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Zum Ende der Seite springen Hirudo - die Vampir-Astronauten
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Ace Kaiser Ace Kaiser ist männlich
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Hirudo - die Vampir-Astronauten Auf diesen Beitrag antworten Zitatantwort auf diesen Beitrag erstellen Diesen Beitrag editieren/löschen Diesen Beitrag einem Moderator melden       Zum Anfang der Seite springen

Prolog:
Hirudo... Das alte lateinische Wort, mit dem meinesgleichen diskriminiert wird. Es bedeutet herablassend...: Blutsauger. Das sollte uns Vampire treffend beschreiben, aber so einfach ist es nun auch wieder nicht. Wir haben uns weiterentwickelt. Die Zeiten, in denen wir auf Verführung und spitze Zähne in weiße Hälse gesetzt haben, sind lange vorbei. Mit der gesellschaftlichen Akzeptanz entfiel für uns die Notwendigkeit der Jagd. Diejenigen, die nahmen, was man uns freiwillig gab, überlebten. Jene, die die alten, falschen Wege bestritten, wurden ausgerottet. Auch von uns, die wir keine Hirudo mehr sein wollten. Aber ich schweife ab. Um meine Welt zu beschreiben, werde ich neu beginnen müssen.
Einst wurden wir gehasst und gejagt; totgeschwiegen gar, was uns in den Untergrund drängte. Angewiesen auf das Blut zu sein, den roten Lebenssaft und unfähig, unsere Abhängigkeit davon zu überwinden, trieb viele zur Raserei. Deshalb waren die Zeiten großer Krankheiten und großer Kriege wie geschaffen für uns. Die schiere Anzahl der Toten war ein Segen für uns; um uns zu nähren, um zu überleben. Oft fand man uns in den Reihen der Soldaten eines Landes. Vornehmlich eines, das Krieg führte. Denn leichter konnten wir gar nicht an menschliches Blut gelangen. Aber das ist auch schon eine andere Geschichte, aus einer Zeit, die so weit von mir entfernt ist, dass ich mit den gleichen Schaudern daran denke wie manch religiöser Fanatiker, wenn ihm aufgezeigt wird, dass wir und die Menschenaffen eng miteinander verwandt sind. Es erscheint mir so unwirklich, so unendlich weit her, auch wenn es lediglich dreihundert Jahre sind, seit meine Vorfahren vom alten Weg abgewichen sind.
Zuerst war da die Blutspende. Sie ermöglichte es uns, uns zu ernähren, ohne jagen zu müssen. Später erfand man das Syntho-Blut, das uns dann in unendlicher Menge zur Verfügung stand. Und die Zeit des Paradieses war für uns angebrochen. Doch wieder springe ich durch die Themen, anstatt zu erzählen, was eigentlich passiert war.
Ah, die Menschen... Unsere nächsten Verwandten, von denen wir uns nur dadurch unterschieden, dass unser Blut keine Nährstoffe transportieren kann, sie brauchten uns. Uns, ihre Fressfeinde. Sie brauchten uns, und nur uns. Sie riefen und wir kamen. Denn es gab etwas, was nur wir, die Vampire, für sie tun konnten. Nur wir konnten... Ewige Zeiten im Weltall bleiben.
Ja, richtig gelesen. In den Anfangstagen der Raumfahrt kämpften die Menschen sehr mit Problemen wie Radioaktivität, Lebenserhaltungsvorrichtungen, langen Reisedauern und dergleichen. Dinge, die einem Menschen Grenzen setzten. Dinge, die einen Vampir nicht erschütterten. Radioaktivität? Unsere Körper, so unperfekt sie waren, weil wir fremdes Blut und die darin enthaltenen Nährstoffe brauchten, um zu überleben, heilten viel schneller als jene der Menschen. Und sie waren erheblich schwerer umzubringen, solange es noch ein Gehirn gab, das denken konnte und solange das Herz Blut durch unsere Arterien und Venen trieb. Lebenserhaltung? Vampire können unglaublich genügsam sein. Wir ertragen problemlos Temperaturen um achtzig Grad Minus und niedriger, weil wir jeden Aspekt unserer Körper kontrollieren können, von der Körpertemperatur über die Atmung und den Herzschlag bis zu den Hirnfunktionen. Für uns bedeuten diese Temperaturen Stase, die wir durchdämmern, bis uns wieder Wärme durchdringt. Normale Menschen aber starben unter solchen Bedingungen. Lange Reisezeiten? Genügend Nahrung, genügend Syntho-Blut vorausgesetzt, können wir überallhin gelangen. Wir leben soviel länger als die Menschen. Es war nur logisch, dass die ersten Expeditionen der modernen Raumfahrt nicht von den Menschen bestritten wurden, sondern von uns, ihren robusteren, genügsameren, kräftigeren, schnelleren und weniger empfindlichen Vettern, den Vampiren. Die Reise zum Mars, die Unterhaltung der ersten Kolonie auf dem Mond, die Expeditionen zu den Gasriesen Jupiter und Saturn, all dies wurde möglich, weil Vampire statt Menschen die Raumschiffe bemannten, denen die kosmische Strahlung egal war, die nicht an Krebs sterben und nicht von einem Gammastrahlenschauer bei lebendigem Leib gebraten werden konnten. Und es waren Vampire, die die erste Langstreckenexpedition nach Alpha Centauri durchführten und zu jedem anderen Sonnensystem in der damaligen Epoche der Erforschung, indem sie Jahrzehnte dahindämmerten, bevor sie ihre Ziele erreichten und die Fahnen der Menschheit hissten. Und sie waren es auch, die Kontakt zur Allianz der Völker aufnahmen, als in jenem historischen Moment ein Schiff von uns, die WISDOM, und eines von ihren, die CARANK, zusammentrafen. Von jenem Moment an, vom ersten Kontakt an, änderte sich alles für uns. Die Allianz schenkte uns den Sprungantrieb, und fortan benötigte man keine Jahrzehnte mehr, um ein anderes Sonnensystem zu erreichen. Sie schenkten uns den Prallschirm, der verhinderte, dass kosmische Strahlung unsere Schiffe verseuchte. Und sie schenkten uns das Wissen, um Schiffe zu bauen, mit denen auch unsere schwächeren Vettern, die Menschen, die Sterne erreichen konnte. Doch wir Vampire, wir blieben, was wir waren: Die Elite der menschlichen Raumfahrer. Zwar drängten nun die Menschen in unsere Bestimmung, aber es gab auch mehr und mehr Raumschiffe, die wir gar nicht alle hätten bemannen können. So wurde auch unser Elite-Status gefestigt, denn es gab immer noch unendlich viele Vorteile, die dafür sprachen, Vampire einzusetzen. Jedes Schiff hat wenigstens einen Vampir an Bord, manche Besatzungen, zum Beispiel jene der Fernerkunder, bestehen nur aus Vampiren. Und viele Schiffe haben gemischte Besatzungen, weil wir aus dem Leben der Menschen nicht mehr fortzudenken sind.
Das gilt für die Raumfahrt, ja, aber auf der Erde... Auf der Erde ist unser Platz bis auf wenige streng gesicherte Enklaven verloren, erloschen. Dort sind wir wieder die Gejagten von einst, wenn wir unsere Enklaven verlassen. Dort werden wir diskriminiert, nur weil wir sind, was wir sind. Dort glaubt man nur zu gerne, dass wir noch immer Menschenblut statt Synthoblut trinken. Dort projizieren gewissenlose Menschen all den Hass auf die Missstände und Nöte menschlichen Lebens auf uns, als Ventil für Spannungen, als willkommene Opfer in der großen Politik. Dort sind wir immer noch die Bestien aus fernen Legenden, die Parasiten und Mörder, die Blutsauger. Die Hirudo...

1.
Austin Town, Nordamerika,
Terra, Sol-System,
28.02.3342 a.D. oder 03.11.0541 Zyklus achtzehn Galaktische Zeitrechnung

Austin Town, eine typische Mega-Siedlung auf der Erde, hatte drei große Vorzüge. Der erste Vorzug war, dass die Stadt tatsächlich authentische "Grüne Lungen" hatte, also große Parks, die halfen, den CO2-Ausstoß der Betonwüste zu akkumulieren. Tatsächlich fielen auf jeden Bewohner der Mega-City fast zehn Quadratmeter Grünfläche. Erstaunlich bei nur achtzehn Quadratmetern Wohnraum pro Person, aber vor allem die Gangs waren für so viel Platz mit vermeintlich unübersichtlicher freier Natur sehr dankbar.
Vorzug Nummer zwei war, dass der Kern der Stadt kein Ghetto war. Organisch gewachsen in den letzten achthundertelf Jahren seit ihrer Gründung war das vierzig Quadratkilometer große offizielle Zentrum ein gesundes, sicheres, von Geschäften, Schulen und aktien Kommunen bevölkertes Areal mit sehr niedriger Verbrechensrate. Die Ghettos fand man eher in den Vorstädten, und eines war schlimmer als das andere.
Vorzug Nummer drei war die Tatsache, dass die verdammten Blutsauger sich auf lediglich achthundert Quadratmetern zusammendrängen mussten, drüben beim Raumhafen. Und es wäre noch viel befriedigender gewesen, würden diese achthundert Quadratmeter nicht die Grundfläche für einen zwei Kilometer hohen Wohnturm bilden, zu dem nur Blutsauger und eine Handvoll auserlesener Menschen Zutritt hatten - im Volksmund auch Arschkriecher genannt. Aber Hey, es war alles in Ordnung, solange die Blutsauger, die Vampire oder Hirudo, wie man sie auf der Straße nannte, auf ihrer Seite der Grenze blieben, in ihrem eigenen kleinen, erbärmlichen Ghetto am Raumhafen, wo sie hingehörten und die Menschen in Ruhe ließen. Dass dieses Ghetto luxuriöser war als vieles, was den Menschen offenstand war in Ordnung, solange die Hirudo nicht rauskamen.
Und wenn es doch mal einer tat... Nun, Hirudo waren definitiv nicht unsterblich.
***
Becker City war so ziemlich der schlimmste Vorort, den sich eine dreißig Millionen Mega-Metropole wie Austin City vorstellen konnte. Polizeikontrolle? Fehlanzeige. Grundversorgung, Strom, Wasser, Schulbildung? Nein. Becker City war ein isolierter, abgeschnittener Bereich auf sechzig Quadratkilometer Fläche, der von der Stadtverwaltung von Austin City schon lange abgeschrieben worden war. Und man hätte dieses verrottete Stück Stadt schon lange abgerissen und neu aufgebaut, wenn nicht die unzähligen Gangs genau das verhindert hätten, denn hier war ihr Zuhause... Und ihr Schlachtfeld. Hier wurden Creen, Able White, Nova Antarctica, Koks au Vin und die anderen höchst illegalen, höchst zerstörerischen und höchst gewinnbringenden Drogen produziert und in die nicht ganz so schlimmen Viertel der Stadt geschmuggelt, wo sie ein Vermögen einbrachten. Es hieß, wer Becker City ein Jahr lang überlebte, machte genügend Geld, um nach Jormungand oder gar Niflheim umziehen zu können. Manche sollten es sogar bis nach Walhalla geschafft haben. Raus aus der Gewalt, dem Tod, den Drogen, rein in ein gutbürgerliches Leben, ohne zu viele Fragen gestellt zu bekommen. Aber auf einen, der es schaffte, kamen fünfhundert, die ihre Leben ließen. Und zehn von elf, die es schafften, wollten Becker City überhaupt nicht mehr verlassen, weil sie die liebe Angewohnheit, töten zu können wann immer sie wollten, nicht einfach aufgeben wollten. Becker City war ein Moloch der ganz besonderen Art und die Stadtverwaltung war froh, dass die Banden und Gangs am liebsten in ihrem Viertel blieben. Denn wenn sie sich vornehmen würden, in die anderen Stadtteile einzudringen - nicht nur, um ihre Drogen zu verscherbeln - konnte nur noch die Armee sie aufhalten.
Man konnte mit Fug und Recht sagen, Becker City war der Vorort der Hölle auf Erden, wenn man an so einen religiösen Quatsch glaubte. Dankenswerterweise stimmten auch die Atheisten vorbehaltlos zu. Wer sich hier her wagte, ohne einer Gang anzugehören, war so gut wie tot. Oder versklavt, wenn er oder sie Pech hatte. Wer sich ins falsche Gang-Revier wagte, war übrigens auch so gut wie tot, davon mal abgesehen. Aber darüber hinaus gab es einen gemeinsamen Feind, den alle Gangs mit Vorliebe bekämpften, über alle Ideologien und alle Streitigkeiten hinweg. Galt es, einem verfluchten Hirudo den garaus zu machen, waren sich die Bewohner von Becker City erstaunlich einig und arbeiteten sogar zusammen. Was keine gute Nachricht für jeden Hirudo war, der es wagte, diese Stadt zu betreten.
***
Dunkelheit... Schatten. Da, ein fernes Licht... Am Himmel... Ein Drakhen-Shuttle, das zum Raumhafen unterwegs war. Unverkennbar durch die Anzahl, Position und Farbe seiner Positionslichter. Wahrscheinlich die zivile Variante, nicht das militärische Sturmshuttle...
Wo war er? Es war ansonsten dunkel und sein Körper schmerzte. Nein, das war falsch. Sein ganzer Leib schien aus einem einzigen großen Schmerz zu bestehen. Wer immer ihm das angetan hatte, wusste genau, wie er aus einem Leib eine einzige große Wunde machen konnte. Außer dem Schmerz war da nichts. Und das war übel. War noch alles dran an ihm? Beine, Füße, Arme, Hände? Die Ohren, die Nase, Augenlider? Hatte man seinen Torso als Leinwand für scharfe Messer missbraucht oder ihn gleich bei lebendigem Leib gehäutet? Der Schmerz war so umfassend, so allgegenwärtig, es hätte ihn nicht gewundert. Er... Ja, wer war er? Nur langsam kam die Erinnerung an seine eigene Identität. Er war... Kapitän. Ein Raumschiff. Sprungfähig. Ein Leichter Kreuzer. Diplomatenschiff. Ravenna war ihr Name. Fünfundachtzig Lamia und dreihundertsechzig Menschen unterstanden seinem Kommando, zusätzlich neununddreißig Raumfahrer anderer galaktischer Nationen. Wie war sein Name? Er gab sich Mühe, aber das wollte ihm nicht einfallen. Der Schmerz hinderte ihn daran, darüber nachzudenken. Nur was von selbst an die Oberfläche seines Geistes gespült wurde, konnte er sehen.
Eine neue Schmerzwelle brach über ihn herein. Er japste und stöhnte, glaubte, sich in einer Ohnmacht zu verlieren, spürte, wie sie irgendetwas an ihm bewegte - ein Arm, ein Bein - und dann kam der normale Schmerz zurück. Was für eine Tortur. Tot war er besser dran, ging es ihm durch den Kopf.
Ein blauer Lichterschein erregte seine Aufmerksamkeit. Mit großer Anstrengung drehte er die Augäpfel in seine Richtung. Ein Schwebewagen senkte sich auf den Grund der Straße herab. Auf seinem Dach war ein Lichtbalken befestigt, in dem abwechselnd blaue und rote Lichter glommen. Der Schweber selbst war schwarz und blau. Austin City Police. Hier? Auch wenn er sich nicht erinnern konnte, wie er hieß und warum er hier lag, so wusste er doch eines: Dies war kein Gebiet, in dem sich Polizisten blicken lassen durften. Außer, sie hatten eine Division Marines in der Hinterhand.
Der Wagen setzte auf dem Boden auf und die vorderen Türen öffneten sich. Vom Beifahrersitz kletterte ein junger, gut gepanzerter Mann hervor, im Gürtel einen Schockstab, im offenen Holster einen Teilchenpulser und in der Hand eine Schrotflinte, wie sie noch heute benutzt wurde, um zum Beispiel widerspenstige Türen zu öffnen, oder um jemanden zuverlässig aus kürzester Distanz ins Jenseits zu befördern.
Vom Fahrersitz kam ein älterer, dicklicher Uniformierter ohne Körperpanzerung. Er trug die übliche Uniform und die blauschwarze Schirmmütze, die ihn als Patrol Man deklarierte. Der Mann hatte ein feistes, verfettetes Gesicht. Als er zu ihm herübersah, schob er die Mütze in den Nacken.
"Eieiei, was haben wir denn da?"
Der Beifahrer war sichtlich nervös. "D-as muss der Bewusstlose sein, wegen dem wir alarmiert wurden, Sarge."
"Das ist kein Bewusstloser." Der dicke Polizist trat näher, beugte sich über den Schwerverletzten und trieb ihm Zeige-, und Mittelfinger der Rechten in den Mund. "Fangzähne. Nur ein stinkender Hirudo."
Der zweite Mann trat unsicher von einem Bein zum anderen. "Wir sollten so schnell wie möglich wieder weg, Sarge. Dies ist Cannibal-Gebiet, gestern frisch erobert von den Scavengers. Die haben das sicher richtig übelgenommen."
Der Police-Sergeant seufzte. "Und wegen sowas wird man ins schlimmste Viertel der Stadt gerufen. Wegen einem verdammten Blutsauger. Und dann haben die Banden nicht mal den Anstand, ordentliche Arbeit zu leisten." Mit einem weiteren Seufzer zog der Sergeant seine Dienstwaffe, eine Gasdruck-Projektilwaffe.
"Moment, Sarge, was haben Sie vor? Das ist..."
"Überleg doch mal. Das ist nur ein verdammter Hirudo. Wusstest du, dass wir zweitausend Credits dafür kriegen, wenn wir seine Leiche "retten"? Und der Dank der Community ist uns auch gewiss. Aber was kriegen wir, wenn wir ihn lebendig zurückbringen und dann noch in diesem Zustand? Nur Hohn und Spott und "Hättet Ihr nicht früher da sein können?". Nein, mein Junge, das ist es nicht wert. Dann stecken wir lieber die Credits ein. Aber ich wünschte wirklich, die Gangs wären gründlicher vorgegangen." Die Mündung der Waffe richtete sich auf die Augen des Schwerverletzten.
"Sarge, Sie können doch nicht..."
"Erzähl mir nicht, was ich kann und was nicht, Munroe." Der Police-Sergeant drückte ab. Der Schuss hallte von den Wänden der halb eingestürzten Häuser wider, die sie umgaben. Dann war Stille.
Mit einem dritten Seufzer lud sich der Sergeant die Leiche auf die Schulter.
"W-was tun Sie da?"
"Da siehst du doch, Munroe. Das Kopfgeld kassieren. Und jetzt lass uns abhauen. Hier stinkt es."
"J-ja, Sir." Rückwärts gehend, die Schrotflinte schussbereit im Anschlag, ging der Beifahrer zum Wagen zurück. Es war still, unglaublich still rund um sie, und dennoch verbarg die Nacht, deren Finsternis nur von den Scheinwerfern und dem Signallicht des Schwebewagens erhellt wurde, bestimmt einige Gang-Mitglieder. Wenn sie Pech hatten, von den Cannibals. Wenn sie sehr viel Pech hatten, von hungrigen Cannibals. In der geöffneten Tür wartete der Beifahrer, bis der Sergeant seine Last auf der Rückbank abgeladen hatte und auf den Fahrersitz geklettert war. Dann stieg auch er in den Wagen, schloss die Tür und schnallte sich an. Nicht, dass das gegen eine Seeker-Man Arms-Rakete geholfen hätte, die ihnen jederzeit hinterherfliegen und sie vom Himmel putzen konnte.
Auch der Sergeant schloss die Tür und startete das Antigrav-Aggregat des Wagens. Langsam, geradezu gemächlich, stieg der Wagen in die Höhe, so als hätte er alle Zeit der Welt. Und genauso gemächlich zog er rüber in Richtung Zhangzhou-Viertel.
***
Licht. "...hören?"
Seine Augen wurden gewaltsam aufgerissen. Ein Lichtschein blendete erst das rechte, dann das rechte Auge. "..aktion gut. Können Sie mich hören?"
Ein Laut rang sich aus seiner Kehle, von dem er nicht gewusst hatte, dass er ihn hatte bilden können. Dem folgte ein verzweifelter, schmerzvoller Atemzug.
"Er hat Schmerzen", sagte eine Stimme irgendwo aus dem Licht.
"Unmöglich. Wir haben ihn bis zum Anschlag vollgepumpt. Können Sie mich hören, Captain Warnow?"
"Blutdruck?"
"Gut soweit. Wie es unter diesen Umständen möglich ist. Reflexe?"
"Vorhanden. Haben Sie seine Angehörigen erreicht oder wenigstens die Community?"
"Eine Vertreterin der Community ist auf dem Weg."
"Wen haben sie geschickt?"
"Griselda von Ashford."
"Oh nein, nicht diese Nervensäge. Ich... Reaktion! Er hat meine Hand ergriffen! Captain Warnow, hören Sie mich?"
"I-ich...", brachte er mit matter Stimme hervor. "W-was...?"
"Das wissen wir nicht. Sie wurden hier eingeliefert, zerschnitten, zerschlagen und mit Dutzenden Knochenbrüchen. Eine Polizeistreife hat Sie gebracht. Aber die beiden sind wohl nicht ganz richtig in der Birne, denn sie behaupten, sie hätten Sie aus Becker City geholt."
"B-becker?"
"Ja. Becker City." Aus der Stimme wurde ein Gesicht, als sich eine Frau in weißer Uniform über ihn beugte. "Ich bin Doktor Suinov, Ihre behandelnde Ärztin. Ich will ehrlich mit Ihnen sein. Sie haben ein Drittel Ihres Blutes verloren. Man hat Ihnen einen Fuß abgeschnitten und die Zehen vom anderen abgetrennt. Ihre Finger wurden ebenfalls abgetrennt. Sie haben achtzehn Knochenbrüche, die meisten davon an den Rippen. Drei innere Organe wurden schwer verletzt und wären Sie kein Lamia, hätte da schwere Schädeltrauma Sie umgebracht. Sieht ganz so aus, als hätte jemand versucht, die Farbe Ihres Gehirns zu bestimmen, indem er Ihren Schädel wie eine Walnus knacken wollte."
"So... fühlt es... sich... auch... an...", kam es ihm über die Lippen.
"Seien Sie unbesorgt. Sie haben bereits regenerierende und kreislaufstabilsierende Naniten injiziert bekommen und die Schnellheilung wurde indiziert. Ihr Leben ist nicht mehr in Gefahr, Captain Warnow. Wenn wir das Okay kriegen, werden wir Sie ins künstliche Koma versetzen, damit Sie ausheilen können. Aber das wird fix gehen. Acht Tage maximal. Danach fünf Monate, um den Fuß zu regenerieren. Sie können wirklich von Glück sagen. Eine Stunde später, und der Blutverlust hätte Sie zuverlässiger umgebracht als ein Pflock durchs Herz."
"Helena, keine Klischees", mahnte die zweite Stimme, die er jetzt als männlich identifizieren konnte.
"Kein Koma...", sagte er so bestimmt wie er konnte. "Mein... Schiff... Mein Erster... Offizier..."
"Aus medizinischer Sicht empfehle ich Ihnen nachdrücklich die Koma-Behandlung, Captain Warnow. Alles andere birgt unabwägbare Risiken, selbst für einen Lamia. Stimmen Sie zu, Doktor Winslow?"
"Ich empfehle ebenfalls das Heilkoma", sagte die männliche Stimme.
"Kein... Koma...", sagte er erneut, diesmal bestimmter. "Holen Sie... Meinen Eins O."
"Das können Sie mit der Vertreterin der Community besprechen. Sie wird in etwa zehn Minuten eintreffen. So, ich habe Ihnen noch was gegeben. Ein stärkeres Schmerzmittel, speziell für Lamia entwickelt. Sie sollten damit schmerzfrei werden. Versuchen Sie zu schlafen, Captain." Die Ärztin drückte ihm die Augen zu und beinahe widerwillig ließ er es zu. Beinahe sofort fiel er in einen leichten Dämmer.
Wie von ferne hörte er die beiden Ärzte miteinander reden.
"Die Drohne ist programmiert. Captain Warnow wird nun bestens überwacht. Brrr, hast du dir seine Brust angesehen? Diese Schweine haben ihm dumme Sprüche in die Haut geritzt."
"Ja. Ein Wunder, dass er es geschafft hat. Wäre er kein Hirudo, wäre er gestorben. Ach, verdammt, Lamia. Ich wollte Lamia sagen. Ein normaler Mensch wäre unter dieser Tortur gestorben. Aber ein Vampir hat da einfach die besseren Karten, wie es scheint."
"Lassen wir ihn schlafen, Helena. Die Drohne wird uns benachrichtigen, falls etwas passiert, was sie nicht bewältigen kann."
"Ja, du hast Recht, Irwan. Was steht jetzt an?"
"Nur ein klassisches aufgeschlagenes Knie einer niedlichen hyperaktiven Achtjährigen, Frau Doktor."
"Ahhhh. Genau dafür habe ich doch überhaupt einen akademischen Grad erworben. Benachrichtigst du sein Schiff?"
"Ja, kann ich machen. Soll ich Kaffee mitbringen?"
"Gute Idee."
Eine Tür öffnete und schloss sich wieder und ließ ihn mit seinen Gedanken allein. Warnow war sein Name. Ja, und er war Captain. Cruiss Warnow, um genau zu sein. Er erinnerte sich, an so viel. Nur nicht daran, was die letzten Stunde oder Tage geschehen war. Und dabei, das wusste er, war es wichtig, verdammt wichtig. Zumindest für ihn. Er hätte gelacht, wäre er dazu in der Lage gewesen. Wie hatte ihn der Sergeant genannt? Hirudo. Wie passend. Das hatte er schon ewig nicht mehr gehört, denn draußen, bei der Galaktischen Föderation, war es vollkommen egal, was er war. Es ging nur darum, wer er war. Es scherte auch niemanden, ob er Hirudo, Vampir oder Lamia genannt werden wollte. Bei ihnen war er nur Cruiss Warnow, Kapitän eines diplomatischen Schiffs der Solaren Union. Hier aber war er nur ein verhasster, verabscheuter Blutsauger. Hätte er gekonnt, er hätte geweint.
***
"Mylady." Sergeant First Class Patterson Ibana erhob sich sofort von seinem Sitz, die Patrol Man-Schirmmütze so perfekt in der linken Armbeuge, dass jeder Polizeikadett neidisch geworden wäre. Hastig folgte ihm Patrol Man Second Class Julius Munroe und sprang auf die Beine.
Griselda von Ashford, Gräfin von Auckland und Michigan (wobei der Titel eher formellen Zwecken diente, weniger verwaltungstechnischen), die gerade wie ein lebender Tornado hereingerauscht war, änderte sofort die Richtung und schoss auf die beiden Polizisten zu. Zumindest auf einen der beiden. "Pat!", rief sie und trat an den Mann heran. Sie reichte ihm beide Hände und schüttelte damit seine rechte Hand. "Geht es Ihnen gut, Pat? Ist alles in Ordnung?"
"Ihre Sorge ehrt mich, Gräfin, aber mir ist nichts passiert. Uns ist nichts passiert. Patrolman Munroe, Mylady."
"Freut mich sehr, Mylady", haspelte der junge Mann hervor und drückte die ihm dargebotene Hand enthusiastisch und vorsichtig zugleich.
"Ebenso. Sie haben geholfen?"
"Kann man so nicht sagen. Der Sarge hat mich ganz gewaltig hinters Licht geführt und ich sah mich schon wegen Beihilfe zum Mord auf der Anklagebank, aber..."
"Erzählen Sie es mir, Pat", forderte sie.
Der Sergeant sah auf seinen Chronometer. "Wir wurden etwa gegen zwei Uhr morgens alarmiert. Ein Anrufer hätte von einem Bewusstlosen auf der Straße berichtet. Soweit nichts Besonderes. Nur zwei Dinge waren dabei außergewöhnlich. Einerseits hatte der Anrufer explizit verlangt, mich zu benachrichtigen und andererseits lag der Bewusstlose in einem Randbezirk von Becker City."
"Becker City..." Sie schüttelte sich vor Abscheu. "Gelobt sei der Tag, an dem wir diesen Sündenpfuhl reinwaschen werden."
"So in etwa. Mir war natürlich klar, dass man mich nicht ohne Grund rufen würde. Ich bin seit achtzehn Jahren auf den Straßen von Austin Town unterwegs und habe dabei zugesehen, wie einige der Viertel zugrunde gingen, darunter auch Becker Town. Außerdem weiß man, dass ich bei Verhandlungen mit den Gangs als Berater hinzugezogen werde. Es musste also ein großer, fetter Haken bei der Geschichte sein. Und das war auch richtig. Als wir den Bewusstlosen fanden, entpuppte er sich als bis an die Schwelle des Todes gefolterter Hirudo."
Die Gräfin verzog kaum merklich das Gesicht, als das alte Schimpfwort fiel, mit dem ihre Rasse diffamiert wurde. Aber immerhin war es noch eines der freundlicheren, die zur Anwendung kamen. "Weiter, Pat."
"Nachdem ich festgestellt hatte, dass der Bewusstlose ein Vampir war und nach den Überresten seiner Kleidung ein Astronaut, war mir auch klar, wie sehr wir in der Tinte saßen. Selbst wenn diejenigen, die mich alarmiert hatten, wohlwollend genug gewesen wären, wir waren mitten in Cannibal-Gebiet. Zudem hart umkämpftem Gebiet, das sie gerade erst von den Scavengers erobert hatten. Uns blieb nur, den Bewusstlosen zurückzulassen und unsere eigenen Leben zu retten, oder seine Leiche mit uns zu nehmen. Also schoss ich ihm in den Kopf."
"Sie haben was?", rief die Gräfin entrüstet.
"Ich habe ihm in den Kopf geschossen. Zumindest habe ich ihm ein Ohr abgeschossen. Das gab genügend Blut, um jeden Beobachter zumindest auf den ersten Blick zu überzeugen, dass der Hirudo tot oder zumindest tödlich verletzt war. Danach lud ich ihn in den Patrouillenwagen und brachte ihn hierher ins Mercia Alexia Hospitalum. Ich denke, bei all dem, was ihm ansonsten schon fehlt, kann er auf ein Ohr ruhig verzichten." Er räusperte sich. "Ich wollte, dass Ihr zuerst meine Version hört, Mylady, bevor Ihr verdrehte Fakten von Dritten erfahrt."
"Pat, wie lange kennen wir uns jetzt schon? Und wie oft hatten wir miteinander zu tun? Ich vertraue Ihnen. Und wenn es für einen Patrol Man nicht ein erhebliches Risiko für das eigene Leben bedeuten würde, dann hätte die Community Sie schon lange ausgezeichnet. Na, später, wenn Sie einmal Lieutenant sind."
"Was nie passieren wird, Mylady. Ich bin Patrol Man und stolz darauf", entgegnete der Sergeant.
"Die Zeiten ändern sich. Das tun sie ständig. Und Sie können doch nicht erwarten, dass ich den Rest meines Lebens in ständiger Sorge um Sie verbringe, Pat", tadelte die Gräfin. Sie sah zum Patrol Man herüber. "Munroe war es, richtig?"
"Jawohl, Mylady. Julius Munroe."
"Nehmen Sie sich First Sergeant Patterson Ibana zum Vorbild. Er ist ein ganz hervorragender Polizei-Offizier und für viele Lamia ein Schmerz im Arsch, weil er ihnen nichts durchgehen lässt. Ich selbst habe eine eigene Sammlung an Strafzetteln wegen Falschparkens mit seinem Namen drauf." Sie lachte glockenhell und der Sergeant fiel ein. "Aber was viel wichtiger ist: Pat ist verdammt fair. Er behandelt jeden gleich. Lamia, Menschen, Außerirdische, für ihn sind sie alle das gleiche. Und das ist das Ideal, das ich mir in ferner Zukunft für die ganze Erde wünsche. Denn egal ob Mensch oder Lamia, wenn jemand ein Verbrechen begangen hat, dann wird ihn Pat verfolgen und zur Strecke bringen. Das ist seine große Stärke."
"Ihr macht mich verlegen, Mylady", tadelte Pat mit dünnem Schmunzeln.
"Was uns zum Thema bringt. Was hat dieser Irre verbrochen, Pat? Warum mussten Sie ihn ausgerechnet von Asphalt von Becker City kratzen?"
"Um ehrlich zu sein, ich habe keine Ahnung. Nur einen Verdacht. Kein Hirudo, und sei er noch so weltfremd oder noch nie auf der Erde gewesen, würde freiwillig in ein halbverfallenes Viertel wie Becker City gehen, und dabei auch noch seine Raumfahrerjacke tragen. Ich bin mir verdammt sicher, Captain Warnow war nicht freiwillig dort. Allerdings wurde er nicht als vermisst gemeldet. Das habe ich überprüft."
"Dann wurde er entführt?", mutmaßte die Gräfin.
"Vermutlich. Nur wann und wo, das ist noch unklar, solange sich niemand aus seinem Umfeld meldet oder wir ihn befragen können. Ich hoffe, dass Eoliz von Steinbrecher ein wenig Licht ins Dunkel bringen wird. Sie ist Erster Offizier der Ravenna, Warnows Schiff. Wir haben sie benachrichtigt, kaum dass wir ihn identifiziert hatten. Sie ist gerade auf dem Weg vom Mond zur Erde. Wir rechnen in spätestens acht Stunden mit ihr."
"So. Immerhin." Sie seufzte. "Und was können Sie mir noch sagen, was die Ärzte mir verschweigen werden, Pat?"
"Sie haben Warnow gefoltert. Die Tatsache, dass ihm die Finger, die Zehen und ein Fuß fehlen, deutet daraufhin, dass sie irgendein brutales Kampfspiel mit ihm gespielt haben. Danach haben sie seine Synapsen gebraten, um sein Kurzzeitgedächtnis zu löschen. Ich bin mir ziemlich sicher, dass jene Fraktion, die ihn in ihren Klauen hatte, wollte, dass er in die Community zurückkommt. Falls er die Cannibals überlebt, heißt das. Eine klare Warnung, aber weshalb?"
"Bleiben Sie dran, Pat. Und - gehen Sie nach Hause. Ich werde zuerst mit den Ärzten reden und mir dann die Nacht um die Ohren schlagen. Ab hier übernimmt die Community. Aber... Ein unzensierter Bericht an mein Büro, Pat."
"Jawohl, Mylady."
Die Gräfin Griselda von Ashford reichte beiden Männern zum Abschied die Hand. "Nehmen Sie sich ihn zum Vorbild, Patrol Man Munroe."
"Das werde ich, Mylady."
Sie sah den Police Officers nach, bis sie den Warteraum der Intensivstation verlassen hatte und atmete einmal tief durch. Nicht alle Begegnungen mit Menschen waren so angenehm und ergebnisreich wie jene mit Sergeant Ibana. Viel zu oft hatte sie entweder mit unangebrachter Ehrfurcht, unangebrachter Furcht oder unangebrachtem Respekt vor dem Vermögen zu kämpfen, welches die Lamia-Community besaß. Und die Ärztin, mit der sie würde reden müssen, war irgendwo zwischen Furcht und Respekt anzusiedeln, die kleine Kriecherin.
Kurz zückte sie ihren Taschenspiegel und checkte ihr Makeup und die Frisur. Dezente Farben, die ihre natürliche Schönheit gut zur Geltung brachten, langes, blondes Haar, das ihren blassen Teint umspielte. Nicht zu aufwändig, aber es unterstrich ihr gutes Aussehen. Die Gräfin zwang sich zu einem Lächeln. Ebenso zwang sie sich, ihre eigentliche Persönlichkeit hintenan zu stellen, was sie bei Patterson Ibana nie gemusst hatte und der Kunstperson den Vortritt zu lassen, die für sie mit der eigentlichen Menschenwelt konversierte. Griselda nannte diese Maske bei sich die Partymaus.
"Huhu, Frau Doktor Suinov! Dass erst so etwas Schreckliches passieren muss, bis wir einander mal wieder begegnen können - schrecklich!"
"Oh, Frau Gräfin. Sie sind schneller, als ich erwartet habe. Und, darf ich vorstellen? Mein Kollege, Doktor Winslow."
"Freut mich sehr, mein lieber Doktor. Freut mich sehr. Aber erzählen Sie doch, Helen, was ist meinem kleinen Lämmchen denn überhaupt widerfahren?"
"Folgende medizinische Befunde konnten wir nehmen: Frakturen in..."
Innerlich seufzte Griselda auf und sehnte sich nach der einfachen Offenheit eines Patterson Ibanas.

__________________
Ace Kaiser,
Angry Eagles

Corrand Lewis,
Clan Blood Spirit

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2.
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29.02.3342 a.D. oder 04.11.0541 Zyklus achtzehn Galaktische Zeitrechnung

"Captain Krautmann, Sie wollten uns sprechen?"
Der großgewachsene Mann sah von seinem 3D-Terminal auf, an dem er die Büroarbeit bewältigt hatte. Wenn man wie er das Gesicht eines Schlägers und den konzentrierten Blick eines Halblabilen hatte, hätte man sich nicht gewundert, wenn ich durch die Anstrengung beim Denken die Zunge zum linken Mundwinkel rausgeragt hätte. Und Freunde von Klischees wunderten sich sicher nicht, dass dieser Mann nicht nur erst fünfunddreißig Jahre alt war, sondern eine Blitzkarriere im Police Department von Austin Town hingelegt hatte. Sein Kurs war fest auf "Polizeipräfekt der Stadt" gesetzt, und nicht einmal politische Gegner zweifelten daran, dass er es trotz fehlender Gönner schaffen würde. Das lag nicht nur an seinem hervorragenden College-Abschluss, fünf Jahren Erfahrung im Weltraum und drei superharten Jahren auf den Straßen. Auch nicht daran, dass er der Mehrheit der Half White angehörte, den Afroamerikanisch-kaukasischen Mischlingen, die fast achtzig Prozent der Bewohner Nordamerikas ausmachten. Nein, er war der Polizeichef, der seit er den Posten übernommen hatte, Becker City zu seinem Revier erklärt hatte. Er hielt diesen verwahrlosten Landstrich und seine Bewohner in Zaum, besser als jeder Revier-Captain vor ihm, und dafür küsste die Stadt ihm die Füße. Das konnte man durchaus wörtlich nehmen.
"Pat, Julius, kommt rein." Er deutete jovial mit einer seiner Milchkaffeefarbenen Pranken auf die beiden Plätze vor seinem Schreibtisch. Zwei Stühle, das bedeutete, es würde länger dauern.
"Danke, Sir." Die Patrol Men nahmen Platz.
Einen Augenblick lang ließ Herbert Krautmann seinen Blick über die beiden gleiten. Ibana war First Sergeant und knapp vor seinem Ruhestand. Der beste Mann in seinem Revier, der ihm und allen Kollegen bitter fehlen würde. Niemand sonst hatte seine Erfahrung oder auch nur annähernd so haarige Eier wie er. Es fiel dazu kaum ins Gewicht, dass Pat Ibana ein Alibi-Schwarzer war, einer der letzten reinrassigen Afro-Amerikaner in der Stadt, deren Aufstellung im öffentlichen Dienst mit Quotenpunkten belohnt wurde.
Das Gleiche galt für Patrol Man Munroe, ein Neuling, der erst kürzlich vom Third Class Patrol Man zum Second Class aufgestiegen war. Das verdankte er alleine der Tatsache, mit Ibana zusammengespannt worden zu sein. Die besten und fähigsten Leute auf dem Revier und knapp zwei Dutzend in anderen Revieren in der Stadt waren für ein oder zwei Jahre Pats Partner gewesen und hatten den Job von der Pike auf gelernt. Beim Besten. Und wenn der Neuling dann noch einer der wenigen reinrassigen Weißen in der Stadt war, regnete es geradezu Quotenpunkte. Das war Krautmann natürlich nicht egal, denn die Quotenpunkte entschieden über sein Budget. Und er brauchte eine Menge Geld auf der hohen Kante, für den Fall, dass er mal wieder eine Kompanie Space Marines nach Becker City schicken musste. Aber entscheidend war, dass der Junge sich gut machte. Dass er ein guter Polizist werden würde. Da machte es auch nichts, dass er ein-, oder zweimal Anfeindungen ausgesetzt gewesen war, weil er mit einem Lamia verwechselt worden war. Aus irgendeinem Grund, den Krautmann bis heute nicht begriffen hatte, schienen die dümmeren der Bürger der Gigantstadt Austin Town glauben, dass Lamia immer auch Kaukasier waren. Ergo war jeder Kaukasier für sie auch ein Lamia. Quelle für endlosen Ärger auf den Straßen. Selbst wenn man ihnen einen schwarzhäutigen Vampir vorstellte, oder einen Tex-Mex, waren das für sie nur Ausnahmen. Tatsächlich diskriminierten sie Minderheiten, um sich besser zu fühlen. Und hätte es nicht die Lamia und die Kaukasier gegeben, wäre es wohl die nächsgrößte Minderheit gewesen, die ihren Unwillen erregt hätte, die Anasazi-Bevölkerung. Diese Stadt einigermaßen sicher zu halten war ein riesiger Schmerz im Arsch, und Krautmann war sich immer mehr bewusst, dass er den Präfekten besser in den Wind schießen und vorzeitig in den Ruhestand gehen sollte. Aber wer machte dann diese beschissene Arbeit? Er seufzte.

"Erzählen Sie mir, was Sie sich dabei gedacht haben, Pat. Warum haben Sie das Leben meines wichtigsten Cops riskiert?"
Wenn Ibana über dieses Kompliment erfreut war, zeigte er es nicht. Munroe hingegen wirkte erstaunt. Bis er merkte, dass er tatsächlich nicht gemeint war, sondern sein Partner. Dass sich die Enttäuschung in seinen Zügen in Grenzen hielt, brachte ihm auf der mentalen Liste des Captains einen Pluspunkt ein.
"Es war ein Diplomat, Sir. Sie haben ihn zerschnitten und gefoltert. Dann haben sie die Reste den Cannibals vorgeworfen."
"Ein Diplomat?" Krautmann zog die Stirn kraus. Ein toter Diplomat, egal ob er sich leichtfertig gefährdet hatte oder nicht, war in jedem Fall eine Menge Ärger. "Wird er es schaffen?"
"Die Ärzte sagen, ja. Aber sein Gehirn wurde frittiert, damit er vergisst, was er erlebt hat."
"Oha. Darum geht es also." Krautmann lehnte sich zurück. "Na, dann plaudern Sie mal aus dem Nähkästchen, Pat."
Der breite, stark untersetzte Mann grinste schief. "Es waren die Raver. Da bin ich mir sicher. Der hungrige Willem, der bei ihnen die Amputationen vornimmt, hat so eine merkwürdige Marotte, wenn er amputiert. Er trennt nicht am Knorpel, er geht immer durch den Knochen. Dies war an den Händen des Diplomaten der Fall. Außerdem hat sich Cuyper mit seiner berüchtigten Rose auf seinem Rücken verewigt."
"Das macht Sinn. Cuyper ist der Hetzer der Raver, dafür zuständig, die Grenzen ihres Gebiets sauber zu halten", meinte der Captain nachdenklich. "Jetzt müssen wir nur noch klären, was Crazy Teddy mit einem Diplomaten wollte. Er muss doch wissen, dass es auch Ärger für ihn bedeutet, egal ob er lebt oder nicht. Ist er ein Lamia?"
"Ja, Sir. Dazu ein Schiffskommandant."
Krautmann stieß einen ärgerlichen Fluch aus. Wäre der Mann gestorben, hätten die Marines Becker City plattgemacht. Und alle überlebenden Psychopathen hätten sich in die anderen Stadtteile geflüchtet. Auf Monate hinaus hätten sie die halbe Stadt rebellisch gemacht, bis sich wieder einigermaßen handhabbare Strukturen gebildet hätten. Er selbst und achtzehn seiner Vorgänger hatten hart daran gearbeitet, den Abschaum in Becker City zu konzentrieren. Die Mörder, die Psychopathen, die Kannibalen, die Drogensüchtigen, die Verrückten, die Soziopathen... Nur mit einem Luftschlag, der zudem noch die Hälfte der Nachbarschaft vernichtet hätte, konnte man dieses Übel an der Wurzel ausrotten. Und selbst nach dieser Rosskur würde noch genügend Abschaum aus Becker City übrig bleiben. Und dabei würde es noch viel zu viele Unschuldige erwischen. Ja, Unschuldige in Becker City. Wenn er daran dachte, wie hoch die Geburtenrate war und wie viele der Babies, Kleinkinder und Jugendlichen aus dem Stadtteil geschmuggelt wurden, bevor die Clanstrukturen griffen... Aber das war ein anderes Thema.
"Also die Raver. War der Mann als vermisst gemeldet?"
"Nein, Sir."
"Merkwürdig. Sehr merkwürdig." Ein Schmunzeln ging über sein Gesicht. "Ich würde gerne mehr darüber wissen. Kontaktieren Sie Gladius. Er soll Ihnen erzählen, was bei den Ravern vorgegangen ist."
Munroe und vor allem Ibana sahen ihn erstaunt an. Offizielle Kontakte gab es nicht, dafür aber eine Menge inoffizieller Kontakte. Die Banden waren vor allem dann gut in Schach zu halten, wenn sie ihr Schmiergeld zahlten und glaubten, damit Einfluss auf die Polizei auszuüben.
Dadurch wurden die verschiedenen Banden leichter kontrollierbar, man konnte "korrupte" Beamte zum Schutz ihrer Bosse abstellen, wenn diese Becker City verließen und damit die Gewalt auf ein Minimum reduzieren. Man verfügte über Bewegungsmuster der Kriminellen, hatte Einblick in die Warenströme in und aus dem Stadtteil raus. Und wusste somit sehr genau, welche und wie viele synthetische Drogen produziert und verkauft wurden. Denn eines war traurig, aber klar: Solange Menschen lebten, würden einige von ihnen Drogen kaufen. Die einen beließen es bei Alkohol, in verschiedenen Maßstäben, andere inhalierten und der Rest schniefte, spritzte, trank, kaute, injizierte in die Tränendrüse oder rieb sich auf die Haut, was immer reinpasste, um das irdische Jammertal vergessen zu können. Nur um irgendwann in der Reha zu landen und einen Teil des eigenen Körpers durch geklonte Organe ersetzt zu bekommen, weil sie die alten zuschanden geritten hatten. Krautmann fand es immer wieder traurig, dass man diesen Trotteln nicht auch ein neues Gehirn transplantieren konnte, aber das war seine persönliche Meinung.
Gladius war der Deckname eines Vertrauten von Crazy Teddy, dem derzeitigen Anführer der Raver und zuständig für den Kontakt mit den "korrupten" Polizisten des Departments. Mit anderen Worten, Ibana und eine halbe Handvoll ausgewählter Elite-Cops mit Jahrzehntelanger Straßenerfahrung trafen sich regelmäßig und auch zu besonderen Gelegenheiten mit ihnen.
Nun also würde der Sergeant Gladius zu einem unterminierten Treffen bestellen.
Ibana nickte. "Ich setze es für morgen Abend an. Das sollte er schaffen. Nachdem die Cannibals die Scavenger um drei Blocks nach Osten gedrückt hatten, haben die Raver keine Probleme, um zum Treffpunkt zu kommen."
"Tun Sie es so." Krautmann widmete sich wieder seinen Hologrammen. "Aber jetzt machen Sie beide erst mal Dienstschluss und fahren nach Hause. Ich sehe Sie morgen Abend ausgeschlafen zum Dienstbeginn, verstanden?"
"Ja, Sir", erwiderten die beiden Männer. Sie erhoben sich, nickten dem Captain noch einmal zu, der die Geste flüchtig erwiderte und verließen das Büro.

"Du hast es gehört, Julius. Vorzeitiger Feierabend", sagte Ibana grinsend.
"Ob das ein Versehen war? Unsere Schicht geht noch vier Stunden, und..."
"Du willst doch nicht etwa behaupten, der Captain würde Fehler machen?"
"Nun, ich..."
"Ach, noch etwas, Pat", klang die Stimme Krautmanns aus einem Akustikfeld auf, das direkt zwischen den beiden Männern entstand. "Sie kriegen eine Drohne mit. Wenn es sich herumspricht, dass Sie den Lamia nicht getötet haben, sondern seinen Tod nur vorgetäuscht haben, könnten wieder ein paar Extremistenspinner bei Ihnen auftauchen. Ich möchte nicht, dass Ruth wieder eine Schießerei in ihrem Wohnzimmer miterleben muss."
Ibanas Grinsen erstarb. "Eine Drohne, Captain?"
"Eine Drohne. Ich lasse sie gerade programmieren. Sie wird auf Ihre Stimme programmiert sein und Sie und Ruth verteidigen."
"Wie ist die Drohne bewaffnet, Sir?", fragte Ibana mit Unbehagen in der Stimme.
"Nicht-lethal, wenn es das ist, was Sie stört, Pat. Und es ist eine humanoide für Infiltrationen."
"Bekommt Munroe auch eine?"
"Nein, den haben die Verrückten nicht auf dem Schirm. Aber dennoch, Patrol Man, wenn Ihnen rund um Ihr Appartement verdächtig vorkommt, rufen Sie Ihre Kollegen lieber einmal mehr als einmal zu wenig. So langsam werden Sie nämlich auch bemerkt und erwerben sich einen Namen."
"Jawohl, Sir. Danke, Sir", erwiderte der Mann mit blasser Stimme.
"Das war dann alles. Ab nach Hause mit euch, Männer."
"Ja, Sir."

Eine halbe Stunde später trat First Sergeant Ibana frisch geduscht und in zivilen Klamotten vor die Umkleidekabine für männliches Polizeipersonal, Dienstwaffe, Schockstab und Polizeimarke in der Hand. Im Department sah man es gerne, wenn die Polizisten auch außer Dienst bewaffnet blieben. Wenn es ging, non-lethal, aber es war kein Muss. So konnten sie jederzeit eingreifen, wenn sich in ihrer Freizeit ein Verbrechen ereignete. Soweit die Idee.
"Sarge?"
Ibana wandte sich in Richtung der Stimme um, die ihn angesprochen hatte. Vor ihm stand eine Frau in Polizeiuniform. Mit etwa eins sechzig gerade groß genug, um zum Polizeidienst zugelassen zu werden, nicht viel schwerer als vierzig Kilo, mit langen blonden Haaren, die zu einem Zopf gebunden waren und einem hübschen Gesicht mit hohen Wangenknochen, das irgendwie kindlich wirkte. Typ kaukasische Minderheit. Sie hätte seine Tochter sein können und weckte garantiert in jedem zweiten Mann Beschützerinstinkte. In den anderen ums Verrecken wildere Triebe. Ihre Augen waren tiefrot. "Die Drohne?", fragte Ibana. Die meisten Drohnen hatten rote Augen, damit man sie im Polizeibetrieb leichter von Menschen und Lamia unterscheiden konnte.
"SpecOps Drohne AF-67, Eigenname Amy Dolores. Ich bin Ihnen bis auf weiteres als zusätzliche Sicherheitsmaßnahme zugeteilt worden."
"Sarge, ich bin dann... Whoa, wer bist du denn, meine... Oh, rote Augen."
Das Gesicht der Drohne verzog sich zu einem Lächeln. "Enttäuscht, Patrol Man Second Class Julius Munroe?", fragte sie mit einer zuckersüßen Stimme.
"Gewaltig, mein kleiner Roboter. Euch kann man nämlich nicht..."
"Das kann man uns vielleicht nicht, Patrol Man, aber dafür können wir verdammt gut über sexuell orientiertes Mobbing berichten. Spätestens, wenn unsere Daten ausgelesen werden." Erneut lächelte sie. "Wollen Sie Ihren Satz unter diesen Umständen fortsetzen, Patrol Man?"
Konsterniert starrte er die Drohne an. "N-nein, unter diesen Umständen nicht. Vergessen Sie, was ich gesagt habe. Oder schieben Sie es an einen Speicherort mit geringerer Priorität."
"Ich ziehe es in Erwägung. Je nachdem, wie Sie sich in Zukunft verhalten, Patrol Man."
"Hm." Munroe verzog sein Gesicht zu einer Grimasse. "Für diese sehr freundlichen Worte bin ich äußerst dankbar, Frau Drohne."
"Und Sie tun gut daran. Denn wenn Sie mir das nächste Mal mit Frauenfeindlichen Sprüchen kommen, reiße ich Ihnen die Eier ab, Patrol Man."
Munroe wurde blass. Eine Drohne hatte durchaus die Kraft dazu. Und es gab einige Berichte über defekte Drohnen, die tatsächlich Menschen Schaden zugefügt hatten, die nicht in die Kategorie des Straftäters gefallen waren. "Aber Sie dürfen sexistisch sein?", spottete er.
"Sehen Sie es als quitt pro quo, Patrol Man. Als Ausdruck meiner Hoffnung, dass Sie in Zukunft ihre schmutzigen Gedanken in Ihrem schmutzigen Kopf lassen, wo sie hingehören." Das zuckersüße Lächeln verschwand und machte einer professionellen Miene Platz, die das jugendliche Gesicht beinahe erwachsen erscheinen ließ. "Können wir dann, Sarge?"
Pat Ibana hatte die Szene grinsend verfolgt. Nun musste er mit sich kämpfen, um nicht auf Kosten seines Kollegen und Partners loszulachen. "Sie sind interessant, Amy. Oder soll ich Patrol Man zu Ihnen sagen?", fragte er, auf ihre Abzeichen als Patrol Man First Class deutend.
"Amy ist in Ordnung, Sarge. Für Sie, meine ich. Nicht für andere Individuen."
"Hab's kapiert", brummte Munroe.
"Ja, wir können, Amy. Was für ein Gehirn haben Sie?" Er bedeutete der Drohne, neben ihm zu gehen.
"Dezentral. Befeuert mit einer AA-K.I. galaktischen Standards."
"Interessant. Ein Prototyp?"
Amy lächelte, während sie den Gang hinab gingen. "Serienmodell. Ursprünglich entwickelt für den Weltraumeinsatz gegen Piraten, für den Dienst auf der Straße nachgerüstet. Sehen Sie meinen Einsatz bei Ihnen Zuhause als meine Feuertaufe für zivile Verwendung an. Danach winkt mir der permanente Einsatz."
"Ich sehe die Vorteile", murmelte Ibana. Halb wandte er sich wieder um. "Soll ich dich Zuhause absetzen, Julius?"
"Nein, lass mal. Fahr nur mit dem kleinen Drachen da vor. Ich habe mein Bike im Parkhaus an der Jersey. Die horrenden Überführungskosten zahl ich nicht noch mal."
"In Ordnung. Wir sehen uns morgen Abend."
"Ja, bis morgen Abend."

Eine Zeitlang sah Munroe den beiden nach. Auf der einen Seite der verfettete Half-white, auf der anderen Seite die kaukasische Drohne mit dem Kleine Mädchen-Körper, der auf dem Strich ein Vermögen wert gewesen wäre. Weshalb Drohnen auch nicht mit Geschlechtsimitaten ausgerüstet wurden. Aber es gab genügend Tech-Labors, denen Gesetze und Vorschriften reichlich egal waren. Ein Hologramm von ihr, und irgendein Labor würde ihm für ein paar Credits eine entsprechende Puppe basteln... Allerdings hatte er keinen Fetisch für kleine Titten und winzige Hintern, die in seine Hände passten. Also war die Sache obsolet. Aber, das musste er zugeben, diese Drohne war wirklich hervorragend für Infiltrationen geeignet. Sie wirkte vollkommen harmlos, sogar in der Polizei-Uniform, mit Waffe und Schockstab an der Seite. Aber sie war nicht harmlos. Diese Drohne nicht, das hatte er am eigenen Leib erfahren. Kurz ging ein Schauder über seinen Rücken. Noch ein Eintrag in seine Akte, und er hätte zur Schulung gemusst. Und das hätte ein Jahr Beförderungssperre bedeutet. Was hatte er sich auch hinreißen lassen? Permanente Untervögelung, gab er sich selbst die Antwort. Es wurde vielleicht Zeit, die richtigen Holovids rauszukramen und seiner rechten Hand was zu tun zu geben.
Er schnaubte unwillig und verließ den Umkleidebereich.

Draußen auf der Straße war es nicht mal zwei Uhr morgens. In einer Stadt wie Austin Town, gerade in ihrem Stadtteil, Munich, der quasi nur einen Steinwurf von Becker City entfernt lag, bedeutete dies ein geschäftiges Treiben in der Nacht und etliche Fahrzeuge auf den Straßen. Er sah nach oben, wo die Warteschlange jener Raumschiffe, die auf Austins Raumhafen landen wollten, anhand ihrer Parklichter zu erkennen waren. Austin Citys Raumhafen war der beliebteste auf dem ganzen Kontinent und lief damit sogar dem großen Raumhafen von New York City den Rang ab. Dementsprechend sah man unter den Nachtschwärmern des Öfteren den einen oder anderen Außerirdischen, der seine Heuer durchbrachte oder einfach die Zeit totschlug. Es war eines seiner Hobbies, sich einen der kommunikativeren Erdgäste auszusuchen, mit ein paar Drinks weichzukochen und sich dann von ihm - oder ihr oder es - erzählen zu lassen, wie es in der galaktischen Allianz zuging, weitab der kleingeistigen Erde. Am liebsten waren ihm die Wasserstoffatmer, die entweder in klobigen Schutzanzügen herumliefen, oder in speziellen Sphärenschilden, die ihnen die notwendige hohe Temperatur und den relevanten Druck boten, den sie brauchten, damit Wasserstoff gasförmig blieb und sie es atmen konnten. Abgesehen von dem oft sehr fremdartigen, sehr interessanten Äußeren hatten diese Wesen einiges zu erzählen, was Munroe faszinierte. Aber nach der Abfuhr durch die Drohne hatte er keine Lust zu diesem harmlosen Vergnügen, obwohl er die Zeit und die Gelegenheit hatte. Geschweige denn hatte er Lust zu einem anderen Vergnügen.
Er schloss den Kragen seiner Jacke, obwohl es nicht kalt war und ging in Richtung des Parkhauses, in dem er seine Maschine untergestellt hatte.
Als er den direkten Erfassungsbereich der staatlich vorgeschriebenen Überwachungskameras vor der Polizeiwache verlassen hatte, wurde plötzlich ein Schatten an einer Hauswand lebendig. Jemand erhob sich aus dem Kernschatten und streckte sich zu seiner vollen Größe aus. Ein Keruda. Das Wesen folgte Munroe mit der für seine Art typischen Unauffälligkeit.
***
"Ich bin so schnell gekommen wie ich konnte, Mylady." Die junge Frau mit der abgewetzten Raumfahrerjacke wirbelte durch die Lobby direkt auf die Gräfin zu.
Die nahm sich Zeit, um das, was sie sah, mit einem früheren Bild dieser Frau zu vergleichen. Und was sie sah, gefiel ihr sehr. Das "letzte Mal" war fünfzehn Jahre her. Damals war die junge Frau noch eine blutjunge Kadettin auf ihrer ersten Fahrt gewesen. Nun aber war Eoliz von Steinbrecher Erste Offizierin auf einem Diplomatenschiff der Erde, der nicht gerade unbekannten Ravenna.
Von dem mageren, blassen Mädchen, das durch ein Stipendium einen der begehrten Plätze in der Raumfahrt ergattert hatte, war nichts mehr zu sehen. Da kam eine vollkommen gereifte, hübsche junge Frau auf sie zu. Allerdings konsternierte sie einerseits der freche Kurzhaarschnitt, den die Erste Offizierin der Ravenna trug, und andererseits, dass sie sich entweder die Haare blau gefärbt oder durch einen genetischen Eingriff farblich manipuliert hatte. Es irritierte, brachte aber ihre blauen Augen beinahe zum Leuchten.
Huldvoll hielt Griselda von Ashford ihr die Rechte hin. "Es macht keinen Unterschied, ob Sie langsam oder schnell sind, Eoliz. Ihr Captain ist in Sicherheit und wird die Nacht überleben. Das steht fest."
Eoliz ergriff die Hand mit ihrer Rechten und knickste vor der Lamia in vollendeter Form, wie es sich für weibliche terranische Diplomaten in den letzten Jahrhunderten durchgesetzt hatte. "In Zeiten wie diesen ist mein Platz neben meinem Captain, nirgends sonst", erwiderte sie einen Ton zu hastig, was genug über ihren Gemütszustand sagte.
"Dein Eifer ehrt dich, Kind." Die Gräfin zog ihre Hand zurück, zögerte und griff ihr dann ans Kinn. "Lass dich anschauen."
Die Raumfahrerin ließ es zu, so als wäre sie noch immer fünfzehn und die Frau vor ihr noch immer ihre Stipendiumstifterin.
"Gut siehst du aus", lobte die Vampirin. "Genug Sonne bekommst du jedenfalls da oben. Und dein Gesicht hat seine guten Formen behalten. Ist es schlimm mit der Radioaktivität im Weltall?"
"Sie ist geringer als an manchen Orten auf der Erde, Mylady", erklärte sie. "Wir könnten sie komplett ausschalten, aber wir lassen absichtlich einen Teil zu, weil alle Habitate natürlich strahlen."
"Ja, das klingt sinnvoll. Hattest du bereits Krebs, mein Kind?"
"Nein, Mylady. Jedenfalls nichts, was zum Tumor geworden wäre. Was allerdings auch kein großes Problem geworden wäre, sondern nur angezeigt hätte, dass mein Immunsystem der Unterstützung bedarf, weil es entartete Zellen nicht mehr selbstständig erkennt. Ich..." Freundlich, aber mit Bedacht schon sie die Hand der Gräfin fort. "Wir können hinterher über alles reden, was Euch interessiert, Mylady, aber jetzt möchte ich gerne zu Cruiss, bitte."
"Natürlich, mein Kind. Ich werde dich begleiten."
Von Steinbrecher nickte dankbar.
"Eoliz, dies ist Doktor Suinov, Captain Warnows behandelnde Ärztin."
Die Raumfahrerin reichte der Ärztin die Rechte. "Freut mich, Doc."
"Dies ist Eoliz von Steinbrecher, die Erste Offizierin der Ravenna, auf dem Captain Warnow Kapitän ist."
"Freut mich ebenso." Sie zögerte einen Moment, bevor sie die Hand der braungebrannten Frau ergriff. "Äh, von Steinbrecher? Sind Sie...?"
"Nein, ich bin keine Lamia, Doc. Ich habe einen von ihnen unter meinen Vorfahren, in der achten Generation, daher der Name. Das ist aber auch alles, was mich mit ihnen verbindet." Sie zog die Oberlippe hoch und entblößte ihre Zähne. "Sehen Sie? Keine Fänge."
"So habe ich das nicht gemeint. Bitte verwechseln Sie mich nicht mit einem vorurteilsbeladenen Ignoranten, der einerseits die Raumfahrer alle unangenehmen Dinge tun lässt, andererseits aber die Lamia Hirudo nennt, um sich zu amüsieren. Für mich sind alle Menschen entweder meine Patienten, oder noch nicht meine Patienten."
Die beiden Frauen musterten sich für einen Moment schweigend, dann nickten sie einander zu.
"Er sieht ziemlich schlimm aus. Sicher, dass Sie sich das antun wollen?"
Von Steinbrecher zuckte mit den Achseln. "Wissen Sie, mich hat mal ein Strahlschuss halb zerfetzt, als wir gegen das Jargo-Kollektiv kämpfen mussten. Ich habe drei Sanitäter zum Kotzen gebracht, als sie mich gefunden haben. Cruiss war egal, wie übel ich zugerichtet war. Er hat mich ohne zu zögern in einen Überlebenstank gestopft, und es war ihm auch egal, dass die Sanitäter mich schon für tot erklärt hatten. Und danach war er jeden einzelnen Tag bei mir, hat dabei zugesehen, wie die Überreste meiner Uniform aus der Haut und aus dem Körper operiert wurden und hat jeden einzelnen Tag meine Regeneration mitverfolgt. Wie soll ich mich dann weigern, mir seine Wunden anzusehen?"
"Bitte verkaufen Sie mich nicht für dumm. Eine Regeneration dieser Größenordnung würde Spuren hinterlassen. Deutliche Spuren, Ma'am, die ich als Medizinerin nicht übersehen könnte. Aber ich erkenne Ihre Sorge an."
"Hm", machte die junge Frau und zog den Ärmel ihrer Jacke über dem linken Unterarm zurück. Dabei entblößte sie eine Metallprothese. "Okay, vielleicht war es nur ein Abriss, aber es war eklig genug. Im Moment sind wir dabei, den Arm wieder natürlich wachsen zu lassen und die Prothese nach und nach zu entfernen. Aber das dauert noch ein paar Monate."
"Das klingt doch viel ehrlicher", meinte die Ärztin zufrieden. "Hier entlang bitte."
Eoliz wollte ihr folgen, aber die Gräfin hielt sie zurück. "Warum hast du mir das nicht erzählt, Kind?"
"Es war nur ein Abriss. Zwanzig Zentimeter vom Unterarm sind verdampft worden, das kommt vor im Nahkampf. Ich kann froh sein, dass noch ein wenig Lamia in mir steckt, sonst hätte der Schock mich sicher getötet. Das ist unser Alltag da draußen, Mylady."
"Oh." Die Gräfin zog ihre Hand von der Schulter ihrer Stipendiatin zurück, aber sie wirkte, als wolle sie erneut zugreifen, sie in ihre Arme ziehen und die Frau, die einst ein hilfloses, dünnes Mädchen gewesen war, auf ewig vor der bösen Welt beschützen. Stattdessen stieß sie einen leisen Laut des Ärgers aus. "Gehen wir, Eoliz."

Als sie das Krankenzimmer betraten, war Warnow wach. Und er sah übel aus. Für einen Moment stockte die Raumfahrerin, als sie sah, was ihrem Captain angetan worden war.
"Cruiss, das ist ja furchtbar. Wer war das?", hauchte sie.
"Er wurde von einer Polizeistreife in Becker City gefunden. Das ist hier so ziemlich das übelste Viertel der ganzen Stadt", erklärte die Ärztin. "Wir haben ein Heilkoma empfohlen, aber Captain Warnow weigert sich standhaft. Vielleicht können Sie ihn überreden... Wie ist Ihr Rang?"
"Ich bin Commander Senior Grade, Doc. Aber sagen Sie ruhig Eoliz zu mir."
"E... Eo...", raunte der Vampir. Die Anstrengung ließ ihn husten, aber es war kaum etwas zu hören.
"Ich bin hier, Cruiss." Sie trat ans Krankenbett und ergriff diejenige Hand von Warnow, die nicht so übel zugerichtet war. Sanft drückte sie zu. "Hat er schon was gesagt, was passiert ist?"
"Sein Kurzzeitgedächtnis wurde gelöscht", erklärte die Ärztin. "Mit ein paar wirklich miesen Elektroschocks. Dann hat man ihn gehen lassen. Mehr wissen wir nicht."
"Eo...", hauchte Warnow erneut und zog an ihrer Hand. Es war eine Bewegung, die kaum zu spüren war.
Sie beugte sich über den halb bewusstlosen Mann. "Ja?"
Dann biss er zu.
"Ja, Himmelherrgott!", rief Suinow entsetzt.
"Keine Sorge!", rief Eoliz beschwichtigend. "Er tut mir nichts! Er trinkt auch nicht mein Blut, oder so!" Sie versuchte zu lächeln, während Warnow an ihrem Hals hing und sie zu einer unbequemen Haltung über seinem Bett zwang.
"Aber was ist es dann? Ein Urinstinkt?", fragte die Ärztin, noch immer entsetzt.
"Sie kommunizieren", erklärte die Gräfin. "Es ist eine Eigenschaft, die wir Lamia besitzen. Er verbindet seine Nerven mit ihren Nerven. Und dann übermittelt er ihr seine Gedanken. Das geht nur durch Körperkontakt. Und da die Zähne näher an seinem Gehirn sind als seine Hände... Nun."
"Sie kommunizieren? Ist das wissenschaftlich erforscht?", fragte die Ärztin staunend.
"Ja, das ist wissenschaftlich erforscht, belegt und sogar Nobelpreisprämiert. Und es gibt ein Dutzend Fachbücher zum Thema. Leider interessieren sich nicht viele Menschen für Lamia oder gar für ihre Literatur", erklärte Griselda von Ashford trocken.
"Aha. Und was sagt er ihr?"
In diesem Moment öffnete Warnow den Mund und sank mit einem leisen Stöhnen in die Kissen seines Überlebensbetts zurück.
"Sie können ihn jetzt in ein Heilkoma versetzen." Eoliz wechselte einen Blick der Gräfin. Ein Zucken ihrer Augenbrauenwülste war eindeutig. Bloß raus hier.
"Na, das ist doch eine gute Nachricht, nicht, Doktor Suinov? Das ist doch genau, was Sie und Ihr Kollege empfohlen haben", gurrte die Gräfin in jener Stimmlage, die sowohl wohlwollend klang, als auch die Bestätigung ihres Gesprächspartners einforderte. "Ein gutes Krankenhaus. Ein wirklich gutes Krankenhaus. Die Community sollte ein paar medizinische Stipendien stiften, finde ich. Wir werden das erörtern. Im Rat. Aber jetzt... Wie ich sehe, hat Cruiss doch etwas heftig zugebissen. Haben Sie vielleicht ein wenig Heilspray für Frau Commander, Doktor?"
"Was? Oh. Das sind nur oberflächliche Bissspuren. Ja, ich denke, eine Desinfektion und ein antiseptisches Pflaster werden den Job tun. Warten Sie einen Moment. Ich bin in meinem Bereitschaftsraum."

Als die Ärztin den Raum verlassen hatte, fuhr die Gräfin sofort zur Raumfahrerin herum. "Was hat er gesagt?"
"Seine Erinnerung wurde wirklich gelöscht. Aber nur die Erinnerung der letzten drei Tage", flüsterte Eoliz. "Die Zeit davor nicht. Er hat mir all seine Erinnerungen übertragen, seit er überstürzt das Schiff verlassen hat."
"Und? Hilft uns das weiter bei der Frage, was passiert ist?"
Eoliz von Steinbrecher nickte langsam. "Zumindest ahne ich jetzt, was passiert ist, worum es ihm ging." Sie sah der Gräfin in die Augen. "Ich denke, irgendein Schwein in Becker City hat Cameron in seiner Gewalt."
"Das erklärt einiges", meinte die Gräfin, plötzlich trocken werdend. "Zum Beispiel, warum er nach Becker City gegangen ist."
"So, da bin ich wieder. Mit dem Pflasterspray." Suinow trat an die Raumfahrerin heran, desinfizierte die Bisswunde mit einem Pad und klebte anschließend ein Pflaster auf. "Ich unterliege übrigens der Schweigepflicht. Sie hätten mich nicht rausschicken müssen, um sich über seine Nachricht auszutauschen", sagte sie mit Enttäuschung in der Stimme.
"Wenn Sie es wissen wollen, Doc, er war höchstwahrscheinlich in Becker City, weil jemand dort seine jüngste Tochter in der Gewalt hat", sagte Eoliz. "Genügt Ihnen das?"
"Es erklärt, warum er so ein Risiko eingegangen ist. Und es erklärt die Tortur, die er durchgemacht hat. Ein Vorbild als Vater, denke ich." Die Ärztin musterte von Steinbrecher einige Zeit, dann seufzte sie und hob ihr Kombiarmband. "Empfang, Commander."
"Bestätigt", erwiderte Eoliz und hob ebenfalls ihr Armband. Ein akustisches Signal markierte den Eingang eines Datenstroms. "Was schicken Sie mir?"
"Das, was Sie jetzt am dringendsten brauchen, schätze ich. Die Nummer eines Profis."

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3.
Austin Town, Nordamerika,
Terra, Sol-System,
01.03.3342 a.D. aber schon 05.11.0541 Zyklus achtzehn Galaktische Zeitrechnung

"Willst du das wirklich allein durchziehen, Kind?"
Eoliz sah die Gräfin sehr lange und sehr ernst an. "Cruiss ist da alleine rein. Um Cameron zu retten. Ich denke, eine großangelegte Kommandoaktion ist sinnlos, sonst hätte er diese Option selbst in Erwägung gezogen, Mylady. Also setze ich auf ein kleines Team erfahrener Spezialisten." Sie hielt ihr Armbandkom hoch. "Ich weiß nicht genau, was mir Doktor Suinov hier gegeben hat, aber wenn es jemand ist, der sich in Becker City auskennt, werde ich wissen, was ich brauche."
"Ich kann dir..."
"Nein, Mylady. Ich weiß es zu schätzen, dass Ihr mir einen Eurer Gardisten anbieten wollt, die für ihre Kampfkraft nicht zu Unrecht weit über das Sonnensystem hinaus bekannt sind." Zu diesen Worten nickte sie einem Lamia zu, der betont unauffällig im Gang saß und auf einem Standardhologramm Zeitung las. Das war nur der sichtbare Teil der Leibwächter der Gräfin. "Aber ich halte es für eine sehr dumme Idee, einen oder mehrere Lamia mitzunehmen. Wie wir wissen, sind sie in Becker City noch weniger lieb gesehen als auf dem Rest der Erde."
"Also? Wirst du ein paar Space Marines anfordern?"
Sie schüttelte den Kopf. "Das werde ich entscheiden, sobald ich mehr weiß. Wenn Cameron bis jetzt überlebt hat, wird sie das noch eine längere Zeit schaffen. Würde man sie mit einem kurzen, präzisen Schlag rausholen können, hätte Cruiss das getan. Und deshalb rufe ich jetzt diese Nummer an, unterhalte mich mit der Person am anderen Ende und treffe dann eine Entscheidung."
Griselda von Ashford musterte sie für einen Moment. Dann trank sie aus ihren Augen. Nun, es war nicht gerade so, dass sie der Raumfahrerin die Augäpfel ausriss, diese spaltete und genüsslich auslutschte, wie der Begriff eventuell vermuten ließ. Es war mehr so ein Vampir-Ding. Alle Vampire waren sich bewusst, dass sie immer noch Raubtiere waren. Und die Menschen waren sich bewusst, dass sie sowohl Raubtiere als auch Beutetiere für die nächstgefährlichere Spezies waren. Wenn also ein Vampir einem Menschen lange, intensiv und ohne zu blinzeln in die Augen sah, rührte das am Urinstinkt im Menschen, ob sie nun wollten oder nicht. Sie versanken im Blick des Vampirs. Einige erstarrten wie das sprichwörtliche Kaninchen vor dem Blick der Schlange. Andere wichen nach einiger Zeit entsetzt zurück. Wieder andere wurden plötzlich aggressiv. Einige wenige hielten dem Blick stand und zwinkerten nicht vor dem Vampir, was ihnen großen Respekt in der Community einbrachte. Allerdings sahen Vampire es im Allgemeinen als Ausdruck der Höflichkeit an, wenn solche Menschen nicht zu oft bewiesen, dass das Trinken aus ihren Augen keinen negativen Effekt auf sie hatte und keine Angst auslöste. Auch Vampire waren nur Ego-bestimmte Menschen mit den üblichen Eitelkeiten.
Eoliz von Steinbrecher blinzelte nicht und so brach die Gräfin den Augenkontakt nach geschlagenen fünf Minuten ab, um selbst versteckt zu zwinkern. Dabei sah sie nicht, wie die Raumfahrerin sich ebenfalls abwandte, um ihre Lider über die trockenen Augäpfel fahren lassen zu können. Mehrfach.
Als sich Griselda von Ashford ihr wieder zuwandte, drehte auch sie schnell den Blick wieder in ihre Richtung. Beide taten ihr Bestes, um möglichst unbeeindruckt zu wirken.
"Du hast einen guten Blick, Kind", sagte die Gräfin. "Ich weiß nicht, ob du schaffst, was du dir vornimmst, aber du hast einen guten Blick. Was immer du brauchst und was immer in meiner Macht steht, es sei dir gewährt. Ich kenne Cruiss Warnow nicht gut genug, um ihm etwas zu schulden oder mit ihm emotional verbunden zu sein, aber du bist für mich Familie, Eoliz. Und wenn du Becker City auf den Kopf stellen willst, um seine Tochter zu retten, hast du meine volle Unterstützung. Was immer du brauchst, ich gebe es dir, wenn ich es kann."
"Danke, Mylady. Es bedeutet mir viel, dies von Euch zu hören."
"Aber du wirst es nicht annehmen?", riet sie.
"Ich weiß es ehrlich gesagt nicht", erwiderte die Astronautin. "Geld habe ich selbst mehr als genug, die Marines kann ich jederzeit anfordern, wenn ich das für sinnvoll halte und im Kampf kenne ich mich aus, egal ob bewaffnet oder unbewaffnet. Bevor ich nicht mehr Informationen habe, kann ich nicht beurteilen, ob meine Geldquellen ausreichen. Oder was ich benötige. Oder wieviel."
"Soll ich dich zu diesem Kontakt begleiten, Schatz?", fragte die Gräfin mit plötzlich mütterlich-warmer Stimme.
Eoliz zögerte. Ihr Blick wurde weich und unstet, nicht so wie noch vorhin, als Griselda aus ihren Augen getrunken hatte. Es schien, als wolle sie das Angebot der Gräfin nur zu gerne annehmen. Dann aber ging ein Ruck durch ihren Körper. Sie lächelte. "Nein, Mylady. Das ist etwas, was ich alleine kann. Immerhin bin ich Diplomatin. Und eventuell ist es besser, wenn Menschendinge unter Menschen geregelt werden..." Sie lachte unsicher und die Gräfin lachte ebenso unsicher zurück.
"Wirst du dich melden? Zwischendurch und wenn die Sache durchgestanden ist?", fragte Griselda und strich der jungen Frau ein paar Haarsträhnen aus der Stirn. Dabei wurden ihre Augen weich und ängstlich, nicht unähnlich dem Blick, den Eoliz kurz zuvor gehabt hatte.
"Wenn ich es kann, werde ich es tun."
"Nimm eine Drohne mit. Besser zwei oder ein Dutzend. Wir haben exzellente Drohnen in der Community und..."
"Mylady! Danke. Ich werde mich melden, wenn ich meine, dass ich etwas so spezielles brauchen werde." Sie berührte die Gräfin ihrerseits an der linken Wange, sah sie zärtlich an, als wäre sie ihre eigene Mutter und schluckte heftig, als sich die Lamia ein wenig in die Hand hineinlegte. Nur zögerlich zogen beide Frauen ihre Hände wieder zurück.
"Ich melde mich", versprach Eoliz.
"Ich werde warten", erwiderte die Gräfin.
Die junge Raumfahrerin trat einen Schritt zurück und ergriff erneut die Rechte Griseldas, um das zweite Mal formvollendet zu knicksen. "Habt Dank für alles, was Ihr für meinen Skipper tut, Mylady. Ich und die ganze Crew der Ravenna stehen in Eurer Schuld." Mit einem letzten Nicken wandte sie sich um und ging den Gang hinab. Verließ die Gräfin.

"Gris?", klang eine bekannte Männerstimme hinter der Lamia auf. Eine große, kräftige Hand legte sich sanft auf ihre rechte Schulter.
Automatisch griff sie nach der Hand und drückte die Finger. "Da geht sie hin, Edmond. Da geht sie, meine Tochter. Und ich werde sie wiedersehen."
"Das wirst du, Gris", versprach der Mann. "Sie hat den gleichen Blick wie ihre Mutter. Sie beißt sich durch. Mit oder ohne Fänge."
Griselda von Ashford musste gegen ihren Willen lachen. "Du bist ein furchtbarer Mann, Edmond Iesella."
"Und genau deshalb hast du mich angestellt, oder nicht?", spottete der Mann grinsend.
"Ach du, sei still", tadelte sie ihn, aber ohne jeden Ernst in der Stimme. So sah sie der Raumfahrerin nach, bis sie sie nicht mehr sehen konnte.
***
(Gelöschte Vergewaltigungsszene, die ich für dieses Forum entschärfen werde. Erwachsene Interessenten lesen diesen Part zukünftig bitte auf Fanfiktion.de)
***
Julius Munroe spürte den Angriff Augenblicke, bevor er geschah. "Schild!", rief er, und das Material seiner Jacke verhärtete sich zur Stabilität militärischen Karbons.
Er hob die Linke, um Angriffe abwehren zu können und fuhr mit der Rechten zur Waffe. Das war nur Sekundenbruchteile, bevor er mit unglaublicher Härte gegen die Wand des Parkhausgangs getrieben wurde. Der Aufprall war brutal. Ohne die verstärkte Struktur der Jacke hätte er Rippenbrüche hinnehmen müssen. Aber es reichte bei weitem, um ihm die Luft aus den Lungen zu treiben. Er spürte, wie jemand oder etwas erst seine Beine gegen die Wand drückte, dann fast zugleich beide Arme, die Schultern und schließlich seinen Kopf. Nun, es gab sehr viele intelligente Spezies auf der Erde mit sechs handlungsfähigen Armen. Es gab auch genügend menschliche Spinner, die es cool fanden, sich Eigenklonarme implantieren zu lassen, nebenbei bemerkt. Aber es gab nur eine Spezies, die so viel Kraft wie dieser Bursche hatte und klein genug war, um in den Gang zu passen. Ein Keruda.
"Hissha hotta, Munro'?", klang seine Stimme auf.
"Danke, bis eben ging es mir gut, Hortto", murrte er, während er versuchte, zu seinem Notfallschalter zu kommen. Falls Hortto nicht die Übertragung störte. Das verschaffte dem Keruda mindestens zwanzig Minuten, bis die Zentrale versuchte, ihn zu kontaktieren, weil er vom Ortungsschirm verschwunden war, ohne Privatmodus zu vermelden.
"Oppo, oppo, Munro'. Lakki Tauvis etorro et."
"Wenn Tauvis mir einen Gruß schicken will, hat er sich einen ruppigen Weg ausgesucht, Hortto. Was ist los? Ist er sauer auf mich? Habe ich was falsch gemacht? Hat mich jemand verleumdet?"
"Siga, siga, Munro'. Korrvvva Opolo et."
"Ein Freundschaftsdienst? Ziemlich ungewöhnlich, finde ich. Wie sieht sein Freundschaftsdienst denn aus? Du verewigst die Wandstruktur auf meinen Wangenknochen?"
"Ollgo hatti, Munro'. Papati Ibana kunno Ishiko et."
"Pat? Was ist mit Pat?"
"Dake kurrvvva Opolo et. Naka Lamia hotta, Scavenge' uppi uppi. Scavenge' hissha Papati Ibana Lufluf."
"Aber warum? Warum wollen die Scavenger Pats Blut sehen? Nur weil der dreckige Lamia nicht tot ist? Ist es das?"
"Siga soledo, Munro'. Dada korrvvva Opolo Munro' hamburo, Papati Ibana heki. Cedo, Papati Ibana Opo mi lakki Tauvis. Munro' hayk, hayk."
"Wenn ich mich beeilen soll, Hortto, dann lässt du mich jetzt am besten los, ja?"
"Siga, siga." Der Druck verschwand. Dann spürte er den Atem des drei Meter großen Insektioden aus dessen Umluftlungen an seinem Ohr. "Scavenge' azzendi Canniba'."
"Was?" Munroe fuhr herum. "Sie haben die Cannibals auf Pat losgelassen? Aber beide Gruppen sind Feinde! Sie..." Doch er redete bereits mit der Luft. Der Keruda war auf die Art und Weise seines Volkes längst verschwunden.
Munroe zog Luft in seine malträtierten Lungen. Sortieren, sortieren. Der alte Horrto war eine verlässliche Quelle und Tauvis' Bote. Über das Insekt liefen zum Beispiel alle Schmiergeldzahlungen an das Department, die von seiner Gruppe kam. Er war der Schatzmeister der Scavenger. Nun wurde Munroe auch klar, warum Tauvis ihn gewarnt hatte, dass Pat angegriffen werden würde. Einerseits benutzten die Scavenger die Cannibals in diesem Moment, andererseits aber gönnten sie ihnen nicht mal den Dreck unter ihren Nägeln. Davon abgesehen war Tauvis ein heißer Anwärter auf den Posten des Bosses, wenn Lysander eines Tages aus diesen oder jenen Gründen abtrat. Für Tauvis konnte es nichts schöneres geben, als dass einer der Pläne Lysanders scheiterte. Also authentisch, entschied Munroe. Davon abgesehen warnte man lieber einmal zuviel als einmal zu wenig. Eilig verließ er das Parkhaus wieder, um dem zweifellos vorhandenen Störsender zu entkommen. Hoffentlich war es noch nicht zu spät! Verdammt, warum hatte er auch noch die beiden Biere in der Sportbar trinken müssen! Aber er hatte von der Geschichte doch nichts gewusst, nicht gewusst, dass Horrto ihm auflauern würde, um ihm die Nachricht zu bringen! Das machte das Schuldgefühl allerdings nicht weniger intensiv.
"Zentrale? Zentrale?"
"Zentrale hier, Patrol Man Munroe."
"Code Romeo Papa Mike!"
"Code registriert, Patrol Man. Welcher Officer bedarf der Rettung?"
"First Sergeant Ibana!"
Sein Gegenüber lachte über die Funkleitung. "Sergeant Ibana hat eine Drohne mit nach Hause genommen. Den möchte ich sehen, der sich mit ihm anlegen will."
"Es sind Cannibals."
Die Frauenstimme am anderen Ende der Verbindung erstickte am eigenen Lachen. "Ich gebe Alarm."
"Ich bitte darum! Und reaktivieren Sie meinen Status von "Heimweg" zu "im Einsatz"! Ich fahre mit meinem Bike selbst hin!"
"Ihr Motorrad wird als vorrangig ins Straßenlenksystem eingegeben!"
"Danke!", rief er und rannte wieder ins Parkhaus. Verdammt, verdammt, Pat! Hoffentlich war die Drohne so gut, wie der Captain behauptet hatte. Ansonsten würde Patterson Ibana unfreiwilligerweise einen Haufen Pfunde verlieren. Meist als Steak.
***
Die Frau, die Eoliz von Steinbrecher gegenüber stand, machte einen freundlichen Eindruck. Vertrauenswürdig. Integer und eloquent. Teufel, diese Frau wäre eine höllisch gute Diplomatin auf internationalem Parkett, wenn sie sogar Eoliz beinahe einlullen konnte.
"Willkommen in meinem Büro", sagte die Frau, lächelte vertrauenserweckend und rückte ihre antiquierte Goldrandbrille zureckt, die wunderbar mit ihrer blassen Haut, den blutroten Lippen und den langen, dunkelblauen Haaren kontrastierte. Die leicht geschlitzten Augen verrieten die Chinesin. Sie trug eine weiße Bluse, einen grauen Blazer und einen dazu passenden grauen Rock. Darunter eine schwarze Strumpfhose und schwarze Pumps. Eine harmlose Bürobiene, hätte man meinen können, aber in ihren Augen war das gleiche Leuchten, das Eoliz von Veteranen kannte, die sich nett, freundlich und verständnisvoll gaben, obwohl sie erst Stunden zuvor die Grauen eines Schlachtfeldes erlebt und selbst getötet hatten.
Eoliz sah sich um. "Bisschen spärlich, Ihr Büro, Miss."
"Gefällt es Ihnen nicht?", fragte sie mit einer Spur Enttäuschung in der Stimme.
"Oh, ich habe schon schlechter ausgestattete Flachdächer von Hochhäusern gesehen", versicherte die Raumfahrerin.
"Immmerhin. Bitte, setzen Sie sich", sagte die Frau und deutete auf eine umgestürzte Stahltonne vor sich.
Gehorsam nach Eoliz Platz. Immerhin war sie hier die Bittstellerin und das erforderte Zugeständnisse, von Anfang an.
"Sie sagten am Telefon, Sie hätten die Nummer von Doktor Suinov erhalten. Und Sie bräuchten jemanden, um jemanden aus Becker City rauszuholen."
"Das ist korrekt."
"Hm." Die Frau wandte sich um, schien auf die Straße zu sehen. Stattdessen baute sich vor ihr ein gigantisches Projektionsholo auf, welches das Bild einer weißblonden jungen Frau zeigte, deren Gesicht regelrecht geschunden und nur notdürftig verarztet worden war. "Ist sie das?"
"Cameron!", rief Eoliz aufgeregt und sprang auf. "Wie haben Sie...?"
"Oh, es geht seit einiger Zeit das Gerücht durch Becker City, dass sich der Anführer der Raver eine ziemlich teure Sklavin leistet. Eine Hirudo."
"Eine Lamia", korrigierte Eoliz.
"Jedenfalls lebt er mit ihr auf einem der unteren Level der Stadt, umgeben von sechstausend latent gewaltbereiten Gefolgsleuten und weiteren dreißigtausend Zivilisten. Es dürfte nicht gerade leicht sein, dort hinzukommen. Hundert Etagen sind hundert Ebenen, die einzeln verteidigt werden können. Selbst mit einer Divison Space Marines ist das kaum zu schaffen. Schwere Waffen können nicht eingesetzt werden und ein Space Marine kann den Platz, auf dem er steht, keinem anderen Space Marine überlassen. Zudem sind die unteren Strukturen als Bunker angelegt. Ein Kernbeschuss, um sich bis zur untersten Ebene durchzufräsen, fällt aus."
"Sie wissen sehr viel, Miss."
"Sagen Sie Ao Lee zu mir, Miss von Steinbrecher."
"Woher kennen Sie meinen Namen? Ich habe meinen Namen noch nicht genannt und mein Anruf erfolgte anonym."
"Ich habe Doktor Suinov angerufen, weil Sie die Nummer verwendet haben, die ich ihr gegeben habe. Das erlaubte mir, mich ein wenig vorzubereiten. Diese Bilder zum Beispiel kursieren schon länger, weil er sie ab und zu aus dem Raum rauslässt, in dem er versucht, ihr ein Baby zu machen."
Eoliz erstarrte bei diesen Worten, obwohl sie so etwas längst erwartet hatte.
"Er scheint dabei recht ruppig vorzugehen. Ein Wunder, dass er sie noch nicht dabei zerbrochen hat. Er heißt nicht umsonst Crazy Teddy." Ao Lee wandte sich wieder Eoliz zu. "Sagen Sie, Miss, wollen Sie Cameron Warnow retten... Oder wollen Sie sie "retten"?"
"Wieso betonen Sie das zweite retten so... Oh, ich verstehe. Warum sollte ich sie töten lassen wollen?"
"Vielleicht, weil es eine Gnade für sie ist? Soweit ich weiß, ist sie mindestens acht Monate in seiner Gewalt und wird jeden Tag vergewaltigt. Manchmal mehrmals am Tag, je nachdem was Crazy Teddys Medizinschrank hergibt, damit seine verwelkten Gemächte stehen können. Sie werden kaum die Cameron wiederbekommen, die Sie kennen."
Eoliz fluchte lautlos. Drei Jahre auf Mission, um die galaktischen Angelegenheiten der Erde zu regeln, ein halbes Jahr davon Goodwill-Mitarbeit in einem Krieg, der sie beinahe den Arm gekostet hätte, und hier auf der Erde wurde ein Mädchen entführt und zuschanden getrieben, das für Eoliz wie ihre kleine Schwester war. Sie ballte die Hände zu Fäusten. "Ich will sie retten. Ein Gedächtnis kann man löschen und einen Körper reparieren."
"Wollen Sie auch Rache, Miss von Steinbrecher?"
Über diesen Punkt dachte Eoliz kurz nach. "Cameron da rauszuholen ist oberste Priorität, nichts sonst. Wenn dieser Crazy Teddy dabei zu Tode kommt, soll es mir Recht sein."
"Eine gute Entscheidung." Das Hologramm hinter ihr veränderte sich und zeigte nun eine schematische Darstellung eines Wohnblocks. Irgendwo auf der untersten Ebene pulsierte ein Licht. "Zweite Frage: Wollen Sie da mit rein, oder überlassen Sie es den Profis?"
Erneut dachte Eoliz über die Frage nach, legten den Kopf schräg und hätte fast am Daumennagel der Rechten geknabbert. Sie war ausgebildete Kämpferin, ausgebildete Diplomatin und zu einem geringen Teil Lamia. "Ich will mit."
"Zweihunderttausend Credits. Ein Drittel zahlbar vorab, der Rest, wenn Cameron Warnow wohlbehalten oder wenigstens lebendig in Händen der Community ist."
Eoliz blinzelte mehrfach. "Einverstanden."
"Sie sind erstaunlich ruhig geblieben, als ich den Preis genannt habe."
"Ich bin bereit, noch mehr zu zahlen, wenn es das ist."
"Hm", sage Ao Lee. "Das ist gut, denn dieses Geld ist lediglich meine Vermittlungsprovision."
"Vermittlung wofür?"
"Vermittlung dafür, dass ich Sie dem Menschen vorstelle, der das Unmögliche schafft, Cameron Warnow da rauszuholen, ohne drauf hoffen zu müssen, sie lebend unter den Trümmern nach einem Kernbeschuss zu finden."
"Also ein kleines Team", stellte Eoliz fest.
"Ja, ein kleines Team. Sein Preis wird teurer als meiner, das kann ich Ihnen jetzt schon sagen."
"Ein Mann."
Ao Lee nickte. "Ein Mann. Und was für einer. Kommen Sie, wir wollen ihn aufsuchen. Sie haben mich gefunden, Miss von Steinbrecher, und Sie haben meine Dienste für Geld erworben. Nun aber müssen Sie seine Dienste erwerben und seinen Preis zahlen. Das wird teuer, sehr, sehr teuer." Die Chinesin musterte die Kaukasierin interessiert. "Wie sexuell freigiebig sind Sie, Miss von Steinbrecher? Nur falls seine Bezahlung darin besteht, Ihnen das Hirn rauszuvögeln."
"Ich bin weder eine Jungfrau, noch ein Stubenhocker, Miss Ao Lee. Und ich habe Ihnen doch schon gesagt, dass ich bereit bin, noch mehr zu bezahlen, um Cameron da rauszuholen."
"Ich stelle fest, Sie gefallen mir", sagte sie Asiatin lächelnd.
Eoliz erwiderte das Lächeln. Diese Frau war wirklich gut mit ihrer manipulativen Art. Einen anderen Menschen als sie hätte dieses Biest jetzt davon überzeugt, in ihr einen Freund gefunden zu haben. Oder war sie nur zu misstrauisch?

Sie betraten den Aufgang zum Dach, Ao Lee schloss die Tür hinter sich.
Das Büro ging daraufhin in den Ruhezustand. Das Hologramm fuhr wieder zurück und die anderen Holos, die ein karges Hausdach vorgespielt hatten, ließen nun wieder die Strukturen eines mehrstöckigen Lofts erkennen. Man vernahm auch das geräuschvolle Arbeiten von über zwanzig Mitarbeitern, die in den oberen Etagen beschäftigt waren. Die Tonne entpuppte sich als bequemes Sitzmöbel und ein gewaltiger Schreibtisch, über dem das Hologramm von Cameron schwebte, erschien. Das Hologramm war auf einen Zeitraum von vor drei Wochen datiert und kommentiert. Ein einziges Wort stand dort: Wie. Ein Fragezeichen war angefügt.
***

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"Schatz? Wir sind wieder dahaaa!", rief First Sergeant Patterson Ibana, als er durch die Küchentür des schmucken kleinen Einfamilienhauses im gesitteten Stadtteil Jormungand eintrat.
"Wir?", erklang eine tiefe Frauenstimme. "Patterson Ibana, du hast doch nicht etwa schon wieder Arbeit mit nach Hause gebracht?"
"Etwas in der Art, Schatz."
Ruth Ibana rauschte in die Küche. "Ich wollte gerade ins Bett gehen, und du bringst jemanden mit", tadelte sie ihn. Erst dann ging ihr Blick zur Begleitung ihres Mannes. Ihr Mutterherz schien einen Sprung machen zu wollen. Sie selbst war eine nicht allzu dicke, üppig proportionierte Afroamerikanerin mit dem Speck da, wo er hingehörte, den sie der Erziehung von drei Söhnen und vier Töchtern verdankte - es war eine Vernunftehe gewesen, weil es Sozialpunkte brachte, wenn Schwarze Schwarze heirateten, aber zum Glück hatten sie sich vorher schon ineinander verknallt - und hatte daher ein großes Herz. Das beschränkte sich nicht nur auf ihre sieben Kinder und die mittlerweile fünf Enkel. In diesem übergroßen Herzen wurde auch sofort die blasse blonde Frau aufgenommen, die vor ihr stand.
"Himmel, Patterson, hast du etwa eine neue Partnerin? So eine hübsche Person. Kann ich dich gefahrlos mit ihr auf Streife gehen lassen?", neckte sie ihren Mann. Ihre Miene wurde nachdenklich. "Hat Julius etwa schon genug gelernt?"
"Keine Sorge, du wirst noch genug Gelegenheiten bekommen, um Julius abzufüttern, bis er platzt. Dies ist Amy Dolores. Sie ist eine Drohne, die mir zu meinem Schutz zugeteilt wurde."
"Eine Drohne? Ich habe sie für eine waschechte Lamia gehalten, weil sie so hübsch ist. Ja nein, was für eine Verschwendung." Erschrocken sah sie ihren Mann an. "Was bietet man denn einer Drohne so zum Essen an? Oder braucht sie eine Steckdose?" Noch erschrockener ging ihr Blick zur jungen Frau. "Oh, ich bin ja so unhöflich. Wie kann ich nur vor Ihnen reden, als wären Sie ein Gegenstand."
Pat Ibana lachte laut. "Na ja, technisch gesehen ist sie ein Gegenstand, Schatz."
"Sarge!", murrte die Drohne. "Ich bin eine künstliche Intelligenz mit der Erfahrung von dreihundert meiner Vorläufermodelle. Verletzen Sie nicht meine Gefühle."
"Gefühle? Roboter haben Gefühle?"
Das hübsche weißhäutige Gesicht verzog sich zu einem Lächeln. "Auf jeden Fall haben wir Drohnen einen mächtigen Stolz auf unsere Zuverlässigkeit und unsere Arbeit. Ach, und wir verstehen Spaß. Meistens." Lächelnd sah sie zu Ruth herüber. "Entschuldigen Sie mein Eindringen, Mrs. Ibana. Ich hätte mich gerne angekündigt, und das unter besseren Vorzeichen, aber heute Nacht wurden einige eilige Entscheidungen getroffen, und daher..." Sie zuckte in menschlicher Manier mit den Achseln. "Ich trinke gerne Tee. Meine Rezeptoren speichern die Wärme, das Wasser wird intern zerlegt und den Vorratsdepots zugeführt und die Aromen und ätherischen Öle werden für meine Haut verbraucht."
"Oh." Ruths Augen leuchteten. Sie konnte etwas für die Drohne tun. Ihr mütterliches Herz war überglücklich.
"Aber sehe ich wirklich aus wie eine Lamia?", fragte Amy erstaunt. Sie schob den rechten Zeigefinger zwischen Zähne und Lippe. "Sehen Sie, ich habe ja nicht mal Fangzähne."
Ruth Ibana lachte. "Wir werden uns gut verstehen, Amy. Ich darf Sie doch Amy nennen? Kommen Sie, wir gehen ins Wohnzimmer. Pat, was ist denn passiert?"
"Ach, weißt du", sagte der große Schwarze, während er sich am Küchenautomaten einen frischen Kaffee zog, "ich musste heute nach Becker City. Da lag ein halbtoter Diplomat, den ich irgendwie da raus schaffen musste. Kurz, ich habe es geschafft, und jetzt befürchtet der Captain, jemand in Becker City könnte sauer sein, weil ich nur so getan habe, dass ich den Lamia erschossen habe und..."
"Keine Details, bitte. Du warst also wieder in Becker City. War es wenigstens befreundetes Gebiet, oder hast du wieder knietief im Ärger gewatet?", fragte Ruth und spürte die Soziologin in sich erwachen, die dreißig lange Jahre ihres Lebens an Plänen gefeilt hatte, wie man Becker City wieder resozialisieren konnte. Der Umgang mit der Stadt in der Stadt, wie er jetzt war, war einer ihrer Worst Case-Pläne und erlaubte ein Miteinander. Fast immer.
"Ich war im Cannibal-Gebiet", druckste er leise, nahm den Kaffee und ging ins Wohnzimmer.
"Cannibals. Das ist übel. Zum Glück kommen die nicht bis nach Jormungand. Niemand mit ein bisschen Grips im Kopf würde ihnen helfen, Becker City zu verlassen. Oder sie sogar in einen zivilisierten Stadtteil wie unseren bringen. Sie würden schon Straßen vorher auffallen und Dutzende Polizisten auf sich ziehen."
"Und wenn alle Stricke reißen, bin ja immer noch ich da", sagte Amy resolut. Was bei ihrem Aussehen und ihrer zarten Statur schon ein wenig hochtrabend klang, wenn man nicht wusste, was eine Drohne war.

Das war ungefähr eine Sekunde, bevor ein Donnerschlag durch das Haus ging und die Menschen für bange Sekunden taub machte. Die Ursache? Nun, schwer zu sagen, aber mit hoher Wahrscheinlichkeit ein militärischer Pulser, der ein halbmetergroßes Loch in die Wand der Küche gerissen hatte, und noch mal eines in die Wohnzimmerwand gegenüber. Und wer weiß wo der Waffenstrahl noch weitere Zerstörungen angerichtet hatte, bevor sich seine Energie totgelaufen hatte. Mitten in der Schussbahn war übrigens der Kopf der Drohne gewesen, der nun bis auf den Halsansatz und ein Stück Kinn komplett ausradiert worden war.
Ruth Ibana begann im ersten Reflex zu schreien, bevor sie sich besann, dass sie mehr war als ein dickliches Muttchen. Vor ihr war kein Mensch gestorben, "nur" eine Drohne. Trotzdem hatte jemand mit einem militärischen Laser, der auf einen Panzer montiert gehörte, gerade ihr Haus und wahrscheinlich die halbe Nachbarschaft kastriert. "Computer! Notr...", sagte sie hastig, da erlosch im ganzen Haus das Licht und machte der Stromausfallnotbeleuchtung Platz.
Pat Ibana hatte noch während der Schuss gefallen war seine Handwaffe gezogen. Nun kam er zu Ruth gehetzt, während seine Kaffeetasse unbeachtet den Heldentod auf dem Fliesenboden starb. Während er seine Frau versuchte in Richtung Kellertreppe zu drücken, drückte er mit den Schneidezähnen auf den Notfallknopf seines Dienstarmbands. Seine Sinne waren zum Zerreißen gespannt, aber auf seinen Augen tanzten wilde Flecken vom Streulicht des Laserschuss. Somit waren seine Chancen suboptimal, als der Riese ihn ansprang, umwarf und zu Boden drückte. Sehr, sehr scharfe Zähne gruben sich in seine Schulter. Die Schulter, deren Arm die Waffe hielt. Die Knochen gaben sofort nach, die Sehnen zerrissen. Blut spritzte.
"TIER!", rief eine tiefe Männerstimme. "Noch nicht!"
Durch den Schmerz und die Flecken sah Ibana, wie drei weitere Gestalten ins Haus kamen. Zwei stürzten sich auf seine Frau, die es nicht mehr die Treppe runter in den Saferoom geschafft hatte und rangen sie zu Boden. "Geil. Ne fette Schwarze hatte ich noch nicht. Darf ich sie ficken, Ska?"
"Du darfst die Schnauze halten, du Flachwixer. Tier, was habe ich dir gesagt?"
Unwilliges Brummen von der Bestie, die Ibanas Schulter zerteilt hatte, klang auf. Wie aus Protest grub sie die Zähne tiefer in Fleisch, Blut und Muskeln.
"Tiiiieeeeeeer", sagte der Mann gefährlich leise. "Ich mache Dolores kaputt, wenn wir zurück sind."
"Hrm?", machte der Riese.
"Ich scherze nicht. Ich habe schon Ingo die Beine abgeschnitten, weißt du noch?"
Zögerlich lösten sich die Zähne aus Ibanas Fleisch. Langsam zog die Bestie den Kopf zurück. Dennoch strich ihr heißer Atem über Ibanas Nacken.
Seine Frau kreischte nicht, schrie nicht, obwohl die Cannibals - zweifellos waren es Cannibals - ihre Kleidung zerrissen. "Sieht doch gar nicht so schlecht aus, die schwarze Mama. Darf ich sie ficken, nachdem wir sie getötet haben, Ska?"
"Du bist ein gieriges Biest, Sirion. Meinetwegen kannst du sie hinterher ficken. Und jetzt nerv mich nicht mehr. Und du, Bogie, halt erst Recht die Schnauze."
"Hab' doch gar nichts gesagt", murrte der vierte Cannibal.
Zwei Stiefel erschienen vor Pat Ibanas Augen. Langsam ließen auch die Flecken nach. Jemand beugt sich vor und Pat erkannte Ska, den Häuter, einen der ranghöheren Cannibals, mit dem er selbst schon zu tun und auch schon verhandelt hatte. Im Gegensatz zu den meisten Cannibals, die sich genetisch verändern oder sich zusätzliche Muskeln, Zähne oder Klauen implantieren ließen, legte er Wert auf normales Aussehen. So wie er es verstand, zumindest. Das bedeutete einen Irokesenhaarschnitt in fünf Farben und ein tätowierter Schädel, der von der eigentlichen Hautfarbe des Half-White nicht mehr viel übrig ließ.
Er tätschelte dem Polizisten die Wange. "Pat, Pat, Pat. Gib dir keine Mühe. Nicht nur der Strom ist abgestellt, sondern auch der Funk. Wir können uns mit dir die ganze Nacht vergnügen, und mit deinem Frauchen noch länger, wenn wir wollen." Sein Gesicht ruckte zur Treppe. "Keine deiner Töchter da, zufällig?"
Pat knurrte angriffslustig.
"Oh, da steckt ja noch Leben in dir. Soll ich Tier noch mal zubeißen lassen? Brauchst du deine Beine noch?" Sein Blick wurde kalt. "Tier, den linken Unterschenkel."
Der Riese steckte sich den linken Fuß samt Stiefel in den Mund und biss an der Wade zu.
Heißer Schmerz durchfuhr Patterson Ibana, dann war der Körperteil ab. Er vermochte es gerade so, nicht aufzuschreien, was Ska sicher zusätzliches Vergnügen bereitet hätte.
"Pat, was ist nur los mit dir? Wir waren doch immer gute Freunde. Und dann verarschst du uns? Die Raver haben den Hirudo für uns da hingelegt. Wir hatten lange kein hochwertiges Fleisch mehr, schon lange keinen Raumfahrer mehr. Und was machst du? Gut, du bist ein Freund. Wenn dir der Hirudo Geld bringt, ist das in Ordnung für uns. Holen wir uns eben einen anderen. Aber du hast ihn gerettet. Gerettet! Einen stinkenden, abartigen Hirudo! Und uns hast du verarscht, verarscht, als wären wir keine Freunde mehr! Und warum? Für Ruhm und Geld? Nein, nur um dieser glatthäutigen Hirudo-Hure zu gefallen, die mit Geld um sich wirft und ihre "Sozialprojekte" betreibt, die uns helfen sollen, uns zu sozialisieren. Außer die Cannibals natürlich. Als wenn wir schlimmer wären als die anderen." Fassungslos über die Borniertheit mancher Menschen und Vampire schüttelte Ska den Kopf. Aber fairerweise musste man anmerken, dass Cannibals dazu neigten, Sozialhelfer eher zu verspeisen, als ihnen zuzuhören.
"Treibst du es mit der Hirudo-Hure? Treibst du es mit ihr? Hey, Ruth, treibt es dein Mann mit der Nutte aus dem Turm? Siehst du vielleicht dabei zu? Bringt er Videos mit? Lässt er sich vielleicht von ihr beißen? Oh, was bist du doch nur für ein durchtriebenes kleines Schweinchen, Patterson Ibana."
Ibana keuchte auf, als eine Schmerzwelle durch seinen Leib ging. "I-idiot", keuchte er und spuckte Blut. Hatte Tier etwa auch seine Lungen verletzt? "D-das ist... eine Drohne."
"Ja, ich weiß. Man hat es uns schon erzählt. Aber sobald sie in die Schusslinie unseres kleinen Pulsers geraten ist, haben wir uns darum gekümmert. Jetzt ist sie eine Schaufensterpuppe. Und ich lasse sie noch von Sirion ficken, nachdem er mit deiner Alten fertig ist." Er trat gegen die aufgebissene, gebrochene Schulter. "Das ist für den Idiot."
"D-du bist aber... Ein Idiot", krächzte Ibana. "Sie... ist eine... militärische Drohne..."

"Verdammt!", rief Ska und sprang zurück. Dadurch traf ihn der Schlag von Amys rechtem Arm nicht vollständig. Statt ihn glatt zu durchschlagen wurde er nur hyperbeschleunigt, um ihre Faust geklappt und gegen die nächste Wand geschleudert, wo er mit acht gebrochenen Knochen, einem Riss in der Leber und geplatztem Dickdarm liegenblieb. Nichts was ein guter Arzt in Austin Town nicht binnen einer halben Stunde reparieren konnte. Aber Ärzte waren gerade nicht in Reichweite. Da war nur die Drohne.
Die kopflose Amy sprang zu Ruth Ibana herüber und schnappte die anderen beiden Cannibals, bevor sie reagieren konnten, an den Kragen ihrer Jacken und riss sie daran in die Höhe. Sirions Jacke gab nach. Er rauschte durch die Sperrholzdecke ins obere Stockwerk und prallte gegen die obere Wand, stürzte und blieb mit schwerem Schädeltrauma im ersten Stock im Elternschlafzimmer liegen. Bogies Jacke hielt, deshalb warf Amy ihn, nachdem sein Schädel mit der Decke Bekanntschaft gemacht hatte, gegen die nächste Wand, an der er mehr tot als lebendig herabsackte.
Die Drohne fuhr zu Tier herum. Das Biest raunte, die Gefahr witternd.
"Tier. Friss ihn", raunte Ska. "Friss ihn, sobald die Blechbüchse dir zu nahe kommt!"
Der Riese war schneller bei Patterson Ibana als die Drohne. Drohend hielt er sein Gebiss einen halben Arm von seinem Hals entfernt. Amy stockte.
"So, das nenne ich ein Patt. Jetzt wirst du dich brav deaktivieren, oder wir töten Pat und Ruth, ist das klar?"
Ein Zirpen erklang. Amys Kopf entstand wieder als täuschend echtes Hologramm. "Ihr tötet die beiden doch sowieso."
"Oh. Schade, dass du das weißt. Tier, beiß zu." Ska lachte dabei wie irre. Er war zwar im Arsch und die anderen auch, aber wenigstens musste Pat bezahlen. Und die Drohne hatte versagt.
Ungefähr in dem Moment rauschte etwas Großes, Massives durch das große Küchenfenster, durchquerte im Flug die halbe Küche und nagelte Tier zuerst gegen die Wand und dann durch sie hindurch. Mit zerschundenem Körper und gebrochenem Genick blieb der Cannibal draußen liegen. Das Geschoss war ein Motorrad. Der Fahrer war, während seine Maschine durch die Küche gerast war, abgesprungen, war gegen den mittigen Herd gestoßen und dabei von seiner intelligenten Jacke, die sich erneut verhärtet hatte, vor größeren inneren Schäden gerettet worden. Er schüttelte kurz benommen den Kopf, sprang auf und riss sich den Helm vom Schädel. Es war Patrol Man Julius Munroe. "Ruth! Pat! Seid Ihr in Ordnung?" Er sprang zu den beiden herüber. Erst als er sich davon überzeugt hatte, das beide lebten, betrachtete er die Bescherung. "Hilfe ist unterwegs. Aber ich glaube, ich habe die Zahl der Krankenwagen unterschätzt." Er überprüfte die Wunde Ibanas, band das Bein mit seinem Gürtel über dem Biss ab und entschied sich dafür, auf beide Seiten der Schulterwunde ein Handtuch zu drücken, um die Blutung zu stoppen. "Amy, hol Mrs. Ibana irgendwas zum Anziehen, bitte."
"Gut, ich schaue oben nach", sagte die Drohne.
"Mir geht es gut. Ich habe nur einen Schock", ächzte Ruth. "Aber Klamotten wären wirklich nett. Lebt Pat noch?"
"Ja, Ruth, er lebt noch. Er wird es schaffen."
"Gott sei Danke", kam es von der Schwarzen.
Julius besah sich die Bescherung genauer, die die Drohne fabriziert hatte. "Amy hat gute Arbeit geleistet, wie es scheint."
"Ja, sie hat uns gerettet. So wie du auch", sagte Ruth, die sich nun aufgesetzt hatte, die Reste ihrer Kleidung vor sich haltend. "Das vergessen wir euch niemals, Julius."
"Ist doch selbstverständlich", wiegelte er ab. Obwohl er genau wusste, es war nicht selbstverständlich. Nicht hier in Jormungand. In Becker City vielleicht, aber nicht in Jormungand.
Sein Blick ging zu Ska herüber. "Oh, bitte, zieh irgendwas. Eine Waffe, ein Messer, ein Streichholz, damit ich dich legal abknallen kann, ja?"
"Zu s...", brachte der Cannibal noch hervor, dann brach das Licht in seinen Augen.
"Happy End, falls sie ihn nicht wiederbeleben können", knurrte Julius. "Das bedeutet Krieg mit den verdammten Cannibals. Krieg."
"Ist das hier in Ordnung?", fragte Amy, als sie wieder ins Erdgeschoss kam, in den Händen ein Sommerkleid.
"Danke, Schatz, das ist gut."

Draußen landeten Streifenwagen und Notarztgleiter mit heulenden Sirenen. Es wurde geschossen. Also waren noch mehr da draußen. Aber die Schüsse hörten schnell auf, dann brandeten die ersten schwerbewaffneten Cops ins Haus. "Hier! Er ist schwer verletzt!", rief Munroe den Sanitätern zu, die den Cops auf den Fuß folgten. "Die Cannibals zuletzt!", zischte er, wohl wissend, das diese Worte aufgezeichnet wurden und das Ende seiner Karriere bedeuten konnten.
Nur widerwillig ließ er seine improvisierte Kompresse fahren und machte dem Notarzt Platz. Ja, ab jetzt war Krieg. Krieg der Polizei mit den Cannibals. Keine Frage, wer da gewinnen würde.
***
Eoliz staunte nicht schlecht, als der erste Weg mit Ao Lee mitten in der Nacht in ein Bekleidungsfachgeschäft der oberen Preissektion für Damen führte, das tatsächlich für sie öffnete. "Sexy, aber seriös", sagte sie bestimmt zur menschlichen Verkäuferin.
"Sehr wohl, Madame." Ein Hologramm entstand im Raum und zeigte ein paar freizügige Kleider, die man gerade so noch auf einer Abendgesellschaft tragen konnte, ohne dass ein betrunkener Mann ankam und "nach dem Preis für die Stunde" fragte.
Eoliz wurde nervös. Die meisten Kleider, die holographisch dargestellt wurden, hatten nicht gerade viel Stoff verwendet. "Hören Sie, ich bin mir nicht sicher, ob ich das tragen kann..."
"Sie, Miss von Steinbrecher? Nein, das Kleid ist für mich. Ich habe einen Ruf zu verteidigen und ich kann unmöglich zweimal das Gleiche tragen. Fügen Sie mich ein, Miss."
"Jawohl, Madame." Eine nackte Ao Lee erschien im Hologramm. Abwechselnd huschten die Kleider über ihren makellosen, schlanken Körper hinweg. "Stop. Das Grüne noch mal", bestimmte sie. Es war ein trägerloses Kleid, das ihren Busen tüchtig puschte und nach fast doppelt so viel aussehen ließ. Zudem war es gerade lang genug, um die großzügigste Auslegung des Wortes keusch zu erfüllen. Der Rockteil selbst war gebauscht, und mit Ao Lee in diesem Gebilde würde es Dutzende Männer geben, die plötzlich Komm-Armbänder, Uhren, Geld und Sehhilfen verlieren und vom Boden aufklauben würden, nur um einen heimlichen Blick unter das Kleid werfen zu können.
"Na, das ist doch mal hübsch. Ein Chantalle-Design."
"Sie haben wie immer einen sehr sicheren Blick, Madame. Es ist von Epigonie Chantalle, der zweiten Adoptivtochter der großen Hazel Chantalle, möge Buddha ihrer Seele gnädig sein und möge sie bald wiedergeboren werden, um die Modewelt zu bereichern."
"Na, na, ihre Töchter sind ihr würdige Nachfolger. Selbst Kevin kann etwas", schmunzelte die Chinesin, wohl wissend, das Hazels leiblicher Sohn das mädchenhafteste ihrer Kinder war, die gemeinsam die größte Modedynastie der Welt bildeten. "Ich nehme es."
"Sehr wohl, Madame. Es wird gerade produziert. In einer Viertelstunde ist es fertig. Wünschen Sie es gleich anzuziehen?"
"Ja. Außerdem steht mir der Sinn nach einem neuen Slip. Etwas Extravagantes. Wenn die Herren der Schöpfung schon gucken wollen, muss man ihnen ja auch was bieten." Sie feixte der Verkäuferin zu, die den Blick mit der Miene einer Gewohnheitsverschwörerin erwiderte.
"Ich überlasse Miss von Steinbrecher Ihrer Obhut, Suzie. Suchen Sie ihr etwas für einen Cocktail-Empfang heraus. Wenn es ihr zu gewagt ist, ist es genau richtig. Wird sie rot, ist es zuviel."
"Sehr wohl, Madame.
Würden Sie bitte in den Scan-Kreis treten, Miss von Steinbrecher?"
"Ach, und noch etwas, Suzie." Die Asiatin sah zurück. "Konzipieren Sie das Kleid für eine Blonde."
Die Verkäuferin lächelte. "Sehr wohl, Madame."
"I-ich lasse mir nicht die Haare färben", sagte Eoliz entrüstet.
"Das tun wir auch nicht. Wir entfärben es nur, damit Ihre wunderhübsche Naturhaarfarbe zur Geltung kommt. Hm. Wir sollten es außerdem wachstumsstimulierend, damit es bis über die Schulterblätter hinausreicht. Suzie, seien Sie so gut."
"Natürlich, Madame.
Würden Sie das bitte trinken, Miss? Es lässt Ihr Haar binnen einer halben Stunde auf die gewünschte Länge wachsen."
Fassungslos nahm Eoliz das große Glas entgegen und trank es aus. Es schmeckte nach Zippa, also alles in allem nicht übel. "Aber lange Haare sind so verdammt unpraktisch. Man braucht so lange für sie und sie sind einem ständig nur im Weg", protestierte sie.
Ao Lee grinste sie an. "Sie werden staunen, was Ihre Haare alles bewirken werden, wenn sie erst einmal lang genug sind, meine Liebe. Und auch unsere Zielperson wird hin und weg sein, so wie ich ihn kenne." Sie winkte der Raumfahrerin zu. "Ich wünsche viel Spaß." Ao Lee trat durch einen Vorhang in einen Nebenraum.

Die Verkäuferin lächelte liebenswürdig. "Sie haben so viel Glück, dass Miss Lee Sie unter ihre Fittiche genommen hat. In ganz Austin Town gibt es keine bessere Fachjournalistin für Modefragen. Von ihr protégiert zu werden bedeutet immer den großen Durchbruch." Beinahe schmachtend seufzte die Verkäuferin, während für Eoliz fast eine Welt zusammenbrach. Sie war nicht für Modefragen mitgekommen, sondern um Cameron zu retten. "Modefragen?", fragte sie beinahe entrüstet.
"Das ist ihre Kolumne. In der Daily Austin Town. Aber als Eignerin und Herausgeberin kann sie ja tun und lassen, was sie will. Ich mochte ihre Artikel über Becker City allerdings auch, wenn ich so offen sein darf."
Das beruhigte Eoliz. "Meine Kopfhaut juckt", beschwerte sie sich.
"Ihre Haare wachsen", informierte die Verkäuferin sie trocken. "So, das Hologramm ist fertig. Ich habe es auch schon an die neue Haarlänge angepasst."
Eine nackte Eoliz von Steinbrecher, natürlich mit anonymisiertem Genitalbereich, aber kenntlichen Brustwarzen, entstand. "Oh, ich habe einige gute Ideen, Miss von Steinbrecher. Sie werden positiv überrascht sein."
"Überrascht wurde ich in letzter Zeit viel zu oft", murrte sie und ließ die Prozedur über sich ergehen.

Hochzufrieden kam Ao Lee aus der Dessous-Sektion. Sie hatte einen hübschen kleinen String-Tanga erworben, der zwar nicht mit Stoff glänzte, dafür aber mit einer Funktion, die es erlaubte, ihn eine Sekunde anzusehen, bevor die Nano-Technik den Betrachter effektvoll blendete. Es bereitete ihr ein diebisches Vergnügen und sie hoffte, dass viele Männer ihren Trieben nachgeben und "gucken" würden.
Als sie das aktuelle Hologramm von Eoliz von Steinbrecher sah, blieb sie stehen, als wäre sie vor eine Wand gelaufen. Die blasse kaukasische Schönheit kam im Kleid überhaupt erst zur Geltung. Auch ihr Kleid war trägerlos. Es war schwarz und die Korsage drückte ihren mittelprächtigen Busen zu einem wundervollen Dekolletée zusammen. Das Kleid saß so eng an, dass sich Unterwäsche von selbst verbot, und endete als Schlauch knapp unter den Knien. Das entsprach nicht ganz der aktuellen Mode, aber an der schlanken Raumfahrerin wirkte es hochmodern. Ao machte sich keinerlei Illusionen darüber, wie die Wirkung auf die Männerwelt sein würde. Und erst auf die Frauenwelt. Schlicht würde der Trend der neuen Saison sein, sobald diese Frau in diesem Kleid ihren ersten öffentlichen Auftritt hatte. Das Kleid zeichnete ihren perfekten schlanken Körper wie eine zweite Haut nach und überließ nichts der Phantasie, ohne aber auch das Geringste zu enthüllen. Beinahe juckte es sie in den Fingern, die Raumfahrerin zu coachen und über die Laufstege der Welt zu schicken, um der alten Zeiten willen. Aber das war nicht das, wofür sie hier waren.
Ein Seufzer entrang sich ihrer Kehle, geboren aus der Ungerechtigkeit des Augenblicks.
Sie klatschte in die Hände und bekam die Aufmerksamkeit der Verkäuferin und der Raumfahrerin. "Sehr gut. Wirklich sehr gut. Suzie, Sie haben sich selbst übertroffen. Das ist perfekt. Wann ist es fertig?"
"In zehn Minuten, Madame. Außerdem habe ich bereits einen Termin bei Mister Wong arrangiert. Er macht extra für Sie auf, Madame."
Begeistert klatschte Ao erneut in die Hände. Suzie war jeden Credit wert, den sie für ihre Dienste verlangte. Und wenn es um zwei Uhr morgens war.
"Ich will aber nicht zum Frisör! Und ich will auch nicht zur Kosmetikerin!", murrte die Raumfahrerin. Aber sie spielte dabei mit dem schulterlangen Haar, das ihr bereits gewachsen war.
Ao verschlug es fast die Sprache, als sie am Haaransatz bis zur Mitte des Schädels Eoliz' natürliche Haarfarbe sah. Selten hatte sie ein schöneres Goldblond gesehen. Diese Frau ging jederzeit als geborene Lamia durch und würde die Modebranche in Panik stürzen, weil es keine vergleichbaren Modelle gab, mit der man sie hätte kontern können.
"Wo wollen wir überhaupt hin? Ich meine, Austin City schön und gut, aber wer hält um halb drei Uhr morgens noch eine Party ab?"
"Dummerchen", tadelte Ao Lee. "Erstens gibt es selbstverständlich noch Parties so früh am Morgen, die meiner Anwesenheit wert sein könnten. Aber zweitens gehen wir auf keine Party in Austin City. Wir fliegen nach Hawaii."
"Hawaii?" Die Raumfahrerin runzelte die Stirn, was den wunderschönen Gesamteindruck wieder verblassen ließ. "Was wollen wir denn am Großraumhafen Hawaii?"
Beinahe hätte die Asiatin gelacht. Natürlich, die Raumfahrerin dachte beim Namen Hawaii zuerst an die riesige Plattform, die zwischen den Inseln Hawai'i und Oahu errichtet worden war, um den Weltraumverkehr der Erde bewältigen zu können, nicht an die paradiesischen Inseln, die traumhaften Strände, die wunderschönen Städte.
"Nicht Raumhafen Hawaii, Miss von Steinbrecher. Honolulu."
Eine steile Falte erschien auf Eoliz' Nasenwurzel. Ao nahm sich vor, ihr ein paar Verhaltensmaßregeln einzutrichtern, während sie nach Honolulu flogen, ihre Mimik betreffend.
"Und was machen wir in Honolulu?"
"Wir suchen den Mann, der Cameron retten wird. Oder haben Sie schon vergessen, weshalb Sie mich kontaktiert haben, Miss von Steinbrecher?"
"Oh. Gut. Ich dachte schon, Sie hätten es vergessen", konterte Eoliz, "bei all dem Modekram und so."
"Nun, Sie sagten, Sie wären zu allem bereit, nicht wahr?" Ao zwinkerte der jungen Frau zu.
Ein leiser Gong erklang. "Ihr Kleid ist fertig, Madame", verkündete die Verkäuferin stolz. "Und Ihr Kleid, Miss, braucht auch nur noch acht Minuten."
"Na, dann kann ja nichts mehr schiefgehen", sagte Ao fröhlich, obwohl sie genau wusste, dass alles noch schiefgehen konnte. Und es höchstwahrscheinlich auch tun würde.

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Angry Eagles

Corrand Lewis,
Clan Blood Spirit

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4.
Honolulu, Hawaii, Pazifischer Ozean
Terra, Sol-System,
28.02.3342 a.D. aber schon 05.11.0541 Zyklus achtzehn Galaktische Zeitrechnung

Nach einem recht angenehmen halbstündigen Flug mit einem Stratoklipper trafen sie um vier Uhr morgens, beziehungsweise einundzwanzig Uhr Ortszeit am Honolulu Airport ein. Und dies am Vortag. Dies war einer der Gründe, warum Eoliz mit Planeten nicht so gut klar kam. Anstatt wie jedes anständige Raumschiff und jede verlässliche Raumstation - und die einseitig drehenden Monde nicht zu vergessen - einfach Standardzeit zu verwenden, hatte jeder Planet Dutzende Zeitzonen, die sich oftmals nicht einmal an der Logik orientierten, sondern an der Politik, was die Sache recht verworren machte. In diesem Fall bedeutete er eine Zeitreise in den Vortag, obwohl überall auf der Welt die Zeit zeitgleich verlief. Planetenbewohner hatten eben alle einen an der Klatsche, entschied sie.
Da saß sie nun in der Lobby des luxuriösen Stratoklippers in ihrem schwarzen Coktailkleid, das ihr keine Unterwäsche erlaubte, weil diese auftragen konnte, mit nicht mehr geschmückt als einem dezenten Makeup und einer dünnen goldenen Kette, dessen Anhänger mit schwarzer Perle in Wirklichkeit ein Komm-Gerät war, auf dem sie bestanden hatte. Zugleich besaß das Gerät eine Zusatzfunktion, der sie davor warnen würde, wenn man ihr ein Getränk anbot, das mehr enthielt als Fruchtsäfte und verschiedene Sorten Ethanol. Ao Lee hatte sie während des Flugs ausgiebig instruiert und ihr Verhaltensmaßregeln diktiert.
Eoliz war verwundert. Sie hatte nicht erwartet, dass Empfänge und Gesellschaften auf der Erde anders sein würden als im Weltall, aber zugegeben waren terranische Diplomaten auch in den seltensten Fällen mit ihren Gesprächspartnern auch nur ansatzweise sexuell kompatibel. Und in der menschlichen Gesellschaft, die die Hirudo verteufelte, aber die kaukasischen Lamia als Schönheitsideal anbetete (ein guter Chirurg und eine gute PR waren eben immer Gold wert), war jede Frau, die diesem Schönheitsideal entsprach, in mehrerlei Hinsicht in Gefahr. Idioten mit genetisch frisierten Schwänzen, die sich wunderten, dass die Frauen da nicht Schlange standen und deshalb K.O.-Tropfen in Drinks kippten, waren eines der Probleme.
"Und wann können wir aussteigen?", fragte Eoliz die schöne Asiatin bereits zum zweiten Mal.
Ao Lee lächelte geduldig. "Wir warten noch."
"Warten auf was?", fragte sie. Unbewusst fand sie Blickkontakt mit einem Kakausier, der ebenfalls noch nicht ausgestiegen war und sie von ferne anhimmelte. Sie sah nicht schnell genug fort, um nicht zu bemerken, dass der andere erschrak und ebenfalls wegsah. Hätte sie ihre Raumfahrerkluft getragen, hätte sie das Verhalten als süß empfunden und ihm eventuell eine Chance gegeben. So aber fühlte sie sich, als würde sie sich prostituieren. Und eventuell war das ja auch bald der Fall.
"Auf den Geleitschutz. Wenn zwei Frauen wie wir, die aussehen wie zwei Milliarden Credits, außerhalb ihres Blocks erscheinen, brauchen sie jede Hilfe, die sie kriegen können. Und da ist die Hilfe ja auch schon. Michiru, mein Engel, hier sind wir!"
"Als wenn du zu übersehen wärst, Ao." Eine braungebrannte Asiatin betrat die Lobby. Sie trug einen Männersmoking, der für sie modifiziert worden war. Ihre hübschen Gesichtszüge wirkten wie modelliert. Ihre Augen verbarg sie hinter einer tiefschwarzen Sonnenbrille. Ihr langes, seidigschwarzes Haar war zu einem Zopf geflochten und lag auf ihrem Rücken. Ihr folgten fünf weitere Frauen, die ebenfalls Smokings trugen, ähnlich frisiert waren und ebenfalls Sonnenbrillen trugen. Und augenscheinlich ebenfalls braungebrannte Asiatinnen waren. Unter den Jacketts zeichneten sich Schulterholster ab. Eine der Frauen spielte lässig mit einem Schockstab in ihrer Rechten. Sie unterschieden sich dadurch von Michiru, insofern sie Langbinder trugen, die Anführerin hingegen eine Fliege. "Guten Abend, Ao. Guten Abend, Miss von Steinbrecher. Der Wagen steht bereit. Herr Jakob ist informiert und freut sich bereits auf euch."
"Herr Jakob?"
"Der Gastgeber des heutigen Abend", sagte Ao. "Es ist seine Party, auf die wir heute gehen werden.
Michiru, mein Schatz, wird Gordon Twain heute Abend anwesend sein?"
"Gordon Twain, der Schauspieler?", fragte Eoliz mit leichtem Interesse. Immerhin, der Mann war für seine Actionfilme bekannt. Nicht unbedingt für seinen Realismus, aber sie als Kampfsportlerin wusste, dass seine Schläge, Griffe und Würfe authentisch und das Ergebnis langjährigen Trainings waren. Konnte es sein, dass Gordon Twain die Person war, die sie suchten? Was, wenn er mehr war als ein muskelbepackter Mann mit dem Kreuz eines Preisringers und dem jungenhaften Lächeln eines Adonis? Was, wenn er heutzutage Action-Darsteller war, früher aber die Action selbst erlebt hatte? Ja, das würde Sinn machen. Das würde auch vieles erklären, seine Filme betreffend. Sehr viel.
"Mister Twain ist bereits anwesend, wurde mir gesagt. Man hat mir auch gesagt, ich möchte dich bitten, ihm ein wenig deiner Zeit zu widmen."
"Perfekt!" Erfreut sprang Ao Lee von ihrem Sessel auf. "Kommen Sie, Miss von Steinbrecher, es ist alles arrangiert. Nun müssen wir nur noch einen sehr guten Eindruck machen."
Eoliz griff nach der Hand der Chinesin und ließ sich auf die Beine ziehen. "Ich bin tatsächlich gespannt."
Ao lächelte breit. "Sie können sich gar nicht vorstellen, wie gespannt ich erst bin."
***
Das Anwesen von Herrn Jakob lag außerhalb der Stadt. Eine Schwebelimousine, eskortiert von vier Hover-Rädern und einem weiteren Luxusschlitten, brachte sie hin. Eine endlos lange Schlange an Fahrzeugen war vor dem Haupttor gelandet. Die Fahrzeuge wurden einzeln eingelassen, um den sanften Hügel zum Herrenhaus fahren zu können. Anschließend brachten Bedienstete die Wagen hinter das Haus und die Gäste durften das Anwesen betreten, das sicher alleine achthundert Quadratmeter Grundfläche im Erdgeschoss hatte.
"Äh, müssen wir nicht...", begann Eoliz, als ihr Gespür für Dynamik und Physik ihr mitteilte, dass sie keineswegs am Ende der Autoschlange zu landen beabsichtigten.
"Natürlich müssen wir nicht. Was meinen Sie, wer wir sind, Miss von Steinbrecher?", tadelte Ao milde lächelnd.
Der Wagen und sein Begleitschutz fuhr in einen Korridor ein, der durch Leuchtbojen markiert war. Nach einem kurzen Scan durfte er weiterfliegen und landete auf dem Dach in drei Stockwerken Höhe. Ein Gentleman in weißem Smoking in den mittleren Jahren erwartete sie. Ein Butler in englischer Livree stand leicht versetzt hinter ihm, eine steinerne Miene aufgesetzt, für die ihn selbst die königlichen Leibwachen der Black Watch beneidet hätten. Oder die imperialen Hiruganen. Er balancierte mit der Linken ein silbernes Tablett.
Zuerst landete der Begleitwagen, dann setzte ihre Limousine mit zwei der Hover auf. Zum Schluss landete der Rest des Begleitschutz.

"Na, dann wollen wir doch mal", sagte Ao, als der Beifahrer ihnen die Tür öffnete. Sie schwenkte ihre langen Beine, die sie geschlossen hielt, zur Tür und setzte die Füße einzeln auf die asphaltierte Landefläche. Bei Schuhen mit zwölf Zentimetern hohen Pfennigabsätzen war das auch zu raten. Dankbar ergriff sie die Hand des Beifahrers und ließ sich aus dem Wagen helfen. "Danke, Jonas. Wie immer ein Gentleman."
"Wie Madame meinen", erwiderte der Mann mit einem Schmunzeln. Dann hielt er Eoliz die Hand hin.
Dankbar akzeptierte sie die Hilfe, denn das Kleid war schrecklich eng und behinderte sie bei allen Bewegungen. Und dann kamen noch diese unpraktisch hohen Schuhe mit den unmöglich hohen, fragilen Absätzen dazu. Nur ihr Arme hatten ihre volle Freiheit, mussten sich aber mit einem kitschigen schwarzen Beutel abgeben, den Ao "Handtasche" genannt und mit allerlei unnützem Zeug gefüllt hatte, den Frauen auf Terra angeblich immer brauchten. Keiner konnte sich das Entsetzen der Chinesin vorstellen, als sie erfahren hatte, dass Eoliz nichts von Handtaschen hielt, nicht wusste wie sie bestückt sein mussten und als Krönung nicht einmal wusste, was eine echte Dornier-Handtasche war. Vor allem beim Kontostand der jungen Diplomatin war ihr dieser Defizit vollkommen unbegreiflich. Und als Eoliz ihre abgetragene Raumfahrerkleidung auch noch mit besonderer Sorgfalt hatte verpacken und auf ihr Schiff schicken lassen, war es beinahe um die Asiatin geschehen.
"Vielen Dank", ächzte Eoliz, als sie wieder auf eigenen Füßen stand. Natürlich war ihr Ausstieg nicht annähernd so elegant gewesen wie der der Chinesin. "Dieses Kleid und diese Schuhe sind echt die Hölle."
Der Beifahrer lächelte sie an. "Sie werden sehen, Miss, dass das ein geringer Preis für das ist, was Sie dafür bekommen werden, wenn Sie die schönste Frau an diesem Abend sind."
"Das habe ich gehört, Jonas."
"Nach Madame Lee, selbstverständlich", korrigierte er sich mit einem ziemlich frechen Grinsen.
Ao schlug ihn daraufhin mit dem kleinen Fächer, den sie zur Vervollständigung ihres asiatischen Images in der Rechten trug, leicht auf den linken Unterarm. "Sie böser, böser Bengel, Jonas."
"Ich bin nur ein Kind Ihres Einflusses, Madame Lee."
"Und frech sind Sie auch noch", tadelte sie ihn. "Ich mag das an einem Mann."
"Ich weiß, Madame", sagte er augenzwinkernd. "So, Miss von Steinbrecher steht nun sicher auf eigenen Füßen. Ich wünsche den Damen viel Spaß."
"Werden wir haben, werden wir haben." Ao hakte sich bei Eoliz ein. Nicht nur, weil es einen schönen Anblick bedeutete, sondern auch um zu verhindern, dass sich die Raumfahrerin mit dem ungewohnten Schuhwerk effektvoll auf dem Boden ausbreitete. "Gehen wir, mein Liebe."

"Ao, meine Liebe", empfing sie der Mann im weißen Smoking. Er war Asiat mit einem kräftigen Schuss Kaukasier im Blut, was sich in den braunen Haaren und der recht groß geratenen Nase äußerte. Selbst die geschlitzten Augen, die mal klischeehaft von einem Asiaten erwartete, waren nur ansatzweise vorhanden. Das braune Haar arrangierte sich zu einer Halbglatze, die manch Spötter eine sehr hohe Stirn genannt hätte. Es zeugte vom Selbstbewusstsein des Mannes, sein Haar so zu tragen, wie die Natur es ihm diktierte, und nicht die kosmetische Industrie.
Er beugte sich leicht vor und küsste die Chinesin auf beide Wangen. Dabei deutete er die Küsse nicht an, sondern drückte seine Lippen auf ihre Wangen. Ao indes tat es ihm nach und hinterließ zwei große rote Flecken mit ihrem Lippenstift. "Hallo, Theo. Es ist schön, dich zu sehen. Schade, dass es um den Beruf geht. Twain ist schon da, habe ich gehört?"
"Ja, er ist da. Und er wartet auf dich." Er sah die blonde Frau an. "Auf euch, meine ich."
Er ergriff Eoliz' Rechte, führte sie an seine Lippen und hauchte einen formvollendeten Kuss auf ihren Handrücken. "Ich bin im höchsten Maße entzückt, Miss von Steinbrecher. Es ist mir eine außerordentliche Ehre, eine herausragende Persönlichkeit aus dem diplomatischen Raumdienst wie Sie in meinem bescheidenen Heim begrüßen zu dürfen. Mein Haus ist Ihr Haus. Verfügen Sie über mich und über meine Leute, wie es Ihnen beliebt."
"D-danke, Mister Jakob", stotterte sie überrascht.
"Herr Jakob, bitte. Ich lege großen Wert auf meinen deutschen Vater. Aber da ich auch Wert auf meine japanische Mutter lege, können Sie mich auch mit Jakob-san anreden, wenn Ihnen das lieber ist."
"Jakob-sama?"
Ein wenig Entsetzen huschte über sein Gesicht. "Ich bitte Sie, Miss von Steinbrecher, nicht eine Sekunde habe ich es verdient, von der Ersten Offizierin der Ravenna mit einem Suffix benannt zu werden, das mich über Sie erhebt. Ich bin nur ein kleiner Zeitungsmacher von der Erde. Sie sind eine Diplomatin, eine Kriegsheldin sogar." Er deutete auf ihren linken Unterarm, wo deutlich die Schiene zu sehen war, die ihren Arm stabilisierte. Eoliz hatte sich mit Händen und Füßen dagegen gewehrt, sie zu überschminken.
Sie hob den Arm. "Ach, das. Es ist nichts gegen das, was jene geleistet haben, die für den Frieden in der Galaxis gestorben sind." Wehmütig sah sie die Prothese an. "Absolut nichts."
"Stellen Sie sich bitte nicht unter den Scheffel, gutes Mädchen", tadelte Jakob. "Wollen Sie vielleicht auch Ihre Erfolge bei den Guntram-Verhandlungen so unterminieren wie Ihre Kriegsverletzung?"
"Natürlich nicht. Aber sie bedürfen auch keiner besonderen Betrachtung oder Wertschätzung, finde ich."
Der Deutschjapaner lachte. "Sie sind so herzerfrischend bescheiden, Miss von Steinbrecher. Leopold, bitte. Wir wollen meinen Mann nicht eifersüchtig machen."
Der Butler trat neben den Gastgeber und nahm von seinem Tablett ein Tuch. Damit wischte er den Lippenstift von beiden Wangen, legte das Tuch wieder ordentlich auf das Tablett und trat zurück. Jakob bot den beiden Damen seine Arme an. "Wenn ich bitten darf, Ladies. Und wenn es mir erlaubt ist, Miss von Steinbrecher, Sie sehen großartig aus. Wäre ich nicht stockschwul, könnten Sie mir gefährlich werden."
"Äh, danke?"
Jakob lachte erneut, während er Eoliz und Ao gestattete, sich links und rechts bei ihm einzuhaken. "Oh, Sie werden dieser Gesellschaft furchtbar gut tun, Miss von Steinbrecher. So furchtbar gut tun."
Der Geleitschutz Michirus schloss sich ihnen so unauffällig an, wie es sechs gut eins achtzig große asiatische Schönheiten nur vollbringen konnten.
***
"Ich hätte nicht erwartet, Sie so schnell wiederzusehen", sagte Doktor Suinov, während sie auf den dumpf vor sich hin brütenden Munroe hinabsah. "Brauchen Sie was? Rauchware, Alkohol, Kaffee?"
"Ja, ja und ja. Viel, bitte", murmelte Julius Munroe und streckte sich. "Das war eine höllische Nacht."
"Erstmal die Kippen", entschied die Ärztin. Sie zog ein Päckchen Zigaretten hervor und steckte Munroe eine in den Mund.
Der Patrol Man drückte auf die Zündkapsel und entflammte das Rauchzeug. Er hustete fürchterlich beim ersten Atemzug. "Himmel, die ist ja Nikotinfrei."
"Auch noch beschweren, hm?" Sie setzte sich neben den Polizisten. "Um den Alkohol und den Kaffee kümmern wir uns später. Und, warum sitzen Sie wieder hier? Ich war bis eben in einer Notoperation und konnte mir gerade erst die Hände waschen und die Kleidung wechseln."
Julius stieß den Rauch in einer großen Wolke aus. "Sie erinnern sich an den Hirudo, den Pat und ich Ihnen gebracht haben?"
"Den Lamia-Diplomaten, ja. Ihm geht es gut. Er liegt im Heilkoma."
"Um ihn geht es auch nicht. Jedenfalls haben die Cannibals es nicht gut aufgenommen, dass Pat nur so getan hat, als würde er den Hirudo erschießen. Tja, die Scavengers haben ihnen geholfen, unbemerkt von Becker City nach Jormungand zu kommen. Dort haben sie mit einer Panzerwaffe auf Pats Haus geschossen und es mit vier Mann gestürmt. Einer davon war ein gescheitertes Gen-Experiment, mit dem sie sich einen Supersoldaten mixen wollten. Übrig blieb eine Fressmaschine mit dem Verstand eines Vierjährigen und einem unbändigen Hunger auf Menschenfleisch. Sie haben Ruth, seiner Frau, die Kleider vom Leib gerissen und wollten sie vergewaltigen. Ihm hat der Supermensch in die Schulter gebissen und die Knochen gebrochen und Muskeln durchgetrennt. Außerdem hat er noch den linken Fuß bis zur Wade abgebissen. Zum Glück ist die Drohne, die sie mit dem Geschütz geköpft haben, rechtzeitig wieder gerebootet, um zwei von ihnen durch die Decke zu jagen und einen an einer Wand zu zermatschen. Den Supermensch habe ich dann mit meinem Motorrad durch die nächste Wand geprügelt, indem ich mit voller Fahrt auf ihn drauf bin. Ich musste abspringen und bin gegen den Herd in der Mitte der Küche geprallt. Aber das ist nichts gegen das, was Pat passiert ist. Sie operieren ihn gerade und ich darf nicht auf das Ergebnis warten, weil ich kein Verwandter bin. Ruth haben sie schlafen geschickt und ihr versprochen, dass er, wenn sie aufwacht, im Bett neben ihr liegen und bereits wieder lesen wird."
Er ballte die Hände zu Fäusten. "Verdammt, Pat. Wäre ich nur eine Minute früher dagewesen, dann..."
"Wo ist die Drohne?"
"Kriegt einen neuen Kopf angepasst. Hören Sie, Doc, wenn das Angebot mit dem Alkohol ernst gemeint war, ich nehme ihn gerne."
Jemand drückte eine kalte Flasche Bier an seine Wange. "Danke."
"Im Hospital ist Alkoholverbot, aber ich denke, in diesem speziellen Fall machen wir mal eine Ausnahme, nicht, Captain Krautmann?"
Julius wollte hochfahren, aber die Pranken des Mannes drückten ihn auf die Bank zurück. Ächzend ließ er sich neben Munroe nieder. "Ja, das ist eine Ausnahme wert. Sie haben sich reichlich dumm verhalten, Julius. Reinzugehen, alleine, ohne Rückendeckung, und dann noch den genetisch verbesserten Menschen anzugreifen, dann auch noch mit Ihrem fliegenden Motorrad... Das war dumm, sowas von dumm."
"Ja, Sir", erwiderte Julius deprimiert und nahm einen langen Schluck aus der zwanzig Unzen-Flasche.
"Und so verdammt heldenhaft, dass ich Sie für den Verdienstorden Erster Klasse vorgeschlagen habe. Mit dem Hinweis, dass Sie das Eichenlaub jetzt schon dazu bekommen sollen."
Julius erschrak so sehr, dass er den Schluck Bier wieder ausspie. "Was, bitte?"
"Sie haben alleine dieses Monster von Mensch ausgeschaltet, das kurz davor stand, das Genick von Pat durchzubeißen, Julius. Die Auswertung von Amys Daten ist eindeutig. Sie waren über alle Maßen tapfer, haben in Sekundenbruchteilen richtig reagiert und als Waffe benutzt, was Sie gerade zur Hand hatten. Man merkt Pats Schule bei Ihnen. Und die Beförderung zum Patrol Man First Class oder gleich zum Sergeant Third Class sehe ich auch schon winken."
"I-ich... Ich habe doch nur getan, was ich musste, Sir. Jeder andere hätte..."
"Nein, hätte nicht jeder andere. Aber Sie haben es getan, Julius."
"Sir, ich weiß nicht, ob..."
"Papperlapapp. Pat lebt, Ruth lebt, beide sind hart im Nehmen. Und wir ficken gerade die Scavenger, die mit der Kanone auf Pats Haus geballert und sieben weitere Leute in der Nachbarschaft verletzt haben, bevor der Waffenstrahl seine Energie am einzigen Steinhaus von ganz Jormungand entladen und eine Wand eingerissen hat. Ihnen geht es gut und Amy kriegt einen neuen Kopf. Die Stadt hat zwei Helden mehr."
"Kriegt Amy auch eine Auszeichnung?"
"Natürlich. Drohnen können natürlich mehr leisten als Menschen, deshalb sind die Beurteilungskriterien schärfer für sie. Aber der Verdienstorden Erster Klasse ist bestimmt für sie drin."
"So. Das freut mich. Warum kein Eichenlaub?"
"Wegen der schärferen Beurteilung, Julius. Hätte sie Pat vor Ihnen vor dem Supersoldaten gerettet, hätte ich sie für das Eichenlaub empfohlen. So aber ist sie nur die halbe Heldin." Der Blick des Captains verdüsterte sich. "Alle vier Cannibals leben. Das ist gut, denn ihnen steht ein langer Prozess und danach eine laaaaaange Haftstrafe bevor."
Munroes Hände krampften sich zu Fäusten und öffneten sich wieder. "Captain, ich will, wenn wir da reingehen sollten..."
"Das ist witzig, dass Sie das ansprechen, Patrol Man, denn wir lassen das, was die Scavenger und die Cannibals mit uns gemacht haben, nicht auf uns sitzen. Tatsächlich ist mir zu Ohren gekommen, dass sich uns sehr bald eine Gelegenheit bieten wird, die drei größten Banden in Becker City ordentlich durchzuvögeln, dass ihnen Hören und Sehen vergeht."
Julius sah auf. "Erzählen Sie mir mehr, Captain."
"Ja, bitte, Captain", sagte Amy Dolores. "Erzählen Sie uns mehr davon. Mir und meinem neuen Partner."
"Partner?", fragte Julius verblüfft. "Äh, alles wieder in Ordnung?" Er griff nach dem Kopf der jungen Frau und berührte ihre Wangen. Es fühlte sich warm und echt an. Da war kein Hologramm mehr.
"Sie hatten genug Ersatzteile, um mich schnell genug zusammenzuflicken. Ich finde, angesichts der Eile haben die Techs gute Arbeit geleistet."
"Eile? Wieso Eile?"
"Amy hat darum gebeten, zu Ihrem Schutz eingeteilt zu werden, Patrol Man. Sie ist bis auf Weiteres Ihre Leibwächterin und Ihre Partnerin. Sie werden Amy brauchen für das, was Sie tun werden."
"Ich habe meine erste Meinung über Sie vollkommen revidiert, Patrol Man Munroe. Bitte nehmen Sie meine Entschuldigung an und akzeptieren Sie mich als Ihren Partner."
"Natürlich. Und ich entschuldige mich, dass ich so ein Arschloch war."
"Vergeben und vergessen." Sie sah den Captain an, der sie selbst sitzend noch weit überragte. "Was ist nun mit der Mission, Sir?"
"Ich glaube, ich ziehe mich dann mal besser zurück, wenn Sie was Dienstliches besprechen", sagte Doktor Suinov und erhob sich.
"Bleiben Sie ruhig, Helena. Sie haben es ja überhaupt erst angestoßen." Der grobschlächtig wirkende Half-White grinste wie ein Schuljunge.
"Also, jetzt will ich definitiv mehr wissen", sagte Munroe.
"Und ich werde mehr erzählen. Es bestehen berechtigte Hoffnungen, dass der Prinz für einige Zeit nach Becker City zurückkehren wird. Und was das bedeutet, muss ich Ihnen wohl nicht erklären, Julius."
"Nein, Sir", sagte der Patrol Man beeindruckt.
"Mir schon", klagte Amy.
"Der Prinz ist... Ein Halb-Lamia, der Becker City den Rücken zugedreht hat. Zuvor hätte er jederzeit eine der großen Banden übernehmen können. Er ist eine Naturgewalt. Ein mächtiges Wesen, mehr als ein Mensch, mehr als ein Lamia. Und er ist drei Meter groß und schießt rote Laserstrahlen aus seinen Augen", sagte die Ärztin. "Dazu Feuerbälle aus seinem Arsch."
"Ja, das trifft es ungefähr, was ich über ihn gehört habe. Wo er geht, fallen seine Feinde im Dutzend. Er ist ein Monster von unvorstellbarer Kraft." Julius schauderte. "Eigentlich nicht unser Freund."
"Der Feind meines Feindes ist mein Freund, oder?" Captain Krautmann grinste. "Wir werden dafür sorgen, dass der Prinz sich auch ein wenig mit den Cannibals und den Scavenger beschäftigen wird - ob er will, oder nicht."
"Ich glaube, ein Orbitalbombardement wäre gnädiger", murmelte Julius.
"Patrol Man Munroe, Sie übertreiben fürchterlich", tadelte Amy.
Die Ärztin, der Patrol Man und der Captain sahen die Frau unisono an. "Nein."
"Ich glaube, ich habe gerade das erste Mal in meinem robotischen Leben eine Gänsehaut bekommen", sagte die Drohne mit heiserer Stimme. "Wer ist der Kerl?"
"Ein Gott, Amy. Ein verdammter Gott, den man nicht töten kann." Julius nahm einen tiefen Schluck aus seiner Bierflasche. "Und wir werden ihn anscheinend hautnah erleben können."
Der Prinz kam zurück. Wenn die Nachricht Becker City erreichte, würde das Stadtviertel in hellem Aufruhr sein. Gut so, entschied Munroe grinsend.
***
"Es ist nur eine bescheiden Soirée unserer kleinen Inselgemeinde", sagte Herr Jakob, während sie bequem in einem Fahrstuhl nach unten fuhren. "Der Gouverneur ist da, ein paar Schauspieler, der eine oder andere Politiker, der hier Urlaub macht, ein paar Geschäftsleute und viele Freunde von mir. Twain ist wohl tatsächlich mein berühmtester Gast heute." Er lächelte die Erste Offizierin der Ravenna freundlich an. "Tatsächlich ist das heute für ihn ein PR-Auftritt, der meine Presse milde stimmen soll. Er hat einen neuen Film gedreht: Stirb im All IV, falls Ihnen das was sagt."
"Ich kenne nur Teil eins, Jakob-san", erwiderte Eoliz. Immerhin reichte es, um sich einen ersten Eindruck von Twain zu machen.
Der Fahrstuhl stoppte, die Türen gingen auf und zwei Leibwächterinnen betraten den großen Saal, in den sie führten.
Eoliz stockte an Theodor Jakobs Arm. "Das nennen Sie eine bescheidene Feier Ihrer kleinen Inselgemeinde?" Sie zog die Stirn kraus. "Junge, Junge, da kenne ich kleinere Parties auf internationalem Niveau."
"Es sind nur eintausend Gäste geladen, Miss von Steinbrecher", beschwichtigte Jakob. "Wie ich sagte, hauptsächlich meine Freunde."
"Sie haben sehr viele Freunde", stellte sie fest.
"Oh ja, das habe ich. Nicht, mein Schatz?", fragte er in Ao Lees Richtung.
Diese tätschelte mit rechts seinen Unterarm. "Selten ein wahreres Wort von dir gehört, Theo."
"Also dann, wollen wir?" Die beiden Frauen sanft mitziehend, trat er in den Saal hinaus. Die Menschen, in verschiedenste Pulks aufgeteilt, wandten sich nach und nach zu ihnen um. Jemand begann zu applaudieren und es dauerte nicht lange, bis alle Anwesenden klatschten.
"Passiert Ihnen das immer im eigenen Haus?", fragte Eoliz beeindruckt.
"Oh, ich bin mir sehr sicher, dass sie nicht mich beklatschen, sondern Sie und Ao, Miss von Steinbrecher."
"Mich? Aber wieso... Ich bin es allgemein nicht gewohnt, dass Terra den diplomatischen Dienst zu schätzen weiß, wenn er es wagt, auf die Erde zu kommen."
"So? Sie machen ja schreckliche Erfahrungen. Ich werde das in meinen Blättern ausführlich abhandeln", versprach Jakob.
"Eoliz, bitte. Nennen Sie mich Eoliz, Jakob-san. Von Steinbrecher ist ein so langer Name."
"Also gut, Eoliz", sagte Jakob, während sie zu dritt durch die Gasse flanierten, die die Menschen ihnen bereiteten. "Dann bestehe ich aber darauf, dass Sie mich Theodor nennen, Eoliz."
"Ich kann Sie doch unmöglich bei Ihrem Vornamen ansprechen, Jakob-san!", sagte die Raumfahrerin erschrocken.
"Oh doch, das können Sie. Das müssen Sie sogar, oder ich rufe Sie die ganze Zeit Miss von Steinbrecher", schmunzelte der Ältere.
"O-okay. Aber nur, weil Sie darauf bestehen. T-theodor."
"Es klingt so süß aus Ihrem Mund, Eoliz. Wirklich, ich könnte mich verlieben", neckte er sie.
Zur Antwort errötete die junge Frau bis unter die Ohren. 'Gebt mir eine Kampfsituation, eine Konferenz, ein Bordgericht, damit kann ich umgehen, aber hiermit?', dachte sie mit einer Spur Verzweiflung.
Die Gasse führte sie zu einem herben älteren Mann in einem schwarzen Smoking mit Querbinder, der die eintreffenden Persönen begrüßte. Unverkennbar war er indischer Abstammung. Auf seiner Stirn prangte ein frisch aufgetragenes Segensmal.
"Raji, schau mal, was ich auf dem Dach gefunden habe", rief Jakob, als sie nur noch wenige Schritte entfernt waren.
Der Inder sah zu ihnen herüber. Ein Lächeln wie ein Leuchten ging über sein Gesicht. "Ja, das ist doch... Theo, als du mir eine Überraschung versprochen hast, habe ich nicht mit Madame Lee gerechnet. Entschuldigen Sie mich einen Moment", bat er die Nächsten in der Reihe.
Er trat auf Ao Lee zu, ergriff beide Hände und lächelte nur noch mehr. "Ao, mein Engel ohne Flügel. Warum hast du nicht gesagt, dass du kommst? Ich hätte der Küche Bescheid gegeben, etwas Besonderes nur für dich zu kochen." Die beiden tauschten Küsse auf die Wangen aus. Wieder deuteten sie nicht an, was auf eine große Vertrautheit schließen ließ.
"Ich habe das spontan entschieden, mein Liebster. Danke, dass du Michiru und ihr Team frei machen konntest. Auch wenn du nichts davon wusstest."
"Für dich doch immer. Aber eigentlich dachte ich, sie sollten irgendeinen B-Promi beschützen und nicht die berüchtigte Guerilla-Zeitungsmacherin. Lass dich doch anschauen. Gut siehst du aus. Niemand würde je glauben, dass du tatsächlich schon achtzehn Jahre alt bist, mein Schatz."
"Ach, du schon wieder", sagte Ao Lee und schlug gespielt mit dem Fächer nach ihr. "Machst einer alten Frau goldverpackte Komplimente. Was willst du von mir, Rajeswary Sureshgumar?"
"Nur dein Lächeln an diesem bezaubernden Abend, Schatz. Hätte ich mir auch denken können, wem der Applaus galt."
"Da bin ich mir nicht so sicher", sagte sie und deutete neben sich.
"Und wer", sagte Raji höflich, Eoliz' Rechte ergreifend, "ist diese ausgenommen hübsche Lamia in deiner Begleitung?" Mit geradezu exzessiver Sanftheit hauchte er einen Kuss auf ihren Handrücken.
"Dies ist Eoliz von Steinbrecher. Aber sie ist keine Lamia, Raji", erklärte Ao Lee.
Der große Inder wurde blass. "Ent- Entschuldigen Sie meine Unhöflichkeit, Madame, aber ich habe Euch nicht erkannt. Wie konnte ich die Erste Offizierin der berühmten Ravenna nicht erkennen? Ich bin untröstlich."
"Das liegt eventuell an diesem Fummel, in den mich Madame Lee hineinkomplimentiert hat", erwiderte sie und drückte die Hand fest, die immer noch ihre Hand hielt. "Ich erkenne mich gerade selbst nicht wieder, wenn ich mich im Spiegel sehe."
Der Inder blinzelte ein paarmal, bevor er etwas erwidern konnte. "Verzeiht, Madame von Steinbrecher, aber ich habe da immer das Bild einer stolzen, schönen Veteranin mit blauen Haaren vor mir, wenn euer Name fällt. Aber hier und jetzt sehe ich ein zartes junges Geschöpf mit einem Wasserfall aus Gold anstelle der Haare, das so bezaubernd ist, dass ich mich verlieben könnte."
Eoliz errötete bis unter den Haaransatz. "Bitte, Mister Sureshgumar. Das ist nur das Kleid und die viele Schminke, mit der ich angemalt wurde. Mir wäre das Kommandodeck der Ravenna normalerweise lieber. Und andere Kleidung bevorzuge ich auch."
"Aber dann wäre uns Ihr bezaubender Anblick entgangen, Miss von Steinbrecher", tadelte der Inder.
"Eoliz."
"Wie bitte?"
"Sagen Sie Eoliz zu mit. Miss von Steinbrecher ist so umständlich lang. An Bord der Ravenna rufen mich die Leute ohnehin Eins O, wenn sie nicht auch Eoliz zu mir sagen." Sie lächelte schüchtern. "Ich würde mich freuen."
"Eoliz also. Dann bestehe ich darauf, dass Ihr mich Raji nennt, Eoliz."
"Einverstanden, Raji."
"Raji, Schatz, kann ich die beiden deiner Obhut überlassen? Ich übernehme deinen Platz am Empfang. Bringst du sie bitte in den Speisesaal zu Twain rüber?"
"Oh, das ist also der Grund für eure Anwesenheit." Der Inder sah die beiden Frauen mit Schalk in den Augen an. "Wir sollten öfters berühmte Action-Darsteller einladen, wenn uns dies so einen wundervollen Besuch beschert."
"Raji, du schmeichelst ja schon wieder", tadelte Ao Lee. Sie klappte ihren Fächer auf und wedelte sich kalte Luft zu.
"Mit nicht einem Wort." Er bot den beiden Damen seine Arme an und sie wechselten zu ihm herüber. Theodor Jakob stellte sich für seinen Gemahl an den Empfang und setzte die Begrüßung der geladenen Gäste fort.

Raji ging mit den beiden weiblichen Gästen gemessenen Schrittes auf ein großes Tor zu.
"Dies ist nicht der Festsaal?", fragte Eoliz ein wenig erschüttert.
"Nein, das ist die Empfangshalle. Wir werden drüben speisen. Im Angesicht der späten Stunde allerdings nur sieben leichte Gänge", sagte der Inder freundlich.
"Nimm Rücksicht auf Eoliz, Schatz", sagte Ao Lee. "Es ist ihr erstes Mal auf Pfennigabsätzen."
"Die Ihnen wirklich ganz wunderbar stehen, Eoliz", fügte der Inder an.
"Danke, Raji. Ich persönlich hätte lieber meine Bordschuhe oder meine schweren Kampfstiefel, aber ich gebe zu, sie hätten dumm zum Kleid ausgesehen."
"Oder Sie hätten einen neuen Trend losgetreten, Eoliz. Ohnehin ziehen Sie die Blicke aller Anwesenden auf sich."
"Das tut wohl eher Madame Lee."
"Einigen wir uns auf halbe-halbe", sagte die Chinesin schmunzelnd.
Raji lachte dazu. Er führte die beiden Frauen durch das Tor in den Speisesaal, der doppelt so groß war wie die Empfangshalle. Hier standen etwa achtzig Tische mit je zwölf Plätzen. Einige waren schon besetzt, manche Leute standen noch unschlüssig oder für ein Gespräch dazwischen herum.
Raji führte sie zielstrebig zu einem der Tische, der fast an der großen Tafel stand, die am Ende des Saals auf einem Podest errichtet war, auf dem die Ehrengäste der beiden Gastgeber mit ihnen tafeln würden. An diesem Tisch stand er. Unverkennbar Gordon Twain. Der Mann war eins fünfundneunzig groß und wog laut seiner Biographie einhundertzehn Kilogramm. Er war ein Half-White und sichtlich stolz auf seine afroamerikanisch-kaukasische Herkunft. Von seiner Mutter hatte er die betörenden Lippen und die schön geschwungenen Augen geerbt, vom Vater kamen Gesichtsform, Wangenknochen und Kiefer. Alles zusammen machte ihn eine Spur zu hübsch für einen Action-Darsteller, aber er war ohnehin ein Mann der Widersprüche.
Neben ihm stand eine zarte junge Frau in einem weißen Anzug, der zu seinem schwarzen Smoking mit weißem Langbinder einen guten Kontrast abgab.
Eoliz schätzte die Frau auf vielleicht achtzehn Jahre, eventuell neunzehn. Sie hatte silbernes Haar, wie sie es von einigen Lamia kannte. Es war eine seltene Mutation, die noch seltener war als ein Kind von einer Lamia mit einem Viertel Halbblut. Sie hatte ein schönes, etwas zu herbes Gesicht mit vollen Lippen, einer hübschen Stubsnase, einer perfekten, ebenfalls silbernen Brauenpartie sowie bis zu ihr herüberstrahlenden blauen Augen. Aber etwas stimmte nicht mit Twains Begleiterin. Eoliz konnte nur noch nicht sagen, was das war.
"Gordon, du hast Besuch!", rief Raji schon von weitem.
Der Schauspieler und seine Begleiterin blickten sich zu ihnen um. Nun wusste Eoliz, was nicht stimmte: Das bedauernswerte Mädchen hatte praktisch keinen Busen. Die Arme.
Gordon Twain grinste sein Heldengrinsen, das ihn so berühmt und für viele Frauen unwiderstehlich machte. Selbst Eoliz fühlte dabei ein leichtes Kribbeln. Aber wenn sie daran dachte, dass einhundertzehn Kilo Mann auf ihr liegen würden... Nein, lieber andersherum. Und nicht mit ihm.
"Was bringst du mir denn da Schönes, Raji?" Er verbeugte sich formvollendet vor den beiden Damen, die Rechte vor die Brust gelegt, die Linke auf dem Rücken. "Zweifellos die faszinierende und wunderschöne Madame Ao Lee." Er wiederholte die Verbeugung in Richtung der Raumfahrerin. "Und die atemberaubend schöne Commander von Steinbrecher."
Eoliz fühlte sich zum dritten Mal erröten und wollte zum formellen Knicks als Erwiderung ansetzen, aber der Inder zog unauffällig an ihrer Hand, so ließ sie es bleiben.
"Darf ich Ihnen meinen Partner, mein Faktotum und meinen Manager in einer Person vorstellen?" Er deutete auf die junge Frau im weißen Anzug. "Oliver Jenkin von Bach, von seinen Freunden O.J. genannt."
Die kleine Frau nickte zur Begrüßung knapp und sagte dann mit viel zu tiefer Stimme: "Freut mich, meine Damen."
Erschrocken zuckte Eoliz ein Stück zusammen. Ein Mann! Verdammt, die Lamia vor ihr war ein Mann! Und ausgerechnet sie hatte das nicht erkannt! Sie, die sie für genau solche Fälle ausgebildet worden war! Nach außen behielt sie ein Lächeln, um sich ihre Überraschung nicht anmerken zu lassen, aber nach innen stauchte sie sich selbst zusammen.
"Ich lasse die beiden mal in eurer Obhut und helfe Theo am Empfang. Ich bin sicher, er versucht schon, in den nächstbesten Holzschrank zu beißen."
"Kannst du, kannst du", sagte der Filmstar mit einem verschmitzten Lächeln. "Bei uns sind sie sicherer als in einer voll besetzten Space Marines-Kaserne."
Der Inder nickte zufrieden und ging zurück. Nach einigen Metern begann er zu joggen, das Schlimmste für seinen Mann befürchtend. Schließlich lief er.
Gordon Twain bot Ao Lee den Arm an. "Gute Frau, darf ich dich zu einem Drink verführen?"
Die Chinesin hängte sich an seinen Unterarm. "Verführen darfst du mich immer, Gordon. Schön, dass du es geschafft hast."
"Wenn du rufst, komme ich doch gerne." Er wandte sich in Richtung Bar um und kehrte Oliver und ihr den Rücken zu.
Eoliz hob die Hand und wollte protestieren, als sich Twain noch einmal umdrehte. "Sei nett zu ihr Ouji, okay?"
"Hä?", machte Eoliz erstaunt, anstatt, wie sie in der Ausbildung gelernt und danach tausendfach angewendet hatte, ihr Erstaunen zu verbergen.
Der Lamia seufzte vom Abgrund seines Herzens. "Ich hoffe, Sie haben verdammt gute Gründe, mich aufzusuchen, Miss von Steinbrecher." Er deutete auf die Tür eines offenstehenden Séparées. "Sie wollten mich sprechen? Gordon war sehr geheimnisvoll und hat nur gesagt, es ginge um diesen großen Misthaufen Becker City."
"Hä? Hä? Häääää? Sie sind mein Kontakt?", rief Eoliz erstaunt.
Die Miene des Lamias schwankte zwischen Ärger und Amüsiertheit. "Diese Reaktion ist mir nur zu gut bekannt. Kommen Sie, wir wollen drin weiter reden. Mein Störfeld wird nicht jeden potentiellen Lauscher abwehren. Nicht auf Dauer." Oliver ergriff ihre Hand und zog sie hinter sich her.
Eoliz stolperte ihm hinterher, vollkommen aus der Fassung. Was fünfzehn Jahre diplomatischer Dienst nicht geschafft hatten - hier war es geschehen. Und zu allem Überfluss hatte sie auch noch geglaubt, Oliver sei ein Mädchen. Na, das konnte ja noch lustig werden.

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Derweil in Austin Town, Cooper Flats.

Die Cooper Flats waren kein besonders schöner Fleck zum Leben, wenn man ehrlich war. Nicht einmal mit besonderem Wohlwollen hätte man der Kleinstadt in der Stadt mehr als eine fünf auf der Skala bis zehn gegeben. Eigentlich hätte er nur eine drei oder eine zwei verdient, immerhin lag er Tür an Tür mit Becker City. Ihr einziger Vorteil: Da die Banden aus Becker City ein Tor in den Rest der Gigantstadt brauchten, waren die Flats neutrales Gebiet für sie. Zumindest für all jene, die den Vorteil eines neutralen Bereichs sahen. Die, die es nicht sahen oder nicht akzeptierten, überlebten in der Regel nicht sehr lange.
Die Flats, Becker City und die Wilson Hills bildeten Nachbarn, Nachbarn mit einer gemeinsamen Geschichte. Austin Town war entstanden, nachdem im Jahr 2453 terranischer Zeitrechnung, was damals dem siebzehnten galaktischen Zyklus siebzehn und dem Jahr 9644 entsprach (was darauf zurückzuführen war, dass das galaktische Jahr zufälligerweise nur ein ein paar Stunden länger als das terranische war, Schalt-, und Schaltpausenjahre eingerechnet), die Städte Savanna Charleston und Augusta ziemlich gleichmäßig während der attoranischen Kriege vernichtet worden waren. Für die siegreiche terranische Flotte, geführt vom weltberühmten und noch immer hochverehrten Lamia-Admiral Robert Barnette - übrigens seiner Abstammung nach ein negrider nativer Afrikaner - war dies einer der wenigen Rückschläge des Krieges gegen die attornischen Wanderer. Abgesehen von einem halben Dutzend Tsunamis im Pazifikraum und der Auslöschung von Island, welches die attornischen Wanderer durch einen Übersetzungsfehler für den Großraumhafen Hawaii gehalten hatten, wohlgemerkt. Aber wenn man andere Welten betrachtete, denen die Wanderer einen Besuch abgestattet hatten, bevor die Erdflotte sie selbst mit ihren unzureichenden Mitteln gestoppt hatte, war das ein Riesenschwein gewesen.
Jedenfalls hatte man ein Gebiet mit einem Radius von einhundertdreißig Kilometern, das teilweise dem Erdboden gleichgemacht hatte. Gro0zügige Förderungen aus der ganzen Welt, der es ganz lieb war, nicht so viel abbekommen zu haben, erlaubten es, einige hochtrabende Projekte und neue Ideen auszuführen. Eine davon war es gewesen, eine einzige große Megastadt zu schaffen: Austin Town.
Eine riesige Supermetropole wie das gigantische Saint Louis, nur diesmal kontrolliert und am Reißbrett geschaffen. Geplant. Vorher durchdacht. Für alle Eventualitäten gerüstet. Weshalb man der neuen Stadt und den potentiellen Bewohnern etliche Parks, ja, ganze Wälder gegönnt hatte. Von denen es tatsächlich einige Gebiete geschafft hatten, der Bauwut der Menschen zu entgehen. Neueste Technologien, die von vorneherein darauf ausgelegt wurden, eines Tages ausgetauscht zu werden, eines der dichtesten Nahverkehrsnetze der Welt und viele weitere Vergünstigungen wie eine staatlich subventionierte Nahversorgung mit täglichen Verbrauchsgütern und Luxusartikeln sorgten für einen regen Zuzug in die neue Stadt, in der sich auch viele Firmen ansiedelten und Arbeitsplätze erschufen. Austin Town wurde das neue Vorzeigemodell für den Städtebau auf interstellarer Ebene.
Aber in Gedenken an den Krieg, der gerade erst stattgefunden hatte, errichtete man in der relativen Mitte der drei vernichteten Städte drei ganz besondere Stadtteile. Eben jene drei, Becker City, Cooper Flats und Wilson Hills. Becker City erhielt eine Stadt unter der Stadt, ein einhundert Stockwerke großes Rückzugsgebiet, in der ein Drittel der Menschen der Gigantstadt in präparierten Großraumbunkern mit allen Dingen des normalen Leben versorgt, ein Jahr lang problemlos aushalten können sollte. Die Cooper Flats sollten ein weiteres Drittel der damals zwölf Millionen Bürger aufnehmen können, hier hatten sich die Ingenieure jedoch nicht für eine Bunkerstadt entschieden, sondern für ein Stadt in der Stadt-Konzept, indem sie acht riesige Pyramiden mit einer Grundfläche von drei mal drei Kilometern und einer Höhe von zwei Komma sechs Kilometern Höhe errichteten, in denen im normalen Leben zwei Millionen Menschen Platz fanden, nach einer Entsieglung der Notquartiere jedoch das Dreifache. Die Pyramiden, durch Schutzschirme geschützt, sollten ebenfalls ein ganzes Jahr an Schutz und Versorgung gewährleisten können.
Die Wilson Hills hingegen setzten auf ein anderes Bunker-Konzept, das ebenfalls in der Lage sein sollte, weitere vier Millionen Menschen aufzunehmen. So hatte jedes Gebäude in die Tiefe ebenso viele Stockwerke wie es an der Oberfläche hatte. Alle subterranen Gebäude waren auf verschiedenen Wegen verbunden und bildeten eine zweite Stadt unter den Wilson Hills, deren Kapazität jene der oberirdischen Stadt weit übertraf. Irgendwann im Verlauf der letzten knapp neun Jahrhunderte war die Angst vor einem Krieg eingeschlafen. Die Stadtväter entschieden sich dafür, zumindest die Unterwelten der Wilson Hills und von Becker City auszuschlachten, aufzufüllen und zu versiegeln. Das gelang auf den Wilson Hills recht gut, als man die unterirdischen Verbindungen aufschüttete. In Becker City klappte es überhaupt nicht gut. Man stieß in ein aggressives Schlangennest vor, das unbemerkt von der Oberstadt dort hatte wachsen und gedeihen können. Eine Subkultur unter der Kultur war entstanden und hatte all jene angezogen, die entweder in Austin City zu den Erwerbslosen, den Unerwünschten, den Unsozialen oder den Verbrechern gehörten, oder zu jenen Durchgeknallten, die unbedingt Sozialexperimente durchzuziehen meinten. Alles zusammen bildete eine brodelnde, Jahrhunderte alte Subkultur, organisch gewachsen und in die erstaunlich helle Dämmerung der subterranen Stadt verbannt. Nachdem aber einmal daran gerührt worden war, schien es, als sei ein niemals ausgesprochener Pakt mit der Oberstadt gebrochen worden. Das, was sich über die Jahre da unten gebildet hatte, was erschaffen worden war, kam an die Oberfläche. Es war kein Krieg, kein schlagartiger Prozess. Es war langsam, schleichend, beständig an der Stadt nagend. Nach und nach begannen die Menschen in der Oberstadt, den von unten Drängenden Platz zu machen, sich aus besonders schlimmen Ecken zurückzuziehen - wenn sie es konnten. Wohnraum wurde spottbillig und zog viele Menschen an, die in der Mega-Stadt kaum genug zum Leben hatten. Es brauchte Jahre, bis Becker City so weit war, das es keine Stadtratswahlen mehr gab. Dann wurden die Schulen geschlossen, die Verwaltung nach und nach abgezogen. Das Krankenhaus schloss seine Pforten, die alteingesessenen Ärzte verließen das verrohende Stadtgebiet. Schließlich schloss die Feuerwehr ihre Wachen, danach die Polizei. Anstatt zu versuchen, die Stadt wieder zu resozialisieren, kapitulierte Austin Town vor dem, was die Vorläufer der heutigen Banden waren und beschränkte sich darauf, dafür zu sorgen, dass sie gefälligst in der Stadt blieben. Das gelang ganz gut soweit, von einigen Ausnahmen abgesehen, die dementsprechend erschreckend ausfielen.
Und seit dieser Status Quo etabliert war, gab es eine allgemeingültige Weisheit: Niemand mit ein wenig Verstand oder wenn er es nicht unbedingt musste - das Stadtviertel zog immer noch die Ärmsten, den Abschaum und das Verbrechen an - betrat Becker City freiwillig. Alle, die mehr oder weniger freiwillig mit einer der Banden oder einem Bewohner zu tun hatten oder haben wollten, versuchten dies über die Pyramiden der Cooper Flats, über das neutrale Gebiet.

Die Pyramiden selbst waren Gesellschaften. Gesellschaften, wie sie Sozialisten eher ungern, Kapitalisten aber sehr gerne sahen: Wer oben wohnte, war wohlhabender als jene, die weiter unten lebten. Die, die für immer ausgesorgt hatten, wohnten nahe der Spitze in eigenen, weitgehend von der restlichen Pyramide scharf abgegrenzten Gebiet. Das wiederholte sich zwei-, dreimal bis ungefähr zur Hälfte der Pyramide. Ab dort war sie uneingeschränkt zugänglich, wenn man von einigen Wohnregionen weiter oben absah, die sich durch private Wachdienste abzugrenzen versuchten. Jede dieser Sektionen hatte eigene Schulen, eigene Einkaufsmöglichkeiten, eigene Sportcenter, eigene Vergnügungssektoren, eigene Verwaltungen. Jeder war in der Stadt für sich eine Stadt für sich. Im Schnitt lebten gut fünf Millionen Menschen in einer Pyramide und theoretisch brauchten sie ihre Mega-Stadt ihr ganzes Leben lang nicht zu verlassen, denn es war alles da.
Je mehr man sich jedoch dem Boden näherte, desto mehr sank das Niveau von Versorgung, Bildung und Sicherheit. Die einfachen Menschen wohnten quasi auf dem Bodenlevel und dies in weit größerer Zahl, als die Konstrukteure vorherbestimmt hatten. All jene aber, denen selbst ein Platz im erdebenen Bereich nicht erschwinglich war, die aber immer noch zu viel besaßen, um in Becker City leben zu müssen, waren in den subterranen Etagen zu finden, die etwa ein weiteres Achtel der Pyramide ausmachte. Auch hier war eine Welt für sich mit eigener Verwaltung, eigenen Schulen, eigenen Versorgungszentren, und, man staune, eigenen Sportanlagen und eigener Polizei. Auch wenn die eher selten einschritt, solange kein Blut floss. Auch eigene Lokale und Kneipen gab es hier unten. Natürlich auch die einzigen zugelassenen Bordelle in der Pyramide, wenn man von dem einen oder anderen Eskortunternehmen absah, das Schönheiten und ehemalige, gestürzte höhere Töchter und Söhne für eine Menge Geld als Gesellschafter und Sexgespielen an die oberen Zehntausend verlieh. Aber wenn man zu einer Nutte wollte, dann bitte auch im richtigen Umfeld. Die Rotlichtstockwerke der Pyramiden waren in der ganzen Stadt bekannt und gut besucht, was diesen Geschäftsbereich enorm lukrativ machte. Lukrativ genug, dass so mancher Bordelleigentümer im oberen Zehntel der Pyramide hätte einziehen können, hätten die Bewohner dort nicht eifersüchtig über den verfügbaren Wohnraum gewacht. Man wollte ja nicht jeden hier haben. Ebenso lukrativ war das Unterhaltungsgeschäft hier unten. Kinos, Spielhallen, Bars, aber, man höre und staune, auch Theater, die im übrigen sehr gut besucht waren, hatten hier ihren festen, nicht mehr wegzudenkenden Platz. Und da man die Pyramiden für die Ewigkeit erbaut hatte, würde dieser Platz noch eine sehr lange Zeit existieren.

Kommen wir zum wichtigsten Aspekt dieser Aufzählung, nämlich der Neutralität. Es war allgemein bekannt, dass der Rote Rufus, der Anführer der Mongrels, ein großer Theaterliebhaber war und regelmäßig die Vorstellungen des Cleopatra-Theaters in der Sphinx-Pyramide besuchte, das er aus seinem Privatvermögen großzügig förderte. Achtung, ägyptisch-griechische Anleihen waren in den Pyramiden eher die Norm als eine Seltenheit.
Und es war auch allgemein bekannt, dass die Gasolinieri aus dem Südosten Becker Citys ihre Stammkneipe in der Cheops-Pyramide im mehrstöckigen Großraumlokal Euphoria hatten. Übrigens ein Lokal, das auch gerne mal von Cannibals aufgesucht wurde (was die Polizei dann recht nervös und erstaunlich aufmerksam und einsatzbereit machte, denn man konnte nie wissen, wann ein Cannibal hungrig war, oder auf WAS er hungrig war), aber auch von Scavengers und Zulus. Mitunter war es ein Wunder, dass es nicht jeden Abend Tote gab und dass sich die Zahl der Verletzungen und der damit verbundenen Schlägereien auf ein, zwei Abende die Woche beschränkten. Die Polizei hatte den Gangs früh und knallhart klargemacht, dass sie in den Pyramiden nicht das Sagen hatten und auch nie haben würden. Deshalb gaben sich die Gangmitglieder allergrößte Mühe, sich so zu benehmen, dass ein Normalbürger "anständig" dazu gesagt hätte. Dies verführte viele Normalbürger zum Wunsch, sich diese ominösen Gangs einmal selbst anzusehen, was eine nicht gerade kleine Einnahmequelle des Euphoria darstellte. Tatsächlich rangen sich viele dazu durch, die Gangs "nicht so schlimm" zu finden. Manche besonders dumme Individuen, die sich für mutig oder aufgeklärt oder beides hielten, gaben den Gangmitgliedern auch mal einen aus und versuchten sie in Gespräche über Becker City zu verwickeln. Wäre es nicht sehr, sehr schlecht für den Umsatz des Euphoria gewesen, hätte man diese Leute auf Nimmerwiedersehen in ihr Unglück rennen lassen können. So aber war die Geschäftsleitung sehr darum bemüht, dass diese Gäste eben nicht diversen Einladungen in ihr Gang-Gebiet folgten. Das klappte, aber nicht immer gut genug. So war ein Reporter der Star Coast Television vor einigen Wochen irgendwo in der Pyramide verschwunden, aber die Aufnahmen der Überwachungskameras der Euphoria hatten ihn nicht aufgenommen, sodass man nicht sagen konnte, welche Gang ihn in den Klauen hatte, oder ob er noch am Leben war.
Dennoch, das Lokal war eine äußerst wichtige Schnittstelle zwischen Becker City und dem Rest der Stadt. Und als dieser wurde es auch genutzt.

Als die hochgeschossene rothaarige Frau das Euphoria betrat, zog sie für einen Moment interessierte Blicke auf sich. Rote Bürstenhaarschnitte waren bei Frauen eher selten und schrieen gerade: Marine, Marine! Das machte sie interessant. Viele derzeitige Besucher - ein paar Undercover-Polizisten, ein Dutzend Xioungshén, drei Cannibals, etwa achtig Bürger und Besucher der Pyramide, sowie elf Gasolinieri - fragten sich interessiert, wohin sich die große, muskulöse Half-White mit deutlichen Cherokee-Einschlag wenden würde, bis sie in Richtung Bartresen ging.
"N'abend, Gunny", sagte der Barkeeper, dem sie sich gegenübersetzte, die Kurzform des Marines-Rangs Gunnery Sergeant benutzend.
"N'abend", sagte sie mit einer Stimme, die irgendwo zwischen Frauen-Bass und Bariton anzusiedeln war. "Scotch, bitte."
"Welche Marke?", fragte der Barkeeper, auf die große Reihe an bunten Flaschen mit goldener Flüssigkeit deutend.
Die Frau kniff kurz die Augen zusammen, bevor sie strahlend zu lächeln begann. "Den Glenmorangie."
Der Barkeeper grinste zufrieden, griff hinter sich und füllte der Frau zwei Fingerbreit der goldenen Flüssigkeit im Wert von sechzig Credits ins Glas, was in vielen Teilen der Pyramide einen Wochenlohn darstellte.
"Danke. Ich bezahle gleich", sagte sie, einen Hunderter über den Tresen schiebend. Sie winkte ab, als der Mann in seinem Portemonnaie kramen wollte. "Behalten Sie den Rest, Sam. Ich darf Sie doch Sam nennen?"
Der Barkeeper grinste nur noch breiter. "Für vierzig Credits Trinkgeld können Sie mich Schneewittchen nennen, Gunny." Er versuchte die Frau einzuschätzen, etwas, was jeder gute Barkeeper im Laufe seines Lebens lernte. Wofür war der Gast hier, wie war seine Stimmung? Wie sein sozialer Status und welche Getränke ergaben sich daraus? Wollte er etwas erzählen, oder wollte er in Ruhe gelassen werden? Suchte er jemanden, oder wollte er gefunden werden? Bei der Frau vor ihm stand zumindest fest, dass sie Soldatin war. Berufssoldatin. Voll im Training. Höchstwahrscheinlich eine Space Marine und höchstwahrscheinlich ranghohe Unteroffizierin. Die Sorte Frau, die man nicht gerne im Bett, aber unglaublich gerne beim Raubüberfall auf der Straße an der Seite haben wollte. Das Urteil des Barkeepers stand relativ schnell fest. Die Frau suchte oder wartete auf jemanden. Und wenn sie das hier tat, dann hatte es auf die eine oder andere Art mit Becker City zu tun. "Kann ich Ihnen vielleicht helfen, Gunny?"
"Ist es so offensichtlich?", fragte sie verwundert. "Ich trage doch Freizeitkleidung."
"Die Freizeitkleidung eines Marines auf Ausgang. Weite, bequeme Sachen, in denen Sie laufen oder joggen können, Gunny. Wenn Sie als Marine nicht erkannt werden wollten, hätten Sie Ihre Haare stimulieren, eine Dauerwelle reinmachen und sich in das kleine Schwarze stecken lassen sollen. Auf hochhackigen Schuhen." Bei sich dachte der Barkeeper daran, dass die Marine in solche einem Outfit eventuell keine so schlechte Figur machen würde, was nicht zuletzt am großen Busen lag, der sich unter der halb geöffneten Jacke prächtig abzeichnete. Und wenn der Bürstenschnitt einer feminineren Frisur gewichen wäre... Ja, durchaus. Sie hatte Potential. Dazu ein dezentes Makeup und dezenter Schmuck und er hätte sie um ein Date gebeten, auch wenn sie dann noch größer war als er.
Die Frau schnaubte amüsiert. "Ich und das kleine Schwarze... Das muss ja ein Bild für die Götter sein. Vielleicht mache ich das auch mal, zu Fasching oder Helloween vielleicht." Sie verzog den Mund zu einem Flunsch, der recht weiblich und anziehend wirkte. "Jetzt bin ich enttäuscht."
"Oh, ich berate Sie gerne beim Thema Zivilkleidung, wenn Sie das wünschen, Gunny." Verschwörerisch zwinkerte er ihr zu. "Und wobei kann ich Ihnen noch helfen?"
"Haben Sie hier mietbare Hinterräume, Sam?"
Der Barkeeper schüttelte den Kopf. "Nur die Büros und Personalbereiche. Die Polizei verbietet uns Hinterzimmer, damit das organisierte Verbrechen keine illegalen Geschäfte abwickeln kann. Der Zugang ist personalisiert."
"Sehr schlau. Ich nehme an, die illegalen Geschäfte finden dann hier vorne statt."
"Oh nein. Selbstverständlich gibt es keine illegalen Geschäfte im Euphoria. Die Gangs und Banden wären ja auch schön dumm, würden sie hier mitten unter unseren Kameras ihre krummen Dinger drehen. Nein, hier kommen sie nur her, um sich zu treffen."
"Ich verstehe." Sie setzte an und nippte an ihrem Glas. Ein Lächeln huschte über ihr Gesicht. "Gutes Zeug. Hey, Sam, wollen Sie sich noch einmal vierzig Credits verdienen?"
"Wen muss ich dafür umbringen?", fragte er trocken.
"Sagen Sie mir einfach, wenn eine unglaublich dürre Gestalt durch die Tür hinter mir kommt. Höchstwahrscheinlich wird sie eine Lederjacke und ein Shirt tragen, beides viel zu groß, dazu eine Jeanshose, die merkwürdigerweise passt, und ein Paar zünftiger Cowboystiefeln. Die Haare sind lang, fettig und schwarz." Sie legte noch einen Hunderter auf den Tisch. "Und den gleichen Drink noch mal, Sam."
Der Barkeeper strich den Schein ein. "Kommt sofort, Gunny."

"Nein, Beißer, lass das", klang eine hektische Stimme irgendwo aus dem Lokal auf. "Das geht nicht gut!"
"Schnauze, du Mädchen! Das ist endlich mal 'ne Frau, die beim Ficken nicht in zwei Teile bricht!"
"Uh-oh, Gunny", sagte der Barkeeper mit unbewegt freundlicher Miene. "Das war in Ihre Richtung. Einer der Cannibals kommt rüber. Rogan der Beißer. Er ist dafür bekannt, dass er alles abbeißt, was von einem Körper abzustehen pflegt. Selbstverständlich gibt es nicht genug Zeugenaussagen und Beweise gegen ihn, weshalb er wie jeder unbescholtene Bürger hier rein und raus darf."
"Keine Sorge. Wenn ein Mädchen in Not ist, kommt immer ein weißer Ritter zu Hilfe", feixte sie. "Und ob ich überhaupt in Not komme, wird sich noch zeigen."
"Hey! Schöne Frau!", rief der Beißer, während er sich auf den Barhocker neben sie fläzte. Für ein Gang-Mitglied sah er erschreckend normal aus. Wenn man davon absah, dass er mit dem Kajal seiner kleinen Schwester übertrieben und im Allgemeinen viel zu wenig Schlaf bekommen hatte. Jedenfalls sah er nicht so aus, wie man sich ein Mitglied der Cannibals vorstellte.
"Ja, bitte?", erwiderte sie lächelnd.
"Mein Kompliment. Der alte Herrgott hat es gut gemeint, als er dir diesen prächtigen Körper und dieses wunderschöne Gesicht gegeben hat."
"Das war ja beinahe eine vollkommen normale Anmache. Geradezu langweilig normal."
Rogan lachte leise. "Erschreckend, nicht wahr? Dabei sind wir Cannibals doch sooo furchtbar schlimm und primitiv und ungebildet und... Fallen Ihnen vielleicht noch ein paar passende, negativ gelabelte Begriffe ein, Miss?"
"Nicht im Moment, Mister..."
"Rogan, einfach nur Rogan, Miss..."
"Rowan, Mister Rogan."
"Oh, das ist aber ein lustiger Zufall. Ist Rowan Ihr gegebener Name, oder Ihr Familienname? Wenn ich so dreist sein darf, das zu fragen."
Die Marine trank das erste Glas leer und griff nach dem zweiten. "Mein Vorname ist Stacy."
"Stacy also. Ein guter, amerikanischer Vorname, der die Werte und Traditionen unserer Vorfahren hochhält."
"Werte und Traditionen bedeuten Ihnen etwas?", fragte die Marine verblüfft.
"Gemessen woran? Denken Sie, nur weil ich mein Leben so verbringe, wie ich es für gut und richtig halte, habe ich keinen Sinn für die uramerikanischen Ideale? Ich meine Freiheit, Unabhängigkeit, aus eigener Kraft reich werden zu können und Waffen tragen zu dürfen sind doch uramerikanische Werte und Traditionen."
"Da gebe ich Ihnen Recht, Mister Rogan." Sie lächelte leicht. "Und ficken, bis jemand in zwei Teile bricht, gehört dazu?"
Rogan sah verlegen drein. "Das haben Sie gehört, Miss Rowan? Es tut mir leid und ich entschuldige mich dafür. Aber gegenüber den Jungs muss ich... Nun, ein wenig... Härter auftreten. Den Macho raushängen lassen. Den Anführer mimen. Nicht auszudenken, wenn einer von ihnen hätte mitkommen wollen."
"Ach, ich verstehe. Dann hätten Sie weiter den Macho raushängen lassen müssen, nicht?"
"Ja, und ein einfaches, freundliches Gespräch wäre unmöglich geworden. Sehr zu meinem Leidwesen." Er seufzte. "Manchmal bin ich versucht, die unbändige Freiheit und die unendlichen Möglichkeiten Becker Citys aufzugeben und mich wieder in die Fesseln eines gutbürgerlichen Lebens zu geben, allein um diesen Idioten zu entkommen... Aber damit will ich Sie nicht langweilen. Darf ich Sie zu einem Drink einladen, Miss Rowan?"
"Du darfst nicht", sagte eine knarzige Männerstimme rechts von Tracy Rowan.
Erschrocken fuhr der Cannibal auf. "Spider? Was machst du denn hier?"
"Die Lady will zu mir, also bagger wen anders an."
"Er hat leider Recht, Mister Rogan", sagte Stacy in bedauerndem Tonfall, "aber man trifft sich immer zweimal im Leben. Wenn Sie uns jetzt bitte entschuldigen wollen, es geht ums Geschäft."
"Natürlich, Miss Rowan, aber... Spider ist ein Cherokee. Seien Sie vorsichtig bei ihm. Einem Cherokee kann man nicht trauen."
"Das sagt ausgerechnet ein Cannibal", höhnte der Mann namens Spider.
"Falls Sie Ärger mit ihm bekommen, zögern Sie nicht, mich zu rufen", betonte Rogan, dann erst stand er auf.
"Keine Sorge. Von uns zweien ist sie mit Abstand die gefährlichere, Rogan.
Ich nehme das, was sie trinkt, Sam."
"Kommt sofort, Mister Polonski."
"Du hättest ihn nicht wegzuschicken brauchen, Albert. Früher oder später hätte er sich schon gelangweilt und hätte sich getrollt", sagte Tracy Rowan tadelnd.
"Je eher wir zum Geschäftlichen kommen, desto besser, Tracy. Und wer weiß, vielleicht habe ich ihn vor einer schweren Verletzung bewahrt? Wir beide wissen doch, wie gefährlich du bist."
"Keine Sorge, ich bin im Freizeit-Modus." Sie streckte die Rechte aus und legte sie dem dürren Mann auf die Schulter. "Lass dich anschauen. Du bist ja immer noch nur Haut und Knochen, Albert." Sie schob seine Jacke auseinander. "Aber das Semper fi-Tattoo hast du immer noch."
Spider grinste. "Das kommt auch nicht weg, und wenn es mich das Leben kostet."
"Aber tief bist du gefallen, alter Freund. Du könntest bei uns schon First Sergeant sein. Und was bist du jetzt?"
"Bürgermeister einer Kommune mit vierzigtausend Mitgliedern", erwiderte er ernst. "Danke, Sam."
Er griff mit spindeldürren Fingern nach dem Glas und nippte daran. "Du bezahlst, Schatz."
"Natürlich bezahle ich." Ein weiterer Hunderter wanderte über den Tresen. "Was ist das für ein Quatsch mit Bürgermeister und so?"
Spider grinste. "Denkst du, in Becker City wohnen nur die Gangs? Glaubst du, an jeder Ecke wird eine Drogenküche betrieben? Glaubst du wirklich, all die vielen Wohnungen und Siedlungsblöcke würden lange unbewohnt bleiben? Jemand muss sich darum kümmern. Darum, dass sie einigermaßen sicher leben können. Denn wo sollten sie auch sonst hin?" Er trank sein Glas aus. "Also, was willst du von mir, Tracy, abgesehen davon, dass du Sehnsucht nach mir hattest, wie unschwer zu vermuten war."
Die Marine stupste Spider vertraulich mit ihrer Schulter an. "Natürlich hatte ich Sehnsucht nach dir, du alter Knochen. Immerhin haben wir uns fast fünf Jahre nicht gesehen. Dies ist der erste Heimaturlaub, den ich seither habe."
"Aber?", fragte er grinsend.
"Aber wir hätten uns auf dem Schiff treffen können, wenn es nur um ein Wiedersehen gehen würde", gestand sie. "Und das tut es nicht."
"Worum geht es? Noch einen, Sam."
"Bist du sicher, wir sollten das hier erörtern, Albert?"
"Dann gib mir eine Andeutung, Tracy-Schatz."
Die Marine machte einen bejahenden Laut und schob erneut einen Hunderter über den Tresen. "Meinst du, du kriegst fünf Leute zusammen, die mit der ausgemusterten Davy Crockett-Kampfrüstung umgehen können? Sofort umgehen können?"
"Mit galaktischer Technologie?" Er stürzte seinen neuen Drink auf ex. "Trink aus, Schatz, wir haben in Ruhe zu reden."
Tracy tat es ihm nach. "Also, hat mich gefreut, Sam."
"Und mich erstmal. Sie sind ein großzügiger Mensch", sagte er grinsend und deutete auf seine Brusttasche, in der nun schon einhundertsechzig Credits steckten.
Tracy schob ihm einen weiteren Zehner zu. "Bringen Sie Mister Rowan und seinen Freunden doch von mir bitte die Flasche zehn Jahre alten Jack Daniels und richten Sie ihm aus, dass ich ihn nett fand."
Erstaunt nahm er den Schein entgegen. "Werde ich tun, Miss."
Sie zwinkerte ihm zu und folgte Spider, der schon an der Tür war.
"Und wofür war das?", fragte er verwundert.
"Es kann nie schaden, hier und da Freunde zu haben, Albert. Nie."
"Na, dann viel Spaß mit deinem Cannibal-Freund", murmelte er, hielt ihr die Tür und und folgte der Marine nach draußen.
***
Das Séparée erwies sich als gemütlich eingerichtete Lesestube im viktorianischen Stil mit bequemen Lesesesseln. Ein Hologramm simulierte ein Feuer, das Atmosphäre verbreitete, aber dankenswerterweise keine Hitze. Oliver ließ ihr den Vortritt beim Eintreten und schloss die Tür. Er zog aus der Brusttasche einen Scrambler, der jeden Versuch, an der Tür oder über die Mikrovibrationen der Tür auf den Inhalt ihrer Gespräche zu schließen, unmöglich machte. Das Gleiche tat er beim Klimaschacht des fensterlosen Raums. Anschließend ging er an die großzügig ausgestattete Bar. "Was zu trinken, Miss von Steinbrecher?"
Während er durch den Raum gegangen war, hatte Eoliz ihn mit ihren Augen verfolgt, als wären sie an ihm angeheftet. Sie konnte immer noch nicht verstehen, dass der Lamia keine Frau war. Was für eine Verschwendung. Was für eine bodenlose, ungerechte Verschwendung. "Was?"
"Kann ich Ihnen etwas anbieten? Oder vielmehr unsere Gastgeber, die sich so großzügig zeigen. Wir haben Bourbon, Rum, Wodka, Aquavit, Doppelkorn, Sake, Tequila, Raki, Arrak - viel Arrak, eine Vorliebe von Raji - und natürlich Ouzo und Sherry. Und damit bin ich noch nicht mal bei den Weinen angekommen."
"Ich nehme das, was Sie nehmen, Herr von Bach."
"So? Tun Sie das?" Oliver schenkte zwei Stielgläser mit einer bernsteinfarbenen Flüssigkeit ein Viertel voll. "Dann erlauben Sie mir, Ihnen einen Whisky zu geben." Er reichte ihr das Glas und deutete anschließend auf die Sessel. "Wollen wir uns setzen?"
"Gerne."
Die beiden setzte sich einander gegenüber. Olivers Finger spielten mit dem Stiel seines Glases. "Becker City."
Eoliz sah ihm mit ihrem besten Diplomatenblick in die Augen. "Becker City. Man hat mir zu verstehen gegeben, Sie wären der Beste."
"Der Beste wofür, Miss von Steinbrecher?"
"Eoliz, bitte. Von Steinbrecher ist so wahnsinnig lang, finde ich."
"Sagen Sie Oliver zu mir. Oder meinetwegen Ouji, wie mein Kompagnon. Und? Wobei glauben Sie, kann ich Ihnen helfen? Worin bin ich der Meinung von Madame Lee der Beste?"
"Ich will in Becker City rein und wieder raus."
Verblüfft sah Oliver die junge Frau an, bevor er schallend lachte. "Sie wollen...? Sind Sie verrückt? Ich bringe doch keine Lamia nach Becker City."
"Lamia? Ich habe Lamia-Vorfahren, aber das ist so wenig, dass man es kaum ernst nehmen kann, Ouji."
"Veräppeln Sie mich bitte nicht, Eoliz. Ich erkenne einen Lamia, wenn ich einen rieche."
Erschrocken sah sie ihn an. "Ich rieche? War die Reise so lang? Aber das Kleid soll doch reinigend sein und ich habe mich auf dem Clipper frisch gemacht..."
Oliver lächelte. "Ich bin ein Halb-Lamia, Eoliz. In meiner Familie ist der Geruchssinn besonders ausgeprägt. Ich kann das riechen, was Ihre letzte Schalldusche übrig gelassen hat. Über Ihr exquisites Parfum hinweg. Ich kann auch Ihre Genitalhygiene mit meinem Geruchssinn einschätzen, sagen, wann Sie das letzte Mal Stuhlgang hatten. Und ich kann über vierzig Krankheiten mit meinem Geruchssinn verifizieren, darunter alleine sieben Sorten an Krebs."
"Sie reden nicht oft mit Frauen, oder?", konterte Eoliz.
"Nicht mit solchen, die mich für dumm verkaufen wollen." Er nahm einen Schluck von seinem Glas.
"Ich bin keine Lamia. Schauen Sie, keine Fänge." Mit diesen Worten schob sie ihre Oberlippe hoch.
"So etwas kann man operieren", sagte Oliver amüsiert. Er spielte mit dem Stiel seines Glases, während er sie ansah.
"Soll ich Ihnen meine Geburtsurkunde zeigen?"
"Hm. Es gibt eine Möglichkeit, dass ich mich irren könnte. Aber dann müssten Sie ein rezessives Gen tragen, das ausgerechnet bei Ihnen dominant geworden ist, Eoliz. Von Steinbrecher, hm. Die Familie trägt das Gen, so wie meine von Bachs dieses dämliche Silberhaar vererben." Er spielte mit einer Strähne seines Ponys, gab es aber schnell wieder auf. "Also gut, gehen wir davon aus, dass Sie keine Lamia sind, Eoliz. Dann drängt sich mir immer noch eine Frage auf: Warum wollen Sie nach Becker City?"
"Ich will jemanden retten."
"Sie wollen...? Donnerwetter. Jemanden retten. Aus Becker City. Einen Menschen unter achthunderttausend. Und was soll der Rest machen? Da bleiben? Und wie stellen Sie sich das vor? Sie gehen rein, klopfen an der richtigen Tür und bitten darum, dass Ihnen die entsprechende Person ausgehändigt wird?"
"Falls Sie es nicht wissen, ich bin ausgebildete Soldatin. Ich kann mit den meisten üblichen Waffen umgehen. Und ich habe in drei waffenlosen Disziplinen einen Titel. Und falls Sie mich damit necken wollen, dass man in Becker City nicht nach Regeln und unfair kämpft... Nichts kann so unfair sein wie ein Halborianer, der in die Ecke getrieben wurde. Ich werde kämpfen und ich werde töten, um die Person da raus zu holen. Und wenn Sie es wünschen, werde ich auch etwas für die achthunderttausend Menschen in Becker City tun. Tatsächlich suchen wir für die Siedlung auf Formalhaut vier noch händeringend Kolonisten. Formalhaut vier ist erdähnlich und hat kaum Achsneigung."
"Hm", machte Oliver skeptisch, erhob sich und füllte sein Glas bis zum Rand nach. "Wissen Sie überhaupt, auf was Sie sich da einlassen wollen? Becker City ist nicht wie die Piratennester, die Sie ausheben. Oder wie die Außerirdischen-Ghettos auf Ihren Raumstationen. Soll ich Ihnen was über Becker City erzählen?"
"Ich bitte darum."
"Es gibt zwanzig Banden, die das Territorium auf einhundert Etagen und an der Oberfläche unter sich aufgeteilt haben. Diese zwanzig Banden kontrollieren nicht nur ihr Gebiet, sondern auch die Menschen, die dort leben. Leben müssen. Dabei geht es sehr unterschiedlich zu. Bei den Cannibals hat man als Bürger ein gutes Leben, als Kriegsgefangener nicht so sehr. Sie neigen dazu, gefangene Menschen zu schlachten und zu essen. Was, zugegeben, dazu führt, dass es im Gebiet der Cannibals nie zu wenig Fleisch gibt. Unter den Cherokees ist es ebenfalls recht angenehm. Sie achten auf die Territoriumsgrenzen, haben keine Expansionsgelüste, kümmern sich um "ihre" Leute und verteidigen sie. Notfalls bis zum Tod. Dafür produzieren die Cherokee jedoch als einzige Bande Able White, die Droge, die sich zur Zeit am Besten verkauft. Das heißt, sie können es sich leisten, nett zu sein. Schlimmer geht es bei den Scavengers zu. Dort ist man Freiwild, wenn man sich nicht einem Krieger angeschlossen hat, unter dessen Schutz man steht. Fällt der Krieger, sollte man sich schnellstmöglich einen neuen suchen, denn sonst ist man wieder Freiwild. Und mit Freiwild meine ich alle zwischenmenschlichen Belange. Auch Mord, Folter und Vergewaltigung. Es kommt auch nicht selten vor, dass die Krieger gegeneinander um Besitz kämpfen. Der Sieger kriegt alles und die Menschen werden als Siegesbeute zurückverteilt. Nicht selten werden sie auch verkauft. Aber hey, immerhin haben sie ein verdammtes System.
Die schlimmste aller Banden sind die Raver. Sie sind die größte von ganz Becker City, und ich verwette mein Augenlicht darauf, dass Sie ausgerechnet zu denen wollen. Nicht wahr? Wusste ich es doch. Jedenfalls haben die Raver alleine sieben Prozent aller Krieger und dazu fast zwölf Prozent aller Menschen unter ihrer Kontrolle. Der Clan ist reich, mächtig und produziert zwei Drogen in alleiniger Lizenz. Er hat alles: Genug Nahrung, ärztliche Versorgung, Schulbildung, sogar eigene Gesetze und eine eigene Polizei. Das alles wurde in jahrhundertelanger Arbeit von Pat Malloy und seinen Nachfolgern geschaffen. Die Raver waren ein stabiles Gebilde, bis Teodosius Lincoln Malloy herausforderte, ihn tötete und vor allen Menschen in der Arena sein Herz verspeiste. Seitdem nennt man ihn Crazy Teddy. Aber alle wussten, dass er vorher schon nicht mehr alle Korken in der Dichtung hatte. Seither ist eine Neuheit bei den Ravern eingeführt worden: Willkür. Crazy Teddys Willkür. Er mordet, wie er will, wen er will, wann er will. Jeder muss ihm zu Willen sein, egal ob es um eine Anweisung oder Sex geht. Er ist der absolute Alleinherrscher, gestützt von seiner zweihundertköpfigen Leibgarde aus Lunaten und Wahnsinnigen, die sich ebenso verhalten wie ihr Herr und Meister. Und die Plätze dort sind begehrt, heiß begehrt. Deshalb werden sie ihn immer beschützen, solange er ihnen gibt, was immer sie wollen."
"Sie waren ein Raver?", fragte Eoliz unvermittelt.
Oliver lachte rau. "Die Geschichte meines Lebens. Das wird Sie interessieren. Ich habe erzählt, wir hätten ärztliche Versorgung gehabt. Einer dieser Ärzte war ein Lamia, ein durch und durch egoistischer Mann, der vor allem für sein eigenes Vergnügen und die Befriedigung seiner Bedürfnisse arbeitete. Also ein typischer Raver. Eines Tages begann sich Crazy Teddy einzureden, er sei ein halber Lamia, weil seine Mutter nun eine gewesen sein sollte. Der Arzt war so dumm, ihm das Gegenteil zu beweisen. Das ließ Teodosius sich noch gefallen. Er behauptete stattdessen, zum Lamia gemacht worden zu sein, indem ein echter Lamia von seinem Blut getrunken und ihm sein Blut zu trinken gegeben hatte. Der Arzt war so unvorsichtig gewesen, ihn darauf hinzuweisen, dass Vampirismus ein ethnischer Aspekt war, kein virueller. Da platzte Crazy Teddy der Kragen und er warf den Arzt in ein Loch ohne Licht. Ein ganzes Jahr lang sperrte er den Mann fort. Dabei wurde er knapp gehalten. Selten, dass ihm Nahrung zugestanden wurde. Und wenn, dann war es kaum genug, um ihn am Leben zu halten. Immer, wenn er es vor Hunger nicht mehr aushielt, stießen sie ihm einen willkürlich ausgewählten Menschen in sein Verließ... Er fiel sie an, zerbiss ihnen die Hälse und trank ihr Blut. Zu dem Zeitpunkt war er ohnehin schon halb verrückt."
Oliver sah mit einem Blick auf sein Glas, der in unendliche Ferne schaute. "Einmal stießen sie ihm eine junge Frau in die Kammer, die es gewagt hatte, nicht sofort feucht zu werden, als Teodosius sie haben wollte. Ich weiß nicht, was es war, aber in diesem speziellen Fall war er wohl geiler aus hungriger. Jedenfalls verging der gute Doktor sich an ihr, so viel und so oft er konnte. Aber er biss sie nicht und tötete sie nicht. Dieses ungewöhnliche Verhalten erregte Teodosius' Interesse und er ließ die Frau wieder rausholen, um zu schauen, wie das möglich war. Der Doktor tötete bei der Gelegenheit drei der Männer, die geschickt worden waren, in die Grube hinabzusteigen. Daraufhin versiegelte man das Verließ und ließ ihn elendig verhungern.
Die junge Frau aber, die er vergewaltigt hatte, wieder und wieder, für zwei lange Tage, lebte. Zu ihrem eigenen Erstaunen. Und sie war von ihm schwanger." Sein Blick kehrte ins Hier und jetzt zurück. "Sie können sich denken, dass es sich um meine Mutter handelte, von der ich spreche. Und dass ich das Kind war, das der wahnsinnige Doktor Erik von Bach in ihren Bauch gepflanzt hat.
Jedenfalls faszinierte Crazy Teddy dieser Vorgang über alle Maßen und er beschloss, meine Mutter eng bei sich zu behalten. Ich wurde geboren, als Halb-Lamia, und unter seine Fittiche genommen. Ab dem dritten Lebensjahr trennte er mich von meiner Mutter. Ich weiß nicht, was mit ihr geschehen ist, aber ich habe Gerüchte gehört, dass sie von einem anderen Clan aufgenommen wurde. Ich kenne nicht mal ihren Namen, aber sie soll für mein gutes Aussehen verantwortlich sein, nicht unbedingt mein Vater."
Er lachte leise. "Dafür habe ich andere Fähigkeiten von ihm geerbt. Fähigkeiten, an denen Teodosius sehr interessiert war, die er schulte und förderte. Ich sollte sein Soldat werden, sein erster Soldat. Damit das funktionierte, ließ er mich indoktrinieren, mir nie etwas über die Welt erzählen lassen, sondern nur seine kruden Phantasien, wonach er der weise und gerechte König war, dem ich als Ritter zu dienen hatte. Um ihn und unser Volk zu beschützen vor den bösen Mächten da draußen. Und ich wurde der Ritter, den er haben wollte, der ihm bedingungslos diente, weil er es nicht besser wusste. Ich wurde sein bester Ritter. Jener Krieger, den die anderen Banden fürchteten wie keinen Zweiten. Sicher, es gibt Stärkere, Schnellere, Schlauere, Geschicktere. Aber es gibt keinen, der all diese Vorzüge in diesem Maße vereinigt, wie ich es tue."
Oliver schloss die Augen. "Dann wurde ich vierzehn. Und Teodosius schenkte mir eine Frau, damit ich sie vögelte, bis sie nicht mehr sitzen konnte. Es war das erste Mal, dass ich mit jemandem alleine war, der nicht seiner Garde angehörte. Anstatt sie zu bumsen, redete ich den ganzen Abend und die ganze Nacht mit ihr. Sie hat mir so viel erzählt, so viel erklärt. Sie hat mir auch von meiner Mutter erzählt und wie ich... Entstanden bin. Ich war wütend, fassungslos, entsetzt... Und einsam. Die Frau versprach, mir noch mehr zu erzählen, mir darüber hinaus Dinge beizubringen, die mir Teodosius nie zugestanden hatte wie Lesen und Schreiben, was sich für einen Ritter nicht ziemte, wie er sich ausdrückte. Oh, ich war weiterhin sein Ritter und verteidigte unsere Grenzen, aber ich begriff, wie klein Becker City doch war, das ich für das ganze Universum gehalten hatte. Ich begriff, was Austin Town war, und wie klein es im Vergleich mit der Erde war. Und ich verstand, dass selbst die Erde klein war in diesem unendlichen weiten All. Ich besuchte die Frau so oft ich konnte, wurde von ihr unterrichtet, war ein Teil ihrer Familie. Muss ich erwähnen, dass sie auch die erste Frau war, mit der ich schlief?
Dieses Leben ging gut, bis ich sechzehn geworden war. Dann flogen wir auf. Teodosius zeigte sich nicht erfreut darüber, dass sein Werkzeug nun selbst denken konnte. Er stellte mich vor die Wahl, ihm weiterhin zu dienen oder dabei zuzusehen, wie er die Frau und ihre Familie zu Tode folterte."
Eoliz merkte, dass sie aufgehört hatte zu atmen. Sie sog wieder Luft in ihre Lungen. "Was passierte weiterhin?"
"Ich habe einen Film drüber gemacht. Ein Drehbuch geschrieben, es verschiedenen Filmgesellschaften angeboten und eine Zusage gekriegt. Er wurde ein Hit und ich über Nacht ein gefragter Autor. So traf ich auch Gordon. Er spielte damals eine der wichtigeren Nebenrollen. Er hat mich mit einem Mädchen verwechselt und sehr heftig angeflirtet. Ich habe ihm den Schock seines Lebens bereitet, als er herausfand, dass ich keinen Busen hatte. Zum Glück habe ich ihn über mein Geschlecht aufgeklärt, bevor er den Unterschied selbst herausfand. Wir haben herzlich darüber gelacht, den peinlichen Moment überspielt und waren dann zusammen in der Stadt San Angeles unterwegs, um Mädels aufzureißen, wie er das genannt hat. Seitdem sind wir Partner, und ich habe ihm etliche Rollen auf den Leib geschrieben."
"Nein, das meinte ich nicht. Was ist aus der Frau geworden? Ihrer Familie? Sie sind raus aus Becker City, was ich Ihnen nicht verdenken kann. Aber sie, was ist mit ihnen?"
"Na was wohl?" Oliver grinste. "Ich habe fünfzehn Krieger seiner Leibwache getötet und nachdrücklich darauf hingewiesen, dass ich den Tod von Ruth und ihrer Familie gar nicht gut aufnehmen würde. Daraufhin war die Bereitschaft, mich anzugreifen, oder meine Freundin zu töten, geschweige denn ihre Familie, schlagartig auf Null gesunken.
Um sein Gesicht zu wahren, befahl mir Teodosius, in die Verbannung zu gehen, wie er es nannte. Würde ich das nicht tun, würde er jeden Tag, den ich bliebe, eintausend Menschen abschlachten lassen - was sich mit meiner Pseudo-Ehre als Ritter überhaupt nicht vertrug. Außerdem verbot er mir, mich einem anderen Clan anzuschließen. Er wollte mich raus haben aus Austin Town. Und ich sollte nie wiederkehren. Es gab nichts, was ich lieber getan hätte. Ich verließ mit meiner Freundin und ihrer Familie die Stadt und wechselte nach Ragnarök, den Stadtteil, der am Nordteil der Küste liegt. Hier waren Ruth und ihre Familie in Sicherheit. Hier trennte ich mich von ihnen, weil ich Austin Town verlassen wollte, aber sie nicht. Es war in Ordnung so. Sie war zwar nur zwei Jahre älter als ich, aber wir waren in erster Linie Freunde, kein Liebespaar. Ich gönnte ihr nach der Zeit in Becker City ein Leben, das sie als normal bezeichnet hat. Aber ab und an besuche ich sie noch mal. Von Stippvisiten hat Crazy Teddy nämlich nichts gesagt."
Er sah sie über den Rand seines Glases an. "Sie sehen also, ich kann Sie gar nicht nach Becker City bringen, selbst wenn ich es wollte. Es würde jeden Tag eintausend Menschen das Leben kosten."
"Keiner ist so wahnsinnig!", stieß Eoliz hervor.
"Ich gehe dieses Risiko nicht ein. Und es gibt nichts, was Sie mir bieten können, damit ich mein Wort breche. Geld habe ich genug, ich habe eine tolle Karriere und tolle Freunde. Und obwohl ich nur ein halber Lamia bin, erlaubt mir die weitere Familie meines Vaters, ihren Namen zu führen. Was noch könnte mich interessieren? Was wäre es wert zu riskieren, dass Teddy tatsächlich jeden Tag eintausend Menschen tötet?"
Tausend Gedanken gingen Eoliz durch den Kopf. Sie war versucht, das Glas abzustellen, aufzustehen und ihr Kleid zu öffnen, sich ihm anzubieten. Aber würde das funktionieren? Sie dachte an ihr Bankkonto. Würde Geld ausreichen? Womit lockte man einen Mann, der alles hatte? War Sex wirklich kein Weg? Himmel, im Moment war sie eher von ihm angezogen, als dass sie ihn erregte.
"Cameron ist ein liebes Mädchen", sagte sie leise. "Gerade neunzehn geworden. Ein freundliches, wissbegieriges Geschöpf. Sie ist friedfertig, sanften Herzens und von einer Güte erfüllt, die gestandene Soldaten in ihren Schoß fallen und dort weinen lässt. Das habe ich selbst gesehen. Sie ist ein Wesen, das in dieser Welt nicht überleben kann, nicht alleine. Sie ist zu gut für diese Welt, viel zu gut. Für mich ist sie wie eine kleine Schwester. Und jetzt komme ich zurück von einer diplomatischen Mission, mein Captain verschwindet ohne zu sagen, wohin er geht, taucht als zerschundenes, zerschnittenes und teilamputiertes Wrack wieder auf und gibt mir zu verstehen, dass Cameron seit Monaten in der Gewalt der Raver ist. Er hat mich beauftragt, zu schaffen, was ihm nicht gelungen ist. Cameron da rauszuholen, mit allen Mitteln. Und glauben Sie mir, ich meine alle Mittel! Wenn ich dazu mehrere Divisionen Space Marines auf Becker City regnen lassen muss, dann werde ich es tun! Dann werde ich diesen Ort einstampfen und alle, die dort leben, mit dazu!"
Fassungslos sah Oliver sie an. "Es... Es leben Menschen dort! Nicht jeder ist ein Clan-Krieger! Menschen wie Sie und ich! So ein Angriff würde Zehntausende töten, einfach nur weil sie in Becker City leben! Gehen Sie für dieses Mädchen wirklich so verdammt weit?"
"Wenn ich muss", sagte sie mit harter Stimme. "Genauso wie eine gewisse Person, die über ein Dutzend seiner Kameraden getötet hat, als sie seine Freundin töten wollten, nicht? Ich warne Sie, Ouji, ich werde es durchziehen, mit oder ohne Sie. Und sollten meine Lebenszeichen erlöschen, wird das IX. Space Marines-Corps auf die Stadt niederregnen und ein Ende mit Becker City machen! Für Cameron mache ich alles! Alles!"
"Sie wird nicht mehr dieselbe sein. Sie wissen nicht, was ihr angetan wurde! Sie kann traumatisiert sein, vergewaltigt, misshandelt, verstümmelt. Vielleicht lebt sie bereits nicht mehr!"
"Und das sollen Gründe für mich sein, nicht rein zu gehen?" Mit verbitterter Miene sah sie ihn an. "Ich bitte Sie, Ouji! Das hält mich nicht auf! Wir können es sanft machen, nur wir beide, rein und raus mit Cameron, oder ich bringe zehntausend Freunde mit!"
"Es ist nicht fair von Ihnen, mich auf die gleiche Weise zu erpressen wie Teodosius. Es macht Sie nicht gerade besser, Eoliz!"
"Nun, ich gehe da runter, um jemanden zu retten, nicht um Zivilisten zu töten! Wie ich das tue, liet ganz bei Ihnen!"
Seine Wangenknochen mahlten. "Sie sind ein abgewixtes Luder."
"Das fasse ich als Kompliment auf. Ich bin nicht umsonst seit fünfzehn Jahren kämpfende Diplomatin", erwiderte sie mit geschürzten Lippen. "Darüber hinaus biete ich Ihnen an, was immer Sie wollen. Haben Sie Lust, mit mir zu schlafen? Tun Sie es. Es wird mir ein Vergnügen sein. Wie oft? So oft Sie wollen.
Brauchen Sie vielleicht doch ein wenig Geld? Ao Lee hat von mir zweihunderttausend Credits bekommen. Ich bin bereit, Ihnen das Dreifache zu bezahlen. Wenn ich mein Offizierspatent verkaufe, bin ich in der Lage, noch einmal eine halbe Million draufzulegen. Was immer Sie wünschen, ich werde es erbringen."
"Hm." Oliver stellte sein Glas ab und stand auf. "Alles, was ich will? Nun, Sie sind ein verdammt hübsches Mädchen. Sie treffen meinen Geschmack, Eoliz. Vielleicht ist mir Sex mit Ihnen tatsächlich das Leben von eintausend Menschen wert. Aber ich will eine Arbeitsprobe." Er stellte sich vor sie und sah auf sie herab. "Blasen Sie mir einen. Dann entscheide ich mich."
Sie sah auf. Röte fuhr über ihr hübsches Gesicht. Sie stockte, errötete noch mehr und bemerkte, wie ihre Hände zitterten. Dann griff sie nach den Magnetverschlüssen seiner Hose.
Olivers Hand stoppte sie. "Junge, Junge, Sie sind ja wirklich bereit, alles zu tun."
"Was? Gibt's jetzt keinen Sex?"
"Was?"
"Sie halten meine Hand fest, Ouji. Heißt das, kein Sex?"
"Sie irritieren mich", gestand der Halb-Lamia. "Und führen Sie mich nicht in Versuchung. Nicht ein so süßes Ding wie Sie. Ich könnte meine ganze Ritter-Ehre über Bord werfen."
"Ehre hin, Ehre her. Das ist auch nur ein Wort. Wenn es kein Sex ist, was wollen Sie dann von mir?"
"Ein Raumpatent. Dafür bin ich bereit, das Risiko einzugehen, dass Teddy in meinem Namen an einem Tag eintausend Menschen abschlachtet. Ich will in den diplomatischen Dienst. Mit einem fünfjährigen Vertrag. Auf die guten Missionen mit den tollen Geschichten, die ich brauche, um weiter erfolgreich zu schreiben. Und ich will als Midshipman anfangen."
Geringschätzend sah Eoliz ihn an. "Sie sind ein Idiot, Ouji. Ich habe gesagt, ich würde alles für Sie machen, was in meiner Macht steht. Ich biete ihnen ein permanentes Raumpatent an als Leutnant Zweiter Klasse. Auf der Ravenna. Ich persönlich werde Sie in nur einem Jahr so weit ausbilden, dass Sie bereit sind Ihre Prüfung zum Leutnant Erster Klasse zu machen. Das verspreche ich Ihnen hier und jetzt. Haben wir einen Deal?"
"Ich bin Ihr Judas. Wir haben einen Deal."
"Hand drauf." Sie streckte ihre zartgliedrige Rechte hoch zu ihm.
Er ergriff sie mit seinen filigranen Fingern, drückte aber mit einer Kraft zu, die sie ahnen ließ, wieso er Erster Ritter dieses Wahnsinnigen sein sollte.
"Fein. Können wir dann bumsen?"
"Was, bitte?", rief er entgeistert.
"Ehre und so ist ja ganz schön, aber ich bin scharf auf Sie, seit ich gemerkt habe, dass Sie keine Frau sind, Ouji. Ich will Sie! Jetzt und hier! Außerdem passen Sie besser auf mich auf, wenn wir gebumst haben."
"Was sind Sie nur für eine Frau?"
"Ich hoffe, das war bewundernd gemeint. Hat das Zimmer einen Servo? Servo, Tür verschließen. Falls unangemeldeter Besuch rein will."
Oliver wich ein wenig zurück. "N-nicht, dass Sie nicht eine bildhübsche Frau sind, Eoliz. Nicht, dass ich unerfahren wäre, oder so. Und nicht, dass ich Sie nicht erregen finden würde, aber..."
"War es das mit den Ausreden? Können wir denn zur Sache kommen?", schnurrte sie und stand in einer sehr eleganten Bewegung auf. Als sie stand, löste sie die magnetische Bindung des Kleids, das zu ihren Füßen herabfiel.
"Himmel und Hölle, ich bin im Paradies!", stieß Oliver hervor.
Sie trat an ihn heran, fuhr mit beiden Händen über sein Gesicht und zog seinen Kopf zu sich herüber. "Noch nicht, Ouju, aber gleich, versprochen." Mit diesen Worten legte sie ihre Lippen auf die seinen und ließ ihre Zunge in seinem Mund verrückt spielen. Erfreut bemerkte sie seine Erektion. Oh ja, das Paradies war nahe.

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21.05.2013 22:40 Ace Kaiser ist offline E-Mail an Ace Kaiser senden Beiträge von Ace Kaiser suchen Nehmen Sie Ace Kaiser in Ihre Freundesliste auf
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Lieutenant General


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"Was meinst du, wie es da drin läuft, Ao, mein Schatz?", fragte Gordon. Seine Miene war besorgt, während er immer wieder zum Séparée herüber sah, in das sein Compagnon und bester Freund verschwunden war. Dies war nun schon fast eine Stunde her, und sie hätten längst mit einem ja oder einem nein wieder herauskommen müssen.
Die Asiatin lächelte leicht, während sie überlegte, ob sie sich den Luxus leisten konnte, die äußerst angenehme Rechte des berühmten Schauspielers weiterhin auf ihrer Hüfte zu genießen, anstatt sie, wie es der Anstand und die immer größer werdende Menge an Gästen, die sich zum Essen setzten, verlangte, diskret abzustreifen und ihm ein "später" mit "weniger" zu versprechen. Sie entschied sich, dass fünf Minuten mehr nicht schaden konnten, als ohnehin an Schaden angerichtet war.
"Oh, ich denke, es geht gut voran. Ich rechne nicht mehr mit einem nein, Gordon-Schatz. Dazu sind sie schon zu lange da drin." Sie lachte leise und drehte den Stiel ihres Champagnerglases in ihrer rechten Hand, um die perlende Flüssigkeit zu betrachten. "Entweder, sie verhandeln über Details ihres Vertrags. Es ist ja keine einfache Geschichte, nach Becker City zu gehen. Alle Einzelheiten sollten da besser besprochen sein. Wirklich besprochen sein."
"Oder?", fragte Twain, als die junge Frau schwieg, anstatt ihren Gedanken fortzusetzen.
"Oder sie beherzigt meine kleine Suggestion, die ich ihr in Austin Town mit auf den Weg gegeben habe."
Interessiert sah er die Frau an. "Und was ist das für eine Suggestion, o holdes Wesen?"
"Dass sie ihm jetzt gerade das Gehirn rausvögelt, natürlich. Ihr Männer seid über ein wenig Geficke so leicht zu manipulieren." Sie lächelte den Schauspieler an. "Nicht wahr?"
"Ich lasse mich gerne von dir manipulieren, Ao, das weißt du", entgegnete er, ehrlich erschrocken. "Aber es gibt keine Frau, die Ouji auch nur ansatzweise gereicht hätte. An jeder hat er irgendwas auszusetzen. Und beim Sex ist er ein elektrisches Messer. Rein, raus, fertig. Nein, das weiß ich nicht aus eigener Erfahrung. Das habe ich mir erzählen lassen. Von den Damen, die wir besucht haben, wenn er... Druck hatte."
"Oho. Du kümmerst dich sogar um den Samenstau deines Partners? Wie süß ist das denn?"
"Für ihn ist das ein mechanischer Vorgang. Oder er ist immer noch nicht über Ruth hinweg. Etwas in der Art." Twain trank seinen Champagner aus. "Verfluchtes Bolschenwasser. Ich brauche ein Mineralwasser."
Ao hielt seine Rechte fest, als diese von seiner Hüfte zu rutschen drohte. "Warte."
Er hielt inne, sah sie an.
"Sie kommen raus."
"Gehen wir ihnen entgegen." Gordon Scott kniff die Augen zu Schlitzen zusammen. "Und schaffen wir sie in ein Privatbadezimmer, bevor irgendjemand auf die Idee kommt, Fotos von ihnen zu machen. Oder eine Videoaufnahme."
"Keine Sorge, sie trägt noch den Datenscrambler, den ich ihr gegeben habe. Man wird sich auf Augenzeugenberichte verlassen müssen. Aber du hast Recht, es sollte keine Augenzeugen dafür geben." Sie nahm seine Rechte in ihre Linke und zog ihn schnell, aber nicht hastig, hinter sich her zu den beiden, die noch immer vor der Tür des Séparée standen und diskutierten.

"Und ich verstehe nicht, warum du mich weitergefickt hast! Ich hatte einen Orgasmus, da bin ich brrrrrz, und wenn ich brrrrz bin, dann bin ich superempfindlich und spüre alles zehnmal so doll. Ach was, hundertmal!"
"D-du hast doch gesagt, ich soll weitermachen! Und mir mit Schmerzen gedroht, wenn ich es wage, aufzuhören. Rangenommen hast du mich wie einen Zuchtstier! Aber der hätte deinen Appetit nie befriedigen können, Frau Diplomatin!"
"Ja, das habe ich gesagt, aber kann ich nicht trotzdem etwas Rücksicht erwarten? Wenigstens etwas sanfter, wenn ich brrrrrz habe?"
"Aber du hast doch gesagt: Wirbel mich herum und gib's mir von hinten, aber heftig! Ich werde nicht schlau aus dir, Frau Diplomatin!"
Ao und Gordon erreichten die beiden und sahen die Bescherung nun von nahem. Eoliz hatte sich mit mindestens drei ihrer Nägel auf Olivers Gesicht verewigt, und, wenn man dem Blut im weißen Anzughemd vertrauen konnte, mindestens noch auf seiner Brust. Außerdem hatte er eine Bisswunde in der Unterlippe und wer weiß, welche Liebesverletzungen er sonst noch davon getragen hatte.
Eoliz trug ihr Kleid auf eine recht unordentliche Weise, so als hätte sie sich hastig hineingezwängt. Auf ihrem Hals waren gleich drei Kussmarken zu sehen, außerdem war ihr rechtes Ohrläppchen blutverkrustet. Ihr Lippenstift war verschmiert und größtenteils auf Olivers Mund wiederzufinden. Die beiden boten ein Paradebeispiel dafür, wie man sich jede Ausrede nach einem Schäferstündchen definitiv sparen konnte.
Ao ergriff das blonde Mädchen, drehte sie in Richtung Wand und drückte sie an sich. Dann fuhr sie mit beiden Händen, nachdem sie sichergestellt hatte, dass Gordon Oliver beiseite genommen hatte, in die im Kleid eingearbeiteten Körbchen ihrer Schutzbefohlenen und richtete die Einlage. "Deine Nippel blitzen, mein Schatz. Und auch wenn das ein wunderschöner Anblick ist, für den die meisten Männer hier einen Mord begehen würden, musst du auch noch an deinen Beruf denken. Du repräsentierst die Erdallianz, nicht? Außerdem sollten wir was gegen das Unglück in deinem Make-up und die Knutschflecken tun."
"Er hat mir Knutschflecken verpasst? Ollie!"
"Hey, du hast mich halb aufgeschnitten!", konterte der Theateragent. "Im Gesicht, auf dem Rücken, und sitzen kann ich auch nicht mehr!"
"Ich erinnere mich, dass du ganz scharf geworden bist, als ich deinen Hintern mit meinen Nägeln zerkratzt habe."
"Mah, man", sagte Gordon, "Ihr werdet noch genug Zeit und Gelegenheit haben, darüber zu reden, denke ich. Dass Ihr Sex hattet, bedeutet dann wohl, dass Ihr euch einig seid?"
Für einen kurzen Moment blitzte Trotz in Olivers Augen auf. "Ja, wir sind uns einig. Aber auch nur, weil sie mich erpresst hat. Bevor ich allerdings zulasse, dass ein Korps der Space Marines auf die Stadt herabregnet und alles platt macht, gehe ich lieber selbst rein."
"Haben Sie das gesagt, Eoliz? Sie sind ja ein richtig böses Mädchen."
"So", brummte sie. "Ist ja nicht gerade so, als würde Ihr Ouji nicht auf böse Mädchen stehen. Im Gegenteil, je böser, desto schärfer für ihn. Abgesehen davon kriegt er ja auch einen Wunschtraum erfüllt."
Gordon Twain sah den Halb-Lamia mit einer Mischung aus Enttäuschung und Freude an. "Du verlässt mich? Du gehst tatsächlich in den Weltraum? Ich gratuliere, aber..."
"Nur für fünf Jahre", wiegelte Oliver ab. "Und dann komme ich wieder mit ein paar Tonnen Erfahrungen für Skripte und Romane. Falls ich Becker City überlebe."
Gordon unterdrückte ein prustendes Lachen. "Wie dem auch sei. Ao, schnapp dir deine Schutzbefohlene, wir gehen die beiden erstmal wieder zusammenflicken, bevor wir wirklich auffallen. Und danach können wir darüber diskutieren, wie Becker City dich überleben wird, Ouji. Oder Miss von Steinbrecher. Oder euch beide zusammen."
"Wir sollten uns beeilen", sagte Ao und wandte sich um, Eoliz vor sich her schiebend. "Da hinten ist Andrew Nguyen aufgetaucht. Du weißt schon, der mit der antiquierten Spiegelreflexkamera mit Film."
Gordon sah nach hinten. "Tatsächlich. Es wäre nun wirklich nicht schön, würde er euch zwei in dieser prekären Lage fotografieren. Also Abmarsch." Er schob mit diesen Worten den Halb-Lamia vor sich her."
"Hä? Was ist los?", fragte Eoliz erstaunt.
"Du trägst einen Scrambler", klärte Ao die junge Frau auf. "Er verhindert effektiv, dass digitale Aufnahmen von dir und jedem anderen geschossen werden können, der vor oder hinter Dir steht, weil er Interferenzen aussendet, die digitale Aufnahmen sabotieren. Nguyen hingegen fotografiert noch auf die alte Art mit einer nicht-digitalen Kamera, einem belichtbaren Film und einer Dunkelkammer für die Entwicklung, weil die nicht auf einen Scrambler reinfällt."
"Scrambler? Ich dachte, das Ding sagt mir, wenn mir einer was in den Drink schüttet", murrte sie.
"Auch. Aber in erster Linie verhindert er Fotos für die Ewigkeit von dir. Für genau so einen Fall." Ao gab der jungen Frau einen Klaps auf den Po. "Und jetzt Abmarsch, bevor wir morgen alle in der Zeitung stehen."
Ein leises "Yieks" war von Eoliz zu hören, was es ein wenig schwierig machte zu glauben, dass die Frau tatsächlich Diplomatin und Raumsoldatin war. Vor allem nicht in diesem Kleid. Gehorsam setzte sie sich in Bewegung und folgte Twain und Oliver.
***
"Sie haben zehn Minuten", sagte Doktor Winslow zu Ibra Korta, dem Chefwissenschaftler der Ravenna und geleitete ihn in das Krankenzimmer Kapitän Warnows.
"Itchu", sagte die große, mehrarmige Gestalt. Das Wesen, ein Kopffüßler mit acht zwei Meter langen Handlungs-, und Fortbewegungsarmen, auf denen die noch einmal einen Meter durchmessende Körperkugel ruhte, besaß vier stechend grüne Augen, deren Nickhäute sich verschlossen, als ihm etwas einfiel. "Sie können kein Trrt, oder, Doktor?", fragte er in schnarrendem Englisch, das, so wusste der Arzt, auf der Unterseite der Körperkugel aus dem Mund kam. Im Gegensatz zu terranischen Oktopoden besaß dieses Wesen - ein männlicher Trrt vom Planeten Trrt - dort allerdings keinen scharfkantigen Schnabel zur Zerteilung seiner Beute, sondern nur drei sich überschneidende Knorpelwülste, die jedoch kräftig genug waren, einem Menschen die Hand zu amputieren.
"Nein", gestand der Arzt. "Wir haben hier unten auch eher selten mit Außerirdischen zu tun. In unserem Haus schon eher als in anderen Stadtteilen, weil wir oftmals die Notfälle aus Becker City kriegen, aber..." Er zuckte mit den Achseln und fragte sich, ob der Raumfahrer die Geste verstand.
"Ja, so etwas habe ich mir gedacht. Es ist nicht schlimm", sagte der Trrt schnarrend. Es war keine unangenehme Stimme, nur ungewohnt.
Winslow betrachtete den Trrt und fragte sich, ob der Stoffstreifen Raumfahrerkleidung um die Körperkugel wirklich notwendig war, ebenso wie die Kleidungsschläuche, die die Arme zu zwei Dritteln bedeckten. Aber er traute sich nicht zu fragen. Später würde er einfach im Web recherchieren. "Was haben Sie denn gesagt, wenn ich fragen darf?", meinte er neugierig.
"Danke", erklärte das große Wesen. "Itchu heißt danke auf Trrt." Der Riese senkte sich von seiner Maximalhöhe von zweieinhalb Metern herab auf Augenhöhe mit dem Arzt, wozu er die Extremitäten ausfächerte. "Und ich meine danke für alles, was Sie für meinen Kapitän getan haben."
"Keine Ursache. Wir hätten ihn so oder so nach bestem Wissen und Gewissen behandelt, auch ohne die Zuwendungen der Community." Das war die reine Wahrheit, und darauf war Irwan Winslow verdammt stolz. Die Dienstleister im medizinischen Gewerbe mochten auch nur - meistens - Menschen sein mit ihren Vorlieben, Abneigungen, ihren Vorurteilen und ihren kleinlichen Schwächen wie Rassismus und Klassendenken, aber der hyppokratische Eid hatte vor all dem Vorrang. Ein Arzt, der sich aus welchen Gründen auch immer nicht an ihn hielt, hatte die längste Zeit als Arzt gearbeitet. Grund genug für alle Doktoren der Medizin auf der Erde, von sich selbst als besondere Elite zu denken. Zu Recht, sollte man anmerken.
"Yabarrr no hek. Ich bin verpflichtet. Eine übliche Grußformel, eine Antwort auf Ihr "Keine Ursache."
"Ihre Sprache klingt sehr interessant", gestand Winslow. "Ist sie schwer zu lernen?"
"Darüber habe ich noch nie nachgedacht. Wissen Sie, wir reden eigentlich gar nicht."
"Nein?"
"Nein. Wir singen. Meine Spezies hat sowohl Kiemen als auch einen Lungenanschluss an den Mund. Wir spülen Wasser oder Luft durch unsere Lungen, um Sauerstoff daraus abzuziehen. Deshalb leben wir die meiste Zeit unseres Lebens im Wasser und unter Wasser. Ich persönlich mag es, unter Wasser zu schlafen. Bin ich nur an der Luft, droht schnell ein Sauerstoffrausch." Er lachte gackernd, als er das ungläubige Gesicht des Arztes sah. "Gut, der Großteil unserer Technologie ist an Land errichtet, und das aus gutem Grund. Strom und Wasser vertragen sich nicht sehr gut, und wir müssen jene Technik, die wir unter Wasser gebrauchen, erst über Wasser wasserdicht machen. Aber das ist zu kompliziert und führt zu weit. Wenn Sie Interesse haben..." Er hob einen Handlungsarm, an dessem Ende ein Armband saß. "Übertragen."
Automatisch hob Winslow sein eigenes Armband. "Empfangen. Was haben Sie mir geschickt?"
"Einen Fotoband und ein Geschichtsbuch über Trrt und über die Trrt. Wir haben gerne Besuch auf unserer Welt, und Trrt-Uma - Ihr Terraner nennt unsere Sonne Tau Ceti - ist nur knapp zwölf Lichtjahre entfernt. Ein Katzensprung für galaktische Hochtechnologie. Ich habe Ihnen auch ein paar Adressen überspielt. Rufen Sie meine Familie an, wenn Sie ankommen. Sie werden sich gut um Sie kümmern und Ihnen viele interessante Dinge zeigen."
"Ich... Ich bin überwältigt."
"Wie ich schon sagte", schnarrte der Kopffüßler, "wir lieben Gäste. Und wir lieben Terraner. Ihr seid für eure unförmigen, unpraktischen Körper gute Schwimmer. Besonders bewundern wir die Abnoe-Taucher, die sieben Minuten und länger unter Wasser bleiben können, ohne Hilfsmittel zu verwenden."
"Das ist sehr nett von Ihnen, aber ich bin nicht der behandelnde Arzt Ihres Kapitäns. Das ist Doktor Suinov, und..."
"Doktor Winslow. Ich habe Ihnen die Bücher geschickt, weil Sie Interesse an meiner Welt und meiner Spezies haben, nicht weil Sie meinen Kapitän behandeln. Und ich habe sie Ihnen gegeben, weil ich Sie mag. Denken Sie nicht, dass Sie aus Versehen die Belohnung bekommen haben, die dem behandelnden Arzt zugute kommt. Es gibt eine solche Belohnung nicht."
"Tatsächlich dachte ich, dass...", begann er stockend. "Schon gut. Danke. Ich habe verstanden."

Die beiden ungleichen Wesen traten ans Krankenbett heran. Der Trrt war erfahren genug, um die Anzeigen des intelligenten Betts ablesen zu können und zu erfahren, wie es seinem Kapitän ging. Die Amputationen hatten Entzündungen nach sich gezogen, aber mehrere Naniteninjektionen, darauf programmiert, Bakterienherde zu vernichten, deren Umgebung von einer höheren Körpertemperatur umgeben waren, hatten sie bereits in den Griff bekommen. Eine zusätzliche Ansiedlung von Darmmikrobiotika war allerdings notwendig geworden, weil rund dreißig Prozent der Naniten die Darmbakterien dezimiert hatten, anstatt ihre Aufgabe zu erfüllen. Im Zuge dessen hatte die Regeneration der abgetrennten Körperteile beginnen können. Es würde Wochen dauern, bis die Fingerkuppen regeneriert waren und Monate, bis der Fuß, der ihm angeschnitten worden war, nicht nur ausgewachsen, sondern zudem auch belastbar und trainiert war, aber immerhin ging es voran.
Die Schäden an den Synapsen, hervorgerufen durch den Versuch, sein Kurzzeitgedächtnis zu löschen, waren ebenfalls mittlerweile repariert. Auch die blutigen Schnitte auf dem Bauch, der Brust, am Hals, Gesicht und Rücken machten für die ersten acht Stunden der Behandlung enorme Fortschritte. Hier half das legendär gute Heilfreisch der Lamia mit, erkannte der Raumfahrer.
"Kann ich mit ihm sprechen?"
"Er befindet sich in einer Art Koma", sagte der Arzt. "Wir wollten ihn eh in ein Heilkoma versetzen, aber nachdem er mit Frau von Steinbrecher gesprochen hat, fiel er von selbst in diesen Zustand."
"Sanae Somnia. Der Heiltraum. Lamia können diesen willentlich herbeiführen. Er unterstützt den Prozess der Genesung. Allerdings wusste ich nicht, dass Cruiss ihn noch beherrscht. In seiner wilden Zeit als Marine, sicherlich, aber in den letzten Jahrzehnten, in denen er die Rangleiter raufgefallen war, hat er sein Training stark vernachlässigt und ist, hm, weich geworden. Es tut gut zu wissen, dass er nicht sein ganzes Training vergessen hat."
Einer der acht Arme langte nach dem Lamia, zuckte wieder zurück. "Darf ich?"
"Desinfizieren Sie vorher das Ende, Herr Korta."
Gehorsam trat der Trrt an das Desinkfektionsfeld neben der Tür heran und ließ seinen Greifarm sterilisieren. Anschließend glitt er zurück an das Krankenbett und legte den Arm auf die Stirn des Schlafenden. Sie fühlte sich heiß an, aber nicht beunruhigend heiß. Das war ungewöhnlich, aber nicht gefährlich. Zwar waren Lamia-Körper immer ein gutes Grad kühler als die ihrer menschlichen Vettern, aber angesichts der Verletzungen und Knochenbrüche war es eher ein Wunder, dass der Mann nicht bei zweiundvierzig Grad Körpertemperatur glühte.
Zufrieden zog er den Arm wieder zurück. "Den Umständen entsprechend geht es ihm gut. Immerhin." Er wandte seine vier Augen, die ihm eine Rundumsicht von fast dreihundert Grad erlaubten, auf den Mediziner. "Wo ist Eoliz? Ich hätte vermutet, sie würde hier sein."
"Einzelheiten sind mir nicht bekannt, aber ich kann Ihnen ausrichten, sie ist in den Dingen ihres Kapitäns unterwegs", sagte Winslow.
"Gut. Sie ist schon einen Schritt weiter, als ich dachte." Erneut musterte er die Anzeigen. In fünf Tagen, mit etwas Glück, konnte Cruiss aus dem Sanae Somnia erwachen. Dann begann für ihn die lange Zeit des Wiederaufbaus und der Therapie. Aber Cruiss Warnow war ein ungeheuer zähes Exemplar von einem Vampir, wie er als Kriegsgefangener des Jargo-Kollektivs bewiesen hatte. Drei Jahre hatte er als ihr Gefangener überlebt, bevor er vor rund fünfzig Jahren hatte befreit werden können. Damals war er noch schlimmer zugerichtet gewesen als jetzt. Nein, diese paar Kratzer würden diesen Mann nicht umwerfen. Er würde aufstehen, weitermachen, vorangehen, nicht zurückschauen. Blieb nur noch die Frage, warum er sich in einen Stadtteil gewagt hatte, in dem ein Lamia ein noch größeres Freiwild war als an jedem anderen Ort auf dieser Welt. Die einzigen Antworten bot Eoliz an, und die war nicht da. Korrta seufzte. Er würde sich gedulden müssen, bis er Antworten erhielt. Und sie würden ihm nicht gefallen, das war ihm klar.
"Gehen wir wieder", sagte der Wissenschaftler. "Meine zehn Minuten sind um, und hier gibt es nichts mehr zu lernen. Ich werde mit ihm reden, wenn die Sanae Somnia vorbei ist."
Der Arzt nickte zustimmend. Während er den Kopffüßler hinausbegleitete, sagte er: "Hören, Sie, Herr Korta, Ihre Heimatwelt Trrt, wie kann ich mir sie vorstellen? Ein Planet, viermal so groß wie die Erde, mit einer achtzehn Kilometer hohen Wassersäule bedeckt..."
***

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"Bitte sehr, Miss." Michiru bot der Raumfahrerin die Hand zum Einsteigen in den Schwebewagen. Beinahe automatisch ergriff Eoliz die Hand, so als hätte sie ihren Lebtag nicht anders gehandelt. Und dabei zeugte das silbern schimmernde Prothesenmetall an ihrem linken Unterarm vom genauen Gegenteil. Sie war eigentlich eine Kämpferin, eine Diplomatin der vordersten Front, kein Anziehpüppchen und erst recht kein hilfloses blondes Hascherl. Okay, blond war sie jetzt, seit Ao Lee sie überredet hatte, ihre heißgeliebte blaue Neonhaarfarbe auszuwaschen und ihr Goldhaar zu wachstumsbeschleunigen. Und sie nahm so selbstverständlich an, was man ihr vorzeigte. Der Schutz durch Michiru und ihre fünf langbeinigen, hochgewachsenen asiatischen Kolleginnen zum Beispiel, wie hatte sie je ohne die diskreten Frauen, die so unauffällig wie Schatten waren, auskommen können? Tatsächlich, das hatte sie beim Verlassen der Villa erfahren, waren es die Damen gewesen, die zwei, drei unvorteilhafte Bilder, trotz Flimmerschild aufgenommen, zwangsgelöscht hatten. Und sie hatten verhindert, dass ein Hirudo-Hasser, der gerne den netten Plauderer spielte, bis er seine Abneigung zeigen konnte, überhaupt bis zu ihr und Oliver hatte vordringen können.
"Danke, Michiru. Sie und Ihre Mädchen waren mir heute eine große Hilfe."
"Uns", korrigierte Ao Lee. Sie stand noch vor der Limousine und wechselte ein paar letzte Worte mit ihrem Gastgeber Theodor Jakob und Gordon Twain, dem Filmstar. Ouji sah sie nicht. Nicht mehr. Aber in nächster Zeit würde sie ihn noch oft genug sehen, je nachdem wie die Rettungsaktion verlief bis ans Ende ihres Lebens - falls das in allernächster Nähe liegen sollte.
Michiru schmunzelte. "Kein Problem. Das ist unser Job."
Ao Lee lächelte die Leibwächterin an. Sie hielt der jungen Frau ihr Armband hin. "Ist es auch üblich, Andrew Nguyen seine Spiegelreflexkamera mitsamt Speichermedien und Originalfilm für zehntausend Credits abzukaufen, nur um sicherzugehen, dass er unsere liebe Eoliz nicht in kompromittierender Art aufgenommen hat? Rechne es bitte mit meinem Spesenkonto ab."
Die große asiatische Frau wirkte überrumpelt, während zwei der Damen zu kichern wagten. "Das hast du mitgekriegt, Ao? Nein, das musst du mir nicht bezahlen. Das ist alles in Service drin. Außerdem wird Andrew seine Kamera für siebentausend Credits zurückkaufen, sobald wir sicher sind, dass wir alle entsprechenden Fotos eliminiert haben." Sie stockte. "Es... Ist ein Spiel, eine Absprache. Ein Zubrot für ihn, wenn du so willst. Er lässt sich solche Gelegenheiten teuer bezahlen, und dafür betrügt er mich nicht. Immerhin habe ich einen Ruf zu verlieren."
"Die sicherste Bodyguard-Agentur in ganz Asien", bestätigte Ao Lee. "Aber Recht ist mir das nicht. Du sollst nur weil wir Freunde sind keine finanzielle Nachteile erleiden. Ich meine, du musst deine tapferen Mädchen bezahlen. Und das ist nur ein Posten von vielen."
"Deine Rechnung wird schon hoch genug ausfallen. Vierundzwanzig Stunden-Bereitschaftsservice, Nachtzuschlag, weiblicher Bodyguardzuschlag hoch sechs, Meisterstunden, Equipmentabrechnung, Essensspesen, da kommt was zusammen", erwiderte sie.
"Aber dreitausend Credits?"
"Nein", gab sie zögerlich zu. "Aber du bist Stammkundin, wenn du nach Asien kommst, und ich habe mit dir schon sehr gut..."
"Teilen wir uns die dreitausend Credits?", seufzte Ao Lee.
"Okay." Michiru hielt ihr Armband hoch und die beiden besiegelten den Transfer.
"Nun aber los. Sonst verpasst Ihr euren Linienflug zurück nach Austin Town", sagte sie mit einem Grinsen.
Ao Lee nickte und sah noch einmal zurück. "Danke für deine Gastfreundschaft, Theo."
"Oh, ich habe zu danken. Eure Anwesenheit hat diese furchtbar langweilige Party in einem Maße aufgewertet, die ich euch nie zurückgeben kann." Der große Deutschjapaner mit der Halbglatze beugte sich im Fond des Luxusgleiters über die Hand von Eoliz und drückte diesmal seine Lippen in voller Absicht auf die Hand. "Und ich hätte niemals die Ehre und das Vergnügen gehabt, Miss von Steinbrecher persönlich kennenzulernen. Und das wäre ein wahrer Verlust gewesen."
"Sie sind ein unerträglicher Schmeichler, Jakob-san", tadelte Eoliz amüsiert.
"Oh nein, ich schmeichle nie. Fragen Sie Ao, mein Schatz." Er nickte der jungen Frau noch einmal zu, bevor er der Asiatin erneut auf beide Wangen küsste.
Ao Lee gab beide Küsse zurück und drückte ihm noch einen auf den Mund auf. "Es ist immer wieder schön, hier bei dir und deiner besseren Hälfte zu sein, kleiner Bruder. Ich wünschte, ich hätte öfters Zeit dafür."
"Oh, das könntest du haben. Dafür müsstest du halt nur deine Versuche aufgeben, die Welt alleine retten zu wollen", tadelte der Deutschjapaner. Er nickte der Leibwächterin und ihren Leuten zu, tauschte einen Handschlag mit Gordon Scott aus und verließ das Dach. Es war drei Uhr morgens Ortszeit, und die Party war noch immer in vollem Gange. Und sie war bei weitem nicht so langweilig, wie Theodor Jakob sie beschrieben hatte. Aber das war wohl Ansichtssache.
"Gordon, ich kann mich auf euch beide verlassen?", fragte Ao Lee in Richtung des Filmstars.
"Kannst du. Oliver ist bereits Zuhause und packt. Er wird... ", der Schauspieler sah auf sein Multifunktionsarmband, "...um zwölf Uhr Ortszeit in Austin Town eintreffen."
Im Anbetracht des Zeitunterschieds bedeutete dies, dass der junge Halb-Lamia nicht einmal vier Stunden Zeit dafür bekommen würde, um zu schlafen und sich wieder frisch zu machen und nach Austin Town zu fliegen. Für sie selbst sah es nicht viel besser aus, aber Eoliz hatte sich energisch dafür ausgesprochen, so schnell wie es irgend möglich war nach Becker City vorzustoßen. Und nur dank ihrer militärischen Vorbildung war es ihr begreiflich zu machen gewesen, dass man sie und Ouji nicht einfach über der Stadt hatte abwerfen können.
"Danke, Gordon. Wir werden vorbereitet sein." Ao Lee warf der Raumfahrerin einen schiefen Blick zu. "So gut wir können, zumindest."
"Ach, noch etwas", sagte Gordon und beugte sich in den Fond des Wagens. "Oliver möchte, dass du eine eidesstattliche Erklärung aufsetzt, in der du dich verpflichtest, erst dann deine Space Marines über Becker City abzuwerfen, wenn du in der Stadt getötet wurdest."
"Das hat er ernst genommen?"
"Er wirkte nicht, als hätte er auch nur eine Sekunde angenommen, du hättest diese Drohung nicht todernst gemeint, Schatz", sagte der Schauspieler.
"Sehr gut. Es war nämlich weder ein Bluff, noch eine Drohung. Nur eine simple Feststellung."
"Ich verstehe, warum du sie magst, Ao", lachte Gordon. Er schüttelte der Diplomatin die Hand und umarmte die Asiatin und drückte ihr dabei einen kurzen Kuss auf die Lippen. "Kommt gut nach Hause. Und du, Eoliz, sieh zu, dass du überlebst und mir meinen Oliver zurückbringst, ja?"
"Eins und zwei sind nur Optionen", erwiderte sie schroff.
"Sicher, dass du Diplomatin und kein Drillsergeant der Marines bist?", konterte der Filmstar.
"Die Grenzen sind da fließend, Gordon."
"Ich für meinen Teil werde sehen, was ich tun kann, um die beiden da wieder rauszuholen und auch Cameron Warnow.", sagte Ao zuversichtlich. Sie stieg in den Fond des Wagens ein. "Ich hoffe, es reicht."
"Das hoffe ich auch. Vorsicht, Finger." Twain schloss die Tür und trat einen Schritt zurück. Nachdem die Leibwächterinnen den Begleitschweber bestiegen hatten, hob der Luxusgleiter vom Dach des Landsitzes ab, um zum Raumhafen zu fliegen. Gordon Twain sah der Maschine nach, bis er ein ferner Punkt war, der mit dem Dach verschwamm. Auch Eoliz' scharfe, trainierte Augen konnten ihn irgendwann nicht mehr sehen.
"Wir werden sehen, was passiert", sagte sie schroff. Aber innerlich fühlte sie sich unglaublich euphorisch, denn sie sah eine echte Chance dafür, Cameron zu retten. Das war das Wichtigste. Sogar wichtiger als Rache für ihren Kapitän zu nehmen. Viel wichtiger.
***
In Austin Town, genauer gesagt im Stadtteil Callahans Plains, zeigten die regionalen Uhren gerade acht Uhr morgens und siebzehn Minuten an, als die avisierte und von den Journalisten - TV, Print und Newsfeed - offiziell begann. Das Besondere daran war, dass nicht Captain Eugenia Goldstern die Pressekonferenz in Jormungand abhielt - immerhin war ihr Stadtsektor der Schauplatz dieses Verbrechens gewesen- sondern im Munich Quarter vom Captain Krautmann, einem direkten Nachbarn von Becker City, dem schlimmsten Viertel der Stadt. Immerhin, Goldstein saß mit am Tisch. Und die erfahrerenen Reporter wussten daher, was die Stunde geschlagen hatte.
Der große Krautmann räusperte sich und brachte damit die Gespräche der Journalisten und Nachrichtenagenten zum Erliegen. "Ich danke Ihnen allen, dass Sie so kurzfristig erscheinen konnten."
Leises Gemurmel antwortete dem Captain, der gerüchteweise auf einem Schleudersitz direkt zum Posten des Polizeipräfekten saß, wenn er die nächsten drei oder vier Jahre ohne größere Rückschläge überstand. Und das war schwierig, mit dem Drogensumpf und Bandenhort Becker City im Nacken.
"Captain Goldstern und ich..." Er deutete auf die schwarzhaarige Araberin neben sich. "Captain Goldstern und ich haben uns dazu entschlossen, eine gemeinsame Pressekonferenz abzuhalten, die Ereignisse in Jormungand in der letzten Nacht betreffend, vor allem weil es sich auch um einer Revierübergreifende Aktion gehandelt hat. Bitte, Herrschaften, Captain Goldstern wird Sie nun mit den Fakten vertraut machen. Eugenia?"
"Danke, Herbert. Fakt ist, dass First Sergeant Patterson Ibana, Heimatrevier hier in Munich, und seine Frau Ruth, Doktor der Soziologie, in ihrem Haus von vier Mitgliedern der Gang "Cannibals" überfallen wurden. Das Ergebnis will ich Ihnen nicht vorenthalten. First Sergeant Ibana wurde ein Fuß am Unterschenkel abgebissen und die linke Schulter durchgebissen. Seine Frau blieb unverletzt, steht aber unter Schock."
Niemand brauchte heutzutage noch wirklich ein Blitzlicht, um ein Foto zu machen, aber es war Tradition, und je mehr Blitzlichter aufleuchteten, umso bedeutender war ein Moment. Das Blitzlichtgewitter, in dem gerade Captain Herbert Krautmann und Captain Eugenia Goldstern gebadet wurden, wäre der Bekanntgabe des neuesten englischen Thronfolgers würdig gewesen.
Hände reckten sich hoch und besonders Ungeduldige riefen Fragen in den Raum, die von Hauscomputer aufgezeichnet, aufbereitet und den beiden Polizeioffizieren auf die Tischterminals gelegt wurden.
"Ruhe. Ruhe, bitte", sagte Krautmann ernst.
"Bitte, Eugenia."
"Danke. Die guten Nachrichten zuerst: Beide sind außer Lebensgefahr und sowohl die vier Cannibals als auch die sechs Scavenger, die sie aus Becker City rausgeschleust und nach Jormungand gebracht haben, sind in Gewahrsam. Zu ihnen ein paar Fakten. Die Scavenger sind unverletzt. Sie wurden vorerst wegen Beihilfe zum versuchten Mord inhaftiert, ebenso wegen Transports und Anwendung von Kriegsgerät. Die Cannibals liegen alle auf Intensivstation. Ihr Anführer Ska, oder bürgerlich Richard Antony Wolks der Dritte, musste wiederbelebt werden. Er erlitt eine Lungenembolie, einen Leberriss, eine Gehirnerschütterung, diverse Schädel-, und Knochenbrüche sowie einen Riss im Dickdarm. All dies ist im Griff, allerdings musste er nach drei Minuten ohne Atemfähigkeit wiederbelebt werden, sodass bleibende Schäden am Gehirn nicht ausgeschlossen werden.
Der zweite Cannibal, Sirion mit Namen, oder bürgerlich Nguyen Vanh Mi, hat ein schweres Schädelhirntrauma erlitten, dazu multiple Schädelknochenbrüche inklusive eines Schädelbasisbruchs. Im Zuge dessen kam es zu einer Bakterieninfektion in der Großhirnrinde, die derzeit bekämpft wird. Einher geht eine sehr schwere Gehirnerschütterung. Da er komatös ist und nicht geweckt werden kann, gehen wir auch bei ihm von schweren und schwersten Hirnverletzungen aus.
Cannibal Nummer drei, Bogie genannt, bürgerlich Bogus White, hat ähnliche Schädelverletzungen wie Nguyen erlitten, zusätzlich aber noch diverse Rippenbrüche und einen Milzriss, um die wichtigsten körperlichen Schäden zu nennen.
Kommen wir zum Täter Nummer vier, der nur unter dem Namen Tier bekannt ist. Genetische Analysen bestätigten bisher nur eine entfernte Verwandtschaft zu mehr als achtzehn Familien, die in Becker City bekannt sind; wir müssen daher davon ausgehen, dass dieser Tier eine gentechnisch verbesserte Retorten-, und Invitro-Züchtung ist."
An dieser Stelle hielten die Reporter nicht mehr an sich. Sie riefen, ja, sie schrien ihre Fragen in den Raum, denn der Albtraum von genmodifizierten Kampfsoldaten war noch viel zu wach im Bewusstsein der Menschheit.
"Ich bitte um Ruhe!", donnerte Krautmann. Und bei seiner Stimme gab es keine Widerworte. Zufrieden nickte er seiner Kollegin zu.
"Danke, Herbert. Die körperlichen Schäden, die Tier erlitten hat, sind vielfältig. Multiple Rippenbrüche, ein oberer und ein unterer Kieferbruch, mehrere Schädelbrüche, er hat ein Auge verloren und die Nase wurde ihm in den Schädelknochen gerammt. Zudem haben wir es wieder mit einem Schädeltrauma zu tun sowie einem geplatzten Dickdarm und Milzriss. Eine der Rippen hat sich überdies in seine rechte Lunge gebohrt. Soviel also zum Ergebnis. Captain Krautmann wird Sie nun darüber informieren, wie es dazu kommen konnte."
"Nun, Eugenia, wir können eines mit absoluter Sicherheit ausschließen: Dass die Cannibals nach Jormungand teleportiert sind."
Vereinzelt erfüllte Gelächter den Saal und der Captain fügte ein schwerfälliges Grinsen hinzu.
"Was wir aber definitiv ausschließen können, ist, dass die Cannibals Becker City über Munich verlassen haben. Da wir in der letzten Nacht einen Lamia aus Becker City evakuiert haben, waren die Grenzen dicht und besonders überwacht. Wir nehmen bisher an, dass sowohl die Cannibals als auch die Scavenger über die Cooper Flats gekommen sind, ohne die Pyramiden zu betreten, da die Aufzeichnungen der internen Sicherheit von keinem der vier Cannibals erfasst worden sind. Und ehrlich gesagt, mit einem bedauernswerten Gen-Experiment wie Tier wären sie garantiert aufgefallen, hätten sie sich in die Öffentlichkeit gewagt. Dies war auch der Grund dafür, dass wir First Sergeant Ibana eine Kampfdrohne aus Polizeibestand zugewiesen haben, die maßgeblich zur Klärung der Situation beigetragen hat.
Wir können nun mit einiger Sicherheit sagen, dass der Lieferwagen das erste Mal an der Grenze zu Niflheim auf den Überwachungskameras aufgetaucht ist, mit dem Scavengers und Cannibals ihre Attacke fuhren. An Bord waren neben den Gangmitgliedern noch eine Hochenergiewaffe, die in Jormungand abgefeuert wurde und siebzehn Verletzte forderte, zudem Schäden an diversen Privatgebäuden sowie der Stadtbibliothek, die die Ostwand eingebüßt hat. Ihr Ziel war es, die abgestellte Kampfdrohne zu vernichten. Das haben sie auch getan. Sie bliesen ihr den Kopf weg."
"Aber Sie haben doch gesagt, die Drohne hätte entscheidend...", rief einer der Reporter.
"Eins nach dem anderen, bitte. Jedenfalls, um in der Chronologie zu bleiben, alarmierte etwa zwei Minuten vor dem Beschuss Patrol Man Second Class Julius Munroe die Zentrale und gab das Kennwort für Officer in Gefahr durch. Daraufhin wurde Jormungand Police alarmiert. Die Beamten machten sich sofort auf den Weg zum Appartement der Familie Ibana. Munroe, Ibanas Partner, fuhr selbst herüber. Dies wurde ermöglicht durch eine Straßenverkehrsüberordnung seines Motorrads. Und natürlich, weil er eine Hon-Dai XF 37 Turbo fährt, die auf der Jefferson Street Spitze vierhunderteinunddreißig Km/H bei Windstille erreicht."
Zustimmendes Gemurmel der Experten im Publikum klang auf. Sicher. Wenn es windstill war. Wenn der Fahrer Mut, Erfahrung und Geschick hatte. Wenn es nicht bergan ging.
"Jedenfalls schossen die Scavenger auf das Privathaus der Familie Ibana und köpften damit die Drohne, verletzten weitere Passanten und Anwohner, zerstörten Wohnungswände und schließlich die Bibliothek. Das kommt davon, wenn man die Frontwaffe eines Jägers auf etwas abfeuert, das weder aus Stahl, noch mit einem Schutzschirm gerüstet ist. Wir arbeiten im Übrigen daran, woher die Scavengers das Ding haben. Immerhin handelt es sich um militärisches Equipment. Erste Erkenntnisse aber besagen, es handelt sich nicht um terranisches militärisches Equipment."
Auch diese Information ließ die Reporter durcheinander reden. Es bedeutete nicht mehr und nicht weniger, dass Kriegswaffen fremder Nationen auf die Erde geschmuggelt wurden.
"Nachdem die Drohne enthauptet wurde, fuhr sie runter. Da das Basis-Modell ein militärisches ist, wird sie denzentral gesteuert. In dieser Zeit griffen die Cannibals an, Rissen Ruth Ibana die Kleidung vom Leib und versuchten mitmaßlich, sie zu vergewaltigen und verletzten Patterson Ibana schwer an der Schulter und am linken Bein, indem vermutlich Tier ihm Fuß und Unterschenkel abbiss. Vielleicht haben Sie jetzt eine ungefähre Vorstellung davon, wer, oder vielmehr was dieser Tier ist, wenn er einen Fuß samt Unterschenkel in den Mund kriegt. Oder besser ins Maul.
Bevor Schlimmeres passieren konnte, rebootete die Drohne und griff an. Wolks wurde von ihr an die nächste Wand geschleudert, was die bereits genannten inneren Verletzungen verursachte. Nguyen und White schleuderte die Drohne an die Decke. Bei Nguyen riss die Jacke, sodass er nicht nur gegen die Decke schlug, sondern durch sie hindurch brach, was zusätzliche Verletzungen verursachte. Wie wir aus den Aufzeichnungen der Notoptik der Drohne wissen, gab es an dieser Stelle ein Patt, weil der halb bewusstlose Wolks Tier befahl, Patterson Ibana totzubeißen, falls die Drohne nicht herunterfuhr. In diesem Moment traf Patrolman Second Class Julius Munroe ein. Er durchbrach spektakulär mit seinem Motorrad die Glasfront und rammte Tier. Maschine und der Cannibal wurden durch die hintere Wand gedrückt und kamen auf dem Rasen des Vorgartens zu liegen. Munroe selbst wurde von der Maschine geschleudert, blieb aber wegen der intelligenten Rüstung seiner Jacke unverletzt.
Der Rest ist Geschichte. Die eintreffende Jormungand Police setzte der Sache schnell und nachhaltig einen Schlussstrich, kassierte die Scavengers und sicherte das Gebäude, sodass die Sanitäter zuerst die Ibanas, und anschließend die Cannibals sowie den bei einem Schusswechsel verletzten Scavenger behandeln konnte. Dies sind im Großen und Ganzen die Ereignisse der letzten Nacht. Patrolman Munroe und die Drohne wurden wegen Tapferkeit zur Auszeichnung vorgeschlagen, wie ich an dieser Stelle noch erwähnen möchte. Noch Fragen?"
"Sir?" Eine alte Frau erhob sich, die gewiss schon an die zweihundert Jahre gesehen haben musste. Oder sie gehörte einer außerirdischen Rasse an, die man auf der Erde noch nicht kannte. Allerdings war es Jelena Kostova von der Austin Times, die dienstälteste und erfahrenste Reporterin der ganzen Ostküste. Zu ihrem Credo hatte es gehört, niemals eine Schönheitsbehandlung mitzumachen. Obwohl es ihr viele Kollegen und Leser liebend gerne bezahlt hätten, wenn man an die Schönheit dachte, die sie noch mit einhundertzwanzig gewesen war.
"Austin Times. Mrs. Kostova, bitte."
"Was ist mit dem Lamia, den Sie erwähnt haben, Herbert? War er der Auslöser für diese Aktion?"
"Davon gehen wir mittlerweile aus. Es war First Sergeant Patterson Ibana, der zusammen mit Patrolman Second Class Munroe besagten Lamia aus Becker City gerettet hat, nachdem er einen anonymen Hinweis erhalten hat."
"Kennen Sie die Identität des Lamia?"
"Ja, wir kennen die Identität des Lamia."
"Und sagen Sie uns auch seinen Namen?"
Krautmann grinste schief. "Nein, Jelena, wir sagen Ihnen nicht seinen Namen. Wir sagen nur soviel, dass er im Gebiet der Cannibals aufgelesen wurde, und dass die Cannibals deshalb glaubten, sich rächen zu müssen. Wir haben das nicht erwartet, waren aber leidlich drauf vorbereitet gewesen. Nur soviel: Beim Lamia, der übrigens schwer verletzt ist, handelt es sich um einen terranischen Diplomaten."
"Handelt es sich bei diesem Diplomaten zufällig um den wertgeschätzten, galaxisweit anerkannten und als Kriegsheld anerkannten Cruiss Warnow, Kommandant des diplomatischen Schiffs Ravenna?"
Diese Information ließ beinahe tumultähnliche Zustände ausbrechen. Lamia hin, Lamia her, der Kapitän eines diplomatischen Schiffs war eine feste Größe. Eine beachtliche feste Größe.
"Dazu kann ich Ihnen nichts sagen. Der Lamia, der von Ibana und Munroe gerettet wurde, und dessen Rettung mutmaßlich zur Beinahetragödie führte, ist keines Verbrechens schuldig oder steht im Verdacht, eines begangen zu haben. Auch war er privat in Becker City, sodass die Offenlegung seiner Identität ein Eingriff in seine Privatsphäre wäre. Spekulieren Sie ruhig, Ma'am. Ich werde es weder bestätigen, noch dementieren."
"Das können Sie doch nicht machen!", rief ein anderer Reporter.
"Sie müssen uns informieren!"
"Wie steht die Community dazu?"
"Wird es eine Reaktion darauf seitens der Stadt geben?"
"Ich bewege mich im Einklang mit den Gesetzen. Was die Stadt von der Geschichte hält, müssen Sie den Oberbürgermeister schon selbst fragen. Wenn keine weiteren Fragen zur Sache sind, schließen wir hiermit die Pressekonferenz."
"Hier, Captain Krautmann!"
"Captain Goldstern, was sagen Sie..."
"Wie konnte es dazu kommen, dass..."
Krautmann räusperte sich erneut. "Danke für Ihre Aufmerksamkeit. Er und seine Kollegin erhoben sich und verließen den Raum.
Hinter ihnen brodelte der Saal. Die Reporter riefen durcheinander, einige fragten geschätzte Kollegen um ihre Meinungen. Und ein nicht unerheblicher Teil stürzte sich auf die dienstälteste Kollegin. Die aber sagte nichts. Sie lächelte nur und verließ ebenfalls den Saal. Nach einhundertfünfzig Jahren im Business war sie die Letzte, die sich selbst den journalistischen Scoop versauen würde. Alle anderen konnten ja die Times lesen.

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Neues Kapitel bei Hirudo.
Da Sex drin vorkommt, wieder kein Post hier, sondern ein Link auf FF.de, wo Ihr nachweisen müsst, dass Ihr alt genug seid. XDD

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