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Taras Amaris Taras Amaris ist männlich
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OT: Rudeltiere - Ein Shadowrun Abenteuer Auf diesen Beitrag antworten Zitatantwort auf diesen Beitrag erstellen Diesen Beitrag editieren/löschen Diesen Beitrag einem Moderator melden       Zum Anfang der Seite springen

Kapitel 1
Vorgeschichte
Schatten der Vergangenheit

Wieder schlug Wolf einen Haken und entging damit nur knapp der in den Beton einer links neben ihm aufragenden Hausmauer einschlagenden Salve. Kleine Splitter des Betons spritzten in seine Richtung und Querschläger jaulten durch die Straßenschlucht durch die er sprintete. Seine Turnschuhe flogen über den Asphalt, seine Lungen brannten bei jedem neuen Atemzug als würde er pures Feuer in seinen Körper pressen.
Das Blut rauschte in seinen Ohren und er spürte, daß sein Körper beständig warmes, klebriges Blut durch die Schußwunde in seiner Schulter strömen ließ und der Verlust sich langsam bemerkbar machte.
Er musste die Dreckheads loswerden, die ihn wie ein Rudel Bluthunde nun schon drei Blocks weit verfolgten und eine wirklich beeindruckende Beharrlichkeit in dem Bestreben an den Tag legten, ihn zu geeken.
Er hätte sich selbst ohrfeigen können.
Was zum Teufel hatte er sich dabei gedacht, sich in dieses gottverlassene Viertel des Frankfurter Metroplexes locken zu lassen.
Verfallene Wohnhäuser, dessen einzige Bewohner während der letzten zehn Jahre die Riesenratten und die untersten Schichten der metamenschlichen Gesellschaft der erwachten Welt waren, reihten sich aneinander wie die Skelette in einer Gruft.
In einigen dunklen Gassen brannten Feuertonnen, und er konnte auch öfter Bewegungen aus den Augenwinkeln ausmachen, aber er machte sich keine Illusionen was die Hilfsbereitschaft dieser Gestalten in einem der heruntergekommensten Vierteln Frankfurts anging.
Diese Menschen, wenn es überhaupt Menschen oder Metamenschen waren, würden seine Leiche fleddern und ihn dann für die urbanen Aasfresser liegenlassen.
Nein, wenn er aus dieser verfahrenen Situation wieder lebend herauskommen wollte, dann mußte er das schon aus eigener Kraft bewältigen.
Als er erneut die Maschinenpistole hinter sich aufbellen hörte, warf er sich hinter ein ausgebranntes Autowrack, das er gerade passiert hatte. Die Geschosse der Salve prallten funkensprühend von der rußgeschwärzten Karosserie des ehemaligen Kleinwagens ab.
Seine biologisch verstärkten Reflexe ließen ihn in der relativen Sicherheit des Autowracks auf das linke Knie sinken während seine Hände zu den beiden Tarnhalftern an seinem Rücken glitten, die von der mit Kevlarplatten verstärkten Lederjacke verdeckt wurden.
Die speziell an seine Hände angepaßten Griffe der schweren Pistolen vermittelten ihm ein Gefühl der Sicherheit, und von einem Moment zum anderen wurde er wieder zu dem was er seit mehr als drei Jahren war.
Eine Killermaschine.
Ein Straßensamurai in den Diensten der russischen Mafia.
Als er allein durch seine Gedanken die Smartgunverbindung in seiner rechten Hand deaktivierte und sah, wie der leuchtend rote Punkt in seinem Blickfeld verblaßte, der normalerweise die Ausrichtung der Waffe anzeigte wurde ihm klar, dass es damit wohl vorbei war.
Die italienische Konkurrenz hatte den Markt für sich erobert und die Russen entweder vertrieben oder liquidiert.
Die letzten Soldaten der unterlegenen kriminellen Organisation die man noch nicht in den Ruhestand befördert hatte, wurden jetzt von bezahlten Killerkommandos gejagt, welche ihre Motivation durch extrem hohe Kopfgelder erhielten.
Und Wolf war nun einmal einer der besten Soldaten der Russen gewesen.
Wenn nicht sogar der Beste.
Entsprechend hoch fiel auch das Kopfgeld aus, dass die italienischen Dons auf seinen Tod ausgesetzt hatten.
Von einem Ganger, der versucht hatte, es sich zu verdienen und den er mit seinen Spornen an Onkel Luzifer weitergeleitet hatte, hatte er erfahren, dass es wohl um die 20.000 EC sein sollten, die sein Tod der Mafia wert war.
Der junge Ganger war geradezu versessen darauf gewesen ihm Informationen zu geben, als er blutend auf dem Asphalt einer Straße in Wiesbaden versucht hatte, seine Gedärme innerhalb seines aufgerissenen Körpers zu halten.
20.000 EC, ein verdammt fetter Ebbi, wenn man bedachte, dass sogar Wetwork an Politikern gerade einmal diese Summe einbringen konnte.
Er schaltete seine Cyberaugen auf Lichtverstärkersicht um, die ihm in der dunklen Straße, in der nur noch wenige Straßenlaternen brannten, einen entscheidenden Vorteil geben konnten. Im nächsten Moment schnellte er aus seiner hockenden Position in die Höhe und riß seine beiden Waffen an ausgestreckten Armen in Richtung seiner Verfolger.
Erst jetzt nahm er wahr, dass die drei Ganger, die ihm in seiner Stammkneipe aufgelauert hatten, nicht mehr allein waren.
Die Lichtverstärkersicht zeichnete mindestens fünf Gestalten, die versuchten, die Distanz zu seiner Deckung in kürzester Zeit zu überbrücken.
Er erkannte das Symbol der Moonlight-Dancers, einer Straßengang aus dem Westend, die bekannt dafür war, Touristen und Sararimänner zu überfallen.
Dass diese Typen sich an der Jagd auf Profis beteiligten, zeigte Wolf, wie tief der Respekt vor der russischen Mafia bei den Gangs gesunken war.
Noch vor drei Monaten hätten diese Kinder die Straßenseite gewechselt, wenn er ihnen über den Weg gelaufen wäre.
Und jetzt versuchten sie sich ein nicht zu kleines Zubrot zu verdienen, indem sie den Italienern seinen Kopf auf einem silbernen Tablett servierten.
Aber so leicht wollte er es ihnen nicht machen. Diese EC sollten die schwerst verdientesten in dem jungen Leben der Ganger werden, dass schwor er sich.
Seine Zeigefinger krümmten sich um die Abzugsbügel der Waffen und aus den Läufen schlug den Gangern Tod und Verderben entgegen.
Seine verchromte Savalette Guardian hatte er auf halbautomatischen Modus eingestellt, so dass sie immer nur einen Schuß pro Zug an dem Bügel ausspuckte, obwohl die high-tech-Waffe auch in der Lage war, eine Salve aus drei Geschossen auf ein Ziel abzugeben.
Er war sich jedoch sicher, dass für jeden dieser Anfänger eine Kugel absolut ausreichend war und er für spätere Auseinandersetzungen noch Muni sparen sollte.
Die Waffe ruckte in seiner Hand, was jedoch problemlos von der eingebauten Rückstoßdämpfung sowie von seinen biologisch aufgepeppten Muskeln kompensiert wurde. Das großkalibrige APDS-Geschoss fand sein Ziel in dem jungen Mädchen, die mit ihrer Maschinenpistole auf ihn gefeuert hatte.
Die Entfernung von nicht einmal zwanzig Metern war für einen versierten Schützen wie ihn nun wirklich keine Herausforderung.
Die vielleicht 16 jährige Gangerin hatte einen grell-grün gefärbten Irokesenschnitt, ein verpickeltes Gesicht und trug zu der obligatorischen Jeansjacke, die das Markenzeichen ihrer Gang darstellte, ein verdrecktes T-Shirt sowie eine ziemlich oft geflickte Hose.
Wolfs Schuss erwischte das Mädchen genau zwischen den sich gerade entwickelnden Brüsten, zerfetzte das T-Shirt wie auch den dahinter gelegenen Brustkorb, bahnten sich einen Weg durch den jungen Körper und trat in einer spektakulären Blutfontäne am Rücken wieder aus, begleitet von verschiedenen Organfetzen und Splittern des Brustbeins und der Wirbelsäule.
Die Kleine wurde zurück und gegen eine Hauswand geschleudert, an der Sie als blutiges und ganz sicher auch totes Bündel zusammen brach.
Er korrigierte die Ausrichtung der Guardian um einige Zentimeter und riß den Abzug ein zweites Mal durch.
Diesmal hatte er auf einen Ork gezielt, der mit einer massiv aussehenden Axt auf ihn zu stürmte.
Die Kleidung des Orks unterschied sich nicht wirklich von der seines ersten Opfers, nur dass er unter der Jacke nichts trug.
Innerlich schüttelte Wolf den Kopf.
Diese Kinder hätten lieber an den Waffen sparen und sich eine anständige Panzerung zulegen sollen. Das hätte ihnen in dieser Situation vielleicht das Leben gerettet.
So jedoch schlug seine zweite Kugel in den Bauch des Hauers und ließ seinen Sturmlauf sofort in einer Orgie aus Schmerz, Blut und verzweifeltem Geheul enden.
Der Ganger ließ die Axt fallen und brach auf die Knie, während seine Hände versuchten das riesige Loch in seiner Bauchdecke zu verschließen.
Wolf gab ihm noch ein oder zwei Minuten bevor der Sensenmann seinen Tribut fordern würde.
Die Ruger Super Warhawk in seiner linken Hand verursachte einen stechenden Schmerz in seiner Schulter, als der schwere Revolver sein Blei mit einer unglaublichen Wucht aus dem Lauf katapultierte.
Die Wunde, die er am Anfang dieser Auseinandersetzung davongetragen hatte, raubte ihm vor Schmerz durch die Belastung fast die Besinnung.
Die Super Warhawk war alles, nur keine unauffällige Waffe. Der grobe Revolver spie eine lange Feuerlanze aus während der Knall des Schusses wie Donner durch die Straße hallte.
Der dritte Gegner, den Wolf als Ziel ausgewählt hatte, war ein männlicher Norm von vielleicht zwanzig Jahren, der seine Streetline Spezial gerade in die Richtung des Straßensams gehoben hatte.
In dem von fettigen langen Haaren eingerahmten Gesicht mit obszönen Tatoos spiegelte sich Schreck und Panik bevor heißes Blei diesen Teil des Körpers in eine bloße Erinnerung verwandelte.
Die Warhawk war im Normalfall Wolfs Antwort auf schwer gepanzerte Gegner.
Er hatte die ohnehin schon brutale Waffe mit Ex-Explosivgeschossen ausgestattet, höchst illegaler Muni, die über winzige Sprengköpfe verfügte, welche bei einem Treffer detonierten und auch in die Sicherheitswesten der Polizisten der ADL beachtliche Löcher reißen konnten. Das Gesicht des Gangers hatte diesem Vernichtungspotential nichts entgegenzusetzen. Knochensplitter, Gehirnfetzen und Blutspritzer regneten in einem Umkreis von mindestens 10 Metern um die zusammen brechende kopflose Leiche herab.
Die verbliebenen zwei Gegner, ein schmächtiger Norm von vielleicht 17 Jahren, der einen Betäubungsschlagstock schwang sowie ein weiterer Ork, diesmal jedoch mit einer Remington 990, einer böse aussehenden abgesägten Schrotflinte bewaffnet, warfen sich in die Deckung einer der dunklen Gassen.
Das abrupte Ableben ihrer Chummers schien sie geschockt zu haben.
Wolf grinste böse in sich hinein als er plötzlich schnelle Schritte hinter sich wahrnahm.
Mit den geübten und verstärkten Reflexen eines Shadowrunners wirbelte er herum und brachte seine Waffen in Anschlag.
Leider zu spät.
Der Baseballschläger traf ihn mit voller Wucht an der schon verletzten Schulter und die gepanzerte Lederjacke war nicht in der Lage, den Schlag genügend abzudämpfen um die Wunde zu schützen.
Grelle Lichtblitze durchzuckten sein Blickfeld und Wogen stechenden Schmerzes brandeten durch seinen Körper.
Die Warhawk entglitt seiner Hand und schepperte über den rissigen Asphalt der Straße.
Er hatte die Ganger unterschätzt.
Ein Fehler, den er jetzt bereuen würde.
Sie hatten sich aufgespaltet und während die eine Gruppe ihn verfolgt hatte, war der Rest der Gang wohl einer Querstraße gefolgt und hatte ihm nun durch eine Seitengasse den Weg abgeschnitten.
In seinem Rücken befanden sich immer noch die beiden Überlebenden der ersten Gruppe, während vor ihm sechs weitere Gangmitglieder aufragten.
Keine gute Ausgangssituation.
Durch den roten Nebel in seinem Blickfeld, der durch den Schlag auf die Wunde entstanden war und wahrscheinlich auch noch einige Zeit bestehen bleiben würde, registrierte er, dass sein Peiniger schon wieder ein junges Mädchen war.
Die vielleicht zwanzig Jahre alte Fee hatte langes, orange gefärbtes Haar, ein eigentlich ganz hübsches Gesicht und eine blutverschmierte Baseballkeule in ihren zierlichen Händen.
Nur am Rande bemerkte er, dass das Blut an der Waffe sein eigenes war, das wohl durch den Schlag gegen seine stark blutende Schulterwunde dort hin gekommen war.
Wolf war durch den Schmerz wieder auf ein Knie gesunken und blickte nun zu der Gangerin auf, die bereits zu ihrem nächsten Schlag ausholte, welcher unmissverständlich auf seinen Kopf zielte.
„Verreck du Dreckhead!“
Aus den Augen des Mädchens funkelte der Hass während sie ihm die Worte entgegenspie. „Nein danke, heute nicht.“
Er rollte sich über seine noch gesunde rechte Schulter ab und entging damit nur knapp dem Schlag der Keule, brachte sich jedoch auch aus der Deckung des Fahrzeugwracks.
Mit einem Satz sprang er auf und rammte der verblüfft dreinschauenden Gangerin seine linke Faust mitten ins Gesicht.
Seine Knochen waren mit Titanstahl veredelt worden, was seinen Schlägen in Kombination mit biologischer Muskelverstärkung und Straffung eine für einen Elfen unnatürliche Durchschlagskraft verlieh.
Er spürte wie das Nasenbein und auch einige andere Gesichtsknochen zertrümmert wurden und hörte ein äußerst befriedigendes Knirschen, als der Kopf der Kleinen nach hinten geschleudert wurde.
Er ließ sich von der Energie des Schlages weiter um die eigene Achse drehen und sank wieder auf ein Knie als er die Sichtrichtung der restlichen fünf Neuankömmlinge erreicht hatte.
Seine Guardian war bereits im Anschlag und verschickte Eintrittskarten für das nächste Grillfest in der Hölle an die Ganger.
Zwei weiter Angreifer, ein untersetzter Hauer und ein kleiner Norm folgten der Einladung und brachen zusammen.
Hier jedoch endete Wolf’s Glückssträhne ohne Vorwarnung.
Ein schwindsüchtiger Elf mit einem Messer in der rechten Hand versetzte ihm mit einem wütenden Aufschrei einen Tritt mit seinen Stahlkappenstiefeln, der Wolf in die Rippen der rechten Seite traf.
Der Tritt presste ihm die Luft aus den Lungen und er glaubte auch, dass mindestens eine seiner Rippen trotz der Verstärkung durch das Titan zumindest nachgegeben hatte.
Wenn er das hier überlebte mußte er mal ein ernstes Wörtchen mit dem Straßendoc sprechen, der ihm den Mist in den Körper gepflanzt hatte.
Die Wucht des Tritts stieß ihn zurück und wieder gegen das Wrack des Kleinwagens.
Er schmeckte den salzigen Geschmack von Blut und erfasste erst jetzt die Brisanz seiner Situation.
„Zu spät!“ durchzuckte es sein Gehirn.
Einer der Punks, ebenfalls ein Norm mit Glatze und grell bemaltem Gesicht hatte seine Streetline Spezial auf ihn angelegt und zog nun den Abzug durch.
Durch das Hindernis in seinem Rücken war seine Bewegung eingeschränkt, und die Wunde in der Schulter sowie die angeknackte oder gebrochene Rippe hielten ihn von akrobatischen Höchstleistungen ab, durch die er der Gefahr hätte begegnen können.
Die leichte Pistole in der Hand des Gossenpunks peitschte ihm ihr Blei entgegen und auf eine Entfernung von nicht einmal vier Metern konnte selbst der unerfahrenste Schütze ein unbewegliches Ziel nicht verfehlen.
Das Geschoß durchschlug seine gepanzerte Jacke im Bereich der linken Brust und drang in seinen Körper ein.
Auch seine Dermalpanzerung konnte das Geschoß nur abbremsen, nicht jedoch vollständig aufhalten.
Wieder wurde sein Oberkörper gegen das Metall des Autowracks geschleudert und tosende Schmerzen lähmten seinen Verstand.
Seine Reflexe jedoch waren noch immer brandgefährlich.
Im selben Moment, in dem der Ganger seine Waffe abgefeuert hatte blitzte auch aus Wolf’s Guardian eine tödliche Ladung seinem Gegner entgegen.
Dieser verfügte nicht über eine gepanzerte Lederjacke, auch nicht über Dermalpanzerung oder auch nur eine schußhemmende Weste.
Die drei Kugeln der Salve aus der schweren Pistole hämmerten ungebremst in den Unterkörper des Gangers und ließen ihn wie ein Klappmesser zusammenfallen.
Blieben noch fünf Gegner, wobei die Göre mit dem Baseballschläger wohl außer Gefecht sein dürfte.
Welch ein Trost.
Hinter sich hörte er den Norm mit dem Betäubungsschlagstock wie auch den Hauer mit der Schrotflinte keuchend zum stehen kommen, während der Elf mit dem Messer und ein riesiger, überaus hässlicher Troll mit vernarbtem Gesicht und einem Metallrohr in der Hand ihm die Flucht nach vorne versperrten.
Flucht?
Noch in der Sekunde in der er den Gedanken durch seinen Kopf jagte, musste er darüber grinsen.
Der Blutverlust durch die Schulterwunde hatte ihn schon daran gehindert seinen Häschern zu entkommen und jetzt, wo er wahrscheinlich noch eine gebrochene Rippe und eine weitere Schußwunde in seinem Brustkorb davongetragen hatte, sanken seine Chancen dieser Konfrontation aus dem Weg zu gehen auf unter Null.
Außerdem war er ja auch nicht mehr der Jüngste. Mit seinen 25 Jahren war er mindestens 3-4 Jahre älter als die meisten der Ganger.
Und diese hatten Erfahrung im Verfolgen von Beute, während er im davonlaufen eher als Anfänger gezählt werden mußte.
In der Straße war es jetzt totenstill.
Die Bewohner der Seitengassen hatten sich verdrückt um nicht auch noch der brutalen Gang zum Opfer zu fallen und Wolf hatte seine verbliebene Waffe nach der letzten Salve sinken lassen.
Seine Gegner waren zu nah für weitere Schüsse.
Wenn er noch den einen oder anderen der Dreckheads mit auf die lange Reise in die Ewigkeit nehmen wollte, so mußte er das im Nahkampf tun.
Wenn sie ihm dazu noch die Möglichkeit gaben.
Das Wimmern der Elfin mit dem zerschlagenen Gesicht war neben dem schweren Atmen seiner Verfolger das einzige Geräusch, dass die Stille der Nacht störte.
Der Hauer mit der Remington trat um das Wrack des Wagens herum, an dem Wolf zusammengesunken war und richtete die abgesägte Waffe auf den Kopf des Runners aus. „O.k. das war es dann wohl. Gute Nacht!“
Er hasste die Stimmen in seinem Gehirn, die besonders nach dem Konsum der von ihm so geliebten Drogen sehr intensiv zu ihm sprachen, aber auch solche Gelegenheiten dazu nutzten, ihren Senf abzugeben.
Der Hauer stand links von ihm und hatte seine Waffe im Anschlag, während Wolfs Guardian in seiner rechten Hand ruhte und Richtung Boden zeigte.
Innerlich machte er sich für die Reise bereit, als er den Ork den Zeigefinger um den Abzug krümmen sah.
„Halt!“
Wolfs Kopf wirbelte herum. Die Stimme des Trolls, laut, dunkel und voller Kraft, hatte den Ork sofort inne halten lassen.
Sofort war klar dass dies der Anführer der Gang war. Warum er seinen Untergebenen jedoch zurückgepfiffen hatte, verschloss sich Wolfs Verständnis.
Auch der Ork schien seinen Chef nicht ganz zu verstehen, senkte jedoch das Gewehr.
Der verwundete Straßensam musterte den Troll, während der Elf seine immer noch am Boden liegende und wimmernde Artgenossin begutachtete.
Der Norm mit dem Schlagstock mußte den Geräuschen nach zu urteilen zu seiner Rechten stehen.
Lässig das Metallrohr auf der Schulter abgelegt, die zweite Hand in die Tasche seiner Möchtegern-Militär-Hose mit urbanem Tarnmuster gesteckt, schlenderte der Troll nun seinem am Boden hockenden Opfer entgegen.
Mit über zwei Metern Körpergröße war der Metamensch zwar beeindruckend, jedoch bei weitem nicht das Maximum was sein Metatypus hervorzubringen im Stande war.
Wolf hatte schon wesentlich bedrohlichere Exemplare gesehen... und auch getötet.
Natürlich hatte er sich zu diesen Zeitpunkten in einer wesentlich besseren körperlichen Verfassung befunden.
Drek! Der Troll war zwei Schritte vor ihm zum stehen gekommen und blickte nun amüsiert zu dem Verletzten herunter.
„Na Löwenzahnfresser, is wohl nich notwendig das Rocco noch Mun für dich verschwendet oder? Hast dich gut gehalten für nen alten Sack. Is mir klar warum die Mafia so ne Menge Kohle für deinen Tod bietet.“
Der Gangboss ließ das Rohr von seiner Schulter rutschen und deutete damit auf Wolfs rechte Hand, die immer noch die Guardian umklammerte.
„Wenne die Wumme fallen läßt können wir die Sache hinter uns bringen wie Männer. Dann wird Rocco seinen Friedensstifter auch einpacken, wir lassen dich aufstehen und du kannst ja noch versuchen einem von uns die Visage zu plätten wie du’s schon bei der getan hast bevor wir dich auseinandernehmen.“
Der Troll hatte das Rohr geschwenkt, so dass es nun auf die Kleine zeigte, die mittlerweile von dem Elfen versorgt wurde.
Wolf überlegte nicht lange.
Ein besseres Angebot würde er heute Nacht sicherlich nicht mehr erhalten.
Vorsichtig legte er die Guardian auf den Boden, blickte dann zu dem Troll in die Höhe, während er aus der Innentasche seiner Jacke eine Zigarette und ein silbernes Feuerzeug fischte.
Der Ork zu seiner Linken sicherte die Schrotflinte und legte sie auf das Dach des Autowracks, bevor er einen groben Schlagring aus Metall aus seiner Hosentasche und über seine rechte Faust zog.
Wolf steckte sich den Glimmstengel in den Mundwinkel und zündete ihn an. Seine Bewegungen waren langsam, unkoordiniert, aber das war gewollt.
Er hatte trotz der Verletzungen, trotz der Belastung durch den Sprint noch immer einige Leistungsreserven.
Aber das mussten diese Punks ja nicht wissen.
Gemütlich erhob er sich aus der Hocke und sah seinem Gegenüber in die Augen, während er tief den Rauch seiner Zigarette inhalierte.
„Schöne Ansprache Troggy. Scheinst ja ein richtiger Samariter zu sein. Wenn du noch nen weißen Rock tragen würdest, könnte man dich glatt für ne BuNoMa-Schwester halten. Allerdings würden bei dem Haufen Dreck den du Gesicht nennst wohl die meisten Patienten beim aufwachen krepieren. Braucht man für sowas eigentlich nen Waffenschein, oder mußt du tagsüber einfach ne Tüte oder so drüber ziehen?“
Wolf hatte die Worte langsam und deutlich gesprochen, aber der Troll schien die Bedeutung erst nach Sekunden zu begreifen.
Dann jedoch tanzten die Narben auf seinem Gesicht, als die Muskeln unkontrolliert zuckten und die Augen puren Hass versprühten.
Wolf zog noch einmal tief an der Zigarette und nahm sie dann zwischen Daumen und Mittelfinger der linken Hand.
Das Schnauben des Trolls hatte sich extrem gesteigert und übertönte mittlerweile sogar das Wimmern der Elfin, als der verwundete Straßensamurai noch einen drauf setzte.
„Ich frag mich jedes Mal, wenn ich einen von euch sehe, wie sich eure Rasse überhaupt vermehren kann. So hässlich wie ihr seid, würde mir persönlich die Lust am Sex vergehen. Aber Mutterliebe wird bei euch ja noch groß geschrieben.“
Jetzt hatte der Troll den Punkt erreicht, an dem nicht mehr Denken sein Handeln bestimmte, sondern der Hass sich seine Bahn brach.
Mit einem markerschütternden Schrei hob er das Metallrohr hoch über seinen Kopf, bereit damit im nächsten Augenblick Wolfs Schädel zu zerschmettern.
Soweit wollte es der Straßensam jedoch nicht kommen lassen.
Er schnipste die brennende Zigarette direkt in das Gesicht des Trolls, wo sie funkensprühend abprallte.
Durch die Aktion geblendet hieb der Gangboss das Rohr an die Stelle, an der Wolf noch Sekundenbruchteile zuvor gesessen hatte und fügte der Karosserie des Autowracks eine weitere Beule hinzu.
Sein eigentliches Opfer jedoch hatte sich schnell unter dem Schlag hinweg geduckt und schnellte nun zu dem Ork herum.
Von der Plötzlichkeit der Aktion völlig überrascht stand der Ganger nur auf seiner Position und starrte verwirrt auf das Geschehen.
In der Drehung ließ Wolf seine beiden Butterfly-Messer aus ihren Verstecken in seinen Jackenärmeln in seine Hände gleiten und flirrend in Kampfposition rotieren.
Diesen Trick hatte er sich in seiner Zeit als Ganger beigebracht, und er hatte ihn schon aus so manch verfahrener Situation gebracht.
Und auch diesmal verfehlten die wirbelnden Metallteile der Messer nicht ihre Wirkung.
Wie hypnotisiert starrte der Hauer auf die immer wieder auf und zu schnappenden Klingen, bis Wolf die Distanz zu seinem nächsten Opfer überbrückt hatte.
Noch bevor der Ork seinen Schlagring einsetzen konnte oder auch nur in Kampfstellung gehen konnte riss der Straßensamurai seinen linken Buffalo zu einem Drehkick herum, der seinen Gegner mit dem massiven Absatz an der Schläfe traf und ihn mit einem leisen Stöhnen ins Reich der Träume schickte.
Viele Leute hatten ihn wegen der retrostyle Schuhe mit der fünf Zentimeter hohen Sohle schon ausgelacht, aber diese Spötter waren jedesmal schnell verstummt, wenn einer seiner Drehkicks sie mit dem Blei beschwerten Absatz erwischt hatte.
Auch dies war ein Überbleibsel aus seiner Gang Zeit.
Nach Beendigung der Drehung erlaubte er sich eine Sekunde um die Situation zu überblicken. Der Troll hatte sich von der Blendung durch die Zigarette erholt und würde wohl in der nächsten Zeit mit dem Metallrohr auf ihn losgehen.
Der Norm mit dem Betäubungsschlagstock hatte die Situation ebenfalls erfaßt und war im Begriff über die ehemalige Motorhaube des Autowracks zu hechten, um Wolf mit dem Schlagstock angreifen zu können.
Der Elf hockte noch immer über seiner am Boden liegenden Artgenossin, hatte ihn jedoch fixiert und würde wohl ebenfalls in den Kampf eingreifen.
Der Hauer, den er mit dem Drehkick bedacht hatte, schlug gerade auf dem Asphalt auf und würde wohl an diesem Kampf nicht mehr teilnehmen können.
Auch ohne die wimmernde Elfin stand es noch drei zu eins gegen ihn, und er merkte wie seine Kräfte sich nun endgültig dem Ende zu neigten.
Schwer schnaufend stand er seinen Gegnern gegenüber.
„Na los ihr Dreckheads. Kommt schon.“
Er spuckte die Worte den Gangern aus einer leicht geduckten Verteidigungsstellung entgegen während ein dünner Blutfaden aus seinem Mund rann und er krampfhaft seine beiden Messer umklammerte.
Der Troll blickte ihn aus Hass erfüllten Augen an und schwang dann mit einem schnellen Schwung das Rohr in seine Richtung.
Durch seine Waffe und die langen Arme, die seine Metarasse besaß, war der Gangboss weit außerhalb von Wolfs Reichweite, aber der Hieb war ungezielt und stellte ihn beim Ausweichen nicht wirklich vor eine Herausforderung.
Der Norm sprang auf die Motorhaube des Wracks und wollte die Arbeit seines Chummers mit einem wohl gezielten Schlag seines Knüppels beenden, was der Shadowrunnder jedoch vorausgesehen hatte.
Nachdem er sich unter dem Schlag des Trolls weg geduckt hatte, schoss er wieder in die Höhe und schleuderte eines seiner Messer dem zweiten Angreifer entgegen.
Dieser hatte seinen Betäubungsschlagstock mit beiden Händen über den Kopf gehoben um den finalen Schlag zu landen und war dadurch nicht mehr in der Lage, die drohende Gefahr abzuwenden.
Trotz der wenigen Zeit, die Wolf hatte um den Wurf vorzubereiten, traf das Messer den Ganger zielsicher in den Hals und drang bis zum Heft ein, durchtrennte mit seiner extrem scharfen Klinge die Luftröhre wie auch den Adamsapfel und brachte den Ganger zum sofortigen Stillstand.
Ungläubig starrte er den Runner an, der sich bereits weiter drehte um sich den letzten beiden Gegnern zu widmen. Blutiger Schaum trat vor den Mund des Sterbenden und er kippte zurück von der Motorhaube herunter und schlug röcheln außerhalb Wolfs optischer Wahrnehmung auf.
Er war jedoch sicher, dass wieder eine Seele für das Fegefeuer lieferbereit war.
In Gedanken fügte er seiner Strichliste eine weitere Kerbe hinzu.
Denkende Wesen zu töten machte ihm schon lange nichts mehr aus.
Es war eher so, dass er lieber ein König in der Hölle sein wollte, als ein Diener im Himmel. Nach dem, was er gehört hatte, sollte es in den unteren Gefilden sowieso viel amüsanter und auch wärmer sein.
Wieder schlug der Troll mit dem Rohr in seine Richtung, diesmal jedoch mit mehr Erfolg. Wolf konnte der Waffe nicht vollständig ausweichen und mußte den Treffer mit seiner von dem Ärmel der Lederjacke verdeckten Unterarmschiene des rechten Armes blocken.
Wieder durchzuckten Schmerzblitze seine Sinne, aber die Panzerung der Jacke und die Unterarmschiene verhinderten schwerere Verletzungen.
Er drehte sich in den Schlag des Trolls hinein und stand im nächsten Moment keine zwei Zentimeter vor seinem Gegner.
Der üble Atem den der Riese verströmte brachte Wolf Übelkeit, aber die Verblüffung in dem vernarbten Gesicht seines Gegenübers ließen ihn hoffen.
Er riss den Kopf zurück und mit aller ihm verbleibenden Kraft wieder nach vorne.
Seine Stirn traf die Nase des Trolls, die mit einem trockenen Knirschen nachgab und rammte sein verbliebenes Messer mit kläglichem Erfolg von unten in den Brustkorb des Gangers.
Trolle verfügten über eine Art natürlicher Dermalpanzerung, die sie zwar verdammt hässlich, aber auch verdammt zäh machte.
Durch die Nähe zu seinem Gegner konnte er nicht genug Wucht aufbringen um den Troll wirklich zu verletzen, aber sein Angriff hatte seine Wirkung nicht verfehlt.
Der Ganger zuckte mit einem Schmerzensschrei zurück, ließ seine Waffe fallen und stieß Wolf von sich.
Trolle waren nicht nur groß und durch die natürliche Dermalpanzerung gut gepanzert, nein, sie waren auch verdammt stark.
Der Runner war nicht wesentlich kleiner als sein Gegner und brachte sicherlich auch über hundert Kilo auf die Waage, aber das alles nutzte ihm gegen die Wucht des Stoßes nichts. Wolf verlor den Halt und wurde drei Meter durch die Luft geschleudert bevor er hart auf dem Asphalt der dunklen Straße aufkam.
Wieder machten sich die beiden Schußwunden und die gebrochene Rippe bemerkbar.
Der Schmerz drückte ihm erneut die Luft aus den Lungen und kurz wurde ihm schwarz vor Augen.
Ein gequälter Schmerzensschrei entrang sich seiner Kehle, aber er war nicht bereit aufzugeben.
Er war Wolf! Einer der besten Straßensamurais der ADL und der russischen Mafia. Verantwortlich für den Tod von Dutzenden seiner Gegner, eine seelenlose, verchippte Kampfmaschine ohne Gewissen die von dem Teufel persönlich auf diesen Planeten entsandt worden war um Verderben über die Menschheit zu bringen.
Der Troll strauchelte und setzte sich in einem komisch anmutenden Sturz auf seinen Hintern, während er sich die Hände vor sein Gesicht hielt um das Blut der gebrochenen Nase aufzuhalten.
Jetzt jedoch war der Elf mit seinem Messer wieder bereit, am Geschehen teilzunehmen, und auch seine Partnerin mit der Baseballkeule schien sich wieder etwas erholt zu haben, auch wenn sie vorerst noch abseits stand und sich auf ihre Waffe stützen mußte.
Verdammt!
Wenigstens rührte sich der Ork nicht.
Der Elf hatte vor diese Angelegenheit nun ein für allemal zu erledigen und stürzte sich, das Messer gefährlich erhoben, auf den am Boden liegenden Runner.
Wolf zog die Beine an und vereitelte den Angriff indem er seine Füße auf den Brustkorb des Elfs setzte und ihn mit aller Kraft von sich stieß.
Die Bewegungsenergie ausnutzend, die den Elfen wieder einige Meter zurück taumeln ließ, schnellte der Killer durch einen Rückwärtspurzelbaum wieder auf die Füße und stürmte sofort dem Elfen hinterher.
Ohne seinem Gegner die Möglichkeit zum blocken zu geben, packte er ihn an der verdreckten Jeansjacke und rammte das Butterfly in den bei Elfen nicht gepanzerten Bauchbereich.
Zwei, drei, viermal stach Wolf das Messer bis zum Heft in den unkontrolliert zuckenden Körper bis er merkte wie das Leben aus dem Elfen entwich und er in seinem Griff zusammensackte.
Der Troll hatte sich wieder aufgerichtet und blickte sich gerade nach seiner Waffe um, als Wolf die blutüberströmte Leiche von sich schleuderte und diese mit ihm zusammenprallte und wieder für Verwirrung in dem Kopf des Metamenschen sorgte.
Mit einer halben Drehung brachte er seine erste Gegnerin wieder in sein Blick- und Handlungsfeld.
Die Elfin sah jetzt nicht mehr wirklich anziehend aus.
Ihre Nase hing irgendwie schräg in dem Gesicht und auch die Wangenknochen schienen einen Teil des Schlages abbekommen zu haben.
Blut sickerte aus den Nasenlöchern, ergoss sich in einem dünnen Faden in das ehemals hübsche Gesicht und verklebte das orangene Haar zu widerlichen Strähnen.
Der Ausdruck des Hasses in ihren Augen, den er zu Beginn des Kampfes gesehen hatte, verwandelte sich nun in die Panik eines Opfers, dass einem kaltblütigen Killer gegenüberstand.
Wolf konnte kein Mitleid empfinden.
Die Kleine hatte ihn angegriffen, hatte versucht ihn zu geeken um sich ihren Lebensunterhalt zu verdienen.
Wer sich auf dieses Buissness einließ, musste damit rechnen, den eigenen Namen irgendwann auf einer Abschußliste wiederzufinden.
Noch bevor die Gangerin etwas unternehmen konnte, tauchte er ab und riss sein rechtes Bein zu einem Fußfeger herum, der den Baseballschläger traf, den seine Gegnerin als Stütze benutzte.
Plötzlich aus dem Gleichgewicht gebracht, stürzte die Kleine mit einem Aufschrei des Schreckens nach links, aber der Killer hatte seine Arbeit noch nicht beendet.
Noch während des Sturzes beendete er seine Drehung, fuhr seine Cybersporne aus den Knöcheln seiner rechten Faust aus und rammte sie dem hilflosen Mädchen unter dem Kieferknochen schräg nach oben in das Gehirn.
Die drei Titanklingen gaben ihr nicht einmal die Chance für einen letzten Schrei.
Er ließ den blutigen Kadaver zu Boden gleiten und drehte sich dann wieder zu dem Troll herum, während er sich zu voller Größe aufrichtete.

Der Gangboss blickte mit aufgerissenen Augen auf das Szenario das eher an ein Schlachthaus erinnerte als an eine nächtliche Straße.
Inmitten dieses Chaos aus Blut und Schmerz, aus Tod und Dunkelheit ragte nun das eigentliche Opfer auf.
Der Elf den man Wolf nannte.
Ein zwei Meter großer, äußerst muskulöser Killer der russischen Mafia, schwer vercybert und absolut tödlich.
Ein Dämon mit quecksilbernen Augen, gekleidet in eine schwarze retro Lederjacke und eine schwarze Jeanshose, beides mittlerweile über und über mit Blut besudelt.
Das Blut seiner Chummer.
Der Killer hatte schon mehr eingesteckt als selbst der Troll sich zugemutet hätte.
Zwei Schußwunden aus denen das Blut in Strömen floss, und trotzdem stand diese Ausgeburt der Hölle noch.
Nicht nur, dass er noch stand. Unter dem langen schwarzen Haar, von dem einige Strähnen bis in das vernarbte Gesicht hingen, schien der Killer sogar zu lächeln.
Von den Spornen an seiner rechten Faust tropfte das Blut von Cassi, die er eben gnadenlos gegeekt hatte, während die linke Hand das Butterfly umklammerte, welches Torben zum Verhängnis geworden war.
Dieser Dreckhead hatte seine ganze Gang ausgelöscht.
Nur er und Stefan, sein Chummer aus dem Orkuntergrund, atmeten noch und der Ork würde nach dem fiesen Drehkick wohl noch eine Weile im Land der Träume verweilen.
Also blieb es an ihm hängen, die Ehre der Moonlight-Dancers zu retten.
Auch o.k. Mußte er das Kopfgeld eben nur durch zwei teilen.
Wenn überhaupt.
Stefan war schon immer ein Arsch gewesen und er war sich sicher, dass der Ork in seiner Situation nicht mit ihm geteilt hätte.
Der Troll, der auf den Namen Butcher hörte, bückte sich nach seinem geliebten Metallrohr und hob die mehrere Kilo schwere Waffe auf.
Der Elf machte keine Anstalten ihn daran zu hindern.
„Jetzt also nur noch wir beide!“
Die Stimme des Elfs klang ruhig, leise aber eindringlich.
Der Butcher konnte keine Emotion heraus hören. Er nickte nur.
Der Elf starrte ihn mit seinen Quecksilberaugen an, die noch kälter waren als die einer Leiche. Furcht und Panik griffen nach dem Herz des Trolls als sein Gegner langsam auf ihn zu schritt. Aber er wollte nicht fliehen.
20.000 EC hatten die Dons der Italiener auf diesen Typen ausgesetzt.
Soviel Schotter hatte der Troll in seinem Leben noch nicht einmal gesehen.
Und nur noch ein schwer verletzter Löwenzahnfresser stand zwischen ihm und einer Flucht aus diesem Viertel.
Ein verdammt tödlicher Löwenzahnfresser, klar, aber eben nur ne Fee.
Wieder ließ die dunkle Gestalt das Butterfly flirren.
Unglaublich schnell klappte die Waffe zusammen und wieder auseinander, zusammen, auseinander, zusammen, auseinander.
Der Troll begriff, dass ihn diese Aktion ablenken sollte. Ablenken von den Spornen, ablenken von den Füßen des Elfs, die in merkwürdigen Schuhen steckten und Stefan mit einem Kick ausgeschaltet hatten.
Er musste aufpassen. Musste die Initiative ergreifen.
Mit einem wütenden Brüllen hob der Butcher das Rohr und stürmte auf seinen Gegner zu. Wolf brach nach links aus und machte ebenfalls zwei Schritte die ihn noch näher an den Troll heranbrachten.
Diesmal jedoch war der Butcher nicht nur schneller, sondern hatte auch noch einen Trick auf Lager.
Er hieb absichtlich links an dem Elfen vorbei und ließ den Gegner in seine rechte Faust laufen.
Der Schlag traf Wolf mitten in das Gesicht und schleuderte den Killer wieder zurück.
Die riesige Faust des Gangers riss die Lippe des Runners auf und ließ auch die Haut über der linken Augenbraue platzen, brachte den Profi aber sichtlich nicht aus dem Konzept.
Weiter stürmte der Troll dem Taumelnden hinterher, von dem Erfolg seiner letzten Aktion mehr als nur beflügelt.
Triumphgebrüll schrie er seinem Gegner entgegen und hob das Metallrohr zum finalen Schlag der den Schädel des Elfen zertrümmern würde.
Doch genau so schnell wie der Triumph gekommen war, verschwand er auch wieder.
Das Glück wendete sich, als der Elf wieder fing und dem Schlag durch eine Bewegung zu Seite entging.
Der Troll stolperte einen Schritt vorwärts, an dem Elfen vorbei und damit in sein Verderben.

Wolf sah den breiten Rücken des Butchers an sich vorbeiziehen und reagierte eiskalt.
Die Straße vergab keine Fehler, und solch fatale Fehler wie der eben begangene wurden in den aller meisten Fällen mit dem Tod bestraft.
Wie auch diesmal.
Wieder und wieder rammte der Straßensamurai seine Sporne in den fast ungeschützten Rücken, durchbrach die Dermalpanzerung und zerfetzte Organe und Knochen.
Das Blut des Gangbosses spritzte über die gesamte Straßenbreite, in Wolfs Gesicht und auf seine Kleidung.
Erst nach dem zwölften Schlag ließ der Killer von seinem Opfer ab.
Erst als er völlig ausgepumpt und schwer nach Atem ringend kaum noch Kontrolle über seine Muskeln hatte.

Wolf fühlte wie sein Körper aufgab.
Das Adrenalin, dass ihn während des Kampfes aufrecht gehalten hatte war verbraucht.
Dieser verdammte Troggy hatte ihn seine letzten Kraftreserven gekostet.
Er stolperte drei Schritte zu der nächsten Hauswand und rutschte kraftlos daran herunter.
Die beiden Schußwunden und die gebrochene Rippe verursachten Schmerzen, die ihn fast um den Verstand brachten.
Der letzte Schlag des Trolls in sein Gesicht hatte ihm fast die Besinnung geraubt und betäubten nun fast die gesamte linke Gesichtshälfte.
Er spürte wie immer mehr Blut durch die Wunden aus seinem geschundenen Körper flüchtete. In einem letzten Kraftakt flirrte er das Butterfly zusammen und ließ es routiniert in dem Versteck in seinem Ärmel verschwinden.
Wenn die Ratten seine Leiche schon fledderten, dann sollten sie wenigstens seinen stinkenden Kadaver anfassen müssen um an seinen verbliebenen Glücksbringer zu kommen.
Wieder griff er in die Innentasche seiner Lederjacke und angelte eine Zigarette und das Feuerzeug heraus.
Die Sporne hatte er eingezogen. Er würde nicht mehr die Kraft haben sie einzusetzen, dass wußte er.
Der Rauch brannte angenehm in seiner Lunge und fuhr seinen Blutdruck wieder auf ein erträgliches Maß herunter.
Lieber hätte er jetzt wie früher einen Joint geraucht, aber er hatte sich seit seiner Zeit als Gangmitglied nie wieder mit so harmlosen Drogen beschäftigt.
Erinnerungen zuckten durch sein Gehirn.
Spliff, sein alter Chummer und Anführer der Massenheim Youngsters. Ein Norm dessen Lieblingsbeschäftigung es war Joints zu drehen und zu rauchen, ach ja und natürlich Motorrad zu fahren.
Er konnte ihn bildlich vor sich sehen wie er mit seiner modifizierten Suzuki Aurora an seiner Harley vorbeizog und ihm grinsend den Mittelfinger zeigte.
Und Gromo, der Ork dessen Spitzname auf Grobmotoriker zurück zu führen war.
Der immer etwas unbeholfene Gromo hatte nie ein Mädchen gehabt und Wolf bezweifelte, dass sich daran etwas geändert hatte, aber für die Gang war er immer da gewesen.
Das Skelett schob sich in seine Gedanken. Auch ein Chummer aus seinen Gangzeiten.
Der junge Norm hatte sich schon früh für Fahrzeuge interessiert und sich sobald er genug EC zusammengedealt hatte eine Fahrzeugsteuereinrichtung einbauen lassen.
Wie lustig es gewesen war, wenn er mit seinen selbstgebauten Drohnen den Rest der Gang geärgert hatte.
Wenn er Spliff und Gromo leichte Stromschocks verpasst hatte oder mit einer besonders kleinen Schabendrohne Racker und Stute beim Liebesspiel gefilmt und die Aufzeichnung in ihrem Heimatort auf einer Werbetafel abgespielt hatte.
Racker und Stute, das Deckerpärchen, dass ihnen immer die Zulassungen für ihre Maschinen besorgt hatte.
Sie alle hatte er verlassen, um für das russische Syndikat zu arbeiten. Um immer mehr EC zu verdienen und für immer mehr Cyber- und Bioware auszugeben, um sich immer mehr in die Kampfmaschine zu verwandeln die er jetzt war.
Plötzlich erregte eine Bewegung vor ihm seine Aufmerksamkeit.
Hatte der Ork sich erholt und machte sich jetzt daran seine Arbeit zu beenden?
Kamen die Ratten aus ihren Löchern um ihm das Fleisch von den Knochen zu reißen oder waren es die menschlichen Ratten, die nun eine Chance sahen ein paar Sachen abzustauben die sie verscheuern konnten?
Wolf war es egal.
Er hatte nicht mehr die Kraft um etwas zu unternehmen.
Der Blutverlust war einfach zu hoch.
Noch einmal zog er an seiner Zigarette und schloss die Augen. Sollte es eben so sein.
Er hatte sein ganzes Leben getötet. Warum sollte es ihn nun wundern wenn er selbst gegeekt wurde.
Aber er wollte wenigstens sehen wer es war.
Entschlossen öffnete er die Augen wieder und blies den Rauch aus seinen Lungen.
Was er sah verschlug ihm die Sprache.
Vor ihm stand ein Engel.
Vielleicht ein gefallener Engel, aber nichts desto trotz ein Engel.
Sie mochte vielleicht neunzehn Jahre alt sein, wobei man das bei Elfen immer schlecht schätzen konnte.
Ihr langes blondes Haar fiel ihr bis zu dem nur dürftig von einem weißen Spitzen-BH bedeckten Dekolleté. Ein Minirock, der ohne weiteres als breiter Gürtel hätte durchgehen können und ein paar Fellstiefel in der gleichen Farbe rundeten das Outfit einer Dame aus dem horizontalen Gewerbe ab.
Die blasse Haut des Mädchens stand im extremen Gegensatz zu ihren grünen Augen, die Wärme und Mitleid ausstrahlten.
Sie hatte das Gesicht eines Engels. Wunderschön und perfekt.
„Hätte ich gewusst, dass der Tod so attraktiv aussieht hätte ich mich schon vor Jahren geeken lassen.“
Die Worte sollten lustig klingen, wurden jedoch von einem kraftlosen Husten unterstrichen, bei dem er Blut auf den Boden spuckte.
Erst jetzt sah er, dass die kleine Nutte seine Savalette Guardian in ihrer rechten Hand hielt. Die schwere Waffe passte so überhaupt nicht in das Bild, dass er trotz der Schwäche und der Schmerzen lächeln mußte.
„Pass auf, Kleine, wenn du mich mit dem Geeker aus dieser Welt beförderst geh ein wenig auf Abstand. Das Ding hat die unangenehme Angewohnheit verdammt große Löcher zu machen aus denen für gewöhnlich ne Menge Blut spritzt, und du willst dir doch nicht dein Outfit ruinieren.“
Wieder hob er die Zigarette an den Mund und nahm einen tiefen Zug.
„Halt die Klappe!“
Ihre Stimme war nicht hart, aber bestimmt.
Sie richtete die Mündung der Guardian auf ihn und kniete sich neben ihn.
„Bist du der Typ den die Italiener suchen? Wolf?“
Er überlegte ob er sie anlügen sollte, behaupten sollte jemand anders zu sein, entschied sich jedoch dagegen.
Wenn die Kleine schon seinen Namen kannte und wußte dass die Italiener ihn jagten, dann hatte sie auch eine Beschreibung und wollte wahrscheinlich nur sichergehen.
Einen letzten Witz wollte er sich jedoch nicht verkneifen.
„Nein, ich bin der Weihnachtsmann. Eines meiner Renntiere hatte nen Platten und die Serviceteams für Schlitten in dieser Stadt sind das letzte.“
Ein Lächeln huschte über ihr Gesicht und allein dieser Anblick genügte, sein verloren geglaubtes Herz aufleben zu lassen.
„Na toll,“ dachte er bei sich, „jetzt wo du im sterben liegst mußt du Dreckhead dich in ne Nutte verlieben. Ganz toll, nein wirklich guter Zeitplan. Bin begeistert.“
Er rauchte den letzten Zug seiner Zigarette und drückte sie dann auf dem Boden aus.
„Pass auf Kleine, ich würde mich echt gerne weiter mit dir unterhalten, aber wenn das die falschen Leute sehen, bist du bald genau so tot wie ich es gleich sein werde, und das würde ich nur wirklich sehr ungern verantworten. Nimm den Geeker in beide Hände und schick mich in die Hölle. Mit der Kohle, die dir die Italiener freudig überreichen werden und mit dem Ebbi in meiner Jackentasche kannst du irgendwo ein neues Leben anfangen. Aber bitte beeile dich endlich. Die Löcher in meinem Körper schmerzen wie Dreck.“
Er meinte es ehrlich. Diese Kleine konnte nichts für seine Taten und wenn der Ork oder jemand anders sie bei ihm knien sah, konnten die falschen Eindrücke entstehen.
Zu seinem Erstaunen war sie nicht bereit ihn zu töten sondern legte die Waffe auf den Boden und besah sich seine Wunden.
„Hab nicht vor dich zu geeken Chummer. Ich will nur, dass du mir versprichst es nicht mit mir zu tun und das du mir hilfst aus diesem Loch hier herauszukommen. Mein Name ist übrigens Engel.“
Sie hatte ihre Untersuchung beendet und griff nun in eine kleine Tasche die an einer silbernen Kette an dem Gürtel hing den man nur schwerlich als Rock bezeichnen konnte.
„Tja Engel, daraus wird wohl nichts. Meine Zeit läuft gerade ab und ich glaube nicht das Nutten in Frankfurt eine medizinische Ausbildung genießen.“
Wieder hustete er Blut auf den Boden.
Er merkte jetzt, wie seine Seele sich langsam von seinem Körper löste. Ein mieses Gefühl. Verdammt mies.
Sie fummelte ein kleines silbernes Medaillon aus dem Beutel und blickte ihm dann in die Augen.
„Prinzipiell hast du da nicht Unrecht, Chummer, aber ich hab da ein paar Talente von meiner Mutter geerbt. Aber zuerst versprich mir das du mich nicht tötest und mich hier raus holst. Nicht mehr aber auch nicht weniger. So ka?“
Er hielt sie jetzt für verrückt, aber in seinem Stadium klammerte man sich an jedem noch so kleinen Strohhalm fest.
Stumm nickte er.
Sie presste das kleine Medaillon auf seine Stirn und fing an zu flüstern.
Wolf konnte nicht verstehen was sie sagte, aber er spürte, wie seine sich gerade verabschiedende Seele wieder in seinen Körper gesaugt wurde, und wie die Schmerzen etwas gelindert wurden.
Dann schwanden ihm die Sinne. Wohlige Dunkelheit umfing ihn und trieb seine Gedanken in einem Fluß von Empfindungen davon.


Wolf wachte auf. Seine Muskeln waren bis zum zerreißen gespannt.
Er lag in seinem Bett in der neuen Wohnung in Wiesbaden, die er sich mit Engel teilte.
Er hatte sein Versprechen gehalten, dass er ihr vor einem Jahr in der dunklen Gasse in Frankfurt gegeben hatte.
Er hatte sie nicht gegeekt und sie aus der Stadt gebracht.
Und sie war bei ihm geblieben. Sie hatte ihm seine Herz wiedergegeben, die Wunden seiner Seele geheilt, wie sie es mit ihrem geringen magischen Potential damals mit seinen Wunden getan hatte.
Sie hatte ihn in ihrer Wohnung versteckt bis seine Wunden verheilt waren und dann hatten sich die beiden abgesetzt.
Schnell schüttelte er den Kopf um den Alptraum abzuschütteln.
Engel lag neben ihm.
Ihr Körper schmiegte sich an den seinen, gab ihm Halt, Wärme und Sicherheit.
Ihr Haar verbreitete den Duft von Aprikosen und ihr Anblick ließ Wolf das Geträumte wieder vergessen.
Sie war wach und blickte ihn lächelnd an.
Er erwiderte das Lächeln und streichelte ihr sanft über das goldene Haar.
„Sex?“
Ihre Stimme flüsterte in seinem Kopf. Das war ihr Abkommen. Sie war seine Stimme, er war der Muskel.
Er wollte nicht mehr sprechen, hatte es seit einem Jahr nicht mehr getan.
Engel konnte magisch ihre Stimme in seine Gedanken projezieren, konnte lesen was er ihr antwortete.
„Nein,“ dachte er, “lieber noch ein bisschen Kuscheln.“
Wieder schenkte sie ihm eines ihrer unergründlichen Lächeln und schmiegte sich dann noch enger an ihn.
„Wie du möchtest.“
Flüsterte es in seinem Kopf als sie die Augen wieder schloss.
Er legte den Kopf wieder auf das Kissen und entspannte sich, als plötzlich das Telekom sie aus ihrem Paradies riss.
Traurig öffnete sie ihre Augen und zuckte die Schultern, bevor sie die langen Beine und den graziösen Körper aus dem Bett schwang.
Aufreizend langsam zog sie eine seiner Boxershorts über ihren nackten Körper und ergänzte das Outfit mit seinem T-Shirt.
Er sah ihr zu und verdammte sich, dass er das Angebot der körperlichen Vereinigung ausgeschlagen hatte.
Sie schien wieder seine Gedanken gelesen zu haben, oder aber sie konnte mittlerweile aus seinem Gesichtsausdruck genug erkennen.
Sie lächelte und gab ihm ein Zeichen, dass er sich noch eine wenig gedulden sollte.
Jetzt grinste er über das ganze Gesicht.
Gute Aussichten.
Nein, ausgezeichnete Aussichten.
Er schälte sich ebenfalls aus dem Bett, während sie das Telekom aktivierte und sich mit einem profanen „Ja?“ meldete. Er war auf dem Weg zur Dusche als er die Stimme des Anrufers erkannte.
„Hallo, mein Name ist Spliff, ich hoffe ich bin jetzt endlich mal richtig. Ich suche nen alten Chummer von mir. Nennt sich Wolf. Ist er da?“

__________________
Wahnsinn und Genie liegen oft näher beieinander als man denkt.
27.07.2010 23:37 Taras Amaris ist offline E-Mail an Taras Amaris senden Beiträge von Taras Amaris suchen Nehmen Sie Taras Amaris in Ihre Freundesliste auf
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Kapitel 2
Alte Freunde

In dem Raum war es ruhig geworden.
Alle starrten gebannt auf den dunklen Bildschirm des Telekoms vor dem Spliff sahs.
Gromo hatte sich in dem gemütlichen Sessel aufgesetzt, als die Antwort des Mädchens am anderen Ende der Leitung ein schlichtes ja gewesen war.
Die ganze Gang hatte sich in dem Haus von Spliff getroffen.
Skelett, Stute und Racker, er selbst und ihr Schieber Benji, ebenfalls ein alter Chummer aus Hochheim mit seinen drei Wachen waren über das geräumige Wohnzimmer verteilt.
Endlich kamen sie mal weiter.
Seit mehr als drei Stunden wählten sie Telekomnummern um Wolf zu erreichen und nun schien ihre Beharrlichkeit endlich belohnt zu werden.
Skelett blickte von seiner Drohne auf, an der er seit mehreren Tagen herum schraubte und grinste.
„Du hörst dich nicht wirklich nach Wolf an und ehrlich gesagt glaub ich nicht, dass der Sack sich ne Geschlechtsumwandlung geleistet hat. Also wäre es ziemlich cool, wenn du ihn mal an den Apparat holen könntest.“
Alle sahen böse zu dem jungen Rigger hinüber, der sich beeilte, wieder auf die Schaltkreise der Drohne zu blicken.
„Mein Name ist Engel. Wolf kann euch hören. Ich soll einen schönen Gruß an die Massenheimer Youngsters ausrichten und ihr sollt sagen was es gibt.“
Die kühle Stimme des Mädels war wesentlich freundlicher geworden und bei der Erwähnung ihres alten Gangnamens war klar, dass Wolf am anderen Ende der Leitung war.
Spliff, ein Norm von geringer Größe und im Alter von 22 Jahren lächelte in die Kamera des Telekoms.
„Tja Alter, wollten uns mal melden und fragen ob du nicht Interesse an einem kleinen Job hier in der Umgebung hättest. Würden uns freuen wenn du dich mal blicken lassen würdest. Sind gerade bei mir und chillen ne Runde. Wenn du den Weg noch kennst kannst du ja mal vorbei schauen. Wäre allerdings cool, wenn du den Weg innerhalb der nächsten Stunde finden könntest.“
Spliff lehnte sich zurück und wartete gespannt auf eine Antwort. Nach ihren Recherchen arbeitete ihr alter Chummer nicht mehr für das wieder aufgebaute Netzwerk der Russen, sondern verdiente sich nun als Freiberufler sprich Shadowrunner und gelegentlich als Kämpfer bei verbotenen Vollkontakt-Fights auf deren Ausgang manche Schlipse hunderttausende von EC verwetteten.
Eigentlich hatte es ein erfahrener Runner wie Wolf nicht nötig mit Neulingen wie ihnen auf einen Run zu gehen, aber er war ihre letzte Chance.
Benji, der den Auftrag zu vergeben hatte, bestand auf einer erfahrenen Messerklaue an der Seite der Gang, was absolut verständlich war, wenn man bedachte, dass die Massenheimer Youngsters noch nicht einen einzigen Run wirklich glatt über die Bühne gebracht hatten.
Und das sollte bei gerade einmal drei Runs schon etwas heißen.
Kein anderer Runner in der Umgebung wollte sich an dem Job beteiligen und die, welche es in Erwägung gezogen hatten, waren so durch geknallt oder ausgebrannt, dass Spliff die Gefahr nicht eingehen wollte, sie in die Crew zu holen.
Als Anführer der Gang trug er die Verantwortung für seine Chummers und er hatte nicht vor das Vertrauen, dass sie in ihn setzten, zu enttäuschen.
Wolf hatte eine Reputation auf der Straße, die ihn schon fast zur Legende stilisierte, aber sie waren Freunde.
Oder besser gesagt waren sie einmal Freunde gewesen.
Vielleicht konnte man auf dieser Basis eine Zusammenarbeit erreichen, oder aber er kannte zumindest einen anderen Straßensam der geeignet war, mit ihnen zusammen zu arbeiten. „Wolf fragt, ob ihr was zu smoken am Start habt.“
Die Stimme des Mädchens klang nun noch angenehmer und die gesprochenen Worte ließen ihn grinsen.
Er griff in den Aschenbecher und holte einen halb gerauchten Joint ins Blickfeld der Kamera. Diesen zündete er genüßlich an und blies den Rauch langsam in die Linse.
„Jap, alles was sein Herz begehrt. Ist doch schön das sich manche Sachen nie ändern.“
Noch einmal zog er an dem Rauchwerk und bemerkte mit Vergnügen, dass die Wirkung des von Benji mitgebrachten Snuff, einer Mischung aus Tabakblättern, Cannabisharz und Weidenrinde, bereits seine Wirkung entfaltete.
„Ja, Wolf stimmt dir zu. Ich soll ausrichten, dass wir in fünfzehn Minuten bei euch eintreffen. Kann aber auch ein bißchen länger dauern. Kommt auf die Hitzewellen an.“
Spliff nickte.
Die ADL hatten im Gegensatz zu den UCAS ihre Polizeigewalt nicht vollständig an Sicherheitskonzerne wie Lone Star oder Knight Errant abgegeben.
Die Bundes- und Landespolizei war hier ein integraler Bestandteil des Sicherheitskonzeptes des Staates geblieben und damit eines der vorrangigsten Probleme der Gangs und vor allem der Runnergemeinschaft.
Gerade in der letzten Zeit suchten sich die Cops gerne ein wenig Streß mit SINlosen und überzogen dann ganze Gebiete mit groß angelegten Säuberungsaktionen bei denen hunderte Festnahmen durchgeführt wurden, um das Sicherheitsbedürfnis der Schlipse zu befriedigen. Solche Aktionen und allgemein erhöhte Aktivität der staatlichen Organe bezeichnete man in einschlägigen Kreisen als Hitzewellen.
Zum Glück für die Schatten der ADL waren die staatlichen Behörden unterbezahlt, nur sehr gering motiviert und auch nicht wirklich gut ausgerüstet.
Wenn ein normales Runnerteam also Probleme mit der Polizei bekam und nicht gerade an ein Sondereinsatzkommando geriet, hatte es gute Chancen, lebend aus der Sache herauszukommen.
„Alles klar. Aber warum sagt er uns das nicht selbst?“
Spliff war überzeugt, dass Wolf am anderen Ende der Leitung war, aber er konnte sich keinen Reim darauf machen, warum er das Mädchen sprechen ließ und das Gespräch nicht selbst führte.
„Weil er nicht redet. Mit niemandem. Wir machen uns auf den Weg.“
Bevor Spliff noch etwas sagen konnte, hatte die junge Frau die Verbindung unterbrochen. Konsterniert deaktivierte er das Telekom und drehte sich wieder zu seinem Team und dem Auftraggeber um.
„O.k. das ist jetzt nicht wirklich schlecht gelaufen. Zumindest hat er nicht gleich nein gesagt.“ Er zog ein weiters mal an dem bereits sehr geschrumpften Joint und gab diesen dann an Gromo weiter.
Der Ork fischte das Rauchwerk mit seinen riesigen Pranken aus dem Griff des Norms und gab ein undefinierbares Grollen von sich.
„Im Grunde genommen hat er gar nichts gesagt. Ob er seine Stimme verloren hat?“
Stute, der weibliche Teil des Decker-Pärchens, dass es sich zusammen auf dem tiefen Ledersessel gemütlich gemacht hatte, lehnte sich zurück gegen die breite Schulter ihres Freundes, auf dessen Schoß sie sich schon seit Beginn des Treffens räckelte.
Racker, wie seine Lebensgefährtin ein Norm und Decker, hatte sein Arbeitsgerät, ein modifiziertes Fuchi-Cyberdeck, neben sich auf der Lehne des Sessels plaziert und mit einem Kabel mit der Datenbuchse hinter seinem linken Ohr verbunden.
Er nahm seine Umgebung nicht wahr, da sein Geist durch die weltumspannenden Gitter der Matrix surfte.
Der Decker passte nicht wirklich in das Bild, dass sich die meisten Menschen von den Hackern machten.
Er war muskulös gebaut, besaß außer der Datenbuchse keine Cyberware und trug in den aller meisten Fällen sportlich elegante Freizeitkleidung.
Sein dunkelbraunes Haar war mittellang geschnitten und an den Spitzen blondiert, was ihm eher das Aussehen eines Konzerndeckers verlieh, als das Erscheinungsbild eines kriminellen Subjekts.
Seine Lebensgefährtin passte ebenfalls in das Bild einer perfekten Konzernbeziehung.
Etwa gleich groß, elegant gekleidet, das dunkel blonde Haar züchtig zu einem Pferdeschwanz zusammengesteckt und ebenfalls bis auf die Datenbuchs in ihrer linken Stirn nicht vercybert. Sie hatte ihr eigenes Deck nicht aus der Tasche geholt, sondern es samt Verpackung neben der Sitzgelegenheit abgelegt.
Sie beobachtete akribisch das Verhalten ihres Freundes, der gerade auf Wunsch des Teamleaders versuchte, die Einsatzpläne der Autobahnpolizei Frankfurt und Umgebung für die kommenden Tage aus den Datenbanken des zentralen Polizeicomputers zu entwenden. Spliff kannte die Vorgehensweise.
Wenn nicht beide Decker in der Matrix agierten achtete der nicht eingestöpselte Partner auf die körperlichen Reaktionen des anderen um diesen bei einem Anzeichen von Angriffen durch schwarzes ICE auszustöpseln.
Alle Konzerne und staatlichen Einrichtungen schützten ihre Daten vor unberechtigten Zugriffen durch Decker wie Racker und Stute mit Intrusion Countre Measures. Schutzprogrammen, welche die verschiedensten Wirkungen haben konnten.
Manche blockierten nur den Zugang zu besonders wichtigen Daten oder lösten einen Systemweiten Alarm aus wenn sie passiert wurden.
Andere waren darauf ausgelegt die Programme und das Deck des unberechtigten Users zu stören oder sogar zu beschädigen.
Und dann gab es da noch schwarzes ICE. Es wurde auch Killer-ICE genannt. Diese Programme waren dafür gedacht die Problematik mit dem eindringenden Decker ein für allemal zu bereinigen.
Schwarzes ICE konnte schwere elektrische Schocks durch die Verbindung des Deckers mit der Matrix senden und somit seinem Gehirn schwere Schäden zufügen, die in den allermeisten Fällen zum Tod des unglücklichen Runners führten.
Das war jedoch in jedem Fall besser, als den Rest seines Lebens als sabbernder Idiot in einer Ecke eines Irrenhauses zu verbringen.
Kurz bevor schwarzes ICE einem Decker den Todesstoß versetzte, gab es in der realen Welt Anzeichen wie unwillkürliche Muskelzuckungen oder Schreikrämpfe und auf eben solche wartete Stute.
In einer solchen Situation würde sie ihrem Freund blitzschnell das Kabel aus der Datenbuchse in seinem Kopf reißen, was die Verbindung zu der Matrix und damit zu dem schwarzen ICE direkt unterbrach.
Der Schock durch den unwillkürlichen Auswurf war zwar ebenfalls nicht gerade angenehm, aber in jedem Fall dem Tod oder der geistigen Ausgebranntheit vorzuziehen.
Im Moment jedoch schien Rackers digitaler Run gegen das staatliche Computersystem problemlos von statten zu gehen.
Seine Finger flogen über die Tastatur seines Decks, luden Programme oder beendeten sie, verschoben Daten und bewegten seine Persona, die Darstellung eines Deckers in der Matrix durch die einzelnen Knoten des Systems.
Racker und Stute waren das heißeste Decker-Team, dass sich ein Anfängerteam leisten konnte.
Spliff zweifelte nicht daran, dass Racker in ein paar Minuten die benötigten Daten auf dem Memory in seinem Deck haben würde.
„Ist doch voll egal ob er redet oder nicht Chummers. Wenn Wolf auch nur halb so gut ist wie sein Ruf, dann wird der Run ein Kinderspiel für euch, und für einen Spezialisten wie ihn lege ich sogar nochmal fünftausend EC auf die ausgemacht Bezahlung.“
Benji lehnte sich auf der Couch zurück und blies den Rauch aus seinen Lungenflügeln, den er gerade durch die Reproduktion einer indianische Holzpfeife inhaliert hatte.
Die Augen des Schiebers nahmen für einen kurzen Augenblick einen verschleierten Ausdruck an, aber er hatte sich schnell wieder im Griff.
Benji hatte sich in den letzten Jahren zu einem respektierten Schieber hochgearbeitet, der Kontakte in das gesamt Rhein-Main-Gebiet sein Eigen nennen konnte.
Er stand im Ruf alles auftreiben zu können, wenn es auch etwas Zeit in Anspruch nehmen konnte.
Auch er war, wie der größte Teil der Bevölkerung der Welt, ein Norm.
Er trug verlotterte Kleidung, die im Gegensatz zu der des Decker-Pärchens wie die eines Squatters anmutete.
Niemand jedoch hätte gewagt, eine abfällige Bemerkung darüber fallen zu lassen und das lag nicht ausschließlich an seinen drei Bodyguards, die dem Team auch mehr als bekannt waren. T-Bone, D und Aggro waren wie die Angehörigen des Teams Runner aus der näheren Umgebung, die jedoch wesentlich früher den Weg in die Professionalität gefunden hatten. Benjis ständig wacher Blick, den er unter der tief sitzenden Basecap umherschweifen ließ, die Ausbeulung unter dem Kaputzenpullover, von der jeder Eingeweihte wusste, dass es sich um eine Ares Predator handelte, sowie sein drahtiger Körper, der durchaus in der Lage war, es mit jedem Ganger im Dogfight aufzunehmen, sorgten für den nötigen Respekt den man für sein Geschäft wohl brauchte.
Das Angebot, dass er ihnen gemacht hatte, war mehr als großzügig, aber auf der anderen Seite auch mit einer enormen Gewinnmöglichkeit für ihn verbunden.
Und das ganze fast ohne jegliches Risiko.
Benji belieferte einen festen Kundenkreis in der näheren Umgebung von Hochheim und verdiente dabei nicht schlecht.
Jetzt jedoch wollte er expandieren. Er hatte dem Team erklärt, dass die Landeshauptstadt Wiesbaden für seine Pläne wie gemacht war.
Ein großer Kundenkreis für Waffen und Ausrüstung, und ein noch viel größerer Kreis an Leuten die Interesse an Drogen jeglicher Art hegten.
Ob nun BTL’s oder Designerdrogen, die Schlipse und Exec-Kiddis in der Snob-Stadt waren bereit, völlig überhöhte Preise zu zahlen und konnten sich dies auch leisten.
Weiterhin gab es in der Stadt nur ein paar kleine Lieferanten für die genannten Güter, die darüber hinaus nicht einmal wirklich zuverlässig waren.
Die einzige wirkliche Konkurrenz war ein Schieber-Kollege aus Frankfurt, der sich bereits in Wiesbaden mit Mittelsmännern etabliert hatte.
Dieser Typ hatte Benji bereits zwei verdammt gute Deals vermiest, und das stieß dem eigentlich immer gut gelaunten Chummer verständlicherweise sauer auf.
Spliff verstand es absolut, dass Benji jetzt zum Gegenschlag ausholte.
Er hatte dem Team einen Betrag von 10.000 EC geboten, was für Anfänger eine nicht zu verachtende Menge war und bot jetzt auch noch an, Wolf’s Blutgeld zusätzlich springen zu lassen.
Der Auftrag war in etwa so einfach wie einem Kleinkind einen Lutscher zu entwenden. Benji’s Informanten hatten ganze Arbeit geleistet.
Der gegnerische Schieber versorgte seine Mittelsmänner in Wiesbaden einmal die Woche mit illegalen Waren aus seinem Zentrallager in Frankfurt.
Die Lieferung erfolgte immer über die gleiche Route, die Autobahn A66, die den Frankfurter Megaplex mit Wiesbaden auf der einen Seite und Würzbug auf der anderen Seite verband.
Ein Konvoi aus zwei Mercedes E160 und einem VW TT-50 Transporter beförderten die Waren zur immer gleichen Zeit in die Landeshauptstadt hinein.
Spliff vermutete, dass der Schieber die entsprechenden Stellen der Autobahnpolizei kräftig geschmiert hatte, um die Route während des Transportes frei von Kontrollen zu halten, aber diese Annahme würde Racker in den nächsten Minuten bestätigen oder aber verwerfen können.
Der Konvoi war das Ziel des Runs den Benji dem Team in Aussicht gestellt hatte.
Er suchte jemanden, den man nicht mit ihm in Verbindung bringen konnte, jemanden der den Transport aufhielt, die Besatzung ausschaltete und dann die Beweise für die Polizei zurückließ.
Dies hatte zwei Vorteile für ihn.
Erstens verlor der gegnerische Schieber Waren mit immensem Wert und konnte seine Mittelsmänner nicht fristgerecht beliefern.
Zweitens musste die Polizei, wie hoch auch immer die Bestechungssummen sein mochten, nach einem Feuergefecht und dem Fund von Drogen und Waffen Nachforschungen anstellen, wer der Auftraggeber des Transportes war.
Schwierigkeiten, die den gegnerischen Schieber weiter vom Markt drängen würden.
Benji’s Chance.
Das Team hatte zugesagt, benötigte jedoch noch einen schweren Kämpfer.
Wolf!
Skelett, der spindeldünne Rigger, der bis jetzt an der Drohne herumgebastelt hatte, schloss nun die Abdeckung der Schaltkreise, griff nach seinem Bier und blickte in die Runde.
„O.k. nehmen wir mal an, dass Wolf mitspielt und mit uns Anfängern auf einen Run geht. Reicht dass gegen die Absicherung des Konvois?“
Er presste die Worte zwischen zwei Schlucken billigen Soy-Biers heraus und rülpste herzhaft als er geendet hatte.
Spliff verzog die Mundwinkel.
Dieses Verhalten hätte eher zu Gromo gepasst, aber es zeigte, dass der Rigger mit dem Milchgesicht und der modisch blauen Frisur langsam abstumpfte.
Der Chummer verbrachte zuviel Zeit mit seinen Maschinen seit er mit seiner Freundin Schluß gemacht hatte.
Darunter litten zwar seine Manieren, keinesfalls jedoch seine Kompetenz.
Skelett war ein Virtuose an den Steuerungen seiner Fahrzeuge und Drohnen. Er verschmolz seinen Geist mit den Maschinen und konnte sie dann spüren wie seinen eigenen Körper.
Eine Fertigkeit für die andere Rigger Jahre der Übung benötigten. Eine Fertigkeit die sich auf dem Schlachtfeld der Straße als äußerst nützlich erwies.
Benji fasste den jungen Rigger ins Auge.
„Wolf ist ein Killer. Er hat mehr Wetwork auf seinem Konto als die meisten Gangs in der Umgebung zusammen. Zusammen mit Gromo und Spliff hat euer Team ne ganze Menge Feuerkraft aufzubieten. Plus deine Drohnen natürlich. Sollte man auch nicht unterschätzen.
Racker und Stute sorgen dafür, dass die Funk- und Telekomverbindungen des Konvois gestört werden, damit sie nicht noch Verstärkung aus welcher Richtung auch immer rufen können. Das sollte ja wohl ausreichen um maximal zehn angeheuerte Muskeln auszuschalten, die auch noch denken, dass sie nichts zu befürchten haben, weil ihr Boss alle offiziellen Stellen geschmiert hat.“
Der Schieber war bereits wieder dabei, sich die Holzpfeife mit Snuff zu stopfen, als einer seiner Bodyguards, ein muskulöser Norm namens T-Bone, eine Messerklaue die ebenfalls aus Massenheim stammte, neben ihn trat und ihm etwas ins Ohr flüsterte.
Benji nickte zustimmend und zündete die Pfeife mittels eines von T-Bone angebotenen Feuerzeuges an.
Der Rauch verschwand blitzschnell in den Lungenflügeln des Schiebers.
Noch bevor er den Rauch wieder aus seinem Körper entließ, stand Benji von dem alten Sofa auf und blickte sich nochmals in dem altmodisch eingerichteten Raum um.
Spliffs Eltern hatten ihren beiden Kindern das heruntergekommene Haus in Massenheim hinterlassen und weder er noch seine Schwester, die ebenfalls in dem Bau hauste, hatten etwas an der Einrichtung geändert.
„Ich hab noch einen wichtigen Termin. Meldet euch bei mir wenn ihr mit Wolf geredet habt.“ Benji hatte endlich den Rauch ausgepustet und nickte nun seinen Bodyguards zu.
T-Bone verschwand in Richtung Ausgangstür, während D, ein Schamane, im Astralraum nach Gefahren für seinen Chef Aussicht hielt.
Aggro, die zweite Messerklaue, blieb neben Benji stehen, immer bereit, mit seinen schwer verdrahteten Reflexen auf jede Bedrohung zu reagieren.
Als der Schamane Benji zunickte das der Weg frei von Gefahren sei, setzten sich auch die restlichen drei Personen in Bewegung.
Spliff bemerkte erfreut, das der Schieber seinen Beutel mit Snuff großzügig auf dem Tisch liegen gelassen hatte.
„Aber klar, Herr Schmidt. Sie können sich völlig auf uns verlassen.“
Spliff grinste dem Schieber die Worte hinterher, der im Gegenzug nur einen Mittelfinger über die Schulter zeigte.
Die Eingangstür flog scheppernd ins Schloss und ein schwerer Motor sprang vor der Tür an. Gromo, der riesige Ork mit den vergoldeten Hauern, blickte in die Runde und zog an dem Joint, den er zwischen rechten Eckzahn und Mundwinkel geklemmt hatte.
Mit seinen beachtlichen Muskeln, der stattlichen Größe und der schweren Lederjacke machte er am ehesten den Eindruck eines brutalen Shadowrunners und war mit diesen Eigenschaften auch besonders für eventuelle Einschüchterungsversuche des Teams zuständig.
„Spliff, ganz ehrlich, du weißt, ich kenne Wolf auch noch von früher, aber es gibt nicht nur positive Geschichten über ihn. Ich meine er hat für die Russen so viel Wetwork erledigt, dass in der Hölle wahrscheinlich schon ein Thron für ihn errichtet worden ist. Wer so viele Leichen in seinem Kopf stapelt, der dreht irgendwann doch ab, oder? Und dann noch die Gerüchte über seine Cyberware. Wenn sich einer so mit Chrom vollstopft muß das Spuren hinterlassen.“
Der Ork nahm einen letzten Zug von dem Joint und drückt diesen dann in dem Aschenbecher aus.
Spliff wusste genau wovon sein Chummer sprach.
Es gab Gerüchte in den Schatten, dass ihr alter Freund im Drogenrausch ganze Bars ausgelöscht hatte und aufgrund von Nichtigkeiten ausgerastet war, was jedes mal ein Blutbad von epischen Ausmaßen ausgelöst hatte.
Spliff kannte alle diese Geschichten, wußte jedoch auch, dass die meisten davon wohl erfunden waren.
„Klar Gromo, aber Wolf ist unsere letzte Chance den Run zu bekommen, oder kennst du ne andere Klaue die mit uns zusammenarbeiten würde?“
Gespannt sahen alle Anwesenden den Ork an, der jedoch nur mit den Schultern zuckte und sich ein Soy-Bier von dem tiefen Wohnzimmertisch griff.
Genau das hatte Spliff sich gedacht.
„Na also. Wenn wir nicht auf 10.000 EC verzichten wollen. werden wir jetzt warten, bis Wolf und seine Schnalle eintreffen und dann versuchen ihn davon zu überzeugen, dass er für 5.000 EC mit uns auf einen Run geht.“
Alle nickten. Sie alle kannten Wolf noch aus ihren Kindertagen. Er war im selben Alter wie Racker und sogar mit ihm in dieselbe Klasse gegangen, bevor die Hochheimer Schule aus finanziellen Gründen geschlossen worden war.
Er war Teil der Gang gewesen, hatte mit ihnen geklaut, gefeiert und jede Menge Zeit mit Rumhängen und dem Konsum von Straßendrogen verbracht.
Aber das alles war schon Ewigkeiten her. Eine lange Zeit, in der sich ein Mensch grundlegend ändern konnte.
Damals hatten sie ihm seinen Straßennamen gegeben, weil er sich bei Gefahr wie ein Wolf vor das Rudel gestellt und es verteidigt hatte.
Spliff konnte sich an mehr als nur eine Gelegenheit erinnern, innerhalb der Wolf für die Gang gegen eine Übermacht angetreten war und in den meisten Fällen sogar gewonnen hatte.
Im Kampf hatte ihr Chummer eine Wildheit gezeigt, die wirklich an einen wütenden Wolf erinnert hatte.
Er konnte nur hoffen, dass sich an diesen positiven Eigenschaften nicht allzu viel geändert hatte. Sonst war der Run für das Team gelaufen.

Gerade als Spliff beschlossen hatte, sich noch ein Soy-Bier zu öffnen, erklang das schrille Kreischen der Türklingel, dass irgendwie an den Schmerzensschrei eines weidwunden Tieres erinnerte.
Er hatte sich schon hundertmal vorgenommen, dass zu reparieren, war bis jetzt jedoch noch nicht dazu gekommen.
Verfluchter Termindruck.
Racker war immer noch in der Matrix unterwegs um die benötigten Informationen zu beschaffen, aber der Rest des Teams blickte fast zeitgleich auf die alte Wanduhr, über Gromos Kopf.
Vierzehn Minuten seit dem Anruf und man hatte kein Fahrzeug vor dem Haus halten hören, keine Schritte vernommen, einfach nichts.
Spliff wollte sich gerade aus dem Sessel erheben, als Gromo ihn zurückwinkte und sich ächzend aus seiner Sitzgelegenheit schälte.
Wie aus dem Nichts war die Remington 990 in seiner rechten Hand aufgetaucht, mit der er jetzt auf die Eingangstür zustapfte.
Die Schrotflinte war Gromos absoluter Lieblingsgeeker und hatte schon so manchen Möchtegern-Ganger an die Sterblichkeit der Mensch- und Metamenschheit erinnert.
Auch Spliff griff sich seine treue Sandler TMP Maschinenpistole von dem Tisch und lud sie durch.
Das beruhigende Geräusch als eine Patrone in Abschußposition gehebelt wurde klang durch den Raum und sorgte für hektische Betriebsamkeit.
Stute griff in die Tasche die unter anderem ihr Cyberdeck beinhaltete und förderte eine leichte Fichetti Tiffani SD Pistole hervor, während sie sich schützend vor ihren geistig abwesenden Gefährten stellte.
Skelett blickte kurz auf die vor ihm stehende Drohne, verwarf den Gedanken, sie zu aktivieren dann kopfschüttelnd und zog seine verchromte Haemmerli, eine leichte Pistole aus der Schweiz, welche brutal aussah und für ein so kleines Kaliber eine hervorragende Reichweite besaß, aus einem Halfter unter seiner linken Achsel.
Der Eingangsbereich des Hauses war vom Wohnzimmer aus nicht einzusehen. Früher einmal hatte die angeschlossene Küchenzeile ein Fenster zur Straße besessen, aber nachdem schon mehrfach durch eben dieses Fenster eingebrochen worden war, hatte Spliff sich entschieden, es durch schwere Metallplatten zu versiegeln.
Eine Entscheidung die er mittlerweile schon mehrfach bereut hatte.
Das Team hörte gespannt wie der Ork die Tür öffnete und in die bereits abkühlende Luft der hereinbrechenden Nacht trat.
Kein Repetieren der Schrotflinte, keine Kampfgeräusche aber eben auch keine Entwarnung. Kurz darauf hörte Spliff, wie die Tür wieder geschlossen wurde und kurz darauf betrat Gromo wieder das Wohnzimmer.
„Niemand!“
Die Stimmlage in der er das Wort aussprach ließ erahnen, dass er mit Schwierigkeiten rechnete.
Auch die schussbereite Schrotflinte in seinen Händen verstärkte den Eindruck.
Plötzlich fixierte der Ork einen Punkt hinter den Anwesenden.
Die Veranda!
Spliff hätte sich ohrfeigen können.
Die hintere Wand des Wohnzimmers bestand aus einer großen, durchgehenden Glasschiebetür die den Zutritt zum Garten ermöglichte.
Natürlich, die Türklingel war ein Ablenkungsmanöver gewesen.
Und es hatte erstklassig funktioniert. Alle Ganger schienen denselben Gedanken zu verfolgen. Bis auf Gromo hatten alle der Veranda den Rücken zugewandt, aber bevor noch irgendjemand reagieren konnte, änderte sich die Situation zum entgültigen Nachteil der Gang.
Der Ork hatte Anstalten gemacht, sein Gewehr auf ein Ziel auf der Veranda anzulegen, als plötzlich in der Tür ein Arm mit einer wirklich tödlich aussehenden Waffe in der Hand auftauchte und die Mündung genau an die Schläfe des Orks gesetzt wurde.
Schwarzes, abgenutztes Leder bedeckte den Arm in Form des Ärmels einer Jacke.
Mehrere Reißverschlüsse ließen erkennen, dass es sich um eine alte Motorradjacke handeln mußte.
Die Waffe identifizierte Spliff als eine Ruger Super Warhawk, einen schweren Revolver der die unangenehme Eigenschaft hatte, verdammt große Löcher zu reißen.
Der Eindringling musste an der Hausfassade in das erste Stockwerk geklettert sein, während seine Verstärkung hinter dem Haus in Stellung gegangen war.
Durch das Fenster in seinem Arbeitszimmer und über die Treppe in das Erdgeschoss, genau in den Rücken von Gromo.
Schön ausgedacht.
Alle Massenheim Youngsters waren in der Bewegung erstarrt und starrten nun auf die gigantische Waffe, welche den Ork bedrohte.
Spliff beschloss die Initiative zu ergreifen.
„Gromo, was ist auf der Veranda zu sehen?“
Der Chummer sah aus als überlege er eine Sekunde um zu entscheiden, ob eine Antwort sein Leben in dieser Situation in Gefahr bringen konnte, aber nachdem von dem Eindringling kein Einspruch erfolgte, antwortete er ruhig, aber angespannt.
„Das wirst du mir zwar eh nicht glauben, aber da steht ne verdammt hübsche Tussi, die lächelt und nen Feuerball in ihrer Pfote hält. Definitiv ein Wizard. Und sie kann euch alle sehen.“
Drek!
Spliff fluchte lautlos in sich hinein. Magier benötigten eine freie Sichtlinie auf die Ziele ihrer Attacken was durch die große Glasscheibe gegeben war.
Wer immer die Angreifer auch waren, sie verstanden ihr Handwerk sehr gut.
Von dem Eindringling sah man nichts außer seiner Hand mit der Waffe, und die Wand hinter der er stand war zu dick um hindurch feuern zu können.
Wenn sie herum wirbelten um die Magierin zu bekämpfen, würde diese den Feuerball in das Wohnzimmer werfen und damit das gesamte Team grillen, wobei der Eindringling wiederum in Sicherheit war und durch die Wand vor den Flammen geschützt wurde.
Verfahrene Situation.
„Waffen weg und hinsetzen, und keine hektischen Bewegungen sonst gibt’s bei Luzifers heute Gegrilltes zum Abendessen!“
Die Magierin. Die Stimme war nicht stofflich. Sie erklang in seinem Kopf und wenn Spliff die verwirrten Gesichtsausdrücke seiner Chummer richtig deutete nicht nur in seinem.
Er überdachte die Situation noch einmal und gab seinem Team dann mit einem Nicken zu verstehen der Anweisung zu folgen.
Einer nach dem anderen legten die Runner ihre Waffen auf den Tisch und setzten sich wieder, bis auf Gromo, der stehenblieb, die Mündung des Revolvers immer noch an der Schläfe.
Spliff verfluchte nun den gemütlichen Sessel.
Er saß zu tief um schnell die Sandler auf dem Tisch erreichen zu können.
Drek, Drek, Drek!
Die Anwesenden hörten wie die Tür hinter ihnen geöffnet wurde und die Magierin das Wohnzimmer betrat.
„Ich soll ein fröhliches Hallo von Wolf ausrichten.“
Spliff konnte seinen Ohren kaum trauen, aber im nächsten Moment trat der Eindringling durch die Tür und damit hinter der Wand hervor.
Wolf hatte die Ruger Super Warhawk immer noch auf den Kopf von Gromo gerichtet und schritt nun hinter dem Ork in den Raum hinein.
Er hatte sich verändert.
Aus dem untersetzten Norm mit dem Milchgesicht war ein Runner geworden. Ein Profi durch und durch, dem man seine Profession auf hundert Meter ansehen konnte.
Ihr alter Chummer trug immer noch die alte schwarze Motorradlederjack mit den vielen Reißverschlüssen, aber hier endeten auch schon die Ähnlichkeiten.
Das einstmals nicht hässliche Gesicht wurde von einigen tiefen Narben durchfurcht und ein schwarzer Bart rund um den Mund verstärkte den Eindruck eines wilden Tieres, auch wenn Wolf ein Lächeln aufgesetzt hatte.
Die Cyberaugen, die wie flüssiges Quecksilber glänzten, hatten nichts menschliches mehr.
Sie vermittelten eher den Eindruck einer Maschine.
Einer Killermaschine.
Das mittellange, schwarze Haar rahmte das blasse Gesicht ein wie ein Rahmen das Bild eines Killers auf einem Steckbrief.
Schwere Kampfstiefel ergänzten eine dunkle, abgewetzte Jeans, die ihre besten Zeiten offensichtlich auch schon hinter sich gebracht hatte.
Die gravierenste Änderung jedoch waren die spitzen Ohren und die scharfen Gesichtszüge die Wolf als Angehörigen der elfischen Metamenschenrasse entlarften.
In der linken Hand hielt der alte Chummer eine verchromte Savalette Guardian, eine ebenfalls schwere Pistole.
Er war ungefähr so groß wie der Ork, wenn nicht sogar etwas größer und mindestens eben so massig gebaut, was recht beachtlich war, denn im Normalfall waren Elfen eher zierlich und drahtig in ihrer Gestalt.
Wolf jedoch sah eher wie ein Pitbull aus.
Bei seinem Anblick war Erstaunen auf die Gesichter der einzelnen Teammitglieder getreten, das auch nicht endete, als Wolf neben Gromo stehenblieb, die Waffe immer noch erhoben. „Gromo, Wolf meint du solltest dich vielleicht hinsetzen und ihr sollt euch keine Sorgen machen. Er hat nur ein gesteigertes Sicherheitsbedürfnis, dass jetzt aber befriedigt ist...Solange ihr nicht zu euren Waffen greift.“
Spliff atmete auf und Gromo setzte sich in Bewegung um sich geräuschvoll in seinen Sessel fallen zu lassen.
Auch die anderen entspannten sich nun etwas.
Der Mann der da vor ihnen stand war Wolf, der Chummer aus ihren Anfangszeiten als Ganger. Ihr Freund.
Auch wenn er nun ein Elf war, schwer verchippt und bewaffnet, so erkannten ihn doch alle. „Wolf, was zur Hölle soll das?“
Stute hatte sich als erste gefangen und sprach nun mit ihrer herausfordernden Art auf den Straßensamurai ein.
Spliff war sich nicht sicher, ob das wirklich der richtige Umgangston für jemand war, der sich in der Hand des Angesprochenen befand.
„Das sagte ich bereits. Wir wollten nur sichergehen dass ihr kein falsches Spiel spielt. Wolf hat euch seit Jahren nicht mehr gesehen. Und wir leben in einer wirklich bösen Welt!“
Wieder sprach die Magierin während der Elf nur weiter beruhigend lächelte.
Nun jedoch sicherte er seine Pistolen und ließ sie in Halftern hinter seinem Rücken verschwinden.
Anschließend breitete er die Arme in einer friedlichen Geste mit den Handflächen nach außen aus.
Jetzt bewegte sich auch die Magierin in das Blickfeld des Teams und Spliff musste Gromo recht geben.
Verdammt hübsch.
Sie war vielleicht zwanzig Jahre alt und ebenfalls elfischer Abstammung.
Ihr graziöser Körper steckte in einer hautengen weißen Dreiviertelhose und einem Tanktop in selber Farbe, welches nur bis knapp unter die kleinen Brüste reichte.
Ihr Bauchnabel wurde von einem kleinen Piercing verziert, dessen grüner Stein mit ihren ebenfalls tief grünen Augen um die Wette funkelte.
Ihre weißen Turnschuhe waren zwar eher unspektakulär, dafür zog der breite Schmuckgürtel, der sich locker um ihre Hüfte schwang und ausschließlich aus Silber und grünen Steinen gearbeitet war, die Aufmerksamkeit auf sich.
Er funkelte bei jeder Bewegung in den verschiedensten Schattierungen der grünen Farbe.
Ihre langen blonden Haare fielen bis zu dem Tatoo auf ihrem Rücken, das unverkennbar magische Zeichen darstellte.
Sie umgaben das engelsgleiche Gesicht wie ein Heiligenschein und verdeckten die spitzen Ohren fast vollständig.
Um ihre zierlichen Handgelenke trug die junge Elfin breite, ebenfalls silberne Armbänder. Ihre Arme steckten in einer weißen Lackjacke die eigentlich nur aus zwei Ärmeln bestand die bis zur Hälfte der Unterarme reichten und am Rücken von einem vier Zentimeter breiten Band zusammengehalten wurden.
Der Lack der Jacke war behandelt worden so das er bei Lichteinfall ebenfalls grün-silbern glitzerte.
Sie wusste ohne Frage, wie man sich in Szene setzte.
Die Elfe glitt nun elegant durch den Raum, wobei sie dem Team gestattete ihren perfekten Körper näher zu betrachten und schmiegte sich dann an Wolfs rechte Seite, der sofort den Arm senkte und auf ihrer schmalen Schulter ablegte.
Zusammen sahen die beiden aus wie Jing und Jang.
Der Engel und der Dämon.
Die Schöne und das Biest. Ihre strahlende Schönheit, die sogar die einzige andere Frau im Raum überwältigte. Stute war ebenfalls sehr ansprechend gebaut, und verstand sich auch darauf, ihre Kleidung so zu wählen, dass ihre Vorzüge betont wurden, aber gegen dieses Paradebeispiel für die göttliche Schöpfung stank sie gewaltig ab.
Und daneben der lebendig gewordene Alptraum jedes Exec’s.
Vernarbt, brutal, kalt.
Nur das fröhliche Lächeln verband die beiden.
„Wolf lässt fragen, ob nicht was zu rauchen angeboten wird. Wenn nicht, müsste er sich noch einmal überlegen, ob er bleibt.“
Jetzt sprach die Magierin mit ihrem Mund und nicht mit ihren hermetischen Fähigkeiten.
Ihre Stimme klang angenehm, absolut ruhig und freundlich, und auch ihre grünen Augen funkelten freudig. Die Spannung im Wohnzimmer verschwand von einem Moment zu andere.

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14.08.2010 03:16 Taras Amaris ist offline E-Mail an Taras Amaris senden Beiträge von Taras Amaris suchen Nehmen Sie Taras Amaris in Ihre Freundesliste auf
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Engel atmete innerlich auf. Ihr Freund hatte ihr schon mindestens hundertmal von seinen alten Chummern aus seinen Gang Zeiten erzählt, aber ein Treffen mit diesen Gestalten hatte sie sich nie träumen lassen.
Auf der anderen Seite hätte sie sich die Ereignisse des letzten Jahres auch nicht im Traum einfallen lassen.
Sie, die kleine Nutte vom Frankfurter Bahnhofsstrich hatte einen Top-Killer der russischen Mafia vor dem Verbluten gerettet, hatte mit ihm einen Handel geschlossen und herausgefunden das in dieser Schale aus Metall auch Gefühle steckten.
Das diese eiskalte und berechnende Kampfmaschine namens Wolf, um die sich schon jetzt Legenden rankten, auch ein Herz und eine Seele besaß.
Von dem ersten Moment, in dem sie ihn in der dunklen Gasse gesehen hatte, mit den ersten Worten die sie mit ihm gewechselt hatte, fand sie diesen Kerl sympathisch.
Und er hatte sich kopfüber in sie verliebt. Sie wußte dass er es ihr nicht nur vorspielte, wie die vielen anderen Typen in ihrem Leben.
Zuviel hatte er schon für sie getan. Zuviel riskiert. Ihr Handel hatte sich darauf beschränkt das er sie nicht töten würde und ihr aus dem Viertel half.
Dafür hatte sie ihn mit ihren beschränkten magischen Fähigkeiten soweit zusammen geflickt das er nicht gestorben war.
Sie hatte ihn mit Hilfe einer Freundin aus der Gasse in ihre heruntergekommene Wohnung gebracht, was wohl kaum eine Verbesserung der Situation dargestellt hatte und sich dann darauf beschränkt, ihn gesund zu pflegen. Seine Schußwunden hatten sich entzündet und Wolf war in ein schweres Fieber gefallen, hatte geschrien und um sich geschlagen. Sie hätte einen Straßendoc gerufen, was kein Problem gewesen wäre.
Wolf hatte einen fetten Ebbi, auf dem sich genug EC befunden hatten um ihn auch in einer richtigen Klinik behandeln zu lassen, aber mit dem Kopfgeld, dass die Italiener auf ihn ausgesetzt hatten, wäre das wohl Mord gewesen.
In den zwei Monaten in denen er sich von dem Fieber erholt hatte, lebten sie von seinen Ersparnissen, obwohl sie bereit gewesen wäre, ihren Körper weiter zu verkaufen.
Sie wollte von keinem Mann abhängig sein, nein, dann schon lieber der Strich.
Aber er hatte ihr gesagt, dass er ihr ein Leben schuldete, und er gar nicht genug Geld zahlen könne um das wieder gut zu machen.
Nächtelang hatten sie geredet, hatten sich ihre Lebensgeschichten erzählt und auch gelacht. Mehr und mehr hatte auch sie sich verliebt.
Verliebt in eine diabolische Maschine, deren Herz sie erst wieder ausgraben musste. Ausgraben aus einer Halde Gewalt, Blut und Gleichgültigkeit.
Am Ende war ein Kuss gewesen.
Ein schwacher Kuss.
Ein Kuss geschwächt vom Fieber und von Verunsicherung.
Ein Kuss der nicht auf geschäftlicher Basis beruhte.
Ein Kuss der nicht mehr verlangte.
Der keinen Ekel in ihr hervor rief, wie das die letzten Jahre über gewesen war.
Ein Kuss der Liebe.
Eines Tages war Tony, ihr Zuhälter in ihrer Wohnung aufgetaucht.
Er und zwei seiner Schläger hatten ihre Tür eingetreten. Sie war gerade in der kleinen Küche gewesen um für Wolf eine Suppe zu kochen. Sie und kochen. Auch wieder so ein Witz des Schicksals. Nie gelernt und in der Not dann doch gekonnt. Sie hatte ihren neuen Freund ja schlecht verhungern lassen können.
Wäre auf jeden Fall Verschwendung gewesen.
Plötzlich hatte Tony hinter ihr gestanden, hatte ihr seine Faust in das zarte Gesicht gerammt und sie gegen einen der Schränke geworfen wo sie zusammengebrochen war. Er hatte sie angeschrien warum sie nicht mehr anschaffen ging.
Was ihr einfiel einfach nicht mehr auf seine Anrufe zu reagieren. Sie würde das bereuen. Und all das in Kombination mit krassen Beleidigungen.
Er hatte seinen beiden Schlägern gesagt, sie sollen ihren Spaß mit der kleinen Nutte haben und sie dann wieder auf die Strasse bringen, aber bevor einer der beiden auch nur einen Schritt getan hatte erschien ein Schatten in der Tür zur Küche.
Wolf!
Nur mit Shorts bekleidet hatte der Elf kreidebleich dagestanden, eine Zigarette im Mundwinkel, die Arme vor der Brust verschränkt. Engel, Tony und auch die beiden Schläger hatten ihn mit offenem Mund angestarrt, aber der Zuhälter und seine beiden Muskeln hatten ihn nicht erkannt.
Tony hatte ihm geraten die Nummer zu bezahlen, seine Klamotten zu nehmen und zu verschwinden, aber Wolf hatte nur gelächelt und geantwortet das die beiden Schläger zwar gehen konnten aber Tony sterben musste, weil er seine Freundin geschlagen hatte.
Erst hatten die drei Angesprochenen Wolf verständnislos angesehen, dann schallend gelacht und anschließden war alles innerhalb von Sekunden vorbei gewesen.
Einer der Schläger, ein junger Ork einer ortsansässigen Gang hatte sein Messer gezogen, während der zweite, ein untersetzter Norm mit bloßen Fäusten auf das vermeintlich leichte Opfer losgegangen war.
Wolf war den Schlägen ausgewichen ohne auch nur ins Schwitzen zu geraten.
Seine verstärkten Reflexe hatten ihn den Schwung des Gegners ausnutzen lassen, hatten ihn den Norm packen und mit einem kurzen Ruck am Kopf sein Genick brechen lassen.
Als der zweite Muskel gesehen hatte, wie sein Chummer die lange Reise zu den Pforten der Hölle antrat, hatte er sich mit dem Messer auf Wolf stürzen wollen, aber dieser hatte mit einem gezielten Kick geantwortet, der den Ork direkt am Kehlkopf traf.
Gurgelnd und mit hervortretenden Augen war der Muskel seinem Kollegen gefolgt.
Tony hatte nicht in den Kampf eingegriffen, hatte wahrscheinlich mit seinem Mikrogehirn nicht einmal registriert, dass seine Schläger gerade auf dem direkten Weg zu Onkel Luzifer geschickt worden waren.
Erst als Wolf sich vor ihm aufbaute, war die Angst aus ihm heraus gebrochen.
Er hatte seinen Colt Manhunter aus dem Halfter unter der verschwitzten rechten Achsel gerissen und auf Wolf angelegt. Aber zu spät.
Sein Gegner, ein erfahrener Wetworker, dessen Gehilfe der Tod in Person war und der von Satan persönlich geschützt wurde, hatte ein großes Küchenmesser aus einem Ständer in seiner Nähe gezogen und es schwungvoll in die Brust des Zuhälters geschleudert.
Bis zur Hälfte drang die breite, dreißig Zentimeter lange Klinge aus rostfreiem Edelstahl in den Körper ein.
Tony hatte ungläubig auf den fremden Gegenstand, der aus seiner Brust ragte, geblickt als Wolf ihn mit einem Sprungtritt erwischte, der das Messer bis zum Heft in den fetten Körper rammte und Engels Peiniger durch das große Küchenfenster beförderte.
Begleitet von Glasscherben und Bruchstücken der Verkleidung des Fensters stürzte der sterbende Körper acht Stockwerke in die Tiefe, wo er nichts außer einem unschönen blutigen Fleck hinterließ.
Engel hatte unter Schock gestanden.
Wolf in Aktion zu sehen war noch erschreckender gewesen als die Legenden die sich um seine Person rankten. Er hatte sie angesehen und sie hatte den Schmerz in seinem Innersten bemerkt.
Hatte ihn fast spüren können.
Wieder war er gezwungen worden zu töten.
Wieder hatte er ein Stück seiner Seele für einen Sieg verkauft.
Sie war aufgestanden und hatte ihn umarmt, hatte ihm gesagt, dass er nichts Falsches getan hatte, dass diese Dreckheads den Tod mehr als verdient hatten.
Er hatte geweint, war zusammengebrochen und hatte sich an ihr festgehalten. Physisch und Psychisch. In diesem Moment hatte sie bemerkt das die Kampfmaschine einen Defekt hatte. Die Jahre des Tötens hatten ihre Spuren hinterlassen.
Die Jahre der Einsamkeit, der Leere in seinem Herzen.
Wolf benötigte jemanden dem er vertrauen konnte, der ihm Absolution für seine Taten erteilte.
Und Engel war gewillt gewesen, diese Aufgabe anzunehmen.
Sie war nicht gewillt, Wolfs Seele kampflos dem Fürsten der Unterwelt zu überlassen, der sich sicherlich schon darauf freute.
Sie würde die Maschine unter Kontrolle halten, würde dafür sorgen, dass er nicht mehr grundlos tötete, würde ihm seine Seele wieder zurückgeben.
Sie hatten die Wohnung verlassen müssen, hatten ihre Sachen gepackt und Tonys BMW Blitz 2050 für ihre Flucht genutzt.
Wolf hatte zwar gesagt, dass er einen Toten nicht beklauen wollte, aber Engel hatte eingewandt, dass sie die EC für das Motorrad auf ihrem Rücken zusammengefickt hatte, dass Tony ihr nie mehr als das Mindeste zum Überleben notwendige gelassen hatte und sie jetzt Anspruch darauf hatte. Das hatte er akzeptiert.
Sie hatten den Megaplex verlassen und waren nach Wiesbaden gefahren, wo Wolf noch einige Chummer und Connections besaß.
Sie hatte nicht einmal zurück geblickt, hatte keine Trauer verspürt ihre Heimat zu verlassen die sie so mies behandelt hatte. Im Gegenteil, sie war glücklich gewesen.
Ein neuer Lebensabschnitt.
Über einen von Wolfs Kontakten waren sie an die neue Wohnung in einem Mittelschicht-Viertel der Stadt gekommen.
Zum ersten Mal in ihrem Leben war Engel glücklich.
Zum ersten Mal fühlte sie sich wirklich sicher.
Wolf fasste sie mit Samthandschuhen an. Durch ihre Abmachung, dass sie für ihn redete, hatte sie die Kontrolle über eine Kampfmaschine der Strasse.
Er wollte nicht mehr sprechen. Wollte den gedanklichen Kontakt nur zu ihr haben, weil er immer Probleme bekommen hatte, wenn er selbst gesprochen hatte.
Ihre Liebe war erblüht, und Engel hatte Wolf alles gegeben zu dem sie imstande war.
Der Sex war toll. Nicht abartig wie der den manche ihrer Kunden verlangt hatten, sondern zärtlich, liebevoll.
Und vor allem freiwillig.
Eine definitive Steigerung.
Er akzeptierte ihre Stimmungen und ihre Neigungen und verlangte dafür lediglich Aufrichtigkeit und dass sie ihn kontrollierte.
Das größte Geschenk jedoch hatte Wolf ihr vor einem halben Jahr gemacht, als er sie zu einem alten Freund gebracht hatte. Einem hermetischen Magier, der ihr die Magie erklärte.
Der alte Rakim hatte ihr gesagt, dass sie ein großes magisches Potential in sich trüge und ihr geholfen es zu entwickeln.
Er hatte ihr gezeigt, wie man seine eigenen Zaubersprüche entwickelte, wie man sich die Geister der Elemente gefügsam machen konnte und wie man durch den Astralraum wandelte. Und Engel hatte das Wissen aufgesogen wie ein Schwamm.
Hatte die geliehenen Bücher verschlugen und abgeschrieben wenn sie es für wichtig genug erachtet hatte.
Der alte Magier hatte ihr anvertraut, dass er Wolf auf einem Run für die russische Mafia kennen gelernt hatte und sie gefragt ob sie seine Gefährtin sei.
Sie hatte nachgedacht und die Frage mit ja beantwortet.
Er bestätigte, was sie schon einige Zeit vermutete. Auch er sah, dass Wolf nicht nur der Killer war, den er nach außen darstellte.
Nein, dies war eher eine Schutzfunktion eines geschundenen Wesens, dass auf dieser verkommenen Welt zu viel Böses gesehen hatte.
Vor einem Monat hatte Rakim ihre Ausbildung abgeschlossen. Ihr gesagt das sie nun alles Wissen habe um sich mit anderen Magiern messen zu können.
Und ihr das Versprechen abgenommen, Wolf unter Kontrolle zu halten.
Sie hatte eingewilligt und als Gegenleistung den Gürtel erhalten. Einen mächtigen magischen Fokus, den Rakim extra für sie anfertigte.
Die ganze Zeit hatte Wolf mit illegalen Vollkontakt-Kämpfen für ihren Lebensunterhalt gesorgt, hatte sich zerschlagen lassen um ihr ein angenehmes Leben zu ermöglichen, um sie glücklich zu machen.
Sie hatte sich vorgenommen ihm alles zurück zu zahlen. Alles, und zwar nicht nur in Naturalien, was sie zugegebener Maßen immer noch am besten konnte, sondern auch materiell.
Und wo konnte eine magiebegabte ehemalige Nutte ohne SIN dies besser als in den Schatten. Sie hatte sich vorgenommen mit ihrem Gefährten auf Shadowruns zu gehen und so nach und nach ihre Schuld abzutragen.
Mit ihrer Liebe zu Wolf hatte das nichts zu tun.
Sie wollte ihm nur nichts schuldig bleiben.
Und dieses Treffen mit seinen alten Chummern war die perfekte Gelegenheit in die Schatten einzusteigen.
Das Team hatte den Ork und den Norm als Muskeln, zwei Decker und einen Rigger, aber keine magische Rückendeckung.
Es waren Anfänger wie sie, dass hatte Wolf ihr mitgeteilt.
In die Jahre gekommene Straßenkids wie sie, die genug von ihrem bisherigen Lebensstil hatten und nun auf Kosten der Konzerne ein besseres Leben anfangen wollten.
Einfach perfekt.
Wolf hatte sich entspannt als das Team seine Waffen abgelegt hatte, aber sie wusste, dass seine Chummers für ihren Freund kein Problem gewesen wären. Auch bewaffnet.
Sie spielten einfach mehrere Ligen unter ihm.
Aber es lag keine Spannung mehr in dem Raum. Im Gegenteil, sie konnte spüren, dass sich der Ork und der Norm sogar freuten Wolf wiederzusehen.
Beide hatten sich wieder erhoben und kamen nun näher, um der Messerklaue die Hand zu schütteln und sich Engel vorzustellen.
„Ich denke wir haben miteinander telefoniert. Mein Name ist Spliff und allem Anschein nach bist du Engel. Freut mich dich kennen zu lernen. Der Hauer neben mir ist Gromo und nicht halb so böse wie er aussieht.“
Der kleine und drahtige Norm war Engel sofort sympathisch. Er reicht auch ihr die Hand und schüttelte sie kräftig. Der Ork umarmte Wolf sogar und klopfte ihm mehrfach freudig auf die Schulter.
„Tut das gut dich wiederzusehen, Omae, auch wenn du zu einem Löwenzahnfresser mutiert bist!“
Der Ork blinzelte Wolf freundschaftlich zu.
„Pissgesichtiger Hauer, brich mir nicht meine dünnen elfischen Rippen! Tut auch verdammt gut euch alle wiederzusehen. Sorry wegen der Einbruchsaktion aber ihr wisst ja, Vorsicht ist die Mutter des Shadowrunners.“
Engel gab die Worte die sich in Wolfs Kopf formten wörtlich weiter und blickte in überraschte Gesichter.
„Der redet ja wirklich nicht mehr. Aber seine Freundin trifft sogar seine Stimmlage.“
Der spindeldünne Rigger erhob sich nun auch und trat zwischen seine Chummers, fünf frische Soy-Bier in den Händen.
„Mein Name ist Skelett, dürfte klar sein warum. Richte doch bitte Wolf auch ein herzliches Willkommen von mir aus.“
Er reichte jedem eines der warmen Biere und öffnete das Letzte dann selbst.
„Soll ausrichten, dass Wolf nur nicht mehr redet. Er ist nicht taub, Omae. Und nun schwirr und mach was zu smoken klar sonst gibt’s nen Satz heiße Ohren.“
Dieses Spiel mit der Übersetzung von Wolfs Gedanken fing an Engel zu gefallen. Dadurch, dass sie die Sätze direkt aus dem Gehirn ihres Freundes lesen konnte, war sie in der Lage, auf seine Wortwahl zurückzugreifen, was bewirkte, dass Skelett an frühere Zeiten erinnert wurde und sich sofort daran machte in Windeseile einen neuen Joint zu drehen.
Es schien früher des Öfteren vorgekommen zu sein, dass Wolf einen Satz heiße Ohren verteilt hatte und es schien Skelett nicht wirklich gefallen zu haben.
Verständlich.
Engel nahm einen tiefen Schluck aus der Flasche und blickte dann Spliff an.
„Müssen wir hier rumstehen oder dürfen wir uns setzen? Meine ja nur so.“
Spliff nickte sofort und deutete auf ein gemütlich aussehendes altes Ledersofa für zwei Personen.
„Aber klar. Fühlt euch wie Zuhause. Sorry, aber von Wolf bin ich gewohnt, dass nicht sagen zu müssen.“
Engel folgte ihrem Freund, vorbei an den beiden ihr noch unbekannten Teammitgliedern und setzte sich mit züchtig überschlagenen Beinen neben ihn.
Auch Spliff und Gromo ließen sich in ihre Sessel fallen.
Die junge Frau, die ihr gegenüber saß, lächelte Engel freundlich zu und reichte dann ihre Hand über den Tisch.
„Hoy, ich bin Stute und der Typ mit dem Draht im Kopf ist mein Freund Racker. Wir sind die Matrixdeckung des Teams. Hoffe ihr habt keine Probleme auf der Herfahrt gehabt.“
Ihre Stimme klang aufrichtig und da Wolf nichts dachte entschied Engel selbst zu antworten. „Hoy zurück. Meinen Namen hast du ja bestimmt gehört. Nein, keine Probleme. Sind über Mainz gefahren. Da sind nur wenige von den uniformierten Dreckheads unterwegs.“
Wieder setzte Engel die Flasche an und sog einen tiefen Schluck Bier in sich hinein.
„Das ist wohl richtig. Aber auch nur weil sie da immer von der Yak’s auf die Mützen kriegen.“
Stute lächelte und bot Engel einen Zigarillo an, während sie sich selbst einen anzündete. Sie hatte die Situation richtig erfasst und war offensichtlich auch über die Zustände in Mainz im Bilde.
Die Stadt war zwar Teil des Frankfurter Megaplexes, wurde aber von der Yakuzza beherrscht. Polizisten ließen sich dort nur blicken wenn Schießereien offen ausgetragen wurden.
Und auch dann nur sehr ungern.
Engel nickte dankend und nahm eines der Stäbchen aus der angebotenen Schachtel.
„Hast echt dufte Kumpels!“ dachte sie an Wolf gerichtet, der sein Feuerzeug aus der Lederjacke fischte und ihr Feuer gab.
„Abwarten! Die wollen irgendwas.“
Kam die Antwort prompt.
Skelett war mittlerweile mit den Arbeiten an dem Joint fertig geworden und rauchte das Gebilde an.
Der derbe Geruch von verbrennendem Snuff machte sich in dichten Rauchschwaden im Raum breit und Engel sah wie Wolf interessiert schnupperte.
Ein Lächeln flog wieder über ihre Züge.
„Hast du vermisst, oder?“
Engel wusste, dass ihr Freund gerne etwas rauchte, aber sich in der letzten Zeit zurückhielt nicht zuletzt wegen ihr.
„Hast du was dagegen?“
Er blickte sie bei dem Gedanken an und ihr wurde klar, dass er wirklich darauf verzichten würde wenn sie ihn darum bat.
Aber dafür sah sie keinen Grund.
Von den Anwesenden ging keine Gefahr aus. Es waren alte Chummer ihres Freundes und auch ihre eigene Menschenkenntnis warnte sie nicht.
Es sprach nichts dagegen, sich ein wenig zu entspannen. Sprich weg zu dröhnen.
„Nein, mach ruhig. Ich glaube ich werde mir auch was gönnen. Achte nur darauf das ich heute Nacht noch was von dir habe.“
Ein freudiges Lachen ließ die Narben auf seinem Gesicht tanzen und erreichte sogar seine Augen, was wirklich nicht oft passierte. Diese verdammten Cyberaugen ließen einfach nur schwierig Gefühlsregungen erkennen. Sie hasste die Dinger.
„Versprochen!“
Er setzte sich auf und ergriff den angebotenen Joint.
Während ihr Freund das Snuff in tiefen Zügen inhalierte, blickte sich Engel in dem alten aber gemütlichen Wohnzimmer um.
Echtes Holz dominierte die Einrichtung. Abgewetzt, verstaubt, aber wesentlich persönlicher als die Plast-, Glas- und Metallmöbel ihrer Wohnung.
„Deine Bude!“ fragte sie Spliff, der an seinem Bier nippte.
Er nickte und schüttelte kurz darauf den Kopf.
„Meine Eltern haben das Haus mir und meiner Schwester vererbt. Wir sind hier aufgewachsen und wohnen nun zusammen. Genau wie fast alle hier. Stute kommt aus Hochheim, wohnt aber seit Jahren bei Racker. Sie haben den Bungalow seiner Eltern erhalten als diese nach den schweren Aufständen vor vier Jahren verschwunden sind. Gromo kommt aus der Gartenstadt. Liegt zwischen Massenheim und der Mülldeponie die du ja wahrscheinlich gerochen hast als du hergefahren bist. Er lebt da in einem Appartement das seine Erzeuger ihm hinterlassen haben. Da wohnen nur Hauer wegen des bestialischen Gestanks im Sommer. Tja und auch Skelett wohnt in Massenheim. Aber seine Alten haben sich in die Karibische Liga abgesetzt. Die hatten genug Schotter auf der hohen Kante um dem Sohnemann ein ganzes Haus einfach schenken zu können. War ne echt krasse Sache damals. Tja und auch Wolf hat hier noch seine Wurzeln. Er besitzt sogar zwei Häuser direkt an der Hauptstraße. Mit nem großen Hof und nem richtigen Garten. Liegt aber seit dem Tod seiner Eltern brach.“
Engel blickte Spliff konsterniert an und schwenkte ihren Kopf dann zu ihrem Freund hinüber. „Du hast ZWEI Häuser hier?“
Die Gedanken stießen ins Leere. Wolf genoss gerade mit geschlossenen Augen die Wirkung des Snuffs.
„Hoy, Engel an Orbitalhabitat Wolf. Bitte Melden. Warum hast du mir nicht gesagt, dass du hier gleich zwei Häuser hast?“
Die Messerklaue öffnete die Augen und blickte sie fröhlich an.
„Erstens hast du mich nie gefragt. Zweitens kennen wir uns erst ein Jahr, drittens sind es sogar drei Häuser die mir in diesem Kaff gehören. Zwei auf einem Grundstück an der Hauptstraße, ein weiteres hier ganz in der Nähe. Du hast mir ja schließlich auch nicht auf die Nase gebunden was dir deine Alten so bei ihrem Abgang vor die Füße geworfen haben.“ Seine Gedanken kamen weniger klar bei ihr an als sonst, aber das war eindeutig eine Nebenwirkung der Drogen.
Wolf zog noch einmal an dem Rauchwerk und gab es dann an Gromo weiter, der sich gerade angeregt über die Geruchsverhältnisse seines Wohnortes mit Spliff unterhielt.
Skelett schraubte zugedröhnt an einer Drohne auf der Tischplatte herum, ohne einen wirklich konzentrierten Eindruck zu erwecken.
Stute überprüfte gerade die Hirnströme ihres Freundes auf einem Monitor auf seinem Deck, sodass Engel sicher sein konnte, dass ihr stummes Gespräch keine Aufmerksamkeit erregte. „Was bitte is’n das für ein Drecksvergleich? Meinen Vater hab ich nich mal gekannt und meine Mutter hatte noch drei wie mich von verschiedenen Dreckheads. Hatte halt die gleiche Arbeit wie ich früher. Und das weißt du. Als sie das Zeitliche gesegnet hat, nachdem ihr letzter Freier seine Zeche in Messerstichen zahlte, hinterließ sie uns ein paar zu große Miniröcke und ne offene Rechnung von der ProDep, wo ihre Reste verbrannt worden sind. Kann man ja jetzt nich wirklich als Erbe bezeichnen oder?“
Sie war nicht wirklich wütend, aber sie verstand einfach nicht, dass Wolf ihr seit einem Jahr verschwiegen hatte, dass er hier Grundstücke und Häuser besaß.
Warum zum Teufel hatten sie sich in dieser verdammten Wohnung eingemietet, wobei sie sich eingestehen musste, dass die Wohnung besser war als alles, in dem sie je gewohnt oder auch nur die Beine breit gemacht hatte.
Selbst die Lohnsklaven, die sich ihre Gespielinnen vom Straßenstrich holten, besaßen nicht so schöne Wohnungen wie Wolf und Engel sie gerade in Wiesbaden ihr Eigen nennen konnten.
„Na ja, so ein Minirock kann ja auch was Schönes sein. Und wenn du fleißig gegessen hättest, dann wäre dein hübscher Hintern garantiert irgendwann passend gewesen.“
Das Lächeln in seinem Gesicht war nun schadenfroh und auch seine Gedanken klangen belustigt.
Sie kam nicht umhin ebenfalls zu lächeln obwohl sie ihm spielerisch auf die Schulter schlug. Ihre kleine Faust prallte von einer der verarbeiteten Kevlarplatten der Lederjacke ab.
„So ka, du elender Großgrundbesitzer. Ich glaube ich müsste noch einen der Röcke irgendwo haben. Gleich nachher setze ich mich mit nem Löffel vor den Kühlschrank und schaufle so lange Soydrek in mich rein bis mein Hintern da rein passt. Und dann setze ich mich mit meinem Riesenhintern mitten auf dein Gesicht und frage dich nochmal wessen Erbe interessanter war.“
Ihre Augen schickten Blitze in seine Richtung, die er nur mit einem belustigten Blick abwehrte.
„Komm wieder runter. Wenn du willst zeige ich dir später was meine Eltern mir hinterlassen haben.“
Seine Gedanken waren wie immer sanft und beruhigten sie sofort wieder.
„Außerdem liebe ich dich wegen deiner inneren Schönheit und nicht nur wegen deines perfekten Körpers. Du kannst dir also ruhig einen fetten Hintern anfressen. Los wirst du mich so einfach nicht. Vielleicht entdecke ich ja die Reize vollschlanker Frauen.“
Zack und wieder war die Ruhe gewichen.
„Du verdammter Dreckhead, wegen dir werde ich mir meine hübschen Kurven garantiert nicht versauen und wenn es wirklich stimmt das du hier gleich drei Häuser dein Eigen nennst wirst du MICH nicht mehr los. Dann kannst du nämlich schon mal die Eheringe polieren und deinen Antrag üben, zu dem ich dich mit einem Feuerball in der Hand zwingen werde. Dann kann ich endlich meine Schwester auslachen, die mich so runter gemacht hat weil ich ne Nutte war und sie ihren ach so tollen Lohnsklaven geheiratet hat, der sie jeden Tag verprügelt. Also die Führung durch das Wolfische Anwesen ist hiermit gebucht, und Verzögerungen aus welchen Gründen auch immer werden nicht akzeptiert.“
Sie verlieh ihrer geistigen Stimme einen eisigen Unterton und genoss den Anblick eines völlig irritierten Schattenläufers von Legendenstatus.
Sie wendete ihre Aufmerksamkeit nun wieder dem Team zu und registrierte zufrieden, dass ihre kleine Unterhaltung nicht aufgefallen war.
Gromo war dabei darzulegen, dass orkische Nasen denen von Norms und anderen Metamenschen voll überlegen waren, weil sie bestimmte Geruchsstoffe einfach filtern konnten bei denen Norms zum Beispiel einfach zusammen klappten.
Spliff hielt dagegen das Norms einfach nicht in Gegenden gingen, die so beschissen rochen das man gleich umfiel.
Gutes Argument.
Als Spliff bemerkte, dass Wolf wie auch Engel der Unterhaltung folgten, rieb er sich kurz die roten Augen und ließ den Ork mit einer schnellen Handbewegung verstummen.
Der junge Norm sah aus, als ob er sich die nächsten Worte zurechtlegen mußte, woran das konsumierte Snuff nicht wenig Anteil hatte.
Der Ork schien die Absicht seines Norm-Gegenübers zu wittern und murmelte etwas von urinierenden Elefantenbullen, bevor er sich in Richtung Toilette in Bewegung setzte.
Wolf ließ den Rest seines Bieres die Kehle hinab tropfen und stellte die leere Plastflasche dann auf den Tisch. Obwohl auch Spliffs Flasche bereits leer war, drehte der Chummer sie nervös zwischen den Fingern hin und her als müsse er sich ablenken.
Als er nicht die richtigen Worte fand, sprang plötzlich Stute ein.
Sie beugte sich zu Engel hinüber und setzte einen gelangweilten Ausdruck auf ihre Gesichtszüge.
„Das Männer es sich immer so schwer machen müssen. Was Spliff euch fragen will und warum wir überhaupt mit Wolf in Kontakt getreten sind ist ganz einfach, dass wir die Hilfe deines Freundes bei einem Run brauchen. Unser Auftraggeber verlangt noch mindestens einen schweren Muskel im Team, aber wie das so ist im Leben möchte mit Anfängern wie uns kein erfahrener Runner zusammenarbeiten. Wir haben schon wirklich alles versucht, aber entweder die Antwort lautet ganz einfach nein oder aber die Dreckheads sind völlig durch geknallt und nicht zu gebrauchen.“
Stute zündete sich ein weiteres Zigarillo an und Engel bemerkte, dass sie ihres im Aschenbecher hatte verglühen lassen.
Gerade als sie die Deckerin nach einem weiteren fragen wollte, hielt Skelett ihr einen neuen Joint ins Gesichtsfeld.
Zwar war der Konsum von Drogen für Magier nicht wirklich ratsam, da sie das empfindliche Gleichgewicht der Energien durcheinander bringen konnten, aber Engel war sich sicher, dass der Konsum von soften Drogen wie Snuff, das ja im Grunde genommen pflanzlich war, ihre Kräfte lediglich zeitlich begrenzt beeinflussen konnte.
Sie nahm den Joint nickend entgegen und sog den benebelnden Rauch in ihre Lungen.
Fast augenblicklich spürte sie die Wirkung.
Ihr ohnehin seit einem Jahr sehr fröhliches Gemüt erhielt einen weiteren Smiley und ein leichter Nebel legte sich auf ihre Gedanken.
Sie hoffte, dass die geistige Verbindung zu Wolf nun nicht völlig zusammenbrach.
„So ka, dass wäre geklärt. Was für ein Run ist das, und was springt dabei für Wolf raus?“ Gromo kehrte von seinem Ausflug zur Toilette zurück und brachte gleich eine Ladung Bier aus der Küche mit, das er unter den Anwesenden verteilte.
Spliff und Stute fingen abwechselnd an zu erklären, worum es ging und welchen Plan sie entwickelt hatten.
Und Engel fing an zu glauben, dass sie Wolf viel früher ihre Schulden zurückzahlen konnte. Mit Hilfe ihrer magischen Fähigkeiten würde der Plan wesentlich einfach umzusetzen sein und das bedeutete eine Beteiligung an dem Erlös.
Interessiert lauschte sie den Ausführungen der beiden Norms, während ihr Freund sich zusammen mit dem Ork um die bis jetzt sträflich vernachlässigte Holzpfeife kümmerte.

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14.08.2010 03:17 Taras Amaris ist offline E-Mail an Taras Amaris senden Beiträge von Taras Amaris suchen Nehmen Sie Taras Amaris in Ihre Freundesliste auf
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Kapitel 3
Der Schutz des Rudels

Engel klammerte sich auf dem Sitz der BMW Blitz 2050 fest, während Wolf das Motorrad durch die nur schwach beleuchteten Straßen Massenheims in Richtung seines Elternhauses schob.
Er wagte es nicht die Maschine zu fahren, weil er bezweifelte, dass Engel in der Lage war, sich bei auch noch so geringer Geschwindigkeit festzuhalten.
Schon die vereinzelten Schlaglöcher der alten Straße bereiteten ihr Schwierigkeiten. Zusammen mit ihrer neuen Freundin Stute hatte Engel sich den Abschuß mit Soybier und Joints gegeben, nachdem die Verhandlungen abgeschlossen waren.
Natürlich hatten sie dem Team ihre Zusammenarbeit zugesagt. Fünftausend EC waren eine nicht zu verachtende Sicherung der laufenden Kosten des Pärchens und Wolf hoffte wieder einen stärkeren Kontakt zu seinen alten Chummern aufbauen zu können.
Außerdem brauchte er eine Pause von den brutalen Nahkämpfen mit denen er in der letzten Zeit ihr Überleben gesichert hatte.
Vollkontaktkämpfe waren etwas für junge und aggressive Messerklauen, denen Töten und das Zufügen von Schmerzen Freude bereitete.
Die sich daran laben konnten den Gegner blutend am Boden liegen zu sehen.
Er hingegen konnte lediglich seinen vercromten Körper und seine Erfahrung einsetzen. Wirklich Spaß hatte er an diesen verdammten Wettkämpfen zur Unterhaltung der Schlipse nicht.
Die Informationen die Benji dem Team gegeben hatte waren lückenlos und Spliffs Plan war hervorragend ausgearbeitet.
Durch Engels magische Fähigkeiten war das Team nun komplett und würde keine Schwierigkeiten haben mit der Schutzmannschaft des Konvois fertig zu werden.
Wie Spliff gesagt hatte, ein Kinderspiel.
Wieder drohte Engel mit einem tiefen Seufzen von dem glatten Leder des Sitzes der BMW zu rutschen als das Vorderrad durch ein weiteres tiefes Schlagloch rollte.
Es kostete Wolf einiges an Reaktionsvermögen sie mit der linken Hand wieder gerade auf den Sitz zu ziehen und noch einiges an Koordination um dabei das Motorrad mit der rechten Hand aufrecht zu halten. Engel kicherte leise und blickte ihn dann mit trüben Augen an.
„Fette Chummer haste da Schatz!“
Wenn sie betrunken war verfiel Engel in den Frankfurter Stadtsprech, eine Art Dialekt der sich aus verlottertem Deutsch, einigen Brocken Englisch und Japanisch und auch dem elfischen Sperethiel und der Orksprache zusammensetzte.
Er mochte das. Hörte es gerne wenn sie nicht das liebe Mädchen von nebenan spielte, sondern ihr wahres Gesicht durchscheinen ließ.
„Ich weiß, Engel. Versuch doch bitte auf dem Hobel sitzen zu bleiben. Es ist nicht mehr weit.“
Er sprach nun, da seine Partnerin durch den Drogen- und Alkoholnebel nicht mehr seine Gedanken lesen konnte.
Sie hatten die Nacht zum Tag werden lassen und mit dem Team bis in die frühen Morgenstunden gefeiert.
Racker hatte sich irgendwann ausgestöpselt und ebenfalls freudig auf das Wiedersehen mit Wolf reagiert.
Er hatte die benötigten Daten erst in verschiedenen abgesicherten Untersystemen zusammensuchen müssen, die noch dazu mit grauem ICE abgesichert gewesen waren, weshalb der digitale Run etwas länger gedauert hatte.
Spliff hatte Recht behalten. Der Schieber aus Frankfurt zahlte großzügige Spende an einige leitende Beamte der Autobahnpolizei um den Weg seines Versorgungskonvois frei von Kontrollen zu halten wenn dieser unterwegs war.
Es war doch immer wieder schön zu sehen dass man sich mit einem ausreichend beringten Ebbi fast alles kaufen konnte.
Die Information bedeutete für das Team das man anständig Feuerwerk veranstalten musste, um die Polizei von Vertuschungsversuchen abzubringen. Wenn die Medien und die höheren Stellen in der Frankfurter Verwaltung erst einmal von dem Feuergefecht auf der Autobahn hörten war es vorbei mit den gekauften Freifahrten.
Wolf schob das Motorrad weiter die Seitenstraße hinunter, als er sicher sein konnte, dass Engel seine Bitte befolgte und sich konzentrierter an dem Tank der BMW festhielt.
Es war immer noch die Maschine, die sie ihrem ehemaligen Zuhälter an seinem Todestag entwendet hatten, jedoch neu lackiert und mit einigen chromblitzenden Ersatzteilen aufgepeppt.
Wolf liebte die BMW, mehr noch als die Harley, die er als Belohnung für treue Dienste von den Russen geschenkt bekommen und bei seiner fast tödlich geendeten Flucht in Frankfurt hatte zurücklassen müssen.
Die BMW hatte mehr Power, ließ sich auch bei hohen Geschwindigkeiten besser steuern und war bei weitem nicht so Störungsanfällig wie ihr amerikanischer Vorgänger.
Deutsche Wertarbeit eben.
Auch wenn nur noch der Name auf eine inländische Herkunft schließen ließ, während die Teile wahrscheinlich aus der ganzen Welt stammten.
Konzerntaktik. Produziere da wo es am günstigsten ist.
Wieder riss Engel ihn aus seinen Gedankengängen, die sich wohl aufgrund des eigenen nicht gerade niedrigen Alkohol- und Drogenlevels innerhalb des Blutkreislaufs auf Nebensächlichkeiten beschränkten.
„Stute iss dufte. Mit der kann man wenigstens einen Heben. Und saftige Musi hat die Schnecke auch auf’m Deck.“
Wolf verzog das Gesicht. In dieser Beziehung gingen Engels und seine Meinung ziemlich weit auseinander. Der eher soft anmutende Rock aus längst vergangenen Tagen war nun nicht wirklich das, was er als Stimmungsmacher einordnen konnte.
Da war der höllisch anmutende Troll Punk den Gromo sich durch die Gehörgänge blies schon wesentlich mehr nach seinem Geschmack.
Aber jedem das seine. Er war froh, dass sie endlich jemanden gefunden hatte mit dem sie etwas unternehmen konnte.
Wolf war den größten Teil seines Lebens ein Einzelgänger gewesen. Es störte ihn nicht nur mit seiner Freundin zu kommunizieren und den Kontakt zu anderen Wesen auf gelegentliche Treffs zu reduzieren.
In der letzten Zeit jedoch hatte er befürchtet, dass Engel vereinsamte.
Heute Nacht hatte er sie richtig aufleben gesehen. Nach mehreren Soybieren und dem Konsum mehrerer Joints an denen sich irgendwann auch Stute beteiligt hatte, waren die beiden Mädels richtig dicke geworden. Hatten wie kleine Mädchen gekichert, Erfahrungen in Bezug auf Männer ausgetauscht und über den Sinn und Unsinn der neusten modischen Kollektionen von Armantè philosophiert.
In der ADL kam gerade ein neuer Chic auf, den man aus Frankreich importiert hatte. Ein dünnes Latex Gewebe formte eng anliegende Kleidungsstücke in modischen Farben von grellem Grün bis purpur Rot mit gewagten, freizügigen Schnitten.
Wenn sich die Körpertemperatur des Trägers erhöhte wurde der Stoff langsam durchsichtig. Völlig verrückt. Tja, Franzosen eben.
Wolf hatte schon mehrfach vornehmlich weibliche Personen in Wiesbaden und Umgebung gesehen, die diesem modischen Trend gefolgt waren, und war jedesmal überrascht gewesen wieviel Einblicke einige Menschen freiwillig auf ihren Körper gestatteten.
Er konnte sich Besseres vorstellen als nackt durch die Stadt zu spazieren.
Auch Engel und Stute hatten eher abfällige Bemerkungen für diese Modeerscheinung übrig gehabt. Meist in Zusammenhang mit niederträchtigen Bezeichnungen für weibliche Konzernangestellte.
Die vier Männer des Teams waren der Unterhaltung an diesem Punkt neugierig gefolgt und hatten sich lautlos mit ihrer alten Gangsprache Zeichen gegeben, dass sie sich gerade für das weibliche Geschlecht keine bessere Kleidung vorstellen konnten.
Es war ein wirklich lustiger Abend gewesen.
Sie überquerten eine Kreuzung und Wolf konnte die hell erleuchtete Einmündung in die Hauptstraße des Ortes sehen. Vielleicht noch zweihundert Meter, dann nach links und sie waren am Ziel.
Höchste Zeit.
So langsam machte sich die durchzechte Nacht auch bei ihm bemerkbar.
Durch seinen früheren exzessiven Konsum von Drogen jeglicher Art hatte er eine Art Immunität seines Körper in Bezug auf Alkohol und Snuff erreichen können, aber in Kombination mit langen Wachzeiten und der Aufgabe seine immer wieder stark schwankende Freundin auf dem sowieso schon schweren Motorrad durch die Gegend zu schieben ermüdeten ihn doch ein wenig.
Oder war er wegen dem einen Jahr der relativen Enthaltsamkeit etwa nichts mehr gewohnt?
Nö, daran lag es bestimmt nicht. Grinsend dachte er an Racker, der zwar einen kürzeren Weg zu dem Bungalow hatte, den er zusammen mit Stute bewohnte, diese jedoch wohl würde tragen müssen.
Wenn Engel schon voll war, so hatte Stute sich den kompletten Abschuß gegeben. Irgendwann zwischen fünf und sechs Uhr heute Morgen war ihr Kopf einfach nach hinten gesackt und sie war in einen komatösen Schlaf gefallen, aus dem sie weder Engel noch Racker hatten erwecken können.
War ein urkomisches Bild gewesen, der muskulöse Racker mit Stute auf der Schulter, ihr Cyberdeck in der Hand, sein eigenes auf den Rücken geschnallt und eine Flasche Soybier in der anderen Hand.
Grinsend hatte er sich von dem Rest des Teams verabschiedet und war davon gestapft. Wirklich irre komisch.
Auch Skelett hatte sich irgendwann die Drohne unter den Arm geklemmt und war von dannen geschwankt.
Wolf hatte gehofft, dass der Rigger in seinem Zustand nicht versuchte ein Fahrzeug zu steuern. Auch die beste Hardwear nutzte nichts, wenn der menschliche Teil einfach zu dicht war. Engel, Spliff, Gromo und er selbst hatten noch ihr Bier ausgetrunken und die beiden ehemaligen Ganger hatten seiner Freundin von der Vergangenheit ihres Partners erzählt, was ihm nicht durchweg angenehm gewesen war.
Er konnte nur hoffen das Engels Pegel bereits so hoch gewesen war, dass sie sich nicht mehr an alles erinnern würde.
„Schatz!“
Wolf blickte auf die mit geschlossenen Augen vor sich hin murmelnde, nun völlig auf dem Sattel des Bikes liegende Frau seines Lebens.
„Sorry, dass ich so am Ende bin. Mache das wieder gut.“
Ihre etwas kratzige Stimme und die stockend kommenden Worte ließen ihn lächeln.
„Keine Welle mein Engel. Passe ich halt heute mal auf dich auf.“
Sie nickte zufrieden und fing dann an ruhiger zu atmen. In genau diesem Moment wurden Wolfs Reflexe aktiviert.
Sie waren noch knappe zwanzig Meter von der Hauptstraße entfernt, aber aus einer Einfahrt vor einem halb verfallenen Einfamilienhaus fiel der flackernde Schein einer Feuertonne und Stimmen waren zu hören.
Wolf ließ seine Hände zwar an dem Lenker, bereitete sich jedoch innerlich darauf vor auf Gefahren zu reagieren.
Die BMW war auch wenn man sie schob nicht wirklich leise. Bei jeder Umdrehung der Räder gab sie klickende Geräusche von sich, die in dem ruhigen Ort in den frühen Morgenstunden unüberhörbar waren.
Auch als drei dunkle Gestalten aus dem Schatten der Einfahrt traten schob Wolf einfach weiter. Er hatte keine Lust auf Ärger. Nicht gerade jetzt wo Engel ausgeschaltet auf dem Motorrad lag, unfähig sich zu wehren oder ihn zu unterstützen. Oder auch zurückzuhalten. Unter Kontrolle zu halten.
Er war betrunken und stand unter dem Einfluß von Drogen. Er hatte die negative Angewohnheit in diesem Zustand über zu reagieren.
Bei näherem hinsehen entpuppten sich die Gestalten als junge Straßenkids, die sich um eine Feuertonne geschart hatten. Jetzt, wo er die Einfahrt erreicht hatte, kamen sie auf die Straße und blockierte den Weg.
Drek.
Aus den ersten drei Jugendlichen waren innerhalb von nur Sekunden zehn oder zwölf heruntergekommene Gestalten geworden.
Männlich und weiblich, meistens Norms, aber auch ein Zwerg, zwei oder drei Orks und eine Elfin waren dabei.
Alle im Alter zwischen vierzehn und achtzehn Jahren.
Der Anführer, ein schlacksiger Norm im Alter von vielleicht 17 Jahren in abgewetzten Jeans und einem versifften Fan-T-Shirt eines bekannten Combat-Biking-Teams aus der ADL stand breitbeinig mit vor der Brust verschränkten Armen in der Mitte der Meute, ein schiefes Lächeln auf dem Gesicht, dass Wolf einfach nicht gefallen wollte.
Wahrscheinlich sah sich der Norm schon in einer neuen, leider etwas zu großen Lederjacke auf der BMW durch die Gegend fahren.
„Falscher Turf Penner! Hast dich wohl in der Gegend geirrt was?“
Ein weibliches Mitglied der Crew stellte sich provozierend neben den Anführer. Offensichtlich wollte sie ihrem Freund den Rücken stärken oder einfach den anderen Mädels zeigen, dass der Norm zu ihr gehörte und sie keine Angst hatte, ihm auch im Kampf beizustehen. Sie war vielleicht vierzehn Jahre alt und eindeutig ebenfalls ein Norm. Die Schulterlangen, extrem blondierten Haare hingen strähnig in ihr junges Gesicht.
Auf dem knappen schwarzen Top war eine den Mittelfinger zeigende Hand in weißen Strichen zu sehen, darunter war das Wort Drekhead zu lesen. Ihre Jeans hatte sie fransig knapp unter dem Schambereich abgeschnitten oder gerissen. Die fehlenden Hosenbeine stellten dürre, blasse Stelzen zur Schau die in ausgelatschten Turnschuhen endeten.
Das ganze erinnerte Wolf an einen verdammt runter gekommenen Kindergarten.
Er bockte seine BMW, auf der Engel noch immer seelenruhig ihren Rausch ausschlief, kurz vor den Randalekids auf.
Er hoffte darauf, dass seine Freundin nicht wieder von dem Sitz rutschte und stellte sich dann ebenfalls breitbeinig daneben.
Eine dreckige Welt in der man seine Kräfte mit Kindern und kaum ausgewachsenen Jugendlichen messen mußte. Und das in seinem Heimatdorf! Absolute Härte.
Langsam schüttelte er den Kopf und atmete tief aus.
„Pass mal auf alter Pisser, du nimmst jetzt deine Freundin, legst deine Jacke, deinen Ebbi un auch sonst alle Klunker auf den Sattel und schleichst dich zurück dahin wo du herkommst, sonst schicken wir dich ohne Umwege direkt in die Hölle. Capische?“
Der Anführer schien sich mit seiner Crew im Rücken sehr sicher zu fühlen. Die Kleine neben ihm zog ein Butterfly und flirrte es amateurhaft herum bevor sie es in ausgeklapptem Zustand zum Stillstand kommen ließ.
Wahrscheinlich sollte ihm diese Aktion Angst einflößen.
Wolf war kurz davor laut loszulachen. Stattdessen ließ er seine eigenen Butterfly Messer in einer routinierten Bewegung aus den Verstecken innerhalb der Ärmel seiner Lederjacke in seine Hände rutschen.
Wesentlich routinierter als das junge Mädchen flirrte er die Waffen auf und zusammen. Die verchromten Klingen blitzten in dem flackernden Licht der Feuertonne wie Blitze kurz auf um dann wieder zu verschwinden. Er wiederholte die Aktion ein weiteres Mal um sicher sein zu können, dass alle Kids den Trick gesehen hatten und überzeugt waren, nicht einen wehrlosen Schlips vor sich zu haben.
Er zauberte ein brutales Lächeln auf sein Gesicht, von dem er wußte, dass es die entstellenden Narben tanzen ließ. Die Kombination verfehlte nicht ihre Wirkung.
In den Reihen der Randalekids ertönte leises Gemurmel, und auch der Anführer und seine weibliche Leibgarde hatten ihr Grinsen verloren.
Möchtegern Drekheads.
Wolf fühlte den Alkohol in seinem Körper und vor allem innerhalb seines biologisch verstärkten Gehirns arbeiten und den unterdrückten Killerinstinkt, den er sich über Jahre hinweg zugelegt hatte, wieder zurückkehren.
Was bildete sich dieser Abschaum ein, ihm in seiner Heimat aufzulauern, ihn ausrauben zu wollen. Er hörte in sich hinein, aber die beruhigende Stimme Engels war nicht zu vernehmen. Kein Wunder, sie schlief auf dem Motorrad, keinen Meter neben ihm.
Automatisch schaltete er seine Cyberaugen auf Lichtverstärkersicht um, seine Sporne fuhren lautlos aus den Knöcheln seiner rechten Hand, die Kampfmaschine lief an.
Einige der Kids schienen die Sachlage noch einmal überdacht zu haben und zu der Feststellung gekommen zu sein, dass eine Lederjacke und ein Motorrad und was das anging auch ein noch so fetter Ebbi nicht das Risiko wert war, sich mit einer erfahrenen Messerklaue anzulegen.
Drei oder vier der Kiddis zogen sich in die Schatten der Umgebung zurück. Der Rest wurde nervös.
Wolf konnte fast den Angstschweiß riechen, den die Crew um den jungen Norm jetzt verströmte. Aber noch wollte sich der Anführer nicht geschlagen geben. Er mußte sein Gesicht vor der Gruppe wahren.
Er hatte sich offen mit Wolf angelegt und würde den Respekt seiner Untergebenen verlieren wenn er sich nun zurückzog.
„Glaubst wohl du bist n ganz Harter, häh? Nur weil du mit n paar Schlitzern rumfuchteln kannst und aussiehst wie ein drecks Alptraum musste nicht glauben, dass ich Angst hab. Komm doch her wenne genug Mut hast.“
Wolfs Sinne, durch jahrelanges Leben auf der Straße geschärft, signalisierten seinem Adrenalin durchflutetem Hirn, dass der Norm seine rechte Hand immer weiter zurück nahm. Langsam, nicht ruckartig, sondern eher beiläufig war er wohl dabei, sie zu einer Waffe zu führen, die hinter seinem Rücken in dem Bund seiner Hose steckte.
Der Kleine war gut, dass mußte Wolf ihm lassen. Die meisten Gegner hätten die Bewegung nicht registriert oder als unwichtig abgetan. Aber Wolf war eben kein normaler Gegner. Er war eine hochgezüchtete Messerklaue, ein Straßensamurai erster Klasse, mit jahrelanger Erfahrung und massenhaft Cyber- wie auch Biowareimplantaten in seinem Körper.
„Warum antwortest du mir nicht, Drekhead? Bist du stumm oder einfach nur blöd?“
Die Hand des Randalekids war nun hinter seinem Rücken verschwunden, Zeit für Wolf etwas zu unternehmen.
Langsam, mit langen Schritten ging er auf die Gruppe Jugendlicher zu. Die Butterflys in seinen Händen flirrten bedächtig auf und wieder zu.
Immer mehr der Kids entschieden sich dafür, ihr Heil in der Flucht zu suchen. Dieser Typ war ihnen nicht geheuer. Sogar der weibliche Bodyguard des Anführers machte einen Schritt zurück und zerrte ihren Schützling am Ärmel des T-Shirts. Sie sagte nichts, aber an dem verängstigten Blick den sie Wolf zuwarf konnte dieser erkennen, dass auch sie überzeugt davon war, diesen Kampf auch mit Hilfe ihrer Meute nicht für sich entscheiden zu können. Und besser einen Freund, über den der Rest der Gruppe lachte, als einen der in einer Kiste begraben wurde.
Wütend riss sich der Anführer von ihr los.
„Drek! Was soll das ihr stinkenden Ratten. Das ist nur ein verdammter Dreckhead. Einer!“ Wolf stand nun nur noch drei Meter von dem Norm entfernt, aber weiter wollte ihn dieser auch nicht kommen lassen. Er ließ seine Hand nach vorne schnellen und richtete einen kleinen kurzläufigen Revolver auf seinen Gegner.
Der Straßensamurai konnte das Fabrikat nicht erkennen, schätzte die kleinkalibrige Waffe jedoch nur als Gefahr ein, wenn der Typ ihn an einer ungepanzerten Stelle damit traf.
Seine kevlarverstärkte Lederjacke dürfte kein Problem damit haben, die Geschosse abzufangen. So weit wollte er es aber gar nicht erst kommen lassen.
Seine verstärkten Reflexe ließen ihn einen schnellen Schritt nach vorne machen und dann mit Schwung in die Luft springen, das linke Bein zu einem vernichtenden Tritt gegen den Brustkorb des Anführers nach oben reißend.
Wie nicht anders zu erwarten wurde der Norm von der Aktion völlig überrascht. Durch die Wucht des Angriffs wurde er nach hinten in die Arme eines seiner Mitkämpfer, einem vielleicht 13 jährigen Ork geschleudert.
Der leichte Revolver feuerte im Fall ein heulendes Projektil in den sternenlosen Himmel des dämmernden Morgengrauens. Mit schmerzverzerrtem Gesicht glitt der Anführer aus der Umklammerung des jungen Orks auf den Boden, die Arme schützend vor der Brust verschränkt und krampfhaft nach Luft röchelnd.
In einer fließenden Bewegung schnellte Wolf weiter. Seine rechte Faust mit den ausgefahrenen Spornen schossen auf das angsterfüllte Gesicht des Mädchens zu.
Wolf hatte sie schon abgeschrieben und sich die nächsten beiden Kids als Primärziele erwählt als eine bekannte Stimme hinter ihm seinen Namen schrie.
„Wolf!“
Die tödlichen Klingen blieben nur Millimeter vor den vor Schreck geweiteten Augen in der Luft stehen. Mitten in der Bewegung erstarrte die Kampfmaschine.
„Hör auf Chummer. Hast gewonnen. Die Kiddis kennen dich nicht mehr un ich bin sicher, dass sie sich jetzt winselnd von dir entfernen werden. Iss nich nötig ihr Blut über die Straße zu verteilen.“
Gromo musste aus einer der Gassen hinter ihm getreten sein. Die beruhigende Stimme des Orks übertönte nur leise das Rauschen des Blutes in seinem Kopf und setzte sich auch nur knapp gegen das in Massen ausgeschüttetes Adrenalin durch.
Die Stahlklingen seiner Sporne zitterten vor Anspannung, aber Wolf führte den tödlichen Angriff nicht aus.
„Krissel, du dummer Drekhead solltest dir wirklich mal die Leute ansehen bevor du versuchst sie ab zu rippen. Kannst von Glück reden dass Spliff mit sowas gerechnet und mich hinter unserem alten Chummer Wolf her geschickt hat.“
Gromo trat neben die Messerklaue und legte sanft die Hand auf die Schulter, deren Hand wie ein Damoklesschwert vor dem Gesicht des Mädchens schwebte.
Mit leichtem Druck sorgte er dafür, dass Wolf die Faust mit den Spornen langsam absenkte. Der angesprochene Anführer atmete immer noch schwer und hatte einige Probleme damit sich aufzurichten. Den Revolver hatte er bei seinem Sturz verloren. Er wagte es nicht, weiter auf den Ork und den Elf zuzugehen, da die Sporne seine Freundin immer noch in Brusthöhe bedrohten.
„Wolf?“
Seine Stimme klang angeschlagen und es schien ihm zu dämmern, dass er gerade dem Tod aus dem Griff gerutscht war.
„Wolf, der Bluthund der Mafia?“
Seine Augen hatten sich geweitet und auch seine Atmung war erhöht. Wolf ließ die Sporne zurück in ihre Halterungen innerhalb seiner Faust schnellen und flirrte die Butterflys wieder zusammen. Jetzt wo Gromo den Namen des Norms genannt hatte, erinnerte er sich wieder.
Es war der jüngere Sohn einer Familie hier aus der Ortschaft. Der ältere Bruder war in etwa in seinem Alter und früher einmal ein Chummer gewesen.
Während Wolf jedoch irgendwann der russischen Mafia beigetreten war, hatte Krissel sich eine italienische Freundin genommen und war so bei der Gegenseite untergekommen. Den kleinen Bruder hatte Wolf vor Jahren auch gekannt, aber erkannt hätte er ihn in der dunklen Gasse auf Anhieb nicht.
Jetzt wo der offensichtlich bekannte Gromo neben der außer Kontrolle geratenen Kampfmaschine stand und diese offensichtlich zurückhielt, trauten sich auch die restlichen Kiddis wieder auf die Straße.
Der abgerissene Haufen starrte die beiden Runner mit einer Mischung aus angsterfüllten, neugierigen und auch unterwürfigen Blicken an.
Wolf entspannte sich nach und nach, blieb jedoch vorsichtig um die Randalekids bei dem geringsten Anzeichen von Gefahr in der Luft zerreißen zu können.
„Genau der. Iss zwar zu einem Elf geworden, aber sonst iss er noch so ziemlich derselbe. Und bevor du fragst warum er dir Drekhead das nicht gesagt hat musst du wissen, dass er nich mehr redet.“
Der grobschlächtige Ork schnaufte kurz und blickte sich dann unter den Randalekids um. „Spliff hat euch doch gesagt, dass hier im Ort niemand belästigt oder sogar ausgeraubt wird oder? Jetzt frag ich mich was das hier dann soll? Eigentlich hätte ich Wolf nicht zurückhalten, sondern zusehen sollen wie er euch zerfleischt.“
Er drehte sich zu ihm um.
„Wolf, den kleinen Krissel kennst du ja wahrscheinlich noch. Der Rest dieses lächerlichen Haufens nennt sich Schlipstreter und bildet sich ein, den Platz unserer alten Gang einnehmen zu können.“
Aus den abfälligen Worten konnte Wolf erkennen, was der Ork von der Gang um den jungen Krissel hielt. Nicht viel, soviel war klar.
„Hoi Wolf, sorry, aber kann ja keiner ahnen das du hier morgens durch die Straßen schleichst. Wo willste eigentlich hin?“
Krissel hatte sich erholt und schritt nun vorsichtig auf Wolf und Gromo zu während seine Freundin sich langsam rückwärts gehend entfernte um aus dem Gefahrenradius der Messerklauen zu kommen. Wolf fixierte den Norm mit einem kalten Blick unter dem dieser zusammen zuckte.
„Hab doch eben schon gesagt, dass er nich redet, und schon gar net mit Drekheads wie euch.“ Bei den Worten von Gromo zuckten die meisten der Kiddis zusammen.
Wolf registrierte, dass die Massenheim Youngsters wohl immer noch das Sagen in der Ortschaft und auch der näheren Umgebung hatten. Der Respekt vor der Gang bestand immer noch.
Wieder sah Gromo zu seinem Chummer.
„Wir sollten uns auf den Weg machen. Bald wird es hell und dann kann es schon mal vorkommen, dass die Cops ihre Streifen hier durch führen. Gerade auf der Hauptstraße wo du ja wohnst. Es sei denn natürlich du willst den Kindern hier noch ne Abreibung verpassen. Aber wenn das so sein sollte, möchte ich dich doch bitten, sie nicht gleich zu geeken. Is echt unnötig. Un die meisten sin gar nich so schlecht. Wenn man von ein paar Ausnahmen mal absieht.“
Bei dem letzten Satz blickte der Ork in die Richtung des Anführers der sich neben seine Freundin gestellt hatte und jetzt betreten zu Boden blickte.
Wolfs Wut war verflogen. Die beruhigende Art des Orks hatte ihn soweit abgedämpft, dass sein böses Ich nicht mehr nach vergossenem Blut schrie.
Er zuckte kurz mit den Schultern und drehte sich dann zu seiner Maschine und der darauf schlafenden Engel um. Nachdem er sich davon überzeugt hatte, dass seine Gefährtin nichts von dem Zwischenfall bemerkt hatte, klappte er den Ständer mit einer schnellen Bewegung seines Fußes ein und schob wieder an.
Die beiden Butterfly-Messer waren in seinen Ärmeln verschwunden.
Der Ork war stehen geblieben und achtete darauf, dass keines der Randalekids noch eine Dummheit ausheckte. Die Schlipstreter verhielten sich jedoch sehr zurückhaltend und hatten offensichtlich nicht die Absicht, den beiden Straßensamurais weitere Probleme zu bereiten. Als Wolf Gromo passierte setzte dieser sich ebenfalls in Bewegung und vor ihnen tat sich eine Gasse zwischen den jungen Gangern auf.
Im vorbeigehen versetzte Gromo dem nun sehr geknickt aussehenden Krissel einen leichten Schlag auf den Hinterkopf.
„Da habt ihr ja noch mal mehr Glück als Verstand gehabt. Verlasst euch lieber nich darauf und wenn ich euch noch mal bei so ner Aktion in Massenheim erwische könnt ihr euch darauf einrichten die nächste Zeit in nem Verband zu verbringen.“
Die Worte des Orks grollten nun gar nicht mehr beruhigend über die Gruppe.
Wolf musterte den Rest der Gang. Heruntergekommene Gestalten. Alle im Alter zwischen vierzehn und siebzehn.
Verdammt.
Wäre Gromo nicht aufgetaucht, hätte sein Körper hier ein Blutbad angerichtet.
Innerlich dankte er Spliff für seine Vorsicht, Gromo hinter den neuen Teammitgliedern her zu schicken. Er nahm sich vor seinem Chummer morgen dafür zu danken. Es war ein gutes Gefühl zu wissen, dass sich wieder jemand Gedanken um ihn machte.
Wieder fast zu einer Gang zu gehören.
Als sie die Schlipstreter hinter sich gelassen hatten, hörten sie, wie leises Gemurmel auskam. Die kleine Blondine mit dem Messer schien einem Weinkrampf zu erliegen.
Sie bogen auf die Hauptstraße ein und gingen an verfallenden Einfamilienhäusern und dunklen und verdreckten Hofeinfahrten vorbei. Irgendwo kläffte ein Hund. Sonst war kein Laut zu hören.
Seit die Konzerne die meisten Industriegebiete der Umgebung geschlossen hatten war Massenheim in einen Dornröschenschlaf verfallen, aus dem es ohne Hilfe einfach nicht erwachen konnte. Die meisten ehrlichen Bürger waren umgezogen und hatten das Dorf dem ausgestoßenen Rest der unteren Bevölkerungsschichten hinterlassen.
„Hättest du die kleinen Ratten wirklich gegeekt?“
Gromo zündete sich eine Zigarette an, die er zusammen mit einem altersschwachen Feuerzeug aus den unergründlichen Tiefen seiner gepanzerten Weste gezogen hatte.
Wolf nickte nur knapp.
„Krasse Sache Chummer. Was dagegen wenn wir bei dir noch einen rauchen? Ich meine deine Kleine schläft ja eh noch ne Runde.“
Der Ork sog den Rauch der glimmenden Zigarette tief in seine Lungen und ließ ihn dann in ansehnlichen Ringen aus seinem Mund entweichen. Dass der Ork dieses Kunststück trotz seiner Hauer vollbringen konnte überraschte Wolf immer wieder.
„Nein, Gromo, keinen Einwand. Hab aber nichts zu trinken im Haus.“
Er griff in eine Innentasche seiner Lederjacke und zog ebenfalls eine Zigarette heraus, während der Angesprochene konsterniert stehen blieb.
„Ich dachte du sprichst nich mehr, Chummer.“
Die Überraschung war klar aus der Stimme des Orks herauszuhören. Wolf warf ihm ein Lächeln über die Schulter zu.
„Stimmt so nicht ganz, du alter Hauer. Aber ich wähle meine Gesprächspartner mittlerweile sehr genau aus.“
Gromo hatte sich gefangen und war mit einigen schnellen Schritten wieder neben ihm.
„Du hast mich eben davor bewahrt, wieder einen beachtlichen Teil meiner Seele zu verlieren. Ich hätte die Kids echt in Stücke gehauen, und das spätestens morgen bereut. Normalerweise hält Engel mich von solchen unnötigen Aktionen ab, aber die ist ja im Moment außer Gefecht. Damit bin ich dir was schuldig. Außerdem sind wir alte Chummer, aber bevor ich mit den anderen rede, muss ich mich erst wieder einleben und entscheiden wer es wert ist.“
Seine Ausführung schien den Ork zu überraschen, aber er nahm sie hin ohne weitere Fragen zu stellen.
Sie hatten Wolfs altes Heim erreicht und standen jetzt vor dem großen braunen Tor, das von einem kunstvollen Graffiti in allen Farben des Regenbogens verziert wurde.
Es stellte einen heulenden Wolf dar, unter dem die Initialen der Gang zu erkennen waren. „Niemand hat das Grundstück betreten. Jeder hat gewußt wem die Buden gehören, Chummer.“
Wolf nickte. Als seine Eltern gestorben waren, hatte er die Häuser versiegelt und das Zeichen am Tor angebracht in der Hoffnung Einbrecher und randalierende Kids abzuschrecken.
Nach Gromos Aussage schien der Plan aufgegangen zu sein. Er angelte einen Schlüsselbund aus der Hosentasche und öffnete die Tür, die protestierend mit ihren verrosteten Scharnieren quietschte. Gromo folgte ihm in den großen, unbeleuchteten Hof, nachdem er die Tür hinter ihnen wieder ins Schloss geworfen hatte und wartete dann kurz bis Wolf die BMW unter einem an zwei Seiten offenen Pavillion abgestellt hatte.
Dieser warf ihm den Schlüsselbund mit einer schnellen Bewegung zu und hob Engel dann sanft aus dem Sattel.
Der Ork fischte den wirbelnden Bund aus der Luft und beeilte sich, die Haustür des hinteren, wesentlich größeren Gebäudes zu öffnen.
Das vordere Haus war schon immer vermietet gewesen, bis Wolf die Mieter vor die Tür gesetzt hatte. Er hatte es nicht ertragen können sich mit nach dem Tod seiner Eltern oder auch nur der Verwaltung ihrer Hinterlassenschaft auseinanderzusetzen.
Die Haustür seines Elternhauses öffnete sich lautlos und Gromo stiefelte in den Hausflur, fluchend nach dem Lichtschalter suchend.
Wolf betrat nach einem kurzen Durchatmen die muffig und abgestanden riechende Atmosphäre seiner Heimat.
Im Gegensatz zu Gromo fand er den Lichtschalter, der sich direkt neben der Eingangstür befand und war überrascht, dass sofort Helligkeit die unteren Räumlichkeiten überflutete. Das Haus war mit einer Solarenergieanlage ausgestattet, die Energie in einen Speicher im Keller abführte. Offenbar hatten die langen Jahre der Vernachlässigung nicht zu Defekten geführt. Zwar waren einige der Halogenlampen wohl nicht mehr in Ordnung, aber die meisten der Leuchtstäbe verteilten ein angenehm helles aber indirektes Licht.
Wolf blieb im Erdgeschoß, ging an dem Treppenhaus und dem Zugang zur Küche vorbei direkt in das große Wohnzimmer.
Gromo folgte ihm und zog die mit dickem Staub bedeckte Plane von einem gemütlichen Ledersofa. Hier legte Wolf die tief schlafende Engel ab und blickte sich dann um.
Ja, Gromo hatte recht gehabt. Niemand hatte das Haus seit Jahren betreten. Es war alles noch so wie er es in Erinnerung hatte. Die mittlerweile retro wirkenden Möbel, die zu Lebzeiten seiner Eltern State-of-the-Art gewesen waren, standen unberührt an ihrem angestammten Platz, genau wie das altertümliche Trideo und die Soundanlage.
Alles in Glas, Silber und Edelstahl, verbunden mit einem hellen Parkettboden. Es hätte kalt und befremdlich wirken können, aber seine Mutter hatte es verstanden dem ganzen einen Flair von eleganter Wohnlichkeit zu verleihen, in der er sich immer wohl gefühlt hatte.
Gromo zog die Planen von einem weiteren Sofa sowie einem Sessel und ließ sich dann schnaufend in selbigen fallen, bevor er einen Beutel Snuff aus einer Tasche zog.
„Tut gut wieder Zuhause zu sein, oder?“
Wolf nickte wieder.
„Ist aber auch ein komisches Gefühl.“
Er zog seine alte Lederjacke aus und deckte damit seinen schlafenden Engel zu. Dann machte er sich auf den Weg in den Keller und kehrte kurz darauf mit zwei staubbedeckten Weinflaschen zurück.
Seine Eltern waren Feinschmecker gewesen.
Gromo hatte mittlerweile die Fernbedienung der Soundanlage entdeckt, entstaubt und das altersschwache Gerät aktiviert. Nach einigen Sekunden der Sendersuche in denen Wolf eine der Flaschen öffnete und zwei Gläser aus einem Wandschrank entnahm, ertönte leise Musik aus dem Gerät.
Der stolze Hausbesitzer, der hoffte, dass man den Wein noch trinken konnte, goss die beiden Gläser voll und reichte eines davon seinem alten Chummer, der bereits wieder dabei war einen Joint fertig zu rollen.
Er wartete bis der Ork seine Arbeiten beendet hatte und stieß dann mit ihm an.
„Auf die alten Zeiten.“
Wolf nickte.
„Auf uns. Möge nichts und niemand die Massenheim Youngsters trennen können. Brüder und Schwestern bis zu den Pforten der Hölle.“
Rezitierte die elfische Messerklaue den Leitspruch ihrer Gang.
Der Wein war hervorragend, auch wenn Gromo davon nichts mitbekam, weil er das Glas in einem tiefen Schluck in sich hinein schüttete.
Nun ließ sich auch Wolf auf das zweite Sofa fallen und verzog schmerzhaft das Gesicht, da die beiden schweren Pistolen ihn drückten. Als er sie mitsamt den dazugehörenden Holstern aus seinem Hosenbund am Rücken zog und neben sich auf dem schwarzen Leder des Sofas ablegte zündete Gromo bereits das kunstvoll gedrehte Rauchwerk an.
„Willst du jetzt wieder längerfristig hier einziehen?“
Die Frage kam zwischen zwei Zügen, während denen Gromo sich die vergoldeten Hauer bleckte.
„Weis nicht. Kommt wohl auf Engel an. Sie denkt und ich mache. Ist unser beziehungsinternes Abkommen, Chummer.“
Antwortete Wolf wahrheitsgemäß. Irgendwie hatte er Massenheim schon vermisst, aber wieder hier ein zu ziehen würde bedeuten, wieder eine bekannte Adresse zu besitzen.
Zwar hatten die Italiener das Kopfgeld zurückgezogen, aber er hatte sich in seinem Leben eine ganze Reihe an Feinden zugelegt.
„Na ja, wir würden uns auf jeden Fall freuen und wir könnten auch wieder dafür sorgen, dass die Kids nich soviel Drek bauen.“
Der Ork reichte den Joint weiter, den Wolf dankbar entgegen nahm.
Bis in die frühen Morgenstunden redeten die beiden Straßensamurais über vergangene Zeiten und die Zukunft, über den Auftrag und ihre Pläne für die verdienten EC.
Irgendwann bemerkte Wolf das Gromo nicht mehr antwortete, und seine Augen geschlossen waren. Er trank den letzten Schluck des Weines und lehnte sich dann ebenfalls zurück um die Augen zu schließen.


Engel fühlte sich elend. Ihr Kopf schien zerplatzen zu wollen.
Zuviel Soybier. Ohne Frage.
Sie versuchte sich mit noch geschlossenen Augen an Einzelheiten des gestrigen Abends zu erinnern, aber zumindest das Ende verschwand in den dunkeln Löchern in ihrem gemarterten Hirn.
Um sie herum nahm sie leises, gleichmäßiges Atmen war.
Wolf. Eindeutig.
Sie hatte gelernt die Geräusche, die der Körper ihres Freundes von sich gab, zu erkennen.
Er schlief und das maximal ein paar Meter entfernt von ihr. Eine weitere Person schlief in ihrer Nähe. Das atmen hörte sich jedoch wesentlich tiefer an. Sie tippte auf den Ork, Wolfs Chummer.
Wie war sein Name doch gleich gewesen? Gromo, richtig.
Zaghaft öffnete sie die Augen und registrierte, dass sie nicht mehr bei Spliff waren.
Der große Raum war vornehmlich in hellen Farben gestrichen, das Parkett verbreitete eine wohnliche Atmosphäre und die zeitlosen Metall- und Glasmöbel rundeten das Ambiente einer Wohnung eines Execs in gehobener Position ab.
Sie lag auf einer sehr bequemen schwarzen Ledercouch und war mit Wolfs Lederjacke zugedeckt, deren Besitzer auf einem baugleichen Möbelstück im sitzen vor sich hin schlummerte.
Seine beiden schweren Pistolen in den Händen.
Sie hatte richtig getippt. Der Chummer ihres Gefährten saß auf einem schwarzen Ledersessel, die Beine voll ausgestreckt und den Kopf in den Nacken gelegt. Auch er schien noch tief im Lande der Träume zu wandeln.
Der Raum hatte zwar eine große Fensterfront, die eine gesamte Wand einnahm sowie ein weiteres, kleineres Fenster, aber beides war mit Platten und Brettern verschlossen worden. Das Licht in dem Raum kam von einigen schwach leuchtenden indirekten Quellen.
Erst jetzt bemerkte Engel den Grund für ihr vorzeitiges Aufwachen.
Ihr tragbares Telekom, das in einem ihrer Armreifen integriert war, summte leise um sie auf einen Anruf aufmerksam zu machen.
Sie schüttelte die Benommenheit ab und aktivierte das Gerät während sie aufstand und auf die einzige Tür im Raum zusteuerte.
Auf ihr standartisiertes Ja antwortete Stute mit einem freudigen „Hoi Engel“.
Sofort war Engels Laune wieder einige Etagen weiter oben.
Die Deckerin war ihr nicht nur sympathisch, sie lag mit ihr auch voll auf einer Wellenlänge. „Hoi Stute. Wie geht’s dir?“
Die Frage kam automatisch. Engel wusste, dass Stute nicht wirklich weniger konsumiert hatte als sie selbst.
„Na ja, nach zwei Schmerztabletten und ner Dusche wieder ganz gut. Und dir?“
Engel lächelte. Wenigstens war Stute nicht immun gegen einen Kater.
„Hab beides noch vor mir, aber geht schon. Bin gerade erst aufgewacht und hab nen Schlagzeug spielenden Troll im Kopf. Außerdem hab ich keinen Plan wo ich bin oder wie ich hier herkomme. Wolf und Gromo pennen noch. Männer halt.“
Sie war aus dem Raum in ein kombiniertes Treppenhaus/Flur getreten in dem ein großer Schrank mit einem integrierten Spiegel stand. Beim Anblick ihres Bildes zuckte sie zusammen. Das Haar wirr in alle Richtungen abstehend, tiefe Augenringe und völlig zerknautscht gab sie ein Bild des Jammers ab.
„Ach Drek, Stute ich seh aus wie ne dreks Vogelscheuche.“
Sie versuchte zumindest ihre Haare wieder in eine Art Frisur zu zwingen während Stute hell in ihr Ende der Leitung lachte.
„Kleines, mach dir keine Gedanken. Ihr seid in Wolfs Elternhaus. Im oberen Stockwerk gibt’s ein Badezimmer. Hast du Klamotten dabei?“
Engel schüttelte den Kopf, bevor sie bemerkte, dass ihr Telekom ja gar keine Kamera besaß. „Nein, hab ich nicht. War ja auch gar nicht geplant das Wolf und ich hier über Nacht bleiben.“
Die Situation war Engel peinlich. Normalerweise hatte sie immer Kleidung zum Wechseln dabei oder doch zumindest in der Nähe an einem sicheren Ort deponiert. Diese Vorgehensweise hatte sie sich während ihrer Zeit als Prostituierte zugelegt.
„Kein Problem. Spring erst mal unter die Dusche und lass die beiden Träumer da wo sie sind. Ich seh mal nach ob ich was Passendes für dich im Schrank habe und komme dann vorbei. Spliff meint, dass es besser wäre, wenn ihr zumindest für die Zeit des Auftrags hier in Massenheim bleiben würdet. Er hat es gerne wenn das Team zusammen ist. Das bedeutet, dass du für dich und deinen Traummann ein paar Sachen holen mußt. Und da der ja wohl noch außer Gefecht ist, fahren wir beide nach Wiesbaden.“
Engel wurde von der plötzlichen Entwicklung so überrascht, dass sie nur zustimmend murmeln konnte.
„So ka, dann ab mit dir unter die Dusche, bin in einer Viertelstunde da.“
Noch bevor sie sich gefangen hatte, beendete Stute die Verbindung und ließ die völlig überrumpelte Engel in dem halb hellen Treppenhaus stehen.
Gut, es war normal, dass Leader ihre Runner während des Runs auf einem Fleck haben wollten. Die konzentrierte Feuerkraft des Teams schützte vor den meisten Überraschungen. Das Verlangen von Spliff zeugte davon, dass er seine Rolle als Leiter des Teams ernst nahm und sich um seine Leute kümmerte.
Sie schüttelte den Kopf und tappte die verstaubte Treppe aus leicht grünlichen Glasstufen auf der Suche nach dem Badezimmer hinauf. Wenn das Haus, das Wolfs Eltern ihm hinterlassen hatten, im Erdgeschoß schon ein beeindruckendes Bild in ihr hinterlassen hatte, so kam der erste Stock einem Traum gleich.
Helle Pastelltöne zierten die Wände jedes Raumes von denen die Etage fünf beinhaltete. Ein riesiges Schlafzimmer mit begehbarem Kleiderschrank und einer kompletten Spiegelwand, ein Büro, in dem veraltete elektronische Geräte in perfekter Harmonie mit der Einrichtung aus hellem Holz existierten und ein Gästezimmer, das mit seinen beigen Wänden und den erdfarbenen Möbeln Wärme und eine besondere Ruhe ausstrahlte.
Trotz des Staubes, der sich über die Jahre hinweg auf alle Oberflächen gelegt hatte, war das Haus ein würdiges Zeichen einer Familie der gehobenen Mittelschicht.
Nicht der Sararimänner, die sich mit ihren kargen Konzertarifgehältern gerade einmal Möbel von Aldi-Real leisten konnten, sondern der Stolz eines Execs der gehobenen Führungsetage. Engel wandelte durch die lichtdurchfluteten Räume und konnte sich immer weniger einen Reim darauf machen warum ein Mensch, der solch einen Besitz sein Eigen nennen konnte, in den untersten Schichten der Gesellschaft herumhing.
Warum Wolf nicht hier eine Familie gegründet und sein Leben aus den Mieteinnahmen der anderen beiden Häuser finanziert hatte.
Sie betrat den letzten Raum auf ihrer selbst geführten Tour durch die Villa Wolf.
Das Bad war ein Traum in Weiß und Chrom. Zwei Waschbecken aus echtem Marmor mit glänzenden Wasserhähnen, eine Duschkabine die groß genug war, um das ganze Bad ihrer alten Wohnung in der Frankfurter Innenstadt aufzunehmen und ein nach außen verspiegeltes Fenster, das einen Blick auf das Umland gestattete. An den Haken der Tür hingen ordentlich zwei große Handtücher in schwarzer Farbe.
Sie angelte sich eines der flauschigen Stofftücher und öffnete dann das Fenster um den Stoff kräftig schüttelnd von dem Staub zu befreien. Danach zog sie ihre modische Garderobe in elegantem Weiß aus und hoffte darauf, dass der Wasseranschluss für das Grundstück nicht schon vor Jahren abgestellt worden war.
Als sie die Türen der verglasten Duschkabine öffnete, schoss sofort eine leichter Regen aus feinem Wassernebel aus hunderten Düsen, welche in der Decke der Kabine versteckt angebracht waren.
Erstaunt, das die jahrelang nicht genutzte Technik noch so hervorragend funktionierte wartete sie, bis das Wasser den Staub aus der Kabine entfernt hatte und stieg dann unter das herrlich warme Nass.
Sie bemerkte wie ihre verkrampften Muskeln sich fast sofort entspannten und nahm sich vor, ein ernstes Wort mit ihrem Partner zu wechseln.
Einen Luxus wie in diesem Haus kannte sie nur aus dem Trideo und auch das modern ausgestattete Bad ihrer Stadtwohnung konnte mit diesem Wunderwerk der Technik nicht mithalten.
Ihre Begeisterung machte einen weiteren Satz, als sie ein wasserdichtes Display entdeckte, über das man Wassertemperatur sowie Pflege- und Duftzusätze für die Wasserdüsen steuern konnte.
Sie entschied sich aus hunderten von verschiedenen Varianten für einen Aprikosenduft mit einer Haarpflegekur und nur Sekundenbruchteile nach ihrer Bestätigung der Eingabe roch der Nebel in der Kabine nach einem ganzen Aprikosenhain.
Nach mehreren Minuten musste sich Engel zwingen das Wasser abzustellen und die Kabine zu verlassen. Sie wollte Stute nicht warten lassen.
In einem kleinen Schrank unterhalb der Waschbecken entdeckte sie einen Stapel Bademäntel aus demselben Stoff wie das Handtuch und schlüpfte hinein bevor sie sich die langen Haare trocken rubbelte.
Jetzt fühlte sie sich nicht nur erholt, sondern wieder in Topform.
Verächtlich warf sie einen Blick auf ihre Kleidung, die sie die Nacht über getragen hatte. Normalerweise war sie nicht so zimperlich was ihre Garderobe anging, aber sich nach diesem Duschgenuß wieder in die nach Rauch und Schweiß riechenden Klamotten zu zwingen kam schon fast einem Verbrechen gleich.
Sie hoffte das Stute ihr etwas Passendes mitbringen würde, nahm kurz entschlossen die Sachen auf ihren Arm, bevor sie das Bad in dem flauschigen schwarzen Bademantel verließ. Direkt vor der Tür stieß sie fast mit einer grinsenden Gestalt zusammen und nahm automatisch eine Abwehrhaltung des Kickboxens ein, die Wolf ihr beigebracht hatte, wobei ihre Sachen auf dem dunkel blauen Teppich landeten.
Stute trug lässige Freizeitkleidung, bestehend aus einer verwaschenen Jeans und einem luftigen hell roten Top.
„Na du hast die Dusche ja richtig genossen, was?“
Der schelmische Ausdruck in ihren Augen ließ Engel eine entspanntere Haltung einnehmen und zurück grinsen.
„Jap, hab ich echt mal gebraucht. Das Haus is ja wohl mal der volle Hammer. Hoffe nur du hast mir nen paar Klamotten mitgebracht. Würd mich nur ungerne in die stinkigen Sachen von gestern quälen.“
Sie hob elegant ihre Kleidung auf und ging an ihrer neuen Teamkollegin vorbei in das große Schlafzimmer.
„Jap, wird zwar nicht unbedingt deine Größe und dein Stil sein, aber ich denke bis du auf deine eigenen Klamotten Zugriff hast wird es wohl reichen.“
Sie folgte Engel in den Raum und zog die Plane von dem wahrlich gigantischen Bett, das ohne Probleme für eine ausgelassene Orgie von fünf bis zehn Trollen gereicht hätte. Kurz bevor sie sich auf das Bett setzte, warf sie Engel einen vollgestopften Rucksack zu.
„Wie bist du eigentlich hier rein gekommen?“
Engel durchwühlte die Kleidung in dem Rucksack und entschied sich für eine schwarze Stoffhose mit aufgenähten silbernen Knöpfen an den Seiten der Hosenbeine und ein mint grünes trägerloses Oberteil, welches tiefe Einblicke auf das Dekolleté der Trägerin erlaubte. Freudig stellte sie fest das Stute sogar an frische Unterwäsche gedacht hatte.
„Gromo ist mittlerweile aus seinem Koma erwacht und hat mir die Tür geöffnet. Dein Prinz allerdings weilt noch immer im Land der Träume.“
Stute besah sich den von Engel abgelegten Schmuck, während diese aus dem Bademantel glitt und sich vor der Spiegelwand ankleidete.
Die Hose saß fast perfekt, und auch das Oberteil verrutschte nur ein wenig, was ihr jedoch ein keckes Aussehen verlieh.
„Ist das Zeug magisch?“
Die mit ihrem Aussehen nun fast zufriedene Elfin warf der Deckerin einen Schulterblick zu, während sie ihre langen Haare zu einem Pferdeschwanz zusammenband.
„Der Gürtel und mein Bauchnabelpiercing sind magische Foki. Is mein wertvollster Besitz. Die beiden silbernen Armreife sin ein Wunderwerk von Mitsuhama. Da is echt alles drin was die moderne junge Frau von heute so braucht. Mobiltelefon, Diktiergerät, Kleinstcomputer mit Straßenkarten und einer digitalen hermetischen Bibliothek un so.“
Sie grinste Stute an, während sie ihr die Schmuckstücke aus der Hand nahm und anlegte. „War n Geschenk von Wolf.“
Die Deckerin grinste breit zurück obwohl ihr Gesichtsausdruck klar machte, dass sie weder wusste was ein magischer Fokus noch eine hermetische Bibliothek war.
„Hab ich mir fast gedacht. Hätte nicht gedacht das unser alter Wolf mal so unter der Fuchtel stehen würde und sich dabei auch noch offensichtlich wohl fühlt.“
Mit einem gespielt beleidigten Gesichtsausdruck gab Engel Stute das Zeichen, dass sie fertig und bereit zum Aufbruch war.
„Hey, hey, Chummerita. Mal ganz langsam. Als unschuldiges Mädchen in dieser herben Welt muss man doch sehen wo man bleibt, oder? Und ich glaube nicht, dass mein Göttergatte sich beschweren kann. Dürfte ihm an nicht dem Geringsten fehlen.“
Beide Frauen kicherten und stiegen die Treppe in das Erdgeschoß hinab.
Der Ork hatte sich von dem Wohnzimmer, in dem Wolf immer noch schlief, in die Küche verlegt, wo er mit Stutes Freund an dem runden Holzfuniertisch saß und gerade dabei war, seine Remington 990 zu ölen.
Die brünierte Waffe ruhte entladen auf der Tischplatte, was jedoch nichts an ihrem bedrohlichen Aussehen änderte.
Racker hatte eine Dose Soybier in der Hand und war ausnahmsweise einmal nicht eingestöpselt. Sein Deck ruhte jedoch einsatzbereit neben der Remington.
Beide Runner nickten Engel fröhlich zu als die Frauen die Küche betraten.
„Hoi Engel, hoffe du hast dich wieder voll regeneriert.“
Racker warf ihr ein Blinzeln zu, was von Stute direkt mit einem vernichtenden Blick bestraft wurde.
„Hoi Racker. Hoi Gromo. Jap, geht wieder. War ne Sahne Party gestern.“
Sie sah sich in der mit hellem Holz dekorierten Küche um, die sonst von edlem Stahl dominiert wurde, ging dann zielstrebig auf den Schrank zu den sie als Kühlschrank identifizieren konnte und zog die Tür auf. Gähnende Leere.
Sie hätte sich selbst ohrfeigen können.
Natürlich war in einem Haus, dass seit Jahren nicht mehr bewohnt war, in einem Kühlschrank nichts zu finden. Frustriert schlug sie die Tür wieder zu und blickte in drei schadenfrohe Gesichter.
Stute hatte sich neben ihrem Freund aufgebaut und massierte ihm sanft den Nacken was dieser sichtlich genoß.
Gromo griff in eine der unendlich vielen Taschen seiner gepanzerten Weste und zauberte eine Plast-Flasche mit Sprudelwasser hervor.
„Dachte mir, dass du wahrscheinlich keinen Bock auf Bier hast. Hoffe hab deinen Geschmack getroffen.“
Er warf ihr die Flasche mit einer schnellen Bewegung zu.
„Da der Hausherr seinem Hirn ja noch eine Auszeit gewährt und du als seine Freundin wohl die nächste Instanz darstellst, wollten wir fragen ob wir hier ein wenig chillen und grillen können. Der Auftraggeber will sich heute davon überzeugen, dass seine 5.000 EC gut investiert sind und uns dabei den Termin für den nächsten Transport mitteilen.“
Racker hatte die Augen geschlossen und sprach langsam und genüßlich.
„Man könnte beides verknüpfen und dabei würdest du auch noch ein paar alte Chummer von Wolf kennenlernen. Vielleicht ganz praktisch wenn ihr länger hier bleibt.“
Sie nickte.
„Klar, aber wie ich gerade bemerkt hab is der letzte Einkauf des Hausherrn wohl schon ne ganze Ecke her. Müsste also erst mal zum nächsten Aldi-Real bevor ich euch was anbieten könnte.“
Sie öffnete die Flasche und nahm einen tiefen Schluck, wobei sie merkte dass ihre ausgetrocknete Kehle die Flüssigkeit aufsog wie ein Schwamm.
„Keine Welle, Engel. Du fährst mit Stute nach Wiesbaden und holst ein paar von deinen und Wolfs Sachen. Racker kann Spliff kontakten, damit der einkaufen geht. Kann ja auch sein Schwesterherz mitnehmen, wenn ihm die Schlepperei zuviel ist. Dann können er und Gromo den Garten auf Vordermann bringen. Zumindest soweit, dass wir da den Grill anwerfen können.“
Racker sah sie erwartungsvoll an, wie auch die anderen Teammitglieder. Etwas mit der Situation überfordert stimmte Engel zwischen zwei weiteren Schlucken Wasser nickend zu. Damit war es entschieden. Racker zog ein modernes Mobiltelefon aus einer Tasche seiner Jeanshose, Gromo stand auf und begleitete die Engel hinter sich herziehende Stute zur Tür. „Wird ne fette Party. Hundert Prozent!“
Er öffnete den beiden Frauen die Tür und Engel blinzelte in dem hellen Tageslicht. Innerhalb des Erdgeschosses des Hauses waren alle Fenster mit Brettern und Plastplatten versiegelt gewesen, so dass nur das diffuse, künstliche Licht einiger versteckter Lampen Licht gespendet hatten.
Jetzt erst bemerkte sie, dass es mindestens dreißig Grad Lufttemperatur und die Sonne den Zenit bereits überschritten hatte.
Vor dem Eingang erstreckte sich ein großer, mit groben Steinen gepflasterter Hof an den ein weiteres, etwas kleineres Haus sowie ein offener Pavillon grenzten.
Unter dem Dach stand Wolfs BMW. Ein großes, massiv aussehendes und braun gestrichenes Metalltor trennte das Grundstück von der Hauptstraße, während zwei Meter hohe Steinmauern die anderen Seiten abgrenzten.
Stute zog sie über den Hof auf das Tor zu und kurz darauf standen die beiden jungen Frauen auf der Hauptstraße vor einem schnittigen schwarzen Saab Dynamite 776TI Cabrio. Einem der schnellsten Sportwagen auf den Straßen der ADL.
Engel pfiff leise durch die Zähne.
„Krasse Möhre, Stute.“
Die Angesprochene sah verlegen zu Boden.
„Gehört Racker. Ich hab meinen Wagen letzte Woche gegen eine Mauer gesetzt und Skelett ist bis jetzt noch nicht dazu gekommen ihn zu reparieren. Aber der hier gefällt mir eh besser als mein VW Integra und Racker ist sowieso auf dem absoluten Sporttrip. Da wird er halt ein bischen mehr laufen müssen.“
Engel nickte. Ein Mittelklassewagen wie der Integra von Volkswagen war zwar ein komfortables und sicheres Fortbewegungsmittel, hatte der Eleganz und der brachialen Kraft des PS-Boliden aus dem Hause Saab jedoch nichts entgegenzusetzen.
Beide Frauen öffneten nicht die Türen des Wagens sondern sprangen mit einem Satz in die Schalensitze. Stute griff zu der Beifahrerseite herüber und zog zwei verspiegelte Sonnenbrillen aus dem Handschuhfach.
„So Engel, und jetzt machen wir uns einen schönen Tag ohne Männer in dem Lieblingsspielzeug meines Freundes. Schnall dich an und genieß den Tiefflug nach Wiesbaden.“
Das dauerhafte Lächeln von Stute wirkte auf Engel absolut ansteckend, und so befolgte sie die Anweisungen der Deckerin, während diese den mit einem Turbolader verstärkten Motor startete.
Das Röhren der Maschine erfüllte die leere Straße und nur Sekundenbruchteile später raste der Wagen mit halsbrecherischer Geschwindigkeit aus dem Ort hinaus.


Ohne zu zögern riss Wolf die Ingram Smartgun unter seinem langen, schwarzen Ledermantel hervor. Die beiden Bodyguards des Execs, der sich dummerweise mit der russischen Mafia angelegt hatte, waren zwar ebenfalls schwer vercybert, hatten jedoch nicht die geübten Straßenreflexe der Messerklaue.
Er war wie ein normaler Passant den Bürgersteig entlang gelaufen, hatte sein Ziel seit dem Aussteigen aus dem Mitsubishi Nightsky beobachtet.
Ein Ork gehobenen Alters in einem hellen Nadelstreifenanzug, teuer aussehenden italienischen Schuhen und einem gepflegten Mittelscheitel.
Seine beiden Leibwächter hatten die Straße gesichert, waren jedoch kurz abgelenkt worden als die Normfrau des Orks und die beiden Kinder ausstiegen.
Die Einkaufsstraße der Frankfurter Innenstadt war nicht nur der konzerneigenen Elite vorbehalten, sondern wurde auch gut bewacht.
Aber für die russische Mafia war weder das eine, noch das andere ein Grund, ihre Ziele nicht zu verwirklichen.
In dem Moment, in dem die geschulten Augen der beiden Norms die Gefahr registriert hatten, war es bereits zu spät gewesen.
Die Maschinenpistole des Killers stieß eine ellenlange Feuerlanze in Richtung der an dem Nightsky stehenden Gruppe.
Auf der anderen Seite der Straße feuerte ein weiterer Killer mit einem Sturmgewehr aus der Deckung einer Gasse.
Zuckende Körper, Blutfontänen und lautes Geschrei verwandelten das Einkaufsparadies in den Vorhof der Hölle. Die Salven der beiden Profis lagen deckend. Wolf war ein guter Schütze, konnte jedoch nicht verhindern, dass einige der von ihm verteilten Geschosse in die Körper der kleinen Kinder wie auch der Mutter schlugen.
Vor dem Antritt hatte er sich eine Ladung Devildust eingeworfen, eine Straßendroge die absolut unempfindlich gegenüber Schmerzen machte und auch auf die Psyche sehr nachteilig wirkte. Es war ihm egal wer bei dem Wetwork den Löffel abgab.
Er hatte den Auftrag erhalten, den Ork zu geeken und genau das tat er gerade.
Als das Magazin seiner Ingram Smartgun ihre tödliche Ladung bis zur letzten Patrone in die Körper der Familie und ihrer Leibwächter gepumpt hatte, sprintete er um die nächste Ecke zu dem auf ihn wartenden Fluchtfahrer und sprang auf das Motorrad.
Innerhalb von Sekunden war die Aktion beendet, und der Killer auf der Flucht vor den Konzerngardisten.
Sechs Leben hatte er genommen. Ein definitiv schuldiges Leben, zwei Leben deren Träger nur ihre Arbeit getan hatten und das Leben von drei unschuldigen Wesen.
Er verwarf den Gedanken und nahm sich vor die zweite Ladung Devildust einzuwerfen, sobald das Motorrad in der relativen Sicherheit des Treffpunktes anhielt.

Wolf erwachte schweißgebadet. Seine Hände hatten sich um die Griffe seiner schweren Pistolen verkrampft.
Er saß immer noch in dem Wohnzimmer seines Elternhauses auf der gemütlichen Ledercouch.
Sein Gehirn war noch immer nicht in die Realität zurück gekehrt, sondern in einer Schleife der Erinnerungen gefangen. Er sah immer noch die Körper der beiden kleinen Kinder unter den Einschlägen der Geschosse seiner Maschinenpistole extatisch zucken, sah sie blutüberströmt zusammen sinken.
Er schüttelte heftig den Kopf um die Gedanken los zu werden. Er war Shadowrunner. Eine Kampfmaschine der Straße. Eine gewissenlose Messerklaue. Schuld war nicht er, sondern seine Auftraggeber. Man gab ja auch nicht der Waffe die Schuld an einem Mord, sondern dem Schützen.
Er registrierte, dass sich etwas an der Umgebung geändert hatte, seit er eingeschlafen war. Richtig, Engel und Gromo waren nicht mehr in dem Raum.
Und wo zum Teufel kam die ganze Helligkeit her?
In diesem Moment hörte er auch die Stimmen.
„Du vertrottelter Norm, ich hab doch gesagt du sollst die dreks Platte festhalten.“
Gromos Stimme klang ziemlich verärgert.
„Ich bin ein Decker du Grobmotoriker kein verdammter Möbelpacker. Sie ist mir eben aus den Händen gerutscht. Ich habe mich doch auch schon entschuldigt.“

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Kapitel 4
Benji der Schieber

Gromo war verdammt sauer. Nein, dass traf es nicht ganz. Er war kurz davor, Racker die grinsende Visage zu blutigem Brei zu schlagen.
Der Norm und der Ork hatten angefangen, die Versiegelung der Fensterfront des Wohnzimmer zu demontieren.
Die Terrasse wurde gerade von Spliff auf Hochglanz gebracht oder besser gesagt zumindest gekehrt.
Gromo hatte mit Absicht Racker als Helfer für die Demontage der schweren Plastplatten ausgewählt, da der Decker in seiner Freizeit sehr viel Sport betrieb und dementsprechend auch ein sehr breites Kreuz und Muskeln besaß.
Spliff war eher drahtig gebaut. Wäre aber wahrscheinlich die bessere Wahl gewesen.
Als der Straßensamurai und der Decker die erste Platte mit einem Ruck gelöst hatten, war sie durch den unsicheren Griff Rackers seinen Händen entglitten, und auch Gromos Muskeln hatten den Sturz der Abdeckung nicht verhindern können.
Bis dahin noch kein Problem. Aber die Kante der Platte hatte zielgenau den Fuß des Orks getroffen, welcher nun höllisch schmerzte.
Mit einem Fluch drehte er sich um und blickte böse auf den sich am Boden vor Lachen windenden Teamleader.
„Un du Zwergenposer solltest lieber weiterputzen, bevor ich vergesse, dass du unser Leader bist un dich ungespitzt in den Boden ramme.“
Die ungezügelte Wut in den Augen des Orks ließ das schadensfrohe Grinsen aus den Gesichtern der Chummer weichen. Sie wußten was passieren konnte wenn dieser Berg an Fleisch und Muskel einen unkontrollierten Wutanfall erlitt.
Spliff beeilte sich, die Terrasse weiter zu fegen und Racker hatte mit einem mal keine Probleme mehr damit, die Plastplatte auch alleine anzuheben und einige Meter weiter auf einen Stapel zu werfen.
Innerlich grinste Gromo in sich hinein. Auf meine Mutter hätte ich hören und Vorarbeiter auf dem Bau werden sollen.
Er verwarf den Gedanken sofort wieder. Mit seiner Strafakte war es so gut wie unmöglich einen Job zu bekommen und als Ork grenzte es schon fast an ein Wunder, wenn man überhaupt zu einem Bewerbungsgespräch eingeladen wurde.
Kopfschüttelnd wandte er sich dem Soybierkasten zu, der ganz in seiner Nähe stand und angelte sich eine der Flaschen, die er ohne große Umschweife öffnete und in sich hinein schüttete.
Alkohol war seiner Ansicht nach eines der besten Mittel gegen Schmerzen jedweder Art.
Als er die halb leere Flasche wieder absetzte erblickte er Wolf, der wie ein Geist in der Tür zur Terrasse aufgetaucht war und das Treiben seiner alten Chummer beobachtete.
Gromo gab der Messerklaue ein Zeichen zu ihnen zu kommen, was Wolf mit einem schnellen Öffnen der Tür auch tat.
Sein fragender Blick ließ sofort die drei Personen ihre Arbeiten einstellen.
„Hoi, Wolf, gut geschlafen?“
Gromo griff erneut in die Kiste und warf seinem Chummer eine Flasche Bier zu, die dieser problemlos aus der Luft fischte und sich dann das Werk des einen Teils des Teams näher betrachtete.
„Wir ham mit Engel geredet. Die is übrigens mit Stute in Wiesbaden nen paar eurer Sachen holen. Spliff meint, dass es besser wäre, wenn das Team im Ort konzentriert ist bis der Run vorbei is.“
Wolf öffnete die Flasche und nahm einen tiefen Schluck.
„Un bevor du fragst, wir ham während deiner schlafenden Regenerationsphase mit deiner besseren Hälfte abgeklärt, das dass Treffen mit Benji partymäßig hier steigt. Für Grillzeug und Getränke hat Spliff gesorgt und wir sin gerade dabei alles herzurichten.“
Böse blickte der Ork in Rackers Richtung.
„Leider haben wir einen Saboteur im Team, aber ich überlege uns das Problem vom Hals zu schaffen, sobald Skelett eintrifft.“
Unter seinen letzten Worten zuckte der Decker zusammen und beeilte sich wieder eine der Abdeckplatten von den Fenstern zu reißen.
Der Elf betrachtete weiter die bisherigen Fortschritte der drei Teammitglieder, seufzte dann laut und begab sich wieder in das Haus.
Gromo, Spliff und Racker konnten mit dieser Reaktion nicht wirklich viel anfangen. Sie hatten von ihrem Cummer eine etwas konkretere Reaktion erwartet. Immerhin war es sein Haus.
Sie konnten hören, dass Wolf über die Treppe in den Keller des Hauses ging, was sie jedoch um keinen Deut weiter brachte.
Gerade als Spliff dem neuen Teammitglied folgen wollte um für Aufklärung zu sorgen, ertönten die Schritte wieder, diesmal jedoch die Treppe hinauf. Wolf erschien in der Tür, eine altertümliche Drohne und einen noch viel älteren Grill in den Händen. Mit einem schiefen Blick auf den von Spliff gehaltenen Besen setzte er die Drohne auf der Terrasse ab und aktivierte sie mit einem kurzen Befehl auf dem Terminal auf der Oberseite.
Sofort nahm die Maschine mit dem Fleiß eines Elektronengehirns die von Spliff begonnene Arbeit auf. Mit einem Gebläse und verschiedenen Bürsten befreite sie die Fliesen von dem Staub und Dreck der sich über die Jahre angesammelt hatte.
Den Grill stellte er, nachdem er sich davon überzeugt hatte, dass die Drohne ihre Aufgabe störungsfrei erledigte, auf dem alten Gartentisch ab.
Lächelnd sah er seine drei konsterniert die Drohne anstarrenden Freunde an und setzte sich, das Bier erneut ansetzend, auf einen Stuhl und genoß offensichtlich die Wärme der tief stehenden Sonne.
„Tolle Idee mit dem Besen, Gromo. Ich hab doch gesagt wir sollten Wolf wecken bevor wir anfangen.“
Spliff warf den nun nutzlos gewordenen Besen in hohem Bogen über die Mauer, die das Grundstück von der Umgebung abschottete.
„Wolf, du hast nicht zufällig auch ne Drohne die sich um die Gartenarbeit kümmert und das Schwimmbad wieder herrichtet oder? Wären die nächsten Punkte auf der Liste gewesen.“ Spliff setzte sich auf den zweiten Gartenstuhl und rechnete nicht wirklich mit einer Antwort. Er hatte sich schnell daran gewöhnt, dass sein spitzohriger Chummer nicht mehr redete. Besonders das Schwimmbad machte ihm sorgen. Es grenzte eine halbe Etage tiefer an das Wohnzimmer und war über den Keller oder aber die Terrasse erreichbar.
Über die Jahre hatte sich das einstmals klare Wasser in dem zehn auf zehn Meter großen Becken, dass in einer bis auf das Dach vollständig verglasten Halle untergebracht war, in eine trüb grünliche Brühe verwandelt und auch die Kacheln waren in ihrem Farbton von einem strahlenden Weiß in ein kränkliches Grau mutiert.
Natürlich konnte man eine Party wie die geplante auch ohne Schwimmgelegenheit durchführen, aber alle konnten sich noch an die Partys während ihrer Gangzeit erinnern, die immer nur durchgeführt werden konnten, wenn Wolfs Eltern auf Geschäftsreisen oder in Urlaub waren.
Jede dieser Partys war mehr als legendär.
Wolf blickte Spliff mitleidig an und zog ein altes elektronisches Gerät aus der Hosentasche, welches entfernt an eine Fernbedienung erinnerte.
Nun setzten sich auch Racker und Gromo an den Gartentisch. Sie hatten die letzte Abdeckplatte von den Fenstern entfernt und sahen nun fasziniert zu, wie der Besitzer des Hauses eine Drohne nach der anderen aktivierte.
Die nützlichen Helfer kamen aus versteckten Klappen in dem verwilderten Garten geschossen und begannen Bäume und Sträucher zu stutzen, den Rasen zu mähen und sogar den künstlichen Teich in der Mitte des Grundstückes von den Algen zu befreien.
Aus der Schwimmhalle und dem Haus ertönten ebenfalls geschäftige Geräusche, die darauf schließen ließen, dass dort ebenfalls die elektronischen Helfer am Werk waren.
Zufrieden mit der alten jedoch funktionsfähigen Technik lehnte Wolf sich in dem Gartenstuhl zurück, der unter dem Gewicht des muskulösen Elfen bedenklich knirschte und nippte erneut an dem mittlerweile fast leeren Bier.
Gromo fluchte wütend, als die Reinigungsdrohne, welche Wolf aus dem Keller heraufgebracht hatte, gegen seinen noch immer schmerzenden Fuß stieß und protestierend piepte, jedoch ihre Arbeit an einer anderen Stelle wieder aufnahm.
„So ka. Jetzt wird mir langsam klar wie du es damals geschafft hast nach den Partys die Bude rechtzeitig wieder sauber zu kriegen bevor deine Eltern wiederkamen, Chummer.“
Racker beobachtete neugierig die Arbeit der fleißigen Helfer und öffnete sich nun ebenfalls ein Bier.
Spliff holte seinen bereits sehr geschrumpften Drogenvorrat hervor und begann damit einen Joint zu drehen, was von allen Anwesenden freudig zu Kenntnis genommen wurde.
Nach der harten Arbeit, war das genau das Richtige um sich zu entspannen.
„Stute und deine Kleine müssten eigentlich bald wieder hier sein. Sind schon ne ganze Weile unterwegs.“
Der Ork schwitzte wie ein Tier und entledigte sich der gepanzerten Weste. Auf der Terrasse war es durch den direkten Einfall der Nachmittagssonne brütend heiß.
Wieder gab Wolf einen Befehl in die Fernbedienung ein, und fast sofort fuhr eine Schatten spendende Markise aus dem Balkon über der Terrasse.

Der Saab raste mit aufbrüllendem Motor über die Landstraße in Richtung des kleinen Ortes. Außer Stute und Engel war niemand an diesem Nachmittag auf der brüchigen Straße unterwegs.
Der sehr gering dimensionierte Kofferraum des Sportwagens war vollgestopft mit drei großen Taschen, in welchen die Magierin Kleidung und Utensilien des täglichen Gebrauchs gepackt hatte.
Die Aktion hatte wesentlich mehr Zeit als erwartet in Anspruch genommen, was nicht zuletzt auch an Stute gelegen hatte. Die Packorgie war in eine Modenschau der beiden Frauen ausgeartet, während der sie die verfliegende Zeitspanne aus den Augen verloren hatten.
Zum Abschluss hatten sie sich dann noch einen Kaffee in einem der unzähligen Restaurants der Wiesbadener Innenstadt gegönnt.
Engel fühlte sich gut. Sie saß in einem schnellen Sportwagen der donnernd über die Landschaft flog, zog genüßlich an einer von Stutes Zigarillos und ließ sich den Fahrtwind durch die Haare wehen.
Stute musste sich zwar auf die Straße konzentrieren, was sie jedoch nicht davon abhielt, Engel einige Anekdoten über Wolf zu erzählen. Die beiden hatten jede Menge Spaß und Engel hoffte, dass Wolf die vergangene Zeit ebenfalls nicht zu lange geworden war.
Als der schwarze Blitz auf der Hauptstraße Massenheims stoppte und Stute das Fahrzeug sicher rückwärts in einen Parkplatz rangierte, bemerkte die Elfin einen alten Lieferwagen mit offenen Hecktüren, der vor dem Tor des Grundstückes ihres Freundes parkte.
„Da scheint wohl schon einiges für die Party heute Abend geliefert zu werden. Hoffe die Männer haben alles in Ordnung gebracht.“
Stute kicherte, sich wohl ihren Freund mit einem Schrubber und verschiedenen Putzlappen in den Händen vorstellend. Auch Engel konnte ein leichtes Grinsen nicht unterdrücken als sie an einen Wolf dachte, der sich fegender Weise durch die verstaubten Räume des großen Hauses arbeitete. Von einer professionellen Kampfmaschine zum Angehörigen der Putzkolonne degradiert.
Eine wirklich komische Vorstellung.
Die Deckerin deaktivierte den Motor und stieg aus. Engel folgte ihr zu dem Kofferraum und beide luden sich die schweren Reisetaschen auf. Das dritte der Behältnisse nahmen sie zusammen.
So beladen wankten die Frauen auf das große Holztor zu. Erst jetzt bemerkte Engel, dass ein großer Teil der Metallfläche des Tores von einem Graffiti verziert wurde, das einen heulenden Wolf darstellte, unter dem die Initialen der Gang gesprayt waren.
„Hat Wolf noch selbst angebracht. Ist sein Zeichen. Damit auch jeder gleich weis wer hier wohnt und von wem er gegeekt wird wenn er versucht einzubrechen.“
Stute musste ihren interessierten Blick bemerkt haben.
„Dein Freund ist hier eine Legende. Niemand würde sich freiwillig mit ihm anlegen. Es heißt er würde Leute geeken wie andere Insekten.“
Stutes Stimme war bei dem letzten Satz zu einem Flüstern geworden und Engel konnte leider nichts tun, außer zustimmend zu nicken.
„Früher war das so. Er is nun mal von der Mafia zu einer Killermaschine gemacht worden. Aber seit wir zusammen sin hält er sich zurück. Oder besser ich halt ihn zurück. Aber er is nich von Grund auf böse.“
Sie waren an dem vor dem Tor parkenden Lieferwagen angekommen und erblickten auf der fast leeren Ladefläche zwischen einigen Getränkekisten einen sehr frustriert aussehenden Norm.
„Hoi T-Bone. Wie geht’s!“
Stute schien froh zu sein, dass Thema wechseln zu können und lächelte die offensichtlich schwer verchippte Messerklaue freundlich an.
„Du siehst mich hier zwischen diesen verdammten Kisten und traust dich, mich zu fragen wie es mir geht? Kann ja wohl nicht dein Ernst sein oder? Ich bin ein hoch bezahlter Runner. Spezialist für Personenschutz und Nahkampf, und mit was beauftragt mich mein Brötchengeber, dieser ignoranter Drekhead? Mit dem Transport und dem Entladen von Getränken für eine dreks Party. Es ist echt zum kotzen!“
Der muskulöse Straßensamurai warf resignierend ein Klemmbrett, das er bis jetzt angestarrt hatte in eine Ecke der Ladefläche des Lieferwagens.
Seine rot glühenden Cyberaugen fixierten erst Stute und dann Engel bevor sich sein verärgerter Gesichtsausdruck leicht entspannte.
„Müsstest du doch noch von früher kennen oder? Du warst doch immer der für Getränke zuständige Laufbursche. Ach ja, das hier ist Engel. Wolfs Lebensgefährtin und die Magieunterstützung des Teams. Engel, das ist T-Bone einer der Schatten unseres Auftraggebers Benji. Und im Moment wohl auch der bevorzugte Getränkelieferant.“
Die Deckerin lachte laut auf als sie sich einige wütende Blicke von der Messerklaue einfing. Engel nickte freundlich, dachte jedoch nicht im Traum daran, der wutschäumenden Kampfmaschine die Hand zu geben.
Da hätte sie das Körperteil auch gleich in einen Mixer stecken können.
Stute zog sie mit der Tasche hinter sich her durch das Tor und über den Hof.
Die Eingangstür stand offen und laute Musik tönte heraus.
„Na da ham unsere Männer wohl noch keinen Finger krumm gemacht wenn sich das so anhört. Wenigstens haben sie es geschafft die Platten von den Fenstern zu holen.“
Engel seufzte und stieg die drei Stufen zum Eingang hinauf.
Es wäre ja auch zu schön gewesen, wenn Wolf sich nicht nur als perfekter Beschützer, liebevoller Partner und leicht zu kontrollierende Kampfmaschine sondern auch noch als engagierter Hausmann herausgestellt hätte.
Innerlich rief sie ihre Gedanken zur Ordnung. Man konnte ja nicht alles haben und wenn man ihre Vergangenheit betrachtete, so konnte sie froh sein, nun hier zu sein.
Als die beiden Frauen den Eingangsbereich betraten, stockte ihnen der Atem.
Auf Hochglanz polierter schwarzer Marmor funkelte ihnen vom Boden entgegen, die links neben ihnen offen stehende Tür zu dem Gäste-WC zeigte einen Hygienebereich von dem man problemlos hätte essen können.
Alle Oberflächen, ob nun das kleine aus hellem Holz gefertigte Schränkchen, das wohl als Ablage für Schlüssel und sonstiges in den Vorraum eingefügt worden war oder der große Spiegel an der massiven Garderobe aus Edelstahl strahlten eine Sauberkeit aus, als wäre gerade eben eine Putzkolonne darüber gefegt.
Auch das nun auch ohne künstliche Beleuchtung von Helligkeit durchflutete Treppenhaus und die Küche blitzten und blinkten.
Die leicht grünlichen Glasstufen reflektierten das durch die das Treppenhaus begrenzende Milchglaswand einfallende Sonnenlicht und warfen funkelnde Lichtflecken durch den hohen Raum.
„Ich glaube, ich werde gerade wahnsinnig. Zwick mich mal Engel. Ist das hier echt so sauber oder habe ich Halluzinationen?“
Die Deckerin hoffte offensichtlich darauf, dass Engel sie wieder in eine Realität zurückholte der ihr Verstand offensichtlich entglitten war, aber diese nahm dasselbe Bild wahr. Sicherheitshalber schloss die Elfin kurz die Augen und konzentrierte sich dann auf ihr inneres Auge. Ihre Verbindung zum Astralraum.
Sie nahm an, dass ein anderer Magier einen Illusionszauber gewirkt hatte in dessen Wirkungskreis sie nun zusammen mit Stute stand, aber auf der anderen Ebene war nicht das geringste Anzeichen für Magie in den Räumen zu erkennen.
Engel befahl ihren Geist wieder in ihren Körper und öffnete kurz darauf kopfschüttelnd die Augen.
„Is keine Magie Stute. Die Villa is echt so sauber, auch wenn ich hier eine riesige Sauerei rieche. Mein Stecher ist auf jeden Fall eher nich so der saubere Typ. Schon gar nich mit nem Lappen und Schrubber wie das hier nötig war.“
Prüfend fuhr sie über das glänzende Edelstahlgeländer der Treppe ohne auch nur ein Staubkorn zu finden.
„Na die anderen können wir auch ausschließen. Spliffs Bude hast du ja gestern gesehen, Gromo ist ein Ork und die sind bekanntlich nicht gerade die reinlichsten Wesen auf dieser Erde, na und mein Göttergatte ist zwar einer der heißesten Decker der Umgebung, weiß jedoch wahrscheinlich nicht mal wie Putzmittel geschrieben wird.“
Die beiden weiblichen Teammitglieder hatten die Taschen abgestellt und betraten nun das ebenfalls ansehnliche Wohnzimmer.
Keine Abdeckplanen mehr, die schützend auf den Möbeln lagen, keine Ekel erregenden Staubschichten auf Lampen und Regalen, dafür jedoch ein im durch geputzte Fenster einfallenden Sonnenschein hell leuchtender Parkettboden.
Die alte Soundanlage war laut aufgedreht und aus den versteckten Lautsprechern dröhnte eine Art Punk-Rock aus dem letzten Jahrzehnt.
Die Glastür zur Terrasse stand offen und der Geruch von gegrilltem Fleisch wehte angenehm herein.
Durch die von den Abdeckungen befreite Glasfront konnten Engel die restlichen Teammitglieder sowie einige fremde Personen sehen, die mit freiem Oberkörper in einem gepflegten Garten standen und offensichtlich bester Laune das herrliche Wetter genossen. „Vorsicht!“
Stute und Engel sprangen aus dem Weg, als T-Bone mit zwei Bierkästen in jeder Hand durch das Wohnzimmer steuerte und durch die Tür auf die Terrasse trat, wo er johlend begrüßt wurde.
Sie blickten sich gegenseitig an und folgten der Messerklaue dann.
Gromo, Spliff und Racker saßen mit Benji, D und Aggro an dem großen Gartentisch, jeder ein Bier vor sich und ohne Oberbekleidung, offensichtlich in eine sehr lebhafte Unterhaltung über das letzte Spiel einer Frankfurter Combat-Biking-Crew vertieft.
T-Bone hatte die Getränkekisten hinter einer aus einem Brett und zwei großen Fässern improvisierten Theke in Sicherheit gebracht und öffnete sich gerade eine Flasche.
Eine Gruppe von zehn bis zwanzig Personen verschiedenster Rassen und beider Geschlechter standen um einen rauchenden Grill am Ende der Terrasse und warteten offensichtlich auf ein Stück des duftend vor sich hin bratenden Fleisches.
Erst jetzt nahm Engel wahr, dass sie einen Teil des Hauses noch gar nicht gesehen hatte und dieser Teil hatte es in sich.
An das Wohnzimmer schloß sich in halber Höhe ein riesiges Schwimmbad an, dessen Decke und Wände aus Glas bestanden. Eine Tür zur Terrasse bot eine bequeme Möglichkeit sich eine Abkühlung zu verschaffen.

Gromo hatte gerade festgestellt, dass sein gerade erst geöffnetes Bier wieder einmal innerhalb von Sekunden verdunstet oder sonstwie einfach entschwunden war als er Engel und Stute auf die Terrasse treten sah.
„Hoi, ihr beiden. Kommt her und greift euch was Erfrischendes gegen die Hitze. Ihr kommt genau richtig. Das Essen dürfe bald soweit sein. Wie wars denn in Wiesbaden?“
Bei seinen Worten folgten alle Anwesenden seinen Blicken. Racker stand sofort auf und ging grinsend auf die beiden Frauen zu.
„Hoi Schatz, Hoi Engel. Haben wir nicht toll saubergemacht?“
Sein Grinsen wurde noch breiter als er das Staunen auf den Gesichtern der beiden Frauen sah. „Die Party entwickelt sich zwar noch, aber die wichtigsten Leute sind schon da.“
Spliff trat neben Engel und führte sie widerstandslos zu einem freien Stuhl am Tisch während Racker seiner Partnerin einen Kuss auf die Stirn gab.
„Ich muss dir einige Chummer vorstellen.“
Noch bevor der Teamleader ein weiteres Wort sagen konnte, stand Benji auf. Der Schieber trug eine braune Hose mit weitem Schnitt, die seine drahtige Figur betonte und eine Baseballkappe von blauer Farbe unter der dichte braune Haare hervortraten.
„Hoi, mein Name ist Benji. Ich bin der Auftraggeber eures Runs. Und du mußt Engel sein. Drek, ein echt passender Name. Da hat Wolf ja mal wieder die Sahne abgegriffen.“
Der Norm mit der Ares Predator im Hosenbund schüttelte der Elfin kräftig die Hand.
„Das neben mir ist Aggro, meine rechte Hand.“
Ein weitere Norm, etwas kleiner als sein Arbeitgeber und wie T-Bone stark vercybert nickte ihr leicht zu. Seine Kunstmuskeln sprengten fast die Haut über den Oberarmen und sein entblößter Oberkörper zeigte kunstvolle Tatoos, die fast keine Stelle unbedeckt ließen.
Die rasierte Glatze ließen seine Erscheinung noch bedrohlicher wirken.
„Der andere hier nennt sich einfach D und ist meine magische Rückendeckung. Er ist Schamane des Coyoten-Totems oder so, auf jeden Fall ein Spruchschleuderer erster Güte und damit meine linke Hand.“
Der Schamane warf Engel ein lüsternes Lächeln zu. Er trug eine rote Shorts und sonst nur eine Kette aus Wolfszähnen um den Hals, eindeutig ein Fokus seiner Magie.
Engel nahm sich vor den Magiekollegen später eingehend zu askennen.
Sie war noch nicht vielen Schamanen begegnet, seit sie über diese Fähigkeit verfügte und war gespannt darauf, wie sich seine Aura von der anderer Personen unterscheiden würde.
„Hoi Kollegin. Erfreut deine Bekanntschaft zu machen. Schön zu sehen dass sich die hermetische Tradition nicht nur auf alte Knacker mit spitzen Hüten beschränkt.“
Der leicht russische Akzent des Schamanen klang geheimnisvoll.
„Und ich bin dann wohl dein Schwanz oder wie?“
T-Bone trat mit einem Teller, auf dem ein saftiges Steak vor sich hin dampfte an den Tisch und stellte ihn scheppernd vor Benjis Sitzplatz ab.
„Nein T-Bone, du bist mein treuer Kampfhund. Meine Versicherung gegen Schüsse aus dem Hinterhalt und mein Bewahrer vor dem Hungertod.“
Freudig setzte sich der Schieber wieder und fing an, mit einem von Aggro überreichtem Besteck, dass Fleisch zu zerteilen.
Offensichtlich war für ihn die Begrüßung damit beendet. Stute setzte sich neben Engel.
„Die haben wirklich die ganze Bude auf Hochglanz gebracht, obwohl ich nicht wissen will mit welchem Teufel sie dafür einen Pakt abgeschlossen haben.“
T-Bone war zu der Theke zurückgekehrt und hatte zwei Bierflaschen geöffnet, die er jetzt Engel und Stute überreichte.
Das alles war ein wenig zu viel für die Magierin. Das Treffen mit einem Herrn Schmidt, wie der Auftraggeber eines Shadowruns in der ADL genannt wurde, hatte sie sich immer ganz anders vorgestellt.
Ein Hinterraum in einer heruntergekommenen Kneipe, eine allgemeine Anspannung die über den Anwesenden lag, aber das hier erinnerte sie eher an die Trivids einer ausgelassenen Exec-Party in einer Konzernenklave.
Gromo blickte sie an. Er schien zu ahnen dass sie ziemlich durcheinander war.
„Prost Engel. Gewöhn dich lieber dran. Die Youngsters handeln so einige Dinge anders als die meisten Shadowteams.“
Er prostete ihr mit seiner neuen Flasche Bier zu und nun hob auch sie ihr Getränk an die Lippen. Die angenehm kühle Flüssigkeit rann ihre Kehle hinab und half ihr die Gedanken in ihrem Kopf wieder zu ordnen.
„Wo is eigentlich Wolf?“
Bis jetzt war es ihr nicht aufgefallen, dass ihr Partner sich nicht in der Gruppe seiner Teamkollegen befunden hatte, nun jedoch fiel ihr diese Tatsache ins Auge.
„Der spielt den Grillmaster. Ein hervorragender Gastgeber ist er trotz all der Veränderungen geblieben.“
Spliff hatte sich bei dem Satz umgedreht um den in seinem Rücken befindlichen Grill mit den darum gruppierten Leuten in den Blick zu bekommen.
„Hoi Wolf, deine bessere Hälfte ist eingetroffen.“
Engel folgte dem Blick des Teamleaders und erblickte einen Wolf, den sie so nicht kannte. Die Messerklaue stand an dem alten Gasgrill, die anderen Leute um mindestens einen Kopf überragend, eine langes Fleischmesser und einen Grillwender in den Händen. Er trug anstatt seiner normal dunklen und den Körper verhüllenden Klamotten eine grellbunte Shorts und ein ebenso irritierendes Hawaihemd und darüber eine weiße Schürze mit der Aufschrift
„Küss mich, ich bin der Koch!“.
Wären nicht die kalten Cyberaugen und die Narben in seinem Gesicht gewesen, so hätte man ihn wirklich für einen Konzernschlips halten können, der eine Party für seine Kollegen schmiss.
Und noch etwas war völligst ungewohnt an seinem Anblick. Seine Züge waren entspannt. Er lächelte. Nichts war von der gefährlichen Aura wahrzunehmen, die Wolf sonst umgab.
Im Gegenteil, lächelnd verteilte er große Fleischbrocken auf die Teller der um ihn stehenden Meute.
Als Spliffs Stimme ertönte drehte er sich um und blickte lächelnd zu der Gruppe. Er übergab einem jüngeren Ork die Utensilien und schlenderte, sich ein Bier greifend, zum Tisch herüber. „Hallo Engel. Wie war es in Wiesbaden?“
Sogar seine Stimme in ihrem Kopf klang sanfter als sonst. Er beugte sich zu ihr hinunter und küsste sie auf den Mund.
„Alles klar. Hab ein paar Sachen zusammengepackt. Sin im Treppenhaus.“
Automatisch antwortete sie ihm gedanklich.
„Siehst gut aus!“
Er lächelte. Sie entdeckte nun, dass die Kampfmaschine, die sie lieben gelernt hatte, auch noch eine andere Seite besaß. Eine, die ihr wesentlich besser gefiel.
Mittlerweile hatte sich auch Skelett zu dem Team gesellt und es damit vervollständigt. Einige der restlichen Partygäste drängten nun in die Schwimmhalle um sich zu erfrischen, während sich andere einfach auf dem frisch gemähten Rasen niederließen.
Die Sonnen senkte sich langsam über den ringsherum aufragenden Dächer verfallender Gebäude, aber die Hitze des Tages hinterließ in dem abgeschotteten Garten eine angenehme Wärme.
Benji hatte seine Mahlzeit beendet und schob den bis auf das Besteck leeren Teller von sich in die Tischmitte.
Geräuschvoll spülte er die Reste des Steaks mit einem Schluck Bier hinunter.
„So ka, und jetzt zum Geschäft. Engel, da dein Mann nicht spricht wirst du uns seine Anmerkungen mitteilen.“
Sie nickte. Wolf hatte sich neben ihr in eine hockende Position begeben und beobachtete das Geschehen an dem großen Tisch.
„Die Daten über den Konvoi habe ich Racker schon auf einem Chip gegeben, aber ich werde die Infos hier nochmals wiederholen. Drei Fahrzeuge. Zwei Mercedes und ein Volkswagen Transporter fahren übermorgen Nacht vom Frankfurter Megaplex über die A66 nach Wiesbaden. Das ist euer Ziel. Ich möchte dass ihr die Schutzmannschaft meines Konkurrenten ausschaltet und der anrückenden Polizei die Ware hinterlasst damit der Drekhead so richtig schön Ärger mit den ermittelnden Behörden bekommt. Wenn ihr was von der Ware mitgehen lasst, ist das eure Sache, aber es muß genug vorgefunden werden um eine Vertuschung zu verhindern. Für den erfolgreich durchgeführten Run erhält jeder von euch 2.000 EC auf einem Credstick, bis auf Wolf und Engel.“
Der Schieber blickte die beiden Neulinge des Teams an.
“Wolf ich zahle dir 5.000 EC für deine Arbeit. Du bist ein erfahrener Runner mit einem verdammt tödlichen Ruf und hättest es eigentlich nicht nötig mit diesen Anfängern zusammen zu arbeiten. Da du es trotzdem tust ist dein Anteil größer. Deine Freundin war zwar nicht eingeplant, aber da ich mir vorstellen kann, dass ihr bei dem Angriff magische Rückendeckung benötigen könntet, zahle ich auch ihr 2.000 EC. Aber damit ist meine Grenze der Gutmütigkeit erreicht. Mehr gibt’s einfach nicht. Entweder ihr nehmt es an oder ich suche mir ein anderes Team.“
Er lehnte sich zurück und wartete anscheinend auf einen Widerspruch. Als keines der Teammitglieder etwas sagte, fuhr er fort.
„Schön, dass ihr mit der überaus großzügigen Entlohnung zufrieden seid. Ich erwarte, dass alles glatt geht. Ich habe in diese Aktion ne ganze Menge Schotter investiert. Für Nachforschungen, Informanten und nicht zu vergessen euch. Wenn ihr das diesmal nicht wieder versaut, werde ich sehen was ich für eure Zukunft in Bezug auf gute, sprich lohnende Runs tun kann. Ich habe einige Schmitts, die sehr an guten Teams interessiert sind, aber die wollen nun mal keine Anfänger, also strengt euch an.“
Als er geendet hatte schien es, als denke er einen Moment lang über etwas nach, dann stand er auf.
„Wolf, zwar ist Spliff der Teamleader, aber du bist der Profi mit der Erfahrung. Du bist mir dafür verantwortlich, dass alle wieder zurückkommen. Ihr seid nicht nur meine Angestellten sondern auch meine Chummer und ich würde nur ungern einen von euch vorzeitig an eine ProDep verlieren.“
Bei den Worten blickte er Wolf direkt in die Quecksilberaugen. Die Messerklaue hatte wieder ein verschlossenes Pokerface aufgesetzt und nickte nur leicht.
Engel erwartete Wolfs Stimme in ihrem Kopf zu hören, aber von ihrem Partner kam nichts. Benji gab seinen Begleitern ein kurzes Handzeichen und D wie auch Aggro standen von ihren Plätzen auf. T-Bone ging vor, wohl um den Lieferwagen anzuwerfen und den Weg zu sichern während D den Astralraum checkte.
„Die Getränke und das Futter gehen auf meine Rechnung. Ich würde ja gerne noch ein bisschen mit euch feiern, aber leider rufen die Geschäfte und ich muß auch noch die Übernahme in Wiesbaden vorbereiten.“
Der Schieber erhob sich langsam als D von seiner Kontrolle des Astralraums in seinen Körper zurückkehrte und den Daumen nach oben reckte.
Die Neuauflage der Beachboys ohne Surfbretter verschwand durch das Haus aus der Sichtweite des Teams, nachdem sich alle verabschiedet hatten.
Engel verfluchte die Tatsache, dass es ihr nicht mehr möglich gewesen war, D zu askennen. Sie hoffte jedoch, dass in nächster Zukunft nachholen zu können.
Wenn der Schieber Wort hielt und sie den Run nicht in den Sand setzten, würde das für ihren Ruf in den Schatten mehr als nur dienlich sein.
So wie Engel den Schieber einschätzte, war er auf seinem Gebiet ein Profi durch und durch. Wahrscheinlich hatte er nicht übertrieben, was die Möglichkeit der Vermittlung weiterer Runs für das Team anging.
„Wie sieht es mit deinen Spielzeugen aus, Skelett?“
Spliff nippte nachdenklich an seinem Bier, den Blick auf ein unsichtbares Ziel in der Ferne gerichtet.
„Soweit alles in Ordnung Omae. Zwei voll bewaffnete, fliegende Drohnen mit denen ich euch Rückendeckung geben kann und das gekrallte Fluchtfahrzeug stehen bereit.“
Der dürre Rigger stopfte sich ein riesiges Stück Steak mit der Gabel in den Mund und schmatzte laut beim kauen.
„Racker und ich haben uns das Kommunikationssystem der Gegend angesehen. Wird von einem Zentralknoten in Wiesbaden gesteuert. Dürfte kein Problem sein, dass zu decken und die Verbindungen für zehn bis zwanzig Minuten zu unterbrechen. Danach allerdings merken die Angestellten, dass da was im Busch ist und werden uns ne ganze Menge Konzerndecker auf den Hals schicken. Wenn ihr bis dahin nicht wieder raus seid können wir nur das System crashen und uns verziehen. Bis die Konjungs alles wieder hochgefahren haben habt ihr dann nochmals ungefähr zehn Minuten. Danach laufen die Connections aber wieder.“
Stute lehnte sich in ihrem Stuhl zurück und streckte die Beine aus.
„Keine gute Idee, dass mit dem Host crashen. Damit würden die beiden das gesamte öffentliche Kommunikationssystem Wiesbadens vom Netz nehmen, und das erregt drek viel Aufsehen. Sag ihnen bitte, dass wir das auf jeden Fall vermeiden müssen.“
Wolfs Stimme in Engels Kopf klang professionell und kalt. Ganz wie früher. Sie gab die Worte an die Gruppe weiter und alle nickten. Keiner hatte Lust sich am Ende des Runs mit Konzerngardisten herumzuschlagen. Diese Typen waren durch eine gute Bezahlung hoch motiviert und auch sehr gut ausgestattet. Keine einfachen Gegner.
„Wolf hat recht. Also haben wir ein Zeitfenster von zehn Minuten. Das müsste aber reichen um die Wachmannschaft auszuschalten. Außerdem brauchen die Drekheads auch nach einem Hilferuf mindestens fünf Minuten um Verstärkungen aus Wiesbaden heran zu führen. Aus Frankfurt dauert das noch wesentlich länger. Auf jeden Fall werden die Cops früher auf dem Plan erscheinen.“
Spliff hatte angefangen einen Joint zu rollen, wobei er angestrengt nachdachte.
„Engel, tut mir leid, dich das fragen zu müssen, aber wie sieht es aus wenn die Mannschaft durch Magie unterstützt wird. Nimm das nicht persönlich, aber ich muss wissen mit was ich arbeiten kann. Wir haben für die weltlichen Probleme deinen Freund, Gromo und mich. Außerdem kann Skelett mit seinen Drohnen ne ganze Menge Aufruhr verursachen. Aber wenn plötzlich Geister oder ein Spruchschleuderer auftaucht, sind wir wahrscheinlich gearscht wenn du uns da nicht aus der Patsche helfen kannst.“
Der Leader blickte von seinen Bauarbeiten auf und ihr in die Augen. Sie atmete tief durch. Mit so etwas hatte sie rechnen müssen. Als einzige Magierin im Team verließen sich die anderen in nicht weltlichen Belangen auf sie alleine.
„Is so Leader, ich bin noch nich lange im Biz. Mit nem Elementar oder Naturgeist oder was das angeht auch nem blöden Watcher werd ich fertig. Ich kann aber nich garantieren, dass ich einen erfahrenen Magier oder Schamanen ausschalten kann. Hab zwar nen paar fiese Sprüche auf Lager, auch Kampfmagie, aber die professionellen Jungs lachen sich darüber wahrscheinlich eher kaputt. Sorry, aber so siehts nun mal aus.“
Alle Anwesenden nickten. Die Youngsters konnten schon froh sein ein Top Deckerteam und einen Muskel von Legendenstatus zu beinhalten, dass die Magierin nun auch noch in der ersten Liga spielte konnte niemand erwarten.
„So ka, danke für deine Ehrlichkeit. Also ist alles was magisch aktiv auf gegnerischer Seite ins Spiel kommt ein Primärziel. Keine Zurückhaltung. Deckt den Magiebubi mit allem ein was ihr habt.“
Wieder nickten alle bei den Worten des Leaders.
„Den Plan arbeiten wir morgen aus. Aber bevor wir uns nun ins Partygetümmel werfen müssen wir noch eine Sache klären.“
Spliff blickte in die Runde und blieb dann bei Wolf hängen.
„Wolf, Benji hat es eben schon erwähnt. Du bist der mit der Erfahrung. Ich bin zwar im Krieg gegen andere Gangs und so nicht wirklich schlecht, aber richtige Runs hat unser Team unter meiner Führung erst drei durchgezogen, und das waren leichte Datenbeschaffungsjobs, die wir zum größten Teil in den Sand gesetzt haben.“
Er hatte die Arbeiten an dem Rauchwerk beendet und zündete sich den Joint genußvoll an. „Wenn du ein Problem damit hättest, dir von einem Grünling Befehle erteilen zu lassen, würde ich das absolut verstehen und dir die Führung des Teams übergeben. Wäre für mich kein Problem.“
Gespannt beobachteten alle anderen Wolfs Reaktion, die jedoch sichtbar nur sehr unmerklich ausfiel.
„Der Drekhead soll sich nicht wagen mir die Verantwortung aufzuhalsen. Ich bin nur eine Messerklaue, und damit hat es sich dann auch. Die Kommandoebene war nie mein Gebiet. Sag ihm das.“
Engel nickte. Innerlich atmete sie erleichtert auf, als sie Wolfs Kommentar durch ihr Gehirn fahren hörte. Kompetenzgerangel innerhalb des Teams konnten sie sich gerade jetzt nicht leisten.
„Nein, er will deinen Posten nich Spliff. Nich sein Gebiet. Er beschränkt sich lieber darauf seine Geeker einzusetzen un ein paar der Drekheads ins Nirvana zu pusten.“
Sie fand ihre Wortwahl etwas diplomatischer was Wolf mit einem Lächeln quittierte.
„Na dann steht einer ausgelassenen Party nach Massenheimer Style ja wohl nichts mehr im Weg oder?“
Gromo erhob sich aus seinem Stuhl der unter der enormen Belastung ächzte und zog bedächtig sein schmutzig graues Shirt aus. Dabei enthüllte er einen muskulösen Brustkorb, der jedoch von einem leichten Bauchansatz beendet wurde.
„Bin dafür, dass wir unsere Kampffertigkeiten jetzt mal bei einer Wasserschlacht testen.“
Mit diesen Worten drehte sich der Ork um und stapfte in Richtung der großen Schwimmhalle davon. Auch die anderen Teammitglieder standen auf und bereiteten sich auf ein Gefecht im Nass vor. Engel und Stute blickten sich kurz an, zuckten beide die Schultern und zogen dann ebenfalls all ihre Kleidung bis auf die Unterwäsche aus.
Die gierigen Blicke des Teams und einiger anderen Partygäste störten sie nicht.
Engel hatte ihren Körper früher verkauft und damals schon alle Schamgefühle über Bord geworfen und auch Stute schien nichts dagegen zu haben, den Drekheads tiefe Einblicke zu erlauben.
Sie folgten ihren männlichen Kollegen in die mittlerweile wieder fast leere Schwimmhalle. Wieder fragte sich Engel mit was Wolfs Eltern wohl ihren Lebensunterhalt bestritten hatten. Das Haus an sich war schon beeindruckend, aber der Pool setzte dem ganzen die Krone auf. Zehn auf zehn Meter groß und mit weißem Marmor verkleidet machte es allen Freibädern die sie bis jetzt gesehen hatte zumindest in Bezug auf den Komfort Konkurrenz.
Im hinteren Teil der Halle gab es für die weiblichen und männlichen Besucher getrennte Duschkabinen, eine kleine Sauna sowie einen Whirlpool in dem mindestens sechs Norms problemlos Platz fanden.
Gerade stieß Gromo Skelett und Spliff mit einem gewaltigen Stoß über den Rand des Beckens, die dies mit lauten Aufschreien quittierten, bevor sie, Wasser in alle Richtungen verteilend, auf der Oberfläche aufschlugen.
Gromo, Racker und Wolf standen an dem Rand und lachten lauthals über die wieder auftauchenden und fluchenden Teammitglieder.
„Ich könnte einen Wasserelemtar beschwören und ihn die drei wegspülen lassen, Stute, aber ich glaube, das wäre unfair.“
Engel sah die grinsende Deckerin an.
„Ja, das wäre es wohl. Aber ich glaube mit diesen drei Witzfiguren werden wir auch so fertig oder?“
Zusammen sprangen sie auf die drei muskulös vor ihnen aufragenden Männer zu.
Nur Wolf bemerkte die schnellen Schritte hinter sich und versuchte noch auszuweichen, aber seine Lebensgefährtin kannte aus verschiedenen Schlachten in ihrem Bett die Tricks der Messerklaue und wusste, dass er versuchen würde, sich nach links zu drehen.
Dies berechnend sprang sie kurz vor ihrem Partner ab und klammerte sich an seinem breiten Kreuz fest. An der Kante des Beckens stehend verloren auch Wolfs verstärkte Reflexe die Balance und das Pärchen kippte kopfüber in das angenehm kühle Nass.
Stute sprintete einfach an den beiden noch trockenen Teammitgliedern vorbei und griff im Abspringen nach ihren Händen.
Es war beachtlich, aber die eher zierlich gebaute Deckerin schaffte es, den massigen Ork wie auch ihren Freund mit sich in das Becken zu reißen. Die Schlacht konnte beginnen.

__________________
Wahnsinn und Genie liegen oft näher beieinander als man denkt.
14.08.2010 03:51 Taras Amaris ist offline E-Mail an Taras Amaris senden Beiträge von Taras Amaris suchen Nehmen Sie Taras Amaris in Ihre Freundesliste auf
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Kapitel 5
Es kommt immer anders als man denkt

Auf der alten Autobahnüberführung strich der eiskalte Wind wie hunderte Messer über die Haut, die nicht von Kleidung verhüllt wurde.
Engel fröstelte. Der nächtliche Himmel über ihr war wolkenverhangen und sie hoffte, dass nicht gleich wieder der saure Regen einsetzte. Sie war froh, dass sie sich für die Dauer des Runs den alten schwarzen Ledermantel ihres Freundes ausgeliehen hatte.
Zwar wärmte das synthetische Leder nicht wirklich, aber es schirmte sie hervorragend gegen den schneidenden Wind ab. Und natürlich war das Kleidungsstück mit Kevlarplatten verstärkt worden um auch einen ballistischen Schutz zu erreichen.
Wenn Engel die Situation richtig einschätzte würde dieser Schutz heute Nacht noch wesentlich wichtiger werden als der den ihr das Kleidungsstück im Moment bot.
Unter dem Mantel trug sie eine lange, ebenfalls schwarze Lederhose, die eng an ihrem Körper anlag und ihre weiblichen Rundungen betonte sowie einen schwarzen Wollkragenpullover. Und natürlich ihren Schmuckgürtel sowie die Armbänder von Mitsuhama ohne die sie das Haus nicht verließ.
Ihr langes blondes Haar hatte sie hochgesteckt und mit einem schwarzen Tuch verhüllt das Wolf ihr mehrfach um den Kopf gewickelt hatte, sodas nur ihre Augen zu sehen waren.
Unter dem Tuch trug sie ein Headset, dass mit einem kleinen Funkgerät, welches sie an ihrer Hose trug, gekoppelt war. Der letzte Teil ihrer Ausrüstung war die kleine Pistole in ihrer rechten Hand.
Ein Geschenk von Wolf.
Die mattschwarze Seco LD-120 war ein israelisches Produkt und wie Wolf ihr erklärt hatte eine zuverlässige halbautomatische Pistole mit ausreichend großem Magazin, Ziellaser und vor allem nicht ganz so großen Ausmaßen wie zum Beispiel seine Savalette Guardian.
Auch kugelte der Rückstoß Engel nicht bei jedem Schuß das Schultergelenk aus.
Die perfekte Waffe für sie, wenn man nicht zuviel Durchschlagskraft erwartete, aber bei massiv gepanzerten Gegner verließ sich die Magierin sowieso eher auf einen Feuerball oder einen ihrer anderen Kampfzauber.
Neben ihr kauerte Wolf auf dem bröckelnden Beton der Überführung. Er trug eine taktische schwarze Armeehose mit vielen Taschen, seine Lederjacke und wie sie ein schwarzes, um den Kopf gewickeltes Tuch, welches nur einen schmalen Schlitz für die Augen frei ließ.
Er hatte ihr erklärt, dass dieses Tuch zwei wichtige Vorteile hatte.
Erstens konnten überlebende Augenzeugen später nicht die Gesichter der beiden beschreiben, zweitens lag es durchaus im Bereich des Möglichen, das helle Gesichter in der Dunkelheit aufmerksame Wachen aufschrecken.
Auch wenn sie sich mit dem Tuch wie eine Angehörige des Jihad vorkam verstand sie die Notwendigkeit.
Spliff und Gromo lagen etwa hundert Meter von der Überführung entfernt am Rand der Autobahn bereit während Skelett mit dem Fluchtwagen, einem geklauten Lieferwagen, in einiger Entfernung auf einem Feldweg parkte und von dort aus seine beiden über dem Gelände schwebenden Drohnen steuerte. Stute und Racker befanden sich in einem Telekommunikationsverteiler in einem Kaff ganz in der Nähe.
Nordenstadt, glaubte sie sich an den Namen zu erinnern.
Bei der Teambesprechung hatten die beiden angemerkt, dass dieser Knotenpunkt der Telekommunikationsgitter nur relativ gering gesichert war und sie von dort aus direkt in das System einsteigen konnten. Vor einigen Minuten war eine Nachricht über Funk eingegangen, die besagte, dass die beiden Decker bereit waren, die Kommunikation in dem Bereich des Teilabschnitts der Autobahn auf Spliffs Kommando hin lahm zu legen.
Ausgezeichnet.
Bis jetzt lief alles nach Plan. Die Autobahn unter ihnen war absolut ruhig. Kein einziges Fahrzeug hatte ihre Position seit über einer Stunde passiert.
Wolf hatte seine beiden Waffen auf seinen Beinen abgelegt und starrte durch ein elektronisches Fernglas in Richtung Frankfurt.
Die beiden Maschinenpistolen wirkten bedrohlich. Engel wusste, dass diese Waffen ihren Freund schon länger begleiteten als die beiden schweren Pistolen die er gegen normale Gegner einsetzte. Die Griffe der Ingram Smartgun und der Heckler und Koch MP-5TX wirkten abgenutzt und auch die dunkle Brünierung der Waffenkörper hatte sich über die Jahre hinweg abgenutzt, aber die Magierin bezweifelte nicht, dass sich die beiden Geeker sonst in einem erstklassigen Zustand befanden.
Zwei Handgranaten hingen an ihren Zündringen von Riemen an der Lederjacke herab, die meisten der Taschen der taktischen Hose ihres Freundes waren vollgestopft mit zusätzlichen Munstreifen und er strahlte eine Art professioneller Ruhe aus. Kein Anzeichen von Nervosität oder gar Angst.
Die waffenstarrende Kampfmaschine war bereit ihr blutiges Handwerk aufzunehmen.
In Gedanken ging Engel den Plan noch einmal durch. Wohl zum hundertsten Mal seit sie und Wolf auf der Überführung in Stellung gegangen waren.
Sobald der Konvoi in Sicht kam würde Engel eine magische Barriere vorbereiten und 20 Meter von ihrer Position entfernt auf der Fahrbahn manifestieren sobald die Fahrzeuge die Überführung passierten.
Selbst wenn ein Magier die Mannschaft begleitete, die nach Benjis Informationen nur aus alten Messerklauen und einigen Söldnern bestand, würde die Zeit nicht mehr ausreichen, um die Fahrzeuge abzubremsen.
Gleichzeitig würden Gromo und Spliff von ihrer Position aus eine Vorrichtung auslösen die innerhalb von Sekundenbruchteilen eine Nagelkette über die drei Spuren der Autobahn zog. Mit diesen beiden Aktionen würden sie den Konvoi zum Stillstand bringen.
Wolf und sie würden die Besatzung des hinteren Mercedes ausschalten, während Spliff und Gromo sich um das erste Fahrzeug dieses Herstellers und den Transporter kümmern würden. Sollte eine der beiden Gruppen Schwierigkeiten bekommen würde Skelett mit seinen beiden Kampfdrohnen die Situation bereinigen.
Sobald die Mannschaft des Konvois ausgeschaltet war, würde Skelett dem Feldweg zu einer Stelle folgen, die ihn auf einige Meter an die Autobahn heranbrachte, wo Spliff und Gromo zusteigen würden.
Engel und Wolf würden den Ort des Geschehens auf der BMW verlassen, die gut versteckt in der Nähe der Überführung stand.
Soweit die Planung.
Engel nahm ein leichtes Zucken ihres Partners wahr, dann hörte sie auch schon seine Stimme in ihrem Kopf. Kalt und professionell.
„Konvoi gesichtet. Vier Fahrzeuge mit hoher Geschwindigkeit. Eindeutige Identifizierung des primären und der sekundären Ziele. Viertes Fahrzeug ist Mitsubishi Nightsky.“
Engels Gedanken überschlugen sich. Ein zusätzliches Fahrzeug bedeutete zusätzliche Feuerkraft der Mannschaft. Bedeutete mehr Gegner.
„Gruppe eins an Führungsgruppe. Das Paket ist on it‘s way, aber es ist nen ganzes Kilo schwerer als erwartet. Abbruch?“
Die Magierin sprach in das Bügelmikrofon das von dem Tuch verdeckt wurde, welches um ihren Kopf gewickelt war.
Das Team hatte Funkcodes festgelegt um Mithörer zu verwirren.
Engel und Wolf waren Team eins. Die Führungsgruppe stellten Gromo und Spliff dar, während Skelett auf den Funknamen Feuergruppe hörte.
Seine fliegenden Drohnen waren mit schwerer Artillerie ausgerüstet und konnten einen wahren Feuerregen auf die Fahrzeuge des Konvois ablassen. Aus diesem Grund der Name. „Drek! Keine Verschlüsselung mehr. Gruppe eins, was für ein Fahrzeug ist noch dabei?“ Spliffs Stimme, die aus dem Headset ertönte, klang überaus nervös.
Dass er die Verschlüsselung aufhob konnte nur bedeuten, dass er wirklich darüber nachdachte, den Angriff abzubrechen.
„Sag ihnen, dass der Nightsky zwischen dem ersten Mercedes und dem Transporter auf der mittleren Spur unterwegs ist. Spliff soll sich entscheiden. Sie erreichen uns in drei oder vier Minuten.“
Wolfs Stimme hatte nichts von ihrer Professionalität verloren.
„Gruppe eins an Führungsgruppe, zusätzliches Fahrzeug ist nen Mitsubishi Nightsky. Hält ne Position zwischen dem ersten Mercedes und dem Transporter auf der mittleren Fahrbahn. Wir brauchen ne Entscheidung. Der Konvoi erreicht unsere Position in drei Minuten.“
Trotz des kühlen Windes bildete sich eine Schweißschicht auf Engels Stirn.

Spliff fluchte leise in sich hinein, während er krampfhaft in die Dunkelheit starrte. In etwa fünfzig Meter Entfernung konnte er dank seiner Cyberaugen die Umrisse der Autobahnüberführung ausmachen und er glaubte auch das Licht sich nähernder Scheinwerfer auf der Autobahn zu sehen.
Er musste sich jetzt entscheiden.
Ein Mitsubishi Nightsky bedeutete acht weitere mögliche Gegner mit denen das Team fertig werden musste.
Spliffs Gedanken überschlugen sich.
Sie hatten den Run für Benji angenommen, hatten die Informationen erhalten die für die Planung nötig gewesen waren und würden bei Erfolg gut bezahlt werden, aber was brachte ein auch noch so fetter Ebbi wenn man an Luzifers Spieß vor sich hin röstete.
Verdammt!
Das Team wartete auf seine Entscheidung. Er war der Teamleader.
„Elektronik Gruppe, legt das Netz lahm. Gruppe eins, zieht die Barriere hoch. Feuergruppe übernimmt das neue Paket bis Führungsgruppe und Gruppe eins ihre Aufgaben erfüllt haben.“ Er hatte sich entschieden. Wenn er das Team in die Professionalität führen wollte, durften sie nicht bei jeder Situationsänderung davonlaufen.
Selbstsicher lud er die Sandler TMP durch.

Rackers Icon war ein muskelstrotzender Adonis, der nur mit einem Lendenschutz bekleidet war, was in dem Standartkonstrukt des Systems absolut fehl am Platz wirkte. Pulsierende Datenströme zogen sich durch den geometrisch perfekten Quader, der das System des Telekommunikationsverteilers darstellte.
Der Verteiler war mit den Sende- und Empfangsanlagen des drahtlosen Telekomnetzes verbunden und stellte die Verbindung zu den Lichtleiterverbindungen des normalen Netzes her.
Der Adonis drehte sich zu seiner Begleiterin um. Das Icon neben ihm stellte eine Normfrau da, die eine Brille und ein mausgraues Konzernoutfit trug.
Das Haar züchtig zusammengesteckt und eine schwarze, altmodisch wirkende Aktentasche tragend erweckte Stutes Persona den Eindruck einer braven Konzerndrohne.
„Wir haben das o.k. von Spliff.“
Ohne zu antworten tauchte die Arbeitsdrohne in einen der pulsierenden Ströme der zu dem Quader hinführte, gefolgt von dem Adonis. Racker folgte dem Icon seiner Partnerin und verließ nach einer kurzen Fahrt auf der Datenautobahn diese kurz vor dem Quader.
Stutes Icon stand vor einer der verspiegelten Wände in welcher der Strom verschwand.
„Ist nur weißes Ice, Schatz. Das erledige ich.“
Stutes Persona zog die elektronische Darstellung einer Codekarte aus der Aktentasche und legte sie auf die Oberfläche der Spiegelwand. Racker beobachtete neugierig wie ein Teil des Spiegels sich in Kodierungen auflöste als Stutes Täuschungsprogramm seine Arbeit aufnahm. Nur Sekundenbruchteile später öffnete sich ein Teil der Wand und die Arbeitsdrohne trat in den Quader.
Racker war beeindruckt.
Offensichtlich hatte seine Freundin sich einige neue Programme zugelegt.
Er nahm sich vor sie nach dem Run danach zu fragen.
Das Innere des Konstrukts erinnerte an einen gigantischen Dom mit tausenden von Zuflüssen aus pulsierendem Licht, die am Boden des Quaders zu einem massiven Strang verschmolzen der dann in einer weiteren Öffnung verschwand.
Sie hatten ihr Ziel erreicht. Der massive Strang stellte die Verbindung zu dem Lichtleiternetzwerk des Telekommunikationsnetzes dar.
In der realen Welt hackte Racker auf der Tastatur seines Cyberdecks herum, bis in den Händen seiner Persona ein gigantisches Schild erschien.
„Störung“ war darauf in riesigen roten Buchstaben zu lesen.
Er marschierte mit dem Adonis zu dem Strang hinüber und rammte den Stiel des Schildes dann mit Schwung hinein.
Sofort begann das pulsierende Licht, das bis dahin den Strang erfüllt hatte, zu verblassen, bis der Strang grau und leblos vor den beiden Deckern lag.
Das Virus verhinderte erfolgreich den Transfer von Daten aus den Handy- und Funknetzen in das Verteilungssystem des verwaltenden Konzerns.
Die Konzerndrohne fischte ein modernes Handy-Icon aus ihrer Aktentasche. „Elektronikgruppe an Führungsgruppe. Haben den Laden geschlossen.“

Engel konnte die elektronische Stimme ihrer neuen Freundin Stute über den Teamkanal vernehmen.
Gerade hatte sie den Barrierezauber wirkte, der die gesamte rechte Spur der Autobahn nun unsichtbar abriegelte.
Sie konnte nur hoffen, dass Spliff wusste, worauf er sich da einließ, sonst würden sie alle als Fraß für die Würmer enden und Engel hatte noch nicht vor, sich von dieser Welt zu verabschieden.
Der Konvoi raste mit hoher Geschwindigkeit unter der Überführung hindurch. Sie bemerkte wie Wolf seine Muskeln anspannte. Sie kauerten nun auf der anderen Seite der alten Betonkonstruktion und beobachteten die letzten Meter unbeschwerter Fahrt der Ziele.
Die Fahrzeuge waren alle mattschwarz lackiert und besaßen getönte Scheiben, welche die Insassen auch bei hellstem Sonnenschein vor Blicken geschützt hätten.
In dem Moment, in dem sie der Transporter passierte, krachte der führende Mercedes in Engels Barriere.
Sie hatte die magische Wand mit aller Kraft versehen, die ihr zu Verfügung stand, hatte das Konstrukt so massiv mit der Metaebene verknüpft wie ihre zugegeben beschränkten Fertigkeiten es zugelassen hatten und doch platzte ihr Werk bei dem Aufprall wie ein Ballon. Der Mercedes bäumte sich unter der Wucht des Aufpralls auf wie ein sterbendes Tier.
Die Karosserie wurde kreischend verzogen, die Fenster splitterten und das Fahrzeug schleuderte, sich mehrmals überschlagend über die Spuren der Fahrbahn.
Die Magierin konnte sehen wie das zweite Fahrzeug, der Mitsubishi Nightsky in die blitzartig über die Fahrbahn gleitende Nagelkette raste, die Reifen platzten und der Fahrer versuchte, die Kontrolle zu behalten.
Vergebens.
Die Limousine brach nach links aus und raste fast ungebremst in die Leitplanke. Funkensprühend rutschte der Wagen einige Meter an der Stahlbegrenzung entlang bevor er zum stehen kam.
Der Fahrer des Transporters hatte wirklich beeindruckende Reflexe.
Er ließ die Reifen des VW protestierend kreischen als er die Bremsen voll durchtrat und nur einige Meter vor der Nagelkette, die seinem Begleitfahrzeug zum Verhängnis geworden war, zum stehen kam.
Auch der zweite Mercedes entging dem Schicksal der ersten beiden Fahrzeuge, auch wenn der Fahrer auf die zweite Spur ausweichen mußte um nicht auf das Heck des Transporters aufzufahren.
„Das Paket ist geliefert.“
Ihre Stimme vibrierte als sie sich aus ihrer kauernden Position erhob, die Arme weit ausgestreckt. Sie fing an, leise murmelnd, einen Zauberspruch zu wirken, während Wolf neben ihr aufsprang und seine beiden Maschinenpistolen in Anschlag brachte.

Die beiden Maschinenpistolen in seinen Händen fühlten sich gut an. Das Rucken als sie ihre todbringende Ladung in Richtung des nun stehenden zweiten Mercedes spuckten, ließ Wolf wieder in die alte Routine zurückfallen.
Er war eine Kampfmaschine.
Eine lebende, aber dennoch extrem tödliche Maschine.
Er feuerte vollautomatisch mit den beiden Waffen auf das Dach des dunklen Fahrzeugs.
Die Stahlmantelgeschosse stanzten funkensprühend Löcher in das Dach und heulten durch den Innenraum. Einige der todbringenden Kugeln schlugen in die Heck- und Seitenfenster und ließen diese in einem Splitterregen zerbersten.
Seine beiden Geeker leisteten ganze Arbeit. Sie zerfetzten brüllend und Feuer spuckend die Ruhe der Nacht und verwandelten die Autobahn in ein Schlachtfeld.
Das Team hatten die Mannschaft des Konvois völlig überrascht. Wolf konnte erkennen, wie Gromo und Spliff aus ihrer Deckung am Straßengraben sprangen und auf das rauchende Wrack des ersten Mercedes zu stürmten, dass auf dem Dach liegen geblieben war. Aus der ehemals eleganten Limousine krochen nun zwei Gestalten durch die zerborstenen Fenster des hinteren Teils auf die Straße.
Er hatte jedoch nicht die Zeit den Angriff des Teamleaders und des Orks zu beobachten, da in diesem Moment die Türen seines Zielmercedes aufgestoßen wurden.
Ein großer glatzköpfiger Ork fiel blutüberströmt aus der Beifahrertür. Mindestens drei große Löcher klafften in seinem Körper, hatten seine Panzerweste durchschlagen und dafür gesorgt, dass seine Zeit auf diesem Planeten rapide ablief.
Wolfs kampferprobtes Hirn klammerte diesen Gegner aus der Zielerfassung aus. Wenn man später näher an die Fahrzeuge heran kam würde man sich um ihn unter Umständen noch Gedanken machen müssen, aber im Moment war er nur ein blutendes Stück Fleisch.
Die Fahrertür des Wagens blieb geschlossen, und der Mercedes machte auch keine Anstalten sich zu bewegen, sondern stand nur mit laufendem Motor auf der Stelle. Die elfische Messerklaue schätzte, dass der Fahrer entweder tot oder schwer verletzt in seinem Sitz lag. Aus der Tür hinter dem Fahrer jedoch sprang eine in rotes Leder gekleidete Gestalt, die offensichtlich noch keine Verletzungen davon getragen hatte.
Wolf erkannte die blitzartigen Reflexe schwerer Cyberware und ein tödliches Sturmgewehr als die Gestalt sich über den Asphalt der Straße abrollte, während aus der Tür hinter dem Beifahrersitz ein gedrungener Zwerg kletterte. Der Zwerg war wie der Ork bereits verwundet, schien die Treffer jedoch wesentlich besser weg zu stecken.
Die Uzi III in seinen Händen deckte bereits die Überführung ein, während die rote Gestalt breitbeinig in Stellung ging.
Heulend schwirrten die Querschläger der Uzi-Salve um Engel und Wolf herum durch die pechschwarze Nacht.
Seine Heckler und Koch hatte ihre Muni vollständig aufgebraucht, aber die Ingram Smartgun verfügte über ein größeres Magazin. Sie noch über einige Reserven.
Während eine der Uzi Kugeln seine verstärkte Lederjacke am rechten Ärmel aufriss und eine blutige Wunde in seinen Oberarm schlug, richtete er seine eigene Maschinenpistole neu aus und pumpte eine weitere Salve in die Richtung seiner Gegner.
Die Innenverkleidung der Tür, hinter welcher der Zwerg in Deckung gegangen war, löste sich unter den hämmernden Schlägen der Geschosse auf, verteilte sich scheppernd über einige Meter der Autobahn.
Zwar wurde der kleine Gegner nicht getroffen, aber wenigstens zog er sich vollständig in Deckung zurück.
Wolf bereitete sich auf die Salve aus dem Sturmgewehr vor. Er hatte sich für einen Gegner entscheiden müssen, da die beiden Messerklauen sich auf ihren Job verstanden und weit genug auseinander gestanden hatten, um zu verhindern, dass er sie mit einer langen Salve beide unter Feuer nahm.
Aber die schmerzhaften Einschläge ließen auf sich warten. Stattdessen blitzte es grell neben ihm auf, dort wo Engel stand.
Aus dem Augenwinkel nahm Wolf wahr, dass seine Partnerin einen hellen Ball puren Feuers zwischen ihren Händen konzentriert hatte und diesen nun in Richtung der roten Gestalt schleuderte.
Nur Sekundenbruchteile später traf der sich während des Fluges immer weiter aufblähende Feuerball in der Größe eines Fußballs auf den Körper der rot gekleideten Gestalt, die das Sturmgewehr schußbereit in Anschlag gebracht hatte.
Die Gestalt kam nicht mehr dazu den Abzug zu betätigen.
Der orange-rote Ball aus superheißen Flammen explodierte bei Berührung mit der Bauchdecke seines Opfers, hüllte es vollständig in eine gierig verschlingende Feuersbrunst, die ein Überleben sehr unwahrscheinlich machte.
Unmenschlich schreiend stolperte die Gestalt nach hinten und brach auf dem Asphalt zusammen, wo sie um sich schlagend und zuckend langsam auf die höllischen Temperaturen in Luzifers Reich vorbereitet wurde.
Gerne hätte Wolf seiner Freundin anerkennend zugenickt, aber die Situation erforderte seine volle Konzentration. Während er eine weitere Salve in die Tür feuerte, hinter der sich der Zwerg verkrochen hatte, ließ er mit einer routinierten Bewegung das leere Magazin aus der Heckler und Koch gleiten und ging dann hinter der Brüstung aus Beton in Deckung um ein neues einzuführen.
Auch Engel war abgetaucht und während er einen frischen Streifen Muni aus einer seiner Hosentaschen fischte und diesen in die H&K MP5 TX rammte bemerkte er, dass ihre sonst so schönen und ausdrucksvollen Augen geschwollen wirkten.
Einige Adern waren geplatzt und verfärbten das weiß um die grüne Iris in ein leichtes Rosa. Er hatte schon gehört das Magie auch dem spruchschleudernden Hexer Schaden zufügen konnte.
Er glaubte sich an das Stichwort Entzug erinnern zu können, war sich aber nicht sicher. „Benutz deine Seco. Magie nur noch in Notfällen.“
Er dachte die Worte und konnte an Engels Nicken erkennen, dass sie ihn verstanden hatte. „Sorry. Hab mich bei dem Feuerball wohl überschätzt.“
Ihre Worte klangen erschöpft und leise in seinem Verstand. Er hatte mittlerweile auch den Munistreifen der Smartgun gewechselt und nickte ihr nun zu.
Wie eine Einheit tauchten die beiden Shadowrunner aus ihrer Deckung auf und überschütteten den Zwerg, der sich gerade aus seiner Deckung getraut hatte sowie die aussteigende Transporterbesatzung, einen schwindsüchtigen Norm mit einem Sturmgewehr und einen massiven Troll mit einer schweren Pistole mit Verderben aus ihren Geekern.

Spliff sprintete auf den Mercedes zu. Gerade schien sich der ins Freie gekrochene Fahrer erholt zu haben und hob seine Pistole in seine Richtung.
Spliffs dreischüssige Salve traf den jungen Norm, noch ehe dieser selbst feuern konnte.
Die Sandler war eine zuverlässige Maschinenpistole und konnte in den Händen eines versierten Schützen wahrlich vernichtend wirken.
Alle drei Geschosse trafen den jungen Mann in die Brust, wirbelten ihn in einer Pirouette einmal um die eigene Achse, wobei Blutspritzer in alle Richtungen geschleudert wurden bevor er wie eine Marionette zusammenbrach, deren Fäden durchschnitten worden waren. Hinter dem Wrack des Mercedes erhob sich plötzlich ein alt wirkender Ork.
Er hatte eine stark blutende Platzwunde an der Stirn und musste sich an dem Rahmen des rauchenden Wracks anlehnen, aber der drohend erhobene Colt Manhunter spuckte zwei Geschosse mit blitzenden Feuerlanzen aus seinem Lauf. Neben sich hörte Spliff seinen Chummer Gromo aufschreien.

Der Angriff schien hervorragend für die Massenheim Youngsters zu laufen. Außerhalb seines Sichtbereiches lieferten sich Engel und Wolf offensichtlich ein schweres Gefecht mit der Konvoimannschaft und die Nightsky Besatzung schien sich von dem Unfall noch nicht erholt zu haben.
Der Wagen stand immer noch, ohne ein Lebenszeichen auszustoßen, an der Leitplanke. Gromo grinste als Spliff den Fahrer des ersten Mercedes mit einer gezielten Salve niederstreckte.
Weder der Leader noch er besaßen reaktionsverstärkende Cyberware, aber im nächsten Moment wünschte der Ork, sich dafür unter das Messer gelegt zu haben.
Der grauhaarige Ork mit dem abgebrochenen Hauer und der Platzwunde auf der Stirn schien aus dem Nichts zu kommen.
Wie in Zeitlupe sah Gromo die Stichflamme aus dem Lauf der schweren halbautomatischen Pistole hervorbrechen.
Die erste Kugel streifte seinen Kopf links und grub eine schartige Furche in seine Haut, kupferbraune Haare mit sich reißend. Das zweite Geschoß saß wesentlich besser und sprengte sich durch die gepanzerte Weste in die linke Schulter, wo sie eine bösartige Wunde riss.
Der Schlag ließ Gromo nach hinten taumeln und erschreckt aufschreien. Der Schmerz hatte sich noch nicht in sein, von dem Schock gelähmten, Gehirn vorgearbeitet, da hob er die Remington Schrotflinte und feuerte die schwere Waffe ab.
Auch Spliff hatte seine Maschinenpistole auf den neuen Gegner ausgerichtet und riss den Abzugsbügel durch.
Der vollautomatische Feuerstoß aus der MP schrappte über die Karosserie und erzeugte heulende Querschläger, die den alten Ork wohl in Deckung gezwungen hätten, hätte das Massivgeschoß aus Gromos Schrotflinte nicht seinen Kopf in einer spektakulären Blutfontäne explodieren lassen.
Der kopflose Körper stürzte nach hinten, außer Sicht der beiden Chummer.
Spliff wirbelte herum.
„Gromo! Drek, dich hat’s erwischt.“
Die Stimme des Norms überschlug sich fast.
„Bin nen Ork, du Zwergnase. Wir halten noch ne ganze Menge mehr aus und jetzt wirf mal nen Blick in das Wrack, ich hab nämlich wirklich keinen Bock noch mehr Kugeln zu fangen.“ Er hielt die Schrotflinte schußbereit in Hüfthöhe, die Augen starr auf den rauchenden Mercedes gerichtet.
Der Leader schien verstanden zu haben.
Er richtete die Sandler ebenfalls auf das Wrack der Limousine und ging vorsichtig darauf zu, bis er in den Innenraum sehen konnte.
Gromo gab seinem Chummer Deckung bis dieser nickte. In dem Fahrzeug schien sich keine Gefahr mehr zu befinden.
Entweder der zwischenzeitlich kopflose Ork und der perforierte Norm waren alleine unterwegs gewesen, oder aber der Aufprall auf die magische Barriere hatte seinen Tribut gefordert.
Gromo war das egal.
Hauptsache kein weiterer Drekhead schoß auf ihn. Seine linke Schulter schmerzte höllisch, und er war sich sicher, dass er einen Straßendoc benötigen würde, sobald dieser Run vorbei war.
In diesem Augenblick traten zwei Ereignisse ein, die den Abschnitt der Autobahn endgültig in Chaos stürzten. Die zur Straße hin weisenden Türen des Mitsubishi Nightsky sprangen auf und mehrere komplett in schwarz gekleidete Personen sprangen aus dem Unfallwagen, mit ihren Waffen in alle Richtungen feuernd.
Gleichzeitig schwebte Skeletts Lieblingsspielzeug aus der Richtung des geklauten Lieferwagens ein.

Skelett war in dem Fahrersitz des geklauten Lieferwagens zusammengesunken. Er hatte das Fernsteuerdeck durch ein Kabel mit der Buchse hinter seinem Ohr verbunden, um die Kontrolle über seine beiden Drohnen zu erlangen. Nun war sein Geist ein Teil der Maschinen. Seit seine Chummer in der Umgebung der Autobahn in Stellung gegangen waren, ließ er seine Spielzeuge über dem Gelände kreisen.
Bis jetzt hatte er weder einen Grund noch eine Möglichkeit gehabt in die Kampfhandlungen einzugreifen, da Freund und Feind für die großkalibrigen Waffensysteme seiner Drohnen zu nahe beieinander gewesen waren.
Jetzt jedoch, wo die Insassen des Mitsubishi Nightsky aktiv wurden, sah die Angelegenheit ganz anders aus. Laut den hochentwickelten Sensoren seiner Drohnen waren Spliff und Gromo bei dem Wrack des Mercedes angekommen, während Wolf noch immer von der Überführung aus feuerte.
Mit tatkräftiger Unterstützung von Engel.
Damit waren alle seine Chummer weit genug von den sieben aus dem Nightsky stürzenden Drekheads entfernt.
Zeit ein wenig Unruhe zu stiften. Der dürre Norm, der seiner magersüchtigen Figur seinen Spitznamen zu verdanken hatte, ließ seine Sekundärdrohne eine weite Schleife in großer Höhe über das Gelände ziehen.
Sie würde in einigen Sekunden auf der Seite des Nightskys auftauchen die der Leitplanke zugewandt war.
Bis dahin würde er den Angriff mit seiner Lieblingsdrohne ausgeführt haben und sich auf sein zweites Spielzeug konzentrieren können.
Die Wandjina war das Spitzenprodukt von Commonwealth Aerospace, einem Konzern aus den Conföderated American States.
Eine schwere fliegende Angriffsdrohne mit einer sagenhaften Geschwindigkeit, einer tollen Sensorphalanx, guten Flugeigenschaften und nicht zu vergessen, einer Vengeance-Minikanone. Zusätzlich hatte Skelett unter jeder der Tragflächen einen Ruhrmetall GPRL-alpha Lenkwaffenwerfer montiert, die eine Feuerkraft ähnlich der eines richtigen Kampfflugzeugs garantierten.
Für all die Spielsachen hatte Skelett seine kompletten Ersparnisse geopfert und Benji hatte über einen Monat für die Beschaffung benötigt, aber dafür war seine Ausrüstung jetzt die absolut beste auf dem Schattenmarkt der gesamten Umgebung.
Und Skelett war ein wirklich guter Rigger.
Besonders seit seine Freundin ihn wegen seiner Leidenschaft zu elektronischen Gerätschaften verlassen hatte.
„Pah, wer braucht denn schon Tussis? Die verstehen eh nich was für eine Beziehung uns verbindet!“
Sanft tätschelte der Rigger sein Fernsteuerdeck und schaltete dann das integrierte Musikabspielgerät auf volle Lautstärke. Dröhnende Technobässe schallten durch seine Gehörgänge. Die Musik ließ ihn völlig mit der Elektronik der Drohne verschmelzen. Ließ ihn zu der nur Meter über den Boden rasenden Drohne werden.
Mit atemberaubender Geschwindigkeit schoß Skelett auf den Nightsky zu und löste die Minikanone aus.

Engel zog erneut den Abzug der leichten Pistole durch. Der Schuß peitschte aus dem Lauf und prallte jaulend als Querschläger von der Panzerung des Volkswagen Transporters ab.
Der Troll auf den sie gezielt hatte warf sich hinter der Motorhaube in Deckung. Sie fluchte leise.
Sie war kein besonders guter Schütze, auch wenn Wolf ihr einige Übungsstunden gegeben hatte. Ihr Gebiet war nun mal die Magie und das Bett. Hier konnte sie punkten. Der Kampf mit Feuerwaffen war ihr gänzlich fremd.
Zu ihrem Glück hatte sie eine kampferprobte Messerklaue an ihrer Seite, die dafür sorgte, dass die Gegner einen hohen Blutzoll zu entrichten hatten.
Den Zwerg mit der Uzi hatte Wolf mit einer Salve aus seiner Heckler und Koch niedergestreckt, während der schwindsüchtige Norm von der Ingram Smartgun förmlich aus dem Kampf gefegt worden war.
Sein Blut bedeckte die Seite des Transporters und seine Leiche verschmolz in der Dunkelheit der Nacht mit dem Asphalt der Autobahn.
Das Magazin ihrer Seco war fast leer geschossen und trotzdem hatte sie nicht einen einzigen Treffer vor zu weisen.
Und nun wendete sich das Blatt gegen die Youngsters. Die Besatzung des Nightsky hatte das Fahrzeug verlassen und verteilte sich, aus allen Rohren feuernd, auf der Autobahn. Sechs der ausgestiegenen Personen konnte sie eindeutig als Messerklauen identifizieren.
Ihre astrale Sicht zeigte Auren die von massiver Implantatstechnologie schwer in Mitleidenschaft gezogen worden waren.
Die letzte Person war eindeutig ein Magier, wahrscheinlich ein hermetischer Kollege von ihr. Sein langer schwarzer Duster war mit kleinen, im Astralraum hell leuchtenden Fetischen und Fokussen verziert, während ein altmodisch wirkender Zylinder seine langen blonden Haare bedeckte.
Der gegnerische Magier war eindeutig elfischer Abstammung, während sich der Rest seines Teams aus vier Norms, einem Ork und einem Troll zusammensetzte.
„Das neue Paket hat nen Magiebubi ausgespuckt. Der Typ mit dem komischen Hut. Ich werd versuchen ihn auszuschalten.“
Engel sprach die Worte schnell in das Bügelmikrophon und ließ sich dann hinter die Brüstung in Deckung fallen. Der Feuerball mit der sie vor einigen Sekunden den rot gekleideten Gegner ausgeschaltet hatte, der immer noch auf dem Boden vor sich hin brutzelte, hatte sie sehr geschwächt.
Sie spürte wie der Druck des Entzugs noch schwer auf ihrem Körper lastete, aber magische Bedrohungen fielen definitiv in ihren Aufgabenbereich.
Wozu hatte das Team denn sonst magische Unterstützung. Es wurde Zeit ihre EC zu verdienen. Tief in der Deckung kauernd, schloss sie ihre Augen und ließ ihren Geist in den Astralraum gleiten.

Wolf hatte sich mittlerweile auf halbautomatisches Feuer verlegt. Mittlerweile waren drei Munistreifen für die Heckler und Koch sowie zwei weitere für die Ingram Smartgun bei dem Gefecht draufgegangen und langsam wünschte er sich noch mehr Ersatzladestreifen in seine Taschen gestopft zu haben.
Der Kampf wäre innerhalb vor nur Sekunden vorbei gewesen wenn nicht der Nightsky den Konvoi begleitet hätte. Die neuen Gegner verkomplizierten die Situation erheblich.
Und jetzt hörte er Engels Kommentar über das Funknetzwerk des Teams.
Drek!
Auch noch ein Magier. Nicht das die professionell auftretenden Messerklauen schon genug gewesen wären.
Die Reflexe des gegnerischen Teams waren wesentlich besser als die der Mercedes und VW Besatzungen und ließen auf ein angeheuertes Runnerteam schließen. Der frankfurter Schieber hatte sich einen verdammt schlechten Zeitpunkt ausgesucht, den Begleitschutz für seine Waren zu verstärken.
Eine vollautomatische Salve aus einer Maschinenpistole sirrte über seinen Kopf hinweg. Ein hochgewachsener Norm, wie der Rest seines Teams in einen langen schwarzen Duster gekleidet, hatte ihn aufs Korn genommen, war jedoch von einigen Geschossen aus Spliffs Sandler abgelenkt worden, was wahrscheinlich Wolfs Rettung gewesen war.
Der Teamleader und sein orkischer Schatten hatten sich hinter dem Wrack des ersten Mercedes verschanzt und heizten von dort aus dem gegnerischen Team gehörig ein.
Immer wieder bellte die Sandler auf und zwang die Straßensamurais des Nightskys in die dürftige Deckung ihres Fahrzeugs, während Gromos Schrotflinte einen tödlichen Sturm aus Flechettewolken nach dem anderen entfesselte.
Gerade als Wolf dem Norm einen bleihaltigen Dank aus seiner Heckler und Koch Maschinenpistole zurücksenden wollte, schoss ein tief fliegendes Etwas über die Autobahn. Skelett griff in den Kampf ein. Die CAS Wandjina ließ ihre Minikanone brüllend einen Regen aus schweren Geschossen auf den Nightsky entfesseln.
Einige der Kugeln rissen den Asphalt der Straße auf während drei weitere den hinter der Beifahrertür kauernden Troll per Express in die Hölle beförderten.
Mit aufgerissenem Torso und Hals kippte der Meta in das Innere der Limousine und verteilte sein Blut über die Armaturen und das hochwertige Kunstleder der Sitze.
Vor seinem Ableben war es der metamenschlichen Klaue nicht einmal mehr möglich einen Schrei auszustoßen.
Der Rest der Salve scheuchte die Überlebenden Teammitglieder noch tiefer in ihre Deckungen in dem er auf die Karosserie einhämmerte, sie durchschlug und rauchende, ausgefranzte Löcher hinterließ.
So schnell wie die Drohne aufgetaucht war, so schnell donnerte sie auch wieder in die Dunkelheit davon.
Er nutzte das Durcheinander der Gegner um mit eine kurzen Gedanken an Engel zu richten. „Hoffe du kannst mich hören Schatz. Wir müssen das hier beenden, sonst greifen uns die Cops noch mitten im Gefecht auf.“
Er hoffte, dass Engel trotz ihrem weggetretenen Zustand seinen Kommentar mitbekommen hatte, wusste aber, dass sie sich auf der Astralebene mit dem gegnerischen Magier herumschlug.
Mit einem schnellen Satz sprang er über die Brüstung der Überführung.
Während seines fünf Meter tiefen Falls schaltete er die Maschinenpistolen auf vollautomatisches Feuer um und bereitete sich auf den harten Aufprall vor. Seine mit Titan verstärkten Knochen sowie sein federndes Abrollen ließen ihn unbeschadet aufkommen und im Schutz des Transporters nur wenige Meter von dem völlig überraschten Troll in die Höhe schnellen.
Sofort sprachen seine Waffen und der Metamensch wurde von zwei Salven mit insgesamt zwanzig Geschossen herum gewirbelt. Auf dem massiven Brustkorb seines Opfers blühten blutrote Wunden wie Blumen auf, als die aus nächster Nähe abgefeuerten Kugeln die Panzerjacke und die natürliche Dermalpanzerung durchschlugen, sich einen Weg durch den Körper bahnten und dabei Organe und Knochen zerrissen und schließlich am Rücken wieder austraten.
Von der Wucht der Einschläge nach hinten geschleudert breitete der Troll die Arme uns und stürzte gegen die offen stehende Beifahrertür des Lieferwagens, bevor er blutüberströmt zusammenbrach.
Wolf presste sich gegen den Aufbau des Lieferwagens und ließ die leer geschossenen Magazine aus seinen Waffen gleiten als sich die Welt um ihn herum in eine brüllende Hölle verwandelte.

Spliff wurde von Gromo zu Boden gerissen als mehrere Salven aus einem schweren Maschinengewehr über die Autobahn zuckten.
Jaulend prallten einige Geschosse von der Karosserie des ihnen Deckung gebenden Wracks des Mercedes ab.
Er hatte einen dunklen Schatten am Himmel ausgemacht, der aus Richtung Wiesbaden eingeschwebt war, hatte ihn jedoch nicht identifizieren können. Nun hing der Federated Boing Commuter mit aufgerichteten Rotorblättern nur zehn Meter über und knapp neben der Bahn in der Luft.
Das schwere Maschinengewehr, dass in einer der Türen aufgebaut war, spuckte Salve um Salve gegen alles Leben das sich am Boden tummelte.
Das Flugzeug war ein Senkrechtstarter mit großem Frachtraum, welches vorrangig von Konzernen genutzt wurde um Personal oder Equipment von einer Arcologie in eine andere zu verlegen, oder aber als Truppentransporter für Konzerneinsatzgruppen.
Ganz schlecht! Drek, Drek, Drek! Megadrek!
Er konnte keine Insignien auf dem Rumpf der Maschine ausmachen, aber da das Maschinengewehr auch die Besatzung des Nightsky beharkte war klar, dass dies nicht die Verstärkung des frankfurter Schiebers war.
Die örtlichen Polizeikräfte verfügten ebenfalls nicht über solche Ausrüstung, also stellte sich die Frage, wer die Neuankömmlinge waren.
Einige Salven aus Handfeuerwaffen die vom Boden aus gen Himmel fuhren wurden mit einem wilden Deckungsfeuer des MG-Schützen beantwortet während mehrere Seile aus den restlichen Öffnungen fielen, und in dunkle Kampfanzüge gekleidete Gestalten begannen, sich ab zu seilen.
Noch während die Gestalten an ihren Geschirren die Seile herunter rutschten feuerten sie aus Sturmgewehren und Maschinenpistolen auf Spliffs Team und die Mannschaft des Konvois. „Führungsgruppe an alle Gruppen. Rückzug. Jetzt reicht es endgültig. Das ist kein Shadowrun mehr, dass hier ist ein ausgewachsener Krieg. Elektronikgruppe wir brauchen Feuerschutz um uns absetzen zu können.“
Über das Brüllen der Einschläge der schweren Salven des Maschinengewehrs brüllte Spliff in das Mikrofon seines Headsets und hoffte das Skelett und die anderen ihn verstehen konnten. Dann richtete er sich halb auf und feuerte seine Sandler auf den Commuter ab.
Auch Gromo hatte sich erhoben und schoß mit seiner Schrotflinte auf eine der sich abseilenden Gestalten.
Spliffs Salve prallte funkensprühend von der Panzerung des Flugzeugs ab und hinterließ im Bestfall einige Kratzer darauf.
Der Ork war da schon wesentlich erfolgreicher. Die Gestalt, welche er unter Feuer genommen hatte, erhielt einen Treffer in den Brustkorb und fiel die restlichen sechs oder acht Meter in die Tiefe, wobei sie das Sturmgewehr verlor.
Der kleine Erfolg konnte jedoch nicht darüber hinweg täuschen, dass die Neuankömmlinge das Gefecht gewinnen würden. Mindestens zwölf Gestalten hatten sich an der Leitplanke verschanzt und deckten das gesamte Gebiet mit einem vernichtenden Kugelhagel ein.

Engel sprang auf den Zylinderträger zu. Der gegnerische Magier war gut, zu verdammt gut für sie.
Sie hatte ihre besten Sprüche gegen ihn eingesetzt und ihn damit nicht einmal ins Schwitzen gebracht.
Im Gegenzug hatte er ihr schon zwei Kampfsprüche angedeihen lassen, von denen sie nur einen hatte ganz abblocken können. Der zweite hatte die vom Entzug stark geschwächte Elfin voll erwischt.
Ihr astraler Körper hatte sich vor Schmerzen gewunden und sie war kurz davor gewesen, den Kampf abzubrechen, als ihr schmerzlich bewusst geworden war, dass der andere Elf sie auch in der realen Welt zerfetzen würde.
Nur mit dem Unterschied, dass er hier allein kämpfen musste, während auf der anderen Seite sein Team eingreifen konnte.
Gerade als Engel einen weiteren Kampfzauber auf ihren männlichen Kollegen wirken wollte nahm sie eine astrale Bewegung in ihrer Umgebung wahr.
Sie konnte jedoch nicht mehr reagieren. Eine riesige Gestalt wischte ihre astrale Projektion einfach zur Seite, während sie auf den Magier zuschoß.
Wie ein Seidenschal im Sturm flog sie durch den Raum bevor sie ihren Sturz bremsen konnte. Der riesenhafte Geist in Erscheinung einer Wespe hatte sich mittlerweile auf Angriffsreichweite dem Magier genähert.
Panisch schleuderte dieser einen starken Kampfspruch in Form eines hellen Lichtstrahls gegen das Monster, was jedoch nur bewirkte, dass dieses ein wütendes Summen durch den Astralraum branden ließ.
Auch Engel hatte schon von Insektengeistern gehört. Spätestens seit Chicago von einem aufgescheuchten Schwarm fast entvölkert worden war, kannten die meisten Menschen diesen Begriff, auch wenn sie das Ausmaß der Bedrohung durch diese Wesen nicht einmal im Entferntesten einschätzen konnten.
Sie konzentrierte sich und versuchte einen Bannspruch zu sprechen, den sie in einem von Rakims alten Büchern gelesen hatte. Die Kontrolle und das Bannen von Geistern war ein Gebiet der Magie auf dem sie noch eine ganze Menge lernen mußte.
Zwar war es ihr möglich kleine Helfer, die ihr Lehrmeister Watcher genannt hatte, zu beschwören und auch einen Feuerelementar hatte sie bereits gerufen, aber der vor ihr aufragende Geist war das Mächtigste, was sie bis jetzt zu Gesicht bekommen hatte.
Die Kraft der Astralebene waberte um sie herum als der Bannspruch Form annahm und auch der Geist schien ihre Bemühungen wahr genommen zu haben.
Und er war eindeutig nicht davon begeistert dass sie ihn dorthin zurück schicken wollte, von wo er gekommen war.
Mit einem wütenden Angriff beendete er ihre Bemühungen und vernichtete ihre Konzentration, die sie für den Bannspruch gesammelt hatte.
Von einem kraftvollen Flügelschlag getroffen wurde Engel erneut durch die Astralebene geschleudert. Ihr Körper schien in Flammen zu stehen.
Als sie sah, dass der Geist sich erneut dem Magier zuwand, der einen weiteren machtvollen Spruch vorbereitete, entschied sie, dass es an der Zeit war, sich abzusetzen.
Sie und Wolf waren für einen Angriff auf einen schwach geschützten Konvoi angeheuert worden. Von mächtigen Straßenmagiern und noch viel mächtigeren Wespengeistern hatte nie jemand etwas gesagt, sonst wäre sie weise lächelnd von dannen gezogen.
Während ihr Magierkollege einen weiteren Lichtblitz auf das fremdartige Wesen abschoss, glitt sie auf die Überführung und in ihren Körper zurück.
Erst jetzt nahm sie wahr, dass die Situation völlig aus den Fugen geraten war.
Sie konnte das über dem Boden schwebende Flugzeug sehen, dutzende verblassende Auren, die jede von dem Ableben eines menschlichen Wesens zeugten und eine ganze Menge aktiver Auren die ihr irgendwie verzerrt erschienen und auf die Autobahn stürmten.
Verdammt, wie hatte die Aktion nur so aus dem Ruder laufen können?
Als sie die Augen in der realen Welt wieder öffnete, breitete sich ein Bild des Chaos vor ihr aus.
Der Commuter und ein neues Team, welches sich an der äußeren Leitplanke der anderen Fahrbahn verschanzt hatte, feuerten aus allen Rohren auf die sich verzweifelt wehrende Besatzung des Nightsky sowie die tapfer das Feuer erwidernden Massenheim Youngsters.
In diesem Moment erklang Spliffs Befehl zum Rückzug in den Kopfhörern ihres Headsets. Erleichtert atmete sie auf, aber das währte nicht lange.
Wolf war verschwunden. Er befand sich nicht mehr auf der Überführung und im ersten Moment konnte sie ihn auch nicht ausmachen, bis sie auf die Autobahn hinab blickte.
Ihr Freund hatte sich hinter dem Transporter in Deckung gebracht und feuerte sporadisch mit seinen beiden Maschinenpistolen um das hintere Ende des Fahrzeugs herum auf die Neuankömmlinge.
„Wolf, wir müssen von hier verschwinden.“
Sie riss die Seco in Anschlag und feuerte zwei Kugeln in die ungefähre Richtung der Angreifer ohne jedoch zu glauben auch nur einen geringen Schaden anrichten zu können.
Der Entzug hatte sie schwer angeschlagen und die Angriffe des Magiers und später die des Wespengeistes hatten sie schwer verletzt.
Sie bemerkte, wie ihr Blut aus der Nase rann und das Kopftuch feucht werden ließ.
Eine bleierne Müdigkeit lag auf ihrem Geist und nur das Adrenalin in ihrem Blutkreislauf hielt ihren Körper davon ab zusammen zu brechen. Vorerst.
„Ist mir klar Engel. Steig auf die BMW und verschwinde. Ich nehme den Transporter. Wir treffen uns am vereinbarten Platz. Beeile dich.“
Zuerst wollte sie protestieren als sie die Worte ihres Partners in ihrem Kopf leise vernahm, besann sich dann jedoch auf die Situation.
Für Wolf war es unmöglich die Böschung zu der Überführung zu erklimmen. Nicht in dem massiven Feuersturm der über die Fahrbahnen tobte.
Er wäre durchsiebt worden, bevor er auch nur zwei Schritte getan hätte. Mit dem Transporter hatte er wenigstens eine Chance.
Benommen sprintete sie auf das Versteck des Motorrads zu und betete zu allen Göttern die sie kannte, dass Wolf noch einen anderen Schutzengel als sie besaß.

Spliff war kurz davor zu verzweifeln. Die Neuankömmlinge hatten Gromo und ihn hinter dem Mercedeswrack festgenagelt.
Der Rückweg führte über zwanzig Meter freie Autobahn ohne Deckung, den wilden Salven aus den Sturmgewehren und dem Maschinengewehr schutzlos ausgeliefert.
Drek!
Wieder erhob er sich aus seiner Deckung und feuerte eine Salve auf einen der schwarz gekleideten Angreifer ab.
Die Drekheads trugen leichte Sicherheitspanzerungen wie sie von Konzerngardisten verwendet wurde, was ihnen einen verdammt hohen ballistischen Schutz gab.
Die Geschosse seiner Sandler stießen den getroffenen Gegner zwar einen halben Meter zurück, prallten ansonsten jedoch einfach an der dicken Kevlarpanzerung ab.
Ganz toll.
Als kleines Dankeschön feuerte die Gestalt einige Kugeln in Spliffs Richtung, von denen sich eine tief in das Fleisch seines rechten Beins bohrte.
Mit einem schmerzverzerrten Gesicht ließ er sich wieder in Deckung fallen. „Elektronikgruppe hier Führungsgruppe. Wo bleibst du Omae? Die Drekheads nehmen uns hier auseinander.“
Spliff blickte zu Gromo hinauf, der breitbeinig über ihm stand und eine Ladung grobes Blei nach der anderen in die Gruppe der Neuankömmlinge pumpte.
Die Schulterwunde blutete stark, was den Ork jedoch nicht zu beeindrucken schien. Wie der Fels in der Brandung stand sein Chummer hinter dem Wrack des Mercedes und zuckte nicht mit einem einzigen Muskel wenn Sturmgewehr- und Maschinenpistolensalven um ihn herum einschlugen.
Spliff spekulierte, dass sein Chummer unter Schock stand und nur noch automatisch handelte. Anders war sein selbstmörderisches Verhalten nicht zu erklären.
Wieder warf der Leader einen Blick um die verbeulte Motorhaube seiner Deckung um sich einen Überblick zu verschaffen.
In genau diesem Moment überschlugen sich die Ereignisse. Der VW Transporter startete den schweren Motor und setzte mit quietschenden Reifen zurück, was ein wildes Feuer der Neuankömmlinge heraufbeschwor.
Offensichtlich war das Fahrzeug das Primärziel des zweiten gegnerischen Teams.
Dutzende Kugeln zerfetzten die Scheiben und prallten jaulend von der Karosserie des Fahrzeugs ab.
In derselben Sekunde tauchten Skeletts Drohnen an dem von künstlichen Abschussblitzen durchzuckten Nachthimmel auf.
Das kleinere Fluggerät gab aus zwei leichten Schnellfeuerwaffen lange Salven auf die Gruppe der Neuankömmlinge ab, die sich beeilten, eine Deckung aufzusuchen.
Die wesentlich größere CAS Wandjina hingegen hatte es auf den Commuter abgesehen.
Mit einem feurigen Schweif löste sich eine schlanke Lenkwaffe aus einem der Werfer unterhalb der Tragflächen und schnellte auf das bewegungslos in der Luft stehende Flugzeug zu.
Hinter Spliff und Gromo brach der gestohlene Lieferwagen durch die protestierend kreischende Leitplanke, raste mit halsbrecherischer Geschwindigkeit auf den Kampfschauplatz zu und kam mit einer perfekt ausgeführten 90 Grad Drehung vor der Führungsgruppe zum stehen.
Spliff war erstaunt Racker anstatt Skelett an der Steuerung des Fahrzeugs zu sehen, hatte jedoch nicht die Zeit, sich über diese Details Gedanken zu machen.
Die Schiebetür wurde in dem Moment von Stute aufgerissen als die Lenkwaffe den Commuter trotz der Ausweichbewegung des Piloten an der linken Tragfläche streifte und mit einem gigantischen Feuerball und infernalischem Getöse detonierte.
Der Commuter war eine stabile Konstruktion, was sich darin zeigte, dass das Flugzeug nicht sofort in Stücke gerissen wurde, sondern lediglich unkontrolliert zu trudeln begann.
Der Pilot musste ein absoluter Könner sein, denn er brachte seine Maschine trotz der Beschädigungen, der Druckwelle und der sonstigen widrigen Umstände dazu, nicht abzustürzen, sondern zwar hart aber in einem Stück auf einem Feld etwa hundert Meter von der Autobahn entfernt herunter zu kommen.
Bei der kontrollierten Bruchlandung scheuerte der Rumpf des Commuters mehrere Meter über den unebenen Acker bevor er mit einer halb abgerissenen linken Tragfläche und einer schweren Schräglage liegen blieb.
Aus den Triebwerksabdeckungen stieg schwarzer, öliger Rauch auf und Spliff bezweifelte ernsthaft das dieses Flugzeug noch einmal in den Himmel aufsteigen würde.
„Worauf wartet ihr Dreckheads eigentlich? Die Typen werden sich gleich erholt haben.“
Stute stand in der geöffneten Seitentür des mittlerweile arg zerbeulten Lieferwagens und schoß sporadisch mit ihrer Fichetti Tiffani SD in Richtung der Neuankömmlinge.
Ihre Stimme klang absolut hektisch, ja fast panisch was in Anbetracht der Situation wohl verständlich war.
Hinter ihr saß Skelett auf einem Notsitz des Lieferwagens, völlig in sich zusammen gesunken und in seine Fahrzeugsteuereinrichtung eingestöpselt.
Gerade dirigierte der junge Rigger seine beiden Drohnen in einen weiteren Angriffsflug gegen die völlig verwirrten Neuankömmlinge und die sehr zusammen geschrumpfte Besatzung des Nightsky.
Die Minikanone der Wandjina hämmerte ihre Geschosse in schneller Abfolge in die leichten Sicherheitspanzerungen der Gestalten und diesmal sah Spliff sogar zwei von ihnen in dem Kugelhagel zusammenbrechen.
Einige Salven schlugen den Drohnen als Luftabwehrfeuer entgegen und unter den Angreifern schienen sich versierte Schützen zu befinden, denn die kleinere Drohne erhielt einige schwere Treffer, die sie erst eine Rauchspur hinter sich herziehen und dann plötzlich in einem hellen Blitz vergehen ließ.
Glühende Schrapnells und größere Wrackteile regneten auf den Asphalt der Autobahn und Spliff bemerkte, während Gromo ihn mit seinem nicht verwundeten Arm in die Höhe riss, wie Skelett unter dem Schock des abrupten Verbindungsverlustes und einer elektrischen Rückkopplung zusammen zuckte.
Das Auftreten auf sein verletztes Bein machte Spliff mächtige Probleme, denn die Kugel schien nicht nur einige Sehnen durchtrennt zu haben, so dass er bei jedem Schritt drohte weg zu knicken, sondern die höllischen Schmerzen machten ihm klar, dass auch der Knochen etwas abbekommen haben mußte.
Er stützte sich so gut das für den kleinen Norm möglich war auf den großen Ork ab, der sich netter Weise duckte und so humpelte das verwundete Duo auf den Lieferwagen zu um kurz darauf in seinem Inneren zu verschwinden.
Stute feuerte noch einen Schuß auf die Angreifer ab, die sich schon kurz nach dem Angriff der Drohnen wieder erholt zu haben schienen und warf dann die Schiebetür mit einem schnellen und kräftigen Ruck ins Schloß.
Gleichzeitig trat Racker das Gaspedal des Lieferwagens voll durch und riss das Lenkrad herum, so das die Reifen erst einige Sekundenbruchteile durchdrehten, bevor sich das Fahrzeug ruckartig in Bewegung setzte.
Mit Höchstgeschwindigkeit lenkte der Decker sein gestohlenes Vehikel durch die zuvor durchbrochene Leitplanke auf den Feldweg und dann durch die undurchdringliche Dunkelheit davon. Der VW Transporter raste über die Autobahn in Richtung Frankfurt, begleitet von der tief fliegenden Drohne, die ihm Geleitschutz gab, und auch die BMW mit Engel donnerte über einen Feldweg dem ausgemachten Treffpunkt entgegen.
Sie alle ließen einen Autobahnabschnitt zurück der eher an ein Schlachthaus oder einen Kriegsschauplatz erinnerte als an ein Stück Infrastruktur der ADL.
Und in einiger Entfernung näherten sich grelle Sirenen und Blaulichter aus der Richtung der Landeshauptstadt Wiesbaden.

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14.08.2010 15:52 Taras Amaris ist offline E-Mail an Taras Amaris senden Beiträge von Taras Amaris suchen Nehmen Sie Taras Amaris in Ihre Freundesliste auf
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Die dunkle Einfahrt zu der Tiefgarage des seit Jahren leerstehenden Bürogebäudes in einem Vorort des Frankfurter Megaplexes war bedeckt vom Müll der Jahrzehnte, was jedoch für die BMW kein Problem darstellte.
Engel steuerte die schwere Maschine sicher durch das halb in den Angeln hängende Tor und kurvte dann durch die einzelnen Etagen. Den Weg hatte sie sich gemerkt als sie gestern mit dem Rest des Teams den Treffpunkt begutachtet hatte. Vor Jahren, als die Massenheim Youngsters noch eine Straßengang gewesen waren, hatten sie hier gestohlene Autos versteckt und in Einzelteile zerlegt um diese dann zu verkaufen.
Spliff hatte ihr diese Informationen gegeben.
Sie stellte das Motorrad neben dem ausgeschlachteten Wrack eines Kleinwagens ab und deaktivierte den Motor, dann sank sie auf dem Sitz zusammen und legte ihren Kopf auf den Lenker.
Sie war am Ende.
Der Entzug, die Angriffe durch den Geist und nun wo sie in Sicherheit war ließ auch noch die Wirkung des Adrenalins nach.
Mit einem Ruck nahm sie sich zusammen und mobilisierte ihre letzten Kräfte.
Sie schwang sich von dem Sitz herunter und sondierte dann astral die Umgebung. Außer einigen Ratten und ihr war die Tiefgarage absolut leer. Kein weiteres Lebewesen.
Sie atmete erleichtert auf. Nun konnte sie sich ausruhen bis der Rest des Teams eintraf.
Wenn sie es überlebt hatten. Der Run war in einer Katastrophe geendet.
Kurz bevor sie den Schauplatz der an einen Krieg erinnernden Kampfhandlungen auf der BMW hinter sich gelassen hatte, war Wolf mit dem durchlöcherten VW Transporter über die Autobahn gedonnert, begleitet von Skeletts CAS Wandjina.
Ihr gestohlenes Fluchtfahrzeug hatte versucht Spliff und Gromo einzusammeln, aber sie konnte nicht sagen ob dieser Versuch von Erfolg gekrönt gewesen war.
Sie hatte sich unter duzenden Geschossen die in ihre Richtung gefeuert worden waren hinweg zu Wolfs Chopper durchgeschlagen, immer wieder mit der Seco das Feuer erwidernd.
Sie konnte nur hoffen das keiner aus ihrem Team gegeekt worden war.
Sie lehnte sich an eine der verdreckten Betonwände und rutschte daran herunter bis sie eine hockende Position erreicht hatte. Zitternd griff sie in eine der Innentaschen des lagen schwarzen Ledermantels und holte eine Packung Zigaretten sowie ein Feuerzeug hervor.
Sie benötigte einige Sekunden um ihre Hände so weit unter Kontrolle zu bringen um diese dazu zu zwingen den Glimmstengel zu entzünden.
Tief saugte sie den Rauch in ihre Lungen und genoss die Wirkung des Nikotins, obwohl sie jetzt etwas Stärkeres bevorzugt hätte. In einiger Entfernung konnte sie Racker und Stutes Sportwagen sowie Skeletts modifizierten Lieferwagen in der Dunkelheit ausmachen.
Ihre Chummer hatten die Fahrzeuge vor dem Run hier gegen die gestohlenen Wagen ausgetauscht und würden, sobald sie hier eintrafen, wieder auf ihre eigene Ausrüstung zurückgreifen.
Engel schloss die Augen und versuchte ihre verkrampften Muskeln zu entspannen. Vor ihrem inneren Auge tauchte das Bild des riesigen Insektengeistes auf, der ohne Probleme mit ihr und dem gegnerische Magier fertig geworden war.
Es musste eine äußerst mächtige Wesenheit gewesen sein. Die Kampfsprüche des elfischen Magiers mit dem Zylinder waren einfach an ihr abgeprallt, hatten den Wespengeist eher noch wütender gemacht.
Was war bloß schief gegangen?
Benji hatte ihnen gesagt das der Konvoi nur schwach bewacht war und sie konnte sich nicht vorstellen, dass der Schieber sie angelogen hatte.
Und trotzdem hatte sich ein Team professioneller Shadowrunner unter der Mannschaft befunden. Massiv vercyberte Messerklauen und ein fähiger Kampfmagier.
Und dann waren diese Neuankömmlinge auch noch aufgetaucht. An Konzerngardisten erinnernde und militärisch agierende Personen in leichter Kampfpanzerung und mit verdammt tödlichen Waffen.
Was zum Teufel konnte einen solchen Einsatz von Material und Menschenleben rechtfertige? Doch keine Lieferung Straßendrogen und Waffen, nein, dafür waren die Kosten für solche Operationen zu hoch.
Sie wurde aus ihren Gedanken gerissen als das Aufheulen eines schweren Motors die Tiefgarageneinfahrt aus der Ruhe des anbrechenden Morgens riss.
Schnell zog sie die Seko aus dem Schulterhalfter, lud die kleine Pistole durch und entsicherte sie.
Innerhalb von nur einer Sekunde hielt sie die schußbereite Waffe in ihren zierlichen Händen, auf die Zufahrt zu der Ebene gerichtet auf der sie sich befand.
Scheppernd und rauchend holperte der gestohlene Lieferwagen des Teams um die Ecke. Die Karosserie war durchsiebt von Einschusslöchern.
Die Frontscheibe war geborsten und bestand im Grunde genommen nur noch aus einigen Splittern die scharf aus dem Rahmen herausragten.
Racker stoppte das Fahrzeug einige Meter neben der BMW und ließ den Motor verstummen. Er sah müde und abgekämpft aus, aber Engel konnte keine Verletzungen erkennen als sich der muskulöse Decker aus der verwüsteten Fahrerkabine hangelte.
„Hoi Engel. Alles klar bei dir?“
Sie nickte, während langsam auch die Schiebetür geöffnet wurde.
Nacheinander stiegen Stute, Skelett, Gromo und Spliff aus dem Innenraum. Sie alle sahen absolut fertig aus.
Spliff hatte einen provisorischen Verband um eine Wunde an seinem rechten Bein gewickelt, der jedoch bereits völlig Blut durchtränkt war.
Sein blasser Gesichtsausdruck machte ihr klar, dass sie ihn dringend zu einem Straßendoc schaffen mussten, sonst würden entweder der Schock oder der Blutverlust ihn umbringen.
Der Teamleader wurde von Stute und Skelett gestützt, die beide auch schon besser ausgesehen hatten.
Skelett hatte tief dunkle Ringe unter den Augen, und unter seiner Nase klebte etwas geronnenes Blut. Wahrscheinlich hatte die Vernichtung seiner Drohne eine Rückkopplung ausgelöst, die auch ihn in Mitleidenschaft gezogen hatte.
Engel hatte schon von so etwas gehört, hatte sich aber nicht vorstellen können das es wirklich so schlimm war.
Stute hatte sich offensichtlich bei dem Deckungsfeuer aus der offenen Tür des Lieferwagens einen Streifschuß am linken Oberarm eingefangen, der jedoch bereits aufgehört hatte zu bluten. I
hre Frisur war zwar zerzaust und der nachtschwarze, enganliegende Kampfanzug etwas verschmutzt, sonst jedoch war die Deckerin o.k. Sie war auch die einzige die Engel ein aufmunterndes Lächeln zuwarf.
„Hoi Engel, tut gut dich zu sehen. Kannst du uns kurz helfen?“
Wieder nickte die Elfin nur und beeilte sich, Stute die Last des Teamleaders abzunehmen. Zusammen mit Skelett brachte sie den schwer verletzten Norm zu den Fahrzeugen des Teams hinüber und setzten ihn dann neben dem Lieferwagen des Riggers ab, während Stute ihrem Deckerfreund dabei half den ebenfalls angeschlagenen Ork bei dem Weg zu helfen.
Gromo hatte es wirklich schwer erwischt. Eine Kugel aus einem Sturmgewehr hatte seine Weste durchschlagen und die Schulter aufgerissen.
Mit der Hand des unverwundeten Armes presste Gromo ein Stück Verbandsmaterial auf die heftig blutende Wunde.
Eine weitere Wunde seitlich an seinem Schädel hatte einige Haarbüschel ausgerissen und ließ einen Faden Blut seitlich am Hals des Ork herunter laufen und in den Kragen der Weste sickern.
Skelett öffnete die Heckklappe des Transporters. Der Rigger hatte in den speziell für ihn aus den United American and Canadian States importierten Ares Roadmaster einiges an Zeit und vor allem einen Haufen EC investiert.
Dicke Fahrzeugpanzerung schützte das Fahrzeug vor leichten und auch mittelschweren Geschossen, ein turboaufgeladener Motor und ein abgestimmtes Fahrwerk sorgten für verbesserte Fahreigenschaften während die elektronische Ausstattung des Lieferwagens keine auch noch so ausgefallenen Wünsche offen ließ.
Als der schwer verletzte Ork auf der Ladefläche abgesetzt wurde und dunkles Blut auf den Boden tropfte verzog Skelett das Gesicht, hatte jedoch genug Verstand um seinen Mißmut nicht offen kund zu tun.
Engel kniete sich neben Gromo und nahm ihm das Stück Stoff von dem ausgefranzten Loch das die Kugel in seine Schulter gerissen hatte.
Sofort quoll pulsierend ein Schwall warmen Blutes über ihre Finger. Ein glatter Durchschuß. Sie lächelte den Ork aufmunternd an und fischte einen ihrer Fetische aus der Gürteltasche. „Die Kugel is auf der anderen Seite deines Kadavers wieder raus gekommen Chummer. Mach dir keine Sorgen. Ich werde jetzt mein JuJu einsetzen um dich zu stabilisieren und dann bringen wir euch beide Kugelfänger zu einem netten Straßendoc der euch wieder zusammen flickt.“
Der Ork nickte stumm und Engel begann damit seine Wunde zu behandeln. Zum Glück war Gromo nicht stark vercybert.
Bei Menschen deren Körper stark mit Implantaten verseucht waren, wie Wolf zum Beispiel, war die magische Heilung von Wunden sehr schwer.
Der Magier musste den Heilspruch irgendwie auf die veränderte Aura des Verletzten übertragen, musste eine Stelle finden die noch nicht von der Technologie korrumpiert worden war und diese dann mit der Kraft verbinden die er von den Strömungen der Macht bezog.
Ein wirklich schwieriges Unterfangen.
Engel warf lieber Feuerbälle, aber diese Vorliebe war hier wohl eher fehl am Platz.
Sie presste ihr kleines silbernes Amulett in Form eines Kreuzes, dass ihr ihre Mutter einmal geschenkt hatte, auf die blutende Wunde und rezitierte die alten arkanen Formeln die sie von Rakim gelernt hatte.
Vor ihrem inneren Auge sah sie Gromos Aura, erkannte die Verletzung, die wie ein dunkles Loch auf dem hellen Umriss saß und die Bereiche darum langsam verblassen ließ.
Sie fokussierte ihre Kraft, die sie in ihrem eigenen Körper konzentriert hatte, durch den Fetisch und ließ sie dann auf die Wunde wirken.
Für die Umherstehenden musste es aussehen, als ob sie einen Strahl hellen Lichtes durch das Kreuz auf die Wunde feuerte.
Wieder spürte Engel, wie der Entzug wie ein greller Schmerz durch ihre Nervenbahnen zuckte, aber sie hielt den Zauber so lange aufrecht bis das Verblassen der Stellen um die Wunde auf Gromos Aura aufgehört hatte.
Sie hatte den Blutverlust gestoppt. Gromo war während der Behandlung in Ohnmacht gefallen. Der massige Ork hatte den Kopf nach links fallen lassen und atmete jetzt zwar flach aber dafür gleichmäßig.
Engel fühlte sich hundeelend. Schwankend stand sie auf und musste sich sofort an der Karosserie des Lieferwagens abstützen, da ein undurchdringlicher schwarzer Vorhang ihr abrupt die Sicht nahm. Stute und Skelett sprangen zu ihr und bewahrten sie vor einem wahrscheinlich eher unsanften Treffen mit dem Betonboden der Tiefgarage.
„Hoi Omae, nicht so schnell. Ich glaube das war wohl auch für eine Top-Spitzohr-Spruchschleuderin wie dich zu viel. Du solltest etwas langsamer machen. Setz dich erst mal hin und ruh dich aus.“
Stute hatte Engel an Schulter und Hüfte gepackt und ließ sie nun langsam neben den schlafenden Gromo auf die Ladefläche gleiten.
„Unseren glorreichen Teamleader werden wir mit herkömmlicher Medizin auf den Beinen halten bis wir bei unserem Freund dem Doc sind.“
Der Tonfall der Deckerin war sanft aber bestimmend. Engel blieb nichts anderes übrig als zustimmend zu nicken.
Für mehr fehlte ihr einfach die Kraft. Der Heilspruch den sie auf Gromo gewirkt hatte war zuviel gewesen, hatte ihre letzten Reserven verbraucht.
Gerade als sie die Augen schloss, erscholl in der Einfahrt der Tiefgarage wieder das Röhren eines schweren Motors.
Engel hoffte, dass es Wolf mit dem VW Transporter war, fiel jedoch in einen gnädigen Schlaf bevor das Geräusch näher kam.

Alle noch aktiven Massenheim Youngsters hatten sich zu der Zufahrt der ehemaligen Parkebene umgedreht. Racker und Stute hatten ihre Waffen gezogen und angelegt, während Skelett sich in die Steuerung des Ares Roadmasters einstöpselte um dessen Waffensysteme einsetzen zu können.
Selbst der schwer verletzte Teamleader richtete seine Sandler TMP aus. Spliff hoffte das Wolf in den nächsten Sekunden mit dem VW Transporter um die Ecke bog, denn ein weiteres Feuergefecht würde sein zusammengeschossenes Team definitiv nicht überstehen.
Die Wunde in seinem Bein brannte höllisch, und er wusste, dass er sofort ärztliche Hilfe benötigte.
Der Blutverlust war einfach zu hoch.
Mit einem infernalischen Röhren bog der kaum noch zu erkennende VW Transporter funkensprühend um die Ecke und blieb knapp vor der Betonwand quietschend stehen.
Die vorderen Reifen hatten sich in Wohlgefallen aufgelöst und Wolf mußte das Fahrzeug wohl auf den blanken Felgen zu dem Treffpunkt gebracht haben.
Hunderte von Löchern waren von Geschossen in die Karosserie des Lieferwagens gestanzt worden und mehrere Dellen und Beulen zeugten von einigen Zusammenstößen mit härteren Objekten während der wilden Fluchtfahrt.
Die Fahrerkabine war völlig verwüstet, genau wie der einzige Insasse.
Wolf trat die Fahrertür aus ihrer Verankerung und stieg bedächtig aus dem rauchenden Wrack.
Wenn Spliff schon gedacht hatte, dass er selbst schwer verletzt war, so revidierte er diese Einstellung nun.
Sein Chummer blutete aus mehr als einem duzend Wunden die über den gesamten Körper verteilt waren. Der Teamleader konnte mindestens zwei tiefe blutende Öffnungen im Brustkorb des Elfen erkennen, die definitiv eine Behandlung durch einen versierten Straßendoc nötig machten.
Die restlichen Teammitglieder hatten ihre Waffen sinken lassen und starrten die Messerklaue entgeistert an. Auf Wolfs Gesicht war keine Regung auszumachen. Kein Ausdruck des Schmerzes oder ein Zeichen von Schwäche. Er blickte nacheinander seine Chummer an und fixierte dann das abgestellte Motorrad.
„Engel geht es den Umständen entsprechend gut. Sie ist nur ziemlich fertig. Keine Wunden oder so. Sie schläft hinten in meinem Roadmaster.“
Skeletts Stimme zitterte. Der Anblick des wie ein Dämon vor ihnen aufragenden Straßensamurais mußte ihm gehörig Angst einjagen.
Zufrieden nickend nahm Wolf die Information auf und schlenderte dann, seine Wunden vernachlässigend, zum Heck des Transporters.
Keiner der Anwesenden konnte etwas unternehmen. Sie alle waren von dem Anblick des Elfen wie gefesselt. Dieser öffnete die Türen zum Laderaum und sprang schnell hinauf.
Stute war die erste die sich aus ihrer Erstarrung löste.
„Wolf, du musst sofort zu einem Doc, Omae. Du verteilst dein Blut in der Landschaft wie ein verdammter Springbrunnen. Gromo und Spliff haben auch ganz schön was abgekriegt und wir wissen nicht ob die Karre einen Peilsender oder so was hat. Also schwing deinen Kadaver da raus und in den Roadmaster. Racker wird deine Maschine nach Hause bringen und ich fahre unseren Flitzer.“
Ihre Stimme klang jetzt gefasst, aber immer noch ein wenig irritiert.
Mehrfach erklang leises Poltern aus dem Inneren des Lieferwagens bis Wolf endlich triumphierend grinsend wieder auf der Bildfläche erschien.
In seinen Händen hielt er zwei verbeulte Aluminiumkoffer mit denen er zielstrebig auf den Roadmaster zusteuerte. Spliff fiel es wie Schuppen von den Augen.
Wolf hatte gerade den Grund für die zusätzliche Eskorte des Konvois und wahrscheinlich auch für das Eingreifen des Commuter Teams gefunden. Was immer sich in den beiden Koffern befand war offensichtlich der Grund für das katastrophale Ende ihres Runs.
„So ka! Stute, schwing dich in deine Sportkarre. Wir machen es so wie du gesagt hast. Wolf fährt mit uns und Racker, du bringst die BMW nach Massenheim. Wir nehmen die vorgesehenen Fluchtrouten und treffen uns in einer halben Stunde beim Doc wieder. Geht allen Schwierigkeiten aus dem Weg.“
Der letzte Satz war unnötig. Spliff glaubte nicht, dass einer seiner Chummer noch Lust auf weiteren Stress im Verlaufe des gerade anbrechenden Tages verspürte.
Wolf hatte ihn erreicht und beide Koffer in eine Hand genommen. Die zweite Hand streckte er dem Teamleader entgegen. Zweifelnd blickte der kleine Norm dem riesigen, blutüberströmten Elfen in die Cyberaugen.
„Ich glaube du brauchst wesentlich mehr Hilfe als ich, Omae. Zumindest hab ich nur ein zusätzliches Loch in mir.“
Wolf blieb stumm, nahm aber auch die Hand nicht weg. Ein Lächeln hatte sich auf seinem vernarbten Gesicht gebildet, das offensichtlich eine Einladung signalisierte.
Spliff gab sich einen Ruck und ergriff die Hand, an der sein Chumme ihn in die Höhe zog und dann abstützte. Gemeinsam erreichten sie die Heckklappe des Roadmasters und fielen auf die Ladefläche.
Spliff zog Engels Beine, die immer noch aus der Öffnung baumelten in das Fahrzeuginnere während Wolf seinen orkischen Chummer ganz herein zog und auf einer der Sitzbänke ablegte.
Dann schloss die elfische Messerklaue die Türen und das Team startete die Motoren seiner Fahrzeuge. Zuerst verließ Racker auf der BMW das Parkdeck und kurz darauf auch das Gebäude. Ihm folgte der Saab Dynamite, welchen Stute steuerte, gefolgt von dem Ares Roadmaster, an dessen Steuerung Skelett sich bemühte jedes auch noch so kleine Schlagloch zu umfahren, um seinen Chummern auf der Ladefläche nicht durch die Erschütterungen zusätzliche Schmerzen zu bereiten.
Auf der Straße trennte sich das Team. Jeder hatte zu Beginn des Runs eine Fluchtroute nach Massenheim zurück zugewiesen bekommen und diesen folgten die einzelnen Mitglieder der Massenheim Youngsters nun. Sie alle rasten mit hoher Geschwindigkeit der Sicherheit ihres Gebietes entgegen.

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14.08.2010 15:53 Taras Amaris ist offline E-Mail an Taras Amaris senden Beiträge von Taras Amaris suchen Nehmen Sie Taras Amaris in Ihre Freundesliste auf
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Kapitel 6
Feinde, soweit das Auge reicht

Whisper fluchte lauthals in die Stille seines Büros hinein. Der Schieber versuchte zwar seine Wut zu unterdrücken, was ihm aber nicht einmal ansatzweise gelang.
Wofür hatte er dieses Versagerteam eigentlich angeheuert. Wofür hatte er 50.000 EC für zusätzliche Sicherheit ausgegeben? Spitzenrunner, von wegen.
Die Typen hatten auf ganzer Linie versagt. Sie hatten den Transport verloren, und ihr Leben ebenfalls. Wenigstens ein Vorteil. Dann musste er sie nicht für ihr Versagen geeken lassen. Die Frage war jetzt nur, wie sein Auftraggeber auf den Verlust der Ware reagierte.
Die paar Kisten Drogen und Waffen in dem VW Transporter waren lediglich ein finanzieller Verlust. Ein ziemlich hoher finanzieller Verlust, wenn man bedachte, dass auch die Fahrzeuge und die erfahrene Mannschaft abgeschrieben werden mußte.
Wenn Whisper dann auch noch bedachte dass seine Abnehmer in Wiesbaden mindestens vier oder fünf Tage auf ihre Waren warten mussten und deshalb wahrscheinlich zu seinem Möchtegern Kollegen aus Hochheim überliefen, hätte er kotzen können.
Noch mehr EC die ihm wie feiner Sand durch die Finger rieselten. Und dann war da ja noch dieser ominöse Auftraggeber, der selbst ihn, den abgebrühten Schieber Whisper jedesmal in kalte Angst versetzte wenn er auftauchte.
Taras war der Name des in Frankfurt unbekannten Herrn Schmidt. Ein hoch gewachsener Norm mit einer geschäftsmäßigen Visage und den verdammt kältesten Augen die der Schieber je gesehen hatte.
Dieser Taras hatte Whisper eine Millionen EC gegeben, nur um einen Run gegen ein Museum in München zu organisieren und die gestohlenen Gegenstände bei einer Adresse in Wiesbaden abzugeben.
Ein absolutes top Geschäft.
Zumindest hatte Whister das gedacht. Selbst nach der Durchführung des Runs gegen das Museum waren noch über 850.000 EC übrig geblieben. Reingewinn.
Whisper hatte einen weiteren fetten Ebbi für sein Ruhestandskonto gewittert und diese Witterung hatte bis vor ein paar Minuten angehalten. Und dann war der Anruf eingegangen. Der Anruf der Whispers Stimmung auf ihren Tiefstpunkt hatte sinken lassen.
Sein Kontakt zu den Behörden hatte ihn darüber informiert, dass sein Konvoi angegriffen und seine Mannschaft aufgerieben worden war. Kein einziger Überlebender. Aber zum Glück war der Transporter nicht gefunden worden. Das wäre sein Ende gewesen.
Auch die fettesten Ebbi’s hätten dann als Schmiergeld nicht mehr ausgereicht um seine Aktionen zu decken.
So konnten seine Kontakte das Ganze als Schießerei zwischen einigen Gangs ablegen, in das ein konzerneigenes Flugzeug durch eine verirrte Rakete geraten war.
Was es mit diesem Flugzeug auf sich hatte konnte sich Whisper auch nicht wirklich vorstellen.
Er hatte jedoch eine sehr genaue Ahnung wer ihm den ganzen Schlamassel eingebrockt hatte. Dieser Emporkömmling Benji wollte ihn in Wiesbaden aus dem Geschäft drängen und er hatte auch die Mittel um ein solches Unternehmen finanziell und logistisch durchzuführen. Das war ein Problem um das er sich noch heute kümmern musste.
Gleich nachdem er diesen Drekhead Taras beruhigt hatte.
Der Federated Boeing Commuter allerdings war die Unbekannte in der Rechnung.
Er hatte auf seine wie auch auf Benjis Jungs gefeuert, und das bedeutete, dass eine dritte Partei im Spiel war von der ihm sein Auftraggeber nichts gesagt hatte.
Taras war selbst schuld.
Wenn er Whisper mitgeteilt hätte, wie heiß die Ware war, die er für ihn besorgt hatte, dann hätte der Schieber noch wesentlich mehr Sicherheitsmaßnahmen getroffen.
Drek, er hätte alle seine Jungs, die jetzt tatenlos vor seinem Büro in seinem Lager auf seine Befehle warteten den Konvoi bewachen lassen.
Nicht mal eine Armee hätte sich dann des Buches und des Chips bemächtigen können. Entschieden griff Whisper zu dem Telekom auf seinem Schreibtisch.
Taras Nummer hatte er in seinem Kopf gespeichert. Whisper hatte schon vor vielen Jahren gelernt wichtige Informationen nicht auf elektronischen Datenträgern abzuspeichern oder gar auf ein Hardcopy zu bannen.
Seine Finger flogen über die Tastatur und kurz darauf ertönte das Freizeichen. Er hatte sich daran gewöhnt das sein Geschäftspartner die Kamera auf dessen Seite der Verbindung deaktivierte.
Ein pechschwarzer Bildschirm mit einem silbernen Nachtfalken in der Mitte sagte dem Schieber das Taras die Verbindung geöffnet hatte.
„Es hat Probleme gegeben, Herr Taras. Unvorhersehbare Probleme. Ihre Lieferung wurde entwendet, genau wie meine Waren. Ich hatte erhebliche Verluste, bin mir aber sicher die Sache innerhalb weniger Stunden wieder in den Griff zu bekommen.“
Whisper erwähnte nichts von dem Commuter. Er hielt es für besser Taras bei der Übergabe der Objekte seiner Begierde über diese Erschwernis und eine damit verbundene Erhöhung der Bezahlung zu informieren.
„Wer hat meine Objekte?“
Die emotionslose Stimmes von Taras klang kalt durch die Leitung des Telekoms. Und wieder fuhr ein Schauer über Whispers Rücken. Er konnte die Drohung in der Stimme fast hören.
Er wollte Taras die verlangte Information nicht geben, aber irgend etwas zwang ihn dazu, so sehr er sich auch dagegen sträubte.
„Ich denke, dass ein Gegner von mir, ein gewisser Schieber namens Benji aus Hochheim hinter dem Angriff auf meinen Konvoi steckt. Ich bin mir relativ sicher. Dieser Drekhead will mich in Wiesbaden aus dem Geschäft drängen, und jetzt wo er meinen Konvoi ausgeschaltet hat kann ich meine Verkäufer dort nicht mehr beliefern, so dass sie sich wohl an ihn wenden werden.“
Er hatte keine Ahnung warum er Taras das alles erzählte. Alles in ihm sträubte sich dagegen, aber es war ihm nicht möglich seinem Gegenüber etwas zu verschweigen.
Wie gebannt starrte Whisper auf den Bildschirm vor sich.
„Deine Geschäfte sind für mich nicht interessant. Dein Versagen ist schwerwiegend. Ab jetzt werde ich diese Angelegenheit selbst erledigen.“
So schnell wie die Verbindung sich aufgebaut hatte, so schnell brach sie auch wieder ab. Der silberne Falke verschwand und wich dem als Standart programmierten Logo von Seader und Krupp, dem Hersteller des Telekoms.
Der Schieber spannte sich. Er fühlte, dass dieses Gespräch ganz und gar nicht gut gelaufen war und er spürte, dass er nicht mehr alleine in seinem Büro war.
Seine rechte Hand griff nach der Maschinenpistole und fand den Griff der Waffe in der Halterung unter seinem Schreibtisch.
Mit einem kurzen Ruck befreite er das Qualitätsprodukt aus den Waffenschmieden von Heckler und Koch und schwenkte es durch den Raum, bis eine dunkle Gestalt in die Visierung geriet, von der Whisper hätte schwören können, dass sie vor einer Sekunde noch nicht dagewesen war.
Die schlanke Gestalt einer jungen, unglaublich schönen Frau räkelte sich lasziv auf einem der Aktenschränke seines Büros.
Wie ein dunkler Engel, gekleidet in eine feldgraue Uniform mit dunklen Rangabzeichen und schwarzen, etwa Knie hohen Lederstiefeln.
Ihr dichtes, schwarzes Haar quoll wie ein Schwall dunkler Flüssigkeit unter der schräg auf dem Kopf sitzenden merkwürdigen Schildmütze hervor.
Ihr Lächeln hätte unter normalen Umständen ein Männerherz höher schlagen lassen können, aber in Verbindung mit dem kalten Ausdruck ihrer tief blauen Augen gefror das Blut in Whispers Adern.
Um ihre weibliche Hüfte schlang sich ein Gürtel aus schwarzem Leder, an dem ein Halfter sowie ein langer Dolch mit goldenem Griff hing.
Der Schieber entspannte sich etwas. Zumindest hatte die Frau ihre Waffen nicht in ihren Händen. Was zum Teufel tat sie hier?
„Taras hasst Versager, besonders wenn sie bei so wichtigen Dingen versagen wie du es getan hast.“
Die dunkle Gestalt schwang die langen Beine elegant von dem Schrank und sprang dann ästhetisch auf den Lenoliumboden.
Die schweren, altmodisch wirkenden und auf Hochglanz polierten Stiefel knallten als sie aufkamen. Metallische Beschläge schienen das Geräusch noch zu verstärken.
Erst jetzt wurde Whisper bewusst, dass sein weiblicher Gegenüber ihn um einen halben Kopf überragte.
Dabei war er für einen Menschen mit seinen 175 Zentimetern nicht gerade klein.
Auch die Schlampe die jetzt mit knallenden Schritten auf ihn zu kam war ein Mensch, auch wenn ihre Hautfarbe sehr blass wirkte.
Vor seiner Bürotür erklangen plötzlich Schüsse und Schreie.
Seine Leute wurden abgeschlachtet.
Ohne zu zögern riss der Schieber den Abzug seiner Maschinenpistole durch.
Die Waffe hämmerte duzende von Stahlmantelgeschossen auf einer langen Feuerzunge aus dem Lauf durch die Luft in Richtung der uniformierten Frau.
Die Kugeln schlugen in ihren Körper, der ekstatisch unter den Einschlägen zuckte. Immer wieder riss heißes Blei Löcher in die graue Uniform und den zarten Körper darunter, traten an dem Rücken der Frau wieder aus und schlugen in den Aktenschrank hinter ihr ein.
Einige Querschläger prallten von dem Metall des Schranks ab und sirrten durch das Büro, einer davon streifte Whisper an der Schulter und hinterließ eine blutige Scharte auf dem hellblauen Hemd des Schiebers.
Der Mann zuckte zusammen und ließ abrupt den Abzug los. Die Maschinenpistole verstummte und Whisper krümmte sich unter dem Schmerz des Streifschusses zusammen womit er sein zusammenbrechendes Opfer aus den Augen verlor.
Vor der Tür zu seinem Büro tobte ein mörderischer Kampf und die Todesschreie, die er hörte, kündeten von dem Ableben seiner Leute.
Ein leichter Lufthauch ließ ihn aufblicken, ließ ihn die Verwüstung sehen die er mit den Geschossen seiner Waffe angerichtet hatte.
In dem Aktenschrank klafften ausgefranzte Löcher und auch die Wand rings herum war schwer in Mitleidenschaft gezogen worden, aber von der Frau war nichts zu sehen.
Whisper richtete sich wieder zur vollen Größe auf und suchte den Boden nach ihrer Leiche ab. Aber er konnte den Körper nicht ausmachen. Wo war diese Tussi bloß abgeblieben. Wieder dieser leichte Lufthauch. Diesmal in seinem Nacken. Eine zarte Hand riss mit brutaler Gewalt seinen Arm mit der Maschinenpistole in die Höhe.
Von dem Schmerz in der Schulter erneut gebeutelt, verkrampften sich seine Finger und die Heckler und Koch bellte einen langen Feuerstoß durch den Raum.
Whisper verstand es einfach nicht. Die Frau die er vor nicht einmal einer Sekunde erschossen, ja im wahrsten Sinne des Wortes durchlöchert hatte, stand nun hinter ihm, drehte seinen Arm mit einer brutalen Gewalt herum und schleuderte ihn dann zwei Meter weit durch das Büro gegen eine der Wände.
Der Aufprall ließ Whisper die Waffe entgleiten und presste ihm die Luft aus den Lungen. Scheppernd landete die Maschinenpistole auf dem Fußboden des Büros, nur Sekundenbruchteile bevor ihr Besitzer stöhnend folgte.
Er hatte nicht die Spur einer Chance. Schon war der Schatten der dunkelhaarigen Braut über ihm.
Ihr kaltes Lächeln hatte sich keinen Millimeter bewegt.
Breitbeinig stand sie vor ihm, die Arme vor der uniformierten Brust verschränkt. „Ungehöriger kleiner Mensch. Du hast mir weh getan Whisper. Aber ich verzeihe dir. Ich stehe auf Schmerzen.“
Die Schmerzen in der Schulter des Schiebers brachten ihn um den Verstand. Die Panik ließ seinen Blutdruck in die Höhe schnellen. Zum ersten Mal seit Jahren hatte Whisper Angst. Langsam zog die Frau in der Uniform einer längst vergangenen Epoche den Dolch und wog ihn einige Momente in ihrer Hand.
Die Kampfgeräusche und Schreie vor der Tür hatte aufgehört und eine unheimliche Stille lag über dem Büro.
„Taras lässt dir ausrichten, dass er die geschäftlichen Beziehungen zu dir leider abbrechen muß.“
Sie trat näher an den Schieber heran und ging neben ihm in die Hocke, den Dolch immer noch hin und her drehend. In den blauen Augen der jungen Frau stand die reine Mordlust.
„Wenn du an dem Fluß den Fährmann triffst, der dich in das Reich der Toten bringt, dann sag ihm dass Nina dich schickt.“
Blitzschnell stieß die Frau mit dem Dolch zu. Whisper wollte schreien als die Schmerzen durch seine Synapsen schnellten, aber der Stoß der scharfen Klinge hatte seine Kehle durchstoßen und nur ein leises Krächtzen entrang sich mit einem Schwall warmen Blutes seinem Mund.
Die letzten Sekunden im Leben des Schiebers wurden erfüllt von einer Agonie der Schmerzen.

Der Konferenzraum wurde nur spärlich durch einige Kerzenleuchter und dem prasselnden Feuer des Kamins beleuchtet. Der schwarze Marmor, der in dem großen Raum mit der hohen Decke vorherrschte, schien das wenige Licht aufzusaugen.
Der Boden, die Wände und auch die Einrichtungsgegenstände waren aus dem kalten Material gefertigt und nur der massive Schreibtisch aus dunklem Mahagoniholz aus dem 18. Jahrhundert, der dahinter stehende Ledersessel und der Konferenztisch an dem der große Norm gerade vor einem Terminal saß und die Aktienkurse der letzten Stunden abrief, grenzten sich von der dunklen Aura des Gesteins ab.
Taras lehnte sich zurück.
Weder seine Mimik noch seine ruhigen Bewegungen ließen auf seinen sehr erregten Gefühlszustand schließen.
Innerlich kochte er vor Wut.
Seine Augen flogen über die Zahlenkolonnen welche die erheblichen Gewinne seines Unternehmens belegten, aber nicht einmal das konnte seine Stimmung auch nur etwas anheben.
Eigentlich war es ihm kaum möglich sich überhaupt auf die Statistiken zu konzentrieren. Dieser Drekhead Whisper hatte es versaut. Hatte seinen so wundervollen Plan in Rauch aufgehen lassen.
Taras hätte explodieren können.
Er stand von dem harten Drehsessel auf und zog sich den eleganten schwarzen Seidenanzug glatt. Das blutrote Hemd, dass er darunter trug und das ebenfalls aus Seide bestand, hatte seine Form nicht verloren.
Zusammen mit den italienischen Schuhen neuster Mode war das Outfit mehr wert als ein durchschnittlicher Exec im Jahr verdiente.
Er schlenderte zu dem massiven Schreibtisch hinüber und ließ sich in den gemütlichen schweren Ledersessel fallen. Seine Gedanken kreisten nur um die Waren die er gerade verloren hatte.
Um die Waren für die er ein Vermögen an EC ausgegeben hatte.
Um die Waren die sein Gegenspieler so unbedingt sein Eigen nennen wollte.
Und natürlich auch er.
Taras massierte seine Schläfen als sich die riesigen hölzernen Flügeltüren aus schwarz lackierter Eiche lautlos öffneten.
Noch bevor er aufsah, wusste er, wer in ein paar Sekunden sein Heiligtum betreten würde. Die mit Stahl beschlagenen Militärstiefel seiner Adjudantin hallten im Stechschritt über den Marmor der Vorhalle.
Als er den Kopf hob erblickte er ihre schlanke Gestalt breitbeinig mit hinter dem Rücken verschränkten Armen in der Mitte der Türöffnung stehen.
Und schon wieder trug sie diese drek Uniform.
Taras hasste dieses Kleidungsstück. Ein veraltetes Zeichen einer schon vor Jahrzehnten untergegangenen Regierung.
Und vor allem zerkratzten ihm die Metallbeschläge der Stiefel den sündhaft teuren Marmorboden.
Nicht das ihn der finanzielle Verlust gestört hätte, aber die Arbeiten die mit dem Austausch der Tonnen schweren Platten verbunden waren taten es sehr wohl.
„Whisper wird nie wieder versagen Herr. Er hat eine Verabredung mit seinem Schöpfer.“
Ihre erotische Stimme klang sanft durch den Raum und erinnerte Taras daran, dass sie eine seiner besten Mitarbeiter war.
Zuverlässig, absolut ergeben und kalt wie ein Eisblock.
Bei diesen Qualitäten konnte er ihre kleine Macke mit der Uniform in den Hintergrund schieben. Vorerst.
„Sehr gut Nina. Ich habe nichts anderes erwartet wenn ich dir einen Auftrag gebe. Aber du weißt doch wie sehr ich es hasse wenn du in dieser Uniform vor mir erscheinst. Ich dachte eigentlich das hätten wir geklärt.“
Durch einen leichten Druck auf eine der Tasten der in die Platte des Schreibtisches eingelassenen Tastatur ließ er die Wand hinter sich aufgleiten und den Blick auf einen fünf Meter hohen und mindestens doppelt so langen Bildschirm freigeben.
Noch während Taras sich in dem Sessel dem Gerät zuwandte verwandelte sich das tiefe Schwarz auf der Scheibe in das Bild der Skyline einer Großstadt die gerade durch die ersten Sonnenstrahlen aus ihrem Schlaf gerissen wurde.
Das Bild wurde von einer Kamera auf dem Dach seines Konzernhauptquartiers in Wiesbaden aufgezeichnet und direkt in sein Büro auf der untersten Etage, über hundert Meter unter den Straßen der Stadt weitergeleitet.
Nur wenige der Lohnsklaven und Execs die für Taras arbeiteten hatte ihre Chef einmal zu Gesicht bekommen.
Das lag daran, dass er die Katakomben unter dem modernen Bürokomplex in der belebten Innenstadt so gut wie nie verließ.
„Es tut mir leid Herr, ich habe es vergessen.“
Nina trat neben den Sessel und ließ sich auf die Knie sinken. Sie trug nun nicht mehr die graue Uniform mit den schweren schwarzen Lederstiefeln und der Schirmmütze, sondern ein schwarzes, tief ausgeschnittenes Abendkleid welches ihre sehr weiblichen Rundungen gut zur Geltung brachte.
Das Kleid reichte bis auf den Boden und ihr Haar war zu einer eleganten Frisur nach japanischer Mode zusammengesteckt.
Ja, so gefiel sie ihm schon wesentlich besser.
Sie hatte den Blick gesenkt und schien von Taras eine Zurechtweisung zu erwarten, aber er wußte dass er seine Wut nicht an ihr auslassen durfte, auch wenn sie es ohne ein Wiederwort über sich ergehen lassen würde.
Sie war an der prekären Situation nicht schuld.
Wenn überhaupt war seine Planung fehlerhaft gewesen. Er hätte diesem Whisper niemals vertrauen dürfen. Vertieft in das Bild der stetig heller werdenden Metropole im Herzen der ADL ließ er seine Hand auf ihren Kopf gleiten und ihr tröstend durch das dichte Haar streicheln.
„Ich vergebe dir diese Unachtsamkeit. Aber achte darauf, dass es nicht wieder vorkommt. Ich möchte dich nur ungern bestrafen. Und jetzt sag mir wer in dem Besitz meiner Kostbarkeiten ist.“
Durch seine Worte schien die junge Frau aufzublühen. Sie hob den Kopf etwas ohne ihn jedoch direkt anzusehen als sie antwortete.
„Dieser Benji von dem Whisper sprach ist ein kleiner aber langsam mächtig werdender Schieber. Sein Stützpunkt befindet sich, wie Whisper es gesagt hat, in Hochheim, einem kleinen Kaff zwischen Frankfurt und hier. Meine Leute sind gerade dabei mehr über ihn in Erfahrung zu bringen, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass er die Objekte in seinem Besitz hat, denn euer Gegenspieler unternimmt ebenfalls massive Anstrengungen um heraus zu finden, wer hinter dem Run auf den Konvoi steckt, Herr.“
Endlich erreichten einmal gute Nachrichten Taras Ohren. In diesem Fall hatte sein Erzfeind die Beute noch nicht an sich gerissen.
Das Spiel lief noch und versprach noch wesentlich spannender zu werden.
„Wissen wir wo der Stützpunkt dieses Benji sich genau befindet, Nina?“
Seine Augen blickten wie gebannt auf den Bildschirm als sich die Sonne majestätisch zwischen zwei Wolkenkratzern in den morgendlichen Himmel erhob. Seine Hand streichelte noch immer ihren Hinterkopf.
„Meine Leute sind gerade dabei, dass herauszufinden, Herr, aber er sichert sich sehr gut ab, erledigt alle Geschäfte über Mittelsmänner. Es wird noch einige Zeit brauchen um seine Basis zu lokalisieren, Herr.“
Die Hand, die eben noch sanft das Haar liebkost hatte riss den kleinen Frauenkopf nun brutal daran nach hinten und in die Höhe. Nina schrie ihren Schmerz in die Halle als sie auf die Füße gerissen wurde und Taras ihr direkt in die Augen starrte.
Er war aus seiner entspannten Ruheposition innerhalb von nur Sekundenbruchteilen auf die Füße gekommen und hatte sie mit sich gezerrt.
Sie war intelligent genug ihre Hände da zu behalten wo sie waren, hinter ihrem Rücken, konnte jedoch nicht verhindern, dass eine einsame Träne sich einen Weg über ihre Wange suchte.
Taras Augen sprühten ihr eine Mischung aus Hass, Wut und einer unmissverständlichen Drohung entgegen.
Seine Stimme hingegen war so emotionslos wie immer.
„Zeit, Nina, ist das einzige was ich nicht habe. Das einzige was du nicht hast. Was glaubst du soll ich tun während deine Marionetten meine Zeit damit verschwenden zu versuchen diesen Benji aufzuspüren?“
Taras liebte dieses Spiel. Hatte es schon immer geliebt. Nina wand sich in dem Versuch ihren Haarwurzeln etwas von der Spannung zu nehmen die sein Griff erzeugte, aber er wusste, dass dies nur ein Versuch war ihm zu zeigen, dass sie sich ihm bedingungslos unterwarf.
„Herr, ich bitte euch um Vergebung. Ich versichere, dass mein Netzwerk euch den Aufenthaltsort dieses Benji innerhalb kürzester Zeit mitteilen kann. Ich werde euch die Objekte bald schon persönlich übergeben können.“
Sie hatte aufgehört sich zu winden. Starr blickte sie Taras in die Augen, und in seinem Inneren lächelte er als ein Anflug von Panik in ihre Augen trat.
„Herr, bitte erlaubt mir euch Unterhaltung für die Zeit zu bieten die mein Netzwerk benötigt um die geforderten Informationen zu sammeln.“
Die zierlichen Hände der Frau, von denen Taras wußte, dass sie zu unsagbarer Grausamkeit imstande waren kamen langsam hinter ihrem Rücken hervor und streiften sanft über seine Brust.
Ja, das würde seine Wut kanalisieren, würde ihm die Möglichkeit geben, seine Gedanken zu ordnen. Er brauchte etwas Ablenkung von den derzeitigen Problemen.
Noch hatte er das Spiel nicht verloren, lediglich die Initiative. Und er hatte vor, dass so schnell wie möglich wieder zu ändern.


Das sonnendurchflutete Büro in einem der höchsten Wolkenkratzer des Frankfurter Megaplexes war erfüllt von dem lauten Wutgeschrei Janine Gotenburgs.
„Ihr nichtsnutzigen Kreaturen. Ihr seid doch wirklich für rein gar nichts zu gebrauchen.“
Die in Würde gealterte grauhaarige Normfrau die in ein neutrales pastellfarbenes Lohnsklavenkostüm gekleidet war stieß eine der sündhaft teuren chinesischen Vasen von deren Ziersäule und zerbrach damit über Jahrhunderte hinweg erhalten gebliebenes Porzellan in einem Scherbenregen der sich über den Kunststeinboden ergoss.
Die drei anderen Wesen in dem Raum verzogen keine Miene, zuckten nicht einmal zurück. Die Normfrau trug noch immer den dunklen Kampfanzug den sie bereits bei dem Angriff auf den Konvoi vor zwei Stunden getragen hatte.
Lediglich von dem schweren Sicherheitshelm hatte sie sich befreit.
Der Schädel der etwa zwanzig Jahre alten Frau war bis auf einige dunkle Stoppeln von etwa zwei Millimetern Länge kahl, nicht einmal Augenbrauen oder Wimpern störten den absolut glatten Eindruck des scharf geschnittenen Gesichtes.
Die zweite Person war eine Zwergenfrau in einem altmodischen Pilotendress und einem roten Stern auf dem Helm eines Jetpiloten den sie mit dem rechten Arm gegen ihre Hüfte stemmte. Die beiden Frauen blickten betroffen zu Boden, während das dritte Wesen nur langsam mit den vorderen Fühlern zuckte. Die riesige Wespe, die nur halb sichtbar etwa einen Meter über dem Boden schwebte, zeigte nur wenig Interesse an dem Wutausbruch der Vorstandvorsitzenden eines der größten Rückversicherungskonzerne innerhalb des Frankfurter Megaplexes.
Sentenberger Versicherungen war innerhalb dieses Marktsegments führend in der ADL und wahrscheinlich sogar in ganz Europa.
Janine Gotenburg hatte den Kon bis hierher gebracht. Sie und ihre Verbündeten.
Sie hatte es weit gebracht und jetzt, so kurz vor ihrem endgültigen Triumph, stellten sich ihr ein paar Straßengangs und dieser in die neun Höllen verdammte Taras in den Weg.
Das konnte einfach nicht sein.
Das durfte einfach nicht sein.
Erst war er ihr mit dem Run gegen das Museum in München zuvor gekommen und dann vereitelte er auch noch ihren Versuch sich das wertvolle Relikt bei dem Transport nach Wiesbaden anzueignen.
Ohne Frage war dieser Mann ein gefährlicher Gegner, aber wenn ihre Informationen richtig waren, so war auch er im Moment nicht im Besitz der Objekte.
Das dritte Team, dass ihrer Eingreiftruppe mit einem Angriff auf den Konvoi zuvor gekommen war, hatte sich damit abgesetzt, und diese Tatsache stellte Janine vor ein schwerwiegendes Problem.
Sie kannte die neue Partei nicht, war sich nicht einmal sicher ob der Run die Relikte zum Ziel gehabt hatte, oder dies alles nur ein Zufall war.
Sie versuchte die Kontrolle über ihre Gefühlsausbrüche wieder zu erlangen, was der erfahrenen Geschäftsfrau auch innerhalb von Sekunden gelang.
„Geht mir aus den Augen ihr Versager.“
Bei dem Klang ihrer Worte löste sich die Erscheinung der Wespe sofort auf und auch die beiden Frauen drehten sich auf dem Absatz um und marschierten ohne einen weiteren Kommentar aus dem Raum.
Janina ließ sich in den ergonomisch geformten Bürostuhl fallen und verfluchte die gesamte sechste Welt.
Ihre Gedanken suchten fieberhaft nach einem Ausweg aus dieser verfahrenen Situation.
Sie musste Taras zuvor kommen. Wenn der Drekhead erst einmal die Relikte in seinen gierigen Fingern hielt war die Sache für sie gelaufen.
Aus und vorbei.
Noch einmal ging sie die Aufzeichnungen durch, die der Commuter gemacht hatte, bevor er auf dem Feld neben der Autobahn notgelandet war.
Ein kleines Runnerteam, gut organisiert und auch sehr gut an strategisch wichtigen Plätzen verteilt. Äußerst professionell durchgeführter Ablenkungsangriff und gut durchdachte Flucht über vorbereitete Routen.
Diese Aktion musste geplant worden sein. Von langer Hand.
Und für eine solche Planung benötigte man sehr detaillierte Informationen. Über die Route des Konvois, über die Schutzmannschaft und die eventuelle Verstärkung.
Solche Informationen konnte man zwar erhalten, aber sie waren teuer, und man erregte in den Schatten Aufsehen wenn man zu viele Fragen stellte.
Entschlossen aktivierte Janine Gotenburg das Telekom und wählte eine Verbindung aus ihrem persönlichen Kontaktbuch.
Sie hatte sich in den vielen Jahren die sie an der Spitze von Sentenberger Versicherungen verbracht hatte auch einige gute Verbindungen in die Unterwelt geschaffen.
Sie hatte einigen Leuten verdammt große Gefallen getan und nun war es an der Zeit einige dieser Gefallen einzufordern.
Sie würde Taras nicht einfach so das Feld überlassen. Dafür kämpfte sie einfach schon zu lange gegen ihn. Dafür hasste sie ihn zu sehr.

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Kapitel 7
Wunden lecken

Geistesabwesend nippte Engel an ihrem Vitamindrink. Das Gesöff stank wirklich furchtbar und es schmeckte auch nicht wirklich viel besser, aber wenigstens half es dabei die schrecklichen Kopfschmerzen, die ihr die magischen Anstrengungen der letzten Stunden eingebracht hatten, etwas ab zu dämpfen.
Völlig entspannt lag sie auf einer der ergonomischen Liegen die sich in dem Garten des Anwesens befanden, welches Wolf’s Eltern ihm hinterlassen hatten.
Die pralle Mittagssonne brannte auf ihren nur mit einem knappen Badeanzug bekleideten zierlichen Elfenkörper herab und ließ sie jeden leichten Lufthauch, der über den weitläufigen Rasen wehte genießen. Schräg vor ihr lagen Spliff und Gromo auf Handtüchern und ließen ihre gemarterten Körper ebenfalls von der Sonne verwöhnen.
Der Leader des Teams trug einen dicken Verband um seinen verwundeten Oberschenkel während Gromo die komplette Schulter bandagiert worden war.
Ein großflächiges Pflaster seitlich an dem Kopf des Orks verdeckte die ausgefranzte Narbe die sich von seiner Schläfe bis an den Hinterkopf zog.
Spliff hatte die Augen geschlossen und atmete schon seit einigen Minuten ruhig, so das Engel davon ausgehen konnte, dass er schlief, während Gromo mit seinem gesunden Arm träge eine schwer aussehende Hantel beständig hob und wieder senkte.
Neben der Elfin räkelte sich Stute auf einer weiteren ergonomischen Liege.
Die Deckerin hatte sich mit einem knappen Bikini in modischem Blau und einer dicken Schicht Sonnencreme ebenfalls an die Mittagshitze angepaßt und genoß offensichtlich die momentane Entspannungsphase in vollen Zügen.
Einzig der leichte Verband um ihrem Oberarm, der den oberflächlichen Streifschuß bedeckte, den sie sich bei dem nächtlichen Feuergefecht zugezogen hatte ließ den Eindruck einer auf Urlaub befindlichen Konzerndrohne etwas leiden.
Im Schatten der Terrasse unterhielten sich Racker und Skelett angeregt über verschiedene Neuerungen der Sportwagenindustrie die Engel Aufgrund des massiven Einsatzes von Fachbegriffen und Abkürzungen innerhalb des Gespräches nicht im Entferntesten verstand. Sie war eben nicht der Techfreak sondern bevorzugte magische Lösungen.
Wieder nippte sie an dem Getränk, das ihr eine der hauseigenen Drohnen auf ihren Wunsch und Stutes Vorschlag hin gebracht hatte und verzog angewidert das Gesicht.
Nein, so schlecht konnte es ihr gar nicht gehen, dass sie dieses Zeug weiter in sich hinein kippte.
Kurz entschlossen stellte sie das Kristallglas neben die Liege und erhob sich dann gemächlich. Nach der letzten Nacht war das Team wirklich am Ende gewesen.
Sie selbst hatte sich kaum noch auf den Beinen halten können, von magischen Spielereien ganz abgesehen. Genau so war es auch Racker und Stute gegangen, auch wenn bis auf Stutes Streifschuß keine weiteren Verletzungen zu beklagen gewesen waren.
Die Decker hatten sich aus dem Staub gemacht als massenweise Sicherheitsbubis in dem Verteilerknoten aufgetaucht waren und hatten anhand der empfangenen Funksprüche des restlichen Teams entschieden, dass sie ihre geplante Flucht gegen einen Entsatz von Skelett tauschten.
Keinen Moment zu früh.
Der Rigger hatte sich dadurch, dass Racker den Lieferwagen gesteuert hatte, auf das Lenken seiner beiden Drohnen konzentrieren können, was den anderen die Möglichkeit zur Flucht in ausreichendem Feuerschutz gegeben hatte.
Der dürre Mensch würde zwar noch einige Tage an den Folgen des Verlustes eines seiner Spielzeuge leiden, aber gegen die Kopfschmerzen hatte der Straßendoc den die Massenheim Youngsters wohl schon einige Zeit kannten ein paar Schmerztabletten herausgegeben.
Für Engel hatte Doc Erdmann, ein älterer Mensch mit schlohweißen Haaren und einer eher mürrischen Art nichts tun können.
Bei Metamenschen mit magischen Begabungen konnte jeder medizinische Eingriff ob nun durch Medikamente oder chirurgisch das instabile Gleichgewicht zwischen Körper und Geist zusammen brechen lassen, was in einer Reduktion der Fähigkeiten oder sogar in einem kompletten Verlust dieser Gaben enden konnte.
Der Doc hatte ihr das erklärt und ihr geraten einige Stunden zu schlafen und das Sprüchewerfen und Geisterrufen auf ein Minimum zu beschränken.
Zumindest fürs erste.
In einigen Tagen würde sich ihr Körper erholt haben und sie würde die Möglichkeit erhalten wieder alle ihre feinen arkanen Spielsachen auf die Menschheit loszulassen.
Engel hatte das akzeptiert.
Wohl vor allem da sie einfach zu fertig gewesen war um einen Widerspruch einzulegen. Außerdem umgab diesen Doc Erdmann eine Aura der Vertrauenswürdigkeit.
Dieser Mann war garantiert kein Metzger, der sich auf das Implantieren von billiger Cyberware und das notdürftige Zusammenflicken von Straßenkids spezialisiert hatte.
So wie Engel ihn einschätzte, hatte er eine richtige medizinische Ausbildung erhalten und nach all den Chips mit spezieller Fachliteratur in seinem Büro zu urteilen hielt er sich auch auf dem Laufenden.
Sie konnte sich wirklich nicht vorstellen was ein so hervorragender Arzt in einem Loch wie Massenheim zu suchen hatte.
Seine Praxis befand sich in einem durch eine verrostete aber durchaus solide Stahltüre gesicherten Keller in einer heruntergekommenen Seitengasse.
Sobald man durch das dicke Stahlschott trat, umgab einen der beißende Geruch von Desinfektionsmittel und eine Sauberkeit die man wohl nicht einmal in den meisten Kliniken der ADL finden konnte.
Weiße Kacheln bedeckten die Wände wie auch den Boden aller Räume und helles Neonlicht strahlte von duzenden in die Decke eingelassenen Röhren.
Es gab einen sperrlich mit ungemütlichen Plaststühlen und einem Kleiderständer eingerichteten Warteraum, Doc Erdmanns Büro, das mit dem gigantischen Schreibtisch, zwei moderne Bürostühle und einer Untersuchungspritsche ebenfalls einen eher kargen Eindruck machte sowie zwei sehr gut ausgestattete Operationsräume die auch in ausgewachsenen Notfallkliniken einen guten Eindruck gemacht hätten.
Während zwei Assistentinnen des Doc sich um Spliff und Gromo in dem ersten der Räume gekümmert hatten war Wolf direkt auf dem Operationstisch des zweiten Raumes gelandet.
Bis zu diesem Zeitpunkt hatte ihr Lebensgefährte kein Anzeichen von Schwäche gezeigt. Stoisch, ja fast trotzig hatte er darauf bestanden zuerst die Versorgung des Teamleaders und des Orks sicherzustellen bevor er sich hatte narkotisieren lassen. Und das obwohl Stute, Racker und Engel auf ihn eingeredet hatte.
In einer mehrstündigen Operation hatte der Straßendoc zwölf Fremdkörper sprich Geschosse aus dem Elfen herausgeholt, geborstene Dermalpanzerplatten ersetzt, geschädigte Organe zusammen geflickt und am Ende die teilweise faustgroßen Löcher wieder gestopft.
Keiner aus dem Team hatte die Praxis verlassen bis der Doc endlich wieder in dem Warteraum erschienen war und mitgeteilt hatte, dass der Straßensamurai zwar wieder unter den Lebenden, jedoch noch immer sehr geschwächt war.
Offensichtlich kannte auch er Wolfs Vergangenheit, denn im Gegensatz zu Engel hatte der alte Mann gewusst, dass sich in dem Haus der Familie ein Regenerationstank befand und dem Team empfohlen den angeschlagenen Chummer dort für einige Tage unterzubringen.
Auf einer geborgten Transportliege hatten Racker und ein weiterer Assistent den völlig bandagierten Körper von Wolf zu Skeletts Road Master getragen in den auch Doc Erdmann gestiegen war.
Engel musste sich unwillkürlich schütteln als sie daran dachte wie der Doc Wolf aus den Verbänden geschnitten hatte.
Der alte Mann hatte den Tank auf seine Funktionsfähigkeit überprüft, irgend etwas von deutscher Wertarbeit gemurmelt und dann eine grünlich schimmernde, zähe Flüssigkeit per Knopfdruck hinein strömen lassen.
Kurz zuvor hatte der Assistent Wolfs Gesicht mit einer Atemmaske abgedeckt, einige Pflaster mit Kabeln an dem gemarterten Körper befestigt und ein Kabel in die Datenbuchse hinter dem rechten Ohr geschoben.
Als sich die Plexiglastüre zischend verriegelte, hatte Engel eine tiefe Angst empfunden.
Sie musste mit ansehen, wie die schleimige Masse, die nach Doc Erdmanns Auskünften eine regenerative Wirkung auf Zellstoffe hatte, ihren Geliebten einschloß, ihn völlig bedeckte und in einen schwebenden Zustand in dem Tank anhob.
Gleichzeitig hatten einige angeschlossene Geräte ihre Arbeit aufgenommen.
Auf einem Monitor konnte man den Herzrythmus des Elfen ablesen, während ein anderer die Gehirnwellen aufzeigte.
Eintönige, fiepende Geräusche hatten den Raum erfüllt und Engel war geflohen, unfähig den sonst so unbesiegbar auftretenden Wolf in einer solch hilflosen Situation zu sehen.
Stute hatte ihr angeboten die nächsten Tage bei ihr zu bleiben und Engel hatte gerne eingewilligt.
Sie hätte nicht alleine mit dem Tank und seinem grausigen Inhalt bleiben können.
Gromo, Spliff und Skelett kamen jeden Tag vorbei und verbrachten Stunden damit, Engel aufzuheitern was sie ihnen hoch anrechnete.
Racker hatte sich ebenfalls hier einquartiert, jedoch unter dem Vorwand, er müsse das Computersystem des Anwesens wieder funktionsfähig machen und auf den neusten Stand bringen.
Engel vermutete jedoch eher, dass er es ebenfalls ohne seine Partnerin nicht aushielt.
Sie störte es nicht.
Das Haus verfügte über ein großes Gästezimmer mit eigenem Bad und außerdem konnte der Decker wirklich gut chinesisch kochen.
Wenn auch nicht ganz so gut wie Wolf es konnte.
Sie reckte sich, wobei ihre typisch elfisch dünnen Knochen einige beunruhigende Geräusche von sich gaben und wand sich dann Stute zu, die interessiert von ihrer digitalen Lektüre, einem Hardwearkatalog für elektronische Bauteile auf einem Palmtop aufsah.
„Werd mal nen Blick auf den eingelegten schweizer Käse werfen.“
Trotz all der Stärke die Engel versuchte in ihre Worte zu legen und der sarkastischen Worte die sie benutzte um ihre Angst zu überspielen war allen Anwesenden klar, dass sie sich Sorgen um ihren Freund machte.
Keinem der anderen ging es anders. Wolf hatte einfach zuviel eingesteckt.
Auch für einen schwer vercromten Straßensamurai wie ihn waren Verletzungen wie er sie davon getragen hatte eigentlich tödlich.
Alleine der massive Blutverlust hätte ihn töten müssen.
Und auch wenn der Doc gesagt hatte dass wohl das Gröbste hinter Toparzt nicht vorhersehen konnte und die für den Patienten in den meisten Fällen tödlich endeten.
Stute nickte nur kurz und konzentrierte sich dann wieder auf den in der Hitze schwer arbeitenden Minicomputer.
Engel ging die paar Schritte zu der Terrasse und betrat diese gerade in dem Augenblick als Skelett von den Vorzügen eines Mitsubishi Nightsky zu schwärmen begann.
„Nicht nur, dass du in der Karre genug Platz für eine komplette Trollband hast, nein, mit dem gigantischen Stauraum im Kühlschrank kannst du die Troggys auch über ne lange Fahrt hinweg durchfüttern, so das sie dir nicht die teuren Ledersitze anfressen.“
Der Rigger leerte sein mindestens viertes Bier in der schon fast tödlichen Hitze, was auf seinen schmächtigen Körper eine nicht zu übersehende Wirkung ausübte.
Die tief hängenden Augenlieder sowie der leicht in alle Richtungen schwankende Oberkörper zeigten deutlich das Skelett betrunken war.
Racker grinste den Rigger an und warf dann auch Engel ein aufmunterndes Lächeln zu, bei dem er zwei Reihen strahlend weißer Zähne entblößte.
Die Magierin wurde einen Moment lang an eine der Tri-Vid Werbungen erinnert, in denen Drekheads in weißen Ärztekitteln ein in Bezug auf Zähne sorgenfreies Leben mit Keramikersatz versprachen und überlegte einen Moment ob Racker sich wohl dieses Körperupgrade geleistet hatte. Denkbar war es.
Der Decker tat alles um seinen Adoniskörper auch den letzten Schliff zu geben. Gedankenverloren lächelte sie zurück und betrat dann das große Wohnzimmer durch die gläserne Verandatür. Sofort spürte sie den Temperaturunterschied, der durch die Klimaanlage herbeigeführt wurde und ein Frösteln ging durch ihren aufgeheizten Körper.
Racker hatte es geschafft alle Systeme des Anwesens zu starten was einen erheblichen Zuwachs an Komfort für Engel und Wolf bedeutet hatte.
Das der Zentralcomputer in einem der Kellerräume nun die Temperatur in jedem einzelnen Raum des Hauses getrennt steuern konnte und das die vier verschiedenen Telekomleitungen wieder funktionierten waren nur zwei der Vorteile, welche die Luxusbehausung nun wieder aufzubieten hatte.
Viel wichtiger war jedoch, dass auch ein Großteil der Sicherungssysteme des Grundstücks wieder online waren.
Die hohe Außenmauer, an deren Oberseite messerscharfe Monofilamentdrähte ein nur schwer überwindbares Hinderniss darstellten, wurde von mehreren Infrarotkameras und Bewegungsdetektoren überwacht.
Türen und Fenster des Hauses konnten durch Laserschranken und massiven ausfahrbaren Stahlplatten gesichert werden und in besonders gefährdeten Bereichen waren unscheinbare Schienensysteme verlegt worden, über die systemgesteuerte Drohnen mit zwar veralteten, aber immer noch höchst effektiven Sensorphalanxen Patroulienfahrten absolvieren konnten. Wolfs Eltern hatten ganz offensichtlich ein gesteigertes Sicherheitsbedürfnis empfunden. Engel steuerte durch den Raum auf die Tür zum Treppenhaus zu und folgte den Stufen dann hinab in das noch wesentlich kühlere Kellergeschoß.
Wenn das Haus schon als wirklich beeindruckend bezeichnet werden mußte, so war der Keller wirklich atemberaubend. Hier gab es einen großen Weinkeller, einen Partyraum in dem fünfzig Norms ohne Probleme und Platzangst eine ausgelassene Fete steigen lassen konnten, einen Vorratskeller, in dem alle wichtigen Verbrauchsgüter gelagert wurden sowie zwei große ungenutzte Räume und den Raum in dem Wolf sich jetzt befand.
Der wohl von dem Architekten des Hauses als Panicroom konzipierte und schon fast bunkermäßig anmutende Komplex war nur durch ein mehrfach gesichertes Stahlschott erreichbar, das in einem Zentimeter dicken Stahlbetonfundament eingefaßt war.
Engel kontrollierte mit einem kurzen Blick auf die astrale Ebene die beiden Watcher die sie vor der Tür postiert hatte und nahm beruhigt zur Kenntnis das beide noch immer über den Zugang wachten.
Dann trat sie vor das Schott und legte ihre Handfläche auf den Scanner der aus der glatten Wand herausragte. Mit einem leisen Summen wurde die Oberfläche ihrer Haut abgetastet und mit den in den Speichern des Zentralrechners abgelegten Mustern verglichen.
Nur kurz darauf ertönte die emotionslose Elektronikstimme des Zentralrechners aus den versteckten Lautsprechern über dem Schott. „Bitte Stimmidentifizierung initiieren. Musterabgleich Engel.“
Die Magierin behielt die Handfläche auf dem Scanner und antwortete in dem neutralsten Tonfall zu dem sie fähig war.
„Indentifikation Engel.“
Es dauerte nur Sekundenbruchteile bis der Computer ihre Stimme mit dem hinterlegten Muster in seinen Datenbanken verglichen hatte und ihr Zugang zu dem Hochsicherheitsbereich gewährte.
Fauchend schoben hydraulische Pumpen das Stahlschott zur Seite und eröffneten Engel Einblicke in das Heiligtum des Anwesens. Der Raum war größer noch als das Wohnzimmer, aber weit davon entfernt so elegant zu wirken.
Die Wände waren mit Stahlstreben verstärkt und die Leuchtstoffröhren an der Decke verbreiteten ein kaltes, ungemütliches Licht.
Der vordere Teil des Raumes wurde komplett von der massiven Computeranlage eingenommen, die alle elektronischen Finessen des Anwesens steuerte.
Dahinter befand sich ein riesiger Stahlsafe, über dessen Inhalt Wolf sie noch nicht aufgeklärt hatte.
Überhaupt hatte er sich über diesen Teil des Anwesens eher ausgeschwiegen und jedesmal wenn Engel das Thema in einer geistigen Unterhaltung angeschnitten hatte war ein abrupter Wechsel der zentralen Richtung erfolgt.
Als sie den leise summenden Computer passierte schloß sich zischen das Stahlschott hinter ihr und einige Sperren aus massivem Titan fixierten die Tür. Wieder warf sie einen Blick in den Astralraum und wieder atmete sie erleichtert auf als auch der Watcher den sie hier postiert hatte pflichtbewußt seinen Posten verließ um ihre Aura zu prüfen, sich nach einer Weile beruhigt wieder in seine Ausgangsposition zurückzog und somit wohl erkannt hatte, dass seine Meisterin den Raum betreten hatte.
Sie schlenderte weiter durch den Raum und kam vor dem großen, grünlich leuchtenden Tank zum stehen in dem Wolf wie in der Schwerelosigkeit hing. Ihr Freund trug nur die Shorts, die der Doc während der Operation nicht hatte aufschneiden müssen und wirkte in dem grünen Schleim wie ein verschwommener Alptraum.
Der muskulöse Körperbau, der für Elfen eigentlich absolut untypisch war, würde auf die meisten Betrachter bedrohlich wirken, Engel jedoch schöpfte aus dem Anblick Kraft.
Alle an den Tank angeschlossenen Analysegeräte zeigten beständige Werte was laut Doc Erdmann ein gutes Zeichen war.
Die Regenerationstherapie schlug an. Innerhalb weniger Tage würde Wolf wieder auf den Beinen sein und auch wenn die Kosten für seine Operation den größten Teil ihres Verdienstes verschlingen würde, so machte Engel sich keine Sorgen.
Spliff hatte mit Benji gesprochen und der Schieber war wirklich bestürzt darüber gewesen, dass seine falschen Informationen zu einem so fatalen Ausgang des Runs geführt hatten. Engel und der Rest des Teams hatten ihm geglaubt.
Benji war kein x-beliebiger Schieber den man eben so kannte, er war ein Freund des Teams und das schon etliche Jahre.
Er hatte versprochen sich bei ihnen zu melden sobald die Situation sich etwas beruhigte.
Trotz des Wirbels den die Polizei der ADL wegen des Feuergefechtes auf der Autobahn veranstaltete schienen seine Geschäfte zu florieren wie er es sich ausgerechnet hatte.
Im Idealfall bedeutete das eine weitere Erhöhung des Blutgeldes, dass für das Team heraussprang.
„Mach dir keine Sorgen, Liebster. Das Team und ich wachen über deinen Schlaf. Werd erst mal wieder gesund und komm aus dem verdammten Schleimsarg raus und dann planen wir unsere Zukunft. Unsere gemeinsame Zukunft.“
Sie sandte die Gedanken mit all ihrer Kraft zu Wolf und hoffte, dass er sie hören konnte als plötzlich das hausinterne Telekomsystem schrillte.
Die Elfin wirbelte herum und starrte auf das Gerät, dass neben einem Terminal stand, dessen Funktion ihr ebenfalls noch völlig unbekannt war.
Racker arbeitete sich zwar gerade durch den Wust an veralteter technischer Einrichtung den das Anwesen beinhaltete, aber bis zu diesem System war er noch nicht vorgedrungen.
Engel aktivierte die Gegensprechanlage und sofort erschien Gromos breites Gesicht auf dem altmodischen Plasmabildschirm.
„Engel! Spliff sagt du sollst mal dein hübsches Gestell zu uns hoch schwingen. Benji is grad eingelaufen.“
Die vergoldeten Hauer des Orks blitzten in der Sonne was Engel darauf aufmerksam machte, dass der Ork sich noch immer im Garten aufhielt und eine tragbare Einheit benutzte.
Ja, dieses Haus hatte wirklich alles, was sich eine Dame aus der untersten Bevölkerungsschicht nur wünschen konnte.
Auch wenn das meiste davon nicht mehr auf dem neusten Stand war.
„Is klar, Gromo. Bin auf’m Weg.“
Sie deaktivierte das Kom und wendete sich dann noch einmal dem Tank zu.
„Ich sehe später noch mal nach dir, Schatz. Bitte beeile dich mit dem gesund werden. Ich brauch dich. Wir alle brauchen dich.“
Mit diesen Gedanken wendete sie sich ab und tapste auf das Stahlschott zu.

Das Team begrüßte den Schieber im Garten des Anwesens. Spliff und Gromo hatten sich von ihren Handtüchern erhoben während Skelett dösend in seinem Gartenstuhl sitzen geblieben war.
Sein Alkoholpegel hatte eindeutig ein Level erreicht innerhalb dessen eine vernünftige Konversation nicht mehr möglich war.
Auch Stute hatte ihre Position auf der Liege nicht verändert und nickte nur leidenschaftslos als Benji gefolgt von T-Bone, Aggro und D von Racker durch die Glastür auf die Terrasse geführt wurde.
Der Schieber hatte sich trotz der Hitze in einen absolut konservativen schwarzen Anzug gezwängt der so überhaupt nicht zu seinem normalen Stil passen wollte.
Auch die beiden Messerklauen und der Schamane hatten sich offensichtlich in Schale geworfen.
Spliff vermutete das sie entweder von einem Treffen mit wichtigen Leuten kamen oder gerade zu einem solchen unterwegs waren.
Er und Benji reichten sich die Hand.
„Hoi Chummers. Na ihr lasst es euch ja richtig gut gehen wie?“
Noch bevor Spliff auf die freundschaftlich gemeinten Worte des Schiebers reagieren konnte grollte Gromos tiefe Bassstimme herüber.
„Ich denk mal, dass wir uns das auch verdient haben, Omae. Wer dem Sensentypen so knapp von der Klinge springt hat sich meiner Ansicht nach eine kleine Ruhepause verdient.“
Die Drohung in den Worten des Orks war nicht zu überhören. Sofort verfinsterte sich Benjis Gesicht und er blickte rasch zu Boden.
„Hab doch schon gesagt, dass mir das mit den falschen Infos leid tut, Chummer.“
Die Stimme des Schiebers klang ehrlich und nach einem Augenblick des Zögerns sah er dem Ork auch in die Augen.
„Drek, konnte doch keiner ahnen, dass gerade dieser Konvoi stärker bewacht wird. Und was das mit dem Commuter soll ist mir auch ein Rätsel. Glaub mir, wenn ich so was geahnt hätte, dann hätte ich euch noch ne ganze Wagenladung Muskeln mitgegeben.“
Gerade als er den Satz beendet hatte trat Engel durch die Verandatür.
Die Elfin hatte sich ein dünnes Tuch in Jade grüner Farbe um die Hüfte geschlungen über dem jetzt der in der strahlenden Sonne funkelnde Schmuckgürtel hing. Ihr Gesicht, das von den langen, blonden Haaren eingerahmt wurde, war eine lächelnde Maske und das war für jeden der Anwesenden zu durchschauen.
„Hoi Benji, wie laufen die Geschäfte?“
Ihre Stimme war kalt wie ein eisiger Lufthauch und hatte einen mehr als stechenden Unterton bei dem der Schieber unwillkürlich zusammen zuckte.
Ohne auf die Frage einzugehen drehte er sich ansatzlos zu ihr um.
„Wie geht es ihm?“
Noch mehr Unsicherheit und Schuldbewußtsein schwangen in seiner Stimme und es schien als könne der mächtige Schieber der Elfe nicht in die Augen sehen.
Engel war neben dem vor sich hin dösenden Skelett stehen geblieben und angelte sich eine Dose Bier von dem Gartentisch mit der Platte aus echtem italienischen Marmor, die sie mit einem lauten Zischen öffnete.
„Er lebt!“
Wieder waren ihre Worte kalt und emotionslos. Benji nickte. Jeder Runner wusste, dass er bei seinem Job seine Haut aufs Spiel setzte.
Der Tod war ein ständiger Begleiter in den Schatten, den man akzeptieren musste.
Sich jedoch Kugeln einzufangen weil der Auftraggeber schlampig Informationen gesammelt hatte war eine ganz andere Sache.
„Engel, es tut mir leid. Mehr kann ich leider nicht sagen. Wolf ist einer meiner ältesten Freunde, genau wie die anderen des Teams. Hätte ich gewusst, dass der Run so haarig wird hätte ich ein anderes Team ausgesucht oder euch zumindest mehr Feuerkraft besorgt.“
Benji hatte sich das ganze Gespräch über nicht von der Stelle bewegt, jetzt jedoch drehte er sich auf dem Absatz um und nickte Aggro zu, der einen silbernen Leichtmetallkoffer in seiner rechten Hand hielt.
Der Straßensamurai bewegte sich mit der Geschmeidigkeit stark vercromter Reflexe neben Engel und legte den Koffer dann auf den Tisch.
Mit einem leisen Schnappen öffnete er die Schlösser und klappte dann die Oberseite auf. Zum Vorschein kamen sieben absolut identische Kredsticks in der Modefarbe dieses Sommers. Grellpink.
Benji bewegte sich behäbig neben seinen Leibwächter und schob ihn zur Seite.
„Trotz aller Widrigkeiten habt ihr den Run nicht nur durchgezogen, sondern mir noch gleichzeitig ein nicht unerhebliches Problem vom Hals geschafft. Mein Konkurrent aus Frankfurt ist kurz nach eurem Angriff auf den Konvoi gegeekt worden, was ich auf den Verlust der Ware zurückführe. Damit gehört der Wiesbadener Markt so gut wie mir.“
Bei seinen Ausführungen leuchteten die Augen des Schiebers während er nacheinander jedem Teammitglied einen der Kredstäbe zuwarf.
„Jeder von euch erhält 2.500 EC auf einem beglaubigten Kredstab, auch du Engel, obwohl das nicht Teil der Abmachung war. Wolfs 5.000 EC sind auf diesem Ebbi hier und ich habe auch eure Behandlungskosten bei Doc Erdmann übernommen.“
Benji zog den letzten elektronischen Geldspeicher aus dem Koffer und warf ihn ebenfalls Engel zu.
„Auch die Nachbehandlungen gehen auf meine Kosten. Der Doc weiß Bescheid.“
Das ganze Team blickte verblüfft in Benjis Richtung. So kannte keiner von ihnen den sonst so harten Verhandlungspartner, der bei Geschäften keine Freunde kannte.
Nicht nur, dass er jedem der Runner einen Bonus gab, nein, er zahlte auch dem zusätzlichen Teammitglied das er eigentlich gar nicht angeheuert hatte denselben Sold und übernahm auch noch die Kosten für die Behandlungen der Verletzungen.
Leise klappte der Schieber den Koffer wieder zu und überreichte das nun leere Behältnis Aggro.
„Ich werde euer Team einigen vertrauenswürdigen Leuten weiter empfehlen die ich gut kenne und mit denen ich schon mehrfach zusammengearbeitet habe. Das sollte euch auch in Zukunft einige lukrative Jobs sichern. Solltet ihr irgendwas brauchen dann meldet euch. Ich würde allerdings anraten in der nächsten Zeit etwas auf Tauchstation zu gehen. Die Cops sind wegen der Sache in hellster Aufruhr und auch einiges an lichtscheuem Gesindel scheint auf der Suche nach euch zu sein. Aber das wird sich spätestens in ein paar Tagen wieder geben.“
Der Norm wollte offensichtlich die momentane Überraschung innerhalb des Teams ausnutzen um sich zu verabschieden als Spliff noch etwas einfiel.
„Was ist mit den beiden Koffern?“
Der kleine Anführer hatte sich als erstes wieder gefangen, auch wenn er den Kredstick nervös in seinen Händen hin und her drehte.
Bereits zwischen seinen Leibwächtern stehend blickte der Schieber noch einmal zurück.
„Was auch immer da drin ist, im Moment dürfte es zu heiß für jeden Markt sein. Lasst die Sache ein wenig abkühlen. Seht mal nach was ihr da erbeutet habt und meldet euch in ein paar Tagen wenn ihr denkt es läßt sich in harte Währung umsetzen. Dann werde ich sehen was ich für euch tun kann.“
Mit diesen Worten folgte Benji T-Bone, der bereits vorgausgangen war um den Weg zu sichern und den Wagen zu starten. D und Aggro folgten ihrem Brötchengeber in respektvollem Abstand und innerhalb von nur Sekunden war das Team wieder alleine in dem großen sommerlichen Garten.
Mit versteinerten Blicken musterten alle die Kredsticks in ihren Händen und versuchten die unglaublichen Worte des Schiebers zu verarbeiten.
Sogar die zusätzliche Beute aus dem Lieferwagen wollte er ihnen als Einnahmequelle nicht verwehren, obwohl er offensichtlich nicht einmal wusste, worum es sich handelte.
Natürlich würde man mit dem Verkauf noch warten müssen bis sich die Wogen etwas geglättet hatten, aber auch nur die Möglichkeit noch mehr EC zu verdienen war schon mehr als sie hatten erwarten können.
Ein normaler Herr Schmidt, wie die Auftraggeber von Shadowruns in der ADL genannt wurden, hätte zumindest eine Beteiligung an dem Verkaufserlös verlangt.
Erneut fand Spliff als erster seine Stimme wieder.
„Ich brauche jetzt erst mal nen vernünftigen Joint!“
Der Anführer der Massenheim Youngsters ließ sich auf sein Handtuch fallen, legte den Kredstick vorsichtig ab und fingerte die Bauutensilien aus seinem Rucksack.
Gromo hatte sich an den Tisch begeben und setzte sich nun schwerfällig auf den Platz den vorher Racker belegt hatte.
„Zweitausenfünfhundert Scheine plus die Beute plus ne Möglichkeit auf neue Jobs. Bis vorhin wollte ich Benji eigentlich die Schnauze polieren für den Drek den er mit uns abgezogen hat, aber jetzt sieht es so aus als wäre das eines der besten Geschäfte unseres Lebens gewesen. Drek, sogar den Doc hat er ausgezahlt.“
Ungläubig starrte der Ork auf den Kredstick, als wäre das kleine elektronische Gerät eine Art heilige Reliquie.
„Mein Stick ist sauber. Das Geld läßt sich nicht zurückverfolgen und die Beglaubigung hält auch einer eingehenden Überprüfung stand. Offiziell haben wir den Betrag für Dienstleistungen in der Sicherheitsbranche erhalten.“
Stute hatte ihren Kredstick mit einem Kabel an ihr Cyberdeck angeschlossen und dieses dann mit einem weiteren Draht mit ihrer Datenbuchse verbunden. Ihre Finger flogen über die Tastatur des Decks, bis sie sich nach einigen Sekunden wieder ausstöpselte.
„Die Dinger haben wirklich keinen Haken.“

Wolf rührte sich keinen Millimeter. Zwar war die dünne Decke, die seinen auf dem Bauch liegenden Körper von dem harten Betonboden trennte bei weitem nicht ausreichend um eine Gemütlichkeit zu erzeugen, aber er war ja schließlich auch nicht hier um sich auszuruhen oder Urlaub zu machen.
Er hatte mit dem schweren Scharfschützengewehr schon vor Stunden Stellung auf dem Dach eines großen Hochhauses in der Frankfurter Innenstadt bezogen und blickte nun schon eine ganze Weile durch das elektronische Zielfernrohr der Waffe.
Dieser Run würde ihm eine ganze Menge EC bringen, war jedoch auch mehr als gefährlich. Ein hochrangiger Lokalpolitiker namens Frederik Hohl weigerte sich, dass angebotene Geld der russischen Mafia anzunehmen und hatte dem organisierten Verbrechen im Allgemeinen und dem russischen Syndikat im Besonderen sogar medienwirksam in einem Interview auf dem beliebten Politsender B13 den Kampf angesagt.
Soviel Dummheit konnte einfach nicht toleriert werden und für Strafaktionen gegen nicht lernfähige Dummköpfe war Wolf zuständig.
Dimitri, sein Kontakt zu der Organisation hatte ihn heute Morgen angerufen und nur eine Stunde später war der Profikiller der Russen bereits auf dem Weg gewesen.
Hohl war für den heutigen Tag zu der Einweihung eines neuen Kindergartens geladen und würde diese Gelegenheit nutzen, um eine ergreifende Rede über die Kinder, die Zukunft und verderbliche Einflüsse dunkler Organisationen in die Hirne der Zuhörer zu hämmern. Rhetorisch war der ältere Mann wirklich gut.
Vielleicht glaube er sogar wirklich, dass er mit seinem politischen Engagement eine Chance hatte etwas zu bewirken und genau das machte ihn zu gefährlich.
Wolf warf einen schnellen Blick auf den Windgeschwindigkeitsmesser und korrigierte dann die Einstellung des Zielfernrohrs um ein halbes Grad.
Bei einer Schussentfernung von über zweieinhalb Kilometern musste man die Abweichung des Geschosses durch die Luftströmungen berechnen, andernfalls war ein Fehlschuß so gut wie garantiert.
Wieder blickte Wolf durch das sehr hochwertige Zeiss-Zielfernrohr.
Dimitri hatte die Waffe und auch den Rest der Ausrüstung besorgt, wie immer wenn Wolf für den Russen Aufträge erledigte, und wie immer hatte er ausschließlich hochwertige Produkte organisiert.
Die bis jetzt noch leere Tribüne vor dem frisch verputzten Gebäude des Kindergartens sprang in Wolfs Blickfeld. Das Rednerpult war mit den Fahnen der ADL dekoriert und vor dem Podest hatte sich schon eine riesige Menschenmenge eingefunden.
Ja, Frederik Hohl war wirklich beliebt.
Wolf schwenkte das Scharfschützengewehr etwas nach links und bekam das Empfangskomitee in die Zielerfassung.
Kleine Kinder mit bunten Blumensträußen, stolze Eltern und zukünftige Betreuer standen zusammen mit Reportern und Polizisten am Rand der Straße, an der Hohl‘s gepanzerte Limousine halten würde.
Man hatte sogar einen roten Teppich für den Politiker ausgelegt.
Genau in diesem Moment erschien die dunkle Staatskarosse von Mercedes in Wolf’s Blickfeld.
Der schwere Wagen rollte gemächlich aus einer Nebenstraße um dann genau vor dem roten Läufer zum stehen zu kommen.
Der Profikiller machte sich bereit. Sein rechter Daumen schob den Sicherungsriegel der Waffe beiseite und sein Zeigefinger derselben Hand suchte den Druckpunkt des Abzugs.
Die Tür des Mercedes wurde von einem Polizisten geöffnet und die Menge verfiel in frenetischen Beifall als ein hochgewachsener Norm Mitte sechzig mit einem grauen Haarkranz und leichtem Bauchansatz unter dem eleganten grauen Anzug ausstieg.
Wolf hielt den Atem an. Er mußte Hohl innerhalb der nächsten Sekunden geeken, denn ab dem Podest würde ein Sicherheitsmagier eine undurchdringliche magische Barriere um sein Ziel errichten, was die Durchführung des Auftrages unmöglich machen würde.
Auch diese Information hatte er von Dimitri erhalten.
Noch während der Politiker langsam und selbstsicher auf die Tribüne zuging, dabei immer wieder Hände von wichtigen Leuten schüttelnd und einige Worte des Dankes verteilend, bewegte Wolf den Zielpunkt in der Mitte der Zielerfassung auf eine Stelle am Hinterkopf des Politikers.
Etwa einen Zentimeter hinter dem Ohr.
Das Blut rauschte in den Ohren des Profikillers. Gleich würde er ein weiteres Leben aus dieser elenden Welt befördern. Direkt hinab in die Fänge Santans.
Aber in dem Moment als er den Abzugsbügel durchziehen wollte, beugte sich der Politiker erfreut lächelnd nach vorne.
Verwirrt folgte Wolf der Bewegung und sah wie der alte Mann in einem schier unglaublichen Akt der Stärke ein vielleicht zehnjähriges Mädchen unter den Armen faßte und in die Luft hob wobei er dem Killer den Rücken zu wand.
Drek!
Wolf hatte keine Wahl. Der Politiker war vielleicht noch fünf Schritte von der Tribüne entfernt, und so wie es aussah wollte der Drekhead das kleine Normmädchen in dem bunten Kleid doch wirklich mit hinauf nehmen.
Gerade wand sich sein Ziel wieder dem Weg zum Rednerpult zu und nahm das Mädchen in eine gemütlichere Position auf den Arm.
Von Wolfs Position aus verschwand der kleine Kopf hinter dem eingefallenen Gesicht des Politikers und nur einige blonde Locken zeigten, das die wieder austretende Kugel ein weiteres Leben mit sich reißen würde.
Noch drei Schritte bis zu dem Podest. Wolf zuckte unschlüssig.
Irgendwo tief in seinem Verstand weigerte sich etwas, den Abzug durchzuziehen.
Irgend etwas sagte ihm das es falsch war das kleine Mädchen für die Fehler des alten Mannes bezahlen zu lassen. Sie konnte nichts dafür.
Nur noch zwei Schritte.
Aber der Auftrag musste durchgeführt werden. Sein Leben war untrennbar mit dem heutigen Tod des Politikers verknüpft.
Die Russen sahen es nicht gerne wenn einer ihrer Pläne nicht termingerecht ausgeführt wurde. Wenn Hohl nicht innerhalb der nächsten Sekunde starb, würde Wolf innerhalb der nächsten Stunden das Zeitliche segnen. Unausweichlich.
Und wahrscheinlich auch Dimitri, weil er seinem besten Killer vertraut hatte. Und dann war da ja noch das Geld. Die vielen EC die Wolf verdienen würde.
Noch ein Schritt.
Irgendetwas in Wolfs Innerstem zerbrach als er den Abzug durchdrückte.
Das Scharfschützengewehr ruckte in seinem Griff und ein leises schmatzendes Geräusch entfuhr dem Schalldämpfer als das massive Geschoss den Lauf mit hoher Geschwindigkeit verließ.
Innerhalb von nur Bruchteilen von Sekunden korrigierte der Killer die Ausrichtung und feuerte ein weiteres Mal. Durch die Optik des Zielfernrohrs konnte er beobachten wie die erste Kugel den Schädelknochen des Politikers aufbrach, sich seinen Weg durch Gehirnzellen und Nervenbahnen suchte und dann wieder austrat, genau in den wesentlich kleineren Kopf des Normmädchens hinein. Beide Körper zuckten unwillkürlich, obwohl sie von den zerstörten Gehirnen schon keine Signale mehr erhielten.
Der Politiker drehte sich im Fallen etwas in Wolfs Richtung als die zweite Kugel seinen Hals durchschlug, so das der Elf sehen konnte, was sein Angriff dem unschuldigen Opfer in den Armen von Hohl angetan hatte.
Der Kopf des Mädchens war praktisch nicht mehr existent. Blutspritzer hatten das bunte Kleid und die blonden Haare in ein eintöniges Rot verfärbt.
Als nun die zweite Kugel einschlug wurde der Körper des Zieles zurück geschleudert und der tote Kinderkörper entglitt seinen kraftlos gewordenen Armen und schlug leblos auf dem roten Teppich auf.
Ein junger Trollvater, der hinter dem Politiker gerade noch Beifall geklatscht hatte wurde von der durch den Hals kaum abgebremsten Kugel in die Brust getroffen und brach mit einem erstaunten Gesichtsausdruck zusammen.
Gegen die schwere Kugel aus dem Scharfschützegewehr hatte seine natürliche Dermalpanzerung nicht die geringste Chance.
Wolf riss sich aus der Versteinerung, die seinen Körper ergriffen hatte. Er mußte fliehen. Wahrscheinlich waren schon in diesem Moment Watchergeister, astrale Projektionen von Magiern und andere Scharfschützen auf der Suche nach dem Killer.
Er kroch zwei Meter von seiner Stellung zurück und erhob sich dann, wobei er alles zurückließ. Die Waffe, den Windgeschwindigkeitsmesser, die Decke. Er griff in die Jacke des Sicherheitsdienstes die zu der Tarnung gehörte, die Dimitri ihm besorgt hatte.
Das Bürogebäude auf dessen Dach er sich befand wurde von einem kleinen Sicherheitsdienst namens Top-Security beschützt, der in dem Ruf stand, absolut unbestechlich und gut organisiert zu sein.
Trotz allem war es der russischen Mafia gelungen die Dienstpläne für den heutigen Tag so abzuändern das Wolf ohne Probleme hier herauf gekommen war.
Und auch die Uniform war keine Fälschung, sondern ein Original, was wohl bedeutete, dass ihr Träger sie niemals wieder benötigen würde. Höchstens für sein Begräbnis.
Wolf zog den Splint von der Phosphorgranate und machte sie damit scharf. Die ultraheiß brennende Substanz würde alle seine Spuren verwischen, ob nun Hautreste, Fingerabdrücke oder Haare. Niemand würde eine Verbindung zu dem Profikiller herstellen können.
Er rollte den dosenförmigen Sprengsatz auf die Decke und ging dann schnell zu dem Treppenabgang.
Er konnte sich etwas Zeit lassen. Die Granate war so modifiziert worden das sie erst in zwei Minuten detonieren würde und dann würde er mit dem Expressfahrstuhl bereits fast die Tiefgarage erreicht haben, wo sein Fluchtfahrer bereits auf ihn wartete.
Wieder ein erfolgreich durchgeführter Auftrag, wieder ein hoher Betrag auf seinem Ruhestandskonto, wieder zwei oder sogar drei Seelen die aus der Hölle nach seinem Tod gierten.
Er bekam das Bild des blutüberströmten Kinderkörpers ohne Kopf einfach nicht aus seinen Gedanken. Das war nicht richtig. Das konnte nicht richtig sein.
Er brauchte dringend einen Drogencocktail und vor allem viel Synth-Alkohol.
Gerade als er den Fahrstuhl betrat verschwamm seine Wahrnehmung, oder war es nur eine Erinnerung?
Er war sich nicht sicher.
In seinem Kopf wechselten jetzt Szenen seiner Taten von einer Sekunde zur nächsten.
Stand er unter dem Einfluß eines Zaubers?
Gerade zog er die Würgeschlinge um den Hals einer jungen Prostituieren.
Die Elfin hatte bei der Polizei eine Aussage gegen einen mächtigen Paten der russischen Mafia gemacht. Ein schrecklicher Fehler. Absolut fatal.
Nicht einmal das Zeugenschutzprogramm und die vier Beamte die sich ständig in ihrem Versteck aufhielten konnten ihren Tod verhindern.
Die Arme der Mafia waren lang und ihre Augen und Ohren gut.
Wolf hatte detaillierte Anweisungen erhalten wo sich die Zielperson befand, über welchen Schutz sie verfügte und wie sie sterben sollte.
Nicht durch eine Kugel, nein, dass wäre zu einfach gewesen.
Die Message der Mafia sollte klar sein. Legt euch nicht mit uns an. Nicht einmal die Polizei wird euch sonst vor einem schrecklichen Tod bewahren können.
Wolf war durch die Vordertüre in die kleine Wohnung eingedrungen. Für die vier Beamten des Sondereinatzkommandos die durch seinen Tritt gegen die Tür völlig überrascht worden waren, hatte er nur Sekunden gebraucht.
Seine schallgedämpften Pistolen hatten ihrem Leben ein vorzeitiges Ende beschert.
Die Elfin hatte sich im Bad unter der Dusche befunden und von dem kurzen Kampf oder besser der kurzen Hinrichtung ihrer Aufpasser nicht das Geringste mitbekommen.
Wolf hatte die Pistolen zurück in die Tarnhalfter an seinem Rücken geschoben.
Die Drogen in seinem Blut feuerten unablässig Energieschübe durch seinen Körper und das neue Biowareteil in seinem Kopf arbeitete hervorragend.
Synapsenbeschleuniger waren die körperfreundlichere Variante von reflexverstärkender Cyberware und wurden aus dem Zellgewebe des Kunden geklont.
Wolf fühlte sich seit der Operation unschlagbar.
Er konnte viel schneller reagieren, oft schon bevor seine Gegner ihre Aktion beendet hatte. Manchmal kam es ihm so vor, als bewege sich alles um ihm herum in Zeitlupe.
Absolut verschärft.
Er hatte die Würgeschlinge aus seiner Hosentasche gezogen und war lautlos in das Bad geschlichen. Die Elfe hatte ihn weder gesehen noch gehört.
Erst als er ihr von hinten die Schlinge um den Hals gelegt hatte, war sie sich der Situation bewußt geworden.
Aus dem sicheren und wohligen Gefühl der heißen Dusche gerissen, hatte sie versucht, sich zu befreien. Hatte versucht, die Schlinge, die ihr bereits die Luft abdrückte zu lockern, aber Wolfs stahlharter Griff hatte ihr keine Möglichkeit gegeben.
Hätte sie einen festen Stand gehabt, hätte sie vielleicht eine Möglichkeit gehabt sich wenigstens zu wehren, aber ihre nackten Füße auf der glatten Keramikoberfläche der Duschwanne nahmen ihr auch diese letzte Möglichkeit.
Hilflos zappelnd entwich langsam das Leben aus dem schlanken Körper seines Opfers. Ihr Röcheln wurde leiser und schon bald von dem Plätschern des Wassers übertönt.
Mit einem kurzen Ruck an der Schlinge brach der Killer in den letzten Todeszuckungen das Genick der hilflosen jungen Metafrau.
Ihr eben noch von Krämpfen geschüttelter Körper sackte zusammen und entließ die geschundene Seele in die Obhut ihres Schöpfers.
Wolf ließ achtlos die Enden der Schlinge los und damit den nackten Körper nach vorne in die Ecke der Duschwanne zusammenbrechen.
Einen kurzen Augenblick lang feuerte sein Gewissen durch den Nebel von Adrenalin und Drogen einen Hagel von Schuldgefühlen auf sein Gehirn, aber damit hatte er schon lange kein Problem mehr.
Er war ein Killer.
Die Mafia und die Gesellschaft hatten ihn dazu gemacht.
Die Nutte hatte die Regeln gebrochen und jetzt dafür bezahlt.
Er drehte sich herum und verließ den Ort seines Verbrechens.
Er würde Dimitri sagen müssen, dass er stärkere Drogen brauchte. Möglichst bald.
Als er die Straße erreichte verschwamm wieder die Umgebung.
Drek, was passierte hier. Träumte er?
Wieder ein Szenenwechsel.
Er stand im Regen. Und er war jung. Verdammt jung.
Er spürte nicht die Kraft seiner Cyberware in sich. Spürte nichts anderes außer Trauer und Hass.
Die grauen Wolken hingen tief über dem Friedhof und die beiden frischen Gräber vor denen er stand waren mit wunderschönen Kränzen und Blumengestecken verziert, als könne die Schönheit den Schrecken der Wirklichkeit überdecken. In den Särgen unter der Erde lagen die zerschmetterten Körper seiner Eltern.
Aus Rücksicht auf seine Jugend hatte man ihm nicht einmal erlaubt sie ein letztes Mal zu sehen.
Zu schrecklich mussten die Verletzungen des Unfalls gewesen sein.
Sein schwarzer Designeranzug war mittlerweile völlig durchnässt und die restlichen Trauergäste hatten den Friedhof schon vor Ewigkeiten verlassen.
Aber er konnte nicht gehen. Konnte nicht akzeptieren das die einzigen Menschen, die immer zu ihm gehalten hatten, jetzt tot sein sollten.
Gestorben weil sein Vater auf regennasser Fahrbahn die Kontrolle über sein Fahrzeug verloren hatte.
Was für ein Irrsinn. Sein Vater war ein guter Autofahrer gewesen. Mit Jahren an Erfahrung. Er war nie zu schnell unterwegs gewesen, auch nicht unter dem stärksten Termindruck.
Schon gar nicht wenn seine Frau ihn begleitete.
Mutter hätte ihn gar nicht gelassen.
Etwas stimmte hier nicht. Ganz und gar nicht. Frank, sein Bodyguard trat neben ihn.
„Wir müssen gehen, Dirk. Es wird Zeit für dich deine Jugend hinter dir zu lassen und das Werk deiner Eltern...“
Der Troll kam nicht mehr dazu den Satz zu vollenden. Eine Salve aus einer Maschinenpistole erfaßte den muskulösen Metamenschen und schleuderte ihn zurück gegen einen Grabstein der unter dem Gewicht und der Aufprallgeschwindigkeit nachgab.
Der Junge, der auch schon im zarten Alter von sechzehn Jahren von seinen Freunden Wolf genannt wurde, sprang zur Seite.
Gerade noch rechtzeitig. Eine zweite Salve hämmerte an der Stelle durch die Luft wo er gerade noch gestanden hatte.
Der Schütze befand sich hinter einem alten Mausoleum, keine zwanzig Meter entfernt. Schmerz und Trauer waren wie weggefegt.
Die Reflexe der Straße übernahmen jetzt die Kontrolle über seinen Körper.
Wolf’s Eltern hatten versucht ihrem Sohn die beste Konzernerziehung angedeihen zu lassen, aber er selbst hatte sich eher für das Leben auf der Straße interessiert.
Drogen nehmen und verkaufen, sich mit anderen Gangs Schlägereien liefern, Autos klauen und sich ein Versteckspiel mit der Polizei liefern.
All das war für Wolf wesentlich wichtiger als der tödlich langweilige Unterricht in der Privatschule. Er war der Gang seiner Freunde beigetreten, den Massenheim Youngsters und hatte sich schon einen verdammt guten Ruf als gefährlicher Gegner im Nahkampf und gute Connection in allen Bereichen des Drogen An- und Verlaufs zugelegt.
Seine Eltern hatten immer versucht diese Seite seines Lebens zu unterdrücken und genau das hatte es für ihn nur noch interessanter gemacht aus der behüteten Umgebung des Anwesens zu fliehen und manchmal tagelang in den Straßen und Schatten unterzutauchen.
Aber irgendwie waren seine Eltern auch immer der Teil seines Verstandes gewesen, der ihm bei all zu heftigen Aktionen abgeraten hatte.
Sobald Schusswaffen ins Spiel gekommen waren, hatte er sich verzogen, oder wenn harte Drogen oder gar BTL-Chips in rauhen Mengen konsumiert worden waren.
Das war nicht seine, nicht ihre Welt.
Aber seine Eltern waren tot und begraben und ausgerechnet am Tag ihrer Beerdigung wollte jemand ihn geeken.
Das war einfach zuviel.
Er rollte sich in Richtung des mit gebrochenen Augen an dem umgestürzten Grabstein liegenden Trolls ab. Frank war für Wolf immer eine Bezugsperson gewesen.
Der Troll hatte sich aus den Niederungen der Straße bis zum Bodyguard hochgearbeitet und Wolf oft von den Shadowrunnern und anderen Wirklichkeiten der Straße erzählt, wenn dieser Nachts nicht hatte einschlafen wollen.
Für andere Kinder wären das wahrscheinlich keine besonders beruhigenden gute Nacht Geschichten gewesen, aber für Wolf stellten sie den Stoff dar, aus dem die Träume gemacht wurden.
Feuerbälle schleudernde Kampfmagier, cyberwareverstärkte Straßensamurais und Drohnen steuernde Rigger, Decker die in die gut gesicherten Computersysteme von Konzernen einbrachen um dort wertvolle Informationen zu erbeuten, Schieber die alles, aber auch wirklich alles besorgen konnten das es gab.
Sie waren die Helden von denen Wolf träumte.
Die dunkelsten Schatten waren sein Ziel und nicht die helle, glitzernde Welt der Konzerne.
Er ging hinter der riesenhaft wirkenden Leiche des Trolls in Deckung und entging so einer weiteren Salve des Heckenschützen.
Die Kugeln hämmerten auf den Fleischberg ein, der noch vor Sekunden Wolfs Bodyguard gewesen war.
Die Einschläge rissen die Leiche herum und ließen sie auf die Seite fallen. Dabei verrutschte das Jacket und die Ruger Super Warhawk kam in dem Schulterholster zum Vorschein. Perfekt!
Besser hätte es für Wolf nicht laufen können.
Er riss die Waffe aus der Halterung und sprang dann in die Deckung eines weiter abseits stehenden Grabsteins. Der schwere Revolver schien Tonnen zu wiegen und er wusste, dass er nur sechs Versuche hatte, seinen Gegner auszuschalten.
Wolf hatte sich nie mit Feuerwaffen beschäftigt und auch wenn er Munition zum Nachladen bei dem Troll gefunden hätte, so wäre er wahrscheinlich nicht in der Lage gewesen sie in die Waffe einzusetzen.
Während Kugeln in den ihm Deckung gebenden Grabstein einschlugen und als Querschläger über das Gelände pfiffen, spannte er den Hahn des Revolvers.
Er brauchte beide Daumen dazu, während der Rest seiner kleinen Hände den mächtigen Griff umklammerten. Kurz warf er einen Blick an dem Rand des Steins vorbei zu dem Mausoleum hinüber.
Jetzt konnte er den Schützen ausmachen.
Der große Ork hatte sich aus der Deckung des Gebäudes erhoben und warf gerade das leer geschossene Magazin aus der Maschinenpistole aus um mit der zweiten Hand ein neues einzuführen.
Dabei kam er langsam auf den Grabstein, hinter dem Wolf lauerte zu.
„Hoi Kleiner. Mach es uns beiden leicht und komm raus. Ich versprech dir auch das es schnell gehen wird, Omae.“
Wolf hörte wie das Magazin in dem Ladeschacht der Waffe einrastete und ergriff seine Chance. Offensichtlich hatte der Ork nicht bemerkt, dass er sich Franks Warhawk organisiert hatte, sonst wäre er wahrscheinlich nicht so offen ohne Deckung auf ihn zu spaziert. Vielleicht schätzte er die Bedrohung durch den sechzehnjährigen Jungen auch einfach nur falsch ein.
Wolf schnellte in die Höhe. Das Grinsen in dem Gesicht des Orks erstarb als er den Revolver in den Händen des jungen Elfen sah und er versuchte die Maschinenpistole hoch zu reißen, aber es war zu spät.
Wolf hatte den Lauf auf dem Grabstein abgelegt, kurz gezielt und drückte nun ab.
Das Donnern des Schusses machte ihn fast taub, und der Mündungsblitz blendete ihn, aber der Rückstoß der Waffe war das schlimmste.
Seine Arme wurden nach oben gerissen und seine um den Griff der Warhawk verkrampften Finger schienen dem Druck nicht gewachsen zu sein.
Das Projektil traf den Ork genau in Brustmitte, zerschmetterte das Brustbein und ließ eine Blutfontäne aus seinem Rücken hervorbrechen.
Verwundert blickte der Metamensch auf das faustgroße Loch das plötzlich in seinem Körper klaffte während die Maschinenpistole seinem Griff entglitt und er auf die Knie fiel.
Wolf kam aus seiner Deckung. Seine Hände brannten wie Feuer und schienen auch zu bluten, und er glaubte, dass der Rückstoß auch seinen Schultergelenken geschadet hatte, aber er weigerte sich den Revolver los zu lassen.
Er hielt den Lauf auf den Ork gerichtet und mühte sich ab den Hahn erneut zu spannen während er auf seinen Gegner zuging.
Dieser schien mittlerweile begriffen zu haben, dass er einen Fehler gemacht hatte und betastete die stark blutende Wunde mit beiden Händen. Wolf registrierte erst jetzt, dass der Ork Straßenkleidung trug.
Eine taktische Hose mit mehreren Taschen, ein schwarzes T-Shirt mit der weißen Aufschrift „Born to kill“ und eine gepanzerte Weste, die er dummerweise jedoch nicht geschlossen hatte, so das der Schuß aus dem Revolver die ungeschützte Brust hatte erreichen können.
Das Haar des Orks beschränkte sich auf einen grell grünen Kamm der in der Mitte des Schädels verlief und einer der Hauer war böse gesplittert.
Über der rechten Schulter des Mannes hing ein schwarzer, abgewetzter Militärrucksack.
Als Wolf bis auf einige Schritte an den Angreifer herangekommen war, brach dieser nach links weg.
Offensichtlich hatte er nicht mehr die Kraft, sich auf seinen Knien zu halten, aber um den Jungen anzustarren reichte es noch.
„Unglaublich. Hätte nie gedacht das so nen Knirps wie du mit so ner Zimmerflak schießen und auch noch so gut treffen könnte, Omae.“
Die Stimme seines Gegners war bereits brüchig und auch die Augen trübten sich.
Wolf kannte die Anzeichen des nahen Todes.
„Tja, Drekhead, da hast du dich wohl getäuscht. Dürfte das letzte mal in deinem Leben gewesen sein. Warum wolltest du mich geeken?“
Er hielt den Warhawk weiter auf den Ork gerichtet und versuchte seine Stimme so kalt wie möglich klingen zu lassen.
Wie wünschte er sich jetzt doch eine von den Pillen die ihn so selbstbewußt machten.
Aber es war ihm falsch erschienen Drogen auf die Beerdigung seiner Eltern mitzunehmen. Der Ork hustete kurz, wobei sich ein Schwall Blut aus seinem Mund auf den Boden ergoss und blickte dann wieder zu ihm hinauf.
„Na was is das denn für ne Frage, du Welpe? Nen Schmitt hat mir zweitausend EC gegeben damit ich dir hier und heute das Lebenslicht auspuste.“
Wieder das röchelnde Husten und wieder eine Blutlache auf dem Boden.
Wolf war verwirrt.
Schmitt war in den Schatten die Bezeichnung für einen Auftraggeber, dass wusste er von Frank. Aber wieso sollte jemand ihn umbringen wollen. Er war ein verdammtes Kind.
Und die paar Feinde die er sich auf der Straße gemacht hatte würden ihn vielleicht verprügeln wollen, aber doch nicht geeken.
Schon gar nicht für zweitausend EC.
Das war eine Menge Kohle in den Kreisen, in denen er sich herumtrieb.
Gerade als er dem Ork weitere Einzelheiten entlocken wollte, brachen dessen Augen.
Seine Muskeln erschlafften und weiteres Blut rann in einem dünnen Faden aus seinem Mund. Von diesem Drekhead würde er nichts mehr erfahren, es sein denn er schoß sich selbst eine Kugel in den Kopf und nervte den Ork auf dem Weg zur Hölle weiter.
Kein guter Plan.
Spliff sagte immer, ein Plan, der mit dem eigenen Tod endet ist ein dummer Plan und Wolf musste dem Anführer der Massenheim Younsters da irgendwie recht geben.
Also weiterdenken.
Zuerst durchsuchte er die Taschen des Ork, aber bis auf einige Energieriegel, einen weiteren Ersatzladestreifen für die Maschinenpistole und einen Kredstick waren diese leer.
Der Rucksack war dafür um so interessanter.
Wolf fand einige Pillen von denen er sich sofort eine einwarf. Er hoffte, dass die Droge sein Hirn endlich auf Höchstleistungen bringen würde.
Ein tragbares Telekom und ein ebenfalls portables Abspielgerät für Musikchips mit dazugehöriger Sammlung an Techno- und Clubsounds.
Der Ork hatte einen guten Geschmack besessen.
Jedoch offensichtlich keine Wohnung.
Ein Schlafsack, einige Wechselklamotten und zwei Butterfly-Messer rundeten die Ausrüstung ab.
Wolf packte alles zusammen und den Revolver sowie die Maschinenpistole oben drauf. Dann verließ er die Leiche seines Opfers und ging zu der von Frank hinüber.
Es tat ihm zwar leid, seinen Freund ausnehmen zu müssen, aber er wusste, dass der Troll keine Familie hatte.
Und er brauchte nun alles was er bekommen konnte.
Auch der Kredstick des Bodyguards sowie einige lose Patronen aus der Hosentasche verschwanden in dem großen Rucksack.
Mit einem kurzen Nicken verabschiedete er sich von seinem Freund und verließ dann den Friedhof.
Die Schüsse mussten gehört worden sein.
Zumindest das Donnern des Warhawks und Wolf hielt es nicht für eine gute Idee sich jetzt wo er wusste, dass man ihn geeken wollte in die Obhut der Polizei zu begeben.
Den Typen hatte er noch nie wirklich getraut. Nein, er würde bei seinen Leuten Schutz suchen.
Am besten bei Dimitri, seinem russischen Schieber.
Der war etwas älter und hatte ihn immer fair behandelt.
Er würde schon wissen was zu tun war.
Zu den Massenheim Youngsters wollte er nicht zurück. Er würde sie in Gefahr bringen, und das konnte er nicht riskieren.
Gerade als er die gusseisernen Friedhofstore passierte legte die Pille einen Schalter in seinem Kopf um.
All die Trauer um seine Eltern und die Angst vor dem unbekannten Auftraggeber des Killers waren wie weg geblasen.
Ein böses Grinsen schlich sich auf sein Gesicht.
Er war Wolf.
Von jetzt an keine Zurückhaltung mehr.
Keine Privatschule und blöde Lehrer die ihm nur unsinniges Zeug bei brachten. Jetzt war er ein Shadowrunner mit allem was man seiner Meinung nach dazu benötigte.
Einen Rucksack voller Waffen, einen in den schattigen Kreisen unbekannten Straßennamen und gleich zwei Kredsticks unter anderem Namen, jede Menge Drogen die ihn die Vergangenheit vergessen lassen konnten und die Gewissheit, dass er dazu in der Lage war, andere Lebewesen zu töten.
Der Ork war der Beweis.
Als erstes würde er für Dimitri Drogen verkaufen. Das hatte der Norm ihm sowieso schon angeboten. Damit würde er seine laufenden Kosten abdecken.
Dann musste er ein wenig an seinem dürren Körper arbeiten. Ein paar Steroide und ein wenig Anabolika in Kombination mit Kampfsport- und Fitnesstraining würden ihm schnell zu einem breiteren Kreuz und stärkeren Muskeln verhelfen.
Jetzt konnte er sich ja voll auf seine Straßenkarriere konzentrieren. Auf dem Weg zu der Bushaltestelle fischte er aus Langeweile eines der Butterfly-Messer aus seiner Hosentasche. Wie man mit so etwas umging hatte er schon oft gesehen, aber selbst hatte er sich noch nie getraut es zu versuchen.
Er kannte Leute, die richtig gut darin waren solche Messer flirren zu lassen.
Das war ein praktischer Zeitvertreib, man konnte damit Gegner im Nahkampf verwirren und es machte Eindruck bei den Mädels.
Er grinste, während er versuchte die Klinge aufschnappen zu lassen.
So schwer konnte das ja wohl nicht sein.
Nach einigen Versuchen und zwei blutigen Schnitten in verschiedenen Fingern hatte er das System begriffen. Das musste er lernen.
So schnell wie möglich.
Wie sah das den aus wenn ein tödlicher Straßensamurai sich selbst blutende Wunden zufügte. Nein, das ging gar nicht...

Engel stand wieder vor dem grünlich schimmernden Tank und betrachtete ihren Liebsten. Laut den digitalen Anzeigen schlief der Elf tief und fest und die Hirnströme zeigten, dass er dabei träumte.
Auch wenn sie sich wünschte, dass es angenehme Träume waren, so wusste die Magierin, dass dem wahrscheinlich nicht so war.
Wolf wurde ständig von Alpträumen geplagt. Jede Nacht, obwohl es besser wurde, wenn sie bei ihm war.
Manchmal wachte er schweißgebadet auf, den Körper in voller Kampfbereitschaft, ein anderes Mal weinte er den Rest der Nacht in einem Ausbruch völliger Desorientierung und tiefster Depressionen.
Sie hatte sich daran gewöhnt. Hatte sich daran gewöhnt ihn zu beruhigen wenn er auf der Suche nach den Gegnern aus seinen Träumen mit den Blicken das Schlafzimmer absuchte, die Sporne ausgefahren und die biogenetisch verstärkten Muskeln bis zum Zerreißen gespannt. Hatte sich daran gewöhnt seinen Kopf zu halten und ihm mit sanfter Stimme die Verbrechen der Vergangenheit zu vergeben wenn er nichts weiter als ein schluchzendes, zitterndes Häuflein Elend war.
Eine Kampfmaschine mit einer geschundenen Seele. Über Jahre hinweg ausgebeutet und benutzt und schlußendlich achtlos auf den Müll der metamenschlichen Gesellschaft geworfen. Sie hatte auch kein leichtes Leben gehabt. Zugegeben, aber im Vergleich zu seinen seelischen Höllenqualen die er durchleben musste, war sie wirklich ein Engel.
Doc Erdmann hatte die Untersuchung der Geräte abgeschlossen und blickte sie nun an.
„Er erholt sich schnell. Ich denke, dass wir ihn in drei bis vier Tagen aus dem Tank holen können, aber dann benötigt er noch mindestens einen Monat absolute Ruhe. Er war schon fast auf der anderen Seite und seine massiven biologischen und cybertechnischen Körpermodifikationen mögen zwar in Kampfsituationen hilfreich sein aber bei der Heilung von so schweren Wunden fehlt seinem Körper einfach die Unversehrtheit des Systems.“
Sie nickte. So weit fortgeschritten die Implantatstechnologie auch sein mochte, es waren immer noch Fremdkörper die sich nicht vollständig integrieren konnten.
Jedes Mal wenn sie die Aura ihres Lebensgefährten durch den Astralraum betrachtete fragte sie sich, was einen Menschen nur soweit treiben konnte.
Es gab kaum noch einen Flecken in der Erscheinung der nicht von der Technologie oder biologischen Modifikationen korrumpiert worden war.
Und doch war er immer noch ein menschliches Wesen.
Ein Wesen das sie liebte.

__________________
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Kapitel 8
Der Preis des Blutes

Das Team lungerte in dem großen Wohnzimmer von Wolf’s Elternhaus herum und beobachtete Skelett über einen Bildschirm, wie der spindeldürre Rigger an einem der beiden verbeulten Metallkoffer herum hantierte.
Der Bildschirm war per Funk mit einer Kamera verbunden die in einem der ungenutzten Kellerräume aufgebaut worden war.
Der Run auf den Konvoi war bereits mehrere Tage her, und die Mitglieder des Teams wollten nun endlich erfahren was sie erbeutet hatten, aber niemand wollte ein Risiko eingehen. Nachdem die beiden Koffer so stark bewacht worden waren, lag es nahe auch Spreng- oder Gasfallen zu vermuten, die bei gewaltsamer Öffnung aktiviert wurden.
Skelett trug eine schwere Splitterschutzweste, eine Gasmaske und einen Helm und sah trotz seiner dürren Figur in der Ausrüstung wie ein zu klein geratener Troll aus.
Mit einem Codeschloßknacker und Miniaturkameras rückte der Rigger bereits seit einer Stunde den Behältern zu Leibe, was ziemlich an den Nerven des Teams nagte.
„Wenn der besoffene Typ eine Sprengfalle auslöst und damit meinen möglichen Bonus zunichte macht erschieße ich mich und trete ihm bis in die Hölle in den Hintern.“
Stute, wie eine aufstrebende Konzernangestellte mit einem hellen Blazer und einer dazu passenden leichten Stoffhose bekleidet, hatte es sich neben ihrem Deckerfreund auf der Couch bequem gemacht und starrte gebannt auf den Monitor.
Racker trug wie immer eine seiner weiten Sporthosen und ein dunkles Muskelshirt das seine beeindruckenden Arme zur Schau stellte.
„Kannst ja seine Arbeit übernehmen wenne denkst du kannst es besser!“
Gromo nahm einen tiefen Schluck aus seinem Bier. Der Ork saß auf einem der Sessel und schien die ganze Sache wesentlich ruhiger aufzunehmen. Seine entspannte Haltung wurde noch durch die schlampige Kleidung, bestehend aus einem verschmutzten Shirt und einer sehr weiten Jeanshose die ebenfalls ihre besten Tage bereits hinter sich hatte, unterstützt.
Seinem anzüglichen Grinsen begegnete Stute mit dem ausgestreckten Mittelfinger und einem potentiell tödlichen Blick, woraufhin der Ork seine vergoldeten Hauer bleckte.
„Jederzeit Matrixmäusschen. Jederzeit!“
Spliff schüttelte nur den Kopf. Er konzentrierte sich wieder auf Skelett und die von ihm durchgeführten Arbeitsschritte.
Angespannt starrte er auf das kleine unscharfe Bild wie auch Engel, die nur einen Meter von ihm entfernt stand und die Arme vor der Brust verschränkt hatte.
Innerhalb der letzten beiden Tage hatte sie sich gefangen und war mittlerweile wieder die elfische Magierin die das Team bei seinem ersten Wiedersehen mit Wolf kennen und schätzen gelernt hatte.
Wahrscheinlich lag das an der Tatsache, dass sich die medizinischen Werte des Straßensamurais erheblich verbessert hatten, und Doc Erdmann heute noch den Patienten aus dem Tank entlassen wollte.
Dafür hatte Engel sich extra in Schale geworfen.
Neben Spliffs typischen Straßenklamotten bestehend aus einer gepanzerten Weste in dunkelblau, einem verwaschenen T-Shirt und einem stilmäßig passendem Basecap ergänzt durch die abgewetzte Jeans nahm sich die Elfin in dem luftigen weißen Sommerkleid, den offenen blonden Haaren die sich wie ein Schwall puren Goldes bis zu ihrem Becken erstreckten und natürlich dem Schmuckgürtel und den beiden Armbändern wie ein ihren Spitznamen betitelndes Geschöpf aus.
Im Grunde genommen fehlten nur die gefiederten Flügel, der Heiligenschein und die Harfe. Spliff riss sich zusammen. Was für eine dämliche Vorstellung.
Engel war eine junge Frau die in den Abgründen des frankfurter Megaplex aufgewachsen war.
Eine Magierin die gerade dabei war, ihr Talent zu entwickeln um noch potentiell tödlichere Feuerbälle und Manablitze werfen zu können und vor allem eine Runnerin mit genau so viel oder auch wenig Erfahrung wie der Rest des Teams.
Wolf einmal ausgenommen.
Sie waren alle nur Anfänger in diesem Spiel und wenn sie überleben wollten mussten sie schnell lernen und vor allem zusammenhalten.
Alle Anwesenden hielten den Atem an als der Monitor zeigte, wie Skelett eine Etage tiefer in dem abgeschotteten Kellerraum das zweite Schloß eines der Koffer öffnete und dann langsam den Deckel anhob.
Die Spannung in dem Raum war fast greifbar.
Aber statt eines grellen Lichtblitzes oder einer dichten Gaswolke die dem Koffer entsprang blieb alles ruhig, bis auf Skeletts Schultern, die sich in einem erleichterten Aufatmen erst hoben und dann wieder senkten.
Keine versteckten Vorrichtungen.
Der Rigger wiederholte mit der gleichen Vorsicht, die er auch bei dem ersten Behälter hatte walten lassen die Prozedur bei dem baugleichen Gepäckstück und zeigte dann den erhobenen Daumen in die Kamera als auch der zweite Deckel offen stand.

„Na endlich! Skelett hat sich aber auch wirklich Zeit gelassen.“
Racker sprang von der Couch auf und räumte den großen, etwas abseits stehenden Wohnzimmertisch frei wobei seine Freundin ihm zur Hand ging.
„Lieber etwas länger gewartet als zu schnell über die Klinge gesprungen, oder?“
Spliff hatte genug davon, dass die beiden Decker sich fortwährend über den dürren Rigger beschwerten.
Auch wenn Skelett in letzter Zeit etwas nach ließ, so war er auf seinem Gebiet einer der besten im Plex und hatte das Team noch nie im Stich gelassen.
Ihm vorzuwerfen, dass er seine Aufgaben gründlich erledigte, war nicht nur dumm, sondern konnte unerwünschte Spannungen innerhalb der Strukturen des Teams aufbauen.
Und das musste er als Leader verhindern.
Spliff nahm sich vor, später mit den beiden Konsolenjockeys ein ernstes Wörtchen zu reden. Kurz nachdem der Norm die geistige Notiz in einer Schublade seines Hirns abgelegt hatte betrat Skelett den Raum.
Der junge Rigger hatte die Gasmaske und den Helm abgelegt und die schwere Splitterschutzweste geöffnet, so dass sein dürrer Körper darunter zum Vorschein kam. In jeder der feingliedrigen Hände trug er einen der Koffer, die er nicht ganz verschlossen hatte, sondern mit den Zeigefingern nur einen Spalt breit offen hielt.
„Hoi, Chummers. Keine Bomben, keine Gasdüsen, nur zwei einfache Codeschlösser. Alles in Ordnung.“
Das strahlende Lächeln auf dem Gesicht des jungen Norms zeigte Stolz und die Erwartung eines Lobes.
Manchmal verglich Spliff seinen Teamkollegen mit einem besonders anhänglichen Hund. Wenn dieser etwas gut gemacht hatte, wie zum Beispiel einen Trick auf den richtigen Befehl hin, so erwartete ein solches Tier eine Belohnung wie Streicheleinheiten oder einen Knochen. Wenn man dies verwährte, gab der Hund entweder so lange nicht nach bis man laut werden musste oder zog sich schmollend in seinen Korb zurück.
Und auch Skelett konnte sehr gut schmollen. Und nerven.
„Bin stolz auf dich, Drohnenlenker. Und jetzt pack mal die Koffer auf den Tisch. Wir kommen hier fast um vor Neugierde.“
Alle Teammitglieder hatten sich erhoben und strebten nun dem gläsernen Wohnzimmertisch entgegen um die beiden Koffer zu begutachten, die Skelett dort ablegte.
Der Rigger hatte die Deckel aufgeklappt, so das nun der Inhalt sichtbar war.
Für die Größe der Gepäckstücke war ihr Inhalt sehr gering.
Aus dem grauen Schaumstoff, der als eine Art Polsterung fungierte, ragten eine Aufbewahrungsbox für optische Chips in dem einen, und ein durchsichtiger Plastbeutel mit einem großen, vergilbten Buch mit festem Einband ohne sichtbare Beschriftung aus dem anderen Koffer.
„Jackpot! Datenträger. Genau mein Gebiet.“
Racker griff nach der Aufbewahrungsbox und öffnete das schmale Kästchen. Fünf neuwertige Chips steckten dort in stoßsicheren Halterungen. Racker und Stute prüften den elektronischen Teil der Beute eingehend und kamen zu dem Schluss, dass die unbeschrifteten Datenträger wohl Sicherheitskopien einer großen Datenbank waren.
Noch während die beiden Elektronikfreaks darüber Fachsimpelten, wer das bessere Entschlüsslungsprogramm auf seinem Deck hatte, trat Engel an den Tisch und zog das Buch aus Schaumstoff.
Echte Bücher aus Papier waren in der 6. Welt eine Rarität, da elektronische Werke wesentlich einfacher und vor allem kostengünstiger herzustellen waren.
Die Magierin öffnete den Plastbeutel und zog das wirklich sehr alt wirkende Stück langsam heraus.
„Kannste damit was anfangen, Omae?“
Gromo war hinter die Elfin getreten und blickte ihr über die Schulter, während sie den Einband mit ihre feingliedrigen Fingern betastete.
Racker hatte sich mittlerweile in dem Streit um die erste Betrachtung der Chips durchgesetzt und schob einen der Datenträger in das Lesegerät seines Decks während er seine Datenbuchse an der rechten Schläfe durch ein Kabel mit seinem Arbeitsgerät verband.
„Es hat eine magische Aura. Sehr alt und schwach, aber eindeutig erkennbar.“
Engel legte das Buch nun neben den Koffer auf den Tisch und schlug die erste Seite auf.
„Ich kann die Schrift nicht lesen, aber ich erkenne einige der Zeichen.“
Die Magierin deutete auf einige der arkanen Symbole, die in roter Farbe zwischen einer unleserlichen Handschrift heraus stachen.
„Dieses Zeichen ist ein altes Symbol für Macht oder Energie.“
Sie blätterte einige Seiten weiter, schien jedoch nichts anderes finden zu können, dass sie entziffern konnte.
Spliff hatte sich dem Deckerpärchen zugewandt, aber Racker schien die Daten auf dem ersten Chip noch zu sondieren.
„So ka, Racker, du und deine Kleine nehmen die Chips und seht zu das ihr sie so schnell wie möglich entschlüsselt. Ich möchte wissen welcher Drek einen Aufwand wie bei dem Konvoi rechtfertigt.“
Spliff wanderte nachdenklich durch das große Wohnzimmer, wobei er einen fertig gerollten Joint aus einer Tasche seiner gepanzerten Weste zog und ihn sich in den Mundwinkel klemmte.
„Engel, das Buch behältst bis auf weiteres du. Versuch herauszufinden was es mit dem alten Wälzer auf sich hat. Ich möchte alle Informationen die ihr bekommen könnt, und seien sie auch noch so unwichtig. Wir warten erst einmal bis sich die Wogen etwas geglättet haben und versuchen dann die Beute in harte EC umzuwandeln. Würde mich schon ziemlich wundern wenn der Kram nicht noch nen fetten Ebbi bringen würde.“
Stute und Racker, der das Kabel wieder aus seiner Datenbuchse gezogen hatte nickten. Die Entschlüsselung von codierten Daten war ein langwieriger und äußerst komplizierter Vorgang und Spliff rechnete damit, das selbst die beiden Top-Decker des Teams mindestens eine Woche dafür benötigen würden.
Für ihn war dies jedoch kein Problem.
Nach dem Staub den das Team bei dem Angriff auf den Konvoi aufgewirbelt hatte, musste man sich erst einmal bedeckt halten.
Die Schatten der ADL waren dunkle Orte, aber es gab immer Leute die Lampen besaßen, oder auch in tiefster Dunkelheit sehen konnten.
Engel hatte das vergilbte Buch gerade zugeschlagen als die Türklingel erklang.
Wolfs Elternhaus kündigte vor dem Tor wartende Besucher mit einer sanften, drei Töne beinhaltenden Melodie aus Gongschlägen an.
Die elfische Magierin wand sich von der Gruppe ab und ging auf eine hohe Kommode in einer anderen Ecke des großen Wohnzimmers zu, von der sie einen tragbaren Bildschirm mit Steuerungselementen nahm.
„Es ist der Doc!“
Sie hatte nur kurz auf das Display gesehen und betätigte nun den Türöffner des Hoftores.
„Ich hol ihn schon ab. Geht schon mal zu unserem Kellerkid.“
Gromo hatte sich bereits in Richtung Treppenhaus und Vordertür in Bewegung gesetzt. Auch Spliff und Skelett sowie Stute und Racker ließen alles stehen und liegen und kamen auf den Ausgang des Wohnzimmers zu.
Allen war klar, dass der Doc gekommen war, um Wolf aus dem Regenerationstank zu befreien.
Engel war bereits auf der letzten Treppenstufe als der Ork die Haustüre öffnete und den Straßendoc begrüßte.
„Hey Doc, freut mich echt dich zu sehn.“
Spliff betrat das Kellergeschoß in dem Moment als Engel die Sicherheitsschlösser des Panicrooms öffnete und das Stahlschott sich zischen in die Wand zurück zog. Das grelle Licht der Neonröhren blitzte kalt in dem fensterlosen Raum auf und verbreitete sofort gleißende Helligkeit.
Die elfische Magierin blockierte den Schließmechanismus der Tür und ging dann zielstrebig auf den im hinteren Teil des Raumes stehenden Tank zu.
Racker und Stute, die hinter Spliff und Skelett den Raum betraten, ließen sich auf den beiden Arbeitsstühlen an dem Hauptrechner nieder, während der Leader und der Rigger direkt hinter Wolfs Lebensgefährtin Stellung bezogen.
Immer noch summte der Tank leise vor sich hin, immer noch piepten die medizinischen Geräte in regelmäßigen Abständen. Immer noch zeichnete sich durch die grünlich schimmernde Heilflüssigkeit der muskulöse Körper des Straßensamurais ab.
Steif wie eine Schaufensterpuppe stand Engel in ihrem weißen Sommerkleid vor dem Tank, die Arme vor der Brust verschränkt.
Sie bewegte sich nicht einmal als Doc Erdmann mit Gromo und einem Assistenten im Schlepptau durch das offene Schott trat.
Der Rest des Teams nickte dem Arzt zu, gesprochen wurde jedoch kein Wort.
Der Mediziner stellte seinen schwarzen Koffer neben dem Tank auf den kalten Stahlbetonboden und begann damit, die mit dem Tank verbundenen Geräte nacheinander zu begutachten.
Ab und zu gab er leichtes Gemurmel von sich, von dem aus man nicht auf positive oder negative Werte schließen konnte. Als der ältere Mann dann jedoch begann einige Befehle in die Haupttastatur des Tanks zu tippen war klar, dass Wolf bald wieder unter ihnen weilen würde.
Der Tank, der bis jetzt aufrecht in dem Raum gestanden hatte, begann sich langsam in eine horizontale Lage zu drehen, wobei die alte Hydraulik bemerkenswert wenig Geräusche von sich gab.
Noch während der Drehbewegung des Tanks begann eine Pumpe durch verschiedene Schläuche die grünliche Flüssigkeit abzusaugen.

Ein Hagel von Erinnerungen schoß durch Wolfs Gedanken. Sein Vater saß ihm gegenüber in dem großen, gemütlichen Sessel in seinem Büro in der Konzernzentrale in Wiesbaden.
Wolf musste im Alter zwischen dreizehn und vierzehn Jahren gewesen sein.
Er hatte sich in seinen Straßenklamotten bestehend aus einem Kapuzenpullover, seinen Buffalos, einer viel zu weiten und dadurch tief sitzenden Jeanshose und natürlich der schwarzen Lederjacke auf dem weißen Ledersofa niedergelassen und fingerte gerade eine Zigarette hinter seinem Ohr hervor.
„Ich kann es einfach nicht glauben Dirk. Erst bist du zwei Wochen gar nicht zu Hause und dann bringt dich die Polizei drei Tage hintereinander zurück. Deine Strafakte ist mittlerweile schon dicker als die von so manch einer Straßenratte und dabei stehen deine medizinischen Werte allesamt dafür, dass der MMVV Virus dich irgendwann einmal in einen verdammten Elfen verwandeln wird. Du wirst wahrscheinlich hundert Jahre oder sogar noch länger leben. Wenn du so weitermachst wie bis jetzt kannst du dich schon mal an gesiebte Luft gewöhnen und das für eine lange, lange Zeit.“
Wolfs Vater war durch und durch Geschäftsmann. Im Gegensatz zu seiner Mutter, die eine elfische Konzernangestellte gewesen war, bevor sie seinen Vater geheiratet hatte und jetzt in einer renomierten Anwaltskanzlei als Chefsekretärin tätig war, war Peter Jonas ein Mensch von großer Statur, der einen mächtigen Bauch vor sich her schob.
Nur wirkte der über sechzig jährige Mann nicht im geringsten fett, sondern strahlte eher eine entspannende Ruhe aus.
Nur ab und zu ließ Wolfs Vater seine Gefühlslage durch seine Augen brechen.
Und dies war ein solcher Moment.
Die Stimme des Mannes war absolut neutral, aber Wut und Enttäuschung brachen durch seinen Blick. Gerade erst vor fünf Minuten hatten die Polizisten Wolf in die Konzernzentrale gebracht.
Wieder einmal.
Zuvor hatte er mehrere Stunden in einer Zelle verbracht, da die Staatsdiener ihn bei dem Versuch eines Autodiebstahls erwischt hatten.
Und nun saß er in dem Büro seines Vaters.
Wieder einmal.
Sein Vater hatte sich ebenfalls eine Zigarette aus der Tasche seines teuren Designerhemdes gezogen und zündete sie sich mit dem silbernen Feuerzeug an, dass Wolfs Mutter ihm zu seinem fünfzigsten Geburtstag geschenkt hatte.
Wolf hingegen durchsuchte bereits ein zweites Mal alle seine Taschen, konnte seinen Taschenflammenwerfer jedoch nicht finden.
Tief durchatmend schüttelte der Senior den grauhaarigen Kopf und warf seinem Sprössling resignierend das Feuerzeug zu.
Ohne Probleme angelte der Junior das Objekt aus seiner Flugbahn und entzündete auch sein Rauchwerk, während sein Vater eine dichte Rauchwolke in den Raum blies.
„Wenn ich wenigstens verstehen würde warum du das alles tust. Wenn du in einer armen Familie groß geworden wärst, ohne eine andere Möglichkeit dein Geld zu verdienen. Aber du hast immer einen gut gefüllten Kredstick in deiner Tasche, den du aber nie benutzt. Nicht einmal dein Taschengeld rührst du an. Aber dumm bist du auch nicht. Im Gegenteil, deine Privatlehrer sagen mir, dass deine schlechten Noten nur vom Desinteresse kommen, auf gar keinen Fall aber von fehlender Intelligenz.“
Wieder zog der ältere Jonas tief an seiner Zigarette.
Wolf drehte das silberne Feuerzeug in seiner Hand bevor er es wieder seinem Besitzer zuwarf. Trotz der üppigen Körperfülle reagierte der ältere Jonas extrem schnell und fing das Wurfgeschoß, bevor es wie von Wolf geplant über seine linke Schulter rauschen und die große Fensterscheibe beschädigen konnte.
„Netter Versuch, Junior, aber nicht gut genug.“
Wolf zuckte mit den Schultern und widmete sich wieder ganz seiner Zigarette, obwohl ihm ein anständiger Joint wesentlich lieber gewesen wäre. Aber seine Ware war ja von diesen verfluchten Cops beschlagnahmt worden und er bezweifelte, dass irgendetwas davon in den Aservatenkammern ankommen würde.
War wirklich verflucht gutes Snuff gewesen. Er konnte nur hoffen, dass Dimitri noch etwas davon in seinem Vorrat hatte.
Im Geiste begann Wolf schon wieder darüber nachzudenken, wie er den Verlust der beschlagnahmten Ware wieder ausgleichen konnte.
Die Moralpredigten seines Vaters interessierten ihn schon seit Jahren nicht mehr.
Niemals hätte er den Kredstick auf den seine Eltern jede Woche einhundert EC überwiesen auch nur angerührt.
Er verdiente lieber sein eigenes Geld.
Für einen pfiffigen Jungen wie ihn war das kein Problem. Seine Lehrer hatten absolut Recht. Dumm war er wirklich nicht, ihn interessierte nur einfach das Konzernlatein, die Formeln für den geschäftlichen und gesellschaftlichen Erfolg und auch diese verdammten konzerninternen Beziehungen überhaupt nicht.
Das Leben auf der Straße war für ihn das einzige was zählte.
Sein Vater hatte seine Moralpredigt beendet und schien nun auf eine Antwort seines Sprößlings zu warten.
Nur leider hatte dieser nicht einmal den Anfang der groß angelegten Rede mitbekommen und wurde sich dessen erst jetzt bewußt, da seine Zigarette vollständig verglüht war.
Unglückliche Situation.
Aber Wolf war schon immer ein Genie in Bezug auf die sprachliche Improvisation gewesen. „Tja Paps, wird schon so sein wie du es sagst. Kann ich jetzt gehen? Hab nen tierischen Hunger.“
Er blickte unter der Kapuze auf, ohne jedoch den direkten Blickkontakt mit seinem Erzeuger zu suchen. Das war nicht der richtige Zeitpunkt für eine Konfrontation.
Peter Jonas schien bei den Worten seines Sohnes in dem Sessel zu versinken und wieder leuchteten seine Augen vor Zorn und Enttäuschung, jedoch nur für einige Bruchteile einer Sekunde.
Dann war der alte Mann wieder ganz der Exec, den Wolf kannte.
„Geh zum Fahrdienst und lass dich nach Hause bringen. Wir reden heute Abend weiter.“ Während der letzten Worte blickte Jonas senior bereits wieder auf einige Akten auf seinem Schreibtisch und zog nachdenklich an seiner Zigarette.
Wolf schwang sich aus dem Sofa und schlenderte ohne ein weiteres Wort zu verlieren auf die Bürotür zu. Gerade als er diese hinter sich schließen wollte, hört er noch einmal die Stimme seines Vaters düster aus dem Büro dröhnen.
„Denk darüber nach. Willst du wirklich so leben?“
Wolf schätzte, dass sein Vater noch einige weitere Denkanstöße seinem Sohn übermitteln wollte, tat jedoch so, als habe er den letzten Kommentar nicht gehört und zog die Tür ins Schloß.
Drek, diese Art von Gespräch konnte er nüchtern einfach nicht ertragen.
Er marschierte an den Büros der Lohnsklaven vorbei die für seinen Vater arbeiteten und weigerte sich beharrlich einen der freundlichen Grüße zu erwidern.
Für ihn waren diese Geschöpfe nicht einmal Menschen. Sie waren verweichlicht, völlig degeneriert und existierten nur für ihre Arbeit und das langweilige Dasein, dass sie Leben nannten.
Endlich erreichte Wolf den Fahrstuhl und drückte den Abwärtsknopf.
Nein, er würde sich nicht bei Fahrdienst melden. Der Tag hatte doch gerade erst begonnen, und Spliff und Gromo warteten schon am Hauptbahnhof auf ihn.
Er hasste es zu spät zu erscheinen.
Er würde mit dem Aufzug bis zur zweiten Etage fahren, dann die Feuertreppe bis zum Erdgeschoß benutzen und dann einen der Busse bis zur Wiesbadener Innenstadt nehmen. Vielleicht würde er vorher Dimi noch einmal besuchen.
Für einen so schönen Tag wie heute war er einfach viel zu nüchtern.
Gerade als sich die Fahrstuhltüre öffnete, verschwamm Wolfs Wahrnehmung.
Die vor ihm liegende Kabine verblaßte bis nur noch ein weißer Nebel sichtbar war.
Ein weiteres Mal fragte sich der elfische Straßensamurai was wohl gerade mit ihm geschah. War er tot?
War dies seine ganz persönliche Hölle, in der er gezwungen wurde, alle seine Fehler und Taten bis in alle Ewigkeit zu wiederholen?
Jetzt fing er an, wieder etwas zu fühlen. Kälte, schier unerträgliche Kälte.
Der Nebel vor seinen Augen hatte sich noch immer nicht gelichtet, aber nun konnte er auch Stimmen hören, obwohl sein Gehirn nicht in der Lage war, einen Sinn aus dem Gesprochenen zu filtern.
Mindestens drei Personen unterhielten sich.
Zwei Männer und eine Frau.
Er spürte, wie ihm Nadeln aus dem Körper gezogen wurden und jemand eine Maske von seinem Gesicht nahm.
War das die Erinnerung an eine seiner Cyber- oder Biowareoperationen?
Nein, nach diesen Operationen hatte er jedesmal mächtige Schmerzen empfunden.
Er hatte jedes Mal förmlich gespürt, dass er einen Teil seines Körpers aufgegeben und durch Metall oder gezüchtete Organe ersetzt hatte.
Dieses Gefühl hatte er diesmal nicht. Ihm war nur elendig kalt, er konnte sich kaum bewegen, so schwach fühlte er sich und er hatte keine Ahnung wo er sich befand.
Er versuchte die Anwesenden Personen anzusprechen, aber aus seinem Mund kamen nur unverständliche Laute die an das Krächzen einer Krähe erinnerten.
Sofort verstummte das Gespräch und Wolf fühlte wie einige Personen sich ihm näherten. Langsam lichtete sich der Nebel vor seinen Augen und er konnte mehrere Umrisse ausmachen die sich über ihn beugten.
Er versuchte eine Verteidigungsstellung einzunehmen, aber sein Körper versagte ihm den Dienst.
Nicht einmal seine Sporne konnte er ausfahren.
In dem Moment als er sich schon aufgeben wollte hörte er die Stimme.
Die Worte waren auch weiterhin für ihn völlig unverständlich, aber allein der Klang dieser ihm wohl bekannten weiblichen Stimme ließen ihn beruhigt entspannen.
Zu wem gehörte diese Stimme nur?
Erst dachte er an seine Mutter, verwarf diesen Gedanken jedoch sofort wieder. Sie hatte wesentlich energischer gesprochen.
Nein, das einzige, was ihm zu dieser Stimme einfiel, war ein Engel.

„Die Behandlung in dem Regenerationstank hat voll angeschlagen. Seine Wunden haben die Behandlung hervorragend angenommen, wenn auch nicht vollständig, aber das war zu erwarten.“
Doc Erdmann nahm seinen Koffer auf und wand sich dann wieder Spliff zu.
„Er braucht die nächsten sechs bis acht Wochen absolute Ruhe. Kleine Spaziergänge und viel Flüssigkeit. Im Moment schläft er wieder, aber es ist durchaus möglich, dass er sich nach dem Aufwachen an nichts mehr erinnern kann. Dieser Zustand der Desorientierung gibt sich jedoch bald wieder. Er wird durch die massiven Medikamente ausgelöst die ich ihm verpassen musste. Sollte es Komplikationen geben, rufen sie mich einfach an.“
Mit einem knappen Nicken wand sich der Mediziner zur Tür und verließ den Kellerraum in Gefolgschaft seines Assistenten ohne ein weiteres Wort zu verlieren.
Nun war das Team wieder allein, aber vollzählig.
Wolf lag in dem nun leeren Tank und atmete ruhig während Engel beruhigend auf ihn einredete.
Als der Doc die Infusionsnadeln aus dem geschundenen Körper gezogen hatte, waren die Kampfsporne in beiden Fäusten aktiviert worden und die rasiermesserscharfen Klingen waren mit einem metallischen Schleifen aus den Knöcheln beider Fäuste geschossen.
Ob nun aus Reflex oder gewollt, der elfische Straßensamurai hatte gezeigt, dass er selbst in diesem völlig geschwächten Zustand noch eine Bedrohung darstellte und als er dann auch noch versuchte zu sprechen, was aufgrund der Regenerationsbehandlung in einem unverständlichen Krächzen endete, war Engel an den Tank getreten und hatte begonnen beruhigend auf ihren Lebensgefährten einzureden.
Sofort hatte Wolf sich entspannt.
Selbst als Gromo den muskulösen Körper aus dem Tank hob und hinauf in das ehemalige Schlafzimmer von Wolfs Eltern trug, hatte der Körper des Straßensamurais nicht reagiert. Engel lief stets neben dem Ork her und sprach leise und beruhigend.
Als der große Metamensch seinen elfischen Chummer vorsichtig auf das riesige Bett legte, waren das Deckerpärchen und Skelett bereits auf dem Weg zu ihren Wohnungen.
Spliff hatte ihnen einige Aufträge erteilt und eingeschärft, sich bedeckt zu halten.
Er und Gromo würden hier bleiben, falls Wolf wirklich unter Gedächtnisverlust litt und nach dem Aufwachen ausrastete.
Nicht das einer von ihnen mit dem legendären Wolf fertig geworden wäre, wahrscheinlich nicht einmal in diesem Zustand, aber es konnte nicht schaden wenn ein paar alte Freunde in der Nähe waren.

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14.08.2010 21:11 Taras Amaris ist offline E-Mail an Taras Amaris senden Beiträge von Taras Amaris suchen Nehmen Sie Taras Amaris in Ihre Freundesliste auf
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Kapitel 9
Zwischen den Fronten

Das Grundstück der alten Spedition lag in tiefster Dunkelheit, durchbrochen nur von den vereinzelten Lichtscheinen flackernder Feuertonnen und den beleuchteten Eingangsbereichen der ehemaligen Lagerhalle und des heruntergekommenen Bürogebäudes.
Überall auf dem großen Platz standen die Wracks ausgeschlachteter Lastkraftwagen und Hovertrucks und vermittelten das Bild einer typischen Industrieruine.
Dieses Gelände am Ortsrand von Hochheim, einer der ärmsten Gemeinden des Frankfurter Megaplex war jedoch wesentlich mehr.
Die alte Lagerhalle, deren Wände im Laufe der Jahre über und über mit Graffiti verziert worden waren, stellte das Hauptquartier einer der gefährlichsten Gangs in der näheren Umgebung dar.
Die Kinder des Zorns waren eine Motorradgang die sich in den letzten Jahren durch brutale Überfälle auf Geschäfte und Passanten wie auch durch absolut sinnlose Morde einen üblen Namen gemacht hatte.
Die Gang bestand aus dreißig bis vierzig Menschen und Orks beiden Geschlechts, welche die Zeichen ihrer Mitgliedschaft, eine blutrote Synthlederjacke und das in roten Buchstaben tätowierte Wort Zorn über der linken Schläfe stolz trugen, zusammen mit einer bunten Mischung aus Nahkampf- und Feuerwaffen.
Die Polizei der ADL hatte schon mehrfach versucht, die Ganger aus dem Verkehr zu ziehen, hatte sich jedoch nach einigen herben Rückschlägen bei denen mehrere Polizisten das Zeitliche gesegnet hatten auf die übliche Schadensbegrenzung verlegt.
Die Kinder des Zorns hatten bei jeder Aktion der Staatsorgane gewusst, wann und wo zugeschlagen wurde und hatten sich rechtzeitig absetzen oder einen Hinterhalt vorbereiten können.
Diese Erfolge der Gang beruhten auf zwei Tatsachen.
Erstens hatten sich die Kinder des Zorns ein überaus zuverlässiges Netzwerk von Informationsquellen auf den Straßen eingerichtet.
Sobald ein Streifenwagen an einem Squatter vorbeifuhr, wussten das die Kinder des Zorns innerhalb von weniger als fünf Minuten.
Zweitens hatte der Anführer der Gang ein wirklich lukratives Abkommen mit einem aufstrebenden Schieber namens Benji getroffen.
Die Gang stellte dem erfolgreichen Geschäftsmann einen sicheren Unterschlupf in dem abbruchreifen Bürogebäude auf dem ehemaligen Speditionsgelände und sorgte dafür, dass seine Transaktionen nicht gestört wurden, während Benji dafür sorgte, dass die Gang immer neue Waffen und vor allem Informationen aus polizeiinternen Quellen erhielt.
Ein für beide Seiten wirklich Gewinn bringendes Geschäft.
Wieder blickte der Schieber aus der zerkratzten Sicherheitsglasscheibe auf den dunklen Hof. In dieser Nacht hätte er jeden und alles vor Freude umarmen können.
Seine Geschäfte liefen durch das unerwartete Ableben seines Kollegen aus Frankfurt wie der Teufel.
Wiesbaden hatte sich als wahre Goldgrube entpuppt. W
affen, Drogen, gestohlene Fahrzeuge, das alles hatte ihm innerhalb der letzten zwei Tage tausende von EC eingebracht.
Fast alle Kontakte seines ehemaligen Kollegen arbeiteten nun mit seinen Leuten zusammen und der Rest würde über kurz oder lang unter gehen.
Dies war seine Chance, ganz groß in das Geschäft einzusteigen.
Hinter ihm hatte T-Bone das Telefonat, dass er bereits seit mehreren Minuten führte beendet. Es ging um eine Lieferung BTL-Chips im Wert von über 150.000 EC, die ein unbekannter Käufer aus Wiesbaden über verschiedene Mittelsmänner geordert hatte.
Benji schätzte, dass die Ware für den ausländischen Markt bestimmt war, denn eine solche Menge der süchtig machenden optischen Chips war selbst für einen richtig großen Dealer aus einem Megaplex wie Frankfurt mehr als nur eine Wochen- oder gar Monatslieferung.
„Der Deal ist perfekt. Der Käufer wird die Ware in den nächsten Tagen übernehmen. Die Bezahlung ist bereits auf einem deiner Geschäftskonten eingegangen.“
T-Bone trat neben seinen Arbeitgeber und blickte ebenfalls aus dem Fenster.
Im Hintergrund unterhielten sich Aggro und D über die Hitzewellen, die in der letzten Woche durch die Gegend brandeten.
Die Polizei der ADL zeigte mehr und mehr Präsenz und hatte auch ihre Undercoveraktionen verstärkt.
Einige kleine Gangs waren im wahrsten Sinne des Wortes ausgelöscht worden und auch einige Bordelle und Restaurants der Mafia waren gestürmt worden.
Alles in Allem eine sehr aktive Woche für die Hüter des Gesetzes.
Der Schamane und die schwer vercyberte Messerklaue saßen in dem ehemaligen Büro des Geschäftsführers der Spedition auf einer überaus herunter gekommenen Couch und warteten auf weitere Befehle von Benji.
Seine Leibgarde war komplett.
Auch wenn die Kinder des Zorns eine solche Absicherung eigentlich unnötig machten fühlte der Schieber sich doch in der Gegenwart seiner Untergebenen und Freunde wesentlich sicherer.
Er würde sich in jedem Fall innerhalb der nächsten Wochen einen neuen Unterschlupf suchen müssen.
Die unteren Etagen des ehemaligen Speditionsbüros reichten als Lager für seine Waren einfach nicht mehr aus, vor allem jedoch sehnte er sich nach einem angemessenen Rahmen in dem er Geschäftspartner empfangen konnte ohne den Stil der Straße vorweisen zu müssen. „Ist in Ordnung, T-Bone. Mach dir mal ne Notiz, dass wir uns ne neue Bleibe organisieren müssen. Das Loch hier hängt mir langsam aber sicher zum Hals raus.“
Sein Bodyguard nickte. Wahrscheinlich ging er in Gedanken bereits die möglichen Ansprechpartner für dieses Problem durch.
Benji schätzte T-Bone genau aus diesem Grund. Die meisten Messerklauen, die er kannte, waren für andere Angelegenheiten als den Kampf nicht zu gebrauchen, während der junge Mensch auch das Organisationstalent eines Sekretärs und das Verhandlungsgeschick eines Unterhändlers besaß.
Gerade als er T-Bone ein Lob aussprechen wollte blitzten in der Einfahrt zu dem ehemaligen Speditionsgelände mehrere Fahrzeugscheinwerfer auf und zogen seine Aufmerksamkeit auf sich.
Sofort waren Benjis Reflexe geweckt. Alle Alarmglocken in seinem Kopf schlugen an.
Vier dunkle Limousinen rollten langsam von der Hauptstraße durch das Haupttor auf den vom flackernden Schein der Feuertonnen erhellten Hof.
Der Schieber konnte weder die Automarke noch eines der Kennzeichen ausmachen, war sich jedoch sicher das dieser nächtliche Besuch nur eines bedeuten konnte: Ärger.
Fast lautlos näherten sich die Fahrzeuge dem Bürogebäude, was jedoch nicht verhinderte, dass einige der vor der Lagerhalle herumlungernden Ganger sie entdeckten und den Rest der Kinder des Zorns über den unerwarteten Besuch unterrichteten.
Innerhalb von nur Sekunden strömte eine ganze Meute schwer bewaffneter Metamenschen durch die offenen Tore der Lagerhalle und bauten sich zwischen dem Bürogebäude und dem Konvoi auf.
Von seinem Platz an dem Fenster aus konnte Benji sehen, dass die Gang kein Risiko einging. Alle Mitglieder waren bewaffnet.
Schlagstöcke und Messer, Pistolen und Revolver, Schrotflinten und vollautomatische Waffen blitzten zwischen den roten Jacken auf.
Ja, er hatte einen ganzen Batzen EC in die Gang investiert.
Und das schien sich jetzt auszuzahlen.
Nur wenige Meter vor den Gangern hielt der Konvoi an. Die Geräusche der Motoren verstummten abrupt und nur das Gemurmel der unruhig gewordenen Meute hallte über den dunklen Platz.
Offensichtlich hatte das Auftauchen der Limousinen eine Party der Kinder des Zorns unterbrochen und diese schienen darüber mehr als nur ein wenig aufgebracht zu sein.
Schon flog die erste Bierflasche aus der Mitte der Ganger auf die Führungslimousine zu und zerplatzte scheppernd auf der Frontscheibe, ohne jedoch auch nur einen Kratzer zu hinterlassen.
Jetzt überschlugen sich Benjis Gedanken.
Schusssicheres Glas bedeutete in den allermeisten Fällen, dass auch die Karosserie des Fahrzeugs gepanzert war, was wiederum bedeutete, dass jemand ungeheuer hohe finanzielle Mittel aufgewendet hatte um bei Feuergefechten nicht direkt gegeekt zu werden.
Die schlimmsten Befürchtungen des Schiebers erfüllten sich innerhalb von Sekundenbruchteilen.
Noch hatten nicht alle Scherben der geworfenen Flasche den Boden berührt, da glitt das Schiebedach der ersten Limousine zurück und ein glatzköpfiger Mensch mittleren Alters erschien in der Öffnung.
Gekleidet war der Mann wie seine Kollegen, welche aus den auffliegenden Türen sprangen, in einen dunklen Anzug mit weißem Hemd und Krawatte.
In seinen Händen hielt der Schlipsträger eine kleine Maschinenpistole mit aufgeschraubtem Schalldämpfer, die sofort Tod und Verderben in die Reihen der Kinder des Zorns sääte.
Auch die anderen Insassen der Limousinen waren mit Maschinenpistolen oder Sturmgewehren bewaffnet und eröffneten ohne Vorwarnung das Feuer.
Als die ersten Kugeln der Angreifer in die Körper ihrer Ziele eindrangen und das erste Blut zu Boden tropfte fing die Luft zwischen den Gangern an zu verschwimmen.
An zwei Stellen innerhalb der völlig überraschten Meute manifestierte sich etwas, dass Benji zeigte, auf welch einem verlorenen Posten die Kinder des Zorns standen.
Die beiden Feuerelementare waren über drei Meter groß, hatten annähernd humanoide Formen und schienen nur aus Flammen zu bestehen, die nach den Gangern schlugen. Fassungslos starrte der Schieber hinunter auf den Platz, wo seine private Armee gerade völlig auseinander genommen wurde.
Vereinzelte Schüsse prallten von der Panzerung der Limousinen ab, aber die Elementare vereitelten mit gezielten Schlägen ihrer flammenden Fäuste jede Art organisierter Gegenwehr. Den Rest würden über kurz oder lang die vollautomatischen Salven aus den Waffen der Fahrzeuginsassen erledigen.
Schon jetzt lag über die Hälfte der Gang tot oder verwundet am Boden oder lief brennend und schreiend als lebendige Fackel über den Platz.
Und das Gefecht dauerte gerade einmal drei oder vier Sekunden. Neben ihm hatte T-Bone seine Pistole aus dem Schulterholster gezogen und lud diese gerade durch.
Das metallische Klicken riss Benji aus seiner Starre. Er wirbelte herum.
„D, Aggro wir verschwinden von hier. Ich hab keine Ahnung wer die Drekheads sind, aber ich habe auch kein Bedürfnis lange genug zu bleiben um das heraus zu finden.“
Er griff ebenfalls unter seine Jacke und zückte die dort verborgene Ares Predator. Es war das erste Model dieser Waffe und hatte schon einige Jahre auf dem Buckel, was die schwere Pistole jedoch um keinen Deut ungefährlicher machte.
Entschlossen zog er den Schlitten der Waffe zurück und hebelte damit eines der massiven Geschosse aus dem Magazin. Als er den Schlitten losließ und dieser mit einem metallischen Schleifen wieder nach vorne schnellte, wurde das Projektil in die Kammer und damit in Schußposition gebracht.
Zum Schluss schob er den Schalter, der seitlich an der Waffe in der Nähe des Griffstückes angebracht war nach oben. Durchgeladen und entsichert.
D und Aggro waren bereits bei den Geräuschen der ersten Schüsse aufgesprungen und liefen nun in Richtung der Bürotür. Der Straßensamurai hatte ebenfalls eine Ares Predator gezogen, wobei es sich jedoch um ein Model der zweiten Baureihe handelte, wesentlich moderner und mit einer Smartgunverbindung ausgestattet, während der Schamane einen leichten Revolver in seiner rechten Hand hielt.
Weit kamen die beiden nicht.
Zehn Schritte vor der Tür flog diese plötzlich mit einer solchen Wucht auf, dass die Scharniere aus dem Rahmen brachen und die gesamte Konstruktion auf dem Boden des ehemaligen Büros landete.
T-Bone reagierte als erster, riss seine Waffe mit beiden Händen in Anschlag und feuerte zwei Kugeln in die Staub vernebelte Öffnung.
Auch Aggro ließ, angetrieben von seinen verchippten Reflexen, seine Predator sprechen. Zwei weitere Geschosse schnellten auf langen Feuerspeeren in den aufgewirbelten Staub. Benji wusste nicht, ob die beiden Messerklauen dank ihrer Cyberaugen einen Sichtvorteil hatten und den Gegner sehen konnten, er auf jeden Fall erkannte rein gar nichts außer einer grauen Staubwolke, was ihn jedoch nicht davon abhielt ebenfalls zwei Schüsse hinein zu jagen, gefolgt von D, der mit einem hellen Knall seines leichten Revolvers den Abschluß bildete.
T-Bone und Aggro feuerten erneut. Die Messinghülsen der Patronen klirrten, als sie auf dem Boden des ehemaligen Büros aufschlugen, was jedoch bei dem Kampflärm vor dem Gebäude und mittlerweile auch keine zwei Meter entfernt kaum zu hören war.
Immer wieder ließen die beiden Messerklauen ihre Waffen aufflammen, ließen Geschosse die Staubwolke aufwirbeln und als Querschläger durch das Treppenhaus hinter der ehemaligen Bürotüre jaulen.
Benji und D hatten ihre Waffen nach den ersten Schüssen schweigen lassen.
Offensichtlich war der Schamane genau so durch den aufgewirbelten Staub in seiner Sicht eingeschränkt wie es auch bei dem Schieber der Fall war.
Erst als sich die Wolke langsam legte stellten auch die beiden Straßensamurais ihr wildes Feuer ein.
Mit einem Mal lag eine unwirkliche Stille, vergleichbar mit einem nächtlichen Friedhof, auf dem Inneren des ehemaligen Bürogebäudes.
Nur die Schreie der Sterbenden und das Bellen der automatischen Waffen auf dem Hof störten die Ruhe.
Während Aggro, T-Bone und Benji ihre Waffen auf die ehemalige Tür gerichtet hielten, senkte D seinen Revolver und schloss die Augen.
Tiefes Atmen zeigten an, dass der Schamane in den Astralraum ging um zu sehen mit welchen Gegnern es der Schieber und seine Leibwache zu tun hatte.
Oder ob sich das Problem mit dem großzügigen Metallregen erledigt hatte.
Benji nickte.
Ja, das waren seine Leute. Er musste jetzt keine Befehle mehr geben, musste ihnen nicht mehr sagen, was sie zu tun und zu lassen hatten.
Sie waren seine Leibwächter und würden dafür sorgen, dass er hier heraus kam. Lebendig. Während D den Treppenaufgang im Astralraum checkte arbeiteten sich Aggro und T-Bone langsam an das ausgefranzte Loch in der Wand heran, dass noch vor nicht einmal einer Minute eine Tür dargestellt hatte.
Der Staub hatte sich nun endgültig gelegt und den Blick auf den dunklen Treppenabgang freigegeben.
Benji blieb auf seiner Position und beobachtete weiter mit vorgehaltener Waffe das Geschehen. Sein Puls raste und sein Herz schien bei jedem Schlag seinen Brustkorb sprengen zu wollen.
Seine Gedanken überschlugen sich.
Wer zum Teufel waren die Angreifer.
Wem hatte er so dermaßen ans Bein gepisst, dass man eine ganze Kolonne Killer mit magischer Unterstützung schickte um ihm das Lebenslicht auszupusten?
Ein gellender Schrei riss den Schieber aus seinen Gedanken.
D, der Kojotenschamane mit russischer Abstammung, seine magische Rückendeckung, der gerade noch den Astralraum nach Gefahren für seinen Chef abgesucht hatte, krümmte sich nun, auf die Knie fallend zusammen, die Hände schützend vor das Gesicht haltend.
Zwischen seinen Fingern quoll dunklerotes Blut hervor und tropfte unaufhörlich auf den Boden des ehemaligen Büros wo es bereits nach wenigen Augenblicken eine Lache gebildet hatte.
Entsetzt wich Benji einen Schritt zurück, den Blick starr auf den in eine Embryonalstellung verfallenden Schamanen gerichtet.
T-Bone und Aggro waren zwei Schritte vor dem gähnenden Loch in der Wand stehen geblieben. Das ihre magische Rückendeckung gerade ausgeschaltet worden war machte den beiden hochgezüchteten Messerklauen mehr als nur ein wenig zu schaffen.
Während Aggro weiter über den Lauf seiner Pistole hinweg die ehemalige Tür beobachtete warf T-Bone einen Blick über die Schulter zu seinem Chef und D.
In diesem Augenblick überschlugen sich die Ereignisse.
D, der eben noch leise vor sich hin gewimmert und auch geblutet hatte, stieß einen gellenden Schrei aus, der den Anwesenden das Blut in den Adern gefrieren ließ.
Der Laut, der sich seiner Kehle entrang hatte so gar nichts menschliches mehr an sich, viel eher erinnerte er an ein sterbendes Tier.
Blut lief dem jungen Schamanen nun nicht mehr nur zwischen den Händen, die immer noch die Augen bedeckt hielten hervor, sondern auch aus Nase und Ohren tropfte die rote Körperflüssigkeit.
Ein Sekundenbruchteil durch den Ausbruch ihres Freundes und Kollegen abgelenkt hatten Aggro und T-Bone ihre Blicke von der Tür abgewendet als eine dunkle Gestalt in den Raum schoss.
Der Schatten war so schnell, dass man nur die zierlichen Konturen erkennen konnte. Geschmeidig und elegant zuckte der Angreifer zwischen den beiden Bodyguards hindurch, wobei Benji das Aufblitzen von kaltem Stahl wahr nehmen konnte.
Selbst wenn er schnell genug gewesen wäre um mit seiner Predator auf den Schatten zu feuern, was er definitiv nicht war, so wäre er das Risiko eingegangen, seine eigenen Leute zu treffen und so musste er tatenlos mit ansehen, wie der Schatten hinter Aggro zum Stillstand kam und sich in eine wunderschöne junge Frau in einer merkwürdigen grauen Uniform und einem Dolch in der rechten Hand verwandelte.
Das lange schwarze Haar quoll unter einer altmodischen Schirmmütze hervor und die kalten, blaugrauen Augen sprühten die schiere Mordlust in Benjis Richtung.
„Aggro, T-Bone, ihr verfluchten Drekheads. Pustet der Tussi den Kopf weg. Na macht schon ihr Versager!“
Benji konnte es nicht fassen. Wie erstarrt verharrten seine beiden Bodyguards in ihren Positionen. Er konnte nur T-Bones Gesicht sehen, da dieser ihn kurz vor dem Auftauchen des Schattens noch angesehen hatte.
Aggro hatte wohl die Bewegung registriert und seinen Blick wieder in Richtung der sich nähernden Gefahr gerichtet.
Gerade als Benji erneut auf seine Leute einbrüllen wollte bemerkte er die dünne rote Linie die quer über T-Bones Hals verlief. Sie war so dünn das man genau hinsehen musste, um sie überhaupt zu erkennen.
In dem Moment, in welchem das Gehirn des Schiebers die Wahrheit verarbeitete, rutschte T-Bones Kopf von seinem Hals herunter und landete polternd auf dem Boden, gefolgt von seinem Körper, der noch einige Male kurz zuckte einer Marionette gleich, der man die Fäden durchschnitten hatte.
Aggro hingegen fiel, ohne einen Laut von sich zu geben, auf die Knie und kippte dann mit einem widerlichen Klatschen mit dem Gesicht voran auf den versifften Teppich des Büroraumes.
Auch D hatte aufgehört zu winseln. Völlig zusammengerollt lag der Schamane in einer riesigen Blutlache, die sich immer weiter ausbreitete und schon fast Benjis Turnschuhe erreicht hatte.
Fassungslos starrte der Schieber auf seine Leibwache, deren Seelen gerade auf dem Weg in eine hoffentlich bessere Welt waren.
Seine Finger hatten sich um den Griff der Ares Predator verkrampft, deren Mündung auf die junge Frau in Uniform gerichtet war.
Diese hatte sich noch immer keinen Zentimeter bewegt, sondern war immer noch damit beschäftigt ihn mordlüstern anzublicken.
Von dem langen Dolch, den sie bedächtig in ihrer rechten Hand wog, tropfte langsam rotes Blut welches lange Fäden von der Klinge bis zum Boden hinter sich her zog.
In Benjis Kopf übernahmen nun wieder die Raubtierinstinkte der Straße das Kommando.
Er war in Hochheim aufgewachsen. Einem der heruntergekommensten Vororte des Frankfurter Plexes. Früh schon hatte er gelernt, dass man jemandem, der einen schlug nicht auch die andere Wange hinhielt.
Dieser Unsinn war etwas für Kuttenträger und Looser. Benji hatte immer nach einer etwas anderen Devise gehandelt.
„Schlägt dir einer eine rein, dann nimm einen Stein und hau ihm damit die Fresse ein.“
Die Worte, langsam und bedächtig aus seinem Mund zischend, korrigierte er die Ausrichtung seiner Waffe und zog dann selbstsicher den Abzug durch.
Die erste Kugel aus der großkalibrigen Waffe traf die Tussi voll in die Brust und riss ein Tennisball großes Loch in ihren Körper, das dunkles Blut als Spritzer im ganzen Raum verteilte.
Benji jubelte innerlich. Diese Schlampe hatte seine beiden besten Leute gegeekt, aber ihn nicht. Nein, er würde sie in die ewigen Jagdgründe schicken.
Wieder feuerte er die Waffe ab und wieder ruckte das Mordinstrument in seiner Hand als das Projektil den Lauf mit hoher Geschwindigkeit verließ.
Sein Ziel stand nur etwa drei Meter entfernt von ihm, bewegte sich außer einem stolpernden Schritt rückwärts aufgrund des ersten Treffers nicht, so das auch der zweite Schuß mit verheerenden Folgen in den zierlichen Körper ein hämmerte.
Die Uniform schien nicht gepanzert zu sein, denn der graue Stoff über der rechten Schulter wurde einfach zerfetzt, genau wie die Haut und das Gelenk darunter.
Der Dolch entglitt der nun kraftlosen Hand und bohrte sich mit der Spitze der Klinge einen Zentimeter in den Boden, wo er zitternd stecken blieb.
Seine Besitzerin wurde durch den zweiten Treffer herumgeschleudert, sodass sie Benji nun den Rücken zuwand und taumelte unsicher einen Schritt auf das Loch in der Wand zu.
Der Schieber wollte jedoch kein Risiko eingehen.
Erneut bellte die Waffe in seiner Hand auf und auf dem Rücken der Frau blühte eine rote Blutrose neben dem Loch auf, dass sein erster Schuß bei seinem Austritt gerissen hatte.
Sein Ziel erhielt durch den Treffer einen weiteren Stoß, diesmal jedoch nach vorne und taumelte gegen die halb zerfetzten Reste des Türrahmens.
Mit der linken Schulter an den ehemaligen Pfosten gelehnt, blieb die Killerin dort unsicher stehen, was Benji fast zur Weisglut brachte.
Drei direkte Treffer und noch immer stand die Nutte auf ihren Beinen.
„Hier is für dich Endstation, Bitch. Einzige Umsteigemöglichkeit in den Express Richtung Hölle. Meine besten Empfehlungen an Luzifer wenn er dich empfängt.“
Noch während Benji das letzte Wort hinausbrüllte ließ er die Predator wieder sprechen. Weitere fünf Geschosse jagte er in den Rücken der Frau wo sie einschlugen und Haut, Knochen, Sehnen und Organe zerfetzten.
Die Treffer lagen zwar über den ganzen Rücken verteil, aber Benji war sich sicher das er mindestens einen Lungenflügel und wahrscheinlich auch das Herz getroffen hatte.
Das konnte niemand überleben.
Wie zur Bestätigung rutschte die Leiche der jungen Frau langsam an dem Pfosten herunter, wobei sie eine Spur verschmierten Blutes und Gewebefetzen auf dem synthetischen Holz hinterließ.
Die nun kraftlosen Knie knickten ein und der geschundene Körper fiel, sich Benji nochmals zudrehend in das Treppenhaus außer Sicht des Schiebers.
Für einen kurzen Augenblick glaubte er ein höhnisches Grinsen auf den blutbefleckten Gesichtszügen der Schlampe gesehen zu haben, aber mit Sicherheit konnte Benji das nicht sagen, zumal die merkwürdige Schildmütze ihr tief ins Gesicht gerutscht war.
Er zählte laut nach, wohl eher um sich zu beruhigen.
„Zwei Schuß in die Rauchwolke, drei plus fünf weitere für die Höllenfahrt der Schlampe. Zehn verbraucht, bleiben vier im Magazin, einer im Lauf. Na kommt schon ihr verdammten Drekheads. Ich warte auf euch. Na los. Holt es euch. Holt euch eure Ladung ab.“
Sein Hirn registrierte das draußen auf dem Hof der ehemaligen Spedition keine Kampfgeräusche mehr zu hören waren.
Der Ausgang des Kampfes war für ihn absolut klar.
Seine Kinder des Zorns hatten nicht die geringste Chance gegen die gut gerüsteten Angreifer, die zusätzlich auch noch über massive Magieunterstützung verfügten, gehabt.
Wahrscheinlich lauerte in dem finsteren Treppenhaus bereits eine Truppe schwer bewaffneter und gepanzerter Killer um ihm die Lichter aus zu knipsen. Sollten sie doch kommen.
Er hatte noch ein paar glühend heiße Einladungskarten aus dem Lauf seiner Waffe für das nächste Treffen der toten Drekheads in den sieben Höllen auf Lager.
Er hatte die Predator nicht gesenkt, zielte mit der schweren Pistole noch immer in Richtung der ehemaligen Tür, beide Hände um den Griff verkrampft.
Seine Nerven waren bis zum zerreißen gespannt als er einen leichten Lufthauch in seinem Nacken wahrnahm.
Kaum merklich und doch genug um ihn in zu alarmieren.
Für eine Reaktion jedoch war es zu spät. Der schwere Militärstiefel mit der eisenbeschlagenen Sohle rauschte mit hoher Geschwindigkeit durch die Luft und traf seinen Kopf mit der Spitze an der linken Schläfe.
Vor Benjis Augen explodierten Sterne, die Pistole entglitt seinen Händen und landete scheppernd auf dem Boden, während der Kopf des Schiebers herum gerissen wurde.
Sich in dieser Situation auf den Beinen zu halten wäre selbst für eine erfahrene und schwer vercyberte Messerklaue nahezu unmöglich gewesen.
Benji taumelte einen Schritt zur Seite und kippte dann nach vorne als seine Knie nachgaben. Der Aufprall auf den schmutzigen Boden ließ die Sterne vor seinen Augen tanzen und presste ihm die Luft aus den Lungen.
Wie zum Teufel hatte es jemand geschafft an ihm vorbei zu kommen?
Die Tür war der einzige Eingang in das Büro und hätte jemand versucht durch eines der Fenster einzusteigen, so hätte Benji etwas hören müssen. Das ganze ergab für ihn keinen Sinn. Im nächsten Moment fühlte er einen Ruck an seinem Pullover, aber das Schwindelgefühl machte es ihm unmöglich, sich zu wehren, als er an dem Kleidungsstück brutal in die Höhe gerissen wurde.
Sein Gegner hatte ihn gerade auf die Füße gestellt, da wurde er mit einer brachialen Kraft gegen die Wand des Büros gestoßen.
Benji fühlte sich, als hätte ein übergewichtiger Troll einen Stepptanz auf seinem Körper ausgeführt.
Wenigstens seine Sicht begann sich langsam wieder zu klären.
„Du hast wirklich Glück das mein Meister dich lebend sehen will. Du hast Informationen die er benötigt.“
Die Schlampe, die er vor nicht einmal zehn Sekunden mit acht Schüssen in die Hölle befördert hatte zupfte sich die graue Uniform zurecht und schlenderte dann beiläufig durch den Raum auf den Dolch zu, der ganz in der Nähe von Aggros und T-Bones Leichen im Boden steckte.
Benji konnte es nicht begreifen.
Die Tussi musste Mausetod sein.
Ihr Gesicht war immer noch mit den Blutspritzern bedeckt, die sich von der blassen Haut abhoben.
Ihre Uniform war an den Stellen wo seine Geschosse getroffen hatten zerfetzt und blutdurchtränkt. Unter dem Stoff jedoch waren nur noch leichte Kratzer zu sehen. Nicht einmal eine ganze Armee mit Heilzauber wirkenden Magiern hätte diese Chica vor der Sense des schwarzen Mannes bewahren können und jetzt stand sie in dem Büroraum und zog ihren Dolch aus dem Boden während sie ihm eine Kassette ins Ohr drückte.
Sie ließ ihr Opfer nicht aus den Augen. Im Gegenteil, ihre Hass versprühenden Blicke schienen ihn zu durchbohren. Mit was hatte er sich ihren so grenzenlosen Hass zu gezogen? Er war sich sicher dass er ihr Gesicht noch nie gesehen hatte. Und von was für einem Meister laberte sie da bloß?
„Hab absolut keine Ahnung wovon du blöde Schnalle da sprichst. Wenn du Informationen brauchst geb ich dir die Telekomnummer von der Auskunft. Die helfen dir gerne.“
Kraftlos lehnte er sich gegen die Wand und spuckte auf den Boden. Der Tritt hatte ihm schwer zugesetzt, aber so schnell konnte man ihn nicht fertig machen.
Er hatte noch einiges an Kraftreserven. Ein eiskaltes Lächeln erschien auf den blutverschmierten Lippen der jungen Frau.
„Wirklich sehr lustig. Ich bin gespannt ob du deine Witze auch noch reisst wenn mein Meister dir deine Haut in Streifen vom Fleisch zieht. Ich glaube aber eher nicht!“
Sie hatte den Dolch aus dem Boden gezogen und betrachtete nun mit angewidertem Gesichtsausdruck die mit Blut überzogene Klinge.
Offensichtlich störte sie die Verunreinigung ihrer Waffe extrem. Diesen Augenblick, in dem die Aufmerksamkeit der Killerin nicht zu 100% auf ihm ruhte, nutzte der Schieber.
Mit einem Satz warf er sich nach vorne, ihr entgegen.
Seine rechte Faust war zum Schlag erhoben und schoss auf ihr Gesicht zu. Mit dieser Aktion hatte die Nutte nicht gerechnet.
Mit einem Kampfschrei, der einen Tiger hätte neidisch werden lassen, rammte Benji seine Faust auf das Nasenbein der Frau, das unter einem befriedigenden Knacken nachgab.
Eine Fontäne von Blut schoss aus den Nasenlöchern und die junge Frau wurde zurück geschleudert. Der Schieber hatte all seine Kraft in den vernichtenden Schlag gelegt und war bereit, mit seiner linken Faust nachzusetzen als um die beiden Kämpfer herum Dantes Inferno ausbrach.
Flammen und unerträgliche Hitze, rasiermesserscharfe Fragmente des Fensters und der Außenmauer sowie beißender Qualm und Rauch zuckten innerhalb von Sekundenbruchteilen durch das ehemalige Büro.

Nina konnte es einfach nicht fassen. Dieser Mensch hatte sie doch tatsächlich noch einmal angegriffen. Und das auch noch mit bloßen Händen.
Er hatte ihre kurze Unaufmerksamkeit aufgrund des sehr verschmutzten Zustandes ihres Dolches ausgenutzt um ihr mit einem Schlag wie mit einem Dampfhammer die Nase zu brechen.
Das Gefühl als der empfindliche Knochen von den Knöcheln seiner Faust zermalmt wurde war unbeschreiblich. Scherzen durchfuhren ihre Nervenbahnen und ließen gleichzeitig ein Hochgefühl in ihr aufsteigen.
Gegen solch einen Gegner hatte sie schon lange nicht mehr gekämpft. Leider durfte sie ihn nicht töten.
Taras würde sie in der Luft zerreißen. Oder gar noch Schlimmeres.
Aber solange er sich wehrte, würde sie mit diesem kleinen Menschen spielen und sobald ihr Meister seine Information hatte, nun ja, aufgeschoben hieß ja noch lange nicht aufgehoben. Der Norm wollte nachsetzen, ihr mit der linken Faust einen weiteren Schlag in das Gesicht versetzen als die komplette Außenwand des Büroraumes explodierte.
Die Druckwelle der Detonation schleuderte sie quer durch den Raum und gegen ein altes Regal für Aktenordner, das unter ihrem Gewicht zusammenbrach, während die unglückliche Zielperson angehoben wurde und drei Meter weiter auf einem altmodische Glasschreibtisch wieder landete, der sich dabei in tausende kleiner Scherben verwandelte.
Die Feuerwalze zog über Nina hinweg, die größtenteils von den Trümmern des Regals geschützt wurde, setzte Tapeten, Teppichboden und Einrichtungsgegenstände in Brand und überzog die Decke des mittlerweile an ein Schlachtfeld erinnernden ehemaligen Büros mit einer dicken Schicht Ruß.
Teile der Außenwand gemischt mit Glassplittern der Fenster sirrte als tödliche Schrapnelle durch die Luft und verwüsteten das, was die Druckwelle übrig gelassen hatte.
Genau so schnell wie das Chaos über den Raum herein gebrochen war, verflüchtigte es sich auch wieder und hinterließ einen Ort der Zerstörung.
Ninas Sinne waren wie betäubt und in ihren Ohren rauschte der Nachhall der Explosion, ihr Gehirn arbeitete jedoch auf Hochtouren.
Etwas hatte das Bürogebäude getroffen und genug Sprengkraft besessen um die gesamte Mauer weg zu fegen.
Sie tippte auf eine Kurzstreckenrakete mit schwerem Gefechtskopf.
Das schloss einen Fehlschuss ihrer Leute schon einmal aus.
Diese waren lediglich mit leichten Handgranaten und Schnellfeuerwaffen ausgestattet.
Man hatte die Zielperson ja schließlich lebendig übergeben wollen.
Mühsam und etwas desorientiert wühlte sich die junge Frau aus den Trümmern des Regals. Ihre geliebte Uniform war dahin. An unzähligen Stellen schwelte der Stoff aufgrund der Feuerwalze und einige Splitter hatten sie trotz des Schutzes durch das zusammengebrochene Regal getroffen.
Ein circa 10 Zentimeter langer Glassplitter ragte aus einer massiv blutenden Wunde in ihrem rechten Oberschenkel.
Kopfschüttelnd riss sie sich das Schrapnell aus der Wunde wobei sie sich auch noch die Hand aufschnitt und blickte dann zu dem Schieber hinüber, was ihre Laune auf den Tiefstpunkt sinken ließ.
Umsonst.
Die ganze Aktion für Nichts und wieder Nichts.
Der Mann, der mit dem Rücken zu der Fensterfront gestanden hatte, lag mit dem Bauch auf den Resten des ehemaligen Glasschreibtisches. Seine Haare waren verschmort und die Haut war bis zur Unkenntlichkeit verbrannt.
In seinem Rücken steckten mindestens zwanzig Splitter aus Beton und Glas wie der den Nina sich eben aus dem Oberschenkel gezogen hatte. Sein linker Arm, der wohl gerade zum Schlag ausgeholt hatte, war durch den Druck der Detonation abgerissen worden und nirgends auszumachen.
Drek.
Aus diesem Typen würden weder sie noch ihr Meister jemals etwas über den Verbleib des Buches herausbekommen. Tote hatten die unangenehme Eigenschaft sehr verschwiegen zu sein.
Erst jetzt bemerkte sie, dass auf dem Hof der ehemaligen Spedition wieder gekämpft wurde, nun jedoch heftiger als bei ihrem Eintreffen.
Sie konnte das Feuer schwerer Maschinengewehre ausmachen. Mindestens zwei Helikopter kreisten über dem Gelände und heftige Detonationen erschütterten die Grundmauern des Gebäudes erneut.
Vorsichtig pirschte sich Nina an die Trümmer der Außenmauer heran und spähte nach draußen in die immer wieder von Mündungsblitzen erhellte Nacht.
Zwischen brennenden Autowracks und rauchenden Explosionskratern kämpften ihre Leute gegen in schwarze Kampfanzüge gekleidete Gestalten, die sich offensichtlich aus den beiden Helikoptern abgeseilt hatten, während diese nun aus niedriger Höhe ihre abgesetzten Truppen mit Maschinengewehren und Raketen unterstützten.
Die ganze Aktion wurde militärisch präzise durchgeführt.
Nina blickte sich um.
Mittlerweile hatten sich die kleineren Brände innerhalb des Büros zu einem Großbrand ausgeweitet, der sie bereits von dem Treppenhaus abgeschnitten hatte. Sie musste aus dem Gebäude heraus, sonst würde sie gegrillt werden.
Wieder blickte sie auf den Kampfschauplatz hinunter.
Für ihre Leute sah es wirklich nicht gut aus. Zwar hatten die beiden Magier ihre Feuerelementare auf die Angreifer losgelassen, aber offensichtlich gab es auch Attacken auf der Astralebene, denn den Einsatz von Spruchmagie konnte sie nirgendwo erkennen.
In diesem Moment schwebte einer der Helikopter nur Meter von ihrem Versteck entfernt an dem Bürogebäude vorbei.
Messerschmitt-Kawasaki Kolibrie.
Ninas Gehirn arbeitete wie ein militärischer Computer als sie die Informationen abrief, die sie einmal gelesen hatte. Ein gepanzertes Lufttaxi für bis zu neun menschengroße Personen plus die Cockpitcrew bestehend aus Pilot und Copilot.
Die Schiebetür im Transportbereich der Maschine stand offen. Eine Gestalt in derselben Kampfmontur wie die Bodentruppen feuerte von dort aus lange Salven schwerer Muni aus einem Maschinengewehr auf das spärlich beleuchtete Gelände hinab.
Ab und zu stieß der unter der Kanzel angebrachte Granatwerfer einen tiefen Seufzer aus und Sekundenbruchteile später zuckte ein Explosionsblitz durch die Nacht.
Der Helikopter schwebte extrem tief über dem Kampfschauplatz, etwa auf gleicher Höhe wie Ninas Position im ersten Stock des brennenden Bürogebäudes.
Noch während sie den Hubschrauber weiter beobachtete tastete sich ihre rechte Hand zu dem Stiefelschaft hinunter und zog die altertümlich anmutende Stielhandgranate daraus hervor. Niemand hätte vermutet, dass die vermeintliche Antiquität überhaupt noch brauchbar war, aber die Killerin wusste es besser.
Hochwertiger Plastiksprengstoff füllte den Zylinder oberhalb des Stiels und verbunden mit einer zwar alten aber durchaus zuverlässigen Reisleinenzündung stellte die Granate eine durchaus ernst zu nehmende Gefahr dar.
Langsam drehte sie die Verschlußkappe mit ihrer linken Hand von dem Stiel. An der Kappe war die Reisleine befestigt die den fünf Sekunden Zünder aktivierte als Nina nun fest daran zog.
Dann zählte sie von leise abwärts.
„Fünf...Vier...Drei...“
Blitzschnell erhob sie sich aus ihrem Versteck hinter den Mauerresten der Wand und schleuderte die Granate Richtung Helikopter. Im selben Moment hatte der Maschinengewehrschütze sie ausgemacht und drehte seine Waffe in Richtung des Bürogebäudes.
Die Granate taumelte durch die Luft und landete zielgenau in der Öffnung der Schiebetür. „Zwei...Eins...Boom!“
Der Explosionsdruck war gigantisch. Ein orangeroter Feuerball blähte die Strukturen des Helikopters von innen heraus auf, schleuderte die zerfetzte und brennende Leiche des Schützen meterweit aus dem Wrack hinaus und ließ kleine bis mittelgroße rauchende Trümmerstücke im Umkreis von mehreren hundert Metern niedergehen.
Für eine Sekunde war der Platz hell erleuchtet, dann sackte das Wrack ab.
Zerberstend schlug es auf dem rissigen Betonboden auf, wobei Sekundärexplosionen weitere Stücke aus dem Rumpf sprengten.
Meter hohe Flammen schlugen aus dem ehemaligen Helikopter, während das Wrack Geräusche wie ein sterbendes Tier von sich gab als sich die Metallteile unter der enormen Belastung durch Hitze und Aufschlagskräfte verformten.
Nina konnte erkennen, dass der Copilot die Explosion und die unsanfte Landung wohl überlebt hatte und jetzt versuchte durch die geborstene Frontscheibe dem Flammenmeer zu entkommen.
Sein Körper war bereits völlig von den Flammen eingeschlossen, und als er sich durch die Reste der Scheibe zog und auf dem Boden neben dem Wrack aufkam, brannte auch seine Kleidung schon lichterloh.
Kraftlos versuchte die Gestalt, die wie eine lebende Fackel anmutete, die Flammen durch herumrollen zu ersticken, aber dafür hatte das Feuer einfach schon zuviel der Kleidung befallen.
Noch während das Wrack abgestürzt war, hatte Nina den Sprung gewagt.
Sich elegant abrollend kam sie auf dem Boden vor dem Bürogebäude auf und ging gerade noch rechtzeitig hinter einer Ansammlung Schrott in Deckung um der Explosion beim Aufschlag der sterbenden Maschine zu entgehen.
Absolut ruhig blickte sie sich um, nachdem die Druckwelle über sie hinweg gezogen war. Nachdem der Kampf um das Gelände der ehemaligen Spedition kurz eingestellt worden war, zuckte jetzt wieder heftiges Pistolen- und Gewehrfeuer über den Platz.
Die Besatzung des zweiten Helikopters war mit ihrem Fluggerät auf Abstand gegangen um nicht das Schicksal ihrer Kameraden zu teilen.
Damit hatte Nina ihren Leuten kurzfristig einen Vorteil verschafft, da die beiden Feuerelementare immer noch unter den Gegnern wüteten, am Ausgang des Kampfes konnte jedoch kein Zweifel bestehen.
Das hatte sie jedoch auch nicht beabsichtigt. Die Konzerngardisten waren ihr egal.
Sie waren entbehrlich.
Die Zerstörung des Helikopters diente viel mehr der Verschleierung ihrer Flucht.
Sie zog ihre Waffe aus dem Militärholster, dass an ihrer rechten Seite von der Koppel hing. Es handelte sich um ein voll funktionsfähiges Artefakt aus den Zeiten des zweiten Weltkrieges, einer Offizierspistole der deutschen Wehrmacht aus dem Hause Walter.
Sie überprüfte den Ladebestand des Magazins und lud die alte Waffe dann durch.
Keiner der Angreifer schien sie bis jetzt bemerkt zu haben.
Ihr Motorrad stand nur wenige hundert Meter entfernt an der Straße und so setzte sie sich langsam in die Dunkelheit ab und ließ den Platz der ehemaligen Spedition in einem Chaos, das einem Kriegszustand glich, hinter sich zurück.

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14.08.2010 22:14 Taras Amaris ist offline E-Mail an Taras Amaris senden Beiträge von Taras Amaris suchen Nehmen Sie Taras Amaris in Ihre Freundesliste auf
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Kapitel 10
Zeit der Trauer

Ein schlichter Betonbau, der über und über mit Graffiti bedeckt ist. Eine verrostete Metalltreppe die bei jedem Schritt quietscht und knarrt als wolle sie im nächsten Moment zusammenbrechen. Ein dunkler Hof, auf dem einige abgerissene Gestalten um eine Feuertonne stehen und billigen Synthalkohol in sich hinein schütten, während sie sich leise unterhalten.
Der Massenheimer Jugendraum hatte wirklich schon bessere Zeiten gesehen.
Wolf zog den Reisverschluss der schweren Lederjacke bis zum Kragen hoch.
Kalt war es geworden. Der stürmische Ostwind brachte die erste Kältewelle dieses Jahres über die ADL, der Winter kündigte sich an.
„Dieser blöde Wind ruiniert mir meine Frisur. Wo ist dieser blöde Jugendraum?“
Engels Stimme in seinem Kopf wirkte beruhigend, auch wenn sie etwas genervt klang.
Seine Lebensgefährtin stand nur einen Schritt neben ihm, hatte den dick gefütterten schwarzen Ledermantel eng um den Körper gezogen, das Gesicht mit einem Schal vermummt und die zierlichen Hände in klobigen Wollhandschuhen gleicher Farbe verpackt.
Der starke Wind zerzauste ihr langes blondes Haar, das wie eine Fahne um sie herum wehte, obwohl sie es bestimmt schon zum hundertsten Mal zurück gestrichen hatte.
Die junge Elfenmagierin war die Wetterverhältnisse der Frankfurter Innenstadt gewohnt, die eigentlich in jeder Jahreszeit gleich waren. Die hohen Häuserschluchten, die hunderte Abluft- und Klimaanlagen sowie die Lage der Innenstadt des riesigen Plex in einem natürlichen Kessel sorgten dafür, dass es dort immer beständige 22 bis 25 Grad Celsius hatte.
Massenheim lag zwischen dem Megaplex und der Landeshauptstadt Wiesbaden auf einem leicht angehobenen Hügel, umgeben nur von ehemaligen landwirtschaftlichen Flächen und Barackensiedlungen.
Die Häuser des Ortes bestanden aus ein bis zweistöckigen Ein- und Mehrfamilienhäusern, die noch dazu nicht wirklich eng aneinander standen.
Hier wehte der Wind schon mal sehr stark. Wie heute.
„Ich friere mir langsam aber sicher meinen hübschen Hintern ab und das sollten wir doch verhindern. Oder starker Mann?“
Sie blickte an ihm hoch und er verdrehte die Augen. Manchmal konnte sie einen verdammt nörgelnden Ton an sich haben.
„Wir sind gleich da, du elende Frostbeule. Nur noch die Treppe da vorne hinauf. Dann kannst du deinen Hintern auf eine Heizung pflanzen bis er glüht.“
Bei seinen gedachten Worten nickte er in Richtung der alten Metalltreppe, die in den ersten Stock des Betonbaus führte und ihre Augen blitzten auf.
„Was? Diese vergammelte Stiege müssen wir hoch? Die bricht doch zusammen wenn man sie nur schräg ansieht.“
Wolf konnte ein lautes Lachen nicht unterdrücken.
Für einen Moment war sein schallendes Gelächter das einzige Geräusch auf dem dunklen Hof. Die Squatter, die um die Feuertonne herum standen, blickten auf und verstummten.
Sie musterten die beiden schwarz gekleideten Gestalten und Wolf war klar, dass mindestens einer von ihnen gerade abschätzte ob die Neuankömmlinge Ärger mit sich brachten.
Der Jugendraum war vor ewigen Zeiten von der Gemeinde aufgebaut worden um die Jugendlichen von der Straße zu holen, aber so ganz geklappt hatte das nie.
Nur wenige Monate nach der Eröffnung war die Einrichtung zu einer gut besuchten Bar und vor allem einem Treffpunkt für die Gangs und Randalekids der näheren Umgebung geworden. Drogen wechselten hier in rauen Mengen den Besitzer und wurden in noch größeren Mengen konsumiert.
Der Jugendraum war neutrales Gebiet für jeden. Dafür sorgte vor allem Puppe, eine ortsansässige Normfrau die etwas jünger als Wolf war.
Sie hatte sich immer für die Jugendlichen des Ortes engagiert und war seit dem Aufbau des Jugendraumes eine der beiden Mitverantwortlichen. Sie hatte alle Gangbosse an einen Tisch gebracht und dafür gesorgt, dass es in ihrer Institution keinen Ärger gab.
Nachdem die zuständige Behörde entschieden hatte, den Jugendraum nicht mehr zu unterstützen, hatte Puppe den Laden übernommen und ein gut laufendes Geschäft daraus gemacht.
Und sie verstand ihr Unternehmen zu schützen.
Ständig hingen dutzende von schwer bewaffneten Typen verschiedener Gangzugehörigkeiten in der gut ausgebauten Bar herum und ein Netzwerk von Spähern beobachtete ständig die Umgebung um die Crew des Jugendraumes zu warnen, sobald Ärger im Anmarsch war.
Und genau solch ein Späher meldete gerade die Ankunft von zwei Personen in dem dunklen Hof an Puppe weiter.
Wolf ergriff Engels Hand und schlenderte mit ihr gemächlich auf die vor sich hin rostende Treppe zu. Er grinste noch immer.
„Gerade du müsstest doch wissen, dass man Dinge wie auch Menschen nicht immer nach ihrem Aussehen beurteilen sollte, Engel. Oder falle ich auch auseinander wenn man mich schräg ansieht?“
Sie lächelte ihn an.
„Na ja, großer böser Straßensamurai. Im Moment würde ich das lieber nicht versuchen. Du bist noch ganz schön angeschlagen und du weist, das der Doc dich noch mindestens einen Monat ins Bett stecken würde. Und meiner Meinung nach wäre das auch das Beste, aber ich kenne ja deinen Sturkopf. Also lass uns zu diesem Treffen gehen und dann wieder nach Hause und ich verspreche dir, dass du es nicht bereuen wirst dich wieder in das Bett zu legen.“
Wolf nickte nachdenklich. Engel hatte Recht.
Nach dem Kampf an der Autobahnüberführung war er fast auf der anderen Seite gewesen.
Die Tage in dem Regenerationstank hatten seine Heilung zwar beschleunigt, aber er trug immer noch einiges an Verbandsmaterial am ganzen Körper. Besonders die Wunden in seinem Brustkorb machten ihm noch zu schaffen.
Eines der Geschosse hatte seinen rechten Lungenflügel gestreift, ein weiteres hatte zwei seiner Rippen durchschlagen. Gestern Morgen, Punkt genau einen Woche nach dem Tag des Angriffs, hatte Doc Erdmann ihn aus dem grünen Schleim befreit und die Wunden wieder mit Verbänden umwickelt.
Wenn er ehrlich zu sich selbst war, fühlte er sich wirklich schlecht. Er bekam nur schlecht Luft, und bei jeder Bewegung brandeten Schmerzwellen durch seinen Körper.
Er hatte sich aus dem Bett gequält um ein wenig frische Luft zu holen und um das Team zu sehen.
Stute und Racker waren schon gegen Mittag wieder in ihr eigenes Haus zurückgekehrt, und auch Gromo, Spliff und Skelett hatten sich bei Einbruch der Nacht verabschiedet.
Man hatte jedoch ausgemacht, sich in Puppes Bar zu treffen.
Wolf kannte Puppe noch aus früheren Zeiten und freute sich darauf sie wiederzusehen.
Vor Ewigkeiten hatte sie zu den Massenheim Youngsters gehört, war aber nie ein Mitglied der Gang gewesen.
Er hatte sie schon Jahre nicht mehr gesehen.
Er beschleunigte seinen Schritt und stieg die Treppe empor, die protestierend quietschte als die beiden Elfen sie betraten.
Die Squatter beobachteten sie immer noch argwöhnisch, hatten jedoch wieder angefangen sich leise zu unterhalten und die Flasche billigen Synthalkohol in der Runde kreisen zu lassen.
Wolf zweifelte nicht daran, dass die Information über ihre Ankunft längst in den Jugendraum durchgedrungen war.
Die letzten zwei Stufen nahm der Elf mit einem ausholenden Satz, der ihn direkt bis vor die angerostete Stahltür brachte.
Keine Klingel und auch kein Türgriff oder Schloss waren auszumachen.
Es sah aus, als ob der Architekt des Gebäudes zwischen all den Betonplatten eine Stahlplatte eingefügt hätte, oder als ob ein Bauarbeiter einen Fehler bei dem Material gemacht hatte. Schwaches Licht flackerte in unregelmäßigen Abständen von zwei offensichtlich defekten Lampen über dem Eingang herunter.
„Sehr gemütlich, Wolf. Echt! Der Laden hat ja nich mal ne Werbetafel oder nen blödes Namesschild. Ja nich mal ne anständige Tür.“
Engels Laune schien sich dem Tiefstpunkt entgegen zu bewegen.
Sie hatte den Treppenabsatz nun ebenfalls erreicht und wippte nervös von einem Fuß auf den anderen, wahrscheinlich um etwas Wärme zu erzeugen.
Wieder musste Wolf grinsen.
„Erstens benötigt Puppe weder ein Namensschild noch eine Werbetafel. Der Schuppen ist eine Legende, und die Leute die erwünscht sind wissen wo er zu finden ist. Und eine richtige Tür würde jeder aufmachen können. Das hier ist aber nur für die Eingeweihten, die den richtigen Code kennen.“
Kaum hatte Wolf den Gedanken zu Ende gebracht, als er schon mit dem Fuß ausholte und den schweren Buffalo-Plateau-Schuh dröhnend gegen das Stahl der Tür hämmerte.
Geschockt sah Engel sich um. Die Aktion war so plötzlich gekommen dass sie nur verwirrt zu ihm aufblicken konnte.
„Drehst du jetzt völlig ab? Was soll das denn für ein Code sein?“
Noch bevor sie gedanklich weiter auf ihn einreden konnte, wurde das Stahlschott nach innen aufgezogen. Dabei kreischte das Metall laut über den Beton, was jedoch fast vollständig von der Geräuschkulisse innerhalb des Jugendraumes verschluckt wurde.
Die Musik bewegte sich zwischen schnellem Punk und dem Getöse einer Großbaustelle mit tiefen schnellen Bässen, E-Gitarren und einer Sängerin die mit ihrer Piepsstimme den Songtext wohl eher in das Mikrofon brüllte als zumindest zu versuchen es melodisch klingen zu lassen. Dutzende lärmender Personen bevölkerten den großen Raum mit der hohen Decke, den gemütlich aussehenden Couchgarnituren und der langen Theke. Die Luft stank abgestanden, nach Rauch und Schweiß und vor allem nach billigem Synthalkohol.
Nur wenige Lampen erhellten die fensterlose Katakombe, was jedoch von zwei Discokugeln und einigen Stroboskopscheinwerfern wieder ausgeglichen wurde.
Letztere schossen im Abstand von Sekunden Lichtblitze durch das Halbdunkel des Raumes und ließen die ganze Szenerie irgendwie unwirklich erscheinen.
Selbstsicher ging Wolf an dem massiv aussehenden Ork vorbei, der die Tür geöffnet hatte und zog dabei Engel hinter sich her.
Kaum war auch die Magierin durch die Tür, da stieß der Ork das Schott auch schon wieder zu und verriegelte es mit einem schweren Metallträger. Der Metamensch war etwas älter als der Durchschnitt in der Bar und verfügte auch definitiv über Cyberware.
Wolf kannte ihn nicht, es war jedoch schon immer so gewesen, dass Puppe sich professionell abgesichert hatte.
Wahrscheinlich war der Ork eine in die Jahre gekommene Messerklaue, die sich hier ihre Rente verdiente und Wolf war sich sicher, das der Metamensch mit jeder Schwierigkeit fertig werden würde, die sich ihm hier entgegen stellte.
Außer mit den Massenheim Younsters vielleicht.
Das Team stand in einem Pulk an der Theke und hatte die beiden Neuankömmlinge bereits ausgemacht.
Stute winkte erfreut und auch Gromo hatte sich erhoben und begann, sich durch die Menge zu arbeiten.
Wolf blickte sich um. Die kleine Bar war voll besetzt.
Ungefähr siebzig Personen beider Geschlechter und aller Metarassen tummelten sich teils auf der Tanzfläche, teils in den Sitzecken oder in kleinen Gruppen über den Raum verteilt, tranken exzessiv während sie sich lautstark unterhielten oder saßen einfach nur weggedröhnt irgendwo herum.
Einige wenige tanzten auch auf der kleinen dafür vorgesehenen Fläche, die mit Spiegelfliesen belegt war.
Alte Bekannte konnte er nicht ausmachen, dafür jedoch den jungen Gangboss, den er vor Beginn des Runs fast zerrissen hätte samt seiner dürren Freundin und einigen Anhängern.
Noch hatten sie ihn nicht bemerkt und Wolf wollte auch keine unnötige Aufmerksamkeit erregen. Er war nur hier um ein oder auch zwei Bier zu trinken und etwas abzuschalten.
„Hoy Chummer. Wir ham schon gedacht ihr würdet eure Ärsche gar net mehr herbewegen.“ Gromo hatte sie erreicht und klopfte ihm herzlich mit der Pranke auf die Schulter. Der Elf erwiderte das offene Lachen mit einem Grinsen.
„Sag ihm bitte, dass gerade er sich doch noch an meine legendäre Pünktlichkeit erinnern müsste.“ Seine Gedanken zuckten durch Engels Gehirn und auch sie konnte ein Lächeln nicht unterdrücken.
„Hallo Gromo, ja weißt du, wir hatten da noch ein bisschen was nachzuholen. Und bei sowas sollte man sich halt doch noch ein wenig Zeit nehmen. Aber jetzt sin wir ja hier.“
Wieder erbebte der schwere Orkkörper unter einem tiefen, grollenden Lachen unter dem sich Gromo abwendete und ihnen mit einem Wink zu verstehen gab das sie ihm folgen sollten.
Wie ein schweres Räumgerät arbeitete sich der Ork durch die Menge in Richtung der Bar vor und hinterließ eine Gasse, durch die das Pärchen problemlos schlüpfen konnte.
Im Vorbeigehen nahm Wolf Mitglieder mindestens fünf verschiedener Gangs wahr.
Puppe hatte es also wirklich geschafft die Neutralität ihrer Bar durchzusetzen, was bei den Bandenkriegen, die schon in seiner Jugend in diesem Gebiet getobt hatten, nicht wirklich einfach gewesen sein konnte.
Das Trio hatte die Bar durchquert und wurde nun von dem gesamten Team herzlich begrüßt. Spliff hatte sein unter der Hose noch immer bandagiertes Bein auf einem Hocker abgelegt, während sein Hintern eine identische Sitzgelegenheit belegte.
Neben ihm standen Stute und Racker, die kleidungsmäßig wieder einmal den Eindruck eines perfekten Konzernpärchens abgaben, wenn nicht die Decks in Taschen über ihren Schultern gehangen hätten.
Skelett saß zusammengesunken auf einem weiteren Hocker, den Kopf auf dem Tresen abgelegt und selig schlummernd.
Mehrere leere Bier- und Schnapsflaschen zeugten davon, dass der Abend für den Rigger wahrscheinlich bereits gelaufen war.
Gromo lehnte sich lässig neben dem Rigger an die Theke und griff zu einem gut gefüllten Maßkrug.
Engel wurde sofort bei der Ankunft von Stute umarmt, während Spliff und Racker ihrem alten Chummer die Hand schüttelten.
„Na du olle Spruchschleuderin, haste deinen Traumprinzen mal aus eurem Schloss hervor gezaubert?“
Die Deckerin schien ebenfalls schon einiges an alkoholischen Getränken intus zu haben, was sich an einem leicht schwankenden Stand und einer undeutlichen Aussprache zeigte.
„Ach wo! Den hätten doch keine zehn Trolle mehr inner Bude gehalten.“
Die beiden jungen Frauen kicherten, was Racker und Wolf einen genervten Blick entlockte.
„Ja geil!“
Die Frauenstimme ließ Wolfs Kopf herum schnellen und seinen Blick auf die Dame richten die hinter dem Tresen erschienen war.
Puppe hatte sich kaum verändert. Unter den kurzen, grell-grün gefärbten Haaren blickten ihn große braune Augen aus einem fast ungeschminkten Gesicht an. Das Piercing in der rechten Hälfte der Oberlippe verzog sich etwas als sie ein Lächeln andeutete und der rot schwarz gestreifte, eng anliegenden Pullover betonte die zierliche, fast zerbrechlich wirkende Figur des nur 1,58 großen Körpers.
Seit Wolf sie das letzte mal vor Jahren gesehen hatte waren zwar noch einige Piercings in ihrem Gesicht dazu gekommen, er zählte insgesamt neun Stück, alles in allem war die 22-jährige Normdame jedoch noch immer das Punkluder, das er kannte.
Er hätte wetten können, dass sie unterhalb des Tresens eine weite Jeanshose mit bunten Stoffflicken und verlatschte rote Turnschuhe trug.
Wie früher eben.
„Hätte nie gedacht das du dich hier wieder blicken lässt Wolf.“
Das Lächeln auf ihrem Gesicht hatte nun ihre Augen erreicht, schien aber nicht wirklich aufrichtig zu sein.
„Sorry, aber ich muss euch um die Waffen bitten. Is hier Bedingung.“
Auffordernd hatte Puppe einen Plastkarton vor Engel und Wolf auf die Theke gelegt und stand nun mit vor der Brust verschränkten Armen abwartend dahinter.
Wolf atmete tief durch.
Er hatte gewusst, dass in der Bar ein Waffenverbot herrschte, aber für ihn war es nicht wirklich einfach seine Arbeitsgeräte, die über Jahre hinweg seine treuen Begleiter gewesen waren, irgendwo abzugeben.
Engel blickte ihn von der Seite an.
„Hoi du unbesiegbarer Straßensamurai. Vergiss nicht, dass ich auch noch hier bin. Wenn jemand Stress anfängt grill ich ihn mit einem Feuerball aus dieser Welt.“
Selbstsicher zückte die Elfin ihre halbautomatische Seco und legte sie in den Karton, während sie die Gedanken in Wolfs Hirn sendet.
Für die Magierin stellte es offensichtlich kein Problem da.
Anschließend zog sie ihren Ledermantel, die Handschuhe und auch den Schal aus und warf die Kleidungsstücke auf die Theke neben den Karton.
Puppe nickte ihr freundlich zu und blickte dann zu Wolf hinüber.
„Na komm schon, Großer. Wenn deine Kleine hier unbewaffnet durch meine Bar laufen kann, dann kannst du das ja wohl schon lange, oder?“
Das gesamte Team blickte die Messerklaue an. Wolf stand unter Zugzwang.
Er öffnete langsam den Reisverschluss seiner mit Kevlarplatten verstärkten Motorradlederjacke und griff dann zu den beiden Handfeuerwaffen die in den Tarnholstern an seinem Rücken steckten.
Die Warhawk und die halbautomatische Guardian legte er vorsichtig in die Kiste neben Engels Waffe und blickte dann zu Puppe.
Die Besitzerin der Bar schien jedoch noch lange nicht zufrieden zu sein.
„Alle Waffen, Wolf. Und versuch nich mich zu verarschen. Ich kenn dich schon lang genug.“ Ihre Worte zauberten ein Lächeln auf sein Gesicht und ließen seine Zweifel schwinden. Hier war er in Sicherheit. Hier war er zu Hause.
Wieder griff er unter seine Jacke und brachte nach und nach die Würgeschlinge, zwei massive, verchromte Schlagringe sowie seine Notschusswaffe, eine handliche Streetline Spezial zu Vorschein.
Auch die kleine Sprühdose mit dem Tränengas und das Stilett mit der dreißig Zentimeter langen Klinge, welches im Normalfall gut verborgen in einer Scheide an seinem rechten Unterschenkel ruhte, füllten nach und nach den Karton.
Weiterhin zauberte der elfische Straßensamurai noch acht Ladestreifen für die Guardian sowie dutzende einzelner Patronen für die beiden anderen Schusswaffen aus seinen Taschen. Mittlerweile waren einige Gäste des Jugendraumes, vorrangig jüngere Gangmitglieder beider Geschlechter, auf das Spektakel aufmerksam geworden und hatten einen großzügigen Kreis um die Massenheim Youngsters gebildet.
Immer wieder waren gemurmelte Sprüche zu hören.
„Das ist Wolf, der beste Killer der russischen Syndikate!“
Ein stämmig gebautes Orkmädchen blickte die Messerklaue mit großen Augen an, während es den Satz fast schon ehrfürchtig zwischen den Hauern herauspresste.
„Hat der vor in nen drecks Krieg zu ziehen?“
Ein verlotterter Normjunge von vielleicht 15 Jahren starrte von der anderen Seite des Kreises auf die Waffen in dem Karton, die dort mittlerweile ein stattliches Arsenal bildeten.
Der Elf blickte bei seiner Tätigkeit der Barbesitzerin in die Augen, die dies erwiderte.
Als er nun auch noch die beiden Blendgranaten und die Splittergranate aus ihren Verstecken in den ausgebeulten Beinseitentaschen seiner in taktischem schwarz gehaltenen Militärhose zog ging ein Blitzen durch ihre braunen Augen.
„Wenn’er so schon nen Bier zapfen geht, was macht der dann wenn’er wirklich Ärger erwartet?“ Ein Troll in den Farben einer Go-Gang aus Hochheim und einem wirklich schmerzhaft aussehendem abgebrochenen Horn musterte Wolf mehrfach von oben bis unten bevor er den Kreis kopfschüttelnd verließ um sich wieder seinem Bier und seiner weiblichen Begleitung, dem zuvor schon auffällig gewordenen stämmigen Orkmädchen, zu widmen.
Einzig Engel schien nicht im geringsten beeindruckt zu sein. Verständlich, denn wahrscheinlich konnte sie dieses Schauspiel jeden Abend genießen wenn Wolf sich entkleidete.
Ein Teleskopschlagstock aus Metall der in einer Innentasche der Lederjacke gesteckt hatte und ein hochwertiger Taser aus den Tiefen der rechten Hosentasche bildeten einen krönenden Abschluss für die Entwaffnung der Einmannarmee.
Der Karton war nun bis zum Rand mit Tötungswerkzeugen gefüllt, und Wolf wahrscheinlich um einige Kilogramm leichter.
Immer noch den Augenkontakt mit der Barbesitzerin aufrecht erhaltend, dabei ein brutales Grinsen zeigend, zuckte der Straßensamurai mit den Schultern und breitete die Arme aus.
Auch Puppe lächelte wieder.
Mit einem kurzen Griff unter die Bar brachte sie eine Flasche Soybier zum Vorschein und drehte den Verschluss mit einer routinierten Handbewegung auf, reichte das Getränk jedoch nicht über den Tresen.
„Sehr geil, Wolf. Wirklich beeindruckend du wandelndes Waffenarsenal. Aber irgendwie fehlt mir da noch was.“
Ihre Augen versprühten Funken, aber das Lächeln hing immer noch schief in ihrem Gesicht. Alle Anwesenden hatten den Atem angehalten.
Es schien jedem unbegreiflich zu sein, dass die kleine, fast schon zierliche Normfrau die elfische Kampfmaschine derart provozierte.
Mit einem resignierenden Seufzer ließ die Messerklaue die Arme sinken, wobei er sie kurz ruckartig bewegte.
Im nächsten Moment blitzten die beiden Butterfly-Messer in seinen Händen auf.
Blitzartig flirrten die Klingen heraus und genau so schnell verschwanden sie auch wieder.
Mit einer verächtlichen Bewegung warf Wolf die beiden Messer ebenfalls in den Karton wo sie klappernd zwischen den Rest seiner Waffen rutschten.
Alles atmete erleichtert auf.
Man konnte fast fühlen wie sich die Spannung in dem Kreis löste, und auch Puppe strahlte nun wieder über das ganze Gesicht.
„Na geht doch, du alter Übertreiber. Jetzt gibt’s auch ne Belohnung.“
Schwungvoll schob sie die Bierflasche über die abgewetzte Oberfläche der Bar und zog kurz darauf den Karton mit der Waffensammlung zu sich um ihn dem orkischen Rausschmeißer, der die Tür geöffnet hatte, zu übergeben.
Engel lächelte Wolf aufreizend an.
„Du musst wirklich aus allem ne Show machen oder?“
Ihre Gedanken klangen sanft in Wolfs Kopf während er sich gegen den Tresen lehnte und nach dem Bier griff.
„Richtigen Eindruck hinterlassen, Gerüchte bestätigen, Angst verbreiten und Ärger durch zeigen der Kampfbereitschaft vermeiden. Erprobte Vorgehensweise. Wirkt so schon seit Jahren!“
Seine Blicke über den sich auflösenden Kreis schweifen lassend und einen tiefen Schluck des eiskalten Bieres in sich hinein schüttend sandte die Messerklaue die Worte in das Gehirn seiner Gefährtin.
Nach wenigen Sekunden standen nur noch die Massenheim Youngsters um die beiden Elfen und der Rest der Gäste feierte wieder ausgelassen.
Gromo und Spliff blickten ihren alten Chummer noch immer fassungslos an, Racker und Stute waren damit beschäftigt die Mundhöhle des jeweils anderen mit der Zunge zu erkunden während Skelett immer noch selig im Land der Träume unterwegs zu sein schien.
„Drek, Wolf! Was machst du denn bitte wenn wirklich mal Ärger ansteht?“
Spliff hatte einen Joint fertig gedreht und zündete ihn nun mit einem Streichholz an, während er den Satz zwischen zwei Zügen hervor presste. Dabei blickte er abwechselnd zu Wolf und Engel. „Dann packt er noch den Raketenwerfer und das Maschinengewehr ein...ach ja, und noch wesentlich mehr Muni.“
Engel schmiegte sich mit einem lüsternen Gesichtsausdruck an Wolf, der nur abfällig in die Richtung des Teamleaders grinste.
Der Norm und auch der mittlerweile neben ihm stehende Ork der Gruppe grinsten erheitert zurück. Spliff gab den Joint an Gromo weiter, der sich jedoch nur einen kurzen Zug gönnte und das Rauchwerk dann weiter an Engel reichte.
Die Magierin schien einen kurzen Moment überlegen zu müssen, besann sich dann jedoch der Anstrengungen der letzten Tage, der Aufregung und der Ängste, die sie ausgestanden hatte, wofür sie sich definitiv eine Auszeit verdient hatte.
Tief sog die Elfin den Rauch in ihre Lungen und nur Sekunden später tauchte ein zufriedenes Lächeln auf ihrem Gesicht auf.
Völlig entspannt lehnte sie sich nun ebenfalls gegen die Bar und fragte, die sich gerade mit einer dunklen Gestalt unterhaltende Besitzerin des Jugendraumes, nach der Getränkekarte.
Wieder tanzte das Piecing an der Oberlippe der Normfrau als ein fröhliches Grinsen ihre Züge überzog.
„Hey Kleine, sach mir einfach was du haben willst un ich werd sehen was ich für dich tun kann. Die meisten Leute die in meine Bar kommen sin eh viel zu drauf um irgendwas lesen zu können. Karten würden da nich wirklich viel Sinn machen, nich wahr Pink?“
Puppes Stimme kam nur unzureichend gegen die immer mehr anschwellende Lautstärke die sich aus der ohrenbetäubenden Musik und dem Stimmgewirr ergab an, die Worte der schwarz gekleideten Gestalt hingegen waren laut und deutlich für das gesamte Team zu verstehen.
„Wenn die hochwohlgeborene Dame in Weiß eine Karte möchte, solltest du ihr vielleicht eine schreiben Puppe. Wäre doch ganz cool hier in der nächsten Zeit noch ein paar Nutten als Gäste begrüßen zu dürfen und Mundpropaganda funktioniert immer noch am besten wenn es um Kundenwerbung geht.“
Die wirklich komplett in weiß gekleidete Gestalt von Engel zuckte wie unter einem Schlag zusammen und starrte ungläubig auf das vielleicht vierzehn Jahre alte Mädchen welches eben die Beleidigung ausgesprochen hatte.
Die junge Normdame lehnte lässig an der Bar und funkelte die Elfenmagierin herausfordern aus ihren blau-grünen Augen an.
Wolf musterte die Gestalt innerhalb von Bruchteilen von Sekunden. Für das Alter mit 1,62 ziemlich groß gewachsen, durchtrainierter Körper mit langen Beinen, die ab dem halben Oberschenkel von einem schwarzen Minirock bedeckt wurden und sonst nur ein paar zerfetzte Netzstrümpfe zu Schau stellten.
Eine eng anliegende Satinkorsage mit einer Schnürung an der Vorderseite und ebenfalls schwarzer Farbe drückte die sich gerade entwickelnden Brüste zusammen und nach oben, wohl um eine Frau zu imitieren die man einfach noch nicht war.
Schwarze, völlig vergammelte Turnschuhe und gleichfarbige Stulpen rundeten zusammen mit dem silbernen Bettlerarmband mit den funkelnden Münzen sowie der schwarz umrandeten Augen das Bild einer heranwachsenden Punkgöre ab.
Die langen schwarzen Haare fielen dem Mädchen bis an die Ellebogen und waren von grell-pinken Strähnen durchzogen.
Im Gegensatz zu Engels weißer Schlaghose, die Hüfte und Oberschenkel wohl betonte, dem silber-grün schimmernden Schmuckgürtel, den langen, hellblonden Haaren, weißen Lackhighheels und dem sehr engen Tanktop, das kurz unter den Brüsten endete und ebenfalls in grellem weiß leuchtete, standen sich hier zwei Frauen gegenüber, die wohl unterschiedlicher nicht hätten sein können.
Das Mädchen, welches die Barbesitzerin Pink genannt hatte, setzte gerade ein Glas mit einer grünlichen Flüssigkeit an die Lippen als Engel sich wieder aus ihrer verkrampften Erstarrung fing, in die sie durch die unerwartete Beleidigung gefallen war.
Trotz ihrem Auftreten und dem püppchenhaften Äußeren war Engel auf der Straße groß geworden und das in einem der gefährlichsten Megaplex der 6.Welt.
Und auf den Mund gefallen war sie erst recht nicht.
„Is klar Puppe. Dann gib mir nen Bier und sach dem kleinen Kind da drüben es sollte lieber wieder in den Kindergarten zurück gehen oder in die Abwasserkanäle zurück kriechen aus dem es gekommen ist, bevor es sich mit Erwachsenen anlegt un sich ne Ladung Prügel einfängt.“
Das hatte gesessen.
Jetzt zuckte die Punkgöre unter den scharfen Worten zusammen. Das Funkeln in ihren Augen hatte an Intensität noch zugenommen, während Engel nur provozierende lächelte und sich lasziv an der Bar räckelte.
Noch hatte sie ihr Pulver jedoch nicht verschossen. Eine Breitseite von Engel kam immer in zwei Schüben. Und der zweite war meist heftiger.
„Ach ja kleines Mädchen und wenigstens habe ich das Aussehen und die Figur um dem von dir umschriebenen Gewerbe nachgehen zu können. Sowas wie dich würde ja kein Typ freiwillig anfassen. Da holt man sich ja schon vom hinsehen die schlimmsten Krankheiten und Pilze!“
Für einen kurzen Moment herrschte absolute Stille an der Bar.
Die Massenheim Youngsters hatten die Luft angehalten als Engel die Worte wie beiläufig auf ihrer Gegnerin abgeschossen hatte.
Böse, böse kleine Engel.
Das Normmädchen, dass auf den Namen Pink hörte, nahm erneut einen tiefen Schluck aus dem Glas mit der grünen Flüssigkeit und stellte das nun leere Gefäß mit einem lauten Knall auf den Tresen zurück.
Puppe beeilte sich aus der Gefahrenzone zwischen den beiden Frauen zu verschwinden und stellte dabei eine Flasche Soybier vor der Elfin ab.
„Ja geil. Tagelang kommt kein Wizkid vonner Straße in meine Bude und dann gleich zwei auf einmal. Und die fangen dann auch gleich Ärger an. Ich sach euch was Mädels. Wenn ihr gleich anfangt Feuerbälle durch meinen Club zu werfen und irgendwelche Gespenster ausschickt um der jeweils anderen den Arsch auf zu reißen gibt’s für euch hier nichts mehr zu schlucken. Und Hausverbot bis zum jüngsten Gericht. Ich hab die Lichtanlage gerade für nen Arsch voll EC modernisieren lassen. Hab echt keinen Bedarf an ein paar zusätzlichen Spezialeffekten.“
Ohne die Clubbesizerin auch nur wahr zu nehmen funkelten sich die beiden Frauen an.
Während Engel immer noch ihr herablassendes Lächeln aufrecht erhielt, war Pinks Gesicht eine Fratze der Wut und des Hasses.
Aber der von Puppe befürchtete Kampf Magier gegen Wizkid blieb aus.
Pink rutschte elegant von dem Barhocker, warf Engel noch einen abwertenden Blick zu und marschierte dann in Richtung der Couchgarnitur davon, auf der es sich die Schlipstreter mit einigen Mitgliedern anderer Gangs gemütlich gemacht hatten.
Die elfische Magierin drehte sich zu der Theke um und griff nach dem Bier, um es kurz darauf in sich hinein zu schütten.
Man konnte die Erleichterung in der Runde fast schon hören.
Puppe nickte Engel dankbar zu und widmete sich dann den anderen Gästen, die schon ungeduldig nach alkoholischer Befriedigung verlangten.
„Deine Kleine is echt nich auf’n Mund gefallen, Wolf. Drek, hab Pink noch nie so schlucken sehen wie grad eben.“
Gromo betrachtete nachdenklich den Inhalt seines Bierkruges, während er Wolf die Worte so leise zuflüsterte, dass Engel, die sich mittlerweile mit Stute unterhielt, sie nicht hören konnte. Auch Spliff beteiligte sich nun an der geflüsterten Unterhaltung, während er den schon fast vernichteten Joint an Wolf weitergab.
„Drek, eigentlich sollte man die Kids mal in ihre Schranken weisen. Hab ihnen schon ein paar Mal gesagt, dass sie hier nich so ne Welle schieben sollen, aber sie sind fast schon unkontrollierbar. Unser Kumpel Krissel hat auch schon versucht auf seinen Bruder einzuwirken. Hat aber nichts gebracht. Sie haben sich ein paar Tage zurück gehalten und dann genau so weiter gemacht wie vorher.“
Wolf nickte nachdenklich. Der große Bruder des Wannabe-Gangbosses war mittlerweile ein ganzes Stück in der Hierarchie der Mafia aufgestiegen und bestimmt nicht begeistert von dem Treiben dieses Teils seiner genetischen Familie.
Die Gedanken der elfischen Messerklaue wurden abrupt unterbrochen als erneut das infernalische Quietschen der Eingangstür durch den Raum brandete.
Der alternde Orksamurai hatte den Stahlträger, der das Schott verriegelte, zurück gezogen und die Tür langsam geöffnet.
Jetzt versperrte der massige Körper des Metamenschen den Blick auf den oder die Neuankömmlinge, aber alleine die angespannte Haltung des ehemaligen Runners versetzte Wolf in Alarmbereitschaft.
Auch einige der anderen Gäste des Jugendraumes hatten die Veränderung in der vorher entspannten Atmosphäre wahr genommen und standen nun auf um schneller auf Gefahren reagieren zu können.
Als der Ork jedoch einen Schritt zur Seite tat um die stolpernde Gestalt aufzufangen und langsam zu Boden gleiten zu lassen war, das eine Entwicklung der Ereignisse, mit der wohl niemand gerechnet hatte.
Die Musik verstummte abrupt als Puppe hinter der Bar auf einen Schalter schlug und dann zur Tür eilte.
Auch Wolf und die restlichen Massenheim Youngsters beeilten sich, die Tür zu erreichen, die bereits mehrere neugierige Gäste angezogen hatte.
Der alternde Ork, der sich seine Rente als Türsteher im Jugendraum verdiente, war auf ein Knie gesunken um den geschundenen Körper einer jungen Trollfrau behutsam auf dem Boden abzulegen.

Engel bewegte sich elegant im Windschatten von Wolf durch die immer dichter werdende Ansammlung von Schaulustigen und blieb wie angewurzelt stehen als sie einen Blick auf die am Boden liegende Troll-Gangerin werfen konnte, neben der mittlerweile auch Puppe nieder gekniet war.
Die vielleicht 18 jährige Metafrau blutete aus mindestens einem duzend tiefer Wunden, was dem grauen Lenoleumboden der näheren Umgebung bereits eine rötliche Verfärbung eingebracht hatte.
Wesentlich grässlicher waren jedoch die Brandwunden in ihrem Gesicht und dem Rest der nicht durch ihre Kleidung verdeckten Haut.
Verkohltes Gewebe wechselte sich mit aufgeplatzten Brandblasen und offen liegendem Muskelgewebe und Knochen ab.
Der Anblick war so grauenhaft, dass einige der Schaulustigen sich prompt wieder abwandten und würgend nach Luft rangen.
Einige andere starrten betroffen auf das wimmernde metamenschliche Etwas auf dem Boden, während wieder eine andere Gruppe aus der Tür strömte um sich einen ruhigeren Ort für ihre Party zu suchen oder nach Ärger Ausschau zu halten.
Puppe hingegen beugte sich über den immer wieder kurz zuckenden Kopf der Trollfrau und redete sanft auf sie ein.
„Ganz ruhig. Hier bist du in Sicherheit. Der Doc ist schon auf dem Weg hierher. Bleib einfach liegen.“
Noch während Puppe die Worte aussprach suchte Engel ihre Utensilien aus einer kleinen Beuteltasche an ihrem Prunkgürtel zusammen und ließ sich neben Puppe im Schneidersitz zu Boden gleiten.
„Wenn wir auf den warten ist sie kalt. Rede weiter mit ihr. Sie muss wach bleiben. Ich versuche ihren Zustand zu stabilisieren.“
Engel schaltete die Umgebung aus ihrer Wahrnehmung aus ohne auf eine Antwort der Barbesitzerin zu warten.
Wenn sie das Leben der jungen Frau retten wollte, zählte jede Sekunde.
Die schockierten Gespräche rings um sie herum wurden nur noch zu einem Hintergrundrauschen in ihrem Kopf, die Schaulustigen verschwammen vor ihren Augen zu schattenhaften Umrissen und die Aura der schwer verletzte junge Metafrau vor ihr erstrahlte in grellen Farben als Engel in den Astralraum überwechselte um die Verletzungen zu analysieren.
Engel hatte für ihr Alter bereits einiges über magische Heilung gelernt, aber die Verletzungen der Trollin waren so schwer und vor allem zahlreich, dass sie ihr ganzes Können unter Beweis stellen musste.
Während sie den Körper der jungen Metafrau im Astralraum askennte legten ihre Hände Foki und Talismane auf die schwersten Verbrennungen und auch die tiefsten Wunden während ihr Mund leise eine Litanei einer außerhalb hermetischer Kreise längst vergessenen Sprache rezitierte.
Die elfische Magierin umgarnte die bereits fliehende Seele mit starken nichtweltlichen Banden, aber je mehr sie versuchte ihre Patientin am Leben zu erhalten, desto mehr schwarze Stellen erschienen in der sterbenden Aura.
Irgendwo in Engels Kopf flüsterte ihr die leise Stimme der Vernunft zu, das es zu spät war, der Blutverlust zu hoch und die Schäden an lebenswichtigen Organen zu zahlreich.
Irgendwo in ihrem Kopf wusste die Magierin, dass sie einen aussichtslosen Kampf gegen den Tod führte, der sein Opfer bereits in seinen Klauen hielt.
Aber sie wollte nicht aufgeben, wollte nicht zugeben dass sie machtlos war.
Sie war eine elfische Magierin. Eine Hermetikerin mit für weltliche Wesen unvorstellbaren Kräften.
Wieder versuchte sie mit einem Heilspruch eine der tiefen Wunden im Brustbereich der Trollin zu behandeln als es passierte.
Die geschundene Seele riss sich von ihren Fesseln, die sie im Diesseits hielten los und floh mit einem den Astralraum erschütternden Schrei in eine hoffentlich bessere Welt.

Für die Beobachter der Szenerie schienen die Sekunden zu Minuten und dann zu Stunden zu werden.
Eine nervöse Stille hatte sich über den Jugendraum gelegt, welche nur von den sich immer wiederholenden Worten Engels unterbrochen wurde.
Alle blickten wie gebannt auf die Elfin und die am Boden liegende Trollin.
Wolf kannte die Prozedur, hatte sie schon etliche Male bei Engel und noch wesentlich häufiger bei anderen Magiern und Schamanen auf und besonders nach Runs gesehen, wenn sie versuchten Teammitglieder am Leben zu erhalten bis man den Straßendoc erreicht hatte.
Immer wieder leuchteten Engels Hände auf wenn sie versuchte eine der zahlreichen Wunden am Körper der Trollin zu versorgen, aber allein die immer größer werdende Blutlache am Boden der Bar zeigte ihm, dass seine Lebensgefährtin sich selbst etwas vor machte.
Die junge Metamenschen Frau würde die nächsten paar Minuten nicht überleben, egal wie viele Heilzauber auf ihren geschundenen Körper gewirkt wurden.
Mit einem Mal überschlugen sich die Ereignisse.
Die Trollin richtete ihren Oberkörper mit einem lauten Stöhnen auf, die Augen weit auf gerissen, die riesigen Hände wie zur Abwehr eines Angriffes erhoben. Gleichzeitig sprang Engel auf die Füße und taumelte einige unbeholfene Schritte rückwärts, bevor sie ohne einen Laut von sich zu geben einfach zusammen brach.
Die Umherstehenden waren so geschockt, das niemand sie auffangen konnte.
Selbst Wolf wurde von der heftigen Reaktion überrascht.
Nur Sekundenbruchteile vergingen, dann brachen die Augen der Trollin und das Stöhnen verwandelte sich kurzfristig in ein ersticktes Gurgeln, bevor es ganz erstarb und der Körper in sich zusammensackte.
Der Orksamurai, der hinter der Toten kniete, fing den Körper ein weiteres Mal an diesem Abend auf und ließ ihn sanft zu Boden gleiten.
Noch während Gromo und das Decker-Pärchen Racker und Stute betroffen auf die noch immer blutende Leiche starrten, eilten Wolf und Spliff zu Engel.
Die elfische Magierin war auf dem Rücken aufgeschlagen und schien am ganzen Körper zu zittern, wie Wolf das von einem spastischen Anfall kannte, den er einmal bei einem Patienten nach einer missglückten Cyberware-Implantation gesehen hatte.
Ihre Augen waren weit aufgerissen und ihr Mund wie zu einem stummen Schrei geöffnet.
Er ging in die Knie und bettete ihren Kopf in seinem Schoß, während Spliff einige der Umherstehenden mit wilden Gesten und Flüchen davon scheuchte.
„Engel, es ist alles in Ordnung, Ich bin da. Niemand kann dir etwas tun. Beruhige dich.“
Er versuchte seine Gedanken ruhig klingen zu lassen, ihr das Gefühl zu vermitteln das er sie beschützte, und tatsächlich ließen die Krämpfe und unkontrollierten Zuckungen kurz darauf etwas nach.
Auch die Gesichtszüge entspannten sich, aber das Grauen, das Wolf in ihren Augen gesehen hatte, blieb.
„Ich habe es gesehen!“
Ihre Worte waren wie ein Flüstern, selbst für Wolf kaum hörbar.
„Ich habe es gesehen. Überall Feuer...und Blut.“
Sanft strich er ihr eine blonde Strähne aus dem Gesicht.
„Es ist in Ordnung Engel. Beruhig dich.“
Ihre Worte ergaben für ihn keinen Sinn, wahrscheinlich war sie einfach durch das Wirken der verschiedenen Heilzauber und den plötzlichen Tod ihrer Patientin nicht ganz bei sich.
„Ich habe es gesehen! Sie ist das letzte Kind. Das letzte von Benjis Kindern.“
Bei der Erwähnung des Schiebers horchten die Massenheim Youngsters auf.
Spliff und Gromo wie auch Stute und Racker traten näher an die immer noch am Boden liegende Engel heran.
Der Teamleader beugte sich zu der elfischen Magierin hinab und blickte ihr in die Augen.
„Was ist mit Benji? Er hatte nie Kinder. Und schon gar keine Trolle.“
Aber Engel schien Spliff gar nicht wahr zu nehmen.
„Die Kinder sind verbrannt und der Vater ist ermordet!“

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14.08.2010 23:58 Taras Amaris ist offline E-Mail an Taras Amaris senden Beiträge von Taras Amaris suchen Nehmen Sie Taras Amaris in Ihre Freundesliste auf
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Eine betretene Ruhe war in den Jugendraum eingekehrt nachdem die meisten der Gäste gegangen waren.
Nur noch die Massenheim Youngsters, die Schlipstreter sowie Puppe und ihr Mitarbeiterstab, der aus der in die Jahre gekommenen Ork-Klaue und zwei jungen Kellnerinnen bestand, verteilten sich noch über zwei große, sich gegenüberstehende Couchgarnituren der Bar.
Zusammen hatte man die Leiche der Trollfrau zum örtlichen Friedhof gebracht und dort begraben.
Seit es in der ADL die ProDeps gab, privatisierte Leichenentsorgungsunternehmen, und die Regierung ein Gesetz zum Schutz des sowieso schon verseuchten Grundwassers erlassen hatte, welches die Beisetzung von nicht eingeäscherten Leichen verbot, lag das Gelände brach, aber Spliff hatte Wolf anvertraut, das die verbliebenen Einwohner Massenheims ihre Toten immer noch hier zur letzten Ruhe betteten.
Nachdem man diese unangenehme Angelegenheit hinter sich gebracht hatte, fühlte Puppe sich genötigt den Anwesenden noch ein Bier auf Kosten des Hauses zu offerieren, was auch gerne angenommen wurde und so saßen die etwas in die Jahre gekommenen Youngsters den Schlipstretern gegenüber, wobei Puppe darauf achtete das keine Themen zur Sprache kamen, die einen Streit hätten auslösen können.
Was den Youngsters sehr entgegen kam.
Man hatte das wirre Gerede von Engel überprüft und Puppes Kontakte bestätigten das Benjis Hauptquartier in dem brachliegenden Industriegebiet Hochheims lichterloh brannte.
Dutzende Feuerwehreinheiten und noch viel mehr Cops waren auf dem Gelände, was genaue Informationen natürlich unmöglich machte, aber Gerüchte besagten, dass es ein Massaker unter den Kindern des Zorns, Benjis Privatarmee, gegeben hatte.
Über die Angreifer war bis jetzt nur bekannt, dass sie offenbar mit Hubschraubern und Limousinen angerückt waren, was eine rivalisierende Gang oder einen der kleineren Schieber ausschloss.
Über solche Ressourcen verfügten nur der Staat oder aber die Konzerne.
Engel hatte sich mittlerweile etwas erholt und blickte nun schon seit Minuten mit leeren Augen an die Decke.
Racker nutzte unterdessen den Matrixeingang des Jugendraumes um die virtuelle Welt nach weiteren Informationen abzusuchen, während Spliff dabei war einen Joint nach dem anderen zu drehen und dann zu rauchen.
Die Farbe war aus seinem Gesicht entwichen und die Nervosität war ihm trotz der Drogen deutlich an zu sehen.
„Ich versteh echt nich wie das passieren konnte. Hab schon oft Leute geheilt und ein paar sin dabei auch über die Klinge gesprungen. Aber so nen Dreck hab ich echt noch nie erlebt.“
Ohne ihren Blick von der Decke ab zu wenden hob Engel die Bierflasche an die Lippen und ließ ihre Worte auf die Anwesenden wirken.
Engel hatte erzählt, dass sie verschwommene Visionen erlebt hatte, kurz bevor die Seele der Trollin ihr entwichen war.
Sie hatte wie durch die Augen der Metafrau gesehen wie die Feuerelementare unter den Gangern gewütet hatten. Wie die Schlipse aus den gepanzerten Limousinen das Feuer eröffnet hatten und auch wie irgendwann das ganze aus den Fugen geraten war als Hubschrauber ganze Einsatzteams in schwarzen Gefechtsanzügen abgesetzt hatten. Von Engel wussten die Anwesenden auch das es sich um zwei verfeindete Gruppen Angreifer gehandelt hatte.
Die Schlipse und die Einsatzteams hatten sich gegenseitig und die Reste der Kinder des Zorns mit Schmerz und Tod überschüttet.
Etwas hatte Engel jedoch nur den Mitgliedern des Teams leise zugeflüstert.
Die Einsatzteams hatten die gleichen Gefechtsrüstungen getragen wie die Unbekannten, die den Überfall auf den Transport des frankfurter Schiebers zu einem Fiasko hatten werden lassen. Damit stand für die Youngsters fest, was sie ohnehin bereits vermutet hatten.
Zwei Parteien waren auf den Inhalt der beiden Metallkoffer scharf gewesen.
Und waren es offensichtlich noch immer. Sie hatten den Auftraggeber des Überfalls ausfindig gemacht und Benji dann einen Besuch abgestattet.
Sie hatten jedoch nicht mit der ausgeprägten Paranoia ihres Freundes gerechnet.
Der Überfall hatte sich in eine ausgewachsene Schlacht verwandelt und als dann auch noch die zweite Partei auf dem Spielfeld erschienen war, hatte das Chaos die Regie übernommen.
Die Youngsters waren sich einig, dass Benji den Angriff wohl nicht überlebt hatte.
Er hätte sich sonst wohl schon bei ihnen gemeldet.
Das er das Team verrate hatte war ebenfalls unwahrscheinlich.
Die beiden Parteien hätten Massenheim wohl nur wenige Minuten später einen blutigen Besuch beschert.
Spliff hatte wieder einen Joint fertig gestellt und wollte ihn direkt anzünden, als ihm einfiel, dass er sein letztes Streichholz bereits bei seinem vorherigen Rauchwerk aufgebraucht hatte.
Nervös, den Joint zwischen den Zähnen, klopfte er die Taschen seiner Weste ab, als sich einer der Ganger aus den Reihen der Schlipstreter löste, sich von der Couch erhob und routiniert ein Benzinfeuerzeug aufklappte und Spliff die Flamme entgegen hielt.
Dankbar nickend beugte sich der Teamleader vor und entzündete sein Rauchwerk an der Flamme wobei er den Rauch tief in seine Lungen zog.
Nachdem er sich wieder zurück gelehnt hatte, klappte das Gangmitglied sein Feuerzeug wieder zu und ließ sich auch wieder auf die abgewetzte Garnitur fallen.
Wolf kannte den jungen Menschen nicht, aber im Vergleich zu den anderen machte er zumindest den Eindruck etwas auf dem Kasten zu haben.
Er schätzte seinen Gegenüber auf vielleicht 15 Jahre und knappen 1,70 Metern Größe. Das schmale Gesicht wurde durch eine lange Messernarbe über das linke Auge nicht wirklich entstellt, sondern verlieh ihm eine eher interessante Note.
Offensichtlich hatte der Ganger das Auge Aufgrund der Verletzung verloren, denn ein azurblauer Cyberersatz glänzte an der Stelle, die auf der anderen Seite des Gesichts von einem grauen, biologischen Auge eingenommen wurde.
Die dunkelblau gefärbten Haare des Gangers hatte dieser zu einem eleganten Zopf zusammen gebunden, was die ebenfalls blau gefärbten Augenbrauen und das dazugehörende Piercing in blau lackiertem Stahl über dem natürlichen Auge betonte. Eine Tätowierung in Form eines Tribals zog sich von einer Stelle hinter seinem linken Ohr über den Hals nach unten und verschwand unter dem Kragen seines schwarzen Kapuzenpullis, der von einer blauen Bomberjacke fast verdeckt wurde.
Weite, schwarze Jeans und ebenfalls schwarze Springerstiefel mit blauen Schnürsenkeln machten den Eindruck eines heranwachsenden Straßensamurais komplett.
Der Junge wusste, wie man sich in Szene setzte und obwohl Wolf das immer für Möchtegern Getue gehalten hatte, so musste er doch zugeben, dass es wirklich manche Herr Schmitts, also Auftraggeber für Shadowruns gab, die sich von solch einer Show beeindrucken ließen.
Was den jungen Straßensam noch von den übrigen Gangern unterschied, waren seine flüssigen Bewegungen, die einem geübten Beobachter wie Wolf sagten, dass er verchippt war, sowie den wirklich teuer aussehenden Schmuck den er zur Schau trug.
Drei goldene Ringen an der linken Hand, zwei weitere an der rechten, sowie eine massive Panzerkette aus dem selben Material funkelten im diffusen Licht der Bar und machten deutlich, dass der Träger nicht nur Geld hatte, sondern sich auch nicht scheuen musste, dies offen zu zeigen.
Innerlich revidierte Wolf seine Meinung, die er sich über die Schlipstreter als Gang gemacht hatte.
Einige ihrer Mitglieder schienen nicht bloße Randalekids und Squatter zu sein.
Ganz im Gegenteil.
Dieser Typ machte trotz seines geringen Alters den Eindruck als wäre er ein verdammt harter Brocken.
Gerade als Wolf die Gang weiter mustern wollte, blickte die kleine Punkgöre, die sich zu Beginn des Abends mit Engel angelegt und nun eine Position auf der Lehne der Couch, weit entfernt von der elfischen Magierin eingenommen hatte, von ihrer Flasche auf und zu den Youngsters hinüber. „Manchmal passiert es, dass ein Spruchschleuderer, der gerade versucht eine Seele auf dieser Seite zu halten, in dem er die Wunden des Kadavers mit seinem Juju behandelt, den letzten Aufschrei des Lebens durch die Verbindung zu Körper und Geist des Sterbenden praktisch miterlebt.“
Entgeistert starrten alle Anwesenden das junge Mädchen an, welches gerade einen tiefen Schluck aus seiner Soybierflasche nahm und dann wieder betreten zu Boden blickte.
Selbst Engel konnte einen fragenden Seitenblick nicht zurück halten, aber die dunkle Gestalt schien nicht gewillt zu sein, dieses Thema zu vertiefen.
Erst auf ein tiefes Räuspern der Barbesitzerin hin legte das junge menschliche Mädchen mit den pechschwarzen Haaren und den pink leuchtenden Strähnen den Kopf in den Nacken, schloss die Augen und zog die Stirn in Falten als müsse sie angestrengt nachdenken.
„Als die Schwester hierher kam wollte sie uns mitteilen, was bei Benji passiert ist. Wahrscheinlich hat sie es nur deshalb geschafft, weil sie dieses Ziel vor Augen hatte, aber als sie dann eintraf verließen sie ihre Kräfte.“
Sie machte eine kurze Pause, bevor sie in einem noch leiseren Tonfall als zuvor weiter sprach. „Ihr Geist wollte uns unbedingt mitteilen, wer ihr das angetan hatte, aber ihr Körper hatte einfach schon aufgegeben. Als du sie behandelt hast, warst du in dem Moment mit ihr verbunden als sie starb und ihre Seele, nun von dem Körper befreit, der sie daran gehindert hat ihre Botschaft zu überbringen hat dich mit der ganzen Geschichte bombardiert. Dafür gibt es auch einen Fachbegriff den ihr hermetischen Magier benutzt, aber ich habe keine Ahnung wie der lautet. So jetzt ist fertig!“
Mit einem Ruck zog sie ihren Kopf wieder in Normalposition und öffnete die mit Permanent-make-up schwarz umrandeten Augen.
Wolf war beeindruckt.
Für ein Mädchen von vielleicht 16 Jahren war die Kleine wirklich nicht auf den Kopf gefallen und konnte sogar auf die Gossensprache verzichten, wenn es unbedingt sein musste.
Auch Engel schien ihre Meinung über die Punkgöre noch einmal zu überdenken, ließ sich dass jedoch nicht anmerken.
Während sie sich die Schläfen massierte blickte sie immer wieder kurz zu der jungen Gangerin hinüber.
„Und was für einer Tradition folgst du? Dass du für die hermetischen Magier nicht viel übrig hast hab ich schon selbst rausgefunden, aber für eine Schamanin trägst du definitiv zu wenig Krimskrams mit dir herum. Die sehen doch meistens aus wie ein ganzer Taliskrämerladen. Sprichst du also aus eigener Erfahrung oder ist das ganze nur leeres Geschwafel von einem kleinen weltlichen Mädchen dass sich wünscht es wäre Karl Combatmage?“
Wieder wurde es in der Runde still, denn jeder erwartete einen Wutausbruch der jungen Gangerin als Reaktion auf diese kaum versteckte Beleidigung.
Die Sekunden erschienen Wolf wie Minuten, aber weder in den leeren Augen der Angesprochenen noch in ihrer Haltung änderte sich etwas.
Sie war noch immer völlig entspannt als sie auf die Frage antwortete.
„Du hast völlig Recht Hermetikerin. Ich gehöre weder zu deiner Tradition noch lasse ich mir von einem Totem vorschreiben was ich zu tun oder zu lassen habe. Ich bin das was man eine moderne Hexe nennt. Und bevor du fragst, nein, ich habe keine Kristallkugel und ich kann dir deine Zukunft auch nicht aus der Hand lesen. Ich reite nicht auf nem blöden Besen oder tanze in der Walpurgisnacht nackt um ein Feuer. Meine Magie funktioniert einfach nur anders als deine.“
Für eine Sekunde sah das junge Mädchen der elfischen Magierin direkt in die Augen.
„Aber ich kann dir garantieren, dass sie genau so effektiv ist wie deine. Vielleicht noch nicht ganz so mächtig, aber trotzdem wirkungsvoll.“
Wieder senkte sich Stille über den Raum, während die kleine Punkgöre einen weiteren Schluck aus ihrer Soybierflasche nahm und Engel die Massage ihrer Schläfen weiterführte.
Einige leise Klicklaute ließen Wolf seine Aufmerksamkeit auf das Deckerpärchen richten, das in einer Ecke des Jugendraumes bis jetzt nur durch vereinzelte Tastaturanschläge aufgefallen war. Racker war gerade dabei sich aus der Matrix aus zu stöpseln, genau wie seine Partnerin Stute. Ihre Gesichter trugen eine Maske aus Trauer und Wut zur Schau.
„Benji iss Geschichte. Die Cops haben seine Leiche zusammen mit denen von T-Bone, D und Aggro in dem abgefackelten Hauptquartier gefunden.“
Racker packte sein Cyberdeck zusammen und hängte es dann in die Halterung auf seinem Rücken. Stute folgte seinem Beispiel.
„Wir haben die Infos direkt aus dem Polizeicomputer in Wiesbaden. Die haben über vierzig Leichen von dem Gelände gesammelt. Muss ein drecks Blutbad gewesen sein.“
Die beiden Decker kamen langsam auf die Couch zu, auf der ihnen sofort Platz gemacht wurde und setzten sich dann nebeneinander.
„Sie haben keine Ahnung wer dahinter stecken könnte. Offiziell wird man es auf einer Pressekonferenz morgen früh als massive Auseinandersetzung zwischen zwei Gangs bezeichnen und den zerstörten Helikopter und die beiden ausgebrannten Limousinen einfach verschweigen.“ Racker nahm dankbar das von Puppe angebotene Soybier entgegen während er sprach.
„Es wird keine weiteren Ermittlungen geben, da weder ein Konzernangehöriger noch jemand mit ner SIN gegeekt worden iss, und auch der Sachschaden durch das Feuer sich auf wertlose Abrissgebäude und leer stehende Lagerhallen beschränkt.“
Traurig senkte der Decker den Kopf und öffnete die Flasche mit einer langsamen Bewegung. „Am Arsch! Massive Auseinandersetzung zwischen Gangs. Keine Gang inner Gegend hätte sich mit den drecks Kindern des Zorns angelegt. Mal ganz zu schweigen davon das sich keine der Gangs Limos und Luftunterstützung leisten könnte.“
Der Ganger mit der Vorliebe für die Farbe Blau war aufgesprungen und hatte die Worte in Richtung des Deckerpärchens gebrüllt, was ihm todbringende Blicke der restlichen Youngsters einbrachte.
Stute war die erste, die auf den Ausbruch reagierte.
„Das hat Racker auch nicht behauptet. Wir alle wissen, dass diese Geschichte gequirlter Dreck ist, den sich die Cops ausgedacht haben. Wahrscheinlich werden ein paar hohe Tiere geschmiert oder es ist ihnen einfach egal was mit ein paar Sinlosen passiert iss.“
Sie brüllte ihre Entgegnung in Richtung des Gangers, während sie krampfhaft darum bemüht war nicht in Tränen auszubrechen.
Mit einem Mal brannte die Luft zwischen den beiden Gruppen.
Neben den Ganger in Blau trat ein weiterer Norm in wahrscheinlich dem selben Alter und einer ähnlichen Statur. Er hatte weiße Augenbrauen unter denen unruhige blaue Augen funkelten. Auf dem Kopf verdeckte ein schwarzes Bandana seine Haare und ein Wangentatoo mit dem japanischen Zeichen für Krieg machte deutlich, dass dieser Junge es ernst meinte, wie Wolf unschwer erkennen konnte.
Jedes seiner Ohrläppchen trug einen Ohrring mit einem Diamantenimitat und eine silberne Panzerkette schloss bündig mit dem wohl ehemals weißen Muscelshirt ab.
Die versiffte blaue Baggi Jeans verdeckte die ebenfalls sehr vergammelt aussehenden Turnschuhe fast völlig.
„Ich fick dich, du verrapste Schnalle. Leg dich nich mit uns an, oder wir verscharren dich und deine Kumpels direkt neben der Trolltussi.“
Der Ganger sprach ein gut verständliches Stadtsprech, aber sein Akzent wies ihn als Kind von polnischen Einwanderern aus.
„Ach ja? Da bin ich aber wirklich mal gespannt drauf, Chummer!“
Gromo erhob sich nun zusammen mit Spliff von ihren Sitzgelegenheiten während Puppe nervös ihre Möglichkeiten eine Konfrontation zu verhindern überdachte.
„Ey yo! Halts Maul Gromo. Eure Zeit iss schon lange vorbei.“
Ein vielleicht siebzehn jähriger Ork mit selbst für diese Metarasse breitem Kreuz und massiven Muskeln, die sich unter seinem verdreckten orangenen Shirt wölbten, stellte bei seinem Aufstehen ein nervöses Psychogrinsen zur Schau, wobei er sich die kurzen, völlig zerzausten blonden Haare aus dem Gesicht wischte.
Der Möchtegern Gangboss Krissel wie auch seine Freundin wurden von der Gruppendynamik völlig überrollt.
Unsicher blickten sie abwechselnd zu Gromo und dann zu Wolf und schienen ihre Chancen in einem Kampf ganz ohne Waffen abzuschätzen.
In Anbetracht der wachsenden Chance einer Konfrontation erhoben sich nun auch Racker und Stute wieder von ihren Plätzen, zusammen mit Engel, die sich dabei jedoch auf der Lehne der Couch abstützen musste.
Im Gegensatz zu der kleinen Punkgöre, die gelassen sitzen blieb und die Situation offenbar erst einmal auf sich wirken ließ, gesellten sich nun noch zwei junge Normmädchen zu dem blauen Straßenpunk und seinem Bodyguard.
Die kleine, unterernährt wirkende Thailänderin mit den langen schwarzen Haaren, die mit blonden Strähnen durchzogen waren stellte sich in einer eher trotzig denn gefährlich aussehenden Geste mit geballten Fäusten neben den Bodyguard, während das etwas größer und besser gebaute osteuropäisch wirkende menschliche Mädchen mit dem extrem kurzen Rock und den hochhackigen Stiefeln im Nuttenstyle eine Position hinter ihrem Jungen in Blau einnahm.
Da Skelett immer noch im Land der Träume schlummerte sah es für die Youngsters nicht wirklich berauschend aus. Die Schlipstreter waren ihnen mit einem oder gar zwei Kämpfern überlegen, und Engel war zu geschwächt um eine wirkliche Hilfe zu sein.
Zwar konnte Gromo auch ohne Waffe eine mörderische Kampfmaschine sein, aber der ihm gegenüber stehende Ork war ein nicht zu unterschätzender Gegner.
Außerdem war er verletzt, genau wie Spliff, der sich gerade ein Blickgefecht mit dem angehenden Straßensam lieferte. Puppe und ihr Personal hatten sich von dem entstehenden Konflikt zurückgezogen und beobachteten die weiteren Geschehnisse aus sicherer Entfernung.
Wolf saß mit geschlossenen Augen auf der Couch. Er wartete auf den Befehl.
Sein Adrenalinpegel war bereits hochgefahren seit sich der Ork dem Streit um Nichts angeschlossen hatte.
Sein Körper war ziemlich geschwächt. Die Wunden, welche die Geschosse in seinen Körper gerissen hatten waren noch immer nicht verheilt und die von Doc Erdmann verordneten Pillen machten ihn träge.
Trotzdem war die Kampfmaschine bereit.
Und nicht nur dass, sie lief auf vollen Touren.
Sein biologisch verstärktes Gehirn hatte die Situation bereits erfasst. Der Typ in Blau und sein Partner waren die gefährlichsten Gegner. Sie befanden sich genau vor ihm, nur durch einen niedrigen Couchtisch aus verrostetem Metall von ihm getrennt.
Der Ork war das dritte Ziel. Er stand keine zwei Meter links von ihm.
Noch während die elfische Messerklaue über die anderen potentiellen Ziele nachdachte hörte er das befreiende Kommando in seinem Kopf.
„Keine Toten! Aber beende das hier.“
Engels sonst so sanfte Stimme war von Anspannung verzerrt, aber er hatte vor, diesen Umstand innerhalb weniger Sekunden zu ändern. Sein Fuß schoss nach vorne und verpasste dem niedrigen Tisch einen mächtigen Stoß, den dieser an die Schienbeine der beiden vor ihm stehenden Ganger weitergab.
Mit schmerzverzerrten Gesichtern und einem heulenden Ton, der an zwei verendende Kojoten erinnerte, nahmen die beiden Jungs wieder auf der Couch Platz.
Den Schwung des Tritts ausnutzend, katapultierte sich Wolf von dem Sofa, vollführte eine perfekte Rolle über den gefliesten Boden der Bar auf den Ork zu und hämmerte im hochspringen demselben die rechte Faust direkt in die verblüfft nach unten sehende Visage.
Noch während seine beiden ersten Ziele die Couch mit ihren Hinterteilen nicht einmal berührt hatten und der Ork mit ausgebreiteten Armen durch die Luft nach hinten segelte, vollführte der ehemalige Killer eine elegante 180 Grad Drehung, während der er die bösartig blitzenden Sporne aus den Knöcheln seiner rechten Hand fuhr.
Der immer noch in seiner sitzenden Position auf der Couch verharrende Gangboss Krissel blickte plötzlich in drei rasiermesserscharfe Klingen, die nur Millimeter vor seinem Gesicht in der Luft schwebten. Genau in diesem Moment landete der Ork stöhnend auf dem Boden und die beiden anderen Ganger fingen an, winselnd ihre Schienbeine zu umklammern.

Spliff konnte es einfach nicht glauben. Sein Chummer Wolf, schwer durch die Verletzungen mitgenommen und bis auf seine Sporne unbewaffnet, klärte die verfahrene Situation in wenigen Sekundenbruchteilen.
Nightwalker und Ronin, die beiden angehenden Straßensamurais saßen winselnd auf der Couch und umklammerten ihre Schienbeine, die eine unerfreuliche Bekanntschaft mit dem harten Stahl der Tischplatte gemacht hatten.
Psycho, der idiotische Ork, bekannt für seine unkontrollierten Gewaltausbrüche, dessen Auftreten allein in den meisten Fällen schon eine Konfrontation verhinderte, hielt seine Hände schützend vor sein demoliertes Gesicht während er im Sekundentakt Zahnsplitter und helles Blut auf den Boden spuckte und sich auf den Spiegelfließen der Tanzfläche vor Schmerzen krümmte.
Die Freundinnen der kampfunfähig auf der Couch vor sich hin jammernden Schlipstreter waren von dem blitzartigen Angriff so überrascht worden, dass sie nur mit offenem Mund die lauernde Kampfmaschine betrachteten, welche ihren Anführer gerade mit drei tödlich schimmernden Stahlklingen von jeder unbedachten Bewegung abhielt.
Kein Anzeichen von Erschöpfung zeigte sich auf Wolfs Zügen. Kein Tropfen Schweiß bedeckte seine Stirn.
Wie ein Standbild war die Killermaschine in der Bewegung erstarrt und schien auf weitere Befehle zu warten.
Aber Engel schien mit dieser Entwicklung bereits zufrieden zu sein. Ihr Dämon hatte die weltlichen Bedrohungen für die Youngsters unter Kontrolle und sie selbst hatte die junge Hexe fest im Blick, pulsierend glühendes Feuer in jeder ihrer zierlichen Hände. Sogar die scheinbar sonst unbelehrbare Pink schien von dieser Machtdemonstration geschockt zu sein.
"Ich werde das jetzt nur einmal sagen und ich hoffe wirklich das alle Anwesenden gut zuhören, denn ich werde es nicht wiederholen. Wolf und ich gehören zu den Massenheim Youngsters. Jeder der das Team angreift, greift damit auch uns an und muss damit rechnen auf schnellstem Weg gegeekt zu werden."
Ihre grünen Augen funkelten über die Schlipstreter und ihre Stimme hatte die Temperatur von Eis erreicht. Sie wollte ihre Ansprache gerade fortführen als die Situation grundlegend verändert wurde.

"Guten Abend die Herrschaften. Ich hoffe doch ich komme nicht ungelegen."
Christian zeigte sein höflichstes Lächeln. Er stand mit vor dem Schritt gefalteten Händen mitten im Eingangsbereich des Jugendraums, seine elegante, in dunklen Tönen gehaltene Kleidung im neusten Chic italienischer Modeschöpfer bildete einen massiven Kontrast zu der heruntergekommenen Kulisse der Bar, während das eloxierte Material der teuren Sonnenbrille immer neue Lichtblitze durch das Halbdunkel warf.
Er war sich seiner Erscheinung durchaus bewusst und beabsichtigte den Überraschungsmoment für sich zu nutzen.
"Ich darf mich vorstellen, mein Name ist Monsineure Sandvoss."
Geschmeidig schlenderte er zu der Bar, ohne jedoch die Szenerie vor sich aus den Augen zu lassen.
"Gnädigste, dürfte ich Sie um ein Bier bitten, ich habe eine lange Reise hinter mir und bin wirklich durstig."
Langsam ließ er sich auf einen der Hocker vor der Bar sinken während Puppe ihn entgeistert anstarrte.
"Echt? Is mir eigentlich absolut scheißegal du Drekhead. Wie kommst du durch ne verschlossene Stahltür ohne sie in die Luft zu jagen?"
Innerhalb von Sekunden hatte die Barbesitzerin ihre Fassung wieder zurück gewonnen.
Und sie wollte offensichtlich einige Antworten, was sie sehr deutlich mit einer tödlich blitzenden Kleinkaliberpistole unterstrich welche sie ihm provokativ ins Gesicht hielt.
"Du solltest die Kanone lieber runter nehmen, Puppe. Seine Aura strahlt wie nen dreks Atommeiler! Er hat genug magischen Schutz um sich hochgezogen um ne Panzergranate abzuwehren. Dein Spielzeugknarre könnte ihm höchstens schaden wenn er sich darüber tot lacht!"
Engel hatte sich von den Schlipstretern weggedreht um ihn im Blick zu haben.
In ihren Händen knisterte immer noch das magische Feuer.
Auch der Rest der Anwesenden wandte sich nun dem Eindringling zu.
Christian atmete innerlich tief durch.
Beruhigend hob er die Hände in einer beschwichtigenden Geste, bevor er sprach.
"Wie Engel bereits sagte, diese Waffe kann mir nicht schaden, sie macht mich jedoch trotzdem nervös. Ich wäre ihnen also sehr dankbar wenn sie aufhören würden damit auf mich zu zielen. Was ihre Frage angeht, nun ja, auch in diesem Fall hat Engel die Antwort bereits geliefert. Ich bin Magier, habe einen Levitationsspruch auf mich angewendet und bin über die Außenfassade auf den Balkon gelangt. Von dort aus war es sehr einfach einen meiner astralen Helfer zu bitten, mir die Hintertür zu öffnen. Ihre weltlichen Sicherheitsvorkehrungen sind sehr gut für eine Bar, aber was die Magische angeht, na ja, da haben sie wohl noch ein wenig Nachholbedarf, meine Teure."
Entwaffnend lächelte er die Barbesitzerin wieder an, bis sie ihm einen entnervten Blick zuwarf und die Waffe sinken ließ.
Er registrierte jedoch, dass der alternde Ork neben der jungen Dame nun eine gefährlich aussehende Schrotflinte schussbereit in seinen Pranken hielt.
In seinen Gedanken ging er noch einmal die Dossies durch.
Die Magierin Engel und der Killer Wolf waren anwesend. Das Deckerpärchen Stute und Racker ebenfalls, genau wie der Muskelberg Gromo und der kleinwüchsige Mensch Spliff. Skelett, der Rigger der Gruppe, schien betrunken mit dem Kopf auf dem Tresen zu schlafen.
Somit waren die Massenheim Youngsters komplett.
Die andere Gang war für ihn, genau wie die Besatzung der Bar, nicht relevant.
Seine Zielpersonen waren hier. Seine Kontakte hatten wie immer gute Arbeit geleistet.
"Zunächst möchte ich sie alle beruhigen. Ich gehöre nicht zu den Exekutivorganen dieses Staates und möchte auch keinen Ärger provozieren. Ich bin lediglich hier um eine gepflegte Konversation zu betreiben und vielleicht einige Antworten auf Fragen zu erhalten die mich sowie meine Auftraggeber brennend interessieren."
Christian nickte dankbar in Richtung der Barkeeperin namens Puppe, die ihm eine Plastflasche Bier über den Tresen schob. Zum ersten mal seit er die Bar betreten hatte, sah er ein Lächeln auf den Zügen der Besitzerin, welches jedoch sofort wieder verschwand, als er die Flasche entgegennahm und die Öffnung mit einem schneeweißen Taschentuch abwischte.
"Deine Auftraggeber ham nich zufällig unseren Chummer Benji gegeekt?"
Der Ork namens Gromo schob sich schützend zwischen Spliff, die beiden Decker und Christian. Auf der anderen Seite der Tanzfläche rückte auch die Kampfmaschine Wolf näher an ihn heran. Ihm wurde klar, dass seine nun folgenden Antworten massiv sein Weiterleben in der 6. Welt beeinflussen würden.
Die Kampfmagierin Engel hatte einen Feuerball vorbereitet und wartete offensichtlich nur auf ein Anzeichen von Aggression um ihm diesen entgegenschleudern zu können.
Die junge Hexe auf der Couch hatte ebenfalls einen Kampfzauber in der Hinterhand, was ihm ein kurzes askennen ihrer Aura offenbarte.
Im Normalfall wären diese beiden Frauen keine Gegner für ihn gewesen, genau so wenig wie der Rest der Gruppe, aber die Kampfmaschine mit der schwarzen Aura würde in einem Kampf seinen sicheren Tod bedeuten.
Seine Kontakte hatten Christian glaubhaft versichert, dass Wolf der Sensenmann in Person war. Er hatte es nicht geglaubt, bis er ein Holovid gesehen hatte, dass die Messerklaue im Kampf gegen einen Erdelementar gezeigt hatte.
Die Aufzeichnung der Sicherheitskamera war entstanden, noch bevor Wolf das russische Syndikat verlassen hatte.
Christian würde nie die unirdischen Schreie des Elementars vergessen als die elfische Kampfmaschine das magische Wesen mit seinen Spornen vernichtet hatte.
Er würde nie den unmöglichen Ausdruck des Hasses in dem Gesicht des Killers vergessen. Niemals.
Er war sich sicher, dass dieser Elf auch seine hervorragenden Sicherheitsbarrieren überwinden und ihn in der Luft zerreisen würde.
"Nein. Wir haben mit dem Ableben ihres Freundes nichts zu tun. Wir sind jedoch der Ansicht, dass die Leute, die ihren Freund auf dem Gewissen haben genau die sind, hinter denen auch wir her sind. Aus diesem Grund bin ich hier. Ein Austausch von Informationen könnte uns allen helfen."
Christian nahm einen tiefen Schluck aus der Flasche und genoss das kühle Bier.
Verwundert bemerkte er, dass es sich nicht um billiges Soy-Gebräu handelte sondern ein echtes Hopfen-Malz-Quellwasser-Bier aus deutscher Produktion war.
Er hatte die Bar offensichtlich falsch eingeschätzt.
Wolf und Gromo hatten sich ihm bis auf wenige Meter genähert als Spliffs ruhige Stimme aus dem Hintergrund ihrer bedrohlichen Annäherung ein aprubtes Ende setzte.
"Lasst ihn sprechen. Wir benötigen Informationen über unseren Gegner, und er scheint welche zu besitzen."

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14.08.2010 23:59 Taras Amaris ist offline E-Mail an Taras Amaris senden Beiträge von Taras Amaris suchen Nehmen Sie Taras Amaris in Ihre Freundesliste auf
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