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 Für den Kaiser! Ace Kaiser 02.09.2007 17:33
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Für den Kaiser!

Episode eins: Seiner Majestät Schiff RHEINLAND

Prolog:
Die meisten Geschichten beginnen am Anfang. Sie erzählen eine Biographie, eine dazu passende Geschichte und irgendwann, nach diversen Höhepunkten, Rückschlägen und bewegenden Momenten kommen sie zum großen Finale, das entweder alles zerstört oder alles geraderückt.
Nun, das Leben ist nicht so. Dort ist die Geschichte nach dem Finale nicht vorbei, und selten wird alles zerstört, geschweige denn gerade gerückt. Das Leben beginnt mittendrin, und es ist mitunter grausam, zynisch und hart. Aber es bringt auch Freude, Liebe und eine Erhöhung, die an Göttlichkeit glauben lässt.
Alles Leben beginnt mit der Geburt und endet mit dem Tod. Spötter sagen, dass man weniger Angst vor dem Tod haben sollte und mehr vor der Art wie man stirbt. Realisten hingegen sagen, dass man die Zeit zwischen Leben und Tod füllen sollte, denn ein erfülltes, respektiertes Leben wird nicht mehr an seiner Länge gemessen. Es wird so respektiert, wie es geführt wurde. Manchmal hoch gelobt, manchmal als Vorbild genommen und selten auch hoch verehrt.
Auch diese Geschichte beginnt nicht am Anfang, und sie endet auch nicht mit dem Finale. Sie beginnt nicht, sie nimmt auf. Und zwar mittendrin.

Johann Armin Graf von Arling ist Kapitän der RHEINLAND, einem Leichten Kreuzer seiner Majestät dem Kaiser zu Katalaun, dem größten lokalen Reich, welches die Menschen fern der Erde gegründet haben. Johann ist einer der jüngsten Männer und Frauen, die jemals das Kommando über einen Kreuzer erhalten haben, und vorwitzige Zungen machen dafür seine Verwandtschaft mit dem Kaiserhaus verantwortlich.
Nun, das stimmt auch teilweise. Seine adlige Herkunft und das Familienvermögen haben ihm oftmals dort weitergeholfen, wo andere Offiziere ohne Geld oder Adel zähneknirschend hatten warten müssen. Aber der junge Graf tat all dies stets nur mit dem Gedanken im Kopf, seinem Kaiser zu dienen und dessen Schiff, die RHEINLAND, kampfbereit zu halten.
Es herrscht Krieg, und jedes kampferfahrene, einsatzbereite Schiff wird gebraucht. Mehr noch, jedes Schiff, welches in den mittlerweile zwei Jahre andauernden Kämpfen Siege davon getragen hat, ist ein Ansporn für jeden Offizier und jeden Matrosen der kaiserlichen Flotte und der kaiserlichen Armee. Die RHEINLAND ist trotz aller Gerüchte und Spottereien solch ein Schiff.
Und in diesem Moment steckt sie jenseits der eigenen Linien, tief im Gebiet der Republik Yura-Maynhaus auf Kaperfahrt, um den Frachtverkehr zur Frontlinie zu unterbrechen.
Vor nicht einmal einem Tag hat sie noch im Gefecht gestanden und einen Geleitzug aufgerieben. Vor nicht einmal einer Stunde hat sie drei der Geleitschutz gebenden Korvetten versenkt. Und vor nicht einmal einer halben Stunde haben dreihundert Mann der kaiserlichen Marine-Infanterie die republikanische Fregatte REDWOOD gestürmt und gekapert.
Die Geschichte beginnt selbstverständlich schon viel früher, mit der Kriegserklärung von vier Nationen gegen das Kaiserreich, mit den ersten, verlustreichen Rückzugskämpfen, mit der Opferbereitschaft und dem Wagemut so manches kaiserlichen Schiffs und ihrer menschlichen und außerirdischen Gegenparts.
Aber diese Erzählung setzt genau in diesem Moment ein.

1.
31.03.2613
Riverside-System, Republik Yura-Maynhaus
An Bord des Leichten Kreuzers seiner Majestät RHEINLAND
Siebzig Lichtjahre hinter den Frontlinien.

Johann Arling hatte den amtlichen Titel eines Fregattenkapitäns, der ihn zur Führung eines Leichten Kreuzers der Hamburg-Klasse berechtigte. Er hatte auch noch einen Grafentitel, aber den benutzte er eher selten. An Bord der RHEINLAND, seinem Schiff, war er der unumstrittene Herr und wurde allgemein Kapitän oder Sir genannt.
Er galt bei wohlmeinenden Stimmen als Genie, bei Spöttern und Neidern als Glückspilz. Johann fand beides nicht schlecht, erlaubte es doch ihm und seinen Leuten, tief im Feindesland zu überleben.
Nun, zumindest hatten sie es bisher geschafft. Und wenn sein Glück anhielt, dann würde es noch eine ganze Zeit so weitergehen.
Johann warf einen langen Blick aus dem Fenster der Kapitänskajüte in die Dunkelheit hinaus. Dabei spiegelte sich seine Gestalt in dem Glas. Er sah einen hochgeschossenen, breitschultrigen Mann mit braunen Haaren, einem herben Gesicht, das er selbst als hässlich bezeichnete, und eine khakifarbene Dienstuniform, auf dessen Schulter die fünf Silbersterne des Fregattenkapitäns prangten sowie das Namensschild ARLING auf der rechten und die Ordensleiste mit siebzehn Ordens- und Kampagnenkürzeln auf der linken Brust.
Die Schläfen waren schon etwas angegraut, was er für einen fünfunddreißigjährigen Mann mit einer Lebenserwartung von zweihundertfünfzig Jahren – ohne Krieg selbstverständlich – als verfrüht betrachtete. Aber ein Kommando forderte eben seinen Preis. Und wenn dieser Preis graue Haare waren, dann wollte er sie ebenso voller Stolz tragen wie seine Orden.
Er wandte seinen Blick vom Spiegelbild ab und sah hinaus ins eiskalte All. Für fünf Frachter und drei Korvetten der republikanischen Streitkräfte war es zum Grab geworden. Aktuelle Zählungen sprachen von fünfhundertneunzig Toten, einhundertsieben Vermissten und neunhunderteinundsiebzig Gefangenen. Die ROVER, die älteste Korvette der Gruppe, brannte noch immer. Der Versuch, das Schiff zu löschen war vergeblich gewesen, deshalb hatte Arling es räumen lassen. Das er damit beinahe dreißig gegnerische Kameraden dem Tod preisgegeben hatte lastete auf seiner Seele. Die Löschmannschaften hatten nicht zur Brücke durchkommen können und waren schließlich, nach eigenen Verlusten, von Bord gegangen.
Er machte Oberbootsmann Jarvi, der das Kommando über die Löscharbeiten – nein, Löschversuche – geführt hatte, keine Vorwürfe. Der Mann hatte viel riskiert, zu viel für drei seiner Leute, aber der Kapitän würde ihn dafür nicht tadeln.
Und dann war da noch die REDWOOD, das Flaggschiff des Konvois, eine alte Fregatte der Neverland-Klasse. Ein feines Stück Schiffsbautechnik der Republik und nebenbei eine feine Prise. Die Reparaturarbeiten gingen gut voran, und ein Großteil der Gefangenen würde an Bord dieses Schiffes die Reise ins Kaiserreich zu den Internierungslagern antreten. Blieb nur noch die Frage, wer sie kommandieren würde.

Ein heiseres Räuspern erinnerte ihn wieder an seinen Gast. Genauer gesagt an den Offizier, den er zum Rapport befohlen hatte.
Arling wandte sich um und sah die junge Frau ernst an. „Oberleutnant Rend, stehen Sie bequem.“
Die zierliche Offizierin mit dem kurzen schwarzen Haaren nickte, aber gab ihre Haltung nicht einen Millimeter auf. In seiner Gegenwart – gerade in seiner Gegenwart – gab sie sich besonders korrekt.
Johann Arling ging die zwei Schritte zu seinem Pult und nahm den Bericht auf, der gerade in seinem Logpad verzeichnet war. „Wie ich sehe macht der Antrieb der REDWOOD noch immer Probleme.“
Die Offizierin nahm den Hinweis auf und antwortete: „Sir, sie ist sprungfähig, hat aber nur vierzig Prozent der ursprünglichen Beschleunigung. Wenn Sie den Vergleich erlauben, sie ist eine Bleiente.“
Arling runzelte die Stirn. „Bewaffnung, Panzerung, Schirme?“
„Bewaffnung ist zu sechzig Prozent bereit, die Panzerung ist marode, aber wir haben drei der fünf Schilde wieder hingekriegt. Vor allem Bug- und Seitenschilde.“
Arling nickte bedächtig. Die beiden Heckschilde hatte er selbst mit der RHEINLAND zerschossen.
„Ihr Fazit, Oberleutnant?“
„Sie kann den Weg ins Kaiserreich schaffen, wenn sie etwas Glück hat und keiner Patrouille in die Hände fällt. Die erbeuteten Transpondercodes werden dazu sicherlich ihren Teil beitragen.“
„Gut.“ Arling sah von seinem Pad auf und betrachtete die junge Frau einige Zeit aufmerksam. Sie war schön, definitiv schön. Einige mochten sagen, ihre Nase war zu spitz und ihre Gesichtsform ähnelte mehr einem Pfannkuchen, aber Arlings Augen sagten ihm das Gegenteil. „Wie geht es Major Montereys Staffel?“
Der weibliche Oberleutnant versteifte sich. Weder der Major der Vielseitigkeitsangriffsroboter noch seine dreißig Maschinen gehörten zu ihrem Aufgabenbereich, deshalb dauerte es ein paar Sekunden, bevor sie antwortete.
„Gut, Sir. Der Major hat drei Maschinen beim Angriff verloren, der die Marine-Infanterie in die REDWOOD gebracht hat, ein Pilot ist gefallen, die anderen beiden liegen auf der Krankenstation, aber der Major selbst und der Rest ist einsatzbereit.“
„Das ist gut. Ich teile ihn Ihnen zu, Ma´am. Er soll sich zehn seiner Leute aussuchen und auf die REDWOOD wechseln. Die Katapulte der REDWOOD werden das doch schaffen?“
„Sir, ich verstehe nicht…“
„Schaffen die Katapulte der REDWOOD das?“
„Natürlich, Sir, sie sind intakt, aber warum unterstellen Sie…“
„Sie übernehmen das Kommando über die Prise. Bringen Sie das Schiff nach Hause. Ich werde eine Empfehlung schreiben, das Schiff nach diversen Reparaturen in kaiserlichen Dienst zu stellen. Außerdem stelle ich eine Empfehlung aus, die es Ihnen erlauben wird, entweder Kapitän der REDWOOD oder zumindest Erster Leutnant an Bord zu werden.“
Für einen Moment leuchteten ihre Augen entsetzt auf. „Sie schicken mich von Bord, Sir?“
„Ich gebe Ihnen eine Chance, einen gewaltigen Schritt auf der Karriereleiter voran zu kommen, Ma´am. Ist Ihnen das so unwillkommen?“
„Skipper, bei allem Respekt, aber die Eins O Korvettenkapitän Schlüter und der Zwei O Kapitänleutnant Rössing sind beide dienstälter und haben diese Chance eher verdient als ich.“
„Überlegen Sie sich das, Oberleutnant. Major Monterey wird in jedem Fall mit zehn Knight-Mechs an Bord der REDWOOD gehen.“
„Was wollen Sie mir damit sagen, Sir?“, fragte sie mit rauer Stimme.
Arling seufzte tief. Er hatte sich vor dieser Frage gefürchtet und er hatte gehofft, dass sie ihn verschonen würde. Aber Eleonor Rend hatte wie immer den Finger dahin gelegt wo es weh tat. „Ich dachte, ich tue Ihnen damit einen Gefallen, Oberleutnant. Es ist wirklich offensichtlich, was Sie und der Major füreinander empfinden.“
„Wie darf ich das verstehen, Skipper?“, fragte sie mit aschfahler Miene.
„Sie brauchen sich nicht dafür zu schämen. Das ist nur menschlich, und die Zeiten in denen an Bord eines Schiffes Zwischenmenschliches verboten waren sind lange vorbei. Nutzen Sie diese Gelegenheit einfach.“
„Sir, bei allem Respekt, aber sowohl ich als auch der Major würden lieber bei Ihnen an Bord bleiben. Wir…“
„SIE MÜSSEN GEHEN!“, blaffte Arling laut und mit überschlagender Stimme. „SIE MÜSSEN! SONST WERDE ICH WAHNSINNIG!“
Erschrocken wich sie einen Schritt zurück. „Was?“
Johann Arling fühlte wie ihm die Tränen in die Augen schossen, fühlte wie eine imaginäre Hand seinen Hals zudrückte. Er spürte die Kehle eng werden und den Magen hüpfen. Dies war also der Moment der Wahrheit.
„Ich…“, hauchte er mit einer dünnen Stimme, die er kaum als seine eigene erkannte, „schätze Major Monterey als Freund und Kameraden sehr. Ich wünsche ihm stets nur alles gute. Und wenn es sein Wunsch ist, mit Ihnen eine Beziehung einzugehen, dann kann ich nicht anders und ihn im Namen dieser Freundschaft zu unterstützen…“ Er brach ab, mit dünner, winselnder, kläglicher Stimme. Oh, er hasste es, wenn er seine Stärke nicht hatte, wenn seine Gedanken verschwammen.
„Aber das ist doch kein Grund, dass ich und…“
„Ich liebe Sie, Ellie“, sagte er, und seine Stimme hörte sich fest und sicher an. „Ich liebe Sie vom ganzen Herzen. Deshalb schicke ich Sie fort. Charles ist mein Freund, ich kann ihm nichts böses wünschen. Aber ich kann es nicht ertragen, sie beide zusammen zu sehen. Deshalb schicke ich sie zusammen fort.“
„Skipper, ich…“
„Es ist gut.“
„Aber Sir!“
„SIE HABEN IHRE BEFEHLE!“, blaffte er und fand Sicherheit in den lauten, schroffen Worten.
Sie salutierte blass und fahrig. „Ja, Sir. Habe verstanden, Sir.“ Dann wandte sie sich um und verließ seine Kabine.
Zurück blieb ein Mann, der sich fühlte als hätte man ihm das Herz herausgerissen. „Es ist besser so. Es ist wirklich besser so.“
***
Als Johann Armin Graf zu Arling die Brücke seines Schiffs betrat, hatte er sich wieder im Griff. Der Zweite Offizier, Gerard Rössing, empfing ihn mit einem schlichten und unmilitärischen Kopfnicken. „Die REDWOOD bittet um Erlaubnis abzudocken. Die Verladearbeiten sind beendet und die Knight-Maschinen sind vertäut.“
„Erlaubnis erteilt.“
Rössing wandte sich dem Funkmaat zu. „Erlaubnis für die REDWOOD zum ablegen erteilt. Wünschen Sie dem Schiff gute Fahrt und sichere Heimkehr.“
„Aye, Sir.“
Arling ging auf seinen Platz zu, den Kapitänsstuhl. Arlene Schlüter, Erster Offizier an Bord, sah den Skipper stirnrunzelnd an und räumte seinen Platz. „Keine besonderen Vorkommnisse, Skipper.“
„Danke, Eins O. Weitermachen.“ Mit einer schwungvollen Geste nahm Arling Platz. Nun, in den Sitz flegeln traf es vielleicht besser. Aber immerhin war er das Gesetz an Bord, und deshalb konnte er sich Dinge herausnehmen, die er bei seinen Offizieren und Mannschaften sofort geahndet hätte.
„Sag mal, hälst du diese Entscheidung für klug, Ellie und Lucky Charly zusammen auf ein Schiff zu schicken? Wenn es weiter zwischen den beiden knistert, schwimmen dir noch alle Felle weg, Han.“
Arling sah seine Erste Offizierin ernst an, aber die Miene wich schnell einem bestürzenden Bekenntnis seiner innersten Gedanken, so wehmütig sah er sie an.
„So ist das also“, sagte sie und seufzte.
„So ist das, Lenie“, erwiderte Arling. Er sah auf den Hauptschirm, auf dem zu sehen war, wie sich die Fregatte von der RHEINLAND löste und langsam Fahrt aufnahm. „So ist das.“
„So ist was? Habe ich was nicht mitgekriegt?“, fragte Gerard Rössing verwundert.
Schlüter sah ihn böse an. „Halt die Klappe, dann kannst du auch nichts schlimmer machen.“
Als sie ihren Skipper wieder ansah, lagen in ihrem Blick all die Zuneigung und Freundschaft, die sie für den adligen Bastard jemals empfunden hatte, für einem Mann, den sie wegen seiner Herkunft ablehnte, aber für seine Taten verehrte wie einen Helden. Vielleicht war er ja auch einer, ein Held. „Befehle, Skipper?“
„Sobald die Suchaktion nach weiteren Überlebenden beendet ist, verlassen wir die Region. Je länger wir hier bleiben, desto höher ist die Chance, das uns eine republikanische Patrouille aufspürt. Der Konvoi hatte Begleitschutz, obwohl wir uns siebzig Lichtjahre tief in ihrem Gebiet befinden. Es wäre Unsinn anzunehmen, dass sie sich nicht auch noch zusätzlich abgesichert haben. Und es wäre dumm zu glauben, dass niemand ihren Funk gehört hat.“
„Aye, Skipper.“
Ihre Rechte berührte sanft seine Schulter. „Wenn du reden willst, großer Bruder, ich bin immer für dich da.“
Mit einem wehmütigen Lächeln berührte Arling die Hand auf seiner Schulter. „Ich danke dir dafür, Lenie.“
„Ich hasse es, wenn ihr zwei das macht. Ich fühle mich dann immer so ausgeschlossen“, schimpfte Gerard Rössing böse.
Müde wischte sich Arling über die Augen. „Ich erzähle es dir, aber erst morgen. Heute sind die Narben noch zu frisch.“ Als der Skipper danach in die Runde sah, bemerkte er, dass er das Zentrum der Aufmerksamkeit aller dreiundsiebzig Offiziere, Unteroffiziere und Mannschaftsdienstgrade auf der Brücke war. „Wir haben immer noch Gefechtsalarm“, mahnte er mit leisem Tadel in der Stimme.
Nach und nach wandten sich die Besatzungsmitglieder ab und widmeten sich ihrer Arbeit.
„Nachricht von der REDWOOD: Viel Glück, RHEINLAND.“
Arling schnaubte aus, es klang eher verzweifelt als wütend.
„Keine Antwort. Aber halten Sie die Ohren auf“, befahl Schlüter ernst. Und unter ihrem zwingenden Blick gab es keine Widerworte.
„Aye, Ma´am.“
***
Eleonor Rend war Offizierin, und das mit Leib und Seele. Im Alter von vierzehn Jahren war sie in die Kadettenschule eingetreten, ein Umstand, der außerhalb der Kriegszeiten nahezu verpönt war. Das Kaiserreich war liberal, weltoffen und tolerant, und deshalb wurden Menschen wie sie, die sich ohne zwingenden Grund dem Militär anbiederten, mit Skepsis, mit Mitleid betrachtet. Aber Eleonor Rend hatte nicht anders gekonnt. Ihr Vater, Stuart Rend, hatte es Zeit seines Lebens zum Hauptstabsbootsmann gebracht, was immerhin der höchste Unteroffiziersrang der Marine war, aber es hatte halt ein Offizier in der Familie gefehlt. Und Eleonor Rend hatte sich damals im zarten Alter von vierzehn Lenzen dazu verpflichtet gefühlt, eben dieser Offizier zu werden.
An dem Tag, an dem sie als eine von vierzig Friedenskadetten an der kaiserlichen Kadettenschule Glücksburg ihren Dienst angetreten hatte, hatte sie all ihre Wünsche, Hoffnungen und Bedürfnisse diesem einen Ziel untergeordnet.
Ihre Verbissenheit hatte nichts damit zu tun, dass sie eine Frau oder eine Bürgerliche war, nein, er kam einfach aus dem tief in ihrer Seele verankerten Wunsch, einmal die Silbersterne auf der Schulter zu tragen und ihren Vater stolz auf sie zu machen.
Ihrer sechsjährigen Ausbildung an der Kadettenschule, den sie als ausgebildete Navigatorin, Waffenleitoffizierin und mit einem Doktor in Psychologie mit Magna cum Laude abgeschlossen hatte, war ein Erfolg gewesen. Magna war für ein Studium nicht optimal, aber für jemanden der ausgebildet wurde, ein Kriegsschiff am laufen zu halten, nicht so schlecht, vor allem wenn man ihr Alter von zwanzig Jahren berücksichtigte.
Danach hatte sie durch ihre hervorragenden Zeugnisse einen der seltenen Plätze in der kaiserlichen Friedensmarine ergattert und war auf die STONEWALL versetzt worden, einem Zerstörer der Grenzüberwachungsstreitkräfte. Auch hier war ihr der Auftritt das wichtigste gewesen. Sie hatte funktionieren wollen, und all das unterdrückt, was an Eleonor Rend nicht dazu gedacht war, ein Offizier des Kaisers zu sein.
Dann war der Krieg ausgebrochen, als sie gerade einmal vier Jahre gedient und vom Oberfähnrich zum Leutnant befördert worden war, und die Offiziere mit Einsatzerfahrung waren aufgeteilt worden. Die Magazine der Stützpunktwelten waren geöffnet worden, und die Friedensmarine hatte auf einen Schlag siebzig Prozent mehr Schiffe erhalten. Die Kriegsmarine hatte bemannt werden müssen. Eleonor Rend hatte dort ihre Chance schneller aufzusteigen gesehen und um ihre Versetzung gebeten, wenngleich es bedeutete, von einer eingespielten Crew – leicht dezimiert, weil einige der Offiziere eigene Kommandos in der Kriegsflotte antraten – zu einer grünen Crew zu wechseln, die sich ihren Ruf erst noch verdienen musste. Das „grüne“ Schiff war die RHEINLAND gewesen, ein Leichter Kreuzer, auf dem sie als dritter Waffenoffizier angetreten war. Aber bereits die ersten Kämpfe hatten ihr gezeigt, dass „grün“ und RHEINLAND zwei Dinge waren, die nicht zusammenpassten. Kapitän Arling hatte eine bemerkenswerte Truppe zusammengezogen, die ihre Schlagkraft, ihre Gewitztheit und ihren Esprit für den Schutz des Kaiserreichs mehr als einmal bewiesen hatte.
Auch auf diesem Schiff hatte sie einfach nur funktionieren wollen, einfach nur Offizier sein wollen, einfach nur… Einfach nur…
„Ellie, geht es dir gut?“, fragte Charles Monterney besorgt. Der Chef der Kampfroboter war irritiert über seinen abrupten Rauswurf aus der RHEINLAND, auf der er sich vom Oberleutnant bis zum Major hochgedient und in über drei Dutzend erfolgreichen Schlachten ausgezeichnet hatte, und er konnte wirklich nicht sagen, was in seinem Freund und Anführer vor sich ging, der ihn fortschickte. Aber das stellte er zurück für die junge Frau, die trotz des niedrigeren Ranges im Moment seine Vorgesetzte war.
Er mochte diese Frau, er mochte sie wirklich. Er war es gewesen, der in den letzten unendlich langen zwei Dienstjahren Zeit und Spaß investiert hatte, um sie daran zu erinnern, dass sie immer noch ein Mensch war. Und er hatte diese Zeit mit ihr genossen. Allerdings hatte er wie alle Männer ein Problem damit, Offensichtliches zu sehen, und ebenso Probleme, den Mund zu halten, wenn es angebracht war.
„Er schickt mich weg“, brachte sie mit krächzender Stimme hervor. „Er schickt mich weg, einfach so.“
Der Bodentruppenoffizier legte vertraulich eine Hand auf ihren Unterarm, eine Geste, die sie vor zwei Jahren noch mit einem vernichtenden Blick, wenn nicht mit einer Herausforderung zum Duell geahndet hätte. „Du bist eine gute Offizierin, und du verdienst diese Chance. Außerdem war er schlau genug, mich mit zu schicken. Den will ich sehen, der es mit unserer Combo aufnehmen kann, Ellie.“ Zu diesen Worten grinste er jungenhaft.
„Du verstehst nicht! Er schickt uns nicht zusammen fort weil wir eine gute Combo sind.“ Betreten sah sie zu Boden. Sie fühlte sich ertappt, schwach und wie ein geprügelter Hund. „Er schickt uns fort, damit wir zusammen sind.“
Es gab im Krieg nicht viele Gelegenheiten für einen Mann, sich wie einer zu fühlen und für eine Frau eben eine Frau zu sein, aber sie waren vorhanden. Eleonor Rend hingegen hatte sich die letzten Jahre lediglich dazu erweichen lassen, zumindest ab und an Kamerad zu sein. Zu entdecken, dass immer noch eine Frau in ihr steckte, war für die sechsundzwanzig Jahre alte Frau eine echte Überraschung. Normalerweise wären ihr die damit verbundenen Emotionen schlicht lästig gewesen, sie hätte all dies abgetan und wäre wieder zum Dienst übergegangen. Aber diesmal waren sie so stark, dass sie drohten, ihren Verstand fortzuspülen. Sie spürte das dringende Bedürfnis entweder etwas zu zerstören oder fest an sich zu drücken. Niemals in ihrer ganzen Zeit in der kaiserlichen Marine hatte sie sich so zerrissen, so aufgelöst gefühlt. Sie hatte schon Menschen sterben sehen, und als Erster Feuerleitoffizier, der sie auf der RHEINLAND mittlerweile war hatte sie Menschen wie Aliens getötet, und das mit dem Druck auf ein paar Knöpfe. Sie war tough… Das hatte sie zumindest bis zu diesem Moment gedacht. Ihr Kopf gellte, ihr Herz klopfte bis zum Hals und sie fragte sich, sie fragte sich wirklich, ob dies Liebe war. Sie sah den Piloten vorsichtig an. Hatte der Skipper Recht? Liebte sie wirklich den Mann, der ihr bester, ihr allerbester Freund war?
„Hey, Hey“, sagte Charly bestürzt. „Wer hat ihm denn den Floh ins Ohr gesetzt?“
„Also stimmt es nicht?“ Sie sah ihn an aus ihren großen, braunen Augen, und unwillkürlich musste der Major schlucken. Es war ja nicht so als hätte er noch nicht drüber nachgedacht.
„Das habe ich nicht gesagt“, erwiderte Lucky Charly schroff. Er wusste, diese Situation war nun gefährlicher als ein Kampfeinsatz in seinem Knight gegen ein halbes Dutzend Rüster der Republik und dramatischer als der Flug durch ein Asteroidenfeld. Ein falscher Satz, ein schlecht klingendes Wort konnte all das zerstören, was sie die letzten beiden Jahre gehabt hatten.
Die großen braunen Rehaugen der Offizierin irritierten ihn. So hatte er sie nicht mehr gesehen seit er sie an Bord begrüßt hatte, damals, einen Monat nach Kriegsausbruch. Damals war sie ihm als Frau interessant erschienen, aber diese Gedanken hatte sie mit ihrer spröden, unterkühlten Haltung schnell zunichte gemacht. Nun aber fühlte er die alten Emotionen von damals wieder hochschießen und sah sich zu einer Entscheidung genötigt.
„Er hat gesagt, das er mich liebt. Und das er es nicht sehen kann, wenn wir zwei vor seinen Augen…“ Sie schluckte hart, aber ausnahmsweise hatte auch Lucky Charly verstanden, was sie hatte sagen wollen.
„Das ist so typisch für ihn. Immer fair, immer ritterlich. Verdammt sollst du sein, Johann Arling.“
Wieder wechselten die beiden einen langen Blick. „Und was tun wir jetzt?“
Der Major dachte einen Moment nach. „Was willst du denn tun, Ellie?“
„ORTUNG!“, gellte ein Ruf durch die Brücke der REDWOOD und zerstörte die angespannte und erwartungsschwangere Stimmung. „Drei Fregatten, Norfolk-Klasse, springen ins System! Kurs steht auf RHEINLAND! Kennungen unbekannt, klassifiziere sie als Norfolk zweihundertacht bis zweihundertzehn!“
„Norfolks!“ Eleonor Rend sprang auf. „Republikanische Einheiten!“
„Mit Kurs auf die RHEINLAND“, stellte Major Monterey fest. „Wie weit sind sie noch entfernt?“
„Sie sind eine Stunde von der RHEINLAND entfernt. Es sieht nach einem Zielpunktsprung aus, Sir.“
„Vielleicht war der Konvoi eine Falle, vielleicht sind die Republikaner für diesen Fall einfach vorbereitet. Aber Tatsache ist, sie werden die RHEINLAND zum Kampf stellen. Drei Fregatten gegen einen Leichten Kreuzer, der zudem Gefechtsschäden hat.“ Lucky Charly sah die junge Frau ernst an. „Was tun Sie jetzt, Skipper?“
Ihre Züge entgleisten für einen Moment, ihre Rehaugen musterten den Piloten erwartungsvoll, erschrocken und panisch. Dann aber fing sie sich wieder. „Wir führen unsere Befehle aus!“
Gegen diese Entscheidung gab es keinen Widerspruch, das war jedem an Bord klar.
***
Aus halb geschlossenen Augenlidern betrachtete Johann Arling den Hauptmonitor, auf dem die Positionen der drei Angreifer permanent verzeichnet wurden. Zur Flucht war es zu spät, die schnell hereinkommenden Fregatten hätten die RHEINLAND aufgrund ihrer höheren Geschwindigkeit eingeholt bevor sie hätte springen können. Also hatte sich Arling dazu entschlossen, die Herausforderung anzunehmen. Der Kreuzer flog Kampfgeschwindigkeit, das war ein Tempo, das man in der Flotte oft als Kriechgang bezeichnete. Sie lag weit unter dem Tempo, welches die heutigen Raumschiffe für Marschfahrt oder schnelle Fahrt benutzten, aber es erlaubte den Schiffen schnelle Wendemanöver.
Wenn Geschwindigkeiten zu hoch waren bedeutete dies im Raumkampf immer, dass die Gegner einander passierten und lediglich einen Schusswechsel austauschen konnten. Danach mussten sie ihre eigene Fahrt aufheben, beidrehen und erneut Fahrt aufnehmen. Nun, dies war auch bei der Kampfgeschwindigkeit der Fall, aber sie lag so gering, dass die Schiffe schneller wenden konnten. Und Johann Arling war unbestreitbar ein Meister darin, seinen Leichten Kreuzer wie einen Knight durch die gegnerischen Reihen zu lenken.
„Anruf vom Flaggschiff, der CALAINCOURT. Text: Ergeben Sie sich, RHEINLAND.“
Schlüter lachte rau auf. „Antworten Sie, dass sie uns mal am Arsch lecken können!“, blaffte sie.
„Arlene!“, tadelte Johann Arling, und die Erste Offizierin sah mit hochrotem Kopf einen Moment zu Boden. „Antworten Sie: Ergeben SIE sich, CALAINCOURT.“
Amüsierte Räusper wurden auf der Brücke laut. „Aye, Skipper.“
„Ich denke, das ist die richtige Antwort.“ Der Zweite Offizier winkte von seinem Platz beim Rudergänger herüber, fahrig und ein wenig wütend. „Was bildet sich die CALAINCOURT ein? Dass ausgerechnet die RHEINLAND vor drei zweitklassigen Fregatten kapituliert?“
Zustimmendes Gemurmel erklang.
„Disziplin“, sagte Johann knapp. Sofort verstummten die leisen Stimmen seiner Crew. „Nehmen die drei Fregatten die Herausforderung an?“
„Aye, Skipper, sie reduzieren auf Gefechtsgeschwindigkeit. Wenn Kurs und Beschleunigung so bleiben wird die CALAINCOURT uns für einen schnellen Schlag passieren. Die RICHMOND und die CALAIS werden uns Bug an Bug angehen.“
„Na, die Suppe werden wir ihnen tüchtig versalzen. Eins O, ich will Klar Schiff zum Gefecht fünf Minuten bevor die CALAINCOURT in Gefechtsreichweite ist.“
„Aye, Aye, Skipper.“
„Jetzt könnten wir die zehn Knights und Major Monterney gut gebrauchen“, murmelte jemand.
Arling überging diese Bemerkung und verzichtete darauf, den Sprecher zu tadeln. Er hatte ja Recht.
Als über das Lautsprechersystem die Bootsmannspfeifen erklangen und das Signal Klar Schiff zum Gefecht bliesen, explodierte die Brücke in Geschäftigkeit. Die Koordinatoren der Knights und Bodentruppen öffneten bis zu fünf Hologramme und gaben Dutzende Anweisungen, während sie mit geschickten Bewegungen die Holos selbst manipulierten.
Hastige Rufe erfüllten die Zentrale und eine Flut von Rückmeldungen traf ein.
„Maschinenraum gesichert!“ „Leckmannschaften bereit!“ „Backbordbatterien bereit!“ „Steuerbordbatterien bereit!“ „Bugbatterien bereit!“ „Knight-Staffel bereit!“ „Marine-Infanterie bereit!“
Arlene Schlüter sah zu Arling herüber. „Skipper, Schiff ist klar zum Gefecht!“
„Danke, Eins O. Bitte übermitteln Sie den Offizieren und Mannschaften ein Lob. Das Schiff war in zwei Minuten und elf Sekunden gefechtsklar.“
„Ja, weil sie alle schon fertig an ihren Stationen gelauert haben“, entfuhr es jemanden und andere lachten dazu. Hätte die Situation sie überraschend getroffen, wären es acht oder neun Minuten gewesen, aber selbst das war weit schneller als es auf den meisten anderen Schiffen der kaiserlichen Flotte war.
„Disziplin!“, sagte Arling scharf. „Wir müssen hier drei Fregatten versenken!“
„Aye, Sir!“
„CALAINCOURT feuert.“
„Schuss auf Maximalreichweite.“ Arling winkte ab. „Ignorieren. Bereit machen für den Passierangriff der CALAINCOURT! Knights ausschleusen!“
„Aye, Skipper!“

Siebzehn der gewaltigen Kampfmaschinen traten in diesem Moment auf die Katapulte und wurden paarweise ins Weltall hinaus geschossen. Die schwer bewaffneten und hoch agilen Kampfroboter waren eine schreckliche Waffe. Natürlich verfügte auch die Republik über eigene Roboter, aber der Kampf mit dem Konvoi hatte bewiesen, was Qualität bedeutete. Die RHEINLAND und ihr Crew WAR Qualität.
Jaime Madison war Oberleutnant und nun in der undankbaren Aufgabe den vakanten Platz als Anführer der Knights auszufüllen. Unter Lucky Charlys Führung hatte er sich so wohl und sicher gefühlt wie man es in einem Gefecht und an Bord eines Kriegsschiffs sein konnte. Nun fühlte er vor allem Angst, Angst davor seine Leute sinnlos zu verheizen. Er traute sich nicht wirklich zu den Mann zu ersetzen, den alle nur Lucky Charly nannten. Aber er wusste, er würde sein Bestes geben um zu verhindern, das seine Kameraden starben.
„Offene Formation, geht Paarweise rein! Der Gegner schleust Rüster-Kampfroboter aus, also konzentriert euer Feuer!“
„Roger!“
Die Rüster-Maschinen der Republik waren schwerer als die Knights und stärker bewaffnet, aber dies ging auf Kosten der Agilität. Agilität, die widerum die Knights hatten und einsetzten. Dann, Sekunden bevor die Schiffe das Feuer aufeinander vollends aufnahmen, brach der Kampf zwischen den sich schnell bewegenden Mechas aus.

„Bugbatterien, volle Salve auf CALAINCOURT. Feuer!“
„Aye, Skipper! Volle Salve, Bugbatterie auf CALAINCOURT! FEUER!“
Das Schiff erzitterte leicht, als die Partikelprojektoren ihre tödliche Energie auf die gegnerische Fregatte abfeuerten. Kurz darauf starteten die Schiff-Schiff-Raketen, Sekunden bevor die nächste Salve der CALAINCOURT, der RICHMOND und der CALAIS auf die Schilde des Leichten Kreuzers seiner Majestät einschlugen.
„Volles Seitenruder Backbord!“, rief Arling plötzlich.
„Aye, Backbord volles Seitenruder!“
Das Schiff begann zu gieren, brach aus dem Kurs aus und stellte den Antrieb ab. Binnen weniger Sekunden wandte der Kreuzer den angreifenden Einheiten die Steuerbordseite zu.
„Steuerbord, volle Salve auf CALAINCOURT!“
„Aye, Steuerbord volle Salve auf CALAINCOURT!“ Wieder erbebte das Schiff, als es die Hauptbewaffnung zum tragen brachte und auf die schwächere Fregatte einhämmerte.
Natürlich bot der Kreuzer nun eine größere Angriffsfläche, aber das nützte der Zielfregatte herzlich wenig, die nun brutal zusammen gestaucht wurde.
„Rotation um Z-Achse! Backbordbatterie Feuer frei nach eigenem Ermessen!“
„Aye, Rotation um Z-Achse! Backbordbatterie freies Feuer!“
Nun drehte sich der mächtige Schiffsrumpf, schob die Steuerbordseite und die bereits lädierten Schilde auf die andere Seite und brachte die Backbordseite hervor. Die einzelnen Laser-, Tachyonen- und Partikelgeschütze vollendeten das Werk der Zerstörung, welches die Steuerbordbatterien an der CALAINCOURT angerichtet hatten.
„CALAINCOURT verliert Schilde! Treffer auf der Schiffshülle! Wirkungstreffer!“
„Die Bugbatterie ist in Feuerreichweite für die RICHMOND! Feuer frei nach eigenem Ermessen!“, befahl der Skipper.
„Aye, Bugbatterien Feuer frei nach eigenem Ermessen auf die RICHMOND!“
Die RICHMOND und die CALAIS schoben sich langsam mit Gefechtsgeschwindigkeit an die quer liegende RHEINLAND heran, während die CALAINCOURT das Schiff gerade passierte, brennend und kaum das Feuer erwidernd. Die RICHMOND konnte von den Bugbatterien beschossen werden. Im Ausgleich dafür hatte die CALAIS die Chance, ein paar anständige Hiebe in den Antrieb des Kreuzers zu jagen.
„Steuerbordbatterien Feuer frei auf CALAINCOURT!“
Die gegnerische Fregatte hatte den Kreuzer nun passiert und war damit in Position für die inzwischen nachgeladenen Geschütze der Steuerbordbatterien, die sofort wieder das Feuer aufnahmen.
Aber heftige Rucke, die durch das Schiff gingen bewiesen, dass die anderen beiden Fregatten nicht nur über ihre volle Bewaffnung verfügten, sondern sie auch einsetzten.
„Treffer im Maschinenraum! CALAINCOURT ergibt sich!“, gellte der Ruf vom Funk auf. Für ein paar Sekunden herrschte Jubel auf der Brücke, aber auch ohne den Tadel ihres Kapitäns arbeiteten die Offiziere und Mannschaften anschließend konzentriert weiter.
„Volles Seitenruder Backbord! Steuerbordbatterie Feuer frei auf CALAIS, Backbordbatterie Feuer frei auf RICHMOND!“
„Aye, volles Seitenruder Backbord!“
„Aye, Steuerbordbatterie Feuer frei auf CALAIS, Backbordbatterie Feuer frei auf RICHMOND!“
Die beiden gegnerischen Fregatten schoben sich langsam an der RHEINLAND vorbei. Der Kreuzer bot ihnen nun beide Flanken und damit die Breitseiten der Hauptbatterien. Zwar schluckte das Schiff selbst die Treffer der gegnerischen Breitseiten, aber es stand nun nur noch zwei gegen einen. Und wenn das Glück ihnen weiter hold war, würde das Kaiserreich an diesem Tag vier statt einer Fregatte aus der Aufstellung der Republikanischen Marine streichen.
„Enterkommando an Bord der CALAINCOURT. Ich will das Schiff in zwanzig Minuten gesichert sehen!“
„Aye, Sir! Hundert Mann Enterkommando sind auf dem Weg! Sechs Knights geben Geleitschutz!“
„Wirkungstreffer an Backbord, Sir. Antrieb verliert Leistung. Batterien drei und neun ausgefallen.“
„Reparaturteams und Leckmannschaften.“
„Aye, Skipper.“
„Backbordschild bricht zusammen!“, gellte ein erschrockener Ruf auf.
„Gieren um Z-Achse!“, rief Arling, aber da erfolgten bereits die ersten harten Einschläge an Bord.
„RICHMOND feuert Raketen!“
„Abfangen! Um jeden Preis abfangen! Und baut den verdammten Schirm wieder auf!“
Die Abwehrstellungen spuckten ihr Laserfeuer stakkatoartig auf die republikanischen Schiffsraketen, brachen ihre Schilde auf und zerschlugen sie, was eine vorzeitige Detonation auslöste. Leider überdeckten diese Detonationen einen Nachzügler, der noch nicht erfasst worden war.

Ein Knight war um einiges agiler als ein Rüster. Das wurde Oberleutnant Madison wieder einmal grimmig bewusst, als er den Sensorkopf seines Gegners mit einem einzigen Hieb abtrennte und danach in seinen Rücken gelangte, wo ein weiterer, einzelner Hieb genügte, um den Rückenpack mit der Energieversorgung zu vernichten. Das machte den Gegner hilflos wie ein Neugeborenes.
„Leutnant Schrader, Bericht!“
„Eskorte zur CALAINCOURT verlief problemlos. Die Mechas der CALAINCOURT haben nicht eingegriffen und verhalten sich passiv. Einschleusevorgang verlief problemlos. Hauptmann Ganther bittet um die Entsendung von Feuerlöschtrupps. Ich habe die Nachricht schon zur RHEINLAND weitergemeldet.“
Jaime feuerte die Raketen seines Knights ab und hielt damit einen gegnerischen Rüster auf Distanz. „So? Gute Nachrichten. Wir…“
„Die RHEINLAND wurde getroffen! Raketentreffer auf Backbord!“
Ein Raketentreffer war übel. Diese Dinger waren dafür gemacht, andere Schiffe zu vernichten. Ein Umstand, der im Moment das Schlimmste verhieß, denn er bedeutete, dass seine Knights womöglich keinen Platz zum landen haben würden, falls die RHEINLAND versenkt wurde. Und das bedeutete den Tod, oder noch schlimmer, Gefangenschaft in der Republik. „JAIME! VORSICHT! HINTER DIR!“
Oberleutnant Madison wirbelte den Knight herum, stieg auf die Pedale für die Düsen und riss die Arme hoch, um auszuweichen und abzufangen, was immer da auf ihn zuraste.

Die Erschütterung glich einem starken Beben, als die Rakete das Schiff auf dem Backbord traf. Das Licht flackerte, eine Konsole explodierte, und ein Deckenträger löste sich mit einem protestierenden Knirschen.
Unter dem Träger saß Arling, angeschnallt in seinem Sessel. Im Affekt riss er die Arme hoch, um sich zu schützen, aber fünfhundert Kilo Stahl, zusammen mit dem Massezuwachs durch die fünf Meter Sturz waren von menschlichem Fleisch und ordinären Kalziumknochen nicht zu bremsen. Dann ging alles furchtbar schnell.
„SKIPPER!“
Die RICHMOND hatte ihre Chance erkannt. Sie drückte die Nase nach unten und versuchte, die Backbordseite, die noch immer keinen Schirm aufgebaut hatte, wieder unter Feuer nehmen zu können. Die Geschützmannschaften der Steuerbordseite gaben ihr Bestes, aber es schien so, als hätte das Glück das Schiff verlassen.
***
Als Johan Armin Graf zu Arling erwachte, stellte er verwundert fest, dass er Schmerzen hatte. Schmerzen bedeuteten, das er noch lebte. Und wenn er noch lebte, konnte das nur bedeuten, das die RHEINLAND noch existierte. Das war der Idealfall.
„Er ist jetzt wach. Sie beide haben zwanzig Minuten, nicht eine Sekunde mehr“, klang die ermahnende Oberschullehrerstimme von Stabsarzt Roger Wilcox auf.
„Zwanzig Minuten, Aye“, antworte ihm eine weibliche Stimme. „Aye“, fügte eine raue Männerstimme hinzu.
Johann Arling spürte, das jemand seine rechte Hand hielt. Mühsam öffnete er seine Augen und stellte entsetzt fest, das nur das rechte reagierte.
Ein hektisches Piepsen rief wieder den Stabsarzt auf den Plan. „Ruhig Blut, Junge. Es ist noch alles dran an dir. Dein linkes Auge ist lediglich zugeschwollen. Kein Grund, gleich einen hundertdreißiger Puls zu kriegen. Und sie zwei regen ihn besser auch nicht auf.“
„Aye.“
Sein Blick war verschwommen, und sein Gehör nahm erst nach und nach die Hintergrundgeräusche der Krankenstation wahr, aber das erste was er sah, war das schöne Gesicht von Eleonor Rend.
„Du hast Glück im Übermaß“, tadelte eine raue Männerstimme. Ein bandagierter Arm tauchte in seinem Blickfeld auf und kurz darauf erschien der dazu gehörende Kopf in seinem Blickfeld. All das gehörte zu Major Charles Monterney, und er grinste von einem Ohr bis zum anderen. „Hast Glück, das dein dämlicher Stuhl so stabil gebaut ist. Er hat den Stahlträger weit genug abgefangen um zu verhindern das er dich längs spaltet. So hat er dir nur die linke Schulter zertrümmert. Das ist aber nichts, was der Doc nicht in ein paar Wochen hinkriegt. Ich habe gehört, er macht in seiner Freizeit gerne Puzzles.“
„L-lass die faulen Witze“, krächzte Arling. Diese Stimme, war das wirklich er selbst? Er hustete. Seine Kehle war furchtbar trocken.
„Hier, Skipper, trinken Sie das.“ Mit den besorgtesten Augen, die er je bei Eleonor Rend gesehen hatte, setzte sie eine Schnabeltasche an seine Lippen. „Schön langsam.“
Arling nahm vorsichtig ein paar Schlucke und musste wieder husten. Aber er spürte, dass das Wasser ihm gut tat. „Danke, Oberleutnant. Wo ist Lenie?“
„Sie und Gerry sind damit beschäftigt, die Brände auf der CALAINCOURT und der RICHMOND zu löschen. Sie wollen beide als Prise mitnehmen. Außerdem haben sie der CALAIS freies Geleit gegeben, wenn sie unsere Gefangenen übernehmen. Es wurden doch mittlerweile etwas viele und die CALAIS erreicht eher einen Hafen als wir. Sie wartet zwischen der RHEINLAND und der REDWOOD auf die Erlaubnis zum Abflug.“
„H-heißt das, wir haben gewonnen?“
„Blitzmerker“, brummte Charly amüsiert. „Natürlich haben wir gewonnen. Ellie konnte die REDWOOD genau in dem Moment zwischen die RHEINLAND und die RICHMOND schieben, als sie auf die ungeschützte Backbordflanke feuern wollte. Wir haben erst alles geschluckt, was sie zu bieten hatte. Danach haben wir zurückgefeuert. Du hattest sie schon gut erwischt und wir haben ihr den Rest gegeben. Und als die RICHMOND die Segel gestrichen hatte und ich mit Jaime die Oberhoheit erkämpft hatte, bat die CALAIS um Waffenstillstand.“
Ermattet ließ sich Arling in die Kissen zurücksinken. „Ich…“
„Das Wort, das du suchst ist danke“, half Lucky Charly mit einem grinsen aus. „Hier, schau, ich habe ne Verbrennung davon getragen, nur um deinen Arsch zu retten, mein Freund.“
Der freundliche Tadel und der Hinweis auf die Verbrennung schien einen Schalter in seinem Kopf zu bewegen. Der Skipper der RHEINLAND richtete sich halb im Bett auf.
Besorgt wollte Eleonor Rend ihn wieder zurückdrücken, aber der schwer verletzte Mann brachte eine überraschende Kraft auf. „Oberleutnant Rend, Major Monterney, sie haben gegen ihre Befehle verstoßen.“
Dieser Tadel ließ Lucky Charly grinsen. Auffordernd hielt er Oberleutnant Rend die Rechte hin. Mit mürrischer Miene zog sie einen Schein im Wert von zehn Mark hervor und legte sie ihm in die Hand. „Danke. Es ist immer wieder schön, mit dir zu wetten, Ellie.“ Mit einem Seufzer aus Schmerz und Mühe erhob sich Lucky Charly vom Bett und grinste schief. „So, ich gehe dann mal meine Abteilung unsicher machen. Ihr zwei kommt doch sicher ohne mich klar, oder?“ Er zwinkerte, was dazu führte, dass Oberleutnant Rend unvorschriftsmäßig errötete.
Als sich die Tür hinter Monterney geschlossen hatte, straffte sich die junge Frau und sagte: „Fregattenkapitän Arling, ich lasse mir Pflichtverletzung nicht vorwerfen. Ich habe meine Befehle befolgt.“
„Der Befehl lautete, die REDWOOD aus dem System und ins Kaiserreich zu schaffen! Sie können von Glück sagen, wenn ich auf eine Anklage verzichte, Oberleutnant Rend!“
Ein kurzes Lächeln huschte über ihre Züge. „Vierzehnter Mai Zweitausendsechshundertelf, Gesamtbefehl an die Marine, ausgegeben von Admiral der Marine Miranda Herzog von Hohenfels, fünf Tage nach Kriegsbeginn: Alle Schiffe und alle Truppen haben hiermit Befehl, jeder kaiserlichen Einheit im Gefecht Hilfe zu leisten, ungeachtet der Gefahren und anderslautender Befehle. Wir stehen zusammen oder fallen getrennt!“
„Oh. Tagesbefehl elf. Den hatte ich vergessen.“ Müde ließ sich Arling wieder in die Kissen sinken. „Aber du hättest trotzdem springen können. Niemand hätte dir einen Vorwurf machen können. Du hättest…“
Überraschend schnellte Eleonor Rend vor und drückte dem vollkommen überrumpelten Kapitän einen Kuss auf den Mund. „Ich kann dich doch nicht im Stich lassen, Johann.“
„Hä?“ Arling wusste, dass er manchmal etwas ratlos war, dass er manchmal nicht sofort verstand was andere Menschen von ihm wollten. Und Frauen waren ein herausragender Teil dieser Gruppe. Aber im Moment kapierte er gar nichts und verstand vor allem den Kuss nicht.
„Ich habe etwas gebraucht, um es zu verstehen“, hauchte sie und sah mit geröteten Wangen von ihm fort. „Charly hat mir übrigens dabei geholfen, damit ich mir über einiges klar werde. Ich weiß nicht ob das Liebe ist, was ich empfinde, aber mir wäre das Herz zersprungen wenn ich dich hier zurückgelassen hätte. Ich rede jetzt nicht vom Gefecht, sondern davon, dich nicht mehr sehen zu können, Johann. Nie mehr deine Stimme zu hören, dein Lachen, deinen Atem, nie mehr deinen mürrischen, deinen amüsierten Blick zu sehen, mein Leben wäre leer gewesen. Wenn das Liebe ist, dann, ja, liebe ich dich, Johann Arling.“
„Hä?“
„Das bedeutet, dass ich nichts mit Charly habe“, erklärte sie säuerlich, „und auch nie haben werde. Du bist der einzige Mann in meinem Leben, von meinen beiden Brüdern und meinem Vater einmal abgesehen. Das heißt, wenn du mich überhaupt willst.“
„Ich bin tot und im Himmel“, entfuhr es Johann Arling.
Er schlang den unverletzten Arm um die Offizierin und drückte sie an sich. Nein, das fühlte sich warm an, fühlte sich echt an. Und es war herrlich weich.
Mit einem kurzen Schreckenslaut landete Eleonor Rend auf der Brust des Mannes. Irritiert sah sie ihn an, aber er hatte das rechte Auge geschlossen und atmete im ruhigen Rhythmus eines Schlafenden. Und alles in allem war es ja nicht schlecht hier.
„Ihre Zeit ist um, Oberleutnant“, klang die Stimme von Stabsarzt Wilcox auf. Der Mediziner trat an das Bett seines Kapitäns, runzelte die Stirn und murmelte: „Nun ja, na gut, da es sich um einen Notfall handelt, dürfen Sie eine halbe Stunde länger bleiben.“
Er wandte sich um und winkte mit der Rechten. „Aber danach ist Schluss, und dabei ist es mir egal, dass Sie die Freundin vom Skipper sind.“
„Freundin?“, echote sie erschrocken. Aber das Wort klang erstaunlich gut in ihren Ohren. Sie fragte sich, ob es das war, was eine Frau ausmachte. Obwohl Lucky Charly ja behauptet hatte, das würde lediglich einen Menschen ausmachen.

2.
08.04.2613
Kaiserreich Katalaun
Montillon-System, vierter Planet Sanssoucci
Planetare Hauptstadt Neu-Berlin
Flottenhauptquartier

Das Gespann, welches im Vorzimmer von Admiral der Marine Miranda von Hohenfels wartete, sah man nicht alle Tage. Vor allem nicht zusammen. Seit der kleine Verband der RHEINLAND in den Orbit um die Arsenalwelt Springe eingetreten war, hatte die Nachricht ihrer Ankunft die Medienlandschaft beherrscht. Und die drei Männer und die zwei Frauen waren über Nacht äußerst populär geworden. Die Öffentlichkeit mochte Siege. Und sie mochte spektakuläre Berichte. Der Bericht der vier Kapitäne der RHEINLAND, der REDWOOD, der CALAIS und der CALAINCOURT war spektakulär, um nicht zu sagen grandios.
Nun, das war etwas, was den einzigen Nicht-Kapitän in dieser Runde wenig bewegte. Major Charles Monterney war Offizier der Marine-Infanterie und Knight-Pilot. Deshalb verstand er auch nicht so recht, warum Fregattenkapitän Arling ihn auf ausdrücklichen Befehl ebenfalls mitbringen sollte. Aber er machte sich innerlich auf eine ordentliche Schelte von Magic Miranda gefasst, wie sie hinter vorgehaltener Hand oft genannt wurde.
Für die Medien mochten sie Helden sein, aber vor den unbarmherzigen Augen ihrer Oberbefehlshaberin sah alles immer ein wenig anders aus.
„Setz dich endlich hin, Gerry! Du treibst mich in den Wahnsinn!“, zischte Arlene Schlüter wütend, während der Kapitänleutnant und derzeitiger Skipper der CALAINCOURT seine achtzigste Bahn im Vorzimmer zog.
„Erzähl mir nicht, dass du nicht schon längst wahnsinnig bist vor Sorge“, konterte Gerard Rössing. „Immerhin wurden wir sofort herbefohlen, auf die Hauptwelt, direkt ins Büro des Admirals der Flotte.“ Nervös spielte er mit den silbernen Abzeichen auf seiner weißen Ausgehuniform. Ob er die noch lange tragen würde?
Als sich die Tür öffnete, spannten sich die vier Kapitäne und der Major der Bodentruppen an.
Aber der Mann in der goldbesetzten Uniform trug lediglich die Kapitänsabzeichen, sechs silberne Sterne auf der Schulter. Wenngleich seine linke Brust mit Kampagnenbändern und Orden ähnlich belegt war wie die von Fregattenkapitän Arling wirkte er doch etwas jung für diesen Rang.
Der Mann lächelte in die Runde, als er das Vorzimmer betrat. „Nein, nein, bitte bleiben Sie sitzen. Und Sie, Kapitänleutnant Rössing, dürfen sich setzen oder stehen bleiben. Ich bin offiziell gar nicht hier.“
„Eure Majestät, ich…“
„Robert, bitte. Im Moment bin ich nur einer ihrer Offizierskollegen.“ Der Mann trat zuerst vor Schlüter und reichte ihr die Hand. „Willkommen auf Sanssoucci, Korvettenkapitän Schlüter. Großartige Arbeit.“ Danach reichte er Rend die Hand. „Tapfer, sehr tapfer, Oberleutnant Rend.“ Der nächste war Arling. „Ich wusste es doch. Dich bringt wohl gar nichts um, Han?“ Dabei deutete er auf den ruhiggestellten linken Arm.
„Erinnere mich daran, dass ich dem Hersteller der Sessel in meinem Schiff einen Rittertitel anbiete, Robbie.“
Die anderen vier keuchten erschrocken auf, als Arling so vertraut wurde mit – ja, mit dem Kaiser. Das war eine Sache, die so verboten war, dass alleine der Gedanke daran schon Strafe verdient hätte.
Der Kaiser jedoch lächelte, knuffte Arling gegen die unverletzte Schulter und reichte Major Monterey die Hand. „Prächtiger Mann. Prächtige Truppe.“
„Danke, Maj… Sir.“
„Und Rössing“, sagte er und drückte die Hand des Jüngeren, „Sie haben verdammt viel geleistet. Guter Mann.“
„Danke, Sir“, erwiderte Gerard mit erstickender Stimme. Bestimmt beschloss er gerade, die Hand, die der Kaiser berührt hatte, für die nächste Zeit nicht zu waschen.
„Du hast dir da gute Leute rangezogen. Die ganze Hauptstadt ist über euren Streich aus dem Häuschen geraten. Ach, das ganze Kaiserreich steht Kopf. Drei Fregatten erobert, eine verjagt, drei Korvetten versenkt und fünf große Frachter vernichtet, das war eine sehr erfolgreiche Fahrt. Und dann ist euch noch die Flucht aus der Republik geglückt, obwohl alles was fliegen und springen konnte hinter euch her war. Respekt, meine Damen und Herren, Respekt.“ Der Kaiser klopfte Arling auf die rechte Schulter. „So, das sollte euch ein wenig aufbauen, bevor der Anschiss von Miranda kommt. Augen zu und durch, Leute.“
In diesem Moment öffnete sich die Tür erneut und ein Hauptstabsbootsmann trat hervor. „Kapitän Arling und Gefolge können jetzt eintreten.“
„Gefolge?“ Irritiert sah Rössing den Kaiser an. Der aber grinste nur still vor sich hin und begleitete die fünf Offiziere ins Büro.

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Admiral der Marine Miranda Herzog von Hohenfels erwartete sie hinter ihrem Schreibtisch. Der Raum war riesig; ihr Schreibtisch winzig. Zudem war er das, was man eine handfeste Unordnung nannte. Unter all den Datapads und Papierdokumenten konnte man nicht einmal die Tischplatte erkennen. Wohlweislich ragte der integrierte Arbeitsmonitor ein Stück heraus und konnte so notfalls schnell wiedergefunden werden.
„Kommen sie, kommen Sie rein.“ Miranda Hohenfels war seit dem Tod ihrer Mutter eine der höchsten Adligen des Kaiserreichs und stand sogar in der Erbfolge des Zedernholzthrons auf der Liste. Irgendwo in den Hundertern, aber immerhin. Dabei war es beruhigend zu wissen, dass diese Frau ihren Rang nicht ihrem Titel zu verdanken hatte und sich selbst nach ganz oben gearbeitet hatte. Das war durchaus nicht grundsätzlich verständlich in einem feudalen System.
Die Offiziere salutierten geschlossen, während seine Majestät ein paar Schritte abseits trat und sich an dem riesigen Besprechungstisch niederließ. Erwartungsvoll musterte er die beiden Frauen und drei Männer.
Admiral Hohenfels erwiderte den Salut und deutete auf fünf vor dem Schreibtisch aufgestellte Stühle. „Setzen sie sich, es wird länger dauern.“
Alleine das reichte, um das Unbehagen der Kapitäne in die Höhe zu treiben.
„Fregattenkapitän Arling, Kapitän der RHEINLAND.“ „Ma´am.“
„Korvettenkapitän Schlüter, Kapitän der RICHMOND.“ „Ma´am.“
„Kapitänleutnant Rössing, Kapitän der CALAINCOURT.“ „Ma´am.“
„Oberleutnant Rend, Kapitän der REDWOOD.“ „Ma´am.“
Der Blick der Admirälin wanderte zu dem letzten Mann. „Und seiner Majestät Staffelführer Major Charles Monterney.“
Betroffen sah der Major auf. Irgendwie hatte er gehofft, dass es ihn nicht treffen würde. „Ma´am.“
Hohenfels faltete die Hände ineinander und legte die Fingerspitzen an ihren Mund. Die große blonde Frau betrachtete die Offiziere interessiert. „Kapitän Arling, wie tief haben Sie sich in das Gebiet der Republik Yura-Maynhaus gewagt?“
„Fünfundachtzig Lichtjahre, von unserer Frontlinie aus gemessen, Admiral.“
„Hm. Sie wissen schon, dass man Ihnen einen solchen tiefen Vorstoß, zudem mit einem langsamen Leichten Kreuzer, als Leichtsinn und Gefährdung der eigenen Crew interpretieren kann.“ „Ma´am.“
„Der Kaiser hat mir schon erzählt, dass Sie waghalsig sind, Herr Graf. Aber es war mir neu, dass Sie zu Suizid neigen.“
Arling zuckte wie unter einem Schlag zusammen.
„Wieviel Tonnage haben Sie vernichtet, Kapitän?“
„Drei Millionen achthunderttausendfünfhundert Bruttoregistertonnen, oder anders ausgedrückt dreiundzwanzig Frachtschiffe und fünf Kriegsschiffe.“
„Ist das Ihre letzte Heldentat in Riverside schon mit drin? Haben Sie die gekaperten Schiffe in der Tonnage mitgezählt?“
„Riverside ist in der Rechnung schon aufgeführt, Ma´am. Und nein, ich habe die gekaperten Schiffe nicht dieser Aufstellung zugeführt, Ma´am.“
„Sie haben eines der Schiffe entkommen lassen“, sagte sie im gleichen mahnenden Tonfall, mit dem sie ihn bereits Held genannt hatte. „Die CALAIS. Außerdem haben Sie eintausenddreihundert Kriegsgefangene seiner Majestät auf diesem Schiff entkommen lassen.“
Hastig stand Schlüter auf. „Ma´am, bei allem Respekt, aber diese Entscheidung habe ich gefällt.“
„Ich habe sie dabei unterstützt! Der Skipper war zu diesem Zeitpunkt auf der Krankenstation! Wir…“
„Na, na, wer wird sich denn da vordrängeln? Zu ihnen beiden komme ich noch, keine Sorge. Außerdem sollten sie zwei es am besten wissen, dass der Kapitän für alles, was an Bord geschieht, die volle Verantwortung trägt. Nicht wahr, Kapitän Arling?“
„Jawohl, Ma´am.“
„Also haben Sie die CALAIS und eintausenddreihundert Gefangene entkommen lassen?“
„Und achthundertdreiundachtzig Verwundete, Ma´am.“
„Das macht beinahe zweitausendzweihundert republikanische Soldaten, die früher oder später wieder gegen uns kämpfen werden. Warum?“
„Ma´am, diese zweitausendzweihundert Gefangenen brauchten Platz, Vorräte und Bewachung. All dies konnte ich nicht gewährleisten. Deshalb haben meine Offiziere der CALAIS gegen freies Geleit das Versprechen abgenommen, die nächste Stützpunktwelt der Republik anzufliegen. Einen Tag zusammengepfercht wie Ferkel in einem Pferch ist erträglich. Zehn Tage ist die Hölle. Außerdem war die Bewachung nicht gewährleistet.“
„Dann hätten Sie diese republikanischen Bastarde erschießen lassen können“, sagte sie mit funkelnden Augen.
Arling straffte sich. „Munitionsverschwendung, Ma´am.“
„Werden Sie nicht frech, junger Mann. Dann eben ab in die Schleuse und in den Weltraum mit dem ganzen Pack!“
„Ma´am, weder ich noch einer der Offiziere unter meinem Kommando werden, solange ich einen Funken Leben in mir habe, gegen die Bestimmungen zur Behandlung von Kriegsgefangenen der Terra-Konferenz verstoßen.“
„Und wenn ich es Ihnen befohlen hätte, Arling?“
Für einen Moment schluckte der Fregattenkapitän, weil die Admirälin seinen Rang wegließ. „Dann hätte ich diesen Befehl aufgrund seiner Unrechtmäßigkeit abgelehnt und Anklage gegen Sie erhoben.“
„Das ist ein starkes Stück!“, blaffte sie aufgebracht.
Der Kaiser versteckte sein Gelächter hinter einer vorgehaltenen Hand.
Aber die Miene der Admirälin wurde wieder weicher. „Das wäre interessant geworden. Oh ja, das wäre interessant geworden. Und nachdem Sie in Riverside siegreich waren, haben Sie sich dazu entschlossen, die CALAINCOURT und die RICHMOND zerschossen und zerschlagen wie sie waren, fünfundachtzig Lichtjahre bis nach Hause zu schleppen, von der ebenfalls stark lädierten REDWOOD einmal abgesehen und ganz zu schweigen von Ihrem schwer beschädigten Schiff?“ „Ja, Ma´am.“
„Warum haben Sie die Schiffe nicht einfach gesprengt, anstatt sie mitzuschleifen.“
„Ich fand, dass sie noch flugfähig waren und sich eine Reparatur lohnen würde, Ma´am.“
„So. Und dafür haben Sie, die eigenen Verluste noch nicht eingerechnet, Ihre Knights aufgeteilt, Ihre Crew aufgeteilt, zwanzig wichtige Offiziere detachiert… Muss ich in dieser Liste fortfahren?“ „Nein, Ma´am.“
„Gut. Das bringt uns zu Ihnen, Korvettenkapitän Schlüter. Sie als Erste Offizierin, warum haben Sie bei diesem waghalsigen Unternehmen mitgemacht? Es wäre Ihre Aufgabe gewesen, im Sinne der Sicherheit von Crew und Schiff darauf zu verzichten, drei halbwracke Fregatten mitzuschleppen, und das auf eine Strecke von fünfundachtzig Lichtjahren.“
„Siebzig, Ma´am. Riverside liegt siebzig Lichtjahre von der Frontlinie entfernt.“
„Ist das Ihre Antwort? Widerworte?“, blaffte sie wütend.
„N-nein, Ma´am.“
„Und überhaupt, warum mussten Sie unbedingt eine Prise kommandieren? Reichte es nicht, dass Ihr Skipper schwer verwundet auf der Krankenstation lag? Mussten Sie die RHEINLAND durch Ihre Abwesenheit weiter schwächen?“
„Der Skipper hat gesagt, er schafft das, und ich vertraue ihm, Ma´am.“
„Es gibt eine Grenze für das, was ein Mensch leisten kann.
Kapitänleutnant Rössing!“ „Ma´am?“
„Wenn Ihr Erster Offizier schon so waghalsig ist, warum haben Sie als Zweiter Offizier nicht eingegriffen? Warum haben Sie sogar selbst eine Prise übernommen?“
„Ma´am, ich hatte meine Befehle. Und zum Zeitpunkt als ich sie erhalten habe, waren sie für mich schlüssig, logisch und erschienen mir durchführbar.“ Er sah ihr direkt in die Augen. „Und ich sehe das heute noch immer so, Ma´am.“
„Na sowas! Ihre Leute stehen ja sogar nach zwei Wochen Doppelwachen und einem nervenaufreibenden Katz- und Maus-Spiel mit den Republikanern noch immer wie ein Mann hinter Ihnen, Arling. Wie nett.
Oberleutnant Rend!“ „Ma´am!“
„Ihnen kann ich leider nichts vorwerfen. Sie haben Ihre Sache sehr gut gemacht. Aber hören Sie auf, Ihren direkten Vorgesetzten zu küssen, egal ob auf der Krankenstation oder auf der Brücke. Wir Offiziere müssen den Mannschaften in vielen Dingen konkrete Vorbilder sein, haben Sie gehört?“
„Was?“ Erschrocken sah sie die Admirälin an. „Woher…?“
„Das hat Sie nicht zu interessieren. Fühlen Sie sich getadelt, Oberleutnant.“
„Jawohl, Ma´am.“
„Major Monterney!“ „Ma´am!“
„Sie hatten nur noch siebenundzwanzig Knights, haben die entscheidende Wendung in der zweiten Riverside-Schlacht gebracht, Ihrem Stellvertreter spektakulär das Leben gerettet und später Ihre überlebenden Piloten und Maschinen auf vier Schiffe verteilen müssen und dennoch haben Sie es auf einen Plan gekriegt, Ihre Aufgaben zu erfüllen, selbst während der Phase, in denen sich die Flotte kurzfristig trennen musste. Ich muss schon sagen, Ihre Leute müssen vor Müdigkeit am Umfallen gewesen sein.“ „Ma´am.“
„Aber dennoch, ein schönes Beispiel für die Tugenden eines Soldaten. Fühlen Sie sich gelobt, Major Monterney, als einziger in dieser Gruppe.“ „Jawohl, Ma´am!“
Kurz ging ihr Blick zum Kaiser. Der nickte knapp.
„Arling, geben Sie mir Ihre Rangabzeichen.“ „Ma´am?“
„Haben Sie etwas an meiner Anweisung nicht verstanden? Ich will Ihre fünf Sterne haben!“
„Jawohl, Ma´am.“ Johann Arling löste die Schulterstücke auf beiden Seiten und nahm die Tressen ab. Mit zwei schnellen Schritten trat er vor und legte sie der Admirälin in die fordernd ausgestreckten Hände. „Danke sehr.“
Mit ruhiger Miene nahm sie die Rangabzeichen auseinander und zog die Sterne ab. Es hätte gut ins Bild gepasst, wenn sie dazu auch noch fröhlich gesummt hätte.
„Das ist eine der wenigen Freuden in meinem Leben bei der Marine, glauben Sie mir das, Arling.“ Sie warf die Abzeichen, die keinen einzigen Stern mehr aufwiesen, dem Grafen zu. Dieser fing sie mit steinerner Miene auf.
„Korvettenkapitän Schlüter, treten Sie vor!“ „Ma´am!“
Aufs Schlimmste gefasst trat sie an den Schreibtisch heran. Schon begann sie an ihren Abzeichen zu nesteln. „Na, Sie haben es aber eilig, Ihre beiden neuen Sterne zu befestigen. Ich hatte eigentlich vor, das in einem etwas schöneren Rahmen zu machen, aber wenn Sie so hastig sind, dann machen Sie sie schon fest.“ Hohenfels griff nach vier Sternen und reichte sie der Offizierin. „Im Namen des Kaisers befördere ich Sie zum Kapitän.“
Für einen Moment schien es so, als wollten ihre Beine nachgeben. Dann sah sie nach hinten, ihr Blick kreuzte sich mit dem von Arling, der auffordernd nickte.
„Jawohl, Ma´am.“
„Vergessen Sie nicht, sich bei seiner Majestät zu bedanken. Er sitzt da drüben.“ „Jawohl, Ma´am.“
„Ach, und bevor ich es vergesse, Ihr neues Kommando ist die RHEINLAND.“
Arling krümmte sich bei diesen Worten unter einem Hustenanfall, bekam sich aber schnell wieder in den Griff.
„Kapitänleutnant Rössing, kommen Sie mal her.“ „Ma´am!“
„Ich nehme an, Sie wollen Ihre beiden neuen Sterne auch gleich festmachen, oder? Im Namen des Kaisers befördere ich Sie zum Fregattenkapitän.“ „Ma´am!“
„Rend, Sie müssen auch vortreten. Leider haben die Abzeichen Ihres Vorgesetzten nur fünf Sterne, deshalb müssen Sie sich mit einer schlichten Beförderung zum Kapitänleutnant zufrieden geben. Außerdem haben Sie nichts derart spektakuläres geleistet wie Ihre Offizierskollegen, sodass ich eine Beförderung über zwei Ränge nicht durchsetzen kann. Im Namen des Kaisers, Kapitänleutnant Rend.“ „Danke, Ma´am, aber ich lehne die Beförderung ab.“
„Das können Sie nicht. Der Kaiser selbst besteht darauf.“ „Ma´am, ich weigere mich, die Rangabzeichen meines Vorgesetzten an…“
„Nehmen Sie den Rang an, Kapitänleutnant Rend“, sagte Arling, und seine Stimme klang beinahe normal.
„Aber Han, ich…“
„Das ist der erste Fall von Majestätsbeleidigung, den ich erlebe“, meldete sich der Kaiser amüsiert zu Wort. „Ich bin schon sehr gespannt auf den Prozess.“
„Was? Aber Eure Majestät, ich versichere, dass ich… Dass ich…“
„Nun nehmen Sie Ihren neuen Stern schon an, bevor der Kaiser wirklich ernst macht“, brummte die Admirälin und drückte ihr zwei Sterne in die Hand. „Im Namen des Kaisers.“
„Jawohl, Ma´am.“
„Major Monterney, leider habe ich keine Möglichkeiten Sie zu befördern. Ihr direkter Vorgesetzter hatte leider nur Marine-Sterne, keine Infanterie-Pins. Holen Sie sich in Generalleutnant Kress´ Büro Ihre drei goldenen Pins ab, wenn wir hier fertig sind.“
„Oberst? Ich? Ma´am, ich…“
„Wird das hier der zweite Fall von Majestätsbeleidigung?“, klang erneut die Stimme des Kaisers auf.
„Nein, natürlich nicht, Majestät! Ich nehme die Beförderung an.“
„Auch dies geschieht im Namen des Kaisers. Arling, bevor ich es vergesse, ich glaube, die hier wollen zu Ihnen.“ Bedächtig zog sie eine Schreibtischschublade auf und holte zwei goldene Sterne hervor. „Der Kaiser meinte, dass man Sie sofort zum Konteradmiral befördern sollte. Aber Ihre Flottille umfasst im Moment nur vier Schiffe, da wäre das etwas übertrieben, finden Sie nicht? Deshalb habe ich ihn auf Kapitän heruntergehandelt. Allerdings mit der Einstufung Kommodore, der Sie zur Führung eines Verbandes berechtigt. Im Namen des Kaisers befördere ich Sie zum Kommodore. Nun stecken Sie sich die Dinger schon an. Ihre nackten Schultern sehen scheußlich aus, Arling.“
Die Augen des frisch gebackenen Flottenchefs leuchteten, wenngleich seine Stimme neutral blieb. „Jawohl, Ma´am.“
„Habe ich noch irgendwas vergessen? Robert?“
„Die Orden.“
„Ich denke, die haben Zeit bis zur offiziellen Siegesfeier. Wir wollen ja nicht schon alles vorweg nehmen, oder? Kommen sie, auf dem Konferenztisch liegt ihre nächste Aufgabe bereit.“
Im Gehen steckten Schlüter und Rössing ihrem Vorgesetzten den Goldstern auf die Tressen. Dabei grinsten sie wie Schulkinder vor einem Lolli.
Monterney und Rend lächelten dazu. Zu gerne hätten sie geholfen.

Wie selbstverständlich dirigierte der Kaiser die beiden Frauen links und rechts neben sich, der Admiral beanspruchte eine komplette Länge für sich alleine und die Männer verteilten sich um den Rest des Tischs. Admiral Hohenfels lächelte düster. „Die Reparaturarbeiten an den vier Schiffen werden mindestens einen Monat betragen, die Neubestückung noch einmal zwei Wochen. Außerdem sind da noch diverse Umbauten, die wir vornehmen müssen, um die Republik-Schiffe mit dem neueste Equipment ausrüsten zu können. Neue Katapulte, bessere Schirmgeneratoren, und so weiter. Das bedeutet, dass der Verband frühestens in zwei Monaten ausrücken wird. Bis dahin sind sie und ihre Besatzungen beurlaubt, um das Wichtigste mal vorneweg zu nehmen.
Kommodore Arling, ich nehme an, Sie werden Ihre Flagge auf der RHEINLAND hissen?“
Johann nickte bestätigend.
„Gut. Ich teile der Flottille einen Zerstörer zu, die STONEWALL. Das dürfte Sie freuen, Kapitänleutnant Rend, immerhin haben Sie bereits auf diesem Schiff gedient. Es ist mit allerneuester Sensortechnologie ausgestattet und wird den Verband bestens ergänzen.
Kapitän Rössing, Sie übernehmen das Kommando über die STONEWALL.“
„Jawohl, Ma´am.“
„Bevor Sie fragen, Rend, Sie behalten die REDWOOD. Ich werde der Flotte zwei weitere Offiziere zuteilen, die das Kommando über die CALAINCOURT und die RICHMOND übernehmen werden, aber da läuft noch der Entscheidungsprozess.
Die Aufgabe, die sie alle erwartet, wenn die Flottille wieder auslaufbereit ist, Herrschaften, ist ein Angriff auf die Diadochen.“
Schnell tauschten die Offiziere ein paar Blicke aus. „Wir werden nicht erneut gegen Yura-Maynhaus eingesetzt?“
„Die Lage an dieser Front hat sich stabilisiert. Wir haben die Grenzen von 2611 wieder hergestellt und der Kaiser wünscht nicht, dass wir in das Territorium der Republik aufbrechen. Wir können uns Eroberungen im jetzigen Stadium des Krieges nicht leisten. Wir können sie nicht halten. Und wir können sie nicht versorgen. Bereits jetzt geraten wir an unsere Grenzen, denn die Welten, die wir zurückerobert haben, wurden in den letzten zwei Jahren erheblich ausgebeutet. Millionen Bewohner werden vermisst, Herrschaften, Millionen!“
„Sklaverei?“, hauchte Rend atemlos.
„Zwangsarbeiter, das sagt zumindest unser Geheimdienst. Yura-Maynhaus nimmt keine Zwangsarbeiter, aber das hindert den Staat nicht daran, sie an die Diadochen weiter zu reichen. Ein Umstand, den wir nicht hinnehmen werden.“
„Um exakter zu werden“, meldete sich der Kaiser zu Wort, „möchte ich zuerst ein paar bekannte Fakten wiederholen. Wir waren noch nie ein besonders friedliches Land, und einige meiner Vorgänger, darunter ein paar Kaiser aus meiner eigenen Familie, waren recht motivierte Eroberer. Man kann sagen, wir waren schlechte, zumindest unruhige Nachbarn. Deshalb ist es nicht verwunderlich, warum Yura-Maynhaus, die Diadochen, Jemfeld und Zyrrtekk uns vor knapp zwei Jahren gemeinsam den Krieg erklärt haben. Einzeln wären sie schon ernstzunehmende Gegner gewesen, aber in dieser Kombination sind sie eine essentielle Bedrohung. Ich will ehrlich zu ihnen allen sein, wir werden diesen Krieg verlieren.“
Aufgeregtes Raunen klang am Tisch auf. Bestürzte Blicke wurden dem Kaiser zugeworfen, der sie stoisch erwiderte. „Ja, ja, glauben Sie das nur, Herrschaften. In diesem Moment haben wir an der Yura-Maynhaus-Front die alten Grenzen vor dem Krieg wiederhergestellt, und in Jemfeld kämpfen wir bereits auf jeder Welt, die einmal uns gehörte. Aber wir bluten aus, langsam, sterbend. Die Öffnung der Depotwelten ist unsere Trumpfkarte und erlaubt es uns, die Streitkräfte und die Flotte binnen kürzester Zeit zu verdreifachen. Dieser gewaltige Schwung hat gereicht, um unsere Feinde aus unserem Territorium zu vertreiben. Aber wir wachsen zu langsam. Unsere Schiffsneubauten, neuen Truppenaushebungen und unsere Geldmittel für den Krieg gleichen gerade einmal unsere Frontverluste aus.
Unsere Gegner hingegen greifen uns auf zwei Fronten an. Und während wir uns mit Yura-Maynhaus und den Aliens der Jemfeld-Konföderation herumschlagen, haben Zyrrtekk und die Diadochen nichts weiter zu tun als ihre eigenen Grenzen zu sichern, unsere Gelder einzufrieren, die wir auf ihren Banken haben und eine Kriegsindustrie aufzubauen, welche die anderen beiden Staaten in die Lage versetzen wird, uns zu überrennen. Und nun frage ich sie, wie Zyrrtekk und die Diadochen das machen wollen.“
„Zwangsarbeiter. Sie arbeiten lediglich für Verpflegung und Unterkunft“, zischte Rend zwischen zusammengepressten Lippen.
„Richtig. Unsere eigenen Leute werden gezwungen, gegen uns zu kämpfen. Indirekt nur, aber das Ergebnis wird das gleiche sein. Ich brauche wohl nicht zu erwähnen, dass das Kaiserreich im Falle einer Niederlage unter den Siegern aufgeteilt wird wie es Raubtiere bei einer Beute zu tun pflegen. Der Stärkste reißt sich das größte Stück heraus und die anderen reißen sich um die Reste. Und unsere vierhundert Jahre alte Kultur hat damit ein Ende. Im schlimmsten Fall werden unsere Nachkommen ein Volk von Sklaven sein.“ Der Kaiser faltete die Hände vor dem Gesicht und sah ernst in die Runde. „Es ist mir egal, wie gerechtfertigt dieser Angriff auf uns ist oder nicht ist. Ich will einfach nur, dass wir diesen unseligen Krieg beenden können. Schon zu viele unserer Landsleute sind gefallen, um wenigstens unsere eigenen Welten zurückerobern zu können. Ich will nicht, dass sich ihre Zahl verdoppelt oder verdreifacht. Und vor allem will ich nicht, dass sie in der Fremde ausgebeutet werden wie Sklaven. Ich will, dass sie fünf meine Untertanen suchen.“
„Ich vermisse den Zusatz: Und sie nach Hause bringen“, meldete sich Arling zu Wort.
Admiral Hohenfels grinste dünn. „Das brauchen wir nicht.“
„Wie? Ist nicht der Sinn unseres Auftrages, sie zurückzuholen?“, meldete sich Rend zu Wort.
„Nicht ganz. Wenn alles so funktioniert wie wir es hoffen, dann werden die Diadochen froh über die Chance sein, ihre Zwangsarbeiter selbst nach Hause zu schaffen. Per Erster Klasse und mit großen Abfindungen im Gepäck.“ Robert grinste breit in die Runde.
„Ich glaube, ich verstehe. Wenn wir beweisen können, dass katalaunische Bürger zur Zwangsarbeit gezwungen werden, wenn wir Bilder und Informationen in der Galaxis verbreiten, dann kann die Vierer-Koalition zerbrechen.“
„Nein, so viel Glück haben wir nicht“, sagte Hohenfels trotzig. „Aber wir könnten im günstigsten Fall einen Verbündeten finden, der uns der Menschlichkeit zu Willen helfen wird, wenn die Mission ein Erfolg wird. Zumindest sollten die Diadochen und Yura-Maynhaus derart bloßgestellt werden, dass sie einen Waffenstillstand annehmen werden. Einen Waffenstillstand, der es uns erlaubt, wirklich aufzurüsten, während die Vierer-Koalition die für die eigene Rüstung wichtigen Zwangsarbeiter verliert. Das ist der Plan.“
„Gut. Und zu diesem Zweck wird uns die neueste Stealth-Technologie eingebaut, nehme ich an.“
„Falsch, Rössing. Sie kriegen die neuesten Waffen und die besten Schirme. Und dazu einen riesigen Schwall internationaler Reporter, die von vorne bis hinten über sie und die ganze Flottille berichten werden. Die meiste Zeit davon live.“
„Wollen Sie meine Leute umbringen? Wollen Sie mich umbringen?“, blaffte Arling wütend.
„Aber, aber, Han, was regst du dich so auf? Wusstest du nicht, dass sich Männer vor einer Kamera umarmen, aber hinter der Kamera gegenseitig die Kehlen aufschlitzen? Die Presse wird ein Schild sein, ein ungeheurer Schild, der euch schützen wird. Die Diadochen werden nicht wagen, euch mit einer Übermacht zu stellen und zu vernichten. Das würde einen enormen Imageverlust bedeuten, und das in einem Land, das offiziell Krieg führt, aber noch nicht eine einzige Flotte detachiert hat.“
„Netter Gedanke, Robbie, aber hast du schon dran gedacht, dass sie es doch tun?“
„Dann werdet ihr unsterbliche Märtyrer.“
„Muss man Kaiser sein, um diesen Humor zu entwickeln?“, spottete Arling.
„Nein, aber es hilft beim regieren. Sei unbesorgt. Die Reporter werden nicht über eure Bewegungen berichten, sondern über eure Schlachten. Und wenn sich deine Flottille prügelt weiß sowieso das ganze Diadochenreich, wo ihr gerade seid, oder?“
„Aber das wird übel, wirklich übel! Das ist was anderes als über eine Welt zu fliegen und ein paar Beweisfotos zu schießen! Das ist eine Einladung an alle Kampfschiffe unserer Gegner, sich an uns zu versuchen!“
„Und genau deshalb kriegen Arling das Genie und Lucky Charly auch das allerneueste Equipment, damit ich mit ruhigem Gewissen schlafen kann. Oberst Monterney, Ihr Kommando wird auf ein Regiment aufgestockt. Ab sofort kommandieren Sie dreihundert Maschinen auf fünf Schiffen. Ist das für Sie akzeptabel?“
„Ein Regiment? Aber befiehlt nicht ein Brigadegeneral über ein Regiment, Majestät?“
„Er wird gierig, merkst du das, Miranda?“, scherzte der Kaiser.
„Wir reden über den Brigadegeneral, sobald Sie wiederkommen, Monterney. FALLS Sie wiederkommen.“
„Aye, Ma´am. Aber das wollte ich damit gar nicht sagen. Ich…“
„Jedenfalls“, ergriff der Kaiser wieder das Wort, „schicke ich meinen berühmtesten Piloten und meinen berüchtigsten Kapitän aus, um diese Beweise zu sammeln und ein paar spektakuläre Schlachten zu schlagen, nur diesmal unter den Augen der internationalen Öffentlichkeit.“
„Dreihundert Knights auf fünf Schiffen werden aber unsere Ressourcen stark dezimieren“, warf Arling ein.
„Ich nehme an, dein Einwand bedeutet, dass du den Auftrag akzeptiert hast, Han. Keine Sorge, ihr habt Kaperrecht. Außerdem hat der Geheimdienst Kontakt zu einigen, nun, etwas unzufriedenen regionalen Fürsten der Diadochen, die gegen die richtige Summe gerne bereit sind, deiner Flottille ein wenig Nachschub zukommen zu lassen.“
„Nett. Wenn es klappt.“
„Wenn es nicht klappt, findest du einen Weg.“
Arling lachte rau auf. „Vor dieser Situation hat mich mein Lehrmeister immer gewarnt. Er hat gesagt, wenn du eine Aufgabe gut machst, dann lauert dahinter nur die nächste, schwerere Aufgabe auf dich. Der alte Spötter hatte Recht, wie es scheint.“
„Beschwer dich bitte nicht bei mir. Ich habe dich gerade zum Kommodore gemacht. Du bist der drittjüngste Offizier in diesem Rang, also sei ein wenig dankbar, ja?
Ach, und Oberst Monterney, bitte befördern Sie Ihren Stellvertreter doch bitte so schnell wie möglich zum Major. Einem Oberst ein Regiment anzuvertrauen ist schon heikel. Aber ein Oberleutnant als Stellvertreter ist ein Affront.“
Charly schluckte hart. „Jawohl, Majestät.“
„Kommen wir zum Ziel. Es ist eine hoch industrialisierte Welt in den Diadochen, Vesuv genannt, benannt nach einem alten terranischen Vulkan, in dessen Innern die Schmiede des Hephaistos liegen soll, die Werkstatt des griechischen Gottes der Schmiedekunst. Vesuv liegt einhundertdreißig Lichtjahre von unserer Grenze entfernt. Das ist ein langer und harter Weg.“
„Und alles nur für ein paar Schnappschüsse“, murrte Arling.
„Aber wenn wir diese Schnappschüsse kriegen, dann greift vielleicht sogar Terra zu unseren Gunsten ein“, murmelte Schlüter etwas zu laut, als das es ein ausgesprochener Gedanke sein konnte.
„Vielleicht“, erwiderte der Kaiser und lächelte tiefgründig.
„Das Ziel gebt ihr aber nicht bekannt, oder?“, fragte Arling argwöhnisch.
„Wir werden sehen.“
„Hey, Robbie, tu mir das nicht an. Bitte, du kannst viel von mir verlangen, aber tu mir das nicht an!“
„Nur ein Scherz.“
„Herrschaften, das soll es gewesen sein. Kommen sie in sechs Wochen nach Springe, um ein letztes Briefing zu erhalten und um die Ausrüstung der Schiffe zu überwachen. Bis dahin sind sie alle beurlaubt. Noch Fragen?“
„Ja, Ma´am. Warum wir? Warum diese Schiffe? Sind wir so knapp, dass wir schon gekaperte Einheiten einsetzen müssen?“
„Nun, Rössing, das sind gute Fragen. Warum sie? Weil sie bisher immer gewonnen haben. Warum die Schiffe? Weil Arling sie gekapert hat. Und ob wir knapp sind? Ja, verdammt knapp, und genau deswegen ist dieser Einsatz so wichtig.“ Hohenfels sah in die Runde, musterte jeden einzelnen Anwesenden eindringlich, sogar den Kaiser.
„Sie alle sind berühmt. Sie sind populär. Und sie können ihren Job. Deshalb habe ich keine andere Wahl, als ihnen die schwerste aller Bürden aufzuladen, die Rettung des gesamten Kaiserreichs.“

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Wieder ergriff der Kaiser das Wort. „Dieser Krieg ist ein schmutziger Krieg. Ich will nicht sagen, dass es saubere Kriege gibt. Und ich will nicht sagen, dass wir in diesem Krieg das harmlose Opfer sind. Die Götter wissen, dass mein Onkel Frederec wahrlich genug geleistet hat, um es sich mit diesen vier Staaten und allen anderen von Terra bis zur Orion-Republik zu verscherzen. Ihr, Herrschaften, seid Soldaten und wisst, was ich von euch erwarte. Ihr wisst, dass ich für den Dienst auch euren möglichen Tod verlange.“
Die Offiziere nickten nacheinander, der eine nachdenklich, der andere entschlossen.
„Aber wenn wir beginnen, den Krieg auf den Rücken unserer Zivilisten auszutragen, dann führt es schon zu weit. Dabei ist egal wer diesen Krieg begonnen hat, welche Gründe es für ihn gab und wer ihn beenden wird. Ich will einfach nur, dass unsere Leute, dass meine Untertanen, die ich zu beschützen geschworen habe, wieder in ihre alten Leben zurückkehren können. Ich bin noch jung, und zu den Fehlern von Frederec habe ich auch noch genügend eigene Fehler begangen, seit ich den Thron von ihm übernommen habe. Aber ich stehe dafür gerade, für seine Fehler und für meine, und ich arbeite hart daran, sie wieder zu korrigieren, solange man mich lässt. Han, hilf mir, diese verdammte Last auf meinen Schultern leichter zu machen. Hilf mir, mein Gewissen ein klein wenig zu beruhigen.“
Johann Arling erhob sich und salutierte seinem Kaiser zu. Die anderen Offiziere taten es ihm nach.
Der Kaiser nickte ergriffen. „Danke, meine Damen und Herren.“
„Damit sind sie aber noch nicht entlassen. Johann Arling, Sie sind berühmt und populär. Nicht nur unsere Presse feiert Ihren letzten Feldzug als großartigen Erfolg. Auch die internationale Presse hat mit Wohlwollen festgestellt, was im Riverside-System geschehen ist. Sie, junger Mann, haben die Ehre und den Stolz kaiserlicher Offiziere neu definiert. Deshalb werden Sie es sein, der ein Korps aus internationalen Presseleuten betreut, welches an Bord der RHEINLAND gehen wird. Diese Männer, Frauen und Neutren – gucken Sie nicht so, Rössing, es sind auch Aliens dabei – werden offen, unzensiert und vor allem live über Ihre Aktionen berichten.“
„Live? Bei allem Respekt, Admiral, aber warum sagen wir dann nicht gleich jedem Hinz und Kunz, wohin wir unterwegs sind?“
„Aber das tun wir doch, mein lieber Arling, das tun wir doch. Und wir werden auch weithin hinausposaunen, weshalb Sie unterwegs sind.“ Admiral der Flotte Hohenfels grinste wölfisch. „Sie werden die Macht der Presse und ihre Magie am eigenen Leib erfahren, das verspreche ich. Und Sie werden die verrückteste Feindfahrt Ihres Leben haben, Arling. Auch das verspreche ich Ihnen. Mit der internationalen Presse, die über jedes Ereignis sofort berichtet werden Wölfe zu Lämmern und Lämmer zu Wölfen. Und Sie werden Verbündete finden, wo Sie keine vermuten. Aber was noch viel besser ist: Die Diadochen werden es schwer haben, Ihre Flotte zu attackieren. Immerhin suchen Sie nach illegal deportierten Bürgern der Kaiserreichs und werden alle relevanten Listen mit sich führen. Jeder Angriff auf die Flottille wird ein Angriff auf den Versuch sein, die Nichtkombattanten aus einer Situation zu befreien, die in mehr als fünfzehn Punkten gegen die terranische Erklärung verstößt.
Finden sie die kaiserlichen Bürger, sind sie Helden und die Diadochen werden gebrandmarkt.
Werden sie zerstört, bevor sie die kaiserlichen Bürger finden, sterben Dutzende internationale Pressevertreter, wird ein wahrer Rummel um die Frage losgetreten, was die Diadochen zu verbergen haben. Sie werden dann auch Helden sein, allerdings tote Helden.
Und dann gibt es noch die unwahrscheinliche Variante, dass sie überleben, aber keine kaiserlichen Bürger finden. Aber selbst das macht nichts, denn in diesem Fall zeigen sie der galaktischen Öffentlichkeit, wie sehr wir uns um Wohl und Wehe unserer Bürger kümmern und sorgen. Fragen?“
„Ma´am, wir nehmen den Tod der Presseleute in Kauf?“
„Sie selbst nehmen ihn in Kauf. Für einen dieser unsäglichen Preise. Pulitzer, Orion-Band, Presseratehrenpreis, und so weiter, und so fort.“ Hohenfels grinste schief. „Also, ich stelle diese Frage jetzt ein einziges Mal an die neuesten, humansten und hartnäckigsten Helden von Kalaun: Nehmen Sie diese Mission an?“
Die fünf Offiziere salutierten fast zugleich, auf jeden Fall schnell genug hintereinander, dass man sagen konnte, dass keiner von ihnen darauf gewartet hatte, dass ein anderer den ersten Schritt tun würde.“
„Sehr gut, sehr gut.“ In den Augen von Hohenfels blitzte es auf. „Dann ist es hiermit amtlich. Ein offizieller Marschbefehl wird folgen. Sie treffen sich in zwei Monaten über der Depotwelt Springe. Majestät?“
„Heute Abend ist ein kleiner Empfang im Palast. Nichts großartiges, nur fünftausend Gäste und sämtliche Diplomaten auf Sanssoucci. Über ihre Mission werden wir nichts verlauten lassen. Aber ich werde keine Gelegenheit auslassen, deine Großherzigkeit, Weitsicht und Fairness zu loben, Han. Natürlich auch die deiner Offiziere, die durch deine Schule gegangen sind und wie du handeln.“ Der Kaiser zwinkerte verschwörerisch und grinste dabei ein echtes Lausbubengrinsen, was ihm ein Schmunzeln der Offiziere einbrachte. „Danach habt ihr frei. Ich empfehle, dass ihr die nächsten sechs Wochen zuhause verbringt. Du, Han, warst seit Kriegsausbruch nicht mehr zuhause. Onkel Ruyven liegt mir schon seit Monaten in den Ohren, dir endlich mal etwas Urlaub zu besorgen. Das wäre eine gute Gelegenheit, ihn zufrieden zu stellen.“
Arling nickte knapp. Natürlich. Nach Hause. Endlich wieder mal nach Hause.
„Zwei Wochen vor Missionsbeginn ziehen wir die neuen Mannschaften und Kapitäne zusammen. Sie haben nicht viel Zeit sie zu trainieren, aber ich werde einige Mannschaften zusammenkratzen, die schon mal unter Han gedient haben. Das wird einiges leichter machen. Ich… Ja, Han?“
„Majestät. Darf ich darum bitten, dass uns vierzig Prozent mehr Personal zugeteilt wird? Ich brauche vor allem Infanteristen und Offiziere. Aber ein paar erfahrene Ingenieure und routinierte Mannschaften nehme ich auch gerne.“
„Junge, Junge, die ganze Flotte lechzt nach ausgebildetem Personal, wir füllen unsere Schiffe mit jungen und jüngsten Rekruten auf, aber du willst vierzig Prozent über Soll fliegen?“ Der Kaiser runzelte irritiert die Stirn. „Moment, Han, du alter Hund. Du hast doch nicht etwa vor…“
„Soll ich denn alle Prisen selbst nach Hause fliegen?“, erwiderte Arling schmunzelnd.
„Gut, gut, das ist wenigstens ein Argument“, brummte Hohenfels und nickte schwer. „Genehmigt. Darf es noch was sein? Ein Wasserbett, eine Privatyacht, ein Golfplatz auf der Außenhülle?“
„Vierzig Prozent stärkere Schiffsbesatzungen reichen mir, Admiral“, erwiderte Arling.
„Damit liegt das Wort wohl wieder bei mir“, meldete sich der Kaiser wieder zu Wort. „Mir ist aufgefallen, dass der Kommandeur der Bordinfanterie der RHEINLAND nur Hauptmann ist. Ich habe vor, das Kontingent des Schiffs, aller Schiffe, ähnlich zu steigern wie bei den Knights. Ich schicke dir einen Colonel und verstärke die Truppen auf tausend Mann, wenn es Recht ist.“
„Erfahrene Leute?“ „Die besten.“ „Einverstanden.“
„Dann bleibt mir nur noch, ihnen allen zu sagen, dass wir uns heute Abend sehen werden. Gala-Uniform ist befohlen. Ihre Ordensbänder werden noch ein wenig ausgebeult werden, wenn wir fertig sind. Und nach diesem Abend bist du unser wichtigster Vorzeigeheld, Han. Und damit unsere gefährlichste Waffe.“
„Eine Waffe, die mit hoher Wahrscheinlichkeit sterben wird“, warf Arling säuerlich ein.
„In der Tat“, erwiderte seine Majestät amüsiert.
Die beiden Männer schmunzelten, dann erhoben sie sich und schüttelten einander die Hände. „Klingt nach einem Riesenspaß.“
***
Der Empfang war ein wenig klein, es waren nur knapp fünftausend Bürger des Kaiserreichs, ein paar hundert ausländische Diplomaten und ein paar Dutzend Prominente eingeladen.
Im Rahmen dieser Veranstaltung, die mit einem intimen Abendessen mit sechshundert geladenen Gästen begann, gingen die Ordensverleihungen an fünf verdiente Offiziere und ein verdientes Schiff natürlich beinahe unter, wenngleich jedermann artig klatschte. Auch wenn einige der höheren Orden dabei gewesen waren, es interessierte nicht wirklich an diesem Ort.
Nun, Arling und seinen Offizieren konnte das nur Recht sein. So kamen sie in den Genuss, nicht im unmittelbaren Mittelpunkt des Interesses zu stehen. Sie kamen auf Platz zwei oder drei.
„Das geht mir hier echt auf die Nerven“, murmelte Rend, während sie einem außer Dienst gestellten Konteradmiral mit Adelstitel höflich die Hand drückte. „Wann, sagtest du, können wir uns hier absetzen, Han?“
Der Adlige schmunzelte über die junge Offizierin. „Davon lässt du dich schon nerven? Dann sei mal ein ganzes Jahr oder länger in diesem Palast.“
„Du klingst, als hättest du diese Erfahrung schon mal gemacht“, spottete sie und tauschte mit einem Filmsternchen, das sie irgendwo mal in einer aufwändigen Produktion gesehen hatte, Küsschen auf die Wange aus. Oh, sie musste definitiv mal wieder ins Kino gehen. „Mir geht dieser Rummel wirklich zu weit. Wir haben doch nur ein paar dämliche Orden gekriegt. Warum stehen die Leute Schlange um uns zu begrüßen?“
„Weil wir berühmt sind. Und einige von diesen Menschen hoffen, dass der Ruhm auf sie abfärbt. Keine Sorge, spätestens um Mitternacht dürfen wir uns laut Protokoll zurückziehen. Und ja, ich habe diese Erfahrung gemacht. Ich war für zwei sehr lange Jahre ein Mitglied dieses Hofstaats.“
Erschrocken sah Eleonor Rend ihren Vorgesetzten an. Dann fiel ihr wieder ein, dass der Mann von Adel war. „Zwei Jahre? Was hast du ausgefressen?“
„Ausgefressen? Nichts. Es war ein Befehl von Roberts Vorgänger Frederec. Der alte Mann hatte es sich in den Kopf gesetzt, allen seinen potentiellen Nachfolgern die nötigen höfischen Etikette beizubringen. Ehrlich, es war die längste und langweiligste Zeit meines Lebens.“
„Nachfolger?“ Eleonor Rend hatte zwei Dinge nicht bemerkt. Erstens, sie hatte entsetzt geschrien. Zweitens, sie hatte einem verdienten General ihre Hand über sein Gesicht gezogen, als sie sich abrupt zu Arling umgedreht hatte.
„Nur Nummer zweiunddreißig auf der Liste“, erwiderte Arling schmunzelnd.
Hastig entschuldigte sich Rend bei dem Bodentruppenoffizier, schenkte ihm ein Lächeln und sah dann aus den Augenwinkeln wieder zur Arling herüber. „Der April ist schon etwas lange her. Du magst ein Graf sein, aber du trägst weder den Familiennamen des Kaisers, noch bist du ein Herzog.“
„Ich nicht“, erwiderte Arling mit einem dünnen grinsen, „aber mein Vater schon.“
„Ma´am, geht es Ihnen gut? Sie sind so blass“, fragte eine besorgte Stimme.
„E-entschuldigen Sie uns bitte für einen Moment“, sagte sie schnell, griff nach Johanns Schulter und zog ihn mit sich in eine stille Ecke. „Dein Vater ist WAS?“
„Mein Vater ist ein Herzog. Ein planetarer Herrscher. Ich bin im Moment sein offizieller Nachfolger. Hast du nie meine Biographie gelesen?“
„Oh. Das erklärt, warum du dich mit dem Kaiser duzt und… Lenk jetzt nicht ab, okay? Du bist auf der Thronfolgerliste?“
„Friede, Ellie. Ich war schon so lange nicht mehr auf Sanssoucci, ich hatte das alles schon fast vergessen.“
„Vergessen? Wie kann man so etwas vergessen?“ Entrüstet sah sie ihn an. „M-muss ich mich jetzt vor dir verbeugen?“
„Himmel, warum das denn?“
„Du wirst mal Herzog. Vielleicht sogar Kaiser.“
„Davor möge mich der Himmel behüten“, sagte Arling schnell. „Alles, nur nicht Robbies Job. Nein, du musst dich nicht verbeugen. Wir sind Offizierskollegen, und ich bin dein…“ Arling räusperte sich vernehmlich. „Tut mir Leid, aber wenn man zehn Jahre lang jenseits jeder Beziehung lebt, dann fällt es einem schwer, in ein paar Tagen umzuschalten. Ich bin dein Verlobter, Ellie, nicht mehr und nicht weniger.“
„Was turtelt ihr hier eigentlich rum?“, mahnte Arlene Schlüter. „Sollen Gerry, Charly und ich den Ansturm der Gratulanten alleine bewältigen?“
„Sie hat gerade herausgefunden, das ich auf der Thronliste stehe“, sagte Arling trocken.
„Ach ja, da war ja noch was.“
„Du hast es gewusst, Lenie? Und du hast es mir nicht gesagt?“
„Ich habe noch mehr zu tun. Außerdem hast du nicht gefragt. Kannst du nicht einfach damit zufrieden sein, die schlechteste Partie der Galaxis abbekommen zu haben?“
„Ellie“, mahnte Arling schmunzelnd. „Können wir uns auf Zweitschlechteste einigen?“
„Eventuell. Wenn ihr wieder rüberkommt und uns helft.“ Sie sah die junge Offizierin ernst an. „Du schaffst das doch, oder, Ellie?“
„Ja, ja, kein Problem. Passiert ja auch öfters, dass einem der Vorgesetzte die Liebe gesteht, ihr euch spontan verlobt und sich später heraustellt, dass er den Kaiser kennt, ihn duzt und selbst auf der Thronfolgeliste steht. Wer ist denn davon geschockt? Ich etwa? Nein, Herrschaften, ich bestimmt nicht.“
„Ich glaube es wäre besser, ihr einen über den Scheitel zu ziehen, damit sie bis zum Ende der Feier schlafen kann. Was meinst du, Han?“
„Reg dich wieder ab. Ich bin nervös, aufgeregt und nicht besonders empfänglich für Dinge, die mein Selbstbewusstsein in den Keller treten. Ansonsten funktioniere ich. Ist das in Ordnung?“, sagte Rend.
„Also, mir reicht es, wenn du funktionierst.“ Grinsend begann Schlüter, die anderen beiden vor sich her zu schieben. „Und wenn die Gratulantenflut durch ist, dann heben wir zusammen einen an der Bar.“
„Ich hoffe, das ist ein Versprechen, Lenie.“
„Würde ich bei einem so wichtigen Thema etwa lügen, Han?“
Die beiden lächelten sich an, und Eleonor Rend hatte plötzlich das Gefühl, in einem enorm wichtigen Rennen Platz eins gemacht zu haben.

Ein paar Stunden und etwa zweitausend Gratulanten später saßen die fünf Offiziere tatsächlich zusammen an der Bar – einer von sechs in diesem Saal.
„Auf den Kaiser“, sagte Rössing, hob sein Glas und stürzte den Inhalt, bevor einer seiner Kameraden den Toast erwidern konnte.
„Langsam, langsam, lass uns doch mal hinterher kommen, Gerry“, tadelte Arlene lachend.
„Herrschaften.“ Johann Arling stand auf. „Gute, liebe Freunde. Ihr drei seid mir die Liebsten auf der Welt, und deshalb lade ich euch ein, in zwei Wochen zu mir nach Hause zu kommen. Lasst uns die restliche Zeit unseres Urlaubs bei mir verbringen.“
„Und was machen wir die zwei Wochen bis dahin?“, warf Rend ein und nippte an ihrem Drink.
„In dieser Zeit würde ich gerne deine Familie kennenlernen, wenn das möglich ist.“
Eine halbe Sekunde später waren zwei Dinge nötig. Eleonor Rend benötigte eine Serviette, um ihren klebrigen Mund abzuwischen und Gerard Rössing, über und über mit ausgespucktem Sekt bedeckt, benötigte eine frische Uniform.
„Du willst was?“
„Deine Familie kennenlernen. Ist das nicht so üblich, wenn man sich verlobt?“
„Eigentlich ja. Das ist Allgemeinwissen“, warf Schlüter ein. Ihr amüsiertes Lächeln war breit genug, um zwei Cocktailgläser anzusetzen.
„Ich weiß nicht, ob das eine gute Zeit ist“, sagte Rend schroff. „Vielleicht nächstes Jahr.“
„Irre ich mich, oder erlebe ich Eleonor Stahlherz Rend zum allerersten Mal seit ich sie kenne nervös?“ Lucky Charly beäugte die junge Frau neugierig.
„N-nervös? Wie kommst du denn darauf! A-ha! Ha, ha! Han, hast du mal ne Sekunde?“
Mit gemischten Gefühlen betrachteten die anderen drei Offiziere wie ihr Befehlshaber mit der frisch gebackenen Kapitänin der REDWOOD ein paar Schritte abseits ging. „Han, es ist nicht so, als würde ich dich nicht gerne vorstellen wollen. Glaub das nicht, ob bitte, glaub das nicht. Aber gib mir etwas Zeit, um den… Boden vorzubereiten. Weißt du, mein Zuhause hat nicht besonders viel mit der Flotte zu tun. Und garantiert noch weniger mit dem kaiserlichen Palast. Und am allerwenigsten mit dem Leben, das ein Graf zu Arling führt, der irgendwann mal einen Planeten erbt. Wenn ich mit dir bei mir zuhause auftauche, dann…“
„Dann werden sich deine Eltern sicherlich freuen.“
„Den Kopf abreißen werden sie mir!“, entfuhr es der schwarzhaarigen Frau mit einem Seufzer. „Ein Graf, ausgerechnet ein Graf! Ich höre meinen Vater schon sagen: Ich habe dich nicht dazu erzogen, dass du ein Techtelmechtel mit einem Blaublütigen anfängst. Und Mutter wird zu Tränen aufgelöst sein, weil sie denkt, dass sie mich nie, niemals nie wiedersehen wird. Was meine Brüder machen werden weiß ich nicht einmal, aber es wird ihnen sicher viel Spaß machen. Und dir nicht gefallen, Han.“
„Bist du fertig?“, fragte der Kommodore amüsiert.
„Ich bin fertig.“ Sie seufzte viel sagend.
Arling ergriff die schlanken Hände der jungen Frau. Sie hatte wirklich ein Pfannkuchengesicht, da gab es nichts zu beschönigen. Und ihre Nase war wirklich zu spitz, auch daran ließ sich nicht rütteln. Aber diese Hände, ihre weichen warmen Hände, und das Gefühl, das Johann Arling erschauern ließ, weil er ihr so nahe sein durfte, war mit keinem Geld des Universums zu überbieten. Er wusste es mit jeder Faser seines Herzens, dass diese Frau die einzig richtige für ihn war. Und er hätte diese Frau auch genommen, wenn sie früher einmal ein Mann gewesen wäre. Oder nur ein Auge gehabt hätte. Oder… Nun, das ging vielleicht etwas zu weit. Immerhin waren sie Soldaten, und dieser Beruf drohte im Krieg immer mit Tod und Verstümmelung, daher sollte man die Szenarien nicht mit Gewalt beschwören. Es war einfach das ich, was ihn an Ellie faszinierte, was er abgöttisch liebte. Was ihn so verzweifelt gemacht hatte, das er nur ihr Glück im Kopf gehabt hatte und sie und Charles zusammen hatte fortschicken wollen. Ein Fehler von ihm, wie er jetzt sah, aber was für ein glücklicher! Wenn man das Ergebnis betrachtete. Oh ja, er liebte sie, von ganzem Herzen.
„Ist in Ordnung“, sagte sie schroff, wandte sich ab und entzog ihm ihre Hände.
„Was ist? Ich habe doch noch gar nichts gesagt.“
„Aber gedacht hast du. Und glaubst du wirklich, ich kann dir eine Bitte abschlagen, wenn du mich mit diesem Blick ansiehst? Aber ich warne dich: Wie man sich bettet, so liegt man.“
„Keine Sorge. Deine Familie wird mich lieben, das verspreche ich dir.“
„Ja, solange niemand verrät, dass wir uns heimlich verlobt haben“, erwiderte sie säuerlich.
„Alles, was du willst. Alles, was du willst.“

Nach dem Abendkaffee ging die Uhr stark gegen elf. Eine vorzügliche Gelegenheit, um in kleinen Grüppchen beieinander zu stehen und ein wenig zu diskutieren. Arling aber hielt seine vier Schäfchen eng bei sich, weil er nur zu genau wusste, in welch trüben Sumpf sie sich hier befanden.
Stattdessen kamen die einen oder anderen zu ihnen, um die politische Meinung der Flottenoffiziere und des Armee-Obersts diskret heraus zu kitzeln. Es war die übliche Mischung aus Befürwortern des Kaisers, Demokraten, Anarchisten – meistens linke Künstler, was ein uraltes Vorurteil bestätigte – Hardlinern aus militärischen Kreisen und der Wirtschaft sowie zwei, drei wackere Vertreter der Republikaner, die mit wenig Hoffnung, aber großen Ambitionen heran traten, um die fünf Offiziere wenn schon nicht auf ihre Seite und der Idee einer großen Republik anstelle des Kaiserreichs zu ziehen, so doch wenigstens den Zweifel in ihre Herzen zu pflanzen. Über diese Aktivität verging die Zeit bis Mitternacht erstaunlich schnell, und als Arling an der Schulter berührt wurde, stellte er überrascht fest, dass es beinahe eins durch war. Er war dankbar für die Störung, denn sein Gesprächspartner hatte ihn gehörig in die Enge getrieben. Zwar war Arling selbst Demokrat und Verfechter der parlamentarischen Monarchie, wie sie das Kaiserreich betrieb, aber der Mann war ausgebildeter Demagoge der Ultra-Demokraten, die für die Abschaffung des Adelssystem und die absolute Demokratisierung standen, der direkten Kontrolle des Staates durch das Volk, ohne die Umwege über ein Stellvertreterparlament.
Arling stellte sich dieses Chaos vor, fand die Idee aber faszinierend. Mit ein paar Sicherheitsmechanismen, die verhinderten, dass die Medien die Meinungen der Bürger kurz vor einer Abstimmung zu sehr manipulierten und einer guten Verwaltung hatte das Modell etwas. Aber das konnte er nicht eingestehen. Er war Soldat, kein Politiker.
„Ja, bitte?“
Der livrierte Diener, der ihn zuerst angesprochen und dann sanft berührt hatte, räusperte sich und sagte: „Seine Majestät hat sich in die Ruheräume zurück gezogen. Er bittet Graf zu Arling und seine Begleiter, ihn dort aufzusuchen.“ Mit einem Blick auf den Funktionär, der bitterböse und wütend auf den Republikaner war, fügte der Diener hinzu: „Sofort, Graf Arling.“
Diese Option war sogar besser als erwartet. Er verabschiedete sich von seinem Gesprächspartner und klopfte seine Offiziere ab. Einer nach dem anderen wandt sich aus seinem Gespräch heraus und folgte dem livrierten Diener zu einer diskreten Tür im Hintergrund des Saals.

Auf der anderen Seite erwartete sie ein abgedunkelter Gang, in dem zwei Sicherheitsposten mit einer Kampfdrohne Wache schoben. Sie ließen die sechs Leute anstandslos passieren, aber Arling wusste, dass sie gerade von mehr als vier Augen und einem Sensorkopf gemustert wurden.
Der Weg führte weiter in den Gang hinein, der sich schnell als Dienstbotengang entpuppte. Die Angestellten des Kaiser-Palastes benutzten ihn, um ungesehen von den Gästen Essen und Getränke zu holen. Und manchmal nutzte der Kaiser sie selbst, um auf schnellem und diskretem Weg seine Gäste zu sich zu rufen.
Der Gang wurde heller, war bald gut erleuchtet. Nur im Eingangsbereich war er dunkel gehalten, um eventuellen Eindringlingen gegenüber den Wächtern einen Nachteil zu bieten.
Sie wechselten den Gang über eine Kreuzung, mussten einen Fahrstuhl nehmen und wieder ein wenig Gang hinter sich bringen. Danach traten sie wieder in den eigentlichen Palast hinaus. Es handelte sich um einen stillgelegten Wohnflügel, der vor ewigen Zeiten einmal vom Kaiservater bewohnt worden war. Diese Zeiten waren lange her, und der Trakt wurde seit dem Tod von Frederecs Vater Johann – welch ein Zufall – nicht mehr genutzt. Dennoch war die Dichte der Wachen und Sicherheitsdrohnen auffällig.
Nachdem sie den Trakt betreten hatten, verabschiedete sich der Diener mit einer leichten Verbeugung. „Die Damen rechts, die Herren links, bitte. Ich werde sie wieder in Empfang nehmen, wenn ihnen danach ist, den Abend zu beenden.“

Nachdem der Diener gegangen war, richteten sich alle Blicke auf Arling, der wissend grinste. „Wartet es ab, wartet es ab.“
In diesem Moment öffnete sich die Tür des Zimmers, das der Diener den Damen zugewiesen hatte, und eine ausgesprochen hübsche junge Dame kam heraus. Auffällig an ihr war, das sie nur mit Unterwäsche bekleidet war und Monterney effektvoll umlief.
Die Blicke von Rend und Schlüter eilten vorwurfsvoll zu Arling herüber. „Das wird hier doch keine Orgie, oder? Ich habe schon so viel schlechtes über den Kaiserpalast gehört“, raunte Schlüter.
„Keine Sorge. Zu einer Orgie würdest du bestimmt nicht eingeladen werden“, erwiderte Rössing, wich ihrem gespielten Schlag aus und half der jungen Lady aus ihrem Dilemma mit Lucky Charly.
Als sie auf sicheren Füßen stand, legte sie sich einen Wickelrock um die Hüfte und verschloss ihn. „Entschuldigen Sie vielmals, aber mein Spiel beginnt gleich. Und meine Partner sind wirklich schnell wütend.“ Sie lächelte Monterney freundlich zu. „Ich mache den Unfall wieder gut, versprochen, Lucky Charly!“ Ein Zwinkern von ihr, und sie lief den Gang herab. Im Laufen warf sie sich eine lockere Bluse über.
„Was ist hier los, Han? Und bitte, ich hätte gerne eine gute Erklärung!“
„Das würde die Überraschung verderben. Ihr Mädchen geht jetzt hier rein, und wir gehen dort rein. Wir treffen uns in fünf… Sagen wir zehn Minuten wieder auf dem Gang.“
Ohne auf ihren Protest zu achten, schon Arling die beiden Frauen in die Tür, aus der die junge Frau – eigentlich noch ein Mädchen – getreten war.
„Lucky Charly hat sie gesagt. Sie kennt mich“, sagte der Knight-Pilot mit verträumten Blick. „Und sie will es wieder gut machen.“
„Aber, aber. Für dich war es doch schon ein Erlebnis, das sie dich umgerannt hat“, scherzte Rössing und zog den Mann hinter sich her.

Auf Schlüter und Rend wartete eine Überraschung. Im Zimmer erwarteten sie zwei Dienerinnen – und eine handfeste Garderobe.
„Guten Abend, Kapitän Schlüter, Kapitänleutnant Rend“, sagte die ältere der beiden. „Wenn sie uns bitte ihre Uniformen übergeben würden? Dort sind Umkleidekabinen. Vorher können Sie sich neue Bekleidung in der Kollektion aussuchen. Keine Sorge. Alle Sachen sind frisch gewaschen.“
„Neue Bekleidung? Darf ich fragen, was das alles hier überhaupt soll?“
Die jüngere Dienerin lachte kurz prustend und murmelte eine Entschuldigung, als die Ältere sie strafend ansah. Danach seufzte sie und begann im jovialen Ton eines Menschen, der immer wieder die gleichen Worte wiederholte: „Sie befinden sich in der Spielwiese des Kaisers. Dieser Trakt dient seiner Majestät und seinen Gästen zur Entspannung und zur Abwechslung. Wir bieten diverse Gesellschaftsspiele wie Karten, Roulette und Billard, ein Schwimmbad, eine Sauna, mehrere Massageräume, einen kleinen Fußballplatz, Minigolf, Arcade-Spiele, ein kleines Kino und ein paar Fernsehzimmer. Da diese Tätigkeiten mit Ausgehuniformen nicht konform gehen, geschweige denn mit manchen pompösen Ballkleidern und Anzügen, bietet die kaiserliche Dienerschaft ihnen die Möglichkeit, etwas bequemeres anzuziehen, um den Abend genießen zu können. In dieser Zeit reinigen wir ihre Uniformen und verwahren sie, bis sie uns verlassen wollen. Selbstverständlich können sie in der bequemen Kleidung gehen oder sie auch nur mitnehmen, wenn sie es wünschen.“
„Also doch keine Orgie“, scherzte Rend und stieß der Vorgesetzten einen Ellenbogen in die Seite, was diese mit einem Lachen quittierte.
„Ich kann eine organisieren, wenn sie es wünschen, meine Damen“, sagte die ältere Dienerin sachlich.
Als sie das offene Entsetzen der weiblichen Offiziere sah, schmunzelte sie und sagte: „Entschuldigen sie bitte meinen Hang zu derben Scherzen. Hier entlang, bitte.“
Nun schaltete sich die Jüngere ein. „Ich bin für die Kosmetik zuständig. Wenn sie es wünschen, schminke ich sie ab und trage ein dezenteres Make-Up auf. Oder eine Tagescreme und ein wenig Lippenstift. Ich stehe ganz zu ihrer Verfügung.“
„Oh, danke, ich komme drauf zurück“, murmelte Rend, die mit dem Begriff Make-Up noch nie etwas hatte anfangen können. Ein Umstand, den sie ihrem frühen Eintritt in die Kadettenschule verdankte.
„Na, dann wollen wir doch mal sehen, was der Kaiserpalast zu bieten hat.“ Arlene Schlüter trat mit leuchtenden Augen an die Ständer mit der Damenbekleidung heran, schlug Ellie auf die Finger, als diese nach einem sportlich-bequemen, aber unspektakulären Jogginganzug greifen wollte und hielt ihr eine offenherzige Bluse an den Oberkörper. „Ich wette, du siehst ganz süß in Pink aus, mein Schatz. Und dazu noch eine neckische Krawatte und dieser Rock.“ Sie warf den beiden Dienerinnen einen verschwörerischen Blick zu. „Dazu vielleicht ein wenig Hilfe von ihnen beiden.“
Die zwei nickten verschwörerisch.
„Hä? Aber der Jogger ist praktisch. Man kann sich gut in ihm bewegen, er ist warm und außerdem praktisch, falls ich Minigolf spielen will.“
„Es stehen weitere Umkleidekabinen für Sportbekleidung in den Räumlichkeiten zur Verfügung“, sagte die Ältere und torpedierte Rend damit perfekt.
„Warum ein Rock? Eine Hose steht mir viel besser! Und diese Bluse ist viel zu tief ausgeschnitten! Lenie, tu mir das nicht an, hörst du? Lenie? Lenie?“
„Es ist zu spät, Ellie.“ Die anderen drei Frauen wechselten einen verschwörerischen Blick.
***
„Die Weiber brauchen aber lange“, murrte Rössing. Er hatte sich tatsächlich für einen bequemen Jogginganzug entschieden, aber das schwarze Modell hatte wenigstens einen guten Schnitt und einen Hauch zeitloser Eleganz. Außerdem untermalte es sein breites Kreuz und drohte an dem Armen von seinen Muskeln gesprengt zu werden, wenn er sie anspannte.
Monterney hatte sich für ein Hemd entschieden, zu dem er eine leichte Leinenhose angezogen hatte. Arling trug nun einen weiten Sweater und eine bequeme Jeans. Er hatte die Sachen mit einer Sicherheit herausgepickt, die vermuten ließ, dass er diese Kombination öfters trug.
„Sag nicht Weiber, sonst zieht dir Lenie die Ohren lang“, sagte Arling.
„Ich weiß. Aber sind ein paar Konstanten im Leben nicht schön?“
„Spötter“, murmelte der Kommodore, grinste aber mindestens so breit wie sein Untergebener.

„Ich gehe da nicht raus! Ich sehe doch aus wie ein Clown mit der ganzen Schminke im Gesicht!“
„Du siehst großartig aus, Schatz. Die Jungs werden dir aus der Hand fressen.“
Mit einem Ruck wurde eine schlanke, schwarzhaarige Frau auf den Gang befördert. Hinter ihr betrat Arlene Schlüter den Gang. „Na, was sagt ihr?“ Stolz deutete sie auf die Frau neben sich.
„Was sollen wir sagen?“, fragte Gerard Rössing erstaunt. „Moment mal, Moment, du willst uns doch nicht etwa weißmachen, dass das da Elli ist?“
„Was habe ich dir gesagt? Gleich fangen sie an Witze zu reißen. Lass mich wenigstens mein Gesicht abspülen!“
Johann Arling spürte, das er vergessen hatte zu atmen. Seine Verlobte trug ein kurzen beigen Rock, der ihre langen Beine betonte, dazu eine tief ausgeschnittene Bluse in Altrosa. Ihr BH lugte neckisch hervor, und die salopp umgebundene Krawatte gab ihr etwas Mädchenhaftes.
Ihr schwarzes Haar war streng nach hinten gegelt worden, was ihr Gesicht betonte. Der blassrosa Lippenstift, der Hauch von Rouge auf ihren Wangen, die dezent dunkel geschminkten Augen und Brauen betonten ihr Aussehen diskret, aber nachdrücklich. Für einem Moment fragte sich Arling, wie er so blind hatte sein können.
„Boss, wenn es mit dir und Ellie nicht funktioniert“, klang die reichlich heisere Stimme von Monterney neben ihm auf, „kann ich sie dann haben?“
„Was denn, was denn?“ Schlüter trat schnell einen Schritt vor, umfasste je einen Arm von Charles und Gerard und zog die beiden davon. „Es gibt doch wohl nichts schöneres als meine Gesellschaft. Ich habe extra für euch diese knappe Sporthose angezogen.“
„Dein Shirt ist mindestens drei Nummern zu klein“, bemerkte Gerard, während er sich von der Kapitänin fortziehen ließ.
„Darüber beschwerst du dich, Großer?“, fragte sie mit einem undefinierbaren Lächeln.
„Wer hat denn hier was von beschweren gesagt, Lenie?“ Gerard Rössing sah kurz über die Schulter zurück. „Wir gehen dann schon mal vor.“

Arling bemerkte, das er die junge Frau angestarrt hatte. Also sah er verlegen zur Seite. „D-du siehst wirklich ganz hervorragend aus, Ellie.“
Auch die junge Offizierin sah betreten weg. „Das sagst du doch nur so. Außerdem ist es die Schminke, die mich dann gut aussehen lässt, und nicht ich selbst.“
„Nein, nein, das ist es nicht. Es ist eher so, dass… Sie betont das, was bereits vorhanden ist. Sie lenkt den Blick in die richtigen Bahnen.“
„Das hast du nett gesagt, Han.“ Schüchtern sah sie herüber. „Ich bin also schön?“
„Ich habe nie etwas anderes von dir gedacht, Ellie.“
Eleonor Rend schmolz dahin wie Wachs in brutaler Äquatorsonne. Nur ein einziger Schritt trennte sie von dem Armen des Mannes, den sie liebte. Und seine Lippen und der erstrebenswerte Kuss waren lediglich einen Gedanken weit entfernt. „Oh, Han.“
„Wenn es euch nichts ausmacht“, klang eine amüsierte Stimme neben ihnen auf, „dann verschiebt das doch bitte auf später. Ich lasse euch sogar einen Ruheraum zuweisen.“
Erschrocken fuhren die beiden herum, als wären sie getadelte Schuljungen, die bei einem Streich erwischt worden waren.
„Robbie?“
Der Kaiser grinste breit. „Ich habe mich gewundert, wo ihr bleibt. Und als Schlüter und die anderen vorgegangen sind, bin ich neugierig geworden. Ich konnte ja nicht ahnen, in was ich da hinein gerate. Haben Sie sich das gut überlegt, Kapitän Rend? Ich meine, ich kenne diesen Mann, als wäre er mein Bruder, und ich weiß, was Sie sich da mit ihm aufhalsen“, scherzte er.
„Willst du mir die Verlobte ausspannen, Robbie?“, erwiderte Johann Arling amüsiert.
Im Gesicht des Kaisers ging eine unglaubliche Veränderung vor. Die spöttische Miene schmolz dahin, und absolute pure Freude erschien. „Das… Das ist… Ist das wahr? Ihr seid verlobt? Mensch, warum hast du denn nichts gesagt, Han? Ein kleiner Wink, ein Hinweis, irgendwas! Sowas kannst du mir doch nicht verschweigen! Mann, da gratuliere ich aber! Kapitänleutnant Rend, Sie haben den besten, den ehrlichsten und den tapfersten Mann erwischt den ich kenne. Lassen Sie ihn nicht entkommen!“ Mit beiden Händen schüttelte der Kaiser die Rechte der jungen Frau. Dann murmelte er ein Ach was soll´s und schloss die verdutzte junge Dame in seine Arme. Der freundlich gemeinte Begrüßungskuss auf ihre Wange nahm ihr den letzten Rest an Fassung, aber zum Glück war die Schminke wasserfest.
„Ich danke Euch, Majestät.“
„Robert! Oder Robbie! Sie gehören jetzt so gut wie zur Familie, Eleonor, und da muss man nicht so förmlich sein. Mensch, Han, ich hätte ja nie gedacht, dass ausgerechnet du mal so vernünftig sein würdest und in den Hafen der Ehe einläufst. Es geschehen doch immer noch Zeichen und Wunder!“ Überschwenglich umarmte der Kaiser den Größeren und drückte ihm einen dicken Schmatzer auf die Wange auf. „Moment, warte mal, ich schicke euch beide in eine äußerst gefährliche Mission. Ist das wirklich so richtig?“
„Du willst mir doch nicht mein Spielzeug wegnehmen, Robbie?“, mahnte Arling.
„Als ich dir den Auftrag gegeben habe wusste ich ja noch nichts von deinem privaten Glück.“
„Dienst ist Dienst und Schnaps ist Schnaps. Verlange von mir nicht weniger als von jedem anderen deiner Offiziere, Robbie.“
Der Kaiser senkte den Blick und schwieg betroffen. Als er wieder aufsah, hatte sich seine Miene wieder aufgehellt. „Na, da reden wir später drüber. Ich konnte dich noch nie aufhalten, weißt du noch? Aber jetzt wollen wir erstmal feiern! Ich lasse ein paar Kisten Champagner öffnen, und dann wollen wir dieses freudige Ereignis richtig begießen! Ich werde eine Rede halten, und selbstverständlich will ich zur Hochzeit eingeladen werden! Wenn mein großer Bruder heiratet, dann…“
„Moment mal, sogenannter kleiner Bruder!“, rief Arling und erwischte seine Majestät gerade noch so am Kragen seiner Wollweste. „Du wirst überhaupt nichts halten und auch keinen Champagner kommen lassen!“
„Großer Bruder?“ Irritiert sah Rend ihren Verlobten an.
„Wir sind zusammen aufgewachsen“, sagte Arling und wechselte eisige Blicke mit seiner Majestät.
„So, so. Du willst deinem Kaiser, dem du Treue, Gehorsam und dein Leben verschworen hast, vorschreiben, was er zu tun und zu lassen hat? Johann Arling, denkst du wirklich, das lasse ich mit mir machen?“
„Auf diese Tour schon mal gar nicht“, versetzte Arling und gab Robert eine gespielte Kopfnuss.
„Autsch. Du bist fies, Han.“ Die starre Miene des Kaisers weichte auf und sein Blick wurde flehentlich. „Dann nur wir drei, deine Leute und ein kleiner, exklusiver Kreis? Mit ein wenig Champagner? Und wir sagen nicht weshalb?“
Arling sah kurz zu Eleonor Rend herüber, deren Blick einem Stirnrunzeln gewichen war. „Gut, gut, im kleinen Kreis können wir es ja begießen. Aber kein Wort darüber darf nach draußen dringen. Ich will es ihren Eltern persönlich sagen. Verdirb mir das bitte nicht.“
„Okay! Ich organisiere alles!“ Der Kaiser lief los, drehte sich halb in der Tür um und sagte: „Kommt ihr?“

„Du bist mit dem Kaiser aufgewachsen?“
„Es war lange, bevor er zum Nachfolger Frederecs proklamiert wurde. Mein Vater hatte ihn in Pflege, nachdem seine Eltern im Havarro-Aufstand getötet worden waren. Wir haben vierzehn Jahre unserer Leben zusammen verbracht.“ Arling schmunzelte. „So gesehen ist er wirklich mein kleiner Bruder. Und er liebt diese Rolle. Bei mir muss er nicht der unnahbare Kaiser sein, sondern kann sich gehen lassen, auch einmal Angst zeigen. Als mein kleiner Bruder hat er mich, der auf ihn aufpasst.“
„Ich… Ich wusste nicht, dass ihr so eng befreundet seid.“
„Noch enger“, erwiderte Arling sentimental.
Schließlich bot er Kapitänleutnant Rend den Arm. „Wollen wir?“
„Wir wollen.“
***
Drei Stunden später, die Uhr zeigte halb fünf, saß ein angetrunkener und sichtlich zerknirschter Robert der Fünfte vor den beiden Verlobten und sagte zum sechsten oder siebten Mal: „Ess tut mir auffrichtig leid, dass esss nun doch rrausgekommen ist, Han. Ni-nicht einmal mmit mmeiner kaiserlichen Auto… Auto… Mit meinem Rang konnte ich es vverhindern. Schlüter ist ja auch sooo eine Plaudertasche.“
„Gar nicht wahr“, kam es aus der anderen Ecke der Couch, auf der der Kaiser saß. „Du hast einfach nicht gesagt, das ihr es noch geheim halten wollt, Han. Ihr zwei seid selber Schuld.“
„Tr-trotzdem. Ich als Kaiser habe mein Wwwwwort gegeben. Uuuund ich habe meinen großen Brruder entäuscht. Wie kann ich das jeeee wieder gut machen, Han?“
Der Kommodore erhob sich und nahm dem Kaiser das Glas aus der Hand. „Indem du jetzt ins Bett gehst. Morgen beginnt für dich in fünf Stunden, und dann hast du zwölf lange Stunden in deinem Büro vor dir.“
„Du bissst gemein, Han. Ichhab sowenigzufeiernhier. Und wenn ich dann mal einen Grund habe, dann willstdu dassich schlafengeh.“
„Weil du morgen mit mir schimpfen würdest, wenn ich es nicht tue, oder?“
Misstrauisch beäugte seine Majestät den Grafen. „So? Hast wohl recht. Warum bist du überhaupt noch so nüchtern? Du hast auch nich wweniger getrunken als ich.“
„Wer sagt denn, das ich nüchtern bin?“ Arling winkte einen diskret im Hintergrund wartenden Diener heran. „Bringen Sie seine Majestät jetzt ins Bett. Die Woche hat für ihn erst angefangen.“
„Jawohl, Herr Graf. Majestät, entschuldigen Sie meine Grobheit.“ Der Diener stemmte sich unter den Arm des Kaisers, hob ihn von der Couch und verließ mit ihm den Raum.
„Mmoment!“ Der Diener hielt inne. Robert sah noch einmal in die Runde. „Ich bürde euch eine schwere Last auf, meine Freunde. Sie kann euch direkt in den Tod führen, während ich hier auf Sanssoucci sitze und eine Verwaltungsarbeit verrichte. Das ist ungerecht und gegen meine Prinzipien. Aber ich vertraue Han. Und ich vertraue den Menschen, die er Freunde nennt und liebt.“ Sein Blick wurde amüsiert als er Rend ansah. „Den einen mehr als den anderen.“ Die junge Frau errötete.
„Alsdann, gute Nacht.“

„Das hat ja schon beinahe wieder nüchtern geklungen“, stellte Rössing fest und umklammerte seinen Kaffee mit beiden Händen.
„Er war nicht wirklich betrunken. Er hat sich nur gehen lassen. Und er hat gehofft, das ich weniger böse mit ihm bin, wenn er so auftritt“, brummte Arling. „Ich kenne meine Pappenheimer.“
Rössing grinste schief. „Anscheinend sehr gut, wie mir scheint. Aber den Kaiser so mal zu erleben, und nicht als den steifen, förmlichen Mann, der er bei offiziellen Empfängen und im Fernsehen ist, das ist wirklich eine Freude. Ein guter Mann, Johann.“
„Das will ich auch hoffen. Ich habe geholfen ihn groß zu ziehen.“ Arling nippte an seinem Branntwein. „Und ich hoffe, ich habe es gut gemacht.“
Müde hob Arlene Schlüter die Rechte. „Keine Beanstandungen meinerseits, Han.“ Sie richtete sich mit einem Ruck auf. „Wo ist eigentlich Lucky Charly? Ich habe ihn seit dem großen Toast für eure Verlobung nur noch in der Pokerrunde gesehen. Und da war er auch nur so lange, bis Robbie keine Chips mehr hatte.“
„Die hat er gleich wieder verloren. Hohenfels hat ihn ausgezogen bis auf die Grundmauern.“ Rössing grinste schief. „Von wegen Lucky Charly. Gegen den blonden Drachen kommt er nicht an.“
„Für eine winzige Sekunde habe ich erwartet, dass Admiral der Flotte Miranda Hohenfels direkt hinter dir steht und alles hört was du sagst“, brummte Lenie und ließ sich wieder zurückfallen. „Wie steht es mit euch? Ich für meinen Teil gehe jetzt schlafen. Die nächsten zwei Wochen will ich Zuhause verbringen, und der Flug dauert alleine schon drei Tage.“
„Ich habe es besser. Ich muss nur nach Versailles. Meine Familie lebt auf dem größten Mond unserer wunderschönen Thronwelt“, sagte Gerard und gähnte herzhaft. „Han, hast du was dagegen, wenn ich eine Woche früher zu dir rauskomme? Ich denke, länger erträgt mich meine Familie nicht, weil ich nervös die Gänge auf und ab marschiere.“
„Dir stehen alle Einrichtungen meines Hauses offen, ob ich da bin oder nicht“, sagte Arling und nickte dem Mann zu.
„Gut zu wissen. Ich gehe dann auch schlafen. Soll ich noch schnell Unlucky Charly suchen gehen? Oder überlassen wir ihm seinem Schicksal? Man hat mir zwar gesagt, auf der Spielwiese des Kaisers gäbe es im Gegensatz zum Palast nur Verbündete, aber Charles ist hohe Offiziere in etwa so gewohnt wie Lenie den Adel.“
„Spötter“, brummte Arlene Schlüter und erhob sich. „Ich helfe dir suchen. Also, dann in zwei Wochen bei dir zuhause, Han. Viel Glück bei Ellies Eltern. Und Ellie, lass dich nicht ins Bockshorn jagen. Es wird schon alles gut ausgehen.“
„Versprichst du das?“
„Natürlich verspreche ich das!“, erwiderte die Ältere im Brustton der Überzeugung.
„Viel Glück für morgen, Han. Wenn es schief geht hast du immer noch fünf Schiffe zur Auswahl, auf denen du mit deiner Braut durchbrennen kannst“, spöttelte Gerard Rössing, als er sich erhob.
„Das wäre eine Option“, murmelte Eleonor Rend ernst.
„Hey, langsam frage ich mich, ob es wirklich eine so gute Idee ist, deine Familie kennenzulernen.“
„Das sage ich doch die ganze Zeit, Han!“
„Andererseits reizen mich die Herausforderungen.“ Er zwinkerte seiner Verlobten zu und winkte dann den beiden Offizieren zum Abschied. „Wir werden jetzt auch gehen. Ich sehe selbst nach Charles. Geht schlafen. Und wenn möglich, in verschiedenen Betten.“
„Wieso in verschiedenen? Mit einer Frau weiß Gerry doch eh nichts anzufangen“, scherzte Schlüter.
„Na, danke. Den hatte ich überhaupt nicht verdient“, brummte Rössing missmutig.
„Nun sei nicht beleidigt. Wir machen doch nur Spaß.“ Burschikos legte sie einen Arm um Gerrys Schultern und zog ihn mit sich. „Also, Nacht ihr zwei.“
„Und wir zwei Hübschen sollten jetzt mal nachschauen, was dein Busenfreund Charles gerade anstellt. Man sagt zwar, wir sind hier unter Freunden, aber auch Freunde kann man verärgern.“
Dankbar ergriff Eleonor die dargebotene Hand und ließ sich von Arling hoch ziehen. „So leicht gerät er nicht in Schwierigkeiten. Nicht Lucky Charles.“
„Ich kenne ihn etwas länger als du“, murmelte Johann Armin Graf von Arling und widerstand der Versuchung, sich zu bekreuzigen.

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3.
09.04.2613
Kaiserreich Katalaun
Montillon-System, vierter Planet Sanssoucci
Planetare Hauptstadt Neu-Berlin
Kasernenanlage des Raumhafens ADMIRAL ANGWARD

Es war zehn Uhr am Morgen. Die beiden Schiffskapitäne hatten leidlich geschlafen und trafen sich zu einem späten Frühstück in der Kasernenküche des Großraumhafens ADMIRAL ANGWARD, dem größten militärischen Hafens auf Sanssoucci.
Zu ihnen gesellte sich ein sichtlich übernächtigter, aber sehr fröhlicher Charles Monterney.
Eleonor Rend musterte den Freund kritisch. „Es hat auch schon mal jemand Kaffee zu Tode gerührt, Charly.“
„Was? Oh, entschuldigt, ich bin immer noch in Gedanken an gestern.“
Johann Arling seufzte tief. „Charly, sag mir jetzt bitte nicht, dass du immer noch an das Mädchen denkst, das dich gestern umgerannt hat.“
„Hä? Seit wann bist du unter die Telepathen gegangen?“
Arling seufzte erneut. „Von wessen Seite haben wir dich wohl weggezerrt, als wir um fünf Uhr morgens gegangen sind, hm?“
„Es ist nicht so wie du denkst, Han“, verteidigte sich Charles. „Wir haben uns nur unterhalten. Ich habe ein paar Geschichten zum Besten gegeben, sie hat mir von ihrem Dienst im Flottenhauptquartier erzählt, und ich habe gar nicht gemerkt, wie schnell die Zeit verging. Es war ein wirklich schöner Abend auf der Spielwiese des Kaisers.“
„So, so. Es ist also nicht so wie ich denke. Was denke ich denn? Dass du dich in die junge Frau verguckt hast? Oder noch schlimmer, das du glaubst, das du sie liebst?“
Als Charles betreten schwieg, senkte Arling den Kopf. „Nein. Bitte, Charly, sag mir, dass das nicht wahr ist. Teufel, sie hat dich umgerannt! Ist dir das nicht peinlich? Sie hat nur Unterwäsche und Stiefel getragen!“
„Und jede andere Frau wäre vor Scham gestorben. Oder hätte nie so sehr gehetzt, dass sie sich im laufen anzieht. Abgesehen von Ellie vielleicht.“
„Hey!“, beschwerte sich die frisch gebackene Kapitänleutnant.
„Und sie hing dir an den Lippen, hm?“ Arling runzelte die Stirn, trank einen Schluck Kaffee und verbrannte sich prompt die Zunge. „Autsch.“
„Wir hingen einander an den Lippen. Sie wollte soviel über mich wissen. Sie hat gesagt, sie ist mein Fan. Und ich habe sie so viel gefragt. Ich kenne jetzt ihre Lieblingsmusik, ihre Lieblingsfarbe, ihr Lieblingsschiff… Sie hat mir auch ihren Lieblingskapitän verraten. Muss ich mir Sorgen machen, weil du das bist, Han?“
„Nein, nicht im mindesten“, brummte Arling und versteckte sich hinter seiner Tasse.
„Jedenfalls ist sie toll. Ich habe nie verstanden, warum ihr zwei nicht zusammen in ein Bett steigt, seit ihr verlobt seid, aber bei ihr verstehe ich irgendwie, dass es wichtigeres gibt als Sex.“
Rend wurde rot und Arling bekam einen leichten Hustenanfall. „Es ist ja nicht so als hätten wir es noch nie getan“, murmelte er. „Aber durch meine Verletzung geht es halt nicht so gut. Die braucht noch eine Woche, bevor der Arm nicht mehr ruhig gestellt werden muss und… Ach, was erkläre ich das alles? Wir haben ein ganz anderes Problem! Charles Monterney, hast du eine Ahnung, was…“
„Oh, Scheiße. Han, immer wenn du mich bei meinem vollen Namen nennst, dann sitze ich knietief im Dung. Was habe ich falsch gemacht?“
Der Ärger in Arlings Gesicht verflog. Eleonor musterte ihn interessiert. „Charly, du hast ein Problem. Hast du dich mit ihr verabredet? Habt ihr Nummern und Adressen ausgetauscht?“
„Ich habe ihre Karte.“ „Gib sie mir bitte mal.“
„Warte, hier. Was willst du damit?“
„Hier, lies mal ihren Namen.“ „Elise Versailles. Und? Sie heißt halt wie der Hauptmond.“
„Charly, wundert es dich nicht, was ein Oberleutnant aus der Flottenzentrale auf der Spielwiese des Kaisers macht? Wundert es dich nicht, dass sie zusammen mit seiner Majestät und Admiral der Flotte Hohenfels gepokert hat? Und hat es dich nie gewundert, dass man mich Johann Arling nennt und nicht Johann Armin Graf zu Arling?“
Rend wurde blass. Hastig trank sie einen Schluck Wasser, verschluckte sich prompt und musste husten.
„Moment, Chef, Moment. Was willst du mir hier erklären? Dass sie nicht Versailles heißt, sondern von Versailles?“
„Ihr voller Name ist Elisabeth Roxane Prinzessin von Versailles.“
„Jetzt hättest du mich fast drangekriegt, Han. Denke nur nicht, ich komme aus der tiefsten Provinz, ja? Ich weiß ganz genau, dass nur der designierte Thronerbe den Titel des Prinzen von Versailles bekommt! Und sie ist viel zu alt um die Tochter des Kaisers zu sein. Abgesehen davon ist der Kaiser unverheiratet und…“ Übergangslos sackte Lucky Charly in sich zusammen und legte den Kopf auf den Tisch. Glücklicherweise verfehlte er sein Frühstücksmüsli und den Kaffee. „Bitte sag mir dass das nicht wahr ist? Sie ist Elisabeth? DIE Elisabeth? Die Nichte des Kaisers? Oh mein Gott, warum tut das Universum mir das an?“
„Ich sage ja nicht, dass du sie aufgeben sollst, Charly. Ich sage nur, dass du wissen solltest, um wen es sich bei ihr handelt.“ Tröstend legte der Kommodore die Rechte auf Charlys Schulter.
„Oh, bitte, immer nur ein Tiefschlag pro Stunde, ja?“ Er richtete sich auf, seufzte schwer und wischte über seine Augen. „Mist. Mist. Mist. Die Prinzessin. So ein Mist. Das muss ich erstmal verdauen.“
„Wenn du möchtest, dann unterstütze ich dich. Als Teil der kaiserlichen Familie kann ich einige Regeln brechen. Und da ich der Ältere bin, wird sie auf mich hören und…“
„Ach, vergiss es.“ Abrupt erhob sich Charles von seinem Stuhl. „Keine Sorge, Graf zu Arling, Charles Monterney kennt seinen Platz im Leben. Ein Bürgerlicher und eine Prinzessin, sowas passiert doch nur im Fernsehen. Ich werde sie mir aus dem Kopf schlagen und alles ist wieder wie zuvor. Bitte entschuldigt mich.“ Er machte auf dem Absatz kehrt, stolperte beinahe über seinen eigenen Stuhl und verließ mit hängenden Schultern die Kantine.

„Han, hättest du ihn nicht warnen können? Ich meine, du hast sie doch sofort erkannt, oder?“
„Wann hätte ich das denn machen sollen? Als wir gepokert haben, war die Welt noch in Ordnung, und danach hatte ich leider genug damit zu tun, Gratulationen von ein paar Dutzend Leuten entgegen zu nehmen und aufzupassen, dass mir niemand meine Braut entführt.“
Eleonor errötete erneut. „Da bestand wohl keine Gefahr.“
„Keine Gefahr? Du hast so schön ausgesehen, dass selbst der Kaiser dir verfallen wäre, wenn ich ihn nicht daran erinnert hätte, dass du meine Verlobte bist“, scherzte Arling. Leiser fügte er hinzu: „Als wir ihn dann gefunden haben, war es schon zu spät. Schade, ich habe es ernst gemeint als ich sagte, ich wolle ihm bei Elise helfen. Aber wie es scheint hat er sich kampflos ergeben. Das ist nun wirklich nicht seine Art. Dabei sollte er eigentlich abgebrüht sein, immerhin geht er bei meinem Vater seit Jahren ein und aus, als wäre er ein Familienmitglied.“
„Hältst du das wirklich für so klug? Ich meine ja, er hat Recht. Er ist ein Bürgerlicher, und sie erbt den Thron, falls Robert abdankt oder stirbt.“
„Das ist doch kein Grund aufzugeben. Sie hatte Interesse an ihm und es hätte nicht geschadet zu sehen, wie weit dieses Interesse geht. Vor allem da er sich augenscheinlich für sie interessiert.“
„Dennoch“, beharrte Ellie eigenwillig. „Sie ist DIE Prinzessin. Charles und sie trennen doch Welten. Ganze Reiche. Lichtjahre.“
„Nanu? Höre ich da vielleicht eine Spur Eifersucht? Willst du Charles etwa nicht teilen?“
„Sei nicht albern. Du bist es, den ich nicht teilen will.“
„Das höre ich gerne.“ Arling beugte sich über den Tisch und drückte ihr einen Kuss auf die Wange.
„Lass das, bitte. Wir tragen beide Uniform“, tadelte sie verlegen.
„Apropos Uniform. Wollen wir Zivilkleidung anziehen, wenn wir deine Eltern besuchen? Und wo leben sie überhaupt? Du hast zwar mal erwähnt, dass sie auf Sanssoucci wohnen, aber leider nicht wo.“
„I-ich habe keine Zivilkleidung, Han. Ich habe die letzten Jahre einfach keine gebraucht. Und wenn ich mal informell unterwegs war, reichte die Sportbekleidung und…“ Sie seufzte vielsagend. „Ich bin erbärmlich, oder? Meine Brüder würden mich einen Zivilversager nennen. Nein, das werden sie, mit tödlicher Gewissheit. Definitiv.“
„Lass sie spotten. Ich verteidige dich mit meinem Leben, mein Schatz.“
„Schön zu hören. Aber du wirst doch nicht deine zukünftigen Schwager umbringen?“
„Ich dachte eher daran, ein, zwei Divisionen Marine-Infanterie einfliegen zu lassen.“ Arling erhob sich und reichte Rend die unversehrte Rechte. „Aber vielleicht sollten wir anders vorgehen. Verlassen wir den Raumhafen und kaufen dir was schönes. Den will ich dann sehen, der dich irgendwas anderes nennt als bildhübsch.“
„Spötter“, tadelte sie amüsiert. „Bitte, mach weiter damit.“
***
Der Raumhafen war gigantisch. Er nahm die gleiche Fläche ein, die Neu-Berlin als planetarische Hauptstadt benötigte. Und das waren nur die Oberflächenbauten. Doch während die Hauptstadt in die Höhe gewachsen war, hatte der Raumhafen dies in die Tiefe getan. Die Tiefhangars, die Werften, Lagerhallen, Docks und Lebensräume für hunderttausend Matrosen und fünfzig Schiffe aller Klassen beherbergten, reichten tausend Meter weit in die Tiefe. Auch die Quartiere waren tief angelegt worden, um die Einsatzbereitschaft selbst nach einem orbitalen Bombardement zu gewährleisten. Normalerweise diente der Giganthangar dazu, um Schiffe für den Ernstfall versiegelt aufzubewahren, wie es auf den Depotwelten üblich war. Zur Zeit aber waren die meisten Schiffe im Einsatz und der Hafen verrichtete seine Aufgabe als Reparatur- und Nachschubhafen.
Als Arling und Rend die Kaserne verließen, taten sie dies auf der Sohle der Anlage in eintausendundfünfzig Metern Tiefe. Eine künstliche Sonne spendete nicht nur taghelles Licht, sondern emissierte auch das gleiche Spektrum wie die große gelbe Sonne Montillon.
Dennoch war die Stimmung der beiden nicht gerade sonnig zu nennen. Johann Armin zu Arling hing es nach, dass sein bester Freund so schnell klein bei gegeben hatte und Eleonor Rend sah sich mit einem neuen Gefühl konfrontiert, das sie bisher noch nicht kennengelernt hatte: Angst. Ja, sie hatte Angst. Angst davor, mit Han bei ihren Eltern aufzuschlagen. Angst davor, was ihre Mutter sagen würde, was ihr Vater sagen würde. Und ihre beiden älteren Brüder erst… Hoffentlich waren sie nicht Zuhause. Nervös strich sie sich über die Stirn. Und warum gingen sie nicht wenigstens in Uniform? Es war ja nicht so, dass sie ihren Vater, einem ehemaligen Unteroffizier der kaiserlichen Marine, mit dem Kapitänleutnantsrang auch nur ansatzweise hätte einschüchtern können, aber es war doch den Versuch wert. Außerdem hätte sie sich dann hinter ihrer Maske einer Offizierin des Kaisers verbergen können, und… „Was, bitte?“
Eine Hand legte sich auf ihre Schulter und stoppte sie. „Ich sagte halt an“, klang Arlings Stimme an ihr Ohr.
Verwirrt blieb sie stehen. Kurz darauf lief ein komplettes Bataillon Infanterie-Soldaten in Sportkleidung an ihnen vorbei. Jede Kompanie trug stolz ihre Fahne vorweg, die Offiziere liefen nebenher und feuerten ihre Männer Zugweise an. Ein rhythmischer Sprechgesang, mehr gerufen als gesungen klang vom Anführer auf, einem weiblichen Obersten, der stramm salutierte, als die Truppe Rend und Arling passierten.
Da beide noch in Uniform waren, salutierten sie zurück.

Als das Bataillon weitergezogen war, vertrauten sich die beiden einem Großaufzug an, der normalerweise Fregatten bis zur Oberfläche hievte. Meistens wurde er auch für den Personenverkehr benutzt, wurde aber nur halbstündlich eingesetzt. Dennoch war es die schnellste Methode auf den oberen Hafen zu kommen.
Auf der anderen Seite senkte sich eine identische Platte ab. Beide hielten auf jedem Zwischenstockwerk, und tatsächlich wurde auf fünfhundert Metern Höhe länger gehalten, um mehrere Kampfroboter der Knight-Klasse auf die Plattform zu bugsieren. Begleitet wurde der Halbzug aus sechs Maschinen von einem hochdekorierten Unteroffizier.
„Ah, Arling!“, rief er mit kraftvoller Stimme herüber, die den Kampf gegen den Verladelärm problemlos gewann. „Hatte ja noch gar keine Gelegenheit Sie zu begrüßen, seit Sie wieder auf der Hauptwelt sind.“
Der Graf schmunzelte, bedeutete Rend ihm zu folgen und ging auf den Unteroffizier zu.
„Hauptstabsbootsmann Patekar, guten Morgen.“
„Patekar?“ Misstrauisch beäugte Eleonor Rend den hochdekorierten Unteroffizier, auf den sie zugingen. „Ganesh Patekar? Moment, du willst mir doch nicht erzählen, wir haben hier DEN Ganesh Patekar vor uns!“
Arling grinste schief, salutierte vor dem Mann und schüttelte ihm anschließend herzlich die Hand. „Ganesh, es ist mir eine Freude.“
„Ganz meinerseits, Junge, ganz meinerseits. Habe von dem Höllenstreich gelesen, den du der Republik gespielt hast. Beachtlich, beachtlich. Und Sie sind Rend oder Schlüter, nicht wahr?“
Normalerweise hätte Eleonor Rend bei einem Unteroffizier sofort scharf gekontert. Auch wenn er zwanzig oder mehr Jahre Dienst tat als sie, war das noch lange kein Grund, die Kommandokette zu vergessen. Aber bei diesem Mann lagen die Dinge anders. Dieser Mann war nicht nur mit dem höchsten Unteroffiziersrang dekoriert, mit Orden zugekleistert und mit dem diskreten Hinweis auf fünfunddreißig Dienstjahre versehen, er erfüllte auch den Rang eines Unteroffiziers der Marine. Somit war er der höchstrangigste Unteroffizier der gesamten Flotte und war lediglich dem Kaiser verantwortlich. Seine Aufgaben waren die eines Quartiermeisters für die gesamte Flotte, und diese Aufgabe verrichtete er mit einer eigenen Behörde, in der sogar Admiräle unter ihm dienten.
Es gab auch noch einen Matrosen der Marine, aber dieser Rang wurde ehrenhalber erteilt und nur für die Dauer eines Jahres verliehen, weil die meisten Matrosen, die diesen Rang bekleideten ohnehin bald in die Unteroffiziersränge aufstiegen. Denn vergeben wurde dieser Rang, in dem man nur dem Kaiser verantwortlich war, aufgrund hervorragender Leistungen, großer Tapferkeit oder Befehlsverweigerung – sofern der Matrose einen unsittlichen, ungesetzlichen oder moralisch fragwürdigen Befehl verweigert hatte, hatte der Mann oder die Frau gute Chancen, mit diesem Rang belohnt zu werden. Solange das Kriegsgericht auf Freispruch entschied.
„R-rend, Sir. Kapitänleutnant Eleonor Rend. Es ist mir eine Ehre, Sir.“
Patekar beäugte sie für einen Moment misstrauisch, dann lächelte er. „Sie haben Inderblut in den Adern, nicht wahr?“, sagte er nicht ohne eine gewisse Genugtuung.
„Jawohl, Sir. Meine Mutter ist Inderin. Mein Vater ist Russe.“
Arling schnaubte ein wenig empört. Nach seiner persönlichen Auffassung spielte die Abstammung nur dann eine Rolle, wenn sich Väter, Mütter oder andere Verwandte im Kampf verdient gemacht hatten. Für Ethnik hatte er keinerlei Verständnis. Ob man seine Wurzeln nun nach Indien, Japan, Deutschland, Afrika, Russland, Kanada oder Mars zurückführte war vollkommen uninteressant. Letztendlich waren sie doch alle irgendwie Anteil einer Minderheit, aber zusammen waren sie eine verdammt große und schlagkräftige Mehrheit.
„Und? Welche Religion wird bei Ihnen Zuhause ausgeübt, Kapitänleutnant Rend?“
„Wir sind säkularisiert, Sir. Meine Eltern haben es mir und meinen Geschwistern immer frei gestellt, ob und welchen Glauben wir annehmen wollen. Meine Brüder haben sich für den Atheismus entschieden. Ich selbst sehe mich als Buddhistin, Sir.“
„Buddhistin, hm? Hätten Sie auch nur einen Funken Sinn für Ihr Erbe als Inderin, würden Sie anders reden.“
„Sir, bei allem Respekt, aber ich sehe nicht ein wieso ich an einem Ort, sechshundert Lichtjahre von der Erde entfernt und tausend Jahre nach dem Exodus meiner Familien hier etwas anderes als ein Mitglied des Kaiserreichs und ein Soldat in Robbies Dienst sein sollte.“
„Robbie?“, fragte der Unteroffizier misstrauisch.
Rend errötete. „I-ich…“
„Sie hat seine Majestät gestern kennengelernt, Ganesh. Und er hat ihr erlaubt, ihn mit seinem Kosenamen anzusprechen.“
„Mussten Sie das tun, Arling? Nun kann ich Ihre hübsche Freundin gar nicht mehr in die Enge treiben.“
Nun schoss die Röte bis zu Rends Ohren hoch.
Patekar sah das und seufzte ergeben. „Na, ist wohl auch nicht mehr nötig. Ich wollte Sie nur ein wenig kitzeln um zu sehen, ob Sie auch zu diesen verblödeten Fanatikern gehören, die sich hinter Religion verschanzen. Aber das sieht mir nicht so aus.“
„Ich verbürge mich für sie“, sagte Arling und deutete eine Verneigung an.
„Schon gut, ich glaube dir ja, dass sie sauber ist“, murmelte der Inder amüsiert. „Wie immer hast du dir gute Leute ausgesucht, mein Junge.“
Nun war es um Rend beinahe geschehen. Lediglich der rechte Arm von Arling, der sich um ihre Schultern legte, hinderte sie daran, zu Boden durchzusacken. Ein Lob von Patekar war etwas, was Gerüchten zufolge nur geschah, wenn ein neuer Kaiser gekrönt wurde. Und die Wahrscheinlichkeit, dass die lebende Legende ausgerechnet sie loben würde hatte für sie nie bestanden. Und nun war es passiert.
„Da-danke, es geht“, stotterte sie, als sie wieder sicherer auf ihren eigenen Beinen stand.
„Gibt es einen besonderen Grund für… Diese Fragen, Sir?“
„Helles Köpfchen. Kein Wunder, dass der Kaiser Ihnen ein eigenes Schiff und seinen Lieblingscousin anvertraut hat.“
„Das macht Ihnen wohl Spaß, oder, Sir?“, tadelte Eleonor. Diesmal war sie mental vorbereitet gewesen.
„Oh, ich mag es die Jungen ein wenig zu necken, ja. Einer der Vorzüge eines Alters jenseits der achtzig, junge Dame. Und ja, es gibt einen Grund.
Hey, achtet auf die Vertäuung! Wenn ein Knight aus dieser Höhe auf die Bodensohle fällt, dann gibt das einen Schrappnell-Regen, der Häuser wegfegt! Häuser, habt ihr verstanden?“
„Ja, Sir!“
„Fähige Jungs und Mädels, aber manche Dinge muss man ihnen doch wieder und wieder sagen.“
Die Plattform ruckte an und fuhr weiter in die Höhe.
„Es geht schon wieder los“, murmelte Patekar ernst und sah nach oben, wo sich durch eine auffahrende Platte der Raumhafen abzeichnete. „Ich habe nicht wirklich geglaubt, mit Frederec würden auch die religiösen Spinner verschwinden, aber ich dachte nicht daran, dass sie sich nach nur acht Jahren wieder aus ihren Löchern heraus trauen.“
„Religiöse Spinner, Sir?“, hakte Rend nach.
„Geheime Orden. Logen. Etwas in der Art. Die gleiche Sorte Mensch, die Frederec benutzt hat, um auf den Thron zu kommen, auf dem Thron zu bleiben und seine Kriege zu führen.
Die jungen Offiziere, die von den verschiedenen Schulen zu uns kommen, tragen immer öfter religiöse Symbole. Kreuze, Halbmonde, Ankhs, Stirnmal, und was es sonst noch für Anzeichen gibt. So hat es damals auch angefangen. Und in was das geendet hat wissen wir alle.“
Arling räusperte sich vernehmlich. Natürlich wusste er das. Immerhin hatte er knietief drin gesteckt. Und er erinnerte sich daran, auf der Siegerseite gestanden zu haben. Auf der anderen Seite hatte aber ein extrem schlechter Verlierer gestanden, und solche Menschen hofften, sich selbst nach Jahren noch rächen zu können… Eine Horrorvorstellung für einen Mann wie ihn. Da hatte man also gewonnen und den Unterlegenen mit Respekt und sportlicher Fairness behandelt, und so mir nichts, dir nichts attackierte besagte Person aus dem Hinterhalt. Vielleicht hatten diese Menschen das falsche Empfinden für Ehre. Vielleicht war sein Empfinden für Ehre aber auch übertrieben. Eine Meinung war richtig, eine falsch. Aber ehrlich gesagt hielt Arling Erstere für falsch.
Rend räusperte sich vernehmlich. Vor acht Jahren hatte sie von dem Konflikt, der Frederec vom Thron und Robert auf den Thron gebracht hatte, nicht allzu viel mitbekommen, da sie als Kadett auf einem Schulschiff im Kaiserreich unterwegs gewesen war. Und an Bord einer solchen Einheit bekam man natürlich nur die zensierte Fassung des Geschehens. Aber sie erinnerte sich schaudernd an das vor Furcht zerfressene Gesicht ihres Kapitäns, eines Admirals a.D., der vor der schrecklichen Entscheidung gestanden hatte, auf welche Seite er hätte schießen lassen müssen, wenn er seine Kadetten in eine Schlacht zu führen hatte. Pest und Cholera, das waren seine Worte gewesen, zwischen diesen beiden Unbilden hatte man wählen können. Rend persönlich fand, dass sie nun mit der Cholera recht gut fuhren, aber erleichtert war sie doch, dass es nur begrenzt zu bewaffneten Konflikten gekommen war.
Die einzige Änderung die sich für die Kadetten ergeben hatte war dass das Bild über dem Schreibtisch des Kapitäns den einen Morgen Frederec und den nächsten Morgen Robert gezeigt hatte.
Patekar räusperte sich vernehmlich, um die jungen Offiziere wieder in die Realität zu holen. „Wie dem auch sei. Der Kaiser hat ihnen Urlaub gegeben, richtig? Was machen sie also noch hier?“
Arling lächelte dünn. „Wir sind auf dem Weg in den Urlaub, Ganesh. Wir werden Rends Eltern besuchen.“
„Ihre Eltern besuchen?“ Der forschende Blick des höchstrangigen Unteroffiziers der gesamten Marine ließ sie erneut erröten. Schließlich machte Patekar eine wegwerfende Handbewegung. „Nein, das ist unmöglich. Nicht Johann Armin Arling. Der Mann bleibt Single und entzieht seine enorm wertvollen Gene der Gesellschaft, indem er nie Nachkommen zeugt.“
Rend hustete verkrampft. „Tschuldigung, Sir.“
„Nanu? Arling, ich mag es gar nicht, wenn Sie so grinsen. Dann könnte ich mir genausogut im städtischen Aquarium einen Rubinhai zur Fütterungszeit ansehen.“
„Ich bewundere nur wieder einmal deinen messerscharfen Verstand, Ganesh.“
Wieder hielt die Plattform an, diesmal auf einem Deck, das Laufgänge zu den Terminals und zur Fahrbereitschaft hatte. „Wenn du uns nun entschuldigen würdest, wir wollen etwas von unserem Sold ausgeben.“
„Natürlich, natürlich. Amüsieren sie zwei sich. Aber, Johann, blamieren Sie ihren hübschen Untergebenen nicht vor ihren Eltern, versprechen Sie mir das.“
„Keine Sorge, ich werde der perfekte Gentleman sein.“
Patekar gab dem Größeren einen schmerzhaften Hieb in die Rippen. „Genau das meine ich, du einfältiges Kind. Statt den Adligen zu spielen solltest du lieber du selbst sein, verstanden?“
„Ich befürchte nein, Sir.“
„Ich wusste es. Rend, seien Sie streng mit ihm.“
„Werde ich sein, Sir.“
Als die beiden die Plattform verließen, grinste Patekar ihnen hinterher. „Richards, Ihre Haltetrosse beginnt sich gerade zu lösen. Zehn Liegestütze dafür und hundert, falls sie wirklich abgeht.“
„Jawohl, Sir.“
***

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Es hatte kommen müssen wie es passiert war. Johann Arling hatte sich unter Eleonor Rends strenger Aufsicht schwarze Sportschuhe, eine weite beige Leinenhose, ein Shirt mit paramilitärischer Aufschrift und einen blauen Windblouson gekauft. Eine Sonnenbrille rundete das Auftreten ab.
Im Gegenzug hatte Arling Rend hart rangenommen und ihr die Hosen, die sie sich ausgesucht hatte, beinahe aus der Hand geschlagen. Das Ergebnis war ein leichtes halblanges Sommerkleid in der neuesten Mode; Erdblumen erfreuten sich als Motiv gerade großer Beliebtheit, dementsprechend zierten gestickte Applikationen von Rosen, Tulpen und Million Bells den gelben Stoff. Nur beim Schuhwerk hatte sie sich durchsetzen können. Zwar durfte sie ihre Militärschuhe nicht anziehen, aber wenigstens vermied sie die Absatzschuhe und wählte ein Paar mit glatter Sohle. Aber der Sieg war ein horrender Preis für das folgende; der Graf zerrte seine Frau tatsächlich zuerst zum Friseur, und danach zur Kosmetikerin.
Gegen zwei Uhr am Nachmittag saßen sie im Wagen der Fahrbereitschaft, die der Hafen seinen Offizieren zur Verfügung stellte.
Rend widerstand der Versuchung, sich durch ihr Gesicht zu wischen, um das dezente Make-Up zu entfernen, und Arling hatte den Blouson abgelegt.
„Ich sehe aus wie ein Clown mit der ganzen Farbe im Gesicht“, beschwerte sich Eleonor.
„Du siehst phantastisch aus. Hätte ich mich nicht schon verliebt, dann würde ich es jetzt tun.“
„Schmeichler“, murrte sie, machte aber keinerlei Anstalten, ihn zu unterbrechen oder ihn daran zu hindern, sie in die Arme zu nehmen. Lediglich einen Kuss verweigerte sie, solange der Fahrer sie sehen konnte.
Seufzend gab Arling auf. Es würde noch genügend Gelegenheiten geben. „Wohin fahren wir eigentlich? Müssen wir ein Interkontinentalshuttle nehmen oder reicht der Wagen?“
Eleonor Rend straffte sich. „Fahrer. Place des ètoiles, bitte.“
„Verstanden, Ma´am.“
„Ein Vorort von Neu-Berlin. Dann bist du ja eine richtige Hauptstädterin.“
Anstatt auf die kleine Neckerei zu antworten, sah Eleonor streng nach vorne. „Fahrer, Sie kennen die Rue des Invalides?“
„Jawohl, Ma´am.“ „Bringen Sie uns dahin.“
„Jawohl, Ma´am.“
Zufrieden ließ sich die Kapitänin in die Polster sinken, aber die Anspannung wich nicht aus ihrem Gesicht. „Jetzt gibt es kein Zurück mehr. Hast du was gesagt, Han?“
„Nur, dass du die schönste Frau auf dieser Welt bist, Ellie.“
„Hoffentlich meinst du das nicht ernst. Sonst muss ich mir Sorgen um deine Augen machen“, erwiderte sie spöttisch. Aber es war nur ein Moment, dann sah sie wieder nach vorne.
„Wie ist deine Familie eigentlich so?“, fragte Johann Arling beiläufig.
„Meine Familie? Nun, Vater hat gedient. Er war vierzig Jahre in der Flotte und ist als Hauptbootsmann ausgeschieden.“
„Vierzig Jahre? Er muss ein bemerkenswerter und erfahrener Mann sein.“
„Hebe dir das besser für später auf. Vielleicht besänftigt ihn das ein wenig. Mein älterer Bruder Mark ist Graphikdesigner. Er ist dreißig, verheiratet und hat zwei Kinder. Gerrid ist zwei Jahre jünger und müsste nun sein Studium zum Anwalt abgeschlossen haben. Ledig, keine Beziehung. Jedenfalls nicht, dass ich es wüsste.
Mutter… Sie ist eben Mutter. Im Moment ist sie Hausfrau, aber gelernt hat sie Architekt. Bevor sie Vater geheiratet hat, hatte sie eine eigene Firma und… Sprich sie besser nicht darauf an. Sie sagt zwar immer, das Beste was ihr im Leben passiert wäre, wäre die Ehe gewesen, aber ich glaube, sie vermisst ihren Beruf doch.“
„Warum fängt sie nicht wieder damit an? Ich meine, so etwas verlernt man doch nicht, oder?“
„Sie ist dreißig Jahre aus dem Beruf raus, Han. Sie müsste bei null wieder anfangen, und sowas ist immer sehr schwer.“
„Verstehe. Und du bist die einzige, die deinem Vater in die Flotte gefolgt ist?“
Ellie errötete. „Ich dachte halt, in unserer Familie fehlt ein Offizier. Liberale haben wir ja wahrlich genug.“
„Liberale?“ „Liberale, Han.“
„Ich habe keine Angst vor Liberalen, Ellie.“
„Das habe ich befürchtet. Han, wollen wir nicht doch lieber ans Meer? Ich würde mir einen Badeanzug kaufen, den du aussuchen darfst und wir könnten uns mit Cocktails in die Sonne legen und…“
„Ellie“, sagte Arling beruhigend. „Wie lange warst du nicht mehr zuhause?“
„Etwas weniger als zwei Jahre.“
„Dann solltest du diese Gelegenheit nicht verstreichen lassen.“ Sanft streichelte er ihre Wange und sah sie einfach nur an.
„Du hast ja Recht“, murrte sie. „Etwas weiter oben, bitte.“

Die Heimkehr von Eleonor Rend in ihr Heimatstädtchen verlief äußerst unspektakulär. Raumfahrer waren es gewohnt, oft Monate im All zu verbringen, manche setzten Jahrzehnte keinen Fuß auf einen Planeten. Deshalb war für sie ein Ort, den sie Zuhause nannten, immens wichtig. Für den einen mehr, für den anderen weniger.
Eleonor Rends Zuhause war eine beschauliche Vorstadtgemeinde mit einer kleinen Einkaufsarkade und vielen umliegenden Wohnhäusern. Eine typische Wohnstadt für die Menschen, die Kleinstadtflair bevorzugten und in Neu-Berlin arbeiteten. Oder hier ihren Ruhestand genossen.
Natürlich fiel der Bereitschaftswagen der Marine auf, als er die Hochstraße in Richtung Place des étoiles verließ. Aber die unspektakuläre Ausstattung der Insassen machte sie wieder uninteressant. Ja, wenn es der Kaiser selbst gewesen wäre…
Ellies Zuhause in einer ruhigen Seitenstraße entpuppte sich als mehrgeschössiger Stufenbau mit eigenem Innenhof und schätzungsweise zwanzig Wohnungen. Johann war kein Experte im Wohnungsbau, aber er kannte sich ziemlich gut mit Schiffsquartieren, Stauraum und Belegung aus. In eine einzige Querseite des großen Baus hätte er schätzungsweise dreitausend Mann untergebracht. Wenn es einigermaßen bequem hätte sein sollen, nur tausend. Die einzelnen Wohnungen gingen grundsätzlich über zwei oder drei Stockwerke und hatten schätzungsweise zweihundert Quadratmeter aufwärts, waren seine vorsichtigen Schätzungen. Eigentum, weniger Mietwohnungen, entschied er, mit zehn Wohnungen pro Seite.
Entsprechend erschüttert war er, als er an der Fronttür nur sechs Namensschilder erkannte.
„Luxus pur“, murmelte er betreten.
„Und das sagt jemand, der einmal Herrscher eines eigenen Planeten werden wird?“, spottete Ellie Rend.
Sie betätigte ihr Sensorfeld. Kurz darauf flammte ein Hologramm auf, das eine große schlanke Frau mit langen schwarzen Haaren abbildete. „Ja, bitte? Sie… Oh mein Gott, Kind, sag doch das du es bist! Sag doch, dass du nach Hause kommst! Stuart, komm doch her! Ellie kommt nach Hause!“
„Was? Wo? Traut sich diese Rumtreiberin auch mal wieder nach Hause?“ Zu der Frau gesellte sich das Hologramm eines groß gewachsenen, breitschultrigen Manns, den Arling vom Fleck weg als Spieß rekrutiert hätte. „So, so. Eleonor Rend bequemt sich mal wieder zuhause rein zu schauen. Na, ob ich dir aufmachen soll?“
„Vater, bitte. Ich bin nicht alleine.“
„Hm?“ Es vergingen ein paar Sekunden, in denen Ellies Vater die Erfassung der Holokamera vor dem Eingang veränderte, um Arling ebenfalls ins Bild zu kriegen.
„Oh. Der sieht aber gut aus. Ist das dein Freund?“ Ihre Mutter strahlte geradezu.
„Hast du denn keine Augen im Kopf, Anusha? Das ist Graf Arling! Ihr kommandierender Offizier! Mylord, ich werde sofort die Tür öffnen!“
„Also doch nicht dein Freund? Was für eine Verschwendung“, murrte ihre Mutter.
Eleonor und Johann wechselten einen kurzen Blick. „Ich sage wann und wie, okay?“
„Okay. Was immer du willst.“ Zum Zeichen seines Eingeständnisses hob er die Hände.
Die Tür öffnete sich. Hologramme flammten auf und wiesen den Weg zu einem Aufzug. Sie markierten das oberste Stockwerk, was Ellie ein amüsiertes Schnauben entlockte. „Mir scheint, Vater hat vergessen, dass ich mich hier auskenne.“
„Vielleicht macht er das auch nur für mich“, bemerkte Arling.
„So? Das wäre aber eine Menge Aufwand, den er da betreiben würde. Ich glaube eher, meine Eltern haben den automatischen Wegweiser nicht abgestellt.“

Auf der obersten Sohle verließen sie den Fahrstuhl und traten in einen geschmackvoll eingerichteten Korridor in warmen Pastellfarben, der von der Nachmittagssonne effektvoll erhellt wurde.
„Mietsicherheit?“
„Die gegenüberliegende Wohnung gehört meinem älteren Bruder. Und ohne Siegel oder Erlaubnis aus der Wohnung kann hier sowieso niemand aussteigen. Es wundert mich, dass mein Siegel noch akzeptiert wird.“
„Wieso? Hast du gedacht, deine Eltern hätten dein Zimmer geräumt und deine Sachen zwischengelagert? Denkst du nicht, gerade dein Vater weiß, wie wichtig ein Zuhause für einen Raumfahrer ist?“
„Wohl gesprochen, Mylord.“ Der Mann aus dem Hologramm lächelte freundlich zu ihnen herüber, während seine Frau an ihm vorbei eilte und die Tochter in die Arme schloss. „Oh, mein Schatz, ich habe dich ja so vermisst. Warum hast du nicht Bescheid gesagt, dass du kommst? Dann wären deine Brüder nicht in die Hauptstadt ausgeflogen.“
„Tante Ellie, bist du das?“, rief eine helle Kinderstimme. Ein Mädchen von vielleicht sechs Jahren schoss aus der gegenüberliegenden Tür und flog der Kapitänleutnant entgegen. Sie umklammerte ihre Beine und jauchzte dabei vor Freude.
Eine junge blonde Frau kam hinterher, auf ihren Armen einen Jungen von vielleicht einem Jahr. „Hallo, Ellie. Den hier kennst du ja noch gar nicht, oder? Max, das ist deine Tante Ellie.“
Eleonor Rend hatte mittlerweile das Mädchen auf den Arm genommen und ließ sich von ihr drücken. So sah sie ihrer Schwägerin und dem jüngsten Familienmitglied entgegen. „Au, nicht an den Ohren ziehen, Susu. Hallo, Karen. Und du, kleiner Mann, bist also Maximilian?“
„Wir wollten eigentlich, dass du Pate wirst, aber…“
„Ihr habt ihn taufen lassen? Seit wann ist Mark denn zu den Christen übergelaufen?“
„Ist er nicht, das kann ich dir versichern. Aber er sagt immer, wenn man schon glauben muss, dann an die Religion mit den kleinsten Übeln.“
„Das ist aber der Buddhismus“, konterte Ellie, „und nicht das Christentum.“
„Ansichtssache, werte Schwägerin.“ Die beiden sahen sich an, dann lachten sie und vollbrachten das Kunststück, sich trotz der Kinder auf ihren Armen zu umarmen.
Nun endlich war ihr Vater an der Reihe. Stolz legte er eine Hand auf ihre Schulter. „Kapitänleutnant Rend. Es ist kaum zu glauben, in deinem Alter. Ein so hoher Rang und ein eigenes Schiff. Respekt, Respekt.“
„Danke, Vater“, murmelte sie, und das erste Mal seit sie Zuhause war, musste sie mit den Tränen kämpfen.
„Und der Herr ist?“, fragte Karen freundlich. „Dein Freund, Ellie?“
„Johann Armin Graf von Arling“, erklärte Ellies Vater, bevor Arling etwas sagen konnte, „Kommodore im Dienst des Kaisers und Ellies derzeitiger Vorgesetzter. Willkommen in unserem bescheidenen Heim, Mylord.“
„Kommodore also?“
„Kommodore hin, Kommodore her, wir sollten uns erstmal alle setzen. Es ist nicht nur für einen Grafen rüde, auf dem Flur stehen zu müssen. Muss ich einen Knicks vor Ihnen machen, Herr Graf?“
„Natürlich nicht, Madame. Und bitte, nennen Sie mich Han. Das tun alle meine Freunde.“
„So, so. Jetzt aber erst mal rein in die gute Stube. Kommst du auch, Karen?“
„Natürlich. Wer weiß wie lange Ellie diesmal zu Hause bleibt, da muss man doch jede Sekunde nutzen.“ Sie lächelte verschmitzt und ließ Arling und ihrem Schwiegervater den Vortritt.
„Graf Arling, ich…“
„Bitte Hauptbootsmann Rend, nennen Sie mich Han.“
„Hauptbootsmann a.D., und bitte nennen Sie mich dann Stuart.“
Die beiden Männer tauschten einen Händedruck aus, der die neue Situation besiegelte.
„Ich werde erstmal Kaffee kochen. Oder bevorzugst du Tee, Han?“
Ellie verschluckte sich fast, als ihre Mutter vollkommen zwanglos zum Du wechselte, als wären sie Jahrzehntealte Freunde.
„Kaffee ist gut, Madame.“
„Anusha. Nicht Madame. Ich bin gleich wieder da.“
Der Hausherr führte die Gruppe weiter in die Wohnung, während die Mutter in der Küche verschwand. Sie gingen bis in einen lichten, weiten Raum, der eine riesige Fensterfront zum Innenhof aufwies. Die großzügige Sitzgruppe ließ keine Platzprobleme zu und gestattete aus jeder Position einen guten Blick auf den Balkon.
„Bitte, setzen Sie sich, Han. Ist Kaffee wirklich in Ordnung, oder mögen Sie etwas handfesteres?“
„Wie wäre es mit einem du, Stuart?“
Der Mann erstarrte für einen Moment. Dann stahl sich ein Lächeln auf seine Züge. „Das ist… Nun, etwas unerwartet. Aber wenn Sie… Wenn du darauf bestehst, dann gerne, Han.“
„Ich bestehe darauf.“ Arling sah zu Ellies Schwägerin herüber und lächelte. „Das gilt für die gesamte Familie.“
„Hm. Der gefällt mir. Und er ist wirklich nicht dein Freund, Ellie? Der würde gut zu dir passen, finde ich.“
„Karen, bitte!“, mahnte sie.
„So, hier kommt der Kaffee. Ich musste leider den Instant für den Expresskaffeeautomaten nehmen. Ich hoffe, du verzeihst mir das, Han.“
„Keine Sorge. So schlecht wie in der Flotte kann er gar nicht sein“, scherzte Arling, und erntete dafür ein gutmütiges Kichern der Hausherrin.

Während Ellies Mutter den Kaffee einschenkte, spielte Arling nervös mit den Fingern. Er sah zu seiner Verlobten, aber sie schien sich noch nicht durchgerungen zu haben, wann die richtige Zeit gekommen war.
„Entschuldigt bitte, dass wir so überraschend hereinschauen. Ich hätte daran denken sollen, vorher anzurufen“, sagte Ellie kleinlaut.
„Was denn, was denn? Dies ist immer noch dein Zuhause, Ellie. Han, magst du Zucker oder Milch?“
„Nein, danke.“
„Trotzdem hätte ich dran denken sollen. Aber als ich gestern den Kaiser kennengelernt habe, da…“
„Du hast Robbie kennen gelernt?“ Ihr Vater sah sie abschätzend an. „Was war dein Eindruck von ihm?“
„Ein guter Mann. Ein sehr fröhlicher Mensch, sehr freundlich, höflich, und nicht auf dem Kopf gefallen.“ Sie dachte kurz nach. „Er hat ein enormes Wissen.“
Ihr Vater lehnte sich in seinem Sitzplatz zurück und lächelte sie an wie ein zufriedener Kater. „So, so. Dann hast du Robbie also wirklich persönlich kennen gelernt. Und ihm nicht nur die Hand geschüttelt.“
„Du kennst seine Majestät?“, fragte Arling direkt.
„Ich hatte die Ehre, ihm einmal den Hosenboden stramm zu ziehen, nachdem er seine Wachaufgaben vernachlässigt hat. Auch von einem Kadetten muss man an Bord eines Kriegsschiffs volle Leistung erwarten können.“
„Du hast dem Kaiser den Hintern versohlt? Wie roh“, tadelte seine Frau.
„Ich fand das humaner als das Erschießungskommando“, erwiderte ihr Mann trocken. „Danach habe ich ihn ein wenig unter meine Fittiche genommen und ihm ein paar Extrastunden gegeben. Ich denke, ich habe einen passablen Offizier aus ihm gemacht. Seinen Kapitänsrang hat er sich jedenfalls erarbeitet.“ In seiner Stimme klang deutlich der Stolz auf.
Arling grinste schief und gab vor, an seinem Kaffee zu nippen.
„Du kanntest die Geschichte schon, nicht wahr?“, folgerte Ellie. „Du hast sie von Robbie gehört, richtig?“
Arling setzte die Tasse mit Bedacht ab. „Ja. Er hat mir sehr bewundernd davon erzählt, was dein Vater für ihn getan hat. Allerdings hielt sich seine Begeisterung für die Prügel in Grenzen.“
„Dann kennst du den Kaiser ebenfalls näher, Han?“, fragte Stuart.
„Wir sind eine Zeitlang zusammen aufgewachsen. Man kann sagen, wir sind fast wie Brüder.“ Arling sah wieder zu Eleonor herüber. „Rate mal, warum ich dich auf mein Schiff geholt habe.“
„Vitamin B? Beziehungen? Weil ich die Tochter meines Vaters bin wolltest du mir einen leichten Dienst bescheren?“, folgerte sie trocken und beinahe emotionslos.
„Falsch. Weil Robert viel von deinem Vater hält hat er mich gebeten, das Potential seiner Tochter auszutesten. Er hat viel von dir erwartet, Ellie, und ich glaube, er wurde nicht enttäuscht.“
„Das… Kommt jetzt etwas unerwartet“, murmelte sie.
„Dann muss ich dir also zweimal danken und dich einmal tadeln, Han“, sagte ihr Vater. „Tadeln dafür, weil ich es als Vater nicht gutheißen kann, dass du meine Tochter dieser tödlichen Gefahr aussetzt. Und loben muss ich dich einmal als Vater, der froh ist, dass seine Tochter in so guten Händen ist und als Offizierskollege, weil sie einen so hervorragenden Lehrmeister hat.“
„Tadel und Lob sind angekommen“, erwiderte Arling mit einem Nicken.
„So, nachdem das geklärt ist“, sagte ihre Mutter und wischte alle weiteren Fragen, Nöte und Zweifel vom Tisch, „muss ich mal etwas fragen. Wie lange wirst du bleiben können, Ellie? Und sollen wir für Han das Gästezimmer fertig machen? Oder schläft er in der Kaserne?“
„H-hier schlafen? Darüber habe ich noch gar nicht nachgedacht.“
„Ach komm schon, Ellie. Die Kinder würden sich freuen. Und deine Brüder auch.“ Karen lächelte sie an. „Du wirst uns das doch nicht antun und deine wenige Zeit hin und her pendeln? Also,wie lange kannst du bleiben?“
„Nicht ganz zwei Wochen“, sagte Arling. „Dann treffen wir uns mit den anderen Offizieren der Schwadron auf B-King.“
„B-King?“ Stuart zog die Augenbrauen hoch. „Warum ausgerechnet diese Welt?“
„Nun, ich wohne dort.“
„Was? Bist du etwa mit Herzog Beijing verwandt?“
Arling unterdrückte ein amüsiertes Schmunzeln. „Herzog Beijing ist mein Vater, Stuart.“
„Das erklärt warum du mit Robbie aufgewachsen bist. Gandolf von Beijing ist fünfzehnter Thronerbe.“
Eleonor Rend wurde zunehmends blasser. „Ich sag es lieber gleich, bevor es nachher richtig Ärger gibt“, murmelte sie.
„Ärger? Warum das denn? Oh, Ellie, du willst doch nicht etwa wirklich in eine Kaserne ziehen? Bleib doch, bitte. Und ich verspreche dir, dass wir Han auch sehr gut unterbringen werden und…“
„Danke, Mom, aber das wird nicht nötig sein.“
„Du wirst ja wohl ein paar Tage daheim verbringen können“, schimpfte ihr Vater. „Du bist ohnehin kaum hier. Und Han kann sicherlich ein paar ruhige Tage vertragen. Immerhin weiß ich, dass er im letzten Gefecht schwer verletzt wurde.“
„Das meinte ich nicht, Vater. Han wird das Gästezimmer nicht brauchen.“
„Oh nein. Bitte sag mir nicht, dass er in einer Kaserne schlafen will. Ellie, rede doch mit ihm“, bettelte Anusha.
„Nein, das meine ich auch nicht. Mom, Dad, Karen, er wird in meinen Räumen schlafen.“
Sie erhob sich und langte nach Arlings gesunder Rechter. Dann zog sie ihn ebenfalls auf die Beine. „Wir sind verlobt“, sagte sie hastig und schloss die Augen im Angesicht des Donnerwetters, das sie erwartete.
Doch da war nichts, einfach nur Stille. Stille, Stille, Stille.
Vorsichtig öffnete sie die Augen wieder ein wenig. „Hallo? Sagt doch bitte was. Schimpft meinetwegen, aber sagt was.“
„Ich glaube, wir müssen dringend Sekt besorgen“, murmelte ihre Mutter. „In der Küche ist sicher noch welcher.“
„Meine Uniform. Ich muss meine Uniform sofort reinigen lassen. Wenn ich dich zum Altar führe, muss ich ja wohl gut aussehen“, sagte ihr Vater. Langsam erhob er sich.
Ihre Schwägerin sah sie an, erhob sich und legte fassungslos beide Hände vor ihr Gesicht. „Ich hätte nie gedacht, dass dieser Tag einmal kommen würde. Ich dachte wirklich, du…“ Übergangslos trat sie einen Schritt vor und schloss Ellie in die Arme. „Oh, ich gratuliere dir, Ellie. Ich freue mich so für dich.“
Stuart stand dem Grafen nun direkt gegenüber. „Hast du dir das gut überlegt, mein Junge? Du kennst sie, und das sogar besser als ich.“
„Es gibt keine andere für mich.“
„Dann willkommen in der Familie.“ Die beiden Männer schüttelten sich erneut die Hände.
„So, hier ist der Sekt. Und jetzt wollen wir dieses freudige Ereignis ordentlich begießen.“ Ellies Mutter drückte Arling zuerst ein Glas in die Hand und dann einen Kuss auf die Wange. Danach umarmte sie ihre Tochter.


4.
09.04.2613
Kaiserreich Katalaun
Montillon-System, vierter Planet Sanssoucci
Planetare Hauptstadt Neu-Berlin
Kasernenanlage des Raumhafens ADMIRAL ANGWARD

Die Geschichte der Raumfahrt war auch zugleich die Geschichte der Exo-Skelette. Oder um es mit modernen Worten zu sagen, die Geschichte der Mechas.
Die Tradition, Mechas im Weltall einzusetzen, ging bis auf prästellare Zeiten zurück, in denen die heroischen terranischen Raumfahrer in primitiven Exo-Skeletten auf der Nachtseite des Mondes Erze abgebaut hatten. Später hatte man Modelle modifiziert, um sie auch auf der Tagseite einzusetzen, ohne den Piloten tödlicher Gefahr in Form von Hitze oder Strahlung auszusetzen, und irgendwann einmal wurde ein solches Exo-Skelett mit aufgeschweißten Panzerplatten hochgerüstet, um während einer Arbeitermeuterei Barrikaden einreißen zu können.
Von diesen vergleichsweise simplen, ja, primitiven Modellen war man heutzutage sehr weit entfernt. Noch immer stellte die terranische Allianz die besten und am weitesten entwickelten Mechas her, aber das Kaiserreich Katalaun brauchte ihre in Massenfabrikation hergestellten Knights nicht unbedingt zu verstecken, im Gegenteil, denn in dieser Sektion der Galaxis war der Knight der führende Kampf-Mecha.
Diese und ähnliche Gedanken gingen Charles Monterney, frisch zum Oberst beförderter Mecha-Pilot, durch den Kopf, während er dabei zusah, wie ein Knight auf flammenden Düsen in den Mittagshimmel über dem Raumhafen aufstieg.
Die Rüster der Republik Yura-Maynhaus waren definitiv unterlegen, billiger konstruiert und schützten sich lediglich durch molekularverdichtete Panzerplatten. Die Knights hingegen hatten Impact-Schirme, wenn auch nicht besonders starke.
Ein anderer Knight weckte Monterneys Interesse. Die Maschine war schneeweiß lackiert worden und trug auf der linken Schulter das Wappen des Kaisers, den goldenen Adlerkopf mit der Platinkrone. Die darunter angebrachten Zahlen und Buchstaben bezifferten diesen Mecha als Maschine eines Mitglieds der kaiserlichen Leibgarde, einer Einheit, die sich hinter einer Frontklasse-Truppe nicht zu verstecken brauchte.
Dahinter war ein nachtschwarz lackierter Knight, bei dem man lediglich die Augen des Sensorkopf rot umrandet hatte. Markierungen fehlten völlig, und für einen Moment dachte Charly wirklich, es würde sich um die Maschine eines Ninjas handeln.
Das Kaiserreich kannte viele Kommandosoldaten, aber nur die besten, die allerbesten kamen zu den Ninjas. Mehrsprachigkeit, Pilotenfähigkeiten, Nahkampferfahrung, hohe allgemeine Bildung, ein akademischer Grad und eine Verpflichtungszeit von zwanzig Jahren waren nur einige der Anforderungen, die an einen Ninja gestellt wurden. Ein Ninja musste sowohl in einem Knight kämpfen können als auch als Infanterist. Dazu gehörte obendrein das Patent eines Schiffoffiziers. Die Plätze unter den Ninjas waren hochbegehrt, aber diese Einheit nahm nur wenige Neuzugänge auf. Ein Grund dafür war die geringe Sterberate der Truppe, selbst wie jetzt in Kriegszeiten. Nur ein weiterer Beweis dafür, welche Sorte Soldaten Teil dieser Einheit wurden.
Nun, er hatte sich nie für die Ninjas beworben. Er war weder ein passabler Infanterist noch hatte er die Qualifikation als Deckoffizier eines Raumschiffs. Er war den Knights verbunden, und das mit Leib und Seele. Er konnte Menschen führen, Wartungen organisieren, Nachschub verwalten und in seiner riesigen Maschine kämpfen, das hatte er oft genug bewiesen.
Drei weitere Knights erregten sein Interesse, weniger wegen ihrer unauffälligen Lackierung in Tarnfarben, sondern mehr wegen den Waffen, die sie in Händen hielten.
Im Gegensatz zu den anderen Reichen in der näheren Umgebung wie Yura-Maynhaus und die Diadochen, die Mechas einsetzten, variierte das Kaiserreich seine Modelle nicht. Der Knight war ein belastbares, vielseitiges Arbeitstier mit Einsatzmöglichkeiten in einer Atmosphäre, im Weltall und sogar bis zu einem Außendruck von einhundertsieben Bar, was den Einsatz in Wasser und Hochgravitationsatmosphären einschloss.
Deshalb hatten alle Knights einer Baureihe – natürlich gab es Überarbeitungen, Verbesserungen und dergleichen – ein identisches Äußeres. Sie waren grundsätzlich humanoid, achtzehn Meter hoch, hatten eine Schulterbreite von sieben Metern und an der stärksten Stelle mit Rückentornister einen Durchmesser von vier Metern.
Die Knights wirkten wie gedrungene Menschen in klobigen Rüstungen und verfügten über einen zentralen, wie ein Ritterhelm wirkenden Sensorkopf, in dem sich ein Großteil der passiven und aktiven Ortung befand. Natürlich gab es redundante Systeme. Aber die wirklich wichtige Eigenschaft des Knights war seine Bewaffnung. Es gab interne Waffen, zumeist Raketen oder Energiestrahler auf Tachyonen- oder Laser-Basis, und es gab die externen Waffen, die das breiteste Spektrum abdeckten. Magnetbeschleunigerwaffen, Klingenwaffen wie Schwerter, Äxte und Kampfdolche, Tachyonen- und Partikelgewehre, Laserwaffen, Lanzen, Speere, Projektilgewehre für Scharfschussmissionen, und, und, und.
Die Vielfältigkeit der Peripheriebewaffnung machte den Knight erst so gefährlich. Es gab offiziell einhundert für den Knight entwickelte Armwaffen und sieben verschiedene Schilde, die teilweise selbst über Offensivpotential verfügten.
Zusammen mit dem leichten energetischen Schutzschild und der molekularverdichteten Panzerung war der Knight ein ernstzunehmender Gegner für jedermann.
Innerhalb der kaiserlichen Infanterie rechnete man es wie folgt: Ein Knight nahm es mit zwei bis fünf Rüster oder vergleichbaren Maschinen auf. Im Generalstab war man von der Überlegenheit ihrer Waffe überzeugt.
Und er, Charles Monterney, würde bald über ein ganzes Regiment dieser effektiven Kampfmaschinen gebieten, dreihundert Knights. Dreihundert, verdammt. Und wenn er es lebend aus diesem Einsatz zurückschaffte, dann war für ihn der Generalslorbeer drin.
Oh, es würde eng werden auf den Startkatapulten, verdammt eng sogar, aber er hatte bereits in einer ersten Analyse festgestellt, dass es machbar war. Außerdem hätte Admiral Hohenfels ihm sicher kein Regiment zugeteilt, ohne zuvor die Platzfrage geklärt zu haben.
Die drei Camouflage-bemalten Knights erhoben sich auf ihren Plasmastrahlen in den Himmel. Die Tornister übernahmen dabei die Hauptgewalt, während die Beindüsen den Kurs stabilisierten. Einer der Knights brach abrupt aus dem Kurs aus, schlug einen halben Salto und feuerte seine Düsen auf Maximalstärke, was ihn abrupt stoppte. Für mehrere Sekunden hing die Maschine regungslos in der Luft, dann trat der Pilot die Düsen wieder durch und ritt hinter seinen Kameraden her, die weiterhin aufstiegen. Charles erkannte mit dem Blick des erfahrenen Soldaten, dass der andere Pilot gerade seine Maschine auf Herz und Nieren prüfte. Agilität war einer der großen Vorteile der Knights. In einer Atmospäre oder Flüssigkeit verdichteten sie angesaugte Luft oder Wasser, um es mit Reaktionsmasse aus dem Fusionsreaktor ultraheiß wieder auszuschießen. Auf der Plasmaschockwelle ritt ein Knight in diesem Medium; im eisigen All gab es kein entsprechendes Medium, dort manövrierte ein Knight ausschließlich mit dem Plasma-Ausstoß aus dem Fusionsreaktor.Aufgrund der geringen bis gar nicht vorhandenen Dichte benötigte der Knight nur einen Bruchteil der Kraft, die er in der Atmosphäre aufwenden musste und erreichte zugleich zwanzigfache Beschleunigungswerte. Damit alleine waren sie den Feindeinheiten schon weit überlegen, wie der Kriegsverlauf bewiesen hatte.
Leiser Donner klang zu Charles herüber, als die drei Knights im Formationsflug über den Raumhafen hinwegflogen und dabei die Schallmauer durchbrachen. Dann zogen sie nach Süden weiter, in Richtung einer großen Trainingsanlage der Armee.
Dreihundert von diesen Babies würden bald auf sein Kommando hören. Das war wie die Erfüllung eines Traumes, an den er zuvor nicht einmal gewagt hatte zu denken.
Warum war er also nicht froh?

Leise seufzend lehnte er sich gegen einen Container mit Nachschubmaterial. In zwei Wochen würde er auf B-King sein, seiner Heimatwelt. Und anderthalb Monate später wieder über Springe, der Depotwelt, in deren orbitalen Werften die Schiffe der Flottille repariert und hochgerüstet wurden. Es würde ein neues Katapultsystem eingebaut werden, das dreißig Prozent mehr Hangarplatz versprach. Es würde… Himmel, er würde Jamie befördern müssen. Mindestens zum Major, wenn man ihm genehmigte, den Mann als Stellvertreter zu behalten.

Ach, was machte er eigentlich hier? Er hätte längst in seinem Shuttle sitzen müssen, das ihn nach B-King brachte. Nach Hause. Stattdessen lief er auf dem Raumhafen herum und sah den Knights hinterher.
Gerade startete der Ninja. Die Bewegungen waren spartanisch, aber präzise. Der Pilot zog in die vorgeschriebene Starthöhe, bevor er für einen Moment verharrte, und danach in Ostrichtung davon zog.
Für einen Moment hätte Charles an einen Zusammenhang geglaubt, denn wenn er sich recht entsann, lag im Westen Place des ètoiles, die Vorstadt, in der Ellies Familie lebte. Mittlerweile sollten Ellie und Han dort angekommen sein, und Charly fragte sich ernsthaft, ob er als Rückendeckung nicht besser hätte mitkommen sollen. Immerhin kannten Stuart und Anesha ihn. Und er kam mit ihren Brüdern aus. So im Nachhinein fragte er sich wirklich, was er hier machte, wenn seine Freunde ihn doch augenscheinlich brauchten.
Aber dass der Ninja dorthin gestartet war, ordnete er unter Zufall ein.
Ja, was tat er hier? Er umgab sich mit seinen Knights, einem Thema, das er sicher beherrschte. Jedenfalls sicherer als enttäuschte Liebe, und die hatte ihn gerade völlig im Griff. Er hätte schreien mögen, laut und eindringlich schreien, zugleich war ihm nach heulen zumute. Konnte es eine schlimmere Kombination geben?
Was wohl Zachary sagen würde, wenn er Lucky Charly so sehen könnte? Der alte Mann hatte ihn stets wie einen Sohn behandelt, aber würde er die Verzweifelung des Jüngeren verstehen können? Die Kronprinzessin, ausgerechnet die Kronprinzessin, wie hatte er sich nur in so eine Frau verlieben können? Warum hasste das Universum so sehr?
Und wie lange würde er leiden müssen, bis er sie vergessen hatte? Immerhin, es war noch früh genug. Er hatte sie gerade einmal einen Abend erlebt. Sie hatte ihn umgerannt, sie beide hatten sich unterhalten, und das war es gewesen. Wie lange konnte dieses Gefühl andauern, dieses rasende Herz, wenn er an sie dachte? Das flattern im Bauch, die weichen Knie?
Eine Woche? Zwei? Einen Monat vielleicht? Oder womöglich für immer?
Quatsch, es gab keine Liebe auf den ersten Blick. Das war nur Begeisterung, jungenhafte Begeisterung für ein hübsches Mädchen, und die würde bald wieder vergehen.

„Oberst Monterey, Sir?“
Charles sah auf. Ein Oberleutnant der Flotte stand steif vor ihm. Er trug Dienstuniform und salutierte in seine Richtung.
„Ja, Oberleutnant?“
„Sir, Sie haben Ihren Kommunikator abgeschaltet.“
„Das ist richtig, Oberleutnant. Ich befinde mich auch offiziell im Urlaub.“
„Und Sie befinden sich abseits der öffentlichen Plätze, über die man Sie ausrufen kann.“
„Ich bin Knight-Pilot, und dies hier sind Knights. Ich erfülle die Sicherheitskriterien, um hier zu sein, wo ist also das Problem?“
„Sir, würden Sie bitte Ihren Kommunikator aktivieren?“
„Ist das eine dienstliche Anweisung?“
„Ja, Sir.“
Seufzend langte Charly in seine Uniformjacke und schaltete den schmalen Stift ein.
Der Oberleutnant, Cassidy stand auf seiner rechten Brust, aktivierte ein Kommunikationsholo und kontaktierte seine Hauptstelle. „Suche einstellen. Ich habe Oberst Monterney gefunden. Informieren Sie den Kaiser, dass der Oberst seinen Kommunikator wieder aktiviert hat.“
Charly erstarrte. „Haben Sie gerade so etwas gesagt wie informiert den Kaiser?“
„Sicher, Sir. Der Kaiser hat versucht, Sie anzurufen. Als das nicht funktioniert hat, ließ er Sie ausrufen. Und als das auch kein Ergebnis brachte, wurde eine Hundertschaft in Marsch gesetzt um Sie zu suchen. Gut, das ist erst fünf Minuten her und ich dachte mir schon, wo ich Lucky Charly finden kann.“
„Der Kaiser ließ mich ausrufen?“, fragte Charles erstaunt, Sekunden bevor sein Kommunikator anschlug. „Monterney.“
Vor seinem Gesicht entstand ein zweidimensionales Hologramm von Robert dem Fünften. „Charly, was machen Sie nur? Ich weiß ja, dass Sie im Urlaub sind, aber ich hätte schon erwartet, dass Sie den Kommi nicht ausschalten. Seien Sie froh, dass ich der Kaiser bin und Sie suchen lassen kann, sonst hätten Sie nie erfahren, dass Familie Rend Sie zur Verlobungsfeier ihrer Tochter heute Abend eingeladen hat.“
„Haben sich die beiden Feiglinge doch getraut?“, murmelte er amüsiert.
„Allerdings. Und die Eltern hatten nichts besseres zu tun, als eine Feier zu organisieren. Nichts großartiges, nur der engste Freundes- und Familienkreis. Und es ärgert mich maßlos, dass Sie über mir auf der Liste stehen, Charly.“
Der Mecha-Pilot wurde blass. „Sir, ich…“
„Na, ich werde das einfach mal darauf schieben, dass Sie eher zur Braut als zum Bräutigam gezählt werden und die Brauteltern einladen. Dann ist das verständlich, und ich brauche mich nicht zu ärgern. Hören Sie, Lucky Charly, ich hole Sie in einer Stunde ab. Ausgehuniform, oder wenigstens ein passabler Anzug sind befohlen.“ Seine Majestät runzelte die Stirn. „Charles, Sie haben doch einen Anzug oder eine vorzeigbare Uniform?“
„Selbstverständlich, Sir.“
„Dann sehen Sie zu, dass Sie in einen hineinkommen. Eine Stunde, haben Sie verstanden?“
Charles schmunzelte. „Jawohl, Sir.“
Na also, da hatte er doch schon eine Gelegenheit, seinen düsteren Gedanken zu entkommen.
***

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Schließlich und endlich hatte sich Charles für den Dienstanzug entschieden. Er hatte zwar den einen oder anderen Anzug im Gepäck, aber sie erschienen ihm alle zu leger für so eine wichtige Veranstaltung wie die Verlobung seiner beiden besten Freunde zu sein. Also hatte er den Ausgehanzug des Heeres angelegt. Er war weiß, war allerdings an den Taschen, auf den Schultern und auf der Beinlitze schwarz abgesetzt, was ihn den Bodentruppen zuordnete. Die Gala-Uniformen der Marine waren an den gleichen Stellen golden bei den Offizieren und silber bei den Mannschaftsdienstgraden bestickt.
Mit andächtiger Miene strich er sich über die linke Schulter, auf der seine Orden befestigt waren. Für sein junges Alter von nicht ganz dreißig Jahren waren die fünf Auszeichnungen und zwei Kampagnenbänder schon sehr viel, und er hatte nicht vor, den Platz auf seiner Brust lange frei bleiben zu lassen. Andererseits hätte er auch nichts dagegen gehabt, wenn der Krieg morgen überraschend vorbei gewesen wäre. Die Mitteilung seiner Majestät, dass sie nach verschleppten Bürgern des Kaiserreichs suchen würden, war ihm sehr sauer aufgestoßen. Der Konflikt dauerte schon lange genug, und irgendwann musst eine Staat doch auch mal zur Ruhe kommen, um seine Wunden lecken zu können. Rückführung der Bürger ins Reich, Wiederaufbau, Förderung von Versehrten und Witwen und Waisen, all das musste doch irgendwann einmal Priorität haben.
Als die Tür ohne anklopfen aufgerissen wurde, wusste Monterney, was die Stunde geschlagen hatte. Er verzichtete auf die Handschuhe, die zur Uniform getragen werden konnten, ebenso auf Dienstwaffe und Ziersäbel. Stattdessen griff er nach seiner weißen Schirmmütze mit dem Logo der Kaiserlichen Knight-Streitkräfte.
„SIR, SIR!“, rief der Eindringling außer Atem. „SIE GLAUBEN JA NICHT, WAS…“
„Was ist das denn für ein Benehmen, Matrose? Hat Ihnen niemand beigebracht, dass man anklopft, bevor man das Zimmer eines Vorgesetzten betritt?“
„JA, ABER SIR!“
„Junger Mann. Nun beruhigen Sie sich erst mal und holen Sie Atem. Dann sagen Sie mir, was Sie überhaupt von mir wollen.“
Der Mann atmete überrascht aus, wieder ein, setzte zum sprechen an und musste husten. Verlegen schöpfte er wieder Atem. „Seine Majestät ist im Innenhof gelandet, Sir, und hat nach Ihnen verlangt! Seine Majestät, Sir, der Kaiser!“
„Ach, dann ist er also da um mich abzuholen. Sehr gut.“
„Um Sie abzuholen?“, fragte der junge Bursche erstaunt.
„Ja, um mich abzuholen. Wir gehen zusammen auf eine Party bei gemeinsamen Freunden. Er hat mir angeboten mich mitzunehmen, dann brauche ich nicht selbst zu fahren und keinen Wagen der Fahrbereitschaft in Beschlag nehmen. Das ist doch ökonomisch, oder, Matrose?“
„N-natürlich, Sir. Das steht außer Frage, Sir.“ Verlegen und mit erster glimmender Bewunderung sah der Marine-Soldat ihn an.
„Na dann, ich will seine Majestät nicht warten lassen. Im Innenhof, sagten Sie, Matrose?“
„J-ja, Sir. Im Innenhof!“
„Gut.“ Die Schirmmütze in der linken Armbeuge verstaut verließ er seine Stube und betrat den Gang. Wie er erwartet hatte, erwartete ihn bereits eine mittlere Schiffsbesatzung, die ihn neugierig beäugte und die Fenster zum Innenhof der Kaserne belagerte.
Charles machte sich klar, dass bald die abenteuerlichsten Gerüchte über ihn kursieren würden, aber er hatte sich nichts vorzuwerfen. Alles was er dem Matrosen gesagt hatte, war die Wahrheit gewesen, die reine Wahrheit und nichts als die Wahrheit. Nur vielleicht etwas aus dem Zusammenhang gerissen.
Unter dem Raunen und vereinzelten Ehrenbezeugungen seiner Kameraden trat er auf den Innenhof unter die Kunstsonne des Raumhafens ADMIRAL ANGWARD.
Tatsächlich erwartete ihn die offizielle Schwebelimousine des Kaisers. Begleitet wurde sie von sechs blütenweiß lackierten Knights.
Souverän ging Charles auf den Kasernenhof hinaus und setzte seine Schirmmütze beim ersten Schritt mit vielfach geübter Präzision auf. Normalerweise machte er sich nicht die Mühe, die alte Präzision aus seiner Fähnrichszeit wiederzubeleben, aber diese Soldaten wollten eine Show. Und sie hatten eine Show verdient, verdammt.
Also schritt er, jeder Zoll ein erfahrener Feldoffizier, auf die Dienstlimousine seines obersten Feldherrn zu.
„Charles!“
Monterney zögerte nicht. Zögern bedeutete im Gefecht viel zu oft den eigenen Tod. Er ging weiter auf den Schweber zu, wenngleich die meisten seiner Sinne ihn auf Flucht trimmen wollten. Denn damit hatte er nun wirklich nicht gerechnet. Die junge Dame, die in der offenen Tür der Limousine stand und augenscheinlich ein leichtes Cocktailkleid trug, hatte nicht besonders viel gemeinsam mit der ungeschminkten jungen Frau mit dem unkomplizierten Pferdeschwanz, die er gestern getroffen hatte. Die hier trug das schulterlange Haar zu einer modernen Frisur aufgesteckt und hatte ein dezentes Make-Up aufgelegt, welches sie reifer und schöner aussehen ließ. Dennoch, über ihre Identität gab es keine Zweifel. Dies war zweifellos Elisabeth Roxane Prinzessin von Versailles, die derzeitige Thronerbin Nummer eins und Nichte des Kaisers.
Charly zauderte nicht, obwohl ihm die Beine plötzlich schwer wurden. Er wankte nicht, obwohl seine Schultern mit einem ganzen Knight beladen zu sein schienen. Er scheute nicht, obwohl er Angst davor hatte, ihr in die Augen zu sehen.
„Hoheit“, sagte er, als er den Wagen erreicht hatte, und verneigte sich bei diesen Worten leicht.
Ihre Augen leuchteten auf, als sie ihn sah, verblassten aber bei der förmlichen Begrüßung. „Oberst Monterney. Wer hätte gedacht, dass wir uns so schnell wiedersehen würden.“
„Und das zu so einem erfreulichen Anlass“, klang Roberts Stimme auf. Er trat nun ebenfalls vor den Wagen und reichte Charles die Hand. „Wer hätte je gedacht, dass dieser Tag kommen würde.“
In der Ferne wurde gejubelt. Die Fenster flogen auf, vereinzelt standen wagemutige Soldaten in den Türen. Robert lächelte. „Schade. Ich hätte gerne ein paar Worte gesagt, aber leider haben wir es eilig.“ Er trat einen Schritt an den beiden vorbei und salutierte in Richtung der Soldaten. Dies löste weiteren Jubel und Ehrenbezeugungen aus, der der Kaiser zufrieden entgegen nahm. Dann winkte er noch einmal in die Runde und stieg wieder in den Wagen. „Chimney, bitte notieren Sie, dass ich der Kaserne demnächst einen Besuch abstatten werde. Wenn meine verdammte Verwaltungsarbeit schon nicht für Fronttruppen reicht, dann vielleicht für jene, die in der Etappe ihre Kameraden unterstützen.“
„Jawohl, Majestät. Wäre in drei Tagen Nachmittags Recht?“ Der Sekretär seiner Majestät sah mit undefinierbarer Miene aus dem Fonds des Wagens hervor. „Früher geht leider nicht, weil ich unsere heutigen Abendtermine so kurzfristig umleiten musste.“
Robert lachte bei diesem versteckten Vorwurf. „Einverstanden. Und ihr zwei, wollt ihr mit zur Party oder soll ich euch allein lassen?“
Elise sah verlegen zu Boden. Charles spürte, wie ihm das Blut in die Ohren stieg. „Majestät, ich versichere…“
„Schon gut, nur ein Scherz. Einsteigen, bitte. Der nächste Halt ist die Rend-Residenz.“
Hastig bot Charles der Kronprinzessin den Arm um ihr beim einsteigen zu helfen. Danach betrat er selbst den geräumigen Fonds des Schwebers.
Als die Maschine startete, erhoben sich auch die Knights von ihren Positionen.

„Ich habe Robert schon von dem tollen Abend erzählt, den wir zusammen verbracht haben“, begann Elise und lächelte den Elite-Piloten freundlich an.
„So? Es freut mich, dass Eure Hoheit den Abend in guter Erinnerung hat.“
„Ich habe ihm auch von meinem kleinen Missgeschick am Umkleideraum erzählt, und wie souverän du damit umgegangen bist, Charles.“ Sie gluckste amüsiert, und selbst über die Miene seiner Majestät strich ein Lächeln.
„Sie ist halt ein richtiger Wildfang. Wie diese Frau jemals die Militärschule erfolgreich abgeschlossen hat ist mir ein Rätsel. Also, ich habe jedenfalls nicht befohlen, dass man dich bestehen lassen soll, Elise.“
„Das wäre ja auch noch schöner. Das habe ich alles aus eigener Kraft geschafft“, sagte sie in einem wehmütigen Ton. Ihr verzweifelter Blick bat Robert, sie nicht zu sehr zu triezen.
„Soweit ich weiß hat auch seine Majestät seinen Rang durch eigene Leistungen erreicht“, warf Charly ein. „Allerdings durch eine nicht ganz rechtmäßige Feldbeförderung während des Angriffs auf die Somona-Piraten.“
„Wärm das bitte nicht wieder auf, Charles“, brummte seine Majestät ernst. „Ich bin froh, wenn das in Vergessenheit gerät.“
„Nun, Majestät, es gibt keinen Grund dafür, diesen Akt der Bravour in Vergessenheit geraten zu lassen. Stattdessen sollte man die Situation an der Offiziersschule als Musterbeispiel in den Lehrplan aufnehmen.“
„Jetzt bin ich aber neugierig. Charles, was genau ist damals passiert?“
„Also, ich kann das ja wohl am besten erzählen, oder? Immerhin war ich dabei.“ Seine Majestät sah missmutig zu der Frau herüber, die seine kleine Schwester sein konnte, aber seine Nichte war. „Ich war Zweiter Offizier auf der BRETAGNE während des Einsatz gegen das Piratennests der Somona-Koalition. Es kam eben wie es manchmal kommen musste, mein Kommandierender Offizier fiel aus. Kurz darauf fiel auch der Erste Offizier aus, und ich übernahm das Kommando. Nach der Schlacht wurde ich von Admiral Hohenfels für die Dauer der Rekonvaleszenz meines Kapitäns temporär zum Kapitän befördert. Tja, wie das Leben so spielt begann danach die Revolution der Herzen gegen Frederec, und ein halbes Jahr später saß ich auf dem Thron. In dieser Zeit hat niemand daran gedacht, mir meinen temporären Rang wieder abzuerkennen, und als ich Kaiser wurde, wurde aus der temporären Beförderung eine permanente. Das ist die ganze Geschichte.“
„Aber du hast sie dir doch verdient, oder, Robert?“
Seine Majestät lachte auf. „Ich hoffe es doch. Wirklich, ich hoffe es.“
„Was seine Majestät verschweigt“, sagte Charles und lächelte dabei dünn, „ist die Tatsache, dass im Stützpunkt der Somona-Piraten hauptsächlich Frauen, Kinder und Halbwüchsige vertreten waren. Diese Menschen lebten schon seit mehr als hundert Jahren auf diese Weise und hatten ihre ganz eigene Kultur entwickelt, die hauptsächlich aus nehmen und schmuggeln bestand.“
Erschrocken sah Elise den Kaiser an. „Ihr habt gegen Kinder gekämpft?“
Charles lachte rau auf. „Entschuldigt, Hoheit. Ich habe meine Worte falsch gewählt. So entsteht ja der Eindruck als hätte die Flotte Zivilisten abgeschlachtet. Nein, im Gegenteil. Sein Skipper verfolgte einen recht harschen Kurs gegen die Piraten. Und dabei sah der alte Mann einfach nicht ein, dass es auch in dieser Volksgruppe Nichtkombattanten gab. Seine Majestät hingegen bewies Einfühlungsvermögen und Fingerspitzengefühl. Er hat es nicht nur geschafft, den gewalttätigen Konflikt zu beenden, er hat die Somona-Piraten sogar ins Reich integriert. Denn eigentlich sind es ganz hervorragende Raumfahrer, die ihr Handwerk von Kindesbeinen an lernen. Da sie permanent im Weltraum leben, davon eine große Zeit in Schwerelosigkeit, verlassen sie ihre Refugien und Schiffe fast nie. Aber jene die es doch tun, und die in der Flotte dienen, haben einen exzellenten Start, sagt man.“
„Charles, musstest du mich so erschrecken? Ich dachte für einen Augenblick, du willst mir erzählen, Robert wäre ein Kriegsverbrecher.“ Mit gespieltem Zorn knuffte sie den Mecha-Piloten gegen die Schulter.
„Wenn er es getan hätte, hätte er jedes Recht dazu gehabt“, sagte Robert verstimmt. „Es mag sein, dass ich es besser gemacht habe, als ich die Kommandogewalt hatte. Aber bis zu diesem Punkt habe ich die Befehle meines Kapitäns buchstabengetreu ausgeführt. Das beinhaltete auch die Verhaftung und Isolierung aller männlichen Somona-Mitglieder ab einem Alter von zwölf Jahren. Wir waren nicht grausam, aber auch nicht gerade sehr nett.“
„Dennoch, Majestät. Ihr habt einen besseren Job gemacht. Einen sehr viel besseren Job. Und genau deshalb sollte man dieses Beispiel nicht verschwinden lassen.
Was ist eigentlich genau mit dem Kapitän passiert, Majestät? Offiziell ist nur bekannt, dass er für mehrere Monate ausgefallen ist und dann seinen Abschied nahm.“
Robert lächelte düster. „Er… stürzte durch eine ungesicherte Pforte und fiel eine Treppe hinab. Er kam sehr unglücklich auf und musste mehrere Wochen in einem künstlichen Heilkoma gehalten werden.“
„Wie praktisch.“
„Das war es in der Tat.“
„Und der Erste Offizier? Was ist mit ihm passiert?“
„Nervenzusammenbruch durch Überlastung. Der Bordarzt hat ihn dienstuntauglich geschrieben und ihn isolieren lassen. Damit seine Nerven wieder zur Ruhe kamen.“
„Es freut mich, dass bei all dem Pech mit den vorgesetzten Offizieren ein Mann wie Ihr bereit stand, um die Arbeit zu Ende zu führen. Und weit besser, wie ich betonen möchte.“
„Wenn du noch eine Beförderung willst, Charles, musst du dich aber etwas mehr anstrengen. Solche offensichtlichen Schmeicheleien reichen noch nicht.“
„Darf ich mir einen Augenblick nehmen, um das Wort Schmeichelei nachzuschlagen? Es gehört nicht zu meinem geläufigen Wortschatz“, erwiderte Monterney nonchalant.
„Interessant. Wirklich interessant, Lucky Charly.“
„In der Tat, Majestät.“
„Wieso habe ich das Gefühl, dass eure Worte doppelte und dreifache Bedeutungen haben? Schließt mich nicht aus, Jungs.“
Der Kaiser löste seinen Blick von Charles und sah für einen Moment eindringlich zu seiner Nichte herüber. „Themawechsel. Was läuft da eigentlich zwischen euch beiden?“
„Majestät?“
„Tu nicht so unschuldig, Charly. Du wirst doch nicht etwa ernsthaft versuchen, die Prinzessin von Versailles anzuflirten.“
„Robbie!“, tadelte Elise und errötete leicht. „Privat bist du so diplomatisch wie ein Schwerer Kreuzer beim einparken!“
Charles Monterney gab sich einen sichtbaren Ruck. „Ich denke, die Warnung kam an, Majestät.“
Robert runzelte die Stirn. „Wie bitte?“
„Ich habe verstanden, Majestät.“
„Charly, ich bin nicht sicher, ob…“, begann der Kaiser, wurde aber vom Oberst unterbrochen.
„Majestät. Von Mann zu Mann. Ich habe verstanden.“
„Das klingt ja gut, denn ich habe es anscheinend nicht wirklich verstanden.“
„Ihr zwei schließt mich ja schon wieder aus. Worum geht es?“
„Nur um euch, Hoheit, und die Ehre, heute Abend euer Beschützer sein zu dürfen.“ Charles verbeugte sich so galant, wie man es im sitzen konnte. Dazu lächelte er nichtssagend.
Genauso gut hätte er der jungen Frau auch einen Kübel Eiswasser in den Nacken kippen können. Ihre Enttäuschung bei der Erkenntnis, was hier gerade geschah, sprach Bände.
Wieder runzelte der Kaiser die Stirn. Doch dann entschied er sich, dass es das beste für den Augenblick war, den Mund zu halten.
***
„Eure Majestät, es ist mir eine Ehre, euch in meinem Haus willkommen zu heißen.“ Herzlich breitete Stuart Rend die Arme aus, und Robert der Fünfte folgte der Einladung willig. Ebenso herzlich umarmte er den Älteren. „Es tut gut, dich endlich einmal wiederzusehen, Onkel Stuart. Ich wollte dich schon lange mal besuchen kommen, aber irgendwie war es den Aufwand nie so richtig wert.“
„Mit Aufwand meinst du sicherlich die fünf Knights, die unauffällig über die Stadt verteilt sind, oder?“, spöttelte Eleonors Vater milde. „Das ist meine Frau Anusha.“
Der Kaiser verbeugte sich über ihrer Hand und hauchte einen Kuss darauf. „Es ist mir ein besonderes Vergnügen, die bessere Hälfte meines alten Lehrmeisters kennen zu lernen. Ich kann wirklich sagen, durch seine Schule ist es mir erst gelungen, so schnell zum Kapitän aufzusteigen. Und wäre mir das verflixte Kaiseramt nicht dazwischen gekommen, dann wäre ich jetzt schon Admiral der Flotten.“
„Es ist mir eine Ehre, euch kennen zu lernen, Majestät. Sie brauchen meinen Mann nicht derart zu loben. Ich weiß auch so, was ich an ihm habe.“ Die beiden lächelten sich an, und Robert verstand, was sie damit hatte sagen wollen.
„Meine Begleiter. Ich muss ihnen beiden Lucky Charly ja wohl kaum vorstellen.“
„Natürlich nicht. Immerhin habe ich ihn lange Zeit für den heißesten Anwärter auf den Posten als meinen Schwiegersohn betrachtet. Schön, dass du kommen konntest, mein Junge.“
„Was soll ich sagen, Stuart, der Kaiser hat mir keine Wahl gelassen. Hallo, Anusha. Fabelhaft siehst du heute aus. Ach, Stuart, das mit dem Witze machen üben wir aber noch, ja? Schwiegersohn, der war überhaupt nicht gut.“
Hauptbootsmann a.D. Rend starrte den jungen Mann eine Zeitlang an und winkte dann ab. „Was auch immer. Robert, wer ist deine hübsche Begleiterin? Die werde ich kaum zu meinem zukünftigen Schwiegersohn lassen können, sonst ist ja das Glück meiner Tochter in Gefahr.“
Elise lachte über den Scherz – es war doch ein Scherz gewesen, oder? Sie ergriff die Hand des stämmigen Mannes und drückte sie fest. „Keine Sorge, ich bin Hans Cousine. Außerdem interessieren mich Männer nicht, die ich schon mal in ihrem Bärchenschlafanzug gesehen habe.“
„Wann war das denn? Vor fünfzehn Jahren, als du auf B-King bei Hans Vater gelebt hast?“, hakte der Kaiser nach. „Oder letzte Woche?“
Die Anwesenden lachten, und Elise nutzte die Gelegenheit, mit der Hausherrin Küsschen auf die Wange auszutauschen. „Eine Verwandte von Johann gehört natürlich zur Familie“, sagte Anusha Rend strahlend und so selbstsicher, dass sich jeder Widerspruch von selbst verbot. „Kommt, gehen wir rein, das glückliche Paar wartet sicher schon auf uns. Und Stuart möchte sicherlich die Zeit nutzen, um noch ein paar Worte mit seinem obersten Dienstherren zu wechseln.“
„Dann lasst uns keine Zeit verlieren.“ Galant, aber auf eine ernüchternde Art bot Charles den beiden Frauen je einen Arm und geleitete sie vom Gang in die Wohnung.

Robert und der alte Rend wechselten einen kurzen Blick, dann deutete der Vater der Braut auf die bequeme Sitzecke. „Mach nur. Du hast alle Zeit der Welt.“
Dankbar nickte der Kaiser, nahm Platz und aktivierte sein Kommunikationsholo. „Bericht.“
„Sicherheitsdienst. Der Bereich um die Rend-Residenz wird von dreißig Soldaten, fünfzig Polizisten, zehn Zivilfahndern und neun Hawks abgesichert. Des Weiteren wurde die Fregatte YORKTOWN in einen stationären Orbit über Place des étoiles postiert, um Angriffen von Flugzeugen und Raumschiffen vorzubeugen.“
„Sekretariat. Update zum Krieg wird verschickt. Zusammenfassung von Admiral Hohenfels lautet: Mach dir keine Sorgen und feier schön. Keine gravierenden Veränderungen.“
„Geheimdienst. Die Terrorgruppe Heiliger Krieg mit fünfzig aktiven Mitgliedern, aufgeteilt in neun separate Zellen, konnte heute ausgehoben werden. Wir rechnen mit fünfhundert Sympathisanten und einem Netzwerk als Hintermännern, das aus einflussreichen Personen aus Wirtschaft und Politik besteht. Wir arbeiten daran. Überdies beobachten wir zwei autark operierende acht Mann-Zellen, die in der Nähe des Kaiserpalasts operieren. Verbindungen zu fünf niederrangigen Bediensteten des Palasts konnten nachgewiesen werden, bedeuten aber nicht automatisch subversive Tätigkeiten der Betreffenden. Wir gehen der Sache nach.“
„Computerverwaltung. Majestät, wir haben innerhalb der frei zugänglichen Datennetze ein erhöhtes Interesse an folgenden Suchbegriffen festgestellt: Elise, Elisabeth von Versailles, Versailles, Nachfolge, kaiserliche Nachfolge und Robert der Fünfte. Weitere achtzig Begriffe wurden ebenfalls erhöht abgefragt, sind aber nicht in Zusammenhang mit seiner Majestät zu bringen.“
„Noch mal Sekretariat. Anweisungen, Majestät?“
„Nicht zu diesem Zeitpunkt. Ich melde mich in drei Stunden noch einmal. Gute Arbeit. Ich danke ihnen allen dafür.“
Seufzend deaktivierte der Kaiser das Hologramm wieder. „Verdammt, wenn ich gewusst hätte, was für ein Haufen Arbeit damit verbunden ist, dann hätte ich diesen Scheiß Job nie angenommen.“
„Hättest du doch. Weil ich dir was beigebracht habe?“, tadelte Rend.
„Wenn man vor seiner Verantwortung flieht, übernehmen schlechtere Männer und Frauen meine Aufgaben. Und schlechtere als ich leisten schlechtere Arbeit. Schlechtere Arbeit bedeutet negative Folgen für jene, die mir unterstellt sind.“
„Und das gilt genauso für einen Offiziersposten wie für das Kaiseramt.“ Rend deutete auf den unauffälligen Kommunikator. „Entschuldige das ich mitgehört habe. Was ist das für eine Gruppe, der Heilige Krieg?“
„Mir liegen nicht alle Fakten vor, aber sie besteht vor allem aus jungen Menschen, die an religiös motivierten Schulen rekrutiert werden. Sie sind der festen Auffassung, dass nur ein christlich durchdrungener Staat, der ausschließlich von Menschen bewohnt wird, in dieser feindlichen Umgebung bestehen kann.“
„Rassisten“, stöhnte Stuard Rend.
„Schlimmer. Rassisten mit Endzeitvisionen. Und im Moment haben sie enormen Zulauf. Immerhin führen wir auf der anderen Seite des Reichs mit Jemfeld und Zyrrtek Krieg, und beide Reiche sind – mit Verlaub – Alien-Reiche.“
Stuart sah den Kaiser streng an. „Robert, habe ich dir nicht beigebracht, dass es genau diese Art Bezeichnung ist, mit der Rassismus anfängt? Nenn sie fremde Kulturen, Nichtmenschliche Kulturen, aber nicht Aliens. Das ist ein Schimpfwort. Ich weiß, du meinst es nicht so, aber wenn der Kaiser dieses Wort in den Mund nimmt, macht er nicht nur das Wort salonfähig, sondern auch alles, wofür es steht.“
„Du hast ja Recht. Hast du eine Ahnung, unter welchem Druck ich stehe? Ich kann nicht immer auf das achten, was ich sage.“
„Das solltest du aber. Und anscheinend reicht der Druck nicht aus, um auf deine Spielwiese zu verzichten, auf die du dich nach jeder Feier erst einmal zurückziehst.“
„Manchmal muss ich einfach unter Freunden sein, sonst bringt der Job mich noch um. Danach ertrage ich den Druck einfach viel besser. Oder kannst du mir eine Methode nennen, wie ich den Stress los werde?“
Rend hob an zu sprechen, aber der Kaiser winkte ab. „Oh, ich weiß was jetzt kommt. Ich weiß es. Aber nein, ich bin noch zu jung zum heiraten! Außerdem werde ich niemals freiwillig eine junge Frau diesen Haien und Aasgeiern aussetzen, die sich Reporter und freie Presse schimpfen. Wem soll ich das denn antun?“
„Du solltest sogar noch mehr tun und endlich einen Erben in die Welt setzen. Meinst du nicht, dass Elisabeth davon am meisten profitieren würde?“
„Und das arme Kind wäre vom ersten Tag an in einer persönlichen Hölle. Warum rätst du mir so etwas?“ Tadelnd sah der Kaiser den Unteroffizier an.
„Weil dir beides gut tun würde. Eine Frau, ein Kind. Etwas Entlastung von der Presse, mehr Reputation vor dem Rat und dem Parlament. Robert. Sieh es doch ein. Du brauchst etwas verlässliches Glück. Du kannst deine Spielwiese doch ruhig behalten, aber teile sie mit jemandem. Sieh mich an. Ich war erst komplett, als ich geheiratet hatte und mein Ältester unterwegs war.“ Vertraulich legte Rend eine Hand auf die Schulter des Kaisers. „Vertrau mir einfach, so wie immer.“
„Und woher nehme ich jemanden, der verrückt genug ist, sich ausgerechnet diese Arbeit anzutun? Eher finde ich eine sichere Passage durch das nächste Schwarze Loch. Nein, das ist falsch formuliert. Wo finde ich jemanden, der diesen Job auch nur einen einzigen Tag überlebt?“
„Vielleicht nicht auf dieser Welt, Majestät. Aber euer Reich umfasst hunderte Systeme.“
Robert lachte rau. „Was soll ich machen? Glasschuhe verteilen und sehen wem sie passen? Einen großen Ball für alle nichtverheirateten Frauen des Reichs geben und mir aus ihnen eine aussuchen? Oder soll ich durch ein paar Innenstädte gehen und mir solange Passanten ansehen, bis mir eine gefällt?“
„Die letzte Idee gefällt mir am besten“, sagte Rend mit sanfter Stimme. „Aber sieh es ein. Du kannst nicht ewig im gestern bleiben. Du kannst nicht ewig um deine Eltern trauern. Und du darfst nicht immer sagen, du willst keine Kinder, weil du nicht möchtest, dass sie so traurig aufwachsen wie du.“
Der Kaiser beugte sich vor und legte sein Gesicht in beide Hände. Müde rieb er sich die Augen. „Es gab da mal jemanden. Eigentlich der perfekte Kandidat. Oh, ich war so verliebt. So verdammt verliebt. Aber es hat nicht sein sollen.“
„Was ist passiert?“
„Ich ging zur Offiziersschule, und sie ging zurück in das ferne Sternensystem, aus dem sie gekommen war. Oh, ich war so ein Idiot. Ich kenne nur ihren Vornamen, ihren einfachen Vornamen.“
„Na, na“, tadelte Rend und klopfte nun stärker auf den Rücken des Kaisers. „Was einmal klappt, klappt auch ein zweites Mal. Du wirst dich sicher wieder verlieben. Wichtig sind dann aber zwei Dinge: Erstens, das Gefühl nicht von dir fort zu stoßen. Und zweitens, gehe es langsam an und handle nicht überstürzt. Schließlich soll es zweihundert Jahre halten, oder?“
Der Kaiser schnaubte unterdrückt. „Und du willst wirklich nicht mein persönlicher Berater werden, Stuart? Überleg es dir. Dienstwagen, tolles Gehalt, eigenes Büro, eigene Mitarbeiter.“
„Ich bin mit meinem jetzigen Job mehr als zufrieden, mein Junge.“ Rend erhob sich. „Komm, wir gehen rein, bevor Han und Ellie uns vermissen.“

Nach einer herzlichen Begrüßung, und nachdem die anderen Gäste ihre Scheu vor dem prominenten Ehrengast abgelegt hatten, verteilte sich die improvisierte Party über die ganze Wohnung, also beide Stockwerke und dem Balkon.
Der Kaiser fand sich schnell dort wieder, ein Glas Sekt in der Hand, in Konversation mit Eleonor Rend und mit einem wundervollen Blick auf den Innenhof. Über ihnen funkelten vereinzelte Sterne, aber das größte Leuchten ging von der Fregatte aus, die ab und an die Manöverdüsen feuerte, um den stationären Orbit zu bewahren.
Ellie deutete mit ihrem eigenen Glas nach oben und fragte: „Schutzengel?“
„Einer von vielen, Ellie. Vielleicht hast du ihn noch nicht gesehen, aber im Innenhof ist auch einer.“ Seine Majestät deutete hinab, in eine Baumgruppe, wo sich erst auf dem zweiten Blick ein Schatten abhob.
„Wow. Steht da ein Knight?“
„Ein Ninja. Einer von meiner persönlichen Garde. Du kannst sagen einer von den besten, die wir an der Front dringend brauchen würden, die aber für meine Sicherheit sorgen müssen, weil es genügend Idioten gibt, die glauben meinen Job besser machen zu können als ich.“
„Ein Ninja gleich.“ Ellie pfiff anerkennend. „Ich habe mal mit dem Gedanken gespielt mich zu melden.“ Sie sah auf und Schalk glomm in ihren Augen. „Aber mein Schwanz war zu kurz.“
Seine Majestät erlaubte sich ein verlegenes Hüsteln, während Eleonor Rend über ihren eigenen Witz kicherte. „Ma´am, wenn Sie erlauben, werde ich den weitererzählen – an die Kommandantin der Ninjas.“
„Kommandantin? Ehrlich? Ich dachte nur Männer werden da Mitglied.“ Sie kicherte erneut. „Tschuldigung. Entschuldigung, Robbie, aber das ist nicht mein erster Sekt. Und wenn ich dieses Zeug trinke, dann falle ich immer in meinen Kameradenjargon.“
„Ist schon in Ordnung. Wir sind ja unter uns.“
Ellies Miene wurde nachdenklich. Verlegen spielte sie mit dem Stiel ihres Glases, während sie seine Majestät betrachtete. „Ich glaube, ich verstehe jetzt erst richtig, was du ertragen musst, Robbie. Mein Job ist schon schwer, aber du…“
„Denk nicht drüber nach, Eleonor Rend. Dies ist deine Verlobungsfeier, und ich will dich fröhlich sehen, sonst ist Han nicht fröhlich, und wenn er nachforscht warum du nicht fröhlich bist, kommt er zu mir, und ich kriege wieder eine Kopfnuss.“
Ellie lachte und verschüttete dabei fast ihr Getränk. „Das war ja auch ein Bild für die Götter.“
„Ich hoffe, du erzählst das nicht weiter. Vor allem deinen Brüdern nicht. Sie sind ja nett, aber die Geschichte mit der Kopfnuss wäre ein gefundenes Fressen für sie.“
Ellie nickte ernst. „Ja, das würde Han in ihrer Achtung ellenweit hochschnellen lassen.“
„Oh. In dem Fall müssen wir es ja erzählen“, scherzte der Kaiser.
„Besser nicht. Das gönne ich ihnen nicht, diesen ekligen Halunken.“ Sie stürzte ihr Glas und sah den Kaiser mit bitterer Leidensmiene an. „Weißt du was die beiden veranstaltet haben als sie nach Hause gekommen sind? Witze haben sie gerissen. Mark hat gesagt, dass sie mich dann ja doch nicht ungeöffnet zurück schicken müssen, und Gerrit hat Han gefragt, ob er wirklich so verzweifelt ist, um ausgerechnet mich zu heiraten. Und sowas schimpft sich dann großer Bruder.“
„Du meinst die gleichen Brüder, die den ganzen Abend schon von ihrer Schwester und ihrer kometengleichen Karriere schwärmen?“
Ellie nickte.
„Die Han auf die Schulter klopfen, mit ihm lachen und scherzen und heitere Anekdoten zum besten geben?“ „Äh…“
„Und die schon zweimal auf dein Schiff geprostet haben?“ „Äh, ja…“
Der Kaiser schmunzelte. „Dann lass sie doch ihre Witze machen. Sie waren wohl einfach nur erstaunt darüber, dass du entgegen ihrer Erwartungen doch noch einem Mann die große Ehre gewährst, dich zum Altar zu führen. Und nebenbei, Johann Armin Arling ist nicht gerade die schlechteste Partie. Er ist immerhin Kommodore, Ellie.“
„Von deinen Gnaden.“
„Natürlich von meinen Gnaden. Kein Offizier wird ohne kaiserliches Siegel befördert. Aber ich hätte aus ihm einen Konteradmiral gemacht. Stattdessen wurde er Kommodore. Daran kannst du sehen, wer bei den Beförderungen das sagen hat. Ich oder Miranda.“
„Kommt ihr langsam mal wieder rein?“, sagte ein fröhlicher Mark Rend und winkte von der Tür. „Elise will einen Trinkspruch für Han und Ellie halten.“
„Na, da müssen wir wohl.“
„Moment noch.“ Ellie beugte sich über die Brüstung des Balkons und winkte in Richtung des Ninjas. Dabei bewegten sich ihre Lippen. Als sie sich wieder aufrichtete, wirkte sie sehr zufrieden.
„Was sollte das denn, Kapitänleutnant Rend?“
„Na, ein Ninja wird ja wohl Lippen lesen können, oder?“ Sie schmunzelte. „Ich habe ihm oder ihr für die aufopfernde Arbeit gedankt.“
„Ich verstehe immer mehr, warum dir Han mit Haut und Haaren verfallen ist“, murmelte Robert nachdenklich und ging den Geschwistern hinterher.

Arling erwartete den Kaiser bereits. Ihre Blicke trafen sich, danach ging der Blick des Grafen durch den Raum und blieben an einem Mann in Gala-Uniform hängen, der nicht zu den Gästen gehörte. Robert verstand. Die Arbeit hatte ihn wieder. Er seufzte und setzte sich in Richtung des Kuriers in Bewegung. Dabei lächelte er in die Runde, tauschte mal hier, mal da ein Nicken aus, und bekam so erst spät mit, dass der Mann ein goldenes Kreuz aus seinem Kragen zog und es mittig küsste. Dann fixierte er Elise und zog den Ziersäbel, der zu seiner Uniform gehörte.
Robert wurde es heiß und kalt zugleich. Im Raum waren keine Leibwächter, er hatte es nicht für nötig empfunden. Niemand, der nicht tausendfach gecheckt worden war, hätte es je auf dieses Stockwerk geschafft. Allerdings dieser Mann, der – wenn er ehrlich war – ihm vollkommen unbekannt war. Und Elise ahnte nichts, war in Plaudereien mit Gerrit vertieft. Dann sah sie ihn an, lächelte, wollte ihr Glas heben, als der Offizier den Säbel schon halb hervor gezogen hatte.
Dann ging alles ganz schnell.
„Uuuuups! Das tut mir jetzt aber Leid, junger Mann. Ich wollte Sie nicht umrennen!“ Charles Monterney stand über dem Offizier, der sich plötzlich am Boden wiedergefunden hatte, und tätschelte ihm die Wange. „Wo habe ich Sie denn getroffen, junger Mann? Die Kehle? Das Kinn?“ Grinsend zog er Säbel und Futteral vom Gürtel des Offiziers. „Das machen wir besser mal ab, sonst verletzen Sie sich noch beim aufstehen. Können Sie das? Aufstehen, meine ich?“
Der Mann sah verwirrt hoch, wollte sich aufrichten, da sauste aber schon Charlys gestreckte Rechte heran und traf ihn auf die Nase. Sie brach mit einem unheilvollen Knirschen.
„Und jetzt ist er ganz in Ohnmacht gefallen. Tut mir Leid, man sollte bei einem Mann von meinem Format eben nicht unnötig im Wege herum stehen.“ Er lächelte in die Runde. „Sorry, Han. Ich bring den Bengel mal an die frische Luft, ja? Scheint als würde er Erwachsenenatmosphäre nicht so gut vertragen.“ Mit diesen Worten lud er sich den Bewusstlosen auf die Schulter und ergriff den Säbel mit der Rechten. „Bin gleich wieder da.“
Entsetzt stellte Robert fest, dass er vergessen hatte zu atmen. Aufgelöst und überhaupt nicht kaiserlich eilte er auf seine Nichte zu, und schloss sie in die Arme. „Robert, was ist denn? Willst du nicht lieber den beiden nachgehen? Der Kurier war doch bestimmt für dich hier, und dann hat Charles ihn so rüpelhaft behandelt.“
„Später, mein Schatz.“ Er unterdrückte das Zittern seiner Hände. „Jetzt lass mich dir dafür danken, dass du einen Trinkspruch auf unseren Han ausbringen willst.“
„Ach, dafür war das. Hat seine Majestät schon etwas zuviel getrunken und wird leutselig?“
„Was auch immer. Euer Spruch bitte, Elisabeth von Versailles.“
Die Prinzessin lächelte gezwungen. Sie verstand nicht ganz was gerade passiert war, aber sie war Profi genug, um das zu überspielen, wie die meisten Menschen, die gezwungen waren, ihre Leben in der Öffentlichkeit breitgetreten zu sehen.
„Ellie und Han. Ich habe eigentlich keinen Spruch, sondern einen Befehl: Kommt gefälligst beide gesund wieder nach Hause und setzt dann eine Fußballmannschaft Arlings in die Welt.“
„Rends!“, beharrte Gerrit und stürzte sein Glas die Kehle hinab. „Wenn, dann wird eine Fußballmannschaft Rends gezeugt. Wenn sie danach noch Lust und Zeit haben, können sie ja meinetwegen an Arlings arbeiten.“
Die Gäste lachten über den Scherz und auch seine Majestät lachte höflich auf.
Han war plötzlich an seiner Seite. „Du hast es gesehen?“
„Ja. Ich gehe nachsehen. Sag einfach, ich muss meine Berichte abrufen.“
„Sag mir was da passiert ist. Egal ob du hiernach weg musst oder wiederkommen kannst.“
„In Ordnung, großer Bruder. Außerdem sorge ich dafür, dass sowas nicht noch mal passiert.“ Der Kaiser fühlte, wie seine Hände zitterten. „Nie wieder.“
„In Ordnung. Ich halte hier die Stimmung aufrecht.“
Arling wechselte einen Blick mit seinem Schwiegervater in spe, der stumm nickte und seine Majestät zur Tür begleitete.
„Will Robert etwa schon gehen?“, beschwerte sich prompt die Hausherrin.
„Nein, nur den Boten befragen. Sobald er wieder bei Bewusstsein ist“, erwiderte Arling, und hatte unerwartet die Lacher auf seiner Seite.

Im Flur lag der Mann säuberlich ausgebreitet auf dem Teppich. Allerdings hatte Monterey ihm bereits die Uniformjacke, die Stiefel und die Hose ausgezogen. Auf einem Beistelltisch lagen die Gegenstände, die er bei sich getragen hatte, während der Säbel außerhalb der Reichweite des Mannes an der Wand lehnte. Nur für den Fall, dass er plötzlich erwachte und glaubte, Widerstand würde sich noch lohnen.
„Majestät. Ich habe dem Sicherheitsdienst bereits Bescheid gegeben. Er erwirkt noch eine Hausdurchsuchung beim Schnellrichter, dann wird er eintreffen und den Mann abtransportieren lassen.“
„Das geht einfacher“, sagte der alte Rend ernst und löste vom Eingang her die Haustür aus. Im Erdgeschoss würde nun ein Spezialistenteam in den Fahrstuhl rennen und das Gerät verfluchen, weil es nicht schneller fuhr.
„Was hatte er bei sich?“, fragte der Kaiser.
Charles deutete auf den Beistelltisch. Dort lag das Goldkreuz, seine Brieftasche, ein paar lose Münzen und eine Packung Kaugummi. „Vorsicht vor dem Kaugummi. Es riecht merkwürdig, Majestät.“
Robert nahm das Paket in die Hand und wedelte sich vorsichtig Luft zu. „Gift.“
Ebenso vorsichtig legte er das Paket wieder aus der Hand. „Ausweis?“
„Sicherlich. Sonst wäre er nicht durch die Sperre gekommen. Ich habe aber noch nicht nachgesehen.“
Stuart Rend holte das Versäumnis nach und durchblätterte die Brieftasche. „Die Abzeichen stimmen. Der saubere Herr ist Leutnant in der Admiralität. Aus dem Stab von Hohenfels. Verdammt, heute kann man keinem mehr trauen.“
Der Kaiser sah den Mecha-Piloten ernst an. „Verdammt, Lucky Charly, wissen Sie eigentlich, was Sie da gerade getan haben?“
„Meine Pflicht, denke ich.“
„Nein, Sie haben meinem engsten Verwandten das Leben gerettet. Und dafür danke ich Ihnen sehr. Dafür danke ich dir, Charles. Elise bedeutet mir eine Menge. Hätte dieser Attentäter sie verletzt oder sogar getötet, ich… Ich…“
Charles ergriff die dargebotene Rechte und drückte sie fest. „Eher wäre ich gestorben als zuzulassen, dass Elise etwas geschieht.“
Erstaunt sah der Kaiser den Offizier an. „Charles, das erinnert mich an einen Punkt, den ich noch mit dir besprechen wollte. Ich…“
„Keine Sorge, Majestät. Ich bewundere sie nur. Und ich weiß wo mein Platz ist.“
Bevor der Kaiser antworten konnte, öffnete sich der Fahrstuhl und entließ ein Team der Polizei, begleitet von einer Rettungscrew.
„Sichern Sie den Mann gut. Er hat versucht, Prinzessin Elisabeth zu töten.“ Mit diesen wenigen Worten hatte der Kaiser eine Anklage wegen Hochverrats ausgesprochen. Die Geheimdienstmänner, alles Leute, mit denen Robert seit Jahren zusammen arbeitete, nickten grimmig.
„Kein Wort zu den Medien. Sie hat nichts gemerkt, und ich will, dass das so bleibt.“
„Verstanden, Majestät. Sagt, wer hat den Attentäter erledigt? Der Kerl ist immer noch bewusstlos.“
„Dieser Mann hier, Colonel Monte… Charles?“
„Er ist wieder rein gegangen. Und das sollten wir auch tun, Robert.“
„Ja, du hast Recht. Entschuldigen Sie uns, meine Herren.“
Hinter Stuart betrat er wieder das Rend-Domizil. Er sah, wie Elise auf einen Charles Monterey mit steinerner Miene einredete, bevor sie sich wütend abwendete und ihre Konversation mit Gerrit Rend fortsetzte. Der Kaiser seufzte leise. Noch ein Grund, sich keine Beziehung zu wünschen. So etwas war kompliziert, einfach kompliziert. Auf den Gedanken, es könne sich trotzdem lohnen, war seine Majestät noch nicht gekommen.

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Clan Blood Spirit

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5.
22.04.2613
Kaiserreich Katalaun
Montillon-System, vierter Planet Sanssoucci
Stationärer Orbit über Neu-Berlin

Seufzend betrachtete Eleonor Rend aus dem Lobbyfenster der STRESEMANN den grüngelben Ball unter sich, der für sie Heimat bedeutete. Ihre Heimat, und das heute, nach den zwei Wochen mit ihrer Familie mehr denn je zuvor.
Sie fühlte, wie zwei kräftige Arme sie von hinten umschlangen. „Das hat Spaß gemacht, Ellie. Das müssen wir unbedingt wieder machen, nachdem wir von unserer Mission zurückkommen.“
Sie streichelte die Hände des Mannes hinter ihr und lächelte. „Ich habe mich bei meiner Familie noch nie so wohl gefühlt wie diesmal. Früher haben sie mich immer beäugt und mich kritisiert. Aber jetzt, wo ich Kapitän meines eigenen Schiffs bin, jetzt, wo wir beide verlobt sind, da… Da ist irgendwie alles anders.“
Arling küsste den Nacken seiner Zukünftigen. „Das liegt wohl einfach daran, dass Mark und Gerrit die Ergebnisse fleißiger Arbeit respektieren. Und du warst sehr fleißig.“
Sie drehte sich in seiner Umarmung um und gab ihm einen sanften Kuss. „Vielleicht liegt es auch einfach nur daran, dass du da warst, Han. Ich habe mich noch nie so komplett gefühlt wie in den letzten Tagen.“
Johann Arling lächelte sie zärtlich an. „Das Kompliment kann ich nur zurückgeben. Ich kann es eigentlich immer noch nicht glauben, dass ein Wesen wie du bereit ist, mit einem primitiven Menschen wie mir zusammen zu leben.“
„Hätte das ein anderer als du über Graf Arling gesagt, würde ich ihn vor eine Kanone meines Schiffs binden und persönlich auf den Feuerknopf drücken“, tadelte sie. „Eher muss ich dankbar dafür sein, dass du dich dieser hässlichen, einfältigen Kuh angenommen hast, die du immer mit dir durchziehen musst.“
„Du weißt von meiner geheimen Beziehung zu Lenie?“
Prustend begann Eleonor zu lachen. „Du bist unmöglich, Han.“
„Und du kannst froh sein, dass du es warst, die so schlimme Dinge über meine Verlobte gesagt hat. Jeden anderen hätte ich übers Knie gelegt.“
„Hat schon mal ein Psychologe mit dir über deine geheimen Begierden geredet, Johann Arling?“, hauchte sie verschwörerisch. Ihr sanfter Kuss auf sein Ohrläppchen ließ ihn zusammen zucken.
„Wegen Typen wie euch beiden hat Gott die Privatkabine erfunden“, murrte Charles Monterney. „Du wurdest doch letzte Woche gesund geschrieben, Han. Was hält euch beide noch zurück?“
„Mensch, Charly, schiebst du immer noch Frust? Weißt du denn nicht mehr? Du hast die Tapferkeitsmedaille Erster Klasse aus den Händen der Prinzessin erhalten, inklusive Kuss! Es gibt Männer, die würden für so etwas töten!“
„Es war nur auf die Wange“, murrte Charles, „und ich wünschte, sie hätte das gelassen. Anscheinend hat der ganze Planet die Ordensverleihung gesehen, und ein Dutzend Reporter hat mich schon gefragt, wann denn meine Verlobung ist. Mit ihr, meine ich. Also, manche Menschen haben eine Phantasie…“
„Siehst du, er ist doch gefrustet. Er wollte wohl lieber einen richtigen Kuss von der liebreizenden Prinzessin haben. Etwas, was ihn auf dem Weg in die nächste Schlacht beschützt und ihre Liebe…“
„KANNST DU DAMIT NICHT MAL AUFHÖREN?“ Wütend funkelte Charles seinen besten Freund an. Dann wandte er sich abrupt um und verließ die Lobby.
„Mist. Warum ist mein bester Freund nur noch sturer als ich?“
„Das muss ich jetzt nicht verstehen, oder? Ich meine, ich berechne dir liebend gerne einen kompletten Sprungkurs durch das galaktische Zentrum, heute noch, wenn du willst, aber bitte verlang von mir nicht zu kapieren wieso sich Charly wie ein Idiot aufführt.“
„Es gibt jetzt wichtigeres. Diesmal müssen wir es meinem Vater sagen. Und wenn wir erst mal wieder auf B-King sind, wird sich Lucky Charly schon wieder abregen. Vielleicht wird er sogar vernünftig. Okay, das wohl eher nicht.“

„Deiner Schulter geht es anscheinend wieder gut, Großer!“, klang eine bekannte Stimme hinter ihnen auf. Gerard Rössing kam lächelnd herein, ging auf die beiden zu und reichte ihnen die Hand. „Gut seht ihr aus. Und deine Eltern haben dich ja leben lassen, Ellie. Die ganze Panik für nichts und wieder nichts.“
„Entschuldige, dass wir dich nicht zur Verlobungsfeier einladen konnten“, murmelte Eleonor schuldbewusst. „Aber meine Eltern habe sie so kurzfristig angesetzt, du hättest es nicht mehr geschafft, von Versailles herzukommen.“
„Ist in Ordnung, ist in Ordnung, ich war doch bei der richtigen Feier dabei, oder?“
Johann lachte kurz auf, als er an den kleinen Umtrunk dachte, den er mit seinen Offizieren veranstaltet hatte, nachdem er und Ellie einander die Liebe gestanden hatten. Es hatte Milch gegeben, aber die Wünsche waren alle herzlich und die Stimmung hervorragend gewesen.
„Ja, das warst du. Ich bin gespannt, wie Arlene reagieren wird.“
„Apropos verlorene Küken. Wo ist Charly? Ich muss ihm unbedingt zu seiner neuesten Beute gratulieren. Ich weiß ja, dass er ein wüster Aufreißer ist, aber die Kronprinzessin habe ich doch als etwas zu groß empfunden.“
„So etwas sag ihm besser nicht. Er ist in einem größeren Stimmungstief als wenn er gerade für Dienstunfähig für den Knight geschrieben worden wäre.“
„So schlimm? Was ist passiert? Hat Elisabeth ihm einen Korb gegeben?“
„Oh“, sagte Ellie, der nun einiges klar wurde, „es gab einen Korb. Allerdings hat Charles ihn verteilt – an den Kaiser und an die Kronprinzessin.“
„Er ist ein Idiot“, fügte Arling hinzu.
„Also, das wissen wir ja schon länger. Aber warum? Ich meine, ich glaube nicht wirklich daran, dass sie ihn vom Fleck weg geheiratet hätte, und ich glaube auch nicht, dass es mit den beiden ernst geworden wäre, aber warum hat er es denn nicht wenigstens probiert?“
„Er ist ein Idiot“, half Arling aus.
„Ein schlüssiges Argument.“ Rössing grunzte unzufrieden. „In drei Tagen steigt Lenie zu?“
„Und in weiteren zwei erreichen wir B-King.“ Johann sah durch das Lobby-Fenster hinaus ins Weltall. „Meine Heimat. Danach wird alles nur noch schwerer für uns.“
Keiner der beiden anderen Offiziere hatte das Gefühl, dass Johann Armin Graf zu Arling übertrieb.
***
„Da geht sie hin“, murmelte Gerrit Rend zufrieden und sah in den Tageshimmel hinauf. Irgendwo da oben, überspielt von der Lichterflut der heimischen Sonne Montillon, startete in diesem Moment die interstellare Reisefähre, die seine Schwester und seinen zukünftigen Schwager zum Besuch bei SEINEN Eltern bringen würde. Nachdem der Besuch bei IHREN Eltern glimpflich abgelaufen war.
Er hatte es Ellie natürlich nicht sagen können, zumindest nicht direkt, aber er war froh, dass dieser eingetrocknete Mohnkuchen nun doch vernünftig geworden war, und sich einen Kerl gesucht hatte. Persönlich bewunderte er ja den großen Mut des jungen Grafen, aber insgeheim schwor er ihm blutige Rache, wenn er es wagte, seine kleine Schwester nicht glücklich zu machen. Wenn nur dieser Krieg nicht wäre. Wenn die beiden nur nicht in der Flotte dienen würden. Wenn es doch nur nicht so viele wenns im Leben gegeben hätte.
Wenigstens hatte sie diesmal alles richtig gemacht. War nach Hause gekommen, hatte ein paar Tage dort verbracht. Hatte ihren Verlobten ordentlich vorgestellt, und bei der Gelegenheit hatte die ganze Familie Rend ihren ganz persönlichen Kaiser erhalten. Und wenn er ehrlich war, dann war ihm die Tatsache, dass auch eine eigene Kronprinzessin dabei gewesen war, nicht gerade unrecht gewesen. Eine charmante Plauderin, intelligent, gewitzt – und in der Flotte. Natürlich. Warum zog es die schönsten Mädchen nur immer zum Dienst an der Waffe? Was war aus den guten alten Zeiten geworden, in der eine Florence Nightingale auf der prästellaren Erde das Bild der fürsorgenden, lebensrettenden Krankenschwester geprägt hatte? Und wann hatte er wohl Gelegenheit, Elise wieder zu sehen? Rein beruflich, natürlich.

„Gerrit, hast du schon gehört? Es gibt bald eine neue Säuberung.“
Irritiert erwachte der junge Rend aus seinem Tagtraum. Neben ihm stand einer seiner Kommilitonen aus dem Jura-Bereich. „Was, bitte?“
„Säuberungen. Und ich meine nicht den täglichen Großputz im Hörsaal. Der Geheimdienst fischt die Christen ab.“
„Fischt die Christen ab. Es sollte ein Gesetz gegen derartige verbale Verbrechen geben.“
„Schaff mal lieber Gesetze gegen richtige Verbrechen. Sieben Leute von unserer Uni kommen seit gestern nicht mehr in die Vorlesungen, und zu Hause sind sie auch nicht. Fakt ist, sie gehörten alle der Kreuzbruderschaft an. Und die steht seit heute unter der Überwachung vom Geheimdienst.“
„Sag mal, hast du gestern zu scharf gegessen, Iesaia Cormick? Du redest einen Stuss daher, unglaublich.“
„Aber es ist wahr! Oder glaubst du vielleicht, diese Typen in den schwarzen Anzügen dahinten sind nur auf dem Retro-Trip und wollen die Modesünden des letzten Jahrhunderts wiederbeleben? Und siehst du nicht wie sie hinter Fischer und Magnol hergieren? Sind beides Präzeptoren in der Kreuzbruderschaft und an dieser Uni ihre ranghöchsten Vertreter.“
„Sag mal, woher weißt du denn das alles? Und warum glaubst du, das würde mich auch nur für eine Sekunde interessieren?“
Sein Gesprächspartner grinste Rend frech an. „Das weiß ich alles aus den Flugblättern, die heimlich verteilt werden. Ja, so ein Flugblatt hinterlässt weniger Spuren als eine Website. Und warum ich glaube, dass es dich interessiert? Du bist doch auch ein Kreuzträger. Und du warst schon auf ein paar Versammlungen der Kreuzbruderschaft, oder? Wenn der Kaiser ausflippt und die Säuberung befiehlt, stehst du ganz oben mit auf der Liste. Dann wäre es vielleicht besser zu wissen, auf wessen Seite du stehen solltest.“
„Ach. Jetzt sag auch noch, das ist deine Seite.“
„Nicht meine, unsere. Achte auf die Zeichen, mein Bruder. Die Säuberung wird kommen, genauso wie die Adepten der Kreuzbrüder verschwunden sind. Und auch bei den Moslems und bei den Buddhisten rumort es. Da ist was im Busch, sage ich dir.“
„Falls der Kaiser ausflippt.“
„Sobald der Kaiser ausflippt. Sein Onkel ist ja auch durchgedreht, oder?“
„Frederec und Robert kann man nicht vergleichen.“ Gerrit zog eine Augenbraue hoch. „Und außerdem kenne ich den Kaiser nun persönlich. Ich weiß, dass er nicht ausflippen wird. Schon gar nicht wegen ein paar religiöser Spinner.“
„So. Und diese Nummer hast du dem Kaiser wirklich geglaubt? Denk mal drüber nach, Bruder Rend. Wir sind nur ganz kleine Lichter auf dieser Welt, und mit einem dämlichen Ausfallschritt zur Seite kann uns dein Robert auslöschen.“
„Was er nicht tun will.“ „Aber vielleicht irgendwann tun muss.“
Iesaia ließ den jungen Rend stehen - mit einem Haufen unpraktischer Gedanken im Kopf.


6.
24.04.2613
Republik Yura-Maynhaus
Satellit TROJA, Position geheim
Regionalflottenverwaltung Yura-Maynhaus Sektor Grün
Büro Admiral of Sector Juri Goldman

Als auf sein zögerliches Klopfen eine kräftige Stimme herein sagte, trat Commander Coryn Griffin ein in das allerheiligste der Flottenbasis TROJA – das Büro vom Sektorenadmiral.
„Sir, ich melde mich wie befohlen.“
Admiral Juri Goldman, ein im Dienst ergrauter Mann um die hundert, sah kurz von seinen Akten auf und nickte. „Griffin. Kommen Sie rein und machen Sie wieder ordentlich hinter sich zu. Was wir hier besprechen, hat Streifen nicht zu interessieren.“
Coryn konnte sich kurz ein grinsen nicht verkneifen. Streifen, das war das Jargonwort für Unteroffiziere. Und diese, nämlich seine beiden Petty Officers im Vorzimmer hatten das gehört, ja sollten es hören. Der alte Admiral liebte es, wenn die Menschen wussten wo ihr Platz war. In Coryns Fall im Stillgestanden, bis sein Vorgesetzter etwas anderes befahl.
„Setzen Sie sich, Griffin, es wird länger dauern.“ Eine Akte schlitterte über den mit altmodischen Papierakten bedeckten Schreibtisch. „Sagt Ihnen der Name Johann Arling etwas?“
„Arling? Sie meinen jetzt nicht Graf zu Arling, Sir?“
„Doch, genau den meine ich. Diesen Verrückten, der ein Vierteljahr mitten in unserem Kernreich gewütet hat wie ein Berserker. Der die Frechheit besessen hat, nicht nur drei unserer Kriegsschiffe zu entern, sondern sie auch noch als Prise nach Hause zu führen. Ein prächtiges Husarenstück. Ich wünschte, Arling wäre einer meiner Offiziere.“
Coryn lächelte dünn. Das war die andere Marotte des Admirals. Er schätzte gute Arbeit über alles. Und vom Standpunkt eines raumfahrenden Soldaten hatte Graf Arling sehr gute Arbeit geleistet, zumindest für das Kaiserreich Katalaun. Er nahm die Akte auf und begann darin zu blättern. „Hm, sie rüsten unsere Schiffe um?“
„Auf, ist das treffende Wort. Auch die RHEINLAND und ein zum Verband befohlener Zerstörer werden aufgerüstet. Ich habe mich ein wenig für unsere ehemaligen Einheiten interessiert und dem Geheimdienst befohlen, ihre Spur zu verfolgen. Zur Zeit wurden sie in Werfteinrichtungen um die Depotwelt Springe verbracht, wo die Schiffe von Grundauf erneuert werden. Neue Abwurfanlagen, neue Waffen, neue Reaktoren, neue Antriebe, neue Zielsuchsysteme, und, und, und. Wenn dieser kleine Verband fertig ist, dann haben wir hier die schlagkräftigste Flottille, mit der wir uns bisher herumschlagen mussten.“
„Ich verstehe. Wissen wir, was der Kaiser mit dieser kleinen, schnellen Flottille plant? Soll ich mich auf ein Seek&Destroy vorbereiten, Sir?“
„Was? Oh, Sie vermuten, dass der Kaiser den Verband erneut hinter unsere Linien schickt, um uns damit zu demütigen, gegen unsere eigenen Schiffe kämpfen zu müssen. Nun, das würde ich normalerweise annehmen, vor allem nachdem Arling sich in dieser Form der Kriegsführung hervorragend bewährt hat.
Ein guter, umsichtiger Mann. Die zerstörten Frachter haben nicht einen Mann verloren, und als er merkte, dass er seine vielen Gefangenen nicht ernähren konnte, hat er sie der CALAINCOURT gegen Ehrenwort mitgegeben. Hervorragend, wirklich hervorragend. Er kriegt ne gute Presse, ist die unnützen Esser und den damit verbundenen Risikoherd los und bringt auch noch drei zusätzliche Fregatten nach Hause.“
Der Admiral sah auf. „Es stört Sie doch nicht, wenn ich Arling so beweihräuchere, Griffin?“
„Es steht mir nicht zu Gesicht, meinen kommandierenden Admiral zu korrigieren, Sir.“
„Ah, diplomatische Antwort. Ich hoffe das kommt davon, dass Arling auf meine Leute abfärbt.“
„Wenn Sie es wünschen, Admiral, werde ich Graf zu Arling studieren.“
„Machen Sie das, aber bitte nur nebenbei. Sie können sicherlich noch was lernen. Wussten Sie, dass Arling zwei Jahre jünger ist als Sie? Trotzdem wurde er neulich zum Kommodore befördert und hat die vier Schiffe und den zusätzlichen Zerstörer als eigene Flotte erhalten.“
„Nein, das war mir noch nicht bekannt.“
„Erregt es nicht Ihren Neid?“
„Wenn Sie es wünschen, Sir, werde ich auf Kommodore Arling neidisch sein. Persönlich sehe ich dazu jedoch keine Veranlassung. Das wäre nur der Fall, wenn ich ihm in einem Gefecht unterliegen würde.“
Der Admiral grinste burschikos, erhob sich und ging zum einzigen Schrank im Büro. Er öffnete die Bar und kam mit zwei schweren Schwenkern Brandy zurück. „Ich habe eine Aufgabe für Sie, Griffin. Wissen Sie, was einen wirklich guten und großartigen Offizier ausmacht?“
„Sir?“
„Wissen Sie es?“
„Erfolg in der Schlacht, wenige Verluste, kaum Rückschläge beim erreichen seiner Ziele, Ruhm, den er auch verdient.“
„Fast. Das macht einen guten Offizier aus, aber keinen wirklich guten. Um großartig zu werden brauchen Sie folgendes: Einen ernstzunehmenden Rivalen. Wie wäre es, Commander Griffin, wollen Sie Ihre eigene Flottille haben, den Rang eines Commodore, und Johann Arling als Ihren Gegner und Rivalen?“
„Wenn damit eine Beförderung zum Commodore verbunden ist, Sir, würde ich sogar den Kaiser als persönlichen Rivalen akzeptieren.“
„Freche Antwort. Aber die Sache ist die: Arling muss Sie akzeptieren, nicht umgekehrt.“
Der Admiral drückte den Commander eines der Gläser in die Hand. „Also abgemacht. Sie sind Commodore. Zeitpunkt an sofort. Sie kriegen Ihre eigene Flottille, bestehend aus einem Schnellen Kreuzer, einem Zerstörer und drei Fregatten, moderne Frontklasse-Schiffe. Und Sie werden ab sofort der persönliche Schatten von Johann Arling sein. Und wenn Sie die Chance sehen, ihn zu besiegen, tun Sie es. Aber tun Sie es heimlich.“
„Was genau erwarten Sie von mir, Sir?“
„Arling ist durch den Sieg in Riverside in der Republik beinahe so beliebt wie Robin Hood auf der Erde. Er schlägt die Edelleute und lässt die Gemeinen laufen. Wenn wir ihn vernichten, dann nur mit gleichwertigen Einheiten. Es muss nicht einmal beim ersten mal klappen, aber wenn Sie sich als sein Rivale etablieren, mein lieber Coryn, dann wird es unsere Bevölkerung auch akzeptieren, wenn Sie eines Tages Dickschiffe gegen ihn auffahren.“
„Ich denke, es ist etwas früh, um über so etwas nachzudenken, Sir. Viel wichtiger ist die Frage wohin diese Flottille unterwegs sein wird wenn sie wieder ausläuft.“
Das Gesicht des Admirals verzog sich respektvoll. „Habe mich schon gefragt, wann Sie die Kernfrage zur Sprache bringen. Guter Junge. Es ist so, die Umbaumaßnahmen an den Schiffen werden gut zwei Monate brauchen. An Bord werden einige der besten Offiziere und Mannschaften sein, die derzeit verfügbar sind. Es wird eine eilige, beinahe schon überstürzte Mission sein. Die Schiffe werden aufbrechen, sobald die letzten Tests erfolgreich waren. Also genügend Zeit für Sie, Ihre eigene Flottille zu trainieren und auf Arlings Geschwader vorzubereiten. Ich kann Ihnen aber nicht versprechen, dass Sie sofort gegen ihn antreten werden, denn unser neuer Lieblingsfreund Arling wurde auf die Diadochen angesetzt.“
Griffin runzelte die Stirn. „Die Diadochen, Sir? Haben wir nicht ein Abkommen, das besagt, dass wir das Reich unserer Bündnispartner mit unseren Kriegsschiffen nicht betreten dürfen?“
„Oh ja, das haben wir. Aber es wird ihnen reichlich egal sein, wenn Sie mit Ihrer Flottille mit Arlings Flottille den Boden aufwischen, nachdem er reichlich Ärger in den Diadochen gemacht hat. Bis dahin halten Sie sich bedeckt oder geben sich als Söldner aus. Die Diadochen mieten gerne Söldner an.“
„Sir, wenn das rauskommt, kann es unser ganzes Bündnis sprengen.“
„Wenn es rauskommt und auf dem Verhandlungstisch landet, dann werde ich Sie opfern wie ein Unteroffizier einen zu weit runter gebrannten Zigarrenstumpen in den Dreck wirft, seien Sie sich da sicher. Die Identifizierungscodes als Söldner – geklaut. Die Hatz auf Arling – auf Ihrem eigenen Mist gewachsen. Ihr Kopf – steckt in einer Schlinge, die ich persönlich zuziehen werde. Haben Sie das verstanden?“
„Sie schicken mich also in die Hölle?“
„Finden Sie es nicht auch, dass die Chancen ausgeglichen sein sollten? Warum sollten Sie es besser haben? Achten Sie nur darauf, dass Arling genügend Schaden angerichtet hat, bevor Sie ihn stellen. Sonst ist der Effekt nicht der gleiche.“
Eine weitere Mappe landete auf dem Schreibtisch. „Die gryanischen Söldner, eine alte Hauseinheit der heraklischen Könige, die während der Diadochenkriege ins bezahlte Gewerbe gewechselt ist. Zur Zeit befindet sie sich in unseren Gewahrsam. Illegale Grenzübertretung. Über ihre Internierung wurde nichts verlautet und das können wir mindestens noch ein halbes Jahr so halten. Bis dahin übernehmen Sie deren Identität, und zwar so lange wie Sie sie brauchen.“
„Gryanische Söldner? Wir sollen als Diadochenschlappies auftreten?“
Der Admiral lachte und endete in einem Hustenanfall. „Sie haben Schneid, mein Junge. Sie haben wirklich Schneid. Commodore sind Sie ja schon. Aber ich verspreche Ihnen, wenn Sie mir Arlings Kopf bringen, dann werden Sie Rear Admiral.“
„Und Toast, wenn ich versage“, knurrte Griffin.
„Na, na, so schlimm wird es schon nicht. Schaffen Sie es auf unser Gebiet zurück, kriegen Sie einen schönen Schauprozess, in dem ich Ihre Schiffskapitäne und Offiziere außen vor lassen werde. Sie bekommen eine schicke lebenslängliche Freiheitsstrafe, aus der ich Sie erlöse, sobald die Wogen geglättet sind. Dann setze ich Sie in Ihrem alten Rang wieder ein.“
„Und wenn ich in den Diadochen vor Gericht gestellt werde, Sir?“
„Dann sind Sie wirklich Toast, mein lieber Griffin. Also, was sagen Sie?“
„Meine Schwester würde jetzt sagen: Manchmal muss ein Mädchen eben sehen wo es bleibt.“
„Das fasse ich als ja auf.“ Eine dritte Mappe flog in Griffins Hände. „Hier, Ihre Schiffe und die wichtigsten Offiziere. Außerdem Ihr Marschbefehl.“
„Sehe ich das richtig, Sir?“, fragte Coryn mit hochgezogener Augenbraue. „Wenn ich es nicht freiwillig getan hätte, hätten Sie es mir befohlen?“
„Ja, aber dann wäre es Essig mit dem Rear Admiral gewesen. Ach, und noch etwas, Griffin. Die dunkelhaarige Schönheit mit der heraklischen Capitaine-Uniform, die jetzt im Vorzimmer sitzen dürfte, wurde uns von einem lokalen Hausfürsten zur Verfügung gestellt. Der Mann ist unser Agent und seine Untergebene wird als Ihre Führerin fungieren. Sie weiß auch sehr viel über die gryanischen Söldner und wird Sie und Ihre Offiziere entsprechend trainieren. Ihr Name ist Cockroach, oder so ähnlich.“ Der Admiral trank seinen Glasschwenker aus. „Noch einen?“
„Nein, danke, Sir, nicht im Dienst.“
„Na, dann verschwenden Sie nicht länger meine Zeit. Guten Tag und… Viel Glück, Coryn.“
„Danke, Sir, für beides, Sir.“
„Für beides?“
„Für den Rang eines Commodores und für meinen persönlichen Rivalen. Ich werde ihn vorzüglich behandeln.“
Der Admiral grinste burschikos. „Ich freue mich auf Ihre Berichte.“

Griffin verließ das Büro und kam ins Vorzimmer. Dort wartete tatsächlich eine Frau um die dreißig, welche die reich mit gold verzierte Uniform in preußisch blau trug, die Offiziere der heraklischen Könige getragen hatten – und die in einigen Teilreichen der Diadochen noch immer populär war. Sie sprang auf, als Griffin durch die Tür trat.
„Sir. Capitaine Juliet Cochraine, Zweite Flotte der Souveränität Nowgorod. Ich melde mich zum Dienst.“
Cockroach, ha, ging es Griffin durch den Kopf. „Folgen Sie mir, Capitaine Cochraine. Ihre Arbeit beginnt sofort.“
***
Die fünf Schiffe, die dem frisch gebackenen Commodore zur Verfügung gestellt wurden, waren mit erfahrenen Elite-Mannschaften besetzt. Eingespielte Teams, die schon seit Kriegsbeginn zusammen dienten und die beim Einmarsch in das Kaiserreich Katalaun an vorderster Front gewesen waren. Böse Zungen behaupteten ja, sie wären es auch beim Rückzug gewesen, aber die Wahrheit war, dass die Admiralität die Schiffe in der Etappe instant gesetzt hatte. Dennoch haftete allen fünf Schiffen seither der Hauch von Feigheit an.
Nun, die Republik war urdemokratisch, aber nicht gerade besonders rücksichtsvoll. Man konnte hier ohne weiteres als Gegner des Staates zum Volksheld werden und als unermüdlicher Verteidiger als Massenmörder abgestempelt werden. Die Medien hatten eine enorme Macht. Und das ließen sie das Militär jeden einzelnen Tag spüren.
Als Griffin mit Cochraine im Schlepp sein zukünftiges Flaggschiff betrat, die NEW HOUSTON, einen Leichten Kreuzer der Nebula-Klasse, pfiffen die Petty Officer zum Admiralsempfang, es gab elf Salutschüsse vom Band, und Captain Stiles empfing ihn persönlich, wie es sich gehörte. Noch vor wenigen Stunden war Griffin nur Commander gewesen, nun hatte er einen höheren Rang als der Captain der HOUSTON. Er fragte sich, ob Lydia Stiles frustriert, entsetzt, oder beides war.
„Willkommen an Bord, Commodore Griffin. Das Admiralsquartier steht für Sie bereit. Ich habe die anderen Kapitäne der Flottille bereits eingeladen, heute abend mit uns zu speisen, wenn es Ihnen Recht ist. Ebenso willkommen, Capitaine Cochraine.“
Griffin salutierte vor der älteren Frau und hatte alle Antworten parat. Nein, sie war nicht geschockt. Sie war auch nicht frustriert. Sie war nur eine verdammt gute Organisatorin und eine exzellente Zuarbeiterin, die geradezu danach schrie, in einer sinnvollen Beschäftigung eingesetzt zu werden. Vize einer Flottille war wahrscheinlich mehr als sie jemals gedacht hatte erreichen zu können, dementsprechend waren ihre Empfindungen eher Eifer und Stolz. Stolz, der sofort auf ihren Commodore abfärbte. Mit der Frau, beschloss Griffin, würde er Pferde stehlen können.
„Gut mitgedacht, Captain Stiles. Haben Sie an ein Quartier für den Capitaine gedacht?“ Was für eine Frage, natürlich hatte sie daran gedacht.
„Selbstverständlich, Sir. Sie bekommt eines der Quartiere nahe der Zentrale, die für Inspekteure vorgesehen sind.“
„Gut. Lassen Sie mein Gepäck und das der Capitaine in die Quartiere bringen. Wir werden uns etwas frisch machen. Essen um acht bedeutet also in einer Stunde. Wer sind die anderen Kapitäne unserer Flottille?“
Einen Moment wirkte Lydia Stiles unsicher, weil sie offensichtlich nicht erraten konnte, ob Griffin es nicht wusste, oder sie testen wollte. „Der Zerstörer der Dunuesque-Klasse MILFORD wird von Commander Hans Slodowsky kommandiert. Hat das Schiff gerade vom alten Parker übernommen, der ins Hauptquartier wechselte. Die drei Fregatten sind Norfolk-Klasse. Nach Dienstzeit sortiert sind das die JULIET unter Lieutenant Commander Sharon Bigsby, die OTHELLO unter Lieutenant Commander Sheldon Watts und die ROCKET unter First Lieutenant Clive Haggart. Lieutenant Haggart hat das Schiff ebenfalls gerade erst als Erster Offizier übernommen und steht zur Beförderung an, Sir.“
„Ein ehrgeiziger Haufen, was?“, brummte Griffin amüsiert.
„Wie es Marine-Offiziere sein sollten“, konterte Lydia Stiles mit einem grinsen.
„Hm. Dann wird ihnen das Missionsziel gefallen.“
„Darf ich fragen, Sir, was unser Missionsziel sein wird?“
„Sie dürfen. Aber verlangen Sie nicht von mir, alle Missionsparameter herunter zu leiern und später alles vor den Offizieren und Mannschaften zu wiederholen. Also lassen Sie es mich so sagen: Wir gehen auf eine Fuchsjagd. Und der Name dieses Fuchses ist Johann Armin Graf zu Arling.“
Die Angetretenen vergaßen für einen Moment ihre Disziplin und raunten durcheinander, bevor ein gezischter Befehl des diensttuenden Offiziers wieder Ordnung in die Reihen brachte.
„Eine anspruchsvolle Beute, Sir“, kommentierte Stiles.
„In der Tat. Deshalb machen Sie sich auf einen höllischen Monat gefasst, in dem ich aus der Flottille einen exzellenten Jäger machen werde.“
„Aye, Sir.“
Griffin grinste in sich hinein. Das war ein klarer Sieg nach Punkten gewesen. Er hätte nicht gedacht, dass sein Antritt als Chef der Flottille so glatt laufen würde.
***
„Haben Sie schon davon gehört, Sir?“, fragte Cochraine, während sie dem Commodore beim auspacken seines Gepäcks half. Griffin hatte nichts dagegen gesagt, half es ihm doch, die Frau aus den Diadochen besser einzuschätzen.
„Was genau, Juliet?“ Er beobachtete die Offizierin aus den Augenwinkeln, als er sie beim Vornamen nannte. Sie zeigte keine Reaktion. Weder schien sie sich darüber zu freuen, noch schien es ihr unangenehm zu sein. Griffin vermerkte diese Reaktion unter bedenklich.
„Die letzten Nachrichten aus dem Kaiserreich. Den Anschlag die Prinzessin von Versailles betreffend.“
Griffin runzelte die Stirn. „Es gab keine Nachrichten aus dem Kaiserreich, den Anschlag betreffend.“
Nun huschte unmerklich ein Lächeln über Cochraines Gesicht, das Griffin natürlich nicht entging.
„Nun tun Sie nicht so überrascht. Ich habe die Geheimdienstberichte auch gelesen, Juliet. Aber es freut mich, dass Ihr Geheimdienst in etwa so effektiv ist wie unserer.“
„Danke, Sir. Und was denken Sie darüber, Sir?“
„Die Leute im MI6-Büro haben wie es heißt eine lange Zeit darüber nachgedacht, ob sie die Meldung selbst lancieren sollten, um Katalaun bloß zu stellen. Aber angesichts der Beliebtheit der Thronfolgerin wäre es Propaganda zu ihren Gunsten gewesen, also hat man sich darauf beschränkt, es zu registrieren.“
„Genauso wie bei uns, Commodore. Wissen Sie näheres über den Attentäter?“
„Wissen Sie denn näheres, Juliet?“
Wieder lächelte die Frau ganz leicht. „Ein religiöser Fanatiker. Ein sogenannter Kreuzmann. Das ist ein Überbau für mehrere christliche Sekten, welche die Trennung von Kirche und Staat im Kaiserreich aufheben wollen. Man sagt, die Kreuzleute hätten gute Kontakte zu Moslems und Zionisten, die ein ähnliches Ziel anstreben. Die Thronfolgerin zu töten hätte bedeutet, eventuell einen Streit unter den potentiellen Thronerben auszulösen, vielleicht sogar einen Bürgerkrieg.“
„Zweifellos haben die Kreuzleute darauf spekuliert, in diesem Bürgerkrieg ein besonders großes Stück vom Kuchen Kaiserreich für sich zu vereinnahmen.“
„Es wäre sicherlich genügend übrig geblieben, nachdem sich die umliegenden Reiche ausgiebig bedient hätten“, bestätigte Cochraine. „Und die Bevölkerung wäre dankbar dafür gewesen, wenn ausländische Ordnungsmächte ihr einfaches Leben vor den wahnsinnig gewordenen Truppen des eigenen Staates beschützt hätten.“
„Das ist eine interessante Sicht der Dinge“, brummt Griffin und legte eine saubere Uniform für sich raus. „Die Diadochen wären dafür sicherlich in der Lage gewesen, an einem gemeinsamen Strang zu ziehen, sehe ich das richtig?“
„Die Diadochen sind immer in der Lage, an einem gemeinsamen Strang zu ziehen.“ Sie seufzte. „Leider machen sie es fast nie.“
„Komisch, für einen Moment war es mir, als würden Sie die Politik von Yura-Maynhaus beschreiben, Juliet.“
Überrascht sah die Capitaine der Souveränität Nowgorod zu ihrem Republik-Vorgesetzten herüber. „Ist es so schlimm?“
„Noch viel schlimmer. Hierzulande richten sich die Politiker nach der öffentlichen Meinung. Und öffentliche Meinung machen die freien Medien. Die Medien wechseln ihre Meinung zu fast allen Themen täglich, und so schwenken sich die Fähnchen der Politiker beständig mit dem Wind. Der einzige Vorteil, den wir Militärs davon haben ist, dass eine laute Stimme, die heute für den Abbruch des Krieges und sofortige Friedensverhandlungen verlangt, morgen schon wieder gegen das Kaiserreich wettert und sich beschwert, dass wir nicht konsequent genug vorgehen.“ Er sah zu der Diadochen-Offizierin herüber. Schwarzhaarige Schönheit hatte der Admiral sie genannt. Aber er hatte ihren Namen auch in Cockroach verballhornt. Das war das englische Wort für Kakerlake, ein Insekt, das zusammen mit den Menschen die Erde verlassen hatte und sich nun mit ihnen zusammen ausbreitete. Aber vielleicht wollte er damit weniger ihr Aussehen als vielmehr ihre Gesinnung zum Ausdruck bringen. Denn von Kakerlaken sagte man, dass sie überall überleben konnten. Und wenn er sich die Geschichte des alten heraklischen Königreichs ins Gedächtnis rief und an die Nachfolgestaaten, die Diadochen dachte, dann musste ein guter Offizier durchaus die Fähigkeiten einer Kakerlake haben und in der Wahl seiner Nahrungstöpfe nicht wählerisch sein, wenn er oder sie überleben wollte. Unwilkürlich fragte sich Griffin, was die große schlanke Frau mit dem schmalen Gesicht schon hatte tun müssen, um selbst zu überleben.
Und ob sie weiterhin überleben würde, hing von verschiedenen Faktoren ab. Griffin erinnerte sich noch zu deutlich daran, dass der Admiral ihren Dienstherren als einen ihrer Agenten bezeichnet hatte. Für seine eigene Sicherheit und Integrität als Teil der Diadochen würde es ihm sicher leicht fallen, eine simple Feldagentin, die zudem vielleicht an Bord eines republikanischen Kriegsschiffs angetroffen wurde, fallen zu lassen.
„Wenigstens haben Sie freie Presse“, murmelte sie leise.
Griffin fühlte sich übergangslos an einen alten Spruch erinnert, den sein Vater stets zum besten gegeben hatte, und dessen Weisheit ihm erst im Laufe der Jahre bewusst geworden war. Sein alter Herr hatte gerne gesagt, dass man manche Dinge erst richtig zu schätzen wusste, wenn man sie verloren hatte. Und genauso verhielt es sich wahrscheinlich mit der der freien Presse. Das irritierte den Commodore für einen Moment, wenn er ehrlich war.
„Das klingt so ein wenig danach, von zwei Übeln das kleinere zu wählen“, erwiderte er amüsiert.
„Das trifft es in etwa.“ Die Capitaine verstaute einen Stapel Hemden, den sie neu zusammengelegt hatte und schloss den Schrank. „Wenn es das gewesen ist, Sir, werde ich mich jetzt in meinem Quartier einrichten und mich auf das Essen vorbereiten. Mit Ihrer Erlaubnis lege ich auch meine Diadochen-Uniform ab und trete fortan zivil auf.“
„Abgelehnt. Ich sehe keinen Grund, Ihre Würde als Offizier zu beschädigen.“
„Aber es könnte hinderlich für Sie sein, wenn Sie einen Diadochen-Offizier in heraklischer Uniform an Bord haben.“
„Es könnte auch hinderlich sein, achthundert Mann in republikanischer Uniform an Bord zu haben“, erklärte Griffin schmunzelnd. „Behalten Sie Ihre Uniform, Juliet. Und ja, das war alles. Sie können sich zurückziehen.“
„Danke, Sir.“
„Ach, Juliet, eine Frage habe ich noch.“
„Commodore, Sir?“
„Warum haben Sie mir beim auspacken geholfen?“
Ein Schmunzeln ging über ihr Gesicht. „Sie sind jetzt acht Stunden in Ihrem neuen Rang, richtig, Commodore?“
Griffin nickte. Das wusste er ebensogut wie sie.
„Also hatten Sie noch keine Zeit, sich auf diesen Rang einzustellen. Ein Commodore hat normalerweise einen Steward, der ihm alle Alltagslasten abnimmt, damit er sich voll und ganz auf die Führung seiner Flotte konzentrieren kann. Ich wusste, dass Sie noch nicht daran gedacht haben, einen Steward zu bestimmen. Sehen Sie es als Service meinerseits an.“ Sie lächelte ihn freundlich an und fügte hinzu: „Sir.“
„Sie sind sehr umsichtig, Juliet. Ich hoffe, ich kann mich in allen anderen Dingen ebenfalls auf Sie verlassen, die unseren Dienst betreffen.“
„Selbstverständlich, Commodore.“ Sie setzte zu einem Salut an, aber Griffin winkte ab. Also trat sie lediglich mit einem Nicken auf den Flur hinaus.
Coryn verharrte und starrte auf die geschlossene Tür. Himmel, um ein Haar hätte er den Beisatz „die unseren Dienst betreffen“ weggelassen. Und es machte ihm Angst wenn er daran dachte, welche Reaktion er erhalten hätte.

7.
26.04.2613
Kaiserreich Katalaun
Cipangu-System, Hauptwelt B-King
Passagierschiff STRESEMANN
Im Landeanflug auf die planetare Hauptstadt Port Arthur

„Willkommen auf meiner Heimatwelt“, murmelte Arling und sah mit brennenden Augen auf das blau schimmernde Juwel, welches sich ihren Augen anbot. Die blaue Farbe kam von den Ozeanen, die drei Viertel der Welt bedeckten. Das satte grün der Vegetationsstreifen und die gelben Zonen der Wüsten würden sich erst später hervor schälen, und bis dahin leuchtete B-King satt und kostbar wie ein riesiger blauer Topas.
In diesem Moment dachte Johann Armin Graf zu Arling nicht daran, dass er einmal Erbe und politisches Oberhaupt dieser wundervollen Welt sein würde, falls er nicht vorher im Gefecht starb. Er dachte auch nicht an den wundervollen Äquatorialkontinent Arling, der ihm bereits als persönliches Lehen gehörte und auf dem die planetare Haupstadt Port Arthur ebenso stand wie die Herzogresidenz seines Vaters.
Er dachte auch nicht an die lokalen Gaumenfreuden, die er so lange Zeit gemisst hatte.
Er dachte nur an eines, und das war die junge Frau mit den vor Aufregung rot glühenden Wangen, die neben ihm stand und unwillkürlich seine Hand ergriffen hatte. Ihr Lächeln hatte etwas atemberaubendes für ihn, und es gefiel ihm sehr, dass es seiner Heimatwelt galt. Für einen Moment hatte er wirklich befürchtet, Ellie könnte seine Heimat nicht gefallen.
Sie drückte seine Hand und flüsterte mit tiefer Ehrfurcht in der Stimme: „Sie ist so wunderschön.“
Etwas schweres landete auf seiner Schulter, und auch Rend ächzte unter plötzlicher Belastung. Kurz darauf schob sich Lucky Charlys Kopf zwischen sie, während er sich auf den beiden Offizieren abstützte. „Natürlich ist sie wunderschön. Aber pass erstmal auf, wenn wir in Port Arthur sind. Dann fangen die Wunder nämlich erst an.“
Johann grinste bei diesen Worten. Er wusste ganz genau, wovon sein bester Freund da sprach.
„Ach, hier treibt ihr euch rum.“ Arlene Schlüter kam herbei und lehnte sich ebenfalls vor, um durch das Fenster etwas von B-King sehen zu können, aber dieses Glück war ihr nicht lange vergönnt, weil Gerard Rössing ebenfalls herankam und sein Bestes gab, um sie von ihrem Aussichtspunkt zu verdrängen. „Lass mich doch auch mal sehen, Lenie.“
„Drück dich nicht so an mich. Man könnte ja meinen, du willst was von mir.“
„Von dir? Das kommt darauf an. Wieviel zahlst du?“
„Nanu, deine Liebe ist käuflich? Ich hoffe, das gilt nicht auch für deine Loyalität.“
„Ha! Das liegt nur daran, dass du Liebe von mir im Übermaß haben kannst, aber Loyalität ist bei mir rar und wertvoll.“
Tadelnd sah sie den anderen Offizier an. „Diese Aussage kann man auch anders interpretieren, alter Junge.“
Abrupt zog sich Arling vom Fenster zurück und machte somit genügend Platz für Rössing und Schlüter. Vor Überraschung wären die beiden beinahe zu Boden gefallen, aber ein schneller Griff des Kommodore rettete sie vor diesem Schicksal. „Wenn ich euch gucken lasse, benehmt ihr euch dann?“, fragte er tadelnd.
„Es liegt ja nicht an mir“, murmelte Schlüter. „Gerry ist mal wieder viel zu anhänglich.“
„Das liegt nur daran, dass du dir wieder mal die Sahnestücke schnappst und mir die Reste überlässt.“
„Es ist kaum zu glauben. Kaum zieht man den beiden die Uniformen aus, benehmen sie sich schlimmer als Kadetten im ersten Jahr“, tadelte Arling. Er wandte sich ab und ging zur Bar.
„Geh ruhig mit, Ellie“, flötete Charles grinsend. „Der Anflug dauert noch über eine Stunde. Du hast also noch genügend Gelegenheit, dir dieses Schauspiel anzusehen.“
„Oh, danke für den Tipp.“

Ellie verließ das Fenster und schlenderte zu ihrem Verlobten, der gerade bedächtig einen Fruchtsaft trank. „Was ist das?“
„Tamioka-Früchte. Eine Spezialität von B-King. Schmeckt ein wenig wie Erdbeer mit Kirschen.“
„Das nehme ich auch.“
Als sie ihr Longdrinkglas mit den lustigen Papierschirmchen in Händen hielt, zögerte sie. Nervös spielten ihre Hände mit dem Holzstiel des Papierschirms. „Han, darf ich dich etwas fragen?“
„Natürlich. Du darfst mich alles fragen. Aber du darfst nie auf alle deine Fragen auf Antworten hoffen.“
„Oh, ich glaube, diese Frage kannst du beantworten. Sie fällt sicher nicht unter die Geheimhaltung des Herzogs oder der Admiralität.“ Sie kicherte und sah kurz verlegen beiseite. „Han, warum heißt die Welt B-King, aber der Herzogstitel lautet Beijing?“
„Oh. Und ich habe schon gerätselt, was du von mir wissen willst.“ Arling zog eine Augenbraue hoch. „Du fragst, weil die Herzoge im Kaiserreich normalerweise wie der Planet heißen, den sie als Lehen haben, richtig?“
Ellie nickte aufgeregt.
„Da steckt eine witzige Geschichte hinter. Weißt du, ursprünglich wurde diese Welt von Asiaten besiedelt. Ja, guck nicht so überrascht. In meinen Adern pocht das Blut von halb Asien. Jedenfalls war diese Bevölkerungsgruppe recht klein, aber sehr aktiv. Ein Großteil der Welt wurde von ihnen besiedelt. Dünn, aber immerhin besiedelt. Sie wählten sich ein Oberhaupt und nannten ihn Administrator von Beijing. Dieses Amt galt auf Lebenszeit.
Als die Welt dann Teil des Kaiserreichs wurde, erkannte der Administrator von Beijing, dass ein Zuzug von weiteren Siedlern mehr als förderlich sein würde. Diese kamen aber zum größten Teil aus den indianischen, europäischen und afrikanischen Enklaven des Kaiserreichs, die alle ihre eigenen Sprachen mitbrachten. Mit der Zeit ging eine Veränderung mit der Welt vor und die Einwanderer vermischten sich mehr und mehr mit der asiatischen Bevölkerung. Mit dieser Vermischung gingen leider auch ein paar Dinge verloren. Viele der Einwanderer legten ihr alte Sprache ab, und auch das traditionelle Mandanton, das auf Beijing gesprochen wurde, wich nach und nach einer neuen Amtssprache, dem Katalischen, einer Sprache, die auf die alten germanisch-romanischen Sprachen zurückgeht. Im Zuge dieser Entwicklung wurden viele traditionelle Namen katalisiert, und so wurde aus Beijing mit der Zeit B-King, bis dieser Name sogar in die Kataloge aufgenommen wurde. Der Herzog meiner Heimatwelt jedoch fand einen Titel wie Herzog von B-King irgendwie affig, deshalb hat meine Familie den Namen Beijing beibehalten. Das ist eigentlich schon die ganze Geschichte.“
„Hm. Aber eine sehr interessante. Gibt es eine Möglichkeit für mich, mehr darüber zu lernen? Ich würde mich freuen, wenn ich mich intensiver mit deiner Welt beschäftigen könnte.“
„Du kriegst den Schlüssel zur Hausbibliothek“, versprach Johann. Er fand die Idee, dass seine zukünftige Frau seine Heimatwelt kannte nämlich auch ausgesprochen gut.
Im Hintergrund hatte Rössing den Kampf um den Fensterplatz schließlich verloren, aber er hatte sich bereits eine neue Strategie ausgedacht: Bestechung.
„Also, ein Erdbeerparfait für Charly und eine trockene Margarita für Lenie. Und beide wollen eine Schokowaffel, sehe ich das richtig?“
Johann Arling ließ den Kopf hängen. „Ich hätte Uniform befehlen sollen.“
***

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„Wenn wir rauskommen“, zischte Monterney Rend ins Ohr, „dann halte dich an mir fest. Du darfst nicht los lassen, hörst du?“
„Wovon redest du?“ Irritiert legte die junge Frau die Stirn in Falten.
„Oh, das wirst du schon sehen. Dies ist die Hauptstadt. Und was euch beide angeht, ihr kennt den alternativen Treffpunkt, ja?“
Rössing und Schlüter nickten, und das taten sie mit großem Ernst.
Wieder runzelte Rend die Stirn, dann lachte sie leise und winkte ab. „Ach kommt, ihr wollt mich hochnehmen. Nur weil das mein erster Besuch auf B-King ist, braucht ihr mir nicht gleich Schauermärchen auftischen. Sag doch auch was dazu, Han. Han?“
„Lass ihn. Er konzentriert sich. Es wird schlimm genug für uns werden, und für ihn erst Recht.“
„Schlimm?“ Mit Grauen im Blick sah sie die anderen Offiziere an. „Gibt es da etwas, was ich wissen muss?“
„Ja. An mir festhalten und um keinen Preis loslassen.“ Charles sah nach hinten, ans Ende der Schleuse. Der Chefsteward hielt dankenswerterweise die anderen Passagiere zurück, was ihm ein dankbares Nicken vom Knight-Pilot einbrachte.
Ein harter Ruck verkündete, dass die Schleuse nun mit dem Laufgang zum Raumhafen verbunden war. Eine Stewardess gab bereits die Öffnungssequenz für die Schleuse.
Arling straffte sich. „Sind alle bereit? Es bleibt keiner zurück, habt ihr mich verstanden?“
„Ja, Han.“ „Leute, irgendwie macht ihr mir Angst“, sagte Ellie Rend fröstelnd.
Dann fuhr die Schleuse auf und Johann Arling trat als erster in den Laufgang. Er war dankenswerterweise leer, bis auf ein Pärchen Raumhafenbediensteter, die mit glänzenden Augen zu den Offizieren des Kaisers herüber sahen. Genauer gesagt zu dem Offizier.
„Was ist das für ein Geräusch? Es klingt ein wenig wie Sturm. Oder ein Vakuumleck.“ Unwillkürlich verkrampfte sie wirklich ihre Hand in Charlys Hemd.
„Es ist lauter als letztes Mal“, stellte Rössing fest und wischte sich über die Stirn. „Wenn das mal gut geht.“
„Wollt ihr mir nicht endlich sagen, was…“, begann Ellie, aber da setzte sich Johann mit einem letzten Seufzer in Bewegung, Charles folgte ihm, und von hinten schoben die anderen beiden Offiziere.
Sie kamen den Laufgang hinauf. „Bis hierhin ging es gut“, murmelte Johann.
„Willkommen Zuhause, Mylord.“ „Willkommen in der Hauptstadt, Mylord.“
Arling nahm die Begrüßungen der beiden Hafenbediensteten mit einem Nicken entgegen, lächelte jeden der zwei freundlich an und schritt dann zwischen ihnen hindurch.
„Das Geräusch wird lauter. Es klingt irgendwie ein wenig wie ein vollbesetztes Stadion. Oder wie ein Knight, der in einem geschlossenen Gebäude startet“, stellte Ellie entsetzt fest.
Dann hatten sie den Laufgang verlassen, durchquerten eine nahezu leere Lobby, in der wieder Raumhafenbedienstete standen und Arling mit Grußworten empfingen.
Vor der letzten Automatiktür verharrte Johann Armin Graf zu Arling noch mal, atmete tief durch und sah mit einem schiefen Grinsen ein letztes Mal ins Rund. „Alle da? Alle bereit?“
„Ja, Han.“ „Passt mir gut auf unser Küken auf.“
„Küken? Damit meinst du doch hoffentlich nicht mich, Han“, empörte sich die junge Kapitänleutnant.
Doch da hatte Johann bereits den letzten Schritt getan, die Automatiktür glitt auf, und entließ sie in die Hölle.

Sie passierten den Sicherheitsbereich ohne zusätzlichen Check, und der Lärm wurde mit jedem Schritt lauter. Ein Sicherheitsbeamter hielt ihnen eine Tür auf und verzog schmerzhaft das Gesicht, als der Lärm noch einmal zunahm.
Sie kamen in einen großen Saal, eine kombinierte Warte- und Einkaufspassage.
Mehrere Hundertschaften Polizei bildeten eine Absperrung von ihrer Tür bis zum Ausgang, und hinter dem Wall aus Polizisten stand ein Wall aus Leibern. Bürgern, Angestellten, Arbeitern, wahrscheinlich alles, was die Bevölkerung von Port Arthur und Umgebung auf die Schnelle bieten konnte. Auch auf den Balustraden waren sie, drängten sich dicht an dicht, und zwischen ihnen versuchten Sanitäter mit ihrer Last Bewusstloser und Verletzter durch zu kommen.
Als Arling durch die letzte Tür trat, nahm der Lärmpegel noch einmal zu.
Rend verstand endlich. Die Menschen schrieen, schoben, brüllten, pfiffen und klatschten – aus Begeisterung. Johann Arling wurde ein Empfang bereitet, wie Ellie ihn noch nie gesehen hatte. Allerdings hatte dieser Jubel seine Tücken, denn schon begannen die ersten zu schieben und versuchten in blinder Begeisterung durch die dreifache Polizeimauer zu kommen.
„Siehst du, Gerry?“, rief Arlene Schlüter über den Lärm hinweg, „diesmal haben sie Netze auf der Balustrade gespannt, damit nicht wieder so ein paar Trottel über die Geländer fliegen!“
„Ist mir schon aufgefallen! Hast du auch bemerkt, dass es diesmal eine Dreierreihe ist? Letztes Mal sind sie noch mit einer Doppelreihe ausgekommen!“
Johann Arling war indes stehen geblieben und winkte in die Runde, was den Geräuschorkan noch einmal steigerte und die Drängeleien erhöhte.
„Da lobe ich mir doch den Abflug!“, rief Charly mit einem wilden grinsen, „da sind hier zwar genauso viele wie beim Abflug, aber es drängelt keiner!“
„Ja, weil sie alle Schiss um ihren Grafen Arling haben!“, rief Lenie zurück.
Mit gemessenem Schritt ging Graf Arling weiter. Die Offiziere folgten ihm, und Ellie verstand endlich warum sie sich bei Charly festhalten sollte. Wenn die Mauer der Polizisten durchbrochen wurde, dann würden einzelne Menschen in dieser Menge davon gespült werden wie ein Papierboot von der Meeresbrandung.
Links von ihnen wurde ein Polizist aus der Reihe gezogen. Der Arme hatte einen Ellenbogen ins Gesicht bekommen und hielt sich nun benommen die blutende Nase. Eine potentielle Bruchstelle, stellte Ellie entsetzt fest. Doch statt seinen Schritt zu beschleunigen, ging Han kurzerhand zu dem Verletzten und half ihm vorsichtig auf. Als der Ältere jedoch bemerkte, wer ihm da aufhalf, war es um seine Fassung beinahe geschehen. Offensichtlich konnte er sich zwischen verbeugen und salutieren nicht entscheiden, also tat er beides. Und fiel wegen der Bewegung beinahe in Ohnmacht. Arling musste erneut zugreifen, um den Mann vor einem Sturz zu bewahren.
Die Schieberei wurde schlimmer; vereinzelt hatten sich junge Menschen schon fast durchgedrängt. Und Arling sah aufmerksam in die Runde, während sich seine Stirn in Falten legte.
„Jetzt kommt´s! Halt dir die Ohren zu, Ellie!“, rief Charly mit einem wilden grinsen.
Mit einer Stimme, die den Geräuschorkan nicht übertreffen konnte, aber mühelos die ersten zwanzig Meter erreichte, brüllte Arling: „RUHE!“
Die vorderen Reihen verstummten. Und wie ein Stein ringförmige Wellen schlug, wenn er ins Wasser geworfen wurde, breitete sich diese Stille weiter aus, ging die Passage entlang und erreichte den Balkon, bis das Geschrei verstummt war und einem unwirklichen Schweigen Platz gemacht hatte. „Also, bitte, wir sind doch hier nicht in Yura-Maynhaus, sondern auf B-King“, tadelte Graf zu Arling mit spöttischer Stimme.
Ein leises raunen der Menschenmenge antwortete ihm, vereinzelt klang darin Gelächter an.
Auch Arling verzog sein Gesicht zu einem heiteren Lächeln. „B-King, ich bin wieder da!“
„Willkommen Zuhause, Graf Arling!“, rief die Menge, und es erschien, als hätte sie es einstudiert. Danach brach erneut Applaus, Jubel und Pfiffe auf, aber das Geschiebe blieb aus.
„Ist doch jedesmal dasselbe! Han muss erst die Courage aufbauen, um sie zum schweigen zu bringen!“, erklärte Charly über den Lärm hinweg. „Er will ihnen die Freude nicht nehmen! Aber wehe es wird jemand verletzt, dann wird er garstig!“
„Han ist so beliebt?“, staunte Ellie. „Das wusste ich gar nicht! Adel ist doch eigentlich… Eigentlich…“
„Ja, wäre es dir lieber, wenn er ein von allen gehasster Tyrann wäre?“
„Nein, das nicht, aber ich konnte doch nicht ahnen, dass nicht nur seine Schiffsbesatzung ihn so verehrt!“

Johann winkte in die Runde, klopfte dem verletzten Polizisten noch einmal auf die Schulter und ging dann durch den Ausgang.
Draußen zeigte sich das gleiche Bild. Eine unüberschaubare Menschenmasse hatte sich hier zum Empfang des Grafen eingefunden. Vereinzelt hielten einige Transparente hoch auf denen Sachen standen wie: Johann, wir lieben dich oder Willkommen daheim.
Es verwunderte Ellie schon, dass die wenigsten einen Bezug auf den Krieg nahmen, in dem sich Katalaun befand. Aber verstehen konnte sie es schon, denn B-King lag nahezu im Zentrum des Kaiserreichs, und damit von beiden Fronten möglichst weit weg.
Oder war die Bevölkerung nicht martialisch eingestellt? Das hätte sie sich auf Sanssoucci vorstellen können, aber nicht unbedingt auf der Heimatwelt ihres Verlobten. Wobei sie, das musste Ellie zugeben, verdammt wenig über Hans Heimat wusste.
Draußen wartete bereits ein großer Schwebewagen, auf dessen Frontkühler eine kleine Flagge wehte. Das Symbol darauf kam ihr vage bekannt vor.
Eskortiert wurde die große Limousine von mehreren Schwebern der Polizei.
Noch so ein Punkt, ging es Ellie durch den Kopf, als Han ihr und Lenie nacheinander die Hand reichte, um ihnen in den Wagen zu helfen. Sie sah nur Polizei-Einheiten, keine Miliz, geschweige denn Militär oder Flotte. Selbst der Kaiser wurde bei seinen Ausflügen, egal ob in die Wohnung ihres Vaters oder an den Meeresstrand, immer von einer eigenen Militäreinheit bewacht. War Han leichtsinnig, wenn er seinen Schutz ausschließlich der Polizei anvertraute?

Ein letztes Mal winkte der Graf in die Runde, wartete geduldig bis Gerry und Charly eingestiegen waren und setzte sich dann ebenfalls in den Fonds. Der Schweber startete sofort und gewann schnell an Höhe. Die Polizei-Wagen, sechs an der Zahl, gruppierten sich vor, hinter und neben der Limousine.
Mit einem erleichterten Seufzen ließ sich Johann Arling in das Polster sinken. „Das wäre geschafft. Jetzt kommt der schwierige Teil.“ Der Graf sah nach vorne. „Wilhelm, ist der Herzog Zuhause?“
„Ja, Mylord. Er erwartet euch und eure Gäste bereits.“ Der Fahrer sah kurz in den Fonds. „Stimmt etwas nicht, Mylord? Wünschen Sie ein anderes Ziel? Ich kann euch auch nach Burg Arling fliegen.“
„Nein, ist schon in Ordnung, Wilhelm. Unser Ziel ist das Schloss.“ Resigniert sah Johann zu Boden. „Ewig kann ich dich ja doch nicht vor ihm beschützen, Ellie.“
Als er die irritierte Miene seiner Verlobten sah, fügte er hastig hinzu: „Mein Vater ist etwas eigen. Aber er ist immerhin auch schon über zweihundert Jahre alt.“
„Denk nich drüber nach, Ellie, das musst du nicht verstehen.“ Freundschaftlich klopfte Charly ihr auf die Schulter. „Lass es auf dich zukommen und reagiere dann.“
Schlüter und Rössing wechselten einen kurzen Blick. „Sie wird ihn um den Finger wickeln.“ „Nun, vielleicht nicht gerade wickeln, aber ich glaube nicht, dass Gandolf gegen sie eine Chance hat.“
„Seid ihr zwei nicht etwas zu optimistisch“, tadelte Arling.
„Wir reden hier immerhin von Kapitänleutnant Rend, der jüngsten Offizierin in diesem Rang, oder?“ Lenies Lächeln war entwaffnend.

„Port Arthur ist anscheinend recht groß. Beinahe so groß bei Neu Berlins Kernstadt“, stellte Ellie laut fest, um vom Thema abzulenken.
„Was erwartest du? Sie ist eine planetare Hauptstadt. Und zudem Sitz der Herzoglichen Residenz.“ Charly sah an ihr vorbei auf die Stadt hinab. „Ich bin hier aufgewachsen, und ich kenne verdammt noch mal jeden Winkel hier.“
„Zumindest alle verruchten Bars und Raumfahrerkneipen“, stellte Han schmunzelnd fest.
„Und da bin ich sehr stolz drauf.“ Charles grinste ungezwungen. „Da konntest du noch was von mir lernen, Han.“
Die beiden Männer schmunzelten sich zu, und übergangslos fühlte sich Ellie wie ein Eindringling in einer Freundschaft, die weitaus länger bestand als sie Johann Arling überhaupt kannte. Das gleiche fühlte sie oft genug, wenn Han mit Gerard oder Arlene redete. Oder wenn sie sich über alte Geschichten amüsierten. Oder alte Schlachten aufwärmten.
„Da ist es ja“, brummte Gerry zufrieden. „Und wir kommen genau zur richtigen Zeit. Später Nachmittag war eine tolle Idee, Graf Arling.“
Ellie sah nach vorne, ihr Blick ging suchend umher. Dann begriff sie ihren Fehler. Sie suchte das Schloss vor sich. Und das war falsch. Alles vor ihr gehörte zum Schloss. „Ist das groß.“
„Was erwartest du? Schloss Beijing beinhaltet die lokale Flottenzentrale, das Parlament, das Oberhaus, das Hauptquartier der Miliz, Büros von Verwaltung und Regierung, das Regionalparlament des hiesigen Bezirks, mehrere Miliz- und Polizeikasernen und nicht zu vergessen den Wohnsitz des Herzogs von Beijing.“ Charles Monterney grinste bei diesen Worten ausnahmsweise nicht. Er war sehr ernst und irgendwie auch sehr stolz. „Meine Heimat, wenn du so willst, Ellie.“
„Ähemm. Und selbstverständlich meine“, fügte Johann hinzu, während der Pulk aus Schwebern über Kasernen, Bürogebäude, kleine Parks, Sportanlagen, größere Parks, Trainingsgelände, Wohnhäuser und kleineren Werkshallen hinwegflogen.
Langsam schob sich ein eher unscheinbarer Bau ins Zentrum des Fluges. Das heißt, unscheinbar war er nur, wenn man die bisherige Gigantomanie, die schiere Größe der Stadt Port Arthur und das riesige Gelände der herzoglichen Residenz als Vergleich bemühte. Wenn man dies fort ließ, blieb immer noch ein dreistöckiges, viereckiges Gebäude mit großzügigem Innenhof, großen Gartenanlagen zu allen vier Seiten und einer kleinen Seen-Anlage auf dem Gelände, auf dem in diesem Moment mehrere Segelboote in der Spätnachmittagssonne kreuzten. Die spiegelnde Sonne schaffte das Kunststück, das menschliche Auge glauben zu lassen, die Schiffe würden auf purem Gold fahren.

Über dem Park drehten die Polizeischweber ab. Die Limousine flog bis zum Haupttor des großen Hauses und landete auf einer markierten Fläche.
Hilfreiche Hände in weißen Handschuhen öffneten den Fonds und streckten sich den Neuankömmlingen entgegen.
„Herzlich willkommen auf Schloss Beijing, Kapitänleutnant Rend.“
„Herzlich willkommen auf Schloss Beijing, Kapitän Schlüter.“
„Willkommen daheim, Oberst Monterney. Ich soll Ihnen sagen, dass Graf Angward Sie so schnell es Ihnen möglich ist, auf dem Südbalkon sprechen will.“
„Herzlich willkommen, Fregattenkapitän Rössing. Die Golfanlage steht wie immer zu Ihrer Verfügung.“
„Willkommen daheim, Graf Arling. Sie hatten eine gute Jagd, wie man hören konnte?“
Han griff zu und ließ sich von der hilfreichen, weiß behandschuhten Hand aus dem Wagen ziehen. „Kann man wohl sagen, Jeremy. Immerhin habe ich jetzt Gold auf der Schulter. Nun, ich hätte es, wenn ich meine Uniform tragen würde. Wo ist mein alter Herr?“
Der Mann, den Han Jeremy genannt hatte, trug eine schwarzgelb livrierte Hausuniform. Er schien unter den angetretenen dienstbaren Geistern der Ranghöchste zu sein. Die anderen, Männer und Frauen in ähnlicher Kleidung, standen, sofern sie den Gästen und dem Grafen nicht beim aussteigen geholfen hatten, Spalier bis zur Tür.
„Im Innengarten, Mylord. Er erwartet euch und eure Gäste asap, wie er immer zu sagen pflegt.“
„As soon as possible. Also sofort“, stellte Arling schmunzelnd fest. „Dann wollen wir ihn nicht warten lassen. Wenn du aber gleich zu Mikhail willst, bist du entschuldigt, Charles.“
„Danke, Han. Du machst das klar mit Zacharias?“
„Keine Sorge, ich decke dir den Rückzug.“ Johann Arling bot Ellie die Hand, während Gerard Rössing das gleiche mit Arlene Schlüter versuchte – leider hatte sie schneller reagiert und führte nun ihn.
Als die beiden Paare – abgesehen von einem Charles Monterney, der um die Menschengruppe herum sprintete – durch das Spalier traten, erklang ein vielstimmiges: „Willkommen Zuhause, Mylord!“
Jeremy ging vorneweg und musterte aus zusammengekniffenen Augen die Anwesenden. Ellie bemerkte es, weil zwei, drei der livrierten Diener erbleichten, als sein Kopf ihnen zugewandt blieb, obwohl er voran schritt. Anscheinend hatte er einen Mangel in ihrer Bekleidung festgestellt. Jedenfalls etwas in der Richtung.
„Ist der Mann nicht etwas streng, oder kommt mir das so vor?“
Johann Arling schmunzelte. „Jeremy macht nur seinen Job. Diese Angestellten sind nicht einfach nur Diener. Sie sind Mitglieder der persönlichen Einheit des Herzogs. Soldaten. Und Soldaten kontrolliert man am besten mit Disziplin. Es ist schon etwas her, dass ein Herzog Beijing seine persönliche Garde in eine Schlacht geführt hat, aber wenn er dies täte, hätte er dreißig Knights, ebenso viele Panzer und zweihundert Mann gepanzerte Infanterie zur Verfügung, denen Jeremy im Range eines Obersten vorstehen würde.“
„Und der auch über den Grafen Arling befehlen würde“, kam es von vorne, streng und ernst.
Jeremy sah nach hinten und seufzte. „Um Ihres Seelenfriedens willen, Kapitänleutnant Rend, verspreche ich, dass ich dieses eine Mal – und wirklich nur dieses Mal – über die Uniformmängel meiner Untergebenen hinweg sehen werde. Ich hoffe das stellt Sie zufrieden, Ma´am.“
Ellie wurde rot und senkte den Blick. „Kann der Mann Gedanken lesen?“
„Er kann!“ Diese Worte kamen synchron von den anderen drei Offizieren, und nicht wenige Livrierte nickten dazu unauffällig.
„Schmeichler“, brummte Jeremy und sah wieder ernst geradeaus.

An der Türschwelle erwarteten sie weitere Diener, diesmal in schwarzen Frack und Hausmädchenuniform gekleidet. Sie begrüßten den Grafen zu Arling ebenso formell im Wort, aber bei weitem nicht so steif. In ihren Augen blitzte offen die Freude darüber, den Erben des Herzogs wieder im Haus zu wissen.
Ebenso strahlten die Augen einer schwarzhaarigen Frau von vielleicht sechzig Jahren, die ein figurbetonendes beiges Sommerkleid trug. „Willkommen zurück, du alter Rumtreiber.“ Lächelnd nahm sie Arling in die Arme.
„Ich freue mich, wieder mal hier sein zu können, Sibylle.“ Er ließ sie wieder fahren und schenkte ihr ein hinreißendes Lächeln. „Du wirst auch mit jedem Tag schöner, mein Engel.“
„Es bringt dir überhaupt nichts, mir zu schmeicheln, Johann, du hast mich doch sowieso in der Tasche. Das weißt du doch“, tadelte sie mit einer gespielt abwehrenden Bewegung. Dann sah sie zu den anderen. „Ich nehme an, Charles ist gleich zu seinem Spielkameraden durchgestartet?“
„Mikhail hat gleich nach ihm schicken lassen“, bestätigte Han mit todernster Miene.
„Und du hast es auch noch zugelassen.“ Tadelnd hob sie den Zeigefinger. „Auch wenn er dein Liebingsgroßneffe ist, darfst du ihm nicht jede Laune durchgehen lassen. Und vor allem solltest du ihm verbieten, dir deine Freunde abspenstig zu machen.“
„Apropos Freunde. Du erinnerst dich an Arlene Schlüter und an Gerard Rössing?“
„Natürlich, wie könnte ich… Moment, diese reizende junge Dame ist das erste Mal hier. Gehe ich recht in der Annahme, dass ich es mit Kapitänleutnant Eleonor Rend von der REDWOOD zu tun habe?“
Ein wenig verlegen und mit leicht geröteten Wangen sah Ellie zu Boden. „Ja, Ma´am.“
Die Augenbrauen von Sibylle schienen vor Vorfreude auf und ab zu hüpfen. „Darf ich, Onkel?“
„Sei mein Gast, Lieblingsnichte.“
„Onkel? Nichte? Irgendwas kapiere ich hier WHOA!“ Übergangslos steckte Ellie in einer dicken Umarmung.
„Willkommen Zuhause, Eleonor Rend! Willkommen bei Johanns und deiner Familie. Oh, ich freue mich ja so, dass es endlich mal ein Mädchen geschafft hat, diesen Tunichtgut einzufangen!“ Böse sah sie zu Lenie herüber. „Ich hatte da ja immer Hoffnungen auf dich gesetzt, Mädchen.“
Arlene Schlüter zuckte die Schultern. „Deine Hoffnungen müssen total an mir vorbei gegangen sein, Billie. Außerdem habe ich mich auf diese Art nie für Han interessiert. Man muss wohl ein ganz besonderer Schlag Frau sein, um sich für ihn zu erweichen.“
„So wie unsere Ellie hier?“ Mit einem strahlenden Gesicht hielt Sibylle die Jüngere ein Stück von sich ab. „Jetzt hat er nicht nur endlich eine abgekriegt, sie ist auch noch bildhübsch. Respekt, Graf Arling, Respekt.“
Nachdem sie Eleonor Rend losgelassen hatte, tauschte sie mir Schlüter und Rössing Begrüßungsküsschen aus. „Na, ich denke einfach mal, dass du daran schuld bist, dass Lenie sich nie so richtig für Johann begeistern konnte, Gerry.“
„Also, für mich begeistert sie sich auch nicht.“ Gerard schien einen Augenblick nachzudenken, dann fügte er hinzu: „Glücklicherweise.“
„Sag mal, Han, ich möchte nicht schlecht über jemanden reden, den ich gerade erst kennen gelernt habe, aber ist sie nicht älter als du?“
„Das hast du gut gesehen. Sibylle hat ein paar Jahre mehr auf dem Buckel als ich, Ellie.“
„Das habe ich gehört, Johann Arling. Aber ich werde nicht älter, einfach nur besser“, tadelte sie.
Han schmunzelte. „Aber sie ist meine Nichte. Genauer gesagt die Enkelin meines Vaters. Und ihr Sohn, der Graf von Angward, ist mein Großneffe, obwohl er lediglich acht Jahre jünger ist als ich. Aber das ist schon Familienpolitik, das erkläre ich dir in aller Ruhe mal.“
Hans Miene wurde melancholisch. „Ansonsten ist sie eher eine Mutter für mich. Sie hat mich groß gezogen. Und glaub mir, das war Schwerstarbeit.“
„Die sich aber gelohnt habe, wenn ich mir ansehe, was für einen Prachtburschen ich da aufs Kaiserreich losgelassen habe.“ Burschikos klopfte die Gräfin ihrem Onkel auf die Schulter.
„Ich bin jeder Zoll deine Erziehung, Sibylle.“
„Na, dann habe ich dir hoffentlich beigebracht, dass du Gandolf nicht warten lassen solltest, wenn du einmal in zwei Jahren wieder nach Hause kommst, oder?“
Ellie hüstelte verlegen. Etwas ähnliches hatte Han ihr auch um die Ohren gehauen, neulich auf Sanssoucci.
„Kommt, meine Lieben, kommt, sonst wird der Wein warm.“

Ellie konnte hinterher nicht mehr genau sagen, was sie erwartet hatte, als sie zusammen mit Han und den anderen – der Gedanke, dass Sibylle seine Nichte war, verursachte bei ihr den Gedanken an manisches Kichern, so unwirklich erschien es ihr – durch den großen Bau schritt und schließlich in den Garten hinaustrat. Vielleicht einen verhutzelten alten Mann, der mit warmer Decke auf dem Schoss auf einem Lehnsessel saß, eventuell einen weißhaarigen Mann, der mit Strohhut im Garten werkelte.
Aber sicherlich nicht einen großen, breitschultrigen Mann in der Uniform der Flotte, der mit dem federnden Elan der Jugend und einem Gesicht das kaum älter als hundert wirkte auf die Besucher zuschritt und seinen Sohn herzlich in die Arme nahm. „Willkommen daheim, mein Junge.“
„Ich bin wieder da, Vater.“
„Und das diesmal erfolgreich. Sie müssen Ellie sein. Sonst kann ich meinem Jungen ja kaum ein Wort entlocken, aber über Sie – darf ich du sagen? – hat er ja wahre Bücher nach Hause geschrieben.“
Ellie fühlte sich völlig überrumpelt. „Na-natürlich, Mylord.“
„Dann bestehe ich aber auch darauf, dass du mich Zacharias nennst. Ist mir lieber als Gandolf.“ Er begrüßte Ellie mit einem Handkuss, die gleiche Prozedur wandte er auch bei Lenie an. Gerard aber zog pikiert seine Rechte weg. „Bei mir bitte nicht, ja?“
Der Herzog lachte dazu und klopfte dem Kapitän auf die Schulter. „Du wirst auch nie erwachsen, mein Junge. Wollen wir morgen eine Runde auf dem Platz drehen? Der alten Zeiten willen?“
„Natürlich, Mylord. Wie knapp soll ich euch gewinnen lassen?“
„Witzig wie immer, der Junge. Hannes, hast du ihm Humordrops zu futtern gegeben?“
„Jeden Tag drei Stück, wie es im Rezept steht, Vater.“
„Ja, ja, verbündet euch mal wieder gegen mich. Vater und Sohn, ist ja klar“, brummte Gerard und tat als würde er frustriert nach Steinen kicken.
Schließlich sahen sich die drei Männer an und lachten. „Willkommen. Mein Haus ist auch euer Haus, wie immer“, sagte der Herzog und führte die Gruppe zu einem nahen Tisch, der bereits eingedeckt war. Obst, Käse und Brot waren zu einem späten Snack hergerichtet worden, verschiedene Weingläser standen auf dem Tisch und Diener im Frack standen bereit, um auf die verschiedenen Wünsche der Gäste reagieren zu können.
„Weiß oder rot?“
„Wir trinken alle weiß, das ist ein Befehl“, entschied Arling. „Den 2605er Arling Görte Südlage von meinem Hof, wenn es Recht ist.“
„Davon habe ich aber nur noch ein Fass.“
„Ich lasse dir ein paar Fässer schicken“, versprach Han seinem Vater.
Der Herzog nickte zufrieden und sprach kurz leise mit einem der Diener.
Der kam nach wenigen Minuten mit einer gefüllten Karaffe zurück.
„Frisch vom Fass gezapft. Ich habe leider auch keine Flaschen mehr.“
„Auch die“, erwiderte Arling mit einem Seufzen, „lasse ich dir rüber schicken. Ich schreibe Edmond gleich nachher eine Anweisung.“
„Nun tu nicht so als würdest du mir damit einen Riesengefallen erweisen. Ich kann es dir auch als dein Lehnsherr befehlen!“
„Keinen Streit, Großvater“, mahnte Sibylle. „Dafür ist Johann nicht lange genug hier.“
„Der Wein wäre es aber wert“, murrte Zacharias. Er sah auf. „Charly ist…“
„Bei seinem Lehnsherrn und dürfte just in diesem Moment mit ihm auf den Hoverboards zum Strand unterwegs sein.“
Der alte Mann sah Arling triumphierend an. „Na, dann klappt ja alles. Den Rest lege ich in Amors Hände.“
„Muss ich das oder will ich das nicht verstehen?“ Misstrauisch runzelte Han die Stirn.
„Das ist nichts, was dich angeht, Hannes. Glaub mir. Jedenfalls nicht hier und heute.
Aber jetzt erzählt mal. Ich will alles über euren Husarenritt quer durch Yura-Maynhaus wissen.“
***
Charles Monterney konnte es nicht ganz verbergen, aber er war reichlich aufgeregt, als er den Südbalkon betrat.
Der junge Mann in der Milizuniform, der ihn erwartete, fuhr auch prompt beim leisen Geräusch der sich öffnenden Tür herum. „Charly!“
„Mylord. Ich melde mich wie befohlen!“
Der junge Mann kam mit schnellen Schritten näher. „Lass doch diesen Quatsch. Wir sind vollkommen unter uns!“ Hektisch riss der Graf zu Angward den Älteren an sich. „Verdammt, alter Junge, als du diesmal gegangen bist, dachte ich schon, ich sehe dich nicht wieder.“
„Nicht doch, nicht doch. Ich bin der…“ Charles sah angestrengt nach oben und tat als würde er zählen. „Ich bin der eintausenddreihundertelftbeste Knight-Pilot, den das Kaiserreich aufzubieten hat. Wie soll mir schon was passieren?“
„Du bist ein Spötter wie er im Buche steht“, tadelte der Graf, legte einen Arm um die Schulter des Piloten und führte ihn zum nahen Tisch, der reich eingedeckt war. „Ich würde sagen, wir essen erstmal was, dann schnappen wir uns die Boards und fahren zum Strand runter. Dort wartet nämlich schon eine ausgewachsene Party auf uns. Ich habe all unsere Freunde mobilisiert.“
„Das sind gute Neuigkeiten. Aber du weißt schon, dass Han sich verlobt hat? Willst du nicht vorher deine neue Großtante kennenlernen?“
„Und mich hinten anstellen, wenn drei Tanten, neun Cousinen, acht Cousins, eine Schwester, zwei Nichten und drei Neffen sowie die Großcousins und Großcousinen drängeln? Nein, mein Lieber. Das Vergnügen gönne ich mir morgen, dann habe ich Eleonor Rend für mich alleine. Und du wirst dafür sorgen.“ Der Graf hob den Zeigefinger und grinste schalkhaft. „Denn du bist ja ihr bester Freund, richtig?“
„Das kann man wohl sagen.“ Schwer seufzend ließ er sich am Tisch nieder. „Okay, du hast mich wieder rumgekriegt. Wie schaffst du das nur immer? Han kriegt das jedenfalls nicht so einfach hin.“
„Das liegt vielleicht daran, dass du mein großer Bruder bist und ich für dich für damals durchs Feuer gehen würde.“ Die Augen des Grafen zu Angward wurden wässrig. Für ein paar Sekunden kämpfte er mit sich und wischte sich verstohlen über die Augen. „Du kannst mir nicht widerstehen, großer Bruder.“
Mit einem triumphalen Lachen warf Mikhail sich in Pose. „Außerdem bin ich dein Dienstherr, Ritter Monterney! Und du hast geschworen, mir zu dienen!“
„Ich habe geschworen dich zu beschützen. In meinem Schwur war aber nichts enthalten, was mich daran hindert, dir deinen überheblichen Hintern zu versohlen, Graf zu Angward!“
„Friede, Mann, Friede. Ich bin nur ein wenig aufgekratzt, das ist alles! Gestern habe ich meine eigene Milizkompanie Knights gekriegt, vorgestern ging meine Beförderung zum Hauptmann durch, und letzte Woche erreichte mich die Nachricht, dass…“ Entsetzt sah der Junge auf. „Ach ja, dass Han endlich eine Frau fürs Leben gefunden hat. Dann wird es ja sicher nicht mehr lange dauern und er kriegt den Herzogtitel von Gandolf.“
„Oder auch nicht. Zak sieht aus als wolle er noch mal hundert Jahre drauflegen. Er sagt ja nicht umsonst, dass Stress sein Lebenselexier ist.“
„Stress, guter Wein und ab und zu eine Schlacht um das Schicksal des Kaiserreichs. So sind seine Worte.“ Diskret schob der Graf seinem Ritter einen Korb mit frisch geschnittenem Weißbrot zu. „Falls du Hunger hast.“
„Danke. Kannst du mir dazu die Weintrauben und den Brie reichen? Der Nichala sieht auch gut aus. Bitte schneide ihn doch in Würfel für mich. Danke. Und wenn du jetzt noch die Güte hättest, mir den Arling Westhang einzuschenken… Nicht so viel! Mensch, Mick, du kannst den Wein doch nicht wieder in die Flasche zurückkippen!“
Gequält sah der Graf den Oberst an. „Es macht dir Spaß, mich rumzukommandieren, was?“
„Nein, es macht Spaß, dich gehorchen zu sehen“, erwiderte Charles grinsend, und schob sich ein Stück Käse in den Mund. „War der Nichala schon immer so scharf?“
„Den habe ich eingelegt“, verkündete Mikhail stolz. „Ich habe mit Pepperoni von der Erde und Nrabu, den einheimischen Pfefferschoten von Angward, experimentiert. Schmeckst du schon die nussige Note heraus? Den Hauch Zimt?“
„Im Moment schmecke ich gar nichts, weil meine Zunge betäubt ist“, tadelte Charly.
„Oh, dann ist er wirklich gut geworden.“ Wortlos schob er ein gefülltes Glas Wasser zu dem Oberst rüber.

Sie aßen einige Zeit lang schweigend. Dann stand Mikhail auf. „So, ich ziehe jetzt mein Partyzeug an. Und dann stürzen wir uns auf die Boards. Willst du dich auch umziehen, oder ziehst du so los?“
„Wenn mich eine ganze Welt in diesen Klamotten empfangen konnte, dann wird mich deine Strandparty auch so ertragen können, oder?“
„Ich dachte nur, du möchtest vielleicht besonders gut aussehen. Es werden viele hübsche Mädchen da sein, und du bist ja immer noch frei und ungebunden.“
Charly runzelte die Stirn. „Dann sollte ich erst recht bei diesen Sachen bleiben. Mir steht der Sinn heute mehr nach Alkohol als nach Frauen.“
„Aber, aber, nur weil deine beste Freundin mit deinem besten Freund zusammen ist? Hast du vielleicht was gemerkt, was dir jetzt leid tut, alter Junge?“
„Ich gebe dir gleich einen alten Jungen. Nein, es ist etwas anderes.“ Charles sah den Grafen wehmütig an. „Schon mal versucht, Sternschnuppen mit einem Knight einzufangen?“
„Erzähl es mir später, okay?“ Der Graf erhob sich und verließ den Balkon. Im gehen murmelte er: „Es nützt nichts, den Knight auf die richtige Höhe zu bringen, du Dummkopf. Man muss auch noch die Arme ausstrecken.“
***
Es war schon spät, die Sonne hatte beinahe den Horizont erreicht, da erhob sich Johann. „Vater, ich gehe meine Brüder besuchen. Es wird nicht lange dauern.“
„Geh nur, geh nur. In den letzten zwei Jahren wirst du den Weg wohl nicht vergessen haben.“
Arling stand auf und klopfte seinen beiden Offizieren auf die Schultern. „Ärgert mir den alten Mann nicht zu sehr. Er sieht vielleicht aus wie ein Preisbulle in der Brunft, aber in Wirklichkeit ist er ein gebeugter Greis.“
„Greis? Ich? Ha, wenn du mal mit sechzig so gut aussiehst wie ich mit zweihundert, dann reden wir weiter!“ Der Herzog hob sein Glas und trank einen Schluck Wein. „Bist du immer noch nicht weg, du Lausejunge?“
„Es dauert nicht lange“, sagte Arling, lächelte seine Verlobte an und verschwand im Westflügel.
„Ich muss zugeben, ich bin etwas irritiert“, gab Ellie zu. „Sogar mehr als etwas. Seine Brüder hat Han nie erwähnt und…“
Gandolf Zacharias Herzog zu Beijing hob beide Augenbrauen. „Hast du Lust auf einen Spaziergang, meine Hübsche? Bille, kannst du derweil unsere Gäste bei Laune halten?“
„Natürlich, Großvater. Dafür muss ich ja nur Gerry betrunken machen und anschließend mit Lenie über ihn lästern.“
„Gut, dass ich zu betrunken sein werde um das mitzukriegen“, erwiderte Gerard trocken. Aber seine Augen verrieten, dass seine Worte nicht annähernd so ernst gemeint waren wie sie klangen. Mehr noch, Ellie ertappte sich dabei, sie alle als große Familie anzusehen. Und in diese Familie heiratete sie nun ein.
„Ellie?“ „Natürlich, Zacharias.“ Sie ließ sich von ihm aufhelfen und folgte dann der großen Gestalt durch den Innengarten.
„Du hast heute noch einen schweren Tag vor dir. Außer Sibylle haben sich noch Hannes´ andere beiden Schwestern angekündigt, um dich kennen zu lernen. Margrit ist etwas streng, zugegeben, aber sie wird froh sein, dass der Lauser endlich unter die Haube kommt. Francine ist ein sehr fröhlicher Mensch, und genau damit geht sie einem nach spätestens einer Stunde auf die Nerven.“ Zacharias seufzte. „Natürlich werden sie ihre erstgeborenen Söhne mitbringen, die Grafen zu Nanking und Kantou. Die sind etwas erträglicher, weil sie Angst vor ihrem Opa haben.“ Der alte Herzog schmunzelte. „Nur ein Witz. Aber bis Mitternacht werden wir dich wohl beschäftigt halten. Danach kannst du dich deinem Jetlag ergeben.“
„Oh, ich bin ausgeruht. Der Flug war sehr angenehm“, beeilte sich Ellie zu versichern. Fragend sah sie den Herzog an, wagte es aber nicht ihre Gedanken in Worte zu fassen.
„Du fragst dich, warum du Hannes´ Schwestern kennenlernst, aber nicht seine Brüder.“ Der alte Mann wirkte plötzlich wirklich alt. Er ächzte und rieb sich den Rücken. „Eine schlimme Sache, das. Eine sehr schlimme Sache. Weißt du, mein Engel, ich bin nun zweihundertneun Jahre alt. Das ist eine sehr lange Zeit, gerade für einen Menschen, der noch so jung ist wie du. Und in dieser Zeit hatte ich drei Ehefrauen, die alle vor mir gestorben sind. Es tut manchmal weh, zurückbleiben und noch leben zu müssen, wenn das was du liebst nicht mehr da ist.“ Der alte Herzog sah gen Himmel, wo gerade der erste Stern erschien. „Aber ich habe viele gute Erinnerungen an sie, schöne Erinnerungen, die mir helfen. Die mich nicht verzweifeln lassen. Und dann sind da ja auch noch meine Kinder und Enkel, und Urenkel und… Ach, lassen wir das. Es würde zu weit führen.
Meine erste Frau hieß Charlotte. Ich war siebzig, als ich sie heiratete. Ich war Graf zu Nanking und nicht einmal ansatzweise in der Verlegenheit, einmal diese Welt erben zu müssen. Im Gegenteil, ich war Flottenoffizier, und ich war mit diesem Job sehr zufrieden. Und ich dachte meine Frau wäre auf dieser Welt sicher. Charlotte hat mir drei Kinder geschenkt. Anton, meinen Erstgeborenen, Margrit, mein ältestes Mädchen und Francine, unser Mittelkind. Leider begann gerade die Cardiff-Revolte am einen Ende des Kaiserreichs und die Magno-Stahl-Aufstände im Herzen des Kaiserreichs. Ich wünschte, ich wäre damals hier gewesen. Ich wünschte, ich… Es ist so lange her, dass ich mich kaum dran erinnern kann. Und das betrachte ich als großen Segen. Die Magno-Stahl war damals ein Großkonzern, der enormen Einfluss auf das Kaiserreich hatte. Und der Vorstand glaubte, dass dieser Einfluss groß genug war, um den Kaiser zu dirigieren. Ein fataler Irrtum, der in einer blutigen Polizeiaktion gipfelte. Der Konzern war hoch gerüstet, besaß eigene Schiffe und eigene Truppen. Und damit begannen sie die Welten um das Zentrum herum zu bekämpfen.“
Wieder seufzte Zacharias. „Sie sind auch hier her gekommen, und weil Robert, mein Vater, treu zum Kaiser stand, wurde die ganze Familie arrestiert. Als dann die Flotte eintraf, um sie zu retten und den Planeten zu befreien, verlor ihr Kommandeur die Nerven und ließ alle Männer meiner Familie hinrichten. Einen nach dem anderen. Am Ende dieses blutigen Tages hatte ich plötzlich zwei blutige Pflichten zu erfüllen. Ich war nun Herzog von Beijing, und musste die Männer meiner Familie zu Grabe tragen, darunter auch meinen eigenen Jungen.“
Wieder seufzte der Mann, und mitfühlend reichte Ellie ihm ein Taschentuch.
„Danke. Es ist schon so lange her, und dennoch tut es weh. Charlotte war nie besonders stark gewesen, deshalb habe ich sie ja auf B-King zurückgelassen. Aber mit ansehen zu müssen, wie ein Mann nach dem anderen erschossen wird, drei Grafen, der Herzog, und dann der eigene Sohn, das hat sie nie verkraftet. Ihre Töchter taten ihr möglichstes, aber sie folgte unserem Sohn ein paar Jahre später.
Nun, was soll ich sagen, vor fünfundachtzig Jahren, als ich glaubte, niemals über diesen Schmerz hinweg zu kommen, lernte ich Katherine kennen. Ich heiratete erneut, und sie schenkte mir zwei Kinder. Sibylle kennst du ja schon. Der andere war Ludwig, mein zweiter Sohn. Er folgte meinem Pfad, meldete sich zur Flotte… Und starb kinderlos im Kampf gegen Yura-Maynhaus. Damals war er gerade erst dreißig gewesen. So jung, so schrecklich jung, und ich, der schon so alt war, musste an seiner statt weiterleben. Oh, es war so schrecklich. Katherine hat das nicht gut aufgenommen. Es verging nicht einmal ein Jahr, dann hatte sie mich verlassen. Für mich war das ein doppelter Schlag gewesen, ein großes Unglück, aber ich habe es überlebt.
Und vor nicht ganz vierunddreißig Jahren lernte ich Marie kennen. Wieder verliebte ich mich, wieder wurde geheiratet. Und sie schenkte mir meinen Johann. Das ist der letzte Stand der Dinge. Nun liegt es an dir, die direkte Linie der Beijings aufrecht zu erhalten, Eleonor Rend. An dir, und zugegeben, an diesem Rumtreiber Johann Arling.“ Der alte Mann lächelte verschmitzt und sah sie von der Seite an. „Ja, ich denke, du schaffst das. Du bist nicht nur stark, stärker als meine Frauen, du hast ihn auch im Griff. Das ist genau die Frau, die Johann braucht. Natürlich wäre es mir lieber, wenn ihr zwei die Flotte verlassen würdet und hier seßhaft werdet.“
Ellie wollte protestieren, aber der Herzog winkte ab. „Dass das ein unmöglicher Wunsch ist, weiß ich selbst. Aber ich wollte ihn einmal ausgesprochen haben, Eleonor Rend.“
„Heißt das, Han besucht die Gräber seiner Brüder?“
„Brüder, die er nie kennen gelernt hatte, ja. Er sitzt an ihren Gräbern, hält stumme Zwiesprache mit ihnen, erweist ihnen seinen Respekt und geht wieder fort, bis es ihn erneut auf seine Heimatwelt verschlägt. Oh, ich wünschte, ich könnte etwas Last von euer beider Schultern nehmen. Aber solange Hannes lebt, wird das Parlament niemand anderen als Nachfolger für mein Amt akzeptieren. Margrit wäre damals eine hervorragende Herzogin gewesen, aber diese Sturköpfe beschützen das Patriarchat ja besser als ihre Heimatwelt.“ Wieder sah er in den Sternenhimmel hinauf. „So sieht das aus. Wenn ich du wäre, würde ich mir wohl lieber Hannes schnappen und mit ihm durchbrennen, am besten direkt zur Erde.“
„Aber das kann ich nicht.“ „Und er kann es auch nicht. Deshalb bleibt ihr beide in der Flotte, wagt eure Leben in diesem Krieg, und lasst einen alten Mann wie mich zittern und bangen. Denn noch einmal werde ich sicher keine Kinder in die Welt setzen. Und mit Han endet meine Linie dann.“

Schweigend gingen die beiden zurück zum Tisch. „Danke für die Nachhilfe.“
„Nachhilfe wofür, mein Schatz?“
„Nachhilfe für das, was nun auf mich zukommen wird.“
„Oh, es wird nicht immer so blutig oder tragisch sein. Aber Menschen wie wir, die durch Geburt dazu gezwungen sind, die anderen anzuführen und durch ihre Erziehung und ihre Moral diesem Zwang nachgeben, leiden öfter als jene, die wir beschützen. Es erwischt immer die, die vorne stehen, zuerst.“
Ellie blieb nichts anderes als zu nicken.
***

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***
Ein Board zu fliegen war heutzutage nichts besonderes mehr, fand Charly. Mit Gleitkontrolle, Bordcomputer, Nanoskin und Kollisionsalarm waren diese Dinger tüchtig übertechnisiert.
Früher, als man einfach nur ein Antigrav-Modul mit einem flachen Fiberglasbrett kombiniert hatte und der Boarder mit seiner Balance und diversen anderen Tricks Kurs und Geschwindigkeit bestimmt hatte, da konnte man noch von Kunst reden.
Aber diese Dinger, Luxusausführungen, konnten sogar von Kleinkindern gesteuert werden.
Charles schob diesen mürrischen Gedanken beiseite. Damit tat er Mikhail mehr als unrecht. Der junge Graf hatte wenig Talent für das Hoverboard, aber er gab sein Möglichstes, um Seite an Seite mit seinem Ritter zu fliegen. Deshalb akzeptierte Charly ab und zu dieses überkandidelte Brett, wenn es denn nur seinen Lehnsherrn glücklich machte.
Mikhail schien seine Gedanken gelesen zu haben, denn er wandte sich im Flug um und lachte aus vollem Herzen. Oh ja, mit den Boards verband er viele gute und ein paar schlechte Erinnerungen. Und die meisten hatten direkt mit einem vierzehnjährigem Bengel zu tun, der wie ein Verrückter in eine Gruppe Männer hineingerast ist, um einen achtjährigen Burschen auf sein getuntes Board zu ziehen und mit einer Höchstgeschwindigkeit von dreihundert Km/H zu entkommen.
Was wie eine Entführung anmutete, war auch eine, aber zu einem guten Zweck und zu einer Periode im Leben des jungen Grafen Angward, die er nie wieder vergessen würde.
Es war nie besonders leicht, einen Menschen oder sogar mehrere sterben zu sehen. Für einen Achtjährigen war das besonders schlimm, vor allem wenn er diese Menschen sein ganzes kurzes Leben schon gekannt hatte.
Charles schüttelte den Gedanken unwillig ab. Es war eine Hinrichtung gewesen, eine regelrechte Hinrichtung, an deren Ende der damals jüngste Enkel des Herzogs hatte stehen sollen. Um die Hintergründe hatte sich Charly damals wenig geschert. Er war ein junger Ratz ohne Ziel und ohne Perspektive gewesen, der auf seinem selbstgebauten Hoverboard die Gegend unsicher gemacht hatte, so gut er es vermochte. Respektlos gegen jedermann, das war seine Devise gewesen, und weil er genau diesen Respekt gegenüber den Erwachsenen missen ließ, war er dreist genug gewesen, den kleinen Bengel aus dem Meer aus Blut zu erretten und sich nicht eine Sekunde zu fragen, ob ihn vielleicht eine Kugel oder ein Laserschuss in den Rücken treffen und töten würde.
Am Ende hatte er den jungen Grafen zwei Wochen lang bei sich Zuhause versteckt, was seine Eltern nicht sehr gut aufgenommen hatten. Aber letztendlich waren sie zu weich gewesen, um den weiteren Esser einfach vor die Tür zu werfen. Und außerdem hatte der arme Wurm die meiste Zeit herzzerreißend geweint. Zwar glaubten seine Eltern die Geschichte mit dem Attentat nicht so recht, aber sie waren gute Menschen. Und gute Menschen taten gutes.
Als dann am Ende der zwei Wochen die Attentäter gefasst worden waren und Polizeieinheiten den jungen Grafen aus dem Haus „befreien“ wollten, waren alle Puzzleteile an ihren Platz gelandet. Es hatte einen tränenreichen Abschied von Mikhail gegeben, Vater und Mutter hatten geweint als würden sie ihren eigenen Sohn hergeben müssen, und der kleine Junge hatte zuerst an seinen Eltern, dann an seinen beiden Brüdern und dann an Charles gehangen.
Manchmal, wenn er drüber nachdachte, dann fragte er sich, ob es diese Rücksichtslosigkeit auf das eigene Leben war, das ihn irgendwann zum Knight-Piloten qualifiziert hatte. Oder war es schlichter Mut gewesen? Oder noch schlimmer, die Fähigkeit, in der richtigen Situation das richtige zu tun?
Mikhail reduzierte die Geschwindigkeit und kam an die Seite von Charly. „Woran denkst du, alter Junge?“
„Ich denke daran, dass das ein hervorragender Stop&Go von dir war. Du hast dich sofort an meine Geschwindigkeit angepasst, ohne groß zu verzögern. Du wirst besser, Mikhail.“
„Ich habe geübt“, erwiderte der Graf. „Es hat sich herausgestellt, dass es für einen Knight-Piloten eine gute Erfahrung ist, wenn er ein Board beherrscht, also lasse ich meine Kompanie jeden Tag zwei Stunden auf dem Board üben.“
„Stimmt das? Oder hast du nur eine Möglichkeit gefunden, aus einem Freizeitvergnügen einen militärischen Dienst zu machen?“
„Ein wenig von beidem.“
Charles lachte. Gewitzt war der kleine Junge schon immer gewesen. Was er wieder einmal hier bewiesen hatte.
„Und woran hast du noch gedacht, großer Bruder?“
„Ich habe an das Attentat gedacht. Wie du damals mit zu mir nach Hause gekommen bist.“
„Oh, ja. Rose und Anatoli. Ich war neulich ein paar Tage zu Besuch. Du hättest sehen sollen, wie sehr sie sich gefreut haben.“
„Du warst Zuhause? Was machen meine kleinen Brüder?“
„Tony ist in meiner Kompanie, habe ich das noch nicht erzählt? Er will unbedingt seinem großen Bruder nacheifern und nach seiner Kadettenzeit ins Militär wechseln.“
„Danke für die Information. Ich werde diese Flausen aus ihm herausprügeln. Und Randy?“
„Immer noch Buchhalter. Aber wenn es dich beruhigt, er macht einen guten Job bei der Verwaltung meiner Güter auf Angward.“
„Wundert mich, dass er den Job immer noch hat. Er hasst die Kälte.“
„Auf Angward ist es nicht immer und nicht überall kalt. Nur im Norden, und dann auch nur im Winter.“
„Von dem du auf Angward ein halbes Jahr lang was hast.“
„Es können nicht alle Kontinente am Äquator liegen.“
„Doch, können sie. Auf Springe tun sie das.“
„Aber sie ragen trotzdem in den Nordpolarkreis oder den Südpolarkreis hinein.“
„Punkt für dich, kleiner Bruder.“
„Wenn das alles war, was dich belastet, dann gib mal Gas. Ich will vor dem Feuerwerk da sein.“ Er lächelte jungenhaft verschmitzt. „Für meinen ersten Ritter ist mir nichts zu schade.“
Erster Ritter. Diese beiden Worte weckten eine weitere Erinnerung. Charly verlagerte sein Gewicht nach vorne, das Board reagierte und beschleunigte.

Es war keinen Tag nachdem der junge Graf in sichere Polizeihände übergeben worden war, als eine aufgelöste, dankbare Mutter im Haus Monterney aufgetaucht war. Herzlich, strahlend, geradezu blendend hatte sich Sibylle von Angward für die Rettung ihres Sohnes bedankt. Und sie war nicht allein gekommen. In ihrem Schlepp war die Weltpresse gewesen, die den Heldenmut des jungen Charly und die soziale Ader einer nicht gerade, nun, reichen Familie gebührend zelebrierte.
Eine Woche später und ein paar gräfliche Geschenke darauf – darunter ein eigenes Heim in guter Wohnlage und ein paar Sachen, an die sich Charles nicht mehr erinnern konnte – war er vor den Herzog zitiert worden.
Nun, Charly war respektlos gegenüber Erwachsenen, aber der große, geradezu gigantische Mann in seinem schweren Lehnsessel, der ihn mit strengem Blick musterte, flöste ihm schon gehörigen Respekt ein. Ach, wenn er ehrlich war, hatte er die Hosen gestrichen voll.
Dann aber hatte Gandolf zufrieden genickt, seinen Enkel zu sich gerufen und ihm die Erlaubnis gegeben, den jungen Charles Monterney zum Ritter seiner Grafschaft zu schlagen.
Spätestens ab diesem Punkt war sein Weg in das Militär vorgezeichnet gewesen. Und spätestens ab diesem Punkt waren die Residenz auf Angward und der Herzog-Palast sein zweites Zuhause geworden.
Aber es war letztendlich die darauf folgende Bekanntschaft mit Johann gewesen, die ihn nicht zur Miliz, sondern zur Raumflotte gebracht hatte. Han war sein bester Freund, das würde immer so bleiben, so lange wie er atmete. Aber der da, diese Springinsfeld, der sich einbildete, alleine eine Kompanie Knights anzuführen, der würde für immer und ewig der kleine Bursche sein, der sich zitternd an ihn geklammert hatte, während sie mit Höchstgeschwindigkeit auf seinem Board davon geflogen waren und dem er hatte sagen musste: „Weine ruhig. Es wird dir gut tun.“
Erst Jahre später hatte Charles den Zusammenhang begriffen. Hatte begriffen, dass das Attentat eine Warnung an Herzog Beijing gewesen war, weil er zu diesem Zeitpunkt Robert bei sich aufgenommen hatte. Wofür er beinahe einen horrenden Preis bezahlt hätte, einen Preis, den ein Mann der zwei Söhne verloren hatte, nicht auch noch bei seinen Enkeln zu zahlen bereit war.
Aber diese Erfahrung, dieser simple Moment in seinem Leben, der Augenblick der Entscheidug war es gewesen, der Charles´ Leben so nachhaltig verändert hatte.
Die Schüsse, der Schrei eines Sterbenden, der kleine Junge, der zitternd in dem Pulk an Männern stand, während rund um ihn die Toten lagen.
Dann der Augenblick, in dem Charly sein Board abstieß, Geschwindigkeit aufnahm, und brutal in den Pulk der Männer hineinfuhr.
Dieses abstoßen auf dem Gehsteig, der eine Moment, als er Kraft aufgewendet hatte um Fahrt zu kriegen war es gewesen, der alles verändert hatte. Wirklich alles.

„Mensch, ich habe ihnen doch gesagt, sie sollen mit dem Feuerwerk warten!“
Charles sah auf und erkannte bereits die Strandlinie. Die Sonne senkte sich gerade über dem Horizont,und über der Meereslinie explodierten rote Feuerblumen. Danach kamen violette Lanzen, die gelbe Sterne entließen, ihnen folgte weißer Sprühregen.
Als Charles am Strand zum stehen kam, konnte er kaum den Blick von der glitzernden Pracht wenden. Wahrscheinlich, weil es ihn an ein Gefecht mit Mechas erinnerte.
Die Gäste begrüßten die Neuankömmlinge lautstark, Charles und der Graf mussten viele Hände schütteln und der Oberst speziell eine Reihe von gut gemeinten, aber hart geführten Schulterklopfern ertragen. Dazu kamen diverse Küsschen, hauptsächlich von den Mädchen, was die Sache angenehm gestaltete.
Schließlich drückte jemand dem Duo je ein Glas in die Hand und Mikhail rief: „Auf die glückliche Heimkehr meines großen Bruders! Möge sein Ruhm sich mehren, sein Rang in nie geahnte Höhen schießen und sein Arsch stets sicher nach Hause finden!“
Damit hatte der Graf das Gelächter auf seiner Seite.
„Danke! Ich danke euch allen. Ich will mich bemühen, Mikhails Wünsche wahr werden zu lassen, vor allem natürlich Wunsch Nummer drei, immerhin hänge ich an meinem Arsch.“
Wieder wurde gelacht.
„Genug der Worte! Lasst uns mal ein richtiges Feuerwerk sehen!“

Während über ihnen Kometen vergingen, neue Sterne für wenige Sekunden ihre volle Pracht entfalteten und glitternder Regen aus vergehenden Funken dem Sternenhimmel Konkurrenz machte, fühlte sich Charly das erste Mal an diesem Abend wirklich wohl. Er hatte ein Bier in der Hand, war von Freunden umgeben, stand am Strand und trug nur noch die langen Hosen, so warm war es noch. Außerdem liebte er das Gefühl vom Sand, der zwischen seinen Zehen kitzelte.
Und eine Menge hübscher Mädchen waren auch noch da – leider fast alle vergeben, wie er mit einem bedauernden Schmunzeln feststellen musste.
„Na, na, was stehst du denn hier so alleine rum? Du bist der Star des Abends!“, rief Mikhail, legte einen Arm um seine Schulter und zog ihn mit sich.
„Wenn ich der Star des Abends bin, warum zerrst du mich dann fort, Kleiner?“
„Weil ich deinem größten Fan versprochen habe, dich ihr vorzustellen.“ Die Augen des Grafen zu Angward glitzerten in der Dunkelheit spöttisch auf und das große Lagerfeuer tanzte in seiner Iris. „Sie ist noch Single, sie steht auf dich, und sie sieht auch noch super aus.“
Charles winkte ab. „Sorry, Mick, aber ich habe meinen Kopf gerade woanders. Ganz, ganz, ganz woanders. Können wir das nicht überspringen und uns stattdessen mit Alkohol betäuben?“
„Was, bist du etwa mittlerweile vergeben?“, fragte der Graf enttäuscht.
Charles unterdrückte ein auflachen. „Nun ja… Nein… Aber es hängt mir noch nach.“
„Ach. Hat sie dich auflaufen lassen, die kleine Schlampe?“
„NEIN!“, rief der Oberst entrüstet. „Außerdem wenn du sie Schlampe nennst, wasche ich dir den Mund mit Seife aus! Sie ist…“
„Ein Mann?“
„Kein Mann! Sie ist nur unendlich weit von mir entfernt…“
„Das würde ich nicht sagen… So, hier bringe ich dir den Ausreißer, Elise. Dafür habe ich aber einen gut bei dir.“
„Ja, hast du. Guten Abend, Lucky Charly.“
Charles sah auf. Und für einen undefinierbar langen Zeitraum implodierte das Universum. Genauer gesagt kollabierte es bis auf zwei Punkte. Der eine war er selbst, zentriert in der eigenen Realität. Der andere war die Frau, die nur drei Schritte vor ihm stand und lächelte.
Dann schlug sein Herz mit der Gewalt eines Vorschlaghammers und die Raumzeit fand wieder ihren Platz.
„Ich denke, ihr habt da einiges zu bereden“, meinte der Graf schmunzelnd. „Aber vereinnahm ihn nicht den ganzen Abend, Elise. Ich und die anderen wollen auch noch was von unserem Lokalhelden haben.“

Charles gab sich einen Ruck. „Hallo, Hoheit.“
Elisabeth Roxane Prinzessin von Versailles schenkte ihm ein hinreißendes Lächeln. Und das war nicht das einzige was an dieser Frau hinreißend war. Sie trug einen gelben Bikini und hatte um die Hüften ein farbenfrohes Strandtuch geschwungen, das ein wenig verhüllte und viel betonte. Ihr langes Haar lag als schwerer Zopf auf ihrer rechten Schulter, und ihr Lächeln konnte kaum mit dem Glanz ihrer Augen mithalten.
Doch die förmliche Erwiderung ließ das Lächeln gefrieren. „Vielleicht war das hier doch keine so gute Idee.“
Sie setzte sich in Bewegung, ging an Charles vorbei, wurde aber von dem Arm gestoppt, den er um ihre Taille legte. „Wartet, Hoheit. Warte bitte, Elise.“
Verwundert sah sie auf. „Charly?“
„I-ich weiß nicht, was hier passiert. Ich weiß nicht, was mit mir passiert. Oder dir oder Robert oder Han oder all den anderen, ich weiß es nicht. Ich verstehe es auch nicht. Aber ich verstehe, dass du Roberts direkte Erbin bist. Und selbst wenn er auf den Gedanken kommt, doch endlich zu heiraten und ein paar Kinder in die Welt zu setzen wirst du irgendwo da oben sein, und ich irgendwo hier unten und… Und ich weiß nicht einmal ob es richtig ist, mit dir zu reden.“
„Früher hattest du damit nie Probleme.“
„Früher. Auf der Spielwiese habe ich auch nicht gewusst wer du bist.“
„Nicht auf der Spielwiese. Hier, an diesem Strand. Damals, Charly.“
„Damals?“ Wenn man Verwirrung hätte eintüten und verkaufen können, Charles Monterney hätte in diesem Moment den Weltmarkt beherrschen können.
„Damals?“ In jähem Entsetzen riss der Oberst die Augen auf. „DAMALS?“
„So. Erinnerst du dich endlich?“, fragte die Prinzessin mit Genugtuung in der Stimme.
„Du warst vierzehn! Ich war achtzehn! Das ist… Das ist doch…“
„Du warst immer mein Held, Charly. Erst in dem Sommer, den wir an diesem Strand verbracht haben und danach all die Jahre, als mir nur die Erinnerung an dich blieb.“
„Himmel, ich war doch schon ein erwachsener Mann!“
„Dazu hätte ich was zu sagen“, erwiderte sie schmunzelnd. „Ich glaube einfach nicht, dass du dich damals nur um mich gekümmert hast, weil ich Elisabeth Roxane war. Ich glaube, dass du mich damals wirklich von Herzen gemocht hast.“
„Natürlich habe ich dich gemocht! Und ich habe diesen Idioten ordentlich verprügelt, der es gewagt hatte, dir weh zu tun! Und ich habe dich im Arm gehalten und getröstet, so gut ich es konnte. Aber…“
„Aber? Hältst du es für vermessen, wenn ich dir sage, dass ich mich damals in dich verliebt habe? Dass ich dich immer noch liebe? Okay, ich weiß jetzt, warum du dich im Palast so komisch benommen hast. Du hast mich vergessen. Aber ich verzeihe dir das. Und ist es so viel verlangt, wenn ich dich frage, ob du auch etwas für mich spürst?“
„D-du bist die Prinzessin.“ „Das hatten wir schon. Weitere Einwände?“
„I-ich bin Soldat.“ „Bin ich auch. Noch irgendwas?“
„I-ich… Ich bin ein Feigling.“ Erschüttet sah sie ihn an. „Das ist es also?“
Betreten senkte Charles den Kopf. „Das ist es, Elise.“
„Und? Wirst du jemals den Mut aufbringen, mir…“
„Ich weiß es nicht. Du bist keine vierzehn mehr und ich bin nicht mehr achtzehn. Wir sind jetzt erwachsen, und eigentlich bist du alles, was ich mir wünsche. Aber… Aber ich kann nicht. Du bist irgendwo da oben im Rampenlicht und ich…“
„Nur ein Held des Kaiserreichs, der persönlich mit dem Kaiser bekannt ist. Und der mir auf der Party bei Ellies Eltern das Leben gerettet hat. Guck nicht so. Denkst du, das habe ich nicht mitgekriegt?“
„So.“ Charles schnaubte amüsiert. „Und ich dachte, ich wäre schnell genug gewesen.“
„Der Schlag, mit dem du dem Attentäter die Nase gebrochen hast, hat dich verraten“, tadelte Elise schmunzelnd.
„Oh. Dennoch, ich… Ich… Elise, ich…“
„Ja, du bist ein Feigling. Aber das macht nichts. Du bist mein Feigling. Ich werde dir Zeit geben. Was denkst du wie lange deine nächste Mission dauern wird? Ein halbes Jahr? Ein ganzes? Würde das reichen, damit du eine Entscheidung fällen kannst? Sag jetzt nicht sowas wie: Ich weiß nicht.“
„Nein, ich denke, ich… Ich denke, das wird reichen.“ Er sah die Prinzessin ernst an. „Darf ich dir schreiben?“
„Darum bitte ich. Jeden Tag, Charly.“
„Nicht jeden Tag, aber so oft wie ich kann.“
„Einverstanden. Und was das Attentat anging, ich habe mich noch gar nicht bedankt. Ich meine, richtig bedankt. Ich musste ja so tun, als hätte ich nichts mitgekriegt, damit Robert nicht wieder durch die Decke geht.“ Ihre Linke glitt sanft über Charlys Rechte, die noch immer auf ihrer Hüfte lag. Ihr Blick wurde tief wie ein schwarzes Loch, und der Knight-Pilot war in ihm gefangen. „Danke, Pilot“, hauchte sie und verschloss seine Lippen mit den ihren.
Charles erwiderte den Kuss, schlang auch den anderen Arm um sie und spürte, wie ihre Hände auf seinen Rücken glitten. So standen sie lange Zeit beieinander und gaben sich dem Kuss hin.
Erst spät unterbrach der Offizier den Kuss und löste sich sanft aus Elises Umarmung, die nur langsam in die Wirklichkeit zurückfand. Er fasste Elise bei der Hand und zog sie mit sich. „Lass uns zu den anderen zurückgehen. Da wartet immer noch eine Party.“
„Kriege ich noch einen?“
Konsterniert verharrte er im Schritt. „Nachher. Vielleicht.“
„Wieso vielleicht? Chaaaarlyyyy.“

Mikhail registrierte, dass die Nervensäge und sein großer Bruder zusammen zurückkamen, deshalb wertete er die Aussprache der beiden als nicht völligen Misserfolg.
Nun, er konnte zwar auf Anhieb ein Dutzend Mädchen nennen, die besser zu Charles passten, einige davon seine Cousinen und Großcousinen, aber wenn sie nun mal das Mädchen war, dass er sich ausgesucht hatte, dann konnte er nur helfen wo immer er konnte. Aber ausgerechnet Elise – Charles hatte einen merkwürdigen Geschmack.
***
Als Arling die leisen Schritte im knirschenden Kies hörte, sah er auf. „Oh, hallo, Ellie. Ich habe gar nicht gemerkt, wie die Zeit vergangen ist. Hast du mich vermisst?“
„Natürlich habe ich dich vermisst. Ich vermisse dich jede Sekunde, die du nicht bei mir bist.“ Sie ging neben den schmucklosen Grabsteinen in die Hocke, vor denen Arling saß. „Deine Brüder?“
„Meine Brüder. Ich habe sie nie kennengelernt, und dennoch haben sie enorm vorgelegt. Der eine starb als Märtyrer, der andere als Kriegsheld. Wenn es irgendwie geht, möchte ich den Teil mit dem sterben schon vermeiden, aber ich habe mächtig zu strampeln, um ihnen gerecht zu werden. Beide wären wahrscheinlich hervorragende Herzöge von Beijing geworden. Und einer von ihnen hätte die Chance gehabt, Kaiser zu werden, wenn Frederec nicht zugunsten von Robert abgedankt hätte.“ Arling lächelte. „Ich habe Aufzeichnungen von ihnen gesehen. Sie waren beide auf ihre ganz eigene Art wunderbar. Ich wünschte ich hätte die Chance gehabt sie kennenzulernen.“
Ellie klopfte Han mitfühlend auf die Schulter.
„Es geht schon, Ellie. Es geht. Ich unterdrücke meine emotionale Seite nur immer, und wenn ich sie dann doch mal rauslasse, dann…“
„Dann schmeißt du mich mit einer Prise von Bord deines Schiffs?“, half sie lächelnd aus.
„Ja, so in der Art.“ Mit einem Seufzer sank er gegen seine Verlobte. „Es ist so wundervoll, dass es dich gibt, Eleonor Rend.“
„Das Kompliment kann ich nur zurückgeben, Johann Arling.“
Nach einem langen Kuss sah sich Ellie mit neuer Energie um. „Liegen hier alle deine Vorfahren?“
„Nein, wir halten nichts davon, den Toten Monumente zu setzen. Kein Grab existiert länger als zweihundert Jahre. Augenommen natürlich das Grab vom Pferdedieb.“ Johann deutete auf ein hervorragend gepflegtes Grab in der Mitte des kleinen Friedhofs.
„Pferdedieb?“
„Der erste Herzog von Beijing. Mein Vorfahr. Ein Schuft, ein Verräter, ein Dieb und Scharlatan. Willst du die Geschichte hören?“
„Jetzt ja.“
Johann lachte leise. Dann zog er Ellie auf eine nahe Bank. „Dort liegt Harry Chun, der erste Herzog von Beijing. Er war ein Abkömmling der ersten Siedler und so ziemlich jeder ethnischen Gruppe, die später auf B-King siedelte. Es war während der Besiedlungszeit, 2212. B-King erlebte gerade die dritte Besiedlungswelle, die Menschen waren uneins wie immer und Mischlinge wie Harry waren nicht sehr gerne gesehen. Sehr schnell und sehr früh musste er lernen, dass ihm sein Grips wesentlich weiter half als seine Körperstärke. Er kam so ziemlich der untersten sozialen Schicht, die es damals gab, denn Mischlinge wurden von keiner Gruppe wirklich geduldet. Sie führten damals meistens eine Randexistenz, und nie hätte jemand gedacht, dass einer von denen mal Herrscher des Planeten sein würde.
Jedenfalls log Harry, er stahl, er täuschte, er spielte, er tat einfach alles, um an Geld zu kommen. Ich würde jetzt gerne sagen, all das hat er getan, um denen zu helfen, die ärmer waren als er. Oder Leidensgenossen unter den Mischlingen, die es noch schlechter hatten als er. Aber nein, für ihn gab es nur persönliche Bereicherung. Du musst wissen, obwohl die chinesische Erstsiedlergruppe die anderen ethnischen Gruppen eingeladen hatte auf dieser Welt zu siedeln, sorgten sie doch dafür, dass alle streng voneinander getrennt blieben. Die Chinesen blieben auf Arling, die Europäer auf Angward, die Inder auf Nanking und die Afrikaner auf Kantou. Es gab wenige gemeinsame Kontakte zwischen den Kontinenten, aber zu jener Zeit waren sie aufeinander angewiesen. Es war Unsinn, Waren von den umliegenden Systemen zu importieren, wenn es sie auf dem Nachbarkontinent gab. Und es war müßig, eigene Streitkräfte zu unterhalten, die dann doch nur die Nachbarn auf der eigenen Welt misstrauisch beäugten, statt den Planeten zu beschützen. Harry hat damals die Zeichen der Zeit richtig erkannt und eine Firma aufgezogen, die den Warentransfer zwischen den Kontinenten bewerkstelligte. Nun, erst war es nur ein kleiner Schmugglerbetrieb, aber mit Geld kann man sich Legitimation kaufen, und so wurde es bald eine der wichtigsten Firmen auf Arling. Ebenso hatte er bald einen gewissen Einfluss auf den anderen Kontinenten.
Doch das war nur der Anfang. Harry begann, eine eigene kleine Miliz aufzustellen, die sich hauptsächlich aus Mischlingen wie ihm rekrutierte, aber auch aus viel versprechenden Vertretern der Unterschicht, die mittellos waren und bereit waren, fast alles zu machen. Diese Streitmacht vermietete er zu gleichen Teilen an alle vier Gruppierungen. Genauer gesagt, sie übernahm die Zollaufgaben für den Planeten, die Verteidigung des Systems und sorgte somit dafür, dass sich die regulären Streitkräfte weiterhin gegenseitig belauern konnten.
Damit waren sie so beschäftigt, dass sie gar nicht bemerkten, dass das Kaiserreich Katalaun gegründet wurde und Welt auf Welt vereinnahmte.
Als die Streitkräfte des frisch gekrönten Kaisers schließlich B-King erreichten, hatte Harry nichts eiligeres zu tun, als sich auf die Seite des Stärksten zu stellen, und das waren die kaiserlichen Truppen. Oh, er hat eine Menge Schlagworte benutzt um seinen offenen Verrat ein wenig schöner zu gestalten. Freier Warenverkehr, keine Diskriminierung aufgrund der eigenen Herkunft, Schutz durch kaiserliche Truppen, freie Wahlen und eine stabile Regierung für den ganzen Planeten, nicht nur für den einen oder den anderen Kontinent.
Niemand, nicht mal Harry selbst hatte ahnen können, dass seine Worte merkwürdigerweise auf nur allzu fruchtbaren Boden fielen. Nun, nicht unbedingt bei den herrschenden Schichten. Aber Mittelstand und Arbeiter feierten die kaiserlichen Einheiten als Retter und Harry als Vertreter einer neuen, friedlichen Zeit des Wohlstands und des Wachstums und der persönlichen Freiheit.
Und bevor er es sich versah, war B-King sein persönliches Lehen, quasi sein Eigentum, wenngleich ihm ein demokratisch gewähltes Parlament zur Seite gestellt wurde, dass teilweise erhebliche Macht und Verfügungsgewalt auf seine Handlungen hatte.
Aber es gab einen weiteren, noch viel größeren Vorteil, der letztendlich zur Quelle von B-Kings Reichtum wurde: Von einem Tag zum anderen stand die Welt nicht mehr allein gegen das ganze Universum, sondern befand sich plötzlich ziemlich genau in der Mitte des Kernlandes des Kaiserreichs. Jeder Angreifer von außen musste fortan Dutzende Welten besiegen, bevor er auch nur ansatzweise bis nach B-King vorgestoßen war. Seither leben wir im Frieden, und seither stellt meine Familie Soldaten für die kaiserlichen Streitkräfte.
In jener Zeit wurde auch die Dynastie der Herzoge von Beijing begründet, und sie hat sich nun mittlerweile fast fünfhundert Jahre gehalten.
So wurde ein Gauner, ein Schurke, ja ein Pferdedieb das größte Glück, dass diese Welt je erfahren hatte, denn Harry löste seine Versprechen ein, nachdem er Herzog geworden war. Er durchbrach die ethnischen Barrieren, löste Missstände auf, verbot die Diskriminierung von Mischlingen und vernetzte die Welt mehr und mehr ineinander. Und als seine Kinder alt genug waren, setzte er seine Söhne als lokale Grafen ein, als Symbol dafür, dass die Augen des Herzogs jederzeit auf jedem Flecken dieser Welt ruhten.“
Arling gähnte und streckte sich. „Man kann also sagen, Ellie, der Mann war ein Gauner, aber er ist mit seiner Aufgabe gewachsen. Heutzutage wird er vom Volk fast wie ein Heiliger verehrt. Wir sagen ihnen beinahe jeden Tag, wie er wirklich war, aber selbst das kann ihre Verehrung nicht beeinträchtigen, denn aus seinen Taten ist soviel gutes entstanden.“
„Und letztendlich auch Johann Arling.“
„Da hast du Recht, Ellie.“
Wieder trafen sich ihre Lippen zu einem sanften Kuss.

„Mylord Graf Arling!“, sagte eine tiefe Männerstimme direkt neben der Bank.
Ellie zuckte heftig zusammen und rutschte auf der Bank von Johann fort, bis sie ans Geländer stieß.
„Was gibt es, Artie?“
Der livrierte Diener verzog keine Miene, als er dem Grafen Bericht erstattete. „Wir haben Eindringlinge im Südsektor.“
„Eindringlinge?“
„Reporter, Mylord.“
Seufzend erhob sich der Graf. „Sie leben doch noch, Artie?“
„Natürlich, Mylord. Wir haben ihre Bewegungen gestoppt und halten sie fest. Ihnen ist nichts geschehen.“
„Ich komme. Führ mich hin. Ellie, willst du wieder reingehen oder dich auch mit der Presse herumschlagen?“
„Was ist überhaupt los?“
„Es sieht so aus als wäre ein Reporterteam in den Park des Anwesens eingedrungen. Schon wieder. Sie machen das manchmal ganz gerne, wenn sie sich spektakuläre Bilder der Herzog-Familie versprechen und dergleichen. Nun, wir nehmen ihnen das nicht besonders übel. Wir leben im Licht der Öffentlichkeit, und das ist der Preis für das Vorrecht, diese Welt zu regieren. Aber ich habe immer die Befürchtung, dass sie sich zu dumm anstellen, mit Attentätern verwechselt und erschossen werden.“
„Mylord!“, begehrte Artie auf. „Das ist in vierhundert Jahren nicht geschehen!“
„Es gibt immer ein erstes Mal. Vor allem wenn es sich um Reporter dieser Klatschsendung auf B-King Prime handelt.“
Artie lächelte wissend. „Leider nein, Mylord. Es sind Ausländer, wie es scheint.“
„Ausländer? Das kommt nicht häufig vor. Informiere meinen Vater, dass ich mich der Sache annehme. Kommst du, Ellie?“
„Bin schon da.“

Der junge Livrierte drückte gegen sein rechtes Ohr und gab leise ein paar Anweisungen. Danach setzte er sich in Bewegung. In der Ferne des Parks erahnte Eleonor ein paar huschende Lichter.
„Sag mal, Han“, flüsterte sie und hakte sich an seinem rechten Arm ein, „glaubst du er hat uns gesehen?“
„Wie bitte?“ Ellie errötete. „Beim küssen, meine ich.“
„Oh. Ja, ganz bestimmt. Ich bin auch ziemlich sicher, dass er erst ein paar Minuten gewartet hat, bevor er uns unterbrochen hat.“
„Ist dir das nicht peinlich?“, fragte sie staunend.
„Peinlich? Ich bin dran gewöhnt. Im Herzogspalast sind immer ein paar wache Augen und ein paar Kameras auf dich gerichtet. Allerdings ist das immer noch besser als die Presse.“
„Sind in deinem Bereich auch Kameras?“, fragte sie nachdenklich.
„Nicht, dass ich wüsste, Ellie.“
„Na toll.“

Der Weg war nicht wirklich weit bis zu der Stelle im Wald, an der fünfzehn Livrierte mit gezogenen Waffen zwei Menschen umrundet hatten.
Es waren ein Mann und eine Frau. Der Mann trug ein Kamerapack, einer stationären, die über seinem Auge hing und zwei mobilen, welche die Frau umschwärmten und aus verschiedenen Perspektiven aufnahm. Auf der Brust des Mannes prangte ein großes rotes L, ebenso auf der linken Brust der Frau. Sie trug einen Trainingsanzug, aber das war sicherlich nicht ihre bevorzugte Bekleidung für einen Flirt mit der Kamera, eher für einen kleinen Einbruch.
„Das ist böse“, brummte Han. „L – das ist ein Live-Team. Irgend ein Sender in der Galaxis bringt gerade das Geschehen exklusiv.“
„Hat die denn keinen Krieg über den sie berichten muss?“ Eleonor Rend verdrehte die Augen. Sie verstand diese fanatischen Reporter, die ihre Live-Berichte wie Schilde vor sich hielten, nicht. Oft genug versagte dieser Schild, und auch wenn danach die halbe Galaxis wusste, wer sie ermordet hatte und sie irgendwelche hoch angesehenen Journalismuspreise posthum verliehen bekamen – sie waren tot. Das war eine gute Story einfach nicht wert.
„…droht uns im Moment keine unmittelbare Gefahr. Die Wachen des Herzogs bedrohen uns zwar mit entsicherten Handfeuerwaffen, aber sie machen weder Anstalten, den Live-Bericht zu beenden, noch bedrohen sie uns nachhaltiger. Carrie Rodriguez für Terra News Channel, geben sie mir fünf Minuten ihrer Zeit und ich gebe ihnen das Universum. Spence, wir bleiben Live drauf.“
„Das hättest du nicht extra erwähnen müssen, Carrie“, erwiderte der Kameramann und starrte die grimmig dreinblickenden Livrierten an.
„Ich mache ein paar Aufnahmen ihrer Gesichter, Carrie“, sagte er ernst, „vorsichtshalber.“
„Einverstanden. Wir… Moment Mal, ist das da nicht Graf von Arling? Mylord, eine Stellungnahme?“
Einer der Livrierten trat zum Grafen, salutierte und berichtete. „Mylord, wir haben mehrere Scans durchgeführt. Keine Anzeichen auf Waffen, Sprengstoff, Gifte, Viren, Bakterien, Überachungsequipment, die Kameras ausgenommen, oder kraftverstärkenden Implantaten.“
„Danke, Roger. Ich kümmere mich darum.“
Johann Arling bedeutete Ellie, an dieser Stelle stehen zu bleiben und ging auf die Reporter zu. „Ich hätte gerne eine Stellungnahme von Ihnen, Miss Rodriguez. Warum schleicht sich eine TNC-Reporterin über den Park an das Haus meines Vaters an?“
„Das war Carries Idee“, beeilte sich der Kameramann zu sagen. „Das ist ihr berühmter Blick hinter die Kulissen.“
„Nun, Miss Rodriguez?“, fragte Arling mit mahnender Stimme.
„Entschuldigen Sie meinen kleinen Einbruch, Mylord. Ich hätte mir zu gerne ein Bild von Ihnen gemacht, bevor wir zusammenarbeiten werden. Aber das hat sich ja dank Ihrer hervorragenden Wachmannschaft nun erledigt. Wollen wir noch mal anfangen?“
„Zusammenarbeiten?“ Mit einer Handbewegung bedeutete Arling den Wachen, die Waffen zu senken. Kurz darauf lösten sie den Kreis auf, blieben aber zu beiden Seiten des Reporter-Pärchens.
„Ihre Story ist heiß, und ich will die Erste sein. Ich habe nicht die Geduld, um noch einen Monat und mehr zu warten. Ich will Sie nicht erst auf Springe treffen, Mylord. Ich will meine Story jetzt.“
Indigniert zog Arling die rechte Augenbraue hoch. „Auf Springe? Heißt das, Sie sind…“
„Teil des internationalen Pressecorps, dass die RHEINLAND begleiten wird. Ja, das sind wir.“
Arling runzelte kurz die Stirn. „Meinetwegen. Artie, sag im Haus Bescheid. Sie sollen ein Gästequartier fertig machen. Informiere meinen Vater und meine Schwestern. Sag außerdem Bescheid, dass wir jetzt zurückkommen.
Miss Rodriguez, wünschen Sie ein gemeinsames Bett mit Ihrem Kameramann oder schlafen sie zwei getrennt?“
Spence, der Kameramann, musste plötzlich husten. Carrie Rodriguez schmunzelte bei Arlings Worten. „Getrennt, bitte. Profis vermischen Privates und Berufliches nicht.“
„So, so. Aber bitte kein Gerenne auf dem Flur Nachts. Das alte Gemäuer ist sehr hellhörig.“
„Ein Punkt für Sie, Mylord“, erwiderte die Reporterin, und ließ damit offen, ob der Graf ins Schwarze getroffen hatte oder nicht.
„Ach, und Mylord“, klang ihre Stimme erneut auf, „der Sicherheitsdienst dürfte mittlerweile unser Gepäck am Zaun gefunden haben. Könnten Sie bitte dafür sorgen, dass es nicht vorsorglich gesprengt wird und dass man es uns stattdessen bringt? Wir würden uns gerne angemessen kleiden.“
„Punkt für Sie, unentschieden“, brummte der Graf. Aber Ellie sah genau, dass der Schalk in seinen Augen blitzte.
***
Als Carrie Rodriguez den Speisesaal betrat, hatte sich ihr Erscheinungsbild um hundertachtzig Grad gedreht. Der Trainingsanzug war einem roten Abendkleid gewichen, ihr glattes braunes Haar war hochgesteckt und ein feines Make-Up zierte ihre Wangen. Auch auf dieser Kleidung prangte das L, was bewies, dass sie immer noch – oder schon wieder – von irgendeinem Sender auf Terra live übertragen wurde.
„…betreten wir nun den kleinen Speisesaal der herzoglichen Residenz. Er wird vor allem für Feiern im Familienkreis genutzt und bietet sich geradezu an, um im Kreis der engsten Freunde und Blutverwandte von Graf Arling seine Verlobung zu zelebrieren. Aber entschuldigen sie mich alle einen Moment.“ Rodriguez wandte sich von der Hauptkamera ab, wurde aber immer noch von den beiden fliegenden umschwirrt. Sie trat direkt vor Zacharias und neigte leicht das Haupt als Zeichen des Respekts, da es am Herzog-Hof kein Zeremoniell für für Knickse und dergleichen gab. „Herzog Beijing, verzeihen Sie meinen Überfall. Aber da ich bald eine sehr lange Zeit mit eurem Sohn und seiner Verlobten verbringen werde, konnte ich meine Ungeduld nicht zügeln.“ Wieder verneigte sie sich leicht. Der Herzog stand auf und reichte ihr die Hand. „Ich vergebe Ihnen, Miss Rodriguez. Aber benutzen Sie doch bitte das nächste Mal die Vordertür.“
Leises Gelächter erklang am Tisch.
Die Reporterin ging daraufhin zuerst zu den Damen am Tisch und danach zu den Herren.
„Lady Nanking. Lady Kantou. Lady Angward. Kapitän Schlüter. Kapitän Rend. Mylord Arling. Mylord Kantou. Mylord Nanking. Nanu? Ist Graf Angward nicht anwesend?“
Sibylle winkte ab. „Er wird sicher später zu uns stoßen. Er hat Gäste.“
Damit gab die Reporterin sich zufrieden. Ein Diener wies ihr und ihrem Kameramann Plätze am Tisch zu, wobei sie letzteres mit einem erfreuten Lächeln registrierte.
Johann Arling widerstand dem tiefen Bedürfnis, die Hände über dem Kopf zusammen zu schlagen. Die junge Frau von Terra war hervorragend informiert.
„Jeremy“, sagte er leise. „Mylord?“
„Informiere bitte Graf Angward darüber, dass wir einen weiteren Gast haben. Und informiere ihn bitte darüber, was unser Gast beruflich macht.“
Der Livrierte nickte verstehend. „Jawohl, Mylord.“
„So, da bin ich wieder. Nanu, noch alle wach? Ich dachte um zwei sind die meisten schon im Bett“, klang Mikhails Stimme vom Eingang her auf.
Aufgeregt sprang Johann auf. „Mick, wieso bist du nicht auf deiner Party?“
Der junge Graf lächelte und salutierte gespielt vor Arling. „Mission halbwegs erfolgreich abgeschlossen, Großonkel.“
„Mission?“, murmelte Miss Rodriguez. Sie schien eine Story zu wittern. Und das wohl auch zu Recht.
„Wo sind deine Gäste, Mick?“
Unsicher sah der Milizoffizier den Grafen an. „Direkt… hinter… mir… Habe ich was verpasst?“
Arling sah zur Seite. „JEREMY!“
„Ja, Mylord!“ Der livrierte Diener legte eine Hand an sein Kommunikationsgerät, aber es war zu spät. In diesem Moment betraten die frisch umgezogenen Gäste von Mikhail von Angward den Speisesaal. Ihre Kleidung war extrem leger, aber der späten Nachtstunde angemessen.
„Prinzessin Elisabeth von Versailles“, hauchte die Reporterin ehrfürchtig. „Und Colonel Charles Monterney!“
Das an sich wäre noch nicht so schlimm gewesen, hätte die junge Frau dem Bodentruppen-Offizier nicht am rechten Arm gehangen… Und hätte sie ihn nicht mit einem nörgelnden Tonfall gedrängt, ihr einen Gefallen zu tun.
„Auseinander, ihr zwei!“, blaffte Arling, aber Spence, der Kameramann, hatte die beiden bereits in der Totalen und machte mit den mobilen Kameras Nahaufnahmen.
Charlys Kopf folgte den Bewegungen der Kameras. „Was ist hier bitte los, Han?“
„Oh, nichts, nichts. Ihr werdet nur gerade Live von einem terranischen Sender in die halbe Galaxis ausgestrahlt.“
„Und?“, fragte der Colonel kaltblütig. Er führte Elise an den Tisch, auf einen freien Platz neben Eleonor Rend und verneigte sich vor der Prinzessin. „Ich danke für eure Zeit, Hoheit.“ Dann setzte er sich neben Arling ebenfalls an den Tisch.
„Das nützt euch auch nichts mehr“, murmelte Carrie Rodriguez mit einem sehr zufriedenen Lächeln. Wahrscheinlich hielt sie nur die Anwesenheit aller vier Grafen und des planetaren Herrschers davon ab, sofort eine Analyse abzugeben.
Mikhail seufzte viel sagend und ging auf Arling zu. Er klopfte dem Kommodore auf die Schulter, der tätschelte wissend die Hand des Jüngeren. Damit war ihre Welt wieder in Ordnung. Die von Elise und Charly würde es für eine lange Zeit nicht sein.
Hilfesuchend sah Johann seine Verlobte an, die ergeben nickte, danach seinen Vater.
Der alte Herzog verstand. Er stand auf, erhob sein Glas und sagte: „Auf Eleonor Rend und ihre Tapferkeit.“
Die anderen Anwesenden nickten entweder zustimmend oder lachten leise.
„Vater, bitte“, murrte Arling leise.
„Und darauf, dass Hannes im richtigen Moment das richtige getan hat: Zuzugreifen!“
Dieser Toast wurde laut aufgenommen und begossen.


8.
01.05.2613

Riverside-System, Republik Yura-Maynhaus
An Bord der HOUSTON
Sprungpunkt zum Nachbar-System Maynhaus
Griffins Flottille

Wütend beugte sich Lydia Stiles, Kapitän der HOUSTON, in ihrem Sitz vor. „Das Unterstützungsfeuer für die MILFORD erhöhen! Detachiert, eine weitere Kompanie Rüster! Wenn wir die Flanke verlieren, marschiert Arling einmal quer durch unsere Formation!“
„Das sehe ich ebenso“, meldete sich Commodore Griffin zu Wort.
„E-entschuldigen Sie, Sir, ich hatte nicht vor, mich in Flottillenangelegenheiten einzumischen!“
„Wie bitte? Merken Sie sich das bitte gleich und für immer, Lydia. Ihr Rat wird mir immer willkommen sein. Und wenn Sie sehen, dass ich einen gravierenden Fehler mache, korrigieren Sie mich. Ich habe lieber eine halbe Stunde rote Ohren als dass ich ein paar hundert Beileidsschreiben an die Hinterbliebenen eines Schiffs schreibe, das ich gerade verloren habe.“
Die Augen von Captain Stiles leuchteten erfreut auf. „Ja-jawohl, Sir!“
Coryn Griffins schmale Lippen zierte der Ansatz eines Lächelns. Es war irgendwie sehr einfach, Captain Stiles zu manipulieren, zu formen und zu verändern. Oh, es war nicht so, dass er seine Worte nicht ernst gemeint hatte. Er war nicht so borniert, von seinen Untergebenen zu verlangen, über offensichtliche Fehler hinweg zu sehen, die er vielleicht machte. Aber es war doch beruhigend zu wissen, dass diese Frau, wenn sie denn mal einen Fehler fand, diesen nicht stantepede an das nächste Regionalhauptquartier meldete.
Gut, es gab Kommandeure, die ihre Offiziere in so einem Fall zuerst in eine Zelle und danach vor ein Kriegsgericht geschleift hätten, egal wie viele Leben der Untergebene gerettet hatte, aber er war nicht so. Er hatte es ernst gemeint, als er gesagt hatte, dass er keine Beileidsschreiben mochte. Er verlor einfach nicht gerne Leute.
„Sir, die JULIET hat mehrere harte Treffer eingesteckt. Sie hat die Schilde verloren.“
„Übung abbrechen“, befahl Griffin. „So geht es also auch nicht.“
Fragende Blicke trafen ihn, während die Funker die neue Information an die Flottille verteilten.
Coryn Griffin fühlte sich genötigt, ein paar Worte zu sagen. „Das war eine gute Übung, aber leider hat sie nicht zu dem Erfolg geführt, den ich gerne gesehen hätte. Mit dem Ausfall der JULIET hätten wir uns zurückziehen müssen, solange Arling keines seiner Schiffe verloren hat, und genau da sehe ich das Problem. Es macht keinen Sinn, hier weiterzumachen, solange wir nicht herausgefunden haben, wie wir Arling schneller ein Schiff abnehmen können, als er es bei uns kann.“
Der Commodore schnallte sich ab. „Geben Sie Entwarnung für alle Schiffe, für alle Decks, Captain Stiles.“
„Aye, aye, Sir.“
„Und kommen Sie in meinen Bereitschaftsraum.“
„Aye, aye, Sir.“

Als er die Tür zu seinem Büro nahe der Brücke öffnete, empfing ihn der Geruch von frisch aufgebrühtem Kaffee.
Capitaine Cochraine setzte gerade die dampfende Tasse auf seinem Schreibtisch ab. „Ich hole sofort einen für Captain Stiles, Sir.“
„Danke, Capitaine. Bitte bringen Sie sich selbst auch einen mit. Wir haben etwas zu bereden.“
„Ja, Sir.“
Kurz darauf traf Stiles ein. „Dauert es lange, Sir? Ich würde gerne noch mit den Teileinheitskommandeuren die Manöverkritik durchgehen.“
„Verschieben Sie das, Lydia. Ich glaube, wir werden einige Zeit reden.“
Cochraine kam mit zwei weiteren Tassen zurück. „Hier, Ma´am.“
„Danke, Juliet. Sir, hat man Ihnen noch immer keine Ordonnanz zugeteilt? Soll ich einen der Stewards aus der Offiziersmesse abstellen?“
„Ich bitte darum, Lydia. Setzen Sie sich. Sie auch, Juliet.“
Griffin nippte an seinem Kaffee und erlaubte es dem warmen, anregenden Getränk, seinen Magen aufzuwärmen. Dann erst sah er auf und blickte von einer Frau zur anderen. „Wir bekommen heute eine ganz besondere Ladung zugestellt, Ladies. Wie sie zwei wissen, sollen wir uns in den Diadochen als die Gryanischen Söldner ausgeben.“
Stiles nickte verbissen. Das war eine Tatsache, die ihr überhaupt nicht gefiel.
Cochraine verzog die Mundwinkel in einer Gefühlsregung, die sowohl Spott als auch Missfallen ausdrücken konnte.
„Deshalb übernehmen wir heute einen kompletten Uniformensatz in Königsblau im Stil der heraklischen Streitkräfte.“
Die Augen von Cochraine leuchteten auf. Genau das hatte sie jede freie Minute gepredigt.
Die Reaktion von Stiles war heftiger. „Königsblau, Sir? Wir sollen uns tatsächlich wie dreckige Söldner anziehen? Verzeihung, aber bekomme ich dann auch noch ein Holzbein und einen Papageien für die Schulter, Sir?“
„Die Gryanischen Söldner mögen Söldner sein, aber sie haben eine sehr lange Tradition als Wacheinheit der heraklischen Königsfamilie. Ohne den Diadochen-Krieg wären sie noch immer Teil der Leibwache der herrschenden Familie. Es ist eine Einheit, die trotz der Kriegswirren und trotz ihres Status als Söldner sowohl den Stolz der heraklischen Einheiten als auch die Ehre als Soldaten hoch hält. Die meisten Hauseinheiten in den Diadochen haben zusammengenommen nicht einmal annähernd soviel Ehre wie ein einzelner Gryaner in einem Finger“, konterte sie kalt.
„Aber wir erfüllen damit den internationalen Bestand der Spionage, wenn wir nicht in unseren eigenen Uniformen unterwegs sind. Sicherlich werden auch unsere Transpondersignale umgestellt, oder, Sir?“
„Das sehen Sie richtig, Lydia. Aber ich kann Sie beruhigen. Im Falle, dass wir gestellt und wegen Spionage von einem der Diadochen-Staaten abgeurteilt werden, werde ich selbstverständlich aussagen, dass ich die Uniform befohlen habe. Sie werden sicher nicht straffrei ausgehen, aber man wird sie nicht wie mich erschießen.“
„Was reden Sie denn da?“, murrte Stiles unwillig. „Soweit kommt es noch, dass ich zulasse, dass mein Commodore vor ein diadochisches Gericht gestellt wird!“
„So? Dann bin ich beruhigt. Lassen Sie die Uniformen sofort verteilen, sobald sie eingetroffen sind, Lydia. Tragen ist ab der nächsten Schicht befohlen.“
„Eine Frage, Sir, wenn wir schon die Uniformen tragen müssen, werden unsere Rüster dann gegen Hydrae ausgetauscht werden?“
Griffin runzelte die Stirn. „Was sollte das denn für einen Sinn machen? Sollen wir unsere Kampfkraft vorsätzlich schwächen? Entschuldigung, Capitaine.“
„Nein, nein, ist in Ordnung. Ich kenne selbst die Leistungsunterschiede zwischen Hydrae und Rüster. Und den Knights des Kaiserreichs.“
„Dann bin ich beruhigt, Sir. Aber langsam frage ich mich, ob der Auftrag all den Ärger wert ist.“
Griffin lächelte dünn. „Das kommt drauf an. Wenn ich diesen Auftrag erfolgreich abschließe, werde ich Rear Admiral. Und Sie, Lydia, kommen dann auf meinen Posten. Wie klingt das?“
„Gut, Sir, ausgesprochen gut. Aber ich habe zuerst an meine Crew zu denken und…“
„Ich auch, Lydia. Genau deshalb üben wir hier auch schon seit Wochen, wie man Arling am besten in den Arsch tritt.“ Griffin schmunzelte dünn. „Kriege ich noch einen Kaffee, Juliet?“
„Natürlich, Sir.“
***

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Es war eine ermüdende, schleppende Erfahrung, gegen die Simulation von Arlings RHEINLAND anzutreten, fand Griffin. Sein Blick ging aus dem Luk des Observatoriums direkt ins glitzernde Umland von Riverside, jenen Ort, an dem sein Verband trainierte. Anhand der Daten seiner beiden Gefechte in diesem System hatten sie die Kampfstärke der anderen Schiffe von Arlings Verbandes hochgerechnet, und nun sah Coryn beinahe täglich dabei zu, wie die Simulationen ihm und seinen Kapitänen den Hintern versohlten. Gut, gut, die kaiserlichen Knights hatten einen Technologievorteil, der galt aber nicht für die Schiffstechnik. Gut, gut, die Flottille wurde gerade auf den neuesten Stand der Technik gebracht, aber es waren keine Neubauten wie die Schiffe seiner Flottille. Drei von ihnen waren sogar in Yura-Maynhaus gebaut worden, was den Ingenieuren und Werftarbeitern sicherlich soviele Probleme bereitete, wie sich Griffin nur wünschen konnte. Zudem hatten sie für diese Arbeiten nur zwei Monate, von denen anderthalb bereits verstrichen ware. Er hatte in dieser Zeit üben können, Arling nicht. Und seine Schiffe waren eben moderne Neubauten.
Dennoch verlor er in den Simulationen, und das trieb ihn in den Wahnsinn.
Manchmal dachte er, einer seiner Offiziere hätte die Simulationen manipuliert, um ihn vorzuführen. Manchmal überlegte er sich, ob er die Simulationen nicht selbst manipulieren sollte, um wenigstens einmal zu gewinnen. Aber wie schal wäre dieser Sieg gewesen?
„Commodore“, klang eine freundliche Stimme neben ihm auf und ein Kaffeebecher wurde ihm vor die Nase gehalten.
Dankbar ergriff er den heißen Becher und nickte Juliet Cochraine dankbar zu. „Danke, Capitaine. Sie sind wie eine Mutter zu mir.“
„Ach, das ist es“, brummte sie und lehnte sich neben dem Commodore ans Geländer.
„Das ist was?“
„Ach, nichts, Sir. Haben Sie sich schon eine Lösung für unser Problem überlegt?“
„Welches der Schiffe ich zuerst ausschalten soll? Ich tendiere zu einer der Fregatten. Denn ich befürchte, dass die RHEINLAND eine Nummer zu groß sein wird. Aber wenn die RHEINLAND versenkt wird, ist die gesamte Flottille verloren und… Hm. Und ich stehe mit meiner angeschlagenen Einheit mitten in den Diadochen fest und habe dann womöglich Ärger mit irgendeinem einheimischen Lokalfürsten.“ Er sah die Verbindungsoffizierin an. „Was meinten Sie mit das ist es, Juliet?“
Die heraklische Offizierin räusperte sich vernehmlich, als sie begriff, dass sie nicht so schnell vom Haken kommen würde. „Nehmen Sie also Abstand von einer offenen Schlacht, Sir?“
„Ja, aber beantworten Sie meine Frage nicht mit einer Gegenfrage. Was haben Sie gemeint?“
„Das ist nicht wichtig, Sir. Da war meine Zunge einfach schneller als mein Gehirn. Bitte vergessen Sie die Bemerkung wieder.“
„Juliet, ich glaube, es ist etwas viel verlangt, aber vertrauen Sie mir?“
„Nun, was die Umstände angeht vertraue ich Ihnen so gut ich kann, Sir. Immerhin bin ich Verbindungsoffizier und nicht einer Ihrer Untergebenen, auf die Sie aufzupassen verpflichtet sind.“
„Bullshit. Sie gehören zu meinem Team. Solange Sie mich nicht verraten, werde ich Sie beschützen, darauf haben Sie mein Wort.“
„Erwarten Sie denn, dass ich Sie verraten werde, Sir?“, fragte sie mit bitterer Stimme.
„Nun, Sie sind Offizier und erhalten Befehle, richtig? Vielleicht wird eines Tages einer dieser Befehle lauten, mich zu hintergehen. Ich werde Sie dann töten, aber seien Sie versichert, es ist nicht persönlich.“
„Na, danke. Tolle Aussichten, Sir“, erwiderte sie mit einem Seufzer. „Was die andere Sache angeht, Sir, ich frage mich seit wir uns kennen, warum Sie nicht versuchen mich ins Bett zu schaffen. Ich dachte ich bin für Sie vielleicht hässlich. Aber wenn Sie mich als fürsorglichen Mutterersatz sehen, verstehe ich das.“
„Ins Bett zu schaffen?“ Griffin runzelte die Stirn. „Hören Sie, Sie sind eine erwachsene, selbstständige Frau und… Ach, Sie meinen Sex. Juliet, Sie glauben doch nicht, dass ich Sie zum Sex nötigen würde?“
„I-ich weiß nicht. Wissen Sie, in den heraklischen Streitkräften waren Beziehungen zwischen Kameraden gern gesehen. Die Garde des Dionysos, sagte man, bestand aus einer Schar Liebender, in der jeder sein Leben für den anderen zu geben bereit war. Beziehungen, gleich ob zwischen Mann und Frau, Frau und Frau oder Mann und Mann wurden damals respektiert und gefördert, denn letztendlich tritt man in die Schlacht für die Liebe. Die Garde gibt es nicht mehr, aber die heraklischen Divisionen hielten dieses Prinzip noch lange aufrecht, nachdem das Königreich längst in die Diadochen zerfallen war. Und seien wir doch mal ehrlich. Im Kaiserreich und in Yura-Maynhaus gibt es genügend Legenden darüber, wie freigiebig die heraklischen Soldaten mit ihren Körpern waren.“
„Davon habe ich gehört. Ich wusste aber nicht, dass es solche Wurzeln hat“, warf Griffin ein.
„Und deshalb, Sir, habe ich halt erwartet, dass… Dass Sie diese Gerüchte auch kennen und… Entschuldigen Sie meine Vermessenheit, aber ich bin eine bildhübsche, junge Frau. Ich hätte erwartet, dass…“
Griffin senkte düster den Blick. Er machte eine fahrige Geste in die Weite des Alls hinaus. „Juliet. Ich bin Soldat. Ich bin Anführer. Ich bin Krieger. Ich kann jederzeit das Leben eines beliebigen Soldaten in der Flottille beenden. Ich kann ein eigenes Schiff sprengen lassen. Ich bin Herr über Leben und Tod, Strafe und Belohnung in dieser Flotte. Ich bin die letzte und oberste Instanz. Anders funktioniert die Marine nicht. Anders funktioniere ich nicht.“
Er sah sie an, und ein Lächeln lag um seine Lippen und Augen. „Aber ich kann weder den Herzen meiner Leute befehlen, noch kann ich befehlen, mit wem sie zu schlafen haben. Wenn ich auch den Tod in Händen halte, werde ich niemals so vermessen sein und ihnen in die Herzen fassen. Beantwortet das Ihre Frage?“ Andächtig nippte er an dem Kaffee.
„Ja, Sir. Verzeihen Sie, Sir.“ Sie stieß sich ab und richtete sich auf. „Ich bin auf der Brücke, falls Sie mich brauchen.“
„Danke. Ach, und Juliet?“
„Sir?“
„Sie sind eine atemberaubend schöne Frau. Dazu äußerst gefährlich intelligent. Wundern Sie sich also nicht, wenn ich es einmal versuche, wenn ich keine Uniform trage.“
Sie zog ihre Schirmmütze tiefer ins Gesicht, damit der Commodore ihr Lächeln nicht sehen konnte. „Wundern Sie sich nicht, wenn ich Widerstand leisten werde, Sir.“ Nach einer kurzen Pause fügte sie hinzu: „Der Form halber, Sir.“
Dann verließ sie das Observatorium und ließ den Commodore mit seinen Gedanken alleine.

„Heißer Kaffee, hm? Ich könnte jetzt eher eine kalte Dusche gebrauchen. Johann Arling, was hättest du an meiner Stelle getan? Wie hättest du reagiert? Wer bist du überhaupt wirklich?“
Langsam begann sich ein Gedanke in seinem Geist zu formen, eine Idee Gestalt anzunehmen. Und plötzlich hatte er die Lösung auf der Hand. Es erschien alles so klar, so einfach, so vernünftig. Er aktivierte seinen Armbandkommunikator und ließ sich an Cochraine weitervermitteln. „Juliet, ich möchte, dass Sie die allerneuesten Erkenntnisse über Johann Arling bündeln, alles was Sie von ihm zu fassen kriegen. Nachrichten, Pressemitteilungen, Geheimdienstberichte, alles, einfach alles. Und sagen Sie, ist Ihr Dienstherr ein verständiger Mensch?“
***
Eine Stunde später saß Griffin mit seinen fünf Kapitänen in einem abgedunkelten Raum und betrachtete den TNC-Live-Channel One. TNC hatte fünfzehn eigene Kanäle, und davon waren drei Live-Channel. Viele der großen Fernsehstationen sandten Live-Reporter auf, die zu ihrem eigenen Schutz permanent oder auch nur zeitweise live berichteten. Die Daten wurden nicht nachbereitet - also pur wie sie die Kamera erfasste - direkt über den Äther ausgestrahlt. Gelobt sei die Kunst der überlichtschnellen Kommunikation, die als der Galaxis ein Dorf macht, ging es Griffin durch den Kopf. Einer der Sender übertrug nun schon seit fast vier Wochen acht von vierundzwanzig Stunden Live die Bilder von Carrie Rodriguez, einer der Top-Journalisten des Senders, und ein Großteil ihres Materials wurde später nachbearbeitet und auf den anderen großen Sendern im Haus ebenfalls ausgestrahlt. Die Einschaltquoten mussten erstaunlich sein, denn unbeobachtet von Griffin und seinen Leuten hatten sich etliche Sendungen etabliert, die vom Wirken und Leben der Herrscher von B-King handelten. Einer von ihnen war Arling, und er war auch der heimliche Star der Sendungen, wenngleich auch an seinen Neffen und dem Großneffen, den anderen Grafen des Planeten, reges Interesse herrschte. Besonders der junge Angward hatte mehrere eigene Sendungen. Der hübsche Bengel hatte sogar schon eigene Fanclubs auf Terra, über die nun widerum berichtet wurde.
Terra gierte nach solchen Neuigkeiten. Ein hübscher Fürst, ein Königshaus, das Einblicke in ihr Leben gewährte, majestätische Figuren vor exotischer Kulisse.
Ein paar Tage nach dem Beginn der Liveberichte hatten sich dann auch die B-King-Sender auf diese Fundgrube gestürzt. Aber sie berichteten eher über die Reaktionen auf Terra und anderen Planeten, auf denen diese Live-Sendungen zum Quotenhit geworden waren. Die Beijings selbst kannte man auf B-King eben zur Genüge, und so amüsierte man sich über das Verhalten in der internationalen Öffentlichkeit. Nicht ohne hämisch darauf hinzuweisen, wem der Herzog und seine Grafen gehörten, sachlich gesehen.
Viele dieser Nachrichten wurden auch im Kaiserreich breitgetreten, aufgefegt, neu sortiert und wieder breitgetreten. Absoluter Hit der Sendungen im Kaiserreich war die Verlobung von Arling mit einem seiner Kapitäne, und Griffin musste mehrfach schlucken, bis er begriffen hatte, dass E. Rend eine Frau war, auch wenn sie eher einem großen, schlanken und etwas femininen Jungen glich, als sie in Uniform gezeigt wurde. Ein Eindruck der durch ihren Auftritt in Sportkleidung beim Kickboxen sofort ad absurdum geführt wurde, aber die Worte von Juliet Cochraine lagen noch heiß auf seinen Gedanken.
Gleich auf Nummer zwei folgte die unmögliche und atemberaubende Beziehung zwischen Prinzessin Elise und ihrem Verehrer, dem legendären Knight-Piloten Charles Monterney, genannt Lucky Charly. Ein Mann, dessen Gefährlichkeit auch in der Marine von Yura-Maynhaus wohl bekannt war. Wenn es einer schaffen sollte, ausgerechnet die kostbarste Blume im Kaiserreich zu pflücken, dann sicherlich nur ein Draufgänger wie er.
Allerdings waren die Live-Bilder, die von ihm und der Prinzessin über die Bildschirme krochen, alles andere als viel versprechend, zeigten lediglich zwei Freunde bei Freizeitunternehmungen, und alle Versuche von Rodriguez und Spencer, ihrem Kameramann, die beiden bei nächtlichen Stelldicheins zu erwischen waren ins Leere gelaufen.
Nach sechs Stunden extra für sie zusammengeschnittener Daten hatte schließlich Stiles wütend auf den Tisch geklopft und gerufen: „Küsst der Trottel sie auch mal endlich?“
Das hatte zustimmendes Gemurmel bei den anderen Kapitänen ausgelöst, und selbst Griffin, der eigentlich hätte mahnen sollen, hatte dazu nur genickt.

Nach sieben Stunden hatte Coryn eine Pause eingesetzt. Cochraine hatte Dossiers verteilt, die von den Kapitänen nun mit tränenden Augen gelesen wurden.
„Fragen Sie mich ruhig, wenn Sie etwas wissen wollen. Ich konnte mich einigermaßen vorbereiten“, sagte die heraklische Offizierin.
„Arling scheint beim Volk sehr beliebt zu sein“, merkte Griffin an. „Warum?“
„Er besticht sie, Sir.“
„Wie?“ „Er ist dafür bekannt, dass er große Geldsummen für Ausbildung, Unternehmensgründung, karitative Zwecke und dergleichen in der Bevölkerung verteilt. Außerdem pickt er sich immer wieder Einzelschicksale heraus und regelt ihre Angelegenheiten persönlich. Er bekämpft die Korruption, die es sogar auf seiner Welt gibt, sorgt für ein ausgeglichenes Verhältnis der Religionen, damit sie miteinander arbeiten und nicht gegeneinander, und nebenbei riskiert er als Offizier in der Armee sein Leben. Natürlich macht der Mann Fehler. Natürlich kann er nicht überall sein. Aber er hat sehr gute Stellvertreter, die ihre Arbeit können. Sein Motto ist stets, Hilfe zur Selbsthilfe zu geben. Er verteilt keine Almosen, sondern gibt den Menschen die Kraft und das Werkzeug, um ihre Probleme selbst regeln zu können. Den Rest machen die karikativen Dienste für ihn. Man kann sagen, er ist ein Volksheld. Ebenso wie sein Vater und seine Neffen und sein Großneffe, die B-King regieren.“
„Und jetzt kommt auch noch eine medienwirksame Hochzeit mit einer bürgerlichen Frau hinzu“, brummte Griffin. „Sehr geschickt gemacht. Wo liegen seine Schwachpunkte? Wo seine Fehler? Wie kriegen wir ihn zu greifen, um ihn zu zerschmettern?“
„Nun, er verliert nicht gerne Untergebene. Und er tötet nicht gerne. Das ist allgemein bekannt. Deshalb wurde wohl auch ihm die Mission anvertraut, nach den verschollenen kaiserlichen Bürgern zu suchen, die irgendwo in den Diadochen für den Frondienst festgehalten werden.“
„Und?“, warf Commander Bigsby ein, die Kommandeurin der JULIET, „gibt es diese verschleppten kaiserlichen Bürger auf dem Gebiet der Diadochen?“
„Vielleicht“, antwortete Cochraine ausweichend. „Wir prüfen das.“
„Hat er nicht noch einen Schwachpunkt? Gibt es nicht etwas greifbareres? Ich meine, wenn das alles nur Fassade wäre und er heimlich in seinem Palast schwarze Messen zelebrieren würde, wäre mir um etliches wohler. So hat man das Gefühl, man müsse gegen Buddha antreten“, murrte Commander Slodowsky. Als er missverständliche Blicke erntete, fügte er hinzu: „Eine Legendengestalt wie Jesus Christus.“
Haggart und Watts, die Kommandeure der Fregatten OTHELLO und ROCKET, nickten verstehend.
„Vergessen sie alle vor allem eines nicht, wir haben Krieg, und Arling ist ein Feind“, sagte Griffin hart. „Und wir sehen uns all die Berichte nicht an, um ihn mögen zu lernen, sondern um ihn selbst besser kennen zu lernen, damit wir ihn besiegen können. Er hat unsere republikanische Marine drei Monate lang gedemütigt. Nichts und niemand konnte ihn aufhalten. Wir aber werden es schaffen und die Ehre der Flotte wiederherstellen.“
Der Commodore sah in die Runde. Seine Worte waren genau im richtigen Moment gekommen. Er selbst hatte schon die keimende Sympathie für Arling gefühlt und sich bereits überlegt, wie man das Leben dieses Mannes schonen konnte. Ja, er hatte schon gefürchtet, dass dieser offene, freundliche Mann einem Fanatiker zum Opfer fallen konnte, lange bevor sie sich für ihr Duell im eisigen Weltall treffen würden, und das hatte ihn in zweierlei Hinsicht mitgenommen.
Er stand so kurz davor, Arling zu mögen, wirklich zu mögen. Aber das durfte, das konnte nicht sein.
„Oh, er hat dunkle Punkte in seinem Charakter“, sagte Cochraine ernst.
Die Offiziere richteten sich interessiert auf. „Er ist, nun, etwas gierig. Wir wissen aus sicheren Quellen, dass er ein volles Regiment Knights an Bord seiner Schiffe nehmen wird. Außerdem ist gesichert, dass seine Schiffe eine vierzig Prozent stärkere Besatzung erhalten, als es für diese Modelle üblich ist. Was sagt uns das?“
„Dass wir uns mit einhundertzwanzig Rüster gegen dreihundert Knights stellen müssen? Ein Himmelfahrtskommando für die Blechdosen“, brummte Bigsby.
„Auch. Aber es bedeutet, dass Arling weitere Prisen nehmen will. Und wenn er mehr Prisen genommen hat als er wirklich verwalten kann, dann…“
„Dann können wir zuschlagen. Unterbesetzte Schiffe sind gute Zielscheiben“, setzte Griffin die Worte der Capitaine fort. „Und ich habe auch schon eine vortreffliche Idee, wie wir das erreichen können.“
Griffin musterte die anwesenden Offiziere in ihren neuen, königsblauen Uniformen. „ob bereit oder nicht, wir starten in drei Tagen. Genauer gesagt wird uns auch gar nichts anderes übrig bleiben. Und Arling wird seine Menschenfreundlichkeit zum Strick werden.“
Auffordernd, die fragenden Blicke der Kapitäne ignorierend, sah er wieder Cochraine an.
„Es ist alles geregelt, Sir. Ihr Admiral hat seinen Segen gegeben.“
„Segen zu was?“
„Diesen Auftrag ordentlich ausführen zu können, Captain Stiles.“ Griffin lächelte, und er hoffte, dass es schön grimmig ausschaute. „Wurden die Wracks zurecht gemacht?“
„Ja, Sir. Wir haben die Koordinaten, die Terminpläne, einfach alles.“
Zufrieden rieb sich der Commodore die Hände. „Gut. Dann kann es ja bald losgehen.“
„Was kann losgehen, Sir?“, fragte Haggart.
„Der Ausbruch der Gryanischen Söldner aus der illegalen Internierung und ihre Flucht durch halb Yura-Maynhaus.“
***
An einem geheimen Ort, der direkt nach seiner Entstehung versiegelt wurde, und der erst in fünfhundert Jahren wieder entplompt werden musste, um die Fusionsreaktoren nachzufüllen und wichtige Wartungen auszuführen, trafen sich eine Handvoll der wichtigsten Admiräle der Flotte. Nun, sie trafen sich nicht persönlich. Sie waren lediglich als Hologramm anwesend. Aber der Ort war jener Punkt, an dem die Hologramme der vier Admiräle gebündelt wurden und jeglichen Zusammenhang zwischen ihnen nichtig machte. Solange der Ort nicht entdeckt wurde.
Der Ort wurde nicht oft frequentiert, und wenn doch, dann nur für die heikelsten, geheimsten und gefährlichsten Besprechungen, von denen kein Sterbenswörtchen an die Öffentlichkeit dringen durfte. Und wenn doch etwas öffentlich würde, dann hatte sich der Gesprächsteilnehmer, bei dem das Leck in der Datensicherheit aufgetreten war, für die anderen vorbehaltlos zu opfern. Das wussten sie alle. Doch das war in einhundert Jahren noch nicht geschehen.
Einer der Teilnehmer war Admiral Yuri Goldman, einer der Sektorengeneräle.
Der nächstranghöhere Teilnehmer war Admiral Goran Shazhou, Chef des Navy-Geheimdienst.
Teilnehmer Nummer drei war Admiral of the Fleets Helen Sourakis, die höchste Flottenrepräsentantin.
Der letzte Teilnehmer war der wohl ranghöchste unter ihnen, und der bei weitem erfahrenste. Er war seit dreißig Jahren im Amt, und das war im demokratischen System von Yura-Maynhaus eine Großtat: Inspector of the Navy Gordon Starway.
Für einen Beobachter, hätte er in den geheimen Raum eindringen können, hätte sich folgendes Bild geboten. Drei Männer und eine Frau saßen um einen Tisch herum, und ein leichtes Flackern hier und da hätte verraten, dass es nur Hologramme waren. Drei trugen Uniform, ein alter, grauhaariger und gebeugt sitzender Mann trug zivil.
Einer von ihnen, Sektorenadmiral Goldman, hatte nun schon einige Zeit gesprochen, und als er endlich geendet hatte, warfen ihm seine Kollegen skeptische Blicke zu.
„Wie sicher ist das?“, wollte Sourakis wissen.
„So sicher wie das Amen in der Kirche, Helen.“
Shazou sah skeptisch in die Runde. „Können wir das tun? Ich meine, können wir die Akten von… Warten Sie, zweitausend Männern und Frauen fälschen, korrigieren, ausradieren und dergleichen, nur um den wahnwitzigen Plan Ihres Commodore auszuführen?“
„Einen guten Plan, Goran“, warf Starway ein.
„So, Gordon, Sie sind also schon überzeugt?“
„Mitnichten. Selbst wenn wir die Akten löschen, manipulieren oder einfach nur unter Verschluss halten, werden irgendwann Aufnahmen der Gryanischen Söldner auftauchen. Entweder alte, dann ist Griffin im Arsch, oder neue, dann ist er auch im Arsch, und wir gleich mit, weil irgendein Familienmitglied ein Besatzungsmitglied erkennen wird, erkennen muss.“
„Für das erste Problem hat Griffin eine hervorragende Lösung gefunden, die ich voll unterstütze. Und für das zweite Problem… Lassen wir es auf uns zukommen, einfach auf uns zukommen.“
„Na, Sie machen es sich ja einfach, Yuri“, spottete Sourakis.
„Ich empfehle, alle eintreffenden Daten zu zensieren.“
„Das geht nicht, Goran“, warf Sourakis ein. „Arling wird von einem internationalen Pressecorps begleitet, darunter werden einige Live berichten, rund um die Uhr. Sollen wir die internationale Presse zensieren? Dann lebt keiner von uns mehr lang genug, um ein Ende der Hasstiraden der Presse gegen sich zu erleben.“
„Auch dafür hat Commodore Griffin eine Lösung gefunden“, sagte Goldman hochzufrieden. „Was sagt ihnen der Begriff Verschwörungstheorie, meine Dame und meine Herren?“
„Sie meinen“, begann Starway nachdenklich, „entweder forcieren wir entsprechende Daten im voraus, um alle Berichte unserer Presse von vorne herein als unseriös darzustellen, oder wir schieben alle späteren Berichte in den Bereich der Legenden, der effekthascherischen Berichterstattung. Wir lassen alle Welt glauben, dass die Berichte über Griffin und seine Leute frei erfunden sind, um Quote zu machen, richtig?“
Goldman nickte zufrieden. „Sie haben es erfasst, Sir.“
„Und was ist mit der anderen Sache? Hat Griffin seine Befehle?“, hakte Sourakis nach.
„Nein, Ma´am, hat er nicht. Aber ich habe ihn aus bestimmten Gründen ausgesucht. Einer davon sind ein paar Charakterschwächen, die ich an ihm erkannt habe, und die ihn letztendlich genau so agieren lassen werden wie ich es mir vorstelle. Vertrauen Sie mir. Es wird gelingen.“
„Sie haben unseren Segen, Yuri. Aber wenn es schief geht, gehen fünf Schiffe und ihre Besatzungen auf Ihr Gewissen.“
„Und wenn es gelingt, dann waschen wir ein paar tausend Liter Blut von unseren Händen und bürden es den Diadochen auf“, fügte Sazhou hinzu.

Sazhou schaltete seine Verbindung ab, ihm folgte Sekunden darauf Goldman.
„Warten Sie bitte noch, Helen“, bat der Inspector of the Navy. „Es gibt da noch etwas zu besprechen.“
Sourakis, die bereits hatte abschalten wollen, nickte bestätigend. „Ich schalte um auf neue Verschlüsselung, Sir.“
„Einverstanden. Übliche Prozedur?“ „Übliche Prozedur.“
Für mehrere bange Augenblicke flackerten beide Hologramme, als würden sie in sich zusammenstürzen. Doch dann entstanden sie wieder, und nur das gelegentliche Flackern verriet, dass man es mit über Langstrecken geschickte Hologrammen zu tun hatte.
„Sie wissen, wie wichtig Griffins Mission für uns ist, nicht, Helen?“
„Ja, Sir. Wie Sie ja wissen, verläuft der Krieg genauso wie in unseren Planspielen. Wir erobern ein paar der kaiserlichen Systeme, sie öffnen ihre Depotplaneten, rüsten ihre Flotte auf Kriegsbedarf auf und erobern ihre Welten zurück. Dann halten sie inne, weil sie an ihr Limit stoßen. Dies ist der Punkt, an dem unsere Ausbildungsprogramme und unser Schiffsneubauprogramme greifen, sowohl bei uns als auch bei den Insekten. Unterstützt vom steten Nachstrom an militärischen Versorgungsgütern aus den Diadochen können wir erneut zum Angriff übergehen, und dem Kaiser diesmal die doppelte Anzahl an Welten abnehmen. Und das beste ist, diesmal können wir sie halten.“
„Die Welten nützen nicht viel, wenn die Diadochen die Bevölkerung verschleppt.“
„Aber die Verschleppten nützen als billige Arbeitskräfte in den Diadochen, Sir. Wobei ich hinzu fügen möchte, dass ich die Zwangsrekrutierung nur akzeptiert habe, weil Sie es mir ausdrücklich befohlen haben.“
„Wir mussten unsere Verbündeten bei Laune halten, Helen. Das wissen Sie ebenso gut wie ich. Und wir müssen unsere Presse bei Laune halten.“
„Ich weiß“, erwiderte Admiral of the Fleets Helen Sourakis. „Im Moment zerreißt sie uns, weil diese Amateure glauben, wir wären dabei den Krieg zu verlieren. Wir werden unsere Situation in der Presse aber nicht besser machen, wenn wir eine Söldnerflotte jagen und nicht einfangen, geschweige denn vernichten können.“
„Nein, sicherlich nicht. Aber wir können die Aufmerksamkeit der Presse darauf richten und von anderen Dingen ablenken. Unsere Verbündeten im Kaiserreich haben sich eine solche Ablenkung erbeten. Es sieht so aus als würde die Krönung kurz bevor stehen. Aber das ist eine Information zwischen Ihnen und mir, Helen.“
„So. Sind sie also wirklich soweit oder hoffen sie es nur?“, spottete Sourakis.
„Sie sind soweit. Noch ein paar Monate Vorbereitungszeit, und Plan Spartan tritt in Kraft.“
„Wenn das mal gut geht“, murrte die Admiral of the Fleets.
„Sie haben Ihre Befehle, Helen.“
„Natürlich, Sir.“ Nachdem Starways Hologramm erloschen war, fügte sie hinzu: „Leider.“
***
„Wir kommen in Gefechtsreichweite zur ADRIAN, Sir.“ Stiles warf einen unschlüssigen Blick zu ihrem Commodore. „Die MILFORD ist vorne.“
Griffin grinste matt. „Geben Sie Feuerbefehl an die MILFORD!“
„Aye, Sir, Feuerbefehl an die MILFORD!“
Sekunden darauf löste der Zerstörer der Dunuesqe-Klasse seine Buggeschütze aus und zerschlug die republikanische Korvette im ersten Feuerstoß in zehntausende Fragmente.
„ADRIAN versenkt, Sir.“
„Gut. Alle Schiffe klar machen zum Sprung. Hier wird bald die Hölle los sein.“ Commodore Griffin sah in die Runde. „Haben alle verstanden, worum es uns geht?“
„Ja, Sir.“ Lydia Stiles nickte schwer. „Wir sind uns alle der Wichtigkeit unserer Mission bewusst.“
„Gut. Dann lassen sie mich die Bürde für alle noch ein wenig erhöhen. In diesem Moment wird die Presse über ein Nachrichtenleck darüber informiert, dass die Gryanischen Söldner nach einer illegalen Grenzübertretung interniert wurden. Diese Internierung erfolgte ohne anschließende Anhörung, weshalb sie illegal ist.
Nach einer gewissen Zeit in Quarantäne wurde es den Söldnern zuviel, und sie rebellierten. Dabei gelang es ihnen, sich der Wachflotte zu bemächtigen. Und mit diesen Schiffen sind sie auf der Flucht. Eben gerade hat Captain Slodowsky auf eine unbemannte, computergesteuerte Korvette gefeuert und sie zerstört. Aber wenn das falsche Schiff die falschen Befehle bekommt, dann werden wir vielleicht gezwungen sein, auf Kameraden zu schießen. Ich will das um jeden Preis vermeiden, deshalb verlange ich, dass jedermann an Bord meiner Flottille sein bestes gibt, damit wir zügig die Grenze zum Kaiserreich erreichen.“
Zustimmendes Gemurmel antwortete dem Commodore.
„Gut. Dann leiten Sie den Sprung ein, Captain Stiles.“
„Aye, aye, Sir. Flottille bereit zum Sprung. Ziel ist das Trondheim-System.“
Wenn das mal gutgeht, ging es Griffin durch die Gedanken, aber er sprach es nicht aus.
In diesem Moment, das wusste er, würde die gesamte Navy von Yura-Maynhaus den Befehl erhalten, die vermeintlichen Söldner auf der Flucht zu jagen. Und zur Strecke zu bringen.
Hoffentlich überleben wir das, fügte er in Gedanken hinzu.


9.
14.05.2613
Kaiserreich Katalaun
Cipangu-System, Hauptwelt B-King
Anwesen von Graf Arling, Kontinent Arling

Einen schönen Tag sollte man mit etwas Sport begehen. Das war eine wundervolle Art, den Tag zu beginnen. Zumindest, wenn man ein wenig Yoga, Jogging, Tennis oder wenigstens T´ai-Chi Chuan meinte.
Eleonor Rend verstand darunter, sich in aller Herrgottsfrühe nach dem Aufwärmen zusammen mit den Livrierte von Johann Arling gegenseitig die Grütze aus dem Schädel zu prügeln. Es hatte sie nicht überrascht, dass auch Han über eine eigene Privatarmee verfügte, aber sie war erheblich kleiner als die des Herzogs. Sie bot nur zehn Knights, zehn Panzer und gut hundert gepanzerte Infanteristen auf. Aber die Einheit war gut trainiert und in den verschiedensten Kampfsportarten erfahren. Es hatte keine Schwierigkeit bereitet, ein paar Sparringspartner im Kickboxen für Kapitänleutnant Rend aufzutreiben, mit denen sie seit fünf Tagen jeden Morgen im milden Klima des beginnenden Sommers im Sportareal von Burg Arling trainierte.
Natürlich war Carrie Rodriguez mit ihrem treuen Kameramann Spence anwesend. Ellies Morgentraining zu filmen hatte sich zu einem Ritual entwickelt, aber wenigstens wurde es ausnahmsweise nicht live verschickt.
Es ärgerte Eleonor Rend ein wenig, dass sie anscheinend nicht wichtig genug für einen Live-Bericht war, andererseits war sie froh darüber. Und es machte sie sauer genug, um im Training richtig hinzulangen. Sie selbst hatte schon mehrere blaue Flecke, und ihr erster Gegner war im Moment beim Arzt des Anwesens, um seine gebrochene Nase richten zu lassen.
Man hätte das als Aggressionsabbau missverstehen können, was es ja irgendwie auch war. Aber eigentlich hatte es dem Mann, Leutnant der Panzertruppen, einfach an Erfahrung gefehlt. Er hatte sich selbt über- und Ellie unterschätzt. Das Ergebnis in einem kampfbetonten Sport war dann immer Schmerz. In diesem Fall für ihn.
Ihr zweiter Gegner war vorsichtiger, umsichtiger und setzte darauf an, nach Punkten zu gewinnen. Das erinnerte Ellie daran, wo sie war und was sie hier tat. Automatisch schaltete sie mehrere Gänge zurück. Ihre stürmischen, aggressiven Tritte wurden seltener und wichen geschickten Angelversuchen nach den Gelenken des Gegners und Lücken in der Verteidigung.
Als der Schlussgong erklang, waren bei beiden ein paar blaue Flecken dazu gekommen, aber wenigstens hatte sich keiner was gebrochen. „Guter Kampf“, murmelte Ellie und klopfte ihrem Gegner gegen den Kopfschutz.
„Finde ich ebenso, Ma´am.“

„Darf ich vielleicht auch mal?“, klang eine wohlvertraute, aber mittlerweile leicht verhasste Stimme auf. Eleonor Rend sah mit einem Ausdruck tiefer Verzweiflung herüber. Dort stand Carrie Rodriguez und ließ sich gerade die Hände bandagieren. Dazu trug sie bereits eine leichte Sporthose und ein Sporttop. Handschuhe und Kopfschutz sowie der Eierschale genannte Mundschutz lagen bereit.
„Nanu? Haben Sie keine Angst, dass ich Ihnen das zarte Näschen brechen könnte?“
„Nanu? Haben Sie keine Angst, dass ich besser sein könnte als Sie, Kapitänleutnant?“
„Interessant. Kommen Sie, ich habe gerade zwei Kämpfe hinter mir. Sie könnten also ne Chance haben.“
Spence zog die Handschuhe auf, verschnürte sie, setzte den Kopfschutz auf und schob der Reporterin den Mundschutz zwischen die Lippen. Dann hielt er ihr die Seile auf.
Carrie kletterte in den Ring, vollführte ein paar Boxhiebe gegen imaginäre Gegner und sah Eleonor Rend auffordernd an. „Gibt es Regeln?“
„Sie wissen was Kickboxen ist?“
„War mal Landesmeisterin“, erwiderte Carrie und winkte in die Runde der Zuschauer.
„Ah ja, sehr schön. Wir kämpfen drei Runden á zwei Minuten. Gewonnen wird nach Punkten oder Knock Out. Wir kämpfen nach Standardregeln. Ich weiß nicht, sind das dieselben wie auf Terra?“
„Das können wir herausfinden, Ellie. Ich darf Sie doch Ellie nennen?“
Eine grobe Erwiderung lag Ellie auf der Zunge, aber sie schluckte die harschen Worte runter. Sie machte sich bewusst, dass es zu ihrer Pflicht als künftige Gräfin Arling gehören würde, auch gut mit der Presse auszukommen. Sie durfte ihren Ärger nicht zu deutlich zeigen, denn das konnte Han schaden, womöglich der ganzen Familie. Oder noch schlimmer, ihrer Familie auf Sanssoucci.
„Was treibt Sie dazu, zu mir in den Ring zu kommen, Carrie? Haben Sie mich noch nicht aus genügend Perspektiven aufgenommen?“
„Ach, ich dachte, ich gebe Ihnen mal die Gelegenheit etwas Frust abzulassen und erlaube Ihnen, mir so richtig die Fresse zu polieren.“ Sie lächelte arrogant. „Das heißt, wenn Sie es schaffen.“
„Interessant. Dreimal zwei Minuten. Einer macht den Ringrichter, einer nimmt die Zeit.“

Einer der Livrierten legte die Hände an den Mund und imitierte einen Gong.
Ellie schoss sofort vor und testete die Deckung ihrer Gegnerin mit einer Links-Rechts-Kombination ab. Als Antwort kam ein harscher Tritt in ihre Seite, den sie nicht rechtzeitig gut genug abblocken konnte. Das überraschte sie schon ein wenig, aber nicht genug, um die Eröffnung nicht zu sehen, die Carrie ihr bot, als sie auf dem Bein, mit dem sie zugetreten hatte, wieder Gewicht verlagerte. Ellie trat zu und schaffte es fast, das Bein fortzutreten, aber die Reporterin fing sich schnell wieder. „Nicht übel, Ma´am“, murmelte sie und lächelte.
„Flotten-Vizemeisterin“, erwiderte Ellie grinsend.
Es folgten mehrere schnelle Attacken mit Schritt- und Schlagkombinationen, bei denen beide Frauen kaum zurückwichen. Sie tänzelten umeinander, ließen einander nicht zur Ruhe kommen, aber sie verließen die Ringmitte nicht.
Als dann der imitierte Gong wieder ertönte, schlugen die beiden Frauen mit füreinander erwachtem Respekt ihre Handschuhe gegeneinander.
Ellie ging in ihre Ecke, nahm den Mundschutz raus und trank einen Schluck Wasser. „Der zeig ich´s. Der haue ich die Grütze aus dem Schädel.“
„Bleiben Sie dran, Kaleu. Aber vorsicht. Sie hat ne hammerharte Rechte und ihr linker Fuß angelt dauernd nach Ihren Kniekehlen.“
„Habe ich auch schon bemerkt. Die ist nicht von Pappe. Hätte ich dem Modepüppchen gar nicht zugetraut.“ Ellie nahm noch einen Schluck, spuckte ihn aber auf den Sandboden neben dem Ring.
Auf der anderen Seite ließ sich Carrie von Spence die Schultern massieren, während er leise Ratschläge gab.
„Die ist wohl doch mehr sein als schein, was?“, kommentierte ihr Ratgeber und grinste burschikos. „Dennoch, verlieren dürfen Sie nicht, Ma´am. Oder Miss Rodriguez wird von der einen Hälfte der Livrierten des Grafen zur Revanche herausgefordert werden, weil sie die zukünftige Hausherrin geschlagen hat. Die andere Hälfte wird im Alkohol versacken und düstere Rachepläne schmieden.“
„Richard war Ihr Name, richtig, Bootsmann?“
„Richard Klein, Ma´am, Knights.“
„Ich mag Sie, Richard Klein. Und weil Sie es sind und die Garde nicht meinetwegen leiden soll, haue ich sie jetzt aus den Latschen.“
„Aber kräftig, Ma´am!“, spornte der Bootsmann sie an und gab ihr einen aufmunternden Klaps auf die Schulter.
Der imitierte Gong erklang erneut und die beiden Frauen tänzelten in die Mitte. Wieder tauschten sie Tritte und Hiebe aus, aber die Schläge wurden ohne Kraft geführt. Sie studierten einander, Technik, Abwehrverhalten, Geschwindigkeit. Und in ihren Augen wuchs der Respekt voreinander. „Sie sind mehr als ich gedacht habe“, lobte Ellie.
„Man überlebt nicht acht Jahre als Live-Reporterin, wenn man sich nicht ab und an selbst aus der Scheiße ziehen kann. Wenn es Sie interessiert, Ma´am, ich habe auch eine Infanterie-Ausbildung. Man weiß ja nie wozu es nützlich ist, wenn man weiß wann man besser den Kopf in den Schlamm stecken sollte.“
„Damit kann ich nicht dienen. Ich befehle immer nur, wer mit dem Kopf in den Schlamm tauchen soll“, erwiderte Ellie eine Spur zu ernst.
„Eine wertvolle Eigenschaft für eine Frau.“
Die beiden sprangen aufeinander zu, tauschten eine weitere Schlagkombination aus und ließen dann wieder voneinander ab.
„Autsch. Noch ein blauer Fleck“, murmelte Ellie beeindruckt.
„Wehe, ich kriege nachher ein Veilchen. Dann lasse ich Spence alle Ihre blauen Flecken in Großaufnahme filmen“, drohte Carrie und rieb sich kurz ihr getroffenes linkes Auge.
„Keine Sorge. Wir haben den gleichen Hauttyp. Ich gebe Ihnen was von meinem Make-Up zum abdecken.“
„Nanu? Man hat mir gesagt, dass Sie sich nichts aus Make-Up machen, Ma´am. Hat das der Einfluss von Johann Arling geändert?“
„Da hat man sie falsch informiert. Ich hasse es nur, angemalt herum zu laufen. Aber ich sehe schon einen Sinn darin, wenn Untergebene weder die blauen Flecken im Gesicht noch die tiefen Ringe unter den Augen sehen können, wenn man im Einsatz ist. Sieht man souverän aus, folgen sie einem auch souverän.“
„Interessanter Gedanke. Ich komme auf das Angebot zurück. Gleich nachdem Sie Ihr blaues Auge abgedeckt haben!“ Carrie Rodriguez sprang vor, trat zu und bemerkte zufrieden, dass Ellies Abwehrschlag ihr die Eröffnung bot, die sie haben wollte. Ihr Schlag sauste heran…
Und kam nie an. Ein harter Ruck ging durch ihren Arm, als er abrupt gestoppt wurde.
„Mylord, entschuldigen Sie, aber Sie können unseren Trainingsfight nicht einfach unterbrechen!“, tadelte Carrie aufgebracht.
Johann Arling, der noch immer ihren Ellenbogen hielt, sah sie ernst an. „Es geht los, Carrie. Duschen Sie sich, packen Sie und kommen Sie dann zum Landeplatz.“
„Was geht los?“
„Wir haben Einsatzorder. Wir müssen sofort nach Springe verlegen. Es ist etwas passiert.“
Die Reporterin verstand sofort. „Ja, Mylord. Wieviel Zeit habe ich?“
„Eine Stunde, dann fliegen wir los und gabeln Monterney, Schlüter und Rössing auf. Ellie, das gilt auch für dich.“
„Natürlich gilt das auch für mich“, fauchte sie und hielt dem Bootsmann ihre Arme hin, damit er die Handschuhe aufschnürte.
„Ich beeile mich“, rief Carrie Rodriguez, während ihr Kameramann ihr die Handschuhe und den Kopfschutz löste.
„Du hättest mich nicht retten müssen“, tadelte Ellie leise.
„Den Einsatzbefehl gibt es wirklich“, erwiderte Han ernst.
„Ja, aber du hast gesehen, dass sie mir das Veilchen meines Lebens verpassen würde. Ich hätte den Treffer verdient gehabt, Han, wirklich verdient gehabt.“
„Entschuldige bitte, wenn ich manchmal etwas eigensinnig bin. Das ist das Vorrecht der Offiziere, weißt du?“ Er umschlang sie von hinten und drückte ihr einen Kuss auf die schweißbedeckte Schulter. Ihr Widerstand schmolz dahin.
„Ich hasse es, wenn du das machst.“
„Was? Dich zu küssen?“
„Nein. Wenn du meinen Ärger wegspülst, als hätte es ihn nie gegeben. Du bist so unmöglich, Johann Arling.“
„Ich liebe dich auch.“ Er küsste erneut den Nacken und ließ sie dann aus seiner Umarmung. „Und jetzt geh dich duschen. Eine Stunde, dann müssen wir los.“
„Aye. Ach, und Han? Danke, dass du mich gerettet hast. Ich habe sie wohl etwas unterschätzt.“
Arling lächelte sie herzlich an. „Oh, ich habe nicht dich gerettet, sondern sie. Sie hat ja keine Ahnung, was du mit ihr angestellt hättest, wenn du sauer bist.“
„Spötter“, brummte sie und unterdrückte ein auflachen.
Sie stieg aus dem Ring.
„War ein guter Fight, Ma´am.“ „Sie haben dominiert, Ma´am.“ „Ich hätte zu gerne gesehen, wie sie dem Weib die Nase eingeebnet hätten, Ma´am.“
„Danke, Leute. Aber jetzt muss ich los. Mein Herr und Meister hat gerufen.“ Seltsam, wie glatt ihr diese Worte über die Lippen kamen. Und seltsam, wie viel wohlmeinenden Spott sie enthielten.
***

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Ace Kaiser,
Angry Eagles

Corrand Lewis,
Clan Blood Spirit

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Das kleine Kurierboot startete direkt vom kleinen Flughafen der herzoglichen Residenz. Der schlanke, bedingt raumflugtaugliche Bolide würde sie bis zu einem im Orbit wartenden schnellen Depeschenschiff bringen, das nur einen einzigen Auftrag hatte: Die fünf Offiziere so schnell es ging nach Springe zu schaffen. Leider auch die Reporterin und ihren Kameramann.
Aber etwas schien sich verändert zu haben, zumindest was das Verhältnis von Carrie Rodriguez zu den beiden Frauen anging. Obwohl wieder das Live-Zeichen auf ihrer Brust prangte, tratschte sie mit Ellie und Lenie, als wären beide uralte Freundinnen von ihr.
Doch Arling hatte nur einen kurzen Blick für diese Szene. Im Moment musste er seinem Vater Rede und Antwort stehen.
„Und was besagt die Einsatzorder?“
„Vater, du warst selbst lange genug in der Flotte, um zu wissen, dass ich dir das nicht sagen darf.“
„So. Ist es dir lieber, wenn ich es mit der Hilfe von Miss Rodriguez später in den Nachrichten sehe?“
Seufzend gab Arling nach. „Okay, soviel kann ich dir sagen: Halb Yura-Maynhaus jagt gerade eine Söldnertruppe, die sich die Gryanen nennt, eine ehemalige herkulische Hauseinheit. Diese Truppe hat Kontakt zu uns aufgenommen und darum gebeten, unser Staatsgebiet durchqueren zu dürfen.“
„Verständlich. Würden sie direkt in die Diadochen fliegen müssten sie sehr viel länger in Yura-Maynhaus bleiben. Wenn sie durch das Kaiserreich fliegen, vermeiden sie zugleich feindliches Territorium. Und was hast du damit zu tun? Soll deine Flottille den bösen Wachhund spielen, solange wie sie auf katalaunischem Gebiet sind?“
„Etwas in der Art. Ihr Anführer, ein gewisser Griffin, hat um meine Anwesenheit auf Springe gebeten. Und der Kaiser hatte sogleich eine seiner faszinierenden Ideen, und ich soll versuchen, herauszufinden ob sie machbar ist. Mehr kann ich dir nun wirklich nicht sagen, Vater.“
„Na, immerhin. Ich gebe die Nachricht von deiner überstürzten Abreise an die Presse weiter. Du wirst eine Menge Menschen enttäuschen, wenn du ihnen die Chance nimmst, sich von dir zu verabschieden.“
„Ich weiß. Aber Dienst ist Dienst und Schnaps ist Schnaps. Ich mache es wieder gut, sobald ich zurückkomme.“
„Ich werde dich zitieren, mein Junge. Das wird Balsam für die Menschen sein.“
Die Verbindung brach ab. Johann lehnte sich in seinem Sessel nach hinten und fragte sich, ob das sobald, dass er gerade benutzt hatte seine Berechtigung hatte, oder ob er es besser gegen ein wenn oder sogar falls ausgetauscht hätte.


10.
18.05. 2613
Kaiserreich Katalaun
Depotplanet Springe
Werftkontinent Deister

Ein wenig unwohl war Jaime Madison schon in seiner neuen Uniform. Er kam sich irgendwie wie ein Hochstapler vor, wenn er die drei goldenen Pins eines Majors auf den Schultern trug.
Aber es war wohl wirklich Realität. Lucky Charly war jetzt Oberst, und er selbst war als sein Stellvertreter zum Major aufgerutscht.
Das bedeutete, dass er im Moment Befehlsgewalt über einhundertzwanzig der avisierten dreihundert Knights hatte, die bereits auf Springe angekommen waren, um auf der RHEINLAND, der STONEWALL, der CALAINCOURT, der RICHMOND und der REDWOOD zu dienen. Und täglich wurden es mehr.
Heute würde der weit größte Schwung an Offizieren und Mannschaften eintreffen. Jaime erwartete die tausendachthundert Mann Marine-Infanterie unter ihrem Kommandeur Oberst Ganth sowie die beiden Offiziere, welche die CALAINCOURT und die RICHMOND übernehmen würde. Die Korvettenkapitäne Harris und Myrte trugen Namen, die ihm unbekannt waren. Aber ehrlich gesagt gehörte er nicht zu den eifrigsten Konsumenten des Marine-Journals, in dem regelmäßig über Schiffe und Offiziere gesprochen wurde, die sich besonders ausgezeichnet hatten.
Er hatte neulich zum ersten Mal reingesehen, um den Artikel über die zweite Riverside-Schlacht zu lesen. Erstaunt hatte er dabei festgestellt, dass ein ganzer Absatz ihn persönlich behandelte. Nebenbei kam er auch noch viel zu gut weg. Fand er zumindest.
Tausendachthundert Infanteristen, das war ein Regiment, das waren vier volle Bataillone gepanzerter Truppen. Hätten sie noch ein Regiment Panzer mitgenommen, hätten sie eine Welt erobern und auf Monate halten können.
Eine derartige Truppenstärke ließ natürlich Spekulationen über den neuen Auftrag zu, und die Gerüchteküche der Mannschaften der Flottille schob Überstunden.
Ob es wieder gegen Yura-Maynhaus ging? Oder diesmal gegen Jemfeld? Ein Kampf gegen die Clusterdrohnen, welche die Aliens anstelle der Kampfroboter ins Feld führten, war bestimmt eine wertvolle Erfahrung. Eventuell auch tödlich. Aber soweit Jaime gehört hatte, waren sie zwar zahlreich, aber nicht sehr kampfstark. Das stand im Gegensatz zu den Rüstern, die stärker, besser bewaffnet und besser geschützt waren, aber eben auch extrem bewegungsfaul, sprich schwerfällig und langsam.

Das laute Knirschen, mit dem die Orbitalfähre an den Dockkragen fuhr, riss ihn aus seinen Gedanken. Es wurde Zeit, wieder in die Realität zurück zu kommen, sonst kam die Realität zu ihm.
Die Schleuse öffnete sich und das Personal des Shuttles überzeugte sich davon, dass die Verbindungen gesichert waren. Erst dann gaben sie ihren Passagieren, die sie von den großen interstellaren Pendlern aufgesammelt hatten, den Durchgang.
Vorweg ging ein großer, hagerer Mann, der beim ersten Schritt ein wenig in die Knie ging. Jaime kannte diese Reaktion. Das war die typische „Höhere Schwerkraft, Mist“-Reaktion, die jeder beim ersten Besuch auf Springe zeigte. Die Depotwelt hatte eine Schwerkraft von eins Komma zwei Gravo. Damit wogen die Menschen auf ihr ein Fünftel mehr als auf den Schiffen der Flotte oder auf den Hauptwelten wie Sanssoucci, Braunschweig und B-King.
Genau aus diesem Grund war die Depotwelt bei der Armee sehr beliebt. Das Training auf einer Welt mit erhöhter Schwerkraft bedeutete für die Soldaten ein ergiebiges Training, und damit mehr Reserven für das Gefecht. Und es bedeutete, dass die Sadisten von Ausbildern doppelt Spaß haben konnten. Mit schmerzhaft verzogener Miene erinnerte er sich an seine eigene Ausbildung auf Springe, und an seinen ersten Sturz mit dem Knight, der ihm doppelt so hart wie sonst vorgekommen war. Auch die Sterne hatten doppelt so lange vor seinen Augen getanzt.
Hinter dem hageren Offizier kam ein weiterer in den Laufgang. Jaime konnte für einen Moment nicht an sich halten – er pfiff anerkennend. Als ihm das auffiel, sah er zu Boden und hoffte, dass der Javare seine ungebührliche Reaktion nicht gehört hatte.
Die Javaren waren ein Volk von Intelligenzen, welche im Staatsgebiet des Kaiserreichs lebten. Defacto waren sie Bürger des Kaisers, vollwertige Bürger wie die Menschen wohlgemerkt. Aber die Zahl derer aus dem zwei Milliarden-Volk, die ihre Welt verließen gingen in den einstelligen Prozentbereich, obwohl der Kaiser ihnen volle Integration in allen Bereichen des Kaiserreichs versprochen hatte.
Noch geringer war die Zahl jener, die in die kaiserliche Flotte gingen, aber die Javaren erfreuten sich einer sehr großen Beliebtheit als Unteroffiziere. Offiziere hingegen waren die seltenste Species überhaupt. Jaime war nicht besonders gut informiert, aber seines Wissens nach gab es im gesamten Kaiserreich bestenfalls ein Dutzend.
Ein Javare war ein faszinierender Anblick, fand Jaime. Sie waren ebenso wie die Menschen Abkömmlinge von Raubtieren, hatten den Sprung zur Intelligenz aber getan, bevor sie Allesfresser geworden waren. Dementsprechend sahen sie Menschen recht ähnlich, verfügten über zwei Arme, zwei Beine und beherrschten den aufrechten Gang, der die vierfingrigen Hände für feinmotorische Arbeiten frei machte. Sie waren weitestgehend haarlos, aber ähnlich wie bei den Menschen bedeckte ein feiner Flaum ihre Körper. Auf dem Kopf wurde er etwas stärker und hatte die Dichte eines Fells. Die Ohren der Javaren waren spitz und konnten willentlich bewegt werden, was ihnen schon mehr als einen Vergleich mit Hunden eingebracht hatte.
Auch der Mund lief bei ihnen recht spitz zu, was für Fleischfresser beim ausweiden der Beute natürlich ein Vorteil war. Es verlieh den Javaren in seinen Augen etwas elfenhaftes, erhabenes. Nicht einmal die etwas zu langen Reißzähne konnten das mildern. Das fand zumindest Jaime.
Die Haut spannte sich glatt und rosig über die Gesichter und ließ weder Runzeln noch Falten zu. Deshalb konnte man das Alter eines Javaren nie so recht schätzen. Sie wirkten zeitlos, bis im hohen Alter die ersten Flecken auftraten.
„Major Madison?“, fragte der hagere Mann und salutierte. Neben ihm erhob auch der Javare seine vierfingrige Hand zum vorschriftsmäßigen Salut.
„Korvettenkapitän Harris und Myrte.“
Jaime salutierte zurück, dann reichte er beiden die Hand. „Mr. Harris“, sagte er zu dem hageren Terraner, danach reichte er sie dem Javaren. „Mr. Myrte.“
Die beiden wechselten einen amüsierten Blick. „Das ist ein Missverständnis, Sir.“ Der hagere Mann deutete auf sein Namensschild. „Ich bin Myrte. Rowland T. Myrte. Dies ist Loggan Harris. Man sprich es übrigens deutsch aus, ohne englische Betonung.“
Der Javare schmunzelte amüsiert. „Harris ist ein regulärer Name in meinem Volk. Er bedeutet Wachtposten.“
„Entschuldigen sie, meine Herren. Ich hätte genauer recherchieren sollen. Soll ich sie zuerst zur Kaserne bringen, oder steht ihnen mehr der Sinn nach einer Erfrischung? Ich kenne ein wundervolles Café im Terminal.“
„Einverstanden. Dort werden sie ja hoffentlich auch Tee haben“, sagte der Javare. „Denn ich bin wirklich nicht so der Kaffeetrinker.“
„Den besten Tee der ganzen Depotwelt“, versprach Jaime. Die beiden schienen ja recht schnell über sein Missgeschick hinweg zu gehen.

Zehn Minuten später hatte der Knight-Pilot ein Baguette auf dem Teller und einen Kaffee in der Hand. Harris hatte tatsächlich ein Rinder-Carpaccio bekommen. Das rundete er mit einem kräftigen Schwarztee ab, während Myrte einen Espresso bekommen hatte. Den Snack rundete ein Windbeutel ab.
Interessiert äugte Jaime auf das Carpaccio. „Ist es eigentlich wahr, dass Ihr Volk sich hauptsächlich von Fleisch ernährt?“
Der Javare legte die Stirn in weiche, wohlgeformte, dicke Falten. „Weil ich ein Carpaccio esse? Nun, wir haben im Gegensatz zu den Menschen zwar den Allesfresser ausgelassen und haben dementsprechend keine Mahlknochen. Aber unsere Mägen können weit mehr zersetzen als ein Menschenmagen. Dafür haben die meisten von uns permanent Sodbrennen.“ Harris lächelte. „Das war ein Witz. Ich bin eigentlich mehr der Reisesser, aber nach dem anstrengenden Flug war mit nach etwas fettigem, um Energie zu kriegen.“
„Ich verlasse mich als Energielieferanten lieber auf Zucker“, meinte Myrte mit einem Fingerzeig auf seinen Windbeutel.
„Eine gute Strategie“, lobte Jaime und kam sich mit dem belegten Baguette irgendwie unüberlegt vor.
„Aber jetzt erzählen Sie mal, Major Madison, unser Kommandeur macht ja gerade richtig von sich reden. Er ist ja sehr beliebt in den Medien. Aber das sagt so wenig über ihn aus. Wie ist Arling denn so?“
„Johann Arling ist ein guter Anführer. Ein wenig streng, aber er belohnt gute Arbeit. Er schätzt es, wenn seine Leute persönliche Risiken eingehen, und er würdigt sie dafür angemessen, Mr. Harris.“
„Aha. Und was halten Sie als Mensch von ihm?“, hakte Myrte nach.
„Ein aufrechter Kerl. Vielleicht etwas zu anständig für einen Soldaten. Aber er ist einer von den Vorgesetzten, für die man freiwillig das Tor zur Hölle aufstößt.
Entschuldigen Sie, eine derartige Schwärmerei wollten Sie sicher nicht hören.“
„Nein, nein“, beeilte sich Myrte zu sagen, „das ist vollkommen in Ordnung. Das sagt mehr über ihn aus als eine Standard-Antwort. Aber sagen Sie, wie steht Arling eigentlich zu Außenseitern? Das interessiert mich und Loggan besonders.“
„Außenseitern? Ich bitte sie, meine Herren, wir sind doch alle Offiziere des Kaisers.“
Harris fuhr sich unbewusst durch die blonden Locken seines Kopffells und lachte spöttisch auf. Dann sah er auf und murmelte eine Entschuldigung.
„Das ist so nicht ganz richtig. Ich und Loggan hatten es teilweise recht schwer. Ihm wurde es als Javare nie gerade leicht gemacht, damit niemand behaupten konnte, dass er als Nichtmensch bevorzugt wurde. Und ich bin leider in der unvorteilhaften Lage, der Abkömmling von Piraten zu sein, was sich nicht gerade als Vorteil herausgestellt hat. Selbst wenn der Kapitän uns akzeptiert, haben wir immer noch mit erheblichen Problemen seitens der Mannschaften und der Offizierskollegen zu kämpfen.“
„Das kann teilweise recht hart sein“, fügte Harris ernst hinzu. „Auf unserer letzten Position, der ARGOS, konnten wir uns wenigstens gegenseitig unterstützen.“
Myrte lächelte den Javaren an, der seinen spitzen, aristokratischen Mund zu einem zynischen Lächeln verformte. „Der Außerirdische und der Pirat“, zitierte Harris.
„Ein Team das durch Feuer und Wasser, durch Sonnenhitze und durch Vakuum marschiert.“
Die beiden stießen ihre rechte Faust gegeneinander. Danach grienten sie zu Jaime herüber. Ja, die beiden mussten wirklich dicke Freunde sein.
„Machen sie sich da keine Sorgen. Arling beurteilt nach Leistung. Und als Kapitän einer eigenen Einheit sollten sie zwei weniger Probleme als jemals zuvor in ihrer Karriere haben.“
„Wollen wir es hoffen“, brummte Harris.
„Der Kommodore wird Sie unterstützen, so gut er kann“, versprach Jaime und wusste nicht so recht, ob er sich damit nicht etwas zu weit aus dem Fenster lehnte.
Jaime runzelte die Stirn. Bei ihm sah das sicherlich nicht annähernd so ästhetisch und elegant aus wie bei Loggan Harris. „Sagen Sie, von welchen Piraten stammen Sie ab, Mr. Myrte?“
„Was? Oh, ich war Somona-Pirat, bevor der Kaiser unser Versteck eroberte. Das heißt, ich war damals noch Matrose und in der Ausbildung. Nachdem wir ins Kaiserreich integriert wurden, war ich einer der Somona-Kadetten, die auf Einladung des Kaisers in die Marine eintraten. Es war härter als ich erhofft hatte, aber nicht so hart wie ich insgeheim befürchtet habe.“
„Interessant.“ Das versprach alles zu werden, aber sicher kein langweiliger Einsatz.
„Sagen Sie, meine Herren, wer kriegt welches Schiff?“
„Ich bin für die CALAIS vorgesehen“, meldete sich Harris.
„Damit bleibt die RICHMOND für mich.“
„Die letzte Entscheidung hierbei trifft der Kommodore, aber ich denke nicht, dass er die Aufteilung umwerfen wird. Aber das kann er sicher selbst mit ihnen besprechen, wenn er in drei Tagen ankommt.“
Myrte runzelte die Stirn. „In drei Tagen? Ich dachte, Kommodore Arling hat noch drei Wochen Urlaub.“
Nun war es an Jaime, die Stirn zu runzeln. „Haben Sie noch nichts gehört, Mr. Myrte? Eine kleine Flotte Söldner aus den Diadochen flüchtet gerade quer durch Yura-Maynhaus.“
„Das habe ich mitbekommen. Scheint ja einiges an Aufruhr bei den Republikanern zu verursachen. Was hat das mit unserem Boss zu tun?“
„Ihr Anführer hat darum gebeten, unser Raumgebiet passieren zu dürfen.“
„Klingt vernünftig. Wenn er in die Diadochen zurückkehren will, kürzt das seinen Weg erheblich ab.“
Jaime grinste schief. „Und er hat darum gebeten, Johann Arling persönlich zu begegnen.“
„WAS?“, riefen die beiden Männer und waren aufgesprungen, bevor sie merkten was sie taten.“
„Es scheint so, als wäre der Anführer, ein Commodre Griffin, ein großer Fan von Arling. Tatsächlich benutzte er einige unserer Taktiken, die uns in Yura-Maynhaus sehr geholfen haben, um dem Zugriff zu entkommen. Und die versuchen wirklich eine Menge, immerhin hat Griffin ihnen im Handstreich fünf Schiffe abgenommen, die er nun für die Flucht benutzt.“
„Fünf gleich? Kein Wunder, dass die Republikaner sauer sind.“ Harris setzte sich wieder. „Und er will mit Arling sprechen?“
„Von wollen kann keine Rede sein. Aber er würde sich über ein Gespräch freuen. Ich glaube es hat mit unserer letzten Aktion im Riverside-System und unserer anschließenden Flucht zu tun. Scheint als hätten wir da mehr aufgewühlt als wir eigentlich vorhatten.“ Jaime widmete sich seinem Kaffee. „Deshalb kommt der Boss schon früher her. Er bringt auch die anderen Kapitäne mit. Ich bin sehr gespannt, was Griffin von ihm will.“
„Ich glaube, das sind wir alle“, murmelte Harris und widmete sich seinem Carpaccio. „Apropos gespannt, wann trifft Ganth mit dem Regiment ein?“
Jaime zog seinen Kommunikator hervor und projizierte ein Hologramm mit der Uhrzeit. „In etwa einer Stunde. Soll ich sie zwei erst zur Kaserne bringen, oder wollen wir hier warten? Ein Regiment, das ausschifft, ist immer ein Spektakel.“
„Warum nicht? Ich sehe es zu gerne, wenn jemand Schlammstampfer rumscheucht“, erwiderte Myrte mit leuchtenden Augen. „Entschuldigen Sie, als Weltraumgeborener hat man so seine Marotten. Und ich war mal wieder mit der Zunge schneller als mit dem Kopf.“
„Ist schon in Ordnung. Ich bin Knight-Pilot. Ich muss ja auch immer aufpassen, wo ich hintrete, wenn bei den Schlammstampfern jede Ordnung zusammenbricht.“
Rowland Theodor Myrte tauschte einen verschwörerischen Blick mit Jaime, den dieser mit einem Augenzwinkern kommentierte.
„Wieso“, sagte Harris nachdenklich, „habe ich eigentlich das Gefühl, dass ihr zwei gerade Freundschaft geschlossen habt? Menschliche Rituale sind irgendwie merkwürdig.“
Der Javale nippte an seinem Tee. „Menschen sind prinzipiell merkwürdig.“
„Dem stimme ich zu“, bemerkte Jaime mit dem Anflug eines Lächelns.
***
Das Werftterminal A4 befand sich auf dem Nordkontinent. Genauer gesagt auf dem südlichsten Zipfel der Kontinentalplatte, was ziemlich genau mit der Äquatoriallinie identisch war. Dies bedeutete, dass die startenden und landenden Schiffe senkrecht durch die Atmosphäre fliegen konnten, eine Erleichterung für jeden An- oder Abflug, bei dem ein Schiff größer als eine Fregatte beteiligt war.
Manchmal reichten die Orbitalwerften eben nicht aus, wenn eine wirklich wichtige Umrüstung oder Wartung durchgeführt werden musste. Dann nahmen die Raumgiganten das Risiko einer planetaren Landung auf sich und spielten mit der Chance, nie wieder die gravitatorischen Fesseln von Springe zu verlassen. Ein Schiff wieder in den Orbit zu schleppen war technisch machbar. Aber ein Schiff, dass in diesen Werften nicht aufgerüstet werden konnte, um den Flug aus eigener Kraft zu schaffen, hatte es eh hinter sich.
Nebenbei bot A4 die größten Kasernenanlagen des Planeten sowie ausgedehnte Übungsareale im Norden. Dort lagen auch die meisten Zulieferbetriebe für die Werften. Die Südküste, die schon wieder über den Äquator hinausragte, war vollkommen unverbaut, da Salzwasser in den Arbeiten der Werftcrews keinerlei Rolle spielte. Und das bedeutete zweitausend Kilometer unberührten Traumstrand auf einer Welt, die noch kein tierisches Leben hervorgebracht hatte. Genau der richtige Ort für ein oder zwei Parties, fand Jamie. Wenn sie denn genehmigt wurde, denn immerhin war dies Springe, eine der wichtigsten Welten im ganzen Kaiserreich Katalaun, und da konnte man nicht einfach an den Strand ziehen, ein Bierfass kühlen und die Musik aufreißen, wie es einem passte. Zumindest nicht, wenn die Teilnehmer der Party in die Hunderte ging.

„Da kommen sie“, klang die Stimme von Harris auf und riss Jaime aus seinen Gedanken. Verstohlen sah er auf, blickte in den beinahe schwarzen Mittagshimmel über dem Deister-Kontinent auf und sah die Flammen aus den Antriebsdüsen der Transporter schlagen.
Es waren acht. Vier für die eintausendachthundert Soldaten des Regiments, vier für die Ausrüstung.
„Die kommen aber schnell runter.“ Staunend schob Jaime seine Schirmmütze in den Nacken. Mist, dieses Hemd hatte er also durchgeschwitzt. Äquator war ja schön und nett für Starts und Landungen von Kreuzern und Schlachtschiffen, aber es bedeutete außerdem eine Affenhitze.
„Geht so. Die Piloten lieben wohl einfach den großen Auftritt“, kommentierte Myrte mit dem Blick des erfahrenen Piloten.
Tatsächlich flammten die Düsen erneut auf und reduzierten die Fallgeschwindigkeit der Transporter enorm. Etwa achthundert Meter vor dem Boden feuerten die Düsen erneut und reduzierten die Fallgeschwindigkeit auf einen sanften Sinkflug.
Weich wie Daunenkissen setzten die acht Schiffe auf.
Beinahe sofort öffneten sich die großen Rampen für Be- und Entladung. Eine einsame Gestalt trat aus dem ersten Landungsschiff hervor, ging gut dreihundert Meter und wandte sich dann den Schiffen zu. Deutlich konnte Jaime erkennen, wie sich die Schultermuskeln der Person anspannten, dann drang der Hauch einer Stimme zu ihm herüber. Immerhin, keine schlechte Leistung, wenn man bedachte, dass der Offizier immer noch drei Kilometer entfernt war.
Darauf folgte ein Geräusch, das ihn zuerst an rauschendes Wasser erinnerte. Doch es nahm immer mehr zu, wurde erst zu einem Wasserfall und danach zur Sturmflut.
Wie eine Sturmflut brandeten nun aus den vorderen vier Landungsschiffen die Soldaten hervor. Es war kein kopfloses Herausstürmen, aber sie liefen, definitiv. In jeweils acht Reihen pro Rampe kamen sie hervorgestürmt. Jeder einzelne schien dabei genau zu wissen, was er zu tun hatte.
Keine fünf Minuten nach dem Befehl des einzelnen Offiziers standen die eintausendachthundert Männer und Frauen nach Bataillonen und Kompanien geordnet in geordneter U-Form vor dem Offizier. Die Unteroffiziere richteten die Reihen aus, die Zugführer meldeten Vollzug an die Kompaniechefs, die meldeten dem Bataillonschef, die meldeten dem stellvertretenden Regimentskommandeur, und der stellte sich vor seinen Boss, salutierte und ließ dabei eine Stimme hören, die problemlos bis zu den drei Offizieren führte.
Die beiden sprachen kurz miteinander. Dann wandte sich der Mann um, brüllte etwas, und bekam als Antwort aus eintausendachthundert Kehlen eine Bestätigung: „JAWOHL, SIR!“
Das schien den Offizier zufrieden zu stellen. Er gab einen weiteren Befehl, der wieder problemlos bis zu Jaime und den beiden Kapitänen herüber klang.
Daraufhin lösten sich die Bataillone zugweise auf und liefen zu den anderen vier Landern herüber.
„Jetzt holen sie ihre Ausrüstung ab“, sagte Myrte mit einem amüsierten Lächeln. „Scheint ja diesmal eine gute, disziplinierte Truppe zu sein. Wollen wir runter gehen und mit ihnen sprechen? Madison, Sie sind der Dienstälteste in der Truppe. Wollen Sie die Begrüßung von Oberst Ganth übernehmen?“
„Wartet mal, wartet mal, die Show ist noch nicht vorbei.“ Harris deutete auf den ersten Lander. Dort verließen gerade sechs schwarz uniformierte Soldaten in lockerer Formation die Rampe. Sie gingen zielstrebig auf den ersten Lander zu.
„Schwarze Uniformen? Die einzige Truppe, die im Kaiserreich schwarze Uniformen trägt, sind die Ninjas“, meinte Jaime nachdenklich und kratzte sich am Haaransatz.
„Ich glaube es nicht. Das sind Ninjas! Seht doch, die schaffen gerade sechs schwarze Knights aus dem Lander!“, rief Myrte beeindruckt
„Ninjas! Teufel, ich hätte nie gedacht, dass ich mal in den Genuss kommen würde, sie bei der Arbeit zu erleben. Der Kaiser muss sich ja viel von dieser Mission versprechen, wenn er uns gleich sechs von ihnen zuteilt. Sechs Ninjas sind ein eigenes Kommando. Also eine volle Truppe.“
„Das wusste ich noch gar nicht. Aber was wollen sie mit sechs Soldaten ausrichten?“, murmelte Harris nachdenklich.
Myrte klopfte dem Freund hart auf die Schulter. „Junge, die Ninjas haben ihren Ruf nicht aus dem Ausverkauf. Du kennst doch das Motto, bei Gerüchten neunzig Prozent abzuschneiden, und du hast die Wahrheit, oder?“
„Klar, das gilt doch auch für Tadel und Lob durch Vorgesetzte“, erwiderte der Javare.
Rowland Myrte grinste für einen flüchtigen Moment. „Jedenfalls, bei den Ninjas gilt, bei allem was du über sie hörst nicht neunzig Prozent abschneiden, sondern drauflegen.“
Jaime hustete bei diesen Worten verlegen.
Harris starrte den Freund aus großen Augen an. „Du verarschst mich, Rowland!“
„Du wirst dir bald genug eine eigene Meinung bilden können“, versprach Myrte. „Major Madison, wollen wir dann? Jetzt können wir Oberst Ganth bestimmt nicht mehr warten lassen.“
„Da stimme ich Ihnen zu, Mr. Myrte.“ Leiser fügte er hinzu: „Ninjas. Na, das kann ja was werden.“

„Guten Tag, Mr. Madison!“ Der Offizier fuhr herum, als die drei Männer gerade auf Rufweite heran waren und offenbarte zwei Dinge. Erstens, die Oberst-Pins auf den Schultern. Zweitens ein formschönes Frauengesicht. „Guten Tag, Mr. Myrte“, sagte sie mit einem Nicken zu dem Somona-Piraten. „Guten Tag, Mr. Harris.“
Irritiert bemerkte Jaime, dass die Frau die Betonung von Harris´ Namen beherrschte.
„Oberst Ganth, nehme ich an? Willkommen auf Springe.“
„Danke, Jaime. Freut mich hier zu sein.“ Sie deutete auf das Regiment, das zusammen mit den Technikern die Ausrüstung entlud. „Wie Sie sehen habe ich im Moment etwas zu tun. Aber ich, Major Russel und Oberstleutnant Steyer, mein Stellvertreter, würden es zu schätzen wissen, wenn wir uns nachher zusammen setzen könnten. Ich weiß, es dauert noch bis Kommodore Arling auf Springe eintrifft. Das gibt uns Zeit, um einander besser kennen zu lernen. Ich werde die meiste Zeit auf der RHEINLAND sein, mein Stellvertreter auf der STONEWALL. Und wer weiß wo Major Russel ihre Ninjas parken wird, also sollten wir die Gelegenheit nutzen. Einwände, meine Herren?“ Sie zog eine Augenbraue hoch. „Ist Herr die richtige Bezeichnung, Korvettenkapitän Harris?“
„Es ist die korrekte Bezeichnung, Oberst Ganth.“
„Gut, das beruhigt mich. Diesen Punkt habe ich leider nicht recherchieren können.
Also, Major Madison, Sie sind am längsten hier. Welchen Treffpunkt schlagen Sie uns vor?“
Der Knight-Pilot legte den Kopf schräg. Einerseits um nachzudenken, andererseits um zu verbergen, wie sehr ihn diese Frau beeindruckte. „Das Irish Pub im Gate ist ganz hervorragend, Ma´am.“
„Oh, nennen Sie mich Cecilia, sobald wir nicht im Dienst sind. Und ich hoffe, sie gewähren mir eine ähnliche Ehre, Gentlemen.“
„Natürlich“, brummten die Männer unisono.
„Dann ist ja alles gesagt. Pruivatkleidung ist befohlen.“
„Ja, Ma´am.“
Mit einem zufriedenen Schnauben drehte sie sich um und widmete sich wieder der Entladeaktion.
„Damit sind wir wohl entlassen“, stellte Jaime amüsiert fest. „Und falls sie nicht wissen was Privatkleidung ist, meine Herren, es gibt auf dem Terminal ein paar Geschäfte.“
„Es ist doch nie verkehrt, in der Wildnis einen einheimischen Führer zu haben“, erwiderte Harris mit einem Grinsen.
Ja, mit diesen Leuten würde Jaime sehr gut auskommen.
***
Es war achtzehn Uhr Ortszeit. Eine Laune der hiesigen Natur hatte dazu geführt, dass der Tag auf dieser Welt wirklich nur knappe vierundzwanzig Standardstunden hatte.
Das bedeutete automatisch Nachteinbruch um achtzehn Uhr, und Sonnenaufgang um sechs Uhr, gerade auf Welten ohne Achsneigung wie Springe.
Nun, im Gate bedeutete das nicht viel. Es hieß nur, dass die Vorgesetzten nun ebenso ihren Vergnügungen nachgingen wie ihre Untergebenen, solange sie nicht für eine der Spät- oder Nachtschichten auf den Werften eingeteilt waren.
Und es wurde ein wenig kühler. Die Temperatur sank von achtunddreißig Grad auf herrlich kühle vierunddreißig. Und das blieb meist die ganze Nacht so.
Für Jaime, Rowland und Loggan bedeutete dies Freizeitkleidung, die den Temperaturen angemessen war.
Da alle drei ranggleich waren, aber Jaime die längste Zeit in der Einheit verbracht hatte, oblag es ihm, die Prozession anzuführen.
Ernst inspizierte er die Bekleidung seiner Untergebenen.
Loggan Harris hatte sich für ein Halbarmhemd mit hochgeschlossenem, vorne offenen Kragen entschieden, der seine schlanke Gestalt, das blonde Kopffell und seine spitzen Ohren betonte. Dazu trug er eine enge Radlerhose, wie sie derzeit auf fünfzig Prozent der Welten des Kaiserreichs im Sommer Mode war. Jaime seufzte. Das Pub war zwar nicht gerade die erste Adresse, sondern eine gemütliche Spelunke, aber er hoffte trotzdem, dass sie nicht wieder rausgeworfen wurden, weil einer von ihnen zu leger war.
Die Inspektion von Rowland T. Myrte machte ihm da schon mehr Freude. Der Mann trug ein T-Shirt mit einer paramilitärischen Aufschrift, der Aufdruck in Gold und Weiß imitierte eine Ausgehuniform der Marine. Dazu trug er schneeweiße Bermuda-Shorts. Es gab ihm einen sehr militärischen Touch, und es sah gut an dem hageren Mann aus.
Er selbst wartete mit einer auf Schenkelhöhe abgeschnittenen Jeans auf, wie sie vor drei Jahren Mode war – er wollte nicht jedem Trend hinterherhecheln, wenn ihm endlich mal was gefiel – und dazu ein Poloshirt, dessen Knopfleiste er komplett aufgeknöpft hatte, um der Hitze weniger Angriffsfläche zu bieten.
Und alle drei trugen die offiziellen Leichtathletikschuhe der Marine. In dem Punkt hatte sich wohl noch keiner der drei ernsthafte Gedanken gemacht.
„So, so. Na, das lasse ich aber gerade mal so durchgehen.“ Ernst musterte Jaime die beiden Männer. „Sie kennen ihren Auftrag, meine Herren?“
Rowland bog den Kopf nach hinten, als Jaime ihm immer näher kam. „Sir, ja, Sir. Schnell rein, schnell ran, schnell raus! Je eher wir das Treffen mit Oberst Ganth beendet haben, desto eher können wir uns richtig amüsieren!“
„Gut, gut“, brummte Jaime zufrieden. „Und Sie, Kadett, haben Sie unseren Notfalltreffpunkt noch im Kopf?“
„Jawohl, Sir!“, blaffte Loggan. „Unterste Ebene, Emily Burgers, Sir!“
„Hm, hm. Ich glaube, dann habe ich alles menschenmögliche getan. Dann auf in die Schlacht!“
Die Männer lachten herzlich und klopften einander auf die Schultern. Es hatte nur weniger Stunden bedurft, um sie so weit zu bringen, dass sie einander mit Vornamen ansprachen. Nun wollten sie noch das befohlene Treffen hinter sich bringen und sich richtig amüsieren.

Als Jaime Madison als erster den Pub betrat, lokalisierte er Oberst Ganth sofort. Er erstarrte, und Loggan lief in ihn hinein. „Was ist denn… Oh mein Gott!“
„Stau in der Kneipe? Kommt schon, lasst mich nicht draußen stehen und… Das glaube ich jetzt nicht. Ist das wahr?“
Hastig ging Jaime ein paar Schritte nach hinten und drängte die beiden Offiziere mit sich hinaus. „Beim Kaiser, Leute habt ihr das gesehen?“
„Du meinst jetzt nicht das lächerliche, viel zu große Hawaiihemd von Oberstleutnant Steyer und seine ausgefranste, löchrige Jeans, oder?“, warf Rowland sarkastisch ein.
„Ich dachte, ich werde geblendet. Ist das die gleiche Ganth, die wir heute auf dem Exerzierplatz gesehen haben?“ Loggan Harris krampfte seine Hände und zwang sie, sich wieder zu entspannen. „Was guckt ihr so? Wir sind zwar nicht genetisch kompatibel mit den Menschen, aber unser Beziehungssystem und unser Fortpflanzungsmethoden sind sich sehr ähnlich. Und blind sind wir auch nicht.“
„Jungs, wir haben ein Problem!“ Jaime rief sich wieder ins Gedächtnis, was er gerade gesehen hatte. Die schlanke, gut proportionierte Frau mit dem blonden Kurzhaarschnitt, dem weißen Mini und dem knapp unter der Brust abgeschnittenen weißen T-Shirt war definitiv Oberst Ganth gewesen. Aber den Zusammenhang zwischen der steifen Offizierin und der Frau an der Bar herzuleiten war etwas schwierig gewesen. Neben ihr hatte eine zweite Frau gestanden, gekleidet in einen sehr kurzen Faltenrock, schwarz natürlich, und einem schwarzen Top. Die asiatischen Züge und das lange schwarze Haar hatten zusammen mit der durchtrainierten Figur für sich gesprochen. Diese Frau war definitiv Major Russel, die Anführerin der Ninjas. Konnte Steyer überhaupt fassen wie viel Glück er hatte, neben diesen Frauen stehen zu dürfen? Wahrscheinlich nicht, denn er kannte seinen Oberst sicher durch und durch. Dieser Gedanke war dazu angetan, Jaime die Schamesröte in die Wangen zu treiben, wenn er ihn weiterspann.
„Befehl ist Befehl, und unser Befehl lautet, Oberst Ganth zu treffen“, warf Rowland ein.
„Richtig, richtig, aber habt ihr euch die beiden mal angesehen? Die beiden sind der Traum meiner schlaflosen Nächte, meine Herren!“
„Da hast du nicht unrecht. Und was machen wir jetzt?“
„Das erfordert strategische Planung. Meine Herren, einer von uns muss sich opfern. Er lenkt Oberstleutnant Steyer ab. Am besten säuft er ihn unter den Tisch. Und die anderen beiden… Nun, einer greift unsere Vorgesetzte an, der andere wagt den Kampf mit einem Ninja! Wir losen, und ich erwarte, dass sich jeder an das Ergebnis hält, haben das alle verstanden? Einer für alle und alle für einen!“
„Für mein Leben gern“, klang hinter ihnen eine bekannte Frauenstimme auf, „würde ich das Ergebnis abwarten. Aber sie stehen hier mitten in der Tür und blockieren den Betrieb meine Herren. Würden sie sich also entweder etwas abseits stellen, um zu ihrer Aufteilung zu kommen?“
Erschrocken fuhren die drei herum. Natürlich, wenn die Verdammnis einen guten Tag hatte, dann musste es ja Oberst Ganth sein, die hinter ihnen stand und sie mit erhobener rechten Augenbraue musterte.
„Ma´am, wir…“, begann Jaime verlegen und begann zu lachen.
„Andererseits, warum glauben Sie, wir würden uns an die Aufteilung halten, die ausgerechnet drei Junioroffiziere vornehmen?“ Sie ließ ihren Blick über alle drei streifen. „Zugegeben, gut angezogenen Junioroffizieren.“
„Ma´am!“
Oberst Ganth wandte sich um und ging ins Pub zurück. „So süß ich das auch finde, wenn sich drei Offiziere um uns streiten, kommt mal lieber rein, bevor euch die anderen Männer im Laden eure Beute wegschnappen.“ Sie sah kurz zurück und lächelte. „Außerdem heißt es Cecilia, nicht Ma´am, merkt euch das.“
„Keine Planung überlebt den Feindkontakt. Jungs, jetzt ist jeder auf sich gestellt!“ Entschlossen folgte Jaime der Offizierin.
Die Kapitäne folgten auf dem Fuß.

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***
Der Anflug auf Springe war wie immer spektakulär, selbst wenn man wie Arling schon oft genug hier gewesen war. Man nannte sie oft genug DIE Depotwelt. Mit zwanzig Lichtjahren Entfernung zur äußersten kaiserlichen Welt war sie exponiert, und nur die Tatsache, dass die nächste Yura-Maynhaus-Welt noch einmal achteinhalb Lichtjahre entfernt war, bot ein wenig Sicherheit. Die es nicht gegeben hatte, als die Republikaner ein halbes Dutzend Welten erobert hatten.
In der ersten Panik hatte die Admiralität mit dem Gedanken gespielt, Springe tiefer ins Reich zu verlegen, aber das war eine unvernünftige Angstreaktion gewesen.
Im Orbit der großen Welt hingen zwanzig große Werften, auf denen Reparaturen ausgeführt werden konnten. Das vierfache der Werften befand sich auf der Oberfläche. Hier wurden hauptsächlich Neubauten betrieben, oder wirklich arg zusammengeschossene Schiffe wieder gefechtsklar gemacht.
Auch seine kleine Flottille lag in diesen Werften, die REDWOOD war sogar auf den Planeten gebracht worden. Unwillkürlich fragte sich Arling bei dem Gewimmel an Schiffen, Patrouillenbooten, schwärmenden Knights, Transportern, Personenpendlern und allem anderen, was sich hier bewegte und das Chaos dadurch vergrößerte, ob er seine RHEINLAND hier jemals wiederfinden würde.
Obwohl er wusste, dass dieses Chaos organisiert war, zog es ihm jedesmal den Magen zusammen, wenn er dieses Gewirr aus Lichtern, Antriebsflammen und Beinahezusammenstößen sah.
Als Soldat wusste er eben die Disziplin und Ordnung schätzen, die den Betrieb eines Kriegsschiffs überhaupt erst ermöglichten. Dieses Gewusel war jedenfalls alles für ihn, nur nicht diszipliniert, auch wenn Springe angeblich das raffinierteste Verkehrsleitwerk des gesamten Kaiserreich sein eigen nannte.
„Han, es kommt. Willst du zuschauen?“
Arling riss sich vom Anblick los und trat zum Monitor des Aufenthaltraums herüber. Die Nachrichten, auf die er gewartet hatten, hatten schon begonnen.
Die internationalen Nachrichten kamen natürlich zuerst dran, und der Top-Schlager war die Flucht der Gryanischen Söldner.
„…wurde der Anführer als Coryn Griffin identifiziert. Griffin, der erst kürzlich zum First Lieutenant degradiert wurde, hat die Internierung der Gryanischen Söldner in einer schnellen, erfolgreichen Aktion aufgebrochen.
Admiral of the Fleets Helen Sourakis bemerkte dazu, dass die Befreiung der wegen illegaler Grenzübertretung inhaftierten Söldner von langer Hand geplant gewesen war. Tatsächlich zeigen sich erhebliche Lücken in Griffins Lebenslauf, sodass man sich fragen muss: Wer ist der First Lieutenant wirklich?“
„Ein Schläfer?“, raunte Rössing ernst.
„Ein Schläfer einer Söldnertruppe? Wie wahrscheinlich ist das, dass sie Profit daraus ziehen wollen, das republikanische Militär zu unterwandern?“, erwiderte Arling.
„Was ist, wenn es ihnen um die Ausbildung ging?“, warf Rend ein. „Was ist, wenn sie ihre Leute unter falschen Namen in die Welt hinausschicken, damit sie bestmöglich ausgebildet wiederkehren? Und nun wurden sie interniert, Griffin hatte die Chance sie zu befreien und hat es getan.“
„Sicherlich nicht ganz ohne Eigennutz. Jetzt hat er das Kommando über fünf Schiffe. Vorher war er nur ein degradierter Commander“, sagte Schlüter nachdenklich.
„Ach kommt, Leute. Ihr fresst die Geschichte doch nicht etwa?“
„Du nicht, Han? Warum sind wir dann überhaupt hier?“
Arling beugte sich vor und gab Ellie Rend einen Kuss auf die Wange. „Weil wir nicht sicher sein können, dass es wirklich so ist. Und weil der Kaiser mir einen bestimmten Befehl gegeben hat.“
„Lass mich raten. Wir werben die Söldner an, sie verstärken unsere Flottille, und zusammen mischen wir die Diadochen auf. Himmel, Johann Arling, es sind Söldner aus den Diadochen! Für dich noch mal extra laut: DIADOCHEN!“
„Du betonst falsch, Gerry. Es muss Söldner heißen. SÖLDNER!“
„Ja, wenn es Söldner sind. Wenn es keine riesige Falle der Republik ist. Wenn…“
„Gerry, denkst du wirklich, ein republikanischer Marine-Offizier würde sich derart in den Dreck stampfen lassen? Das gibt Flecken, die er zeitlebens nicht mehr weg kriegt.“ Arlene Schlüter sah nachdenklich in die Runde. „Wir sollten uns jedenfalls nicht sofort mit ihm verbrüdern. Aber wir sollten auch nicht voreingenommen sein. Lassen wir Griffin doch erstmal seine Version der Geschichte erzählen.“
„Hm. Mich stört was ganz anderes. Wenn sie Söldner sind, heißt das, sie reisen mit ihren Familien im Gepäck umher? Was sollen wir dann mit fünf Schiffen voller Nichtkombattanten machen?“
„Durch unser Reich lassen und nach Hause schicken, Ellie“, sagte Arling ernst.
„Mylord, ich glaube, das sollten Sie sich anhören“, merkte Carrie Rodriguez an.
Arling sah auf zum Monitor.
„…wurde heute der Tod von drei Anhängern der Kreuzbruderschaft bestätigt, die sich in Untersuchungshaft befanden. Erste Ermittlungen sprechen von Selbstmord, aber der Kaiser hat sofort eine Komission einsetzen lassen, die den Fall untersuchen wird. Richard, du bist vor Ort. Was kannst du uns zu dem Fall sagen?“
„Nun, Cindy, offensichtlich handelt es sich bei den Toten um Leutnant Wiachinsky, der vor kurzem wegen versuchten Mordes verhaftet wurde, sowie um die beiden Studenten Roger Klein und Harry Teutsch. Auffällig ist, wie mir einer der Vermittler bestätigt hat, dass alle drei Leichen an Händen und Füßen geblutet haben. Zudem trägt jeder von ihnen einen tiefen Schnitt in der linken Leibesseite.“
„Das sind, wenn ich mich nicht irre, die Wundmale von Jesus Christus. Hände und Füße, die von Nägeln durchschlagen waren, um ihn ans Kreuz zu nageln, und die Speerwunde, mit der die römischen Bewacher hatten feststellen wollen, ob er wirklich tot ist.“
„Das ist richtig, Cindy. Aber gestorben sind sie an Gift. Interessant ist noch, dass alle drei in der gleichen Stunde gestorben sind, wenn sich die ersten Untersuchungen bestätigen. Zudem hielten sich der Leutnant und die beiden Studenten in zwei verschiedenen Gefängnissen auf, was vermuten lässt, dass ihr Tod befohlen wurde.
Moment, ich kriege gerade eine Nachricht rein. Ja, hier ist die offizielle Bestätigung. Die Behörden ermitteln gegen Unbekannt wegen Anstiftung zum Selbstmord. Soweit vom Ort des Geschehens.“
„Wundmale Jesu? Also, diese religiösen Fanatiker sind ja wohl echt drüber weg. Wenn ich da an diese Moslem-Gruppe denke, die vor drei Jahren auf Hoverboards Sturmangriffe auf Militärkonvois gefahren haben, weil man ihnen bei einem glorreichen Tod ein Leben im Luxus im Paradies versprochen hat…“ Irritiert sah Rössing die anderen an. „Ist was, Leute?“
„Nein, schon gut. Dieser Leutnant… Er…“
„Charly!“ Arling winkte ab. Charles Monterney verstand und warf der Reporterin einen kurzen Seitenblick zu.
„Wir kennen ihn“, sagte Arling ernst. „Das ist alles. Und wir haben ihn nicht gerade in liebender Erinnerung.“
„Interessant, Mylord. Wollen Sie dazu vielleicht Stellung nehmen?“
„Nein, Carrie, das werde ich nicht. Und das wird auch keiner meiner Leute tun, denn…“
„Sie weiß es, Han. Verdammt, Elise hat es mitgekriegt.“
„Das ist aber trotzdem kein Grund, gleich damit an die internationale Presse zu gehen. Thema beendet.“
„Einverstanden.“
„Wieso habe ich gerade das Gefühl, dass mir eine wirklich tolle Geschichte durch die Lappen geht?“, murrte die Reporterin.

„Commodore, wir werden in fünf Minuten an Werft neunzehn anlegen. Sie können dann auf die RHEINLAND überwechseln.“
Arling dankte dem Obermaat mit einem freundlichen Nicken. „Also dann, wir sind fast Zuhause. Macht euch fertig.“
„Vielleicht später?“, fragte Carrie hoffnungsvoll.
***
Als Johann Arling mit seinen Offizieren vom Kurier auf die Werft wechselte, empfing ihn der Kommandeur persönlich. Beide Männer kannten sich schon lang genug, daher verzichtete Kommodore Jean Marie Ducruex, Graf von Markland, auf einen großen Bahnhof.
„Willkommen auf Springe, alter Junge. Ich nehme an, du willst gleich zu deinem Kahn durchstarten?“
Die beiden Männer schüttelten einander die Hände. „Ich werde dir die RHEINLAND ein paar Tage entführen. Muss noch viel an ihr gemacht werden?“
„Wir sind eigentlich fast fertig. In einer Woche wäre sie eh rausgekommen. Wir werkeln nur noch am neuen Computerkern, aber das sind nur Software-Probleme. Nichts wirklich gravierendes. Eigentlich nur ein paar Flöhe.
Flöhe. Ein typisches Jargonwort der Techniker und Supportleistenden. Es bezeichnete ein kleineres, eigentlich nebensächliches Problem, dass aber massiert mit vielen kleinen Problemen ein großes werden konnte. Interstellare Fernreisen hätte Arling sicher nicht mit der RHEINLAND unternommen, wenn es ausgerechnet noch am Computerkern Probleme gab. Aber ein Sprung über zwanzig Lichtjahre würde schon drin sein.
„Du musst das ein wenig verschieben.“
„Natürlich, Johann. In einer Stunde ist sie abflugbereit. Deine Leute erwarten dich schon an Bord.“
„Danke, Jean.“ Kurz stellte Arling seine Offiziere vor, soweit Ducruex sie noch nicht kannte, dann folgten sie dem untersetzten Mann durch die Gänge der Werft. Elektrowagen nahmen sie auf und fuhren sie bis zu einer Aussichtszeile.
Von hier hatte man einen wunderbaren Blick auf die RHEINLAND, die imm Innern der Werft verankert war, und von Fähren, Arbeitsrobotgestellen und Knights umschwärmt wurde.
„Wir beginnen bereits mit dem lösen der Halteklammern. Außerdem habe ich Befehl gegeben, das Schiff mit vollen einhundertdreißig Knights zu beladen. Dazu kommen sechshundert Marine-Infanteristen. Ich wusste nicht, wieviel du brauchst, also bin ich auf Nummer sicher gegangen.“
„Zuverlässig wie immer, Jean.“ Arling klopfte dem Kleineren auf die Schulter. „Danke für deine Vorbereitungen. Ich bin so schnell wie möglich wieder da.“
Der Graf sah seine Untergebenen an. „Es kommen alle mit. Eure Schiffe können warten. Einwände?“
„Nein, Sir.“

Sie betraten die RHEINLAND über einen flexiblen Laufgang. In der Schleuse erwartete sie bereits eine Abteilung der Bordwache, angeführt von Kapitänleutnant Lüding, dem neuen Ersten Offizier der RHEINLAND.
„Willkommen zurück, Kommodore Arling. Willkommen zurück, Kapitän Schlüter. Ich nehme an, Kapitän Rössing und Kapitän Rend sowie Major Monterney werden uns begleiten?“
„Das sehen Sie richtig, Andreas. Ebenso Miss Rodriguez und Mr. Spencer, ihr Kameramann. Bereiten Sie Quartiere für alle vor.“ Schlüter wandte sich Arling zu. „Sir, erlauben Sie mir, Ihre Admiralsflagge zu hissen?“
„Selbstverständlich, Kapitän Schlüter.“
„Kommodore Arling, ich bin Oberst Ganth, die ranghöchste Marine-Offizierin. Da dies das erste Mal ist, dass Ihre Flagge gehisst wird, Sir, bitte ich um die Ehre, dies tun zu dürfen.“
Arling musterte die streng dreinblickende Frau in der tadellosen Uniform und drängte seine ersten Worte wie sind Sie nicht etwas jung für den Oberst-Rang zurück. Er war ja selbst kaum älter. „Ich möchte Sie bitten, sich dabei von Oberst Monterney unterstützen zu lassen.“
„Natürlich, Sir.“ Ganth nickte Monterney freundlich zu.
Derweil griff Arling in seine Uniformjacke und zog einen Datenstick hervor. Auf ihm waren alle Einzelheiten seiner Flagge gespeichert. Damit war der Datenträger weit unterfordert, aber eine andere Art des Transports wäre der Flagge eines Kommodore unwürdig gewesen.
Ehrfürchtig nahm Ganth die Flagge entgegen. „Darf ich fragen, welche Farbe sie hat, Sir?“
„Blau mit gold, Oberst Ganth.“
„Blau mit gold, eine gute Wahl, Sir.“
Arling runzelte die Stirn, wenn er sich daran erinnerte, wie ihm Robert die königlichen Farben regelrecht aufgedrängt hatte. Nun, die Flagge sah gut aus, definitiv. Aber sie war auch etwas protzig für einen Kommodore, fand Han.
„Sir, ich werde dann das Schiff übernehmen und das Ablegemanöver vorbereiten.“ Schlüter salutierte scharf vor Arling, wartete seinen Gegensalut ab und ging zur Brücke.
„Sir, dies sind Korvettenkapitän Harris und Korvettenkapitän Myrte, die Kommandeure der CALAINCOURT und der RICHMOND. Wir bitten um die Erlaubnis, Sie begleiten zu dürfen.“
Die drei Männer salutierten vorschriftsmäßig vor Arling, und der erwiderte den Gruß. „Erlaubnis erteilt, meine Herren. Und, willkommen im Team.“
„Danke, Sir.“
„Ach, Madison… Der Goldpin steht Ihnen hervorragend. Ich hoffe er bleibt nicht lange so einsam.“
Jaime Madison sah verlegen zur Seite. „I-ich hoffe nicht, Sir.“
„Kommodore Arling, ich bin Major Russel. Hier sind meine Marschbefehle.“
Arling überflog die Papiere kurz. „Sechs Ninjas gleich? Auf Befehl des Kaisers?“
„Er war wohl der Meinung, dass wir mal wieder etwas Felderfahrung brauchen könnten.“
Das spöttische Lächeln der Asiatin war dazu angetan zu vermuten, dass genau das nicht der Fall war.
„Willkommen an Bord, Major Russel. Wir werden Sie noch gut brauchen können. Jetzt begleiten Sie mich mit den anderen zum hissen meiner Flagge.“
„Jawohl, Sir.“

Die Prozession aus Besatzungsmitgliedern, Marine-Soldaten und den beiden Reportern folgte Ganth und Monterney bis in den Signalturm. Diese exponierte Stelle war normalerweise nicht besetzt, vor allem nicht im Gefecht, aber für die Zeremonie warteten zwei Bootsmänner am dezentralen Rechnerknotenpunkt.
Ganth übergab den Datenträger korrekt und zackig an die beiden Männer. Der Stick landete im Leseschacht des Computers.
Ganth nickte Monterney aufmunternd zu. Der nahm das Angebot dankbar an. „ACHTUNG!“
Ein Ruck ging durch die Reihen, bis auf Arling standen die Offiziere und Mannschaften nun im Stillgestanden. „Heißt die Flagge!“
Ein Bootsmann aktivierte einen Sensor, kurz darauf erschien am Signalmast neben der Flagge des Kaiserreichs eine zweite Flagge, die beinahe identisch aussah. Der goldene Adler war lediglich nicht gekrönt, und ein bewunderndes Raunen ging durch die Menge. Solch ein Flagge war eine Ehre, die nur in der engsten Familie vergeben wurde.
„Auf unseren Kommodore und die Verleihung der eigenen Flagge ein dreifaches Hurra!“, rief Monterney aus voller Kehle.
„HIPP HIPP!“ „HURRA!“
„HIPP HIPP!“ „HURRA!“
„HIPP HIPP!“ „HURRA!“
Arling, der als einziger nicht mitgebrüllt hatte, schwieg mit klingelnden Ohren. Ja, das Klingeln schien eher noch schlimmer zu werden. Bis er begriff, dass sich die Hurra-Rufe wie eine Druckwelle durch sein Schiff fraßen und die Mannschaft begeistert mitbrüllte.
Das war nicht üblich, und Schlüter würde ihre Mannschaft dafür später tadeln, aber in diesem Augenblick war Arling viel zu gerührt, um etwas zu sagen.
Viele der Männer, vor allem der Unteroffiziere waren Jahre, ja, Jahrzehnte älter als er, und dennoch jubelten sie ihm zu. Wenn es einen Moment gab, in dem man sich als Offizier und Anführer bestätigt sah, dann war es dieser Augenblick.
Die angetretenen Mannschaften und Offiziere salutierten, und Arling erwiderte den Gruß. „Auf Stationen weggetreten!“
Mit vereinzelten Glückwünschen verließen die Männer und Frauen den Raum wieder, während Arling nach oben sah und seine Flagge durch das Transplex betrachtete. Ein wirklich schönes Exemplar.
„Ja, noch ein paar Frontalaufnahmen. Sir, habe ich die Erlaubnis, eine meiner Kameras auszuschleusen und ein paar Nahaufnahmen zu schießen?“
Arling zwinkerte kurz, bevor er sich der Gegenwart nicht nur der Bootsmänner, sondern auch von Rodriguez und ihrem Kameramann bewusst wurde.
„Natürlich, Miss Rodriguez. Sagen Sie, haben Sie die Zeremonie live übertragen?“
„Nicht nur das“, erwiderte sie mit einem breiten grinsen, „ich habe auch Spence die Kameras durch das Schiff fliegen lassen. Sie können also bald selbst sehen, wieviel der Jubel Ihrer Mannschaft wert war.“
Arling verstand. „Ich denke, es ist nicht nötig, dass ich mir das ansehe. Ich kenne diese Crew, und ich vertraue ihr. Anders funktioniert das Geschäft nicht, Miss Rodriguez.“
Die terranische Reporterin verlegte sich von grinsen auf lächeln. „Und das, mein lieber Kommodore, werden Ihre Leute bald zu sehen bekommen.“ Sie deutete auf das Live-Symbol auf ihrer Kleidung, und Arling begriff. „Sie lassen wohl nichts anbrennen, was?“
„Das sind die schönen ruhigen Momente. Die mag ich sehr. Krieg und Tod werden wir noch genug zu sehen bekommen“, sinnierte die Frau von Terra nachdenklich.
Arling gab sich einen Ruck. „Ich glaube, ich habe mich gerade dazu entschlossen, Sie zu mögen“, murmelte er und ging an ihnen vorbei auf den Laufgang. Im Rahmen des Schotts blieb er noch einmal stehen und lächelte zurück. „Sie beide.“
Spencers Wangen röteten sich merklich vor Aufregung. Carrie murmelte: „Der Mann muss verrückt sein. Er sieht in mir mehr als eine Reporterin. Ein verrückter Kerl. Ich glaube, ich mag ihn auch.“
„Ich mag ihn schon, seit er uns gefragt hat, ob wir auf Schlos Beijing getrennte Zimmer haben wollen. Ein schlagfertiger Junge“, bemerkte Spence.
„Ach, du. Du bist viel zu leicht beeinflussbar. Sonst würdest du ja nicht mit mir durch die Galaxis ziehen. Sieh mal lieber zu, dass du eine der Kameras ausschleust, damit wir Arlings Flagge von nahem aufnehmen können.“
„Jawohl, Ma´am. Und du hast gelächelt, als du das gesagt hast, Ma´am.“
„Kleiner Spötter“, murmelte sie, nachdem er den Signalturm verlassen hatte.
***
Moderner Raumkampf hatte seine Tücken. Einer davon war der Frontverlauf. Es gab nicht wie auf einem Planeten eine willkürlich gezogene Linie oder ausgebaute Befestigungen, bei denen man sagen konnte, hier beginnt das Kaiserreich und dort hört die Republik auf.
Nein, der Raumkampf konzentrierte sich auf Systeme. Wer ein System hielt, bildete die Frontlinie. Zwar wurde der leere interstellare Raum durchaus als Aufmarschgebiet genutzt, aber der Besitz von Planeten entscheidete. Nachschub, Reparaturmöglichkeiten, Rückzugsgebiete für Besatzungen, das konnten nur Planeten liefern. In begrenztem Umfang waren auch Raumstationen dazu in der Lage.
Für das Kaiserreich bedeutete dies, dass die Frontlinie im Moment mit der äußersten Grenze des Staatsgebietes identisch war. Die Republik hatte ein Dutzend Grenzwelten erobert und fast zwei Jahre gehalten, bevor die aufgestockten kaiserlichen Streitkräfte Welt auf Welt wiedererobern hatte können.
Dennoch war der Krieg damit nicht beendet. Die kaiserliche Marine war zu schwach, um ihrerseits in das Gebiet der Republik vorzustoßen. Und sie hatte auch kein Interesse daran, fremde Welten mit unwilligen rebellischen Bevölkerungen zu erobern. Aber Yura-Maynhaus hatte weder einen Friedensvertrag angeboten noch einen Waffenstillstand; defacto herrschte permanent Krieg, und permanent attackierten sich die gegnerischen Flotten. Mal fielen die Republikaner in kaiserliche Systeme ein, mal erfolgte ein kaiserlicher Gegenschlag.
Jeder der ein wenig von Taktik verstand wusste, dass dies nur Hinhalterei war, der Versuch, Zeit zu gewinnen, auf Kosten und Rechnung der Schiffsbesatzungen, welche diese Vorstöße durchführen mussten. Derjenige, der schließlich die Oberhand bei den Schiffen und Besatzungen erreichte, würde schließlich gewinnen. Der Preis waren mehrere gegnerische Welten. Die Zahl vernichteter, zurückgedrängter oder gekaperter Einheiten würde dann entscheiden, wie viele Welten verloren gingen.
Das war der einzige Vorteil der Verteidiger; wenn sie zurückgedrängt wurden, wurde auch die Verteidigung kompakter, und damit schwerer zu durchdringen. Im ungünstigsten Fall würde das Kaiserreich zwanzig, dreißig Systeme verlieren, was ein ungeheurer Rückschlag sein würde, gleichbedeutend mit einer schweren Niederlage. Das Kaiserreich würde seine Vormachtstellung in diesem Teil der Galaxis einbüßen, aber es würde nicht zerstört werden können, außer weitere Staaten witterten Morgenluft und wollten sich ihren Teil vom Kuchen sichern.

Johann Arling seufzte leise. Ausgerechnet in dieser Zeit machten die religiösen Spinner wieder von sich reden. Ausgerechnet in dieser politisch und militärisch schwierigen Situation wagte sich Frederecs Schatten wieder zu rühren. Denn das war Arling klar: Eine Zerschlagung des gesamten Kaiserreichs konnte es nur von innen geben, nach außen war es viel zu kompakt.
„Sir, wir passieren soeben Eridani Sixtus.“
„Danke. Weitermachen, Kapitänleutnant.“
„Wir passieren Eridani Sixtus?“, hakte Carrie Rodriguez nach. „Wir fliegen das Frontsystem nicht an?“
Han zog eine Augenbraue hoch und musterte sie.
Carrie wies auf ihre Brust. Das Live-Zeichen war nicht aktiv.
Arling zog auch die andere Augenbraue hoch, und Carrie verdrehte daraufhin in komischer Verzweiflung die Augen.
„Schon gut, schon gut“, brummte der Graf amüsiert. „Es hat seinen Grund, warum wir nicht direkt nach Sixtus springen. Wissen Sie, was Eirdani Septus ist?“
„Eine unbedeutende rote Zwergsonne mit einem Trümmergürtel als Begleiter. Die Republik betreibt auf ihm Bergbau, und zur Zeit bildet Septus die Speerspitze bei Vorstößen auf das Kaiserreich. Die Entfernung von Sixtus zu Septus ist genau eins Komma acht vier Lichtjahre. Näher sind sich Republik und Kaiserreich an keinem Punkt der Grenze. Stimmt das soweit?“
„Ja, Sie haben alles korrekt beantwortet. Und sicher würden Sie mir zustimmen, wenn ich sage, dass Septus ein Wespennest ist, was republikanische Kampfeinheiten angeht?“
„Nur ein Wahnsinniger würde nach Septus springen, wenn er vor der Republik flieht, Sir.“
Arling schmunzelte.
„Moment Mal, Sie haben doch nicht etwa vor, selbst nach Septus rüber zu springen? Wenn, dann lassen Sie mich und Spence bitte vorher von Bord. Es gibt nicht sehr viel dümmere Methoden, um Selbstmord zu begehen, das ist Ihnen doch wohl klar!“
„Seien Sie unbesorgt. Wir springen Septus nicht an. Wir werden Null Komma acht Lichtjahre vom Systemrand von Sixtus herauskommen. Mitten im interstellaren Leerraum.“
„Dort werden wir aber ein schönes Leuchtfeuer abgeben. Wegen der erhöhten kosmischen Strahlung im Leerraum werden wir die Schirme hochfahren müssen. Jeder halbwegs intakte Orter wird uns auf überlichtschnellen Ortungsgeräten sehen können wie eine lodernde Fackel in einem Raum ohne Licht.“
„Auch das ist richtig“, erwiderte Arling mit einem Schmunzeln. „Habe ich ihnen eigentlich je erzählt, wie es mir und meiner Flottille gelungen ist, aus Yura-Maynhaus zu entkommen?“
„Es gibt offizielle Berichte. Aber ich glaube, dass…“
„Rücksturz. Gefechtsalarm. Schilde hochfahren. Nachricht an Sektorenadmiral Miller mit Bestätigung unserer Position und der Bitte um Beistand!“ Schlüter schoss ihre Befehle in schneller Folge ab. „Han, bist du dir sicher?“
„Es spricht vieles dafür, wenn Griffin selbst von sich sagt, dass er sozusagen mein Bewunderer ist. Ortung, Augen auf. Wir müssten jeden Moment ein Zeichen bekommen.“
„Sir, da draußen ist nichts.“ Der Obermaat an der Ortung blickte kurz zu seinem Kommodore und fügte dann hinzu: „Noch nicht.“
„Weiter Augen auf.“
„Wie sind Sie denn jetzt entkommen?“, hakte Carrie nach.
„Ich war verrückt. Zwischen den Sprungetappen habe ich mich mit meinen Schiffen im interstellaren Leerraum versteckt. Meistens ohne die Schilde hochzufahren.“
„Aber das ist wirklich verrückt! Sie haben eine Verstrahlung riskiert? Wer würde so etwas jemals in Erwägung ziehen?“
„Nur absolut Verzweifelte oder Entschlossene“, brummte Arling zur Antwort. „Das Prinzip ist relativ simpel. Strahlung hat man in Schiffen immer. Und machen wir uns nichts vor, auch auch Planeten, Raumstationen und sogar in Bergwerken. Es gibt keinen Ort ohne Strahlung.
Der Witz ist einfach, dass die kosmische Strahlung von unserer hochverdichteten Panzerung abgelenkt werden kann, bevor sie ins Schiff eintritt. Oder anders ausgedrückt, die Atome sind so dicht gepackt, dass ein Großteil der Strahlung nicht ins Schiff eindringt, auch ohne Schirme. Je mehr Schiffsstahl also zwischen einem Menschen und der Außenstrahlung ist, desto sicherer ist es. Steigt der Strahlungsdruck, steigt natürlich auch die Zahl der Strahlungswellen, die an den Atomen vorbei kommen und ins Schiff gelangen.“
„Sie müssen es mir nicht wie einer Idiotin erklären, Kommodore“, sagte Carrie mit säuerlicher Miene. „Das meiste wusste ich selbst. Sie haben sich damals also in die kernwärtigen Regionen zurückgezogen, und nachdem die Strahlenwerte in den äußeren Bereichen wieder ungefährlich waren, diese wieder in Besitz genommen?“
„Im Prinzip ist das richtig. Dabei ist es von Vorteil, dass die Maschinenräume, die Zentrale und die Mannschaftsquartiere generell sehr gut geschützt liegen.“
„Interessant. Es musste also nur mal jemand auf die verrückte Idee kommen zu riskieren, von kosmischer, hochfrequenter und energiereicher Strahlung durchgebacken zu werden.“
Arling nickte amüsiert. „Und sie alle haben dabei mitgemacht?“
Leises Gelächter der Offiziere und Mannschaften antworteten der Live-Reporterin von TNC.
„Carrie, wir haben nicht mehr das einundzwanzigste Jahrhundert, als Astronauten eine langfristige Verstrahlung mit den damit verbundenen Krebsleiden automatisch in Kauf nahmen. Heutzutage müssen wir nur drei Dinge fürchten: Erstens den Strahlenkater, der zwangläufig zum Tod führt, zweitens eine Überdosis, die nicht rechtzeitig behandelt werden kann und drittens da fehlen der Therapiemöglichkeit. Aber soweit ich weiß können selbst die Diadochen Blutzellen klonen, Organe nachzüchten und Synapsen reparieren.“
„Sie führen mich schon wieder vor“, klagte Carrie. „Wie lange müssen wir warten, bis sich die Flottille der Gryanen zeigt? Ich meine, von dem Moment an, an dem sie uns in der Ortung haben bis zu dem Augenblick, an dem sie Antriebe und Schilde hochfahren und wie von Furien gehetzt zu uns herüber springen?“
„Gut mitgedacht“, murmelte Arling anerkennend. „Sehr gut mitgedacht. Ich schätze, Griffin hat seine Schiffe energetisch tot geschaltet. So nahe an der Front war das die einzige Möglichkeit, nicht noch durch einen Zufall entdeckt zu werden. Drei Minuten, bis er uns ortet, zehn Minuten, bis die Schilde stehen. Dann noch mal zwanzig Minuten, bis er genügend Fahrt für einen Notsprung aufgenommen hat. Bis dahin kann ihm die republikanische Marine auf den Fersen sein, wenn sie Schiffe auf Sprunggeschwindigkeit halten, um genau so eine Situation auszunutzen.“
„Dreizehn Minuten also.“ Carrie sah auf ihre Uhr. „Fünf Minuten noch.“
„Wir werden also gleich wissen, ob sie hier sind. Ich wäre es, wenn ich nach Arling verlangt hätte“, brummte der Graf.

„Ortung, fünf Reflexe. Herkunft unbekannt, Entfernung neun Lichttage!“
Arling verließ seinen Sitz. „Jetzt wird es interessant. Da ist tatsächlich jemand Zuhause.“
„Alle Stationen, erhöhte Bereitschaft“, klang Schlüters ruhige Stimme auf. „Die Knights sollen sich zum ausschleusen bereit halten. Die Marine-Infanterie soll die Enterboote bemannen.“
„Das waren nur zehn Minuten“, kommentierte Carrie. „Ist der Junge von der fixen Truppe?“
„Auf jeden Fall hat er ein paar gut trainierte Mannschaften da drüben.“ Arling sah sie auffordernd an. „Ab jetzt dürfen Sie live berichten, Miss Rodriguez.“
Überrascht sah die Reporterin den Kommodore an. Dann nickte sie hocherfreut und gab Spence ein Zeichen. Ein Signal bestätigte ihr, dass sie nun live auf einem terranischen Kanal ihres Heimatsenders war.
„Hier spricht Carrie Rodriguez live von Kommodore Arlings Flaggschiff, der RHEINLAND. Wir befinden uns gerade im Niemandsland zwischen dem Kaiserreich Katalaun und der Republik Yura-Maynhaus. Ich berichte nun exklusiv von der Flotte der Gryanen, die vor kurzem mit einer spektakulären Flucht aus republikanischem Gewahrsam von sich reden gemacht haben. Ihr Anführer, Lieutenant Griffin, hat darum gebeten, mit Kommodore Arling zusammen zu treffen, und es scheint, er hat damit auf das richtige Pferd gesetzt. Denn kaum, dass die RHEINLAND in dieser Region zwischen den Sternen eingetroffen war, erschienen fünf Ortungsreflexe mitten im Niemandsland – zweifellos Griffin, der mit einer sehr gewagten Strategie direkt vor der Nase seiner Verfolger auf die Einladung Kommodore Arlings gewartet hat. Aus gut unterrichteten Quellen weiß ich, dass die Flottille in etwa zwanzig Minuten braucht, um Sprunggeschwindigkeit zu erreichen, zwanzig Minuten, in denen seine Schiffe wie Leuchtfeuer auf den Ortungsbildschirmen der Republikaner leuchten werden. Da Kommodore Arling bereits seit über zehn Minuten in der Region ist und geortet werden kann – Entschuldigen Sie, ich meinte natürlich die RHEINLAND – haben uns die Flotten von Yura Maynhaus zweifellos entdeckt und… Moment Mal, Kommodore, bedeutet das, dass Sie nicht nur Lieutenant Griffin das Signal geben, um ins Kaiserreich zu wechseln, sondern zeitgleich als Ablenkung dienen? Schiffe, die zu unserer Position unterwegs sind, können nicht gleichzeitig Griffin jagen.“
Wieder lachten einige der Anwesenden leise. „Sie sind ein kluger Kopf, Carrie. Wenn das so weiter geht, besorge ich Ihnen noch ein Offizierspatent. Lenie, halte dein Spielzeug beisammen. Wenn hier etwas auftaucht, wird es kein Kleinkram sein.“
„Aye, Sir. Soll ich das Wendemanöver einleiten?“
„Wir warten auf die ersten Zaungäste, damit die Abschussrampen in Richtung Gegner zeigen.“
„Aye, Aye.“
„Ortung! Schiff, Nebula-Klasse, eins! Schiff, Norfolk, zwei! Distanz eine Lichtminute, drei Lichtsekunden! Klassifiziere sie als Einheiten der Republik! Republikanische Einheiten schleusen Rüster aus!“
„Also zwei Fregatten und einen Zerstörer? Haltet die Augen nach weiteren Kontakten auf.“
„Ortung bei fremdem Verband! Schiff, Nebula-Klasse, zwei! Schiff, Norfolk-Klasse, drei! Schiff, Hood-Klasse, eins! Entfernung zu fremdem Verband zwei Lichtminuten, achtzehn Lichtsekunden!“
„Und der glückliche Bastard hat die Nase schon in der richtigen Richtung und beschleunigt gerade“, knurrte Arling. „Eine Lichtminute ist eine ganze Menge, aber ich befürchte, die Rüster werden es bis zu uns schaffen, bis wir gewendet haben. Einsatz für die Knights, Schutzriegel! Wenden Sie, Kapitän Schlüter, wir haben genug gesehen!“
„Aye, Sir! Einsatzorder für die Knights, Schutzriegel! Klar Schiff zum wenden!“
„Wie lange werden Sie brauchen um alle Knights auszuschleusen?“, fragte Carrie.
„Drei Minuten, wenn die Katapultmannschaften gut trainiert sind, wenn die Knight-Piloten viel geübt haben und wenn das Material stand hält“, antwortete der Graf ernst. Es juckte ihm in den Fingern, das Schiff selbst zu führen, aber dies war nun Lenies Job.
„Für einhundertdreißig Knights? Ist das Rekord?“
„Nein, eher Industrialisierung. Jeder Katapult hat drei Startschienen, mit denen die Knights auf Geschwindigkeit gebracht werden. Das bedeutet pro Abschuss schicken wir sechs Knights raus. Sechzig von ihnen bilden die Vorhut, die anderen gehen über die Hangarschleusen raus und bleiben erst einmal bei der RHEINLAND. Achtzehn Sekunden pro Katapultstart ist da eher Mittelmaß“, mischte sich Schlüter ein. Im taktischen Hologramm neben ihr erschienen die Symbole der Knights. „Eine wirklich gute Crew schafft es in fünfzehn.“

„Ausschleusevorgang abgeschlossen, Skipper. Zeit: Zwei Minuten zwanzig.“
„Na also, geht doch. Was machen unsere Gäste?“
„Kommen weiter auf uns zu. Zahl der Rüster liegt ungefähr bei zweihundert. Sie schleusen immer noch aus.“
„Was macht Griffin?“
„Hat es mit Fernbeschuss durch Schiff-Schiff-Raketen zu tun, hält sich aber wacker. Elf Minuten bis er springen kann.“
„Moment, Moment. Ihre Leute haben gerade die drei Minuten um vierzig Sekunden unterboten, und alles was Sie zu sagen haben ist: Na also, geht doch?“
Lenie grinste die Reporterin an. „Ich werde die Küche anweisen, heute eine Extraportion Eis für die Mannschaft fertig zu machen. Ist Ihnen das Recht?“
„Wieso fühle ich mich schon wieder hochgenommen?“

„Funkkontakt! Die HOUSTON ruft uns! Admiral zu Admiral, Sir!“
Arling richtete sich in seinem Sitz etwas auf. „Stellen Sie durch.“
Der Bildschirm vor Arling erhellte sich und machte den Blick auf ein Gewirr aus königsblauen Uniformen frei. Lediglich der Mann im Admiralssitz war die Gelassenheit selbst. Der große, schlanke Mann mit den feinen Händen sah selbstzufrieden auf seinen eigenen Monitor. „Kommodore Arling. Ich wusste es. Freut mich, dass Sie es geschafft haben. Wie sind meine Anflugdaten?“
„Ihr Kurs ist gut. Springen Sie erstmal nach Epsilon Sixtus und deaktivieren Sie im System sofort Waffen und Schilde. Ein Enterkommando wird an Bord kommen und eine Durchsuchung vornehmen.“
„Das war aber nicht vereinbart!“ Düster starrte Griffin den Grafen an. „Warum tun Sie das, Kommodore?“
„Weil Sie mich für einen Idioten halten würden, wenn ich es unterlassen würde, nur um gut bei Ihnen da zu stehen, Kommodore Griffin.“
„Es heißt Lieutenant Griffin.“
„Eine Flottille wird von einem Kommodore befehligt. Sie befehligen doch eine Flottille, Sir?“
Griffins Miene verzog sich zu einem Schmunzeln. „Ich gebe mich geschlagen. Kommodore, meinetwegen. Haben Sie weitere Anweisungen für uns?“
„Ja. Halten Sie sich und Ihre Leute bereit. Ich erwarte Sie in drei Stunden zum Dinner auf der RHEINLAND. Maximal zwanzig Offiziere. Ach, und es erwartet Sie natürlich Miss Rodriguez, die Live-Reporterin von TNC.“
„Können Sie mir die nicht vom Leib halten, Kommodore Arling? Ich bin kein Mann, der einen Gefallen nicht erwidert.“
„Sie werden die Begegnung überleben. Ich tu es ja auch noch.“
„Hey“, beschwerte sich Carrie. „So schlimm bin ich ja wohl nicht.“
„Ansichtssache.“ Kommodore Griffin nickte. „Ich behalte mir vor, einen Knebel mitzubringen.“
„Mitbringen dürfen Sie vieles. Das benutzen steht auf einem anderen Blatt.“ Arling kniff die Augen zusammen. „Schaffen Sie es? Die MILFORD hat anscheinend ein paar Treffer eingesteckt.“
„Die HOUSTON hat sie schon im Schlepp. Wir schaffen es. Bis nachher, Kommodore. Griffin Ende.“
Arling starrte einen Moment auf den leeren Bildschirm, dann sah er zu Carrie herüber. „Ich glaube, er mag Sie.“
„Sicher. Und die Hydrae sind den Knights überlegen“, spottete sie.
„Wendemanöver abgeschlossen. Gegenschubwarnung, ich wiederhole, Gegenschubwarnung!“
Der Bug der RHEINLAND zeigte nun in die Gegenrichtung, und die Triebwerke des Raumgiganten mühten sich nun ab, die Eigenbewegung in Richtung Republik zu stoppen. Danach begann die Beschleunigungsphase bis zur Sprunggeschwindigkeit, mit der der Kreuzer wieder in das Kaiserreich zurückkehren würde. Es war ein weiter Weg, aber der Anfang war gemacht.
***
„Schwadronsführer bei mir melden!“, blaffte Charles Monterney in sein Mikro.
„Erste Schwadron auf Position.“ „Zweite Schwadron auf Position.“
„Dritte Schwadron auf Position.“ „Vierte Schwadron sichert linke Flanke.“
„Fünfte Schwadron auf Position.“ „Sechste Schwadron sichert rechte Flanke.“
„Unter zehn Minuten, so lobe ich mir das. Erste bis dritte und fünfte Schwadron bleiben bei der RHEINLAND. Wenn die Rüster näher als zehntausend Kilometer kommen, fangt sie im Nahkampf ab. Ansonsten koordinierter Fernbeschuss mit dem Mutterschiff. Zielt richtig, denn vergesst nicht, wir haben Krieg.“
Leises Lachen antwortete dem Obersten.
„Vierte und Sechste, wir werden uns ein wenig Ärger suchen. Da wir zusammen mit der RHEINLAND die Eigengeschwindigkeit reduzieren, haben die Rüster, die da auf uns zukommen, ein paar wundervolle Zielscheiben zur Verfügung. Also fächert auf, lasst dem Nebenmann Platz und weicht aus. Vergesst nicht, dass wir die überlegene Manövrierfähigkeit haben! Ausführung!“
„ROGER!“
„Wie oft soll ich euch das noch sagen? Ich heiße Charles, nicht Roger.“
Das Gelächter wurde lauter. So kannten die Knight-Piloten ihren Anführer. Und die Neuen lernten ihn gleich von seiner zweitbesten Seite kennen.
„Meldung von der RHEINLAND: Energieverbrauch der Rüster erhöht sich!“
„Aha, sie laden also ihre Energiewaffen auf! Positionen variieren, Herrschaften!“
Die Knights veränderten ihre Positionen um mehrer Dutzend Meter, eine Strategie, die durchweg auf große Entfernungen Erfolg versprach. Laserstrahlen, Tachyonen-Blasts und Partikelströme waren ungesteuert. Zudem waren sie fokussiert, ihr Überschnittpunkt war so gesteuert, dass er direkt auf dem feindlichen Objekt lag; das bedeutete maximalen Schaden. Auf große Entfernungen jedoch genügte ein Rückzug nach hinten oder ein wenig ausweichen zu den Seiten, um diese Waffen an den Schirmen der Knights zerplatzen oder harmlos vorbeigehen zu lassen.
Was sie in diesem Moment auch taten. Lichtschnelle Waffen konnte man nicht sehen, vor allem nicht, wenn sie auf einen zuhielten. Aber die Computer der Knights zeichneten ihre Bahnen anhand der Messdaten ein.
Charles atmete auf, als seine Begleitmaschinen als unbeschädigt markiert wurden. „Weiter rochieren, aber noch nicht zurückfeuern. Wir brauchen unsere Reaktionsmasse noch.“
Natürlich hatten die Rüster ihr Feuer nicht eingestellt. Die großen, schwerfälligen Waffenplattformen hatten auch bessere Fusionsreaktoren. Bei Ausmaßen, die einem kleinen Shuttle Ehre machten, war ja auch genügend Platz für eine derartige Verschwendung.
Dann zeichneten die Computer keine Waffenstrahlen mehr ein, und die RHEINLAND, die gerade ihr Wendemanöver mit Vollstopp beendet hatte, meldete, dass die Energiezufuhr absank.
Sekunden darauf sprach der offene Kanal an. „Gehe ich Recht in der Annahme, dass wir es hier mit der RHEINLAND zu tun haben?“
„Wer fragt so unhöflich, ohne sich vorzustellen?“, hielt Charles dagegen.
„Lieutenant Colonel Robert Woodruff. Spreche ich gerade mit Oberst Charles Monterney?“
„Ja, Sie haben die Ehre.“
„Das ist es in der Tat. Hören Sie, Lucky Charly, meine Rüster haben leider nicht so schöne Schutzschirme wie Ihre Knights, deshalb ist unser Aktionszeitraum im stellaren Leerraum begrenzt. Das nur als Info. Wir lassen uns von unseren Schiffen einholen und schleusen bald ein.“
„Wie nett von Ihnen. War es das, oder soll ich auch noch Autogramme schreiben?“
„Nein, Sir, aber Sie könnten mir einen persönlichen Herzenswunsch erfüllen. Ich wollte schon immer mal gegen Fortunas Favoriten antreten. Ich bin ein Black Watch, Sir.“
Beinahe hätte Charles anerkennend gepfiffen. Die Black Watch waren Kampfroboterpiloten wie er und seine Leute, aber sie gehörten mit zum Besten, was die Republik zu bieten hatte. Die White Eagles waren noch besser, aber die flogen auch auf erbeuteten Knights.
„Ihre Leute sollen sich nicht einmischen“, sagte Charles ernst.
„Keine Sorge. Sie haben keinen Angriff aus versteckten Winkeln zu befürchten.“
„Es geht mir nicht um meine Sicherheit, Woodruff“, konterte Charles eiskalt.
„Oh, ich bin wirklich gespannt, ob Sie wirklich so gut sind, um auf diese Art zu reden, Lucky Charly!“
„Wir treffen uns in der Mitte.“ Charles schoss aus der Formation der Knights hervor und beschleunigte leicht. Damit hielt er auf die gegnerische Schlachtreihe zu, die nun langsam reduzierte, um die eigenen Schiffe aufholen zu lassen.
Ein einzelner, blutrot lackierter Rüster mit schwarz lackiertem Kopf und schwarzen Schultern hielt auf ihn zu.
„Colonel Woodruff, nehme ich an.“
„Oh, nennen Sie mich Sam. Es macht sich besser am Stammtisch, wenn ich erzähle, dass Lucky Charly mich beim Vornamen gerufen hat.“
„Sie haben vergessen zu sagen: Sekunden bevor er starb.“
„Oh, ich bitte Sie. Ich bin theatralisch genug, um einen der zehn besten Knight-Piloten des Kaisers herauszufordern. Ich rechne nicht wirklich damit, Sie töten zu können.“
Ein leises, kehliges Lachen klang über Funk auf. „Aber einen Arm oder ein Bein hätte ich schon gerne.“
„Holen Sie es sich!“

Charles warf seinen Knight vor, der Rüster reagierte sofort und eröffnete das Feuer aus einem am Arm montierten Partikelwerfer. Der Pilot streute die Strahlen beim Beschuss, um sicherzugehen, dass wenigstens einer der energiereichen Teilchenbolzen traf.
Die Waffe zog ihre Schüsse vor und hinter dem Knight, war aber nicht in der Lage, ihn zu treffen. Während er auswich, fing Monterney seine Maschine ab, zog das Glattrohrgewehr und feuerte noch in einer Drehung auf den Rüster. Der wich seitlich aus und wurde sofort schwer erschüttert, als eine zweite Kugel einschlug, während die erste noch an ihm vorbei raste.
„Ich glaube, Sie hatten etwas in der Art vor, oder, Colonel?“
„Beeindruckend. Ist die Waffe eine Spezialanfertigung, wenn sie so schnell wieder aufladen kann?“
„Sie hat zwei Läufe. Ein etwas älteres Modell, das mir von meinem Ziehvater geliehen wurde. So was gutes baut heute keiner mehr.“
„Aha, Ihr Ziehvater.“ Der Rüster löste eine Salve Raketen aus, die auf feurigen Aureolen auf den Knight zuschossen. Wieder wich Charles aus, und rechnete auch noch den weiteren Beschuss durch das Partikelgewehr ein. Normalerweise wäre das eine leichte Übung gewesen, aber der Black Watch schoss weder seine eigenen Raketen ab, noch ließ er Charles wirklich viel Platz zum manövrieren.
„Und wer ist Ihr Ziehvater? Bitte sagen Sie jetzt nicht sowas wie der Kaiser. Mein halbes Regiment ist ohnehin schon neidisch, weil Sie mit der Prinzessin von Versailles ausgegangen sind.“
„Keine Sorge, ich meine nur den Herzog von Beijing.“
„Oh, das ist ein Mann. Das wird keinen meiner Leute interessieren“, spottete der Colonel.
„Charles, es wird Zeit. Räum deine Spielsachen weg und komm heim. Das Essen wird kalt“, klang die Stimme von Johann Arling in seinem Helm auf.
„Ach, Papa, nur noch fünf Minuten. Es macht gerade so einen Spaß. Der Mann ist ein Black Watch, weißt du?“
„Räum deine Spielsachen weg. Wir springen selbst in vierzig Minuten. Ich kann dich auch hierlassen, junger Mann.“
„Ist ja gut. Aber wehe es gibt keinen guten Nachtisch.“
Ein neuer Schwarm Raketen raste heran, wieder feuerte die Partikelkanone Stakkato, und erneut wich Charles den gefährlichen Waffen aus. Es waren auch noch ein paar Raketen der ersten Salve dabei, die noch nicht ausgebrannt oder explodiert waren.
Dann verstummte das Gewehrfeuer plötzlich.
Die ungläubige Stimme von Colonel Woodruff klang auf. „Ha-haben Sie wirklich einen Dolch nach mir geworfen? Über drei Kilometer Entfernung, quer durch meinen Arm und durch meine Hauptwaffe?“
„Wenn Sie sagen, es sind noch drei Kilometer, dann wird das wohl so stimmen. Tut mir Leid, dass Sie sich keinen Arm von mir holen konnten, aber ich wurde gerade zum essen gerufen. Man sieht sich, Lieutenant Colonel Woodruff. Sie sind einer der besseren, wenn Ihnen meine Meinung etwas wert ist.“
„Moment, Lucky Charly! Wollen Sie Ihren Dolch gar nicht zurück? Die Dinger werden doch gar nicht mehr produziert. Ist doch sicher auch ein altes Stück, oder?“
„Nehmen Sie halt das anstelle meines Arms mit. Dann haben Sie noch mehr zu erzählen.“ Ein grausames Lächeln umspielte Charlys Lippen. „Und seien Sie froh, dass Sie noch leben. Ich hätte auch auf das Cockpit zielen können.“
„Ja… Da haben Sie wohl Recht. Auf bald, Lucky Charly.“
„Wir sehen uns, Black Watch.“
Charles wendete den Knight und beschleunigte in Richtung der RHEINLAND. Dabei hoffte und betete er, dass einer der Rüster die Nerven verlor und auf ihn feuerte oder ihn mehrere zugleich angriffen. Das hätte wenigstens ein wenig gutes Training und ein paar neue Abschussmarkierungen gegeben. Aber so mutig waren die Republikaner dann wohl doch nicht. Oder, schoss Charly ein Gedanke durch den Kopf, waren sie nur vernünftig?

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23.10.2007 21:10 Ace Kaiser ist offline E-Mail an Ace Kaiser senden Beiträge von Ace Kaiser suchen Nehmen Sie Ace Kaiser in Ihre Freundesliste auf
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***
(Geliebtes Wesen,
Sehr geehrte Hoheit,
Hy, du, na,
An die engelsgleiche Feengestalt,
Mein Schatz,
Guten Morgen, Mittag, Abend oder welche Zeit Du auch immer gerade hast,)
*durchgestrichen*

Hallo, Elise,
heute hatte ich eine sehr merkwürdige Begegnung mit einem Black Watch.
Wir waren gerade dabei, die Flotte von Kommodore Griffin einzulotsen, und die RHEINLAND stellte sich einem kleineren Abfangverband in den Weg. Es standen dann in etwa zweihundert Rüster gegen sechzig Knights in der Front und weiteren siebzig beim Schiff.
Rüster sind leider nicht in der Lage, lange im interstellaren Leerraum zu operieren, da sie nur bedingt die hohen Strahlungswerte abwehren, dennoch stellte mich einer der gegnerischen Piloten zum Kampf. Du ahnst es sicher schon, es war der Black Watch, ein Lieutenant Colonel Woodruff.
Nun, es war nicht wirklich ein richtiges Duell, immerhin war die RHEINLAND kurz vor dem Sprung, und die Republikaner verfolgten uns nicht wirklich, mehr ein kleiner Schlagabtausch zwischen mir und Woodruff. Aber er sagte mir etwas, was mir seither durch den Kopf geht: Ich sei einer der zehn besten Knight-Piloten der Republik.
Nun, nachdem ich seine Hauptwaffe, ein Partikelgeschütz auf gute drei Kilometer mit einem Kampfdolch zerstört hatte, konnte ich mich gefahrlos zurückziehen. Nicht, dass das eine große Leistung ist, auch wenn eine unbedachte Bewegung beim werfen den Dolch auf einen trudelnden Kurs gebracht hätte, der ihn ins Nirgendwo geschleudert hätte, aber sicher nicht auf den rechten Arm von Woodruffs Rüster. Aber ich frage mich wirklich, ob ich so gut bin, wie der gute Lieutenant Colonel mir gesagt hat…
Und ob es mir zu Kopf steigen wird oder nicht.
Ich werde einige Zeit haben, darüber nachzudenken. Aber ich werde dir zuwinken, wenn Carrie wieder Live-Aufnahmen von mir macht. Sie kann eine ganz schöne Nervensäge sein, aber irgendwie ist sie ganz nett. Ich hoffe ich kann es verhindern, dass Du sie jemals kennenlernst, denn vor den netten Kern hat Gott das Kennenlernen ihrer penetranten Reportermarotten gestellt, und das ist eine harte Schule.
Ich hoffe, wir sehen uns bald wieder.
Auf bald,
Charles
***
Pressekonferenz auf Eridani Septus, Orbitalgarnison:
Reporter 1: „Colonel Woodruff, Ihre Einheit ist mit Graf Arling zusammengestoßen. Was können Sie uns über diesen Mann sagen?“
Woodruff: „Über Arling? Fragen Sie das meinen Kapitän. Mein Platz ist weiter vorne, bei den Rüstern. Mit Schiffen habe ich nur zu tun, wenn ich sie niederkämpfen muss. Das war diesmal nicht der Fall.“
Reporter 2: „Sprichwort Rüster: Sie sind gegen die Knights der RHEINLAND angetreten. Stimmt es, dass Sie mit Charles Monterney zusammengetroffen sind?“
Woodruff: „Das ist korrekt. Ich hatte die Ehre, mit ihm ein kurzes Duell auszufechten, das wir leider abbrechen mussten.“
Reporter 2: „Duell? Duelle gehören nicht unbedingt zu den Gepflogenheiten unseres Militärs.“
Woodruff (lacht): „Ich glaube, das habe ich etwas missverständlich ausgedrückt. Ich habe Oberst Monterney ein Einzelgefecht vorgeschlagen, und er hat angenommen. Es hat mich interessiert, wie er kämpft.“
Reporter 3: „Warum haben Sie ihn nicht vernichtet, als Sie die Chance dazu hatten? Der Feuerkraft von zweihundert Rüstern hat auch ein Lucky Charly nichts entgegen zu setzen.“
Woodruff (zieht die Augenbrauen hoch): „Finden Sie? Dann bewerben Sie sich doch bitte fix bei den Rüster-Streitkräften und führen uns zum Sieg.“
(Gelächter der Anwesenden.)
Reporter 2: „Lassen Sie uns ernsthaft bleiben, Colonel. Sie haben also ein Einzelgefecht gegen Oberst Monterney ausgetragen. Es ist allgemein bekannt, dass das Militär viel von diesem gegnerischen Piloten hält, gerade nach Kommodore Arlings Ghost Raid durch unser Hinterland. Wie haben Sie sich gefühlt, als Sie gegen ihn antraten, Colonel?“
Woodruff: „Glücklich, als es vorbei und ich noch am Leben war.“
Reporter 4: „Ist er so gut?“
Woodruff: „Er hat nicht einen Treffer abbekommen, ist meinem Feuer und meinen Raketen ausgewichen und hat meine Hauptwaffe mit einem Stahldolch ausgeschaltet, den er auf drei Kilometer Entfernung geworfen hat. Der Hieb hat mich nicht nur meine Hauptwaffe gekostet, sondern auch meinen rechten Arm.“
Reporter 4: „Drei Kilometer Entfernung für eine antiquierte Waffe wie einen Dolch, ist das gut?“
Woodruff: „Nein, das ist nicht gut.“
(Reporter raunen leise.)
Woodruff: „Das ist Gottgleich.“
***
Als die Gryanen-Flottille unter Griffins Kommando auf einen stabilen Kurs um Springe einschwenkte, tat sie das viel beachtet, sowohl neugierig als auch wachsam.
Die fünf republikanischen Schiffe flogen mit deaktivierten Schirmen, voll aufgeblendeten Positionslichtern und weithin geöffneten Außenschleusen auf. Der MILFORD wurde sofort gestattet, in eine Orbitalwerft zu gehen, um die letzten Gefechtsschäden am Antrieb ausbessern zu lassen. Die anderen vier Schiffe wurden auf Plätze eingewiesen, an denen mehrere Plattformen freies Schussfeld hatten. Nur für den Fall der Fälle.
Stunden später verließen fünf Shuttles die republikanischen Schiffe und fanden sich nach und nach auf der RHEINLAND ein.
Dort wurden die Gryanen mit allen Ehren empfangen. Der einzige Affront war wohl, dass weder der Kapitän, noch Arling selbst anwesend waren, um Griffin und seine genau neunzehn Offiziere zu empfangen.
Der Kapitänleutnant, der sie mit schmissigem Salut und einer hoch disziplinierten Ehrenwache empfing, geleitete sie nach kurzen Grußworten quer durch das Schiff und bot ihnen schließlich Einlass in eine Turnhalle.

Für einen Moment befürchtete Griffin schon, interniert oder durchsucht zu werden, aber als ihm die Musik von Streichern entgegenhallte, entspannte er sich sichtlich. Aufmunternd nickte er seinen Offizieren, allen voran Stiles, und Capitaine Cochraine zu.
Als die zwanzig Männer und Frauen in ihren königsblauen Uniformen die Halle betraten, verstummte die Musik. Stattdessen erklang ein dezenter Applaus der Anwesenden. Griffin brauchte nicht nachzuzählen um zu wissen, dass es – von den Ordonnanzen und dem Musikquartett einmal abgesehen – genau zwanzig waren.
„Willkommen an Bord der RHEINLAND, Ladies and Gentlemen“, sagte der große Mann, der ihnen am nächsten stand. Der feste Blick, die angegrauten Schläfen, das musste Arling sein. Nun, der goldene Stern auf seiner Schulter war sicherlich auch ein guter Hinweis.
„Es freut mich, dass ich mit meinen Leuten hier sein kann.“
Arling trat auf ihn zu und reichte Griffin die Hand. Der Commodore verstand. Dieses Treffen war informell, genauso informell wie sein Status als Kapitän der Gryanen. Sie waren nicht als Soldaten hier, sondern als Gäste.
Darauf folgte eine kurze Begrüßung der anderen Gäste, und Coryn Griffin ließ es sich nicht nehmen, seine Kapitäne und Offiziere mit Namen vorzustellen.
Danach reichten Ordonnanzen prickelnden Sekt oder alternativ Lechti-Saft.
Die Anwesenden prosteten einander zu, bevor die Ordonnanzen diskret daran gingen und den Offizieren und Kapitänen ihre Plätze zuwiesen.
Zufrieden stellte Griffin fest, dass er von Cochraine nicht getrennt wurde. Und er bemerkte, dass Kapitänleutnant Rend einen Platz neben Arling erhalten hatte – ein Platz, dem eigentlich dem stellvertretenden Kommandeur der Flottille vorbehalten war, namentlich Kapitän Schlüter. Aber wie er schon gemerkt hatte, der Empfang war informell.
Es entspannen sich leise geführte Unterhaltungen, die von der Vorspeise unterbrochen wurden. Wieder gingen die Ordonnanzen herum und fragten leise nach den Vorlieben der Gäste. Tatsächlich fanden sich ein Vegetarier unter ihnen, namentlich Lieutenant Commander Sheldon Watts, Kapitän der OTHELLO, sowie ein Karnivore, namentlich Korvettenkapitän Loggan Harris, Kapitän der CALAINCOURT und Javare. Der Umstand, einen echten Außerirdischen am Tisch zu haben, zudem noch Offizier und Kapitän, ließ Griffin doch die Stirn runzeln. War das Kaiserreich doch nicht so versteift und weltfremd, wie er immer gedacht hatte?
Jedenfalls wurde beim Korvettenkapitän der Salat gegen Fleisch ausgetauscht, und beim Commander das Fleisch gegen Salat.
Griffin hatte zwar die stille Befürchtung, die Ordonnanzen würden es sich einfach machen und im Hintergrund, wo sie keiner sah, von einem Teller auf den anderen legen, aber letztendlich war es ihm egal, solange er endlich etwas zu essen bekam.

Beim Hauptgang wurde Arling endlich etwas redseliger. Glücklicherweise, denn die Aufregung drohte Griffin noch aufzufressen.
„Sagen Sie, Sir, warum hat man bei der Durchsuchung der Schiffe eigentlich diese Unmengen an republikanischen Uniformen gefunden?“
Schlagartig wurde es still, und Dutzende Blicke hefteten sich an den Commodore. Der lächelte dünn. Eine solche Frage hatte er erwartet. „Nun, es sind republikanische Schiffe.“
„So? Das erklärt einiges. Darf ich dann gleich eine weitere Frage stellen? Warum führt ein desertierter Commander der Republik eine Söldnereinheit an?“
„Sie dürfen fragen, aber erwarten Sie darauf keine Antwort, Kommodore Arling. Oder darf ich Sie im Gegenzug fragen, welcher der Herren Offiziere und welcher der Ordonnanzen insgeheim für den Geheimdienst des Kaisers arbeitet und nach unserem Essen einen Bericht schreiben wird?“
Arling schnaubte amüsiert. „Das dürfen Sie natürlich nicht. Aber vergessen Sie bitte nicht, bei wem Sie gerade zu Gast sind.“
Er faltete die Hände unter dem Kinn zusammen, stellte die Ellenbögen auf den Tisch und sah amüsiert zu Griffin herüber. „Zudem stelle ich mir die Frage, wie dumm ein Diadochen-Offizier sein muss, der es sich mit seinen Verbündeten verscherzt und ausgerechnet durch das Staatsgebiet seines Feindes flieht.“
„Dumm ist vielleicht ein etwas harsches Wort, Mylord Arling“, erwiderte Griffin trocken. „Wenn Sie es genau wissen wollen, ich hatte den Auftrag, innerhalb der republikanischen Marine bis zum Kapitän aufzusteigen und dann zurückzukehren. Es ging weder um Spionage noch um Hochverrat. Bis zu viele Dinge auf einmal zusammenkamen, meine Leute interniert wurden, und ich handeln musste, ohne es wirklich zu wollen. Aber es ist ja bis hierher gut gegangen.“ Griffin nahm einen kräftigen Schluck aus seinem Weinglas. „Und was den dummen Diadochen-Offizier angeht, nun, Mylord, ich bin Söldner, und weder die Republik noch die Diadochen bezahlen derzeit meinen Sold.“
„Das wäre ein Grund, um Sie unsererseits zu internieren. Wir können es uns unmöglich leisten, ein paar tollwütige Hunde durch unsere Nachbarschaft streifen zu lassen“, sagte Arling mit düsterer Stimme.
Plötzlich klapperte Geschirr. Die Blicke der Anwesenden hefteten sich auf den jungen Offizier, der mit beiden Händen auf den Tisch geschlagen hatte. Nun stand er, dumpf im Zorn brütend, an seinem Platz und sah wütend in die Runde. „Tollwütige Hunde, Kommodore Arling? Tollwütige? Bitte seien Sie nicht so vermessen, die Gryanen zu beurteilen, ohne sie zu kennen! Ohne es zu versuchen!“
„Lieutenant Haggart, es ist gut. Der Graf hat seine Frage nicht ernst gemeint“, versuchte Griffin zu beschwichtigen.
„Es ist nicht gut, Sir! Was weiß der Graf denn schon von unserer Vergangenheit? Was von dem, was unsere Vorfahren erleiden mussten? Nun zumindest jene, die wirklich Vorfahren bei den Gryanen haben und nicht so wie ich bei einer Mission adoptiert wurden?“
Innerlich pfiff Griffin anerkennend. Haggart, den Namen würde er sich merken. Der Mann erschuf gerade Lösungen für etwa ein halbes Dutzend Probleme.
Haggart fixierte den Kommodore. „Sir, bei allem Respekt, wir sind keine republikanische Einheit, wir sind keine kaiserliche Einheit, ja, wir sind nicht einmal eine diadochische Einheit. Wir sind mehr, viel, viel mehr! Die Gryanen sind einer jener wenigen Verbände, welche die Ehre, den Stolz und die Tradition der herkulanischen Garden bis zum heutigen Tag bewahrt haben.“
Es folgten ein paar Momente des Schweigens, in denen die Anwesenden dem jungen Offizier dennoch an den Lippen hingen.
Als Haggart wieder aufsah, war sein Blick durchdringend und fest. „Ich bin kein richtiger Gryane, Sir, und es tut mir unendlich Leid, dass es so ist. Das hindert mich aber nicht daran, nach den Maßstäben und Regeln der Gryanen zu leben, ihre Werte zu leben, ihre Ehre zu leben. Ja, wir sind Söldner. Aber wir sind stolz darauf! Ja, wir verkaufen unsere Dienste. Nein, wir nehmen nicht das beste Angebot an, sondern wählen uns aus, wem wir dienen und was wir dafür tun müssen.
Die alten herkulanischen Einheiten waren ein Musterbeispiel an Kampfeswille, an Mut, an Entschlusskraft und an Gnade. Die Garde der phillipinischen Dynastie hätte niemals auch nur eine Sekunde den Tod eines Unschuldigen in Kauf genommen, um einen militärischen Vorteil zu erlangen. Und nie hätte sie gemordet, gebrandschatzt, vergewaltigt, geplündert, und was der Pfründe mehr ist, denen militärische Einheiten nachhängen. Auch kaiserliche Einheiten!“
Arling richtete sich ein Stück auf, als er diesen offenen Vorwurf vernahm. Nicht wütend, nein, aufmerksam.
„Anwesende ausgenommen“, fügte Haggart schließlich hinzu. „Jedenfalls war es die Ehre, die dazu führte, dass die meisten herkulanischen Garden vernichtet wurden. Sie wollten den Schutz des Volkes nicht aus der Hand geben, ihren Herrn nicht verraten. Und deshalb mussten die Ursupatoren einen blutigen Preis bezahlen, bevor sie die Garden erpressten und mit dem Tod unschuldiger Zivilisten drohten. Aber nicht nur drohten, einige exekutierten wahllos, wahnsinnig, und brachten das Ende des herkulanischen Reiches deutlicher zum Ausdruck als alles andere.
Am Schluss waren die herkulanischen Garden vernichtet, das Reich war gespalten in die acht Diadochen-Staaten und ungezählte Kleinreiche. Und was immer übrig geblieben war, sammelte sich in Scham und stiller Wut, um der Toten zu gedenken.
Aber sie gaben nicht auf, auch wenn ihr Herrscher, Philip der Achte, getötet worden war. Auch wenn das Volk, welches sie hatten beschützen sollen, nicht vor der Gewalt hatte bewahrt werden können. Auch wenn ihre Demütigung vollendet war.
Nein, sie waren immer noch die besten Soldaten des ganzen Reichs, die diszipliniertesten Truppen, die am besten ausgebildetsten, und sie hatten dem Wahnsinn in die Augen geblickt und waren nicht zurückgewichen. Damals entstanden drei Einheiten: Die Gryanen, die Phillippi und die Perseii. Diese Überreste der Garden waren fortan mietbar, aber nur zu ihren eigenen Bedingungen. Ein Söldner zu sein sei ein Freibrief für Mord und finstere Umtriebe? Die Gryanen, die Phillippi und die Perseii bewiesen das Gegenteil.
Söldner sind ehrlos? An den ungezählten Orten, an denen wir zum Einsatz kamen, wurden wir öfters fröhlicher und enthusiastischer begrüßt als die Truppen des eigenen Staates. Selbst der Gegner und seine Sympathisanten haben uns immer respektiert.
Söldner kennen keine Regeln und keine Scham? Wir machen unsere eigenen Regeln. Wir vertreten heute so wie damals die Terranische Konferenz und setzen sie durch. Alle unsere Verträge beinhalten unser Recht, sie gegenüber jedermann geltend zu machen. Gegen Jedermann, notfalls sogar gegen unsere Dienstherren!
Unser Ruf, Mylord, ist so gut, dass man Gryanen, Phillippi und Perseii überall in der Galaxis anheuert, wo in den Wahnsinn Vernunft gebracht werden soll. Wir, Mylord, sind die Besten und die ehrenvollsten!“
Der junge Offizier setzte sich wieder, und die anderen Gryanen klopften in einem schnellen Stakkato auf den Holztisch. Erst nach Minuten kehrte Ruhe ein.
Griffin sah den Grafen herausfordernd an. „Sir, möchten Sie dem noch etwas hinzufügen?“
„Nicht unbedingt. Außer vielleicht, dass meine Leute dann ebenso gut Gryanen genannt werden können, denn wenngleich wir unbarmherzig gegen den Feind sind, so schonen wir doch das Leben wo wir können. Unsere Taten in Yura-Maynhaus sprechen da für sich!“
Nun waren es die kaiserlichen Offiziere, die bei diesem Lob auf den Tisch zu klopfen begannen.
„Einigen wir uns darauf, dass wir gleichermaßen Ehre, Stolz und das Recht veteidigen“, sagte Coryn Griffin in einem mahnenden Ton. „Auch wenn diese Ehre bedeutet, einen Eid zu brechen, so wie ich meinen republikanischen Diensteid brechen musste, um meinen Leuten zu helfen.“
Arling klopfte dem Mann anerkennend auf die Schulter. „Dafür haben Sie mein vollstes Verständnis. Manchmal muss ein Soldat auch mal denken, anstatt sich sklavisch an seine Vorschriften zu halten.“
Griffin sah ihn überrascht an. „Danke, Sir. Vielleicht wird es Sie freuen zu hören, dass wir Kämpfen mit der Republik möglichst aus dem Weg gegangen sind, um ihre Leben zu schonen, obwohl wir nach der grundlosen, schamvollen Inhaftierung das Recht auf Rache gehabt hätten. Aber das wären nicht wir gewesen, oder?“ Mit einem frustrierten Gesicht trank Griffin den Rest seines Weins.

Als der Nachtisch serviert wurde, fanden am Tisch schon sehr lebhafte Diskussionen statt.
Auch Arling forderte Griffins Aufmerksamkeit wieder ein. „Sagen Sie, Kommodore, wie sehen Ihre Pläne ab hier aus? Haben Sie bereits einen neuen Dienstherren?“
Griffin grinste dünn. „Wenn es Ihnen vielleicht Sorgen bereitet, dass wir in die Diadochen zurückkehren, nun, das wird nur eine Etappe auf dem Sprung nach Neustadt sein. Von dort fliegen wir weiter nach Hyrkania.“
„Hyrkania. Die Freihandelswelt.“
„Und ein hervorragender Ort, um sich anwerben zu lassen.“
Die beiden Männer tauschten einen langen Blick.
„Wissen Sie, Coryn“, begann Arling, und Griffin verzog die Lippen, als er beim Vornamen genannt wurde, „eigentlich schulden Sie mir was. Nicht nur, dass Sie meine Taktiken imitiert haben, um die Republik zu verlassen…“
„Wofür ich Ihnen hiermit danke. Ich kann Ihnen im Gegenzug gerne einmal meine Taktiken überlassen.“
„…ich begleite Sie noch bis zur Grenze des Kaiserreichs“, setzte Arling ungerührt fort, „und lasse in diesem Moment Ihr Schiff, die MILFORD reparieren.“
„Ich kann bezahlen. Was ist Ihnen lieber, Mylord? Kaiserliche Mark, republikanische Pfund oder terranische Real?“
„Wie wäre es mit ein wenig Ihrer kostbaren Zeit, Coryn? Wollen Sie sich die Diadochen nicht vielleicht doch mal etwas genauer ansehen? Sehr viel genauer?“
„Ich bin teuer, Mylord Arling“, spöttelte Griffin.
„Oh, ich bin sicher, wir werden uns einig werden“, erwiderte Arling im gleichen Tonfall.
„Sehe ich das richtig, Sir? Wollen Sie mich anwerben?“
„Richtig. Ich will Sie anwerben. Ich direkt als Graf von Arling. Glauben Sie, dass ich ein Dienstherr wäre, den die Gryanen akzeptieren könnten?“
Haggart wollte sich dazu zu Wort melden, aber Griffin wehrte ihn mit einem Wink ab. „Wie ich schon sagte, ich bin teuer. Und das teuerste sind Informationen. Was wollen Sie in den Diadochen, Mylord?“
„Was ich da will? Zwei Millionen Leben retten, Coryn, zwei Millionen Leben.“
***
„Guten Morgen, Kommodore!“
„Guten Morgen, Hauptmann Schmitt. Was kann ich für Sie tun?“
„Sir, darf ich offen sprechen?“
„Natürlich dürfen Sie das. Immerhin sind Sie es, der für den kaiserlichen Geheimdienst tätig ist, und nicht ich.“
„Wir sind kein totalitäres Regime, Sir“, erinnerte Schmitt beleidigt. Es ärgerte den hageren Mann mit dem dichten schwarzen Haar schon, dass Arling ihn immer behandelte, als wäre ER der Herr auf Leben und Tod, und nicht der Kommodore selbst.
„Wie ich höre, haben die Gryanen zugestimmt? Sie nehmen an der Mission teil?“
„Wir haben gestern einen Vertrag unterzeichnet, ja.“
„Ist es zu spät diesen Vertrag rückgängig zu machen?“
„Gehört das bereits zum offen sprechen, Jeremy?“
Der hagere Mann senkte die braunen Augen, ein Erbe seiner asiatischen Vorfahren, und sagte ernst: „Sir, ich traue diesen Gryanen nicht. Ich habe alles aktiviert, was ich in die Finger kriegen konnte, um mehr über sie zu erfahren. Aber es sind nur allgemeine Informationen, die uns erreichen. Wir wussten nicht einmal von ihrer Internierung. Und dann stellt sich Griffin…“
„Kommodore Griffin. Soviel Zeit muss sein.“
„…Kommodore Griffin auch noch als desertierter Offizier der republikanischen Marine raus. Das ist die einzige Geschichte, die meine Kontakte bestätigen konnten. Und das meiste was mich erreicht, stammt aus den Medien von Yura-Maynhaus. Die Presse dort ist so respektlos, dass sie jederzeit ihre Anführer verrät, wenn es denn nur eine gute Geschichte wird. Aber in diesem Fall existiert nichts. Nur Griffins Geschichte wird nach und nach aus dem Untergrund hervor gewühlt. Auf den ersten Blick scheint alles zu stimmen, Sir. Auf den zweiten tauchen Ungereimtheiten auf. Aber wenn ich Dingen nachgehe wie der Frage, warum die Gryanen keine Familien an Bord haben, dann lösen die sich wieder auf, wenn ich höre, dass man nur ein Gryane ist, solange man kämpfen kann. Bevor man dieses Alter erreicht und nachdem man sich vom Kriegshandwerk abwendet lebt man als normaler Bürger auf einer Welt der eigenen Wahl. Das ist stimmig, ich habe es geprüft. Und somit sieht auf den dritten Blick wieder alles glatt aus.“
„Hm“, machte Arling ernst. „Was empfehlen Sie mir, Hauptmann?“
„Die ganze Bande hochnehmen, die Schiffe konfiszieren und dann ab in den Knast oder zurück nach Yura-Maynhaus. Wir haben fünf Schiffe gewonnen, und der Spaß der Gryanen ist damit zuende.“
„Was die Schiffe betrifft, haben Sie die Analyse für mich fertig?“
Schmitt seufzte tief. „Auch hier, eine stimmige Erklärung. Die fünf Schiffe waren dem Wachkordon des Internierungslagers zugeteilt. Den Gryanen gelang es dank Griffins Hilfe, auszubrechen und die Schiffe zu entern. Als Ersatz für ihre Schiffe, die mittlerweile fortgeschafft waren. Griffin hat selbst ausgesagt, dass die dritte Fregatte, die ROCKET, dabei gewissermaßen das Wechselgeld für den Einsatz war. Soviel auch zu Ihrem Verdacht, was die Schiffe selbst betrifft. Wir können keine Absicht dabei feststellen, dass sich Griffins Verband ebenfalls aus einem Leichten Kreuzer, einem Zerstörer und drei Fregatten zusammensetzt.
Aber das macht es noch schlimmer, Sir.“
„Ich nehme Ihre Bedenken und Ihren Rat zur Kenntnis, Jeremy. Aber wir haben nicht die Besatzungen, geschweige denn trainierte Besatzungen, um diese fünf Schiffe zu übernehmen. Wenn wir den Kreuzer, den Zerstörer und die Fregatten benutzen wollen, sind wir auf Griffin angewiesen.“
„Mannschaften können besorgt und ausgebildet werden.“
„Soviel Zeit ist nicht mehr. Ich muss eine Entscheidung treffen, und ich muss sie bald treffen. Nein, das ist falsch. Ich habe sie bereits getroffen. Ich werde Griffins Flottille mitnehmen.“
„Dann“, begann der Geheimdienstmann verzweifelt, „stationieren Sie wenigstens ein paar Garnisonen von Ganths Leuten auf den Schiffen!“
„Um ihnen im Zweifelsfall Geiseln in die Hand zu geben?“, spottete Arling. „Nein, das Spiel heißt Vertrauen, und ich will Coryn Griffin dieses Vertrauen geben.“
„Was, wenn er nur ein großer, grandioser Lügner ist?“
„Dann wissen wir nicht, wann und wie lange er lügt. Können wir uns dagegen schützen?“
Der Hauptmann brauchte ein paar Sekunden, bevor er verstanden hatte, dass es eine richtige Frage an ihn gewesen war, kein Rhetorik. „Sir, ich werde mein Bestes geben.“
„Ich sehe, wir verstehen uns.“
Jeremy Schmitt atmete erleichtert auf. So ganz ohne Sicherheit wollte sich der Alte also doch nicht Seite an Seite mit Griffin in die Schlacht stürzen. „Ich kümmere mich um ein paar Details, Sir. Entschuldigen Sie mich.“
Arling nickte zufrieden.
Vor dem Büro des Kommodore dachte Schmitt einen Moment nach. Das war doch besser als erwartet gelaufen. Nicht so schlimm wie befürchtet, aber auch nicht so gut wie erhofft.
***
Eine Woche vor dem Termin brach die Flotte unter Kommodore Arling von Springe auf. Die Wachschiffe flogen Geleit, über Funk und über die leistungsfähigen Morse-Scheinwerfer trafen tausende gute Wünsche ein, und ein letzter Vertreter des Pressecorps, ein Medienvertreter von Jemfeld, traf in allerletzter Sekunde ein.
Wie der Kaiser ausgerechnet dieses Arrangement hatte treffen können, einen Reporter des direkten Gegners einzuladen und bis nach Springe zu schaffen, war Arling schleierhaft. Aber der Anblick des braunen Gesichts mit der flachgedrückten Erhebung mitten im Gesicht, die bei Menschen die Nase, war, dazu die beigen Mulden in der Schädelseite, die das Äquivalent für Ohren waren und die eisgrauen, pupillenlosen Augen sprachen für sich. Natürlich verrieten auch die rudimentär auf dem Kopf und im Nacken vorhandenen, sehr feinen Schuppen, dass dieser Pressevertreter kein Mensch war. Die Jemfeld waren ein Konglomerat aus verschiedenen Nationen, die sich unter einem gemeinsamen Parlament gefunden hatten. Dies hatten sie vor allem deshalb getan, um dem Kaiserreich besser widerstehen zu können, wenn es wieder einmal in die expansive Phase geriet. Dieser Mann dort – eine markante Knochenfalte über der Stirn verriet ihn als solchen – war Rydane, Angehöriger eines Echsenvolks, das etwa vierzig Prozent der Population in Jemfeld darstellte und nahezu auf allen Welten vertreten war. Der Anblick des Echsenabkömmlings war allerdings bei diesem vielschichtigen Pressecorps, dem sogar Felinoiden und Avoide angehörten, nicht außergewöhnlich. Lediglich seine Herkunft verdiente nähere Betrachtung, und dementsprechend wurde der Mann mit Namen Torasa Hekki Lanma und sein Kamerateam zuerst interviewt. Dadurch verschob sich die Pressekonferenz um zehn Minuten, was Arling erleichtert zur Kenntnis nahm.
„Nervös?“, klang hinter ihm eine vetraute Stimme auf.
Arling wandte sich um und erkannte die terranische TNC-Reporterin. Lächelnd deutete Carrie auf ihre Brust, auf der momentan nicht das L-Zeichen für eine Live-Sendung prangte. Man sagte hinter vorgehaltener Hand, dass dieses L manchmal effektiver schützte als ein Hochleistungsenergieschirm. Aber manchmal machte es die Reporter auch zur Zielscheibe.
„Etwas“, gestand Arling. „Ich muss jetzt dem halben Universum erklären, was ich zu tun beabsichtige, und ich weiß nicht, ob sie mir glauben werden.“
„Ob glauben oder nicht, das da draußen sind allesamt Presseleute, Reporter, Medienberichterstatter! Ihr Job ist es nicht zu glauben oder nicht zu glauben, ihr Job ist es zu berichten. Und was sie berichten, das ist das was sie sehen.“
„Carrie, warte, ich habe die Creme gefunden.“ Eleonor Rend trat ein und lächelte Arling an. „Schon nervös, Han?“ Während sie sprach, klappte sie ein kleines Pad auf, ging mit einem feinen Pinsel über den Inhalt und murmelte konzentriert: „Halt jetzt still, Carrie.“
„Etwas“, murmelte Arling, während er dabei zusah, wie Carrie Rodriguez´ neuestes blaues Auge unter einer Schicht Puder nach und nach verschwand.
„Ein Glück, dass du mich nicht ganz getroffen hast. Sonst würden auf Terra schon Nachrichtensendungen darüber abgehalten werden, ob ich gezwungen werde, kaisertreu zu berichten, wenn ich schon mit einem zugeschwollenen Auge herumlaufe.“
„Wir haben subtilere Methoden als Prügel, Carrie“, tadelte Ellie. „Glaub mir, ich würde keine offensichtlichen Spuren hinterlassen. Ich würde dir die Schokolade streichen, bis du nachsingst, was ich vorsinge.“
„Ihr kaiserlichen Offiziere seid ja wirklich grausam.“
Die beiden Frauen wechselten einen Blick und lachten.
„Das blaue Auge?“, fragte Arling interessiert.
„Dein Mädchen, mein lieber Han. Sie ist durch meine Deckung und hat mich fast ausgeknockt. Ich hatte Glück.“
„Ach, Glück. Du warst zu schnell weg mit dem Kopf. Ich dachte, ich habe nur noch deinen Kopfschutz erwischt.“
„Habt ihr wieder trainiert?“
„Ja. Seit wir von B-King aufgebrochen sind, schlagen wir uns jeden Morgen einmal. Ich bin dadurch schon viel besser geworden“, sagte Ellie, während sie konzentriert Make-Up auftrug. „So, Schatz, die Ecke noch, dann ist alles wieder wie neu. Perfekt. Wäre ich ein Mann, könnte ich mich jetzt in dich verlieben.“
„Und wäre ich ein Mann, würde ich dich jetzt zur Arbeit jagen“, klang die Stimme von Spence auf. Der Kameramann fasste Carrie Rodriguez in den Rücken und drückte sie vor sich her.
„Hey, ich kann alleine gehen!“
„Und du kannst dich auch alleine verprügeln lassen. Für alles andere brauchst du anscheinend mich. Mylord, geben Sie uns bitte noch zwei Minuten.“
Arling lächelte. „Selbstverständlich, Spencer.“
Als die beiden im Presseraum verschwunden waren meinte der Kommodore: „Du weißt doch, dass Carrie dich dabei aufgenommen hat, als du ihr Auge abgedeckt hast? Das ist nicht gut für deinen Ruf als knallharte Karriereoffizierin.“
„Was denn, was denn? Für meine Karriere ist doch schon gesorgt.“ Sie trat vor Arling, legte ihre Arme um seine Hüfte und lächelte ihn an. „Immerhin schlafe ich mit meinem Boss.“
„Gutes Argument, Ellie.“ Arling stutzte. „Kein Kuss?“
„Schon vergessen, dass mich Magic Miranda ermahnt hat, meinen Vorgesetzten nicht während des Dienstes zu küssen? Du kriegst nachher einen, versprochen.“
Seufzend löste sich Arling aus ihren Armen. „Ich habe dein Ehrenwort als Offizier?“
„Mein Ehrenwort, Kommodore. Und ein Rend zieht nie sein Wort zurück!“
„Ich verlass mich drauf, Kapitänleutnant.“ Er lächelte. „Gehen wir.“

Die beiden traten auf die Bühne, auf der bereits die anderen Kapitäne der Flottille saßen, zudem Kommodore Griffin. Auf die Offiziere seiner Flottille hatten sie verzichtet, Arling wollte Aufnahmen von ihnen vermeiden, die sicherlich irgendjemandem in den Diadochen einen Vorteil ihm gegenüber bedeutet hätten.
Als Arling die Bühne betrat, beobachtete er nervös die Reaktion der Reporter. Die kaiserlichen Berichterstatter erhoben sich und klatschten leise Applaus. Auch einige der anderen ausländischen Presseleute schlossen sich dem an, standen aber nicht auf. Es dauerte nicht lange, vielleicht eine Minute.
„Meine Damen und Herren von der Weltpresse“, begann Arling ernst, „ich bedanke mich für ihr zahlreiches Erscheinen und heiße sie herzlich an Bord seiner Majestät Leichten Kreuzer RHEINLAND willkommen. Ich informiere sie alle hiermit darüber, dass jedermann die Gelegenheit hat, dieses Schiff zu verlassen, solange wir uns noch im System befinden. Dies für den Fall, dass ihnen der bevorstehende Einsatz der RHEINLAND und ihrer Begleitschiffe zu riskant erscheint. Diesen will ich nun darlegen.“
Hinter Arling erwachte der in die Wand eingelassene Schirm zum Leben. Ein System wurde dargestellt. Es war Munich, wie man an der grandiosen Zahl von vier Gasriesen problemlos erkennen konnte. Munich war eines jener Grenzsysteme, welche die Republik besetzt gehalten hatte.
Das Bild zoomte schnell vor auf die fünfte von achtzehn Planeten, Garching. Der Blick kletterte die Welt hinab, zeigte die Zerstörungen der Kämpfe, zeigte frische Gräber, arbeitende Krematorien, Kriegsgefangene und Verletzte, letzteres von beiden Seiten. Danach ging das Bild durch die Städte der Welt. Und dabei wurden auch die Wohnsiedlung großer auf Garching ansässiger Firmen gezeigt. Sie waren ausnahmslos verwaist oder stark unterbesetzt.
„Was sie im Hintergrund sehen ist Garching, die Hauptwelt des Munich-Systems. Auf ihr fanden einige der schwersten bodengebundenen Kämpfe statt, tausende Soldaten und zehntausende Zivilisten verloren ihre Leben als Garching erobert wurde und als wir es befreiten. Aber was wesentlich erschreckender ist, ist wohl die Tatsache, dass über vierhunderttausend Facharbeiter als Elektroindustrie, Stahlindustrie, Schiffsbau und artverwandten Berufen verschwunden sind.“
Die Presseleute raunten überrascht.
„Die Spezialisten des Kaisers rekonstruierten die Kämpfe beim Rückzug und bei der Wiedereroberung. Sie zählten akribisch Gefallene, Verwundete und Flüchtlinge. Dabei kam heraus, dass in den anderthalb Jahren, in denen Garching in der Hand der Republik Yura-Maynhaus war, eben jene vierhunderttausend Facharbeiter verschwunden sind. Es besteht natürlich immer noch die Möglichkeit, dass die Republik diese Männer, Frauen und Kinder während der Besetzung ermordet und in Massengräbern beigesetzt haben, oder sie noch einfacher in Fusionsreaktoren entsorgt haben, aber darauf weist bisher nichts hin. Im Gegenteil.“
Das Bild wechselte, zeigte ein zweites, ein drittes System. „Konot-System, Liberty-System. Zwei weitere von neun Welten, welche die Republik zwischen einem und anderthalb Jahren gehalten hat. Auch auf ihnen wurden Facharbeiter entführt. Oder während der Besetzung durch die Republik ermordet und anonym beigesetzt. Wir kommen damit an der Yura-Maynhaus-Front auf mindestens zwei Millionen kaiserlicher Bürger, die wahrscheinlich verschleppt wurden.
Nein, ich beantworte noch keine Fragen.
Ich bezweifle jetzt einfach mal, dass Yura-Maynhaus zwei millionen Menschen abschlachtet. Dafür ist ihr Militär nicht dumm genug. Dann bleibt aber nur zwei Varianten. Entweder lügen wir Kaiserlichen, oder diese Menschen wurden verschleppt.
Aufgabe dieser Flotte ist es, sie wiederzufinden.“
Nun hielt es niemanden mehr auf den Stühlen. Die Reporter sprangen auf, drängten nach vorne und bedrängten den Kommodore mit Fragen.
„Ich bin mit meinem Vortrag noch nicht fertig.“
Hinter ihm änderte sich das Bild erneut. Wieder wurden verschiedene Systeme gezeigt, Danzig, Dachau, Praha, Wien, Stuttgart und einige weitere. Wieder wurden hier auf den Hauptwelten leerer Wohnraum gezeigt.
„Auch auf den Welten, die Jemfeld erobert hat sind wir, so weit wie wir bisher vorgestoßen sind, auf verwaiste Wohnanlagen gestoßen, die zu großen Industrien gehören. Aber auf einer umkämpften Welt sind die Fragen offener als auf einer befriedeten Welt. Deshalb werden wir Jemfeld nicht der Entführung anklagen, bevor nicht eine ordentliche Untersuchung durchgeführt werden kann.
Auch Yura-Maynhaus werden wir diese Entführung nicht anlasten.“
Das Bild wechselte erneut und zeigte ein System aus acht Planeten. Einspielungen und Daten am Rand wiesen es als diadochisches System aus.
„Nachforschungen haben ergeben, dass die Entführung von Facharbeitern nicht von der Marine Yura-Maynhaus´ ausging. Es waren ihre Verbündeten von den Diadochen, die auf diese Weise an hochqualifizierte und kostenfreie Arbeitskräfte gekommen sind. Ich klage die Diadochen hiermit an, auf einer ihrer Hauptwelten, namentlich der Industriewelt Vesuv im Stabiae-System die entführten kaiserlichen Bürger als Zwangsarbeiter gefangen zu halten! Wir werden das beweisen, indem wir Vesuv anfliegen und unsere Landsleute suchen und finden!“
Diese Eröffnung ließ die Reporter verstummen. Erstaunt sahen sie den Kommodore an.
„Ihre Fragen, bitte!“
Der Rest ging in den sich überschlagenden menschlichen und nichtmenschlichen Stimmen unter, während kluge Reporter wie Carrie Rodriguez die Zeit nutzten, um erstens live aus dem Saal zu berichten und zweitens die Informationen von Arling zu kommentieren.
Daran, das Schiff zu verlassen, dachte in diesem Moment keiner der Journalisten.

__________________
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Angry Eagles

Corrand Lewis,
Clan Blood Spirit

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Für den Kaiser!

Episode zwei: Die Diadochen

Prolog:
Die Diadochen hatten sicher nicht die besten Erinnerungen an das Kaiserreich. Früher einmal unter den herkulanischen Herrschern war er der reichste, mächtigste und technisch fortschrittlichste Staat in der Region gewesen. Aber mit dem Machtkampf um den Königsthron und dem Zerfall in die Nachfolgerreiche vor zweihundert Jahren hatte auch eine Geschichte des Leidens begonnen, denn mehr als ein Nachbar hatte in dieser Zeit die verwundbaren Grenzsysteme angegriffen und erobert.
Das Kaiserreich war dabei keine Ausnahme gewesen, und Dutzende Welten hatten im Lauf der zwanzig Dekaden den Besitzer gewechselt. Die letzten unter ihnen waren noch von Frederec, dem vorigen Kaiser erobert worden. Auf diese Weise waren die Diadochen mehr und mehr zusammengeschrumpft, sodass sich irgendwann zwischen den verfeindeten Kleinstaaten zumindest eine rudimentäre Form von Zusammenarbeit etablierte, um wenigstens die Hyänen gemeinsam abzuwehren, die auf jede Schwäche der Diadochen lauerten.
Und in dieses gedemütigte, zerrissene ehemalige Großreich würde Arlings Flotte einbrechen.

1.
01.06. 2613
Kaiserreich Katalaun
Depotplanet Springe
Leichter Kreuzer seiner Majestät RHEINLAND

Als es an Arlings Tür klopfte, unterbrach der Kommodore nicht einmal seine Arbeit. Scharf klang seine Stimme auf, scharf und Befehlsgewohnt. „Herein!“
„Sir!“, klang eine Frauenstimme auf.
Arling sah zum Schott herüber. „Ah, Cochraine, kommen Sie rein. Nehmen Sie Platz. Möchten Sie etwas trinken?“
„Sir, ist das nicht etwas informell?“
„Solange keine Dienstgrade anwesend sind, brauchen wir nicht die hochnäsigen Offiziere zu mimen. Dann sind wir einfach nur dienstgleiche Kameraden. Also, Kaffee? Tee? Schnaps habe ich leider nicht an Bord.“
„Dienstgleiche Kameraden? Ich kommandiere keine Flottille.“ Sie nahm Platz. „Tee, Sir.“
Arling betätigte die Gegensprechanlage. „Julian, einen Kaffee, einen Tee. Ist schwarz in Ordnung, Capitaine?“
Sie nickte knapp.
„Also schwarz. Und pronto, Julian.“
„Kommt sofort, Sir.“
„Julian ist fix. Sie könnten eigentlich schon mal die Tür aufhalten“, scherzte der Kommodore.
„Das wäre ja Lichtgeschwindigkeit“, erwiderte Juliet Cochraine mit einem spöttischen Lächeln. Kurz darauf klopfte es.
„Herein.“
„Bitte um Entschuldigung“, sagte ein Oberleutnant und trug ein Tablett herein. Auf dem Tablett standen zwei Tassen. In der einen dampfte Kaffee, in der anderen hing ein Teebeutel in heißem Wasser. Dazu waren Milch, Zucker, Irima-Salz und Kandis verfügbar. Ein Teller mit kandierten Früchten rundete das Bild ab.
„Ich wusste jetzt nicht, was Sie gerne mögen, Ma´am, darum habe ich einfach mal alles mitgebracht. Sir, wie immer etwas Milch und Irima?“
„Danke, ich bediene mich schon selbst, Julian.“
„Sehr wohl. Ma´am, darf ich Ihnen eintun?“
„Ich trinke den Tee pur, danke, Oberleutnant.“
„Sehr wohl. Bitte rufen Sie mich, wenn ich abräumen kann.“
„Ich denke dran. Ach, und noch was, Julian. Haben Sie die Recherchen gemacht, die ich aufgetragen habe?“
„Ja, Sir. Ich habe die entsprechenden Dossiers auf Ihren Rechneranschluss hoch geladen. Es sind alle verfügbaren Daten über die Kreuzbruderschaft und vergleichbare Extremistengruppen enthalten. Ebenso sämtliche Gruppierungen mit christlicher Orientierung und dem Wort Kreuz im Namen. Außerdem habe ich die Recherchen über die Katalaun-Diadochen-Grenze vollständig angehängt.“
„Danke, Julian. Gute Arbeit.“
„Danke, Sir.“ Der junge Offizier strahlte den Kommodore an und verließ den Raum wieder.
„Er ist wirklich schnell“, stellte Juliet erstaunt fest.
„Aber hallo. Die Recherchen habe ich ihm vor einer halben Stunde aufgegeben.“
Arling widmete sich kurz seinem Arbeitsplatz und pfiff dabei anerkennend. „Er hat sogar die Dokumente, die er runter geladen hat, per Stichwort verlinkt.“ Der Kommodore sah auf. „Sie haben doch nicht wirklich geglaubt, Oberleutnant Kress wäre nur zum Kaffee kochen hier?“
„Der Verdacht lag nahe. Immerhin sind Sie Kommodore, Sir, und was ein richtiger Kommodore ist, hält sich auch einen Stern als Kammerjungen.“ Stern, das war der Mannschaftsslang für einen Offizier, wie die Streifen für einen Unteroffizier standen.
„Ich hasse es Talent zu verschwenden. Ich setze die Leute gerne nach ihren Fähigkeiten ein, und Julian Kress hat nicht nur eine sehr sorgende Art, die ihn zu meinem Adjutanten prädestiniert, er hat auch ein perfektes Gedächtnis. Das macht ihn für Recherchen nahezu perfekt.“
„Apropos Recherchen, soll ich die von Oberleutnant Kress zusammengetragenen Daten durchsehen?“
„Was wollen Sie denn damit, junge Dame?“
Verwirrt sah sie Arling an. „Sir, Sie haben mich doch angefordert, weil ich der Spezialist für die Diadochen bin. Also dachte ich, ich sollte die Recherchen von Julian – ich meine Oberleutnant Kress – auf inhaltliche Fehler prüfen.“
„Ach, so streut sich das Irima-Salz. Nein, an Ihrem Befehl hat sich nichts geändert. Ich will von Ihnen einen Überblick über die Diadochen jenseits der Grenze. Und wenn es geht einen Crashkurs bis hin nach Vesuv. Die Daten, die Julian zusammengetragen hat, betreffen unseren Teil der Grenze.“
„Sie informieren sich über Ihre eigenen Leute?“
„Es ist nicht alles Gold in der Marine, auch wenn alle Offiziere goldene Knöpfe tragen. Es gibt solche und solche, und es interessiert mich brennend, wer unser Kaiserreich so glorreich gegen die aggressiven Diadochen verteidigt.“
„Und Ihr Interesse an den Kreuzbrüdern?“
„Normalerweise mische ich mich in Innenpolitik nicht ein, Cochraine. Außer, es geht um Arling oder B-King. Aber manchmal kann ich leider nicht faulenzen und muss selbst etwas tun. Ich habe vor, über die Daten ein Memorandum zu schreiben und der internen Sicherheit meines Vaters zu zu schicken. Vor zwölf Jahren hatten wir mächtigen Ärger mit radikalen Moslems, und ich will nicht, dass es diesmal die Christen sind. Generell finde ich, dass Religion eine äußerst schlechte Entschuldigung für Mord und Chaos ist. Ach, und dann sind natürlich die Juden auch mal wieder dran, von den Buddhisten, den Taoisten und den Shintoisten ganz zu schweigen. Irgendwann kriegen sie wieder ihren Rappel und behaupten, sie wären eine verfolgte Minderheit und müssten sich durch Terrorismus oder aggressive Bekehrung wehren. Ich hasse diese billigen Ausreden.“
„Shintoisten, Bhuddisten? Sir, habe ich das richtig gehört?“
„In jedem System gibt es radikale Menschen, merken Sie sich das, Cochraine. Selbst der bhuddistische Glaube, der Gewaltfreiheit lehrt, kann korrumpiert werden, wenn es ein einzelner Mensch für nötig erachtet. Worte werden deshalb auf Papier geschrieben, damit sie schön biegsam bleiben. Ich persönlich kämpfe lieber aus politischen Gründen. Die kann man wenigstens wieder revidieren, wenn man falsch lag. Aber religiöser Fundamentalismus ist mir ein Übel. Ha, wusssten Sie, dass die Christen auch Gewaltfreiheit predigen? Es waren vor allem unsere Kaiser die sich zum Christentum bekannt haben, denen zum Beispiel Jemfeld und die Diadochen besonders schwere Zeiten verdanken.“
„Wenn ich Sie so reden höre, Sir, dann haben Sie Religion ganz schön gefressen. Glauben Sie denn an irgendwas?“, fragte Cochraine neugierig, während sie den Teebeutel entfernte.
Arling sah die Frau vor sich ernst an. „Ich glaube daran, dass ich ein Mann mit einer Hellebarde bin. Und mit dieser Hellebarde stehe ich vor dem Tor des großen Schlosses, das sich Kaiserreich nennt. Und dort stehe ich bei Wind und Wetter, Regen und Schnee und wehre mit der Hellebarde all jene ab, die denen weh tun wollen, die sich im Schloss befinden. Wenn Sie wollen, dann nennen Sie es von mir aus Arlings Religion.
Ansonsten… Meine Familie ist schon aus politischen Gründen säkularisiert. Alleine auf B-King gibt es neun Religionen mit fünfhundert Unterrichtungen. Würde sich der Herzog zu einer bestimmten Religion bewegen, würden die anderen aufschreien.“
„Verstehe“, kommentierte Cochraine amüsiert.
„Was uns wieder zu Ihnen bringt, Cochraine. Was wissen Sie über die Kommune Principe?“
„Die Kommune Principe? Komisch, dass Sie dieses Zwergreich erwähnen. Es hat ein Sonnensystem, das an der Grenze zum Kaiserreich liegt, aber das ist auch schon der einzige Berührungspunkt. Neun Systeme, volldemokratische Staatsform, die von einer überlichtschnellen Funkvernetzung gewährleistet wird, die Teilnahme an Entscheidungen ist für jeden Bürger Pflicht. Deshalb trägt auch jeder Bürger einen Minirechner bei sich, der in der Lage ist, sich selbst in einen Rechenknotenpunkt einzuwählen, der höchstens eine Lichtsekunde entfernt ist. Es lebe die Mikronisierung der Überlichtfunktechnik.“
Arling sah sie mahnend an.
„Tschuldigung, Sir. Wie gesagt, die Kommune ist urdemokratisch. Sie ist Mitglied im diadochischen Städterat und mit fünf Sitzen vertreten. Sie verfügt über etwas mehr als einhundert Kampfschiffe aller Klassen, von denen ein Drittel permanent in der Städterat-Flotte dient. Ein Drittel bewacht die Grenze nach Katalaun, und der Rest belauert die drei Nachbarn, die Republik Leth, das Fürstentum Argos und das Königreich Charybdis. Charybdis und Leth grenzen ebenfalls an Katalaun, Sir.
Ich dachte eigentlich, Sie wollen über eines dieser Reiche in die Diadochen eindringen, da sie mehr Fläche zu verteidigen haben.“
„Gute Analyse, Cochraine. Was können Sie mir noch über Principe sagen? Über welche Kampfroboter verfügen sie? Wie gut ist ihre Schiffsausbildung? Mit neun Systemen ist es eines der kleineren und mit hundert Schiffen eines der größeren Reiche der Diadochen. Kommen sie mit der Wartung der Flotte hinterher? Oder haben sie deshalb permanent ein Drittel an die Städteregierung verliehen, um nicht für die Wartung aufkommen zu müssen?“
„Etwas in der Art, wahrscheinlich.“ Sie nickte anerkennend und fuhr fort. „Der vorherrschende Kampfroboter ist der Hydrae, ein System welches dem Knight zehn zu eins unterlegen ist. Aber dafür führen sie sehr viel Hydrae ins Feld. Ein Schwarm Hydrae kann einem mittleren Knight-Piloten schon gefährlich werden.“
„Na dann sind wir auf der sicheren Seite. Ich habe nur gute bis sehr gute Knight-Piloten.“ Arling schmunzelte. „Das war ein Witz, Cochraine.“
„Ich gehe dann mal zum lachen in den Hangar, Kommodore.“
„Bleiben Sie lieber hier. Es sind zehn Minuten zu Fuß bis in den nächsten Hangar. Erzählen Sie mir lieber mehr über die Kommune. Wie ist sie Katalaun gegenüber eingestellt? Wir haben zwar eine gemeinsame Grenze, aber sie besteht nur aus einem System. Ich weiß zudem, dass wir die Kommune die letzten dreißig Jahre nicht angegriffen haben.“
„Wie man es nimmt. Durch den Städtebund ist natürlich immer Militär der Kommune involviert, wenn das Kaiserreich angreift. Ist das korrekt, wenn ich es so unverblümt sage, Sir?“
„Natürlich ist das korrekt. Es ist ja wahr.“ Arling faltete die Hände ineinander. „Feindliches Territorium?“
„Die ganzen Diadochen befinden sich mit uns im Krieg, Sir. Schon vergessen?“
„Dumme Frage. Danke, dass Sie mich darauf hinweisen.“
Cochraine runzelte die Stirn. „Allerdings ist unser Ziel… Sehr ehrenhaft. Und durch die Volldemokratisierung könnten wir ein kleines Wunder vollbringen. Wir müssten nur die öffentliche Meinung auf unsere Seite ziehen.“ Sie sah auf. „Ich glaube, ich verstehe. Niemand wird erwarten, dass wir durch die Kommune Principe in die Diadochen fliegen. Das ist unser Nadelör, mit dem wir reinkommen. Und die acht weit aufgefächerten Systeme garantieren uns viele Möglichkeiten, weiter zu kommen. Das wird sogar klappen, wenn die Kommunalität Principe sich demokratisch dazu entschließt, uns zu helfen.“
Arlings Augen verengten sich. War das der Anfang eines Schmunzelns? „Ich sollte Sie lieber verhaften lassen und für den Rest der Mission in den Bunker werfen. Sie sind mir ein wenig zu schlau und durchschauen meine Gedanken zu fix.“
„Sir!“, rief Cochraine konsterniert.
„Aber andererseits werde ich diese Fähigkeiten noch brauchen.“
Erleichtert, aber mit entgeisterter Miene, atmete Cochraine auf. „Erschrecken Sie mich doch nicht so, Sir.“
„Entschuldigung. Manchmal habe ich solche Momente. In der Psychologie nennt man sie Vorgesetztensadismus. Ich war ihm neulich auch ausgesetzt, als mir Magic Miranda weisgemacht hat, sie hätte mich zum Fähnrich degradiert.“
„Oh. Sie waren Fregattenkapitän, nicht wahr?“
„Ja. Und ich habe ihr sehr lange geglaubt.“ Arling seufzte schwer. „Ich sah meine Karriere schon den Gully runterlaufen.“
„Und jetzt sitzen Sie hier und kommandieren Ihre eigene Flotte und sind mit einer Mission betraut, die zwei Millionen Bürger des Kaiserreichs retten soll.“
„Ja.“ Arling sah sie ernst an. „Und ich habe eine Scheiß Angst davor zu versagen. Das hat genau zwei Millionen Gründe.“
„Ich denke, ich verstehe, Sir“, sagte Cochraine. Sie nahm einen Schluck Tee, stellte ihre Tasse wieder ab und fragte: „Und, warum beschäftigen Sie sich mit der Wache an der Diadochen-Grenze?“
Arling seufzte tief und schwer. „Kennen Sie das Gerücht, dass man in der Flotte nur aufsteigen kann, wenn man einen einflussreichen Namen, Geld im Hintergrund oder den richtigen Förderer hat? Das ist nicht richtig und auch nicht falsch. Man muss das „nur“ lediglich gegen ein „trotzdem“ austauschen, und schon macht alles Sinn.“
„Sie meinen…“
„Ich meine überhaupt nichts. Aber wenn ich nicht Kommodore Arling wäre, dann würde ich sagen, dass die Katalaun-Diadochen-Front eine der ruhigsten Ecken in diesem Krieg ist. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Diadochen uns angreifen ist relativ gering, von diversen Grenzscharmützeln abgesehen. Und die Wahrscheinlichkeit, dass wir angreifen ist nichtig, denn wir können unsere Linien nicht so ohne weiteres verschieben und dehnen, ohne die Front kollabieren zu lassen. Allein diese Flottille auszuheben war schon ein Kraftakt, der die Sicherheit vieler Welten des Reiches gefährdet.“
„Aber nicht automatisch ihren Fall bedeutet.“
„Sicher nicht in diesem Jahr, Cochraine. Aber im nächsten, im übernächsten… Irgendwann.“
„Das sind keine guten Prognosen, Sir“, erwiderte sie mit einer Spur von Ärger in der Stimme. „Und was sagt Ihre Analyse, die Sie getroffen hätten, wenn Sie eben nicht Kommodore Arling wären, über die Kapitäne an dieser Front aus?“
„Nun, ich würde mir dann Leute wie Großfürst Admiral Johannes von Baaden heraussuchen, Sektor-Admiral, und ich würde mich fragen, wie jemand mit achtunddreißig Lebensjahren einen solchen Rang erreichen konnte. Dabei mag sicherlich hilfreich sein, dass Baaden nicht nur die Sektorenzentralwelt ist und von ihr aus neunzig Systeme verwaltet werden, sondern diese Welten auch noch an der Grenze zu den Diadochen liegen.“
„Halten Sie, mit Verlaub, den Admiral für unfähig?“
„Nein, ich halte ihn für schlau. Er muss gute Leute haben, wenn er erstens das antiquierte Amt eines Großfürsten in der Familie behalten konnte und zweitens sein eigenes Reich mit der Flotte beschützen kann. Und drittens sitzt er an Bord seines Flaggschiffs, und nicht auf dem Thron seines Planeten.“
„Und das sagt uns was?“
„Das sagt uns, dass er die Situation sehr, sehr, ernst nimmt. Aber auch, dass er mit den Status Quo zufrieden ist. Er hasst Veränderungen.“
„Mit Veränderungen meinen Sie sicherlich den Übergang des still schwelenden Konflikts mit gelegentlichen Übergriffen nach der Kriegserklärung in einen offenen Kampf, der vor allem seine Welten betreffen würde, die bisher relativ unbeschadet davon gekommen sind.“
„Es ist etwas vielschichtiger, aber im großen und ganzen haben Sie Recht, Cochraine. Ich habe das dumme Gefühl, dass er uns nicht so ohne weiteres durchlassen wird“, brummte Arling missmutig.
„Aber Sir, wir handeln im Auftrag des Kaisers!“
„Auf diese Weise entstehen Revolutionen, Cochraine. Irgend jemandem ist etwas anderes wichtiger als das, was ihm eigentlich wichtig sein sollte.“ Arling nahm einen Schluck Kaffee. „Schon wieder Entkoffeinierter. Nächstes Mal trinke ich gleich Fleischbrühe.“
Als er den Blick der Söldnerin bemerkte, sagte Arling amüsiert: „Julian sorgt sich auch um meine Gesundheit. Er meint, die Flotte kann einem Kommandeur mit nervösem Magen nicht gebrauchen. Ich neige dazu, ihm Recht zu geben, aber ich verzichte so schwer auf meinen Kaffee.“
„Verstehe, Sir.“ Sie schmunzelte. „Bei mir ist es der Tee, Sir. Alle Sorten, vom Früchtetee über klassische Teeblätter bis zu allem, woraus ich mir einen Tee kochen könnte.“
„Dann müssen Sie mich unbedingt auf B-King besuchen, wenn wir hier fertig sind. Ich serviere Ihnen dann ein paar der Sorten, die auf meinem Kontinent angebaut werden. Es gibt auch noch ein paar Spezialrezepte für Dinge, die an Tee erinnern. Ich möchte aber nicht wissen, was wirklich drin ist.“
„Eine schöne Metapher für unsere Situation, nicht, Sir? Wir sehen den Großfürst von außen, aber wir wissen nicht, was in ihm drin ist.“
„Nett dargestellt. Und was soll mir das sagen, Cochraine?“
„Nun, Sir, ist er ein guter Mann? Ist dieser Großfürst von Baaden ein anständiger Kerl?“
Arling sah kurz weg, bevor er ihr wieder in die Augen sah. „Ich habe nichts schlechtes über ihn gehört. Er ist unauffällig in jeder Beziehung. Aber ich denke, Magic Miranda hätte ihn längst entfernt, wenn er seinem Posten nicht gewachsen wäre.“
„Dann ist er vielleicht zumindest anständig, Sir.“ Cochraine lächelte über den Rand ihrer Tasse hinweg. „Und wenn er anständig ist, dann lässt er uns durch.“
Arling nickte. „Wenn er anständig ist.“

Wieder nippte Arling an seiner Tasse, verzog angewidert das Gesicht und streute mehr von dem Arami-Salz nach. „Was uns zum nächsten Thema bringt. Gelingt uns der Durchflug durch die Kommune Principe, haben wir elf Lichtjahre von einhundertdreißig zurückgelegt. Wie kommen wir weiter?“
„Nun, Sir, für eine Schleichfahrt, wie Sie sie in der Republik abgehalten haben, ist unsere Flotte wohl mittlerweile etwas groß. Außerdem möchte ich hinzu fügen, dass wir vielleicht die öffentliche Meinung in der Kommune drehen können, in den anderen Reichen aber das Militär, nun, militärisch reagiert.“ Sie leerte ihre Tasse und ließ sich zufrieden zurück sinken. „Schöne Sorte.“
„Freut mich zu hören. Juliet, wir sind bestimmt nicht auf dem Weg nach Vesuv, um mit den Diadochern zu kuscheln. Hier und da darf es ruhig zu Kämpfen kommen. Aber wenn es geht, nicht gleich mit einer ganzen Flotte.“
„Das wäre schlecht für uns. Außerdem würde die internationale Presse den Tod ihrer Leute sicherlich übelnehmen, oder?“ Sie strich sich nachdenklich über ihr Kinn. „Wir könnten einen Gewaltsprung über dreißig Lichtjahre vollziehen. Das bringt uns durch das Skylla-Gebiet, ohne es betreten zu müssen, direkt nach Nisos Elektron. Das wäre einen Versuch wert. Erstens mag der Tyrann eine gute internationale Pressemeinung über sich und zweitens würde uns der sichere Durchflug auf fast dreißig Lichtjahre an das Stabiae-System, und damit an Vesuv, und auf zehn an den Europa-Pakt heran bringen, in dessen Zentrum die Industriewelt liegt.“
„Tyrann? Ich gebe zu, ich habe noch nicht alle Hausaufgaben gemacht.“
„Ein altes griechischen Wort für einen absolutistischen Herrscher. Nein, das ist so auch nicht richtig. Wie erkläre ich das? Der Tyrann wird für die Zeit von vier Jahren gewählt und hat in diesem Zeitraum volle Gewalt über Legislative, Judikative und Exekutive. Je besser der Tyrann, desto besser geht es Nisos Elektron, und der Tyrann hat gute Chancen, wiedergewählt zu werden. Eigentlich auch eine recht demokratische Staatsform, hätte der Tyrann nicht die weitreichensten Vollmachten in den gesamten Diadochen. Sie müssen wissen, Nisos Elektron, die Insel des Bernsteins, ist das drittgrößte Nachfolgerreich der Diadochen und hat an seinen Grenzen nur Schwesterstaaten. Diese haben während des Zerfalls der herkulianischen Dynastie einige Welten der Insel erobert. Damals war ein Mann an der Spitze mit weitreichenden Macht- und Entscheidungsmitteln notwendig, der vorteilhafterweise bitte auch noch militärisch vorgebildet war. Und ehrlich gesagt ist die Bedrohung trotz der Städteregierung nicht kleiner geworden. Im Gegenteil. Nisos Elektron ist wohlhabend, und deshalb ein lohnendes Ziel für die Nachbarn.
Umso wichtiger ist es für den Tyrannen zu zeigen, wie sicher er die Staatsgeschäfte in der Hand hat, wie gut ausgebildet sein Militär ist, wie sinnlos die Idee eines Angriffs wäre… Kurz und gut, unser Pressecorps, Sir, wäre ein gefundenes Fressen für ihn.“
„Hat dieser Tyrann auch einen Namen?“
„Theseus der Dritte, Sir. Man nennt ihn auch den Alexander der Bernsteininsel. Alexander ist ein alter griechischer Begriff für…“
„…einen Eroberer?“
Cochraine schmunzelte. „Für einen Beschützer, Sir. Wörtlich übersetzt bedeutet der Begriff Alexander: Einer der sich wehrt und andere beschützt. Theseus regiert bereits in der dritten Periode, und die nächste scheint ihm auch sicher zu sein. Wenn er also den Ehrentitel Alexander trägt, können Sie sich denken, wie zufrieden die Menschen mit ihm sind. Die Menschen und die Nymphen, die ebenfalls in seinen Hoheitsgebiet leben.“
„Okay, jetzt haben Sie mich erwischt. Diesen Begriff höre ich tatsächlich zum ersten Mal. Was sind Nymphen?“
„In der alten griechischen Sage waren die Nymphen ungeheuer zerbrechlich aussehende Frauengestalten von unglaublicher Schönheit, eine Art Naturgott von niedrigem Rang, die teils selbstständig auf der Erde wandelten und teils den zwölf Göttern des Olymps untertan waren. Sie waren ob ihrer Schönheit wunderbar anzuschauen, und weil sie mit ihren Körpern recht freigiebig waren, außerdem noch sehr beliebt.“ Verwirrt schlug Cochraine die Augen nieder. „Entschuldigen Sie, Sir, da sind wohl wieder mal die Pferde und der Geschichtskurs mit mir durchgegangen.“
„Schon in Ordnung. Ich lerne immer gerne dazu. Wollen wir dann zu unseren jetzigen Nymphen kommen?“
„Jawohl, Sir. Die Nymphen, die im Staatsgebiet der Bernsteininsel leben, sind Außerirdische. Sphärische Energiewesen, die ihr Äußeres an ihre Gesprächspartner anpassen. Deshalb hatte man sie bei ihrer Entdeckung mit den Nymphen gleich gesetzt. Sie haben eine sehr große Kultur, verfügen aber über keinerlei Technologie. Sie stehen unter dem Schutz der Nisos Elektron und ihrer Tyrannen, aber ich bin mir nicht sicher, ob sie diesen Schutz brauchen. In fünfhundert Jahren hatte es tausende Versuche gegeben, die Nymphen gegen ihren Willen auf andere Planeten zu bringen, aber sie sind alle gescheitert. Die Nymphen sind nicht ohne Grund sphärisch. Allerdings reisen sie gerne, weshalb man sie durchaus auf anderen Welten finden kann.“
„Eine große Kultur, sagen Sie?“, hakte Arling nach.
„Und uralt. Kennen Sie die Legende von den terranischen Ureinwohnern Australiens, den Aborigines? Angeblich hatten sie zwanzigtausend Jahre ihrer Geschichte ausschließlich in Gesängen über die Zeit gerettet. Ähnlich ist es mit den Nymphen. Nur sind es bei ihnen ziemlich genau dreiundvierzigtausend Jahre. Wir sind für sie im Moment nicht viel mehr als eine willkommene Abwechslung, und in ihrem Gedächtnis nicht viel mehr als eine Fußnote.“
„Interessant. Nicht nur alt, sondern auch noch weise. Ich glaube, die Nymphen gefallen mir.“
„Vorsicht, Sir, die Nymphen lieben es, die Menschen zu triezen und zu necken. Schon mehr als ein Mensch hat sich hoffnungslos in eines dieser Energiewesen verliebt, und das ist eine Liebe, die immer unerfüllt bleibt, denn Nymphen binden sich nicht an einen Ort oder eine Person.“
„Oh, das macht nichts. Ich habe meine eigene Nymphe dabei“, erwiderte Arling schmunzelnd.
Für eine Sekunde entgleisten die Gesichtszüge der schönen Frau. Doch sie fing sich schnell wieder und murmelte: „Wow. Ich wünschte, das würde mal jemand über mich sagen. Kapitänleutnant Rend ist eine unglaublich glückliche Frau.“
„Noch nicht. Aber sie wird es werden“, versprach Johann Arling mit Nachdruck in der Stimme.
Die beiden schwiegen sich einige Zeit an, bevor Cochraine erneut ein beeindrucktes Wow hören ließ.
„Zurück zum Thema, Juliet“, sagte Arling hastig. „Der Tyrann steht also auf eine gute Presse?“
„Ja, Sir, das tut er. Und wir können ihm dazu verhelfen, wenn Sie sich etwas überwinden, und sich mit ihm zeigen, gemeinsame Erklärungen verfassen und dergleichen. Sie sind gerade sehr populär, und ich fürchte, diese Popularität wird spätestens dann die Decke durchschlagen, wenn es uns gelingt – wenn es Ihnen gelingt, die Kommune Principe zu überzeugen, uns kampflos passieren zu lassen. Eine solche Gelegenheit wird er nicht verstreichen lassen.“
„Sie sind sich da sehr sicher. Kennen Sie den Tyrann persönlich?“
„Ich habe im Rahmen meiner Geheimdiensttätigkeit für die Gryanen die verschiedensten Kontakte. Diese können mir Daten besorgen, die weit über das hinaus gehen, was die Presse veröffentlicht. Deshalb denke ich, ich kann mir ein präzises Bild von Theseus dem Dritten machen, und dieses Bild sagt, dass er Sie, und Sie ihn benutzen können.“
„Das ist doch wenigstens mal ein Ansatz. Noch einen Tee, Juliet?“
„Danke, ja, Sir.“
„Julian, noch Tee für den Captain.“ „Kommt sofort, Kommodore.“
„So, und jetzt lassen Sie uns über den Europa-Pakt plaudern, Juliet.“
***
„Conrad, wie lange sind Sie schon Oberleutnant?“
Der Angesprochene wandte sich von seinem Platz halb um. Er sah seinen Kapitän mit ausdrucksloser Offiziersmiene an. „Ma´am?“
Eleonor Rends Blick ging über die kleine Zentrale ihrer Fregatte REDWOOD. Dreißig Personen, sie eingeschlossen, arbeiteten hier während einer Normschicht, darunter sie selbst, und manchmal auch ihr Erster Offizier.
„Ich würde gerne wissen, wie lange Sie schon Oberleutnant sind.“
„Entschuldigen Sie, Ma´am, ich habe einen Moment nicht aufgepasst.“
Rend unterdrückte eine scharfe Erwiderung, denn der Mann hatte sehr wohl aufgepasst. Nämlich auf seinen Job, die REDWOOD auf Kurs und im Formationsflug mit neun anderen Schiffen zu halten. Ihre Zwischenfrage war die eigentliche Störung gewesen. Und eigentlich auch noch eine unnötige, denn das Dienstalter ihres neu zugeteilten Ersten Offiziers konnte sie jederzeit aus seiner Dienstakte erfahren.
„Neun Monate, elf Tage, Ma´am.“
Eleonor Rend nickte leicht. Das hatte sie erwartet. Der Mann war ebenso wie sie ein sogenannter Star, ein Offizier, der seinen derzeitigen Rang ungewöhnlich früh erreicht hatte. Tapferkeit vor dem Feind, Dienst über das Maß hinaus, Dienst an seinem Kapitän in Gefechtssituation über das Maß hinaus, sie hatte einiges in seiner Dienstakte gelesen. Nur nicht sein Alter und sein Dienstalter. Es juckte ihr in den Fingern zu fragen, aber sie beschloss, nachher selbst in der Akte nachzusehen. Auf den ersten Blick wirkte der Oberleutnant wie zwanzig, und das war für einen Offizier, der notfalls das Schiff kommandieren musste, ein sehr junges Alter.
„So, so. Und Sie fühlen sich Ihrer Aufgabe gewachsen, Conrad?“
„Natürlich, Ma´am. Sonst hätte ich mich nicht hierher versetzen lassen.“
Seine Antwort war trocken. Aber bestimmt war er hinter den Ohren noch etwas feucht, wenngleich das Kampagnenband des Arkturus-Feldzugs auf seiner linken Brust etwas anderes behauptete. An dieser Schlacht konnte der junge Mann aber bestenfalls als Fähnrich teilgenommen haben.
„Gute Antwort“, erwiderte sie und erlaubte sich ein Lächeln.
Für einen Augenblick lächelte der Blondschopf zurück, doch dann konnte sie regelrecht sehen, wie er die Kiefermuskeln anspannte, um zu seiner üblichen ausdruckslosen Miene zurückzukehren. Wahrscheinlich hatte er ein wenig Angst, wegen seines geringen Alters nicht ernst genommen zu werden und spielte deshalb den Verbissenen.
„Ich frage deshalb, weil Kommodore Arling mir augetragen hat, einige Offiziere aus meiner Crew auszusuchen, die als mögliche Kommandeure von Prisenschiffen in Frage kommen. Sie wissen, dass wir mit einem Personalüberschuss von vierzig Prozent ausgestattet sind. Das schließt leider die meisten Offiziersränge nicht mit ein. Wir müssen dann nehmen, was wir kriegen können. Und dann sollten es auch die besten sein. Würden Sie sich dieser Aufgabe gewachsen fühlen?“
„Ma´am, ich wäre bereit, einen Kreuzer zu kommandieren“, versetzte der Oberleutnant trocken.
„Nicht so gierig, Oberleutnant Strater. Den Kreuzer würde ich übernehmen und Ihnen lieber die REDWOOD überlassen“, versetzte sie mit einem sardonischen Lächeln.
Wieder sah sie eine Gefühlsregung bei dem jungen Mann. Er schmunzelte tatsächlich für ein paar Sekunden, bevor er sich dieser Gefühlsregung bewusst wurde und sie unterband.
„Natürlich, Ma´am.“
„Und? Wen schlagen Sie als Ihren Stellvertreter vor?“
„Ma´am?“
„Na, ich kann ja wohl schlecht ohne Ersten Offizier fliegen, Conrad.“
Der schlanke blonde Mann legte den Kopf schräg und dachte einen Augenblick nach. „Ich sehe keine Probleme dabei, in so einem Fall den Dritten Offizier, Leutnant Renate Steinhauer, zum Eins O zu befördern.“
„Leutnant Steinhauer? Was ist mit Leutnant Rütli?“
„Die würde ich gerne als meinen Eins O mit auf die Prise nehmen. Auf einem unterbesetzten Schiff brauche ich fähige Offiziere und Unteroffiziere. Und da ich beides nicht in rauen Mengen haben kann, käme mir Jeannette schon recht, Ma´am.“
„Das haben Sie sich ja fein ausgedacht. Und mit Leutnant Steinhauer kommen Sie nicht so gut zurecht, Conrad?“
„Nein, das hat rein praktische Erwägungen, Ma´am. Sie sind unsere erfahrenste Offizierin. Ich und Leutnant Rütli haben eine mittlere Erfahrung, während Leutnant Steinhauer nicht nicht sehr dienstalt ist. Ein erfahrener und ein mäßig erfahrener Offizier und zwei mittel erfahrene Offiziere stellen eine bessere Aufteilung dar, als ein mittel erfahrener Offizier mit einem mäßig erfahrenen Offizier, wenn auf der anderen Seite ein Kapitänleutnant und ein mittel erfahrener Offizier stehen.“
„Das ist eine gute Analyse. Aber was bewegt Sie dazu zu glauben, ich würde nicht egoistisch sein und die besten Leute für die REDWOOD behalten und Ihnen mitgeben, was ich leichter entbehren kann?“
Nun grinste der Blondschopf wirklich. „Weil Sie Ihren besten Mann als Prisenoffizier in Betracht ziehen.“
„Gute Antwort“, erwiderte Rend mit einem breiten grinsen. Ein anderer Kapitän hätte ihn vielleicht gerügt, aber Eleonor war ein Kind von Arlings Schule, und die förderte die Selbstständigkeit. Und der Bengel da war selbstständig. Was er darüber hinaus taugte, würde die Zeit zeigen. „Weitermachen, Conrad.“
„Ma´am.“
***
„Signal vom Flaggschiff, Commodore. Flotte klar zum Sprung.“
Coryn Griffin nickte geistesabwesend. „Bestätigen Sie, Lydia und geben Sie das Signal an die Flottille weiter.“
„Aye, Sir.“
Als Offizier war Coryn mit dieser Lösung nicht zufrieden, aber er verstand durchaus Arlings Beweggründe, die Gryanen – die falschen Gryanen – in ihrer eigenen Struktur zu lassen, anstatt die zehn Schiffe zu einer Einheit zu integrieren. Das war zu diesem Zeitpunkt einfach nicht möglich. Und wenn er seine Gelegenheit bekam, zu zu schlagen, wurde es vielleicht niemals möglich. Coryn musste zugeben, dass dieser Gedanke etwas bedauernswertes hatte. Seine Rolle ans Anführer der Gryanen erforderte, dass er sich mit Arling anfreundete. Leider war es auch der Republik-Offizier, der zunehmend Gefallen an dem Kaiserlichen fand. Dennoch, er war Offizier, und er hatte einen Auftrag. Und weder er noch seine Leute würden zögern, ihn auszuführen. Wenn sie nur ihre Gelegenheit bekämen.
***
„Alle Einheiten melden Klar Schiff zum Sprung, Sir“, meldete Arlene Schlüter. Erwartungsvoll sah sie Arling an.
Der große Mann mit den angegrauten Schläfen nickte ernst. „Starten Sie den Sprungcountdown, Kapitän Schlüter.“
„Aye, Aye, Sir. Sprungcountdown starten!“
Eine Computerstimme verkündete im ganzen Schiff den bevorstehenden Sprung und löste damit eine letzte, hastige Überprüfung aller gefährdeten Systeme aus. Außerdem wurde die Sicherung der Ladung erneut überprüft. Dazu gehörten auch die Knights und die Ausrüstung der Infanteristen.
„Keine Alarmmeldung“, gab der Erste Offizier Andreas Lüding bekannt. Bis zu zehn Sekunden vor dem Sprung konnte jeder Abteilungsleiter den Abbruch verlangen, um plötzlich aufgetretene Probleme handhaben zu können. Das wurde ihm oder ihr normalerweise nicht übel genommen, wenn es hin und wieder geschah. Viel schlimmer war es, das Problem mit auf den Sprung zu nehmen, wenn das Schiff blind, taub und gefühllos war.
Schlüter sah auf den Countdown, auf dem die letzten Sekunden herab liefen. „Sprung.“
„Aye, Aye. Sprung, Sprung, Sprung!“
Der Pilot aktivierte eine Sensorleiste, der vorgewärmte Sprungantrieb erwachte zum Leben und vor ihnen verzerrte sich die Raumzeit. Die RHEINLAND sprang als erste. Das war nicht unbedingt üblich, aber auf kaiserlichem Gebiet brauchten sie keine Scouts vorweg zu schicken. So schlimm war die Situation für die Flotte noch nicht.
Der Raumzeitriss nahm die RHEINLAND auf und verschluckte sie in einem substanzlosen grauen Korridor, ein Kontinuum ohne Anfang und ohne Ende. Nun flog das Schiff mit mehrfacher Lichtgeschwindigkeit seinem Ziel zu, dem Löwen-System mit der Zentralwelt Braunschweig in siebenundzwanzig Lichtjahren Entfernung. Danach erfolgte eine Etappe nach Masuren im Thüringer System, diesmal über einunddreißig Lichtjahre, am direkten Ende der Leistungskapazität, und schließlich der letzte Sprung nach Grenada im Balthasar-System in neunzehn Lichtjahren Entfernung.
Sie würden beim Flug einen leichten Rechtsbogen schlagen, aber dafür nur noch einen Sprung von der Kommune Principe entfernt sein. Alles in allem eine Abkürzung von über dreihundert Lichtjahren. Arling konnte verstehen, dass Griffin sich für diese Variante entschieden hatte.
„Sprung ist geglückt. Wir befinden uns in der Raumzeit-Fraktur. Voraussichtliche Verweildauer ist drei Stunden, elf Minuten und jetzt noch vier Sekunden.“
Schlüter nickte bestätigend. „Entwarnung für das Schiff. Freiwache für das Schiff. Wir ziehen bis zwanzig Minuten vor Sprungende alle Mann von den Stationen.“
„Aye, Aye, Ma´am.“ Lüding wandte sich seinem Signalgast zu. „Louis, geben Sie Signal Blau.“
Sekunden darauf scholl das rhythmische, wenngleich nicht sehr melodische Pfeifen des Signalgasts aus den Lautsprechern überall an Bord des Schiffs. Signal Blau – Blau wie blaumachen – zeigte an, dass alle Besatzungsmitglieder, ausgenommen die Notfallbesetzung, auf Freiwache war. Während eines Raumsprungs konnte das Schiff nichts orten, nichts senden, nichts empfangen, deshalb empfahl es sich, die Mannschaft nach einem erfolgreichen Sprung ausruhen zu lassen. Man konnte nie wissen, was sie am anderen Ende des Raumzeitriss erwartete.
Manche Kapitäne benutzten diese Zeit auch für Trainingseinheiten und zusätzliche Lehrstunden, aber Arling und Schlüter waren der Meinung, dass dies bei der derzeitigen Mannschaft der RHEINLAND nicht notwendig war. Auch wenn viele neue Offiziere und Mannschaften an Bord waren, so war sie doch schon recht gut eingespielt. Aber erst eine echte Kampfsituation würde zeigen, wie gut die Mannschaften, die Unteroffiziere und die Offiziere wirklich waren und wie sehr sie bereits als Einheit agierten.

„Kommodore, ich melde mich wie befohlen“, klang neben Arling eine Frauenstimme auf.
Der Graf sah zur Seite und nickte. „In mein Büro, Oberst Ganth.“ Er erhob sich vom Admiralssitz und nickte Schlüter zu.
„Admiral verlässt das Deck!“, sagte sie scharf. „Dies ist die letzte derartige Meldung, ausgenommen in Kampfsituationen.“
„Aye, Aye, Ma´am!“
Arling nickte zufrieden. Übertriebenes Brimborium ging ihm einfach gegen den Strich, und die Besatzung der Zentrale permanent salutieren zu lassen, weil er oder Lenie rein- oder raus gingen war doch kontraproduktiv für die Arbeit, die geleistet wurde. In einem Gefecht jedoch mussten die Leute immer wissen, auf wessen Befehle sie gerade hörten.
Arling öffnete die Tür zum Vorzimmer. Das reichte für Julian Kress, um aufzuspringen und seinerseits die Bürotür für den Kommodore und die Frau Oberst offen zu halten. „Kaffee, Sir?“
„Gerne, Julian.“
„Ma´am?“
„Danke, ja. Schwarz, bitte.“
„Kommt sofort.“
Einladend deutete Arling auf einen der Besucherplätze und nahm selbst hinter dem Schreibtisch Platz. „Setzen Sie sich, Oberst. Es könnte etwas dauern.“
„Danke, Sir.“
In ihren Augen stand Neugier, aber ihre Miene war starr wie bei einer Wachspuppe.
Sekunden darauf trat der Oberleutnant ein und servierte Kaffee für die beiden Flaggoffiziere.
„Darf es sonst noch etwas sein?“
„Ein paar Minuten Ruhe, Julian.“ Arling warf Ganth einen abschätzenden Blick zu. „Dreißig Minuten.“
„Aye, Sir.“
Kress verließ das Büro und schloss hinter sich die Tür mit der Endgültigkeit eines Sargdeckels.
Arling faltete die Hände ineinander, stützte die Ellenbögen auf der Tischfläche an und sah zu ihr herüber. „Ich würde mit Ihnen gerne über einiges sprechen, Oberst Ganth. Wissen Sie, einiges auf Springe ist nicht zu meiner Zufriedenheit gelaufen, und ich würde jetzt gerne die Situation aus Ihren Augen sehen, um mir eine abschließende Meinung zu bilden. Wissen Sie, ich schätze einen besonderen Stil bei meinen Offizieren sehr, und der ist…“
Ganth hüstelte verlegen. „Es war in unserer Freizeit, Sir. Und es war sehr heiß an dem Abend.“
„Was, bitte?“
„Das soll keine Ausrede sein, Sir, bestimmt nicht. Ich wollte lediglich ein paar Fakten klar stellen. Es ist auch nichts weiter passiert. Ich habe lediglich mit Major Madison geflirtet, und meine extrem kurze Freizeitkleidung war der Abendhitze der Äquatorregion von Springe geschuldet.“
Arlings Mundwinkel zuckten. „Reden Sie weiter, Cecilia.“
„Ich weiß selbst, dass ein weißer Mini und ein abgeschnittenes Shirt nicht gerade Offiziersbekleidung sind. Aber wie ich schon sagte, es war sehr heiß.“
„Und Sie waren zusammen mit…?“
„Major Russel, Oberstleutnant Steyer, Korvettenkapitän Harris, Korvettenkapitän Myrte, sowie Major Madison.“
„Waren die ebenso leger gekleidet?“
„Nun, Major Russel trug einen schwarzen Faltenrock und ein schwarzes Top, was durchaus irgendwie militärisch aussieht, aber die Herren waren etwas mehr bedeckt, mit kurzen Hosen und Hemden oder Shirts. Und ich versichere Ihnen, dass weder Major Russel noch ich mehr getan haben, als sich verbal mit den Herren zu vergnügen. Major Madison ist ein eloquenter Gesprächspartner und…“
„Ich glaube, ich erlöse Sie lieber, bevor es peinlich für Sie wird, Cecilia. Was Sie im Terminal A4 getan und getragen haben, sobald Sie außer Dienst waren, geht mich nichts an. Obwohl ich zu gerne ein Bild von ihnen sechs gesehen hätte“, sagte Arling mit einem Schmunzeln. „War sicherlich ein schöner Anblick. Ob ich meine Verlobte auch in so eine Bekleidung bekomme? Es muss wohl nur heiß genug sein.“
Ganths Wangen röteten sich nachhaltig. „Sir, da habe ich wohl…“
„Etwas erzählt, was Sie gar nicht mussten, richtig. Dachten Sie, ich tadele Sie, weil Sie noch immer wissen, dass Sie eine Frau sind? Heben Sie sich das nur für die Freizeit auf, und wir beide haben kein Problem miteinander.“
„Verstanden, Sir. Oh, ich bin so ein Idiot. Entschuldigen Sie, aber nachdem Major Madison seine Hand unter…“
„Sind Sie sicher, dass Sie weiterreden möchten, Oberst Ganth?“, mahnte Arling schnell. „Oder sind Sie sich nicht mehr sicher, ob es wirklich nur ein harmloser Flirt war?“
„Sir, Sie haben mich einfach nur kalt erwischt. Mein Regiment führe ich anders, das verspreche ich Ihnen. Normalerweise bin ich direkt dem Kaiser unterstellt und führe eine Elitetruppe, deren Qualifikation außer Frage steht. Ich selbst sehe mich auch als Teil der Elite der Infanterie. Eigentlich.“ Das letzte Wort hatte sie etwas kleinlaut ausgesprochen.
Arling konnte nicht anders, er musste lachen. „Ich glaube, ich muss mich bei Ihnen entschuldigen. Ich hätte Sie unterbrechen müssen als ich merkte, in welche Richtung Ihr Monolog führen würde. Ich gebe zu, ich habe sehen wollen, wie Sie ticken. Und ehrlich gesagt gefällt mir der Mensch hinter den Abzeichen. Aber seien Sie vorsichtig bei Jaime Madison. Er ist durchaus bereit ein paar Risiken einzugehen um zu kriegen was er will.“
„Eine gute Eigenschaft für einen Knight-Piloten“, erwiderte die Oberste ernst. Etwas zu ernst.
Arling grinste sie burschikos an. „Damit sind wir eigentlich wieder beim Thema. Sie wissen, dass Sie in riesengroße Fußstapfen treten? Major Conway und sein Stellvertreter Hauptmann Ganther haben ein hervorragendes Bataillon Marine-Infanterie angeführt. Sie haben mich, meine RHEINLAND und die Crew sicher durch halb Yura-Maynhaus gebracht. Ich bin froh darüber, dass ich für diese Mission fünf Bataillone Marine-Infanterie zur Verfügung habe, und dies sogar mit der Empfehlung des Kaisers, aber ich verzichte ungern auf bekannte Gesichter. Sie werden – Elite hin, Elite her – mir beweisen müssen, dass Sie Conway und Ganther vollwertig ersetzen können, ja, sie noch übertreffen. Und jetzt nehmen Sie mal nen Schluck Kaffee bevor er kalt wird.“
„Ja, Sir.“
„Was ich von Ihnen erwarte ist hervorragende Leistung, perfekte Menschenführung und bedingungslosen Einsatz.“
„Sie sprechen gerade meinen zweiten, dritten und vierten Vornamen aus, Sir.“
„Hm. Wir werden sehen.“
„Wenn Sie so große Stücke auf Major Conway gehalten haben, Sir, warum haben Sie ihn dann ziehen lassen?“
„Blieb mir eine andere Wahl? Der neue Infanterie-Kommandeur soll drauf bestanden haben, weil er sein Regiment trainierter Elite-Infanteristen nicht hatte aufteilen wollen. Und der Kaiser hat Thomas Conway persönlich nach Sanssoussi befohlen, damit er und seine Männer ihre Erfahrung aus dem Einsatz in Yura-Maynhaus an die Soldaten des Kaisers weitergeben können.“ Arling lächelte, als er Ganth direkt in die Augen sah. „Deshalb bin ich nicht wirklich böse mit dem Infanterie-Offizier. Aber ich dachte, es schadet nichts, wenn ich gleich zu Anfang meinen Standpunkt und meine Erwartungen klar mache. Werden meine Erwartungen erfüllt, Cecilia?“
Ein Schmunzeln huschte über ihr Gesicht. „Sie werden übertroffen, Sir. Darauf haben Sie mein Wort als Offizier.“
„Das höre ich gern.“ Arling betätigte die Gegensprechanlage. „Julian, noch einen Kaffee.
Und jetzt würde ich gerne etwas über Ihre Offiziere hören, Cecilia. Dafür haben wir noch gut drei Stunden Zeit.“
„Gerne, Sir.“

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Clan Blood Spirit

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2.
01.06.2613
Kaiserreich Katalaun
Balthasar-System
Leichter Kreuzer seiner Majestät RHEINLAND

Die Uhren der offiziellen Flottenzeit zeigten noch dreizehn Minuten und elf Sekunden vor Beginn des neuen Tages an, als Arlene Schlüter ihre Freiwache auf die Posten rief. Das Balthasar-System war bereits Grenzland. Schwer verteidigtes Grenzland, um genau zu sein. Der Planet Granada, fünfte Welt von elf, diente dem Kaiserreich als Flottenbasis, Nachschublager und Rückzugsraum. Dabei spielte sich der meiste Verkehr auf den drei Monden ab; die kleine Agrarwelt mit der eher schwachen Bevölkerungsdichte wurde vom Militär weitestgehend verschont, wenn man mal von ein paar Raumhäfen, Werften und den üblichen Garnisonen absah. Von hier aus koordinierte der Sektoradmiral die Verteidigung von acht Grenzwelten. Außerdem die weitere Verteidigung des Hinterlands, bis zur Sektorenwelt Baaden.
Und für Arlings zehn Schiffe würde das System zum Absprungpunkt in die Kommune Principe werden, wenn alles so funtkionierte, wie es sich der Kommodore ausgemalt hatte.
Für Schlüter gab es keinen Grund, an ihrem Vorgesetzten zu zweifeln. Der Mann war erfahren, gewitzt und hatte grundsätzlich einen Notfallplan in der Tasche. Außerdem neigte er dazu, sich sehr schnell auf neue Situationen einzustellen.
„Lüding, kommen Sie doch bitte mal her“, sagte Schlüter ein wenig geistesabwesend, als ihr Stellvertreter die Brücke betrat.
Der Kapitänleutnant, schon auf dem Weg zu seinem Platz neben dem Piloten, sah herüber, nickte und trat neben seinen Skipper. „Ma´am?“
„Ich habe vorhin mit dem Kommodore gesprochen“, sagte sie leise, fast schon im Flüsterton. „Fakt ist, dass Sie einen verdammten Leichten Kreuzer kommandieren müssen, wenn mir was passiert. Kommodore Arling hat nicht die Zeit, eine Flotte zu leiten und ein Schiff zu führen. Aber mit einem Rang wie Kapitänleutnant ist so ein Amt nicht zu rechtfertigen.“ Schlüter sah ihren direkten Untergebenen aufmerksam an. „Sie wissen, dass einige der neu an Bord gekommenen Offiziere, die in den verschiedensten Sektoren an Bord dienen, höhere Ränge haben als Sie?“
Lüding versteifte sich. „Ma´am.“
„Kurz und gut, der Kommodore hat mir zugestimmt, Sie bei der nächstbesten Gelegenheit zum Korvettenkapitän zu befördern. Ich hoffe, Sie fühlen sich dann mit Ihrer Aufgabe auch ein wenig wohler, Lüding.“
„Das… Das ist… Natürlich, Ma´am.“
„Gut. Und jetzt auf Ihren Posten. Wir verlassen den Sprung gleich.“
„Aye, Ma´am!“
Arling gähnte hinter vorgehaltener Hand, als er die Brücke betrat. „Ich komme gerade rechtzeitig, hm?“
„Nein, du kommst zu spät. Ich habe es Andreas gerade gesagt. Hat gestrahlt wie die Schneekönigin.“
„Er hat es verdient. Alles was er braucht“, brummte Arling und schnallte sich in seinem Admiralssitz fest, „ist eine verdammte Bewährung. Und davon sollten wir in nächster Zukunft mehr als genügend haben.“
„Rücksturz in einer Minute“, meldete Lüding.
„Signalgast, klar Schiff zum Verlassen des Sprungs.“
„Aye, Ma´am!“
Kurz darauf erklang das Trillern der Signalpfeife über die internen Lautsprecher und forderte von den Mannschaften und Offizieren erhöhte Aufmerksamkeit. Es war noch keine Gefechtsbereitschaft, aber nahe dran. Eine übliche Vorsichtsmaßnahme, wenn man ein Grenzsystem ansprang.
„Fünf… Drei… Eins… Sprungende!“

Das grau des Raumzeitriss verschwand und machte dem Schwarz des Weltalls und dem goldenen Licht der Sterne Platz.
Und von einer Sekunde zur anderen änderte sich alles.
„Eingehende Ortung! Waffenfeuer in drei Lichtsekunden Entferung, drei Strich Backbord, neun über Horizont! Wir sind nicht das Ziel, ich wiederhole, wir sind nicht das Ziel!“, rief der Ortungschef. „Eingehende Ortung! Vier, fünf, sechs, sieben Kampfschiffe, fünf Fregatten, zwei Zerstörer! Keine Identifikation möglich!“
„Eingehender Funk. Korvette MADELEINE funkt um Hilfe! Eingehende Transponder! MADELEINE identifiziert! Sieben Kampfschiffkontakte identifiziert! Schiffe sind bekannt als diadochische Einheiten!“
„Geht es etwas genauer?“, blaffte Schlüter.
„Waffenfeuer streut die Ortungsdaten, aber wir bleiben dran, Ma´am!“
„Antworten Sie der MADELEINE! Wir kommen ihr zu Hilfe! Klar Schiff zum Gefecht!“
Arling räusperte sich. „Flotte klar zum Gefecht. HOUSTON und RHEINLAND übernehmen die Mitte. REDWOOD, CALAINCOURT und die MILFORD übernehmen die linke Flanke, Standardformation für einen Umschließungsangriff. JULIET, ROCKET und STONEWALL die rechte Flanke, Standardformation für einen Umschließungsangriff. RICHMOND und OTHELLO bleiben bei den Kreuzern! Knights und Rüster starten! Rüster decken die Schiffe, Knights attackieren den Gegner!“
„Aye!“
Die kleine Flotte reagierte augenblicklich. Die leichteren Schiffe folgten den beiden Zerstörern, als diese an der HOUSTON und der RHEINLAND vorbei zogen. Zugleich schossen die Schiffe erste Raketen und weitreichende Partikelkanonen ab, während die Katapulte Kampfroboter auf Kampfroboter ausspien. Die Rüster der Gryanen flogen dabei dicht bei der Flotte oder landeten sogar auf den Schiffen, während die Knights voraus flogen.
„Einsatz für die Ninjas, Sir?“
„Negativ. Kein Einsatz für die Ninjas. Was macht die Identifikation der Feindschiffe?“
„Transponder-Daten wurden identifiziert! Es sind Argonauten, Sir! Die beiden Zerstörer sind die HERAKLES und die PERSEUS, beide Agrippa-Klasse! Die fünf Fregatten sind die APOLLON, die HEPHAISTOS, die LYDIA, alle Yggdrasil-Klasse sowie die JASON und die HAMBURG, beide Theben-Klasse! Gegnerische Einheiten haben Hydrae und Enterfähren ausgeschleust!“
„Einsatzbefehl für Oberst Ganth und ihre Leute.“ Arling deutete herrisch auf die sieben Diadochen-Schiffe auf dem Ortungsschirm. „Ich will diese Schiffe haben!“
Einige Besatzungsmitglieder der Brückencrew wechselten ein Grinsen aus. „Aye, Sir!“
***
Griffin grinste wild, als ein leichtes Beben durch seinen Sessel ging. Die Reaktoren wurden auf höhere Leistung gefahren, um den ungeheuren Bedarf der Frontpartikelkanonen zu sättigen. Der Schuss selbst erfolgte ohne Begleiterscheinungen, wenn man mal davon absah, dass die beiden Frontkanonen der HERAKLES die Frontschirme auf dreißig Prozent Leistung runterrissen. „Und Sie haben keinen Streit mit dem Fürstentum Argos?“, vergewisserte sich Griffin noch einmal bei Capitaine Cochraine.“
„Keinen Streit, Sir, aber auch keine Wirtschaftskontakte und dergleichen. Für uns sind sie relativ uninteressant, und auch im Städterat sind sie eher schwach vertreten. Es macht also nichts, wenn wir diese Schiffe zerstören oder entern.“
Die Augen des Commodores verengten sich zu Schlitzen. „Arling hat sicherlich entern vor. Captain Stiles, ich will, dass unsere Infanterie wenigstens einen der beiden Zerstörer besetzt, sobald dessen Schilde unten sind. Wäre doch gelacht, wenn wir hier nicht auch ein wenig Beute machen könnten.“
„Aye, Sir!“ Hastig gab Lydia Stiles eine Reihe Befehle.
„Ach, und lassen Sie auch die LYDIA aufs Korn nehmen. Würde sich doch gut in unserer Flotte machen, oder?“
Stiles verstand den Hinweis, aber sie konnte nur nicken.
Als Griffin wieder zu Cochraine herüber sah, war das wilde Lächeln fort. „Was machen diese Idioten hier? Warum befinden sie sich nicht auf ihrer Seite der Grenze?“
„Keine Ahnung, Sir. Aber es ist offensichtlich, dass sie den Sprungvektor nach Thüringen blockiert haben. Ich nehme an, es ist ein Beutekommando, das Prisen nehmen soll. Das Fürstentum Argos hat keine gemeinsame Grenze mit dem Kaiserreich, also kann es solche Überfälle relativ ungestraft durchführen. Sie müssen nur gelingen.“
„Heute nicht“, brummte Coryn Griffin. „Heute sicher nicht.“
***
„Leader, hier Leader! Auffächern nach Plan! Die Knights gehen in den Nahkampf mit den Hydrae und greifen, wo es geht, Waffen und Antriebe der Feindschiffe an!“, rief Lucky Charly über Funk. „Ein wenig Feuerunterstützung durch die Rüster wäre dabei nicht verkehrt. Haben Sie gehört, Commander Attainborough?“
„Verstanden, Oberst Monterney!“, klang die jungenhaft jugendliche Stimme des Rüster-Kommandeurs auf. „Wir schießen Ihnen den Weg frei und versuchen die Schiffe auf lange Distanz zu beschäftigen. Sir, da unser Ortungssystem dem der Knights überlegen ist, erlauben Sie es, dass jeweils ein Rüster drei Knights koodiniert? Der Feind hat Enterboote im Spiel, und es wäre nicht verkehrt, diese auszuschalten, bevor sie die MADELEINE erreichen.“
„Einverstanden. Vernetzen wir uns.“
Ein Blick auf seine Monitore bestätigte Charly, dass er die weitaus besseren Ortungsdaten der Rüster eingespielt bekam. Und diese enthüllten ihm, dass die Hydrae teilweise im Ortungsschatten ihrer Vordermänner flogen. Das verdoppelte die Zahl der Gegner fast auf einen Schlag!
Über dem Knight-Piloten brachen die Warnmeldungen vor genau dieser Gefahr von allen Schwadronen herein. „Ruhe, verdammt!“, blaffte Charly gereizt. „Disziplin, Herrschaften! Das bedeutet doch nur, dass wir nachher doppelt so viele Abschussmarkierungen auf unsere Torso malen dürfen!“
Gelächter antwortete ihm und durchbrach die nervöse Grundstimmung ihrer ersten gemeinsamen Schlacht.
„Ausweichen!“, gellte Attainboroughs Stimme in seinem Helm auf und sofort riss er seinen Knight aus der Bahn. Er konnte den gewaltigen Waffenstrahl nicht sehen, aber die Messungen seines Bordrechners und die sprunghaft angestiegene Belastung seines Schirms um achtzig Prozent bewiesen, dass eines der Schiffe auf ihn gefeuert hatte.
Verdammt, aus genau diesem Grund versuchten die Knights möglichst nicht in Schusslinie zwischen den Schiffen zu fliegen, um nicht Opfer eines Zufallstreffers zu werden. Doch dieser Schuss hatte ihm gegolten. Wahrscheinlich war er als Offizier identifiziert worden. Schlage der Schlange das Haupt ab und der ganze Körper stirbt.
„Danke, Attainborough. Hast einen gut bei mir, Junge“, zischte Charly und warf seinen Knight wieder auf alten Kurs. Dabei visierte er einen Hydrae auf Maximaldistanz an und gab zwei Schüsse aus seiner Doppelläufigen ab. Die mit Hochleistungsmagnetfeldern projizierten Granatgeschosse jagten ihrem noch ahnungslosen Ziel entgegen, während die Nachladeautomatik die nächsten zwei in die Läufe schob.
„Junge?“, klang die Stimme des Gryanen-Piloten auf. „Ähemm, Sir, mein Vorname ist Daisy.“
„Daisy?“ Vor Schreck hätte er beinahe die Pedale für den Antrieb einmal komplett durchgetreten. „Ein Scheiß Vorname für einen Mann, finden Sie nicht?“
„Sir“, mahnte sie ihn.
Charles unterdrückte ein Kichern. „Entschuldigen Sie, Attainborough. Ich hätte wohl doch mehr von Ihrer Akte lesen sollen als Ihre Erfolgsbilanz und die Gefechtsbeurteilung.“
„Schon in Ordnung, Sir. Die meisten Kampfroboterpiloten sind der Meinung, dass eine Frau zu wenig Eier hat, um die heißblütigen Maschinen zu beherrschen oder sogar zu kommandieren.“
„Reden Sie keinen Stuss! Es war mir nur egal, ob Sie Mann oder Frau sind, das ist alles.“
Untermalt wurden seine Worte mit einem zerplatzenden Hydrae.
Die offizielle Kampfmaschine der Diadochen war in etwa so groß wie ein Knight, besaß allerdings keine Arme. Beide endeten in schweren Lasern, der einzigen Waffe der gegnerischen Maschinen. Sie verfügte über keine Schutzschirme, und auch die Panzerung war weit vom Standard der kaiserlichen Truppen entfernt. Man konnte es sehr treffend zusammenfassen: Billig produzierte Massenware.
„Sir!“, rief Jonathan Schrader über Funk, „wir haben hier ein Enterboot mit Kurs auf die MADELEINE gestellt. Es hat sich ergeben! Erlaubnis, es auf die RHEINLAND zu eskortieren?“
„Erlaubnis erteilt. Sind bereits Enterboote auf der MADELEINE?“
„Eines auf jeden Fall, Sir. Aber Enterkommandos der RHEINLAND und der MILFORD sind gerade dabei anzudocken.“
Das war logisch, denn die Korvette der kaiserlichen Streitkräfte war den kaiserlichen und gryanischen Schiffen am nächsten gewesen.
„Passt ein wenig auf die anderen Enterkommandos unserer Flotte auf. Ich will keine unnötigen Verluste, verstanden?“
„Verluste lassen sich nie ganz vermeiden, aber immerhin kämpfen wir hier nur gegen Hydrae“, erwiderte Schrader.“
„Noch so ein Witz und Sie sind Ihre Kompanie und Ihren Hauptmannsrang wieder los“, erwiderte Charles streng. „Über einen Gegner wird erst gelacht, nachdem er besiegt ist, niemals vorher, verstanden, Jon?“
„Ja, Sir.“
„Raue Sitten haben Sie da in der Truppe. Zehn Sekunden den Kurs halten, Oberst.“
Unter der Maschine rasten hochbeschleunigte Partikel auf zwei Bahnen entlang, die zuerst den vorderen Hydrae und dann den dahinter fliegenden Bastard erwischten. Der vordere explodierte, während der hintere vorerst nur einen Arm und Teile des Torsos verlor. Dann geriet er in die Explosionswolke seines Vordermanns und wurde ebenfalls vernichtet.
„Wie man es nimmt. Ich habe einmal nicht aufgepasst und dabei drei Mann in einer einzigen Minute verloren. Das passiert mir nicht noch mal. Und meinen Untergebenen passiert das auch nicht, oder sie sind schneller bei den Wartungstruppen, als sie Stephansdom sagen können.“
„Stephansdom? Warum ausgerechnet Stephansdom?“
„Hm, dann vielleicht Desoxyribonukleinsäure?“
„Bei einigen Kampfroboterpiloten kann es Stunden dauern, dieses komplexe Wort fehlerfrei auszusprechen, Sir“, tadelte Attainborough.
Charles ging auf einen Direktkanal zu ihr, während er mit seiner Begleitkompanie in die Linie der Hydrae einbrach. Sie wies schon erhebliche Lücken auf, aber noch hielten die Argos-Streitkräfte stand. „Hören Sie, Attainborough, ich habe die Mahnung nicht wirklich ernst gemeint. Aber das was wir hier machen nennt sich Krieg, und töten ist nichts, was man lustig finden sollte. Es gibt Leute, die sagen, sie töten für ihr Land. Ich würde liebend gerne für meines Leben retten, und bei meinen Untergebenen fange ich an. Leider bin ich in der Töten-Sache recht gut.“
„Ach, dann sind Sie Vertreter der Zuckerbrot und Peitsche-Taktik? Ich setze bei meinen Piloten eher auf trockenen Humor, leichte Übertreibung unbedingten Gehorsam.“
„Auch nicht schlecht“, brummte Charles und trieb seinem Flügelmann einen Hydrae zu, den der dankenswerterweise in Empfang nahm. Sie hatten die Verteidigungslinie der feindlichen Roboter durchbrochen. Vor ihnen lagen die Schiffe, die sich bereits im Ferngefecht mit Arlings Flotte befanden, nahezu wehrlos. Wenn man mal davon absah, dass sie bereits beschleunigten, um per Sprung entkommen zu können und wenn man berücksichtigte, dass ein Schiff tausend Möglichkeiten hatte, um kleine, aggressive und sich selbst überschätzende Roboterpiloten in tausend kleine Fetzen zu zerblasen.
„BLEIBEN SIE VON DER MADELEINE WEG!“, gellte Daisy Attainborougs Stimme auf. Charles reagierte sofort und riss seine Maschine aus dem Kurs, fort von dem kaiserlichen Schiff. Seine Knights vollzogen das Manöver nach und beschleunigten mit Höchstwerten.
Derweil spie die Korvette Rettungskapseln und Beiboote aus und die Enterboote, soweit sie schon angedockt hatten, stießen sich nach und nach wieder ab.
Charles wechselte den Funkkanal und ging auf Infanterie-Ebene.
„Ganth! Setzen Sie sich ab!“, klang die unverkennbare Stimme von Johann Arling auf. „Die MADELEINE hat einen schweren Reaktortreffer erhalten und kann jede Sekunde hochgehen!“
„Es sind noch kaiserliche Offiziere und Mannschaften an Bord, Sir!“, erwiderte sie mit gepresster Stimme. „Die Argos-Soldaten behindern den Abzug!“
„Sie ziehen sofort Ihre Leute zurück und starten dann!“, blaffte Arling wütend. „Mit einer Kernfusion ist nicht zu spaßen! Und über den Befehl wird nicht diskutiert!“
„Aye, Sir!“, erwiderte sie in wütendem Tonfall. Weitere Infanterieboote setzten sich ab, schließlich sogar das der Argos-Truppen. Lediglich ein Boot verharrte länger als die anderen und stieß sich relativ spät ab. Über die Korvette liefen Spannungsblitzeund die Messwerte für Temperatur, Radioaktivität und Energie sprangen himmelhoch hinauf. Das Heck mit dem Hauptreaktor beulte sich plötzlich aus, und Charles Monterney war für zwei Dinge dankbar, die gute Schiffsbauweise der kaiserlichen Werften sowie Attainboroughs Warnung.
Dann brach das Heck auf, der automatische Filter schaltete sich über den Bildschirm, und die gesamte Umgebung im Umkreis von zwanzig Kilometern, inklusive des gerade gestarteten Infanterie-Transporters verschwand in einer kleinen Nova.
„GANTH!“, blaffte Charles aufgeregt und schlug auf seine Konsole. Verdammt, eine erfahrene Offizierin hätte doch… Hätte doch…
„Es wäre nett, wenn Sie mich Oberst nennen würden, wenn Sie mich rufen, Oberst Monterney“, klang die sarkastische Stimme der Infanterie-Offizierin auf. Als sich der Feuerball wieder verkleinerte, entließ er ein kleines Objekt, das selbst wie eine Kernfusion strahlte. Dieses Strahlen begann zu flackern und schließlich ganz zu erlöschen. Die Ortungsdaten lieferten das Bild eines Infanteriebootes mit ruiniertem Energienetz und ausgezehrten Schirmprojektoren.
„Ich werde mich daran erinnern, Oberst Ganth, wenn Sie schneller auf Kommodore Arlings Befehle reagieren“, konterte Charles.
„Ich überlege es mir, nachdem Sie mir Hilfe geschickt haben. Mein Tender ist zwar von der neuesten Generation und wir waren zum Glück nur in der Peripherie der Explosion, aber wir treiben nur noch. Dieses Ding braucht dringend eine Generalüberholung.“ Ihre Stimme klang erschöpft, und Charles stellte sich vor, dass ihre Kampfrüstung dick mit einer Schicht Ruß bedeckt war. „Außerdem ist es sehr eng hier drin. Wir haben alles aufgenommen, was wir in der kurzen Zeit konnten.“ Ihr Tonfall war müde, beinahe resignierend. Charles schloss daraus, dass sie den Befehl zum abdocken gegeben hatte, als noch Besatzungsmitglieder oder sogar ihre eigenen Leute auf dem Rückweg zum Tender gewesen waren.
„Verdient hätten Sie es ja, dass ich Sie ein paar Stunden schmoren lasse“, klang Arlings wütende Stimme auf. „Und über diesen Stunt reden wir noch, Oberst Ganth! Bis dahin schicke ich Ihnen Unterstützung!
Oberst Monterney, detachieren Sie eine Schwadron als Begleitschutz für ein Enterkommando, das die PERSEUS angreift! Oberstleutnant Steyer, ich hoffe, Sie sind nicht so waghalsig. Halt, bevor Sie versuchen, Ihre Vorgesetzte zu verteidigen, machen Sie sich klar, dass ich Ihnen bei einem einzigen Widerwort die Pins von der Schulter reiße. Ist Ihnen das klar?“
„Ja, Sir.“
„Werden Sie die PERSEUS für mich erobern?“
„Ja, Sir.“
„Charles, was ist mit der Begleitschwadron?“
„Ich mache es selbst. Die Explosion der MADELEINE hat meine Region komplett von Hydrae befreit.“
„Einverstanden.“
„Es ist schon komisch“, klang die Stimme von Attainborough erneut in seinem Helm auf. „Die Hydrae sehen fast so aus wie Knights. Aber gutes Aussehen steht eben nicht für die Leistung, oder?“
„Und Heldenmut wird nur belohnt, wenn man ihn überlebt“, erwiderte Charles bissig.
***
Am Ende der Gefechtsmission waren drei Fregatten entkommen. Die PERSEUS und die HERAKLES sowie die LYDIA und die APOLLON hatten sich ergeben oder waren erobert worden. Der HEPHAISTOS, der JASON und der HAMBURG war die Flucht geglückt, aber alle Schiffe waren beschädigt. Außerdem führte sie ihr Sprungkurs ins Thüringen-System, und dort würde man ihnen einen schönen Empfang bereiten, wenn die Zeit reichte, um einen Sperrriegel zu errichten.
Johann Arling arbeitete das Geschehen für einen ersten Blick in seinem Admiralsbüro auf, unterstützt von Oberleutnant Kress und gestört von seiner persönlichen Reporterin.
„Was passiert jetzt mit ihr?“, fragte Carrie Rodriguez vorsichtig.
Arling sah von seiner Betrachtung der Helmaufnahme eines Leutnants aus Ganths Kommando auf. „Mit Oberst Ganth?“
Carrie nickte. „Sie hat viel riskiert.“
„Sie hat einhundert ihrer Leute in Lebensgefahr gebracht. Außerdem hat sie in der Mission drei Mann an die Argos-Infanteristen und fünf an dieses Schiff verloren. Im Gegenzug gelang ihr die Rettung von dreiundzwanzig kaiserlichen Soldaten, darunter der Erste Offizier. Insgesamt hat die Explosion der MADELEINE siebenundachtzig kaiserlichen Soldaten das Leben gekostet. Neunzehn von ihnen wurden mit ihren Rettungskapseln vernichtet, weil sie nicht schnell genug weit genug weg gekommen sind. Außerdem liegen weitere dreiundvierzig Soldaten auf der RHEINLAND im Lazarett.“
Arling strich sich müde über die Schläfen. „Das ist nur ein kleiner Aspekt einer großen Schlacht. Wir hatten Beschädigungen. Wir haben Gefangene gemacht. Wir haben Prisen genommen. Deshalb müssen wir jetzt Granada direkt anfliegen. Ich hatte gehofft der Litanei von Admiral Baaden zu entkommen, oder sie mir wenigstens nur über Funk anhören zu müssen, aber das kann ich wohl vergessen.“
„Also, was geschieht mit ihr?“
„Was geschieht mit den anderen? Oberst Monterney, Commander Attainborough, Oberstleutnant Steyer, Kommodore Griffin und all den anderen?“ Arling sah sie ärgerlich an. „Diese Schlacht hat die Leben von einhundertneunundzwanzig Soldaten des Kaisers gekostet, davon waren elf Knight-Piloten, und das Gros ist auf der MADELEINE gefallen. Dazu haben wir fast siebzig Fälle, die ins Lazarett verfrachtet wurden. Viele von ihnen werde ich ebenfalls auf Granada lassen müssen. Für eine Schlacht dieser Größenordnung, mit vier eroberten Schiffen und vierzehn verlorenen Knights ist das passabel. Vor allem wenn man bedenkt, dass uns fast sechzig Hydrae kampflos in die Hände fielen, als sich die Piloten ergeben haben. Es war nicht übel, wirklich nicht übel. Aber ich hasse es, Leute zu verlieren.
Zuerst werde ich Oberst Ganth dazu verdonnern, den Familien ihrer Soldaten die Beileidsbriefe persönlich zu schreiben. Sie soll ihnen erklären, dass es ihre Entscheidung war, die dafür gesorgt hat, dass sie auf der MADELEINE gestorben sind, auf ihren Befehl und aufgrund einer wahnwitzigen Hoffnung. Wenn sie dann kein nervös zuckendes Wrack ist, dass Selbstvorwürfe lamentiert, werde ich darüber nachdenken, was dann zu geschehen hat. Aber ich hoffe doch sehr, sie schämt sich für ihre Entscheidung.“
Sie hatte zusammen mit den anderen Mitgliedern des Pressecorps sowohl die Schlacht über Dutzende Bildschirme als auch den Gefechtsfunk verfolgen können. Aber sie war die einzige gewesen, die sich zu Arling ins Büro getraut hatte – allerdings ohne Kamera, nur mit einem handlichen Datapad für kurze Notizen. Nun saß sie hier und war fassungslos. Irgendwie konnte sie Arling nicht im Einklang mit anderen Offizieren bringen, die sie kannte. Für eine Sekunde fragte sie sich, ob sie Ganth als Heldin oder als Hitzkopf stilisieren sollte. Aber sie ahnte, dass das Publikum – ihr Publikum – schon selbst entschieden hatte, wie es Cecilia Ganth sehen wollte.
„Wir haben über zweitausend Gefangene gemacht“, begann Arling plötzlich wieder zu sprechen. „Darunter sind drei Kapitäne. Einer ist gefallen. Dazu kommen achthundert und ein paar Verletzte. Die Argos-Schiffe wurden arg mitgenommen, aber eine Reparatur ist durchaus möglich. Doch das wird Wochen dauern, wenn nicht Monate. Das ist wohl der Erfolg dieser Mission.“
„Sie wollten Prisenschiffe im Geschwader einsetzen“, erinnerte Carrie sanft.
„Ich glaube nicht, dass wir die beiden Zerstörer und die beiden Fregatten behalten können. Wir befinden uns in einem kaiserlichen System, deshalb hat der ranghöchste Offizier des Kaisers das Vorrecht für die Entscheidung der Verwendung. Außerdem habe ich nicht die Zeit, auf die Reparatur zu warten. Lediglich die LYDIA könnte uns nach einer kurzen Reparatur begleiten. Sie hat sich ergeben, als klar wurde, dass sie den Sprung nach Thüringen nicht schafft und wurde kaum beschädigt. Aber dieses Schiff wurde von Griffin erobert. Es ist seine Beute. Ich bin einfach nicht der Mann, der anderen ihr Spielzeug wegnimmt.“
„Verstehe“, sagte Carrie vorsichtig und meinte das Gegenteil.
Arlings Tischkommunikator summte. Er betätigte einen Sensor. „Kommodore, Admiral Baaden verlangt nach Ihnen. Admiralskanal!“
„Verstanden, Kapitän Schlüter. Ich komme rüber.“ Arling erhob sich, straffte seine Gestalt und rückte den Kragen seines Khakifarbenen Hemdes zureckt. „Jetzt gilt es.“

Als Arling die Brücke betrat, erwartete ihn auf dem Hauptbildschirm schon das Abbild des Admirals. Deutlich war die khakifarbene Dienstuniform mit diversen Kampagnenbändern und Ordensstreifen zu erkennen. Die vier Goldsterne des Voll-Admirals glänzten auf seiner Schulter. Der Rest war nicht wirklich beeindruckend. Der Admiral selbst war klein, schmal und augenscheinlich Brillenträger, was man in Zeiten ambulanter Sehnervtransplantation schon als eigen oder sogar exzentrisch ansehen konnte.
„Arling, Sie haben mir einen ganz schönen Schrecken eingejagt.“
„Sir?“
„Und außerdem einen großen Gefallen getan. Die Argonauten kommen schon seit ein paar Wochen über die Grenze, um Frachter abzufangen, kleinen Kriegsschiffen aufzulauern und uns zu provozieren. Sie springen mit Schleichfahrt ins System, kreuzen vor einem vermutlichen Absprungpunkt auf und warten auf leichte Beute. Dabei benutzen sie eine neuartige Energiedämpfungstechnologie, die es erheblich erschwert sie zu orten. Wäre Ihr Verband vor der MADELEINE angekommen, hätten sich die Argonauten wahrscheinlich nicht gerührt, aber so haben sie sich an der vermeintlich leichten Beute verschluckt.“
„Es freut mich, dass ich hilfreich sein konnte, Admiral.“
„Sagen Sie Johannes, Arling. Oder darf ich Sie Johann nennen?“
„Sagen Sie Han, Sir. So machen es meine Freunde.“
Der schmächtige Mann nickte erfreut. „Also Han. Wie ich schon sagte, Sie haben mir glücklicherweise Arbeit abgenommen. Es stimmt also doch, dass Sie ein ausgewiesener Glückspilz sein sollen. Hatten Sie schwere Verluste?“
„Eins meiner Schiffe sollte für kurze Zeit in eine Werft. Und ich habe Tote und Schwerverletzte, die ich gerne auf Granada lassen würde, Johann.“
„Kein Problem. Ich lasse Ihrem beschädigten Schiff Priorität in der Werftzeit einräumen. Und ich werde Ihre Toten mit allen Ehren und Würden weiterbefördern, damit sie sicher ihre Heimatwelten erreichen. Was Ihre Verwundeten angeht, nun, Granadas Krankenhäuser sind für ihr Können bekannt.“
„Dann habe ich keine Wünsche mehr.“
„Auch das freut mich zu hören. Die Provokationen der Argonauten gingen mir ohnehin etwas zu weit in letzter Zeit. Wir haben einige Frachter und kleinere Kriegsschiffe verloren. Und ich kann nicht einfach einen Gegenschlag ausführen, ohne nicht wenigstens ein anderes Teilreich der Diadochen zu durchqueren und mir dessen Ärger auch noch aufzuhalsen. Als wenn der Krieg nicht schon genug wäre, aber stehender Krieg ohne vor und zurück ist die Hölle.“
Arling nickte stumm. Was hätte er auch sagen sollen? Der Mann war ganz anders als er sich vorgestellt hatte.
„Sie haben Prisen genommen?“
„Ja, haben wir, Johann. Zwei Zerstörer und zwei Fregatten.“
„Wie schwer sind die Schiffe beschädigt? Planen Sie sie in Ihre Flotte zu integrieren?“
Arling hob eine Augenbrauche. „Sir? Das Flottenrecht besagt, dass Prisen, die in einem kaiserlichen System genommen werden, der Aufsicht unter…“
„Papperlapapp! Ihre Männer und Frauen sind dafür gestorben um diesen Feind niederzukämpfen, nicht meine. Also gebührt Ihren Leuten der Ruhm, der Sieg und das Prisengeld. Wenn Sie die Schiffe nicht integrieren wollen, dann werde ich sie im Namen des Kaiserreichs ankaufen und an die Mannschaften Prisengeld auszahlen. Ist das in Ihrem Sinne?“
„Ein Zerstörer und eine Fregatte wurden von den Gryanen unter meinem Kommando erobert, Sir. Es scheint, als wäre die Fregatte LYDIA bedingt einsatzfähig.“
„Dann werden wir sie richtig einsatzfähig machen und die Reparaturkosten vom Prisengeld für den Zerstörer abziehen. Ist das in Ihrem Sinne?“
„Absolut, Johann.“
„Gut, dann kommen Sie mal nach Granada rüber. Abgesehen von den Reparaturen wartet hier Ihre letzte Pause vor dem langen Marsch nach Vesuv. Ich erwarte Sie und Ihre Leute. Von Baaden Ende.“
Der Bildschirm erlosch und ließ einen verwirrt dreinblickenden Johann Arling zurück. „Das habe ich jetzt nicht erwartet. Fehlt nur noch, dass er fragt, ob er mitfliegen kann.“
„Also, ich fand ihn nett“, kommentierte Carrie Rodriguez. „Außerdem dachte ich mir gleich, dass Sie sich mit ihm verstehen würden. Sie haben fast den gleichen Vornamen.“
„Ich messe dem jetzt keine Relevanz zu, Miss Rodriguez“, erwiderte Arling noch immer nachdenklich.
***
Granada war eine warme, feuchte Welt ohne nennenswerte Achsneigung. Die tektonischen Platten waren stabil und atmosphärische Störungen selten. Deshalb hatte das Militär ihn früh als Stützpunkt genutzt, der rund um das Jahr verwendet werden konnte. Später waren die Orbitalplattformen hinzugekommen, als das Kaiserreich das System erobert hatte. Seitdem war Granada Grenzsystem und Wachtposten in Richtung der Diadochen.
Johann von Baaden empfing die Abordnung unter Kommodore Arling persönlich auf Orbitalplattform XIV, Eigennname PRAETORIA.
Als er das Pressecorps registrierte, das hinter dem Kommodore und einer Handvoll seiner Offiziere in die Lobby strömte, verzog er nicht einmal eine Miene. „Willkommen auf Granada, Kommodore Arling. Oder vielmehr auf PRAETORIA, der modernsten Plattform des Systems. Ich lasse die Schäden an Ihren Schiffen gerade schätzen und die Priorität des Dockgangs ermitteln. Ebenso wird die LYDIA gerade aufgedockt, um sie für den Kampfeinsatz bereit zu machen. Kommodore Griffin, ich bin sicher, Sie schicken Ihre Ersatzcrew so schnell es geht herüber, damit sie sich mit den Eigenheiten eines Argos-Schiffs vertraut machen kann.“
Griffin, der knapp hinter Arling ging, nickte. „Das versteht sich von selbst, Admiral von Baaden.“
Dankenswerterweise hielt sich das Pressecorps angenehm zurück, während sich die Flaggoffiziere begrüßten.
„Bevor wir uns den Fragen der internationalen Presse stellen“, sagte Admiral von Baaden, „lassen sie uns nur im Kreis der Offiziere einen kleinen Imbiss einnehmen.“
Der Sektorenadmiral nickte einen Offizier mit zwei Goldsternen auf der Schulter zu. Der Konteradmiral trat vor das Pressecorps. „Meine Damen und Herren, werte Hermaphroditen und Neutren. Bitte gestehen sie Admiral von Baaden und Kommodore Arling eine kurze Verschnaufpause zu. Damit ihnen die Wartezeit aber nicht zu lang wird, haben wir ein artspezifisches Buffet im Empfangssaal neben der Lobby aufgebaut. Bitte folgen sie mir und genießen sie die Gastfreundschaft der PRAETORIA-Plattform. Hier entlang.“

Arling folgte mit Griffin und Cochraine dem Admiral in einen kleinen Konferenzraum. Mit einem Nicken schickte er seine übrigen Offiziere ebenfalls in den Empfangssaal, um die Presse bei Laune zu halten.
„Kommodore Arling, schließen Sie uns aus?“, rief eine wohlbekannte Frauenstimme aus den Reihen der Reporter.
„Natürlich nicht. Kommodore Arling würde die freie Presse niemals ausschließen“, sagte Admiral von Baaden. Er grinste. „ICH schließe sie aus. Allerdings geht es wirklich nur um finanzielle Aspekte, und wenn sie ihre Zuschauer und Zuhörer nicht mit Bilanzen traktieren wollen, ist von einer Teilnahme abzuraten.“
Von Baaden wartete eine Antwort gar nicht erst ab und schob die Offiziere mit einer Kraft, die man dem schmächtigen Mann kaum zugetraut hätte, in den kleinen Raum.
„Meine Leute haben die HERAKLES taxiert, Kommodore Griffin. Sie wurde mit einem Wert von zweihundertachtzig Millionen Mark eingestuft. Plus minus ein paar tausend. Wir sind bereit, Ihnen das Schiff für einhundertsechzig Millionen abzukaufen. Dabei ist bereits eine Zahlung in Höhe von zwanzig Millionen an Kommodore Arling und eine Zahlung in Höhe von vierzig Millionen an mich abgerechnet. Bevor Sie fragen, das ist das übliche Procedere bei der Prisenabrechnung und Han ist Ihr vorgesetzter Offizier sowie Dienstherr. Sie können natürlich einen besseren Preis aushandeln, aber dann wäre ich gezwungen, die LYDIA nicht zu den Vorzugspreis zu reparieren, den ich Ihnen gewähren wollte.“
Ein Adjutant mit Unteroffiziersstreifen verteilte Kaffee und Tee. Griffin fühlte sich versucht zu lachen, aber es erschien ihn dann irgendwie unangebracht. „Ich nehme im Namen der Gryanen an, Admiral.“
„Gut. Dann ist der finanzielle Aspekt geklärt. Schön, dass es auch mal eine unkompliziert agierende Söldnereinheit gibt.“
„Sie haben uns doch nicht herbeizitiert, nur um über Geld zu sprechen? Seien Sie ehrlich, Johann.“
„Die Frage habe ich erwartet, mein lieber Graf zu Arling. Um ehrlich zu sein, es plagen mich ein paar Sorgen. Und Sie sollen mir helfen, diese etwas zu verringern. Sie und Ihre Gryanen.“
„Darf ich Sie an dieser Stelle darauf hinweisen, dass ich weder einen Unterkontrakt bei den Gryanen zulassen werde, noch von mir aus einen Kampf suche?“, sagte Arling steif.
„Auch das habe ich erwartet. Aber seien Sie unbesorgt, mein lieber Han, ich verlange etwas wesentlich subtileres von Ihnen.“ Von Baaden begann nervös im Raum auf und ab zu wandern. „Wie Sie wissen, befindet sich Argos einen Sprung entfernt. Genauer gesagt, jedermann der Argos angreifen will, muss zuerst in einem der vorgelagerten Reiche einen Zwischenstopp einlegen. Die Argonauten wissen das und da wir uns mit ihnen und den übrigen Diadochen im Krieg befinden, benutzen sie ihre Nachbarländer als Schilde. Wir können uns keine Eskalation der Situation leisten, weil wir zu dünn besetzt sind. Zu wenig Schiffe, zu wenige Kapitäne und keine Bodentruppen, die eventuelle Eroberungen halten können. Das kommt davon, wenn man auf zwei von sechs möglichen Seiten angegriffen und auf weiteren zwei permanent bedroht wird.
Nun, langer Rede, kurzer Sinn, ich will, dass Sie und Sie dafür sorgen, dass diese Angriffe ein Ende haben!“ Zuerst deutete von Baaden auf Arling, dann auf Griffin.
„Wie meinen, Admiral?“
„Sie beide werden mir die Argonauten vom Hals schaffen, und zwar ein für allemal.“ Er lächelte siegesgewiss. „Dafür müssen Sie Ihre Pläne nur geringfügig ändern, Kommodore Arling. Ihr nächster Sprung muss Sie lediglich in die Kommune Principe führen.“
Arling wechselte einen amüsierten Blick mit Cochraine.
„Sie müssen wissen, die Kommune ist urdemokratisch und hat nur ein System als gemeinsame Grenze mit uns. Sie ist uns so neutral gegenüber eingestellt, wie es ein Diadochenstaat sein kann. Und sie wird nicht mit ihren einhundert Wachschiffen über die Flotte herfallen, wenn die ehrenhaften Gryanen sie anführen.“ Er nickte Griffin zu, der huldvoll zurücknickte.
„Nehmen sie ihre Presseleute, nehmen sie die Gefangenen Argonauten, und fliegen sie nach Principe. Dort machen sie den größten Zirkus aller Zeiten, wenn sie die gefangenen Argonauten mit ausführlicher Berichterstattung – ausführlich – den Behörden der Kommune Principe übergeben. Erstens wird das eine großartige Geste sein, die die Bevölkerung der Kommune für uns einnehmen wird, zweitens wird es die Taktik der Argonauten aufdecken, im Schutz ihrer Nachbarn hinterhältige Angriffe zu fliegen und drittens sollte es jedem Diadocher vor Augen führen, dass das Kaiserreich Katalaun in diesem Fall das Opfer ist – allerdings ein Opfer, das mit dem Täter nur wenig Geduld hat.“
Von Baaden, Großfürst des Kaiserreichs, Sektorenadmiral und Flaggoffizier trat bis auf eine Handbreit vor Arling. „Mein lieber Han, wollen Sie diesen Plan für mich durchführen?“
„Selbstverständlich, Johann.“
„Und Sie, werter Griffin, werden Sie die Ehre der Gryanen in die Waagschale werfen, um den diadochischen Völkern die ehrlose Taktik der Argonauten offen zu legen?“
„Bei meiner Ehre, Sir, das werde ich.“
Von Baaden strahlte die Offiziere an. „Sehr gut. Ich habe bereits alles vorbereiten lassen. Und jetzt wollen wir mal über das Prisengeld für die PERSEUS und die APOLLON sprechen, Han. Glauben Sie mir, ich kann diese zusätzlichen Schiffe gut gebrauchen.“

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3.
11.06.2613
Diadochen, Kommune Principe
Tunis-System
Leichter Kreuzer seiner Majestät RHEINLAND

„Also, wenn du mich fragst, ist das die verrückteste Invasion aller Zeiten“, bemerkte Arlene Schlüter spöttisch, während ihr Blick auf dem Hauptbildschirm gerichtet blieb, der noch immer das grau in grau des Raumzeitriss zeigte, in dem sich die Flotte gerade bewegte.
„Es ist ja keine Invasion. Es ist mehr ein Hausbesuch.“ Arling lächelte dünn. „Ein unangekündigter Hausbesuch.“
„Das wird nicht mehr lange so bleiben. Ich habe gerade den Presseleuten freien Zugang zur Brücke und allen Nebenzentralen gewährt.“
„Dann sind wir live drauf, sobald wir den Normalraum betreten“, brummte der Graf.
„Nun hör sich einer mal den alten Arling an. Er klingt doch plötzlich wie ein alter Hase im Pressegeschäft.“ Arlene stubste ihn aufmunternd in die Seite.
„Man lernt halt dazu, wenn man nicht untergehen will, Lenie.“
„Apropos lernen.“ Die Kapitänin der RHEINLAND deutete auf die eintretenden Reporter. „Manche scheinen nicht zu verstehen, dass überlichtschnelle Kommunikation nicht möglich ist, solange ein Schiff springt. Deine Freundin von TNC jedenfalls berichtet schon live. Oder hat Terra eine Technologie, von der wir noch nichts wissen?“
„Nein, der Anfang der Reportage wird nur aufgezeichnet und als Rafferimpuls versendet. Dieser Teil ihrer Aufnahmen ist für die nachbereitete Fassung, nicht die Sofortberichterstattung.“
Als Arlene ihm einen argwöhnischen Blick zuwarf, meinte Arling: „Könnte ich mir denken. Nicht, dass ich mich für Carries Arbeit interessieren würde oder so.“
„Hm. Wenn es aussieht wie Fisch und riecht wie Fisch und dann noch schmeckt wie Fisch, dann ist es garantiert Käse. Wusstest du das nicht, Han?“
„Ich lerne doch immer wieder dazu in deiner Gegenwart, Lenie“, schmunzelte Arling.
„Achtung, wir verlassen den Riss in dreißig Sekunden. Fünfundzwanzig. Zwanzig.“
„Lüding, wenn Sie uns sicher aus dem Sprung raus bringen, dann überlege ich ernsthaft, Ihnen den vierten Silberstern sofort zu geben!“, rief Arling ihm zu.
Der Kapitänleutnant war so verdutzt über diese Bemerkung, dass er das mitzählen vergaß.
„Das Schiff verlässt den Riss automatisch, Sir!“, wandte Andreas Lüding ein.
„Dann steht Ihrer Beförderung wohl nichts im Wege.“ Arling lächelte dünn. „Drei, zwei, eins, null.“
„OH!“ Mit hochrotem Kopf widmete sich Lüding wieder seinen Aufgaben. „Sir, Meldung von allen Schiffen. Wir sind vollzählig aus dem Riss gekommen. Außerdem haben wir multiple Ortungen im ganzen System. Dreißig, nein, einunddreißig Einzelimpulse. Transponder sind noch nicht eingegangen. Der nächste Kontakt ist fünf Lichtminuten entfernt.“
„Hat sich also doch gelohnt, den Umweg über ein planetenloses System zu nehmen, um einen etwas anderen Anflugvektor zu haben.“ Arlene Schlüter zeigte Arling einen erhobenen Daumen. „Gute Idee, Han.“
„Okay, Nachricht an Griffin. Er kann jetzt beginnen. Wir unterstützen die Sendeleistung der HOUSTON mit unserer Funkanlage. Normalfunk, Überlichtfunk, volles Spektrum.
Ach, und Lüding, ein Kommodore sollte immer zu seinem Wort stehen.“ Arling griff in seine Brusttasche und fischte ein weißes Briefchen hervor. Dieses warf er dem Kapitänleutnant zu.
Lüding fing es auf, öffnete es und fand zwei silberne Sterne vor.
„Ja, will denn niemand dem Korvettenkapitän dabei helfen, seine Rangabzeichen auf den neuesten Stand zu bringen? Wir sind ja nicht gerade im Gefecht, oder?“, fragte Arling mit einem breiten Lächeln.
Sofort trat Arlene Schlüter an ihren Ersten Offizier heran, der Chefpilot trat hinzu, und gemeinsam befestigten sie die neuen Sterne auf der Schulter Lüdings.
„Danke, Kommodore. Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll.“
„Sie haben es sich verdient, Andreas. So einfach ist das. Und sagen sollen Sie nichts, denn im Moment müssen Sie nur befehlen. Machen Sie Ihren Job.“
„Aye, Sir.“

„Eingehende Transmission von der HOUSTON. Wir geben sie verstärkt weiter. Standby-Signal, Sir.“
„Geben Sie es auf Lautsprecher, sobald Kommodore Griffin zu sprechen beginnt“, murmelte Arling.
„Hier spricht Kommodore Coryn Griffin von den Gryanen, im Auftrag seiner Majestät Kaiser Robert dem Fünften des Kaiserreichs Katalaun. Wer hat hier das sagen?“
Arlene Schlüter verdrehte die Augen bei dieser burschikosen Ansage, aber Arling faltete lediglich die Hände ineinander und schmunzelte dünn.
Die Antwort kam beinahe sofort. „Systemdirekter Ptolemaios Styx hier. Wenn die Gryanen im Dienste des Kaiserreichs stehen bin ich leider gezwungen Sie als feindlich einzustufen. Wir…“
„Ich habe nicht die Zeit, mich mit Ihren kleinlichen politischen Ränken abzugeben“, blaffte Griffin wütend. „Mein direkter Vorgesetzter, Kommodore Arling, erwartet von mir Ergebnisse, und ich werde sie ihm liefern! Also entweder sprechen wir jetzt miteinander, oder Sie verbinden mich mit jemanden, der es darf!“
Für einige Zeit herrschte Stille auf den Kommunikationsfrequenzen. Dann meldete sich der Systemdirektor erneut. „Ich bitte um Entschuldigung, Kommodore. Vielleicht kommen wir ja auch ohne Kampf aus.“
„Zumindest solange, bis er seine einunddreißig Kampfschiffe zu einem massiven Schlag gegen uns gesammelt hat“, knurrte Schlüter nach einem Blick auf die Ortungsergebnisse.
„Was führt Sie und Kommodore Arling also in die Kommune Principe?“
„Zweitausend Kriegsgefangene und achthundert zum Teil schwer verletzte Raumfahrer des Fürstentums Argos.“
Ein Seufzen erklang. „Ich hatte wirklich gehofft, dass sie mich verschonen würden. Aber ich habe von vorne herein gewusst, dass das Grenzsystem zum Kaiserreich kein gemütlicher Ruhestandsposten sein würde. Ja, wir empfangen in der Kommune ebenfalls internationales Fernsehen und wissen von dem Vorfall im Balthasar-System.“
„Dann wissen Sie ja sicherlich auch, Systemdirektor, dass dies keine Ausnahme, sondern die Regel ist. Argotische Truppen brechen des Öfteren auf, um Frachtern oder schwächeren Einheiten an den Sprungpunkten des Kaiserreichs aufzulauern, um sie zu vernichten.“
„Was soll ich sagen? Es ist Krieg, und entschuldigen Sie die Feststellung, wir haben den Krieg mit Ihrem obersten Dienstherren, Robert dem Fünften.“
„Einmal ganz davon abgesehen, dass dieser Krieg vom Kaiserreich überhaupt nicht gewollt war und einseitig vom Städterat der Diadochen erklärt wurde, wollen Sie mir damit sagen, dass ich mir den Weg bis zur Systemzentralwelt erkämpfen muss?“
„Definieren Sie erkämpfen. Warum wollen Sie nach Tripolis? Ich dachte, Sie haben Ärger mit Argos?“
„Halten Sie Kommodore Arling und mich für so dumm, dass wir nach Argos springen, nachdem wir einen ihrer Überfallverbände aufgerieben haben? Selbst die dreihundert Spartaner, die den Thermophylenpass gegen Xerxes gehalten haben, hatten einen besseren Plan!“, blaffte Griffin.
Arling schmunzelte. Eine kleine griechische Geschichtsstunde, die testete, wie sattelfest der liebe Systemdirektor in den Mythen war, auf denen sich sein Reich berief.
„Bei den Thermophylen sind alle Spatiaten gestorben“, wandte Direktor Styx ein.
„Sehen Sie, und so tapfer es auch war, mit dreihundert Mann fünfhunderttausend abzuhalten, ich habe keine Lust, diesen Teil der Geschichte zu wiederholen. Es ist schlimm genug, dass die Argonauten Ihr Reich, die Republik Leth und das Königreich Charybdis als Puffer gegen Vergeltungsangriffe des Kaiserreichs benutzt, man muss den Argonauten nicht auch noch zusätzlich in die Hände spielen.“
„Ich… Verstehe. Was also schlagen Sie vor, Kommodore Griffin?“
„Ich bin leider nur der Kommandeur einer kleinen Flotte der Gryanen, die zudem lange Zeit im kernwärtigen Bereich der Milchstraße war. Deshalb habe ich in den Diadochen leider keinerlei Autorität“, gab Griffin missmutig zu. „Aber im Einvernehmen mit Kommodore Arling ersuche ich hiermit die Kommune Principe schlicht und einfach, die Gefangenen und Verwundeten von unserer Flotte zu übernehmen und zu repatriieren. Dieses eine Mal schicken wir die Männer und Frauen wieder nach Hause. Aber in Zukunft werden alle Akte dieser versteckten Piraterie als kriegerischer Akt der gesamten Diadochen angesehen und entsprechend geahndet.“
Arling schaltete sich mit einem Sensordruck dazu. „Kommodore, keine Details.“
„Sir, ich…“
„Ich weiß, Sie wollten nichts verraten. Aber Anspielungen sind ebenfalls schlecht.“
„Ich hatte keine schlechten Absichten, Sir.“
„Das weiß ich, Kommodore Griffin. Gute Arbeit bis hier. Jetzt bleibt uns nur noch die Antwort abzuwarten.“
„War das eben Graf Arling?“, klang die Stimme des planetaren Direktors auf.
„Wenn er zeitgleich auf TNC zu sehen war, dann sicher.“
Arling zog eine Augenbraue hoch und musterte dabei die verschiedenen Live-Reporter, die ihn gerade aufnahmen. Er fühlte sich versucht, in die Kameras zu winken, ließ es dann aber doch.
„Soeben hat mich das Ergebnis einer inoffiziellen Umfrage erreicht. Demnach stimmen dreiundfünfzig Prozent der Tunesier für die Übernahme der Kriegsgefangenen von der Flotte des Kaiserreichs. Und weitere dreiundsiebzig Prozent stimmen für freies Geleit der Flotte. Kommen sie bitte mit ihrer Flotte nach Tripolis. Das freie Geleit spreche ich hiermit als Systemdirektor verbindlich aus. Sie haben mein Wort darauf.“
Arling schmunzelte dünn. „Und die halbe Galaxis ist Zeuge.“
***
Die Flotte erhielt einen Standard-Orbit über Tripolis, einer warmen Dschungelwelt mit hohem Landmassenanteil. Sie war noch jung und hatte wenig tektonische Bewegung, weshalb ein Großteil der Oberfläche aus Sumpfland und kleineren Meeren bestand. Richtige Ozeane suchte man vergebens. Entsprechend spielte sich das Leben der Tripolianer entweder auf den kleinen Meeren oder auf den wenigen trockenen Flächen ab, die jene Welt zu bieten hatte.
Tripolis selbst war ein kleiner Wunderschatz für Archäologen und Zoologen, denn sie befand sich in einer Entwicklungsstufe, die der terranischen Kreidezeit entsprach. Die Wirbeltiere dominierten das Land und hatten die Echsen als vorherrschende Art hervorgebracht. Diese neigten zum Gigantismus, einige Pflanzenfresserarten erreichten Höhen bis zu zwanzig Meter und Gewichte von bis zu fünfzig Tonnen. Die Raubtiere waren nicht ganz so groß, aber entsprechend mächtig ausgebildet.
Die Pflanzenfresser wurden gezüchtet und in großen Herden gehütet. Sie waren als Fleischlieferanten sehr begehrt und tripolianisches Donnerechsenfleisch war weit über die Region bekannt. Außerdem brachte die extrem fruchtbare Welt ein paar Gemüse- und Obstsorten hervor, die einen galaxisweiten Ruf unter Feinschmeckern besaßen. Nebenbei, die Bäume und Sträucher dieser Welt reichten oft genug vierzig, fünfzig und sogar zweihundert Meter in die Höhe. Mit ein Grund, warum die Pflanzenfresser so große Vertreter hervor gebracht hatten.
Die Tripolianer waren also entweder Farmer oder Viehzüchter, wenn sie nicht in einer der großen Städte auf dem Trockenen lebten und für Dienstleistungsbetriebe arbeiteten.

Diese und ähnliche Gedanken gingen Arling durch den Kopf, während er an Bord einer Landefähre Paradise City immer näher kam, der Planetaren Hauptstadt. Wahrlich, diese fruchtbare Welt hatte es zumindest einmal verdient, mit dem Paradies in Zusammenhang gebracht zu werden. Neben und hinter seiner Fähre wusste Arling weitere Fähren, welche die Kriegsgefangenen und die verletzten Argonauten transportierten. Je eher sie die Verantwortung für die Raumfahrer los waren, desto besser.
„Irgendwie schmeckt mir das nicht“, brummte Eleonor Rend betreten, während sie aus dem Sichtfenster auf die Lichter der Stadt unter ihr starrte. Paradise City war selbst für jemanden, der auf Sanssoussi aufgewachsen war, groß. Und bei Nacht bot sie einen prachtfollen Anblick. „Es geht zu leicht. Der Systemdirektor hat zu schnell nachgegeben. Viel zu schnell nachgegeben, Demokratie hin oder her. Ist er nicht dem Pakt mit dem Städterat verpflichtet?“
Arling wollte ihr eine Hand auf die Schulter legen, sie trösten. Stattdessen musste er zugeben, dass sie sein Misstrauen geweckt hatte.
Coryn Griffin, der neben ihnen stand, winkte ab. „Haben Sie keine Sorge. Der Ruf der Gryanen wird uns hier Tür und Tor öffnen. Und wenn ich es nicht kann, dann werden sie es tun.“ Der große schlanke Offizier deutete in den Innenraum, wo sich das internationale Pressecorps versammelt hatte. Bei vielen leuchtete das Live-Zeichen auf, ein Beweis dafür, dass sie gerade direkt übertrugen.
„Eine Stellungnahme, Kommodore Arling? Sie lassen in wenigen Minuten zweitausend feindliche Soldaten frei, die Ihr Heimatland mit sehr zweifelhaften Taktiken überfallen haben.“
„Zweifelhaft? Die Vernichtung militärischer Ziele ist nicht zweifelhaft. Im Gegenteil.“
„Soweit ich weiß, waren die Opfer dieser Taktik hauptsächlich kleinere Kampfschiffe und Frachter. Ist das nicht feige?“
„Im Krieg gibt es keine kleineren Kampfschiffe, Carrie. Und die Frachter waren legitime militärische Ziele, da sie Kriegsgüter transportiert haben“, sagte Arling ernst. „Das einzige was man den Argonauten vorwerfen kann ist vielleicht, dass sie in Kauf genommen haben, dass ihre Verbündeten einen etwaigen Gegenschlag würden abfangen müssen. Ich als Staatspräsident würde dieses dreiste Vorgehen im Städterat anprangern. Und was das freilassen angeht, wir kriegen ja auch was dafür, oder?“
„Freie Passage“, vervollständigte Carrie Rodriguez mit einer gewissen Zufriedenheit.
„Freie Passage, um unsere Bürger heim holen zu können“, bestätigte Arling.
Ein kurzes Rumpeln entstand, als die Fähre auf die Stratosphäre aufschlug und die dadurch entstehenden Turbulenzen nicht sofort ausgleichen konnte. Nun waren es nicht einmal mehr dreißig Kilometer bis zum Boden. Zehn Minuten bestenfalls.
„Kommodore, wir kriegen ein Leuchtfeuer rein. Wir werden auf den militärischen Raumhafen eingelotst.“
„Dem Leuchtfeuer folgen“, sagte Arling knapp. „Nun dauert es nicht mehr lange. Kommodore Griffin, haben Sie eine Minute?“
„Natürlich, Mylord.“
Die beiden Männer zogen sich etwas zurück, soweit das in einer Passagierkabine voller Reporter möglich war und ließen Ellie damit in den Händen von Carrie Rodriguez, ihrem Kameramann und den drei Kameras zurück. „Bin ich eigentlich die einzige, die ein mulmiges Gefühl bei dieser Geschichte hat?“, fragte Carrie laut.
„Wir haben das Wort des Systemdirektors“, sagte Ellie, aber es klang nicht sehr überzeugend. „Was soll er schon tun, ohne sein Gesicht zu verlieren?“
„Fünf Minuten bis Touchdown. Bitte anschnallen!“, rief der Pilot.
Arling und Griffin kehrten zu ihren Plätzen zurück und auch die anderen Offiziere und Pressevertreter nahmen Platz. „Bis jetzt ging es doch gut, Carrie“, sagte Ellie und nickte der Reporterin freundlich zu.
„Ja, bis jetzt. Und wenn du nur einmal zwinkerst, werden wir beschossen und…“
Eine heftige Schlingerbewegung, die vom Antigravitationssystem nicht ausgeglichen werden konnte, ließ sie in einen Schreckensschrei enden. Zudem flackerte kurz die Beleuchtung und auch der Pilot fluchte auf seinem Platz. „Han, das war…“
„Ein EMP! Ganz recht. An uns ist gerade eine nicht gerade kleine Ladung hochkonzentrierter Teilchen aus einem Magnetbeschleuniger vorbeigeschossen! RHEINLAND, hier Arling, Bericht! RHEINLAND, hier Arling, Bericht!“
„Hochkonzentrierte Teilchen?“, hakte Carrie nach.
„Ein planetengebundenes Geschütz hat gerade an uns vorbei auf den Orbit geballert. Sieht ganz so aus als wäre es eine Partikelkanone gewesen.“
„Nachricht von den anderen Fähren! Keine Verluste!“
„Immerhin etwas. RHEINLAND, wie ist die Lage?“
„Nur ein Warnschuss, Sir. Nur ein Warnschuss. Aber diverse Principe-Schiffe halten auf uns zu und fordern die bedingungslose Kapitulation.“
Arling fluchte unbeherrscht. „Mylord, sollen wir wieder steigen?“
Arling überdachte seine Optionen. „Steht das Leuchtfeuer noch?“
„Ja, Sir.“
„Wir halten auf den Raumhafen zu. Jemand wird mir Rede und Antwort stehen müssen“, zischte er wütend.
Im Hintergrund klangen die Stimmen der einzelnen Live-Reporter auf, die der Galxis von der neuen Lage berichteten.
„Anruf vom Raumhafen. Man fordert uns zur bedingungslosen Kapitulation auf.“
„Bestätigen Sie. Im Moment sind wir nicht mehr als Zielscheiben.“ Wütend sah der Kommodore zu Boden. „Daran sieht man mal, was das Wort eines Systemdirektors wert ist.“
„Das war ja ne schnelle Expedition. Werde ich dennoch bezahlt?“, scherzte Griffin mit rauer Stimme.
„Es kommt drauf an, was die Kommune mit Ihnen und den Gryanen vorhat.“
„Na, Sie machen mir ja Mut.“
„Eine Minute bis Touchdown. Wir messen multiple Hitzequellen an. Mehrere hundert Hydrae steigen auf und setzen sich neben die Fähren. Halbe Minute. Zehn Sekunden. Touchdown! Meldung von den anderen Fähren: Landung erfolgreich.“
Arling schnallte sich ab. „Öffen Sie die Schotten.“
„Jawohl, Mylord.“

Bange Sekunden geschah nichts, dann aber stürmten Rüstungsbewehrte Infanteristen die Landefähre. Sie hielten zielstrebig auf die kaiserlichen Soldaten zu und behandelten sie nicht gerade sanft. Selbst Arling, unverkennbar mit dem Kommodorestern auf der Schulter, machte harte Bekanntschaft mit den Kraftverstärkern der Rüstungen und der nächsten Wand. Neben ihm wurde Eleonor Rend die gleichen Erfahrung mitgeteilt.
„Mist, was?“, raunte Arling herüber.
„Ja, Mist.“
„Hier wird nicht geredet!“, fuhr einer der Infanteristen dazwischen und drückte Rends Kopf hart gegen die Wand.
Arling lag eine Erwiderung auf der Zunge, aber Widerspruch hätte wahrscheinlich nur eine noch schlechtere Behandlung seiner untergebenen Offizierin ausgelöst.
„Meine Damen und Herren von der Presse! Für Sie wurden Unterkünfte vorbereitet! Außerdem bereiten wir Ihren Heimflug vor! Bitte folgen Sie den Anweisungen der Soldaten und bedenken Sie, dass Sie sich auf militärischem Gelände befinden!“, rief ein Infanterist mit Offizierskennung auf der Rüstung.
„Was geschieht nun mit Kommodore Arling und seiner Flotte?“, rief einer der Presseleute.
„Die Besatzung und die Offiziere werden für die Dauer des Krieges interniert. Die Schiffe werden konfisziert und in den Dienst der Kommune Principe übernommen. Ihre Soldaten, Offiziere und Schiffe sind davon natürlich ausgenommen, Kommodore Griffin.“
„Ich habe mich schon gewundert, warum ich keine Bekanntschaft mit der nächsten Wand machen musste“, brummte der Gryane. „Das ist also die Lösung? Sie kassieren die ganze kaiserliche Flotte ein? Obwohl der Systemdirektor sein Ehrenwort gegeben hat?“
„Ich bin nur Soldat, kein Politiker! Ich führe nur meine Befehle aus!“
„Und wer bezahlt mich und meine Leute für den Verdienstausfall, den wir ab jetzt haben werden?“
„Das müssen Sie mit dem Systemdirektor klären. Damit habe ich nichts zu tun.
Wenn die Herrschaften von der Presse nun die Fähre verlassen würden, es stehen Fahrzeuge bereit!“
„Das traurige Ende der Mission der Hoffnung“, intonierte Craig Winston, Live-Reporter aus Yura-Maynhaus. „Der Versuch, das Schicksal von zwei Millionen Bürgern des Kaiserreichs zu klären scheitert an der Menschlichkeit eines Admirals von Baaden und der Naivität eines Kommodore Arlings, der dem Wort eines Offiziellen der Kommune Principe vertraut hat.
Was sagt das über das Kaiserreich Katalaun? Offensichtlich gilt dort ein Wort noch etwas. Was sagt das über die Diadochen aus? Offensichtlich zählt hier nur das Ergebnis.“
„Systemdirektor Ptolemaios Styx hat sein Wort verpfändet und mit dreiundsiebzig Prozent Zustimmung der Bürger von Tunis unterstrichen. Wie viel ist also das demokratische System der Kommune Principe wert?“, klang Carries wütende Stimme auf. „Wie mündig ist der Bürger in der Kommune? Oder war es nur eine Lüge, eine Manipulation? Auf jeden Fall widerspricht die Festsetzung von Kommodore Arling und seiner Flotte allem, was Direktor Styx im Namen seines Volkes versprochen hat! Ist dies signifikant für alle Staaten der Diadochen? Gilt dies für alle Versprechen der Kommune Principe? Wo wird es enden? Bei Verträgen, bei Geldtransfers? Lieferungszusagen? Staatsverträgen?
Die Kommune kann sicherlich ohne Ehre leben, aber kann sie auch ohne guten Leumund existieren?“
„Meine Damen und Herren, bitte verlassen sie die Fähre und steigen sie in die wartenden Wagen. Bitte! Sie behindern eine militärische Operation!“
Nach und nach ließen sich die Journalisten aus der Fähre führen. Carrie Rodriguez war eine der Letzten. Als sie losging klopfte sie Ellie auf die Schulter. „Ich freue mich auf unseren nächsten Trainingskampf, Ellie.“
„Ich setze dich auf meinen Terminpl…“
Wieder wurde ihr Kopf hart gegen die Wand gedrückt. „Die Gefangenen haben Redeverbot!“
„Whooo, Herr Kommodore, sträuben Sie sich nicht so! Es würde mir leid tun, Ihnen einen Arm brechen zu müssen. Außerdem muss Ihr Offizier nur den Mund halten, und niemand tut ihr was. Sie brauchen ihr also nicht beispringen“, sagte der Infanterist, der Arling im Griff hielt.
„Vielleicht sollte ich mal ausprobieren, wie gut Ihr Kraftverstärker wirklich ist“, zischte Arling wütend.
„Und was dann? Sie würden in ein Dutzend Waffenmündungen starren. Also seien Sie vernünftig. Sobald die Presse draußen ist, wird Ihnen erlaubt, in Handschellen abgeführt zu werden. Wir wollen nur verhindern, dass Sie einen von ihnen als Geisel nehmen.“ Der Mann schien einen Moment nachzudenken. „Wobei unsere Befehle für diesen Fall eindeutig sind.“
„Und wann kümmert sich jemand um mich?“, merkte Griffin bissig an.
„Der Direktor ist auf dem Weg, Sir. Bitte gedulden Sie sich noch einen Moment. Für die Gryanen nur das Beste.“
Carrie klopfte Arling ebenfalls auf die Schulter. „Überlassen Sie das kämpfen diesmal mir, Han. Bewahren Sie die Ruhe und genießen Sie die Gastfreundschaft der Kommune Principe.
So, der Systemdirektor ist also auf dem Weg hierher? Ich werde meine Kollegen informieren. Komm, Spence.“
Hoch erhobenen Hauptes verließ Carrie die Fähre als letzte Reporterin.
Nun waren endlich die kaiserlichen Soldaten an der Reihe. Sie wurden vor die Fähre geschafft. Dort legte man ihnen Handschellen an. „Wir gestatten ihnen, in geschlossener Formation abzumarschieren. Ein Großraumgleiter steht für den Abtransport bereit. Verderben Sie sich dieses Privileg nicht, Kommodore Arling. Moment, wo wollen Sie hin, Kommodore Griffin?“
„Ich verlasse das Schiff. Das darf ich ja wohl, wenn ich nicht auch ein Gefangener bin, oder?“
„Natürlich, Sir, aber warum…“
„Ich begleite Graf Arling auf die Oberfläche dieser Welt. Ich will so lange wie möglich mit anständigen Leuten zusammen sein, bevor ich mich mit einem Wortbrecher auseinander setzen muss.“
„Wie immer Sie meinen! Abmarsch!“
Die Kolonne setzte sich in Bewegung und verließ die Fähre. Johann Arling übernahm die Front, neben ihm ging der ungefesselte Griffin. Seine Miene mürrisch zu nennen wäre ein riesiges Kompliment gewesen.

Vor der Fähre spielten sich unglaubliche Szenen ab. Die Reporter, die teilweise schon Gleitwagen bestiegen hatten, verließen diese wieder und gaben hastige Berichte ab, während die Printmedienjournalisten Memos in ihre Bänder sprachen. Fotografen huschten zwischen alledem umher, um einige spektakuläre Bilder vom Auszug der kaiserlichen Offiziere zu machen. Vor dem Gefangenenbus blieben Arling und Griffin stehen.
„Ich würde Sie gerne begleiten, Mylord Arling, aber ich befürchte, hier draußen nütze ich Ihnen mehr als bei Ihnen im Gefängnis.“
„Sorgen Sie einfach dafür, dass die Argonauten ordentlich übergeben werden. Und gestatten Sie es nicht, dass meine Leute ins Fürstentum Argos verschleppt wird. Um mehr bitte ich Sie im Moment nicht.“
„Keine Sorge, Sir. Ich werde hier alles in die Hand nehmen.“
Als ein kleiner Wagentross vorfuhr, dessen mittlerer Wagen eine Standarte trug, löste dies unter den Journalisten große Hektik aus. „Direktor Styx ist da. Ich glaube, das fällt auch unter den Dingen, die ich in die Hand nehmen muss.“ Der schlanke Mann klopfte Arling auf die Schulter und machte sich dann auf dem Weg zum Wagen.
Derweil wurden die Soldaten des Kaisers in den Wagen gedrängt. Kurz darauf fuhr der Bus ab.
***
„Systemdirektor Styx, warum haben Sie Graf Arling eine Falle gestellt?“
„Falls es Ihnen noch nicht aufgefallen ist, wir haben Krieg mit dem Kaiserreich Katalaun. Wenn Arling also so dumm ist, auf eine derart offensichtliche Falle hereinzufallen, kann ich ihm auch nicht helfen.“
„Systemdirektor Styx, Sie haben Ihr Wort verpfändet. Ist Ihr Wort nichts wert?“
„Mit Verlaub, es war eine militärische Entscheidung, und ich habe sie meinen Militärs überlassen. Die waren geschlossen für eine Kaperung. Und seien wir ehrlich, im Militärgefängnis werden Graf Arling und seine Soldaten eine ruhige Zeit haben, bis der Krieg vorbei ist. Allerdings stehe ich hinter meinen Offizieren, nur um das mal klarzustellen.“
„Systemdirektor Styx, was passiert nun mit den Gryanen?“
„Nichts. Was sollte mit ihnen sein? Jetzt wo ihr Auftraggeber aus dem Rennen ist, haben sie keinerlei Grund länger im System zu bleiben. Söldner ziehen in solchen Fällen weiter.“
„Darf ich Sie eines Besseren belehren, Direktor? Es gibt da durchaus was, was ich hier noch zu tun habe!“
„Der hat gesessen! Eine ordentliche Gerade direkt aufs linke Auge des Systemdirektors! Eine großartige Leistung von Kommodore Griffin! Ich hoffe, sie kriegen zuhause gerade eine Zeitlupe eingeblendet.“
„Glauben Sie wirklich für uns Gryanen wäre der Fall damit erledigt? Dass wir den Schwanz einkneifen und von Dannen schleichen? Oh nein, der Ärger fängt jetzt nämlich erst an, glauben Sie mir das! Jetzt hetze ich erst mal meine Rechtsanwälte auf Sie, und wenn die was von Ihnen übrig lassen, mein lieber Direktor, mache ich aus den Resten Haschee! Sie sind eine Schande für jeden offiziellen Vertreter der Diadochen!“
„Autsch! Haltet doch diesen Verrückten zurück! Er will mich umbringen! Wachen!“
„Keine Sorge, so tief sinken will ich nun auch wieder nicht. Ich bin auf meinem Schiff, falls Sie mich suchen. Und von dort lasse ich die Hölle über Sie losbrechen, glauben Sie mir das, Styx. Denn Sie haben auch die Ehre der Gryanen beleidigt, und das ist etwas, was wir sehr übel nehmen!“
„Sehen sie den Unterschied, liebe Zuschauer? Das ist ein Mann ohne Rückgrat. Und das ist ein Mann von Ehre. Ich bin Carrie Rodriguez. Geben sie mir fünf Minuten, und ich gebe ihnen das Universum.“

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4.
12.06.2613
Diadochen, Kommune Principe
Tunis-System
Tripolis, Planetare Hauptstadt Paradise City, Militärgefängnis

Eigentlich hatten die Offiziere und Kapitäne es nicht schlecht. Sie hatten einen eigenen Trakt im Gefängnis und durften auf Ehrenwort ihre Zellen verlassen und einen Gemeinschaftsraum aufsuchen. Dort standen ihnen begrenzte Unterhaltungsmöglichkeiten zur Verfügung, vor allem eine kleine Bibliothek und eine Auswahl Lesegeräte.
Mahlzeiten gab es regelmäßig. Sie waren nicht üppig, aber auch nicht darauf ausgelegt, die Offiziere auszuzehren, um sie an der Flucht zu hindern.
Und immerhin wurde ihnen erlaubt, das staatliche Fernsehen zu verfolgen, in dem die Kaperung ihrer kleinen Flotte natürlich Thema Nummer eins war. Beziehungsweise der Versuch.
Arling schien die Ruhe selbst zu sein, während der offizielle Nachrichtenkanal noch immer darüber berichtete, dass die kaiserliche Flotte noch immer nicht hatte geentert werden können, weil die Gryanen-Schiffe die Einheiten Roberts vor dem Beschuss der Principe-Truppen abdeckten.
Er mischte zwei französische Kartenblätter mit je zweiundfünfzig Karten durch und verteilte sie gleichmäßig zu dreizehn Karten zwischen sich, Kapitänleutnant Rend und Oberleutnant Russeau, dem Piloten des Shuttles. Ein vierter Stapel ging an einen fiktiven Mitspieler. Der Rest landete in zwei Packen auf dem Tisch.
„So wird das nichts, Sir. Wir sollten uns umschauen, ob unter den anderen nicht noch jemand ist, der Scatch beherrscht.“
„Ich gebe Ihnen Recht, Russeau. Der blinde Vierte ist in seinen Zügen doch etwas zu unberechenbar. Meine Damen und Herren, haben sie Oberleutnant Russeau gehört? Wir brauchen noch einen vierten Mann für Scatch!“
„Ich kann Scatch, Mylord, aber ich bin nicht besonders gut.“
„Fähnrich Kensington, wenn ich nicht irre. Ist das ein Versprechen, dass Sie nicht besonders gut sind? Ich verliere nämlich nicht gerne“, scherzte Arling.
Der Offiziersanwärter nahm zögerlich Platz. „Ich gebe mein bestes, Sir.“
„Ruhig, junger Mann. Niemand beißt Sie hier, und ich würde es wirklich hassen, wenn Sie mein Partner sind und vor lauter Nervosität abwerfen anstatt zu bedienen“, mahnte Rend.
„Ja, Ma´am. Verstehe, Ma´am.“ Der junge Mann nahm nervös seine Karten auf und mischte sie durch.
„Zuerst ziehen wir die Reihenfolge.“ Arling breitete einen der Kartenstapel aus und jeder der vier Spieler zog ein Blatt.
„Ah, Kreuz zwei. Dann werde ich den Trumpf bestimmen. Ellie, wie ich sehe bist du mit einer Karo neun gestraft. Damit sind wir wohl Partner für diese Partie, denn der Herr Oberleutnant hat eine Herz Dame und Fähnrich Kensington sogar ein Herz Ass.“
„Es fügt sich eben alles so, wie es sein soll, Han“, erwiderte sie mit kokettem Augenaufschlag.
Arling lächelte dazu, sammelte die gezogenen Karten wieder ein und packte die restlichen Spielkarten wieder zu zwei Ziehstapeln auf. „Herz ist Trumpf, meine Herren. Bei gleichen Karten gilt wie immer der zweite Partner zieht den Stich. Ich erlaube mir pro Stich zehn Punkte anzuschreiben, die Bildkarten liegen bei mit den üblichen Werten. Trumpf zählt immer einen Extrapunkt. Hundert Punkte sind zehn Mark. Sind damit alle einverstanden?“
Die anderen nickten beifällig.
Eleonor Rend als Arlings Partnerin kam heraus und spielte vorsichtig mit einer Kreuz neun an. Das benutzte Russeau, der nun an der Reihe war, dafür, um eine Karo acht abzuwerfen. Ein sicheres Zeichen dafür, dass er selbst kein Kreuz auf der Hand hatte. Wohl aber konnte er den Trumpf, also Herz, führen.
Arling nutzte die Gelegenheit, um eine eigene hohe Karte durchzubringen und legte einen Kreuz König auf den Stapel. Kensington warf eine Kreuz zwei ab.
Arling atmete erleichtert auf. Der Stich gehörte ihm. Und wenngleich er auch nur vierzehn Punkte für einen König und zehn für den Stich selbst bekam, so war es doch ein guter Anfang. Denn in einer Partie mit zweimal zweiundfünfzig Karten tauchte jede Karte zwangsläufig zweimal auf.
Als der Stich verstaut war, zogen alle Spieler eine neue Karte von den Stapeln auf dem Tisch.
„Du spielst sehr riskant, Han“, tadelte Eleonor. „So früh im Spiel schon einen Stich und vierzehn Punkte zu riskieren ohne zu ahnen, was noch im Spiel ist, das nenne ich gewagt.“
„Du magst kein Risiko, Schatz? Warum hast du mich dann auf diese Mission begleitet?“
„Es erschien mir ein vertretbareres Risiko zu sein als vierundzwanzig Punkte zu riskieren, Han“, erwiderte sie mit einem verschmitzten Lächeln.
„Dein Punkt, Schatz. Mein Stich, ich komme raus.“
Nun servierte Arling eine Herz vier. Da er als Herauskommender Trumpf angespielt hatte, mussten nun alle anderen auch Trumpf bedienen, sofern sie welche auf der Hand hatten.
Kensington spielte nun auch brav einen Herzbuben aus, und Rend legte mit allergrößtem Bedauern ein Herz Ass auf den Stapel. Dies war zwar im Moment die höchste Karte im Spiel, aber es gab sie zweimal. Und da Russeau gerade zweiter Partner für den Fähnrich war, konnte er den Stich mit einem eigenen Herz Ass abräumen, zehn Punkte für den Stich kassieren, je einundzwanzig für ein Ass, noch mal zwölf für den Buben und vier Extrapunkte für viermal Trumpf. Doch es kam nicht ganz so schlimm. Er servierte lediglich eine Herz neun.
„Das war jetzt von dir sehr riskant“, tadelte Arling seine Verlobte.
„Was sollte ich machen? Du hast Herz angespielt“, verteidigte sie sich.
„Bitte keine Absprachen zwischen den Spielern“, mahnte Russeau, der sehr wohl gemerkt hatte, was Eleonor Rend wirklich gesagt hatte. Nämlich, dass das Herz Ass ihr einziger Trumpf gewesen war, bis sie denn beim ziehen einen neuen erwischte.
Nun war Rend an der Reihe, herauszukommen.
„Es wundert mich ein wenig, wenn ich das sagen darf, Sir“, sagte der Fähnrich unvermittelt.
„Sie wundert was?“ Mit lockerer Hand bediente er Kreuz zwei und Kreuz acht mit einer Kreuz Dame, um diesen Stich nach Hause zu holen. Leider machte ihm Kensington mit einem Kreuz Ass einen Strich durch die Rechnung.
„Mich wundert, dass wir hier so locker sitzen und Karten spielen.“
„Das machen wir, weil wir nichts anderes zu tun haben“, sagte Russeau ernst. „Gewöhnen Sie sich besser daran, Fähnrich, denn wenn kein Wunder geschieht, wird diese Kartenrunde noch eine sehr, sehr lange Zeit Scatch miteinander spielen.“
„Was für ein Wunder, Sir?“
„Nun, zum Beispiel eine kaiserliche Flotte, die uns hier raushaut. Aber das wäre dann doch etwas viel verlangt.“
„Ja, das wäre es eventuell. Wir haben alle gewusst, auf welches Risiko wir uns einlassen würden, wenn wir uns für diese Mission melden“, sagte Kensington deprimiert.
„Junger Mann, sehen Sie es mal so: Sie haben diese Mission mit einem Trumpf Kreuz Ass begonnen; der erste Gegenspieler hatte eine Kreuz zehn blank auf der Hand und der Zweite Partner hat wundervoll mit einem Kreuz König bedient. Nur leider hat der Zweite Partner des Gegners mit dem zweiten Kreuz Ass nachgezogen und Ihnen damit die Hosen runter gezogen“, sagte Arling und registrierte verwundert, als Kensington mit einer Herz fünf herauskam. Normalerweise ging man mit den eigenen Trumpfkarten sparsam um, solange nicht die Hälfte der Partie gespielt und die Anzahl der Trumpfkarten im Spiel überschaubarer geworden war.
Eleonor Rend warf ab, legte ein Pik Ass hinein. Wenn Russeau nun mit seinem Herz bedienen musste hatte Arling, der Herz selbst zu Trumpf erklärt hatte und deshalb noch über den einen oder anderen Trumpf verfügen musste, eine gute Chance, die einundzwanzig Extrapunkte vom Pik Ass nach Hause zu bringen. Russeau tat ihnen den Gefallen und warf eine Herz zwei ab.
Arling ließ sich diese Gelegenheit nicht entgehen und zog sein Herz Ass. Damit holte er sich und Rend fünfundfünfzig Punkte.
„Hätte ich vorher gewusst, dass das zweite Herz Ass nicht in den Stapeln liegt und bereits im Spiel ist…“, murmelte der junge Mann vor sich her.
„Tja, das weiß man eben nie vorher“, sagte Rend belustigt. „Aus diesem Grund hat man bei Scatch ja auch immer einen Partner.“
„Das nützt aber nichts, wenn der Partner auch versagt.“
„Richtig, Kensington. Aber man kann den Fehler danach gemeinsam ausbügeln“, sagte Arling ernst. „So, ich bin dran, wie es scheint.“
***
Man konnte über bewaffnete Infiltration sagen was man wollte. Man konnte sie als notwendiges Übel erachten, man konnte sie als scharf geschliffenen Dolch ansehen, der einem im Notfall das Leben rettete oder dem Gegner bei einer günstigen Gelegenheit hinterrücks in die Rippen getrieben wurde. Man konnte sogar sagen, dass bewaffnete Infiltration eine sehr blutige Angelegenheit war.
Normalerweise.
Die zwei schwarz gekleideten Gestalten, die in ihren Tarnrüstungen für Kameras und Scanner unsichtbar waren, gingen jedoch mit Raffinesse vor und erledigten einen Wachtposten nach dem anderen, ohne sie zu töten.
Die beiden gingen kombiniert vor. Einer sicherte den Laufgang, der andere ging voran. Wenn nötig wurden Gegner ausgeschaltet, entweder gemeinsam oder vom vorangehenden Spezialisten.
Auf diese Weise kamen sie schnell vorwärts, ohne dass die Wachleute Alarm auslösen konnten. Auch in der Überwachungszentrale wurde lange Zeit niemand misstrauisch. Jedenfalls lange genug, um die Wachen vor der Zentrale mit lähmenden Giftpfeilen aus primitiven Blasrohren auszuschalten, die Panzertür der Überwachungszentrale aufzusprengen und den Raum selbst mit zwei Gasgranaten zu garnieren. Als die beiden Kommandos anschließend eintraten, war die Besatzung der Zentrale desorientiert, konnte kaum sehen, aber ziemlich gut husten.
Ein Bein zuckte hoch, traf eine Kinnspitze und schaltete den ersten aus.
Fast zugleich griffen zwei schraubstockartige Hände zu, drehten einen rechten Arm auf sehr schmerzhafte Weise auf einen Principe-Rücken und brachten all das in näherer und schmerzhafter Bekanntschaft mit dem Fußboden.
Danach jagte eine der schwarzen Gestalten eine Reihe energiereicher Schüsse in das Überwachungsequipment.
Die schwarze Gestalt griff sich an die Kehle und murmelte drei kurze Worte: „Go! Go! Go!“
Damit brach die Hölle über der Haftanstalt herein.
***
Als die beiden Infanteriependler aus dem Nachthimmel herab fielen, wurde auf sie geschossen, solange deren Explosion weder die planetare Hauptstadt, noch bewohntes Gebiet gefährden konnte. Leider waren die Waffen nicht auf den Beschuss derart flexibler Boote ausgelegt. Startende Hydrae versuchten die beiden Pendler einzuholen, wurden aber von den acht die Pendler begleitenden Knights unter Beschuss genommen und drehten wieder ab.
Die automatischen Waffen des Gefangenentrakts eröffneten das Feuer selbstständig, jedoch war es für die Knights eine Kleinigkeit die Waffen auszuschalten, die lediglich dafür gedacht waren, Schwebewagen und Hubschrauber aufzuhalten.
Als die beiden Pendler sicher im Innenhof standen, klappten die Rampen auf und zweihundert Elite-Infanteristen des Kaiserreichs stürmten hervor. Die wenigen Verteidiger hatten nicht wirklich eine Chance und ergaben sich nach kurzem Schusswechsel, der zum Glück keine Opfer forderte.
An der Spitze ihrer Leute drang Oberst Ganth in das Gefängnis ein. Der große Vorteil solcher Bauwerke war, dass sie das, was drinnen war, nicht hinaus lassen sollten. Hinein kommen war meistens sehr viel einfacher. Und so hatte das Gefängnis, das erbaut worden war, um einen Ausbruch mit einem Minimum an Personal zu verhindern nicht wirklich eine Chance, mit diesem Minimum eine Eroberung aufzuhalten.
Während die Knights Wache hielten fingen die Infanteristen die Gefängniswärter ein und stellten sie ihrerseits in Haft.
„Sucht unsere Leute!“, rief Cecilia Ganth. „Sucht den Kommodore! Wagt es ja nicht ohne ihn wiederzukommen!“
„Jawohl, Ma´am!“
***
Als die Tür zum Gemeinschaftsraum von einem Wachtposten in sehr unbequemer Haltung geöffnet wurde, nämlich den Kopf weit nach hinten gebeugt – sicherlich war der Karabiner, der seine Nase deformierte mit schuldig an der Körperhaltung – waren Arling und seine Offiziere gerade dabei die Punkte zusammen zu zählen.
„Blue Ray an Blue Leader. Jackpot, ich wiederhole, Jackpot!“ Der Mann mit dem Karabiner stieß den Gefängniswärter einem seiner Leute in die Arme und zog seine Maske ab. „Kommodore, Leutnant Rogers. Wir haben nur ein kleines Zeitfenster, bevor die Tripolianer mit eigenen Schiffen reagieren!“
„Haben wir alle unsere Leute gefunden?“, fragte Arling mit kalter Stimme. „Es scheint so, als wäre das Spiel nicht sehr gut für uns ausgegangen. Zwar habe ich die meisten Punkte, Ellie, aber Kensington und Russeau haben zusammen mehr als wir beide.“
„Es tut mir leid. Ich hatte eben ein schlechtes Blatt.“
„Wir suchen noch nach ihnen, Sir. Wenn Sie sich jetzt in Bewegung setzen könnten, dann…“
„Wollen Sie mir etwa Befehle erteilen, Leutnant?“
„Nein, Sir, aber Oberst Ganth wird mir den Kopf abreißen, wenn ich Sie nicht wenigstens bis zum Pendler schaffe! Wir suchen unsere Mannschaften und wir fliegen garantiert nicht ohne sie ab, Sir, das will keiner von uns! Aber kommen Sie wenigstens dorthin, wo unsere Knights stehen!“
„Bei den Argumenten kann man wohl nichts machen. Wir nehmen die Karten mit, als Souvenir“, sagte Arling seufzend und erhob sich. „Status der Flotte?“
„Einsatzbereit, Sir. Der Orbitalbeschuss hat keine Schäden angerichtet.“
„Sehr gut. Herrschaften, abmarsch! Ach, und Kensington. Ich glaube, Kapitänleutnant Rend schuldet Ihnen so um die fünfzig Mark.“
„Musstest du ihn daran erinnern?“, murrte die Kapitänin der REDWOOD.
„Wir können ja weiterspielen, sobald wir wieder an Bord sind“, bot Kensington an.
„Das lobe ich mir. Der junge Mann ist Optimist“, merkte Russeau an.
„Genau wie ein gewisser Kommodore.“
Auf dem Weg durch das Gefängnis empfing sie unheilvolle Stille. Der Trakt wurde zivil nicht genutzt, sie liefen also nicht Gefahr, durch ihre Aktion ein paar hundert gefährlicher Straftäter freizusetzen. Aber dennoch war dieses Fehlen von Geräuschen irritierend.
Auf halbem Weg stießen die Mannschaften hinzu. Die Männer und Frauen waren über die veränderte Situation mehr als erfreut.
Die Situation war für eine Flucht sehr entspannt. Zumindest, bis Arling stehen blieb und angestrengt in einen dunklen Nebengang hinein sah. „Russel, sind Sie das?“
Aus der absoluten Schwärze schälte sich ein menschlicher Umriss hervor. „Ja, Sir.“
„Wer ist da bei Ihnen?“
„Oberleutnant Kiriati, Sir.“
„Kommen Sie mit uns oder haben Sie einen eigenen Weg hoch?“
„Es ist geplant, dass wir auf dem Pendler mitfliegen, Sir.“
„Na, dann kommen Sie. Die Infanterie übernimmt die Nachhut.“
Rend tauschte einen irritierten Blick mit Russeau. „Haben Sie da was gesehen?“
„Nein, Ma´am! Der Alte – entschuldigen Sie – Ihr Verlobter muss ein eingebautes Radar haben!“
„Also, ich schätze einfach mal, dass er damit gerechnet hat, dass die Ninjas diese Aktion vorbereitet haben“, sagte Kensington mit Respekt in der Stimme. „Und er dachte sicherlich, dass, wäre er ein Ninja im Tarnanzug, würde er auch in diesem Halbschatten stehen, um sich zu vergewissern, dass alles nach Plan läuft.“
Arling sah hinter sich. „Weiter so, Kensington, und aus Ihnen wird einmal ein hervorragender Offizier.“
Verdutzt starrte der Fähnrich den Kommodore an, der mindestens zehn Meter vor ihm herging. „Da-danke, Sir!“

Vor dem Gebäude ging dann alles ganz schnell. Nachdem die Vollzähligkeit nachgewiesen worden war, schifften die Infanteristen, die Ninjas und die Besatzungen der Landeboote, die auf der Planetenoberfläche gefangen genommen worden waren, ein. Begleitet von den Knights starteten sie durch, während unter ihnen die ersten Sicherheitskräfte auf das Gefängnis zurasten. Ihnen würde es überlassen bleiben, die gefangenen Wachen wieder zu befreien. Alles in allem eine gelungene Operation, die aber nicht nötig gewesen wäre, wenn Styx sein Wort gehalten hätte.
„Ganth!“, sagte Arling ernst.
Die Oberste kam sofort heran. „Sir?“
„Ganth, hatten Sie diesmal Verluste?“
„Nein, Sir. Wir haben die Ninjas aus dem Orbit mit Spezialkapseln abgeworfen. Von sechs sind zwei im Innenhof des Gefängnis gelandet. Die anderen vier sind mittlerweile eingetroffen. Sobald die Überwachungszentrale ausgeschaltet war, bekamen wir go. Deklariert als Parlamentärsverband der Gryanen erreichten wir mit den Knights die dichtere Atmosphäre. Dort wurde bemerkt, dass wir nicht wirklich auf dem Raumhafen landen wollten und man eröffnete das Feuer auf uns. Die überlegene Wendigkeit von Knights und Pendlern hat uns jedoch vor Treffern bewahrt. Danach habe ich das Gefängnis nehmen lassen. Der Rest ist Geschichte.“
„Hatten die Wachen Verluste?“
„Nein, Sir. Ich habe klare Anweisungen gegeben, nicht-lethal vorzugehen.“
Arling strich sich über sein Kinn, während Paradise City unter ihm zu einem einzelnen Lichtpunkt verschmolz. „Cecilia, Sie haben heute sehr gute Arbeit geleistet. Unter diesem Gesichtspunkt bin ich bereit, über ein, zwei kleine Schwächen hinweg zu sehen, die Sie sich beim Einsatz auf der MADELEINE geleistet haben. Sehen Sie sich als voll rehabilitiert an.“
Oberst Ganth starrte den Kommodore an. Dann atmete sie erleichtert auf. „Danke, Sir. Nichts wäre schlimmer für mich, als wenn Sie weiterhin wütend auf mich wären.“
„Oh, ich war nicht wütend auf Sie, das war ich nie, Cecilia. Ich hatte Sie nur genau im Auge. Von Ihnen und von mir hängen zu viele Leben ab, merken Sie sich das. Und machen Sie sich klar, dass ich Sie immer noch beobachte. Ich sehe nur davon ab, Sie zu degradieren. Ist das in Ordnung, Cecilia?“
„Ja, Sir, das ist in Ordnung.“
„Gut. Weitermachen.“
Die Oberste salutierte und widmete sich wieder ihren Aufgaben.

„War das in Ordnung so, Han?“, fragte eine tiefe Frauenstimme. Major Russel trat neben ihn. „Sie ist vielleicht etwas jung für so einen Posten. Aber sie passt auf ihre Leute auf. Nur deshalb hat sie so lange gezögert von der MADELEINE abzudocken. Wer will schon seine Untergebenen sterben sehen?“
„Ein interessanter Gedanke von einem Ninja, Gräfin zu Solms.“
Madeleine zu Solms lächelte dünn. „Es heißt Major Russel, Mylord. Ich wollte lediglich eine Lanze für eine viel versprechende Offizierin brechen und zeigen, dass auch Ninjas ein Herz haben.“
„Natürlich haben sie ein Herz. Was würde sonst ihr eiskaltes Blut durch ihre stahlharten Venen pumpen?“
„Han…“, tadelte sie.
„Schon in Ordnung. Ich verliere nur nicht gerne Leute, aber mein Job bringt es eben mit sich, dass ich zwischen zwei und zweihundert Toten wählen muss. Wer kann es mir verdenken, dass ich mich stets für die zwei Toten entscheide?“
„Niemand“, hauchte die Ninja. „Nicht einmal der Kaiser.“
Ein leises Rumpeln ging durch das Schiff, als rudimentärer Beschuss in die Schirme des Infanterietransporters einschlug.
„Sie lernen es nicht, was?“, kommentierte Arling den Beschuss grinsend.
„Genauso wenig wie ein gewisser Graf von einer Hinterwäldlerwelt“, erwiderte die Gräfin, bevor sie sich abwandte und zu ihren Leuten zurückging.
„Ich habe es genau gesehen“, sagte Arling leise mit einem Lächeln. „Das war ein Schmunzeln, eiskalter Ninja.“
***
Als die Pendler relativ unbehelligt von den Kommune Principe-Truppen auf der RHEINLAND einschifften, empfingen ihn bereits Griffin, Schlüter und Cochraine.
„Guten Abend, Sir. Freut mich, dass Sie es geschafft haben“, sagte Griffin ernst, während er einen festen Händedruck mit Arling austauschte.
„Freut mich ebenfalls. Das war eine gute Aktion, soweit ich sie mitgekriegt habe, Coryn. Ich dachte, Sie wollten eine Horde Rechtsanwälte auf Styx hetzen. Stattdessen unterstützen Sie ein Kommandounternehmen.“
„Man tut was man kann. Es war übrigens Kapitän Schlüters Idee, wenn ich das anmerken darf.“
„Aber die Idee, meine Schiffe mit Ihren zu schützen war doch Ihre Idee, oder?“
„Ich kann doch nicht dabei zusehen, wie mein Arbeitgeber hochgenommen wird. Natürlich war das meine Idee, Mylord.“
„Eine gute Idee“, sagte Arling ernst und tausche einen Händedruck mit Cochraine aus. Danach ließ er sich von Schlüter gegen das Protokoll kurz drücken. „Sei nicht immer so leichtsinnig, Han“, tadelte sie ihn.
„Ich werde mir Mühe geben. Also, ist schon alles für die nächste Operation bereit?“
„Sie meinen die Flucht? Das wird eine Mordsrechnerei für einen sehr engen Verbandsflug, damit meine Schiffe Ihrer Flottille wirklich permanent den besten Schutz geben kann. Das klappt natürlich nur solange, wie Styx Respekt vor dem Namen der Gryanen hat. Und wie man sieht sind für ihn Namen, Worte und Versprechen nur Schall und Rauch.“
„Nein, diese Aktion meinte ich nicht. Ich rede von der Befreiung unseres Pressecorps. Die Damen, Herren, Hermaphroditen und Neutren haben zu unseren Gunsten berichtet, wenn ich mich nicht irre. Können wir es uns wirklich leisten, so eine gute Pressemeinung zu verlieren?“
„Vorsicht, Sir. Diese Aktion ging mit sehr viel Glück und noch mehr Können ohne Tote aus. Aber eine Befreiungsaktion dieser Größenordnung fordert garantiert Opfer“, mahnte Griffin ernst.
„Ich gebe zu, dass das der Fall sein wird. Aber Styx hat mich ehrlich verärgert, und wir brauchen das Pressecorps. Wir können nicht nach Hause fliegen und warten, dass die Journalisten nach Hause gebracht werden, wieder ins Kaiserreich kommen und zurück an Bord der RHEINLAND wollen.“
„Dann wird es Tote geben. Bedenken Sie, die Presse ist nicht gefährdet! Niemand wird ihnen ein Haar krümmen. Höchstens die Vertreter der Katalaun-Medien werden eventuell inhaftiert. Oh, Mist, habe ich das wirklich gerade gesagt?“
Die beiden Frauen nickten.
„Dann bleibt uns wohl nichts anderes übrig. Ich nehme an, Ihr nächster Weg führt Sie in den Planungsraum, Kommodore?“
Arling nickte zufrieden. „Gut erkannt. Rufen Sie Oberst Monterney hinzu. Ebenso Oberst Ganth. Man hat uns hier übel mitgespielt, und heute revanchieren wir uns dafür!“
***
In der interstellaren Raumfahrt landete man nicht mit den so genannten großen Pötten auf den Planeten. Es war weentlich kommerzieller, den Waren- und Personentransfer mit Planetenfähren durchzuführen. In einer dieser Fähren wurden gerade siebzehn der Journalisten zum Frachtschiff TIFTA gebracht, das in Richtung Erde fliegen würde.
Einer der Kollegen hatte es mit wenigen Worten auf den Punkt gebracht: Sie wurden entsorgt. Nachdem Arling inhaftiert wurde und seine Flotte kurz vor der Enterung stand, hatte die Kommune nichts eiligeres vor, als sie allesamt aus den Diadochen zu schaffen. Kurze schlechte Presse war immer noch besser als lang anhaltende schlechte Presse.
Carrie Rodriguez beeindruckte das jedoch wenig. Seit dem Start war sie live auf Sendung und recherchierte schon seit über einer Stunde über Gerichtsurteile der herkulanischen Dynastie, die viel Wert auf persönliche Ehre gelegt hatte. Sie hatte auch Mutmaßungen angestellt, wie die Dynastie über diesen Fall entschieden hätte; ihr Urteil war vernichtend ausgefallen.
„Äh, Carrie, du weißt, ich mische mich nie in deinen Job ein, aber bist du sicher, dass wir live drauf bleiben müssen? Ich sehe es schon kommen, dass der Sender uns den Platz entzieht. Immerhin ist es vorbei.“
„Was der Sender macht ist mir egal! Aber du bleibst live mit der Kamera on“, erwiderte die Terranerin mürrisch. „Und vorbei ist es erst wenn der fertige Film aus dem Schneideraum kommt.“
Zustimmendes Gemurmel ihrer Kollegen auf den anderen Sitzen der Fähre erklang. Es herrschte ein gewisser Ehrenkodex und ein tieferes, auf dem Job basierendes Verständnis zwischen ihnen.
„Du bist der Boss. Aber erwähne mich bitte, wenn du den nächsten Pulitzer kriegst, okay?“
„Was redest du da? Alle Preise die ich bekommen habe, gehören zur Hälfte dir. Du bist mein Kameramann, Spence.“
„Du brauchst mich nicht um den Finger zu wickeln. Da baumele ich längst. Okay, wie geht es weiter?“
„Wie wird es wohl weiter gehen? Bei der erstbesten Möglichkeit verlassen wir die TIFTA und kommen wieder her! Wir…“
Ein lauter Schlag, der die Schiffshülle zum schwingen brachte, unterbrach sie. Das Geräusch war laut genug um schmerzhaft zu sein. Carrie sah nach vorne. Das Begleitpersonal war mehr als nervös.
„Meine Damen und Herren, Hermaphroditen und Neutren, bitte schnallen sie sich alle wieder an!“, rief die Chefstewardess. „Es haben sich unerwartete Probleme ergeben, die wir jedoch jede Sekunde…“
„DA KOMMT WAS AUF UNS ZU!“, rief einer der Passagiere und deutete aus seinem Sichtfenster hinaus. Carrie war sofort neben ihm. „Himmel, Spence, sag mir das du auf Sendung bist!“
„Ich bin auf Sendung, Carrie!“
„Das sind Knights da draußen! Knights! Und das riesige Ding da, das auf uns zuhält ist ein Infanteriependler!“
„Was hat das zu bedeuten?“
Carrie sah grinsend in die Runde. Dabei wurde sie von zwei Kameras aufgenommen, die dritte filmte die näherkommende Transportmöglichkeit.
„Liebe Kollegen, es scheint einen Grund dafür zu geben, dass uns vorhin das Fernsehprogramm weggenommen wurde. Unser Taxi zurück zur RHEINLAND dockt gleich an. Alle die mit zurück wollen, sollten sich fertig machen und ihr Equipment zusammensuchen!“
Amüsiert betrachtete Carrie, wie die Journalisten in Hektik ausbrachen.
„Du weißt, dass ein Teil unserer Ausrüstung ebenfalls im Frachtraum ist, oder?“
„Verdammter Mist, das habe ich total vergessen.“

Ein heftiger Ruck ging durch die Fähre. Der Pendler hatte angedockt. Kurz darauf wurde die Schleuse geöffnet. Ein Platoon schwer bewaffneter Infanteristen ergoss sich in den Innenraum. Ihnen folgte ein Offizier mit Oberstenabzeichen. „Mein Name ist Oberst Ganth vom kaiserlichen Leichten Kreuzer RHEINLAND! Bitte geraten sie nicht in Panik! Wir sind lediglich hier, um unseren geschätzten Passagieren der internationalen Presse anzubieten, auf die RHEINLAND zurückzukehren. Sobald wir unsere Schäfchen eingesammelt haben, können sie ihre Reise ungehindert fortsetzen.“ Ganth sah zu Carrie herüber. „Ich nehme mal an, mit Ihnen können wir rechnen, Miss Rodriguez.“
„Wie man es nimmt. Würden Sie meine Ausrüstung aus dem Frachtraum holen?“
„Wenn uns jemand zeigt, was Ihre Ausrüstung ist?“
„Spence, lass mir eine Kamera da und geh mit.“
„Irgendwie habe ich das geahnt“, murrte der Kameramann.
„Oberst Ganth, was ist passiert?“
Die Offizierin des Kaisers lächelte. „Haben Sie wirklich geglaubt, wir lassen Graf Arling in einem Gefängnis auf dieser Welt dahinvegitieren? Oder dachten Sie, wir hätten Angst vor einem Wortbrecher?“
„Nein und nein“, erwiderte die Frau von Terra.
„Gute Antwort, Schätzchen. Gute Antwort.“

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4.
12.06.2613
Kaiserreich Katalaun
Montillon-System, vierter Planet Katalaun
Planetare Hauptstadt Neu-Berlin

Manchmal liefen die Dinge so wie sie sollten. Manchmal klappte einfach alles. Manchmal funktionierte das Universum. Diese und ähnliche Gedanken gingen Admiral Hohenfels durch den Kopf, während sie einen furchtbar süßen Lollipop lutschte und in den Innenhof der Flottenzentrale trat, um zu ihrem Wagen der Fahrbereitschaft zu kommen.
Ja, ihr neues Herzprojekt hatte bereits im Vorfeld Höhen und Tiefen erlebt, und diese neunmalkluge Carrie Rodriguez hätte beinahe schon vor dem Start einen Schlussstrich unter das gesamte Geschehen gemacht, aber Arling war eine sehr gute Wahl für dieses Projekt gewesen. Himmel, hätte sie gewusst, wie gut der Mann auf der internationalen Pressebühne wegkam, hätte sie vielleicht versucht, ihn für ihre Partei zu rekrutieren. Andererseits würde Arling bald genügend um die Ohren haben. Immerhin würde Gandolf von Beijing nicht ewig leben, und dann hatte Johann Arling eine ganze Welt an der Backe.
Nun, wie dem auch sei, der junge Kommodore hatte nicht nur seine Flotte verdoppelt, Admiral von Baaden in die Reihen seiner Schuldner aufgenommen und eine Kaperflotte aus Argos tüchtig aufgemischt, er hatte auch eine Regierung vom eigenen Volk getrennt, einen aberwitzigen Streich ausgeführt und bereits jetzt die Diadochen rebellisch gemacht.
Es hatte nicht sehr lange gedauert um die Bürger der ultrademokratischen Kommune Principe gegen ihre Anführer aufzubringen. Hunderte spontane Votings mit Millionenbeteiligung hatten nicht nur Systemdirektor Styx abgemahnt, auch der Principe-Rat, der dem Vorgehen von Styx zugestimmt und der Flotte freie Hand gelassen hatte, war nach diesen Votings tief im Quotenkeller verschwunden. Für die nächsten Wahlen würde diese Regierung einen sehr schweren Stand haben. Es wäre nicht verwunderlich gewesen, hätten ihre Parteien verkündet, diese Regierungsmannschaft nicht wieder aufzustellen.
Ohne einen einzigen Schuss abzugeben hatte Arling ein Teilreich der Diadochen auf den Kopf gestellt, eine mittelschwere Revolution ausgelöst, die ihn begleitenden Reporter auf ihn eingeschworen und seine Flotte mit leichter Hand davor bewahrt, geentert zu werden.
Darüberhinaus würde es kein Principe-Politiker mehr wagen, einen Angriff auf Arling zu befehlen, außer er war an einer Wiederwahl weniger interessiert als daran, seine Meinung durchzusetzen. Aber Hohenfels hatte in ihrem Leben kaum einen Menschen gefunden, der persönliche Überzeugung für persönlichen Wohlstand zurückgestellt hatte. Damit war der erste Etappensieg eingefahren, und bereits der nächste Schritt Arlings war mit einem Nymbus umweht, der ihn und seine Flotte in den Diadochen beschützen würde.
Eigentlich hatte die Presse dieser Schutzschild sein sollen und Direktor Styx hatte eindrucksvoll bewiesen, wie man diesen Schild und die Flotte dahinter voneinander trennen konnte.
Aber so rum war es noch besser. Wenn Arling seinen eigenen Mythos hatte, seine eigene Legende schrieb, die sofort von der Presse in der Galaxis weiter verbreitet wurde.
„Admiral, Ma´am!“
Hohenfels, schon halb zur Tür raus, blieb stehen. „Was gibt es denn, Kress?“
Der Infanteriegeneral winkte mit einer dicken Pappmappe. In Zeiten der elektronischen Datenverarbeitung war diese Form der Datenweitergabe nur den wichtigsten oder geheimsten Dokumenten vorbehalten, also blieb Hohenfels interessiert stehen.
„Ich dachte, Sie wollten das sehen, Marina. Die erste Analyse des gemeinsamen Gefechts von Knights und Rüstern. Die Kombination ist hoch interessant. Wenn wir die Rüster mit Impact-Schirmen ausstatten würden, dann…“
„Geben Sie den Quatsch mal her, Sven“, murmelte Marina Hohenfels und nahm die Pappmappe entgegen. Ihrem Adjutanten, der die Tür zum Fonds öffnete wedelte sie mit der Linken zu. „Dauert noch, dauert noch.“
Interessiert schlug sie die Pappmappe auf. Dann wurde sie auch schon von einer Druckwelle erfasst, lange bevor der Donner der eigentlichen Explosion ihre Ohren erreichte. Die Mappe wurde ihr aus der Hand gerissen, sie selbst meterweit davon gewirbelt. Sie schlug hart auf und verlor beinahe das Bewusstsein. Ihr Blick verschwamm und wurde schwarz. Wie aus weiter Ferne hörte sie die Stimme von Generalleutnant Kress. „Marina? Marina? Oh Gott, Marina, halten Sie durch! SANITÄTER! Marina, bleiben Sie bei uns! MARINA!“
Dann versagte ihr Gehör.
***
„Das ist eine dumme Idee“, sagte sich Gerrit Rend wieder und wieder, aber dennoch folgte er der Schar bunt gemischter Studenten in den kleinen Sitzungssaal. Er registrierte die strenge, paramilitärisch uniformierte Wachtruppe vor der Hauptpforte, die Namensliste, die mühselig abgehakt wurde, und die misstrauischen Blicke, mit denen die Sympathisanten eingelassen wurden.
Als die Reihe an ihm war, forderte jemand eine Durchsuchung an. Ein Scanner wurde über seinen Körper geführt, fand aber natürlich nichts.
Danach durfte er Iesaja Cormick in den Saal folgen. „Ruhig, Rend. Du bist zum ersten Mal hier, deshalb sind sie etwas strenger mit dir. Aber du wirst sehen, wir sind hier eine große und glückliche Familie.“
„Schön für euch“, brummte Gerrit, der es erneut nachhaltig bereute, mitgegangen zu sein.
„Was denn, was denn? Gibt es etwas schöneres als unter Glaubensbrüdern zu sein? Als die Aufgabe, die Worte und die Liebe Gottes und seines Sohnes zu verbreiten?“
„Ja. Sex.“
„Zu dem dich der Allmächtige in seiner endlosen Weisheit befähigt hat.“
„Ich glaube, ich gehe wieder, Iesaja.“
Der Kommilitone hielt ihn am Arm zurück. „Das war doch nur ein Witz. Wir sind eine politische Kraft und keine fanatischen Spinner. Sieh mal, wir haben sogar Moslems und Hindus eingeladen. Und da drüben, das ist einer von diesen Buddhisten.“
„Habt ihr kein Voodo, Lamekar oder Urgötterglauben im Angebot?“, fragte Rend spöttisch.
„Wir bauen unser Angebot merklich aus“, erwiderte Cormick.
Nach und nach kam Ruhe in den Saal. Tatsächlich befanden sich auf der Bühne nicht nur die Anführer der christlichen Organisation, sondern auch Vertreter anderer Glaubensrichtungen, was Gerrit schon verwunderte. Er hatte mit erzkonservativen Eigenbrödlern gerechnet.

Als alle Platz genommen hatten, erhob sich einer der christlichen Rädelsführer und ging ans Mikrofonfeld.
„Liebe Brüder und Schwestern, Gläubige im Herzen und in jeder täglichen Tat. Viele von euch kennen mich. Aber viele sehen mich heute das erste Mal. Mein Name ist Claymore Anasazi, und ich bin geweihter Präceps des Ordens für die Verbreitung des christlichen Glaubens. Zugleich bin ich Obmann des christlichen Ordens dieser Schule.“
Applaus klang für den Mann auf.
„Sicher werdet ihr gemerkt haben, dass uns heute die Kollegen der anderen Glaubensrichtungen besuchen. Und ihr werdet euch fragen: Moslems, Hindus, Sikhs, Buddhisten, Juden, was wollen die hier auf einer christlichen Veranstaltung?
Ich gebe euch die Antwort: Sie wollen das gleiche wie wir: Glaubensfreiheit!“
Irritiertes Gemurmel klang auf, aber auch Applaus vom harten Kern.
„Glaubensfreiheit, werden jetzt viele denken. Wir haben doch Glaubensfreiheit. Das ist falsch! Unter Frederec hatten wir Glaubensfreiheit! Es war uns gestattet gewesen, unseren Glauben auszuüben, zu zelebrieren und Ungläubige und Atheisten zwangszutaufen, um ihr Seelenheil im Nachleben zu retten. Wir durften die Gebote unseres Herrn leben! Und was ist jetzt? Was ist unter Robert anders? Ich will es euch sagen: Robert glaubt an nichts! Robert kennt nur sich selbst! Vielleicht ist da noch die spartanische Linie seiner Ausbildung in der Flotte, vielleicht ist da ein winziger Funken Familiensinn. Aber ist er ein gläubiger Mensch? Versteht er überhaupt die tiefe Liebe unseres Herrn zu seinem Volk? Sieht er denn im Großen und im Kleinen wie Gott sich unserer annimmt, uns beschützt und unser Gebet entgegen nimmt? Nein, natürlich sieht er es nicht. Wie kann er denn auch? Denn Gott hilft denen die sich selbst helfen, unterstützt jene die makellos und reif im Glauben sind und ist für jene da, die ihn nicht leugnen!
Aber genau das passiert gerade! Wir leugnen unseren Gott, weil Robert dies von uns verlangt! Wir sind nicht stark im Glauben, weil Robert verbietet, unsere Kinder in den Schulen christlich zu erziehen! Wir helfen uns nicht selbst, weil wir eher auf Roberts Hilfe denn auf Gottes Hilfe vertrauen sollen!
Wie soll das weitergehen? Wo soll das enden? Gehen wir so weit, gehen wir den ganzen Weg und beten eines Tages Robert anstelle von Gott an? Ist das seine Absicht? Ist das sein Ziel? Will er nicht nur der Ursupator auf dem Kaiserthron sein? Will er selbst zum Gott werden? Will er zu unserem Gott werden? Wollt ihr etwa Robert zu eurem Gott machen?“
Ein einstimmiger Aufschrei ging durch die Menge, die man durchaus als kollektives nein verstehen konnte.
Nachdem sich die Menge wieder etwas beruhigt hatte, sprach der Obmann zufrieden weiter. „Wir sind nicht allein, Brüder und Schwestern, denn nicht nur wir sehen die Zeichen der Zeit und spüren Roberts unnachgiebigen Blick im Nacken, mit dem er uns alles verbietet, was wir für richtig und gut halten! Auch unsere Glaubensbrüder, die Moslems und Juden, die ebenfalls an unseren einen und wahren Gott glauben, leiden unter Roberts wahnwitzigen Plan! Auch die Hindus, die Shintoisten, die Taoisten, die Sikh, sie alle leiden unter Roberts großem Plan, den Glauben an unsere Götter abzuschaffen und durch ihn als einzigen, als lebenden Gott zu ersetzen! Auch sie wollen nicht eines Tages Robert anbeten müssen und ihren eigenen Göttern abschwören! Nein, in dieser Frage stehen wir Schulter an Schulter, und wir sehen eindeutig die Notwendigkeit, gemeinsam dagegen vorzugehen, dass aus Robert Rex ein Robert Deus wird!
Wir wollen keinen Robert als Gott, und wir wollen auch keinen Robert als Kaiser! Wir wollen eine friedlichere, liberalere Zeit, jenseits von Roberts Unglauben, jenseits seiner Clique ungläubiger Helfershelfer, jenseits all dessen, was Frederec uns gewährt hat! Wenn schon einen König, dann Frederec! Wenn schon einen Gott, dann unseren Gott! Wenn schon…“
Ein eilig auf die Bühne tretender Helfer hastete zu dem Obmann und sprach ein paar kurze Worte mit ihm.
Dies hellte die Stimme von Anazasi merklich auf.
„Liebe Brüder und Schwestern! Gerade ereilt mich eine ausgesprochen löbliche Nachricht! Wenn ich Robert sage, dann meine ich auch die Männer und Frauen, die ihn stützen und seinen Ungehorsam vor Gott verteidigen. Und wenn ich auf diese Männer und Frauen deute, dann zeige ich auch auf Admiral Marina von Hohenfels, seine wichtigste Stütze und seine erste Beraterin!
Diese Stütze ist ihm in Zukunft versagt, denn Gott hat es gefallen, sie zu sich zu nehmen!“
Gerrit erstarrte auf seinem Sitz. Es dauerte einige Zeit bis er in der Atmosphäre aus Jubel, Applaus und Zwischenrufen die Kraft fand, seinen KommStick zu aktivieren und die neuesten Nachrichten abzurufen.
Tatsächlich war es die Meldung Nummer eins: Bombenattentat auf Marina von Hohenfels, Admirälin der Flotte.
Erschrocken sah Gerrit auf. Sie hatten doch nicht etwa…? Diese Menschen hatten doch nicht wirklich…? Konnte das sein? War das möglich?
„Und das“, klang nun Iesajas Stimme an seinem Ohr auf, „war erst der Anfang, Bruder Rend!“
***
Mit müden Augen starrte Robert der Fünfte auf seinen Arbeitsmonitor. Er hatte schon vor langer Zeit aufgehört mit dem Hologrammprojektor zu arbeiten, um seine Augen an einem zwölfstündigen Arbeitstag zu schonen. Das Ergebnis war ein verengtes Blickfeld und viel Scrolling.
Mit genauso müden Augen sah Robert die Truppe junger Geheimdienstoffiziere an, die er selbst in ihre Positionen berufen hatte, nachdem er gezwungen gewesen war, den größten Teil des alten Kaders seines Onkels Frederecs in den Vorruhestand oder auf Randwelten zu schieben.
„Wie schlimm ist es, Oberst Willowby?“, fragte er geradeheraus.
„Es gab sieben gleichzeitig stattfindende Attentate. Einem fiel Admiral Hohenfels zum Opfer, und beinahe hätte es Generalleutnant Kress ebenfalls erwischt. Ein weiteres richtete sich gegen Direktor Rütli vom Auslandsgeheimdienst. Aber der alte Fuchs hat den Braten gerochen und ließ die Bombe rechtzeitig entschärfen. Die anderen Attentate konzentrierten sich auf potentielle Nachfolger von Hohenfels und Rütli. Drei waren erfolgreich. Zwei weitere potentielle Opfer wurden teilweise schwer verletzt und fallen für längere Zeit aus.“
Robert dachte kurz nach. Rütli war einer jener Männer gewesen, welche die Revolution der Herzen begonnen hatten. Ein Mann, der Robert ohne Hemmungen benutzt hatte, als Druckmittel und als Galeonsfigur. Rütli war einer jener Leute, die Schuld daran hatten, dass er nun diesen Scheiß Job machen musste. Aber er hatte Robert nie angelogen, und er hatte nie etwas von ihm verlangt, was unmoralisch oder gegen Gesetz und Recht gerichtet gewesen wäre. Es erleichterte Robert also, dass dieser wichtige Mann nicht gestorben war. Aber als er die Liste der Toten und Verletzten vor sich liegen sah, wusste er, dass man ihm gezielt wichtige Stützen seines Einfluss beim Militär hatte nehmen wollen.
„Als Sofortmaßnahme haben Polizei und Inlandsgeheimdienst alle potentiellen ausländischen Agenten und alle bekannten Terroristen verhaftet oder zur Fahndung ausgeschrieben. Wir führen breit angelegte Untersuchungen durch. Aber die ausführenden Organe und deren Hintermänner werden wir sicher nicht fassen, wenn wir nicht einmal sieben parallel stattfindende Vorbereitungen zu Sprengstoffanschlägen bemerkt haben.“
Oberstleutnant Krauss warf ein: „Außerdem müssen wir davon ausgehen, dass in Geheimdienst und Polizei Sympathisanten dabei geholfen haben, die Vorbereitungen, die Attentate und die Flucht der Attentäter zu decken. Wir wissen noch nicht, ob sie aus der alten Garde zur Zeit vor der Revolution der Herzen stammen, oder aus der neuen Generation Fanatiker, die auf anderen Welten herangebildet und auf die Hauptwelten geschickt werden.“ Der Mann räusperte sich. „Wir gehen dem in jedem Fall nach.“
„Wie sieht die Presse die Vorfälle?“
Direktorin Mannth setzte ein verlegenes Lächeln auf. „Sie zerreißen die religösen Parteien in der Luft. Für die freie Presse stehen die Urheber der Attentate fest, vor allem seit das neue Motto der religiösen Konservativen bekannt ist. Aber leider wissen wir, dass eine öffentliche Meinung gegen sie kein Grund ist, ihren Terror zu beenden oder ihre Ziele aufzugeben.“
„Wie lautet ihr Motto, Andrea?“
„Sir?“
„Wie lautet das Motto?“
„Es lautet: Bringt Frederec wieder auf den Thron. Bringt die religiöse Freiheit zurück.“
Robert unterdrückte ein Auflachen. „So, so. Dann haben sich also die Fanatiker der verschiedensten Religionen zusammengeschlossen, um ihre religiöse Freiheit zurück zu erlangen? Ihr Recht, anderen ihre Religion aufzuzwingen? Das Wort ihrer Götter mit Waffengewalt zu verbreiten? Andere Welten zu erobern, vorsätzlich um sie auszuplündern, aufgesetzt um ihnen ihre Götter zu bringen?“
„Das ist so nicht der Fall, Majestät. Soweit ich weiß predigen die Christen Nächstenliebe, und der Buddhismus ist einer der friedlichsten und…“
„Maier, halten Sie die Klappe.“
Der Getadelte verstummte.
„Das Problem ist nicht die Religion. Es ist nie die Religion. Es sind die Menschen, die sie nehmen, benutzen und interpretieren wie immer sie wollen. Ich habe es gesehen! Ich war an der Front, als die Christlichen Fanatiker von Frederec die Freiheit bekommen hatten, den Glauben an Gott unter den außerirdischen Völkern zu verteilen! Ich kenne auch die nicht geschönten Berichte. Und so schön auch eine christliche Gemeinde unter Faritatern sein mag, fünfzigtausend tote Soldaten auf beiden Seiten sind wohl ein etwas hoher Preis für ein gemeinsames Gebet von Faritatern und Menschen!
Selbst wenn eine Religion nur aus zwei Worten besteht, werden diese Menschen sie so interpretieren, wie sie es wollen. Angenommen, das Christentum würde nur aus zwei Worten bestehen: Liebe jeden! Dann würden diese Menschen einen Zusatz hinzufügen, der ihnen zupass kommt: Liebe jeden, aber nur wenn er an Gott glaubt.“
„Verstehe, Majestät. Entschuldigt meinen Einwand, Majestät.“
„Es ist in Ordnung, Direktor Maier. Sie sind voll säkularisiert. Sie wissen einfach nicht, wie es ist, von religiösen Konservativen umgeben zu sein. Einer der wichtigsten Gründe für meine Wahl zum Kaiser war es damals, die Macht der Kirchen auf den Staat zu beenden. Und damit haben wir ihnen die Ausreden genommen, um andere Völker anzugreifen.“
Robert wirkte müde. „Ist das alles wirklich in einem läppischen Jahrzehnt passiert? Es steht mir wieder vor den Augen als wäre es erst gestern gewesen.“
Robert senkte den Blick. Als er wieder aufsah, waren seine Augen wieder voller Kraft. „Wir werden einige Beförderungen aussprechen. Die Admiralität untersteht bis auf weiteres General Kress. Zu diesem Zweck wird er temporär zum Admiral der Flotten befördert, bis wir einen Besseren für diesen Posten haben. Für die anderen Ausfälle erwarte ich Vorschläge. An die Arbeit, Herrschaften! Es darf nicht zu einem Befehlsvakuum kommen!“


5.
13.06.2613
Arlings Flotte
Kommune Principe
Lactos-System, Grenzgebiet zur Föderation Skylla

Es war wohl die merkwürdigste Feindfahrt, die je ein Soldat seit Beginn der militärischen Raumfahrt erlebt hatte. Arlings kombinierte Flotte durchkreuzte die Kommune Principe nicht als das feindliche Gebiet, das es eigentlich war, sondern mehr wie ein Luxuskreuzer auf einem ruhigen Ferientrip. Feindschiffe wichen ihnen aus. Systemdirektoren hofierten sie und versprachen Nachschub, wenn Arling darauf verzichtete ihre Welten aufzusuchen.
Und die Presse feierte die Gryanen als echte, wirkliche Nachkommen der Wächter der alten heraklischen Dynastie.
Solange beide Flotten miteinander flogen, drohten ihnen von den Schiffen der Kommune keine Gefahr. Noch schlimmer – oder von Arlings Standpunkt aus gesehen besser – verbot die Kommune dem diadochischen Städterat und speziell ihren Nachbarn jegliche militärische Intervention.
Man konnte nach den aufregenden Tagen auf Tripolis also durchaus von einer erholsamen Zeit sprechen.
Für Carrie Rodriguez hingegen bedeutet dies Ereignislosigkeit. Es gab einfach nichts, worüber es sich zu berichten lohnte. Ihre Live-Zeit wurde gnadenlos auf acht Stunden zusammengestrichen, und diese acht Stunden konnte sie nur behalten, weil sie schon vor Wochen ihre Routine aufgebaut hatte und die verschiedenen Offiziere Arlings im Turnus aufsuchte. Natürlich war ihr morgendlicher Wettkampf und die abschließende Plauderei mit Arlings Verlobten dabei der größte Bereich und wurde von ihren Zuschauern geliebt. Eleonor Rend traf vor allem den Nerv der Frauen der Galaxis als selbstständige, aufrechte, strebsame und manchmal auch knallharte Karrierefrau, die Liebe und Beruf unter einen Hut bekommen hatte. Die Einschaltquoten bei den sechzehn- bis einhundertzwanzigjährigen Frauen waren enorm. Auf Terra lagen die Einschaltquoten dieser Zielgruppe bei dreißig, galaxisweit immerhin noch bei achtzehn Prozent. Für einen regelmäßigen Live-Bericht, schon fast eine Kolumne, war das ein atemberaubender Erfolg.
Den Rest der Zeit füllte sie mit Interviews anderer Kapitäne, von Offizieren und Mannschaften und kleineren Berichten über die Freizeitaktivitäten der kaiserlichen Soldaten an Bord. Sie hatte einem hoffnungsvollen Jungschriftsteller in der Mannschaft der RHEINLAND ungewollt zu enormer Popularität verholfen und seiner Website derart viele Zugriffe beschert, dass über ein Drittel der Datentransfers wegen Überlastung auf andere Datennetze ausgesourct hatten werden müssen. Die Netzprovider hatten das Gros der Site kopiert und in anderen Netzen bereit gestellt, um einen Zusammenbruch zu verhindern.
Auch in anderen Bereichen erwies sich ihre Zeit an Bord als mehr als fruchtbar. Angeblich gab es auf Terra schon die ersten Ellie Rend-Fanclubs, und einige Fanatiker mit zuviel Zeit hatten ernsthaft eine RHEINLAND-Convention abgehalten, in der alle Gäste in kaiserlicher Uniform und kaiserlichen Rangabzeichen aufgetreten waren; Hauptthema der Con waren neben einer Diskussion der politischen Lage Katalauns vor allem strategische und taktische Entscheidungen Arlings im Gefecht gewesen. Hunderte begeisterter Fans hatten sie in Simulationen nachvollzogen, variiert und verbessert.
Und das waren nur die wenigen Beispiele, die es bis zu ihr geschafft hatten. Die fanatische Gruppe, die plötzlich den Anschluss Terras ans Kaiserreich forderte war übrigens eine Sache, die sie selbst lieber nicht gekannt hätte, ebensowenig wie die Modetrends, die sich bei der letzten Messe etabliert hatten. Carrie hasste Paramilitärisch. Und genau das war der kommente Stil der Saison. Steife Röcke, einfarbige Blusen und mit edlen Knöpfen geschmückte Blazer für die Frauen sowie einreihige, einfarbige Anzüge für die Männer, meistens mit einer auffallend bunten Hosenlitze versehen. Die Hutdesigner hatten bereits auf den Trend reagiert und die Schirmmütze, in Katalaun die übliche Kopfbedeckung für Offiziere, in tausend Variationen heraus gebracht.
Sie hatte all das mit Ellie diskutiert, und die junge Offizierin war erstaunlich offen mit den Thema untergegangen. Allerdings waren ihre Schlussworte nicht gerade dazu angetan gewesen, die Zahl ihrer Fans zu erhöhen: Eine hübsche Uniform macht noch keinen guten Soldaten!
Carrie hatte befürchtet, dass Ellie Rends Beliebtheit nach diesem Ausspruch ins Bodenlose absacken würde. Aber das Gegenteil war der Fall gewesen, denn mit diesen Worten hatte sie den Nerv vieler Zuschauer getroffen, die sich der Berichterstattung über Katalaun und Arlings Flotte bisher entzogen hatten.
Alles in allem konnte sie zufrieden sein. Allerdings machte ihr eine Sache sehr zu schaffen: Sie kannte Arlings weitere Pläne nicht.
Okay, allen war klar, dass das Ziel die Welt Vesuv war, oder genauer gesagt, das Stabiae-System im Herzen des Europa-Pakts, dem größten Nachfolgerstaat der herkulanischen Dynastie. Aber wie wollte er dort hin gelangen? Welches System würde als nächstes angesprungen werden? Was war die folgende Etappe? Wie sah der Plan aus? Okay, sie konnte Arlings Geheimniskrämerei schon verstehen, denn immerhin berichteten sie und die meisten Reporter an Bord der RHEINLAND live, und wer wollte schon seinen Gegnern seine Pläne verraten, bevor er sie ausführen konnte?
Andererseits wollte Carrie es nur wissen, und nicht stantepede berichten. Es hätte ihr geholfen, ein paar Vorabrecherchen zu tätigen, sich über das nächste Ziel besser zu informieren. Damit wäre sie allen anderen Reportern einen Schritt voraus gewesen.
Andererseits war die Extrawurst, die Arling für sie briet, bereits jetzt schon so groß, dass die Kollegen der schreibenden und sendenen Zunft schon genießerisch ihre Lippen leckten, sobald Carrie Rodriguez und ihr Kameramann Spencer zu sehen waren.
Sie war die Bevorzugte! Die Leib- und Magenreporterin von Kommodore Arling und seinen Kapitänen! Sie war da, wo alle anderen hinwollten, vor allem je mehr die Popularität von Arlings Flotte zunahm…
Und trotzdem war sie noch nicht zufrieden. Sie wollte mehr. Sie wollte… Dazugehören?
War es das? Wollte sie deshalb die Informationen über Arlings Pläne vorab? Wollte sie deshalb so viel Zeit mit Arlings Offizieren verbringen, auch wenn sie nicht live auf Sendung war? Tat es ihr weh, dass sie nur eine TNC-Reporterin war, die sich mitten unter sie gedrängt hatte, anstatt wirklich und wahrhaftig der Arling-Stallgeruch zu tragen?
Komisch, so hatte sie nicht mehr gedacht, seit sie in Katalaun als Austauschschülerin gelebt hatte. Zwar war das Leben hektisch und unsicher gewesen, weil der alte Fanatiker Frederec regiert hatte, aber auch ungeheuer interessant, lehrreich und spannend. Denn die Menschen, die sie kennengelernt hatte, hatten schon damals zu den aufgeklärtesten, gebildetsten und mutigsten Menschen gehört, die sie je getroffen hatte. Sie schienen wenig, manche sogar keine Angst zu kennen. Sie hatten ihre Meinung gesagt, egal ob ein Geheimdienstoffizier neben ihnen stand oder ein Polizeioffizier. Nicht einmal den Vertretern der Linie Frederecs hatten sie etwas geschenkt, und das war Jahre vor der Revolution der Herzen gewesen.
Ob Fanatiker oder Gemäßigte, die Bürger Sanssoucis standen zu dem was sie sagten und sprachen es stets aus. Das machte sie so interessant. Ob es auf anderen Welten ebenso war wusste Carrie nicht, aber es wäre schön gewesen wenn es so wäre. Sie hätte gerne auch die anderen Welten besucht, aber allein ihre Zeit auf der katalaunischen Hauptwelt hatte bereits ein Vermögen gekostet. Allein für diese Chance war sie ihren Eltern sehr dankbar. Nur wünschte sie sich, nicht alle Menschen dort so gut kennengelernt zu haben und…
„Carrie!“
„Was?“
„Schön, dass du wieder bei uns bist“, tadelte Spence. „Die Fähre ist da, die uns zur REDWOOD rüberbringen soll. Dazu musst du einsteigen. Kriegst du das hin oder träumst du lieber weiter?“
Carrie Rodriguez bedachte ihren Kameramann mit einem bösen Blick. „Spence…“
„Hey, du hast rumgeträumt, nicht ich. Es war legitim von mir, dich aus deinen Betrachtungen zu reißen.“ Der große Kameramann legte beide Hände in den Nacken und grinste breit. „Eigentlich bin ich nicht nur dein Kameramann, sondern auch dein Babysitter, dein Wecker und dein Anstandswauwau. Wann kriege ich das je bezahlt?“
„Ha! Ich weiß doch ganz genau, dass du den Job als meine Kamera angenommen hast, damit du deine vollkommen übertriebenen Mutterinstinkte an mir ausleben kannst. Und natürlich für die ganzen Auszeichnungen, die du für deine Kamerabilder schon bekommen hast und noch bekommen wirst.“
„Oh, ja, Auszeichnungen. Da sprichst du ein tolles Thema an. Ich hätte schon gerne nochmal einen Best Shot-Award.“
„Wozu? Das wäre dein dritter. Gib dem Nachwuchs eine Chance“, tadelte sie grinsend.
Das Schott öffnete sich vor ihr und Ellie wollte schon in die dahinter liegende Schleuse treten, als Eleonor Rend an ihr vorbei stürzte.
„Hi, Carrie. Muss eilig zu Han. Wir verschieben auf später, ja? Es wird länger dauern, bleib lieber erstmal auf der RHEINLA…“
Die letzten Worte gingen im Hall des Korridors unter, den Ellie Rend gerade im Sprung genommen hatte.
Spence und Carrie wechselten einen kurzen Blick.
„Da ist was im Busch.“
„Vielleicht hat Johann sie auch nur zu einer kleinen Nummer rüberbringen lassen.“
„Sie hat es nicht so nötig, um sich so sehr zu beeilen“, tadelte Carrie grinsend. „Ihr nach.“
***
Dieses eine Mal hatte sich die Nähe zu Arlings engerem Kreis nicht ausgezahlt. Als Carrie Rodriguez und ihr Kameramann Spence den Ort des Geschehens erreichten, erwartete sie bereits eine Traube ihrer Kollegen, und die anderen kamen schnell näher. Dies ging soweit, dass der Schiffsrechner die Anzahl fliegender Kameras pro Team auf eins beschränkte, um Zusammenstöße in der Luft und die damit verbundene Verletztungsgefahr zu vermeiden.
„Kommodore! Was sagen Sie zu der derzeitigen Entwicklung in Katalaun?“
„Kommodore! Wie sieht Ihr weiterer Weg nun aus?“
„Kommodore! Eine Stellungnahme für die Republik!“
„Was zum Henker ist hier passiert?“, zischte Carrie.
Tosaka Hekki Lanma, der rydanische Reporter aus Jemfeld, half ihr aus. „Es gab eine Serie von Anschlägen in Katalaun. Eines der Opfer ist Admiral Hohenfels. Es sieht so aus als würde das Kaiserreich gerade Kopf stehen. Es gibt noch kein Bekennerschreiben, aber die Attentate werden der religiösen Szene zugerechnet.“
„Danke für die Information, Kollege. Spence, bring eine Kamera hoch.“
Der Kameramann von der Erde nickte und ließ die fliegende Kamera starten, die sich sofort mit den anderen fliegenden Kameras um den besten Aufnahmewinkel balgte.
„Nimm mich live auf. Gesplittetes Bild. Halb Arling, halb ich.“
„Du bist drauf, Carrie.“
„Verehrtes Publikum. Eben gerade erreichte uns die Nachricht einer Attentatsserie im Kaiserreich Katalaun, dem unter anderem Admiral der Flotten Miranda von Hohenfels zum Opfer fiel. Ich bedanke mich bei dieser Gelegenheit bei meinem Jemdelder Kollegen, dem Starkolumnist Tosaka Hekki Lanma, der uns sowohl die Informationen zur Verfügung gestellt hat als auch darauf hinwies, dass gewisse Spuren in Richtung religiöser Fanatiker deuten. Danke dafür, Tosaka.“
Kurz schwenkte die Kamera auf das Echsengesicht. Der Reporter war dabei, Notizen in seinen KommStick zu sprechen, sah aber kurz herüber und nickte auf menschliche Art.
„Die Auswirkungen auf das Kaiserreich sind noch nicht absehbar. Aber ich bin mir sicher, dass Kommodore Arling jetzt erst Recht Vesuv erreichen wird.“
„Carrie, Arling spricht.“
„Gut, schalte mich stumm.“ Carrie drückte sich einen Kommunikator ins Ohr, um die Worte des Kommodores über die Mikrophone der fliegenden Kamera mithören zu können.
„Meine Damen und Herren, ehrenwerte Neutren und Hermaphroditen! Bitte beruhigen Sie sich. Ich kann offiziell zu den Vorgängen im Kaiserreich keine Stellung nehmen! Das würde dem Flottenhauptquartier vorgreifen und das liegt nicht in meinen Befugnissen! Aber ich werde jetzt zur Flotte sprechen, und sie alle haben die Möglichkeit, mitzuhören!“
Kurz schwenkte die Kamera über Arling und enthüllte dabei die Kapitäne der anderen zehn Schiffe der kleinen Flotte.
„Hier spricht Kommodore Johann Arling von Bord des Flaggschiffs RHEINLAND“, klang nun die Stimme des Grafen sowohl aus dem Knopf in ihrem Ohr als auch aus den Lautsprechern im Korridor. „Kameraden, vor nicht ganz einer Stunde fand eine Serie parallel laufendern Bombenanschläge im Kaiserreich statt. Ziel waren hohe Offiziere aus Admiralität und Armee sowie wichtige Geheimdienstdirektoren. Wir wissen, dass Admiral der Flotte Marina von Hohenfels von einem der Anschläge betroffen ist und zumindest verletzt wurde.
Ich erzähle dies, weil ihr es von mir erfahren sollt und nicht aus den Nachrichtenprogrammen der Diadochen. Wer diese Anschläge ausgeführt hat, wer sie befohlen hat, weiß man noch nicht. Aber unsere Polizei und unsere Geheimdienste werden daran arbeiten, um die Schuldigen zu finden und ihrer gerechten Strafe zu zu führen.
Für uns ändert sich dadurch aber nichts! Wir haben unsere Befehle, und die führen wir auch aus! Es geht um die Rettung von zwei Millionen unserer Mitbürger! Dies ist ein Vorhaben, größer als wir alle, und diesen Befehl würde ich auch ausführen, wenn mich Kaiser Robert persönlich zurückrufen würde!
Über einigen unserer Welten wird gekämpft. Einige gehören immer noch unseren Gegnern.
Auch auf der anderen Seite der Allianz wurden unsere Mitbürger entführt und wahrscheinlich in das Magistrat Zyrrtekk verschleppt. Ihnen können wir nicht helfen, noch nicht helfen. Aber jenen auf Vesuv können wir helfen, und bei meinem Namen, wir werden das auch tun!
Kommodore Arling Ende.“
Carrie, die Arling bereits sehr gut kannte, wollte wieder übernehmen und machte bereits das Zeichen, ihr Mikrophon wieder on zu schalten, als sie sah, wie Spence abwinkte.
Auf dem gesplitteten Bild sah man nun Kommodore Coryn Griffin einen Schritt vortreten. „Ein dreifaches Hurrah auf unseren Anführer! Hipp-hipp!“
„HURRA!“, gellte es aus dem Schiff zurück, und Carrie war sich sicher, dass dieses Hurrah, welches normalerweise Minuspunkte beim Publikum einbrachte, auf allen elf Schiffen der Flotte wiederhallte.
„Hipp-hipp!“
„HURRA!“
„Hipp-hipp!“
„HURRA!“
Spence gab ihr das Zeichen wieder on zu sein und Carrie übernahm. „Mit diesem überwältigenden Vertrauensbeweis, eingeleitet von Arlings Stellvertreter Griffin, beenden wir diesen Aspekt des Berichts. Arling schreitet weiter voran, auf sein Ziel zu, unbeirrbar. Auch wenn wir noch nicht wissen, wie es weitergehen soll, dieses Team wird einen Weg finden.
Ich bin Carrie Rodriguez für TNC. Geben sie mir fünf Minuten und ich gebe ihnen das Universum.“
„Und wir sind im Aufzeichnungsmodus.“
Carrie unterdrückte ein aufatmen. Das wäre eine Reaktion gewesen, die für die Nachbearbeiter ein gefundenes Fressen gewesen wäre.
Solange die Kameras nicht ausgeschaltet waren, gab es keinen Funken Privatleben. Das wusste niemand besser als sie selbst.
„Carrie, wir gehen wieder live drauf. Da tut sich was.“
„Wie? Okay. Läuft der Split noch?“
„Ich gebe dir Ton.“
„Kommodore“, hörte sie Arlene Schlüter sagen, „ein Schlachtschiff der Nisos Elektron ist soeben in das System gesprungen und hat uns kontaktiert!“
„Wir bleiben live drauf, Spence.“
„Ich weiß, Carrie“, erwiderte ihr Kameramann. Es klang wie das schnurren einer fetten, satten Katze.

__________________
Ace Kaiser,
Angry Eagles

Corrand Lewis,
Clan Blood Spirit

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6.
13.06.2613
Residenz des Herzogs von Beijing
Cipangu-System, Hauptwelt B-King

Es gab nicht viele Dinge, die Gandolf Zachary Herzog von Beijing aus der Ruhe bringen konnten. Er hatte drei Frauen und zwei Söhne überlebt. Er hatte seinen einzigen Sohn und dessen Verlobte in ein wahnwitziges Wagnis fliegen lassen. Er hatte ganze Menschenleben beobachtet. Er war dem Tod mehr als einmal begegnet und hatte ihm Auge in Auge gegenüber gestanden.
Aber dieses Ereignis war dazu angetan, ihm die Knie weich werden zu lassen. „Wiederhol das bitte, Jeremy“, sagte er zu seinem alten Freund, Weggefährten, Berater und Untergebenen.
„Ich sagte, dass soeben die PRAG ins System gesprungen ist, Mylord.“
„Hast du das verifiziert?“
„Dreimal. Außerdem habe ich mir die Freiheit genommen, der Miliz zu befehlen, dem Schiff eine Eskorte entgegen zu schicken. Fünf Korvetten und eine Fregatte wurden detachiert, um erstens die Identität zu bestätigen und zweitens dem Kaiser Geleit zu geben.“
„Dem ehemaligen Kaiser“, sagte Gandolf von Beijing ernst. „Bereite einen ordentlichen Empfang vor. Und lass das Material der Garde ausgeben.“
„Das Material, Mylord? Rechnest du mit einem Zwischenfall?“
„Ich rechne mit dem Schlimmsten. Wenn Frederec sein Exil verlassen hat, ist alles möglich.“
„Jawohl, Mylord.“
***
Acht Stunden später fand auf dem größten Raumhafen von Port Arthur, der planetaren Hauptstadt, ein großer Bahnhof statt. Die Miliz war mit einem Regiment angerückt, sämtliche Fernsehstationen der Welt hatten Kamerateams geschickt und die Milizen aller drei Grafen sowie des Herzogs waren geschlossen angetreten. Das Publikum war ausgeschlossen worden, und das hatte einen wichtigen Grund. Im schlimmsten aller Fälle rechnete Gandolf damit, dass sich die PRAG, Frederecs Flaggschiff, in ein feuerspeiendes Ungetüm verwandelte, bevor es richtig gelandet war.
Die PRAG war ein Schwerer Kreuzer, ein Großschiff mit einer enormen Kampfkraft, aber extrem bewegungsfaul und beschleunigungsarm. Dennoch etwas, was einem ehemaligen Kaiser würdig war. Der fast zwei Kilometer lange Gigant hatte über eintausend Mann Besatzung und hatte in über zwanzig großen Schlachten gesteckt, in manchen sogar die entscheidende Wende gebracht. Die Raumfahrer an Bord waren allesamt gut ausgebildete und sehr erfahrene Veteranen, die ihrem Kaiser ins Exil gefolgt waren. Das bedeutete natürlich auch, dass sie Frederec ergeben waren. Sehr ergeben. Gandolf spürte, wie seine Hände zu zittern begannen.
Eigentlich war die PRAG nicht darauf ausgelegt, auf einem Planeten zu landen. Zwar hatten die Konstrukteure diese Möglichkeit vorgesehen, zumal das Gigantschiff fähig sein musste, auf einer Depotwelt zu landen und wieder zu starten, aber dieses Riesending verursachte eine eigene Wetterzone bei der Landung und einen Sturm beim Start. Der Herzog von Beijing fragte sich, warum sich der ehemalige Kaiser dagegen entschlossen hatte, eine Landefähre zu nehmen. Zumal er auf diese Weise dem Kreuzer das kleine bisschen Manövrierfähigkeit nahm, die er besaß.

Es kam wie es kommen musste. Frederecs Leute waren Könner. Sie landeten den Giganten auf dem vorgesehenen Fleck mitten im Funkfeuer des Hafens. Dies geschah in zwei Kilometern Entfernung, und dennoch spürte Herzog Beijing die Druckwelle der Landung.
Danach eilte sofort ein Team aus Technikern herbei, um den berühmten gelben Teppich von B-King auszulegen. Das fast drei Kilometer lange, safrangelbe Stoffstück war das Symbol der Könige und Kaiser. Nur die kaiserliche Familie wurde mit ihm empfangen. Alle anderen hohen Würdenträger und Adligen mussten sich mit einem roten zufrieden geben.
Irritiert verfolgte Gandolf, dass Frederec als erster sein Schiff verließ. Ihm folgte ein relativ kleiner Stab von vielleicht zwanzig Männern und Frauen. Zu seiner Verwunderung erkannte der Herzog auch zwei Kleinkinder im Gefolge.
Die Gruppe betrat den gelben Teppich. Als sie sich sicher aufgestellt hatten, aktivierten die Techniker die technische Seite; ähnlich einem Gravboard bewegte sich der Teppich nun auf Richtung der wartenden Ehrengarde zu. Das war netter, höflicher und schneller als den Ehrengast zwei Kilometer laufen zu lassen. Aber ehrlich gesagt hätte es dem Herzog nichts ausgemacht, wenn der Teppich fünfzig Kilometer lang gewesen wäre. Er konnte Ärger riechen, wenn es ihn nach B-King verschlug.

Kurz vor der Ehrengarde wurde der Teppich langsamer.
Oberst Jeremy Stahl gab das Kommando zum stillstehen, und sechzig Knights in den Farben B-Kings, safrangelb und grasgrün, salutierten. Dazu wurde die Flagge des Kaiserreichs in preussischblau und gold gehisst.
Beijing hatte darauf verzichtet, eine Blaskapelle anmarschieren zu lassen. So höflich musste er gegenüber einem Mann, dessen Sturz er herbeigeführt hatte, nun nicht wirklich sein.
Schließlich hielt der Teppich mit einem kaum wahrnehmbaren Ruck, und den Herzog und den ehemaligen Kaiser trennte nur ein knapper Meter.
Beijing salutierte. „Willkommen auf B-King, Hoheit.“
Die Augen Frederecs leuchteten amüsiert. Als ehemaliger Kaiser stand ihm nur der Rang eines Prinzen zu, und damit die Anrede Hoheit. Majestät war schon sehr lange Robert. Und das hatte Gandolf dem Mann vor sich gerade vermittelt und gleich seinen Standpunkt klar gemacht.
„Es freut mich hier zu sein, Onkel Zak.“
Frederec war ein großer, sehr schlanker Mann mit tiefschwarzem Haar. Für einen Mann von siebenundachtzig Jahren hatte er sich hervorragend gehalten. Und man konnte sehen, welche Seite der Familie seiner Tochter Elisabeth das gute Aussehen vererbt hatte.
Konsterniert sah Gandolf den Mann vor sich an, der gerade die Rechte ausstreckte, um sie ihm anzubieten. Onkel Zak, hatte er gesagt.
Nur zögernd ergriff Beijing die Hand. „Teufel, Freddie, was willst du hier?“
„Ich will deinen Rat, Onkel Zak. Ich habe oft genug nicht darauf gehört, aber diesmal will ich es richtig machen.“ Nach dem Händedruck deutete er hinter sich. „Meine Offiziere und Ratgeber kennst du sicherlich noch. Aber die Dame hier dürfte dir neu sein. Wilhelmina?“
Die junge Frau um die Sechzig, die gerade nach vorne trat, hatte ihr weißblondes Haar zu einem strengen Dutt hochgebunden. Die kleine Lesebrille gab ihr etwas intellektuelles, aber schön machte es sie nicht. Ihr Gesicht war schmal, ihre Augen streng und ernst.
„Darf ich dir Wilhelmina vorstellen, Onkel Zak? Wir haben im Exil geheiratet. Ich wollte es nicht an die große Glocke hängen.“
Gandolf war irritiert. Die junge Frau war definitiv nicht adlig. Und mit einem Ex-Kaiser hatte sie wahrlich nicht die beste Wahl getroffen. Das konnte eigentlich nur bedeuten, dass sie ihn liebte. Und er sie, sonst hätte er sicherlich nach Belina, Elisabeths Mutter, nicht noch einmal geheiratet. Er verbeugte sich über ihrer rechten Hand und hauchte einen Kuss darauf. „Mein Haus ist Ihr Haus, Mylady.“
Ein Augenblick Verzweiflung huschte durch ihren Blick, dann entzog sie dem Herzog ihre Hand. „Haben Sie Dank, Mylord Beijing.“
Gandolf sah zu den beiden Kindern herüber. „Sind das…?“
„Es sind ihre. Ich habe sie adoptiert. Der Junge heißt Steven. Er ist acht. Das Mädchen heißt Vivienne. Sie ist fünf. Ihr Vater war einer meiner Offiziere. Er starb bei einem Unfall, und dann… Wie soll ich das erklären?“
„Das machen wir ganz in Ruhe, auf Schloss Beijing.“ Einladend drehte sich Gandolf zur Seite und deutete in die Lobby. „Selbstverständlich seid ihr alle meine Gäste.“
Er bot der Frau des ehemaligen Kaisers die Hand. „Darf ich Sie führen, Mylady?“
„I-ich bin nicht von adligem Blut“, erwiderte sie.
„Ich auch nicht. Mein Vorfahr war ein Pferdedieb“, erwiderte der Herzog mit einem Schmunzeln. „Gestatten Sie mir die Ehre, Sie zu führen, Mylady. Immerhin sind Sie jetzt offiziell Mitglied meiner Familie.“
„Ich danke Ihnen für diese Worte, Mylord“, sagte sie und hakte sich ein.
Gandolf nickte schwer in Frederecs Richtung und betrat mit seiner Begleitung die Lobby des Raumhafens.
***
Nach einem frühen Abendessen ließ Gandolf ein Dutzend seiner Urenkel auf die beiden Kinder, die Frederec mitgebracht hatte, los. Sie waren im Durchschnitt zwischen sechs und elf, aber vor allem waren es Kinder, die für neue Spielkameraden immer zu haben waren, und kurz darauf konnte man einen Diener fluchen und den Gebrauch von Gravboards auf den Innenhof oder die Gärten limitieren hören.
Der Herzog lächelte bei diesen Worten. „Deine Kinder amüsieren sich anscheinend gut“, sagte er zu Frederec.
„Das muss Vivienne sein. Sie ist ein Wirbelwind und nicht zu bändigen. Steven ist eher ein verschlossener Junge, der gerne liest. Sehr beachtlich für sein Alter.“
„Er ist der Sohn seines Vaters“, stellte Gandolf fest.
Der ehemalige Kaiser seufzte. „So schnell hast du es herausgefunden?“
„Ich habe einen Gentest veranlasst um auf Nummer sicher zu gehen. Du, Freddie, bist ihr Vater. Und Sie, Mylady, sind ihre Mutter. Das macht sie zu den neuen Thronfolgern zwei und drei.“
Wilhelmina versteifte sich neben ihrem Gatten und sah starr zu Boden.
Frederec ergriff sofort ihre Hand und drückte sie fest. „Onkel Zak, was meine Kinder angeht…“
„Ja. Ich habe bereits eine Maske vorbereiten lassen. Einer meiner Offiziere war so freundlich, seine DNS zu spenden. Deine Kinder werden einen oberflächlichen Test mit der Genmaske bestehen. Zumindest einen Speicheltest oder den Hautpartikeltest, den ich selbst angeordnet habe.“
Erleichtert atmete Frederec auf. Und auch in ihre Augen kehrte etwas Leben zurück. „Ich danke dir. Auf meiner Exilwelt sind sie leider noch nicht so weit und…“ Verlegen sah er zu Boden. „Ich brauche deine Hilfe, Onkel Zak.“
„So etwas habe ich mir schon gedacht.“
„Mylord. Sie sind jetzt da.“
„Alle drei? Sollen sofort reinkommen.“
„Ja, Mylord.“
Eine Nebentür öffnete sich und ließ drei der vier Grafen dieser Welt eintreten.
Als erster betrat Mikhail von Angward den Saal, ihm folgte sein älterer Cousin Richard Johnston von Nanking. Der Letzte war der Älteste dieser Runde, Takeru Rüdiger von Kantou.
Die drei Männer begrüßten das Paar höflich, bevor sie sich links und rechts vom Herzog setzten. Ein Platz zu seiner Rechten wurde für ihren Onkel Johann Armin Arling frei gehalten.
„Ich denke, es geht uns alle an, was hier besprochen wird. Deshalb habe ich mich entschlossen sie heimlich dazu zu bitten, um den Trubel in der Presse gering zu halten. Nun, mein Junge, was führt dich auf meine Welt und lässt dich meine Hilfe suchen?“
„Du musst meine Familie und Elisabeth von jetzt an beschützen, Onkel Zak.“
Neben ihm begann sich Wilhelmina zu verkrampfen. Tränen schossen ihr in die Augen und Mikhail war sofort neben ihr, während sich Frederecs Hand schmerzhaft um die ihre legte.
„Erkläre mir das bitte“, sagte Beijing streng.
Frederec räusperte sich vernehmlich. „Ich wurde eingeladen, wieder die Kaiserkrone entgegen zu nehmen.“
Unruhiges raunen ging durch den Saal.

Frederec sah den großen, breitschultrigen Mann wehmütig an. „Kennst du die Geschichte von den Geistern, die du gerufen hast und dann nicht mehr los wirst?“
„Du spielst auf deine Glaubenskrieger an.“
Frederec nickte schwer. „Damals hielt ich es für eine gute Idee, sie zu benutzen. Du weißt selbst am besten, wie desolat die Lage des Staates unter Ferdinand war.“
„Und damals hattest du meine Unterstützung und die von vielen anderen planetaren Herrschern. Dennoch hast du dich mit den Religiösen eingelassen.“
„Ja, ich weiß. Ich weiß! Und ich habe sogar eine sehr gute Ausrede dafür! Die Religionen, die sie befolgen, sind nicht gewalttätig. Und sie alle waren sehr gläubige Menschen, die nichts weiter wollten, als ihrem Glauben zu seinem Recht zu verhelfen.“
„Doch dann ließen sie sich von der Macht berauschen, ein paar Fanatiker probten den Aufstand, und prompt hattest du einen Kreuzzug an der Backe, Frederec“, warf Takeru ein. „Diesen Teil deiner Regentschaft durfte ich persönlich auf einem Zerstörer miterleben. Glaub mir, es war die traurigste Aufgabe meines Lebens, eine fremde Welt zu erobern, nur weil es einigen deiner Fanatiker eingefallen war, sich dort ungefragt niederzulassen und die Außerirdischen mit Waffengewalt bekehren zu wollen. Leider waren sie kaiserliche Bürger, und als die Aliens zurückschossen, blieb uns nichts anderes übrig, als zu ihrer Rettung zu eilen. Dafür habe ich dich gehasst, Frederec, wirklich gehasst. Ferdinand hat den Staat verschuldet, den sozial Schwachen Hilfsbezüge gestrichen und die Reichen überpriveligiert, um seine Feldzüge zu finanzieren. Aber du hast die Seelen von abertausenden Menschen und Außerirdischen korrumpiert.“
„Auch das weiß ich, Takeru. Du brauchst mich nicht daran zu erinnern. Ich kenne meine Sünden sehr genau.“ Frederec sah wieder zu Gandolf herüber. „Und jetzt haben sie mich wieder! Ich soll erneut die Galionsfigur für sie spielen und… Onkel Zak, sie haben versucht, Liz umzubringen.“
„Hannes hat mir davon erzählt. Es war auf seiner Verlobungsparty. Damals hat dieser Anschlag wenig Sinn für mich gemacht. Und jetzt macht er noch weniger Sinn, vor allem weil du weitere Kinder hast. Was sollte das sein? Eine Warnung?“
„Eine Schutzmaßnahme, keine Warnung.“ Matt sah Frederec zu Boden. „Sie wollen nicht, dass ich einen Erben habe, damit sie nach meinem Tod einen Kaiser ihrer Wahl einsetzen können.“
„Moment Mal, Frederec“, mischte sich nun Mikhail ein, „du willst uns allen Ernstes erzählen, dass diese Halunken deine Tochter töten wollten, damit es keine Erbfolge gibt, und dann erwarten sie von dir, dass du mit ihnen kooperierst?“
„Solange ich lebe, wird mir nichts anderes übrig bleiben. Denn wenn sie an die Macht kommen, dann kann sogar ein Marionettenkaiser auf dem Thron etwas tun, um sie wenigstens ein bisschen in Zaum zu halten. Wenn ich es könnte, würde ich Katalaun verlassen! Aber es ist ein Wunder, dass ich es überhaupt bis nach B-King geschafft habe.“
„Und deshalb gibst du vor, deine Kinder nur adoptiert zu haben. Damit sie nicht ebenfalls getötet werden“, nahm Gandolf den Faden wieder auf.
Der ehemalige Kaiser konnte nur stumm nicken, während er mit seinen Gefühlen kämpfte.
„Und was erwartest du von mir und meinen Enkeln, Frederec?“
„Nur von dir erwarte ich etwas, Onkel Zak. Nur von dir. Ich bitte dich um die Ritterlichkeit, die du mir bei meinem Amtsantritt geschworen hast.“
Der Herzog von Beijing lehnte sich interessiert zurück. „Interessant. Darüber lass uns mal reden, mein lieber Ex-Kaiser. Aber vorher habe ich noch eine wichtige Frage: Wusstest du von dem Attentat auf Rütli und Hohenfels?“
„Was, wenn ich ja sagen würde?“
„Dann würde ich dich fragen, ob du weißt, ob ein Attentat auf den Kaiser geplant ist.“
„Was, wenn ich ja sagen würde?“
„Was, wenn ich dir einen Weg zeigen kann, der deine Familie und sogar Liz aus der Schusslinie bringen kann?“ Gandolf grinste wölfisch. „Aber das hat seinen Preis.“


7.
13.06.2613
Arlings Flotte
Kommune Principe
Lactos-System, Grenzgebiet zur Föderation Skylla

Als Arling auf seinem Admiralssessel Platz genommen hatte, prasselten die Berichte bereits über ihn herein.
„Alle Schiffe melden Gefechtsbereitschaft!“
„Kommunenschiffe sind nicht in Reichweite, ich wiederhole, Kommunenschiffe sind nicht in Reichweite!“
„Noch zwei Stunden bis zum Sprung.“
„Schlachtschiff der Nisos Elektron identifiziert sich. Es ist die PHILLIP IV!“
„PHILLIP IV fährt Schilde hoch. Keine Aktivität bei den Waffen zu entdecken!“
„Ein Schlachtschiff, verdammt, Arling, ein Schlachtschiff“, knurrte Coryn Griffin, während er sich auf dem Notsessel neben den Grafen setzte. „Ich dachte, diese Monsterpötte werden nicht mehr gebaut. Wer braucht im schnellen Raumgefecht heutzutage noch stehende Forts?“
„Wir dürfen das Ding dennoch nicht unterschätzen. Wir sind den Kampf mit Leichten und Schweren Kreuzern gewohnt, aber ein Schlachtschiff ist ein ganz anderes Kaliber. Vor allem wenn es ein Überbleibsel der herkulanischen Dynastie ist und die letzten hundert Jahre gut gewartet wurde“, erwiderte Arling. „Dann ist der Technologiestand weit über dem Diadochen-Durchschnitt.“
Arling deutete mit der Rechten eine Spanne vom Boden bis zu seiner Hand an. „Weit, weit, weit über dem Durchschnitt.“
„Ich weiß. Und leider klingelt es bei mir, wenn ich PHILLIP IV höre. Zweitausendachthundert Meter lang, eintausendvierhundert Mann Besatzung, acht Startkatapulte für Kampfroboter, wovon das Ding unglaubliche sechshundert an Bord haben kann. Natürlich Hydrae. Keine Rüster oder Knights.“
„Trotzdem eine ganze Menge.“
„Von den schweren Waffen, die auf so einem Riesenkahn eingebaut werden konnten, reden wir besser nicht. Zu der Zeit, als die PHILLIP IV gebaut wurde, hat man diesen Schiffstyp noch benutzt, um alleine ganze Welten zu halten oder zu erobern. Ich rechne mit zusätzlichen viertausend einsatzbereiten Marines an Bord.“
„Viertausend? Aber doch nur, wenn sie was erobern wollen.“
„Oder etwas entern“, sagte Griffin mit einem wilden Grinsen. „Wir sollten vielleicht unsere Phalanx aufbauen. Wenn das Ding uns feindlich gesonnen ist, dann sollten wir uns nicht mit heruntergelassenen Hosen erwischen lassen.“
„Denke ich auch. Befehl an die Flotte: Rüster und Knights ausschleusen.“
„Aye, Kommodore!“
„Dritte Nachricht von der PHILLIP IV! Ich stelle auf Lautsprecher!“
„Kommodore Arling, mein Name ist Admiral Wickers. Ich bin der Kommandeur der PHILLIP. Ich bin heute mit meinem Schiff hier, um Ihnen Geleitschutz in die Nisos Elektron zu geben. Mein Lehnsherr Theseus der Dritte befürchtet, dass die Föderation Skylla das Risiko eines Angriffs auf sich nehmen könnte, und eine zweite derart schlechte Behandlung Ihrer Flotte entspricht nicht dem Bild, das er der galaktischen Öffentlichkeit von den Diadochen vermitteln will. Wenn Sie also so freundlich wären und in den Verbandsflug mit meinem Schiff gehen würden?“
„Ein Schlachtkreuzer als Bodyguard. Das ich sowas noch mal erleben würde“, sagte Griffin mit staunen in der Stimme.
„Kriegen wir auch ein Bild von Ihnen, Admiral?“, hakte Arling nach.
Übergangslos flammte einer der Monitore auf und zeigte die gewaltige Brücke der PHILLIP IV. Dutzende, nein, an die hundert Menschen in königsblauen Uniformen waren zu sehen. In ihrer Mitte saß ein ergrauter Mann mit schwerem Umhang in gold und weiß auf den Schultern und lächelte Arling freundlich an. „Da haben Sie Ihr Bild, Arling. Ah, Kommodore Griffin von den Gryanen. Es ist erfreulich, dass der Stolz der herkulanischen Dynastie wieder einmal den Weg in die Heimat gefunden hat. Wenngleich auch nur ein verschwindend kleiner Teil.“
Griffin neigte das Haupt zum Gruß. „Wir sind nur ein kleiner selbstständiger Verband, Sir, der sich an eine große Aufgabe gewagt hat.“
„Das wissen wir. Deshalb lädt der Tyrann sie alle in die Bernsteininsel ein. Aber lassen sie mich all ihre Bedenken zerstreuen.“ Der Admiral sah zur Seite und winkte freundlich. Kurz darauf schwebte eine Wolke gleißender Partikel auf ihn zu. Als sie seine Seite erreicht hatte, formte sich aus dem Licht ein menschlicher Körper. Freundliche, strahlend blaue Augen sahen Arling an. Perfekte Lippen verzogen sich zu einem Lächeln und eine Flut goldenen Haares drapierte sich über Schultern und Brust eines nahezu perfekten weiblichen Wesens.
„Ich bin Nyhartes Daiana Nissos. Ich bin auf Wunsch von Theseus hier, um die Einladung in die Bernsteininsel auch im Namen der Nymphen auszusprechen. Wir würden uns sehr freuen, Kommodore Arling, wenn Sie diese Einladung annehmen würden.“ Die Gestalt lächelte ein perfektes Lächeln und verlor ihre Sphärenhaftigkeit. Stattdessen hüllte sie sich in ein langes, weißes Gewand, dass um die Taille mit einer goldenen Kordel gehalten wurde. Das unglaublich schöne Wesen machte einen Schritt und verschwand vom Bildschirm.
Als der Eindringlingsalarm aufgellte und ein Trupp Infanteristen hereingestürmt kam, sprang Arling hastig auf. „NIEMAND SCHIEßT!“
Da stand sie also, direkt vor ihm am Fuß des Podests, bestaunt und bewundert von der Besatzung der Zentrale. Und sie lächelte noch immer. „Nehmen Sie unsere Einladung an, Kommodore Arling?“
Er sah zu Griffin herüber.
„Kommodore, dieses Wesen, Nyhartes Nissos, ist eine Nymphe! Die Nymphen sind unbestechlich, unbeeinflussbar und nicht zu töten! Man kann sie zu nichts zwingen und man kann sie nur schwer missbrauchen! Sie an Bord zu haben ist ein Vertrauensbeweis, nein, eine Garantie, dass uns diesmal nichts passieren wird!“
„Schon gut, Sie brauchen nicht gleich zu schreien, Griffin.“
Arlene Schlüter bedachte die Nymphe mit einem nachdenklichen Blick, bevor sie sagte: „Ich glaube, wir können den Einsatzbefehl für die Rüster und Knights wieder aufheben. Heute fällt der Kampf wohl aus.“
***
„Die Nymphen“, sagte Cochraine mit gebotenem Ernst in der Stimme, „sind etwas ganz besonderes. Sie interessieren sich nicht sehr für uns Menschen, weil wir für ihre Begriffe so kurzlebig sind. Und nur wenige engagieren sich mit den Menschen. Das sind vor allem die Jüngeren. Aber…“
„Was die junge Frau sagen will ist“, sagte die Nymphe an ihrer Stelle, „dass wir zu oft sehen, wie Menschen, die wir mögen gelernt haben, an unserer Seite altern und sterben. Viele meines Volkes kommen damit nicht klar. Es zerbricht sie innerlich, und deshalb beginnen sie irgendwann die Nähe der Menschen zu meiden. Wenn man zweitausend Jahre und länger lebt, dann bleibt so etwas einfach nicht aus. Außerdem gibt es da noch den kulturellen Unterschied, der zwischen uns besteht. Wir sind sphärisch, und so ist auch unser Leben. Wir haben keine Aufzeichnungen, aber jeder einzelne von uns ist über unsere gemeinsame Geschichte informiert. Wir haben Gesänge, die alle Aspekte unserer Geschichte erzählen. Ihr Menschen habt die Technik, mit der wir normalerweise nichts anfangen können.
Unsere Philosophen debattieren sein fünfzigtausend Jahren über Sinn und Zweck unserer Existenz. Eure Philosophen tun dies erst seit fünftausend Jahren.
Für die Alten ist es manchmal ermüdend, den Jungen zu zu hören.“
„Und wir sind die Jungen“, sagte Arling ohne Nachdruck in der Stimme.
„Ihr seid die Jungen.“ Die wunderschöne Frau lächelte Arling freundlich an. Einen schwächeren Mann hätte sie damit von den Beinen geholt. „Auch ich hatte mich einst zurückgezogen, nachdem ich den Tod derer, die ich geliebt habe, nicht mehr ertragen konnte. Einst hatte ich eine Familie begleitet, ihre Kinder in dieser Welt begrüßt und deren Kinder, und ihren Alten habe ich im Moment ihres Todes beigestanden. Dann ertrug ich es nicht länger, dem schnellen Tod zu zu sehen und zog mich zurück. Aber ich habe mich besonnen. Es ist nicht unsere Art, aktiv in das einzuschreiten, was ihr Menschen oder die anderen Völker Kultur oder sogar Krieg nennt. Unsere Arten zu leben sind viel zu unterschiedlich, um wirklich gemeinsame Werte zu entwickeln. Außerdem werfen uns die Menschen zu oft vor, wir würden sie nur als Haustiere ansehen. Aber es ist auch nicht unsere Art, Menschen abzuweisen, die unseren Rat suchen. Letztendlich war es einer der Menschenphilosophen, der mir die Augen für meinen Weg geöffnet hat. Ein gewisser Holmes soll gesagt haben: Leben bedeutet nicht das zählen von Tagen, sondern ein Bild zu malen.
Seither sehe ich den Menschen dabei zu, wie sie ihre eigenen Bilder malen, wie sie ihre Leben leben. Und wo ich es kann, stehe ich mit Rat zur Seite. Wenn man mich lässt. Manchmal, wenn mich die Argumente überzeugen, handle ich auch in ihrem Auftrag. Eine Nymphe ist unbedingt zuverlässig, weil sie nicht gefangen, nicht getötet und nicht gezwungen werden kann. Man kann uns lediglich täuschen, und wer dies tut, verscherzt es nicht nur mit einer Nymphe, sondern mit allen. Deshalb kann ich sicher sein, dass die Aufträge, die ich ausführe, aus Motiven entstanden sind, die der Wertvorstellung von uns Nymphen gerecht ist.
Mein jetziger Auftrag ist von diese Art. Ich bin der lebende Beweis dafür, dass Theseus der Dritte es ehrlich mit Ihnen meint. Würde er das nicht tun, hätte er alle Nymphen der Nisos Elektron gegen sich. Und das wäre der Anfang vom Ende seiner Regentschaft.“
„Was nützt eine Geisel, die wir nicht gefangen halten können?“, warf Rössing von der Seite ein.“
„Aber, aber, Kapitän. Ich habe nie gesagt, dass ich ihre Geisel sein werde. Das ist ohnehin unmöglich, wie Sie sehr treffend erkannt haben. Ich bin der gute Wille.“
„Guter Wille. Wir sind schon einmal darauf hereingefallen, als ein Systemdirektor uns versprach, uns ebenfalls gut zu behandeln.“
„Fregattenkapitän Rössing, es ist schon ein himmelweiter Unterschied, ob ein Styx für unsere Sicherheit garantiert, oder eine Nymphe, zudem auch noch Theseus…“
Die Nymphe winkte freundlich aber bestimmt ab und stoppte damit den Redefluss von Juliet Cochraine. „Genug, mein Kind. Deine Absichten sind nicht weniger lobenswert als meine, aber deine Taten sind es nicht immer gewesen.“
Cochraine errötete und sah zu Boden.
„Auch Ihre Taten, Kommodore Arling, sind nicht das, was wir Nymphen mit unserer Moral vereinbaren können. Aber ich gestehe Ihnen in Ihrer Unperfektheit durchaus zu, dass Sie mehr sind als die meisten anderen Menschen.“
Arling runzelte die Stirn. „Mehr? Mehr wie eine Nymphe denn ein Mensch? Entschuldigen Sie, Nyhartes Daiana Nissos, aber ich bin viel zu sehr damit beschäftigt, was sich die Menschen wünschen, um auch nur annähernd zu erfüllen, was sich die Nymphen wünschen.“
„Und das ist es, was Sie über die meisten Menschen erhebt“, erwiderte sie. „Die meisten Nymphen interessieren sich nicht für das, was außerhalb der Nisos Elektron vor sich geht. Die meisten interessierten sich nicht einmal für das, was in der Nisos Elektron passiert. Aber jene, die es tun, beobachten Sie mit Wohlwollen. Manche vielleicht auch mit dem Schauder schönen Entsetzens, eine schlechte Angewohnheit, die uns die Menschen vermittelt haben. Aber wir sehen Sie, Kommodore Arling. Und mein Volk ist begierig darauf, Sie kennen zu lernen. Sie und die anderen Soldaten des Kaiserreichs Katalaun. Auch die menschlichen Bewohner der Nisos Elektron wollen sehen, wie Sie wirklich sind und ob jene Berichte über Sie und Ihre Offiziere und Mannschaften wenigstens zum Teil der Wahrheit entsprechen.“
Lautes Geraune aus den Reihen der Journalisten antworteten der Nymphe.
„Ich spreche nicht davon, dass die Reporter gelogen haben. Ich spreche davon, dass Kommodore Arling eventuell ein begnadeter Regisseur ist.
Denn wenn all das nicht zustimmt, dann ist es seine Mission, zwei Millionen seiner Landsleute in die Heimat zurück zu holen etwas, was keine Nymphe ignorieren kann. Wenn wir auch nicht alles verstehen, was mit den Menschen zu tun hat, wenn wir auch andere Werte als sie haben, so gibt es doch eine große Gemeinsamkeit zwischen uns. Auch wir Nymphen verstehen Wörter wie Freiheit, Zuhause und Frieden.“
Die Nymphe breitete die Arme aus. „Bitte, Kommodore Arling, nehmen Sie unsere Einladung an. Die der Nymphen und die von Theseus dem Dritten.“
Arling sah zu Cochraine herüber. Die sah zu Griffin. Von dort ging der Blick zu Rössing und über Rend schließlich zu Schlüter. Dann sahen alle wieder zu Arling und nickten.
„Im Namen des Kaisers“, sagte der Kommodore und verneigte sich leicht in Richtung von
Nyhartes, „akzeptiere ich die Einladung der Nymphen und Theseus des Dritten in die Bernsteininsel.“
Die Nymphe lächelte erleichtert und zufrieden. Sie trat einen Schritt vor und schloss Arling in die Arme. Zu seiner Überraschung fühlte sich das sehr materiell an. Auch die Lippen, die sich danach auf seine drückten, waren weich und warm wie menschliche Lippen. Neu war allerdings der Blitz aus goldenem Licht, der ihn zu blenden drohte.
Als sich die Nymphe wieder von ihm gelöst hatte, räusperte sich Arling vernehmlich und meinte: „Ich dachte, Ihre Rasse ist sphärisch? Das eben hat sich sehr materiell angefühlt, Nyhartes.“
„Wir haben Kontrolle über unseren Zustand, Kommodore.“ Wieder lächelte die Nymphe. „Und den Kuss nehmt als Zeichen meiner großen Wertschätzung.“
Zu diesem Zeitpunkt verstand Arling noch nicht, was ihm widerfahren war, aber er hatte das ungute Gefühl, dass eine gewisse junge Frau nun eine sehr lange Zeit sehr eifersüchtig sein würde.
***
„Wie war dein Trip?“
„Soweit ganz gut, aber etwas stürmisch. Warum fragst du mich so einen Quatsch, Charly?“, erwiderte Gerard Rössing. „Und überhaupt, warum verkriechst du dich auf meinem armen Zerstörer, anstatt auf der RHEINLAND zu fahren?“`
Charles Monterney, Chef der Knight-Einheiten an Bord, zuckte die Schultern. „Hier bin ich sicher. Die Reporter nehmen ungern den Aufwand auf sich, die Schiffe der Flottille zu wechseln. Deshalb läuft mir auch keiner hinterher.“
„Guter Einwand. Und was machst du, wenn Carrie Rodriguez plötzlich die große Liebe für dich entdeckt und dir auf die STONEWALL nachkommt?“
„Dann wechsel ich auf eines der Gryanen-Schiffe. Die haben sich mehr als einmal verbeten, dass Reporter an Bord kommen.“
„Oh, Klasse, das wird die Zusammenarbeit zwischen uns erheblich steigern“, spöttelte der Fregattenkapitän.
„Nur kein Neid, weil ich mit den Rüster-Piloten gut kann.“ Charly machte eine einladende Handbewegung aus dem Hangar hinaus in Richtung Schiffsinneres.
Rössing grunzte unwillig, setzte dann aber den Weg an der Seite des Knight-Piloten fort.
„So, so. Du versteckst dich also auf meinem alten Kahn, damit die Presse dir wegen deiner Liebesbeziehung zu Elisabeth nicht auf die Nerven gehen können.“
„ES IST KEINE… Ich meine, ich… Wir schreiben uns nur, und… Ach, ich weiß auch nicht!“
„Für einen Knight-Piloten bist du reichlich unentschlossen. Und das, obwohl Han auf deiner Seite ist, der Kaiser persönlich, all deine Freunde, dein Dienstherr, die öffentliche Meinung und außerdem Elisabeth Roxane von Versailles. Wo ist dein Problem? Das ist wie beim Scatch das letzte Trumpf-Aß zu haben und alle schmeißen Bildkarten rein.“
„Himmel, sie ist die Prinzessin! Okay, ich habe mitgekriegt, dass sie mich mag. Ja, vielleicht liebt sie mich sogar. Vielleicht weiß ich ja, dass sie mich wirklich liebt. Ich meine, ich… Wir haben uns immerhin schon geküsst. Und wir sind uns früher schon begegnet und… Und… Ich meine, sie ist die Prinzessin! Sie wird dieses ganze verdammt Scheiß-Reich irgendwann mal erben, wenn Robert nicht doch noch auf den Gedanken kommt, Kinder in die Welt zu setzen. Und selbst dann ist sie eine Thronerbin und ein wichtiges Mitglied der kaiserlichen Familie. Und was bin ich dagegen? Ein kleiner Oberst eines kleinen Regiments auf einem kleinen Zerstörer einer kleinen Flotte in einem kleinen Einsatz.“
„Du hast gerade das kleinreden zu neuen Höhen geführt“, sagte der Fregattenkapitän mit einem Stirnrunzeln. „Aber du wirst nicht ewig Oberst bleiben, oder? Was, wenn du es zum ersten Goldstern schaffst? Ein General wäre ja wohl keine so schlechte Partie.“
„Ein kleiner General unter vielen weiteren kleinen Generälen.“
„Ein kleiner General, der zufällig die Unterstützung des Kaisers in dieser Angelegenheit hat. Der die Liebe von Elisabeth von Versailles besitzt. Der wahrscheinlich nur fragen müsste, um in die kaiserliche Familie einzuheiraten. Und das sind nur die offensichtlichen Fakten.“
„So? Was sind denn die nicht so offensichtlichen?“
Gerard Rössing blieb stehen und klopfte dem Jüngeren auf die Schulter. „Dass du sie willst. Tief drin in deinem Herzen liebst du sie und willst mit ihr zusammen sein. Und dafür solltest du kämpfen. Du musst nichts auf das Gerede anderer geben. Du musst dich nicht danach richten, was der Kaiserpalast sagt. Sie ist eine Frau, du bist ein Mann, und ihr liebt euch. Muss ich dazu noch mehr sagen?“
„Sie ist die Prinzessin! Verdammt, die Prinzessin!“
„Sei froh, dass sie nicht die Kaiserin ist“, sagte Gerard und setzte sich wieder in Bewegung. „Dann hättest du ein echtes Problem, mein Junge.“
„Sehr witzig. Das hilft mir auch nicht weiter.“
„Dann vielleicht aber das“, brummte der Kapitän der STONEWALL, nachdem der Knight-Pilot wieder aufgeholt hatte. „Wir ziehen diesen Einsatz durch, holen uns unsere Beförderungen ab und lassen die ganze Welt wissen, was wir alles für das Wohl der Bürger des Kaisers getan haben. Wenn unser Ruhm am hellsten strahlt, dann wirst du verkünden, dass du all deine Heldentaten nur für Liz vollbracht hast, und den möchte ich dann mal sehen, der sich vom Augenblick nicht geblendet genug fühlt, um euch keine weiteren Steine mehr in den Weg zu legen.“
„Teufel auch, das könnte klappen. Aber an den Ärger hinterher möchte ich gar nicht denken.“
„Siehst du? Jetzt musst du nur noch ein paar Heldentaten für sie vollbringen.“
„Alles was ich tue, tue ich für sie“, murrte Charles.
„Das ist doch schon mal eine gute Grundeinstellung, Lucky Charly.“ Lachend klopfte Rössing dem Freund auf die Schulter.
„Und wie war es nun drüben?“
„Drüben? Du hast noch nicht gelebt, wenn du die Nymphe nicht aus der Nähe gesehen hast. Sie ist so unglaublich schön, so strahlend, so hinreißend, ein Wesen so pur und rein, dass man geblendet die Augen schließen will, es aber nicht kann.“
„Oh. Das kenne ich. So geht es mir immer, wenn ich…“
„Wenn du jetzt sagen willst, so geht es dir, wenn du Elisabeth ansiehst, muss ich dir leider sagen, dass du zu spät kommst. Han hat das gleiche schon über Ellie gesagt. Und Dutzende Offiziere und Mannschaften haben es bereits aufgenommen und imitiert.“ Rössing räusperte sich. „Es steht außer Frage, dass es bei den meisten nur heiße Luft war.“
„Also, bei mir nicht“, murrte Charles. „Demnach springen wir in die Nisos Elektron?“
„In drei Stunden erreichen wir unseren Begleitschutz. Danach dauert es noch einmal zwei Stunden bis zum Sprung. Und was danach kommt, steht in den Sternen.“
„Es kann zumindest nicht schlimmer werden als hier in der Kommune Principe“, schränkte der Oberst ein.
„Nein, das kann es wahrlich nicht. Aber etwas anderes kann schlimmer sein.“ Gerard Rössing grinste den Offizierskollegen und Freund breit an. Als Verteidigung hätte dieses Grinsen fast einen Rundumschlag ermöglicht.
Charles fühlte, wie sich seine Nackenhaare aufrichteten. „Das gefällt mir gar nicht. Was hast du angestellt?“
„Wir haben vereinbart, dass sie dich vorher fragt, bevor sie etwas aufnimmt. Sie haben sich doch dran gehalten, Carrie?“
Mit Entsetzen im Blick wandte sich der Knight-Pilot um. Tatsächlich. Hinter ihm gingen Carrie Rodriguez und ihre Kameramann Spencer.
„Ich habe aufgenommen, aber nicht gesendet.“ Sie sagte diese Worte mit einem derart unschuldigen Lächeln, dass man ihr wahrscheinlich nicht einmal die Eroberung Sanssoussis übel genommen hätte.
„Wenn Sie gekommen sind, um…“
„Nein, nein, absolut nicht. Ich bin diesmal hier, weil mich Ganth und die Ninja-Kommandeurin davon gejagt haben. Damit sind Sie der nächste höchstrangigste Bodentruppenoffizier in der Truppe. Gerrys Meinung habe ich schon. Und nun interessiert mich Ihre?“
„Worum geht es?“, fragte Charles. Nun wurde auch seine Stirn feucht und klamm. So fühlte er sich eigentlich nur, wenn er sich die periodisch auftretenden Grippeviren eingefangen hatte.
***
Das laute Gelächter des Oberst erfüllte den kleinen Konferenzraum, den Rössing den beiden Reportern und Lucky Charly zur Verfügung gestellt hatte.
„Bitte lachen Sie mich nicht aus. Ich habe meine Frage ernst gemeint“, tadelte sie.
„Entschuldigen Sie, aber für einen Moment konnte ich nicht umhin, Ihre Naivität zu bewundern, Carrie. Glauben Sie wirklich ernsthaft, jeder Arsch in Katalaun ist ein Adliger?“
„So habe ich das nicht gesagt. Ich habe Sie nur gefragt, wie Sie sich als nichtadliger Offizier unter Ihren adligen Offizierskollegen fühlen“, erwiderte sie konsterniert.
„Carrie, was denken Sie, wie viele Adlige gibt es in dieser Flotte, die Gryanen einmal ausgenommen?“
„Ich bin mir da nicht sicher, aber…“
„Siebzehn. Es sind genau siebzehn. Dazu kommen etwa dreißig Menschen wie ich, die von einem Baron, Graf oder Herzog zum Ritter geschlagen wurden. Das war es auch schon. Und jetzt gebe ich Ihnen eine Information, die Sie erheitern wird: Kein einziger unserer Schiffskapitäne ist von Adel, und nur fünf der Adligen sind in den Offiziersrängen zu finden. Han habe ich dabei schon mitgezählt. Die anderen arbeiten als zivile Mitarbeiter, als Ärzte oder Unteroffiziere.“
„Unteroffiziere? Als Adlige?“
„Unterschätzen Sie nicht den Aufgabenbereich eines katalaunischen Unteroffiziers. Und unterschätzen Sie nicht die Wertschätzung, die ein guter Unteroffizier verdient. Sie sind immer gegeißelte Jungs und Mädchen, die jederzeit unvorbereitet von einem wohl verdienten Bootsmannsrang auf einen unwürdigen Leutnantsrang geschickt werden können, wenn wir dringend einen Offizier brauchen. Danach werden sie auch ausgebildet.“
„Aber sie sind keine Offiziere.“
„Wie ich schon sagte, unterschätzen Sie die Unteroffiziere nicht.“
„Das verstehe ich nicht. Ist es nicht eine sichere Garantie, von Adel zu sein, um einen Offiziersposten zu erhalten? Ich meine, Kaiser Robert ist Kapitän, oder nicht? So sehr ich Robbie den Rang auch gönne, aber…“
„Robbie? Haben Sie mit dem Kaiser im Sandkasten gespielt, oder warum werden Sie so vertraulich?“
Carrie lief rot an. „DAS GEHT SIE GAR NICHTS AN!“ Etwas ruhiger fügte sie hinzu: „Kaiser Robert der Fünfte. Besser?“
„Besser. Und ich denke, ich muss mit einem Vorurteil bei Ihnen aufräumen. Sehen Sie, von Adel zu sein ist von Vorteil. Es ist sogar ein Riesenvorteil, weil hinter dem Rang meistens wirtschaftliche Macht steht. Geld, Industrie, Beziehungen, und dergleichen. Aber erstens bemüht sich die Flotte, Menschen ihren Fähigkeiten entsprechend einzusetzen und zweitens haben wir einfach nicht genügend Adlige. Menschen wir Johann von Arling, Johannes von Baaden, Miranda von Hohenfels sind Ausnahmen. Sehen Sie, eine Welt wird von einem Herzog regiert, richtig? Die Kontinente regieren Grafen, manchmal einer, manchmal mehrere. Das kommt drauf an, wie groß die Aufgabe ist. Und die Grafen haben das Recht, ihr Territorium weiter zu unterteilen und Barone zu ernennen. Darunter gibt es nichts. Darüber stehen die wenigen Sektorenherrscher, die sich bis in unsere Zeit halten konnten, wie Johannes von Baaden als Fürst und der Kaiser selbst. Da die Nachfolge des Kaisers aus Familie und dem Herzogsrang bestimmt wird ist der Titel des Fürsten am aussterben. Vor allem die immense Arbeit, die ein Fürst bewältigen muss, ist nicht gerade ein Anreiz für diesen Job. Wie viele Adlige macht das pro Welt? Selbst wenn wir eine große Familie einrechnen, vielleicht hundert? Zweihundert? Tausend? Auf wie viele Bewohner? Eine Million? Eine Milliarde?“
„Aber ist die Flotte nicht eine sehr prestigeträchtige Einrichtung, die den Adel anzieht?“
„Sicher ist sie das. Und sicher sind auch einige Adlige richtig gut in diesem Job, Menschen wie Johann oder Magic Miranda. Äh, können wir das Magic später rausschneiden? Danke. Und sicher gibt es da auch noch welche, die sich die Ränge hochkaufen. Korruption gibt es in jedem politischen System, und Adlige haben zumeist einen besseren Start in jeder Karriere, die sie sich aussuchen. Aber selbst dann gibt es mehr Schiffe als adlige Kapitäne zu besetzen, und selbst ein Adliger muss sich erst dazu qualifizieren ein Schiff zu führen. Oder sogar einen Verband.“
Carrie legte die Stirn in Falten. „Heißt das etwa, Sie sind in der wunderbaren Situation, als einer der wenigen in der gesamten Flotte, über einen eigenen adligen Kommandeur zu verfügen?“
„Ich bin in der glücklichen Lage, als einer der wenigen in der gesamten Flotte, über den besten Kommandeur zu verfügen“, korrigierte Charly mit Nachdruck. „Han und ich sind Freunde und mehr als das. Wir sind beinahe schon Familie füreinander. Und wenn das noch nicht reicht, seine Fähigkeiten als Offizier sind phantastisch. Ich habe nie gezögert, ihm mein Leben anzuvertrauen und werde das auch in Zukunft nie tun.“ Bei diesen Worten dachte er kurz nach und schränkte danach ein: „Fast nie.“
„Fast nie?“
„In… einigen privaten Dingen lasse ich mir von ihm nicht reinreden.“
„Oh. Verstehe. Und wie sehen Ihre Kameraden das? Ich meine unter Arling zu dienen und so?“
Charles lächelte dünn. „Fragen Sie das nicht mich. Fragen Sie das die Leute.“
„Vielleicht sollte ich das.“
„Wenn es das dann gewesen ist, dann…“, sagte Charles und erhob sich.
Carrie hielt ihn kurz fest. „Spence, mach mal die Aufnahme aus.“
„Okay, Carrie.“
„Was ist denn noch?“
„Sir, ich weiß, ich habe Ihnen versprochen, nicht davon anzufangen, auch wenn wir es nicht wirklich ausgesprochen haben. Aber in diesem Zusammenhang möchte ich Sie um einen Gefallen bitten.“
„Sie meinen… Mein Problem mit… Ihr?“
„Ist es denn ein Problem?“
„Oh, glauben Sie mir, es ist ein Problem. Und ich werde den Verdacht nicht los, dass ich es verursache. Wie kann ich Ihnen damit hilfreich sein?“
Carrie schluckte für einen Moment trocken. „Sir, wenn Sie in den Palast gehen, um… Um zu tun, wozu immer Sie sich entschlossen haben, nehmen Sie mich mit. Notfalls auch ohne Spence.“
Der Kameramann protestierte leise.
„Ich werde es mir überlegen.“ Mit diesen Worten streifte er Carries Arm ab – durchaus nicht unfreundlich – und verließ den Konferenzraum.
„Da geht er hin, der große Held. Und du hast nicht einmal nach Elisabeth gefragt“, sagte Spence leise.
„Es gibt Dinge, die sollte man besser nicht anrühren. Noch nicht.“ Carrie schmunzelte. „Komm. Wir folgen seinem Rat und kehren auf die RHEINLAND zurück, bevor der Verband springt. Dort werden wir uns ein wenig durch die Mannschaft wühlen.“
„Jawohl, Sir“, erwiderte Spence und karikierte einen militärischen Gruß.
„Bei einer Frau heißt das Ma´am“, korrigierte sie ihn.
Für einen Moment stockte die Starreporterin und sah ihren Kameramann aus großen Augen an. „Dieser Militärkrams färbt irgendwie ab, oder?“

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8.
15.06.2613
Planet B-King,
Residenz des Herzogs Beijing
Kaiserreich Katalaun

Gandolf Zachary von Beijing hatte Erfahrung in seinem Beruf. Genauer gesagt einhundertzwanzig Jahre Erfahrung darin, eine ganze Welt zu managen. Er wusste wie der Hase lief, wenn man es mal etwas blumig umschreiben wollte.
Er hatte diverse Höhen und Tiefen erlebt, die Regentschaften von fünf Kaisern begleitet und hatte es trotzdem immer irgendwie geschafft, B-King aus dem gröbsten Ärger heraus zu halten – oder wenigstens auf die richtige Seite zu schaffen.
Doch im Moment, in diesem Moment, war er sich sehr bewusst, dass er sich und damit seine Welt womöglich ins Abseits stellte. Weit, weit ins Abseits. Was er nun tun würde konnte aus der blühenden, gedeihenden Welt B-King ohne weiteres einen nachglühenden Schlackeball machen, nachdem er ordentlich bombardiert worden war.
Aber das war das Worst Case-Szenario, und so weit würde es hoffentlich nicht kommen.
Gandolf sah sich um, musterte die versammelte freie Presse seines Planeten. Musterte seine Enkel und seinen Großenkel im Grafenstand, die hinter ihm Platz genommen hatten. Musterte die verschiedenen Mitglieder seiner Regierung, die es sich nicht hatten nehmen lassen, ebenfalls hier mit ihm auf der Bühne zu sitzen. Und natürlich galt sein Blick dem Parlamentspräsidenten und seinem Stellvertreter, die Vorsitzenden jenes Gremiums, welche die planetaren Gesetze verwalteten, überarbeiteten oder verwarfen, Gesetze, die Gandolf Zachary von Beijing dann als Exekutivkraft des Planeten auszuführen hatte.
Gandolf räusperte sich vernehmlich. Verstärkt von Mikrophonfeld erfüllte es den ganzen Saal.
„Meine Damen und Herren, können wir dann bitte anfangen?“
Die Pressevertreter und die Journalisten der Fernsehstationen stellten ihre Unterhaltungen ein. Nach und nach nahmen sie Platz, hier im geschichtsträchtigen Pressesaal der herzoglichen Residenz. Hier war damals der Startschuss für die Revolution der Herzen gegeben worden; dieser Ort galt als Begründer der säkularisierten Herrschaft von Robert dem Fünften. Und das war lediglich die jüngere Geschichte. Hier war auch der Anschluss an das Kaiserreich verkündet worden, die wohl beste und wichtigste Entscheidung in der ganzen Geschichte von B-King. Und soviel mehr war hier geschehen.
Zu dieser Pressekonferenz, zu der der Herzog geladen hatte, waren die Reporter zwar zahlreich, aber ohne große Erwartungen gekommen. Es konnte nicht immer etwas weltbewegendes zu verkünden sein, auch wenn die Pressekonferenz kurzfristig anberaumt worden war.
Als die Presseleute zur Ruhe gekommen waren, begann Gandolf seine Ansprache.
„Meine Damen und Herren, ich habe die traurige Pflicht, Ihnen mitteilen zu müssen, dass Frederec von Versailles, ehemaliger Kaiser Katalauns, nicht länger unter uns weilt. Er verstarb vor fünf Stunden. Es war Selbstmord.“
Der Schock saß tief. Die Presseleute schwiegen gewichtige Minuten lang, bevor überhaupt jemand die Kraft finden konnte, aufzuseufzen oder eine Anmerkung zu machen. Selbst die Fernsehteams verzichteten darauf, sofort eine Erklärung hinterher zu schieben.
Gandolf Zachary von Beijing nutzte die Gelegenheit, um seine Erklärung fortzusetzen.
„In den letzten Tagen kam es zu einigen erschütternden Anschlägen gegen Mitglieder der Führungsspitze von Militär, Geheimdienst und Regierung. Ziel der Attacken war es, die Regierung zu destabilisieren und Frederec wieder auf den Thron zu bringen.“
Nun wurde das erste Mal aufgeregt geraunt.
„Aber Frederec hat sich geweigert, die Fehler der Vergangenheit zu wiederholen. In meinem Beisein und dem meiner wichtigsten Offiziere hat der ehemalige Kaiser den Freitod gewählt, um von gewissen konservativen Kräften nicht missbraucht zu werden. Gemäß seines Wunsches nach bahren wir ihn für den Zeitraum von vier Wochen in der städtischen Kathedrale auf und eröffen Kondolenzbücher für Jedermann. Danach wird sein sterblicher Körper feuerbestattet. Seine Asche wird, ebenfalls diesem Wunsch entsprechend im Orbit von B-King ausgeschüttet werden. Es tut mir Leid, dass ich es sein muss, der diese traurige Nachricht verbreitet, und es tut mir Leid, dass sich Frederec derart unter Druck gesetzt sah, um solch einen Schritt zu wählen. Mein aufrichtiges Bedauern und mein ganzes Beileid gelten nun seiner Tochter Elisabeth, die nun zur Vollwaise geworden ist. Nach dem tragischen Tod ihrer Mutter während der Revolution der Herzen sind es wieder die konservativen Kräfte, die ihr einen geliebten Menschen rauben.“
Gandolf sah ernst in die Runde. „Das Vermächtnis des Kaisers, sein Vermögen und sein weltlicher Besitz, befinden sich nun unter meiner Nachlassverwaltung. Das wichtigste Stück dieses Nachlass, nämlich der Schwere Kreuzer PRAG, der im Moment auf dem Raumhafen unserer Hauptstadt ankert, wird noch heute aufbrechen, um fortan Prinzessin Elisabeth Roxane von Versailles zu dienen. Offiziere und Mannschaften haben Prinz Frederec bereits abgeschworen und sind bereit, ihren Schwur auf Elisabeth zu leisten.
Das ist alles, was ich zu sagen habe.“
„Eine Frage, Mylord!“
„Sprechen Sie.“
„Sir, was ist mit der Frau des ehemaligen Kaisers? Wie geht es Wilhelmina? Wie ihren Kindern?“
„Es ist bedauerlich, dass ich das sagen muss, aber sie beging nach der Nachricht von Frederecs Tod Selbstmord. Die Kinder stehen unter Schock, was in dieser Situation verständlich ist. Im Moment befinden sie sich an einem geheimen Ort auf B-King, um sich von diesem schweren Schicksalsschlag zu erholen. Es ist nicht leicht, in einer Nacht Mutter und Stief-Vater zu verlieren.“
„Mylord Beijing!“
„Sir!“
„Herzog Beijing!“
„Das ist alles, was ich zu diesem Zeitpunkt zu sagen habe. Weitere Fragen beantwortet, sofern er es kann, Oberst Stahl in meinem Namen. Einen guten Tag noch.“
In diesem Augenblick war die immens wichtige Nachricht schon im halben Kaiserreich bekannt.
***
„Die Hyänen verlassen ihre Verstecke“, kommentierte der Herzog amüsiert und fegte einen Packen Ausdrucke von seinem Schreibtisch. „Die üblichen Beileidsbekundungen, ein paar Drohungen, Trittbrettfahrer, die an Frederecs Vermögen heran kommen wollen und jetzt schon fünf Ersuchen, Frederecs Leichnam übernehmen zu dürfen.“
Mikhail von Angward, der Jüngste im Raum, rutschte unruhig auf seinem Platz hin und her. „Opa, heißt das etwa das, was ich denke? Sie werden herkommen, um den Leichnam mit Gewalt zu holen?“
„Mach dich nicht lächerlich“, warf Takeru ein. Der Graf von Kantou, Mikhails Onkel und darüber hinaus selbst ein verdienter Knight-Pilot winkte ab. „Nur der Kaiser kann befehlen, dass seine Leiche gegen seinen letzten Willen verlegt wird.“
„Der Kaiser, eventuell Elisabeth, unser höchstes Gericht kann eine einstweilige Verfügung aussprechen, in der der letzte Wille angefochten wird… Es gibt schon ein paar mehr Möglichkeiten.“
„Von der aber nur ein kaiserliches Dekret schnell genug wäre, um die Feuerbestattung zu verhindern“, warf Richard ein. Der Graf von Nanking hatte sich in jungen Jahren einen Namen als Geheimdienstler gemacht und war nun in seinem Element. „Nein, die konservativen Kräfte – oder wie Großvater sie gerne nennt, die religiösen Schmarotzer – brauchen nun Frederecs Leichnam. Erstens um festzustellen, ob Frederec wirklich tot ist und zweitens um seine Leiche für ihre Zwecke zu benutzen. Er wird eine religiöse Ikone werden, der vielleicht knapp die Hälfte der Bevölkerung Katalauns folgen wird. Und das ist schlimm genug. Um dieses Ziel zu erreichen werden sie erst einmal auf allen legalen und illegalen Wegen versuchen an eine Genprobe des Leichnams zu kommen.“
„Der allerdings in der Kathedrale zu Sankt Georg aufgebahrt ist und vierundzwanzig Stunden am Tag zugänglich sein wird“, sagte Mikhail nachdenklich. „Das kann die Religiösen sicherlich bremsen, wenn sie ihre eigene dünne Tünche an Religion für einen weltlichen Grund beiseite tun. Aber es wird sie nicht ewig aufhalten.“
„Nein. Das wird es nicht. Aber es wird Robert genügend Zeit geben, um seine Herrschaft erneut zu konsolidieren, ohne dass zu befürchten steht, dass Frederec sein Thronrecht anficht.“ Gandolf Zachary rieb sich die Nasenwurzel mit der Linken. „Im schlimmsten Fall übernehmen sie die Macht, mit Elisabeth als Marionette an der Spitze und fallen mit der Flotte hier ein. Zu diesem Zeitpunkt wird bereits eine Anklage wegen Mordes gegen mich laufen. Ich werde mich natürlich zur Wehr setzen.“
„Das ist nur der schlimmste anzunehmende Fall, Zachary“, sagte Takeru ernst. „Zuerst werden wir es mit Gerichtsverfahren, Eilverfügungen und Agenteneinsätzen zu tun bekommen. Wir sollten ihn nicht außer Acht lassen, denn es ist definitiv möglich, dass Robert gezwungen sein wird, ohne Mirandas Schutz den Thron für seine Nichte zu räumen. Ich hoffe, er ist noch stark genug, um das zu verhindern.“
„Neulich schien es noch so, als hätte er die Zügel fest in der Hand“, warf Richard ein. „Andererseits war es vor Frederecs Thronantritt das gleiche. Ein paar Personen auf Schlüsselposten bekennen sich plötzlich offen für ihren Kandidaten, die Garde putscht, und schon haben wir einen toten oder exilierten Kaiser. Dann kann wirklich die Flotte kommen, und dann haben wir den Ärger.“
„Ich verstehe jetzt, warum du uns bei der Zeremonie nicht dabei haben wolltest, Opa“, sagte Mikhail plötzlich ernst. „Für den Fall, dass die Flotte wirklich angreift, können die Grafen nicht belangt werden, weil sie nicht beteiligt waren, und die Herrschaft über B-King bleibt gesichert. Denkst du immer so weit voraus?“
„Mein Junge“, sagte der Herzog mit fester Stimme, „du wirst nie ein guter Herrscher, wenn du nicht mindestens fünf bis zehn Züge voraus planst.
Unser Hauptaugenmerk der nächsten Tage aber sollte einem anderen Punkt dienen. Wilhelminas Leiche ist für unsere Gegner mindestens ebenso interessant wie die Existenz der beiden Kinder. Auch wenn sie nicht daran glauben, die beiden könnten Frederecs leibliche Kinder sein, könnten sie als Adoptiv-Kinder des Kaisers eine wichtige Rolle als Druckmittel spielen. Man darf sie nicht finden, um keinen Preis.“
Mikhail straffte sich. „Mylord, ich habe alles arrangiert, um sie alle so sicher und zugleich so diskret wie möglich unterzubringen. Außer mir persönlich wissen nur noch du, Mutter und fünf Personen meines absoluten Vertrauens von diesem Ort.“
„Du spielst mit ihren Leben. Anstatt sie unter größter Geheimhaltung dorthin schaffen zu lassen, hättest du einen ordentlichen Personenschutz aufbauen sollen“, tadelte Richard seinen Neffen.
„Nein, das sehe ich anders, Dick. Ein solcher Personenschutz könnte zu ihrer Entdeckung führen. Und das ist, was wir verhindern wollen, oder?“, wandte Takeru ein.
„Ohne Personenschutz sind sie eine leichte Beute“, erwiderte Richard ernst.
„Ein etablierter Personenschutz ist eine so große Veränderung der Umgebung, dass er den Bürgern auffallen wird. Was ihnen auffällt, wird herumerzählt. Damit ist das Geheimversteck nicht länger geheim. Bedenke, dass unsere Gegner ohnehin nach den beiden suchen werden, weil sich Opa dazu entschlossen hat, sie nicht zu töten, sondern in Pflege zu geben.“
„Es klingt auch ein wenig unwahrscheinlich, wenn ich zugelassen hätte, dass Wilhelmina auch ihre Kinder tötet, oder?“ Gandolf Zachary runzelte die Stirn. „Im Leben nicht.“
„Also fasse ich es mal zusammen: In nächster Zukunft haben wir mit zwei Dingen zu kämpfen: Offiziellen verbalen Attacken gegen Herzog Beijing wegen Mordes, Totschlags, Beihilfe zum Mord oder was unseren politischen Gegnern noch so einfällt, ist die eine Sache. Die andere ist der Versuch, der Leichname von Frederec und Wilhelmina sowie die beiden Kinder Vivienne und Steven in ihre Hand zu bekommen.“ Takeru schnaubte wütend aus. „Ich würde mich wohler fühlen, wenn unser Gegner ein Gesicht hätte. Wenn es einen Namen geben würde, den ich verfluchen könnte. So ist es doch eine Art ermüdendes Schattenboxen.“
„Es gibt nie ein Gesicht bei diesen Dingen“, mahnte der Herzog. „Solche Ereignisse werden aus Massenbewegungen geboren. Die jahrelange Manipulation der Meinung bestimmter Bevölkerungsschichten auf bestimmten Planeten führt zur Mob-Bildung. Der Mob ist es dann, der das eine oder andere Gesicht hervor spült, welches dem Mob voran läuft. Dies sind die einzigen Gesichter die wir zu sehen bekommen. Irgendwann beruhigt sich der Mob wieder, die Meinung wechselt und das Interesse an diesem Geschehen erlischt. Es ist nie die Sache eines einzelnen, nie die Sache einer Gruppe. Aber es ist die Sache Einzelner, entweder diese Mob-Bildung zu initiieren, oder sich an die Spitze zu setzen, so wie es Frederec getan hat und daran gescheitert ist.“
„Wenn du es so sagst, dann schwimmt auch Robert auf der Spitze einer solchen Mob-Welle“, tadelte Richard seinen Großvater.
„Der Kaiser ist kein Ereignis, sondern eine Institution. Die Menschen akzeptieren keinen Mann und keine Frau als neuen Kaiser, nur weil er oder sie laut genug hier schreit. Frederec ging einen unseligen Pakt mit den religiös Konservativen ein und hatte mit den Auswüchsen dieser Entscheidung zu kämpfen, Tag für Tag. Aber hätte er nicht das richtige Blut gehabt, hätten sie ihn nie akzeptiert. Das ist einer der Gründe, warum er sich so lange halten konnte, bis sich die Grundfesten unseres Staates nach und nach wieder durchsetzen konnten, um unsere wahren Werte durchzusetzen.“
„Machst du es dir nicht etwas zu einfach, Großvater?“, fragte Mikhail. „Immerhin wissen wir von einigen hohen Kirchenvertretern und Industriemagnaten der verschiedensten Richtung, die zu Frederecs Zeiten wichtige Positionen entweder in der Regierung oder in den Organisationen bekleidet haben, welche Frederec unterstützt hatten. Die dann übrigens auch für die Auswüchse wie Zwangsreligiösierung oder Unterwerfung außerirdischer Kulturen verantwortlich waren. Ja, da staunt ihr, was? Ich habe meine Hausaufgaben gemacht.“
„Hättest du das, Mikhail, dann wüsstest du auch, dass diese Auswüchse zwanzig Millionen Leben gekostet hat. Acht Millionen sofort, und den Rest als Spätfolge durch Unterversorgung, Vergeltungsschlägen und internen Machtkämpfen“, tadelte Richard.
„Abgesehen von den Hausaufgaben“, mischte sich Takeru wieder ein, „wundert mich eines. Opa, denkst du wirklich, es ist wieder die Zeit für einen solchen Mob gekommen? Befürchtest du wirklich, die religös-fanatischen Strömungen sind bereits wieder stark genug, um sogar den Kaiser zu stürzen? Ich denke, wir sollten Religion einfach verbieten.“
„Wenn es nicht die Religion ist, dann ist es eine Partei. Ist es keine Partei, dann eine Philosophie. Mag es keine Philosophie sein, dann ist es Sport. Die Menschen finden immer einen Weg. Und willst du vielleicht die Menschen verbieten?“, erwiderte der Herzog ernst.
„Nein, meine lieben Jungs, solange wir Menschen existieren müssen wir unsere Freiheit und unsere Demokratie, ja, unsere Werte jeden Tag aufs Neue verteidigen. Nur so funktioniert das System. Wir, die Elite, die ganz oben in der Fresskette stehen, wir sind dafür zuständig, dass es denen unter uns gut geht, dass sie ihre Leben leben können, dass sie ihre Freiheiten haben. Und wir haben auch dafür zu sorgen, dass sie sich nicht gegenseitig aufputschen und vernichten. Für diese schwere Aufgabe wurde ich geboren. Für diese schwere Aufgabe wurdet ihr drei und wurde Hannes geboren. Und wenn es sein muss, werden wir für sie sterben.“
Betreten sahen die Grafen ihren Herzog und Lehnsherrn an.
Schließlich lachte Takeru bellend auf. „Wenn es so kommt, kommt es halt so. Bis dahin aber haben wir eine Gewissheit.“
„Und die wäre, lieber Onkel?“
Takeru tätschelte Mikhail den Kopf. „Liz ist ab sofort sicher. Denn jetzt wo Frederec ihnen nicht mehr als Marionette zur Verfügung steht, brauchen sie seine Tochter. Und mit der PRAG als persönlichen Besitz ist sie nicht vollkommen wehrlos.“
„Das ist auch der einzige positive Aspekt“, murmelte Gandolf leise. Er sah zur Seite, zu seinem Chefbutler und Kommandeur der Haus-Truppe. „Jeremy?“
„Mylord?“
„Die Sicherheit von Freddies Leiche hat oberste Priorität.“
„Die Polizei wurde entsprechend instruiert. Und ich habe mir erlaubt ein paar Sonderkommandos der Miliz mit der Überwachung und dem zusätzlichen Schutz zu beauftragen. Wer immer zum spielen herkommt, er wird eine Überraschung erleben“, versprach der alte Offizier.


9.
16.06.2613
Kaiserreich Katalaun
Montillon-System, vierter Planet Sanssoucci
Planetare Hauptstadt Neu-Berlin

Frederec war tot. Es gab kaum eine Nachricht, die in diesen Tagen mehr Aufruhr verursachte als diese. Ausgerechnet der abgesetzte, exilierte Kaiser, hatte sich auf B-King selbst das Leben genommen, um sich nicht länger instrumentalisieren zu lassen.
In der gemäßigten Presse wurde seine Opferbereitschaft gelobt, sein letzter Dienst für das Kaiserreich. Die linke Presse konnte sich eine gewisse Häme nicht versagen und behandelte die Meldung über Frederecs Selbstmord als Aufhänger für ihre Leitartikel, die nun ganz klar Robert den Fünften unangefochten auf dem Kaiserthron sahen.
Die rechte Presse, jedoch, das Sprachrohr der Industrie und der Konservativen, stellte ganz offen die Frage, wie freiwillig und wie selbst sein Selbstmord gewesen war.
Eine Zeitung brachte sogar ganz offen die Anklage heraus, dass Herzog Beijing Frederec zum Selbstmord getrieben, notfalls gezwungen hatte, um den Druck von Robert zu nehmen, den die Konservativen immer stärker auf ihn ausübten. Das Blatt wurde noch am gleichen Tag auf verschiedenen Sendern zitiert, aber schon am nächsten Tag druckte das Blatt eine ganzseitige Richtigstellung, die Gandolf vom Vorwurf des Mordes freisprach.
Offen wurde diskutiert, dass ein stärkerer Herrscher wie Frederec, ein kompromissloserer und risikobereiterer Mann wie er, der auch einmal bereit war, bei soldatischen Greueln beide Augen zu zu drücken, solange das Ergebnis stimmte, in der schlechten Lage, in der sich das Kaiserreich befand, nicht die bessere Wahl gewesen wäre.
Die Boulevard-Presse hingegen interessierte sich vor allem für das Schicksal von Frederecs Frau, die ihm in den Tod gefolgt war. Aber es war eher das Schicksal der beiden adoptierten Kinder, das sie beschäftigte. Vollwaisen mit Verbindung zum ehemaligen Kaiser zogen einfach mehr Auflage. Zwischenzeitlich wurde sogar spekuliert, ob die beiden nicht in Wirklichkeit Frederecs Kinder seien. B-King beantwortete keine dieser Fragen.
Nach dem Tod von Hohenfels, dem Attentat auf Rütli und dem Verlust vieler wichtiger Minister, Admiräle und Direktoren der Regierung war Robert ohnehin angeschlagen. Natürlich kam es ihm da gerade recht, wenn sein Onkel Frederec nicht gegen ihn instrumentalisiert werden konnte. Im Gegenteil. Dennoch war der junge Kaiser angeschlagen, denn die allgemeine Stimmung in der Bevölkerung verlangte zumindest ein Staatsbegräbnis für seinen Vorgänger.
Herzog Beijing aber wollte Frederecs letzten Willen um jeden Preis durchsetzen. In diesem Gewirr rutschte die Berichterstattung von Arlings Flottille im Kaiserreich auf den zweiten Platz der allgemeinen Aufmerksamkeit.
***
Karen Rend sah den jungen Mann, der ihr Schwager war, misstrauisch an. Gerrit Rend war gerade dabei, für eine größere Tour zu packen. Genauer gesagt belud er eine Tasche mit Spielzeug, Babypflegeartikeln, Feuchttüchern und diversen anderen Spielereien. Nebenbei schwatzte er angeregt mit dem knapp vierzehn Monate alten Jungen, der daneben saß und aufmerksam mitverfolgte was sein Onkel tat.
„Ich will auch mit“, jammerte die sechsjährige Susanne und zog an Onkel Gerrits Hosenbeinen. „Ich will die Prinzessin auch sehen!“
„Nun nimm sie schon mit. Sie wird dir dein Date schon nicht verderben“, sagte Karen mürrisch.
„Was habe ich dir eigentlich getan? Ich habe nur gefragt, ob ich mir Max mal wieder ausleihen kann, wenn ich Elise treffen gehe.“
„Mir hast du nichts getan. Aber denkst du nicht, dass du Charly gegenüber unfair bist, wenn du dich mit seiner Freundin triffst, während er selbst in den Diadochen um sein Leben kämpft?“
„Es ist ja nicht so, als würde er wirklich und die ganze Zeit um sein Leben kämpfen“, murrte der junge Rend. Er griff nach unten und setzte seine Nichte neben Max auf den Tisch. „Außerdem sind Elise und ich nur Freunde. Sie gehört ja jetzt quasi zur Familie, und sie ist richtig vernarrt in deine Kleinen. Ich bringe sie nur ab und zu zur Tante, das ist wirklich alles.“ Spöttisch sah er seine Schwägerin an. „Ich kann ja wohl nichts dafür, dass eine gewisse Karen dauernd sagt: Der Palast ist nichts für mich.“
„Darf ich jetzt mit? Mama, ich darf doch in den Palast, oder?“
„Ja, mein Engel. Onkel Gerrit nimmt dich auch mit. Oder hat die Prinzessin nur das Baby einbefohlen?“
„Hast du Angst, dass ich Max da lassen werde?“, fragte ihr Schwager grinsend.
„Nein, ich habe eher mehr Angst, dass du ein eigenes mit Elisabeth produzierst“, erwiderte sie trocken.
Gerrit sah sie irritiert an. „Sie ist überhaupt nicht mein Typ. Außerdem, wenn ich die Nichte des Kaisers schwängern würde, wäre ich nirgendwo im Kaiserreich sicher vor dem Onkel.“
Karen lachte kurz über diesen Witz. „Herr Rend, Sie geben sich trotzdem auffallend oft mit ihrer Hoheit ab. Das fällt doch auf. Reden sie in der Uni noch nicht über dich?“
„Sie reden über meine verhauene Prüfung“, erwiderte Gerrit schroff. „Und sie nennen mich Mr. Chancenlos, weil alle auf Lucky Charly wetten. Nicht, dass ich überhaupt im Rennen wäre. Aber…“
Der junge Student seufzte. „Ich dachte einfach, Elise kann mal etwas Ablenkung gebrauchen. Sie hat grad ihren Vater verloren! Nun ist sie ganz allein in dieser Welt.“
„Du vergisst den Kaiser und Hans Familie.“
„Die entweder im Gefecht sind, oder weit entfernt auf B-King, oder? Ich versuche doch nur, ihr ein guter Freund zu sein. Für sie da zu sein. Denn abgesehen davon, dass ich sie nicht attraktiv finde, so halte ich sie doch für einen tollen Menschen und sehe sie als guten Freund. Gut genug, dass ich meine Nichte und meinen Neffen zu ihr mitnehme. Kannst du ihr nicht mal ein wenig menschliche Nähe gönnen? Die Kinder lieben sie, das weißt du doch.“
„Ich habe nichts dagegen, wenn meine Kleinen mit Tante Elise zusammen sind. Aber wenn ich dich dabei erwische, dass das deine Aufreißmasche ist, und du meine unschuldigen kleinen Kinder dafür benutzt hast, Gerrit Rend, dann werde ich dir den A… Dann werde ich ein paar unfeine Worte, die ich vor meinen Kindern nicht aussprechen kann, zu einer wundervollen Wortkombination zusammensetzen und die Bedeutung dieser Kombination auch ausführen. Haben wir uns da verstanden, Gerrit?“
„Superklar. Ach, ist es schon so spät? Habe ich alles?“ Hastig griff der junge Mann nach dem Tragegurt. Mit sicherem Griff, der Übung verriet, setzte er Maximilian hinein. Dann half er seiner Nichte wieder vom Tisch, ergriff ihre Hand und mit der anderen die Tasche.
„Bleibt nicht zu lange weg, ja?“, mahnte Karen mit Wehmut in der Stimme. Sie küsste ihre Jüngste, dann den Kleinen und gab anschließend ihrem Schwager einen Schmatzer auf die Wange. „Und seid vorsichtig. Lasst euch nicht in eine Palastintrige hinein ziehen.“
„Ich werde sie aus dem Gröbsten raushalten, versprochen, Karen“, scherzte Gerrit.

Unten erwartete sie bereits eine Limousine der Fahrbereitschaft des Palasts. Zwei Kindersitze waren auf der Rücklehne verbaut, und der Fahrer half dem jungen Rend routiniert bei der Sicherung der Kinder. Der Mann war selbst Vater, und bei den beiden Kindern von Karen und Mark Rend brach bei ihm stets der Beschützerinstinkt durch. Das ging so weit, dass die Bar der Limousine mittlerweile Kleinkindgerecht bestückt war. Innerhalb der Fahrbereitschaft nannte man die Maschine schon den Kinderwagen und den Fahrer Storch, in Anlehnung an die alte terranische Legende, nach der der Storch die kleinen Kinder brachte. Der Fahrer nahm es mit Fassung.
„Und? Wie geht es den beiden, Sir?“, fragte der Fahrer beiläufig.
„Sind gesund und munter wie zwei Fische im Wasser, Herr Johnson“, erklärte Gerrit nicht ohne Stolz. „Und sie freuen sich auf ihre Tante Elise.“
„Die Freude ist auf beiden Seiten, Sir. Ihre Hoheit hat mich extra ermahnt, besonders vorsichtig zu fahren. Allerdings hat sie mich auch angewiesen, schnell zu sein. Sie sehen mein Dilemma?“
Gerrit lachte. „Ja, das klingt ganz nach Elise. Hauptsache, sie produziert solche Paradoxa nicht auch bei ihrer Arbeit in der Flottenzentrale.“
„Keine Sorge. Die hat so viele Paradoxa, dass ein weiteres nicht auffallen dürfte. Wenn Sie mal einen Haufen Admiräle sehen wollen, die sich benehmen wie Kleinkinder, denen man das Spielzeug weggenommen hat, dann sehen Sie sich die Hochdekorierten mal an, wenn sie von Admiral Kress sprechen. Kaum einer von den Goldsternen kann es mit ansehen, dass sie ein Mann mit Pins anführt.“
„Das sind ja schreckliche Zustände. Ich hatte erwartet, dass der Tod von Admiral Hohenfels Unordnung auslöst. Immerhin war sie eine erstaunliche und patente Offizierin. Aber ich habe kein Chaos befürchtet.“
„Chaos ist das richtige Wort. Es wundert mich, dass überhaupt noch folgerichtige Befehle an die Flotte rausgehen.“
„Kriege ich ein Eis?“, bettelte die kleine Susanne.
„Im Kühlfach, Sir. Ein Erdbeereis. Habe ich vorhin noch besorgt. Frau Rend war bei ihrer Anweisung sehr eindeutig. Ein Leckerli pro Tag, nicht mehr“, sagte der Fahrer. „Sie ist eine strenge, aber gute Erzieherin.“
„Ist vielleicht auch besser so. Ohne Karen im Nacken hätte ich die beiden wohl schon mehrfach mit Süßigkeiten überfüttert“, gestand Gerrit, holte das Eis hervor, zog die Schutzfolie ab und reichte es seiner Nichte im Kindersitz.
Kurz darauf erinnerte ihn das Summen seines Kommunikators daran, dass es auch Zeit für Maximilians Brei war.
„Kinder sind was schönes, oder?“, murmelte der Fahrer. „Ich meine, mein Ältester ist gerade in der rebellischen Phase, schmeißt Türen, droht damit auszuziehen und kommt nur zum schlafen und essen nach Hause. Aber er ist mein liebes Kind, das ich auf meinen Armen gewiegt habe, dem ich beigebracht habe, auf einem Board zu fahren. Bald ist er alt genug, um selbst eine Familie zu gründen und Kinder zu haben, und dann wird er mich mehr brauchen denn je zuvor.“
„Ist das nicht der Teil, den man Elterliche Rache nennt?“, fragte Gerrit schmunzelnd.
„Oh, es hat was von Rache“, erwiderte der Fahrer schmunzelnd. „Gut machen Sie das, Sir. Sie sind sehr geschickt beim füttern.“
„Danke. Das kommt eben alles mit der Übung. Ich weiß nicht so recht, ob ich jemals selbst eine Familie gründen werde, wo mir dann all das zugute kommt, was ich mit Marks Kindern gelernt habe. Im Moment bin ich einfach nur froh, sie auch wieder abgeben zu können. Aber ich liebe sie wie meine eigenen.“
„Das kann man sehen, Sir.“
„Herr Johnson?“
„Sir?“
„Hören Sie endlich auf, mich Sir zu nennen. Ich habe noch nicht mal mein Studium beendet oder bekleide irgendeinen dämlichen militärischen Rang. Und Sie sind dreißig Jahre älter als ich. Eher müsste ich Sie Sir nennen.“
„Es gehört zu meinen Pflichten, Besucher und Angehörige der Kaiserlichen Familie respektvoll zu behandeln und sogar zu beschützen“, tadelte der Fahrer.
„Ach, bitte nicht wieder die Platte. Wie lange, sagten Sie, ist Ihr Bodyguard-Lehrgang her?“
„Vorsicht, mein Junge, es reicht immer noch, um dich auf die Matte zu legen“, erwiderte der Fahrer schmunzelnd.
„Probieren wir es besser nicht aus. Ich lasse mich lieber von Ihnen fahren als Sie mit gebrochenen Knochen im Krankenhaus zu besuchen.“
„Große Worte. Steckt da auch etwas hinter, Gerrit Rend?“ Ein Schmunzeln huschte über seine Züge.
„Wer weiß? Vielleicht haben wir eines Tages Gelegenheit, es herauszufinden. So, der letzte Löffel, Max. Susu, bist du auch vorsichtig mit deinem Eis? Lass mich mal deinen Mund abwischen.“
„Bäh. Das kann ich selber. Siehst du? Geht ganz einfach. Immerhin komme ich ja bald in die Schule!“, berichtete das Mädchen stolz.
„Einverstanden. Sagen Sie mir wann und wo, und ich werde da sein… Sir.“
Gerrit seufzte auf. „Ich schicke Ihnen meinen Sekundanten, Herr Johnson.“
„Ein Sanitäter wäre sicherlich besser.“
„Ja, für Sie, alter Mann.“
„Werde nicht frech, Bürschchen. Meine Kinder habe ich nie übers Knie gelegt, aber bei dir mache ich ne Ausnahme.“
Der junge Rend schmunzelte. „Das will ich sehen. Oh, eine neue Sperre, wie es scheint.“
„Ja, der Sektor um den Palast wurde abgeriegelt. Zu Glück ist er nur der Wohnort von Robert und Elisabeth, deshalb gibt es einen überschaubaren Personenverkehr. Das macht es einfach, die Straßen abzusperren, ohne die tägliche Ordnung zu torpedieren. Aber es gab ein paar hundert Morddrohungen gegen Robert, seit der Tod von Frederec bekannt ist. Die Stadtpolizei hielt es für sicherer, wenngleich der Kaiser gesagt hat, dass er Extra-Wachen für unnötig hält.“
Die Limousine wurde gestoppt und kurz gescannt. Dann winkte man sie weiter. In den fünf Sekunden Standzeit waren sie auf Waffen, Sprengstoff, Spionageutensilien und auf ihre Identitäten geprüft worden.
Danach fuhren sie weiter bis zum Palasttor. Die kaiserliche Garde führte die gleiche Prozedur erneut durch, dann durfte der Wagen in den Innenhof des Nordschloss einfahren.
„Gleiche Zeit zurück wie immer, Sir?“
Gerrit Rend nickte. „Gleiche Zeit.“ Er löste die Gurte der beiden, legte den Tragegurt wieder um und hob Max aus seinem Sitz. Susanne war bereits aufgesprungen und wäre aus der Tür gestürzt, aber auf Gerrits Bitten war eine Sicherung eingebaut worden, die verhinderte dass man die Tür von innen öffnete. Susu war schlau. Sie hätte viel zu schnell mitgekriegt, wie man eine Tür verriegelte und entriegelte. Und Gerrits Horrorvision war ein kleines sechsjähriges Mädchen, dass mitten in der Fahrt die Tür aufmachte oder sofort nach dem halten aus dem Wagen stürzte und vor einen anderen lief.
Bedienstete des Palasts öffneten und empfingen die junge Rend wie eine Adlige. Mit einem Lächeln und einer Träne im Auge sah Gerrit dabei zu, wie sich das kleine Mädchen veränderte und sich genau so benahm, wie die erwachsenen Diener von ihr erwarteten. Sie spielte die hochgeborene Dame für sie. Auch einer der Gründe, warum Karen nicht gerne mit ihren Kindern in den Palast kam. Sie hatte Angst, dass aus dem Spiel Ernst wurde, und vielleicht auch, dass sie sich derart versnobtes Verhalten zu eigen machte. Ein Diener half Gerrit dabei, Max aus dem Wagen zu holen und in den Gurt zu heben.
„Der junge Sir hat wieder zugenommen“, stellte der livrierte Diener fest. „Er ist auf dem besten Weg, ein kräftiger kleiner Bursche zu werden.“
Gerrit nickte dazu. Er war sich sicher, dass der Geheimdienst längst zehn bis zwanzig Seiten in der Akte Maximilian Rend angelegt hatte – und die Hälfte würde sich mit der weiteren Entwicklung des Kindes befassen, sowohl körperlich als auch geistig. Immerhin gehörten die Rends nun über ein paar Ecken zur kaiserlichen Familie, und der Kaiser sorgte sich stets um die seinen. Und sicherlich überwachte der Geheimdienst auch sein Wachstum und hatte bereits Simulationen von Max gemacht, um sein Aussehen als Erwachsener einschätzen zu können. Beinahe juckte es ja Gerrit in den Fingern, diese Aufnahmen einzusehen.
„Die Prinzessin ist wie immer im Südflügel. Sie hat sich ein Pony kommen lassen“, informierte der livrierte Diener. „Die junge Lady hat beim letzten Besuch angemerkt, dass sie in einer Stadtwohnung leider kein Pferd halten darf, also dachte ihre Hoheit, es wäre eine nette Geste, sie mal auf einem reiten zu lassen. Wenn die junge Lady Gefallen daran findet, behält ihre Hoheit das Pony vielleicht. Im Reitstall sind noch ein paar Boxen frei.“
Der junge Rend lächelte. Er mochte es, wenn die Menschen so informell wurden wie dieser Butler. Das erzählte sehr viel über sie und verschaffte ihm viele Informationen. Allerdings schätzte er auch eine gewisse Seriosität. „Seine Majestät?“
„Wird teilnehmen, Sir. Ebenso Direktor Rütli.“
„Was ist mit Admiral Kress?“
„Admiral Kress ist verhindert. Er hat einen schweren Stand in der Admiralität.“
„ADMIRALITÄT!“, begann der kleine Rend plötzlich zu krähen. Dabei strahlte er wie ein Honigkuchenpferd.
„Nanu, er kann nicht nur zuhören, er kann schon sprechen“, staunte der Butler. „Wir sollten aufpassen, was wir sagen. Nicht, dass dem kleinen Papagei etwas vor den falschen Leuten raus rutscht.“
„Ist vielleicht besser“, erwiderte Gerrit und streichelte seinem Neffen den Kopf. „Guter Max. Du bist ja schon so schlau für dein Alter.“

Im Südflügel angekommen erwartete sie Elise bereits in bequemer Freizeitkleidung. Susanne Rend lief sofort los, als sie die schwarzhaarige Schönheit sah. „TANTE ELISE!“
Die Thronerbin ging auf beide Knie und fing den kleinen Wirbelwind ein. „Da bist du ja wieder, mein kleiner Schatz. Geht es dir gut? Natürlich geht es dir gut. Und wie geht es Maximilian? Der ist ja schon wieder größer geworden.“
„Danke“, warf Gerrit säuerlich ein, „mir geht es auch gut.“
„Haben Sie sich nicht so, Hauptmann Rend. Ich hätte Sie sicherlich auch noch gegrüßt“, spottete die Prinzessin, gab dem kleinen Max einen Kuss und hob ihn aus dem Tragegurt. „Guten Tag, Gerrit.“
„Guten Tag, Elise.“
„Schade, dass ich jetzt nicht mehr allzuviel von dir haben werde“, seufzte sie. „Ich hätte zu gerne mehr von Mark und Karen gehört.“
„Später vielleicht. Wenn du jetzt die beiden Goldstücke mitnehmen würdest? Ich habe gehört, du hast Susu ein Pony besorgt.“
„Wer hat da gepetzt?“, fragte sie mit gespielt drohenden Augen. „Susu, hast du gehört? Ich habe ein Pony draußen. Willst du darauf reiten?“
„JAAA! PONY!“ Mit wirbelnden Armen lief das Mädchen in den Garten hinaus. Die Prinzessin folgte, Max auf dem Arm. „Max darf aber auch mal reiten, hörst du, Susu?“

„Wie schön, dass du dich wirklich so gut mit Elise verstehst“, klang Roberts Stimme hinter Gerrit auf. „Sie liebt Marks und Karens Kinder wirklich sehr. So kann sie sie sehen und wir können uns unauffällig treffen.“
Rend wandte sich um und wollte den Kaiser gerade informell und flapsig begrüßen. Aber Direktor Rütly, der sofort danach den Raum betrat, ließ ihn auf Profi umschalten.
„Majestät. Admiral Rütli.“
Robert nickte als Antwort und deutete auf den bereit stehenden Tisch. „Versuchen wir es kurz zu machen. Ich habe Elise versprochen, dass du den dreien draußen ein wenig Gesellschaft leisten wirst.“
„Das wird wohl leider nichts werden, Robert“, erwiderte der junge Rend ernst. Ein Speichermedium landete auf dem Tisch. „Hier ist mein vollständiger Bericht mit Namen, Fakten und Beweisen. Sehr tief bin ich noch nicht vorgedrungen, aber unser erster Verdacht wurde bestätigt.“
Er setzte sich an den Tisch zu seiner Majestät, während Rütli nach dem Speicherchip griff und ihn oberflächlich mit einem Tischgerät auslas. „Gute Arbeit wie immer, Hauptmann Rend“, lobte der Direktor des Geheimdienst.
„Wie schlimm ist es?“
„Sehr schlimm. Die Versammlungen von Kreuzbrüdern, Halbmonden, hinduistischen Wohlfahrtsverbänden und was immer du als Beispiel nehmen willst, werden zahlreicher, finden öfter statt und vom Ton immer aggressiver. Bis vor kurzem wurde stets Frederecs Neuinthronisierung gefordert. Die Nachricht über seinen Tod hat ihnen viel Wind aus den Segeln genommen und ihre Aufmerksamkeit auf B-King gerichtet. Der Herzog wird eine schwere Zeit vor sich haben.“
„Ich weiß. Heute morgen lag ein Antrag auf meinem Schreibtisch, in dem gefordert wurde, eine Untersuchungskommission zu Frederecs Mord einzusetzen. Mord nennen sie es schon. Nicht Tod oder Freitod, Mord.
Ich habe mit der Begründung abgelehnt, dass an Herzog Beijings Integrität nicht gezweifelt werden kann.“
„Damit werden sie sich nicht zufrieden geben.“
„Nein. Aber solange sie meinen Onkel nicht instrumentalisieren können, soll es mir Recht sein. Die Mannschaft der PRAG hat sich jedenfalls hundertprozentig hinter Elise gestellt.“
„Ach ja, das dicke Schiff ist ja auch eingetroffen“, seufzte Gerrit.
„Hauptmann Rend, eine Frage: Dieser Iesajah Cormick… Was ist er?“
„Ein Anwerber, Sir. Er prüft Neulinge auf diesen Veranstaltungen auf ihre Tauglichkeit und teilt sie, sobald sie aktiv teilnehmen in eine der Gruppen ein: Demonstration, Aktion und Ablenkung. Für uns interessant sind Aktion und Ablenkung. Iesajah hat einen eigenen Mitarbeiterstab, der für ihn die Leute zu den Veranstaltungen schleppt. Ich kann mich also glücklich schätzen, dass er mich persönlich angeworben hat.“
„Deine Schwester ist in der Flotte. Das war sicherlich der Hauptbeweggrund für die Anwerbung. Zum Glück weiß keiner, dass du einer unserer besten Spionageabwehragenten bist.“
„Mag sein. Aber meine lange Studienzeit fällt doch langsam auf.“
„Darum kümmern wir uns im nächsten Trimester“, sagte Rütli. „Diese Gruppen betreffend, Aktion und Ablenkung, Hauptmann, wie definieren sie sich?“
„Es sind Pools, Sir. Iesajah steht einer Zelle vor, die autark arbeitet. Die Mitglieder der Zelle kennen nur einander und nur Iesajah kennt den Verbindungsmann der Zelle, aber niemanden sonst. Die Zelle ist ein Mechanismus, der Rekruten ausgräbt. Jene, die in der Gruppe Aktion landen, wurden für terroristische Aktivitäten ausgewählt. Ich bin noch nicht tief genug drin, aber ich bin sicher, dass Iesajah mich ebenfalls dieser Gruppe zuteilt, jetzt wo ich so oft im Palast bin.“
„Was macht dich so sicher?“
Gerrit schmunzelte. „Das liegt an der Gruppe Ablenkung. Das ist ein Pool an Leuten, die angeblich an „Befreiungsaktionen“ teilnehmen werden. Ihre Hauptaufgabe ist aber, sich erwischen zu lassen und die Polizei beschäftigt zu halten. Iesajah hat einen anderen Namen für sie. Aber die Tatsache, dass er mir seine Aufteilung verraten hat, zeigt, dass er mich in den inneren Kreis der Gruppe ziehen will.“
„Interessant. Sind Sie schon tief genug drin, um in Gefahr zu geraten?“ Admiral Rütli musterte seinen Agenten aufmerksam. „Immerhin wurden Sie schon in terroristische Aktivitäten eingeweiht.“
„Es wird langsam gefährlich, zugegeben“, erwiderte Gerrit ernst. „Aber die Arbeit als Agent ist niemals ungefährlich. Außerdem hat er nicht das Wort Terrorismus benutzt. Er bezeichnet die Tätigkeiten der Gruppe Aktion als patriotisch. Was er darunter genau versteht, können Sie sich denken, Admiral.“
„Hm. Hm. Wann reicht es, die Gruppe hoch zu nehmen?“
„Sie meinen, wann wir genügend Beweise haben, um die Christen abzuschöpfen?“ Gerrit bemerkte die Irritation des Direktors und fügte hinzu: „Ein Begriff den Iesajah geprägt hat. Er hat den ersten religiös motivierten Kontakt zu mir etabliert, indem er behauptet hat, der Kaiser würde die Christen abschöpfen. Das war in etwa zeitlich mit der Inhaftierung der Zelle, die für den Anschlag auf Elise verantwortlich war.“
„Nun. Nett. Zumindest hat der Mann Ideen. Also, wann können wir… Diese Christen abschöpfen?“
„Wann ist es sinnvoll, Sir? Ich wage zu behaupten, dass wir bereits jetzt genügend Beweise zusammen haben, um sie zu exmatrikulieren und wegen Landesverrats sowie Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung hoch zu nehmen. Aber wie ich bereits erwähnte, es ist nur eine Zelle, wenngleich die wahrscheinlich zahlenmäßig stärkste Zelle an der Universität. Ich verspreche mir viel davon, bis zu Claymore Anazasi vorzustoßen.“
„Der Hassprediger der Kreuzbruderschaft, der an der Universität Gastvorträge gehalten hat“, stellte Rütli ernst fest. „Wir haben ihn bereits im Visier. Aber wir konnten nichts entdecken. Er ist ein Sprachrohr, aber ehrlich gesagt halten wir ihn für einen Papagei.“
Papagei, das bezog sich auf das altterranische, hoch intelligente Vogelwesen, welches in der Lage war, lange, komplexe Sätze zu merken und sie zu wiederholen. Manche Papageienarten sollten sogar in der Lage sein, mit einem eigenen, geringen Wortschatz primitive Konversation zu betreiben. In diesem Fall aber stand das Wort für eine Person, die als Sprachrohr für andere agierte, also Botschaften verkündete, die seine Hintermänner formulierten. Menschen mit einer gewissen Ausstrahlung wurden oft als Papageien für derartige Botschaften heran gezogen.
„Mit Verlaub, Sir, aber ich glaube nicht daran, dass Anazasi ein Papagei ist. Ich habe etwas recherchiert und festgestellt, dass er für viele der Kontakte zu Juden, Moslems und Hindus direkt verantwortlich ist. Selbst wenn er als Strohmann für ein paar Leute im Hintergrund agiert, so weiß er bestimmt mehr als es ein Papagei dürfte.“
„Hintermänner? Kennen Sie nicht die These von der Allgemeinen Volksbewegung?“, tadelte Rütli.
„Sie meinen die These, in der erklärt wird, dass Revolutionen nur aus einer tiefen Grundstimmung der Bevölkerung entstehen können, oder wie hier einem Teil der Bevölkerung? So nach dem Motto: Die Zeit ist reif!?“
„Genau die meine ich.“
„Dann muss ich Ihnen sagen, Sir, dass wir über diese Phase schon weit hinaus sind. Wir haben es nun nicht mehr mit eine Stimmung unzufriedener religiöser Parteien und Geheimzirkeln und der Indoktrination der Studenten zu tun, es gibt dort draußen Menschen, welche die radikalen Kräfte bündelt, koordiniert und, was noch wichtiger ist, finanziert. Irgendwo auf der Ebene arbeiten verschiedene Kräfte zusammen und bündeln die Kraft der Unteren Ebenen.“
„Und du hoffst, du kommst ihnen über Anazasi auf die Spur?“, hakte der Kaiser nach.
„Ich hoffe, einen Hinweis zu erhalten, wenn ich die Augen offen genug halte.“
„Was schlagen Sie vor, Hauptmann Rend?“, meldete sich der Direktor wieder zu Wort.
„Ich schlage vor, Sie schnappen sich einen Schnellrichter und beantragen eine Einsichtnahme in die Bankkonten der Kreuzbrüder und versuchen dort, die Quellen einiger Überweisungen aufzuspüren. Ich bin sicher, letztendlich landen Sie dabei in der Großindustrie oder im Ausland. Oder beides.“ Rend rieb sich die Schläfe. „Aber das Schlimmste habe ich noch gar nicht erzählt. Es steht im Bericht, auf der letzten Seite.“
Rütli blätterte vor und japste erschrocken. „Mist.“
„Es war die logische Entwicklung, oder?“, erwiderte Rend ernst.
„Könnte mich jemand darüber informieren, inwiefern sich hier etwas logisch entwickelt?“, tadelte der Kaiser ernst.
„Entschuldigung, Majestät.“ Rütli schob dem Kaiser die Akte herüber.
Robert sah auf den kleinen Arbeitsmonitor und runzelte die Stirn. „Was, bitte? Ich glaube, ich habe Visionen!“
„Ihr lest schon richtig, Majestät. Die Kreuzbruderschaft hat erschreckend schnell reagiert und fordert nun die Inthronisierung von Elisabeth“, berichtete Gerrit mit müder Stimme. „Anscheinend versprechen sie sich ein gewisses Potential von Frederecs Tochter.“
„Das ist doch absoluter Quatsch! Elise würde niemals gegen mich agieren!“, rief Robert aufgebracht.
„Sie bleibt aber Freds Tochter“, beharrte Rend. „Ich sage nicht, dass sie es tun wird, weil sie es will. Aber vielleicht zwingt man sie, ebenso wie man in der Revolution der Herzen Eure Majestät gezwungen hat, Frederec zu ersetzen!“
„Das kann man ja wohl nicht vergleichen!“, versetzte seine Majestät störrisch.
„Majestät, ich halte das für einen guten Einwand. Wir wissen im Moment nur zwei Dinge sicher: Frederec hat auf B-King Selbstmord begangen und steht den Plänen der Kreuzler nicht mehr zur Verfügung. Und Elisabeth Roxane ist nicht nur seine einzige Tochter, sondern auch Eure direkte Nachfolgerin. Freiwillig würde sie diesen Job sicherlich nie machen wollen, dafür flucht Ihr zu oft darauf, Majestät“, sagte Rütli mit einem für ihn seltenen Schmunzeln. „Aber jeder Mensch ist erpressbar. Auf die eine oder andere Weise.“
„Pah! Womit sollte man Elise schon erpressen können?“, erwiderte der Kaiser barsch.
„Mit mir zum Beispiel“, sagte Gerrit ernst. „Mit Max oder Susu. Mit euch, Majestät. Mit Charles Monterney. Mit Menschen, von denen ich nicht einmal weiß, dass sie Elise am Herzen liegen.“
„Aber das ist doch Unsinn!“ Seine Majestät machte eine fahrige Geste. „Sie erpressen Elise, und dann was? Was haben sie gewonnen? Was sollte Elise bewirken können? Sie ist Oberleutnant, das war es auch schon!“
„Man könnte sie zwingen, auf den Thron zu steigen, Majestät“, wandte Rütli ein. „Und dann hätte sie all die Fähigkeiten, die von den Kreuzlern gebraucht werden.“
„Nonsens! Es ist noch nicht allzu lange her, da wollten die Kreuzbrüder sie töten!“
„Damals lebte ja auch noch Frederec, oder?“ Rütli atmete schnaufend aus. „Jetzt ist Elisabeth Roxane natürlich wertvoll für sie.“
„Also, so wie ich das sehe, ist Elise nur der letzte Schritt in einem Plan. Einem Plan, dem wir auf die Spur kommen müssen. Denn damit sie auf den Thron steigen kann, müsst Ihr ihn erst einmal verlassen, Majestät“, folgerte Rend.
„Ich habe keine Absichten, den Thron zu verlassen.“ Seine Majestät sah ernst in die Runde. „Alleine schon, um Elise diesen ganzen Mist nicht aufhalsen zu müssen.“
„Aber wir müssen davon ausgehen, dass es jemanden gibt, der sich Chancen dabei ausrechnet, Eure Majestät vom Thron zu jagen“, schloss Rütli. „Ich werde die Sicherheitsvorkehrungen für den Palast verstärken. Außerdem verstärken wir den Personenschütz für die Prinzessin. Und ich empfehle, Familie Rend einen Personenschutz zukommen zu lassen.“
„Für mich bitte nicht. Es würde meine Arbeit behindern“, warf Gerrit ein.
„Es dürfte merkwürdig aussehen, wenn wir die Familie bis auf Gerrit Rend mit Bodyguards ausstatten“, wandte Rütli ein.
„Admiral, bei allem Verlaub. Beschränken wir den Personenschutz auf die Kinder. Sie sind die schwächsten Glieder in unserer Familie. Der Rest kann durchaus auf sich selbst aufpassen.“
„Hm. Einverstanden.“
Der Direktor des Geheimdienst erhob sich. „Ich will das mal alles zusammenfassen. Unsere Gegner formieren sich. Sie fordern die Ablösung von seiner Majestät durch Elisabeth Roxane, der Kronprinzessin. Um dies zu erreichen muss seine Majestät abdanken oder sterben. Wir sollten uns gegen Angriffe dieser Art nachhaltig wappnen.
Majestät? Hört Ihr mir zu?“
„Was? Entschuldigen Sie, Anton, aber ich habe nachgedacht. Ich habe mich gefragt, wer im Kaiserreich die Macht hat, mich abzusetzen.“
„Abgesehen von einer militärischen Intervention in Form einer Invasion oder eines Putsches vielleicht ein aufgebrachter Mob. Eine gemeinsame Petition von Oberhaus und Parlament könnte ähnlich effektiv sein, ist aber nicht sehr wahrscheinlich.“
„Dann vielleicht ein Putsch.“
„Lächerlich, Rend. Sven Kress steht absolut loyal zum Kaiser. Und er als Admiral der Flotten hätte als einziger die Macht, sowohl den Kaiser abszusetzen als einen Putsch durchzuführen.“
„Dennoch. Wir übersehen etwas. Sie rechnen sich Chancen aus, gute Chancen, gut genug, um sie offen auftreten zu lassen und sich eine fanatisierte Basis an Anhängern zulegen zu wollen. Was entgeht uns da? Was nur?“, murmelte Gerrit Rend betreten.
„Was immer es auch ist, wir sollten uns dazu intensiv Gedanken machen. Du, Gerrit, solltest jetzt aber erstmal raus in den Garten gehen. Wenn du nicht aufpasst, behält Elise die beiden nämlich hier, und dann sieh mal zu, wie du das Karen erklärst.“
„Oh. Natürlich, Majestät. Admiral Rütli.“
Die beiden Männer nickten und entließen den Hauptmann.
„Ein Putsch also?“, hakte der Kaiser nach.
„Oder eine zivile Revolution. Ausgelöst durch… Durch einen negativen Effekt, der das ganze Kaiserreich erschüttert.“
„Zum Beispiel?“
„Kein Beispiel, Robert, nur so ein Gedanke.“ Rütli raffte seine Sachen zusammen. „Ich melde mich, sobald meine Leute das analysiert haben.“
„Danke.“
Zurück blieb der Kaiser, nachdenklich und ängstlich, wenn er daran dachte, was seinen Schutzbefohlenen in den nächsten Wochen und Monaten womöglich noch bevor stand.

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