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Sun-Ku Wan Sun-Ku Wan ist männlich
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OT: Beschleunigung Auf diesen Beitrag antworten Zitatantwort auf diesen Beitrag erstellen Diesen Beitrag editieren/löschen Diesen Beitrag einem Moderator melden       Zum Anfang der Seite springen

Beschleunigung


Universität Greifswald, Mensa, September 2062

Die sechs Studenten, vier Männer und zwei Frauen, trafen sich wie üblich in der Mittagspause in der Mensa. Maria (22), Nadine (24), Christian (20), Helge (21) John (25) und Asmir (26) studierten hauptsächlich in den Studienfächern der Plasmaphysik und Mathematik in Greifswald.
„Vergesst nicht, um 17:30 Uhr GMT treffen wir uns auf dem zentralen Plaza.“ John konnte seine Vorfreude nur schwer unterdrücken.
„Plaza schön und gut John, aber das verdammte Teil soll 5km² groß sein. Und wir reden hier NUR vom Plaza. Da ist noch eine komplette Stadt herum.“ Helge war das sechste und letzte Mitglied, das für die derzeitige Gruppe „rekrutiert“ worden war und hatte von dem „Spiel“ noch nicht viel Informationen.
Maria hielt ihre Universal-ID-Karte in die Höhe, die im Jahr 2062 Personalausweis, Studentenausweis, Zahlungsmittel und generell ultimatives Identifikationsmittel auf der ganzen Welt war. „Jeder hier am Tisch sollte die Freundschaftscodes unserer UID haben, damit finden wir uns ganz schnell.“
„Tatsächlich werden wir sogar im gesamten Stadtgebiet zu den Leuten unserer Friendlist hingeportet, wenn wir den Vorabinformationen glauben können.“
„Was passiert wenn die Leute in der Friendlist an verschiedenen Orten sind?“
Asmir, der Alpha-Tester war kannte die Antwort, aber war zu sehr mit seiner Blumenkohlsuppe beschäftigt, um auf die Frage zu antworten. Außerdem wäre es unhöflich mit vollem Mund zu reden.
„Warte.“ Das Aktivitäts-LED an Marias Retina-Display in der Nähe der linken Augenbraue begann zu blinken, ein Indikator, dass sie gerade Informationen aus dem Internet, VR Netz oder vom lokalen Speicher holte. „Habs, es sollte eine Abfrage kommen und man kann aussuchen wo man rauskommen möchte.“
Nadine schaute auf ihre antike Armbanduhr, ein Familienerbstück und eine Rarität in Zeiten der vollen Digitalisierung. „Den Rest können wir im Spiel besprechen. Professor Jun-No wird ziemlich unangenehm wenn wir zur Lektion zu spät kommen.“
Die Gruppe begab sich daraufhin zurück zum Hauptgebäude des Universitätskomplexes für angewandte Plasmaphysik.

Später am Abend.
John kehrte in das Wohnheim zurück und aß kurz Abendbrot, bevor er ins Bad ging, seine Notdurft verrichtete und nochmal duschte. Um 17:20 Uhr legte er sich nur mit Boxershorts bekleidet, in das, von der Universität bereitgestellte, Virtual-Reality-Bett.
Im Gegensatz zu alten VR-Modellen, die früher über eine Kopfhaube und danach über ein Haarband-ähnliches Gerät Kontakt zur VR Welt und zu den Gehirnsignalen aufnahmen, war hier das gesamte Bett die Schnittstelle.
„Systemstart.“ John lag bewegungslos im Bett und gab den Befehl, das Virtual-Reality-Betriebssystem zu starten. Eine durchsichtige Haube klappte nun auf und schloss das Bett und den Insassen dort ein. Über sein eingebautes Retina-Display blickte er nun auf den Startbildschirm des Betriebssystems. Seine Ordner und meistgebrauchten Shortcuts wurden ihm prominent angezeigt, aber heute hatte er nur für eines Zeit: Das Symbol mit einem sprintenden Hasen und einem kleinen „e“ im Hintergrund. Mit seinen Gehirnsignalen gab er den Befehl das Spiel zu starten und sein gesamtes Sichtfeld nahm nun der Startbildschirm des Spiels „expedite“ ein.
Bevor er aber selbst ins Spiel konnte, musste er die Sicherheitshinweise des Spiels und die Funktionsweise des VR-Betts durchlesen. Das Bett schottete den Insassen vor der Außenwelt komplett ab und die derzeitige VR-Technologie fing die Signale des Gehirns an die Gliedmaßen ab, so dass der Insasse, wenn er mal im Spiel war, komplett Regungslos war. Deshalb gab der Hersteller des Spiels und des Betts vor, wie man zu liegen hatte und welche nichtänderbaren Sicherheitsfeatures die derzeitige VR-Technologie hatte.
Der Spieler konnte durch etliche Maßnahmen aus der VR Welt geholt werden:
- Durch einen Notfallknopf am Bett. Dadurch kann ein Familienmitglied oder eine berechtigte Person die Zugang zum Haushalt hatte, den Spieler aus der VR Welt holen. Der Spieler ist selbst dafür verantwortlich nur berechtigten Personen Zugang zum Bett zu gewähren.
- Durch unbefugten Zugang im Sicherheitsbereich des Hauses/Zimmer. Der Spieler wird also aus der VR-Welt gerissen, wenn das Sicherheitssystem des Hauses Alarm schlägt.
- Polizei und Rettungskräfte können per Fernzugriff den Spieler aus der VR-Welt holen und die Regierung kann dies „global“ bei entsprechender Legitimation tun. Die Legitimation wird durch die nationalen Notstandsgesetze geregelt.
Beispiele wären eine Verhaftung oder Befragung durch die Polizei, ein Brand im Haus / in der Nähe oder eine Naturkatastrophe bzw. einen Hinweis darauf in der Gegend.
- Der Spieler wird dazu aufgefordert, seine Notification-Regeln für Nachrichten außerhalb des Spiels einzustellen. Standardmäßig wird der Spieler bei jeder Nachricht zwischen Priorität „a“ und „c“ aus dem Spiel geworfen.
- Die Standardhinweise zu Essen und Trinken vor dem „Eintauchen“, Toilettengang etc.
- Der Spieler wird automatisch ausgeloggt, wenn der Körper ein starkes Hungergefühl hat oder einen Toilettengang bedurfte. Nur die Warnzeit kann man einstellen.

John las sich alles durch und klickte dann um 17:34 Uhr den „Start“ Button.
Das Bild wurde kurz weiß und kurze Zeit später blickte er auf einen riesigen Platz, der mit Brunnen, Statuen und kleineren Läden gesäumt war. John bückte sich und betrachtete die Pflastersteine unter seinen Füßen. Er pfiff anerkennend, so eine Detailgröße für Bodentexturen hatte er in den bisherigen VR-Games noch nicht gesehen. Er glitt mit den Fingern über die Oberfläche der Steine. Selbst die Sensorik war überwältigend, sie fühlten sich wie echte Pflastersteine an und hatten Unebenheiten, er konnte sogar in die Rillen fassen. „Unglaublich.“
Bevor er aber die gesamte Stadt betrachten konnte, bemerkte er eine Hand auf seiner Schulter. „Du bist spät dran John, weißt du wie viele Stunden wir schon warten? Wir hatten uns um 17:30 Uhr verabredet, es ist 17:35. Weißt du wie lange das hier drin dauern kann?“
John drehte sich um und blickte in das grinsende Gesicht von Asmir. Hinter seinem Freund standen Christian, Maria und Helge, Nadine materialisierte gerade. Alle sahen so aus, wie im realen Leben. Das was Asmir ansprach, war die neue Beschleunigungstechnologie. John schaute in die obere rechte Ecke seine HUD’s, der „expedite-Level“, oder Beschleunigungsfaktor auf Deutsch, stand auf „1“, also normaler Realitätslevel. „Verarsch mich nicht Asmir.“ Er erinnerte sich an das Infomaterial. „Beim Einloggen ist man immer im „e-Level 1“. Ich bin also nur 5 Minuten zu spät, musste ja erst mal die EULA lesen.“
Asmir lachte kurz auf. „Der war gut.“
Maria mischte sich dann in das Gespräch ein. „OK, bevor wir hier weiter Zeit verschwenden, lasst uns lieber mal aus der Startzone raus und rein in die richtige Welt.“ Die anderen nickten und Maria betätigte einen Befehl.
In Johns Blickfeld tauchte nun prominent ein Hinweisfenster auf. „Die Gruppe möchte die Zone verlassen, sind Sie damit einverstanden? (Achtung, der expedite Level ändert sich.)“ John klickte auf „Ja“ und sein Sichtfeld wurde wieder weiß. Er hatte ein kurzes Wärmegefühl in der Kopfgegend und befand sich eine Sekunde später an dem gleichen Platz wie vorher. Aber der „expedite-Level“ stand nun auf „10“. Das bedeutete, dass zehn Minuten in dem Spiel eine Minute in der Realität bedeuten. Oder zehn Jahre im Spiel, ein Jahr in der Realität.
Maria setzte sich auf den Außenbereich eines Brunnens und fuhr verspielt mit der linken Hand durch das Wasser. „JETZT haben wir ausreichend Zeit.“
John schaute sich erst mal die Umgebung weiter an. Auf dem Plaza waren nun weitaus mehr Menschen zu sehen. In der Startzone wollten anscheinend nicht viele ihre „Zeit vergeuden“ und gingen sofort, wie Johns Gruppe, in die beschleunigte Zone. „Meine Güte.“ Er betrachtete nun die Stadt als Gesamtes. So einen Detailreichtum und enorme Sichtweite kannte er nur von den alten non-VR Spielen aus den 10er bis 30er Jahren. Virtual-Reality Spiele aus den 50ern und Anfang 2060 hatten immer wieder mit geringer Sichtweite, Detailtreue und „Sichtfeldlag“ zu kämpfen. Aber egal wie schnell er seinen Kopf bewegte, wie oft er blitzschnell den Fokus auf entfernte Objekte änderte, er sah keinen Sichtfeldlag. Das Gebirge im Hintergrund der Stadt musste mehrere hundert Kilometer entfernt sein, und doch sah er es klar und deutlich, mit den Wolken, die die Spitze einhüllten.
„Das kann doch nicht wahr sein. Die Entwicklung sollte erst vor zwei Jahren begonnen haben.“ Er blickte fragend in Asmirs Richtung, der als einer der wenigen hundert Alpha Tester mehr wusste, als der Rest der Gruppe.
Und dieser sah so aus, als ob er nur auf die Frage gewartet hatte. „Was tust du, wenn du gerade eine Technologie entwickelt hast, die dir mehr Zeit pro Tag zur Verfügung stellt?“ Asmir blickte in die Gesichter seiner Gruppe und erkannte, dass es bei seinem Kommilitonen dämmerte. „Richtig. Die Programmierer nutzen die „expedite-Level“ um erst den Source-Code, die Grafik-Engine und dann das Spiel zu entwickeln. Je nachdem welchem Gerücht man glauben kann, soll die wirkliche Entwicklungszeit des Spiels zwischen 15-40 Jahre betragen haben.“
„Vier-vierzig Jahre?“ Helge machte unbewusst einen Schritt nach hinten.
„Natürlich nicht von den gleichen Leuten und an einem Stück. Und ein Teil der Arbeit konnte nicht selber im Spiel durchgeführt werden.“
Nadines Augen weiteten sich. „Jetzt wo du es ansprichst, ich kann mir etliche Szenarios vorstellen, wo man durch den Zeitgewinn innerhalb von expedite, Aufgaben und Arbeiten in einem Bruchteil der Zeit durchführen könnte.“
„Ja z.B. unsere Lernrunde, die wir heute als erstes machen wollten.“ Christian betonte den letzten Teil des Satzes. Er war eher nicht sehr VR-affin und hielt nicht viel von Spielen, aber sah das Potential der Beschleunigung in anderen Bereichen.
Nadine ignorierte Ihn aber erst mal völlig. „Mein Großvater war ein großer Fan von epischer Literatur. Bücher die mehrere Tausend Seiten hatten und mehrere Bänder umfassten. Stellt euch vor, George R.R. Martin hätte sein Magnum Epos „Song of Ice and Fire in drei bis fünf Jahren Echtzeit fertiggeschrieben, anstatt die mehr als 30 Jahre die er letztendlich von Buch 1 bis 8 gebraucht hatte. Für einen Autor der ein Buch schreiben möchte, ist diese Umgebung doch ideal.“
„Zum Teil, ja. Vergesst aber nicht, dass er wahrscheinlich auch noch Forschung betreiben muss, Meetings mit dem Vertreiber und dem Editor usw. Aber ja, alleine die normale Schreibarbeit kann in einem Bruchteil der normalen Realzeit geleistet werden. Ich denke mal, dass wir bald einer Flut von neuen literarischen Werken stehen, für die wir dann wiederum expedite brauchen um das alles zu lesen.“
„Warte mal, wir können Medien aus der realen Welt mit rein nehmen? fragte John.
Asmir überlegte kurz. „Teils. Geschriebene Worte sind kein Problem, ansonsten könnten wir nicht unsere Lernrunde durchführen. Bei Bildern wird es schon schwieriger und Videos und Grafiken sind bisher unmöglich mit einer Ausnahme.“
Die Gruppe schaute gebannt zu Asmir.
„Nadine starte mal bitte dein Video-capture-Programm.“
„Läuft.“
„Gut, reicht, stoppe das Video und schicke es an uns.
„Done.“
John schaute sich das Video an, das aus den wenigen Sekunden der Ich-Perspektive von Nadine bestand. „Also das Video läuft fein, was ist die Einschränkung?“
„Man kann es nur in dem expedite-Level anschauen, in dem es erstellt wurde. Wenn wir also in den für uns derzeit maximalen e-Level von 30 das Video anschauen, wird es nicht funktionieren. Hat wohl was mit der Komprimierung und der Datenmenge zu tun.“
„Wow. Funktioniert denn das Internet?“
„Nur auf spezialisierten Seiten, wie gesagt, bewegte Bilder stellen ein Riesenproblem dar. Aber ich denke mal, dass bald etliche optimierte Seiten auftauchen werden.“ Asmir schaute in Christians Richtung. „Und bevor uns Christian den Hals umdreht, sollten wir die Lernrunde starten.“ Er zeigte auf den östlichen Stadtteil. „Als Alpha-Tester habe ich für den heutigen Closed-Beta-Start ein Gildenhaus geschenkt bekommen. Wir sollten uns dorthin begeben. Es ist zwar noch nicht eingerichtet, dürfte aber gemütlicher sein als die Tavernen die wir uns derzeit mit dem Startergeld leisten könnten. Ist auch nur 10-15 Minuten entfernt.“

Die Gruppe machte sich auf den Weg zum Gildenhaus, während Asmir weitere Elemente von expedite erklärte.
Nach fünf Minuten sprach eine Gruppe, die ihnen entgegen kam, die Gruppe um Asmir an. Es waren zwei Frauen und ein Mann.
“Entschuldigt bitte, von welcher Universität seid Ihr?“
John antwortete. „Uni Greifswald.“
Die Frau, die ihn angesprochen hatte überprüfte ihre interne Liste. „Gut, von der Uni haben wir noch keine.“ Als sie die fragenden Blicke von Asmirs Gruppe sah, fasste sie sich verlegen an den Hinterkopf und lachte kurz. „Entschuldigt bitte, habe glatt vergessen mich vorzustellen. Ich bin Katja. „Sie zeigte auf die Personen neben sich. „Und das sind Michael und Jaqueline. Wir sind von der technischen Universität Berlin und suchen für ein Langzeitexperiment Studenten aus den verschiedenen Universitäten.“
Die Gruppe um Armin war sich klar, dass sie für den Zugang zur Closed Beta auch mit dem Entwickler zusammenarbeiten mussten. Ob es nun Bugfinding war oder Universitätsgeführte Experimente, war egal.
„Um was für ein Experiment handelt es sich denn?“
„Ein soziales. Wir werden jeweils am Donnerstagabend für vier Stunden in ein Dorf zu Zeiten des 19. Jahrhunderts ziehen. Beschleunigungsfaktor ist 60, wir werden also in den 4 realen Stunden, 10 Tage in dem Dorf bleiben. Und keine Sorge, die Charackterlevelbeschränkungen für die maximalen Beschleunigungsfaktoren gelten dort nicht.“
Asmir nickte der jungen Frau zu. „Wir werden darüber beraten, schick mir bitte deine Kontaktadresse.“
„Ist unterwegs, zusätzlich habe ich alle weiteren Informationen zu dem Experiment weitergeleitet. Wäre nett von euch, wenn ihr bis Mittwoch antworten könntet, ob nun Zusage oder nicht.“
„Selbstverständlich. Und noch viel Glück bei der weiteren Rekrutierung.“
Die Frau lächelte und verabschiedete sich. „Danke!“ Katja verschwand mit ihren beiden Kommilitonen zur nächsten Gruppe.

„expedite“ war derzeit in der Closed-Beta-Phase. Ein Gemeinschaftsprojekt von mehreren technischen Universitäten, Technologiefirmen und Forschungsinstituten aus den USA, China und Europa. Da man (derzeit noch) ein spezielles Virtual Reality-Bett brauchte (im Gegensatz zu den üblichen VR-Spielen die nur eine Haube und Neuerdings nur ein Haarband brauchten), wurde die Closed-Beta fast nur von Studenten der teilnehmenden Universitäten bevölkert. Abgesehen von den zwei deutschen technischen Universitäten die an expedite mitentwickelten (Berlin und München), nahmen weitere 40 Universitäten aus Deutschland an der Closed-Beta teil. Die Anzahl der VR-Betten war aber von Uni zu Uni unterschiedlich. Die Uni Greifswald hatte insgesamt 15. Ungefähr 800-1000 Studenten aus dem deutschsprachigen Raum nahmen insgesamt an der Closed Beta teil. Weltweit sind es ca. 20.000.

Asmir leitete seine Gruppe in die Gildenhalle und drehte sich einmal theatralisch. „Willkommen in unserem Domizil!“ Die Eingangshalle war unmöbliert und das Echo von Asmir war deutlich zu hören. „Ok, die Einrichtung müssen wir uns erst mal zusammensparen. Aber Das Haus hat Platz und Betten für 20 Gildenmitglieder. Und da bin ich gleich bei der wichtigsten Sache.“ Er hob seinen Zeigefinger in mahnender Haltung und setzte ein ernstes Gesicht auf. „Folgendes: Ihr müsst zwischen dem Ruhebedürfnis des Körpers und des Geistes unterscheiden. Wenn ihr in „expedite“ mehrere VR-Stunden verbringt wird euer Geist müde und ihr verspürt Hunger und Durst. Der Hunger und Durst sind reine Psychologie. Man kann zwar nicht verhungern oder verdursten, aber das unangenehme Gefühl bleibt. Die Getränke und das Essen hier im Spiel befriedigen dieses psychologische Bedürfnis. Die Müdigkeit des Geistes ist aber echt. Wenn ihr z.B. mit dem Faktor 30 einen Tag in expedite verbringt und nicht im Spiel schlaft, dann wird sich die Müdigkeit des Geistes beim ausloggen auf euren realen Körper übertragen. Und selbst wenn Ihr vor dem einloggen acht Stunden geschlafen habt, werdet ihr Todmüde nach dem ausloggen sein, obwohl nicht mal eine dreiviertel Stunde in der realen Welt vergangen ist.“
„Also behalten wir unseren normalen Ess- und Schlafrhythmus auch in der VR-Welt bei?“
„Idealerweise, ja. Dazu gibt es dann noch das Schlafbedürfnis eures realen Körpers. Wenn Ihr also mehrere Tage in expedite unterwegs wart und dabei mehrmals geschlafen habt, wird euer Körper in der realen Welt nach dem ausloggen trotzdem Schlaf benötigen.“ Er schaute zu den Frauen und hustete kurz. „Und als letztes noch die „Toilettengang-Option“. Man kann das simulierte Bedürfnis für „groß“ und „klein“ ausschalten, ich rate aber davon ab. Nichts ist peinlicher als ein paar Dutzend Tage in „expedite“ zu verbringen und dann im realen Leben…“ Die weiteren Worte waren nur noch Gemurmel, aber die Gruppe verstand was er andeuten wollte.
Er leitete seine Kommilitonen in das „Wohnzimmer“ des Gildenhauses. Es war mit einem Kamin samt Schornstein, einem zentralen simplen Holztisch und zehn Stühlen ausgestattet. Ansonsten war in dem großen Raum nichts Weiteres zu sehen.
Maria schaute sich um. „Nicht gerade fürstlich ausgestattet.“
Helge setzte sich auf einen der Holzstühle. „Und an den Komfort eines „MX4000“ Chefsessels kommt es auch nicht ran.“
John schaute in sein Inventar nach. „Die 30 Gold sind unser Startgeld oder? Können wir unser Geld zusammenlegen und besseres Mobiliar kaufen?“
Asmir schüttelte mit dem Kopf. „Häuser und Einrichtungen sind eins der teuersten Gegenstände im Spiel. Und bevor ihr fragt, nein, ich habe meinen Charakter und das Geld nicht aus der Alphaphase behalten. Das Haus war ein Dankeschön an die Alphatester.“
(In der MMO Entwicklung ist es üblich, dass es zwischen den Phasen mehrere „Charakterwipes“ gab. Die Hersteller von „expedite“ hatten aber schon angekündigt, dass der Alpha-Test-Wipe der letzte war. Von der Closed-Beta soll es im laufenden Betrieb zum Release (irgendwann) gehen.
„Na dann müssen wir halt mit dem hier vorerst lieb nehmen.“
„Einfacher und billiger wird es natürlich, wenn einer von uns das Schreinerhandwerk lernt.“
Christian gab den Befehl die Studienunterlagen herunterzuladen und die Daten landeten in Buch- und Zettelform auf den Tisch.
Maria schaute mit einem spöttischen Grinsen in Christians Richtung. „Das war jetzt aber etwas immersion-breaking. Du hättest es auch in ein Buchregal herunterladen können und von dort rausnehmen.“
„Wir haben bisher kein Buchregal.“
Asmir wusste, dass es zwischen Maria und Christian schnell eskalieren konnte und nahm vorsichtshalber den Gesprächsfaden auf. „Unsere persönlichen Rollenspiel- und Hausregeln können wir nach der Lernrunde noch durchgehen, wir haben genug Zeit.“
„Wie viel hast du denn veranschlagt?“
„Wir haben uns geeinigt, dass jeder drei Stunden Realzeit zur Verfügung hat. Bei Faktor zehn haben wir 30 Stunden VR-Zeit zur Verfügung. Minus die 10 Minuten die wir in Faktor 1 verbracht haben und der Zeit bis jetzt, haben wir noch ca. 28 Stunden. Ich würde vorschlagen, dass wir vier Stunden studieren, danach zwei bis drei Stunden mit den weiteren Feinheiten vertraut machen und unsere Avatare für das Spiel erstellen und dann ca. acht Stunden schlafen. Die restlichen 14 Stunden können wir mal unsere ersten Schritte im Spiel wagen.“
„Warte mal, wieso legen wir die Schäferstündchen so weit nach vorne, wäre es nicht besser, wenn wir sie ans Ende legen? Und wo wir grad bei Schäferstündchen sind.“ Maria zeigte ein provozierendes Grinsen“ Du hast ausgiebig über die Simulation der Körpereigenschaften geredet… wie sieht es eigentlich mit Sex aus?“
Asmir warf Maria einen „fragst-du-mich-das-jetzt-wirklich?“ Blick zu, aber konterte sogleich. „War das ein Angebot?“
„Eventuell.“ Sie dehnte das Wort gekünstelt lange.
„Bleiben wir sachlich, vorerst. Zu der zweiten Frage: Ja es ist möglich und expedite ist auch nicht das erste VR Spiel wo Avatar-Sex möglich ist. Aber selbstverständlich nicht so extrem und unrealistisch wie die meisten Sex-VR’s.“ Er schaute in die Runde ob einer dazu noch eine Frage hatte, oder die berüchtigte Frage stellte, ob er es schon hier „getan“ hatte. Aber es sprach keiner, selbst Maria hatte einen neutralen Gesichtsausdruck. „Und zu der ersten Frage: Es ist keine gute Idee ausgeschlafen in die reale Welt zurück zu kehren. Wie ich vorhin schon erklärte, hat der Körper auch ein Restbedürfnis und wenn ihr vor dem ausloggen geschlafen habt, ist euer Geist zwar Putzmunter, aber der Körper nicht. Ihr werdet Probleme haben in der Nacht einzuschlafen und erst am nächsten Tag macht sich die Müdigkeit bemerkbar. Meistens habe ich mich bei länger geplanten Sitzungen immer erst in expedite schlafen gelegt bevor ich dann frisch und ausgeschlafen ans Werk ging.“
John klatschte hörbar einmal in die Hände. „So dann wollen wir auch bei Faktor 10 keine Zeit verschwenden und mal ans studieren gehen, erst die Arbeit, dann das Vergnügen.“
Die Studenten nahmen sich alle einen Platz und begannen sich in das Material einzuarbeiten. Maria machte noch eine sarkastische Bemerkung zu „angewandte Plasmaphysik in Buchform“, bevor die Gruppe vollends mit dem studieren beschäftigt war und fast keinen Unterschied zur realen Welt spürte.
15.12.2012 23:25 Sun-Ku Wan ist offline E-Mail an Sun-Ku Wan senden Beiträge von Sun-Ku Wan suchen Nehmen Sie Sun-Ku Wan in Ihre Freundesliste auf
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