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Zum Ende der Seite springen Guncross Perry Rhodan
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Guncross Perry Rhodan Auf diesen Beitrag antworten Zitatantwort auf diesen Beitrag erstellen Diesen Beitrag editieren/löschen Diesen Beitrag einem Moderator melden       Zum Anfang der Seite springen

Guncross - Bedrohung vom Mondhimmel
von Alexander Kaiser

Prolog:
"Fünf Uhr, schräg von oben!", klang Perry Immortal Rhodans Warnruf in Reginalds Ohren auf. Der junge Pilot zog seinen Mark XII-Kampfroboter sofort durch einen kräftigen Stoß der Beindüsen aus dem jetzigen Kurs, und damit aus der tödlichen Schussbahn des Angreifers. Es war ein Gorgone, die mittelschwere Variante, mit der die Fantan-Leute versuchten, die Erde zu erobern und zu versklaven. Reginald The Bully Bull zog das Fadenkreuz über die ihn passierende Maschine, und sandte ihr eine volle Raketensalve hinterher. Vier von sechs trafen den Mecha wie die Faust eines Titanen und wirbelten ihn aus dem Kurs. "Du fliegst nicht mehr zum Mond!", rief Bull und setzte mit dem schweren Laser im rechten Arm nach. Der Lichtbolzen schlug durch den nun ungeschützten Torso, traf die Energiespeicher und ließ die außerirdische Konstruktion explodieren.
"Danke, Alter."
"Ist in Ordnung", erwiderte Perry Rhodan. "Du rettest mir ja auch andauernd das Leben."
"Man muss wohl der zweitbeste Pilot der Erde sein", klang die Stimme von Michael Predator Freyt auf, "wenn man sich in einem Kampf auf Leben und Tod ein Privatschwätzchen leisten kann."
"Nur kein Neid, Mike, nur kein Neid", erwiderte Rhodan spöttisch, und fertigte seinen eigenen Gegner ab, einen schweren Mecha der Scylla-Klasse. Die Maschine detonierte noch in der Luft, nachdem der beste Pilot der US Space Academy mit ihm fertig war.
Es war nicht geplant gewesen, dass die halbwüchsigen Kadetten der Space Force in diesen Angriff einbezogen werden sollten; sie hatten wie immer nur die Reserve stellen sollen. Und wie immer waren die regulären Piloten irgendwann von den Hermii, den Gorgonen und den Scyllas teils überwältigt, teils passiert worden. Wieder einmal hatten die elitären Piloten der Kadettenschule eingreifen müssen. Ihre Jugend, ihre perfekte Eichung auf die Mark XII und ihre Reflexe, die jedem erwachsenen Piloten weit überlegen waren, machte sie zu den tödlichsten Gegnern am Himmel. Gelernt hatten ihre Gegner das noch nicht, sonst hätte sie längst begonnen, die Mechas der Kadettenschule zu meiden.
"Schaut mal, wir kriegen prominente Unterstützung", klang die Stimme von Conrad Sidewinder Deringhouse auf. Er markierte ein Radarsignal für seine Mitstreiter, das stetig auf das gegnerische Raumschiff zuhielt, welches als Träger für die Kampfroboter fungierte.
"Das ist der Tran-Atlan", sagte Bully beeindruckt. "Damit ist die Fregatte Geschichte."
"Abwarten", sagte Rhodan ernst. "Wir räumen hier auf, und dann bieten wir dem Tran-Atlan unsere Hilfe an."
Es war ein offenes Geheimnis, dass Perry den erklärten Retter der Menschheit, Captain Zoltral, nicht besonders mochte. Aber der Kadettenmajor war professioneller als mancher Berufssoldat und dachte zuerst an den Dienst, und danach erst an seine persönlichen Ressentiments.
"Hilfe?", fragte Rod Stonewall Nyssen amüsiert, während über ihnen das Symbol der Fregatte erlosch. "Wie willst du jemandem helfen, der alleine ein Kriegsschiff auseinander nimmt, Perry?"
"Nun, man kann hinter ihm aufräumen", erwiderte Rhodan und gab vollen Schub auf die Düsen.
"Da hat er auch wieder Recht. Ihm nach!", rief Freyt und jagte den Nachbrenner hoch, um dem besten Piloten der Space Force folgen zu können.
Es war eher selten, ging es Bully durch den Kopf, das sich Vergnügen und Rettung der Menschheit so wunderbar vereinten wie in diesem Fall. Wo stand auch geschrieben, das man keinen Spaß haben durfte, nur weil es um das zukünftige Schicksal von sechs Milliarden Menschen ging? "Hinterher, Jungs, oder die fangen ohne uns an!", rief er und beschleunigte ebenfalls.
Nyssen legte ebenfalls nach, was dazu führte, das der fünfte Pilot, Conrad Deringhouse, plötzlich viel Platz um sich herum hatte. "Wa-wartet, Jungs!", rief er hastig und gab Vollschub auf das Haupttriebwerk.
***
"Eine exzellente Leistung, Jungs", sagte Colonel McClears mit Stolz in der Stimme. "Die Nationalgarde und die Air Force sind stinksauer auf euch. Kein Wunder, Ihr habt nicht nur die achtzehn Mechas abgeschossen, die durch ihren Sperrriegel durchgebrochen sind, Ihr habt auch noch ihre Verteidigung geschlossen und den Hauptangriff abwehren geholfen. Und das von, ich zitiere: Ein paar grünen Kadetten, die noch Muttermilch saugen."
Die Kadetten, die vor dem stellvertretenden Akademieleiter der Space Force standen, grinsten von einem Ohr bis zum anderen. Eine gesunde Rivalität zwischen Army, Nationalgarde und der neu gegründeten Space Force war immer wünschenswert, weil dabei die Besten herauskristallisiert wurden. Ein Wettkampf wie die natürlich Auslese, bei dem die Fähigsten übrig bleiben würden. Und für den Kamp gegen die Fantan-Leute, die regelmäßig vom Mond aus angriffen, brauchten sie die Besten. Wenn Nationalgarde und Army wirklich derart an die Decke gegangen waren, dann mussten die fünf Kadetten der Space Force bei den Spitzenpiloten rangieren.
"Und das war der letzte Beweis, den wir gebraucht haben, meine Herren", sagte McClears, nun etwas zurückhaltender. "Ehrlich gesagt tut es mir weh, Sie fünf ziehen zu lassen. Aber das Leben geht nun mal weiter, und es bringt nun mal Veränderungen mit sich."
"Moment Mal, Sir", sagte Bull verdutzt. "Stimmt etwas nicht? Wurden wir entlassen? Versetzt? Haben wir etwas falsch gemacht?"
Die anderen Kadetten raunten leise. Nur Rhodan nicht. Er blieb stoisch, unerschütterlich, zeigte wie immer nicht was er dachte.
McClears lächelte nun wieder. "Versetzt trifft es, Bully. Ihr tretet noch heute euren neuen Dienst an, auf dem wichtigsten Flugfeld der Menschheit. Die UNTASO hat euch direkt angefordert, damit Ihr mit dem Tran-Atlan fliegt."
Eine bange Sekunde lang reagierten Freyt, Deringhouse, Nyssen und Bull nicht, doch dann machte sich der erste Jubel Bahn, und die vier Kadetten tanzten entgegen jeder Disziplin-Regel im Büro des Colonels. Nur Rhodan tanzte nicht. Aber das hatte John McClears auch nicht erwartet. Allerdings hätte er nicht gedacht, dass der junge Pilot auf diese Neuigkeit, auf diese einer Auszeichnung gleich kommenden Versetzung mit Ärger im Gesicht reagieren würden.
"Markham Fields. Der Tran-Atlan also", sagte er schließlich, und das dünne Lächeln das er nun zeigte, hätte einem schwächeren Mann als McClears Angst machen können. Dem australischen Stützpunkt, der wichtigsten Verteidigungsstellung der Menschheit, standen interessante Zeiten bevor.

1.
"Das ist es also", sagte Reginald The Bully Bull beeindruckt. Er beschattete seine Augen mit einer Hand und bestaunte den sonnenverbrannten Flughafen im Norden Australiens, auf dem die Militärmaschine ihn und die anderen vier Kadetten abgesetzt hatte. Er konnte sechs Mark XII-Kampfroboter erkennen, die in Staffelgröße über dem Gelände dahin zogen, bevor das Führungspärchen mittels der Nachbrenner im dunkelblauen Himmel verschwand. "Markham Fields. Unsere Fahrkarte direkt in den Weltraum."
"Du meinst wohl eher unsere Fahrkarte", stichelte Michael Predator Freyt. "Denn du bist mittlerweile so fett, dass dich kein Mecha vom Boden heben könnte."
"Das sind alles nur Muskeln", protestierte Reginald und biss trotzig in einen Schokoriegel. "Ich muss außerdem verdammt viel essen, um mein Gewicht zu halten."
"Jungs, das reicht jetzt", klang die mahnende Stimme von Perry Immortal Rhodan auf. Er war zwar nicht der Älteste der fünf Kadetten, aber seine Leistungen hatten ihm den Rang eines Kadettenmajors eingebracht. Keiner der anderen amerikanischen Nachwuchsoffiziere zweifelte daran, dass Immortal als erster aus ihrer Runde die begehrten Lieutenants-Streifen tragen würde. Perry deutete nach Süden, wo schemenhaft die Kaserne des Stützpunkts in der flimmernden Mittagsluft zu erkennen war. "Da kommen unsere Gastgeber."
Die Kadetten strafften sich, als sie die kleine Karawane an Jeeps sahen, die auf sie zugefahren kam. Die offizielle Standarte der UNTASO prangte auf der linken Seite, während rechts die Fahne Australiens im Fahrtwind wehte. Offizielle. UNTASO. United Nations Tactical Army for Space Operations. Sie hatten es geschafft. Hier, von den Markham Fields auf der nördlichsten Spitze des Bundesstaates Queensland, startete die absolute Elite der Erdverteidigung in relativer Nähe zum Äquator. Ab heute gehörten sie dazu.

Der Erste, der den vordersten Jeep verließ, war ein Hüne von Mann, der sogar Freyt noch weit überragte. Er trug keine Uniform, nur einen weißen Kittel. Und da drunter schien er ebenfalls nicht sehr viel anzuhaben, wie die Bambus-Schlappen vermuten ließen. Ihm folgten zwei hochrangige Offiziere. Der erste war General Leslie Pounder, der offizielle Oberkommandierende der UNTASO-Streitkräfte. Ihm folgte General Tai Tiang, die Nummer zwei der Organisation.
Dennoch ergriff der Zivilist zuerst das Wort. "Meine Herren", begann er, wobei ihm dabei beinahe ein mitleidiges Grinsen entglitt, als er die Halbwüchsigen als Herren bezeichnete, "willkommen auf Markham Fields, dem Ort, an dem sich die Hoffnungen der Menschheit konzentrieren."
"Guten Morgen, Sir!", erwiderten die Kadetten.
"Mein Name ist Doktor Peterson. Ich bin der zivile Leiter der Mission. Ich nehme an, General Tiang und General Pounder brauche ich nicht erst vorzustellen." Der Professor ging ein paar Schritte vor den Kadetten auf und ab. "Ihr fünf seid die besten Piloten, die unsere gute alte Erde zu bieten hat. Ihr seid in einem Alter, in dem eure Reflexe auf dem absoluten Höhepunkt sind, und Ihr habt in allen Gefechten mit dem Mark XII-Kampfroboter bewiesen, dass Ihr kämpfen könnt." Abrupt blieb er stehen. "Gentlemen, Ihr seid die Hoffnung der Menschheit gegen die Fantans!"
"Ja, Sir!", riefen die jungen Kadetten, und - wenn das möglich war - richteten sich noch ein wenig mehr auf.

Nun übernahm Tai Tiang das Wort. "Kadetten! Ihr seid die Besten eures Jahrgangs - und dies weltweit. Das ist nicht nur eine große Ehre, sondern auch eine große Verpflichtung, denn Ihr kämpft nicht nur für euch oder eure Heimatländer, sondern auch für jeden einzelnen jungen Piloten, der ebenso wie Ihr darum gekämpft hat, heute an dieser Stelle stehen zu dürfen. Ihr steht hier, und Ihr werdet schon bald mit euren Kampfrobotern in den Erdorbit starten, um unseren Heimatplaneten gegen die Fantans zu verteidigen. Dafür werdet Ihr nicht länger in den bewährten Mark XII-Exos fliegen; auf euch wartet unser allerneuestes Modell, der Atlan! Ihr werdet das Rückgrat der Erdverteidigung gegen die Bedrohung vom Mond werden! Entweder das, oder jämmerlich krepieren, was uns den bedauernswerten Verlust eines unserer kostbaren Atlan-Kampfroboter einbringen wird." Der Blick des schlanken Asiat ging über die angetretenen Kadetten. "Willkommen am größten Hort der Hoffnung, eurer persönlichen Hölle." Tai Tiang sah hinter sich. Leslie?"
Der große, pausbäckige Mann trat nun vor die Kadetten. "Meine Herren, ich stehe hier mit einem gewissen Stolz vor euch. Ihr seid alle Absolventen der US Space Force, und bestätigt damit unsere Auswahlkriterien und unser Training. Es steht außer Frage, dass die Welt in Zukunft nach unserem Konzept ausbilden, und etliche weitere, hoch qualifizierte junge Piloten produzieren wird. Bis es aber soweit ist, stehen Sie, meine Herren, zwischen der Menschheit und ihrer vollständigen Unterwerfung durch die Fantan-Leute." Er machte eine Pause und musterte die jungen Piloten lange Zeit. "Einige werden sich sicher schon gefragt haben, warum Sie nur zu fünft sind, eine Staffel Mechas aber aus sechs besteht. Nun, das hat einen simplen Grund: Sie werden alle unserem besten Piloten zugewiesen, als direkte Unterstützung. Sie alle werden Seite an Seite mit Captain Zoltral und dem Tran-Atlan kämpfen."
Diese Eröffnung ließ die jungen Piloten ihre Disziplin vergessen. Jeder, der einmal in seinem Leben überhaupt etwas von Mechas gehört hatte, der amerikanischen Mark-Serie, den chinesischen Yen-Lo-Wangs, den russischen Katjusha oder den europäischen Zeus-Modellen, kannte natürlich Name und Rang des absoluten Ass der UNTASO, jenes Piloten, der zusammen mit seinem unbesiegbaren Tran-Atlan in den letzten drei Jahren die Erde fast im Alleingang davor bewahrt hatte, von den Fantans erobert zu werden. Aufgeregt raunten und flüsterten sie miteinander. Alle bis auf Rhodan. "Disziplin!", sagte der junge Kadett halblaut und erinnerte die anderen vier wieder daran, wo sie waren. Und dass sie im Dienst waren.
Pounder lächelte unergründlich. "Was ich Ihnen jetzt präsentiere ist nicht einfach als Staatsgeheimnis zu deklarieren. Es ist mehr als das, viel mehr. Aber was soll ich lange Worte machen?" Er wandte sich nach hinten. "Thora, kommst du?"
"Sofort!", rief eine helle Mädchenstimme aus dem letzten Wagen. Dann erschienen zwei beachtlich lange Beine im Sichtfeld der Kadetten, die von einer reichlich hoch abgeschnittenen Jeans begrenzt wurden. Dem folgte ein durchgeschwitztes weißes Hemd, das über einer schmalen Mädchentaille zusammengebunden war. Den Abschluss bildeten grazile Arme, eine von dem Hemd nicht optimal bedeckte beachtliche Oberweite, ein entrückend schönes Mädchengesicht und ein Schwall weißblonden Haars. Das Mädchen kam langsam näher. Ihre Flip-Flops machten dabei das einzige Geräusch, denn die jungen Kadetten sahen ihr schweigend zu.
Perry spürte, wie ihn jemand mit einem Ellenbogen in die Seite knuffte. "Hey, Alter, hast du gewusst, dass Schweden jetzt auch in der UNTASO ist?", klang Bullys Stimme amüsiert auf.
"Junge, Junge, Junge", murmelte Freyt neben ihm fasziniert. "Ob sie vielleicht heute Abend Zeit hat?"
Rhodan hob eine Hand und verbot damit Deringhouse etwas zu sagen, bevor der junge Bursche etwas wirklich Dummes zum Besten geben konnte. "Stillgestanden!", blaffte er, und die anderen Kadetten reagierten automatisch.
Pounder nickte zufrieden. "Gut geraten, Perry. Dies ist Thora Zoltral. Captain Zoltral, um genau zu sein. Die Pilotin des Tran-Atlan. Ihre neue Vorgesetzte, meine Herren. Es ist eines unser bestgeschützten Geheimnisse, dass Captain Zoltral eine Frau ist, um sie vor den allgegenwärtigen Agenten der Fantans zu beschützen - abgesehen davon, dass die Markham Fields von zwei Divisionen der UNTASO verteidigt werden."
"Captain VON Zoltral", sagte Thora. Es klang nicht sehr bissig, eher so als wäre sie diese Worte so sehr gewohnt, dass sie sie schon leid war.
Sie trat vor die jungen Männer und musterte sie so ungeniert, wie diese die junge Frau zuvor gemustert hatten. "Das sind also die Besten der Besten, General Pounder? Sie sind noch halbe Kinder."
"Sie sind in deinem Alter, Thora. Alle zwischen sechzehn und siebzehn, dem Alter, in dem die Synchronisationsrate mit den Atlans am Höchsten ist. Dem Alter, in dem ihre Reflexe ihren besten Wert haben. Sie sind alle fünf Handverlesen."
"So, sind sie das?", fragte Thora und setzte ihre Musterung fort.
Schließlich stemmte sie die Hände in die Hüfte und schmunzelte. "Und wer von euch Helden ist Immortal?"
Ein Laut des Mißfallens klang von Freyt auf. Deringhouse sagte resignierend: "War ja klar."
"Das bin ich", sagte Perry ernst. Es dauerte einen Moment, dann fügte er ein verlegenes Ma'am an. Seine Kameraden kicherten leise über seinen Fauxpas.
Thora musterte Rhodan eingehend. Von dort ging ihr Blick zu Bull. "Ihn will ich auch."
Diese durchaus missverständlichen Worte ließen die Kadetten überrascht aufraunen.
Thora, der einfiel, das sie gerade mehr als zweideutig gewesen war, errötete. "Wir werden für die Operation Lunar Dream in Dreierteams operieren, nicht in klassischen Paaren. Mein Team wird aus mir, Immortal und Bully bestehen."
"Frage, Ma'am: Warum sind Sie sich so sicher, dass der Dicke hier The Bully ist?", fragte Freyt ärgerlich.
"Weil mir gesagt wurde, dass der Junge aussieht wie ein Fass. Wenn man aber näher heran tritt, sieht man, dass es Muskeln sind, kein Fett", erwiderte sie trocken.
Reginald Bull ächzte erstaunt auf. "Ich glaube, ich bin verliebt!"
"Lunar Dream?", hakte Rhodan nach, während die anderen drei Kadetten verbal über Bull herfielen. "Wir fliegen bis zum Mond? Wir greifen die Fantans an ihrer Basis an?"
"Der Atlan hat die Fähigkeiten dazu", erklärte Thora. "Er wurde meinem Tran-Atlan nachempfunden. Man hat drei Jahre gebraucht, um die Nachbauten zur Serienreife zu bringen. Doch selbst jetzt sind die Atlans kostbar und selten. Und sie stellen höchste Anforderungen an die Piloten. Nur die Besten sind gerade gut genug."
"Mag sein, aber drei Piloten für einen Angriff auf den Mond? Selbst wenn der Tran-Atlan unter ihnen ist, bedeutet das ein unmögliches Selbstmordkommando."
"Keine Sorge, Immortal", sagte Thora in spöttischem Ton. "Keiner verlangt von dir, die Fantans im Alleingang zu besiegen. Was wir vorhaben ist eine Rettungsoperation aus ihrer Hauptbasis."
Conrad Deringhouse hob die Hand. "Hier, Miss, eine Frage! Wen werden wir retten?"
"Meinen Onkel Crest", erwiderte Thora ohne zu zögern. "Ich warte seit drei Jahren auf diese Chance." Sie ballte die Hände zu Fäusten und biss sich auf die Lippen. Ihre Nägel gruben sich in die Handballen, und an der rechten Hand tropfte kurz darauf Blut herab. "Mit ihm steht und fällt die gesamte Operation der Fantan-Leute im Sol-System. Gelingt es uns ihn zu befreien, bricht der Angriff zusammen. Zumindest dieser Angriff."
"Wäre es dann nicht taktisch klug - rein militärisch gesehen, Captain Zoltral - wenn wir Crest eliminieren? Das dürfte leichter sein als ihn zu retten", merkte Rod Nyssen an.
"Und es wäre die größte Dummheit, die wir begehen könnten", warf Tai Tiang ein. "Es würde zu weit gehen, Ihnen alles zu erklären, aber soviel sollten Sie verstehen und verinnerlichen: Crest von Zoltral ist lebendig der größte Schatz, den die Menschheit jemals erhalten kann und jemals wieder erhalten wird. Das Feuer? Vergessen Sie's. Das Rad? Firlefanz. Die Elektrolyse? Kinderkram. Crest ist einer der begabtesten Wissenschaftler der ganzen Galaxis, und sein Wissen wird der Erde zur Verfügung stehen, nachdem wir ihn gerettet haben. Unser Ziel muss es sein, ihn lebendig zu befreien. Unbedingt. Auch für den Preis aller unserer Atlan-Kampfroboter. Auch zum Preis Ihres Lebens, meine Herren."
Die Kadetten raunten leise durcheinander. Nur Bull blieb äußerlich ruhig und grinste dünn. "Okay, ich glaube, ich verstehe jetzt, wie wichtig dieser Bursche für die Erde ist."
"Dann hast du ungefähr ein Zehntel begriffen", sagte Thora. Sie wirbelte herum. "Sie sind akzeptabel, für den Anfang. Aber ich will sie in den Simulatoren, und spätestens morgen in den Atlans sehen, General Tiang."
"Ihre Leute, Ihr Team, Ihr Zeitplan, Captain", sagte Tai Tiang.
Sie nickte zufrieden. "Immortal, The Bully, Ihr fahrt mit mir. Der Rest quetscht sich zu Doktor Peterson in den Wagen." Die junge Frau marschierte los, ohne sich ein zweites Mal umzusehen. Rhodan folgte ihr ohne zu zögern, und selbst Bull nahm sich nur kurz die Zeit, um seinen Kameraden ein herunter gezogenes Augenlid zu zeigen, bevor er folgte. Über ihnen fielen vier Mark XII auf den Raumhafen herab, und stieben kurz vor dem Boden kreuzförmig auseinander.
***
"Albrecht, wir können", sagte Thora dem Fahrer, nachdem sie sich auf den Beifahrersitz gesetzt hatte. Für Perry und Reginald blieb damit nur die Rückbank.
Er bestätigte fröhlich und fuhr an. Kühlender Fahrtwind linderte die Mittagshitze ein wenig. Aber es sah für Perry ohnehin nicht aus, als hätte ausgerechnet Thora irgendwelche Probleme mit der Temperatur.
"Können wir die Atlans nicht heute schon ausprobieren?", fragte Reginald, und öffnete einen weiteren Schokoriegel. Einen zweiten bot er Thora an. "Auch einen? Du siehst aus als könntest du etwas auf die Rippen vertragen."
"Du siehst aus als könntest du etwas auf die Rippen vertragen, Captain", tadelte Thora, aber ihr Grinsen relativierte ihre Worte wieder. Sie nahm den Riegel entgegen. "Danke. Ab und an etwas Schokolade hat noch nie geschadet. Übrigens eure zweitgrößte Errungenschaft auf der Erde, gleich nach der Popmusik."
"Also doch", sagte Perry trocken.
"Also doch, was, Kadett Rhodan?", fragte der Fahrer fröhlich.
"Bevor ich es vergesse, unser Fahrer ist Major Albrecht Klein von der UNTASO-Abwehr. Er ist für meine persönliche Sicherheit zuständig. Er, die Majore Kosnow und Li, die Agents Matsu und Sloane sowie fünfhundert handverlesene Elite-Soldaten."
"Nur das Beste für die beste Pilotin der Erde", sagte Klein grinsend. Er sah kurz nach hinten auf die Rückbank. "Also doch was, Kadett Rhodan?"
"Also doch", erwiderte er tonlos. "Sie ist eine Außerirdische. Auch wenn ich mir die immer mit grünen Tentakeln vorgestellt habe. Nicht so menschlich."
"Und nicht so hübsch", raunte Bull ihm ins Ohr.
"Und nicht so hübsch... BULLY!"
"Das haben Sie gut erkannt, Kadett Rhodan. Was hat Captain Zoltral verraten?"
"Sie trägt keine Kontaktlinsen."
Für einen Moment schien Klein verblüfft zu sein. "Was? Sie trägt keine Kontaktlinsen? Und das hat sie verraten?"
"Sie hat goldene Augen und fast weißes Haar. Außerdem nimmt ihre Haut nur unwillig Farbe an, obwohl Australiens Sonne so nahe am Äquator sehr intensiv ist. Zuerst habe ich darauf getippt, dass sie ein Albino ist, also über kein natürliches Melanin verfügt. Das hätte aber nicht mit der leichten Bräune funktioniert. Also habe ich darauf getippt, dass sie eine Außerirdische ist. Als Captain Zoltral dann von "euren Errungenschaften" gesprochen hat, so als hätte sie mit der Erde nichts zu tun, war ich mir sicher."
"Respekt, Kadett Rhodan. Respekt. Manche brauchen Jahre und ein paar sehr gute Hinweise, um die Wahrheit auch nur zu erahnen." Er grinste wieder nach hinten. "Na, geschockt?"
"Nein. Ich habe es erwartet. Captain, waren Sie schon immer Pilotin des Tran-Atlan?"
"Ja, seit ich mit ihm vom Mond geflohen bin", erwiderte sie.
"Moment Mal, Moment, heißt das etwa, Captain Zoltral ist eine von den Fantans?"
Klein kicherte vergnügt. "Habe ich was Lustiges gesagt?", fragte Bull verblüfft.
Daraufhin lachte der Geheimdienstoffizier wie ein wieherndes Pferd. "Möchten Sie das übernehmen, Captain?", fragte er, kaum das es ihm gelungen war, wieder Atem zu schöpfen.
"Gerne. Nein, Bully, ich bin keine Fantan. Im Gegenteil, ich... Es dürfte jetzt etwas weit führen, und ich will jetzt nicht erklären, was ich euren Kameraden später noch mal erzählen muss. Aber ich entstamme einem Volk namens Arkoniden. Wir Arkoniden beherrschen ein großes Reich in der Milchstraße, das viele hundert Völker umfasst. Eines dieser Völker sind die Überschweren, eine Rasse von arkonidischen Siedlern, die sich vor zehntausend Jahren auf einem Planeten mit doppelter Erdanziehungskraft niedergelassen haben. Über die Jahrtausende haben sie sich angepasst, wurden kompakter, breiter, aber auch stärker. Unter normaler Erdschwere sind sie nahezu unbesiegbare Kampfmaschinen. Dennoch sind die Überschweren, nun, ein wichtiges Volk im arkonidischen Imperium. Aber nicht alle von ihnen sind sich ihrer Verantwortung für das Reich bewusst. Sie... vermieten ihre Kampfkraft und die Feuerkraft ihrer Schiffe an den Höchstbietenden. Die Fantan-Leute wiederum sind noch etwas niedriger anzusetzen. Sie sind nomadische Piraten, die von Raubzug zu Raubzug eilen."
"Und ihr neuester Raubzug ist anscheinend die Erde." Bully schüttelte sich. "Und wie genau kommen Sie und Ihr Onkel dabei ins Spiel?"
Der Blick der Arkonidin verdüsterte sich. "Mein Onkel Crest hat eine Forschungsexpedition jenseits der Reichsgrenzen angeführt. Er wollte mit Hilfe der AETRON, unserem Expeditionsschiff, eine ganz besondere Ausgrabungsstätte finden. Die AETRON ist ein ziviles Schiff, und als die Fantan-Leute uns angriffen, havarierte es auf dem Mond. Ich war damals wegen meinem Studium Teil der Mannschaft. Letztendlich war ich die Einzige, der mit dem Tran-Atlan die Flucht gelang. Ich rettete mich zur Erde, und bekam das Angebot, die Verteidigung anzuführen. Damals war ich die einzige Chance eurer schönen blauen Welt, und seither habe ich an vielen Orten mit vielen Kameraden gekämpft."
"Unter anderem in Kansas", sagte Rhodan. "Dort gelang es Ihnen, ein gegnerisches Schiff, das wir als Korvette klassifiziert haben, zu vernichten. Es explodierte und stürzte über fast unbewohntem Farmland ab."
"Das kann sein. Ich erinnere mich nicht mehr an alle Kämpfe. Es waren so viele, die letzten Jahre. So unendlich viele. Ist dieser spezielle Kampf wichtig für Sie, Immortal?"
Rhodans Miene wurde verschlossen. Bully hingegen war blass geworden. "Perry, du meinst doch nicht etwa... Oh mein Gott, daran habe ich ja überhaupt nicht mehr gedacht!"
Klein sah nach hinten. Dabei tastete seine Rechte unauffällig zum Holster mit seiner Schusswaffe. "Haben Sie ein Problem, Kadett Rhodan?"
"Das Farmland war nur fast unbewohnt. Einzelne Wrackteile gingen über der Farm meines Onkels Karl nieder. Dabei wurde meine Schwester Cora getötet."
Nun war es an Thora, bleich zu werden. "Bei den She'Huan, Rhodan, das... Das wollte ich nicht. Wirklich, das wollte ich nicht."
Der linke Nasenflügel des jungen Manns bebte, aber er blieb ruhig. "Haben Sie keine Sorge, Captain Zoltral. Ich gebe Ihnen keine Schuld am Tod meiner Schwester. Oder an den Verletzungen, die mein Onkel und meine Tante erlitten haben. Ohne Sie und den Tran-Atlan wären sie vielleicht schon lange zuvor von der Hand der Fantan-Leute gestorben. Ohne Sie wären sehr viele Menschen gestorben. Das habe ich schon vor sehr langer Zeit erkannt." Rhodan sah fort. "Aber ich habe noch etwas anderes erkannt: Hätte ich den Tran-Atlan gesteuert, wäre es sicher nie zu dieser Katastrophe gekommen. Ich hätte Coras Tod verhindern können. Deshalb habe ich beschlossen, selbst Mecha-Pilot zu werden, der beste Mecha-Pilot der Erde. Und ich will es besser machen als Sie, Captain. Ich will es richtig machen."
Kleins Hand zog sich langsam vom Holster wieder zurück. "Na, da hast du dir ja ganz schön was vorgenommen, Junge", murmelte er leise.
"Keine Sorge, Perry steckt seine Ziele immer hoch. Das ist ja das Problem mit ihm", sagte Bull. "Oder seine Stärke. Da bin ich mir noch nicht so sicher. Alter, bist du in Ordnung?"
"Warum sollte ich das nicht sein? Schon morgen sitze ich in einem der besten Mechas, welche die Menschheit je erbaut hat. Und dann trete ich den Fantans mal richtig in den Arsch. Mir geht es sehr, sehr gut, Reginald." Er sah Thora in die Augen. "Sehr, sehr gut."
Den Rest der Fahrt schwiegen sie, bis Klein schließlich vor den Kasernengebäuden hielt.
"Endstation", verkündete Klein eine Spur zu fröhlich, um es wirklich ernst zu meinen. "Meldet euch beim Unteroffizier vom Dienst, bezieht eure Quartiere, und meldet euch in zwanzig Minuten im Hangar."

"Kadett Rhodan", rief Thora ihm nach.
"Captain?"
Die Arkonidin leckte sich kurz nervös über die Lippen. "Ich wollte Ihnen nur sagen, dass..."
"Ma'am, Sie waren damals vierzehn oder fünfzehn Jahre alt, und das Schicksal hat Sie dazu verdammt, die Menschheit zu retten, ob Sie wollten oder nicht", sagte Rhodan ernst. "Ich verstehe das. Vor allem seit ich aus erster Hand weiß, wie schwierig es ist, einen Mecha zu steuern."
"Sie verstehen das, aber vergeben können Sie mir nicht, oder?", fragte sie bitter.
Rhodan antwortete nicht, und das sagte genug.
"Kadett Rhodan, Sie werden Ihre Chance kriegen", sagte Thora fest.
"Meine Chance?"
"Ihre Chance, den Tran-Atlan zu steuern und es besser zu machen als ich." Entschlossen sah sie ihn an, bevor sie stolz den Blick nach vorne richtete. "Zum Hangar, Albrecht."
"Zu Befehl, Captain." Mit quietschenden Reifen fuhr der Jeep los.
Bully legte seine Rechte schwer auf Rhodans Schulter. "Sag mal, Alter, hältst du es wirklich für so klug, gleich am ersten Tag deinen kommandierenden Offizier zu verprellen? Abgesehen davon, dass sie mit Abstand das heißeste Mädchen ist, das ich in meinem kurzen Leben gesehen habe?"
Perry grinste den Freund an. "Na dann warte lieber erst mal ab, bis Schweden doch noch in die UNTASO einsteigt."
"Sehr komisch, Herr Rhodan. Sehr komisch."
Rhodan winkte ab. "Komm endlich, Dicker, wir haben nur noch neunzehn Minuten. Außerdem können wir uns unsere Räume zuerst aussuchen, solange Michael und die anderen noch nicht da sind."
"Ein gutes Argument, Alter", sagte Bully fröhlich und folgte Perry ins Gebäude. Ja, Markham Fields gefiel ihm schon jetzt verdammt gut.
***
Rotiron hob nervös den Kopf, als die beiden vollpositronischen Kampfroboter an der Tür ihre Waffenarme hoben. Sie reagierten. Das war immer ein schlechtes Zeichen. Normalerweise analysierten sie nur. Aktionen erlaubten ihre positronischen Gehirne nur, wenn diese notwendig waren, beziehungsweise schienen. In diesem Fall entschieden die positronischen Denkmaschinen, die Waffenarme in die Richtung einer potentiellen Bedrohung zu richten, um im Falle einer Attacke Reaktionszeit zu sparen. Die Waffen zeigten nun auf die Tür von Rotirons Büro, nicht auf die Schächte oder Wände. Das war beruhigend. Er musste keinen Attentäter erwarten, der durch die Schächte kroch, um ihn umzubringen. Schon wieder. Es konnte sich auch um einen völlig normalen Besucher handeln, sofern es so etwas in einer straff organisierten Truppe wie den Fantan-Piraten überhaupt gab. Es konnte auch eine Horde Meuterer sein, die ihn absetzen und umbringen wollte. Wieder einmal.
Rotiron seufzte leise. Als er sich selbst zum Chef der Sektion "Roter Blutmond" aufgeschwungen hatte, durch ein geradezu genial zu nennendes Giftattentat auf die damals dreiköpfige Führungsriege, da hatte er es sich wesentlich leichter vorgestellt, die Piratenbande anzuführen und sich gegenüber den anderen Sektionen durchzusetzen. Schließlich war er Kopfarbeiter, und kein plumper Muskeltyp. Aber an der Spitze war es einsam, sehr einsam. Und man gab eine viel zu gute Zielscheibe an. Gewiss, Rotiron hatte Vorkehrungen getroffen. In seinem Büro standen die einzigen aktiven Kampfroboter, die auf seinen Befehl hörten, und zwar nur auf seinen Befehl. Natürlich waren sie in Feuerkraft und Kampfkraft nicht mit den großen Mechas zu vergleichen, die von den Fantans in die Schlacht um die Erde geführt wurden. Aber im Kampf gegen einfache Infanterie oder unzufriedene Meuterer waren sie sehr effektiv. Außerdem hatte er dafür gesorgt, dass sie über die neueste Sensorentechnik verfügten, die es auf dem Schwarzmarkt gab. Sie waren gut genug, um selbst Attentäter in drei Meter dicken Wänden in Luftschächten zu orten, bevor sie zuschlagen konnten. Das Loch hatte er immer noch nicht ordentlich reparieren lassen, aus Angst, einem verräterischen Techniker die Möglichkeit zu geben, hier eine Bombe zu platzieren. Die Roboter waren auch in der Lage, die Zusammensetzung der Luft permanent zu prüfen. Ein erhöhter Stickstoffgehalt oder auch nur vereinzelte Giftmoleküle genügten ihnen bereits, um Rotiron zu alarmieren. Er hatte alles getan, was er für seine Sicherheit hatte tun können. Und nicht eine einzige Vorsichtsmaßnahme war übertrieben. Nicht bei den Fantan-Piraten.

Es klopfte. Rotiron zuckte zusammen, betätigte aber die visuelle Gegensprechanlage. Ein Hologramm entstand und bildete Lertakan ab, den Kommandeur der BLUTGOLD. Nach ihm war Lertakan auf lange Sicht der einzige Pirat mit ein wenig Verstand im Roten Blutmond. Das bewies er vor allem damit, dass er Rotiron noch immer unterstützte, während die anderen Kapitäne bereits mehrfach seine Absetzung gefordert hatten. Aber Lertakan wusste, dass man der Erde nicht mit brachialer Gewalt beikommen konnte. Der unsägliche Tran-Atlan verhinderte so etwas bereits im Ansatz. Er wusste, dass es einen klugen Kopf mit einer guten Strategie brauchte, um diese Welt zu unterwerfen, und damit das Elixier des Ewigen Lebens zu erlangen. "Ja, Lertakan?"
Der Kapitän neigte im Zeichen des Respekts kurz sein Haupt und legte dabei das Gesicht in beide Handflächen. "Ich bitte um eine außerplanmäßige Unterredung, Zhdopanthi."
Rotiron verzog leicht die Miene zu einem abfälligen Grinsen. Es war ein Überbleibsel aus der alten Zeit, vor seiner Regentschaft, dass der Herr des Clans ausgerechnet mit jenem Titel angesprochen wurde, der eigentlich nur dem Imperator selbst, dem Herrn des arkonidischen Groß-Imperiums, zustand. Er hatte diese Bezeichnung beibehalten, auch wenn er wusste, was für ein Unsinn sie war. Noch. Noch war es Unsinn, aber wenn er erst einmal das Serum der Unsterblichkeit in Händen hielt, dann konnte er den Titel eventuell eines Tages mit Leben füllen. Auf Kosten der Arkoniden natürlich. Ein Gedanke, der ihn erfreute. Ein Kolonialarkonide wie er auf Arkons Thron, und die schwächlichen, weißhäutigen hochadlig geborenen Arkoniden mussten ihm, dem Überschweren, huldigen. Was für eine Wohltat für die geschundenen Seelen der Fantans.
"Herr?", hakte Lertakan nach.
Rotiron betätigte den Türkontakt. "Komm herein."
Der Kapitän trat hoch erhobenen Hauptes ein. Wie alle Überschweren war er an eine Schwerkraft von zwei Komma eins Gravo angepasst. Die Genetiker, die damals die arkonidischen Ursiedler an die gravitatorische Hölle von Archetz anpassen mussten, hatten sich dafür entschieden, die Körper der künftigen Generationen kompakter anzulegen. Als Folge davon war ein Überschwerer selten größer als einen Meter sechzig - aber fast ebenso breit, und etwa halb so massiv. Eine halbe metrische Tonne Gewicht war keine Seltenheit. Damit einher ging natürlich eine enorme Kraft gegenüber normalsterblichen Arkoniden, weshalb die Überschweren oft und gerne als Soldaten rekrutiert worden waren. Daraus hatte sich ein Geschäft des söldnerischen Begleitschutz entwickelt. Und natürlich Piraterie, denn es gab immer Söldner, die es beim Brandschatzen und Plündern etwas übertrieben hatten, wenn es galt, eine Welt zu erobern. So waren verschiedene Organisationen und Bruderschaften entstanden. Eine von ihnen war die Fantan-Piratengruppe. Eine besonders ruchlose, gewalttätige Versammlung zwar hervorragender Raumfahrer und Soldaten, aber eben auch Gesetzloser. Mittlerweile waren alle in der sechsten Generation in dieses Leben hinein geboren worden, ohne eine andere Wahl zu haben. Arkon hätte nie akzeptiert, das sie sich von den Piraten lossagten; und die Piraten hätten sie für solch eine Handlung ohnehin einen schmerzvollen Tod sterben lassen. Es gab keine Aussteiger bei den Fantans. Niemals. Bis heute.

Lertakan war etwas lindgrün um die Nase. Das war bei seinem natürlichen hellgrünen Teint immer ein Zeichen dafür, das ihn etwas quälte.
"Heraus damit. Wie verlief der Angriff auf Nordamerika?"
"Wir haben die TODBRINGER verloren, und dazu über siebzig Mechas der Thark-Klasse."
"Das sind mehr als herbe Verluste, Lertakan."
Der Kapitän nickte bestätigend. "Der Tran-Atlan ist zu Hilfe geeilt. Er hat den Scheinangriff über Hong Kong ignoriert und sich der TODBRINGER gewidmet."
Rotiron schlug mit beiden Händen auf die Lehnen seines Stuhls. "Diese kleine goldäugige Schlampe! Ich wusste, ich hätte ihren dürren Hals durchbrechen sollen, als ich sie das erste Mal gesehen habe!"
"Es gibt keinen Beweis dafür, das Thora von Zoltral den Tran-Atlan steuert", wandte Lertakan ein. "Sie hat keine militärische Ausbildung, die die Führung eines Katsugo-Mechas erlauben würde. Diese zarte Blume eines arkonidischen Khasurns wird sich das blutige Geschäft des Krieges kaum selbst beigebracht haben."
"Ich weiß, dass Ihr alle nicht glaubt, dass ein kleines arkonidisches Mädchen die ach so großartigen Piraten der Fantan-Bruderschaft seit drei Jahren vernichtend schlägt!", zischte Rotiron ärgerlich. "Aber ich kann mir den Luxus, damit mein Ego zu streicheln, leider nicht leisten!"
"Unsere Agenten auf der Erde konnten zugegebenermaßen noch nicht auf die Markham Fields vorstoßen", gab Lertakan zu, "aber alle Informationen, die wir bisher einholen konnten, lassen darauf schließen, dass terranische Elite-Piloten den Tran-Atlan lenken, nicht etwa unsere zarte arkonidische Blüte. Major Li Tschai-Tung oder Major Peter Kosnow kommen hierfür in Frage. Die besten Piloten, die Terra hat."
"Wenn du das weißt, warum sind sie noch nicht tot?", zischte Rotiron.
"Markham Fields ist nicht zu penetrieren. Und der Tran-Atlan beschützt seinen Heimathafen besser als jeden anderen Ort der Erde. Wir bereiten ein Kommandounternehmen vor, für das nur noch wenige... Details erbracht werden müssen. Dann gelingt es uns vielleicht, die beiden Majore auszuschalten oder sogar den Tran-Atlan zu erobern. Aber es dauert noch einige Zeit." Lertakan lächelte dünnlippig. "Bei der Abwehr unserer Attacke auf die kalifornischen Wirtschaftszentren hatten die Verteidiger nach anfänglichen schmerzhaften Verlusten übrigens keine besondere Schwierigkeit, unsere Truppen abzuwehren, während der Tran-Atlan die Fregatte vernichtet hat. Die Verteidiger haben Unterstützung von Mechas der Kadetten der Space Force erhalten."
"Nicht die auch noch", raunte Rotiron anklagend. "Wir haben so schon genügend Zecken im Pelz. Müssen wir uns auch noch um diese kümmern? Warum hat nicht schon jemand diesen kleinen Bastarden den Hals umgedreht, bevor sie eine richtige Gefahr werden?"
"Wir arbeiten daran. Und mit den heutigen Verlusten ist dieses Ziel nicht mehr fern, Zhdopanthi", erwiderte Lertakan mit einem breiten Grinsen und einer weiteren spöttischen Verbeugung.
Rotiron rieb sich die Stirn. "Wie viele unserer Leute, die am Kalifornien-Angriff beteiligt waren, sind in terranische Gefangenschaft geraten?"
"Über zweihundert, Herr. Wie wir es erwartet haben, wurden sie in die Nevada Concentration Facility für alle gefangenen Fantans Nordamerikas gebracht. Viele wurden verletzt. Aber die Zahl der einsatzbereiten Krieger im Lager ist damit auf über achtzig gestiegen."
Rotiron lächelte zufrieden. "Dann liegt die Zerstörung der Nevada Fields zum Greifen nahe. Und damit das Ende dieser Halbwüchsigen, die uns das Leben schwer machen. Lösch sie aus, Lertakan. Keine Gnade für Männer, Frauen, Kinder. Lass sie alle umbringen. Und bring mir so viele Mark XII-Kampfroboter, wie deine Leute erbeuten können." Er lachte höhnisch. "Wozu haben wir sonst mit Crest von Zoltral den besten Wissenschaftlers Arkons in unserer Gewalt? Er wird uns schon sagen können, was die terranischen Mechas um so viel besser als unsere Tharks macht. Und dann steht unserer Herrschaft nichts mehr im Wege, und wir können in aller Ruhe nach der Unsterblichkeit suchen, während wir Terra langsam bis zum letzten Blutstropfen ausbeuten werden."
Ein hämisches Lächeln glitt über Lertakans Züge. "Dein Plan wird Früchte tragen. Und dann wird es nicht mehr lange dauern, bis sich auch die anderen Fantan-Gruppen unter dein Kommando stellen, Herr."
"Nein, das wird es nicht. Sobald wir das Geheimnis der Unsterblichkeit in Händen halten, werden sie angekrochen kommen, auf Knien, uns anbetteln. Und dann wird die Macht der Fantans erstmalig in einer Hand gebündelt sein. Eine Macht, die Archetz erobern kann, und die uns die Jahrtausende der Repressalien vergelten wird, die unsere ach so edlen Vettern auf uns herab beschworen haben..."
Er schnaubte aus. "Zukunftsmusik. Noch. Konzentrieren wir uns also auf das Naheliegende. Die Ermordung der Majore Kosnow und Tschai-Tung, und die Auslöschung unserer viel versprechenden jungen Kadetten der US Space Force in Nevada Fields."
"Das werden wir, Zhdopanthi", versprach Lertakan.
"Gut. Kümmere dich darum. Du bist entlassen."
Wieder verneigte sich der Überschwere, dann ging er rückwärts durch die Tür, bis sie sich vor ihm wieder verschloss. Das tat er nicht aus Demut, sondern weil die drei Vorgänger Rotirons dazu geneigt hatten, unliebsamen Zeitgenossen in den Rücken zu schießen. Gewohnheiten, die sich bewährt hatten, konnte man so schlecht aufgeben.

Rotiron atmete tief durch, nachdem Lertakan den Raum verlassen hatte. Dann sprang er auf und trat zu einem der wenigen Regale an der Wand. Er zog eines der dickeren Bücher hervor und entblößte damit ein Sensorfeld in der Wand. Ohne zu zögern presste er den Daumen auf die Oberfläche. Kurz darauf fuhr ein Teil des Bodens wie eine Iris in sich zusammen und öffnete einen geheimen Antigravschacht. Ohne zu zögern sprang Rotiron hinein und ließ sich in die Tiefe tragen.
Die Basis war erstaunlich. Gut ausgebaut, auf einem modernen Stand, und dennoch zehntausend Jahre alt. Sie zu finden, sie zu nutzen war einer der Zufälle, die nur den Tüchtigen in die Hände fallen konnte. Als die Gruppe Roter Blutmond damals dem Notsignal eines arkonidischen Forschungskreuzers gefolgt war, um Geiseln zu nehmen und Hightech und Geld zu erbeuten, war sie über diese Basis gestolpert und hatte sie in Besitz genommen. Laut der Positronik, die noch immer tadellos funktionierte, hatte ein arkonidischer Prinz namens Mascaren sie einst erbauen und für die Ewigkeit konservieren lassen. Heute, zehntausend Jahre später, diente sie ausgerechnet den Fantan-Leuten als Basis für die Eroberung der Erde und die Suche nach dem Ewigen Leben.
Von hier aus wurden die über fünfzig Schiffe aller Klassen versorgt, welche die Erde blockierten. Von hier aus wurden über zehntausend Überschwere versorgt und koordiniert, die zur Gruppe gehörten und unter seinem Befehl nach Spuren des Ewigen Lebens suchten.
Fünfzig Schiffe, ging es Rotiron durch den Kopf, und sie hatten nach drei Jahren noch immer nicht die Erde erobert. Das lag zu einem nicht geringen Teil daran, dass die Fantan-Walzen in der dichten Atmosphäre der Erde fliegende Zielscheiben für die terranischen Verteidiger waren. Und er war nicht Narr genug, um seine kampfstärksten Schiffe in so einer dummen Attacke zu opfern, solange er Fregatten und genügend Thark-Mechas zur Verfügung hatte. Und zum anderen daran, dass er bisher von einem flächendeckenden Bombardement abgesehen hatte, das zweifellos die Menschheit in die Knie gezwungen hätte. Die Vernichtung der größten Städte der Erde, New York, Mexico City, Shanghai, Tokio, Kalkutta und Chongqing hätte da sicherlich geholfen. Aber leider konnte er ein Bombardement nicht riskieren, solange er einerseits befürchten musste, die mageren Spuren zur Unsterblichkeit mit zu vernichten, und andererseits sein Alternativplan noch immer möglich war.
Nicht, das er wirklich an die Unsterblichkeitsgeschichte und an diese Wesen glaubte, die älter als die Sonne waren. Aber für seine Leute, die tumben, einfältigen Raumpiraten, für die das Brechen von Knochen die schönste Musik war, war es genau die richtige Ablenkung, um sie bei der Stange zu halten. Die Aussicht nicht mehr sterben zu müssen hatte eine beinahe schon mystische Wirkung auf die Piraten der Fantan-Truppe. Anscheinend verwechselte jeder dieser Idioten die potentielle Unsterblichkeit mit Unverwundbarkeit. Außer ihm, natürlich.

Der Schacht entließ ihn in einem geräumigen Großhangar, in der die Schwerkraft rapide abnahm. Hier war alles auf schwächliche Arkoniden abgestimmt, genauer gesagt auf einen schwächlichen Arkoniden: Crest von Zoltral, Chefwissenschaftler des Großen Imperiums und Jäger der Unsterblichkeit. Dieser Hangar, gut geschützt vor unbefugtem Zutritt, war das uneingeschränkte Reich des letzten Überlebenden der AETRON-Expedition. Wenn man mal von diesem Rotzgör Thora absah, das ihm und seinen Leuten die Eroberung der Erde so erschwerte. Hier wohnte und arbeitete der Arkonide daran, die Waffen und Schirme der Fantans noch effektiver zu machen. Im Gegenzug erhielt er Kleidung, Nahrung und Schutz vor den dümmeren Piraten, die schon seine Besatzungsmitglieder mit wahrer Wonne zu Tode gefoltert hatten. Und sobald die Erde ihnen gehörte, würde Crest ihnen entweder bei der Suche nach der Unsterblichkeit helfen, oder ein hübsches Lösegeld einbringen. So oder so, es lohnte sich, ihn leben zu lassen.
Bisher hatte sich Crest als sehr umgänglich erwiesen, weil er wusste, dass er vom Wohlwollen Rotirons abhängig war. Aber irgendwann würde der ausgekochte rotäugige Bursche einen Plan haben, ihn versuchen aufs Kreuz zu legen. Hoffentlich war er dann klug genug, Crest nicht zu töten. Lebend war der Arkonide viel wertvoller.

"Crest, wo steckst du?", rief er mit lauter Stimme. Er war laut genug, um selbst im Innern der AETRON EINS gehört zu werden, dem letzten Großraumbeiboot der AETRON, das Crest als Quartier diente. Eines der wenigen Zugeständnisse, das Rotiron dem Arkoniden gemacht hatte, kaum das er das Triumvirat ermordet und die Macht ergriffen hatte.
"Ich bin hier!", klang die Stimme des arkonidischen Wissenschaftlers auf. Er winkte Rotiron zu, während er sich in einem halben Dutzend sich überlappender Hologramme bewegte und diese mit beiläufigen Bewegungen manipulierte. "Noch die KREUZFEUER, und meine Arbeit in der Werft ist für heute erledigt." Geschickt manipulierte der Arkonide den Reparaturplan des Kreuzers, optimierte die Schichten der Reparaturteams, lobte Belohnungen für den direkten Wettbewerb der Reparaturmannschaften aus, was die Arbeiten erfahrungsgemäß um zwanzig Prozent beschleunigen würde, kontrollierte den Materialbestand und schickte anschließend eine Nachricht an die Prospektorenteams auf dem Mond raus, dass ein erhöhter Bedarf an Eisen, Gold und Kupfer bestand. Zugleich verfasste er eine Nachricht mit Dringlichkeitsstufe an ihre geheimen Verbündeten auf der Erde, in der er weitere Erdölprodukte für die synthetische Materialgewinnung des Fantan-Stützpunkts anforderte.
Rotiron ließ den Arkoniden gewähren. Seit sich das Rotauge um die Werftarbeiten kümmerte, seit er sich um Materialbeschaffung und -einsatz kümmerte, hatten die Überschweren endlich mal Struktur in den notwendigen Wartungs- und Reparaturarbeiten. Und durch das Belohnungssystem strengten sich die Idioten endlich auch mal an, ohne das jemand mit einer Neuropeitsche hinter ihnen stehen musste. Auch das Gemosere, nicht als Krieger eingesetzt zu werden, hatte damit ein effektives Ende gefunden, weil es leichter war, sich durch Leistung zu verdienen, was als Krieger durch Plünderung vielleicht erworben werden konnte.

Endlich trat Crest aus den Hologrammen hervor. Mit einer nebensächlichen Geste löschte er die Projektionen und trat zu Rotiron heran. Der Arkonide war eine beachtliche Erscheinung von fast zwei Metern Größe. Aber das war es nicht alleine, was Rotiron den Eindruck vermittelte, das der Arkonide auf ihn herab sah. Crest besaß ein Wissen, das seinesgleichen suchte. Ingenieurskunde, Naturwissenschaften, Metaphysik, all das vereinigte sich in Crests Gehirn. Nicht weil er sich das entsprechende Fachwissen durch Hypnoschulungen hatte implementieren lassen, sondern weil er das Wissen angewendet und bestätigt hatte. Er war wohl der einzige adlige Arkonide, von dem Rotiron je gehört hatte, der jemals ein Hyperaggregat mit eigenen Händen auseinander genommen hatte, um aus erster Hand verstehen zu können, wie es funktionierte.
Der große Arkonide verbeugte sich tief bis in die Hüfte vor Rotiron und legte in Archetzscher Manier beiden Hände auf das Gesicht. "Ich begrüße dich. Was kann ich für den Anführer des Roten Blutmonds tun?"
Wieder einmal fühlte sich Rotiron verwirrt. Einerseits wusste der Überschwere, dass Crest, der große, gut aussehende Mann mit dem wallenden weißblonden, schulterlangen Haaren, dem sogar die Frauen der Überschweren hinterher sahen, auf ihn herab sah. Andererseits war der Respekt, den er ihm, dem Anführer seiner Entführer, entgegen brachte, keine Floskel, sondern von vorne bis hinten echt, authentisch. Rotiron hätte niemals gedacht, je einen Mann treffen zu können, der so schlau war, seine Abhängigkeit zu erkennen und bis zur letzten Konsequenz zu befolgen. In Momenten wie diesen beschlichen Rotiron vollkommen unfantansche Gefühle wie Vertrauen und Loyalität diesem Mann gegenüber, die ihm nur Scherereien einbringen würden.
Er schob diese Gedanken beiseite und sah ernst zum Arkoniden auf. "Du hast die neuesten Berichte wahrscheinlich früher gekriegt als ich", stellte er fest.
"Ich habe die Rückkehrer gezählt und die Verlustlisten gesehen und mir meinen Teil gedacht", bestätigte Crest mit einem dünnen Lächeln. "Diesmal kann es nicht nur der Tran-Atlan gewesen sein."
"Das ist richtig. Eine Horde junger Kadetten der Amerikaner ist uns dazwischen gekommen. Junge Burschen mit den Reflexen der Jugend." Er zögerte kurz. "Lertakan hat Anweisung, sie auszulöschen."
Crest verzog die Miene zu einem bösen Blick. "Als Dagorista bedaure ich den Verlust von guten Kriegern, die nicht im Kampf sterben durften."
"Wieso glaubst du, dass sie nicht im Kampf sterben werden?", konterte Rotiron. "Unsere Kameraden in Nordamerika werden ihr Gefängnis verlassen, und Nevada Fields einebnen. Die Kadetten werden ihre Chance bekommen, entweder als Krieger zu sterben, oder zu entkommen."
"Eine geringe Chance gegen Überschwere", erwiderte Crest ernst.
"Es ist besser, eine kleine Chance zu haben, als keine Chance zu haben. Sagt Ihr Dagoristas das nicht immer?"
Crests Mund verzog sich zu einem Schmunzeln. "Das ist richtig. Ich entschuldige mich dafür, dich kritisiert zu haben. Auch wenn ich weiß, dass die jungen Kadetten keine Chance haben werden."
"Ich werde es nicht bedauern, wenn du Recht behältst, Crest."
Nun huschte ein Grinsen über Crests Züge. "Wie ich dir schon mehrfach gesagt habe, Rotiron, danke ich dir für deine Ehrlichkeit und deine offenen Worte. Du bist ein Mann, den ich respektiere."
"Vor allem bist du ein Mann, der weiß was er wann zu sagen hat", erwiderte der Überschwere ernst. "Aber lassen wir das. Reden wir nicht mehr über das Schicksal irgendwelcher Halbwüchsiger. Reden wir über meine Leute. Hast du den Ausweichplan fertig?"
"Sicherlich", sagte Crest und winkte den Überschweren zu den Hologrammen. Eines erschien auf seinen Befehl und formte den Mars nach. "Anhand der Analysen deiner Prospektoren konnte ich auf dem Mars große Kasernen unter dem Tafelberg vulkanischen Ursprungs ausmachen, den die Terraner Mount Olympus nennen. Dazu kommen Wasservorräte in Form von reinem Eis unter dem Berg, die achttausend Hektoliter umfassen. Das Gesamtvolumen der Kavernen beträgt vierzehn Kubikkilometer. Wenn man die Höhlen abdichtet, die Gravitation künstlich erhöht und mit entsprechendem Luftdruck befüllt, können Überschwere dort überleben." Er musterte Rotiron. "Es ist ein gutes Versteck, wenn man Wert auf die Antiortung legt. Ein sehr gutes Versteck für ein paar tausend Überschwere, das mit wenig Aufwand hergerichtet werden kann."
"Gut. Sehr gut. Damit haben wir ein Rückzugsgebiet, falls die Sache hier wirklich schief geht", murmelte Rotiron.
"Verzeih, wenn ich das sage, Herr des Roten Blutmonds, aber bisher ging ich davon aus, dass die Piraten ihr Rückzugsgebiet in den Schiffen haben. Es ist doch etwas untypisch für Überschwere, ihr Nomadenleben an Bord der Schiffe gegen das Leben in einer Kaverne einzutauschen."
"Die Zeiten ändern sich vielleicht", wich Rotiron aus. "Wir sind als Piraten geboren, Arkonide, und auch als Raumfahrer. Aber das hat nichts darüber zu sagen, wie wir sterben werden. Oder wo."
Rotiron winkte ab, als Crest nachsetzen wollte. "Bitte, Arkonide, keine Diskussion. Stattdessen lass mich dich belohnen. Du hast die Effizienz des Stützpunkts erneut um drei Prozent gesteigert. Ich werde dir Daella schicken, damit sie dich eine Nacht lang verwöhnt. Das ist dir doch Recht?"
"Sieh mich an, Rotiron, ich bin ein Mann. Und ein Mann hat gewisse Bedürfnisse. Und Daella hat von allen Frauen deines Volkes noch das größte Feingefühl, um mit meinem zerbrechlichen Körper umzugehen. Ich sage da nicht nein. Aber es gibt noch eine andere Sache zu besprechen." Er deutete auf die AETRON EINS.
Rotiron drängte die Gedanken an eine zärtliche Daella, die den Arkoniden mit ihrem zweihundert Kilo schweren Körper nicht zermalmte und mit ihren für einen Arkoniden überwältigenden Kräften nicht zerbrach, beiseite und konzentrierte sich wieder auf Crest. "Was ist mit der AETRON EINS?"
"Ich habe sie repariert. Sie ist wieder einsatzfähig. Erlaubst du mir einen Probeflug?"
Prustend begann Rotiron zu lachen. "Das ist doch nicht dein Ernst, Crest."
Ein Grinsen huschte über die Züge des Hünen. "Ich wollte es zumindest probieren, Rotiron."
"Gut, wenn es das war, schicke ich dir Daella für diese Nacht. Sende mir noch die Fortschritte bei den Waffenverbesserungen, die du erforscht hast, und dann kannst du dich mit deiner mageren Gespielin für die Nacht zurückziehen."
"Ich danke dir dafür, dass du dich um alle meine Bedürfnisse kümmerst", erwiderte Crest und deutete eine Verbeugung an.
"So ergeht es allen, die mir nützlich sind", sagte Rotiron und wandte sich zum Gehen.

"Eines noch", klang Crests Stimme auf. "Da es jetzt dem Ende entgegen gehen zu scheint, möchte ich dich an dein wichtigstes Versprechen erinnern, Rotiron."
Der Überschwere wandte sich nicht um und marschierte zum wartenden Antigravschacht. "Keine Sorge, Crest. Wenn deine Nichte in die Hände meiner Leute fällt, egal ob sie die Pilotin des Tran-Atlans ist oder nicht, werde ich dafür sorgen, dass sie dir überstellt wird. Unbeschädigt und ungeöffnet, wie ich es dir versprochen habe."
"Und wofür ich dir meine Hilfe und meine Loyalität schenke", erwiderte Crest mit beißendem Ton in der Stimme.
Der Überschwere blieb für einen Moment stehen, drehte sich aber immer noch nicht um. Stattdessen schnaubte er amüsiert. Mit einem letzten Blick auf die sechzig Meter durchmessende Kugel der AETRON EINS verschwand er im Antigravschacht. In dieser Nacht würden interessante Dinge geschehen. Sowohl auf dem Mond, als auch auf der Erde.

2.
General Tai Tiang ließ die jungen Kadetten im Hab acht stehen. Es war allerdings ein mittelschweres Wunder, dass die jungen Männer genügend Disziplin aufbrachten, um dem alten, erfahrenen Offizier zu gehorchen, wenn sich direkt vor ihrer Nase der berühmte, legendäre Tran-Atlan selbst befand. Die jungen Augen konnten sich nicht satt sehen an der zwölf Meter hohen, schlanken Gestalt, die wirkte wie ein eleganter Samurai mit mächtiger Schulterpanzerung, in der Rechten das Rotteku-Kampfschwert mit der Schneide aus Laserlicht, und in der Linken das äußerst effektive Partikelgewehr, das kleinste Moleküle auf nahezu Lichtgeschwindigkeit beschleunigte, die durch den Massezuwachs enorme punktuelle Schäden anrichten konnten. Die Kunst war nicht, diese Waffen zu benutzen. Die Kunst war es, mit ihnen die richtigen Stellen eines Gegners zu treffen. Und der Tran-Atlan galt als konkurrenzloser Meister dieser Kunst, als Beherrscher des Himmels über Terra. Zudem war er als einziges Objekt dieser Größe mit Schutzschilden ausgestattet.
Die etwas klobigeren Atlan-Kampfroboter, dem Tran-Atlan nachempfunden, aber mit terranischem Know How und Material erbaut, wirkten gegen ihren gleich großen, aber wesentlich eleganteren Vater noch immer beeindruckend. Vor allem wenn man sie mit den wesentlich kleineren, massiveren Mark XII-Kampfrobotern verglich, die in den USA entwickelt worden waren, und auf denen die Kadetten die letzten drei Jahre trainiert hatten. Dennoch, an den Tran-Atlan kamen sie nicht heran. Aber im Gegensatz zu den meisten terranischen Modellen verfügten die Atlans auch über Schirme, nicht so starke wie die des Tran-Atlan, aber stärkere als die Tharks oder die Zeus der Europäer besaßen.
Einmal ganz davon abgesehen, dass diese fünf Kampfroboter und Thoras Maschine Wölfe waren, und es theoretisch nur genügend Hunde geben musste, um die Wölfe zu fällen. Wölfe, die sich teuer verkaufen würden.
"ACHTUNG!", gellte ein scharfer Ruf auf. Die Kadetten versteiften sich ein wenig und starrten vor sich ins Leere. Zwei Männer betraten den Hangar. Ein großer, breitschultriger Kaukasier, und ein schlanker, fast ebenso großer Asiat.
"Rühren, meine Herren", sagte Thora, die den beiden auf dem Fuß folgte. "Meine Herren, ich möchte Ihnen die Majore Kosnow und Tschai-Tung vorstellen, meine Piloten."
Das verursachte Verwirrung bei den angehenden Offizieren. Es hatte etwas von "abserviert worden zu sein, bevor man seinen Wert beweisen konnte".
"Lassen Sie mich das erklären", bot Thora an.
Rhodan hob unmilitärisch die Hand. "Ja, Immortal?"
"Gehe ich recht in der Annahme, dass die Majore Kosnow und Tschai-Tung den Tran-Atlan steuern?"
Über Thoras Lippen huschte ein zufriedenes Lächeln. "Was bringt Sie zu dieser Annahme, Immortal?"
"Die Zahl der Einsätze, die der beste Mecha der Menschheit fliegt. Manchmal sieht man wochenlang nichts von ihm, manchmal startet er an einem Tag zwanzig Mal. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Sie, Captain, diesen Raubbau mitmachen und dann noch so blendend gut und gesund aussehen." Als Rhodan bewusst wurde, was er gerade gesagt hatte, räusperte er sich verlegen und nahm die Hand wieder ab.
"Was habe ich dir gesagt?", zischte Freyt zu Nyssen, "Perry holt sich einen Vorsprung!"
"Ruhe im Glied!", herrschte General Tiang die Kadetten an, die sich sofort wieder strafften.
"Sie haben natürlich Recht, Immortal", sagte Thora und hüstelte verlegen. "Der Tran-Atlan muss vierundzwanzig Stunden am Tag im Dienst sein, und bei mancher Groß-Offensive der Fantans hätte ich ganze Tage im Cockpit bleiben müssen. Major Peter Peterowitsch Kosnow und Major Li Tschai-Tung sind nach mir die besten Piloten der Erde. Mit ihnen teile ich mir eine dreimal achtstündige Bereitschaft für den Tran-Atlan. Das heißt, sie waren die Besten, bis Sie fünf aus der Masse der Anwärter hervor gestochen sind. Ihre Werte, meine Herren, sind weit besser als die von Major Kosnow und Major Tschai-Tung. Das bedeutet aber weder, dass Sie die beiden ersetzen werden, noch das nicht einer der beiden Ihre Plätze bei der kommenden Mond-Mission übernehmen wird, wenn sich die viel versprechenden Prognosen als falsch erweisen. Peter?"
Kosnow nickte und trat vor. "Wie Captain von Zoltral gesagt hat, sind Major Tschai-Tung und ich die Reserve-Piloten des Tran-Atlans. Wir drei waren bisher die einzigen Menschen, die diesen Giganten im Kampf einsetzen konnten. Es würde mich im Sinne der Sicherheit der Menschheit mehr als freuen, wenn wir die Zahl der möglichen Piloten für den Tran-Atlan weiter erhöhen können - unabhängig von Ihren Ergebnissen auf den Atlan-Mechas. Darüber hinaus bedeutet das natürlich, das wir als Ersatzleute für Sie agieren, meine Herren. Wir werden jederzeit bereit sein, einen oder mehrere von Ihnen zu ersetzen, sollten Sie konditionell, taktisch oder psychisch ausfallen, beziehungsweise unseren Standards nicht gewachsen sein." Kosnow trat vor und musterte jeden einzelnen der Kadetten eindringlich. "Machen Sie Ihre Sache gut, und Sie werden der Erste Pilot eines Atlans. Machen Sie Ihre Sache sehr gut, und Sie steigen ins Pilotenteam des Tran-Atlan auf. Machen Sie einen Fehler, und Sie sind schneller wieder auf den Nevada Fields, als Sie Kampfroboter sagen können! Wir sind hier das wichtigste, das allerwichtigste Bollwerk der Menschheit! Wir entscheiden, ob die Yen-Lo-Wangs, die Katjuschas, die Zeus oder die Adelantes dieser Welt die Invasion der Fantan-Leute aufhalten können oder nicht! Mit uns steht und fällt die Erde! Machen Sie sich das klar, begreifen Sie, dass es Rivalität auf den Markham Fields nur gibt, um den Besten an die schwerste Position zu bringen, nicht aber um sein Ego zu befriedigen! Dann sind Sie beim letzten und wichtigsten Aufgebot der Menschheit angekommen!" Als keiner der Kadetten eine ernsthafte Reaktion zeigte, nickte Kosnow zufrieden und trat wieder zurück.

"Li."
Der Asiat trat nun vor und musterte die jungen Männer einen nach dem anderen. Schließlich trat er wieder zurück und brummte ein trotziges: "Annehmbar."
Thora vernahm es mit einer gewissen Zufriedenheit. "Es gibt da gewisse Gründe, die einen Atlan jedem terranischen Modell überlegen machen, abgesehen von der Bewaffnung und den Schirmen. Auch jedem Thark der Fantans, die Sie unter den Codebezeichnungen Scylla, Gorgone und Hermes kennen. Sie alle kennen die neuronale Verbindung, die der Pilot mit der Positronik eines Mechas eingeht. Um geeignete Piloten für die Mechas zu finden, muss man entweder sehr lange suchen, oder Abstriche in der Leistung in Kauf nehmen, wenn zum Beispiel ein Jet-Pilot auf einen Kampfroboter wechselt. Das kann überraschend gut ausfallen, oder auch nicht. In jedem Fall ist der Pilot mit dem Mecha allerdings weit stärker als in seinem Kampfjet. Was die Majore Kosnow und Tschai-Tung angeht, so haben wir lange, sehr lange gesucht. Übrig blieben die Besten der Besten. Doktor Peterson?"
"Ja, ich komme, Thora." Hinter dem Tran-Atlan klapperte etwas, dann war ein Laut des Erschreckens zu hören, und aus dem linken Knie rauschte eine Gestalt zu Boden. Überrascht sah sich Doktor Peterson auf dem Boden des Hangars um, bevor er einen derben Fluch zum Besten gab und sich steif erhob.

Peterson trat vor die Kadetten. Er zog einen antiquierten Schreibblock hervor und begann daraus abzulesen. "Wissen Sie, was den Tran-Atlan so erfolgreich macht, meine Herren? Nein, natürlich wissen Sie es nicht. Also werde ich es Ihnen sagen: Die perfekte Abstimmung auf ein arkonidisches Gehirn. Ich will damit nicht sagen, dass terranische Gehirne nicht so leistungsfähig sind wie arkonidische. Aber es gibt da einen Umstand, das das arkonidische Gehirn für den Umgang mit einem Mecha geeigneter macht. Arkonidische Gehirne haben einen Gehirnsektor, der, nun, zusätzlich da ist. Das geht auf eine genetische Manipulation des gesamten Volkes vor dem Anbeginn der Raumfahrt zurück. Die Forscher erhofften sich dadurch, alle Arkoniden mit einer Art sechstem Sinn auszurüsten, um sie für die Gefahren und Chancen des Weltalls besser zu wappnen. Entstanden ist eine Art Extrasinn, einer superlogischen Stimme im Kopf. Sie können sich vorstellen, dass die Erste Generation Arkoniden mit kleinem Mann im Kopf erhebliche Probleme hatte. Also ging man damals dazu über, diesen Hirnsektor wieder einzuschläfern, und nur bei besonderen Probanden zu erwecken. Diese Fähigkeit, dieser Extrasinn, wird heutzutage kaum noch erweckt. Aber die entsprechende Gehirnregion ist nun mal da, und sie ist es, die... Gewisse Faktoren erschafft, die den Umgang und die Vernetzung mit der Positronik extrem begünstigt. Um einen Mecha wie den Tran-Atlan annähernd so erfolgreich steuern zu können wie Captain von Zoltral braucht man entweder genau diesen Extrasinn... Oder man ist wie Sie in einem Alter, meine Herren, in dem das Gehirn seine Aufgaben noch nicht zu einhundert Prozent übernommen hat, und sich ein Teil der Synapsen durch langjähriges Training so umbildet, dass das Gehirn quasi einen Pseudo-Extrasinn hervorbringt. Ihr jahrelanges Training, meine Herren, hat Sie in die Lage versetzt, nach arkonidischer Methode die Atlans zu steuern. Und heute werden wir herausfinden, wie gut Ihr Pseudo-Extrasinn funktioniert. Anhand der Ergebnisse werden wir entscheiden, ob Sie an Lunar Dream teilnehmen werden, und ob von Ihnen jemand für den Tran-Atlan in Frage kommt."

Er deutete tiefer in die Halle, die prompt in diesem Moment ausgeleuchtet wurde. "Für diesen Zweck haben wir Simulatoren, die eine perfekte Vernetzung simulieren, und die nahezu reale Gefechtsbedingungen erschaffen."
"Mit anderen Worten: Es gibt endlich was abzuschießen!", rief Bully und reckte eine Faust hoch.
"Nun, das war wissenschaftlich gesehen nicht ganz sauber ausgedrückt, aber militärisch gesehen trifft es wohl den Kern", schmunzelte Peterson. "Kommen Sie, meine Herren, machen wir uns an die Arbeit. Es liegt ein langer Nachmittag und ein langer Abend vor uns."
"Was ist mit Schutzanzügen? Sollen wir uns umziehen?", fragte Deringhouse.
"Nein, nicht für die Simulatoren. Morgen, wenn wir Sie auf die Atlans lassen, werden Sie sie aber brauchen können. Vor allem die verbesserten Andruckabsorber, die wir integriert haben und die jedem terranischen Modell überlegen sind." Peterson grinste schalkhaft. "Nur so aus Interesse, meine Herren: Wer, denken Sie, wird denn bei dieser Simulation am Besten abschneiden?"
Vier Zeigefinger fuhren hoch und deuteten auf Rhodan, der seinerseits auf Freyt hatte zeigen wollen. Erstaunt sah er die anderen vier an. "Jungs, macht keinen Scheiß."
"Ein eindeutiges Votum", klang nun wieder Thoras Stimme auf. "Immortal, ich erwarte Großes von Ihnen. Immerhin wollen Sie den Tran-Atlan steuern, oder? Zeigen Sie mir, was Sie drauf haben."
Rhodan biss die Zähne zusammen. "Das werde ich, Captain!"
"Na, dann mal los!", rief Bully fröhlich, klopfte Rhodan und Nyssen auf die Schultern und schob sie in Richtung der Simulatoren.
***
"War zu erwarten gewesen", sagte Freyt müde, und stieg aus seiner Simulatorkapsel.
"Na, du hast ja wohl keinen Grund, um dich zu beschweren", erwiderte Nyssen. "Du bist gleich nach Perry die Nummer zwei in der Wertung. Ich hingegen muss mich mit einem lausigen Platz vier hinter Bully zufrieden geben."
"Danke, dass du nicht erwähnst, dass ich auf Platz fünf bin!", rief Deringhouse ärgerlich.
"Machen Sie sich nicht ins Hemd, Kadett", mahnte Kosnow. "Ihre Werte liegen elf Prozentpunkte über meinem besten Ergebnis. Es gibt keinen Grund für Sie, sich zu beschweren. Wenn Sie diesen Leistungsstand auch bei den Atlans selbst halten können, dann haben wir unser Team für Lunar Dream zusammen."
Verwundert blinzelte Deringhouse. "Wirklich?"
"Würde es für mich Sinn machen, Sie grundlos zu loben, Sidewinder?", erwiderte Kosnow mit einem trockenen Grinsen. "Im Anbetracht der Freiheit der ganzen Menschheit gibt es kein Schönreden und kein Loben. Wir alle müssen unser Bestes geben, und wir müssen es da geben, wo wir am Effektivsten sind. Gewöhnen Sie sich daran, Sidewinder. Gewöhnen Sie alle sich daran. Auch Sie, Immortal."
Rhodan, der gerade aus seiner Kapsel geklettert kam, sah auf. "Wo ist Thora?"
"CAPTAIN von Zoltral", sagte Kosnow bissig, "hatte in der vergangenen Nacht mehrere Einsätze. Sie ist jetzt schon seit zwanzig Stunden auf den Beinen und hat vor einer halben Stunde eine kleine Ruhepause eingelegt. Wenn Sie etwas Wichtiges mit dem Captain zu besprechen haben, werde ich die Agenten Matsu und Sloane, die im Moment für ihre persönliche Sicherheit zuständig sind, bitten, sie zu wecken."
Rhodan winkte ab. "Es geht mir nicht darum, die Leistungen von Captain von Zoltral in Frage zu stellen. Ich war nur neugierig."
"Und Sie missgönnen ihr auch nicht den Schlaf, den sie ab und zu doch mal braucht, um nach Ihren eigenen Worten so blendend gut und gesund auszusehen, Rhodan?", fragte Peterson grinsend und drückte dem Kadetten einen Energydrink in die Hand. Einen weiteren reichte er Bull, bevor er mit den restlichen Dosen zu den anderen drei Kadetten ging.
"Nein, natürlich nicht." Rhodan öffnete die Dose und nahm einen Schluck von der eiskalten Flüssigkeit. "Ich dachte nur, sie hätte eventuell das Interesse an uns verloren."
"Du meinst, du dachtest, sie hat das Interesse an dir verloren", tadelte Bull grinsend und wollte seine Dose öffnen. "Grapefruit-Saft? Ist da wirklich Grapefruit-Saft drin?"
"Ist das nicht Ihre Marke?", fragte Peterson.
Bull sah zu den anderen drei Kadetten, die viel sagende Blicke austauschten. "Wo sind denn hier die Toiletten im Gebäude?", fragte Deringhouse mit einem resignierenden Seufzer.
"Wir haben welche in den Duschräumen. Der Bereich für die Herren hat aber einen Wasserschaden und wurde von der Leitung genommen. Dort, durch diese Tür." Er runzelte die Stirn. "Kann mir mal einer erklären, was ich falsch gemacht habe?"
Deringhouse ging zur Tür und öffnete sie. Nyssen sah demonstrativ auf seine Uhr. "Ich gebe ihm noch zehn Sekunden maximal."
Freyt sah in einer Mischung aus Schadenfreude und Mitgefühl zu Rhodan herüber. "Falls du kein Papier hast, rufe laut. Wir retten dich dann."
"Ich verstehe nicht...", begann Peterson wieder.
In diesem Moment entglitt die Dose Rhodans Händen, fiel zu Boden und ergoss sich auf den Stahlbeton. Rhodans Augen verdrehten sich, bis nur noch das Weiße zu sehen war. Ein leiser, stetig lauter werdender Klagelaut kam gepresst durch seine Lippen. "Ent.. Entschuldigen Sie mich, Doc!", rief er hastig und sprintete zur Tür, die Deringhouse für ihn offen hielt.
"Zweite Tür links!", rief Sidewinder ihm nach.
"Perry verträgt keinen Grapefruit-Saft", sagte Bull, mühsam ein Lachen zurückhaltend. "Er verträgt überhaupt keine Südfrüchte. Davon kriegt er schlimmen Durchfall."
"Oh!" Entsetzt sah Peterson die jungen Kadetten an, während Kosnow und Tschai-Tung in lautes Gelächter ausbrachen. "Das tut mir Leid. Das habe ich nicht gewusst."
"Es ist keine Allergie. Es ist nur Durchfall", beruhigte Nyssen den Doktor. "Was also soll mit ihm passieren, außer ein paar Darmkrämpfen?"
"Abwarten", mahnte Freyt. "Wir reden hier immerhin über Immortal."
"Wie wäre es, wenn wir die Zeit nutzen, in der er nicht da ist, und noch etwas unsere Punkte verbessern?", schlug Bull vor. "Die Gelegenheit ist günstig."
Eifrig stimmten die anderen drei Kadetten zu und bemannten wieder ihre Simulatoren.
"Also, über mangelnden Willen können wir uns schon mal nicht beschweren", merkte Tschai-Tung amüsiert an.

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***
Sie war bereits zehn Arkonjahre alt, das machte sie Zuhause schon beinahe zu einer Erwachsenen mit erweiterten Rechten und Pflichten. Dennoch fühlte sie sich im Moment hilfloser als ein Säugling. Ihre ganze Welt, die vor allem daraus bestanden hatte, eines Tages als wichtige adlige junge Frau des Zoltral-Khasurns für eine besondere politische Verbindung verheiratet zu werden, brach in sich zusammen wie ein Kartenhaus. Ursprünglich hatte sie die Idee, ihren Onkel Crest auf seiner Mission zu begleiten, als letzte Chance auf ein wenig Freiraum gesehen, bevor sie alt genug wurde, um als perfekte Braut ausgebildet zu werden. Ihr Ziel, auf die Universität oder gar zur legendären Flotte zu gehen, war in weite Ferne gerückt. Sie war einfach zu nahe an die Hauptfamilie geboren worden, um unter ferner liefen wie ihre Base Entama irgendwann einmal den Khasurn verlassen zu können und an der großen Arkon-Universität zu studieren. Ihr war nur diese Expedition geblieben, die ihr nur gestattet worden war, weil sie beim Aufbruch noch ein Kind gewesen war, und weil man Crest nicht zumuten wollte, ein ganzes Jahr nur unter nichtadligen Arkoniden zu verbringen, den verachteten Essoya.
Thora hatte nie etwas Schlechtes an Essoya gefunden, und das nicht nur, weil sie die Nichtadligen meistens dann kennenlernte, wenn sie von ihnen bedient wurde. Es waren Arkoniden wie sie und Crest. Vielleicht nicht so klug und gewitzt wie ihr Onkel, aber ihr waren die Meisten weit überlegen, was Wissen und Erfahrung anging. Vor allem Kommanta hatte es ihr angetan, der junge Pilot des Tran-Atlans. Seine Familie diente dem Khasurn nun schon seit achttausend Jahren als Mecha-Piloten, und nur die Besten unter ihnen durften einen der dreizehn Mechas führen, die nach den dreizehn Heroen der arkonidischen Geschichte benannt waren. Kommanta hatte es geschafft, den Tran-Atlan zugeteilt zu bekommen, den mächtigsten Kampfroboter der dreizehn Zoltral-Maschinen. Und er war so nett, mit der kleinen Thora auf diesem legendären Mecha zu trainieren. Ihr ein paar Simulationen zu erlauben, ein paar Kniffe zu zeigen, um, wie er ihr einmal lachend erklärt hatte, nicht an Langeweile zu sterben.

Nun war das Lachen verstummt, und mehr schlecht als recht klammerte sich Thora an Kommantas Raumanzug, während der große Arkonide wild feuernd die Gänge der AETRON hinab lief.
"Lass nicht los!", rief er beschwörend. "Lass auf keinen Fall los! Sonst verlässt du meinen Schutzschirm, und ich kann dir nicht mehr helfen!"
"N-nein, das werde ich nicht!", rief sie ängstlich, und ihre Stimme kam ihr schrill und hysterisch vor. Etwas kreischte entsetzlich laut, Kommanta blieb stehen und feuerte seinen Thermostrahler so lange ab, bis der Gang vor ihnen in Flammen stand. Dann hetzte er mit ihr weiter, mitten durch den vor Hitze rotglühenden Gang. Hinter ihr klangen die tiefen, dunklen und bösartigen Stimmen der Überschweren auf. Die gleichen Stimmen, die gelacht hatten, als einer von ihnen Kapitän Horat die Arme gebrochen hatte. Gelacht hatten sie, einfach nur gelacht. Ängstlich verstärkte sie ihren Griff so sehr, dass sie kaum noch Leben in der Hand verspürte.
Der Schirm flackerte, als die Überschweren begannen, Kommanta in den Rücken zu schießen, dort wo sie stand. Der Arkonide wirbelte herum, drückte sie mit Links weiterhin hinter sich, und feuerte seinerseits in den Gang auf die Überschweren. Sie trugen keine individuellen Schutzschirme. Einen erwischte er glatt, der andere entkam in einem Seitengang. Das entsetzliche Heulen des verwundeten Überschweren gellte in ihren Ohren, und Kommanta setzte einen Schuss hinterher, der den Kompaktmenschen zum Schweigen brachte. "Weiter!", rief er, zog sie wieder den Gang hinab.

Sie erreichten den Hangar, in dem die AETRON EINS und der Tran-Atlan standen. Normalerweise war der Mecha-Hangar auf der anderen Seite der AETRON, und vier Decks tiefer. Aber ihr Onkel Crest hatte hier mit beiden experimentiert, der AETRON EINS und dem Tran-Atlan. Angeblich hatte er eine wundervolle Idee gehabt, die für ihre weitere Expedition für mehr Sicherheit sorgen würde. Zu spät. Viel zu spät, seit sie auf dem Mond dieses Hinterwäldlerplaneten notgelandet waren, seit die Fantan-Piraten über sie hergefallen waren. Alles war zu spät, alle tot, außer ihr und Kommanta, und vielleicht war sogar ihr Onkel Crest bereits tot. Für einen Augenblick fühlte sie sich so kraftlos, dass sie beinahe losgelassen hätte. Aber dann schüttelte sie trotzig den Kopf und griff noch fester zu.
Kommanta lief direkt zum Tran-Atlan. "Öffne ihn, Thora!", sagte er hastig, und sicherte nach hinten. Thora gab ihren persönlichen Code in der Tastatur unter dem Cockpit ein, und schnell schwang die Zugangsluke auf.
Kommanta nickte zufrieden, schob sie die kleine Trittleiter hoch in die Eingeweide des Mechas, und wollte ihr folgen. "Die Anzeigen für die Torkontrolle sind aus. Die Überschweren haben die zentrale Positronik ausgeschaltet!" Er ergriff Thoras Hände mit der Linken und drückte sie mit der Rechten in den Pilotensitz. "Ich werde die Tore manuell öffnen. Es kann sein, dass ich danach nicht mehr rechtzeitig zurück bin, um mit dir zu fliegen. Dann musst du alleine starten, Thora!"
Die junge Frau schüttelte unwillig den Kopf, umklammerte die Linke des Soldaten so sehr, dass sich ihre Knöchel weiß abzeichneten. "Kommanta!", rief sie ängstlich, als der Arkonide gehen wollte.
"Aber, das ziemt sich für eine hohe Tochter der Zoltrals nicht", tadelte er ernst. "Hör mir zu, Thora, das ist jetzt sehr wichtig. Der nahe Planet, die Erde oder auch Terra, ist auf einem technischen Level, der es ihr erlaubt, die Fantans zumindest aufzuhalten. Um Ersatzteile für die AETRON zu erwerben, haben wir ein wenig Technologie auf der Erde verkauft und Kontakte geknüpft. Einer dieser Kontakte ist General Leslie Pounder, ein hochrangiger Offizier eines Landes namens Vereinigte Staaten von Amerika. Er weiß von unserer Existenz, und er weiß auch von den Gefahren, die ihm und seiner Welt zum Beispiel durch die Fantans drohen. Wir haben einen Funkkanal für den Notfall vereinbart. Kontaktiere ihn. Er wird sich um dich kümmern, bis Arkoniden zu deiner Rettung eintreffen. Erinnere dich an dein Training, Thora. Erinnere dich an alles, was ich dir beigebracht habe. Erinnere dich daran, wie eine Tochter der Zoltrals handeln sollte. Und jetzt lass mich gehen. Wenn ich schnell genug bin, schaffe ich es schon."
Sie war gefangen, zwischen der Indoktrination ihres Clans in ihrem Verhalten und ihren widersprüchlichen, intensiven Gefühlen, die sich in dieser Situation Bahn brachen. Das Mädchen warf sich nach vorne, und presste dem Soldaten die Lippen linkisch auf den Mund.
Der große Arkonide strich ihr für einen winzigen Moment in einer vertraulichen Geste, die sie noch nie erhalten hatte, über die weißblonden Haare. Dann entriss er seine andere Hand ihrem Griff und lief wieder in den Hangar hinein, rüber zur Hangarbox, in der die Tore gesteuert wurden.
Für einen Moment wollte Thora ihm nachsetzen, ihn nicht allein lassen. Aber was wären seine Anstrengungen wert gewesen, wenn sie all dies durch ihr törichtes Verhalten zunichte gemacht hätte? Ihr Training gewann die Oberhand. Sie zog ihren Pilotenanzug aus dem Staufach hervor, und hielt ihn einige bange Sekunden in Händen. Ob Onkel Crest wohl Ärger gemacht hätte, wenn er gewusst hätte, dass Kommanta ihr einen eigenen hatte anfertigen lassen? Sie schob diese Gedanken beiseite, schlüpfte hinein und bereitete sich anschließend darauf vor, den Tran-Atlan zu starten. Als sie den Helm aufsetzte, verspürte sie kurz das vertraute Kitzeln, als ihre Neuronen direkt mit der Positronik verbunden wurde. Alle ihre Gesten, ihre Reflexe, selbst verbal ausgesprochene Entscheidungen würden den Tran-Atlan steuern. Sie hatte es schon ein paar Dutzendmal gemacht, und Kommanta war immer sehr erfreut über ihre Synchronisationsrate gewesen. Einmal hatte er sie gelobt, ihr gesagt, sie wäre auch ein verdammt guter Soldat geworden. Aber das sie eines Tages mal Soldat werden musste, hätte sie nie gedacht.

Kommanta erschien in der Hangarbox. Er aktivierte die Steuerung für die Hangartore. Ein leichtes Flimmern legte sich über die Innenseite und bewies, dass die Atemluft zurückgehalten wurde. Er grinste triumphierend, als sich das Tor nach und nach zu öffnen begann. Genau bis zu dem Moment, in dem das kleine Kommando in den Hangar stürmte. Vier Überschwere, alle bis an die Zähne bewaffnet. Und sie feuerten ohne zu zögern auf den Tran-Atlan.
Ein Thermo-Schuss fuhr ins Cockpit und schlug links über Thora in die Rückwand ein. Erschrocken schrie sie auf.
Kommanta deutete in seiner Box auf sie, zeigte mit beiden Händen den Befehl, das Cockpit zu versiegeln. Erschrocken schüttelte Thora den Kopf. Das hätte bedeutet, dass der Arkonide nicht mehr an Bord kommen konnte.
Kommanta deutete auf die Überschweren, die zwar nicht mehr feuerten, aber auf den Tran-Atlan zuhetzten. Wieder machte er das Zeichen, das Cockpit zu schließen. Diesmal gehorchte Thora, ihre Konditionierung griff, und sie folgte seiner Anweisung.
Der Tran-Atlan erwachte vollends zum Leben, und die Positronik informierte sie mit einem Lauftext auf ihren Helmbildschirm darüber, dass der Katapultstart initiiert worden war. Durch Kommanta. Diesmal schrie sie nicht auf, wehrte sich nicht, rief nicht nach ihm oder Onkel Crest. Diesmal ergriff sie die Steuerungen, versenkte die Füße auf die Pedale, und spannte sich an, wie sie es für den Katapultstart gelernt hatte.
Die Überschweren hatten derweil Kommanta entdeckt und nahmen die Box unter Feuer. Doch der große Arkonide grinste sie nur frech an. Warum, wurde Thora klar, als das Energiefeld erlosch, welches die Atemluft im Hangar hielt. Die Überschweren schrien überrascht auf, als der Sog nach ihnen griff, aber dank ihres Gewichts wurden sie nicht sofort ins Vakuum katapultiert.
Dann erfolgte der Katapultstart, der Tran-Atlan wurde aus dem Stand auf acht G beschleunigt, und die Andruckabsorber des Anzugs hielten lediglich fünf G von ihr ab. Der letzte Eindruck, den sie von Kommanta erhaschen konnte, war sein entschlossenes Gesicht, und der Thermostrahler, dessen Ladestand er kontrollierte. Thora machte sich keinerlei Illusionen. Sie hatte ihn zum letzten, zum allerletzten Mal gesehen. Er hatte sich für sie geopfert.

Die Energie des Katapultstarts warf den Tran-Atlan weit über die Mondoberfläche dahin. Sie trieb mehr als das sie flog, bis das Training griff, und sie per Pedalsteuerung Schub auf die Düsen gab. Der Rückentornister erwachte mit Urgewalt zum Leben und hob sie an, ließ sie gegen die Gravitation des Mondes ankämpfen. Ihr Ziel war der Hinterwäldlerplanet, der als kleines blaues Juwel langsam über den Mondhorizont kletterte. Sie ließ so viel zurück, so viele zurück. Die Überschweren hatten ihr alles genommen, alles was sie gewesen war, alles was sie noch bedeuten mochte. Ihren Onkel, ihre Zukunft, Kommanta, einfach alles. Für einen Moment schluchzte sie leise, zumindest bis die Radarwarnung sie darüber informierte, das mehrere Tharks versuchten sie einzuholen. Aber mit der Beschleunigung eines Tran-Atlans konnten die plumpen Modelle der Überschweren nicht mithalten. Sie beschleunigte hart, und entriss die Maschine dem gravitatorischen Griff des Kleinplaneten. Die Tharks blieben wie hilflose Spielzeuge hinter ihr zurück.
Diesmal schluchzte sie nicht auf. Sie weinte auch nicht, und das salzige Sekret, das aus ihren Augen lief, war der Aufregung geschuldet. Stattdessen straffte sie sich, ging die Anzeigen durch, wie sie es gelernt hatte und berechnete einen Kurs zu den Vereinigten Staaten von Amerika. Hinterwäldlerplanet. Nicht in der Lage, mit einer gemeinsamen Stimme zu sprechen. Er kam ihr vor wie der Zoltral-Khasurn mit seinen Verstrickungen, Händeln und Intrigen. Vielleicht würde sie sich dort ganz heimisch fühlen. Auf jeden Fall aber würde sie eines Tages wieder zurückkehren, hier auf die AETRON. Und sie würde allen Arkoniden, von denen noch etwas übrig war, eine ehrenvolle Feuerbestattung gewähren. Den Überschweren auch, bei lebendigem Leib, schwor sie sich in einem Anflug von wilder Wut.
Für einen winzigen Moment ging ihre Linke zu ihren Lippen. Sie erinnerte sich an den Kuss, den sie Kommanta gestohlen hatte. Kommanta, der jetzt tot war, gestorben alleine für sie. Nie wieder würde sie einen anderen Arkoniden küssen. Niemals wieder.

Erschrocken fuhr Thora auf, tastete um sich. Sie blinzelte mehrfach in der Dunkelheit. "Licht!", befahl sie der Positronik, aber es blieb dunkel. Das war der Beweis. Sie war auf der Erde. Sie hatte schlecht geträumt. Wieder einmal.
Eine Tür öffnete sich, und Licht flammte auf. Special Agent Matsu stand in der Tür und sah sie besorgt an. "Alles in Ordnung, Schatz?"
Thora versuchte sich an einem Lächeln, aber es wurde nur eine bittere Grimasse. "Albträume", erwiderte sie. "Schon wieder."
Das machte Matsu etwas hilflos. Dennoch setzte sie sich auf die Bettkante zu Thora und sah sie freundlich an. "Wenn du drüber reden willst..."
"Nein, nein, es ist alles in Ordnung. Soweit das möglich ist." Sie schwang die Beine aus dem Bett und stellte fest, dass sie in ihrer Uniform geschlafen hatte. Aha, also wieder mal der Bereitschaftsraum im Hangar. Verwirrt rieb sie sich die Schläfen. "Ach ja, das Training der Kadetten", brummte sie missmutig. "Wie ist es denn gelaufen?"
Ishi Matsu lächelte. "Sie sind alle mindestens elf Prozentpunkte besser als Kosnow."
"Elf Punkte gleich? Der arme Peter. Hat sein Ego das verkraftet?", fragte Thora besorgt.
"Eher bringst du einem Pinguin Stepptanzen bei, als dass du bei dem russischen Bären ein Gefühl von Missgunst oder Eifersucht entdeckst", erwiderte Matsu. Sie seufzte. "Geschweige denn irgend ein anderes Gefühl, außer es kommt in einer Dienstvorschrift vor."
Thora kicherte leise. "Ja, das beschreibt Peter recht genau. Trainieren die Kadetten noch?"
"Um elf Uhr Abends Ortszeit? Was erwartest du?", tadelte Matsu. "Natürlich trainieren sie noch. Und Peter und Li haben ihren Spaß dabei, sie zu schleifen und ihnen ein paar Tricks beizubringen."
"Na, dann werden sie wohl noch einige Zeit brauchen." Thora erhob sich, ging an einen der Spinde des Bereitschaftsraums und zog ihre Ersatzuniform hervor. Nachts konnte es schon mal etwas kühl werden auf den Markham Fields. "Dann bleibt mir ja Zeit für eine Dusche."
"Habe verstanden", erwiderte Agent Matsu. "Ich benachrichtige Agent Sloane. Wir postieren uns vor der Dusche, nur für den Fall, dass die kleinen Jungs etwas übermütig werden. Oder irgend ein anderer Mann auf dem Stützpunkt."
Thora lächelte dünn. "Danke. Aber ich bin sicher, es gibt hier keinen Mann, mit dem ich nicht fertig werden würde."
"Das will ich auch schwer hoffen! Wozu trainieren wir dich seit drei Jahren?", rief Ishi Matsu empört. Sie stand auf und zog ein großes Handtuch aus Thoras Spind. "Lass dir ruhig Zeit. Du kannst auch in dein Quartier gehen und die Badewanne nehmen."
"Nein, eine Dusche reicht mir im Moment. Ich bin wieder fit. Und außerdem will ich mir die Ergebnisse meiner Jungs ansehen."
"Oh? Deiner Jungs? Gibt es denn dabei einen, der dich besonders interessiert?", stichelte Matsu.
"Nun... Besonders interessiert kann man sagen. Ich habe wahrscheinlich seine Schwester getötet. Als ich ein Fantan-Schiff zerstört habe."
Agent Matsu wurde blass. "Ein Sicherheitsrisiko?"
"Dann hätte man ihn nicht nach Markham Fields gelassen. Mach dir keine Sorgen. Er ist ein Pflichtenerfüller, genau wie ich und du. Oder Peter."
"Hm. Es wird sich aber lohnen, ihn im Auge zu behalten. Nur falls er frech wird!", sagte die Agentin.
"Eventuell", erwiderte Thora ausweichend.

In den Umkleideräumen entkleidete sich die Arkonidin, nahm das Handtuch und ihre hier verstauten Duschutensilien in den Duschraum, während die Special Agents Matsu und Sloane vor der Tür Wache schoben, um notfalls allzu aufdringliche Verehrer von der Damendusche und speziell von Captain von Zoltral fern zu halten. Derweil stellte sich Thora unter den warmen Strahl der Brause und ließ sich durchweichen.

Nur fünf Meter entfernt, im separaten Toilettenbereich, saß Perry Rhodan mit Schmerzverzerrten Gesicht auf der Toilette. Verdammt, Grapefruit-Saft! Ausgerechnet er vor allen anderen sollte es doch besser wissen! Warum passierte ihm immer so ein Quatsch, vor allem wenn er etwas Wichtiges vor hatte wie die Eignungsprüfung für den Atlan-Kampfroboter?
Ein letzter Furz hallte leise durch die Kabine, und erleichtert stellte Perry fest, dass es das wohl gewesen war. Die Krämpfe ließen nach, die Magensäure kochte nicht mehr die Kehle hoch, und das Brennen ließ langsam nach. Das Beste war, er hatte sogar genügend Papier. Dreilagig, streichelzart. Er würde also nicht nach Michael oder Reginald rufen müssen, damit sie ihn aus seiner Notlage befreiten.
Nachdem er sich wieder einigermaßen sauber fühlte, wusch er sich gründlich die Hände mit Seife. Kamillenaroma aus dem Spender. Hm, man merkte schon irgendwie, dass dies hier der Frauenumkleideraum war. Mit echten Handtüchern, nicht den billigen Papierteilen, trocknete Rhodan seine Hände gründlich ab. Auf jeden Fall würde er heute noch gründlich duschen. Sehr, sehr, sehr gründlich, versprach er sich selbst. Verschwitzt und Durchfall war eine fürchterliche Kombination.
Schließlich, leidlich zufrieden und wieder im vollen Besitz seiner Körperkontrolle, löschte er das Licht auf der Toilette und trat in die Umkleideräume hinaus. Aus den Augenwinkeln erkannte er eine zweite Person. "Captain von Zoltral", sagte er grüßend.
"Immortal", erwiderte die Arkonidin, während sie konzentriert ihr langes Haar trocken rieb.
Moment Mal, ihr Haar trocken rieb? Kaltes Entsetzen griff nach Rhodan, als er sich langsam, Millimeter für Millimeter wieder in ihre Richtung drehte. Schweiß legte sich auf seine Stirn.
Thora indes spürte, wie ihr das Handtuch entglitt. Sie war eben frisch aus der Dusche gekommen, und ihr einziges Handtuch war gerade zu Boden gefallen. Entsetzen, heiß und kochend, stieg langsam in ihr empor. Sie sah Perry an, der sich ihr in Zeitlupe wieder zuwandte.
Nicht gucken!, ging es Thora durch den Kopf, während ihr Körper wie gelähmt erschien. Gelähmt und splitterfasernackt.
Nicht gucken!, ging es auch Perry wie ein Mantra durch den Kopf. Doch es war wie mit all diesen Dingen, sie funktionierten einfach nicht. Da stand sie also vor ihm, Thora von Zoltral, nackt wie Arkons Götter sie erschaffen hatten. Und er hatte nichts Besseres zu tun, als sie anzusehen. Mit steigendem Entsetzen, zugegeben, und das auch noch irgendwie gegen seinen Willen, aber ihm war klar, dass die Röte, die zuerst in ihre Wangen schoss, und dann ihre Stirn und die Ohren glühen ließ, nichts Gutes verhieß. "Also doch echt blond", entfuhr es ihm gequält, während sein Blick wieder nach oben wanderte.
"Natürlich bin ich echt blond!", rief sie aufgebracht, und ihre Aufregung und Wut entlud sich mit einem Schlag.
***
Peter Kosnow bot ein sehr ungewöhnliches Bild für jene, die ihn kannten. Er stand an der Rampe der Simulatoren, hielt das Geländer umklammert und lachte so sehr, dass er beinahe den Halt verlor. Das Ziel seiner Belustigung war Perry Rhodan, der einen dicken weißen Handabdruck im Gesicht trug, der tiefrot umrandet war. Betreten, aber auch trotzig blickend, saß er auf dem Simulator, während Thora vor Wut schnaubend nur einem Meter neben ihm stand, die Arme vor der Brust verschränkt und mit dem rechten Fuß ein nervöses Stakkato trommelnd.
"Ich entschuldige mich! Es tut mir Leid! Was kann ich denn noch sagen?"
"Nichts können Sie sagen!", zischte sie ärgerlich. "Sie haben mich nackt gesehen, splitterfasernackt! Oh, ich werde mir eine angemessene Strafe für Sie ausdenken, das verspreche ich Ihnen, Perry! Mir wird schon was wirklich Gemeines einfallen."
Freyt, der feixend hinter Perry saß, beugte sich vor und raunte laut genug, damit Thora es hören konnte: "Schlag ihr doch vor, dass sie dich nackt sehen darf, Perry. Quit pro quo, Alter."
"Ha, ha. Sehr witzig", sagte Rhodan.
"Ha. Nackt eine Runde um Markham Fields wäre keine dumme Idee", sagte Thora. "Vielleicht gebe ich mich damit zufrieden. Vielleicht!"
"Na, in deiner Haut möchte ich jetzt nicht stecken", meinte Freyt und klopfte Rhodan auf die Schulter. "Sieh zu, wie du das wieder hinbiegst."
Ein paar Meter weiter ließ sich Major Klein gerade von Li und Matsu erklären, wie es zu diesem Vorfall gekommen war. Peterson, der mit seinem Saft der Auslöser allen Übels gewesen war, stand mit bedrückter Miene daneben.
"Warum haben Sie die Frauenumkleideräume nicht vorher inspiziert, Agent Matsu?"
"Ich wusste nicht, dass der Männerumkleideraum gesperrt war", gab sie kleinlaut zu. "Und da wir drei die einzigen Frauen in der Halle sind, und uns im Zentrum des Hochsicherheitstrakts befinden, war ich wohl etwas nachlässig." Sie straffte sich. "Ich bitte um eine harte und gerechte Bestrafung."
Klein schnaubte amüsiert. "Na, es ist ja nicht wirklich etwas passiert. Immortal hat Thora nackt gesehen. Mehr Schaden wurde nicht angerichtet. Stellt euch vor, es wäre ein Attentäter gewesen. Das wäre wirklich übel geworden. Für uns alle."
"Mehr Schaden wurde nicht angerichtet?", klang Thoras wütende Stimme auf. "Wie, mehr Schaden wurde nicht angerichtet? Ich... Ich... Dieser..." Fassungslos und bar jeder Worte deutete sie wieder auf Rhodan, der nun schuldbewusst den Kopf zwischen den Knien hielt.
"Thora, er hat seine Strafe doch schon längst bekommen", erwiderte Klein mit einem sardonischen Lächeln. "Er wird der meistgehasste Mann auf ganz Markham Fields sein, sobald bekannt wird, was er getan hat. Und Markham Fields wird es erfahren." Klein ging auf Rhodan zu und klopfte ihm auf die Schulter. "Aber das ist es doch wert, oder, Immortal? Das bisschen geschnitten werden, die bissigen Bemerkungen, die kleinen Schikanen der Thora-Fans..."
"Tut mir einen Gefallen, und bringt mich um", murmelte Rhodan mit matter Stimme.
"Ach, auch noch glücklich sterben wollen, was?", fuhr Thora ihn an.
"Wie, glücklich sterben wollen?" Rhodan fuhr hoch und stieß dabei beinahe Klein um. "Also ehrlich, Captain, bilden Sie sich wirklich so viel auf Ihren arkonidischen Traumkörper ein, der... Der..." Rhodan errötete bis unter die Ohren und setzte sich wieder in die vorige Pose. "Bitte, kann mich mal jemand erschießen?"
Thora lächelte triumphierend. "Das kann man ja schon beinahe als Wiedergutmachung geltend machen. Also gut, Perry, ich verzeihe Ihnen. Unter zwei Bedingungen."
"Und die wären?", fragte Rhodan, in neuer Hoffnung aufschauend.
"Erstens: Wenn Sie das nächste Mal etwas trinken, was Sie nicht vertragen, flüchten Sie auf ein Herrenklo. Und wenn es einen Kilometer entfernt ist."
"Da reicht doch auch eine einsame Hangarwand, oder?", scherzte Nyssen.
"Und zweitens", fuhr Thora unbeirrbar fort, stockte und warf Rhodan einen unsicheren Blick zu. "Zweitens... Ich weiß, Sie können nicht vergessen, was ich... Was wegen mir mit Ihrer Schwester passiert ist. Das kann ich nicht rückgängig machen, egal wie sehr ich es will. Aber... vielleicht können wir noch mal ganz von vorne starten?"
"Eins ist akzeptabel. Und sei es eine Hangarwand", sagte Rhodan und erhob sich. "Zwei ist... Schwierig. Aber nicht unmöglich." Er reichte Thora die Hand.
Thora linste unsicher aus den Augenwinkeln auf die dargebotene Hand. Schließlich faltete sie die Arme auf und reichte ihm ihre Rechte. "Danke, Perry. Gegen die Fantans können wir nämlich nur zusammen bestehen."
"Daran habe ich nie gezweifelt. Aber ich musste wohl erst kapieren, dass Sie auch nur ein Mensch sind, Thora", gestand Rhodan leise.
"Ähemm", machte Thora.
"Eine Frau?", bot Rhodan an. "Was nicht zu übersehen war."
Thora errötete wieder. "Arkonidin heißt das Zauberwort, Perry. Aber nach drei Jahren auf Terra bin ich vielleicht mehr Mensch als Arkonide, wer weiß?"
"Ist die Sache damit also ausgestanden?", erkundigte sich Klein amüsiert.
"Ja, das ist sie", sagte Thora mit einem leichten Lächeln, bevor sie Rhodans Hand fahren ließ.
"Gut, dann bleibt mir ja nur noch, meine unvorsichtigen Agents zu bestrafen. Anne, Ishi, mitkommen."
"Aber Albrecht", begehrte Thora auf, und eilte dem Geheimdienstler hinterher. "Es war doch kein so großer Fehler! Du musst sie doch nicht maßregeln, nur wegen diesem Missverständnis! Das hätte doch jedem mal passieren können! Bitte, Albrecht, sie sind doch meine Freun..."
Die Tür schnitt ihrem Redefluss den Ton ab, als sie Klein und den beiden Agents ins Freie nacheilte.

Kosnow indes hatte seinen Lachanfall überlebt. "Nach dieser überaus amüsanten Episode, meine Herren, wollen wir zur taktischen Auswertung kommen und das Geschehen analysieren." Er legte grinsend einen Arm um Rhodan. "Also, Immortal, was haben Sie getan, um nicht von Matsu und Sloane entdeckt zu werden, bevor Sie zuschlugen?"
"Nicht Sie auch noch!", rief Rhodan verzweifelt. Dass ihm dieser kleine Unfall noch nachhängen würde, war eine schamlose Untertreibung. Und das wusste der junge Pilot.


3.
"Die Erde ist ein besonderer Platz. Ein besonderer Platz für besondere Idioten. Wenn Ihr abgeschossen werdet, wenn Ihr gefangen genommen werdet, macht euch keine Sorgen mehr. Die Terraner werden alles daran setzen, euch zu finden, euch zu bergen, euch zu retten. Sie behandeln euch mit ihren besten Ärzten, geben euch Vorzug bei den Medikamenten. Sie operieren euch, ohne einen Gegenwert zu erwarten. Und danach therapieren sie euch, bis Ihr wieder eure alte Stärke erreicht habt - oder zumindest das, was euch noch möglich ist. Danach internieren sie euch einfach in einem Camp, zusammen mit euresgleichen. Und ballen damit hundertfache archetzsche Kampfkraft an einem Punkt.
Und was sagen wir zu solchen Wesen, die in der direkten Gefahr nicht konsequent sind, und sich den Ärger im eigenen Hinterhof züchten? Danke, ihr Idioten, sagen wir, bevor wir ausbrechen, sie töten und ihre Leichen plündern."
Rede von Rotiron vor dem ersten Angriff auf die Erde, vier Stunden nach der Flucht des Tran-Atlans.
***
In der Nevada Concentration Facility wurden alle Überschweren interniert, die im Einflussbereich der UNTASO North America gefangen genommen werden konnten. Hier gab es eine Spezialklinik, die optimal auf die Versorgung der Fantan-Piraten eingestellt war. Das angeschlossene Internierungscamp war darauf ausgelegt, die rund fünfhundert Kilo schweren Kraftpakete, die an die doppelte Schwerkraft gewohnt waren, auf der richtigen Seite der Zäune zu halten. Und dann war da noch die Wüste. Im Umkreis von fünf Tagen Fußmarsch gab es keine Siedlung, abgesehen von der Space Force mit den Nevada Fields in acht Stunden Entfernung. Aber dessen Bewachung war darauf ausgelegt, sogar Überschwere abzuwehren. Im Anbetracht des höheren Stoffwechsels und des größeren Wasserbedarfs der umweltangepassten Humanoiden war diese natürliche Barriere die wichtigste, um einen Ausbruch zu verhindern. Gegen eine gewaltsame Befreiung sicherte die Nähe der Space Force, deren Schwadrone Mark XII jederzeit aufsteigen und das Hochsicherheitsgefängnis aus der Luft absperren konnten. Darüber hinaus bewachten achthundert gut ausgebildete Wachleute die Überschweren in fünf Gebäuden, die jeweils fünfzig der Kolosse fassen konnten. Der einzige Haken an der Geschichte war die gute alte Marktwirtschaft. Ganz in der Manier der Freien Marktwirtschaft wurde die Nevada Concentration Facility nicht von einer Behörde oder gar der Armee geführt, geschweige denn von der UNTASO. Es hatte eine Ausschreibung gegeben, und verschiedene Sicherheitsfirmen hatten sich um den Auftrag beworben, das Gefängnis extra für Überschwere zu errichten und zu bewachen. Gewonnen hatte diese Ausschreibung die Monterney Security Agency, die private Sicherheitsfirma der weltweit agierenden Monterney Trading Group. Für jeden Überschweren erhielt die Firma einen Pauschalbetrag für Unterbringung, Bewachung und Versorgung. Die Firma hatte also ein ureigenstes Interesse, möglichst viele Fantan-Piraten in Haft zu haben, und möglichst keinen entkommen zu lassen.. Dieses Interesse aber verschwand, sobald noch mehr Geld im Spiel war.

Später würde niemand mehr nachvollziehen können, ob das kleine Vermögen, mit dem ein Teil der Wachleute bestochen worden war, einen Umweg über den Mutterkonzern genommen hatte. Oder ob in der Monterney Security überhaupt ein hochrangiger Manager involviert gewesen war. Aber das war nur Schadensbegrenzung, nachdem achtzig ausgeheilte und kampfbereite Fantan-Piraten aus den Zellen gelassen, auf bereit stehende Lastwagen gebracht wurden und dann durch das Haupttor fuhren, unter den Augen der Wachleute von Monterney Security.
Gut fünf Kilometer weiter wurden die Überschweren von ihren menschlichen Helfern mit ihrer Ausrüstung bewaffnet, die eigentlich in einer Asservatenkammer der Nationalgarde liegen sollte. Dann zeigte man ihnen die Richtung zum Nevada Field der Space Force und versprach ihnen, dass sie von Schiffen der Fantans aufgenommen werden würden, sobald die Luftabwehr ausgeschaltet war. Erstaunlicherweise vergaßen die Überschweren bei diesen wundervollen Nachrichten, die zerbrechlichen Terraner in kleine Stückchen zu zerbrechen, oder wenigstens die Lastwagen zu klauen. Stattdessen liefen die Fantans auf das Gebiet der Space Force zu, mit dem Auftrag, viele kleine schwache Terraner kaputt zu machen - und fünf besonders kleine im Besonderen.
***
Als Antonio Saragon von der nahen Stadt Desert Town zurückkehrte, um nach einem durchzechten Abend seinen Dienst auf Markham Fields wieder aufzunehmen, hatte sich für ihn alles geändert. Der wichtigste Punkt war: Er war tot und ruhte in einem schmucklosen, nicht besonders tiefen Grab im australischen Outback, knapp vor der Stadt. Normalerweise hätte man sagen können, dass eine kleine Stadt, die von UNTASO-Leuten permanent frequentiert wurde - der einzige Grund, warum Desert Town überhaupt existierte - ein einigermaßen sicherer Ort war, gerade weil die Gegenspionage der UNTASO einen solchen Fall erwartete. Aber etwas zu erwarten und dagegen gerüstet zu sein waren eben zwei verschiedene Dinge. Und der Antonio Saragon, der nun mit dem echten Dienstjeep vor dem Haupttor hielt und den Retinascan über sich ergehen ließ, war eine absolut perfekte Kopie des Ermordeten. Das verdankte er keiner überflüssigen kosmetischen Operation, aber einem speziellen Tarnschirm auf Hologrammtechnologiebasis, welcher die ohnehin schon sehr große Ähnlichkeit zwischen Saragon und seinem Mörder bis zur Perfektion brachte. Selbst arkonidische Hochtechnologie hätte hier Schwierigkeiten gehabt. Und so wurde der Mann eingelassen. Natürlich machte sich der Agent keine Illusionen. Sobald er gezwungen sein würde, den regulären Dienst anzutreten, würde er auffliegen. Es gingen mehr als ein Dutzend Gerüchte um, die behaupteten, die UNTASO würde parapsychisch begabte Menschen beschäftigen, die Gedanken lesen konnten, oder Gegenstände bewegten ohne sie zu berühren. Er selbst gab sich ein Zeitfenster von genau einer Stunde, dann musste er wieder verschwunden sein, wenn er den schönen Zaster, den er für diesen Auftrag bekommen hatte, noch verjubeln wollte.
Tatsächlich war sein Job die Ermordung der Majore Tschai-Tung und Kosnow. Aber Geld war schon eine merkwürdige Sache. Sie konnte Dinge verbessern, sie verschlechtern, oder sogar verändern. In seinem speziellen Fall hatte Geld, viel Geld, dazu geführt, dass er in dieser Nacht nicht nur zwei, sondern drei Menschen töten würde. Er kannte die Hintergründe nur unzureichend, dafür waren seine Kontakte zu den Überschweren zu schlecht. Aber sein Mittelsmann hatte durchblicken lassen, dass sein erster Auftrag von Rotiron persönlich kam. Der zweite aber wurde aus der Privattasche eines seiner Kapitäne bezahlt, um Rotiron genug zu schaden, um ihn absetzen zu können. Dieser Auftrag lautete, Thora von Zoltral zu töten. Die Teenagerin war für Rotiron schützenswert. Und genau aus diesem Grund musste sie sterben. Das war Logik, die dem falschen Saragon einleuchtete. Dies, und die vierzigtausend kanadischen Dollar, die er speziell für diesen Mord erhalten hatte. Deshalb hatte er den Tod von Thora auch an die Spitze seiner Aufträge gestellt. Immer zuerst die einfacheren Sachen erledigen, dann hatte man nicht den ganzen Tag versaut, wenn etwas schief ging.

Als der Meuchelmörder vor dem Gebäude hielt, in dem sowohl Thora als auch die beiden Majore untergebracht waren, hatte er fünf unbemerkte Kontrollen hinter sich gebracht. Alle waren sie von der Hochtechnologie seiner Auftraggeber getäuscht worden. Natürlich würde jemand bemerken, dass er nun in ein Gebäude ging, in dem er nicht wohnte und in dem er keine Bekannten hatte, und jemand benachrichtigen. Aber eben weil er die Kontrollen passiert hatte, würde es keine Priorität haben. Außerdem war es mit zwei Uhr morgens doch schon reichlich spät, und nach den Einsätzen des Tran-Atlans in der vorigen Nacht würden die erschöpften Piloten den Schlaf des Gerechten schlafen. Allerdings zum letzten Mal.
Ungehindert konnte er in das Gebäude eindringen. Dabei benahm er sich so, als hätte er alles Recht der Welt, hier zu sein. Dreistigkeit war in seinem Beruf eine der Grundvoraussetzungen dafür, um zu überleben. Er beherrschte dieses Spiel perfekt. Die zweite wichtige Grundvoraussetzung war ein schneller Abzugsfinger. Den hatte er übrigens auch.

Im Flur dankte er der Ordentlichkeit der UNTASO. Natürlich hatte sie mitten im Gang einen Belegungsplan aufgehängt. Daran konnte er sehen, dass Thora im Erdgeschoss ihr Zimmer hatte, seine anderen beiden Ziele jedoch im obersten, dem vierten Stockwerk. Und ein Haufen grüner Jungs war angekommen; ihre Namen waren mit Kugelschreiber eingetragen worden, während der restliche Plan gedruckt worden war.
Erdgeschoss also. Wie einfach. Unwillkürlich tastete er zu der Walter PPK mit Schalldämpfer im Schulterholster, die ihm schon so oft gute Dienste geleistet hatte. Auch diesmal würde sie ihren Job tun. Allerdings liebäugelte er schon mit diesen Desintegratoren der Überschweren, die Materie auflösen konnten. Was würde er nur für perfekte Verbrechen mit einem dieser Babys begehen können.
Vor Thoras Tür lehnte er sich gegen die Wand, machte sich so gut es ging zu einem Schatten, um nicht zufällig entdeckt zu werden. Dann tastete er nach dem Drehknopf der Tür. Abgeschlossen. War zu erwarten gewesen. Im Knauf war das Schlüsselloch. Einfaches Bartschloss. Entschlossen ging er in die Knie, zog in einer fließenden Bewegung seine Dietriche hervor und begann die Häkchen einzurasten. Er wurde mit einem leisen Klicken belohnt. Als er diesmal den Knauf drehte klackte es, und die Tür glitt einen Spalt weit auf.
Hastig steckte der falsche Saragon die Dietriche wieder ein und zog die Walter. Dann stieß er die Tür mit einem Ruck auf, orientierte sich kurz und fand das Bett. Er drückte mehrfach ab, und alle Treffer schlugen auf Brust- und Kopfhöhe ein. Schließlich griff er nach dem Lichtschalter. Neutrales Neonlicht flammte auf. Der Mörder trat an das Bett, die Waffe vor sich gerichtet, um Thora noch einen finalen Schuss zu versetzen. Einen in den Kopf. Aber da war nichts, worauf er schießen konnte. Das Bett war leer. Sein Blick ruckte zum angeschlossenen Bad. Er riss die Tür auf, stürmte hinein, aber auch hier war niemand. Langsam nahm er die Waffe runter. Keiner Zuhause, verdammt. Das konnte ja eine Sucherei werden.

"Hier wird gar nichts gesucht!", schrie eine beinahe hysterische Frauenstimme vom Eingang her. "Waffe fallen lassen, und langsam aus dem Bad kommen! Hände so halten, dass ich sie sehen kann! Und Finger weg vom Sprengstoff im Gürtel!"
Saragon hatte nicht damit gerechnet, so schnell entdeckt zu werden. Noch weniger hatte er damit gerechnet, dass jemand von seinem Sprengstoffgürtel wusste. Hatten die Gerüchte Recht? Hatte er es gerade mit einem Telepathen - einer Telepathin - zu tun?
"Ganz Recht, Mister! Und ich weiß, was du denkst! Also, überlege dir am Besten, ob du am Leben hängst, oder nicht! Anne?"
"Keine Sorge, ich bin bei dir, Ishi. Kommen Sie jetzt langsam raus, Mister!"
Zwei. Zwei gegen einen war unfair, und einer von ihnen las seine Gedanken. Doppelt unfair. Aber so wurde es wenigstens etwas spaßiger, fand er. Er legte die Walter auf den Boden und gab ihr einen Tritt. Sie rutschte gegen Thoras Bett und blieb da liegen. Dann streckte er die Hände zur Tür heraus und verließ langsam die Deckung des Badezimmers. Als er mitten im Raum stand, lächelte er die beiden Frauen an. Die schlanke Asiatin mit der vor Ärger zitternden Stimme, die große schlanke Blondine mit dem großkalibrigen Schießeisen, das nur ein Thermoblaster der Überschweren sein konnte. Ein Wunder, das die Frau die Waffe halten, ja, heben konnte. Solche Dinger wurden normalerweise in einem Kampfroboter eingebaut.
"Langsam die Hände hinter den Kopf, und dann noch langsamer auf die Knie. Anne?"
"Ich kriege ihn nicht zu fassen. Muss das Hologrammgerät sein", erwiderte die Blonde. "Schalten Sie das Hologramm aus."
"Was denn jetzt? Hände hinter den Kopf, oder das Hologramm ausschalten?"
Für einen verdutzten Moment sahen sich die beiden Frauen an. Diese Zeit reichte ihm, um vom Rücken ein schlankes Wurfmesser zu ziehen, das er auf die Blonde warf, die eindeutig schwerer bewaffnet war. Doch die Klinge erreichte ihr Ziel nie, blieb mitten in der Luft stehen. "Netter Versuch!", rief sie.
Der falsche Saragon stieß einen Fluch aus und sprang zu seiner Waffe, die nur einen läppischen Meter entfernt war. Die blonde Frau zögerte nicht einen Augenblick, und schoss mit dem Thermoblaster auf den Attentäter. Ein fingerdicker, ultraheißer Energiestrahl verließ die Waffe und durchlöcherte den Mann auf Hüfthöhe. Leider wurde auch der Sprengstoff im Gürtel getroffen. Er detonierte in dem kleinen Raum mit solcher Wucht, dass die beiden Frauen gegen die gegenüberliegende Wand geschleudert wurden.

"Na toll! Na toll!", rief Matsu fluchend, während sie sich aufzurichten versuchte. "Hast du den Sprengstoff im Gürtel vergessen? Augenscheinlich ja!"
"Du brauchst gar nicht so zu schreien. Ich bin nämlich taub", erwiderte Sloane wütend. "Nein, ich habe den Sprengstoff nicht vergessen. Aber mein Training hat gegriffen, und ich habe geschossen!"
Wütend sahen sich die beiden Frauen an. Dann, ganz langsam, ging ihr Blick in das vollkommen zerstörte Zimmer ihrer Schutzbefohlenen.
"Okay", sagte Sloane schließlich. "Die gute Nachricht ist, wir haben einen Attentäter getötet. Die schlechte ist: Das da wird uns Thora niemals verzeihen."
"Nur wenn wir Glück haben. Ansonsten kommen wir nämlich nicht so leicht davon", erwiderte Matsu. Gut, Anne konnte sie nicht hören. Aber sie verstand sicherlich, was sie meinte.
***
"Sie können nicht schlafen, Thora?", klang hinter der Arkonidin eine bekannte männliche Stimme auf.
Sie wandte sich halb um und erkannte Perry Rhodan, während er langsam die letzten Sprossen der Leiter auf das Flachdach erklomm. "Ich habe vorhin im Hangar geschlafen. Jetzt bin ich fit. Leider. Und Sie? Können Sie nicht schlafen?"
Rhodan lächelte schmallippig. Er stellte sich neben die Arkonidin an die Umrandung und stellte eine Zweiliterflasche neben sich. "Können vor lachen. Nach meinem Malheur mit dem Energydrink hat mir Reginald was gegeben, um meinen Wasserhaushalt auszugleichen. Das ist mir befohlen worden, weil ich leichtes Untergewicht habe. Nur leider hat der gute Bully mir nicht irgendeine Flasche Mineralwasser gezogen, sondern eine mit Koffein. Jetzt könnte ich nicht mal schlafen, wenn ich wollte. Also dachte ich mir, ich klettere aufs Dach und schaue mir die Sterne an. Das habe ich früher oft gemacht." Rhodan sah nach oben, in die volle Pracht des Sternenhimmels Nordaustraliens. Oder zumindest in das, was der Nachtbetrieb der Markham Fields vom Sternenlicht passieren ließ. Das war, im Anbetracht der Nähe zum Äquator, noch ein beachtliches Schauspiel. "Als ich jünger war, hatte ich immer das Verlangen, eines Tages zwischen den Sternen zu reisen. Ich habe schon immer sehr gerne Science Fiction gelesen. Wenn ich zu ihnen hoch geschaut habe, dann habe ich nicht einfach nur das Licht gesehen, das nun schon teilweise Jahrhunderte zu uns unterwegs ist. Ich habe fremde Sonnen gesehen, die auf fremde Welten scheinen, und Intelligenzen das Leben ermöglichen, die so fremdartig sind, das wir sie als Leben gar nicht erkennen können. Zumindest nicht auf den ersten Blick."
"Oh, dann müssen Sie ja von mir furchtbar enttäuscht sein, Perry", sagte Thora spöttisch.
"Nun, nicht unbedingt enttäuscht, aber doch überrascht. Ich habe nicht damit gerechnet, dass es ein Volk wie die Arkoniden gibt, das uns so ähnlich ist."
"Die Arkoniden, die Mehandor, die Aras, die Ekkhoniden, die Zaliter, auch die Überschweren... Es gibt Dutzende Völker humanoider Abstammung da draußen. Und ich verrate Ihnen ein Geheimnis. Genetisch gesehen sind Arkoniden und Menschen zu neunundneunzig Prozent miteinander verwandt."
"Und das bedeutet? Biologie ist nicht gerade meine Stärke."
Thora lächelte. "Auf dem Mond gibt es eine Versorgungsstation der Arkoniden. Als die AETRON havarierte, haben wir versucht sie zu erreichen. Das war, bevor die Fantan-Leute uns eingeholt hatten. Eine unbemannte Station, die von einem arkonidischen Prinzen errichtet wurde, der vor zehntausend Jahren gelebt hat. Sein Name war Mascaren da Gonozal. Ich nehme an, und Ihre Genetiker geben mir da Recht, dass die genetische Ähnlichkeit daher kommt, dass die Menschheit ursprünglich von arkonidischen Siedlern abstammt. Was denken Sie, warum Kosnow und Tschai-Tung den Tran-Atlan steuern können? Bei ihnen ist das Extrahirn noch rudimentär vorhanden."
"Uff. Darf ich das alles überhaupt wissen?"
"Oh, keine Geheimnisse, Perry. Sie gehören jetzt zum Team. Darf ich?" Sie deutete auf die Wasserflasche.
"Natürlich, nur zu, Thora."
Die Arkonidin griff nach der Wasserflasche, öffnete sie und nahm einen kräftigen Schluck.
"Und, wie war es für Sie?", scherzte Rhodan.
"Wie war was für mich?"
"Sie haben aus der gleichen Flasche wie ich getrunken. Meine Lippen haben das berührt, was Ihre gerade berührt haben. In manchen Gegenden der Erde nennt man das einen indirekten Kuss."
Thora kicherte amüsiert. "Perry, man überträgt Krankheiten durch so einen indirekten Kontakt, aber doch bestimmt keine Küsse. Aber da wir uns ja jetzt indirekt geküsst haben, können wir vielleicht mit diesem dummen Sie aufhören, und uns duzen. Ich meine, wir sind beide weder nach arkonidischem noch nach terranischem Recht Erwachsene, oder?"
"Da haben Sie... Da hast du natürlich Recht, Thora." Rhodan schmunzelte. Er nahm die Flasche von Thora entgegen und trank ebenfalls einen großen Schluck.
"Und, wie war es für dich, Perry?"
Rhodan riss erschrocken die Augen auf und verschluckte sich. Er hustete keuchend.
Thora lachte herzhaft. "Oh, danke, Perry. So viel Spaß hatte ich schon lange nicht mehr." Sie deutete nach oben. "Soll ich dir meinen Heimatstern zeigen? Man kann ihn natürlich nicht sehen, weil er über fünfundzwanzigtausend Lichtjahre entfernt ist. Aber man kann Thantur-Lok erkennen, den Sternhaufen, in dem Arkon liegt."
"Wo genau?"
"Sehr weit im Norden. Im Herkules. Vielleicht hast du das Sternbild schon mal in Nordamerika gesehen, und..."
Unter ihnen erklang eine Explosion, die mit einem leichten Beben einher ging. Thora quiekte überrascht auf, und Rhodan fuhr der Schreck durch die Glieder. In seinem Schrecken klammerte sich Rhodan an das Erstbeste in Reichweite, und das war die junge Arkonidin.
"Was bei den She'Huan ist da gerade hochgegangen?", fragte Thora mit ängstlicher Stimme. Sie wartete darauf, das ihr Pieper anschlug und sie in den Hangar des Tran-Atlans rief, aber das kleine Gerät blieb stumm.
"Es klang so, als wäre etwas hier im Haus explodiert." Rhodan beugte sich leicht über die kleine Begrenzungsmauer. "Da brennt ein Zimmer im Erdgeschoss."
"Ein Zimmer im Erdgeschoss? Moment Mal, auf dieser Höhe liegt doch mein Zimmer!" Thora beugte sich nun ebenfalls nach vorne. Sie stieß einen verzweifelten Seufzer aus. "Es ist mein Zimmer. Oh, nicht schon wieder."
"Wie, nicht schon wieder?", fragte Rhodan erstaunt.
"Vor zwei Jahren ist es schon mal hoch gegangen. Ein Anschlag durch einen erpressten UNTASO-Offizier. Sie hatten seine Familie. Seitdem achtet der Geheimdienst eigentlich auf so etwas. Aber es scheint, als hätten die Fantans eine neue Methode ausprobiert."
"Dann ist es wohl gut, dass du nicht schlafen kannst", merkte Rhodan an.
"Ich muss ja auch mal Glück haben. Apropos Glück, Perry, geht es wieder, oder willst du mich noch etwas in den Armen halten?"
Entsetzt ruckte Rhodans Kopf wieder hoch. In Momenten wie diesen kam sein größtes Talent zum Tragen, das ihm auf der Space Academy den Ruf "Der Sofortumschalter" eingebracht hatte. "Wieso, Thora, ist es dir so unangenehm?"
"Du zwängst mich schon etwas ein, wenn du mich seitlich hältst. Und du klammerst mit einiger Kraft, die ich dir nicht zugetraut habe. Sicher, dass du Untergewicht hast?"
"Untergewicht, ja. Das heißt aber nicht, das ich ein Schwächling bin." Langsam ließ er Thora los. "Und? Besser so?"
"Viel besser. Ich muss jetzt nämlich in der Zentrale anrufen und meine Position melden. Wenn sie mich nicht ohnehin gleich kontaktiert." Sie zückte ihr Handy und wählte eine Kurzwahlnummer. "Captain von Zoltral hier. Ich war nicht in meinem Raum. Nein, ich bin auf dem Dach des Wohngebäudes. Kadett Rhodan ist bei mir. Gut, schicken Sie jemanden hoch. Wissen Sie schon, was passiert ist? Einzeltäter? Oh, das ist schlimm. Ich habe ein paarmal mit Saragon gearbeitet. Geht es Sloane und Matsu gut? Trommelfelle geplatzt? Hm, kann ich zu ihnen aufs Krankenrevier? Ja, Sie haben ja Recht, erst mal geht die Klärung der Situation und mein Schutz vor. Ja, ich bleibe auf meiner Position. Danke." Seufzend deaktivierte sie das Handy. "Die Zentrale sagt, dass..."
"Dass die Agents Matsu und Sloane den Attentäter gestellt haben. Dabei kam es zu der Explosion, die wir gesehen haben. Die beiden Agents leben, aber der Druck hat ihnen die Trommelfelle raus geblasen. Das bedeutet dann wahrscheinlich, dass vom Attentäter wie von deinem Zimmer nichts mehr übrig ist."
"Gut kombiniert, Immortal. So in etwa war es. Und jetzt warte ich darauf, dass Albrecht mit ein paar Leuten zu mir rauf kommt.Bis dahin musst du mich beschützen, Perry", sagte sie mit einem Lächeln.
"Nur, wenn du mir noch mal Thantur-Lok zeigst."
"Einverstanden. Dort vorne, der verwaschene Fleck. Siehst du ihn?"
"Ah ja. Ich sehe ihn. Thora, sind wir jetzt einfach nur cool, oder stehen wir unter Schock?"
"Würdest du wegen so einer Situation unter Schock stehen, wäre Markham Fields der falsche Ort für dich, Perry. Sagen wir einfach, wir passen uns der Situation an. Und dann geben wir es den Fantans richtig. Wusstest du übrigens, dass es auch ein Volk dieses Namens ist? Eine Rasse von sechsgliedrigen Amorphen. Sie machen sich im Imperium vor allem als Bankleute einen Namen. Wie ich hörte, haben sie die Fantan-Piraten wegen Copyrights-Verletzungen verklagt, aber die hören einfach nicht auf, ihren Namen zu benutzen."
Rhodan lachte leise. "Na, die würden aber Augen machen, wenn sie die Piraten direkt konfrontieren würden."

"Hier ist sie!", rief Albrecht Klein erleichtert. Er übersprang die Mauer, sprintete zur Arkonidin herüber und zwischen sie und die Dachkante. Nach ihm betraten Kosnow und Tschai-Tung das Dach. Alle drei Männer trugen schwere Energiewaffen mit sich. "Sieht sicher aus", sagte der Russe ernst.
Nach den Offizieren erklommen Rhodans Kameraden das Dach. "Siehste? Was habe ich dir gesagt? Perry holt sich noch einen Vorteil", schimpfte Freyt. "Und wenn er ihr jetzt noch anbietet, in seinem Zimmer zu übernachten, dann haben wir alle verloren, meine Herren."
"Männer", sagte Thora amüsiert. "Und mit denen werde ich den Mond angreifen." Sie winkte den Offizieren. "Können wir dann? Ich will meine Mädchen besuchen."
"Natürlich, Thora." Kosnow stieg zuerst die Leiter hinab, dann folgten Thora, Klein und Tschai-Tung.
"Ist euch was aufgefallen?", meinte Bully, während er in einen Schokoriegel biss. "Thora hat gesagt: Und mit denen werde ich den Mond angreifen. Das klingt schon beinahe so, als wäre es beschlossene Sache. Leute, sind wir nicht ein paar glückliche Burschen?"
"Ich bin mir sehr sicher, besonders Perry ist gerade glücklich", bemerkte Nyssen trocken. "Wie lange warst du denn mit der Süßen alleine hier oben, Perry?"
Wortlos griff Rhodan zur Wasserflasche und bot sie ihnen an. "Schade", sagte er und trank sie aus. "Thora hat hier draus getrunken." Die leere Flasche warf er über die Mauer.
"Moment! Wenn wir das gewusst hätten, dann...", begann Deringhouse.
"Und genau das", sagte Rhodan und klopfte ihm auf die Schulter, "ist euer Problem, Jungs." Er hob eine Hand zum Winken, während er an den anderen Kadetten vorbei zur Leiter ging. "Ich für meinen Teil gehe ebenfalls Matsu und Sloane besuchen."
"Ich hatte gehofft, er macht sich nichts aus Frauen", murmelte Freyt verärgert. "Bisher war es jedenfalls immer so."
Bull schob sich den letzten Rest seines Schokoriegels in den Mund und grinste breit. "Er macht sich ja auch nichts aus Frauen. Aber aus Thora scheint er sich etwas zu machen. Und das ist eine sehr erstaunliche Entwicklung, finde ich. Kommt, Jungs, ihm nach."
***
Die Ausrüstung der Überschweren war nicht auf dem hochtechnisierten Stand arkonidischer Raumsoldaten. Sie verfügten zwar über Energiewaffen und Schutzanzüge, die gegen ballistische Waffen schützten, und Streifschüsse aus Thermowaffen und Desintegratoren wegsteckten, aber sie hatten weder Roboterunterstützung, noch persönliche Schutzschirme. Als Überschwere, die auf ihre umweltangepassten Körper mehr als stolz waren, konnten sie sich einreden, sie würden freiwillig auf diese defensiven Hilfsmittel verzichten. Ein Körper-Chauvinismus, der für sie fast zehntausend Jahre funktioniert hatte. Tatsächlich konnte ein Überschwerer einem Terraner nur mit dem Druck seiner Hand das Genick brechen. Und die Waffen, die ein Überschwerer halten konnte, mochten Terraner und Arkoniden bestenfalls zu zweit zu heben; für sie waren es Einhandwaffen.
Als die erste Salve Energiestrahlen in den Schutzzaun der Nevada Fields schlug, verging der erhitzte Beton in kleinen Explosionen des überhitzten Gesteins. Der gleichzeitige Beschuss eines Wachtturms löschte diesen aus. Irgendwo auf der Anlage gellte der automatische Alarm auf. Einer der Mark XII, die über dem Gelände Patrouille flogen, machte den letzten Fehler seines Lebens. Er raste auf die Bresche in der Mauer zu und verharrte bange Sekunden über diesem Punkt. Genügend Zeit für achtzig Überschwere, mit ihren Handfeuerwaffen auf den terranischen Mecha zu schießen. Die Maschine wurde von der schieren Flut multipler Treffer regelrecht in der Luft zerfetzt. Genauso gut hätte er mit seinem Mark XII direkt vor eine Flak-Kanone fliegen können. Die Überschweren, normalerweise an eine doppelt so hohe Schwerkraft gewöhnt, setzten mit gewaltigen Sprüngen, die man ihren massiven Körpern nie zugetraut hätte, über das vor sich hin schwelende Wrack hinweg, und überrannten den Stützpunkt. Ein Humvee mit aufgesetztem MG, der feuernd auf sie zugerast kam, erwischte einen der Überschweren und schickte ihn mit der schieren kinetischen Energie seiner Geschosse zu Boden. Der Triumph war aber fraglich, als der Bug der Maschine unter gleich drei Thermo-Treffern dahin schmolz, und aus dem Bodenfahrzeug ein Wrack machte. Der MG-Schütze wurde von einem vierten Schuss getroffen und starb schnell, ohne zu spüren, das sein Leib als Fackel auf dem Dach verbrannte.
Die Fantans strebten dem Zentrum der Nevada Fields entgegen, wo die Lehrgebäude und Kadettenquartiere standen. Zwei M1A1 Abrams, die mit ihren Glattrohrkanonen auf die Angreifer schossen, erwischten drei oder vier mit ihren Explosivgrananten, als sie selbst unter Beschuss gerieten und ihre Positionen wechseln mussten, bevor sich die Thermoblasts durch die Panzerung gearbeitet hatte. Oder der Stahl zu einem unförmigen Klumpen zerschmolz, der seine Besatzung briet. Oder beides.
Einige der überschwenglicheren Überschweren feuerte bereits aus fünf Kilometer Distanz auf das kasernenartige Kadettenheim. Andere bewiesen mehr Geduld und konzentrierten sich aufs Laufen. Ein zweiter Mark XII, der den Vormarsch zu stoppen versuchte, erlitt das gleiche Schicksal wie sein Kamerad an der Mauer. Schon waren die vordersten Fantans bis auf zwei Kilometer heran, als eine Abteilung Apache-Kampfhubschrauber versuchte, die Angreifer mit Raketenfernbeschuss zu stoppen. Doch die Überschweren schossen die meisten der Raketen aus der Luft. Ein Teil von ihnen blieb zurück, die Reihen wurden unwesentlich ausgedünnt.. Zwei weitere Apaches, die über den Fantans kreisten und mit ihren Bordkanonen schossen, mussten auf die harte Tour lernen, dass Höhe kein Schutz gegen arkonidische Thermostrahler war. Sie stürzten als brennende Wracks vom Himmel.

Ein Kilometer. Die Fernschüsse zeigten nun Erfolge, durchschlugen Fensterscheiben und brachten den grauen Beton zum Glühen. Das Ziel ihrer Anstrengungen, die Ermordung der Kadetten, schien zum Greifen nahe. Doch ein Desintegratorschuss, der durch ihre vorderste Reihe fuhr und gleich drei Fantans das Leben kostete, ließ sie verharren. Über dem Kasernengebäude stand ein weiterer Mark XII in der Luft. Dort schien er sie verspotten zu wollen. Eine Salve Raketen verließ die rechte Brustlafette, und schlug mit verheerender Wirkung unter den Angreifern ein. Derart erzürnt eröffneten die Überschweren das Feuer auf den einsamen Mark XII, doch die Maschine wich den Attacken mit einer Leichtigkeit aus, als wenn dies nicht die Wirklichkeit, sondern lediglich ein großes, realistisches Spiel wäre. Wieder trat der Desintegrator in Aktion, bevor der Kampfroboter hinter einem der Schulungsgebäude verschwand. Zeitgleich raste ein zweiter Mark XII heran und eröffnete schon aus großer Entfernung das Feuer mit seinem überschweren Thermostrahler. Mit verheerendem Ergebnis. Bevor die Überschweren ihn aufs Korn nehmen konnten, drehte er ab und tanzte zwanzig bis dreißig Schüsse aus. Dies war der Auftritt für Mecha Nummer drei, der hinter der Hangarwand der Wartungsanlagen hochzog, und mit der Kaltblütigkeit eines Scharfschützen und mit Hilfe von ultrabeschleunigten Granaten die vorderste Reihe der Überschweren zerschlug.
Nun kam wieder der erste Mark XII ins Spiel, zog mit verheerender Wirkung seiner feuernden Raketenlafetten über die Angreifer hinweg, und verschwand nach Süden hin aus dem Angriffsfeld.
Letztendlich nutzten die anderen beiden Mechas die Chance, um den Angreifern den Garaus zu machen.
Als der erste Mecha vor dem Feld toter, sterbender und verletzter Überschwerer landete, zogen die anderen beiden Maschinen nach. Über Außenlautsprecher rief er seine Kameraden: "Humphry?"
"Keine Schäden, Julian." "Klaus?" "Leichte Panzerungsverluste, Julian."
Der Führungsmecha machte einen Schritt auf die Überschweren zu. "Jetzt wäre eine gute Gelegenheit, um zu kapitulieren", verkündete er selbstsicher. Die Maschine schoss zielgenau auf einen Fantan, der seinerseits mit letzter Kraft hatte auf die Maschine schießen wollen.
"Ganz, ganz dumme Idee. Ihr Überschweren haltet euch vielleicht für großartig und unbesiegbar, aber das ist ein Irrtum, und die Menschheit wird es beweisen!"
Damit war der rabiate Angriff abgeschlagen worden. Und die Untersuchungen begannen.


4.
Es war eine mehr als illustre Runde, die sich um vier Uhr morgens im Krankenrevier der Markham Fields eingefunden hatte. Neben den beiden verletzten Agenten Sloane und Matsu waren auch die Generäle Tiang und Pounder im Raum. Klein, Tschai-Tung und Kosnow, die Kadetten der Space Force, Thora von Zoltral und Doktor Peterson waren ebenfalls anwesend.
Bis eben hatte Pounder schweigend dem Bericht gelauscht, den Agent Matsu abgegeben hatte. Sie hatte den Attentäter telepathisch bemerkt; seine schiere Mordlust war wie ein Leuchtfeuer inmitten eines Ozeans gewesen. Agent Sloane verzog währenddessen verärgert den Mund. Im Gegensatz zu Ishi konnte sie nicht die Gedanken ihrer Gegenüber lesen, um den momentanen Verlust des Gehörs auszugleichen. Sie war darauf angewiesen, dass ihr jemand die wichtigsten Passagen aufschrieb.

General Leslie Pounder seufzte laut. "Es steht also außer Frage, dass der Attentäter nicht zufällig in Thoras Zimmer war?"
Matsu schüttelte vehement den Kopf. "Nein, Sir. Er hatte eindeutig den Auftrag, sie zu ermorden."
"Dann ist eingetreten, was ich immer befürchtet habe. Die Fantan-Leute haben erkannt, das Thora die Pilotin des Tran-Atlans ist. Und sie haben die Majore Kosnow und Tschai-Tung als Reservepiloten identifiziert." Wieder seufzte er. "Ich verhänge hiermit ein Urlaubsverbot über den gesamten Stützpunkt. Alle Rückkehrer müssen einen medizinischen Check über sich ergehen lassen. Ebenso jedermann, der in den letzten achtundvierzig Stunden in Desert Town war. Das bedeutet dann wohl, dass wir Lunar Dream vorziehen müssen. Erheblich vorziehen müssen, solange der Feind noch im Unklaren ist, ob sein Plan Erfolg hatte, oder nicht."
"Sir, wenn ich an dieser Stelle anmerken darf, die STARDUST ist in fünf Tagen fertig! Vier, wenn ich auf einige Aspekte weniger Wert lege!", sagte Peterson hastig.
"Die STARDUST?", fragte Rhodan.
"Eine Fregatte der Fantans. Sie wurde abgeschossen, und wir haben die letzten drei Jahre damit verbracht, sie zu reparieren", sagte Thora. "Sie wurde mit einer speziellen Antiortung ausgerüstet und sollte uns für Operation Lunar Dream als Operationsbasis dienen."
"Eine Fregatte gegen fünfzig Schiffe und wie viele Mechas?", rief Bull erstaunt. "Das ist doch nicht euer Ernst!"
"Ich habe sie verbessert. In wesentlichen Punkten. Sie ist nun eher mit einem Schlachtschiff gleichzusetzen und kann jedem Gegner Paroli bieten", erwiderte Doktor Peterson pikiert.
"Ach, Sie haben also aus einer Fregatte ein Schlachtschiff gemacht. Entschuldigen Sie, das mir bisher entgangen ist, was für ein Genie Sie sind, Herr Doktor", sagte Bull bissig. "Denn natürlich haben Sie einen Ingenieursgrad in Arkon-Technologie."
Peterson lachte abgehackt und musterte den kleineren Kadetten amüsiert. "Ja, so könnte man das bezeichnen. Auf jeden Fall hatte ich viele sehr gute Idee, und ihre Umsetzung hat die Manövrierfähigkeit und die Kampfkraft erheblich gesteigert. Die Neueinstufung der STARDUST erfolgte nicht von mir, sondern von der Stützpunktpositronik, Bully."
"Es ist natürlich gleich weniger Wahnsinn, den Erdmond mit einem Schiff in der Hinterhand anzugreifen, statt mit nur sechs Mechas", warf Freyt ein. "Aber wenn ich mich recht entsinne, sind der Tran-Atlan und die Atlans in der Lage, den Mond auch ohne Unterstützung durch ein Schiff anzugreifen."
"Ja, das sind sie", sagte General Tiang ernst. "Die STARDUST war als Überraschung gedacht, als böse Überraschung, die, wenn die anderen schweren Schiffe noch immer die Erde blockieren, möglicherweise die Überschweren aus dem Mondstützpunkt vertreiben könnte. So aber müssen wir dem Kernplan folgen, der die Sicherstellung von Crest von Zoltral zum Ziel hat. Zurückkehren und den Mond erobern können wir immer noch."
"Dann sind wir uns einig. Das bedeutet für Sie, meine Herren, dass wir uns auf Ihre Trainingsergebnisse im Simulator verlassen müssen. Lernen Sie die richtige Handhabung der Atlans auf dem Flug zum Mond. In acht Stunden fliegen Sie los."
"Ohne Training?" Thora verdrehte zweifelnd die Augen. "Mein lieber General Pounder, ich sehe die Notwendigkeit, sofort zu handeln. Aber die Jungs müssten schon erhebliche Idioten sein, wenn sie ohne reales Training auf ihnen unbekannten Mechas in den Einsatz gehen."
"Hier sind deine Idioten, Thora", sagte Rhodan und hob die Hand. Auch die anderen vier Kadetten hoben die Rechte. "Was habe ich dir gesagt?", zischte Freyt Nyssen zu, "jetzt duzen sie sich schon. Perry ist so unfair!"
"Ruhig, Großer. Vielleicht hat Thora auf Arkon ja noch eine Zwillingsschwester", erwiderte Nyssen amüsiert.
"Was ist mit den möglichen Materialverlusten? Ich meine, ist die UNTASO bereit, die Möglichkeit in Kauf zu nehmen, dass alle Atlan-Kampfroboter verloren gehen, nur weil Sie die Kadetten ohne Training in den Einsatz gejagt haben?"
Pounder ließ seinen Blick über die Kadetten schweifen. Er machte keinen Hehl aus seinem Stolz.
"Colonel McClears würde nicht eine Sekunde zögern, und diese fünf an deiner Seite in den Einsatz schicken, Thora. Und auch ich bin von den Jungs vollkommen überzeugt. Sie werden sich adaptieren, und das schneller, als dir lieb ist, Thora. Ja, ich schicke sie mit dir raus. Und ja, sie werden diese Mission erfüllen."
Zustimmendes Gemurmel klang im Raum auf.
Anne Sloane, die auf die schriftliche Version des Gesprochenen wartete, reagierte mit Verspätung. "Aber das ist doch Wahnsinn, die kleinen Jungs da hoch zu schicken! Sie..."
"Agent Sloane. Vor drei Stunden wurde die Space Academy auf den Nevada Fields von achtzig Überschweren überfallen, die das nahe Internierungslager verlassen und an ihre Ausrüstung kommen konnten", sagte Pounder bedeutungsschwer.
"Die Akademie wurde überfallen? Warum hat uns das noch keiner gesagt?", rief Deringhouse aufgeregt.
Pounder machte eine beruhigende Geste. "Die Überschweren konnten durch den Verteidigungsgürtel brechen und die Akademiegebäude trotz schwerer Gegenwehr angreifen. Dort wurden sie von drei Kadetten quasi im Alleingang gestoppt."
"Julian Tifflor, Humphry Hifield und Klaus Eberhardt?", riet Rhodan.
Pounder grinste breit. "Eure schärfsten Mitkandidaten um die Plätze in der Operation Lunar Dream."
"War ja zu erwarten gewesen. Beinahe bedaure ich die Fantans." Nyssen grinste fies. "Aber nur fast, obwohl ich weiß, dass Tiff das Wort Gnade nicht im Repertoire hat."
"Zwei Anschläge in der gleichen Nacht", sagte Rhodan nachdenklich. "Kommt, Jungs, gehen wir schlafen. Wenn wir in acht Stunden aufbrechen, sollten wir so ausgeruht sein, wie wir können."
Die Kadetten murmelten zustimmend und verließen den Raum.

"Ein exzellenter Bursche, dieser Rhodan. Der geborene Führer." Tai Tiang strich sich nachdenklich übers Kinn. "Ich erwarte Großes von ihm in naher Zukunft."
"Das tun wir alle", murmelte Thora, so leise, dass es fast nicht zu hören war. Doch nicht leise genug.
Albrecht Klein runzelte die Stirn. "Was genau ist eigentlich passiert, bevor wir aufs Dach gekommen sind, Thora?"
Die Arkonidin errötete leicht. "N-nichts. Perry und ich haben uns nur die Sterne angesehen."
"Ach, so nennt man das heutzutage."
"Albrecht, wir haben uns wirklich nur die Sterne angesehen. Ich habe ihm M13 gezeigt, und... Albrecht, du glaubst mir doch? Oder? Albrecht?"
***
Sieben Stunden später wurden zweitausend Mecha-Piloten rund um den Erdball in den Einsatz gejagt, begleitet von Atmosphäre-Jägern, und unterstützt von Boden-Luft-Artillerie in Form von stratosphäretauglichen Raketenwerfern und Aegis-Raketenkriegsschiffen der Marine. Nur der Zeus war dank des relativ schwachen Schutzschirms auch Ionosphäretauglich und konnte die Blockadeschiffe direkt angreifen, aber an Scharmützeln zwischen terranischen und Fantan-Mechas mangelte es eigentlich ohnehin nie. Und die leichteren Schiffe der Überschweren waren mehr als bereit, in die tiefere Atmosphäre einzutauchen, um bessere Schussmöglichkeiten auf die Terraner zu haben... Was sie angreifbar machte.
Natürlich war die Attacke der rund vierhundert terranischen Zeus-Mechas nur eine Nadelstichtaktik gegen die Großkampfschiffe der Überschweren. Aber gerade jene europäischen Zeus-Einheiten, die von der internationalen Raumstation FREEDOM starteten, waren neben dem Tran-Atlan ein wichtiger Garant dafür, die wirklich kampfkräftigen Einheiten, deren Verlust die Fantans nicht riskieren durften, aus der Atmosphäre raus zu halten. Dementsprechend sorgte die totale Offensive vor allem für eines: Eine fürchterliche Verwirrung unter den Blockadeschiffen, Abstimmungsschwierigkeiten und teilweise blanke Panik. Die GOLDERNTE, ein achthundert Meter langes und dreihundert Meter starkes Schlachtschiff, wurde von seinem Kapitän in den freien Raum dirigiert, wo es für die Dauer der Offensive in relativer Sicherheit vor den Zeus verharrte. Selbstverständlich erschoss der Erste Offizier anschließend den Kapitän und übernahm das Kommando. Ebenso selbstverständlich war es, dass er das Schiff erst nach der zweistündigen Offensive wieder in den Kordon befahl.
Im allgemeinen Chaos auf beiden Seiten gingen zwei Ereignisse vollkommen unter. Das eine war ein Transitionsschock, der entstand, wenn ein Schiff durch den Hyperraum in ein Sonnensystem per Transitionsantrieb eintrat. Das andere war der Start von sechs Mechas vom Grund der Markham Fields in den freien Weltraum.

Conrad Deringhouse genoss das Gefühl der Verbundenheit mit dem Atlan. Irgendwie war es für ihn so, als wären alle seine bisherigen Erfahrungen mit Kampfrobotern ein oberflächliches Kratzen gewesen, und diesmal war er in voller Fahrt hinein getaucht. Er meinte beinahe jede Regung, jede Böe zu spüren, die auf den Atlan einwirkte. Er bekam alle relevanten Daten, von der Ortung bis zum rapide fallenden Luftdruck, direkt über das Augendisplay präsentiert und fühlte sich so gut informiert wie noch nie. Die Steuerung reagierte auf die kleinste Gefühlsregung, und das Feedback seiner Aktionen war sofort da. Es war, als wäre er der Atlan. Ein berauschendes Gefühl, das aber schnell seriöser Sachlichkeit wich. Obwohl, ein Grinsen konnte er sich nicht ganz verkneifen. Bevor die Seitenscherkräfte der Jetstreams der Stratosphäre nach seinem Mecha greifen konnten, hatte er bereits ausgeglichen. Mit dieser Maschine traute er sich alles zu, und die Mondmission erschien ihm nur noch wie ein besserer Spaziergang. Als die sechs Maschinen die Exosphäre verließen, wollte er sich entspannt im Pilotensessel zurücklehnen, nur um verwundert festzustellen, das er bereits völlig entspannt war. Ein sehr interessantes Gefühl. Und das erste Mal seit langer Zeit fühlte er sich nicht wie ein Nebencharakter zum Füllen von Sendezeit oder Romanseiten, sondern wie der Held seiner eigenen Geschichte.

"Her gehört!", klang Thoras Stimme auf.
Conrad, unsanft aus seinen Phantasien gerissen, brummte unwillig: "War ja klar. Sidewinder hört."
"The Bully hört!" "Immortal hört." "Predator hört." "Stonewall auf Empfang."
"Gut. Der Flug zum Mond dauert rund achtzehn Stunden. Vertraut in der Zeit auf das Recycling-System eurer Anzüge. Wir halten unterwegs nicht an einer Toilette."
Leises Gelächter antwortete ihr. Von Nyssen war ein knappes "Hört, hört" zu vernehmen.
"Wir werden in dreitausend Kilometern Entfernung von der Fantan-Basis landen und uns über die Oberfläche heran pirschen. Sobald wir nahe genug sind, breche ich mit der Positronik des Tran-Atlans in das Computersystem der Fantans ein und lokalisiere meinen Onkel. Vielleicht gelingt uns auch ein kurzer Kontakt, und wir können uns absprechen. Danach beginnt die Befreiungsaktion. Predator, Stonewall und Sidewinder decken den Luftraum, während ich mit Immortal und Bully die Station angreife. Sobald wir Erfolg haben, oder wenn etwas schief laufen sollte, lautet unser Sammelpunkt das Wrack der AETRON in einhundert Kilometern Entfernung. Von dort interpretieren wir entweder die Lage neu, oder wir fliegen zur Erde zurück. Je nachdem, was passiert ist. Fragen?"
Als niemand antwortete, klang erneut Thoras Stimme auf. "Wir sind zu sechst und brauchen achtzehn Stunden. Das bedeutet, das einer immer eine Stunde Wachdienst schiebt, während die anderen Freizeit haben. Ihr könnt schlafen, euch auf Kurzwelle unterhalten, oder eines der interaktiven Gemeinschaftsspiele spielen, die auf den Atlans installiert wurden. Drei solcher Schichten, und wir sind da. Jetzt irgendwelche Fragen?"
"Welches Spiel bevorzugst du, Thora?", fragte Rhodan.
"Shadow of the Dragon Lord, ein Avatar-RPG. Wieso, willst du es mal probieren?"
"Er holt sich schon wieder einen Vorsprung! Ich will auch mitspielen, Captain!", rief Freyt hastig.
"Dann übernehme ich wohl am Besten die erste Wache", murmelte Deringhouse missmutig.
"Einverstanden. Danach übernimmt Immortal, dann Predator, The Bully, ich, Stonewall. Hoffen wir auf einen ereignislosen Flug zum Mond. Ich sehe euch dann im Spiel, Jungs."
Deringhouse seufzte leise und widmete sich den Ortungsergebnissen. Auch die waren jedem Mark XII überlegen und lieferten das Zehnfache an Daten. Endlich fühlte sich Conrad mal ausgelastet. Aber das, gestand er sich ärgerlich, war auch der einzige positive Aspekt in einer Gruppe, in der er der Letzte in der Hackordnung war. Ihm blieb nur der Trost, dass er als sechstbester Pilot der Erde noch ein paar tausend Leute unter sich Spiel hatte. Und das war nicht ganz so schlecht.
***
Nach dem anstrengenden und für Crest nicht ganz ungefährlichen Liebesspiel mit seiner Überschweren-Geliebten streckte sich der Arkonide vollkommen auf der alten Unterlage aus und gab sich dem angenehmen Gefühl absoluter Erschöpfung hin. Daella nutzte die Gelegenheit, um seine gut gebräunte, muskulöse Brust zu küssen, die sie an dem Weißhaar schon immer kirre gemacht hatte. "Das gefällt dir, nicht?", fragte sie mit einen gutturalen Gurren in der Stimme.
"Natürlich gefällt mir das", murmelte Crest. Er gab ihrem Hintern einen deftigen Klaps, den sie mit einem Quieken quittierte. Für eine Überschwere war sie tatsächlich reichlich schmächtig und brachte bestenfalls zweihundert Kilo auf die Waage. Und sie brachte die nötige Vorsicht und Disziplin mit sich, um den an lediglich einen Gravo gewöhnten Arkoniden nicht versehentlich zu verletzen. "Necke mich nicht immer, Rotauge", beschwerte sie sich lächelnd. "Ich könnte mich sonst dran gewöhnen."
Crest grinste vollkommen entspannt. "Wie weit sind die Vorbereitungen, Daella?", fragte er unvermittelt.
Die Überschwere richtete sich auf. Das Lächeln verschwand, machte einer konzentrierten Miene Platz. "Achtzig Prozent deiner Vorgaben sind erfüllt. Ich denke, in ein oder zwei Wochen können wir es riskieren. Was ist mit der AETRON EINS? Wie lange, denkst du, wird dir Rotiron noch glauben, dass du da drin schläfst?"
Crest lachte leise. "So lange, wie ich es für richtig halte. Rotiron ist beileibe kein Idiot. Aber mit mir kommt er dann doch nicht mit. Oh, ich habe nichts gegen ihn. Meine Mannschaft wurde nicht auf seinen Befehl hin ermordet. Aber manchmal zweifle ich doch, ob er..."
"Wohin sollte er sonst können?", fragte die Überschwere mit einem Seufzer. "Wenn dein Plan funktioniert, hat er überhaupt keine andere Wahl mehr."
"Nur wenn alles funktioniert. Und ich brauche Thora hier, um alles ins Rollen zu bringen."
"Es wird schon alles schief gehen, wie die Terraner immer sagen. Und jetzt lass uns über etwas angenehmeres reden, teurer Crest."
"Oh, ich bin sicher, es wird zu meinem Vergnügen sein", erwiderte der Arkonide mit seligem Lächeln.
"Sicherlich." Wieder küsste sie die gut geformten Brustmuskeln des Arkoniden, bevor sie langsam den Bauch hinab wanderte...
***
Rotiron schreckte aus dem unruhigen Dämmerschlaf empor, in den er durch seine akute Überarbeitung direkt am Schreibtisch gefallen war, als der Alarm aufgellte. Er war nicht sofort da, suchte seinen Desintegrator, bevor er realisierte, was gerade geschah. "Alarm aus!", bellte er. Mit beiden Händen griff er sich an den schmerzenden Kopf. "Grund für Alarm, Positronik?"
"Soeben ist ein Schiff auf der Rückseite des Mondes aus einer Transition gekommen", informierte ihn die Robotstimme. "Es handelt sich um die DEFLATION."
Sofort waren Verwirrung und Kopfschmerzen vergessen. "Nein, nein, nein. Nicht jetzt schon! Nicht heute! Die DEFLATION! Das bedeutet..."
"Richtig, Zhdopanthi. Der Fantan-Gruppe des Roten Blutmonds steht eine Revision durch die Fantan-Bank bevor."
"Sag sofort Lertakan und Rimos Bescheid! Sie sollen alles stehen und liegen lassen, und in den Großhangar kommen! Lotse die Abordnung der Fantan-Leute direkt dorthin! Sorge dafür, dass Getränke und Speisen bereit stehen, die für die Fantans verträglich sind! Wann trifft das Schiff ein?"
"Es befindet sich bereits im Landeanflug. Ein Beiboot hat sich bereits vom Schiff getrennt und ist auf dem Weg zum Großhangar. Du hast ungefähr sieben Minuten, um ebenfalls im Hangar zu sein, wenn du vor den Direktoren eintreffen willst, Zhdopanthi."
Rotiron gab einen derben Fluch zum Besten und sprang auf. Fluchtartig verließ er sein Büro, und unaufgefordert schlossen sich seine persönliche Kampfroboter an. Na, wenigstens eine Sache, die heute nicht in einem Unglück zu enden drohte.

Schließlich versammelten sich in der Kürze der Zeit neben Rotiron und den beiden Kapitänen Rimos und Lertakan noch neun weitere Überschwere im Großhangar. Diese spielten allerdings eine untergeordnete Rolle. Ihre Aufgabe war es, den Fantan-Leuten Speisen und Getränke zu reichen.
"Und vergesst nicht, dies ist eine unangekündigte Revision! Jede noch so kleine Stichelei, jeder Ausbruch, um den eigenen Vorteil zu suchen kann bedeuten, dass alle Kapitäne ausgetauscht werden! Habt Ihr das gefressen?"
"Keine Sorge. Wir wissen, was eine Revision ist", sagte Lertakan ernst. "Ich habe schon drei überstanden."
"Und genau deshalb bist du hier. Rimos?"
"Du bist der Herr des Roten Bludmonds, Rotiron. Da gibt es keine zwei Meinungen. Vor den Bankleuten zu streiten würde uns beide töten."
"Gut. Und jetzt heißt es Haltung bewahren!"
Ein Energiefeld flammte auf und halbierte den Hangar quer. Die Schotten öffneten sich, und ließen ein walzenförmiges Beiboot passieren. Auf der Flanke prangte unüberschaubar das Logo der Fantan-Bank, ein protziges goldenes, stark verschnörkeltes Blumenzeichen.
Als der Druckausgleich wieder hergestellt war, und der Energieschirm verschwand, öffnete sich ein Schott in der Seite der Walze. Wenn man nicht bedachte, dass das Mutterschiff eintausendzweihundert Meter durchmaß und an der stärksten Stelle vierhundert Meter stark war, konnte man sich von dem lediglich sechzig Meter langen Beiboot schon täuschen lassen. Wenn man naiv war. Rotiron aber war nicht naiv.
Eine Rampe fuhr aus, und auf ihr wandelten die Revisoren in Begleitung von zwanzig Kampfrobotern arkonidischer Fertigung auf die wartende Gruppe der Überschweren zu. Rotiron zählte sieben der sechsgliedrigen, tonnenförmigen Wesen, und die Qualität ihrer Kleidung bewies, dass er es mit Direktoren zu tun haben musste. Als er den Kranz der Sinnesorgane des vordersten Fantans aus der Nähe sehen konnte, wäre beinahe sein Herz stehen geblieben. Ausgerechnet Hauptdirektor Jarwoohlt führte die Revision an. Das bedeutete eine noch härtere Revision als sonst üblich war. Der alte Geldhai war dafür bekannt, Geldumwälzungen bis zum letzten Chronner nachzugehen.
"Du schreibst keine schwarzen Zahlen", begrüßte ihn Jarwoohlt. "Das entspricht nicht den Richtlinien der Fantan-Bank."
Rotiron vollführte die Geste der Demut vor dem Fantan. "Ich bitte um Entschuldigung. Wir benötigen viele der geförderten Erze und Rohstoffe selbst und können nicht alles auf dem freien Markt verkaufen."
"Die Gewinnspanne der Gruppe Roter Blutmond sinkt!", keifte ein anderer Fantan, den Rotiron als Subdirektor Feltalan identifizierte. Auch ein unangenehmer Zeitgenosse. "Was sollen wir unseren Aktionären sagen? Tut uns Leid, keine Dividende heute? Die Ausbeutung von unzivilisierten Fremdwelten stagniert gerade? Und wo wir schon mal dabei sind, wieso ist dieser unbedeutende Planet namens Erde nicht schon längst erobert? Warum sind seine Industrien noch nicht umgestellt, um billige Importwaren für das Imperium zu fertigen? Wieso gehört dieser Planet noch nicht der Bank? Und was fällt dir ein, Rotiron, Milliarden Chronner zu vergeuden beim VERSUCH, diesen Planeten zu erobern? Wieso bist du so zaghaft?"
"Die Spuren der Unsterblichkeit", begann er, wurde aber sofort unterbrochen.
"Unsterblichkeit interessiert uns nicht! Wir wollen eine saubere Bilanz und ein stabiles Gewinnwachstum, Rotiron!"
Jarwoohlt machte mit zwei Armen eine beschwichtigende Geste. "Du preschst vor, Feltalan. Deine Zeit ist noch nicht gekommen. Du kannst Rotiron nach der Prüfung der Geschäftsbücher anklagen. Bis dahin gilt er nach den Regeln der Bank als unfähiger Investor, aber nicht als Chronner unterschlagender Angestellter."
"Du hast gut reden, Hauptdirektor", murmelte Feltalan verstimmt. "Durch deine Abteilungen laufen ja auch nicht sämtliche Rechnungen für Reparaturen, Ersatzteile und Vorräte, und schmälern dein Budget."
"Gemach, Gemach, alter Finanzjongleur. Du wirst schon noch Gelegenheit bekommen, um zu beißen." Der Hauptdirektor wandte sich wieder Rotiron zu. "Wie du zweifellos erkannt hast, steht dir eine Revision bevor. Wir werden deine Ausgaben, deine Fortschritte und deine laufenden Kosten prüfen. Danach werden wir entscheiden, ob die vagen Hinweise auf die Welt der Unsterblichkeit, die auf dieser Welt zu finden sein sollen, die Kosten wert sind. Ob die Eroberung dieser Welt sich wirklich lohnt, oder ob es nicht besser ist, sie zu entvölkern, die Rohstoffe abzubauen und zur nächsten Welt zu ziehen."
Rotiron fühlte einen kalten Schauder über seinen Rücken jagen. Immer, wenn er sich mit einem der Direktoren seiner Geldgeber unterhielt, wurde ihm bewusst, was für ein kleines Licht er doch war. Und was Grausamkeit wirklich bedeutete. Pure Gedankenlosigkeit, die auf hohen Profit gemünzt war. So wie diese Fantans hier. "Ich kooperiere selbstverständlich im vollen Umfang", erwiderte er und vollführte erneut die Geste der Demut. Die anderen Überschweren folgten seinem Beispiel, um ihre totale Unterwerfung anzudeuten.
"Gut, gut. Dann bringe uns zu deinen Büchern, Rotiron. Wir werden jeden Chronner von unserer Bank bis zu deinem Ausgabenbuch verfolgen."
"Ich habe eine Erfrischung vorbereiten lassen, Hauptdirektor", wagte es Rotiron einzuwenden und deutete auf das Essen.
"Man soll es uns nachbringen. Wir speisen während der Arbeit", befahl Jarwoohlt. "Und dann müssen wir auch noch über deinen Arkoniden reden. Um mittelfristige Kosten zu decken erscheint es mir ratsam, jetzt schon sein Lösegeld zu fordern."
"Alles geschehe nach dem Willen der Bank", murmelte Rotiron. Selten hatte er sich so hilflos gefühlt.
***
Nicht ganz achtzehn Stunden später begannen die sechs Mechas den Landeanflug auf dem Mond im prognostizierten Zielgebiet, dem Jules Verne-Krater auf der Mondrückseite. Ihr Zielgebiet, die Station des Mascaren da Gonozal, lag im Mare Moscovience. Das war, wenn sie vorsichtig blieben, ein Anflug von einer guten Stunde. Das Wrack der AETRON wiederum, ihr Sammelpunkt, lag in relativer Nähe zum Mare Moscovience auf der Mondoberfläche.
Das bedeutete eine Menge Flugzeit über relativ ebenes Gelände mit hohen Sichtweiten, da die Rückseite des Mondes nicht annähernd so verkratert war wie sein pockennarbiges, der Erde zugewandtes Antlitz. Allerdings gab es durchaus Hügel und Täler, und ein geschickter Mecha-Pilot konnte diese zu seinem Vorteil nutzen. Davon abgesehen musste schon eine ganze Menge schief gehen, um die kleine Operation früh scheitern zu lassen.
Alle sechs Maschinen landeten auf dem Kraterboden und verharrten dort für ein paar Minuten. Als feststand, das sich niemand für sie interessierte, erkundete Rhodan den Kraterrand Richtung Norden und meldete keine Kontakte, soweit die Passivortung auf die Mondebenen hinaus reichte.
Die sechs Mechas kamen über den Kraterrand, und legten die Strecke zum Mare Moscovience im Tiefflug zurück. Glücklicherweise entsprachen die Fantans auf dem Mond ihrem Klischee. Sie fühlten sich zu sicher, waren schlecht ausgebildet und noch schlechter motiviert. Trotz eines sehr vorsichtigem Vormarschs fand Thora eine gute Route zum Kraterwall des Mare, ohne einer Patrouille ausweichen zu müssen. Die Überschweren hatten nicht einmal Überwachungssatelliten im Orbit.

Am Fuß der Außenseite ließ die Arkonidin halten. Sie schickte Freyt, Nyssen und Deringhouse nach Ost, West und Süd als Spähposten aus und behielt Rhodan und Bull als Schutz zurück, während sie sich in das System der alten Arkonidenbasis einhackte.
"Die Basis arbeitet mit einem uralten funkbasierten System, dem Internet nicht unähnlich. Das bietet uns einige Vorteile, weil das Archiv meines Tran-Atlans über einige uralte Master-Codewörter verfügt, mit denen ich mich dem System als überrangig ausweisen kann. Es wird mich rein lassen, ohne das ich Spuren hinterlassen werde. Bin ich im System, suche ich im Subsystem der Lebenserhaltungssteuerung nach einem Bereich, in dem die Schwerkraft auf Normalwert gehalten wird. Dort hält sich mein Onkel auf. Eventuell hat er eine Arbeitskonsole, in die ich eindringen kann, um mit ihm zu reden. Haben wir Pech, und er hat keinen Bereich mit eigener Schwerkraft, bleiben uns nur die Zellen. Das würde bedeuten, das wir die Basis auseinander nehmen müssen. Also, hoffen wir, das wir es leicht haben. Die Basis anzugreifen, wenn wir wissen, wo Onkel Crest steckt, ist bereits schwer genug." Sie atmete tief durch. "Ich gehe jetzt rein."
"Verstanden. Wir haben ein Auge auf die Umgebung, Thora." Rhodans Stimme klang gelassen, geradezu entspannt. Das flößte ihr eine gewisse Ruhe ein, eine Ruhe, die sie jetzt dringend brauchte. "Okay!"
Mit Hilfe der Bordpositronik des Tran-Atlans fand sie schnell einen Funkspot, der eigentlich mit den Patrouillen Datenkontakt halten sollte. Mit Hilfe der Uralt-Codewörter gelang es ihr, in das Netz einzudringen.
***

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Als das ferne, zornige Brummen eines Thermoblasters an Crests Ohren drang, verzog er missmutig die Miene. Es schien ganz so, als hätte die Revision noch nicht ihren Höhepunkt erreicht. Das war die zehnte oder elfte Exekution der Fantan-Bankleute an irgend einem armen Überschweren-Schwein, das ihrer Meinung nach besonders verlustreich gearbeitet hatte. Trotzig schüttelte Crest den Kopf. Er hatte mit dem Volk der Fantans nicht gerechnet. Er hatte nicht damit gerechnet, dass ausgerechnet die Imperiumsweit bekannten Bankhäuser in der Piraterie verwickelt waren, ja, sie finanzierten. Aber wenn er das Handelsmonopol der Mehandor zum Vergleich zog, wusste er jetzt wenigstens, woher der märchenhafte Reichtum dieses relativ bedeutungslosen Volkes kam. Ein normales Vermögen basierte auf dem Schweiß und den Tränen anderer, bei den Fantans kam noch Blut dazu. Eine Menge Blut. Crest fragte sich, ob die Fantan-Banker damit rechneten, dass sie ihre Anwesenheit, ihre Identität vor ihm nicht verheimlichen konnten. Dass er sofort nachdem man ihn gegen Lösegeld freigelassen hatte, Anklage auf Celkar gegen die Fantaner Reichsbank erheben würde, und dank seines Extrasinns auch belegen konnte. Dieses Risiko konnten die Amorphen nicht eingehen. Wahrscheinlich würden sie versuchen, sein Gedächtnis chemisch zu löschen. Falls sie ihn nicht gleich umbrachten.

Der Hilfsbildschirm seines Arbeitspults flammte auf, und ein vertrautes Mädchengesicht erschien. "Crest, wir können jetzt zuschlagen, solange die Kapitäne von der Revision abgelenkt sind."
Entsetzt sah er die Überschwere an. "Daella, sofort raus aus der Leitung! Die Revisoren haben alle Datenkanäle im Blick und werten sie permanent aus! Du gefährdest dich!"
Daella lächelte zufrieden. "Crest, gerade du vor allen anderen müsstest wissen, dass ich keine Idiotin bin. Ich habe einen Mirror vor die Kommunikation geschaltet und den Energieverbrauch der Verbindung durch Zuschaltung eines externen Erzeugers kaschiert. Ich weiß, was die Cyberagenten der Revisoren zu leisten vermögen. Deshalb bin ich gegen sie gewappnet. Also, wie sieht es aus damit, zu zu schlagen?"
"Nur damit die eintausend Kampfroboter, welche die DEFLATION an Bord hat, über uns herfallen und alle abschlachten?" Crest schüttelte den Kopf. "Nein, Daella. Wenn nicht noch ein Wunder geschieht, müssen wir hoffen, dass genügend unserer Leute die Revision überstehen, und danach zuschlagen. Und bitte, unterbrich die Verbindung jetzt wieder. Geh nicht zu viele Risiken ein."
"Dein Wort in die Ohren von Arkons Göttern", erwiderte sie enttäuscht. Aber gehorsam deaktivierte sie die Leitung wieder.
Crest atmete auf. Wäre ihnen die Revision nicht dazwischen gekommen, dann hätten sie diese Woche, spätestens nächste Woche alles verändern können. Er saß hier nicht umsonst schon drei Jahre fest. Und er hatte in dieser Zeit keine Däumchen gedreht.
Wieder flammte der Hilfsbildschirm auf. "Was ist denn noch, Daella?"
"Wer ist Daella?", klang Thoras Stimme auf. Thora? Sie war auf dem Mond? Noch dazu in Reichweite des Funknetzes? Wusste sie von den Revisoren?
"Thora, bist du gegen die Revisoren gewappnet?"
"Revisoren?", fragte die junge Frau erstaunt. Oh, offenbar war sie das nicht.
"Thora, kappe sofort die Verbindung und verlasse deine jetzige Position! Flieh so weit du nur kannst! Wir haben ein Schlachtschiff über der Basis!" Damit hatte er sich so weit aus dem Fenster gelehnt, dass die Direktoren der Fantan-Bank nicht mal mehr die Wahl hatten sich einzureden, er würde die wahren Umstände nicht kennen. Nun mussten sie Crest töten oder sein Gedächtnis veröden. Aber das war egal, solange Thora nur die Flucht gelang.
"Ich verstehe nicht! Wir..."
"Es ist die Fantan-Bank! Und jetzt verschwinde!", blaffte Crest. Er beendete die Verbindung auf seiner Seite. Aber die Spuren zu Thora löschte das nicht. Er konnte nur hoffen und beten, dass seine Nichte richtig reagierte.

Thora brauchte eine Sekunde, um zu begreifen, was ihr Onkel gerade gesagt hatte. Okay, die Namensgleichheit zwischen den Fantan-Leuten und den Überschweren-Piraten der Fantan-Gruppe war ihr schon immer merkwürdig vorgekommen. Aber das sie hinter den Piratenaktivitäten steckten, sie finanzierten... Und versteckte man eine handfeste Lüge nicht am Besten hinter einem Feigenblatt der Wahrheit? "Wir müssen hier we...", gelang es ihr noch zu sagen, als der Tran-Atlan von einer Woge weißglühenden, platzenden Gesteins davon geschleudert wurde. Der Schutzschirm aktivierte sich automatisch und ließ etliche Trümmerstücke verglühen, bevor sie ihr gefährlich werden konnte.
"Ja, Himmelherrgott!", entfuhr es Bully. "Wer hat denn hier den Krater abgetragen?"
Thora sah auf den Frontbildschirm. Vor ihr ragte in der Kraterwand ein Loch von dreißig Metern Durchmesser auf. Die Ränder glühten weißlichrot nach. Auf der anderen Seite des Lochs konnte sie die Wandung eines Gigantschiffs ausmachen. Deutlich erkannte sie das goldene Blumenzeichen der Fantan-Bank. Das, und einen überschweren Schiffsthermostrahler, der genau auf sie zeigte.
Wieder feuerte die Waffe. Da sie lichtschnell war, erkannte sie das nur daran, dass sie getroffen wurde. Der Schirm kollabierte, und ein Teil der Energien schlug auf den Tran-Atlan durch. Einer ihrer beiden Schirmgeneratoren explodierte bei der Überlastung und trieb ihre Maschine zu Boden. Sechs Sekunden hatte es vom ersten bis zum zweiten Schuss gedauert, ging es ihr durch den Kopf. Damit hatte sie noch vier Sekunden, um dem dritten Schuss, und damit ihrer Auslöschung zu entgehen. Drei... Zwei...
"BULLY!", brüllte Rhodan. Thora fühlte, wie ihr Tran-Atlan schwer in der Seite getroffen wurde. Durch die geringere Schwerkraft war das Ergebnis ein heftiger, schmerzender Bewegungsimpuls, der sie wie vom Katapult geschossen fort trieb. Ein heftiger Ruck ging durch ihren Mecha, als sie abrupt gestoppt wurde. "HAB S...", klang Bulls Stimme auf. Aber in diesem Moment ging der dritte Schuss durch den künstlichen Kanal. Rhodan, der seinen Atlan rückwärts steuerte, wurde erwischt. Auf Anhieb verglühten beide Beine, die Unterarme und ein Teil der Brustpanzerung im Feuersturm. Und der verdammte Strahl drehte sich mit der Bewegung Rhodans mit. Diese Misshandlung konnte der Kraterrand nicht mehr ertragen, die Steinbrücke oberhalb des Durchschuss kollabierte. Die Überreste von Perrys Atlan verschwanden unter einer Woge aus Geröll und Schutt.
"PERRY!", rief Thora erschrocken.
"Nein, Thora!" Bulls Maschine hielt ihren Tran-Atlan fest umklammert. "Nein! Du hast einen Schirmgenerator verloren, ein riesiges Schiff feuert auf uns, und wir haben keine Zeit, um in Trümmern zu graben! Wir müssen zur AETRON! Der Plan ist gescheitert!"
"Lass mich los, Reginald! Vielleicht lebt er noch! Wir müssen..."
"Wir müssen jetzt erst mal dich und den Tran-Atlan retten!", rief Bull heiser. "Er ist in den Schuss geflogen, um dich zu retten! Soll das umsonst gewesen sein? Soll es das, Thora?"
Die Arkonidin spürte, wie der Zwang von ihr wich. Sie ließ die Anspannung aus ihrem Körper weichen und beugte sich so weit nach vorne, wie die Gurte zuließen. "Nein, das soll es nicht", antwortete sie gepresst. "Verschwinden wir von hier."
"Okay, Captain. The Bully an alle: Immortal ist down, ich wiederhole, Immortal ist down. Bergung unmöglich. Alle sammeln bei Stonewall, und dann Weiterflug zur AETRON!"
Ein heftiger Ruck bewies, dass Bulls Atlan durchstartete. Die AETRON bot einige Vorteile. Der Wichtigste war, dass auf diesem riesigen Haufen Metallschrott weiteres Metall nicht so sehr auffiel. Die meisten Gänge waren für Mechas passierbar. Sie konnten dort ausruhen und eine ganze Zeitlang mit den Überschweren oder den Fantans Verstecken spielen, einen zweiten Versuch wagen, oder von dort zur Erde zurückkehren. Weit außerhalb der Reichweite der Raumabwehr der Überschweren. Aber das Beste würde es für sie alle sein, wenn sie direkt in den Orbit durchstarteten, kaum das sie genügend Mondkrümmung zwischen sich und die Basis gebracht hatten. Sie biss sich auf die Unterlippe, bis sie Blut schmeckte. Sie ließ Perry zurück. Verdammt, sie ließ Perry zurück!


5.
"Ist die DEFLATION dabei, die Angreifer zu verfolgen?", fragte Hauptdirektor Jarwoohlt mit ernster Stimme.
Vize-Subdirektor Tharkant machte mit allen beiden Armpaaren die Geste der Zustimmung. "Sie hat Befehl, die Terraner zu vernichten, sobald sie sie auf der Ortung hat."
"Dummkopf!", rief Subdirektor Feltalan. "Diese Mechas können einem direkten Treffer aus einem Schiffsgeschütz widerstehen! Das bedeutet, sie sind ein Vermögen wert! Finde sie und erobere sie, in einem angemessenen Kosten-Nutzen-Verfahren!"
Der gescholtene Vize-Subdirektor erneuerte die Geste der Bejahung. "Ich werde dem Direktor-Kapitän der DEFLATION sofort neue Anweisungen geben." Mit einer Geste der Demut, die seinen Fehler eingestand, zog sich der Fantan zurück.
"Hast du die Bilder bereits gesehen, Feltalan?", fragte Jarwoohlt amüsiert.
"Welche Bilder, Hauptdirektor?"
"Die Aufnahmen der Mechas, die von der Bordgeschützkamera der DEFLATION gemacht wurden." Jarwoohlt beantwortete sich die Frage selbst. "Augenscheinlich nicht. Diese Mechas sind in der Tat sehr wertvoll. Es ist mindestens ein Katsugo dabei. Der andere, den wir abgeschossen haben muss ein Nachbau sein, der aber ebenfalls wertvoll sein dürfte."
"Der Katsugo ist der Tran-Atlan", sagte Rotiron, um seinen Stand zu festigen. "Der andere Mecha muss ein Nachbau der Terraner sein. Eventuell haben sie mehrere Mechas ausgeschickt. Wahrscheinlich, um den Arkoniden zu befreien."
"Was nicht besonders schwer zu erraten ist, da unsere Cyber-Revisoren nachgewiesen haben, dass die Pilotin des Tran-Atlans versucht hat, über das interne Netz Kontakt mit ihm aufzunehmen", sagte der Hauptdirektor ohne Tadel in der Stimme. Und immer wenn er einen zu freundlichen Ton anschlug, bedeutete dies das Schlimmste für seine Umgebung. "Ich habe eine Quittung für eine Zahlung an einen terranischen Attentäter gefunden, der auf den Markham Fields eingesetzt werden sollte. Augenscheinlich, um die Pilotin des Tran-Atlans zu töten. Wie es aussieht, hat er versagt."
"Stattdessen ist sie nun mitsamt des Tran-Atlans hier auf dem Mond, in Ihrer Reichweite, Hauptdirektor. Zudem ist die Pilotin nicht irgendjemand, sondern eine hohe Tochter des Zoltral-Khasurns. Lebend könnte sie ebenso viel Lösegeld einbringen wie Crest. Und der Katsugo dürfte auf dem Freien Markt ebenfalls ein Vermögen wert sein."
Feltalan verzog seine Sinnesorgane zum Fantan-Äquivalent eines erfreuten Lächelns. "Wir können mit einem Maximalgewinn von achthundert Millionen Chronner rechnen, wenn uns der Tran-Atlan und seine Pilotin in die Hände fallen. Für jeden Katsugo-Nachbau rechne ich zwanzig Millionen Chronner hinzu."
"Das würde bedeuten, das sich der Einsatz von Kampfrobotern, um sie im Nahkampf zu überwältigen, bis zu einem Verlust von einhundertsiebzehn Exemplaren lohnen wird." Der Hauptdirektor schwenkte seine Sinnesorgane auf den Überschweren. "Wir haben an Bord positronengesteuerte Kampfroboter des Personentyps. Wir werden zweihundert von ihnen einsetzen. Du wirst sechzig Überschwere des Roten Blutmonds, ausgerüstet mit allen drei Klassen deiner Tharks zur DEFLATION beordern und mit der Überwältigung der Terraner und der Arkonidin beauftragen. Wir loten eine Million Chronner für jeden Katsugo, und zwei Millionen für jeden lebenden Piloten aus. Für Thora von Zoltral das Doppelte. Dieses Geld wirst du aus deinem Budget bereitstellen, Rotiron."
Der Überschwere vollführte die Geste der Demut. "Selbstverständlich, Hauptdirektor. Ich ziehe mich zurück, um alles zu veranlassen. Aber ich bitte darum, dass die DEFLATION die Terraner nicht vom Mond entkommen lässt."
"Selbstverständlich wird sie das nicht, du einfältiger Narr! Profit geht über alles, und der Direktor-Kapitän weiß das!", tadelte Feltalan grimmig.

"Zählt das mit den zwei Millionen auch für den hier?", klang Lertakans fröhliche Stimme vom Eingang her auf. Über der Schulter trug er ein grünes Bündel. Vor den Fantans warf er es zu Boden.
Der Aufprall bei doppelter Schwerkraft trieb dem ohnehin geschundenen Perry Rhodan die Luft aus den Lungen. Sekundenlang konnte er nicht atmen, und nur schwerfällig wollten die gemarterten Organe wieder Luft einziehen.
"Das ist der Pilot des zerstörten terranischen Katsugos?", fragte Jarwoohlt. "Scheint unverletzt. Er muss ein wahrer Glückspilz sein."
"Ja, das ist der Pilot des Katsugos, der von der DEFLATION zerschossen wurde. Wir haben ihn unter einem Haufen Schutt hervor gezogen. Seine Druckkabine war immer noch intakt. Wenn Glück einen Namen hat, dann trägt es seinen." Lertakan bückte sich und griff nach dem Kragen des Terraners. "Also, Bürschchen, sag uns deinen Namen."
"Rhodan, Perry, Kadett. Dienstnummer 0606R360214", brachte er gequält über die Lippen.
"Was ist mit den Überresten des Katsugos?", fragte Feltalan.
"Einiges ist noch als Ersatzteil brauchbar."
"Gut. Die Belohnung gilt auch für ihn. Rotiron, ich schenke dir diesen hier. Brich den Willen von Rhodan Perry Kadett und setze ihn auf deinen Tharks ein. Sein Manöver, mit dem er den Tran-Atlan gerettet hat, war beeindruckend. Er ist vielleicht ihr bester Pilot."
"Ihn brechen und benutzen? Er ist noch ein halbes Kind", erwiderte Rotiron.
"Und in diesem Alter sind sie noch lernfähig." Hauptdirektor Jarwoohlt beugte sich vor, und strich Rhodan mit dem linken unteren Arm über das vom Schweiß verklebte Haupthaar. "Nicht wahr, junger Terraner? Du bevorzugst es doch zu leben, oder?"
"Rhodan, Perry, Kadett. Dienstnummer..."
"Ah, ein störrischer Bursche wie alle Humanoiden. Du solltest gleich damit anfangen, ihn zu brechen. Denn einen Piloten seines Formats wirst du dringend brauchen, wenn du die Erde erobern und kolonisieren willst, Rotiron."
"Dafür habe ich jetzt keine Zeit. Lertakan, schmeiß ihn in die Zellen. Ich widme mich ihm später."
Grinsend griff der Überschwere zu, hob Rhodan wieder vom Boden auf und legte ihn sich erneut auf die Schulter. "Du bist der Boss."
"Sehr richtig. Ich bin der Boss", sagte Rotiron leise, als der andere Überschwere mit seinem Gefangenen aus dem Raum trat. Aber er glaubte da selbst nicht dran. Nicht, seit die Fantan-Reichsbank hier war.
***
Als sie die AETRON erreichten, entfuhr Nyssen ein anerkennender Pfiff. "Wie groß ist das verdammte Ding eigentlich?"
"Fünfhundert terranische Meter von Pol zu Pol", sagte Thora mit rauer Stimme. "Die Überschweren haben es geplündert, wie ich sehe, aber nicht vernichtet. Gut, damit ist das Schiff für sie uninteressant. Und wenn die Reparaturroutine nur halb so gut ist wie ich sie in Erinnerung habe, dann..." Sie sendete einen Standardcode.
"Hey, da geht was auf!", rief Nyssen erstaunt. "Ist wohl doch jemand Zuhause."
"Das war ich, Stonewall. Ich habe den Garagenöffner betätigt. Sidewinder, Predator, auf Spähposten. Wenn Ärger im Verzug ist, sofort rein in die AETRON."
"Wäre es nicht besser, statt in die AETRON in den freien Weltraum zu fliehen?", fragte Bull.
"Normalerweise würde ich dir Recht geben, Bully", murmelte Thora konzentriert, während sie mit der Notfallpositronik der AETRON Daten austauschte. "Aber unsere Fantan-Piraten haben die arkonidische Technologie unterschätzt. Ja, genau wie ich gehofft habe. Das Schiff hat sich selbst repariert. Fiel wohl etwas schwer wegen der Plünderungen. Aber ein Teil der schweren Waffen ist wieder einsatzbereit, und ein Außenschild kann errichtet werden. Das gibt uns ein paar Stunden Luft, und wir können planen, wie es weiter gehen soll."
"Davon haben wir aber nichts in der Einsatzbesprechung gehört", rief Freyt empört.
"Ich bin in erster Linie Arkonidin. Und ich lasse mir ungern ganz in mein Blatt schauen. Reicht das als Erklärung, Predator?"
"Sie sind der Boss, Captain, schon vergessen? Beziehe Spähposition. Ich... Ähm, Thora, eine Frage. Wann wollten wir entscheiden, ob wir den Einsatz abbrechen und in den Mondorbit durchstarten?"
"In aller Ruhe. Wieso?"
"Sofort wäre eine verdammt gute Idee, denn der Riesenpott, der Perry abgeschossen hat, kommt gerade über die Mondkrümmung geklettert! Und die Sau schießt auf mich!"
"Sidewinder, Predator, zurückkommen! Wir fliegen alle in den Hangar!", rief Thora. "Dort werden wir wenigstens nicht aus dem Weltall gefegt!"

Nacheinander setzten die Mechas im Hangar der AETRON auf. Mit einiger Verspätung trafen auch Freyt und Deringhouse ein. Der große Schiffsschild wurde aktiviert, und kurz darauf verriet das laute Summen der Transformatoren, dass die Schiffsgeschütze das Feuer auf den anrückenden Giganten eröffnet hatten. "So, das verschafft uns etwas Luft." Thora ließ ihre Luke auffahren, nachdem eine atembare Atmosphäre etabliert worden war. "Ich suche ein Holo-Terminal auf und kommuniziere mit der Positronik. Vielleicht weiß sie einen Weg für uns hier raus."
Auch die Cockpits der anderen Mechas öffneten sich. Freyt tauschte einen grimmigen Blick mit Bull aus, der entschlossen nickte. "Falls die Positronik keine Idee hat, nehmen wir Plan B. Wir greifen das Riesending an, und Sie fliehen mit dem Tran-Atlan zur Erde, Thora."
"Das ist indiskutabel!", rief die Arkonidin aufgebracht. Sie deutete auf die Hangarbox. "Da oben starb Kommanta, mein Ausbilder, während unserer Flucht! Die Fernsteuerung für das Hangartor funktionierte nicht, und er hat sich dafür geopfert, damit ich mit dem Tran-Atlan fliehen konnte! Und eben gerade hat sich Perry dafür geopfert, damit ich überleben kann! Es tut mir Leid, aber ich will nicht noch mehr Menschen verlieren, die ich lie... Die mir am Herzen liegen! Niemals wieder!"
Freyts Miene wurde zur Maske. Er gab Nyssen einen Wink, damit dieser die Hangarbox inspizierte und schritt mit raumgreifenden Schritten auf Thora zu. "Einverstanden, Captain! Suchen wir einen Weg, der uns alle hier raus bringt! Ich bin der Erste, der dabei zustimmt. Aber wenn es dann keinen Ausweg mehr gibt, und wir entscheiden müssen, wer die größte Chance hat, hier zu entkommen, oder den größten Nutzen für die Menschheit, dann werden wir Prioritäten setzen! Und das notfalls gegen Ihren Befehl, Captain!"
"Das ist eine Meuterei!", zischte Thora.
"Nein, das ist Vernunft, pure Vernunft! Sie und der Tran-Atlan sind der wichtigste Pfeiler für die Verteidigung der Erde! Tut mir Leid, das die Befreiung Ihres Onkels daneben ging. Tut mir Leid, dass es Perry erwischt hat, aber er war ebenso mein Freund wie Ihrer! Und ich bin sicher, er würde mich aus dem Grab heraus verfolgen, wenn ich Sie nicht in Sicherheit bringe!"
Thoras Wangen röteten sich. "M-mein Freund?" Sie zwinkerte verlegen. Mike, können wir vielleicht mal das Sie weglassen?", erwiderte Thora streng. "Erstens wissen wir noch gar nicht, ob Perry tot ist. Und zweitens sind wir noch nicht am Ende. Noch lange nicht. Also, hecken wir einen Plan aus, der uns alle rettet."
"Mike, ich habe ihn gefunden", klang Nyssens Stimme über Funk auf. "Treffer in der Brust. Muss lange Zeit im Vakuum gelegen haben. Er wurde mumifiziert."
Thora fuhr zusammen. "Kommanta."
"Zumindest ein Arkonide in militärischer Kleidung", schränkte Nyssen ein. "Es kann auch ein anderer sein, Thora."
"Danke, Rod, aber ich weiß schon lange, dass er tot ist.Es nun bestätigt zu wissen ist... Eine gewisse Erleichterung. Er musste nicht leiden." Für einen Moment verschwammen die Augen der Arkonidin vor Tränen. "Michael, das Pult. Du begleitest mich. Reginald, es wäre nett, wenn du dir mit Conrad mein Schutzschirmaggregat anschaust. Hier im Hangar gab es früher Ersatz. Vielleicht haben die Überschweren ein Aggregat übersehen oder ein leicht beschädigtes zurückgelassen."
"Okay, Thora." Bull nickte mit einem leichten Lächeln. "Komm, Kurzer, wir gehen was reparieren."
Dröhnen und Rumpeln fuhr durch die Schiffszelle. Für bange drei Sekunden hing ein dunkler Glockenton in der Atmosphäre.
"Oh, mir scheint, dass unser neuer bester Freund ein ungeduldiger Zeitgenosse ist", sagte Thora. "Beeilen wir uns lieber mit unseren Aufgaben. Rod, komm auch zum Pult. Wir... Wir werden Kommanta und den anderen später ihre Feuerbestattung geben. Und jetzt an die Arbeit."
Erneut wurde das Schiff erschüttert, und das zornige Singen der Umformerbänke bewies, dass die AETRON antwortete. "Zumindest in der Zeit, die wir noch haben", sagte sie leise.
***
"Na, freust du dich, kleiner Terraner? Wir haben dir die Schwerkraft so eingestellt, damit du dich wie Zuhause fühlst." Das Gesicht des fremden Überschweren sah beinahe freundlich auf den am Zellenboden liegenden Perry Rhodan herab. "Lertakan ist ein ruppiger Mistkerl. Geht es, oder soll ich einen Medoroboter rufen?"
Rhodan raffte sich langsam auf. Bei normaler Gravitation fiel ihm vor allem das Atmen leichter. "Nein, es geht. Obwohl ich nicht glaube, das alle meine Rippen da sind, wo sie sein sollen", ächzte er. "Würde es dir was ausmachen, mich auf meine Liege zu heben?"
Der Überschwere lachte dröhnend. "Guter Versuch. Beinahe möchte ich es ausprobieren, um deinem Plan, mich zu überwältigen, eine Chance zu geben. Aber wie willst du das schaffen, kleiner Terraner? Wir haben keinen Aus-Knopf auf dem Rücken."
Rhodan lächelte dünn. "Soldaten in Gefangenschaft sind in meinem Land verpflichtet, auszubrechen. Also nichts für ungut." Langsam und steif zog er sich die Liege hoch und ließ sich schwer drauf fallen.
"Das geht in Ordnung. Ich hätte nicht anders gehandelt." Der Überschwere grinste breit. "Scheint so als wären wir einander recht ähnlich, oder?"
"Wenn man mal vom Gewicht und der Hautfarbe absieht. Grün ist jetzt nicht so attraktiv für uns Terraner."
"Aber zumindest haben wir auch rotes Blut in den Adern. Wir sind Verwandte, kleiner Terraner."

"Der kleine Terraner", klang eine Frauenstimme hinter dem Überschweren auf, "wird sich gleich selbst davon überzeugen können, welche Farbe dein Blut hat, wenn du dich zu hastig bewegst."
"Daella?", fragte der Wächter erstaunt. "Zielst du etwa gerade mit einem Thermoblaster auf meinen Kopf? Und hast du gerade einen ganzen Haufen kleiner bewaffneter Mädchen bei dir? Probst du hier den Aufstand?"
"Etwas in der Art. Und wenn du keinen Durchzug in deinem Schädel haben möchtest, dann würde ich dem kleinen Terraner jetzt die Zelle öffnen." Sie sah zu Rhodan herüber. "Geht es, Rhodan Perry Kadett?"
"Es heißt Perry Rhodan", erwiderte er, und erhob sich ohne sichtliche Anstrengung. Er passte sich sofort an die neue Situation an. "Und ich bin zu allem bereit, was meine Situation verbessert."
"Ihr müsst wahnsinnig sein", zischte der Wächter, während er sich in Richtung von Daella und den neun schwer bewaffneten Überschweren-Frauen umwandte. "Wir haben eine Revision, und Ihr macht was?"
"Die lang geplante Revolte, Bruderherz."
Verblüfft sah der Überschwere sie an. "Du machst einen Witz. Das ist keine Kurzschlusshandlung? Crest hat wirklich grünes Licht gegeben?"
"Für die ganze Operation." Grinsend ließ sie die Waffe sinken.
Befreit lachte der Überschwere auf. "Dann treten wir ja auch gleich den Bankern in ihre unförmigen Rückseiten!"
Rhodan trat an die Zellentür heran. "Er gehört auch zu diesem, nun, Aufstand?"
"Verdammt viele Überschwere gehören zum Aufstand", sagte Daella erfreut. "Und sie greifen jetzt nach und nach zu den Waffen, um vollendete Tatsachen zu schaffen."
"Mir scheint, es ist eine besondere Situation eingetreten, die dazu geführt hat, dass die sogenannte Revision nur mehr ein kleines Ärgernis ist. Darf ich erfahren, was dieses Ereignis ist?"
"Das sollte wohl besser ich beantworten." Der große, weißhaarige Mann beeindruckte Perry Rhodan sofort, als er vor die Zelle trat. Eindeutig ein Arkonide wie Thora. Das musste ihr Onkel Crest sein. Aber er hatte sich den Chefwissenschaftler des Arkon-Imperiums nicht so... Jung vorgestellt.
"Der Umstand, der unsere kleine Revolte ausgelöst hat, ist deine Ankunft, Rhodan Perry Kadett."
"Es heißt Perry... Ist ja auch egal. Ihr braucht also einen Mecha-Piloten?"
"Falsch. Wenn es nur darum gehen würde, hätte ich auch gereicht. Wir brauchen den besten Mecha-Piloten der Galaxis. Und ich glaube, wir sind fündig geworden. Was, wenn ich dir sage, dass ein Mecha auf dich wartet, der noch besser ist als der Tran-Atlan? Der alleine die DEFLATION vernichten kann, und damit all unsere Probleme löst? Terranische, überschwere, arkondische?"
"Ich würde sagen: Her mit dem Teil, und nichts wie ab!"
"Dann sollte jemand dringend diese Tür öffnen", schloss Crest. "Und dann treten wir, wie Ihr Terraner immer so blumig sagt, jemandem kräftig in den Arsch. Auch wenn Fantans anatomisch gesehen keinen haben."
"Das hindert uns nicht, oder?", fragte Rhodan flapsig, nachdem der Wächter seine Zellentür geöffnet hatte.
"In der Tat. Das hindert uns nicht. Folge mir, Rhodan. Ich bringe dich zu deinem Mecha." Crest wandte sich an den Wächter und an Daella. "Der allgemeine Aufstand muss jetzt beginnen, bevor die da oben merken, dass Rhodan Perry Kadett seine Zelle verlassen hat. Und jemand muss dafür sorgen, dass Rotiron gewarnt wird. Und wenn noch Zeit ist, auch Lertakan."
"Wenn noch Zeit ist,", erwiderte Daella amüsiert.
Rhodan lief dem Arkoniden hinterher, während die Überschweren in wilde Aktivität ausbrachen.
"Es macht Ihnen Spaß, meinen Namen falsch auszusprechen, oder?"
"Stehle einem alten Mann nicht seine wenigen Freuden, Perry. Merk dir das für die Zukunft."
"Alter Mann? Sie?"
Crest lachte laut auf und klopfte dem Terraner auf die Schulter. "Ich glaube, wir werden gute Freunde."

Im Hangar der AETRON EINS trafen sie auf zwei leicht verwundete Überschwere, die sich gerade aus einem Antigravschacht schwangen. Einem von ihnen kokelten die Haare. Rhodan stockte. In diesem Moment hätte er gerne eine Waffe gehabt.
Der Vordere deutete auf Rhodan. Es war der Typ, der ihn so grob behandelt hatte. "Und du meinst, Arkonide, dieser Zwerg kann deinen Plan ausführen?"
"Halte die Klappe, Lertakan!", fuhr ihn der andere Überschwere an. "Wir waren uns alle klar, dass wir uns vor der Fantan-Bank entweder nur verstecken, oder den Konflikt mit ihnen suchen können! Jetzt ist es halt der Konflikt geworden!" Rotiron wandte sich Crest zu. "Thora war dafür ausersehen den Mecha zu steuern, oder? Wird er als Ersatz ausreichen? Und wird es schnell genug gehen? Wenn erst mal die Kampfroboter der DEFLATION eingreifen, wird das hier der größte Sarg des Mondes."
"Er ist kein Ersatz. Er ist besser als Thora", sagte Crest im Brustton der Überzeugung. Er deutete auf die AETRON EINS. "Geh in dieses Schiff, Perry. Betritt das Zentrum und nimm im Sessel Platz. Den Rest wirst du lernen müssen. Sehr schnell lernen müssen."
"Oh", klang Lertakans Stimme auf. "Du hast den Mecha im Beiboot versteckt. Und uns hast du immer erzählt, du würdest da drin nur wohnen."
"Eine kleine Notlüge, Kapitän, die Ihr mir verzeihen müsst. Was Ihr nicht wusstet, konntet Ihr nicht verraten. Geh jetzt, Perry."
"Okay, aber ich will hinterher eine verdammt gute Erklärung haben!"
"Nachdem du uns gerettet hast, kannst du haben, was immer du willst", versprach Crest.
Perry Rhodan nickte. Einen Mecha führen zu können würde bedeuten, die Situation wieder zu kontrollieren. Und das war es wert.

Er erklomm das Laufband zur Luke. Ab hier war es relativ einfach, weil es nur eine Treppe nach oben gab. Am Ende der Treppe erwartete ihn ein Laufgang, der ihn ins Zentrum der Kugel brachte. Dort wartete der versprochene Sessel, und ohne zu zögern nahm er Platz. Ein Helm senkte sich von oben herab und etablierte seine Verbindung mit... Dem ganzen Schiff?
"Perry, wir schießen dich jetzt raus. Draußen im Vakuum wirst du den Guncross entfalten. Dein erster Auftrag lautet, die DEFLATION anzugreifen, die in diesem Moment die AETRON beschießt, in die sich deine Kameraden und Thora zurückgezogen haben. Kriegst du das hin?"
Die Gesichter seiner Freunde zogen vor seinem geistigen Auge entlang. Als Letztes sah er Thoras lächelndes Antlitz. Grimmig nickte er. "Betrachtet die Sache als erledigt!"
Rund um ihn erwachten Bildschirme zum Leben. Sie zeigten das Hangartor, das sich für ihn öffnete. Dann drückte ihn der Andruck des Starts in den Sessel, und für einen Augenblick war er froh, dass die Überschweren ihm nicht den Druckanzug abgenommen hatten. Er schoss durch die Beschleunigung in fast einen Kilometer Höhe über den Stützpunkt, bevor er Richtung Osten steuerte. Vor seinem Augendisplay erschien ein rotes Signal. Es waren arkonidische Schriftzeichen, die er nicht kannte. Aber er wusste, was sie bedeuteten: Entfalten! Er aktivierte die Funktion.

In über einem Kilometer Höhe wurde die Außenhülle der AETRON EINS aufgesprengt. Die kugelförmige Hülle zerbrach in unzählige Fragmente. Übrig blieb eine annähernd humanoide Gestalt in Embryonalhaltung. Langsam streckte die Gestalt die Beine aus, dann richtete sie den Oberkörper auf und öffnete die Arme. Damit hatte der Gigant eine Größe von achtzig Metern. Rhodan ging die Aufzählung der Waffen durch. Schwere Schiffsdesintegratoren, Antischiffsraketen, eine Schwertwaffe mit Laserklinge, die alleine schon vierzig Meter maß, und weitere nicht sehr nette Kleinigkeiten. "Wow! Ich bin beeindruckt, Crest!"
"Nun, ich hatte drei Jahre Zeit und jede Menge Langeweile", klang die Stimme des Arkoniden im Helm auf. "Der Kurs ist gut. Schnapp dir die Mistkerle von der Bank, Perry!"
"Aber hallo!" Rhodan drückte die Pedale durch, um zu beschleunigen. Doch dann stockte er. "Kann ich mich vorher um diese Korvette kümmern, die mich beschießt?"
"Gut, aber beeile dich. Deine Freunde haben nicht mehr sehr viel Zeit."
***
Die Konferenz mit der Positronik der AETRON hatte leider keine Fluchtmöglichkeit ergeben. Ihnen blieb nur die Möglichkeit, sich freizukämpfen. Und das mit etlichen Mechas der Überschweren vor und über dem Schiff, und hunderten Kampfrobotern aus der DEFLATION. Thora verfluchte sich für ihre Fehlentscheidung, in die AETRON zu gehen, anstatt sofort den Rückflug anzutreten.
Ein helles Singen hing in der Luft. "Das war der Schutzschirmgenerator", kommentierte sie.
Es folgte infernalischer Lärm. "Eine Geschützstellung." Der Lärm wiederholte sich, erschien nur näher zu sein. "Die nächste Geschützstellung. Als Nächstes werden sie die Hangarschotts zerschießen. Und dann werden sie mit den Gorgonen und den Kampfrobotern kommen."
"Zeit für Plan B, würde ich sagen", sagte Freyt entschlossen. "Rod und ich binden sie. Reginald und Conrad, Ihr eskortiert Thora, so weit wie Ihr es schafft. Wenn sie euch zu nahe auf den Fersen sind, wisst Ihr, was Ihr zu tun habt."
"Mike, das war so nicht abgemacht! Ich..."
Freyts Stimme bekam etwas Beschwörendes. "Thora, dein Tran-Atlan ist der einzige unserer Mechas, der es in dieser Situation bis zur Erde schaffen kann. Also leiste deinen Teil, und lass uns unseren leisten!"
Sie stockte. Als Arkonidin kannte sie die Pflichten und deren Notwendigkeiten nur zu gut. Und ihr glasklarer arkonidischer Verstand sagte ihr, dass Freyts Plan das Beste war, was sie aus dieser Situation heraus holen konnten. Und das am Besten, bevor das Tor barst, und die Fantans hier herein strömten wie eine unaufhaltsame Flut.
Sie fühlte sich erbärmlich, seltsam tonlos, beinahe so schlecht wie in dem Moment als sie hatte glauben müssen, Perry wäre gestorben. "Also gut, ich..." Sie stutzte. "Warum schießen sie nicht mehr auf die AETRON?" Hastig rief sie die Bilder der Außenkameras des Schiffs auf ihre Monitore. "Was bei Tran-Atlan ist das?"
"Was immer es ist", sagte Reginald mit Grauen in der Stimme, "es ist hoffentlich auf unserer Seite."
***
Es gab da eine Floskel, die besagte, dass der größte Junge auf dem Schulhof immer Recht hatte. Im Moment war Perry Rhodan der größte Junge, und er war wirklich sauer. Dazu kam, dass der Guncross eine Mobilität aufwies, die dem Atlan in Nichts nachstand, und das bei sechsfacher Größe. Er bot zwar eine größere Trefferfläche, aber die Vernetzung mit der Positronik erlaubte Perry Manöver, die an ein Wunder glauben ließen. Und er steuerte dieses Wunder.
Der Guncross reagierte äußerst sensibel auf jede kleine Regung Rhodans, der von der Positronik permanent mit Daten gefüttert wurde. Da war ein Geschütz der DEFLATION feuerbereit - er wich aus dem Schusskegel aus. Dort zog ein halbes Dutzend Scylla auf ihn zu - Rhodan feuerte die Desintegratoren, die durch die Reihen der Überschweren schnitten wie ein heißes Messer durch Butter..
Er tanzte das Feuer der DEFLATION aus, als wäre er selbst ein Tänzer ohne die Stahlhülle des Mechas, ein ungemein schneller Tänzer mit himmlischen Reflexen. Und er kam dem Schiff immer näher, obwohl das Abwehrfeuer heftiger wurde. Rhodan griff an die Hüfte des Guncross, und zog das Laserschwert. Als sein Schutzschild mit dem des Fantan-Schiffs kollidierte, fochten beide Systeme einen stummen Kampf miteinander aus, den das Schiff verlor, als es im Sektor des Mechas die Schilde teilweise abschaltete, um ein durchgehendes Schildaggregat zu vermeiden. Rhodan huschte durch die Bresche, die Klinge in der Hand. Er aktivierte die Schneide, entfachte eine Lohe weißen Lichts. Diese vierzig Meter lange Lohe trieb er in die Seite der DEFLATION, als er sie passierte. Die Kerbe, die er ihr schlug, reichte fast vierzig Meter tief. Explosionen und Dekompression folgten, bewiesen, wie gut er getroffen hatte.
Rhodan rauschte am gigantischen Kampfschiff vorbei Richtung Boden. Die Sicherheit seiner Freunde hatte nun Priorität. Wieder durchstieß er die Schilde der DEFLATION, raste auf die Angriffsstreitmacht zu, welche die AETRON bedrängte. Hinter ihm drehte der Kreuzer ab, richtete die Nase in den freien Raum. Er floh, und das gefiel Rhodan gar nicht. Aber Thora ging vor.
Er landete mitten unter den Angreifern, begrub zwei Dutzend der Kampfroboter unter den Füßen des Guncross, bevor er ein halbes Dutzend Gorgonen mit der Laserklinge beiseite wischte. Die Gegner spritzten auseinander, zumindest die Klügeren. "Geht es euch gut da drin?", rief er über einen offenen Kanal.
"Oh, heilige Scheiße, Perry ist da!", erklang Freyts Stimme. "Wo hast du das Riesenbaby her? Und gibt es noch mehr davon, da wo du herkommst?"
"Leider nein. Aber ich wäre jetzt sehr dankbar für etwas Hilfe, Herrschaften, solange der Gegner verwirrt ist. Ich würde die DEFLATION ungern entkommen lassen, weil ich zu viel zu tun hatte."
"Ich glaube, dagegen können wir etwas tun!", rief Thora freudig. Das Hangarschott fuhr auf, und die fünf Mechas des Kommandos kamen hervor, um über die desorganisierten Angreifer herzufallen.

"Perry?", fragte die Arkonidin zaghaft, während ihr Tran-Atlan einen Gorgonen vernichtete.
"Ich bin da, Thora."
"Ich wollte nur sagen... Danke. Danke, dass du überlebt hast."
"Ich kann dich doch nicht alleine lassen, oder?", erwiderte Rhodan mit gespielter Entrüstung. "Einer muss ja auf dich aufpassen!"
"Danke für den Überraschungsmoment, Superman", rief Bull. "Wir kommen hier klar. Sieh zu, dass du dir das Ding da oben schnappst, ja?"
"Das musst du mir nicht zweimal sagen", erwiderte Rhodan und trat die Pedale für den Antrieb durch. Der Guncross schoss in den Mondhimmel davon.
"Typisch Perry", lachte Nyssen. "Er ist nicht nur nicht tot, er kommt auch mit dem größten Mecha zurück, den ich jemals gesehen habe. Was für ein Glückspilz."
"Nur den Tüchtigen winkt das Glück", sagte Deringhouse. "Und das bedeutet, wir haben uns noch nicht gut genug angestrengt."
"Wie schön, dass wir dafür jetzt unsere Gelegenheit haben", sagte Nyssen.
***
Nur drei der wertvollen Kampfroboter und vier der Fantan-Direktoren hatten es bis zum Beiboot geschafft. Subdirektor Feltalan war schwer verletzt. Ein Desintegratortreffer hatte ihm zwei Gliedmaßen abgetrennt. Aber das hinderte ihn nicht daran wie ein wütender Kjörk zu schimpfen. "Diese dummen Überschweren! Sie haben es gewagt, auf uns zu schießen! Auf uns! Dafür werden sie büßen, langsam und qualvoll! Wir werden die Fantan-Gruppen der Todesschwingen auf sie hetzen! Die lassen ihre Opfer sehr lange leiden, bevor sie sie töten! Und die Grimmschnitter! Und, um ganz auf Nummer Sicher zu gehen, auch noch die Todernter-Gruppe!"
Hauptdirektor Jarwoohlt vollführte die Geste der Bejahung. Er war unverletzt, und für dieses Ergebnis waren drei Fantans und siebzehn Kampfroboter geopfert worden. "Du hast vollkommen Recht, Feltalan. Ungehorsam kann nicht geduldet werden. Wir werden diese drei Gruppen und noch eine vierte aufbieten, und wir werden den Roten Blutmond auslöschen, egal ob Mann, Frau oder Kind. Unabhängig davon, ob sie zum Aufstand gehören oder nicht. Eine Waffe, die sich gegen ihren Herren richtet, ist nur noch eine große Gefahr." Für einen Moment dachte er zurück an die Kämpfe, an die explodierenden Kampfroboter, an die Angst, als ein Subdirektor nach dem anderen starb. An die Überschweren, die sie beschützen wollten, und dafür mit ihren Leben bezahlt hatten. Grauen war dem Hauptdirektor eigentlich herzlich egal, solange der Profit stimmte. Aber hier hatte er das Grauen selbst erlebt. Das Ende der Gruppe Roter Blutmond und der bevorstehende Einsatz einer Strafaktion durch vier weitere Gruppen würde eine Milliardenschwere Abschreibung bedeuten, die er verantworten musste. Der Aufsichtsrat würde ihn persönlich verantwortlich machen, eventuell sogar auf Wiedergutmachung aus seinem Privatvermögen plädieren. Er unterdrückte ein leichtes Zittern. "Wo ist die DEFLATION?"
"Sie wurde im Kampf mit einem unbekannten Mecha beschädigt. Im Moment verlässt Direktor-Kapitän Marqut den Mondorbit", sagte Vize-Subdirektor Tharkant. "Anschließend wird er mit einer Nottransition aus dem System fliehen."
"Schaffen wir es rechtzeitig vor dem Sprung, die DEFLATION zu erreichen?"
"Der fremde Mecha ist dem Schiff auf den Fersen. Es ist wahrscheinlich besser, selbstständig zu springen und im Nachbarsystem an Bord der DEFLATION zu gehen", empfahl Tharkant.
Hauptdirektor Jarwoohlt dachte kurz nach. Eine eigenständige Transition würde die Wartung des Beiboots um acht Monate vorverlegen. Das verursachte nicht unbeträchtliche Kosten. Andererseits war das besser als ein Totalverlust. "Wir versuchen, die DEFLATION zu erreichen. Schaffen wir es nicht, folgen wir ihr mit unserem Sprungantrieb."
"Was passiert, wenn sich der fremde Mecha für uns zu interessieren beginnt? Jemand vom Roten Mond könnte ihm stecken, dass Sie an Bord sind, Hauptdirektor."
Jarwoohlt dachte darüber nach. Ein Mecha, stark genug, um die mächtige DEFLATION zu vertreiben... Ob man die Maschine und den Piloten kaufen konnte? Was für ein dummer Gedanke, natürlich konnte man sie kaufen! Man musste nur den richtigen Preis bieten. "Dann erkaufen wir uns eine freie Passage."
"Natürlich. Wie dumm von mir, dass ich die Antwort nicht selbst wusste, Hauptdirektor."
Ja, Geld war doch immer die finale Antwort. Und das Allheilmittel für alle Probleme.
***
Perry Rhodan reizte die Schubkraft des Guncross bis zum Anschlag aus. Die gravitatorischen Kräfte drückten ihn in den Sitz und erinnerten ihn daran, dass einige seiner Rippen tatsächlich angeschlagen waren. Dennoch, er würde nicht nachlassen, würde dieses Schiff mit dem goldenen Blumenlogo erwischen. Ihm waren noch nicht alle Zusammenhänge klar, aber Banken, die auf dem Rücken der kleinen Leute Profit machen wollten, kannte er aus eigener Anschauung. Nur mit Mühe hatte es sein Onkel Karl geschafft, sein Land, das der Familie seit zweihundert Jahren gehörte, gegen Banker und ihre trickreichen Zinsrechnereien zu verteidigen.
Nun war es an ihm, die ganze Erde vor einer Bank zu retten, und das würde er auch.
Rhodan feuerte die Desintegratoren ab, malträtierte die Heckschilde. Waren sie schwach genug, damit er mit den Antischiffstorpedos durchschlagen konnte? Nein, noch nicht. Letztendlich war sein neuer Mecha eine Naturgewalt für sich, aber auch nicht allmächtig. Die Waffen waren auch eher auf Nahkampf und mittlere Distanzen ausgerichtet. Und die drohte das Fantan-Schiff nun zu verlassen.
Die Positronik meldete ihm, dass sie an Bord des Schiffs warmlaufende Transitionsgeneratoren anmaß. Es machte sich bereit, um in ein anderes Sonnensystem zu springen. Es war dabei, zu entkommen!
Wütend feuerte Rhodan sein volles Arsenal hinterher, feuerte selbst die Torpedos, die er bisher eifersüchtig bewahrt hatte, weil seine Maschine nur eine sehr begrenzte Zahl mit sich tragen konnte. Gleichzeitig suchte er nach einer Möglichkeit, noch ein wenig mehr zu beschleunigen. Aber es schien, als wenn er alle Möglichkeiten ausgereizt hatte. Er holte stetig auf, doch die Distanz zum Walzenschiff betrug noch immer dreihundert Kilometer. Er konnte zwar auf den Giganten schießen, aber nicht schwer genug beschädigen, um den Sprung zu verhindern.
Die Positronik empfahl schließlich abzudrehen, damit der Guncross nicht von den gravitatorischen Wellen des Sprungs erfasst und beschädigt wurde, als der Sprung unmittelbar bevor stand. Rhodan reduzierte die Geschwindigkeit erheblich, nahm den Druck der Schwerkraft von seinem Leib. Fast. Fast hätte er sie gehabt. Und nun musste er hilflos dabei zusehen, wie die Fantans ihm entkamen. Wütend ballte er die Fäuste. Zumindest würde er zum ersten Mal in seinem Leben sehen, wie ein Raumschiff in die Transition ging. Ein schwacher Trost, aber immerhin besser als nichts. Zehn Sekunden noch, teilte ihm die Positronik mit. Fünf. Vier. Drei. Zwei. Rhodan fühlte Hilflosigkeit in sich aufsteigen.

Die Positronik schlug Alarm, als sie eine gewaltige Energieentfaltung anmaß. Sofort war Rhodan wieder voll da, kontrollierte die Ortung und suchte nach der Gefahrenquelle. Das Fantan-Schiff war noch nicht gesprungen. Und wenn er sich die Nahaufnahmen ansah, die zeigten, wie das Heck mit dem Antrieb von der unbekannten Energieentfaltung malträtiert worden war, dann würde es auch in naher Zukunft nicht mehr springen. Vielleicht sogar nie wieder.
"Hier spricht Doktor Peterson von der STARDUST! Perry, sind Sie das in dem Gigantmecha?"
Erleichtert atmete Rhodan auf, als die umgebaute Überschweren-Fregatte plötzlich über dem Mond zu orten war. "Gut geraten. Ich bin es tatsächlich."
Ein Hilfsbildschirm flammte auf und bildete den Doktor ab. "Nicht geraten. Wenn es einen unter euch gibt, der in einem Gigant-Mecha enden würde, dann konnten es nur Sie sein, Perry."
Der Doktor runzelte die Stirn. "Perry, in Ihrer Nähe geht bald ein Beiboot des Fantan-Schiffs in den Sprung. Ich möchte, dass Sie es aufbringen, bevor es springt. Es sieht ganz so aus, als wären hochrangige Bankdirektoren der Fantan-Reichsbank an Bord."
Rhodan lachte laut. "Verstanden! Sie haben meine Aufgabe gelöst, ich löse Ihre. Aber hatten Sie nicht gesagt, die STARDUST braucht noch vier Tage, wenn Sie den einen oder anderen Umbau weglassen?"
"Wir haben es dann doch in vierundzwanzig Stunden geschafft. Aber dafür hat das Schiff kein funktionierendes Transitionstriebwerk. Und auf den nackten Böden schlafen zu müssen ist auch nicht so angenehm", erwiderte Peterson. "Sobald die Sache hier durchgestanden ist, geht sie zurück in die Werft, und wird fertiggestellt. Diesmal aber richtig."
"Hatte der gute Doktor also ein Ass im Ärmel", murmelte Rhodan zufrieden und nahm Kurs auf das fliehende Beiboot. Das würde er zumindest vor dem Sprung erreichen!


6.
Eine halbe Stunde später lage der Guncross im größten Beiboothangar der STARDUST auf Kiel, und das Fantan-Beiboot war an der Schleuse angedockt.
"Sie haben was versucht?", fragte Peterson lachend.
"Sie wollten mich bestechen", erwiderte Rhodan schulterzuckend. "Aber da sind sie bei mir an den Falschen geraten." Er deutete auf die Schleuse hinter ihm, die gerade von terranischen Kommandosoldaten geentert wurde. "Das wollte dem Fantan-Boss nicht so recht in den Kopf. Er faselte irgendwas von zehn Millionen Chronner. Ist das viel?"
"Lassen Sie mich rechnen, Perry", sagte Peterson schmunzelnd. "Nach dem letzten bekannten Umrechnungskurs, den ich von Thora kenne, sind Ihnen, Hm, eine halbe Milliarde US-Dollar entgangen, Perry. Ich gratuliere zu so viel Standfestigkeit."
"Eine halbe... Was?" Entgeistert starrte der junge Pilot den Ingenieur an. "Wie bitte?"
"Oh, ist eine halbe Milliarde Dollar etwa Ihr Preis, junger Mann?"
"Puh! Auf jeden Fall ist es eine Menge Geld, oder? Aber wo hätte ich es überhaupt ausgeben sollen? Nein, da ist mir eine freie Erde doch viel lieber."
Peterson schmunzelte. "Test bestanden, junger Mann. Kann ich Ihnen vielleicht die Menschheit anvertrauen? Sie wären dazu in der Lage."
"Die Menschheit anvertrauen? Ich habe ja schon Schwierigkeiten, auf fünf Piloten aufzupassen, Doc."
Peterson schmunzelte erneut. "Wo wir gerade davon reden, da hinten kommen sie."
"PERRY!", rief Thora aufgeregt. Sie verließ die Gruppe aus Menschen und Überschweren, und lief auf Rhodan zu. Überschwänglich fiel sie ihm um den Hals. "Perry, ich dachte, ich sehe dich sterben!"
Zögerlich, wie um sich klar zu machen, dass er sich wirklich gerade in der Realität und nicht in einem Wunschtraum befand, schloss er die Arme um die Arkonidin. "So schnell sterbe ich nicht, Thora. Du solltest mehr Vertrauen in mich haben."
"Das habe ich doch. Ab jetzt habe ich es", sagte sie mit tränenschwangerer Stimme.
"Thora, weinst du?"
"Arkoniden haben manchmal Tränenfluss, wenn sie aufgeregt sind. Das hat nichts damit zu tun, dass du noch am Leben bist. Oder dass ich dich umarmen kann." Sie schniefte leise.
"Was habe ich dir gesagt? Jetzt umarmt er sie schon!", sagte Freyt ärgerlich zu Nyssen.
"Bleib ruhig, Mike. Vielleicht wird es ihr irgendwann langweilig", spöttelte Nyssen.

Crest löste sich ebenfalls aus der Gruppe und trat zu Peterson. "Herr Doktor Peterson. Schön, dass wir uns endlich mal gegenüber stehen können. Es ist mir eine Freude."
"Die Freude liegt ganz meinerseits, Ka'Marentis Crest da Zoltral." Peterson wollte sich verbeugen, aber Crest akzeptierte nur einen Handschlag.
"Aus der Tatsache, dass Sie an Bord sind, Ka'Marentis, schließe ich, dass Sie zur Erde fliegen wollen. Halten Sie das für klug? Sie könnten auf dem Mond bleiben, bis die STARDUST ihren Sprungantrieb erhalten hat. Wenn ich die Fantans der arkonidischen Gerichtsbarkeit ausliefere, hätte ich Sie abholen können. Menschen können furchtbar pragmatisch sein", warnte Peterson.
"Nein, mein lieber Olaf Ich habe nicht vor, die Erde, die ich jetzt endlich betreten kann, schon so bald wieder zu verlassen. Ich habe viel an der Menschheit wieder gut zu machen." Er winkte nach hinten, und zwei Überschwere lösten sich aus der Gruppe. "Außerdem habe ich auch für sie Verantwortung übernommen. Das endet nicht mit der Einrichtung einer eigenen Kolonie in den Kavernen des marsianischen Mount Olympus. Jemand muss direkt mit der Erde verhandeln, und diesen Konflikt in Frieden beilegen."
"Haben Sie keine Angst, dass man Sie auszunutzen versucht, Ka'Marentis? Die Menschen töten ihre Heiligen."
"Crest, bitte", erwiderte der Wissenschaftler, und legte einen Arm um die Schulter der jungen Überschweren, die neben ihn getreten war. "Was Ihre Heiligentheorie angeht, nun, Perry Rhodan lebt doch noch, oder? Abgesehen davon, dass ich kein Heiliger bin, nicht, Daella?"
"Ich habe niemals auch nur eine Spur davon gefunden, dass du ein Heiliger bist, Crest."
Der zweite Überschwere fragte gespannt: "Die Schiffe, Doktor Peterson, wie verhalten sich die Schiffe?"
"Einige Ihrer Schiffe, Rotiron, sind auf der Erde gelandet und haben sich dort ergeben. Etwa die Hälfte strebt dem Systemrand entgegen und wird von dort aus in den freien Weltraum fliehen. Es scheint, als hätten alle gehörigen Respekt vor dem Guncross und der STARDUST. Der Rest hält seine Positionen und wartet auf Ihre Befehle."
"Dann werden wir mit der Erde um die Herausgabe unserer Mannschaften und Inhaftierten verhandeln müssen", sagte Rotiron nachdenklich.
"Wofür ich meine Hilfe versprochen habe. Es gibt schließlich noch mehr aggressive Völker da draußen, nicht nur die Fantan-Piraten. Die Menschheit wurde sehr rabiat ins interstellare Zeitalter gezogen, und dafür muss sie sich jetzt wappnen", sagte Crest. "Sie werden mit der STARDUST doch zurückkommen, sobald Sie die Fantans ausgeliefert haben?"
Peterson lächelte breit. "Nichts könnte mich davon abbringen, zum derzeit interessantesten Planeten in der Milchstraße zurückzukehren, Crest." Er verzog die Miene nachdenklich. "Haben Sie auch daran gedacht, dass man Sie mit terranischen Gesetzen knebeln könnte? Glauben Sie nur nicht, alle Menschen der Erde wären vom Schlage eines Leslie Pounders."
"Keine Sorge, alter Freund. Ich bin nicht Ka'Marentis geworden, weil ich ein Dummkopf bin." Er schmunzelte. "Und jetzt lasst uns zur Erde fliegen. Es liegt viel Arbeit vor uns."
Der Arkonide sah zur Seite. "Thora, du darfst Perry irgendwann auch wieder los lassen. Das heißt, nur falls du willst."
"Ich will nicht", sagte sie bestimmt.
"Na, wenigstens diese Situation wäre geklärt", lachte Crest.
"Sicher?", fragte Bull skeptisch. "Crest, Sie kennen Perry noch nicht."
***
Die Rückkehr der STARDUST und der siegreichen jungen Piloten nach Markham Fields gestaltete sich zum Triumphzug. Es gab einen großen Empfang mit Staatsoberhäuptern, mehreren Marschkapellen und vielen Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens. Orden wurden verliehen und Reden wurden gehalten. Mit anderen Worten: Es war stinklangweilig. Wenigstens hatten die Veranstalter Pausen eingerechnet.

Bei einer dieser Pausen trat ein dicklicher älterer Mann an Crest heran. "Sir, es ist nicht zu übersehen, dass Sie Crest von Zoltral sein müssen, der arkonidische Wissenschaftler, der vom Mond gerettet wurde. Sir, wissen Sie eigentlich, in welcher Gefahr Sie schweben? Es wird nicht sehr lange dauern, dann wird das oberflächliche Bündnis, das UNTASO genannt wird, zerbrechen, und die Staaten der Erde werden darum streiten, wer Sie in die Finger kriegen darf. Krieg wird ausbrechen, und nur der Stärkste wird ihn überstehen. Und seien wir ehrlich, ein Mann Ihres Formats ist einen solchen Krieg wert."
"Danke für das zweifelhafte Kompliment", erwiderte Crest sarkastisch. "Ich nehme an, Sie sind nicht nur gekommen, um ein Horrorszenario zu malen?"
Der dicke Mann lächelte jovial. "Natürlich nicht. Ich kann Ihnen und damit der ganzen Menschheit einen Ausweg aus dem Dilemma bieten. Mein Name ist Clifford Monterney, Erster Vorsitzender der Monterney Trade Group, dem mit Abstand bedeutendsten Handelskonsortium der Erde. Selbst China und die USA würden sich niemals offen mit mir anlegen. Crest, willigen Sie ein, für mich zu arbeiten, und Sie sind für keinen Staat der Welt mehr angreifbar. Meine Kontakte sind umfassend und reichen bis in die höchsten Staatsebenen. Somit wird es auch keine Kriege geben."
"Ich nehme an, ich habe Bedenkzeit, um mir Ihr Angebot durch den Kopf gehen zu lassen?"
"Mir liegen zuverlässige Informationen vor, dass Sie nach den Feierlichkeiten in die USA ausgeflogen werden sollen. Also überlegen Sie schnell, und... Homer G. Adams?"
Crest blickte interessiert in die Richtung, in die Monterney gerade sah. "Sie sprechen den Namen mit Abscheu aus. Ist dieser Homer G. Adams etwas Besonderes?"
"Oh ja, etwas Besonderes. Vor allem besonders nervend. Da, der mit dem Buckel ist es. Er war ein völlig normaler Wallstreetbroker, bis er vor drei Jahren plötzlich mit einigen innovativen Ideen Furore machte und an den Patenten Milliarden verdiente. Damit gründete er die General Cosmic Company. Und dieses eitrige Geschwür wächst und wächst. Dabei hat Adams immer die Dreistigkeit zu sagen, er wäre ja nur der Vize-Vorstandsvorsitzende der GCC." Monterney schüttelte den Ärger ab. "Die GCC ist ein netter kleiner Weltkonzern, aber natürlich nicht zu vergleichen mit meiner Monterney Trade Group."
"Natürlich nicht", sagte Crest amüsiert und nickte dem dicken Mann zu. "Wollen wir diesen Adams näher kennen lernen? Mr. Adams, haben Sie Zeit für uns?"
Der bucklige ältere Herr sah auf, suchte den Rufenden und lächelte. "Natürlich. Ich komme."
"Ich für meinen Teil kenne Homer schon zur Genüge. Aber es mag sein, dass er Sie ein wenig amüsiert. Vielleicht", murmelte Monterney in sein Glas.

Crest drückte Adams die Rechte. "Homer, es freut mich, Sie kennen zu lernen. Ich darf doch Homer sagen?"
"Selbstverständlich, Sir. Es ist mir eine Ehre. Ah, Clifford Monterney, Sie haben es geschafft, auf diesen Empfang eingeladen zu werden? Nach dem Desaster der Monterney Security Group mit der Nevada Concentration Facility habe ich das nicht erwartet."
"Ein Fehler bei den Subalternen. Ich werde auf dieser Ebene gründlich aufräumen."
"Ja, das werden Sie wohl. Ach, darf ich vorstellen? Dies hier ist Crest von Zoltral, Mehrheitseigner und Erster Vorsitzender der General Cosmic Company."
Entgeistert starrte Monterney die beiden Männer an. "D-das ist ein schlechter Scherz."
"Oh, für einen Scherz habe ich es auch gehalten, als mich Crest das erste Mal kontaktierte. Aber es war real. Und sehr gewinnbringend. Selbstredend brauche ich wohl nicht zu erwähnen, dass der Vorsitzende des renommierten GCC-Konsortiums eine gewisse... Immunität und Selbstständigkeit genießt."
"Ich war drei Jahre auf dem Mond, mein lieber Clifford. Denken Sie, ich habe da Däumchen gedreht?" Crest lächelte gewinnend.
Monterneys Gesicht lief hochrot an. Er japste nach Luft, japste erneut, und murmelte dann eine knappe Entschuldigung, bevor er die beiden Männer stehen ließ.
"Das war die Generalprobe. Jetzt müssen es nur noch die Staaten der Welt schlucken", sagte Adams ernst.
"Oh, das werden sie, mein lieber Homer. Das werden sie."

Epilog:
Da saß er also, an einem Sandstrand bei allerbestem Sonnenschein, hinter sich ein brutzelndes von Albrecht Klein betreutes Barbeque, mit kalten Getränken unter der Verwaltung von Agent Sloane, und der versammelten Heldentruppe der Mondmission. Eigentlich ein wenig makaber, wenn er daran dachte, dass die Feuerbestattung der mumifizierten Arkoniden von der AETRON noch keinen Tag zurück lag. Andererseits war er an diesem herrlichen Tag wohl der Einzige, der einen Vergleich zwischen der Bestattung und dem Barbeque zog. Und das lag wohl nur daran, das er sich tödlich langweilte. Denn während die anderen im Wasser spielten, um dort wie die Jugendlichen, die sie eigentlich waren, herumzutollen, musste er draußen bleiben. Damit der Verband nicht nass wurde, der seine drei angebrochenen Rippen stützte. Rhodan seufzte zum Steine erweichen.
Und dann war noch das, was ihm Doktor Peterson gesagt hatte, unter vier Augen, kurz bevor er mit der STARDUST aufgebrochen war, um die Bankleute der Fantans der arkonidischen Justiz zu überstellen: "Damals, beim Sturm auf Jerusalem unter Richard dem Zweiten, da sahen die Rüstungen der abendländischen Ritter deinem Guncross zum Verwechseln ähnlich. Ich erinnere mich, als wäre es gestern gewesen.
Wir werden uns wiedersehen, junger Perry Rhodan, und dann darfst du mich bei meinem richtigen Namen Mascaren da Gonozal rufen. Oder du benutzt meinen Rufnamen: Atlan."
Ehrlich gesagt hatte ihn das verwirrt. War Doktor Peterson etwa ein zehntausend Jahre alter Arkonide? Dann stimmte das doch mit der Unsterblichkeit? Nicht, dass er sich dafür interessierte, nicht mit seinen knappen achtzehn Jahren. Aber sie zu suchen und zu finden wäre sicher ein tolles Abenteuer.
Rhodan seufzte erneut. Aber ging das überhaupt? Im Anbetracht der Tatsache, dass es da draußen noch mehr Völker wie die Fantans gab, die jederzeit über die Erde herfallen konnten, war die UNTASO nicht aufgelöst worden. Er selbst war aus dem Stand und als Pilot des Guncross zum Major befördert worden, seine Freunde in den Captains-Rang. Sie sollten gemeinsam den Kern einer ganzen Division Atlans bilden, die unter dem Kommando von Thora stehen sollte, die dafür zum Colonel befördert worden war. Perry konnte nicht genau sagen wieso, aber er hatte das Gefühl, dass Crest bei diesen Entscheidungen irgendwie beteiligt gewesen war. Ebenso wie bei der Entscheidung, die neue Überschweren-Kolonie auf dem Mars zu unterstützen, eine Vertretung auf der Erde aufzubauen und all die Inhaftierten nach einer Generalamnestie frei zu lassen. Wo hatte Crest seine Finger eigentlich nicht drin? Angeblich sollte es nach dem Vorbild der AETRON, die übrigens wieder flugtauglich gemacht werden sollte, weitere Schiffsneubauten geben. Abgesehen von den Fantan-Walzen, die ihnen in die Hände gefallen waren, und die von der UNTASO bemannt werden würden. Teilweise mit Besatzungen freiwilliger Überschwere, die ohne die Arbeit im Weltall nicht konnten. Ein fast perfektes Happy End. Fehlte nur noch das I-Tüpfelchen. Aber das, wusste Rhodan, würde es nie geben.

"Worüber grübelst du, Perry?" Thora ließ sich neben ihn auf die Decke fallen. Ihr Haar war triefnass vom Toben im Wasser, und in der Hand hielt sie eine eisgekühlte Dose Limo. Zum Glück ohne Südfruchtsäfte. Sie nahm einen kräftigen Schluck und hielt Rhodan die kalte Dose an die Wange. "Auch etwas, Immortal?"
"Danke, gerne." Er nahm ihr die Dose ab und trank ebenfalls.
"Und, wie war es für dich?", scherzte sie.
"Haben wir den Witz mit dem indirekten Kuss nicht totgetreten?", fragte Rhodan.
"Hm, ich glaube, du hast Recht." Sie lehnte sich leicht herüber und berührte seine Schulter. "Wie wäre es denn dann mit einem richtigen Kuss?"
"Thora, ich... Ich weiß nicht, ob das so eine gute Idee wäre. Sicher, ich habe dir das mit Cora vergeben, und ich mag dich. Mag dich sehr, als gut für mich ist. Ja, vielleicht ist das Liebe. Aber kann das gut gehen? Kann ich das tun? Dich hier auf die Erde binden? Was wenn du eines Tages zurück nach Arkon willst, und ich bin dein Hemmschuh? Ich will kein Zwang für dich sein. Ich will nur für dich da sein."
Sie kicherte leise. "Perry, hat dir schon mal jemand gesagt, dass du zuviel denkst?"
"Nicht in letzter Zeit."
Sie beugte sich weiter vor. "Du bist ein Dummkopf. Um die ganzen anderen Sachen kümmern wir uns, wenn sie akut sind. Bis dahin probieren wir einfach aus, und schauen was passiert."
"Egal was? Was ist, wenn wir beide, nun, du weißt, wenn wir in deinem oder meinem..."
"Was habe ich gerade gesagt? Wir probieren es einfach aus und schauen was passiert. Das war ein Befehl, Immortal."
"Zu Befehl, Colonel." Ging das, glücklich wie ein Idiot grinsen und gleichzeitig einen Zungenkuss austauschen? Oh ja, es ging. Irgendwie freute Perry sich auf die anderen Dinge, die vielleicht noch passieren konnten.

"Was habe ich dir gesagt? Jetzt küsst er sie auch noch! Perry ist wirklich ein Mann ohne Gnade." Resignierend sah Freyt zu Boden. "Und eine Zwillingsschwester hat sie auch nicht. Ich habe gefragt. Nur einen ganzen Haufen Cousinen im richtigen Alter. Aber fünfundzwanzigtausend Lichtjahre entfernt."
"Nun krieg dich wieder ein, Mike. Andere Planeten haben auch Schönheiten zu bieten. Schau dir Daella an. Überschwer und trotzdem hübsch, oder?"
"Du hast leicht reden, Rod."
Crest, der hinter den beiden im Wasser stand, legte ihnen die Arme um die Schultern und deutete zu Anne Sloane. Er winkte Bull und Deringhouse ebenfalls hinzu. Neben der großen schlanken Blondine stand ein dunkelhaariges Mädchen im Bikini. Ihr Kurzhaarschnitt und der hohe Beinschnitt machten sie... Interessant. "Seht mal genau hin, Jungs. Das ist Betty Toufry. Frisch von der Akademie. Achtzehn Jahre alt. Sie ist so was wie Ishis und Annes Auszubildende und wird für euren Personenschutz da sein. Ein hübsches Mädchen, nicht wahr?"
"Ja, da hau mich doch...", begann Bull. "Ich glaube, ich brauche jetzt etwas Eiskaltes zu trinken."
"Ha! Und jetzt holt sich Bully einen Vorsprung! Warte, Reginald, diesmal keine Extratouren!"
Zu viert liefen sie auf die Frauen zu.
Crest lachte heiter. Ja, auf der Erde konnte er es aushalten. Sogar mehr als ein paar Jahre. Außerdem lauerte hier immer noch das Geheimnis der Unsterblichkeit. Mascaren da Gonozal war der lebende Beweis.
Er gönnte den jungen Leuten die Ausgelassenheit, denn wer wusste schon, wie lange sie andauern würde? Die nächste Bedrohung kam sicherlich. Irgendwann einmal. Aber die Erde hatte große Beschützer. Die Zeit würde zeigen, ob sie seine hohen Erwartungen erfüllen konnten. Nicht, dass er an ihren Fähigkeiten zweifelte.

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