufrieden. „Lasst euch nicht töten! Wenn einer aufgehalten wird, laufen die anderen weiter! Der Schutz der Tanks hat absolute Priorität!“
„Akira, warte!“
Wir sahen auf. In diesem Moment rutschte Yoshi in einer Wolke aus Geröll und Staub die Bergflanke herab. Er kam auf der ebenen Fläche auf, stolperte und wurde erst von Philip gestoppt. „Ich…“, japste er, „komme mit.“
„Und mit was willst du kämpfen? Buddhas Wort?“
Wortlos hielt der junge Mann, der vor einer Woche noch ein Mönch gewesen war, einen Bogen hoch, dazu einen Köcher mit Pfeilen. An seiner Hüfte hing zudem ein Katana, ein traditionelles japanisches Schwert.
Philip seufzte. „Was solls. Auf dem Bordschützensitz warst du ja auch schon eine Überraschung.“
**
In Dantes göttlicher Komödie, genauer gesagt, im Teil der Geschichte, die sich Inferno nennt, wird die Hölle beschrieben. Sie besteht aus neun Kreisen und jeder Kreis ist bestimmten Sünden zugeordnet. Je schlimmer die Sünde, desto näher ist der Kreis dem Zentrum.
Aber am Eingang, über dem Portal zur Hölle soll stehen: Ihr, die ihr hier eintretet, lasset alle Hoffnungen fahren.

Nun, im Moment fühlte ich mich der Hölle näher als je zuvor. Nicht nur, dass wir das Gewehrfeuer und die platzenden Biotanks hören konnten, wir wurden selbst unter schweres Feuer genommen.
Es gab nichts Schlimmeres als zur Hilflosigkeit verdammt zu sein.
Wütend tauchte ich für einen Augenblick aus meiner Deckung auf, kassierte zwei Treffer auf der Brust meines kugelsicheren Druckanzugs und feuerte meinerseits die Luger zweimal ab.
„Wieder zwei weniger.“
Eine Eierhandgranate landete direkt neben mir, ohne nachzudenken warf ich sie wieder über die Deckung. Kurz darauf detonierte sie.
„Guter Reflex, Akira“, lobte Philip.
Ich winkte ab. „Halb so wild. Wenn wir nur weiterkommen würden. Was ist mit Yoshi los?“
Ja, was war mit Yoshi? Er saß hinter seiner Deckung, den Bogen auf dem Schoß, die Augen geschlossen und bewegte sich nicht. So sah niemand aus, der sich vor Angst versteckte. Allerdings auch niemand, der an einem Kampf teilnahm.
Plötzlich sprang der ehemalige Mönch auf, riss den Bogen hoch und fünf Pfeile aus dem Köcher und lugte über die Deckung. Er schoss die fünf Pfeile so schnell ab, dass ich dem Vorgang kaum mit den Augen folgen konnte. Danach tauchte er wieder in der Deckung unter und das Abwehrfeuer auf seiner Seite erstarb.

Ich reagierte sofort, kam hoch und hechtete über die Metallkisten, die mir Deckung gegeben hatten. Ich feuerte die Luger leer, um die Gegner auf der rechten Seite unten zu halten, stolperte, erreichte aber dann die linke Flanke des Gegners. Ich schoss über die provisorische Barrikade und erstarrte für einen winzigen Moment. Fünf Mann. Drei tot, zwei schwer verletzt. Getroffen von Yoshis Pfeilen.
„Wir sollten ihn besser nicht mehr necken“, murmelte ich mehr zu mir selbst, wechselte schnell das Magazin der Luger und versuchte die andere Flanke allein aufzurollen.
Philip feuerte seine MP auf die Deckung, Daisuke lief ebenfalls zu mir herüber.
Wieder feuerte ich die Luger ab, versuchte die Abwehrstellung in der Flanke zu fassen. Ich erwischte wohl auch einen, aber das Abwehrfeuer der anderen zwang mich wieder in Deckung. „Mist! Diese Bastarde sind vor dem Eingang!“
„DUCKT EUCH!“, erklang Yuris Stimme über Funk und instinktiv machte ich mich so klein wie möglich. Vom Eingang des Hangars huschten zwei Raketen herüber, schlugen in der Deckung unserer Gegner ein und machten daraus Kleinholz.
Noch bevor der Rauch sich gelegt hatte, schoss ich wieder vor, tiefer in den Gang hinein.
„AKIRA!“
Durch den Rauch kam etwas auf mich zugeflogen. Ich griff instinktiv danach. Es war das Katana, dass Yoshi bei sich getragen hatte.
Ich zog die Klinge mit der Linken blank und stürzte mich tiefer in den Gang.
Daisuke holte zu mir auf, Philip und Yoshi kamen nach.

Wir kamen an den ersten zerschossenen Biotanks vorbei, zehn an der Zahl. Sie waren zerschossen und die Insassen, Männer wie Frauen, teilweise schwer verletzt worden. Ohne ärztliche Hilfe würden sie sterben. „Verdammt, Yuri, die Helis sollen sich beeilen!“
„Geplante Ankunftszeit eine Minute. Ich lotse direkt bis zum Tor.“
Ich zerbiss einen ungerechten Fluch zwischen den Lippen, eilte weiter. Weiter, dem Lärm berstenden Glases nach, den Geräusch ausfließenden Wassers, den ängstlichen Schreien.
Zum Glück waren die Biotanks sehr robust, das bedeutete, dass die Kronosier einiges an Zeit brauchten um sich durch so einen Schutz zu nagen. Zeitverlust bedeutete für uns Zeitgewinn.

Als ich in den nächsten Gang rannte, wurde ich sofort wieder zurückgeworfen. Meine Brust schmerzte höllisch und ich dankte dem Erfinder des Druckanzugs, der die Dinger kugelfest entworfen hatte.
„Weiter“, hauchte ich meinen Freunden zu. „Weiter…“
Daisuke ließ sich das nicht zweimal sagen. Seine Walter PPK bellte mehrfach auf, auch die Schrotflinte, die ich ihm überlassen hatte, röhrte und beendete das Leben eines kronosischen Söldners.
Yoshi stand im Eingang, halb verborgen und feuerte Pfeil auf Pfeil in die kleine Halle.
Von den zehn Biotanks waren bereits drei zerschossen. Die Insassen waren mit Kopfschüssen hingerichtet worden. Ich spürte kalte Wut in mir aufsteigen. Genau diese Art von Politik, diese Art von Willkür und Machtmissbrauch hatte mich zum Feind der Kronosier gemacht!
Mühsam kam ich hoch, fasste Katana und Luger fester.
Und erschrak fürchterlich als ich den Insassen des Tanks erkannte, auf den die Söldner gerade feuerten. Ich hatte das Mädchen nie zuvor gesehen, aber sie war dem Avatar von neulich erschreckend ähnlich. Hatte ich sie also gefunden: Sarah Anderson.
Daisuke war das wie und wer egal. Wütend brüllend stürzte er sich auf die drei Kronosier, die sich durch den Tank schossen. Wieder bellte seine Schrotflinte auf, danach die PPK. Den dritten rannte er um, nagelte ihn an die nächste Wand, setzte die Pistole auf und feuerte das Magazin leer.
Gut, er hatte Sarah gerettet. Er hatte… Nein, da stimmte noch was nicht.
Philip wurde neben mir zu Boden gerissen. Ein dünner Faden Blut lief aus seinem Mund und er wand sich unter Schmerzen. Verdammt, auch wenn die Anzüge kugelsicher waren, so brauchte es doch nur genügend Treffer, um den Träger dennoch zu verletzen.
Ich kam hoch, hob das Katana und griff an. Die leer geschossene Luger ließ ich fahren.

Es dauerte einige Zeit, bis ich Sarahs Tank erreicht hatte. Daisuke stand mit schreck geweiteten Augen davor, hämmerte seinerseits auf das Glas ein.
Dann sah ich was mich gestört hatte und meinen alten Freund in Entsetzen versetzt hatte. Das Wasser rund um ihren Kopf schlug Blasen. Es schien fast zu kochen.
Verdammt, die Tanks zu zerschießen war vor allem eine Show für uns gewesen! Die Kronosier hatten noch eine Möglichkeit die Insassen der Tanks zu töten! Einfach die Anschlüsse überladen!
Wütend riss ich mein Katana hoch, schlug damit gegen den Tank – und fiel, vom eigenen Schwung getragen zu Boden. Eine Woge an Flüssigkeit schlug über mir zusammen, an der ich mich verschluckte.
Über mir gab es einen lauten Knall, als der Biotank zerbarst. Weiteres Wasser quoll hervor und Daisuke sprang an mir vorbei.
Ich drehte mich auf den Rücken, hustend und Wasser spuckend und sah dabei zu, wie Daisuke Sarah auffing, bevor sie aus dem Tank stürzen konnte. Hastig entfernte er die Anschlüsse an ihrem Schädel, und wirklich, ich konnte sehen, wie er sich dabei die Finger verbrannte.
Dann stürzte sie vollends in seine Arme.

Ich stemmte mich mühsam hoch, griff wieder nach dem Katana. „Wir sind noch nicht fertig“, sagte ich mit rauer Stimme. „Noch nicht fertig…“
„Sie braucht einen Arzt! Verdammt, Akira, sie braucht einen Arzt!“ Daisuke sah mich mit dem verzweifeltsten Blick an, den ich je an ihm gesehen hatte.
Die junge Frau öffnete die Augen, blinzelte und sah erst Daisuke, dann mich an. Sie schloss die Augen wieder und seufzte schwer. „Wie schön. Die Akuma-Gumi ist da… Jetzt wird alles gut…“
„Ja“, schluchzte Daisuke und strich über ihr Haar. „Jetzt wird alles gut. Versprochen!“
„Damit du das auch halten kannst“, rief Hina vom Eingang her, „habe ich hier ein paar Ärzte mitgebracht. Kannst du sie also loslassen?“
Daisuke wirbelte herum, ich sah erschrocken zur Tür.
Tatsächlich. Hina stand dort in ihrem Outfit, das sie Aura-Rüstung nannte. Mir war der blaue Rock etwas zu kurz, aber ich hatte bereits gesehen, wie diese Kleidung Kugeln abgewehrt hatte. Hinter ihr drängten Ärzte der Amis und der Akuma-Gumi herein, im Laufgang arbeiteten sich die Marines voran.
Seufzend ließ ich mich wieder auf den Rücken sinken. „Scheiße, scheiße, scheiße.“

Die Ärzte übernahmen die Behandlung von Sarah Anderson und gaben eine erste, sehr positive Prognose ab. Und ich lag hier, im bernsteinfarbenen Wasser ihres Tanks und konnte kaum einen Finger rühren.
Daisuke ließ sich neben mir nieder. „Wie hast du das geschafft, Akira?“
„Wie habe ich was geschafft?“
„Na, die Kronosier mussten sich durch jeden Tank durch schießen. Aber du nimmst das Katana und zerschlägst ihn einfach.“
„Weiß nicht. Er war vielleicht schon angeschlagen.“
„Das wäre eine Möglichkeit. Oder entwickelst du auch langsam Aura-Fähigkeiten?“
Ich lachte über diesen Scherz. Wenn es denn einer gewesen war.
„Aoi Akuma hier. Bericht.“
„Ooookay, hier kommt der Zwischenbericht von halb drei“, klang Yuris fröhliche Stimme auf. „Die Fushida Hacking Crew hat die Basis sehr erfolgreich vom Rest des planetaren Netzwerks isoliert und unseren eigenen Supercomputer zwischengeschaltet. Wir simulieren normale Aktivität. Das wird noch für zwei Stunden gut gehen. Es gingen diverse Alarmmeldungen über Normalfunk raus, dementsprechend kamen schon Nachfragen über das Computernetz. Wir konnten sie täuschen.
Zugleich haben die Marines bereits über die Hälfte der Basis erobert. An Tanks haben wir siebzig gesichert. Bisher mussten wir sieben tote Insassen beklagen. Weitere neun müssen behandelt oder sogar notoperiert werden. Wir fliegen sie so schnell wie möglich aus.“
„Ist gut. Schiffsaktivitäten?“
„Bisher nicht. Kein Schiff der Kronosier in Ortungsreichweite. Das heißt aber nicht, dass wir hier eventuell ganz schnell verschwinden müssen.“
„Verstanden. Was macht der letzte Gilgamesch?“
„Ist uns bisher immer noch durch die Lappen gegangen. Ich habe Admiral Richards empfohlen, seine Unterseebootabwehr los zu jagen.“
„Gut. Philip hat es erwischt, ich weiß nicht wie schwer. Daisuke und Yoshi geht es gut, aber sie sind erschöpft. Wie sieht es bei euch aus?“
„Kei schiebt Langeweile, aber sonst geht es ihm gut. Mir auch. Was ist mit Philip?“
„Hat ein paar Kugeln zuviel auf die Brust gekriegt.“
„Verstehe.“
„So, wir helfen hier drin noch etwas aus, dann sollten wir ernsthaft an die Evakuierung denken. Ich melde mich wenn es soweit ist.“

Langsam richtete ich mich auf und kam wieder auf die Beine. „Dai-chan, kommst du?“
Der Freund ergriff meine Rechte und zog sich daran hoch. „Du hast mich schon eine kleine Ewigkeit nicht mehr Dai-chan genannt, weißt du das?“
„Das liegt an diesen dämlichen Haaren. Ich habe immer gedacht, mit der Gift hast du dich verändert.“
„Ach.“
Ich zuckte mit den Achseln. „Du hast dich verändert. Soweit hatte ich Recht. Aber du bist immer noch mein guter Freund Dai-chan. Und seien wir doch mal ehrlich, die Haarfarbe kommt bei den Frauen gut an, oder?“
Daisuke bekam einen heftigen Hustenanfall. „M-musst du immer so einen Blödsinn reden, Akira?“
Ich grinste breit.

An der Tür lehnte Philip. Man hatte ihm den Druckanzug bis zur Hüfte herunter gezogen und ein Sanitäter legte ihm einen strammen Verband an.
„Scheiße. Drei Rippen gebrochen. Und weh tut es auch noch.“ Er biss heftig die Zähne zusammen, als ihn eine heftige Schmerzwelle erfasste.
„Stell dich nicht so an. Lieber arm dran als arm ab.“
„Akira, irgendwann schreibe ich all deine Kalauer in ein dickes, fettes Buch. Autsch.“
„Oh, welche Ehre.“
„Und dann ziehe ich es dir über den Kopf.“
„Der Wälzer dürfte über tausend Seiten haben“, kommentierte Daisuke. „Junge, das wäre Mord.“
Die beiden grinsten sich an.
„Idioten“, murrte ich und machte mich auf die Suche nach Yoshi, der mit den Marines weiter vorgerückt war.

4.
Mein Blick ging über das Flugdeck der ENTERPRISE. Nach der Evakuierung war ein schneller Aufbruch erfolgt. Eine Fregatte der Kronosier hatte sich für uns interessiert, herbei gelockt vom letzten Gilgamesch. Aber unsere Raketenkreuzer hatten sie überredet, außer Reichweite zu bleiben.
Nun standen wir hier, zwei Tage nach dem Geschehen, gemeinsam auf dem hohen Startdeck der ENTERPRISE, vor uns die siebzig Toten, aufgebahrt und mit ihren Fahnen bedeckt. Bei einigen hatten wir nichts zuordnen können, viele Tote aus den Tanks blieben für uns namen- und nationalitätslos. Wir hatten sie mit der Fahne der Vereinten Nationen abgedeckt und würden sie auch an eine humanitäre Organisation weiter leiten. Vielleicht fanden diese ihre Identitäten heraus. Vielleicht wurden sie anonym begraben.
Die toten Kronosier würden über diesen Umweg ebenfalls zurückgegeben werden, zusammen mit den wenigen überlebenden Soldaten des Stützpunkts. Ich hätte nichts dagegen gehabt, ihnen wegen mehrfachem Mordes den Prozess zu machen, aber es war hauptsächlich Fußvolk, dass mit der Ausrede davon kam, nur Befehle ausgeführt zu haben.
Sie nahmen nicht an dieser Trauerfeier teil. Wohl aber die Menschen aus den Biotanks, die bereits wieder stark genug waren, um den Strapazen an Deck gewachsen zu sein.
Sarah Anderson war dabei, in einem Rollstuhl, der von Daisuke geschoben wurde. Die Fushida Hacking Crew eskortierte sie. Ob soviel Sonnenlicht für diese lichtscheuen Gestalten gut war?
Daneben standen die Abordnungen der Marines und der Navy. Auch sie hatten Verluste gehabt, aber Admiral Richards hatte zu Recht darauf hingewiesen, dass die Navy und die Marines ihre eigenen Rituale für die Toten hatten und eine eigene Feier veranstalten würden.
Meine Akuma-Gumi war natürlich auch da, wenngleich sich Philip auf eine Krücke stützte und nicht wirklich glücklich wirkte, wenn er einatmete.

„Wir wissen nicht, welcher Religion die einzelnen Toten angehört haben“, sagte ich ernst, „und wir kennen ihre Rituale nicht. Aber Tatsache ist, dass hier siebzig Tote vor mir liegen. Kronosier, Söldner und Menschen aus den Biotanks.“ Ich blickte auf die Särge hinab.
Im Tod sind wir alle gleich. Wir werden geboren. Wir leben unsere Leben und mit dem Tod enden sie. Das erwartet jeden von uns. Und jeder einzelne von uns ist selbst dafür verantwortlich, wie er die Zeitspanne dazwischen füllt.
Es ist egal, wem diese Menschen gehorcht haben. Es ist egal, welche Leben sie gelebt haben. Es ist egal, woher sie kamen und wohin sie wollten.
Ihre Leben sind beendet, nichts und niemand bringt sie aus dem Tod zurück.
Und im Tod ist alles ein. Reue, Sühne, Vergebung und Liebe.
Wir sollten nicht bereuen, dass sie gelebt haben, nicht für Sühne streben dafür wie sie gelebt haben. Sie verdienen Vergebung, nun, da sie ihr Wichtigstes, ihr Leben verloren haben. Und egal, ob es Menschen oder Kronosier waren, Täter oder Opfer. Im Tode sind sie alle eins und verdienen ebenso unsere Liebe wie jene, die noch leben.“

Ich sah wieder die angetretenen Menschen an. „Ich würde sie alle gerne dazu auffordern mit mir für die Seelen der Toten zu beten, aber es gibt Dutzende Religionen und hunderte Möglichkeiten zu tausenden Göttern zu beten.
Stattdessen bitte ich sie alle nur, in der Vergebung für die Toten das Haupt zu senken und eine Minute zu schweigen.“
Ich senkte den Blick, faltete die Hände vor dem Körper und schwieg. Meine Gedanken setzten aus, mein Geist flackerte wieder von Bildern der Schlacht, zählte langsam die Zahl meiner Opfer herunter und fügten sie meiner bereits reichlichen Bilanz hinzu.
Als die Schweigeminute vorüber war, sah ich auf. „Petty Officer, bitte.“
Der Marine seitlich von mir salutierte vor mir, wandte sich seinem Kommando zu und ließ die zehn Mann in den schwarzen Ausgehuniformen dreimal Salut schießen.
Bei jedem Schuss zuckte ich zusammen. Dreißig Kugeln. Ja, das war ungefähr die Zahl der Toten, die ich meiner Abschussliste hinzufügen musste.
Verdammt, langsam aber sicher wurde ich noch wahnsinnig mit diesem Job.
**
Nachdem sich die Versammlung aufgelöst hatte, wurden die Särge verladen. Hubschrauber würden sie nach Hawaii ausfliegen und dort der Internationalen Hilfsorganisation übergeben.
Für uns bedeutete dies auch den Aufbruch, die Ausrüstung war verladen, die Transporthubschrauber warteten bereits.
Und unsere Zahl war erheblich angewachsen. Denn bis auf vierzig Überlebende, hauptsächlich Amerikaner oder Europäer, die endlich nach Hause wollten, hatten sich die anderen Opfer aus den Biotanks dazu entschlossen, sich uns anzuschließen.
Ebenso die Hacking Crew, was mich sehr verwundert hatte. Aber wie Sarah so schön sagte, sie standen nun in unserer Schuld.

„Sir, haben Sie eine Sekunde für mich?“
Überrascht wandte ich mich um. Die Stimme kannte ich. Und ich hatte sie nicht in bester Erinnerung. „Commander Sykes. Gerne doch. Was kann ich für Sie tun?“
Der Lieutenant Commander schluckte hart. „Colonel, ich wollte mich entschuldigen für das was ich gesagt habe als Sie an Bord kamen. Ich hatte die letzten Tage ausgiebig Zeit, die Gefechtsaufzeichnungen auszuwerten und ich habe gesehen, was Sie mit einem Hawk machen können. Ich bin wirklich sehr beeindruckt, Sir, und ich sehe ein, dass Ihr Ruf noch weit untertrieben ist. Bitte, nehmen Sie meine Entschuldigung an, von Offizier zu Offizier.“
Unschlüssig beäugte ich den Navy-Offizier. Er war nervös und wirkte auch ein wenig verzweifelt. Hatte Richards ihn zur Minna gemacht und losgeschickt? Nein, das glaubte ich nicht.
Ich begann zu lächeln und reichte dem Offizier die Rechte. „Entschuldigung angenommen, Commander Sykes.“
Mit einem erleichterten Aufatmen ergriff er die dargebotene Hand und schüttelte sie mit festen, kräftigen und vor allem trockenem Händedruck.
„Wir werden wohl nie Freunde werden, Colonel“, sagte er ernst und spielte damit auf die Tatsache an, dass die Akuma-Gumi auch schon gegen Truppen der USA gekämpft hatte, „aber wir können einander respektieren. Sie haben sich meinen Respekt schon verdient. Nun will ich alles tun, damit ich respektiert werde: Von Aoi Akuma.“
„Sie sind auf einem guten Weg, Commander“, erwiderte ich.

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Anime Evolution: Spiegel

Episode drei: Echnatron

Prolog:
„…berichten wir heute live aus dem neutralen Ratshaus in Honolulu, Hawaii, wo sich Vertreter der Kronosier und der Europäischen Union erneut für Verhandlungen über die Handelsrechte zwischen Mars, Mond und Erde treffen. Ziel der Versammlung ist es, die seit Jahren ansteigende Piraterie gemeinsam zu verurteilen und einen gemeinsamen und allgemein gültigen Strafenkatalog sowie einen gemeinsamen Gerichtshof zu etablieren…“
„…und während drinnen im neutralen Ratshaus debattiert wird, gehen wir an den neutralen Strand des neutralen Waikikis, wo neutrale Schönheiten ihre Neutralität beweisen, indem sie – völlig neutral – weder die Farben der Kronosier, noch der Amerikaner, noch der Europäer, noch eines anderen Staates tragen: Nämlich gar nichts!“
„…zeigen wir noch einmal die Szene, in der Aoi Akuma die NYX OLYMPUS vernichtet. Die Zerstörung des Zerstörers – ehrlich, das sollte kein Wortspiel sein – bedeutete das Ende der Invasion der Kronosier auf den hawaiianischen Inseln.
Au, das muß wehgetan haben. Von diesem Briareos hat Aoi Akuma ja nicht mal genug für eine Urne übrig gelassen.
Hawaii nahm zu diesem Zeitpunkt eine sehr exponierte Stelle in der amerikanischen Strategie ein, vor allem aber in der kronosianischen, denn die ersten Angriffe erfolgten mit Schwerpunkt auf den ostasiatischen Raum. Hawaii zu erobern hätte für sie bedeutet, einen großen Teil des Pazifiks zu kontrollieren.
Oh, Mann, Blue Devil war aber auch gut drauf den Tag. Da! Jetzt ist er drin! Jetzt ist er über den Katapult in den Zerstörer rein. Und da kommen auch schon die ersten Sekundärexplosionen, während sich der Colonel tiefer in das Schiff arbeitet. Wow, das war eine große!
Jedenfalls wurde die Invasion gestoppt. Da die U.S.A. aber einen Großteil ihrer Flotte und Schiffe in der Region verloren hatte und nicht die Möglichkeit hatte, diesen Verlust in nächster Zeit auszugleichen, wurde von Aoi Akuma der Vorschlag gemacht, das Gebiet als neutrale Region auszuweisen, unter amerikanischer Verwaltung, defacto aber staatenlos. Eine Schweiz mitten im Pazifik.
Man kann sagen, was man will, Hawaii hat es gut getan. Steuererleichterungen, die Bedeutung als Sitz der einzigen Botschaft der Kronosier auf dieser Welt, der offene Welthandel, der über Hawaii als Angelkreuz passiert, die Lieferungen aus dem Weltall, die über die beiden konkurrierenden Fahrstuhlsysteme OLYMP und ARTEMIS nach Hawaii geliefert werden, schon bevor sie ihre volle Leistungsfähigkeit erreicht haben, all das macht Hawaii reich, wichtig und berühmt.
Oh, ja, da geht das Triebwerk hoch. Und jetzt kommt die berühmte Szene, in der sich Aoi Akuma kurzerhand durch die Brücke der NYX OLYMPUS ins Freie kämpft! Autsch, da ist er ja schon. Der Zerstörer geht in Flammen auf und stürzt auf einer Nebeninsel ab. Na, das hätte auch ne schöne Flutwelle gegeben, wenn er ins Meer gestürzt wäre.
Damit endete die Invasion, und die neutrale Inselgruppe Hawaii hat bis zum heutigen Tag allen damaligen Kriegsparteien genutzt.
Und es gibt einen Grund dafür, dass sich weder Kronosier noch Amerikaner trauen, sich Hawaii vollends einzuverleiben: Die Kamehameha-Squad, benannt nach dem ersten König des vereinten Hawaii-Archipels.
Die kleine, aber kampfkräftige Armee steht in dem Ruf, kaum schlechter als die Akuma-Gumi oder die Hekatoncheiren zu sein.
Diese zwanzig Männer und Frauen mit ihren kampferprobten Hawks, Sparrows und Eagles sind der Garant für die Neutralität. Und es heißt, sie wären von Aoi Akuma persönlich trainiert worden, dem Schutzpatron der Inseln des Lächelns.“
„…was ich von der Neutralität Hawaiis halte? Ne ganze Menge! Nirgends sind die Kippen und der Sprit billiger! Und nirgends wird weniger gekämpft als hier!
Und wenn doch mal welche kommen, tja, wozu haben wir die Kame-Squad? Die fahren mit denen schon Schlitten, keine Angst!“

1.
„Yooooooshiiiiiiiiiii!“
Der Kopf des ehemaligen Mönchs schoss hoch und drehte sich in die Richtung, aus der er gerufen worden war. Er schluckte hart, als sich seine schlimmsten Befürchtungen erfüllten. „Oh nein, bitte nicht.“
Der Besitzer der Stimme hatte Yoshis Reaktion sehr wohl bemerkt und dadurch dessen Position verifiziert. Dies war der Auftakt zum Frontalangriff.
Bevor sich Yoshi zu einer Aktion entscheiden konnte - zur Auswahl standen Flucht, schnelle Flucht, verdammt schnelle Flucht und hinter Akira verstecken – stand sie bereits neben ihm, dieses weißblonde Ding mit dem viel zu engen T-Shirt und diesem überwältigenden Lächeln, dass geringe Männer erblinden lassen konnte.
„Yoshi! Habe ich dich gefunden!“ Beim lächeln kniff die weißblonde Frau die Augen zusammen, dieses Japan-Lächeln hatte sich als eine der effektivsten Waffen bei ihren Attacken erwiesen, dafür war sie gleichermaßen geachtet und gefürchtet.
„Äh, ja, du hast mich gefunden. War ja auch nicht so schwer. Immerhin ist Mittagszeit.“
Die anderen Männer am Tisch lachten leise, aber ein sehr wütender Blick der jungen Frau ließ sie wieder verstummen.
Als sie zu Yoshi zurücksah, lächelte sie aber schon wieder. „Und? Hast du hier schon was gegessen?“
„Was? Äh, nein, ich wollte auf Daisuke warten und…“
„Ach, dann hast du ja noch Hunger!“ Sie lächelte noch strahlender und holte einen großen Korb hinter ihrem Rücken hervor. „Dann iss doch mit mir! Ein schönes Picknick am Strand, nur wir beide im strahlenden Sonnenschein!“
„I-ich… A-aber ich… Ich muß doch hier bei den Jungs bleiben und…“

Ich erhob mich und schlug mit der flachen Hand laut – sehr laut – auf den Tisch. „Nun reicht es mir aber!“
Erschrocken sah die junge Frau zu mir herüber. „O-nii-chan.“
Ich wandte mich meinem besten Freund zu. „Sag mal, wie feige muß man sein, um zu versuchen, der Einladung einer so schönen und intelligenten Frau zu einem Picknick zu zweit aus dem Weg zu gehen? Zeig mehr Rückgrat, Mann!“
Die Hoffnung in Yoshis Gesicht wandelte sich in Entsetzen. „Akira…“
„Dann ist es ja beschlossen, wenn O-nii-chan es sagt.“ Sie angelte nach Yoshis Hand, griff zu und zog ihn hinter sich her. „Ab an den Strand, Yo-shi-sa-ma.“
Dies war die finale Attacke. Dem hatte der ehemalige Mönch nichts mehr entgegen zu setzen. Wenngleich er ihrer offensiven Art wenig abgewinnen konnte, so beeindruckte, nein, überwältigte ihn diese Frau doch. Und das aus gutem Grund.
Wie ein treues Hündchen trottete er ihr hinterher.
„Na dann viel Spaß“, brummte ich amüsiert.

Ein lautes Scheppern ließ mich herum fahren. Kenji Hazegawa hatte seinen Teller kraftvoll und nachdrücklich auf den Tisch geknallt. „AKIRA!“ Vorwurfsvoll sah er mich an. „Akira, ich weiß nicht, was diese kronosische Hexe mit dir gemacht hat, aber so kann es nicht weitergehen. Warum ist sie nicht in Haft? Oder unseren Verbündeten übergeben worden? Oder ausgetauscht bei den Kronosiern gegen… Gegen irgendwas?“
„Lilian Jones steht nicht zur Disposition“, erklärte ich resolut. „Und das ist mein einziger Kommentar. Sie gehört jetzt zur Familie, akzeptiere das oder verlass uns.“
Erschrocken keuchten die Anwesenden auf. Das waren harte Worte. So harte Worte, wie ich sie noch nie ausgesprochen hatte.
Kenji lachte leise und setzte sich langsam wieder. Bedauernd sah er mich an. „Diese Frau. Sie muß wirklich gefährlich sein, wenn sie dich so klein kriegt, Akira.“
„Noch viel gefährlicher, alter Freund, noch viel gefährlicher.“
Langsam setzte ich mich wieder und widmete mich meinen Brötchen, während meine Gedanken ein paar Tage zurück schweiften – zu ihrer Ankunft.
**
Man kann schwerlich beschreiben, wie ich mich fühlte. Auch wenn wir zu den Hekatoncheiren mehr oder weniger freundliche Kontakte hatten; es war ein offenes Geheimnis, dass Megumi Uno und ich – drücken wir es harmlos aus – uns zueinander hingezogen fühlten; so freute mich diese Entwicklung doch.
Bisher hatten wir mit den Hekatoncheiren immer auf einer Augenhöhe gehandelt. Teils weil wir schnell genug fort gekommen waren, teils weil sie schnell genug fort gekommen waren.
An diesem Tag aber war alles etwas anders.
Wir hatten von unserem Logenplatz das Gefecht beobachtet, dass die Kronosier mit den Australiern geführt hatten, wir hatten gesehen wie drei Hekatoncheiren eingegriffen hatten, und wir hatten gesehen, wie die Kronosier eine wirklich üble Klatsche gekriegt hatten. Einer der Mechas, ein Daishi Agamemnon, war schwer beschädigt nach Hause geschlichen, während die anderen Kronosier noch in einer schweren Rückzugsschlacht gebunden waren.
Natürlich hatten wir die Gelegenheit beim Schopf ergriffen. Die Hand auf einen ihrer Elitepiloten zu bekommen war für uns einfach zu verlockend gewesen.
Daisuke und ich waren aufgestiegen, hatten den Agamemnon ausgemacht und abgeschossen.
Sprich, wir haben es versucht, aber der Pilot hatte noch genügend Leistung aus seinem Mecha rausgeholt, um sein unvermeidliches Ende fast zehn Minuten heraus zu zögern.
Okay, wir hatten ohne unsere Fairies angegriffen, aber ich und Dai-chan galten als Mitglieder der Top Ten der besten Piloten der Erde.
Ich war damals beinahe bereit, den Gegner ebenfalls in die Top Ten einzuordnen.

Es kam wie es kommen musste, wir schickten unseren Gegner in den Südpazifik. Als ich meinen Hawk neben dem langsam sinkenden Wrack wasserte, kletterte der Pilot gerade aus dem Cockpit. Oder vielmehr die Pilotin, wie der sehr enge Druckanzug nachdrücklich bewies.
Der Druckanzug war schneeweiß und zudem mit den Abzeichen eines Captains versehen.
Und ich begriff, welchen großen Fang wir gerade gemacht hatten. Wir hatten Kottos vor uns, genauer gesagt Captain Lilian Jones, die stellvertretende Anführerin der Hekatoncheiren.
Eigentlich, wenn ich das so sagen darf, eine gute Freundin, an deren Seite wir mehr als einmal gekämpft hatten, wenn unsere Interessen übereinstimmten. Aber auch schon gegeneinander, wenn sie es wieder mal nicht taten.
Sie in unserer Hand zu haben, ihr Wissen in unserer Hand zu haben, speziell über die Hekatoncheiren und die Kronosier im Allgemeinen, eröffnete uns Möglichkeiten, die mir damals sehr gut gefielen.

Ich wasserte meinen Hawk neben ihr, öffnete das Cockpit und sah dabei zu, wie sie aus ihrem sinkenden Daishi kroch. Ehrlich, ein sehr interessanter Anblick, da sie beim klettern gewisse Körperteile exponierte. Bei dem engen Druckanzug auch kein Wunder.
„Guck nicht so blöd, Akira!“, blaffte sie zu mir herüber. „Hol mich lieber an Bord, bevor mein Mecha versinkt!“
Ich muss zugeben, sie hatte damit einen Schalter bei mir gedrückt. Also manövrierte ich meinen Hawk näher an sie heran und bot ihr hilfreich die Hand.
Nachdem ich sie triefend nass und mit langen, auf dem Rücken pappenden Haaren in mein Cockpit gezogen hatte, musterten wir uns einige Zeit interessiert. So nahe waren wir uns noch nie gewesen.
„Also, Handschellen?“
„Was?“
„Willst du mir Handschellen anlegen? Oder werde ich betäubt? Hat die Akuma-Gumi keine Verhaltensmaßnahmen, wenn sie feindliche Piloten gefangen nimmt?“
Ich runzelte die Stirn. „Nimm einfach auf dem Sitz der Fairy Platz und pfusch mir nicht ins Fliegen.“
Sie murmelte etwas, was ich nicht genau verstand, aber ich hatte das Gefühl, sie wäre amüsiert.

Der Rückflug dauerte nicht lange genug, um ein sinnvolles Gespräch mit Lilian aufzubauen. Es ging hauptsächlich um Leistungen verschiedener amerikanischer Hawk-Modelle – allesamt meinem unterlegen – oder um die verschiedensten Ideologien, die auf dieser Welt um die Vormachtstellung rangen.
Nach der Landung wurde sie von unseren Bodentruppen in Empfang genommen und abgeführt. Sie sollte in den öffentlichen Baderäumen die Gelegenheit erhalten, sich zu waschen und ihren Druckanzug gegen eine Standarduniform zu wechseln. Ich wusste nur zu gut, wie nervig Salz auf der Haut jucken konnte.
Danach hatte ich etwas Besonderes geplant. Einen kleinen Auftakt für das, was Lilian Jones in den nächsten Tagen und Wochen blühte. Ich würde ihr ihren eigenen Status klar machen und ihr nachdrücklich beweisen, dass ich der Boss war.

Als Lilian mit nassen Haaren mein Büro betrat, ehrlich, diese Farbe stand ihr vorzüglich, schickte ich ihre Wachen wieder raus.
Sie musterte mich spöttisch. „Ach, es geht wohl los, hm?“
Ich musterte sie kurz irritiert, bevor ich mich erhob und zu ihr ging. „Mein lieber Captain, wir müssen uns sehr dringend unterhalten.“
„Oh, gerne doch. Wann bringst du mich nach Hause, O-nii-chan?“
Ich runzelte die Stirn. Das japanische Wort für großer Bruder, in einer ziemlich verniedlichten Form, hm, versuchte sie mich weich zu kochen?
„Ich glaube, du verstehst deine Position in diesem Spiel nicht, mein lieber Captain. DU bist in MEINER Hand. Und was ICH sage, wirst DU tun. Wenn ich etwas über die Hekatoncheiren wissen will, wirst du mir hundertseitige Dossiers schreiben. Wenn ich etwas über deine Kommandostruktur wissen will, wirst du ein Referat vorbereiten. Wenn ich etwas über das Legat wissen will, wirst du mir Akten anfertigen, über jeden einzigen Legaten!“
„Oh“, erwiderte sie und zog einen Schmollmund. „Das sind aber eine ganze Menge Ansprüche. Und was macht Aoi Akuma, wenn sich Thunderstrike weigert?“
Ich verzog meine Miene zu einem wirklich gemeinen Grinsen. „Nun, dies hier ist Senso Island. Und du bist in meiner Hand. Ich habe meine Möglichkeiten, mein lieber Captain.“

Sie trat den halben Schritt zu mir heran, sah aus großen Augen zu mir hoch und sagte: „Ach, das ist es? So nutzt du deine Macht aus? Hm, wer hätte das gedacht, Akira. Du bist ja doch gefährlicher als ich geglaubt habe.
Womit fangen wir an? Folterst du mich? Angebunden an einer Wand und du schwingst die neunschwänzige Katze, um meinen Rücken in eine blutige Blume zu verwandeln?
Schneidest du mir Fingerglieder ab, eines nach dem anderen, für jeden Widerspruch und jede falsche Antwort, bis ich nur noch Daumen habe?
Bindest du mich auf einen Tisch und versengst jeden Quadratzentimeter meines Körpers mit glühendem Eisen?“
Erschrocken sah ich sie an. „Sag mal, wie bist du denn drauf? Wie kann man nur so eine verkommene Phantasie haben?“
„Was, keine Folter, um an mein immenses Wissen über die Hekatoncheiren ran zu kommen? Was ist dann deine Methode?“
Sie nestelte an ihrer Uniformbluse und ließ sie zu Boden gleiten. Darunter trug sie nur ihren BH.
Zu meinem Entsetzen bemerkte ich, wie ich zu schwitzen begann.
„Ist es dann die andere Methode? Zwingst du mich, deine Geliebte zu sein? Wirst du mich nehmen, wann immer dir danach ist? Machst du mich hörig nach dir, bis ich alles, alles tue was du willst? Und bis ich für einen Blick von dir töten werde? Bis der einzige Sinn meiner Existenz Aoi Akuma ist?“ Sie drängte sich an meine Brust. „So vollkommen dein, die willige Sklavin des großen Colonels?“
„Mein Gott, was für Zustände habt Ihr eigentlich bei den Hekatoncheiren? Ihr müsst ja ein ganz schöner Sauhaufen sein! Wie kommst du nur auf diese Ideen, Lilian?“, fuhr ich sie an.
Sie blinzelte, sah mich an… Und trat einen Schritt zurück. „Das also auch nicht.“
Seufzend hob sie ihre Uniformbluse wieder auf und zog sich an. „Folter nicht, Sex nicht, wie willst du eigentlich das ganze Wissen aus mir heraus kriegen? Oh, ich weiß. Du wirfst mich in ein tiefes, dunkles Kellerloch, wo ich permanent friere, kaum etwas zu essen kriege und kein Licht habe, nur einen winzigen Funken, der mir zeigt, was ich nie wieder haben werde.“
„Ich leg dich hier gleich übers Knie, wenn du weiter solche Horrorvisionen ausbreitest!“, blaffte ich die kleinere Frau an. „Wir sind die Akuma-Gumi, keine Kronosier!“
Ich hatte einen Scherz erwartet, einen diskreten Hinweis darauf, dass ich anscheinend doch folterte – körperliche Züchtigung war da doch ein eindeutiger Hinweis.
Stattdessen sah Lilian zu Boden. „Entschuldige, O-nii-chan. Ich… Ich habe es wohl übertrieben. Es tut mir Leid.“
Sie schluchzte leise und kurz darauf fielen die ersten Tränen zu Boden. Was hatte ich jetzt wieder falsch gemacht?

„Hören Sie auf zu weinen, Captain. Das ist einer Hekatoncheire unwürdig. Vor allem einer Kompaniechefin!“, fuhr ich sie an.
„J-jawohl, Sir“, schluchzte sie und versuchte sich aufzurichten. Als Ergebnis wurde sie von einem heftigen Weinkrampf geschüttelt.
„Tut mir Leid, Sir“, sagte Lilian, während sie Rotz und Wasser heulte, „ich willja aufhörn, abers geht nich. Habs mir auch anders vorgestellt.“
Man konnte viel über mich sagen, aber definitiv nicht, dass ich ein herzloser Bastard war. Selbst die kronosianische Propaganda ging nicht so weit, mich zum Antichrist zu stempeln.
Der Nachteil daran war, es stimmte leider. Und so schmolz meine militärische Disziplin ebenso wie mein Ego dahin wie Wachs in der heißen Sonne.
„Oh, nicht weinen. Lilian, bitte nicht weinen.“ Zögernd schloss ich sie in die Arme. „Ich bin ja bei dir. O-nii-chan ist hier.“
Ich spürte, wie ihre Arme mich umschlossen und fest an sie drückten. Sie weinte noch heftiger, und ich merkte deutlich, dass sie in die Knie einbrechen würde sobald ich sie los ließ.
So standen wir da, sie vergoss ihre Tränen an meiner Brust und ich fühlte mich hilflos und gestärkt gleichermaßen. Irgendwie hatte ich Lilian sofort gemocht, und selbst wenn ich in Betracht zog, dass sie mich gerade nach Strich und Faden ausnutzte und manipulierte, konnte ich mich nicht gegen die wohlige Wärme wehren, die mich erfasste. Ähnlich hatte es sich angefühlt, als ich Akari bei ihrem ersten Heulkrampf als Mensch in die Arme geschlossen hatte.

„Akira, man hat mir gesagt, dass… Akira, was machst du da?“
„Hallo, Yoshi. Man klopft an bevor man ein Büro betritt.“
„Ich habe angeklopft. Du hast nicht reagiert. Aber egal. Was machst du da?“
„Ich halte Lilian Jones, während sie Rotz und Wasser heult.“
„Das sehe ich selbst, aber warum heult sie Rotz und Wasser?“
„Nun“, erwiderte ich und konnte nicht verhindern, dass mein Talent für Schalk die Oberhand gewann, „sie hat mir gerade gestanden wer ihr wahre Liebe ist. Und da sie an ihn nicht herankommt, ist sie gerade untröstlich. Ist doch verständlich, wenn man seine große Liebe nicht erreicht.“
„Ach, interessant. Und wer ist ihre große Liebe? Ich meine, sie ist Hekatoncheire, schon vergessen? Das kann eine große Finte sein und…“
„Du bist es.“
Der Redefluss meines Freundes stoppte. Er sah zu uns herüber und öffnete und schloss den Mund wie ein Karpfen auf dem Trockenen. „V-verarsch mich nicht!“, blaffte er unerwartet heftig. „Abgesehen davon, dass das ein wirklich fieser Witz ist, Akira, ziehst du Yohkos Tod damit durch den Dreck!“
Wütend wandte er sich um und verließ mein Büro. In der Tür blieb er noch mal kurz stehen und brummte ohne sich umzudrehen: „Sarah erinnert dich an deinen Termin mit ihr um drei.“
Hinter sich schloss er die Tür und blickte nicht zurück.

„Geht es?“, fragte ich Lilian und führte sie zu dem Sessel vor meinem Schreibtisch.
Sie nickte knapp, als ich sie darauf platzierte. Ich reichte der Kronosierin ein Taschentuch, das sie ausgiebig für die Tränen und eine vollkommen verstopfte Nase benutzte. „Danke, es geht wieder. Es… Es tut mir Leid, O-nii-chan, ich wollte doch nur Spaß machen. Und dann kam das alles über mich gestürzt wie eine Tsunami und ich war vollkommen von der Rolle, weil ich dich wieder gesehen habe und… Es tut mir Leid.“
Interessiert sah sie zur Bürotür herüber. „Warum ziehst du Yohkos Tod in den Dreck, wenn du ihm erzählst, er wäre meine große Liebe?“
„Wie kommst du jetzt darauf?“, lachte ich, wurde aber sofort wieder ernst. „Weißt du, Yoshi war die letzten sieben Jahre Mönch. Es gibt viele Gründe für diese Entscheidung. Der wichtigste war wohl, um ihn aus der Schusslinie der Kronosier zu bringen. Aber zugestimmt hat er nur aus einem Grund. Als der Tod meiner Schwester bekannt wurde, war er vollkommen am Boden zerstört. Er war fertig, vollkommen fertig mit der Welt.
Wenn ich jetzt darüber nachdenke – ich meine, ich habe ihn nicht mehr gesehen, nachdem ich verhaftet wurde – dann muß ich wirklich glauben, dass er sie geliebt hat wie nichts anderes auf der Welt. Sie zu verlieren muß gewesen sein wie sein Herz aus dem Leib gerissen zu bekommen und dabei zu zu sehen, wie es jemand vor den eigenen Augen langsam zu einem großen Haufen Blut und Matsch verarbeitet.“
„Musst du so übertreiben?“, tadelte sie mich. „Okay, er hat sie geliebt und sie ist tot. Und?“
„Du hast mir nicht zugehört“, gab ich den Tadel zurück. „Er liebt sie immer noch. Und für ihn gibt es keine andere. Deshalb habe ich ihn in Ruhe gelassen, bis ich ihn wirklich, wirklich brauchte. Ich dachte, er kommt drüber weg. Nun, er ist stärker geworden, hat überlebt, aber er hat nie wieder jemand anderen so sehr geliebt. Nicht einmal mich.“
Ich sah Lilian an und bemerkte verwundert, dass sie durch mich hindurch sah. Ich kannte diesen Blick, und er galt nicht mir. Um es treffend zu beschreiben, sie hatte diesen Blick drauf, der kleine Herzchen verschoss. „Oh, das ist so romantisch. Yoshi ist ja wie der Held einer tragischen Erzählung.“ Sie seufzte tief und aus voller Brust.
Na, da hatte ich ja was Schönes angerichtet.

Übergangslos wurde sie ernst. „Ach, bevor ich es vergesse, ich habe neue Anweisungen von Zeus.“
Nun war es an mir, blankes Entsetzen zu zeigen. „Verifiziere dich.“
Die weißblonde Schönheit schmunzelte mich an. „Ich habe etwas Besseres für dich, Gyes. Als du damals die Agenten mit Omas Klinge angegriffen hast, hättest du den letzten Agenten mit einem Tsuki erledigen sollen, nicht mit einem Karatake. Dann hättest du genügend Zeit gehabt, den vierten und den fünften abzuwehren, die dir ihre Waffen über den Schädel gezogen haben. Hast du eigentlich noch eine Narbe davon?“
Unwillkürlich strich ich mir über die linke Schläfe. Dort hatte ich tatsächlich eine Narbe, die aber meistens von meinen Haaren verdeckt war. Ich hatte sie erhalten, als man mir die Seite einer Glock über den Schädel gezogen hatte; die hervorstehende Sicherung hatte meine Haut tief aufgerissen.
„Verifiziere dich“, beharrte ich.
„Ich bin Kottos. Mein Codewort lautet Spatz.“
Erschüttert stieß ich mich vom Schreibtisch ab, der mir als Stütze gedient hatte. Ich vertrug immer nur einen Schock zur gleichen Zeit und ich hatte das dringende Bedürfnis, diese Frau wieder in meine Arme zu nehmen und eine lange Zeit nicht mehr los zu lassen, denn sie war…
„O-nii-chan, wenn es dir nichts ausmachst, behalte es bitte für dich, zur Sicherheit der Operation. Ich werde dir genau erzählen, was mir alles passiert ist, aber erst später. Gott, ich bin noch vollkommen durcheinander und überwältigt. Dich endlich zu sehen, dich zu treffen, dich berühren zu können, nachdem wir so oft über Funk miteinander geredet haben… Es ist so unglaublich, so wundervoll. Ich… Akira, ich muß das erstmal verdauen.“
„Natürlich“, sagte ich und schloss das Mädchen in meine Arme. „Nimm dir alle Zeit, die du brauchst, Yoh…“
„Lilian. Bitte vergiss das nicht.“
Ich schmunzelte. „Natürlich. Lilian. Du kannst dir nicht vorstellen, was es für mich bedeutet, dass du hier bist, direkt vor mir. Du kannst dir nicht vorstellen, was es für mich bedeutet, dass du… Dass du…“
„Nicht weinen. Sonst muß ich auch gleich wieder“, hauchte sie.
Ich schluckte die aufsteigenden Tränen wieder runter und zwang mich zu einem Lächeln. „Es ist in Ordnung. Soll ich dich repatriieren oder bleibst du?“
„Ich werde vorerst hier bleiben. Die Anweisungen von Zeus sind eindeutig. Ich warte auf den Sturm des Olymp. Wir werden von Zeus zusammen hinauf gerufen. Ach, und er hat mir noch mehr Anweisungen gegeben. Du sollst mal wieder ein Auge auf Hawaii werfen, hat er gesagt.“
Widerstrebend ließ ich sie wieder los. Damit hatte die Pflicht wieder bei mir angeklopft und der Hinweis von Zeus auf Hawaii bedeutete, dass dort ziemlich schnell die Kacke dampfen würde, um es mal vulgär auszudrücken.

„Ich gebe gleich die Anweisung weiter, dass du dich außer in den Sicherheitsbereichen frei bewegen darfst. Aber sei vorsichtig. Für viele hier bist du der Feind, und ich bin nicht immer rechtzeitig da, um dich zu beschützen.“
„Keine Angst, O-nii-chan, ich kann auf mich aufpassen.“ Sie ballte die Hände zu Fäusten. „Ein guter Freund auf dem Mars hat mir gezeigt, wie das geht.“
„Okay, dann schau dir den Stützpunkt an, ja? O-nii-chan muß jetzt dringend arbeiten. Ich gebe Hina Bescheid, dass sie dich rumführen soll. Wäre dir das recht?“
„Oh ja, oh ja, Hina! Hat Ami auch Zeit? Das wäre so schön!“
Ich lachte leise. „Wir werden sehen. Und nun mach dich auf. Ist noch was?“
„O-nii-chan, da wären noch zwei Dinge. Darf ich Akari kennen lernen? Ich meine, sie ist ja nun… Ich meine, tja, wir können es nicht mehr ändern und… Ich würde sie halt gerne sehen.“
„Genehmigt. Sie wohnt in meinem Appartement, du darfst sie jederzeit besuchen. Wenn sie dort nicht ist, hilft sie bei den Fairies in der technischen Abteilung. Sie hat großes Talent dafür. Und die zweite Sache?“
„Wo versteckt sich Yoshi, wenn es ihm dreckig geht?“
„Du machst alles kompliziert“, warnte ich sie. „Aber so kommt wenigstens Leben in die Bude. Er dürfte gerade irgendwo am Strand sitzen, sich über seine acht Millimeter Blondhaar streichen und kleine Stein in die Brandung werfen. Nimm ihn nicht zu hart ran, versprich mir das.“
„Du gönnst mir auch keinen Spaß“, brummte Lilian verstimmt.
„Doch, den gönne ich dir. Ich bitte dich nur darum, es nicht zu übertreiben, okay?“
„Oooookay…“
Ich zog das Mädchen auf die Füße. „So, jetzt aber raus mit dir, sonst lasse ich mir die Sache mit dem kalten Kellerloch ohne Licht und Nahrung noch mal durch den Kopf gehen, verstanden?“
„Du kannst ja richtig fies sein, wenn du willst. Ich glaube, das sollte ich Megumi erzählen, sobald ich sie das nächste Mal sehe. Soll sie Handschellen mitbringen?“
„Zehn Meter Seil tun es auch! Freches Ding, raus mit dir!“
Sie lachte laut, als sie aus meinem Büro floh.

Ich atmete erleichtert auf. Wie konnte sich ein menschliches Schicksal nur so schnell ändern? Wie konnte etwas wie das passieren? Und wie blind konnte ich all die Jahre gewesen sein?
Die wichtigste Frage aber war, wie weit konnte ich diesen Spaß treiben, ohne selbst jemanden zu verletzen?
Nun, es würde sich zweifellos ergeben. Bis dahin beschloss ich, auf Zeus wütend zu sein, weil mir diese wichtige Information jahrelang vorenthalten worden war. Mir und der Familie.
„Makoto, wenn du Hina und Ami entbehren kannst, sollen sie Lilian Jones ein wenig auf der Basis herumführen. Bis auf die gesicherten Bereiche hat sie vollen Zutritt zu allen Anlagen.“
„Vollen Zutritt zu allen Anlagen? Und ich dachte, die einzigen drei Frauen, die dich um den Finger wickeln können, wären meine Schwester Sakura, deine Mutter Helen und dein Schatz Megumi.“
„Du hast dich vergessen, Mako-chan“, konterte ich eiskalt und spielte damit auf seine Marotte an, ab und zu in Frauenkleidern zu posieren. Seine Ausrede war, dass sie ihm nun mal standen, und ich neckte ihn dafür, wo ich nur konnte.
„Oh, ich kann es also auch? Danke für den Tipp, kleine Bruder“, erklärte er schmunzelnd und deaktivierte die Verbindung.
Oh ja, das konnte er. Das konnte er wahrlich.

2.
Als ich die technische Abteilung betrat, in der unsere Technologie weiter entwickelt wurde und unser Supercomputer stand, erwartete Akari mich bereits.
Ich hatte sie an dem Abend, an dem Kitsune aus ihr einen Menschen gemacht hatte, sofort adoptiert. Erstens, weil ich ohnehin das dringende Bedürfnis hatte, mich um einen Menschen kümmern zu können, und zweitens, weil ich dem verantwortungslosen Haufen, der die Akuma-Gumi bildete, nicht eine Sekunde über den Weg traute.
Nicht, dass sie Akari ausgenutzt oder sexuell belästigt hätten oder so. Nein, sie hätten ihr nur absoluten Quatsch beigebracht, ihr gezeigt wie man sich schminkt und Jungen aufreißt und was beim Sex zu beachten ist, wie man mit Kaffee extra lange aufbleibt, was an Spätfilmen das besondere war, und, und, und… Also nur Quatsch.
Ich hingegen als Anführer der Akuma-Gumi war dazu prädestiniert, sie verantwortungsvoll anzuleiten, sie zu unterrichten und ihr die Grundlagen als Mensch zu vermitteln, die sie brauchte, um mit vollem, perfekten kulturellem Hintergrund unserer Zeit entsprechend vollwertige Entscheidungen zu treffen.
Im Klartext: Ich brachte ihr nicht nur Quatsch bei.
Außerdem war es mir eine innere Befriedigung, mit böser Miene in meinem Appartement auf der Couch zu sitzen und fünf nach zehn böse zu Akari rüber zu sehen und mit tieftrauriger Stimme zu sagen: „Du bist zu spät. Ich habe mir Sorgen gemacht. Wo bist du gewesen?“
Das ich sie damit nur neckte und nicht wirklich wegen fünf Minuten böse war, hatte sie relativ schnell herausgefunden, genau wie die Knöpfe, die sie drücken musste, um mich weich zu kriegen.
Zum Glück hatte nicht nur ich sie als kleine Schwester adoptiert, sondern der eigentlich über vierhundert Jahre alte Oni mich als großen Bruder. Sie hörte auf mich. Meistens. Fast meistens.
„Hallo, O-nii-chan. Anderson-sama erwartet dich bereits.“
Ich lächelte ihr freundlich zu und bedeutete ihr mich zu begleiten.

Der Weg führte uns durch die großen Hallen der technischen Abteilung, wo Techniker, Wissenschaftler und Fairies aus aller Herren Länder daran arbeiteten, unsere Überlegenheit zu erhalten.
Die enorme Schlagkraft der Akuma-Gumi entstand nicht nur dadurch, dass wir die Elite der Menschheit waren – viele Hunde konnten einen Bären töten. Nein, auch der technische Vorteil war extrem wichtig. Hier wurde beständig daran gearbeitet, um jeden noch so kleinen Vorteil gerungen. Viele kleine Verbesserungen summierten sich irgendwann zu etwas wirklich Besonderem, und das war unsere Stärke.
Okay, und das Fairy-Prinzip, aber wir kämpften ja nicht immer mit den Mädchen Seite an Seite, wie die Aktion bei Sarahs Befreiung bewies.
Auf präparierten Ständen wurden Belastungstest ausgeführt, im Hintergrund feuerte ein neuartiger Waffenlaser, Raketen röhrten ihren Brennstoff heraus, leere Biotanks wechselten sich mit besetzten ab; in einige kletterten gerade Menschen rein oder raus. Es war ein großes, buntes Durcheinander, mit Hilfe von einem Dutzend transparenter Wände notdürftig getrennt.

Ich hielt kurz an, als neben mir Joan aus dem Biotank kletterte.
Sie warf die Arme nach hinten und streckte sich. Seit Sarah hier war, hatte sich unsere Joan dazu bereit erklärt, unter ihrer Anweisung zu arbeiten. Ergebnis war, dass die Leistung unter Sarah um dreißig Prozent gestiegen war. Die Verbindung als Team zwischen Joan und Sarah musste ganz klar als Riesenerfolg gewertet werden.
Sie beendete ihr Dehnmanöver und winkte zu mir herunter. Schade. Der enge Spezialanzug und die kleine Übung hatte ihren Charakter mehr als deutlich abgezeichnet. Das zeigte nur wieder, wie nötig ich es wirklich hatte, nämlich sehr nötig.
„Gehst du zu Sarah? Viel Spaß. Wir haben nämlich was ganz tolles für dich“, rief sie mir zu.
Ich winkte zurück. „Ich bin auch schon gespannt, was ihr in nur zwei Tagen geschafft habt.“

Kurz darauf stand ich vor Sarahs Arbeitsplatz, eine Reihe aneinander gestellter Tische, die mit Computern, Schrott, Werkzeugen und diversen elektronischen Bausteinen überladen waren.
So sollte eigentlich das Reich eines ergrauten, leichenblassen Bastlers Ende der sechzig aussehen, nicht das einer schönen jungen Frau mit langen blonden Haaren.
Sarah wandte sich um, als ich mit Akari ihr Reich betrat. Sie lächelte mir zu und drehte ihren Rollstuhl in meiner Richtung. Das versetzte mir einen Stich durchs Herz. Obwohl seit ihrer Rettung bereits zehn Tage vergangen waren, arbeiteten ihre Beine noch immer nicht. Unsere Ärzte hatten keine Verletzungen feststellen können und auf ein geistiges Trauma getippt. Und das brauchte Zeit, Verständnis, Zeit und vor allem Zeit.
Sie rollte zu mir herüber und knuffte mir schmerzhaft in den Bauch. „Na, mal wieder in Frauenbegleitung unterwegs? Du alter Tunichtgut.“
Ich beugte mich vor und gab ihr einen Kuss auf die Wange. „Du weißt doch ganz genau, dass du meine einzige Nummer eins bist.“
Sie grinste zu mir hoch. „Ja, im Kaffee kochen. Nimm dir nur einen, ich bin gleich fertig.“
Ich nickte Akari zu, die sofort zu Sarahs persönlicher Kaffeemaschine trat und zwei Becher einschenkte. Sarahs Kaffee war der Beste, leider mochte Akari nur grünen Tee.
Mit beiden Bechern kam sie wieder zu mir und Sarah, reichte jedem eine Tasse und begann dann, das heilige Labor zu durchstöbern. Mit den Augen, denn mit den Fingern hätte bedeutet, selbige an Sarah zu verlieren.
Sarah nahm einen kurzen Schluck aus ihrer Tasse und lächelte verklärt. „Oh, du lieber, guter Dai-chan. Du bist wirklich ein Engel. Dieser Costa Rica – Ceylon-Blend ist der Himmel auf Erden.“
„Daisuke hat dir den Kaffee besorgt?“, fragte ich interessiert.
Sie nickte heftig. „Er ist extra rüber nach Hong Kong, um ihn mir zu holen. Hey, es ist sechs Jahre her, dass ich auf natürlichem Wege etwas gegessen oder getrunken habe und dieser Kaffee war mein einziger wirklicher Wunsch.“
„Ja, er ist schon ein feiner Kerl. Ein wenig klein für meinen Geschmack, diese Haarfarbe mag ich an ihm auch nicht. Aber er ist ein feiner Kerl.“
„Warum betonst du das so?“
„Ach, ich dachte nur daran, dass ich meinen sexuellen Horizont mal ein wenig erweitere. Wir harmonieren im Kampf so gut zusammen, dass… Na, danke, jetzt hast du mich voll Kaffee gespuckt, Sarah.“
Mit hochrotem Kopf sah sie mich an. „M-musst du auch so was erzählen? Ich meine, du willst doch nicht wirklich mit Dai-chan…“
Ich runzelte die Stirn. „Was spricht dagegen?“
Verlegen sah sie weg. „Nichts!“
Ich seufzte viel sagend. „Ist sowieso nur ein Gedankenexperiment, denn seit ein paar Tagen liegt er mir dauernd in den Ohren mit diesem wundervollen Mädchen, das er kennen gelernt hat, das so intelligent, so charmant und so kultiviert ist. Das so einen tollen Charakter hat und mit der er Daishis stehlen gehen kann… Ich glaube, da ist dann kein Platz für mich – zumindest nicht in nächster Zeit.“
„Mädchen?“
„Ja, wir haben es neulich aus den Händen der Kronosier befreit.“
Vorsichtig nahm sie einen langen Schluck aus ihrer Kaffeetasse und sah mich über den Rand hinweg an. „Kenne ich sie? Ich meine, ich sollte jeden kennen, der im Computer vernetzt war.“
„Nun, ich könnte dir ihren Namen nennen, aber was bringt es dir? Wenn Dai-chan genügend Courage aufbringt, wird er sich schon erklären. Und wenn Eisblock Honda jemandem seine Liebe erklärt, weiß es eine halbe Stunde später sowieso der ganze Stützpunkt, egal ob er Erfolg hat oder nicht.“
„Na, danke“, brummte sie ärgerlich.

„O-nii-chan, kann es sein, dass Sarah-sama nicht merkt, dass…“
Ich winkte ab. Nicht jetzt und nicht hier.
„Das du aus ganz anderen Gründen hier bist?“, vervollständigte sie und lächelte verlegen. „Oh, Sorry. Ich habe deine Anfrage von neulich bearbeitet und bin gerade fertig geworden. Vor zwei Tagen war es noch ein wenig unvollständig, aber jetzt organisiert es sich anhand der eingehenden Daten selbst.“
Sarah schob sich näher an einen großen Tisch heran, bediente ein paar Sensoren und sah mit strahlenden Augen dabei zu, wie über dem Tisch ein Hologramm entstand. Dieses Hologramm bildete die Erde ab. Genauer gesagt die Erde politisch aufgeteilt.
Ins Auge fielen natürlich sofort die rot schraffierten Zonen, die als umkämpftes Gebiet galten, dazu die gelb schraffierten, die den Kronosiern zugerechnet wurden. In China konnte man beinahe zusehen, wie die gelben Schraffuren größer wurden.
Ansonsten waren die einzelnen Staaten und ihre Einflussgebiete farbig markiert.
Nur die wenigen neutralen Staaten wie Norwegen, Schweiz und Hawaii wurden weiß dargestellt – und dadurch stachen sie noch mehr heraus.
Sarah hatte sogar daran gedacht, die derzeitigen Einflugrouten für Schiffe einzuzeichnen, die direkt vom Mars kamen und auf der Erde landen wollten; dies veränderte sich ständig durch die Planetenkonstellation. Und natürlich waren die beiden im Bau befindlichen Fahrstuhlsysteme OLYMP/Titanen-Station sowie ARTEMIS/APOLLO eingezeichnet.
OLYMP stand dreitausend Kilometer östlich der japanischen Küste mitten im Pazifik, über einer Region, in der ein Absturz nicht automatisch eine halbe Milliarde Leben beendete.
ARTEMIS ruhte über dem mittelatlantischen Rücken, in etwa auf der Höhe von New York, aus eben den gleichen Gründen.
„Interessant“, murmelte ich.

Sarah lächelte mich spitzbübisch an und zoomte bestimmte Regionen heraus. Sie entschied sich für die Gefechte in Sibirien, wo die tapferen Russen mit hauptsächlich konventionellen Truppen gegen die Kronosier kämpften und den weit überlegenen Feindkräften zumindest ein Patt abverlangten. Eine beträchtliche Leistung, fand ich, denn ihr Gegner war niemand anderes als meine Cousine Sakura. Und die bekam normalerweise was sie haben wollte, sonst hätte sie es nicht in so jungen Jahren so weit hinauf in der Hierarchie geschafft.
Erstaunt fuhr ich zu Sarah herum. „Das sind Live-Bilder!“
„Ja, der Supercomputer hackt sich permanent in ein paar tausend Satelliten ein. Wir haben zwar keine Kontrolle über die Dinger, aber wir kriegen alle Bilder, die sie schießen. Die Wahrscheinlichkeit, dass wir bemerkt werden liegt bei unter einem Prozent, weil wir passiv bleiben. Die Bilder, die du da siehst, werden gerade jetzt von Golden Eye geschossen, einem amerikanischen Militärsatelliten, der mit der Tarnvorrichtung der kronosischen Korvetten ausgestattet ist. Sie schicken ihn immer direkt zu den Brennpunkten und verfügen so über die besten Bilder.“
Ich pfiff anerkennend. „Gibt es auch eine historische Rückschau, für Geländebeurteilungen, Truppenbewegungen und dergleichen?“
„Natürlich. Was willst du sehen? Vielleicht den Big Drop auf Hawaii?“
Die acht neutralen Hauptinseln des Archipels zoomten heraus, mehrere Fenster entstanden. Sie zeigten zu genau, wie über hundert Kapseln aus dem Orbit auf die Erde abgeworfen wurden; drei Zerstörer und acht Fregatten unterstützten den Abwurf mit Bodenbombardements.
Ich kannte die Szenerie nur zu genau, denn ich hatte mittendrin gesteckt. Stunden später, nachdem die Amerikaner niedergekämpft waren, hatte ich mit meinen damals drei Kameraden der Akuma-Gumi und den Fairies eingegriffen und die Invasion praktisch alleine beendet.
Danach war es zum Waffenstillstand gekommen; beide Seiten hatten überhaupt nicht gewusst, dass es die andere Seite ebenso schwer erwischt hatte, und sie waren bereitwillig gewesen, sowohl dem Waffenstillstand als auch der Neutralität zu zu stimmen.
Etwas ärgerte mich diese Entwicklung im Nachhinein doch, wenn ich ehrlich war. Okay, es hatte unserer Akuma-Gumi einen vierteljährigen Dauerurlaub im Paradies beschert, als wir die Kamehameha-Squad aufgebaut hatten und die Pausen für den Strand reserviert waren.
Aber einmal, ein einziges Mal hatten Menschen und Kronosier ordentlich verhandelt, keiner aus einer Position der Stärke, alle nur aus Notwendigkeiten. Und das Ergebnis war Perfektion gewesen. Okay, fast Perfektion.
„Nicht schlecht“, murmelte ich. Das war natürlich untertrieben. Ich war begeistert und hoch zufrieden. „Wann können wir es in der Operationszentrale einbauen?“
„Was? Dieses fehlerhafte, ungenaue Ding? Das ist nur für die Vorführungszwecke gedacht. Wir können daraus eine transportable Einheit machen, wenn du willst. Wenn wir mal wieder ausrücken wollen, heißt das. Die eigentliche Einheit wird gerade aufgebaut, installiert und überprüft. Drei Tage, Akira.“
„Damit kann ich leben.“

„Ach, Akira, hast du wirklich Kenji damit gedroht, dass er die Insel verlassen soll? Er ist nicht der einzige der glaubt, dass Lilian Jones eine gefährliche Natter ist, die du dir da an deinen nicht vorhandenen Busen legst.“
„Schon klar. Ich habe überreagiert. Ich entschuldige mich bei der nächsten Besprechung bei ihm.“
„Das löst aber nicht dein Lilian-Problem“, mahnte sie.
„Ich habe sie auf Yoshi gehetzt. Das wird sie beschäftigt halten“, erwiderte ich schmunzelnd.
„Auf Yoshi? Du bist eine Bestie, Akira.“
„Manchmal. Auf Wunsch. Wenn besonderer Service gefragt ist.“ Ich zwinkerte der jungen Frau im Rollstuhl zu.
In ihren Augen entstand ein Glimmen. „Oh, gut zu wissen. Ich komme vielleicht mal drauf zurück, auf deinen Bestienservice, Akira Otomo. Falls du nichts gegen mein Handicap hast.“
„Apropos Handicap“, wich ich ihren Worten aus, „hast du vielleicht Lust auf Hawaii? Du und deine Hacking Crew?“
„Hm? Was gibt es denn auf Hawaii?“
„Etwas so wichtiges, dass ich Dai-chan, Yuri, Yoshi und Hatake-san mitnehmen werde.“
„O-nii-chan.“
„Meinetwegen, du darfst auch mit, Akari.“
„Oh wie schön! Dann kann ich Hinas Badeanzug ausprobieren, den sie mir überlassen hat.“
„Vielleicht sollte ich Hina auch mal nach einem Badeanzug für dich fragen, Sarah“, sagte ich schmunzelnd. „Nach so vielen Jahren im Tank ist schwimmen vielleicht eine tolle Erfahrung für dich.“
„Weißt du wie tief es am Hawaii-Archipel ins Meer runter geht? Fünftausend Meter! Da setze ich doch keinen Fuß rein!“
„Keine Ausreden. Es wird dir gefallen, Sarah.“ Ich sah zur Seite. „Akari, du sorgst dafür, dass sie packt.“
Der ehemalige Oni salutierte karikiert vor mir. „Jawohl, Sir!“
Ich zwinkerte ihr zu, winkte scheinheilig in Sarahs Richtung, die gerade versuchte, mich mit wehleidigem Gejammer umzustimmen, und verließ ihr Labor wieder.
Ich war gespannt, was mir auf Hawaii bevorstand. Damals, beim Big Drop, hatten die Kronosier zwanzig Prozent ihrer Truppen verloren. Heutzutage war es höchstens noch ein zwanzigstel, an Zahlen gemessen. Ob sie wieder einen versuchten? Vielleicht diesmal mit tausend Kapseln? Oder war es etwas völlig anderes, was mich und meine Akuma-Gumi erwartete?
Die Wege von Zeus waren unergründlich; die von Hyperion aber erst Recht.
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Ich erwachte, als die ersten Sonnenstrahlen durch das Fenster in mein Hotelzimmer schienen – natürlich direkt in mein Gesicht. Unwillig drehte ich mich auf die andere Seite. Ich wollte noch nicht aufstehen. Die Arbeit hier auf Hawaii würde früh genug über mir zusammenbrechen, und ich wollte nicht mit Gewalt daran arbeiten.
„Guten Morgen, Akira“, haucht Kitsune und schmiegte sich an mich. Sie war in Menschengestalt. Nichts hätte mich mehr irritiert als sie in ihrer Fuchserscheinung in meinem Bett zu sehen, vor allem nicht nach dieser Nacht.
„Guten Morgen, Kitsune-chan“, erwiderte ich, schloss die Augen und deutete damit diskret an, dass ich noch eine zweite Runde schlafen wollte.
Ihre Lippen, die sich auf meine legten und die fordernde Zunge, die den Weg in meinen Mundraum erzwang, zeigten allerdings, dass Kitsune eine ganz andere Vorstellung davon hatte wie der Rest der frühen Morgenstunden verbracht werden sollte.
„Hast du immer noch nicht genug?“, murrte ich.
Ihre Hände glitten an mir herab und berührten ein paar Stellen an meinem Körper, von denen ich gar nicht gewusst hatte wie kitzlig sie waren.
„Warum sollte ich davon genug kriegen? Deine Leistung war… Annehmbar.“
Unwirsch öffnete ich ein Auge. „Annehmbar? Von zehn Uhr Abends bis drei Uhr Morgens hältst du mich auf Trab, und das Ergebnis ist annehmbar?“
„Hm, vergiss nicht wie alt ich schon bin. Und wie viel Gelegenheiten ich hatte, meine eigenen Techniken zu vervollständigen, abgesehen davon wie viele Liebhaber ich in meinem Leben schon gehabt habe.“ Sie zwinkerte mir zu. „Du musst dich mit der Weltelite messen lassen, Akira. Da ist eine Beurteilung wie annehmbar doch ganz nett.“
Ich schnaubte aus. Weniger wegen ihrer Worte, mehr wegen ihrer Hände.
„Und obwohl ich dieses vernichtende Urteil bekommen habe, willst du noch mal?“
„Nun, ich sehe da bei dir das Potential, von annehmbar weiter aufzusteigen. Du kannst es, wenn du auf deine Kitsune-chan hörst, locker auf befriedigend schaffen, vielleicht sogar auf phantasievoll. Und wenn du dann noch den einen oder anderen Kurs bei der großen Spinne belegst, sogar auf göttlich.“ Sie drängten ihren warmen, nackten Körper an mich. „Und? Kann es losgehen, Herr Annehmbar?“
„AAAAH! WAS MACHST DU IN MEINEM BETT?“
Ich schreckte beim Klang dieser Stimme hoch. „Yoshi“, seufzte ich.
„Yoshi“, murrte Kitsune enttäuscht. „Deine Hose liegt irgendwo vor dem Bett, glaube ich.“
Ich küsste die Dämonin auf die nackte Schulter. „Die Rückrunde ist nicht vergessen.“
Hastig klaubte ich meine Hose und ein Hemd auf, schlüpfte hinein und trat auf den Gang hinaus.

Ich klopfte nebenan. „Yoshi, alles in Ordnung? Yoshi? Yoshi?“
Der Freund riss die Tür auf. Seine Augen zeigten blankes Entsetzen, aber als er mich erkannte, schien sich für ihn alles zum Guten zu wenden. Er ergriff meine Rechte mit beiden Händen und zog mich ins Zimmer. „Gut, dass du da bist. Alleine werde ich damit nicht fertig, Akira. Alleine packe ich das nicht.“
„Gut, gut. Ich werde ein ernstes Wort mit Lilian sprechen. Sich in dein Bett zu schleichen ist wirklich nicht nett.“
Yoshi zerrte mich weiter, bis vor sein Bett. Vorwurfsvoll deutete auf die zerwühlten Laken und die nur mit Unterwäsche bekleidete Frau, die darauf lag. „Wer redet denn von Lilian?“
„Hallo, Akira.“
Ich sah sie an, drehte den Kopf zu Yoshi, kratzte mich am Kinn, sah sie wieder an… Und bemerkte wie mein Kinn langsam dem Zug der Schwerkraft folgte.
„W-w-w-w-w-was machst du in Yoshis Bett?“, blaffte ich.
Sie räkelte sich auf dem Laken wie jemand, der gerade erst erwachte. Eine ziemlich sexy Pose, die ich aber von IHR bestimmt nie hatte sehen wollen.
„Ach, ich bin mitten in der Nacht angekommen und im Hotel hatten sie keine Zimmer mehr. Bei dir hat ja Kitsune geschlafen, na, geschlafen, ein Wunder, dass sie euch nicht rausgeschmissen haben bei dem Lärm.
Da habe ich halt überlegt, bei wem ich mich dann ins Bett legen könnte. Tja, und Yoshi, dachte ich mir, weiß mit einer hübschen Frau neben sich sowieso nichts anzufangen und dass ich bei ihm noch am sichersten bin.“ Sie sah ihn an und seufzte. „Leider hatte ich Recht. Yoshi, warum nutzt du so eine Gelegenheit nicht einfach mal aus? Bist du ein Mann oder ein Mönch?“
„Bis vor kurzem war er noch ein Mönch, schon vergessen?“, warf ich wütend ein. „Äh, waren wir wirklich so laut? Kitsune und ich, meine ich.“
„Ich wette, Megumi-chan konnte euch in Tokio hören“, stichelte sie.
Na toll, das hatte ja kommen müssen. „Okay, du hast deinen Spaß gehabt. Mach dich frisch, zieh dich an und komm zum Frühstück. Die Akuma-Gumi lädt dich ein, General.“
„Ach, wie süß von dir, Akira. Aber keine Angst, mein Sold ist garantiert besser als alles was deine Gumi an Geldmitteln hat, also lade ich euch ein.“ Sie erhob sich, kam zu uns herüber und riss mich in ihre Arme. „Aber genug davon! Lass mich dich einfach nur ein wenig halten. Es ist so lange her, dass ich meinen kleinen Akira gesehen habe. Oh, du bist ja so gewachsen.“
Während sie meinen Kopf gegen ihren beachtlichen Busen drückte und mich damit zu ersticken drohte, ruderte ich hilflos mit beiden Armen. „SAKURA!“
Verwundert ließ sie mich los. „Was? Drücke ich zu fest?“
„Nein, aber wenn du mich auf deinen Busen drückst, dann stehe ich so unvorteilhaft. Ich bin größer als du.“
Sie sah mich an als würde sie das zum ersten Mal in ihrem Leben tun. Ihre Augen füllten sich mit Tränen. „Akira…“
Nun schloss ich sie in die Arme. „Es tut so gut, dich wieder zu sehen, Sakura. Es tut so verdammt gut.“
Nach einiger Zeit löste ich mich wieder von ihr und gab ihr einen dezenten Klaps auf den Po. „Nun aber ab unter die Dusche. Sonst wird das nichts mit dem Frühstück.“
„Jawohl, Colonel Otomo.“ Sie zwinkerte Yoshi zu. „Willst du mir den Rücken waschen, Yoshi?“
Der ehemalige Mönch schluckte hart. „Ich denke, ich verzichte. Ich bin soviel Aufregung nicht gewohnt.“
„Na. Dann verschieben wir es halt.“ Sie warf Yoshi einen Kussmund zu, der diesen beinahe taumeln ließ. Er hatte wirklich kaum noch Ahnung von Frauen, der arme Junge.
Dann warf sie ihr langes blondes Haar nach hinten, es wirkte wie ein goldener, glitternder Wasserfall, und verschwand im großen Badezimmer.

Ich sah zur Tür, wo sich mittlerweile eine beträchtliche Gruppe an Zaungästen versammelt hatte. „Und? Genug gesehen?“
Kenji hatte die Stirn auf der Rechten abgestützt und schüttelte den Kopf. „Sakura Ino. Mensch, General Sakura Ino! Eine ihrer besten Strategen! Die Frau hat halb China erobert und ist noch lange nicht dabei zu stoppen! Und was machst du? Du drückst und herzt sie!“
„Was soll ich machen? Sie ist nun mal meine Cousine. Außerdem ist das hier Hawaii und hier sind wir alle neutral.“
„Machst du es dir nicht etwas zu einfach?“, fragte Daisuke schmunzelnd. Er hob abwehrend beide Arme. „Nicht, dass ich was dagegen habe. Nicht bei dem Körper. Autsch!“
„Oh, tut mir Leid, Daisuke, aber ich kann mit diesem Ding immer noch nicht umgehen. Ich wollte dir mit dem Rollstuhl nicht in die Hacken fahren.“
Mamoru Hatake erschien in der Tür, drückte Clive O´Hara von der Hacking Crew ein Stück zur Seite und sah schläfrig in die Runde. Dabei bewegte er mechanisch die Zahnbürste in seinem Mund. „Irgenwaff paffiert?“
„Sakura Ino hat die Nacht bei Yoshi im Zimmer verbracht.“
„Fo, fo. Fakufa Ino alfo…“ Der Geheimdienstoffizier gähnte ausgiebig, schmatzte verlegen und putzte gedankenverloren weiter.
Plötzlich riss er die Augen auf. „Fakufa… Ino? INO?“ Hastig lief er in sein Zimmer zurück.
„Na wenigstens einer, der den Ernst der Lage erkannt hatte“, brummte Kenji Hazegawa, der schon der Verzweiflung nahe schien.
Mamoru kam zurück gesprintet, ohne Zahnbürste, dafür mit Digicam. „Warum sagt mir das keiner? Ich muß Aufnahmen schießen!“ Er sah in die Runde.
„Dienstlich“, fügte er erklärend hinzu.
Ich versuchte es mit einer ernsten Miene. Und versagte dabei. „Okay, die Show ist vorbei. Alles raus, raus, raus.. Wir haben einen langen Vormittag am Strand vor uns und einen noch längeren Nachmittag bei der Kame-Squad, okay?“
„Dann hätte unser glorreicher Anführer die Nacht besser mit schlafen verbringen sollen“, kommentierte Yuri grinsend.
„Du mich auch. Und jetzt raus.“
„Akira, kann ich… Kann ich in dein Zimmer gehen? Ich meine, hier ist Sakura und…“
„In meinem ist Kitsune.“
Resignierend ließ er den Kopf hängen.
„Du kannst dich in meinem Zimmer umziehen.“
„Ich finde, das ist ein gutes Angebot.“
„Aber… Aber das ist…“
Ich grinste schief. „Denk lieber an eines. Besser, Mamoru macht dir dieses Angebot als Lilian, hm?“
„Auch wieder wahr“, seufzte er und klaubte ein paar Sachen zusammen.

3.
Der Strand war eine erstaunliche Einrichtung. Schneeweißer Sand. Palmen, soweit das Auge reichte. Und ein erstklassiger Catering-Service, der den Mitgliedern der Akuma-Gumi, den Schutzpatronen Hawaiis, buchstäblich jeden Wunsch von den Augen ablas.
Ich hatte mal daran gedacht, dass es keinen Ort auf der Welt gab, an dem sich die Akuma-Gumi wirklich frei bewegen konnte: Nicht in den Protektoraten der Kronosier, nicht in Europa, nicht in Amerika. Aber diesen Ort gab es, das Paradies Hawaii.
Frei bewegen konnten wir uns hier auch nicht. Abgesehen von unserem Star-Status wimmelten die Inseln von Agenten jedes verdammten Geheimdienstes dieser Welt und darüber hinaus. Sich hier unvorsichtig zu bewegen war genauso tödlich wie im Luftkampf einen Fehler zu machen. Aber es gab sichere Gebiete wie diesen Strand, dieses Hotel. Und ich war mir beinahe sicher, dass der normale Bürger auf dieser Insel per Handy die Polizei benachrichtigte, wenn er ein Mitglied der Gumi in Gefahr sah.

Ich hatte es furchtbar bequem in meinem Liegestuhl. Die Mittagssonne versengte den Strand und ich war dankbar für den eiskalten Fruchtsaft neben mir und den Sonnenschirm über mir.
So konnte ich wirklich leben. Für ein paar Minuten, bis mich meine Hyperaktivität wieder zu etwas anderem trieb, was mich interessierte.
Aber immerhin, keine verschwendete Zeit – fand ich.
Ein Hilfeschrei kam an meine Ohren, aber er klang nicht echt. Wenn man einige Zeit mit jüngeren Geschwistern verbrachte, oder sich selbst noch gut an seine Kindheit erinnerte, so wie ich, dann konnte man einen echten Ruf nach Hilfe, echte Schmerzenslaute von falschen unterscheiden. Und dies war ein falscher gewesen.
Dai-chan wusste das auch und ließ sich nicht im Geringsten davon beeinflussen, während er Sarah aus dem Rollstuhl hob und in Richtung Meer trug.
„Daisuke, lass das! Das Meer ist tief und kalt und es gibt Fische da drin, und Haie und riesige Tentakelmonster und Seesterne und Quallen und AHHHH!“
Mit mitleidloser Miene hatte Daisuke die junge Frau in die Brandung geworfen. Sie ging beinahe sofort unter, kam wieder hoch und blitzte den Mecha-Piloten wütend an. „Das zahle ich dir noch heim.“
Dai-chan lachte, ging ebenfalls ins Wasser und schnappte sich die junge Dame, bevor sie glitschig wie ein Fisch zwischen seinen Armen hindurch schlüpfen konnte. Dann zog er sie tiefer ins Wasser.
„Wie fies“, brummte ich.
„Ja, Dai-chan kann schon ganz schön gemein sein“, sagte Lilian und unterdrückte ein grinsen.
„Ich meinte nicht Dai-chan“, korrigierte ich. „Sondern Sarahs Badeanzug. Der ist aus Hinas Sammlung? Das Ding sehe ich zum ersten Mal. Mit so wenig Stoff kann man Männer in den Wahnsinn treiben, weißt du das?“
„Hm, ehrlich? O-nii-chan, ob sie ihn mir dann mal leiht?“
„Willst du Yoshi damit foltern, Mädchen? Hm, das fällt mir ja jetzt erst auf. Warum hängst du nicht an ihm wie eine Klette? Wäre doch eine super Gelegenheit und ein toller Tag dafür.“
„Nee.“ „Wie, nee?“
„Nee, es ist ja in Ordnung, wenn ich ihm meine Gefühle aufzwänge. Aber ab und zu muß ich ihm auch mal ne lange Leine lassen.“
Ich drehte meinen Kopf zur anderen Seite und erkannte Yoshi, der am Strand saß und Steinchen in die Brandung warf. Nebenbei redete er mit Sakura, die in einem sehr gewagt geschnittenen String-Bikini neben ihm saß und sich anscheinend göttlich mit ihm verstand.
„Lange Leine, eh? Oder fürchtest du die Konkurrenz?“
„Bleibt ja in der Familie“, knurrte sie eine Spur zu bissig. „Und ich bin sicher, sie gibt ihn mir wieder.“
Ich tätschelte dem Mädchen den weißblonden Haarschopf. „So, so. Vielleicht willst du dich solange anders vergnügen? Mamoru Hatake würde sich wahrscheinlich einen Arm dafür ausreißen, wenn er dich eine Stunde oder zwei ausfragen könnte.“
„Mamoru, hm? Der große, breitschultrige, muskulöse und sonnengebräunte Mamoru? Dieser starke, intelligente, interessante und durchtrainierte Mann?“
„Wow, so wie du es sagst, wird er ja sogar für mich interessant“, scherzte ich.
„Kein Interesse. Kannst ihn haben.“
„Wie, kein Interesse? Was ist aus groß, breitschultrig, muskulös, sonnengebräunt, stark, intelligent, interessant und durchtrainiert geworden?“
„Kein Interesse heißt kein Interesse. Ich will Yoshi.“
„Hm, wie passend. Er kommt gerade zu uns rüber. Ob er zu dir will? Kann ich eigentlich nicht glauben, ich meine, Sakura begleitet ihn. Wie süß. Und die beiden geben ein tolles Paar ab.“
„O-nii-chan!“, tadelte Lilian.

„So, mein lieber Cousin. Du hast also eine kronosianische Top-Pilotin gefangen genommen“, eröffnete Sakura die Unterhaltung. „Aber du weißt, laut Genfer Konvention musst du sie frei lassen, sobald du einen neutralen Hafen erreichst.“
„Ach so. Lilian. Du bist frei und kannst gehen.“
„Was?“, rief Yoshi bestürzt.
„Nein, will nicht.“
„Da hast du es gehört, Sakura. Sie will nicht.“
„Captain Jones, das ist Meuterei.“
„Nein, das ist keine Meuterei“, erwiderte Lilian. „Denn erstens hatte ich noch nicht genügend Sonne, und zweitens bezweifle ich, dass ich es lebend bis zur kronosianischen Botschaft schaffen würde. Ich meine, du weißt wie es in Honolulu aussieht, General. Ich weiß nicht, wie du es schaffst, ob du einen gepanzerten Wagen hast oder gleich eine halbe Division zu deinem persönlichen Schutz, aber ich rechne mir da wirklich ganz geringe Chancen aus.
Außerdem hat mir Akira eine Bombe im Bauch implantiert, die explodiert und mich in tausend Fetzen reißt, wenn ich mich mehr als eine Meile vom Sender entferne.“
Yoshi und Sakura sahen mich entsetzt an. „Du hast was?“
„Hey, was ist schon dabei? Die Kronosier machen noch ganz andere Sauereien!“
Yoshi stützte seinen Kopf in beide Hände. „Akira, das ist doch nicht dein Ernst. Du kannst doch nicht ein junges, unschuldiges Mädchen mit einer derart brutalen Methode an dich fesseln.“
Ich warf Yoshi einen länglichen schwarzen Gegenstand zu. „Okay, dann fessle du sie an dich.“
„W-was? A-aber…“
„Sind die Fragen dann geklärt, General Ino? Oder brauchen Sie das schriftlich in dreifacher Ausfertigung?“, fragte Lilian sachlich.
„Nein, ich denke, das geht in Ordnung. Aber bitte, lass das nicht an die Öffentlichkeit durchdringen, ja? Ich will nicht, dass der Geheimdienstkrieg wegen so was noch ein wenig schärfer wird, Akira.“
Ich winkte gönnerhaft. „Versprochen, Cousinchen.“
„So, genug Sonne gehabt. Ich gehe jetzt schwimmen“, beschloss Lilian. Sie beugte sich zu mir herüber und flüsterte: „Danke für den Bluff.“
„Sieh nur zu, dass Yoshi den Laserpointer nicht auseinander nimmt“, erwiderte ich.
Lilian gab mir einen Kuss auf die Wange und streckte sich, wodurch zwei ihrer vordringlichsten Charaktereigenschaften betont wurden. „So, ich gehe dann mal. Beim letzten Wettkampf bin ich acht Meilen am Stück geschwommen. Mal sehen wie gut ich in Form bin.“
Sie sprang auf und lief zum Wasser.
Yoshi eilte ihr hastig hinterher. „Lilian! Du darfst dich nicht zu weit von mir entfernen, hörst du?“
„Bleib einfach immer in meiner Nähe“, rief sie lachend.

Sakura nahm den freien Liegestuhl in Beschlag und grinste zu mir herüber. „Akira, Akira, Akira. Ob der arme Junge jemals merkt wie sehr du ihm gerade mitspielst?“
„Ach, es ist nur zu seinem Besten. Er hat die letzten sieben Jahre vielleicht an seiner geistigen Vollendung arbeiten können. Aber nicht an seiner Menschlichkeit. Die gebe ich ihm Schritt für Schritt zurück. Sowie alles, wozu es sich zu leben lohnt.“
„Ha. Sehr witzig. Und dafür schickst du ihn durch die Hölle.“
Ich breitete die Arme aus, als wollte ich die Welt umfassen. „Ich könnte auch alles auf einmal auf ihn niederprasseln lassen und sagen: Du hast die letzten Jahre vollkommen umsonst im Kloster verbracht, du solltest eigentlich die ganze Zeit in meinem Team sein! Und wegen Yohko musst du wissen, dass…“
„Ich verstehe was du meinst. Tu ihm nicht weh, okay? Für mich ist er nicht weniger ein kleiner Bruder als du, Akira.“
„Ich tu ihm nur so sehr weh wie er braucht um durch den Schmerz zu wissen, dass er lebendig ist. Das funktioniert bei vielen.“
Ich deutete zum Meer, wo Sarah und Daisuke nebeneinander schwammen. „Sieh sie dir an. Sarah, Jahrelang in einem Biotank gefangen schwimmt vielleicht das erste Mal in ihrem Leben im Meer. Und Daisuke, der damals die Hekatoncheiren verlassen hatte, weil er mit ansehen musste, was eine radikale Wissenschaftlergruppe mit den Insassen eines Supercomputers vorhatte, fasst endlich wieder Vertrauen in jemanden aus seiner Umgebung. Nachdem er mit ansehen musste, wie von über zwanzig Menschen die Gehirne extrahiert wurden. Zu fliehen und Joan zu retten war der erste Befreiungsschlag für ihn gewesen. Das erste Wiedergutmachen seiner Untätigkeit, dem noch so viel folgen musste, bis er halbwegs zufrieden war. Im Moment sieht er sehr zufrieden aus. Und sehr glücklich.“
„Wenn du es so siehst…“ Sie verschränkte die Arme hinter dem Kopf und seufzte. „Trägst du mir Sonnenöl auf?“
„Nur wenn du mir verrätst, warum du mich hast kommen lassen, Zeus.“
Sakura blinzelte zu mir herüber. „Wie immer so schnell wie möglich aufs Ziel zu, eh, Gyes? Wenn ihr nachher die Kamehameha-Squad trainiert, setz dich ab. Wir beide haben einen Termin in den Kavernen des Schachpalasts. Um genau sechzehn Uhr Ortszeit. Ich werde dich am Eingang erwarten.“
„Du lockst mich in ein subversives Rebellennest? In den Sündenpfuhl, in dem schon die Unabhängigkeit von Hawaii beschlossen worden ist?“
„Von dir beschlossen worden ist. Vergiss doch bitte nicht die wenn auch unwichtigen Details, Akira“, tadelte sie mich amüsiert.
„Und wenn schon“, erwiderte ich mit einer abwertenden Geste und angelte nach dem Sonnenöl. Großzügig verteilte ich es auf Sakura und begann es gewissenhaft einzureiben.
„Stimmt es eigentlich, dass sie dir zu Ehren eine Statue errichten wollen? Ich habe Lorenzo so was sagen hören, und auch Tetsu ist sehr dafür. Oh, die Stelle ist gut.“
„Die beiden reden mal wieder. Dabei wissen sie doch ganz genau, dass ich der erste wäre, der das Ding zu Klump schießen würde. Mann, du hast wirklich lange Beine.“
„Das liegt an der Familie. Beste Gene, Akira. Vergiss nicht die Brust und das Gesicht, ja?“
„Hey, Sklaventreiber, kannst du das nicht selbst?“
„Voller Service, bitte, blauer Teufel. Voller Service.“
Murrend ergab ich mich in mein Schicksal. „Was haben Lorenzo und Tetsu denn genau gesagt?“, hakte ich nach.
„Captain Genda hat gesagt, dass dem Schutzherren von Hawaii, dem Schild gegen den Big Drop, dem Beschützer der Zivilisten und Besiegten wenigstens eine lebensgroße Marmorstatue vor dem Hauptverwaltungssitz gebührt.
Und First Lieutenant Antani meint, zweifach lebensgroß und aus Edelstahl würde dir besser entsprechen.“
„Die reden wieder“, murmelte ich. Aber es rührte mich irgendwie. Ich hatte nie wirklich damit gerechnet, für meine tödliche Arbeit mehr zu bekommen als hier und da ein paar Orden, Narben, chronische Krankheiten und als Abschluss den Strick oder Blei. Wenn sie mir zu Ehren eine Statue errichteten, dann war das wie… Ich konnte es nicht genau definieren. Wie Nero zu ehren, der Jahrhundertelang als größte Geißel der jungen christlichen Gemeinde galt, der ihnen zudem den großen Brand angehängt hatte und sich erst durch neueste Forschungen als heimlicher Förderer des Christentums und offener Mäzen von Kunst und Wissenschaft erwiesen hatte – einmal davon abgesehen, dass er für einen absolutistischen Herrscher ein ziemlich netter Kerl gewesen sein musste. Dennoch erschien mir ein Ehrenmal für ihn so falsch, und das war es auch für mich, für den blauen Teufel.
Eine kleine Gedenktafel dort wo sie mich aufknüpften erschien mir doch wesentlich passender.
„Sag mal, Akira, tut das nicht weh, wenn du dir so gegen den Schädel haust?“
„Ich versuche nur gerade ein paar sehr negative Gedanken los zu werden. Komm, dreh dich um, Sakura. Vorne bin ich fertig.“
„Kannst du nicht noch mal die Schläfen einreiben? Das war so entspannend. So… Hach.“
„Hör auf mit mir zu flirten“, erwiderte ich und wendete sanfte Gewalt an.
„Au, bist du grob. Wenn du immer so mit den Frauen umgehst, wirst du nie eine feste Freundin finden.“
„Mein Problem ist es nicht eine feste Freundin zu finden“, tadelte ich. „Mein Problem ist es, die vielen Aspiranten von mir fern zu halten.“
„So? Angeber.“ Sakura schloss die Augen und wenige Sekunden später bewiesen ihre gleichmäßigen Atemgeräusche, dass sie eingeschlafen war.
„Na toll.“ Da ich ein gründlicher Mensch war, beendete ich meine Arbeit und drehte sogar den Sonnenschirm neu, damit die liebe gute Generalin im Dienste der Kronosier nicht plötzlich in der blanken Sonne lag und sich tüchtig verbrannte.
Dann ging ich selbst zum Strand und wollte auch etwas ins Wasser gehen.

„Akari!“, rief ich. Meine kleine Adoptivschwester, die sich nach wenigen Tagen wirklich benahm als sei sie erst sechzehn – der Oni hatte auf mich ausgereift und ausgewachsen gewirkt, war aber bei weitem naiver gewesen – sah erstaunt zu mir herüber. Sie verabschiedete sich von dem blonden Burschen, der sich mit ihr unterhalten hatte und lief zu mir herüber. Auf dem letzten Meter stolperte sie und stürzte an mir vorbei zu Boden.
Geistesgegenwärtig griff ich zu; schlau wie ich war ging der Griff nicht an ihren Badeanzug, was garantiert dazu geführt hätte, sie ungewollt zu entkleiden und einen beträchtlichen Rummel ausgelöst hätte. Stattdessen erwischte ich sie mit einer Hand auf dem Bauch und federte den Sturz aus. Danach richtete ich sie wieder auf.
„Puh. Danke, O-nii-chan.“
„Gern geschehen.“ Ich ging neben dem Objekt in die Hocke, über das Akari gestolpert war. Eine leere Bierflasche. Na danke, besonders gut gepflegt wurde der Strand anscheinend nicht. „Sag mal, wer war denn das, mit dem du da gesessen hast, Akari?“
„Der? Ich habe nicht nach dem Namen gefragt. Wie dumm von mir.“ In einer mädchenhaften Geste streckte sie die Zunge ein Stück zum linken Mundwinkel raus und verpasste sich eine gespielte Kopfnuss.
„Hm. Und was wollte er?“
„Er hat mich gefragt, was für ein Mensch du bist. Ob du eher so bist wie die Amerikaner sagen oder eher so wie die Kronosier sagen.“
„Und was hast du ihm geantwortet?“
„Ich habe gesagt, du bist wie du bist und deine Freunde lieben dich dafür.“
„Na, na, übertreib mal nicht so. Akari, hast du in Betracht gezogen, dass er ein kronosischer Agent sein könnte? Weißblonde Haare, dunkle Augen, das ist doch recht eindeutig.“
„Klar ist er ein Kronosier. Das hat er ja auch ganz offen gesagt.“
Alarmiert sah ich mich nach dem Jungen um, aber er war nicht mehr am Strand. Mist.
„Aber für einen Agenten war er sehr untypisch. Er wollte nichts über dich wissen, bis auf die Sache wie du so bist. Ansonsten hat er mich ausgefragt. O-nii-chan, was ist ein Oberstufenabschluss?“
Ich tätschelte dem ehemaligen Oni den Kopf. „Etwas, was du hoffentlich irgendwann einmal machen kannst. In einer ordentlichen Schule. In einer ordentlichen Stadt. In einer Zukunft, die für uns alle da ist.“
„Das ist komisch“, murmelte Akari nachdenklich. „Als ich den Jungen gefragt habe, was ein Oberstufenabschluss ist, hat er fast dasselbe geantwortet.“
Ich runzelte die Stirn. Der Weißkopf begann mich zu interessieren. Schade, dass er fort war. Aber wie hieß es doch so schön? Im Leben traf man sich immer zweimal.
**
„Colonel, es ist mir eine Ehre, Sie wieder einmal in unserer schönen Stadt Honolulu begrüßen zu dürfen! Ich will sagen, dass… Ach Alter, gib mir fünf und dann zeig mal, was du alles drauf hast.“
„Na, das klingt doch schon eher nach Tetsu Genda“, erwiderte ich grinsend und tauschte mit dem großen, athletischen Chef der Kame-Squad einen Handschlag aus. „Schön, dich wieder zu sehen. Wie ich gemerkt habe, hast du mein kleines Paradies ordentlich beschützt.“
„Ach“, meinte Tetsu mit abwehrender Geste, „zwanzig Mechas mit Besatzungen, die von Blue Devil persönlich ausgebildet wurden in einer Region, in der man sich unmöglich anschleichen kann ist wie die Hekatoncheiren hier zu haben. Es gibt hier und da Übergriffe und ab und zu versuchen mal ein paar Piraten ihr Glück, wie zutreffend die offiziellen Berichte über unsere Stärke sind… Ansonsten ist es hier eher ruhig.“
„Akira, du Stromer! Ziehst du wieder das jüngste Gericht in deinem Sog hinter dir her?“
„Lorenzo. Der größte Grobmotoriker, der jemals zehn Abschüsse mit einem Sparrow erreicht hat.“
„Zwölf.“ Wir tauschten ebenfalls einen Handschlag aus. Der kleine, schlanke Italiener grinste mich an. „Sind die männlichen Begrüßungsrituale damit durch, oder wollen wir noch einen Hahn schlachten, uns mit dem Blut einreiben und ums Feuer tanzen, während wir sein rohes Fleisch fressen?“
„Ich wäre mehr für die Variante, den nächsten Burgerladen zu plündern, dann ums Feuer zu tanzen und nebenbei ein paar frittierte Hühnerstückchen zu futtern.“
„Elender Pragmatiker“, erwiderte Lorenzo Antani und ging zu Daisuke. „Wie hältst du es nur mit diesem Spinner aus? Komm doch nach Hawaii und bleib bei uns, Honda.“
„Hi, Kurzer. Ich halte es ganz gut mit ihm aus, aber frag mal Yuri. Der sagt immer, dass Akira ihn noch in den Wahnsinn treibt.“
„Ich habe nicht Wahnsinn gesagt. Fast in den Wahnsinn, denn diesen Sieg gönne ich diesem dürren Japaner nicht. Hi, Lorenzo. Nachher noch ein Schoppen Wein und ein paar hübsche Ladies?“
„Spricht nichts dagegen. Hm, wer sind denn diese beiden?“
„Darf ich dir vorstellen, Yoshi Futabe, unser, hm, geistiger Beistand und Captain Mamoru Hatake vom FJG, unser, hm, weltlicher Beistand.“
„Was denn, versucht ihr jetzt etwa doch, in den Himmel zu kommen? Ich dachte, ihr habt für eure Plätze im Fegefeuer schon was von Ikea bestellt und Philip hat es vermittelt. Wo steckt der Kerl überhaupt?“
„Er und Kei sind auf Senso Island geblieben. Er wegen diversen Brüchen und Kei weil er glaubt, bei den Frauen mehr Chancen zu haben, wenn wir weg sind.“
„Gute Taktik. Aber das klappt nicht, solange Makoto bei euch die Sparte kleiner und niedlicher Mann belegt.“
Yuri seufzte. „Ich glaube, er versucht die Masche: Intellektuell und große Augen.“
„Das könnte sogar klappen. Kommt, der Dicke und der Oberteufel haben was zu besprechen. Ich zeige euch die Crew. Habe ich schon erwähnt, dass wir einen tollen Ersatz für Sören gekriegt haben? Weiblich, ledig, jung, und von einem Haufen Helden wie euch leicht zu beeindrucken.“
„Habt ihr gehört? Helden hat er gesagt. Helden. Mensch, wir müssen dem Kerl danken, der eure Presse manipuliert – und dann einstellen!“
„Dai-chan…“
„Versteht denn niemand hier mehr einen ordentlichen Witz?“

Ich sah der Gruppe hinterher, mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Was für eine Bande.
„Ich habe gehört, dein Supercomputer hat einen neuen Anführer?“
„Nicht wirklich. Aber seit neuestem gehört die Fushida Hacking Crew zu meinen Leuten. Sie breiten sich gerade in einem deiner Hangars aus und werden deine Hawks und Sparrows überprüfen. Wenn du nichts dagegen hast, nehmen sie sich auch deinen Eagle vor.“
„Später, vielleicht. Ihr bleibt ja hoffentlich länger als einen Tag.“
„Das hängt von den Kronosiern und den Amis ab. Die machen eine Menge Scheiß in letzter Zeit. Dieser Angriff auf die Dämonenwelt, die Neuaufnahme der Invasionen in China und Südasien, und die Amis wollen den Waffenstillstand an der Demarkationslinie von Anchorage brechen… Ich weiß gar nicht, wem ich als erstem Verstand einprügeln will.“
„Allen?“
„Guter Vorschlag.“ Ich schmunzelte leicht. „Und, wie läuft es ansonsten?“
„Du hast es ja gehört. Wir haben neulich wieder einen Squadmember verloren. Ich bin es leid, sie zu verlieren, auch wenn das Verhältnis immer noch zwanzig zu eins ist. Aber jedes Mal wenn einer stirbt oder verletzt ausscheidet, wird ein Stück aus der Familie gerissen, wird ein Stück aus mir gerissen. Ich mag das nicht. Und ich halte das nicht aus.“
„Und genau aus diesem Grund, Tetsu, bist du der beste Mann für diesen Job. Verdammt, Junge, einer muß es tun, und du bist es.“
„Ja, rede du nur. Ich weiß, du trägst auch viel Verantwortung, aber bei dir sieht das alles so… So leicht aus! Verrate mir dein Geheimnis.“
Ich schmunzelte. „Wenn es schwierig wird, denke ich an die Dinge die mir wichtig sind. Und an die Überraschungen, die guten Überraschungen, die mir die Welt beschert.“
„Es gibt gute Überraschungen?“, argwöhnte Tetsu.
„Es gibt sogar sehr gute Überraschungen, wie immer wenn ein Totgeglaubter wieder zurück kommt.“
„Was? Ist dein Opa Michael wieder aufgetaucht?“
Mein Schmunzeln verschwand. „Nein, leider nicht. Aber solange ich sein Grab nicht sehe, glaube ich nicht daran, dass er tot ist. Ich glaube es einfach nicht und basta.“
„Wer ist dann zurückgekehrt?“
„Hm, das erzähle ich dir ein andernmal. Jetzt lass es mich einfach nur genießen und den Motivationsschub auskosten.“
„Du hast gut reden. Du hast wenigstens Motivationsschübe.“
„Sakura ist in der Stadt, Tetsu.“
„Sa-sa-sakura? Was?“ Unwillkürlich lüftete der Japaner seinen Kragen.
„Ja, ich treffe mich nachher mit ihr. Willst du mit?“
„Ich… Ich… ich… Ich…“
„Das werte ich als ja“, schmunzelte ich.
**
Sakura Ino empfing uns wie versprochen auf den Stufen des Schachpalasts.
Flankiert wurde sie dabei von einigen Leuten, deren Lebensunterhalte sicherlich Mathematik und Physik waren: Wie viele Schutzgelder muß man im Monat erpressen, damit es am Jahresende zur ersten Million reicht und wenn die Kugeln aus meiner Tommygun von der Wand reflektiert werden, haben sie dann noch genügend Aufschlagenergie, um tödlich zu sein… Gangster eben. Es irritierte mich sehr, dass sie Sakura so ausnehmend höflich begrüßten. Es irritierte mich aber weit mehr, dass Tetsu jeden persönlich und mit Handschlag begrüßte. Meine Welt wurde erst normal, als der große, starke Tetsu zu stottern begann, als er Sakura begrüßen wollte.

Roger Brown, der Manager, empfing uns im Großen Saal. Am frühen Nachmittag war hier natürlich noch nicht viel los, genauer gesagt hatte der Laden noch nicht einmal auf. Außer natürlich für diverse konspirative Treffen, Waffengeschäfte, Geheimdienstkontakte und selbstverständlich für die freien Philosophen und Anarchisten, die in den kleineren Sälen ihre Version einer neuen und freien Welt propagierten.
Ich fragte mich, wie der gute Roger überhaupt noch dazu kam, mit Hilfe des viel gelobten freien Glücksspiels auf Hawaii die Leute auszunehmen, wenn er derart viel zu tun hatte.
Der große, bärtige Mann gab gerne den Schwarzen aus dem Klischee. Vor dem Abzug der amerikanischen Truppen war er Captain in der Air Force gewesen, aber zur richtigen Zeit hatte er das richtige getan. Genauer gesagt war er abgestürzt, hatte sich ein Bein gebrochen und war hier im Krankenhaus geblieben. Die Air Force hatte ihn daraufhin zum Deserteur erklärt und ich hatte ihm geraten: Bleib doch einfach hier.
Seitdem hatte er seinen Spaß in seinem eigenen, persönlichen Reich. Und seiner achtköpfigen Familie ging es auch nicht schlecht, im Anwesen auf dem Land, im Stadthaus, auf der nach ihm benannten Privatschule, und, und, und… Das alles, vor allem dessen Sicherheit erforderte aber eine Menge Neutralität und Freundlichkeit zu allen Parteien.
Um diesem Druck stand zu halten hatte sich der gute Roger schon vor Jahren auf Cosplay verlegt, sprich klischeehafte Outfits. Zur Zeit hatte er sich einen gekräuselten Vollbart stehen lassen, den er täglich einwichste, damit er aussah wie mit Wagenschmiere gefettet. Dazu trug er eine Afroperücke, die nur knapp an übertrieben vorbei schlitterte. Die Sonnenbrille mit den kleinen roten Gläsern und das schrill orange Lederoutfit komplettierten einerseits seinen Sinn für Perfektion, andererseits den für Humor.
„Akira, du kleiner Halunke. Was machst du denn schon wieder hier? Findet etwa schon wieder eine Invasion statt?“
„Keine Sorge, Big Rog, der nächste der sich Hawaii einverleibt werde ich sein.“ Ich hob fragend die Augenbrauen. „Du kannst doch mit mir als Kaiser von Hawaii leben, oder?“
„Kommt drauf an. Wie hoch setzt du die Steuern?“
„Du bezahlst Steuern?“
Roger lachte laut und wie es erschien zufrieden. „Bist wie immer nicht auf die Klappe gefallen.“ Der große Schwarze reichte mir die Hand, und schloss die Linke darum als ich sie ergriff. In den braunen Augen las ich wie immer Respekt für mich und meine Arbeit.
Er hatte mir erst ein gutes Jahr später, als er sich hier etabliert hatte erzählt, dass er mich als Falcon-Pilot bei vielen meiner Schlachten begleitet hatte. Sein Callsign damals war Black Lightning gewesen, und das hatte viele Erinnerungen an einen sehr guten, aufmerksamen und vor allem waghalsigen Piloten geweckt, der immer im dicksten Gewühl zu finden gewesen war – wo ich meine liebe Mühe gehabt hatte, ihn wieder raus zu hauen.
Er hatte mir mehr als einmal angeboten, mir sein altes Callsign zu vererben, weil ihm Blue Devil einfach nicht für mich gefiel, aber ich hatte bisher immer abgelehnt. Ich war ein Teufel, ein Schlächter und ein Mörder.
Seine Erwiderung nagte in schwachen Stunden an meinem Geist und an meiner Seele: So sind Soldaten nun mal.
„Hallo, Tetsu. Dich wollte ich sowieso noch sprechen. Die RK-Waren kommen heute über die Nordroute rein. Kannst du zwei Kames für die Eskorte abstellen, sobald sie unser Gebiet erreichen? Sie sind sehr wichtig und sollen noch diese Woche nach Philli.“
„RK? Schmuggelst du Waffen, Big Rog?“
„Was? Ja, auch. Aber das ist eher was Persönliches.“
„Um es genauer auszudrücken“, erklärte Tetsu, „es sind Hilfslieferungen vom Roten Kreuz, die über das neutrale Hawaii erst zu den Philippinen und dann in die chinesischen Kampfgebiete geschleust werden. Es gibt dort immer noch mehr als hunderttausend Chinesen, die den vierten Winter in Folge in Zeltstädten ausharren mussten und… Entschuldige, Sakura, so wollte ich das nicht sagen.“
Meine Cousine schien zu frösteln. Sie hatte die Arme eng um den Körper geschlungen. „Ist schon gut, Tetsu. Du hast ja Recht. Rog, Tetsu, bringt es wie immer nach Philli rüber. Ich übernehme wie immer die Verteilung.“
„In Ordnung, Engelchen. Kommt jetzt, bitte. Ihr werdet erwartet.“

Roger führte uns in einen der hinteren Säle, von dort in einen Nebenraum.
Als ich eintrat, musste ich grinsen. „Sind Kutten nicht fürchterlich out heutzutage? Oder wird das hier psychedelisch? Auf deinen Weg du achten musst, junger Akuma?“
„Bitte keine faulen Witze, Colonel Otomo“, sagte die mittlere von drei Gestalten, die mit Kapuzenkutten vermummt an einem runden Pokertisch saßen. „Zumindest jetzt noch nicht. Bitte, setzen Sie sich.“
Ich nahm ohne zu zögern Platz und bestellte mir einen grünen Tee – Rog hatte ein paar wirklich nette Sorten. Neben mir setzten sich Sakura und Tetsu. Sakura mit einem sehr wissenden Blick. Sie tauschte ein Nicken mit der mittleren Gestalt aus.
„Also“, sagte ich ernst und faltete auf dem Tisch meine Hände ineinander. „Was kann die Geißel der Menschheit für Sie tun?“
„Viel, Aoi Akuma. Sehr, sehr viel. Irgendwann und irgendwo. Aber heute wollen wir etwas für Sie tun.“ Die mittlere Gestalt nahm die Kapuze ab. Braunes, kurz geschnittenes Haar wurde sichtbar. Das schmale, freundliche Gesicht gehörte einer Frau, einer Frau, die in ihrem Leben etliche Härten durchlitten hatte, aber nicht unattraktiv geworden war.
Der Mann links von ihr war Kronosier. Und wenn ich mich nicht täuschte der Bengel von heute morgen. Er musterte mich ernst und interessiert.
Rechts schlüpfte eine kleine, schwarzhaarige Asiatin aus der Kapuze. Nein, sie war bestimmt Japanerin oder Koreanerin. Interessant.
„Also gut. Helfen Sie mir. Ich entscheide dann, was diese Hilfe wert ist und werde mich bei Gelegenheit revanchieren, meine Damen, mein Herr.“
Die mittlere Frau schenkte mir ein kurzes Lächeln. „Ich will mich zuerst vorstellen. Mein Name ist Ban Shee Ryon. Admiral Ban Shee Ryon. Dies hier sind Major Ai Yamagata vom Freien Japanischen Geheimdienst und Michi Torah, der Sohn vom stellvertretenden Legatsvorsitzenden Juichiro Tora.“
Ich runzelte die Stirn. „Interessante Kombination. Ich werde neugierig. Aber eines vorweg: Ich kenne alle wichtigen Offiziere der Kronosier ab Captain aufwärts. Warum kenne ich Sie nicht, Admiral? Geheimdienst?“
„Direkt zum Punkt. Bemerkenswert, Colonel. Die Antwort ist simpel. Falsche Armee.“
„Hm?“, machte ich interessiert. „Sie gehören zu einer Armee auf der Erde?“
„Nein.“
Ich sprang auf, stemmte meine Hände auf den Tisch. „Sie haben meine volle Aufmerksamkeit, Ma´am.“
„Miss. Ich bin nicht verheiratet. Wollen Sie die kurze oder die lange Version, Aoi Akuma?“
„Erst die kurze, dann die lange.“
„Michi Tora wird Ihnen später die lange Version darlegen. Ich werde ihn in Ihre Obhut geben, wenn das in Ordnung geht.“
„Als Geisel?“ „Als Piloten im Training gegen die Kronosier.“
Tora lächelte dünn. Nein, es war eher grausam. Was konnte Toras Sohn dazu treiben gegen die Kronosier anzutreten? Nein, da war mehr, soviel mehr. Dieser Junge wollte nicht gegen die Kronosier antreten. Er wollte gegen seinen Vater antreten. „Interessant.“

Admiral Ryon legte eine dünne Platte auf den Tisch, sofort entstand ein Hologramm, welches das Sonnensystem zeigte. Allein das reichte um mich zu beeindrucken. So ein winziger Projektor bei so guter Qualität, das war Spitzenklasse.
„Wie Sie sehen ist dies das Sol-System. Und jetzt raten Sie mal, wo ich herkomme.“
Tetsu griff in das Holo und deutete auf den Mars.
„Nicht ganz falsch, Captain Genda.“
„Zeigen Sie es mir. Verkleinern Sie die Karte, bis Ihre Heimat zu sehen ist.“
„Sehr scharfsinnig, Colonel“, sagte sie schmunzelnd.
Die Karte zoomte raus, wurde winzig klein, bis nur noch die Sonne als dünner Lichtpunkt zu sehen war. Dann erschien ein weiterer Lichtpunkt, Alpha Centauri, doch der Zoom ging weiter, bis zu den Hyaden und darüber hinaus. Schließlich erfüllte ein niedlicher Ball voller Sterne das Hologramm.
Amüsiert runzelte ich die Stirn. „Eine politische Karte, oder?“
„Treffend erkannt, Colonel. Ich komme von diesem Stern, Kanto. Meine Hauptwelt heißt Lorania. Von ihr bin ich abgeflogen, mit einer kleinen Flotte Schiffe und etwas unter zwanzigtausend Zivilisten.“
„Aha. War Ihre Welt von der Vernichtung bedroht, Admiral?“
„Bedroht ja, aber nicht wie Sie denken.“
„Dann hat es mit der grünen Farbe zu tun, die das Kanto-System umgibt. Wie ich das sehe, umfasst das grün fünfzig oder mehr Sterne. Das ist?“
„Das ist das Imperium der Naguad, das Imperium, in dessen Armee ich Admiral bin“, sagte Ryon ernst. „Und die Militärmacht, vor der ich mit zwanzigtausend Zivilisten geflohen bin.“
Ich bemerkte, dass ich noch immer stand. Aber ich hatte nicht das Bedürfnis mich zu setzen. Es wurde gerade verdammt spannend. „Geflohen? Heißt das, Sie sind die Kronosier und etablieren hier das, vor dem Sie geflohen sind?“
„Kronosier und wir haben nicht viel miteinander zu tun, keine Angst. Wir hatten nie vor, die Erde zu unterwerfen“, beschwichtigte mich Admiral Ryon.
Ich schnaubte abfällig. Das war sicher nur die halbe Wahrheit gewesen.
„Aber wir haben die Kronosier erschaffen, unabsichtlich.“
Für einen Moment dachte ich, mir würden die Beine unter dem Körper nachgeben. Aber ich fing mich, indem ich mich schwer auf dem Tisch abstützte. „So etwas habe ich mir schon gedacht.“
„Das war die kurze Version, Colonel Otomo“, sagte Ryon, und es klang den Umständen entsprechend amüsiert.
„Ich freue mich auf die lange“, sagte ich mit rauer Stimme.
„Kommen wir zu den wichtigen Dingen unseres Zusammentreffens“, sagte die Frau und wollte den Projektor umschalten.
„Zwei Dinge noch, Admiral“, bat ich. „Diese orange schraffierte Zone am Rand der Kugel, wem gehört die?“
„Colonel, bitte, wir…“
„Admiral. ICH bitte SIE.“
„Also gut. Sie gehört dem Kaiserreich der Iovar, einem föderalistischen Staatsgebiet, mit denen die Naguad seit zweitausend Jahren in einem Waffenstillstand leben.“
„Und die rote Fläche? Zu wem gehört die?“
Ryon zögerte. Aber Sakura nickte nachdrücklich.
„Sie gehört der Core-Zivilisation.“
„Was, bitte ist eine Core-Zivilisation?“
„Ein Core ist eine künstliche Intelligenz, die sich selbst ganze Städte und Flotten erbauen kann, wenn man ihr genügend Zeit gibt. Es war ein Core, der den Mars kultiviert hat, allerdings in unserem Auftrag und unabhängig von der Core-Zivilisation.“ Sie zögerte, bevor sie weiter sprach. „Die Core-Zivilisation ist der Feind der Naguad und der Iovar.“
Langsam setzte ich mich. Ich würde noch eine Menge Fragen an den jungen Mann haben. Eine Riesenmenge.
„Colonel Otomo, wir sind bereit, Ihnen Michi Tora und seinen Daishi zu überlassen. Wir verlangen dafür keine Gegenleistung. Sie brauchen nicht einmal für seine Sicherheit zu garantieren, darum kümmert er sich selbst. Aber wir bitten Sie darum, ihm eine Fairy zu stellen. Sie werden sehr bald sehen, dass er für die Akuma-Gumi zu einem wertvollen Krieger wird.“
„Diese Entscheidung obliegt zwei Personen. Mir als Befehlshaber und der Frau, die seine Fairy sein soll“, schränkte ich ein.
„Um mehr bitte ich nicht, Colonel Otomo.“ Der Blick des Jungen war hart, beinahe grausam. Zugleich sah ich aber auch Traurigkeit darin schimmern, abgrundtiefe Traurigkeit.
„Und das ist sein Mecha, Colonel“, führte Ryon weiter aus und stellte das Hologramm um.
Ich keuchte erschrocken auf. Ein Daishi, aber was für einer!
„Was Sie hier sehen ist ein Daishi Echnatron. Bemannt mit einem guten Piloten und einer Fairy ist er mit keinem Mittel zu besiegen, das uns derzeit bekannt ist.“
„Ein Riesending“, stellte ich fest. „Ich nehme ein Dutzend.“
Dies war der Moment, in der die Alarmsirenen die Bevölkerung Honolulus in die Bunker riefen. Elektrisiert sprang ich auf. „Wir sehen uns wieder, Admiral Ryon.“
„Das werden wir, Akira Otomo. Und ich freue mich schon drauf!“

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Anime Evolution: Spiegel

Episode vier: Ein Schritt vor, zwei zurück

Prolog:
„Akira Otomo, wer ist schon Akira Otomo? Wenn auch nur die Hälfte von dem stimmt, was man über ihn sagt, ach, wenn nur zehn Prozent stimmen, dann ist er drei Meter groß, zwei Meter breit, hat seinen Hawk immer im Handtäschchen dabei und kann alleine mit einer Armbewegung ganze Regimenter auslöschen.
Glauben Sie nicht auch, dass das selbst für ihn zuviel Macht wäre? Münchhausen würde vor Scham erröten wenn er hören könnte, was alles über Akira Otomo als Wahrheit verbreitet wird!“
(Aus einer Diskussionsrunde zwischen Experten zur Frage: Wer ist der beste Mecha-Pilot der Erde.)

1.
Alarm war schon immer eine zweischneidige Sache. Einerseits peitschte die Sirene das Adrenalin auf, regte den Kreislauf an, spannte alle Sinne fast bis zum zerreißen.
Zugleich aber rutschte einem auch das Herz in die Hose und die Übersensibilität führte schnell zu Flüchtigkeitsfehler.
Woran man sich wegen der angespannten Sinne immer und genauestens erinnern konnte.
Als die Sirenen im unheilvollen Rhythmus des Luftalarms zu heulen begannen und die Bevölkerung der Stadt in die Bunker und besonders befestigten Keller rief, reagierte ich sofort und tat das, was ich tun musste: Einen Hawk erreichen, einsteigen und irgendjemanden kräftig in den Arsch treten.
Komischerweise ging mir die ganze Zeit mein Gespräch mit Ban Shee Ryon nicht aus dem Kopf. Andererseits, wieso komischerweise? Sie hatte mir die nähere kosmische Nachbarschaft offenbart und drei Reiche gezeigt, gegen die unsere Erde und die klitzekleine Sonne nicht mehr als eine Randbemerkung waren, eine Fußnote, ein schlechter Witz.
Vor allem, wenn wir hier auf der Erde irgendwann und eines Tages mal mit der Armee einer dieser Staaten konfrontiert waren und noch immer kleinliche Kriege gegeneinander führten.
Mist, Mist, Mist, das Universum war gerade größer, weiter und vor allem gefährlicher geworden. Und ich hatte nicht das Gefühl, das wir weiterhin unauffällig im Hintergrund sitzen konnten, nicht wenn Ryon die Wahrheit gesagt hatte und geflohen war. Irgendjemand suchte die Geflohenen bestimmt. Garantiert. Fand hierher. Und trat uns mächtig in den Arsch.
Aber es wäre vermessen zu denken, dass dies ausgerechnet hier und heute passieren würde.
„Tetsu, mein alter Freund, hast du einen Hawk für mich? Meiner ist auf Senso Island. Weil irgend so ein Idiot – nennen wir ihn Captain Genda – die Einfuhr von Mechas auf Hawaii untersagt hat.“
„Autsch, autsch, autsch. Akira, nimm das Schwert aus meinem Rücken. Du kannst mich später zweiteilen und in der Wunde stochern“, knurrte der Anführer der Kame-Squad zurück. „Mit einem Hawk kann ich dir nicht dienen, aber mit ein paar Daishis. Was hast du lieber, Briareos oder Gilgamesch?“
„Ich nehme einen Gilgamesch. Habt Ihr keine Daedalus?“, meldete sich eine zweite Stimme neben mir.
Ich sah zur Seite und erkannte Michi Tora. „Kleiner, vielleicht solltest du es langsam angehen lassen.“
Ein Militärhubschrauber der Unterstützungsstreitkräfte – hauptsächlich Infanterie, Artillerie, Marine und Luftabwehr – setzte gerade vor uns zur Landung an. Zwanzig sehr gut ausgerüstete Elitesoldaten quollen hervor, nahmen Sicherungsstellungen ein.
Der Anführer, ein Lieutenant, salutierte vor Tetsu. „Sir, Sie müssen so schnell wie möglich zurückkehren. Wir haben einen Drop. Und wenn die eingehenden Daten stimmen, ist es ein Big Drop!“
„Wissen wir schon, wer es versucht?“
„Negativ.“
„Checken Sie Ihre Langstreckenscanner, Lieutenant“, rief ich, während ich mich an den Soldaten vorbei in den Hubschrauber zwängte. „Wer immer den Zauber veranstaltet, wird bestimmt ein paar Beobachtungs- oder Kommandoschiffe da draußen haben, um ein Auge auf die Entwicklung zu haben.“
„Gute Idee, Sir. Wird Colonel Otomo am Einsatz teilnehmen?“
Die Soldaten fluteten wieder an Bord, der Helikopter hob an. Ich machte es mir zwischen Michi und einem weiblichen Private bequem, der mich beinahe mit Sternchenaugen anfunkelte.
„Er wird.“
Der Jubel, der daraufhin den Transportraum erfüllte war mir etwas peinlich. Normalerweise verursachte eine solche Ankündigung Angst, Schrecken und Terror. Das war mir wesentlich lieber.

„Genda hier. Machen Sie sofort ein paar Beute-Daishis klar. Wir… Captain Honda hat… Ja, in der Tat, der Colonel wird einen Briareos fliegen. Captain Kruger ebenfalls? Sie sollen warten. Und machen Sie noch einen Gilgamesch fertig, wir bringen einen weiteren Piloten.“
Tetsu schaltete ab und musterte den jungen Burschen. „Hoffe ich.“
„Sei nicht so skeptisch, Tetsu. Der Kleine hat es drauf.“
Erschrocken zuckte der riesige Kerl zusammen. „Sa-sa-sakura! Was machst du denn hier?“
„Ich bin mit euch an Bord gekommen. Ich sitze, seit wir gestartet sind, neben dir. Sag bloß, das hast du nicht bemerkt?“
„I-iiiich war beschäftigt.“
„Na, wenigstens scheinst du deine Arbeit ernst zu nehmen“, spottete sie milde.
Sie suchte meinen Blick. Ich erwiderte ihn fest.
„Könnte das eine kronosische Aktion sein? Von der du nichts weißt, Cousinchen?“
„Keine Chance. Eine derart große Truppenbewegung wie für einen Big Drop wäre mir aufgefallen. Und wenn sie alle Truppen für diese Aktion vom Mars geholt hätten, wir hätten die Schiffsbewegungen gesehen.“
„Was bleibt dann noch? Wer will im Konzert der Großen mitspielen? Die Südamerikanische Föderation? Seit Kriegsausbruch hat sie sich sehr engagiert gezeigt, ihr Territorium und ihren Einfluss zu vergrößern.“
„Eher die Chinesen oder die Inder. Die Chinesen, um endlich den Rücken frei zu kriegen oder die Inder, weil sie es können.“
„Ihr habt die wahrscheinlichste Möglichkeit vergessen“, meldete sich Michi zu Wort. „Es sind die Amerikaner.“
Tetsu runzelte die Stirn. „Wir sind defacto amerikanisch, sprich Teil der Vereinigten Staaten von Amerika. Was würden sie gewinnen, wenn sie ihr eigenes Gebiet angreifen?“
„So kannst du das auch nicht sehen. Zwar ist die Verwaltung amerikanisch, aber das Militär ist unabhängig und wird nicht vom Pentagon aus kommandiert. Die Steuern und Abgaben fließen auch nicht nach Washington, und was das Wichtigste ist: Es sind keinerlei amerikanische Truppen auf Hawaii stationiert. Dabei wäre dies ein tolles Sprungbrett für einen Angriff auf Japan oder China.“ Ich massierte meine Schläfen. „Dennoch. Nicht die Amerikaner. Nicht jetzt und nicht hier. Bitte, bitte nicht.
Aber wenn sie es doch sind, Tetsu, dann müsst ihr hinterher die amerikanische Verwaltung rausschmeißen.“
„Nun wartet doch erst mal ab!“, fauchte er.

Auf dem Gelände der Squad angekommen eilten wir sofort zu den bereit stehenden Mechas. Ich hielt auf jemanden zu, der einen himmelblauen Helm mit dunkelblauen Blitzen hoch hielt, die Farbe trocknete gerade erst. Und ich hatte Recht. Dies war mein Daishi Briareos.
„Sir, wir haben ihn mit einer Sniper-Gun, einer Gatling und einem Laserraketenabwehrsystem ausgerüstet. Der Briareos läuft auf Fusionsreaktor und ist nicht mehr der Neueste. Achten Sie darauf, nicht getroffen zu werden.“
„Was? Und dem Gegner die einzigen Erfolgserlebnisse gegen Aoi Akuma nehmen? Sie sind mir ja einer.“
Der Mann grinste breit, und langsam fragte ich mich, ob ich meine kleine Insel nicht aufgeben und gegen diese acht hier eintauschen sollte.
Immerhin, hier gab es Kneipen, Supermärkte, Bekleidungsshops mit meinen bevorzugten Jeanssorten – und italienische Eisverkäufer. Das sprach alles sehr dafür.

Der Techniker half mir beim anschnallen und befestigen der Anschlüsse. Danach aktivierte ich die Künstliche Intelligenz.
„Identifikation“, meldete sich die K.I. zu Wort.
„Otomo, Akira. Notfallcode Lima, Lima, Quebec.“
„Ihre Autorisation wurde anerkannt, Otomo, Akira. Diese Einheit steht Ihnen nun zur Verfügung.“
„Okay, Einheit, dann gib mir einen Statusbericht und einen über die Lage.“
„Status in allen Bereichen grün. Sniper-Rifle vollwertig mit K.I. vernetzt. Gatling-Rifle vollwertig mit K.I. vernetzt. Laser-Raketenabwehrsystem aufgeladen und bereit. Synchronisation zwischen K.I. und Pilot beträgt neunundneunzig Prozent.“
Ich pfiff anerkennend. Da die K.I. eines Mechas die Maschine hauptsächlich nach Instinkten und Gedanken des Piloten lenkte, war eine gute Vernetzung mit ihr das A und O. Mit dieser alten Mühle erreichte ich eine ebenso gute Vernetzung wie mit Primus.
„Lagebericht: Aus einer Höhe von mittlerweile zwanzig Kilometern fallen vierhundertsieben Abwurfkapseln, jede einzelne ausgelegt, vier Mechas der Klasse Hawk zu befördern. Eintreffen der Kapseln in der Troposphäre in dreißig Minuten, achtundfünfzig Sekunden.“
Ich pfiff anerkennend. Im Maximalfall bedeutete dies für uns - falls Sparrows an Bord der Kapseln waren, was fünf Mechas pro Kapsel bedeutete, etwas über zweitausend Gegner.
Wenn es Eagles waren, passten hingegen nur drei rein.
Ich erwartete eine solide Mischung um die tausendvierhundert Mechas.
Das gleiche galt übrigens auch für Daishis der Klassen Agamemnon, Briareos und Gilgamesch, die Daedalus noch nicht eingerechnet.
„Akira, hast du den Lagebericht? Verdammte Scheiße, ohne unsere Fairies schaffen wir das nie im Leben!“
„Ruhig, Yuri, es sind ja nicht nur wir drei.“
„Ähemm.“
„Den Platz in der Einheit musst du dir erst verdienen, Michi.“
„Richtig. Wer ist der Bengel überhaupt? Und warum steigt er in einen Gilgamesch?“
„Weil er es kann“, erwiderte ich trocken. „Kannst du eine Fairy aufnehmen, Kleiner?“
„Platz hätte ich schon“, erwiderte Tora mit ungerührter Stimme. „Aber ich bezweifle, dass wir zusammen kämpfen können. Das ist mein erstes Mal, dass ich mit einer Fairy zusammen kämpfe.“
„Das trifft sich gut, es ist auch Akaris erstes Mal. Schafft mir Akari herbei. Dai-Kuzo hat gesagt, sie ist eine besonders starke Fairy.“
„Akira, du wirst doch nicht… Wenn du sie schon als Fairy missbrauchst, warum nimmst du sie nicht mit? Oder überlässt sie mir?“
„Weil ein Briareos zu klein für zwei Personen ist. Zumindest wenn die Personen kämpfen wollen. Für ein paar beengende Erfahrungen im Hautkontakt für Fortgeschrittene wäre es hingegen genau richtig. Und du kriegst sie nicht in deinen Gilgamesch, weil du Sarah mitnehmen wirst.“
„Pah! Sarah ist keine Fairy!“
„Kitsune ist da anderer Meinung. Apropos Kitsune, wo ist sie wenn ich sie mal brauche?“
„Dennoch! Sie ist keine Kriegerin! Willst du sie zur Schlachtbank führen oder was?“
Ich grinste dünn. „Lassen wir sie doch entscheiden. Außerdem, ohne Fairies sind wir hier verloren, da hat Yuri schon Recht.“
„Bin ja schon da. Danke fürs warten“, klang Kitsunes Stimme auf, als sie in Fuchsgestalt ins Cockpit gewuselt kam und sich auf meinem Schoss einrollte.
„Also, damit haben wir drei Einheiten mit Fairies. Künstliche Intelligenz, ich gebe dir jetzt einen Namen. Ab sofort heißt du Lightning.“
„Verifiziert, Sir.“
„Gut, Lightning, verbinde mich mit der Kamehameha-Squad.“
„Verbindung steht, Sir.“
„Otomo hier. Könnt Ihr mich hören?“
„Genda hier. Wir hören, Colonel.“
„Was hat die Erkundung ergeben? Was ist an Oberflächenschiffen da draußen?“
„Wir haben vermehrt Schiffe der U.S. Navy beobachtet, die sich hart an der Grenze unserer Radarreichweite bewegen.“
„Verdammt! Diese Idioten!“ Wenn es wirklich die Amis waren, die diesen Unsinn hier veranstalteten, dann hatten sie keine Kosten gescheut. Und sie schreckten auch nicht vor einem Blutbad zurück. Fast zweitausend Mechas würden für sie einen ordentlichen Aderlass bedeuten. Einen verdammt großen Aderlass. Natürlich rechneten sie nicht damit, dass diese Aktion schief ging, immerhin überboten sie die Invasionsstreitmacht des Big Drop um das fünffache.
Und wenn sie schief ging, dann… Dann war es Sense mit dem Gleichgewicht der Kräfte. Es hatte irgendwann kommen müssen, aber doch nicht so schnell, so früh.
„Okay, ich habe nach Akari und Sarah schicken lassen. Akira, dafür haue ich dir nachher eine rein, das sage ich dir.“
„Sei mein Gast, Dai-chan. Wahrscheinlich habe ich es dann sogar verdient.“
Ich krampfte meine Hände um die Kontrollen. „Verdammt verdient.“
„PUTZ DICH DOCH NICHT IMMER SELBST RUNTER!“, blaffte Dai-chan. „Das hast du nicht verdient und das haben wir nicht verdient. Weißt du wie wir uns fühlen, wenn du strauchelst? Ich versuche doch nur ein Ventil für meine Nervosität zu finden.
Ich liebe dich doch, Kumpel.“
Ich schwieg verblüfft. „Ich liebe dich auch, aber nimm das nicht als Einladung, heute Abend an meiner Tür zu kratzen.“
„Blödmann!“, blaffte er. „Allerdings würde es drei Dinge bedeuten: Es gibt mich noch, es gibt dich noch, und es gibt noch Türen.“
„Ist ein Argument.“
„Eintreffen der Kapseln in der Troposphäre in zwölf Minuten.“

„Okay. Tetsu, wie sieht es mit eurer Luftabwehr aus?“
„Unsere Langstreckenwaffen arbeiten bereits in einem Sperrriegel aus dreißig Kilometern Distanz und einer Maximalhöhe von acht Kilometern. Wir haben in etwa zweihundert Raketen für diesen Job bereit. Die Kapseln werden sich in frühestens sechs Kilometern öffnen, ich rechne mit vierzig Prozent Treffern.
Unsere Flak-Panzer und unsere stationären Kanonen schaffen es bis in eine Höhe von vier, beziehungsweise acht Kilometern.
Ich rechne mit drei Schuss, bevor sie aufgeklärt sind oder vernichtet werden. Wir verfügen über vierzig Flak-Panzer und etwas über zweihundert stationäre Kanonen.
Ich rechne mit vielleicht vierhundert Treffern, von denen knapp die Hälfte Kapseln erwischen wird, die andere Hälfte Mechas. Es bleiben also für den Nahkampf und den Bodenkampf hundertzwanzig bis hundertvierzig Kapseln, beziehungsweise umgerechnet gut fünfhundert Mechas.“
„Ich bezweifle, dass der Gegner mit einem solchen Gemetzel zum Auftakt seines Drops rechnet“, murmelte ich leise. Über die Hälfte der Einheiten noch vor dem ersten Schuss zu verlieren musste das Pentagon treffen wie eine Dusche mit Eiswasser.
„Fünfhundert Mechas, das ist doch zu schaffen.“
„Ja, falls über die See keine weiteren Einheiten geschickt werden“, schloss Yuri. „Tetsu, wie sieht es mit Sabotage aus, um die Luftabwehr zu vernichten?“
„Wir können so etwas nicht verhindern, aber wir sind auf der Hut. Die Infanterie geht erst kurz vor dem eigentlichen Angriff in die Bunker, und dann auch nur ein Teil. Der Rest verteilt sich mit Anti Mecha-Bewaffnung in den Städten.“
„Sarah und Akari sind da. Genau rechtzeitig fürs Gemetzel.“
Ich ließ Yuris Worte in mir nachklingen. Ja, Gemetzel, das traf es wohl. Und mein Job war es, dafür zu sorgen, dass es nicht die Verbündeten oder Zivilisten traf.

2.
Die Raketensilos von Hawaii öffneten sich bei positiver Erfassung selbstständig und feuerten ihre Raketen auf die erfassten Ziele. Nachrichten von versuchter und erfolgreicher Sabotage erreichten uns, aber es war abzusehen, dass der gegnerische Geheimdienst die Anzahl der Raketen schlicht unterschätzt hatte.
Über einhundertsiebzig schossen in den Nachmittagshimmel von Hawaii, auf die mittlerweile gut sichtbaren Abwurfkapseln zu. Abwehrsysteme waren keine zu erkennen, dennoch explodierten viele Raketen bevor sie die richtige Höhe erreicht hatten. Mehr als achtzig schafften es hindurch, suchten sich ihre Ziele und folgten ihrer Bestimmung.
„Abschüsse bestätigt. Erste Welle vernichtete siebenundsechzig Kapseln, weitere sechzehn wurden bestätigt.“
Ich atmete tief ein und langsam aus. Dort oben waren gerade über zweihundert Leben vergangen.
Nun begann die Artillerie aus ihren befestigten Stellungen zu feuern, der Donner röhrte über das Eiland und verschreckte die Tierwelt und alle, die noch nicht in einem Bunker verschwunden waren.
Wenn die Flakpanzer einfielen und sich die ersten Kapseln öffneten, um ihre Fracht abzuwerfen, wurde es auch für uns Zeit zu starten und in den Kampf einzugreifen, der im Moment eher Tontaubenschießen glich.
Was war schief gelaufen? Oder was hatte die Amis dazu bewegt, eine derart wahnsinnige Materialorgie zu veranstalten? Das, was ich da sah, war purer Wahnsinn. Nicht einmal die Landung in der Normandie versprach so blutig zu werden wie dieses Desaster.
Nun, von meinem Standpunkt aus musste es wohl überwältigender Sieg heißen.
„Berechnung, Sir.“
„Was gibt es, Lightning?“
„Nach Analyse der Kapseln habe ich festgestellt, dass die erste Welle, bestehend aus über einhundert Exemplaren leer sein muß. Die zweite Welle, bestehend aus zweihundert Kapseln ist gefüllt, aber die Hochrechnungen sprechen von unorganisierter Ladung, die nicht ganz dem Gewicht von zwei Hawks entspricht. Lediglich Fallwinkel, Aerodynamik und Fallgeschwindigkeit der dritten Welle deutet auf volle, organisierte Beladung hin.“
„Moment mal, Lightning, willst du mir etwa weismachen, dass die ersten hundert leer sind? Und die nächsten zweihundert mit Schrott gefüllt?“
„Nun, es muß nicht Schrott sein. Es können auch Clustersprengköpfe sein.“
Mein Blick ging runter zu Kitsune, die zu mir hoch sah. „Oh-oh…“
„Oh-oh, trifft es nicht ganz. Wann wird die zweite Welle beschossen?“
„Der Beschuss begann vor zehn Sekunden.“
„Warnung an alle Einheiten.
Zoom ran, Lightning. Ich will sehen, was aus den Explosionswolken raus kommt. Falls was raus kommt.“
Der Zoom meiner Sicht fuhr näher an die Kapseln ran, bis dicht an die Explosionen der auseinander platzenden Kapseln.
Was ich sah war hauptsächlich brennender Metallschrott. Und in diesem Metallschrott entdeckte ich… „Sir. Soeben brach der Funkkontakt zu den anderen Einheiten ab. Ich vermute, dass der Gegner Störsender ins Spiel gebracht hat.“
Eine Explosion auf der Insel ließ mich zusammenfahren. Na Klasse, ich konnte mir schon denken, was gerade hoch gegangen war, der zentrale Verteiler für die Glasfaserverbindung, über die sämtliche Posten und Geschütze Hawai´is miteinander verbunden waren.
Nun, mit gestörtem Funk und fehlender Kabelkommunikation blieb uns nur noch die Kommunikation per Laser, außer der Gegner würde…
„Na klasse, Metallstaub. Was kommt als nächstes? Nackttanzgruppen, die unsere Piloten ablenken sollen?“
„Sieh es ein, Akira, der selbstmörderische Angriff war gar nicht so selbstmörderisch. Und wenn du jetzt nicht aufpasst, dann wird uns ganz mächtig in den Hintern getreten.“
Ich grinste wölfisch. „Kitsune, Kitsune. Du solltest eines nicht vergessen. Das hier ist unser Spiel. Und in unserem Spiel wurde ich noch nie geschlagen. Kommunikation, pah, wer braucht Kommunikation?“
„Sir, die dritte Wellen entlädt sich. Ich zähle dreihundertsiebzig Hawks und zwanzig Eagles. Korrigiere, dreiundzwanzig Eagles. Störsender fahren auf volle Leistung hoch.“
„Na also.“

Ich trat die Pedale der Düsen durch. In dem Moment, der vermeintlicherweise unsere verwundbarste Zeit war, wurde der Gegner selbst verwundbar, sprich leichter zu treffen und noch leichter zu verunsichern.
Mein Daishi schoss in die Höhe, hinter und neben mir erwachte das Abwehrfeuer von Hawaii zu neuem Leben. Ohne direkte Kommunikation musste ich bei meinen waghalsigen Manövern mächtig drauf aufpassen, nicht vom Feind ODER vom Freund getroffen zu werden, aber Hey, ich hatte meinen Ruf nicht im Lotto gewonnen.
Auf tausenddreihundert Metern Distanz zum nächsten Mecha, ein Hawk, eröffnete ich das Feuer mit der Sniper-Rifle. Es wurde der erste Schuss, den ein Mecha in dieser Schlacht auf einen anderen abgab. Er durchschlug die obere Brustpartie und zerstörte die Batterie. Haltlos stürzte der Mecha zu Boden.
Dies weckte die anderen auf, und während das Abwehrfeuer immer intensiver wurde – dummerweise wurden manche Ziele dreifach oder vierfach anvisiert, was den Abwehrschirm wirklich, wirklich löchrig machte – schlug mir eine Flut an Granaten entgegen.
Ich wirbelte den Daishi herum, Yuri schoss an mir vorbei, brachte die Waffen seines Briareos hoch und erzielte für die Mechas den zweiten Abschuss in dieser Schlacht.
Der Beschussraster wurde immer enger für uns, Dutzende Raketen senkten sich auf mich hernieder. Ich fixierte jeden einzelnen Gefechtskopf per Blicklink und ließ die Rakabwehr arbeiten. Von siebenundfünfzig Raketen schafften es nur neun, und die tanzte ich aus.
Fünf Kilometer von mir entfernt, in etwa auf gleicher Höhe, hatte Daisuke das Kampfgebiet erreicht. Sein Mecha glänzte wie frisch eingeölt. Also hatte Kitsune doch recht gehabt und Sarah war eine Fairy. Das was den Mecha da umgab war Aura-Kraft. Sehr effektive, eine Menge Schüsse und Hiebe einsteckende Aurakraft.
„Übersicht, Lightning.“
„Alle vierundzwanzig Mechas befinden sich jetzt im Gefecht, Sir. Die Zahl der Gegner hat um elf Prozent abgenommen. Schäden an drei Hawks und zwei Sparrows unserer Verbündeten.“
Die wendigen kleinen Sparrows würden gravierende Schäden nicht auf die Dauer aushalten, zudem genügte ein „eins in einer Million“-Glückstreffer, um die Fusionsbatterie zu vernichten und den ganzen Mecha zu den Fischen zu schicken. Ich war nicht der einzige Pilot mit Glück hier oben.
Gut, die erste Minute hatten alle überlebt. Auf zur zweiten.

„Akira, bis gleich“, sagte Kitsune und sprang von meinem Schoss – direkt durch die Cockpit-Panzerung. Oh, ich wünschte, sie würde so etwas nicht mehr machen. Das verleidete doch wirklich jedem Menschen die Illusion, mit einem normalen Menschen zu reden. Und im Bett war das furchtbar wichtig.
Ich verfolgte ihren Sprung, ehrlich, dreihundert Meter und Punktlandung auf einem Hawk, das machte ihr so schnell keiner nach, orientierte mich neu und verlegte mich von Sniper-Gewehr auf Gatling.
Während ich einer weiteren Granatensalve auswich und meine eigene Waffe abfeuerte, klopfte die Rationalität an meinem Verstand an und meldete: Du hast keine Fairy mehr.
Vor mir zerplatzte ein Hawk, getroffen von der Gatling. Der Rest, inklusive Pilot, fiel in kleinen Fetzen zu Boden. Aber das dämmte nicht den Effekt der Erkenntnis, einen niederschlagenden Effekt.
„Verdammt!“
Wütend trieb ich den Daishi voran, riss einem Hawk, der unaufmerksam war, die Artemis-Lanze vom Rücken und ging in den Nahkampf.
Zeit, nach meinen Freunden oder sogar nach der Kame-Squad zu sehen hatte ich nicht. Und ohne Kommunikation konnte ich nur hoffen, dass Lightning schlau genug war mir zu sagen, wenn einem der Arsch auf Grundeis ging.
Ein heftiger Schlag in den Rücken erinnerte mich an zwei Dinge. Erstens, wir hatten Artillerie, die mich nicht warnen konnte, wenn sie schoss.
Zweitens, die hatten Eagles, und diese Eagles zu Schrott zu kloppen sollte eine gute Idee sein.
Also trat ich wieder die Pedale der Düsen durch, der Mecha machte einen Sprung nach oben.
Wie erwartet hielten sich die Eagles auf Distanz, um ihre Artilleriefähigkeiten besser zum tragen bringen zu können. Und um vor uns sicher zu sein.
Uns? Der Gedanke amüsierte mich. Bestimmt nicht vor mir.

Wütend fuhr ich auf, raste auf den ersten Eagle zu. Ich passierte die Maschine, achtete kaum darauf, ob ich mit der Artemis-Klinge traf oder nicht, ließ den Daishi einen Salto rückwärts machen und trat nach drei viertel des Weges die Pedale erneut durch.
Abwehrfeuer und Raketen verfolgten meinen Kurs und zerstieben die Luft dort, wo ich jetzt eigentlich hätte sein müssen.
Wieder huschte ein Lächeln über mein Gesicht. Ein wildes, entschlossenes Lächeln. Es gab einen Grund dafür, dass man mich blauer Teufel und nicht blauer Blitz nannte.
Wenn es sein musste kam ich schlimmer über die Gegner als der Teufel über die Sünder.
Der kurze Tritt auf die Schubdüsen hatte mich zum nächsten Eagle gebracht. Ich machte erneut eine Rolle, driftete zur Seite weg – und hatte kaum Zeit, richtig auf die Pedale zu treten.
Mein eigentliches Ziel wurde von Friendly Fire zerstört, was mich ehrlich gesagt frustrierte. Hey, das war mein Job!
Aber okay, so kam wenigstens einer meiner Kollegen in mein Blickfeld und ich konnte mir ein paar Sekunden nehmen, um ihm bei der Arbeit zu zu sehen. Es war ein Gilgamesch, und er räumte mächtig unter den Eagles auf.
Wenn ich sah, wie jede einzelne Granate, die er abfeuerte vor Aura glänzte, konnte ich nur neidisch auf seine Fairy werden. Ich hätte nicht gedacht, dass Daisuke und Sarah so gut harmonierten und… Nein, das war Michi! Was machte der Rotzbengel im dichtesten Gewühl? Und vor allem mit meiner kleinen Schwester? Oh ja, der Bengel war so tot, so richtig tot!
Der Alarm, der das plötzliche fehlen des Sniper-Gewehrs meldete – inklusive rechtem Arm – brachte mich wieder in die Realität zurück.
Ach ja, ich hatte noch was zu tun.

„Status, Lightning.“
„Drei Hawks der Kamehameha-Squad wurden abgeschossen, ebenso ein Sparrow. Ein weiterer Sparrow und ein Hawk mussten notlanden.
Der zweite Daishi Briareos hat zwei Beine verloren und humpelt unter der Deckung von zwei Hawks der Kamehameha-Squad zum Hangar zurück.
Der Gegner liegt jetzt bei knapp fünfzig Prozent aktiven Mechas, Sir. Und nebenbei bemerkt, die Eagles schießen sich auf uns ein.“
„Dann machen wir sie fertig!“ Ich lud die Artemis-Lanze auf und schoss die Energie auf den nächsten Eagle. Der wich aus und flog direkt in die Ladung. Tja, wenn er auch dahin flog wohin seine Beindüsen deuteten, konnte ich ihm auch nicht helfen.
Danach suchte ich mir einen neuen Gegner, griff an und… Musste mit ansehen, wie der zweite Daishi Gilgamesch mit Daisuke und Sarah an Bord durch den Feindmech fuhr wie ein Messer durch Sahne.
„Verdammt, Daisuke, das war meine Beute! Meine! Meine! Meine!“
Der Daishi Gilgamesch drehte sich für einen Moment in meine Richtung, lang genug um mir mit der voll modellierten rechten Hand eine ziemlich eindeutige und unflätige Geste zu zeigen.
Konnte der Kerl meine Gedanken lesen oder kannte er mich so gut? Egal, es amüsierte mich.

Daisuke ließ den Daishi fallen und wich so einer vollen Garbe aus.
Die traf stattdessen mich, obwohl ich noch versuchte, auszuweichen.
Mist, Mist, Mist. Mein Fehler, mein eigener Fehler. In einem Gefecht blieb man in Bewegung, immer in Bewegung. Ein Ziel das sich bewegte traf man schlechter. Ein Ziel das stand lud dazu ein, beschossen zu werden.
„Status: Fusionsreaktor beschädigt. Linkes Bein abgetrennt. Torso und Brust schwer getroffen. Reaktorabschirmung versagt.“
„Verdammte Scheiße, Lightning! Wehe, du lässt mich jetzt im Stich!“
„Drei Minuten bis zum Kollaps. Manövrierfähigkeit runter auf vierzig Prozent.“
Drei Minuten waren eine kleine Ewigkeit, und vierzig Prozent Manövrierfähigkeit waren für mich wie einen Burger zu kaufen – sehr leicht zu handhaben.
Neue Treffer erschütterten meinen Daishi, bevor ich mich aus der Schusslinie bringen konnte.
Ich revanchierte mich mit einer vollen Raketensalve.
Irgendwie hatte ich das Gefühl, dass diese drei Minuten die längsten meines Lebens werden würden. Und die letzten.
Wütend brüllte ich auf und entlud die Artemis-Klinge! Der Energiestrahl, der dabei entstand, zerriss nicht nur einen feuernden Eagle, sondern auch eine Maschine in direkter Nachbarschaft!

Wieder wurde mein Mecha erschüttert. Wieder wurde Schaden verursacht.
„Zwei Minuten“, klang Lightnings Stimme auf. „Manövrierfähigkeit bei zwanzig Prozent.“
Ich sah auf. Dies war eine der Situationen, in denen ich bewies, wer der beste Mecha-Pilot der Erde war. Nur wer jetzt noch gegen seine Gegner bestand konnte wahrlich Meisterpilot genannt werden und den Ehrennamen Teufel verdienen! Komisch, war das Loch, durch das die Abendsonne in mein Cockpit eindrang, schon immer da gewesen?
Wieder gab ich vollen Schub, aber diesmal nicht für einen Direktangriff, sondern für eine Rolle, die mich aus der Schussbahn zweier Eagles brachte.
Als das Abwehrfeuer nicht länger meine Panzerung perforierte, setzte ich ein düsteres Grinsen auf. Aus den Augen, aus dem Sinn.
Ich griff an, raste auf den vorderen Eagle zu. Der riss beide Hände hoch, machte eine abwehrende Geste. Ich spürte die Angst, die dahinter stand, so zwingend, so klar, als würde der Pilot vor mir stehen und von Grauen erfüllt NEIN schreien.
Was war los mit mir? Warum verunsicherte mich das? Warum nahm ich die Artemis-Lanze ab? Warum spürte ich so etwas überhaupt?
Ich zog den Briareos aus dem Kurs, konnte aber nicht verhindern, dass ich mit einem der Beine kollidierte, zu taumeln begann und abstürzte.
Na toll, ein fallender Mecha. Was für ein schönes Ziel. Was für ein prächtiges Ziel.
„Manövrierfähigkeit bei null Prozent. Geschwindigkeit fällt rapide.“
„Sag doch wie es ist. Wir stürzen ab. Wir sind im Arsch, Lightning.“
„Sir, ich mag meinem Ende entgegen sehen, aber Sie sind wichtiger als ich. Ich lasse Sie nicht sterben.“
„Nett von dir“, murmelte ich, während das Gefühl des freien Falls meine Gedärme stimulierte. Ich hatte Hähnchen zum Mittag. Ob ich die noch mal sehen würde?
**
Daisuke Honda sah düster in die Runde. Der kleine Besprechungsraum war gut gefüllt, alle sechzehn aktiven Piloten der Kame-Squad, die drei Fairies und drei Piloten der Akuma-Gumi hatten sich versammelt.
„Ich will es kurz machen, denn es ist sehr viel zu tun. Tetsu, deine Leute haben sehr gute Arbeit geleistet. Besonders hervorheben möchte ich Lieutenant Antani, der alleine fünf Abschüsse erzielt hat. Eine beachtliche Leistung, junger Mann.“
Lorenzo nickte stumm, aber er schien sich über dieses Lob nicht freuen zu können.
„Des Weiteren muß ich Captain Genda ausdrücklich erwähnen. Er hat, wie es dem Einsatzspektrum der Eagles entspricht, aus der Distanz gefeuert, und damit wie ein mächtiger Schutzengel auf uns alle aufgepasst und verhindert, dass es mehr als drei Tote auf unserer Seite gab.
Außerdem gilt mein Lob den Bedienungsmannschaften der Raketen und den Besatzungen der Flakpanzer. Sie haben uns dort oben sehr gut unterstützt, und etliche gute Soldaten haben dafür ihr Leben gelassen. Sie waren unser fünfundzwanzigster Mann da oben.“
Betretenes Schweigen antwortete ihm.
„Kommen wir zu meinen Leuten. Yuri, hervorragende Arbeit. Niemand hat damit gerechnet, dass du mit einem Briaroes zu lange durch hältst und deine schrottreife Mühle auch noch sicher landest.
Michi Tora, ich muß auch Ihnen gratulieren. Sie haben in Verbindung mit Ihrer Fairy einen Kampf geliefert, den man beinahe schon als für die Akuma-Gumi normal bezeichnen kann. Willkommen in unserer Truppe.
Sarah, es war deine erste Schlacht, dennoch hast du nicht gezögert zu mir ins Cockpit zu kommen. Es hatte Kitsune bedurft um deine Aura-Kräfte zu wecken, aber danach warst du mir ein guter Gefährte und hast mir geholfen, da oben zu überleben.“
Daisuke senkte den Blick. „Leider bedeutete dies, dass Kitsune Akira verlassen musste. Ohne seine Fairy und mit seinem gewohnt waghalsigen Kampfstil hat er wieder einmal die höchste Abschusszahl erreicht und teuer dafür bezahlt.“
Kitsunes Gesicht wirkte grau und eingefallen. Jedes einzelne von Daisukes Worten schien wie ein Schlag für sie zu sein. Betroffen sah sie zu Boden.
„Die Schlacht ist geschlagen, Hawaii ist gerettet, der Feind hat sich ergeben. Und dennoch ist dies nur der Auftakt für weitere, noch größere Schlachten.“
Daisuke schlug mit beiden Händen auf die Tischoberfläche. Der laute Knall, der dabei entstand, ließ die Anwesenden zusammen zucken. „Besprechung beendet. Wer hat jetzt Lust, mit mir ins Krankenhaus zu kommen und Akira zu ärgern?“
Spontan schossen die Hände hoch.
**
Ein Farbkaleidoskop drehte sich in meinem Kopf. Eine riesige blaue Fläche schoss auf mich zu, während sie schwarze, rote und grüne Schlieren darum drehten. Ich spürte den Andruck, der mich in meinen Sitz presste, während über mir ein lautes Kreischen erklang als würde Metall reißen.
„Stopp…“, murmelte ich. „Stopp.“
Eine Hand berührte meine Rechte und hielt sie fest. Das Kaleidoskop stoppte sofort und machte durchdringender Schwärze Platz. Nein, nicht durchdringender, dahinter lag ein warmer, rosiger Schimmer.
„Ruhig, Akira. Du hattest Glück im Unglück. Verdammt viel Glück im Unglück.“
Ich versuchte die Augen zu öffnen, versagte aber bitter.
„Du hast einen offenen Bruch, Junge. Die Wunde hat sich leider entzündet, als Schmierfett rein gekommen ist. Du hast gerade ziemlich hohes Fieber, aber nichts, was du nicht in zwei, drei Tagen wieder in den Griff kriegen kannst.“
„Ach, Scheiße.“
„Oh, es scheint dir schon wieder besser zu gehen“, spottete die Stimme.
„Sakura… Wie sieht es aus? Wie ist es gelaufen?“
„Das sollte wohl besser ich erklären, Colonel Otomo.“
Ich blinzelte wieder und diesmal gelang es mir, die Augen leicht zu heben. Bunte Farbschlieren tanzten vor meinen Augen, die sich nur langsam dazu überreden ließen, sich in Form zu begeben. Zuerst schälte sich meine Cousine Sakura aus dem Farbgewitter hervor, dann ein uniformierter Mann, der ernst auf mich hinab sah.
„Admiral Richards…“
„Bleib liegen, Junge. Du brauchst nicht zu salutieren.“
„Sehr witzig.“
„Oh, ich dachte, ich mache mal einen Scherz, bevor ich zu den ernsten Themen komme. Akira, der Angriff auf Hawaii wurde nicht abgeschlagen, er wurde abgebrochen.“
Er räusperte sich. „Von mir, bevor deine Akuma-Gumi noch mehr Piloten und Maschinen zu Teufel schickt.“
„Sie haben in eine Air Force-Operation eingegriffen? Und die haben auf Sie gehört?“ Ich wollte lachen; das Ergebnis war ein Hustenanfall.
„Es gibt keine Air Force mehr. Zumindest keine, die den Namen verdient, Akira.“
Übergangslos wich die Benommenheit von mir. Ich richtete mich auf und starrte den Admiral entsetzt und erwartungsvoll an. „Was ist passiert?“
„Präsident Hayes ist aus dem Weißen Haus geflohen. In diesem Moment müsste er auf der Rammstein-Basis in Deutschland eintreffen. Die ist noch loyal. Sein weiterer Weg wird ihn über den Nahen Osten und Australien bis nach Hawaii führen.“
„Details, Details!“
„Das Militär hat geputscht. Sie haben den Senat übernommen, das Repräsentantenhaus und das Weiße Haus angegriffen. Die Leibgarde hat den Angriff lange genug aufgehalten, damit der Präsident und der Großteil seines Stabes fliehen konnte. Es… muß eine sehr abenteuerliche Flucht gewesen sein, zuerst auf einen Kreuzer vor der amerikanischen Küste, dann weiter nach Europa. Es heißt, stellenweise musste Hayes selbst in einen Hawk klettern und den Putschisten einen drauf geben.“
„Wie lange ist der Putsch her? Wie lange liege ich hier?“
„Der Putsch erfolgte eine Stunde vor dem Angriffsbefehl zum Big Drop.
Zwanzig Minuten nach dem Angriffsbeginn erklärte sich General Bowman vom Heer zum neuen Oberbefehlshaber von Armee, Marine, Luftwaffe und Marine Corps. Er hat sich nicht zum Präsidenten ausgerufen, aber es scheint, dass der Minister für Landesverteidigung noch in Washington ist und diesen Job gerne machen würde.
Hayes hat sofort reagiert, noch während er auf der Flucht war. Ohne die Air Force One waren seine Mittel etwas eingeschränkt, dennoch hat er alle loyalen Kräfte aufgefordert, das Feuer einzustellen. Deshalb mein Befehl an die Air Force, den Angriff einzustellen. Zum Glück haben die überlebenden Offiziere des Big Drop meine Befehlsgewalt über die des Pentagons und NORAD gestellt.
Im Moment sammeln wir alles, was sich der Demokratie verpflichtet wird, in Pearl Harbour, dazu all überlebenden Mecha-Piloten der Air Force. Damit haben wir vor zehn Stunden begonnen. Du liegst schon etwas länger hier, Akira.“
„Ich war zehn Stunden weg. Mist.“ Langsam ließ ich mich wieder auf mein Kissen sinken. „Die Kronosier werden den Putsch ausnutzen, sie werden ihn garantiert ausnutzen.“
„Sicher, das werden sie. Sie führen bereits frische Truppen nach Anchorage heran. Aber es scheint, dass sie genauso überrascht wurden wie wir, das gibt uns noch einen oder zwei Tage.“
Sakura griff nach meinem Kinn und drehte es in ihre Richtung. „Wir Kronosier sind nicht weniger in Unordnung. Zeitgleich mit dem Putsch haben Russen und Chinesen eine neue Offensive gestartet. Es ist alles in Bewegung, einfach alles.
Versuch noch etwas zu schlafen, ja? Du hast viel durchgemacht.“
„Okay. Wirst du da sein, wenn ich wieder aufwache? Oder musst du los?“
„Ich muß leider los. Meine Truppen brauchen mich. Aber keine Sorge, Akira. Wir werden uns früher wieder sehen als du glaubst.“
„Wir werden… Okay. Wie geht es Lightning?“ Erklärend fügte ich an: „Meinem Daishi.“
„Er wurde vollkommen zerstört. Lightning hat seine K.I. und den Reaktor abgetrennt, kurz bevor er hoch ging und deinem Cockpit mit Hilfe der Manöverdüsen der Beine eine weiche Landung auf dem Festland ermöglicht.“
„Es gibt keine Vorrichtungen, um den Reaktor abzutrennen“, erwiderte ich barscher als beabsichtigt.
„Er hat die Artemis-Lanze dazu benutzt.“
Im Klartext, er hatte sich selbst zerstört. Seine Worte klangen in meinem Geist nach: Sir, ich mag meinem Ende entgegen sehen, aber Sie sind wichtiger als ich. Ich lasse Sie nicht sterben.
„Du hast mich wirklich nicht sterben lassen, Kumpel“, murmelte ich und spürte, wie die Hitze über mir zusammenschlug und mich fortschwemmte, in einen langen, fiebrigen Traum.

3.
Als ich das nächste Mal erwachte, hatte ich das Gefühl, als wären nur wenige Stunden vergangen. Kitsune lag in ihrer Fuchsgestalt auf meiner Decke und hatte sich eingerollt. Dabei schnarchte sie so laut, dass ein fünfzigjähriger Glatzkopf mit Bierbauch neidisch geworden wäre.
Als ich mich vorsichtig aufrichtete, öffnete sie ein Auge und blinzelte mich an. „Du bist wache.“
„Und du hast gerade mindestens ein Dutzend Mammutbäume an der kalifornischen Küste gefällt.“
„Gepflanzt, mein Lieber, gepflanzt“, erwiderte sie und verzog ihr Fuchsmaul zu einem Grinsen. „Wie fühlst du dich, mein Großer?“
„Erstaunlich gut. Sogar richtig fit.“
„Kein Wunder, ich habe eine KI-Behandlung bei dir durchgeführt. Die Infektion ist raus und die Heilung deines Knochenbruchs wurde um den Faktor zehn beschleunigt. Es ist das rechte Bein, falls dir das noch keiner gesagt hat. Ging nur knapp an nem Abriss vorbei.“
„Fieber ist auch raus?“, fragte ich vorsichtig.
„Du bist erschöpft, aber gesund. Ich denke, du schläfst bis morgen früh durch, dann bist du fit genug um wieder aufzustehen. Verdammt, es war ein langer Tag. Weißt du was ich alles zu tun hatte, bevor ich dich behandeln konnte? Ich musste siebenunddreißig Personen mit KI behandeln, alles kritischere Fälle als deine.“ Sie gähnte, riss dabei den Rachen auf und schmatzte dann genießerisch. „Entschuldige, dass du in meiner Priorität so weit unten warst.“
Ich langte nach der Füchsin und begann sie hinter den Ohren zu kraulen. „Ist in Ordnung, Kitsune. Wie geht es überhaupt meinem Team? Liegen von denen auch welche hier? Oder…“
„Ruhig Blut, Kleiner. Deine Leute haben alle überlebt, was man von drei Piloten der Kame-Squad leider nicht sagen kann. Ach ja, und auch nicht von gut neunzig Piloten und Bordschützen der Air Force. Wenn du die Bande sehen willst, sie sind draußen auf dem Gang und campieren da seit Sakura weg ist.“
„Was? Besprechen sie schon meine Nachfolge?“
Kitsune fuhr die Krallen aus. „AUTSCH!“
„Rede nicht so einen Unsinn. Sie machen sich eben alle Sorgen um dich. Du weißt gar nicht, was du an deinen Freunden hast.“
Ich beugte mich vor und küsste den Fuchs auf der Schnauze. „Reicht es nicht wenn ich weiß, was ich an dir habe?“
„Dann geht es in Ordnung, denke ich.“
Ich lachte leise und schlüpfte unter der Decke hervor, möglichst darauf bedacht, Kitsune so wenig wie möglich zu bewegen. „Ich verspreche, ich lege mich gleich wieder hin. Aber ein paar Worte mit den anderen würde ich doch gerne wechseln. Ist das in Ordnung? Kitsune? Kitsune?“
Leises, regelmäßiges Atmen deutete an, dass die Fuchsdämonin wieder eingeschlafen war.
Ich strich ihr über ihr seidiges Fell. Verdammt, egal welche Form sie annahm, sie war einfach unwiderstehlich süß. Ich bereute es nicht eine Sekunde, ihr nachgegeben zu haben.

Leise trat ich auf den Gang hinaus – und erstarrte. Da saßen sie alle, hatten die Köpfe zusammengelegt und schliefen.
Ich schmunzelte, als ich sah, dass Lilians Kopf auf Yoshis Schulter ruhte. Der hatte seinen Kopf auf ihren gelegt und beide Arme um sie geschlungen. Beide atmeten ruhig und wie es aussah zufrieden. Amüsiert bemerkte ich, dass der ehemalige Mönch noch immer den Laserpointer in der Hand hielt, den ich ihm als Zünder für eine Bombe in Lilians Bauch verkauft hatte.
Links daneben saß Yuri. Er hatte die Beine ausgestreckt und die Hände auf dem Bauch gefaltet. Während ich ihn musterte, blinzelte er kurz. „Lebst ja noch“, murmelte er und gähnte lautlos. „Habe nichts anderes erwartet.“ Er grinste kurz, drehte den Kopf und schlief weiter.
Auf der anderen Seite schliefen Akari und Michi Tora. Sie waren gegeneinander gesackt und schlummerten in Morpheus´ Armen. Zudem hielten sie sich bei den Händen wie ein Liebespärchen. Das irritierte mich, und ich konnte mich nur mit Mühe davon abhalten, den Griff der beiden aufzubrechen. Das wäre ja so kindisch gewesen. Andererseits stand nirgendwo geschrieben, dass Akira Otomo nicht kindisch sein durfte und…
Direkt daneben saß Daisuke auf der Bank. Na ja, zumindest ein Teil von ihm. Der Rest, also der halbe Oberkörper, lag auf Sarah Andersons Schoß, die im Rollstuhl neben der Bank. Sie döste anscheinend nur und streichelte im Halbschlaf das Gesicht des Mecha-Piloten. Dabei sackte ihr Kopf immer wieder nach unten, als würde sie jede Sekunde ganz einschlafen.
Ich lächelte und ging wieder in mein Zimmer.

„Und?“, empfing mich Kitsune mit schläfrig halb geöffneten Augen.
„Sie schlafen.“
„Gut.“
Ich legte mich wieder hin rückte den Fuchsleib von Kitsune zurecht und schloss die Augen.
„Schade dass ich gerade so erschöpft bin“, murmelte sie. „In dieser Umarmung würde ich gerne als Mensch stecken.“
Ich lachte leise. „Das holen wir nach, Kitsune-chan. Versprochen.“

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Angry Eagles

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„Guten Morgen, Akira.“
Ich blinzelte verschlafen. Verdammt, ich hatte gepennt wie ein Stein. „Morgen, Jordan. Oder muß ich Majestät sagen?“
Der Mann, der neben meinem Bett saß, lachte leise. „Du hast dich nicht verändert, seit wir New York verteidigt haben.“ Er legte mir eine Hand auf die Schulter. Er, das war der jüngste Präsident, der jemals in den U.S.A. gewählt worden war. Als Captain in der Air Force war er einer der ersten Piloten für Hawks gewesen, hatte seine eigene Einheit aufgebaut und in einigen wichtigen Schlachten über die Kronosier gesiegt.
In Schlachten, in denen ich auch gesteckt hatte. In einigen zumindest.
Nach dem Fall Alaskas und der Definition der Anchorage-Demarkationslinie hatte er sich wutentbrannt parteilos zur Wahl zum Präsidenten gestellt und war tatsächlich gewählt worden. Allerdings auch nur, weil seine Wahlmänner sieben Stimmen Vorsprung gehabt hatten. Das hatte auch nur so geklappt, weil einige republikanische Wahlmänner für ihn gestimmt hatten, anstatt für ihren eigenen Kandidaten zu stimmen.
Seither lebte die Welt in diesem Patt, in der es immer wieder zu den Scharmützeln kam, die ich so hasste.
„Du musst mich selbstverständlich President Hayes nennen und Sir sagen.“
„Nur wenn du auch zu mir Sir sagst“, konterte ich.
„Wasn los?“, brummte Kitsune verschlafen, öffnete ein Auge und schlummerte wieder weg. „Ach, der nur.“
„Ich stehe wohl nicht besonders hoch bei Dämonen im Kurs, was?“ Jordan runzelte die Stirn.
„Ach, die ist nur müde. Hat gestern etliche Soldaten mit ihrer Aura geheilt.
„KI! KI! Wie oft soll ich dir das noch sagen! Es heißt KI!“
„Mit ihrem KI, okay.“
„Und die meisten waren Air Force-Piloten! Das wollte ich nur mal anmerken!“ Wütend drehte sich die Füchsin auf die andere Seite.
„Dafür, Dai-Kitsune-sama, gebührt dir den Dank einer ganzen Nation und insbesondere ihres Präsidenten.“
Kurz sah die Füchsin hoch. „Meinst du das ernst, Kleiner?“
„Natürlich. Ich spreche gerade in meiner Eigenschaft als Präsident der Vereinigten Staaten.“
„Dann ist es angenommen. Überreich mir meinen Orden später, ich bin noch zu müde für die Parade.“ Wieder gähnte sie und kuschelte sich auf der Decke ein.

Gedankenverloren begann ich ihr Fell zu kraulen. „Und? Wie wird es weitergehen?“
„Im Moment folge ich Admiral Richards´ Beispiel und versuche zu sortieren, welche Truppen und staatlichen Einrichtungen auf mich hören, und welche auf Gary Bowman. Ich habe vor hier auf Hawaii meine Exilregierung einzurichten. Und dann heißt es für mich zu retten was noch zu retten ist. Ich kann es den Kronosiern nicht einmal verübeln, wenn sie trotz der russischen und chinesischen Offensiven die Situation ausnutzen.“
„Und? Wie sieht es aus für dich? Wie steht es um deine Truppen?“
„Commander Thomas auf der ARTEMIS-Plattform hat sich schon offen gegen General Bowman gestellt. Aber er hat sich nicht zu mir bekannt, lediglich zum demokratischen Prinzip. Ich werde nicht ganz schlau daraus. Dafür haben sich etliche Schiffe gemeldet, die gerade im Pazifik unterwegs sind und sich Admiral Richards unterstellt. Bis auf die Schiffe, die gerade an der Westküste unterwegs sind, meine ich. Die sind alle unter Kontrolle von Bowman und seiner Junta. An der Ostküste sieht es noch schlimmer aus. Alle im Atlantik operierenden Schiffe wurden nach Norfolk zurück gerufen.
Nachdem die MOUNTBATTON fast versenkt wurde, weil sie mir bei der Flucht geholfen hat, scheinen alle Einheiten dem Befehl zu folgen. Ich richte meine Hoffnungen ganz auf Europa, Afrika und Asien.“
„Wer hätte gedacht, das dieses ganze Truppen über der Welt verteilen mal ein Vorteil für euch sein würde, was?“
„Ja, neck du mich nur. Du hast viel mehr Ärger am Hals als ich. Freu dich, du wurdest wieder mal zum Staatsfeind Nummer eins erklärt. Das Desaster des Big Drops wird zu hundert Prozent dir angelastet.“
„Ach, schon wieder? Gehen deinen Militärs nicht irgendwie die Ideen aus?“, erwiderte ich bissig.
„Du kriegst nen Silver Star als Entschuldigung, falls ich es jemals wieder nach Washington D.C. schaffe.“
„Na danke. Das wäre dann mein zweiter.“
„Soll ich extra für dich den Gold Star einführen, für Dummheit über das normale Maß hinaus, gepaart mit absoluter Sturheit?“
„Hey, komm wieder runter. Du richtest dich also hier auf Hawaii ein und sammelst deine Exiltruppen in Pearl Harbour. Wie wird es weitergehen?“
Hayes rieb sich die Nasenwurzel. „Ich habe absolut keine Ahnung. Eigentlich kann ich nur hier sitzen, die Spreu vom Weizen trennen und abwarten. Ich würde gerne den Kronosiern in ihre Offensive spucken und meine Landsleute verteidigen, aber so wie die Dinge stehen wird jede Einheit, die sich mir anschließt, automatisch der Fahnenflucht bezichtigt.
Die Medien hat Bowman jedenfalls bereits auf seiner Seite.“
Er schnaubte wütend. „Im Moment macht er der Bevölkerung weis, der Big Drop wäre von mir befohlen worden und sie hätten geputscht, um das Schlimmste zu verhindern. Bla, Bla, Bla, du weißt was die da reden. Jedenfalls lässt er sich als Held feiern und verheimlicht, dass es immer noch Einheiten gibt, die auf mich hören. Das Übliche halt.“
„Wusstest du vom Big Drop, Jordan?“
„Nein, natürlich nicht! So einer verlustreichen Operation hätte ich nie zugestimmt. Außerdem ist Hawaii noch immer unter unserer Verwaltung und es wäre so als würden wir unsere eigene Heimat angreifen.“ Der Präsident der U.S.A. schüttelte wütend den Kopf. „So ein hirnverbrannter Wahnsinn.“
„Was sagen die Kronosier?“
„Ihre ersten Stellungnahmen sind abwartend. Mich hat eine erste Protestnote der kronosischen Botschaft erreicht. Mich, wohlgemerkt, nicht Washington D.C.! Aber daraus auf das weitere Verhalten der Kronosier zu schließen wäre wohl etwas verfrüht.“
„Hast du schon mal dran gedacht, dass Bowman in jedem Fall geputscht hätte? Auch wenn der Big Drop Hawaii zurückerobert hätte? So nach dem Motto, der zögerliche Präsident, der dem Sieg im Wege steht muß weg, und das ich siegen kann habe ich auf Hawaii bewiesen.“
„Daran habe ich auch schon gedacht. Aber die NSA hat mich erst gewarnt, als die ersten Hawks von den Abwehrbatterien des Senats abgeschossen wurden. Vorher war kein Anzeichen für einen Putsch zu erkennen, geschweige denn eine negative Stimmung im Generalstab. Verdammt, ich kann doch keine Gedanken lesen.“
„Dann war die Operation von langer Hand vorbereitet und perfekt getimed. Pech, Jordan. Die haben dich kalt erwischt.“
„Kalt erwischt, nennst du das?“ Wütend starrte der Mann zu Boden. „Verdammt, ich könnte damit leben, dass Bowman meinen Job macht, ich könnte damit leben, dass wir uns wieder mit den Kronosiern um Anchorage prügeln oder weltweit wieder mit ihnen kämpfen. Früher oder später wird das sowieso wieder passieren. Aber ich habe dieses verdammt miese Gefühl in den Zehen, dass Bowman mit den Kronosianern paktiert. Und wenn wir wegfallen, ich meine ganz wegfallen, dann stehen nur noch Indien, China, die Russen und Europa zwischen ihnen und der Weltherrschaft.
Wir haben unser Bestes getan, um die überlegene Mecha-Technologie zu verbreiten, aber… Ich weiß nicht ob es reicht. Es heißt, sie haben einen neuen Mecha-Typ entwickelt, einen weit überlegenen Daishi.“
„Den Echnatron. Ich weiß. Ich habe ein Hologramm gesehen.“
„Manchmal weiß ich nicht, ob du einfach ein vorlauter Klugschwätzer bist oder mir Angst einjagst, Akira.“
„Addiere beides doch einfach“, riet ich.
„Jedenfalls werden wir hier auseinander gerissen und der alte Sack mit den vier Sternen auf der Schulter paktiert vielleicht mit ihnen, während die kronosische Front geschlossen ist. Das können wir nicht gewinnen.“
Ich dachte an das Gespräch mit Ban Shee Ryon, dachte an die Aufteilung der näheren kosmischen Nachbarschaft. „Wir müssen aber. Und wenn wir alleine stehen.“

Ich schlug die Decke beiseite und stand auf. Im Schrank erwartete mich wie gehofft eine schlichte khakifarbene Felduniform der Akuma-Gumi.
„Geht es dir schon wieder gut genug um aufzustehen?“, staunte Jordan.
„Kitsune-chan hat auch mich geheilt.“
„Oh. Hoffentlich verletze ich mich auch mal. Heilt sie als Mensch oder als Fuchs?“
„Ich glaube, das kann man sich aussuchen“, erwiderte ich feixend, während ich in die Uniformhose schlüpfte.
„Ich denke, ich werde nach Senso Island zurückkehren und ein paar Operationen vorbereiten. Ich werde die Kronosier die nächsten Tage beschäftigt halten. Nutze du die Zeit, um Ordnung in dieses Chaos zu bringen.“
Jordan runzelte die Stirn. „Planst du wieder ein paar von deinen Alleingängen in die Flanken und den Rücken kronosianischer Divisionen, Angriffe auf ihre Schiffe im Orbit und andere idiotische und selbstmörderische Aktionen?“
„Ja.“
„Viel Spaß.“
„Danke. Kitsune, komm.“
Die Fuchsdämonin entrollte sich, gähnte kräftig und sprang vom Bett. Dabei verwandelte sie sich vom Fuchs in einen Menschen. „Komm ja schon. Komm ja schon. Wäre es so viel verlangt gewesen, mich noch ein wenig schlafen zu lassen?“
„Was lässt sich eine zweitausend Jahre alte Dämonenkönigin auch von einem Jungspund wie mir gängeln?“, tadelte ich grinsend.
„Hey, Akira. Wenn du schon da raus gehst und den Kronosiern in den Arsch trittst, lass gefälligst die Finger von Megumi, ja?“
„Hast du immer noch nicht aufgegeben?“, seufzte ich.
„Hast DU immer noch nicht aufgegeben?“, konterte er.
„Ist gut, ist gut, ich lege mich nicht mit den Hekatoncheiren an. Zufrieden?“
„Nein. Aber halt mich auf dem Laufenden.“ Düster sah er zu Boden. „Ich tue hier auch was ich kann.“

Mir war nicht nach lächeln zumute als ich auf den Gang hinaustrat. Dieser Mann stand in seiner schwärzesten Stunde, was die neue Militärverwaltung in seinem Land tun würde, stand noch gar nicht fest, wohl aber wie sehr sie seinen Namen in den Dreck ziehen würden. Dennoch galt seine Sorge zuerst den Menschen, die ihn zu ihrem Anführer gewählt hatten.
Und ich konnte in seiner schwärzesten Stunde nichts anderes für ihn tun als zu kämpfen und zu töten.
Im Gang erwartete mich gähnende Leere. „Wo sind sie denn alle?“
„Nicht hier, soviel steht fest“, kommentierte Kitsune.
„Danke, dass du es für mich so präzise wie möglich ausdrückst. Die Feinheiten wären mir sonst entgangen.“
„Ach, ich helfe den Dümmeren doch gerne“, erwiderte sie und schlüpfte nur knapp unter meinem Griff hindurch. „Dafür musst du aber noch schneller werden, Akira.“
Ich schmunzelte kurz. „Okay. Lass uns die anderen suchen gehen. Wir müssen so schnell wie möglich nach Senso Island zurück und Pläne schmieden.“
„Das ist mein Akira.“
„Ja, rennt von einer Gefahr in die nächste und wird einfach nicht schlauer“, erwiderte ich. Es hatte witzig klingen sollen, aber es war nüchtern geworden.

4.
Insgeheim dankte ich den Kronosiern. Ja, wirklich, ich dankte ihnen. Denn sie hatten nicht nur Terror und Vernichtung über uns gebracht, sie hatten es mit überlegener Technologie getan. Und diese Technologie wurde jetzt mehr oder weniger von ihren Gegnern genutzt.
Die Akuma-Gumi hatte dabei einen kleinen Vorteil, weil wir den anderen, sogar den Kronosiern, immer eine Nasenlänge voraus waren.
Eine der herausragendsten Technologien, die wir ihnen abgenommen hatten war die Antischwerkraft. Sie ermöglichte vieles, erlaubte es gigantischen Schiffen, auf unglaubliche Werte zu beschleunigen, wie Hubschrauber in der Luft zu stehen und mit Werten abzubremsen, die ein normales irdisches Raumschiff wie eine Blechdose unter einer Straßenwalze zerknüllt hätte.
Für uns bedeutete das, dass unser Transporthubschrauber, kaum das wir aus dem Radar von Hawaii verschwunden waren, die Rotorblätter einklappte, den Gravitationsantrieb aktivierte und mit doppelter Schallgeschwindigkeit über die unendliche Weite des Ozeans dahin zog, und das in lediglich zwanzig Meter Höhe.
Das Ding konnte noch schneller, aber lieber eine gemütliche und sichere Reise als eine schnelle und gefährliche – zumindest, wenn ich nicht am Steuer saß.
Diese Technologie wurde natürlich nicht nur in unseren Transporthubschraubern eingesetzt.
Auf dem OLYMP hatte man eine vollkommen neue Generation an Transportern entwickelt, die man in Anlehnung an den organisierten Stadtverkehr Shuttle genannt hatte.
Es gab kleine Shuttles für wenige Personen, große Shuttles für ein paar hundert Leute oder bis zu hundert Tonnen Fracht, und riesige Shuttles, denn wenn man ehrlich war, dann waren OLYMP und Titanen-Station trotz ihrer Ausmaße selbst in diese Sparte einzuordnen.
Im Moment genügte uns der getarnte Hubschrauber, der uns wesentlich schneller und sicherer voran bringen konnte als wonach er aussah.

Ich kletterte ins Cockpit und grinste die beiden Piloten an. „Na, das ist doch allerbestes Flugwetter.“
Natasha Andropow, die Pilotin, grinste zurück. „Ein tüchtiger Orkan wäre mir jetzt lieber. Ein wenig durch die Wellentäler surfen, die Hänge rauf, eine White Squall reiten, das wäre es doch.“
Ich schluckte trocken. „Urgs, wie letztes Mal, hm? Man sagt, wenn man normalerweise eine Monsterwelle wie die White Squall sieht, hat man keine Gelegenheit mehr, um darüber zu berichten.“
„Wir haben doch überlebt. Und wir hatten eine Menge Spaß“, konterte Natasha schmunzelnd.
„Juri Sergejowitsch Andropow, kannst du deiner Frau mal den Unterschied zwischen Spaß und Todesangst erklären?“
„Lass mich da raus, Akira. Ich bin hier der Co-Pilot und muß auf sie hören.“
„Feigling“, erwiderte ich. „Dies ist immer noch ein Transporthubschrauber. Also nimm ihn nicht ran als wäre er ein Hawk.“
„War das ein Befehl, Sir?“
„Nein, nur eine dienstliche Theorie. Wahrscheinlich werde ich irgendwann noch mal dankbar dafür sein, wenn du den Heli mit einem Hawk verwechselst.“
„Gute Antwort. Das rettet dir meine Stimme bei der Wahl zum Vorgesetzten des Monats.“
„Gut zu wissen. Okay, wie schaut es aus? Wie lange noch bis nach Hause?“
„Dreißig Minuten, also nicht ganz fünfhundert Kilometer, den Schleichflug von achthundert Km/H vor dem Ziel eingerechnet.“
„Sehr gut. Sobald Funkkontakt besteht, macht alles bereit für eine Sitzung des Planungsstabs. Wir haben viel vor uns.“
„Roger.“
Ich klopfte beiden auf die Schulter und wandte mich wieder zum gehen. „Ach, eines noch, Familie Andropow. Habt ihr eigentlich jemals eure Entscheidung bereut? Für die Akuma-Gumi zu arbeiten?“
„Was redest du da? Natürlich nicht, Akira“, tadelte Natasha. „Aber du könntest die Einkaufsmöglichkeiten auf Senso Island verbessern, um die Lebensqualität zu erhöhen. Denkst du, du kriegst Dior dazu, eine Filiale zu eröffnen?“
„Ich hätte lieber Wal-Mart.“
„Will sehen was ich tun kann.“

„Alles in Ordnung vorne“, sagte ich, und nahm neben Yoshi Platz. „Wir sind in nicht mal dreißig Minuten Zuhause. Nanu, wo ist denn Lilian?“
„Lilian? Die spricht mit mir kein Wort mehr.“
„Was? Was hast du angestellt, Yoshi?“
„N-nichts, ich… Ich dachte, ich würde ihr was Gutes tun und… Ich… ich weiß, ich sollte nicht gegen deine Interessen handeln, aber es erschien mir so richtiger und dann ist sie böse geworden und…“
Sprachlos starrte ich den Freund an. Und in meinem Kopf machte es laut und vernehmlich Klick.
„Den Zünder.“
„I-ich… Ich meine, ich…“ „Den Zünder.“
Yoshi senkte den Blick, kramte in seinen Taschen und holte das längliche schwarze Objekt hervor.
„Lass mich raten was passiert ist. Großherzig wie du bist wolltest du Lilian von der Ungewissheit befreien, die eine in den Bauch implantierte Bombe mit sich bringt und hast versucht ihr den Zünder zu geben. Daraufhin ist sie böse geworden, hat dich wüst beschimpft und sitzt deshalb hinten an der Transportklappe wie ein Häufchen Elend und lässt sich von Sarah trösten.“
„Tut mir Leid, ich wollte nicht gegen deinen Befehl handeln. Aber Akira! Das ist so grausam! Das ist so böse! Das passt doch gar nicht zu dir! Ich wollte doch nur das Beste für Lilian, auch wenn sie ein Feind ist!“
Wortlos richtete ich den schwarzen Gegenstand auf Lilian. „Du bist ein Idiot, Kumpel.“
„AKIRA!“ Hastig sprang er auf, versuchte mir den Gegenstand zu entreißen. Als Ergebnis erschien ein roter Punkt auf Lilians Stirn.
Es dauerte eine Weile, bis Yoshi den roten Punkt mit dem Zünder in Verbindung brachte. Und es dauerte noch länger, bis er das Gerangel um den schwarzen Zylinder einstellte.
Mit lahmen, immer schlaffer werdenden Bewegungen starrte er den Laserpointer an.
„Du hast mich verarscht?“
„Nach Strich und Faden.“
„DU RIESENVOLL…!“
„STOPP MAL!“ Wütend steckte ich ihm den Laserpointer quer in den Mund. „DU WOLLTEST VERARSCHT WERDEN!“
„Waw?“
„Du hast mich schon richtig verstanden. Wenn du mal nur ne Sekunde ehrlich zu dir selbst bist, dann hat es dir gefallen, so nahe an Lilian dran zu sein. Ihr beide hattet eine Menge Spaß zusammen, das habe ich gesehen. Und ihr versteht euch auch gut. Komm, Junge, du brauchst doch nicht so einen Vorwand, um bei dieser Frau sein zu dürfen.“
Yoshi nahm den Laserpointer aus dem Mund. „Das hätte ich nicht von dir gedacht. Nicht von Yohkos Bruder. Akira, wie… Nein, ich weiß schon, wie du das wieder tun konntest. Und du meinst es ja auch gut und… Ach!“
Wütend setzte sich der ehemalige Mönch wieder, verschränkte die Arme vor der Brust und sah weg.
Ich setzte mich wieder neben ihm. „Redest du noch mit mir?“
„Hmpf!“
„Hörst du mir wenigstens noch zu?“
„Vielleicht.“
„Ich wollte dir nicht wehtun. Ehrlich nicht. Nein, das ist gelogen. Ich wollte dir wehtun. Aber nur soviel, bis du merkst, dass da wo Schmerzen sind auch Leben sein muss.
Yoshi, findest du nicht, dass du lange genug um Yohko getrauert hast? Findest du nicht, dass du damit aufhören solltest?“
„Hmpf!“
„Meinst du ihr gefällt es vielleicht, dass du dich so abkapselst? Meinst du sie will, dass du nie wieder glücklich wirst?“
„Aber ich bin doch glücklich. Ich bin wieder mit meinen besten Freunden zusammen und…“
„Du weißt was ich meine. Yoshi, du bist ein hübscher Bengel und ein anständiger Kerl. Du müsstest der Traum jeder Frau zwischen hier und London sein. Du bist dazu bestimmt, eines Tages eine tolle Frau zu finden, dich zu verlieben und sie zu heiraten und dann vielleicht einen ganzen Haufen Yoshis in die Welt zu setzen. Nur wird diese Frau nicht Yohko sein. Es tut mir Leid, aber sie ist für immer fort.“
„Du bist fies. Warum sagst du mir das nur so offen? Willst du das ich vor allen anfange rum zu heulen?“
„Wenn es dich rettet, dann ja.“ Sanft stupste ich den Freund an der Schulter. „Yoshi, auch wenn du es nicht glaubst, aber da hinten sitzt ein tolles Mädchen. Okay, sie gehört dem Feind an, aber das wird nicht immer so sein. Sie ist in Ordnung, noch besser, sie ist toll! Und ob sie mit dir spielt oder ob sie wirklich etwas für dich empfindet, das kannst nur du herausfinden. Junge, besser einen Korb kriegen als aufgeben ohne es versucht zu haben.“
„E-es ist noch zu früh.“
„Noch zu früh was betreffend? Yohko starb vor sieben Jahren. Reichen sieben Jahre nicht, um diese Wunde zu verschließen? Dann lass dir helfen. Lass dir von ihr helfen. Egal ob ihr zusammenkommt oder ob sie nur mit dir spielt, bisher hattest du doch viel Spaß dabei. Genieß es solange es dauert. Und wenn es ewig dauert, soll es mir Recht sein. Mensch, ich werde auch Pate. Bei allen kleinen Yoshis, die ihr produziert.“
„Ein Pate soll positiv auf die Kinder wirken, nicht negativ. Du bist abgelehnt“, erwiderte Yoshi. „Aber du gehörst doch eh schon zur Familie, oder?“
Er sah zu mir herüber, die Augen waren von Tränen wässrig. „Ich weiß ja, dass du Recht hast. Ich fühle mich wohl, wenn ich mit Lilian zusammen bin. Ich meine, ihre Energie reißt einen mit und ich spüre, dass ich so etwas brauche. Aber bisher habe ich mich von ihr mitschleifen lassen und das ist nicht das, was ich wirklich bin. Vielleicht… Vielleicht würde Yohko wirklich nicht wünschen, dass ich alleine bleibe. Ein Einsiedler, ein Mönch, ein… Ach, was auch immer. Dieses schleifen hatte etwas sehr angenehmes. Ich musste nicht denken, nicht entscheiden, ich musste mich nur fügen. Aber wenn ich… Wenn ich Yohko endlich in Frieden ruhen lassen soll, wenn ich Lilian eine Chance gebe, mein Herz zu berühren, auch auf das Risiko hin, von ihr getötet zu werden, dann… Dann muß ich diese Entscheidung treffen. Ich und niemand sonst. Ich muß diesen gigantischen Schritt voran tun.“
Er griff mir in den Nacken, zog meinen Kopf herüber und legte seine Stirn auf meine. „Aber ich danke auf jeden Fall den Göttern, dass sie mich zu dir zurück geführt haben, Akira.“
Ich lächelte wehmütig. „Vielleicht fängst du diesen gigantischen Schritt mit einem kleinen Schritt an. Geh rüber und entschuldige dich dafür, dass du zu dämlich warst, einen Laserpointer zu erkennen.“
„Vielleicht sollte ich das machen“, murmelte Yoshi und wischte sich die Augen ab. „Verrätst du mir eins? Warum diese Geschichte mit der Bombe?“
„Sakura. Sie brauchte einen offiziellen und stichhaltigen Grund, warum Lilian noch bei uns bleibt. Hey, es war Lilians Idee, nicht meine. Ich habe nur mit dem Zünder improvisiert.“
„Gut improvisiert. Ich bin drauf reingefallen.“

Yoshi erhob sich. „Ich schätze, ich gehe da mal rüber, hm?“ Kurz darauf saß er wieder. Nicht ganz freiwillig, denn die schwere Erschütterung, die ihn zurückgeworfen hatte, war nicht zu übersehen gewesen. Sarah war mit ihrem Rollstuhl umgestürzt und Lilian bemühte sich verzweifelt sie wieder aufzurichten. Ein neuer Stoß erschütterte uns. Unwillkürlich musste ich an neulich denken, als wir mitten durch einen Orkan geflogen waren.
„Scheiße, eben hat doch noch die Sonne geschienen! Ich gehe nach vorne.“
„Warte. Wir werden langsamer. Wir… Akira, hast du in letzter Zeit mal raus gesehen?“
Wortlos deutete der Freund durch das Fenster in der Tür.
Ich beugte mich über ihn hinweg. „Hm, das ist ein Daishi Briareos. Und wie ich das sehe, trägt er die Abzeichen von der Kottos-Kompanie.“
„Zwei Daishi Briareos. Und ein Gilgamesch!“, rief Daisuke herüber. „Sie eskortieren uns.“
Langsam schnallte ich mich an, nur für den Fall, dass weitere Stöße erfolgten. „Mist. Mist. Mist.“
**
Meine schlimmsten Befürchtungen erfüllten sich, als wir auf Senso Island landeten und nicht etwa auf einer der anderen Inseln. Ich sah keine Gefechtsspuren, aber zweihundert gelandete Daishis und die gleiche Anzahl in der Luft – abgesehen von den Schiffen, die rund um die Insel operierten – sprachen eine deutliche Sprache. Es war vorbei. Senso Island war Geschichte.
Der Hubschrauber setzte auf und ich schnallte mich ab.
Lilian kam nach vorne, hielt mir ihre Hände hin, wobei sie die Handgelenke überkreuzte. „Ich bin Captain der Hekatoncheiren. Wenn du mich als Geisel nimmst, dann…“
„Ist schon gut, Lilian. Das ist nett von dir, aber ich denke, das wird nicht nötig sein. Um keinen Preis der Welt werden die mich hier wieder weglassen.“ Ich lachte rau. „Wir hätten auf Hawaii bleiben müssen, um dem zu entgehen.“
Das große Verladeschott im Heck fuhr auf, grelles Sonnenlicht trat ein. Ich seufzte schwer.
„Also, Herrschaften, Waffen abgeben. Lilian, du nimmst sie an dich, ja?“ Ich seufzte erneut, diesmal, weil ich mich von meiner heiß geliebten Luger trennte.
Nach einigem zögern gaben auch die anderen ihre Handfeuerwaffen und Messer ab. Sogar Sarah zog aus ihrem Rollstuhl eine Steyr Automatik hervor.
„Du hast nicht zufällig noch eine Kalaschnikov in die Räder eingebaut?“, scherzte ich.

In diesem Moment erschien der Umriss im hellen Sonnenlicht und kam die Rampe hoch.
„ACHTUNG!“, bellte ich auf und meine Leute nahmen automatisch Haltung an.
Ich salutierte, und die Gestalt trat näher an mich heran, erwiderte den Salut.
„Major Uno. Hiermit übergebe ich Ihnen die Akuma-Gumi.“
„Ich übernehme hiermit die Akuma-Gumi. Die Führungsoffiziere werden in Haft genommen und sofort ausgeflogen. Die anderen Mitglieder werden in getrennten Transporten zusammen mit dem umfangreichen Material ausgeflogen.“
Megumi nahm die Hand ab. „Akira. Ich dachte mir, es wäre am besten, wenn ich es persönlich mache und…“
„Schon in Ordnung, Major. Dienst ist Dienst und Schnaps ist Schnaps. Aber versprich mir eines. Wenn sie mich aufknüpfen, dann drück du den Knopf für die Falltür.“
„Akira!“
Ich erwiderte ihren Blick mit unbewegter Miene. „Captain Lilian Jones hat unsere Waffen und die der beiden Piloten im Cockpit. Alle ergeben sich bedingungslos. Ist das akzeptabel für Sie?“
„Einverstanden. Captain Jones, übernehmen Sie sofort wieder Ihr Kommando.“
Lilian salutierte etwas ungelenk bei den ganzen Pistolen und Messern in ihrer Armbeuge. „Sofort, Major Uno.“
Sie eilte die Rampe hinab und kurz darauf drang ihre ansonsten liebliche Stimme sehr laut und sehr herrisch auf. Ich schmunzelte vergnügt, wenn auch nur für einen Moment.
„War sie es? Ein Peilsender?“
„Nein. Wir wissen schon länger, wo du hockst. Wir, das heißt das Pantheon. Als du dann auf Hawaii warst, da… Da haben wir beschlossen, dass wir es mit zwei Akumas aufnehmen können. Du darfst Kei und Philip nicht böse sein. Sie haben gekämpft so gut sie konnten. Aber letztendlich haben sie eingesehen, dass sie es nicht schaffen können. Sie kapitulierten mit der Auflage, das Zivilpersonal zu schonen.“ Megumi leckte sich über ihre spröden Lippen. „Sie dachten, wir würden sie sofort und ohne Prozess standrechtlich erschießen.“
„Dann war es ja eine angenehme Überraschung für sie, weiterleben zu dürfen.“

Takashi Mizuhara trat herein, musterte uns alle kurz, bevor er Megumi leise etwas ins Ohr flüsterte. Dann sah er auf und schlug mir heftig, sehr heftig gegen die rechte Schulter. „Verdammt gute Arbeit auf Hawaii, Blue Lightning.“
Ich blinzelte ihn verwirrt an. Einerseits wegen der Anerkennung, andererseits wegen dem Callsign. Richtig, ich hatte die K.I. des Daishis Lightning genannt. War das schon durchgesickert? Blue Lightning… Das hatte einen sehr angenehmen Klang.
„Man kämpft wo man hingestellt wird, Takashi.“
„Nein, wir kämpfen wo wir hingestellt werden. Du kämpfst wo du musst.“ Er sah in die Runde. „Daisuke, Yoshi, Yuri, Miss Anderson, Mr. Tora, Kenji, Captain Hatake, Mr. O´Hara, Ms. Otomo, Sie erhalten nun die Möglichkeit, ihre persönlichen Habseligkeiten zusammen zu packen. Der Rest wird katalogisiert und Ihnen nachgebracht. Sie haben zwei Stunden für diesen Vorgang. Jedem wird ein Soldat als Eskorte zugeteilt. Ich werde Miss Anderson eskortieren. Es gibt da draußen eine Menge Soldaten, die auf die Fushida Hacking Crew nicht gut zu sprechen sind, wie ich gemerkt habe. Ich habe den anderen Mitgliedern der Hacking Crew bereits Hekatoncheiren zugewiesen. Ebenso werden wir mit den anderen Offizieren verfahren. Können wir dann?“
Langsam und zögernd traten meine Freunde in die Sonne hinaus.
Takashi, der schon die Hände an den Rollstuhl von Sarah gelegt hatte, hielt Yoshi zurück. „Du nicht, Kumpel. Captain Jones hat ausdrücklich darum gebeten, dich eskortieren zu dürfen. Du wartest hier auf sie.“ Zögernd fügte er hinzu: „Sie bittet dich darum.“
Yoshi warf mir einen unschlüssigen Blick zu. Ich lächelte ihn hilflos an.
Er schnaubte wütend aus und setzte sich wieder. „In Ordnung, in Ordnung. Für so eine Frau lohnt sich ein wenig warten, oder?“
Wäre die Situation nicht so nachhaltig hoffnungslos gewesen, ich hätte amüsiert aufgelacht.
So aber sah ich Megumi an, ergriff ihre Hände und küsste sie auf den Innenseiten. „Ich nehme an, du bist meine Eskorte?“
„Um nichts in der Welt hätte ich mir das nehmen lassen. Wo ist Kitsune? Sie ist doch mit euch an Bord gegangen.“
„Sie ist abgesprungen, als wir auf der Höhe des Dämonentors waren. Sie wollte Dai-Kuzo Bericht erstatten. Du kennst Dai-Kuzo.“
„Was? Aber ich habe…“ „Du trägst ihre Aura. Du hast sie getroffen, als du drüben warst. Das habe ich mir schon in Tokio gedacht. Da du noch lebst, musst du ihr gefallen haben. Sehr gefallen haben. So wie mir.“
„Schmeichler“, tadelte sie mich und entzog mir ihre Hände. „Los, gehen wir, Akira Otomo. Dies ist dein letztes Kapitel als Aoi Akuma.“

Auf unserem Weg nach draußen bemerkte ich, dass meine Leute gut behandelt wurden. Die Infanteristen und Panzerleute waren durchwegs Soldaten und Offiziere der beiden Divisionen Tiger und Drachen. Wir hatten geholfen sie zu retten, nun erwiesen sie ihre Dankbarkeit in einer vorzüglichen, zuvorkommenden Behandlung, die knapp an offener Meuterei vorbei schlitterte, um die Akuma-Gumi wieder zu befreien. Knapp und vorbei.
Ich grüßte jeden meiner Leute den ich sah, verteilte ein paar aufmunternde Schulterklopfer und schloss verängstigte Mitglieder wie Akane und Kei kurz in die Arme um ihnen Mut zu machen. Das alles kostete seine Zeit, aber Megumi hetzte mich nicht. Und die Wachsoldaten, die sie zu den wartenden Shuttles führten, hinderten uns nicht daran. Shuttles… In meinem Kopf machte es erneut Klick.
Ich bekam fast einen Weinkrampf, als ich mit ansah, wie sich mein Hawk – verdammt noch mal, mein Hawk, meiner, meiner, meiner – aus dem Hangar bewegte und auf ein Großraumshuttle zustampfte. Die anderen mächtigen Mechas der Hekatoncheiren folgten.
Ein Anblick, bei dem man weinen konnte, durfte, musste. Aber ich unterdrückte den Impuls.
„Akira, ich…“ „Psst, Briareos, es ist in Ordnung, es ist alles in Ordnung. Ist Apollo schon weg?“
„Er ging mit einem der ersten Flüge raus. In einem Tag ist der Stützpunkt wieder so leer wie dein Kopf“, scherzte sie und wider erwarten musste ich grinsen.

Das Innere des Stützpunkts war schon reichlich geleert. Die Versuchswerkstätten wurden unter fachkundiger Anleitung der Ingenieure und Techniker geräumt, die Mitglieder der Hacking Crew legten beim verladen ihres hervorragenden Equipments sogar Hand an.
Joan Reilley koordinierte derweil die Verladearbeiten unseres Supercomputers. Sie lächelte schüchtern zu mir herüber, während sie schon wieder von schüchternen Soldaten gestört wurde, die unbedingt ihr Autogramm haben wollten.
Mit einem Brennen in der Brust sah ich dabei zu, wie Sarah die Demontage des Holotischs leitete. Das brandneue Exemplar für unseren Planungsraum hatten sie sicher schon abgebaut und verladen.
Es tat mir in der Seele weh, all dies zu sehen. So primitiv der Stützpunkt auch gewesen war, es war unser Revier gewesen. Unser Hangar, unser Quartier, unser Strand und unsere mit regelmäßiger Beständigkeit ausfallenden Stromgeneratoren… Bequem tauchte bei meiner Definition von Stützpunkt jedenfalls nicht auf.
Karl erschien neben mir und salutierte erst vor Megumi, dann vor mir. „Colonel, die Verladearbeiten gehen gut voran. Mit Ihrer Erlaubnis fliege ich jetzt schon zusammen mit den Hawks und dem Eagle. Nur für den Fall, dass irgendwelche voreiligen Wissenschaftler glauben es sei Weihnachten und die Mechas ihre Geschenke, die sie auspacken dürfen.“
„Erlaubnis erteilt, Karl.“ Ich klopfte dem alten Mann auf die Schulter. „Tut mir Leid, dass es so enden muss.“
In den Augen des Älteren erschien ein ironisches Funkeln. „So? Mir nicht. Ich denke, da wo wir hingehen, funktionieren die Duschen immer.“
„So kann man es auch sehen. Aber ich gebe meine Freiheit nicht gerne für ein wenig Komfort auf.“
„Freiheit? Willst du heiraten, Junge?“, scherzte Karl, amüsierte sich über Megumis und meine Verlegenheit, klopfte uns beiden auf die Schulter und ging weiter.
„HEY! Geht da vorsichtiger mit um! Das ist ein von mir modifiziertes Herkules-Schwert, das schneidet sogar Sonnenlicht!
IHR! Gleich rammt ihr das Zwischenschott! Wenn die Biotanks von eurer Plattform runter fallen müsst ihr aber euren Sold verdammt lange sparen!
DU! Nicht trödeln, hier ist noch ne Menge zu tun!“

Ich seufzte leise und ging weiter. Beständig funktionierende Duschen, das war ein verlockender Gedanke.
Als ich in meinem Appartement ankam, runzelte ich die Stirn. Über die Jahre hatte sich doch eine Menge angesammelt. Ich konnte mich gar nicht entscheiden, was ich mitnehmen wollte. Meine Manga-Sammlung vielleicht? Meine Orden? Meinen Rechner?
Megumi fasste mich an der Schulter und drehte mich zu sich um. Sie richtete meinen Kragen und gab mir einen langen Kuss. „Du gehst jetzt herausfinden, ob die Dusche gerade funktioniert. Danach legst du deine Ausgehuniform an und befestigst alle Orden, die dir jemals verliehen wurden. Dann nimmst du dir einen zweiten Satz Wäsche mit und wir fliegen los. Okay?“
Ich strich sanft über ihr Gesicht, berührte mit meinen Lippen ihre Stirn und ihre Wangenknochen. „Okay. Okay.“
Nur langsam ließ sie meinen Kragen los. Wehmütig sah sie mir in die Augen. „Akira. Ich liebe dich.“
„Ich weiß“, antwortete ich lächelnd. Hm, ob ich sie diesmal dazu überreden konnte, mit mir zu schlafen? Ich griff nach ihrer Hüfte, stockte und ließ die Hand wieder sinken. Mit einem traurigen Lachen wandte ich mich um.
„Akira. Diesmal hätte es geklappt. Ich hätte mit dir geschlafen.“
„Ich weiß“, erwiderte ich, ohne mich noch einmal umzudrehen.
**
Als Lilian endlich die Zeit fand Yoshi abzuholen, war bereits über eine Stunde vergangen. Sie entdeckte ihn auf dem Boden des Hubschraubers, in einer sehr unangenehmen Pose, die man nur mit viel Wohlwollen Meditationspose und nicht Selbstverstümmelung nennen konnte.
Yoshi öffnete die Augen, als sie eintrat. „Ist es soweit, Captain Jones?“
Sie schluckte schwer, als ihr Nachname fiel. Es war als würde eine riesige Mauer zwischen ihnen aus dem Boden schießen. „Danke, dass du gewartet hast.“
In einer einzigen fließenden Bewegung erhob er sich. Beachtlich bei der komplizierten Pose, die er kurz zuvor noch inne gehabt hatte. „Ich hatte eh nichts Besseres vor.“
Und er hatte gar keine andere Wahl gehabt, schoss es Lilian durch den Kopf, aber sie sprach es nicht aus. „Tut mir Leid, aber ich musste meine Kottos sortieren. Das hat länger gedauert als ich gedacht habe.“
„Ist in Ordnung“, sagte Yoshi und trat zu ihr. „Ich bin ganz und gar in deiner Hand. Was willst du als erstes tun?“
Sie sah den Größeren an und spürte ihre Wangen rot werden. „Ich… Ich…“
„Nur zu. Ich beiße nicht und ich wehre mich auch nicht“, sagte er mit der Sanftheit eines Mahatma Ghandis.
Abrupt wandte sie sich um. „Wir gehen jetzt dein Appartement ausräumen, okay?“
„Okay.“
Yoshi verließ den Helikopter, Lilian brauchte ein paar Sekunden um es zu begreifen und eilte ihm hinterher.

„Das war es also“, murmelte Yoshi bitter, während sie durch den Stützpunkt gingen. „Ich war nicht sehr lange hier, nicht einmal einen Monat. Aber ich hatte nie so viel Spaß in meinem Leben wie in dieser Zeit. Ich dachte wirklich, ich… Ich dachte wirklich, hier finde ich Freunde fürs Leben, für die Ewigkeit.“
„Du denkst doch nicht, dass ihr alle erschossen werdet? Nein, das ist nicht wahr! Eikichi würde das nie zulassen! Und ich und Megumi auch nicht! Und vergiss die Hekatoncheiren nicht! Und… und…und…“
„Es ist gut, ich weiß, dass du mir nichts Böses willst, Lilian. Aber du bist nur ein Soldat. Und Soldaten führen Befehle aus, und diese Befehle sind manchmal grausam. Ich nehme dir das nicht übel, wirklich nicht.“
„Euch wird aber nichts passieren!“, beharrte sie.
„Wir werden sehen. Nicht das ich was dagegen habe, wenn du Recht behältst“, erwiderte Yoshi schmunzelnd.

Sie betraten seine Zimmerflucht. Und Lilian wunderte sich wieder einmal, wie dieser junge Mann mit so wenig so viel erfüllen konnte. Ein paar Fotos in Aufstellrahmen, ein paar flüchtig hingeworfene Sachen und ein Sportbogen an der Wand reichten, um dem Raum Atmosphäre zu geben.
Yoshi eilte ins Schlafzimmer; kurz darauf hörte man ihn räumen. „Hier drin warst du noch nie, oder? Bei allem was du die letzten Tage angestellt hast, hier bist du nie rein gekommen.“
Trotzig stellte sie sich in die Tür. „Ist nicht so als würde ich das nicht können.“
Yoshi sah zu ihr herüber, richtete sich auf und breitete die Arme aus. „Dies ist mein Reich, mein letztes Domizil, das du noch nicht erobert hast. Meine letzte Bastion. Willst du sie vielleicht jetzt erobern?“
Sie drehte sich zur Seite und sah fort. „Es ist unfair, mir so etwas zu sagen. Ich wollte dich nie beherrschen. Und ich wollte dich nie ausnutzen.“
„So? Nun, vielleicht wird es für dich einfacher, wenn ich mein Hemd ausziehe. Manche sagen, ich habe einen gut trainierten Oberkörper.“
„L-lass das.“ Sie blinzelte zu ihm herüber, als sich der ehemalige Mönch aus seinem Diensthemd schälte.
„Du bist mir ja eine. Ich bin in deiner Hand, unfähig mich zu wehren. Du kannst tun und lassen was immer du mit mir willst. Warum greifst du nicht zu?“
„Ich will dich nicht besitzen! Ich meine, nicht so! Du bist nicht mein Sexspielzeug, Yoshi!“
Er trat an Lilian heran, drehte sie in seine Richtung. „Was willst du dann von mir? Warum hast du mich gehetzt, seit du hier bist? Warum sehe ich nur noch Lilian, wenn ich die Augen schließe? Was willst du, Captain Jones?“
„Ich will dich! Dich, Yoshi Futabe! Nichts halbherziges, nichts Profanes. Ich will einfach dich, ganz und gar. Lass mich los!“
„Lilian. Du hast vielleicht eines nicht bedacht. Da draußen bin ich absolut in deiner Gewalt, aber hier in diesem Zimmer bist du in meiner.“
Sie starrte ihn an. „W-was willst du damit sagen?“
„Ich will damit sagen, dass ich dir antun kann, was immer ich will. Bis einer deiner Leute hier reinschaut und dich rettet. Du bist jetzt vollständig in meiner Hand.“
„W-was wirst du jetzt tun? Wirst du mich aufs Bett schmeißen, mir meine Kleider vom Leib reißen und mich…“
„Pssst“, hauchte er und strich mit seinen Zeigefinger über ihre Nase und ihre Lippen, das Kinn hinab und den linken Kieferknochen hinauf. „Rede nicht so einen Unsinn. Ich könnte dir niemals Gewalt antun, das weißt du ganz genau. Ich habe schon getötet und verletzt, aber dich kann ich nicht verletzen.
Lilian, du hast die letzten Tage versucht mich zu erobern.“
Sein Zeigefinger strich erneut über ihre Lippen; sie zitterten ebenso wie ihre Augenlider. „Und?“
„Du hast es geschafft.“ Er ergriff mit Daumen und Zeigefinger ihr Kinn, fixierte ihren Kopf und gab ihr einen sanften Kuss, den sie anfangs schwach, später kraftvoll und gierig erwiderte.
Als er sich von ihr löste, bewegten sich ihre Lippen immer noch wie bei dem Kuss.
Yoshi schmunzelte, gab ihr einen Klaps auf den Po und drückte sie zurück in den Vorraum. „Aber jetzt raus mit dir. Ich muß noch packen und wir haben nicht einmal mehr eine Stunde. Wenn wir nicht unpünktlich sein wollen, muß ich mich beeilen. Und wenn du im Zimmer bist, fällt mir vielleicht noch was Besseres ein, Yohko.“
„Wie, was besseres?“
„Schon gut. Es reicht, wenn sich deine Soldaten ihren Teil denken.“
„Es ist mir aber egal, was meine Soldaten denken. Yoshi? Yoshi?“
Grinsend schloss er die Tür. Es fiel ihm sehr leicht diese Frau zu lieben. Erstaunlich leicht.
Er wusste nicht, was sie in Zukunft erwarten würde. Aber sie würde dabei sein, das spürte er. Und irgendwann, wenn sie sich beide vollkommen sicher waren, dann… Dann würde er vielleicht doch drüber nachdenken müssen, ob Akira oder Kei der bessere Pate war.
Falls sie so lange überlebten.

Epilog:
Wir starteten mit einem der mittleren Flüge in einem Großraumshuttle. Ich hatte einen sehr bequemen Platz in der vordersten Reihe, neben mir saßen Megumi auf der linken und Daisuke auf der rechten Seite.
Direkt hinter mir saß Joan, was wirklich lästig war, weil dauernd irgendjemand ankam, um entweder um ein Autogramm zu bitten oder um mit ihr über ihre Lieder zu diskutieren.
Wie berühmt war sie eigentlich?
Ich musste gestehen, dass ich das nicht wusste.
Mamoru saß abseits von uns. Der arme Junge schwitzte ganz schön. Anscheinend rechnete er als Mitglied der japanischen Exilregierung damit, sofort standrechtlich erschossen zu werden. Was nicht unwahrscheinlich war.
Das Shuttle begann mit dem Steigflug, und die Fenster bekamen einen milchigen Schimmer. Bester Beweis dafür, dass wir über zwanzig Kilometer gestiegen waren. Und das Fahrstuhlgefühl hielt noch weiter an.
„Hier spricht Ihr Captain. Ich informiere Sie jetzt über das Ziel unserer Reise. Wir erreichen die Raumstation OLYMP in exakt vierzig Minuten und elf Sekunden. Es sind bereits alle Vorkehrungen für den Empfang der Akuma-Gumi getroffen worden. Ach, und willkommen im Team!“
Verwundert tauschten meine Freunde irritierte Blicke aus.
Ich unterdrückte ein Schmunzeln und griff nach Megumis Hand. Sie ließ mir bereitwillig die Kontrolle darüber, ich führte sie an meinen Mund und küsste die Innenseite.
Sie lächelte verlegen. Na, wenn sie das schon rot werden ließ, was würde dann erst ein Zungenkuss anrichten?

Als wir in den OLYMP einschleusten, erhob ich mich als erster. Ich war der Hauptverantwortliche, ich war der Boss. Dies waren meine Leute. Wenn ich vor meinen Vater trat, dann würde ich es als Colonel der Exilarmee tun, als Soldat, der tapfer bis zum Ende gekämpft hatte.
Ich ging als erster zum Mannschott und wartete darauf, dass draußen der Luftausgleich hergestellt worden war.
Dann, mit Major Uno an meiner Seite, ging ich durch den Hangar und anschließend in den Korridor, der uns in die Station brachte. Soldaten flankierten die Wege, mit unbewegten Mienen und gekleidet in Ausgehuniformen. Beinahe hätte ich anerkennend gepfiffen.

Wir kamen auf einen Knotenpunkt, eine Art Wartesaal, in dem ein eher primitiver Holoprojektor installiert worden war. Er zeigte ein mir sehr gut bekanntes Gesicht, sein Surroundsystem übertrug die Stimme des Mannes. „…sieht die Exilregierung die Gefangennahme von Colonel Otomo und der Akuma-Gumi als ungesetzlichen Akt entgegen der Genfer Konvention an und fordert die kronosische Verwaltung nachdrücklich auf, ihn in das neutrale Hawaii zu entlassen. Ich als Präsident, gewählter rechtmäßiger Vertreter der U.S.A. fordere Sie auf…“
Jordan! Es rührte mich, dass er sofort in die politische Trickkiste gegriffen hatte, um meiner Akuma-Gruppe zu helfen. Ich hoffte aber inständig, dass er nicht auf die Idee kam, es mit dem OLYMP aufzunehmen.

Megumi führte mich weiter, obwohl ich den Weg auch ohne sie gefunden hätte. Nur einer der Gänge, die tiefer in die Station führten, war dicht von Soldaten gesäumt.
Der Weg ging weiter, bis zur großzügig ausgelegten Zentrale des OLYMPS.
„AKIRA!“
Bevor ich es mich versah, hing mir jemand am Hals. Ich brauchte ein paar Sekunden, um es erstens nicht als Angriff mißzuverstehen und zweitens das weinende Bündel Mensch zu erkennen. Helen Otomo, meine Mutter. Moment, Mutter? Die Frau, die ich seit sieben Jahren nicht mehr gesehen hatte? „Hallo, Mom.“
„Lass dich ansehen, mein Junge. Groß bist du geworden. Und diese Uniform steht dir so hervorragend.“ Sie wischte sich die Tränen aus den Augenwinkeln. „Wie schön. Wie schön, dass du endlich da bist. Jetzt ist die Familie endlich wieder beisammen. Yohko, komm doch her.“
Ich sah zurück und bekam noch mit, wie Lilian eine abwehrende Geste machte und heimlich auf Yoshi hinter sich deutete, aber es war zu spät. Helen trat zu ihr herüber und zog sie vor.
„Mein guter Junge. Du hast sehr gute Arbeit geleistet“, empfing mich Eikichis Stimme. Vater trat nun ebenfalls zu mir heran und klopfte mir auf die Schulter. „Verdammt gute Arbeit. Alleine auf Hawaii, nicht schlecht. Aber fehlt hier nicht noch einer?“
Helen machte ein fragendes Gesicht. „Hier ist dein Sohn, da deine Tochter. Hm, wer kann da denn noch fehlen?“
„Wie wäre es mit Akiras kleiner Adoptivschwester?“ Eikichi schmunzelte. „Akari. Keine Angst, komm ruhig her. Wir beißen nicht.“
Nur zögernd kam die junge Frau heran, versteckte sich aber als erstes hinter meinem Rücken.
Ich zog sie hinter mir hervor. „Darf ich euch vorstellen? Eure neue Tochter.“
Daran, wie Helen dahin schmolz und Eikichi schmunzelte konnte ich sehen, dass ich mit dieser Wortwahl verdammt richtig lag.
Helen hatte sie schon an sich gerissen, bevor Eikichi auch nur ein Wort sagen konnte.
Und Akari schien es sehr zu gefallen.

„Okay, Sir, wie geht es jetzt weiter?“, fragte ich Vater nebenbei.
„Der Sturm des OLYMP. Ich dachte Zeus hätte dich informiert. Oder hat es Briareos getan?“
„Nein, Sakura hat mir zwar gesagt, dass der Sturm bevorsteht, aber…“ Ich sah Megumi an und winkte sie herbei. Als sie in meine Reichweite kam, griff ich nach ihrem Kopf und rieb meine Faust auf ihrer Stirn. „Du hast mich ganz schön hängen lassen, Briareos!“
„Au! Lass das, oder ich verrate allen, dass du Gyes bist!“
Ich lachte laut auf. Dann winkte ich in Richtung meiner Freunde. „Kommt her, Leute. Und fühlt euch wie Zuhause. Das ist das hier jetzt nämlich. Unser neues Zuhause, der OLYMP!“
„Wie ist das denn möglich?“, fragte Yoshi erstaunt.
„Oh, ein lange vorbereiteter, komplexer Plan, an dem wir hart gearbeitet haben. Die Truppenverlegungen durch den Big Drop haben uns endlich die letzten Daten geliefert, die wir brauchten.“ Makoto trat zu uns heran und salutierte. „Gute Arbeit, Gyes. Bin noch gar nicht dazu gekommen, dir wegen Hawaii zu gratulieren.“
„Gleichfalls, Apollo. Ich nehme an, du hast dafür gesorgt, dass die Schlacht um Senso Island ohne Verluste stattfindet?“
„Ich war so frei.“
„Bevor sich irgendjemand fragt, was alles dahinter steckt“, begann Eikichi Otomo und hatte damit die Aufmerksamkeit aller Anwesenden, „lassen Sie mich etwas wichtiges erledigen.“

Eikichi trat vor eine Kamera.
„Verbindung zur Exilregierung der U.S.A. steht in fünf, vier, drei…“
„Guten Abend, Hawaii. Guten Abend, Präsident Hayes. Ich kontaktiere Sie wegen Ihrer Anfrage, die Auslieferung von Colonel Otomo betreffend. Diese kommt nicht in Frage. Als neuer Oberkommandierender der erweiterten Hekatoncheiren brauchen wir ihn hier auf OLYMP.“
Ein raunen ging durch die Menge, vereinzelt wurde gejubelt.
Ein Bildschirm flammte auf, Jordan Hayes erschien. „Was soll das heißen? Akira würde nie für die verdammten Kronosier kämpfen!“
„Natürlich nicht, Mr. President. Er kämpft nicht für das kronosische Reich. Er kämpft für die United Earth, ein neu gegründetes Staatenbündnis unabhängiger Gebiete. Ich informiere Sie hiermit, dass Hawaii als erstes diesem Bündnis beigetreten ist und Sie sich defacto auf unserem Staatsgebiet aufhalten. Es freut mich, als offizielles Oberhaupt der UE Ihr Bleiberecht in Honolulu auf unbegrenzte Zeit auszudehnen. Ein Bündnis wäre auch in unserem Sinne, Mr. President.“
„Nette Idee, wirklich, ich könnte mich dran gewöhnen. Aber Sie vergessen, dass da immer noch ein paar hochgerüstete Armeen lauern.“
Ein weiterer Bildschirm flammte auf und zeigte meine Cousine Sakura. Zeus.
„Dazu kann ich Ihnen vielleicht einiges sagen, Mr. President. Die Elitetruppen der Kronosianer, sprich das Pantheon, werden sich nahezu geschlossen in die United Earth Force eingliedern. Ich selbst übernehme das Oberkommando. Außerdem bin ich zuversichtlich, dass diverse Schiffskommandanten noch heute zu uns überlaufen.“
„Außerdem, Mr. President“, erklang eine weitere Stimme, „steht auch das zweite Plattformsystem zur Verfügung der United Earth. Eikichi, ich melde das Plattformsystem ARTEMIS und APOLLO einsatzbereit und zu deiner Verfügung.“
„Ich danke dir, Jerrard. Also, Mr. President, wie lange geben Sie uns?“
Jordan lachte auf, verstummte, lachte erneut. „Scheiße, das könnte klappen. Akira übernimmt die Hekatoncheiren, sagen Sie? Ob Sie ihn mir mal leihen können?“
„Soll ich Ihnen neben General Otomo auch noch Colonel Uno ausleihen? Dann reicht es zum Skat.“
„General? Wie groß sollen die Hekatoncheiren denn werden?“
„Groß genug, um diese Welt zu einen, friedvollen Menschen und Kronosiern ein gutes Leben zu ermöglichen und Kriegshetzern zu geben was sie wollen – Krieg! Krieg, der sie vernichten wird.“ Eikichi lächelte dünn. „Also, sind Sie dabei?“
„Ist der FJG auf Ihrer Seite?“, hakte Hayes nach.
„Von Anfang an.“
„Commander Otomo, es freut mich, als zweiter der United Earth beitreten zu dürfen.“
Der Rest ging in lautem Applaus und Jubel unter.

Ich applaudierte, bekam diverse Schulterklopfer ab, einige waren nicht so freundlich weil mir unterstellt wurde weit mehr gewusst zu haben als ich offenbart hatte, und sah in die strahlenden Gesichter meiner Freunde und Familie.
Yohko alias Lilian strahlte mich an, bevor sie schuldbewusst zu Yoshi herüber sah. Dann schien jemand einen Knopf in ihrem Kopf zu drücken. „MOMENT MAL!“ Sie eilte zu Yoshi, drohte ihm mit den Zeigefinger und rief: „Du hast mich vorhin im Schlafzimmer Yohko genannt! Warum sollte ich hier ein schlechtes Gewissen haben, dass Mom mich enttarnt hat? Du hast es gewusst!“
„Schlafzimmer?“, echote Vater. Ich hielt ihn zurück. „Beim packen hatte jeder einen Hekatoncheiren an der Seite, Eikichi. Reg dich gar nicht erst auf.“
Yohkos drohende Haltung sackte in sich zusammen. „Wie lange weißt du es schon?“
„Gewusst habe ich es schon, seit ich dich das erste Mal gesehen habe. Akzeptiert habe ich es erst als du mich nicht ausnutzen wolltest. Ausnutzen konntest.“
„Ausnutzen? Auf DIE Geschichte bin ich gespannt!“
Hastig schob ich Akari in Eikichis Gesichtsfeld und stoppte ihn damit besser als es eine Betonwand vermocht hätte. Und verschaffte Yoshi und Yohko hoffentlich die Gelegenheit für ein paar klärende Worte untereinander.
Das war diese Station wohl für uns in Zukunft. Für alle Truppen, die in dieser Verschwörung involviert waren, für alle, die so lange und hart gelitten hatten.
Ich ergriff Megumis Hand und drückte sie. Unser Zuhause, OLYMP. Wir hatten ihn gestürmt.

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Anime Evolution: Spiegel

Episode fünf: Trugbild

Prolog:
Ich war auf dem OLYMP. Meine Schwester Yohko lebte noch. Megumi und meine Akumas waren bei mir. Ich hatte den Oberbefehl über die legendären Hekatoncheiren bekommen.
Und das Beste war: Ich durfte mich nicht nur mit den Kronosianern weiter anlegen, sondern auch mit dem Rest der Welt, denn als Eikichi die United Earth gegründet hatte, da war es das gleiche gewesen, wie vor einer Horde Halbstarker mit einem dicken Portemonnaie zu wedeln.
Nun, das war der kleinere Teil meiner Probleme. Der weitaus größere Teil begann gerade erst.
Und nach all dem was ich von Ban Shee Ryon über ihr Volk, die Anelph, erfahren hatte, ahnte ich, dass der weitaus größere Teil der Probleme irgendwo bei fünfundneunzig Prozent lag. Nun, ich hatte schon immer ein Problem mit langweiligen Zeiten gehabt. Und ich war noch nie ein sonderlich netter Kerl gewesen. Zumindest nicht zu meinen Gegnern… Den meisten… Außer den ganz üblen Burschen…
Ich hasste es wirklich, mich selbst immer wieder in die Defensive zu drängen.
**
„Die Situation ist verfahren“, gestand General Bowman ein. „Hier im Land habe ich Daynes von der Presse isoliert. Ich eiche die Bevölkerung der U.S.A. auf unser hehres Ziel ein. Aber weltweit verliere ich die Kontrolle. Staaten, die ich sicher in der Tasche glaubte, überschlagen sich nun mit freier Berichterstattung, und unsere weltweiten Stützpunkte werden mehr und mehr zu einem Mosaik aus loyalen, neutralen und mit Daynes verbündeten Orten. Ich müsste ihn eigentlich vernichten, ausradieren, aber die Gründung der United Earth verhindert das. Eikichi Otomo ist zu mächtig um ihn zu ignorieren. Ich kann nicht einmal einen abgesetzten, machtlosen Präsidenten vernichten, wenn ich es will, solange er und Daynes gemeinsame Sache machen.“
Der Mann, der vor ihm auf dem Bildschirm überlebensgroß abgebildet war, lächelte sardonisch. „Mein guter Gary, ich sehe Ihr Problem. Mehr noch, ich sehe die Lösung dazu. Ich habe nicht vergessen, was ich Ihnen versprochen habe und ich bin immer noch bereit, alles für diese Ziele zu tun.
Im Gegensatz zu den meisten blauäugigen Politikern in Ihrem Land haben weder Sie noch ich die Gefahr vergessen, die uns von den Kommunisten droht. Gerade jetzt wo wir sie besiegt glauben, wo China fast in die Knie gezwungen ist und Russland zerschlagen scheint, müssen wir weiter wachsam sein. Die Kommunisten warten, lauern und gedulden sich. Aber sie schlagen wieder zu, hart und erbarmungslos. Bevor das geschieht muß sie jemand ein für allemal ausrotten. Das werden wir beide sein, Gary. Wir werden sie in die Zange nehmen und vernichten. Und dann radieren wir jedes verdammte Land aus, in dem die Kommunisten Fuß gefasst haben. Danach teilen wir die Welt neu auf.
Und Amerika und Groß-Kronosia werden die wichtigsten Staaten, in denen der Wohlstand regiert und der Fortschritt wohnt.“
Der große, weißhaarige Mann mit der tiefschwarzen Iris lächelte zu Bowman herab. „Ich werde nicht zulassen, dass ein simpler Jagdpilot, der durch eine Laune Präsident wurde und sich immer noch für mächtig hält, unsere Pläne durchkreuzt. Sie wollen ihn tot sehen? Sie wollen seinen Einfluss vernichtet sehen? Sie wollen, dass die amerikanischen Streitkräfte nicht länger gespalten sind? Ich werde Ihnen helfen – auf eine Weise, auf der nur ich Ihnen helfen kann, Gary.“
Er machte einen halben Schritt zur Seite und machte einem anderen Kronosier Platz, einem Mann mit kurz geraspeltem, weißblondem Haar. Dieser Mann hing nicht der Mode der Kronosier nach, sich das Haar so lang wie möglich wachsen zu lassen. Und in den Augen sah Bowman den Grund. Dieser Mann tat nichts ohne Grund oder aus einer Laune heraus.
„Ich schicke Ihnen den Vierten Legaten Gordon Scott. Er wird Daynes beseitigen. Unauffällig, aber effektiv. Wenn es ihn nicht mehr gibt, vernichten wir sowohl die Exilregierung und schwächen auch die United Earth. Eikichi Otomo wird es noch bedauern, sich offen gegen uns gestellt zu haben.“
Der Mann mit den kurzen Haaren verbeugte sich leicht. „General Bowman. Ich bin ein großer Bewunderer Ihrer Arbeit. Tatsächlich haben wir schon einmal gegeneinander gekämpft. Über New York.“
„Sie haben überlebt, Legat Scott. Das beweist nur, dass Sie gut sind.
Erster Legat Odin Corys, ich danke Ihnen für Ihre Hilfe.“
„Ich lasse Ihnen beizeiten eine Rechnung zukommen“, erwiderte der Mann mit den eiskalten Augen und deaktivierte die Verbindung.
Gary Bowman sah eine Zeitlang auf den erloschenen Bildschirm. Scott… Legat Scott. Das bedeutete Youmas. Bowman schloss die Augen. Hoffentlich war dieser Wahnsinn bald zu Ende.

1.
„Komm schon, Akira, du bist kein übler Kerl! Das kannst du einfach nicht tun!“
„Akira! Alle sagen, dass du fair und aufrichtig bist! Tu uns das nicht an.“
„Musst du nicht mit gutem Beispiel voran gehen? Jetzt als Anführer der Hekatoncheiren?“
„Okay, es reicht. Es heißt Otomo, und zwar General Otomo!“ Ich grinste in die Runde. „Herrschaften, ihr habt mich sauer gemacht. Und deshalb kenne ich jetzt keine Gnade mehr.“
Langsam streckte ich die Rechte von mir. Dann ließ ich effektvoll los.
Fünf französische Spielkarten fielen einzeln auf den Pokertisch und enthüllten Kreuz acht, Kreuz zehn, Kreuz Dame, Kreuz neun und Kreuz Junge. „Straight Flush.“
Meine Mitspieler, Kenji Hazegawa, Thomas Kruger und Daisuke Honda stöhnten unterdrückt auf.
„Ich nehme an, es hat keiner mehr auf der Hand.“
Mit einem selbstgefälligen Grinsen raffte ich die Spielchips in der Mitte an mich. Sie hatten momentan einen Gegenwert von zwanzigtausend Yen. „Kommt zum lieben Onkel, ihr hübschen Dinger.“
„Das glaube ich nicht! Der Kerl nimmt uns hier aus wie Weihnachtsgänse!“ Wütend warf Daisuke seine beiden Pärchen auf den Tisch. „Verflucht!“
„Was denn, was denn, nur weil ich heute mal ne Strähne habe, wirfst du gleich das Handtuch? Vorgestern hast du uns ausgenommen, schon vergessen?“
„Vorgestern? Unser letztes Spiel war vor fünf Tagen, Akira. Seitdem haben wir Doppelschichten geschoben, schon vergessen?“
Ich sah überrascht auf. Ich war wirklich durcheinander gekommen.
Aber war das nicht verständlich bei dem Arbeitsaufwand, der plötzlich über uns hereingebrochen war?
Ich meine, es war ja klar, das mit Vaters Erklärung nicht alles Eitel Sonnenschein werden würde. Wir hatten acht Hekatoncheiren verloren, die zurück in den Dienst der Kronosier gegangen waren – und wir hatten sie ziehen lassen. Die meisten waren gegangen, weil sie Familie hatten. Familie, die sie nicht im Stich lassen konnten.
Der Rest, weil er die Chancen, positiv auf die Kronosier einwirken zu können noch nicht aufgegeben hatte.
Das Pantheon hatte auch schwer gelitten. Von den Einheiten, die ehemals im Pantheon zusammen gefasst gewesen waren, existierten einige nur noch als Rumpf. Der Rest war zu den Kronosiern zurückgekehrt oder hatte die Pantheon-Angehörigen patriiert. In den günstigsten Fällen. In den anderen hatten wir eingegriffen.
Damit war die Schlagkraft des Pantheons um ein Drittel verringert worden.
Wir hatten damit einen Großteil der zum Pantheon stehenden Einheiten entweder nach Hawaii oder nach China und Sibirien geleitet, die Rückzugsgebiete der Truppen, die zu Sakura hielten. Okay, damit hatten wir unsere Truppen konzentriert und damit ihre Schlagkraft gesteigert, das war es wert, die Schlachtfelder in Alaska und Asien aufzugeben, die ohnehin nur für die Kronosier von Interesse waren.
Doch ewig würden sich Sakuras Truppen dort nicht halten können. Vor allem nicht, wenn sie wie in einem Sandwich zwischen Chinesen und Kronosiern eingeschlossen waren. Nicht ohne eine eigene, feste Basis, in der sie Rückhalt genossen. Versorgung hatten. Verstärkungen bekamen.

„Ich habe es wirklich vergessen“, gab ich verblüfft zu. Ich sah auf und es erschien mir, als würde ich diese Männer zum ersten Mal seit langer Zeit wieder einmal ansehen.
Alle drei waren übernächtigt, jeder hatte auf seine Weise und seine Art sein bestes gegeben.
Thomas und Daisuke an Bord ihrer Mechas und Kenji beim ewigen Kampf gegen feindliche Hacker. Ironischerweise beider Seiten.
Und das war noch nicht alles. Ich machte mir klar, dass wir ohne die große militärische Macht, ohne die Kontrolle über beide Plattformsysteme, und ohne die Kontrolle über die drei Mondkolonien Aldrin, Armstrong und Collins und deren Ressourcen auf verlorenem Posten gestanden hätten. Und das konnte sehr schnell wieder passieren, sobald wir die Kontrolle einer dieser Aktivposten unserer Bilanz verloren.
Deshalb befand sich Megumi seit zwei Tagen mit acht Hekatoncheiren und zwanzig weiteren Daishis des Pantheons auf dem Mond, um die Frachterrouten und die Städte zu beschützen.

Daisuke funkelte mich böse an. Die dunklen Augen, die er der Gift verdankte, wirkten dabei richtig mörderisch. Obwohl, ich hatte mir sagen lassen, dass manche Frauen den exotischen Touch dieser Augen mochten.
„Gibst du nun endlich oder hast du genug ergaunert?“, brummte Daisuke ernst.
Ich sammelte die Karten ein und teilte sie neu aus.
„Wisst ihr was die Amis sagen?“, fragte Kenji, während er seine Karten ordnete. „Die reißen ganz schön vom Leder und lassen an der UE kein gutes Haar.“
„Ach, wieder mal? Sind wir das nicht gewohnt?“ Demonstrativ gähnte ich.
„Ja, aber diesmal ist es anders. Sie benutzen dich, um Jordan zu schaden, Akira.“
Interessiert sah ich den riesigen Mann an. „Erzähl.“
„Nun, sie veröffentlichen seit einigen Tagen die Schlächterrechnung des zweiten Big Drop. Dir lasten sie die Toten an – sehr stilvoll mit Besuchen der Hinterbliebenen, vielen Tränen und weiteren herzzerreißenden Szenen.
Und Jordan lasten sie den Befehl an, der so vielen tapferen Piloten das Leben gekostet hat.
Bowman, der alte Sack, spielt wirklich überzeugend. Er hat die Rolle des zerknirschten Offiziers, der seine Untergebenen nicht rechtzeitig schützen konnte und sich deswegen Vorwürfe macht, sehr gut drauf. Und die Leute glauben ihm.“
„Aber?“
Kenji sah über den Rand seiner Karten zu mir herüber. „Was, aber?“
„Es klang so, als würde da noch ein aber folgen, Kumpel.“
„Nenn mich nicht Kumpel. Ich bin immer noch sauer auf dich, weil du mich von Senso Island schmeißen wolltest.“
„Ach komm, Kenji. Du hättest deine eigene Schwester auch nicht an die Kronosier zurückgegeben.“
„Ich wusste aber nicht, dass sie deine Schwester war! Geschweige denn das die Kronosier ihr ihren freien Willen gelassen haben! Weißt du, wir haben zwei unserer Leute dadurch verloren, dass die Kronosier sie sich geschnappt und umgedreht haben.“
„Ich erinnere mich. Hitomi Seto und Azumi Okamoto. Was ist aus ihnen geworden?“
„Keine Ahnung. Sie sind wohl noch bei den Kronosiern. Wenn diese Bestien sie am Leben gelassen haben.“
„Wenn sie noch leben, kriegen wir sie irgendwann wieder“, brummte ich. Es musste überzeugend geklungen haben, denn Kenji räusperte sich vernehmlich.
„Gut, gut. Die Sache ist vergessen, Akira. Es gibt wirklich ein Aber.
Aber wir cracken das Internet bei den Amis, umgehen ihre Internet-Guards und laden illegale Sites hoch, in denen wir unsere Version der Geschichte schildern.“
„Unsere Version der Geschichte?“ Fragend hob ich die Augenbrauen.
„Nun, es würde doch etwas unglaubwürdig kommen, wenn wir erzählen, das Akira Otomo und drei seiner Akumas zusammen mit zwanzig Kame-Mitgliedern eine Operation von der Größenordnung des zweiten Big Drop aufgehalten haben. Wir haben den Part von Admiral Richards und seinen Mechas ein wenig aufgebauscht, ein paar eigene Helden der Amis erschaffen und vor allem Jordans Rolle betont, in der er den Big Drop abbricht – und Richards´ Mechas helfen, den Befehl durchzusetzen.
Leider zerstören wir damit so manche Heldengeschichte, welche das Pentagon so mühevoll aufgebaut hat.“
„Wie ungünstig“, erwiderte ich grinsend.
„Sehr ungünstig.“ Kenji Hazegawas Grinsen reichte von einem Ohr bis zum anderen.

„General Otomo, Sie sind unsere letzte Hoffnung!“
Erschrocken fuhr ich zusammen. „Was?“
Akari streckte die Zungenspitze zum linken Mundwinkel heraus und lächelte mit zusammen gekniffenen Augen. „Das wollte ich schon immer mal sagen. Akira-o-nii-chan, darf ich mitspielen?“
„Wo kommst du bitte so plötzlich her? Und warum willst du mitspielen?“
„Mir war langweilig. Micchan holt seinen Echnatron von Hawaii ab, die Fairies üben ohne mich ihre Aurakontrolle, Megumi-o-nee-chan ist auf dem Mond, Yoshi und Yohko sind… Beschäftigt mit der Wartung von Yoshis Eagle. Und Mako-o-nii-chan ist schon seit Stunden mit Joan Reilley dabei, ihr neues Video zu schneiden. Stimmt es eigentlich, dass sie nur noch Konzerte in Ländern geben will, die sich der UE anschließen?“
„Dazu müsste sie erstmal Konzerte geben“, konterte ich.
Daisuke rieb sich nachdenklich am Kinn. „Hey, das könnte funktionieren. Das wäre ein super Druckmittel.“
Thomas nickte. „Ein Musikvideo-Embargo. Mensch, das gab es noch nie. Nennen wir es die Akari-Strategie.“
Die anderen beiden nickten begeistert.
„Was? Aber das geht doch nicht. Ich bin doch gar kein Politiker“, hauchte sie errötend.
„So, so… Du langweilst dich also und… Moment, sagtest du, Yohko und Yoshi warten seinen Eagle? SEINEN Eagle? Himmel, wann ist das denn passiert?“
„Heute Vormittag, als du vor West-Australien diese Rettungsmission für die abgestürzte Fregatte durchgeführt hast. Papa hat ihn Yoshi persönlich übergeben. Die K.I. heißt Archer und… O-nii-chan?“
„Übernimm mal meinen Posten, Akari. Aber verspiel nicht zuviel von meinem Gewinn, ja? Sorry, Jungs, ich bin in ner halben Stunde wieder da.“
„Ach, lass dir Zeit. Bei der Vertretung bin ich für jede Minute extra dankbar“, erwiderte Kenji grinsend.
„Dann ist ja gut.“ Ich winkte in die Runde und eilte auf den Gang. Dort verharrte ich kurz, um meinen Kragen zu richten.
„Also, meine Herren, klassischer Poker, erste Karte ist aufgedeckt. Das Limit fürs mitgehen sind dreihundert, sechshundert zum sehen. Hundert in den Pott, wer drin bleiben will.“
Himmel, manchmal war Akari wirklich ein Oni. Der niedlichste auf der Welt, aber definitiv ein Oni.

Ich machte mich auf den Weg durch die abendliche OLYMP-Station.
Fünfzigtausend Menschen und Kronosier taten hier Dienst. Kurzfristig waren es nur sechsundvierzigtausend gewesen, weil auch hier viele Diensttuende repatriiert worden waren. Aber die Zahl war wieder angestiegen und drohte mittlerweile die Kapazität der Station zu sprengen. Hätten wir jeden an Bord gelassen, der sich uns anschließen wollte, wären es hunderttausend geworden. Außerdem hätten wir vierundfünfzigtausend potentielle Attentäter auf den OLYMP geholt, und das hätte mir gar nicht gefallen.
Nachdenklich bestieg ich einen der Elektrowagen, mit deren Hilfe man die manchmal recht weiten Strecken im OLYMP bewältigen konnte. Bei beinahe drei Kilometer Weg – Luftlinie gerechnet, ohne Umwege – um zum Hangar zu kommen, der den Hekatoncheiren zugeordnet war, keine dumme Idee.
Im Moment standen hier fünfzig Mechas, die meisten Daishis und Hawks. Sie gehörten uns, den Hekatoncheiren, die bei uns geblieben waren und den ersten Freiwilligen, die sich den harten Anforderungen stellten, zu den Hekatoncheiren zu gehören.
Ich hatte bereits ein halbes Dutzend in drei Einsätzen getestet und für gut befunden.
Die Strukturen der alten Hekatoncheiren hatten wir beibehalten, ein eigenes Bataillon aufgebaut und ihm sowohl den Namen als auch den Kommandeur belassen: Briareos.
Allerdings hatten Lilian und Takashi-sempai ihre Codenamen abgeben müssen.
Im Moment arbeiteten wir daran, aus dem Nichts weitere zwei Bataillone aufzubauen. Doch einhundertzwanzig Mechas würden erst der Anfang sein.
Falls wir nicht fürchterlich zusammengeschossen wurden wann immer wir in den Einsatz gingen sahen Eikichis Pläne vor, die Hekatoncheiren mindestens auf Regimentstärke aufzubauen.
Damit sollten sie die Keimzelle der United Earth Mecha Force stellen.
Ein hehres Ziel. Ich wusste selbst nur zu gut, wie schnell ein hehres Ziel verdorben wurde, wenn die falschen Leute zur falschen Zeit das falsche sagten. Aber ich schwor mir, dass ich es verhindern würde. Dass ich es richtig machen würde. Richtig. Richtig. Richtig. Oder wenigstens ordentlich hinter mir aufräumte, wenn ich Mist gebaut hatte.
Weit vor dem Hangar stieg ich ab und ließ den Wagen an einem der Sammelpunkte stehen. Die K.I. des OLYMP, Hera, verwaltete die Wagen an diesen Sammelpunkten und sorgte dafür, dass sie auch dort waren wo sie gebraucht wurden.Danach machte ich mich seltsam erleichtert auf den Weg.
General Otomo, Sie sind unsere letzte Hoffnung… Das hatte gut geklungen. Akari hatte es aus einem sehr populären Film geklaut, den ich selbst sehr mochte. Aber diese Worte hatten Magie und für einen kurzen Moment fühlte ich mich gut, wie der Held einer Legende. Der siegreiche Held, wohlgemerkt.

„Bist du Akira Otomo?“
Erschrocken blieb ich stehen und sah auf. Vor mir stand ein junger Bursche, keine zwanzig. Er trug eine schlampige Uniform der United Earth, hatte die Hände tief in seine Hosentaschen versenkt und starrte zu mir hoch. Sein Haar war halb weiß und halb schwarz. Seine Augen waren braun und für einen Moment dachte ich, einen der Kronosier vor mir zu haben, die hier an Bord ihren Dienst für die Menschheit und die Freiheit des Mars versahen.
„Wer will das wissen?“, konterte ich. Leutnantsabzeichen. Interessant. Was war der Kleine für ein Arschloch?
„Hm. Gegenfragen stellen ist nicht erlaubt. Du bist Akira Otomo, oder? Der Akira Otomo. Der strahlende Held. Die Lichtgestalt. Der besondere Mensch. Das absolute Wesen, auf das so viele ihre Hoffnungen setzen.“ Er rümpfte die Nase. „Akira Otomo stinkt.“
„Akira Otomo wird dir gleich seine Faust zwischen die Augen rammen!“
Der junge Mann starrte mich an als wäre ich ein Geist. Dann fing er an zu lachen. „Ja, sicher.“
Das irritierte mich. Und es regte mich auf. Vor allem regte es mich auf.
„Akira Otomo. Ich dachte du wärst größer. So um die drei Meter. So wie die anderen Dämonen von dir sprechen dürftest du eigentlich nicht kleiner sein. Und vor allem nicht so hässlich. Angeblich bist du einer der schönsten Menschen der Welt. Wenn das stimmt, dann muß alleine das Gesicht des durchschnittlichen Menschen eine gefährliche Waffe sein.“
„Du bist Dämon?“, fragte ich geradeheraus, während in mir die Wut pochte. Was fiel dem kleinen Wiesel eigentlich ein, so mit mir zu reden?
„Ja, das bin ich. Vor allem aber bin ich ein unzufriedener Dämon. Ich denke, du bist zu beliebt bei uns. Hast hier und da ein paar Erfolge aufzuweisen. Einen guten Draht zu Dai-Kuzo-sama. Und vielleicht zu dem einen oder anderen König. Aber das bedeutet nichts. Du bleibst trotzdem ein stinkender, unfähiger Mensch.
Ich kann nicht glauben, dass auch nur ein Dämon seine Hoffnungen auf dich setzen kann. Aus Dreck wurdet ihr erschaffen und zu Dreck werdet ihr wieder.
Du bist da keine Ausnahme. Nein, lass mich das korrigieren. Du bist weniger wert als Dreck.
Du bist es nicht einmal wert, dass ein Dämon dich beachtet. Hm, ich glaube, ich tue der Welt einen Gefallen und lösche dich aus.“
Nach seinem Monolog grinste der Bursche mit den schwarzweißen Haaren zu mir hoch. „Sei froh. Ich töte dich persönlich. Das ist eine große Ehre.“
Seine Hände verschwanden in einem Irrlichtenden Glühen, seine Haare stellten sich auf und schienen zu wachsen. Aus den braunen Augen wurde ein flammendes Rot, und seine Aura expandierte in purer Kampflust. „Aber ich werde mir Zeit lassen, damit ich mir den Spaß nicht verderbe, Akira Otomo!“

2.
Der alte Mann war eigentlich nichts Besonderes. Jeder auf der Insel, der im kalten, allgegenwärtigen Scheinwerferlicht schuftete, hätten den schmalen Japaner mit den müde zusammengekniffenen Augen für einen normalen Arbeiter gehalten.
Im Moment saß der alte Mann auf einer umgestürzten Palme und trank heiße Suppe aus einer großen Tasse. Er wirkte so, als wäre diese Suppe das wichtigste auf der ganzen Welt für ihn.
Nun, manchmal war heiße Suppe das auch.
„Hatake-sama.“ Ein junger Europäer trat vor den alten Mann und setzte zu einem Salut an.
„Sie brauchen diesen Quatsch nicht zu machen, Kennard. Ich bin Geheimdienstoffizier und kein Soldat. Was gibt es denn?“
„Zwei Dinge. In fünf Minuten müssen wir wieder für zwanzig Minuten verdunkeln. SUPEREYE IX kommt nördlich an uns vorbei.“
Der alte Mann seufzte. „Es tut gut zu wissen, dass wir über die Kursbahnen aller Spionagesatelliten der Konkurrenz bescheid wissen. Die Hacking-Programme der Fushida Hacking Group haben es in sich, was?“
Der große Europäer, Hannes Kennard, verkniff sich ein Grinsen. „Sie sind brauchbar, Tai-sa.“
„So, so. Und was ist die zweite Sache?“
„Wir haben die Arbeiten noch einmal forciert. Wir werden den Termin nun um acht Tage unterbieten.“
„Acht Tage? Sie wissen, dass das eventuell zu wenig sein wird.“
„Ich weiß, dass wir damit die fünftägige Toleranz erreichen und um zwei Tage überschreiten. Aber ich sehe keine Möglichkeit, die Arbeiten zu beschleunigen, wenn wir nachts zwanzigmal das Licht abschalten müssen und tagsüber vierzigmal die Arbeiten einstellen müssen. Wenn das nicht wäre, könnten wir schon in sieben Tagen fertig sein.“
Der alte Mann seufzte wieder. „Ach, mein Rücken. Kommen Sie mal in mein Alter, Kennard, dann wissen Sie, was echte Schmerzen sind.“
„Oh, ich kenne Schmerzen, Hatake-sama. Ich bin verheiratet.“
„Hm, hm, bemerkenswert.“
„Und ich habe drei Kinder.“
Der alte Mann riss die Augen auf. „Gleich drei?“
„In Europa ist es ruhig, nachdem die ersten kronosischen Angriffe gescheitert sind. Meine Frau und ich setzen alle Hoffnungen darauf, dass die Zukunft besser wird.“ Kennard grinste schief, als kurz eine Sirene aufgellte und dreißig Sekunden später das Licht erlosch.
„Ich hoffe wirklich, dass ich meinen Teil für eine bessere Zukunft leisten kann. Damit meine Kinder weder als Sklaven noch mit der Gift leben müssen.“
„Das sind hehre Ziele, Kennard. Und wir sind dem europäischen Rat wie immer zu Dank verpflichtet. Vor allem für die großzügige Hilfe, die er dem Kaiser und der Exilregierung leistet.“
„Das ist doch selbstverständlich. Wir würden uns ins eigene Fleisch schneiden, wenn wir die Organisation nicht unterstützen würden, die am effektivsten gegen die Kronosier vorgeht.“
„Die Akuma-gumi“, murmelte Hatake ernst.
„Auch. Aber vor allem meine ich den Freien Japanischen Geheimdienst. Ich sage Ihnen was, Hatake-sama. Wenn das funktioniert, wenn die United Earth den ersten Monat überlebt, dann stehen die Chancen für ein offenes Bündnis wirklich nicht schlecht.“
„Ein offenes Bündnis. Warum nicht ein Zusammenschluss.“
„Man traut Eikichi Otomo nicht“, gestand Kennard. „Hätte er sich von vorne herein gegen die Kronosier gestellt, anstatt sich ihnen anzubiedern und ihre Wirtschaft aufzubauen sähe es vielleicht anders aus. Natürlich hatte er keine andere Wahl. Und jetzt sehen wir, warum er es getan hat. Aber wer garantiert dafür, dass nicht auch das nur eine Finte ist, um ein noch höheres Ziel zu erreichen? Noch weiter aufzusteigen? Vielleicht ins Legat?“
„Ich garantiere das“, erklang eine dunkle Stimme hinter Kennard.
„Oh. Das ist eine Überraschung. Okame-tono, wir zwei haben uns ja schon eine kleine Ewigkeit nicht mehr gesehen. Dies hier ist Kennard-kun. Europol hat ihn uns ausgeliehen und er leistet hier ganz hervorragende Arbeit.“
Kennard fühlte sich übergangslos seziert, durchleuchtet und gewogen. Dabei gab es hier nur das Licht der Sterne.
„Okame-tono ist ein Dämon. Genauer gesagt ist er der Verbindungsmann zwischen dem Freien Japanischen Geheimdienst und Dai-Kuzo-sama, der Herrin der Dämonen.“
„DER Okame-sama? Ich bin hocherfreut, Sie kennen zu lernen!“, rief der Europäer enthusiastisch.
„Sie werden sich noch weit mehr freuen wenn Sie hören, weshalb ich hier bin.“
Überganglos heulten die Sirenen wieder auf und kurz darauf aktivierte sich das grelle Scheinwerferlicht.
„Was? Aber es ist zu früh, das waren bestenfalls sechs Minuten!“
„Seien Sie unbesorgt. Damit die Arbeiten rechtzeitig fertig werden hat Dai-Kuzo-sama beschlossen, Ihnen Hilfe zu leisten. Eine Gruppe Dämonen verbirgt die Insel seit drei Minuten gegen Beobachtung aus dem Orbit und gaukelt den Satelliten ein fast unberührtes Eiland vor.“
„Sie haben Recht, Okame-tono!“, gestand der Europäer. „Ich freue mich wirklich noch weit mehr, Sie hier zu sehen.“
**
„AKIRA!“ Dai-Kitsune-sama kam den Gang herunter gerauscht. Sie lief in ihrer Fuchsgestalt, sprang und verwandelte sich kurz vor der Landung in einen Menschen. Als dieser lief sie weiter, stieß mich hart beiseite, wodurch ich den Griff um die linke Hand meines Opfers verlor und mit dem rechten Fuß von seinem Genick rutschte, und umklammerte den dreisten Bengel mit beiden Händen.
„Kumo, ist alles in Ordnung mit dir? Kumo, sag doch was! Kumo!“
Der Junge mit den zwei Haarfarben sah auf. „Tante. Er hat mir so wehgetan.“
„Oh. Es geht dir gut. Der großen Spinne sei Dank.“ Kitsune schien für einen Moment glücklich. Dann wurde ihre Miene sehr, sehr grimmig und sie verpasste dem Burschen eine Kopfnuss die sich gewaschen hatte. „WAS GREIFST DU AUCH AKIRA AN!“
Sie ergriff den Burschen an den Schultern und schüttelte ihn. „AKIRA IST ZU STARK! ZU MÄCHTIG! UND ER IST ZU WICHTIG, UM SICH MIT EINEM FLOH WIE DIR ABGEBEN ZU MÜSSEN!“
„Istjagutichwolltejaauchnurmalsehenwiestarkeristundwarumallevonihmsprechenu
nd…“
„DU SOLLST NICHT DENKEN! DU SOLLST NICHTS TUN! HÖREN SOLLST DU!“
Mittlerweile hielt ich mir beide Ohren zu, aber es nützte nichts. Kitsunes Stimme kam immer noch sehr klar und deutlich bei mir an. Was musste der arme Bengel erst zu leiden haben?
„Tu-tut mir Leid“, brummte der Junge mit dem schwarzweißen Haar und sah trotzig, aber irgendwie auch betreten zu Boden.
„Akira, es tut mir Leid. Ich hätte besser auf ihn aufpassen sollen und… Ich meine, danke, dass du ihn nicht verletzt hast. Er ist doch noch so jung und unerfahren. Und wenn er nicht so gebettelt hätte, dann hätte ich ihn nie mitgenommen. Woher sollte ich auch wissen, dass er dich angreift? Was für eine Dummheit!“ Sie holte für eine weitere Kopfnuss aus und der junge Bursche duckte sich mit einem Quieken.
„Schon gut, Kitsune. Es war eine nette Fingerübung. Und? Wer ist der junge Mann?“

Verlegen ließ Kitsune den Jungen los. Der verlor das Gleichgewicht, als er seiner Stütze beraubt war, und fiel hart zu Boden.
„Oh, das ist Kumo-chan, eines der Kinder von Dai-Kumo-sama, der Königin der Bärendämonen. Hätte ich gewusst, dass er hier solchen Ärger macht, dann…“
„Ärger ist vielleicht übertrieben. Seine Großmäuligkeit war viel schlimmer. So von wegen, er würde mich töten und der Welt einen Gefallen tun und außerdem wäre ich weniger wert als Dreck und so weiter…“
Wütend starrte Kitsune den Jungen nieder. „Ach, ist das so? Hat er das gesagt?“
Der junge Mann sackte sichtlich in sich zusammen. „Tante…“
„Aber ich denke, er hat seine Lektion gelernt“, sagte ich schnell, trat neben Kumo und legte eine Hand auf seine Schulter. „Für mich war es ja wirklich nur eine Aufwärmübung und es ist absolut nichts passiert.“
Erstaunt sah der Bärendämon auf. „Akira…“
„Aber falls du mich jemals wieder angreifen solltest“, flüsterte ich ihm zu, während ich gleichzeitig seine Schulter fest zusammendrückte, „dann mache ich dich so richtig fertig. Verstanden?“
Kumo quiekte vor Schmerz auf. Ich nahm das als Bestätigung und ließ ihn wieder los.

„Was machst du überhaupt hier, Kitsune-chan? Und warum hast du diesen Lausejungen dabei?“
„Lausejunge trifft es.“ Wütend starrte sie den jungen Mann nieder.
„Ach, weißt du, Akira, seit ich dich über dem südchinesischen Meer verlassen habe, hat sich einiges verändert. Nicht nur dass du von Senso Island umgezogen bist und so. Auch in der Dämonenwelt werden Stimmen laut, die von einer Veränderung sprechen. Die Niederlage der Tiger- und Drachen-Divisionen hat einiges an Staub aufgewirbelt und manche Dämonen sprechen jetzt davon, dass es Zeit wird zurück zu schlagen. Dass es Zeit wird, auf dem Mars eine Dämonenwelt einzurichten.“
Irritiert starrte ich die rothaarige Dämonin an. „Was, bitte? Das würde gehen? Damit hätten wir ja…“
„Einen ständig bedrohten, extrem instabilen und vor allem bloßgelegten Stützpunkt. Allerdings direkt am Herzen des Feindes. Leider aber sind das schon alle guten Nachrichten bei dieser Idee.“
Kitsune seufzte, zerrte den jungen Bärendämonen auf die Beine und ging neben mir her. „Wenn wir das wirklich tun wollen, und Kuzo-chan denkt ernsthaft drüber nach, dann müssen wir zwei Dinge in Betracht ziehen. Erstens müssen wir die Dämonenwelt etablieren um unseren Feind Torah zu vernichten – und die Kronosier dazu. Es muß ein allerletzter Schlag sein. Vernichtend. Endgültig. Das große Finale. Und zweitens müssen wir dafür die Arche einsetzen.“
„Die Arche? Die aus der Bibel? Die mit den sieben Tieren einer Art an Bord?“, fragte ich interessiert.
„Äh, ja, so in etwa. Sehr treffender Vergleich. Eigentlich ist die Arche ein Schlachtschiff. Und zwar das gewaltigste Schlachtschiff, das jemals erbaut worden ist.
Ja, ich weiß, dämonen und materielle Waffen sind ein Widerspruch in sich. Und außerdem braucht es eine Riesenmenge an KI, um nur den Arsch vom Boden hoch zu bekommen, geschweige denn um wirklich zu fliegen.“
„Warum KI?“
„Es ist ein Schiff der Dämonen.“
Ich runzelte die Stirn. Anscheinend schien Kitsune diese Erklärung für ausreichend zu halten.
„Ja, aber warum ein Schiff?“
„Warum kein Schiff?“
Ich senkte resignierend den Kopf. Gegen Kitsunes Sturheit kam ich nicht an. Die Dämonen hatten also ein Schiff, ein Schlachtschiff, das größte jemals gebaute und mussten es mit KI betreiben. Na Klasse. Und warum hatten sie es dann nie eingesetzt?
Ein eiskalter Schauder ging mir über den Rücken, als ich an eine bestimmte Möglichkeit dachte. KI… Ob das was mit der Aura-Kraft zu tun hatte, die unsere Fairies benutzten? Natürlich hatte es das und natürlich waren beide Kräfte garantiert identisch.
Mussten wir also eine oder mehrere unserer Fairies benutzen oder sogar opfern, um dieses Schiff zum fliegen zu bringen? Nur über meine Leiche! Eher flog ich selbst zum Mars und zerstörte die kronosischen Einrichtungen eigenhändig!

„Wohin gehen wir eigentlich?“, fragte Kitsune unvermittelt.
„Ich gehe in den Hangar, in dem mein Hawk steht. Wohin du willst weiß ich nicht.“
„Hm?“ Interessiert sah sie mich an. „Würde ein Einsatz bevorstehen, dann hätte es Alarm gegeben. Willst du deinem Mecha gute Nacht sagen?“
„Nein. Yohko und Yoshi pfuschen an seinem Eagle rum. Und ich gehe kontrollieren, dass es beim Mecha bleibt.“
„Oooh, der treu sorgende große Bruder. Das ist ja so lieb von dir.“

Mit einem Ruck wurde ich gestoppt. Kitsune hatte mich am Kragen gegriffen, nach unten gezerrt und sah mich mit einem wirklich fiesen Blick an, während ich halb am Boden lag und nur von ihrer Hand gehalten wurde. Und mich nebenbei mein eigener Kragen halb erwürgte. „Und gleichzeitig so dämlich. Kannst du die beiden nicht alleine lassen? Sie sind erwachsen und wissen was sie tun.“
„Genau das befürchte ich ja auch. Deswegen gehe ich da ja hin.“
„Ha! Der große Akira hat einen Schwester-Komplex“, höhnte Kuma.
„Halt die Klappe. Den hättest du auch, wenn deine tot geglaubte Schwester nach acht Jahren plötzlich wieder vor dir steht!“
Unwillkürlich duckte sich der junge Dämon vor mir.
Das ernüchterte mich stärker als es der Tadel von Kitsune tat – und ich sah in meiner eher peinlichen Haltung bestimmt nicht bedrohlich aus. „Wie alt ist der Bengel eigentlich?“
Kitsune legte den Kopf schräg. „Hm. Sechzehn.“
„Sechzehn Jahrzehnte?“
„Nein, Jahre. Ich sagte doch, er ist noch sehr jung.“
Überrascht sah ich den Dämonen an. „Und dann wirkt er so alt? Ich dachte immer, dass…“
„Oh, wir entwickeln uns normal, wie ihr Menschen. Doch sobald wir ausgewachsen sind, wartet ein beinahe unendliches Leben auf uns. Das ist auch der Grund, warum wir uns selten fortpflanzen, aber das ist schon eine andere Geschichte. Kuma ist jedenfalls so alt wie er aussieht.“
„Ich würde ihn auf Anfang zwanzig tippen“, gestand ich.
„Echt?“
„Halt die Klappe, Kumo-chan. Du hast für heute doch schon genug Aufmerksamkeit erregt, oder?“
Wieder duckte sich der Junge. „Tante Kitsune…“
„Nun ist aber gut, Kitsune-chan. Ich glaube wirklich, dass der Bengel seine Lektion gelernt hat“, warf ich ein und fragte mich zugleich, wo ich die Arroganz hernahm, so mit ihr zu sprechen. Wo ich doch selbst gerade erst zwanzig Jahre alt war.
„Willst du dich etwa in meine Erziehungsmaßnahmen einmischen, Akira?“, blaffte sie.
Ich sah wieder zu dem Jungen. Und nickte. „Ja, das will ich, Kitsune.“
„Oookay, dann nimm ihn mal den Rest des Abends mit, ja? Ich muß noch zu Eikichi, wir haben da einiges wegen der Manifestation von Dai-Kuzo zu besprechen. Ich finde euch dann, egal wo ihr seid. Danke, bist ein Schatz.“
Mit diesen Worten verschwand sie. Und ich hatte das ungute Gefühl, dass das von Anfang an ihr Ziel gewesen war. Und das mein heldenhaftes Eingreifen zu Kumos Gunsten wohl kalkuliert gewesen war. Mist.

Da stand ich nun, vor mir einen sechzehnjährigen Dämonen mit schwarzweißem Haar, frech wie Kei in bester Laune und zudem mehr von sich überzeugt als es Philip jemals sein konnte.
„Und was mache ich jetzt mit dir?“, seufzte ich.
Nun, wenigstens schien der Junge mit mir ebenso unglücklich zu sein wie ich mit ihm. Das machte die Sache doch wenigstens interessant.
Und nun? Zurück zur Pokerrunde? Oder doch ganz unreif bei Yoshi und Yohko reinplatzen? Oder auf einen Alarm hoffen?
Ich hörte, wie eine Tür sich öffnete und wie eine Frau lachte. Die Stimme kannte ich, kannte sie nur zu gut. Ich grinste schief. „Weißt du was, Kumo-kun? Ich würde dich zu gerne mal in deiner Tiergestalt sehen. Und ich habe da ein paar Freundinnen, die das sicherlich auch wollen.“ Oh ja, das würde ein Spaß werden.

3.
„Es ist alles bereit, General. Wir können jederzeit losschlagen.“
„Die Vorbereitungen sind abgeschlossen. Wir werden sie so vollkommen überraschend treffen, dass sie gar nicht wissen, was sie da erwischt hat.“
Sakura Ino nickte ihren beiden Untergebenen zu. Vor ihr zeigte der Holoprojektor ihres mobilen Hauptquartiers eine sehr exakte Karte der Umgebung. Darin integriert waren die bekannten Positionen sowohl der eigenen als auch der feindlichen Einheiten.
Nun, einige hatten sich noch immer nicht daran gewöhnt, die loyalen kronosischen Einheiten als Feinde zu betrachten. Aber die Chinesen, mit denen hatten sie keine Probleme.
Sakura lächelte dünn. „Dann blasen Sie zum Angriff.“
Sie sah auf. „Erobern Sie Tibet für mich, Colonel Whitworth.“
„Jawohl, General.“ Der Angesprochene, ein hoch gewachsener Engländer und Kommandeur seines eigenen Daishi-Regiments, defacto Sakuras Stellvertreter in dieser Situation, aktivierte die Kommunikation zu allen Elementen, die ihnen zur Verfügung standen – weit mehr als sie nach der Aktivierung der United Earth erwartet hatten und aus aller Welt zu ihnen gekommen. Einige Soldaten mit Familien hatten das Angebot angenommen, die Truppe zu verlassen, andere mit der Hoffnung an den Funken des Guten bei den Kronosiern ebenso. Die überwältigende Mehrheit aber vertraute weiterhin der Anführerin: Sakura Ino.
„Anweisung an alle Daishi-Elemente, Anweisung an alle Panzereinheiten, Anweisung an alle Infanterie-Einheiten! Strike! Strike! Strike!“
Bestätigungen rasselten herein, so schnell, dass die fünf Kommunikationsspezialisten nur mit Mühe nachkamen.
„Colonel, wir melden eine geschlossene Bestätigung der Brigade.“
„Danke, Lieutenant. Sorgen Sie dafür, dass die Kommunikation nicht abbricht. General, es geht los.“
„Nun gut, sehen wir uns das doch mal an.“ Sakura richtete sich auf und verließ das Mobile HQ. Die beiden Colonels folgten ihr. Vor ihnen erhoben sich majestätisch die Berge des Himalajas, auch das Dach der Welt genannt. Vierzehn Berge über achttausend Meter waren hier zu finden, unter ihnen der Everest und der K2, die höchsten Berge der Welt.
Und hier waren auch die Bergkönigreiche zu Hause, Tibet, Nepal und Shangri La. Hier würde die United Earth ihr nächstes Mitglied aufnehmen. Ein Mitglied, das sie, Sakura Ino, mit der Vernichtung der chinesischen Besatzungsdivisionen erschaffen würde.

Erste Explosionen zuckten über die Berghänge. Sie hatten es geschafft, die Brigade relativ unbemerkt von den Chinesen die dreitausend Kilometer nach Süden zu schaffen – jetzt meldete sie sehr eindrucksvoll, wo sie geblieben waren.
Weitere Explosionen blühten auf, gefolgt von Sekundär-Explosionen. Hubschrauber stiegen in die Luft und hetzten die Berghänge hinauf, aus allen Waffen feuernd und eine Schneise aus Tod und Verwüstung aufbauend, während zeitgleich große Daishi-Verbände die Flanken angriffen.
Oh, Sakura hatte nichts gegen die Chinesen. Im Gegenteil, sie hatte sie als harte und unbarmherzige Gegner kennen- und schätzen gelernt. Und sie wusste sehr wohl um zwei Dinge. Das eine war, dass hier hauptsächlich Soldaten starben, die nur Befehle ausführten und in den Mühlen des Krieges unschuldig getötet und verstümmelt werden würden.
Das andere war, dass die Erdverteidigung langfristig ohne die Chinesen nicht möglich war. Deshalb mussten ihre vorsichtigen Tastversuche zu einer Allianz mit den Kronosiern unmöglich gemacht werden. Mit ihren Truppen an der Kehle würden sie es nicht wagen, die Erdverteidigung aufzugeben. Nein, das würden sie nicht.
Vor allem nicht, wenn ihnen bewusst wurde, wie schlagkräftig ihre Elite-Truppe war.

Den Hubschraubern folgten die Panzer und Transporter mit den Bodentruppen. Nachdem sie die Grenzverteidigung ausgeschaltet hatten würden sie die Chinesen überall niederkämpfen, wo sie auf den Gegner trafen. Sakura machte sich nicht viele Illusionen über den Verlauf des Kampfes. Sie sähte hier den Tod. Und alles was sie tun konnte war zu hoffen, dass es ihre eigenen Leute nicht so schlimm traf wie den Gegner.
„General. Die Sturmspitzen der 8., 10. und 11. Daishi-SpecOps sind bereits achtzig Kilometer tief ins Land eingedrungen. Der Widerstand wird zunehmend schwächer. Wir liegen acht Minuten vor dem Zeitplan. Die Hunde und die Bullen haben zudem die Bodengrenze überschritten und treffen auf keinerlei Widerstand.“
Die SpecOps waren mit den Hekatoncheiren zu vergleichen, aber von der Akuma-Gumi noch weit entfernt. Und Hunde und Bullen würden ihrem Ruf als harte Kämpfer, die immerhin das Vorbild der legendären Drachen-Division vor Augen hatten, bitter verteidigen.
„Nicht schlecht für eine Nacht- und Nebel-Aktion, was?“, fragte die blonde Frau mit einem dünnen Lächeln. Nicht, dass sie Tibet befreien würden. Nein, sie ersetzten die chinesische Besetzung nur durch die Besetzung der United Earth. War das gut? Schlecht? Besser oder schlimmer? Die Zeit würde es zeigen müssen.

„Also dann. Stoßen wir zur Hauptstadt vor. Danach folgt der Schwenk nach Nepal.“
Sakura verkrampfte die Finger zur Faust, bis sie glaubte, die Knochen würden brechen. Im Prinzip räumte sie hinter Akira auf. Nach seiner Aktion in der Hauptstadt Nepals hatten chinesische Kriegsherren die Gelegenheit genutzt und das Land besetzt. Noch war es nicht offiziell okkupiert und die Truppen nur „anwesend, um bei der Verteidigung gegen die Terroristenbande Akuma-Gumi zu helfen“, aber es würde nur eine Frage der Zeit sein, bis irgendeine Regierung des Berglandes die Chinesen bitten würde, permanent im Land zu bleiben. Aber daraus würde nichts werden. Diesmal nicht.
„Und danach nehmen wir Shangri-La.“ Das schmerzte sie besonders. Shangri-La, eine lose Koalition von einsamen Bergtälern im Karakorum-Gebirge, hatte sich nach den ersten Grenzstreitigkeiten zwischen Pakistanis, Indern und Chinesen gebildet, nachdem die Kronosier angegriffen hatten. Und die drei Mächte hatten den neuen, machtlosen Staat als willkommenen Puffer am Leben gelassen. Beinahe tat es ihr Leid, dass die Zeit des relativen Friedens für das kleine Reich der Bergtäler nun zu Ende war.
Sakura wandte sich um und ging wieder ins HQ zurück. „Wir brechen auf.“
„Jawohl, General.“
**

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**Die Ankunft der kleinen Mannschaft in Japan war eher unspektakulär. Siebzehn Männer und Frauen, davon acht Kronosier, landeten mit einer Fregatte auf dem neuen Raumhafen, der in der Bucht von Tokio auf dem Wasser errichtet worden war.
Aber wenn man bedachte, wer diese siebzehn Leute waren, wurde es Hilmer Bont, Generalgouverneur von Japan, Angst und Bange. Diese Männer und Frauen gehörten zum Besten was das Legat zu bieten hatte. Biologen! Waffenspezialisten! Mecha-Piloten! Und Elite-Kämpfer! Angeführt wurden sie ausgerechnet vom Vierten Legaten, Gordon Scott.
Der joviale Weißschopf mit den raspelkurzen Haaren trat sofort mit einem freudestrahlenden Lächeln auf den Gouverneur zu, so als wäre die Öffentlichkeit nicht von diesem Moment ausgeschlossen worden und es gelte für ein paar Dutzend Kameras zu lächeln.
„Mein lieber Hilmer. Ich bringe direkte Grüße von Odin für Sie und soll wieder einmal erwähnen, wie sehr sich der Erste Legat über die wertvolle Arbeit freut, die Sie in diesem Land leisten.“
„Ein Lob vom Ersten Legaten ist eine große Ehre“, erwiderte Bont. „Willkommen auf der Erde, Vierter Legat. Es freut mich, Sie wohlbehalten wieder zu sehen. Wie kann ich ihnen nützlich sein?“
„Ach, der gute alte Hilmer. Immer direkt aufs Ziel, niemals Zeit vergeuden. Nun, ich brauche Unterkunft für meine Leute und darüber hinaus einen Stab Agenten als Verbindungsleute. Ich brauche die gesamte Hawaii-Abteilung unter meinem Kommando. Darüber hinaus brauche ich eine Kaserne der höchsten Sicherheitsstufe. Sie muß über einen großen Hallenkomplex verfügen.“
„Sie spielen auf den alten Militärbereich des Narita-Flughafens an“, stellte Bont fest.
„Richtig, mein guter Hilmer. Dort bietet sich uns alles was wir brauchen.“
„Wozu die großen Hallen? Wozu die Geheimhaltung? Warum die Hawaii-Sektion? Sind das schon drei Fragen zuviel, oder darf ich eine vierte stellen?“
„Oh, seien Sie mein Gast, Hilmer.“
„Warum das alles?“
Die Spezialisten lachten und Scott gab zweien einen Wink. Sie kehrten zur Fregatte zurück.
Dort wurde ein großes Schott geöffnet, eine Rampe ausgefahren und ein… Ja, was zum Teufel war das Ding, welches gerade die Rampe herunter schritt?
Ein Fehlschlag aus einem Genlabor? Eine irrsinnige Kreuzung? Nein, die Augen waren menschlich, und wenn er genau hinsah, dann war es der Rest dieser Kreatur auch. Abgesehen davon, dass die Proportionen unmöglich verzerrt waren und dieses Biest eine Körpergröße von gut vier Metern hatte. Die grüne Haut irritierte ebenfalls erheblich.
„Was ist das?“
„Die besondere Entwicklung meiner Abteilung“, verkündete Scott stolz. „Von Menschen befallene Youmas.“ Er lächelte, düster und mordlüstern. „Oder anders ausgedrückt, Attentäter, die man nicht aufhalten kann.“
Hilmer schluckte hart, als sich hinter dem grünhäutigen Wesen ein weiteres zeigte, blauhäutig und auf groteske Art dürr. Seine Haare peitschten wie selbstständige kleine Wesen um seinen Kopf herum. Beide Wesen wirkten aggressiv, aber sie folgten den Anweisungen der beiden Spezialisten ohne zu zögern. Dann folgte eine dritte Kreatur.
„Das ist Wahnsinn“, hauchte Bont ergriffen.
„Ja, das ist es. Purer, blanker Wahnsinn aus den perversen Gedanken des Zweiten Legaten geboren. Und unsere beste Waffe, um uns eines großen Feindes zu entledigen: Jordan Daynes.“
„Deshalb die Hawaii-Gruppe. Deshalb die Lagerhalle.“
„Richtig. Diese Wesen brauchen Koordinationstraining und Kampftraining. Und wir müssen sie so nahe es geht an ihr Ziel heran bringen. Dort erst werden sie ihre absolute Tödlichkeit unter Beweis stellen.“ Nach der vierten, fünften, schien endlich Schluss zu sein. Fünf grotesk verzerrte Menschen, fünf Individuen, denen mit diesen Youmas der freie Wille genommen worden war, ja, der Körper gar. Bont konnte sich nur zu gut vorstellen, wie diese Wesen zwischen wehrlose Menschen fuhren. Wie sie Soldaten beiseite schoben, als wären es Puppen. Wie Gewehrkugeln an ihnen abprallten oder eindrangen ohne diese Wesen aufhalten zu können.
„Wahnsinn“, hauchte er wieder.
„Ja, das ist es“, sagte der Legat erneut. „Was meinen Sie, Hilmer, ob Blue Devil auch zufällig auf Hawaii sein wird? Ich würde zu gerne sein Gesicht sehen, wenn einer seiner Freunde stirbt und er nicht in der Lage ist ihn zu retten.“
Mit diesen Worten wandte sich der Vierte Legat ab und lachte laut. Laut, und, so erschien es Bont, ein wenig irre.
**
In der folgenden Nacht hetzte ein junger Mann, eindeutig asiatischer Abstammung, durch die Nebenstraßen eines Vorortes der Hauptstadt. Der Mann hatte sich mit Leib und Seele dem Geheimdienst des Freien Japans verschrieben. Es hatte sogar mal eine Zeit gegeben, in der er bereit gewesen wäre für sein Heimatland und das Ende der kronosianischen Besatzung zu sterben.
Doch im Moment war alles anders. Damit er seinem Land dienen konnte, musste er leben. Nur lange genug leben.
Es war nicht sehr einfach gewesen, die kronosische Basis zu infiltrieren. Und es war noch weit schwieriger gewesen, als kleiner Hilfsarbeiter die diversen Erkundungen durchzuführen, mit denen er beauftragt gewesen war, ohne aufzufallen.
Nun aber war das alles egal. Egal wie die beiden Wachen, die er getötet hatte, um durch ein Nebentor zu entkommen. Egal wie sein weiteres Leben. Egal ab dem Punkt, der wirklich zählte. Er musste seine verdammte Nachricht überbringen!
Niemals hätte er daran gedacht, in einem Job mit derart schlechter Tarnung auf einen derart brisanten Fall zu stoßen. Niemals hätte er geglaubt, seine Angst vor dem Tod zu verlieren, weil es etwas Schlimmeres geben konnte.
Oh, es war nicht so, dass er nicht gerne lebte. Aber wenn nicht sehr bald sehr schnell die richtigen Stellen davon erfuhren, was er durch Zufall entdeckt hatte, dann würde Japan, dann würde die Welt in eine sehr ungewisse Zukunft gehen.
Beinahe ließ sie sich gar nicht vermeiden. Aber vielleicht abmildern.

Schwer atmend lehnte er sich einen Moment an eine hohe Mauer. Er musste ein Fahrzeug stehlen. Möglichst ohne die Polizei auf sich aufmerksam zu machen. Falls nicht ohnehin schon an allen Ausfallstraßen Straßensperren und Kontrollen errichtet worden waren.
Ein Motorrad vielleicht? Und dann querfeldein oder mit Gewalt durch die Kontrollen?
Ein Hubschrauber wäre nicht übel gewesen. Oder ein Hawk.
Aus der Ferne klangen Schreie zu ihm herüber, Schreie, wie er sie schrecklicher nie gehört hatte. Schreie, deren Bedeutung er kannte, seit er seine Aufnahmen durch das kleine Loch der Hangarwand geschossen hatte, welches er heimlich gebohrt hatte.
Dort hinten litten Menschen. Erst kam die Angst, dann der unsägliche Schmerz, dann das Gefühl in Flammen zu stehen. Und dann wurde das KI aus dem Leib gesogen, gerissen wie der Pelz vom Leib eines Tieres. Die Folge waren Katatonie, Bewusstlosigkeit oder sogar Koma. Und getan hatten es diese Kreaturen, Albträume aus den Hirnen kranker Genforscher, verrückter Wissenschaftler oder entstanden in den Hexenküchen durchgedrehter Alchimisten.
Fünf dieser Kreaturen waren nun hinter ihm, jagten ihn, damit er mit seinem Wissen nicht entkam, es nicht weitergab.
Und zwischendurch blieb immer noch Zeit für einen kleinen Snack in Form des KIs eines Menschen.
Er hatte es in der Lagerhalle gesehen, auf dem Display seiner Kamera. Wie die Menschen gelitten hatten, in den Klauen dieser Kreaturen, wie ihre Gesichter eingefallen waren wie jene von schwer kranken Menschen. Wie sie gelitten hatten.
Und wie sie wie wertlose Puppen fallengelassen wurden, die wenigsten überhaupt noch fähig vor Schmerzen zu stöhnen.
Es war schrecklich gewesen. Aber am schrecklichsten war seine eigene Ohnmacht gewesen, nichts dagegen tun zu können.

Die Schreie der Menschen klangen lauter, die Monster rückten also näher.
Er schätzte Entfernung und Richtung ab und kam zum Schluss, dass ihn mindestens drei der grotesken Gestalten verfolgten.
Also stieß sich der japanische Agent wieder von der Mauer ab und lief weiter.
Ein Fahrzeug, wenn er doch nur ein Fahrzeug hätte! Auch wenn er damit auffallen würde wie der Weihnachtsmann im Hochsommer am Strand; der psychologische Druck, den seine auffälligen Verfolger schufen, trieb ihn langsam in die Panik.
Und sie kamen näher, immer näher.
**
Der Schrei der jungen Frau ging mir durch Mark und Bein. Ich schreckte hoch, merkte dass eines meiner Beine eingeschlafen war –dadurch, dass ich vornüber stürzte – und rappelte mich wieder hoch.
Ami, Hina und Sarah, die mit dem kleinen Kumo in Bärengestalt spielten, sahen bestürzt zu mir herüber. Ich erwiderte den Blick und bekam endlich Tritt. Verdammt, verdammt, verdammt!
Kumo richtete sich auf die Hinterbeine auf. Bei einem etwa anderthalb Meter großen Panda wirklich ein einmaliges Schauspiel.
„Du bleibst hier, Junior“, sagte ich hastig, schlug ein paar Mal auf meinen linken Oberschenkel ein und spürte wie das Leben zurückkehrte – durch stechenden Schmerz. „Das ist eine interne Sache.“
Hina sah mich traurig an. „Es ist ihr erster seit acht Wochen, Akira.“
Ich humpelte zur Tür, riss sie auf und verschwand im Gang, nicht ohne den Mädchen noch einmal zu zu winken und ihnen zu sagen, dass ich mich darum kümmerte.

Kurz darauf stand ich vor der Tür eines Ein Personen-Appartements. „Akane! Akane!“
Ich rüttelte an der Tür und stellte erleichtert fest, dass sie nicht verschlossen war.
Dabei hatte ich schon mit dem Gedanken gespielt, den Feuerlöscher um die Ecke als Rammbock zu benutzen.
Ich eilte in den Raum und fand Akane Kurosawa zusammengekrümmt auf dem Teppich in ihrem Wohnraum knien. Sie wimmerte leise.
Früher, damals als wir sie aus den Händen der Kronosier befreit hatten, hatte sie beinahe jede Nacht einen Anfall gehabt, war von den schrecklichen Erinnerungen übermannt worden. Die ersten Wochen hatte das zerschnittene, geprügelte und wer weiß auf wie viele Arten gedemütigte Bündel Mensch nicht eine Nacht alleine verbringen können. Die wenigen Menschen die sie an sich heran gelassen hatte, hatten sich abgelöst, um ihr in den Nächten Gesellschaft zu leisten. Ich wusste, wenn ich einmal graue Haare an mir entdeckte würde ich nicht überrascht sein, denn das was ich im Gefängnis gesehen hatte, einem Hochsicherheitstrakt für politische Gefangene, und dem was Akane teils freiwillig und teils im Schlaf erzählt hatte, hatte mir wieder einmal vor Augen geführt wie gefährlich Menschen sein konnten. Und wie grausam.
„Akane.“ Ich ließ mich auf die Knie fallen, legte vorsichtig eine Hand auf ihren Rücken. Manchmal, allerdings sehr selten, ertrug sie keine Berührungen, wenn die Erinnerung sie besonders marterte. Sie konnte dann nicht alleine sein, aber auch keine zu große Nähe ertragen. Ihr letzter Anfall war schon Wochen her; dies konnte einer dieser besonders heftigen, schlimmen sein, der alles in ihr wieder hoch kochen ließ.

Ich spürte, wie ihr schmaler Leib unter meine Hand zitterte. Ich sah, wie ihre Tränen wie ein kleiner Wasserfall den Boden benetzten. Ich hörte ihr leises Wimmern.
„Akira…“, hauchte sie. „Akira… Er wird sterben… Ich weiß es… Er wird sterben… Ich kann es nicht verhindern… Sie kommen ihn holen… Oh mein Gott, sie kommen ihn holen… Sie sind da… Sie sind da…“
„Akane, es ist gut. Ich bin ja da. Höre auf meine Stimme. Ich bin da.“
Sie sah mich an, aus geröteten Augen. „Akira. Ich kann es nicht verhindern. Es geht einfach nicht. Sie kommen und werden ihn holen. Einfach so holen. Und dann radieren sie ihn aus, einfach so.“ Wieder sah sie zu Boden, schluchzte und begann erneut zu weinen.

Nun, man konnte sagen, dass ich manchmal etwas langsam war, wenn es ums kombinieren ging, also dauerte es etwas bis ich begriff, dass sie keinen normalen Anfall hatte. Etwas, oder noch besser jemand hatte eine unglaubliche Angst in ihr geweckt. Und diese Angst tobte jetzt in ihr. Fraß sie auf.
„Akane. Ich bin doch da. Ich bin doch hier.“
„Warum muß er sterben? Er hat doch nichts getan! Er hat doch nichts getan!“
Wieder schluchzte sie, wurde außerdem von einem Hustenreiz erschüttert.
Ich schwieg betreten. Ich wollte sie in die Arme nehmen, wiegen und trösten, wie ich es so oft getan hatte, damals, als sie nur drei Menschen in ihrer Nähe erlaubt hatte – merkwürdigerweise nur Männer – aber ich konnte es nicht. Ich selbst verspürte Angst, tiefgründige, elementare Angst. Dieses Gefühl ging von Akane aus, griff auf mich über und ließ meine Hand zurückzucken als hätte ich sie auf etwas Heißes gelegt.
„Sie sind da. Sie sind wieder da. Sie sind wieder da und diesmal werden sie bleiben. Die Youmas kommen, Akira.“
Ich spürte wie mir ein Stich durch das Herz fuhr, wie meine Lungen sich weigerten Luft aufzunehmen. Wie mein Magen sich umdrehte und das Abendessen, Mittag, Frühstück und noch drei weitere Tage wieder hinaus befördern wollte. Youmas.
Ich kannte sie nur aus Akanes Erzählungen, aber ich wusste dass ihr Schicksal und das der Bestien untrennbar miteinander verknüpft waren. Wir hatten keinen Beweis für ihre Existenz, nur Akanes Misshandlungen und ihre ängstlichen Berichte. Nach ein paar Jahren hatten wir es abgetan und sie hatte die Youmas fast schon vergessen.
Nun aber brach sie zusammen und fürchtete sich vor ihnen. Hieß das, sie wurden aktiv? Erkannte Akane das durch ihre Affinität?
„Sie werden ihn holen. Und ich kann ihn nicht retten…“

„Akira!“ Makoto kam ins Zimmer gestürzt. „Wie schlimm ist es?“
„Die Youmas aus ihren Erzählungen. Sie werden aktiv.“
„Was, bitte? Wir waren uns doch einig, dass diese Geschichten auf die Folterungen zurückgehen und ihr eingeredet wurden!“
„Ihr wart euch einig“, erwiderte ich ernst.
Makoto warf mir einen zweifelnden Blick zu, dann hockte er sich neben Akane, zwang ihre Arme auseinander und richtete die vollkommen verkrampfte Frau auf. Sie leistete hartnäckig Widerstand, aber als ihre Hände auf seiner Hüfte ruhten, stürzte sie vor, umarmte ihn und weinte ungehemmt weiter.
„Die Youmas“, hauchte sie schließlich. „Die Youmas sind eine Waffe der Kronosier. Sie haben Menschen gesucht, Menschen, die sie mit den Youmas infizieren können. Ich erinnere mich jetzt daran. Sie haben Menschen gesucht, die ihnen einen Körper geben können. Bei mir hat es nicht geklappt.
Die Menschen verwandeln sich oder sterben wenn es nicht klappt, aber ich habe meinen Youma zerstört.“ Sie schluckte hart. „Sie wollten wissen wieso und haben mich untersucht, mir den Schlaf entzogen, mich gequält und analysiert. Und als sie zu keinem Ergebnis kamen haben sie mich in das Höllenloch gesteckt und auf Eis gelegt, damit ich später noch zur Verfügung stehe.“
Die Tränen endeten. Aus der schmerzverzerrten Miene wurde ein Lächeln. Ein abartiges, böses Lächeln von einer Schwärze, wie ich es nie zuvor gesehen hatte. Sie lächelte, während ihre Stirn auf Makos Brust ruhte. Und sie baute ihre Aura-Kraft auf.
„Aber was sie nicht wussten ist, dass es seither eine Verbindung gibt, zwischen den Youmas und mir. Dass ich sie spüren kann. Dass ich sie sehen kann.“
Die Aura wurde stärker, nahm die Form eines aus tausenden Farbpartikeln bestehenden Glitters an, der sie umfing, umwirbelte und einschloss. Der Glitter wurde dichter und die beiden Menschen verschwanden darin.
„Ich musste mich nur erinnern. Einfach nur erinnern.“

Es gab einen Lichtblitz, von dem ich mich abwenden musste.
Als ich wieder sehen konnte, erstarrte ich.
Akane stand. Ihre Augen waren noch immer gerötet, aber ihr Blick war hart und ernst.
Sie trug nun ihre Aura-Rüstung. Nein, das war nicht die Aura-Rüstung. Es war eine Uniform, wie ein Mann sie zu einer Gala tragen würde. Ein grünes Schmuckstück mit Tressen, goldenen Knöpfen und Bändern, gekrönt von einem langen, dunkelgrünen Umhang, dessen Saum fast bis zum Boden ging.
Sie sah auf und fixierte meinen Blick. „Akira, bitte. Lass mich heute deine Fairy sein. Lass uns nach Tokio fliegen und lass uns ihn retten. Bitte.“
Hinter ihr kniete Makoto am Boden. Erschrocken legte er eine Hand vor seine Brust und zog mit der anderen den viel zu kurzen Rock vor seinen Schritt. „Warum muß ich eine Aura-Uniform tragen? Und warum ist der Rock so kurz? Akane-chaaaaaaaan!“
„Hey“, scherzte ich, „die Uniform steht dir aber.“
„Das ist mir egal. Hauptsache meine Schwester sieht mich so nicht, sonst macht sie wieder eine Modenschau mit mir. Akira, hilf mir!“
„Die Rüstung wird von selbst verschwinden. So in ein, zwei Stunden oder Tagen“, kommentierte Akane mit dem Anflug eines Lächelns. „So lange musst du eben durchhalten.“
„Tage? TAGE? Akiraaaaaa!“
„Ich muss leider los. Die Fairy Akane Kurosawa hat einen Noteinsatz beantragt und ich habe ihn soeben genehmigt. Wir fliegen sofort.“
„Du bist so gemein, Akira!“
„Wieso gemein? In einer Fairy-Kampfrüstung bist du sicherer als in einem Stahlkasten mit zwanzig Zentimeter dicken Wänden. Das hat zumindest mein Stabschef zu mir gesagt, ein gewisser Makoto Ino.“
„Fieser Kerl“, murrte Mako und sah weg.
Ich grinste schief. „Gehen wir, Akane.“
**
Nach einigen erklärenden Worten an meine aufgeschreckte Akuma-Gumi, und einem sehr knappen Bericht an Vater, war ich mir bei zwei Dingen sicher. Erstens, dass Makoto einige schwere Stunden vor sich hatte. Ich hatte ihn nicht verraten, aber mir schien es manchmal, als ob die Mädchen einen hübschen Bengel riechen konnten, der in einer peinlichen Situation gefangen war.
Und zweitens, dass mein Mecha kampfbereit war.
Zumindest Ding zwei bestätigte sich schnell. Mein mächtiger Hawk-Mecha stand bereit, mit einladend geöffneter Cockpitluke.
Ich hatte mir nicht die Zeit genommen, einen Druckanzug anzulegen und Akane war mit ihrer Aura-Rüstung mehr als ausrechend geschützt.
Aber den Helm, den mir der ältere, weißhaarige Techniker zuwarf, brauchte ich dringend.
Der Helm war schwarz und mit drei großen, stilisierten blauen Blitzen überzogen. Mit ihm würde ich die Funktionen von Blue Devil effektiv kontrollieren können.

Die kurze, aber heftige Diskussion hatte dazu geführt, dass ich mich gegenüber meinem Team durchgesetzt hatte. Es würde nur ein Hawk gehen und versuchen die Hauptstadt Japans zu erreichen. Ein Hawk würde schon mehr als nötig auffallen, ein halbes Dutzend aber würde nicht übersehen werden können.
Dennoch verfolgte ein Teil meiner Truppe unseren Abflug. Yoshi und Yohko übrigens nur, weil sie ohnehin im Hangar gewesen waren. Oh, ich fragte mich wirklich, was die beiden miteinander anstellten, jetzt wo die Katze – also ich – aus dem Haus war.
Und schalt mich einen Narren, weil es mich eigentlich überhaupt nichts anging und mir eigentlich offiziell gefiel. Zu gefallen hatte. Immerhin war Yoshi mein bester Freund.
„Aoi Akuma, ich halte meinen Hawk in Bereitschaft, okay? Ich kann in zwei Stunden da sein, wenn du mich brauchst“, bot Daisuke an.
„Geht in Ordnung.“
Ich verschloss das Cockpit, gurtete mich fest, aktivierte die Anschlüsse und bestätigte die Einsatzbereitschaft. Ein Schlitten fuhr Blue Devil bis an den Energieschild, der das Vakuum daran hinderte, die Luft aus dem Hangar zu saugen. Von dort war es nur ein kurzer Schritt, und das Gefühl des Fallens griff nach Akane und mir.
Gemeinsam stürzten wir in die Tiefe. Dreihundert Meter unter OLYMP zündete ich die Beindüsen, korrigierte den Kurs und beschleunigte zum Parabelflug nach Japan.
**
Auf so etwas musste man erst einmal kommen. Einfach die U-Bahn nehmen, was für eine simple und effektive Idee. Da die Züge in Zehn Minuten-Takt fuhren, hatte der Geheimdienstmann nach einer nervenaufreibenden Wartezeit von drei Minuten einen passablen Vorsprung herausgeholt. Nun war es nicht mehr weit bis zu einer Einrichtung des japanischen Geheimdienstes, von der aus seine wichtige Meldung weitergegeben werden konnte.
Er verließ die Bahn an der richtigen Haltestelle, sprang beinahe beschwingt die Stufen hinab und machte sich schnell, aber ohne Hast auf den Weg.
Und geriet von einem Dilemma ins nächste.
In der Nebengasse, die er als Abkürzung hatte nehmen wollen, standen sich zwei Männergruppen gegenüber. Sie schienen einander mehr als feindlich gesonnen zu sein. Sprich: Ein Haufen Yakuza war kurz davor, einander an die Kehle zu gehen.
Nein, hier konnte er nicht lang! Er musste den langen Weg nehmen, über die Hauptstraße, um den Block. Er wollte sich umdrehen, aber sein Körper ließ sich nicht drehen. Er sah an sich herab und bemerkte verwundert, dass er in der Luft hing. Aus seiner Brust ragten vier lange, schwarze Dinger hervor, die irgendwie wie lange Fingernägel wirkten. Oder zurecht geschnittene Holzpfähle. Blut sickerte an den Stellen, an denen die Fingernägel austraten aus seinem Körper.
Er keuchte erschrocken auf. Dann wandte er schwerfällig den Kopf und sah in das diabolisch grinsende Gesicht einer menschlichen Karikatur.
Eine von denen! Eine dieser entsetzlichen Gestalten! Wie hatte sie ihn so schnell finden können? Und wie hatte sie ihn töten können? Vorbei? Sein Auftrag war zu Ende? Nein, das konnte nicht sein! Das durfte nicht sein!
Wütend heulte er auf, griff nach den schwarzen Pfählen und versuchte, sich von ihnen wieder herab zu schieben.
Als Antwort bohrten sich weitere Pfähle in beide Beine. Diesmal spürte er es und schrie auf vor Schmerz.
Die Yakuza waren aufmerksam geworden. Sie ließen voneinander ab, musterten erschrocken und entsetzt die Szene.
„Ihr seid nett. Versammelt euch auf einem Fleck, damit ich ein wenig Kraft tanken kann“, säuselte die schwarze Kreatur. Die Augen versanken in einem grellen gelben Nebel, der heraus trat, nach den Yakuza griff und sie einen nach den anderen auf die Knie schickte.

Der Geheimdienstmann begriff. Der Youma erntete. Er zog den Yakuza KI ab.
Allen bis auf einen. Dieser schoss heran, machte einen Sprung an die nächste Mauer, stieß sich von ihr ab und fuhr zwischen ihm und dem Biest zu Boden.
Kurz darauf heulte die Kreatur auf und er fiel haltlos.
Bevor er aber hart aufprallen konnte, hatte ihn der schwarze Schemen aufgefangen.
Er sah auf, blickte in das schmale, ernste Gesicht eines schwarzhaarigen, großen Mannes, der in der Rechten ein glühendes Katana trug. „Was ist das für eine Kreatur?“
Er spürte, wie sich seine Hände um das schwarze Sakko des Yakuza verkrampften. „H-hör zu! Das ist wichtig…“
„Nicht reden, Junge. Du wurdest schwer verletzt.“
Hinter ihnen rappelten sich die Gangster auf. Die, die es konnten, flohen in blinder Panik in die andere Richtung davon.
„M-mein Name ist Gun-so Inari. Ich bin… vom freien japanischen Geheimdienst. Bitte… Dieser Datenträger muß zu Aoi Akuma… Zu Eikichi Otomo… Wenn du diese Welt liebst…“
Die Augen des jungen Geheimdienstmannes brachen.

Der Yakuza ließ ihn sanft zu Boden gleiten und nahm ihm den Datenstick aus der Hand. „Es muß verdammt ernst und eilig sein, wenn die Kronosier so was auf die Menschheit los lassen.“
Sanft legte er die Hand auf die Augen des Gun-sos und schloss sie. „Ich werde deinen Auftrag für dich ausführen. Du kannst in Frieden ruhen. Du hast den richtigen gefunden.“
„MEINE HÄNDE! DU ERBÄRMLICHER MENSCH! MEINE HÄNDE!“
Die Hände des Youmas regenerierten sich, während sich die schwarzen Fingernägel im Leib Inaris auflösten.
Damit griff der Youma an. Der Yakuza wich wie spielerisch aus und hob wieder die Klinge. Sie glühte erneut vor KI auf.
„Ob ich erbärmlich bin oder du, das wird sich jetzt zeigen.“ Er kniff die Augen zusammen und stürmte vor. Direkt auf den Youma zu, der die Hände seinerseits zum Angriff nach vorne stieß.

4.
„Chiba!“
Der glatzköpfige Mann undefinierbaren Alters schien direkt aus der Wand zu entstehen. Hitomi hatte es bereits ein paar Mal erlebt, aber sie erschrak immer noch bei diesem Anblick.
Der Yakuza verbeugte sich leicht. „Ataka-sama.“
„Wenn Seto-san sich ausgeruht hat, brechen wir sofort auf. Sag der ganzen Gruppe Bescheid. Sie sollen die Hauptstadt sofort verlassen und bei der Ortsgruppe in Kyoto untertauchen, bis ich Entwarnung gebe.“
Chiba runzelte die Stirn. Eine Regung, die Hitomi an diesem Mann für höchst ungewöhnlich hielt. Hätte nicht die fehlende Fingerkuppe am Ringfinger darauf hingewiesen, dass dieser Mann erstens Yakuza und zweitens nicht unfehlbar war, hätte sie ihn am ehesten mit einem Soldaten des englischen Black Watch verglichen, einer Einheit von der man sagte, dass ihre Mitglieder im Wachdienst bessere Statuen waren. Also musste er in heller Aufregung sein, oder was Hitomi für wahrscheinlicher hielt, in Panik.
„Beginnen wir den Kampf, Ataka-sama?“
Doitsu Ataka schüttelte ernst den Kopf. „Nein, Chiba. Diese Chance haben wir verpasst. Die Gruppe soll sich vorerst auflösen, wir werden später versuchen, gegen die Kronosier zu kämpfen. Gib auch den Schachhöllen Bescheid. Sie sollen vorerst geschlossen werden, das Personal untertauchen.“
Nun wurden die Runzeln in Chibas Stirn noch tiefer. „Entschuldigen Sie meine dreiste Frage, Ataka-sama, aber gibt es Probleme mit dem Haupthaus?“
„Großonkel billigt mein Tun noch immer, auch wenn er es offiziell verurteilt. Nein, die alten Männer sind nicht unser Problem.“ Doitsu Chiba deutete mit einer hilflosen Geste auf Hitomi Seto, die erschöpft und zerschlagen auf dem Futon vor Doitsu lag.
Sie transpirierte stark, hatte sich bereits mehrfach übergeben, aber es ging ihr von Minute zu Minute besser. Verschwand der Albtraum, in dem sie so lange gefangen war, mehr und mehr. Wurde sie wieder sie selbst.
Und deshalb wurde sie ein Problem für Ataka-sans Gruppe?

Sanft strich Doitsu ihr über die schweißbedeckte Stirn. Dann fasste er ihr ins Kreuz und richtete sie ein wenig auf und flößte ihr kalten Tee ein.
Hitomi trank gierig, aber der Yakuza achtete darauf, dass sie sich nicht verschluckte.
„Ich… Problem?“, ächzte Hitomi mit rauer Stimme.
„Leider ja, Seto-san.“ Doitsu atmete schnaubend aus. „Ich habe es nicht gewollt, aber ich habe mich wohl direkt mit dem Legat angelegt. Nun bleibt ihnen gar nichts anderes übrig, als sich um mich und meine Leute zu kümmern. Und das bedeutet Krieg. Krieg, der vielleicht sogar die Gruppe von Großonkel Shinnousuke erfassen wird.“ Doitsu lachte rau auf. „Es würde mich nicht wundern, wenn sie diesen Anlass zum Vorwand nehmen, um die unbequeme und wehrhafte Yakuza-Gruppe doch endlich auszuradieren und unser Territorium einer gefälligeren Gesellschaft überantworten. Daran will ich nicht Schuld sein.“
Doitsu half ihr dabei, sich wieder hinzulegen. „Ruh dich noch ein wenig aus, Seto-san. Die nächsten Tage werden schwer und ich kann dir nicht versprechen, dass wir beide überleben. Aber jetzt sind wir so weit gekommen, ich werde tun was immer ich kann, damit wir es dennoch schaffen.“
„I-ist…“, hauchte Hitomi beinahe unhörbar. Dann sackte sie weg und war eingeschlafen.
Leise verließen die beiden Yakuza den Raum.
**
Mamoru Hatake erwartete Doitsu bereits. Er spielte mit der Sicherung seiner Beretta 92F, schob sie hoch und runter, hoch und runter.
„Also, erklär mir das noch mal, Kleiner“, sagte der Geheimdienstoffizier, während hinter ihm bei den anderen Mitgliedern der Gruppe organisiertes Chaos ausbrach, nachdem Chiba die Entscheidung des Anführers bekannt gegeben hatte.
„Du hast dich also einem dieser Youmas gestellt und hast ihn vernichtet?“
Doitsu Ataka lächelte dünn. Er schob seine Brille die Nase hinauf, dabei entstand ein spiegelnder Reflex auf den Gläsern, der Mamoru kurz blendete.
„Das ist durchaus richtig, mein lieber Captain Hatake. Ich habe mich einem Youma gestellt. Ich habe mit ihm gekämpft. Und ich habe gewonnen.“
„Okay, in Ordnung. Glaube ich dir, weil du noch hier stehst. Kannst du mir das wie vielleicht mal etwas näher bringen?“
Doitsu nickte. Er ging zur nahen Wand und ergriff das Katana, welches dort griffbereit für ihn lehnte. Er zog die Klinge blank, konzentrierte sich und ließ weißes Feuer über das Metall wandern. „Das, Hatake-san, ist KI. Genauer gesagt mein KI. Youmas sind im Prinzip nicht viel anders als KI. Der Rest ist Geschichte.“
„Moment mal. Bevor du mir hier Bohnen für Erbsen verkaufst, du hast dein Schwert mit deinem eigenen KI überzogen und damit den Youma bekämpft? Und du hast gewonnen?“
Doitsu lächelte diabolisch. „Das ist richtig. Hatake-san, ich werde seit meinem fünften Lebensjahr darin ausgebildet, mein KI für den Kampf zu benutzen. Wenn du so willst, bin ich ein KI-Meister. Einer der besten. Der allerbesten. Als sich der Youma mit mir angelegt hat, konnte er nicht wissen, dass mein KI besser trainiert und mein Können besser ausgefeilt ist. Das ich ihm in jeder Hinsicht überlegen war.“

Mamoru überprüfte den Ladezustand seiner Waffe und steckte sie in das Schulterholster unter seiner Lederjacke.
„Okay, akzeptiert und verstanden. Aber jetzt kommt die Preisfrage: Wie kommst du an dieses Mädchen?“
Doitsu seufzte gequält auf. Seit er mit der nackten, ohnmächtigen und zudem blutüberströmten Hitomi Seto im Versteck der Yakuza angekommen war, hatte er genau das zehnmal erklärt. Und jedes Mal schienen die Leute weniger zu verstehen.
„Sie war der Kern des Youmas. Der Youma selbst bestand fast vollständig aus geraubtem KI. Aber damit dieses geraubte KI funktionieren konnte, damit es eine Waffe sein konnte, brauchte es ein menschliches Gehirn, wenn du so willst. Das war Hitomi.“
„Aha. Und nachdem du den Youma bis an den Rand der Vernichtung gebracht hattest, versuchte er zu fliehen und du konntest ihn außerhalb von Seto-san zerstören.“
„Genau so.“
„Und warum war sie nackt?“
„Weil ich keine Klamotten zum wechseln für sie dabei hatte“, brummte Doitsu ärgerlich. Das hatte er auch mindestens zehnmal erklären müssen. Außerdem war sie gar nicht nackt gewesen. Er hatte sie in sein Jackett eingehüllt, immerhin ein Armani.
„Okay“, verkündete Mamoru und stand auf, „ich denke, ich habe es kapiert.“
Doitsu Ataka atmete sichtlich erleichtert auf. „Schneller als erwartet.“
„Na danke für die Blumen. Und, was machen wir jetzt?“
„Ich löse meine Gruppe vorerst auf. Die Kronosier werden sehr schnell herausfinden, dass einer ihrer Youmas zerstört wurde. Und sie werden ebenso schnell herausfinden, dass ich damit zu tun hatte.“ Doitsu senkte den Blick und steckte das Katana zurück. „Meine Leute sind in Kyoto hoffentlich vorerst sicher. Außerdem hoffe ich, dass die Kronosier die Hauptgruppe in Ruhe lassen werden, wenn sie mich nicht fassen können.
Was uns übrigens zu dir bringt, Captain.“
Mamoru Hatake grinste schief. „Die letzten zwei Stunden waren nicht vergebens, Doitsu Ataka. Ich habe über meine Kanäle Kontakt bekommen können. Die Antwort kam vor zehn Minuten. Wir haben Rendezvous-Daten: Ort, Zeit und weitere Anweisungen. Dort wird man uns abholen.“
„Okay. Ich nehme an… UNS?“
Mamoru zuckte die Achseln. „Denkst du, ich kann hier mit meiner Kommunikation spielen und im Land bleiben? Natürlich komme ich mit. Erstens können wir Seto-san zu zweit besser beschützen. Und zweitens werde ich der meistgejagte Mann Japans werden, wenn ich bleibe. Nein, danke, keine Lust. Nicht schon wieder.“
„Ich dachte Akira ist der meistgejagte Mann Japans.“
„Das ist in vielen Ländern so“, erwiderte Mamoru schmunzelnd.
Doitsu nickte verstehend. Trotz aller Differenzen, trotz der unterschiedlichen Welten, in denen sie lebten, betrachtete er Akira Otomo dennoch als Freund, als sehr guten Freund.

„Wann müssen wir aufbrechen? Sofort?“ Doitsu sah auf die Wand, hinter der Hitomi auf ihrem Futon schlief.
„Du kannst sie noch etwas schlafen lassen. Wir haben drei Stunden Zeit, um hinzukommen. Anders ausgedrückt, wir sollten so lange wie möglich hier bleiben, damit uns die Kronosier so wenig wie möglich ins Visier nehmen können.“
„Ist ein Argument.“
„Oder so gesprochen, dass du es auch verstehst, entweder klingelt in hundert Minuten für Hitomi-chan der Wecker, oder die Kronosier klopfen vorher an.“
„Hat dir schon mal jemand gesagt, dass du eine wundervolle blumige Sprache hast, Mamoru Hatake?“, spottete Doitsu grinsend.
„Nach Yoshi eigentlich keiner mehr.“
**
Dankenswerterweise wurden sie die hundert Minuten in Ruhe gelassen, aber dennoch bestand die Möglichkeit, dass das sichere Gebäude längst observiert und für den Sturm vorbereitet wurde.
Dem trugen die Yakuza Rechnung. Im Keller öffneten sie den Zugang zu einem alten Wasserkanal. Doitsu, Hitomi und Mamoru würden nach Norden fliehen, die Gruppe nach Süden.
„Nein, Chiba. Du kannst nicht mit. Die Anweisungen waren eindeutig.“
Der glatzköpfige Mann schien pikiert. „Ataka-sama. Ich will nicht mit evakuiert werden. Ich will Ihnen den Rücken decken.“
„Eine schlechte Idee. Du würdest dabei sterben. Und ich brauche dich später noch lebend. Wenn wir die Gruppe wieder zusammen bringen und den Kronosiern mächtig in den Arsch treten.“
„Gibt es ein später?“, fragte der Ältere bitter.
Hitomi erschrak. Das war die heftigste Gefühlsreaktion, die sie je an diesem Mann gesehen hatte. Sie hatte eine solche Tiefe seiner Gefühle für unmöglich gehalten.
„Ist Akira Otomo ein kläglicher Versager im Schach?“
Chiba schmunzelte leicht. Doch als er diesen schweren emotionalen Ausfall bemerkte, räusperte er sich verlegen. Dann neigte er das Haupt. „Ataka-sama. Hatake-sama. Seto-o-jou-sama. Viel Glück und auf Wiedersehen.“

Die drei jungen Menschen sahen Chiba und den anderen Yakuza eine Zeitlang nach. Dann setzten sie sich ebenfalls in Bewegung.
„Hast du das Haus eigentlich vermint?“, fragte Mamoru beiläufig. „Falls sie uns verfolgen wollen.“
„Natürlich habe ich das Haus vermint“, erwiderte Doitsu mit einem dünnen Lächeln. „Und wenn die Kronosier die Minen nicht auslösen, geht die Hütte in zehn Minuten dennoch hoch, um unsere Spuren zu verwischen.“
Leiser Donnerhall, der durch den Gang kam, gefolgt von einer schwachen Druckwelle, folgte seinen Worten.
„Diese Kronosier. Können keine zehn Minuten warten“, kommentierte Mamoru zynisch.
Er sah Hitomi an. „Seto-san. Rauf auf meinen Rücken.“
„I-ich kann alleine gehen.“
„Ja, in Ordnung, doch wir müssen laufen. Also zier dich nicht lange. Ich trage dich.“
Doitsu fackelte nicht lange und half der jungen Frau auf Mamorus breiten Rücken. „Ich löse dich in fünf Kilometern ab, okay?“
„Einverstanden. Und, wo müssen wir hin?“
Doitsu begann zu laufen, der Geheimdienstmann hielt problemlos mit.
„Am frühen Morgen soll der Ausblick vom Tokio Tower wirklich wunderbar sein.“
„T-TOKIO TOWER? Da kommen wir doch nie wieder weg, wenn wir erstmal drin sind!“
„So lauten die Anweisungen. Sie sind von Akira.“
Hatake grunzte misstönend. „Es fällt mir schwer zu glauben, dass sich Aoi Akuma diesmal was bei der Anweisung gedacht hat. Da werden wir wie auf dem Präsentierteller sitzen. Aber leider habe ich keine bessere Idee.
Scheiße. Zwei Tage im Land und ich muß es schon wieder verlassen. Hauptsache nicht mit den Füßen voran.“
**
Entsetzt starrte Hilmer Bont auf die eintreffenden Nachrichten aus den Vororten und der Innenstadt. „D-das geht zu weit! Legat Scott, wir verursachen einen Aufruhr, den die Leute nie vergessen werden! Ihre Youmas wüten in der Stadt so vehement, dass…“
„Halten Sie die Klappe, Hilmer!“, blaffte Gordon Scott wütend. Müde fuhr sich der Vierte Legat mit beiden Händen über sein Gesicht. „Ich habe Mist gebaut, das weiß ich selbst. Aber Sie haben damit angefangen! Es waren Ihre Leute, die den Spitzel eingestellt haben. Es waren Ihre Leute, die ihn nicht enttarnt und verdammt noch mal nicht aufgehalten haben! Sie wissen, was der Bursche entdeckt hat und wie wichtig es ist, dass diese Information Eikichi Otomo nicht erreicht! Mag sein, dass ich es mit drei Youmas übertrieben habe. Mag sein, dass ich es noch untertrieben habe!“
Wütend ließ der Legat seine Faust auf den Tisch niederfahren. „Ich hätte alle fünf losjagen sollen!“
Bont schüttelte sich. Was für eine Horrorvision. Fünf von diesen Bestien, auf der Jagd nach dem Agenten, wahrscheinlich einem Mann des Freien Japanischen Geheimdienstes, losgelassen von der Leine. Wie sie in der Stadt wüteten. In den Vororten. Sich KI einverleibten wie immer sie wollten.
Und dabei auch noch eine Spur der Verwüstung hinterließen. Neben Dutzenden komatösen Menschen.
„Wissen Sie, warum ich das Youma-Projekt auf den Mars verlegt habe?“, fragte Scott ruhig, beinahe gelassen. „Ich wollte die Youmas als Geheimwaffe bewahren. Sie sollten uns in schwierigen Zeiten helfen. Zeiten wie diesen. Sie sollten dann unsere Trumpfkarte sein, die uns vielleicht den Arsch rettet.“ Der Legat atmete schwer aus. „Und vor allem sollte niemand in der Lage sein, Daten über meine Youmas zu sammeln! Ich wollte nicht, dass irgendjemand eine Abwehr gegen sie entwickeln kann. Jede Waffe, die auf dem Schlachtfeld auftaucht wird irgendwann gekontert.
Und was muss ich sehen?“
„Was?“, fragte Hilmer Bont pflichtbewusst.
Scott deutete auf einen der Monitore. Das Signal von Youma drei war verschwunden.
„Es gibt bereits jemanden, der in der Lage ist, einen Youma zu vernichten. Wenn er dieses Wissen weitergibt, dann ist unser Trumpf wertlos! Dann sind acht Jahre Forschung, acht Jahre Tora in den Arsch kriechen vollkommen umsonst gewesen! Und das will ich nicht!“

Gordon Scott schwieg nun einige Zeit, rieb sich die Schläfen und schien intensiv nachzudenken.
„Legat, wegen den Youmas…“
„Wir lassen auch die anderen beiden von der Leine. Außerdem mobilisieren Sie alle Truppen, die wir im Großraum Tokio haben. Ich will die Informationen von diesem Agenten wieder haben. Und ich will verdammt noch mal, dass der Kerl, der einen meiner Youmas erledigt hat, stirbt! Koste es was es wolle!“
Bont versteifte sich. „Jawohl, Sir.“
Nun hatte er seinen Widerstand aufgegeben, das Schicksal der Stadtbevölkerung komplett zurückgestellt. Es hieß ab jetzt gemeinsam überleben oder gemeinsam fallen.

5.
Als die drei Menschen auf den Tokio Tower zuhetzten, geschah das nicht unbemerkt. Irgendjemand schien so schlau gewesen zu sein und eine Fahndung ausgeschrieben zu haben. Polizisten liefen auf sie zu, gingen aber in Deckung, als Mamoru das Feuer auf sie eröffnete.
Hitomi knickte kurz ein, fiel zu Boden, rappelte sich aber mit Doitsus Hilfe wieder auf.
„Schnell, wir haben nicht einmal mehr zehn Minuten!“
„Sollte eigentlich reichen!“, erwiderte Mamoru stoßweise, ließ ein leeres Magazin aus seiner Waffe schnellen und legte ein neues ein.
Sie erreichten den Treppenaufgang, Mamoru benutzte seine Waffe als Schlüssel für das Schloss und gemeinsam sprinteten sie den Turm hinauf.
„Ein Punkt für Akira Otomo. Dass wir hier rauf flüchten haben sie nicht geahnt. Wir haben freie Bahn, Yakuza.“
„Ja, freie Bahn direkt in die Falle, Spion!“
„Könnt ihr das sticheln sein lassen? Sie kommen uns hinterher, und ich werde ihnen bestimmt nicht mehr in die Hände fallen!“ Hitomis Stimme klang ernst, viel zu ernst. Auch als sie nach der dritten Treppe in den Knien einbrach, versuchte sie weiter voran zu kommen.
Doitsu und Mamoru verständigten sich mit einem schnellen Blick, dann griff je einer nach einem Arm der jungen Frau und halfen ihr beim Treppensteigen.

Auf der ersten Plattform erwartete sie tatsächlich ein Sicherheitsmann mit Schlagstock, aber im direkten Vergleich mit der Beretta in Mamorus Hand schloss er sehr kläglich ab. Kläglich genug um Fersengeld zu geben.
Sie hetzten weiter, erreichten die Treppe zur zweiten Plattform.
„Noch vier Minuten! Schneller, verdammt!“
„Lauf lieber mehr und rede weniger, Spion“, versetzte Doitsu wütend.
Hinter ihnen öffnete sich ein Fahrstuhl und spie ein Rudel Soldaten aus. Gut organisierte und gut bewaffnete Elitetruppen.
„Die fahren bestimmt auch auf die zweite Plattform“, kommentierte Mamoru ernst. „Wie gut ist dein KI, Kumpel?“
Doitsu grinste amüsiert, ließ Hitomi los, die nun vollends gegen Mamoru sackte und sprintete die Treppe hoch. Es wirkte als würde ein Kugelblitz vor ihnen davon huschen.
Mamoru drängte weiter, mit der Waffenhand nach hinten sichernd. Aber noch waren ihnen die Soldaten aus dem Fahrstuhl nicht auf den Fersen. Eventuell begnügten sie sich aber auch damit, die untere Plattform abzuriegeln. Vielleicht waren sie sich sicher, die drei Menschen in der Falle zu haben.

Sie erreichten die zweite Plattform. Ein genüsslich grinsender Doitsu saß auf einem Stapel stöhnender Soldaten. „Sie sind nicht schlecht ausgebildet. Nur ein wenig langsam.“
„Wie nett.“ Mamoru richtete seine Waffe auf das nächste Fenster und schoss. Die Scheibe zersprang in tausend Scherben, die gen Boden regneten. „Hier geht es weiter.“
„Ich wusste doch, dass es nicht einfacher wird“, brummte Doitsu missmutig.
Er lief zur Scheibe, sprang und schwang sich auf das Dach der Aussichtspromenade. Dann hielt er seine Hand hilfreich nach unten. Zuerst griff Hitomi zu; mit Leichtigkeit zog er die junge Frau in die Höhe.
Danach war Mamoru an der Reihe.
„Was ist? Warum ziehst du nicht? Fehlt dir die Kraft?“
„Das ist es nicht. Aber ich glaube, es macht wenig Sinn, sich noch groß anzustrengen“, erwiderte der Yakuza ernst.
Mamoru kämpfte sich nach oben und sah die Bescherung. „Oh.“
„Ja, oh. Wir wären besser unten geflohen. Aber nein, Akira schickt uns auf den Tokio Tower. Mitten auf den Präsentierteller. Was denkt er sich dabei?“
„Immerhin, er hat sich was dabei gedacht“, erwiderte Mamoru.

Daishis strömten in Richtung Tokio Tower, mindestens eine Kompanie. Dagegen konnten sie sich nicht wehren, nicht ohne Hawks, am liebsten ein halbes Dutzend oder mehr. Dennoch grinste der Geheimdienstmann. „Zehn Sekunden.“
„Was meinst du mit zehn Sek…“, begann Doitsu, verstummte aber wieder, als der erste Daishi durchsackte und gen Boden fiel.
Ihm folgte schnell Nummer zwei, Nummer drei wurde von einem Schwarm Raketen eingehüllt.
Dann war da dieser mächtige blaue Hawk. Er schoss zwischen den Kampfmaschinen der Kronosier hindurch, drehte sich im Flug und feuerte erneut. Danach umrundete er einmal den Tower, schluckte schweres Feuer vom Boden und von den Daishis, aber das schien ihm nichts auszumachen, ja nicht mal zu berühren. Das ließ auf eine Fairy schließen, zudem eine sehr fähige.
Schließlich schoss der Hawk auf sie zu. Direkt auf sie. Ohne abzubremsen. Ohne Rücksicht auf Verluste.
**
„Toller Plan, Akira! Wirklich toller Plan!“, blaffte Doitsu entrüstet.
„Hör auf zu nörgeln! Es ist schwierig genug, mit Blue Devil die Linien der Kronosier zu durchbrechen, wenn ich auf mein Herkules-Schwert verzichten muß! Weil ihr drei in den Händen sitzt!“
„Ja, danke für den phantastischen Platz“, fiel Mamoru ein. „Etwas Schrapnell und wir sind Geschichte!“
Akira seufzte. „Willst du dazu auch noch etwas sagen, Hitomi-chan?“
„Du hast mich erkannt? Unmöglich, ich…“
„Nicht ich habe dich erkannt. FESTHALTEN!“
Der Hawk flog ein gewagtes Manöver, die drei Menschen in den voll modellierten Händen hatten Mühe, an ihren Plätzen zu bleiben. Akira tauschte Raketenfeuer mit einem Gegner aus, konnte aber nicht vermeiden dass drei Raketen weiterhin auf Blue Devil zuhielten.
Kurz entschlossen fing er sie mit dem Schulterschild der rechten Seite ab.
„Da hast du dein Schrapnell, Mamoru!“
„Sehr komisch.“
„Wer hat mich denn nun erkannt?“
„Ich war das. Hallo, Hitomi. Und willkommen zurück im Leben. Deine Zeit als Youma ist vorbei und wird auch nie wiederkehren, solange ich etwas dagegen tun kann.“
„Akane-sempai?“ Die junge Frau brach in Tränen aus. „AKANE-SEMPAI!“
„Das wird ja ein freudiges Wiedersehen“, murmelte Akira. „Okay, die Akuma-Gumi und zwei Kompanien der Hekatoncheiren erwarten uns über internationalem Gewässer. Wenn wir es bis dahin geschafft haben, sind wir sicher. Und wir kriegen einen Mörder-Geleitschutz bis zum OLYMP.“
„Akira, es gibt da etwas was du wissen musst! Falls wir es nicht schaffen musst du es direkt an deinen Vater schicken!“
„Was redest du da? Ihr fliegt mit Aoi Akuma! Das ist besser als ein Dutzend Schutzengel! Natürlich nur bis zu den Hekatoncheiren, dann teile ich euch auf verschiedene Cockpits auf. Ihr wollt sicher nicht ewig in den Händen bleiben und…“
„Akira! Corporal Inari hat sein Leben gegeben für diese Information! Sie muss Eikichi Otomo erreichen! Ich habe es ihm geschworen!“
„Welche Information?“
„Was sagt dir der Begriff Elwenfelt?“

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Angry Eagles

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Anime Evolution: Spiegel

Episode sechs: Stahltag


Prolog: Die Welt liegt im Krieg. Die geheimnisvolle Rasse der Kronosier, von der die Menschen lange glaubten, sie wären aus der Tiefe des Alls zu ihnen gekommen, überzogen die Erde nun schon seit acht Jahren mit Krieg.
Opfer dieses endlosen Krieges gab es zuhauf. Erwähnen kann man einen Menschen, der ein besonders hartes Schicksal hinter sich hat: Der Sohn des Großindustriellen und Kollaborateur Ekichi Otomo.
Akira Otomo hatte sich in den frühesten Tagen mit der Besetzung Japans durch die Kronosier engagiert, und wäre in diesen für ihn jungen Jahren fast getötet worden.
Dies war der Beginn seines ganz persönlichen Kampfs, der ihn bei den Menschen zur Legende und bei den Kronosier zum gefürchteten Feind machte. Aoi Akuma, so wurde er genannt und so wurde er zur Legende.

1.
Seit wir auf den OLYMP gekommen waren, seit Eikichi die Abkehr von den kronosischen Besatzern verkündet hatte, waren die Hekatoncheiren auf Regimentsgröße aufgebläht worden. Es bestand aus dem Gros der alten Hekatoncheiren – nur wenige hatten aus familiären oder persönlichen Gründen die Einheit verlassen – und meiner Akuma Gumi.
Abhilfe für die leeren Plätze boten hier die Mecha-Streitkräfte der Tiger- und der Drachen-Divisionen, welche sowohl Megumi als auch mich für ihre Errettung vor der absoluten Vernichtung bewahrt worden waren. Wir hatten viel versprechende neue Bewerber zusammengefasst und drei Bataillone ausgehoben.
Es lief einfach im Moment und ich war glücklich. Dass dieser Zustand nicht ewig anhalten würde, wusste ich. Weder existierte ein Frieden mit den Kronosiern, noch waren sie zurückgeschlagen; Präsident Daynes war noch immer von Staat und Mandat getrennt; und meine Cousine Sakura Uno kämpfte noch immer mit den abgefallenen Divisionen des Pantheon in den drei himalayanischen Ländern Tibet, Nepal und Shangri-La, während die restlichen kronosianischen Divisionen, die sie einst kommandiert hatte, weiterhin um Süd-Sibirien und Nordchina kämpften.
Dazu kam dann noch die neueste Information, die uns ein japanischer Agent zum Preis seines eigenen Lebens zugespielt hatte. Sie bestand eigentlich aus einem gigantischen Datenblock, den mir letztendlich Doitsu Ataka und Mamoru Hatake zugespielt hatten. Aber man konnte ihn auf ein einziges Wort reduzieren: Elwenfelt.
Ich fühlte mich im Moment so wohl wie schon lange nicht mehr. Mich traf die neueste Entwicklung nicht unvorbereitet, aber ich hatte nicht erwartet, dass es mit dieser schönen Zeit so schnell vorbei sein konnte. Himmel, ich hatte noch nicht einmal die Zeit gehabt, Megumi zu verführen! Und ich wusste, dass ich bei ihr offene Türen eingerannt hätte.
Und das hatte nun alles ein Ende…

„Moment, Moment!“, rief ich und hob abwehrend die Arme. „Ich komme da nicht ganz mit. Ich kann ja verstehen, was du mit den Anelph meinst, und ihrer äußerst sympathischen Vertreterin Ban Shee Ryon an unserem Tisch.“
Die hoch gewachsene Frau lächelte und nickte mir zu. Ihre Anwesenheit auf der Station war nicht nur illegal, sondern für sie lebensgefährlich. Immerhin war sie eine der Anführer der emigrierten Volksgruppe der Anelph, und als diese den Kronosiern in die Hände gefallen. Sie und alle ihres Volkes waren dem guten Willen des Legats ausgeliefert.
„Und mir ist auch klar, was ein Naguad sein soll. Ich meine, irgendeinen Grund müssen die Anelph haben, um ihr Heimatsystem zu verlassen. Und ein galaktisches Imperium in direkter Nachbarschaft, dass auf Unterwerfung aus ist, ist ein guter Grund.“
Zustimmendes Raunen erklang für mich.
„Aber erkläre mir bitte eines, Vater. Warum bin ich auch ein Naguad?“
„Ein HALBER Naguad, mein Sohn. Deine Mutter ist Naguad, ich bin genetisch ein Mensch.“
„Genetisch? Heißt das, hier gibt es noch eine Einschränkung?“, argwöhnte ich und machte mich auf das Schlimmste gefasst.
„Nun, wir Otomos arbeiten schon seit Jahrzehnten mit den Naguad zusammen. Wir bilden ein Team, sozusagen. Aber meine Vorfahren haben sich nicht mit ihnen vermischt.“
„Bis zu mir und Yohko, wie es scheint.“
„Nur, was die Otomos angeht, mein Sohn. Auch Sakura und Makoto sind Halb-Naguad.“
„Und was bedeutet das für uns?“
„Eine Chance, aber dazu später mehr. Zuerst aber wird Admiral Ryon berichten. Bitte, Ban Shee.“
„Danke, Direktor Otomo. Wie die meisten Anwesenden wohl wissen, bin ich weder Terraner
noch Naguad. Ich entstamme der Rasse der Anelph.
Was ich Ihnen jetzt erzählen werde, wird Sie nicht gerade für mich einnehmen. Und ich werde sehr weit ausholen müssen.“ Die Anelph atmete tief durch. „Und ich möchte vorweg sagen, dass es mir sehr leid tut.“
„Nun machen Sie es nicht so spannend“, beschwerte sich Yuri ungeduldig.
„Also gut. Wir sind, wie Sie wissen, Flüchtlinge. Ich entstamme einem Volk von achthundert Millionen Daima-Nachkommen. So nennen die Naguad humanoide Menschenvölker, die nicht von ihnen abstammen. Unser Sonnensystem heißt Kanto, unsere Hauptwelt ist Lorania. Und dieses Reich wurde von den Naguad unterworfen.“
Admiral Ryon gab uns Zeit, diese Information zu verarbeiten. Und ich befürchtete – wohl zu Recht – dass diese kleine Information erst der Anfang war. Auf der Schockskala waren noch ein paar Striche frei.
„Das Imperium der Naguad expandiert auf zwei Arten in Daima-Gebiete. Entweder senden sie Forschungsflotten aus, oder sie entsenden einen imperialen Core. Der Core ist eine selbstständige Computereinheit, die mit Hilfe eines sprungfähigen Raumschiffs von der Klasse einer Fregatte und mit Hilfe hochwertiger Drohnen selbstständig neue Gebiete erforscht und entweder ein unbewohntes System auf Rohstoffe erforscht oder Kontakt mit einem bewohnten System aufnimmt. Es kann auch passieren, dass der Core versucht, ein bewohntes Sonnensystem zu unterwerfen. Das kommt ganz auf das Haus an.
Ein Haus kennen Sie ja schon. Es ist das Haus Elwenfeld. Dieses Haus hat uns Anelph vor gut neunzig Jahren unterworfen. Anfangs hatten wir einen friedlichen Kontakt, aber es geschahen wohl zu viele Dinge zugleich, und es endete in der Unterwerfung des Kanto-Systems durch Elwenfelt-Haustruppen und imperiale Streitkräfte.
An dieser Stelle sollte ich auch im Sinne von Direktor Otomo weiter ausholen. Das Imperium der Naguad kennt neun große Häuser und mehrere kleinere, dazu Dutzende Organisationen von Hauslosen. Zusammengefasst wird dieses Imperium durch den Rat der Naguad, der überparteilich ist, und dem das zentrale Militär direkt untersteht. Dennoch steht es jedem Haus frei, eigene Flotten aufzustellen und selbst zu expandieren.“

„Diese Häuser, ist das der Adel der Naguad?“, warf Kei Takahara ein.
„Nur bedingt. Wir reden hier zwar von den Familien Arogad, Daness, Elwenfelt, Fioran, Logodoboro und anderen, aber diese großen Familien umfassen zwischen zwanzig bis fünfzig Millionen Naguad. Und das sind lediglich die Angehörigen des Hauses auf planetarer Ebene. Dazu kommen noch weitere Angehörige in den Distrikten und Marken, die sogar teilweise von einem Haus kontrolliert werden.“
„Wow. Das nenne ich mal eine wirklich große Familie“, merkte Yoshi Futabe an.
„Wie man es nimmt, Meister Futabe. Innerhalb der Arogad zum Beispiel gibt es neun Unterfamilien. Und nur weil jemand nicht den Namen Taral oder Marecian trägt sondern Arogad heißt bedeutet nicht, dass er zur Hauptlinie gehört.“
„Interessant. Aber kehren wir zu den Cores zurück. Sie wurden also unterworfen“, sagte ich mit mahnender Stimme.
„Richtig. Und weil wir dies selbst nach fünfzig Jahren noch nicht akzeptieren konnten, und obwohl wir die Gift erhalten haben, wurden unsere Flotten über das gesamte Imperium verteilt. Überflüssig zu sagen, dass unsere Schiffe als eine Art Feuerwehr eingesetzt wurden und mehr als einmal die Hauptlast zu tragen hatten, wenn es Ärger gab. Und das alles nur, um eine Massierung der Flotte im Kanto-System zu verhindern. Dennoch gaben wir nicht auf. Das Komitee wurde gegründet. Ziel war es, so vielen Anelph wie möglich die Flucht zu ermöglichen. Und damit kommen wir zum heutigen Stand.“
„Eine Frage, Admiral Ryon. Was ist die Gift? Oder haben Sie sich versprochen und meinen das Gift?“, merkte Mamoru Hatake an.
„Nein, ich meine die Gift. Es handelt sich hier um einen Anglizismus, den ich gewählt habe, da er dem Namen, den die Naguad diesem Vorgang gegeben haben, nicht nur sehr ähnelt sondern die gleiche Bedeutung hat. Beides bedeutet Geschenk. Aber dazu später mehr.“
Wieder sah sich Ryon um, und ich glaubte eine stumme Bitte um Entschuldigung darin zu sehen. „Kurz und gut, um uns die Flucht zu ermöglichen, um einen Pendelverkehr einzurichten, um den vielen hunderttausend ausreisewilligen Komitee-Mitgliedern die Flucht zu ermöglichen, stahlen wir einen Core von den Elwenfelt und programmierten ihn um. Dieser Core hatte den Auftrag, uns drei selbstständige Nachschubbasen zu errichten, mit deren Hilfe wir mit unseren Flüchtlingsschiffen einhundert Lichtjahre überwinden können, um notwendige Versorgungsgüter aufzunehmen und Reparaturen durchführen zu lassen.
Nun, der Core schaffte es bis zur Erde. Es mag daran liegen, dass wir den Core aus einem Museum entwendet haben, es mag daran liegen, dass er die Fähigkeit hatte, die Gift der Elwenfelt zu vergeben, mit ihm begannen Ihre Probleme, die jetzt, acht Jahre später, ihren Höhepunkt erreicht haben. Wie von uns programmiert errichtete der Core einen Stützpunkt auf dem Mars, aber er entschied sich, nicht nur auf die Drohnen zu vertrauen, die Ihnen vereinzelt schon als Soldaten begegnet sind. Er suchte und fand Daima auf der Erde und rekrutierte sie für seine Zwecke. Vielen gewährte er die Gift. Er programmierte einen Teil ihrer DNS um, um sie genetisch zu Angehörigen des Hauses Elwenfelt zu machen.“
„Das ist uns bekannt. Aber wir wussten bisher nicht, dass diese Umprogrammierung einem großen Haus der Naguad zu zu rechnen ist“, sagte ich knapp und erschrocken.
Daisuke, der im Dienste der Kronosier die Gift einst erhalten hatte, war nicht weniger entsetzt. Offenbar wussten nur wenige, vielleicht niemand außer dem Core selbst, woher die Methode stammte, Menschen – oder wie es Ryon formuliert hatte, Daima – in Kronosier zu transformieren. Nein, das war falsch. Es musste sicherlich Elwenfelt heißen.
„Weiter bitte, Ban Shee. Dass Sie uns unwissentlich die Kronosier auf den Hals gehetzt haben, geschah unbeabsichtigt und ist nicht mehr zu ändern“, schloss Eikichi. Und er hatte Recht damit.
„Nun, es kam wie es kommen musste. Wir führten unseren Plan durch, und fanden den ersten Stützpunkt in der Verfassung vor, die wir erwartet hatten. Aber dann kamen wir nur bis zum zweiten. Hier stoppten uns die Kronosier. Und bevor wir uns versahen, arbeiteten wir für sie. Verstehen Sie mich nicht falsch, wir verweigern es bis auf wenige Ausnahmen, für sie zu kämpfen. Und noch ist unser Wissen für sie zu wertvoll, als dass sie uns zwingen würden. Nebenbei, ich bin eine lausige Banges-Pilotin.“
„Banges?“
„Daishi“, verbesserte sie sich. „Nun, wir leben mit unserem Zweckbündnis mehr schlecht als recht, doch wir leben. Aber dann trat eine Situation ein, die von uns verlangte zu handeln. Dies geschah drei Tage nach dem zweiten Big Drop. Seitdem haben wir hart gearbeitet, um an diesen Verhandlungstisch zu kommen. Dieses Ereignis war ein imperialer Langstreckenerkunder, der mit den Kronosiern, nein, mit den Trägern des Elwenfelt-Gens Kontakt aufgenommen hat und vor exakt zwei Wochen wieder abflog. Wir können mit Sicherheit davon ausgehen, dass die imperiale Fregatte TAUMARA die Elwenfelt über die Situation in Ihrem Sonnensystem informieren wird. Und dass sie eine Hausflotte entsenden wird, um dieses unverhofft aufgefundene Flecken Erde einzunehmen. Leider haben wir Anelph keinerlei Sicherheiten, was dann mit uns geschieht. Immerhin sind wir nach Naguad-Gesetz keine Flüchtlinge, sondern Verbrecher. Letzteres vor allem wegen der Schiffe, die wir gestohlen haben.“
„Mit anderen Worten“, ergriff der Yakuza Doitsu Ataka das Wort und schob seine Brille wieder die Nase hoch, was einen schimmernden Reflex entstehen ließ, „Ihnen geht der Arsch auf Grundeis und Sie suchen verzweifelt nach einer Lösung.“
„Ja und ja, Oyabun Ataka.“
„Wie nett. Das gefällt mir. Wo liegen unsere Chancen?“
„In dem Umstand, den ich bereits erwähnt habe. Akira und Yohko sind halbe Naguad. Genauer gesagt ist ihre Mutter eine Angehörige des Hauses Arogad.“
„Hm. Und wenn die Elwenfelt hier eintreffen, werden sie eventuell die Hoheitsrechte des Hauses respektieren, das wir zusammen mit Mutter darstellen?“
„Laut geltendem Recht stellen diese beiden Stationen, OLYMP und Titanen-Station, ARTEMIS und APOLLO, das hawaiianische Protektorat und die legitime Regierung der U.S.A., dargestellt von deinem alten Freund Daynes, sowie die drei himalayanischen Staaten die Sakura kontrolliert, Eigentum oder Verbündete der Arogad dar und dürfen von den Elwenfelt nicht angetastet werden.“
„Was ist wenn es sie einen Dreck schert?“, argwöhnte ich.
„Dann haben wir Krieg. Aber die Elwenfelt werden einen direkten Konflikt mit dem Haus Arogad ausschließen. Nebenbei bemerkt, Ihr zwei seid nur zu einem Viertel Arogads. Eure Großmutter Eri ist die Arogad in der Familie. Michael ist ein Fioran, das ist ein anderes, eng mit den Arogads verbündetes Haus. Gegen so eine Übermacht treten die Elwenfelt garantiert nicht an.“
„Was ist wenn es sie einen Dreck schert?“, wiederholte ich.
„Nun, dann kommt unser Trumpf ins Spiel. Im Gegensatz zu dir und Yohko gibt es noch einen genetisch vollwertigen Naguad an diesem Tisch. Es tut mir Leid, dass du es auf diesem Weg erfahren musst, Megumi, aber du bist eine Daness.“
„Hä?“ Überrascht sah sie auf. „Hä?“
„Ich habe mit deinen Eltern geredet und sie sind damit einverstanden, dass ich dir die Wahrheit sage. Megumi, du und deine Eltern gehören dem großen Haus Daness an. Und damit wirst du eine wichtige Waffe gegen Haus Elwenfelt.“
„Meine Eltern nicht?“
Eikichi hob bedauernd die Hände. „Sie sind auf die TAUMARA gegangen und fliegen zurück nach Naguad Prime. Du kannst dir vorstellen, dass das ein heikles, gefährliches und streng geheimes Unternehmen war, von dem ich dir nicht berichten konnte, bevor es gelungen war. Und auch jetzt sollten alle Anwesenden darüber schweigen.
Ihr Ziel ist es so viel Unterstützung wie möglich für uns zu bekommen und die Elwenfelt wenn es möglich ist von einem militärischen Abenteuer abzuhalten. Das macht dich zur einzigen Daness auf dieser Welt. Und das bedeutet, du musst etwas auf dieser Welt erobern.“
„Was, bitte?“
„Und wenn es geht den Mars“, fügte Ban Shee Ryon hinzu.
Ach, darum ging es ihr also. Megumi nickte irritiert. Diese Neuigkeiten hatten sie nicht aus den Latschen gehauen, aber enorm mitgenommen.
Als ihr direkter Vorgesetzter übernahm ich das Gespräch wieder. „Ich will sehen was wir für Sie tun können, Admiral Ryon. Wie können Sie uns dabei unterstützen?“
„Nun, Aoi Akuma, zum Beispiel mit Informationen. Eine davon ist, dass auf einen alten Freund von Ihnen eine Jagd mit Youmas gestartet werden soll. Wie ich gehört habe, sind Sie einem der Youmas schon begegnet.“
„Wir sind ihm begegnet“, meinte ich und nickte Mamoru und Doitsu zu, „und haben ihn zurückverwandelt.“
„Zurückverwandelt? In was?“, argwöhnte Ban Shee Ryon.
„In einen Menschen“, sagte Mamoru argwöhnisch. „Wissen Sie nichts davon?“
„Sie benutzen Menschen? Aber Legat Torah hat doch gesagt, die Youmas werden aus freiem KI konstruiert.“
„Mit einem Menschen als Basis“, fügte Doitsu hinzu.
„Und wer ist dieser Freund, von dem Sie reden, Admiral Ryon?“, fragte ich die entsetzte Frau, um das Gespräch wieder in die richtige Bahn zu lenken.
„Präsident Jordan Daynes…“
„Na Klasse. Akuma Gumi, Zeit zum Aufbruch.“
„Ähemm!“, machte Megumi resolut.
Ich seufzte ergeben. „Ich meine natürlich Hekatoncheiren, Zeit zum Aufbruch. Stell eine Einheit in Kompaniestärke auf. Nur die Besten!“
„Bereit für den Kampf gegen Youmas?“
„Bereit für den Kampf gegen Youmas. Jemand soll auch Joan und Sarah Bescheid geben. Wir brauchen wahrscheinlich einen Supercomputer. Wir installieren ihn auf der ENTERPRISE. Für unseren zweiten Einsatz – auf Hawaii!“

2.
Aus dem kleinen Team in Kompaniestärke war mit Unterstützungstruppe ein Bataillion geworden. Ich musste mich einfach daran gewöhnen, in vollkommen anderen Bahnen zu denken als bei der Akuma-Gumi. Nun, die Hekatoncheiren verlangsamten uns nicht. Sie waren gut trainiert, eifrig und gehörten zum Allerbesten. Aber statt für ein paar hundert Menschen nun für ein gutes tausend verantwortlich zu sein, machte mir doch etwas zu schaffen.
Andererseits konnte man das leicht vergessen, wenn man die Hälfte dieser Menschen und Kronosier – und zugegeben Naguad und Halb-Naguads – ausgelassen am Strand herumtoben sah. Die ENTERPRISE lag in Pearl Harbour im Middle Loch vor Anker, ebenso ein Teil ihrer Begleitflotte und weiterer Schiffe, die sich zu Präsident Daynes bekannt hatten. Das machte es unserem Aufbauteam leicht, in der Nähe zu bleiben.
HA! In Wirklichkeit wollte Sarahs Team nur wieder an den Strand.

Tetsu Genda, Chef der Verteidiger Hawaiis, sah mich kopfschüttelnd an. „Akira, wir haben noch nicht einmal die Schäden vom letzten Mal beseitigt, und du bist schon wieder hier?“
„Hast du eigentlich nichts besseres zu tun als hier am Strand herum zu liegen?“, konterte ich. „Musst du nicht eine Inselgruppe verteidigen?“
„Spotte du nur. Zu meinen Aufgaben gehört es auch dafür zu sorgen, dass dem Helden von Hawaii nichts passiert.“
„Helden von Hawaii?“
„Erzähl mir nicht, dass du nicht weißt, dass ich dich meine“, spottete der alte Freund.
„Nein, aber ich höre es dich doch so gerne sagen.“
Tetsu schnaubte halb verächtlich, halb belustigt und sah auf den Strand hinaus. „Sakura kommt nicht zufällig auch?“, bemerkte er beiläufig.
„Nein, ich denke nicht. Sie hat alle Hände voll zu tun, die drei Reiche zu befestigen. Es scheint, als würden die Chinesen in ihr eine größere Gefahr sehen als in den kronosischen Verbänden, die Sibirien und Nordchina schlucken wollen und haben dementsprechend ein paar Armeekorps ausgesandt. Das ist nichts, womit Sakura nicht fertig werden würde.“
„Natürlich nicht“, brummte Tetsu. „Also, warum bist du hier? Und warum hast du so ein großes Team mitgebracht?“
„Sie haben es auf Daynes abgesehen.“
„Bowman und seine Militärjunta? Natürlich haben sie das.“
„Ich rede von Odin Corys und seinen Verrückten. Er hat Scott mit ein paar Youmas ausgeschickt, die Jordan liquidieren sollen. Anscheinend ein kleiner Vertrauensbeweis in ihrem Kuhhandel.“
„Youmas. Über diese kronosische Waffe ist nicht allzu viel bekannt. Eigentlich weiß ich nur, dass sie nach Dämonen der japanischen Mythologie benannt wurden.“
„Damit weißt du schon eine ganze Menge.“ Ich gähnte herzhaft. Der Flug vom OLYMP nach Oahu war lang und langweilig gewesen. Megumi hatte keine Zeit für mich gehabt – ich ja eigentlich auch nicht, aber für sie hätte ich sie mir einfach genommen – und Kitsune-chan war weder auf dem OLYMP noch auf meinem Flug aufzufinden gewesen. Mist. Das enthob mich der Möglichkeit, anderweitig Entspannung zu finden.
Aber was dachte ich da? War ich jetzt nicht mit Megumi zusammen? Musste ich ihr da nicht treu sein? Obwohl, zählte das monogam zu sein, wenn es um Kitsune ging? Immerhin war ich für die zweitausend Jahre alte Fuchsdämonin nicht mehr als ein Kleinkind, selbst jetzt mit zwanzig Jahren noch. Nicht, dass sie mich wie eines behandelte. Aber ihre Einstellungen zu Sex und Liebe im Allgemeinen waren etwas vollkommen anderes als alles, was ich bisher in meinem Leben erlebt hatte. Ich fragte mich, ob Megumi mit dieser Einstellung zurecht kam. Ich fragte mich, ob Kitsune vielleicht… Nun, ich dachte ja nur, und… Wütend schüttelte ich den Kopf. Angenehmes, aber gefährliches Thema.
„Wie, nein?“, argwöhnte Tetsu.
„Was? Ich habe dir gar nicht zugehört.“
„Und warum hast du dann den Kopf geschüttelt? An was Schlimmes gedacht?“
„Nicht unbedingt an was Schlimmes.“ Ich grinste ihn an. „Also, jetzt höre ich zu. Worum geht es?“
„Ich habe gesagt, dass du übertreibst. Für ein paar Youmas gleich mit einer Kompanie Hekatoncheiren anzurücken, und dann auch noch mit der kompletten Akuma Gumi, das ist vielleicht etwas übertrieben. Wirst du nicht an einem anderen Ort der Weltgeschichte gebraucht?“
„So einfach ist das nicht. Die Youmas, die Legat Scott vom Mars mitgebracht hat, sind etwas Besonderes. Sie haben einen menschlichen Kern.“
„Einen menschlichen Kern?“
„Einen Menschen.“
„Uff.“
„Ja, das habe ich auch gedacht. Unsere Mission ist also nicht nur den Präsidenten zu schützen, sondern auch die Menschen in den Youmas zu befreien.“
„Na, da hast du dir ja eine Menge vorgenommen, Akira. Wieso habe ich ernsthaft geglaubt, du würdest es dir diesmal leichter machen?“
„Weil du ein unverbesserlicher Träumer bist, Tetsu?“
„Ich träume nur von Sakura“, versicherte er mir mit einem Augenzwinkern.
Ich seufzte. „Du weißt, dass ich ihr das erzählen werde?“
„Ich bitte sogar darum.“
Irritiert sah ich den alten Freund an. Wagte er endlich den nächsten Schritt?
„Was?“, fragte er nervös. „Meinst du sie reißt mir dafür den Kopf ab?“
„Das dürfte der Idealfall sein. Du hast ja keine Ahnung, worauf du dich da einlässt.“
„Schlimmer als die Invasion der Kronosier?“
„Nicht schlimmer. Aber definitiv aufregender. Ich weiß das. Ich bin mit Sakura aufgewachsen.“
„Gut. Anders würde ich es gar nicht haben wollen.“
Resignierend zuckte ich mit den Schultern. „Ich lege ein gutes Wort für dich ein, versprochen.“

Eine Zeitlang lagen wir nebeneinander auf unseren Strandmatten und ließen uns von der Nachmittagssonne Medium braten, bevor Tetsu wieder das Wort ergriff. „Akira, diese Naguad-Geschichte…“
Ich nickte schwer. „Nicht so leicht zu verdauen.“
„Das meine ich nicht. Hast du dich nie gewundert, warum Jerry dich mit vierzehn in einen Hawk gelassen hat? Meinst du er hat gehofft, dass du mit dem Freien Japanischen Geheimdienst zusammenarbeitest und die Akuma Gumi gründest?“ Der sah mich an. „Oder hat er es gewusst?“
„Wie meinst du das? Glaubst du, ich wurde dazu geboren, um einen Hawk zu steuern?“
„Ich glaube du wurdest dazu geboren um die Welt zu retten.“ Er verschränkte beide Arme hinter dem Kopf und fügte hinzu: „Oder zu vernichten. Da bin ich mir noch nicht so sicher.“
„Na, danke.“
„Hey, Aoi Akuma, brauchst nicht gleich beleidigt zu sein. Ist doch ne Tatsache, dass dir das Chaos auf dem Fuß folgt, mein Bester.“ Tetsu runzelte die Stirn. „Lass mich das korrigieren. Du schiebst das Chaos vor dir her.“
„Bitte immer nur einen Tiefschlag pro Minute“, erwiderte ich säuerlich.
Der Japaner lachte prustend. „Dich kann man ja immer noch leicht anstacheln. Wann wirst du erwachsen?“
„Erwachsen werden? Und auf den ganzen Spaß verzichten? Wenn ich Opa bin, vielleicht.“
„Dieses Vielleicht macht mir Sorgen.“ Er ächzte und richtete sich auf. „Hm, ich glaube, ich muss mal kurz Platz für die Oma machen. Viel Glück, blauer Teufel.“
„Oma?“
Tetsu winkte mir zu, stand auf und ging. Sein Grinsen dabei war… Nett? Neidisch? Beides?

„Akira?“ Ich sah auf und erkannte Megumi, die sich über mich gebeugt hatte.
Ich klopfte auf die Matte neben mir. „Nimm Platz.“
Sie hockte sich auf die Matte und sah auf mich herab.
„Hast du keine Lust, schwimmen zu gehen? Oder warum trägst du ein Sommerkleid und keinen Badeanzug?“
„Der Badeanzug ist drunter“, murmelte sie.
„Dann bist du also mit deinen Präparationen fertig. Was sagen deine Agenten in der kronosischen Botschaft?“
„Es wird bald geschehen. Die Zahl verschlüsselter Telefonate nimmt zu. Außerdem sind ein paar zehntausend Dollar Bestechungsgeld geflossen. Wohin und an wen konnte ich nicht herausfinden. Aber mehr brauchen wir auch nicht zu wissen.“
„Stimmt. Wir kennen ihr Ziel. Also lassen wir die Youmas und Scott zu uns kommen.“
„Aber wir haben wohl noch etwas Zeit“, fügte sie hastig hinzu. „Zumindest den Abend!“
„Super. Was hältst du denn davon, wenn wir zwei die Gelegenheit nutzen und zusammen essen gehen? Nur wir zwei, ein verträumtes Restaurant am Strand. Danach ein romantischer Spaziergang, und anschließend kannst du mir an deiner Zimmertür sagen, ob ich reinkommen kann oder alleine schlafen muss.“
„Ich… Ich… Ich… IDIOT!“ Wütend richtete sie sich auf. „Die Reservierung ist für acht Uhr abends bestellt. Ein Wagen steht halb acht bereit. Sei pünktlich, sonst nehme ich Doitsu oder Makoto an deiner Stelle mit, verstanden?“
Erstaunt sah ich sie an. „Hast du das alles schon geplant gehabt?“
Sie errötete. „Nun… Ja.“
„Alles?“, hakte ich nach.
„Idiot“, murmelte sie, „finde es doch raus.“
Ich sah ihr so lange nach, bis sie ihr eigenes Strandtuch ausgebreitet und das Sommerkleid abgelegt hatte. Hm, ich würde wohl gleich ein wenig schwimmen gehen und mit Megumi und den anderen einfachen, naiven und feuchtfröhlichen Spaß im Wasser haben. Manchmal, ganz selten, fühlte ich mich noch als wäre ich gerade erst vierzehn geworden und nie in einen Hawk geklettert. Dann wollte ich einfach nur das Leben nachholen, welches ich damals verloren hatte.
Und danach… Danach würde ich Scott wirklich leiden lassen, wenn er mir das Date mit meiner Megumi versaute!

3.
Es kam selten vor, dass ich zu einem Gott betete. Oder sogar gleich zu mehreren. Beistand von Heiligen erflehte ich auch nicht besonders häufig. Aber jetzt in diesem Moment flehte ich alle Götter an, die willens waren, mich zu erhören, alle übermächtigen Wesen und vor allem Dai-Kitsune-sama, dass Legat Gordon Scott nicht ausgerechnet JETZT angriff. Oder an DIESEM Abend.
Grund für dieses drastische Verhalten meinerseits war Megumi. Genauer gesagt meine Megumi in ihrem wirklich wunderschönen schwarzen Cocktail-Kleid, dessen Anblick mir verriet, dass ihr knallenger Druckanzug längst nicht alles verriet. Und das darunter noch weit mehr zu entdecken war.
Das hoch geschlitzte, tief dekolletierte Kleid betonte ihre große, schlanke Figur. Aber hatte sie wirklich so viel Oberweite, oder halfen da Pads nach? Auch ihre Haare waren neu arrangiert, was ich bei ihrem Kurzhaarschnitt – praktisch, kurz und funktionell – niemals für möglich gehalten hatte. Und dann war da noch ihr Make-Up, dezent, unterschwellig, getoppt von einem Hauch Lipgloss, der die natürliche Farbe ihrer Lippen wundervoll zur Geltung brachte. Dazu kam eine schlichte dünne Goldkette, und selbst das erschien mir schon angesichts ihrer natürlichen Schönheit als etwas überladen.
So stand sie vor mir in der Hotellobby und steppte mit den Absätzen ihrer schwarzen Stilettos einen ungeduldigen Rhythmus.
„Hallo, Megu-chan“, hauchte ich über ihre Schulter hinweg.
„Du bist spät!“, rief sie wütend und wandte sich um. „Ich habe halb acht gesagt, jetzt ist es zehn vor.“ Sie musterte mich eingehend und schluckte. „Na, wenigstens siehst du einigermaßen passabel aus.“
„Einigermaßen passabel? Im Anzug sehe ich phantastisch aus“, entgegnete ich entrüstet. „Außerdem habe ich einen Grund fürs Zuspätkommen. Es gab ein paar Differenzen, was unsere Fairy-Aufteilung betraf. Es hat mich einiges an Einfühlungsvermögen und Überredungskunst gekostet, um Philip und Cecilia zu bequatschen, die Nacht auf Jordan aufzupassen.“
„Die Reservierung lautet trotzdem auf acht Uhr. Was, wenn sie verfällt, bevor wir eintreffen?“, fragte sie und musterte mich verstohlen von der Seite. Trug sie unter diesem Kleid Unterwäsche? Es trug jedenfalls nichts auf.
„Lass das meine Sorge sein. Du wirst sehen, Hawaii gehört mir.“ Ich reichte ihr meinen Arm, sie hakte sich ein und ich führte sie zur wartenden Limousine.
„Ich hasse es wenn du so übertreibst“, murmelte sie.

Honolulu war nicht nur die Metropole der Insel Oahu, sie war auch die Metropole von ganz Hawaii.
Und diese Metropoloe gehörte mir. Mir ganz allein.
Als unsere Limousine vor dem Restaurant von Megumis Wahl vorfuhr, war es natürlich bereits weit nach acht. Aber, das gebe ich zu, darum machte ich mir keinerlei Sorgen. Vielleicht war es ein Anflug von Arroganz, vielleicht war es einfach nur ein wenig Vertrauen in meine Legende. Vielleicht etwas von beidem.
Als wir den Vorraum betraten, hielt ich mich diskret zurück. Dies war Megumis Reservierung, Megumis Abend und Megumis Essen, und ich wollte nicht den weißen Ritter spielen. Nicht, wenn es sich vermeiden ließ. Aber ich war jederzeit dazu bereit, einen Tisch zu fordern. HA! Wenn mein Titel als Retter von Hawaii zu irgendetwas gut sein sollte, dann doch vielleicht zu einem Essen in einem französischen Restaurant.
„Einen Tisch für zwei Personen, bitte. Ich habe unter dem Namen Uno reserviert.“
„Pardon, Mademoiselle, aber die Reservierung lautete auf acht Uhr. Ich muss Ihnen leider mitteilen, dass sie verfallen ist. Möchten Sie eventuell so lange an der Bar Platz nehmen, bis ein Tisch frei wird?“
Ärgerlich drehte ich mich um. Hey, diese läppische Viertelstunde war es doch nun wirklich nicht wert, deshalb gleich den ganzen Tisch fort zu geben.
Ich wollte zu Megumi treten, aber ein Stirnrunzeln von ihr hielt mich zurück.
„Wann wäre denn sobald?“, fragte sie mit einem treuen Augenaufschlag.
„Nun, Mademoiselle, in einer Dreiviertelstunde könnte einer frei werden. Wenn Sie den haben möchten…“
„Ich bitte darum.“
„Aber, aber“, klang eine Stimme auf, die ich normalerweise gerne hörte, aber nicht hier und nicht mit Megumi als meiner Gastgeberin. „Pierre, Sie werden doch nicht etwa dem Stellvertretenden Anführer der Neuen Hekatoncheiren, Lieutenant Colonel Uno, die Reservierung versauen?“
Der Garcon sah für einen Moment erschrocken auf. „Mr. President, ich wusste nicht, dass…“
„Megumi-chan, es ist mir wie immer eine Freude, wenn ich dich sehen kann. Willst du dich nicht zu mir an den Tisch setzen? Ich verspreche dir alles, nur keinen langweiligen Abend.“
„Danke, Jordan. Es freut mich auch, dich zu sehen, aber ich bin mit Akira hier.“
„Akira wer?“, fragte er höflich, und für die Art, wie er so offensichtlich mit meinem Mädchen shakerte, hätte ich all meine guten Manieren vergessen können.
„Akira Otomo“, sagte ich kurz angebunden und trat ebenfalls heran.
Dies brachte den armen Mann am Empfang nun völlig aus der Fassung. „Colonel Otomo, Sir! Ich wusste ja nicht, dass die Dame in Ihrer Begleitung ist! Ich werde sofort einen Tisch für Sie…“
„Einen Tisch fertigmachen? Und wem wollen Sie ihn wegnehmen, Pierre? Nein, ich denke, es ist das Beste wenn ihr zwei an meinen Tisch kommt. Bitte. Ihr wollt doch eine Einladung des Präsidenten der Vereinigten Staaten nicht ausschlagen?“
Megumi sah von ihm zu mir und dann wieder zu ihm. „Ich brauche mal fünf Minuten für mich“, sagte sie und ging in Richtung der Toiletten.

Als sie außer Sicht war, zischte Jordan Daynes: „Ich habe dir doch gesagt, du sollst dich von Megumi fern halten!“
„Ich habe mich ja von ihr fern gehalten. Sie aber nicht von mir! Sagt das nicht genug aus, mein alter Freund?“
„Das liegt doch nur daran, dass sie auf OLYMP keinerlei Alternativen hat. Da muss schon jemand wie ich kommen, der dir das Wasser reichen kann, mein lieber Aoi Akuma.“
„Oh, du sprichst japanisch. Willst du sie etwa beeindrucken?“
„W-wenn die Herren sich eventuell einig werden könnten…“, wagte es Pierre einzuwenden.
„Was? Du bist doch überhaupt erst Schuld an dem Dilemma!“, warf ich dem Mann vor.
„Ich bin zutiefst betrübt, Colonel.“
„Und was dich angeht, Jordan, wenn das hier ein Zufall ist, dann schließe ich ab morgen meine Hose mit einem Schweißbrenner! Wer hat geplaudert?“
Der Präsident der U.S.A. grinste breit. „Tja, deine beiden Aufpasser sind leider etwas zu gut informiert. Und ich musste nicht einmal fragen. Sie haben es mir von sich aus erzählt. Ich musste ihnen nur ein Essen in einem Nobelrestaurant versprechen, tja, und hier bin ich. War zufällig sogar das Richtige.“
„Bis auf den letzten Punkt glaube ich dir alles, Kumpel.“
Wir tauschten hitzige Blicke aus. Sicher, wir waren Freunde, hatten Seite an Seite gekämpft. Aber hier in diesem Moment waren wir Rivalen im Kampf um die begehrenswerteste Frau auf diesem Planeten. Hoffentlich litt unser gutes Verhältnis nicht darunter, ging es mir in einem Anflug von Ironie durch den Kopf.
Etwas kam ich mir wie ein Halbstarker vor, der versuchte, seinen Rivalen einzuschüchtern, indem er von oben auf ihn herab sah. Zum Glück war ich ein paar Zentimeter größer, da wirkte das besser. Jordan aber war nicht viel schlechter und stierte mich mit einem arroganten Zug von unten heran an.
„Du weißt, dass du sie nicht verdient hast, Akira.“
„Und du weißt, dass du die ehemalige kronosische Elite-Pilotin Megumi Uno nicht zur First Lady machen kannst, Mr. President. Der Aufschrei in der Bevölkerung wäre viel zu groß. Stell dir das doch mal vor: Ausgerechnet der große Kriegsheld fraternisiert mit der Elite der Kronosier.“
„Und was ist mit dir? Aoi Akuma, die Geißel der Kronosier geht nun am Gängelband ihrer besten Pilotin spazieren und macht auch noch für sie Männchen.“
„Bitte, Messieurs, jeder einzelne von Ihnen hat sich enorme Verdienste für die Freiheit der Welt erworben. Können Sie das nicht friedlich regeln?“, warf Pierre mit schweißbedeckter Stirn ein.
„Aber natürlich können wir das.“ Ich griff hart zu und nahm Jordan in einen Schwitzkasten. „Also, mein guter Freund. Megumi hat mich heute eingeladen. Willst du ihr wirklich den Abend verderben, den sie für uns geplant hat?“
„Natürlich nicht verderben“, knurrte der Präsident und brach den Griff auf. „Aber je mehr, desto lustiger ist es doch, oder?“
Wieder taxierten wir uns mit wütenden Blicken.
„Wenn ihr beide damit fertig seid eure Reviere zu markieren“, erklang Megumis Stimme neben uns, „dann könnt ihr ja an den Tisch kommen. Die Getränke sind schon bestellt.“
Wir wandten uns ihrer Stimme zu. Da stand sie, mit spöttischem Blick, die Arme vor der Brust verschränkt und die Lippen gekräuselt. Niemand der sie so sah, würde sie ernsthaft für neunzehn halten. „Du siehst einfach phantastisch aus“, kam es mir stockend über die Lippen.
„Das hast du mir schon gesagt, Akira. Doppelt geschmeichelt wird auch nicht mehr, okay?“
„Aber er hat Recht. Wobei phantastisch meiner Ansicht nach noch nicht ganz ausreicht, um deinen Auftritt zu beschreiben.“
„Danke, Jordan. Das hört eine Frau doch immer gerne. Kommt ihr zwei dann endlich?“
„Schleimer“, warf ich Daynes vor.
„Selber Schleimer.“
„Oberschleimer.“
„Das sagt der Richtige. Du belaberst Megumi doch seit dem Hotel schon mit halbherzigen Komplimenten!“
„Von denen ist nichts halbherzig, okay?“
„Kommt ihr zwei Clowns jetzt endlich?“
Seufzend ergaben wir uns in unser Schicksal. Und wir hielten unseren Frieden, bis wir zum eigentlichen Eingang des Restaurants kamen.
Als wir erschienen, standen die Menschen auf und applaudierten.
„Wirst du hier immer so empfangen?“, raunte ich Jordan zu.
„Nun, mit Applaus ja, aber ich befürchte fast, aufgestanden sind sie wegen dir.“ Daynes lächelte in die Runde, winkte und stieß mir seinen Ellenbogen in die Seite. „Wink auch, Aoi Akuma, Schutzpatron von Hawaii.“
Ergeben seufzend ergab ich mich in mein Schicksal. Ich nickte mal hierhin, mal dorthin, schüttelte einige der dargebotenen Hände und machte danach medienwirksam mit dem Präsidenten der U.S.A. einen kleinen Handshake, der unsere Partnerschaft und Verbundenheit zum Ausdruck bringen sollte.
In diesem Gewühl bekam ich beinahe nicht mit, wie Megumi stolz zu uns beiden herüber sah. Und auch fast nicht, wie ein junger Mann wutentbrannt ihren Namen rief und die Fäuste schwingend auf sie zulief.
Nun, als ich reagierte, war schon alles vorbei. Direkt vor Megumi hockte ein großer grauer Wolfshund und knurrte den Angreifer mit gefletschten Zähnen an. Ich war gerade erst hinzu gesprungen, ebenso Jordan, vom Tisch waren Philip und Cecilia herbei geeilt. Aber der junge Mann, bestenfalls zwanzig, hatte angesichts der Reißzähne des großen Wolfhundes die Lust verloren, zu attackieren.
Verlegen, beinahe ängstlich, ließ er die Arme sinken, und wie unter einem inneren Zwang ging er an seinen Tisch zurück, als hätte es nie diesen Wutausbruch gegeben.
Megumi erwachte aus ihrer Starre. Ich hatte sehr wohl bemerkt, wie sie beim Griff zu ihrer Handtasche gestockt hatte. Ich vermutete dort eine Schusswaffe. Aber gegen einen unbewaffneten Zivilisten hatte sie die wohl nicht einsetzen wollen. Auch ich hätte gezögert meine Beretta zu ziehen, die ich bei mir trug, seit Eikichi mir meine Luger fort genommen hatte. Von wegen schussgenauer und sicherer, ha!
Ihre Rechte ging über den Schädel und über die Ohren des großen Wolfs. „Danke, Okame.“
Der riesige Hund schob die Lefzen über die Zähne, drehte die Ohren nach hinten und schleckte sich mit der großen Zunge über die Zähne. Dann sah er friedlich, als könne ihn kein Wässerchen trüben, zu Megumi hoch.
„S-so geht das aber nicht! Sie können hier doch keinen Hund rein bringen!“, stotterte der Chefkellner.
„Natürlich kann ich das“, sagte ich an ihrer Stelle. „Immerhin ist dieser Hund das offizielle Maskottchen der Akuma Gumi und bekleidet sogar einen Dienstrang. Und Sie wollen doch sicherlich nicht ein Mitglied meiner Einheit aus diesem Lokal werfen?“
Der kurze Kampf zwischen mir und dem Chefkellner, ausgefochten mit den Blicken, war schnell zu meinen Gunsten entschieden. Ich brauchte nicht einmal auf die peinliche Szene am Eingang hinzuweisen, um meinen Willen zu kriegen.
„Nun, wenn es sich wirklich um ein Mitglied der Akuma Gumi handelt… Aber wir servieren nicht für ihn.“
„Sergeant Okame ist dienstlich hier“, sagte ich ernst. „Eine Leibwächtermission.“
Damit war alles geklärt. Ich hatte nie ganz herausfinden können, was andere Menschen mit natürlicher Autorität meinten, aber eventuell war sie hier am Werk. Vielleicht hatte der Chefkellner aber einfach nur Angst vor Aoi Akuma.
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„Ach, komm, Akira. Mach doch nicht so ein Gesicht!“, rief Phillip und hielt mir sein Sektglas hin.
Ich brummte unzufrieden. So hatte ich mir das nicht vorgestellt. So hatte ich das nicht geplant. Und vor allem hätte ich nie gedacht, dass sich Megumi tatsächlich neben Jordan setzen würde. Damit saß sie zwar mir direkt gegenüber, aber uns trennte ein halber Meter Tisch. Und der Präsident war nicht nett genug, um diese Chance auszunutzen. Meine Laune als schlecht zu bezeichnen war also hoffnungslos untertrieben, und wenn mir nicht so unendlich viel an Megumi gelegen hätte, dann wäre ich längst aufgesprungen und hätte frustriert den Tisch verlassen. Eher halbherzig hob ich mein Glas und stieß mit Philip und seiner Fairy an. Mit den beiden wirkte ich wie das sprichwörtliche fünfte Rad am Wagen.
Als Megumi über einen Witz von Jordan Daynes lachte, sprang ich auf. Mir war klar, dass meine Wangen glühten. Mir war klar, dass mein Blick nicht sehr freundlich war. Und mir war klar, dass ich ungerecht war. Dies sollte Megumis Abend sein, und wenn sie ihn lieber mit Jordan anstatt mit mir verbringen wollte, dann war es ihr gutes Recht. Und ich musste ihr zugestehen selbst zu wählen. Immerhin hatte ich einiges getan, um ihr den Abend bereits am Anfang zu versauen. Zuerst hatte ich dafür gesorgt, dass wir zu spät kamen. Damit war ihre Reservierung verfallen. Dann hatte ich mein Gewicht als Aoi Akuma in die Waagschale geworfen und sie so bedeutungslos gemacht, dass allein der Gedanke, wie sehr ich ihr vielleicht weh getan hatte, körperlichen Schmerz bereitete. Und schließlich hatten Jordan und ich wie zwei Halbstarke gebalgt. Manche Frauen mochten das vielleicht als ein Kompliment ansehen, aber Megumi war zu klug, zu gebildet und zu erfahren, um sich davon beeindrucken zu lassen.
„Entschuldigt mich eine Sekunde“, sagte ich also und wandte mich ab.
„Wo willst du denn hin, Akira?“, klang Jordans Stimme hinter mir auf.
„Dahin, wo selbst der Kaiser zu Fuß hingeht“, rief ich über meine Schulter hinweg.

Im großzügig ausgestatteten Herrenbereich der sanitären Anlagen spritzte ich mir zuerst ein paar Hände Wasser ins Gesicht. Wie ich es mir gedacht hatte, ich war rot vor Ärger. Verdammt. Ich war wirklich dabei, Megumi den Abend zu versauen, wirklich zu versauen. Und das hatte sie nicht verdient. Es hatte unser Abend sein sollen, doch wenn es so weiter ging, wie es bisher gelaufen war, dann würde ich heute keinen Spaß mehr finden. Dann würde ich für sie nur noch die Stimmung drücken.
Diese Erkenntnis schmerzte, und vor allem schmerzte es, dass ich nun Jordan das Feld überlassen musste. Aber Megumis Zufriedenheit war mir wichtiger, viel wichtiger als alles andere.
Bedächtig zog ich mein Handy und wählte die Nummer des Restaurants. „Ja, Major Makoto Ino von den Hekatoncheiren hier. Ich weiß dass mein vorgesetzter Offizier Akira Otomo bei Ihnen speist. Er hat leider sein Handy abgeschaltet, deshalb kann ich ihn nicht erreichen. Bitte richten Sie ihm aus, dass er für einen Notfall zurückkehren soll. Es ist ein Code Blau. Ja, danke.“
Ich deaktivierte die Verbindung wieder, trocknete mein Gesicht und verließ die Toilette.
Am Tisch erwartete mich bereits der Kellner. „Colonel Otomo! Wir wurden gerade telefonisch benachrichtigt, dass Sie für einen Code Blau zurückkehren sollen. Die Nachricht stammt von Major Ino.“
„So, so, ein Code Blau?“ Ich runzelte die Stirn. „Hätte er sich nicht eine bessere Zeit aussuchen können?“
„Akira, du wirst jetzt doch nicht etwa gehen?“, tadelte Megumi mich.
„Ich muss. Code Blau ist recht ernst.“ Ich seufzte tief.
„Ich komme mit.“
„Nein. Nein, nein, so wichtig ist Code Blau nun nicht, um beide Anführer der Hekatoncheiren anzufordern. Wäre es das, hätte Mako dich auch angerufen. Ich gehe. Eventuell dauert es nicht lange, und ich bin schnell wieder zurück.“ Ich lächelte das falscheste Lächeln meines Lebens. „Jordan, pass du bitte so lange auf sie auf, während ich fort bin.“
„Oh, keine Sorge, ich bin für sie da, Akira“, erwiderte der Präsident und lächelte nonchalant.
Unter dem Tisch trat ich heimlich auf seinen Fuß. Das wischte wenigstens dieses Grinsen aus seinem Gesicht.
„Okay. Ihr habt ja auch noch Cecilia und Phillip hier. Außerdem Okame.“ Ich beugte mich vor und küsste Megumi auf die Wange. „Ich beeile mich.“
„Ich bitte darum“, hauchte sie und streifte mein Ohr mit ihren Lippen. „Ich habe nämlich noch etwas geplant für heute, woran Blue Lightning unbedingt teilnehmen muss.“
Ich bezweifelte ernsthaft, dass ich in den Genuss dieser Veranstaltung kommen würde, denn mein Frustfaktor war nun hoch genug, um Fersengeld zu geben und mich in meinem Cockpit zu vergraben, bis der Morgen graute.
Das war wohl der richtige Preis, den ich dafür bezahlte. Wären wir nicht zu spät gekommen, wäre die Reservierung nicht verfallen. Wäre die Reservierung nicht verfallen, hätte Jordan uns nicht an seinen Tisch eingeladen. Und dann wäre der ganze andere Rest nicht passiert.
Aber das ließ ich mir nicht anmerken. Im Gegenteil. Ich zwinkerte ihr zu, winkte in die Runde und war auf dem besten Wege, das Lokal zu verlassen. Kurz noch zögerte ich und fragte mich selbst ob es wirklich so klug war, sie mit Jordan allein zu lassen. Aber wenn ich das nicht konnte, wenn sie in seinen Armen landete, dann hatte ich es nicht anders verdient. Dann liebte sie mich eben nicht genug, und mir blieb nichts anderes übrig als ihr ein Freund zu sein.
Als dieser Gedanke durch meinen Kopf fuhr, mit dem Schmerz eines glühenden Eisenstücks, setzte ich mich wieder in Bewegung und verließ das Restaurant. Sicherlich war der Chefkellner nur erleichtert, weil er eines seiner Probleme los war.
Draußen schnappte ich mir das erstbeste Taxi und ließ mich direkt zur Basis fahren.
***
„Was ist passiert?“, klang Kitsunes Stimme neben mir auf.
Ich sah zur Luke herüber und beobachtete die schlanke, rothaarige Frau, wie sie zu mir in den Mecha stieg und auf dem Fairy-Sitz Platz nahm.
„Ach, nichts. Nichts, nichts, nichts. Zumindest nichts, was ich nicht verdient hätte“, erwiderte ich und rieb müde meine Schläfen.
„Wolltest du nicht mit Megu-chan weg gehen? Hat sie dich nicht sogar eingeladen?“
„Es gab Probleme. Ich bin zu spät gekommen, und deshalb ist ihre Reservierung verfallen. Und dann hat sich Jordan eingemischt und ihr einen Platz an ihrem Tisch angeboten.“
„Was? Dir nicht? Seid ihr keine Freunde und Waffenbrüder mehr?“
„Natürlich mir auch. Aber ich habe dann beschlossen, mich als fünftes Rad am Wagen abzuseilen. So haben Jordan und Megumi und Cecilia und Phillip hoffentlich noch einen schönen Abend.“
„Hm“, machte Kitsune und sah mich fragend an. „Was waren das denn für Probleme, wegen denen du zu spät gekommen bist?“
„Die Leibwache für Jordan wurde umgestürzt, und ich musste Phillip fast auf Knien anflehen, damit er den Job übernimmt.“
„Du meinst der gleiche Phillip, der mit Cecilia am Tisch des Präsidenten gesessen hat, in dem Megu-chan für sich und dich reserviert hat? Also, ich weiß nicht wie du das siehst, aber ich finde das merkwürdig.“
Ich schluckte trocken. Dann noch einmal. Und erneut. Mir stieg Magensäure hoch, meine Adern pochten wie wild, und ich saß in Blue Lightnings Cockpit. Blöde Kombination! Ganz, ganz saublöde Kombination. „Kitsune“, hauchte ich, „schnall dich an oder geh wieder.“
Mit strahlenden Augen befestigte sie die Gurte des Fairy-Sitz. „Ich wusste, du bist doch nicht schwer von Begriff.“
„Blue, wir machen noch einen kleinen Ausflug.“
„Lassen Sie mich raten, Sir. In die Innenstadt von Honolulu?“
„Such einen schönen Platz zum landen, so nahe es geht bei diesem verdammten Restaurant! Und sag der Flugsicherheit Bescheid, dass wir aufsteigen!“
„Wird erledigt, Sir!“
„Cecilia! Phillip! Und Jordan!“ Wütend aktivierte ich den Bewegungsmechanismus und Blue erwachte zum Leben. Ich warf ihn in einen leichten Trab, und Sekunden darauf hatten wir den Hangar verlassen.
„Wir haben Startfreigabe, Sir“, informierte mich die K.I. des Hawks.
„Sehr gut!“ Sofort trat ich die Sprungpedale durch und Blue Lightning erhob sich auf Flammendüsen in den Himmel.

4.
Der Weg war nicht besonders weit. Im Gegenteil. Man konnte sagen, für einen Hawk im Flug war es ein Katzensprung. Das Problem war einfach eine Abstellfläche in der Nähe vom Restaurant zu finden. Notfalls konnte ich immer noch auf einer Kreuzung landen und sie damit nachhaltig blockieren, aber so sauer war ich noch nicht. Auch wenn nicht mehr viel fehlte.
„Die Flugsicherheit, Sir!“
„Durchstellen! Otomo hier!“
„Sir, ich kann gar nicht sagen wie froh ich bin, dass Sie bereits im Anflug auf Honolulu sind! Es gab einen Anschlag auf den Präsidenten, und ich schicke gerade alles los, was fliegen oder fahren kann! Sie sind der Szene gerade am nächsten und wenn ich…“
„Definieren Sie Anschlag!“, rief ich und ging auf volle Beschleunigung.
„Es scheint so als würden riesige deformierte Tiere das Restaurant attackieren, in dem er zu Abend gegessen hat. Ich übermittle Ihnen die Koordinaten und…“
„Das brauchen Sie nicht“, zischte ich wütend. Ich war schließlich schon fast da.
Okay, NUN war ich sauer genug, um mitten auf einer Kreuzung zu landen! Aber der Verkehr rund um das Restaurant war sicher ohnehin schon erstorben, denn bei den deformierten Tieren handelte es sich sicher um KI-Biester, und Okame hatte als ich gegangen war unter dem Tisch des Präsidenten gelegen! Die Viecher würden eine schöne Überraschung erleben, und ich brauchte nur dem Lärm, den Bränden und eventuell den Explosionen zu folgen!
Verdammt, meinetwegen konnten sie Jordan angreifen so viel sie wollten, der Junge wusste sich zu wehren, aber heute war Megumi dabei, meine Megumi, und DAS nahm ich sehr persönlich!
Neben mir schnallte sich Kitsune los. „Ich springe ab, sobald wir über dem Restaurant sind, okay?“
„Lässt du mich schon wieder in Stich wie neulich?“, fragte ich lakonisch.
„Aber, aber, vermisst du mich etwa schon?“ Sie gab mir einen neckischen Zungenkuss. „Und ich dachte, du hast gerade nur Augen für deine Megu-chan.“
Kitsune winkte mir noch einmal zu, dann ließ sie sich fallen und durchdrang das Cockpit.
Ich sah nach unten. Tatsächlich. Brennende Autos, fliehende Menschen, Okame musste bei der Sache sein! Und unter mir erkannte ich die reguläre Leibwache des Präsidenten, die erbittert eine schwarze Limousine verteidigte. Ein Scan ergab, dass sie leer war. Also war Jordan noch da drin und sollte mit dem Wagen fliehen.
Als ein monströses, Schakalähnliches KI-Biest im vollen Galopp darauf zuraste, drückte ich Blue tiefer, zog die Herkulesklinge und ließ sie über dessen Flanke gleiten. Die Bestie heulte getroffen auf, wurde zur Seite geschleudert und dekorierte dabei ein Schaufenster um.
Ich landete mitten auf der Straße. Eins. Zwei. Drei. Nein, vier Biester waren es. Das eine hatte ich gerade am Wickel, ein weiteres wurde von Cecilia in Schach gehalten, während Phillip ihr Rückendeckung gab. Nummer drei wurde gerade von Okame zerfetzt und Nummer vier… HINTER MIR!
Ich warf Blue herum, sah eine riesige Krallenhand auf mich zurasen… Und konnte nur fassungslos dabei zusehen, wie Krallenhand samt Arm herabfielen wie ein nasser Wäschesack. Zwischen mir und dem Biest stand ein riesiger Fuchs und fauchte das KI-Biest wütend an. „Geh nur rein“, rief Kitsune, „um die Biester hier draußen kümmere ich mich schon!“
Das KI-Biest im Schaufenster rappelte sich auf, kam auf die Beine und wollte mich wieder angreifen, aber ein kraftvoller Hieb des Herkules-Schwerts trennte ihm den Kopf von den Schultern. Selbst ein KI-Biest vertrug eine solche Misshandlung nicht und verging.
„Danke dir!“, rief ich, schnallte mich ab, ließ Blue in die Hocke gehen und griff nach den beiden Waffen, die in meinem Cockpit verwahrt waren. Das Katana kam links, die feuerbereite, aber gesicherte Beretta rechts. Zusammen mit der Beretta in meinem Anzug machte das vierunddreißig Schuss! Derart gerüstet sprang ich auf die Straße, lief in eine Nische und verschaffte mir einen groben Überblick. Zusätzlich zu den KI-Biestern konnten hier auch noch Dutzende kronosische Agenten herumschwirren.
Erst dann lief ich weiter, auf den Restauranteingang zu. Als ich mich in den Eingang warf, richteten sich zuerst ein halbes Dutzend Handfeuerwaffen auf mich, aber als die N.I.S.-Agenten mich erkannten, zerrten mich zwei hilfreiche Hände nach innen. Der Laden war verdunkelt, die Menschen raunten angstvoll. Und ein ziemlich derber, breit gebauter Agent drückte mich hinter den eisenverkleideten Tresen der Bar. „Sniper auf der anderen Straßenseite, Sir. Außerdem am Hinterausgang! Wir warten auf die Limousine und weitere Luftunterstützung, aber wir befürchten jederzeit, dass wir gestürmt werden! Wir haben die anderen Gäste in den Keller geschafft. Dort sind sie vorerst sicher. Der Präsident und Colonel Uno sind mit uns hier oben, damit wir sie bei passender Gelegenheit schnell evakuieren können!“
„Gute Analyse! Megumi, geht es dir gut?“
„Ich bin unverletzt, Akira!“
„Fragst du mich nicht, wie es mir geht?“, klang Jordans empörte Stimme auf.
„WIR reden später“, blaffte ich.
„Oh-oh…“
Ich wechselte einen schnellen Blick mit dem Agenten. „Ich laufe zu meinem Hawk zurück. Danach blockiere ich mit ihm das Schussfeld und halte die Limousine frei. Sie evakuieren daraufhin den Präsidenten und Colonel Uno. Ich begleite die Limousine dann in der Luft. Ich schätze, langsam kann auch die Verstärkung von Admiral Richards eintreffen.“
„Gute Analyse. Aber warum haben Sie das nicht per Funk mit uns besprochen? Warum sind Sie überhaupt erst ausgestiegen?“
„Verliebte Menschen machen manchmal dumme Dinge“, erwiderte ich leise. „Ich musste erst wissen, wie es Colonel Uno geht.“
„Verstehe, Sir. Seien Sie versichert, wir passen auf sie auf, als wäre sie die Präsidentengattin.“
„Das beruhigt mich jetzt nicht wirklich“, versetzte ich. „FEUERSCHUTZ!“
Ich sprang auf, während die Agents rings um mich die gegnerische Hausfront und das Dach unter Feuer nahmen. Ich warf mich aus der Tür, rollte über die linke Schulter ab und spürte einmal kurz etwas neben mir bersten. Mit einem Satz war ich auf dem nächsten Autodach, stieß mich ab und sprang mitten auf die Straße. Dort kam ich federnd auf, wollte weiterlaufen und… Sah nur noch, wie das KI-Biest mit weit aufgerissenem Rachen auf mich zugestürzt kam.
***
Es war ein merkwürdiges Gefühl. Irgendwo zwischen totaler Erschöpfung und absoluter Euphorie. Ich spürte die Kugeln auf mich zupfeifen, aber sie konnten mir nichts tun. Und das Schwert in meiner Hand glühte, als hätte es jemand in eine Schmiede gehalten.
Die blaue Uniform leuchtete auf eine merkwürdige Weise, wie ich sie sonst nur gesehen hatte, wenn die Fairies ihre Kampfkleidung angelegt hatten. Und der schwere blaue Umhang, der nun auf meinen Schultern hing, wehte nach hinten als ging ein schwerer Wind, aber er zerrte nicht an mir. Vor mir auf der Straße lag eine junge Frau. Sie war nackt und sie umgab eine Pfütze aus Blut, Schleim und Substanzen, die mir normalerweise den Magen umgedreht hätten. Sie, das war alles, was von dem angreifenden KI-Biest übrig geblieben war, seit ich meine KI-Rüstung angelegt hatte. Ich konnte mir nicht erklären, wie ich das geschafft hatte, aber es hatte sich so richtig, so natürlich angefühlt. Ich fühlte mich beinahe unverwundbar, und die ungezählten Kugeln, die in der Rüstung vergingen, schienen das zu bestätigen.
Langsam ging ich auf das zitternde, bebende und von spastischen Lähmungen zuckende Bündel Mensch zu und legte ihr eine Hand auf die Schulter. Es war als hätte ich heißes Eisen berührt.
Als die Bestie mich angegriffen hatte, da hatte ich mich automatisch gewehrt. Aber es war das Gesicht eines Menschen gewesen, das in höchster Not aufgeschrieen hatte, und so hatte ich die Klinge dorthin geführt, wo ich den Körper des Menschen nicht hatte sehen können, mitten durch einen grell leuchtenden Knoten… Und dies war nun davon übrig.
Wieder berührte ich sie, und es schien als würde sie ruhiger werden. Langsam, unendlich langsam wandte sie sich mir zu. „Akira-kun“, hauchte sie mir zu.
„Azumi-senpai?“ Mit einem Ruck zog ich den Umhang von meinem Rücken und warf ihn der bebenden Frau um den Körper. Azumi Okamoto war vor ewig langer Zeit eine Schülerin gewesen, die einen Jahrgang über mir gestanden hatte. Dann war ich gezwungen gewesen, Aoi Akuma zu werden und sie war zur Fushida Hacking Crew gegangen. Erst vor kurzem hatte ich erfahren, dass die Kronosier sie erwischt hatten. Sie und Hitomi Seto-senpai. Anscheinend hatte sie das gleiche Schicksal ereilt.
Sanft nahm ich das Bündel Mensch auf die Arme und trug sie zu Blue. Dort verstaute ich sie im Cockpit und schnallte sie an. „Blue, bring sie zurück zur Basis. Alarmier die Sanitäter.“
„Ja, Sir.“ Der Hawk startete direkt neben mir durch, verbrannte dabei zwei Autos am Straßenrand die Reifen und verrußte Seiten und Fenster. Aber ich spürte nicht einmal die Hitze.
Langsam wandte ich mich um. Ein kaltes Lächeln huschte über mein Gesicht. Ich war kugelfest. Verdammt noch mal, ich war kugelfest! Und ich war nicht nett genug, das zu ignorieren! Mit einem wütenden Schrei packte ich mein Katana fester und begann zu laufen.
***
Da saß ich also, von Löschwasser bis auf die Knochen durchnässt, müde, irritiert und vollkommen neben mir. Eine Motorhaube diente mir als Sitzfläche. Der Wagen selbst war ausgebrannt in dem brutalen Kampf, der letzte Nacht hier getobt hatte.
Ich wusste nicht mehr, wie viele ich getötet hatte, ich wusste nur, dass meine Klinge, die geglüht hatte als würde ich mein KI benutzen – wahrscheinlich hatte ich das sogar getan – selbst durch Stahl geschnitten hatte. Warum hätten da ein paar Knochen ein ernsthaftes Hindernis sein sollen?
„Meine Schuhe sind ruiniert“, klang eine Mädchenstimme an meine Ohren. „Und mein Kleid habe ich mir auch zerrissen.“
Ich wirbelte herum! „MEGUMI!“
Ich eilte auf sie zu und schloss sie in die Arme. „Megumi. Was machst du denn hier? Ich dachte, in all dem Chaos wären du und Jordan entkommen!“
„Ich bin Soldat. Ich kann meinen Anführer doch nicht hier alleine lassen“, erwiderte sie. Ihre Augen suchten meinen Blick, unsere Lippen näherten sich einander.
„Ähemm!“ Entsetzt fuhren wir herum.
Jordan Daynes kam gerade auf uns zu, und sein Anzug sah wirklich fürchterlich aus. „Es scheint als hätten wir alle Attentäter erwischt. Ebenso ist es uns gelungen die Kerne von drei der KI-Biester zu retten. Akira, du weißt nicht zufällig etwas über den Verbleib des vierten KI-Biests?“
„Eine Bekannte von mir. Mitglied der Fushida Hacking Crew. Sie ist auf unserer Basis und wird hoffentlich gerade medizinisch versorgt“, erwiderte ich. „Wissen wir schon wer es war?“
„Die Japaner haben uns einen Tipp gegeben. Angeblich haben sie Legat Scott auf Hawaii eingeschleust. Aber wir konnten ihn bisher nicht fassen. Sag mal, musst du Megumi so fest an dich drücken?“
„Ja, muss ich. Weiter im Text. Wie hoch sind unsere Verluste?“
„Drei Agents meiner Sicherheit sind getötet worden, dazu kommen etliche Verletzte. Wir haben Glück, dass sie uns nicht gleich den ganzen Stadtteil um die Ohren gejagt haben.“
„Das hätten sie nicht gewagt. Die schlechte Presse hätte selbst ihnen zu schaffen gemacht“, gab ich zu bedenken.
„Ha! Glaubst du wirklich, das schert die Kronosier?“
„Vielleicht nicht jene, die uns vor acht Jahren angegriffen haben. Aber die heutige Generation an Führungskräften ist anders.“ Megumi sah ernst zu ihm herüber. „Einer der Gründe, warum ich für sie arbeiten konnte.“
„Wie dem auch sei. Hier beginnen jetzt die Aufräumarbeiten und ich muss eine Pressekonferenz abhalten. Es ist wohl besser, wenn ihr beide nicht dabei seid, dann kann ich mich besser in die Opferrolle stellen. Wenn Akira neben mir steht glaubt doch keiner wie knapp es gewesen ist. Treffen wir uns nachher zum Mittag?“
„Nein, ich denke nicht. Ich will nur noch ins Bett und schlafen“, erwiderte ich.
„Gut, dass du schlafen dazu gesagt hast“, brummte Jordan, nickte uns noch einmal zu und wandte sich dann ab.
Ein eifrig hupender Wagen forderte danach unsere Aufmerksamkeit ein. Phillip winkte uns vom Fahrerplatz eifrig entgegen.
„Ich bin zu müde, um ihn und Cecilia in der Luft zu zerreißen“, murrte ich, zog Megumi auf die Beine und setzte mich in Richtung des Autos in Bewegung.
„Geht es?“ „Ja, kein Problem. Ich kann auch barfuß laufen.“
„Ich kann dich auch tragen.“
„Davon träumt doch jede Frau, vom Prinzen auf Händen getragen zu werden“, neckte sie mich.
Ich zog sie an meine Seite. „Du hast ja keine Ahnung, was ich noch alles für dich tun würde, Megumi.“
„Oh, ich denke ich habe gestern Abend einen kleinen Einblick bekommen.“ Sanft küsste sie mich auf die Wange. „Danke, du Held.“
„Jederzeit wieder, Lady Death. Jederzeit wieder. Und wir drei sprechen uns auch noch!“
Phillip zuckte zusammen. „Ich habe dir doch gleich gesagt, dass er es raus kriegt, Cecilia.“
„Na und? Ist ein Abendessen mit mir nicht den ganzen Ärger wert?“
„Was auch immer. Bringt uns zur Basis, bitte.“
***
Nach nur wenigen Stunden Schlaf, drei um genau zu sein, wurde ich wieder aus den Federn gerissen. „Colonel, Sie werden sofort auf der Krankenstation erwartet!“
Unwillig wälzte ich mich herum, bis mein Pflichtgefühl siegte und ich endlich auf die Beine kam. „Willst du mit?“
Megumi Uno öffnete kurz ein Auge, nur um es sofort wieder zu schließen. „Ruf mich, wenn es wichtig ist.“
„In Ordnung. Schlaf weiter. Das hast du dir verdient.“
Ein Lächeln huschte über ihr Gesicht. „Spötter.“
Ich küsste ihre bloße Schulter und zog schnell neue Kleidung aus dem Schrank. Zum Glück war jemand so schlau gewesen, Standardbekleidung in meiner Größe einzulagern.

Als ich kurz darauf die Lazarettsektion betrat, erwartete mich ein ziemliches Gedränge. Vertreter von mindestens elf Geheimdiensten, der Organisation meines Vaters und weitere Hochoffizielle der Exilregierung standen in einem Zimmer beisammen und folgten schweigend dem Geschehen auf einem Monitor. Ich erkannte die junge Frau, die abgebildet wurde, sofort wieder. Azumi-senpai. Wie es schien wurde sie gerade verhört. Und ihre Aussage wurde live aufgenommen und hierher übertragen. Nun, das war besser als ihr direkt im Zimmer mit dreißig Leuten auf den Pelz zu rücken.
„Geh gleich rein, Akira“, empfing mich Mako, bevor ich ebenfalls in den Raum treten konnte. „Okamoto-san hat nach dir verlangt.“
Ich runzelte kurz die Stirn, dann aber folgte ich Makotos Anweisung.
Als ich das Zimmer betrat, sah mich Azumi-senpai aus müden, aber dennoch vor Freude strahlenden Augen an. „Akira. Ich habe mich noch gar nicht bedanken können.“
„Es ist in Ordnung, Senpai. Wir hatten einfach wahnsinniges Glück aufeinander zu treffen. Außerdem haben wir schon Erfahrung mit dieser Situation, seit wir Hitomi befreien konnten.“
Wohlweislich verschwieg ich meine Gedanken und meine Querschlüsse. Denn wenn man die Aussage von Azumi nahm und ich noch die Erlebnisse von Akane hinzufügte, wäre die arme Fairy unruhigen Zeiten entgegen gegangen. Dabei arbeiteten meine Forscher längst an einer Möglichkeit, die verhindern sollte, dass sich Menschen als Kern für einen Youma eigneten. Basis für diese Grundlage war Akane selbst, die ihren derartigen Missbrauch verhindern konnte.
„Seto-kun hat es auch geschafft?“ Erleichtert ließ sie sich in die Kissen zurücksinken. „Das ist eine gute Nachricht.“
„Apropos gute Nachricht. An was kannst du dich noch erinnern, aus deiner Zeit als Youma?“
Sie sah mich aus großen Augen an. Der behandelnde Psychologe verdrehte entnervt die Augen, und ich wurde mir bewusst, wohl gerade einen Fehler gemacht zu haben.
„Nicht viel…“, begann sie mit dünner Stimme zu sprechen. „Als ich in diesen Youma transformiert wurde, da war da nur dieser Schmerz gewesen, dieser unglaubliche Schmerz, als würde mir die Haut platzen und als würden Dolche durch meinen Körper getrieben werden. Und danach sah ich die Welt so verschwommen, wie durch ein Kaleidoskop. Ich hörte Stimmen, die so fern wirkten, so fremd. Aber ich spürte, wie ich auf diese Stimmen reagierte, obwohl ich immer so müde war, so dämmrig. Mehr weiß ich nicht. Hier und da habe ich wohl ein Gesicht gesehen, einen Youma, aber das war es dann wirklich. Ich… Ich wurde mir meiner erst wieder bewusst, als du den Umhang über mich gedeckt hast.“ Sie deutete auf das Kleidungsstück neben ihr auf dem Stuhl.
Ach ja, da war ja noch was. Ich trat heran, nahm den Umgang auf und legte ihn über den linken Arm. Dann tätschelte ich meinem Senpai mit einem breiten Lächeln über den Kopf. „So, du hast jetzt genau zwei Aufgaben, Azumi-senpai. Erstens musst du schlafen, um wieder zu Kräften zu kommen. Und zweitens wirst du dich bei Sarah Anderson und der Hacking Crew melden. Sie arbeiten in meinem Team. Du weißt wer der blaue Teufel ist, oder?“
„Ich habe schon einiges mitbekommen, seit ich wieder frei bin“, erwiderte sie. „Und wie geht es danach weiter?“
„Ich habe keine Ahnung. Wir werden es auf uns zukommen lassen.“ Erneut tätschelte ich ihr den Kopf, nickte noch einmal aufmunternd und verließ dann das Krankenzimmer. „Ich komme am Abend wieder. Und ich sage der Hacking Crew Bescheid, dass eines ihrer Gründungsmitglieder wieder aufgetaucht ist.“
„Danke“, hauchte sie müde und war kurz darauf eingeschlafen.
Nachdem die Tür hinter mir zugefallen war, verharrte ich kurz und starrte auf den Umhang. Er war mir so fremd und doch so vertraut. Und er löste sich gerade in einem Funkenregen auf. Aber das kam mir so normal vor, so erschreckend normal.
Ich bekam Angst.
***
Legat Gordon Scott zog die Stirn kraus, als er sah, wer seinen Bericht annehmen wollte. Der breitschultrige, hochgewachsene Mann mit dem Schlägergesicht war niemand anderes als Coryn Odin selbst – der erste Legat.
„Es gab Schwierigkeiten?“, eröffnete der Mann das Gespräch.
„Wie man es nimmt. Ich habe vier KI-Biester verloren. Das ist schon ein erheblicher Rückschlag für uns, aber nicht der Weltuntergang.“
Der Erste Legat räusperte sich, legte die Arme auf den Rücken und begann innerhalb des holographischen Erfassungsbereichs auf und ab zu marschieren. „Was ein Rückschlag ist und was nicht entscheide ich. Wie ich sehe bereiten Sie nicht Ihren Aufbruch vor. Warum zerstören Sie das Versteck nicht? Warum vernichten Sie keine Dokumente?“
„Ich erachte es nicht für nötig, Erster Legat. Dieses Versteck ist sicher. Die Kerne der KI-Biester haben zumeist nur schattenhafte Erinnerungen an ihre Zeit, sobald sie befreit werden. Sie kennen den Bericht.“
„Hrm.“ Odin nahm seine Wanderung wieder auf. „Was ist mit den Agenten, die Präsident Daynes aufgelauert haben?“
„Waren nicht meine Leute. Ich habe einem amerikanischen Geheimdienst mein Vorhaben zugespielt. Für den Rest kann ich nichts.“ Scott grinste dünn. „Wie ich erwartet habe, hat Bowman mit beiden Armen zugegriffen und versucht in der allgemeinen Konfusion das größtmögliche Kapital herauszuschlagen. Es war wahrscheinlich der CIA oder ein militärischer Geheimdienst, der hinter dem eigentlichen Anschlag steckt. Ich denke, Daynes hat gerade mehr als genügend eigene schmutzige Wäsche zu waschen, um sich auch noch um die KI-Biester zu kümmern.“
„Die eindeutig auf uns zurückgehen“, warf Odin ein.
„Um die er sich aber trotzdem nicht kümmern kann. Sein eigenes Land hat Agenten ausgesandt die ihn töten sollten! Er muss diesen Umstand ausnutzen, er kann gar nicht anders!“
„Es wird unseren Stand verschlechtern.“
„Alleine dass Daynes noch lebt, verschlechtert unseren Standpunkt. Aber wir können unsererseits die Situation vielleicht nutzen. Wenn Bowman Schwäche zeigt…“ Scott ließ den Rest unausgesprochen.
„Ich werde Legat Taylor darauf ansetzen. Er hat volle Befugnisse für eine Wiederaufnahme der Alaska-Offensive. Aber jemand wird sich um uns und um die Herkunft der KI-Biester kümmern.“
„Das werden Akira Otomo und die Hekatoncheiren sein.“
„Ach, der Sohn dieses Verräters. Sind Sie stark genug, um ihn abzuwehren?“
„Ich war schlau genug, ihn nicht auf meine Fährte zu locken. Falls er in ein paar Tagen vielleicht wirklich auf mein Spur gelockt wurde, bin ich entweder schon weit weg, oder sicher in der Botschaft. Selbst wenn er jetzt zuschlagen würde, müsste er Beweise vorlegen, um mich dauerhaft verhaften zu können. Wir sind im Krieg mit den Amerikanern, aber nicht mit Eikichi Otomo und Hawaii.“
„Ich verstehe. Dennoch. Denken Sie nicht daran, die Gelegenheit für einen Kurzurlaub zu nutzen, Legat Scott. Kommen Sie in annehmbarer Zeit zurück.“
„Zurück nach Japan oder zu Ihnen auf den Mars?“
„Auf den Mars. Es gibt einige Probleme mit den Anelph, für die ich jemanden brauche, dem ich trauen kann. Und der nicht gleich ein Massaker anrichtet, weil er mal auf eine kleine Schwierigkeit stößt.“ Coryn Odin sah ernst auf Scott herab. „Die Elwenfelt werden bald eintreffen.“
„Das ist aber sehr früh“, erwiderte Scott nachdenklich. „Viel zu früh.“
„Sie erachten es als nötig. Also, beeilen Sie sich etwas. Odin aus.“
Das Hologramm erlosch und ließ Legat Scott nachdenklich zurück. Der Anschlag auf Jordan Daynes war spektakulär gescheitert, nicht zuletzt wegen der neuen Fähigkeit, die Akira Otomo entwickelt hatte. Aber er bot vielleicht die Gelegenheit, die von den Kronosiern gebraucht wurde, um Alaska dennoch zu erobern. Hm. Vielleicht hieß es ja ab jetzt: Jede Macht auf der Erde wühlt für sich selbst so viel wie sie kann. Ein erheiternder Gedanke.

5.
Es war mitten in der Nacht, die ich übrigens alleine verbrachte, wie ich hier anmerken möchte, als meine feinen Sinne anschlugen. Ich hörte die Schritte vor meiner Tür schon lange, beor sie bewegt wurde. Meine Hand langte automatisch nach der Beretta, und ich wünschte mir die alte Luger zurück. Die hatte Stil und ein größeres Korn.
Allerdings verzichtete ich darauf, direkt durch die Tür zu feuern. Immerhin schlief ich im Hotel, und das konnte bedeuten, dass die leise miteinander flüsternden Gestalten, die mit ihren Schatten den schmalen Lichtspalt unter der Tür verdunkelten, nicht unbedingt zu mir wollten.
Doch ein dezentes Klopfen an der Tür erhob mich sowohl der Frage, was sie planten als auch wohin sie wollten.
„Akira! Bist du wach?“
„Jetzt ja“, antwortete ich wütend. „Was gibt es denn, Kei?“
„Überrangorder. Wir müssen sofort die Insel verlassen.“
„Verstehe. Sofort heißt…“
„Sofort heißt, schwing dich in deine Hose, schnapp dir deine Schuhe und zieh das Hemd im laufen an. Danach schwingen wir uns in unsere Hawks und fliegen ab!“
Ausnahmsweise flossen die Informationen mal akkurat. Ich riss also die Tür bereits auf, als Kei noch nicht einmal ausgesprochen hatte. „Weitere Details?“, fragte ich, während ich in mein Hemd schlüpfte.
„Wir bauen unsere gesamte Ausrüstung ab. Alles wird verladen und so schnell es geht auf den Weg gebracht.“
„Eine Totalevakuierung. Ich nehme an es steht keine weitere Invasion von Hawaii bevor, andernfalls würden wir ja Befehl kriegen hier zu bleiben.“
„Das siehst du richtig. Der Befehl lautet mit Sack und Pack zu verschwinden.“
„Ziel?“ Mein Blick ging in die Runde. Neben Kei waren noch weitere Hekatoncheiren vor meiner Tür, und von den Fairies waren Akane und Hina anwesend.
„Wird uns Makoto in der Luft bekannt geben. Wir sollen fort sein, bevor die Sonne aufgeht, was in… Zwei Stunden der Fall sein wird.“
„Na, worauf warten wir dann noch? Wir checken aus.“
Ich nutzte die Zeit um in meine Schuhe zu schlüpfen. Ohne Socken. Oh, ich hasste es Schuhe ohne Socken zu tragen.
„Verstanden!“
Na, wenigstens spurte die Bande.
***
Exakt zwei Stunden später waren wir ohne großen Gruß von Oahu gestartet. Mir war nicht einmal die Gelegenheit gegeben worden, mich von Jordan zu verabschieden. Megumi übrigens auch nicht, und das gleichte alles wieder aus.
So saß ich also auf einer Infanteristenbank in einem unserer Shuttles, hatte eine Hand vor dem Mund weil ich gähnen musste, und die anderen auf einem hübschen weiblichen Knie.
Ich sah meine Nachbarin an. „Weißt du was näheres, oder lässt Mako dich auch zappeln?“
„Er lässt mich auch zappeln. Ich habe Yohko auf ihn angesetzt, aber nicht mal sie konnte ihn erweichen“, erwiderte Megumi. „Geht es deiner Hand gut da?“
„Oh ja, danke der Nachfrage. Sogar sehr gut.“ Irritiert sah ich sie an. „Ist dir das unangenehm?“
„Unangenehm? Merkwürdig ist es. Du hast die Chance mich zu küssen und legst mir nur die Hand aufs Knie? Hat Aoi Akuma etwa seinen Esprit verloren?“
Ich wurde rot und sah fort. „E-entschuldige, aber seit dem Kampf mit den KI-Biestern bin ich… Ich weiß halt nicht, wie du und ich… Wie wir… Ich meine, wenn du deine Freiheit brauchst, respektiere ich das, und du hast bestimmt deine ganz eigenen Bedürfnisse und…“
„Ach, das ist es?“ Sie schob meine Rechte von ihrem Knie und erhob sich. „Alle mal herhören. Ich habe mit Akira geschlafen. Wollte nur, dass ihr es wisst. Danke für eure Aufmerksamkeit.“
Sie setzte sich wieder und grinste mich an. „Sind damit alle Zweifel und Freiräume ausgeräumt?“
Ich war sicher, meine Augen konnten nun ohne weiteres mit dem Gefechtsscheinwerfer eines November mithalten, groß genug fühlten sie sich zumindest an. „Du bist unglaublich.“
„Nein, du bist unglaublich. Ich bin alles was du willst.“
„Doppeltreffer und versenkt“, flüsterte ich und näherte mich ihren herrlich weichen Lippen, um…
„Du hast mit ihm geschlafen? War er gut?“
„Yohko, so was fragt man als Schwester nicht!“, rief ich wütend.
„Ha, habt ihr es endlich auf die Reihe gekriegt? Konnte ja keiner mehr mit ansehen, wie ihr euch mit den Blicken auffresst. Und Bissspuren habt ihr auch keine. Zumindest keine die man sehen kann.“
„Akane-senpai, bitte…“, raunte ich.
„Also, ich finde auch, dass das längst überfällig… Akira, dieser Blick? Bist du immer noch sauer, weil wir uns von Jordan haben bestechen lassen? Immer noch? Oookay, ich halte besser die Klappe…“
„Gut, dass ich nicht dein Stellvertreter geworden bin. Ich hätte nämlich nicht mit dir geschlafen“, brummte Yoshi.
„Danke, das beruht auf Gegenseitigkeit“, murrte ich zurück.
„Bevor ihr euch in diesem Thema zu sehr verliert“, meldete sich Makoto plötzlich zu Wort, „will ich schnell unser Missions-Ziel bekannt geben. Die Naguad springen gerade in dieses System, und Onkel Eikichi hat den Hekatoncheiren befohlen, auf einer geheimen Basis unterzutauchen. Wir sollen für alle Fälle in der Hinterhand bleiben.“
„Das bedeutet, die beste Einheit der Erde für alle möglichen Aktionen frei zu halten“, sagte ich sinnierend. „Keine dumme Idee.“
„Und wo liegt diese geheime Basis?“, fragte Megumi.
Makoto lächelte dünn. „Na, wo wohl? Auf Senso Island.“

Eine Zeitlang herrschte Schweigen. Dann erklang die erste murrende Stimme. „Schlecht funktionierende Duschen.“
Eine zweite fügte hinzu: „Stromausfälle im Hochsommer.“
„Schlechte Lüftung im Hangar.“
„Alte Wasserleitungen.“
„Ungenügend ausgerüstete Werkstätten.“
„Marode Elektrik.“
Ich fasste alles zusammen. „In einem Satz: Wir fliegen nach Hause.“
Um ehrlich zu sein überraschte mich der folgende Jubel schon ein wenig.


Epilog:
„Senso Island, Senso Island, dies ist Akuma Flight one. Wir bitten um Landefeuer.“
„Hier Senso Island. Akuma Flight one, willkommen Zuhause. Sie haben Landeerlaubnis auf der vier.“
„Landeerlaubnis auf der vier? Was redet der für einen Quatsch? Wir haben nur eine Landebahn! Moment mal, warum kann ich die Landebahn nicht sehen? Die Insel sieht so unberührt aus.“ Ich verharrte für einen Moment sowohl körperlich als auch in Gedanken. Senso Island unberührt? Unmöglich. Zumindest von der Verhaftungsaktion durch die Hekatoncheiren und die Tiger und Drachen hätten Spuren zu sehen sein müssen. Aber die kleine Insel im südchinesischen Meer wirkte, als wäre sie gerade taufrisch aus dem Meer aufgetaucht. „Mako?“
„Lass dich doch einfach überraschen“, mahnte mich der Cousin. „Warte bis wir durch den Tarnschirm durch sind.“
„Moment mal, Tarnschirm?“
Als sich das Bild vor mir rapide veränderte, wusste ich zumindest, was er gemeint hatte. Anstatt der unberührten Insel breitete sich nun eine nicht mehr ganz so unberührte Insel aus. Tatsächlich waren nun vier Landebahnen zu sehen, der Hangar schien ausgebaut worden zu sein und allgemein herrschte ein enormer Betrieb. Wenigstens unser Traumstrand war noch nicht einem Anlegeplatz für Hochseekriegsschiffe gewichen.
Ich zählte auf Anhieb vierzig Hawks bei Manövern in der Atmosphäre. Dazu etliche neue Luftabwehrstellung, viele von ihnen mit Raketen ausgerüstet. Im Klartext, unser beschauliches Geheimversteck in den Weiten des chinesischen Meeres war nun um etliches aufgerüstet. Zudem verfügte es nun über eine Art Tarnschild, wahrscheinlich ein Mitbringsel der Anelph und ihrer Hologrammtechnologie, was diesen Ort fortan nicht nur schwer verteidigt, sondern auch noch schwer zu finden machte.
„Nett.“
Unter mir fuhren schwer bewaffnete Flak-Panzer zwischen Übungsarealen und Hangarbunkern umher. Ich brauchte das Zeichen nicht zu erkennen um zu wissen, dass es sich entweder um Einheiten der Drachen oder der Tiger handelte – wahrscheinlich um beide, denn sie waren sowohl mir als auch Megumi mit ihren Leben verpflichtet.
„Richtig nett. Durch diesen Abwehrschirm kommt nicht mal ne Maus.“ Eine schmale Hand schlug mir kräftig auf den Rücken. „Außer vielleicht Aoi Akuma, was, Akira?“
„Maaaakooootoooooo“, grollte ich böse. „du hast doch genau gesehen, dass ich durchgeschwitzt bin, oder? Und dann haust du mir so stark auf den Rücken?“
Mein Cousin sprintete in Deckung. Genauer gesagt zwischen mich und Yohko. „Waaah! Cousinchen, beschütz mich!“
Ich ließ die geballten Fäuste wieder sinken. Ich würde meine Rache für den schmerzenden Rücken schon noch kriegen. Alles was ich brauchte war sein Kaffeebecher, frisches flüssiges schwarzes Gold und ein Tütchen Zimt. Er hasste Zimt, und das wusste ich ganz genau.

Als das Shuttle aufgesetzt hatte, waren sofort hilfreiche Hände dabei, es zu entriegeln und die Mechas zu entladen. Ich schnallte mich ab und schritt an der Spitze meiner Leute die Personenrampe hinab.
Was ich sah, beeindruckte mich wirklich sehr. Selbst zu Spitzenzeiten waren wir nie viel mehr als zweihundert Leute auf Senso Island gewesen. Nun aber schoss diese Zahl ins Zehnfache. Und alle standen sie unter meinem Kommando.
Okay, davon merkte ich nicht viel, denn zwar hob sich hier und da ein Arm zum Gruß, aber die Männer und Frauen, die hier dienten, waren zu sehr mit der Wartung des Shuttles und der Entladung der Mechas beschäftigt.
Ausgenommen vielleicht eine kleine Ehrengarde aus gut zehn Mann, an dessen Flanke Mamoru Hatake und ein alter Mann mit den militärischen Abzeichen eines Obersts standen.
Ich hielt darauf zu, und die zehn Mann standen stramm.
„Willkommen Zuhause, General Otomo“, sagte der alte Mann und salutierte vor mir.
Ich erwiderte den Gruß. „Danke. Und Sie sind?“
„Colonel Hatake vom Freien Japanischen Geheimdienst. Ich hatte die Ehre, Senso Island in Ihrer Abwesenheit zur Basis für die Hekatoncheiren auszubauen. Meinen Sohn Mamoru kennen Sie ja schon.
Colonel Uno, schön Sie ebenfalls zu sehen.“
Megumi erwiderte den Salut und den Gruß. „Sie haben hier ja einiges geleistet. Allein das Schutzhologramm ist bemerkenswert.“
„Wir werden diese Ressourcen bitter brauchen, Megumi“, sagte Mamoru ernst. „Denn ab heute haben wir nicht mehr viel Zeit, um die Erde auf die Ankunft der Elwenfelt vorzubereiten.“
„Hm“, machte ich und sah mich um. „Ich nehme an, Sie haben das Quartier auch umgebaut?“
„Wir haben einiges von der veralteten Einrichtung auf den neuesten Stand gebracht. Außerdem haben wir uns erlaubt, einiges vom allerneuesten, auf Senso Island entwickelten Equipment zu verbauen.“ Der alte Mann winkte einladend. „Kommen sie, ich führe sie herum.“

Den alten Colonel vorweg folgten wir ihm in den alten Hangar. Es war erstaunlich, wie sehr sich das Gelände hatte ändern können. Und das in so kurzer Zeit. Mir war, als wäre ich nie wirklich von Senso Island verschwunden, und dennoch erlebte ich alles neu und mit dem staunen eines großen Kindes.
Neue Einstellplätze für die Mechas! Ein Katapultsystem für Notfallstarts! Eigene Wartungsareale!
„Dies ist natürlich nur der Westeingang. Es gibt noch eine Südpromenade, die zu den Quartieren führt“, erklärte der alte Mann nicht ohne Stolz und führte uns tiefer in den Stützpunkt. Interessiert registrierte ich eine Unzahl verbauter Leuchtkörper. Und was noch wichtiger war: Keiner war ausgefallen oder flackerte. Wir passierten die Werkstätten und Tüftlerbereiche, das Areal für unsere Supercomputer und die Arsenale. Überall wurde bereits eifrig gearbeitet.
Dann betraten wir den Wohnbereich. Ich starrte in ein abgrundtiefes Loch hinein.
„Wir haben die Sohle um zweihundert Meter vertieft. Außerdem wurde der Bereich vom Platz her verfünffacht. Wie Sie sehen können, General, verfügt Senso Island nun über eine eigene Einkaufspromenade, Nachtclubs, Kneipen, mehrere öffentliche Bäder und was man sonst noch braucht, wenn man vielleicht Wochen oder gar Monate nicht von der Insel fortkommt.
Der Nachschub an weltlichen Gütern erfolgt über die Routen des FJG und kann nur schwer zurückverfolgt werden.“
Er führte uns auf die Sohle hinab. Ich machte mir klar, dass wir damit praktisch auf Seehöhe waren. Unter meinen Füßen vermutete ich weitere Anlagen und Aggregate. Sollte hier jemals Seewasser eindringen…
„Für den Notfall haben wir das Gros der Aggegate auf Meeresniveau aufgestellt. Sollte Senso Island zerstört werden müssen, damit es dem Feind nicht in die Hände fällt, brauchen wir nur einen vorbereiteten Kanal zu sprengen und das Salzwasser übernimmt den Rest. Unwiderruflich, unkorrigierbar.“
Ich nickte anerkennend. Sogar daran hatte er gedacht.
Schließlich kamen wir in einem großen Bürotrakt an. „Das neue Stabsgebäude für Ihre Division, Otomo-sama. Ich denke, wir sollten es gleich einweihen. Immerhin müssen wir so schnell es geht über den neuen Auftrag reden, den Eikichi uns gegeben hat.“ Der Mann räusperte sich. „Falls Sie mich als Berater zulassen, Otomo-sama.“
„Natürlich, Tatewaki Hatake. Und worum geht es in diesem neuen Auftrag?“
„Es handelt sich um die Eroberung eines eigenen Gebiets für Uno-sama, bevor die Naguad hier eintreffen.“ Der alte Mann lächelte dünn. „Wir müssen Japan für Haus Daness erobern.“
„Und den Mars“, erklang eine mir mittlerweile wohl bekannte Stimme. Im Eingang des Bürogebäudes stand Ban Shee Ryon und erwartete uns bereits mit einem Lächeln. „Um beide Ziele zu erreichen habe ich fünf Kriegsschiffe mitgebracht.“
„Kriegsschiffe?“, fragte ich argwöhnisch.
„Raumschiffe“, verbesserte sie sich.


Epilog:
Als es an ihrer Tür klopfte, sah Sakura Ino nicht einmal auf. „Herein.“
Die Tür öffnete sich und ein alter glatzköpfiger Mann in einer safrangelben Kutte kam herein.
„Einen guten Tag wünsche ich, General Ino.“
„Den wünsche ich Ihnen ebenfalls, Priester. Was kann ich für Sie tun? Sind die Hilfslieferungen mangelhaft? Hat das Oberhaupt nicht zugestimmt, aus dem indischen Exil zurück zu kommen? Haben sich Angehörige meines Pantheons ungebührlich verhalten?“
Der alte Mann lächelte noch immer und schüttelte bestimmt den Kopf. „Nein, General Ino. Das ist nicht der Fall. Ich bin heute aus einem anderen Grund hier. Ich spreche im Namen der Bevölkerung Tibets, der Oberhäupter von Shangri-La und des Rates von Nepal.“
Der alte Mann verbeugte sich vor der jungen Halb-Naguad.
„General Ino, Sie haben sehr viel für unsere Freiheit und für unsere Sicherheit getan. Außerdem haben Sie uns erlaubt, frei unseren Glauben auszuüben. Dafür danken wir Ihnen sehr. Auch die Aussicht, dass unser Oberhaupt in das ihm angestammte Land zurückkehren kann ist eine Großzügigkeit jenseits jeder Beschreibung.“
Sakura fühlte sich versucht, in ihren Ohren zu bohren. Irgendwie traute sie ihrer Hörfähigkeit nicht mehr wirklich. „Ich tue nur, wozu mein Gewissen mir rät und was Direktor Otomo gestattet.“
„Und wir wissen das wirklich zu schätzen. Aber…“
„Aber?“, fragte sie argwöhnisch.
„Aber, wenn Sie uns unsere Vermessenheit verzeihen wollen, General Ino, das reicht noch nicht.“
Wieder verbeugte sich der alte Mann. „Wollen Sie nicht die Würde annehmen und unser Staatsoberhaupt werden, General Sakura Ino?“
„WAS?“

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Anime Evolution: Spiegel
Episode sieben: Megumis Lehen


Prolog:
Taschen packen, Taschen packen. Nervös fummelte der junge Wissenschaftler an der Tragetasche für seinen Laptop herum, und versuchte zugleich seine beiden Reisetaschen möglichst sinnvoll zusammenzustellen.
"Nehmen Sie nichts mit außer Ihren Unterlagen. Senso Island bietet alles, was Sie brauchen", hatte man ihm gesagt. Aber er bezweifelte, dass sie seine Lieblingsmarkenklamotten vor Ort hatten, oder seine Musik-CD's als Backup, falls dem Speicher seines Players etwas passierte. Oder seine Videosammlung. Oder seine bevorzugten Kosmetika. Nein, ein Minimum musste erlaubt sein, immerhin zog er in ein ungewisses neues Leben, in dem es nur eine Konstante geben würde: Endlich durfte er aktiv am Widerstand gegen die Kronosier teilnehmen! Endlich konnte er seinen Teil leisten, um die Welt zu retten! Und das hätte man von einem kleinen Eierkopf mit einem Doktor in Kybernetik doch sicher nie gedacht, oder? Nun, er wusste nicht, ob seine Forschungsergebnisse wirklich so viel nützen würden wie er es erhoffte, aber zumindest würde er sein Bestes geben um Aoi Akuma, den Blauen Teufel, wie Akira Otomo oft hasserfüllt, aber viel öfter ehrfurchtsvoll genannt wurde, nach besten Kräften zu unterstützen. Wenn er auch nicht selbst kämpfen konnte, was nicht zuletzt daran lag, dass sich die EU und damit auch sein österreichisches Heimatland in die Neutralität verabschiedet hatte, obwohl Island noch immer kronosoisch besetzt war. Aber hier und jetzt bot sich für ihn die Möglichkeit, etwas zu ändern, etwas anders zu machen. Besser. Hoffentlich. Dabei würden ihm der österreichische Auslandsgeheimdienst und der Freie japanische Geheimdienst helfen. Die einen, um ihn und seine Forschung unerkannt von den Kronosiern aus der EU rauszuschaffen, und die anderen, um ihn nach Senso Island hinzuschaffen.
Für einen Moment hielt er beim Tasche packen inne, betrachtete den Wust an Mangas, Büchern und Musikdatenträgern, mit denen er die Tasche gefüllt hatte und fragte sich eine bange Sekunde wirklich, ob er das alles brauchen würde. Und er fragte sich, wie Akira wohl so war, persönlich, von Angesicht zu Angesicht. Aber vielleicht würde er den Aoi Akuma, seinen persönlichen Helden, niemals zu sehen kriegen. Immerhin arbeiteten tausende Leute für ihn, und er konnte sich nicht Zeit für jeden einzelnen nehmen. Schade, er hätte den jungen Mann gerne persönlich kennen gelernt. Nicht zuletzt, weil er neugierig auf Akira war.
Laut seinen Daten war er drei Jahre älter als Aoi Akuma, und er hatte einen Doktortitel, Akira nicht. Dafür war dieser mittlerweile zum General der japanischen Exilstreitkräfte ernannt worden, und das schlug seinen Doktor doch um einiges. Himmel, Akira Otomo musste trotz seiner jungen Jahre ein beeindruckender Mensch sein.
"Kommen Sie jetzt, Doktor Beer", sagte Herr Neulinger, sein Kontaktagent. "Wir haben einen Fahrplan einzuhalten, um Sie außer Landes zu kriegen."
"Ich komme!", rief Rüdiger Beer, schloss die Taschen und schulterte sie. Wehe, es gab auf Senso Island nicht wirklich alles.
Mit einem letzten Blick in seine Wohnung verabschiedete er sich. Ob und wann er jemals wieder hierher zurückkehren würde, stand in den Sternen. Vielleicht wollte er das aber auch nie. Nie mehr.
Er löschte das Licht und folgte dem Agenten zum wartenden Geländewagen. Neulinger nahm ihm eine Tasche ab und geleitete ihn zum Wagen, in sein neues Leben.


1.
Manchmal fragte ich mich, ob Napoleon bei seinen Feldzügen ähnliche Probleme wie ich gehabt hatte. Ich meine, in den Historienschinken, die sein Leben nachzuerzählen behaupteten, wurde er immer als selbstsicher, ja geradezu arrogant beschrieben, auf den die hochdekorierten Generäle hörten als wären sie kleine Fahnenjunker. Wenn man die üblichen Übertreibungen wegließ, konnte ich also zumindest davon ausgehen, dass sie zumindest auf ihn gehört hatten. Von Widersprüchen wollte ich gar nicht reden, aber zumindest, da war ich mir sicher, hatte er immer das letzte Wort gehabt.
Was für ein Negativbeispiel war ich dann wohl?
"Kommt überhaupt nicht in Frage!", rief Makoto in Rage.
"Viel zu riskant! Akira, du bist nicht unverwundbar!", sagte Joan in vorwurfsvollem Ton.
"Akira, das kannst du nicht tun", sagte Megumi mit ängstlichem Ton in der Stimme. "Was, wenn auch nur einer nervös wird und auf dich schießt? Was, wenn sie alle auf dich schießen?"
"Ich bin strikt dagegen, dass du so eine Dummheit machst!", sagte Yoshi mit fester Stimme. "Für Dummheiten ist hier immer noch Kei zuständig."
"Hey, das war nicht nett!"
"Tschuldigung, Kei, aber ich muss doch drastisch argumentieren."
"Na okay, wenn du einen rationalen Grund hast."
"Und überhaupt. Was ist wenn sie dich einknasten und foltern?", fragte Yohko mit gelinder Panik in der Stimme. "Was, wenn sie..." Meine kleine Schwester stockte. Sie begann zu husten und zu würgen. Besorgt legte Yoshi ihr eine Hand auf die Schulter.
"Geht schon", ächzte sie. "Sind nur ein paar unliebsame Erinnerungen, die gerade hochgekommen sind. Nein, nicht bei mir. Ich musste es nur hinterher aufräumen." Ihr Blick ging zu mir. "Onii-chan, glaub mir, es gibt Erfahrungen, die willst du nicht machen."
"Akira", ereiferte sich Philip, "du bist der Anführer! Du bist ein General! Du vertrittst die Otomos, den OLYMP, Hawaii, und die Koalition mit den Amerikanern! Hältst du es da wirklich für eine gute Idee, ausgerechnet diesen Plan auszuführen?"
"Und überhaupt!", ereiferte sich Sarah Anderson, die Anführerin der Fushida Hacking Crew, "bist du es nicht mal langsam leid, ständig deinen eigenen Hals zu riskieren? Akira, sag doch auch mal was!"

Ich schlug mit der Faust auf den Tisch. Das Ergebnis, ein lauter, scharfer Knall, ließ die Anwesenden zusammenzucken. Schlagartig kehrte Ruhe ein. Ich sah kurz nach rechts, wo Colonel Hatake saß. Also Tatewaki jetzt, nicht sein Sohn Mamoru. Mit ihm hatte ich den Plan mehrfach durchgesprochen, mit dem wir Japan zu erobern gedachten - als Protektorat von Haus Daness.
Okay, ich gebe zu, ich habe anfangs nicht durchgeblickt, worum es eigentlich ging. Ich ein Arogad, Megumi eine Daness, und so weiter. Es war mir nur in den Sinn gekommen, dass Megumi damit eine wirklich schnucklige Außerirdische war, und ich und Yohko damit zur Hälfte Erdling und zur Hälfte selbst Naguad, und dass die Tatsache, dass wir zu den größten beiden Häusern des Imperiums gehörten, für uns sehr plötlich sehr nützlich geworden war. Denn wenn die Elwenfelt hier eintrafen, um die Territorien ihrer Vasallen, namentlich der Kronosier, für das Reich und speziell für ihr Haus einforderten, würde sich das auf alles beziehen, was die Kronosier beherrschten. Im Moment waren das große Teile Indiens, mehr als die Hälfte von Alaska, Teile von Argentinien, Uruguay und Bolivien, sowie ein paar Küstenterritorien in Afrika, wie Somalia, Kenia und Angola. Island nicht zu vergessen, das vor drei Jahren im Handstreich gefallen war.
In den anderen Bereichen Afrikas und im Rest Europas hatten die Kronosier zwar großflächige Zerstörungen angerichtet, aber nie Fuß fassen können. Vor allem nicht mehr, seit die Akuma-Gumi existierte.
Fakt war, wenn wir Japan eroberten, konnte Megumi es defacto für das naguadsche Imperium und speziell für ihr Haus beanspruchen. Und da Elwenfelt sicher keine Lust hatte, sich mit einer der beiden mächtigsten Familien auf Nag Prime anzulegen, geschweige denn mit beiden, würde dieser Bluff funktionieren. Aus dem gleichen Grund hatte meine Cousine Sakura auch im Auftrag meines Vaters, Eikichi, ihre Truppen in die Desertion geführt und Südchina, Tibet, Shangri-La und Nepal als Protektorat der Arogad proklamiert. Für die Himalaja-Staaten war dies wie ein Akt der Befreiung. Man hatte Sakura die Präsidentenwürde angeboten, und auf höchster Ebene diskutierte man die Vor-, und Nachteile dieses Angebots.
Also: Wir mussten Japan erobern, und das möglichst, bevor die Elwenfelt über der Erde eintrafen. Und um einen Staat zu erobern, der einerseits bereits militärisch okkupiert war und andererseits aus vier Inseln bestand, die sich über mehr als tausend Kilometer von Nord nach Süd zogen, und dabei nicht besonders breit waren, bedurfte es besonderer Strategien oder besonders vieler Truppen. Das Angebot von Jordan Daynes, amerikanischer Präsident im Exil und Gefährte aus der Schlacht um New York, uns dabei mit freien amerikanischen Truppen zu unterstützen, hatte ich rundweg abgelehnt. Jordan hätte aus innenpolitischen Gründen gar nicht anders gekonnt und für seine Hilfe die alten, seit acht Jahren leerstehenden amerikanischen Basen zurückgefordert, die sich auf japanischem Territorium befanden. Also war schon mal nichts mit mehr Truppen. Wir hatten die Hekatoncheiren, die Tiger und die Drachen sowie meine Akuma-Gumi. Bestenfalls konnten wir auf Verstärkung durch das Pantheon hoffen, jener eigentlich loyalen Opposition kronosischer Offiziere, zu denen Megumi und Sakura zuvor gehört hatten, bevor sie offen zu Vater desertiert waren.
Aber manchmal kam es gar nicht auf die Zahl der Krieger an, sondern auf deren Qualität. Als sich Heinrich der Fünfte, König von England, in der Schlacht von Azincourt mit Karl den Vierten, König von Frankreich, angelegt hatte, hatten auf englischer Seite rund sechstausend Mann gestanden, auf französischer Seite das Dreifache. Als Ergebnis stand ein englischer Sieg, rund vierhundert Tote bei ihnen, und an die achttausend bei den Franzosen. Und warum? Weil der englische Langbogen, eine aktuelle Weiterentwicklung seiner Zeit, die Rüstungen der Franzosen hatte durchschlagen können, und weil ein Langbogenschütze drei bis vier Pfeile pro Minute hatte verschießen können. Genauso gut hätten die Franzosen auf breiter Front vor große Maschinengewehre geraten können. Das Ergebnis hätte nicht verheerender ausfallen können als der tödliche Dauerregen aus Pfeilen auf die Franzosen.

Meine Entscheidung war getroffen. Ich sah auf. "Herrschaften! Wir waren uns darüber einig, dass wir alleine mit den uns zur Verfügung stehenden Truppen Japan nicht erobern können. Zudem schließen wir Hilfe von den Dämonen aus, nicht?"
Zustimmendes Gemurmel klang auf.
"Gut. Dann sehe ich keine andere Möglichkeit, als dort anzusetzen wo es wehtut. Und das ist direkt bei Generalgouverneur Hilmer Bont."
Bange Sekunden herrschte Schweigen, dann aber wurden alle Argumente gegen den Plan erneut hervorgebracht.
Wieder schlug ich auf den Tisch. "Herrschaften! Wir führen die Operation Ojii-sama aus, und das ist mein letztes Wort! Mehr noch, hiermit ist es ein Befehl!"
Entsetzte Blicke trafen mich. "Akira, du kannst nicht...", haspelte Megumi.
"Es ist der beste Weg, den wir nehmen können. Die angeblich so freie Presse des Japans unserer Tage soll doch ordentlich was zu tun bekommen, oder? Außerdem sind die Vorbereitungen, die Doitsu trifft, in vollem Gange. Wir werden das durchziehen, und wenn ich es alleine machen muss!"
Yoshis Blick war voller Skepsis. "Und wie lange denkst du, hältst du das durch?"
"So lange, bis ich Japan für Megu-chan erobert habe", erwiderte ich mit fester Stimme.
"Akira, du bist verrückt", warf mir Joan vor.
Azumi Okamoto, die junge Frau, die ich erst in Honolulu aus ihrem Schicksal als Ki-Bestie befreit hatte, verdrehte gespielt die Augen. "Na, das ist doch wohl für niemanden hier eine wirkliche Neuigkeit, oder? Die Frage ist doch, wie hoch ist seine Überlebenschance? Und wir reden hier von Aoi Akuma."
"Dennoch", sagte Joan beharrlich, "er ist auch nur ein Mensch. Und wenn er es aus welchen Gründen auch immer nicht bis zu Primus schafft, dann..." Sie überließ den Rest unserer Phantasie. Und ehrlich gesagt war diese Alternative nicht sehr nett.
Kei räusperte sich vernehmlich. "Wir sollten dabei auch zwei wichtige Dinge nicht vergessen. Neben Hilmer Bont und seinen Leuten sind höchstwahrscheinlich der Vierte Legat Gordon Scott und der Zweite Legat Juichiro Tora in Japan, womöglich sogar in Tokio. Und zumindest bei Scott heißt das, es sind weitere KI-Biester in Wartestellung. Dank Azumi-senpai und Hitomi-senpai wissen wir ja, wozu sie geradezu produziert und anschließend eingesetzt werden."
Hitomi Seto, von Doitsu vor nicht einmal einem Monat in den Straßen von Tokio vom Schicksal befreit, selbst ein KI-Biest zu sein, schüttelte sich bei dieser Erinnerung. "Keine besonders erfreuliche Episode in meinem Leben, das kann ich euch sagen."
"Na, das Schicksal steht Akira wohl nicht bevor", sagte Akane Kurosawa, eine unserer Fairies, bedächtig. "Mittlerweile hat er eine so gute Kontrolle über seine Aura, sodass er sogar eine Aura-Rüstung anlegen kann, wie wir Fairies es im Kampf tun."
Cecilia Wang, ebenfalls eine unserer Fairies, sah entsetzt zu mir herüber. "Ihr wollt euch darauf verlassen, dass ein Anfänger mit seiner Aura so gut umgehen kann wie eine Fairie mit sechs Jahren Kampferfahrung? Akira, nimm wenigstens deine Fairy mit. Hina, sag doch was dazu!"
Hina Yamada, seit fast sechs Jahren meine persönliche Fairy, die mich mit ihrer Aura-Kraft in so gut wie jeder bisherigen Schlacht unterstützt hatte, war meine beste Freundin und meine treueste Gefolgsfrau. Zeitweise waren wir sogar ein Paar gewesen, bis wir eingesehen hatten, das es mit uns nicht klappen würde. Danach hatten wir ab und an noch Sex gehabt, was aus uns mehr als sehr gute Freunde machte. Ich sah es als sehr schlechtes Zeichen, dass sie sich von mir nicht dazu hatte überreden lassen, mit mir und Megumi mal einen flotten Dreier auszuprobieren. Musste ich mir eigentlich Sorgen machen, dass mein Schatz als Ersatzkandidaten ausgerechnet Makoto vorgeschlagen hatte? Wie auch immer, ich schob diese Gedanken beiseite. Jedem hier im Raum war klar, dass Kritik von ihr mehr Gewicht hatte als von jeder anderen Fairy, ja sogar mehr noch als von den anderen vier Teufeln Daisuke, Kei, Philip und Yuri.
Langsam erhob sie sich. Sie sah mir direkt in die Augen, und ich konnte ihren Blick nicht definieren. Erst nach und nach war ich mir sicher, dass sie grinste. Bloß, war das nun gut oder schlecht für mich?
"Also, wenn Ihr mich fragt, klingt das doch ganz nach einer Aktion, die die Akuma-Gumi betreiben würde, um der Welt auf der Nase herumzutanzen. Und wenn wir alle unseren Job tun, dann ist Akira auch nicht gefährdet. Ich jedenfalls werde das nicht zulassen." Ihr Blick wurde hart. Erschreckend hart. Ihre Augen schworen mir, dass sie mich nicht im Stich lassen würde. Und sie beschwörten mich, zumindest nicht mehr als die üblichen Dummheiten zu begehen.
"Dann ist doch alles klar", sagte Ban Shee Ryon, die Anelph-Emigrantin, die hinter mir sitzend an der Wand des Konferenzraums gewartet hatte. "Sobald es uns gelingt, die kronosischen Raumhäfen in Japan zu erobern und die dortigen Schiffe zu sichern, können wir zusammen mit einem Teil der Olymp-Verteidigung und meinen fünf Schiffen, die ich mitgebracht habe, den Mars erobern. Dafür haben wir noch fünf Tage Zeit, weil die Elwenfelt dankenswerterweise an einem Punkt ins Sonnensystem gesprungen sind, auf dem für sie der Mars auf der anderen Seite der Sonne ist. Wir hingegen haben von der Erde aus gerade eine relativ bequeme Nähe. Ich sage, wir brauchen zwei Tage für Japan, dann fliegen wir zwei Tage zum Mars, und haben einen Tag, um vollendete Tatsachen zu schaffen."
"Wir holen uns Japan an einem Tag", sagte ich mit fester Stimme. "Weil dies hier die Akuma-Gumi ist! Die Besten der Besten!"
Siehe da, die Schmeichelei fiel auf fruchtbaren Boden. Zum Teil zumindest. Ich konnte es in ihren Augen sehen.

"Und wie", fragte Sarah Anderson mit einem tiefen Seufzer, "willst du unsere militärische Unterlegenheit ausgleichen?"
"Ich denke, das wird euch unser Neuzugang erklären", sagte ich in fröhlicher Stimmung. "Doktor Beer, Sie können jetzt eintreten."
Die Tür öffnete sich, und ein mittelgroßer untersetzter Brillenträger trat ein. "Gu-guten Tag. Es ist mir eine große Ehre, eine sehr große Ehre, heute hier sein zu dürfen, und vor Ihnen zu sprechen. N-nie hätte ich es mir träumen lassen, tatsächlich einmal hier zu sein, und mit Ihnen allen gemeinsam für die Welt zu kämpfen. Nun, nicht, dass ich kämpfen kann. Aber ich arbeite hart dafür, damit Sie es können."
Teils misstrauische, teils neugierige Blicke trafen den Mann.
"Doktor Beer kommt aus Österreich. Österreich ist offiziell neutral, weshalb der japanische Geheimdienst einige Tricks auffahren musste, um ihn von den Europäern und viel wichtiger den Kronosiern unbemerkt außer Landes schaffen zu können. Doktor Beer ist Kybernetiker. Und er ist ein großer Fan von Mangas und Anime, vor allem solchen, die Science Fiction-Elemente beinhalten. So wie Macross oder Gundam."
Der bis eben noch schüchtern wirkende junge Mann nickte nun enthusiastisch und wirkte geradezu aufgekratzt. "Mein Hobby ist, Ideen und Ansätze aufzunehmen, die ich dort finde, und ihre praktikable Umsetzung in der Wirklichkeit zu untersuchen. Ich arbeite unter anderem an einer Gauss-Kanone, die faustgroße Titanstahlgeschosse nahe an die Lichtgeschwindigkeit beschleunigt, um damit aus einem Mecha eine Gefahr für nahezu jede Schiffsklasse zu machen. Und ich habe nachgewiesen, dass die Menschheit, das Geld vorausgesetzt, von der Technik her in der Lage ist, einen Macross-Superträger zu basteln."
Sarah bekam glänzende Augen. "Mimimimimit Transformfähigkeiten?"
Beinahe beleidigt erwiderte Doktor Beer: "Natürlich mit Transformfähigkeiten. Nur die Macross-Kanone will noch nicht so recht. Entweder zerstört ihr Rückstoß das Schiff, oder, wenn ich rückstoßfreie Energie nehmen, gehen sämtliche Energiemeiler nach dem ersten Schuss durch und zerstören den Träger. Aber ich arbeite dran."
"Akira, das ist doch unpraktikabel!", sagte Yoshi einen Tick zu laut. "Wir brauchen keinen Superträger, auch wenn das Ding cool wäre. Was wir brauchen, ist ein zusätzlicher Trumpf gegen die Kronosier, und das jetzt und das sofort."
Ich grinste schief. "Doktor Beer?"
"I-ich arbeite auch daran, Daishi Echnatrons in autonome Drohnen zu verwandeln. Dadurch verzichten wir zwar auf den Piloten und seine Reflexe, aber zumindest über kurze Distanzen könnte er ferngesteuert werden, ohne dass es zu einem Abzug der Reaktionszeiten kommt. Dadurch könnte man einen Echnatron wie ein Gunboat aufrüsten. Mehr noch, weil der Platz für den Piloten wegfällt, und die Bedürfnisse ihn zu versorgen, kann man ihn hochrüsten. Und ich habe gerade einige Ideen am Köcheln, um den Daishi Echnatron Akuma, wie ich ihn nenne, wirklich gemeingefährlich zu machen."
"Sagen Sie mal, Doktor", kam es skeptisch von Kei, "schlafen Sie auch mal bei all der Arbeit?"
"Ich habe Schlafstörungen. Mehr als drei, vier Stunden kann ich nicht. Aber ich bin es gewohnt. Napoleon hat mal gesagt: Soldaten brauchen fünf Stunden Schlaf, Kinder acht und Narren zwölf. Ich denke, ich liege da mit meinen drei bis vier Stunden doch ganz gut. Außerdem macht es mir ja auch Spaß."
Ich räusperte mich leise. "Doktor Beer ist auf Aura-Behandlung anfällig. Also werden wir ihm ab und an durch einen unserer Dämonenkönige eine Heilbehandlung zukommen lassen. Das ist also geklärt."
Daisuke hob die Rechte, als wäre er in der Schule. "Daisuke, bitte."
"Also, ich sehe schon, der gute Doktor wird in Zukunft eine große Bereicherung für uns werden. Aber wie, Doktor Beer, können Sie uns in unserer derzeitigen Situation helfen?"
Ich grinste. Genau auf diese Frage hatte ich gewartet. "Bitte, Herr Doktor, die Bühne gehört Ihnen."
Der junge Wissenschaftler, der bereits mit einundzwanzig seine Doktorarbeit mit Summa cum laude bewertet bekommen hatte und deshalb als Genie, ja, als österreichischer Nationalschatz galt, stellte die Tasche mit seinem Laptop schwungvoll auf dem Tisch ab. Bedächtig zog er den Reißverschluss auf und zog den Computer hervor. "Ich verspreche, was jetzt kommt wird nicht lange dauern. Entscheiden Sie danach, ob es der Akuma-Gumi nützt oder nicht."
So begann er mit der Präsentation, die schon mich zu einhundert Prozent überzeugt hatte. Also, nach meiner Meinung stand einer Eroberung Japans nichts mehr im Wege. Zufrieden verschränkte ich die Arme hinter dem Kopf und lehnte mich zurück, während der Doktor sein Referat begann. Mein Teil der Arbeit, der übrigens schwer genug werden würde, kam noch früh genug.
***
Eine Stunde später, nachdem die neuen Hekatoncheiren dem Plan zugestimmt hatten, natürlich nicht, ohne Nachbesserungen anzumerken, die tatsächlich teilweise sinnvoll waren, ging ich durch den Supercomputer. Natürlich nicht die alte Einrichtung. Die hatte im Zuge der Umbaumaßnahmen einem hypermodernen Set weichen müssen, der Platz für fünfzig Freiwillige bot. Die Meisten dieser Freiwilligen waren schon einmal in kronosische Supercomputer integriert gewesen und hatten die Fähigkeit, mit der virtuellen Computerumgebung zu kooperieren. Wir nannten sie Escaped. Die große Masse jener, die aus Supercomputern befreit worden waren, waren regelrechte Sklaven gewesen und würden auch in diesem Rechner reine Recheneinheiten sein, das war etwas, was wir nicht wollten. Dadurch, das unsere Escaped eben interagieren konnten, waren sie vergleichbaren Supercomputern haushoch überlegen. Viele von ihnen verfügten zudem über einen beträchtlichen Teil der Daten, die sie für die Kronosier verarbeitete hatten, bewusst oder unbewusst, und somit waren unsere Escaped für sie eine ausgesprochene Gefahr. Die Escaped arbeiteten in fortlaufenden Zehnstunden-Schichten zu zwanzig Mann, in denen sich die erste und die letzte Stunde mit der vorherigen Schicht und der folgenden Schicht überlappten. Dadurch hatten wir keinen Ausfall in der Rechenleistung. Und zehn Tanks standen permanent für Notfälle und dergleichen bereit.
Gerne hätte auch ich diese Arbeit auf mich genommen, immerhin war auch ich ein Escaped. Mehr noch, ich war wahrscheinlich der einzige Escaped, der jemals aus eigener Kraft aus einem Tank ausgebrochen war. Es war der Fehler der Kronosier gewesen, mich zu unterschätzen. Ein tödlicher Fehler. Und der Beginn des ersten Massenausbruchs aus einem kronosischen Supercomputer.
Ja, goldene Erinnerungen... Damals war der erste Grundstein für die Legende des Aoi Akuma gesetzt worden, die Geschichte vom Blauen Teufel Akira Otomo. Aber ich war heute nicht hier, um in Erinnerungen zu schwelgen.

Es war gerade Schichtwechsel. Die neue Schicht bestieg die Pods, und eine Stunde später würde die alte Schicht aus ihren klettern. Mit sicherem Blick bemerkte ich, dass die Techniker dieser Schicht einundzwanzig Pods vorbereiteten. Das konnte vieles bedeuten, aber wahrscheinlich "tauchte" einer der Superviser mit ein in die virtuelle Welt, um aus erster Hand etwas zu erledigen, von virtueller Wartungsarbeit bis hin zu komplexen Rechenoperationen, die auf diese Weise schneller gingen als wenn man eine Tastatur benutzte.
Wir hatten mal aus Jux und Dollerei die Nachkommastellen von Phi bis auf die Größenordnung eines Googolplex berechnet. Eine nette intellektuelle Leistung und ein Erkenntnissprung für die Mathematik. Für eine Kampfgruppe ein eher unvorteilhafter Spleen. Aber das war einer der Gründe, warum unser Supercomputer der Beste und der Bekannteste war. Auf virtueller Ebene hatten wir uns schon oft mit ausländischen Systemen duelliert, manchmal auch einzeln gegen acht und mehr gestanden, aber wir hatten immer gewonnen. Und das verdeutlichte unsere Überlegenheit wohl am Besten. Aber selbst mit der Fushida Hacking Crew als Verbündete würde es dieser Supercomputer leider niemals mit allen Supercomputern der Kronosier aufnehmen können, geschweige denn mit der Hälfte; unser Erfolg stand und fiel mit unserer Hit'n run-Taktik, die den Kronosiern zu wenig Zeit ließ, um uns einzukreisen und weitere Supercomputer auf uns zu hetzen. Bisher hatte die Taktik funktioniert.
Wie auch immer, der Einsatz des Supervisers zum Schichtbeginn hing garantiert mit der Mission zusammen, die wir aufziehen würden, um Japan zu erobern. Und wir würden es erobern. Die Operation Ojii-sama würde ein Erfolg werden. Und die schnellste militärische Eroberung eines Landes, die die Welt jemals gesehen hatte.

"Akira? Was treibt dich zu uns?", klang Joan Reilleys Stimme hinter mir auf.
Ich drehte mich zu ihr um und lächelte sie an. "Muss ich einen Grund haben, um meinen ganz persönlichen Underground-Rockstar zu besuchen?"
Sie schürzte ihre vollen Lippen zu einem spöttischen Lächeln. Sie trug den Komfortanzug, den unsere Diver zu tragen pflegten, wenn sie in den Überlebenstank stiegen, um sich mit dem Supercomputer zu vernetzen. Hatte ich also Recht gehabt. Joan würde mit der Schicht rein gehen, um eine wichtige Aufgabe zu erledigen. Wahrscheinlich musste sie noch etwas für ihren Auftritt präparieren.
"Du brauchst keinen Grund, das weißt du. Aber ich wette, du hast einen."
Bei diesen Worten musste ich selbst lächeln. "Du kennst mich viel zu gut, mein Engel."
"Ich kenne dich gut genug, ja." Sie griente mich burschikos an, bevor sie mir mit ihrer rechten Faust gegen die Schulter klopfte. "Und, was kann ich für dich tun, mein Großer?"
"Doitsu ist da draußen", sagte ich mit leiser Stimme.
"Definiere bitte Doitsu, und da draußen."
Für einen Moment war ich verblüfft. Dann aber musste ich lachen. "Doitsu Ataka, Anführer einer Yakuza-Bande namens Ataka-Gumi. Einer unserer Verbündeten. Du hast doch sicher schon von ihm gehört. Groß, schwarze Haare, Brillenträger, gut aussehend, schlank und ständig mit einem Schwert bewaffnet. Hat einen leichten Hang zum Sarkasmus, und sabotiert die Kronosier, wo er nur kann."
"Ach, der Doitsu. Sag das doch gleich." Sie lachte. "Ich mag es, wenn er seine Brille die Nase raufschiebt, und dieser Reflex über seine Gläser geht."
"Genau der", bestätigte ich. "Er ist in Tokio und bereitet seinen Teil bei der Eroberung Japans vor." Ich räusperte mich. "Exakt gesagt bereitet er meine Ankunft vor."
Joan musterte mich mit spöttisch geschürzten Lippen. "Apropos Ankunft. Ich habe gar nicht gewusst, dass du so ein Showman bist. Ein guter Sänger bist du auch - willst du es nicht mal im Showbiz probieren?"
"Guter Sänger? Ich? Wenn ich beim Karaoke versacke, verlassen die anderen Gäste den Laden, weil sie denken, es ist Fliegeralarm."
Joan legte eine Hand vor den Mund und kicherte. "Nach all den Jahren glaubst du das also immer noch? Vielleicht haben wir Zeit, um das auszuprobieren. Nach der ganzen Geschichte. Senso Island hat nämlich im Zuge der Umbaumaßnahmen auch eine Karaoke-Bar bekommen."
Das wusste ich. Und ich hatte einen weiten Bogen um das Ding eingeschlagen, wann immer ich die gleiche Ebene hatte passieren müssen. "Vielleicht. Aber Japan zu erobern dauert seine Zeit, und danach den Mars... Dann müssen wir uns auch noch um Haus Elwenfelt kümmern. Das kostet alles Zeit." Zeit, in der Joan hoffentlich ihre Idee bereits wieder vergessen hatte, wenn wir auf Senso Island zurück waren.
"Und wennschon. Aufgeschoben ist nicht aufgehoben. Ich mache mir eine Notiz in meinem elektronischen Notizbuch, und dann machen wir eine richtig schöne große Karaoke-Party mit dir als Stargast."
Mist. Wer hatte gleich nochmal den ganzen technischen Kram auf Senso Island eingeführt? Ach ja, das war ich gewesen. Doppel-Mist.
"Meinetwegen", murmelte ich, mich halb aus der Affäre rettend. "Du gehst also mit auf den Dive?"
"Ja, auch ich muss noch ein paar Vorbereitungen für meinen Auftritt treffen, und damit auch für deinen. Die Escaped und die Fushida Hacking Crew werden dich und die Hekatoncheiren die ganze Zeit auf diesem Trip begleiten und ihr Bestes tun, um dich und die Akuma-Gumi zu unterstützen. Vor allem die Raumhäfen werden knifflig, aber... Es kommt eben drauf an, wie viel Zeit uns die kronosische Verteidigung lassen wird. Wir haben einige der bekannteren Supercomputer infiltriert, und sie werden von unserer Attacke nichts mitbekommen. Aber es gibt genug Anlagen dieser Art auf der Erde. Alleine in Japan soll es achtzig geben, mit einer durchschnittlichen Kapazität von einhundert Personen, die permanent in Biotanks liegen. Einzeln sind sie alle keine Gegner für uns, aber zusammen..." Sie seufzte. "Auch ein Grund für meinen Dive. Wäre doch gelacht, wenn wir nicht was dagegen tun könnten, dass Torah auch nur zwei Supercomputer koordinieren kann."
Torah, der Erfinder der Supercomputer. Eine Person, die mit der Dämonenwelt einen Privatkrieg ausgefochten hatte - auf dem Rücken der Truppen der Kronosier. "Ich mag den Kerl nicht."
"Wenige Leute mögen den Kerl, Akira. Aber so steht es eben in der Stellenbeschreibung für einen Legaten. Von vielen gefürchtet, von wenigen gemocht." Sie seufzte. "Und dann ist da auch noch Coryn Odin, Legat Nummer eins. Eine unbekannte Größe in unserer Kalkulation. Selbst nach all den Jahren noch. Nicht einmal Daisuke und Yohko, die auf dem Mars die Gift erhalten haben, können Details über ihn erzählen."
"Eines steht fest, ein angenehmer Zeitgenosse ist er nicht. Obwohl man sagt, er habe die meisten Legaten der ersten Stunde gegen erträglichere Kandidaten ausgetauscht", sagte ich nachdenklich.
"Ja, um Menschen wie Megumi in seinen Dienst holen zu können. Zumindest scheint er schlau zu sein. Aber wir werden uns um ihn kümmern, wenn wir den Mars erobern."
Ich lachte rauh. "Bei dir scheint das schon festzustehen. Ich meine, dass wir siegen."
Sie lächelte mich an. "Natürlich steht es schon fest. Wir haben Blue Devil, die anderen nicht."
Ehrlich gesagt machte mich das offene Lob verlegen. Sehr verlegen. "Hast du nicht noch vor einer halben Stunde vor dem unverantwortlichen Risiko gewarnt, das ich eingehen werde?"
"Ach, das." Joan winkte ab. "Reine Gewohnheit, weil ich dich manchmal immer noch für einen normalen Menschen halte."
"So?" Ich zog eine Augenbraue hoch. "Wenn ich kein normaler Mensch bin, was bin ich dann?"
Joan lächelte verschmitzt. "Die größte Hoffnung der Menschheit, und die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt."
Auch das noch, Heldenverehrung von Joan Reilley, der Frau, die es mit ihrer Untergrundmusik geschafft hatte, mehr Menschen gegen die Kronosier zu mobilisieren als ich es je gekonnt hätte. Vielleicht ein Grund, dass Europa Reparationen für die Bombardierungen seiner Städte und damit die Akzeptanz eines formellen Friedensvertrags abgelehnt hatte.
"Danke", sagte ich trocken. "Ladet nur alle eure unmöglichen Hoffnungen und Erwartungen bei mir ab."
"Als wenn ich dafür auf deine Erlaubnis warten würde."
Wir sahen uns an, und zugleich begannen wir zu lachen.

"Also", fragte sie mich, "was treibt dich in den Computer? Mit in den Dive willst du sicher nicht."
"Ich wollte zu Sarah. Und damit auch zu Doktor Beer."
"Im Planungsraum. Sie diskutieren Details von unserem Teil des Plans. Sarah hat einige gute Ideen, die sie mit dem lieben Doktor besprechen will. Der Mann hat viele verrückte Ideen. Und einige sehr brauchbare."
"Danke. Viel Glück bei deinem Dive. Leg dich mit nichts an, was stärker ist als du, und komm sicher zurück."
"Keine Sorge, das werde ich. Habe ja schließlich noch ein Date in diesem schnuckligen italienischen Restaurant auf der Sohlenebene mit Mako-chan."
Ich stutzte. "Mit meinem Cousin? Habe ich da was nicht mitbekommen?"
"Wieso nicht mit deinem Cousin?" Sie klopfte mir gönnerhaft auf meine breite Brust. "Beschwer dich nicht. Du bist doch gut versorgt, oder?" Mit einem Lächeln verabschiedete sie sich und schritt auf ihren Tank zu.
Nun, gut versorgt war ich wohl. Bestmöglich. Ich meine, es ging hier schließlich um Megumi. Aber irgendwie... Irgendwie, wenn ich auf Joan Reilleys Hintern schaute, der vom engen Anzug vorteilhaft betont wurde, dann hatte ich da schon das Gefühl, etwas wirklich Tolles zu verpassen. Ob Megumi auch mit Joan als Nummer zwei...?
Ich riss mich von diesem Gedanken los und ging weiter.

Im Planungsraum, direkt am großen Hologrammtisch, fand ich Sarah und Doktor Beer. Die beiden saßen am Tisch, und betrachtete mehrere Hologramme, die taktische Aufstellungen und topographische Karten von Japans Hauptinsel Honshu zeigten. Dazu diskutierten sie vehement. Daisuke, der neben ihnen stand, unterbrach sie immer wieder, um sie einerseits ein wenig zu erden, und andererseits wichtige militärische Fakten einzufügen.
"Geht's voran?", fragte ich nach einiger Zeit fröhlich, um auf mich aufmerksam zu machen.
"Aoi Akuma!", rief Doktor Beer erfreut. Er erhob sich, kam um den Tisch herum und schüttelte mir die Hand. "Also, ich muss ehrlich sagen, dass ich mich bedanken muss. Ich dachte, das Höchste, was ich hier erleben kann, das ist, Blue Devil auch nur zu sehen. Aber die Position, in der ich arbeite, also wirklich jetzt, ich habe das Gefühl, mit den besten Leuten der Welt zusammenzuarbeiten. So etwas hätte ich als kleiner Kybernetiker nie zu träumen gewagt."
Es berührte mich, dass der Doktor so zufrieden war, und das die Arbeit auf der Basis für ihn eine solche Genugtuung war. "Sie müssen sich nicht bedanken. Wir wollen immerhin etwas von Ihnen."
"Auch, auch", sagte er und winkte ab. "Aber die großartige Arbeit, die ich erst hier zu leisten vermag, und das im Verbund mit Sarah und Daisuke, ist grandios. In Österreich wäre mir das nie gelungen. Nie. Ich hätte bestimmt nicht auf solche Möglichkeiten wie hier zurückgreifen können. Jeder Versuch, jeder Test, wäre zuerst einmal eine Konstruktionsphase gewesen. Hier aber gibt es eine holographische Simulation, die die theoretischen Ergebnisse bereits abliefert. Bevor ich einen Prototyp baue, weiß ich schon, ob er so funktionieren wird, wie ich es mir erhoffe. Dies ist das Paradies, General, das Paradies."
"Und?", fragte ich betont gelassen. "Schaffen Sie es?"
"Aber natürlich! Die erste Generation ist bereits in Arbeit, und wird zum Angriff auf Japan fertig sein. Wir tüfteln hier lediglich an der zweiten Generation, die noch effektiver sein wird. Noch stärker, noch sicherer, noch leichter zu bedienen. Dreijährige könnten damit umgehen, wenn sie genügend Aura hätten."
Ich betrachtete nachdenklich das oberste Hologramm, das an ein dickes lateinisches L erinnerte. Die absolute Hoffnung Japans. "Und wir werden die erste Generation auf den Schlachtfeldern einsetzen?"
"Wir produzieren zwanzigtausend Stück. Strategisch verteilt werden sie für die Kronosier eine böse Überraschung sein. Wir setzen sie in Ballungsgebieten wie Tokio ein. Und sollte der Konflikt andauern, können wir in sechsunddreißig Stunden mit fünfzigtausend Stück der Generation zwei arbeiten. Die könnten dann auch auf den Schlachtfeldern eingesetzt werden."
Ich sah zu Sarah herüber.
Die Chefin der Fushida Hacking Crew sah mich ernst an. "Ich habe bereits einige uns unterstützende Gruppen informiert. Sie werden die Gerüchte weiter verbreiten. Wir können es schaffen, und das ohne große Verluste. Weder bei ihnen, noch bei uns. Selbst wenn es fürchterlich schief geht, werden wir zumindest immer noch siegen."
Mein Blick wanderte zu Daisuke. Der junge Mann, der die kronosische Gift erhalten hatte, wich meinem Blick aus. "Ich bin immer noch der Meinung, dass wir, statt diese Spielereien zu produzieren, nur weil uns der alte Hatake automatische Fabriken spendiert hat, uns darauf hätten konzentrieren sollen, Fairies für die Hekatoncheiren zu finden."
"Und wie lange, meinst du, hätten wir die ausbilden können?", fragte Sarah sarkastisch.
Daisuke räusperte sich vielsagend und warf ihr einen spöttischen Blick zu.
"Okay, ich habe Aura-Kräfte. Okay, ich kann eine Aura-Rüstung erschaffen. Okay, das hat drei Tage gedauert. Und wahrscheinlich geht es schneller, wenn man gezielt nach Mädchen sucht, die Aura-Affinität haben. Aber das ist doch eher die Ausnahme als die Regel. Denke ich."
"Wie auch immer", sagte ich, dem Konflikt, oder was auch immer zwischen den beiden stand, den Wind aus den Segeln nehmend, "ich kann mich darauf verlassen, dass Ihr euren Teil tun werdet?"
"Die Fushida Hacking Crew wird heute das größte Ding ihres Lebens drehen. Und wenn es nur heißt, dich aus der Scheiße wieder raus zu holen, Akira", sagte Sarah mit fester Stimme.
"Und die Akuma-Gumi wird ihren Chef nicht im Stich lassen. Wenn du freiwillig in den Vorhof der Hölle trittst, mach ein wenig Platz, weil wir dir folgen werden", sagte Daisuke nicht weniger ernst.
"Eine wunderbare Truppe, nicht?", sagte Doktor Beer begeistert. "Mein ganzes Leben habe ich davon geträumt, mit solchen Menschen zu arbeiten. Solche Bande zu finden. Ich dachte, das wäre nur einer meiner unrealistischen, überzogenen Träume. Und jetzt lebe ich diesen Traum. Ich..." Für einen Moment stockte der Kybernetiker. Als er wieder aufsah, lag eine gewisse Trauer in seinem Blick. "Der Traum endet doch nicht abrupt, oder?"
"Keine Sorge, Doc, Sie werden gebraucht. Das Universum ist groß, bunt, und überwiegend feindlich. Wahrscheinlich werden wir Ihre Macross-Festung aus Selbstschutzgründen bauen müssen", erwiderte ich amüsiert.
Dies ließ den jungen Mann lächeln. "Verlassen Sie sich darauf, dass ich mich wie noch nie ins Zeug für Sie legen werde, General."
"Sagen Sie Akira, wie alle meine Freunde." Ich klopfte dem Mann anerkennend auf die Schulter. "Herrschaften, wir sehen uns im Einsatz."
Sarah und Daisuke murmelten Bestätigungen, als ich mich umwandte und wieder ging.
"Freund? Hat er mich gerade Freund genannt? Ist er immer so? So... So... Herzlich? Umwerfend? Vereinnahmend? Inspirierend?"
"Ist er", sagten Sarah und Daisuke unisono.
Ich kämpfte mit meiner Verlegenheit. War mein ganz normales alltägliches Verhalten so vereinnahmend? Und, was daran wichtig war, musste ich es ändern? Nun, jedenfalls nicht, bevor der Mars uns gehörte. Definitiv nicht.
Erst als ich den Besprechungsraum verlassen hatte, fiel mir ein wichtiges Detail wieder ein, das ich gerade gehört hatte: Sarah hatte Aura-Fähigkeiten, womöglich in einer Stärke, die sie zur Fairy qualifizierten? Ich machte mir eine gedankliche Notiz, tatsächlich gezielt nach Frauen zu suchen, die Aura-Affinität besaßen und Fairies werden konnten. Wenn das Universum feindlich war - und daran hatte ich keinen Zweifel - würden wir jede Fairy brauchen können, die wir finden konnten, und die bereit war, mit uns zu kämpfen.


2.
Eine Stunde später saß ich in einem amerikanischen Stealth-Bomber, der ursprünglich von den Kronosiern gestohlen worden und auf der Titanen-Station stationiert gewesen war. Dort hatten die Handlanger der Elwenfelt ihn hochgerüstet und so gut gemacht, wie es ihre Technik zugelassen hatte. Ich hatte berechtigte Hoffnungen, mit diesem Baby gefahrlos in den japanischen Luftraum eindringen zu können. Der Bomber selbst würde auf Stunden unentdeckt bleiben, wenn er beim ersten Anflug nicht erfasst wurde. Das war essentiell für den großen Plan.
Makoto flog den Bomber. Er war der einzige Spitzenpilot der Akuma-Gumi, der nicht für einen Mecha gebraucht wurde.
"Wir kommen jetzt in den Erfassungsbereich des Radars der Nationalverteidigung", meldete er über die interne Kommunikation. "Danach sind es noch zwanzig Minuten bis zum Tokioter Stadtteil Minato. Hm, sieht gut aus. Eintreffendes aktives Radar, aber der Anti-Ortungsschutz hält. Onkel Eikichi hat fähige Techniker."
"Gut zu wissen", erwiderte ich. Ein letztes Mal checkte ich meine Ausrüstung. Schwarzer Ledermantel - da. Schwarze Jeans - vorhanden. Schwarze Turnschuhe - check. Schwarzes Shirt - okay. Schwarze Handschuhe - yepp. Katana - check. Beretta und zwei Ersatzmagazine - sehr gut. Schwarze Sonnenbrille - yo. Schwarzer Fallschirm - da. Von meiner Seite aus war alles bereit. Alles, was ich noch brauchte, war ein Anflugkorridor auf den Tokio Tower im Stadtteil Minato. Dann konnte die Party beginnen. In zwanzig Minuten.
"Bist du nervös?", fragte Makoto über Bordfunk.
"Geht so. Ich mache das ja zum ersten Mal, aber ich habe es im Griff. Und du?"
Mein Cousin lachte laut auf. "Ich mache mir fast in die Hose. Erzähl das bloß nicht Joan, hast du gehört?"
"Ich haue doch meinen großen Bruder nicht in die Pfanne", sagte ich im Brustton der Überzeugung. Ausnahmsweise meinte ich es auch.
"So? Das macht mich irgendwie misstrauisch", erwiderte er.
"Wieso das denn?"
"Nun, kannst du mir erklären, warum ich in letzter Zeit so viele Kaffees mit Zimtgeschmack hatte?"
"Absolut nicht", erwiderte ich. "Aber wenn es dir hilft, ich kann bis Weihnachten ein Zimtembargo über Senso Island verhängen."
"Das wird nichts nützen. Ich bin mir sicher, mein heimlicher Wohltäter, der mich an die Freuden des Zimts heranführen will, wird bereits einen anständigen Vorrat haben."
Ich grinste schief. Wie gut mein Cousin mich doch kannte...
"Immer noch keine aktive Ortung. Verfahre nach Plan."
"Okay." Unwillkürlich wurde ich doch aufgeregt.
***
Doitsu Ataka war zufrieden. Über seine Mittelsmänner, durch das Einlösen von Ehrenschulden, mit einer Menge Geld, und weil er sich in die Schuld einiger sehr bedeutender Männer begeben hatte - was sich später eventuell noch sehr negativ für die Ataka-Gumi auswirken konnte - hatte die Ataka-Gumi ihr Ziel erreicht. Auf der westlichen Seite des Tokio Towers, fast schon zwischen den gewaltigen Füßen des Stahlriesen, beinahe in der Foot Town genannten unteren Sektion auf Bodenlevel, stand eine Bühne. Eine gigantische Bühne. Dutzende Fernsehsender hatten ihre Kameras darauf gerichtet, etliche sendeten Live. Mittlerweile spielte schon der fünfte große Künstler Japans unentgeltlich für das "Große Konzert der freien Menschen Japans für Fortschritt und Freiheit in Japan und in der Welt" auf, und begeisterte damit eine halbe Million Menschen vor der Bühne, sowie weitere sechzig Millionen landesweit und in Korea.
Natürlich hatte er, als er dieses Mammutevent an einem einzigen Tag aus dem Boden gestampft hatte, nicht selbst auftreten können. Und auch jetzt war er als Anführer der Ataka-Gumi, die sich offen gegen die Kronosier gestellt hatte, im höchsten Maße gefährdet. Eine falsche Person, die ihn sah und erkannte, und sein Leben würde sich drastisch ändern. Wie das eben so war, wenn man Einzelhaft, Prügel und Folter erfahren musste.
Aber er hatte es geschafft, hatte die Bühne hochziehen lassen, hatte nationale bekannte und beliebte Künstler in ausreichender Zahl bekommen, hatte Sicherheit und Notrettungsdienst inszeniert, hatte diese halbe Million Menschen nach Minato gelockt, und die Bühne für das Hauptevent bereitet. Er war nicht stolz auf sich. Er war einfach nur geschafft, denn diese Leistung war eine Mammutaufgabe gewesen, einem Herkules würdig. Aber er hatte es nicht gewagt, die Dimensionen geringer anzusetzen, alleine wegen der Fernsehsender. Ein Dutzend Sender, so hatten sie sich geeinigt, waren das Minimum. Und wenn die Fushida Hacking Crew eine gute Arbeit machte, würden sie das Sprachrohr für die Eroberung Japans werden.
"Waka-sama."
Doitsu wandte sich zu dem Neuankömmling um. Er beobachtete die Szenerie aus dem ersten Stock eines voll verglasten Bürohauses vor dem Tokio Tower, das seiner Familie um mehrere Umwege gehörte; bisher hatten die Häscher der Kronosier diese Verbindungen nicht aufgedeckt. Und heute würden sie ihm mehr nützen als jemals zuvor. "Was gibt es, Chiba?"
Der große glatzköpfige Yakuza neigte höflich das Haupt. "Es ist soweit, Waka-sama."
Doitsu verzog seine Miene zu einem breiten Grinsen. "Sobald Noburo-kun fertig ist, aktiviert das Hologramm."
"Verstanden."
"Sind wir hier noch sicher?", hakte er nach.
"Meine Informanten berichten von keinen Aktivitäten der Polizei oder der kronosischen Truppen. Eventuell unterschätzen sie uns."
"Ja, das wäre nett", erwiderte Doitsu. "Wir bleiben hier."
Ursprünglich hatte der Plan vorgesehen, alle halbe Stunde den Ort zu wechseln, sobald das Konzert begonnen hatte. Aber das war jetzt nicht mehr notwendig. Wenn die nächsten fünf Minuten nicht die Entscheidung brachten, dann würden sie ohnehin verloren sein.
"Wie du wünschst, Waka-sama."
Doitsu nickte zufrieden.

Eine Minute später war der populäre Pop-Sänger Hanzo Noburo mit seiner Zugabe fertig und verließ die Bühne. Seine Fans riefen nach einer weiteren. Der laute Hall ihres Encore kam bis zur Ataka-Gumi. Aber ab hier würde das Programm nicht mehr nach dem offiziellen Plan verlaufen. Und mit etwas Glück nie mehr.
Der heimlich installierte große Holoprojektor aktivierte sich und zeigte einen glitzernden Bogen goldener Sterne.
Der Off-Sprecher, bisher ein kronosischer Büttel des Kulturministeriums, wurde von der Leitung genommen. Stattdessen erklang die Stimme von Takashi Mizuhara, dem inoffiziellen Sprecher und Chefdiplomaten der Hekatoncheiren: "Ladies und Gentlemen, bitte begrüßen Sie mit mir jetzt und hier den meistgespielten Airplay-Star der Welt, live und direkt von der geheimnisvollen Insel Senso Island, exklusiv für Sie und nur heute: JOAN REILLEY!"
Für einem Moment herrschte ein spürbare Stille, die lauter war, als es jedwelcher Lärm hätte sein können. Beinahe glaubte Doitsu das Entsetzen der Menschen auf dem Platz schmecken zu können.
Dann aber entstand aus dem Glitter der Sterne eine junge Frau - in Originalgröße, wohlgemerkt - und damit auch auf dem großen Monitor über der Bühne. Blond, schlank, hübsch, knapp bekleidet, keine Frage, Joan Reilley - und mit ihr erschienen die legendären Mitglieder ihrer Band per Hologramm.
"Guten Abend, Japan! Guten Abend, Minato!", rief sie in ihr Mikro, und diesmal erhob sich zarter, zaghafter Jubel für sie.
"Der erste Song heute Abend ist: Anger is a bad mood!"
Das Ereignis, das darauf folgte, überraschte Doitsu so sehr, das er glaubte, ihm müsse das Blut in den Adern gefrieren. Es war zu plötzlich, zu erstaunlich, zu phantastisch. Jubel. Lauter, kräftiger, lang anhaltender Jubel, der sich noch steigerte, als die ersten Takte von Joan Reilleys neuestem Welthit angespielt wurden. Noch während sie die erste Strophe sang, sang das Publikum begeistert mit, und ergänzte die Textpassagen mit populären Sätzen, die schon Fans aus aller Welt bei diesem Joan Reilley-Superkracher hinzugedichtet und gesungen hatten. Aus Sicht der Kronosier Anarchie pur. Und das Publikum, das sich gerade um Kopf und Kragen sang? Dem war es egal.
Die Fushida Hacking Crew und der Supercomputer von Senso Island sorgten dafür, das die anwesenden Fernsehsender ihre Übertragung nur noch beenden konnten, indem sie ihre Kameras vor Ort zerstörten oder ihnen den Strom kappten, denn rund um die Kameraspots waren die feiernden Menschen konzentriert, was einen Abtransport schwierig gestaltet hätte. Aber nur wenige Kameras schwenkten weg. Die meisten hielten auf Joan Reilleys Hologramm und brachten sie in Millionen Wohnzimmer landesweit. Und wer wusste schon, wie viele Menschen weltweit jetzt ihren Auftritt verfolgten.

"Es geht los", sagte Doitsu zufrieden. Er verschränkte die Hände ineinander, drückte sie nach außen und vernahm das Knacken der Gelenke. Dann griff er nach seinem Katana. "Jetzt."
Als die letzten Takte des Liedes ausklangen, schwebte ein schwarzer Fallschirm vom Himmel. Findige Leute fingen ihn mit Scheinwerfern ein und folgten seiner spiralförmigen Route, die den Benutzer schließlich über die Bühne brachte. Dort, etwa in zehn Metern Höhe, schnitt sich die Gestalt aus den Gurten heraus und fiel die Strecke bis zum Boden der Bühne.
"Meine Damen und Herren!", rief Joan Reilley enthusiastisch, "ein herzliches Willkommen bitte für den einzigartigen, phantastischen, unbezwingbaren und genialen Mecha-Krieger Blue Devil, der Geissel der Kronosier und dem Retter der Welt: Akira Otomo!"
Die Gestalt, die der Länge nach aufgeschlagen zu sein schien, richtete sich nun auf, und ließ einen großen, athletischen Mann mit schwarzer Sonnenbrille erkennen. Er erhob sich zur vollen Größe, rückte sein Headset zurecht, und machte eine Geste, mit der er alles umfassen zu wollen schien.
"Hallo, Tokio! Bereit, erobert zu werden?"
Selbst dem Dümmsten unter den Kronosiern würde bald aufgehen, dass Akira Otomo tatsächlich auf dieser Bühne stand... Und dass seine Worte keinesfalls ein Scherz waren - sondern bitterer Ernst.
"Ataka-gumi, wir verfolgen nun Teil fünf des Plans", sagte Doitsu. Die Yakuza brachen in hektische Aktivität aus, um ihren Teil bei der Eroberung Japans zu leisten. Und das war nicht wenig. Doitsu ertappte sich beim Gedanken, alle Mühen seiner Gruppe bei Akira auf Heller und Pfennig einzufordern. Aber der Herr der Akuma-Gumi würde dies schon von sich aus tun; so gut kannte Doitsu den alten Freund immerhin.
Während Security-Leute und Polizisten die Bühne stürmten, verließen auch seine Leute das Bürogebäude. Der Kampf um Japan begann jetzt.

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Ace Kaiser,
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3.
Für einen Moment war Hilmer Bont, Generalgouverneur von Japan, vor Schreck wie erstarrt. Dann aber entfaltete er seine volle Aktivität. Ein Knopfdruck verband ihn mit seinem Vorzimmer. "Honoka, verbinden Sie mich sofort mit Legat Scott! Ich will auch eine Verbindung zum Polizeipräfekten von Tokio und zu General Masahito!"
"Legat Scott ist auf Leitung drei, Sir."
Das verblüffte den Gouverneur für einen kurzen Augenblick. "Sofort reinstellen!"
Vor dem Schreibtisch Bonts entstand ein Hologramm. Es bildete unverkennbar Gordon Scott ab, vierter Legat der kronosischen Befreiungsbewegung. "Ich nehme an, sie wollten mich ohnehin gerade anrufen, Hilmer", sagte er.
"Davon können Sie ausgehen! Schauen Sie gerade fern, und zufällig die Live-Übertragung aus Minato?"
"Sie meinen dieses unglaublich schnell organisierte Live-Konzert mit einer halben Million Zuschauern vor Ort, auf dem die Rebellin Joan Reilley über eine Hologrammverbindung gerade aufgetreten ist, und auf dem gerade Akira Otomo auf der Bühne aufgetaucht ist?"
"Ja, genau das! Sie müssen..."
"Ich habe", unterbrach Scott den Mann barsch, "bereits alles getan, was ich tun muss! Ich stehe mit zweihundert Mann meiner besten Leute sowie acht KI-Biestern bereit, um Akira Otomo festzunehmen. Er kann uns nicht entkommen."
Verblüfft sah Bont das Hologramm an. "Sie haben... Das geahnt?"
"Ach, ich bitte Sie, Hilmer. Nur ein Mensch hat die Macht und den Einfluss, aus dem Nichts heraus mitten in Tokio so eine Sache aufzuziehen, selbst wenn er tausend Helfer hat. Das ist Eikichi Otomo. Und wenn Otomo seine Finger im Spiel hat, dann kann es nur darum gehen, etwas für die Akuma-Gumi zu tun. Zudem habe ich bereits heute Nachmittag herausgefunden, dass die Firma, dei das Konzert ausrichtet und die Sicherheitsbemühungen koordiniert, über mehrere Umwege und undurchsichtige Mehrheitsbeteiligungen der Ataka-Gumi gehört. Und was das bedeutet, muss ich Ihnen nicht erst erklären, oder? Die Ataka-Gumi hat offen rebelliert, deshalb gehört sie ausgelöscht." Scott grinste über das ganze Gesicht. "Sobald meine Leute Atakas Männer identifiziert haben, schlagen wir zu und löschen seine Gruppe aus. Und als Bonus werden wir Akira Otomo vor den Augen von einer halben Million Menschen töten."
"D-das dürfen Sie nicht", haspelte Bont. "Ich meine, wenn Sie ihn töten, dann machen Sie ihn zum Märtyrer! Und das wäre das Letzte, was die kronosische Sache gebrauchen kann! Verstümmeln Sie ihn meinetwegen, aber wir brauchen ihn lebend. Nicht zuletzt als Druckmittel gegen Eikichi Otomo."
Die Miene von Scott verdüsterte sich. "Sie wagen es, einem Legaten Anweisungen zu geben?"
Bonts Augen verkleinerten sich zu Schlitzen. "Ich hoffe, Sie vergessen Ihren Platz nicht, Gordon! ICH bin Generalgouverneur von Japan, und ICH habe hier den Oberbefehl! Erteilen Sie meinetwegen auf dem Mars die Befehle, aber in diesem Land gebe ich für die kronosische Sache die Befehle!"
Die beiden Männer taxierten sich mit eindringlichen, wütenden Blicken.
"Gut", sagte Scott schließlich. "Sie sitzen im Moment am längeren Hebel. Aber ich gebe zu Protokoll, dass ich der Meinung bin, Akira Otomo gehört so schnell es geht getötet, bevor er für unsere Sache erneut zum Stolperstein wird."
"Ist registriert. Nehmen Sie Otomo gefangen, und er macht uns weiterhin Ärger, übernehme ich die volle Verantwortung für seine Taten."
Amüsiert schnaubte Scott aus. "Hm. Akzeptiert. Und nun lehnen Sie sich in Ihrem Sessel zurück, entspannen Sie sich, und genießen Sie die große Show, mit der wir Akira Otomo verhaften."
Das Hologramm erlosch wieder, und Bont lehnte sich in seinem Sessel zurück. "Ich bin lange nicht so sicher wie Sie, Gordon. Noch lange nicht."
"Sir? Der Polizeipräfekt auf der eins und General Masahito auf der fünf."
"Stellen Sie beide durch, Honoka. Ich habe so das Gefühl, dass sie heute noch Arbeit bekommen werden." Er unterdrückte ein dünnes Schmunzeln. "Verdammt viel Arbeit."
***
Der in blaues Licht getauchte Frachtraum öffnete die Bodenluke, durch die ich abspringen würde. Die Mannschaft des Bombers, ein halbes Dutzend bestausgesuchter Soldaten der Drachen-Division, klopfte mir aufmunternd auf die Schulter, während sie bereits die Fracht herbei schafften, die aus acht Kilometern Höhe auf Tokio abgeworfen werden würde. Nun galt es also.
Ich trat an das Viereck vor mir heran, das mir achttausend Meter freien Fall versprach. Zum Glück gehörte Fallschirmspringen zu jenen Sachen, welche die Akuma-Gumi trainiert hatten. Nur für den unwahrscheinlichen Fall, dass wir mal aus unseren Mechas rausgeschossen wurden.
Ich atmete tief durch, sah nach unten auf die glitzernden Lichter der Millionenmetropole Tokio, die vor sieben Jahren noch meine Heimat gewesen war, und wartete auf das Go.
"Drei... Zwei... Eins... Sprung!"
Ich ließ mich nach vorne kippen, stürzte in die Finsternis herab. Glitt in den freien Fall. Ich wirbelte einmal um die Querachse, schlug einen Salto, dann fand ich die Orientierung wieder. Ich stabilisierte meinen Sturz, richtete mich aus, nahm die übliche Absprunghaltung ein, auf dem Bauch liegend, Arme und Beine gespreizt. Kurz orientierte ich mich, fand den angestrahlten Tokio Tower unter mir, der langsam, aber stetig größer wurde. Bunte Scheinwerfer, die gleißende Spots in den Himmel und auf den Boden zeichneten, bedeuteten mir, das ich mich auf der Nordseite des Towers befand. Die Bühne war im Westen. Ich legte die Arme und Beine an, neigte meinen Körper, und glitt durch die Nacht mehr in Richtung Westen, bevor ich meinen Fall erneut stabilisierte.
Ungefähr über der Bühne hielt ich für den restlichen Sturz meine Position. Ein Blick auf den Höhenmesser verriet mir, dass ich bereits dreitausendeinhundert Meter gefallen war. Tja, bei acht Metern pro Sekunde auch kein Wunder. Etwas weniger, wenn ich absichtlich durch die Absprunghaltung bremste. Den Schirm würde ich erst in vierhundert Metern Höhe ziehen, eventuell weniger. Nur für den Fall, dass mich ein übereifriger Kronosier bei meinem Sturz entdeckte. Ich wollte nicht unbedingt eine leichte Zielscheibe für einen Daishi werden, denn die Typen hielten sich garantiert nicht an die Genfer Konvention. Viertausend Meter. Dumpf hörte ich die ersten Bässe. Ich glaubte sogar, die Melodie von Joans neuestem Hit identifizieren zu können. Fünftausend Meter. Ich erkannte immer mehr Details am Boden. Die Lichter des Tokio Tower begannen, nach und nach aus einem großen Brei einzelne Quellen zu bilden. Kurz checkte ich meinen körperlichen Zustand, aber bis auf den Umstand, das mein Gesicht kalt wurde, musste ich bisher keine Einschränkung hinnehmen. Alle Glieder funktionierten so, wie sie es sollten. Sehr gut.
Sechstausend Meter. Kurz berührte ich die kleine Tasche an meinem Gürtel. Sie würde eventuell entscheidend bei unserem Vorhaben sein. Wenn es mir gelang, den Inhalt zu verteilen. Wenn es mir gelang, jemanden zu finden, der den Inhalt haben wollte.
Siebentausend Meter. Siebentausendeinhundert. Siebentausendzweihundert. Siebentausenddreihundert. Siebentausendvierhundert. Ich langte nach der Reißleine und vergewisserte mich, das der Notfallfallschirm perfekt auf meinem Becken saß. Siebentausendfünfhundert. Siebentausendsechshundert. Ich riss an der Reißleine. Sofort schoss der Hauptfallschirm aus der kleinen Tasche auf meinem Rücken, entfaltete sich mit einem Ruck, und entriss mich der Schwerelosigkeit des Falls. Die Gurte folgten dem Schirm, und mein Körper folgte den Gurten. Hart wurde ich nach oben gerissen. Mist. Immer die gleiche Scheiße beim Absprung.
Kurz schüttelte ich den Kopf, um klar zu werden, langte in die Innentasche meines Mantels, und zog die Sonnenbrille hervor. Mit einer lässigen Bewegung setzte ich sie auf. Dann entfernte ich die Plombe von meinem Katana, die ich vorsichtshalber angebracht hatte, damit das Schwert mir nicht durch Unachtsamkeit aus der Scheide fallen konnte.
Ich korrigierte den Kurs meines Fallschirms, trudelte wieder über die Bühne. Korkenzieherartig senkte ich mich auf sie herab. Mittlerweile konnte ich einzelne Personen unter mir erkennen. Sehr gut. Bis hier lief alles nach Plan.
Der erste Scheinwerfer entriss mich dem Dunkel. Auch das gehörte noch zum Plan. Hoffentlich ging der Rest auch so glatt.
Als ich etwa zehn Meter von der Bühne entfernt war, benutzte ich meine Aura-Kraft, um das Gurtwerk aufzulösen; der Fallschirm, von meinem Gewicht befreit, zog steil nach oben und verschwand in der Finsternis. Ich hingegen fiel haltlos in die Tiefe, und krachte auf allen Vieren auf die Bühne.

Die letzten Takte von Anger is a bad mood klangen aus.
"Meine Damen und Herren!", rief Joan Reilley. Es klang ein wenig angriffslustig, fand ich. "Ein herzliches Willkommen bitte für den einzigartigen, phantastischen, unbezwingbaren und genialen Mecha-Krieger Blue Devil, der Geissel der Kronosier und dem Retter der Welt: Akira Otomo!"
Ein klein wenig fühlte ich mich bei dieser Lobpreisung wie ein Hochstapler. Andererseits wusste ich, dass die Show stand oder fiel, je nachdem wie ich mich verkaufte. Und Joan hatte vor, mich sehr gut zu verkaufen. Ich richtete mich auf, rückte mein Headset zurecht, hörte über den Knopf in meinem Ohr die kleine Rückkopplung, die mir verriet, das ich auf den Lautsprecher aufgeschaltet worden war, und streckte die Arme aus. Zeit, mich ebenfalls gut zu verkaufen. "Hallo, Tokio!", rief ich. "Bereit, erobert zu werden?"
Was dann kam, hatte ich nicht erwarten können. Nicht diesen umfassenden, donnernden begeisterten Jubel, der den Kronosiern wahrscheinlich das Pipi in die Augen trieb. Wenn ich noch Zweifel gehabt hatte, ob sich Japan überhaupt erobern lassen würde, so sah ich mich nun eines Besseren belehrt. Oh ja, das kronosische Protektorat war längst nicht so gezähmt, wie die Kronosier es gerne gehabt hätten. Das ließ mich grinsen. Breit grinsen.
Von links und rechts stürzten Security und reguläre Polizisten auf die Bühne. Etwa drei Meter von mir verharrten sie, wahrscheinlich, weil ihnen einfiel, mit wem sie es hier zu tun hatten.
Ich zog die Sonnenbrille ein kleines Stück die Nase runter und sah zu den Wachleuten rechts von mir. "Wollt Ihr Stress machen?"
Der Vorderste stutzte, als er mir in die Augen sah. "Niemand will Ihnen etwas tun, Sir. Bitte, kommen Sie einfach von der Bühne runter und sträuben Sie sich nicht gegen die Verhaftung. Ich verspreche Ihnen, dass Sie gut behandelt werden." Seine Stimme erklang über die Lautsprecher. Sehr gut. Die Hacking Crew hatte an alles gedacht, sogar an ein Richtmikrophon.
"Natürlich werde ich fair behandelt werden, denn noch heute Nacht werde ich in Japan das Sagen haben. Also sehen Sie zu, mit wem Sie es sich gerade verscherzen wollen."
Erneut klang Jubel auf. In einigen Ecken der Menschenmenge bildeten sich spontane Akira-Fangesänge. Ehrlich, das beeindruckte mich. Und es erklärte mir, warum Joan Reilley so gerne auf der Bühne stand. Das war cool. Unbeschreiblich. Beliebt zu sein war Klasse.

Ich griff in die Tasche an meiner rechten Hüfte. Das ließ die Wachleute und Polizisten zu beiden Seiten einen Schritt zurückweichen. Ich zog einen der Gegenstände aus der Tasche und hielt ihn hoch. Neben mir klickte es, als ein Polizist den Hahn seiner Dienstwaffe spannte. Gut, eventuell war sie nicht durchgeladen, dann bluffte er nur. Ich würde es bald wissen.
Mit Daumen und Zeigefinger hielt ich den L-förmigen Gegenstand so, dass er deutlich zu sehen war. "Dies ist eine Z-Gun!", rief ich mit lauter Stimme. "Die Akuma-Gumi hat sie entwickelt und gebaut, um hier und heute Japan zu erobern! Und das werden wir heute Nacht tun!"
Wieder wurde gejubelt. In der Ferne sah ich aber die Positionslichter aufsteigener Daishis. Viel Zeit für Erklärungen würde ich nicht mehr haben. "Habt Ihr schon mal etwas von KI-Biestern gehört, die die Straßen Tokios unsicher machen? Riesigen Monstren mit tödlichen Klauen, gesteuert von Mordlust und puren Instinkten? Nun, mit dieser Waffe könnt Ihr sie aufhalten!"
Das löste erstauntes Raunen aus. Tatsächlich war hinter vorgehaltener Hand immer öfter von diesem Phänomen und der Gefahr, die es darstellte diskutiert worden.
"Die Z-Gun", erklärte ich weiter, "wird gespeist von der Aura-Kraft ihres Trägers! Ein gesunder Mensch kann bis zu drei Schüsse abgeben, bevor seine Aura verbraucht ist. Jeder Treffer stoppt ein KI-Biest! Und nicht nur das, jeder Treffer betäubt einen Menschen oder blockiert einen Daishi für wertvolle fünf Minuten! Die Akuma-Gumi hat zwanzigtausend davon hergestellt, und wird sie über Tokio und allen anderen großen Städten des Landes abwerfen, damit all jene, die willens sind, mit uns gegen die Besatzung durch die Kronosier kämpfen wollen!"
Wieder wurde laut gejubelt. Heisere Stimmen riefen nach mir, damit ich ihnen eine Z-Gun zuwarf.
"Aber ich will ehrlich mit euch sein: Ich werde euch heute Nacht nicht befreien!"
Ein lautes, enttäuschtes Raunen ging durch die Menge.
"In diesem Moment fliegen Außerirdische in unser Sonnensystem ein, die Herren der Kronosier! Sie kommen, um all das zu beanspruchen, was den Kronosiern gehört, und so auch Japan!"
Die Rufe, die hierauf folgten, waren geprägt von Unglaube, Entsetzen und Enttäuschung.
"Und um Japan zu retten, um es vor ihnen sicher zu machen, werde ich Japan für eine einzige Person erobern und ihr noch heute Nacht als Protektorat zu Füßen zu legen! Natürlich mit allen Freiheiten und Rechten, die vor der Invasion durch die Kronosier gegolten haben!"
"Wer ist diese Person? Eikichi Otomo? Mit Eikichi Otomo könnte ich leben!", sagte der Polizeioffizier von vorhin, der immer noch auf der Bühne stand, mich aber nun in einer neutralen Körperhaltung ansah.
Diese Frage machte mich etwas verlegen. Ich hatte eigentlich noch ein wenig Werbung machen wollen, bevor ich den Namen verriet. Das Ganze so schmackhaft wie möglich, eben.
"Es ist nicht mein Vater, Eikichi Otomo", sagte ich leiser. Für einen Moment musste ich hart schlucken. Wie würden sie es aufnehmen? Würden sie verstehen, dass die Regentschaft Megumis nur pro Forma war und ihrem Schutz diente? Dass der Kaiser in seinem repräsentativen Amt von uns ebenso wenig eingeschränkt werden würde wie durch die Kronosier oder die vorherige reguläre japanische Regierung?
"Es ist Megumi Uno!", sagte ich trotzig und laut.
Stille breitete sich aus. Das wertete ich als schlechtes Zeichen. Als verdammt schlechtes Zeichen.
Beschwichtigend bewegte ich beide Hände. "Hört mal, Leute, es ist..."
"Ist das wirklich wahr?", rief jemand direkt vor mir, aus den Reihen des Publikums. "Megu-chan wird unsere Regentin, wenn du heute siegst, Akira?"
"Megumi wird eure Regentin! Ob es euch..." Gefällt oder nicht hatte ich sagen wollen, aber meine Worte gingen unter in einem Orkan, der sogar die Wiedergabe der Lautsprecher übertönte. Das, was auf dem Platz geschah, das was von einer halben Million Menschen da fabriziert wurde, war mit Jubel nicht mehr zu übersetzen. Es war... Das lauteste Volksfest, das ich jemals miterlebt hatte. Es war ein Donnern, das Japan in seinen Grundfesten erschütterte, das wirkte, als könne es alleine die Vorherrschaft der Kronosier fortwischen. Ich war beeindruckt. Anscheinend hatte ich die Beliebtheit meines Schatzes in Tokio wieder einmal kräftig unterschätzt. Auf jeden Fall war es mehr Menschen möglich, sie zu lieben und zu verehren, als es ihnen bei mir möglich war.

Rechts von mir huschte ein Schemen heran. Er sprang über die Wachleute und Polizisten hinweg und stürzte da zu Boden, wo ich vor wenigen Augenblicken noch gestanden hatte. Seine messerscharfen Krallen bohrten sich in den Stahl des Bodenbelags. Ein KI-Biest von drei Metern Größe. Zu diesem Zeitpunkt war ich schon sechs Meter entfernt, schwebte geradezu nach hinten auf die Bühne, weg vom KI-Biest. Ich hob die Z-Gun, visierte das KI-Biest an, das sich bereits wieder befreit hatte und auf mich zusprang - und feuerte. Der Blast bediente sich bei meiner Aura, entließ einen gleißenden Strahl, der die Wachleute blendete, und schlug in das Biest ein.
Die Bestie reagierte merkwürdig, wie immer, wenn ein KI-Biest zerstört wurde. Sein Fleisch, seine Haut, schlugen Blasen, lösten sich in großen Flocken voneinander, zerstieben wie Laub in einem starken Windstoß, und ließen nichts zurück als den nackten Körper einer halb bewusstlosen jungen Frau. Ich fing sie auf, bevor sie zu Boden stürzen konnte. "Whoa. Nicht so stürmisch. Ich bin in festen Händen", scherzte ich und sank mit der jungen Frau in die Knie. Es verwunderte mich ein wenig, dass ich sie nicht kannte. Bisher waren alle KI-Biester, die ich besiegt hatte, um Schüler der Fushida-Schule gebildet worden. Sie hustete, spie einen Schwall Schleim aus, und sah mich aus großen, ungläubigen Augen an. "Es... ist vorbei?", brachte sie mühevoll hervor.
"Du bist frei vom KI-Biest."
"Danke... Blue... Lightning."
Eigentlich hieß es Blue Devil, aber ich korrigierte die Frau nicht. Jemand legte eine Jacke über ihre bloßen Schultern. Es war der Polizist. "Sanitäter sind auf dem Weg", sagte er. Fordernd hielt er die Hand auf. Ich legte ihm die Z-Gun hinein. Er musterte die Waffe kurz, die nur einen Abzug hatte. "Was passiert, wenn man dreimal geschossen hat, und die Aura ist alle? Nur so Interesshalber."
"Man schläft ein", sagte ich schmunzelnd. Ich überließ die junge Frau einem weiteren Polizisten und erhob mich wieder. Dabei ignorierte ich die Tatsache, dass ich mit den Schleimresten des vernichteten KI-Biests regelrecht eingesaut war.

"Noch jemand eine Z-Gun?", fragte ich.
Von links stürzte ein weiteres KI-Biest heran. Der Polizist zielte, schoss, und erreichte das gleiche Ergebnis wie ich. Nur diesmal war ein Mann der Kern. Einer der Wachleute bewahrte ihn vorm Sturz und fing ihn auf.
"Funktioniert", kommentierte der Polizist trocken. "Funktioniert richtig gut."
Dies gab den Aussschlag. Tausende Hände reckten sich mir entgegen, um die Z-Gun zu bekommen. Ich öffnete die Tasche, und nahm die Exemplare heraus, die ich bei mir trug. "Denkt daran, wenn die Aura am Ende ist, schlaft Ihr ein! Geht zu zweit, zu dritt oder zu viert, damit die Waffe benutzt wird!" Einige drückte ich den Wachleuten um mich herum in die Hände, andere warf ich in die Menge.
Fehler. Ein Wachmann legte auf mich an, schoss - und traf.
Als das grelle Licht verschwunden war, trug ich meine Aura-Rüstung. Die blaue Uniform mit dem weißen, wallenden Umhang. "ICH bin selbstverständlich immun, genauso wie unsere Mechas. Ts, ts, ts." Ich richtete die rechte Handfläche auf den Mann, konzentrierte meine Aura, und entließ sie auf einen Schlag. Der Mann wurde erfasst, getroffen und meterweit über die Bühne davon gewirbelt. Bewusstlos blieb er liegen. "Und ich brauche die Z-Gun nicht selbst. Haltet Ihr mich für einen Anfänger, oder für Akira Otomo?"
Erneut jubelte die Menge.
"Akira! Wir wollen die Z-Gun!", riefen viele Menschen.
Ich hob die Rechte, deutete in den Himmel. "Ihr wollt die Z-Gun! Ihr kriegt die Z-Gun!" Dutzende Scheinwerfer richteten sich auf den Himmel, und entrissen Dutzende, hunderte, nein, tausende kleine Fallschirme der Dunkelheit, an deren unteren Enden jeweils eine Z-Gun hing. So begann die Revolution.

Schlussendlich waren die Daishi da, schwebten über dem Platz. Sie hielten einen Sicherheitsabstand, unschlüssig, was sie tun sollten. Vielleicht fürchteten sie auch einen Kampf über den Köpfen der riesigen Menschenmenge. Eine schlechtere Presse konnten sie nicht kriegen, wenn sie aus dieser Position das Feuer eröffneten. Das schienen auch ihre Befehlshaber zu denken, denn sie zogen die Maschinen auf die Fluchtwegschneisen, wo sie, falls sie abstürzten, zumindest keine hunderte Menschen zerquetschen würden. Darauf schienen viele in der Menge nur gewartet zu haben. Drei Daishis wurden von Z-Guns getroffen. Sie stürzten aus wenigen Metern Höhe zu Boden, und blieben bewegungslos liegen. Dies war die Stunde der Ataka-Gumi. Doitsus Yakuza und ihre Verbündeten erklommen behende die Mechas, brachen die Cockpitversiegelungen auf und zogen die bewusstlosen Piloten hervor. Die ausgebildeten, vorbereiteten Krieger als den Gruppen nahmen ihre Plätze ein. Sie ersetzten die IFF-Transponder, die sie als unsere Maschinen auswiesen, während ihre Kollegen mit Sprühfarbe auf die Brustpartie ein mannsgroßes M für Megumi sprühten. Es war abzusehen, wann die Kronosier die Samthandschuhe ausziehen würden. Aber sie hatten hierbei die schlechteren Karten, denn die Z-Gun hatte eine verdammt hohe Reichweite.
"Wollen wir es Zuende bringen, Aoi Akuma?", erklang hinter mir eine ruhige, beinahe amüsierte Stimme. "Nur wir beide, mit unseren Klingenwaffen? Ohne Aura, ohne Z-Gun? Krieger gegen Krieger?"
Ich wandte mich der Stimme zu. "Legat Gordon Scott. Wie interessant." Ich sah die Klinge in seiner Hand. "Wollen Sie damit fechten?"
Er hob den Reitsäbel an, den er in der Hand hielt. Es war eine mir unbekannte Arbeit mit feiner, dünner Klinge, einem Parier, das aus zwei parallel gesetzten Scheiben bestand, und einem Goldbügel am Griff, der zugleich die Hand vor Treffern schützte und verhindern half, dass der Benutzer die Waffe verlor. "Es ist die Waffe eines meiner Urahnen. Er diente bei den Dragoon Guards des Königs, die gegen Napoleon gekämpft haben. Sie wurde im berühmten Solingen geschmiedet, und ich habe sie gut gepflegt. Sie ist heute so gefährlich wie am ersten Tag, an dem sie aus der Scheide gezogen worden ist. Ich bin bestens mit ihr vertraut."
"Das Katana ist dieser Waffe überlegen. Ich werde Ihren Degen mit einem Schlag in Stücke hacken", erwiderte ich.
"Wenn Sie es treffen, Aoi Akuma. Eine Klinge ist immer nur so gut wie der, der sie führt. Also, wie ist es?"
Ich winkte die Polizisten zurück, die ihre Z-Guns auf den Legaten angelegt hatten. Mit einer kurzen Willensanstrengung verschwand meine Aura-Rüstung wieder. Ich warf meine letzte Z-Gun einem meiner neuen Verbündeten zu und zog das Katana, das Yoshi mir bei der Rettung Sarahs auf der Pazifikinsel gegeben hatte, aus der Scheide. "Nun gut. Wir werden sehen, wer gewinnt." Ich konnte nicht wissen, dass Legat Gordon Scott den Sieger bereits vorab bestimmt hatte. Wir traten aufeinander zu, und mittlerweile sah uns nicht nur ganz Japan zu, die Einschaltquoten lagen bei weltweit einer Milliarde Haushalten. Aber war ich nicht ohnehin hier, um mich gegen das Schicksal zu stemmen?
***
"Hergehört, Hekatoncheiren!", rief Megumi, während ihre Maschine an der Spitze des Bataillons in den japanischen Luftraum eindrang, die Material-, und Truppentransporter von Tiger-, und Drachen-Divisionen beschützend. "Dies ist zwar eine Invasion, aber eine äußerst heikle! Wir schießen nur, wenn wir beschossen werden! Primäres Ziel ist es, den Narita Space Port und das Hokkaido Space Center in unsere Hand zu kriegen und die dortigen Schiffe zu erobern! Sekundäre Ziele sind die Sicherung des kaiserlichen Palasts und die Identifikation unserer Verbündeten und der Deserteure, die sich uns anschließen werden!"
"Du erwartest ernsthaft Zulauf, Megumi?", klang Yohkos spöttische Stimme auf.
"Nun, ich hoffe es zumindest, Yohko-chan." Und wie sie es hoffte.
"Achtung, Schatz", sagte Amber, ihr Bordcomputer, "aufsteigende Daishis von der Basis an der Ostküste, schnell näher kommend. Dreißig, hauptsächlich Briareos und Gilgamesch. Sie rufen uns."
"Öffne einen Kanal. Hier spricht Colonel Megumi Uno! So suspekt es klingt, aber ich und meine Hekatoncheiren würden einen Kampf gerne vermeiden. Bitte ziehen Sie sich wieder in Ihre Basis zurück und warten Sie weitere Anweisungen ab."
"Colonel Rikata hier, Ma'am. Das mit dem Kampf ist aber schade, denn ich und meine Leute sind gerade ganz wild auf einen Kampf. Wo sollen wir uns denn einreihen?"
"Bitte, was?", fragte Megumi verdutzt.
"Um der Rebellion beizutreten, um Japan zu befreien, und so. Wo sollen wir uns anschließen?"
"Sie sehen mich leicht verwirrt...", gestand die junge Frau.
Ihr Widerpart seufzte. "Sie haben wirklich keine Ahnung, was Sie mit Ihrem mutigen Beispiel in unser aller Leben angerichtet haben, oder, Ma'am? Seit Sie die Vernichtung eines tokioter Stadtteils unter Einsatz Ihres Lebens verhindert haben, haben Sie etliche von uns zu Tode beschämt. Es brodelt schon seit Jahren in uns, und viele von uns Mecha-Piloten unterhalten Kontakte zu subversiven Elementen, wie sie offiziell heißen. Zum Beispiel der Fushida Hacking Crew. Mit ihrer Hilfe wollten wir uns selbst zu einem landesweiten Aufstand organisieren, aber Sie sind uns zuvor gekommen. Und dadurch, dass Ihre Z-Gun KI-Biester und Mechas ausschalten kann, haben wir endlich die Vorteile, die wir brauchen, um Japan zurückzuerobern, ohne ein Massaker anzurichten. Ich gebe zu, Sie als Galionsfigur zu wählen war dabei der klügste Schachzug überhaupt. Wir respektieren Aoi Akuma, wir fürchten und wir mögen ihn, aber Sie, Ma'am, Sie lieben wir." Er hüstelte verlegen. "Auf einer metaphorischen Ebene."
"Danke", erwiderte Megumi, unsicher, was sie darauf sagen sollte. "Sagen Sie, wie groß ist denn diese Bewegung, von der Sie sprechen?"
"Ich kann nur für die Bewegung sprechen, der ich selbst angehöre, aber ich habe Gerüchte gehört, dass es weitere Gruppen wie uns gibt, die einander nur noch nicht gefunden haben. Wir selbst unterhalten rund zweitausend..."
"Zweitausend Mann unter Waffen? Das ist eine Riesenmenge! Wenn uns all diese Soldaten unterstützen, dann..."
"Nein, Ma'am, nicht zweitausend Mann. Zweitausend Daishi-Piloten! Sie haben ja keine Ahnung, wie sehr wir uns wünschen, das Joch der Kronosier endlich abzuschütteln, und Ihnen, General Ino und Aoi Akuma nacheifern zu können. Japan will diese Invasion. WIR wollen diese Invasion!"
Megumi schwieg beeindruckt. Und schlagartig verstand sie, warum Ban Shee Ryon und die Otomo-Eltern so überzeugt davon gewesen waren, dass es klappen würde. Alles was sie gebraucht hatten, waren eine Galionsfigur - sie, als positive Identifikationsperson - und einen Auslöser, einen Anlass. Beides war gegeben, und nun hatte es das ausgelöst, was sie sich erhofft hatten.
"Reihen Sie sich an unserer linken Flanke ein. Wir schießen nur, wenn wir selbst beschossen werden. Unsere Primärziele sind die Raumhäfen Narita und Hokkaido. Danach sichern wir den kaiserlichen Palast."
"Jawohl, Ma'am. Und... Danke, Ma'am. Es ist uns allen eine Ehre, unter Ihnen und Blue Lightning zu kämpfen", erwiderte Colonel Rikata.
"Es heißt Blue Devil."
"Ich glaube, nicht mehr seit heute Abend, Ma'am. Ab sofort ist Akira Otomo Blue Lightning."
Er behielt Recht.


4.
"Shiroi Akuma an alle Akumas", klang Daisukes Stimme im Sprechfunk der anderen drei Mechas ihrer Einsatzgruppe auf, "ich habe gesicherte Informationen darüber, das Akira sicher angekommen ist und sich prompt mit der ganzen Stadt angelegt hat."
Gelächter der anderen drei Mitglieder der Akuma-Gumi antwortete ihm. "War ja auch nicht anders zu erwarten gewesen, oder?", rief Ami Shirai, Philips Fairy, fröhlich über Funk.
"Genau! Wird also höchste Zeit, das wir uns selbst mal Ärger suchen", rief Yuri gut gelaunt. "Oder um es formeller auszudrücken: White Devil, Red Devil mit Pilot und Fairy ist heiß auf ein wenig Action."
"Ich hoffe, du meinst militärische Action, denn deine Fairy interessiert sich in letzter Zeit auffallend für einen gewissen Geheimdienstoffizier", erwiderte Daisuke scherzhaft.
"M-mit mir und Mamoru ist nichts! Bestimmt nicht!", fiel Akane Kurosawa hastig ein.
"So? Dann sollten wir euch beide nach unserer Rückkehr in einen Raum einsperren und abwarten was passiert", klang Cecilia Wangs Stimme, der Fairy von Kei, auf. "Kann ja keiner mehr mit ansehen, was für schmachtende Blicke Ihr euch zuwerft, wenn Ihr glaubt, keiner sieht euch!"
"I-ich sagte doch schon, zwischen uns ist nichts!", erwiderte sie, diesmal vehementer. Leiser fügte sie hinzu: "Wer will auch mit einer Psychopathin zusammensein?"
Stille folgte auf ihre Worte.
"Hm", kam es von Kei. "Da das mehr oder weniger auf alle Frauen zutrifft, zumindest vom Stand eines Mannes aus gesehen, sicherlich die halbe Menschheit, namentlich wir Männer. Ihr Frauen seid uns ohnehin ein Buch mit sieben Siegeln und tut sprunghaft Dinge, die wir nicht nachvollziehen können."
"Das kann ich jetzt nicht nachvollziehen", murrte Akane. "Tatsache ist, dass ich depressiv war, oder? Und das kann jederzeit wiederkommen."
"Klar kann es jederzeit wiederkommen. Und ich kriege jederzeit ein Date, wenn ich es will", knurrte Kei sarkastisch. "Wir haben mit der neuen Besatzung Senso Islands einige sehr gute Ärzte bekommen. Auch Gefechtspsychologen. Wenn dir deine Depressionen so zu schaffen machen, dann konsultiere einen. Es kann dir nur besser gehen."
"Und mich als Spinnerin outen? Na danke."
"Hey, du hast gesagt, dass du Depressionen hattest, die jederzeit wiederkommen können", konterte Kei.
"Aber das war doch unter uns. Innerhalb der Familie", erwiderte sie. "Das kann man nicht vergleichen."
"Wenn du ein Date willst, Kei, warum hast du mich nicht einfach gefragt?", klang dazwischen Amis Stimme auf. "Ich bleiche mir auch die Haare zweimal, damit sie blond werden."
"Abgemacht! Und wehe, du bist nicht wirklich blond, Ami-chan."
"Versprochen, White Devil."
"So einfach kommt man also an ein Date, eh?", fragte Philip amüsiert. "Das bedeutet, Akane, deine Depressionen können jederzeit wiederkehren. Ein empirischer Beweis. Also solltest du einen Spezialisten aufsuchen. Jemand, der dich unterstützt, damit du dich wieder sicher genug für ein normales Leben fühlen kannst. Sicher genug für einen Freund. Denn ich fürchte, jetzt wo die bezaubernde Megumi Uno Akira in ihren Krallen hat, lohnt es sich nicht, auf ihn zu warten."
"A-akira hat damit nichts zu tun! Er ist sowieso nur so eine Art Bruder für mich", sagte Akane hastig. "Und Megumi ist ein wirklich tolles Mädchen. Ich bin nicht eifersüchtig."
"Hat ja auch keiner behauptet. Aber Kei hat ein Date", sagte Philip fröhlich, "und du hast bald genügend Mut, um dir einen Freund anzulachen. Ich denke, die Mission war jetzt schon ein Riesenerfolg."
Wieder lachten die Mitglieder der Akuma-Gumi.
"Gut, gut, Ihr hattet euren Spaß", klang Daisukes mahnende Stimme auf. "Konzentriert euch jetzt wieder auf die Mission. Wir erreichen jede Sekunde den Radarbereich Hokkaidos." Er räusperte sich. "Alles in Ordnung bei dir, Bara Akuma? Ich frage nur, weil es normalerweise nicht üblich ist, dass der Pilot seine eigene Fairy ist, und einen Gunner zusätzlich an Bord hat."
"Keine Sorge, uns geht es gut", klang Yohkos Stimme auf. "Ich kutschiere Yoshi auch nur solange herum, bis er sicher genug ist, um einen Eagle zu steuern und seine Waffen abzufeuern, und seine Aura-Fähigkeiten sicher zu lenken. Ich hoffe, du weißt das zu schätzen, Schatz. Dafür habe ich darauf verzichtet, meine Kottos in die Schlacht zu führen."
"Ich weiß es zu schätzen, Engelchen, wie alles, was du für mich tust."
"Das kannst du mir nachher noch mal im Detail erklären, sobald der Hokkaido Space Port uns gehört."
"Und genau wegen dieser Herumflirterei bin ich dagegen, dass Pilot und Fairy privat Paare sind", murrte Yuri. "Da bricht der pure Neid aus."
Wieder wurde gelacht.
"Funkdisziplin ab jetzt", mahnte Daisuke, der die Kabbeleien hatte laufen lassen. Es löste die Spannung vor einem Gefecht, und ein ruhiger Pilot war ein guter Pilot. "Fairies Aura vorbereiten, nur für den Fall, dass sich die Hafenverteidigung Hokkaido nicht schon alleine bei der Nachricht ergibt, dass die Akuma-Gumi auf dem Weg zu ihnen ist."
"Hoffentlich nicht", sagte Philip. "Schätze, das ist eine gute Gelegenheit, um endlich mal zu klären, wer nach Akira hier die Nummer zwei im Cockpit ist."
"Ich bin dabei", schnappte Kei.
"Ich auch", sagte Philip.
"Ebenso", kam es von Yohko.
"Kindsköpfe", kommentierte Daisuke. "Der zweitbeste Pilot der Akuma-Gumi wird bestimmt nicht dann festgestellt, wenn Akira uns mal nicht anführt. Außerdem bin ich das schon, also macht euch keine Hoffnung."
"Was du wirst beweisen müssen", rief Kei unternehmungslustig.
"Eintreffende Radarsignale. Sie wissen, dass wir kommen", sagte Daisuke, statt direkt zu antworten. Er sah auf den Fairy-Sitz, wo sich Hina Yamada angeschnallt hatte. "Bereit?"
"Keine Sorge. Ich bin immer bereit. Immerhin bin ich Akiras Fairy."
Daisuke lachte leise. Er war der einzige Pilot der Akuma-Gumi, der eigentlich nur in Ausnahmen eine Fairy an Bord nahm. Nun hatte er die Fairy vom Boss zur Unterstützung, und das bedeutete in mehrerlei Hinsicht eine Herausforderung.
"Raketenbeschuss", meldete die K.I. seines Hawks.
"Registriert, Alter. Kommen schnell rein von Nordnordwest, vermutlich abgeschossen von einer Küstenbatterie. Zwanzig Stück, also eine Salve." Er beschloss, alles dafür zu tun, damit Hina auf ihre Kosten kam. Immerhin war sie ja wirklich die Fairy vom Boss. Und die war mittlere Wunder gewöhnt. "Kümmere mich um die Raketen." Die Aura seiner Fairy spannte sich über den Hawk, und er verließ die Formation, um sich um die Raketen zu kümmern. Ihr Teil des Kampfes hatte begonnen.
***
Hilmer Bont atmete stoßweise ein und wieder aus, während er wieder in sein Büro zurückkehrte. Er hatte Angst, und das nicht zu knapp. Nur mit viel Glück war es ihm und seinen Leuten gelungen, rechtzeitig die Tore der Residenz zu schließen, bevor ein aufgebrachter Mob, ausgerüstet mit den Z-Guns, das Gebäude hatte stürmen können. Aber schon war klar, dass sich die loyalen Soldaten nicht lange würden halten können. Jeder Aufständische hatte zwar nur drei Schuss mit der Z-Gun, einige nur zwei, einige sogar vier, aber bei jeder Waffe hatten sich zwanzig oder mehr Sympathisanten versammelt, die die Waffe mit Freude übernehmen würden. Selbst Fernbeschuss schied aus, weil die Z-Gun weit genug reichte, um einen Daishi in den Straßenschluchten vom Himmel zu holen, oder die Elektronik einer abgeschossenen Rakete zu frittieren. Dämlicherweise deaktivierten sich dabei die Sprengköpfe, sodass die einzigen Verwundeten draußen vor dem Tor jene waren, die von den herabstürzenden Raketen gestreift oder von zertrümmertem Asphalt getroffen worden waren. Die vier Daishis, die zur Entlastung der Residenz hatten angreifen wollen, lagen am Boden, und waren längst die Beute der Aufständischen geworden. Der einzige Vorteil bei der Geschichte war die Z-Gun selbst, die nicht direkt tötete. Aber Bont malte es sich recht lebhaft aus, was die aufgebrachte Menge da draußen mit seinem betäubten Körper machen würde, wenn sie erst einmal eingedrungen und ihn gezettet hatte. Verdammt.

Als er in sein Büro eintrat, erwartete ihn der recht vertraute Anblick einer Glock 14L, dessen Mündung auf ihn gerichtet war. Am anderen Ende der Waffe befand sich ausgerechnet seine Sekretärin. "Treten Sie ein, Mister Bont. Wir haben zu reden. Ach, und machen Sie die Tür hinter sich zu. Es wäre bedauerlich, wenn ich schießen müsste, bevor wir miteinander gesprochen haben."
"Meine Leute...", begann er, aber in diesem Moment bemerkte er, wie die Tür zum Vorzimmer von den beiden Wachleuten geschlossen wurde.
Gehorsam schloss er auch seine Bürotür.
"Sie wollen sicherlich viele Fragen stellen", sagte die Frau mittleren Alters freundlich. "Vor allem das Wie, das Warum, das Wer, und so weiter. Ich habe dafür noch ungefähr acht Minuten." Sie manipulierte, während sie sprach, den im Schreibtisch eingebauten 3D-Monitor, der es dem Generalgouverneur ermöglichte, in Direktkontakt mit allen offiziellen Stellen Japans zu treten. Fragend sah er sie an.
"Das? Oh, es war von vorne herein geplant, das wir Ihr Büro nutzen würden, um den Aufstand zu forcieren. Es war ein sehr großer Fehler von Ihnen und Ihren Ministern, nach Otomos Desertation nicht jeden einzelnen Mitarbeiter auf näheren Kontakt mit dem Direktor des Weltraumfahrstuhls abzuklopfen." Sie lächelte freundlich. "Ich bin seine Chefagentin in Japan. Sozusagen die Nummer eins im Feld."
"Wie lange schon?", fragte Bont stockend.
"Meine Güte, wie lange? Von Anfang an, Mister Bont. Sie haben mich quasi schon als Rebellin eingestellt."
"Aber... Sie haben all die Jahre alle meine Anweisungen ohne zu zögern ausgeführt, haben selbst die Protokolle der Säuberungen und Folterungen... Ich meine..."
Die Miene der Frau verdüsterte sich. "Ja, das habe ich. Es war meine Pflicht, Ihnen vorzugaukeln, dass ich Ihr loyales Heimchen bin. Ich habe in all den Jahren nicht eine einzige Information aus Ihrem Büro weiter gegeben, damit ich nicht enttarnt werden kann. Aber ich habe alles vorbereitet, um am Tag X Ihr Büro und die Möglichkeiten der Residenz zu übernehmen und den Aufstand der Streitkräfte von hier aus zu koordinieren."
"Den Aufstand der Streitkräfte? Aber..."
"Himmel, Mister Bont, Sie haben uns acht Jahre Zeit gegeben, um uns vorzubereiten! Acht Jahre, in denen wir unsere Netzwerke aufgebaut haben, Kontakte schufen, Vorbereitungen trafen. Eikichi Otomo und seine Firma haben das Gros geleistet, zumindest als sie noch als loyale Vertreter des Systems galten. Als er offen desertierte, waren die Vorbereitungen längst abgeschlossen. Wir haben nur noch auf den richtigen Tag gewartet. Wären die Elwenfelt nicht früher als erwartet gekommen, hätten wir alle unsere Vorbereitungen abschließen können, und die vier Briareos da draußen hätten es nie bis zur Residenz geschafft, geschweige denn dass sie hätten aufsteigen können. Aber Sie müssen zugeben, die Z-Gun ist ein unglaublich vielseitiges Gimmick, das den Blutzoll auf beiden Seiten erheblich reduzieren wird. Ursprünglich hätten wir die Menschen da draußen, die jetzt zu Ihnen hinein wollen, mit regulären Waffen ausgerüstet."
"Ja, das wäre erheblich blutiger geworden. Einen Wehrlosen kann man leichter abschlachten, mit weit weniger Blut", ätzte der Generalgouverneur.
"Hm? Oh, haben Sie keine Sorge. Wir haben nicht vor, die Kronosier und ihre loyalen Soldaten abzuschlachten. Natürlich wird es hier und da Übergriffe geben, aber unsere Leute sind da draußen, um das Kommando zu übernehmen und den Volkszorn zu dirigieren." Sie sah auf den 3D-Monitor auf ihrem Schreibtisch. "Interessant. Haneda ist gerade gefallen."
"Der Haneda-Flughafen?"
"Nein, die Anlage unter dem Flughafen. Das Haneda-Geheimgefängnis. Der Ort, an dem Gordon Scott seine KI-Biester erschafft. Wir konnten knapp achtzig Menschen befreien, neun davon waren bereits in Biester verwandelt worden. Ich sagte schon, diese kleinen, feinen Waffen sind sehr hilfreich."
"Was erwarten Sie von mir, Honoka?"
Sie sah auf. Direkt in seine Augen. "Japan erwarte ich, Herr Generalgouverneur."
"Japan?"
"Oh. Es ist den Hekatoncheiren gelungen, die Drachen-Division bis zum kaiserlichen Palast zu eskortieren. Er wird bald in unserer Hand sein, und der Kaiser befreit werden. Ein großer Tag für Japan, finden Sie nicht? Oder vielmehr eine große Nacht. Der Höhepunkt ist die Übergabe der Regierungsgewalt an Colonel Megumi Uno, den Sie vornehmen werden, Mister Bont."
"So? Werde ich das? Warum nehmen Sie sich nicht einfach, was Sie haben wollen?", fragte der Kronosier.
"Hm. Weil auch Sie acht Jahre Zeit hatten. Acht Jahre, in denen Sie Strukturen geschaffen haben, Verbindungen, Vernetzungen, Erziehungen und dergleichen. Sie hatten eine solide Basis als Unterstützer, vor allem aus dem befreiten Korea, die jetzt das Rückgrat der Verwaltung bilden. Ich halte es für eine ganz dumme Idee, die Revolution auf ihren Rücken auszutragen, und Eikichi stimmt mir dem zu. Wir brauchen keine Guillotine, wir brauchen eine gemeinsame Zukunft."
"Ich frage noch einmal: Warum nehmen Sie sich nicht einfach, was Sie haben wollen?"
"Es würde zuviel zerstören. Wir haben in den letzten acht Jahren den Status Japans entscheidend verändert. Vom eroberten und gedemütigten Land, besetzt von Psychos uns menschlichen Wracks wurden wir wieder zu einer Gesellschaft, die beinahe schon die Pressefreiheit erreicht hatte. Das erste Jahr war schlimm. Ich aus erster Hand weiß..." Sie stockte. "Aber es wurde besser, und wir wuchsen zusammen. Das wollen wir nicht aufgeben. Im Gegenteil, wir wollen so viele positive Aspekte dieser Zeit behalten. Und das gelingt uns nicht, wenn wir die Schlüsselfigurender kronosischen Herrschaft umbringen. Und glauben Sie mir, es fällt mir schwer genug." Sie legte die Waffe beiseite, stützte sich auf dem Schreibtisch ab und sah ihn ernst an. "Was sagt Ihnen der Name Akane Kurosawa?"
"Rebellin, Aura-Beherrscherin, eine sogenannte Fairy der Akuma-Gumi. Sie haben sie aus dem gleichen Gefängnis befreit, in dem der Cousin Akira Otomos interniert war, Makoto Ino."
"Richtig. Und in diesem Gefängnis wurde sie psychisch terrorisiert, physisch gefoltert und im Allgemeinen ausgehungert und misshandelt. Wahrscheinlich auch vergewaltigt, obwohl dazu keine Aussage von ihr vorliegt, geschweige denn das übliche Videomaterial aus dem Folterknast. Sie hat das Schlimmste erlebt, was Ihr Kronosier Japan angetan habt. Das Allerschlimmste."
"Ich denke, sie hatte ihre Rache. Als Fairy hat sie geholfen, Dutzende, hunderte unserer Leute zu töten", erwiderte Bont mit festem Blick.
Honoka lachte auf. "Wussten Sie, dass mein Nachname gar nicht Hazegawa ist? Mein richtiger Familienname ist Kurosawa. Honoka Kurosawa. Es hat uns einige Mühen gekostet, meine wahre Identität zu verschleiern, aber mit Eikichis Hilfe und dem Supercomputer der Akuma-Gumi ist es uns gelungen."
"Kurosawa? Sie sind..."
"Ja. Ich bin ihre Mutter. Sie können sich nicht vorstellen, wie schwer es mir gefallen ist, fast jeden Tag hierher zu kommen, und kein Blutbad unter Ihren Leuten anzurichten für das, was sie meiner Tochter angetan haben." Sie ballte die Hände zu Fäusten und zerknüllte dabei Papier, das auf dem Schreibtisch lag. "Aber ich habe gelernt zu differenzieren, nachdem ihre Foltermeister getötet worden waren. Ich habe gelernt, das nicht jeder Kronosier, nicht jeder seiner Helfer, automatisch ein menschliches Schwein ist. Die ersten Säuberungen Ihrer Reihen von diesen Psychopathen waren für mich eine unglaubliche Erleichterung, eine Befriedigung sondergleichen. Eine Handlung, bei der Sie übrigens die volle Unterstützung Eikichis und des Freien Japanischen Geheimdiensts hatten."
Das erklärte wahrscheinlich die erstaunlich gute Faktenlage und das überreichlich vorhandene Beweismaterial, das ihnen damals zur Verfügung gestanden hatte, als sie in der Führung und im Legat befürchtet hatten, diese speziellen Kronosier würden mit ihrem asozialen Verhalten Japan in einen blutigen Aufstand stürzen. "Und was nun?"
"Ich habe gelernt, mit meinem Hass zu leben. Und falls es Sie beruhigt, Mister Bont, Sie persönlich hasse ich überhaupt nicht. Im Gegenteil, ich bedaure Sie für das, was Sie manchmal haben tun müssen, wenn Coryn Odin es befohlen hatte. Ich mache Sie nicht verantwortlich für das Schicksal meiner Tochter. Beileibe nicht. Nein, das ist falsch formuliert. Natürlich sind Sie verantwortlich. Aber Sie tragen keine Schuld. Ja, das ist besser."
"Danke. Was soll ich jetzt Ihrer Meinung nach tun?"
Honoka Kurosawa sah ihn ernst an. "Ihre acht Minuten sind um, Mister Bont. Deshalb werde ich es Ihnen klipp und klar sagen: Retten Sie Leben. Die Ihrer Getreuen, und die unserer Leute. Wissen Sie, wir haben Militär, Polizei und Geheimdienst so weit unterwandert, wie es uns nur möglich war. Das konnte nur gelingen, indem wir unsere berühmte japanische Stoigkeit bis zum Kotzen ausgereizt haben. Wie die vierzig Ronin haben wir uns selbst verleugnet, um dann, am Tag X, wieder zu sein, was wir versucht haben zu verbergen, und zu tun, was wir die ganze Zeit hatten tun wollen. Im Moment herrscht in allen drei Institutionen helle Aufruhr. Man sortiert sich, sucht Leute mit gemeinsamen Interessen, überprüft die eigenen Möglichkeiten. Und dann wird es zu einem Kampf kommen, der von ihnen ausgeführt wird. Die einen um zu retten, was noch zu retten ist, die anderen, um ihren wohlverdienten Sieg zu erringen. Dabei werden viele sterben, und etliche Zivilisten werden getötet werden. Von den vielen Schäden, die angerichtet werden, einmal ganz abgesehen. Das können wir verhindern. Sie können es verhindern. Bedenken Sie, die kronosische Sache ist ohnehin tot, seit Ihre Herren, die Elwenfelt, ins System gesprungen sind."
"Und? Wie rette ich all die Leben? Soll ich mich symbolhaft selbst umbringen? Seppuki, wie Ihr Japaner das nennt?"
"Seppuku, niht Seppuki. Im Gegenteil, Mister Bont. Ich erwarte von Ihnen, dass Sie leben. Sie und Ihre Leute. Wir können die Verwaltung nicht von heute auf morgen austauschen und haben das auch gar nicht vor. Und wir können nicht so grausam sein wie die Kronosier des ersten Jahrs der Besetzung, und jeden töten, der sich uns nicht unterwirft. Treten Sie zurück, Mister Bont, beenden Sie jeden Ansatz von Kämpfen, bevor sie überhand nehmen können. Rufen Sie alle Truppen in die Kasernen zurück, und übergeben Sie Japan."
"Das ist also Ihr Plan. Die kampflose Übergabe." Resignierend starrte er auf die Glock auf dem Schreibtisch.
Honoka Kurosawa strahlte. "Ja. Ist ein guter Plan, nicht? Also, was werden Sie jetzt tun, Herr Generalgouverneur?"
"Ich schätze, es wird Zeit, wieder einmal zu kämpfen, Honoka."


5.
Die ersten fünf Minuten hatten Scott und ich uns belauert. Es war ein offenes Geheimnis, das ich kein Fechter war. Und das bisschen Training, das mit Doitsu verpasst hatte, machte mich nicht gerade zum Meisterschwertkämpfer. Aber ich verstand, dass ich mit dem Katana eine Hiebwaffe hatte, und Scott seinen Degen als Stichwaffe einsetzen konnte. Die Stichwaffe galt der Hiebwaffe als überlegen, weil sie leichter war und viel pointierter geführt werden konnte. Weniger Kraft, weniger Aufwand, weniger Bewegungen, ich sah relativ klar, wo der entscheidende Unterschied war. Deshalb hatte ich es nicht gewagt, den ersten Angriff zu führen.
Das Ironische daran war, dass unser gegenseitiges Belauern vom Publikum nicht als langweilig empfunden worden war. Im Gegenteil, die fünfhunderttausend Zuschauer verfolgten jedes Zucken, jeden Atemzug, jeden Windhauch, der durch unsere Haare ging, als wären sie Kampfsequenzen im Finale der Sumo-Runde. In Amerika wären wir wahrscheinlich schon ausgebuht worden, und man hätte uns eventuell Feiglinge genannt. Hier in Japan jedoch interpretierte man unser Abwarten als Grad unserer Meisterschaft, als Beweis unseres Können. Ich erinnerte mich flüchtig an den Kamp zweier Kendo-Meister, die sich nur gegenüber gestanden hatten, die Spitzen ihrer Shinais aufeinandergedrückt. Keiner hatte auch nur den Bruchteil einer Eröffnung angeboten, und der Schiedsrichter hatte den Kampf schließlich als Unentschieden gewertet.
Als wir dann doch, ironischerweise gleichzeitig, zum Angriff übergingen, jubelte die Menschenmenge. Ich versuchte ihn anzugehen, seinen Säbel zu treffen. Scott zog ihn zurück, wohlweislich, denn ein Treffer hätte seine Waffe beschädigen können. Stattdessen ging er mit seiner Klinge Heft an Heft, und wir drückten beinahe die Griffe gegeneinander, während wir verbissen miteinander rangen.
Wieder zugleich sprangen wir nach hinten fort, um Raum zu haben für den nächsten Angriff. Dachte ich zumindest, aber von Scott war es nur eine Finte gewesen, die sofort in eine Angriffsbewegung überging. Bevor ich zwinkern konnte, sauste seine Waffe auf mich zu. Ich hatte nicht einmal mehr Zeit, mein Katana hochzubringen, schaffte nur das Minimum an Ausweichen. Als Ergebnis fuhr seine Klinge nicht in mein Herz, sondern nur in meinen linken Oberarm. Nach dem Treffer zog er sich blitzschnell auf eine sichere Distanz zurück und beobachtete mich.
Der Stich schmerzte, und ich fühlte, das der Arm nicht mehr so belastbar war wie noch Sekunden zuvor. Dennoch widerstand ich der Versuchung, mich mit meiner Aura zu heilen. Das war dumm, aber das wusste ich selbst am Besten. Stattdessen beschloss ich, den Nachteil zu meinem Vorteil zu nutzen. Ich ächzte leise, als ich die Linke vom Griff meines Katanas löste. Wie leblos hing der Arm herab.
"Ach, sieh einer an. Sieht Aoi Akuma eventuell gerade, wie dumm er gehandelt hat, als er sich auf einen Schwertkampf eingelassen hat?", fragte Scott. In seiner Stimme klang kein Spott, nur wütende Resignation.
"Egal", stieß ich zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor, "ich stehe zu meinen Fehlern. Immer."
Wut überzog sein Gesicht. Erneut zuckte sein Säbel vor, zielte wieder auf mein Herz. Er war schnell wie eine Natter, glaubte sich im Vorteil, und damit hatte ich ihn in der Falle. Flink trat ich vor, empfing seine Klinge, ließ sie unter meinem linken Arm durchgleiten. Der erwachte wieder zum Leben, fixierte die Klinge, so gut ich es vermochte. Zugleich riss ich mit Rechts mein Katana hoch, schlug von unten knapp unter dem Griff auf die Waffe. Die Wucht des Schlages und die Qualität meines Stahls waren so hervorragend, dass der leichtere Säbel abgeschlagen wurde. Im gleichen Atemzug, in dem ich seine Waffe zerschlagen hatte, riss ich den linken Arm hoch; die Säbelklinge fiel klappernd zu Boden. Für einen Sekundenbruchteil starrte Scott auf den zerschlagenen Säbel, dann sah er auf, und erkannte, das ich mit beiden Händen einen Schlag von oben, einen Karatake, ausführen würde. Als ich die Klinge, geführt von der Kraft beider meiner Arme, auf ihn herabsausen ließ, war da keine Angst in seinem Gesicht, nur eine gewisse Resignation und ein wenig ruhige Ergebenheit in sein Schicksal. Ich begann zu schreien. Meine Wut, meinen Schmerz, meine Entbehrungen und Kämpfe der letzten acht Jahre, all das summierte sich in diesem Augenblick, in diesem Schlag. Ich legte alle negativen Emotionen hinein.

Legat Gordon Scott blinzelte einen Moment, als er die Klinge meines Schwertes musterte, die nur ein paar Millimeter über seiner Stirn schwebte. Ihm musste klar sein, dass ich ihn getötet hätte, hätte ich die Waffe durchgezogen.
Langsam zog ich die Waffe zurück und steckte sie wieder in ihre Scheide.
Scott ließ den nun unnütz gewordenen Griff seines Kavalleriesäbels zu Boden fallen. "Du hättest mich töten können, Aoi Akuma."
"Natürlich hätte ich das", erwiderte ich ruhig, während ich meine Schwertwunde mit meiner Aura zu heilen begann. Oh, ich dankte Hina für diesen genialen Trick. "Aber warum hätte ich das tun sollen? Es hat schon seinen Grund, warum wir die Z-Gun erbaut und verteilt haben. Eine Waffe, mit der die Japaner sehr genau sagen können, welche Regierung und welche Truppen ihnen gefällt - aber ohne jemanden zu töten. Sollte ich dann damit anfangen? Wenn du darauf bestehst, können wir gerne noch einmal gegeneinander antreten, Gordon Scott."
"Ich denke, ich schiebe meinen Tod noch ein wenig auf. Es scheint in nächster Zeit interessant zu werden", erwiderte der Legat.
Ich nickte dem Polizisten zu, der mich fast von Anfang an unterstützt hatte. Er nahm Scott mit einem seiner Leute in die Mitte. Von weiteren Gefolgsleuten Scotts fehlte noch jede Spur. Andererseits lagen hunderte Bewusstlose rund um die Bühne verstreut. Wahrscheinlich würde mir das Geschehen hinterher, wenn es mir jemand erzählte, doch recht logisch vorkommen. Nun, wohl doch eher vielleicht.

"Akira", klang die Stimme meines Cousins über den Knopf in meinem Ohr auf. Er musste gerade über Kyoto sein, um weitere Z-Guns abzuwerfen.
"Ich höre, großer Bruder."
"Schau auf deine Leinwand", erwiderte er mit angespannter Stimme.
Ich sah hoch, auf die große Leinwand über der Bühne, die mich abbildete, zehnmal größer als ich war. Dann wechselte das Bild und zeigte Hilmer Bont. "Hiermit", begann der schlanke Holländer, der die Gift erhalten hatte, während er gefasst in die Kamera blickte, "trete ich mitsamt der Regierung des Generalgouvernats Japan von meinem Amt zurück. Ich fordere zugleich alle kronosischen Truppen auf, sämtliche Kampfhandlungen einzustellen und in ihre Kasernen zurückzukehren. Die Polizei übernimmt ab sofort als paramilitärische Einheit die komplette Kontrolle über Japan und wird Zuwiderhandlungen wie kriegerische Akte ahnden. Alle kronosischen Truppen, die nicht in den Defense Forces Japans aufgehen wollen, werden zu einem späteren Zeitpunkt mit Personal und Material repatriiert werden." Er räusperte sich, und so etwas wie ein Lächeln umspielte seine Lippen. "Bis freie Wahlen stattfinden können, übergebe ich sämtliche Regierungsgeschäfte Colonel Megumi Uno und ihrem Stab."
Der Rest seiner Worte ging erneut im Jubel der Menschen unter.
"Nett", kommentierte Scott über den Lärm hinweg. "Aber das ist nicht das Ende der Kämpfe. Etliche Einheiten, die nicht von Z-Guns kalt gestellt werden können, werden kämpfen, dass weißt du, Blue Lightning."
"Ja", erwiderte ich mit gefasster Stimme. "Aber es ist verdammt noch Mal ein Anfang. Und die Akuma-Gumi wird verdammt noch mal was draus machen!"
Ich wandte mich um, sah den Tokio Tower hinauf. "Primus!"
Knapp unter der Spitze des Towers geriet das Metall in Bewegung. Erschrockenes Raunen ging durch die Menge, als sich das Gewirr als Hawk-Mecha entpuppte. Die riesige Maschine sprang in die Tiefe und landete mit lohenden Flammendüsen vor mir auf der Bühne. "Bereit zum Einsatz, Sir", vermeldete die K.I. mit einem gewissen Ton an Frohsinn in der Stimme.
"Na, dann lass uns doch mal nachschauen, wer ausgerechnet heute Streit sucht", erwiderte ich und erklomm das Cockpit der Maschine, des ersten Hawks, der der Menschheit zur Verfügung gestanden hatte.
Sicher, es war noch nicht vorbei. Und jeder verdammte Soldat, der mit dieser Entwicklung nicht einverstanden war, würde Schreckliches anrichten können. Außerdem waren weder die Raumhäfen noch die Kampfschiffe, die auf ihnen stationiert waren, in unserer Hand. Aber es war ein viel versprechender Anfang. Es würde Kämpfe geben, viele, harte Kämpfe. Doch dank der Z-Gun würden sie zumindest nicht in den Städten stattfinden.
"Blue Devil bereit...", begann ich, doch ich stockte. "Nein. Blue Lightning bereit zum Start und auf der Suche nach Arbeit."
Ich startete mit Primus durch, und unter dem Jubel von fünfhunderttausend Menschen steuerte ich den Hawk in den Nachthimmel über Minato. Vom Tag, den wir zur Eroberung Japans veranschlagt hatten, waren schon zwei Stunden verbraucht. Wir würden die restliche Zeit zu nutzen wissen.

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Ace Kaiser,
Angry Eagles

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13.09.2012 18:48 Ace Kaiser ist offline E-Mail an Ace Kaiser senden Beiträge von Ace Kaiser suchen Nehmen Sie Ace Kaiser in Ihre Freundesliste auf
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