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Ace Kaiser Ace Kaiser ist männlich
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Dabei seit: 01.05.2002
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Themenstarter Thema begonnen von Ace Kaiser
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Kapitän Harry Kemibwa war nervös. Er war der Kapitän der Karuma, eines halbstaatlichen Rollo-Containerschiffs mit einer stolzen Ladekapazität von eintausendfünfhundert Containern. Eigentlich wäre es für sein Schiff an der Zeit gewesen, für eine Maschinenkontrolle und Leckkontrolle in ein Trockendock zu gehen, am besten in Südafrika oder Südamerika, aber das Schicksal hatte es gewollt, dass er statt einer Ladung Ballast nun ein paar hochbrisante Frachtstücke aufnehmen musste: Raketen. Und zwar nicht irgendwelche Raketen, sondern kampfbereite Antischiffsraketen. Das Ganze war eine Art Deal zwischen seinem Clanschef und Präsidenten und diesem undurchsichtigen Mr. Red von Roxxon, der überall seine Nase reinzustecken pflegte. Die Raketen waren für Argentinien bestimmt und stammten aus russischer Fertigung. Eines dieser Babies kostete vermutlich mehr als seine gute alte Karuma mittlerweile noch wert war, aber versichert war der Transport nicht. Das wäre sicherlich auch etwas viel verlangt, denn hätten die Briten erfahren, was da aus den russischen Waffenschmieden zu den Argentiniern gelangen sollte, hätten sie wohl Zeter und Mordio geschrieen. Zu frisch waren noch die militärischen Erfahrungen aus dem letzten Falklandkrieg, und welche militärischen die letztendlich unterlegenen Argentinier mit den damals brandneuen Exocet-Raketen errungen hatten, denen als Erstes die HMS Sheffield zum Opfer gefallen war. Und dazu hatte der Gefechtskopf nicht mal zu detonieren brauchen. Der Großbrand, den der restliche Raketensprit ausgelöst hatte, hatte vollkommen gereicht, um dem Kriegsschiff den Todesstoß zu verpassen. Überhaupt hatten die Briten den Großteil ihrer Verluste den Exocet zu verdanken. Alleine der Gedanke, Argentinien würde nun über die wesentlich effektiveren, hochmodernen und garantiert explodierenden SS-N-27-Raketen verfügen, hätte jeden argentinischen Eroberungsversuch zum Spaziergang gemacht. Nein, korrigierte sich der Kapitän selbst, "würde" jeden argentinischen Eroberungsversuch zum Spaziergang machen. Denn er war dabei, die Container mit den vierzig Raketen über den Atlantik zu schaffen. Und das nach Möglichkeit, bevor die Trägerkampfgruppe der Amerikaner in effektive Reichweite kam.
Mr. Red stand neben ihm, während der erste Container verladen wurde. Sie hatten die Dockarbeiter von Banana Port beinahe mit Waffengewalt angetrieben, um sie zu besonderer Eile zu bringen.
"Seien Sie doch nicht so nervös, mein lieber Kapitän", sagte Mr. Red grinsend. "Spätestens gegen Mittag ist der letzte Container da oben, und dann dampfen Sie nach Norden ab ins Hoheitsgewässer des Kaiserreichs. Dort sind Sie unangreifbar für die US Navy. Und von dort machen Sie einen langen Schwenker die Küste hoch und gehen zu einem günstigen Zeitpunkt auf hohe See in internationale Gewässer. Die Abraham Lincoln wird sich für Sie nicht mehr interessieren, sobald Sie nicht mehr vor Ort sind. Und niemand weiß, dass die Raketen überhaupt hier sind."
"Die Küste hoch ist ein guter Plan. Aber was tue ich gegen die Küstenwache von Ganbo? Nicht, dass es nicht vollkommen egal ist, wenn sie den Amerikanern über den Fund der Sizzler Bericht erstatten, weil wir dann schon weit entfernt von der Heimat sind. Aber ich bin sicher, Sie wollen nicht auf Ihre Lieferung verzichten, Mr. Red."
Der Glatzkopf lächelte jovial. "Lassen Sie es mich so ausdrücken, mein lieber Kapitän: Mir ist es lieber, wenn neununddreißig, achtunddreißig oder auch nur dreißig Raketen in Argentinien ankommen als gar keine. Ich gebe Ihnen als Schutz vor kleineren Schiffen Männer mit Panzerfäusten mit, und für den Einsatz gegen größere Schiffe erlaube ich Ihnen, meine Sizzler abzufeuern. Aber nur eine pro Schiff. Und ich rede hier von Korvetten an aufwärts, nicht von Patrouillenbooten. Die kriegen Sie mit den Panzerfäusten geknackt." Er lächelte spitzbübisch. "Sie haben den Befehl über diese Waffen, aber einer meiner Männer wird Ihnen mit seinem Rat zur Seite stehen. Hören Sie auf ihn, denn ich will in der Tat nicht alle vierzig Raketen verlieren. Die Verluste, die sich hieraus ergeben, sind für mich exorbitant."
"Sie wären bereit, zehn Raketen einzusetzen, um die anderen dreißig rüberschaffen zu können?", fragte Kemibwa.
"Meinetwegen auch zwanzig. Aber die Hälfte muss ich rüberschaffen, sonst kann ich jedes zukünftige Geschäft in Südamerika für eine lange Zeit vergessen."
Er winkte mit einer freundlichen, aber leicht arroganten Geste nach einem Mann, der bei den Verladearbeiten zusah. Er war weiß. "Dies ist Leutnant Bukow. Er ist mit der Sizzler vertraut. Er befehligt auch das Abwehrteam mit den Panzerfäusten. Und er wird Sie unterstützen, Kapitän."
Der Mann, offensichtlich ein Russe, lächelte offenherzig und reichte dem schwarzen Upeti die Hand.
Kemibwa griff zu und stellte fest, dass der Mann einen festen, trockenen Händedruck hatte. "Freut mich, Sie an Bord zu haben, Leutnant. Zusammen werden wir die Babies schon nach Argentinien schippern."
"Vor allem sollten wir das schnell tun. Soweit ich weiß, ist die Abraham Lincoln seit gestern im Südatlantik. Und mit jeder Stunde kommt sie fünfundzwanzig Kilometer voran. Ich möchte weder in die Reichweite ihrer Flieger geraten, noch in die ihrer Begleitschiffe. Und was das Kaiserreich und Ganbo angeht, so werden wir ihnen sehr deutlich klarmachen, das wir weder an Kontrollen, noch am Stoppen Interesse haben."
Kemibwa nickte zufrieden. Der Russe war ein Mann, auf den er sich würde verlassen können, zumindest auf den ersten Blick. Er suchte nach Falschheit oder versteckten Blicken zwischen ihm und Mr. Red, aber da war nichts. Nur ein gewisses, unerschütterliches Vertrauen.
"Ich sehe, die Arbeit ist in guten Händen. Machen Sie zwei der Container fertig, Vlad, nur für den Fall des Falles. Und beeilen Sie sich, Sie zwei. Ich will das Schiff aus dem Hafen haben, bevor der CIA hiervon Wind kriegt. Es dürfte nicht sehr lustig werden, von der Royal Navy gejagt zu werden."
Kemibwa nickte. "Dem stimme ich zu, Mr. Red. Danke für Ihr großzügiges Angebot. Ich hoffe, wir werden auf die Sizzler nicht zurückgreifen müssen."
"Das hoffe ich als Erster, glauben Sie mir das." Er legte den linken Arm um den größeren Schwarzen und zog ihn mit unwiderstehlicher Kraft zu sich heran. "Aber ernsthaft, vollkommen ernsthaft jetzt, Kapitän! Die Fracht muss um jeden Preis, um wirklich jeden Preis nach Argentinien kommen! Schaffen Sie es, machen Sie schon mal Ihr Bankkonto klar für fünfzigtausend Greenbucks, okay?"
"Das ist... Großzügig", sagte Kemibwa.
"Ich hoffe, Sie erkennen daran, wie viel mir daran liegt, dass die Fracht ihren Zielhafen erreicht. Ach, und für den schlimmsten aller Fälle, Vlad, ich habe ein Schnellboot aufgetrieben. Es wird neben dem Frachter vertäut. Wenn es wirklich mies laufen sollte, will ich wenigstens nicht meine Leute verlieren. Es ist genügend Platz auch für Ihre Leute, Kapitän Kemibwa." Der dicke Europäer atmete resignierend aus. "Ich hasse es, meine Leute und meine Verbündete zu verlieren. Nutzen Sie den Notausgang, wenn es wirklich nicht mehr anders geht." Er nahm den Arm zurück, klopfte dem Größeren noch einmal gegen die Schulter, nickte dem Russen zu und ging."
"So habe ich ihn nicht eingeschätzt", gestand Kemibwa. "Ich habe ihn für einen knallharten Lobbyisten gehalten."
Bukow grinste schief. "Auch wenn ihm die ganze Welt egal ist, er vergisst nie jemanden, der ihm einen Dienst erwiesen hat. Niemals. Er achtet auf seine Leute und Freunde. Auch wenn er das größte Höllenfeuer auf jemanden niedergehen lässt, so trifft er doch niemals die, die für ihn arbeiten. Anscheinend hat er Sie ins Herz geschlossen, Kapitän."
"Ich bin nicht sicher, ob ich mich darüber freuen soll", gestand der Upeti. "Die Aufgabe erscheint mir jede Sekunde eine Nummer größer zu werden."
Bukow lachte. "Das liegt in der Natur der Sache. Kommen Sie, Towaritsch, wir werden das Kind schon schaukeln. Bisher sieht es gut für uns aus, vor dem Träger weg zu kommen."
"Er ist wirklich ganz anders", murmelte Kemibwa vor sich hin, während er den Leutnant zum Schiff zurückbegleitete.

Ein klein wenig abseits, vielleicht dreißig Meter entfernt, hatte ein Verladearbeiter an einem Motor gewerkelt, der nicht richtig hatte laufen wollen. Beziehungsweise hatte er das jedem erzählt, der sich dafür interessiert hatte. Dies hatte ihn in eine exzellente Position gebracht, um Red und den Kapitän der Karuma mit Hilfe eines kleinen Richtfunkmikrophons zu belauschen. Hier hieß er Léon und war ein Wanderarbeiter aus Burutu, der für einen Appel und ein Ei am Hafen schuftete - zum Glück verstand er was von Motoren - und bummelte sich so durch den Tag, bevor er abends für einen Drittel seines Tageslohns eine Dusche nahm und den Rest mit den anderen Arbeitern mit billigem Alkohol durchbrachte. Offiziell jedenfalls. Inoffiziell hieß er nämlich Jared Worker, und dank seiner schwarzafrikanischen Vorfahren war er gerade dazu prädestiniert, statt in seiner Heimatstadt St. Louis ein langweiliges Leben als Anwalt oder Polizist zu führen, für den CIA in Schwarzafrika eingesetzt zu werden. Ndongo war zwar nicht gerade die heißeste Adresse für einen Agenten, eigentlich, aber die Ansprüche waren gerade gestiegen. Der anonyme Tipp an die Botschaft war sein Gewicht in Gold wert. Vierzig Sizzler, wenn die jemals gegen die Trägerkampfgruppe oder gegen die Briten bei den Falklands zum Einsatz kamen, würde es ein schwarzer Tag für die Demokratie werden. Léon beschloss, dass der Motor wieder funktionierte. Er riss ihn zur Probe an, und er schnurrte wie ein Kätzchen. Das brachte ihm ein Lob vom Schichtleiter ein, obwohl er Leute aus Burutu nicht besonders mochte. Aber er mochte ohnehin niemanden besonders, der nicht als Upeti geboren worden war. Anschließend erlaubte er Léon eine Verlängerung seiner Frühstückspause auf dreißig Minuten. Genug Zeit für Special Agent Jared Worker, seinen Führungsoffizier in der Botschaft zu verständigen. Er war sich sicher, dass er mit diesem Fund Aufmerksamkeit erregen würde. Viel Aufmerksamkeit. Und dass er eventuell nach dieser Mission in ein interessanteres Aufgabengebiet versetzt wurde. Eventuell. Man sollte nicht zu viel erwarten.
***
Die geheime Nachricht, die der Agent eine halbe Stunde später unauffällig weitergeben konnte, ging direkt an die US-Botschaft in Ompala und wurde dort sofort dem Führungsoffizier des Agenten weitergeleitet. Kulturattaché Alan Sanders war natürlich nicht nur für die Organisation gemeinsamer Volksfeste zuständig, oder die Förderung von Theatern und Kinos im Lande, aber sein Studium der Kunstgeschichte hatte ihn für diese Tarnrolle prädestiniert. Dass er nebenbei, quasi im Zweitberuf, zum CIA-Agenten ausgebildet worden war, stand auf einem anderen Blatt, und das war gut weggeschlossen in Langley, Virginia. Ndongo war sein erster selbstständiger Auftrag, weil das Land als "einfach" angesehen wurde, solange es nicht um Belongo ging, und er selbst war nun mal ein Anfänger als Führungsagent. Das hieß aber nicht, dass er dumm oder oberflächlich war. Als er realisierte, was da gerade im Begriff war, noch vor dem Eintreffen des Trägerverbands nach Norden davongeschafft zu werden, zählte er eins und eins zusammen und ließ sich mit Priorität mit dem Hauptquartier in Langley verbinden.
"...ja, richtig gehört. Klub-K, die Version, die aus Containern abgeschossen werden. Vier pro Container. Auf dem Weg von Banana Port nach Buenos Aires... Ja, Mr. Vice Director, ich denke auch, dass die Waffen für einen weiteren Angriff auf die Falklands sind. Wir wissen, wie erfolgreich die Exocets damals waren, obwohl die meisten nicht mal explodiert sind. Ich wette, die Russen liefern nicht so fehlerhafte Ware wie die Franzmänner... Ja, Sir... Nein, Sir... Nein, kein Problem. Wir kriegen ein Platoon Marines von der Abe, und der Osprey bleibt auf dem Gelände, um das US-Personal rechtzeitig evakuieren zu können... Nein... Nein... Nein... Ja, das einheimische Personal wurde für die nächsten Tage beurlaubt... Ja, Mr. Vice Director, ich werde Ihre Empfehlung an den Botschafter weitergeben... Ja, Sir, halte ich steif. Beide Ohren... Südafrika klingt wirklich gut... Danke, Mr. Vice Director... Ja, alles vorbereitet, um die wichtigsten Dokumente zu vernichten, wenn nötig... Ja, danke, Sir... Danke."
Als er auflegte, war er sich sicher, einerseits dem Verbündeten Groß-Brittannien einen Riesendienst erwiesen zu haben, und andererseits seiner eigenen Karriere. Ganz abgesehen von den vielen Leben, die gerettet wurden, wenn die Sizzler niemals eingesetzt werden würden.
Sanders raffte ein paar Unterlagen zusammen und eilte zum Büro des Botschafters, um ihm die Suggestion des CIA, den US-Bürgern im Land die Ausreise nahezulegen, zu unterbreiten. Alles schien auf Krieg hinzudeuten. Und er war mittendrin. Wie aufregend.
***
General Landsdale sah überrascht auf, als Vice Director Maloni direkt aus dem Hauptquartier des CIA beim Präsidenten per Videoleinwand durchklingelte. Zusammen mit dem Scretary of War van Fitz und Admiral Blueberry, dem Navy-CEO und Außenministerin Hernandez verfolgte er sprachlos den Bericht des Direktors.
Präsident Etranger klopfte sich nachdenklich ans Kinn. "Harry, informieren Sie die Briten darüber, was da über den Atlantik gekrochen kommen wird."
"Mit Verlaub, Sir, ich hatte gehofft, dass wir die Gelegenheit nutzen könnten, um die Babies in unseren Besitz zu bringen. Uns interessiert brennend die Bauweise, die es den Russen ermöglicht, vier Abschussvorrichtungen in einen Standard-Container zu packen. Wir könnten es kopieren. Und bedenken Sie, wie schön es wäre, wenn wir diese unauffällige, aber tödliche Waffe auch haben. Nicht vieles ist einfacher als einen Standard-Container irgendwohin zu schaffen."
Der Präsident sah zu Admiral Blueberry herüber. Der große alte Seebär schüttelte den Kopf. "Die Abe und ihre Begleitschiffe sind zu weit entfernt, um den Frachter einzuholen. Das Bordgeschwader schafft es ebenfalls nicht rechtzeitig, bevor der Frachter in den Gewässern des Kaiserreichs Belongo ist. Abgesehen davon haben wir alle Ospreys im Einsatz. Wie sollten wir das Schiff entern?"
"Dann bleibt es dabei. Informieren Sie die Briten, Harry."
"Es gibt da noch eine Möglichkeit", wandte Admiral Blueberry ein. "Sir, der Raketenträger Sitting Bull aus der Begleitflotte der Abraham Lincoln wurde bei Diego Garcia wegen Maschinenschadens zu Reparaturzwecken zurückgelassen. Wir haben deshalb den Arleigh Burke USS Colorado ausgeschickt, um die Abraham Lincoln schnellstmöglich zu kompensieren. Sie hat Befehl, auf den veränderten Kurs des Trägers zu reagieren, und wird deswegen den Winkel verschärft haben, was sie in relative Küstennähe bringt. Wir könnten ihr den Befehl geben, den Frachter zu stellen."
"Wo befindet sich die Colorado gerade?", fragte der Präsident.
Landsdale dachte kurz nach. "Zufällig weiß ich das. Sie dürfte gerade die internationalen Gewässer auf Höhe der Grenze zwischen den Staaten Liberté und der Knochenbeinküste passieren und mit Höchstfahrt in Richtung Ndongo laufen." Entschuldigend lächelte er Blueberry an. "Sorry, Jonas, aber ich habe mich vorhin mit allem beschäftigt, womit wir unsere Jungs und Mädchen da unten verstärken können und nach jedem Strohhalm gegriffen."
"Nicht so wild, Isaac. Hauptsache, jemand wusste die Antwort schnell." Der Admiral sah zum Präsidenten herüber. "Mr. President, das Schiff kann uns trotzdem entkommen. Aber den Versuch ist es wert. Ich werde der Colorado die neuen Befehle mitteilen, und dann..."
"Dass ich darauf nicht gleich gekommen bin", sagte Maggie Hernandez. "Die Kaiserlichen haben von uns zwei alte Short Hull-Perry-Fregatten gekauft, nachdem wir sie ausgemustert haben."
"Das Kaiserreich Ndongo?" Etranger hob eine Augenbraue. "Das macht uns zu Bekannten, aber nicht zu Freunden, Maggie. Sie werden wohl kaum auf unsere Bitte hin ein Frachtschiff einer anderen Nation überfallen."
"Das nicht, aber einen Waffenschmuggler stoppen und entern, das würden sie. Wenn wir den Kaiserlichen sagen, was die Karuma transportiert, werden sie ganz aus dem Häuschen sein, weil es ihnen außerdem die Gelegenheit gibt, der Republik eine Niederlage zuzufügen. Sie wissen doch selbst, Mr. President, dass sich beide Staaten nicht erst seit der Trennung nicht grün sind. Und Waffenschmuggel ist da ein gefundenes Fressen. Vor allem wenn das Schiff freiwillig in ihre Hoheitsgewässer einfährt. Und wenn das Schiff erst einmal gestoppt ist, gehen die Sizzler erstmal nirgendwo hin. Der Rest ist Verhandlungssache. Und für den Fall, dass das Schiff dennoch entkommt, kann die Colorado immer noch das Seegebiet aufsuchen. Oder sogar die Sizzler übernehmen. Ich kann sofort aufbrechen, rüberfliegen und Verhandlungen, diese Waffensysteme betreffend, aufnehmen."
Etranger sagte eine lange Zeit nichts dazu. "Isaac?"
"Die Briten würden es ungern sehen, wenn Argentinien vierzig Sizzler bekäme. Unabhängig davon, wie viele sie bereits von den Russen erhalten haben, Sir."
"Jonas?"
"Sir, mit einer gut ausgebildeten Mannschaft sind die Perrys in der Lage, den Frachter zu stoppen und niederzukämpfen. Und solange sie wissen, dass Sizzler an Bord sind, können sie sich darauf einstellen, sie abzuwehren oder ihnen auszuweichen."
"Wenn man es ihnen sagt", murrte van Fitz.
"Das ist nicht mehr unsere Aufgabe. Aber so verantwortungsvoll werden die Kaiserlichen wohl selbst sein, alleine schon, weil die Perrys das Rückgrat ihrer Marine sind", sagte der Präsident. "Tun wir es so. Informieren wir das Kaiserreich Ndongo. Maggie, fliegen Sie sofort los."
"Ja, Mr. President."
"Hoffen wir, dass der Plan funktioniert, und möge Gott unsere Soldaten da unten beschütze. Besser, als er es bis jetzt getan hat."
***
Hugh Shatterfield war Soldat, eingefleischter Berufssoldat. Zwar trug er mittlerweile einen Stern auf der Schulter, aber das bedeutete nicht, dass er keine Kampferfahrung hatte. Als Colonel war er am Sturm auf dem Irak beteiligt gewesen, als Major war er am NATO-Angriff auf Serbien beteiligt gewesen, als Captain hatte er in der Befreiung Kuwaits gedient. Und als Lieutenant hatte er geholfen, die Karibik-Insel Grenada von ihrem Regime zu befreien. In all dieser Zeit war er Ranger gewesen, und das war er immer noch. Ranger durch und durch. Die ersten, die reingingen, die letzten, die rauskamen. Wenn sie es denn schafften. Der Dienst war hart, die Verlustquoten trotz bester Ausbildung und ständig verbesserter Ausrüstung hoch. Was nicht daran lag, dass die Ranger verheizt wurden. Die Vielzahl der Missionen brachte einfach Todesfälle und Dienstunfähigkeiten mit sich. So auch bei ihm, der als frisch beförderter Colonel Bekanntschaft mit einer Mine gemacht hatte. Beinprothese, Schreibtischjob, aber von den Army Rangers hatte ihn das nicht trennen können. Er wurde dort eingesetzt, wo seine große Erfahrung noch immer sinnvoll war. Und ehrlich gesagt war es auch Zeit gewesen. Ein normaler Mann konnte nur eine gewisse Anzahl von Toden verursachen und Schlachten sehen, bevor er drohte, die Zurechnungsfähigkeit zu verlieren. Dementsprechend war er froh darüber gewesen, in den Planungsstab der Division abkommandiert zu werden, als er seine eigene Grenze kommen gefühlt hatte. Deshalb hatte Mildred die Verletzung auch mehr als Segen denn als Unglück empfunden. Und auch wenn ihn das verlorene Bein noch jeden Morgen schmerzte, empfand er es als Glück im Unglück. Er hätte auch tot sein können. Oder kastriert. Oder beides. Und die Prothese hinderte ihn nicht daran, ab und an die Feuerwehr zu spielen. So wie in diesem Fall, wo es darum ging zu klären, wie ein Army Ranger-Captain nach einem abgebrochenen Einsatz noch hatte zwanzig seiner Leute verlieren können. Er hasste sich selbst dafür, aber für den Zeitraum der Untersuchung musste er gegenüber seinem Ranger-Kameraden der Advocato Diabolis sein und spitzfindig jedes noch so kleine Anzeichen an Versagen aufdecken. Anders war es nicht möglich, sicherzustellen, dass der Mann das Kriegsgericht überstehen würde. Nun, er kannte Scott nicht persönlich, aber zumindest dessen Ruf war ihm zu Ohren gekommen. Risikobereit, aber überaus erfolgreich. Einer der Gründe, warum er nach Belongo geschickt worden war. In ein Land, von Bürgerkriegen erschüttert, in dem man jemanden brauchte, der schnelle und folgerichtige Entscheidungen treffen konnte, zum Nutzen aller. Ausgenommen den Feind, natürlich.
Dukakis kannte Scott persönlich, und während der achtzehn Stunden Flug hatte er in jeder wachen Minute die vorliegenden Daten analysiert, um sich und Shatterfield erklären zu können, was da genau schiefgelaufen war. Der Ranger-Major war vollkommen übermüdet, denn er zählte Jason Scott zu seinen persönlichen Freunden und bemühte sich, jedem noch so kleinen Anzeichen für ein mögliches Versagen Scotts aufzuspüren, um sicherzugehen, dass er eben nicht versagt hatte. Er wirkte trotz der Müdigkeit sehr zufrieden.
"Alles in Ordnung, Constantine?", fragte der General seinen Begleiter.
"Alles in Ordnung. Wenn wir nicht noch 'nen echten Knaller vor Ort finden, sollte Jason auf der sicheren Seite sein. Also irgendwas, was der CID ihm ans Bein stricken kann."
"Ähemm", machte Captain Eureka Frost. Sie stammte aus der 6. MPG und würde die CID-Untersuchungen leiten. Ihr Verhältnis zu den beiden Ranger-Offizieren war gut und herzlich, vor allem, weil sie sich schon länger kannten. "Constantine, wie kommen Sie darauf, dass wir nach einem Haar in der Suppe suchen würden?"
"Weil das Ihr Job ist, Eureka", gab der Major zurück. Er grinste entwaffnend.
"Wir werden sehen, was passiert. Der einzige Punkt, den ich im Moment als wirklich gefährlich für Captain Scott ansehe, ist die Entscheidung zur Landung an sich. Zwar habt Ihr sua sponte als Schlachtruf, das entbindet euch aber nicht, zumindest mit einem Funken Intelligenz an die Sache ranzugehen." Sie seufzte. "Oh, mein Rücken bringt mich um. Sind wir nicht endlich da?"
Shatterfield überschaute den Passagierbereich der Air Force-Maschine, die ihn, seine Ranger-Offiziere und das CID-Team samt Ausrüstung beförderte. "Wir haben vor zwei Stunden Anjulas Küste erreicht. Mittlerweile müssten wir über dem panadianischen Luftraum sein. Es kann nicht länger als eine halbe Stunde dauern."
"Gelobt sei die in Ihrem Kopf eingebaute automatische Karte, Sir", ächzte sie und versuchte, sich bequemer hinzusetzen. "Zurück fliegen wir aber Linie, ja?"
Shatterfield wollte darauf etwas erwidern, aber der Pilot kam ihm mit der Sprechanlage zuvor. "General Shatterfield, kommen Sie bitte ins Cockpit. Sie müssen eine Entscheidung treffen."
"Hm?" Er erhob sich und versuchte sich an einem sicheren Stand. Tatsächlich, nachdem er so lange gesessen hatte und nachdem er nicht wirklich viel herumgegangen war, um die Beine aufzulockern, fiel es ihm reichlich schwer, zu gehen. Trotz des enervierenden Protestes seines Stolzes als Army Ranger griff er nach dem Spazierstock, den er so selten wie möglich benutzte, um seine momentane Schwäche auszugleichen.
"Soll ich Sie begleiten, Sir?", bot Dukakis an.
"Ja, kommen Sie ruhig mit. Sie auch, Eureka. Und nein, das habe ich nicht als Hilfe für mich gedacht, Constantine."
"Verstanden, Sir. Verzeihung, Sir", erwiderte der Mann aus Maine betroffen.
"Da gibt es nichts zu verzeihen, Constantine. Ist vielleicht ganz gut so, wenn Sie schauen, das ich nicht doch auf dem Weg zum Cockpit zusammenbreche", sagte er scherzhaft. Er streckte den Rücken durch. "Autsch. Ja, wir nehmen definitiv den Linienflug zurück, Eureka."
Die CID-Offizierin lachte. "Sehr gut."
Als sie das Cockpit erreichten, sahen Pilot, Co-Pilot und Funker erwartungsvoll zu ihnen herüber. Der Jet flog gerade eine Schleife. Wahrscheinlich über Honiton City. "Was gibt es, Captain Bremer?"
"Sir, wir haben Landeerlaubnis, aber wir wurden gerade darüber informiert, dass einer der Ospreys der Navy beim Anflug auf Keounda City mit Panzerfäusten beschossen wurde und auf dem Ostufer des Lagabandas abgestürzt ist. Daraufhin wurde die ganze Landeoperation der Marines am Ostufer angewickelt, und die Ranger stürmen jetzt über die Brücken den Osten der Stadt."
"Eieieieieiei", machte Dukakis. "Jason macht eben keine halben Sachen."
"Und was soll ich dabei entscheiden, Captain Bremer?"
"Nun, die Belongo Mining Company hat eine provisorische Startbahn gebaut, die gerade so für unsere Maschine reichen könnte. Allerdings hat Professor Herryhaus angeboten, Sie und die CID-Leute sofort rüberzufliegen. Oder Sie können warten, bis die Kämpfe abgeflaut sind."
"Ihre Entscheidung, Sir", sagte Frost.
"Nun, wenn den Marines ein Osprey unterm Hintern weggeschossen wurde, haben wir ein Problem. Wie soll ich meine Ranger rüberschaffen? Vertrauen wir der deutschen Wertarbeit und nehmen wir die Dschungelpiste. Wenn Sie es sich zutrauen, Captain Bremer."
Der Pilot nickte. "Ich lande dieses Baby notfalls auf einer Briefmarke, Sir. Eric, gib's weiter."
Der Mann am Funk nickte. "Honiton Tower, Ranger Flight 9-38 wir stornieren die Bitte um Landererlaubnis und fliegen direkt nach Belongo."
"Ranger Flight 9-38, die Landebahn ist für Sie frei, falls Sie es sich nicht noch anders überlegen wollen. In Belongos Himmel wird scharf geschossen. Ich wiederhole, die Landebahn ist für Sie frei."
"Danke, Honiton Tower. Wir wissen das Angebot zu schätzen. Aber Ihre Piloten werden auf uns aufpassen, schätze ich."
"General, Sir, Ma'am, bitte gehen Sie wieder auf Ihre Plätze und schnallen sich wieder an", bat der Pilot.
Währenddessen wechselte der Funker die Frequenz. "Belongo Mining, Ranger Flight 9-38. Informieren Sie Professor Herryhaus darüber, dass wir direkt zur Mine fliegen und..."
Den Rest hörten sie schon nicht mehr, als die Cockpittür zuglitt.
"Also los", seufzte Shatterfield. "Stürzen wir uns also ins Abenteuer. Sehr schön. Mir drohte schon, langweilig zu werden." Wer hätte denn auch ahnen können, dass die hochgelobten US Marines einer russischen Panzerfaust zum Opfer fallen würden? Nun hatten sie zwei Fälle, die untersucht werden mussten. Doch hoffentlich hielten sich die Opfer hier in Grenzen.
"Gentlemen!", sagte er zu den Frauen und Männern im Rumpf des Flugzeugs. "Die Marines haben Mist gebaut. Einer ihrer Ospreys wurde abgeschossen und steht voraussichtlich nicht zur Verfügung, um uns nach Keounda City zu fliegen. Stattdessen werden wir der Dschungelpiste vertrauen, um uns und unser Material schnellstmöglich in die Nähe der Stadt zu kriegen. Von dort können die Krauts uns helfen, unser Zeug rüberzuschaffen. Die Panadianer werden unseren Flug decken. Also machen Sie sich bereit. Wir sehen schon sehr bald Action."
Die Worte des Generals wurden mit Begeisterung aufgenommen. Auch wenn niemand den Krieg wirklich liebte - gewinnen war doch eine ganz andere Sache.
***
"Raus! Raus! Raus!", blaffte Major Michael seine Männer an. Er hatte beide Osprey vor die notgelandete Maschine dirigiert, um den Soldaten Deckung zu geben. Seine Männer würden den ersten Schlag abfangen, zusammen mit den Krauts und ihren Kampfhubschraubern. Die Maschinen feuerten bereits. Ihre Ziele befanden sich in den Häuserruinen vor ihnen.
Als Michael selbst aus dem Osprey sprang, hätte er sich beinahe verletzt. Das war kein weicher Erdboden, sondern harter Asphalt, der von Graspflanzen überwuchert worden war. Ein hastiger Blick umher informierte ihn, dass einige der Hügel und höheren Pflanzen Mauerreste waren. Sie befanden sich bereits mitten in der Stadt. Im zerstörten Teil der Stadt.
"Wir sind mitten in Ruinen!", blaffte er über Funk. "Die Hügel sind halb verrottete Mauern! Sucht dahinter Deckung, wenn Ihr sie in der Nähe habt! Feuer frei nach eigenem Ermessen!"
Zuerst würden sie den Angriff, den die Speere des Riki in aller Hast gegen sie auszuführen gedachten, abprallen lassen. Anschließend würden sie das Gelände bis zur Stadtgrenze weiträumig sichern. Und, wenn der Schlag der Ranger über die Brücken erfolgreich war, den Feind aus der Stadt drängen.
"Lincoln Flight 1, hier Belongo Mining 1. Können Sie mich hören?"
"Laut und deutlich, Belongo Mining 1. Aber es gibt einen neuen Kontakt auf dem Schlachtfeld: Marines 1."
"Marines 1 hier. Freut mich, Sie zu hören, Belongo Mining 1, Ranger 1."
"Ebenso, Marines 1."
"Gleichfalls, Marines 1."
"Marines 1, Belongo noch mal. Gehen Sie, wenn Sie vorgehen, auf Nummer sicher. Geben Sie jedem Toten noch mal eine Extrakugel in den Kopf, wenn Sie keine Verletzungen oder Tote riskieren wollen."
Michael runzelte die Stirn. Hinter ihm war nun auch der abgestürzte Osprey gesichert, und die unverletzten Marines zogen vom Fluss einen losen Sperrring, der über Süden und Osten bis zur Front reichte. "Erklären Sie das, Belongo 1."
"Viele der Kämpfer des Rikis sind auf einer Droge. Sie spüren keine Schmerzen und gehen weit über die Grenzen dessen, was ein Mensch leisten können sollte, Marines 1. Sie können sie relativ leicht identifizieren, weil sie höherklassige menschliche Körperteile um den Hals tragen, aber verlassen würde ich mich nicht darauf."
"Sie tragen Körperteile um den Hals?", erwiderte der Major entgeistert.
"So hatte ich das weitergemeldet, Marines 1", gab Scott trocken zur Kenntnis. "Achten Sie auf die mit getrocknetem Penis. Je mehr sie haben, desto höher sind sie in der Hierarchie. Und desto durchgeknallter sind sie auch. Achten Sie aber auch auf die, die nicht mehr kämpfen wollen. Wir vermuten, dass seit Beginn der Kämpfe schon etliche Männer versucht haben zu desertieren. Sollten Ihnen waffenlose Männer begegnen, zum Beispiel in der Kanalisation, können Sie sie relativ gefahrlos gefangennehmen."
"Nun mal ganz langsam. Ich denke, jeder Tote soll eine Kugel in den Kopf kriegen?"
"Ich weiß, es ist schwierig. Gehen Sie einfach kein Risiko ein. Aber denken Sie spätre beim Aufräumen dran, Marines 1."
"Ein toller Rat, Ranger 1." Michael sah zu seinen Offizieren herüber. "Haben das alle mitgekriegt? Jeder Irre, der mit Körperteilen behängt ist und uns töten will, kriegt eine verdammte Kugel in den Kopf, damit er uns nicht den Zombie gibt."
"Ja, Sir!"
"Verstanden, Sir."
"Kugel in den Kopf für Gegner mit umgehängten Körperteilen. Wo sind wir hier? Belongo, oder Frankensteins Labor?"
"Wahrscheinlich ein bisschen von beidem, Lieutenant. Also, macht euch fertig. Wenn sie es ernst meinen, dann werden die Hubschrauber sie auch nicht mehr lange aufhalten. Sobald wir den Angriff abgewehrt haben, rücken wir vor. Zweo Firesquads decken dabei den Landeplatz, falls wir umgangen werden. So einen Scheiß wie mit der RGP will ich nicht noch mal erleben!"
"Ja, Sir!"
"Semper fidelis, Marines!"
"Semper fidelis, Sir!"
Und dann kamen sie tatsächlich. Die "Irren" waren relativ leicht zu identifizieren. Viele von ihnen hatten kleinere oder größere Verletzungen vom Beschuss durch die Hubschrauber, aber sie liefen einfach weiter. Zombie war gar keine so schlechte Umschreibung gewesen, fand Michael.
Die ersten Marines eröffneten das Feuer auf zweihundert Meter Distanz. Ungezieltes Feindfeuer kam zurück, versuchte kaum, die hinter dem hohen Gras versteckten Marines zu treffen. Sie schafften einfach nur Masse. Relativ erfolgreich, fand der Major, als eine Kugel seinen Körperschutz mit der Kraft eines Boxhiebs von Mike Tyson traf. "Ufff!" Automatisch ging er in die Hocke, und dort würde er auch vorerst bleiben.
"Sind in der Stadt und rücken vor, Marines 1. Wie vielen Gegnern stehen Sie gegenüber?"
"Schätzungsweise zweihundert, Ranger 1. Falls wir nicht gerade weitläufig von einer großen Feindeinheit umgangen werden, sollten wir damit fertig werden."
"Gut." Eine Explosion klang zu ihnen herüber. Grimmig kommentierte der Captain der Ranger: "Das war ihr zweiter T-34. Falls sie nicht noch mehr von den Babies in der Hinterhand haben, sollten wir es jetzt nur noch mit Bodenfäusten, Handgranaten und AK47 zu tun haben."
"Schreien Sie nicht Sieg, bevor die Schlacht richtig losgeht, Ranger 1", kommentierte Michael belustigt. Zumindest fand er es solange lustig, bis er einen mittelgroßen Schwarzen, der bereits aus mehreren Schusswunden blutete, direkt auf sich zulaufen sah. Kugeln gingen durch seinen Leib, Blut spritzte in Fontänen hervor, aber sein Gesicht war verzerrt von Hass und dem Drang zu töten. Statt einer AK47 schwang er eine große Machete und stürzte sich auf den Major. Der ließ sich nach hinten fallen, zog die Dienstpistole und hebelte den Mann mit einem Judogriff über sich hinweg. Verdammt, wie hatte das passieren können? Wie hatte der Typ überhaupt mit solchen Wunden so weit kommen können?
Der andere sprang wieder auf, die Machete schwingend. Mit einem tiefen Knurren, das so gar nicht zu einem Menschen passen wollte, ging er erneut zum Angriff über. Zumindest, bis ihm eine Kugel direkt durch den Schädel ging. Sie trat links ein und rechts wieder aus. Dabei nahm sie erhebliche Mengen an Knochen, Haut, Haaren und Gehirnmasse mit.
Der Mann sah ihn verständnislos an, bevor er nach vorne sackte und zusammenbrach. Auf seiner Brust hatten Finger, Ohren und ein Penis gebaumelt. Und seine Nase war weiß verstaubt. Der Mann musste bis zum Anschlag voll auf der Droge gewesen sein, die der Riki seinen Kriegern verabreichte.
Der rettende Engel trat direkt neben ihm, die Waffe noch immer auf den Toten gerichtet, der hoffentlich auch tot blieb. "Haltet euch nicht lange damit auf, in die Beine oder in den Torso zu schießen!", blaffte er über das Schlachtfeld. "Schießt ihnen gleich in den Kopf!"
"Jawohl, Gunny!"
Der Gunnery Sergeant reichte Michael eine Hand zum Aufstehen. "Von denen gibt es noch mehr, Sir. Der Rat von Captain Scott war goldrichtig."
"Danke, Gunny. Wir gehen kein Risiko ein, Marines!" Er überblickte das Schlachtfeld. Tatsächlich liefen auch an anderen Stellen der Graswiese Verrückte wie Zombies auf ihre Gegner zu, egal wie viele Kugeln sie trafen. Erst wenn sich jemand dazu entschloss, ihnen den Schädel wegzupusten, war die Gefahr gebannt. Einer der Toten detonierte. Handgranaten. Auch das noch. "Absolut kein Risiko", zischte Michael. Es gab mal eine Zeit, da hatte er StarCraft gespielt. Und diese Typen kamen ihm so vor wie von den Zerg verseuchte Terraner, die sich bereitwillig in lebende Bomben verwandeln ließen, um sich und die Feinde der Zergs in die Luft zu jagen. Verdammt, wer hätte gedacht, dass ihm diese Erfahrungen mal nützen würden? Und es erinnerte ihn daran, dass er mal wieder online zocken musste. "Langsam vor, Marines!", befahl er.
"Ja, Sir!" Der Gegenschlag begann.
***
"Das geht viel zu leicht!", blaffte Axel ärgerlich. Der östliche Teil von Keounda City war locker zwei Drittel größer als der Westteil der Stadt, und damit war er ein wesentlich größerer unüberschaubarerer Dschungel aus Beton und Stein als die Weststadt, und dennoch schnitten die Ranger und ihre deutschen Verbündeten hier durch die Butter. Tatsächlich hatten sie den zweiten feindlichen Panzer schon in den ersten zwei Minuten mit einer Javelin ausschalten können, bevor die Panzerbesatzung überhaupt gemerkt hatte, was geschehen war.
Sie gingen erneut vor wie im Westen. Sie teilten sich auf die Straßen auf, besetzten die Kreuzungen und durchsuchten derweil die Häuser. Danach rückten sie zur nächsten Straßensperrung vor. Nur diesmal fehlten ihnen ein Großteil der Speere und knapp die Hälfte der Ranger.
"Haben Sie was gegen leicht, Axel?", fragte Morelli grinsend.
"Nein, aber ich finde es verdächtig! Der Osten ist viel größer! Warum stellen sie uns keine Falle?"
"Vielleicht tun sie das ja, nur weiter drin in der Stadt. Wohin wir aber nicht gehen werden. Wir rücken nur soweit vor, bis wir mit den Marines eine Linie bilden können und befestigen unsere Stellungen."
Ein Großteil des 1. Platoons unter Scott persönlich versuchte gerade, mit den Marines Sichtkontakt aufzunehmen. Die Aufgabe der restlichen Speere, Deutschen und Ranger war es, die vorgeschobenen Stellungen zu halten. Dann kam es darauf an, ob sie die Gelegenheit bekamen, weiter vorzudringen und den Riki damit aus der Stadt zu drücken, oder ob sie mit Hilfe der Hubschrauber nur ihre Positionen hielten, bis der Osprey auf die richtige Flussseite fliegen konnte. Oder bis sie den Schwenkflügler aufgegeben und gesprengt hatten. So oder so, für den Interländerverkehr standen den Amerikanern nun wesentlich weniger Optionen zur Verfügung und die Idee, das Untersuchungsteam und die sie begleitende Kompanie Ranger mit ihrer Hilfe nach Belongo zu schaffen, hatte einen erheblichen Dämpfer erlitten. Entweder würden ihre eigenen Hubschrauber und im besonderen ihre drei Transporter Überstunden einschieben, oder man konnte es den Rangers schmackhaft machen, auf der Piste an der Mine zu landen, obwohl Axel im Moment nicht einen Dollar drauf gewettet hätte, dass das Flugzeug, das dort landete, auch wieder würde starten können.
Es gab nur eine Konstante für sie alle. Die Speere des Riki hatten nicht damit gerechnet, dass sie einen Amerikaner würden abschießen können. Nun gut, damit vielleicht, aber nicht, dass er ihnen direkt vor die Füße fallen würde. Und sie hatten gewiss nicht damit gerechnet, dass die anderen Marines bei ihren Kameraden landen würden, um sie zu verteidigen. Und erst Recht hatten sie nicht damit gerechnet, dass die Ranger die Gelegenheit nutzen würden, um über den Fluss zu kommen. Zumindest die Besatzung des zweiten T-34 hat das nicht getan. Und während augenscheinlich jeder Speer des Riki, der noch laufen konnte, nach Süden unterwegs war, schoben sie sich gedeckt von den Hubschraubern langsam nach Osten. Mörserexplosionen drangen an sein Ohr und verrieten ihm, dass die Marines zumindest noch lebten. Axel spürte verhaltenen Optimismus. Dafür, dass die Sache so scheiße begonnen hatte, durfte er sich eigentlich nicht beklagen. Zumindest hier am Boden würden sie einen Teil der Oststadt halten können. Wenn sie jetzt noch den Riki zu fassen bekämen, dann wäre der ganze Spuk um das Böse in Keounda City bald eine Geschichte der Vergangenheit.
***
Einhundert Kilometer westlich begann bereits ein anderes Land. Es war nicht sehr groß, für afrikanische Verhältnisse, aber es war ein eigenes Land. Bekannt geworden war es als Ausgangspunkt für einen blutigen Genozid am Bergvolk der Batis, ausgeführt von den ländlich lebenden Erzfeinden, den Tukus. Eigentlich hatten die Kolonialherren vor ihrem Abzug bestimmt, dass die Batis das kleine Land bewohnen sollte, das Randora genannt wurde, und die Tuku sollten alle nach Norden in ein weiteres kleines Land ziehen, Bindiru genannt. Dabei hatten die Kolonialmächte wieder einmal selbstherrlich über etwas entschieden, was sie nicht verstanden hatten, und dies hatte zur Folge, dass die Tuku, alten Wurzen folgend, eben doch in Randora blieben, obwohl es in Bindiru wesentlich mehr Tuku als Bati gab. Aber es blieben nicht nur die verwurzelten Tuku zurück, sondern auch uralte Rivalitäten und Ressentiments, die sich irgendwann in einem Massenmord entluden. Zwei Millionen Tuku, Männer, Frauen, Kinder, waren abgeschlachtet und in Massengräbern verscharrt worden. Und dabei hatten die Führer der Bati versucht, so viele ihrer Stammesangehörigen wie möglich zu involvieren. "Wenn wir alle Mörder sind, schweißt uns das zusammen", hatten sie gesagt. Am Ende hatten sie es nicht geschafft, die Tuku auszulöschen oder auch nur zu vertreiben. Allerdings hatten sie es geschafft, die Zahl der Waffen auf beiden Seiten erheblich zu erhöhen. Die Zahl der Waffen... Und die Zahl der Söldner. Aber Söldner waren teuer. Und so kam der Regierung Randoras Mr. Red gerade Recht, als er sie um eine militärische Intervention in Belongo bat. Denn wenn es etwas gab, was Bati und Tuku hassten, dann waren es Lulugengos oder Wagondas. Das Geld von Mr. Red war großzügig bemessen, sodass sich die Regierung von Randoras dazu entschied, einem knappen gemischten Bataillon ihrer Sölder, einer Einheit, bestehend aus Infanterie, Panzerwagen und Kettenpanzern, das normalerweise ihr Rückgrat für den leidigen Kampf mit den Tukus war, die Erlaubnis zu geben, sich für harte Dollars anwerben zu lassen. Hätte Ndongo an dieser Grenze Kontrollen oder zumindest eine rudimentäre Überwachung, hätte man mitbekommen, wie etwa zwanzig Lastwagen, acht T-34-Panzer und achtzehn Ratel 20 die Grenze überquerten, bereit zum Sprung zur nicht allzu fernen ehemaligen Distrikthauptstadt Keounda City im Süden. Die Sache hatte nur einen Haken: Da der Einsatz als sehr dringend bezeichnet worden war, würde die Truppe keinen Zwischenstopp einlegen können, um ein wenig zu plündern und zu morden.
***
"Ach du dickes Ei", murmelte Captain William Jackson, Codename Mincemeat, als er über dreißig Blips auf seinem Radar hatte. "Was kommt uns denn da entgegen?"
"Mincemeat von Sonny. Soll ich per Nachbrenner rüber und nachschauen?"
"Wollen Sie Selbstmord begehen? Schön hierbleiben, Lieutenant. Man fliegt nicht mit einer einzelnen Maschine gegen dreißig potentiell feindliche Einheiten. Nicht einmal wenn auf der anderen Seite nur Doppeldecker unterwegs sind." Er wechselte den Kanal. "Homebase von Mincemeat. Melde multiple Kontakte, in etwa dreißig, vierhundert Kilometer nördlich von Keounda City. Ihr Kurs lässt vermuten, dass sie aus dem Süd-Sinan kommen."
"Hier Homebase. Haben die unbekannten Einheiten Kurs auf Sie, Mincemeat?"
"Nein, Homebase. Sie passieren uns schräg in südlicher Richtung. Dabei überfliegen sie den 19. Bezirk, Kamala."
"Mincemeat, wir starten eine weitere Staffel. Beobachten Sie den unbekannten Verband, greifen Sie aber nicht an. Achten Sie auf Kurswechsel und versuchen Sie, ein paar gute Ortungen und Fotos zu bekommen. Werden Sie angegriffen, ziehen Sie sich nach Süden zurück, bis unsere Flieger aufschließen können."
"Verstanden, Homebase. Verdammt."
Mincemeat konnte es zu dem Zeitpunkt nicht wissen, aber was da auf seinem Radar aufgetaucht war und in einer relativ gemütlichen Höhe von achttausend Metern dahinflog, waren die Black Stars auf dem Weg in die Küstenbezirke Ndongos.
"Mincemeat, die Amerikaner unterstützen uns. Sie schicken uns von der Niemitz zehn Maschinen, um das Flugverbot durchzusetzen. Rechnen Sie in zwei Stunden mit ihrer Ankunft.
"Gut zu hören, Homebase."
"Ach, und noch etwas. Das Untersuchungskommitee der Amerikaner ist mit seinem Transportflugzeug auf dem Weg zu Ihnen. Stellen Sie eine Eskorte ab. Sie fliegen zur Belongo Mining raus. Sollten sich die unbekannten Kontakte plötzlich für sie interessieren, brechen Sie den Flug zur Mine ab und eskortieren Sie sie wieder in unsere Lufthoheit."
"Mincemeat hier, habe verstanden." Verdammt. Die Geschichte war gerade einen Tuck komplizierter geworden. Was würden die Amerikaner dazu sagen?
***
Die Abraham Lincoln drehte gegen den Wind. Kaum, dass die Nachricht von dreißig unbekannten fliegenden Kontakten eingetroffen worden war, hatte Philips eine Entscheidung getroffen. Diese bestand darin, nicht nur die Patrouille zu verstärken, sondern auch die Verbündeten über Belongo zu verstärken. Und zu allem Überfluss würden sie, wenn sie Pech hatten, auch noch Frachter jagen müssen, die russische Anti-Schiffsraketen geladen hatten.
Unten auf dem Hangardeck versammelten sich die ausgesuchten Piloten und Co-Piloten der F-18, die aufsteigen würden, um die Patrouillen über Belongo zu verstärken. Sie warteten darauf, aus den Eingeweiden des Schiffs gefahren zu werden. Aber zuerst holte die Air Crew die zwei E-2C Hawkeyes Langstreckenbeobachter hoch, die den Kordon des Trägers verstärken und nebenbei nach dem gesuchten Frachter Ausschau halten würden, nur für den Fall, dass er in ihre Richtung fahren würde. Und vor allem, um die dreißig unbekannten Kontakte im Auge zu behalten, die von Panadia gemeldet worden waren.
"Und es fing so klein an", murmelte Admiral Philips. Unter ihm wurde der erste Hawkeye aufs Katapult gespannt. Kurz ging sein Blick zum Air Boss des Flights, die die Arbeit ihrer Leute kritisch beäugte. Von dort wanderte sein Blick zum Kapitänin der Abraham Lincoln, die sich permanent mit aktuellen Ortungsdaten füttern ließ. Schließlich kam er bei seiner Stabschefin an.
Die Konteradmirälin nickte ihm beruhigend zu. Dies waren alles Profis bei der Arbeit. Die Besten derer, welche die Navy aufbieten konnte. Wieso hatte er aber das Gefühl, es könnte vielleicht nicht reichen, für dieses Mal? Der Admiral schob den pessimistischen Gedanken beiseite und kletterte wieder in die CIC, um selbst einen Blick auf den Radarschirm zu werfen.

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Sie waren im Vorteil. Endlich mal im Vorteil. Axel hätte wild gegrinst, als ihm dieser Gedanke durch den Kopf ging, hätte dieser Vorteil nicht bedeutet, dass sie einfach nur massenhaft die Speere des Riki abschlachteten. Bei vielen fiel es relativ leicht. Ihre weit aufgerissenen Augen und ihre Lebensverachtung sagten genug darüber, was mit ihnen los war und was sie mit jedem Ranger, Marine oder Bundeswehrsoldaten machen würden, den sie in die Hände bekommen würden. Bei anderen aber musste Axel an die armen Teufel denken, die hinter der Moschee interniert waren und die einfach nur nach Hause wollten, um die ganze unschöne Lebensepisode unter dem Riki zu vergessen, ein für allemal. Wie viele von denen erschossen sie wohl gerade? Und wie viele hatten sie schon getötet? Der Deutsche zuckte nicht mal zusammen, als Morelli jedem Toten, der hinter der Feuerlinie lag, eine zusätzliche Kugel in den Kopf jagte. Nicht gerade zivilisiertes Vorgehen, für das er und die anderen Ranger vor dem Untersuchungsausschuss geradestehen mussten, aber leider notwendig, denn das Omonek, die Droge, die den meisten Speeren des Riki verabreicht wurde, tötete das Gehirn, aber nicht weit genug, dass sie sich nicht tot stellen konnten. Axel selbst hatte es erlebt und war angemessen erschüttert gewesen, als vermeintlich Tote mit Wahnsinn in den Augen wieder aufgestanden waren, um ihn mit unsäglichem Blutdurst abzuschlachten - zumindest bis er ihnen zwischen die Augen geschossen hatte.
Axel hatte nie an die Er oder ich-Geschichten geglaubt, hatte auch nie angenommen, jemals ein intelligentes Wesen töten zu können, geschweige denn ein Tier. Aber unter diesen Verrückten kam er sich streckenweise wie in einem Zombie-Film vor, und der Vergleich hinkte kaum ein bisschen. Es fiel ihm nicht leicht, die Speere zu töten, das nicht, aber er tat es. Wie ein Automat. Jetzt noch mehr als gestern Nachmittag, als er mit Jorge Androweit auf sich selbst gestellt gewesen war. Wohl, weil er jetzt für die Leben von noch mehr Menschen verantwortlich war. Es war einfach... Notwendig. Und Verhandlungsspielraum gab es nicht. Noch nicht. Wahrscheinlich noch lange nicht. Er hatte zwei Speere beobachtet, die ihre Gewehre fortgeworfen hatten; sie waren von ihren Kameraden erschossen und unter den Augen der Ranger ihrer Tikalak beraubt worden, ihrer Körperteile, die die anderen Männer als Schmuck trugen. Die Ranger hatten einige von ihnen erschossen, sie aber in ihrem Tun nicht hindern können. Okay, die Szene erinnerte Axel nicht nur an einen Zombie-Film, sondern auch noch an dieses Hollywood-Remake vom Omega-Mann. Zusammenfassend ließ sich sagen, dass es mehr als gute Gründe gab, um die ganze Horde abzuschlachten. Die Welt, und vor allem Keounda City und damit ganz Belongo, würde dann ein besserer Ort sein. Aber jeder Speer des Riki, der entkommen konnte, würde einen Teil des Terrors in die Welt tragen.
Entkommen? Hatte er das wirklich gedacht? Sie hatten gerade mal den Sichtkontakt zu den Marines hergestellt, die mit ihnen an der Flanke in die Stadt vorrückten, zumindest jene, die nicht den Landeplatz schützten, und er dachte ernsthaft darüber nach, die Oststadt zu erobern? Teufel auch, sie war zwei Drittel so groß wie der Westteil auf der anderen Seite des Lagabandas und bei weitem chaotischer angelegt. Die Straßen hier hatten nicht das praktische Schachbrettmuster des Westteils, zudem waren die Häuser größer, mehr europäisch angelegt. Es gab sogar ein, zwei Hochhäuser in der Ferne, während die Peripherie wieder mehr afrikanisch und... Provisorisch anmutete. Eine Kernstadt und ihre Slums. Wobei sich die Natur den Großteil der Slums wiedergeholt hatte. Vermutlich war Keounda City noch um etliches größer gewesen, vor dem Konflikt mit der Zentralregierung. Oder hatte es weniger Slums als in anderen afrikanischen Metropolen gegeben? Schwer zu glauben, doch Keounda City war das Drehkreuz für den Handel Ndongos nach Osten gewesen und hatte über eine gut ausgebaute Nord-Süd-Straße verfügt. Auf jeden Fall war aber immer noch genügend Stadt übrig. Mehr als genügend, und sie waren noch immer nur ein paar Platoons. Sseine Leute von der Mine brachten es selbst mit der Verstärkung durch Assangers Leute gerade mal auf eine Stärke, die einem Ranger-Platoon entsprach. Wenn überhaupt brachten sie hier zwei unterzählige Kompanien auf die Waage, während der Riki noch über wie viele Speere verfügte? Eintausend? Zweitausend? Und alle trugen AK47, einige Handgranaten und RPG-7.
Na, wenigstens hatten sie nach der Vernichtung des zweiten russischen Panzers die nicht gelinde Hoffnung, auf keine weiteren Überraschungen zu treffen. Der Deutsche war sich sicher, hätte der Riki über Mörser oder gar Haubitzen verfügt, wären sie längst eingesetzt worden. Und was war mit Maschinengewehren? Die russischen Modelle waren ebenso leicht zu bekommen wie die AK47. Ihr Fehlen machte ihn reichlich nervös. Vielleicht lag es am Verschluss. Axel erinnerte sich an seine Grundausbildung und das Zerlegen der G3 in seine Baugruppen als Teil seiner Ausbildung. Er erinnerte sich auch daran, mit dem MG3 geschossen und es zerlegt zu haben; der Verschluss war komplexer als die anderen Komponenten und ohne eine genaue Einführung war die oftmals notwendige Zerlegung und Zusammensetzung ein Garant für Ladehemmungen. Zum Glück nichts Schlimmeres.
Wenn die russischen Modelle den deutschen auch nur etwas ähnlich waren, dann gab es vielleicht keine MG's, weil die Verschlüsse hinüber waren. Oder, ein anderer Gedanken, der Riki wollte keinem seiner Männer so viel Macht überlassen, die ein MG repräsentierte. Eventuell seinen Leibwächtern, was ein Zeichen dafür war, dass sie ihm noch nicht nahe gekommen waren - falls seine Theorie stimmte. Andererseits hatte der Riki seine Speere in die Panzer und den Panzerwagen gesteckt und sie nahezu selbstständig gegen die Eindringlinge kämpfen lassen. Das erforderte Einweisung und Training. Wenn das für die Panzer gewährleistet worden war, Axel erinnerte sich, dass der Riki früher Milizoffizier gewesen war, warum nicht auch für MG's? Und was war mit Mörsern? Anti-Personen-Minen? Anderen Schweinereien wie zum Beispiel Sprengfallen, die sich die Menschen im Lauf der Zeit hatten einfallen lassen, um einander umzubringen? Oder ein paar schöne handelsübliche Fallgruben, gespickt mit angespitzten Hölzern und bestrichen mit Kot, damit wenn die Pflöcke einen nicht töteten, es die Blutvergiftung schaffte?
Nein, Minen und Fallgruben schloss Axel kategorisch aus. Es gab zu viele Speere, die sich zu lange sicher gefühlt hatten, als dass sich der Riki derart abgesichert hätte. Und in diese Fallen wären immer wieder seine eigenen Leute gestürzt. Zumindest die, die auf Omonek waren. Das konnte nicht im Sinne des Riki gewesen sein.

"Bitte vorsichtig, Ma'am", klang hinter ihnen die Stimme von Private Leonid Kosetzki auf. Diese ungewöhnlichen Worte brachten mehrere der am Boden in Stellung liegenden Ranger dazu, nach hinten zu schauen. Zumindest, bis Morelli mit einem gezischten Befehl dafür gesorgt hatte, dass die Männer und Frauen wieder nach vorne sahen, in Richtung Feind. Der baute in achthundert Metern Entfernung an Barrikaden, während die Ranger nur langsam voran kamen, weil nicht nur mehr Straßen zu decken, sondern auch mehr Häuser zu durchsuchen waren. Eines dieser Häuser war von Corporal Richfield und seiner Gruppe in Angriff genommen worden. Dem Aussehen nach ein ehemaliges, dreistöckiges Hotel, dessen Flachdach augenblicklich von Leod und Polonski, dem erfolgreichen Scharfschützenteam, in Beschlag genommen worden war. Leichtsinnigerweise, bevor das Team Richfield mit der Durchsuchung fertig gewesen war.
Nun, Axel durfte sich umdrehen. Er durfte sogar aus der Feuerlinie ausbrechen, nach hinten robben und sich im Schutz der nächsten Hauswand aufrichten, während die Ranger die Lücke von selbst schlossen.
Zugegeben, Axel hatte den Anblick erwartet, der sich ihm nur bot. Richtig vorbereitet war er dennoch nicht. Kosetzki führte eine schwangere Frau aus dem Hauseingang, dabei vorsichtig darauf bedacht, dass die reichlich wacklige Dame nicht stürzte. "Sani!", rief er, nachdem er die Schwarzafrikanerin auf einem Trümmerstück als Bankersatz abgesetzt hatte.
"Private, wen bitte haben wir hier?", hörte Axel Scott sagen, der ebenfalls hinzu getreten war.
"Sir, wir zählen noch, aber augenscheinlich diente dieses Haus als, nun, Vergnügungseinrichtung für die höhergestellten Speere des Riki."
Als der Name des Anführers fiel, ließ die schwangere Frau einen Laut des Entsetzens hören.
"Einige der Frauen stellten sich nicht ganz freiwillig zur Verfügung. Mrs. Loutanga hier zum Beispiel. Nach ihren eigenen Worten war sie seit Beginn der Schwangerschaft an ihr Bett gekettet, mit nicht mehr Spielraum als bis zur kleinen Zimmertoilette. Augenscheinlich mag der Riki den Sex mit schwangeren Frauen, Sir, und Mrs. Loutanga gehörte zu seinen privilegierten Opfern."
"Spricht sie eine Sprache, die wir verstehen? Und wie viele Frauen sind noch im Gebäude?", fragte Axel.
"Sie spricht Französisch. Davon beherrsche ich etwas. Und es sind etwa zwanzig, Herr Direktor. Davon sind elf oder zwölf freiwillig hier. Ein Drittel ist schwanger."
"Wie, freiwillig?", fragte Scott verblüfft. "Also, das müssen Sie mir erklären."
"Keine Ahnung, wie es geht, aber über die Hälfte der Frauen hat uns angegriffen, verflucht und mit Gegenständen beworfen. Sie haben uns mit dem Ri... Mit dem Riesenarschloch gedroht", sagte er, den Namen des Anführers vermeidend, bevor Mrs. Loutanga ein drittes Mal zusammenzuckte. "Anscheinend mögen diese Frauen ihr Leben. Sie sind relativ privilegiert, wie es scheint."
"Und die Dame hier ist eine von denen, die definitiv nicht freiwillig hier sind", stellte Axel fest.
"So waren ihre Worte. Sie ist während einer Schiffsenterung in die Hände der Irren hier gefallen, und ihre Familie konnte sie trotz aller Bemühungen nicht freikaufen. Das ist jetzt fast ein Jahr her. Andere Frauen haben ähnliche Schicksale erlitten. Nur einige haben sich arrangiert oder waren von vorne herein Teil des Systems." Kosetzki rieb sich die Stirn. "So stelle ich mir Nordkoreanerinnen vor. Oder die Frauen der Roten Khmer."
"Unser guter Leonid ist ein wandelndes Militärlexikon", sagte Scott zu Axel. "Besonders Ostasien ist sein Steckenpferd. Vom ersten chinesischen Kaiser bis zum heutigen Tage."
"Hier bin ich", sagte Osloski, einer der Sanitäter, atemlos. "Was gibt es... Oha."
"Nicht für sie. Jedenfalls noch nicht. Aber drinnen sind ein paar verletzt", erklärte Kosetski und deutete mit dem linken Daumen auf den Eingang. "Die Damen waren extrem rabiat, bis wir sie ruhig gestellt haben."
"Wie viele dieser Häuser es wohl gibt?", sinnierte Axel. "Ein zweites? Ein halbes Dutzend? Ein ganzes Dutzend? Und wie viele Frauen leben darin, die so sind wie die Frauen hier?"
"Axel, hat Ihnen nie jemand geraten, den Teufel nicht an die Wand zu malen?", murrte Scott.
"Ich versuche nur, eine realistische Einschätzung vorzunehmen. Auf jeden Fall sollten wir die anderen Suchtrupps vorwarnen."
"Gute Idee. Scott an alle", sagte der Captain, eine Hand am Funk. "Wir haben hier ein Haus gefunden, in dem die hiesigen Frauen zum Vergnügen der höherrangigen Männer untergebracht sind. Vorsicht, etwa zwei Drittel der Frauen hier waren über das Ende ihrer Lebensumstände nicht erfreut und haben unsere Leute verletzt. Lasst euch nicht einlullen, nur weil es Frauen sind."
"Bestätigt!" "Copy!" "Ja, Sir!"
"Und das sagt ausgerechnet ein Ranger, der es ohnehin besser wissen muss", sagte Axel mit einem flüchtigen Grinsen.
Scott erwiderte das Grinsen. Im Anbetracht so tüchtiger Frauen wie Sergeant Eleonore Ryback in den eigenen Reihen war die Warnung tatsächlich beinahe überflüssig gewesen. Wenn diese Ranger nicht wussten, wie gefährlich Frauen sein konnten, wer dann?
"Und was machen wir jetzt mit den Grazien?", fragte Axel, nicht ohne Spott in der Stimme. "Wir können sie kaum dem Ri... Diesem Bastard, der sich meinen besten Freund um den Hals hängen wollte, zurückgeben."
"Zuerst einmal werden wir die, die sich als Opfer sehen, evakuieren. Raus zu Abesimi, Ihrem Kumpel", sagte Scott. "Wobei ich ziemlich froh wäre, wenn seine Speere endlich wieder eintreffen würden, um uns zu verstärken. Es konnte wohl niemand damit rechnen, dass wir die andere Flussseite auch noch erobern würden. Was die anderen Frauen angeht, so werden sie vorerst als Guerilla verhaftet und auch so behandelt. Diejenigen von ihnen, die schwanger sind, bekommen natürlich eine bessere Behandlung, werden aber immer noch als Kombattanten gesehen. Richten Sie das Corporal Richfield aus. Ich nehme an, die renitenten Damen sind bisher mit Kabelbindern gefesselt worden?"
"Richtig, Sir."
Axel runzelte die Stirn. "Sehen Sie zu, dass niemand Sie dabei beobachtet, wenn Sie die Frauen wegbringen. Also niemand von den Gegnern. Ich würde es ungern sehen, wenn jemand auf sie schießen würde."
"Meinen Sie nicht, wenn es Scharfschützen gäbe, hätten die schon auf den Cap geschossen?", fragte der Ranger mit polnischen Vorfahren skeptisch.
"Ich meine, dass wir das Frauenhaus erobern konnten, ohne das es evakuiert wurde. Und ich meine auch, dass wir unmöglich jedes passende Versteck für einen Mann mit einem Gewehr gefunden und geprüft haben. Möglich, dass sie keine Zeit hatten, die Frauen fort zu bringen. Aber möglich, dass sie vorgesorgt haben, dass auch wir sie nicht fortbringen können. Also tun Sie einfach, was ich sage und passen Sie auf, dass die Frauen nicht in Gefahr geraten. In mehr als sie ohnehin schon schweben."
"Ja, Sir", sagte der Private. "Ich richte es Corporal Richfield aus."
"Was uns gleich zum zweiten Problem bringt", sagte Axel in Richtung von Scott.
"Und das wäre?"
"Kinder. Sie sind seit zwanzig Jahren hier, sie haben Frauen und ein Drittel der bisher gefundenen Frauen sind schwanger. Einige der Kinder werden mittlerweile erwachsen sein. Teufel auch, ein paar der halbwüchsigen Kerle, die wir erschossen haben, können hier geboren sein und nichts anderes kennen als dieses Leben. Haben Ihre Leute Erfahrung mit Kindersoldaten, Jason?"
"Ich wüsste nicht, dass jemals einer von ihnen auf ein Kind geschossen hätte. Auf die Halbwüchsigen von fünfzehn, sechzehn Jahren aufwärts schon. Aber auf richtige Kinder, auch wenn sie ein Gewehr tragen und benutzen?" Scott schüttelte den Kopf. "Wir haben in den Kämpfen keine kleinen Jungs gesehen, Axel. Wir können wohl davon ausgehen, dass sie keine unter Waffen haben."
"Das wäre schön, aber so bequem können wir es uns nicht machen. Im Gegenteil: Wenn wir keine gesehen haben, heißt das nur, dass sie nur noch nicht eingesetzt wurden. Viele können es ohnehin nicht sein. Vielleicht hundert, vielleicht mehr. Aber wenn Ihre Leute Hemmungen haben, auf sie zu schießen, gibt das viele Tote auf unserer Seite."
Scott wurde bleich. "Marines 1 von Ranger 1."
"Marines 1 hier. Was kann ich für Sie tun, Ranger 1?"
"Major Michael, haben Ihre Leute schon mal auf Kindersoldaten geschossen?"
"Kindersoldaten?", fragte der Marine verblüfft.
"Kindersoldaten. Wenn nicht, sollten Sie anfangen, Ihre Leute daran zu gewöhnen, denn wir fürchten, dass diese Irren ihre eigenen Kinder an der Waffe gedrillt haben."
"Das klingt überhaupt nicht gut, Captain", sagte Michael mit stockender Stimme.
"Es ist auch nicht gut. Machen Sie sich und Ihren Leuten klar, dass Sie da kleine, tödliche Kampfmaschinen vor sich haben, keine kleinen Kinder."
"Ich schätze, Sie haben Recht, Ranger eins. Auch wenn es schwerfällt. Und auf den Untersuchungsausschuss bin ich gespannt."
"Gut so, Marines 1. Halten Sie derweil die Positionen. Wir erwarten noch Leute Abesimis zurück, die unsere Reihen wieder verstärken. Scheint so, als hätten wir sie zu früh fortgeschickt."
"Ja, scheint so. Marines 1 Ende und aus."
Scott wechselte auf die Ranger-Frequenz. "Ranger 1 an alle Einheiten. Wir vermuten Kindersoldaten in der Region, die bisher einfach noch nicht eingesetzt worden sind. Wenn sie auf euch schießen, keine falsche Zurückhaltung. Ihre Kugeln sind nicht weniger echt als unsere, und vermutlich sind sie brandgefährlich..." Der Ranger stutzte und sah irritiert geradeaus. "Ranger 1 Ende."
Er sah zu Axel herüber. "Ist das nicht einer der Jungen, den Sie adoptiert haben, quasi? Wie war sein Name? Charles?"
Axel folgte dem ausgestreckten Zeigefinger und fand tatsächlich Charles mit seinem viel zu großen Helm in einer Seitenstraße stehen. Eigentlich sollte der Junge Wasserträger und Kaffeebringer spielen. Stattdessen verabreichte er einem anderen Jungen die Tracht Prügel seines Lebens. "Oh-oh."
"Jungs schlagen sich schon mal um was, klar. Aber worum immer sie kämpfen, das ist nicht... Alex?"
Der ältere Herwig-Bruder war bereits losgesprintet, bevor Scott den zweiten Satz begonnen hatte. Das, worum die Jungen rangen, während Charles auf ihn einprügelte, war nichts Geringeres als eine Pistole, die augenscheinlich geladen und entsichert war. "SCHAUEN SIE SICH DEN JUNGEN AN!", blaffte Axel, während er Charles zu Hilfe eilte.
"Heilige Schei...", begann Scott, zog seine Seitenwaffe und lief ebenfalls los. Der Bengel, mit dem Charles rang, war bis auf eine reichlich zerfetzte kurze Jeans nackt und der Oberkörper mit weißen Symbolen bemalt. Kurz bevor Axel die beiden erreichen konnten, gelang es Charles, dem anderen Jungen die Waffe zu entwinden. Ein Schlag Charles' gegen sein Kinn ließ ihn vorerst zusammenbrechen.
Axel schätzte den anderen auf dreizehn oder vierzehn. Als er die beiden erreichte, nahm er Charles vorsichtig die Pistole ab. "Gute Arbeit, mein Junge. Sehr gute Arbeit. Hey, bringt mal Kabelbinder her!"
Scott, der die beiden ebenfalls erreichte, klopfte seine Taschen ab und zog einen dünnen Plastikstreifen hervor. Rabiat drehten sie den Jungen auf den Rücken und banden ihm die Hände zusammen.
Charles nickte mit grimmiger Zufriedenheit, als er das sah. "Der Scheißer hat da hinter der Pappe gehockt. Hat mich gar nicht kommen gesehen. Er hat auf die schwangere Frau gezielt und da habe ich mich gegen die Pappe geworfen. Und dann habe ich ihn verprügelt, bis er die Waffe losgelassen hat."
Axel fuhr dem Jungen durchs Haar. "Wirklich, Charles, sehr gut gemacht. Vor allem, weil du es nicht mit einer Waffe geklärt hast."
"Das hätte ich ja auch gar nicht gekonnt", dozierte er zufrieden.
"Weil du keine hast?"
"Weil ich kein Soldat mehr bin", korrigierte er. "Ich brauche vielleicht nicht mehr zu töten, aber ich darf die Bösen doch verkloppen, oder?"
"Solange du dich nicht übernimmst", sagte Axel. Er sah zu Scott herüber. "Wissen Sie was? Mittlerweile glaube ich, ich bin verflucht. Oder sogar wir beide. Immer, wenn wir über eine mögliche Strategie des Riki reden, geschieht sie im nächsten Augenblick auch."
"Das hängt zum Teil daran, dass die dazugehörigen Fakten meistens auch Verspätung haben", erwiderte Scott. Er nahm die Waffe entgegen. "Eine Makarov PM, wie es scheint. Russenwaffen gibt es hier augenscheinlich reichlich." Er bückte sich und riss den Jungen auf die Beine. "Hoch mit dir, du Lausebengel! Und, was machen wir jetzt mit ihm?"
"Wir stecken ihn zu den gefangenen Frauen, nehme ich an und entscheiden später darüber, was wir mit ihm anstellen", sagte Axel. "Und wir sollten dringend die nähere Umgebung nach weiteren Verstecken dieser Art absuchen. Und die Frauen schnellstmöglich auf unsere Seite des Lagabandas schaffen."
"Dem stimme ich zu. Wann kommen die Speere und wann können wir richtig zuschlagen?"
"Bis sie zahlreich genug sind, um uns zu helfen? Mittag. Dann sollten wir allen Leuten eine Mahlzeit gönnen. Danach können wir die Stadt mit ein wenig Glück bis zum Abend geräumt haben." Axel stöhnte unterdrückt. "Das bedeutet noch fast vier Stunden. Wir hätten die Speere doch mit den Transporthubschraubern herholen sollen."
"Sie sind nicht trainiert. Ihre Trupps auseinander zu reißen hätte nur ihre Befehlsstruktur verwirrt. Und trotz der Situation beherrschen wir die Lage", entgegnete Scott. "Es war in jedem Fall besser, die Transportkapazitäten dafür zu benutzen, um unsere Leute ranzuholen und ansonsten den Sprit zu sparen. Es wäre nicht klug, unseren stärksten Waffen die Mobilität zu rauben."
"Apropos stärkste Waffen. Ihre Ranger sollten mittlerweile die Mörser vorne an der Front und aufgebaut haben."
Scott grinste kalt. "Nicht nur sollten. Werden. Das gibt noch eine unangenehme Überraschung für den Riki."
"Wollen wir es hoffen", murmelte Axel. "Und hoffen wir, dass er mit seinen restlichen RPG-7 sehr geizig sein wird."
"Was habe ich Ihnen gerade erst über den Teufel und die Wand gesagt, Axel?", lachte Scott. Der Ranger verstaute die erbeutete Waffe in seinem Gürtel, hielt den fremden Jungen mit links und bediente mit rechts das Funkgerät. "Ranger 1 an alle: Update, die Kindersoldaten betreffend. Charles hat gerade einen gefangen, der sich seine geringe Größe zunutze gemacht hat, um sich in einem Versteck zu verbergen, das für einen ausgewachsenen Mann zu klein war. Er hatte eine Pistole bei sich, also vorsichtig. Austin, Morelli, stellen Sie Leute ab, die schnell, aber nicht hastig die Straßen hinter uns durchsuchen. Und wenn Ihren Leuten in den Häusern Orte wieder einfallen, die ähnlich genutzt werden können und die sie nicht durchsucht haben, wäre jetzt die Gelegenheit dafür."
"Jawohl, Sir!" "Wird gemacht, Sir!"
Scott atmete auf, stieß den Jungen vor sich her und ging mit Charles und Axel zurück. "Ich schätze, es ist dann bald Zeit, was?"
"Zeit wofür?", fragte Axel.
"Zeit dafür, dass der Teufel uns für unser unglaubliches Glück die Rechnung präsentiert und hier irgendwas böse den Bach runtergeht."
Axel schüttelte den Koch. "Der Teufel hat Vorkasse gemacht. Oder haben Sie schon die ndongoische Luftwaffe und den Napalm-Angriff vergessen?"
Scott schwieg verblüfft, bevor er leise lachte. "Eventuell war das nur der Vorschuss. Und die Abschlussrechnung sieht höher aus."
"Sehen Sie die Rauchfahne da hinten, Jason? Das war mal ein brandneuer Osprey, der mit einem Glücksschuß vom Himmel geholt wurde. Wieviel höher soll die Abschlussrechnung denn sein, um das zu übersteigen?"
"Vielleicht haben Sie Recht, Axel. Ich hoffe es sehr."
Beide wandten die Köpfe, als zwei Jäger hinter ihnen am Himmel vorbeizogen. Ihnen folgte, leiser, in einem gemütlichen Abstand, ein Transportflugzeug. Dem wiederum folgten zwei weitere Jäger.
Die Untersuchungskommission war auf dem Weg.
Und sie hatten nur zwei Möglichkeiten: Mit wenigen Leuten vorzustürmen, um die Initiative nicht zu verlieren, oder die Positionen zu konsolidieren, den nächsten Schlag vorzubereiten und auf die Verstärkungen durch Ldunga zu warten. Scott hatte sich nach dem sehr anstrengenden gestrigen Tag für Letzteres entschieden. Also noch vier bis fünf Stunden, bevor es losging. Und der Gegner konnte nichts anderes tun als angreifen oder fliehen. Jede Umgehungsbewegung würden die Hubschrauber unterbinden. Hoffentlich.
***
Es war eigentlich nicht Herrn Worms Art, aufgeregt zu sein oder übertrieben zu reagieren. Das überließ er gerne Jüngeren. Wobei es niemanden im ganzen Camp gab, der Herrn Worms älter als vierzig geschätzt hätte, nebenbei bemerkt. Tatsächlich war er aber schon weit über sechzig, und mehr als vierzig dieser Jahre hatte er als Hausdiener der Familie Herryhaus verbracht. Egal ob im Dschungel von Burma, in den Zinnminen Malaysias, im Millionenmoloch Shanghai, im bitterkalten winterlichen Moskau oder im Sumpfgelände Washingtons: Herr Worms wahrte seine Contenance. Nun aber verließ er den Bürocontainer mit allen Anzeichen kindlicher Aufregung. "Sie tun es!", rief er den Wartenden zu. Die Gruppe, die hier stand, dienstfreie Minenbeschäftigte und US Army Ranger, sahen seit einiger Zeit gen Himmel, wo seit zehn Minuten eine McDonnell Douglas C17, ehrfurchtsvoll Globemaster genannt, wie nur zwei ihrer Vorgängermodelle, ihre Kreise zog. Das von den US-Streitkräften bevorzugte Langsteckentransportflugzeug brachte die Army Ranger-Offiziere der Untersuchungskommission, eine Abteilung der CID-Untersuchungsbehörde und eine weitere Kompanie der Ranger. Nun, keine ganze Kompanie, aber doch so viele, wie zusätzlich zu Offizieren und CID hineingepasst hatten, also zwei volle Platoons und ein paar Fireteams, die von Captain Irene Sinclair geführt wurden.
Aufgeregtes Raunen antwortete dem Mann. Die C17 Globemaster war eigentlich dafür bekannt, dass sie auch von provisorischen Pisten starten und landen konnte. Tatsächlich war diese Fähigkeit wichtige Bedingung bei der Ausschreibung gewesen. Aber es war eine Sache, das zu hören und eine vollkommen andere Sache, dabei zu sein. Zumal die Piloten der Maschine die Dschungelpiste der Deutschen erst einmal ausgiebig beäugt hatten, um einschätzen zu können, ob eine Landung überhaupt möglich war.
"So, tun sie das?", fragte Oberleutnant Kram.
"Keine Sorge, keine Sorge", sagte Pat Garaldi, Chef des 1. Platoons, "die Globemaster hat schon Wüstenpisten bewältigt, die kürzer waren als Ihre. Sie haben hier zwar die wertvollste Landebahn aller Zeiten, aber das ist auch schon das einzige Problem. Abgesehen davon natürlich, dass Leutnant Hähnisch fluchen wird wie ein Rohrspatz, wenn sie die Piste wieder verdichten muss. Aber sehen Sie es doch mal positiv. Wenn die Globemaster die Oberflächenverdichtung wieder aufreißt, haben Ihre Leute die Chance, doch noch ein paar Diamanten zu entdecken."
Damit spielte Lieutenant Garaldi natürlich darauf an, dass die zehn Meter breite und eins Komma drei Kilometer lange Piste aus dem Abraum der vergeblichen Goldsuche gestampft worden war. Und im Abraum wurden noch etliche kleine und Kleinstdiamanten vermutet.
"Auf jeden Fall sollten wir das Profil der Reifen checken. Wäre nicht das erste Mal", sagte Kram und nickte dabei Anna Tiering von der Stabsgruppe zu.
"Ich werde mich drum kümmern, Sp... Herr Oberleutnant", sagte sie lächelnd. Noch immer wollte die gewohnte Bezeichnung Spieß für Kram allzu leicht über ihre Lippen kommen.
"Danke. Na dann, Herrschaften, sollten wir uns einen guten Logenplatz suchen." Kram sah zu seinem Gegenstück herüber, Sergeant Major Hoekamps. "Die Globemaster schafft wie viele Tonnen Zuladung, Joe?"
Der Army Ranger zog nachdenklich eine Augenbraue hoch. "Ich weiß es nicht genau, Andy, aber es müssen so um die siebzig Tonnen sein. Laut Hersteller. Eine der Rahmenbedingungen war, wenn ich es noch richtig im Kopf habe, dass der Transporter in der Lage sein muss, einen Abrams zu verlegen."
"Einen Abrams?" Krams Augen schienen zu leuchten. "Pat, wenn die Piste hält - wie verhandlungsbereit ist Ihr General? Es kann doch nicht sein, dass der Vogel hier solange unnütz herumsteht, während die Ranger und das CID tagelang mit Untersuchungen in Keounda City beschäftigt sind."
"Weiß nicht. Fragen Sie ihn doch einfach mal, Andy."
"Ein guter Vorschlag. Wir werden wissen, wie er tickt, wenn er erfährt, dass Hector mit der 2. ebenfalls zur Mine rausgeflogen ist", sinnte Kram.
"Und mal sehen, was er davon hält, wenn wir ihm vorschlagen, auf den zweiten Flug zu warten und erst mal die Kampftruppen zu verlegen und danach erst die Untersuchungskommission und das CID." Joseph Hoekamps grinste verschmitzt.
"Es wird in jedem Fall interessant", sagte der Second Lieutenant mit einem schmalen Lächeln.
"Ja, das wird uns alles viel über General Shatterfield sagen. Und da kommt die Maschine im Landeanflug", sagte Kram.

Tatsächlich zog die Globemaster zuerst über die Bäume heran, dann über jenes Stück, wo sie den Wald mit Sprengdraht gerodet hatten, und schließlich über die ersten einhundert Meter der Landebahn, die von den Pionieren wohlweislich so lang errichtet worden war, wie möglich gewesen war. Sie setzte auf, brach kurz wieder ab, wurde erneut runtergedrückt und bekam den Hintern auf den Boden. Als die Globetrotter dementsprechend Grip hatte, senkte sich auch die Nase des Vogels mit dem vorderen Fahrwerk, bis es den Boden berührte. Der Pilot gab negativen Schub, um die Maschine zu verlangsamen. Keine zweihundert Meter von den Schaulustigen entfernt rollte das US-Flugzeug aus.
"Na, dann wollen wir mal", sagte Kram und rieb sich freudig die Hände. "Steht für den Empfang alles bereit, Herr Worms?"
Der Hausdiener der Herryhaus deutete auf einen Tisch, an dem uniformierte Leute der Küchencrew unter einem Zeltdach standen, die das mit Glocken abgedeckte Essen bewachten und die Getränke kühlten. Dann deutete er noch weiter hinter sich, wo zwei der drei Transporthubschrauber der Belongo Mining auf Arbeit warteten.
"Sehr gut. Dann auf in die Schlacht."

Als sich die Heckklappe öffnete, salutierten die Offiziere und Mannschaften. Der Erste, der den Vogel verließ, war der mit dem goldenen Stern auf der Schulter: General Shatterfield. Ihm dichtauf folgten ein Major und ein Captain der Army Ranger sowie eine Frau in Army-Uniform im Range eines Captains mit einem auffälligen Abzeichen auf der Brust: Die Chefin der Ermittlungsabteilung des CID.
Kram als Hausherr empfing die Offiziere, während zeitgleich Lieutenants und Sergeants ihre Leute die Rampe hinabjagten.
"Willkommen in Belongo, General, Major, Captain, Captain. Ich bin Oberleutnant Kram, der ranghöchste anwesende Offizier des Sicherheitsteams der Belongo Mining. Dies sind..."
Shatterfield, der sich auf einen Spazierstock stützte, unterbrach ihn. "Mein Sohn, ich weiß zu schätzen, dass du deiner Arbeit so gewissenhaft nachgehst. Aber ich bin auch hier, um Arbeit zu verrichten. Derzeit werden in Keounda City ein ganzer Haufen meiner Ranger und eine große Zahl tapferer Marines beschossen und ich sehe da ein paar wunderbare Transporthubschrauber, die wohl eines meiner Platoons sofort rüberschaffen können, wenn du sie anwerfen lässt."
"Ähemm!", kam es vom weiblichen Ranger-Captain.
"Gut, gut, es ist ihr Platoon. Also, wie sieht es aus, Oberleutnant Kram? Ihr könnt uns dann mit dem dritten Flug rüberbringen."
Auf dem Gesicht des ehemaligen Spieß erschien ein breites Grinsen. "Ich liebe Pragmatiker." Er wandte sich nach hinten. "Bereitmachen für einen Flug zur Landezone nördlich von Keounda City!"
Als hätten die Piloten ihn tatsächlich gehört, begannen die Rotoren der zwei Mi-8MT zu laufen.
Der General strahlte Kram geradezu an. "Ich sehe, wir verstehen uns, mein Sohn. Prächtiger Soldat. Ich nehme an, an Rangers ist auch bereits alles runtergeflogen worden, was das Lager entbehren kann?"
"Selbstverständlich. Ihr Flugkorps war dabei eine große Hilfe", erwiderte Kram. Im Hintergrund erteilte der weibliche Ranger-Captain Befehle und die Hälfte der Leute nahm die Ausrüstung auf und eilte zu den bereitstehenden Maschinen.
"Außerdem treffen bald die beiden Osprey ein, die nicht abgeschossen wurden, um weitere Leute und Material ins Krisengebiet zu bringen. Eine Entscheidung von Major Michael, Sir."
"Ach, sogar die Marines denken mal mit? Ganz hervorragend. Aber wo sind meine Manieren? Dies hier ist Captain Eureka Frost vom CID. Die Lady, die gerade den großen Haufen Jungs und Mädchen herumscheucht, ist Captain Irene Sinclair. Der Major neben mir ist Constantine Dukakis. Wir bilden zusammen mit den forensischen Spezialisten die Untersuchungskommission, zumindest die vorläufige. Sollten wir die Notwendigkeit ersehen, dass eine größer angelegte Untersuchung notwendig sein sollte... Aber ich schweife ab. Kann es sein, dass die ganzen netten Erfrischungen da für uns gedacht sind, mein Sohn?"
Kram grinste noch immer. "Selbstverständlich, General. Wir haben genug für Sie alle vorbereitet."
Der General lachte. "Das ist also der Unterschied zwischen der Army und einem privaten Sicherheitsdienst. Wer weiß, vielleicht werde ich schwach auf meine alten Tage und wechsle auch in die Privatwirtschaft. Werden Sie gut bezahlt, mein Sohn?"
Kram dachte kurz an die neueste Zahl, die heute Abend verkündet werden sollte und die einen einzelnen Anteil bei knappen zweihundertelftausend Euro festlegte. "Kann mich nicht beklagen, Sir." Er deutete neben sich. "Second Lieutenant Patterson Garaldi, Sir, 1. Platoon. Second Lieutenant Jebediah Hector ist mit seinen Leuten vom 2. Platoon rausgeflogen. Leutnant Irene Hähnisch, meine Stellvertreterin und derzeitige Nummer zwei auf dem Gelände. Herr Bernd Assay, derzeit Chef des Stabes und Doktor Eligy Krauss, derzeit die ranghöchste Ärztin im HQ. Dann haben wir noch Herrn Leon Mutala, den Vorarbeiter unserer Mitarbeiter, sowie Herrn Worms, den Chef der Küche."
Der alte Haudegen drückte jedem fest die Hand. Und bei jedem bedankte er sich dafür, dass sie mitgeholfen hatten, die amerikanischen Ärzte zu retten. Und dass ihre Kameraden Seite an Seite mit seinen Leuten kämpften. Auch die anderen Offiziere verhielten sich so herzlich. Selbst dem Schwarzafrikaner Leon gegenüber, was Kram so nicht erwartet hatte. Immerhin war er "nur" Vorarbeiter.
"Aber genug geredet. Gehen wir was essen, bis wir Sie auch da rausschaffen können. Selbstverständlich stehen Ihnen sämtliche Annehmlichkeiten des Camps zur Verfügung. Darunter das Duschzelt."
Beim Wort Duschzelt leuchteten einige Augen auf.
"General, ich melde mich ab. Fliege mit den ersten Jungs und Mädels da raus", sagte Captain Sinclair und salutierte vor dem Vorgesetzten. "Das schwere Gerät bitte ich Sie mitzubringen, Sir. Ich will erst mal so viele Hände wie möglich da vorne haben, die eine Waffe halten können. Außerdem bitte ich Sie, vorerst beim Brückenkopf von Herrn Abesimi zu bleiben, bis ich den Schutz der Untersuchungskommission garantieren kann."
Shatterfield salutierte zurück. "Nur zu, nur zu, Irene. Werde schon machen, was Sie wollen. Aber kein Streit mit Scott ums Kommando, haben Sie gehört? Er war der erste, der vor Ort war und er hat das größte taktische Wissen über die Situation."
Sinclair errötete leicht wie ein ertapptes Schulmädchen. "Ja, Sir. Verstanden, Sir."
"Na, dann ab mit Ihnen."
Sie salutierte erneut und wandte sich um. Mit sehr schnellen Schritten, die man nur mit Wohlwollen nicht als offizierunwürdiges Laufen bezeichnen konnte, hielt sie auf die Hubschrauber zu, die ihr 1. Platoon aufnahmen.
Kram grinste noch immer. Diese Leute gefielen ihm. "Hier geht's zum Buffet, General."
"Danke, mein Sohn. Aber verrate mir eins: Was machen deine Krauts an meiner Maschine?" Er deutete auf eine fünfköpfige Truppe, die einerseits die Reifenprofile untersuchte, andererseits die Rollspuren abging.
"Oh, die. Sie suchen Diamanten im Profil der Reifen."
Der Ältere wurde blass. "Ist es so verdammt leicht, hier...?"
"Nein, Sir. Es ist verdammt noch mal noch leichter, hier Diamanten zu finden. Und mit diesen Diamanten werden wir reich und bauen Belongo neu auf. Nicht unbedingt in dieser Reihenfolge."
Shatterfield lachte laut auf. "Irgendwie mag ich die First Belongo Diamond Mining Corporation. Habt Ihr Fan-T-Shirts und Aufkleber?"
"Ich lasse welche machen, Sir", sagte Bernd grinsend. "Welche Größe haben Sie, Sir?"
Der General lachte erneut auf. "XL passt mir gut, mein Junge."
"Ist notiert." Bernd zog sein Notizbuch, einen kleinen Tablet-PC, aktivierte ihn und begann mit ihm zu arbeiten.
"Hat er das etwa ernst gemeint?", fragte Shatterfield schließlich verblüfft.
"Wir alle arbeiten hier mit großem Ernst an einer großen Aufgabe. Wahrscheinlich lässt er Ihr T-Shirt jetzt gerade bedrucken. Morgen oder Übermorgen haben Sie es."
Skeptisch sah der General Bernd hinterher. "Wenn er das schafft", sagte er nachdenklich, "dann kenne ich zweihundert Versorgungsspezialisten, die ihn unbedingt mal reden hören sollten."
Kram unterdrückte ein Auflachen. Es war wohl wahr, dass die wirklich wichtigen Talente in Ausnahmesituationen zutage traten. So wie bei ihnen hier in Belongo.
***
Die ganbosche Marine verfügte über einige Schiffe. Alle waren sie Aufkäufe von ausgemusterten Kriegsschiffen, zum Beispiel der Amerikaner oder der Russen. Dominiert wurden sie von zwei Geschwadern Schnellbooten, die das Küstengebiet schützten und Jagd auf Schmuggler machten. Es gab fünf Korvetten in der Flotte, dazu einen alten Versorgungstender. Der Stolz der kleinen Flotte aber waren die beiden Fregatten der Oliver Hazard Perry-Klasse, die Ganbo zu einem mehr als akzeptablen Preis von den Amerikanern gekauft hatte: Die Président Harry Ganobo und die Admiral Pierre Kumumba, benannt nach dem Staatsgründer und dem ersten Admiral der ganboischen Marinegeschichte. Diese Schiffe sicherten vor allem die Dreißig Meilen-Zone und waren in der Lage, auch auf hoher See zu operieren. Eines dieser Schiffe, die Harry, wie man sie in der kleinen Navy oft liebevoll nannte, lag gerade im Trockendock und bekam das, was die Amerikaner einen Long Hull nannten. Damit sollte dem Schiff ermöglicht werden, auf der Heckplattform Hubschrauber über der Größe eines Sea Hawks starten und landen zu lassen. Bisher war sie wie ihre Schwester, die Pierre, eine Short Hull gewesen und deshalb am Heck eingeschränkt; die Umrüstung, von den USA teilfinanziert, würde dafür sorgen, dass die Harry auch bei offiziellen Anlässen eingesetzt werden konnte, zum Beispiel zum Empfang ausländischer Staatsoberhäupter.
Die Pierre jedoch lief innerhalb der Dreißig-Meilen-Zone Ganbos, ziemlich genau in der Mitte, in Höchstfahrt nach Süden, nachdem von der Admiralität der entsprechende Befehl erteilt worden war.
Capitaine Etiene Leluc war vom Befehl regelrecht elektrisiert. Nicht nur, dass sich eine Gelegenheit bot, den verhassten demokratischen Ndongoianern ordentlich einen überzubraten, der arroganten Bande, nein, sie erhielten auch die Gelegenheit, hochmoderne russische Waffensysteme in ihre Finger zu bekommen. Sicher, die Amerikaner, die ihnen den Tipp mit der illegalen Waffenlieferung sowie den vermutlichen Kurs des ndongoianischen Frachters gegeben hatten, wollten die Sizzler selbst haben und hatten bereits ein verdammt gutes Angebot gemacht, das Ganbo eine dritten Perry einbringen konnte, eventuell sogar eine Long Hull, oder sogar einen Zerstörer. Aber wenn ein, zwei oder drei Container á vier Raketen fehlen würden, weil sie "über Bord" gegangen waren, würden sich die Amerikaner doch noch immer freuen, oder?
Leluc runzelte die Stirn. Es war halb zwölf Uhr Standardzeit. Nach ihren Informationen war der Frachter, die Karuma, in aller Eile um zehn Uhr aus Banana Port mit Kurs nach Norden ausgelaufen, um sich vor dem heraneilenden amerikanischen Trägerverband der Abraham Lincoln in Sicherheit zu bringen, indem er versuchte, die Gewässer des Kaiserreichs Ndongo zu erreichen, mit denen die USA weder eine Kooperation vereinbart hatten, noch mit ihnen im Zwist lagen. Ein kluger Schachzug des Kapitäns, wie Leluc fand. Leider scherten ihn Seegrenzen nicht besonders, vor allem nicht bei so einer fetten Prise. Und im Kaiserreich gab es nichts, was sein Schiff stoppen oder auch nur bremsen konnte. Und er tat gleichzeitig auch etwas für die Weltsicherheitslage, denn der diskrete Hinweis, dass die Raketen für Argentinien bestimmt waren, hatte vollkommen ausgereicht, um ihm klarzumachen was passierte, wenn die Raketen ankamen. Dann verlangten die Argentinier wieder einmal die Oberhoheit über die Malwinen, und die Tommies verteidigten erneut die Falkland-Inseln. Die waren zwar weit weg von hier, aber wenn er Geschichte schreiben, etwas verdienen, die Tommies dankbar machen und eventuell auch noch befördert werden konnte, und all das in einem einzigen großen Streich - warum nicht?
Ein wenig nervös erhob er sich, ging an den Kartentisch und überprüfte seine Berechnungen. Wenn die Karuma mit Höchstfahrt lief, und das auf dem Kurs, den er erwartete, würde entweder sein Schiff oder der detachierte Hubschrauber vom Typ Sea Hawk den Frachter bald sichten. Sie hatten mehr als neunzehn Seemeilen Sicht zu allen Seiten, was exakt der Erdkrümmung als natürlicher Grenze entsprach; selbst wenn sich der Frachter außerhalb der Dreißig Meilen-Zone vorbeischleichen wollte, würde der Hubschrauber ihn sehen.
Leluc war bereits tief ins Seegebiet des Kaiserreichs vorgedrungen, und die Kaiserlichen würden ihn nicht behelligen, ihm eher noch auf die Schulter klopfen, wenn er der Republik Ndongo schadete. Er erwartete die Sichtung der Karuma jetzt in jeder Sekunde. Entweder hier, oder weiter draußen auf hoher See jenseits der Dreißig Meilen-Zone. Er ließ von den Karten ab und setzte sich wieder auf seinen Platz.
"Anzeichen für die Karuma, Mr. Otamba?"
Sein Erster Offizier, Commander Jürgen Otamba, wandte sich halb zu ihm um, ein perlweißes Grinsen im schwarzen Gesicht. "Nein, Sir, aber ich kann sie riechen."
Leluc erwiderte das Grinsen seines Untergebenen. Der Mann hatte bei den Deutschen einen sechsmonatigen Kurs abgeschlossen, was ihn zu einem der fähigsten Seesoldaten Ganbos gemacht hatte. Und er hatte ein unglaubliches Talent dafür, Beute aufzuspüren. Es war wirklich fast so, als würde er sie riechen. "Sagen Sie Bescheid, wenn Sie niesen müssen, Jurgen." Er haspelte kurz, wie immer, wenn er den Vornamen seines Eins O nicht korrekt aussprach. Oh, diese Krauts und ihre verdammten Umlaute. Er räusperte sich. "Jürgen."
Otamba nickte ihm dankbar zu, dafür, dass er es im Gegensatz zu vielen anderen überhaupt versuchte.
"Wie werden die Sizzler wohl verladen sein, was meinen Sie, Jur... Jürgen?"
"Nun, wenn sie als Waffe eingesetzt werden, längs zur Fahrtrichtung. Aber das sollten wir relativ fix einsehen können. Sollten sie quer gelagert sein, können wir das Schiff frontal angehen und es zum Stoppen auffordern. Unsere Torpedos und unsere Hauptwaffe werden ein gutes Argument sein und das Schiff notfalls mit Gewalt daran hindern, uns die Breitseite und damit die Abschussrichtung der Sizzler zu zeigen. Kommt es frontal auf uns zu und hat die Container längs gelagert, sollten wir uns unter dem Horizont verstecken, bis es uns passiert und dann in der Flanke zustoßen. Dann kann die Bewaffnung erneut Überzeugungsarbeit leisten, damit das Schiff nicht dreht."
"Ein guter Plan, Eins O. Ich werde das im Logbuch erwähnen."
"Zuviel der Ehre, Skipper. Ich mache nur meinen Job."
Und seit er von den Krauts zurück war, machte er einen verdammt guten Job.
"Ortung!", klang ein Ruf hinter ihm auf.
Sofort stürzte der Eins O herbei. Auch der Skipper erhob sich langsam.
"Sieht so aus, als wäre es unser gesuchtes Schätzchen, Sir!", rief Otamba mit Erregung in der Stimme. "Und, wenn die Auflösung uns nicht in Stich lässt, trägt er die Containeröffnungen nach vorne."
"Klar Schiff zur Wende. Wir streben mit Höchstfahrt auf zweihundertsiebzig Grad von ihr fort, und verstecken uns hinter dem Horizont."
"Aye, Aye, Skipper. Klar Schiff zur Wende. Neuer Kurs: Zweihundertsiebzig Grad. Volle Fahrt", rief der Rudergänger. Kurz darauf begann die Pierre mit der Wende.

Zwanzig Minuten später hielten sie fast zwanzig Seemeilen Seitenabstand zur Karuma. Damit versteckten sie sich hinter der Erdkrümmung vor dem Frachter.
Der Eins O stand mit der Stoppuhr neben dem Kartentisch und zählte die Sekunden herunter, während er immer wieder anhand von letzten Kursdaten und Geschwindigkeitsmessung auf der Karte eintrug, wo sich die Karuma befinden musste. Zwar verfügte die Pierre über Luftabwehrraketen und eine Gatlingkanone zur Raketenabwehr, aber Leluc war nicht Capitaine geworden, weil er zu Leichtsinn neigte. "Wenn wir jetzt losfahren, zeigt sie uns ihre Breitseite, Sir."
"Gut, dann tun wir das doch mal. Kurs auf die Karuma, volle Fahrt. Und: Klar Schiff zum Gefecht."
"Aye aye, Sir, klar Schiff zum Gefecht!", rief der Eins O freudig.
"Alle Rohre laden, Eins O!"
"Jawohl, Skipper."
Die Alarmglocken schrillten durch das Schiff und riefen die Männer auf ihre Positionen, während die Fregatte wieder auf Höchstfahrt ging.
"Sobald sie in Sichtweite kommt, Depesche an die Karuma: Wir verlangen sofortigen vollen Stop, oder wir eröffnen das Feuer mit unseren Torpedos. Wir schicken eine Entermannschaft an Bord. Depesche Ende."
"Verstanden, Skipper", sagte der Signaloffizier. Olengo, Leutenient. Guter Mann, der es weit bringen würde.
Leluc räusperte sich. "Sicherheitshalber eröffnen wir das Feuer, wenn sie zickt. Ich schicke die Fracht lieber auf den Meeresboden, als dass ich sie entwischen lasse."
"Eventuell erst mal ein Schuss vor den Bug mit der Kanone, Skipper?", fragte Otamba mit breitem Grinsen.
"Nun gut, EIN Schuss vor den Bug ist gestattet, solange sie nicht wendet und wir nahe genug herankommen", erwiderte er ebenfalls grinsend. "Immerhin ist die Karuma ein veralteter Frachter und kein Kriegsschiff."
"Schiff kommt in Sicht", meldete die Ortung.
"Depesche ist raus, Skipper", meldete der Funk.
"Gut. Reaktionen?"
"Nein, Skipper."
"Torpedos scharf und Karuma erfassen. Schuss vor den Bug mit der Kanone, sobald wir in Waffenreichweite sind. Was wann sein wird, Eins O?"
"Siebzehn Minuten, Skipper."
"Das klingt doch gut. Lasst sie nicht aus den Augen. Es sind Ndongoianer. Sobald sie irgendwelche Schweinereien planen wie zum Beispiel eine Wende, um uns ihre Front zu zeigen, will ich das sofort wissen." Kurz nur dachte Leluc daran, dass es nicht besonders viele Unterschiede zur vorherigen Situation, als die Karuma frontal auf ihn zugelaufen war. Nur bot die Breitseite des Schiffs natürlich ein besseres Ziel für seine zwei Drillingstorpedorohre. "Reaktionen?"
"Bewegungen an Deck, Sir", meldete die Ortung. "Sie..." Der diensthabende Lieutenant wurde blass. "Sie haben einen Container geöffnet, dessen Öffnung auf uns zeigt..."
Entsetzen durchfuhr Leluc. Hatte die Crew bei der Beladung des Frachters tatsächlich Container längs UND quer aufgeladen, genau für eine Situation wie diese?
"Hart Steuerbord!", rief er, seinem ersten Instinkt folgend, um das Gatling-Geschütz am Heck ins Spiel zu bringen. Besser wäre natürlich gewesen, die Torpedos zu feuern und den Bastard so oder so zu den Fischen zu schicken, aber noch glaubte Leluc an eine Chance, sein Schiff und seine Crew zu retten und den Frachter zu entern.
"Abschuss registriert", sagte der Lieutenant von der Ortung so ruhig, als hätte er Eis in den Adern. "Abschuss zwei. Abschuss drei. Abschuss vier. Vier Raketen, vermutlich Sizzler, sind auf dem Weg zu uns."
Lelucs Hände verkrampften sich. Er schwor sich, wenn sein Schiff diese Attacke überlebte, würde er die Pierre wieder wenden und den Bastard mit Torpedos eindecken, dass es für zwanzig Frachter reichte. Verdammt!
"Eins kommt heran. Raketenabwehr startet." Auf dem Deck fauchte es, als die erste Abwehrrakete vom Computer losgehetzt wurde. Sie jagte auf die vorderste Sizzler zu, die ihrerseits versuchte, die Abwehrrakete zu irritieren. Letztendlich nützte es nichts, und die erste Rakete, die jemals ein ganboisches Militärschiff als Ziel gehabt hatte, wurde abgeschossen.
"Eins O, melden Sie das mit den quer gelagerten Containern der Admiralität."
Jürgen Otamba wurde bleich, weil er genau wusste, was sein Skipper damit implizierte. "Jawohl, Capitaine."
Eine weitere Rakete wurde von der Pierre gestartet und raste dem Pulk der Raketen entgegen. Doch diesmal verfehlte sie. Die restlichen drei Sizzler der Karuma kamen unerbittlich näher.
"Wende abschlossen!", meldete das Ruder.
Nun waren die Raketen nahe genug heran, um von der Gatling beharkt zu werden. Sofort trat sie in Aktion und begann zu feuern.
"Räumt das Heck! Alle Mann von Achtern in den Bug!", befahl Leluc.
"Aye, aye, Sir! Alle Mann verlassen das Heck!"
Fünf Seemeien. Vier. Dreieinhalb. Ein Sizzler wurde abgeschossen. Auch das eine Premiere für die ganboische Marine. Drei Seemeilen. Zweieinhalb. Zwei. Die verdammten russischen Waffensysteme erwiesen sich als äußerst manövrierbar und hartnäckig. Bei zwei Seemeilen immer noch kein Abschuss. Anderthalb Seemeilen. Eine. Neun Kabellängen. Sechs. Fünf.
"Bereit halten für Einschlag!", befahl Leluc.
"Nachricht ist raus!", rief der Eins O.
Ein leises Gefühl der Erleichterung erfüllte Leluc. Immerhin etwas.
Vier Kabellängen. Drei. Zwei. Noch immer orgelte die Gatling, stockte, als sie sich augenscheinlich nicht zwischen den Zielen entscheiden konnte. Dann aber rotzte sie erneut, erwischte Sizzler Nummer drei.
"Was wir empfangen...", murmelte Leluc und schickte ein kurzes Gebet stumm gen Himmel.
Dann schoss die vierte Sizzler ins Heck der Pierre und explodierte.
***

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Die kleine Flotte aus amerikanischen und deutschen Hubschraubern russischer Fertigung war noch gut zwölf Kilometer von Keounda City entfernt und folgte dafür dem Lauf des Lagabandas, der bis zur Stadt beinahe wie mit dem Lineal gezogen von Norden nach Süden verlief. Auf dem Fluss selbst herrschte für hiesige Zustände ein geradezu hektischer Betrieb. Sinclair hatte alleine zwölf Boote gezählt, und wenn auch nur die Hälfte von dem wahr war, was in ihren Briefingsunterlagen gestanden hatte, dann war dies das sicherste Anzeichen, dass der Beherrscher der ehemaligen Distrikthauptstadt seine Macht eingebüßt hatte. Eventuell ein für allemal. Ein wenig machte es ihr zu schaffen, dass sie so dicht am Fluss flogen. Ein Osprey war schon vom Himmel geholt worden, weil eine russische Panzerfaust einen Glückstreffer gelandet hatte. Ein zweites Mal, vor allem mit ihren Leuten, wollte sie ungern erleben. Vor allem nicht, wenn dies bedeutete, abseits der Stadt eine zweite Front eröffnen zu müssen, um auch die neue Absturzstelle absichern zu können. Denn ganz ehrlich, sie traute diesem Ldunga nicht weiter, als sie einen Humvee werfen konnte, also gar nicht. Der Mann war ein Warlord und beschäftigte Kindersoldaten, die er offensichtlich ihren Eltern geraubt hatte. Dass die Deutschen zu blöde waren oder vorgaben das Offensichtliche nicht zu sehen, damit ihr Geschäft funktionieren konnte, war ihre Sache. Sie als amerikanische Offizierin hingegen hatte einen Eid auf Freiheit und die Menschenrechte abgelegt. Damit war sie die natürliche Feindin jedes Warlords, egal welche Begründungen dieser für sein Tun aufzubringen vermochte. Kinder gehörten zudem in die Schule und nicht auf ein Schlachtfeld.
Ein kluger Mann hatte mal festgestellt, dass Krieg dann sei, wenn alte Männer redeten und junge Männer starben. Ihre Generation hatte dem sowohl bei alt als auch bei jung die Frauen hinzugefügt; nach ihrem Gusto machte es absolut keinen Sinn, da die Kinder hinzu zu addieren. Aber Gewalt fragte nicht nach dem Alter und Krieg tat dies erst Recht nicht. Tja. Die Untersuchungskommission, zu deren Schutz ihre Einheit eingeteilt war, würde jedenfalls verdammt viel zu tun bekommen. Und später, falls und wenn eine ndongoische Untersuchungskommission zugelassen wurde, würde es nicht unkomplizierter werden. Und egal, wie nett die Krauts an der Mine zu ihnen gewesen waren, auch ihre Rolle in diesem Spiel würde genauestens untersucht werden. Immerhin ging es hier um Millionenbeträge. Geld korrumpierte immer und jeden. Immer. Jeden.

"Captain Sinclair?", klang die Stimme von Lieutenant Cardiff in ihrem Kopfhörer auf.
"Was gibt es, Jagee?"
"Ma'am, wir haben auf dem Ostufer des Lagabandas Rauchentwicklung, etwa fünfzehn Kilometer weit im Landesinneren. Der Rauch ist schwarz, also liegt der Gedanke nahe, dass da Öl oder Plastik brennt."
Sie schnallte sich ab und trat auf die Backbordseite des Osprey, um durch die Luke zu sehen. "Nicht gerade viel Rauch da draußen, Jagee."
Lieutenant Junior Grade Marcus Cardiff bestätigte. "Viel gibt es ja auch nicht, was mit derart dunklem Rauch brennen kann. Ich habe den Wetterbericht eingesehen und einen Blick in den Klimachart geworfen. Von Trockenheit kann gerade keine Rede sein."
"Was also schlagen Sie vor, Jagee?"
"Vielleicht als erstes, dass Sie die Verballhornung von Junior Grade weglassen, Ma'am, und mich einfach Lieutenant rufen."
"Ich überlege es mir, Jagee. Und was noch?"
Der Pilot von der Abraham Lincoln seufzte ergeben. "Jemand sollte da drüben nachschauen. Soweit mein Dossier es hergibt, ist auf der anderen Seite Feindesland eines konkurrierenden Warlords zu unserem Warlord. So ein Feuer kann nie etwas Gutes verheißen."
"Vor allem nicht so nahe an der Stadt. Als wenn wir nicht schon genug Probleme hätten. Wir... Jagee, sehen Sie das auch?"
"Meinen Sie die zweite Rauchwolke, die aussieht, als hätte jemand eine Raffinerie hochgejagt?"
"Ja, genau die meine ich." Sinclair widerstand der Versuchung, sich die Augen zu reiben, um das eventuelle Trugbild zu vertreiben. Es würde nicht fortgehen, das wusste sie. "Wir machen eine Stippvisite, Jagee. Informieren Sie die Krauts. Wir tasten uns vorsichtig ran und hauen wieder ab. Alles nahe genug, um hinzuschauen und..."
"Ma'am, Leutnant Möller meldet Artilleriebeschuss auf dem Ostufer!"
"Er meldet was?" Möller, das war einer der Kraut-Piloten, die die russischen Transporthubschrauber flogen, die ihre Leute zur Front zu schaffen halfen.
"Artillerie. Er ist sich ziemlich sicher, dass es sich dabei um die Kanonen von russischen Panzern handelt."
"Ach so. Weiß er auch, wie viele es sind, welche Farbe sie haben und in welchem Land sie gebaut wurden?", fragte die Army Ranger ironisch. "Und wieso glaubt er überhaupt, etwas hören zu können? Ist sein Hubschrauber mit einer Silent Running-Ausrüstung ausgestattet, die wir nicht haben?"
"Das funktioniert wohl deshalb, weil so ein Panzerschuss verdammt laut ist. Hat auch was mit Druckwellen zu tun. Aber ich kann ihn ja nochmal im Detail befragen."
Sinclair seufzte. "Lassen Sie das stecken. Wenn er Recht hat, stehen da Panzer, und zwar mindestens zwei. Und wir sind fern der Heimat und haben einen ganz anderen Auftrag."
"Also ignorieren?"
"Nein, Jagee. Wir fliegen weiter nach Keounda City. Aber bitten Sie die Panadianer, dass eine Rotte ihrer Flieger die Gegend absucht. Ach, und stellen Sie mir den Funk rüber."
"Aye, Ma'am.
Lincoln Flight 3-1, hier Lincoln Flight 3-1. Ich rufe unsere panadianischen Verbündeten, over."
"..."
"Lincoln Flight 3-1, hier Lincoln..."
"Wir hören, Lincoln Flight 3-1. PAF 327 Leader hier, Flightname Mincemeat."
"Schön, von Ihnen zu hören, Mincemeat. Sir, wir befinden uns auf dem Westufer des Lagabandas, zwölf Kilometer nördlich von Keounda City und kommen gut voran."
"Freut mich zu hören, Lincoln Flight 3-1. Wünschen Sie zusätzliche Eskorte?"
"Danke, Mincemeat, das ist nett von Ihnen. Tatsächlich aber haben wir auf der Ostseite des Lagabandas zwei große ölige Rauchwolken entdeckt, ein paar Kilometer im Landesinneren. Einer unserer Piloten sagte zudem, er hätte für russische Panzer übliches Artilleriefeuer gehört."
"Das ist untypisch, Lincoln Flight 3-1. Hier in Belongo gibt es niemanden mit Zugriff auf Panzer. Wenn man mal den Riki und seine uralten Weltkrieg II-Panzer in Keounda City nicht berücksichtigt, die Ihre Leute abgeschossen haben." Die Stimme des Panadianers pausierte kurz. "Ich werde eine Rotte schicken, die einen schnellen Überflug macht und ein paar Bilder schießt. In der Regione, in der Sie sich befinden, sollte es nicht allzu viel geben. Ein paar Kelegaba-Dörfer und die Residenz eines hiesigen Warlords, Wanagana."
"Danke, Mincemeat. Das war genau das, was wir von Ihnen wollten."
"Kein Problem, Lincoln Flight 3-1. Jetzt, wo Ihre Transportmaschine gelandet ist, habe ich eine Sorge weniger. Die dreißig Sorgen mehr wegen den dreißig unbekannten Flugzeugen, die im Westen Ndongos gelandet sind, mal nicht mitgerechnet."
Sinclair kniff bei diesen Worten die Augen zu Schlitzen. Als Kommandeurin im Einsatz hielt sie sich auf dem neuesten Stand, so gut sie es vermochte. Und natürlich hatte sie mitbekommen, dass da über dreißig Jagdflieger, augenscheinlich russische MiG, die aus dem Süd-Sinan herübergekommen waren. Ein paar bange Minuten hatten sie an Bord des Globemasters drauf gewartet, dass die Maschinen nach Süden einschwenken, in ihre Richtung, sodass sie den Anflug auf die Mine abbrechen und Fersengeld geben mussten. Dies war nicht geschehen, ebenso wenig dass die unbekannten Einheiten belongoischen Luftraum und das dortige Flugverbot verletzt hätten. Dass die Jagdflieger aber in Ndongo gelandet waren, war der schlechte Teil der Nachrichten. Gewiss, das waren Zahlen, mit denen das Bordgeschwader der Abe umgehen konnte. Aber eine direkte Konfrontation würde Kämpfe bedeuten, würde Verluste bedeuten. Und nach ihrem Geschmack gab es schon viel zu viele Tote bei dieser Geschichte. Es würde auch so noch mehr als genügend Tote geben, auch ohne dass sich amerikanische und russische Kampfflieger einen Kampf liefern würden.
"Sonny von Mincemeat. Lust auf ein kleines Abenteuer?", klang die Stimme des panadianischen Staffelführers in ihren Kopfhörern auf.
"Aber immer doch, Cap. Was darf es denn sein?", antwortete ihm eine Stimme, die den Fliegernamen Sonny mehr als verdient hatte.
"Schnappen Sie sich Sidecast und überfliegen Sie die Rauchspur im Nordosten. Ein schneller Überflug für Fotos. Danach kehren Sie zurück. Verstanden?"
"Wie jetzt? Nur ein schneller Überflug?", maulte der andere Pilot.
"Sonny, wollen Sie einen Stern verlieren?", mahnte der Staffelchef.
"Schon gut, Boss. Sidecast, an meine linke Flanke. Wir machen einen Überflug in zweitausend Metern Höhe. Das reicht für ein paar schöne Bilder der Bordkamera. Recht so, Mincemeat?"
"Sie sind ein braver Junge, Sonny. Weiter so, und ich lasse Sie öfters von der Leine."
"Ich nehme Sie beim Wort, Mincemeat." Der junge Pilot lachte fröhlich. "Auf geht's, Sidecast."
Für einen winzigen Moment hatte sie ein mulmiges Gefühl bei der Sache. Sie betätigte ihre Kommunikation. "Jagee? Off?"
"Ja, Ma'am, wir sind off."
"Gut, dann sagen Sie dem Kraut mal, dass sich unsere Verbündeten darum kümmern werden. Wir fliegen weiter nach Keounda City."
"War das eine Anweisung, Ma'am?"
"Ja, das war eine Anweisung, Second Lieutenant Cardiff. Bringen Sie uns endlich in diese dämliche Stadt."
"Tut mir leid, nach Ottawa ist es mir zu weit", scherzte der Pilot.
Sinclair fühlte sich bemüßigt, diesen schwachen Witz mit einem leichten Schmunzeln zu würdigen. Für einen Seitenhieb auf Kanada war immer Zeit, fand sie. "Sehen Sie einfach zu, dass wir da sind, bevor alles vorbei ist. Ich habe hier eine Kompanie Ranger, der wurden ein paar scharfe Kugeln versprochen, die ihnen um die Ohren fliegen."
"Ich sehe zu, was ich tun kann, Ma'am", erwiderte Cardiff fröhlich.

Etwa drei Minuten später meldete sich der Lieutenant Junior Grade erneut. "Ma'am, wir haben die beiden Tigris-Jäger in der Ortung."
"Gut. Schalten Sie uns wieder auf ihre Kommunikation auf, Jagee."
"Aye, Ma'am."
"...kann was erkennen, Sonny. Da unten brennt ein Haus."
"Na, deine scharfen Augen möchte ich haben, Sidecast", klang die fröhliche Stimme Sonnys auf. "Und, kannst du auch die Farbe der Wände erkennen?"
"Nein, aber da scheinen gerade noch mehr Feuer aufzulodern. Irgendwie... Militärische Baracken."
"Angeber. Wir sind zweitausend Meter hoch und noch drei Kilometer entfernt. Und du siehst das alles ohne Vergrößerung durch deine Bordkamera."
"Nur kein Neid, Sonny. Wer hat, der hat eben. Ich werde mit meiner guten Sicht noch ein Pilot sein, wenn sie dich bereits wegen deiner Blindheit aussortiert haben. Also nächste Woche", sagte Sidecast trocken.
Sonny wieherte dazu wie ein Pferd. Aber er verstummte recht schnell wieder. "Meine Elektronik identifiziert Ziele im fraglichen Gebiet."
"Meine auch. Klassifizierung ist... Ratel 20, fünf Stück. Ich kriege auch trotz des Rauchs ein recht gutes Bild... Das ist eine Art Farm, Sonny!"
"Eine Farm? Hier in Belongo?"
"Ja, und sie wird von den Besatzungen der Ratel 20-Radpanzer angegriffen! Erlaubnis, eingreifen zu dürfen, Sir!"
"Erlaubnis verweigert! Wir haben das Flugverbot durchzusetzen. Für Bodenkämpfe sind wir nicht ausgerüstet. Wir überfliegen das Geschehen, wie uns befohlen wurde, machen unsere Fotos und ziehen uns zurück."
"Typisch. Kaum wird es wirklich gefährlich, da..."
"Überlegen Sie sich genau, was Sie jetzt sagen, Second Lieutenant Moraki!", sagte Sonny scharf.
"Schon gut, Sir. Ich... Weitere Ortung. Zwei Panzer, Typ T-54. Wurden die nicht auch in Keounda City eingesetzt?"
"Ja, das ist richtig. Aber die können nicht zum Riki gehören, sonst hätte er sie gegen die Ranger in der Stadt eingesetzt... Mincemeat von Sonny, bitte kommen."
"Mincemeat hört."
"Sir, überfliegen jetzt das brennende Gelände. Sieht nach einer Farm aus, die gerade niedergebrannt wird. Identifizieren auf dem Gelände fünf... Nein, sieben Ratel 20-Radpanzer, sowie zwei T-54. Korrigiere. Fünf T-54."
"Überfliegen Sie die Farm nicht, Sonny. Brechen Sie ab."
Der junge panadianische Pilot antwortete mit einer eiskalten Stimme, die seinem fröhlichen Wesen vollkommen widersprach: "Roger und copy. Drehen ab. Sidecast, enge Kehre über den linken Flügel auf drei. Eins... Zwei..."
"ORTUNG! STEHE IN ZIELERFASSUNG! BRECHE AUS!"
"Ruhig bleiben, Sidecast! Gehen Sie mit mir in die Kehre! Was... Verdammt, wurde ebenfalls erfasst! Raketen im Anflug! Ich wiederhole, Raketen im Anflug! Vermutlich Luftabwehrraketen von portablen Werfern!"
"SIE HABEN MICH! ABWEHRMAßNAHMEN FRUCHTEN NICHT!"
"Noch mal abwerfen und in die Kehre gehen, verdammt!", blaffte Sonny. "Kehre ausgeführt! Gehe auf Abstand zu den Panzern! Sidecast?"
"Uff, hat geholfen. Die Rakete ist auf die Abwehrmaßnahme reingefallen. Ich drehe nach Süden ab, fort von hier. Ist ja lebensgefährlich, sowas."
"Keine faulen Witze", klang die erleichterte Stimme von Sonny auf. "Schließen Sie auf und kommen Sie zu mir auf vierhundert Meter runter. Wir verkürzen den Winkel zu unseren Freunden zu den Raketen und...."
"PANZER! SONNY! PANZER!"
"GESEHEN! SO EINE VERFICKTE SCH...!"
"SONNY! SONNY! MINCEMEAT! SONNY IST GETROFFEN! UNTER UNS SIND WEITERE PANZER! SIE FAHREN RICHTUNG SÜDEN! VON DA KAM EINE RAKETE!"
"Ruhig Blut, Sidecast." Sonny hustete. "Planänderung. Wir ziehen auf die Westseite des Lagabandas rüber. Möglichst weit, okay? Ich zumindest, soweit ich diese Mühle noch manövrieren kann."
"SONNY! STEIGEN SIE AUS!"
"Würde ich ja gerne, aber irgendwie klemmt die Patrone vom Schleudersitz. Ich schätze, ich trete dem Chief kräftig in den Arsch, wenn ich wieder auf dem Stützpunkt bin. Mist, die Mühle lässt sich nicht mehr manövrieren. Sidecast, kannst du erkennen, wie es meinem Vogel geht?"
"Du hast nur noch einen Flügel, Sonny. Der rechte existiert nur noch zur Hälfte..."
"So? Sonstige Schäden?"
"Das Heck sieht aus, als würde es bald abfallen. Und dein halbes Cockpit fehlt."
"Das liegt daran, dass die Kanzelabsprengung funktioniert hat, im Gegensatz zum Schleudersitz. Mincemeat, hören Sie mich?"
"Laut und deutlich."
"Ich versuche, den Vogel so runterzubringen. Aber warnen Sie um Himmels Willen die Krauts und die Amis. Da waren noch mehr Panzer auf dem Weg nach Süden, Lastwagen und weitere Ratel 20! Da sie auf uns geschossen haben, werden sie denen wohl kaum helfen wollen."
"Registriert. Sidecast, bleiben Sie bei Sonny, bis er gelandet ist."
"Ja, Sir", erwiderte der Pilot, einem Schluchzen nahe.
"Lincoln Flight 3-1, hören Sie noch mit?"
"Copy, Mincemeat."
"Können Sie uns Hilfe gewähren und einen der Hubschrauber zu Sonny rausschicken?"
"Wir werden tun, was wir können, versprochen, Mincemeat."
"Danke. Wir werden uns derweil um das andere Problem kümmern. Sprich, die Panzer, die nach Süden ziehen."
"Warten Sie dafür auf die Flieger der Abraham Lincoln, Mincemeat! Ihre Tigris-Jäger sind nicht für den Bodenkampf ausgerüstet! Die Maschinen der Lincoln hingegen schon!"
Ein Laut erklang, irgendwo anzusiedeln zwischen Verächtlichkeit und rasender Wut. "Verstanden, Lincoln Flight 3-1. Beschränken uns auf Beobachtung. Aber wenn sie Keounda City zu nahe kommen, greifen wir an."
"Einverstanden, Mincemeat. Einverstanden", erwiderte Cardiff mit einer Stimme, die nur unwesentlich begeisterter klang als die des panadianischen Staffelführers.
"Mincemeat von Sidecast hier. Sir, Sonny ist unten. Ich wiederhole, Sonny ist unten. Ich kann nicht erkennen, ob er es in einem Stück geschafft hat. Aber immerhin konnte ich auch keine... Okay, jetzt sehe ich eine Explosion." Der Pilot machte einen Laut voller Verzweiflung. "Kehre zur Staffel zurück", verkündete er kurz darauf, wesentlich gefasster.
"Lincoln Flight 3-1, ich verlasse mich auf Sie", sagte Mincemeat. "Fliegen Sie einfach auf den Rauch der Explosion zu."
"Überlassen Sie den Rest uns. Lincoln Flight 3-1 Ende und aus."
"Danke, Lincoln Flight 3-1. Ende und aus auch hier."
Es knackte in Sinclairs Kopfhörer. "Ma'am?"
Sie überlegte kurz. Sollte sie einen der Krauts schicken? Oder einen der Ospreys? Sie selbst musste nach Keounda City, da biss die Maus keinen Faden ab. "Schicken Sie Leutnant Müllers Vogel. Sergeant Sokol ist an Bord, richtig?"
"Ja, Ma'am."
"Wer sagt es denn? Die richtige Frau für den Job. Sie puzzelt gerne." Sinclair schüttelte sich in Gedanken. Eine Notlandung mit einem überschallschnellen Jet mitten im Dschungel, ohne eine Landepiste mit halb zerschossenem Leitwerk - der Pilot war weder am Leben, noch in einem Stück. "Geben Sie ihr Bescheid."
"Aye, Ma'am."
Sekunden darauf scherte einer der Kraut-Hubschrauber aus der Formation aus und flog gen Westen, in Richtung der Rauchwolke zu, die von der Explosion des verbündeten Flugzeugs stammte.
***
"Ärger, Sir!", rief Morelli seinem Anführer zu. "Die Panadianer haben einen Tigris verloren! Anscheinend durch den Einsatz von Luftabwehrraketen. Und das Schlimmste ist, die Dinger kommen in unsere Richtung, zusammen mit einem halben Dutzend T-54-Panzer und mindestens elf Ratel 20-Panzern."
"Verstärkung?", fragte Axel. "Wer zum Henker würde dem Riki Verstärkung schicken?"
"Jemand, der gerne möchte, dass Keounda City eine Stadt des Chaos bleibt, würde ich behaupten", erwiderte Scott. "Was ist mit den Rangern?"
"Kommen wie geplant in achtzehn Minuten an. Eine Firesquad sucht nach dem abgeschossenen Piloten. Oder vielmehr nach seinen Überresten, denn die Maschine ist bei der Bruchlandung explodiert."
Die Gesichtsmuskeln von Scott arbeiteten sichtlich. "Warnung an alle, Mörser und Scharfschützen in Bereitschaft. Bringt weitere Javelin nach vorne. Wir kriegen unangemeldeten Besuch. Und solange unsere verrückten Freunde stillhalten, tun wir das auch, damit unsere Kameraden aufschließen können. Einwände, Major Michael?"
"Keine Einwände. Übrigens, wir haben festgestellt, dass unser flügellahmes Vögelchen wieder fliegen kann. Nach zwanzig Reparaturstunden und mit den richtigen Ersatzteilen."
"Oh. Mist. Na, dann habe ich auch mal gute Nachrichten: Sie müssen auf Ihrer Flanke mit einem Mi-24 auskommen, weil wir jetzt anfangen werden, Sprit zu sparen für den Fall, dass ein Haufen Panzer mit schlechtgelaunter Besatzung auf Seiten des Riki in den Kampf eingreift."
"Es geht doch nichts über eine Ladung Partycrasher", erwiderte der Major bärbeißig. "Im Moment ist es ruhig bei uns. Und danke an Belongo eins für den Tipp mit der Kugel in den Kopf. Auch wenn ich davon Albträume haben werde - ich hätte definitiv mehr Albträume, wenn diese durchgeknallten Drogenopfer halbtot wieder aufgestanden wären, um mir die Eingeweide rauszuschneiden."
"Gern geschehen. Und Major - meine Albträume werden Sie garantiert nicht haben wollen", sagte Axel mit einem Hauch Galgenhumor in der Stimme.
"Keine Sorge, wenn das hier so weitergeht, werden schon noch genügend Gründe für Albträume dazu kommen", antwortete der Marine sarkastisch. Nun, er hatte Recht.
***
"Ähm, Colonel?"
"Was gibt es, Stacy?"
"Das kann ich noch nicht so genau sagen. Aber die Nachrichten, die ich gerade hereinbekomme, sind nicht sehr positiv."
Ty trat an das Superviser-Pult der Army-Offizierin heran. "Geht es genauer, Lieutenant Cormick?"
"Ja, Sir. Panadia meldet den Verlust eines Kampfjets durch Einsatz von Luftfäusten, zirka zwölf Kilometer nördlich von Keounda City. Die Raketen starteten aller Wahrscheinlichkeit nach von einem Konvoi aus Rad-, und Kettenpanzern der Typen Ratel 20 und T-54 mit Fahrtrichtung Süd."
"Das ist wirklich nicht sehr positiv." Ty drückte einen Knopf an seinem Headset. "Zentrale? Direktverbindung zu General Landsdale.
General? Ja, noch mehr Ärger. Sieht so aus, als hätten unsere Verbündeten einen Jet verloren. Ja, Sir, ich werde das prüfen, ob unsere Leute Hilfestellung bei der Suche nach dem Piloten leisten. Moment, Sir, Stacy nickt. Die Army Ranger tun ihre Pflicht und suchen nach ihm... Ja, Sir, ich weiß, nach der Nachricht über den Abschuss der Perry-Fregatte unserer ganboanischen Alliierten kommt das etwas fix hinterher. Aber es kommt noch dicker. Der Konvoi, von dem aus auf den Jet geschossen wurde, besteht aus Panzern und Radpanzern, Anzahl noch unbekannt und... Moment. Ja, Stacy?"
"Verifiziert sind sechs T-54 und zwölf Ratel 20, dazu vierzehn Lastwagen verschiedener Baureihen."
"Haben Sie gehört, General? Ja, die sind auf dem Weg nach Keounda City. Ich stimme Ihnen zu. Wir müssen sie als feindlich einstufen... Nein, Sir, ich habe auch keine Ahnung, wer so verrückt ist, ausgerechnet einen Verrückten wie den Riki mit Panzern zu unterstützen, aber es muss nur genügend Geld im Spiel sein, wie es scheint. Was? Okay... Okay... Okay... Ich leite es in die Wege. Viel Glück beim Präsidenten." Ty deaktivierte die Verbindung. "Stacy, geben Sie mir die Abraham Lincoln. Ich schätze, jetzt macht es sich bezahlt, dass Admiral Philips einen Teil seiner Flieger, die über Belongo patrouillieren sollen, für den Bodenkampf ausgerüstet hat."
"Heißt das, wir haben Feuerbefehl, Sir?"
"Ja, das heißt es, Stacy. Die Vögel der Abe sollen dafür Sorge tragen, dass nicht eine Schraube von diesen Kampfpanzern Keounda City erreicht."
Cormick nickte knapp. Bisher hatte eine Bombardierung der Stadt, also zumindest der Osthälfte, die noch nicht unter Kontrolle der vereinigten Truppen war, im Raum gestanden. Einfach, um die überlegene Waffentechnik der Navy auszuspielen und die Chancen der Truppen am Boden zu verbessern. Man hatte nur noch über mögliche zivile Verluste diskutiert, in Gang gesetzt von der Meldung, man hätte Kindersoldaten und vergewaltigte Frauen entdeckt. Nun, der Teil des Themas hatte sich erledigt. Die Super Hornets der Abe würden weit lohnendere Ziele haben. Ab jetzt.
"Scheint so, als wäre das echt nicht unser Tag, Sir", murmelte Lieutenant Cormick mehr zu sich selbst als zu Ty. "Jedesmal, wenn wir es nicht erwarten, passiert irgendein Scheiß mit unseren Leuten und Verbündeten. Entweder werden sie mit Napalm bombardiert, von einer Panzerfaust vom Himmel geholt, man schießt mit Anti-Schiffsraketen auf sie, oder man holt sie mit russischen Luftfäusten runter."
"Stimmt, Lieutenant. Sie haben vollkommen Recht. Solche Tage gibt es und man kann nicht immer Glück haben", sagte Colonel Ty, der die junge und vielversprechende Offizierin wohl gehört hatte. "Aber das ist es, was uns von den Amateuren da draußen unterscheidet. Wir brauchen kein Glück, weil wir die Planung auf unserer Seite haben. Wir sind so gut aufgestellt, dass wir selbst das größte Pech kompensieren können. Also machen Sie sich nicht mehr Sorgen, als Sie für diesen Job brauchen und machen Sie einen guten Job wie immer, Stacy."
Kurz lächelte sie ihren Vorgesetzten an. Dann wandte sie sich wieder ihrem Pult zu. "Sir, ich habe die Abraham Lincoln jetzt auf der Leitung."
"Zu Admiral Philips durchstellen."
"Jawohl, Sir."
***
"Mr. President, ich habe schlechte Neuigkeiten", sagt Landsdale, als er den Konferenzraum betrat. "Die Karuma hat mit Sizzlern auf die Pierre geschossen. Eine ist im Heck des Schiffs explodiert, neueste Nachrichten stehen noch aus. Aber der Sea Hawk der Pierre ist unterwegs zurück zum Schiff, wir haben ein Schnellbootgeschwader aus Ganbo auf dem Weg und die Abraham Lincoln hat ebenfalls eine Fregatte, die Chicago, vorausgeschickt, um zu helfen und die Karuma zu jagen. Zudem kommt immer noch die Colorado von Norden heran."
"Reicht die Hilfe für die Pierre, oder müssen wir die Colorado von der Jagd abziehen, Isaac?"
"Es gibt noch keine Daten dazu, Mr. President. Wir wissen noch nicht, wie schwer die Schäden auf der Perry-Klasse sind. Wir wissen nicht einmal, ob sie noch schwimmt. Oder ob die Karuma ihr nicht gerade den Fangschuss versetzt."
"Die Pierre ist etwas veraltet, Mr. President. Sowohl, was die Raketenabwehr angeht, als auch bei der Ausrüstung ihres Sea Hawks", sagte Admiral Blueberry. "Wir hatten vor, unseren ganboanischen Verbündeten bei der Aufrüstung zu helfen, sobald ihr zweiter Perry zum Long Hull umgebaut wurde."
"Wollen Sie mir sagen, eine US-Fregatte wäre nicht so leicht getroffen worden?"
"Die Colorado ist ein Arleigh Burke. Ich schätze, sie hat wesentlich bessere Chancen. Wobei ich mir nicht sicher bin, ob es sich jetzt noch lohnt, den Frachter aufzubringen und die Sizzler zu bergen. Wer einmal eiskalt genug ist, auf ein Kriegsschiff zu feuern und auch noch die Frechheit hat zu treffen, der schießt auch ein zweites Mal, Mr. President."
"Was also raten Sie mir, Jonas?"
Admiral Blueberry wechselte einen kurzen Blick mit Willem van Fitz, dem Secretary of War, der zustimmend nickte.
"Mr. President, ich denke, es ist das Beste, wir schicken ein paar Drohnen von Diego Garcia los und suchen damit die Karuma, halten sie, sobald die Drohnen sie gefunden haben, per Laserzielsucher erfasst und starten dann von der Chicago so viele Harpoons, wie wir brauchen, um die Bastarde zu den Fischen zu schicken. Wenn danach noch irgendetwas übrig ist, können wir sicher ein U-Boot von der Abe entsenden, um es vom Grund des Meeres zu fischen."
"Wäre es nicht ökonimischer, das Bordgeschwader des Trägers suchen zu lassen? Sie sind näher", sagte der Präsident der USA nachdenklich.
"Dazu wollte ich auch gerade noch kommen, Mr. President", sagte Landsdale hastig. "Es bewegt sich ein Konvoi aus Panzern und Radpanzern auf Keounda City zu. Von diesem Konvoi startete eine Boden-Luft-Rakete und hat eine Tigris unserer panadianischen Verbündeten abgeschossen. Die Ranger suchen bereits nach dem Wrack. Ich habe bereits Admiral Philips informieren lassen, dass seine Super Hornets die augenscheinlich feindlichen Kampffahrzeuge im Bodenkampf vernichten, bevor diese die alte Distrikthauptstadt erreichen können. Mit anderen Worten: Wir sollten das Geschwader der Abe erst einmal zusammenhalten, vor allem angesichts des fremden Geschwaders, das aus dem Süd-Sinan nach Ndongo gekommen ist und dort ungehindert landen konnte."
Präsident Etranger rieb sich nachdenklich die Nasenwurzel. "Dennoch. Ich muss kein Offizier sein um zu wissen, dass die Drohnen von Diego Garcia zu lange brauchen werden, und das ihr Operationsfenster zudem auch noch zu klein ist. Admiral Philips soll ein zusätzliches Radarflugzeug hochschicken, das die Region absuchen kann."
"Eine weitere E-2C zu detachieren erhöht den Stress auf das Geschwader und bringt die Dienstpläne durcheinander", gab Blueberry zu bedenken.
"Ja, Himmel, wollen Sie die Jagd nach der Karuma dem Kaiserreich Ndongo überlassen? Wir haben keine Verträge mit ihnen", murrte der Präsident. "Ich bin sicher, das Bordgeschwader der Abe kann ein zusätzliches Suchflugzeug verkraften. Vor allem, wenn es schnell fündig wird. Und schließlich und endlich muss es den Frachter nur markieren, bis die Chicago ihre Harpoons ins Ziel gebracht hat."
"Heißt das, Mr. President...", fragte van Fitz vorsichtig.
"Ja. Schicken Sie das Ding mit allen restlichen Sizzlers zu den Fischen. Ich bin nicht bereit, noch mehr Leute zu riskieren, weder unsere, noch von unseren Verbündeten. Lassen Sie das Radarflugzeug der Abe ab der Position der Pierre suchen. Die Karuma kann wohl kaum so schnell unterwegs sein, dass sie nicht mehr gefunden werden kann."
"Verstanden, Mr. President." Admiral Blueberry salutierte knapp und verließ das Büro, um seine Anweisungen zu geben. Die Tage der Karuma waren gezählt. Und nummeriert. Die Zahlen strebten dem Ende zu.
***
Es dauerte einige Zeit, bis Kapitän Leluc wieder etwas sehen konnte, geschweige denn hören. "Be... Bericht", haspelte er hervor. Er schüttelte den Kopf und versuchte wieder auf die Beine zu kommen. Der Einschlag der Sizzler hatte ihn von seinem Platz gefegt, und wie ihm war es sicher dem Großteil der Besatzung ergangen. "Bericht!"
"Die Pierre brennt!", rief ihm jemand zu, dessen Stimme er nicht sofort identifizieren konnte.
"Wie sieht es im Heck aus? Wurde es rechtzeitig geräumt? Halten die Schotts?"
Wilson Aganami, Zweiter Rudergänger, beugte sich über den Kapitän und half ihm, sich wieder aufzurichten. Er blutete aus einer hässlichen Platzwunde auf der Stirn. Sein linkes Auge war zugeschwollen und ein weiterer tiefer Cut bedeckte seine linke Wange. Das Blut versaute seine Khaki-Uniform, aber er schien es nicht zu bemerken. Nein, korrigierte sich Leluc selbst, er ignorierte es wie ein guter Seefahrer.
"Bericht!", blaffte eine zweite Stimme.
"Schon gut, Jurgen, ich bin noch da", sagte Leluc zu seinem Ersten Offizier, der sich ebenfalls gerade wieder aufrappelte. "Stellen Sie Gefechtsbereitschaft auf der Brücke und in der CIC her. Wilson, was ist mit dem Heck?"
"Keine Ahnung, Skipper. Aber so, wie wir durchgeschüttelt wurden und angesichts der Schlagseite in Richtung Heck würde es mich wundern, wenn noch etwas davon da wäre."
"Schauen Sie nach, Wilson. Aber nur vom Turm aus." Leluc griff nach seinem Telefon. "Maschinenraum!"
"Chief Kelelanga hier, Skipper. Wir wurden hier unten mächtig durchgerüttelt. Wollen Sie die gute, oder wollen Sie die schlechte Nachricht zuerst?"
"Die gute Nachricht, bitte."
"Okay, Skipper, die Gute zuerst. Die Diesel laufen und schnurren wie Kätzchen."
Erleichtert atmete Leluc auf. "Und jetzt die Schlechte."
"Wir haben keinen Abnehmer mehr im Heck. Der Motor für die Schiffsschraube ist entweder komplett vom Maschinenraum getrennt worden, oder er existiert nicht mehr. Ach, und wenn ich schon mal bei den schlechten Nachrichten bin, die Schotts nach Achtern halten zwar, aber wir haben aus der Richtung mehrere Mikrolecks, durch die wir Wasser nehmen."
"Geben Sie Ihr Bestes, Chief, um den Maschinenraum trocken zu halten. Aber riskieren Sie nichts. Wenn Sie merken, es wird nichts, dann sagen Sie mir das rechtzeitig. Wir evakuieren lieber, als dass wir unnötig Leben riskieren."
"Skipper! Das Heck ist weg! Runter bis zum Hangar! Und ein Teil der Aufbauten fehlt! Außerdem habe ich mindestens dreißig Treffer auf dem Deck und in den Aufbauten gezählt!", rief der Rudergänger, als er wieder zurückgehetzt kam.
Lelucs Miene versteinerte. "Wie gesagt, wir riskieren nichts. Ich will in zehn Minuten eine Einschätzung von Ihnen, wie lange die Pierre noch schwimmen wird, Chief."
"Aye, Sir."
"Gefechtsbereitschaft wiederhergestellt, Skipper", meldete der Eins O. "Siebzehn Verletzte, zum Teil schwer, in CIC und Brücke. Die Sanis sind dran. CIC meldet außerdem, dass die Karuma nach Osten abdreht. Leider außer Reichweite der Kanone."
"Sind die Rohre klar? Auch wenn unser Bug in die falsche Richtung zeigt, wir können ihnen sechs Torpedos hinterherschicken. Dieser Frachter mag Raketen haben, aber garantiert keine Torpedo-Abwehr."
"Ich werde es feststellen, Skipper." Der Eins O hastete davon.
Ehrlich gesagt wäre Leluc überrascht gewesen, wenn die Torpedorohre gefechtsklar gewesen wären. Ein derartiger Schlag, der durch das ganze Schiff gezogen war - wahrscheinlich konnten sie froh sein, dass die bereits geladenen Torpedos nicht durch widrige Umstände hochgegangen waren. Und so fürchtete er auch mehr die sehr effektiven Sicherheitssysteme der Amerikaner, die den Abschuss der Torpedos verhindern würden, weniger die widrigen Umstände.
Leluc zögerte. "Wilson, wie weit ist der Brand?"
"Achtern, kommt näher."
Der Kapitän der Pierre zögerte, dann griff er zum Sprechfunk. "Achtung, hier spricht der Kapitän. Die Pierre ist havariert, aber noch nicht gesunken. Die Karuma dreht ab und interessiert sich nicht mehr für uns. Deshalb haben wir Zeit, einen Rettungsversuch zu unternehmen. Noch schwimmt das Schiff und der Wassereinbruch hält sich in Grenzen. Der Maschinenraum arbeitet. Aber das Heck wurde uns weggeschossen und ein Brand wütet achtern. Wir setzen alles auf einen Löschversuch. Sollten wir damit nicht erfolgreich sein, evakuieren wir das Schiff. Alle Mann, die nicht im Maschinenraum arbeiten, oder bei der Leckabwehr eingesetzt werden, arbeiten den Löschteams zu. Offiziere und Unteroffiziere koordinieren die Aktion. Achtung, das Lazarett wird an Deck evakuiert, ebenso die Küchencrew. Sollte es zum Äußersten kommen, will ich keine Verzögerungen sehen."
Der Skipper der Pierre atmete tief durch und setzte das Mikrofon erneut an. "Wir sind nicht am Ende. Davon sind wir noch weit entfernt. Wenn wir jetzt zusammenhalten, dann retten wir nicht nur das Schiff, sondern wir zeigen Freund und Feind, was die ganboanische Marine zu leisten imstande ist. Jungs, ich verlasse mich auf euch. Kapitän Leluc Ende."
Damit hatte er alles getan, was er in dieser Situation tun konnte.
"Skipper, die Rohre lassen sich nicht abfeuern", meldete Jügen Otamba. "Zwanzig Minuten, bevor das erste Rohr klar ist."
"Gut. Das heißt, schlecht. Aber nicht zu ändern. Geben Sie der Admiralität unseren Status durch. Und funken Sie auch die Amerikaner an. Vielleicht können sie ja noch was retten an dieser beschissenen Situation. Und sagen Sie ihnen auch, dass die Karuma nach Osten zieht."
"Jawohl, Skipper. Ach, und, Skipper? Auf den ersten Blick gibt es einige Schwerverletzte, aber es scheint, dass das Heck mehr oder weniger erfolgreich evakuiert werden konnte, bevor der Sizzler einschlug."
Das Gesicht des Schwarzafrikaners im Stuhl des Kapitäns wurde zu einer steinernen Maske. "Tun Sie Ihren Job, Jürgen."
"Aye, Sir."
Leluc hielt die stoische Miene aufrecht, obwohl ihm eher nach Weinen zumute war. Seine Dummheit schien nicht allzu vielen seiner Leute das Leben gekostet zu haben. Das war mehr Glück, als er zu hoffen gewagt hatte, seit ihm bewusst geworden war, dass der vierte Sizzler durchkommen würde.
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Tausende Dinge gingen First Lieutenant Nana Kalabalus durch den Kopf, als sein Tigris Richtung Boden rauschte, und keiner war auch nur ansatzweise hilfreich. Hätte er nicht seine unverletzte rechte Hand gebraucht, um den Steuerknüppel zu halten, er hätte versucht, die Gedanken mit heftigen Bewegungen zu verscheuchen. Das waren Fragen wie: War der linke Arm, den er nicht mehr spürte, eigentlich noch dran? Wo, zum Henker, sollte er hier landen? Ob er wohl wie ein Stein auf die Erde fiel, wenn er den Schub noch weiter runter nahm? Würde er die Mühle in die Erde, oder in einen Haufen Bäume bohren? Und wie lange hielt der Vogel überhaupt noch aus, der durch einen fehlenden halben Flügel ohnehin die Aerodynamik eines schwangeren fliegenden Rentiers hatte? Und warum kämpfte er überhaupt noch? Wahrscheinlich war er ohnehin so schwer verletzt worden, dass er eh bald sterben würde. Es war so simpel, so leicht, einfach loszulassen, die Mühle taumeln zu lassen, zu Boden zu gehen und in einem großen Feuerball zu sterben. Dann war Ruhe, dann hatte er es hinter sich. Falls er nicht schon vorher verblutete.
Aber nein, er musste ja stur sein, weiterhin den Vogel stabilisieren, den Tank im rechten Flügel entleeren und immer noch irgendwie irgendwo eine möglichst zwei Kilometer lange, gerade und möglichst baumfreie Ecke in diesem Dschungel suchen, auf der er die Maschine aufsetzen konnte. Und dann musste er noch daran denken, rechtzeitig genug zu landen, sodass noch Sprit genug im Tank war, damit er die Nase seines Vogels hochziehen konnte, um auf dem Bauch zu landen. Alle anderen Varianten, inklusive eines Überschlags, garantierten sein schnelles Ende. Und wenn er neben all der Frustration, der Niedergeschlagenheit und dem tauben Gefühl in der linken Seite ehrlich zu sich war, dann wollte er nicht als der Pilot Panadias in die Geschichte eingehen, der nicht bis zur letzten Sekunde um sein Leben gekämpft hatte. Sobald er sicher gelandet war, konnte er seinetwegen an Blutverlust sterben, oder er wollte nicht mehr Sonny gerufen werden.
Ungefähr in dieser Sekunde offenbarte sich das Wunder vor dem First Lieutenant, das er aus größerer Höhe nicht hatte sehen können: Eine schnurgerade, baumfreie Linie, mehrere Kilometer lang, bevor sie einen scharfen Knick Richtung Keounda City machte. Eine Straße! Eine gottverdammte, vom Urwald halb zurückeroberte und vollkommen überwucherte, aber definitiv baumfreie Straße! Sonny korrigierte leicht nach rechts, um über die Straße zu kommen, auch wenn er dabei riskierte, dass sein Jet vollends auseinanderbrach. Dies war seine einzige Chance, und er hatte nur einen Versuch, bevor der Jet ihm unter dem Arsch zerbrach. Verdammt, jetzt wäre die Cockpithaube, die er abgesprengt hatte, um per Schleudersitz rauszukommen, natürlich als Überrollbügel sinnvoll gewesen. Aber ehrlich gesagt, wenn der Jet sich überschlug, würde auch das bisschen Stahl und Plastikglas ihn nicht beschützen können. Er beschloss, das Beste draus zu machen und bis zum Schluss zu kämpfen. Er nahm weiter Schub zurück. Ladestatus des rechten Tanks lag noch bei über zehn Prozent, und das war nicht gut. Er würde sehr, sehr schnell sein müssen, um aus der Mühle zu kommen, bevor sie in einem Feuerball aufging. Falls er sich überhaupt bewegen konnte. Falls er die Gurte aufbekam. Falls er dann noch lebte. Er biss die Zähne zusammen und zog die Zunge nach hinten, nur für den Fall, dass er sie aufbiss und an seinem eigenen Blut zu ersticken drohte, ganz wie man es ihm gelehrt hatte. Verdammt.
Dann war er mit dem Jet zwischen den Bäumen, mit noch etwas mehr als zwei Kilometern Luft vor sich. Wer hatte die Straße einst gebaut? Die Belgier. Hoffentlich hatten sie gute Arbeit geleistet, die Belgier. Wenn ihre Straßen nur halb so gut wie ihre Schokolade war, hatte er Hoffnung. Wie hoch war er noch? Zehn Meter? Zwölf? Er zog den Steuerknüppel zu sich heran, gab wieder etwas Gas. Ladezustand sechs Prozent. Immer noch zuviel.
Dann setzte sein Vogel auf. Es war ein harter Ruck, aber das Wunder geschah. Die Tigris folgte der Straße und entschloss sich nicht dazu, nach links oder rechts in die Bäume zu gieren.
Sonny war mal auf einem Lehrgang in Deutschland gewesen, damals in seiner Zeit in der britischen Garnison. Die Krauts hatten ihm das Prinzip ihrer Autobahnen erklärt und dass sie auf weiten Strecken als Behelfsflughäfen genutzt werden kommten, sodass die Russen, hätten sie je angegriffen, die Fliegerhorste so oft angreifen konnten wie sie wollten - die Krauts hätten sofort Ausweichlandeplätze gehabt. Unendlich viele. Und so wie es schien, hatten die Belgier diese Straße nach ähnlichen Gesichtspunkten erbaut. Mit nur einem Haken: Der Knick vor ihm war verdammt scharf, und markiert wurde er von einem Riesen von Baum, der da schon gestanden haben musste, als die Schoko-Macher die Straße erbaut hatten. Und die Tigris machte keinerlei Anstalten, in absehbarer Zeit anzuhalten. Und dann brach zu allem Überfluss noch das Heck aus. Von dem war zwar nicht mehr viel da, aber als ein Teil des Fliegers einen Baum auf der Rechten touchierte, spürte er den Ruck und sah, wie sich der Flieger querstellte und weiter auf den Baum zurutschte. So oder so, für ihn ging es in den Dschungel. Seine Hoffnung zu überleben hatte sich verflüchtigt. Und als wäre das nicht noch genug, begann eine kleine Senke, in die der Jet nach ungefähr zwanzig Meter Flug wieder hinabstürzte. Der Ruck ging ihm durch und durch und irgendetwas in sich hörte er wie ein Gummiband reißen. Und garantiert hatte da etwas geknackt. Laut geknackt. Nachdrücklich geknackt. Verdammt!
Tja, und dann löste, wahrscheinlich durch den harten Aufprall, doch noch die Patrone aus, die den Schleudersitz aus der Maschine beförderte. Für ein paar bange Sekunden wurde es Sonny schwarz vor Augen. 'Das war es jetzt', war sein letzter bewusster Gedanke.

Als er Stimmen hörte, öffnete er vorsichtig die Augen. Okay, er lebte noch. Der Teil des Plans hatte also funktioniert. Andererseits, hatte es einen gegeben? Er war nicht sicher. Außerdem schwindelte ihn, obwohl er nicht mal die Augen geöffnet hatte.
Was war passiert? Ach ja, die Luftfaust, der Abschuss. Sein Versuch... Sein Versuch, auf der belgischen Schokolade... Nein, auf der Straße zu landen. Verdammt, warum ging das Denken nur so langsam? Sein Schleudersitz hatte nicht funktioniert, er hatte notlanden müssen. Und dann war er auf den riesigen Urwaldbaum zugerast. Sein sicherer Tod. Dann war die Jet, die schon Bodenkontakt gehabt hatte, ein Stück gehüpft und in eine Senke gefallen. Das musste die Patrone des Schleudersitz doch noch ausgelöst haben. Diese amerikanischen Produkte. Aber wie sagte man doch gleich? Besser spät als nie.
"...labalus?"
Er versuchte, den Kopf zu bewegen oder die Augen zu öffnen.
"Können Sie mich hören, Lieutenant Kalabalus?"
Eine Frau. Sie sprach Englisch.
Er öffnete den Mund, aber es kam nur ein Krächzen heraus, das er kaum als seine Stimme erkannte.
"Ganz ruhig, Sir. Wir holen Sie gleich vom Baum runter. Ich bin Sergeant Sokol von den US Army Rangers. Wir wurden Ihnen nachgeschickt, um Sie zu retten. Falls es was zur Rettung gibt, heißt das."
Sonny fühlte sich versucht zu grinsen, aber allein der Gedanke daran bereitete ihm ernsthafte Schmerzen. Mist. Aber die Frau war nach seinem Geschmack. Toller Galgenhumor. Er krächzte erneut. "...Baum?"
"Ja, Sir, Baum. Es hat ein wenig gedauert, bis wir einen Landeplatz gefunden haben, und dann, bis wir Sie gefunden haben. Sie hängen gerade kopfüber in gut zwanzig Metern Höhe in einem Urwaldriesen in den Gurten Ihres Schleudersitzes. Ihr Schirm hat sich in den oberen Ästen verfangen und Ihnen vermutlich das Leben gerettet. Corporal Smith und Private Astley seilen sich gerade zu Ihnen herab, um Sie und Ihren Sitz zu sichern. Oh, das Knacken klang nicht gut. Geht es euch gut, Leute?"
"Da ist definitiv was angebrochen!", klang eine harsche Männerstimme auf. "Wir müssen uns beeilen! Hier, Sarge, binden Sie die Leinen um den Stamm. Falls da was runterkommt, knallen wir nur gegen den Baum."
"Hab sie, Smith. Geben Sie Ihr Bestes. Es wäre eine Schande, den Lieutenant zu verlieren, nach allem, was er durchgemacht hat."
"Meine Meinung", krächzte der panadianische Pilot. Merkwürdigerweise war er vollkommen ruhig. Er wusste einfach, dass er gerettet werden würde. Es war so als ob das Glück eines ganzen Lebens jetzt in diesem Moment aufgebraucht wurde. Er würde überleben. Und er würde Sidecast an seinem Krankenbett heulen sehen.
"So, das war der Sitz. Jetzt der Lieutenant, Corporal."
"Suzie... Schneid die Gurte durch! Schnell, verdammt! Der Ast kommt runter!"
"Was? Ich..."
"Ich hab ihn! Nun schneid ihn los!", blaffte die Männerstimme.
Sonny fühlte einen Ruck, einen kurzen Fall und noch einen Ruck, der schmerzhaft durch seinen Körper jagte.
"Schneid uns los, Mädchen! Schneid uns los!"
"Ja, Corporal!", blaffte die zweite Stimme. Über ihnen wurde das Knacken ohrenbetäubend. Etwas rauschte, Sonny fühlte, wie er erneut fiel. Dann aber gab es einen weiteren harten Ruck, der Fall ging zur Seite und er spürte mindestens zwei Rippen brechen und zwei Menschen aufstöhnen, als sie gemeinsam gegen etwas hartes, etwas sehr hartes fielen. Wahrscheinlich an den Stamm des Baumes, in dessen Ästen er hing. Unter ihm krachte und knackte es weiterhin.
"ICH HAB IHN! SARGE!"
"Bin ja schon da, Bengel! So, Lieutenant, jetzt sind wir ein unzertrennliches Paar, wir zwei, bis wir unten sind. Sie sind an mich gebunden, im wahrsten Sinn des Wortes!"
"Autsch, ich habe mir die Hand gebrochen", beschwerte sich die zweite Frau.
"Ist bestimmt nur verstaucht. Schaffst du es runter, oder soll noch jemand raufkommen, Astley?"
"Sie ist gebrochen, bestimmt, Corporal! Ich habe es knacken gehört!", murrte sie.
"Jetzt hat es erst mal Priorität, den Lieutenant auf den Boden zu schaffen! Hier, Smith, klinken Sie uns ein. Ich bringe uns zwei runter! Sie führen die Leine, okay?"
"Geht klar."
"Private, Sie halten die Füße still. Wir bringen Sie anschließend runter."
"Jawohl, Sarge."
Sonny musste lachen. "Die beste Rettung aller Zeiten."
"Sorry, Sir, wir mussten etwas improvisieren", erwiderte Sokol.
"Das habe ich ernst gemeint. Hey, Sarge, können Sie sehen, was mit meinen Augen ist? Ich sehe nichts mehr."
"Das würde mich auch schwer wundern. Ihr Visier ist dunkel und unter dem Baum ist es dunkel wie im Arsch eines Grizzlys. Wir kümmern uns um Ihren Helm, wenn wir unten sind. Wehe, Sie sterben mir die letzten Meter, Lieutenant, dann bringe ich Sie um. Das ist ein Versprechen."
"Wie könnte ich bei solchen Worten widersprechen? Ich bin in Ihrer Hand, Sergeant."
"Ich liebe es, wenn die Sternchen verstehen", erwiderte sie zufrieden. "Also los, Smith, wir gehen runter."
"Bereit, Sarge."

Sokol begann, sich und den notdürftig mit einem Gurt an ihr befestigten, wie eine Banane an ihr hängenden Lieutenant abzuseilen. Unter ihr wartete der Rest vom Fireteam und der Sanitäter auf ihre Ankunft. Meter um Meter ging es hinab.
Am liebsten hätte Sonny laut und breit gelacht, denn er hätte auf sein Überleben keinen Cent gegeben, nicht so, wie seine Chancen gestanden hatten. Aber wenn er Sergeant Sokol irritierte, holte der Tod sein Versäumnis womöglich noch nach.
"Vorsichtig jetzt!", rief eine neue Stimme. Hände griffen zu und richteten den Lieutenant wieder auf. "Langsam zu Boden! Passt auf den linken Arm auf, der ist gebrochen! Abmachen, Sarge. Danke. Auf die Trage!"
Sein Visir wurde hochgeschoben und Sonny konnte wieder etwas sehen. Aber es war wirklich recht dunkel unter dem Baum. Licht stach zu ihm herüber und blendete ihm. "Können Sie mich hören, Lieutenant? Pupillenreflexe normal. Himmel, was sind Sie für ein Glückspilz."
"Ja, ich höre Sie. Wie sieht es aus? Wie viel von mir ist noch dran?"
Ein Gesicht erschien vor ihm. Ein Weißer mit ziemlich großem Kinn und dunklen Augen. "Sie haben mehr Verletzungen, als ich Finger an den Händen habe, aber keine davon ist tödlich. Falls es nicht zu inneren Blutungen kommt. Aber tüchtig einen an die Birne gekriegt haben Sie, das kann ich jetzt schon sagen. Sarge, ist besser, ihn so schnell wie möglich ins Lazarett zu schaffen."
"Ldungas Farm. Sagen Sie Möller Bescheid. Wir fliegen, sobald ich meine Kletterexperten runtergeholt habe." Nun erschien auch der weibliche Sergeant über ihm. Ebenfalls eine Weiße, mit hartem Gesicht und Hakennase. Aber selten war ihm eine Frau schöner vorgekommen.
"Mein Versprechen steht, Lieutenant. Wenn Sie es wagen sollten zu sterben, werde ich Sie töten, darauf haben Sie mein Wort."
"Ich werde nichts tun, was Sie ärgert, Sarge, versprochen", erwiderte Sonny und quälte sich durch einen Hustenanfall, ausgelöst von seinem Bedürfnis zu lachen.
"Na also", sagte die Frau zufrieden. "Kein Blut im Auswurf. Die Lungen scheinen schon mal noch ganz zu sein. Viel Glück, Lieutenant."
"Danke, Sarge. Ach ja, und gute Arbeit da oben. Ich werde Sie und Ihre Leute lobend in meinem Bericht erwähnen."
"Na, das hoffe ich doch. Vor allem weil es bedeutet, dass Sie wieder Berichte schreiben können. Und jetzt bringt ihn weg. Möller soll uns anschließend holen kommen."
"Ja, Sarge." Schaukelnd setzte sich seine Trage in Bewegung, jedes auf und ab ließ seinen Körper schmerzen. Die Kakophonie aus Brüchen, Verstauchungen, blauen Flecken und was sonst noch alles äußerte sich als unendliche Abfolge von großen und kleinen Schmerzen, die ihn aufstöhnen und die Luft zischend zwischen den Zähnen entweichen ließ. Aber er begrüßte sie sehr. Schmerz bedeutete Leben. Er war immer noch am Leben. Und er hatte vor, das noch eine sehr lange Zeit zu bleiben.
***
"Haben Sie gehört? T-54-Panzer und Ratel 20-Radpanzer bewegen sich auf Sie zu, Captain!"
"Ja, Sir, ich habe Sie verstanden. Aber das mit den Panzern haben wir auch so schon bemerkt", erwiderte Scott in sein Funkgerät. Eine herabpfeifende und explodierende Granate untermalte das Geschehen effektvoll. Ein Haus zweihundert Meter vor ihrer Frontlinie wurde getroffen. Ein Teil der Fassade wurde abgesprengt. "Wir werden beschossen. Es ist kein besonders gut gezieltes Feuer und sehr willkürlich verteilt. Aber ich fürchte mich vor dem ersten Glückstreffer. Wir haben hier auch nicht gerade Schützengräben zu unserer Verteidigung. Und zurückziehen ist auch keine Option, weil das Feuer nur auf die Weststadt verlagert werden muss. Wenigstens verursacht das Bombardement dem Riki mehr Ärger als uns. Noch."
Eine Pause entstand, in der Admiral Philips, sein Gesprächspartner an Bord der Abraham Lincoln, das Gesagte verarbeitete. "Hören Sie, die zum Bodenkampf ausgerüsteten Super Hornets sind noch vierzig Minuten entfernt. Aber die Panadier haben sich zu einem Angriff auf Bodenziele bereiterklärt. Und zugegeben, sie sind etwas sauer, weil einer ihrer Piloten abgeschossen wurde. Meine Frage ist: Halten Sie noch vierzig Minuten durch?"
"Wie viele Panzer kommen auf uns zu, sagten Sie, Admiral?"
"Mindestens zehn wurden klar erkannt, Captain."
"Wenn sie alle zu feuern beginnen, sind wir im Nachteil. Der Riki hat eindeutig immer noch mehr kampfbereite Männer als wir. Außerdem müssen wir hier jedes Lock und jedes Pappstück filzen, weil sich dahinter ein Kindersoldat verstecken könnte, der uns in den Rücken fallen will. Zwölf von den kleinen Kröten haben wir schon einkassiert. Und wer weiß, wie viele wir noch entdecken werden. Außerdem graut mir eher vor denen, die wir nicht entdecken."
"Also lautet Ihre Antwort?", fragte der Admiral.
Jason Scott sah sich kurz zu seinen Begleitern um, Axel Herwig und Lieutenant Morelli. "Die Panzer sind außer Reichweite unseres schweren Geräts, Admiral. Unsere Mörser reichen nicht so weit. Und mit Javelins können wir sie nur bekämpfen, wenn sie nahe genug herankommen. Ihnen entgegen ziehen geht auch nicht, weil wir nicht motorisiert sind, und..." Ein erneuter Einschlag unterbrach ihn. Jemand schrie auf, sein Nachbar rief nach dem Sani.
"Und zurückziehen ist auch keine Option, auch weil Major Michael die Stellung nicht alleine halten kann. Den Osprey sprengen nützt nichts. Wenn die Panzer zehn Kilometer bis zu uns schießen, ist der Lagabanda für sie nur eine Pfütze."
Wieder entstand eine lange Pause. "Geben Sie mir Herwig."
"Welchen, Sir?"
"Den Verrückteren der beiden."
Scott reichte das Funkgerät Axel. "Der Admiral will Sie sprechen."
"Warum bin ich genau nochmal der Verrücktere?", murrte Axel. "Herwig hier."
"Direktor Herwig, wie sieht es aus? Können Ihre Hubschrauber eingreifen? Ihnen dürfte langsam die Munition ausgehen, oder?"
"Admiral, Sir, wenn Sie meine Einschätzung der Lage hören wollen: Die anrückenden Panzer unterstützen augenscheinlich den Riki. Auch wenn sie noch auf die Falschen schießen, sie haben was gegen uns, die Marines und die Ranger. Meine Leute haben Befehl, die Panzer anzugreifen. Allerdings wäre ich dankbar dafür, wenn Sie die Zahl der potentiellen Ziele für die Luftfaustschützen unserer unbekannten Angreifer erhöhen könnten. Das erhöht die Überlebenswahrscheinlichkeit für alle."
"Also gut, Direktor Herwig. Wir bitten die panadianische Luftwaffe darum, der Keounda City-Einheit Entsatz zu gewähren."
Axel atmete erleichtert aus. "Ich sage meinem Staffelchef Bescheid, damit er sich mit Mincemeat abspricht." Wieder ein Einschlag, diesmal in einem Gebäude hinter der Linie der Ranger. Steintrümmer prasselten auf die Umliegenden nieder. "Und das so schnell es geht."
"Und ich sage unseren Leuten, sie sollen etwas auf die Tube drücken", schloss der Admiral. "Viel Glück Ihnen allen."
"Danke, Admiral. Over and out."
Axel gab das Funkgerät an den Ranger-Captain zurück. "So, so. Ich bin der verrücktere der Herwig-Brüder?"
"Eine unverrückbare Tatsache", versicherte Scott todernst.
Axel wusste nicht, ob er lachen oder weinen sollte. Er entschloss sich, zuerst Boxie zu kontaktieren, über die veränderte Lage zu informieren und erst danach zu schmollen.
"Ranger 1 an alle Ranger und Marine 1", sagte Scott in sein Einsatzfunkgerät. "Admiral Philips ersucht die Panadianer um Unterstützung in Form eines Luftschlags, den sie mit den Hubschraubern kombinieren werden... Hoffentlich. Wenn also nördlich von uns das Chaos ausbricht, könnte der Riki Morgenluft wittern. Sollte er angreifen, verpassen wir ihm eine blutige Nase und stürmen. Sollte er nichts tun, stürmen wir trotzdem."
"Hier Marine 1. Ranger 1, habe ich das richtig verstanden? Sie wollen die Stadt stürmen und nehmen?"
"Ja, Major. Einwände?"
"Keine Einwände. Treten wir ihnen in den Arsch, und das kräftig."
"Ranger 1 von Captain Sinclair, auf dem Weg zu Ihrer Position mit einem vollen Platoon Ranger."
Scotts Blick wurde starr. Damit war zumindest der militärische Schutz der Untersuchungskommission eingetroffen.
"Ranger 1 hört und versteht, Captain. Sprechen Sie."
"Ich beantrage, als Ranger 5-1 in den Funkkreis aufgenommen zu werden. Wo wollen Sie mich und meine Fireteams haben? Aufgeteilt auf die einzelnen Abteilungen, oder im Block?"
"Bestätige Callsign Ranger 5-1. Ranger 5-1, gehen Sie mit Ihren Leuten in die Mitte zwischen uns und den Marines, ungefähr achthundert Meter Richtung Osten von der kleinen Brücke aus gesehen. Meine Ranger und Major Michaels Marines werden ihre Reihen verdichten können."
"Verstanden, Ranger 1." Ein erneuter Einschlag, diesmal weit hinter ihnen am Ostufer des Lagabandas, unterbrach die Kommunikation erneut für einen Moment.
"Sie schießen einmal alle zwei Minuten", sagte Axel. "Irgendwer vor Ort weist ihr Feuer ein, aber ihr Richtschütze ist einfach scheiße."
Scott nickte zum Zeichen, dass er der gleichen Meinung war.
"Danke für die Unterstützung, Ranger 5-1."
"Sie brauchen sich für nichts zu bedanken, was unter Rangers üblich ist, Scott. Aber eine Sache ist da noch, die an mir nagt."
"Und die wäre, Ranger 5-1?"
"Wagen Sie es ja nicht, die Oststadt zu stürmen!"
"Hören Sie, Ma'am, ich als erster Offizier vor Ort..."
"Nicht, bevor meine Leute und ich in Stellung sind und am Spaß teilnehmen können."
Scott sah verblüfft drein. "Ich tue, was ich kann, Ranger 5-1." Er schüttelte amüsiert den Kopf. "Na ja, was hätte ich auch sonst von einem weiblichen Ranger-Offizier erwarten sollen? Bereithalten, Leute!"
"Aber ich bin der Verrücktere, hm?", murrte Axel.
***
"Wenn Sie meine Analyse hören wollen, Mincemeat", sagte Boxie, während er dem Techniker vor seinem Vogel auf dem Vorplatz der Kathedrale mit Daumen hoch bescheinigte, dass er abflugbereit war, "dann sind das Bewaffnete, aber keine Könner."
"Woran machen Sie das fest, Boxie?"
"Zum Beispiel daran, dass sie auf dem Weg in die Stadt mal eben die Farm eines Warlords plündern. Oder daran, dass sie eine Ewigkeit brauchen, um sich auf unsere Leute einzuschießen, wofür ich selbstverständlich dankbar bin."
"Und das heißt für uns?"
Boxie grinste. "Lassen Sie eine Rotte aus unsere Angriffsrichtung kommen und mit Überschall über die Tanks hinwegfegen. Anschließend kommen Sie aus neunzig Grad und beharken die Panzer. Ich verspreche Ihnen, keine Luftfaust wird in Ihre Richtung zeigen. Und danach kommen wir aus der Richtung der ersten Rotte und räumen auf."
"Klingt nach einem Plan. Aber bedenken Sie, wie fix Sonny runtergeholt wurde."
"Deshalb der Überflug mit Überschallgeschwindigkeit. Ihre Leute sind dann raus, bevor sie beschossen werden können. Oder glauben Sie, dieser Gegner war schlau genug, auf unserer Flussseite Beobachter marschieren zu lassen? Oder in irgendeiner Luftrichtung Beobachter zu haben? Ein paar nette russische Raketen reichen eben noch nicht für eine ernstzunehmende Armee. Oder eine gute Luftabwehr. Oder beides."
"Machen wir es so, Boxie. Eine Rotte vorab, danach zwei Rotten zum abräumen. Anschließend Ihre Helis zum Aufräumen."
"Einverstanden. Wir steigen auf, sobald die Rotte Tigris uns überflogen hat. Und wir kommen direkt nach Ihrem Angriff über den Fluss."
"Einverstanden."
"Wann kann ich mit der Rotte rechnen?"
"Nun, meinen Berechnungen zufolge... Jetzt."
Das war nicht ganz korrekt. Es dauerte noch fünf Sekunden, bevor der Donnerknall der Druckwelle beide Jets ankündigte. Der Lärm erreichte seinen Höhepunkt bei ihrem Überflug, der in lediglich zweihundert Metern Höhe geführt wurde. Dann verschwanden die Jets auch schon wieder in der Ferne.
"Boxie an alle! Start!" Alle, das waren in diesem Fall immerhin drei russische Kampfhubschrauber.
Boxie zog seine Maschine hoch und drückte sie nach vorne. Hinter und neben ihm stiegen die anderen Mi-24 auf, eine zweite davon ebenfalls ein D-Modell. In Keilformation flogen sie zum Fluss, folgten ihm eine Zeit, um von der Stadt loszukommen und überquerten ihn. Dann zogen sie in die Himmelsrichtung, in der noch die Rauchwolken von einem guten Dutzend gestarteter Flugabwehrraketen in der Luft standen.
Über diese Stellung zog gerade eine offene V-Formation mit vier Tigris hinweg, aus allen Rohren feuernd. Boxie zählte drei Detonationen. Auch ihnen folgte mindestens eine russische Luftfaust, aber soweit er sehen konnte, traf sie nicht.
"Das war unser Teil. Rufen Sie uns, wenn wir beim Aufräumen helfen sollen, Boxie."
"Das werde ich, Mincemeat. Das werde ich." Boxie atmete tief ein. Der Überschallknall hatte die Truppe sicherlich verwirrt und der Beschuss durch die anderen beiden Rotten in Unordnung gebracht. Nun war es an ihnen, aufzuräumen.
Das Zielsuchgerät markierte schon auf zwei Kilometer Entfernung einen. "Boxie? T-54 in der Erfassung. Feuer frei?"
Der ehemalige Bundeswehrpilot lachte auf. "Du kommst schon noch zu deinem ersten Schuss, Timm", sagte er zu Thaler, der vom Lademeisterposten auf den Bordschützenplatz hatte wechseln müssen. "Boxie an alle: Feuer frei nach eigenem Ermessen. Du auch, Timm."
"Danke." Thaler betätigte den Auslöser. Die linke Dartbox begann Tod und Verderben zu spucken. Dann visierte er einen der Radpanzer an und ließ die Gatling feuern. Etwa in diesem Moment verschwand der T-54 unter den Explosionen der Dart-Raketen. Links und rechts von ihnen spuckten zwei ihrer Helis ebenfalls Raketen und MG-Feuer aus, während der zweite Mi-24D weiter nach Norden driftete.
Boxie stutzte. "Heinlein, was wird das?"
"Kein offenes Schussfeld, Boxie. Ah, aber jetzt. Eröffne das Feuer." Raketen stieben von ihrem Hind davon.
Beinahe emotionslos registrierte Boxie die Zerstörungen, die die junge Frau und die anderen Piloten anrichteten. Das war gut gewesen, aber noch nicht gut genug. "Wir gehen wieder in die Deckung der Bäume. Jackson, wir zwei fliegen ein Stück nach Süden und kommen von dort noch mal. Heinlein, Sie und Waltze machen das Gleich von Norden. Achtet ein wenig darauf, dass wir nicht aufeinander schießen. Los jetzt, bevor doch noch einer von denen merkt, was hier tatsächlich passiert."
"Verstanden." "Roger. Folge Heinlein." "Verstanden, Boxie."
Boxie zog zurück. Es klimperte hell auf, als ein paar Geschosse von der Panzerung des Mi-24D abprallten. Jemand schoss zurück, augenscheinlich mit einer AK47.
Thaler schoss erneut mit der Gatling, und das Feuer hörte auf. "Er hat mich provoziert."
"Sehr komisch. Mach das nicht zu deiner Ausrede für alles, okay?" Der Hind brachte eine Baumgruppe zwischen sich und das rauchende Schlachtfeld. "Aber für den Moment behalte es bei. Zumindest, bis wir den Konvoi in Fetzen gerissen haben."
"Angekommen, Boxie, keine Sorge. Und ich verwechsel das hier auch nicht mit meiner X-Box Zuhause. Da wird man weniger durchgeschüttelt."
Der derzeitige diensttuende Hauptmann und Oberbefehlshaber der Luftstreitkräfte der Belongo Mining, Michael Draeger, schüttelte nur den Kopf. Das passierte also, wenn man einen Lademeister an scharfe Waffen ließ. Sie brauchten dringend noch mehr Piloten und Bordschützen. "Bist du dran, Jackson?"
"Bin hinter dir, Boxie."
"Wir kommen über die Straße rein, und... RADPANZER!"
Sofort löste sich eine Salve Dartraketen, die über die drei fahrenden Ratel 20 fuhren wie eine Fliegenklatsche über ein armes Insekt.
"Gut gesehen, Chef", lobte Thaler.
"Gut geschossen, Timm", erwiderte er das Lob. "Jackson, streich das mit der Straße. Das erwarten sie jetzt von uns. Wir kommen von hier über die Bäume."
"Verstanden, Boxie."
"Boxie von Mincemeat. Wie sieht es aus? Brauchen Sie einen zweiten Angriff?"
"Mincemeat von Boxie. Danke für die bisherige Unterstützung. Wir rufen Sie, wenn wir Sie brauchen, also bleiben Sie ruhig in der Nähe. Ach, und können Sie mir sagen, was in der Stadt vor sich geht?", fragte er, während er die Maschine über die Baumwipfel zog. Sobald das erste militärische Gerät in die Erfassung geriet, bellte erneut die Gatling auf. Vielleicht hatte Thaler eher doch den Job verfehlt.
"Um das bisschen, was wir sehen, in Worte zu fassen: Ein Massaker."
Oh. Fragte sich nur, wer gerade an wem eines beging.
***
Als der Überschallknall sie erreichte und über sie hinwegfegte, eröffneten die Sniper das Feuer.
"Ranger 1 an Sniper. Was ist los?"
"Viele Ziele, Captain", sagte Corporal Leod über Funk. "Sie stürmen kopflos auf die Straße. Sieht nicht so aus, als sei das geplant."
"Ranger 1 an alle: Vor! Die Häuser und die Kanalisation durchsuchen wir später! Aber seht zu, dass jemand auf unsere Rücken aufpasst. Ach, und Ranger 5-1, wenn Sie einen Krieger des Rikis erwischen, dann..."
"Eine Kugel in den Kopf. Ich habe schon gehört, dass die Jungs derart auf Drogen sind, dass sie ihren eigenen Tod nicht mitbekommen, Ranger 1."
"Oh. Gut."
Sie rückten vor, als geschlossene Linie. Vereinzelt kamen Krieger des Riki in ihre Sicht und die Ranger begannen zu feuern. Aber alles auf der Gegenseite wirkte kopflos.
"Ob sie uns was vorspielen?", fragte Scott mehr zu sich selbst als in Axels Richtung.
Von Norden her waren Explosionen zu hören, als vier Tigris auf einmal auf die gepanzerten Einheiten niederstießen.
Der Deutsche schüttelte den Kopf. "Sie sind durchgeknallt genug, um ohne Rücksicht auf ihre Leben in unser Feuer zu laufen. Aber sich abknallen lassen und die Ahnungslosen spielen... Nein, Jason, das glaube ich nicht."
"Und was vermutest du, Axel?"
"Dass sie sich gleich organisiert haben werden."
So geschah es auch. Erst waren es nur ein paar, die direkt ins Feuer der Marines, Ranger und der deutschen Infanteristen liefen, dann wurden es Dutzende, hunderte. Sie feuerten aus ihren AK47, aber eher ungezielt. Die meisten hielten ihre Waffen zu hoch, feuerten über die Köpfe der Angreifer hinweg, bevor sie in ihrem Feuer starben.
"Achtet auf Schweinereien wie die brennenden Autoreifen, auf Sprengfallen und Handgranaten!", mahnte Scott.
Aber irgendwie glaubte Axel nicht daran. Sie schlossen zur nächsten Straße auf. Links und rechts von ihnen betraten ihre Leute ebenfalls die Kreuzungen. Solange sie den Sichtkontakt hatten, war die Situation überschaubar. Jetzt, wo die Kampfhubschrauber nicht eingreifen konnten und die Amerikaner damit beschäftigt waren, Transportdienst zu verrichten.
Als sie um eine leichte Kurve kamen, sah Axel überrascht zu Scott herüber. "Da soll mich doch... Was ist das?"
"Ich schätze, das war mal das hiesige Rathaus", erwiderte der Ranger, während der kleine Platz und der zweistöckige Jahrhundertwendebau immer mehr in ihr Sichtfeld rückte. "Heutzutage wohl der Palast des Riki. Ranger 1 an alle: Am Platz Stellung aufbauen. Marine 1, wäre es möglich, wenn ein paar Ihrer Leute schauen, was hinter dem Gebäude vor sich geht? Der Platz ist leer und ich fürchte, sie sitzen hinter den Fenstern und warten nur darauf, uns auf freier Fläche abzuknallen, während der Riki wer weiß was tut."
"Ich sehe zu, was ich tun kann, Ranger 1."
Axel schnaubte. Er wusste nicht, dass Niklas das einhundertachtzehn Meter weiter Richtung Südosten an seinem Teil der Straße ebenfalls tat, als er den Palast des Riki sah. Und er wusste nicht, dass sie beide das Gleiche sagten: "Schätze, das ist das letzte Kapitel."
***
Der Osprey landete auf dem Innenhof der Residenz, die offizielles US-Staatsgebiet war. Captain Anette Burdelle verließ den Hubschrauber als Erste. "Lieutenant, übernehmen Sie. Sie kennen das ja. Ausrüstung aufnehmen, ausbooten, Stellungen auskundschaften und befestigen."
"Aye, Ma'am. Ihr habt den Captain gehört! Los, los, los!"
Burdelle widmete das Ausbooten keines Blickes. Sie konnte sich auf ihre Leute voll und ganz verlassen. Und erst Recht auf Second Lieutenant Albert Bloom, ihre rechte Hand.
Mit weit ausgreifenden Schritten ging die schwarzhaarige Kaukasierin mit dem einen oder anderen mexikanischen Einschlag im Gesicht auf seine Exzellenz Fitzpatrick Hayle und die Anführerin der Botschaft-Marines, Ariele McMasters, zu.
"Good Day, Sir, Lieutenant. Wie ist die Lage?"
Hayle war ein energisch wirkender junger Mann mit dunkelblondem Haar und buschigen Koteletten. Eine kleine Goldrandbrille und die scharfe, gerade Nase gaben ihm etwas ernstes. Burdelle wusste, dass das Außenministerium Länder wie Ndongo normalerweise als unproblematisch ansah und deshalb meist Botschafter entsandte, die in dieser Position ihre ersten Sporen sammeln mussten. Das passte zum Alter Hayles, das in seiner Akte mit siebenunddreißig angegeben war. Das machte Leute wie ihn allerdings auch wenig berechenbar.
"Noch nicht besonders ernst, wenngleich wir versuchen, so viele US-Bürger wie möglich in die Botschaft zu bekommen und die Ndongoianer draußen zu halten. Es gibt erste zaghafte Proteste gegen die US-Regierung, und auf dem Platz vor dem Präsidentenpalast starten die Anhänger des Präsidenten ihre erste Demonstration. Ich habe Lieutenant McMasters angewiesen, die Verteidigung vorzubereiten, nach eigenem Ermessen."
"Ziehen Sie eine Evakuierung in Betracht?", fragte Burdelle direkt, während sie mit der anderen Marine einen Salut austauschte.
"Wenn ich ehrlich sein soll - ja. Und dabei ist es mir egal, ob man mich im Außenministerium für einen Feigling hält. Spätestens seit dem Abschuss einer ndongoanischen Militärmaschine durch Panadia beginnt es hier langsam heiß zu werden. Fakt ist aber, wir passen nicht alle in den Osprey."
"Hm." Ihr Blick ging zu McMasters. Die rothaarige Frau nickte knapp. "Die Lage ist ernst. Noch nicht gefährlich, aber einige der US-Bürger, die in die Botschaft evakuiert wurden, berichten von einer sehr gereizten Stimmung und vereinzelten Übergriffen. Das Geschehen in Belongo wird als Eingriff in ihre Souveränität gesehen. Viele sind verärgert. Wenn der Präsident zudem seine Anhänger mobilisiert, also seine Stammesmitglieder, kann es hier schnell zur Sache gehen."
"Dann empfehle ich die Evakuierung. Streichen Sie die Flagge, Exzellenz, und verlassen Sie mit den Zivilisten die Stadt."
"Dem möchte ich widersprechen", sagte Hayle. "Ich habe zwar gesagt, es ist mir egal, ob das Außenministerium mich für einen Feigling hält, aber das heißt nicht, dass ich sofort den Schwanz einkneife, wenn es mal etwas brenzliger wird. Aber Ihren Vorschlag nehme ich auf. Ziviles Personal und alle in der Botschaft konzentrierten US-Bürger werden ausgeflogen."
"Exzellenz, ob wir dann einen zweiten Anflug schaffen werden, mag bezweifelt werden. Und selbst wenn der funktioniert, bin ich nicht sicher, ob uns ein Abflug gelingen wird", warnte Burdelle.
"Ihr Einwand wurde zur Kenntnis genommen, Captain. Es bleibt dabei. Wir evakuieren die zivilen Mitarbeiter und die US-Bürger sowie alle geheimen Unterlagen, die wir nicht ohne Not vernichten können. Stellen Sie dazu ein paar Mann ab, die tragen helfen, Captain. Und Lieutenant, weisen Sie den Captain über unsere Lage ein und helfen sie ihr dann dabei, Stellungen auszubauen. Und was die Fahne angeht: Die wird heute vom Fahnenappell eingeholt werden und von niemandem sonst.
Entschuldigen Sie mich jetzt, meine Damen. Ich habe eine Protestnote zu verfassen."

"Ist er mutig, oder dumm?", fragte Burdelle die rangniedere Marine, als der Botschafter im Gebäude verschwunden war.
"Oh, Mut ist gerade eine Seuche, die in Ndongo furchtbar grassiert. Manchmal muss man einem Menschen nur Gelegenheit geben, seinen Charakter zu belasten, um zu sehen, was darunter ist. Kommen Sie, Captain, ich zeige Ihnen unsere Schwachpunkte, solange wir Zeit haben."
"Einen Moment.
Lieutenant Bloom!"
"Ma'am?"
"Auf Aufforderung des Sekretariats stellen Sie ein Squad ab, das beim Tragen von Dokumenten im Osprey zwecks Evakuierung der Zivilisten helfen wird!"
"Verstanden, Ma'am. Und was ist mit dem Platoon?"
Burdelle zog eine Augenbraue hoch. "Wir bleiben selbstverständlich hier und halten die Stellung."
Der Marine grinste sie an. "Genau so, wie wir Marines es lieben, Captain."
"Etwas anderes habe ich von Ihnen auch nicht erwartet, Bloom. Räumen Sie weiter aus und melden Sie sich, wenn Sie fertig sind. McMasters? Zeigen Sie mir das Gebäude und das Dach."
"Aye, Ma'am."
"Und sagen Sie mir was zur Situation."
"Nun, Captain", sagte die Lieutenant, während sie dem Captain die Tür aufhielt, "Ompala ist eine Großstadt mit knapp drei Millionen Einwohnern, von denen siebzig Prozent in Slum-Siedlungen lebt, meistens Angehörige von Stämmen der ferneren Inlandprovinzen. Der Rest wird gebildet von Upeti, Llangoto und Mtagi, um nur die Wichtigsten zu nennen, deren Vertreter Regierung, Parlament, Militär, Wirtschaft und Justiz weitestgehend unter Kontrolle haben. Da sie wissen, dass sie in ihrer Hauptstadt in der Minderheit sind, tun sie sich vor allem mit Propaganda und Günstlingswirtschaft hervor. Wenn es dem Präsidenten gefällt, dann werden zehntausende schlecht bezahlte Tagelöhner, denen man ein paar US-Dollar gibt, diese Botschaft stürmen."
"Und wie groß ist die Gefahr Ihrer Meinung nach?"
"Die Gefahr, auf Unschuldige zu schießen, die nur aufgehetzt wurden, oder die Gefahr, dass wir in diesen Hallen unbeschreibliche Akte der Gewalt, Entmenschlichung und Brutalität erleben werden - zumindest jene, die dann noch leben?"
"Beides, Lieutenant."
"Wenn Sie die Nachrichtensendungen verfolgt hätten, wüssten Sie, dass es jederzeit losgehen kann." Ihre Miene wurde starr. "Gerade vor fünf Minuten hat das staatliche Fernsehen in einer Sondersendung mitgeteilt, dass sich ein einfacher ndongoischer Frachter gegen eine amerikanische Fregatte unter ganboischer Flagge durchsetzen und sie versenken konnte. Sie können sich denken, was das für die Stimmung bedeutet, die wegen dem Abschuss durch panadianische Flieger hier in Ompala herrscht."
"Mit anderen Worten: Wir sitzen in der Scheiße."
"Aber sowas von."
Die beiden Frauen tauschten ein unmilitärisches Lächeln. "Schätze, es wird Zeit, ein paar Vorurteile zu bestätigen, die man Zuhause von Frauen bei den Marines hat. So von wegen Kampfgeil, schießwütig und übertrieben brutal und unfraulich."
McMasters lachte leise. "Bin dabei, Ma'am. Bin dabei. Kommen Sie, sehen wir uns das Dach an."

Zwei Mitarbeiter des Botschafters, Männer wohlgemerkt, sahen den beiden Marines nach, als diese die Treppe hochgingen.
"Was habe ich dir gesagt, Matt? Frauen in Uniform sind alle durchgeknallt. Die freuen sich ja schon drauf, dass es hier ordentlich kracht."
"Das ist ihr Job. Und jetzt halt die Klappe und arbeite."

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05.07.2013 17:49 Ace Kaiser ist offline E-Mail an Ace Kaiser senden Beiträge von Ace Kaiser suchen Nehmen Sie Ace Kaiser in Ihre Freundesliste auf
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Axel atmete heftig ein und wieder aus wie nach einem Sprint. Aber er hatte sich kaum angestrengt, zumindest nicht körperlich. Dafür aber hatte er geschossen. Oft genug geschossen. Und nun türmten sich die Leichen der toten Krieger des Rikis auf dem Platz vor dem Prachtbau und in den Seitenstraßen. Er hatte keine Ahnung, wie viele es waren, aber er fürchtete, der Riki könnte noch mehr von ihnen haben.
"Marine 1, was haben Sie für mich?"
Major Michael meldete sich sofort. "Ranger 1, wir können die Rückseite des Gebäudes einsehen. Zur Zeit schanzen wir die rechte Flanke, um nicht umgangen zu werden, aber der Wald steht der Stadt sehr nahe und macht es schwierig. Ich habe ein paar Jungs rübergeschickt, die Stolperfallen auf den Trampelpfaden auslegen, damit wir zumindest gewarnt sind. Ich habe aber auch mit zwanzig Mann freies Schussfeld. Was ich hier sehe, wird Sie interessieren, Ranger 1. Es sieht ganz so aus, als würde der Riki evakuieren. Ich sehe Dutzende Männer und Frauen, die das Gebäude verlassen und auf etwas warten, voraussichtlich auf Transportmöglichkeiten. Etwa die Hälfte verlässt den Platz in nordöstlicher Richtung zu Fuß, flankiert von einigen Bewaffneten. Befehle?"
"Beobachten Sie weiterhin und verhalten Sie sich ruhig. Wenn sich unser Problem von selbst löst, umso besser. Ich kann langsam keine Schüsse mehr hören."
"Ich verstehe, wie es Ihnen geht, Ranger 1."
"Ich glaube, Sie verstehen mich falsch, Marine 1. Das ganze Rumgeballer macht mich langsam taub."
Michael lachte rau auf. "Das habe ich doch auch gemeint."
"Männer."
"Keine unqualifizierten Kommentare, auch wenn sie noch so wahr sind, Ranger 5-1", mahnte Scott erheitert.
"Verstanden, Ranger 1. Wir warten also?"
"Nutzen Sie die Zeit, um die Toten in Ihrer unmittelbaren Umgebung noch mal zu töten, Captain. Und schicken Sie Leute, solange es ruhig bleibt, in die Sie umgebenden Häuser und runter in die Kanalisation. Sie sollen auch hinter jede Plane und in jedes Fass schauen, ob dort nicht ein bewaffneter Kindersoldat lauert. Glauben Sie mir, Sie wollen beides nicht erleben. Weder dass sich ein vermeintlich Toter aufrichtet und einen Ihrer Leute tötet, weil er sich sicher war, dass der Leichnam wirklich ein Leichnam war, noch dass plötzlich ein Halbwüchsiger mit einer Pistole oder einer AK-47 Ihren Leuten in den Rücken schießt."
"Sind ja furchtbare Zustände hier. Jemand sollte hier gründlich aufräumen und mal ein wenig Ordnung ins Land bringen", erwiderte die Ranger-Captain angemessen frustriert.
"Wir versuchen es ja schon, Ranger 5-1", warf Axel ein. Und mehr als Versuche waren es bisher nicht gewesen. Allerdings, wenn an diesem Tag endlich Ruhe in dieser Stadt herrschte, wenn der Riki diese Stadt, seine Stadt, aufgeben musste, dann war vielleicht mehr für Belongo gewonnen als mit dem Lazarett, zu dem die Menschen aus allen Landesteilen strömten, solange es noch da war, ungeachtet ihrer Volkszugehörigkeit und ihrer Koalitionen. Andererseits waren die herrschenden Kräfte, die Belongo im Chaos sehen wollten, nicht nur bereit, ein menschliches Wrack wie den Riki in ihrem Sinne einzusetzen und auszurüsten, sondern sie waren auch in der Lage, mal eben drei Kompanien Ketten-, und Radpanzer zu rekrutieren und dieser entmenschlichten Person zu Hilfe zu schicken.
"Habe ich gesehen, Belongo 1. Kompliment dafür", antwortete Captain Sinclair.
"Belongo Mining 1, bitte", erwiderte Axel.
"Sicher?", fragte sie amüsiert. "Oh, Scheiße, da steht ja wirklich einer wieder auf!" Weit rechts von ihnen erhob sich ein blutüberströmter Leib. Zugleich feuerten die Ranger. Dutzende Kugeln durchbohrten ihn, aber er fiel nicht. Er öffnete den Mund und brüllte. Dann setzte er sich wankend in Bewegung, auf die Linie der Ranger zu. Während die Kugeln ihn durchsiebten, griff er mit verkniffenem Gesicht an seinen Gürtel, zog zwei Eierhandgranaten und entfernte die Sicherungen mit den Zähnen. Dann erst traf ihn ein Schuss in den Kopf. Deutlich konnte Axel sehen, wie eine Fontäne Blut aus dem Hinterkopf schlug. Der Mann stoppte. Er knickte in die Knie ein, die Handgranaten noch immer in den Händen. Schließlich fiel er vornüber, etwa fünfzig Meter vor der Stellung der Ranger. Fünfzehn Sekunden später explodierten beide Granaten. Sie zerfetzten den Mann und drei tote Männer des Rikis, die in der Nähe lagen.
"Gefährliches Pflaster, dieses Keounda City", sagte Sinclair. "Wo sind wir hier? In einem Zombie-Film?"
Was für ein passender Vergleich.

"Belongo Mining 1 von Boxie, bitte kommen."
"Bin dran. Was gibt es, Boxie?"
"Kleinholz, würde ich sagen. Ich bin jetzt zweimal über die Fahrzeuge hinweg geflogen, aber niemand hat auf mich geschossen. Ich denke, für die Piloten der Abraham Lincoln gibt es nichts mehr zu tun. Wenn es geht, hätte ich gerne ein paar Bodentruppen zum Aufräumen. Ich schätze, die hier stehen nach einem eigentlich tödlichen Lebersteckschuss nicht wieder auf. Außerdem müssen wir schauen, was auf der Farm des hiesigen Warlords los ist. Die meisten Gebäude brennen, und ein paar der Lastwagen stehen da noch. Die haben wir bisher nicht beschossen."
"Können wir dafür Ldungas Leute nehmen?", schaltete sich Niklas in die Unterredung ein.
"Keine gute Idee. Ldunga hat doch erwähnt, das er und seine Leute vom Ostufer verdrängt wurden und auf das Westufer gewechselt sind", erwiderte Axel. "Ich bin mir nicht sicher, ob sie dort aufräumen werden, oder ob sie alles töten, was noch lebt. Hier sind sie unsere zuverlässigen Verbündeten, wohl auch weil die Angst vor dem Riki uns zusammenhält. Aber drüben, auf ihren ehemaligen Land, den Erzfeind zu Füßen... Sagen wir, ich will sie nicht in Versuchung führen."
"Belongo Mining 1, wir haben definitiv zu wenig Leute für die ganzen Aufgaben", meldete sich Captain Sinclair erneut. "Falls Sie das nächste Mal eine Firma in Afrika aufmachen, fordern Sie doch bitte vorher eine Amphibiendivision im Pentagon an."
"Ich denke dran, versprochen. Das nächste Mal", erwiderte Axel amüsiert. Es stimmte also, ein wenig Galgenhumor konnte nie schaden. Er fühlte sich schon ein wenig besser, obwohl ihm die Situation, in jedem Fall töten zu müssen, noch immer schwer zu schaffen machte. Eigentlich war er es gewöhnt, jedem eine zweite Chance zu geben. Aber diese zugedröhnten Junkies wollten keine zweite Chance. Sie wollten nicht einmal leben. "Niklas, wir stellen die Truppen."
"Ist gut, großer Bruder. Hannes, nimm dir eine Firesquad und kehre zur Moschee zurück. Boxie, du kommst mit einem weiteren Heli zurück und holst sie ab. Die anderen beiden bleiben zurück und passen darauf auf, dass nicht noch Verstärkung vorbeikommt."
"Und passen auf die schmucke kleine M-10 Feldhaubitze auf, die hier unbeschädigt rumsteht. Gut, fast unbeschädigt. Schätze, mit dem Ding haben sie auf euch in der Stadt geschossen, während ihre Leute die Farm geplündert haben. Sind auf dem Weg."
"M-10?"
"M-1938. Russisches Weltkrieg II-Modell. Ich habe noch nie eine echte gesehen, geschweige denn angefasst", sagte Boxie. "Das hole ich heute noch nach."
"Na, wenigstens einer, der der Situation etwas Positives abgewinnen kann", sagte Lieutenant Morelli sarkastisch.
Und wenigstens einer, der seinen Humor noch nicht verloren hatte.
***
Im fernen Washington hatte man darüber diskutiert, von Diego Garcia eine Drohne aufsteigen und für die Suche nach der Karuma einzusetzen, den ndongoischen Frachter mit der hochgefährlichen Ladung. Stattdessen hatte man sich für ein zusätzliches Radarflugzeug entschieden, das kurze Zeit später auf direkte Weisung des Präsidenten von der Abraham Lincoln gestartet war. Was aber ebenfalls gestartet war, war eine Drohne, eben von Diego Garcia. Dies war gegen halb elf Ortszeit Keounda City gewesen. Die Drohne stand unter der Kontrolle des CIA. Zumindest war das der Fall, bis sie Ndongo überflogen und zahlreiche Aufnahmen von der Belongo Mining geschossen hatte; als sie belongoischen Luftraum wieder verließ, verloren die Operatoren die Kontrolle über die Drohne und sahen verdutzt auf schwarze Bildschirme. Vergeblich versuchten sie gegen zwölf Uhr, als nahe Keounda City der Tanz wieder heißer wurde, die Kontrolle über das Fluggerät zurückzuerlangen. Aber umsonst. Nach zehn nahezu endlosen Minuten meldete das zuständige Team den möglichen Verlust der Drohne, entweder durch gezielten Abschuss, oder, was wesentlich schlimmer war, durch feindliche Hacker. Von dort ging die Nachricht direkt nach Langley in Virginia, in den Hauptsitz der CIA. Die spontane Reaktion war, die zwanzig Millionen Dollar teure Drohne sprengen zu lassen, aber niemand konnte sich sicher sein, dass der Selbstmordbefehl den Flieger überhaupt erreichen würde. Also schloss man sich mit der Navy kurz, um mit Hilfe der beiden Radarflugzeuge der Abe zumindest die Position der Drohne ermitteln zu können. Notfalls würde man die Drohne von den Kampffliegern ihres Bordgeschwaders abschießen lassen müssen; die Kaperung war fatal genug, aber die Technologie der Drohne in den Händen eines Drittlandes, womöglich noch eines, das etwas damit anfangen konnte, wäre eine absolute Katastrophe gewesen. Und während die Agenten auf Diego Garcia verzweifelt darum bemüht waren, den Kontakt zur Drohne wieder herzustellen, suchten die E-2C Hawkeyes der Abraham Lincoln den Luftraum nach ihr ab. Diese Operation dauerte siebenunddreißig Minuten, dann entdeckte die nach Norden entsendete Hawkeye die Drohne - hauptsächlich deshalb, weil die Radarleute wussten, wonach sie Ausschau halten mussten. Die Drohne wurde über dem offenen atlantischen Ozean gesichtet, vierzig Kilometer vor der ndongoanischen Küste in dreiundzwanzig Kilometern Höhe mit Kurs Nordnordwest. Sie zog direkt auf die Chicago zu, die noch rund einhundert Seemeilen von der ndongoanischen Küste entfernt war, als hätte jemand ein Lineal verlegt, an dem sie entlang fliegen konnte.
Etwa zehn Minuten später, nach mehreren vergeblichen Versuchen, die Drohne mit dem Selbstvernichtungsbefehl direkt anzufunken und als schon längst ein Wing F-18 der Abe versuchte, das ferngesteuerte fliegende Auge einzuholen, kroch die Colorado über die Erdkrümmung und wurde für die CIA-Drohne sichtbar. Dies geschah lange, bevor die Navy-Piloten überhaupt in Waffenreichweite waren, obwohl sie fast mit Mach zwei heraneilten, selbst auf das Risiko hin, die Black Stars oder die ndongoanische Luftwaffe nervös zu machen. Was daraufhin geschah, konnte man ohne weiteres als größtmögliche Katastrophe für die US Navy seit dem Brand auf der USS Wasp während des Vietnamkriegs bezeichnen: Die Drohne markierte die Colorado mit einem Zielsuchlaser und meldete die Telemetriedaten an einen unbekannten Abnehmer. Oder um es mal im Jargon zu sagen, das amerikanische Kriegsschiff wurde für den Beschuss illuminiert. Für die Zielsucher jedes Feindfliegers und jeder Rakete strahlte der Zerstörer der Arleigh Burke-Klasse wie ein Weihnachtsbaum. Und es gab ein Schiff mit genau jenen Raketen, die die Fähigkeit hatten, der Colorado ernsthafte Schwierigkeiten zu bereiten.

Derweil versuchte Kapitän Harry Kemibwa, nach Möglichkeit Land zu erreichen und sein Schiff in der nächstbesten Flussmündung zu verstecken. Zumindest, bis sich die Lage etwas beruhigt hatte. Die Vernichtung der ganboischen Fregatte mit Hilfe von vier Sizzlern - dabei hatte Mr. Red ausdrücklich gesagt, nur eine pro Schiff, andererseits waren ihm aber dreißig Sizzler, die in Argentinien ankamen, lieber als gar keine, die ankamen. Auf jeden Fall wollte er erst einmal raus aus der Schusslinie. Wenn es ging in einen Hafen, aber wie gesagt, eine Flussmündung mit ausreichender Tiefe war ihm auch recht. Zumindest vorübergehend, bis der amerikanische Zerstörer, der von Norden kam, an ihnen vorbei gerauscht war. Nicht ganz ohne Grund hoffte er, dass die Amerikaner bisher noch keinen Satelliten abgestellt hatten, der nach seinem Schiff suchte. Und Hoffnung war vielleicht das Letzte, was ihm blieb.
Wieder und wieder ging sein Blick in jene Richtung, in der er das Schnellboot wusste, das ihn und Leutnant Bukows Leute notfalls weit, weit weg bringen würde. Es war allgemein bekannt, dass Mr. Red rücksichtslos gegen seine Feinde war, aber seine Verbündeten nie vergaß. Das war wohl auch der Grund dafür, dass er so viele hatte, Verbündete.
"Ach, das ist ja mal interessant", klang die Stimme des Russen auf. "Kommen Sie doch bitte mal, Skipper."
Interessiert trat Kemibwa näher. Er beugte sich vor, um auf den Monitor von Bukows Ausrüstung zu schauen, mit der er schon das ganboische Kriegsschiff zu den Fischen geschickt hatte. Dort war ein schnell fahrender Zerstörer zu sehen. "Hm?", machte der Kapitän der Karuma. "Was ist daran interessant, Leutnant?"
"Was ich Ihnen jetzt sage, kann ich selbst kaum glauben. Dieses Schiff ist die Colorado, ein Arleigh Burke. Das Schiff, das uns den Weg nach Norden abschneidet.
"Sind das Live-Aufnahmen?", fragte Kemibwa. Wer immer diese Bilder schoss, anhand des Winkels konnte er erkennen, dass dieser jemand relativ hoch flog, aber weit entfernt sein musste.
"Ja, das sind Live-Aufnahmen. Von einer amerikanischen Drohne."
"Von einer amerikanischen Drohne?", fragte Kemibwa verwundert. "Wie sind Sie denn daran gekommen?"
Der Russe schnaubte. "Sie sendet ihre Telemetriedaten direkt an uns. Also zumindest in unser Gebiet. Bevor Sie fragen, ich habe keinen Zugriff auf ihre Steuerung. Das wäre auch zuviel verlangt. Aber was ich habe, das ist Zugriff auf ihren Ziellaser, der gerade die Colorado illuminiert."
"WAS, BITTE?" Entsetzt starrte der schwarze Seefahrer den russischen Söldner an. "Die Amis feuern einen Ziellaser auf eines ihrer Kriegsschiffe?"
"Nun, die Amis mit absoluter Sicherheit nicht. Aber jemand tut es, und dieser jemand gibt jedermann, der es möchte, freien Zugang auf die Daten. Die Frage ist, was machen wir damit?"
In Kemibwas Gesicht arbeiteten die Muskeln. War die Colorado weg, dann konnten sie ihre Fahrt nahezu ungestört fortsetzen. Die Fregatte war auch ein Kriegsschiff gewesen, und sie hatten sie versenkt. Mit sechsunddreißig Sizzlern würde er sogar dem Trägerverband der Abraham Lincoln gefährlich werden können, vor allem, wenn die Schiffe ebenfalls von Ziellasern angestrahlt wurden. Und es war von Vorteil, wenn sie die Karuma nicht mehr verstecken mussten. Er würde so schnell das Schiff lief den freien Ozean aufsuchen und dann auf Nimmerwiedersehen verschwinden. Andererseits bedeutete der Abschuss eines amerikanischen Zerstörers einen schweren internationalen Zwischenfall, der sein Land und seinen Clanführer, pardon: seinen Präsidenten, international einiges kosten würde. Aber den Ärger hatte er vermutlich schon durch den Angriff auf die ganboische Perry-Fregatte.
Doch wenn er sachlich darüber nachdachte, wer sollte seinem Land politisch am Zeug flicken? Er war kein Militär und kein Vertreter seines Landes. Das war eventuell angreifenden amerikanischen Jagdfliegern wahrscheinlich egal, aber wenn er es schaffte, hieraus zu entkommen, wenn er es schaffte, die Waffen nach Argentinien zu schaffen, dann... Nur, was war die bessere Option? Gras über die Sache wachsen zu lassen, oder den Arleigh Burke ebenso wie die Fregatte zu den Fischen zu schicken? Ernst sah er den Russen an. "Schaffen Sie das?"
"Solange die Drohne das Ziel illuminiert, sicher. Aber ich würde, um auf Nummer sicher zu gehen, obwohl der Beschuss durch den Ziellaser viel genauer ist, diesmal sechs abschießen. Ich richte mich da nach Ihnen, Kapitän. Sie sind der Hausherr."
"Und wenn es schief geht?"
"Dann haben wir es wenigstens versucht. Von wo aus wir schießen kann die Colorado jedenfalls über diese Entfernung lediglich vermuten." Dem Russen juckten die Finger. Sein Gesicht zeigte die Anspannung eines Profis, der seine Arbeit tun wollte und der nicht verstand, warum das nicht alle genauso sahen. "Dann können wir immer noch in einen Fluss einfahren, Skipper."
Kemibwa überschlug die Fakten. Sie waren noch zehn Seemeilen vom Land entfernt, dankenswerterweise der Küste des Kaiserreichs Belongo, ihrem sezessionistischen Rivalen im Norden, der keine Verträge mit der USA hatte. Und mit dem Lawumabi gab es einen Fluss, der die Karuma aufnehmen konnte, wenigstens für kurze Zeit.
Und da war noch eine Sache, die entscheidend war: Es hatte ihm gefallen, auf die Fregatte zu feuern und damit den sicheren Tod seines Schiffs abzuwenden. Er war der Stärkere, solange die Sizzler an Bord waren. Und dieses Gefühl würde noch besser sein, wenn sie einen arroganten Ami zu den Fischen schickten. Außerdem, was sollte passieren, wenn es misslang? Sie konnten sich immer noch verstecken. Und da die Chance, dass das Schiff vorbeifuhr nicht viel geringer war als dass es die Karuma nahe der Küste suchte und aufbrachte, war es vielleicht nur die Vorwegnahme eines Kampfes, der ohnehin bevorstand. "Schicken Sie die arroganten Amis zu den Fischen, Leutnant Bukow", sagte er schließlich."
"Jawohl, Sir!", rief der Russe mit allen Zeichen der Freude. "Sergej, Illian, fertig machen für den Abschuss von sechs Raketen und Synchronisierung mit dem Leitstrahl der amerikanischen Drohne!"
Die beiden angesprochenen Söldner bestätigten und machten sich begeistert an die Arbeit. Den Amis welches auf die Fresse zu geben, das war ganz nach ihrem Geschmack.
Kurz darauf drehte das Schiff die Nase nach Nordwesten, zwei Container öffneten sich. Jeder schoss drei Sizzler ab, die kurz vor der Wasseroberfläche ihren Raketenantrieb starteten und dicht über der Wasseroberfläche dahinschossen. Sechs Feuerschweife rasten ihrem fernen Ziel entgegen, einem amerikanischen Kriegsschiff.

In Ompala beobachtete Mr. Red das Geschehen aufmerksam. Es hatte ihn nicht viel Mühe gekostet, den einen oder anderen "Freund" bei der CIA an diverse Gefallen zu erinnern. Außerdem hatte den höheren Hierarchien die Idee eines Krieges gegen Ndongo und die damit verbundene Sicherung der Erdöl-, und Erdgas-Vorräte des Landes gut gefallen. Wenn die jetzige Administration schon nicht tätig werden wollte, um die Energieversorgung des Landes für das neue Jahrhundert zu sichern, vielleicht war sie dann wenigstens klug genug, einen Vorteil zu erkennen, sobald er sich ihr bot. Und das alles für den Preis eines einzigen Zerstörers. Dafür der Diego Garcia-Einheit eine Kaperung ihrer Drohne vorzutäuschen war ebenfalls ein relativ kleiner Preis bei dieser Aktion gewesen.
Mr. Red lehnte sich interessiert zurück. Ein geteilter Monitor zeigte ihm die Sicht der Drohne und ein Bild von der Brücke der Karuma, von wo wiederum die abgeschossenen Sizzler gesteuert wurden. Mit ein wenig Glück überlebten ja vielleicht auch einige seiner amerikanischen Landsleute.
***
Es schien ein schöner Tag in Deutschland zu werden, zumindest in Bonn auf der Hardthöhe. Die Sonne hatte sich nach der vormittäglichen Bewölkung endlich durchgekämpft, die Luft war sommerlich warm und der Kaffee schmeckte gleich doppelt so gut, weil es eben nicht zu heiß war.
So ging es zumindest Bundesverteidigungsminister van Wolfrath. Nachdem er die letzten sieben Tage jeweils sechzehn Stunden gearbeitet und im Büro geschlafen hatte, war das neue Reformkonzept für die Bundeswehr endlich auf soliden Füßen. Aber im Gegensatz zu seinen Untergebenen, die im Marathon mitgearbeitet hatten und die jetzt auf seine Anordnung hin einen freien Tag genossen, war er immer noch im Büro, um die liegengebliebene Arbeit dieser sieben Tage nachzuholen. Zumindest die Berichte wollte er sichten. Seinen Kaffee hatte er sich damit wohlweislich verdient. Dachte er zumindest, bis das Telefon klingelte.
"Van Wolfrath."
"Ludwig, alter Freund! Hier ist Konstantin!"
"Konstantin wer?"
Der Mann am anderen Ende der Leitung machte ein verblüfftes Geräusch. "Konstantin! Konstantin Rauscher! Mensch, hast du mich etwa schon vergessen?"
Dem CDU-Politiker fiel es wie Schuppen von den Augen. Rauscher, ausgerechnet! Der Chefredakteur der BUNT, der größten europäischen Tageszeitung. Nicht unbedingt der besten Tageszeitung, nicht einmal annähernd, aber der größten. "Ach, Konnie! Sag das doch gleich. Du, ist gerade ganz unpassend. Ich stecke mitten in der Bundeswehrreform. Du kannst dir nicht vorstellen, was dieser Taugenichts von der CSU mir hinterlassen hat. Der hat das Ministerium geführt, als wäre er der Sonnenkönig, und ich musste erst mal alle Scherben auflesen. Ich habe die letzten sieben Tage vielleicht dreißig Stunden geschlafen."
"Oh, das wusste ich nicht. Hat der Bachmeyer wirklich so miese Arbeit geleistet?"
"Da kannst du mich ruhig zitieren. Was er ausgearbeitet hat, war eine absolute Zumutung. Keine Ahnung, warum der in der Truppe so beliebt war, aber an seiner Kompetenz für Verteidigung und Auslandseinsätzen kann es nicht gelegen haben."
"Die Bayern halt. Verstehe, du hast zu tun. Aber ich muss dich trotzdem was fragen, geht auch ganz schnell, Ludwig: Was hältst du denn von den Herwig-Brüdern und von Hannes Malicke in Belongo?"
"Die was aus wo? Du, ich war hier die ganze Woche in Klausur. Hätte ich eine Frau oder eine Freundin, wäre sie jetzt meine Ex."
"Du hast das nicht mitgekriegt? Junge, arbeite dich mal fix in deine Akten ein, und das sage ich dir als Freund."
"Moment, langsam, langsam. Wo liegt überhaupt Belongo? Da klingelt was bei mir. Auch bei den Namen Herwig und Malicke."
"Mittelafrika. Ist eine Provinz von Ndongo. Ziemlich groß, ziemlich reich, ziemlich unruhig."
"Belongo. Ach ja, der entführte Leutnant Herwig. Niklas, nicht? Wird gerade ziemlich geschasst, um zu vertuschen, dass es nicht die KSK waren, die ihn gerettet haben. Ich wollte da nächste Woche ein Machtwort sprechen, nachdem er genug geschmort hat. Und Malicke, Malicke. Ach ja, die arme Sau, die das Feldkommando geführt hat, unten in Ndongo, um Herwig zu retten. Was ist mit ihnen?"
"Nun, die sind wieder in Belongo, zusammen mit Niklas' großem Bruder Axel. Und so wie es ausschaut, haben sie da unten eine Diamantenmine akquiriert, ein gutes Dutzend Mediziner der Ärzte ohne Angst aus Geiselhaft gerettet und ein Hilfsprogramm gestartet, das halb Belongo zu einem besseren Ort macht. So wie ich gehört habe sind da unten zwei mittelschwere Minenwölfe im Einsatz, um das Land zu entminen. Fünf kleine werden gerade ausgeliefert, und zwei weitere Mittelgroße wurden obendrein bestellt. Und ein Hospital haben sie auch aufgemacht. Ihre Hubschrauber bringen Kranke und Verletzte aus weiter entlegenen Regionen, und so weiter. Das Heikle bei der Geschichte ist übrigens, dass Niklas Herwig und Hannes Malicke lediglich suspendiert sind. Sie sind immer noch aktive Bundeswehrsoldaten, die sich mehr oder weniger da unten auf eigene Faust rumtreiben. Deshalb will ich von dir wissen: Soll ich sie hochjubeln, oder soll ich sie verbrennen?"
Der Verteidigungsminister stockte. Er kannte die Methoden der BUNT nur zu gut und hatte immer versucht zu vermeiden, selbst in diese Mühlen zu geraten. Zumindest nicht unverschuldet und unerwartet. Den Kampf selbst fürchtete er nicht. Und Suspendierung bedeutet nicht Hausarrest.
"Suspendierung bedeutet nicht Hausarrest, Konnie."
"So. Dann solltest du dich mal fix darüber informieren, wie viele Kriegswaffen die Herwigs und Malicke besitzen. Die haben eine eigene Luftkavallerie aus alten russischen Beständen, Panzereinheiten und mehr als dreihundert Söldner, die für sie kämpfen. Und das tun sie auch. Im Moment vernichten sie ihren größten Konkurrenten in der ehemaligen Hauptstadt, Keounda City. Der soll ein ziemlich sadistisches Arschloch sein, dem bereits Tausende zum Opfer gefallen sind, aber illegal ist es trotzdem irgendwie. Auch wenn die Amis mittlerweile involviert sind, wie es scheint."
"Die Amis?"
"Ich sage doch, arbeite dich rein. Oder frag im Pentagon direkt nach. Irgendwie ist da wohl ein Massaker an US Ranger geschehen, mehr als vierzig Tote, und so. Die sind jetzt sauer. Und haben eine Trägergruppe in der Region. Und das ist erst der Anfang."
Oh ja, er musste sich dringend, DRINGEND in die aktuelle Sachlage einarbeiten. "Konnie, tut mir leid, aber ich muss jetzt sehr schnell sehr viel lesen."
"Okay, aber was mache ich nun mit den dreien?"
"Leben lassen, bis ich weiß, worum es geht."
"Aber irgendeinen Aufmacher brauche ich doch."
"Sie räumen Minen? Sehr gut. Sie schaffen Arbeitsplätze? Sehr gut. Sie haben ein Hospital aufgemacht? Sehr gut. Reicht das nicht?"
"Und sie haben genug Kriegswaffen unter ihrer Kontrolle, um Ndongo zu erobern. Ist das auch sehr gut?"
"Sie sind immer noch Bundeswehrsoldaten, oder? Das ist jetzt meine Sache, nicht deine, Konnie."
"Also stützt du sie?"
Ludwig van Wolfrath zögerte. Die Antwort auf diese Frage konnte seine Karriere beenden. Oder sie so stark voran treiben, dass der Augenwischer, der vor ihm im Amt gewesen war und den man als Lichtgestalt bezeichnet hatte - haha, ausgerechnet der - vollkommen in Vergessenheit geraten würde. Davon abgesehen, waren zwei der Männer deutsche Offiziere, die sich in ihren Dienstzeiten keine großen Verfehlungen geleistet hatten. "Ich stütze sie, Konnie. Laut Akten sind sie gute, fleißige Soldaten und Verfechter der Idee des Staatsbürgers in Uniform. Sollte ich mich da irren, kann ich sie immer noch auseinander nehmen, aber ehrlich gesagt glaube ich es nicht."
"Danke dir, Ludwig. Mehr wollte ich doch gar nicht. Wenn du dich ganz eingearbeitet hast, schicke ich dir Josefine vorbei, okay? Für die Bundes-BUNT und die Kölner Regionalausgabe, ein großes Interview über zwei Seiten oder mehr."
Und da war sie, seine ganz große Chance. "Geht klar. Sie soll über den üblichen Weg einen Termin vereinbaren. Aber ich fürchte, wenn all das stimmt, was du mir gesagt hast, werde ich die nächste Zeit sehr eingespannt sein."
"Verstehe ich, verstehe ich. Ich schicke dir dann erstmal einen Fragenkatalog ins Büro, okay? Beantworte ihn, wenn du alle Zusammenhänge kennst. Und, tritt mal ein wenig kürzer. Du nützt niemandem, wenn du wie der Schmidt regelmäßig über deinem Schreibtisch zusammenklappst."
"Mentholzigaretten gibt es nicht mehr und ich rauche auch nicht, oder?"
"Aber du trinkst Cola. So, ich mach jetzt Schluss. Wir reden bei Gelegenheit."
"Geht klar. Und danke für die Infos. Tschüss, Konnie."
"Tschüss, Ludwig."
Es machte Klick, die Verbindung war unterbrochen. Der Verteidigungsminister starrte einen Moment auf das Telefon in seiner Hand, dann erst stellte er es auf die Ladestation. Er erhob sich, verließ das Büro und trat in den Vorraum. "Elise, ich brauche sofort folgende Leute in meinem Büro. Und ich meine sofort. Staatssekretär Verhausen, Unterstaatssekretärin Goedehardt, General Clawinsky, General Hockmann, General Sunder."
"Verstanden, Herr Minister. Was soll ich ihnen sagen, worum es geht?"
"Um ihre politischen und militärischen Karrieren."

Zwanzig Minuten später waren die avisierten Personen versammelt und hatten ihr Wissen um die Causa Belongo zusammengelegt. Gleich nachdem er der Versuchung widerstanden hatte, sie allesamt zusammenzuscheißen, weil er nicht informiert worden war und eingesehen hatte, das er es gewesen war, der ihre Vorgesetzten nach Hause befohlen hatte, traf er eine Entscheidung.
"Harry, wir müssen reagieren. Und zwar sofort."
Verhausen nickte. "Dienstbefehl an Malicke und Herwig, sofort alle Aktivitäten einzustellen und nach Deutschland zurückzukehren. Geht sofort raus."
"Bist du wahnsinnig, Harry? Im Gegenteil! Sofortige Aufhebung der Suspension und Freistellung auf unbestimmte Zeit für die Kooperation mit den Army Ranger sowie die humanitäre Arbeit in Belongo! Außerdem muss Axel Herwig sofort, ich betone, Herrschaften, SOFORT offiziell wieder eingezogen und in seinem Rang bestätigt werden! Und verdammt noch mal, suchen Sie irgendeinen Weg, um ihn sofort zum Leutnant zu machen, denn noch eine Geschichte mit einem Gefreiten kann sich Deutschlands Image nicht leisten!"
"Stabsgefreiter. Er ist damit kein Obergefreiter wie der österreichische Bartträger, Ludwig", wandte General Hockmann, stellvertretender Kommandeur der KSK, ein.
"Das hilft uns auch nicht weiter! Ich weiß aber, dass die BUNT bereits dran ist, und wenn wir was Positives aus der Situation schlagen wollen, müssen wir es jetzt tun! Weiter im Text: Alle ehemaligen deutschen Soldaten, die mit den Herwigs da unten sind, müssen sofort reaktiviert werden. Alle, auch die aus der DDR. Bestätigung im Rang und sofortige Freistellung für Belongo. Auf unbestimmte Zeit. Solange die Geschichte da unten nicht mit einem Riesenknall endet, müssen wir für ein gutes Image der Bundeswehr sorgen. Außerdem bitten wir unsere Verbündeten, ihre ehemaligen Soldaten ebenfalls zu reaktivieren und für unbestimmte Zeit freizustellen. Soweit wir darüber Listen haben. Und dann muss sich einer auf den Weg da runter machen. Linda, das machst du. Hagen, Sie begleiten sie."
Unterstaatssekretärin Goedehardt sah erschrocken drein. "Ich soll da runter mitten ins Krisengebiet?"
"Du kannst meinetwegen von Panadia aus operieren. Aber Sie müssen bis zur Belongo Mining, Hagen."
General Sunder nickte. "Verstanden. Und was genau ist da meine Aufgabe?"
"Imagepflege. Die Beförderungsurkunden überreichen. Ich habe gelesen, Niklas Herwig und Hannes Malicke stünden nächstes Jahr ohnehin zur Beförderung an. Ziehen Sie das vor. Und geben Sie Axel Herwig seinen Leutnantsstern. Das dürfte alle drei daran erinnern, woher sie kommen und wofür wir stehen. Und wie sie ihr Geschäft da unten weiter zu führen haben."
"Ludwig, bist du dir sicher, dass wir uns so sehr da unten einbringen sollten?", fragte General Hockmann nach. "Ich meine, wenn wir erst mal für Belongo Mining stehen und die Geschichte geht den Bach runter, dann dampft die Kacke für uns. Und dann rollt als Erstes dein Kopf. Wenn der Kanzler davon erfährt..."
"Solange die Amis Axel Herwigs Loblied singen, bleibt uns gar nichts anderes übrig. Du kennst doch das alte Sprichwort: Kannst du deine Feinde nicht besiegen, dann heule mit den Wölfen, nur lauter."
"Verstehe. Nun, dann sollte ich packen gehen."
"Ich hoffentlich nicht", murmelte der Bundesminister für Verteidigung, während er das gesamte Maßnahmenpaket in Gedanken noch einmal durchging. Sekt oder Selters, etwas anderes gab es nicht für ihn.
***
Das hatten sie nun davon. Durch die extralange Landebahn hatten sie das von ihnen kontrollierte und verteidigte Gebiet rund um die Mine beträchtlich erweitern müssen. Und durch den Ärger in Keounda City war ihre Personaldecke extrem dünn ausgefallen. So dünn, dass sogar die Feldsanitäter Wachaufgaben erledigen mussten. Julia Rubik zum Beispiel. Sie stand hier in einem Graben am Ende der Landebahn, genauer gesagt an einer vorausgelegten Bastion für zwei Mann mit einem MG, vor sich zweihundert Meter freies Schussfeld, bevor die Savanne in Urwald überging. Das Loch war fast einen Meter fünfzig tief und somit beinahe optimal für die junge Frau, Ein kurzer Laufgang in ihrem Rücken verband sie mit dem Hauptgraben, der von dem Bagger gegraben worden war und der vom großen Hügel im Westen, ja, genau der mit der Mine, vom mit Blausäure kontaminierten Gelände herabführte, sich auf zweihundert Meter verjüngte, im Osten genau diese zweihundert Meter abknickte und dann wieder bis zum Hügel führte. Dort saß ein Beobachtungsteam, ebenfalls mit MG, aber auch mit Luftabwehrraketen, den Luftfäusten, ausgerüstet.
Zwei Stellungen gab es im Osten, jeweils drei im Norden und Süden der Landebahn, dazu den Checkpoint am Weg ins Lager. Und eben obiger Beobachtungsposten auf dem Hügel. Und im Moment betrieben genau sechzehn Mann pro Schicht genau diesen Wachdienst, denn die neue Rutsche Infanterie unter Leutnant Assanger war sofort in Keounda City eingesetzt worden. Hätten sie die einheimischen Arbeiter nicht, dann hätten sie nicht mal genug Leute gehabt, um die Minentätigkeit fortzusetzen und Geld zu verdienen. Verdammt, was hatte sich der Boss auch abschießen lassen müssen? Aber, da war sich Julia sehr sicher, sie hätten sich eh über kurz oder lang um den Verrückten in der ehemaligen Distrikthauptstadt kümmern müssen. Und jetzt, mit den Rangers auf ihrer Seite, war dies sicher besser als wenn sie den Mist hätten alleine erledigen müssen.
Apropos Ranger. Sie sah zu Conway hoch, der auf der Grasnabe saß und in aller Ruhe eine rauchte. Der vorgeschobene Bunker war kreisförmig ausgehoben worden und bot ein Rund von zwei Metern. Der Großteil der ausgehobenen Erde bildete einen Schutzwall nach außen hin. Er bot genügend Platz für fünf Personen, wenn sie sich zu benehmen wussten, und für zwei war er geradezu komfortabel.
"Private", sagte sie nach einem kurzen Blick zurück, nur um sich sofort wieder auf das MG zu stützen, "ich würde es vorziehen, wenn Sie im Graben rauchen."
Der US-Ranger kratzte sich am Helmansatz und grinste. "Ist doch eigentlich egal. Hier knallt es doch eh nicht. Und in die Action runter in die Distrikthauptstadt komme ich hoffentlich noch früh genug, bevor die Show vorbei ist. Außerdem bin ich gut geschützt." Bei diesen Worten klopfte er sich auf seine schusssichere Weste.
"Dennoch. Wir sind hier ziemlich weit vom Lager entfernt und bekommen als Letzte Hilfe. Und alle Hubschrauber sind gerade unterwegs. Außerdem würde ich Ihrem Captain ungern erklären müssen, warum Sie sich haben umbringen lassen, und das ausgerechnet hier im eigentlich sicheren Lager."
"Sie können aber auch schwarz malen", murmelte Myles Conway und beugte sich vor, um in die Stellung zu hüpfen. Genau in diesem Moment blühte auf seinem Helm ein großes Loch auf. "Nee, oder?", fragte er verdutzt. Dies war der Moment, in dem der Schall des Schusses eintraf. Seine Jacke wurde am Oberarm aufgerissen, Blut war zu sehen. Conway fiel nach hinten. Dann kam der Schall des zweiten Schuss an.
"SNIPER!" Hastig griff Rubik zu ihrem Funkgerät. "Vorposten Ost zwei, ich melde Beschuss durch einen Scharfschützen! Situation unklar! Schickt die Verstärkung in die Gräben!"
"Bestätigen Sie Scharfschützen, Vorposten Ost zwei", klang die Stimme von Irene Hähnisch auf.
"Positiv! Private Conway wurde zweimal getroffen! Status unklar!"
"Verstanden, Rubik. Verstärkung ist auf dem Weg! Melden Sie sich, falls sich die Situation merklich verändert. Ich versuche auch, einen Hubschrauber zu bekommen. Die Maschinen der Ranger sind gerade auf dem Rückweg zu uns."
Rubik warf einen schnellen Blick nach hinten. Natürlich konnte sie nicht sehen wie die Söldner der Mine und die US Army Ranger in den Laufgängen nach vorne eilten, um die Bastionen zu verstärken. Schlaue Leute hielten in den fast zwei Meter tiefen Laufgängen die Köpfe unten. Dann sah sie wieder nach vorne.
"Vorposten Ost eins, bestätige Sniper. Auf unsere Position wird geschossen. Keine Verwundeten bisher."
"Verstanden, Vorposten Ost eins. Feuer frei nach eigenem Ermessen."
Sofort begann das MG vom anderen Posten in den Wald zu hämmern. Eventuell wurde der oder wurden die unbekannten Scharfschützen ja durch die Munitionsverschwendung so sehr aus dem Konzept gebracht, dass sie nicht mehr feuerten oder sich sogar zurückzogen. Als neben ihr Erde aufspritzte, dicht gefolgt von einem weiteren Knall, wusste sie: Wohl eher nicht.
"Conway, bist du noch da?"
"Ruhig, Mädchen", klang seine Stimme auf. "Achte auf vorne. Durch den Erdwall sollten sie mich nicht mehr sehen, solange ich mich nicht aufrichte. Oder sie halten mich für tot."
"Soll ich dich nicht...?"
"Achte auf vorne. Ich habe nur einen Streifschuss abbekommen. Falls sie merken, wie dünn unsere Linie ist und uns stürmen, zählt jede Sekunde. Ich schiebe mich schon nach und nach in den Graben. Scheiße, verdammt, habe ich einen Mist gebaut."
Rubik widmete sich wieder der Front. Erneut spritzte neben ihr Erde auf. "Der Sniper schießt sich auf mich ein!"
"Siehst du das Mündungsfeuer? Wenigstens ungefähr? Halte drauf."
"Ist gut." Julia stemmte sich in ihr M249 SAW. Entschlossen drückte sie den Abzugshahn durch. Das leichte MG begann einen Feuerstoß in den nahen Wald zu rotzen. Der Zerfallgurt, der zweihundert Schuss Munition garantierte, nahm rapide ab. Sie stellte das Feuer für einen Moment ein. Nicht, dass sie irgendwann gar keine Munition mehr hatte. Deshalb hörte sie mehr als ein MG feuern. Die Südstellungen schossen aus allen Rohren. Grund hierfür waren rund fünfzig afrikanische Soldaten, die mit feuernden Gewehren auf die Grabenlinie zugestürmt kamen. Nun, ihre Bastion hatte ein Schussfeld von zweihundertsiebzig Grad und sie hätte den anderen theoretisch helfen können, indem sie das MG verlegte. Stattdessen ließ sie vom MG ab, eilte zu Conway und zog ihn hastig an den Beinen ins Loch. Der Ranger stöhnte leise vor Schmerz, als er hart auf dem Boden landete. Rubik schlug den Helm nach oben; das Sicherungsschloss gab nach. Die Kugel, die den Helm durchschlagen hatte, hatte dem Ranger einen breiten Scheitel gezogen, aber den Knochen augenscheinlich nicht verletzt. Dafür war der Helm aber auch nicht mehr zu gebrauchen, wenn sie die Austrittsstelle am hinteren Teil des Helms begutachtete. Hastig riss sie seinen rechten Ärmel auf. Auch hier nur ein Streifschuss. Conway wehrte sie mit dem linken Arm ab. "Danke fürs reinziehen, Mädchen, aber mir geht es gut. Bin nur etwas erschrocken." Er stemmte sich hoch, griff nach seinem Gewehr. "Kümmern wir uns lieber um unseren Job."
Erleichtert nickte Rubik. Sie erhob sich wieder und ging gebückt zurück an ihr MG. Als sie über den Grabenrand schielte, sah sie direkt in das Gesicht eines Schwarzafrikaners, der mindestens so überrascht war wie sie selbst. Wie automatisch griff sie zu ihrem Holster, zog die Dienstpistole und jagte dem Mann eine Kugel zwischen die Augen. Er fiel mit gebrochenen Augen zu Boden und verschwand hinter dem Erdwall.
"Verdammt!", fluchte Conway. Er schoss mehrere Feuerstöße in die Savanne ab. "Die kriechen heran! Nicht drüben, hier führen sie den Hauptangriff!"
Julia beeilte sich, wieder ans MG zu kommen. Sie schoss den restlichen Gurt in die unmittelbare Umgebung der Bastion ab und erwischte damit einen weiteren Angreifer.
Der Ranger riss mehrere Handgranaten vom Gürtel ab und warf sie entsichert über den Erdwall. Sekunden darauf detonierten sie.
"Vorposten Ost zwei an Vorposten Ost eins: Sie kriechen durchs Gras! Ich wiederhole, sie kriechen durchs Gras!", rief Rubik über Funk.
"Auch gerade gemerkt, aber danke für die Warnung. Wir..." Aus Richtung von Vorposten eins erklang eine Detonation und die Stimme brach ab.
"Anscheinend haben sie auch Handgranaten, wer immer diese Bastarde sind", zischte Conway.
Julia reagierte sofort. "Zentrale, melde den Ausfall von Vorposten Ost eins!"
"Verstanden! Sanitäter und Verstärkung sind auf dem Weg. Ach, und wenn ich schon mal auf Sendung bin: Alle bleiben in den Gräben oder in ihren Bunkern! Wer seine Stellung verlassen muss, flieht nach hinten! Luftangriff in vierzig Sekunden!"
Rubik feuerte erneut, diesmal wahllos ins Gras und in den Wald. Als sie einen neuen Gurt einlegte, fragte sie ungläubig: "Hat die Leutnant etwa Luftangriff gesagt?"
Conway nickte grimmig. "Hat sich auch so für mich angehört!"
Zehn Sekunden später zogen vier F-18 von Süden nach Norden über sie hinweg. Die beiden Maschinen auf der rechten Flanke warfen einen Teil ihrer Bombenlast ab und Rubik fand die Idee plötzlich sehr gut, wieder in Deckung zu gehen. Conway folgte ihrem Beispiel. "Die Kavallerie, wie nett!", schrie er zu ihr herüber, während die Detonationen der Clusterbomben sie fast taub machte. "Müssen von der Abe sein!"
"Wie gut, dass sie in der Nähe sind!", rief Rubik zurück.
Als die Detonationen verstummten, wagte sie erneut einen Blick aus der Bastion heraus. Gut, der Wald begann jetzt erst in vierhundert Metern Entfernung. Und er brannte stellenweise. Und die Savanne war jetzt eher ein Acker. Zwar wollte ihr Verstand bezweifeln, dass das jemand überlebt haben könnte, aber Menschen waren wie Ratten. Irgendwo überlebte immer einer. Also konzentrierte sie sich wieder auf ihr Gebiet. Über ihr zogen die Jets nun von West nach Ost und bombardierten das Gebiet südlich der Stellungen. Danach herrschte eine magische Ruhe.
"Meldung!", klang die Stimme von Hähnisch auf.
Nacheinander meldeten sich die Vorposten. Als Conway und sie an der Reihe waren, schluckte sie trocken. "Vorposten Ost zwei sicher. Ein Verletzter." Sie tauschte einen Blick mit dem Ranger, der mittlerweile ein Verbandspäckchen aufgerissen hatte. Automatisch nahm sie es ihm ab, säuberte die Wunde am Arm mit Wasser aus ihrer Feldflasche und riss auch eine Wundauflage auf. Dann begann sie den Streifschuss zu verbinden. Und weil er nicht aufhören wollte zu bluten, setzte sie einen weiteren Verband mit einem geschlossenen Verbandspäckchen als Kompresse obenauf. Danach widmete sie sich der Kopfverletzung, die tatsächlich nicht sehr schwer war.
Währenddessen meldeten sich die anderen Vorposten, bis auf Ost eins. Als die Runde durch war, klang der Funk erneut auf. "Vorposten Ost eins hier. Situation ist sicher, allerdings haben wir hier zwei Schwerverletzte."
Unwillkürlich musste Rubik schlucken. Sie hatte die Detonation gehört. Sie wusste, dass im Bunker eine Handgranate hochgegangen war. Es erschien ihr wie ein kleines Wunder, dass jemand die Explosion überhaupt überlebt haben konnte.
"Sanis sind auf dem Weg", versprach Hähnisch. Hinter ihnen jaulten zwei Wolf-Jeeps über die Startbahn heran. Wenigstens wusste die Pionierin, wovon sie sprach. "Die Verstärkung geht raus, mit aller gebotenen Vorsicht, und sucht nach Überlebenden und nach Waffen. Achtung, rechnet immer damit, dass einige der Splitterbomben noch nicht hochgegangen sein können. Umgeht so einen Bereich lieber, verstanden?"
Bestätigungen trafen ein.
"Rubik?"
Hastig sprang sie auf und betätigte ihren Funk. "Ich höre, Leutnant."
"Kann dein Ranger noch warten?"
"Es sind nur Fleischwunden, aber ich würde es schon gerne sehen, wenn er heute noch ordentlich zusammengeflickt wird. Selbst eine kleine Wunde kann in diesem Klima furchtbare Auswirkungen bedeuten."
"So lange meinte ich nicht. Bestenfalls eine halbe Stunde, bis wir die Schwerverletzten reingeschafft haben", erwiderte Hähnisch.
"Ja, das sollte er schaffen", schmunzelte Rubik.
"Ist in Ordnung", murmelte Conway. Er verdrehte die Augen, als er augenscheinlich Schmerzen bekam. "War ja meine eigene Dummheit, die Schuld dran ist, dass ich verletzt wurde. Wir hätten wohl dran denken müssen, dass eventuelle Gegner natürlich auch versuchen würden, die Diamantenmine anzugreifen..." Der Ranger winkte ab. "Bleiben wohl nur noch zwei Fragen: Erstens, von wem wurden diese Burschen geschickt? Ich habe nicht einen Weißen oder Asiaten zwischen ihnen gesehen. Und ihre Ausrüstung war auch nur das, was man bestenfalls Mittelmaß nennt. Zudem waren sie zu Fuß unterwegs, was bedeuten könnte, dass sie über den Fluss gesetzt wurden."
Rubik sah den Mann verdutzt an. "Sicher, dass Sie nur Private sind?"
"Im Stab, Ma'am. Ich bin Teil der Einsatzbesprechung und des Debriefings. Da lernt man, die richtigen Schlüsse zu ziehen."
"Ahso. Und was ist die Frage Nummer zwei?"
"Warum sitze ich so unbequem?" Der Ranger rückte ein Stück beiseite. "Hier ist irgendwas ganz hartes."
Rubik runzelte die Stirn.
"Papa Bear", klang es aus dem Laufgang auf. "Trinidat!", erwiderte sie. "Kommt rein und schaut euch um."
Zwei Ranger und einer ihrer Leute betraten den Laufgang zum Bunker, grüßten und kletterten dann über den Erdwall aufs Feld hinaus, um dort nach Überlebenden der Angreifer zu suchen. Detachements von Süd drei, vermutete Rubik, nachdem ihre eigene Verstärkung geholfen hatte, Ost eins zurückzuholen. Sie atmete erleichtert auf und wäre beinahe mit wackligen Knien auf ihrem Hintern gelandet. Aber sie beherrschte sich. Sie tat, als würde sie absichtlich neben Conway auf die Knie fallen, dabei war es nur die Kraft, die sie kurz verließ. Mit der Rechten landete sie auf dem, was Conway gestört hatte. "Ein Stein", murmelte sie. Bedächtig wischte sie die Erde fort. "Ein großer Stein." Nun begann sie, keine Rücksicht auf ihre Fingernägel nehmend, die Erde fortzukratzen. Als dies nicht den gewünschten Erfolg brachte, zückte sie ihr Kampfmesser und begann zu graben. Endlich hielt sie inne und zog den Stein aus dem Boden. Mit Ehrfurcht säuberte sie ihn von der restlichen schwarzen Erde. Der Stein bedeckte fast ihre gesamte Handfläche und hatte die Form eines Faustkeils. Ohne zu zögern, aber nicht hastig, betätigte sie ihren Funk. "Leutnant, hätten Sie vielleicht mal eine Sekunde für mich?"
"Rubik? Was gibt es denn?"
"Bin mir nicht sicher, aber Conway hat mit seinem Arsch wohl gerade den größten Rohdiamanten gefunden, den ich je gesehen habe. Können Sie Bernd mal rausschicken?"
"Definieren Sie "den größten Rohdiamanten", Rubik", schaltete sich Assay ein.
"Er bedeckt zwei Drittel meiner Handfläche und sieht aus wie ein Steinkeil. Die sind aber nicht durchsichtig, denke ich... Ich weiß es nicht, deshalb frage ich ja."
"Bin auf dem Weg. Und Rubik, Conway hat ihn gefunden?"
"Conway hat drauf gesessen. Ist das das Gleiche?"
Bernd Assay begann zu lachen. "So ähnlich ist das schon. Ich schätze, einen halben Anteil am Fund werden wir ihm geben müssen, wenn es tatsächlich ein Diamant ist. Bis gleich."
"Das ist ein Diamant?", fragte Conway verdutzt. "Ich dachte, die sind alle kleiner. Der im Verlobungsring meiner Schwester war nur so groß wie ein Stecknadelkopf, aber er hat gefunkelt wie... Nun, wie ein Diamant."
"Das kommt vom Schliff", erklärte Rubik, während sie müde mit dem Rücken gegen die nächste Wand sackte, den Stein fest in ihren Händen.
"Und was bedeutet das nun für mich? Ich meine, der Anteil?"
"Das wird sich zeigen. Erst einmal muss es ein Diamant sein. Und wenn es einer ist, so hat Belongo Mining versprochen, die Steine euch Ranger abzukaufen, zu einem festen Preis pro Karat. Schätze, dein nächster Urlaub ist dann nicht Disney Land, sondern Hawaii. Erster Klasse, Penthouse, Privatstrand. Etwas in der Art."
"Oh. Hoffentlich ist es ein echter", sagte Conway. Seine Schmerzen schienen vergessen. Er lächelte sogar.
Und wenn dies ein Diamant war, wenn es ein Makeable war, wenn er keine Einschlüsse hatte und nicht zu trübe war, ging es Julia Rubik durch den Kopf, dann war dieser Stein womöglich weit mehr wert als jener legendäre Rohdiamant, mit dem Axel und Niklas Herwig diese ganze verrückte Geschichte überhaupt erst begonnen hatten, um sie alle reich zu machen. Sie zweifelte nicht daran, dass Belongo Mining zu ihrem Wort stehen würde. Dann war dieser Stein besser als ein deutscher Lotto-Jackpot.
Irgendwie zeigte es die ganze Skurrilität, die sie hier jeden Tag erlebten. Draußen in der Savanne vor ihnen waren Menschen von Clusterbomben getötet worden, und hier fanden sie im Boden einen Rohdiamanten, der eventuell wertvoll genug war, um eine F-18 frisch aus der Fabrik zu kaufen. Was mochte der Boden Belongos noch für Geheimnisse für sie enthüllen?
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"Sir, da tut sich was."
Axel und Jason Scott, über eine Karte gebeugt und mit Assanger, dem neuen Infanterie-Offizier, diskutierend, sahen auf, während der Deutsche weiter grübelte. "Was?"
Morelli deutete auf den Prachtbau, der dem Riki als Unterkunft diente. "Da kommt anscheinend ein Parlamentär."
Scott runzelte die Stirn. "Definieren Sie Parlamentär, Luigi."
"Ein Mann mit einer weißen Fahne."
Axel sprang auf, als hätte ihn etwas gestochen. "Na, das ist ja mal interessant!"
Die drei Offiziere gingen zu Morelli. Axel steckte wagemutig den Kopf aus der Deckung. "Weiße Fahne, check. Keine Waffen, check. Sollten wir uns Gedanken darüber machen, dass der Parlamentär eine Frau ist?"
"Das kommt drauf an", sagte Scott. "Wir wissen, dass einige Frauen nicht gerade freiwillig beim Riki sind, genauso wie etliche der Männer. Diese Frau sieht nicht so aus, als würde ihr ihre Aufgabe gefallen."
"Ist sie schwanger?"
Axel wandte sich Assanger zu. "Was, bitte?"
"Ich fragte, ob sie schwanger ist, Chef."
"Und wieso fragen Sie das?"
"Nur so ein Gedanke, Sir. Wenn sie schwanger ist, haben wir es hier vielleicht mit dem Opfer einer Gewalttat zu tun, das vielleicht gar nicht mehr zurück will. Oder mit einer jener Frauen, die mit dem Riki kollaborieren."
"Wir haben es dann vor allem mit einer Schwangeren zu tun", schwächte Axel ab. "Und ich bin interessiert daran, was sie uns zu sagen hat."
Derweil war die Frau näher gekommen. Sie war schwarz, ungefähr Mitte zwanzig, und sie war nicht besonders erfreut. Außerdem hielt sie die weiße Fahne sehr verkrampft. Axel hätte beim besten Willen nicht sagen können, mit welchem Typus er es zu tun hatte, einer Gefolgsfrau, oder einer Sklavin. Aber würde der Riki ihnen eine Sklavin schicken? Wenn er damit rechnete, dass der erste Bote erschossen werden würde, vielleicht.
"Das ist nahe genug!", rief er herüber. Dabei benutzte er französisch.
Die Frau hielt tatsächlich an. Nun wirkte sie noch nervöser.
"Was wollen Sie?"
Sie leckte sich über die Lippen, die Axel frappierend an die Wagondas erinnerte. Die hatten einen ähnlichen Schwung in der Unterlippe. Und auch die Nase ging in die Richtung.
"Mit Ihnen reden!", rief sie zurück.
Neben ihm ging Niklas in die Hocke, sein HK33 neben sich auf den Boden stützend. "Da komme ich wohl gerade rechtzeitig. Was will sie?"
"Das wird sie uns hoffentlich gleich sagen", erwiderte Axel. "Also gut, reden Sie! Ich höre zu!"
"Ich will mit Ihrem Anführer reden!"
"Der hört mit! Über Funk!", rief Axel zurück. Er sah entschuldigend ins Rund und fügte leise an: "Falls sie Scharfschützen auf einen eventuellen Anführer angesetzt haben. Außerdem habe ich keine Lust, mich mit euch erst lange darüber zu einigen, wer der Anführer ist."
Scott zuckte die Achseln. "Mach einfach, Axel. Hat bisher gut funktioniert."
Der Deutsche nickte. "Sprich! Was will der Riki?"
Die Frau fuhr heftig zusammen, als der Name fiel. In Gedanken floss das in Axels Bewertung ein. Sie schien nicht gerade eine Freundin oder enge Vertraute des Riki zu sein. Nicht bei der Reaktion.
"Ich... Mein Herr verlangt, dass Sie die Stadt räumen! Dass Sie wieder über die Brücken gehen, in Ihre Hubschrauber steigen und wieder weggehen!"
"So, so, dein Herr verlangt das. Abgelehnt!"
"Sie haben hier nichts zu suchen!"
"Dein Herr war es, der meinen Hubschrauber abgeschossen und damit den ganzen Ärger selbst beschworen hat! Nun muss er damit leben!", konterte Axel. Dabei biss er sich auf die Zunge. Französisch aus dem Stegreif war manchmal verdammt schwierig.
"Mein Herr sagt, er gibt Ihnen allen eine Stunde, um über die Brücken zu gehen, und eine weitere Stunde, um wieder abzufliegen!"
Niklas, Axel und Jason Scott wechselten einen kurzen Blick. "Meinungen?", fragte Axel.
Assanger hob die Hand. "Wenn Sie mich fragen, der Typ blufft. Er muss doch selbst mitgekriegt haben, dass wir seine Verstärkungen im Norden mit unseren Hubschraubern abgeschlachtet haben."
"Was, wenn er glaubt, der Infanterieangriff auf die Mine wäre ein Erfolg und er hat ein Druckmittel?", spielte Niklas auf die Neuigkeiten an, die ihnen von der Mine per Funk mitgeteilt worden waren. Der heftige, erbarmungslose Angriff war genauso erbarmungslos mit einem Luftschlag gestoppt worden. Wusste der Riki das? Oder erwartete er weitere Verstärkungen, von denen weder Belongo Mining, noch die Ranger etwas wussten?
Axel warf wieder einen schnellen Blick auf die Frau. Sie stand noch immer da, beide Hände so sehr um die Stange ihrer Fahne geklammert, dass die Knöchel sich weiß abzeichneten. "Vielleicht sollten wir jetzt die richtigen Fragen stellen. Jason, Ihre Leute sollen auf mein Kommando Sperrfeuer geben. Ihre Sniper sollen nach Scharfschützen Ausschau halten, die unsere Richtung abdecken."
Scott zog die linke Augenbraue hoch, gab aber keinen Kommentar ab. Leise gab er seine Befehle per Funk oder an Morelli weiter.
"Warte! Axel, warte! Wir wissen doch, dass der Riki den Abzug plant, oder nicht?", warf Niklas ein. "Warum sitzen wir die Sache nicht einfach aus?"
"Wäre ja schön, wenn es so einfach wäre." Axel sah hinter sich. "Ich brauche zwei Freiwillige mit Schutzwesten!"
"Was hast du vor, großer Bruder?", fragte Niklas mit fröstelnder Stimme.
"Du nicht, und Hannes auch nicht. Der ist dem Tod wahrlich schon genug von der Schippe gesprungen." Mehrere Hände hoben sich und Axel wählte einen Ranger und einen seiner Leute aus. "Niklas, gib mir deinen Helm. Dieses Ding, das ich als Ersatz für meinen bekommen habe, als er heute morgen zerschossen wurde, passt mir nicht richtig, egal, was ich mache."
"Schreib Bernd eine Beschwerde", erwiderte der jüngere Herwig-Bruder, nahm aber seinen Helm ab und tauschte ihn mit Axel aus. "Du hast doch nichts Verrücktes vor."
"Oh, nicht verrückter als sonst auch." Er winkte die beiden Männer heran. "Wenn ich "Jetzt" rufe, springen wir auf, decken die Frau mit unseren Körpern und bringen sie so schnell wie möglich rein. Jason, bei "Jetzt" Sperrfeuer mit allem, was wir haben auf die Fenster."
"Woher willst du wissen, dass sie überhaupt reingebracht werden will?", wandte Niklas ein. "Was, wenn das der Plan ist und sie eine Bombe bei sich trägt, die sie zünden wird, sobald sie mitten unter uns steht?"
"Guter Einwand. Ich werde dran denken. Aber ich glaube, sie wird uns sagen, ob sie zu uns kommen will oder nicht."
"Und wie willst du das rausfinden?"
"Ich frage sie einfach." Axel grinste jungenhaft. Er griff nach seiner HK33 und lugte wieder aus der Deckung. Sein Körper spannte sich an, als er die Stiefelspitzen nach Art eines Sprinters in den Boden grub. Die beiden Freiwilligen, es waren Private Edgar Ross und Roger Steinard, machten sich ebenfalls bereit.
Wesentlich leiser als zuvor rief er der Frau zu: "Wenn Sie den Riki verlassen wollen, kommen Sie zu uns. Wir werden nicht schießen."
Entsetzen und Hoffnung flackerten über das Gesicht der Frau. Dann war es Schmerz. "Das kann ich nicht! Sie erschießen mich, wenn ich fliehe."
"Hält er auch jemanden als Geisel, zu dem Sie zurückkehren müssen, weil er sie oder ihn sonst tötet?"
Die Frau schüttelte den Kopf. "Er hat mich von einem Boot rauben lassen. Ich habe hier keine Angehörigen."
"Dann kommen Sie her!"
"Er wird mich töten lassen!"
"Ist das nicht besser als so wie es jetzt ist?", fragte Axel angespannt.
Erst war da nur Verzweiflung, dann Entschlossenheit. Die Frau machte einen Schritt nach vorne. Axel sprang auf. "JETZT!"
Sofort begann das Sperrfeuer der Ranger und der Soldaten der Mine. Mehrere MG's ratterten und deckten die Fensterfront mit einem Kugelhagel ein. Wenn es noch Scheiben gegeben hätte, die diesen Namen verdient gehabt hätten, nach dem Beschuss wäre das Thema erledigt gewesen.
Axel hastete los, auf die junge Frau zu. Steinard huschte agil an ihm vorbei, aus seiner HK33 Feuerstöße abgebend, bis er sich zwischen die Frau und den Prachtbau stellen konnte. Ross war nur wenige Sekundenbruchteile langsamer. Als Axel heran war, deckten die beiden Soldaten die Frau mit ihren Westen, also tat er, was er ursprünglich geplant hatte. Er griff nach dem Arm der Frau und zog sie hinter sich her. "ZURÜCK!"
Als er sich wieder in Deckung warf, die Frau neben sich zu Boden drückend, rief er: "FEUER EINSTELLEN! Steinard, Ross, seid Ihr noch da?"
"Ja, Chef", ächzte Steinard. "Gelobt seien diese Westen. Ich werde Bernd ein Denkmal setzen. Und ich werde allen Göttern danken, die dafür gesorgt haben, dass ich nur an der Weste erwischt wurde."
"Bin auch noch da, Sir", sagte Ross. "Aber ich fürchte, ich habe einen Streifschuss abgekriegt."
"Das ist besser, als wenn es Ihren Kopf erwischt hätte", kommentierte Scott. "SANI!"
Axel grinste. "Na, das lief ja besser als erwartet." Er drückte die Frau mit Gewalt zu Boden. "Liegenbleiben! Genau so! Steinard, untersuchen Sie sie."
"Sollen wir dafür nicht lieber eine Frau kommen lassen?", fragte der Scharfschütze irritiert.
"Sie sollen sie nicht ausziehen, nur auf Höllenmaschinen checken!", erwiderte Axel ernst.
"Nun machen Sie schon", sagte Niklas. Er hockte sich neben die Frau, seine Pistole im Anschlag. "Sicherheit hat Vorrang. Der Riki darf nicht unterschätzt werden."
"Also gut. Das wird sich aber nicht gut in der Presse machen", murmelte Steinard. Er unterzog die Frau einer oberflächlichen Leibesvisitation. "Wenn sie eine Bombe bei sich trägt, dann sicher nicht am Körper, Chef."
Axel atmete erleichtert auf, Niklas steckte die Pistole fort. Der ältere Herwig-Bruder nahm den Druck von den Schultern der Frau. "Jetzt können wir reden. Anschließend stellen wir Kontakt zum Boot her, auf das Sie gehören. Dort wird man froh sein, von Ihnen zu hören. Entschuldigen Sie die raue Behandlung, Mademoiselle. Wie ist Ihr Name?"
Die junge Frau rollte sich auf den Rücken und setzte sich auf. Dies tat sie sehr langsam und vorsichtig, so als wäre sie in der Gesellschaft einiger bissiger Hunde, die sie nicht zu provozieren wagte. Als nichts passierte, wurde sie mutiger und drapierte sich in den Schneidersitz. "Francoise Aebeki, Sir. Die Behandlung ist in Ordnung. Es ist besser als alles, was mir bei meinem Herrn... Drüben bei ihm passiert ist, Monsieur."
"Verstehe. Warum hat er Sie geschickt?"
Unsicher sah sie ihn an. "Er war sich nicht sicher, ob sie den ersten Parlamentär nicht einfach erschießen würden, also sandte er jemanden aus, auf den er verzichten konnte. Und da er annahm, dass Sie nicht so ohne weiteres auf Frauen schießen würden... Nun."
"Verstehe. Wie sieht es drüben aus, Francoise? Was geschieht gerade beim Riki?"
Erneut zuckte die Frau heftig zusammen, als das Wort fiel.
"Entschuldigen Sie. Nennen wir ihn Lieutenant."
"Nein. Nein, ist schon gut. Er ist ja jetzt nicht hier, und... Und..." Sie begann zu zittern. "Oh, Allah, ist es wirklich vorbei?"
Axel schob alle Gedanken daran beiseite, dass das Mädchen vor ihm schauspielerte und nur darauf wartete, dass er sich eine Blöße gab, um ein Messer zu ziehen, das Steinard nicht gefunden hatte, und ihm zwischen die Rippen zu jagen. Er kam einen halben Schritt näher, kniete sich nieder und legte ihr eine Hand auf die Schulter. Die Berührung ließ sie erzittern, ängstlich sah sie ihn an, aber da er nichts weiter tat, beruhigte sie sich schließlich wieder. Tränen standen in ihren Augen, aber sie wischte sie fort und versuchte zu sprechen. "Drüben ist es furchtbar. Er hat so viele Leute verloren, auf zwei Männer kommt nun eine Frau. Noch vor einer Stunde wollte er von hier fliehen, nun aber harrt er aus, weil ihm Verstärkung versprochen wurde. Er hat mich losgeschickt, weil sie immer noch nicht angekommen ist, und... Und..." Sie verstummte, zitterte und griff nach Axels Hand auf ihrer Schultern. Der ließ es geschehen. "Weiter, bitte, Mademoiselle."
"Die Verstärkung ist noch nicht da, aber abziehen will er auch nicht mehr. Er erwartet seine Hilfe, oder göttliche Fügung, oder etwas anderes. Er ist sich sicher, dass er aus Keounda City nicht vertrieben werden wird, vor allem nicht von "feigen Weißen", wie er sich ausdrückte."
Axel zog die Stirn kraus. "Gibt es eine Zuflucht?"
"Was?"
"Gibt es einen Ort in Belongo oder in Ndongo oder in einem Nachbarstaat, in dem der Riki meint, sicher zu sein, Mademoiselle? Einen Fluchtort für einen Fall wie diesen?""
"Es gibt da wohl einen Ort, irgendwo an der Grenze im Osten. Manchmal haben die Männer darüber Scherze gemacht, wenn... Wenn sie sich vergnügt haben."
"Hm", machte Axel, der eine ziemlich gute Vorstellung davon hatte, wie dieses Vergnügen ausgesehen hatte. "Er hat für alles geplant, der Riki."
"Du planst doch was", sagte Niklas. Er schüttelte den Schauder ab, den Francoises Worte ihm beschert hatten und sah spöttisch zu seinem Bruder rüber. "Du willst ihn absichtlich fliehen lassen, damit er die Stadt verlässt, richtig? Aber was machst du dann mit der Stadt?"
"Na, was wohl? Behalten! Der Lagabanda ist ein wichtiger Verkehrsknotenpunkt, Niklas. Das sollten wir nicht unterschätzen. Und wir sollten ihn nicht dem Riki überlassen. Niemals."
"Heißt das, du willst den Bastard entkommen lassen?", fragte Scott nicht gerade erfreut.
"Ist dir noch ein Massaker lieber?", entgegnete Axel trocken. "Wie viele seiner Männer haben wir schon abgeschlachtet? Eintausend? Mehr? Ich denke, es reicht, selbst für diesen egoistischen Halunken."
"Es wäre besser für uns, für die Mine, für Belongo und für ganz Ndongo, wenn dieses Arschloch und sein verdammter Kult ein verdammtes Ende finden würden. Hier und jetzt", sagte Scott.
"Ruhig, Cowboy, wir sind hier nicht am Little Big Horn", warf Assanger ein.
"Was wollen Sie mir damit sagen, Lieutenant? Falls Sie es noch nicht wissen, ich bin ein Viertel Cherokee und blicke auf eine lange Liste stolzer Vorfahren in der Army zurück. Davon abgesehen sind Sie gerade erst gekommen!"
"Ich will damit nur sagen, dass wir so schon genug zu tun haben. Wie viele Leichen liegen da draußen? Wie lange werden wir brauchen, um sie einzusammeln, beizusetzen oder zu verbrennen, bevor die ersten Seuchen ausbrechen? Dass ich nicht mit Ihnen die ganze Zeit in der Scheiße gesteckt habe, ist mir klar. Aber genau deswegen bin ich wohl der Richtige, um die Vernunftkarte zu spielen. Räumen wir erst mal dieses Schlachtfeld auf, bevor wir ein zweites mit diesem Psycho eröffnen."
"Wenn wir dieses gar nicht erst schließen, dann..."
"Die Untersuchungskommission und eventuell der Präsident könnten das anders sehen, Captain Scott." Irene Sinclair hockte sich neben die Männer. "Freut mich, Sie alle endlich in Natura zu sehen."
"Uns freut das auch, Captain", sagte Niklas.
Sie nickte dem Deutschen gönnerhaft zu, bevor ihr Blick wieder zu Scott ging. "Was ich sagen will, ist, dass wir bereits genug zu tun haben, um unsere Toten zu bergen und den Luftangriff sowie alle Vorkommnisse danach zu dokumentieren. Wenn jetzt noch was hinzukommt, ein Last Man Standing, dann sollten wir uns hier alle häuslich einrichten."
"Captain Sinclair, Sie waren nicht dabei! Sie haben nicht gesehen, was diese Drogengeputschten Wahnsinnigen hier angerichtet haben! Sie haben nicht gesehen, was sie hier in den letzten zwanzig Jahren kultiviert haben! Die Welt ist besser dran ohne sie", sagte Scott, die Zähne fest zusammengebissen."
"Das mag sein, aber der Riki ist nicht unser Hauptfeind, oder?" Sie kratzte sich ausgiebig am Haaransatz. "Ich sage Ihnen was, Jason. Wenn Sie mir garantieren, dass wir keinen weiteren unserer Leute verlieren und wenn die Marines mitziehen, dann kriegen Sie Ihr Gefecht. Ich nehme es sogar auf meine Kappe."
"Sie wissen, dass ich das nicht kann", erwiderte Scott mit steinerner Miene.
"Was ist also die Alternative? Dass sie wieder auf uns feuern und wir solange zurückschießen, bis keiner mehr steht? Oder aber, dass sie die Stadt verlassen, ohne dass ein weiterer Schuss fällt?"
"Er wird wiederkommen", prophezeite Scott.
"Wir werden uns darauf einstellen", warf Axel ein. "Für den Moment habe ich auch genug Blut gesehen. Das meiner Leute, und das der Männer des Riki. Es reicht erst mal, denke ich."
Scott knirschte mit den Zähnen. "Also gut, versuchen wir es. Aber wenn dieser Idiot so dämlich ist, auf uns zu feuern, dann..."
"Dann ist er ein toter Idiot, keine Frage", sagte Sinclair.
Niklas nickte zustimmend. "Also gut, machen wir dem Riki ein Angebot."
Francoise zuckte heftig zusammen. "Sie wollen doch nicht, dass ich...?"
Axel sah sie erstaunt an. "Was? Nein! Aber nein! Sie werden ausgeflogen, zu Ldungas Farm! Dort wird man sich um Sie kümmern und Ihre Familie kontaktieren, Ihr Boot, oder wen immer Sie wollen. Wir brauchen hier keinen Boten, um dem Riki eine Nachricht zukommen zu lassen."
Erleichtert atmete die junge Frau auf. "Danke. Dahin hätte ich auch nicht zurückgewollt."
"Keine Ursache. Wenn mir jetzt jemand ein Megaphon besorgen könnte... Ich würde gerne diesen Psycho aus meiner Stadt werfen."
Niklas lachte abgehackt. "Scheiße, das meint er ernst."
"Hauptsache, er benennt sie nicht in Axel City um", scherzte Assanger.
"Vorsicht, Leutnant, bringen Sie ihn nicht auf Ideen", mahnte Niklas schmunzelnd. Für den Moment zumindest, dann hatte ihn der Druck der Situation wieder voll erwischt. Es war wirklich Zeit, dass dies hier ein vorläufiges Ende fand.
***
"Schätze, es wird Zeit, die Zivilisten auszufliegen", sagte Captain Burdelle mit Blick auf die dunkle Wand an Menschen, die sich durch die Straßen in Richtung US-Botschaft schob. "Dass es so schnell eskalieren würde, hätte ich nicht gedacht."
Lieutenant McMasters nickte zustimmend. "Meine Kontakte in der Stadt sagen, es geht das Gerücht um, ein ndongoianischer Frachter hätte alleine ein amerikanisches Kriegsschiff versenkt, als Rache für den Abschuss einer Militärmaschine durch Panadia. Das war Wasser auf den Mühlen der Anheizer. Vielleicht etwas zu viel Wasser und etwas zu viel Hitze." Irgendwo in der Stadt bellten Schüsse auf. McMasters kniff die Augen zu Schlitzen zusammen. "Das ist vor drei Jahren schon mal passiert. Nach dem Feiertag zur Einheit des Landes. Der Präsident hat die Einigkeit des Landes beschworen und jeden einzelnen Bürger dafür in die Pflicht genommen. Zugleich hat er das Kaiserreich Ndongo dafür kritisiert, dass es nicht "heim in die Stammnation" kommt. Tja, und Abends, nach ein wenig feiern und trinken, sind die ersten Mobs ausgezogen, um in den Vierteln zu wüten, in denen sie Angehörige jener Stämme wussten, die im Kaiserreich leben. Damals waren wir verdammt noch mal in Alarmbereitschaft und waren es bis spät in die Nacht. Wir haben eine Menge fliehender Zivilisten in die Botschaft gelassen und irgendwann standen die anderen draußen und forderten ihre Herausgabe. Aber ein paar Schüsse über ihre Köpfe haben dann ganz schnell ihr Mütchen gekühlt, als sie gemerkt haben, dass sie nicht die Stärksten sind."
"Der Mob hat sich nach ein paar Warnschüssen aufgelöst? Was hat Washington dazu gesagt?"
McMasters zuckte die Achseln. "Offiziell haben wir keine ndongoianischen Zivilisten beherbergt und offiziell wurde nicht eine Patrone verschwendet. Seine Exzellenz hat die Dinge entsprechend arrangiert und die Angelegenheit unter den Teppich gekehrt. Das Letzte, was die Migranten hätten gebrauchen können, wäre eine internationale Schlammschlacht in den folgenden Tagen, die die Täter vielleicht noch einmal aufgestachelt hätte."
"Junge, Junge, ich beginne, Hayle zu mögen", staunte Burdelle.
"Das sollten Sie auch. Er ist jung, aber er war mal einer von uns."
"Ein Soldat?"
"Ein Marine. Offiziersanwärter. Hat sich einen komplizierten Bruch zugezogen und konnte nicht mehr dienen. Das Corps hat dann sein Studium bezahlt, und wie man sieht hat es sich gelohnt."
"Davon stand gar nichts in seiner Akte."
"Natürlich steht es drin. Aber man überliest es schnell, wenn einem die Namen Havard und Princeton so ins Auge stechen. Das Corps hat keine Kosten gescheut, um ihrem Mann eine Zukunft zu geben."
Burdelle zuckte die Schultern. "Offizier muss man sein. Da wird so mancher Veteran mit Kriegstrauma aus dem Mittleren Osten aber wesentlich stiefmütterlicher behandelt."
"Sagte die Offizierin", stichelte der weibliche Lieutenant.
"Schon gut, schon gut. Wir sind hier, er ist hier, die Situation ist hier, und da hinten kommt ein aufgewiegelter Mob, der denkt, die Kriegstechnologie seines Landes ist besser als die der USA. Wir haben genug eigene Sorgen." Burdelle warf McMasters einen flüchtigen Blick zu. "Würden Sie seiner Exzellenz bitte die Nachricht überbringen, dass ich die Evakuierung der Zivilisten so schnell wie möglich durchführen möchte, Ariele? Und die Leute sollen ihre Stellungen beziehen. Doppelte Wache an der Tür. Sie sollen so viele Zivilisten reinziehen, wie sie nur können. Europäer, Amerikaner, was immer ihnen da unten vor die Füße läuft. Sortieren können wir später."
"Verfolgte Einheimische?"
"Wenn Sie sich zutrauen, sie in wirkliche Verfolgte und Infiltratoren zu trennen, dann gerne ja."
"Sie haben hier das Kommando, Ma'am", erinnerte McMasters.
Der weibliche Captain seufzte. "Warum bin ich gleich noch mal Offizierin geworden? Ach ja, weil mir jemand gesagt hat, eine Militärkarriere würde sich gut im Lebenslauf machen und weil mein Ausbilder meinte, wenn ich dauernd alles besser wüsste, würde ich einen guten Offizier abgeben - die hätten auch keine Ahnung." Sie sah die Rangniedrigere an. "Sehen Sie zu, dass wir nicht den halben Mob reinlassen. Aber evakuiert werden vornehmlich US-Amerikaner. Dazu stopfen Sie in die Osprey rein, was noch Platz hat. Gepäck wird auf das absolute Minimum beschränkt, und ich meine damit eine Zahnbürste. Ach, und sagen Sie dem Piloten, dass er auf Sicherheit fliegen soll, nicht auf Geschwindigkeit. Da draußen lauern die Black Stars, und sie sind in Lohn und Brot in Ndongo."
"Verstanden, Ma'am." McMasters deutete einen flüchtigen Salut an und verließ den Beobachtungsposten auf dem Dach.
"Die Scheiße ist", murmelte Burdelle vor sich hin, "dass sie vollkommen Recht haben. Der verdammte Frachter hat eine Perry kalt erwischt." Sie ballte die Hände zu Fäusten. Und wenn es weiter so übel zuging, dann würde dieser Mob sie erwischen. Allerdings nicht kalt erwischen, garantiert nicht. Ein überhebliches Grinsen ging über ihre Züge. Zumindest tat es das, bis sie meinte, in der Ferne das Geräusch von Panzerketten auf Asphalt zu vernehmen. Es wiederholte sich nicht, aber Burdette speicherte das Geräusch in der Schublade für große, unvorteilhafte und sehr gefährliche Überraschungen, die ihnen drohten, ab.
***
"Sparrows Crest von Homeshopper vier, kommen."
"Das Sparrows Crest spricht. Kommen, Homeshopper vier."
"Wir haben die Admiral Pierre Kumumba jetzt in Sicht. Ihr Hubschrauber ist da und holt per Winde Verletzte an Bord. Keine weiteren Einheiten im Seegebiet zu entdecken. Bitten um Erlaubnis, uns an der Evakuierung der Verletzten beteiligen zu dürfen."
"Erlaubnis erteilt, Homeshopper vier. Admiral Philips hier. Jungs, wie sieht es aus? Wie schlimm hat es die Pierre erwischt?"
"Sir, die Pierre liegt tief im Wasser. Ein Teil vom Heck ist fort, und mittschiffs raucht ein öliges Feuer. Sie hat, soweit ich das erkennen kann, leichte Schlagseite zu Backbord, aber sie schwimmt noch. Es sollte möglich sein, sie in den nächsten Hafen zu ziehen."
"Dann hat sie nur geringe Priorität. Wie groß ist Ihre restliche Reichweite, mein Sohn?"
"Etwa vierhundert Seemeilen, Sir."
"Gut, dann scheidet ein sofortiger Flug zur Colorado aus. Funken Sie die Pierre an und bieten Sie Hilfe bei der Evakuierung an. Die Illinois ist mittlerweile nahe genug, um sie Ihnen abzunehmen und Sie zu betanken. Anschließend fliegen Sie sofort zur Colorado weiter."
"...Verstanden, Admiral."

Pilot und Co-Pilot wechselten einen vielsagenden Blick. Wenn sie nicht bei der Pierre helfen sollten, bedeutete das, dass der Admiral erwartete, die Colorado würde schon bald in noch größeren Schwierigkeiten stecken.
***
"Wie spät haben wir es gerade in Banana Port?"
"Etwa zehn nach eins P.M., Mr. President."
Salem Etranger sah nicht auf, während er mit Admiral Blueberry sprach. Stattdessen beobachtete er aufmerksam seine Hände. Die vielen feinen Linien, die sich in die Haut gegraben hatten, während seiner ersten sechs Amtsjahre, waren deutlich zu sehen. Das Amt forderte seinen Tribut. Der ewige Balanceakt zwischen Wirtschaftsinteressen und Menschenrechten hatte seinen Preis. Und die eine Seite konnte er nicht, die andere Seite wollte er nicht vor den Kopf stoßen. Etranger war sich bewusst, dass die Falten in seinem Gesicht auch zahlreicher geworden waren. Jene, die schon da gewesen waren, hatten sich noch weiter vertieft. Außerdem fühlte er sich in Momenten wie diesen so alt. "Wissen wir schon, wo sie sind?"
"Was bitte, Mr. President?"
"Die Sizzler von der Karuma, die der Illuminierung unserer eigenen Drohne zur Colorado folgen."
"Das ist noch nicht sicher, Mr. President", versuchte Blueberry abzuwiegeln.
"Machen wir uns nichts vor. Einen anderen Grund gibt es nicht dafür, dass ausgerechnet eine unserer eigenen Drohnen ausgerechnet eines unserer Kriegsschiffe mit einem Ziellaser erfasst." Nun sah der Präsident auf. Er wusste es nicht, aber sein Blick war hart und unnachgiebig. Es war beeindruckend genug, sodass Blueberry mit seiner Antwort zögerte, neu ansetzte, wieder scheiterte und schließlich nur sagte: "Mr. President, wir..."
"Geben Sie der Colorado den Befehl, die Drohne runterzuholen. Sofort."
Dagegen gab es Einwände. Dutzendfach. Hundertfach. Und das nicht nur, weil die unbemannten Aufklärungsdrohnen so teuer wie Kampfjets waren. Aber gegen den Blick des Präsidenten, gegen seine Entscheidung, gab es keine Erwiderung. "Jawohl, Sir." Der Admiral nickte seinem obersten Vorgesetzten zu und griff zum nächsten Telefon in Reichweite. "Geben Sie mir Colonel Ty, und das pronto."
"Landsdale?"
"Mr. President?" Der Head of Command der Special Forces unterbrach sein Gespräch mit Cynthia Maybright und kam herüber.
"Isaac, was tun wir im Kriegsfall?"
"Sir?"
"Sie haben mich schon verstanden", erwiderte Etranger, plötzlich müde klingend. "Zuerst haben die Ndongoianer versucht, Ihre Ranger in der Belongo Base de l'Air festzuhalten, dann haben sie Captain Scotts Leute vor Keounda City mit Napalm bombardiert, was mindestens zwanzig unserer Jungs und Mädchen das Leben gekostet hat, und schließlich haben sie noch einen panadianischen Verbündeten abgeschossen, über dessen Schicksal wir noch nichts weiteres wissen."
"Doch, Sir, wissen wir. Kam gerade herein. First Lieutenant Kalabalus wurde von den Rangern aus einem Baum geholt und gerettet. Zur Zeit wird er von Doktor Herryhaus wieder zusammengeflickt und ist außer Lebensgefahr." Landsdale zögerte kurz. "Ich wollte es Ihnen gerade sagen."
"Das ist immerhin ein kleiner Lichtblick", seufzte Etranger. "Bleiben ja nur noch der Angriff auf die Pierre und der Beschuss der Colorado durch ein Frachtschiff, dass defacto Präsident Rousseau gehört. Reicht das für einen Krieg?"
Landsdale dachte kurz nach. "Ja, Mr. President. Es reicht für eine Kriegserklärung. Und ehrlich gesagt würde ich den Krieg lieber jetzt als nachher erklären, solange wir noch eine Chance haben, unsere Botschaft zu räumen."
"Da sind aber die Black Stars, die nun für Ndongo arbeiten. Sie sind es, die auf dem Land ihre Basis haben, die die kurzen Versorgungswege haben und die in der Verteidigungsstellung sind." Etranger sah amüsiert auf, als er Landsdale die Stirn runzeln sah. Der Präsident grinste. "Isaac, Sie vergessen immer meinen Offiziersposten in der Nationalgarde."
"Ja, Sir. Ich meine, nein, Sir. Jedenfalls können wir noch nicht sagen, wie die Black Stars reagieren werden, wenn wir Ndongo wirklich den Krieg erklären. Sie könnten sich neutral verhalten, wenn wir ankündigen, dass es uns nur um die Evakuierung der Botschaft geht."
"Was etwas schwierig ist, solange die Ospreys der Marines in Keounda City gebunden sind", sagte Etranger. "Außerdem ist eine Kriegserklärung und eine Landinvasion genau das, wohin wir getrieben werden sollen, Isaac. Das muss ich Ihnen nicht erst erklären. Und ich muss Ihnen auch nicht erläutern, warum ich mich nicht treiben lasse. Nicht von diesen Leuten."
"Nein, Sir."
"Andererseits wurden unsere Leute bombardiert. Das ist nicht mit einer formellen Protestnote abgetan."
"Nein, Sir."
"Also, was tun wir? Wie sehen überhaupt unsere Möglichkeiten aus?"
Landsdale dachte kurz nach. "National oder international? In Niba sitzen die Franzosen mit drei Divisionen Bodentruppen plus Luftunterstützung Das sind zweitausend Kilometer, aber es sind die nahesten Truppen, die auf unserer Seite sein könnten. Zudem haben wir sie in Niba mit Geheimdienstdaten unterstützt. Das werden sie nicht vergessen haben."
Etranger schüttelte den Kopf. "Bleiben wir national."
"Unsere wichtigsten Verbündeten in der Region sind Ganbo und Panadia, wie ich kurz erwähnen möchte. An einem Angriff würden sie sich sicher nicht beteiligen, sehr wohl aber ihr Territorium verteidigen, selbst wenn wir ihr Gebiet für Angriffe auf die Republik Ndongo nutzen würden."
"Weiter."
Landsdale nickte zustimmend. "Dann haben wir da natürlich die Abraham Lincoln und ihre Trägergruppe, Scotts Ranger und Hugh Shatterfields Untersuchungskommission mit noch einmal einer Kompanie Ranger. Dazu kommen die Truppen der Belongo Mining. Für die Region sind sie sehr gut ausgerüstet. Die nächsten uns zur Verfügung stehenden Truppen wären die Tommies auf den Falklands, ironischerweise."
"Und im gesamten Umkreis? In ganz Afrika?"
"Die nächsten US-Truppen haben wir auf Diego Garcia und am Golf von Aden. Oder wahlweise im Mittelmeer, der Türkei, Italien oder Deutschland. Das dürfte etwa zwei Dutzend Schiffe der unterschiedlichen Klassen einschließen, Mr. President."
"Hm." Nachdenklich trommelte Etranger mit den Fingerspitzen auf dem Holz des Konferenztischs. "Wie viele Leute bräuchten wir für eine Invasion? Wie schnell hätten wir sie vor Ort?"
"Zwei, drei amphibische Divisionen. Lieber mehr als weniger, schätze ich. Mobilisierungszeitpunkt der Materialschiffe: Achtundvierzig Stunden. Etwa eine Woche auf See. So viel Zeit hätten wir dann, um die entsprechenden Truppen ins Zielgebiet zu bringen, entweder auch per Schiff, oder per Flugzeug."
"Was bedeutet, dass wir auf diese Situation nicht vorbereitet waren", schloss der Präsident.
"Nicht im geringsten. Es war schon ein sehr glücklicher Umstand, dass wir überhaupt die Abe in Reichweite hatten."
Salem Etranger betrachtete wieder seine Hände. "Und international?"
"Unsere Verbündeten würden entweder gute Gründe verlangen, warum sie sich militärisch engagieren sollen..."
"Weiter."
"Oder sie würden einen Teil der Beute erwarten."
Etranger lächelte freudlos. "Ist das nicht etwas harsch formuliert, Isaac?"
Der Drei Sterne-General schnaubte amüsiert. "Ich denke, darauf läuft es hinaus. Bisher war die ndongoianische Regierung sehr kooperativ, was Wirtschaftsinteressen angeht. Der letzte nennenswerte Einsatz in der Region war der Versuch der Deutschen, einen ihrer Austauschoffiziere zu retten. Der letzte Einsatzversuch war die Entsendung von Captain Scott, um die Ärzte ohne Angst zu befreien. Seither war Ndongo nicht gerade ein Sorgenkind für uns und militärisch unbedeutend. Ich kenne die Zahlen der Privatwirtschaft nicht, aber ich weiß definitiv, wer mit einer militärischen Ausbildung in Ndongo ein- und ausgegangen ist. Unsere Leute waren nicht dabei."
"Daraus folgt?"
"Hm." Isaac Landsdale zog sich einen Stuhl heran und setzte sich neben den Präsidenten. "Ich will ehrlich zu Ihnen sein, Mr. President. Das Öl, das in Belongo gefördert wird, kommt aus der größten Reserve des Landes. Solange der Bezirk unsicher, unregiert und mit sich selbst zerstritten ist, kann Präsident Rousseau mit seinem Militär dort schalten und walten, wie immer er will. Solange Belongo sich nicht organisiert und mit einer Stimme spricht, kriegt die dortige Bevölkerung vom Ölsegen nur die Kugeln ab, die mit den Erträgen gekauft werden. Nun aber sind die Herwigs dort unten und ziehen eine großangelegte Wirtschaftshilfe auf. Neue Schulen, Minenräumer, medizinische Versorgung, Aussöhnung der Warlords, bessere Kommunikation der Dörfer untereinander, Beendung der militärischen Auseinandersetzungen. Was der Werksschutz von Belongo Mining draufhat, haben wir gesehen, als sie ohne eigene Verluste die Ärzte ohne Angst befreit haben. Eine improvisierte Operation, allerdings von gut trainierten Männern und Frauen optimal ausgeführt. Anders formuliert: Die Herwigs stabilisieren die Region. Und wenn sie Keounda City aus den Händen dieses Verrückten befreien, was wird wohl mittelfristig mit der Base de l'Air geschehen, was mit dem Öl, das in Belongo gefördert wird? Glauben Sie, Mr. President, die Völker in Belongo werden weiterhin dabei zusehen, wie ihnen ihr eigenes Hab und Gut geraubt wird?"
"Sicherlich nicht", sagte Etranger.
"Sicherlich nicht. Und genau das kann Rousseau nicht zulassen. Deshalb hat er Scotts Ranger bombardiert. Deshalb hat er die Söldner aus Bindiru ins Land gelassen."
Nachdenklich faltete Etranger beide Hände vor dem Kinn zu einem Dreieck. "Ihr Fazit?"
"Unserer Wirtschaft ist es egal, mit wem sie verhandeln muss, um an das Öl zu kommen, solange es anschließend billig in ihre Tanks fließt. Sicher ist aber eines: Sie werden nicht mit zwei Partnern verhandeln, nur mit einem. Wenn sich also Belongo organisiert und sich als stärker erweist als es die Zentralregierung ist, dann muss eben die Zentralregierung ausgeschaltet werden."
"Und genau dahin werden wir getrieben, richtig, Isaac?"
Der in Ehren ergraute Veteran nickte grimmig. "Und es bleibt uns nicht einmal eine Wahl, wenn wir nicht international wie Idioten dastehen wollen. Das Massaker an zwanzig Rangers kann nicht unbeantwortet bleiben."
"Nein, das kann es nicht. Es war ein heimtückischer Schlag von einer Nation, die wir wenn schon nicht für verbündet, dann aber doch für freundlich gesonnen gehalten haben. Und nun?"
"Ein Militärschlag unsererseits ist unausweichlich, Mr. President", mischte sich Admiral Blueberry ein. "Zumindest ein Schlag, der ausreicht, damit wir die Botschaft evakuieren können, sowie unsere Operation in Belongo müssen wir durchziehen. Aber ob es dabei bleibt, hängt davon ab, ob die Colorado die Sizzler abwehren kann oder nicht."
"Jonas?", fragte der Präsident irritiert.
"Ich will damit sagen, dass wir es damit belassen können, die Muskeln spielen zu lassen und eine Untersuchung zu fordern, wenn die Colorado nicht beschädigt oder gar versenkt wird, was Gott verhüten möge. Die Chancen dafür stehen gut, denn die Colorado hat zwei Raketen auf die Drohne abgefeuert. Der Leitstrahl wird nicht mehr lange Bestand haben. Aber erfassen die Sizzler trotzdem ihr Ziel und beschädigen oder versenken das Schiff, dann ist mit einer Untersuchung oder einer Entschuldigung nichts erreicht, aber viel verloren. Zum Beispiel unser Ansehen in der Region."
"Also spielen wir den Ölkonzernen in die Hände, die uns treiben wollen?", fragte Etranger ärgerlich.
"Nun, vielleicht gibt es eine Möglichkeit, beides zu haben. Also unser Gesicht zu wahren, aber eben nicht von Roxxon und Co. gelenkt zu werden", sagte Landsdale.
"Und das wäre, Isaac?"
"Später, Mr. President. Sobald wir wissen, wie es um die Colorado steht."
"Admiral, die Drohne wurde abgeschossen!", rief jemand durch den Raum.
Verhaltene Erleichterung war zu hören. Präsident Etranger atmete auf. "Immerhin etwas. Und die Sizzler?"
"Das werden wir in ein paar Minuten wissen, Mr. President", sagte Blueberry schaudernd.
***
Captain Winslow Ibara war ein gestandener Seebär mit zwanzig Jahren Erfahrung auf den Weltmeeren. Die Ernennung zum Kapitän des Arleigh Burke war der derzeitige Höhepunkt seiner Karriere. Der nächste Schritt war die Beförderung zum Rear Admiral, und der war in seinem Lebenslauf fest eingeplant. Und bisher sah es nicht danach aus, als würde ihm jemand auf seinem Pfad Steine in den Weg legen. Im Gegenteil, er konnte sich über mangelnde Förderung nicht beklagen. Wie sagte man so schön? Jeder wurde bis zur Grenze der eigenen Unfähigkeit befördert. Ibara hatte seine Grenze noch lange nicht erreicht. Nun, zumindest hatte er das stets gedacht und schon auf eine eigene Flottille, sogar eine Flotte geschielt. Bis zum heutigen Tag. Es war nicht das erste Gefecht, in dem er sich befand. Aber es war sicherlich die erste ernstzunehmende Seeschlacht, denn alle bisherigen Kämpfe waren gegen sechs russische Hightech-Mittelstreckenraketen nur kleine Scharmützel. Die Colorado war vom Tode bedroht, und damit nicht nur er und seine Karriere, sondern auch die gesamte Besatzung. Was diese russischen kleinen Teufel anrichten konnten, konnte man sehr gut an der Pierre sehen, die mit viel Glück drei von vier Sizzlern hatte abwehren können, bevor die vierte das Schiff kastriert hatte. Hätte nur eine mehr getroffen, wäre das Schiff nicht mehr zu retten gewesen. Definitiv nicht. Und auf sein Schiff hielten sechs zu. Sechs, verdammt. Für einen Moment erinnerte er sich an den Jubel, der in der CIC seines Schiffs geherrscht hatte, als der Abschuss der Drohne bekannt geworden war. Für einen kurzen Moment hatte es sich wie ein Sieg angefühlt, obwohl sie etliche Millionen US-Dollar zu den Fischen gesandt hatten. Aber ihre Leben waren dem Präsidenten wichtiger gewesen als Geld. Zumindest hoffte Ibara das. Aber er bezweifelte, dass dies ausreichte, damit die Sizzler ihr Ziel verloren.
"Wir haben Sie!", rief Lieutenant Rodriguez, der Ortungsspezialist, aufgeregt. "Vampires, fünf, offener Schwarm, kommen von einhundertfünfunddreißig Grad bis einhundertachtunddreißig Grad herein! Entfernung: Zwanzig Komma acht neun Seemeilen, Geschwindigkeit noch unter Mach, beschleunigen aber! Sechster Vampire ist nicht zu entdecken!"
Ibara schnaubte leise. Dies war mehr als ein Konflikt zwischen einem Drittweltland und den USA. Es war ein Showdown zwischen russischer und amerikanischer Technologie. "Abwehrrakten starten. Zwei für jede entdeckte Sizzler. Weitere vier für den sechsten bereithalten."
"Aye, aye, Sir!"
Der Waffenoffizier machte nach den Befehlen seines Skippers seine Eingaben und löste danach den Start der Raketen aus. Auf dem Deck sprangen nun gerade von zehn Raketensilos die Klappen auf und entließen genau zehn Raketen auf feurigen Flammenstrahlen in den Tag. Die Raketen erreichten eine gewisse Höhe, bevor sie in Richtung der Sizzler drehten. Danach zündeten ihre Antriebe und sie eilten den russischen Waffen entgegen. Ihnen blieben etwas unter sechzig Sekunden für diesen Abwehrversuch. Dann würden die Sizzler nur noch von den Raketenabwehrkanonen gestoppt werden können. Und dann war da immer noch die sechste Sizzler, die abgefeuert, aber nicht in der Erfassung war.
"Markiere Boogies als Alpha bis Ecco", meldete Rodriguez. "Raketen nehmen Ziel auf."
Ibara war erfahren genug, um zu wissen, dass sich die Sizzler knapp über dem Wasser halten würden. Ein dem Kampfflieger Tornado verwandtes Bodenradar würde sie dabei über Wellenkämme "hüpfen" lassen und ihnen gute Deckung in den Tälern bieten - zumindest soweit die Angriffsgeschwindigkeit von Mach zwei dies zuließ. Ihre Abwehrraketen würden den Sizzlern entgegenfliegen, versuchen, die Raketen zu erfassen und dann zu treffen. Es hatte etwas davon, eine Gewehrkugel mit einer anderen Gewehrkugel abzuschießen. Eine enorme Rechenleistung war dafür notwendig, natürlich auch eine perfekte Ortung. Die CIC unterstützte die Raketen bei ihrem Zielanflug, aber ein Vabanque-Spiel blieb es trotzdem.
"Kontakt!", rief Rodriguez. "Vampire Bravo down! Vampire Ecco down!" Er zögerte einen Moment. "Vampire Alpha down!"
Kurzer, aufgeregter Jubel erfüllte die Gefechtszentrale der Chicago.
"Disziplin, Herrschaften!", mahnte Ibara. "Da draußen ist immer noch eine sechste Sizzler, die wir noch nicht geortet haben, und Charly und Delta sind immer noch auf dem Weg zu uns!"
Und sie waren nur noch achtzehn Sekunden entfernt. "JEDER HAT EINEN FESTEN HALT!"
Dies war der Moment, in dem die Schnellfeuerkanonen ihre Raketenabwehr begannen. Sie spuckten ihren Metallhagel in den Anflugwinkel der Raketen.
"Vampire!", blaffte Rodriguez. "Zwei Vampire im Anflug! Wir... Korrigiere! Freundliche Ziele, wiederhole, freundliche Ziele!"
Ibara warf einen Blick auf die Anzeige. Tatsächlich markierte der Computer einen Flügel Hornets der Abe, die sich schon verdammt nahe befanden.
"Boogie Delta down!", rief einer von Rodriguez' Leuten erleichtert. "Boogie Charly down!"
Erneut klang Jubel auf. Sie hatten fünf Sizzler ausgeschaltet!
"Disziplin!", klang Ibaras Stimme hart auf. "Sucht nach dem..."
"Sechster Boogie, identifiziert als Boogie Foxtrot! Er rast frontal auf uns zu! Sieben Sekunden bis zum..."
Ibara fühlte sich, als würde die Zeit für ihn stehenbleiben. Natürlich, wenn die SS-N-27, oder auch Klub-K-Rakete der Colorado in Fahrtrichtung entgegen kam, reduzierte sich die Entfernung für den Schiffskiller, und die Geschwindigkeit erhöhte sich relativ gesehen. Und durch die Ablenkung der anderen fünf Sizzler war trotz der wachsamen Augen und der aktiven Computer die Chance groß gewesen, dass sich die sechste Rakete relativ unbemerkt anschleichen konnte. Was sie auch getan hatte. Verdammt! Und er hatte auch noch mehrfach gesagt, dass das Problem des sechsten Sizzlers nicht aus den Augen verloren werden durfte! Wer immer diese sechs Dinger gesteuert hatte - dass sie gesteuert wurden, daran bestand für Ibara kein Zweifel - war ein wenn auch nicht sehr phantasiereicher, so doch ein Könner auf seinem Gebiet. Und nun erhielt er einen Blattschuss auf einen Arleigh Burke, außer, es gelang den Schnellfeuergeschützen, auch diesen Brocken abzuschießen.
Übergangslos lief die Zeit für ihn wieder normal, als mehrere Explosionen bis zu ihnen in die CIC hallten. Das Schiff gierte ein wenig zur Seite.
"Schadensbericht!", blaffte er.
"Keine Schäden gemeldet, Skipper!", rief ihm Martin, sein XO, zu.
"Colorado von ForCap CVN-72, Lieutenant Senior Grade Elise Martell. Wir haben alles, was wir hatten, auf den Sizzler gerotzt, in der vagen Hoffnung, ihn zu treffen. Scheint funktioniert zu haben, aber haben Sie Schäden erlitten?"
Ibara griff zum nächsten Funkgerät. "Hier spricht Capitän Winslow Ibara. Danke für die Hilfe, Lieutenant Martell. Scheiß auf die Schäden. Ich habe hier genügend Ortungsfachleute, die sich mit Freude und mit Eimer und Pinsel um die Lackschäden kümmern werden. Ohne Ihre Hilfe hätte das mein Schiff den Bug gekostet. Danke sehr."
"Gern geschehen, Skipper. Sie haben die Drohne für uns weggehauen, wir haben Ihnen den Sizzler vom Bug gewischt. Ich denke, das war eine gute Arbeitsteilung."
Ibara lachte auf. "Ja, das war es. Erinnern Sie mich daran, dass ich Sie und Ihren Wingman für den Bronce Star vorschlage."
"Da haben wir nichts gegen, Captain. Wir bleiben noch ein wenig in der Gegend für den Fall, dass die Karuma weitere Eier spuckt. Zumindest, bis wir abgelöst werden oder unser Sprit ausgeht."
"Negativ, Lieutenant. Wir könnten Sie aber als zusätzliche Augen brauchen." Ibara atmete tief durch. "Suchen und finden Sie diesen verdammten Frachter für mich, und ich schicke ihn mit all seinen Sizzlern zu den Fischen!"
"Deal!", erwiderte Martell.
Ibara grinste. Es würde interessant sein zu sehen, wie der Karuma ein paar gute alte BGM-109-Tomahawks schmecken würden.

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Niklas reichte seinem großen Bruder das Megaphon, während rund um sie die letzten Vorbereitungen abgeschlossen wurden. Nach und nach trafen die Klarmeldungen der Einsatztrupps ein, und Mörser richteten sich auf den ehemaligen Prachtbau, der in besseren Zeiten das wichtigste Gebäude Belongos gewesen war. "Na los, mach Axel City klar", scherzte Niklas. Er klopfte seinem Bruder auf die Schulter, suchte seine Position auf und legte sein Gewehr an. "Bereit", sagte er mit zischendem Laut.
Morelli lauschte seinem Funkverkehr und grunzte zufrieden. "Sir, wir sind alle bereit", sagte er zu Axel.
"Also gut. Für Axel City", murmelte Axel Herwig und erhob sich.
"Ich hoffe, das war ein Scherz", sagte Sinclair. "Es war doch ein Scherz?"
"Bei Axel weiß man das nie", erwiderte Scott. "Ich kenne ihn nicht mal eine halbe Woche, aber ich glaube, ich habe eine ungefähre Ahnung davon, wie er tickt. Was warst du in der deutschen Army, Stabsgefreiter? Bei uns wärst du mittlerweile Colonel der Ranger."
Axel grinste bei diesem Einwurf unsicher. "Du traust mir was zu."
Der Captain der Ranger schmunzelte flüchtig. "Na, schau dich doch an, mit was für einer Idee du wieder angekommen bist. Das ist wie das Ei des Kolumbus: Man muss drauf kommen, und zwar vor den anderen. Mit Verlaub, Herr Herwig ist ein kleines Genie."
"Bitte keinen Extra-Druck", murmelte Axel. Seine Rechte krampfte sich um das Megaphon, löste den Trigger aus und verursachte deshalb eine Rückkopplung, die mit einem scharfen Geräusch über den Vorplatz hallte.
"Okay, wenn sie bisher noch nicht wach waren - jetzt sind sie es", kommentierte Irene Sinclair. "Nicht, dass es ihnen etwas nützt. Bereit, großer, böser Deutscher."
"Keine Schmeicheleien bitte, Ranger", erwiderte Axel. Er trat so weit aus seiner Deckung heraus, dass er das Megaphon auf das Gebäude richten konnte. Dann atmete er noch einmal tief ein und holte sein bestes Französisch raus.
"Moi, le Commandeur des Victoires, j'ai un Present pour le Riki. Riki, ecoute! Je te donne trente Minutes pour ton Retraite et le Retraite de tes Soldats, commencer cette Minute! Personne de mes Soldats veut tir á vous! Direct l'est, et vos Retraite ne vais pas derangé!"
Er holte tief Luft, sammelte seine Französischkenntnisse und begann erneut: "Ces Personnes, qui ne veux pas partier avec le Riki, pouvez attender notre Front! Ceux-ca, qui ne sont pas armé et élever ces armes, ne veux pas fusiller, je promette!" Axel zog sich in die Sicherheit seiner Hausecke zurück und nickte Austin zu. Es hatte eine kurze Diskussion darüber gegeben, wie viele Männer des Rikis wohl kommen wollen würden, aber es nicht riskierten. Oder wie viele kommen würden und erschossen wurden - von ihren eigenen Kameraden. Die Lösung war, ihnen zumindest eine Chance zu geben, aber eben auch wachsam zu bleiben.
"Nebel!", rief Scott.
"Nebel!", kam es ein halbes Dutzend mal von Deutschen, Marines und Rangers zurück. Danach schleuderten die Mörser, die Artillerie der Infanterie, bereits Geschosse auf das Haus und seine direkte Umgebung. Die Granaten explodierten, teilweise im Haus, und entließen sofort einen dichten gelben Rauch.
"Möge der Wind weder in unsere Richtung wehen, noch auffrischen", murmelte Niklas. Noch ging kein Wind, und die Rauchwolke breitete sich konstant über das alte Prachtgebäude und den Vorplatz aus. Aber wenn Wind aufkam, und wenn er in eine andere Richtung als Westen wehte, dann hatten die dort stationierten Soldaten ein Problem.
"Mal den Teufel nicht an die Wand, kleiner Bruder", tadelte Axel. "Oder willst du auf Meikes Operationstisch enden?"
"Da kommt wer!", zischte Andrew Leod. Der Mann stemmte sich in sein Gewehr und visierte die Silhouette an, die sich im Nebel abzeichnete. Als die Gestalt den Nebel verließ, sahen sie, dass der Mann waffenlos war und die Arme erhoben hatte. Kurz nach ihm und über die ganze Front verteilt folgten ihm Männer und Frauen. Nicht viele, aber immerhin.
"Jetzt muss es jede Sekunde losgehen", murmelte Axel. "Bereit machen!"
Wie um eine Antwort zu geben bellten Schüsse auf. Nicht, um sie zu treffen, sondern auf die Desertierenden abgefeuert. Beinahe sofort begannen die MG's der Soldaten zu hämmern, über die Köpfe der Deserteure hinweg gezielt, aber deutlich machend, dass sie nicht gewillt waren, Beschuss hinzunehmen. Ein Teil der Männer und Frauen warf sich zu Boden, einige liefen geduckt weiter, andere versuchten umzukehren.
"Los jetzt!", rief Axel.
Einzelne Trupps kamen aus der Deckung hervor, liefen zu den Deserteuren herüber und eskortierten sie zu den Stellungen. Dort wurden sie hinter die nächste stabile Wand gebracht und genauestens gefilzt. Die Zeit von Empfang und Untersuchung war ein hohes Risiko; ein Wahnsinniger mit einem Bündel Handgranaten hätte ein Massaker anrichten können. Aber Axel setzte darauf, dass die Aktion viel zu kurzfristig erfolgt war, als dass jemand auf diese Schweinerei hatte kommen können.
Dann ebbte das Feuer aus dem Nebel ab, und auch die MG's stellten das Feuer ein. Es kam niemand mehr aus dem Nebel hervor. Langsam wurde die Wand dünner.
"Das war es dann wohl. Hat jemand mitgezählt?", fragte Axel.
"Siebenundfünfzig. Dreiundvierzig Männer, vierzehn Frauen", sagte Morelli. "Noch nicht ganz vollständig, aber mehr werden es wohl nicht."
Axel nickte. "Dann haben wir wohl so gut wie alle gerettet, die gerettet werden wollten. Kann sein, dass noch ein paar Leute die Chance genutzt haben und sich im Haus versteckt halten. Sowohl Wahnsinnige des Riki als auch weitere Flüchtlinge."
"Der Hinweis ist vermerkt", erwiderte Scott.
Der Deutsche lächelte flüchtig. "Den Rest lassen wir unbehelligt abziehen. Aber wenn es auf das Ende der halben Stunde zugeht, sollten wir sie ein wenig motivieren und schon ein wenig rumballern, schätze ich."
Hinter dem Haus klang das Röhren von sehr alten Dieselmotoren auf.
"Sieht nicht so aus, als würden sie diese Motivation brauchen. Sie ziehen ab, wie es scheint", sagte Niklas. Für einen Moment wirkte er sehr erschöpft. "Endlich."
"Ja, endlich", sagte Scott. "Die Action geht dem Ende zu, und ab jetzt kommen die Gedanken. Willkommen, Dämonen, die Ihr mich fragen werdet, was ich hätte besser machen können, welche meiner Leute ich hätte doch irgendwie retten können. Gesellt euch zu den anderen."
Axel lachte abgehackt auf. "Ersäuf deine Dämonen, Jason. Ich stelle Bier und Scotch zur Verfügung."
"Das ist ein sehr guter Vorschlag", erwiderte der Amerikaner. Der Rest war Warten.

Als die halbe Stunde um war, schickte Scott zwei Firesquads vor, um das Gebäude zu inspizieren. Die Männer und Frauen hatten die Aufgabe, die Eingänge zu sichern und auf Schweinereien wie Sprengfallen zu untersuchen. Auch die Möglichkeit, dass eine Handvoll bis zum Anschlag zugedröhnte Männer des Riki zurückgeblieben waren, um so viele Soldaten wie möglich mit sich zu nehmen, hatten die Offiziere in Betracht gezogen. Für den Fall würden sie nicht viel Federlesens machen und den Kasten noch mehr durchsieben, als er ohnehin schon war. Die Stimme von Major Michael klang über Funk auf. "Wir richten jetzt die Barrikaden ein und errichten in unserem Abschnitt Stellungen."
Scott bestätigte. "Wir ebenso. Sobald das Gebäude sicher ist, gehört die Stadt damit uns." Ein Grinsen huschte über sein Gesicht. "Ich meine, sie gehört dann Axel."
Bellend lachte der Marine. "Das entbehrt nicht einer gewissen Wahrheit. Jedenfalls ist die Weststraße so gut wie gesichert. Falls Männer des Riki oder andere über die Wälder in die Stadt zu kommen versuchen, werden wir sie sehen."
"Falls nicht alles schiefgeht. Aber unser Pensum an Pech haben wir hoffentlich hinter uns", murmelte Scott mehr zu sich selbst als zu Michael. "Seien Sie einfach vorsichtig in Ihrem Sektor, Sir. Wie laufen übrigens die Reparaturen an Ihrem Osprey?"
"Meine Leute sind dran. Jetzt, wo die Maschine aus der Feuerlinie raus ist."
"Gut zu hören."
"Wie sieht es am Palast aus?"
"Sie meinen das Bürgermeisterhaus? Meine Leute sichern die Eingänge und suchen nach Sprengfallen oder Selbstmördern. Danach durchsuchen wir das Gebäude nach weiteren Deserteuren, weiteren Fallen und weiteren Fabriken, in denen der Riki die Fetische produzieren ließ, die seine Männer an den Halsketten tragen. Ist kein schöner Anblick."
"Kann ich mir denken. Michael over and out."
Scotts Miene verzerrte sich für einen kurzen Moment hässlich. "Ich habe einiges gesehen in meinem Leben - einiges. Aber eine Sache bestätigt sich doch immer: Wenn Menschen glauben, keine Strafe befürchten zu müssen, kommt viel von ihrem Wesen zum Vorschein. Und wenn diese Menschen dann der Meinung sind, übervorteilt, benachteiligt oder nicht gewürdigt zu sein, dann können sie zu schrecklichen Bestien werden."
"Manchmal verschanzen sie sich auch einfach hinter dem ominösen Begriff, den sie "Pflicht" nennen und begehen wissentlich und ohne jede Befriedigung ihre Greuel", sagte Niklas. "Glauben Sie mir, Jason, Sie sind nicht der einzige, der schon zuviel gesehen hat." Er schnaubte leise aus. "Ich hoffe, ab hier wird es besser."

"Ranger eins von Ranger drei-vier-drei, kommen."
"Ranger eins spricht."
"Wir sind drin. Keine Sprengfallen bisher. Keine Zurückgebliebenen, aber ein paar Tote. Hingerichtet, vermutlich mit dem Messer. Scheint so, der Riki hat noch mal groß aufgeräumt, bevor er gegangen ist. Er ist... Ohmeingottohmeingottohmeingott!" Die Stimme von Private Kosetzki brach ab. Der Funk verstummte.
"Ranger drei-vier-drei, was ist passiert?", bellte Scott ins Funkgerät.
"Ranger drei-vier-drei hier, Ranger eins", klang eine neue Stimme auf. Im Hintergrund übergab sich jemand. "Ross hier, Sir."
"Ross, was ist passiert?"
Die Stimme des Mannes zitterte. Er war den Tränen nahe. "Kosetzki übergibt sich gerade, und ich kann es ihm nicht verdenken. Mein Magen schwankt auch ganz schön."
"Bleiben Sie ruhig, Junge, und sagen Sie mir, was Sie gefunden haben", sagte Scott mit möglichst ruhiger Stimme.
"Weitere Opfer von der Aufräumwut des Riki. Darunter die Leiche einer hochschwangeren Frau. Augenscheinlich war sie nicht transportfähig, also hat er sie und das Ungeborene umbringen lassen. Das ist hier wirklich kein schöner Anblick."
Scott atmete tief ein und wieder aus. Er sah zu Axel herüber. "Ihre Hubschrauber sollten dem Spuk ein Ende machen. Jetzt. Bevor noch mehr passiert."
Axel sah zu Niklas herüber, der mit steinerner Miene nickte.
"Also gut. Boxie, hörst du mich? Steig auf und mach sie fertig. Alle mit Soldaten besetzten Wagen sind Ziele."
Schweigen.
"Boxie?"
"Habe verstanden. Breche mit Flügelmann auf." Sekunden darauf zogen zwei Mil Mi 24 über ihre Köpfe hinweg, eine davon ihre erste D mit Tandem-Cockpit.
"Ranger drei-vier-drei von Ranger eins. Ross, hören Sie mich?"
"Ja... Ja, Sir, laut und deutlich."
"Wie schätzen Sie die Situation im Gebäude ein?"
"Die Eingänge sind gesichert. Keine Sprengfallen und keine Überraschungen, von den Hingerichteten mal abgesehen. Wir... Moment, ich übergebe."
"Kosetzki hier. Entschuldigen Sie meinen Ausfall, Captain."
"Schon gut, Private."
"Sir, Sie können den Rest reinschicken. Der Kasten ist riesig und es wird dauern, ihn zu durchsuchen. Augenblick, bitte."
Der Funk wurde unterbrochen, und die Offiziere lauschten auf Schüsse aus dem Gebäude. Stattdessen erwachte der Funk wieder zum Leben. "Wir haben weitere Deserteure entdeckt, Sir." Die Stimme des Private First Class klang beinahe fröhlich. "Ein paar Jungs zwischen acht und zwölf. Hatten sich im Kaminsystem versteckt. Sie sind unbewaffnet."
Scott schnaubte in einer Mischung aus nachlassender Anspannung und Überraschung. "In Ordnung. Lassen Sie die Jungs zum Sammelpunkt schaffen. Ich schicke die restlichen Leute jetzt rein." Er nickte Morelli zu. "Ihr Einsatz, Lieutenant."
"Jawohl, Sir. Auf, auf, Kameraden!" Er erhob sich, und mit ihm sein Platoon. Diese Leute würden den ganzen Kasten filzen, von unten bis ganz oben. Und dann... Dann gehörte Keounda City wirklich ihnen.
"Boxie hier, Chef."
"Axel hier. Was gibt es?"
"Warst ein bisschen spät dran mit deinem Befehl. Ich habe die Fahrzeuge gefunden, wenn auch nicht alle. Sie sind verlassen. Schätze, der Riki und seine Leute haben sich auf in den Busch gemacht und bewegen sich jetzt auf Dschungelpisten vorwärts."
"Das ist bedauerlich."
"Was mache ich mit dem Rest?"
"Ich schicke Hannes mit ein paar Leuten raus, die die Fahrzeuge einsammeln und zu uns zurückbringen. Deckt die Aktion von oben aus und seht zu, dass nicht wieder jemand mit RPG's um sich schießt."
"Verstanden, Boss."
"Hannes, hast du mitgehört?"
"Bin schon auf dem Weg, Boss."
Axel grunzte zufrieden. "Dann warten wir mal das Ergebnis der Suchaktion ab. Aber ich denke, es ist endlich vorbei."
Scott runzelte die Stirn. "Ich denke, hier fängt es gerade erst an."
***
"General, wir haben soeben Nachricht erhalten", sagte Kram. "Keounda City ist gesichert. Ihre Kommission kann nun zu Ldungas Farm geflogen werden. In einer Stunde habe ich die Hubschrauber dafür."
Shatterfield nickte anerkennend. "Scheint so, als hätten Scott und Ihre Leute gute Arbeit geleistet. Ach ja, und die Marines."
Die anderen Offiziere am Tisch lachten leise über den versteckten Seitenhieb. Eine gesunde Rivalität zwischen den Teileinheiten förderte die Leistungen der einzelnen Abteilungen. Solange man nicht vergaß, wer Freund und wer Feind war.
"Zu Ldungas Farm? Diesem Kriegsherrn?", fragte Dukakis. "Hat er nicht diese Mine ausgebeutet, bevor Ihr sie ihm abgenommen habt? Und gab es hier nicht ein schreckliches Regime?"
"Nicht ganz, Sir", erwiderte Kram. "Aus den Zeugenaussagen der ehemaligen Wachen und der überlebenden Arbeiter konnten wir einiges rekonstruieren. Zwar stellte Ldunga die Männer für das Projekt, aber die Mine selbst wurde von einem seiner Männer geführt, Jean mit Namen. Unterstützt wurde er von einem weißen Buchhalter aus Belgien, der Mirell heißt. Wir haben ihn an die panadianischen Behörden übergeben, weil er dort wegen diverser Kriegsgreuel steckbrieflich gesucht wurde. Jean wurde erschossen, als er sich der Verhaftung durch Geiselnahme wiedersetzen wollte. Die Mine war auf der Suche nach Gold aus, deshalb starben viele der Zwangsarbeiter, die in den umliegenden Dörfer mit Gewalt rekrutiert wurden, an Blausäurevergiftung. Dass die schönen klaren Steine, die sie manchmal mit ausgruben, Diamanten sind, haben sie nicht mal geahnt. Sie waren vollkommen auf das Gold fixiert, das es hier gar nicht gibt."
"Und das heißt jetzt für Ldunga?"
"Klar ist der Mann kein Weisenknabe. Klar hat er Männer unter Waffen. Aber die Mine wurde autark und autoritär von Jean regiert und nach seinen Vorstellungen betrieben. Wenn ich daran denke, wie viele Leben hätten gerettet werden können, wenn man den Arbeitern Verhaltensmaßregeln für den Umgang mit Blausäure mitgegeben hätte... Aber für Jean war es billiger, neue Arbeiter zwangszurekrutieren."
"Also erteilen Sie dem Warlord Ihres Herzens einen Ablassschein, Herr Oberleutnant?", fragte der General mit neutraler Miene.
"Wir haben ein Bündnis. Und dieses Bündnis hat nicht nur uns, sondern auch Ihren Rangern mehr als einmal geholfen. Ldungas Speere sind auch jetzt gerade dabei, Keounda City zu halten. Zudem ist der Mann Großbauer und versorgt einen nicht geringen Teil der Region mit Nahrung. Mit anderen Worten: Egal, was hier in der Mine passiert ist und egal wie viel Verantwortung er dafür trägt oder nicht, er ist wichtig für Belongo. Und er wird noch viel wichtiger werden, jetzt wo Keounda City in unserer Hand ist. Und eines noch dazu: Er hat uns nicht eine einige Minute gefehlt oder übervorteilt. Wir von Belongo Mining sind mehr als bereit, unter die Vergangenheit einen Schlussstrich zu ziehen und mit ihm ganz von vorne anzufangen."
Eureka Frost vom CID zog die rechte Augenbraue hoch. "So? Und wie sehen das die Menschen in den umliegenden Dörfern, vor allem in Ngali?"
"Nun, Ma'am, der Mann ist ein Lulugengo", erklärte Kram.
"Ein was, bitte?"
"Ein Lulugengo. Sie müssen wissen, fast vierzig Prozent der Menschen in Belongo sind Wagondas. Man findet sie auf beiden Seiten des Flusses. Lulugengos aber siedelten bisher immer nur auf der Ostseite des Lagabandas. Von dort aber wurden sie nach und nach von den Kelegaba verdrängt. Wanagana, der dortige Warlord, ist dafür verantwortlich. Nun ist der Witz aber, dass die Kelegaba von ihren angestammten Weideflächen vertrieben wurden, hier auf der Westseite des Lagabandas. Und das von Wagondas. So und ähnlich erfolgt das Spiel in ganz Belongo, und das seit zwanzig Jahren. Daher sind die Menschen Ldunga nicht mehr gram als unbedingt nötig. Außerdem wurde Gewalt in Belongo bisher als Mittel der Diplomatie angesehen."
"Das sind ja grauenhafte Zustände hier", murmelte die CID-Ermittlerin.
"Zwanzig Jahre Anarchie, nachdem die regionale Regierung zerschlagen wurde."
"Himmel, warum wurde sie zerschlagen?", fragte Dukakis.
"Weil sie da war", erwiderte Kram. "Irgendjemand weiter oben hat entschieden, dass sie die neu entdeckten gigantischen Ölfelder eben besser ausbeuten können, wenn Belongo keine funktionierende Regierung hat. Tatsächlich habe ich schon das eine oder andere Gerücht darüber gehört, dass die damalige Regierung von Ndongo fürchtete, Belongo könnte sich mitsamt seiner Ölfelder selbstständig machen. Das Ergebnis kennen Sie ja alle."
"Nicht so schnell", murmelte Captain Frost, die sich eifrig Notizen machte.
"Hat Ihnen schon mal jemand von den Vorzügen eines Smartphones erzählt, Eureka?", scherzte Dukakis.
"Nein. Ihnen, Constantin?" Sie hielt ihren Papierblock hoch. "Das Ding ist mir lieber. Ich muss die Fußnoten nicht erst einrichten, wissen Sie?"
Das oberste Blatt war dicht beschrieben. Selbst zwischen den Zeilen stand etwas. Ein absolutes Chaos, durch das nur finden konnte, wer es verzapft hatte. Kram schmunzelte bei dieser Erkenntnis. Notizen auf einem Smartphone waren wesentlich einfacher zu lesen.
"Außerdem ist das nur eine Krücke für mich, um mir Fakten zu merken. Wenn ich es einmal geschrieben habe, ist es auch in meinem Kopf gespeichert. General, statten wir auch der Base de l'Air einen Besuch ab?"
"Sie meinen, nachdem sie dort versucht haben, zwei Platoons Ranger mit Gewalt festzuhalten, Aurora?"
Die Frau sah trotzig herüber. "Denken Sie, das werden sie auch gegenüber offiziellen Ermittlerteams der USA machen?"
"Nein, das werden sie natürlich nicht", warf Kram ein. "Der Keks ist gegessen. Stattdessen können wir uns jetzt auf eine heiße Phase freuen. In der Belongo Base de l'Air werden sie nun alles daransetzen, um die Region weiter instabil zu halten, was nach der Eroberung von Keounda City schwieriger werden wird. Ich würde die Basis meiden wie die Pest."
Frost verzog die Miene grimmig, sagte aber nichts, machte sich jedoch weitere Notizen. "Also nicht. Gut. Eine Stunde, sagten Sie, Oberleutnant?"
"Ja, Ma'am. Eine Stunde, dann können Sie aufbrechen. Aber ich warne Sie gleich vor, da unten warten ein paar Anblicke auf Sie, die Sie durchaus ein paar Lebensjahre kosten können."
"Hrn", machte die CID-Ermittlerin. "Keine Sorge. Ich bin schon ein großes Mädchen. Und während meiner Arbeit habe ich einiges miterlebt."
"Wie Sie meinen, Ma'am." Er sah den General an. "Was die andere Sache angeht, Sir..."
"Nun, verfügten Sie über die Globemaster. Solange Sie den Sprit bezahlen."
Kram lächelte erleichtert. "Danke, Sir. Das wird es uns erlauben, einiges an notwendigem Material wesentlich früher rüberzuschaffen."
"Keine Ursache. Eventuell kann und werde ich Ihnen noch eine zweite besorgen, die Sie nutzen können, solange die Untersuchung andauert, aber versprechen kann ich nichts. Und solange Sie für den Transport vor Ort sorgen..."
"Selbstverständlich, Sir."
"Was genau lassen Sie rüberschaffen?", fragte Dukakis.
"Weitere Hilfsgüter, Straßenbaumaschinen und Material, militärische Versorgungsgüter, weitere Soldaten für den Werksschutz und was wir sonst noch alles in die Maschine stopfen können."
"Straßenbaumaschinen?", echote Dukakis.
"Wir flicken die alten Belgierstraßen und bauen Zubringer zu den Dörfern, so fix wir können", sagte Kram. "Wir schließen Keounda City wieder an und flicken auch die alte Ost-West-Straße, die früher einmal durch den Kontinent ging. Das macht uns unabhängiger von den Hubschraubern und bedeutet auch für die Einwohner mehr Mobilität. Und sie kommen schneller zum Krankenhaus."
"Sieht so aus, als wollten Sie länger bleiben, eh, Oberleutnant?", schmunzelte Frost.
"Ein wenig vielleicht. Zumindest solange, wie wir uns behaupten können. Denn machen wir uns nichts vor, letztendlich stehen wir irgendwann gegen ganz Ndongo."
"Und wenn Sie sich nicht mehr halten können, ziehen Sie sich zurück und Belongo wird wieder in den Bürgerkrieg gestürzt?", fragte Frost mit angemessenem Entsetzen.
"Ganz Belongo wird dann aber besser dastehen. Und dank des Krankenhauses werden die Völker wissen, dass eine Zusammenarbeit möglich ist. Ob, wie, das steht alles in den Sternen. Ursprünglich wollten wir nur einen Monat bleiben, Diamanten suchen und Hilfsgüter wie Nahrung, Vieh, Baumaterialien, Medikamente und Solarpaneele ins Land schaffen. So in der Art. Und nun importieren wir schon Minenräumer und flicken die alten Straßen. Wir werden unseren Aufenthalt hier neu bewerten müssen. Das wird jeder tun müssen, der bei Belongo Mining für einen Monat unterschrieben hat."
"Aber die Mine ist nicht erschöpft, oder?", fragte der General.
"Sir, wir würden Jahre brauchen, bis sie nicht mehr als profitabel gilt, fürchte ich."
"Und danach gibt es noch die Ölfelder, die Kupferfelder, Uran, Eisen, Erdgas, und was sich noch alles in Belongo befindet. Kein Wunder, dass die Regierung befürchtet hat, Belongo könnte die Sezession versuchen." Dukakis kratzte sich nachdenklich auf dem rechten Handrücken. "Wie sieht es hier eigentlich so aus mit ansteckenden Krankheiten? Malaria, Masern, Röteln, Windpocken, Mumps, Scharlach, Keuchhusten, Diphterie und den anderen fiesen Teufeln?"
"Wüten turnusmäßig durch das Land. Wir haben eine sehr ruhige Phase erwischt und impfen eifrig, wen immer wir in die Finger bekommen. Die Krankheiten sind daher eine Herausforderung, aber nicht epidemisch. Zur Zeit zumindest nicht."
"Das bedeutet dann, dass mit dem Ende des Riki die größeren internen Probleme Belongos erst einmal beigelegt sind. Zumindest auf der Westseite des Lagabandas."
"Das sehen Sie richtig, Sir. Und auf der Ostseite ist unsere Diplomatin unterwegs und wirbt bei Kriegsherren und Dorfvorstehern für Stabilität und Zusammenarbeit."
"Dann wird es hier bald heiß hergehen, denn wenn wirklich die Zentralregierung für die Vernichtung Belongos verantwortlich ist, dann wird sie es wieder versuchen." Dukakis sah Frost an. "Soviel zum Besuch der Basis, Aurora."
"Das sind alles Gedanken von morgen. Wir müssen uns um das heute kümmern", mahnte der General und erhob sich. "Bereiten wir unseren Abmarsch vor. Unsere Untersuchung steht an, und wir beginnen sie natürlich auf Ldungas Farm als sicherer Ausgangsbasis bei unseren Toten."
Die letzten Worte schienen die anderen beiden Offiziere zu ernüchtern. Auch Frost und Dukakis erhoben sich und folgten dem General, der nach dem langen Sitzen etwas steif auf seiner Unterschenkelprothese ging.
Constantine Dukakis drehte noch einmal um und kam zu Frost zurück. "Hören Sie, Fritz, ich kann und will nichts versprechen, aber ich sehe da eine Möglichkeit, dass Belongo Mining die nächste Zeit nicht alleine durchstehen muss. Solange die Untersuchung dauert, haben wir Schutz durch die Abraham Lincoln. Es kann durchaus sein, dass diese Untersuchung etwas länger dauert als gewöhnlich."
Kram schmunzelte. "Das könnte wahrscheinlich hilfreich sein." In Gedanken tadelte sich der ehemalige Unteroffizier für die Untertreibung des Tages.
Dukakis folgte wieder dem General, und Kram machte sich auf, um die Boeing C-17 Globemaster nach Panadia zu schicken. Hoffentlich dauerte die Untersuchung wirklich lange, denn die Globemaster würde riesige Mengen an Material heranschaffen können. Und wenn die Straße nach Panadia erst einmal geteert war, eröffneten sich für die Region vollkommen neue Möglichkeiten.
***
"Ma'am!"
McMasters und Burdelle sahen beide auf. "Welche?", rief Burdelle zurück.
"Beide, am Besten!", antwortete die Männerstimme, die gerufen hatte.
Die beiden Frauen gingen zügig, aber ohne zu laufen. "Was gibt es, Franco?", fragte McMasters.
Der Sergeant Major deutete aus dem Fenster. "Problem, Ma'am."
Die beiden Frauen traten an das Fenster, an dem Marines Stellung bezogen hatten, noch aber verborgen blieben. Der Mob war nun praktisch in Steinwurfweite vom Haus. Unten am Tor der Mauer drängten sich immer noch schwarze Flüchtlinge, die Einlass suchten, um sich vor dem Mob zu retten, obwohl der Osprey, die einzige Fluchtmöglichkeit, bereits vor einer Viertelstunde mit einem Gros der Botschaftsangehörigen und Zivilisten abgehoben war. Ob er wiederkam war zweifelhaft. Doch noch stand der Mob. Was ihn dennoch interessant machte, das war, dass die fanatisierten jungen Männer einen Schwarzen traktierten. Beide Augen waren durch Schläge dick zugeschwollen, ein Ohr sah aus wie ein Blumenkohl, und blaue Flecken sowie blutige Schnitte, aber auch die Wunden von brennenden Zigaretten bedeckten seinen nackten Oberkörper.
"Das ist ja furchtbar."
"Es kommt noch schlimmer", sagte eine Männerstimme hinter ihnen, die beide Frauen erschrocken herumfahren ließ.
"Exzellenz! Wir dachten, Sie sind mitgeflogen!", rief McMasters überrascht.
"Ich bleibe hier solange, wie noch US-Bürger in der Botschaft sind und die Flagge über uns weht", erklärte der Botschafter. Hayes deutete auf den traktierten Mann. "Was meinen Sie, warum er so zugerichtet wurde?"
"Er gehört einer Minderheit an?", riet Burdelle.
"Richtig. Und zwar der Minderheit der CIA-Agenten in diesem Land." Fitzpatrick Hayes' Miene wurde hart. "Er hat uns den Tipp mit den Sizzlern gegeben, und so wie es aussieht, ist er aufgeflogen."
Unter dem Johlen der Menge wurde dem Agenten ein weiterer Schnitt in den Oberkörper zugefügt.
"Holen Sie ihn da raus, Ariele. Auf die landesübliche Methode."
Die First Lieutenant nickte. "Jawohl, Exzellenz. Auf die landesübliche Methode. Mit Ihrem Einverständnis, Captain."
"Ich gebe Ihnen Feuerunterstützung. Obwohl ich es jetzt noch nicht gutheiße, auf den Mob zu schießen."
"Keine Sorge, Ma'am. Die landesübliche Methode beinhaltet kein Massaker. Noch nicht." Sie streckte die Rechte aus. "Exzellenz?"
"Die Kasse wurde bereits evakuiert. Leider." Der Mann griff in die Innenseite seines Jacketts und zog seine Brieftasche hervor. "Hier, mehr habe ich leider nicht dabei. Und ich bezweifle, dass der Mob American Express oder Paypal nimmt." Dreihundertachtundzwanzig Dollar wechselten den Besitzer.
"Danke, Sir." McMasters griff nach ihrem eigenen Geldbeutel und erhöhte die Summe auf fast fünfhundert Euro. "Wie viel, denken Sie, werden wir brauchen?"
"Wenn sie ihn für einen Angehörigen eines Stammes aus dem Osten halten, den man ungestraft traktieren kann, vielleicht tausend. Wenn sie wissen, dass er CIA-Agent ist, mindestens das Dreifache.
"Sie wollen ihn rauskaufen", stellte Burdelle fest. Sie griff in ihre Uniform und zog ihr eigenes Portemonnaie. "Mehr habe ich leider nicht." Achtzig und ein halber Dollar wechselten in McMasters Hand. "Aber nehmen Sie das hier mit." Der Captain zog einen Ring vom Finger. "Er ist mindestens zweitausend wert, also erzählen Sie denen was von fünfhundert."
"Ma'am, ist der Ring..."
"Er ist nicht so wichtig wie das Leben eines Menschen. Schon gar nicht so wichtig wie das Leben eines unserer Agenten. Also nehmen Sie ihn einfach, Ariele."
Nun kam auch Bewegung in die anderen Marines. Geldbeutel wurden gezückt und Dollars gesammelt. Es kamen auch ein paar Ndongo-Kronen zusammen, obwohl die Händler in der Hauptstadt lieber Dollar nahmen; meistens aber gaben sie das Wechselgeld in Kronen raus. Das Thema sprach sich schnell in der Botschaft herum, und als McMasters Sergeant Major Louis Franco Anweisung gab, sie zu begleiten, erwartete sie an der Treppe ein Marine, der ihr fast zweitausend Dollar und ein paar weitere Schmuckstücke übergab.
"Sie sehen das Zeug nie wieder", warnte McMasters.
Der Mann runzelte die Stirn. "Ich stelle mir gerade vor, ich wäre da draußen und würde so traktiert werden. Dann wäre ich dankbar für jeden, der sich von etwas Wertvollem trennt, um mein Leben zu retten."
"Danke, Kromberg."
"Ich begleite Sie bis ans Tor", bot Burdelle an.
"Danke, Ma'am.
Wir machen einen Abstecher über die Küche, Franco."
"Was wollen Sie denn in der Küche, Ariele?"
Die Marine lächelte wissend. "Ein wenig Cola mitnehmen. Das ist hier ein Nationalgetränk und wird den Mob kurzfristig ruhigstellen." Tatsächlich schleppte der Sergeant Major schließlich acht Kartons mit je neun Drittel Liter-Dosen.
Am Tor übergaben McMasters und der Sergeant Major ihre Waffen dem Captain. "Wünschen Sie uns Glück, Ma'am."
"Das muss ich nicht. Sie beide sind Marines", erwiderte Burdelle. 'Und wenn es hart auf hart kommt, hole ich Sie alle drei mit Waffengewalt da raus', sagte sie sich in Gedanken. Sie folgte den beiden Marines mit ihrem Blick, während sie auf den Mob zuschritten. "Unauffällig entsichern und bereit machen. Gefeuert wird nur auf meinen Befehl", sagte sie.
Leises Klicken, das im hektischen Lärm der letzten Flüchtlinge fast unterging, sagte ihr, dass die Torwache bereit war, um einzugreifen. Sie hatte nichts anderes erwartet. Sie waren Marines.

Zehn Meter vor dem Mob blieben die beiden Marines stehen. Die Menge rief Schmähungen, und der gleiche Mann, der noch vor Minuten die Brust des Agenten aufgeritzt hatte, hielt ihm nun das Messer als offene Drohung an die Kehle. Ungerührt stellte Franco die Kartons ab und riss den obersten auf. Er nahm eine Dose heraus und warf sie in die Menge. Dutzende Hände reckten sich ihr entgegen. Als der Karton leer war, öffnete er den zweiten und verfuhr genauso.
"Lassen Sie das!", rief der Mann mit dem Messer.
"Also gut, dann verteilen Sie die Cola. Als Zeichen des guten Willens der amerikanisch-ndongoianischen Freundschaft", sagte McMasters.
"Freundschaft? FREUNDSCHAFT?" Der Mann lachte gehässig, und die Menge tat es ihm nach. "Freunde hetzen einander keine Spione auf den Hals!" Er drückte die Klinge scharf in den Hals des Mannes, Blut floss aus einem Schnitt den Hals hinab, aber es war noch lange keine tödliche Wunde.
"Ach, das ist einer von uns? Das wusste ich nicht."
Franco versuchte ein Grinsen zu unterbinden. Seine Vorgesetzte lügte wie gedruckt, und das ohne rot zu werden.
"Das ändert natürlich alles. Eigentlich wollte ich nur fragen, was der Mann verbrochen hat und warum er dann nicht im Gefängnis sitzt. Aber wenn er ein Landsmann von mir ist, würde ich ihn gerne freikaufen."
"Freikaufen? Er ist nicht zu verkaufen."
"Dann verteilen wir eben weiterhin die Cola und nehmen unser Geld wieder mit", sagte McMasters, zuckte lakonisch die Achseln und bedeutete Franco, den nächsten Karton zu verteilen. In die Menge geriet Bewegung, als jene, die weiter hinten standen, versuchten nach vorne zu kommen, um ebenfalls eine Dose zu erhaschen. Die vorderen ließen sich das nicht gefallen und drückten zurück, um selbst eine Dose bekommen zu können. Unruhe entstand im Mob, und die richtete sich nicht gegen die Amerikaner.
Der Mann mit dem Messer, zumindest ein Rädelsführer, bemerkte die schwankende Stimmung natürlich. "Lassen Sie das!", rief er ärgerlich.
"Keine Sorge, die Kartons sind bald alle." Diese Worte ließen die Menge nur noch mehr schieben.
"Ruhig! Bleibt ruhig!", blaffte der Mann, aber das Schieben endete nicht.
"Wie viel ist er ihnen wert?", rief er den Marines zu.
McMasters hob ein Bund Ölpapier. "Dreitausendeinhundertneunzehn Dollar und Goldschmuck im Wert von knapp achttausend Dollar."
"Das reicht nicht! Er ist mindestens dreißigtausend wert!"
Das war nicht ganz richtig, denn er war eher so um eine Million US-Dollar wert. "Mehr habe ich nicht. Und das ist ein sehr stolzer Preis für einen einzelnen Mann."
"Es ist zu wenig!", blaffte der Mann mit dem Messer.
"Dann eben nicht. Ich hätte auch noch ein paar Kartons Cola draufgelegt, aber..." Sie gab Franco ein Zeichen, der nun einen verschlossenen Karton in die Menge schleuderte. Dies löste rund um die Stelle, wo er auf die Menge traf, einen regelrechten Tumult aus. Und da waren immer noch vier weitere Kartons.
"Also gut", rief der Mann, um die Kontrolle fürchtend. "Ihr Geld reicht! Und ich will noch mal zwanzig Kartons mit Cola!"
"Kriegen Sie, kriegen Sie. Suchen Sie sich jemanden aus, der uns begleitet und Ihnen tragen hilft und kommen Sie mit." Sie wandte sich um und ging, ohne dem Geschehen hinter ihr einen weiteren Blick zu schenken. Franco folgte ihr, ließ die restlichen Kartons zurück. Aber den Geräuschen nach wurde das Gedränge und Geschiebe in Richtung der Cola erst so richtig schlimm.
Das war nicht wirklich ein Wunder. Cola war tatsächlich so etwas wie ein Nationalgetränk für die westlichen Provinzen Ndongos. Dabei war das Getränk nicht teuer, es wurde nur künstlich verknappt, um den Moslem-Anteil in der Hauptstadt Ompala besser kontrollieren zu können. Die Botschaft verfügte natürlich über eine eigene Versorgung und daher über keinen Mangel, was die braune Brause anging.

"Ist er hinter uns?", fragte sie Anette Burdelle, als sie das Tor wieder erreicht hatten.
"Ist er. Mit dem Agenten und einem zweiten Mann." Sie nickte hinter sich. "Der Sanitäter steht bereit."
"Ich habe ihm zwanzig weitere Kartons Cola versprochen."
Burdelle zog beide Augenbrauen hoch. "Die Cola ist ihnen lieber als der Goldschmuck und das Geld?"
"Von der Cola kriegen sie eher was ab als von den anderen Dingen", erklärte McMasters. "Franco, tun Sie Ihren Job."
"Ja, Ma'am." Der Sergeant Major ging ohne Hast ins Haus, rekrutierte auf dem Weg zwei Helfer und kam nach wenigen Minuten mit zwanzig weiteren Kartons hervor. Sie stellten die Kartons auf der Straße ab und zogen sich wieder zurück. McMasters wandte sich den beiden Ndongoianern zu, trat an die Kartons heran und legte das Ölpapier mit dem Schmuck und dem Geld obenauf. "Jetzt Sie."
Der Mann mit dem Messer machte einen Laut der Zufriedenheit. Er gab dem Agenten einen Stoß in den Rücken, der ihn vorwärtstaumeln ließ. Aber er fing sich, richtete sich auf und ging dann ohne jede Hast in Richtung der Marines. Als er McMasters passierte, flüsterte er: "Danke."
"Gern geschehen, Special Agent Walker."
Wenn der Mann überrascht war, dass die Soldatin doch über ihn informiert war, zeigte er es nicht. Und im Moment war er sicher auch einfach nur erleichtert, weil er dem sicheren Foltertod entkommen war. Zumindest vorläufig.
Burdette nahm den Mann in Empfang und führte ihn durchs Tor. Als sie zwischen sich und der Menge die Marines der Torwache wusste, hielt sie an und winkte den Sanitäter heran.
"Ist es jetzt sicher?", murmelte Walker.
"Ja, Sir, das ist es."
"Gut." Er sackte auf die Knie ein und brach zur Seite weg, aber Burdelle fing ihn auf. Schon war der Sani heran. Er winkte einem zweiten Marine. "Bringen wir ihn erst mal rein."
Burdelle wandte sich ab und sah wieder auf die Menge. Der Messermann und sein Begleiter verteilten gerade die Coladosen, und es hätte nich viel gefehlt, und die Menge hätte sie ihnen aus den Händen gerissen und die beiden Männer gleich mit. "Verrückte Bande", murmelte sie. "Ist doch kein Guinnes." Aber immerhin, die Masse war abgelenkt. Für den Moment.
***
"Mr. President, die gute Nachricht kam gerade herein: Die Herwigs haben nun die vollständige Kontrolle über Keounda City. Der Verrückte, dieser Riki, ist in den Dschungel geflohen und mit einigen seiner Anhänger mit unbekanntem Ziel entkommen."
"Danke, Admiral. Das bedeutet, dass da unten nun eine Stadt gesichert und verteidigt werden muss, oder?"
"Es bedeutet noch ein wenig mehr, Sir. Im Nordosten der Stadt gab es vor der Zeit der Unruhe einen kleinen regionalen Flughaften. Nichts großartiges, eigentlich nur zwei Dschungelpisten, ein provisorischer Tower und Lagerhallen. Aber das Gelände könnte noch nutzbar sein. Oder mit geringem Aufwand wieder nutzbar gemacht werden."
"Und das bedeutet?"
"Überlegen Sie, Mr. President, wenn wir das Flugfeld wieder öffnen können, bringt uns das einen entscheidenden Vorteil. Es steht außer Frage, dass die Base de l'Air, von der aus Belongo instabil und in Unruhe gehalten wird, nun reagieren wird und muss. Wenn wir aber ein Flugfeld quasi in der Nachbarschaft haben, mit kurzen Versorgungswegen, direkt an einem Verkehrsknotenpunkt..."
"Sie sagen, wir sollen uns in den Konflikt einmischen?"
"Ich denke, wir sind bereits mittendrin. Es ist viel zu viel passiert, als dass wir uns als der Affäre schleichen können", sagte Blueberry. "Und in dem Konflikt, der kommen wird, wird es nicht verkehrt sein, wenn wir über zwei Basen verfügen. Über die Abraham Lincoln vor der Küste Ndongos, und in der Provinz Belongo über einen Flughafen. Entweder für uns, oder für unsere panadianischen Verbündeten. Davon einmal abgesehen, dass diese Basis ein wichtiges Gegengewicht gegen die Base de l'Air sein könnte, mit solch einer Basis könnten wir ein Patt erreichen, was für die Menschen vor Ort bedeuten könnte, dass sie dem ndongoischen Militär eben nicht willkürlich ausgeliefert sind. Zudem könnte dies die richtige Antwort auf die Aggression Ndongos sein, ohne gleich einen ganzen Krieg auszulösen."
"Isaac, was halten Sie davon?"
Drei Sterne-General Isaac Landsdale dachte kurz nach. "Nun, Sir, wir brauchen gut eine Woche für die Untersuchung des Vorfalls. Es kann nicht schaden, für diesen Zeitraum eine gute Luftdeckung zu haben. Wer in Belongo den Luftraum beherrscht, beherrscht im übrigen auch mittelfristig das Ölgeschäft."
Salem Entranger faltete die Hände vor dem Gesicht zusammen. "Was uns wieder zur alten Idee bringt."
Willem van Fitz, Secretary of War, nickte schwer. "Eine meines Erachtens nach angemessene Reaktion auf das Geschehen. Die Frage ist nur, ob die Belongo Mining das mitmacht."
"Die Frage ist eher", meldete sich Maggie Hernandez zu Wort, "ob sie das schaffen, was uns vorschwebt, ob mit oder ohne unsere Unterstützung. Kriegen sie das hin? Und vor allem, würden sie einen Krieg überstehen? Wollen sie das überhaupt?"
Der Präsident nickte bei ihren Worten. "Guter Einwand, Maggie. Also gut, fragen wir die Belongo Mining. Fragen wir die Gebrüder Herwig. Isaac, Sie übernehmen das."
"Sofort, Mr. President."
"Auf diese Antwort bin ich gespannt", murmelte Etranger. Er sah zu Blueberry herüber. "Und nur für alle Fälle: Machen Sie die Materialschiffe für drei Divisionen bereit und treffen Sie eine Vorauswahl jene Einheiten betreffend, die wir kurzfristig nach Afrika schicken können."
"Jawohl, Mr. President. Ich schätze, das wird eine verrückte Zeit."
"Lieber eine verrückte Zeit", erwiderte Etranger, "als eine blutige Zeit. Blut hatten wir wahrlich schon genug da unten." Und wahrscheinlich würde es noch mehr werden. Weit mehr.

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Lieutenant Senior Grade Elise Martell, Topper genannt, in Anspielung an die Top Gun-Parodie mit dem berühmten Schauspieler Charly Sheen, hatte sich von ihrem Flügelmann getrennt und flog die Küste ab. Eiffler alias Seiran Donnely, Lieutenant Junior Grade, und sein Waffenoffizier Second Lieutenant Keiran Fitz Marguire hatten den Südteil bekommen. Die Flügelführerin flog in Richtung Norden davon. Da sie für mit der Super Hornet F/A 18-F unterwegs war, flog sie heute mit Beifahrer. Das hielt sie für einen unschlagbaren Vorteil. Sie konnte sich aufs Fliegen konzentrieren, während der Mann auf dem Hintersitz, Lieutenant Junior Grade Keiichi Tanaka, Badger genannt, die ganze lästige Sucherei übernahm.
"HAT IHN SCHON!", rief Tapper aufgeregt. Der Waffenkontrolloffizier ballte triumphierend die Faust.
Seine Pilotin wandte sich halb um und sah halb in den Rückspiegel des Cockpits. "Schon? Wir sind doch noch über fünf Seemeilen von der nächsten Flussmündung entfernt, Badger."
Der Japanoamerikaner grinste schief. "Unterschätze nie die Qualität einer guten Bordkamera. Sie fahren die Karuma den Fluss hinauf und versuchen, sich nahe des Ufers zu verbergen, so gut sie können, aber ich habe sie eindeutig identifiziert."
"Hast du den Namen am Bug gelesen?"
"Nun, das nicht, Topper. Aber ich habe mir die Container angesehen, die das Schiff geladen hat. Ein Teil von ihnen ist zum Schiff längs geladen, ein Teil zum Schiff quer, genau wie bei der Karuma."
Martell schwieg für eine Sekunde, die sich gefühlt zur Ewigkeit dehnte. "Wir brauchen eine eindeutige Identifizierung."
"Ja, und die Bastarde auf der Karuma haben Luftfäuste aus russischer Fertigung, die darauf spezialisiert sind, amerikanische Ärsche vom Himmel zu holen", wandte Badger ein.
"Es sind nicht gerade russische Spezialstreitkräfte an Bord, die uns schon auf drei oder vier Meilen Entfernung beschießen", erwiderte Topper.
"Dann hätten wir allerdings eine eindeutige Identifizierung", lachte der Japanoamerikaner. Aber es war ein hohles Lachen. Dies war die erste Flussmündung, die das Zweiergespann absuchte, und diese optische Ortung, die nach der Ortung der großen Metallmasse erfolgt war, das war eine verdammt heiße Spur. Sie kochte schon fast.
"Solange sie das nicht tun, brauchen wir eine eindeutige Identifizierung, Badger", beharrte Martell. "Weltpolitik hin, Weltpolitik her, ich will nicht schuld dran sein, wenn ein paar arme Schweine gegrillt werden, die nichts mit dem zu tun haben, was gerade in Ndongo geschieht. Oder was mit der Pierre passiert ist."
Tanaka schwieg verblüfft. Jedoch nur für ein paar Sekunden. "Haben sie dich nicht Topper genannt, weil du genauso ein Draufgänger und Glückspilz bist wie Sheen in dem Film?"
"Nein, weil ich mit meinem Therapeuten geschlafen habe", konterte sie trocken. "Du weißt doch, einen Namen wählst du selbst, einen geben dir die Eltern, einen geben dir die Kameraden. Sie haben mir gesagt, unsere Frisuren wären dieselben, und ich habe nicht weiter nachgebohrt."
Tanaka atmete laut aus. "Okay, du junger Heißsporn, einverstanden. Wir gehen näher ran. Aber ich habe den Zeigefinger auf den Abwehrmaßnahmen. Und wenn uns wirklich was Heißes entgegen fliegt, erwarte ich, dass du schneller die Fliege machst als Topper Harley beim Anblick von fünf Feindjägern."
Martell grinste befreit. "Einverstanden. Wir machen einen schnellen Überflug in zehntausend Fuß Höhe." Sie schaltete den Funk um. "Big Basket von ForCap. Haben etwas entdeckt, was die Karuma sein kann. Beginnen mit Überflug in mittlerer Höhe für genauere Identifizierung."
"Hier Big Basket. Wenn das Schiff Sizzler an Bord hat, dann womöglich auch andere Schweiereien, gerade zur Luftabwehr. Also seien Sie entsprechend vorsichtig."
"Verstanden, Big Basket. Over und out." Sie schaltete wieder um. "Big Mama weiß jetzt, was wir gefunden haben, sie hat uns auf dem Radar... Wenn wir abgeschossen werden, werden wir wenigstens gerächt."
"Schön für dich", murrte Tanaka. "Aber ich habe heute Abend eine Pokerrunde mit Commander Gill und den Jungs. Da wäre ich dann ganz gerne wieder Zuhause, und wenn es geht, in einem Stück."
"Werde sehen, was ich tun kann", sagte sie überschwänglich. "Zwei Seemeilen."

In knapp drei Kilometern Höhe drehte sich die amerikanische Maschine in Richtung Landesinneres auf exakt den Kurs, auf dem die vermeintliche Karuma fuhr. Ein paar Aufnahmen aus der Nähe, ein Emissionsvergleich des Radars, ein Vergleich des Infrarotbildes, und sie konnten sich um einiges sicherer sein, ob sie hier den Frachter mit den russischen Raketen an Bord hatten oder nicht. Den Namen des Schiffes am Bug oder am Heck lesen zu können war natürlich auch hilfreich. Die Zeit verging quälend langsam. Es war schwer, einen Überflug zu machen, wenn man wusste, jederzeit konnten zwei oder drei Luftfäuste aufsteigen und versuchen, einen aus dem Himmel zu putzen.
Als Kampfjet und Schiff fast auf gleicher Höhe waren, jaulte der Alarm los.
"Was habe ich dir gesagt? Jetzt haben wir den Salat! Feuere Abwehrmaßnahmen!", schnauzte Tanaka.
"Nur die Ruhe, Badger. Nur die Ruhe." Sie wechselte erneut. "Big Basket von ForCap. Werden beschossen, ich wiederhole, werden beschossen! Karuma identifiziert!"
"Hier Big Basket. Können Sie der Colorado eine Peilung geben?"
"Werden wir versuchen, nachdem wir die russischen Luftabwehrraketen losgeworden sind!", fauchte sie mehr als das sie sprach. Acht Raketen zeigte das Radar an - die machten echt keine halben Sachen. Vier davon fielen auf die Abwehrmaßnahmen rein, die anderen vier aber hielten direkt auf ihren Jet zu. Sie hatten nun drei Möglichkeiten: Den unmöglichen Wettlauf gegen eine Luftfaust auf vollem Tempo zu versuchen, indem sie die Nachbrenner reintrat und sie auszufliegen versuchte, gemeinsam mit Badger auszusteigen und zu hoffen, dass die Abe sie schon wieder aus dem Dschungel pflücken würde, oder aber sie setzte auf ihr Anti-Raketentraining und flog ein paar gute alte Ausweichmanöver. Die Luftfäuste waren um einiges schneller als ihr Jet, dementsprechend schwerfällig waren sie bei abrupten Kursänderungen. Wenn sie die richtigen Manöver flog, konnte sie alle vier Luftfäuste abschütteln. Zum Glück stiegen keine weiteren von der Karuma auf.
"Erste Rakete in vier Sekunden. Drei, zwei, eins...", zählte Tanaka runter. Bei "eins" zog sie steil nach oben und trat aufs Gas. Die Rakete versuchte der abrupten Bewegung zu folgen, schaffte es aber nicht. "Zweite und dritte Rakete in vier, drei, zwei, eins..."
Diesmal nahm sie das Gas komplett weg, ließ den schweren Jet durchsacken und fallen, soweit sie es verantworten konnte. In den guten alten Zeiten vor der Düsenjet-Ara hatte man dieses Manöver gezieltes Taumeln genannt. In ihrem Fall erreichte es das Ziel, dass beide Raketen über die Maschine hinweg flogen. Leider hatte sie dadurch Geschwindigkeit verloren. Die wieder aufzubauen war in der kurzen Zeit schwer machbar. "Vierte Rakete in zwei, eins..."
Während des gesamten Luftkampfs hatte Badger einen Täuschkörper nach dem anderen geopfert. Auch diesmal hatte er zusätzlich Täuschkörper ausgestoßen. Leider fiel die Rakete nur auf den letzten rein, den, der nur rund dreißig Meter hinter dem Jet lag; die Rakete explodierte und sandte einen überschallschnellen Schrappnell-Regen dem Kampfjet hinterher. Etliches ging daneben, aber ein Teil traf das Flugzeug. Einiges prallte von der Panzerung ab, anderes schlug durch.
"Schadensmeldung!", blaffte Martell, während sie versuchte, selbst einen Überblick zu erhalten. Die Flügel waren kaum in Mitleidenschaft gezogen worden und das Triebwerk funktionierte noch. "Schadensmeldung! Badger!", blaffte sie erneut. Sie wandte sich nach hinten und sah in das graue Gesicht ihres Co-Piloten. Blut bedeckte seinen Anzug und seinen Helm. Der Mann zitterte bei dem Versuch, das getroffene Bein abzubinden. Oder zumindest das, was davon noch übrig war. Ein großes Loch gähnte auf der rechten Seite seines Cockpits.
"Bin... gleich... soweit...", ächzte er atemlos. "Gib... mir..."
Martell wechselte wieder auf die Frequenz der Abe. "Big Basket von ForCap. Badger ist verwundet, ich wiederhole, Badger ist verwundet! Kehre heim!"
"Topper, wie ist sein Zustand?", klang die Stimme des Operationsoffiziers auf. "Wie steht es um Badger?"
Sie sah nach hinten und fühlte, wie das Blut ihr Gesicht verließ. "Seitlicher Treffer durch ein Schrappnell. Hat sein rechtes Bein erwischt, oberhalb des Knies, wenn es ihm nicht gleich abgerissen wurde. Er bindet es sich gerade selbst ab."
Kurze Pause. "Einverstanden, Topper, kommen Sie so schnell zurück, wie Sie es verantworten können. Aber legen Sie auf dem Rückweg einen Ziellaser auf die Karuma an. Die Colorado brennt darauf, sich für die Sizzler zu revanchieren."
Topper atmete tief ein, um die Empörung zu unterdrücken. Ihr Co-Pilot war getroffen, schwebte in Lebensgefahr, und sie sollte Zeit damit vergeuden, Schützenhilfe für die Colorado zu spielen. Dann atmete sie aus. "Verstanden, Big Basket. Visiere Karuma an. Sende Telemetrie via fliegendem Auge zur Colorado."
"Verstanden. AWACS erwartet Ihre Daten. Guten Flug und beeilen Sie sich. Wir bereiten hier alles für die Landung und für die Versorgung von Badger vor. Over und out."
Topper hatte die Wende schon begonnen, kaum dass sie Badgers Verletzung gesehen hatte. Nun aber musste sie nachkorrigieren, um die Karuma erfassen zu können. Für Badger würde dieser Umweg vielleicht tödlich sein. Ihre Hände krampften, als die Wut in ihr wuchs.
"Mach... dir... keine... Sorgen...", hörte sie seine schwache Stimme hinter sich. "Bin... in... Ordnung..."
'Nein, du Idiot, du stirbst!', ging es ihr durch den Kopf. 'Und jede Sekunde, die wir oben bleiben, macht es noch schlimmer für dich!' Dennoch flog sie einen Kurs, der es ihr erlaubte, die Karuma zu erfassen, ohne sich der Gefahr auszusetzen, erneut beschossen zu werden.
"Da... ist... was...", hörte sie Tanaka sagen.
"Wo? Was?" Sie checkte das Radar. Fünf Kampfflieger hielten auf sie zu, waren aber noch weit entfernt, über dreißig Klicks. Aber die knallten, flogen mit Überschall. Der Computer identifizierte sie als Mig-21. Und hier in Ndongo gab es nur eine Gruppierung, die russische Kampfjets hatte. "Die Black Stars." Die ehemaligen Eliteflieger Sinans waren eindeutig auf Abfangkurs. Es wäre klüger gewesen, so schnell wie möglich aus dem Luftraum des nun sehr feindlichen Landes zu verschwinden und die internationalen Gewässer zu erreichen, bevor sich den internationalen Verwicklungen noch ein neuer Faktor hinzu gesellte. Aber leider stellte Topper fest, dass sie unter Druck und in Zeitnot dazu neigte, störrisch zu reagieren. "So, Ibara, da haben Sie Ihren Leitstrahl", sagte sie grimmig, während sie im Kopf überschlug, wann sie doch besser den Nachbrenner durchtrat.
***
"Wir haben sie!" Triumphierend wandte sich Commander Gill seinem Skipper zu. "Ein dicker Leitstrahl von unserer neuen besten Freundin Lieutenant Martell, Sir."
"Lieutenant Martell kriegt bald Ärger, wie es ausschaut. Also tun Sie was für sie und beeilen Sie sich. Zwei Tomahawks für die Karuma, Eins O."
"Jawohl, Sir." Der Commander gab seine Befehle mit ruhiger Stimme. "Slot eins und zwei bereit machen. Feuern sobald bereit. Ziel: Die Karuma."
"Aye, aye, Sir." Der Feuerleitoffizier trat selbst ans Pult. "Abschuss." Die Karuma konnte sich geehrt fühlen, denn ihr Abschuss war dem Skipper der Colorado zwei sehr wertvolle BMG-109-Tomahawk wert, Waffen, die man auf Kriegsschiffe abfeuerte, nicht auf Frachter, auch wenn sie noch so gut bewaffnet waren. Ein Ruck ging durch das Schiff, als die Raketen starteten und in Richtung Festland davon zogen. Gleich hatten sie dreißig Probleme weniger.
***
"Sir, die Colorado meldet den Abschuss von zwei Tomahawks", informierte Helmstad den Admiral.
Der alte Haifisch sah von seinem Sitz in der CIC zur Skipper der Abraham Lincoln herüber. "Zwei gleich? Ibara muss mächtig sauer sein." Immerhin kostete eine der bewährten Raketen über eine Million Dollar, und die Kapitäne und Offiziere der US Navy waren angehalten, gut mit ihnen zu haushalten. Er überschlug die Daten im Kopf. Die Colorado befand sich auf See, etwa einhundert Seemeilen von der Küste entfernt. Die Karuma befand sich keine drei Seemeilen den Fluss hinauf. Die Tomahawks flogen mit fast siebenhundert Meilen die Stunde. Dazu kam es, dass fünf MiG-21 der Black Stars auf Abfangkurs zu Lieutenant Martell waren und womöglich auch versuchten, die Karuma zu decken, indem sie ihrerseits die Tomahawks abzufangen versuchten. Konnte Martell die gut acht Minuten die Stellung halten, die benötigt wurden, damit die Raketen der Colorado ihr Ziel treffen konnten? Dazu hatte sie einen schwer verletzten Waffenoffizier an Bord, der jede Sekunde am Schock durch die Wunde und den hohen Blutverlust sterben konnte. Und in einen Luftkampf mit fünf MiGs verwickelt zu werden würde die Sache nicht besser machen.
Er griff zum Telefon. "Den CAG. Danke. CAG, holen Sie Martell sofort wieder rein. Nein. Gut. Danke." Admiral Philips schnaubte leise. "Skipper, informieren Sie die Colorado, dass der AWACS die Zielpeilung für die Tomahawks übernimmt."
"Aye, Sir." Die Sirene, wie sie, nur hinter vorgehaltener Hand und dann auch nicht auf dem gleichen Schiff, auf dem sie sich befand, oft genannt wurde, wirkte für einen Moment erleichtert, bevor ihr professionelles Pokerface wieder übernahm. "Louis, informieren Sie Captain Ibara und vor allem Lieutenant Martell."
"Aye, Ma'am!"
Der Admiral lehnte sich wieder in seinem Sessel zurück. In etwas weniger als sieben Minuten würden sie wissen, ob es die richtige Entscheidung gewesen war, Martell abzuziehen.
***
Kurz nachdem das amerikanische Flugzeug abgedreht war, brach unter den Russen an Bord der Karuma hektische Aktivität aus. Bukov brüllte auf russisch mehrere Befehle, und die Männer antworteten einzeln. Sie zückten ihre Waffen und begannen die Brückencrew zusammenzutreiben. Dabei gingen sie äußerst ruppig vor. Von draußen klang ein einzelner Schuss auf.
"Was hat das zu bedeuten?", rief Kemibwa entrüstet, obwohl er sich die Details in etwa denken konnte. Aber bevor er hier vollkommen kampflos als Bauer auf dem Schachbrett geopfert wurde, würde er wenigstens noch mal den Mund aufreißen. Dachte er. Denn als er sich Bukow zuwandte, kam es ein wenig anders.
"Leutnant, was..." Das Letzte, was der Kapitän auf seinem eigenen Schiff mitbekam, war eine schnell näherkommende Faust. Dann war... Dunkelheit.
***
Ein Leitstrahl von einer Drohne oder der Super Hornet wäre Commander Royce lieber gewesen, aber eine Einpeilung durch das fliegende Auge der Abraham Lincoln in Form des AWACS war auch nicht so schlecht. Dennoch fühlte er sich angespannt. Zwar hatten sie zwei Tomahawks ausgewählt, um die Karuma und damit die restlichen dreißig Sizzler zu den Fischen zu schicken, aber während des Anflugs waren die Black Stars längst über dem Frachter. Mit etwas Glück konnten sie die Raketen orten und bekämpfen. Und das konnte den ganzen Tag so gehen, bis die Colorado keine Tomahawks mehr hatte. Die Alternative würde ein Kampfeinsatz mit Fliegern der Abe bilden, also ein heißer Luftkampf. Damit würden sich im Endeffekt einhundert Flugzeuge im Verhältnis zwei zu eins zugunsten der Abe am Himmel balgen, aber Übermacht bedeutete nicht zugleich Sieg. Nicht einmal, verlustfrei aus dem Kampf zu kommen. Dazu kam, dass die Black Stars nicht nur über ziemlich gute russische Flugzeuge verfügten, sondern ihren Job auch verstanden. Wie nahe sie am Standard eines amerikanischen Piloten auf einem Flugzeugträger waren, mochte er nicht sagen, aber weit weg konnten sie nicht sein. Dafür hatten schon die Flugausbilder gesorgt, die zusammen mit den Maschinen geliefert worden waren. Außerdem war das Einsatzregister der Black Stars lang und beeindruckend. Es gab genug Sorgen bei diesem Einsatz, und Royce hoffte, dass die Black Stars nur den frechen Flieger der Abe hatten vertreiben sollen, namentlich Lieutenant Martell, und nicht die Karuma beschützen. Er warf einen hastigen Blick auf die Telemetriedaten der Raketen, dann auf die Daten, die das AWACS lieferte. Anderthalb Minuten, höchstens. Laut Anzeige dreiundsiebzig Sekunden bis zum Einschlag. Dann sechzig. Fünfzig. Royce fühlte seine Hände schwitzig werden. Vierzig. "Aktivität bei den Black Stars?", hakte er nach.
"Alle fünf Maschinen halten Kurs und Höhe. Sie bewegen sich parallel zu Lieutenant Martells Maschine, die über internationalen Gewässern nach Süden fliegt", meldete die Ortung.
Fünfzehn Sekunden. Die Meldung war beruhigend, aber wirklich beruhigt war Royce erst, wenn die Karuma bei den Fischen war.
"Einschlag!", rief jemand, und der Commander zuckte leicht zusammen. Hastig widmete er sich wieder den Daten. Die Telemetrie beider Raketen war verschwunden. Dafür wurde das Ziel als vernichtet angezeigt. Das AWACS bot Bilder ihrer hochauflösenden Kameras; deutlich war zu sehen, dass der Frachter in zwei Teile, vielleicht sogar drei zerbrochen war und langsam und unaufhaltsam sank. Weitere Explosionen störten das Bild. Die Sizzler gingen hoch.
"Ziel zerstört", meldete die Ortung.
Commander Royce zuckte mit den Schultern. "Weitermachen."
"Aye, Sir."
Er wandte sich dem Kapitän der Colorado zu. "Sir, laut Ihren Befehl wurde die Karuma samt Sizzler versenkt. Schiff und Raketen wurden vollständig zerstört."
Der erfahrene Seemann nickte dem Untergebenen zu, trocken, wie es schien, aber hochzufrieden und auch ein wenig enthusiastisch. Zumindest leuchteten seine Augen. "Gute Arbeit, Royce."
Er wandte sich halb um. "Wir gehen wieder auf Kurs zur Trägergruppe."
"Aye, Sir." "Ach, und Commander: Die Männer können sich jetzt freuen."
"Aye, Sir." Royce hatte kaum ausgesprochen, da brach in der CIC der Colorado ein Orkan an Jubel, Pfiffen und Glückwünschen los. Die sechs Sizzler hatte die Besatzung mit Zins und Zinseszins zurückbezahlt.
"Und melden Sie der Abe, dass wir wieder auf Kurs sind."
"Aye, Skipper!"
Ibara nickte kaum merklich und sehr zufrieden. DAS würde sich sehr gut in seiner Dienstakte machen. Und wer wusste schon, was die nächsten Tage noch passieren würde?
***
"Wir haben hier die Bestätigung, Admiral", sagte Nicole Helmstad. "Die Karuma wurde versenkt."
Admiral Philips atmete erleichtert auf. "Gut. Dann konzentrieren wir uns wieder auf die anderen Dinge. Wann kommen Martell und Tanaka rein?"
Captain Helmstad sah auf ihre Uhr. "Acht Minuten, elf Sekunden, Sir. Alles bereit für eine Crashlandung und für die Erstversorgung von Lieutenant Tanaka."
"Wann treffen die Zivilisten aus Ompala mit der Osprey ein?"
"In siebzehn Minuten und achtundfünfzig Sekunden. Ich habe Anweisung gegeben, die Maschine neu zu betanken und zurückfliegen zu lassen."
"Gut. Wie sieht es mit den Ospreys der Marines in Keounda City aus?"
"Eine der Maschinen wurde abgeschossen, ist aber reparabel. Major Michael hat aber die anderen beiden Maschinen und die entsprechende Anzahl seiner Marines als einsatzbereit und bereit zum Verlegen angegeben. Zudem hat Belongo Mining uns Hubschrauber und Personal angeboten, um bei der Evakuierung zu helfen."
Der Admiral dachte nach. Wenn es in Ompala hart auf hart ging, war es besser, die Marines in der Nähe zu haben. Andererseits, wenn die Ospreys Belongo verließen, und damit den geschützten Bereich ihrer panadianischen Verbündeten, waren sie für die ndongoische Luftwaffe und vor allem die gut ausgebildeten Black Stars legitime Beute, falls es noch schlimmer wurde. Martell hatten sie bereits aus dem Luftraum Ndongos abgedrängt. Dabei würde es nicht bleiben. Allerdings war der Osprey, der gerade zurückkehrte, nicht beschossen worden. Und wenn er einen riskierte...
"Major Michael soll einen voll bemannt zur Unterstützung nach Ompala schicken. Er und der Rest seiner Leute bleibt in Keounda City."
"Verstanden, Admiral." Sie stutzte. "Ist noch etwas, Sir?"
"Was? Nein, nein. Ich..." Der Vice Admiral seufzte. "Ich denke nur gerade daran, dass ein enttarnter CIA-Agent ausgereicht hat, um die halbe Stadt rebellisch zu machen. Hoffen wir, dass ein versenkter Frachter, der dem Clan des Präsidenten gehört hat, nicht noch schlimmeres bewirkt." Nachdenklich trommelte er die Fingerspitzen gegeneinander. "Bitten Sie die Belongo Mining darum, sich darauf einzustellen, dass wir eventuell Hubschrauber und Soldaten benötigen könnten. Außerdem sollen die nächsten aufsteigenden Rotten zur Hälfte mit Bodenkampfraketen bestückt werden."
Helmstad runzelte die Stirn. "Was genau erwarten Sie, Sir?"
Der alte Haifisch sah sie ernst an. Eine seiner Augenbrauen zuckte kurz. "Dass sich der ganze Konflikt in Wohlgefallen auflösen wird."
Nicole Helmstad lachte gekünstelt. "Sie waren nie ein guter Lügner, Cedric."
"Nun, dann hoffe ich eben, dass sich der ganze Konflikt in Wohlgefallen auflöst. Ansonsten werde ich ziemlich gemein werden müssen, um die US-Bürger in Ompala zu beschützen. Und bei Gott, das werde ich auch tun."
Als er dies sagte, verstummten auf der Brücke der Abraham Lincoln alle Gespräche. Nur der Funk surrte leise im Hintergrund mit den Stimmen der Flugzeugbesatzungen. Nach und nach erhoben sich die Männer und Frauen von ihren Posten, falls sie nicht ohnehin schon standen. Nach und nach salutierten sie ihrem Admiral. Captain Helmstad sagte, während sie die Hand an die Stirn fühlte: "Sie befehlen, wir folgen."
Der überraschte Admiral ließ kurz den Blick schweifen, dann musste er schmunzeln. "Daran habe ich nie gezweifelt, Nicole."
"Und ein schlechter Schmeichler waren Sie auch schon immer, Cedric."
Sie lachten leise, diesmal aber nicht gekünstelt.
***
Licht. Wie war das möglich? Über ihm war ein Himmel, so blau und klar wie in seiner Kindheit, als er... Kapitän Harry Kemibwa fuhr auf. Nein, das war kein Traum. Das war nicht die Anderswelt, jener Ort, an den die Toten gingen, und auch nicht das Paradies. Es war eine ziemlich bequeme Sitzgelegenheit am Heck eines Bootes. Allerdings tanzte das Boot recht ruppig auf den Wellen. Wellen? Dies war der Fluss, den er befahren hatte, um seinen Frachter zu verstecken. Es hatte nicht funktioniert. Er sah den Fluss hinab und erkannte die Karuma. Zumindest das, was noch von ihr übrig war. Was nicht schon versunken war, brannte. Das machte aus dem Schiff ein großes Leuchtfeuer. Eine Detonation, die ihn selbst auf diese Entfernung, vielleicht ein Kilometer, fast taub machte, klang auf, und ein Feuerball entstand über dem Schiff.
"Wie geht es Ihnen?", fragte eine vertraute Stimme neben ihm. Kemibwa sah herüber und erkannte Bukow, den russischen Leutnant. Der Mann reichte ihm ein Bier.
"Gut, Leutnant. Überraschend gut."
"Und Ihr Kinn?" Der Mann grinste ihn burschikos an. "Als mir klar wurde, dass die Amis wussten, wo wir waren, musste alles verdammt schnell gehen, und ich war mir nicht ganz sicher, wie Ihre Leute auf einen Evakuierungsbefehl reagieren würden, so von wegen Schiff des Clans, und so. Also habe ich meinen Leuten die harte Gangart befohlen. Bei Ihnen war ich mir da überhaupt nicht sicher, und bevor Sie so einen Quatsch erzählen wie: Ein Kapitän muss mit seinem Schiff untergehen, habe ich lieber konsequent zugeschlagen. Es ging schließlich um Sekunden."
Kemibwa sah sich auf dem Deck um und erkannte etliche seiner Leute auf dem Schnellboot.
"Der Rest ist unter Deck", erklärte Bukow. "Und der Schlag tut mir wirklich leid."
"Schon okay", erwiderte Kemibwa und nahm das Bier. "Ich habe nicht damit gerechnet, zu überleben. Und das werde ich wahrscheinlich auch nicht, wenn der Präsident erfährt, dass ich nicht mit meinem Schiff untergegangen bin."
"Nun", meinte Bukow gedehnt, "wir fahren zumindest nicht nach Ndongo zurück. Was Sie draus machen, ist dann Ihre Sache. Mr. Red braucht übrigens öfters mal fähige und vielseitige Menschen. Und Sie sind ein vielseitiger Mann, Harry." Bukow hielt ihm sein eigenes Bier zum anstoßen hin.
Es entstand ein feiner Klang, als die vollen Glasflaschen zusammenstießen. "Reden Sie weiter, Vladimir."
***
"Mr. President. Die Karuma wurde soeben versenkt. Die Sizzler sind, soweit sie nicht bereits explodiert sind, mit dem Schiff untergegangen", sagte Admiral Blueberry. Nach einigem Zögern fügte er hinzu: "Wir haben einen Verletzten an Bord eines Zweisitzers. Kommt in ein paar Minuten auf die Abe rein. Könnte ein Bein verlieren, wenn nicht Schlimmeres."
Präsident Etrangers Wangenknochen waren in Bewegung, seine Backenzähne mahlten. Das war es, was er an Krieg hasste. Leute wurden verletzt. Leute starben. Viele Leute starben, meist ohne Sinn oder Verstand. Er erinnerte sich noch sehr gut an seinen ersten Tag im Oval Office, als ihn der ehemalige CIA-Direktor über das Drohnenprogramm für den indischen Subkontinent und Pakistan gebrieft hatte. Er hatte gefragt: "Und all die Toten nehmen wir in Kauf, nur um vielleicht einen Terroristen zu erwischen?"
Der Direktor hatte erwidert: "Solange wir den Terroristen erwischen, ist es das Opfer wert."
Etranger hatte daraufhin Harold Maloni angesehen, der den Direktor als Computer-Spook begleitet hatte. "Wie würden Sie auf meine Frage antworten?"
Maloni hatte überrascht aufgekeucht, als der mächtigste Mann der Welt ihn ansprach - und seinen obersten Boss einfach so überging, ja, brüskierte. Dann aber hatte er sich zu einer Antwort durchgerungen. "Nun, Mr. President, ob wir all die Toten in Kauf nehmen oder nicht, ist die Entscheidung des Präsidenten. Und der Präsident, Sir, sind Sie."
Heute war Maloni einer von drei Vize-Direktoren und auf dem besten Weg, den Stuhl von seinem Chef zu erben; der Direktor selbst war nach seinem ersten Tag im Oval Office überraschend schnell in den Ruhestand gegangen.
"Es ist gut. Informieren Sie mich, sobald wir wissen, wie es dem Mann geht." Er sah Special Fordes Head of Command an. "Isaac, wie stellt sich die Lage dar? Für die Abe, für unsere Botschaft und für Belongo?"
"Nun, das letzte zuerst denke ich. Belongo ist, soweit ich das überschauen kann, fest in unserer Hand. Durch unsere panadianischen Verbündeten haben wir die Lufthoheit, und die Schlagfähigkeit von Belongo Mining sichert die Überlegenheit am Boden. Zudem haben die Herwigs - mit bescheidener Hilfe meiner Ranger - geschafft, was zwanzig Jahre lang nicht einmal die Zentralregierung geschafft hat. Nämlich Keounda City von diesem Verrückten und seiner Mörderbande zu befreien. Solange die Base de l'Air die Füße stillhält, denn verschwinden wird sie nicht, weil sie das größte Ölfeld Ndongos schützt, können wir theoretisch jederzeit die Unabhängigkeit ausrufen."
"Und das Ölfeld?"
"Wir könnten es erobern. Keine große Sache. Mit der Abe sind wir die überlegene Macht in der Region."
Leise trommelten die Finger des Präsidenten auf seinen Schreibtisch. "Und was wollen die Leute da unten?"
General Landsdale musste lächeln. "Die Herwigs wollen Diamanten fördern und die Bevölkerung weiterhin mit Ressourcen versorgen. Diamanten, die auf dem wachsenden Markt, aber auch in der Industrie doch gebraucht werden. Die Menschen in Belongo sind der Kriege müde, schätze ich, denn sonst hätte Belongo Mining nicht mal die erste Woche überstanden, anstatt ein regionales Feldlazarett in der kleinen Ortschaft Ngali einzurichten, dazu einen Hubschrauberservice für Bettlägrige einzurichten. Die Herwigs gehören zu keinem der regionalen Stämme, nicht zu Ndongo, nicht zu den Warlords, und sie bringen ihre eigenen Regeln mit. Ich schätze, viele, wenn nicht alle da unten sind damit zufrieden, wenn ein wenig Ruhe einkehrt."
"Was würde passieren, wenn wir das Ölfeld erobern? Können wir die Bevölkerung gegen einen Gegenangriff schützen? Oder Racheakte? Bombardements, wie das, das unsere Ranger erwischt hat?"
Landsdales Züge wurden hart. "Nein."
"Dann lassen wir die Finger von dem Ölfeld."
"Wenn dem so ist, werde ich Ndongo über ein paar inoffizielle Kanäle über Ihre Entscheidung informieren, Mr. President. Es dürfte, ah, dabei helfen, den Druck auf unsere Botschaft zu verringern. Ein wenig, zumindest."
"Das passt, Isaac. Unsere Botschaft?"
"Steht immer noch Stein auf Stein und ist weiterhin geöffnet, aber der erste Mob war schon da. Er wurde aber mit Coca Cola besänftigt. Dabei wurde ein CIA-Agent freigekauft, wie man mir gesagt hat", erklärte Landsdale mit einem Seitenblick auf Maloni.
Der Vice Director nickte bestätigend.
"Das bedeutet?"
"Admiral Philips hat befohlen, ein Platoon Marines und zwei Ospreys zur Botschaft zu schicken. Das reicht notfalls für die Evakuierung. Wird sehr eng werden, aber wenn wir Material zurücklassen, werden es die Transporter schaffen. Solange die Luftwaffe und die Black Stars uns in Ruhe lassen."
"Was uns zur Abraham Lincoln bringt", sagte Etranger.
"Unsere fünfzigtausend Tonnen Diplomatie", sagte Landsdale.
Der Chief of Naval Operations und der SECNAV grinsten für einen Moment.
"Die Abe beherrscht sowohl das Meer als auch den Luftraum rund um ihre Position. Und ohne die Gefahr durch die Sizzler sehe ich keine akute Bedrohung für den Träger oder seine Begleitschiffe, Mr. President."
"Kann sie eine Luftoperation, zum Beispiel zur Deckung von zwei bis zum Rand vollgestopften Ospreys decken? Sich mit der ndongoianischen Luftwaffe und den Black Stars anlegen und gewinnen?"
"Natürlich kann sie das, Mr. President", sagte Blueberry ernst. "Aber die Zahl der Jets wäre dann ausgewogen, vielleicht sogar mit Vorteil bei Ndongo. Zudem sind die Black Stars Elite. Wir hätten dann Verluste."
"Ein Angriff auf die Abe selbst?"
Blueberry dachte kurz nach. "Mit den Möglichkeiten Ndongos nicht zu schaffen. Mit den Black Stars? Durchführbar, aber dank unsere AEGIS ein Spiel mit dem Feuer. Achtzig bis hundert Prozent Verlustquote. Achtzig, wenn sie mit blutiger Nase abdrehen, hundert, wenn sie versuchen, bis zur Abe durchzubrechen."
Wieder trommelte der Präsident mit den Fingern auf der Tischplatte. "Gut. Bleibt die letzte Frage: Wie reagieren wir darauf, wenn unsere Botschaft evakuiert werden muss? Wie reagieren wir darauf, wenn Ndongo feindlich wird? Wie reagieren wir darauf, wenn sich die Russen oder die Chinesen, die eh in der Region sind, einmischen? Nein, Isaac, antworten Sie nicht. Die Frage war rhetorisch." Etranger erhob sich, verschränkte die Arme auf dem Rücken und begann, im Open Office auf und ab zu gehen. "Und dabei bin ich Präsident geworden, um ein Zeichen für Frieden und Verständigung zu setzen. Eine zweite Amtszeit habe ich nie wirklich angestrebt, um in der ersten so viel wie möglich in die Wege zu leiten, was selbst fünf nachfolgende Präsidenten nicht einreißen können. Und nun muss ich einen Krieg befehlen?"
"So weit sind wir noch nicht, Mr. President."
"Sind wir nicht? Warten Sie ab, Isaac, was passiert, wenn die Nachricht durchsickert, dass Ndongo zwanzig unserer Jungs und Mädchen frittiert hat. Und sie wird durchsickern. Dann werden wieder Menschen auftauchen, die sich Patrioten nennen und unsinnige bis wahnsinnige Forderungen stellen. Und bevor wir uns versehen, sind wir doch im Krieg. Egal, wie wahnsinnig das alles ist." Der Präsident atmete heftig aus. "Hoffen wir, dass der Tag für die Botschaft ruhig verläuft. Und sorgen Sie dafür, dass die Ospreys so viel Cola, wie sie fassen können mit nach Ompala City nehmen."
Blueberry nickte. "Wird gemacht, Mr. President."
'Dafür bin ich nicht Präsident geworden', ging es Etranger durch den Kopf. 'Dafür nicht.'

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15.
„Sie verstehen?“, fragte Heide Schuster. Sie schlug langsam die Beine übereinander, eine Geste, die ausdrücken sollte, dass sie Stärke empfand, dass sie im Vorteil war. Sie, eine Frau, gegenüber einem waschechten afrikanischen Kriegsherrn, der über zweihundert Speere unter Waffen verfügte. Und das galt nur für sein Hauptquartier. Er, das war Wanagana, der Mann, der vor fünfzehn Jahren die Lulugengo fast vollständig von der Ostseite des Lagabandas vertrieben hatte, ein Jahr nachdem die Wagonda das Gleiche mit seinem Volk am Westufer getan hatten. Heide sah den Teufelskreis, der hier geschah und der augenscheinlich von der Regierung Ndongos massiv gefördert wurde, um im zerstrittenen Belongo weiterhin ungestört und unhinterfragt Bodenschätze fördern zu können. Aber verstand es auch Wanagana? Er war einer der Profiteure in diesem Geschäft, und er verdiente nicht schlecht bei der Geschichte. Zudem waren seine Waffen zu einem Großteil belgisch und französisch, was dafür sprach, dass die Regierung hier ein wenig subventioniert hatte. Konnte er ein Partner werden? Konnte er die Vorteile sehen, die die Mine ganz Belongo brachte, und damit auch ihm? Oder war er ein Feind von Neuerungen? Wanagana war der erste Kriegsherr östlich des Lagabandas, den sie aufgesucht hatte, und mit Sicherheit die schwerste Nuss von allen, denn seine Position war seit fünfzehn Jahren gut zementiert. Zumindest war sie das gewesen, bis die Söldner aus Bindiru, die dem Riki hatten helfen sollen, auf dem Weg dorthin die Farm von Koluko überfallen hatten, einem weiteren Kriegsherrn der Kelegaba, der unter Wanagana „gelernt“ und sich vor gut fünf Jahren selbstständig gemacht hatte, als sich eine Öffnung nach Süden ergeben hatte. Das hatte Koluko sehr nahe an die verfluchte Stadt gebracht, aber die Nische hatte sich als recht groß erwiesen. Und da Koluko seinem Dienstherrn aus alten Tagen noch immer zu Dank verpflichtet war und Wanagana ebenfalls für eine dichte Südgrenze dankbar war, hatten sie ein anständiges Verhältnis miteinander. Gehabt, womöglich, denn bis auf die Nachricht, dass seine Farm überfallen worden war, hatte es noch keine weiteren Nachrichten über den Überfall gegeben. Außer natürlich, dass der Werksschutz von Belongo Mining die Söldnertruppe komplett aufgerieben und die Farm gesichert hatte. Das hatte Heide gemeint, als sie gefragt hatte: Sie verstehen? Belongo Mining war nun der größte Junge auf dem Spielplatz, und er bestimmte, was die kleineren Kinder spielten. Und da Belongo Mining kein Bully war, verprügelte er die kleineren Kinder auch nicht, solange sie seinem Willen gehorchten. Einer der Gründe, warum sie mit nur zwei Leibwächtern hier rein marschiert war und den großen Max markieren konnte. Wenn nur endlich eine Reaktion von Wanagana kommen würde.
„Ich sehe, ich verschwende meine Zeit“, seufzte sie, setzte das rechte Bein wieder auf die Erde und erhob sich. „Sie kennen meine Frequenz. Funken Sie mich an, wenn Sie bereit sind, mit uns zu verhandeln.“
Wanagana musterte sie mit steinerner Miene, sagte aber nichts. Dabei wusste sie genau, dass er sie verstand. Die Begrüßung hatte das eindeutig klar gemacht. Der Mann beherrschte sowohl französisch als auch den Wagonda-Dialekt fließend. Nun gut, es gab noch andere Kriegsherren, und zumindest Koluko, so er denn überhaupt noch lebte, würde Belongo Mining gegenüber sehr aufgeschlossen sein.
„Warten Sie“, sagte Wanagana auf englisch. „Ich möchte, dass jemand Sie kennenlernt.“
„Meine Zeit ist nicht unbedingt begrenzt, aber kostbar genug“, erwiderte sie eine Spur zu harsch. „Es gibt noch andere Warlords auf dieser Seite des Lagabandas, die ich sprechen werde, und weitere Dörfer, die ich aufsuchen muss.“
„Warten Sie, bitte, Miss Schuster. Es ist wichtig für mich.“
Sie sah dem Mann in die Augen. Er schien es ehrlich zu meinen. Allerdings war das Raunen, das von draußen herein drang, durchaus dazu angetan, ihr die Nackenhaare aufzurichten. Zudem wurde es lauter. Wagner, einer ihrer Leibwächter, entsicherte unauffällig seine Pistole. Sein Kamerad tat es ihm nach.
Dann wurde die Tür aufgerissen, ihre Wachen zögerten eine Sekunde, um die Lage einzuschätzen, und nahmen dann die Waffen von den Pistolentaschen. Auch Heide zog ihre Hand wieder vom Holster zurück. Nicht, dass sie eine große Hilfe gewesen wäre, aber sie hatte schießen gelernt, und sie würde diese neue Kunst benutzen. Notfalls, um sich selbst vor einem grässlichen Schicksal zu retten. Doch der Mann, der herein kam, zeigte durchaus Züge der Verrücktheit, aber nicht der Angriffslust, oder des Hasses. Er stürzte geradezu herein, kaum dass er die Tür aufgemacht hatte, rief aufgeregt etwas im Kelegaba-Dialekt, den Heide erst zur Hälfte verstand, und begann dann einen wahren Freudentanz. Dann stürzte er, hastig auf Kelegaba plappernd, fast vor Heide auf die Knie, riss ihre Hände an sich und legte sie sich auf den Kopf.
„Er möchte, dass Sie ihn segnen, Miss Schuster“, erklärte Wanagana.
„Was?“, fragte sie ungläubig.
„Meine Männer haben Sie in den Status einer Prophetin erhoben, scheint es mir. Dieser Mann, es ist mein Dritter Speer Hussain, hat mir gerade die Nachricht überbracht, dass der Riki mit all seinen Leuten Keounda City aufgegeben hat und im Dschungel verschwunden ist.“
Peinlich berührt sah Heide den Mann an, der einige Jahre jünger als sie war. Dann murmelte sie, vor Verlegenheit rot werdend: „Ich segne dich.“
Daraufhin sprang der Mann wieder auf, hielt erneut ihre Hände und schüttelte sie wild.
Die Szene wurde unterbrochen, als ein Mädchen, eine der Töchter Wanaganas, und gerade mal im Teenager-Alter angekommen, einen alten Mann in den Raum führte. Er war augenscheinlich blind, aber sein Gesicht zierte ein erlöstes Lächeln, dass sie so noch nie gesehen hatte.
„Abu“, sagte Wanagana.
Der Mann sah in seine Richtung, ohne ihn jedoch mit den fast weißen Augen sehen zu können. „Wo ist die Engelsbotin, Sohn?“
„Ich führe dich“, sagte das Mädchen. „Hier.“
Daraufhin fiel der Mann auf die Knie ergriff ihre Füße und küsste sie.
Peinlich berührt starrte Heide den Mann an. „I-ich bin keine Engelsbotin“, stammelte sie. „Sie müssen das nicht... Ich meine, Sie können doch nicht...“
„Allahu akbar. Sie sind die Botin des Himmels! Sie haben die Nachricht gebracht, dass Keounda City frei sein wird, und noch während Sie hier waren, ist Keounda City befreit worden! Egal, was ich tun werde und tun kann, ich kann meine Dankbarkeit gar nicht genug ausdrücken. Ich...“ Ihre Füße mit beiden Händen umschlungen begann der Mann zu weinen.
„Sie müssen ihm vergeben, Miss Schuster“, sagte Wanagana. „Sie haben hier den letzten noch lebenden Imam unserer Hauptstadt vor sich. Den letzten, der noch in unserer Moschee gepredigt hat.“ Die Miene Wanaganas hatte sich verändert. Die stoischen Gesichtszüge waren aufgebrochen und zierten nun ein Lächeln. „Sie haben wahrlich nicht zuviel versprochen, Sie und Ihr Axel.“
Der alte Mann hatte sich nun etwas mehr im Griff. Er erhob sich mit der Hilfe von Wanaganas Tochter wieder und tastete nach Heides Händen. Als sie ihm diese hinhielt, drückte er sie an sein Gesicht. „Allahu akbar. Nach zwanzig Jahren in der Dunkelheit scheint nun endlich wieder das Licht in Keounda City.“ Ein Ruck ging durch den alten Mann. Seine Stimme wurde furchtsam. „Steht... Steht die Moschee noch?“
„Ja, seien Sie unbesorgt. Sie wurde beschädigt, das Minarett wurde zerstört, aber die Moschee steht noch“, sagte Heide. Sie erhob sich. „Soll ich Sie hinbringen?“
„Das würden Sie tun?“, fragte der alte Imam mit zitternder Stimme.
„Nun, es wird wahrscheinlich etwas dauern, bis ein Hubschrauber frei ist, um uns zu holen, aber es dürfte schneller gehen als mit einem Wagen zu fahren. Mit Ihrem Einverständnis, Wanagana.“
„Es gibt nichts, was ich dem Vater vorzuschreiben oder zu befehlen hätte. Und ich würde mich gerne anschließen, um mir selbst ein Bild machen zu können.“ Er grinste noch immer.
„Ich warne Sie vor. Ldungas Leute sind in der Stadt. Die Leute, die Sie einst vertrieben haben.“
„Ich bin sicher, Sie finden einen Weg, meine Anwesenheit zu erklären. Nicht als Zeichen des Krieges, sondern als Zeichen der Verständigung, in dessen Auftrag Sie mich aufgesucht haben, Miss Schuster. Was die Bezahlung angeht, so werde ich...“
„Keine Bezahlung“, sagte Heide resolut. „Ich werde den Imam, Sie und weitere Begleiter, so sie in den Helikopter passen, nach Keounda City bringen, und auch wieder zurück. Dabei werden Sie unter meinem Schutz stehen. Aber ich bitte Sie und Ihre Begleiter, sich als meine Gäste gut zu benehmen. Über das, was wir danach tun werden, können wir während des Fluges sprechen oder einen neuen Termin aussuchen.“
„Das ist sehr großherzig von Ihnen“, gestand Wanagana.
„Wagner, fordern Sie einen Hubschrauber an“, sagte Heide zu ihrem Begleiter. „Und Sie, ehrwürdiger Imam, möchten Sie sich nicht setzen, während wir warten?“
„Danke, ja. Der Geist ist willig, aber das Fleisch ist schwach. Doch heute soll das nichts machen, denn es ist ein Freudentag. Es ist der schönste Tag in meinem ganzen Leben.“
Wanaganas Tochter führte den alten Mann fort von Heide, in einen bequemen Sessel im Raum.
„Bestätigt. Boxie kommt uns holen“, sagte Wagner laut genug, damit alle Anwesenden es hören konnten.
„Erledigt“, sagte Heide zufrieden. Besser konnte es gar nicht laufen. „Darf ich Ihnen, während wir warten, vielleicht noch einmal nahebringen, welche Veränderungen wir anstreben, und wie wir die zu erreichen hoffen, Kriegsherr?“
„Ich habe beim ersten Mal schon gut zugehört“, sagte Wanagana. „Es brauchte aber einen handfesten Beweis, um mich von Ihnen zu überzeugen. Den haben Sie erbracht.“ Er dachte kurz nach. „Dadurch, dass die Hauptstadt und damit auch die Brücken aus der Hand des dunklen Übels befreit sind, ändert sich alles. Schiffe können diesen Weg nun wieder ungehindert und in größerer Zahl nutzen, und die Brücken werden uns helfen, den Fluss schneller überqueren zu können. Aber wann werden Sie die Minenwölfe auch auf diese Seite des Flusses bringen? Wann errichten Sie ein Landefeld und ein weiteres Feldlazarett? Und was tun Sie, wenn Ndongo etwas dagegen hat, was Sie hier tun und bereits getan haben?“
Heide lehnte sich wieder nach hinten und schlug erneut die Beine übereinander. „Viele Fragen, Herr Wanagana, viele Fragen.“ Sie lächelte. „Und ich habe viele Antworten.“
***
Das Schrappen der Hubschrauberrotoren am späten Nachmittag war ein Geräusch, das für die Eroberer von Axel City Erleichterung bedeutete. Mit der Ankunft von weiterem Nachschub, mit der Ankunft der Untersuchungskommission kehrte so etwas wie Normalität in die geschundene Stadt ein. Der Platz vor der Moschee war geräumt worden, um den Neuankömmlingen einen sicheren Landeplatz in der Stadt bieten zu können. Zudem waren vier Hubschrauber der Belongo Mining und drei der Army Ranger in der Luft, um die überfallene Farm von den Söldnern zu säubern und im Filz des Dschungels auf dem Hochplateau nach Spuren des Riki zu suchen und ihn diesmal endgültig auszuschalten.
Derweil waren jene Soldaten und Speere Ldungas, die nicht mit der Sicherung der Stadt beschäftigt waren, dabei, die Toten und Verletzten zusammenzutragen. Hannes hatte sich angeboten, die Koordination dieser Arbeit zu übernehmen, damit die Führungsspitze der Mine und der Ranger die Kommission angemessen empfangen konnte. Axel hatte dem dankbar zugestimmt, Niklas eher nicht so, weil er, wie er ganz ehrlich zugab, vor der Begegnung mit dem General Manschetten hatte, wie er es nannte.
Derweil wurde der Berg an Toten immer höher. Es würde wohl das Beste sein, die toten Leiber zu verbrennen, anstatt sie in Massengräbern zu beerdigen. Zuerst musste die sehr reale Gefahr von Seuchen gebannt sein. Auf der Strecke bleiben würden dadurch Menschenwürde, Anstand und die Chance, die toten Männer des Riki eindeutig zu identifizieren. Die meisten dieser Männer und der wenigen Frauen waren eben nicht von Anfang an bei ihm gewesen. Er hatte sie sich mit den verschiedensten Methoden zusammengestoppelt, geraubt, gefügig gefoltert und vieles mehr. Es wäre ein Akt der Würde gewesen, die Toten zumindest in ihre Heimatdörfer zu überführen. Aber manchmal war selbst Axels Willen Grenzen gesetzt, also hatte er zähneknirschend zugestimmt, die toten Männer des Riki stattdessen nur zu fotografieren, um wenigstens auf diese Weise eine Identifizierung zu ermöglichen.

„Da kommen sie also“, sagte Jason Scott. Er wirkte ein wenig... Verbissen. Kein Wunder, denn das, was die letzten beiden Tage hier passiert war, ging über die Kräfte der meisten Menschen, und er trug dafür die Verantwortung, auch wenn ihn keine Schuld traf. Moment, nein, das war falsch. Ob ihn eine Schuld traf und wie schwer sie wiegen würde, das würden die Mitglieder der Kommission um General Hugh Shatterfield entscheiden. Und auch wenn ihm keine Schuld am Feuertod von zwanzig seiner Männer und Frauen angelastet werden würde, so konnte diese Begegnung doch sehr schnell das Ende seiner Karriere bedeuten, oder noch schlimmer, einen Arbeitsplatz an einem Schreibtisch.
„Ich werde tun, was immer ich kann, um dich zu unterstützen, Jason“, sagte Axel. „Notfalls heuert dich Belongo Mining mit Kusshand an.
Scott ließ ein flüchtiges Lächeln sehen. „Das weiß ich, Axel, und ich bedanke mich für das Angebot. Es ist nur, der alte Bluthund Shatterfield ist ein sehr wichtiger Mann, und auf seine Meinung wird gehört. Und wenn er zu dem Schluss kommt, dass die ganze Sache mein Fehler war, dann werden alle auf ihn hören und er wird auch noch Recht haben. Das macht mir am meisten zu schaffen.“
Axel verstand. Das Urteil des erfahrenen Generals würde über das entscheiden, was Scott ausmachte, nämlich seine Arbeit als Offizier der Army Ranger. Es war eine essentielle Frage, ob er gut gedient oder versagt hatte.
„Na, na, malen Sie mal nicht das schlechteste Bild vom Wolf, Jason“, sagte Captain Sinclair. „Er ist ebenso wie wir ein Ranger, und er ist alle Ränge hinaufgestiegen, aus eigener Kraft, wurde verwundet, hat sich durch die Rekonvaleszenz gekämpft und sein Kommando zurückerhalten. Wenn er sieht, was Sie und Ihre Ranger hier geleistet haben – mit bescheidener Mithilfe der Belongo Mining und der Männer des Riki – wird er das anerkennen. Himmel, Sie haben eine Stadt zurückerobert, die am wichtigsten Kreuzungspunkt für den Verkehr in Schwarzafrika im Umkreis von dreitausend Meilen liegt. Ach, und außerdem haben Sie die Stadt dem Verrückten abgenommen, der sie zwanzig Jahre in seiner Gewalt hatte, was vielleicht die Chance auf dauerhaften Frieden bedeutet. Für die gesamte Region.“
„Denken Sie mal nicht zu weit, Irene“, mahnte Scott, aber zumindest lächelte er erneut flüchtig.
Axel gab dieses Mienenspiel zu denken. Denn abgesehen davon, ob der alte General, oder seinetwegen der Wolf, Jason Scott schuldig oder unschuldig sah, Jason würde sich sein ganzes Leben damit quälen, dass zwanzig seiner Leute in diesem Hinterhalt gestorben waren. Auf seinen Befehl hin. Gut, der Mann war Praktiker. Aber jetzt wurde es ruhiger für ihn und die Kompanie, was bedeutete, dass nicht nur er zum Nachdenken kommen würde. Zum Nachdenken und zum Trauern. Fazit: Für ihn wurde es nicht besser, und das, was er jetzt am wenigsten würde gebrauchen können, wäre, von seinem Posten abgezogen zu werden und dadurch noch mehr Ruhe zum Nachdenken zu erhalten.

„Aaach-TUNG!“, bellte jemand auf deutsch, und beinahe automatisch gingen auch die amerikanischen Offiziere in ihre Hab acht-Haltung.
„Rühren Sie bitte, Herrschaften“, sagte Shatterfield nach einem kurzen Salut und nachdem dieser erwidert worden war. „Wenn mich jemand über den Stand der Dinge informieren würde...“
Sinclair und Scott wechselten einen kurzen Blick, der zum Ergebnis hatte, dass Sinclair seinen längeren Dienst in der Stadt über ihren Status als Teil der Untersuchungskommission stellte. Er räusperte sich. „Natürlich, General. Möchten Sie die Lage vor Ort besichtigen, während ich die Situation erläutere?“
„Captain, ich werde hier einiges besichtigen, um nicht zu sagen alles. Aber ein Crashkurs wird mir erst einmal reichen. Wie ist also die militärische Situation?“
Scotts Miene war nichts zu entnehmen, als er wieder sprach, und bei den Worten wäre das selbst Bernd schwer gefallen. „Kurz und gut: Wir haben gewonnen, Sir. Die Stadt gehört uns.“ Scott nickte in Axels Richtung. „Oder vielmehr der Belongo Mining, und ich halte es für eine gute Idee, dass das in naher Zukunft auch so bleibt.“
Die Kiefer des Generals mahlten ein wenig, aber es war unklar, ob er dies tat, weil er mürrisch war, oder zufrieden. „Gut, wir haben also gewonnen. Dann können wir ja mit dem Grund unseres Besuchs beginnen.“ Er sah zu Axel, dann zu Niklas. „Ich nehme an, Sie zwei sind die beiden Teufelsbraten, die uns all das hier eingebrockt haben?“
Axel hob die Hand. „Ich wäre dann wohl der Teufelsbraten, Sir. Mein Bruder hat nicht mehr getan, als mich rauszuhauen zu helfen.“
„Sie sind also dieser Axel Herwig. Soldat?“, fragte der General und reichte ihm die Hand.
Axel ergriff sie automatisch und fühlte sich mit einem Mal verlegen. „Stabsgefreiter der Reserve, Sir, aber kein Teil der Mobilen Reserve.“
Nun zeigte der alte Army Ranger das erste Mal eine Reaktion. Es war ein dünnes Lächeln. „Könnte von den Krauts eventuell ein Fehler gewesen sein. Beides, meine ich. Sie sind dann Niklas Herwig, richtig?“
Auch ihm reichte Shatterfield die Hand, und Niklas ergriff sie und registrierte den festen, trockenen Händedruck des alten Soldaten. „Ja, Sir, Oberleutnant Herwig, zur Zeit krank Zuhause geschrieben, auf unbestimmte Zeit.“
„Was auch ein Fehler sein könnte“, schmunzelte der alte Mann, und für einen Moment schien es ihm, als amüsiere er sich recht gut, gemessen am Ernst der Situation. „Bevor ich meine guten Manieren vergesse, dies sind Major Dukakis, mein Stellvertreter, und Captain Frost, die die CIC-Untersuchung leiten wird.“
Die Leute reichten einander die Hände, aber Dukakis und Scott umarmten sich herzlich. „Dass ich dich hier mitten im Chaos treffen würde, Constantin. Wie geht es Beth und den Kindern?“
„Gut, gut, danke der Nachfrage. Mich wundert es nicht, dich hier zu treffen. Dieses Chaos passt zu dir.“ Dukakis seufzte. „Eine schöne Scheiße.“
„Ich glaube, daran ist diesmal nicht Scott schuld, Sir, sondern ich“, sagte Axel und reichte dem Ranger die Rechte.
Dukakis musterte ihn mit einem wachen Blick und lächelte. „Ich bin wahnsinnig gespannt auf Ihre Geschichte.“
„Wir sind wahnsinnig gespannt“, sagte Frost und drückte Axel und Niklas ebenfalls die Hand. „Im Moment kann ich mir jedenfalls nicht vorstellen, dass der vorläufige Bericht, den Captain Scott eingereicht hat, mehr ist als eine Kriegspassage aus einem Tom Clancy-Roman, möge Gott ihm da oben das Schreiben erlauben.“
„Ein Bild sagt mehr als tausend Worte. Folgen Sie mir, bitte.“ Axel marschierte ohne ein weiteres Wort nach Norden davon, die Ranger und sein Bruder knapp hinter ihm. Dabei achtete der ältere Herwig darauf, dass General Shatterfield Schritt halten konnte, trotz Prothese. Aber diese Sorge schien unberechtigt zu sein, der Mann ging nahezu normal.

Vor dem Wrack eines Hubschraubers blieben sie stehen. „Das ist unsere Mil Mi-24, mit der Leutnant Androweit und ich geflogen sind, als wir von Ldungas Farm kamen. Vor der Stadt hatte jemand Feuer gelegt, wahrscheinlich aus alten Autoreifen, und ich befahl meinem Piloten, heranzufliegen, damit ich mir die Sache näher ansehen konnte“, erläuterte Axel. „Dabei hielt ich einen respektvollen Abstand ein und ließ Androweit über der Baumlinie dort hinten kreisen. Leider hatte der Riki genau dort Männer mit russischen Panzerfäusten versteckt. Es war eine Falle. Der Riki wollte gerne einen weißen Penis haben, und mit dem Feuer hat er sich den erstbesten neugierigen Bastard angelockt, nämlich mich.“
„Einen weißen Penis?“, fragte Eureka Frost.
„Sie wissen, was ein Penis ist? Das Ding, das Männer vorne haben, um zu pinkeln, Ma'am?“
„Ich weiß, was ein Penis ist. Ich bin verheiratet und habe eine Tochter“, erwiderte sie frostig.
„Und Sie wissen, dass sich die Männer des Riki mit getrockneten Körperteilen zu schmücken pflegen? Besonders ranghohe Speeren wird erlaubt, Genitalien zu tragen. Penisse, Hoden, Brustwarzen, und so weiter. Der Riki wollte, das haben wir während der Kämpfe rausgefunden, einen weißen Penis haben, wenn möglich zwei. Das hätte sein Ansehen in den Himmel schießen lassen“, erklärte Axel.
„Ich verstehe.“ Es klang schon weit weniger frostig.
„Jedenfalls gelang es Androweit und mir, hier in der Straßenschlucht abzuschmieren, und nicht über dem Waldstück oder dem offenen Savannenstück. Wir wurden beinahe sofort attackiert, aber ein Teil der Bordbewaffnung funktionierte noch, und die Speere hatten nicht damit gerechnet, dass wir mitten in der Stadt abstürzen würden, weshalb wir die erste Attacke abwehren konnten und dann genug Luft hatten, um uns unsere Ausrüstung zu schnappen und den Hubschrauber mit Handgranaten hochzujagen.“ Axel deutete auf die Beschädigungen der umliegenden Häuser und an das getrocknete Blut an den Wänden, die noch standen. „Als der Mi-24 hochging, waren eine Menge seiner Speere hier und sind mit in die Luft geflogen.“ Axel ging weiter und folgte dem Weg, den er und Androweit genommen hatten. „Hier etwa fanden wir heraus, dass wir jedem Gegner eine Kugel in den Kopf geben mussten, um sicher zu gehen, dass sie tot sind. Und hier wurde Jorge, ich meine Leutnant Androweit, verletzt. Wir haben uns dann in die Moschee zurückgezogen.“ Er ging zur Moschee weiter. Seine Augen glänzten merkwürdig, während er sprach. Als sie wieder auf den Platz hinaustraten, schüttelte er ein paarmal den Kopf. „Entschuldigung. Ich hatte noch keine Zeit, dieses Kapitel zu rekapitulieren oder zu verarbeiten. Es ist, als wäre es erst gestern gewesen.“
„Axel, es war erst gestern“, sagte Niklas.
„Heute morgen dachte ich, es läge schon Monate zurück“, gestand Axel. Sie betraten die Moschee. Der Aufgang zum Minarett war noch immer voller Trümmer, aber der Vorraum war frei. „Hier legte ich mir Jorge auf die Schultern und erkletterte das Minarett. Oben angekommen suchte ich die Umgebung nach Feinden ab. Als ich mir sicher sein konnte, dass uns niemand da rauf gefolgt war, noch nicht zumindest, versuchte ich per Notruf meine Mine zu erreichen. Stattdessen bekam ich Captain Scott ans Rohr.“
„Dann ist die Erzählung wohl jetzt an mir“, sagte Jason.
„Vorher habe ich noch eine Frage, Mr. Herwig“, sagte Shatterfield. „Eigentlich zwei. Erstens, war das alles bis zum Eintreffen von Captain Scotts Leuten, oder ist noch mehr passiert?“
Axel lachte gehässig auf. „Sie meinen, abgesehen davon, dass Jorge und ich entdeckt und beschossen wurden und dass wir uns den Aufgang der Moschee mit ein paar Handgranaten freigehalten haben? Nein, Sir, nichts weiter.“
Shatterfield grinste breit. „Was mich schon zur zweiten Frage bringt: Was waren Sie wirklich in der Bundeswehr?“
Axel runzelte die Stirn. „Stabsgefreiter. Ich sagte es schon.“
„In welcher Einheit?“
„Pioniere. Ich war im Stab.“
„Mit Verlaub, Sir, aber das glaube ich Ihnen nicht. Kommen Sie, legen Sie die Karten auf den Tisch. Immerhin geht es um Captain Scotts Karriere.“
Axels Miene verdüsterte sich. „Sie glauben, dass ich lüge? Tun Sie das, meinetwegen. Ich kann nicht mehr tun, als die Wahrheit zu sagen.“
„Und das ist es, was mir schwerfällt zu glauben. Überlegen Sie mal, was es für einen Stabsdienstler der Reserve bedeutet, sich zu zweit durch dieses feindliche Gebiet zu kämpfen, dies teilweise im Nahkampf, dann den angeschossenen Kameraden zwanzig Meter die steile Rampe hinauf zu schleppen und von dort auch noch eine halbe Stunde lang die Stellung zu halten, bis Hilfe eintraf. Wären Sie an meiner Stelle, würden Sie sich selbst glauben, dass Sie nur Stabsgefreiter waren?“
Das verblüffte Axel ein wenig. „Wir hatten Glück, Sir. Verdammt viel Glück.“
„Ja, das hatten Sie wohl. Aber auch Eiswasser in den Adern, das Können und keinerlei Skrupel, für das eigene Überleben zu töten. Normale Menschen können das nicht so einfach, Mr. Herwig.“
„Ich... Wir standen unter enormen Druck, und die Speere des Riki sind ein wirklich angsteinflößender Anblick... Captain Frost, Sie stehen da gerade auf... Ups.“
Die CIC-Ermittlerin sah zuerst zu Boden, dann zu Axel. Sie nahm den Fuß einen halben Schritt zurück, bückte sich und hob das Objekt auf. „Ups“, echote sie. „Ist es das, was ich denke, was es ist?“
„Ja, Ma'am. Ein menschlicher Penis. Er muss hier runter gefallen sein, als man die Toten zusammengetragen hat.“
Sie musterte das Stück toter Mensch und seufzte. „Okay, ich glaube Ihnen. Ich nehme an, Sie werden auch diese Körperteile beisetzen?“
Niklas sagte: „Wir dachten eher an einer Feuerbestattung, um mögliche Seuchen zu verhindern. Aber eigentlich spricht nichts dagegen, wenn wir die Körperteile und die Genitalien separat bestatten. Sie sind ohnehin getrocknet und können nicht so leicht verwesen und Krankheiten verursachen.“
„Eine gute Idee“, sagte Axel. „Geben wir den Opfern einen Teil ihrer Würde wieder zurück.“
„Die Bundeswehr muss eine Menge Idioten in ihren Reihen haben“, sagte Shatterfield unvermittelt. Er grinste. „Den einen Herwig speisen sie mit einem Mannschaftsdienstgrad ab, obwohl er in die KSK gehört hätte. Und den anderen Herwig schicken sie auf Stubenarrest, obwohl er besser damit aufgehoben wäre, einen Auslandseinsatz der Bundeswehr zu koordinieren.“
„Sie schmeicheln uns“, wehrte Niklas ab.
„Natürlich schmeichle ich Ihnen“, sagte der General schmunzelnd. „Weiter. Scott, erzählen Sie, was passierte, bevor Sie sich entschlossen haben, die Herwigs zu entsetzen.“
„Ja, Sir. Wir waren...“

„Belongo 1 von Boxie“, knarrte Axels Funkgerät auf.
„Belongo 1 hier. Sprich.“
„Ich komme mit dem Paket rein. Sieh zu, dass ein paar unserer Leute in Reichweite sind, nur für den Fall, dass Ldungas Speere erst schießen und dann fragen.“
„Verstanden, Boxie. Belongo 1 Over und Out.“ Er sah zu den Amerikanern. „Entschuldigen Sie uns, bitte. Unsere Diplomatin hat einen der Kriegsherren eingeladen, um die eroberte Stadt zu besichtigen. Wir erhoffen uns von diesem Besuch einen Neuanfang in den Beziehungen, ja, die Neuordnung von Belongo. Wenn Sie auf mich und Niklas verzichten können...“
„Wenn Sie uns zur Verfügung stehen können, sobald wir Sie brauchen“, sagte Shatterfield. „Ein Kriegsherr?“
„Wanagana vom Ostufer. Er bringt den letzten Imam mit, der in dieser Moschee gepredigt hat“, erklärte Axel. „Das ist ein bedeutender Moment für ganz Belongo.“
Der General runzelte die Stirn. „Constantin, Eureka, bitte sprechen Sie mit Captain Scott, seinen Offizieren, mit Hauptmann Malicke und den Anführern der Speere Ldunga Abesimis. Ich stoße später hinzu und begleite bis dahin Direktor Axel Herwig und Major Herwig.“
Die beiden Offiziere bejahten wie erwartet.
„Sir?“, fragte Axel.
„Ich denke, Sie haben recht mit Ihrer Einschätzung, dass ein bedeutender Moment bevorsteht. Mein Instinkt sagt mir, dass ich dann besser bei Ihnen sein sollte, und nicht irgendwo in der Stadt, Axel. Ich meine Mr. Herwig.“
Axel konnte es nicht verheimlichen, er hatte Stolz empfunden, als der erfahrene Ranger ihn mit Vornamen angesprochen hatte. „Bleiben wir ruhig bei Axel, Sir.“
„Hugh, bitte. Das gilt für Sie beide, Axel, Niklas.“
Die Deutschen nickten bestätigend. Und dann landete der Hubschrauber inmitten den Platzes, nicht weit vom Leichenberg, den die Helfer auftürmten.

Axel lockerte seine Pistolentasche. Nicht, um die Waffe zu benutzen, aber um sie ziehen zu können. Niklas tat es ihm gleich. Manchmal reichte ein wenig Realität, um allzu aufbrausende Gemüter zur Raison zu bringen, und Realität war in diesem Fall eine schussbereite P8-Pistole.
Noch während die Rotoren von Boxies bevorzugtem Mil Mi-24D rotierten, öffnete der Lademeister die Luken, die Richtung Moschee zeigten. Die erste Person, die ausstieg, war Heide Schuster, wie Axel zu seiner Erleichterung feststellte. Dann kamen eine junge afrikanische Frau und ein alter Mann, den sie am Arm führte. Der alte Mann trug noch den Lärmschutz, aber er schien sich köstlich zu amüsieren. So gebrechlich er wirkte, so fröhlich war er auch. Nun stieg einer von Heides Begleitern aus, ihm folgten zuerst Wanagana, danach Heides zweiter Bodyguard. Die sechs Personen verließen den Radius der Rotoren so zügig sie konnten, und Heide führte die Gruppe zu Axel, Niklas und dem General.
„Willkommen in Keounda City, Wanagana“, empfing Axel den Warlord. Auf den ersten Blick hatte der Mann nicht viel von einem marodierenden, brandschatzenden Irren, der auf Blut und Gewalt aus war, aber Ldunga hatte ihn ja in dieser Beziehung auch schon enttäuscht. Vielleicht dauerte das Chaos in Belongo einfach schon zu lange. Vielleicht lag es daran, dass die Warlords in Belongo sich der Volksgruppe verbunden sahen, der sie entstammten, was sie eher zu Milizanführern machte. Vielleicht war es die Sesshaftigkeit, die Farmen, die die Warlords in Belongo betrieben, die sie vom Bild in Axels Kopf unterschieden.
Der große Schwarze reichte Axel die Hand. „Direktor Herwig, nehme ich an. Der Mann, der mit nur einem Begleiter eine halbe Stunde gegen das Böse überlebt hat.“
Axel war für einen Moment peinlich berührt, aber so formuliert konnte er nicht widersprechen. „Im Kern richtig, ja.“
„Wo ist Ihr zweiter Mann, der Pilot?“, fragte der Warlord.
„Er ist wegen dem Steckschuss in Behandlung. Drüben auf Ldungas Farm. Er wird es ohne bleibende Schäden überstehen.“
„Das freut mich zu hören, Direktor Herwig. Ist das Ihr legendärer Bruder? Der, der die Ärzte ohne Angst gerettet hat?“
Axel lachte leise. „Mein Bruder ja, aber die Ärzte ohne Angst hat der Chef unserer Infanterie gerettet.“ Er deutete neben sich. „Darf ich außerdem vorstellen: General Shatterfield von den US Army Ranger. Er ist hier für eine Untersuchung der Gefechte.“
Das Gesicht des Warlords verfinsterte sich. „Heißt das, die US Army wird sich wieder aus Belongo zurückziehen?“
Shatterfield reichte dem Mann die Hand, und der ergriff ohne zu zögern. „Das heißt, mein guter Wanagana, dass wir einige Zeit hier bleiben werden und dann weiter schauen. Im Moment beherrschen wir den Luftraum dank unseres Flugzeugträgers vor der Küste Ndongos und der Unterstützung durch die panadianische Luftwaffe. Und ich denke, das wird auch noch einige Zeit so bleiben.“
„Das ist immerhin besser als nichts. Aber Sie werden länger bleiben, Direktor Herwig und General Herwig?“
Niklas räusperte sich verlegen und reichte dem Warlord ebenfalls die Hand. „Major, aber eigentlich Oberleutnant. Ja, es sieht so aus, als würden wir länger hier bleiben, als wir ursprünglich vorgehabt haben.“ Er deutete an Wanagana vorbei. „Ist das der ehrwürdige Imam, der uns angekündigt wurde?“
„Abu. Ja, das ist unser Imam. Der letzte Imam, der in unserer Moschee gepredigt hat, vor über zwanzig Jahren, bevor das Chaos ausbrach und der Riki diese Stadt in einen Hort des Bösen verwandelt hat. Scheik Harun al Burj, um exakt zu sein.“
Heide war nun heran, in ihrer Begleitung der alte Imam und das Mädchen, das ihn stützte.
„Die Moschee, mein Sohn. Beschreibe sie mir. Wie sieht sie aus?“, fragte der alte Mann mit erstickender Stimme.
„Sie sieht gut aus. Das Minarett ist eingestürzt, aber die Wände stehen noch und die meisten Trümmer sind nicht auf die Moschee niedergegangen. Die Tore fehlen, und die Becken wurden zerschlagen, aber der Brunnen steht noch, wenngleich er kein Wasser führt.“
„Das ist besser, als ich zu hoffen wagte“, hauchte der alte Mann. „Verzeihen Sie, meine Herren, aber ich sehe nichts mehr. Welcher von Ihnen ist Axel Herwig?“
Axel trat vor den alten Mann, ergriff dessen Hände und legte sie sich aufs Gesicht. „Ich bin Axel Herwig.“
Der alte Mann nahm die Geste dankbar an und ertastete das Gesicht des Deutschen, so gut er es vermochte. „Ich sehe Sie, Axel Herwig. Sie haben Großes geleistet. Aber was werden Sie jetzt mit der Stadt tun?“
„Das Richtige, schätze ich. Kommen Sie, ich zeige Ihnen meinen Bruder.“ Er ergriff den blinden Mann am Arm und führte ihn zu Niklas. Der ließ sich ebenfalls ertasten. „Es freut mich sehr, auch Sie zu sehen, Niklas Herwig. Ebenso wie Ihrem Bruder bin ich persönlich und ist jeder Mensch in Belongo Ihnen zu tiefstem Dank verpflichtet. Wer ist der dritte Mann in Ihrer Begleitung, den ich atmen höre?“
Shatterfield schnaubte überrascht. „General Hugh Shatterfield von der US Army.“
„So. Sind die Amerikaner heute hier, um uns zu helfen, oder sollen sie uns wieder versklaven?“
Wenn ihn die offenen Worte des Imams entsetzten, zeigte er es nicht. Stattdessen lachte er. „Im Moment, denke ich, sind wir hier, um Ihnen zu helfen. Nehmen Sie das, was dabei Gutes für Belongo passieren wird, einfach an und sehen Sie zu, dass es nicht mehr verloren geht.“
„Ja, das sollten wir tun. Sie sind ein kluger Mann, General Shatterfield“, lobte der Imam. „Glauben Sie an Gott?“
„Ja. Trotzdem.“
„Trotzdem?“, echote der Imam überrascht.
„Trotzdem, obwohl ich in meinem Leben so viel gesehen habe, was mich daran zweifeln lässt, dass ein Gott, der tatsächlich existiert, all dieses Leid zugelassen hätte.“
Der alte Mann nickte. „Ich weiß, was Sie meinen. Und ich stimme Ihnen zu. Ihr Glaube muss rein und stark sein.“ Er wandte sich halb um. „Ich rieche Tote.“
„Die Männer des Riki. Wir haben viele von ihnen töten müssen“, gestand Axel. „Wir werden sie verbrennen, um zu verhindern,dass Seuchen entstehen. Vorher werden wir allerdings die getrockneten Körperteile, mit denen sie sich geschmückt haben, einsammeln und in einem eigenen Grab bestatten.“
Der Imam nickte dazu. „Das ist sehr freundlich von Ihnen, Axel Herwig. Es hätte gereicht, die Körperteile mit zu verbrennen, aber Sie erweisen jenen, denen diese Körperteile geraubt wurden, Respekt. Wenn Sie es erlauben, würde ich gerne das Gebet anführen, wenn Sie die Körperteile beerdigen lassen.“
Die beiden Herwig-Brüder wechselten einen Blick. „Selbstverständlich. Es wäre uns eine Ehre“, sagte Niklas. „Axel, du entschuldigst mich.“ Er zog seine Waffe und ging zwischen Heide und Wanagana hindurch nach Norden, wo sich mehrere Speere Ldungas zusammengerottet hatten. Sie deuteten aufgeregt immer wieder auf die Gruppe der Neuankömmlinge. Verdammt, er hatte Ldungas Speer Franc doch gesagt, er solle seine Männer im Zaum halten.
„Ärger?“, fragte der Warlord.
„Noch nicht“, sagte Axel und beobachtete, wie Niklas zur Gruppe Speere aufschloss. Es entsponn sich eine kurze, aber recht laute Diskussion, die damit endete, dass die Männer – glücklicherweise im Moment nicht mit ihren belgischen Sturmgewehren ausgerüstet, da sie geholfen hatten, die Toten zusammenzutragen – mit Axel an der Spitze zurückkehrten.
„Diese Männer wollen mit dem Scheik sprechen“, erklärte Niklas.
Der blinde alte Mann wirkte überrascht, aber er fasste sich schnell und lächelte strahlend. „Lassen Sie die Kinder zu mir kommen, Niklas Herwig.“
Die folgende Szene hatte etwas irritierendes für Axel. Die Männer waren Speere Ldungas, Lulugengo, dem Volksstamm zugehörig, den Wanagana einst vertrieben hatte, um das Land für seinen Kelegaba-Volksstamm nutzen zu können. Er hatte mit einigen von ihnen Seite an Seite gekämpft und diese Stadt mit ihnen vom Riki befreit. Aber er hatte erwartet, dass sie gegenüber Wanagana aufgebracht reagieren würden. Oder versuchen würden, ihn zu töten. Aber der alte Mann schien eine besondere Schlüsselfigur darzustellen, denn die Männer knieten sich nacheinander vor den Imam am Boden nieder und empfingen seinen Segen.
„Das ist nicht muslimisch, sondern afrikanisch“, erklärte Heide. „Ich musste auf diese Weise fast einhundert von Wanaganas Speeren segnen, weil sie mich plötzlich für eine Prophetin gehalten haben.“
In Axels Kopf machte es laut und vernehmlich Klick, laut genug, dass sogar Shatterfield es hatte hören können. Niklas, der den gleichen Gedanken bereits gehabt hatte, nickte seinem Bruder zustimmend zu. Der alte Imam konnte – und er würde – für Belongo, aber auf jeden Fall für Keounda City zu einem stabilisierenden Element werden, wenn man ihn ließ. Als diese Runde an Speeren ihren Segen erhalten hatte, machte sich Axel klar, dass die Ankunft des Imams über den Latrinenfunk längst zum Ostteil der Stadt auf der anderen Seite des Flusses geschwappt sein musste. Was bedeutete, dass jene Speere, die sich berufen fühlten und gerade Freizeit hatten, ebenfalls hierher kommen würden. Lange konnte das nicht mehr dauern.
„Ich hole Ldunga“, sagte Niklas zu seinem Bruder. Er sah Wanagana an. „Es ist nötig, dass Sie mit ihm reden. Auch wegen der Stadt.“
Der Warlord nickte zustimmend.
Axel trat nun an die Seite des blinden Mannes. „Abu“, so hatte Wanagana ihn genannt, und es hatte gut in Axels Ohren geklungen, „es werden bald mehr Männer kommen und sich wünschen, von Ihnen gesegnet zu werden. Wollen wir nicht in die Moschee gehen?“
„Darf ich das tatsächlich?“, fragte der alte Mann zweifelnd. Tränen netzten sein Gesicht. „Oh Allah, darf ich das? Darf ich zurückkehren, während so viele es nicht mehr vermögen?“
„Sie müssen sogar, Abu, um eben diese Menschen zu ehren. Und Sie müssen in der Moschee predigen.“
Bei diesen Worten brach der alte Mann fast zusammen, aber das Mädchen, das mit Wanagana gekommen war und Axel selbst griffen geistesgegenwärtig zu. „Ich bin nicht sicher, ob ich dafür noch würdig bin, nachdem ich die Moschee all die Jahre in Stich gelassen habe.“
Axel lachte leise. „Wer sonst sollte es tun, wenn nicht Sie? Wir haben keinen anderen Imam hier, Abu.“ In Heides Richtung gewandt sagte er: „Und wir sollten schnell hinein gehen, bevor die nächsten muslimischen Speere kommen.“
„Oh, nicht alle Männer waren Moslems“, sagte der Imam. „Sie kamen vor allem zu mir, weil ich der letzte lebende Offizielle bin, der einst diese Stadt vertreten hat. Deshalb haben sie meinen Segen gewünscht.“
„Dann sind Sie also eine Legende“, stellte Axel fest.
„Eher eine Hoffnung“, wandte Wanagana ein. „Eine Hoffnung dafür, dass Keounda City eines Tages vom Bösen befreit wird und wieder jene Stadt werden kann, die sie einst war. Nun, vom Bösen befreit haben Sie die Stadt ja schon mal. Was den Rest angeht, so hätte ich schon ein paar Ideen, die wir besprechen sollten.“
„Das sollten wir. Später. Jetzt gehen wir erst einmal in die Moschee“, sagte Axel. Noch während er dies sagte, sprinteten die fünf Speere Ldungas los und liefen an ihnen vorbei. Aber nicht in Richtung Moschee, sondern zur großen Autobrücke der Stadt. „Was...?“
„Sie holen Wasser, denke ich“, erklärte der Warlord. „Die Becken sind zerstört und der Brunnen führt kein Wasser mehr. Also werden sie wohl passende Behälter suchen und Flusswasser bringen. Sie sind kein Muslim, nehme ich an?“
„Nein“, gab Axel unumwunden zu. „Erklären Sie mir, warum das Wasser?“
„Man betritt eine Moschee barfuß. Zuvor aber wäscht man sich die Füße. Es ist ein Reinigungsritual.“
„Oh.“ Axel wirkte verlegen. „Abu, ich muss gestehen, wir haben die Moschee als Stützpunkt benutzt. Meine Soldaten und die Amerikaner schlafen in ihr, und wir haben auch aus ihr heraus gekämpft. Aber keiner hat die Stiefel ausgezogen und sich die Füße gewaschen.“
„Oh, das ist doch nicht so schlimm. Rituale sind für eine Zeit gedacht, in der man sie sich leisten kann, ohne Leib und Leben zu gefährden, Axel Herwig. Und eine Moschee ist für Menschen gemacht, nicht für Rituale. Ihre nächste Frage wird sicherlich sein, ob Sie die Soldaten aus der Moschee befehlen sollen, aber das wird nicht nötig sein. Bis wir sie in dem Sinne nutzen können, für den sie erbaut wurde, vergeht noch eine gewisse Zeit. Dann können wir immer noch darüber sprechen, ob und wann Sie uns die Moschee übergeben.“
„Danke. Das wäre in der Tat meine nächste Frage gewesen. Aber, und das ist die gute Nachricht, ich denke, dass wir sie nicht mehr lange als Unterkunft brauchen werden. Jetzt, wo der Riki vertrieben ist, ist es in Keounda City sehr viel sicherer, und hier am Westufer sowieso.“
„Wir werden ohnehin besser eine Zeltstadt auf dem Vorplatz errichten“, sagte Shatterfield. „Die Ranger sind dafür ausgerüstet, und ich denke, Belongo Mining wird uns mit Material unterstützen. Morgen könnten Sie Ihre Moschee bereits wieder für eine Predigt nutzen, Scheik Harun.“
„Ah, ah, nicht so viele gute Nachrichten auf einmal. Mein Herz macht die Aufregung nicht mehr so gut mit“, sagte er weit fröhlicher, als die Worte vermuten ließen. „Axel Herwig, wie sieht es innen aus?“
Axel druckste verlegen. „Der Altar ist leider weg. Die Männer des Riki müssen ihn fortgeschafft haben.“
„Der... Altar?“
„Ja, Abu. Der Altar ist weg.“
„Ach so. Jetzt verstehe ich.“ Der alte Mann lachte so sehr, dass er sich mit der Linken Tränen aus den Augen wischte. „Steht die Treppe noch? Sie sollte an der Ostwand stehen und zu einer kleinen Kanzel führen.“
Der ältere Herwig-Bruder strengte sein Gedächtnis an. „An die Treppe erinnere ich mich, ja. Sie steht noch. Die Kanzel habe ich nicht gesehen, wie ich zugeben muss.“
„Und die... Die Mulde? Sie muss ebenfalls in die Ostwand eingelassen sein. Sie ist mannshoch und verkleidet.“
„Die grüne Nische? Ja, die ist noch da.“
„Alluah akhbar. Sind Sie bereit, heute etwas über meinen Glauben zu lernen, Axel Herwig?“
Axel sah den alten Mann erstaunt an, dann aber drückte er mit der Rechten die Hand des Imams, die auf seinem linken Unterarm ruhte. „Ihnen zuliebe will ich das, Abu.“
„Dann wollen wir nicht zögern. Aber lassen Sie uns auf die jungen Männer warten, die Wasser holen wollen. Wir sollten ihre Mühen nicht nutzlos werden lassen, indem wir hasten.“
„Natürlich, Abu.“ Axel irrte sich selten, wenn er einen Menschen einschätzte, auch wenn er weder ihre Gedanken lesen, noch in ihre Zukunft sehen konnte. Und jetzt war er sich sehr sicher, dass dieser alte Mann sehr, sehr wichtig für die Zukunft der Stadt und auch für ganz Belongo sein würde.

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Später erinnerte sich Axel nicht mehr an alle Details, aber er wusste, dass die Speere Ldungas und auch die Deserteure, die bereits frei herumlaufen durften, also einige von ihnen, Wasser aus dem Fluss geholt hatten, mit dem sie dem alten Imam die Füße gewaschen hatten. Dass Abu darauf bestand, dass Axel ihn begleitete, hatte er sich auch die Füße waschen wollen, aber die Speere Ldungas hatten sich fast mit den Deserteuren darum gestritten, wer die Ehre bekommen sollte, „le Grand Général“ Axel eben genau diese seine Füße zu reinigen. Schließlich, bevor es zu Handgreiflichkeiten kommen konnte, einigten sie sich darauf, dass die Deserteure stattdessen Wanagana, der einen hohen Rang innehatte, diese Ehre erwies – und dem „Immortel“, wie Hannes bei ihnen hieß, weil der Tod ihn schon so oft verschmäht hatte. Die Speere hingegen hielten diesen Ehrendienst für ihn ab.
Zusammen mit weiteren Einheimischen muslimischen Glaubens, niemand unterschied hier die Gläubigen in irgendeiner Glaubensrichtung, und keinen interessierte es wirklich, ob nur direkte Abkömmlinge Mohammeds oder lediglich dessen Verwandte Scheiks sein durften oder nicht, betrat Axel also barfuß die Moschee, geführt vom blinden alten Abu. Als sich Axel absondern wollte, da er am Ritual nicht teilnehmen würde, bestand Abu darauf, dass der Deutsche ihn zur Nische führte. Hannes trat neben die Gläubigen unter den Wandbalkon und verharrte dort. Da er fließend arabisch sprach und mehr über diese Kultur gelernt hatte, wusste er wahrscheinlich mehr über dieses Ritual, als Axel je erfahren hatte und jetzt einem Crashkurs gleich lernen musste.
Kurz befürchtete Axel, vom alten Mann instrumentalisiert zu werden, was nicht sehr klug gewesen wäre, da das Christentum in Belongo stärker vertreten war als der Islam, aber diese Bedenken zerstreuten sich sehr schnell, denn der alte Imam begann zwanglos zu sprechen, während sich die Gläubigen hinter ihnen im Gebetsraum in langen Reihen ordneten.

„Religion. Ein großer Teil meines Lebens hat sich um Religion gedreht. Ich habe Menschen im Namen der Religion töten gesehen, ich habe sie Leid und Kummer über andere bringen sehen, und immer taten sie es, weil Allah es ihnen befohlen hat. Gott. Manche Menschen sind so gut darin, die Stimme Gottes zu hören und seinen Willen zu empfangen, man möchte ehrfürchtig niederknien und sie anbeten – bis man bemerkt, dass der Wille Gottes dem Willen dieser Menschen empfindlich nahe kommt.“
Axel lachte leise bei diesen Worten, verstummte jedoch sofort wieder. „Verzeihung.“
„Es gibt nichts zu verzeihen, mein guter Axel. Weißt du, mein Junge, als ich noch jung war, noch viel jünger als du, da habe ich gesehen, da habe ich geahnt, dass Allah tot sein muss. Denn wenn er diese Welt so gemacht hatte, wie sie war, dann musste er gleichgültig sein. Und wenn er es zugelassen hatte, weil er es nicht verhindern konnte, dann musste er machtlos sein. Ich war ein Atheist, und ich habe oft und laut gegen den Glauben gesprochen, sei es nun gegen den der Christen oder gegen den der Moslems.“
„Und dennoch sind Sie Imam“, wandte Axel ein.
„Und dennoch bin ich Imam. Ich hätte auch ein Priester werden können, ein Rabbi oder ein Naturschamane, aber es ist dann doch der Islam geworden. Es ist nicht so, dass ich eine Erleuchtung hatte. Es ist einfach so, dass ich eines Tages erkannte, dass Gott doch existiert. Er existiert nämlich dann, wenn die Menschen an ihn glauben, und er wird stärker, je mehr an ihn glauben. Und dann... Dann wird Gott das, was die Menschen sind. Er wird ein boshafter Gott, wenn die Menschen boshaft sind, und er wird ein gnädiger, vergebender, gutmütiger Gott, wenn die Menschen, die ihn anbeten, gnädig, vergebend und gutmütig sind. Wo also kann ein Atheist ansetzen, wieder zu Gott finden und den Glauben verbreiten?“
Axel dachte kurz nach. „Indem er mit gutem Beispiel vorangeht. So wie Franz von Assissi.“
„Richtig. So wie der Begründer der Franziskaner. Er predigte Verzicht und gründete den Orden der Bettelmönche. Er war der Erste, der den Tieren predigte. Und er war ein aufgeschlossener, toleranter Mann, der hergab, was weltlich war, um die Armut zu leben, die das Neue Testament den Menschen eigentlich auferlegt hatte. Aber es ist, wie es immer ist: Alle Menschen sind gleich, aber manche sind eben gleicher als die anderen. Und dann gibt es Gewalt und Tod. Und alles rollt nach dem gleichen Muster ab. Jemand tut einem anderen Unrecht, und niemanden interessiert es. Das merkt der Jemand, und er begeht wieder Unrecht. Und wieder, und wieder, und wieder. Dadurch mehrt er seine Macht, seinen Einfluss und auch sein Vermögen. Und irgendwann gibt es andere, die für ihn Unrecht begehen, und je mehr Unrecht geschieht, desto größer wird die Zahl jener, die ihm folgen und Unrecht begehen. Und dann hat dieser Jemand sogar Menschen, die an seiner Statt sterben und sich auch noch gut dabei fühlen.“
„So entstehen Kriege.“
„So entsteht alles, was nicht im Sinne des Friedens und der Freiheit ist. Aber es ist falsch zu glauben, man könne nur ganz unten anfangen, oder es würde reichen, die ganz oben zu bekämpfen. Nein, man muss auf allen Ebenen, von der kleinen Ungerechtigkeit bis zur großen alles zugleich bekämpfen. Wobei „bekämpfen“ das falsche Wort ist. Man muss die Ungerechtigkeit aufzeigen, sie bloßstellen, den Menschen klar machen, dass dies nichts Gutes ist. Wenn sich diese Meinung durchgesetzt hat, dann hat man die Welt verbessert. Und Gottes Wort ist ein guter Weg, um dies zu tun. Allahs Stimme wird gehört, mein Sohn, meine Stimme wird gehört. Darum habe ich den Lebensweg gewählt, den ich bis hier gegangen bin. Ich wollte zur Stimme Allahs werden, in seinem Sinne predigen, die Worte des Propheten verbreiten und die Menschen lehren, dass die Liebe des barmherzigen Samariters für einen halb tot geprügelten Fremden besser und erstrebenswerter ist, als einem Dieb eine Hand und einen Fuß abzuhacken.“
Der alte Mann lachte. „Weißt du, warum die Scharia gebietet, einem Dieb müssen diese beiden Gliedmaßen abgehackt werden, damit er nie mehr rauben kann? Weil im Islam das Gebot der Nächstenliebe gilt. Jeder, der etwas hat, gibt einen Teil davon an jene, die weniger oder nichts haben. Man kümmert sich um Alte, Kranke, Arme, Bettlägrige, Waisen und jene, die in Not geraten sind. Es ist das Gebot des Herrn. Und in einer Gesellschaft, in der sich alle um alle und jeden kümmern, ist ein Dieb ein Mensch, der sich bewusst dazu entschieden hat, Kummer und Not über andere Menschen zu bringen. Deshalb wird an ihm diese weltliche Rache begangen.“
Axel wollte etwas sagen, aber da fuhr der Imam bereits fort. „Doch was ist, wenn es eine Gesellschaft gibt, in der sich jene, die haben, nicht um jene kümmern, die nichts haben? Wenn denen, die in Not geraten sind, nicht geholfen wird? Was kann man dann zu einem Dieb sagen, der stiehlt, um nicht zu verhungern? Ist da die Strafe, einen Fuß und eine Hand abzuhacken, noch gerecht? Oder ist die ganze Gesellschaft schuldig, weil sie es nicht geschafft hat, diesem einen Menschen zu helfen, damit er nicht die Sünde des Diebstahls begehen musste? Es gibt so viele bigotte Menschen dort draußen, die sich wer weiß was auf sich einbilden und darauf, welches Gewicht ihre Taten haben, die sich und ihren Reichtum ständig bedroht sehen und die auf den kleinsten Verdacht hin denken, sie könnten wie Rachegötter auf andere hernieder fahren. Und ja, sie denken, dass jene, die arm oder im Unglück gefangen sind, zu Recht dort sind und sie ihnen bestenfalls ein paar Krumen vom Tisch herüberfegen müssen. Denn der Rest liegt in Allahs Hand, nicht in ihrer. Aber haben sie je daran gedacht, dass diese Menschen in Not sind, weil Allah über sie wacht und will, dass diesen Menschen geholfen wird? Von jenen, die mehr haben? Damit nicht nur ihnen geholfen wird, sondern auch den Spendern? Damit für uns alle die Welt besser wird?“

Der Imam lächelte. Seine Hand griff nach Axels Wange und tätschelte sie. „Ich sehe, du verstehst. Ja, ich bin blind, aber die Augen meines Herzens sehen, dass du verstehst. Denn du, Axel Herwig, bist einer von denen, die mehr haben, und der gerne und ohne zu fragen, wo dein Vorteil liegt, an jene gibt, die weniger haben. Für dich, mein Junge, hat Allah einen Weg bestimmt, und du gehst ihn. Schreite weiter auf ihm aus, und bedenke, für jeden Schritt, den du meisterst, werden auf dem Weg beim nächsten Schritt größere Hindernisse liegen. Menschen, die meinen, ihr Reichtum und ihre Macht wären ihr naturgegebenes Recht, werden versuchen, dich zu vernichten, oder zu einem von ihnen zu machen. Du bist ihr natürlicher Feind. Und, auch das sage ich dir, Axel Herwig, wenn du eines Tages scheiterst, nachgibst, so wirst wie deine Feinde, dann schau zurück und sieh dir an, was du besser gemacht hast als sie, welchen Unterschied du gebracht hast. Dann sei stolz darauf, was du erreicht hast, wie vielen Menschen du das Herz erleuchtet hast.“
„Abu, Sie denken, ich werde scheitern?“
Der alte Mann lachte, aber es war ein leises, wehmütiges Lachen. „Ehrlich gesagt weiß ich es nicht. Bist du stark genug, um gegen die großen Konzerne der USA zu bestehen? Gegen ihre Gesetzgebung, gegen die Waffen ihres Militärs? Kannst du verhindern, dass die EU unsere Rohstoffe ausbeutet, und dafür unsere Märkte mit Billigwaren überschwemmt, die eine eigene Industrie und damit Arbeit im Land obsolet machen? Bietest du China die Stirn und verhinderst, dass ihre noch billigeren Waren all jene hinfortschwemmen, die bis dahin mit Ressourcen dieses Landes produziert haben, für die Menschen dieses Landes? Nein, selbst ein Axel Herwig wird irgendwo an seine Grenzen stoßen. Er wird sich und seine Politik anpassen müssen. Er wird nachgeben. Aber niemand wird es dir je nachtragen, mein Sohn, denn bis dahin hast du bereits Großes erreicht.
Sieh mich an, ich habe nicht mehr damit gerechnet, jemals wieder in dieser Moschee zu stehen und das Gebet zu leiten. Nie wieder. Ich habe gehofft, man würde einst meine Gebeine hier bestatten, Jahre oder Jahrzehnte nach meinem Tod. Aber dann kamst du und wirktest ein Wunder. Ich weiß es nicht, wie weit du kommen wirst. Aber es wird schwerer werden, nicht leichter. Auf keinen Fall leichter. Doch jeder deiner Schritte auf dem Weg wird bewundert werden.“

Der Imam berührte die Innenseite der ausgekachelten Nische, und Tränen strömten seine Augen hinab. „Ich hätte es verdient gehabt, nie wieder hier zu stehen, nie wieder meine Stimme zu erheben. Denn ich war es, der für den Zerfall Belongos verantwortlich ist. Ich war es, der den Staat zerstört hat.“
Lautes Raunen der Gottesdienstgemeinde zeugte, dass die Speere nicht der Meinung des Scheiks waren, aber der alte Mann hob eine Hand, und sie verstummten. „Doch, es war meine Schuld. Als sich die Wagondas mit ihren Nachbarn prügelten, da tat ich dies ab als ihr Problem, denn sie waren alle Christen, und sie waren weit weg von der Hauptstadt. Dann wurden die Kelegaba von den Wagonda über den Fluss gejagt, aber auch das war weit im Norden, und ich sagte mir, ich als Imam kann den Christen nicht predigen, damit sie ihre eigenen Gebote einhalten. Dann vertrieben die Kelegaba die Lulugengo nach Süden, und der Konflikt erreichte damit unsere muslimischen Dörfer und Gemeinden. Da wusste ich, dass ich in meiner Angst, unwürdig als Vermittler und Prediger für die Christen zu sein, meinen allergrößten Fehler begangen hatte. Ich hatte die Aufgabe, die Allah mir auferlegt hatte, nicht erkannt. Und bevor ich eine Chance bekam, es zu korrigieren, besser zu sein, da griff Ndongo an, zerschlug das, was wir an Militär besaßen und noch nicht in den Konflikt hineingezogen worden war, zerstörte Keounda City und trieb uns fort aus der Stadt.
Tausende starben an diesem einen Tag, viele wurden verletzt, so auch ich. Ich verlor mein Augenlicht und lebe seither in der Dunkelheit. Aber ich war nicht allein, denn obwohl viele alles verloren hatten, ihr Hab, ihr Gut, ihre Anverwandten, so halfen sie doch mir, der noch weniger hatte als sie. Ich wurde nicht abgetan und als Überflüssiger liegengelassen. Sie halfen mir, waren meine Augen, meine Begleiter, bis ich bei den Kelegaba Aufnahme fand. Dort, im Exil von der Hauptstadt, wurde mir erlaubt, mein Wort an meine Gemeinde zu richten, und viele Kelegaba konvertierten. Nicht, dass ich nur einen Tag gesagt hätte, dass ich mir wünsche, dass die Menschen Moslems werden. Sie kamen, um mich zu hören, mich zu sprechen. Und sie wechselten, um mir nahe zu sein, selbst wenn sie hunderte Kilometer von mir entfernt waren... Denn dies ist die einzige Form der Missionierung, an die ich glaube und die ich gestatte: Durch Vorbild.“
Axel nickte ergriffen. Hätte ihn jemand gefragt, in diesem Moment wäre er vielleicht bereit gewesen, zu konvertieren. Aber nicht zum muslimischen Glauben, sondern zum Glauben und zu Ehren dieses einen Mannes, der ihn beeindruckte, wie nie ein anderer Mensch es zuvor geschafft hatte. Und er kannte die gesamte Familie Herryhaus!
„Denke nicht an Christentum, nicht an Buddhismus, nicht an den Islam, nicht an das Tao, nicht an die Lehre der Hindu, oder welche Religion sonst in deinen Sinn kommt. Religion ist immer nur ein Werkzeug, aber nie das Ziel. Darum denke nie daran, welche Religion die bessere sein könnte, denke einfach daran, die Religionen zu respektieren, weil Menschen sie praktizieren. Und jeder Mensch, egal welcher Religion er folgt, ist eben ein Mensch mit einem Vater, einer Mutter, mit Großeltern, vielleicht mit Geschwistern oder gar eigenen Kindern. Jeder Mensch hat ein Leben, das er leben möchte, und dies so gut wie möglich. Und jedem sollte dieses Leben von Herzen gegönnt sein, und zwar genauso lange, wie er dieses Leben auch jedem anderen gönnt. Hast du dein Herz im Christentum gefunden, dann sei es so. Bist du Shintoist, dann sei es so. Denkst du, du müsstest den besonders strengen Lehren der Wahabiten folgen, dann sei es so. Glaubst du, Religion ist nur Opium für das Volk, dann denke dies ruhig. Aber verinnerliche stets, dass Menschen hinter den Religionen stehen. Menschen wie du. Menschen wie ich.“
Axel nickte zustimmend. Der Moment war vorüber. Aber er hatte wohl verstanden, was Abu ihm hatte nahebringen wollen. Es war etwas, was er schon lange selbst gewusst hatte, aber manche Dinge, manche Tatsachen gewannen an Bedeutung, an Dringlichkeit, sobald ein anderer sie aussprach, und wenn man diese Person respektierte.

Den Rest des islamischen Gottesdienstes, das Salt, begleitete er wie in einem Traum. Er half dem alten Mann die Treppe hinauf, damit er von der dritthöchsten Stufe zu den Gläubigen sprechen konnte, und er erkannte, dass die Lektion, die Abu ihm erwiesen hatte, bereits die Predigt gewesen war, die er über Axel an alle gerichtet hatte. Er war Zeuge, wie die Gläubigen das rak'a vollzogen, die traditionelle Verbeugung gen Mekka, und er hörte den alten Imam aus dem Koran rezitieren, rein aus seinem Gedächtnis. Wie und in welcher Reihenfolge all dies geschah, konnte er hinterher nicht mehr sagen, da würde er den wesentlich entspannteren Hannes befragen, aber er wusste, dass er weder diesen Gottesdienst, noch den alte Scheik je wieder vergessen würde. Und er fühlte sich bestärkt in dem Weg, den er bis hierhin gegangen war. Das Wichtigste aber war, dass er erkannt hatte. Es war keine religiöse Offenbarung, es war eine weltliche gewesen. Er hatte verstanden. Er würde einen Unterschied machen. Er, und ein jeder, der ihm folgen würde. Und dies würden sie tun für die Menschen in diesem Land. Es würde schwierig werden, es würde Opfer fordern, sie würden sich mit Mächten anlegen müssen, deren Gefährlichkeit sie noch gar nicht abschätzen konnten, aber sie würden es tun. In den kleinen Dingen ebenso wie in den großen Taten. Weil es gemacht werden musste. Nicht, weil Gott ihn auserwählt hatte, oder weil das Schicksal ihn bestimmt hatte, nein, sondern weil er in die Lage gekommen war, genau das zu tun.

Als er wieder vor der Moschee stand und sich mit seinen Socken abmühte, kam Hannes zu ihm. „Und? Hast du erwartet, dass das Gebet der Muslime so ablaufen würde? Wenn man bedenkt, dass es ganz zu Anfang seiner Geschichte Mohammed dazu gedient hat, seine Truppen einschwören zu können, ist es kulturell einen weiten Weg gegangen, nicht?“
Axel sah auf und blickte den KSK-Mann an, als kenne er ihn gar nicht. Dieser bange Moment dauerte mehrere Sekunden, als in Hannes Malicke schon Panik und Sorge um den Freund aufstieg. Ja, Freund, das war er mittlerweile für den Elite-Soldaten. Doch Axels Blick klärte sich wieder, kam zurück aus weiten Fernen und erkannte Hannes. „Ich habe vieles erwartet und dann doch nichts. Hannes, warum haben wir die Ärzte ohne Angst befreit?“
„Weil wir es konnten“, erwiderte er irritiert.
„Warum haben wir Ngali die Wasserpumpe geschenkt, warum dort das Hospital errichtet, die Felder von Minen befreit?“
„Weil wir es konnten. Und weil Meike uns die Hölle heiß gemacht hätte, hätten wir ihr nicht die Gelegenheit gegeben, die Bevölkerung zu versorgen.“
Axel konnte nicht anders, er musste grinsen. „Und warum“, fragte er schließlich, „haben wir die Minenwölfe gekauft und lassen sie in anderen Dörfern die Felder von Antipersonenminen reinigen?“
„Weil die Minenwölfe effizient, leicht zu transportieren und gemessen an ihrer Aufgabe billig sind.“ Hannes dachte einen Augenblick nach. „Weil wir es können, natürlich.“
Axel schlüpfte in seine Stiefel und reichte dem großen Elitesoldaten die Hand, damit er ihn auf die Füße zog. Als der ältere Herwig-Bruder stand, nickte er gewichtig. „Wie viel ist vom Monat noch über?“
„Wir sind eine Woche hier. Und schau dir an, was wir erreicht haben.“ Stolz klang in Hannes' Stimme mit, als er das sagte.
„Und wann musst du wieder zurück? Wann muss Niklas wieder zurück?“
„Warum fragst du das?“
Axel lächelte. „Weil mich meine Aufgabe gefunden hat. Ich werde hier Großes tun. Oder groß scheitern.“
Hannes Malicke schmunzelte. „Ich schätze, aus dem Monat ist ein Jahr geworden, was?“ Er klopfte Axel auf den Rücken, und zwar kräftig. „Geh voran, und ich folge dir solange, wie mein Gewissen und meine Vorgesetzten es erlauben. Falls sie mich nach der ganzen Belongo-Geschichte nicht schon als Deserteur führen.“ Die letzten Worte hätten bitter klingen können, aber das taten sie nicht. Der KSK-Offizier hatte sie mit Humor ausgesprochen.
„Wir werden sehen, was passiert“, brummte Axel. „Ich denke, wir sollten uns diese belgischen Straßen ansehen, auf denen der panadianische Pilot notgelandet ist. Ich kann mir vorstellen, sie zu flicken oder an ihrer Stelle eine neue Straße zu bauen. Zuerst von der Mine bis nach Keounda City, und dann runter bis Panadia.“
„Da ich dich kenne, und da ich deine Gedanken kenne, weiß ich zwei Dinge“, sagte Hannes. „Erstens, du meinst das bitterernst. Zweitens, es wird so geschehen, wie du es gerade gesagt hast.“
Axel grinste schief, Hannes grinste zurück. Und hinter ihnen stand der alte Imam mit einem Lächeln.
***
„Wie war der Gottesdienst?“
Axel sah auf, als er die Stimme des Mannes hörte, der wegen ihm und seinem Co-Piloten angeschossen worden war und der zwanzig seiner Leute im Höllenfeuer des Napalms verloren hatte.
„Wie war die Inspektion?“, erwiderte er.
Wie und wann sich Jason die Krücke besorgt hatte, wusste Axel nicht; einer der Hubschrauber musste sie mitgebracht haben. Oder er hatte sie von Ldungas Farm mitgenommen, als er sich zu Meike hatte rausfliegen lassen. Jedenfalls war sie aus dem Bestand von Belongo Mining, und Belongo hatte einen ungeheuren Bedarf an deutschen Krücken. Kinderlähmung war in diesem Land auf dem Vormarsch, und viele der Überlebenden litten an Muskelschwäche und anderen Behinderungen wie Lähmungen der Gliedmaßen oder des Atemapparats, die jede kleine Hilfe zum Gottesgeschenk machten. Mit Meikes Impfkampagne würde das Horrorgespenst Polio hoffentlich ein Ende haben. Zumindest hoffte Axel das.
„Gut. Ziemlich gut. Frost hat unser Vorgehen gelobt, unsere Zusammenarbeit mit den Marines und natürlich die Zusammenarbeit mit Belongo Mining. Was die Speere Ldungas angeht, so hat sie sich dazu durchgerungen, ihre Anwesenheit zu tolerieren, bis der alte Wolf eine Entscheidung getroffen hat.“
„Das ist ein bisschen wenig, oder? Ldungas Leute haben uns mehr als einmal aus der Patsche geholfen. Zum Beispiel, als sie den nördlichen Wald von Panzerfaustschützen des Riki gesäubert haben.“
„Ich habe mir die Freiheit genommen, Captain Frost ausdrücklich darauf hinzuweisen und auf eine lobende Erwähnung bestanden. Sie hat mir geantwortet: „Legen Sie Ihre Hand dafür ins Feuer, dass diese Kerle zu kontrollieren sind und nicht bei erstbester Gelegenheit über uns herfallen?“ Tja, darauf habe ich geantwortet.“
Axel sah den Ranger interessiert an. „Und was waren deine Worte, Jason?“
„Ich habe ihr das gesagt, was sie hören will. Nämlich, dass Ldunga so lange unser wichtigster Verbündete in der Nähe von Keounda City sein wird, wie Belongo Mining mit ihm verbündet sein wird.“ Er klopfte Axel auf die Schulter. „Das wiederum bedeutet, dass du, mein Vorzeigedeutscher, hiermit unser wichtigster Verbündeter in dieser Region bist.“
„Na danke. Ich freue mich.“
„Und sie hat sich sehr lobend über euer Lager ausgelassen. Sie hat durchblicken lassen, dass der General eine zweite Maschine rankommen lassen könnte, die euch dabei hilft, zum Beispiel Wohncontainer zur Mine zu schaffen. Nachdem Ihr die Massengräber ausgehoben und gefüllt habt.“
Axel wurde blass, als Scott ihn an den Angriff der Söldner auf die Mine erinnerte. Er war nicht da gewesen, als es passiert war. Er hatte nicht helfen, nicht koordinieren können. Es hatte Verletzte gegeben, und eine Menge Tote auf der anderen Seite. Die Leichen mussten bestattet werden, bevor der Verwesungsprozess einsetzte und die toten Körper zum Nährboden für Epidemien werden konnten. Und jemand musste eine Messe für die Toten abhalten. Nicht, dass er religiös erleuchtet worden war, aber diese eine Erfahrung mit Abu hatte ihn daran erinnert, wie Respekt aussah. Und selbst wenn sie von ehrlosen, geldgierigen, marodierenden und mordenden Söldnern überfallen worden waren, so war doch ein jeder von ihnen der Sohn eines Vaters und einer Mutter. Er war geliebt worden, bis sein Leben in diese Richtung gedriftet war, ob mit seinem Willen oder dagegen. Zudem hieß es, dass der Tod alle Rechnungen beglich. Also hatte Axel kein Problem damit, zu beweisen, was für ein verdammt guter Mensch er doch war und den Toten ein ordentliches Begräbnis mit einem ordentlichen Gebet zukommen zu lassen. „Ach ja. Wir brauchen einen Geistlichen. Kannst du mir damit aushelfen?“
„Frag den Scheik.“
Axel schnaufte. „Den alten Mann, jetzt, wo er gerade wieder in seiner Stadt, in seiner Moschee sein darf, sofort wieder losreißen und woanders hinschicken? In eine Sache hinein, für die er gar nicht zuständig ist?“ Der Deutsche schüttelte den Kopf. „Nein, Jason.“
„Wie wäre es dann mit einem Geistlichen von der Flotte?“, fragte Major Michael. „Freut mich, Sie persönlich kennen zu lernen, Belongo 1.“
Axel wollte sich erheben, aber der stämmige Marine winkte ab und ging in die Hocke, um ihm die Hand zu reichen.
„Freut mich ebenso, Marine 1. Ein Geistlicher von der Flotte?“
„Wir werden ein paar Versorgungsflüge zur Flotte machen, je nachdem, was die Lage in Ompala City zulässt. Ich kann für einen Feldkaplan garantieren. Und Washington würde es sicher gerne sehen, wenn Ihre Toten, Scott, die letzte Ölung bekommen würden.“
„Apropos. Wie sieht es in Ompala aus?“, hakte Scott nach.
„Wir haben rausgeflogen, was rauszufliegen ging. Jetzt sind nur noch der Botschafter, die Marines der Botschaft, unsere Marines, ein Haufen Mitarbeiter, die nicht evakuieren wollten oder die nicht mehr an Bord der Ospreys gepasst haben, sowie noch eine ganze Reihe europäischer und einheimischer Zivilisten in der Botschaft. Es gab einen ersten Zusammenstoß mit den Einheimischen, bei dem wir einen CIA-Agenten lebend bergen konnten. Im Austausch gegen die berühmteste braune Brause der Welt.“
„Pepsi?“, riet Scott.
„Ignorant. Coca Cola natürlich. Ein paar Paletten davon, und der Mob wurde zur Party.“ Michael grinste schief. „Seither lässt der alte Haifisch an Coladosen nach Ompala City bringen, was er zu fassen bekommt. Falls der Transport durchkommt, können wir ein paar Tausend Zivilisten bestechen. Und falls der Transport es zurückschafft, können wir die europäischen Zivilisten und hoffentlich die Frauen und Kinder evakuieren, die in die Botschaft geflohen sind. Wenn sich die Black Stars nicht einmischen... Und wenn der Mob nicht handgreiflich wird. Wenn die Miliz nicht eingreift. Wenn die Armee nicht mit Panzern ankommt.“
„Frauen und Kinder?“, fragte Axel. „Keine europäischen?“
„Das Schlimmste, so hat man mir gesagt, werden die Hetzjagden auf Angehörige der Stämme aus Belongo sein, die in Ompala City als Wanderarbeiter leben. Der Mob besteht zu großer Mehrheit aus Angehörigen der herrschenden Clans und der Westküste. Vor ein paar Jahren gab es eine ähnliche Situation, und etliche Unschuldige wurden gelyncht, nur weil sie im falschen Stamm geboren wurden. Da war so ein Gerede von wegen, die „Einwanderer würden ihnen die Arbeit wegnehmen“, und so weiter. Der eigentliche Grund war aber eine Mehrwertsteuererhöhung, die die Leute frustriert und auf die Straße getrieben hat. Der herrschende Clan hat die Wut dann in die richtige Richtung gelenkt... Jedenfalls sind damals inoffiziell eine Menge Zivilisten in die US-Botschaft geflohen, und der gute Hayle hatte genug Eier in der Hose, um die Marines mit aufgestecktem Bajonett Flagge zeigen zu lassen, selbst als der Mob die Herausgabe ihrer, nun, Feinde forderte.“
„Respekt vor diesem Mann“, sagte Axel. „Ich nehme an, die ersten Männer und Frauen haben sich erneut an die Botschaft gewandt?“
„Ja. Und es wird nahezu unmöglich sein, sie zu evakuieren. Das Schlimmste daran ist, dass, geht der Botschafter, werden auch die Marines abgezogen. Wir werden dann mitnehmen, wen immer wir können, aber das hängt einerseits von der Gnade der ndongoischen Luftwaffe und den Black Stars ab, und andererseits davon, wie viel Material wir zurücklassen.“
Axels Wangenmuskeln arbeiteten. „Wenn Admiral Philips einen sicheren Luftraum garantiert, kann er alle meine Helis haben. Auch die, die gerade nach dem Riki und seinen Leuten suchen.“
„Das ist es ja gerade. Das kann er nicht. Nicht im voraus, zumindest. Erst, wenn die Luftwaffe Ndongos auf unsere Jets oder die Ospreys schießt.“
„Verdammt noch mal, die verfickte Luftwaffe Ndongos hat hier zwanzig Ranger geröstet!“ Axel war aufgesprungen, vor Wut, vor Entsetzen, aber er war es nicht, der gesprochen hatte. Es war Scott gewesen. „Reicht das nicht als Grund?“
„Es würde als Grund reichen, aber wir haben zu wenige Streitkräfte vor Ort, und die, die wir haben, sind nicht auf eine Schlacht vorbereitet“, erklärte Michael. „Die Panadier können uns in der Luft helfen, aber nicht am Boden.“
„Deshalb sage ich ja, nehmt meine Hubschrauber“, sagte Axel.
„Das würde nicht reichen. Eine Luftschlacht mit der Luftwaffe und den Black Stars würde bedeuten, dass der Schutz der Trägergruppe unter ein gewisses Limit fällt. Und Admiral Philip würde nie die Trägergruppe riskieren. Zudem hat der Gegner über dem Festland nicht nur Heimvorteil, sondern auch Bodenunterstützung. Die Situation ist sehr verfahren. In einer Woche sähe es anders aus. Dann hätten wir Bodenunterstützung, so viel, wie wir wollen. Aber jetzt... Jetzt haben wir es versäumt, die Botschaft rechtzeitig zu räumen. Und sobald der Luftraum dicht gemacht wird, wird das eine sehr lange Wartezeit für unsere Leute dort.“
„Oder die armen Schweine, die zurückgelassen werden“, knurrte Axel. Es klang weniger angriffslustig, mehr frustriert.
„Ja. So sieht die Scheiße aus. Und jetzt sagen Sie mir, dass Ihre russischen Hubschrauber es mit den Black Stars aufnehmen können, ganz zu schweigen von der regulären Luftwaffe, Axel. Ich weiß, Sie wollen helfen, Sie sind bereit dazu, und Ihre Leute sind großartig. Ich würde Boxie jederzeit mein Leben anvertrauen, und ich stehe auf der Liste für den Nachwuchs von Antoinette und Willi, aber er ist nicht Son-Goku. Er ist auch nicht Vegeta.“ Michael warf Axel einen scheelen Blick zu. „Ich bin mir aber nicht ganz sicher, ob Sie nicht Krilin sein könnten, Mr. Herwig.“
„Sehr komisch“, murmelte Axel und strich sich über die Haare. „Ich bin zu groß für Krilin.“
„Wer bin ich dann? Muten-Roshi?“, fragte Scott mit ernster Miene.
Die drei sahen sich an und brachen in schallendes Gelächter aus.

„Also“, sagte Axel, „mein Angebot steht. Sagen Sie mir, was Sie brauchen, ich besorge es. So weit, wie ich es kann.“
„Daran zweifle ich nicht“, sagte Michael. „Aber denken Sie nicht, dass Sie hier in nächster Zeit genug zu tun haben werden? Eine Stadt will neu besiedelt werden, und eine Menge Repräsentanten der verschiedenen Dörfer werden hier zusammenkommen, um ein neues Parlament zu wählen und eine Regierung zu bestimmen. Viele sind schon auf dem Weg hierher, seit die Nachricht über den Fall des Riki über den CB-Funk verbreitet wurde. Der Funk ist voll der Lobesarien über die großen deutschen Helden, die das möglich gemacht haben. Und ach ja, wir werden auch erwähnt. In Nebensätzen.“
„Nur kein Neid“, erwiderte der Deutsche. Axel aktivierte sein Funkgerät. „Niklas? Komm zu mir, ich brauche dich, sobald du Zeit hast. Boxie, du auch. Und Boxie, ruf Bernd an. Er soll rüber kommen, so schnell er kann.“
„Bernd inmitten eines Krisengebiets? Willst du ihn umbringen?“, antwortete Boxie.
„Vielleicht. Wie schnell können wir Internet und WLAN nach Keounda City bringen?“
„Warum der Gedankensprung?“, fragte Niklas.
„Und wer produziert gute WLAN-fähige Tablets, die den hiesigen Bedingungen stand halten?“
Niklas' Stimme klang auf einmal nervös. „Axel, was planst du?“
„Die Rettung der Welt. Nichts geringeres.“
Niemand widersprach. „So schnell wie möglich“, wiederholte Axel noch einmal. Dann sah er den Marine und Jason Scott an. „Ich denke, wir sind hier noch lange nicht fertig. Suchen wir Shatterfield und sprechen wir über ein paar andere Dinge, die neben den Ermittlungen noch wichtig sind.“ Er erhob sich und zog Scott auf die Füße. „Dazu gehört, dass wir ein paar Leuten in den Arsch treten.“
„Egal, was du planst“, sagte Jason Scott, „es gefällt mir schon jetzt.“
***
Wenn man auf die Straße sah, konnte man zwei Dinge kaum glauben. Erstens, dass vor kurzem noch ein paar tausend Leute als Mob durch eben diese Straße gezogen waren, und zweitens, dass man sich mitten in Afrika befand. Die Häuser waren europäisch, die Straßen geteert und gut gepflegt, die Bürgersteige entsprachen dem, was Europäer und Amerikaner gewohnt waren. Und die Straßenlampen brannten und sorgten für eine gute Beleuchtung. Aber dies war nicht Europa, dies war auch nicht Amerika, geschweige denn die USA. Dies war Ompala City, und erst vor wenigen Stunden hatten die Marines, die zum Schutz der Botschaft abkommandiert worden waren, eine gefährliche Krise gemeistert. Allerdings fing der Ärger auch gerade erst an. Die Zahl der Personen, die in die Botschaft der USA flüchteten, stieg mit jeder verstreichenden Minute. Hauptsächlich waren es US-Amerikaner, Kanadier und Briten, aber auch andere Europäer, teils mit Familie, waren darunter. Das Gros aber machten die Schwarzafrikaner aus. Männer, Frauen und Kinder, die nicht zu den herrschenden Stämmen der Westküste gehörten, nicht zum Clan des Präsidenten, und die nicht zu Unrecht die gleichen Übergriffe befürchteten, die sie bereits einmal erlebt hatten. Zum Glück war die Zahl der Kinder eher gering. Aber eine Menge Menschen aus Belongo, Frauen wie Männer, hatten ihr Glück als Wanderarbeiter in Ompala versucht. Und je länger dieser Tag dauerte, desto mehr erinnerte er an die Vorkommnisse vom letzten Mal. Captain Burdelle zumindest hatte sich vorgenommen, verdammt vorsichtig zu sein. Jeder Neuankömmling, der in die Botschaft wollte, ob Europäer, ob Afrikaner, wurde gefilzt. Bis auf die Haut. Dabei hoffte sie, dass kein verdammter Fanatiker auf die Idee kam, sich eine Bombe in den Arsch zu schieben und sie inmitten der Menschenmenge zu zünden.
Mittlerweile waren über vierhundert Menschen in der Botschaft, und dies, obwohl sie die meisten Amerikaner und Botschaftsmitarbeiter bereits ausgeflogen hatten. McMasters hatte dafür gesorgt, dass sie im rückwärtigen Bereich der Botschaft untergebracht worden waren, dort allerdings auch fern der Fenster und der Mauer im Hinterhof, die genauso wie die Frontfenster von den kampfbereiten Marines besetzt worden waren. Und das war auch bitter nötig, denn seit einiger Zeit hallten vereinzelte Schüsse durch die Abendluft zu den Verteidigern herüber.

„Wie schlimm ist es?“
Captain Burdelle versuchte, ein aufmunterndes Gesicht aufzusetzen, aber sie wusste, dass es nicht gelang. Nicht, weil sie keine gute Schauspielerin war, sondern weil ihre Mimik einfach kein hübsches Lächeln zuließ. Sie war eine Marine und stolz darauf. Ein Kraftpaket und ein verdammt guter Offizier, aber kein Counselor, und lügen mit den Augen hatte sie nie gelernt.
„Schüsse.“
„Dann geht es also los“, sagte Walker.
Burdelle nickte. Sie klopfte dem Afroamerikaner, der vor wenigen Stunden gerettet worden war, auf die Schulter. „Ist egal. Der Osprey mit der Cola trifft bald ein, und Sie gehören zu denen, die wir mit ihm wieder ausfliegen. Sie haben genug gelitten.“
„Ich bin mir da nicht so sicher.“
„Hm?“
„Ich war zu langsam, und deswegen wurde die Perry eines Verbündeten beinahe versenkt. Ich denke, ich verdiene jeden Moment des Schmerzes, den ich hier erlebe.“
„Und ich denke, dass Sie ein Idiot sind. Ohne Ihr Intel wären wir den Sizzlern nie auf die Spur gekommen. Die Mistdinger wurden versenkt, anstatt einen neuen Falklandkonflikt anzuheizen. Auftrag erfüllt, Agent.“
„Ganz so einfach ist es dann doch nicht.“
Burdelle schürzte die Lippen. „Sie meinen, so einfach wie in Selbstvorwürfen zu baden?“
„Ich...“

„Ma'am!“
Burdelle wandte sich um. „Was gibt es, Ariele?“
„Mob auf der Straße.“
„Ich komme.“ Sie klopfte dem CIA-Agenten auf die Schulter, wohlweislich darauf bedacht, keine seiner vielen Schnittwunden zu treffen. „Sie sind hier bald raus. Und dann kriegen Sie für Ihre Tapferkeit einen verdammten Orden. Glauben Sie mir das.“
„CIA-Agenten kriegen keine Orden. Zumindest nicht offiziell. Aber danke. Danke, Captain.“
Sie nickte ihm ein letztes Mal zu, dann folgte sie Ariele McMasters aufs Dach. Ein Scharfschützenteam beobachtete die Straße nach Osten. Anette Burdelle musste gar nicht erst ihre Ohren anstrengen, denn das Gemurmel der Menge drang wie ein allgegenwärtiges Raunen zu ihnen herüber. Während sie an der Brüstung stand und nach ihrem Fernglas suchte, fielen drei Schüsse, gefolgt vom Jubel der Masse. „Bericht, Marine.“
Der Spotter des Scharfschützenteams sah zu ihr hoch. „Sie richten Leute hin.“
„Verdammt.“ Sie verbiss sich die Frage danach, ob sie vorher misshandelt wurden. Einerseits machte es keinen Unterschied, denn tot war tot. Andererseits hätte es sie schwer gewundert, wenn sie vorher nicht misshandelt worden waren. Ihre Hände krampften um ihr Fernglas, als sie es an die Augen setzte. Sie suchte nach dem Mob und wurde schnell fündig. Außer einer wogenden Masse von vielleicht tausend Leuten konnte sie nichts erkennen, aber erneut klangen Schüsse auf, die vom Jubel der Menschen begleitet wurde.
„Haben wir Intel oder eine direkte Beobachtung davon, dass sie Leute hinrichten?“, fragte sie geradeheraus. „Cormik? McMasters?“
„Nein, Cap“, sagte der Spotter.
„Nein, Ma'am“, sagte Ariele McMasters.
„Selbst wenn sie dort unten eintausend Leute hinrichten würden, ich würde das Gelände freiwillig nur mit einem Osprey verlassen.“ Sie steckte das Fernglas wieder fort. „Verbuchen wir es als Versuch, uns aus der Reserve zu locken. Halten Sie weiter die Augen auf, denn der nächste oder übernächste Schritt könnte aus Gewalt gegen die Botschaft bestehen.“
„Aye, Ma'am.“
Burdelle verkrampfte die Hände erneut. Wenn auch nur für einen Sekundenbruchteil, so glaubte sie doch gesehen zu haben, wie einem knienden Mann eine Kugel durch den Kopf gejagt worden war. Aber sie hatte weder die Feuerkraft, noch die Manpower, um die armen Schweine da draußen zu retten. Sie musste sich darauf konzentrieren, die zu retten, die in den Mauern der Botschaft Zuflucht gefunden hatten. Wenigstens das musste sie schaffen. Und dafür würde sie eine Menge ertragen müssen.
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„Was denken Sie über diese jungen Männer?“, fragte Shatterfield den Imam. Er hatte dem Gottesdienst als stiller Teilhaber beigewohnt und die Worte des Predigers ebenso aufgenommen wie alle anderen im Raum. Dankenswerterweise hatte der Imam auf Französisch gepredigt, eine Sprache, die Malicke für ihn übersetzt hatte.
Danach hatte er die Gelegenheit gesucht, um mit Abu – Vater, wie sie ihn nannten - zu sprechen, so von behindertem altem Mann zu blindem altem Mann. Ihre Unterhaltung war schnell zu einer Diskussion geworden, die beide mit Freude geführt hatten, denn sie hatten beide nicht nur eine große Lebenserfahrung, sondern auch eine ähnliche Lebensansicht. Beide waren gläubig, beide beteten den gleichen Gott an, und beiden war es egal, auf welche Weise er angebetet wurde. Sie maßten sich auch nicht an zu behaupten, den einzig wahren Weg zu vertreten. Um ehrlich zu sein, waren beide mehr Atheisten als Gläubige, wenn man eine Summe zog. Aber sehr gläubige Atheisten.
„Meinen Sie die Allemani, General?“
„Die Deutschen, ja.“
„Sie wollen von mir nicht wissen, wie dankbar ich ihnen bin, dass sie den Riki aus der Stadt gejagt haben, richtig?“
Shatterfield antwortete darauf nicht.
„Ich denke...“, sagte der Sheik gedehnt, „Sie fragen, was die beiden Männer taugen und wie lange sie es hier aushalten könnten. Auf diese Frage kann ich Ihnen nicht antworten, denn die Antwort kennt einzig Allah.“
Shatterfield lachte leise. „Und was sagt Ihr Bauch, Abu?“
„Mein Bauch?“ Unwillkürlich griff sich der alte Mann an den eigenen Bauch, was Wanaganas Tochter ein wenig nervös raunen ließ. Der alte Mann hatte die letzten Tage Durchfall gehabt, und in seinem Alter war das nie eine gesunde Sache.
„Mein Bauch. Der sagt mir, dass die Allemani viel Gutes für Belongo tun und noch tun werden. Es ist gut für uns, je länger sie bei uns bleiben. Aber darf auch ich Ihnen eine Frage stellen, General?“
„Nur zu. Wenn ich sie beantworten kann.“
„Axel hat im Gottesdienst vergessen, dass Sie anwesend sind. Sie haben sich zurückgehalten, sind in den Hintergrund getreten. Und auch jetzt haben Sie niemandem in Erinnerung gerufen, dass Sie noch in der Moschee sind. Warum?“
Shatterfield schnaubte leise aus. „Erstens interessiert es mich, wann ihnen allen wieder einfällt, dass sie gerade einen General verlegt haben.“
Der alte Imam kicherte. „Ein Privileg des Alters. Und zweitens, weiser Mann?“
„Zweitens bin ich hier, um einige Entscheidungen zu treffen. Über die Leben der jungen Männer und Frauen da draußen. Dazu gehört, dass ich sie auch dann sehe, wenn sie mich nicht in der Nähe vermuten. Dazu gehört, dass ich mit allen Menschen hier spreche. Ich will mir sicher sein, bevor ich vielleicht ihre Leben vernichte.“
„Ich verstehe. Und werden Sie ihre Leben vernichten?“
„Jason Scott hat zwanzig seiner Leute verloren. Sie wurden mit Napalm bombardiert und brannten zu Tode. Egal ob er daran schuld war oder nicht, es ist seine Verantwortung und die seiner Offiziere. Das wird ihn niemals wieder verlassen. Aber es ist wie mit der Titanic. Als der Eisberg das „unsinkbare“ Schiff zum Sinken gebracht hatte, kam es nicht länger darauf an, warum es passiert ist. Es kam nur noch darauf an, wie es ab da weiterging und wie am besten möglichst viele Leben gerettet werden konnten.“
„Ah, die Titanic. Die mit dem falschen vierten Schornstein, ich erinnere mich. Für unsere Situation bedeutet das?“
„Wie hat sich Scott nach dem Angriff verhalten? Wie haben seine Leute reagiert? Wie war die Disziplin? Welche Entscheidungen hat Scott getroffen, und welche wurden von seinen Leuten umgesetzt? Sehen Sie, es gibt genügend Menschen, die geistig, seelisch und moralisch zusammengebrochen wären, hätte man ihnen zwanzig Menschen, die sie über Jahre gekannt hatten, auf einen Schlag auf so grausame Weise geraubt. Scott ist nicht zusammengebrochen. Seine Leute sind ihm weiterhin gefolgt. Und er hat sowohl mit Belongo Mining als auch mit den Panadianern weiterhin hervorragend zusammengearbeitet.“
„Sie werden also nicht empfehlen, dass er bestraft werden muss.“
„Nein. Das werde ich nicht empfehlen. Aber wie Sie schon sagten, Abu, es ist nur eine Empfehlung. Viel wichtiger ist ohnehin, was ich zu den Deutschen zu sagen habe.“
„Zu Axel?“
„Nein. Axel Herwig ist so weit aus dem Spiel, wie es nur geht. Er hat eine Bergbaulizenz, er hat die Erlaubnis, seine eigene Schutztruppe zu halten, und weder Panadia noch Ndongo haben ein effektives Kriegswaffenverbot. Da er das meiste Material erst hier in Afrika erworben hat, ist er rechtlich abgesichert. Es geht um Malicke und um den zweiten Herwig.“
„Über die Sie keine Befehlsgewalt haben.“
„Richtig. Aber ich wurde gebeten, auch sie zu... Beurteilen. Sehen Sie, die Regeln ihres Heimatlandes Deutschland gelten für sie, auch wenn sie hier in Belongo sind. Besonders, weil sie beide Soldaten sind. Aktive Soldaten. Beide sind derzeit... Freigestellt. Vom Dienst. Aber sicher sind sie nicht freigestellt, um hier unten Krieg zu spielen.“
„Sie spielen mitnichten Krieg. Sie bewegen hier eine Menge und tun viel Gutes. Man hat mir erzählt, wie der junge Malicke die Ärzte ohne Angst befreit hat. Er und seine Leute haben große Herzen und großen Mut.“
„Da widerspreche ich nicht. Aber, wie ich schon sagte, für beide gilt nicht nur das deutsche Recht, sondern auch das militärische Recht der Bundeswehr.“ Der General brummte leise vor sich hin. „Und das tut mir gerade sehr leid. Denn egal, was sie hier geleistet haben, was sie erreicht haben, es könnte passieren, dass sie in ihrem Heimatland der Söldnerei angeklagt werden. Dann würde man sie doppelt bestrafen. Einmal vor den zivilen Gerichten, dann vor denen der Bundeswehr.“
„Und wie wird Ihre Empfehlung ausschauen?“, fragte der Scheik geradeheraus.
„Nun, sie hatten beide keinerlei Recht, hier in Belongo zur Waffe zu greifen, solange sie noch Soldaten der Bundeswehr sind. Das ist schon mal nichts Gutes. Verstehen Sie mich nicht falsch. Angenommen, sie hätten sich wirklich einen Monat Zeit genommen, die Mine ausgebeutet, ein paar Felder entmint, ein paar Straßen gebaut, Infrastrukturen errichtet und hätten nach dem einen Monat mit dem Abzug begonnen, und niemand hätte es an die große Glocke gehängt, dann hätte es in Deutschland sicher auch keinen interessiert. So aber...“
„So aber, was?“
„So aber könnte es passieren, dass sie nicht in ihr Heimatland zurückkehren könnten, ohne eine lange Haftstrafe antreten zu müssen“, schloss der General. „Jetzt, in diesem Moment, sind eine wichtige Ministerialbeamtin des Verteidigungsministeriums und ein hochrangiger Offizier des Generalstabs auf dem Weg hierher, um zu beurteilen, was sie mit den beiden anstellen sollen.“
„Und Sie werden die beiden verteidigen?“
„Das weiß ich noch nicht. Aber ich werde sie definitiv loben. Captain Frost ist jedenfalls bis zu diesem Punkt von der Zusammenarbeit zwischen Rangern und Belongo Mining geradezu begeistert. Das spricht eindeutig für sie. Und glauben Sie mir, das Mädchen ist nicht sehr leicht zu begeistern.“
„Dann werde ich, so mein Wort irgendein Gewicht für die Allemani hat, auch für die beiden sprechen.“ Der alte Mann lächelte. „Und wenn alles andere nicht in Erfüllung geht, dann bleiben sie eben hier bei uns.“
Shatterfield wollte etwas darauf sagen, wollte erwähnen, dass in diesem Moment vielleicht ein Krieg begann, der Belongo noch mehr verwüsten würde, als es ohnehin schon war... Okay, vielleicht war da noch nicht genug wieder aufgebaut, was sich zu verwüsten lohnte, aber es würde eine Menge Menschen betreffen. Und die letzte Meldung, die er aus Washington erhalten hatte, hatte sich vor allem darauf konzentriert, die Botschaftsmitarbeiter, den Botschafter, die Zivilisten und die Marines zu evakuieren. Bis auf die Anweisung, das Flugverbot aufrecht zu erhalten, hatte nichts davon Belongo betroffen. Noch nicht. Aber er sagte es nicht. Shatterfield hatte in seinem Leben einige Konflikte erlebt, auch einige Einsätze, die besser nie öffentliche Beachtung finden sollten, nicht unbedingt aufgrund ihrer blutigen Zahlen, aber durchaus weil sie jenseits einiger sonst üblicher Gesetze stattgefunden hatten. Daher wusste er nicht, wie lange und wie weit das Gute, dass die Herwigs, der gute Bernd Assay, die Herwigs und natürlich Malicke nach Belongo gebracht hatten, anhalten würde. Oder ob sich Niklas Herwig und Hannes Malicke vorstellen konnten für immer in Belongo oder zumindest in Afrika zu bleiben. Aber er wusste guten Willen zu schätzen, und davon quoll der Imam beinahe über. „Warum auch nicht?“, fragte er. „Sie sind jetzt reich.“
Daraufhin lachten die beiden Männer, und selbst das Mädchen fiel ein, obwohl sie nicht so genau wusste, worüber gelacht wurde, denn Reichtum war doch nicht zum Lachen, oder?

„Abu? General Shatterfield?“ Hannes Malicke trat an sie heran. „Direktor Herwig bittet Sie ins Beratungszelt. Ldunga Abesimi ist nun ebenfalls mit Frau Herryhaus eingetroffen, um mit Wanagana zu konferieren. Außerdem ist ein weiterer Kriegsherr eingetroffen, Lobando Taran von den Atuti. Er beherrscht das Westufer südlich der Stadt und kontrolliert damit einen Teil der alten Nord-Süd-Route.“ Der KSK-Offizier deutete auf den großen Platz vor der Moschee, auf dem nun ein paar Zelte errichtet worden waren, während das zweiköpfige Kochteam Kaffee und Süßspeisen austeilte. „Es gibt auch was zu trinken. Also Kaffee und Tee.“
„Frau Herryhaus? Die Ärztin, die unsere Leute versorgt hat? Zumindest die, denen man noch helfen konnte?“, fragte Shatterfield. „Es wird mir eine Freude sein, diese Frau kennenzulernen und ihr den Dank meiner Nation vorzutragen.“
„Ebendiese, General.“
Der Imam hob erstaunt den Kopf an. „Sie ist hier? Sie ist wirklich hier?“
„Ja, Abu“, sagte Hannes. „Sie ist hier.“
„Worauf warten wir dann noch?“ Fröhlich angelte der alte Mann nach der Hand des KSK-Offiziers.
Shatterfield schloss sich an und fragte sich unvermittelt, was dieses „sie ist hier“ für den alten Imam bedeuten mochte.
***
Das Erste, was Unterstaatssekretärin Linda Goedehardt erwartete, als sie den Flieger verließ – dafür, dass sie einen Provinzflughafen anflog, hatte die Airline eine recht bequeme DC-10 aufgeboten – war Hitze. Trockene Hitze, aber davon mehr als genug. Ein kräftiger, unerwarteter Windstoß drohte ihr den Strohhut vom Kopf zu wehen, und so hielt sie ihn verzweifelt fest, bis das panadianische Wetter entschieden hatte, sie nicht länger zu ärgern. Sie hatte den Strohhut nicht unbedingt aus ästhetischen Gründen gewählt, aber der Offizier, der sie kurz gebrieft hatte, Oberleutnant Hinrich von der Afrika-Abteilung, hatte erwähnt, dass ein großer Teil Belongos auf einem Hochplateau lag. Das bedeutete, dass die Luft da oben dünner war, um einiges dünner, und dass die afrikanische Sonne da oben daher um einiges ungestörter scheinen konnte. Also hatte sie es für nötig befunden, reichlich Sunblocker einzupacken – und natürlich diesen überdimensionierten Strohhut, den ihre Mutter früher bei den Badeurlauben auf Sylt getragen hatte. Wobei sie mit Stolz von sich sagen konnte, dass sie nicht nur eine schnelle Packerin war, sondern auch eine überlegte. Für diese überaus eilige und eher zufällige Dienstreise hatte sie genau einen Koffer gepackt, um genau zu sein, einen Trolli in Standardgröße, dazu ihre Handtasche, die große Handtasche, in der sich unter anderem noch eine kleinere Handtasche befand, für besondere Gelegenheiten, und einen Rucksack mit allem, von dem sie meinte, es sofort zu brauchen. Mit besagter Tasche und ebendiesem Rucksack ging sie, begleitet von den englischen Wünschen für einen guten Aufenthalt der Stewardessen, die Treppe hinab. Logisch, ein kleiner Flughafen wie Honiton City hatte keinen Terminal von Weltformat. Und sie war sich noch nicht sicher, ob er überhaupt eine Lobby hatte, die den Namen verdient hätte.
„Lausig warm hier“, klang hinter ihr die Stimme von General Sunder auf, dem stellvertretenden Stabschef des Generalinspekteurs. „Aber nicht so warm wie in Gomarida. Da mussten wir mit einem ganzen Regiment mitten in der Wüste campieren. Das war eine Scheiß Hitze. Und das Bier war immer warm.“
„Hagen, bitte“, tadelte sie den älteren Mann, mit dem sie allerdings schon etliche Jahre per du war. „Nicht wieder diese alten Kriegsgeschichten.“
Sunder lachte bärbeißig auf. „Das sind keine Kriegsgeschichten, weil es kein Krieg war. In einem Krieg hat man zwei oder mehrere Parteien, man hat eine Kriegserklärung und man hat im Idealfall eine möglichst exakte Zielsetzung, die nur in Ausnahmen die Auslöschung einer Nation sein sollte. Die Auslöschung eines Volkes oder aller Menschen eines Staates ist zum Glück etwas, was für uns heutzutage undenkbar und damit untolerierbar ist, aber... Auf jeden Fall war das, was wir damals gemacht haben, ein wenig Sozialhilfe zu leisten, Straßen zu bauen und uns in unserem Camp einzuigeln. Nicht ganz das, was man von einem Krieg erwarten würde.“
Sie kamen die letzten Stufen herab und Frau Goedehardt blieb stehen, um sich zu orientieren. Hagen Sunder trat neben sie. „Als die Amis gelandet sind, die haben tatsächlich eine richtige amphibische Landungsoperation durchgezogen, weil sie überall Rebellen und Privatarmeen der Verbrecherfürsten und Clankrieger vermutet haben, wurden sie übrigens von einem Blitzlichtgewitter empfangen. Die internationale Presse hat sie allesamt abgeschossen – mit dem Fotoapparat. So viel zur Geheimhaltung. Und jetzt stellen wir uns mal vor, statt der Presse hätten sich da drei Dutzend Leute mit MANPADs und Maschinengewehren eingegraben.“
„Wäre eine kurze Landung geworden.“
„Eine sehr kurze.“
„Und das alles wofür? Um ein paar Hilfsgüter ins Land zu bringen?“
Sunder lachte trocken auf. „Ja, aber das ist nicht die ganze Wahrheit. Tatsächlich war das Land damals stark zerrissen im Bürgerkrieg der verschiedenen Stämme und der radikalen islamischen Fraktion, und durch den Bürgerkrieg drohte im Süden eine Hungersnot. Vor allem auch, weil viele Hilfslieferungen wegen Plünderungen nicht bei den Menschen ankamen, für die sie gedacht waren. Aber allein dafür mit Schießerlaubnis in einem afrikanischen Land einfallen, das war nie die Art der USA. Das Land hat Öl, und durch die Anarchie in der Politik konnte es nicht mehr ordentlich gefördert werden. Die Hilfsgüter haben übrigens wir ins Land gebracht, die Inder, die Australier, die Norweger... Gut, ich will nicht ungerecht sein. Die Amerikaner haben es zumindest versucht. Ohne sie wäre UNITAF nicht möglich gewesen, rein militärisch. Aber immer, wenn etwas nicht so läuft, wie der Amerikaner es will, kommen anschließend ein gutes Dutzend schlechter Filme zum Thema aus Hollywood, und das ist es dann wirklich nicht wert.“
„Du meinst den mit den abgestürzten Hubschraubern? Sehr dramatisch.“
„Vor allem sehr übertrieben. Ich meine, neunzehn tote amerikanische Soldaten, aber eintausend tote afrikanische Milizionäre als Niederlage hinzustellen ist schon arge Propaganda.“
„Seit wann ist es Propaganda, einen Film als Niederlage darzustellen?“
„Na, was passiert wohl, wenn man einen reißerischen Film über den heldenhaften Einsatz einer Truppe Special Forces macht, in dem man betont, wie tapfer sie gekämpft hat und wie schwer sie es hatte und dann noch betont, dass die Truppe nur mit Witz und Glück überleben konnte und ja quasi verloren hat?“
„Man macht Stimmung für eine neue Intervention.“ Die Frau zuckte die Achseln. „Ist bisher noch nicht erfolgt. Und das Ganze ist über zwanzig Jahre her. Die Theorie zieht also nicht.“
„Das liegt wohl eher daran, dass das Land nicht zu befrieden ist. Der militärische Aufwand und die Verluste wären zu hoch.“
„Also ist es doch nicht so viel Öl“, schloss die Unterstaatssekretärin.
„Irgendwas dazwischen wird schon sein.“
„Oder es ging tatsächlich nicht um Öl, sondern wirklich um die Bekämpfung einer Hungersnot, die Folge des Bürgerkriegs.“
„Dann hat sich das Weltinteresse schnell und endgültig von diesem Land abgewandt und für egal erklärt, obwohl wir Deutschen gezeigt haben, dass es geht, auch ohne Gewalt. Zumindest bis auf die eine Nacht, als ein Einheimischer unbefugt ins Camp eingedrungen ist und nach Anruf erschossen wurde. Und das ist ja auch nicht verwunderlich. Sieh dir Belongo an. Es liegt seit zwanzig Jahren in Trümmern. Aber was unterscheidet das Land von Gomarida, abgesehen von der Größe?“
„Du wirst es mir sicher gleich sagen“, erwiderte sie.
„Die Ölförderung hier funktioniert. Das ist der Unterschied, Linda.“
„Aha.“ Sie sah sich einmal um. „Und wo müssen wir jetzt überhaupt hin? Gibt es jemanden von der Botschaft?“
„Ich denke, ich kann alle deine Fragen beantworten. In etwa einer Minute“, schmunzelte Sunder. „Schau mal hinter dich.“

Sie tat, wie ihr gesagt wurde. Dann fuhr sie ein Stück weit zusammen. Vor Überraschung. „Ja, hol mich doch... Wenn das nicht mein alter Politik-Professor ist, dann will ich Olivia Öl heißen, und das den Rest meiner Tage.“ Sie hob die rechte Hand und winkte. „Professor Herryhaus!“
Der gesetzte ältere Herr kam direkt auf sie zu. „Linda. Na, das nenne ich mal eine Überraschung. Hagen, hallo. Ich habe alles vorbereitet, wie du es wolltest.“ Herryhaus reichte zuerst ihr, dann ihm die Hand.
Goedehardt sah ein wenig verblüfft drein. „Was haben Sie denn arrangiert?“
Thomas schmunzelte. „Hat man vergessen, dir zu sagen, dass Ihr zu mir wollt, Linda?“
Entsetzt sah sie ihren alten Professor an. „In der Tat. Das hat man. Mir hat man nur gesagt: Flieg runter nach Belongo und schau dir diese beiden Bundeswehroffiziere an, die im Land unterwegs sind und sage uns anschließend, ob wir sie mit Orden bewerfen, oder einen internationalen Steckbrief gegen sie in Den Haag beantragen müssen.“
„Um das zu erklären. Die Leutnants Herwig und Malicke sind Teil der Führungsmannschaft einer Diamantengesellschaft, der First Diamond Mining Company of Belongo. Sie führt Diamanten aus Belongo aus und führt im Gegenzug militärisches Gerät und zivile Hilfsgüter ein.“
„Militärisches Gerät“, echote Linda.
„Ich erkläre euch alles. Aber jetzt kommt bitte erst mal mit in mein Büro. Ich habe frische Zitronenlimonade machen lassen.“
„Ihr Büro, Professor?“, fragte die Unterstaatssekretärin, folgte Herryhaus aber automatisch.
„Nun, auch ich bin Teil der Führungsmannschaft der First Diamond Mining Company of Belongo, und der zuständige Direktor der Dependance Panadia.“
Die Unterstaatssekretärin war sich bewusst, dass die Größe ihrer Augen im Moment mit den meisten Manga-Figuren mithalten konnte. Zumindest wenn sie nach den Mangas ihrer Tochter ging. „Ich glaube, das wird noch richtig interessant.“

Sie betraten den großen Bürokomplex neben der Lagerhalle mit dem beeindruckenden Firmenschild. Dazu mussten sie eine Sicherheitstür passieren, die sie durch eine Schleuse mit einer weiteren Tür brachte. Ein freundlich lächelnder Schwarzafrikaner betätigte für Professor Herryhaus den Öffnungsknopf und ließ sie ein. „Früher, also Anfang der Woche, haben wir hier die Diamanten identifiziert, klassifiziert und gewogen. Das war natürlich nur ein Provisorium. Mittlerweile gehen alle potentiellen Rohdiamanten direkt per Panzerwagen an einen Geschäftspartner in der Innenstadt, der eine geradezu Festungsähnliche Manufaktur errichtet hat. Aber wir fürchten, der eine oder andere Gauner mit Begehrlichkeiten könnte der veralteten Information folgen, dass die Diamanten hier wären. Daher haben wir die Sicherheitsschleuse nicht ersetzt, auch um die Büros zu schützen“, sagte der Professor. „Früher haben hier fünf Spezialisten gesessen und jeden Rohdiamanten taxiert, klassifiziert und sortiert. Vor allem die mit dem rosa Einschlag, sogenannte Fancies, wurden hier vorsortiert, weil sie auf dem Schmuckmarkt sehr viel wert sind. Mittlerweile macht unser Geschäftspartner, Herr Trakener, die meisten Nachsorgearbeiten und bietet sie auf dem internationalen Markt an. Im Moment ist er in Genf, um unsere schönsten und größten Diamanten auf der berühmten Sotheby's-Auktion versteigern zu lassen, nachdem er bereits etliche kleinere Diamanten via Antwerpen in die Schmuckindustrie und einen Haufen noch kleinere mit großem Gewinn an die normale Industrie verkauft hat... Bereits jetzt ist unser Gewinn so groß, dass wir die Fertigteile für etwa achtzig Schulgebäude für Belongo finanziert haben, ohne dass die Rohdiamanten der letzten beiden Tage berücksichtigt wurden. Aber ich schweife ab. Hier herein, bitte.“
Thomas hielt die Tür zu einem europäisch eingerichteten Besprechungsraum auf, an dessen linker Wand eine weiße Tafel hing. „Interaktiv, ans Computernetzwerk angeschlossen. Nur internes Netz, um Einbrüche zu verhindern. Bisher ist noch nichts passiert, aber wir sind ja auch erst etwas mehr als eine Woche hier.“
„Keine Fenster“, stellte der General fest.
„Keine Fenster“, bestätigte der alte Herryhaus. „Ich habe etwas gegen künstliche Sicherheitslücken. Die Büros haben Fenster, allerdings nicht öffenbar und aus Panzerglas, stark genug, um einer Javelin standzuhalten. Einer Javelin zumindest. Wir haben das ausprobiert.“
Sunder grinste zufrieden, als er Platz nahm und Goedehardt bedeutete, sich neben ihn zu setzen. „Wie immer gehst du allen Geheimnissen direkt auf den Grund.“
„Wie man es nimmt. Ich mag halt keine unliebsamen Überraschungen. Deshalb bezahle ich auch neben den Mitarbeitern der Mine, die für den Schutz der Wartungscrew, der Lagerhalle und der Büros zuständig sind, noch einen ganzen Haufen freier Mitarbeiter, die mich vorwarnen, sollte irgendetwas im Busch sein.“
„Sie verdienen anscheinend gut“, sagte Linda.
„Sogar sehr gut. Ihr müsst wissen, dass die Ngali-Mine eine unentdeckte Mine ist. Die Bevölkerung von Belongo hat sich dort über Jahre hinweg mit den Steinen versorgt, um sie als billigen Schmuck zu tragen. Jetzt, wo sie wissen, dass es Diamanten sind, bringen sie sie zu unserem Feldhospital in Ngali.“
„Ihr zwingt die Leute, ihren Reichtum gegen medizinische Versorgung aufzugeben?“, fragte die Unterstaatssekretärin möglichst sachlich, um ihr Entsetzen zu überspielen. Nein, das konnte nicht sein, das passte nicht zu Thomas Herryhaus.
„Nein. Sie schenken uns die Diamanten wirklich. Nicht ganz uneigennützig, zugegeben, denn sie wissen, dass ein Teil des Erlöses in Hilfsgüter gesteckt wird, die wiederum ihnen zugute kommen. Wir liefern Nahrungsmittel, die es in Belongo nicht gibt, importieren Rinder, solargetriebene Wasserpumpen, solargetriebene Stromaggregate, Dieselaggregate, Medizin, Impfstoffe, weitere medizinische Ausrüstung, und ach ja, wir haben bereits zwei Minenwölfe im Einsatz. Zwei kleinere sind bestellt und werden gerade von unseren Partnern in Bayern gebaut.“
„Minenwölfe?“, echote Sunder. „Du, warum habt Ihr nicht einfach versucht, einen Keiler zu bekommen?“
Thomas lachte leise. „Genau die Diskussion hatte ich schon mit den Jungs und Bernd Assay, unserem Faktotum. Das Gehirn der Aktion. Fähiger Bursche. War zum Glück arbeitslos, als die Sache losging. Ohne seinen Kopf funktioniert hier gar nichts. Jedenfalls wollte Bernd als guter, alter Militärfreak einen Keiler besorgen. Oder war es Axel? Jedenfalls hat ein anderer Freund von Bernd dazu geraten, die zivilen Minenwölfe zu kaufen, da sie sehr viel weniger wiegen und noch effizienter räumen. Die Firma, die sie baut, bastelt sie aus altruistischen Gründen und verkauft sie zu Preisen, die bezahlbar sind. Damit die Firma auch in Zukunft Minenwölfe anbieten kann. Die Dinger wiegen nur siebzehn Tonnen und sind dabei erheblich schneller als ein Keiler. Zudem haben sie einhundert Prozent Akkuresse, und das schafft ein Keiler nicht, oder?“
„Nein, zugegeben“, brummte Sunder. „Also Minenwölfe.“
„Ich fange wohl besser von vorne an. Wie Sie sicher wissen, geht es hier in erster Linie um den Oberleutnant Niklas Herwig und um den Leutnant Hannes Malicke. Beides famose Männer, aufgeweckte, intelligente Kerle. Vor allem Malicke hat sich schnell als Rückgrat der Aktion erwiesen. Super ausgebildet, ungeheure Einsatzbereitschaft, hat sein Leben riskiert, um die Ärzte ohne Angst zu retten...“
„Sie brauchen keine Stimmung für Leutnant Malicke machen, Herr Professor“, sagte Linda. „Noch nicht. Aber fahren Sie fort.“
„Jedenfalls wurde Niklas entführt und hier in Panadia befreit. Dabei nahm er einem toten belongoianischen Rebellen etwas ab, was er für einen Bergkristall hielt. Dieser entpuppte sich in Deutschland jedoch als Diamant. Als sehr teurer, sehr schwerer Diamant. Wir haben ihn über Sotheby's versteigert und elf Millionen Euro verlangt, aber fünfzehn und ein paar Zerkrümelte bekommen. Damit wurde der militärische Aspekt der Aktion finanziert, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, diese Diamantenmine zu finden und auszubeuten.“
„Verstehe“, sagte Sunder.
„Dabei war es natürlich sehr hilfreich, dass Niklas vom Bund Krank Zuhause geschrieben wurde, und das auf unbestimmte Zeit. Und es war auch hilfreich, dass man Malicke ein Vierteljahr suspendiert hat. Vollkommen unsinnigerweise, aber man hat es gerne angenommen. Die Firma jetzt. Tja, und dann bin ich mit Herrn Assay nach Ompala zu Minister Ogalalla vom Wirtschaftsministerium und habe die Mine gepachtet. Für eine jährliche Zahlung von vierzigtausend Euro. Mir schien, der Herr Minister glaubte nicht so recht an die Existenz der Mine, sonst wäre die Pacht sicher höher angesetzt worden.“
„Du hast ihn über den Hühnerdreck geführt“, lachte der General.
„Nein. Ich habe ihm ganz ehrlich gesagt, dass wir den Diamanten gefunden haben, aber nicht wissen, wo die Mine sein könnte. Daraufhin hat er die Pacht festgesetzt und mir zu verstehen gegeben, dass die ndongoische Armee nicht in der Lage wäre, für unseren Schutz zu sorgen, und dass wir selbst für den Schutz sorgen sollen, egal auf welche Weise. Also hat Herr Assay Waffen und Ausrüstung besorgt, und dazu gleich auch das Personal, um die Ausrüstung zu benutzen. Und dann erst sind wir nach Belongo rein geflogen, um die potentielle Mine zu finden.“
„Was Ihnen offensichtlich gelungen ist“, sagte Linda sarkastisch.
„Ja, wir hatten unfreiwillige Hilfe. Eine bewaffnete Räubertruppe hat auf dem Gelände der Mine nach Gold gesucht, aber natürlich keines gefunden. Leider hat sie das mit Blausäure gemacht und ihren unfreiwilligen Arbeitern nicht gesagt, wie man mit Blausäure umgeht. Wir haben ein Massengrab entdeckt und exhumiert und die Toten in ihre Dörfer zurückgebracht, nachdem wir sie identifiziert hatten. Jedenfalls befand sich diese Horde auf dem Gelände unserer offiziell gepachteten Mine und hat auf uns geschossen. Daraufhin hat sich Belongo Mining verteidigt, die Mine erobert, die Zwangsarbeiter, die noch lebten, befreit, eine junge Lehrerin vor einer Vergewaltigung gerettet, tja, und die Diamantenmine gefunden.“

„Sie haben vergessen zu erwähnen, dass der Chef der Firma nebenbei auch noch zugleich ein Yu-Gi-Oh-, und ein Pokémon-Turnier gewonnen hat“, warf Linda ein.
„Nicht so bissig, Mädchen. Das ist alles die reine Wahrheit. Tja, dann sind wir nach Ngali gefahren, der nächsten Ortschaft, dort überschlugen sich die Ereignisse, und wir haben ein Lazarett eingerichtet. Geleitet wird es von meiner Enkelin Meike. Es fand sehr großen Zuspruch, und so strömten die Kranken und Verletzten aus halb Belongo zu uns. Viele Bettlägrige und dringende Fälle haben wir mit Hilfe der Hubschrauber eingeflogen und auch wieder zurückgebracht. Einige wurden auch hierher nach Honiton City gebracht, um behandelt zu werden, aber wir konnten leider nicht jeden retten. Dafür aber haben wir bereits eine ansehnliche Impfrate erreicht und können diese weiter steigern. Wir hatten Glück, dass wir in einer relativ ruhigen epidemischen Phase angekommen sind. Mit etwas Glück werden Polio, Masern, Windpocken, Röteln, Mumps und Keuchhusten bald schon kein Thema mehr sein.
Die nächsten Schritte sind, die alte Nord-Süd-Straße wieder befahrbar zu machen. Dafür fliegen wir gerade schweres Gerät zur Mine. Entschuldigung. Zu schnell? Zu viele Informationen?“
Sunder lachte und schenkte sich aus der bereitstehenden Karaffe ein. „Mach ruhig weiter. Eigentlich wollten wir dich ja mit Fragen traktieren, aber jetzt werden wir nur Fragen stellen, wenn uns etwas unklar erscheint.“
„Was ist mit den Ärzten ohne Angst? Wie kam es dazu?“, fragte Linda.
„Sie wurden der Belongo Mining angeboten. Sie sollten sie kaufen. Also freikaufen“, erklärte Thomas. „Malicke ist mit einem Team seiner Leute raus, um eine Geisel aufzunehmen, um ihre Echtheit zu verifizieren. Die Entführer, eine Rebellenbande aus einem Nachbardistrikt, übergab ihnen Doktor Kensington. Äh, die Gute ist die Tochter eines weißen Vaters und einer schwarzen Mutter. Die anderen Ärzte waren alle weiß. Daher nehmen wir an, die Rebellen haben ihr nicht den gleichen Lösegeldwert beigemessen wie den Weißen, und sie deshalb leichter hergegeben. Als aber Malicke sah, wie die Rebellen die Dorfbevölkerung behandelten, in der sie ihre Gefangenen untergebracht hatten, sprang er mit einem Teil seiner Leute unbemerkt ab und entschloss sich dazu, das Dorf zu nehmen. Sechs Einsatzleute, zumindest offiziell, davon zwei Scharfschützen. Während der Aktion warf sich Malicke übrigens auf eine geworfene Handgranate, weil sie direkt vor der Hütte der Ärzte landete.“
Sunder pfiff anerkennend. „Blindgänger?“
„Stift nicht gezogen.“
„Also lebt Leutnant Malicke noch?“, beeilte sich Linda zu fragen.
„Ja, er lebt noch. Und es geht ihm den Umständen entsprechend gut.“
„Du spielst sicher auf die Umstände in der Distrikthauptstadt an. Darüber reden wir gleich. Was passierte weiter?“
„Nun, mein guter Hagen, als ersichtlich wurde, was geschah, entschlossen sich die Dorfbewohner, gegen ihre Peiniger zurückzuschlagen und ihnen ihre Toten und die vergewaltigten Frauen heimzuzahlen. Daher gab es keine Gefangenen. Nicht, dass Malickes Team überhaupt viele übrig gelassen hat.“
„Verstehe“, brummte Sunder. „War sicher die der Situation angemessene Entscheidung. Was dann? Ihr habt die Ärzte zur Mine ausgeflogen?“
„Ausgeflogen, erst mal mit einem guten Essen aufgepäppelt, medizinisch versorgt, sie duschen lassen und anschließend hier auf dem Honiton Air Field den Botschaftern ihrer Länder übergeben. Ist das in Deutschland nicht durch die Presse gegangen?“
„Erstaunlicherweise und soweit ich weiß, nicht“, sagte Sunder. „Aber ich weiß, dass die Amis das rauf und runter gebetet haben, und auch die Briten und die Franzosen zeigten angemessenes Interesse.“

„Also eine angemessene Situation bei der Unterstützung von Zivilisten in Not, vor allem freiwilligen Ärzten einer Hilfsorganisation“, sagte die Unterstaatssekretärin. „Das ist doch zumindest ein Pluspunkt. Was ist jetzt mit Keounda City?“
Thomas' Miene versteinerte. „Möchtest du das wirklich hören, Linda? Das ist harter Tobak, wirklich harter Tobak.“
„Entschuldigung, Herr Professor, aber seit ich nicht mehr in Ihre Vorlesungen gehe, was rund zwanzig Jahre her ist, habe ich mich weiter entwickelt.“ Sie griff ebenfalls nach der Karaffe und schenkte sich ein. „Als Unterstaatssekretärin des Verteidigungsministeriums bin ich durchaus abgehärtet und einiges gewohnt.“
„Nun.“ Thomas schenkte sich auch ein Glas ein. „Fakt eins ist nicht sehr erfreulich. Keounda City war bis vor kurzem in der Hand eines ehemaligen Miliz-Offiziers, der die Stadt und das Umland mit gnadenloser Hand beherrscht hat. Dies tat er mit einer Art Personenkult. Mit Drogen. Mit beschränktem Zugang zu den Frauen. Und einigen weiteren Dingen, die ich, nun, besser nicht erwähne. Jedenfalls war es Teil des Kults, dass sich hochrangige Mitglieder seines Hofstaats mit getrockneten Genitalien schmückten. Je mehr und je wertvoller, desto höher der Rang.“
Linda wurde blass, trank einen großen Schluck und gleich darauf noch einen.
„Vielleicht ein wenig Geschmack ins Glas?“, fragte Thomas mitfühlend.
„Nein, danke. Weiter. Die haben also Gliedmaßen um den Hals getragen.“
„Hautfetzen waren das geringste Tikalak. So nannten sie das. Dann kamen Finger, Ohren, Nasen, getrocknete Augen bis hin zu Genitalien. Die Genitalien waren das Wertvollste. Je mehr ein Mann trug, desto höher war sein Rang. Einige trugen auch die getrocknete Klitoris einer Frau oder mehrere, aber fragt mich nicht, was das für eine kultische Bedeutung hatte.“
„Ich will es auch gar nicht wissen“, murmelte die Unterstaatssekretärin und trank ihr Glas leer.
„Jedenfalls wusste der Anführer, sie nennen ihn Riki, und seinen richtigen Namen haben wir bisher nicht herausgefunden, von der Mine im Norden, und dass ständig Hubschrauber der Minengesellschaft an seiner Stadt vorbei nach Süden flogen. Und er wusste, dass Weiße die Mine betrieben. Das führte wohl dazu, dass er sich einen weißen Penis als Schmuckstück wünschte. Als Axel Herwig dann zu Verhandlungen bei einem hiesigen Kriegslord war, Ldunga Abesimi, um eine Zusammenarbeit zu besprechen...“
„Moment mal, mit einem Warlord? Mit solchen Leuten kann man doch nicht reden, geschweige denn verhandeln!“, brauste Linda auf.
„Oh doch, das geht, und mit Ldunga erstaunlich gut. Ich werde später erklären, wieso und warum. Nur so viel vorab: Ohne die Hilfe seiner Leute, die er Speere nennt, wäre Axel jetzt vermutlich tot, und sein bestes Stück würde um den Hals des Riki baumeln. Ohne ihn. Jedenfalls stellte der Riki eine Falle und verbrannte dafür einen Stapel Autoreifen, was eine ölige Rauchwolke ein Stück vor der Stadt ergab. Axel wurde neugierig, hielt aber Abstand. Er war mit einem Helikopter russischer Fertigung unterwegs, wie ich erwähnen sollte. Leider hatte der Riki diesen Abstand einkalkuliert, sodass der Hubschrauber über den Männern des Riki schwebte. Sie brauchten ihn nur noch mit russischen Panzerfäusten beschießen. Dem Piloten, Jorge Androweit, gelang es aber, die Maschine so lange stabil zu halten, bis er über der Stadt abstürzte, ein ganzes Stück vom Hinterhalt entfernt. Axel und Androweit stiegen aus, kämpften sich frei, sprengten den Hubschrauber und liefen in die Stadt, nicht in den Dschungel, wo die Männer des Riki lauerten. Sie verbarrikadierten sich auf dem Minarett der alten Moschee, wo sie fast eine halbe Stunde ungestört blieben und versuchten die Mine per Funk zu erreichen.“
„Das stelle ich mir sehr schwierig vor. Ich meine, die Moschee zu erreichen. Aber taktisch klug, sich nicht durch eine ganze Horde Verrückter zu kämpfen, sondern nur durch eine halbe“, schmunzelte Sunder.
„So ungefähr. Sie bekamen Kontakt mit Captain Scott, der eigentlich gerade auf dem Weg zum Camp Diamond war, so nennen wir das Lager vor Ort, um sich dafür zu bedanken, dass ihm die Arbeit abgenommen worden war, die Ärzte ohne Angst zu befreien. Seine Leute hörten den Notruf, und er entschloss sich, sein Platoon außerhalb der Stadt zu landen und die Moschee zu sichern. Ein zweites Platoon zur Unterstützung forderte er an, und auch die Mine schickte Leute aus, um Axel und Androweit zu retten. Das hätte auch gut funktioniert, aber als das zweite Platoon landete, wurde es von ndongoischen Kampfjets mit Napalm bombardiert. Dabei starben etliche Soldaten von Scott sofort, einige später an den Folgen der schweren Verbrennungen, sodass die Amerikaner zwanzig Tote nur von diesem Angriff verzeichneten. Tja, und am dem Punkt bekam Scott Unterstützung von der Mine, von den Speeren Ldungas, und von der Luftwaffe Panadias. Sogar die Abraham Lincoln, die gerade erst ums Kap geschlichen war, schickte Flugzeuge zur Unterstützung. Mit dieser geballten Kraft an Leuten nahmen die vereinten Kräfte erst die Westseite der Stadt ein, und, als ein Osprey voll mit Marines auf der falschen Flussseite notlanden musste, entschlossen sich Axel und Scott, auch die andere Seite zu nehmen.“

Thomas atmete tief ein, wieder aus und trank dann einen Schluck aus seinem Glas. „Die langweiligen Details erspare ich euch, die hört Ihr noch früh genug. Jedenfalls gab es noch einigen Widerstand des Riki, und aus einem Nachbarland marschierten Söldner ein, die zur Unterstützung des Riki losgeschickt worden waren. Sie griffen die Mine an und versuchten auch zur Stadt vorzudringen. Aber die Hubschrauber der Belongo Mining haben die Panzer und Panzerwagen mit Hilfe der panadianischen Luftwaffe vernichtet. Kein schönes Wort, ich weiß. Aber das waren keine netten Söldner. Auf ihrem Weg nach Keounda City brandschatzten sie mal eben die Farm eines lokalen Kriegsherrn. Wir sind da noch am Sortieren.
Tja, und dann zog der Riki endlich ab, und wir konnten die Stadt komplett einnehmen. Damit steht uns nicht nur die alte Nord-Süd-Straße im Westen zur Verfügung, der Lagabanda-Fluss ist nun auch wieder voll befahrbar, ohne Gewalt durch den Riki befürchten zu müssen. Und die alte Ost-West-Route zur Ostküste hat sich ebenfalls wieder geöffnet.“ Thomas trank noch einen Schluck. „Das war natürlich nur die kurze Version. Die ganz kurze. Die USA hat mittlerweile eine weitere Kompanie Infanterie herangeführt, dazu eine Untersuchungskommission. Und die Kampfgruppe der Abraham Lincoln hat nach einigen Vorkommnissen auf hoher See einen aggressiven Protektionsauftrag erhalten. Aber das ist noch nicht das Ende vom Lied.“
„Das klingt alles sehr, sehr abenteuerlich“, sagte Linda. „Erklärt einiges. Aber leider löst es nicht das Problem, dass sich Leutnant Malicke und Oberleutnant Herwig von einer Privatfirma haben anwerben lassen, um in einem fremden Land Bodenschätze zu plündern.“
„Anwerben lassen?“ Thomas hob beide Augenbrauen. „Sie haben sich doch nicht anwerben lassen. Ihnen gehört die Firma. Sie sind Anteilseigner.“
Linda Goedehardt zog die Stirn in Falten. „Ich weiß gerade nicht, ob es die Situation für sie besser macht.“
„Dann sollten wir das klären“, sagte Sunder. „Also, wie geht es weiter? Wie schnell kann ich da raus? Und kann ich dabei auf deine Leute zählen, Thomas?“
„Der nächste Flug geht morgen früh. Es spricht nichts dagegen, dass du mit fliegst. Die Belongo Mining verspricht, dich in allen Belangen zu unterstützen. Linda, fliegst du mit?“
Die Angesprochene schien einen Moment unsicher zu sein. „Ursprünglich wollte ich von hier aus arbeiten, aber wenn Keounda City sicher ist, spricht nichts dagegen, wenn ich mir die Mine und die Stadt direkt ansehe und mir vor Ort ein Bild von Malicke und Herwig mache. Denke ich.“
„Dann solltest du das tun. Und vor allem solltest du mit den Menschen in Ngali sprechen, um aus erster Hand zu hören, was die Belongo Mining für sie bedeutet.“
„Das bringt mich zu einer wichtigen Frage. Wie ist das mit dem Gewinn? Ihr investiert einen Teil in Hilfsgüter. Aber wie viel?“
„Nun.“ Thomas sah die Frau, die einst seine Studentin gewesen war, ernst an. „Wir haben ursprünglich folgende Rechnung angestellt: Die eine Hälfte des Gewinns geht an die Leute. Anführer kriegen drei Teile, Offiziere zwei, Dienstgrade einen. Die andere Hälfte wird in militärischen und zivilen Nachschub investiert. Selbst wenn wir Bernds Kaufwut nach militärischem Equipment berücksichtigen, so bleibt noch eine erkleckliche Summe übrig, um Belongo effektiv zu helfen. Zum Beispiel mit Fertighäusern für Schulen, und einigem mehr.“
„Aber das ist den Bewohnern Belongos gegenüber ungerecht. Eure Leute verdienen viel zu viel, und das auf Kosten der Bevölkerung“, protestierte sie.
„Das ist richtig, aber auch falsch“, sagte Thomas. „Linda, damit das Geld den Menschen in Belongo zugute kommen kann, muss es jemand machen. Die Mine schürft die Diamanten und bringt sie zum Verkauf auf den internationalen Markt. Diese Arbeit ist risikoreich und gefährlich, und damit muss sie entsprechend bezahlt werden. Damit Belongo Mining die Arbeit durchführen kann, muss sie sich schützen. Wir brauchen Geld für Kriegsgerät, denn wenngleich Belongo langsam ein ruhiger Ort zu werden scheint und die Hauptstadt befreit ist, so haben wir längst noch nicht mit jedem Kriegsherrn geredet, nicht mit jedem Dorfvorstand verhandelt, noch keinen echten Kontakt zu den Rebellen, die sich im Dschungel von Belongo rumtreiben und mit denen Niklas diesen unschönen Kontakt hatte, und wir sind auch nicht geschützt gegen die Base de l'Air, die Belongo schon einmal in die Steinzeit zurückgebombt hat. Auch sorgt das Kriegsgerät für den Schutz des Krankenhauses in Ngali, und unsere Hubschrauber fliegen die schweren Fälle hierher nach Honiton City aus. Und dann können wir unsere Kapazitäten, die Waren nach Belongo schaffen, nicht schlagartig steigern. Das Geld, das wir machen und das wir in Hilfsgüter investieren, das kommt nur an, wenn wir die Einkäufe auch herüberschaffen können und gerecht verteilen. Hilfsgüter und medizinische Versorgung zu erhalten ist für diese Menschen jetzt wichtiger und eine größere Hilfe, wie wenn sie alle Bankkonten in Panadia hätten, auf denen für sie abstrakte Summen abgeladen werden. Wir müssen viel investieren, ja, in Kriegsgerät, ja, in unsere Leute. Aber unsere Hilfe für Belongo ist gerade erst angelaufen, und es gibt sehr viel zu tun.“
„Und wenn die Mine ausgeräumt ist? Was passiert dann mit Belongo?“, fragte Goedehardt.
„Dann fliegen wir zur zweiten Lagerstätte und richten dort eine neue Mine ein.“
„Eine zweite Lagerstätte?“, wiederholte die Unterstaatssekretärin.
„Wir vermuten sie nur, aber wohl nicht ganz zu Unrecht. Sobald wir überhaupt etwas Luft haben, werden wir nachschauen gehen. Und dann gibt es noch eine dritte potentielle Lagerstätte in Belongo. Ich denke, an Diamanten wird es uns lange Zeit nicht mangeln. Und seht es uns bitte nach, dass wir an diesem Unternehmen verdienen wollen. Wir sind eine Firma, und eine Firma will Profit machen. Dass wir nebenbei Gutes tun, ist übrigens kein Nebeneffekt, sondern war von vorneherein der Plan.“
Die drei saßen sich, nachdem Thomas geendet hatte, eine ganze Zeitlang schweigend gegenüber, bevor Linda wieder das Wort ergriff. „Die aktuelle Lage in Ndongo selbst, in der Hauptstadt...“
„Beobachten wir voller Sorge. Aber dank der Abraham Lincoln und der panadianischen Luftwaffe haben wir hier die Lufthoheit. Ich bin sicher, wir könnten nicht nur jeden Luftangriff zurückschlagen, wir können auch verhindern, dass von der Base de l'Air Strafexpeditionen ins Landesinnere starten.“
„Das ist sehr optimistisch formuliert“, sagte sie.
„Sicher ist das sehr optimistisch formuliert. Wann war ich auch je Pessimist?“ Thomas erhob sich. „Kommt bitte mit. Ich zeige euch die aktuellen Hilfsgüter, die wir nach Belongo schaffen wollen. Danach lade ich euch zu einem Abendessen in der Stadt ein und stelle euch zwei Zimmer in meinem Haus zur Verfügung. Und morgen früh geht es dann für euch nach Belongo.“
„Hast du gesagt, du hast ein Haus hier in Honiton?“, fragte Sunder erstaunt. „Willst du tatsächlich länger bleiben?“
Thomas schmunzelte. „Wie ich schon sagte, ich bin Optimist. Wir werden noch eine ganze Zeitlang hierbleiben.“ Einladend deutete er in Richtung der Tür. Die beiden Deutschen erhoben sich und traten auf den Gang hinaus.
„Bis hierhin ging es gut“, murmelte Thomas so leise, dass die beiden es hoffentlich nicht hatten hören können und folgte ihnen.
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Als die beiden Männer in Begleitung des Hauptmanns das sogenannte Beratungszelt betraten, der Sheik wie immer von Wanaganas Tochter begleitet und geführt, richteten sich die Blicke der Anwesenden auf sie. Neben Axel und Niklas Herwig waren dies Wanagana, Ldunga, der Kriegsherr Lobando, Captain Scott und Meike Herryhaus.
„Darf ich sie sehen?“, fragte der Sheik.
„Sie?“, fragte Axel.
„Die Ärztin mit den Wunderhänden.“
„Oh. Sie.“ Axel grinste schief. „Meike, würdest du dich bitte dem Imam vorstellen?“
Die junge Ärztin sah ihren Freund und Weggefährten überrascht an. Dann aber nickte sie und trat vor den blinden Mann. „Ich bin Meike Herryhaus.“ Sie nahm seine Hände und legte sie sich auf ihr Gesicht. Der alte Prediger betastete es vorsichtig, aber ausgiebig, bevor er zufrieden war. Dann tastete er nach Meikes Händen, hob sie vor sein Gesicht und küsste sie. „Allah hat uns gesegnet, indem er dich gesandt hat, Meike Herryhaus. Die Gerüchte von deinen Wundertaten haben sich wie ein Buschfeuer auch auf die Ostseite des Lagabandas verbreitet und die Menschen dort in Flammen gesetzt.“
„Ich habe nur meine Pflicht getan.“
„Die du dir selbst ausgesucht hast“, stichelte Niklas.
„Einer musste eben mal damit anfangen, etwas zu tun“, erwiderte sie ein wenig zu bissig.
„Und wir sind dankbar, dass du damit angefangen hast, Meike Herryhaus.“
„Meike. Meike reicht vollkommen, Abu. Kommen Sie, hier ist ein Stuhl. Die Predigt wird Sie erschöpft haben.
Der alte Mann ließ sich willig von Wanaganas Tochter und der Ärztin führen und nahm am einzigen Klappstuhl im Besprechungsraum Platz.
„Doktor Herryhaus. Ich bin noch nicht dazu gekommen, mich persönlich vorzustellen“, sagte Shatterfield und reichte Meike die Rechte, „aber ich bin auch hier, um Ihnen den Dank einer Nation dafür zu überbringen, dass Sie für jedes einzelne Leben gekämpft haben, das zu Ihnen raus zur Farm geschickt wurde.“
Die junge Frau wurde rot. „Ich... Ich hätte gerne mehr getan, aber ich konnte sie nicht retten...“
„Das hätte sicher niemand. Aber Sie haben getan, was Sie konnten, und dafür haben Sie auch die eigene Gesundheit riskiert. Ich kenne eine Menge Ärzte, viele von ihnen herausragende Menschen mit Hingabe und Opferbereitschaft versehen, Männer wie Frauen. Und nach allem, was ich über Sie erfahren habe, zum Beispiel aus den Berichten meiner Leute, muss ich schließen, dass Sie zu den Besten aus diesem Kreis gehören, Doktor Herryhaus.“
Meike schluckte heftig. „Danke, Sir.“
„Das war kein Kompliment, es war eine Feststellung. Ich werde sehen, ob wir Ihre Arbeit im besonderen Maß ehren können, vielleicht mit einem zivilen Orden oder einer Anstellung in einem unserer Universitätskrankenhäuser.“
„Netter Versuch, unseren Chefarzt abzuwerben“, sagte Axel, legte einen Arm um Meike und drückte sie an sich, „aber das wird nicht funktionieren. Meike wird hier nicht weg wollen, egal, was Sie ihr anbieten, General. Oder Ihre Nation.“
„Axel...“, raunte sie erstaunt.
„Und das wissen Sie so genau woher?“, fragte der General schmunzelnd.
„Na, weil sie bei Ihnen ein Arzt von vielen wäre. Hier aber ist sie der unumstrittene Boss, und das gibt sie für niemanden auf. Auuuuu!“
Meike funkelte ihn böse an. „Das klingt so, als wäre ich herrschsüchtig, Axel Herwig!“
„Musst du mir deshalb auf die Zehen treten?“, murrte er.
„Natürlich muss ich das. Dummheit sollte nämlich wehtun“, erwiderte sie schnippisch.

Das laute Lachen des Kriegsherrn Lobando Tarans unterbrach ihre Konversation. Er war bereits ein alter Mann, nicht zu vergleichen mit dem drahtigen, bärtigen Ldunga, oder dem großen, massigen Glatzkopf Wanagana. Er war alt, dürre, gebeugt, und sein Bart war mehr weiß als schwarz. Auch sein Haupthaar war fast ausschließlich weiß. Aber seine Augen, die Augen zeigten, dass er noch lange nicht so alt sein konnte, wie er auf einen Betrachter wirkte. „Der Elan der Jugend“, schmunzelte er. „Das wird uns hier noch gut tun. Aber wollen wir nicht zum Thema zurückkommen?“
„Natürlich, Taran. Entschuldigen Sie“, sagte Axel, ließ Meike los und trat an den Tisch, um den sie standen und eine Karte von Belongo betrachteten. „Wie ich vorhin schon sagte, so werde ich die Zeit der Belongo Mining um einen weiteren Monat verlängern. So ich denn genug Leute kriege, kann das bis auf ein halbes Jahr oder länger ausgedehnt werden, aber Sie müssen bedenken, immer im Hinterkopf haben, dass wir nicht für ewig hierbleiben werden. Wir sind keine Kolonisten. Wir sind Glücksritter. Und Glücksritter fahren weiter, wenn sie ihr Glück gefunden haben.“
„Ein Monat für den Anfang ist in Ordnung“, sagte Ldunga mit Nachdruck in der Stimme. „Und es ehrt dich, dass du und Belongo Mining sich hier nicht als neue Besatzungsmacht festbeißen wollen und ehrlich mit uns sind. Ebenso finde ich die Idee gut, die Mine unter Belongoischer Leitung weiterzuführen und unsere Leute auf eurem militärischen Gerät auszubilden. Aber ich bin mir sicher, es wird mindestens ein halbes Jahr dauern, bis wir so weit sind, die Diamantenmine ähnlich profitabel auszubeuten. Darum meine Bitte: Bleiben Sie ab jetzt mit so vielen Leuten, die Sie dafür begeistern können, ein halbes Jahr hier, Axel, Niklas, Hannes.“
Die anderen beiden Kriegsherren nickten zustimmend. Und auch der Imam ließ einen zustimmenden Laut hören.
Die beiden Brüder wechselten einen kurzen Blick miteinander, dann sah Axel Hannes und Meike an. „Wie ich schon sagte, wir sind nicht hier, um das Land zu unterwerfen, und...“
„Sehen wir es doch realistisch, Axel Herwig“, fiel ihm Lobando Taran ins Wort. „Der Moment, in dem Sie hier starten und nicht wiederkommen, ist der Moment, in dem die alten Verhältnisse einziehen, die Stämme wieder gegeneinander kämpfen und die stärkste Partei die Macht über die Mine erlangen wird, indem sie die anderen Parteien so gut sie kann reduziert. Diese Macht wird die Base de l'Air sein.“
„Ich sehe große stabilisierende Effekte im Land“, entgegnete Meike. „Wagondas, Lulugengos, ja, Ihre Atuti, Taran, und viele andere Völker arbeiten am Krankenhaus Seite an Seite miteinander, die alten Feindseligkeiten vergessend, was nicht nur unserer exzellenten Diplomatin zu verdanken ist, sondern auch dem guten Willen, dem sie überall begegnet... Wo ist Heide überhaupt?“
Niklas zog die Augenbrauen hoch. „Thomas hat zwei Deutsche als Gäste aufgenommen. Aus dem Verteidigungsministerium. Sie lässt sich gerade von Boxie rüberfliegen, um mit ihnen zu reden. Sein Mi-24 ist ohnehin mit dem Wartungsturnus dran, deshalb fliegt er in beginnender Dämmerung. Wenn die Nacht hereinbricht, wird er schon über panadianischem Boden sein.“
„Hoffentlich. Noch einen Absturz können wir nicht gebrauchen“, murmelte Axel und hoffte, dass ihn niemand gehört hatte.
Niklas ging darüber hinweg, indem er mit den Schultern zuckte.
„Diese stabilisierenden Effekte, Doktor Herryhaus, und auch die Zusammenarbeit der Menschen der verschiedenen Völker haben genau einen einzigen Grund, einen einzigen Anker. Sie, die Belongo Mining.“ Ldunga und Wanagana nickten zustimmend zu den Worten des Alten.
„Sobald Sie davon fliegen, ist es egal, wie viele Schulen Sie errichtet haben, wie viele Kilometer Straßen Sie gebaut haben und wer das Krankenhaus betreibt. Sie müssen verstehen, auch in unserer Zeit ist der Dschungel ein gefährlicher Ort. Man schließt sich zu Gruppen zusammen, um gemeinsam zu überleben. Diese Gruppen versprechen Schutz, eine Teilung der Aufgaben, eine Verteilung der Lasten. Wie finden sich diese Gruppen? Einige wie die Milizen, die noch immer nach zwanzig Jahren durch den Dschungel toben, finden sich, indem sie sich um einen Kommandeur scharen, der sie anleitet. Der sie führt. Der für sie das Denken übernimmt. Die anderen gehen nach der Familie, nach der Volkszugehörigkeit. Sie werden, vor die Wahl gestellt, immer ihren Stamm vorziehen. Ein Wagonda wird eher einen Wagonda unterstützen als einen Atuti oder einen Kelegaba. Das ist unser Erbe. Es hat uns geholfen, die Fremdherrschaft der Belgier zu überleben. Als Volk zu überleben. Und es hat uns geholfen, durch all die Phasen des Feuers und der Gewalt zu kommen, die die Base de l'Air über uns gebracht hat, aber auch die Gewalt, die wir selbst übereinander gebracht haben.“
„Wohl wahr“, murmelte der Sheik.
Wanagana sah die Herwigs sehr, sehr ernst an. „Dieses System hat zwanzig Jahre funktioniert und zumindest die Völker erhalten, als es unzählige Einzelschicksale gab, die mit Tod und Gewalt zu tun hatten. Und noch immer haben, selbst in diesem Moment. Sehen Sie, ich, mein Kollege Ldunga und auch der gute Taran, wir haben, das gebe ich offen zu, viele Dinge getan, die in Ihren europäischen Augen gewalttätig sind, brutal, ja, Kriegsverbrechen. Aber wir haben es nicht getan, um einen anderen Stamm auszurotten. Wir haben es getan, um unsere Stämme zu beschützen. Der stetige Kreislauf der Gewalt dreht und dreht sich weiter, solange die Base de l'Air die Kriegsherren besticht, die Menschen aufhetzt und jene tötet, die bei diesem Karussell nicht mitfahren wollen. Das macht uns sicher nicht besser, gerade nicht in Ihren Augen. Aber wir haben hier auch keine europäischen Verhältnisse, wir haben belongoische Verhältnisse. Wenn wir also etwas tun wollen, etwas verändern, etwas verbessern, zum Beispiel Keounda City wieder aufbauen, den Wohlstand zurück in unser Land holen wollen, indem wir den Handel wieder aufleben lassen, wenn wir unseren Kindern eine gute Bildung zukommen lassen wollen, damit ihre Generation es besser hat, und es besser macht, dann brauchen wir das Krankenhaus. Und wir brauchen Belongo Mining.“ Der Kriegsherr schwieg einen kurzen Moment. Er sah Shatterfield an. „Ich denke, gerade Sie wollen das nicht hören, General.“
„Und ob ich das hören will. Ich denke, das, was ich hier erfahre, wird maßgeblich dazu beitragen, um zu entscheiden, wie wir mit euch umgehen werden. Bisher bin ich eher positiv gestimmt.“
„Ach, tatsächlich? Und wenn ich Ihnen sage, dass meine Leute geplündert, Wehrlose ermordet und Frauen vergewaltigt haben, dass sie kleine Kinder aufgelesen und an der Waffe ausgebildet haben?“
„Dann würde ich Ihnen sagen, dass es einen Punkt geben muss, an dem man einen Schlussstrich ziehen kann, um ganz neu anzufangen. Bedenken Sie, um was es geht. Nämlich nicht nur um Ihre Völker, sondern um alle Völker, um alle Menschen, die in Belongo leben, und die Tag und Nacht von Tod und Zerstörung bedroht sind. Aber das ist nur die Meinung eines alten, erfahrenen Soldaten, nicht die offizielle Haltung der US-Regierung.“
Die beiden Männer maßen sich mit einem ernsten Blick, bis sie beide nickten.
Ldunga sah Meike ernst an. „Doktor Herryhaus, wir brauchen Sie. Sie, genau Sie. Wir brauchen Axel, wir brauchen Niklas. Wir brauchen Hauptmann Malicke. Wir brauchen Boxie. Wir brauchen jeden, der nicht aus diesem Land stammt, der zu keinem Volk gehört, aber bereit ist, für dieses Land zu kämpfen. Und kommen Sie mir nicht mit den Diamanten. Jeder Mensch in Belongo, der durch Sie bereits Hilfe erfahren hat oder auch nur dank Ihrer Anwesenheit Hoffnung schöpfen darf, gönnt es der Belongo Mining und ihren Mitarbeitern, dass sie reich werden, auch auf unsere Kosten. Denn das, was Belongo Mining jetzt ins Land schafft, Hilfsgüter, Generatoren, Solarpanel, Schulen, Straßenbauvehikel, die Minenwölfe, und, und, und... Die Impfungen, die medizinische Versorgung, die unglaubliche Großtat einer jungen Frau, die einem Kindersoldaten, der ihr Leben bedroht, eine Ohrfeige gibt, ihm die Waffe abnimmt, und dann tröstend in die Arme schließt, das ist alles so viel mehr als alles, was es die letzten zwanzig Jahre hier gegeben hat. Dies ist ohne Zweifel die beste Zeit, die Belongo in den letzten zweihundert Jahren je erlebt hat.
Axel, die Belongo Mining ist hier sehr, sehr willkommen. Nehmt euch alle Diamanten, die Ihr findet, beutet auch die zweite und die dritte Mine aus, werdet reich, wir alle gönnen es euch. Denn keiner von uns könnte das an eurer Stelle tun. Das, was Ihr stattdessen für das Land tut, ist so gewaltig, dass wir es kaum in Worte fassen können.“
„Das sind große Worte“, sagte der Sheik. „Aber wie willst du sie mit Leben füllen? Willst du alle Pflichten in die Hand von Belongo Mining legen und dir nur die Privilegien sichern? Ich weiß, dass du Rinder erhalten wirst, die von Axels Leuten in Panadia gekauft und eingeflogen werden.“
„Mich interessiert eigentlich mehr, woher du von der zweiten potentiellen Lagerstätte weißt“, sagte Axel.
Ldunga grinste. „Es ist ja nicht so, als gäbe es hier kein Internet. Ich musste nur ein wenig googlen, und dann fand ich im Wikipedia-Eintrag zu Belongo einen neuen Zusatz über die Axel-Mine und zwei weitere, vermutete Lagerstätten auf unserem Gebiet.“
„Was, bitte? Axel-Mine? Wikipedia-Eintrag?“
Niklas lachte schallend auf. „Wir hätten die Handyfunk-Antenne im Camp Diamond nicht aufbauen dürfen, scheint mir.“
„Auch die anderen Bodenschätze, die es in diesem Land gibt, einschließlich des Erdöls“, setzte Wanagana die Worte des anderen Kriegsherren fort, „würden wir ohne zu zögern Belongo Mining überantworten. Denn jetzt kriegen wir von dem Erdöl, das von der Base de l'Air gefördert wird, nur die Kugeln zurück, die damit gekauft werden. Belongo Mining aber würde aus dem Land, das reich an Bodenschätzen ist, ein Land machen, das reich an Kultur und Lebensqualität ist.“
Niklas fiel es wie Schuppen von den Augen. „Ihr wollt uns bestechen.“
„Ja“, gestand Wanagana. „Wenn Ihr den Abbau und den Ressourcenverkauf abwickelt, können wir sicher sein, dass ganz Belongo etwas davon abbekommt. Vielleicht wird es nicht gleichmäßig sein, vielleicht nicht ganz gerecht. Aber ohne euch würden viele Menschen gar nichts kriegen.“
„Da hat er wohl nicht ganz unrecht“, murmelte Meike.
„Das beantwortet aber meine Frage nicht“, sagte der Sheik.
Ldunga sagte: „Verzeihung, ehrenwerter Imam, ich wollte nicht ausweichen. Wie Sie wissen, weiser Mann, bin ich trotz einiger Differenzen der Verbündete von Belongo Mining. Und deshalb haben meine Speere ungeachtet aller Dinge, die gewesen sind, Seite an Seite mit Niklas' Kriegern und den Soldaten aus den USA gekämpft und das Böse aus Keounda City vertrieben. Das ist eine Tat, die ich meinen Leuten nicht hoch genug anrechnen kann. Wohl wissend, dass es ohne die Ranger und ohne die Mine niemals funktioniert hätte. Meine Speere waren stets an Zahl unterlegen, und selbst wenn sie es bis zu den Brücken geschafft hätten, die Panzer und der Schwimmpanzer hätten sie niedergemäht. Aber ich bin gewillt, und ich stehe dazu, meine Leute jederzeit wieder für Belongo Mining kämpfen zu lassen, weil das bedeutet, für eine höhere Idee zu kämpfen. Solange ich meine Leute für Axel kämpfen lassen kann, wird mir niemand vorwerfen, ein Volk oder eine besondere Fraktion zu bevorzugen.“
Wanagana räusperte sich. „Ich habe viel, sehr viel gehört, bevor Heide Schuster auch mich besucht hat. Aber ich war gespalten. Ich fürchtete mich vor der militärischen Macht der Mine und wollte sie gewähren lassen, weil ein Kampf mit ihnen meine Speere dezimiert hätte, ohne Gewinn zu versprechen. Als ich aber hörte, dass die Minengesellschaft um Keounda City kämpft, da nahm ich es als Zeichen an. Als Zeichen, dass sich etwas ändert, und zwar für ganz Belongo. Und wer Teil der neuen Zeit werden will, darf nicht in der Vergangenheit verharren.“
„Um die Worte zu erklären, vor allem für unseren Gast aus Amerika“, nahm Taran das Wort wieder auf, „so sind wir drei gewillt, unsere Kraft und unsere Speere zur Verfügung zu stellen, um Belongo unter der Supervision der Belongo Mining zu beschützen. Im neuen Belongo sollte es keine Kriegsherren mehr geben, denn unsere Völker werden nicht mehr als Völker beschützt werden müssen, nur noch als Personen. Darum ist die Zukunft der Speere aus drei verschiedenen Völkern die Bildung einer neuen, völkerübergreifenden Armee, die Frieden, gerechte Verteilung der Güter und den Schutz aller Bürger Belongos garantieren wird.“

Nachdem der Atuti geendet hatte, lag eine atemlose Stille über dem Tisch.
Axel war der erste, der seine Stimme wiederfand. „Wir sollen die neue Miliz ausbilden, oder meinetwegen die neue Volksarmee.“
„Ja. Sie ausbilden, sie bewaffnen, sie auf schwerem Gerät schulen. Wir werden dafür die Speere aller Kriegsherren aufrufen, sich anzuschließen, um das neue Heer zu bilden, das nicht nach Völkern und Sippen unterscheiden wird, sondern wie im alten Belongo als Hort der Gleichheit empfiehlt.“ Taran machte eine kurze Pause, um Axel in die Augen zu sehen. „Als hier vor zwanzig Jahren, elf Monaten und vier Tagen Ngali ausgelöscht wurde, von Luftangriffen und Bodenangriffen der Base de l'Air, begannen für Belongo schlimme Tage der Gewalt und des Todes. Die Stämme wurden gegeneinander aufgehetzt, die Miliz wurde gesplittet, weil jeder Soldat sein eigenes Volk beschützen wollte, und das Symbol der Einheit und des Friedens in Belongo, die Hauptstadt, wurde zum Hort des Bösen. Belongo wurde enthauptet und blieb es lange Zeit, bis der Riki vertrieben werden konnte. Nun gibt es die Hauptstadt wieder. Nun gibt es die Hoffnung wieder. Und Belongo Mining hat bewiesen, dass jedermann, der auf sie zutritt, Hilfe bekommt, ungeachtet des sozialen Rangs, des Volkes, der Herkunft. Würde ich nun die Miliz ausrufen, dann würde man mir nicht zu Unrecht vorwerfen, ich würde damit die Rolle der Atuti stärken wollen, und genau das würde ich auch versuchen. So ist es in meinem Blut, so habe ich es die letzten zwanzig Jahre getan. Nicht, dass ich sie übermäßig bevorzugen würde, aber die meisten Offiziere kämen aus meinem Volk. So haben wir diese dunkle Zeit überlebt. Würde Ldunga dieses Amt übernehmen, wären die meisten Offiziere Lulugengo. Würde Wanagana übernehmen, würde er die Kelegaba bevorzugen. Weil es bisher genauso in Belongo gehandhabt wurde. Ja, auch in Ndongo. Und was wir davon haben, wenn ein, zwei, drei elitäre Stämme alles für sich wollen und nichts für die anderen, das haben wir gesehen. Aber wenn die Belongo Mining das übernimmt... Ich sehe ein, in der nächsten, der allernächsten Zeit wird Krieg herrschen. Aber kein Krieg zwischen einander, sondern ein Krieg zwischen uns und unseren wahren Unterdrückern, die Upeti, die Llangoto, die Fufalla.
Unter der Führung von Niklas wären viele Kriegsherren bereit, darauf zu vertrauen, dass die neue Miliz ihre Völker auf einer neutralen Basis beschützt, sodass sie keine Speere mehr brauchen. Sie würden sie unter sein Kommando stellen. Wir würden damit unsere Kräfte bündeln und uns erstmals in unserer Geschichte gemeinsam gegen Ndongo wehren. Und was Keounda City angeht, wenn keiner unserer Stämme, vor allem die zahlreichen Wagonda, unsere Hauptstadt für sich beansprucht, sondern alle Völker sie beanspruchen, unter einem Anführer, der aus keinem der Völker stammt, dann kann sie die Keimzelle für eine stabile Zukunft sein.“
Axel war blass geworden. „I-ich bin kein Politiker. Ich kann mich nicht hinstellen und sagen: Ich bin jetzt das Oberhaupt von Belongo.“
„Sie können was nicht sagen?“, fragte der Atuti.“
„Na, ich bin das Oberhaupt von Belongo.“
„Das machen Sie aber schon ganz gut“, frohlockte Taran. „Axel, geben Sie uns dieses eine halbe Jahr. Übernehmen Sie es, in diesem halben Jahr das Land zu ordnen und überlassen Sie es Ihrem Bruder und Hannes Malicke, eine Armee zu unserer Verteidigung aufzustellen und sie zu trainieren. Ein halbes Jahr, das würde uns reichen. Dann können unsere ausgebildeten Leute diese Armee übernehmen, dann können wir freie Wahlen abhalten, um ein demokratisch gewähltes Oberhaupt zu finden.“
„Ich kann doch nicht...“
„Du musst sogar“, sagte Ldunga mit fester Stimme. „Alle Stämme, alle Dörfer, sehen es als Omen an, dass du als Wehrloser nach Keounda City gekommen bist, und nun als Sieger über die Stadt herrschst. Ich gebe zu, Heide Schuster hat noch nicht jedes Dorf besucht, noch nicht mit jedem Kriegsherrn gesprochen, und auch wir haben erst fünf weitere Kriegsherren auf unserer Seite, die Meisten von ihnen Wagonda. Aber es gibt eine Entwicklung. Und vereinzelt haben wir von Milizen gehört, die sich im Dschungel verstecken und die für eine Generalamnestie bereit sind, sich deinem Oberbefehl zu unterstellen. Die Zeichen der Zeit stehen auf Veränderung, und wenn diese Veränderung von jemandem angeführt wird, der keinen Stamm bevorzugt, weil er kein Teil unseres Stammessystems ist, dann können die Menschen vertrauen.“

„Hm“, machte Meike skeptisch. „Ihr bereitet einen Krieg vor.“
„Der Krieg ist schon lange da, Doktor Herryhaus“, sagte Wanagana. „Und bisher haben wir ihn immer gegen uns selbst gefochten, sehr zur Freude unserer Unterdrücker, denn uns blieb keine andere Wahl. Aber jetzt stehen die Dinge anders. Wir können jetzt etwas für den Frieden tun.“
„Was wir erwarten“, sagte der Atuti schließlich, „das ist, dass die Belongo Mining für den Austausch der Diamanten, die sie hier findet, weiterhin Hilfsgüter ins Land bringt. Dass die Hälfte des Gewinns an die Mitarbeiter geht, begrüßen wir sogar, denn Sie tun hier etwas, was noch nie jemand zuvor getan hat, was niemand zuvor für möglich gehalten hat. Wir gönnen euch den Reichtum, schenkt Ihr uns doch einen Reichtum, den wir schon lange verloren glaubten. Frieden zwischen unseren Völkern. Axel Herwig, ein halbes Jahr. Niklas Herwig, ein halbes Jahr. Wir bitten euch.“
Wie abgesprochen senkten alle drei Kriegsherren die Häupter vor den beiden Brüdern.
Axel runzelte die Stirn. „Wie ich schon sagte, wir planen, die Mine nach Ablauf der Frist in die Hände der Leute zu geben, die wir für diese Aufgabe ausbilden. Leon ist da viel versprechend. Und wir werden auch die Wege finden, um das Krankenhaus weiter zu betreiben, wie wir es versprochen haben. Wir lasen auch unsere Waffen und unser Gerät hier, zum Nutzen Belongos. Müssen wir wirklich noch mehr tun?“
„Oh, du wirst noch mehr tun, Axel Herwig“, sagte der alte Imam lachend. „Weil du nicht anders kannst als Leute zu beschützen, denen du noch nie begegnet bist, und von denen du keinen Nutzen zu erfahren hast, einfach weil sie Hilfe brauchen und du diese Hilfe leisten kannst. Also ist es doch eine kluge Idee, wenn du dies mit dem Segen aller tust.“
Axel blickte den blinden Mann erstaunt an. „Sicher, das würde ich, aber... Abu, wenn...“
„Ich kann nicht das Oberhaupt sein. Gewiss, ich bin geachtet und geschätzt in weiten Teilen des Landes. Deshalb wird meine Stimme, die ich für dich erhebe, auch Gewicht haben. Aber ich bin nicht du, Axel Herwig. Ich bin nicht du.“
„Vom Standpunkt des Präsidenten aus gesehen“, meldete sich der General zu Wort, „sehen wir nach den Vorfällen mit den russischen Raketen einen Konflikt mit Ndongo nicht als unausweichlich an. Eine stabile Regierung in Belongo, die unseren Beistand wünscht, würde es uns allerdings erleichtern, vor dem Kongress zu vertreten, das Flugverbot weiterhin durchzusetzen. Es muss keinen Krieg mit Ndongo geben. Nicht zwangsläufig. Aber sollte es ein neues Landesoberhaupt geben, und würde dieses Landesoberhaupt den Präsidenten fragen, ob er das Flugverbot über den Zeitraum der Untersuchung hinaus durchsetzen kann, würde Präsident Etranger dies mit einem präsidialen Dekret erst einmal gewähren und dann vor dem Kongress und dem Senat vertreten.“
„Oder einfacher ausgedrückt“, sagte Captain Scott, „es wird eine neue Band gegründet, und die braucht einen Frontmann.“
Alle Augen richteten sich auf Axel Herwig, auch die des blinden Imam.
***
„Ma'am?“
Anette Burdelle wandte sich der Frauenstimme zu. „Was gibt es, Lieutenant?“
McMasters deutete die von Straßenlampen kaum erleuchtete Straße hinab, wo sie bis vor kurzem noch den Mob gehört hatten. „Sie ziehen ab.“
Anette Burdelle schüttelte den Kopf. „Tun sie nicht.“
„Aber sie werden leiser.“
„Ariele, Sie kennen diese Straßen besser als ich. Gibt es im direkten Umkreis eine breitere Straße als diese? Einen Platz zum Beispiel?“
„Nein, Ma'am, nicht im näheren Umkreis.“
„Diese Straße ist also der einzige Ort, an dem sie eine große Menschenmenge versammeln können, richtig?“
„Zumindest in diesem Viertel, ja.“
Burdelle hob ihr Fernglas und spähte die Straße ab. „Warum also sollte sich der Mob zurückziehen, immer vorausgesetzt, er steht noch unter der Kontrolle der Rädelsführer?“
Die junge Frau dachte nach. „Sie haben ein lohnenderes Ziel gefunden?“
„Hm. Und dieses Ziel wäre? Erinnern Sie sich daran, der Mob schaukelte auf, als herauskam, dass ein US-Kampfschiff einen Frachter aus dem Besitz des Präsidenten versenkt hat. Das hat sich nicht geändert. Warum also sollte der Mob abziehen? Glauben Sie, die Cola und das Geld und der Schmuck haben gereicht?“
„Um sie alle zufrieden zu stellen? Nein, Ma'am.“ Sie sah erstaunt drein. „Vielleicht liegt es an den Nachrichten! Es geht ja gerade durch das Staatsfernsehen, dass Keounda City heute Abend eingenommen wurde und die Rebellen vertrieben werden konnten, und dass die Base de l'Air de Belongo maßgeblichen Anteil an der Sicherung der Stadt hat. Vielleicht gehen sie feiern.“
„Das glauben Sie doch selbst nicht, Ariele. Sie wissen zu gut, dass nicht ein ndongoianischer Soldat an dieser Aktion beteiligt war, und dass die Base de l'Air nur in einem Punkt überhaupt in der Geschichte involviert war, nämlich als der dortige Kommandeur versucht hat, zwei unserer Ranger-Platoons festzusetzen. Nein, Ariele, die Propaganda schlachtet das Thema aus, weil es nach allem eine gute Nachricht ist. Und wahrscheinlich wird sich Ndongo in naher Zukunft nachhaltig darüber beschweren, dass die USA ihren Truppen den Zugang zur Stadt verwehren. Aber das ist etwas, was morgen stattfinden wird. Die Verdienste der Army Ranger und der Krauts zu vereinnahmen... Wie typisch.“
„Darum bringen sie es in den Nachrichten? Um selbst gut dazustehen?“
„Und um politische Vorteile herauszuschlagen. Denn wenn dieser Körperteile tragende Bastard Keounda City nicht mehr beherrscht, dann muss es Ndongo sein, sonst passiert wer weiß sonst noch was mit der Region. Nachher erklärt sich der 17. Bundesstaat noch für unabhängig. Und dann ist all das schöne Öl futsch, das sie fördern.“ Sie nahm das Fernglas ab. „Die Ospreys kommen wann?“
„Der von Keounda City ist in achtzehn Minuten da. Der von der Abe braucht noch etwa drei Stunden.“
„Treffen Sie eine Vorauswahl von Leuten, die zuerst ausgeflogen werden. Sehen Sie zu, dass Sie so viele Menschen wie irgend möglich reinquetschen. Bevorzugen Sie Frauen und Kinder. Nationalität ist egal. Und sorgen Sie dafür, dass der Botschafter an Bord sein wird. Ist wenigstens eine der Maschinen leer?“
„Nein, Ma'am. Beide bringen uns je zwei zusätzliche Firesquads und Munition. Frauen, Kinder und der Botschafter zuerst?“
„Ja.“
„Ist das die Antwort auf die Frage, warum sich der Mob zurückzieht?“
„Richtig.“
„Also, warum zieht sich der Mob zurück?“
Anette Burdelle grinste freudlos. „Damit er nicht ins Kreuzfeuer gerät. Machen Sie die Leute bereit. Sobald der erste Schuss gefallen ist, freies Feuer auf jeden Schwarzafrikaner, der bewaffnet auf dieses Gebäude zugerannt kommt. Und machen Sie ein paar der Javelins klar, die ich mitgebracht habe.“
Ariele McMasters wurde kreidebleich. „Panzer?“
„Wir haben sie vorhin gehört, Ariele.“ Burdelle klopfte der Jüngeren auf die Schulter. „Sie machen das schon. Sehen Sie zu, dass wir auch zu den Seiten und nach hinten ausreichend wachsam sind. Ach, und noch was. Ich glaube ja persönlich nicht daran, dass die Ndongoianer so etwas wagen, aber sollte ihre Luftwaffe eine ähnliche Schweinerei vorhaben wie mit den Army Rangern in Belongo, sollten wir auch ein paar Stinger auspacken und Gefechtsklar machen.“
„Sie meinen Napalm, Ma'am?“
„Himmel, ich hoffe doch, so verrückt sind sie nicht. Die ganze Straße würde brennen. Aber Beschuss oder Luft-Boden-Raketen, das würde ich ihnen zutrauen. Gehen Sie jetzt, Ariele. Solange wir den Mob noch hören, geht es erst los, wenn wir die Panzerketten wieder hören.“
„Verstanden, Ma'am.“ Die Lieutenant nickte, anstatt zu salutieren, bevor sie sich aufmachte, die Anweisungen auszuführen. Der schwerste Teil würde sein, Botschafter Hayle dazu zu bringen, in den Osprey zu steigen.

Es vergingen fast zehn Minuten, bevor der Mob nicht mehr zu hören war. Dann klangen wie erwartet die Geräusche von Ketten auf. Eigentlich war es politischer Wahnsinn, Panzer gegen eine US-Botschaft einzusetzen. Es war eine offene Kriegserklärung. Aber von einem Gegner, der politische Gegner auf offener Straße hinrichtete, um seinen Clan bei Laune zu halten, war alles zu erwarten. So ziemlich alles. Burdelle hörte mit spitzen Ohren zu, bevor sie sich erhob und das Dach verließ. Schade, sie hatte es hier oben gemocht.
„McMasters!“
„Captain?“
„Es sind bis jetzt nur zwei. Beide kommen aus Süden. Bringen Sie zwei Leute mit Javelins so unauffällig wie möglich in den Vorgarten. Sagen Sie den Spähposten, dass sie die anderen Seiten aber nicht vernachlässigen sollen.“
„Jawohl, Ma'am. Schätze, die sind wirklich sauer, was?“
„Nein, das denke ich nicht. Die sind nicht sauer, die wollen einen Krieg. Wir...“ Ihre spitzen Ohren hörten das sehr charakteristische Geräusch von einstürzenden Wänden, wenn auch aus einiger Entfernung. „Nanu?“
Sie eilte wieder aufs Dach, McMasters dicht hinter sich, nachdem sie zwei Javelin-Teams in den Vorgarten gejagt hatte.
Burdelle schlich auf dem Flachdach bis zum südlichen Beobachtungsposten. „Was sehen Sie, Private?“
„Einen Panzer, Ma'am. Russisches Modell, T-55, Standardausrüstung der ndongoischen Armee. Fährt eine eigentlich ganz hübsche alte Villa platt, achthundert Yards die Straße runter.“
„Eine Botschaft?“, fragte sie.
McMasters spähte mit ihrem Fernglas nach Süden. „Oh. Das nenne ich eine späte Rache. Ist die ehemalige Villa des belgischen Gouverneurs. Stand eh leer, das Gebäude, weil sich die Regierung nie darauf einigen konnte, was sie mit dem verhassten Bauwerk der verhassten Kolonialherren machen sollten. Scheint so, als hätte jetzt jemand eine Entscheidung getroffen.“
Beinahe hätte Anette Burdelle aufgelacht. „Sollen sie ruhig das Gebäude platt walzen. Dann haben sie weniger Zeit für uns. Wann kommt der erste Osprey jetzt?“
„Geplante Ankunftszeit sieben Minuten, Ma'am.“
„Falls ihn kein Black Star vom Himmel pflückt“, wandte der Späher ein.
„Oh, da hat wohl jemand Lust auf zweitausend Liegestütze“, sagte Burdelle zwischen Amüsement und Ärger gefangen. „Hat Ihnen niemand beigebracht, dass man die Menetekel in Ruhe lassen soll und niemals an die Wand malt, Private?“
„Nein, Ma'am, das wurde bei meiner Ausbildung vergessen.“
„Gut, dann will ich nachsichtig sein. Aber sagen Sie so etwas nie wieder.“
„Werde mich bemühen, Captain.“
Ein flüchtiges Grinsen ging über ihr Gesicht. In weniger als fünf Minuten würde ein Teil ihrer Sorgen von ihr genommen werden. Was danach kam, konnte schlimm werden. Aber sie hatte gute Leute hier. Sie würden schon was reißen können.
„Machen Sie weiter, McMasters.“
„Ja, Ma'am.“
„Ach, und falls der Botschafter nicht einsteigen will: Holen Sie die Flagge ein und bringen Sie sie auf den Osprey.“
„Ja, Ma'am.“
Die Wartezeit auf den zweiten Osprey würde sehr lang werden, oder sehr kurzweilig ausfallen. Aus naheliegenden Gründen war ihr Langeweile derzeit viel lieber.
***
An Bord der Abraham Lincoln herrschte Gefechtsbereitschaft, also Verdunklung, volle Patrouille, volle Schichten am Radar, und, und, und. Die Situation an Bord des Trägers und seiner ihn begleitenden Kampfgruppe war nicht gerade konzentriert, allerdings auch verfahren genug. Mit jeder Stunde kamen die Piloten dem Einsatzgebiet Ndongo näher, die Flotte passierte gerade Viemibia mit Höchstfahrt, würde bald Anjula erreichen, und dann vor der Küste Ndongos kreuzen können. Die Colorado kam ihnen entgegengedampft, so schnell es ihre Kessel erlaubten, und damit allein würden sie ein sehr deutliches Zeichen an Präsident Rousseau sein. Bisher mussten ihre Flieger, um Belongo zu erreichen, viemibischen Luftraum durchqueren, dann panadianischen. Vor der Küste Ndongos kreuzend konnte sich das ändern. Vor allem, wenn Anjula den US-Fliegern endlich Überflugerlaubnis erteilte.
Dennoch schien Admiral Philips von alldem im Moment unberührt. Er hatte zwar ein Headset auf dem Kopf und lauschte dem, was in der CIC vor sich ging, aber ansonsten saß er neben dem Krankenbett auf der Intensivstation des Trägers und betrachtete den jungen Piloten, der nach seiner schweren Operation aufzuwachen versuchte. Und dann schaffte er es tatsächlich.
„Was?“, entfuhr es Second Lieutenant Keiichi Tanaka, während er in das grelle Licht der Decke blinzelte.
Sofort war Doktor Brown bei ihm. „Können Sie mich hören, Lieutenant?“ Er griff zu seinem Leuchtstab und überprüfte die Pupillenreflexe des Piloten.
„Ja...“
„Was ist das Letzte, woran Sie sich erinnern können?“
Verständnislos sah Tanaka den Arzt an, dann ließ er sich seufzend wieder auf das Kissen sinken, von dem er aufgefahren war. „Rakete... Verletzung... Notlandung...“ Er fuhr wieder hoch. „Mein Bein...“
„Ruhig, Lieutenant, Ihr Bein ist noch dran. Sie haben ein schönes Loch drin, und mit dem Fliegen ist es in der nächsten Zeit erst mal Essig, aber Sie werden es nicht verlieren. Und die Prognose, ob Sie es nach der Rekon wieder normal benutzen können, sehen relativ gut aus. Hat hauptsächlich Muskelfleisch erwischt. Da haben Sie wirklich Glück gehabt.“
„Was? Oh...“ Er tastete nach dem Bein. Philips half ihm und führte seine Hand, bis der Pilot das Bein selbst ergreifen und betasten konnte. „Gut...“, murmelte er. Dann wollte er wieder auffahren. „Topper?“
Philips und der Arzt drückten ihn zurück auf die Kissen. „Lieutenant Martell geht es gut. Sie hat eine erstklassige Landung hingelegt und damit Ihr Leben gerettet, Lieutenant Tanaka. Sie war bis vor einer Stunde hier, aber ich habe sie ins Bett befohlen. Sie muss morgen wieder fliegen.“
„Verstehe...“
„Ich werde ihr persönlich sagen, dass Sie aus der Narkose erwacht sind“, sagte Philips. „Wissen Sie, wer ich bin, Badger?“
Die Augen des Asiaten zuckten von Brown zum Admiral. „Sir.“
„Nein, bleiben Sie liegen, Badger. Gute Arbeit da draußen. Sie haben die Karuma erwischt. Und Ihnen wird es auch wieder gut gehen, ganz davon abgesehen, dass Ihr Jet wieder nach Hause gebracht wurde. Der Skipper der Colorado ist voll des Lobes über Sie und Topper. Und auch ich werde eine entsprechende Anmerkung in Ihre und Toppers Akte setzen. Tja, mit dem Fliegen ist es wirklich erst mal vorbei. Also sehen Sie zu, dass Sie sich ausruhen, denn umso schneller kann die Rekonvaleszenz losgehen, und umso eher kriegen Sie Ihre Flugfreigabe wieder.“
Tanaka sah Philip aus glasigen Augen an, bevor sein Widerstand erlosch und er sich wieder auf das Kissen sinken ließ. „Verstanden, Admiral.“
Philips klopfte ihm leicht auf die Schulter. „Schön, dass Sie es geschafft haben, Lieutenant.“
„Danke... Dass Sie hier waren.“
Eines seiner seltenen Lächeln ging über Cedric Philips Gesicht. „Es war mir eine Ehre, Badger.“
Er nickte dem Japano-Amerikaner noch einmal zu, dann den Doktor, und anschließend verließ er das Krankenrevier, um sich auf den Weg zu den Pilotenquartieren zu machen, wo eine gewisse junge Dame statt zu schlafen sicher gerade Furchen in den Schiffsboden lief. Er würde ihr die gute Nachricht überbringen und dann selbst versuchen, etwas Schlaf zu finden. Die Nacht würde nicht viele Überraschungen bringen, der Tag hingegen schon. Vermutete er.

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16.
Über der nächtlichen Ruinenstadt hing der rote Schein mehrerer großer Feuer. Man konnte nicht gerade sagen, dass Belongo Mining und die Ranger besonders schonend mit den Männern des Riki gewesen waren, angemessen wäre eine Bezeichnung gewesen wie „rücksichtsloser Kampf“. Das hieß aber nicht, dass jetzt, wo alles vorbei war – Hannes und Niklas hatten von einer Kampfpause gesprochen, und sowohl Jason Scott, als auch General Shatterfield und die anderen amerikanischen Offiziere hatten dazu genickt – jedem Überlebenden dennoch eine Kugel durchs Gehirn gejagt wurde. Zumindest solange nicht, wie er nicht versuchte, die Soldaten, die die Straßen nach Überlebenden absuchten, doch noch irgendwie umzubringen. Aber die Männer des Riki, die von der verteilten Droge, dem Omonek, so berauscht gewesen waren, dass sie nicht einmal mehr mitbekommen hatten, dass sie eigentlich schon tot waren, tja, die waren bereits während der Kampfhandlung getötet worden. Jene, die den Kampf, den Rausch oder einfach den Tag überlebt hatten, ob mit oder ohne Omonek, egal ob sie sich versteckt hatten, um sich zu ergeben, oder mehr tot als lebendig auf den Schlachtfeldern gefunden worden waren, wurden je nach Verletzungsgrad entweder zur Moschee gebracht, oder aber gleich zur Ldungas Farm, wo die Firma mittlerweile dank der Unterstützung der Ranger und nachgeholter Ärzte und Pfleger von Belongo Mining über ein gut ausgestattetes Feldlazarett verfügte. Viele waren es nicht gewesen, zumindest nicht viele Omonek-Konsumenten. Die meisten, die das weiße Pulver geschnupft hatten, hatten bis zur Bewusstlosigkeit oder bis zum Tod gekämpft. Der fatale Befehl, jedem am Boden Liegenden eine Kugel durch den Kopf zu jagen, war aus Selbstschutzgründen ergangen, da selbst Schwerstverletzte noch versucht hatten, einen oder mehrere Soldaten mit in den Tod zu reißen. Dementsprechend vorsichtig waren die Bergungsarbeiten auch vonstatten gegangen. Hannes hatte die Teams instruiert und ihnen befohlen, mit den Überlebenden so umzugehen, als wären sie vermint worden. Im Fachjargon nannte man es eine „Booby Trap“. Ein Schwerverletzter oder ein Toter wurde auf eine scharfe Mine oder Handgranate gelegt, die explodierte, wenn der Verwundete gedreht oder angehoben wurde; eine Methode aus den unschöneren Zeiten eines jeden Krieges. Dementsprechend waren die Überlebenden wie mit Wattehandschuhen eingesammelt worden, was sicher noch den einen oder anderen späten Toten bedeutet hatte, aber Niklas war nicht bereit gewesen, seine Leute zu opfern. Und die Ranger hatten wahrlich genug leiden müssen.

Die, die gestorben waren, und ihre Zahl ging fast an die zweitausend heran, wurden nun an mehreren zentralen Punkten in der Oststadt und der Weststadt auf Scheiterhaufen verbrannt. Dies tat man aus gesundheitlichen Gründen, denn eine solche Menge an Toten musste zwangsläufig Seuchen auslösen, wenn man nicht schnell handelte. Ihre Kriegswaffen waren eingesammelt worden, ebenso die Tikalak, die Trophäen, die aus getrockneten Menschenteilen hergestellt worden waren. Man konnte sie nach teilweise zwanzig Jahren den Opfern nicht zurückgeben, aber man konnte ihnen Respekt erweisen, also ließ Axel die Tikalaks - Ohren, Finger, Penisse, Brustwarzen, Augen, Klitorides und Schamhäute - auf einem eigenen, gesonderten Scheiterhaufen verbrennen.
Der Scheik hatte es sich nicht nehmen lassen, für jeden dieser Scheiterhaufen ein leises Gebet zu sprechen, obwohl das für ihn einen beachtlichen Weg bedeutet hatte, und das nach den Strapazen des ganzen Tages für den alten, blinden Mann. Der aber sagte von sich selbst, dass er sich zwanzig, wenn nicht dreißig Jahre jünger fühlte, seit er wieder in Keounda City sein durfte, und dass diese Anstrengungen für ihn wie ein Freudentanz wären, den er übrigens auch schon seit dreißig Jahren nicht mehr hinbekommen hatte.
Alles in allem war die Lage nach der Flucht des Riki und seiner letzten Gefolgsleute ruhig zu nennen. Dazu waren die Marines und die Ranger des Untersuchungskommandos als Verstärkungen gekommen, ebenso wie die weiteren Aushebungen von Belongo Mining. Aber man war weit davon entfernt, die eroberte Stadt bereits als befestigt anzusehen, auch wenn man ab und an entweder einen Jagdflieger oder einen Kampfhubschrauber in der Ferne hören konnte. Nun, nachdem auch der größere Teil der Stadt, der Osten, vom Feind geräumt war, musste auch eine größere Grenze beschützt werden, ganz davon abgesehen, dass die Ruinen noch nicht vollständig durchsucht waren, und jederzeit irgendein durchgeknallter Irrer auf Omonek ein Blutbad anzurichten versuchen könnte. Versucht hatte der Riki das mehrfach, unter anderem durch Halbwüchsige, die sich an Orten hatten verstecken können, die für Männer zu klein gewesen waren. Aber ihnen hatte der Riki zum Glück nur leichte Handwaffen anvertraut. Eine Handgranate, in eine Gruppe geworfen, hätte schlimme Auswirkungen haben können.

„Blizzard.“
Corporal Miller, der die Straße nach Osten bewachte und deshalb über fünf Stellungen mit je zwei Mann und eine Hauptstellung mit drei Soldaten plus ihm gebot, fuhr herum und sah in Richtung des roten Lichtscheins der Feuer. Dort zeichnete sich tatsächlich die große Gestalt eines Menschen ab. Verdammt, der Mann hätte sich zu ihnen setzen können, und keiner der vier Mann starken Stellung direkt an der Straße hätte etwas bemerkt. „Foxtrott“, antwortete Nathan Miller mit der Gegenparole.
Der große Mann kam näher und ging zwischen ihnen in die Hocke. Es war einer der Deutschen, Hannes Malicke. In seiner Truppe nannten sie ihn nur den Unsterblichen.
„Ich will nicht mosern, Sir, aber war es nicht etwas leichtsinnig, dass Sie aufrecht zu uns gekommen sind?“, fragte Private Osbourne.
Hannes seufzte. „Leichtsinnig? Hören Sie, in den letzten beiden Tagen habe ich mich auf eine Handgranate geworfen, deren Stift nicht gezogen worden war; ich stand auf einem freien Feld, und eine Brandlohe einer Napalm-Explosion schoss dicht genug an mir vorbei um meine Haare zu versengen und mir einen Sonnenbrand zu verpassen; und auf der Fußgängerbrücke sind die Kugeln so haarscharf an mir vorbeigezischt, ich habe Löcher in meiner Uniform. Denken Sie wirklich, Leichtsinn bedeutet etwas für mich?“
Osbourne kratzte sich mit der freien Linken unterm Stahlhelm. „Beachtlich. Verstehe. Entschuldigen Sie die Frage, Sir.“
Hannes lachte. „Um ehrlich zu sein habe ich vergessen, mich gebückt zu nähern. Ich bin etwas müde, denke ich.“
„Wir sind alle müde, Sir“, sprang der Corporal ihm zur Seite.
„Aber wir tun unseren Job“, ergänzte Osbourne.
„Und Sie sind alle gut darin“, sagte Malicke in einem beschwichtigenden Ton. „Was mich zum Thema bringt. Irgendwas gesehen?“
„Weder mit den Thermoscannern, noch mit den Nachtsichtgeräten, Sir. Es ist alles ruhig. Zumindest ruhiger als auf dem Fluss.“
„Oh ja, der Fluss. Da herrscht ein Verkehr, den Sie sich nicht vorstellen können. Mir scheint, alles, was im Umkreis von eintausend Kilometer schwimmen kann, ist gerade auf dem Fluss unterwegs. Viele legen auch an und bringen Geschenke. Essen, Tand, einen Teil ihrer Handelswaren, was gerade zur Hand ist.“
Osbourne wandte sich der nahen Waldlinie zu, wie es sein Job war. „Schätze, die freuen sich alle ein Loch in den Bauch, weil sie jetzt endlich wieder auf dem Lagabanda fahren können, wie es ihnen beliebt.“
„Einige steigen auch aus, um nach Angehörigen zu suchen“, sagte Hannes bedächtig. „Wer mag es ihnen verdenken? Mehr als die Hälfte der Männer des Riki wurden in den Dienst gezwungen und dann mit Gewalt, Drogen, Privilegien und drakonischen Strafen zum Gehorsam gezwungen. Deshalb hat er seine Leute ja auch auf Ketamin gesetzt, bis ihr logisches Denken ausgeschaltet war, sie keinen Schmerz mehr verspürt haben und bis zur letzten Körperbewegung gekämpft haben.“
„Ketamin, Sir?“, fragte Private Sloane interessiert.
„Ein Rauschgift.“
„So schlau war ich auch schon“, gab sie ein wenig patzig zurück.
Hannes unterdrückte ein Lachen. „Eine synthetische Droge, die, ist die Formel einmal bekannt und ist das Labor fähig, in großen Mengen hergestellt werden kann. Wir nehmen zumindest an, dass das Omonek Ketamin ist, aber es kann auch eine andere Droge sein. Eine, die Schmerzfreiheit und einen Trance-Zustand verursacht, in dem die Berauschten nicht einmal mitbekommen, dass sie eigentlich schon tot sind...“ Hannes schüttelte angewidert den Kopf.
„Ich weiß, Sir. Ich habe mehr als einem von denen, die quasi nur noch von den Sehnen zusammengehalten wurden, eine Kugel in den Kopf verpasst, weil sie immer noch versucht haben, mich umzubringen. Die, die mich nur noch beißen konnten, habe ich verschont, aber ich bin mir vorgekommen, als wäre ich Nebendarsteller in einer der Zombie-Serien. Sie wissen schon, einer von denen, die zu blöde sind, um wegzulaufen oder irgendwo hochzuklettern.“ Auch der Corporal schauderte. „Meinen Sie, er kommt wieder? Oder hat er genug?“
„Der Riki?“ Nachdenklich strich sich Hannes übers Kinn. „Er hat gewiss neun von zehn seiner Leute eingebüßt, dazu einen Großteil seines Volkes, als wir die T-54 überraschend überwinden konnten und die Brücken genommen haben, bevor er die Hotels hat auflösen können, geschweige denn die Tikalak-Werkstätten. Wir sind ihm technisch und mittlerweile auch personell überlegen. Wenn er keinen letzten Anlauf haben möchte, der auch den Rest seiner Männer tötet, dann, denke ich, hockt er irgendwo auf dieser Hochebene im Dschungel, leckt seine Wunden und fragt sich, wie lange die Männer noch auf ihn hören werden, jetzt, wo nichts mehr da ist, worüber ihr König regieren kann. Das heißt aber nicht, dass er es nicht später versuchen wird. Die Söldner, die die Mine überfallen haben, sollten ihm zu Hilfe eilen. Das kann wieder passieren, wenn seine Geldgeber davon ausgehen, dass er noch etwas erreichen kann, auf die eine oder andere Weise.“
„Na, deshalb sitzen wir ja hier“, sagte Sloane altklug. „Was sagt denn Boxie? Hat der Infrarotscanner seiner Hirschkuh was gefunden?“
Hannes lächelte milde über den Spitznamen für den Mil Mi 24-D, den die Amis dem russischen Hubschrauber gegeben hatten. Obwohl schon recht alt hatte sich die Mi 24 in all ihren Versionen auf dem Schlachtfeld Belongo geradezu bewährt. Nicht zuletzt, als sie die andere Söldnergruppe aufgerieben hatten, die Keounda City von Norden stürmen sollte, die sich aber selbst mit der Plünderung der Farm eines Kriegsherrn aufgehalten hatte. „Er ist alles von der Mine bis zum Land der Atuti im Süden auf dieser Seite des Flusses auf einer Breite von zwanzig Kilometern abgeflogen, hat aber nichts Auffälliges gefunden. Zumindest keine leicht bewaffneten Kohorten mit Angriffsrichtung Stadt, und auch keine Fahrzeugkolonnen.“
„Das ist beruhigend zu hören. Und was ist mit Ompala City und unseren Leuten dort?“, hakte sie nach.
„Nicht so gut. Der Captain wird Ihnen nach der Ablösung noch etwas dazu sagen. Aber so viel steht fest: Die Marines haben die Botschaft so weit sie konnten von Zivilisten evakuiert und sich danach eingeigelt. Im Moment sieht es nicht so aus, als würde der Mob versuchen, die Botschaft anzugreifen, aber es sind Panzer auf den Straßen, die sich derzeit über die letzten Relikte der belgischen Fremdherrschaft hermachen. Auf der Abraham Lincoln hat man auf jeden Fall Flugzeuge bereit, um notfalls eingreifen zu können, Black Stars hin oder her.“
„Und was passiert jetzt mit Keounda City?“, fragte der Vierte im Bunde, Private Jones. „Was wird aus den Gefangenen?“
„Nun, es scheint so, als wäre die Rettungsaktion, die Ihr Ranger durchgezogen und so teuer bezahlt habt, nicht umsonst gewesen. Die Stadt wurde nicht nur vom Riki befreit, eine Menge wichtiger Leute, die man bei uns Zuhause wohl Kriegsherren nennen würde, die hierzulande aber ein gewichtiges Wort mitzureden haben, wollen sich zusammentun und die Provinz Belongo mit einer funktionierenden Hauptstadt Keounda City wieder aufbauen. Deshalb bequatschen sie gerade Axel und Niklas, um bei dieser Aktion die Führung zu übernehmen. Die guten Herren trauen sich gegenseitig nicht und befürchten, dass, würde einer von ihnen das Amt als Oberhaupt anstreben, sie bewusst oder unbewusst ihre eigenen Clans bevorzugen würden. Bei Axel ist man sich sicher, dass er die Wagonda nicht über Gebühr bevorzugen wird, weil er ein alter Streber ist.“
„Der Riki tot, Keounda City frei, eine ganze vom Krieg erschütterte Provinz auf dem Weg zu einer neuen stabilen Regierung... Wer hätte das gedacht, als wir ausgeflogen sind, um zwei abgeschossene Deutsche aus einer Horde durchgeknallter Zombies zu retten.“ Der Corporal schwieg einen Moment. „Habe ich gerade gesagt, der Riki ist tot? So viel Glück werden wir wohl nicht haben. Er selbst oder sein Schreckgespenst werden die Stadt sicher noch Jahre verfolgen.“
„Ist anzunehmen, ja. Aber erst einmal ist er weg. Und um auf Ihre zweite Frage zu antworten, Private Sloane, wir werden die Gefangenen nach der Entwaffnung, einer medizinischen Überprüfung und in Übereinkunft mit ihren Heimatgemeinden, so diese noch existieren, wieder nach Hause entlassen. Nach der Ent-Rikifizierung.“
„Ent-Rikifizierung? Was ist das denn?“
Hannes grinste breit genug, sodass im Sternenlicht des Hochplateaus und selbst gegen den roten Feuerschein seine Zähne aufblitzten. „Sagen wir, ein magischer Trick, mit dem wir ihnen den Riki austreiben. Bernd Assay hat es vorgeschlagen.“
„Der dicke Wunderknabe? Der, der jeden Soldaten kennt, der in den letzten zehn Jahren irgendwo in Mitteleuropa gedient hat? Ich wusste, er versteht was von Nachschub, aber Magie?“
„Oh ja, er versteht was von Magie, sogar eine ganze Menge, Private Osbourne“, versicherte Hannes. „Zumindest kennt er jemanden, der geradezu magische Wunder vollbracht hat.“
***
Axel stand noch immer unter dem Bann dessen, was Ldunga und die anderen Warlords von ihm verlangten. Ja, verlangten. Warlords, gemeine Kriegsgewinnler, Rassisten gar, die ihren Nachbarn zwanzig Jahre lang nicht die Butter auf dem Brot gegönnt hatten. Und das war an diesem Abend alles hinfällig geworden. Sie wollten zusammenarbeiten, mit ihm an der Spitze. Wie konnten diese Mörder und Befehlshaber über Mörder es nur wagen? Aber sie hatten Recht, und Axel wusste es. Das machte es nicht leichter für ihn, auch nicht besser, eher das Gegenteil war der Fall. Noch hatte er keine eindeutige Antwort auf die Frage des weisen – ja, der Bursche war wirklich, wirklich weise – Imams und der drei Kriegsherren gegeben. Aber eigentlich hatte er von vorneherein gewusst, dass er der Antwort nicht würde entkommen können, denn das war die einmalige Gelegenheit, um im Kriegszerwühlten Belongo verdammt viel Gutes zu tun. Und Meike würde ihn umbringen, langsam und qualvoll, wenn er diese Chance ungenutzt verstreichen ließ.
Apropos Chance, auch wenn er sich noch immer wand und keine eindeutige Antwort gab, so wusste er doch zumindest, was sein Job war, was er tun musste. Da waren zum Beispiel einhundertsiebenunddreißig Deserteure der Riki-Armee in ihrer Hand, dazu fast dreißig halbwüchsige Jungen und Mädchen, die sie entweder aus der Kanalisation gezerrt, oder mit einer Waffe in der Hand gestellt hatten, knapp drei Dutzend Frauen, zehn von ihnen schwanger, und eine überschaubare Zahl an Babies und Kleinkindern. Dazu kamen acht, ganze acht Speere des Rikis, die sie halbtot vom Schlachtfeld geklaubt hatten und um deren Leben ihre Ärzte gekämpft hatten, wie um jedes andere Leben auch. All diese Menschen hatten unter der Knute des ehemaligen Miliz-Leutnants gestanden, waren gezwungen worden, mit Drogen vollgepumpt, hatten sich an sein Werte-, und Belohnungssystem angepasst, aber, als sie die Chance dazu bekommen hatten, da waren sie abgehauen. In eine sehr ungewisse Zukunft, wobei es durchaus eine Frage war, ob es bei den fremden Angreifern, die meisten weiß, überhaupt eine Zukunft geben würde...
Menschen, die heimkehren wollten. Zurück in ihre Dörfer, wenn es sie noch gab; zurück zu ihren Familien, wenn sie noch lebten. Zurück, einfach zurück. Aber wie? Wie konnten sie einfach gehen? Wie einfach ihre Leben wieder aufnehmen? Das, was sie zurückließen, würde Zeit brauchen, um es zu verarbeiten, zu verstehen, hinter sich zu lassen. Das, was sie mitbrachten, mochte die Menschen verschrecken. Unter dem Riki waren all diese Jungs und Männer zu extremer Gewaltbereitschaft erzogen worden, und das nahmen sie von hier wieder mit. Man konnte sie nicht einfach so wieder auf die zugegeben noch ziemlich zerschlagene Gesellschaft in Belongo loslassen; es waren aber auch zu viele, um sie in viel zu kurzer Zeit zu therapieren und ihnen den Weg aus der Gewaltspirale, der sie ausgesetzt gewesen waren, zu zeigen. So etwas brauchte Zeit. Wochen, Monate, Jahre. Und dann waren da noch die Menschen, zu denen sie zurückkehren wollten, Orte, an denen sie zukünftig leben wollten. Menschen dort wussten, woher sie kamen, was sie getan hatten. Sie würden nicht willkommen sein, und wenn doch, dann nicht von allen. Viele von ihnen würden das erste Jahr nicht überleben, einfach weil die Menschen Angst hatten, Angst vor ihnen, Angst vor dem Schatten des Riki. Oder weil diese Männer einfach weiterhin das taten, was ihnen antrainiert worden war: Zuerst zuzuschlagen und nicht zu warten.
Einen großen Vorteil gab es: Außer den Verwundeten, die Meike wieder zusammengeflickt hatte, war keiner von ihnen auf Omonek, und wenn, dann hatten sie es nur in kleinen Dosen erhalten. Soldaten der dritten oder vierten Reihe, stets benachteiligt bei Tikalaks, bei Lebensmitteln, bei einfachen Rauschmitteln wie Schnaps und Bier, und vor allem bei den Frauen. Oder anders ausgedrückt, ihr Verstand war klar genug gewesen, sodass sie sich hatten für eine Flucht entscheiden können, während die meisten Speere des Riki entrückt in eigenen Welten gelebt hatten, in denen ihr Tod eine echte Überraschung gewesen war.
Was tun, sprach Zeus? Es blieb eigentlich nur eines: Den Schatten des Riki von diesen Männern zu nehmen, ein für allemal, und die Kunde davon in ganz Belongo zu verbreiten. Das würde ihnen eine Chance geben, zumindest jenen, die nicht zu Mord und Totschlag zurückkehrten. Und Axel wollte ihnen diese Chance unbedingt geben, so schnell wie möglich. Tatsächlich gab es einen abenteuerlichen Weg dafür. Sehr, sehr abenteuerlich. Sehr, sehr amerikanisch. Sehr, sehr deutsch. Und sehr verrückt. Thomas Herryhaus hatte sofort zugesagt, und das hätte Axel eigentlich die Nackenhaare aufstellen müssen.

Die Show, die Belongo Mining mitten in der Nacht aufführen würde, war nicht nur für die Deserteure des Riki gedacht. Sie richtete sich auch an die Speere Wanaganas, Lobandos und Tarans und an die Bridge Breaker, die nach und nach angelegt hatten und die Öffnung des Fluss wie einen Feiertag begingen. Sie würden in Belongo sehr weit herumkommen, nachdem sie gesehen hatten, was hier geschehen war. Nebenbei bemerkt würden seine Leute und die Rangers natürlich alles, was geschehen würde, auf ihren besten Handy-Kameras aufnehmen und ins Internet hochladen. Axels Team würde das selbst über die Antenne im Camp Diamond in Angriff nehmen.
Axel Herwig stand aus genau diesem Grund in seiner auf Hochglanz gebürsteten Uniform, ohne die Einschusslöcher der Streifschüsse und allzu knappen Passierschüsse, wohlgemerkt, neben einem großen, provisorischen Feuerkorb inmitten des Vorplatzes vor der Moschee. Bei ihm waren sein Bruder Niklas, Meike Herryhaus, die Wunder tätigende Ärztin aus dem fernen Alleman, und der Mann, der alles besorgen konnte, Bernd Assay. Sogar T-Shirts der First Belongo Mining Company, mit denen er bereits über dreihundert Ranger und Speere versorgt hatte. Hübsche blaue Shirts mit einem Frontaufdruck des Namens und einem großen Cartoondiamanten vor dem Umriss des Bezirks Belongo. Hatten einen reißenden Absatz gefunden. Und viele ehemalige Speere des Riki waren auch einfach nur froh gewesen, wieder Kleidung tragen zu können, die sie nicht aus den Händen und der Gnade des Riki erhalten hatten.
Diese vier ließen sich vom flackernden Schein des Feuerkorbs beleuchten. Ein stetiger Luftstrom eines Ventilators, der an einem Generator angeschlossen war, besorgte das Flackern, des Effekts willens.
Dann erschien über dem Platz ein Hubschrauber, der sich durch seinen Lärm schon lange angekündigt hatte. Es war eindeutig eine Maschine der Belongo Mining aus der Mi-24-Gruppe. Der Hubschrauber landete nicht weit vom Feuerkorb, Soldaten der Belongo Mining sprangen herbei und öffneten die Ladetüren. Als diese aufsprangen und das Licht einen großen Mann beleuchtete, zogen sie sich mehrere Schritte zurück und verbeugten sich, was nicht einhundert Prozent dem militärischen Prozedere von Belongo Mining entsprach. Der Mann war älter, aber nicht zu alt, grauhaarig, aber ungebeugt. Seine Augen hatten viel gesehen im Leben, seine Züge waren nicht hart, aber erfahren. Und er trug eine Uniform, wie sie Axel und Niklas und die anderen Soldaten der Belongo Mining trugen. Nur war diese reich dekoriert, mit Gold auf den Schultern, goldenen und silbernen Fangschnüren und einer ganzen Reihe Abzeichen, die wie Orden wirkten. Dieser Mann verließ den Hubschrauber mit starrer Miene und trat an den Korb heran.
Axel und die anderen machten ihm respektvoll Platz und verbeugten sich ebenfalls vor ihm. Der Mann nahm das mit einem Nicken für jeden der drei Männer und der Frau zur Kenntnis. Es war ziemlich eindeutig, dass die vier zu diesem Mann, zu dieser einen Person, aufschauten. In der einfachen Welt des von Milizen und Bürgerwehren verwüsteten Belongos erhöhte dies den Mann zu etwas, zu jemandem, der noch über Axel Herwig stand, noch über Meike, der Wundertäterin. Wer war der Mann, vor dem Axel und Niklas das Haupt beugten, ja, sogar Meike?
Der Mann trat näher an den Feuerkorb heran und konnte nun sehr gut von den Speeren und den Deserteuren gesehen werden. Seine Stimme war ein Tenor, dem das Alter nicht viel hatte anhaben können, und sie war kraftvoll und weit tragend. Der Mann sprach Französisch, welches die Männer und Frauen aus Belongo alle verstanden.

„Ich bin Professor Thomas Herryhaus!“, rief er, während seine Augen jeden einzelnen Menschen auf diesem Platz ins Auge fassen zu schienen. „Ich bin Meikes Großvater, und ich bin der Lehrmeister von Axel, von Niklas und von Bernd!“, fügte er nicht minder leise hinzu.
Allein das Wort Professor traf die Menschen wie ein Blitz. Professor, das bedeutete Ordnung, Zivilisation, bedeutete Gerechtigkeit, aber auch Elite, denn selbst in Europa wurde nicht jeder ein Professor, nur wenige, sehr wenige erreichten diesen Titel. Seine folgenden Worte aber ließen alle aufraunen, denn Axel, Meike, Niklas und Bernd wurden sehr verehrt, ungefähr in dieser Reihenfolge, und jemand, der proklamierte, der Lehrmeister der drei Männer zu sein, musste ein außergewöhnlicher Mann sein. Aber wenn nicht der Großvater von Meike, wer dann konnte dies für sich beanspruchen? Wären die Speere, die Bridge Breaker und die Deserteure nicht so gefangen gewesen von diesem Auftritt, hätten sie vielleicht mal zur Seite gesehen, dann hätten sie sicherlich einen US-amerikanischen General der Ranger gesehen, der inmitten seiner Offiziere stehend ein recht zufriedenes Grinsen zur Schau trug, aber das nur am Rande.
„Ich wurde gerufen, hierher gerufen, weil das Böse hier geherrscht hat!“, donnerte seine Stimme. Nun machte es sich bezahlt, dass sie die Akustik getestet hatten, um diesen Platz zu finden, von dem aus sich eine Stimme am weitesten trug und am günstigsten brach. „Ich bin hier, weil der Riki hier war!“
Diese Worte ließen Viele erschrocken aufraunen. Einige bekreuzigten sich, fingen an zu weinen, machten naturreligiöse Zeichen gegen den bösen Blick. Alleine das Wort zu rufen erschreckte sie.
„Ich fürchte den Riki nicht! Nein, ich fürchte ihn nicht! Denn ich bin mächtiger als er!“
Thomas Herryhaus bewegte die rechte Hand in Richtung des Feuers, und eine rote Lohe entstand, die teilweise über den Feuerkorb hinaus spritzte, aber harmlos verpuffte. Das Entsetzen über diesen Vorgang aber lenkte die Männer von ihrer Angst vor dem Riki ab.
„Ich fürchte dich nicht, Riki! Nein, das tue ich nicht! Stattdessen werde ich dich töten!“
Nun wurde das Raunen lauter, aufgeregter. Weitere Deserteure und Speere bekreuzigten sich oder machten die alten geheimen Zeichen.
Wieder machte Thomas eine Geste, und diesmal flammte das Feuer grellweiß auf.
„RIKI! Ich fordere die Seelen dieser Männer von dir! Sie sollen von nun an frei sein! Ich verlange sie von dir zurück! Ich fordere dich heraus, um ihre Seelen zu kämpfen!“
Nun machte sich eine ängstliche, bedrückende Stimmung daran, den Platz zu erfassen. Unwillkürlich drängten sich die Menschen auf dem Platz enger aneinander.
„Ich fordere dich heraus!“, rief Thomas erneut.
Und wieder: „Ich fordere dich heraus! Hier und jetzt!“ Er tat eine weitere Geste mit beiden Händen zugleich, und dies brachte die Flammen dazu, in einer grünen Fontäne auseinander zu stieben, aber ohne jemanden zu verletzen. Doch, wirklich, dieser Moment jagte nicht nur einem Mann auf dem Platz Ehrfurcht in die Knochen.
„Wo bist du, Riki? Hörst du meine Worte nicht?“ Thomas' Miene nahm wütende Züge an.
„Hast du Angst vor mir, Riki? Fürchtest du mich und meine Kraft, meine Weisheit, mein Können? Du tust gut daran, dies zu tun, denn ich werde dich töten!“
Die Worte verfehlten ihre Wirkung nicht, und die Tatsache, dass der Riki noch immer nicht aus dem Boden gewachsen war, brachte einen Mutigen, einen, dazu, die Hand zur Faust zu ballen und zu rufen: „Töte ihn!“ Dieser Ruf wurde aufgenommen, und dann skandierten ihn die Menschen auf dem Platz.
Thomas hob beide Arme, und so etwas wie Ruhe kehrte ein. Erneut rief er: „Ich fordere dich heraus! Komm jetzt, oder bleib für immer fort!“ Erneut schien der Feuerkorb vor Flammen zu bersten, diesmal in drei Farben zugleich. Es war heftig genug, dass nicht nur ein Beobachter zusammenzuckte. Doch die Lohen vergingen, und dahinter kam Thomas unversehrt zum Vorschein. Der Professor, der weise, gebildete Mann, der Lehrmeister von Axel, Niklas und Bernd, der Großvater von Meike, senkte seine Arme. Dann rief er: „Er kommt nicht!“ Leises Raunen antwortete ihm.
„Der Riki kommt nicht!“ Zustimmung klang ihm entgegen. Erst leise, dann immer lauter werdend.
„Er wird niemals wieder kommen!“, rief Thomas. „Ihr -“, er deutete auf die Deserteure, „- seid nun frei von ihm! Ich habe eure Seelen zurückbefohlen!“
In diesem Moment trat der Imam, geführt von Wanaganas Tochter, auf den Platz und fand den Weg neben Thomas Herryhaus. Seine blinden Augen sahen in Richtung der Deserteure, und auch seine Stimme, obwohl schwächer und vom Alter gezeichnet, fand den Weg zu ihnen. „Wahrlich! Das Böse ist fort! Professor Thomas Herryhaus hat es verjagt!“
Was nun folgte, konnte nur als großer, anhaltender Jubel aus Freude, Erleichterung und Überschwänglichkeit beschrieben werden. Wer nicht seinem Nachbarn um den Hals hin, begeistert von der neuen Freiheit, fand den Weg zum Imam und zu Thomas am Feuerkorb. Dutzende Hände streckten sich ihm entgegen, Lippen drückten sich auf seine Hände. Etwas, was Thomas niemals verlangt oder erwartet, geschweige denn geduldet hätte. Aber diesmal, dieses eine Mal, war es wichtig für das Seelenheil dieser Menschen, darum ließ er es zu. Und der Imam segnete jene, die den Weg zu ihnen genommen hatten. Jedem einzelnen sagte er: „Tue fortan Gutes mit deinem Leben und töte nicht mehr.“

Im Hintergrund raunte Meike Axel zu, neben dem sie stand: „Glücklicherweise wurde diese Show von mehreren Leuten aus verschiedenen Winkeln aufgenommen. Die werde ich nicht oft genug sehen können.“
Axel vermied es, bestätigend aufzulachen. „Nicht nur du“, sagte er.
***
Etwa dreißig Kilometer weiter, fast genau westlich, in einem kleinen Barackendorf mitten im Urwald, setzte sich ein älterer Mann mit grauen Schläfen auf, sah Richtung Westen, schüttelte dann aber den Kopf und widmete sich weiter seiner Arbeit. Diese bestand darin, die letzte von sechs Waffen auseinander zu nehmen, zu ölen und wieder zusammenzubauen. Früher, vor einer Zeit, die kaum noch in seiner Erinnerung vorkam, da hatte er einen Namen und einen Rang getragen. Er war Lieutenant der Miliz gewesen. Richtiger Lieutenant, kein Sous-Lieutenant. Und er hatte kurz davor gestanden, Capitaine zu werden. Dann aber hatte sich Ndongo dazu entschlossen, allen etwaigen Separationsbestrebungen Belongos ein drastisches Ende zu setzen und war über den Bezirk hergefallen. Damals hatte er noch den Namen Alain Lukawa getragen, und er war ein nicht allzu stolzer Lulugengo gewesen. Zumindest nicht allzu stolz auf seinen Clan, da er ein großer Verfechter des marxistischen Gedankens von der Gleichheit aller Menschen gewesen war. Dann war eines zum anderen gekommen, dieses zu jenem, und schließlich und endlich hatte er in einem zerfallenden Belongo die halb zerstörte Hauptstadt beherrscht. Er hatte sich einen neuen Namen gegeben: Riki. Und den trug er seither, als ungekrönter, aber allmächtiger Herrscher über die Hauptstadt Belongos. War das nun wirklich Vergangenheit? Die Gesellschaft, die er unter so viel Mühen aufgebaut hatte, das vage Gefüge seiner persönlichen Form der Zivilisation, war es verschwunden? Er hatte nicht nur Keounda City aufgeben müssen, seine Frauen, also die meisten, hunderte seiner Speere verloren, er war auch geflohen, wie ein Hund nach einem Kampf, den er verloren hatte, mit dem Schwanz zwischen den Beinen eingekniffen. Und dann hatte er die Niederlage noch komplett gemacht, als er alle Fahrzeuge, über die er noch verfügt hatte, einfach aufgegeben hatte, um dieses sichere Versteck unentdeckt von den Hubschraubern zu erreichen. Er hatte es in weiser Voraussicht vor etwa acht Jahren anlegen lassen und immer wieder zuverlässige Speere ausgeschickt, um die Anlage zu warten und jeden zu töten, der es inzwischen gewagt hatte, sich hier einzunisten. Bis auf die Frauen. Frauen wurden vor seinen Thron geschleppt. Dann gehörten sie entweder ihm, oder sie wurden in das System integriert, mit dem er seine treuesten Männer bei Laune gehalten hatte.

Vorbei. Einfach so vorbei. Weil er versucht hatte, einen Hubschrauber abzuschießen, der von Weißen bemannt gewesen war. Weißen! Nie war etwas Gutes von Weißen gekommen. Das war schon immer so gewesen. Erst hatten sie die Länder geleert, indem sie manche Völker dazu verführt hatten, Sklavenjäger zu werden und ihre Nachbarn zu verkaufen, dann hatten sie das Land selbst erobert und mit Terror und Rassismus beherrscht, bis aufs Blut ausgebeutet. Und dann, als sich Ndongo seine Freiheit erkämpft hatte, friedlich, wohlgemerkt, da waren die Weißen geblieben und hatten gehetzt, Intrigen geschmiedet, das Leben unruhig gehalten, um Ndongo so instabil zu machen, sodass die Menschen die Belgier zurückflehen mussten... Das hatte nicht geklappt, aber die Strategie hatte unerwartete, blutige Früchte getragen, weil die Übergabe der Belgier an Ndongo gewisse Völker bevorzugt und andere ausgeschlossen hatte, genau wie sie es hatten haben wollen. Es hatte nie den großen Zusammenbruch gegeben, auf den Belgien gehofft hatte, nie den Ruf an die ehemaligen Herren, zurückzukommen, aber die neuen Herren, die den Präsidenten stellten, hatten ihre neue Macht ebenso zu nutzen gewusst wie die Belgier. Sie waren gelehrige Schüler gewesen. Sie hatten den Völkern das Leid und den Terror der Belgier zurückgebracht. Was also war schlecht daran gewesen, diesen Hubschrauber abzuschießen, die Besatzung zu töten, und aus ihren primären Geschlechtsteilen Tikalak zu machen?
Der Riki beantwortete es sich selbst: Die Beute war zu wehrhaft gewesen. Seine Männer hatten sie nicht töten können. Nicht schnell genug. Hätte Keounda City die beiden, Pilot und Co-Pilot, einfach verschlungen, dann wäre nichts passiert, rein gar nichts. Aber die zwei hatten in seiner Stadt – IN SEINER STADT – lange überlebt. Lange genug, um Verstärkungen zu erflehen und auch noch zu bekommen. Seine Verbündeten waren nicht in der Lage gewesen, dies zu unterbinden, und damit hatte der Untergang seinen Anfang genommen, der schließlich zu dem hier geführt hatte. Verdammt.

„Mein König.“
Der Riki sah kurz auf, erkannte Johann am Eingang der kleinen, aber stabil gebauten Baracke. Einer seiner Männer, loyal, jung, stark, einer von jenen, die er schon in jungen Jahren im rechten Sinn erzogen hatte. „Ah, Johann. Komm herein. Wir haben einen Rückschlag hinnehmen müssen, aber morgen ist auch noch ein Tag, und der wird unseren glorreichen Sieg sehen. Ich werde Jolena nachher kommen lassen, sag ihr das doch später.“
„Mein König, Jolena ist tot. Brian hat sie getötet, weil sie zu schwach war, um transportiert zu werden.“
Der Riki sah seinen Speer entsetzt an. „Sie war hochschwanger. Mit meinem Kind.“
„Deshalb hat er sie nicht zurückgelassen, sondern umgebracht. Damit niemand Hand auf dein Kind legen kann, mein König.“
„Das war keine Entscheidung, die Brian hätte treffen dürfen!“, knurrte der Riki wütend.
„Es ging ja nur um eine Frau.“
„Nur um eine Frau? Nur um eine Frau? Ich sage dir, dass...“, rief der Riki wütend, fuhr herum und sah gerade noch, wie eine Machete auf ihn niederfuhr. Die mit viel Kraft geschlagene Klinge, gut gepflegt und sehr scharf, schlug durch den vorderen Teil des hinteren Schädelknochens der Kopfdecke, jenem Teil, der von den Lateinern Sutura Sagittalis genannt wurde, trieb Knochensplitter und zwei Kilo Stahl in sein Gehirn und tötete den Mann auf der Stelle. Der Schock war gnädig genug, dem Riki ein schnelles Ende zu bereiten. Als er von seiner Sitzfläche herabglitt, blieb er einen Moment in der Luft hängen, weil sein Körper durch die Machete einen kurzlebigen Halt fand. Dann aber zog das Körpergewicht den Leib weiter nach unten, die Waffe glitt hervor, und der Riki glitt zu Boden. All das geschah ohne einen weiteren Laut.

„Ist et...“, erklang eine Stimme von draußen. Jemand drängte den Ledervorhang beiseite, der bei der primitiven Hütte die Tür ersetzte. Erschrocken rief er: „Mein König! Aber... Aber...“ Er sah den jungen Speer an, sah seine blutige Waffe, sah die Spritzer von Blut und Gehirnflüssigkeit auf seinem Gesicht und auf der Kleidung. „Aber... Was?“
Johann grinste freudlos. „Vor acht Jahren kam ich zu euch. Ich und Belle, meine Schwester. Ich wurde zum Speer trainiert, Jerome, auch von dir. Aber Belle war nicht das, was er erwartet hat. Sie wehrte sich, war abweisend, und sie zu vergewaltigen war ihm irgendwann mühevoller als der Spaß, den er daran hatte. Also brachte er sie um.“ Er starrte die Machete an. „Ich habe lange darauf gewartet, sie rächen zu können. Heute war es soweit. Die Stimmen sagten mir, heute ist der Tag. Sie hatten Recht.“ Er sah den anderen Speer an, einen der treuesten Gefolgsleute des Riki. Wohl auch ein Grund, warum er nicht in einer der vorigen Angriffswellen verheizt worden war. „Du kannst mich jetzt töten.“
Jerome sah den toten Riki an, dann den jungen Mann. „Ich... Ich muss das erst kapieren. Dass es vorbei ist. Dass er tot ist. Es ist zu Ende, verstehst du das? Der König ist nicht mehr.“ Jerome zog seine Pistole, lud durch und entsicherte sie. Dann feuerte er zwei Schüsse.
Johann indes wunderte sich, dass er noch lebte. „Was...?“
„Es ist besser, wenn er von Kugeln getötet wurde, nicht durch ein Messer wie ein Stück Schlachtvieh.“ Er steckte die Pistole weg und griff nach Johanns Arm. „Sagen wir es den anderen. Wir werden sehen, was danach passiert.“
Gemeinsam traten sie aus der Hütte heraus. Hier hatten sich bereits mehrere Dutzend Gefolgsleute versammelt, die die Schüsse gehört hatten.
„Der Riki!“, rief Jerome, den Ehrentitel wohl vermeidend, „ist tot!“
***

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Ace Kaiser,
Angry Eagles

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Clan Blood Spirit

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