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Zum Ende der Seite springen Pathfinders Paradoxon
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Pathfinders Paradoxon Auf diesen Beitrag antworten Zitatantwort auf diesen Beitrag erstellen Diesen Beitrag editieren/löschen Diesen Beitrag einem Moderator melden       Zum Anfang der Seite springen

Es sollte die Sternstunde der Menschheit werden, ein Moment, der mit der Erfindung des Rads, der Entdeckung des Feuers und der Zähmung des Atoms konkurrieren konnte, der das Antlitz der Menschheit für immer verändern sollte...
Nun, es wurde diese Sternstunde der Menschheit, der Augenblick der alles verändern sollte. Und zugleich der Augenblick, der alles auf den Kopf stellen sollte, was man bisher zu wissen geglaubt hatte.
***
Stumm saß Richard Kearny da und beobachtete unter halb geschlossenen Augen die langen Reihen halb besetzter Kontrollterminals in der Deep Space-Zentrale von Baikonur. Obwohl der Mann nur ein Gast war, hatte er absolute Narrenfreiheit. Er konnte tun und lassen was er wollte, und im Moment wollte er hier oben neben dem Superviser sitzen und die dreißigste Stunde in Folge auf die langen, in der Nachtschicht schwach besetzten Pultreihen starren. Man ließ ihn, aber seit zehn Stunden ließ Marschall Kumanov jede volle Stunde seinen Blutdruck messen, um zu verhindern das er sich selbst schadete. Wenigstens ging er selbstständig zur Toilette und ließ sich Essen und Trinken bringen. Er konsumierte es sogar, glücklicherweise. Aber Iwan Petrowitsch Kumanow wollte nicht in die unselige Lage kommen müssen, der Welt zu erklären, dass sich der Enkel von Thomas Kearny neben ihm zu Tode gewartet hatte.
„Und, wie geht es ihm?“, fragte der Marschall den untersuchenden Arzt.
„Der Blutdruck ist etwas schwach. Ich empfehle dem Mann dringend eine Ruhepause. Er will lieber mehr Kaffee“, erwiderte der Stützpunktarzt säuerlich. „Ich bin der Meinung, dass Sie es ihm befehlen sollten.“
„Ich kann ihm nichts befehlen. Er ist ein Ehrengast. Ich kann ihn nur bitten, so vernünftig zu sein wie die Fushida-Schwestern, und ab und zu zu schlafen. Ich könnte ihm auch einreden seine Anwesenheit würde unsere Lotsen stören, immerhin koordinieren wir von Baikonur aus den gesamten interplanetaren Raumverkehr.“ Kumanow seufzte tief. „Leider ist er vom Fach.“
„Können die Fushida-Damen nicht auf ihn einwirken? Sie sind doch wesentlich vernünftiger als er, und...“
Der Marschall schüttelte den Kopf. „Ich gebe ihm noch sechs Stunden, dann lasse ich ihn mit Gewalt ins Bett bringen.“ Der Blick des Russen ging zur großen Missionsuhr. „In sechs Stunden gilt die Mission offiziell als gescheitert.“
Der Stationsarzt sah in jäher Erkenntnis auf. „Deshalb zwingt er sich wach zu bleiben. Er harrt bis zum bitteren Ende aus. Verständlich, wenn man bedenkt worum es geht. Ich komme in einer Stunde wieder.“
„Gut, Doktor.“

Für den Moment zufrieden widmete sich der Marschall den weitläufigen Anzeigen und dem ungewöhnliche, hageren jungen Mann auf seinem gepolsterten Standardsitz. Richard Kearny war Wissenschaftler. Astronom und Physiker, genau wie sein Vorfahr Thomas, und er hatte in seiner Disziplin Ehre und Anerkennung erreicht. Man sprach sogar davon, das er ein heißer Kandidat für den nächsten Nobelpreis war, aber all dies zählte in diesem Moment nicht. Ihm ging es um seinen Großvater Thomas, den geschmähten und verachteten Mann. Für dessen Andenken er sein halbes Leben geschuftet hatte. In diesen Stunden würde es sich erweisen, wie viel seine Arbeiten und die seines damaligen Kollegen Takayoshi Fushida wirklich wert waren, ob interstellare Reisen in Nullzeit wirklich möglich waren.
Vor fünfundfünfzig Jahren hatten die beiden alteingesessenen Wissenschaftler eine Projektthese veröffentlicht, die sie das Sprungantriebsprinzip genannt hatten, einer Möglichkeit der künstlichen Raumzeitdiversion, welche es ermöglichen sollte, von der Schwerkraftsenke einer Sonne zur nächsten zu springen. Die Veröffentlichung ihrer Arbeiten hatte sie dem Hohn und dem Spott der gesamten Fachwelt ausgesetzt, welche die beiden Männer verdächtigt hatte, einen üblen Scherz gemacht zu haben. Aber die Zeit war einfach noch nicht reif gewesen für Sprungantriebe, für interstellares Reisen. In den Fachkreisen hatte man noch die Kryo-Astronautik favorisiert, also die Möglichkeit Astronauten einzufrieren und sie so den Abgrund von Raum und Zeit überwinden zu lassen, um am Zielort aufgetaut werden zu können, als die fertige Arbeit der beiden Freunde erschienen war. Es hatte damals einfach niemanden außer Thomas Kearny und Takayoshi Fushida gegeben, welche die von ihnen erarbeiteten Formeln hatte verstehen können.
Und was die Menschen nicht verstehen, das fürchten sie, dachte der Marschall düster.
Akiko Fushida, die älteste Tochter Takayoshis, hatte ihr Leben dem Versuch gewidmet, die allgemeinen Grundlagen zu schaffen, um die Arbeit ihres Vaters und seines Cambridge-Freundes auch der allgemeinen Physikerwelt zuzuführen, und Richard Kearny war ihr in dritter Generation nachgefolgt, hatte gefeilt, geforscht, überarbeitet, seine Thesen nachgewiesen, die große Theorie aufgestellt und schlussendlich die Theorie der beiden großen Männer fünfzig Jahre später unwiderlegbar bewiesen und für die Fachidioten verständlich gemacht. Zwanzig, beziehungsweise siebzehn Jahre nach dem Tod von Thomas Kearny und Takayoshi Fushida waren beide Männer rehabilitiert worden. Der Kearny-Fushida-Sprung für interstellare Reisen wurde für möglich erklärt. Und gefangen in der Scham, nicht mit der Brillanz dieser zwei mithalten zu können hatten die führenden Wissenschaftler der Erde gefordert, die Theorie zu bestätigen. Dies gelang nur mit einem tatsächlich existierenden Kearny-Fushida-Sprungantrieb und einem durchgeführten Raumsprung.

Nun, in den letzten fünfundfünfzig Jahren war viel geschehen. Der Mars wurde terraformiert, terranische Prospektoren und Militärschiffe waren bis hoch zur Pluto-Bahn unterwegs, und eine Reise von der Erde bis zum Jupiter dauerte selbst im ungünstigsten Fall lediglich einen Monat. Die Menschheit hatte gelernt interplanetar zu denken, und von dort war es nur ein kleiner Sprung bis zum interstellaren Denken. Man hatte theoretisch sogar schon über die Schiffstechnik verfügt, die für ein sogenanntes Sprungschiff erforderlich gewesen war. Alles was sie nun noch brauchten war der Sprungantrieb selbst.
Die TAS Pathfinder war dafür erdacht worden, ein Schiff, das man rund um den Sprungantrieb herum konstruiert hatte. Dabei war ein recht eigenwilliges Gebilde entstanden, aber ein funktionierendes. In nur fünf Jahren gelang den Wissenschaftlern die Konstruktion des von Kearny und Fushida vorher gesagten Antriebs, und vor zwei Monaten, am fünften November 2105, war die Pathfinder vom Zenitsprungpunkt der heimatlichen Sonne zum Nadirsprungpunkt gesprungen. Der kleine Hüpfer war natürlich nicht mit einen Raumsprung von System zu System zu vergleichen, dennoch war der Erfolg überwältigend und Mut bereitend gewesen. Derart beschwingt waren die Wissenschaftler davon abgegangen, als Zielsystem Proxima Centauri zu wählen, den der Sonne nächsten Stern. Stattdessen war die Pathfinder am fünften Dezember 2105 vom Nadirsprungpunkt der Sonne erneut gesprungen, um theoretisch zeitgleich am Nadirsprungpunkt von Tau Ceti zu materialisieren. Tau Ceti war zwar mit elfeinhalb Lichtjahre sehr viel weiter entfernt als die nahen Sterne der Centauri-Gruppe, aber man hatte den gelben Normstern schon immer im Verdacht gehabt, nicht nur von seinen beiden Gasriesen, sondern auch von Planeten umgeben zu sein, die sich theoretisch in der Biosphäre ihrer Sonne befanden. Das machte ihn für die hoch hinaus ufernden Ziele und Visionen der Wissenschaftler zum idealen Ziel, und die Politik hatte ungewöhnlich pragmatisch zugestimmt. Tau Ceti war das neue Shangri-La geworden. Die gewaltige Staubkorona des Systems hatte einen Anflug von außen immer außer Frage gestellt, aber das Innere konnte, dank der riesigen Gravitationsmonstren, welche die Gasplaneten waren, nahezu staubfrei sein. Und damit konnte und musste ein Raumsprung erfolgreich sein, wo eine herkömmliche Expedition nicht nur über einhundert Jahre brauchen würde, sondern auch noch durch den Staubschild schwer beschädigt werden konnte. Niemand hatte große Hoffnungen gehabt, dass die Pathfinder tatsächlich Planeten in der Biosphäre Tau Cetis zu entdecken, geschweige denn Planeten, die der Erde ähnelten oder sogar Leben trugen. Aber man war vorsichtig optimistisch gewesen. Selbst die Chance, die Gasriesen zu erforschen, war nach astronomischen Gesichtspunkten eine mittlere Sensation, eine Jahrtausendgelegenheit, die von der Crew der Pathfinder wahrgenommen werden würde.

Der Plan hatte vorgesehen, dass Schiff und Antrieb nach dem gelungenen Transfer von der Crew auf Herz und Nieren geprüft werden sollte, um die Folgen des Sprungs abzuschätzen. Dafür war ein Tag angesetzt worden. Danach hatte man eine weitere Woche veranschlagt, um die Pathfinder tiefer ins System zu bringen, um den nächsten viel versprechenden Planeten aufzusuchen. Im Planspiel sollte das Tau Ceti Alpha sein, der größere der beiden Gasriesen. Für die Forschungen der Astronomen und Physiker hatte man eine weitere Woche veranschlagt, für die Rückkehr zum Sprungpunkt noch einmal eine Woche. Im Zweifelsfall hatte man noch drei Tage Toleranz eingeräumt, und um ganz sicher zu gehen war der achtundzwanzigste Tag nach Missionsbeginn der eindeutig letzte Tag, um die Mission abzuschließen und zur heimatlichen Sonne zurückzukehren. Mehr Nahrungsmittelrationen hatte das Schiff nicht an Bord, um Masse zu sparen. Diese achtundzwanzig Tage, beziehungsweise vier Wochen, liefen um sechs Uhr in der Frühe nach Baikonur-Lokalzeit aus. Dann konnte man sicher sein, dass der Sprung gescheitert war. Was dann mit dem Kearny-Fushida-Projekt geschehen würde konnte noch niemand sagen. Aber sicherlich würden sich ein paar hundert Kommissionen zusammenfinden um zu klären, warum es schief gegangen war. Und danach würde einfach der Bau eines zweiten Sprungschiffs nicht genehmigt werden, und der Plan war vom Tisch. Und im schlimmsten Fall würde es so passieren.

„Sir? Meldung von der TAS Meredith am Zenitsprungpunkt“, meldete der Superviser. „Sie melden ein starkes Infrarotfeld im Zielgebiet.“
Der Marschall runzelte überrascht die Stirn. Infrarotlicht? Was befand sich dort und sandte diese Wärmestrahlung aus? Er überschlug die Daten im Kopf. Die lichtschnelle Kommunikation mit der Meredith in beinahe dreihundert Millionen Kilometer Entfernung bedeutete eine Zeitverzögerung von elf Minuten. „Weiter beobachten.“
Der Blick Kumanows ging herüber zu Richard Kearny, der sich sichtbar aufsetzte und angespannt auf die leicht erhöhte Aktivität hinabstarrte.
Teufel, warum auch nicht?, ging es dem Marschall durch den Kopf. „Und lassen Sie alle Stationen besetzen.“
Der Superviser sah erstaunt auf. „Alle Stationen, Sir?“
„Wenn Sie es verstanden haben, warum fragen Sie nach?“, tadelte der alte Soldat.
„Ja, Sir. Besetze alle Stationen.“

Keine fünf Minuten später war der Raum erfüllt mit aufgeregten und furchtbar lauten Leuten. Wissenschaftlern, Kommunikationsspezialisten, Gästen und Militärs. Selbst die beiden Fushida-Mädchen Aiko und Anko, Enkel von Takayoshi, hatte es aus ihren Betten getrieben.
Und noch immer starrte Richard Kearny angestrengt auf die Bildschirme, als würden sie ihm all die Antworten liefern, die er brauchte.
Kumanow sah auf die große Missionsuhr. Antwort auf seinen Befehl konnte er frühestens in siebzehn Minuten erwarten. Nein, sechzehn. Bald nur noch fünfzehn.
„Weitere Meldung der Meredith!“, rief der Superviser aufgeregt. „Haben Kontakt zu Captain Winslow und der TAS Pathfinder! Das Schiff ist sicher ins Sonnensystem zurück gesprungen!“
Jubel brach aus! Die Theorie war bestätigt! Überlichtschnelles Reisen war nun möglich! Marschall Kumanow fühlte sich als würde er nackt zuerst durch Reißnägel und dann durch Daunenfedern gezogen werden, das war definitiv der größte Augenblick seiner Karriere!
Unten bei den Pulten lagen sich die Leute in den Armen, klopften einander auf die Schultern, jubelten, pfiffen oder brachen erleichtert weinend zusammen. Die Fushida-Schwestern hatten sich halb lachend und halb weinend umarmt und... Richard Kearny bewegte sich nicht mehr.
Unsicher erhob sich der Marschall. „Sanitäter!“, rief er, während er zu Kearnys Sessel trat. Er war doch nicht etwa...?
Ängstlich traten nun auch die anderen näher, unter ihnen die Fushida-Schwestern. Kumanow betrachtete den Reglosen genauer und musste schmunzeln.
„Hier bin ich, Herr Marschall. Was kann ich...“
Kumanow winkte ab. „Schon gut. Ein Fehler meinerseits. Sie können wieder gehen.“ Richard Kearny war lediglich eingeschlafen, regelrecht in sich zusammengefallen vor Erschöpfung. „Wir sollten ihn ins Bett bringen“, schlug jemand vor. „Das Wichtigste hat er mitgekriegt, und die eigentliche Arbeit beginnt ab jetzt.“
„Da haben Sie Recht. Er hat uns das Tor wieder aufgestoßen, welches Thomas Kearny und Takayoshi Fushida einst für uns geöffnet hatten, und das die Wissenschaft wieder zustieß. Für Menschen wie ihn wird es im interstellaren Zeitalter unendlich viel zu tun geben.“
Zustimmende Worte erklangen.
***
Die Daten, die von Captain Winslow und seiner Crew zurückgebracht worden waren, hatten nicht alle rein akademischen Charakter, und beschäftigten die Theoretiker bei der Suche nach der Möglichkeit, den Kearny-Fushida-Antrieb effizienter zu gestalten oder die Begleitumstände des Sprungs an sich zu definieren und zu erklären. Im Gegenteil, James Winslow erklärte die halbwöchige Verspätung mit phantastischen Aufnahmen aus dem Tau Ceti-System welche durch alle Medien gingen. Tau Ceti hatte insgesamt siebzehn Trabanten, die sich einst aus der dichten Staubkorona gebildet hatten. Drei, nicht zwei riesige Gasgiganten, von denen Nummer sieben mit Tau Ceti Alpha identisch war und die anderthalbfache Masse des Jupiters hatte, hatten den größten Teil des Systeminneren vom stellaren Staub befreit. Die inneren zwei Welten waren nicht viel mehr als Glutbrocken im ewigen Rundkurs um ihre Sonne, Nummer drei und Nummer fünf, beide von der Größe des Mars, wären interessant gewesen, wenn nicht Nummer vier bereits das Auge eingefangen hätte. Tau Ceti IV erschien wie eine Kopie der blauen Erde mit weiten Ozeanen und großen Landmassen. Erste Spektralanalysen sprachen von einer atembaren Sauerstoffatmosphäre, und vorsichtige erste Beobachtungen direkt aus dem Orbit bestätigten das Bild eines unberührten, von pflanzlichem und tierischem Leben wimmelnden Planeten nur noch, sodass die Crew den neuen Namen dieser Welt zu Recht vergeben hatte: New Earth.
Captain Winslow und seine Crew wurden zu Helden stilisiert, ein zweiter, ein dritter, ja ein vierter Sprung wurde gefordert und das Fernweh griff nach den Menschen. Die ersten freiwilligen Auswanderer meldeten sich bereits bei ihren Behörden, bevor die Erdregierung überhaupt an diese Möglichkeit gedacht hatte. Immerhin stand man was New Earth anging gerade erst am Anfang, eigentlich noch ein paar Meter davor.

Auch in anderen Bereichen begannen die Dinge erst, sich den interessierten Spezialisten nach und nach zu erklären. Alleine die physikalischen Begleitumstände des Sprungs an sich würde noch Generationen von Wissenschaftlern beschäftigen. Die Datenfülle war so riesig, dass ein Teil der empirischen Arbeit in alle Welt ausgelagert wurde.
Ein Teil der Daten landete schließlich in Cambridge und wurde der Oberherrschaft von Richard Kearny unterstellt. Manche mochten es für ungerecht halten, das ausgerechnet der Mann, der die Theorie von Thomas Kearny und Takayoshi Fushida bestätigt und der Menschheit dieses Tor zu den Sternen erneut aufgestoßen hatte, ausgerechnet mit kleinlichen Detailarbeiten beschäftigt wurde, aber wie der hagere Wissenschaftler immer zu sagen pflegte: „Nichts was Sinn macht ist unnötig oder weniger wichtig als all die anderen Dinge.“
Vielleicht ahnte er auch einfach nur, dass in diesen Daten die vielleicht größten Überraschungen steckten.

Als es leise an seiner Tür klopfte, bat Richard Kearny automatisch herein. Aiko Fushida trat ein. Seit sie sich in Baikonur getroffen hatten war ihr Interesse an Physik erwacht, und dankenswerterweise hatte Richard für die angehende Statistikerin eine sinnvolle Arbeit gefunden, die ihr aus dem Wust an Aufgaben aus dem Pathfinder-Datenwust zugewiesen werden konnte.
„Was gibt es denn, Miss Fushida?“
Unglücklich sah sie ihn an und reichte ihm ein paar Ausdrucke. „Richard, ich bin mit der Abgleichung der Missionszeiten fertig. Ich habe die Zeitrelationen sowohl der Normzeituhr in Baikonur als auch der Hauptuhr auf der Pathfinder in Relation zueinander gebracht und die Eigenbewegungen beider Systeme miteinander abgeglichen. Die Zeitverzerrung durch die Beschleunigungsphasen habe ich eingerechnet. Die Daten der Pathfinder waren dankenswerterweise lückenlos. Ich denke, ich kann mit absoluter Sicherheit sagen, dass sowohl der Hinsprung als auch der Rücksprung tatsächlich in Nullzeit erfolgten.“
„Wie sicher ist das?“
„Es gibt eine Toleranzzone von sieben Tausendstel Sekunden“, räumte die Japanerin ein.
„Vernachlässigbar. Wir bräuchten für zukünftige Missionen eine stationäre, unbeeinflusste Uhr direkt im Zenitsprungpunkt für Zeitmessungen ohne die Eigenbewegung eines Planeten, um zu klären ob es diese Toleranz wirklich gibt. Aber im Moment reicht dieses Ergebnis.“ Eines seiner seltenen Lächeln huschte über das Gesicht des Engländers. „Nun, immerhin haben wir damit bewiesen, dass es keinesfalls zu einer Zeitreise gekommen ist, wie einige Paranoiker befürchtet haben.“
„So sicher ist das nicht“, wandte Aiko ein und reichte einen eng beschriebenen Zettel an Richard weiter. „Darf ich vorstellen? Das Pathfinder-Paradoxon.“
Stirnrunzelnd nahm er den Zettel entgegen und studierte ihn eingehend. Nachdenklich kratzte er sich an der Schläfe. „Nun, das hier tut niemandem weh, aber... Es dürfte doch einiges durcheinander bringen. Wie sicher ist das?“
Die junge Frau seufzte tief und lange. „So sicher wie ich es machen kann. Ich habe die Missionsuhren viermal verglichen und bin immer zum selben Ergebnis gekommen. Es ist narrensicher. Allerdings bestehe ich darauf, dass Sie meine Arbeit akribisch genau nachprüfen, Richard. Ich möchte mich ungern mit meiner ersten Zeitreise blamieren, weil ich einen Fehler gemacht habe.“
„Natürlich. Ich werde das sofort prüfen.“ Kearny erhob sich und raffte die Unterlagen seiner Kollegin zusammen. „Aber wenn Sie richtig gerechnet haben, was ich glaube, dann ist es nicht zu leugnen. Es kam tatsächlich zu einem Zeitparadoxon. Dann entstand der Infrarotschatten, der den Rücksprung der Pathfinder markierte, tatsächlich volle dreieinhalb Minuten, bevor Captain Winslow den Rücksprung befahl. Dreieinhalb Minuten, bevor tatsächlich Energie in den Sprungantrieb floss. Was für ein Rätsel.“
„Mich ärgert ein wenig, das ausgerechnet ich es entdecken musste“, murrte die junge Frau. „Es ist nicht gerade der beste Einstieg in die Physik, wenn man ihre Exaktheit ruiniert.“
Richard Kearny lachte laut auf. „Erstens ist Physik nur dort eine exakte Wissenschaft, wo wir sie auch erklären können. Und zweitens, haben Sie wirklich daran geglaubt, das wir das Tor zu den Sternen aufstoßen können, ohne auf neue Fragen zu stoßen? Nein, meine Liebe, so geht das Spiel nicht. Immerhin müssen wir jenen die nach uns kommen, auch etwas zu tun hinterlassen.“
Unsicher sah sie ihren Begleiter an. „So? Wie viele Jahre wird es wohl dauern, bis das Phänomen hinreichend erklärt ist?“
Richard zuckte die Achseln. „Vielleicht zehn, vielleicht tausend.“
„Na danke.“
„Vielleicht auch nie“, fügte er schmunzelnd hinzu.
„Na DANKE!“
Richard lachte erneut. Der Fachwelt stand eine unerhörte Erschütterung bevor. Er sah es als späte Revanche ihrer beiden Großväter Thomas und Takayoshi an. Vielleicht zu Recht.
Und seiner Generation öffnete sich ein unendlicher Kosmos mit weiteren Antworten und noch mehr unmöglichen Fragen. Er freute sich darauf.

__________________
Ace Kaiser,
Angry Eagles

Corrand Lewis,
Clan Blood Spirit

Ace bloggt!
03.10.2011 18:49 Ace Kaiser ist offline E-Mail an Ace Kaiser senden Beiträge von Ace Kaiser suchen Nehmen Sie Ace Kaiser in Ihre Freundesliste auf
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