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Zum Ende der Seite springen Chevaliers Season V
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Thorsten Kerensky
Colonel


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Wayside V, Dantonville
Manövergelände der Dantons Chevaliers
30. Januar 3067, 10:50 Uhr

Jara kauerte im Schatten einer halbhohen Mauer und presste sich ein Tuch vor das Gesicht. Der Rauch war fürchterlich und trieb ihr die Tränen in die Augen. Auch die übrigen Soldaten ihrer Kompanie hatten erhebliche Probleme, und mussten ihr Husten unterdrücken. Ihnen allen fehlten die Luftfiltersysteme ihrer Battlemechs.
Dann war Corporal Eliden Kush zurück und flüchtete sich in den kärglichen Schutz, den das Mauerwerk bot. Seine abgeschlossene Infanterieausbildung war nun sein Vorteil.
„Bericht!“, forderte Jara ihn auf.
„Zwohundert Meter von hier befinden sich drei Gebäude. Eines davon brennt und ist teilweise eingestürzt. Teile der Ersten halten dort eine Stellung, sind aber zu wenige, um die verschütteten Kameraden aus dem Haus zu retten. Die Dritte liegt etwa dreihundert Meter östlich, und sichert die Anhöhe.“
„Wie viele Kameraden sind in dem Haus eingeschlossen?“
„Eine Lanze ist reingegangen, ein Soldat konnte sich aus eigener Kraft retten. Die anderen drei sind noch in dem Gebäude. Zu mindestens zweien besteht noch Sprechkontakt, aber sie werden schwächer.“
Jara nickte grimmig. „Alles klar. Wie gehen wir folgt vor: Panther und Fanatic, ihr geht mit euren Leuten rein. Legt vorher Atemschutz an. Ich gehe mit meiner Lanze vor, schließe zur Ersten auf und versuche dann, den Dorfplatz zu nehmen und zu sichern, um euch den Zugang zum Gebäude freizuhalten. Sobald ihr drinnen seid, fordere ich MedEvac an. Wir lassen niemanden zurück. Passt auf euch auf!“
Die beiden Lanzenführer und die übrigen neun Mechkrieger bestätigten und die Bergeteams begannen, ihre Atemschutzausrüstung anzulegen. Sie brauchten lange dafür, länger als gut war, aber hier standen sie einfach vor Aufgaben, die sie so nur selten geübt hatten.
Jara griff nach ihrem Sturmgewehr und überprüfte den Sitz ihres Helmes und der Schutzweste, ehe sie sich an ihre Lanze wandte: „Munitionscheck.“
„Ein volles Magazin, fünf Patronen im zweiten. Fünfunddreißig insgesamt“, meldete Kush.
„Eins, zwo, zwounddreißig“, kam es von Yamada.
„Null, fünfundzwanzig, fünfundzwanzig“, von Dünkirch.
Jara, die selber auch nicht mehr Patronen über hatte, griff Kotare und Sharpe an den Schultern: „Jeder Soldat behält fünfzehn Patronen. Der Rest geht an uns. Schnell!“
Munition wurde weitergereicht und einen kurzen Moment später hatte wenigstens Jaras Trupp genug, um einen Angriffsversuch zu wagen. Die acht Chevaliers der Bergetrupps würden ihre Waffen sowieso nicht brauchen.
„Okay“, wies sie ihren Trupp an, „los geht’s. Auf drei flitzen wir zur Stellung der Ersten am Apfelbaum. Haltet die Köpfe unten und wenn’s knallt, schmeißen wir uns hin und legen den Rest der Strecke am Boden zurück. Verstanden?“
„Jawohl“, bestätigten ihre Soldaten unisono.
Na dann, dachte Jara. Jetzt oder nie. „Hoffen wir, dass die Erste uns Feuerschutz gibt. Fertig machen zum Sprung!“ Sie zählte stumm bis drei, dann klopfte sie sich auf ihren Helm und sagte laut: „Sprung auf! Marsch, marsch!“
Sie wusste, dass Kush, Yamada und Dünkirch gemeinsam mit ihr aufsprangen und über die Mauer flankten, um anschließend geduckt vorzustürmen. Sie wusste auch, dass die meisten Mechkrieger mehr als nur unwohl und unglücklich in ihrer neuen Rolle als Infanteristen waren. Sie aber liebte den Kick, den Nervenkitzel.
Ich kämpfe dort, wo ich hingestellt werde. Das waren ihre Worte, vielleicht mittlerweile so etwas wie ihr Mantra, ihr Slogan, ihr Claim. Vor allem aber würde sie kämpfen.
Gewehrfeuer knatterte los, als sie über offenes Gelände stürmten und sofort ließ sie sich der Länge nach auf den Bauch fallen, während ihre Kameraden links und rechts neben ihr im Dreck landeten. Sie hörte nun auch Waffen in ihrer Nähe aufbellen. Das musste die erste Kompanie sein, die ihrem Vormarsch Deckungsfeuer gab.
Das Gleiten über den Boden war weitaus kräftezehrender, als der Begriff vermuten ließ, aber ihr hartes körperliches Training zahlte sich nun aus und als sie die verbliebenen hundert Meter bis zur Stellung der Ersten überwunden hatte, war sie zwar am Schwitzen, aber noch lange nicht am Ende ihrer Kräfte.
„Major Fokker, wie schön, dass sie uns besuchen“, begrüßte Captain Dualla Hildebrand sie zwischen zwei Gewehrsalven. „Was für ein großartiger Tag für einen Ausflug ins Grüne, oder?“
„Etwas viel Rauch für meinen Geschmack“, entgegnete Jara, während sie sich mit dem Rücken zu der improvisierten Trümmerwand setzte, die der Kompanieführung der Ersten als Deckung diente. „Ist das ihr Grill, Captain?“
„Beste Holzkohle. Importware, weil es auf diesem vermaledeiten Dreckball keine Bäume gibt.“
„Wie ist die Lage?“, wurde Jara ernst.
„Beschissen, Ma’am. Steinbergers Lanze ist verschüttet und wir haben nicht genug Feuerkraft, um eine Bergung durchzuführen. Wir können uns hier bloß halten, weil Hellmanns Jungs vom Hügel mit dem schweren Maschinengewehr wirken können.“
„Haben Sie Funkkontakt zur Dritten?“
„Aye. Die haben es sich dort gemütlich gemacht, während wir hier fast überrannt werden. Aber langsam geht ihnen die Munition aus.“
„Sagen Sie ihm, er soll nochmal nachladen. Fanatic und Panther gehen Ihre Jungs retten, sobald wir den Eingang erobert haben. Das heißt, wir müssen den Dorfplatz stürmen, nehmen und halten.“
„Wir sind nur dreizehn Soldaten, drei davon verwundet“, merkte die Kompanieführerin an. „Und die haben ein MG-Nest etwa hundertfünfzig Meter vor uns, dass Hellmann nicht im Schussfeld hat.“
„Das müssen wir zuerst ausschalten. Die Verwundeten bleiben hier und geben Deckungsfeuer. Hellmann soll auf mein Kommando hin die feindlichen Stellungen mit allem eindecken, was er hat. Wir kümmern uns um das MG-Nest und dann um die übrigen Gegner. Habt ihr noch Granaten?“
„Fünf.“
„Wir haben auch noch drei. Die verteilen wir auf acht Leute und einer wird schon treffen.“
„Das ist Wahnsinn!“, protestierte Hildebrand.“
„Haben Sie eine bessere Idee, unsere Leute bergen zu können?“
Als die andere Offizierin schwieg, stahl sich ein raubtierhaftes Grinsen auf Jaras Gesicht. „Na dann los. Der MedEvac kommt in zehn, bis dahin sollten wir hier aufgeräumt haben!“

Fünfzehn Minuten später stand Jara im Schatten eines der Häuser auf dem Übungsgelände und nahm einen gierigen Schluck aus einer Wasserflasche, die ihr gereicht worden war. Helm, Sturmgewehr, Schutzweste, Koppel und Uniformhemd hatte sie abgelegt und trug nun lediglich Kampfstiefel, Gefechtshose und ein enganliegendes Top, während sie mit McAllister, Brennstein, Hildebrand und Hellmann die Übung auswertete. Sie wusste, dass ihr Outfit die Rundungen an Hüfte, Po und Brust betonte und sie, bedeckt mit Ruß, Dreck, Schweiß und Blut, direkt aus einem Infanterie-PinUp-Kalender hätte entstiegen sein können, aber sie wusste auch, dass es den Chevaliers längst völlig einerlei war. Sie trainierten, lebten, duschten, aßen, lernten und kämpften tagein und tagaus mit Männern und Frauen jeglicher Statur und hatten einen sehr pragmatischen Umgang mit Körperlichkeit entwickelt.
Anders aber schien es den beiden neugierigen Männern in Zivilkleidung zu ergehen, die etwas abseits standen und eine Kamera auf die Gruppe der Offiziere ausgerichtet hatten. Ein Team des regionalen Nachrichtensenders im klassischen Aufbau: Ein Reporter mit Mikrofon und ein Kameramann. Sie waren hier, um den jüngsten Zuwachs der Adligen des Planeten zu interviewen und sichtlich irritiert, dass sie nicht im Kimono am Rande des Übungsgeländes saß und Tee trank, während ihre Soldaten trainierten.
Es war zwar das einunddreißigste Jahrhundert, aber im Kombinat waren Frauen immer noch… wie hatte Danton es ausgedrückt? … sehr konservativ eingeschätzt. Es hatte sie von daher auch nicht gewundert, dass man ihr zur Einführung in ihre neuen Würden nicht die traditionellen japanischen Schwerter geschenkt hatte, sondern einen verdammten Bambusfächer. Sie hatte dankbar gelächelt, aber innerlich hatte sie getobt – ein Gefühl, dass sich erst wieder gelegt hatte, als sie nach der Feier in ihrem Büro das schwere Bowiemesser in die Hand genommen hatte. Sollten die feinen Herren doch ihre Kinderschwerter behalten. Sie hatte ihre eigene Klinge.
Ihr war bewusst, dass sie in den Augen der meisten Dracs immer die Gaijin bleiben würde, noch dazu mit dem Makel behaftet, als Frau geboren worden zu sein. Klar, Hohiro Kurita persönlich hatte ein Auge auf sie, aber für die meisten Adligen war und blieb sie eine gute Heiratspartie und nicht mehr.
Jara hatte sich dazu entschieden, nicht gegen dieses Stigma anzukämpfen, sondern es zu ihrem Vorteil zu nutzen. Es mochte für sie unmöglich sein, die Anerkennung des alten Adels zu gewinnen, aber sie hatte genug jugendliche Rebellion und gesundes Selbstvertrauen in sich, um das nicht als Niederlage zu sehen. In der Rolle der kämpfenden, rebellischen und attraktiven Soldatin konnte sie die Herzen der jungen Menschen erreichen und, dank der radikalen Ansiedlungspolitik des Herzogs, gab es davon auf Wayside sowieso einen satten Überschuss. Zwar bestand die Verwaltung zu 95% aus alten Männern, aber die Gesellschaft war eine Gesellschaft der Jugend. Und dort, das wusste sie, war sie mehr als nur populär, dort war sie ein Idol.
Kurze Zeit später stand sie im gleichen Outfit, und ohne sich vorher gewaschen zu haben, vor der Kamera der sichtlich mit der unvertrauten Situation unzufriedenen Journalisten.
„Bei uns ist nun die junge Adlige Major Jara Fokker-Danton der Dantons Chevaliers, die gerade eine infanteristische Übung mit ihrer Einheit absolviert hat. Major Fokker-Danton, können Sie uns etwas zu dem Manöver erzählen?“
„Gerne“, lächelte Jara. „Wir haben gerade die Mechkrieger aus ihrer Komfortzone geholt und einen Gefechtseinsatz unter widrigen Bedingungen geübt. Inhalte der Übung waren Erkundung, Sicherung, Gefecht und Gefechtsfeldrettung. Die Mechkrieger unterstanden dabei meinem Befehl und unsere Übungsgegner waren drei Züge unserer Infanterie unter dem Kommando von Captain van der Roose.“
„Dürfen wir davon ausgehen, dass Sie während der Übung Ihre Soldaten so inspiriert haben, dass Sie einen großartigen Sieg erringen konnten?“
„Das können Sie gerne tun“, lachte die Söldnerin, „die Wahrheit ist aber, dass wir eine gehörige Abreibung verpasst bekommen haben. Wir sind wie die Anfänger in die Falle gelaufen.“
„Wie bewerten Sie dieses Ergebnis?“
„Oh, das ist ganz wunderbar: Es zeigt, dass wir alle noch an uns arbeiten können. Vor allem aber zeigt es auch, dass unsere Infanterie ihr Handwerk versteht. Hätten wir Mechkrieger diese Übung gewonnen, wäre ich wirklich erschüttert gewesen.“
„Mechkrieger gelten als die Elite einer jeden Truppe. Stört es Sie wirklich nicht, wenn diese Elite im Manöver geschlagen wird?“
Jara verkniff es sich, das Gesicht über die dämliche Frage zu verziehen. „Der Ruf der Mechkrieger ist besser als ihre Leistungen in den meisten Einheiten“, erklärte sie stattdessen. „Wir setzen in unserem Regiment auf das Zusammenspiel der verschiedenen Waffengattungen. Wir haben mehr als einmal ein Gefecht gewonnen, weil im richtigen Moment Luftunterstützung kam. Oder weil unsere Pioniere das Gelände gut vorbereitet hatten. Oder weil unsere Infanterie wichtige und nur schwer zugängliche Positionen sichern konnte. Oder weil unsere Panzer ihre Feuerkraft an der richtigen Stelle hatten.“
Sie lächelte leicht: „Die große Kunst ist es, diese sehr verschiedenen Truppenteile zu koordinieren und die Stärken und Schwächen so gut zu kennen, dass für jede Situation die richtigen Kräfte bereitstehen.“
Der Kameramann wandte sich nun wieder dem Reporter zu, der mit künstlich heiterer Stimme in sein Mikrofon sprach: „Liebe Zuschauer, Sie haben die Worte unserer jungen Adligen gehört. Wir werden Jara Fokker-Danton natürlich noch weiter durch ihre Woche begleiten, aber vielleicht beantwortet sie uns schon jetzt die Frage, die uns alle am meisten beschäftigt.“
Fragend wandte er seinen Blick an Jara und der Kameramann folgte ihm, um nun das Gesicht der Söldner-Offizierin einzufangen.
„Ja, gerne“, lächelte sie mit großer Selbstüberwindung in die Kamera.
„Als begehrteste Junggesellin des Planeten: Was müssen Ihre Verehrer tun, um eine Chance zu haben, erhört zu werden?“
Jara seufzte innerlich, erkannte aber im gleichen Moment die großartige Chance, Wayside auf den Kopf zu stellen. Zwar war der Planet für eine Kombinats-Welt relativ liberal, aber dennoch bot sich ihr hier die Chance, der Klatschpresse Gesprächsstoff für die nächsten zwei Jahre zu bieten.
Andererseits, und auch das war ihr klar, hing nicht nur ihr Ruf, sondern auch der Ruf ihrer Einheit von ihrer Antwort ab.
Tja, dachte sie, was wünschte man sich, wenn man ein eigenes Söldnerregiment hatte, sich der eigene Ruf durch die gesamte Innere Sphäre – und vermutlich auch den Clan-Raum – verbreitete, man gerade geadelt worden war und Hohiro Kurita seine schützende Hand über einen hielt?
„Ich schätze Menschen, die sich nicht verstellen und ehrlich sind“, antwortete sie schließlich lächelnd. Dann fügte sie hinzu: „Und die mir etwas bieten können, was sonst niemand kann.“

„Etwas, das sonst niemand kann“, grinste Copeland. „Germaine hat mich schon angerufen und seine Befürchtung geäußert, dass eine Menge junger Männer in den nächsten Wochen bei den absurdesten Mutproben verletzt werden.“
Jara zuckte mit den Schultern: „Na und? Dann wissen wir schon mal, wen wir bei den nächsten Bewerbungsphasen nicht berücksichtigen.“
„Vielleicht sollten wir uns nochmal dieser Bewerbungsrunde widmen“, schlug Juliette Harris vor, die in diesem Moment das Kommandeursbüro betrat. „Die Reihen schließen sich immerhin…“
„Hast du Zahlen für uns?“
„Na klar. Die Mechtruppe ist fast wieder auf Sollstärke. Derzeit haben wir noch drei Vakanzen in Hildebrands Kompanie und eine in Hellmanns.
„Der Aufbau der Panzer läuft etwas schleppender. Wir sind dort personell bei circa 75%, beim Material sieht es ähnlich aus.
„Bei der Infanterie hat McAllister Vollzug gemeldet, dort fehlen allerdings noch einige Spezialisten für die Kommandos und unsere neuen Gegenspionagebereiche.
„Was bisher noch gar nicht geklappt hat, war die Aufstockung unserer fliegenden Abteilungen. Uns fehlen Piloten, Jäger, Hubschrauber, Ersatzteile und Techs.“
„Warte kurz“, unterbrach Jara sie. „Das war Kikis Zuständigkeit, korrekt?“
Copeland nickte: „Aye. Ich hatte ihr da weitestgehend freie Hand gelassen.“
„Ich würde vorschlagen, du greifst ihr da etwas unter die Arme. Ganz behutsam. Noch haben wir Zeit, aber früher oder später machen wir mobil und dann fände ich ausreichende Luftunterstützung für das Regiment schon gut.“
„Da stimme ich dir zu. Ich rede mal mit ihr.“
„Gut.“ Jara machte sich einen entsprechenden Vermerk auf dem DataPad, dass sie vor sich auf dem Tisch liegen hatte und sah dann Harris an: „Weiter mit den Unterstützungseinheiten?“
„Klar. Die Landungsschiffe sind soweit wieder in Schuss, die Crews soweit komplett. Einige Matrosen der MIKLAGAARD haben uns verlassen, dafür haben wir aber Ersatz gefunden und leicht mit den anderen Crews rotiert, um diesen Waräger-Block aufzubrechen. Die DEVONS PRIDE ist derzeit in der Generalüberholung. Wir haben zwar kein vollwertiges Raumdock, aber wir können und müssen da schon eine ganze Menge machen.
„Die Stabsabteilungen sind alle so zwischen 60 bis 80 Prozent ihrer Sollstärke. Wir kommen zurecht, aber auch nur eben so. Ich schlage vor, hier eventuell auch Zivilisten anzustellen.“
Copeland legte den Kopf schief: „Die Stabsabteilungen sind militärische Formationen und müssen vor allem militärische Anforderungen verstehen. Ist es sinnvoll, dort zivile Mitarbeiter einzuteilen?“
„Ich dachte an gemischte Strukturen, damit die speziellen Notwendigkeiten nicht aus den Augen geraten“, erläuterte Harris.
„Wollen wir den Februar über noch nach Soldaten für die Posten suchen, eventuell auch in unserem eigenen Personalbestand und ab März dann die verbleibenden Stellen öffnen?“, schlug Jara vor. „Ist der eine Monat noch drin?“
„Einen Monat wird es noch gehen“, gab die Stabschefin nach. „Dringenderen Bedarf haben wir bei den letzten beiden Bereichen: Techs und Sanis. Bei den Techs haben wir schon vor Parkensen City eine recht dünne Personaldecke gehabt und nach dem Artillerieangriff war der ganze Bereich nur noch auf Kante genäht. Bei den Sanis sieht es genauso aus. Und in beiden Truppen fehlen uns Spezialisten.“
„Können wir mehr Sold bieten?“, schlug Jara vor.
„Das würde nicht viel bringen“, erklärte Harris. „Wir zahlen schon verhältnismäßig gut, aber es gibt auf Wayside einfach nicht genug qualifiziertes Personal. Wir können da nur hoffen, dass unser Team auf Outreach uns gute Leute schickt. Bis dahin müssen wir mit dem auskommen, was wir kriegen können.“
Outreach… Jaras Gedanken schweiften für einen Augenblick ab, als sie sich fragte, wie es ihrem Bruder und Sheila dort erging. Der Rückzug ins Zivilleben war für sie etwas Unvorstellbares und sie scheiterte nicht zum ersten Mal an dem Versuch, sich einen Alltag ohne militärische Routinen vorzustellen.
Copeland unterbrach ihren philosophischen Exkurs und sie verschob die Frage nach dem Sinn einer rein militärischen Existenz auf später, als der Kommandeur mit gerunzelter Stirn fragte: „Wir finden keine Techs und keine Sanis auf diesem Planeten? Hier entstehen überall Straßen, Häuser, Fabriken, Kliniken… es muss doch genug Leute mit technischem und medizinischem Sachverstand geben.“
„Aber keine Spezialisten für Gefechtsfeldsanitätswesen oder BattleMech-Mechatronik“, entgegnete die Stabschefin.
„Können wir intern ausbilden?“, wollte Jara wissen.
„Inwiefern?“
„Nun, ich hatte gerade folgende Idee: Wir heuern Leute an, die geeignet wären, aber einfach noch die entsprechenden Ausbildungsinhalte nicht haben. Also zum Beispiel Maschinenbauer für die Techs, Krankenschwestern für die Sanis oder so… und dann bilden wir die eben selber entsprechend aus. Drei Monate sollten doch reichen, um einsatzbereit zu sein, oder? Und welcher Zeitpunkt wäre besser als jetzt, wo wir relativ wenig zu tun haben?“
„Und wenn wir keine drei Monate haben?“, wollte Copeland wissen.
„Angelerntes Personal ist immer noch besser als kein Personal.“
Harris tippte auf ihrem Pad herum: „Wer soll die Ausbildung denn leiten?“
„Na die entsprechenden Bereichsleiter, natürlich. Fleischer sucht an den hiesigen Kliniken schon nach weiteren Ärzten. Wir sollten da bald genug Expertise haben, um Sanitäter schulen zu können, eventuell sogar auf beinahe akademischem Niveau. Und unsere oberste Herrin der Techs ist auch mehr als kompetent genug, um Neulinge anzulernen.“
„Das wird ihr vermutlich gar nicht gefallen“, gab Copeland zu bedenken.
Jara zuckte mit den Schultern: „Sie kann sich gerne bei ihrer Arbeitgeberin beschweren. Oh… das wäre ich. Nun, sie kann sich natürlich auch bei der für die Ausbildung zuständigen Stabsoffizierin beschweren. Halt… das wäre wieder ich. Schätze, sie wird sich damit arrangieren müssen.“
Die beiden anderen Söldner sahen Jara mit einem überraschten Gesichtsausdruck an.
„Was?“, fragte sie. „Ich bin nicht Germaine und ein Söldnerregiment ist nicht ‚Wünsch Dir was‘. Und irgendeinen Vorteil muss die ganze Verantwortung ja auch haben.“

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Ama-e-ur-e
is-o-uv-Tycom‘Tyco
is-o-tures-Tesi is-o-tures-Oro
is-u-tures-Vo-e-e

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„Nun geh schon“, sagte sie zu dem großen, nervös auf und ab gehenden Mann.
Er wandte sich ihr zu. „Bist du sicher?“
„Du hast länger durchgehalten, als ich erwartet habe. Du hast es dir verdient. Aber vergiss nicht, ich bekomme meine eigene Kompanie.“
„Einverstanden. Dann sollte ich mich auf den Weg machen, oder?“
„Ja, das solltest du.“ Sie erhob sich von dem Schreibtisch, an dem sie gerade die Verwaltungsarbeit der Grafschaft abarbeitete, kam zum nervös umher gehenden Mann, schloss ihn fest in die Arme und küsste ihn. „Du bist bald auch ein Kurita. Und wenn man nicht zum intriganten, menschenverschleißenden Mörderflügel der Familie gehören will, dann erwarten die Menschen, dass man eben zu den Kriegshelden wechselt. Und hey, so oft, wie du schon das Blut deiner Leute für Kurita und die Draconier vergossen hast, gibt es wohl kaum jemandem, der würdiger wäre, ein draconischer Kriegsheld zu werden.“
„Kriege machen keine Helden, mein Liebling.“
„Natürlich tun sie das nicht. Aber wir können den Kriegen nicht entkommen. Wir müssen sie bestreiten. Da ist es nur natürlich, dass wir den Kriegen zumindest einige positive Aspekte abgewinnen können. Irgendwie.“
„Da hast du natürlich Recht. Irgendwie.“ Er küsste die Frau seinerseits, hielt sie viel länger in seinen Armen, als notwendig gewesen wäre, dann erst ließ er sie los. „Ich werde ein paar Stunden weg sein.“
„Ich werde nachkommen, wenn ich fertig bin. Ich will sehen, was bereits passiert ist. Und jetzt geh schön spielen, Germaine Danton.“
„Danke dir, Schatz.“ Mit einem Schmunzeln entfloh der Colonel der Arbeitsflucht und damit seinem gerechten Anteil an der Verwaltungsarbeit. Auf zum anderen Teil seiner Arbeit, den er wesentlich lieber tat.
***
Als der Schweber hielt, fiel der Deckschatten von Kaname auf den Fonds des Wagens. Kaname war die vorderste von drei Stelen, die auf Wayside V abgeworfen worden waren, Kerne von Wassermeteoren, die eine beachtliche Menge an Wasser auf den Planeten gebracht hatten. Ursprünglich stammte das Wasser wohl auch von hier, denn der Planet war eine Besonderheit. Die Kontinentalplatten waren weitestgehend Menschenleer und hatten eine nur sehr dünne Atmosphäre. Nur über den ehemaligen Ozeanen hielten sich sowohl eine Luftschicht und damit eine atembare Atmosphäre von ansprechender Dichte. Als die Atmosphäre der Welt den Stinkefinger gezeigt hatte, war dies relativ langsam gegangen. Das Wasser der Ozeane war zu einem großen Teil in den Weltraum verdunstet, und ein Teil der sich ebenfalls verabschiedenden Luft war dafür in die Niederungen der Ozeane gesunken; dieser Vorgang hatte ein knappes Jahrzehnt angedauert, was zu der kuriosen Lage führte, dass es einerseits kaum Wasser auf dieser Welt gab, zumindest nicht annähernd so viel wie vor der Katastrophe, andererseits aber war trockenes, besiedelbares Land der Grund der ehemaligen Weltmeere. Jahrelange Kultivation von Kuritas kernwärtigstem Besitz hatte dazu geführt, dass sich die Menge des Wassers verzehnfacht hatte und das ehemalige ozeanische Kargland nach und nach in blühende Gärten und fruchtbare Felder verwandelt hatte. Als Sprungbrett zu den Clanwelten zudem bekam diese Welt nun auch mehr und mehr Bedeutung als Handelsknotenpunkt. Und je bedeutender sie dafür wurde, desto mehr Outer Rim-Kaufleute veräußerten ihre Waren ebenfalls hier. Und desto mehr rückte die Welt ins Visier ausländischer Geheimdienste, aber das war eine andere Geschichte.
Sein Sekretär Jan Jenssen hielt ihm die Tür auf. Germaine erhob sich, stieg aus dem Wagen und betrachtete das, was unter Kaname allmählich Gestalt annahm.
Imara kam ihm mit gestochenem Schritt entgegen. „Danton. Schön, dass Sie endlich Zeit gefunden haben.“
„Schön, dass Sie sich so freuen, Aaron.“ Er sah in Richtung der Baracken, die teils bereits standen, teils hochgezogen wurden. „Ihr Schatten ist nicht da?“
„Nein, Sir, auch Sho-sa Inaho kann mich nicht rund um die Uhr überwachen“, erwiderte der ehemalige Söldneroffizier mit einem leicht sauren Ton in der Stimme. Seit Germaine Danton vom Koordinator befohlen worden war, das dreizehnte Ryuken-Regiment auszuheben, war seine Wahl für ihren operativen Kommandeur, Aaron Jasper Imara, vom Oberkommando und von der ISA stark kritisiert worden. Es schien ganz so, als wären sämtliche Vorurteile des Dritten Nachfolgekriegs wieder in Amt und Würden, und es hatte Dantons ganzer Autorität gebraucht, um die Debatte zu beenden. Allerdings hatte er ein Zugeständnis machen müssen, das ihn beinahe so viel geschmerzt hatte, wie wenn er auf Imara hätte verzichten müssen. Er hatte als Chef des 1. Bataillons der neu gegründeten Elitetruppe einen Hausoffizier akzeptieren müssen. Um es in Namen auszudrücken, war in einer Nacht und Nebel-Aktion eine hochrangige Elite-Offizierin von Wolcott eingeflogen worden, um Imara und seiner mangelnden Loyalität stets auf die Finger zu schauen. Zum Glück hatte sich dieser Wachhund nicht nur als fähig erwiesen, sondern auch als nicht halb so penetrant, wie sie alle befürchtet hatte. Aber, sie hatte die Angewohnheit, fast die gesamte Dienstzeit so nahe an Imara wie möglich zu verbringen. Dennoch, beide hatten sich arrangiert, und das langsam wachsende Regiment zeugte davon, dass diese Absprache funktionierte.
„Arita ist wo genau?“
„Sie trainiert das 1. Bataillon. Und das ist heute keine Hybris mehr“, erklärte Imara mit einem Lächeln. Vor acht Wochen, als sie mit dem Aufbau begonnen hatten, da war das 1. Bataillon noch eine Lanze gewesen. Aber ein stetiger Strom an Mechs, Teile der Kriegsbeute aus dem Caliban-System und Zuweisungen durch das Oberkommando, Menschen und Material hatte sie in die Lage geführt, heute zumindest ein Verbundwaffenbataillon ausweisen zu können, das auf dem Feld mit zwanzig Mechs und anderthalb Kompanien Panzern aufwarten konnte. Das Ziel freilich war, drei volle Bataillone Mechs zusammen zu bekommen, dazu ein Bataillon Panzer. Und, wenn es nach Germaine ging, auch noch ein Bataillon Infanterie, dieses als Sprungtruppen und Rüstungseinheit.
Die anderen beiden Bataillone existierten ebenfalls schon, auch wenn sie noch nicht über das Material hinaus gekommen waren. Elf beziehungsweise neun Mechs gab es schon, aber eben noch zu wenig Rekruten, Offiziere und weiteres Material. Vom Aufbau eine Lufteinheit wollte Germaine in dieser Phase gar nicht erst träumen.
„Gehen wir rein. Ich bin sicher, Arita hört gerade von Ihrer Ankunft und ist bald bei uns.“
Danton nickte und ging voran. Jan Jenssen hielt sich leicht hinter den beiden Männern. Auch er hatte seinen Anteil beim Aufbau dieser Einheit.

„Und?“, fragte Danton.
„Nun, mein Graf, wir haben hier eine bunte Mischung aus ehemaligen Nebelpardern und Novakatzen, die gerne wieder in eine Kampfeinheit möchten. Einige von ihnen sind im Alter, das die Clans Solahma nennen, also dreißig aufwärts und alle ohne Blutnamen. Dann haben wir eine ganze Reihe Akademie-Abgänger, eine Handvoll importierter Kurita-Offiziere und Unteroffiziere als Gerüst, einige Freiwillige, darunter Söldner mit aktiver Kampferfahrung. Ach, und dann haben wir noch einige Leute hier, die wir in Parkensen City rekrutiert haben und die uns die Chevaliers nicht vor der Nase wegschnappen konnten. Oder die Miliz.“
Germaine grinste bei diesen Worten. Es gab vier große Einheiten auf dieser Welt: Seine Chevaliers, die er an Copeland und Jara übergeben hatte, die Planetare Miliz, die Angry Eagles – einen Teil von ihnen – und die Ryuken Ju-san, oder Ryuken dreizehn. Und alle vier Einheiten wetteiferten um jeden einzelnen freien Soldaten, den der Markt an die Gestade Waysides spülte. Das Gros der Rekruten boten hierbei die Husaren an, die Germaine selbst zerschlagen geholfen hatte und mit deren Hilfe die Chevaliers auf Regimentsgröße gewachsen waren. Viele der Verletzten der Husaren, die nicht hatten kämpfen können, kehrten nun in den Dienst zurück und konnten sich aussuchen, ob sie zur Miliz, zu den Eagles oder zu den Chevaliers gehen wollten. Nur zu den Ryuken durften sie nicht. Anweisung der ISA. Imarra hatte einige wenige Top-Leute angeworben und quasi mit seinem Herzblut bürgen müssen, um die Sicherheit des Regiments zu gewährleisten. Das bedeutete, dass sich die Ryuken beim „Best of the Rest“ schadlos halten mussten. Und selbst da setzte die ISA sehr harsche Kriterien an. Immerhin, diese Kriterien hatten dazu geführt, dass ein rasalhaagischer Spion enttarnt worden war. Zivilisierterweise hatte die ISA auf eine sofortige Erschießung verzichten und ihn einfach ins Geisterbären-Dominion zurückgeschickt. Und das war nur ein Agent, den sie entdeckt hatten. Wer wusste schon, wie viele Nicht-ISA-Agenten bereits unter diesen Leuten waren, die einen Querschnitt aus dem Leute-Pool der Inneren Sphäre darstellten?

Eine nicht mehr ganz so junge Frau lief auf sie zu, verlangsamte erst kurz vor den drei Männern und schritt dann eilig, aber nicht mehr hastig zu ihnen aus. „Tai-sa, herzlich willkommen bei der Einheit“, sagte Arita Inaho und salutierte schneidig vor Germaine. Denn offiziell war er der Oberkommandierende. Ansonsten hätte es ihm auch keinen Spaß gemacht, eine neue Einheit auszuheben.
Danton salutierte zurück. „Danke, Sho-sa. Gute Arbeit bisher.“
„Danke, Danton-sama. Es ist schwierig, wir haben viele Probleme, aber wir schreiten voran, und das unglaublich schnell.“ Sie sah hinter sich. Dort standen in der Ferne unter Teresa zwölf Mechs vor einem provisorisch angelegten Schießstand und warteten auf ihre Runde. „Aber ich denke, die Schwierigkeit Nummer eins, die wir haben werden, wird nicht sein, aus diesem großen Rudel wildfremder Leute eine Einheit zu formen. Sie wird sein, die Feinde zu erkennen, die uns heute und morgen infiltrieren, um uns und damit dem Koordinator zu schaden.“
Danton nickte. Die Ryuken waren für den Dritten Nachfolgekrieg erschaffen worden und hatten das Training nach Vorbild der Wolfs Dragoner erhalten. Sie galten gerade nach ihrem Wiederaufbau als Elite unter der Elite. Ein neu aufgebautes Regiment dieser Reihe, dars zudem fragen ließ, wo die Regimenter neun bis zwölf wohl waren, musste die Neugier sämtlicher Geheimdienstleute der Inneren Sphäre unglaublich anregen. „Sehen Sie zu, dass keine verdammten Blakisten darunter sind, dann will ich den Rest schon richten“, brummte Danton.
„Ha, ein frommer Wunsch“, sagte Imara lachend. „Mir wäre es auch lieber, wir könnten ihnen im freien Feld begegnen, Mech gegen Mech, aber woher sollten die Blakies so viel militärische Macht hernehmen? Die bleiben lieber im Geheimen und stechen hinterrücks mit dem Dolch zu.“
Danton schüttelte den Kopf. „Leider ist das nicht ganz richtig. Ich habe selbst gesehen, dass Blakes Wort seinen Anteil an den ComGuards erhalten hat. Und solange Thomas Marik Schoßhund spielt, hat Blakes Wort auch Zugang auf eine Menge Material.“
„Aber sie werden ja wohl kaum bis zu uns rauskommen, oder?“, fragte Imara und schüttelte sich ein wenig. „Diese Fanatiker sind so... So... Fanatisch.“
„Wer weiß, vielleicht gehen wir für sie rein“, scherzte Danton. „Für irgendetwas wird der Koordinator uns schon aufgestellt haben.“
„Oh, keine Sorge“, sagte Inaho. „Das Kombinat hat genug eigene Feinde, innere wie äußere. Uns wird schon nicht langweilig werden, sobald wir kampfbereit sind.“
„Und genau daran wollen wir ja heute arbeiten.“ Danton grinste und deutete in Richtung der beiden Union-Landungsschiffe, die als provisorische Wartungsplattformen dienten. „Schauen wir uns mal an, was der neue Tech-Stab drauf hat.“
„Ja, Sir.“
Die vier setzten sich in Bewegung.
„Wann, sagten Sie, Germaine, kriegen wir die zwölf neuen Mechs?“
„Nicht neu in dem Sinne, aber zu einhundert Prozent einsatzfähig. Nächsten Monat.“
„Dann wären wir ja fast einsatzfähig“, sagte Inaho. „Wenn wir auch noch die Piloten kriegen, die die strengen ISA-Kriterien überstehen.“
„Wenn wir keine kriegen können, Sho-sa“, sagte Danton, „dann schnappen Sie sich die Rekruten, die die ISA-Auswahl überstanden haben und schauen Sie nach, wer von denen zum Piloten taugt.“
„Das könnte dann bis zur Einsatzbereitschaft länger dauern“, wandte sie ein.
„Oh, ich habe Vertrauen in Ihre und Aarons Fähigkeiten als Ausbilder“, schmunzelte Danton. Zeit, sich ein eigenes Bild der Situation zu machen.

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Ace Kaiser,
Angry Eagles

Corrand Lewis,
Clan Blood Spirit

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12.04.2016 15:28 Ace Kaiser ist offline E-Mail an Ace Kaiser senden Beiträge von Ace Kaiser suchen Nehmen Sie Ace Kaiser in Ihre Freundesliste auf
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RÜCKBLENDE
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Wayside V, Dantonville
Decius-Cecilius-Metellus-Kaserne, Block 13: Stabsgebäude 1
26. Januar 3067, 14:00 Uhr

„Erzählen Sie uns etwas über sich!“
„Mein Name ist Sue Min Nerekov, ich bin 28 Jahre alt und stamme aus der Konföderation Capella. Ich habe die Sun Zhang Akademie mit Auszeichnung abgeschlossen und sechs Jahre als Offizier bei den 4. Capellanischen Husaren gedient. Ich habe in diversen Einsätzen meine Fähigkeiten als…“
„Nein“, unterbrach Jara die Bewerberin. „Ich weiß, was in ihrem Lebenslauf steht und was Sie alles getan haben. Erzählen Sie uns das, was nicht in den Unterlagen ist. Zum Beispiel, warum eine talentierte und erfolgreiche capellanische Mechkriegerin quer durch die gesamte Innere Sphäre reist, um mit nichts anderem als ihrem Mech in einem übel zugerichteten Landungsschiff ausgerechnet über Wayside in den Orbit zu gehen.“
Für einen Moment sahen Jara, Copeland und Harris eine wilde Mischung aus Gefühlen im bisher konzentriert ausdruckslosen Gesicht der Mechkriegerin, aber als sie sprach, schien es, als hätte sie ihren Text lange und intensiv auswendig gelernt: „Ich war mit der Enge des capellanischen Militärs nicht mehr zufrieden. Ich habe einen Weg gesucht, um mich selbst verwirklichen zu können und nicht an Bürokratie und Elitendenken zu zerbrechen. Meine Familie verfügt in der Konföderation über etwas Einfluss und so konnte ich mit einem privat erworbenen Mech auf die Reise gehen. Leider hatte das Sprungschiff technische Probleme und ist nach dem letzten Sprung explodiert. Sie haben selber die Aufzeichnungen gesehen, vermute ich.“
„Danke“, sagte Jara, auch wenn sie der Frau kein Wort glaubte. „Und es ist tatsächlich ihr Herzenswunsch, Söldnerin zu werden?“
„Mit all meinem Streben“, sagte die kleine, drahtige Capellanerin, aber ihre Mimik verriet nur zu deutlich, dass sie log.
„Wunderbar. Wir müssen uns kurz beraten“, erklärte Copeland ihr. „Warten Sie bitte draußen, wir rufen Sie gleich wieder rein.“
Nachdem sich die Tür geschlossen hatte, blickten sich die drei Chevaliers mit einer Mischung aus Irritation und Zweifel an.
„Irgendetwas ist hier ganz gewaltig faul“, brachte Harris es schließlich auf den Punkt. „Ich glaube ihr alles, was ihre Karriere und ihre Fähigkeiten angeht, aber von ihrer persönlichen Geschichte glaube ich ihr kein Wort.“
„Jara, du hast ein gutes Gespür für Menschen. Was denkst du?“, wollte Copeland wissen.
„Ich bin ganz Juliettes Meinung. Sie macht uns etwas vor.“
„Eine Agentin?“
„Vielleicht. Aber eher unwahrscheinlich.“ Jara schüttelte leicht den Kopf. „Zu plump. Außerdem haben wir der KonCap bisher kaum einen Grund geliefert, uns auf dem Schirm zu haben. Wir stehen am anderen Ende der Inneren Sphäre und sind mit dem Kombinat involviert. Sollten wir hier einen Agenten der Liaos aufdecken, wäre das Anlass für einen Konflikt, den sich Liao derzeit nicht leisten kann.“
„Gut beobachtet“, lobt Copeland sie. „Zumal die Untersuchungen des Sprungschiff-Wracks klare Anzeichen von Waffeneinwirkung gezeigt haben. Ich würde eher vermuten, dass Miss Nerekov nicht freiwillig aus der Konföderation verschwunden ist.“
„Eine Flüchtige? Das kann uns eine Menge Ärger einbringen“, merkte Harris an.
Jara nickte: „Erst Bramert und die Steiner-Geheimdienste, dann natürlich die wachsamen Augen aus dem Kombinat und jetzt Liao? Ich setze Decaroux darauf an. Er soll so viel wie möglich über Miss Nerekov herausfinden. Es wird wohl tatsächlich Zeit, dass seine Gegenspionage ausgebaut wird.“
„Einverstanden“, stimmte Copeland ihr zu. „Die eigentliche Frage aber ist doch: Was machen wir jetzt mit unserer Bewerberin? Wir können sie ja kaum einstellen nach der Show, oder?“
„Aber gerade jetzt“, widersprach Jara. „Wenn wir herausfinden wollen, was sie verbirgt und wenn wir wissen wollen, ob Liaos Augen wirklich auf uns ruhen, dann müssen wir sie sogar einstellen. Sie nahe bei uns halten. Außer uns werden nur ihre direkten Vorgesetzten und natürlich die Gegenspionage unterrichtet. Wer weiß, vielleicht fühlt sie sich ja bald so zu Hause bei uns, dass sie einen Fehler macht. Und vielleicht ist sie ja auch gar keine Agentin. Was sie aber auf jeden Fall ist, ist eine herausragende Mechpilotin mit eigener Maschine. Ideal für die Dritte, würde ich sagen.“
Copeland schien nach wie vor anderer Meinung zu sein, aber Harris war auf Jaras Seite und somit war die Entscheidung gefallen. Als Sue Min Nerekov wenige Momente später das Zimmer wieder betrat, lächelten die drei Offiziere. „Corporal Nerekov“, sprach Jara sie an. „Willkommen bei den Dantons Chevaliers!“

***

Wayside V, Dantonville
Decius-Cecilius-Metellus-Kaserne, Block 14: Stabsgebäude 2
26. Januar 3067, 15:00 Uhr

Kompaniechef zu sein war eine neue Erfahrung für Stefan Hellmann, eine, die er dem kuriosen Schicksal zu verdanken hatte, bei den Chevaliers gelandet zu sein. Es schien ihm als eine Art Spezialtaktik des Söldnerregiments, ihre Gegner nicht zu bekämpfen, sondern einfach in Führungspositionen zu integrieren und sie so gut zu behandeln, dass sie sich in kürzester Zeit zu Hause fühlten. Nun, zumindest bei ihm hatte es geklappt.
Gleichzeitig war er auch dankbar für seine Zeit im Offizierscorps der lyranischen Streitkräfte, denn das Steiner-Militär hatte ihn gelehrt, Papierkram zügig und effektiv zu bearbeiten. Zu seiner großen Freude durfte er nun sogar die blauen Durchschläge einfach wegwerfen, anstatt sie für ein Zentralarchiv aufheben zu müssen.
Schwerer ging ihm die Menschenführung von der Hand, aber sein Stellvertreter, der erfahrene Mehmet Arkabi, hatte auf seine Art ein gutes Gespür für die Kompanie und nahm ihm derzeit noch einen guten Teil dieser Arbeit ab. Hellmann ahnte, dass es dem Lieutenant nicht ganz leicht fiel, immerhin war er selber ein Anwärter auf den Kompaniechef-Posten gewesen.
Nun saß also er in dem großzügigen Büro und blickte auf, als es pünktlich auf die Minute an der Tür klopfte. „Herein!“, rief er und musterte den älteren, leicht untersetzten Unteroffizier, der eintrat.
„Captain Hellmann, Sergeant Teuteburg meldet sich wie befohlen, Sir!“
Mit gespielter Irritation sah der Offizier den Mechkrieger an, blickte dann auf seine Rangabzeichen und lächelte leicht: „Ich glaube, es heißt nun Sergeant Major, oder? Meinen Glückwunsch zur Beförderung!“
„Entschuldigung, Sir, ich habe mich in den letzten zwei Stunden wohl noch nicht ganz an den neuen Rang gewöhnt.“
„Ich kenne das Gefühl“, gab Hellmann zu und glaubte, das Gewicht seiner Captain-Pins für einen kurzen Moment sehr deutlich spüren zu können. „Setzen Sie sich!“
Teuteburg kam der Aufforderung nach und ließ sich, halb selbstsichere und routinierte Entspannung, halb aufmerksame Neugier, auf einem Stuhl gegenüber seinem neuen Vorgesetzten nieder.
„Sarge, Sie sind hier, weil Sie ab sofort einer meiner Lanzenführer sein werden und ich ihnen einen kurzen Überblick über die Situation der Kompanie geben möchte. Natürlich habe ich ihnen alle Unterlagen auch digital zukommen lassen, aber ich möchte auch einen ersten persönlichen Eindruck vom dritten Mann in der Kompanie erhalten. Und vielleicht haben Sie danach ja auch Fragen an mich. Fangen wir gleich an?“
„Gerne, Sir.“
„Gut.“ Hellmann tippte auf ein paar kurze Befehle in ein DataPad und schob es so über den Schreibtisch, dass sie beide auf die Tabellen schauen konnten, die er geöffnet hatte.
„Das hier“, begann er, „ist die provisorische Aufstellung der dritten Kompanie. Wie Sie unschwer sehen können, haben wir hier eher so die dicken Brocken stehen. Das ist allerdings ein Phänomen, das im gesamten Bataillon zu beobachten ist.
Die Kommandolanze bringt schon einiges an Schlagkraft auf: Ich übernehme den Masakari vom Colonel, daneben steht ein Warhammer IIC und zwei Battlemaster.
Lieutenant Arkabis Lanze stellt zwei Thunderbolts, einen Cestus und einen No-Dachi auf und hat damit auch gehörige Schlagkraft.
Ihre Lanze, Sarge, wird zwar auf dem Papier als Scoutlanze geführt, aber Sie sehen es ja selbst: Ihr Verfolger, eine Shadow Hawk, ein Lynx und ein Men Shen. Das ist kein klassisches Scout-Material. Machen Sie was draus.
Für den Anfang möchte ich, dass Corporal Betty Rush mit der Shadow Hawk ihre Flügelfrau wird. Corporal Rush hat eine Blutkrankheit und muss entsprechende medizinische Vorsorgen wahrnehmen. Lassen Sie sich von ihrem zerbrechlichen Aussehen aber nicht täuschen. Sie kann durchaus kreativ werden, wenn es darum geht, persönliche Vorteile zu erhalten. Sie ist leider derzeit als Mechkriegerin bestenfalls akzeptabel, vor allem ist sie eine schlechte Schützin. Es wird ihre Aufgabe sein, Corporal Rush auf Linie zu bringen.
Mit Sergeant Bramert werden Sie ja vermutlich weniger Probleme haben. Er führt den Lynx und den zweiten Flügel. Binden Sie ihn in die Lanzenführung mit ein und sorgen Sie dafür, dass er Sie im Notfall ersetzen kann.
Seine Flügelfrau fängt erst morgen bei den Chevaliers an, die Tinte auf ihrem Vertrag ist noch nicht einmal richtig trocken. Ich kann ihnen zu Sue Min Nerekov also bisher fast gar nichts sagen. Sie scheint eine steile Karriere in der KonCap hingelegt zu haben und gilt als mögliche Agentin. Unsere Gegenspionage ist dabei, sie zu prüfen. Ich weise Sie an dieser Stelle darauf hin, dass diese Information natürlich streng vertraulich ist und diesen Raum nicht verlassen darf. Wie sich Corporal Nerekov in die Lanze einfügt und ob sie mit dem Men Shen umgehen kann, werden Sie herausfinden müssen, Sarge.
Sind die Fakten soweit klar?“
„Ja, Sir, vollkommen klar.“
„Gut. In der Lanzenführung lasse ich Ihnen weitestgehend freie Hand. Sie sind erfahren genug, um das hinzubekommen. Solange Sie nicht gegen den Kompaniedienstplan oder Einheitsregeln verstoßen und am Ende Resultate liefern, werde ich Ihnen da nicht reinreden. Ich möchte aber, dass Sie mich umgehend informieren, wenn es irgendwo klemmt und Sie nicht weiterkommen. Ich reiße Ihnen dafür nicht den Kopf ab. Mir ist es lieber, wenn wir rechtzeitig die Köpfe zusammenstecken können, als das Probleme entstehen, weil Sie zu stolz oder zu ängstlich sind, zu mir zu kommen. Ist das für Sie auch klar?“
„Ja, Sir, natürlich.“
„Wunderbar.“ Hellmann lehnte sich etwas zurück und musterte den Unteroffizier. „Haben Sie irgendwelche Anmerkungen oder Fragen oder sonst irgendetwas auf dem Herzen, dass ich wissen sollte?“
„Nein, Sir. Im Moment nicht. Ich muss mich erst einmal mit der ganzen Sache beschäftigen. Die Mechs inspizieren, die neuen Kameradinnen kennenlernen und so weiter. Wenn ich dann Fragen habe, sage ich Ihnen natürlich Bescheid.“
„In Ordnung. Dann sind wir fürs Erste fertig. Denken Sie dran, dass heute früher Dienstschluss befohlen wurde und morgen der Ball stattfindet. Wir werden den Kameraden aus der Zwoten sicher nicht den Schneid abkaufen, aber sorgen Sie bitte dafür, dass Sie und die übrigen Gäste aus unserer Kompanie einen ordentlichen Eindruck machen. Wegtreten!“

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Ama-e-ur-e
is-o-uv-Tycom‘Tyco
is-o-tures-Tesi is-o-tures-Oro
is-u-tures-Vo-e-e

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Wayside V, Dantonville
Decius-Cecilius-Metellus-Kaserne, Block 13: Stabsgebäude 1
Besprechungsraum 3. Kompanie, Scoutlanze
27. Januar 3067, 14:00 Uhr

Nach einer sehr arbeitsintensiven Nacht ging ich nun zu meinem ersten eigenen Kommando bei den Chevalliers. Es war genau 14 Uhr als ich in den Besprechungsraum der dritten Kompanie kam, wo nun meine Lanze auf mich wartete. Mit einem Nicken begrüßte ich Anton, ging dann nach vorne ans Pult und schaute in die beiden Gesichter meiner neuen Untergebenen. Betty sah man an das sie etwas kränklich war, aber ich merkte auch das sie einen eisernen Willen hatte. Als ich dann in das Gesicht dieser Nerekov sah, waren das erste die glühenden grünen Augen einer Raubkatze.
"Guten Tag meine Damen und mein Herr. Ich bin ihr Lanzenführer und heiße sie alle in der Scoutlanze der dritten Kompanie willkommen. Ich heiße Teuteburg, Rudi mein Rufzeichen ist Chappi. Die letzte Mission habe ich hier bei den Chevalliers miterlebt und mir meine Sporen bei den Vereinigten Sonnen verdient. Falls es Problem oder Wünsche gibt, zögern sie nicht sich an mich zu wenden, ich arbeite Lösungsorientiert und Verschwendung von Material und Mensch mag ich gar nicht. Unsere Aufgabe wird es sein sich zurückziehende Einheiten zu Verfolgen oder sie vor die Rohre der ersten und zweiten Kompanie zu treiben." Ich schaute erneut in die Augen der vor mir sitzenden drei Piloten.
"Also um es klar zu sagen, mein Einsatzprofil der Lanze ist Offensiv. Wir werden auch Scoutaufgaben machen, aber uns bei einer Begegnung nicht zurückziehen, da wir selbst stark genug sind. Wir werden im Gefecht die harten Schläge verteilen, indem wir die bösen Jungs vor unsere Rohre und derer der ersten und zwoten Lanze treiben oder die sich zurück ziehenden Einheiten unter Druck halten. Wie sie sehen ist die erste Lanze sehr stark und hat Clan Maschinen, die zweite ist auch als schwere Lanze aufgestellt. Wir sind der bewegliche Teil unserer Kompanie, die sich ihrer Haut auch gut wehren kann. Bei Missionsprofilen wie Jagd auf Scoutlanzen feindlicher Kräfte, erweiterte Gefechtsfeldaufklärung und Nachschublinien Zerstörung sehe ich unseren sekundären Fokus. Das heißt wir werden die nächsten Tage oft und lange in unseren Mechs sitzen und trainieren. Miteinander, gegeneinander und gegen andere Lanzen. Ich habe Leutnant Hellmann gebeten eine Abschlußübung gegen eine andere Kompanie zu organisieren und zwar in vier Wochen, so hoffe ich.
Das bedeutet das wir in zehn Tagen eine gemeinsame Übung mit der ersten und zweiten Lanze unserer Kompanie machen. Dort werde ich dann eine erste Bewertung ihrer Leistungen schriftlich vermerken und ich werde mit jedem einzelnen ein Gespräch über seine Leistungen führen. Fünf Tage später ist dann eine Übung gegen die erste oder zweite Lanze unserer Kompanie angesetzt. Also müssen wir uns gut vorbereiten und viel üben. Ich freue mich auf eine gute und erfolgreiche Zusammenarbeit mit ihnen allen. Desweiteren werden sie am Ende der Besprechung auf ihren Datenpads die jeweiligen Trainingseinheiten und Dienstpläne finden. Diese beinhalten sowohl ein Mechtraining, aber auch zwei Wochen Fitness - Training bei Miss Fokker an dem wir allen teilnehmen. Desweiteren habe ich or auch bei Infantrieübungen mit ihnen zusammen teil zu nehmen. Alles weitere dann nachher um 16 Uhr am Mechhangar. Und nun übergebe ich das Wort an meinen Stellvertreter Sergeant Bramert."

Dieser schaute mich erst verdutzt an, lächelte dann aber und kam nach vorne ans Pult. Hier angekommen drehte er sich um, lächelte und aktivirte den Monitor an der Wand hinter sich.
"Guten Tag zusammen. Ich bin Sergeant Anton Bramert, Rufname Skyscraper . Ich bin Testpilot bei Norse Storm gewesen und habe wie Sergeant Major Teuteburg meinen letzten Einsatz mit den Chevalliers erlebt. Wie sie hinter mir sehen ist unsere Lanze eine mittelschwere bewegliche Einheit. In den nächsten Tagen wird es meine Aufgabe sein uns alle durch divers Simulatorübungen und Mechübungen auf dem Übungsgelände zu führen. Wir werden sehen wie gut sie ihre Maschinen beherrschen, wie sie im Rahmen unseres Einsatzprofiles zurecht kommen und am Ende ein gutes Ergebnis bei den größeren Übungen erzielen. Ich werde ausserdem Zusatztrainings mit ihnen durchführen die nicht auf den ihnen zugeschickten Dienstplänen stehen. Chappi hatte es schon gesagt, man muss auch lebend zu und in seinen Mech kommen und dann auch ordentlich ausrücken. Ich werde mir ihre Koordination anschauen und bin verantwortlich das sie ihren Mech herrvorragend bedienen können. Hoffen wir das alles klappt und ich freue mich auf unsere gemeinsame Zeit hier. Ausserdem darf ich vermelden das der Lanzenführer aus besonderem Anlaß uns alle heute Abend einlädt."

Nun war es an mir ein wenig irritiert zu gucken, aber ich lächelte, denn so war ja auch der Plan. Bloss das ich gehofft hatte mit einem abendlichen Mechspaziergang davon zu kommen. So mußte ich wohl oder übel meine drei Piloten ein wenig mehr bieten.

Als nächstes stand Betty Rush auf, ging auf das Pult zu und drehte sich kurz vor dem Pult um. Sie lächelte und begann dann mit einer leicht aristokratischen feinen Stimme sich vorzustellen. „Hallo ich bin Betty Rush. Mein Callsign ist Green. Lassen sie sich aber nicht ablenken, ich beherrsche meinen Shadowhawk-5M. Meine Anstellung vor den Chevalliers war bei Imarras Hussaren, die hier gegen die Chevalliers angetreten sind und ich muss sagen, es war ein Kampf auf Augenhöhe. Nach der Niederlage wurden wir in die Chevalliers in begrenzten Maße integriert, ich habe den letzten Einsatz gegen die Parder und die verdammten Verräter mitgemacht. Die Beurteilung meiner Leistung in den Einsätzen überlasse ich meinen Vorgesetzten. Da mein Mech eine bewegliche Unterstützungseinheit ist, denke ich, daß er in das vorgegebene Missionsprofil passen sollte. Privat befasse ich mich mit der Numismatik, der Münzkunde, und ich bin interessiert in politischen Dingen. Da ich einige Erfahrungen in meiner Jugend in gewissen gehobenen Kreisen sammeln konnte, weiß ich mich auch richtig zu verhalten.
Wo ich sicher noch ein kleines Defizit habe ist die Treffsicherheit, aber wenn Herr Bramert, Skyscraper, sich darum kümmert sollte das kein Problem darstellen. Es hat sich gezeigt das ich zwar mit meinen Raketen gut zurecht komme aber mit der UltraAutokanone und dem Laser noch üben muß.
Herr Teuteburg, ich freue mich auf eine gute Zusammenarbeit. Dann übergebe ich an die andere Dame in der Runde und freue mich schon auf später und danke für die Einladung des Lanzenführers.“ Ein leichtes Lächeln umspielte ihre Augen, als sie zu ihrem Platz zurück kehrte und sich setzte.
Innerlich machte ich mir die Notiz aufzupassen was ich sagte, ich hatte da so ein Gefühl das Betty ein Informationsmagnet war, die nur auf die richtige Zeit wartete um zu gegebenen Zeitpunkt beiläufig etwas zu kommentieren. Da sie aus einer verarmten und enteigneten lyrannischen Adelsfamilie kam, konnt sie sich in gewissen Kreisen gut bewegen, das könnte nochmal wichtig werden. Ich sah wieder auf und merkte das erst jetzt Sue Min Nerekov sich erhob. Es schien so als hätte sie gewartet .

Sie sah sich um, stand auf und ging schnellen schwingenden Schrittes nach vorne, stellte sich vor das Pult, drehte sich zu uns und holte Luft. „Guten Tag meine Dame und Herren. Ich bin Sue Min Nerekov, Callsign Reaper. Ich führe einen MenShen Mech in der Primärkonfiguration, besitze aber die Möglichkeit auf die B Konfiguration zu wechseln, da diese entsprechend von mir an den Technikbereich übergeben ist. Mein Gang nach Wayside war nie geplant und hat mich meiner Heimat und einen Teil meiner Familie beraubt. Dienstlich war ich bei den 4. Cappellanischen Husaren als Lanzenführerin in der dritten Kompanie. Leider zwangen mich unglückselige Umstände zur Flucht und der weitest entfernte Punkt mit noch geordneten Verhältnissen war halt Wayside. Da die Optionen hier sehr mager sind, für die Anstellung von Mechkriegern, habe ich mich bei den Chevalliers beworben. Zum einen weil es eine gute Einheit sein soll und weil sie immer Aktion sieht. Meinen Mech beherrsche ich gut, er ist in einwandfreiem gewarteten Zustand. Wie sie meinen Aufzeichnungen entnehmen können, Herr Teuteburg, wurde ich nie abgeschossen, verzeichne dabei aber selbst 16 Abschüsse. Ich hoffe das ich hier eine Möglichkeit finde neu anzufangen und das meine Herkunft da kein Problem ist. Meine Sympathien liegen nicht bei Haus Liao, auch wenn dies wegen meiner Herkunft sicher anders wirken kann. Wie meine Vorrednerin bin auch ich in sozial höheren Kreisen verkehrt und kenne mich mit einer gewissen Etikette aus, wobei ich persönlich es lieber ein wenig lockerer halte und von politischen Spielchen mehr als nur genervt bin. Ich möchte Arbeiten und durch Leistung zeigen das ich gut bin. Wie Green, Betty, freue ich mich auf den Umtrunk und den Spaziergang nachher.“ Sie lächelte kurz und ging wieder zu ihrem Platz.
„So, da wir uns nun alle vorgestellt haben, werde ich hiermit den offiziellen Teil für fast beendet erklären.“ Sagte ich ein wenig amüsiert, während ich aufstand und zum Pult ging. „Schön das ihr alle dabei seit, wir werden jetzt zu den Hangars gehen uns die Mechs anschauen. Jeder soll den Mech seiner Kameraden kennen. Danach ist offizieller Dienstschluss und ich lade sie alle nach Dantonville in eine kleine Kneipe zum Willkommenstrunk ein. Die ersten drei Runden gehen auf mich. Morgenfrüh um 09:00 geht das erste Training los. Ich habe mir erlaubt die Schießbahn für zwei Stunden zu reservieren und danach werden wir einen kleinen Marsch um Dantonville machen und Bewegungsmuster testen. Ich freue mich sie alle dabei zu haben und nun raus mit uns zum Hangar.“ Kurz nickte ich Anton, Sue und Betty zu und dann verließen wir den Raum und gingen leicht plaudernd raus vor das Stabsgebäude.

Es war noch angenehm warm draußen, einige Chevalliers plauderten, andere waren auf den Weg zu ihren Trainigseinheiten und weiter hinten sah man zwei schwere Hooverlastcrafts sich den Hauptweg in Richtung Technischer Hallen bewegen. Dem Anschein nach, beladen bis zur Grenze des möglichen, da die Maschinen sehr laut waren. Der eine Hooverlaster hatte auf seinem langen flachen auflieger einige Teile von verschiedenen Mechs geladen.
Ich ging mit meinen drei Mechpiloten zwischen den Stabsgebäuden durch und folgte den Wegweisern in den hinteren Teil der neu angelegten Kaserne, wo die großen Mechhangars nicht zu übersehen waren. Etwa fünfhundert Meter vor den Hangar war eine Mauer und ein Tor, an dem wir uns mit unseren ID-Cards auswiesen, um Zugang in den gesicherten Bereich zu bekommen wo unsere Mechs standen und auch gewartet wurden.
Nach weiteren 10 Minuten standen wir an Hangar vier und sahen als ersten Mech den Shadowhawk von Green. Man sah das er schon im Gefecht gestanden hatte und das einzige was einem sofort auffiel, waren die Schultern, welche in einem hellen Grün bemalt sind. Die LSR-20 an der Schulter beeindruckte mich. Betty ging zu ihrem Mech, tätschelte den Fuss, drehte sich zu uns und begann „Das ist meine Green, warum ich sie so nenne? Tja ich bin mit ihr als meinen letzten Besitz von zuhause weg. Es war ein Zeichen meiner Unerfahrenheit damals und grün ist meine Lieblingsfarbe, es erinnert mich an schöne weite Wiesen, grüne Wälder und ein wenig an die sorgloseren Zeiten. Deshalb habe ich die Schultern auch in grün lackieren lassen. Seit den Gefechten hier auf Wayside und in der Peripherie hat die Panzerung gelitten, aber sie wurde wieder ersetzt, was kein Problem ist, da mein Mech überall in der Inneren Sphäre eingesetzt wird.“ Sue Min schaute an dem Mech hoch und dabei fragte sie „Stimmt es das die Ultra-AK 5 manchmal Ladeprobleme hat?“
„Ist bei mir noch nicht passiert. Aber wie gesagt ich habe vor meinem ersten Kampfeinsatz auf Wayside eine komplett Überholung bekommen. Dabei wurde das anfällige Dillon Munitionsführungssystem auf das TharHes Wilko 4 umgerüstet und das funktioniert einwandfrei. Die Schussrate hat sich ein wenig erhöht, aber leider nicht mein Munitionsvorrat.“ Lächelte Betty.
„Ok. Das ein Wilko 4 in den Mech passt wusste ich nicht, aber das ist ein herrvorragendes Stück Mech. Finde die Schultern sehr gelungen mit dem Grün. Ich freue mich schon mit dir Seite an Seite zu kämpfen.“
„Ich mich auch Sue Min. Wir Mädels werden schon unsere sechs gegenseitig decken. Meine Neugierde bezüglich deines Mechs ist groß, da ich das Modell nur aus Computersimulationen kenne oder von Bildern und ihm noch nie gegenüberstand. Im Simgefecht war es immer ein schwerer Gegner und die Vielseitigkeit dank der Omni-Technologie ist klasse.“
Anton und ich guckten uns an. Wir waren beide nicht so tief in den Daten zum Shadowhawk, aber die kurze Fachsimpelei zeigte uns, das unsere beiden Damen ihr Handwerk beherrschten und sich mit ihren Mechs gut auskannten. Wir gingen weiter in den Hangar und als zweiter Mech stand da der Lynx von Anton.
„Tja Ladies und Gents, dies ist mein Lynx. Ich mag es im Feld Munitionsunabhängig und beweglich zu sein. Die Panzerung und seine Sprungfähigkeit erlauben es mir auch schnelleren Einheiten zu folgen. Die Laserbewaffung und die PPK geben mir genug Feuerkraft, um auch einem schwereren Gegner mir vom Leib zu halten.“
„Ist das nicht ein Sternenbund Modell?“ kam es von den beiden Frauen.
„Ja, es ist ein altes Modell. Aber die Technik ist auf besten Niveau gewartet. Bisher habe ich noch nicht viel erlebt. Meine Einsätze mit dem Lynx haben aber alle Erwartungen erfüllt. Das Cockpit soll noch gegen ein neues ausgetauscht werden. Dieses Cockpit mit dem update der Elektronik soll gestern heir auf Wayside eingetroffen sein. Der Austausch, so die Techs, dauere zwei Tage. Danach habe ich ein neues, erstklassiges System. Die Waffen sind zum Großteil aktualisierte Modelle aus Kurita beständen, was aber in keinster Weise dem Mech schadet. Aber morgen sehen wir erstmal was ich bis jetzt so damit auf der Schießbahn leisten kann.“ Fragend schaute Anton uns drei an.
„Wie bist du an den Mech gekommen?“ fragte Sue Min.
„Mein vorheriger Mech wurde schrottreif geschossen. Hier auf Wayside. In der Nähe des Schlachtfelds gab es einen Mechfriedhof, wo es mal ein größeres lange zurückliegendes Gefecht gab. Da die meisten Teile Waysides keine Atmosphäre haben, so wie das ehemalige Schlachtfeld, habe ich mich dort umgeschaut und diesen Mech entdeckt. Nach einer schweren Bergung konnte ich den Mech mit Hilfe der Angles und der Miliz wieder in Stand setzen. Das ist die ganze Geschichte. Dank der Chevalliers war dies auch finanzierbar.“
Sue Min nickte und ging dann voran. Als nächstes kam der ungewöhnlichste Mech ins Bild. Er sah irgendwie komisch aus mit seinem hervorspringenden Torso und der LSR oben auf dem Kopf. Das Cockpit sitz tiefer, die Armstummel enthielten vier Laser.
„Also, das ist meine Reaper. Sie hat sich bewährt, hat in fast jeder Konfiguration schon ihren Dienst geleistet. Meine Lieblingskonfigurationen sind die Primär, so ihr ihn jetzt seht und die A Konfiguration, die ich leider nicht mitnehmen konnte. Durch die Sprungfähigkeit, die gute Panzerung und die Möglichkeit auch schon auf weite Distanz mit den LSR sich zu wehren oder in ein Gefecht einzugreifen ist es eine klasse mittelschwere Maschine. Die Elektronik und die Ortung entsprechen zu diesem Zeitpunkt dem letzten Update der Concap. Wie das in Zukunft mit der Wartung der cappelanischen Systeme wird und falls mal Ersatzteile notwendig sind weiss ich nicht was der Markt hergibt. Ich habe auf dem Weg aus der ConCap ca. 20t Material mitgenommen. Das heisst das Umrüstungsset auf B hat ein Volumen von 12t. Ersatzteile für Elektronik und Ortung 8t. Somit sollte eine Wartung erstmal gesichert sein.“
„Wie schnell ist denn eine Konfigurationsänderung im Feld möglich und wie Wartungsintensiv ist der Mech?“ fragte ich interessiert und die anderen beiden Mitglieder der Lanze schauten auch interessiert in Richtung Sue Min.
„Tja, bei Techs die auf den Mech geschult sind, ist eine Feldumrüstung in 30 Minuten möglich. Bei Techs die sich erst daran gewöhnen und geschult werden müssen, vielleicht die dreifache Zeit. Aber das ist nur eine grobe Schätzung. Da die Techs hier aber gut sind sollte es keine Probleme geben.“
„Danke. Ich denke das war dann alles und wir sollten uns nun auf den Weg machen zum Umtrunk.“
„Hey mal langsam Chappi, was ist mit deiner Kiste?“ stichelte Anton
„Ach so, ja. Hatte ich jetzt fast verdrängt.“ Schaute mich um und sah ein paar schmunzelnde Blicke. Als letztes kamen wir nun zu meinem Verfolger.
„Tja das ist mein dritter Mech den ich führe und der erste den ich als Erster benutzen durfte. Mein erster Mech war ein Victor den ich in einem Gefecht gegen die Nebelparder verlor. Als Ersatz erhielt ich einen Clan modifizierten Enforcer III den ich in den letzten Gefechten gegen die Parder in der Peripherie verlor. Dank eines noch ausstehenden Ausgleichs mit der Armee der Vereinigten Sonnen und einem glücklichen Zufall erhielt ich einen fabrikneuen Verfolger. Ich habe ihn Ghostbuster getauft, deshalb hat er auch diverse hell scheinende Flecken über den Torso verteilt. Tja was kann ich zu ihm sagen. Bisher ist meine Erfahrung lediglich auf der Schießbahn und einige Touren hier auf dem Planeten. Er fühlt sich robust und beweglich an, hat durch die LB-x10 und die ER-PPK einen erstaunlichen Punch.“
„Tja, da bin ich gespannt was das wird, so ganz ohne Sprungdüsen.“ meine Anton.




Wayside V, Dantonville
Mech Übungsgelände, 3. Kompanie, Scoutlanze
30. Januar 3067, 03:00 Uhr


Es war noch dunkel als ich mit meiner Lanze ausrückte und zum Übungsgelände, welches zwanzig Kilometer nordöstlich Dantonvilles lag, marschierte. Auf dem Weg dorthin, wollte ich sehen wie meine Leute ihre Mechs beherrschten.
„Guten Morgen Ladies und Gentleman. Ich begrüße sie zu einer ersten Runde: Mein Mech. Folgendes werde ich mir anschauen. Wir machen einen Sprint bis zum großen Felsen, dann werden die Sprungfähigen Einheiten sich springend weiter bewegen. Die Daten überspiele ich euch jetzt. Navpunkte Alpha bis Gamma. Ab jetzt werden wir auch umschalten auf Gefechtsfunkt Standard. Copy!“
„Green, copy Chappi.“
„Skyscraper, copy.“
„Reaper, copy.“
Dann erreichten wir Punkt Alpha. Sofort zündeten Skyscraper, Reaper und Green. Eine riesige Staubwolke bildete sich vor mir, als alle drei Mechs in verschiedene Richtungen ihren jeweiligen Beta Navigationspunkt ansteuerten und auf Höchstgeschwindigkeit gingen. Ich sah wie Green sich sehr gut schlug und Anton ein wenig Mühe hatte. Reaper schien nur so dahin zu fliegen. Ich selbst startet nun auch und steuerte einen kleinen Hügel an, ich aktivierte mein MASC und schoss dahin, die Wärmeanzeige ging langsam hoch und flachte wieder ab. Ich erreichte meine Aussichtsposition Rechtzeitig um zusehen wie Green gerade aus vollem Lauf ihre Sprungdüsen zündete, fast gleichzeitig sprang Skyscraper. Links schoss der MenShen von Reaper über einen kleinen Hügel, verschwand gleich wieder in eine Rinne. Was ich sah war in Ordnung.
„Chappi für Reaper.“
„Reaper“
„Gutes Manöver. Warum sind sie über den Hügel gekommen und nicht in halber Deckung weiter gelaufen?“ kurze Stille.
„Weil ich am Ende des Hügels Tontaube gespielt hätte. So war ich aber in Bewegung, bergab und hatte in zwohundert Metern eine besser Deckung und besseres Schussfeld.“
„Sehr gut Reaper, gut und schnell gehandelt. Weiter so.“
„Danke Shappi.“
„Chappi für Skyscraper“
„Skyscraper hört.“
„Sehr schnelles Manöver gut gesprungen. Syncron beinahe mit Green.“
„Copy.“
„Chappi für Green“
„Green, hört“
“Green, wie ist ihre Hitze?”
„Noch grün.“ Man hört wieder das Röhren der Sprungdüsen und rechts von mir sah ich den Shadowhawk aufwärts springen.
„Ok. Sie haben eine gute Mechkontrolle. Nur sollten sie überflüssige und zu hohe Sprünge meiden, sonsten werden sie immer das erste Ziel sein. Ihre Panzerung ist gut, aber ein Catapult oder Archer frühstückt sie.“
„Green, Roger.“
Ich öffnete den Lanzenkanal, nachdem ich vorher mit jedem einzeln gesprochen hatte.
„Also das sah sehr gut aus. Hier ging es mir nur darum zu sehen wie gut sie sind in der Mechbewegung. Vergessen sie nicht, wenn wir es mit Gegnern zu tun haben, die werden alles tun sie zu finden und abzuschießen. Wir müssen schnell sein, wir müssen immer wissen wo die anderen drei Lanzenkameraden sind und wir müssen auch wissen wann wir uns in Deckung halten sollten. Gleich sind wir auf dem Bravo Übungsgelände. Alle Waffensysteme sind auf Funktion Delta zu schalten. Danach werden wir ausrücken und uns überraschen lassen.“
Nach zehn Minuten waren wir da und stellten uns auf. Kurz danach verließen wir die Startzone. Platz war keine Mangelware, es war ein großes, hügeliges unübersichtliches Gelände. Ziel ist es eine sich zurückziehende mittelschwere bis schwere Kompanie zu lokalisieren und sie unter Druck zu halten.
„Skyscraper und Reaper von Chappi.“
“Skyscraper” hier, “Reaper, hört.”.
“Reaper geht rechts außen. Skyscraper nimmt Spitze.“
Zweimal erklang ein kurzes kratzen als bestätigung in meinen Ohren.
„Green, du gehst ein wenig nach hinten, ich selbst werde links schauen.“
Wieder ein kratzen auf dem Lanzenkanal.
Als erstes fanden wir eine mittelschwere Lanze. Diese war aber schon weit weg. Dann stolperten wir über zwei schwere und zwei überschere Mechs.
„Kontakt. Orte einen Grashoper und einen Dragon. Dazu noch einen Zeus und einen Todesboten.“ Teilte Reaper nüchtern mit.
„Jagd ist eröffnet. Erstes Ziel ist der Grasshoper. Dann der Dragon, laßt die großen Jungs noch in Ruhe.“
„Ziel steht. LSR jetzt!“ kam von Green.
„Ziel erfaßt. LSR raus!“ kam kurz darauf von Reaper.
„Treffer von LSR an Hopper. Tief, links oben, links oben, Mitte … Mech fällt … restliche Raketen über Ziel.“ Meldete mir mein Gechtscomputer.
„Sehr gut Ladies, der Mech ist raus, aber sein Bruder ist sauer.“
Wie auf mein Wort zuckte eine LSR Salve in Richtung Reaper. Dann züngelte ein PPK Blitz an Anton vorbei, der sich gerade noch so aus der Schußbahn retten konnte. Dann tauchte er jedoch plötzlich weit links vom Mech auf und begann den Mech seinerseits mit PPK und Laser zu beschiessen. Der Dragon schenke ihm nichts und schoß sofort zurück.
„Mech Dragon. PPK Treffer Arm, Laser Treffer Arm, Treffer Schulter , Treffer Schulter. Mech Lynx. Treffer Arm, Treffer Bein, Treffer Bein.“
„Anton gut geschossen, aber sei vorsichtiger, der trifft auch gut!“ ich hatte eben ausgesprochen, als mein Gechtscomputer meldete „Mech Dragon. Treffer Torso, Treffer Torso, Treffer Kopf, Mech zerstört.“
Ich sah auf meine Gefechtsanzeige und merkte zu meinem erstaunen das Green und Reaper jede in Position waren und auf frei Sicht hin beide eine volle LSR Breitseite in den abgelenkten Gegner versenkt hatten.
„Skyscraper, Green und Reaper. Sehr gute Aktion. Hatte euch beide garnicht bemerkt. So stelle ich mir das koordiniert vor.“
„Hier Skyscraper bin auf dem Rückzug. Beide großen Jungs sind sauer.“ Anton hetzte über einen kleinen Hügel vor mir in dessen Kamm simulierte LSR nieder gingen und zwei wütende blaue Blitze rauschten. Der dritte Blitz erwischte den Lynx am Arm, aber Anton fing seinen Mech und ging dann nach rechts.
Dann tauchte der Todesbote links am Hügel, über den Skyscraper gekommen war, auf.
"SPERRFEUER" schrie ich ins Mikro, riss meinen Ghostbuster hart nach links, um dann als ich wieder mehr in die Senkrechte kam das MASC zu aktivieren, um zu Anton auf zu schliessen.
"Achtung im Anflug!" hörte man Green keuchend antworten.
"Gut Green. Reaper über den rechten Kamm spähen." kommentierte Anton.
"Schön, bin gleich in Position. Reaper sieht Ziel Zeus, Überschwer, sich zurückziehen. Oh ha, da kommt einiges an Feuer auf uns zu, gehe in Deckung." hastig sah man den MenShen zurück weichen. Dann schlugen simuliert etliche Raketen auf der Hügelkuppe ein.
"Skyscraper zieh dich nach Westen zurück, nimm Reaper mit und kommt in fünnef Minuten kurz raus." übermittelte ich auf dem Lanzenkanal.
"Skyscraper, Copy und Roger!"
"Reaper, Copy und Roger."
"Green, wir gehen nun den Pfad östlich hoch, du kommst ein wenig hinter mir her. Falls was auf uns wartet kannst du noch deine LSR´s nutzen."
"Green, copy und roger. Bin in drei Minuten bei Chappi."
"Ok, copy." antwortet ich.
Und tatsächlich. Nach drei Minuten war Green auf meiner sechs. Der Todesbote zog sich langsam Nordwärts zurück. In achthundert Metern Entfernung erschien plötzlich der Zeus, in halber Deckung hinter einem kleinen Hügel.
"Green, Ziel auf elf Uhr, aufschalten Feuer und zurück bleiben. Nimm die AK und gib mir weiter Unterstützung." ohne zu warten aktivierte ich das MASC. Mein Mech ruckte vor und ging in einen schnellen Sprint.
"Chappi, Raketen sind raus, gehe ein wenig nach links, AK kommt. LSR sind im und links am Ziel. AK sitzt tief."
Der Zeus blieb uns nichts schuldig. Einge Raketen schlugen in meinen Mech ein. Dann nahm ich auch noch einen Treffer aus dem schweren ER-Laser in die Torso Mitte. Auch Green bekam einen Treffer aus der feindlichen Ultra AK.

Dann tauchten Reaper und Skyscraper rechts auf. Der sich zurückziehende Todesbote zögerte und feuerte dann doch auf die beiden Mechs.
„Skyscraper, nach links weg. LSR schaltet noch“ kam es über die Comverbindung.
„Dabei. PPK kommt. Mist hat mich gestreift.“
„LSR´s sind raus. Wir müssen wieder mehr Deckung nehmen“
„Bin dran. So, jetzt schmeck deine Medizin.“ Skyscrapers Gefechtsanzeige sprach Bände. Sein Schuß hatte den Todesboten getroffen, aber der schwer gepanzerte Überschwere Mech schüttelte sich nicht mal.
„Reaper, geh um den kleinen Wald. Ich werde in die kleine Flussbiegung springen. Wenn auf Position zünde deine LSR und dann Rückzug zu mir.“
„Roger und Copy.“
Skyscraper sprang einmal, zweimal und rannte dann weiter. Der Todesbote war echt sauer, blaue Blitze zuckten wild an Skyscraper vorbei. Einer hätt ihn aus der Luft gepflückt, wenn er einen dritten Sprung gewagt hätte.
„Reaper von Skyscraper. Bin in Position!“
„Reaper hier. Ich auch. LSR jetzt. Komme zurück. Oh mist, er hat mich… verdammt.“ Knistern in der Leitung.
Sue Min wurde hart durchgeschüttelt von den beiden PPK Treffern die ihr der Todesbote verpaßte. Sie konnte ihren Mech aufrecht halten, taumelte aber ein wenig nach rechts, gefährlich auf die ersten Baumreihen zu.
„Reaper bewegung, raus da. PPK kommt, eröffne mit Laser das Feuer.“ Ein wahrer Lichtsturm vom Lynx schlug in den linken Torso ein. Der Todesbote drehte sich langsam. Schoss eine schnelle dreier Salve, die zum Glück am Lynx vorbei ging. Danach zog er sich langsam zurück.
„Skyscraper von Reaper, bin in dreißig Sekunden da.“
„Reaper von Skyscaper, hat sich erledigt er zieht sich zurück. Aufschließen und wir schauen nach Chappi und Green.“
„Reaper, copy und roger.“
Auf der anderen Seite des Schlachtfelds, war die Schlacht auch vorbei.

"Green gut, weiter ... " nun begann meine LB-X ihr Werk der Zeus taumelte und stürzte, mit schweren Panzerschäden.
"Da hast du es!" rief Green in ihrer Euphorie.
Ich stürmte voran und kam über den Hügel, das Szenario war eigentlich beendet, da blitzte der Laser des fallenden Zeus auf und meine Cockpitanzeigen erloschen, ich war raus.
Innerlich fluchend fuhr ich die Systeme runter, kurz danach startete der Computer wieder alle Systeme. Die Übung war beendet. Bis auf diesen letzten glücklichen kritischen Treffer der mich simuliert umgebracht hatte war ich höchst zu frieden mit der Leistung.
Der Rest des Manövers verlief nicht schlecht.

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„Hundert Nuttenfickende, Dämonenschwänzige Kurita-Lakaien!“ Der derbe Fluch hallte durch die Baracke, und zugleich folgte das laute Scheppern eines unsanft getretenen Blechmülleimers, der seinen Weg von der ersten Bettreihe zur letzten nahm. Sechs Betten auf jeder Seite, machte zwölf. Zwölf war die Zahl der Mechkrieger einer Kompanie. Der Eimer schepperte noch einmal besonders laut, als er die Trennwand zur C-Kompanie traf. Von drüben erscholl ein undamenhafter Fluch, der mangelnde Selbstkontrolle und die Größe der Genitalien des Fluchenden beinhaltete.
Jannard Dekker, der gemütlich auf seinem Bett lag, hob eine Augenbraue, und sah den Tobenden an. „Was'n los, Stravag?“
„Stravag?“ Zuerst wollte der Angesprochene auffahren, aber letztendlich entschied er sich dagegen, denn erstens meinte Dekks es nicht ernst, zweitens war er kein Clanner, auch kein adoptierter, und drittens war dies die Baracke der C-Kompanie des 1. Bataillons der 13. Ryuken-Regiments, das gerade in aller Heimlichkeit ausgehoben wurde, und keinesfalls eine stinkende und verdreckte Hafenkneipe auf einem üblichen Planeten der äußeren Peripherie. Die Abgeschiedenheit ihrer Heimatbasis, Wayside V, machte dies trotz des immer mehr zunehmenden Handels durchaus möglich. Schließlich und endlich seufzte Adam Harata nur und setzte sich auf sein Feldbett. Dann ließ er sich der Länge nach fallen und gab einen ordentlichen Stoßseufzer von sich. „Ina hat mich durchgenudelt bis zum gehtnichtmehr.“ Arita Inaho, besser gesagt Sho-sa Inaho-sama, war die designierte Chefin des 1. Bataillons und damit die Stellvertreterin des operativen Kommandeurs Aaron Imara. Chu-sa Imara war nur noch einem unterstellt, und das war der Graf persönlich. „Ich wette, sie will mich raus haben aus der Einheit.“
„Und warum sollte sie das tun?“, fragte eine weitere, weibliche Stimme. Hannah Krause sah von ihrer Lektüre auf und schmunzelte den Peripherler an.
„Na, weil ich ein Stück menschlichen Abfalls aus der Peripherie bin, aufgewachsen jenseits ihres Ehrverständnis, und nicht mit einem putzsauberen Mech aus Familienbeständen bestückt. Ich muss ihr zu dreckig sein, Hanna.“
„Eher glaubt sie, dass du die Einheit bei der erstbesten Gelegenheit verraten wirst“, sagte Stimme Nummer vier. Georgie war der Älteste im Raum, was vielleicht daran lag, dass er in seinem Clan, den Novakatzen, schon als Solahma galt und nicht mehr aktiv eingesetzt wurde. Er hatte eben den Anstand vermissen lassen, blutnamenlos mit Mitte dreißig zu sterben. Stattdessen hatte er sich dazu berufen gefühlt, sein Kriegshandwerk wieder aufzunehmen. Und das war am ehesten in den draconischen Streitkräften möglich gewesen. Schwups, war er auf Wayside gelandet. Allerdings grinste er bei seinen Worten so entwaffnend, dass Adam ihm nicht böse sein konnte. Stattdessen seufzte er noch einmal. „Ist doch so. Ihr habt seit zwei Stunden Dienstschluss, und nur ich muss noch fünf Extrarunden im Sim einlegen. Okay, ich habe nicht die besten Abschusszahlen, und als Pilot bin ich jetzt auch nicht so gut, aber wenn man alle Piloten des Bataillons vergleicht, stehe ich im guten Mittelfeld.“
„Hey, Harata, vielleicht liegt es an den fünf Tropfen draconischen Blut in deinen Adern?“ Haruka Kobe, die kleine, schlanke, Vorzeige-Asiatin, grinste ihn an wie ein Honigkuchenpferd. „Vielleicht hält sie dich für einen echten draconischen Samurai und denkt nur, dass du dich verstellst.“
„Sehr witzig, meine kleine Distelblüte“, knurrte Adam. Er hob den Kopf und sah zur sechsten und bisher letzten Person in der Baracke herüber. „Untersteh dich, Ellen.“
Die Lyranerin sah ihn verständnislos an. „Ich habe doch noch gar nichts gesagt.“
„Aber du wolltest, Frau Hirsch, du wolltest.“ Er seufzte erneut, wälzte sich auf die Seite und sagte: „Jedenfalls bin ich jetzt durch und fertig, und ich würde mir eine Dusche gönnen, wenn ich nicht jeden Muskel im Körper spüren würde, und...“

„ACHTUNG!“
Auf den Ruf von Georgie flog auch Harata auf seine Füße und nahm Haltung an. Vielleicht waren seine bisherigen Erfahrungen im Mechgewerbe von zweifelhaftem Ruf, aber seine Miliztruppe hatte viel Wert auf Form gelegt. Auf Form, Disziplin und gut trainierte und gut ernährte Soldaten. Wann nur hatte er mehr vom Leben gewollt?
Drei Personen traten in die Baracke ein. Zuallererst der Graf. Adam Harata wurde es heiß und kalt zugleich. Dieser Mann war der Grund, warum er nach Wayside V gekommen war. Okay, und weil er entrechtet war. Aber er hatte diesem Mann nacheifern wollen, etwas erreichen wollen. Und deshalb hatte er, als die Eagles, die Miliz, die Chevaliers und die 13. Personal gesucht hatten, sein Glück bei der neuen Einheit versucht, weil es hieß, sie würde dem Grafen direkt unterstellt werden. Und nun stand dieser Mann in seiner Baracke, fast zum greifen nahe. Die anderen beiden waren Chu-sa Imara, und – natürlich – Sho-sa Inaho, die den beiden Vorgesetzten die Tür offenhielt und nach ihnen eintrat.
„Die C-Kompanie, Tai-sa“, sagte Imara. „Acht Mechs, aber bisher erst sechs Krieger. Zwei sind angekündigt, vier müssen wir noch irgendwie zusammenkratzen.“
„Gemacht, gemacht. Wir bereiten uns nicht auf einen Krieg vor. Die Einheit ordentlich aufzubauen ist besser, als sie hektisch aufzubauen.“ Der Graf sah kurz ins Rund. „Gemischte Belegung?“
„Ja, Tai-sa. Wir verlassen uns darauf, dass unsere künftigen Soldaten so viel Anstand haben, nicht vor ihren Kameraden übereinander herzufallen. Immerhin sind sie alle erwachsen.“
Danton lachte leise, auch unter den anderen fünf Mechkriegern klang ein Kichern auf, aber Adam verkniff sich jede Heiterkeit. Denn Arita Inaho sah ebenfalls mit humorloser Miene ins Rund.
Sie traten an das erste Bett heran. „Georgie Novakatze“, stellte Inaho den Mann vor. „Wurde uns von Wolcott als Freiwilliger geschickt. Er will unbedingt wieder an das Steuer eines Mechs.“
Danton schüttelte dem braungebrannten, schwarzhaarigen Riesen die Hand. „Freut mich, Georgie Novakatze. Für was sind Sie vorgesehen?“
„Für Sie zu töten, mein Khan“, erwiderte der Clanner.
Inaho räusperte sich. „Es gibt schon ein paar Entscheidungen, aber ich habe sie meinen Leuten noch nicht mitgeteilt. Wegen seiner langen Erfahrung in der Führung eines Sterns ist er als Stellvertreter und Chef Lanze Beta vorgesehen.“
„Das macht ihn zum Chu-i, richtig?“
„Ja, Tai-sa.“
„Ich verlasse mich auf Sie, Georgie Novakatze.“
„Das können Sie, mein Khan“, erwiderte er mit Inbrunst. Junge, Junge, wenn der Clankrieger so erpicht darauf war, wieder kämpfen zu können, konnten sie Glück haben, dass kein Pirat ihm diese Gelegenheit früher angeboten hatte.
Sie gingen zum nächsten Bett. „Jennard Dekker. Hat Erfahrung auf mittleren und schweren Maschinen.“ Inaho sah ihm geradewegs in die Augen. „Keine Erfahrung bei der Führung von Soldaten und keine taktische Begabung dafür. Aber er ist ein guter Flügelmann, deshalb werde ich dem Tai-sho der C-Kompanie vorschlagen, ihn sich oder einem der Lanzenführer an die Seite zu stellen.“
Wenn ihn diese Kritik knickte, zeigte es der Peripherler nicht. „Ich kämpfe da, wo man mich hinstellt, Tai-sa“, sagte er, als Danton ihm die Hand reichte.
„Gute Worte“, kommentierte Danton, wohl wissend, dass das ein geflügeltes Wort bei seinen Chevaliers war.
„Haruka Kobe, ebenfalls von Wolcott. Ihre Einheit wurde vor einiger Zeit aufgelöst und ihre Mitglieder umverteilt. Bisher war sie nur Flügelführerin, aber ich denke, sie kann was, deshalb werde ich sie als Chefin der Gamma-Lanze empfehlen.“
Die junge Frau wurde rot bei diesen Worten, und sie wurde noch roter, als der Graf ihre Hand schüttelte. „D-danke, Sho-sa. Das ist eine große Ehre für mich, und...“ Sie schluckte. „Eine sehr große Ehre.“
„Ich denke, Sie werden einen guten Job machen. Sho-i wird ihr Rang, richtig?“
Inaho sah auf ein imaginäres Klemmbrett. „Richtig. Im Gegensatz zu den Chevaliers haben wir uns dazu entschlossen, alle Lanzenführer in den Offiziersrang zu erheben.“
Danton lächelte und nickte. „In Einheiten, die neu gegründet werden, kann so gut wie alles passieren. Unvermittelt kann man sich auf einer wichtigen Position wiederfinden, die man nie im Leben für sich erwartet hat. So mancher Lanzenführer oder gar Kompaniechef musste unter einem neuem Kommandeur ziemlich weit runter in der Hierarchie, um wieder in eine Einheit aufgenommen zu werden. Während der Clankriege hat selbst Victor Davion einen guten Freund, den Mann, mit dem er die Akademiezeit verbracht hat, nur als Flügelmann aufgenommen, obwohl er in seiner alten Einheit stellvertretender Kompaniechef gewesen war. Er war nicht genug im Gefechtskonzept der 10. Lyraner trainiert. Sie werden einen guten Job machen, Sho-i.“
„Das werde ich, Tai-sa“, versprach sie mit nicht weniger Inbrunst in der Stimme als Georgie.
Inaho trat an das nächste Bett heran, vor dem Adam stand. „Tai-sa, dies ist Adam Harata, ein Milizsoldat aus der Peripherie. Ich habe mir erlaubt, seine Fähigkeiten besonders gründlich zu überprüfen, nachdem ich sein Gefechtsbuch eingesehen habe.“
„Weil Sie fürchteten, er hätte übertrieben?“, fragte Danton, ergriff Adams Hand und zwinkerte ihn an. „Ein bisschen geht schon in Ordnung.“
„Nein, Tai-sa. Weil ich in ihm das Potential sehe, der Tai-sho der Kompanie zu werden. Ich denke, ich werde ihn auch vorerst zu meinem Stellvertreter machen. Er hat das Potential dazu. Wenn er im Training nicht nachlässt. Auf jeden Fall sind seine Fähigkeiten im Simulator auf Lanzen- und Kompanie-Ebene beeindruckend gut. Ein Naturtalent, möchte ich sagen.“
Adam erstarrte und fühlte sich plötzlich stark schwitzen. Er und Tai-sho? Also oberster Offizier der Kompanie? Sein Händedruck nahm den eines toten Fischs an. Hilfesuchend sah er zu Inaho herüber, aber die Frau zeigte nur etwas Ungewöhnliches. Sie lächelte fast. Adam sah zu Imara und Danton, aber auch sie waren in keinster Weise erschüttert. Dann ging sein Blick zu seinen fünf Kameraden. Die, für die er verdammt noch mal die Verantwortung trug, wenn er Tai-sho wurde. Aber auch von ihnen war keine Hilfe zu erwarten, oder gar Protest.
„I-ich kämpfe da, wo ich hingestellt werde, Tai-sa!“, sagte er hastig. Und das, obwohl ihm der Magen auf den Knien hing, und das Herz hinterherzurutschen drohte.
„Richtig so, Junge. Ich erwarte Großes von Ihnen, wenn Inaho-san Sie derart hervorhebt. Sie hat sich sogar die Mühe gemacht, außerhalb ihrer Dienstzeit mit Ihnen zu trainieren. Erkennen Sie das an, Tai-i.“ Danton sah Inaho direkt an. „Tai-i ist der korrekte Rang, richtig?“
„Hai. Eine Beförderung zum Sho-sa könnte allerdings im Raum stehen, wenn er sich als mein Stellvertreter etabliert.“
„Wir werden sehen, wie sich die Einheit weiter entwickelt.“ Danton drückte noch einmal den toten Fisch, dann nickte er Adam Harata zu. „Sie kriegen das hin.“
Das war keine Bitte, keine Feststellung, es war ein Befehl. „Ja, Tai-sa, das werde ich“, sagte er mit fester Stimme.
„Hannah Krause“, stellte Inaho die zweite Frau vor. „Als Flügelführerin vorgesehen, wenn nicht noch jemand mit mehr Talent daher kommt.“
„Na, den möchte ich sehen“, schmunzelte Hannah, als sie dem Grafen die Hand schüttelte.
„Ich ebenfalls. Kämpfen Sie um Ihren Platz, Krause-san. Denn Vorgesetzte können ruckzuck die Karriereleiter hochfallen, sobald wir die ersten Ausfälle haben.“
„Malen Sie den Teufel nicht an die Wand, Tai-sa“, sagte sie schaudernd.
„Das letzte Mitglied der C-Kompanie bis jetzt“, sagte Inaho beim letzten besetzten Bett. „Ellen Fischer. Ich dachte, ich gebe sie Kobe-san an die Seite. Sie hat Talent zur Unterstützung wie Dekks. Ich meine, wie Dekker-san.“ Inaho räusperte sich verlegen, weil ihr der Kosename des Soldaten rausgerutscht war. „Du hältst den Mund, Ellen“, raunte Hannah ihr vollkommen unsoldatisch zu.
„Ich habe doch noch gar nichts gesagt“, erwiderte sie und hatte die Lacher auf ihrer Seite.
Danton lachte auf, drückte ihre Hand ganz fest und sah dann ins Rund. „Ein Anfang ist gemacht. Es geht schneller, als ich erwartet habe. Und es wird mehr passieren, als jetzt schon abzusehen ist. Leisten Sie Ihren Teil dabei, aus diesem Setzling ein Regiment zu ziehen, und Sie werden mit der Kompanie wachsen und gedeihen. Jeder wird bis zur Grenze seiner Fähigkeiten befördert, das ist gerade in einer neuen Einheit der Fall. Machen Sie mich stolz, meine Damen und Herren.“
„Jawohl, Tai-sa!“
Danton wirkte zufrieden. Er winkte ins Rund, klopfte Adam noch einmal auf die Schulter und verließ dann mit den beiden Offizieren die Baracke wieder.
„ACHTUNG!“, rief Georgie erneut. Dann schloss sich die Tür wieder, und eine Welle an Glückwünschen ergoss sich über Adam.
„Uff“, machte der Peripherler. „Uff. Das habe ich nicht erwartet.“ Für einen Moment schien alle Anspannung von ihm zu weichen. Dann aber straffte er sich. „Okay. Duschen, was essen, und dann gehe ich noch mal eine Stunde in die Sims.“
„Und ich wette, du wünschst dir jetzt, Ina wäre dabei, um dich anzutreiben, richtig?“, neckte Hannah.
„Jetzt ja“, erwiderte Adam und erntete gutmütiges Gelächter.

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„Manne, hast du einen Moment?“, fragte Willem Kleinweich, der Computerexperte der Höllenhunde, als er kurz seinen Kopf ins Büro des Majors steckte.
Manfred Scharnhorst, Chef der Germaines Höllenhunde, sah herüber zur Tür. „Sicher. Bring Kaffee mit, wenn Cindy welchen fertig hat. Ist es wichtig?“
„Ich würde sagen, es ist eher merkwürdig. Oh, danke, Schatz.“ Mit dem Tablett, das seine Verlobte ihm in die Hand gedrückt hatte, trat Kleinweich ein. „Ich weiß, wir sind kurz davor, zu verlegen, aber... Ich denke, es ist besser, ich erzähle es jetzt.“
„Du machst mich neugierig.“ Scharnhorst deutete auf die kleine, aber bequeme Couchecke, die sein ComStar-Büro zu bieten hatte. Ein guter Rang machte sich in der Zuteilung eben bezahlt. „Setzen wir uns.“
Scharnhorst ließ Kleinweich Vortritt dabei, sich zu servieren und schenkte sich dann selbst einen Kaffee ein. „Egal, wie merkwürdig es ist, es kann nicht mehr merkwürdiger werden. Wenn du mich fragst, steht die Galaxis Kopf, und wir sind der Mittelpunkt.“
„Hm?“, fragte Kleinweich, die Tasse an den Lippen.
„Die Versorgung hat mich mit fünfzehn Memos zugebombt. Du weißt, wir gehen gerne mit vollen Magazinen raus, aber wo immer wir Station machen, versuchen wir, unsere Vorräte zu ergänzen. Germaine sagt immer...“
„Ein gutes Lager muss mit zwanzig Prozent überfüllt sein“, vervollständigte der Computerexperte grinsend.
„Richtig“, bestätigte Manfred ebenfalls grinsend. „Deshalb hat der Versorgungszug, namentlich deine liebliche Verlobte Cindy, auf den verschiedenen Planeten unserer Route Vorbestellungen erstellt. Das sollte an sich kein Problem sein, denn wie du weißt, suchen wir ja theoretisch befreundete Welten auf, weil wir sowohl mit den Bärchen, als auch mit den Echsen können.“
„Aha“, murmelte Willem. Politik war nicht seine starke Seite. Deshalb bevorzugte er es, verstehend zu nicken, anstatt nachzuhaken.
„Laut Cindy hat sie aber bei etwa dreißig Bestellungen, das Meiste davon für alltägliche Dinge wie Nahrung, Ersatzuniformen und Hygieneartikel, allerdings auch eine Kühlmittelbestellung und zweimal Munition, bereits Absagen beziehungsweise keine Rückmeldungen erhalten. Es ist abzusehen, dass wir auf der ersten Station unserer Reise von unseren Reserven leben müssen und erst auf zwei oder drei voll verpflegen können, immer vorausgesetzt, Cindy findet bis dahin Ersatzlieferanten, denen unser gutes Geld nicht stinkt.“ Manfred trank seine heiße, fast noch kochende Tasse Kaffee auf einen Schluck weg und schenkte sich nach. „So, das waren meine Sorgen. Was ist es bei dir?“
„Nun“, druckste der Computerspezialist, „ich fürchte, man versucht, uns zu hacken.“
„Äh, was, bitte?“
„Ich weiß, das ist ein merkwürdiger Begriff, und er ist dir garantiert noch nie begegnet, Manne, aber das ist in Ordnung. Das gehört alles zum Sternenbund-Sprech, den es heute eigentlich nicht mehr gibt. Das liegt einfach daran, dass wir früher, bevor die Vereiningungskriege die Kernsysteme ausbluteten, Amaris den Thron raubte und die letzten Camerons töten ließ, auf so ziemlich jeder Zentralwelt allgemeinzugängliche, Weltenumfassende Computernetze hatten. Das bedeutet, auf Terra konnte man sich in Hong Kong in dieses Computernetz einloggen und mit Freunden in New York reden. Durch die Nachfolgekriege und die exzessiv eingesetzten Atombomben aber ging nicht nur viel Wissen verloren, sondern auch etliche Computernetze. Die sind nämlich anfällig gegen Elektromagnetische Impulse, kurz EMP genannt, und da es durch den Krieg kaum Ressourcen für die Reparaturen, geschweige denn die Fachleute dafür gab, wurden auch nach und nach die Netze eingestampft. Lediglich auf lokaler Ebene, sprich in alten Sternenbundforts, auf Milizstützpunkten oder einigen wenigen Städten gab es zumindest noch rudimentäre Netze. Mit der Entdeckung des Sternenbundkernspeichers änderte sich das allerdings rasant, vor allem, da Hanse Davion einiges dafür tat, um das LosTech auch an seine Feinde zu verbreiten. Als Folge davon sind heutzutage alle größeren Städte der Inneren Sphäre zumindest mit einem oberflächlichen Netz verbunden, das zumindest die Sendung von Daten in Form elektronischer Dokumente zulässt, aber auf lokaler Ebene kann fast Sternenbundniveau erreicht werden. Für uns in diesem Stützpunkt bedeutet dies, dass du von deinen Büro aus dabei zusehen kannst, wie im Hangar die Panzer repariert werden. Wenn du das willst.“
„Neumodischer Kram“, brummte Manfred. „Danke für die Nachhilfe, Willem, aber was hat das mit uns zu tun?“
„Wie ich schon erklärt habe, es geht um Datenfluss. Wir hier auf dem Stützpunkt sind mit dem oberflächlichen ComStar-Netz verbunden, das es uns erlaubt, kleine Dokumente mit einem Speichervolumen von bis zu fünfhundert Kilobyte Planetenweit zu versenden. Das bedeutet, dass wir hier auch Speicher angelegt haben, in denen unsere Daten virtuell lagern, also nicht als Papiere. Ein Teil zumindest, weil es einfacher ist, darauf zuzugreifen.“
„Äh, sind diese Daten...“
„Nein, sind sie nicht. Ich habe Sorge getragen, dass die meisten internen Computerterminals nur miteinander kommunizieren können. Die wenigen, die mit dem Welt-Netz reden, stehen in einigen wenigen separaten Büros und werden von mir überwacht.“
„Weise, weise. Und wo ist jetzt der Part mit dem hacken?“
„Nun, wie ich schon sagte, wir haben zwei Netze. Eines ist mit ComStar verbunden und enthält hauptsächlich unsere tägliche Korrespondenz. Das andere ist unser internes Netzwerk, und in dem sind unsere sensiblen Daten abgelegt: Personalakten, Patrouillenpläne, Bestellungen an Nachschub, unsere Bankkonten und deren Zugangsdaten, also ganz wichtiger Scheiß.“
„Ahem.“
„Und für den Fall, dass jemand direkt auf das interne Netz zugreifen will, habe ich es noch speziell gesichert. Jeder beteiligte Rechner hat einen festen Namen, und Datenanfragen jedwelcher Art von einem unbekannten Computer werden geblockt. Zudem habe ich einen Rhythmus entwickelt, mit dem alle Computer in einem erratischen Zyklus ihre festen Namen ändern, diese aber jedem anderen Computer bekannt sind. Somit wird es einem Cracker erschwert, in das System einzubrechen und sich als berechtigt auszugeben. Dabei ging ich davon aus, dass ein Einbrecher nicht unendlich viel Zeit hat, um in unser System einzubrechen, da er fürchten muss, aufzufliegen. Zudem muss er auch besser darin sein, Computernetze zu knacken als ich darin bin, sie zu schützen.“
„Was du mir also sagen willst, ist...“
„Dass jemand versucht hat, in das interne Netz einzudringen. Zweimal.“
Scharnhorst erhob sich und ging zu seinem Schreibtisch. „Cindy, schick mir Lane.“

Zehn Minuten später saß Captain Andrew Lane, Chef der Infanterie und provisorischer Chef der Gegenspionage, mit am Tisch. „Das ist die Lage, Andrew“, schloss Kleinweich seinen Bericht.
Der Infanterie-Offizier strich sich nachdenklich übers Kinn. „Also eine Infiltration. Dies ist ein ComStar-Gebäude in einem ComStar-Fort. ComStar hat hier einen nahezu unbegrenzten Zutritt, weil wir Verbündete sind. Aber letztendlich haben wir nicht mehr als zwanzig Besucher von ComStar am Tag. Ich lasse jeden einzelnen begleiten. Offiziell, damit sie sich nicht verlaufen. Inoffiziell, weil verdammt noch mal jeder einzelne ein Spion oder ein Blakist sein kann, und das riskiere ich nicht. Dazu kommen der Hausmeister und zwei, drei Einheimische, soweit es auf Tukkayjid noch Einheimische gibt. Zum putzen. Ich schätze, einer von ihnen wird unser Hacker sein. Oder jemand, der es geschafft hat, sich für eine dieser Personen auszugeben. Ich werde der Sache nachgehen, und, so ich die Chance dazu habe, sie beenden.“
Scharnhorst nickte zufrieden. „Sehr gut. Willem, du und Andrew arbeitet hier Hand in Hand. Gib ihm die Protokolle über die Zugriffsversuche auf beide Netze, inklusive Zeitraster. Vor allem beim Angriff auf das interne Netz dürfte das hilfreich sein. Außerdem bitte ich darum, die Basis einmal auf den Kopf zu stellen. Ich weiß, wir fliegen bald ab, und alle sind mit einpacken beschäftigt, aber...“
Lane nickte. „Aber wir wollen ja ein sauberes Haus übergeben. Ich schicke meine Leute gleich los. Aber zuvor möchte ich selbst etwas berichten, was in diesem Zusammenhang in einem anderen Licht erscheint.“
„Schieß los, Andrew.“
„Nun, anfangs habe ich es nur für eine skurrile Geschichte gehalten, aber jetzt erscheint sie mir in einem neuen Licht. SeniorTech Gordon berichtete mir, dass einer seiner neu angeworbenen AsTechs beim letzten Ausflug an eine Bande ViererDrax-Spieler geraten ist.“
„Und die haben ihn bis auf die Unterhose ausgenommen“, riet Kleinweich.
„Nein, das ist es ja. Er hat gewonnen. Ziemlich genau fünfhundert C-Noten. Dabei ist er nicht mal ein besonders guter Spieler. Jedenfalls haben die Verlierer ihn genötigt, von seinem Gewinn doch die eine oder andere Runde für den Tisch zu kaufen. Und dann haben sie ihn unauffällig über die Einheit befragt. Aufgeflogen ist die Geschichte, als der Knabe hier auf dem Stützpunkt damit geprahlt hat, wie er die Spieler „ausgenommen“ hat. Als Gordon zu mir gekommen ist, habe ich den Jungen mal durch die Mangel gedreht und ausgiebig befragt. Dabei habe ich festgestellt, dass seine neuen Freunde es vor allem auf Informationen über unsere Panzer und Luft/Raum-Jäger abgesehen hatten. Bis eben habe ich das abgetan, weil ComStar hier der Hausherr ist und über alle relevanten Daten unseres Rasters verfügt. Aber jetzt muss ich annehmen, dass der AsTech gezielt von Spionen ausgehorcht wurde, die unsere Einheit profilieren wollen.“
Scharnhorst nickte dazu. „Das denke ich auch. Andrew, schnapp dir den Jungen noch mal, und fühl ihm gehörig auf den Zahn. Erstell Profilbilder und Phantomzeichnungen der Spieler und gib sie mitsamt den Informationen an ROM weiter.“
Scharnhorst erhob sich. „Meine Herren, wir werden diese Welt schon bald verlassen. Wenn uns jemand also so vielfältig auf den Zahn fühlt, oder versucht, unseren Nachschub zumindest zu verlangsamen, bedeutet das nur eines: Die Höllenhunde werden angegriffen. Konferenz aller Teileinheitsführer gleich nach dem Start, sobald wir den Orbit erreicht haben, in der CRYING FREEDOM.“
„Aye, Sir.“

Während sich die anderen beiden Männer erhoben, ging es Scharnhorst durch den Kopf, dass er und damit die Einheit automatisch im Nachteil war. Wurden sie tatsächlich angegriffen, konnte das auf der ersten Welt passieren, auf der zweiten, oder auch erst dann, wenn ihre neue Aufmerksamkeit nachgelassen hatte und sie wieder verwundbar waren. Ihm blieb nur, die ISA und ROM hinzuzuziehen und zu hoffen, dass diese beiden Geheimdienste Daten liefern konnten, die halfen, Ort, Zeit und Gegner des möglichen Hinterhalts so gut es ging einzugrenzen. Verdammt.

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Wayside V, Parkensen City
Hauptfriedhof, Ehrenhain
7. April 3067, 14:00 Uhr

Für den einzelnen Menschen war der Tod immer etwas ganz persönliches, ein individuelles Ereignis, das er mit niemandem teilen konnte oder brauchte.
Vielleicht war das auch der Grund, aus dem sein Umfeld, die Gesellschaft, aus dem Tod ein Ritual machte, etwas, an das man sich klammern konnte, dass jedes einzelne Mitglied einer bestimmten Gruppe mit allen anderen vereinte.
Als Söldnerin war Jara wieder und wieder mit dem Tod in seinen unzähligen Formen konfrontiert worden und sie hatte gesehen und erlebt, wie die Soldaten, wie Kameraden, Freunde, Vorgesetzte und Untergebene, wie Liebende und Hassende mit ihm umgegangen waren. Dabei hatte sie auch eine Vielzahl an Ritualen erlebt, die aber auf ihre Art immer soldatisch-bodenständig gewesen waren, ganz gleich, in welcher Einheit und in welcher Bezugsgruppe.
Sie hatte bei formalen Trauer-Zeremonien lange Reden gehört und gehalten, hatte Musikkapellen spielen und Salutschüsse böllern hören. Sie hatte den großen, roten „K.I.A.“-Stempel auf Personalakten gestempelt und diese Akten dann vom Register der aktiven ins Register der ehemaligen Soldaten geheftet.
Sie hatte im Kameradenkreis Lieder gesungen, Geschichten erzählt, Fotos herumgereicht, Schnapsgläser vor leere Stühle gestellt, sich bis zur Besinnungslosigkeit betrunken, Witze erzählt, geweint, gelacht, getobt, geschwiegen.
Und nicht zuletzt hatte sie ihre eigenen Eltern und ihre große Schwester zu Grabe getragen, ihre Familie, die Stück für Stück dem ewigen Krieg zwischen den Sternen zum Opfer gefallen war.
Kurzum: Sie hatte in ihren einundzwanzig Lebensjahren und ihren fünf Jahren im aktiven Dienst jede Menge Trauer und Leid erlebt.
Vielleicht fühlte sie sich deshalb nicht einen Deut schuldig, dass sie keine Trauer, keine Empathie, nicht einmal einen Hauch von Anteilnahme empfand, während sie sich auf dem zentralen Friedhof einer Welt die Beine in den Bauch stand. Die Beerdigung irgendeines altersschwachen niederen Adligen, den sie nur flüchtig kennengelernt hatte, dessen Verdienste um die Welt aber offensichtlich erforderten, dass der übrige Adel ihm die letzte Ehre erwies. Und das schloss sie mit ein.
Sie hatte sich gegen einen Kimono und für die volle Paradeuniform der Chevaliers entschieden, mit Schirmmütze, Säbel und allem drum und dran, natürlich mit Trauerflor am linken Oberarm. Sie wusste, dass sie damit bei einem Großteil des eingesessenen drakonischen Adels mindestens ein heimliches Naserümpfen ausgelöst hatte, aber sie wusste auch, dass die Jüngeren sie halb beneideten und halb bewunderten.
Germaine, der neben ihr stand, hatte sich seinem Stand entsprechend traditioneller gekleidet, zu ihrer Kleiderwahl allerdings nichts gesagt. Allerdings merkte man ihm seine Langeweile auch nicht so stark an wie ihr. Die Erfahrung, vermutete sie. Jara wusste aber, dass „der Alte“ genau wie sie auf die Schlachtfelder und in einen BattleMech gehörte und insgeheim fragte sie sich, ob er nach der Erholungspause der Einheit nicht einfach wieder das Kommando übernehmen und sich mit ihnen in ein neues Abenteuer stürzen würde. Einen Feldzug ohne seine… väterliche Präsenz konnte sie sich nach wie vor nur schwer vorstellen, obwohl die Chevaliers nun ihre Einheit waren.
Später, beim Trauerbankett, nachdem sie dem halben Planeten die Hand geschüttelt oder sich zumindest höflich verbeugt hatte, saß sie ihrem Mentor gegenüber und kaute lustlos ein Stück Torte.
„Beschäftigt dich die Beerdigung?“, wollte Germaine wissen.
Jara senkte ihre Stimme soweit, dass außer ihm niemand zuhören konnte und sagte: „Nicht im Geringsten. Mich beschäftigen Materiallisten und Trainingspläne und Lohnkosten, aber dieses ganze Brimbamborium hier? Überhaupt nicht.“
„Warum dann so kraftlos?“
„Es ist so langweilig und aufgesetzt. Ich weiß nicht, was ich hier soll… ich habe so viele Kameraden beerdigt und jedes Mal habe ich gefühlt, dass ich ihnen zumindest einen würdigen Abschied schuldig bin. Aber hier? Was tue ich hier? Außerdem schmeckt die Torte fürchterlich.“
„Es ist gefährlich, wenn du den Kontakt zum Leben außerhalb der Einheit verlierst. Du bist jung. Geh mal wieder aus, genieß das Leben. Du musst auch mal ausspannen können, den Ausgleich braucht jeder.“
Jara schwieg, kaute weiter auf der Torte herum und wechselte schließlich das Thema: „Ich habe überlegt, das Einheitslogo zu ändern.“
„Untersteh dich!“, drohte Germaine ihr, nur um anschließend zu fragen: „Was schwebt dir denn vor?“
„Ich dachte an Jerry, der auf einem Wolf reitet“, antwortete die Söldnerin ohne eine Miene zu verziehen.
„Das ist nicht nur eine blöde Idee, das wäre auch ein Grund, dich zu enterben“, witzelte ihr Mentor, nun aber schon mit leiser Unsicherheit in der Stimme.
Jara sah ihn an: „Das ist etwas spät.“
„Warum?“, wollte er wissen und diesmal schwang definitiv Angst in seiner Stimme mit.
„Dann hätte ich mir das doch eher schmerzhafte Tattoo auf meinen Brüsten sparen können“, gab sie, immer noch staubtrocken, zurück.
Die beiden sahen sich an und Augenblicke später mussten sie gemeinsam gegen ein völlig unpassendes Lachen ankämpfen. Jara, die über ihren eigenen Spaß feixte und Germaine, dem die Erleichterung die Lachtränen in die Augen trieb.
„Das war nicht sehr nett von dir“, tadelte er sie schließlich mit Schalk in den Augen, nachdem er sich sicher sein konnte, nicht beim ersten Wort laut loszuprusten und die Beerdigung damit sehr unangenehm zu stören.
„Ich weiß, ich weiß. Ich verspreche dir aber nicht, dass es nicht wieder vorkommt.“
„Verstehe. Aber im Ernst: Weißt du, was du dir auf die Brust stechen lassen solltest?“
„Nein, was denn?“
Germaines Augen blitzten mit einem unterdrückten Kichern. „Da sollte stehen ‚Diesen Brüsten gehört ein Regiment. Anstarren ist unklug.“
Jara musste ihr Kichern mit einem gespielten Hustenanfall überspielen, als mehrere Trauergäste sich zu ihr umdrehten. Nachdem diese gemerkt hatten, wen sie gerade wütend ansehen wollten und sich betont höflich wieder abgewandt hatten, knuffte die Söldnerin ihren Freund und Mentor in die Seite: „Du bist unmöglich, weißt du das?“

***

Wayside V, Dantonville
Kasernengelände der Dantons Chevaliers
7. April 3067, 17:00 Uhr

James Campbell lehnte lässig an der Fahrertür des wuchtigen Militär-LKWs. Die Ärmel seiner Uniformjacke hatte er hochgekrempelt und gab so den Blick auf die verschlungenen Tätowierungen auf seinen sehnigen Unterarmen frei. Unter der tief ins Gesicht gezogenen Schirmmütze hingen einzelne Strähnen seines roten Haares heraus.
Neben ihm stand Sergeant Elisa Bräuning und kaute auf einem Kaugummi herum. Zwischen den beiden Rotschöpfen hatte sich eine gute, kumpelhafte Freundschaft entwickelt und so war es gar kein Wunder, dass sie sich sofort freiwillig als seine Beifahrerin und Lademeisterin gemeldet hatte.
Schritte dröhnten durch die Fahrzeughalle und an den zehn Lastwagen vorbei und die kasernenhoferprobte Stimme des Spieß dröhnte: „Los geht’s, Leute! Aufsitzen!“
„Na endlich“, kommentierte Bräuning grinsend. „Dachte schon, wir stehen hier noch den ganzen Abend rum.“
„Als ob man uns hier so viel Freizeit lassen würde“, gab Campbell zurück und schwang sich in die Fahrerkabine.
Noch bevor seine Kameradin das Fahrzeug umrunden und auf den anderen Seite zusteigen konnte, drehte er den Zündschlüssel um und genoss das gewaltige Fauchen, Dröhnen und Stampfen des Dieselmotors. Als Mechpilot war er leise Antriebe gewöhnt, aber nichts machte seinen Ohren mehr Spaß als die gute alte Verbrennungstechnologie. Zuverlässig, pflegearm und erbarmungslos kraftvoll.
Mit einem brummigen Röhren schoss die Drehzahl des Motors nach oben, als Campbell das tonnenschwere Gefährt in Bewegung setzte und sich in den aufbrechenden Konvoi einreihte.
Einer nach dem anderen rollten die schweren Lastwagen in Richtung des Übungsgeländes, kaum beachtet von den übrigen Chevaliers, die in der Kaserne ihrem Dienst nachgingen. Für sie waren die Fahrzeuge Alltag, für Campbell und Bräuning war die Ausbildungs- und Übungsfahrt eine willkommene Abwechslung von der Routine. Der rothaarige Mechkrieger kam seiner Meinung nach viel zu selten dazu, Radfahrzeuge zu bewegen und so war auch die im Grunde wenig anspruchsvolle Konvoi-Schulung für ihn eine Sache, auf die er sich lange gefreut hatte.
Ihre Fahrtstrecke führte sie hinaus aus der Kaserne und auf den Teil des Manövergeländes, dass sonst von den Pionieren benutzt wurde. Hatte er mit Bräuning vorher noch ein zusammenhängendes Gespräch führen können, so beschränkte sich ihre Kommunikation nun auf kurze Sätze. Ihre Anweisungen, seine Informationen zum Fahrzeugzustand, viel mehr ließ seine Aufmerksamkeit nicht zu, während er hochkonzentriert den übrigen Wagen durch das zerfurchte Gelände folgte.
In der Übungspause saßen sie im Dämmerlicht zwischen den Lastwagen, tauschten Erfahrungen aus und tranken aus ihren Feldflaschen, ehe sie zur zweiten Runde und schließlich zur Heimfahrt aufbrachen.
Irgendwann während dieser Fahrerei bemerkte Campbell einen leichten Alkoholgeruch, den auch das Kaugummi, das seine Beifahrerin sich in den Mund geschoben hatte, nicht komplett überdecken konnte.
„Hast du Bier in deiner Feldflasche?“, fragte er mit Verwunderung in der Stimme.
„Whiskey, natürlich“, antwortete sie grinsend und freute sich über den Verweis auf ihr Callsign.
„Im Dienst?“
„Ist doch gar kein richtiger Dienst“, wiegelte sie ab. „Und ich muss ja auch nicht fahren. Und ich betrink mich ja auch nicht.“
Campbell, der mit seiner neuen Erkenntnis nicht glücklich war, wusste nicht, wie und ob er darauf antworten sollte. „Hm“, machte er schließlich, „ist ja deine Sache. Lass dich aber besser nicht erwischen.“
„Keine Panik, wird niemand merken“, versuchte Bräuning ihn zu beruhigen, aber für ihn klang es so, als spräche sie aus Erfahrung.

***

Wayside V, Dantonville
Kasernengelände der Dantons Chevaliers
7. April 3067, 20:30 Uhr

Der Tritt überraschte sie, krachte gegen ihren rechten Oberschenkel und hätte sie beinahe zu Boden geschleudert. Schmerz durchfuhr ihre Seite, während sie hastig außer Reichweite tänzelte, dabei darauf bedacht, die kreisförmige Markierung nicht zu überqueren. Der Treffer würde einen hübschen blauen Fleck zurücklassen, aber sie hatte jetzt nicht den Luxus darüber nachdenken zu können.
Kyle Kotare nutzte seine Gelegenheit und setzte sofort nach, ließ sie nicht zur Ruhe kommen und deckte sie mit Fauststößen ein, die sie nur mühsam parieren konnte.
Jaras Atem ging schnell, aber gleichmäßig, während sie hochkonzentriert versuchte, keinen weiteren direkten Treffer abzubekommen.
Der ehemalige Nebelparder war größer und stärker als sie. Seine Vorteile musste sie durch Wendigkeit, Geschwindigkeit und Ausdauer ausgleichen. Im Moment aber musste sie vor allem außerhalb seiner Reichweite bleiben und auf eine Lücke in seiner Deckung achten, ohne aus dem Übungskreis zu treten.
Als er bei einem seiner Schläge ein ganz wenig aus dem Gleichgewicht geriet – nicht wirklich viel, aber genug um einer routinierten Kämpferin eine Möglichkeit zu bieten – drehte sie sich in seinen Angriff hinein und rammte ihm ihren Ellenbogen auf die Brust.
Die meisten Menschen wären bei so einem Treffer zusammengeklappt, aber Kotare war Claner und genau wie sie mit allen Wassern gewaschen und abgebrüht genug, um seinen Atem unter Kontrolle und die Schmerzen im Griff zu haben. Allerdings war es nun an ihm, zurückzuweichen und Jara mobilisierte ihre Kraftreserven, um ihre Hüfte an seiner vorbei und hinter ihn zu schieben, um ihn so zu Fall zu bringen.
Grundsätzlich war das keine gute Idee, denn im Bodenkampf konnte sie ihre Vorteile kaum ausspielen und die Chance, ihn aus dem Kreis zu treiben, gab sie damit auch auf.
Sie setzte auf eine andere Karte: Kotare folgte seinem Impuls, wieder auf die Füße kommen zu wollen und sie nutzte seine eigene Bewegung, um ihn an Schulter und Unterarm zu fassen, während sie sich um ihre eigene Achse drehend fallen ließ. Diese etwas unorthodoxe Bewegung änderte sein Aufspringen derart, dass er auf eine Kreisbahn geriet. Und mit einem Fuß außerhalb der Kampffläche landete.
„Stravag!“, fluchte er trocken, als er bemerkte, dass er den Übungskampf verloren hatte, obwohl er die besseren Treffer erzielt und fast durchgehend die Oberhand gehabt hatte.
„Hab ich mir bei unserer Aikido-Gruppe abgeschaut“, gab Jara zu, während sie versuchte, ruhig weiter zu atmen. Die Stellen, an denen sie Schläge und Tritte abbekommen hatte, brannten wie Feuer, aber sie genoss den Adrenalin- und Endorphin-Rausch eines gewonnenen Zweikampfs. „Sieht bei denen allerdings eleganter aus.“
„Deine Technik ist… effektiv“, gab der ehemalige Nebelparder zu. „Aber deine Schläge sind zu schwach.“
Jara, die sich ein Handtuch geschnappt hatte, begann, sich den Schweiß abzuwischen. „Zu wenig Training“, gab sie zu. „Mir fehlt die Zeit.“ Und ihr fehlten auch die Übungspartner auf dem richtigen Niveau. Die meisten Mechkrieger, Panzerfahrer und Piloten scherten sich wenig um Nahkampftraining und selbst ein Großteil der Infanterie vernachlässigte den unbewaffneten Zweikampf. Auf der anderen Seite standen eine Handvoll Kommandos und Elementare, die mit der Mechkriegerin jederzeit kurzen Prozess machen konnten. Jara hatte ihre Begeisterung für Zweikämpfe zwar bei den Wölfen erst richtig auszuleben gelernt, aber nach nicht einmal einem Jahr dort bildete sie sich nicht ein, unbesiegbar zu sein. Zumal sie in einem Übungskampf fast alle ihre wirklich guten Tricks nicht einsetzen konnte.
Schritte schwerer Militärstiefel auf dem Boden der Sporthalle unterbrachen Jaras Gedanken. Sie wandten den Blick zur Tür und erblickte Private 1st Class Caroline Cook, eine der Soldatinnen aus ihrem Stabsbereich. Die Untergebene nahm Haltung an und salutierte zackig. „Major Fokker, ich melde mich in einer dringenden dienstlichen Angelegenheit.“
„Rühren, Private“, gestattete Jara. „Was ist denn so dringend?“
„Sie haben eine HPG-Nachricht mit Notfallpriorität erhalten. Von Tukayyid.“
Tukayyid. Die Höllenhunde. Notfallpriorität. Jara war mit einem Schlag hochkonzentriert. „Direkt an mich adressiert?“
„An den Eigner der Chevaliers, Ma’am.“
„Danke, Private. Ich werde mir die Nachricht in meinem Büro ansehen.“
„Soll ich Colonel Copeland und Graf Danton informieren, Ma’am?“
Jara überlegte kurz und schüttelte dann den Kopf. „Nein, noch nicht. Ich schaue mir erst die Nachricht an. Aber halten Sie sich bitte in der Nähe der Komm-Anlage im Stabsbüro auf, falls ich Sie brauche.“
„Zu Befehl.“ Cook salutierte erneut und machte dann auf dem Absatz kehrt.
Jara und Kotare tauschten einen Blick, ehe die junge Chefin der Chevaliers nach ihrer Uniformjacke griff. „Erstmal kein Wort zu irgendjemandem. Aber halte dich bereit. Ich habe gar kein gutes Gefühl bei der Sache und wenn wir in den Einsatz gehen, will ich, dass meine Kompanie die erste ist, die Marschbereitschaft hergestellt hat.“
„Seyla“, knurrte der ehemalige Nebelparder. So sei es.
Als Jara kurze Zeit später in ihrem Büro an die Komm-Anlage ging und ihre Stabssoldatin anrief, stand die Sorge deutlich auf ihrem jungen Gesicht. „Private Cook, seien Sie bitte so gut und richten Colonel Copeland und Graf Danton bitte aus, dass sie dringend in meinem Büro erwartet werden.“
„Jawohl, Ma’am…“
Jara bemerkte das leichte Zögern der Frau am anderen Ende der Leitung. „Wenn Sie jemand fragt, warum ich den CO und den Grafen zu mir zitieren, dann sagen Sie, Herakles versucht sich an seiner letzten Aufgabe.“
„Verstanden. Ich richte es aus.“
„Dann an die Arbeit, Private. Und achten Sie darauf, dass außer Copeland und Danton niemand etwas mitbekommt.“
Jara glaubte selber nicht daran, dass sich die Notfall-Nachricht nicht wie ein Lauffeuer in der Einheit verbreiten würde, aber sie musste die Spekulationen ja nicht noch zusätzlich anheizen. Auch ohne das Getratschte eines ganzen Söldnerregimentes waren für die Chevaliers gerade eben düstere Zeiten angebrochen.

__________________
Ama-e-ur-e
is-o-uv-Tycom‘Tyco
is-o-tures-Tesi is-o-tures-Oro
is-u-tures-Vo-e-e

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Ein Schlag zuviel - Teil I

Kodaiki, Provinz Nagano, Planet Darius, Draconis-Kombinat

Shinzo wusste wenig über den Krieg. Er war elf, eigentlich alt genug, wie er fand. Natürlich hatte er in der Schule das eine oder andere gehört, und auch einige Aufnahmen gesehen, die den siegreichen Kampf der Krieger des Hauses Kurita gegen seine Feinde zeigten - wenn er die Schule besuchen durfte und nicht wie die meisten Kinder mitarbeiten musste. Seine Eltern aber hatten ihm nie viel vom Krieg erzählt, obwohl sie ihn erlebt hatten. Sie hatten nie geschildert, wie es war, wenn gigantische Kampfmaschinen auf Flammenstrahlen vom Himmel herabschwebten, pfeilschnelle Jäger einander zwischen den Wolken jagten und mit grauenerregendem Heulen herabstießen, um am Boden ihre Ziele zu zerschmettern. Wenn Panzer und Infanterie vorrückten, anrannten gegen Sperrfeuer und Minenfelder. Wenn Granaten, Raketen und Entladungen purer Energie Häuser in Asche verwandelten und Menschen mit einer Beiläufigkeit vernichteten, mit der mancher eher achtlos als böswillig einen Käfer zertrat. Heimat, Sicherheit, ein Zuhause - nichts davon blieb, wenn die Kampfgiganten weiterzogen waren. Krieg war ein verzehrendes Feuer, doch auch eines, in dem zugleich Helden geschmiedet wurde - eine der wenigen Möglichkeiten für Bewohner des Kombinats, über den Stand ihrer Eltern hinauszukommen. Doch diese Erfahrungen, diese Chancen für wenige und das Unheil für unzählige, die Milliarden Menschen der Inneren Sphäre in den letzten Jahrzehnten gemacht hatte, war nichts, worüber seine Eltern reden wollten. Eine Haltung, die viele teilten in Kodaiki, hier, wo beinahe jeder zweite Einwohner entweder selber ein Kriegsflüchtling war, oder von Flüchtlingen abstammte. Lord Seizo Odaga, der uneingeschränkte Herrscher von Darius und damit Gebieter über Leben und Tod von inzwischen gut 15 Millionen Menschen, gehörte zu den Adligen des Kombinates, die bereitwillig jene aufgenommen hatten, die in den letzten Jahrzehnten vor den Armeen von Steiner, Davion oder den Clan-Invasoren geflohen waren. So wie Shinzos Eltern, damals selber noch halbe Kinder. Beide hatten sich nur mit Mühe retten können, als die Clans gleich einer alles zerschmetternden Springflut über die Innere Sphäre hereinbrachen, eine Welle nach der anderen anbrandete gegen die verzweifelte Verteidiger. Sie waren vor den Nebelpardern geflohen, immer weiter ins Innere des Kombinates, bis sie auf Darius, der Heimat- und Hauptwelt von Haus Odaga, eine Heimat gefunden hatten. Eine Heimat, die sie auch dann nicht verlassen hatten, als ihre alte Heimat befreit worden war. Das Leben war nicht leicht, denn der Lord erwartete harte Arbeit und Gehorsam, aber anders waren es die Menschen der Inneren Sphäre ohnehin nicht gewohnt - und es war zehnmal besser, einem Herren zu dienen, der in einem wenigstens einen Menschen sah, als ein Wesen niederer Herkunft wie in den Augen der Invasoren mit ihrer pervertierten Gesellschaftsordnung und unerträglichen Dünkeln. Vielleicht fühlten sich seine Eltern inzwischen hier zu Hause, wo sie geheiratet hatten und wo ihr Sohn zur Welt gekommen war. Oder sie fürchteten, die Invasoren könnten eines Tages zurückschlagen, versuchen, erneut zu rauben, was bereits einmal ihre Beute gewesen war. Es mochte auch daran liegen, dass von ihrer alten Heimat wenig geblieben war, denn die meisten ihrer Angehörigen waren verschollen oder tot. Der Clan Nebelparder war inzwischen vernichtet, aber die anderen Clans waren es nicht, und viele Flüchtlinge zweifelten, dass man einen tollwütigen Tiger, einen blutgierigen Bären oder einen von der Peitsche in den Irrsinn getriebenen Hund wirklich zähmen konnte. Oder einem Claner trauen - das kam auf das Selbe hinaus.

Ein Leben in Kodaiki, einer Stadt mit 30.000 Einwohnern, bedeutete vor allem Arbeit, an sechs Tagen in der Woche. Nicht eben reichlich bezahlt, aber doch genug, um über die Runden zu kommen. Sei es in der Landwirtschaft, die half, den Planeten zu ernähren, oder in der örtlichen Elektronikfabrik, die Schaltkreise und Platinen fertigte - Bestandteile für zivile wie militärische Produkte, die entweder auf Darius selbst hergestellt und eingesetzt, oder aber exportiert wurden. Shinzo war erst zweimal in seinem Leben in einer anderen Stadt gewesen, und das war nicht einmal die planetare Hauptstadt gewesen, sondern nur die Provinzhauptstadt Hakuba, in der immerhin 150.000 Menschen lebten und die damit die drittgrößte Siedlung des Planeten war. Das Leben auf Darius verlief für mehr als 90 Prozent der Einwohner in engen Bahnen, die nur wenige jemals verließen.
Doch in den letzten Monaten hatte sich ein nervöser Unterton in die scheinbar immer gleichbleibenden Hintergrundgeräusche des Lebens geschlichen. Gerüchte über einen drohenden Krieg mit den Clans, über heimtückische Überfälle hier wie anderswo, Angreifer, die warnungslos aus dem Dunkel zuschlugen und verschwanden, ehe die lokalen Streitkräfte reagieren konnten. Nichts davon war offizielle Verlautbarungen - das Kombinat war oft etwas zurückhaltend, "beunruhigende" Nachrichten zu verbreiten, und das galt sowohl für die Zentrale in Luthien als auch für die lokalen Lords. Aber die Leute redeten, wenn auch hinter vorgehaltener Hand, und sobald erst einmal die Erwachsenen etwas wussten oder vermuteten, dann bekamen auch die Kinder es bald mit.
Aus diesem Grund war er heute nicht recht bei der Sache, auch wenn er angestrengt die Augen zusammenkniff, um ja keinen Fehler zu machen, während er Kalibrierungen an einem Montagebot vornahm. Er galt als geschickt und geübt, und solche Wartungsaufgaben, für die Kinder wie er mit ihrer Fingerfertigkeit und ihren gelenkigen Körpern besonders gut geeignet waren, waren allemal besser als die pausenlos anfallenden Reinigungs- und Transportarbeiten. Doch obwohl er versuchte, sich auf die Arbeit zu konzentrieren, wollte ihm nicht aus dem Kopf gehen, was gehört hatte, als er in der Mittagspause nach einem Vormittag in der Schule an seinen Arbeitsplatz kam. Die Arbeiter hatten sich zugeraunt, dass die lokale Garnison - mehrere Infanteriezüge und eine verstärkte Lanze Hetzer-Kampfwagen, unterstützt durch einen Teil der Polizeitruppen der Stadt - ausgerückt war, offenbar in großer Eile und angeblich in voller Gefechtsbereitschaft. Auf manchen Planeten des Kombinats hätte das auch lokalen Aufständischen gelten können, aber seit Jahrzehnten hatte es niemand mehr gewagt, Haus Odaga auf seinem eigenen Grund und Boden herauszufordern.
Shinzo fühlte nicht wirklich Angst, denn die Gefahr eines möglichen Angriffs wirkte auf ihn doch eher abstrakt. Anzunehmen, dass die Claner - oder die machthungrigen, grausamen und heimtückischen Nachbarn des Kombinats, die Häuser Steiner und Davion - ausgerechnet zuerst nach Darius, ja gar nach Kodaiki kommen könnten, hörte sich mehr als grotesk an. Und er nahm an, dass viele andere Arbeiter das ähnlich sahen. Die Mobilisierung der Garnison war vielleicht ein Grund, ein wenig beunruhigt zu sein - doch für echte Angst gab es keinen Anlass.

Und so schrak er mächtig zusammen, als mit einmal die Fabriksirene losheulte, lange vor Schichtende. Und es war auch ein ganz anderer Ton, den er sonst so ähnlich nur von den gelegentlichen Brandübungen kannte. Kein kurzer Aufschrei, sondern ein langgezogenes Klagen, das durch Mark und Bein fuhr, immer wieder anschwoll und verebbte, um wieder an Stärke zuzunehmen. Geschickt wand er sich aus der Maschine, wobei er nicht einmal registrierte, dass er seinen blauen Kinderoverall beschädigte und sich sogar an ein, zwei Stellen die Haut aufscheuerte. Er sprang aus luftiger Höhe von gut einem Meter und landete sicher auf den Füßen. Um ihn herum verließen die anderen Arbeiter - Männer, Frauen, Alte, Jugendliche und Kinder - ihre Arbeitsplätze. Und jetzt war wirkliche Angst in vielen der Augen zu sehen. Eine Angst, die noch zunahm, als eine harte Stimme aus den Lautsprechern ertönte, die in einer Endlosschleife wiederholte: "Invasionsalarm. Invasionsalarm. Dies ist keine Übung, wiederhole, keine Übung. Noteinsatzkräfte sofort zu den Sammelstellen. Alle anderen haben umgehend das Betriebsgelände zu verlasen. Invasionsalarm..."
Für einen Moment fühlte Shinzo sich wie gelähmt. Doch dann, als um ihn herum Chaos ausbrach, nahm er sich zusammen. Seine Eltern würden außer sich vor Angst sein - er musste sofort aus der Halle heraus, sie finden, oder nach Hause rennen. Doch wie sollte das einem kleingewachsener Elfjährigen gelingen, inmitten erwachsener Männer und Frauen die sich anrempelten und beinahe zu Fall brachten, während die einen hierhin, die anderen dahin eilten?
Kurz entschlossen drehte er sich um und kletterte geschickt wieder an dem Montageroboter empor, von dem er eben erst herabgesprungen war. Schon bald befand er sich mehr als zwei Meter über dem Boden und hatte einen guten Blick auf die riesige Produktionshalle. Jetzt musste er nur noch...und da waren sie, seine Eltern, die sich Seite an Seite durch das Chaos drängelten - nicht eben rücksichtsvoll, ganz anders, als es sonst ihre Art war. Shinzo stieß einen gellenden Pfiff aus und wedelte mit den Armen, wobei er darauf achtete, nicht das Gleichgewicht zu verlieren...

***

"Ist etwas zu sehen?" Obwohl er eigentlich wusste, dass es keine Rolle spielte, flüsterte Shinzo. Sein Vater wandte sich nicht um, während er angestrengt aus dem schmalen Sehschlitz des Splitterbunkers spähte, doch seine Stimme verriet Anspannung: "Nein. Leise jetzt. Ich glaube...DA!"
Für einen Moment ertönte wieder ein unirdisches, sich überschlagendes Heulen - ein Laut, der noch bedrohlicher klang als das Invasionssignal in der Fabrik. Eine Tonfolge, der wohl keiner in der Stadt lauschte, ohne zumindest etwas Furcht zu fühlen - denn sie kam zweifellos von den geheimnisvollen Angreifern. Doch es war nicht das Heulen, das Shinzos Vater gemeint hatte. Irgendwo dort draußen, nah, sehr nah, grollte ein schwerer Motor oder mehr als einer.
"Sind SIE das?" Die Stimme von Shinzos Mutter klang erstaunlich gelassen für eine Frau, die einen Großteil ihrer Familie im Krieg verloren hatte, als sie noch nicht einmal zwanzig gewesen war.
"Das glaube ich nicht...ja, es ist die Polizei. Sieht so aus, als würden sie hier Stellung beziehen. Vielleicht wollen sie den Angreifern in den Rücken fallen, wenn die sich auf die Fabrik stürzen. Das könnte uns alle das Leben kosten."
Shinzo runzelte die Stirn: "Aber wenn sie die Invasoren vertreiben...?"
Sein Vater lachte trocken, ein bitteres Lachen, so viel war sicher. "Das ist nicht die Genyosha oder ein DEST-Kommando, Shinzo-chan. Zwei Dutzend unerfahrene Polizisten mit ein, zwei Schützenpanzern und ein paar Mechfäusten gegen Omnimechs oder Elementare..."

Die kleine Familie hatte keine Zeit verloren, als sie mitten in der Fabrik wieder vereint worden waren. Sie waren nach Hause gelaufen, durch Straßen, die voller Fliehender waren. Einige Menschen wollten nach Hause, in die trügerische Sicherheit der eigenen vier Wände, andere planten offensichtlich, die Stadt zu verlassen. Shinzos Familie wohnte in einer Siedlung aus einstöckigen Leichtbauhäusern im klassischen japanischen Stil, die nicht weit entfernt von der Fabrik errichtet worden war, in der die meisten Bewohner, von den Ältesten bis zu den Kindern, arbeiteten. Und sie waren nicht die einzigen, die in dem kleinen Garten, der zu jeder Häuserparzelle gehörte, einen Unterstand angelegt hatten. Die ehemaligen Flüchtlinge konnten nicht vergessen, was ihnen geschehen war, auch wenn es Jahre zurücklag. Natürlich boten diese Verstecke keinen Schutz gegen direkten Beschuss, aber sie bewahrten ihre Insassen vor Querschlägern und Schrapnellen.

Mit einmal hielt es Shinzo nicht mehr aus. Er wusste natürlich, dass es in dem Unterstand viel sicherer war als draußen, aber er wollte auch nicht blind darauf warten, bis sie getroffen wurden - oder eben nicht. Also huschte er zu seinem Vater und kletterte auf den Wassertank aus Blech, der an der Wand des Unterschlupfs stand, und ihm so einen Blick auf dem Sehschlitz erlaubte. Er selber hatte den Tank mit einigen Freunden mühsam dorthin gezerrt, damit sie hin und wieder Krieg spielen und so tun konnten, als wären sie VSDK-Soldaten, die aus ihrem Unterstand auf den Feind feuerten. Er wartete halb, dass seine Eltern ihn wegscheuchten, aber sie ließen ihn gewähren. Tatsächlich, vor dem Haus fuhren im Schritttempo zwei gepanzerte Fahrzeuge vorbei. Es waren Rad-Truppentransporter der Polizei, einer war offenbar so modifiziert worden, dass er anstatt von Maschinengewehren und einem Trupp Infanterie einen wuchtigen vierrohrigen Kurzstrecken-Raketenwerfer trug. Neben den Fahrzeugen schwärmten Bewaffnete aus und suchten zwischen den Häusern und in den Gärten Deckung. Die meisten trugen neben einem Automatik- oder Lasergewehr eine Mechfaust oder sogar einen richtigen schultergestützten KSR-Werfer. Die meisten der Männer waren jung und sichtlich nervös. Zivilisten waren keine mehr zu sehen.

Für einen Moment kehrte so etwas wie gespannte Ruhe ein, doch wenn die Polizisten geglaubt hatten, die Angreifer würden sich auf die Fabrik - das logische Ziel - konzentrieren und dabei unachtsam werden, hatten sie sich getäuscht. In der Ferne erklang wieder das fremdartige Heulen, und dann, mit einem Mal, peitschte ein wahrer Strom von Energieblitzen durch die Luft. Der feindliche Beschuss deckte in Sekundenbruchteilen ein Haus ab, und sofort stiegen dicke Rauchschwaden auf, als die zerbrechliche Holzkonstruktion Feuer fing. Der Raketen-SPW ließ seinen Motor aufheulen und brachte sich in Sicherheit vor dem Brand, der seine fragile Deckung in eine latente Gefahr verwandelt hatte. Er raste auf die Straße, in einer Geschwindigkeit, die ihn gefährlich schlingern ließ, und feuerte eine Salve Raketen ab. Dann legte er sofort den Rückwärtsgang ein. Der Gegner antwortete, und während eine Salve danebenging, traf die andere die Front des Panzerfahrzeugs und sprengte faustgroße Stücke des Stahls heraus. Als glühende Schrapnelle flogen sie herum, fast so gefährlich wie die Waffen der Kontrahenten. Der Raketenpanzer verschwand aus Shinzos Sichtbereich.
"Fliehen unsere Leute?" flüsterte seine Mutter, und sie schien sich nicht sicher zu sein, ob sie das wünschen oder es fürchten sollte.
"Nein." entgegnete ihr Ehemann: "Ich glaube, der Raketenpanzer will den Gegner näher heranlocken, damit..."

In diesem Augenblick schien alles gleichzeitig zu geschehen. Mit einem donnernden Brüllen senkte sich eine gigantische Kampfmaschine vom Himmel, direkt vor dem Haus von Shinzos Familie. Der Junge registrierte, dass es wohl "nur" ein leichter Mech war, aber nichts an der Kampfmaschine wirkte "zierlich" oder harmlos. Die Landung ließ den Boden erbeben. Groß prangte auf ihrer Flanke der vielbeinige Namensgeber des Clans Geisterbär. An den Mech klammerten sich einige Gestalten. Sie wirkten klein im Vergleich zu ihrem "Reittier", waren aber deutlich größer als ein Mensch. Noch während der Mech aufsetzte, lösten sie sich von ihm, schwärmten synchron aus. Gleichzeitig feuerten sie und der Pilot ihre Waffen ab. Zwei Mech-Impulslaser spuckten Salven, direkt auf den zweiten SPW, ein mit MGs bewaffnetes Standartmodell, der seine Tarnung aufgab, und auf seinem Zickzack-Kurs über Straßen und durch Gärten Zäune durchbrach, als wenn sie nur aus Papier bestünden. Die Bordwaffen feuerten. Auch sein schwerer bewaffneter Bruder mischte sich in das Gefecht ein. Drei Raketen trafen den feindlichen Mech. Explosionen blühten an seinem Torso auf, sprengten die relativ dünnen Panzerplatten ab. Der Gigant taumelte leicht unter der Wucht der Einschläge, hielt aber mühelos das Gleichgewicht. Seine Waffen gabelten den MG-SPW ein, ließen ihm keinen Ausweg. Gleichzeitig feuerten seine Begleiter ihre Waffen ab. Das kuritanische Fahrzeug erhielt mehrere Volltreffer, mitten in einer Kurve. Wie von der Faust eines Giganten getroffen schwankte es, dann kippte es zur Seite und überschlug sich. In diesem Moment griffen die kuritanischen Fußtruppen an.

Sie tauchten rings um den Clan-Mech aus der Deckung auf, ihre Waffen im Anschlag. Im Vergleich zu ihrem Gegner wirkten sie winzig, und ihre schultergestützten Raketenwerfer wie Spielzeugwaffen, aber sie zögerten nicht, kreisten den Gegner ein.
Doch noch ehe sie das Feuer eröffnen konnten, handelte der Claner. An den Beinen des Mechs explodierten einige kleine Kapseln. Die Detonation war ohrenbetäubend, selbst verglichen mit der ohnehin lauten Gefechtskulisse, so dass Shinzo vor Schreck beinahe vom Wassertank gekippt wäre. Gleichzeitig stieß der Mech eine Wolke von grauem Qualm aus, die ihn einhüllte, ihn und die meisten Angreifer verdeckte. Einzelne Polizisten, die weiter entfernt waren feuerten halb blind ihre Raketen ab. Und von irgendwo weiter weg kam eine weitere Salve des Raketen-SPW angezischt und detonierten in dem wabernden Rauch- und Qualmwolken.
Das Heulen der Lautsprecher des gegnerischen Mechs gellte auf, als der Pilot seine Sprungdüsen betätigte und sich auf Flammenzungen in den Himmel erhob. Der Sprung katapultierte ihn ein paar Dutzend Meter weiter, wo er krachend in einem Schuppen aufsetzte, direkt neben dem wracken MG-SPW. Wieder hielt der Pilot geschickt das Gleichgewicht, mit einer schon übermenschlich wirkenden Eleganz. Der Mech war sichtlich angeschlagen. An einige Stellen war die interne Struktur des Kampfgiganten offengelegt worden. Als hätte man bei einem Lebewesen die Haut abgezogen, waren die Knochen aus Stahl und die Myomer-Muskeln und Sehnen zu erkennen. Ein Einschlag hatte direkt das Cockpit getroffen. Doch der Feind ließ sich keine Schwäche anmerken. Geduckt fuhr der Riese herum, die Infanterie ignorierend. Seine Impulslaser feuerten auf ein weiter entferntes Ziel, in die Richtung aus der die KSR-Salven gekommen waren, wieder und wieder.
Dort, wo der Qualm der detonierten Beinkapseln sich langsam lichtete, bot sich ein verstörendes Bild. Die Polizeisoldaten hatten ihre Waffen fallen gelassen. Einige taumelten orientierungslos umher, als wären sie halb von Sinnen. Sie hielten sich die Ohren, schwankten - andere übergaben sich und wälzten sich am Boden, einige lagen praktisch bewegungslos neben ihren Kameraden. Keiner schien in der Lage, eine koordinierte Handlung auszuführen. Die gegnerischen Soldaten in ihren Kampfanzügen hingegen bewegten sich mit arroganter Sicherheit. Die wenigen Polizisten, die weit genau entfernt gewesen waren um von der Explosion der Infanterieabwehrkapseln verschont zu bleiben, waren offenbar immer noch geschockt von dem, was ihren Kameraden passiert war, so dass ihre spärlichen Schüsse ungenau war.
Der gegnerische Mech stellte das Feuer ein. Er drehte sich behäbig um, als würde er das Schlachtfeld in Augenschein nehmen. Die kampfunfähigen Polizisten, die Besatzung des gestürzten MTW, die sich aus ihrem Fahrzeug befreit hatte, die durch den kurzen Kampf zerstörten und beschädigten Häuser - in weniger als einer Minute hatte er schwerste Verwüstungen angerichtet. Erneut gellte seine Sirene auf, und der Mech feuerte mit Lasern und einem überschweren Maschinengewehr. Leuchtspur und Energieimpulse schnitten durch die Luft - scheinbar ohne Ziel ins Nirgendwo abgefeuert. Aber für die angeschlagenen Verteidiger war das zuviel. Wer noch laufen konnte, ergriff die Flucht.

***

"Einwohner von Kodaiki. Eure Siedlung wurde als Deckung für einen heimtückischen Angriff auf unsere Truppen benutzt und wird deshalb zerstört. Ihr habt zwanzig Minuten, eure Häuser zu verlassen und euch in Sicherheit zu bringen." Die künstlich verstärkte Stimme des Mechpiloten klang monoton, gleichgültig, sein Japanisch leblos. Vor fünf Minuten hatte er das erste Mal die Stimme erhoben, und seitdem wiederholte er sie ständig, wobei er die Minuten wie bei einem Countdown herunterzählte. Es brauchte nicht viel - kein Wutgeschrei, keine Beschimpfungen - um Menschen jede Hoffnung zu nehmen, sie in Angst und Schrecken zu versetzen:
"Einwohner von Kodaiki. Eure Siedlung wurde als Deckung für einen heimtückischen Angriff auf unsere Truppen benutzt und wird deshalb zerstört. Ihr habt neunzehn Minuten, eure Häuser zu verlassen und euch in Sicherheit zu bringen."
Vielleicht war es gerade diese mechanische Gleichgültigkeit, die besonders verstörend wirkte. Für den Sprecher schien es gleichgültig, ob die Menschen flohen oder nicht. Er hasste sie nicht, hatte aber auch keinen Funken Mitleid mit ihnen. Sie waren ihm einfach egal, als wären sie keine vernunftbegabten Wesen, keine vollwertigen Menschen.
Shinzo blinzelte die Tränen weg, die ihm unwillkürlich kamen, während er mechanisch Dinge zusammenraffte und in seinem Rucksack verstaute, der viel zu groß, viel zu schwer wirkte. Er hatte in seinem Leben schon die eine oder andere Enttäuschung erlebt, aber so etwas hätte er sich nicht einmal in seinen schlimmsten Träumen vorstellen können. In weniger als einer Stunde miterleben zu müssen wie seine Heimat besetzt und praktisch im selben Moment zerstört wurde, das war...es war einfach undenkbar. Und doch war es geschehen, würde es geschehen, und es gab nichts, was man dagegen tun konnte. Natürlich kam niemand auf die Idee zu protestieren, gar offenen Widerstand zu leisten. Nicht nach dem Massenmord von Edo auf Turtle Bay in den frühen Tagen der Claninvasion. Und so flohen die Menschen. Manche wagten nicht einmal, die wenige Zeit zu nutzen, die die Angreifer ihnen zu lassen bereit waren. Weg, nur weg, das war das einzige, woran sie denken konnten.

Als Shinzo sah, wie seine Mutter mit zitternden Händen den Gong vom Hausschrein verstaute, ebenso die Bilder seiner Großeltern, Onkel und Tanten - als Verbindung zu den verstorbenen Verwandten durfte all das auf keinen Fall verloren gehen - und wie sein Vater die wenigen Wertsachen und das Bargeld verstaute, schossen ihm die Tränen in die Augen, die er bisher unterdrückt hatte. Tränen der Verzweiflung und des Schmerzes, aber auch der Wut und des Hasses auf die Schuldigen - die Clans, und jene, die dabei versagt hatten, all das zu verhindern.
Die kleine Familie taumelte aus dem Haus, gebeugt von der Last, als der gegnerische Pilot bei weniger als fünfzehn Minuten angelangt war. Der Mechkrieger hob nicht die Stimme, um die Menschen zur Eile zu drängen, aber das brauchte er auch nicht.
Auf der Straße formierte sich der Elendszug. Männer, Frauen und Kinder, die einige wenige Besitztümer umklammert hielten. Wer stehenbleiben wollte, wurde von den gebrüllten Befehlen der Elementare weitergejagt. Es war nur eine Handvoll, vielleicht ein halbes Dutzend, aber ihre einschüchternde Präsenz erstickte jeden Gedanken an Gegenwehr. Einem Berg gleich ragte der feindliche Battlemech auf. Das linke Bein des kampfgezeichneten Giganten ruhte auf dem Wrack des zerstörten Raketenpanzers, neben dem die Leichen zweier Polizisten lagen. Niemand von den vorbeihastenden Zivilisten verschwendete auch nur einen Blick auf die Überreste der jungen Männer, die bei der Verteidigung der Siedlung gefallen waren.
Der gegnerische Pilot hielt mit arrogantem Selbstbewusstsein das Gleichgewicht. Hin und wieder ließ er wieder das dämonische Heulen erschallen, bei dessen Klang viele Zivilisten jedes Mal aufs Neue in Panik verfielen, und wiederholte seine monotone Ansprache. Shinzo stolperte hinter seinen Eltern her. Er hätte gerne die Hände ausgestreckt, damit er ihre Berührung spüren konnte, sie ihn in den Arm nehmen konnten. Aber er wusste, sie brauchten ihre Arme, um das wenige zu tragen, was ihnen nach dem Willen der Angreifer geblieben war. Er musste stark sein, um ihretwillen wie um seinetwillen. So blieb ihm nur der Blick auf ihre gebeugten Rücken.
Mit einem Mal wäre Shinzo beinahe gegen seinen Vater gestolpert, der abrupt stehengeblieben war. Nur ein paar Schritt vor ihnen, fast schon am Rand der Siedlung, war der Zug der Fliehenden zu einem Halt gekommen. Eine der riesigen Kröten stand mitten auf der Straße, alle Einheimischen weit überragend. Vor ihr stand Großmutter Tajama. Sie war natürlich nicht wirklich die Großmutter von den Leuten, die sie so nannten, aber sie war alt genug dafür, und manchmal benahm sie sich auch wie eine Großmutter. Da sie ihre Kinder und Enkelkinder in den Wirren der Claninvasion verloren hatte, hatte sie alle Kinder ihrer Straße in ihr Herz geschlossen. Die alte Frau wirkte geradezu zwergenhaft. Sie stützte sich schwer auf eine ihrer Krücken, ohne die sie kaum laufen konnte - Erbe eines Schrapnells, das ihr Bein während der Clan-Invasion getroffen hatte. Die andere Krücke aber schwang sie drohend vor dem Helm des Elementars, während sie ihn in einem Mischmasch aus Englisch und Japanisch beschimpfte. Shinzo verstand sogar von den japanischen Worten nicht einmal die Hälfte, aber wenn diese ein Hinweis waren, dann musste ihre Tirade wahrhaft vernichtend sein. Die zierliche Alte schien nicht die geringste Angst vor dem Claner zu haben, der sie stumm und reglos anstarrte, den unmenschlichen Helm leicht zur Seite geneigt, ohne auch nur eine seiner Fingerklauen zu rühren, während die anderen Zivilisten ängstlich vor ihr zurückwichen - voller Furcht vor dem Strafgericht, das unausweichlich schien.
Shinzo wusste, die alte Frau besaß mindestens so viel Mut wie die Polizisten, die sich den Kröten und dem Mech entgegengestellt hatten. Und doch spürte ein Teil von ihm, ein Teil, den er hasste, Zorn auf sie. Weil sie Mut zeigte, wo andere den Kopf beugten, und weil ihr Mut nicht nur für sie selber schreckliche Folgen haben konnte. In diesem Moment sah er, wie seine Mutter vortrat, und damit kaum weniger Tapferkeit bewies. Sie verneigte sich tief vor der alten Frau: "Tajama-sama, bitte, Ihr könnt so nichts erreichen. Kommt mit uns, ich flehe euch." Die alte Frau warf ihr nur einen kurzen Blick zu. Sie musterte seine Mutter, seinen Vater, ihn, und in ihren Augen sah er, dass sie schon jenseits aller Furcht war. Sie schüttelte nur knapp den Kopf und drehte sich wieder zu dem Elementar um. Doch in dem Augenblick, wo sie ihre Stimme erneut erhob, bewegte sich die Kröte mit einer erschreckenden Geschwindigkeit. Ihr gepanzerter Arm zuckte vor und zerschmetterte die linke Krücke der alten Frau, die unter dem unerwarteten Angriff taumelte, und mit dem Gesicht nach unten auf die Straße stürzte. Der Elementar richtete seine Waffe auf die Liegende, während er drohend seinen anderen Arm schwenkte. Er - nein, SIE - bellte einige Worte auf Englisch.
Für einen Moment war die Szenerie wie erstarrt. Shinzo hatte für einen Moment das irrwitzige Bild von Menschen vor Augen, die sich auf den Feind stürzten, ihn mit ihrer bloßen Masse und Wut, mit Händen und einfachen Werkzeugen zerstückelten. Aber das war, natürlich, nicht mehr als ein verrückter Tagtraum. Er sah - und nie hatte er größere Achtung vor ihnen - wie seine Eltern ihre Habe zu Boden legten, dann traten sie vor und halfen der alten Frau auf. Sie halb stützend, halb tragend taumelten sie weiter. Shinzo rannte hinter ihnen her, auf die Kröte zu, an ihr vorbei - ein drohend erhobener Arm stoppte ihn.
Die gegnerische Soldatin starrte einen Moment auf den Jungen herab, brüllte erneut einige unverständliche Befehle. Dann, in gebrochenem Japanisch: "Du, Junge - sieh zu, dass dein Leute ihre Zeug bekommen." Sie zögerte, und ihre Stimme wurde hart: "Und Lektion merken." Und lauter: "IHR ALLE MERKEN." Damit wandte sie sich wieder ab. Sie hatte offenbar einigen anderen nur leicht bepackten Flüchtlingen befohlen, das Hab und Gut von Shinzos Eltern aufzuheben.

Einige hundert Meter außerhalb der Siedlung drängten sich die Menschen. Sie waren hunderte, und der Gegner schien sie inzwischen vollkommen zu ignorieren, doch obwohl einige wenige weiterflohen - wussten sie doch nicht, ob nach der angekündigten Verwüstung nicht doch noch ein Massenmord folgen würde - verharrten die meisten, konnten den Blick nicht von ihrem zum Untergang verurteilten Zuhause wenden.
Rauch stieg bereits von der Fabrik auf, in der die meisten der Flüchtigen gearbeitet hatten. gedämpfte Explosionen ertönten, unten im Ort, aber auch in der Ferne. Doch Shinzo wagte nicht zu hoffen, dass Lord Odagas Soldaten rechtzeitig kommen würden, um die Einwohner von Kodaiki zu retten, oder wenigstens zu rächen, was man ihnen angetan hatte. Der Mech ließ ein weiteres Mal seine Sirene ertönen, dann eröffnete er das Zerstörungswerk. Langsam, geradezu methodisch schwenkte er seine Arme von einer Seite zur anderen. Der Pilot verzichtete darauf, seine Waffen einzusetzen, deckte vielmehr systematisch mit seinen Fäusten die Häuser ab. Der 20-Tonnen-Koloss trampelte hölzerne Wände nieder, als bestünden sie aus Papier. Um ihn herum schwärmten die Kröten aus, schweigend, erbarmungslos, effektiv - und ihre Waffen verwandelten die Verwüstung ihres größeren Bruders in ein wahres Inferno. Ihre Arme und Salven großkalibriger Maschinengewehre zertrümmerten, zerfetzten die Wände, die noch standen, Laser und Flammer setzten die Trümmer in Brand. Spärliche, wohl kalkulierte Salven der Impulslaser des Omnis leisteten ihren Beitrag. Das Feuer geriet sofort außer Kontrolle, schwoll immer mehr an, genährt von den leichten Holzhäusern. Über das Zischen und Hämmern der Waffen, die donnernden Schritte des Mechs und das Klagen und Schluchzen der Menschen, die ansehen mussten wie ihre Existenz in Rauch aufging, erhob sich das Fauchen und Brausen des Feuers, das gierig Luft heranzog, um sein Zerstörungswerk zu vollenden. Und mitten durch die Flammenhöllen bewegten sich die Angreifer, mal behäbig ausschreitend, mal mit grotesken Sprüngen. Sie erschienen nicht länger wie Menschenwerk, sondern wie Gestalt gewordene Dämonen.
Shinzo schaute auf die brennenden Gebäude, die seine Heimat gewesen waren. Er weinte nicht, obwohl die Hitze und Asche ihm in den Augen brannten. Er war elf, eigentlich alt genug, und er wusste alles über den Krieg.

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Ein Schlag zuviel - Teil II

Schloss Odaga, Provinz Shikoku, Planet Darius, Draconis-Kombinat

Eine Weile - eine lange Weile - schwieg der Mann, der mit übereinander geschlagenen Beinen auf den leicht erhöht platzierten Fußmatten saß. Sein Blick wanderte über den vor ihm knienden Offizier zu den mit Papier bespannten Schiebetüren, die man zur Seite geschoben hatte, so dass er die benachbarten Burghöfe betrachten konnte. Die Wachen - reglose Gestalten in funktionellen aber prunkvollen Uniformen, die teils Lasergewehre, teils blanke Schwerter und Lanzen trugen - hielten respektvoll Abstand. Er wusste, sie waren bereit, in Sekundenbruchteilen loszuschlagen, gegen jede nur denkbare Gefahr, einschließlich gegen diejenigen, die er selber eingeladen hatte. Seine Augen schweiften über die alten Bäume in einem der Innenhöfe, gepflanzt von seinen Vorfahren vor so vielen Jahren. Zur Blütezeit boten sie einen traumhaften Anblick, ein Meer aus Weiß und Rosa, wunderschön aber, ach, so vergänglich.
Lord Seizo Odaga war in traditionelle japanische Gewänder gekleidet, doch ein aufmerksamer Beobachter hätte erkannt, dass er darunter die gepanzerte Kühlweste eines Mechkriegers trug. So wie in seinem Gürtel neben dem klassischen Schwerterpaar der Samurai auch eine moderne Nambu-Pistole ruhte, war er ein Mann, der die Tradition pflegte, ja sie geradezu verehrte - und doch stets Errungenschaften der neuen Zeit zu schätzen und zu nutzen wusste. Sein Schloss war der beste Beweis. Von ferne sah es für den uneingeweihten Betrachter geradezu grotesk archaisch aus, wie die Burg eines Daimyo der Sengoku-Ära. Das imposante Bauwerk lag auf einem Hügelkamm oberhalb von Shikoku, der planetaren Hauptstadt mit gut einer Million Einwohnern, von der es durch einen großen See getrennt war. Von der Stadt aus gesehen musste es fast schon bizarr anzusehen sein. Mauern aus Stein auf einem mächtigen Steinfundament umgaben einen Palast, der zu großen Teilen aus Holz bestand - kurz, nichts, was im 31. Jahrhundert irgendeinen militärischen Wert hatte oder in das Bild einer Großstadt passte. Nur wer sehr genau hinsah, sah, dass der Steinsockel der Burg von verdeckten Geschützstellungen nur so wimmelte. Kanonen, Laser, PPK's, Raketenwerfer, sowohl für den Einsatz gegen Boden- als auch gegen Luftziele geeignet, und von Schutztoren aus Panzerstahl verborgen. Und nur, wer zu einem kleinen Kreis von Eingeweihten gehörte, der wusste, dass im Innern, ja auch unter dem Hügel Bunker, Schutzräume und geheime Gänge lagen, die allem außer den schwersten Waffen - etwa einem atomaren Angriff oder überschweren Schiffsgeschützen - standhalten konnten. Der Palast wäre natürlich bei einem Angriff zerstört worden, aber die Bunkerfestung konnte einer konventionellen Belagerung lange Stand halten.
Lord Odaga war auch körperlich eine imposante Erscheinung, mit breiten Schultern, einem mächtigen Brustkorb, und man sah ihm seine über 60 Jahre nicht an. Sein Gesicht wirkte auf einen Betrachter meist mürrisch, ja brutal - und das Netzwerk von Narben, die sich vom Kinn bis zum Ansatz der Kleidung zogen, trug noch zu diesem Eindruck bei, verzerrte seine Lippen oft zu einer verächtlichen Grimasse. Seine Stimme klang fast immer barsch und brüsk, die schwarzen Augen funkelten nicht selten drohend. Seine Kopfhaut war kahl, und auch hier sah man mehr als eine alte Verletzung.
Nachdenklich fuhr der Lord von Darius - und mehr, wenn es nach ihm ging - sich über den mächtigen eisgrauen Schnurrbart. Er war niemand, der sich drängen ließ. Seine Feinde - er hatte viele gehabt, doch die wenigsten von ihnen waren noch am Leben - hatten ihn nicht selten mit einem alten Bären oder einem Stier verglichen. Er wirkte manchmal behäbig, bedächtig, fast träge. Doch wenn er einmal ernsthaft in Zorn geriet...

Niemand wusste das besser als der junge Tai-i, der vor dem Lord kniete, und offenbar bereit war, so lange reglos zu verharren, bis sein Lord geruhte, ihn zur Kenntnis zu nehmen. Anatoli Tanigaki war schlank, durchtrainiert, mit kurzem schwarzem Haar. Mit seinen wachen Augen und dem ebenmäßigen Gesicht hätte er attraktiv wirken können, wäre da nicht ein oft grausam wirkender Zug um die Mundwinkel gewesen, der viele Betrachter unangenehm an Lord Odaga erinnerte. Und das aus gutem Grund, immerhin war er der uneheliche Sohn von Seizo Odaga.
Schließlich nickte der Lord schwerfällig. Offenkundig hatte er die Gedanken, denen er gerade nachgehangen hatte, zu einem befriedigenden Abschluss gebracht: "Berichte."
"Mein Lord, es deutet alles darauf hin, dass der Feind abgezogen ist. Wir haben die beiden feindlichen Teilverbände bis zu ihrem Landungsschiff verfolgt, doch sie waren gestartet, ehe wir sie mit ausreichender Truppenstärke angreifen konnten. Ich hatte Weisung gegeben, mit erhöhter Wachsamkeit vorzurücken - ich übernehme selbstverständlich die volle Verantwortung für die dadurch verursachte Verzögerung."
Der Lord lachte bellend, aber es war kein freundliches Lachen: "Da bliebe dir auch nichts anderes übrig, immerhin bist du Kommandant meiner Garnisonsverbände, Tai-i. Aber du darfst deinen Kopf noch eine Weile behalten. Mir ist ein vorsichtiger Kommandeur allemal lieber als ein Hitzkopf - und das gilt doppelt für diesen Feind... Hat uns dieses...Debakel irgendwelche neuen Erkenntnisse gebracht?"
"Nur eine Bestätigung dessen, was Ihr schon vorher vermutet habt, mein Lord. Der Gegner ist nicht stark - maximal ein Stern Omnimechs, zumeist leichte und mittelschwere Kaliber, ausschließlich Modelle die wir seit der ersten Invasionsphase kennen, und maximal ein Stern Elementare. Auch bei diesen handelt es sich ausnahmslos um Standardmodelle. Ihr Fahrzeug ist ein Union, doch sie verfügen anscheinend nicht über Jägerunterstützung - jedenfalls haben sie bisher keine eingesetzt. Doch sie agieren wesentlich intelligenter und innovativer, als Claner dies gemeinhin tun. Nach den wenigen Gefechtsroms, die wir von ihnen haben - sie stören die Sensoren praktisch immer - handelt es sich auf keinen Fall um Frischfleisch, sondern um Krieger mit erheblicher Kampferfahrung. Ihre Treffsicherheit, das Geschick, mit der sie ihre Maschinen führen, ist bemerkenswert. Und ihr Kommandant verfügt vor jedem Angriff über eine so genaue Kenntnis von Terrain und zu erwartender Gegenwehr, von möglichen Abwehrmaßnahmen, dass er entweder ein Genie ist, oder über eine sehr gute Aufklärung verfügt. Ich vermute letzteres. Er ist sich nicht zu stolz, das Terrain maximal auszunutzen, Hinterhalte zu legen, Sprengfallen und Minen einzusetzen. Er verzichtet grundsätzlich auf einen Kampf nach Zellbrigen - das trifft freilich heutzutage auf fast alle Claner im Kampf gegen FIS-Einheiten zu - und hat kein Problem, sich zurückzuziehen, wenn die Umstände gegen ihn stehen. Was freilich nicht oft der Fall ist. Deshalb vermute ich, es handelt sich entweder um einen Solahma-Veteran der Invasion, oder um einen ehemaligen Leibeigenen aus der Freien Inneren Sphäre, der sehr gut über unsere Art zu Kämpfen Bescheid weiß."
"Denkst du, dass das die Taten eines Clan-Banditen sind, wie uns unsere ,Nachbarn'…" Lord Odaga spie das Wort geradezu aus: "…weismachen wollen?"
Der Tai-i blickte seinem Vater und Lord direkt in die Augen: "Täte ich das, hättet Ihr JEDES Recht, meinen Kopf zu nehmen, oder mir zu befehlen, Seppuku zu begehen. Ein Landungs- und ein Sprungschiff sowie eine Handvoll Mechs und Kröten, die nötigen Techs und Nachschubsgüter in der Hand eines Clan-Banditen? Das ist plausibel. Ein Clan-Bandit, der nicht nur wie ein Verbrecher, sondern auch wie ein erfahrener Soldat und Stratege agiert? Das ist zumindest denkbar. Ein Clan-Bandit, der einen solchen Feldzug durchführen kann, auf drei verschiedenen Planeten zuschlägt und stets vorher genau weiß, womit er es zu tun hat und wie er sein Ziel erreichen kann? Das ist ausgeschlossen! Nicht ohne massive Unterstützung durch einige wirklich hochrangige Vertreter der Clans, oder ein schier unerschöpfliches Spesenkonto, um korrupte Kombinatsbeamte zu schmieren, plus beste Kontakte zur Yakuza. Und von letzterem hätten wir erfahren."

Und tatsächlich, die Bilanz der Angreifer konnte sich sehen lassen. Die Serie von Überfällen hatte vor einem halben Jahr begonnen, mit einem Angriff auf dem Mond von Darius, wo Lord Odaga Erzabbau und -verhüttung betreiben ließ. Die Angreifer hatten leichtes Spiel gehabt. Es gab in dem Minenkomplex kaum nennenswerte Truppen, sah man von einer recht gut ausgebauten Verteidigung mit ferngesteuerten Geschützen ab, einschließlich einiger Partisan-Flakpanzertürme. Aber der feindliche Commander hatte das einkalkuliert - woher er auch immer so detaillierte Informationen erhalten hatte. Während seine Mechs einen Ablenkungsangriff durchführten und die Aufmerksamkeit der Verteidiger auf sich zogen, waren die Elementare unter geschickter Ausnutzung des Terrains durch den Graben, den ein vor langer Zeit auf dem Mond eingeschlagener Meteorit in die Oberfläche gefräst hatte, in die Anlage eingedrungen. Die Überwachungssensoren, die genau so etwas eigentlich verhindern sollten, hatten sie außer Gefecht gesetzt. Erst einmal im Inneren des Areals, hatten die Türme sie nicht unter Feuer nehmen können, und die wenigen Wachen waren schnell überwunden worden. Lord Odaga auf Darius konnte nichts unternehmen und musste zusehen, wie die Angreifer in aller Ruhe ihr Landungsschiff beluden und mit Rohstoffen im Wert von einigen Millionen C-Noten entkamen. Er verfügte weder über Luft-/Raumjäger noch über ausreichend bewaffnete Landungsschiffe, die in der Lage gewesen wären, rechtzeitig einzugreifen. Zu dem Zeitpunkt hatte noch niemand öffentlich vehement bezweifelt, dass tatsächlich ausgestoßene Claner hinter dem Übergriff steckten, wie die Geisterbären nach den ersten Protesten des Kombinats - Lord Odaga war da alles andere als diplomatisch gewesen - versichert hatten. Sogar der Lord, der zu sagen pflegte, ein Claner sei es nicht einmal wert, um die Schärfe eines Schwertes an ihm zu erproben, hatte sich mit dieser Erklärung anscheinend zufrieden gegeben. Doch das hatte sich schnell geändert.
Kurz darauf folgte ein kleiner Überfall gegen Meilen, was ziemlich gewagt war, da dort die 17. Vega-Legion und die 3. Benjamin-Regulars stationiert waren. Natürlich war das - selbst ergänzt um lokale Miliz- und Polizeieinheiten - nicht wirklich viel für einen ganzen Planeten. Nicht, wenn man genau wusste, WO man zuschlagen musste. Auch hier hatte es der Angreifer verstanden, sich an der Luftraumüberwachung vorbeizuschleichen, wusste genau wie er sein Ziel erreichen konnte. Der angerichtete Schaden war nur gering gewesen, denn die Claner hatten ein kleines Vorratsdepot geplündert und zerstört, das für den Manöver- und Invasionsfall angelegt worden war. Da die Garnison gerade einmal aus einer Kompanie Infanterie bestand, war der Kampf kurz gewesen, und die Verluste hielten sich in Grenzen, denn die Angreifer hatten nicht einmal Wert darauf gelegt, sonderlich viele Kuritaner zu töten. Aber sie hatten während des ganzen Gefechts mit ihrer überlegenen Ausrüstung den Funk gestört, so dass die überlebenden Kuritaner erst nach Abzug des Gegners Alarm schlagen konnten. Damit waren zwei VSDK-Regimenter bis auf die Knochen blamiert worden, zumal ihre Raumjäger zu spät gekommen waren, um noch etwas auszurichten.
Der dritte Angriff, gerichtet gegen Numki, war gescheitert, doch das war, wie Lord Odaga nicht müde wurde zu betonen, reines Pech für die Angreifer gewesen. Die vierte Attacke hingegen war ein echter Tiefschlag gewesen, und spätestens seit diesem Moment hatte der Lord kein Blatt mehr vor den Mund genommen mit seiner Behauptung, dass hier mehr vor sich ging, als Alshain und auch Luthien einräumen wollten, und er hatte entschiedene Konsequenzen gefordert. Es hieß, er hätte erst einen Com-Star-Akolythen angeschrien und Clan Geisterbär dann eine Nachricht geschickt, die von Verbalinjurien nur so triefte. Und wer den Herren von Darius kannte, war geneigt die Geschichte zu glauben.

Ziel des Angriffs war wieder Lord Odagas Welt gewesen. Und diesmal hatten die feindlichen Mechs und Elementare sich nicht mit einem Plünderungszug zufrieden gegeben, ausgeführt gegen ein nur schwach verteidigtes Ziel. Vielmehr hatten sie mit geradezu traumwandlerischer Sicherheit eine Lanze Mechs der Odaga-Haustruppen auf einer Routinepatrouille aufgespürt, ihr einen Hinterhalt gestellt, und sie in wenigen Minuten aufgerieben. Zwei Mechkrieger des Lords waren gefallen, zwei weitere verwundet worden. Danach hatten sich die Angreifer unter Mitnahme eines beschädigten Kurita-Mechs und einiger Ersatzteile zurückgezogen. Die abgeschossenen Mechs hatten sie vorher förmlich in ihre Einzelteile zerlegt, und in einem bizarren Anfall von Humor die Gliedmaßen in den umliegenden Bäumen verteilt. Lord Odaga war außer sich gewesen. Der Verlust von vier mittelschweren Mechs war natürlich schmerzhaft gewesen. Lord Odaga verfügte nur über begrenzte Haustruppen, und die waren nicht nur auf Darius im Einsatz. Er war reich und mächtig, aber nicht SO reich und mächtig, dass er so etwas einfach wegstecken konnte. Nicht, dass das Ergebnis des Kampfes eine solche Überraschung war, aber die Präzision beim Vorgehen des Gegners hatte bewiesen, dass er oder sie über beste Insiderkenntnisse verfügte, was deutlich über die Möglichkeit von Ausgestoßenen hinausging. Wutentbrannt hatte der Lord entweder entsprechende Kompensationen von den Geisterbären oder aber eine entschiedene - und gewaltsame - Antwort seitens der VSDK gefordert. Die Claner hatten nicht einmal geantwortet, und Luthien hatte ihn nur vertröstet. Es gab sogar rivalisierende Lords, die offen spotteten, dass er nichts Besseres verdiene, wenn seine Truppen sich so leicht übertölpeln ließen. Und wenn es etwas gab, was der Lord von Darius nicht vergaß oder vergab, dann, wenn jemand über ihn lachte.

Und jetzt, keine drei Wochen später - viel früher, als man es erwartet hatte beim bisherigen Vorgehen der Angreifer, und viel früher, als dass man irgend etwas unternehmen konnte, um wirksame Vorkehrungen zu treffen - hatten sie wieder zugeschlagen. Wieder auf SEINER Welt - und waren WIEDER entkommen. Die Claner waren in der Nähe der Provinzhauptstadt Hakuba gelandet, und ihre Mechs hatten sich auf ein dortiges Ausrüstungslager zubewegt. Tai-i Tanigaki hatte als Befehlshaber der planetaren Verteidigungsstreitkräfte rasch reagiert, obwohl ihm nur geringe, weit verstreute Verbände zur Verfügung standen. Lord Odaga verfügte zwar theoretisch über beachtliche Haustruppen, deren Kern aus einem verstärkten Mechbataillon bestand - je eine Scout-, eine mittelschwere, eine schwere und eine Sturmkompanie, außerdem eine Kommandolanze des Lords und seiner engsten Vertrauten. Dazu kamen zwei Panzerbataillone, eine gemischte Luftwaffen-Sentai mit zwei Helikopter- und einer Transport-/Kampfflugzeugstaffel, ein Artilleriebataillon, zwei Infanterieregimenter sowie einige Unterstützungseinheiten. Aber gut die Hälfte seiner Truppen waren schon seit Jahren gar nicht mehr auf Darius stationiert, und vor allem das Fehlen der Luftwaffe machte sich in diesem Moment schmerzlich bemerkbar. Die lokalen Polizeitruppen konnten diese Abkommandierungen nur partiell kompensieren, denn sie verfügten abgesehen von einigen wenigen Hetzern - weltweit nicht viel mehr als vielleicht zwei Kompanien, aufgeteilt auf einzelne Lanzen und Halb-Kompanien - und einer Anzahl SPW's über keine Gefechtsfahrzeuge.
Aufgrund mangelnder Aufklärungskapazitäten war zu spät klar geworden, dass die gegnerischen Mechs nur "Staub fuhren", während ein einzelner leichter Omni mit einer Handvoll Elementare und einigen Transportschwebern - geschützt durch den leistungsfähigen Störsender des Mechs - Kurs auf Kodaiki genommen hatte. Bei einer Marschgeschwindigkeit von deutlich über 100 km/h hatten sie ihr Ziel erreicht und zugeschlagen, lange bevor die Kuritaner etwas mitbekommen hatten. Als dann die Verteidiger versuchten umzudirigieren, hatten sie lernen müssen, dass der gegnerische Kommandant einmal mehr beste Kenntnisse des lokalen Terrains besessen hatte.

"Wie groß sind die Schäden?"
"Sie sind ernst, hätten aber noch schlimmer sein können. Die Miliz hat einen Hetzer und zwei Soldaten verloren, zwei weitere wurden verwundet. Wer auch immer den Angriff auf Kodaiki durchgeführt hat, er hat damit gerechnet, dass wir unsere Truppen umdrehen lassen würden, und hat die Hauptstraße vermint. Die Claner haben eine Brücke in die Luft gesprengt, und danach habe ich mich entschieden, dass wir lieber vorsichtig vorgehen. Die meisten unserer Truppen waren sowieso nicht schnell genug, um zum Gegner aufzuschließen. In der Stadt gab es neun Tote in den Reihen der Polizei, und gut das Doppelte an Verwundeten, außerdem haben wir zwei 10-Tonnen-SPWs verloren. Der gegnerische Mech hatte übrigens modifizierte Infanterieabwehrkapseln dabei - nicht die typischen Splittersprengladungen, sondern eine kombinierte Betäubungssprengladung mit einem chemischen Kampfstoff, oder einer Mischladung mehrerer unterschiedlicher Kampfgase. Ich habe so etwas noch nie im Einsatz erlebt. Es waren vor allem Reizstoffe, aber auch ,Maskenbrecher', die starkes Erbrechen auslösen. Gegen Truppen, die nicht in entsprechenden Schutzanzügen stecken, ist das anscheinend sehr effektiv, möglicherweise sollte es ein Waffentest sein. Die Claner haben unsere Fabrik in Kodaiki erheblich beschädigt und Bauteile im Wert von mindestens einer Million C-Noten erbeutet. Bei ihrer Strafaktion und den Kämpfen wurden gut 350 Häuser zerstört, etwa 50 beschädigt - mehr als 1.000 Zivilisten sind erst einmal obdachlos und haben natürlich nahezu ihren ganzen Besitz verloren. Ich gehe davon aus, dass die Infrastrukturschäden, der Produktions- und Reparaturausfall mindestens zwei bis zweieinhalb weitere Million C-Noten betragen. Elf Zivilisten kamen während der Kämpfe durch Querschläger und dergleichen ums Leben, ein halbes Dutzend wurde verletzt. Und außerdem...von einer Familie sind nur zwei Kinder übrig geblieben, und das nur, weil sie nicht zu Hause waren. Der Sohn hat es nicht rechtzeitig aus der Schule nach Hause geschafft, als der Alarm losging, und die Tochter war Sanitätshelferin beim Notdienst. Ihre Eltern, die zwei Großmütter und ein Großvater sind in ihrem Schutzraum erstickt, als die Claner das Viertel abgefackelt haben. Vielleicht haben sie sich nicht rechtzeitig herausgetraut, weil der Mech und die Elementare noch in der Nähe waren, oder irgendetwas hat die Tür blockiert."

Der Lord schwieg einen Moment. Seine Stimme klang mürrisch wie immer: "Kümmere dich darum, dass die Obdachlosen versorgt werden. Lass sie ihre Geschichte erzählen, und zeichne das auf. Und sorg dafür, dass es sich herumspricht - nicht nur auf Darius - dass wir uns um sie kümmern. Eine Notunterkunft, Hilfe dabei ein neues Zuhause aufzubauen, eine bescheidene Grundausstattung, und ausreichend zu Essen, bis sie wieder in der Fabrik arbeiten können. Ein Drittel des nötigen Geldes gebe ich aus meiner Privatschatulle, den Rest besorgen wir uns über Sondersteuern. Das gilt auch für die Mittel für den Wiederaufbau der Brücke und der Fabrik. Und was diese zwei Kinder angeht...überprüf sie, ob sie etwas taugen. Falls ja, bezahle ich der Tochter eine Ausbildung zur Ärztin, und den Jungen schicken wir auf eine Mechkriegerakademie. Oder umgedreht, was sie wollen. Mach ihnen aber klar, dass ich Bestleistung erwarte. Und sorg dafür, dass auch das bekannt wird."

Der Tai-i nickte ruckartig. Ihm war natürlich klar, was sein Lord bezweckte. Fürsorge für die Untertanen war Teil des Feudalvertrags zwischen Herrschern und Beherrschten. Und Lord Odaga hatte seine ganz eigenen Interessen daran, dass das, was den Einwohnern von Darius angetan worden war, ausreichend bekannt wurde.

"Stell mir Aussagen zusammen von all denen, die alles verloren haben. Verwundete Polizisten, Zivilisten, deren Häuser eingeäschert worden - so etwas. Wir schicken das an die Herzöge auf den Nachbarplaneten, und an die VSDK-Kommandeure, aber auch nach Luthien. Ich will diesen feigen Hunden, diesen Stück Scheiße auf zwei Beinen, die sich auf der Zentralwelt Beamte und Generäle schimpfen etwas zu hören und zu sehen geben. Etwas, bei dem sie nicht länger vorgeben können, dass es nach Weihrauch riecht, wenn uns dieser Clan-Abschaum ins Gesicht furzt." Manchmal klang der Lord wie ein Reisbauer, der in eine Hacke getreten war. Das eigentliche Problem war nur, dass er noch wesentlich härter zubiss, als dass er bellte.
"Vielleicht sehen sie dann endlich ein, dass dieser Abschaum nur Stärke respektiert. Dass wir ENDLICH zurückschlagen müssen, hart, erbarmungslos. Und zu den Höllen mit diesem Blödsinn von ,Bewahrer' und ,Kreuzritter', von ,guten' und ,bösen' Clanern. Die einzigen Claner, die gut sind, haben freundlicherweise aufgehört zu atmen. Es wird Zeit, deutlich Stellung zu beziehen und zu tun, was nötig ist. Mit eiserner Faust. Irgendwann müssen sie in Luthien begreifen, dass Krieg die einzige Antwort ist. Dass dieser Krieg kommt, kommen muss..." Er verzog seine Lippen zu einem ausgemacht hässlichen Grinsen, und das lag diesmal nicht an den Narben: "Aber das sieht der Abschaum jenseits der ,Grenze' im Moment ja vermutlich selber ein. Sorgen wir nur dafür, dass sie es nicht vergessen."

Der Hass von Lord Odaga auf die Clans war fast schon legendär. Er hatte an jedem Feldzug teilgenommen, hatte höchstselbst mehr als ein halbes Dutzend Omnis und zwei Dutzend Elementare vernichtet, war mehrfach verwundet worden - und seine zwei legitimen Söhne, Anatoli Tanigakis Halbbrüder, waren in diesen Kämpfen gefallen, der eine im ersten Jahr der Claninvasion, der andere während des kurzen Krieges mit den Geisterbären. Es hatte immer wieder Gerüchte gegeben, Getuschel hinter vorgehaltener Hand, Lord Odaga stünde dem Schwarzen Drachen nahe und habe dem Angriff der Alshain-Rächer, der den letzten Krieg ausgelöst hatte, Vorschub geleistet, ebenso wie er den Widerstand kuritanischer und FRR-Untergrundkämpfer unterstützen sollte. Doch nie hatte es dafür Beweise gegeben, nie hatte er in seiner Kritik an Entscheidungen von Luthien das Maß des gerade noch statthaften überschritten. Allerdings hatte er an den Grenzen dieses Maßes gekratzt, und das mit bewundernswerter Ausdauer.
Selbstverständlich war nicht damit zu rechnen, dass die Mächtigen auf Luthien durch die Not und den Tod von ein paar Zivilisten um ihren Schlaf gebracht wurden, vor allem wenn sich das auf einem Planeten ereignet hatte, den die wenigsten auch nur ohne Nachhilfe auf einer Sternenkarte gefunden hätten. Aber wenn der Lord seine Karten geschickt ausspielte - und er war ein Meister in diesem Spiel - dann konnte er ihnen klar machen, dass nicht nur er in Gefahr war, sein Gesicht zu verlieren. Nicht zuletzt weil sowohl Theodore Kurita als auch sein Erbe gerne ihre Beschützerrolle für die Einwohner des Kombinats betonten.

Lord Odaga war, man musste das betonen, ein Mann, dem nicht viel entging. Und so wusste er, dass sein Untergebener und Sohn - meistens behandelte er ihn in genau dieser Reinfolge - noch etwas auf dem Herzen hatte: "Du siehst aus, Tai-i, als müsstest du dir einen Darmwind verkneifen. Lass es besser raus, ehe es dich noch umbringt."
Der junge Offizier wählte seine Wort mit Bedacht: "Mein Lord, nichts läge mir ferner als Kritik andeuten zu wollen, aber ich habe von seitens unserer ,Augen und Ohren' gehört, dass es...gewisses Gerede gibt. Unter einfachen Leuten, aber auch in der Mittelschicht und weiter oben. Einige Leute...nun, sie meinen, wenn unsere Soldaten nicht anderswo im Einsatz wären, könnten sie uns besser verteidigen. Und dass sie ja immerhin Steuern bezahlen, um geschützt..."
Der Lord hob abrupt seine Hand, zur Faust geballt. Seine Stimme klang drohend, auch wenn sich diese Drohung nicht gegen seinen Untergebenen richtete: "So, dass sagen sie? Ich glaube, einige Leute sind dabei, zu vergessen, wer hier das Sagen hat. Wenn man sie nicht hin und wieder erinnert, scheinen sie zu meinen, sie hätten das Recht meine Entscheidungen anzuzweifeln. Wie Ratten, die in den Reisspeicher kriechen, sich vollfressen und ihre Scheiße zurücklassen, nur weil gerade keiner hinschaut. Aber im Notfall verbrenne ich lieber den verdammten Speicher, als dass ich die Ratten davonkommen lasse!"
Er atmete tief durch, und gab seinen Worten einen sarkastischen Klang: "Such dir ein paar von diesen Großmäulern heraus. Ich denke, eine Gelegenheit für einige Wochen Arbeitseinsatz beim Wiederaufbau und die dringliche Bitte um eine großzügige Spende zugunsten der Obdachlosen sollte ausreichen, damit sie beweisen können, wie sehr ihnen das Wohl ihrer Mitmenschen WIRKLICH am Herzen liegt. Und dann mach ihnen klar, dass von uns erwartet wird, Opfer zu bringen. Für den Koordinator - möge er zehntausend Jahre leben - wie zum Wohle des Vaterlandes. Und das erfordert, dass unsere Soldaten nicht alle hier sein können. Aber sie können sich natürlich auch gerne noch stärker beteiligen, um unsere Verteidigung zu stärken. Wenn sie wollen, gebe ich ihnen gerne die Gelegenheit dazu, mit einem Sturmgewehr in der Hand an vorderster Front."
Das war Lord Odagas Herrschaftsmaxime, stets die Peitsche griffbereit haben, auch wenn man an andere das Zuckerbrot verteilte.

"Und dann, mein Lord, wäre da noch die Frage nach der Reaktion auf die Maßnahmen von Luthien und Com-..."
Lord Odaga blickte seinen Untergebenen drohend an, und das reichte, damit dieser schwieg, zumindest im Moment. Die Stimme des Lords klang mit einmal wieder bedrohlich: "Ich schätze dich, mein Sohn, du weißt das. Du bist klug, ein guter Pilot, Offizier und Verwalter und vor allem bist du loyal. Das weiß ich durchaus zu würdigen. Aber du solltest wissen, wann es genug ist, auch wenn du der Meinung bist, besser als ich zu wissen, was gut für unser Haus und für mich persönlich ist." Seine Stimme gewann an Schärfe, die sich freilich jetzt nicht mehr gegen den Tai-i richtete: "Diese ,Reaktion' von Luthien und Com-Star ist...nun, ein Schlag ins Gesicht trifft es nicht einmal ANSATZWEISE! Ich frage mich, welcher Affe den Verantwortlichen ins Gehirn gepinkelt hat, dass sie auf DIESE Idee gekommen sind! Ich fordere eine entschiedene Reaktion Luthiens und was tun sie? Schicken ein zerlumptes Bataillon Söldner, SÖLDNER - nicht einmal Battlemechs, sonder Panzer mit nur ein paar Hilfseinheiten und Luftwaffe! Und nicht etwa irgendeine Einheit, sondern eine, die an den Rockschößen irgendwelcher Kuttenträger und eines stinkenden Gajin hängt, den man aus Gründen, die ich nicht einmal ansatzweise nachvollziehen kann - und den Kami sei dank geht es neun von zehn kuritanischen Adligen genauso - in den erlauchten Kreis UNSERES Standes erhoben hat! Com-Star ist mir ohnehin in den letzten Jahren etwas zu eigenständig geworden. Blakes Wort oder das ,echte' Com-Star, da gibt es keinen Unterschied. Sie maßen sich bei weitem zuviel an, als wären sie uns ebenbürtig. Bah, und das von einer Truppe, deren Würdenträger nicht in ein Vergnügungsviertel gehen können aus Angst, dass ihre HPG-Verbindung abbricht..." Er lachte verächtlich.
"Und das Kombinat adelt jemanden, der diesem Gesindel nahesteht und für sie den Laufburschen macht? Einen Kerl, den ich nicht mal meinen Nachttopf leeren lassen würde!? Wenn er nur ein Söldner wäre, könnte man ja vielleicht noch einmal darüber hinwegsehen, obwohl das schlimm genug ist. Aber ein Söldner, der sich im Arc-Royal-Defensivkordon verkrochen und angedient hat? Bei diesem DRECK?"

Wenn es etwas gab, das der Lord von Darius ebenso inbrünstig - und mit vergleichbar gutem Grund - hasste wie die Clans, dann war es eine bestimmte Sorte von Söldnern. Als der 4. Nachfolgekrieg ausbrach war er ein junger Mechkrieger gewesen, der nicht damit rechnete, dass die Verantwortung als Erbe von Darius irgendwann in näherer Zukunft zu einer echten Herausforderung werden würde. Er steuerte einen starken Battlemech, war frisch verheiratet und Vater eines kleinen Sohns, ein glücklicher Mann. Dann hatten Hanse Davion und seine Steiner-Verbündeten die Innere Sphäre in Brand gesteckt. Und Seizos Vater, ein Mann, den er immer verehrt und bewundert hatte, war gefallen. Getötet auf Lyons von den Kell Hounds bei deren Gefechten mit den 3. Dieron Regulars, in deren Reihen der alte Lord eine Sturmkompanie befehligte. Das hatte Seizo zum Lord gemacht, doch während des Krieges hatte er als düsterer Rachedämon den "Tod allen Söldnern"-Befehl des Koordinators vollstreckt, wo immer sich die Gelegenheit bot.

"Sicher, diese Söldner sind nicht selber Kell- oder Wolf-Abschaum, aber sie kommen dem sehr, sehr nah. Das weiß keiner besser als du, Anatoli. Was soll ich wohl von Männern und Frauen halten, deren erste nennenswerte ,Heldentat' es war, irregeleitete aber patriotische und tapfere Kombinatssoldaten zu ermorden - und das auch noch im Auftrag und mit dem Segen der CLANS? Oh ja, diese Söldner werden ganz gewiss die Wahrheit über die Vergehen dieses kannistergeborenen Abschaums an den Tag bringen, da besteht keine Gefahr, dass sie irgend etwas ,übersehen' was ihren Freunden schaden könnte! In ihren Reihen haben Geisterbären GEDIENT! Und ich habe gehört, sie haben bei mehr als einer Gelegenheit Sonderaufträge für ihre Hunde-Herren übernommen. Und die soll ich auf MEINE Welt lassen? Da kann ich ja gleich den Bären meinen Planeten offerieren, und am besten noch meine Kehle und ein scharfes Messer, um sie durchzuschneiden..."

Der Tai-i wusste natürlich, worauf sein Vater unter anderem anspielte und warum er ausgerechnet diese Söldnertruppe verachtete. Seizo Odaga hatte während der kurzen aber bitteren Ronin-Kriege 3034/35 an vorderster Front gekämpft - seine Welt lag viel zu dicht an den Kampfschauplätzen, als dass er hätte beiseite stehen können. Vielleicht war es ihm sogar Recht gewesen, von Darius wegzukommen, denn seine geliebte Ehefrau war 3033 bei der Geburt ihres dritten Kindes zusammen mit dem Neugeborenen gestorben. Die Schlachten gegen die abtrünnigen VSDK-Truppen hätten Lord Odaga mehr als einmal beinahe das Leben gekostet. Vor allem einmal war es sehr knapp gewesen. Mit zwei Kameraden war er irgendwo in einer steinigen Wüstenlandschaft von einer Übermacht eingekesselt worden. Fliehen konnten sie nicht - Seizos Mech hatte einen zerschossenen Beinaktivator gehabt - und ihre Chancen auf eine erfolgreiche Verteidigung waren gering gewesen. Die Ronin standen nicht in dem Ruf, zimperlich mit Leuten umzugehen, die sie als Verräter an den Idealen und der Seele des Kombinats sahen, deshalb hatte es ziemlich düster für die Überlebensaussichten der Mechkrieger ausgesehen. Rettung war in Gestalt eines jungen Offiziers gekommen, der in einem Gewaltmarsch eine Lanze in den Rücken des Feindes geführt und Lord Odaga und seine Männer herausgehauen hatte. In einem erbarmungslosen Kampf waren nicht weniger als sechs Ronin-Mechs, aber auch drei Mechs der Loyalisten zerstört worden. Seizo hatte sich in den folgenden Wochen und Monaten mit seinem Retter angefreundet, und jahrelang mit ihm Kontakt gehalten. Später hatte er sogar seinen unehelichen Sohn nach seinem Retter benannt. Als Seizos Freund schließlich den Pfad der Pflicht wie er sie verstand über den Gehorsam stellte, hatte der Lord von Darius öffentlich mit ihm gebrochen, doch er hatte ebenso öffentlich getrauert, als er später erfuhr, dass sein Freund ihm in die nächste Welt vorangegangen war. Der Name dieses Freundes war Anatoli Kenda gewesen.

"Mein Lord! Niemand bezweifelt, dass Ihr Grund habt, den Söldnern zu misstrauen und sie zu verachten. Und auch wenn ich Euren Schmerz nicht im vollen Umfang ermessen kann, kannte ich doch Kenda-sama kaum persönlich - der Mann, dessen Name ich trage, er war auch mir teuer, und ich fühle nicht die geringste Milde gegenüber seinen feigen Mördern. Er mag den vom Koordinator - möge er ewig leben - gewiesenen Pfad verlassen haben, aber ein solches Ende von derart schimpflicher, unwürdiger Hand hat er nicht verdient. Doch meine Pflicht verlangt von mir, dass ich dennoch nicht schweige, auch auf die Gefahr hin, Euren Zorn zu erregen. Die Söldner werden kommen - und nachdem drei Angriffe Eure Welt getroffen haben, werden sie sehr wahrscheinlich sogar hierher kommen. Wenn wir ihnen die Landung verweigern, verprellen wir nicht nur Com-Star, wir geben auch Euren Rivalen und Feinden im Kombinat, nicht zuletzt diesem nichtswürdigen Gesindel auf Darius, das Lügen verbreitet, einen Vorwand, an eurer Weisheit zu zweifeln, so irrwitzig das auch klingen mag. Und einige - etwa die Regentin von Numki - könnten nur zu bereit sein, die Söldner zuvorkommend zu behandeln, um Euch ins Unrecht zu setzen und ihre eigene Position zu verbessern. Und schließlich - wäre es nicht besser, ein Auge auf die Söldner zu behalten um zu prüfen, ob sie tatsächlich insgeheim für die Clans arbeiten oder irgendeinen irrwitzigen Com-Star-Plan verfolgen? Wenn Ihr rechtzeitig wüsstet, was sie tun, und was sie herausfinden, könnte uns das von Vorteil sein. Ich nehme an, sie werden auch untersuchen, was hinter den Vergeltungsschlägen im Clan-Gebiet steckt..."

Für einen scheinbar endlosen Moment starrte Seizo Odage seinen jungen Sohn düster an. Dann aber lächelte er, und das erste Mal war es ein echtes Lachen, eines, bei dem sein Gesicht für einen Augenblick nicht Verachtung oder Wut ausdrückte, sondern sogar etwas weicher wirkte: "Mein lieber Sohn, du bist einfach viel zu sehr wie deine Mutter. Wie du war sie klug, fast schon zu klug. Vor allem aber hat sie mit ihrer Klugheit nie hinter den Berg halten können, auch wenn das manchmal besser für sie gewesen wäre. Und wie sie hast du mit deinen Einwänden natürlich Recht. Also gut, wenn diese Gajin-Hunde nach Darius kommen, werden wir ihnen die Landung erlauben. Sie dürfen sogar an den Orten herumschnüffeln, wo wir angegriffen wurden. Ehrlich gesagt wäre es mir am liebsten, wenn der vorletzte Söldner den letzten Clan-Banditen umbringt, aber soviel Glück werden wir wohl kaum haben. Doch so lange sie hier sind will ich, dass sie für jedes Reiskorn, jeden Schluck Wasser, für ALLES was sie hier bekommen bezahlen. Und du wirst sie im Auge behalten. Zu jeder Zeit, an jedem Ort, und ich meine JEDEM - setze unsere Augen und Ohren auf sie an. Du wirst überhaupt die zweifelhafte Ehre haben, dich mit dem Söldnerpack herumplagen zu können - wenn ich mich mit diesem Abschaum abgebe, schlage ich eher früher als später noch einen Kopf ab. Halte auch die Ohren offen, ob du etwas herausfinden kannst über ihre Kontakte zu ihren Clan-Freunden und zum Kombinatsadel. Und sollte sich herausstellen, dass sie ein doppeltes Spiel treiben, dass die Sache eine Richtung nimmt, die gefährlich wird - sei es bei den Angriffen hier im Kombinat oder wenn sie anfangen zu ermitteln was bei den Clanern schief gelaufen ist - dann wirst du dich darum kümmern." Das Gesicht des Lords war eine Maske der Entschlossenheit und eiskalten Berechnung, die den meisten Beobachtern den Angstschweiß auf die Stirn getrieben hätte, vor allem jenen, die ihn kannten: "Und dann wirst du mir ihre Köpfe bringen."
Der kniende Tai-i verneigte sich so tief, dass sein Kopf den Boden berührte: "Wie Ihr befehlt, mein Lord!"

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Ein Schlag zuviel III

Confederate-Class-Landungsschiff SHARP CLAW, Rubigen-System, Geisterbären-Besatzungszone

Sterncaptain Rhayla bot im Augenblick einen Anblick, der auf manche Beobachter zweifellos etwas merkwürdig, wenn nicht gar grotesk gewirkt hätte. Sie balancierte auf dem Kopf ihres gigantischen Henkers, die Arme zu den Seiten gestreckt, um das Gleichgewicht zu halten - eine Haltung, die wohl eher einer Kriegerin der Jadefalken angestanden hätte. Auf dem schmalen Gesicht - sie hatte ihre Kopfhaare vollständig abrasiert - lag ein Ausdruck von fast schon schwärmerischer Bewunderung, den freilich glücklicherweise keiner vom Boden aus erkennen konnte. Von ihrem luftigen Sitz - sie brauchte ihre Arme nur über den Kopf zu heben, und hätte die Decke des Hangars berühren können - hatte sie einen guten Überblick auf Hangar 2 der SHARP CLAW, in dem Techs um die drei mächtigen Omnis herumwuselten, die die Männer und Frauen - selbst jene, die Exoskelette trugen, Vorgänger der Elementarrüstungen - zu Zwergen degradierten. Waffen-, Munitions- und Ausrüstungs-Module mussten emporgewuchtet, Anschlüsse überprüft werden, und was sonst noch zu tun war, um im Rahmen einer Einsatzübung eine Umrüstung unter Feldbedingungen vorzunehmen. Der konstante Schub des Landungsschiffes auf dem Weg zum Ziel - auf halbem Weg würde man beginnen, ebenso konstant abzubremsen - sorgte für normale Schwerkraft, was doch eine große Erleichterung war.
Neben ihrer Maschine handelte es sich bei den übrigen Mechs des Sterns noch um einen Kriegsfalken und einen Gargoyle. Zusammen waren das 260 Tonnen Tod und Vernichtung, die durch zwei 60-Tonnen Bluthunde ergänzt wurden, die in Hangar 1 im Moment eine ähnlich aufmerksame Betreuung genossen.
Einmal mehr spürte sie eine Mischung aus Erregung, Stolz und, warum lügen, vager Besorgnis, als sie die Techs und die Kampfgiganten IHRES Sterns betrachtete. Ihre wichtigsten Untergebenen, die Mechkrieger, glänzten freilich mal wieder mit Abwesenheit. Rhayla unterdrückte bei diesem Gedanken ein verärgertes Seufzen. Sicher, die anderen Piloten waren jung, kamen gerade frisch aus der Blutung, aber war das eine Entschuldigung, so kurzsichtig zu sein? Viele Clankrieger hielten die Arbeit der Techs für unter ihrer Würde, diese für Wesen minderen Wertes - immerhin hatten sie schlechte Umgangsformen, sprachen schlampig, waren entweder wahrgeborene Versager oder entstammten einer Freigeburt, ein Vorgang, der ECHTEN Clanern als ekelhaft und unrein galt. Und vor allem und im Besonderen, sie waren keine Krieger. Rhayla wusste das alles, aber sie teilte diese Ansicht nicht in jeder Hinsicht. Heutzutage konnte es leicht passieren, dass auch ein Mechkrieger mit anpacken musste, um seinen Kampfkoloss in einer Notsituation umzurüsten, oder aber ein Tech sich seiner Haut zu wehren hatte. Und anders als einige ihrer Altergenossen und Ausbilder teilte Rhayla die Ansicht, dass man sich zumindest einigen neuen Gegebenheiten anpassen musste, um das zu bewahren, was wirklich wichtig war. War ständige Veränderung nicht das Innerste Wesen der Clans, wenn man bedachte womit sie begonnen hatten?
Und das bedeutete, dass man sich eben hin und wieder die Finger, nun, mitunter auch die Arme, das Gesicht und den ganzen Oberkörper, mit Maschinenöl einschmierte. Man sollte meinen, das einzusehen sei nicht zuviel verlangt von ihren Untergebenen. Nein, sicher nicht, schließlich konnte sie das ja auch, obwohl sie selber erst vor wenigen Wochen das Ritual absolviert hatte, das fürs erste ihren Platz in den Reihen von Kerenskys Erben bestimmte. Sie hatte sich herausragend geschlagen, hatte drei Mechs abgeschossen, was sogar in den Reihen der Clans selten war, obwohl jede neue Generation aus dem besten Genmaterial der momentan dienenden Krieger geschaffen wurde, und eine stetig verbesserte Ausbildung genießen sollte.

IHR Stern - ein Stück weit fiel es ihr immer noch schwer, das zu glauben. Sie hatte nicht wirklich geglaubt, dass sie so schnell so weit aufsteigen würde, zumal sie wohl auf Rubigen bald schon einen kompletten Trinärstern übernehmen würde. Aber wenn es eines gab, was man bereits in der Geschko lernte, dann, bereit für neue Verantwortung zu sein, sich aber auch nie auf Erreichtem auszuruhen, stets wachsam zu bleiben. Vor einem erneuten Positionstest war sie zumindest im Moment sicher, denn es hätte die Würde des Rituals gemindert, würde man Piloten zu häufig testen. Aber ein Konflikttest, tja, DER konnte jederzeit erfolgen. Im Mech, im unbewaffneten Nahkampf, mit Handfeuerwaffen - die Möglichkeiten waren viele. Nicht zuletzt deshalb hatte sie insgeheim ihre neuen Untergebenen beobachtet und kategorisiert. Was man kannte, das konnte man berechnen, und damit auch besiegen. Und so hatte sie eine Liste aufgestellt, auf der ihre Krieger säuberlich etikettiert waren. Als potentiell gefährlich, weil selbst für Clan-Begriffe sehr ehrgeizig, mögliche Unruhestifterin, als ungefährlich, als mögliche Verbündete oder Freundin...es empfahl sich, den Charakter der eigenen Leute ebenso gut im Auge zu behalten, wie Erkenntnisse über künftige Feinde.
Nun ja, das war eine Sorge für einen anderen Tag. Im Moment war sie hier, auf dem Transit zu ihrem ersten richtigen Einsatz, mit einem funkelnagelneuen schweren Stern für den 332. Angriffssternhaufen. Dazu kam noch einiges an Nachschubsgütern und ein paar Passagiere, ein kleines Team aus Clan- und FIS-Wissenschaftlern, das aus irgendwelchen Gründen ebenfalls nach Rubigen musste. Sie hatte sich mit einigen unterhalten - noch etwas, was ihre Untergebenen für unter ihrer Würde hielten - aber sie war aus den Männern und Frauen nicht recht klug geworden.

Rhayla war sich nicht sicher, was sie auf ihrem neuen Posten erwartete. Sie kannte die Welt, pardon die Welten außerhalb der Geschko-Trainingseinrichtungen in erster Linie aus Geschichten und Aufnahmen, und, wenn sie ehrlich war, war sie mit ihren neunzehn Jahren ziemlich gespannt, wie das "Draußen" in natura aussehen würde. Die ersten Wochen würde sie damit beschäftigt sein, sich mit Rubigen vertraut zu machen, und mit ihrem Kommando. Störenfriede ausfindig machen, potentielle Verbündete suchen, sich mit den Vorgesetzten und Rangkollegen ins Benehmen setzen - hoffentlich ging das ohne ZUVIEL Gewalteinsatz - sowie ein Näschen für das Gelände gewinnen. Die Liste war von beeindruckender Länge...
Aber wenn das erst einmal geschafft war, dann, tja dann sprach ja nichts dagegen, auch mal auf eigene Faust auf Erkundung zu gehen. Auszuprobieren, wie sich das Leben außerhalb der Einheit und der Geschko anfühlte, roch und schmeckte - das klang schon verlockend. Sie durfte nur nicht unvorsichtig werden.

So lange ein - wenn auch brüchiger - Frieden mit den Fürsten der Inneren Sphäre herrschte, gab es nicht viele Gelegenheiten, sich auf dem Schlachtfeld auszuzeichnen. Zu wenig Gelegenheiten, wenn es nach vielen Clankrieger ging, und das galt keineswegs nur für die Kreuzritter-Clans. Auch in ihrem eigenen Clan waren mehr als nur eine Handvoll Krieger der Ansicht, dass der Wechsel der Geisterbären zu den Bewahrern ein Fehler gewesen war. Nicht nur junge Heißsporne kurz nach der Blutung oder alternde Krieger kurz vor der Abschiebung in die Etappe meinten, ein weiterer Konflikt - größer, entscheidender, und vor allem glorreicher als der kurze Krieg mit dem Kombinat Anfang der 3060er - sei unausweichlich. Er müsse kommen, und am besten solle er bald kommen - am liebsten sofort. Sie fürchteten nicht schnell genug ihre erste richtige Gelegenheit für Ruhm und Ehre zu bekommen, oder ihre letzte Chance zu verpassen. Sie hatte sogar Gerüchte aufgeschnappt, dass möglicherweise einige Krieger etwas unternommen haben sollten, um sich diese Chance zu sichern. Rhayla mochte das nicht so ganz glauben - Clankrieger, die insgeheim gegen die Entscheidung ihres Khans verstießen und einen Krieg heraufbeschworen? Es wäre freilich nicht das erste Mal in der Geschichte der Clans gewesen, dass der Streit um den rechten Weg tiefe Gräben gerissen hätte - und zu Taten Anlass gab, die im Namen der Ehre nicht wirklich sehr ehrenhaft waren.

Aber es ging ja auch um mehr als nur die Gier nach Ruhm, die Besorgnis über den Waffenstillstand ging noch etwas tiefer. Etliche glaubten, der relative Frieden könnte dem Gegner die Möglichkeit geben sich besser vorzubereiten, das Nichtstun würde ihren Clan ebenso schwächen wie der Kontakt mit der Gesellschaft der Inneren Sphäre. Das war nicht vollkommen aus der Luft gegriffen, wenn man darauf bestand, dass die Clangesellschaft so bleiben sollte, wie sie zu Beginn der Invasion gewesen war. Der Kontakt HATTE vieles verändert, und dieser Prozess dauerte auch weiterhin an. Die Angehörigen aller Clankasten zusammengenommen waren nur eine kleine Minderheit im Vergleich zu den Bewohnern der Besatzungszone. Übernahmen waren da unvermeidbar. Und einige meinten, es bestünde die Gefahr, dass das reine Clanideal auf diese Weise zersetzt würde. Die deutlich höhere Achtung, die Nichtkrieger in der Gesellschaft der FIS genossen, die Vorstellung und vor allem der Zugang zu persönlichem Besitz und nun ja, Luxus und Zerstreuungsmöglichkeiten, kurz zu Dingen, die bei den Clans nicht existiert hatten - musste das nicht zerstörerisch wirken? Könnten die niederen Kasten aufmucken gegen die Herrschaft der Krieger? Würden die Krieger selber nicht ihre Einsatzbereitschaft verlieren, jetzt, wo sie das Leben vielleicht zu genießen lernten und eines Tages nicht nur in erster Linie daran dachten, sich ihren Platz in der ERINNERUNG und ein gutes Ranking für ihr Genmaterial zu erkämpfen?
Rhayla war sich da nicht so sicher, hielt sich aus dem Streit aber meistens heraus. Das war etwas für die alten Knochen, Männer und Frauen von 30 Jahren oder gar mehr, die Erfahrung gesammelt hatten. Ihrer Ansicht nach sollte man so etwas erst nach reiflicher Überlegung entscheiden. Denn eines war gewiss - was Einsatzbereitschaft und Mut betraf, konnten die Soldaten der Inneren Sphäre es durchaus mit den Clans aufnehmen. Ihr mitunter krasser Materialismus, ihre pervertierten Ehrvorstellungen und mitunter ekelhaften sozialen Gebräuche schien ihnen da wenig im Weg zu sein. Nun ja, das alles war eine Frage, mit der man sich noch würde befassen müssen. Nur eben nicht SIE und nicht schon JETZT. Tja, wie hieß es so schön - niemand saß so hoch im Sattel wie der, der den Weg nicht kannte.

Frieden hieß freilich nicht, dass es KEINE Möglichkeit gegeben hätte, zu kämpfen. Wirklicher Frieden hatte in der Clan-Besatzungszone niemals geherrscht, selbst nachdem die letzten versprengten Überreste der FIS-Garnisonen aufgerieben worden waren. Da gab es natürlich in den letzten Jahren immer mal wieder Zwischenfälle mit Kampfgruppen anderer Clans, obwohl diese meist in den ritualisierten Formen abliefen, an die sich Kerenskys Nachkommen in den letzten Jahrhunderten gewöhnt hatten. Angriffe der Schwarzen Kaste kamen ebenfalls vor, hatten sogar zugenommen. Versprengte Nebelparder hatten die Ränge der Banditen ebenso verstärkt wie eine langsam wachsende Anzahl Claner, die überfordert waren mit den Herausforderungen einer neuen Zeit, in der Tradition und altes Herkommen nicht mehr auf alles die Antwort boten. Manche waren geächtet worden, weil sie sich zu sehr an die Lebensart ihrer neuen Untertanen angepasst und die Überzeugungen der Clans in Frage gestellt hatten - andere, weil ihre Geringachtung des Lebens der FIS-Freigeburten zu einer Gefahr für den Frieden geworden war. Dazu kamen FIS-Gesetzlose, die sich mit den Schwarzkastlern verbündet hatten. So verschieden sie eigentlich waren, die Ausgestoßenen aller Gesellschaften fanden offenbar irgendwie immer einen gemeinsamen Nenner.

Vor allem aber hatte es seit dem ersten Tag der Clan-Besatzung an Widerstand im Untergrund gegeben, oft nicht nur von der Hand ehemaliger Soldaten, Polizisten und Geheimdienstler, sondern durch Zivilisten. Er wurde teilweise gefördert und unterstützt, war mitunter aber auch gänzlich unabhängig von den Fürsten der Inneren Sphäre. Dieser Kampf wurde nicht in offenen Schlachten geführt, sondern in den Menschenmassen der Städte, in den Tiefen der Wälder, in den Schluchten der Berge. Die Sprengfalle am Wegesrand, der Heckenschütze am Fenster, die schultergestützte Rakete aus dem Unterholz, Dolch und Gift waren die Waffen der Wahl. Waffen simpelster Art gegen einen Claner auf Freigang kamen ebenso zum Einsatz wie exzellent ausgetüftelte Todesfallen, die einen kompletten Panzer oder Mech vernichten konnten. Gnade wurde nicht gewährt, und auch nicht erwartet. Und nicht nur Krieger waren das Ziel, sondern jeder Claner, ja überhaupt alle, die nach Meinung der Aufständischen in den Diensten der Besatzer standen. Es war ein Krieg ohne Fronten, ohne Regeln und ohne Ehre. Er schleppte sich dahin, oft nur schwelend, kaum sichtbar, ja scheinbar ersterbend - dann wieder flackerte er unversehens erneut auf, wurde die unsichtbar glimmende Glut zu offenen Flammen, einem Großbrand, zum todbringenden Inferno, nur um kurz darauf wieder schwächer zu werden. Und immer wieder war er aufs Neue angefacht und genährt worden, durch einen Fehler der neuen Herren oder den Einfluss der Inneren Sphäre. Der Schwarze Drache war einer der wichtigsten, doch nicht der einzige Akteur auf diesem Feld. In der Freien Republik Rasalhaag gab es Gruppen, die sowohl die Com-Star-Herrschaft in den nicht von den Clans kontrollierten Resten ablehnten, als auch die Clanbesatzer an sich, ob Bären, Wölfe oder wen auch immer. Nicht wenige wiesen jeden Gedanken empört von sich, sich durch den Aufstieg Ragnar Magnusson, Sohn des gewählten Prinzen Haakon, in den Rang eines Clankriegers mit den neuen Herren aussöhnen zu lassen. In ihren Augen war ein Prinz, der den Besatzern so weit entgegenkam, ja rechtlich einer von jenen wurde, die zehn-, ja hunderttausende seiner Landsleute auf dem Gewissen hatten, nicht mehr als ein Verräter, der einen schimpflichen Tod verdient hatte. Es gab ein Wort für ihn, einen Namen den man hinter vorgehaltener Hand wisperte, und den man inzwischen auch für alle anderen benutzte, die sich den Besatzern andienten. Der Name eines fast schon mythischen Verräters aus der irdischen Geschichte: Quisling. Ein Wort voller Gift und Verachtung. Ob sie nun für die Neuwahl eines andere Prinzen oder eine Republik ohne Adlige kämpften, der Hass dieser Rebellen auf die Clans konnte sich mit dem jedes Ronin messen.
Natürlich war auch das ein Kampf, bei dem ein Wahrgeborener selten Meriten gewinnen könnte. Die meisten Claner betrachteten die Jagd nach Partisanen als noch weniger ehrenhaft als Strafaktionen gegen die Schwarze Kaste - dabei ging es wenigsten gegen Claner, wenn auch gescheiterte. Der Kampf gegen leichtbewaffnete Infanterie, improvisiert gepanzerte und bewaffnete Gefechtsfahrzeuge, bestenfalls einmal einen Beute- oder umgerüsteten Produktionsmech, das war nichts, womit man Eingang in die ERINNERUNG erlangte. Nur hatten eben auch nicht wenige ihre Geringschätzung mit dem Leben oder abgerissenen Gliedmaßen bezahlt.

Eines der neusten blutigen Kapitel in der scheinbar unendlichen Geschichte war vor etwas mehr als einem Vierteljahr aufgeschlagen worden. Es hatte auf Halesowen begonnen, wo sich nicht nur eine Garnison der 2. Bear Regulars befand, sondern auch ein Prüfungszentrum für angehende Krieger. Und genau dort hatte der Gegner zugeschlagen, mitten in der Nacht. Die Angreifer hatten die Luftraumüberwachung der Geisterbären umgangen. Die Anlage war zwar gegen einen Überfall lokaler Widerstandskämpfer gewappnet gewesen, aber niemand hatte mit einem schweren Luftangriff gerechnet. Als plötzlich vier FIS-Jäger vom Typ Hellcat auftauchten, war es für organisierte Gegenwehr zu spät gewesen. Die Angreifer hatten einen gut gezielten Bombenteppich über die Anlage gelegt, dann hatten die Bordwaffen gesprochen. Von den fünfzehn Mechs, die für Prüflinge und ihre Blutungsgegner bereitstanden, war mehr als die Hälfte zerstört worden, mehrere weitere beschädigt. Ehe die Jäger abdrehten und sich zu ihrem Landungsschiff zurückzogen, hatten sie noch eine gut 100 Kilometer entfernte Siedlung angegriffen. In dem Fischerhafen waren vier Hochseetrawler im Feuer der Bordwaffen gesunken, Lagerhallen und eine Konservenfabrik waren in Flammen aufgegangen. Flugblätter hatten verkündet, dass dies die Strafe dafür sei, dass die Bewohner nach dem Sieg der Clans über die Halesowen Protectors zu den ersten gehörten, die gute Beziehungen zu den neuen Herren aufgebaut hatten. Zudem hatten viele von ihnen in der Polizei und Verwaltung gedient, die für die Besatzer die Ordnung aufrechterhielt. Insgesamt waren bei dem Angriff über ein Dutzend Claner und dreimal so viele Einwohner umgekommen, zumeist einfache Zivilisten, darunter Kinder und Alte. Weitere Verluste waren entstanden, weil die Angreifer über beiden Zielen Streuminenbomben abgeworfen hatten, die erst während der Bergungs- und Aufräumarbeiten explodierten.
Auf Alshain hatte man den Überfall dennoch nicht recht ernst genommen. Schlampige Aufklärung und mangelnde Einsatzbereitschaft der Garnison, das war das Urteil gewesen. Der Kommandant der 2. Bear Regulars war getadelt worden und musste sich einem Positionstest unterziehen, aber das war dann auch schon alles gewesen.
Und tatsächlich schienen die Ereignisse denen Recht zu geben, die in dem Angriff nur ein kleines Ärgernis sahen, ausgelöst durch Sorglosigkeit und Pech. Vier Wochen darauf war ein Aufklärungsstrahl der Omnijäger des 357. Angriffssternhaufens über ein feindliches Träger-Landungsschiff gestolpert, das versucht hatte sich an Altenmarkt "heranzuschleichen". Obwohl zahlenmäßig deutlich überlegen, hatten die FIS'ler sofort die Flucht angetreten, dabei verfolgt und belästigt von den beiden Clanjägern. Die Claner waren durch Abwehrfeuer moderat beschädigt worden, hatten aber das feindliche Schiff - ein Leopard CV - bis fast zum Sprungschiff verfolgt, das an einem Piratensprungpunkt wartete. Nur mit viel Glück waren die FIS'ler der einsetzenden Fahndung auf den Welten in Sprungreichweite entkommen. Vermutlich waren sie zu einer Welt außerhalb der Geisterbären-Besatzungszone geflohen, namentlich im Kombinatsraum boten sich einige bewohnte und noch mehr unbewohnte Systeme an. Dieser für die FIS'ler wenig glorreiche Ausgang hatte denen Aufwind gegeben, die in dem ersten Angriff nicht mehr sahen als eine Verkettung unglücklicher Zufälle. Doch sie hatten nicht lange gelacht und gespottet.

Etwas über einen Monat später erfolgte der dritte Angriff. Diesmal hatte es Marawi getroffen, Heim des 17. und 30. Provisorischen Sternhaufens, beides Einheiten, die eher in die Kategorie Solahma fielen, auch wenn sie sich während des Krieges gegen das Kombinat bewährt hatten. Nicht viel mehr als ein Drittel der Verbände verfügte über Omnis oder moderne Clantechnik, und beide Sternhaufen waren rund 15 Prozent unterbesetzt gewesen.
Den Auftakt bildete ein Angriff lokaler Untergrundkämpfer auf ein Dorf, das - ähnlich wie die bombardierte Ortschaft auf Halesowen - im Ruf stand, mit den Besatzern zu kooperieren. Dergleichen hatte es in der Vergangenheit schon ein paar Mal gegeben. Die Garnison hatte eine gewisse Routine im Umgang mit solchen Zwischenfällen entwickelt - und genau das hatte sich als verhängnisvoll herausgestellt. Die Clantruppen hatten auf den Hilferuf reagiert und wie schon ein-, zweimal in der Vergangenheit einen unterbesetzten Trinärstern Elementare auf dem Luftweg zu Hilfe geschickt, da diese Truppe dem Ort des Angriffs am nächsten lag. Sie waren nie an ihrem Ziel angekommen - oder überhaupt irgendwo.
Rhayla hatte Aufnahmen von dem folgenden Massaker gesehen. Es hatte sich um Aufnahmen gehandelt, die von den Bordkameras der Angreifer stammten, und die inzwischen in der Besatzungszone auf dem Schwarzmarkt zirkulierten, oft mit höhnischer Musik- und Tonuntermalung. Das "Marawi-Tontaubenschießen" oder "Krötenklatschen" nannte man es wohl. Die fünf Anhur-Transporthubschrauber waren in weniger als zwei Minuten im Feuer der feindlichen Jäger explodiert oder brennend vom Himmel gestürzt. Elementare, die rechtzeitig absprangen, wurden noch in der Luft zerfetzt oder am Boden umbarmherzig gejagt, und auch auf ausgestiegene oder notgelandete Piloten hatten die Jäger gezielt geschossen. Nur eine Handvoll Männer und Frauen hatte das Desaster überlebt, und die meisten von ihnen waren schwer verwundet gewesen. Der Angriff war zudem lediglich die Ouvertüre für eine ganze Serie von sorgfältig orchestrierten Anschlägen der lokalen Widerstandsgruppen gewesen, die vermutlich mehr als 1.000 Männer und Frauen mobilisiert hatten, wobei sie an ausgewählten Punkten von den Jägern unterstützt wurden. Die örtlichen Clantruppen hatten nicht unbedingt glücklich agiert. Man war offenbar etwas kopfscheu geworden durch Meldungen über weitere Luftangriffe, über den Abwurf von Mechs und Sprungtruppen - zum erheblichen Teil Falschmeldungen wie sich später herausstellte, teils durch Panik unter den mit den Geisterbären verbündeten Zivilisten und Milizen, teils durch gezielte Desinformationen ausgelöst. Als sich der Staub schließlich legte und die örtliche Guerilla wieder im Untergrund abtauchte, war zwar auch eine beträchtliche Zahl der Angreifer gefallen, doch ebenso insgesamt mehr als 100 Elementare, zehn Mechkrieger und gut 60 weitere Claner. Ein halbes Dutzend Mechs sowie anderthalb Dutzend Gefechtsfahrzeuge und Hubschrauber waren vernichtet, und weit über 200 "Quislinge" getötet worden. Die feindlichen Jäger waren da schon lange geflohen. Ein beträchtlicher Teil des Schadens ging auf das Konto der lokalen Widerstandsgruppen, aber die Luftunterstützung hatte ihnen das Quäntchen Feuerkraft und Überraschungsmoment verliehen, das sie brauchten, um ihren ambitionierten Plan in die Tat umzusetzen. Seit dem nahm man die mysteriösen Angreifer ernst. Niemand wusste genau, um wen es sich handelte, aber Gerüchte sprachen aufgrund aufgeschnappter Funksprüche zumeist von einer kuritanischen Eliteangriffsstaffel, vielleicht auch von Veteranen des Rasalhaag-Militärs. Die Piloten verstanden in jedem Fall ihr Fach. Die Clanwache ermittelte, aber wenn sie eine Vermutung hatte, wer dahintersteckte und woher er kam, behielt sie es für sich. Doch Rhayla hatte gehört, dass eine wachsende Zahl von Clanern das Kombinat für den Schuldigen hielt - kein Wunder, nach der Erfahrung des Alshain-Angriffes. Gerüchten zufolge gab es auch auf der anderen Seite der Grenze manche, die nach dem Krieg Anfang der 3060er auf Revanche aus waren. Und es war allgemein bekannt, dass die ISA eifrig in der Besatzungszone spionierte, nach genau der Art Informationen suchte, wie sie die Angreifer mit bemerkenswerter Präzision eingesetzt hatten.

Nun denn, mochten sich die Sterncolonels, Galaxiscommander und andere hochrangige Offiziere de Kopf zerbrechen, wie am besten auf diese heimtückischen Tiefschläge reagieren konnte. Das lag eindeutig außerhalb ihres persönlichen Zuständigkeitsbereiches. Sie würde jedenfalls ihrem Trinärstern Feuer unter dem Hintern machen, sollte da noch nicht die nötige Wachsamkeit herrschen. Gefechtsübungen ohne Vorankündigungen, Patrouillen mit zufällig gewählten Routen und Intervallen, Luftabwehrübungen, verbesserte Sprengfallen- und Infanterieabwehrkunde - sie hatte sich während der Reise nach Rubigen bereits ein paar Ideen zurechtgelegt. Und da ihr immer noch ein Transitflug von gut drei Tagen bevorstand - ihr Landungsschiff hatte erst vor weniger als einem halben Tag vom Sprungschiff abgekoppelt und sich auf den Weg gemacht - blieb noch genug Zeit, an ihren Plänen zu feilen.

Rhayla war gerade an diesem Punkt angekommen, der ihr einige weitere Stunden Schreibarbeit verhieß, als der Bordlautsprecher losplärrte: "Sterncaptain auf Brücke. Sterncaptain auf Brücke." Nun, DAS kam mal überraschend.
Bisher hatte die Crew des Landungsschiffes wenig Enthusiasmus gezeigt, mit den Kriegern engeren Kontakt zu suchen. Das lag nicht zuletzt daran, dass viele Wahrgeborene auf die Besatzungen herabblickten, handelte es sich bei diesen doch nicht selten um Freigeburten oder gescheiterte Geschkomitglieder. Ein Crewmitglied galt selten als vollwertiger Krieger, sondern als so etwas wie ein Techniker. Rhayla hatte sich zwar angelegentlich auf der Brücke herumgedrückt - der Ausblick auf den Bildschirmen war beeindruckend, und man hatte ihr während der Ausbildung mehr als einmal bescheinigt, dass sie sich weniger wie ein Geisterbär als vielmehr wie ein Geisterkatze aufführen konnte, sowohl was die Neugierde als auch die Zahl ihrer Leben anging. Aber irgendwann wurde es peinlich, wie die Besatzung sich in ihrer Gegenwart offenbar unwohl fühlte. Was nicht zuletzt daran lag, dass sie theoretisch einen höheren Rang als der Kapitän des Schiffes hatte - nur war sie eben gerade halb so alt und nach der Blutung noch nicht einmal ganz trocken, wie man so sagte. Was bei Kerenskys Geist konnte den Kapitän bewogen haben, seine Meinung zu ändern?
Geschickt turnte sie an dem gigantischen Mech herunter, wobei sie aus Eile, Übermut und Angeberei praktisch fast nur ihre Arme einsetze, sich nur selten mit den Füßen abstützte. Die Techs ignorierten ihren Captain - inzwischen waren sie an die, wie sie es wohl nannten, Spinnerein der Kriegerin gewöhnt, und Rhayla war eine wesentlich angenehmere Vorgesetzte als viele. Am Boden angekommen, sprintete sie los. Da der Kugelraumer einen Durchmesser von etwa 35 Metern hatte, von dem die drei Hangars den größten Teil einnahmen, hatte sie es nicht weit.

Als sie die Brücke in Rekordzeit erreichte, fiel ihr als erstes auf, dass eine Atmosphäre herrschte, die man nur als angespannt bezeichnen konnte. Der Kapitän fläzte nicht im Kommandosessel, wie er es sonst zu tun pflegte, wenn er ihre Anwesenheit für einen Moment vergessen konnte, sondern hatte sich bolzengerade aufgerichtet und starrte wie gebannt auf die Anzeigen und Bildschirme. Diese zeigten noch nicht ihr eigentliches Ziel, sondern einen der Gasriesen des Rubigen-Systems mit seinen Ringen, den sie auf ihrem Weg ins Systeminnere passieren mussten. Ein beeindruckender Anblick, selbst aus dieser Entfernung, aber Rhayla hatte so das vage Gefühl, dass sie nicht herzitiert worden war, um die Aussicht zu genießen. Ein weibliches Besatzungsmitglied bearbeitete eine Konsole, bei der es sich wohl um die Ortungs- und Kommunikationsstation handelte. Ein weiteres Crewmitglied schnallte sich soeben im Sitz vor einer weiteren Konsole an, an der der junge Sterncaptain bisher noch nie jemanden gesehen hatte, und spätestens das ließ in ihr sämtliche Alarmsirenen losheulen. Es handelte sich um die Waffenstation.

Noch ehe sie ein Wort sagen konnte, hatte der Kapitän sie bemerkt. Seine Mimik zumindest hatte er unter Kontrolle, auch wenn das leichte Zucken der Gesichtsmuskeln aufschlussreich war: "Sterncaptain, wir müssen das Schiff auf einen Angriff vorbereiten."
Rhayla unterdrückte reflexartig ein Nach-Luft-Schnappen angesichts dieser unverblümten Eröffnung. Aber eine Nachfrage konnte sie dann doch nicht unterdrücken: "Ist das zweifelsfrei bestätigt, frapos?"
"Pos." Der Kapitän gestikulierte in Richtung auf die Anzeigen: "Vor zwei Minuten erfasste unsere Ortung ein Landungsschiff, das gerade aus dem Ortungsschatten des Planeten kam. Praktisch zeitgleich wurde unsere Kommunikation durch ein ungemein starkes Breitband-Störsignal überlagert. Wir versuchen weiterhin sowohl das unbekannte Landungsschiff als auch Rubigen oder mögliche Patrouillen des 332. anzufunken, bisher erfolglos. Ich rechne zwar damit, dass man Patrouillen losgeschickt hat, sobald man die Tätigkeit eines Störsenders bemerkt, nur wissen sie vermutlich nicht genau, wo sie suchen müssen. Ausgehend von den Flugvektoren und angesichts der Beschleunigung sowohl unseres als auch des unbekannten Schiffes gehe ich davon aus, dass wir in spätestens einer Stunde in Gefechtsentfernung sind. Weniger, wenn unser Gegenüber Jäger ausschleust." Damit schloss er auf elegante Art und Weise aus, dass einer von ihnen sich die Blöße geben musste zu fragen, ob man dem Gegner nicht vielleicht noch ausweichen konnte. Weitere Erklärungen erübrigten sich. Niemand störte den Funk, wenn er nicht üble Absichten hatte, niemand preschte auf ein anderes Schiff los, wenn er es nicht stellen wollte.
Rhayla atmete tief durch. Das war angesichts ihrer geringen Erfahrung in dieser Art des Kampfes nur eine Formalität, aber der Vollständigkeit halber musste sie sich an die Vorschriften halten: "Novacommander, ich übergebe Ihnen hiermit das Kommando für den folgenden Kampf, einschließlich des Kommandos über meinen Stern. Seyla!" Der Kapitän nickte ernst: "Seyla."

Für einen Moment nahm der Sterncaptain sich die Zeit, die Bildschirme und Anzeigen zu mustern. Ihre Ausbildung auf diesem Gebiet war nicht gerade umfassend zu nennen, aber die übermittelten Daten riefen in ihr ein ausgemacht unangenehmes Gefühl eines Déjà-vu hervor. Das Landungsschiff hatte etwa dieselbe Tonnage wie die SHARP CLAW, es handelte sich jedoch nicht um einen Kugelraumer, sondern ein sehr schlankes, schnittiges Schiff. Sie hatte so eines vor gar nicht langer Zeit auf Aufnahmen gesehen. Ein FIS-Leopard, zweifellos einer, der als Trägerschiff modifiziert worden war. Und das hieß...
"Unbekanntes Schiff schleust Jäger aus - zähle zwei, möglicherweise drei bis vier Maschinen unbekannter Bauart."
Diesmal erbleichte der Kapitän sichtbar, und die Nervosität in seiner Stimme war unüberhörbar. Nun ja, er war sicher nicht gerade von einem Kriegs- oder Sturmschiff an Bord des recht betagten Transporters versetzt worden: "Sterncaptain - bitte begeben Sie sich zu ihrem Mech und lassen Sie auch die übrigen einsatzbereit machen. Waffenstation, in unregelmäßigen Abständen Laser abfeuern, vielleicht sieht ja jemand unser Waffenfeuer." Das war freilich eine geringe Hoffnung. Selbst wenn jemand etwas mitbekam, es würde viele Stunden dauern, bis Raumjäger die SHARP CLAW erreichen konnten.
Und während Rhayla im Sprint die Brücke verließ, ertönte erneut die Stimme des Kapitäns über Lautsprecher, jetzt glücklicherweise wieder gefasst und voll ruhiger Autorität: "Achtung, Achtung, Schiff gefechtsbereit machen. Alle lose Ladung sichern. Alle Mann in gesicherte Position. Gefechtsbereitschaft, Gefechtsbereitschaft..."

***

Das Innere eines Battlemechs gehörte, so hieß es, zu den sichersten Orten in der Galaxis. Nur an Bord eines Kriegsschiffes zog man besser geschützt in die Schlacht. Doch wenn Rhayla ehrlich sein sollte, so sicher fühlte sie sich im Moment keineswegs, eher ziemlich nutzlos und auf andere angewiesen. Kein angenehmer Gedanke, freilich einer, an den sich jeder gewöhnen musste, der schon einmal einen Atmosphärenabwurf mitgemacht hatte. Freundlicherweise hatte der Kapitän ihr erlaubt, dass sie ihren Bordcomputer mit dem der SHARP CLAW verbinden durfte, so dass sie in etwa mitverfolgen konnte, was sich auf der Brücke und außerhalb des Landungsschiffes abspielte. Und das sah nicht gut aus.
Die feindlichen Jäger hatten sich mit einer Eleganz formiert, die von großer Erfahrung oder Können - oder beidem - kündeten, und der Leopard war ihnen auf den Fersen gefolgt. Was Rhayla besonders nervös machte war der Umstand, dass ihr eigenes Landungsschiff nur über Sternenbundwaffen verfügte - ausschließlich mittelschwere und schwere Laser, 20 beziehungsweise 14 an der Zahl, aber keine modernen Clanwaffen, keine Raketenabwehr. Sicher im Grunde eine formidable und vor allem munitionsunabhängige Bestückung, aber das gegnerische Landungsschiff verfügte über PPK's und Langstreckenraketen sowie über schwere Laser - vielleicht sogar über modernisierte Extremreichweitenvarianten. In dem Fall konnte es das Feuer eröffnen, ohne sich um eine Gegenwehr Gedanken machen zu müssen. Vor diesem Hintergrund machte es Sinn, dass sich der Kapitän der SHARP CLAW entschieden hatte, zwar den Gefechtsbeginn so lange wie möglich hinauszuzögern, aber dann beizudrehen und den Gegner anzugreifen, anstatt die Flucht fortzusetzen. Denn entkommen konnte er zumindest den feindlichen Jägern nicht, und die Heckpartien des Confederate waren deutlich schlechter gepanzert und wiesen auch weniger Waffen aus als der Frontbereich. So würde er den Zeitraum minimieren, in dem er nur schluckte und nicht austeilen konnte. Blieb nur die Frage, ob das ausreichte. Leoparden der FIS waren gut gepanzert, angemessen bewaffnet, und mit den Jägern auf ihrer Seite hatten die Angreifer etliche Trümpfe in der Hand, die sie nur geschickt ausspielen mussten. Während sie...

Offenbar machten sich auch andere Gedanken zu diesem Thema, denn mit einmal meldete sich die sterninterne Kommunikation. Im Moment hingen sie noch am Bordnetz und könnten miteinander sprechen, ohne dass der feindliche Störsender sie zum Schweigen verurteilte.

Sterncommander Irina kam wie es ihre Art war gleich zur Sache: "Wir müssen endlich ausbooten um uns für den Kampf vorzubereiten, frapos!" Rhayla unterdrückte ein gereiztes Fauchen. Ihre Untergebene hätte unter anderen Umständen zu einer nützlichen Verbündeten oder vielleicht gar Freundin werden können, im Moment aber war sie mit ihrer Art, mit dem Kopf durch die Wand zu gehen, einfach nur ein Hindernis: "NEG, Sterncommander. Und ich habe nicht vor, das alle fünf Minuten erneut erklären zu müssen! Halte dich bereit, bis ich einen neuen Befehl gebe, FRAPOS?!" Das "Pos." als Antwort kam sehr zögerlich und mit einem eindeutig rebellischen Unterton - aber es kam.

Sie hatte selber mit dem Gedanken gespielt, die Mechs auf die Außenseite der SHARP CLAW zu verlagern, damit sie mit ihren Bordwaffen in den Kampf eingreifen können, sich dann aber dagegen entschieden. Hätte der Kampf auf einer Raumstation stattgefunden oder auf einem Kriegsschiff im Parkmodus, wäre es in der Tat eine Option gewesen. Aber auf einem Landungsschiff in Gefechtsgeschwindigkeit, bei Manövern mit mehreren g Beschleunigung? Das war für Krieger, die dergleichen kaum geübt hatten keine gute Idee. Wer einmal den Kontakt zum Schiff verlor, war mit ziemlicher Sicherheit verloren - ein treibender Mech war gefundenes Fressen für feindliche Jäger. Und selbst wenn nicht, wer konnte sagen ob man ihn rechtzeitig wieder würde orten und bergen können? Man hätte auch versuchen können aus den geöffneten Hangarluken zu schießen, aber das war ebenfalls extrem riskant. Denn auch wenn man die Hangars vom Rest des Schiffes luftdicht versiegeln konnte - sonst wäre ein Atmosphärenabwurf Selbstmord gewesen - bedeutete luftdicht nicht wirklich beschussfest. Ein schwerer Laser oder eine PPK des Gegners, die durch einen unglücklichen Zufall durch ein geöffnetes Hangartor einschlug, konnte das halbe Schiff durchlöchern und dabei schwerste Schäden anrichten. Schließlich mussten die Hangartore groß genug für einen kompletten Mech sein, und das hieß, sie ließen Scheunentore klein erscheinen, und ein Treffer durch ein Hangartor konnte deshalb leicht das Triebwerk oder die Tanks des Landungsschiffes erwischen.
Verantwortung für einen Stern zu tragen war schon schwer genug, aber sie war keine Raumkampfspezialistin. In dem Fall musste man sich auf das Urteil der Fachleute verlassen. Und es sah aus, als würde sie sehr bald Gelegenheit bekommen, diese in Aktion zu erleben...
Rhayla starrte angespannt auf die Anzeigen, während sie lautlos die Sekunden bis zum Erreichen der maximalen Feuerdistanz herunterzählte. Sie bekam einfach kein klares Bild. Waren es nun drei feindliche Jäger, vier, oder gar mehr? Und war das da hinten, hinter dem Leopard nur ein Ortungsschatten, oder verbarg sich dort gar noch ein weiteres Landungsschiff? Doch dann war der Gegner heran, und sie musste alle diese Gedanken beiseite schieben.

Das Gefecht begann wie zu erwarten mit einem Langstreckenbombardement des Leopard. Die Werfer des Angreifers spuckten Dutzende von LSR's aus, Plasmaentladungen aus seinen PPK's pflügten durchs All und krachten in die Panzerung der SHARP CLAW. Das feindliche Landungsschiff gab Gegenschub, hielt die Distanz zum Clan-Lander so groß wie möglich. Und waren da nicht noch ein, zwei weitere Schatten, die sich dicht beim Mutterschiff hielten und ebenfalls feuerten? Vielleicht, vielleicht auch nicht.
Rhaylas Schiff brauchte kostbare Sekunden um zu seinem Gegner aufzuschließen, Sekunden, in denen es nur einstecken konnte, und es musste auf maximale Distanz schießen, was die Treffergenauigkeit verringerte. Dies galt freilich nicht für die Jäger, vier gedrungene Hellcats, die praktisch synchron auseinanderspritzten. Sie passierten die SHARP CLAW am Rand des Feuerbereichs ihrer Waffen - was bedeutete, dass sie einige Treffer hinnehmen mussten, aber wenig, zu wenig - und drehten dann ein. Natürlich, sie wollten ihr Opfer in die Zange nehmen. Während das Confederate gewissermaßen Kopf an Kopf mit dem feindlichen Leopard Feuer austauschte, schlichen sich die kleineren Jäger an, um bildlich gesprochen dem feindlichen Giganten die Kniekehlen aufzuschlitzen. Tückisch, effektiv - und kaum zu verhindern.
Die Crew der SHARP CLAW agierte geschickt, das musste man ihr lassen. Obwohl sie mit mindestens fünf feindlichen Zielen zu kämpfen hatte, wehrte sie sich verbissen. Sie schien bisher keine Probleme mit der Abwärme zu haben - was freilich unter anderem daran lag, dass die mittleren Laser kaum zum Schuss kamen. Der Gegner blieb geschickt auf Abstand. Natürlich, so konnte ein beschädigter Jäger im Notfall schnell genug das Weite suchen. Und ihre Waffen und die des Leopard trommelten fast unablässig von allen Seiten auf das Clanschiff ein.

Obwohl das Gefecht eine gefühlte Ewigkeit andauerte, kam das Ende dann schnell, und mit grauenhafter Brutalität. Mit einmal beschleunigte das feindliche Landungsschiff. Es raste an der SHARP CLAW vorbei. Rhayla war sich FAST sicher, gesehen zu haben, dass sich in diesem Moment zwei Kampfflieger aus der Deckung ihres Mutterschiffes lösten, aber im selben Moment brach die Verbindung mit dem Bordnetz ab, wurde sie praktisch geblendet. Doch das, was als nächstes geschah, bekam sie ohnehin mit.
Schweres Waffenfeuer schlug im Heckbereich der SHARP CLAW ein. Nicht einer, nicht ein Dutzend Einschläge, nein, ein schier endloses vernichtendes Trommelfeuer. Das Landungsschiff bockte wie wild unter den Einschlägen, die Triebwerke stotterten. Vor Rhaylas Augen platzte eines der Hangartore auf - zentimeterdicker Panzerstahl wurde beiseite gerissen wie ein dünner Stoffvorhang. Ihr Mech erbebte in seiner Halterung. Und dann hörte sie die Stimme des Kapitäns, als sie für kurze Zeit noch einmal Verbindung mit dem Bordnetz bekam: "Alle Mann von Bord. Ich wiederhole, alle Mann von Bord. Begeben Sie sich zu den Rettungskapseln, Mechs individuell abkoppeln."
Es musste gelungen sein, zumindest die Notabsprengung der Hangartore zu aktivieren, denn mit einmal flogen die Schotten heraus, enthüllten die Schwärze des Alls. Einen surrealen Augenblick lang sah Rhayla einen feindlichen Jäger aus allen Rohren feuernd auf einen Flammenspur vorbeiziehen. Dann erinnerte sie sich an ihre Pflicht: "Alle Mechs - Schiff verlassen. Und...viel Glück." Es war einfach so verdammt ungerecht. Ihr erstes Kommando, für das sie gekämpft und geblutet und gesiegt hatte - es würde vermutlich ihr letztes sein. Doch daran durfte sie jetzt nicht denken.

Schwerfällig setzten sich die Mechs in die Bewegung, befreiten sich aus ihren Halterungen, trampelten in Richtung der Hangartore. Rhayla ließ sich Zeit. Wenn sie schon ihren Stern nur so kurz kommandiert hatte, dann wollte sie wenigstens die letzte sein, die das zum Untergang verurteilte Schiff verließ. Erst als sie sich sicher war, dass ihre Untergebenen die SHARP CLAW sicher verlassen hatten, setzte sie sich in Bewegung. Schritt für Schritt bewegte sich der Henker durch den schwankenden Hangar des sterbenden Schiffs. Der Gegner feuerte immer noch, riss in großen Fetzen Panzerung und auch schon die innere Struktur des Schiffes heraus. Das Fleisch aus Metall und hochfestem Industriekunststoff wurde zerfetzt, Knochen aus Stahl und Titan brachen. Der Untergang des Landungsschiffes vollzog sich in einer unwirklichen Lautlosigkeit - natürlich, der Hangar war ja inzwischen luftleer.
Eine weitere Salve traf das Schiff, vielleicht sogar noch stärker und vernichtender als die früheren, abgefeuert aus nächster Distanz. Die Trennwand zum benachbarten Hangar wölbte sich, dann brach sie - stürzte herab auf Rhaylas Henker. Eher aus einem Reflex denn einer bewussten Regung warf die Kriegerin ihre Arme hoch - die des Mechs, wohlgemerkt - und bremste so die tonnenschwere Last ab. Die Wucht des Aufpralls war dennoch stark genug, um ihren fast 100 Tonnen schweren Mech gegen die Außenwand zu drücken. WIE schlimm die Lage eigentlich war, wurde ihr erst klar als sie erkannte, dass sie eingeklemmt war - gefangen in einem Schiff, das jeden Moment explodieren konnte, wenn der Antrieb einen kritischen Treffer erhielt.
Fieberhaft erwog und verwarf sie eine Idee nach der anderen...ja, DAS müsste eigentlich gehen. Sie stemmte die stämmigen Füße ihres Mechs auf den Boden. dann holte sie mit der Faust ihres Mechs - nur der rechte Arm verfügte über eine - aus. Schlag auf Schlag schmetterte auf die Metallplatten ein, die sie einklemmten. Verformten sie, zerrissen sie. Rhayla half mit den Füßen nach...geschafft!
Ihr Mech kam frei, taumelte zum offenen Hangartor. Für einen Moment zögerte sie noch in einer fast suizidalen Anwandlung, dann stieß sie sich ab, taumelte davon in die Dunkelheit des Alls. Kurz darauf zerplatzte die SHARP CLAW in Millionen von Wrackteile.

Rhayla kämpfte verbissen mit den Kontrollen, um ihren Kampfgiganten unter Kontrolle zu bekommen. Sie hatte einen entscheidenden Vorteil - die Maschine verfügte über Sprungdüsen, und das erlaubte es ihr, zumindest gewissen Einfluss auf die Flugbahn zu nehmen. Kontrolliert gab sie Schub und Gegenschub, stabilisierte die Bahn ihres Mechs, bis sie so etwas wie eine stabile Position eingenommen hatte. Natürlich flog sie immer noch mit beträchtlicher Geschwindigkeit, sowohl auf Grund der systeminternen Gravitationskräfte als auch wegen des Richtungsimpulses im Moment ihres Absprungs. Aber sie taumelte nicht mehr hilflos durchs All. Ihre Untergebenen hingegen...
Rhayla war in so weit ein Ausnahmefall in ihrer Geschko gewesen, weil sie sich mehr für die Vergangenheit der Clans interessiert hatte, als dies bei den meisten Geschko-Mitgliedern der Fall gewesen war. Selbstverständlich wurde von jungen Clan-Kadetten erwartet, dass sie die ERINNERUNG auswendig kannten, vor allem die Teile, die für ihren Clan (und seine größten Rivalen) von Bedeutung waren. Jenseits davon sah es hingegen mit dem Wissen meist ziemlich dürftig aus. Wissenserwerb über das notwendige hinaus war für Krieger nicht wirklich verpönt, aber doch eher etwas für die Freizeit, und da hatten die meisten etwas besseres zu tun. Wie dem auch sein, was sie jetzt mit ansehen musste, erinnerte sie auf schreckliche Weise an eine Aufnahme, die eine ihrer Ausbilderinnen ihr einmal gezeigt hatte. Es war eine Filmsequenz gewesen, auf der zu sehen war, wie ein Diamanthai eine kleine Gruppe von Seefüchsen angriff. Der gigantische Carcharodon Megalodon Strana Mechtis - mit fast zehn Metern Länge und gut dreieinhalb Tonnen Gewicht noch nicht einmal das größte Exemplar seiner Gattung - war wie der gestaltgewordene Tod durch die Gruppe Reptilien geschossen. Die Tiere waren selber nicht gerade klein - jedes über einen Meter lang und fast einen Zentner schwer - und bis zur Erschaffung des Diamanthais die Spitzenpredatoren der Süßwassermeere von Strana Mechty gewesen. Gegen diesen Feind aber hatten sie keine Chance gehabt. Was dem Geschehen eine zusätzliche Tragik gab war der Umstand, dass die Seefüchse nicht einmal zu fliehen versuchten, sondern den riesigen Hai angriffen. Die Flucht vor einem Gegner - außer einem anderen Seefuchs - kam in ihrer Vorstellung, ihrer Realität nicht einmal ansatzweise vor. Die Zähne des Räubers hielten blutige Ernte, doch nicht weniger tödlich waren die diamantharten Klingen an seinen Flanken, mit denen er seine Opfer im Vorbeischwimmen rammte, ihnen klaffende Wunden schlug. Binnen weniger Minuten war ein halbes Dutzend Seefüchse zerfleischt oder lagen im Sterben.

Damals hatte sie geglaubt, die Lektion aus diesen Aufnahmen wäre gewesen, dass man anderen Clans nie wirklich trauen, und Wissenschaftler nie unterschätzen durfte, denn immerhin hatten die Schneeraben den Hai eigens gezüchtet, um Clan Seefuchs zu demütigen - das war übrigens noch etwas, was viele Krieger nicht verstanden. Doch hier und heute kam ihr in den Sinn, dass die wahre Bedeutung dieses Gemetzel eine andere gewesen war.
Jeder, er mochte noch so gut angepasst sein, noch so lange unangefochten gekämpft und gesiegt haben, konnte sich eines Tages in der Rolle des hilflosen Opfers wiederfinden. Auch wenn ihm dies undenkbar erschien - ein anderer Räuber konnte ihn von einem Moment zum nächsten zur Beute degradieren. Und so erging es vor ihren Augen den Mechs ihres Sterns. Wie der Diamanthai in dem Film glitten FIS-Jäger zwischen den Mechs umher. Energiewaffen spien Tod und Vernichtung, trafen die Omnis mit vernichtender Präzision. Die mächtigen Kampfgiganten taumelten durchs All, überschlugen sich, ruderten mit Armen und Beinen, hilflos wie ein Mensch, der das erste Mal der Schwerelosigkeit ausgesetzt war. Sie hatten keine Möglichkeit, ihre Flugbahn und Position zu steuern, und ihr verzweifeltes Abwehrfeuer ließ die Maschinen umso mehr außer Kontrolle geraten. Wie für die Seefüchse gab es für sie kein Entrinnen, kein Erbarmen. Den beiden Rettungskapseln des Landungsschiffs ging es etwas besser, konnten sie doch wenigstens halbwegs manövrieren
Als die erste blendend helle Reaktorexplosion erblühte, spürte Rhayla, wie ihr Tränen über die Wangen liefen. Krieg und Tod - auch der von Kameraden, ja Freunden - gehörte zum Alltag, ja zur DNA der Clans. Aber diese kaltblütige Exekution von jungen, vielversprechenden Kriegern, die noch nicht einmal angefangen hatten, ihr wahres Potential zu zeigen, die außer der Geschko praktisch nichts von der Galaxis kannten, in der sie sich behaupten sollten, dies war einfach zu schrecklich. Sie wusste freilich nicht, dass das schlimmste noch kam.
Als eine zweite und gleich darauf eine dritte Explosion aufleuchteten, glaubte sie schon, zwei weitere Mechs wären explodiert. Sie verbot es sich selbst zu hoffen, ein Glückstreffer habe einen der feindlichen Jäger tödlich verwundet. Ein Blick auf die Anzeigen verriet ihr jedoch die schreckliche Wahrheit - EIN weiterer ihrer Mechs war zerstört worden. Die andere Explosion hingegen war die einer vollbesetzten Rettungskapsel, die von einem der feindlichen Jäger mit einer sorgfältig gezielten Salve zerstört worden war.

Mit einem wutentbrannten Aufschrei richtete sie ihre Waffen aus. Ihr Mech war weit, sehr weit von dem Geschehen entfernt - viel weiter als bei normalen Gefechten, eigentlich außerhalb der Feuerreichweite. Doch im Raum gab es nur wenig Ablenkung, funktionierten die Sensoren besser als auf dem Boden. Es war eine geringe, eine verzweifelte Hoffnung, aber sie konnte und wollte nicht untätig zusehen. Wenigstens verfügte ihr Henker über die Primärkonfiguration, und das gab ihr drei schwere rückstoßarme oder gar rückstoßlose Waffen mit großer Reichweite, die sie mit etwas Sorgfalt gezielt abfeuern konnte. Sie musste nur...
Rhayla hieb auf die Feuerknöpfe, feuerte mit dem Gaussgeschütz und ihren zwei schweren Langstreckenlasern. Mit Genugtuung verfolgte sie, wie ihre Sensoren mindestens zwei Treffer auf dem feindlichen Jäger registrierten. Die Maschine schüttelte, eines der Triebwerke erlosch - sie war offenbar in Schwierigkeiten. Wenn es ihr jetzt gelang, dem Gegner noch ein paar Treffer zu versetzen...
Die Wucht der Einschläge brachte ihren Mech abrupt aus der bisher stabilen Lage, ließ ihn zur Seite wegdriften. Warntöne heulten auf, Lampen leuchteten und erloschen wieder. Natürlich - die übrigen Jäger, die das Zerstörungswerk bei dem Landungsschiff vollendet hatten, waren nicht bereit, einen Angriff auf ihre Kameraden hinzunehmen. Rhayla ließ ihren Mech rotieren, kämpfte mit den Kontrollen, während sie gleichzeitig ihre Waffen abfeuerte. Ihre Sensoren registrierten Treffer ihrer Geschütze, doch es war zu wenig, viel zu wenig. Die feindlichen Salven hämmerten auf ihren Mech ein, zerschmolzen Panzerung, zerstörten Wärmetauscher und Waffen. Für einen Moment fragte sie sich, ob sich die Seefüchse so ähnlich gefühlt hatten, als ihr Feind sie schüttelte.
Das letzte, was sie bewusst wahrnahm, war ein Aufleuchten, ein heller Blitz direkt vor dem Cockpitfenstern ihres Mechs. Dann nur noch Dunkelheit...

***

Als Rhayla wieder zu sich kam, konnte sie es nicht recht glauben, dass sie noch am Leben war. Sie hatte fest damit gerechnet, dass dies das Ende war - ein direkter Treffer ins Cockpit, das Feuer, das sie verschlang, und wenn nicht dies sie tötete, dann die eisige Kälte des Vakuums, das hereinflutete...
Offenbar hatte sie sich gründlich geirrt. Der Treffer im Kopfbereich des Mechs war weniger stark gewesen als sie gedacht hatte. Doch schon ein kurzer Blick auf die Anzeigen verriet ihr, dass es wenig Grund zum Optimismus gab. Ihr Omni war ein Wrack. Sie konnte von Glück sagen, dass der Reaktor nicht explodiert war - aber das war es schon. Die Abschirmung war zum Teil beschädigt worden - nicht, dass sie lange genug Luft zum Atmen hatte, um sich wegen der Strahlung wirklich Sorgen machen zu müssen. Ein Arm des Kampfgiganten fehlte, ein Bein ebenso. Der Torso - im Frontbereich wie an den Flanken, vorne und hinten - war an einem halben Dutzend Stellen durchlöchert. Der Kondensator des Gauss-Geschützes war offenbar explodiert. Wer immer auf ihren Mech gefeuert hatte, er oder sie hatte es ernst gemeint in der Bemühung, den Omni dauerhaft aus dem Spiel zu nehmen. Die Temperatur im Cockpit war schon ziemlich abgesackt, und die Zusammensetzung der noch vorhandenen Atemluft war zwar noch nicht im kritischen Bereich, doch das würde nicht ewig so bleiben. Ach ja, ihr Funkgerät war NATÜRLICH auch ausgefallen - und da die verbleibenden Sprungdüsen ebenfalls den Dienst aufgekündigt hatten, konnte sie es vergessen, den Mech irgendwohin zu fliegen. Aber das machte ohnehin nichts, denn allein mit Sprungdüsen steuernd wäre sie schon lange erstickt, ehe sie irgendwo angekommen wäre.
Für einen Moment fühlte sie sich, als ob aus dem Dunkeln des Alls da draußen eine eisige Hand nach ihrem Herzen tastete, ihr jede Hoffnung nahm. Vorhin während des Gefechts, selbst als sie im Hangar in ihrem Mech gehockt hatte und nicht viel mehr tun konnte als abzuwarten, während das Feindfeuer auf die Bordwand des Landungsschiff einhämmerte, da war alles zu schnell gegangen, als dass sie wirklich hätte Angst spüren können. Angst um ihr Leben, mehr aber noch etwas, was keine Clankriegerin fühlten sollte oder durfte: Hilflosigkeit.
Jetzt aber, in der Einsamkeit das kalten Cockpits, wo sie genug Zeit hatte, sich ihre Lage wirklich zu vergegenwärtigen, da fühlte sie, wie diese Hoffnungslosigkeit immer näher kam, ihr in die Glieder kroch, sie immer mehr ausfüllte, erst ihre Arme und Beine schwer werden ließ, dann ihren Körper langsam nach oben wanderte, über ihren Bauch, weiter zu ihrem Herz, der Kehle...
Rhayla atmete tief durch: "Nein! Surat-Freigeburt!" Sie kümmerte sich nicht darum, wie verrückt es war, dass sie im Grunde mit sich selbst - oder dem Weltall - sprach: "Ich gebe nicht auf! Vielleicht muss ich ja auch krepieren, aber ich werde vor meinem Schicksal nicht kriechen!"
Es gab im Moment nichts, was sie tun konnte, außer einem - die Hoffnung und Ruhe bewahren. Mit einem Mal kam ihr in den Sinn, was sie von einer gewissen Leibeigenen gelernt hatte, einer Kuritanerin: "Manchmal musst du aufhören zu kämpfen, um zu siegen."
Damals hatte sie das für Blödsinn gehalten, aber hier und jetzt...
Mühsam beruhigte sie ihren Atem, zwang sich dazu, in sich hineinzuhorchen, auf ihren Pulsschlag, ihr Herz. Versuchte, die Übung zu wiederholen, die sie damals nicht ganz ernst genommen hatte. Alles, um den Luftverbrauch zu verringern, damit der Funke Leben, der in ihr war, sich in ihr Innerstes zurückziehen konnte, länger glimmen würde: ,Einatmen...Pause...Ausatmen. Einatmen...'

Sechs Stunden später barg ein Shuttle Sterncaptain Rhayla, dem Erstickungstod nahe und an einer schweren Unterkühlung leidend, aus ihrem schrottreifen Henker. Von den beiden Rettungskapseln und ihren Insassen - zehn Besatzungsmitgliedern der SHARP CLAW, ein Dutzend Technikern und halb so viele Passagiere - fehlte jede Spur, ebenso von den vier übrigen Mechs des Sterns und den jungen Clankriegern. Sie waren vom feindlichen Feuer in Fetzen gerissen worden oder mussten als verschollen gelten.
"Und nur ich bin geblieben, auf dass ich's dir ansage..."

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Von Falken und Kranichen

Sitz der Shimatze, Stadt Iga, Provinz Iga, Planet Numki, Draconis-Kombinat

Die Hände, welche den Schaft der tödlichen Naginata umklammert hielten, waren altersfleckig, und dürr erschienen die Arme, zu denen die Hände gehörten. Doch sie zitterten nicht, sondern hielten die Waffe vollkommen ruhig. Eiko Furomoto war fast 60 Jahre alt, ihr Haar längst grau, aber die Lehrerin, die inzwischen drei Generationen und gut 40 Jahrgänge von Schülern und Schülerinnen ausgebildet hatte, zeigte keine Schwäche. Dann, mit einem Mal, riss sie die Schwertlanze nach oben - das Zeichen für den Beginn des Kampfes. Einen Augenblick lang belauerten sich die drei Kontrahenten nur - dann sprang der erste vor. Im nächsten Moment begannen die Übungsklingen durch die Luft zu wirbeln, trafen aufeinander. Der japanische Kampfstil legte, zumindest wenn es um den Kampf Schwert gegen Schwert ging, gemeinhin auf das Parieren und Binden der gegnerischen Klinge mit der eigenen Waffe weit weniger Wert als der europäische. Häufiger versuchte man den feindlichen Schlag abgleiten zu lassen, nach Möglichkeit einen Angriff vorherzusehen und ihm auszuweichen. Vor allem aber wurden die meisten Kämpfe in kürzester Zeit entschieden. Das wurde natürlich umso schwerer, wenn man mit mehreren Gegnern zu tun hatte. Die größten Meister - Männer, wie es sie heute nicht mehr gab - hatten es mit einem halben Dutzend Gegner oder mehr aufnehmen können, davon kündeten zumindest die alten Geschichten. Doch auch wenn keiner der Kontrahenten in diesem Kampf auch nur im entfernten an diese Legenden heranreichte, so konnte der von zwei Gegnern angegriffene Fechter, der einiges kleiner und schlanker als seine Kontrahenten war, sich bisher behaupten.
Viele kuritanische Fechter bevorzugten ein traditionelles Ambiente für ihre Übungen, auf dass nicht nur die Waffen und das Kampftraining an sich, sondern auch seine Umgebung sie an die Traditionen und die glorreiche Vergangenheit erinnerte, auf die sie so stolz waren. Es war auch die Atmosphäre eines klassischen Dojo, dessen waren sie gewiss, die sie mit den geheiligten und von vielen noch immer als lebendige Götter verehrten Ahnen verband.
In diesem speziellen Fall freilich hatte man mit der Tradition gebrochen. Der Raum war nur provisorisch mit einigen Waffenständern und anderen Ausrüstungsteilen hergerichtet worden, offenkundig mit Sorgfalt und Augenmaß, aber auch in großer Eile - und in jedem Fall nur vorübergehend.
Ein Detail freilich gab es, das das Ambiente zweifellos sehr martialisch, wenn auch nicht unbedingt traditionell erscheinen ließ - vier überlebensgroße Gestalten in tiefschwarz gefärbten Raiden-Gefechtspanzern, die ebenso reglos verharrten wie die Statuen, an die sie erinnerten. Einige Bedienstete bemühten sich, mit den Gardesoldaten zu konkurrieren, was Bewegungslosigkeit anging.

Der Sitz von Haus Shimatze, das den Planeten Numki bereits seit Jahrhunderten regierte, konnte es an Pracht und Ehrwürdigkeit mit vielen Kontrahenten sicher nicht aufnehmen. Es war ein weiträumiges Areal, groß genug, dass sich sogar eine ganze Lanze Battlemechs problemlos zwischen den Gebäuden bewegen konnte. Eine massive, mit Gefechtstürmen verstärkte Mauer sicherte die Anlage, nur an einer Stelle war sie zurückverlegt worden, damit ein im klassischen Baustil erbautes Gebäude direkten Zugang zu dem zentralen Platz von Iga hatte. Man sah dem Komplex auch nach all den Jahrhunderten und etlichen Umbauten noch immer an, dass er nicht als Residenz eines Lords, sondern als Verwaltungszentrum entworfen worden war. Wohl gab es einen sorgfältig gepflegten, vielleicht einen Hektar großen Park, in dem man sich - auch dank der Mauer - an der Stille, dem Spiel der künstlichen Wasserläufe und der Harmonie in der Gestaltung der Grünanlagen ergötzen konnte. Aber die übrigen Gebäude waren vom Schnitt eher nüchtern, auch wenn sie an prominenter Stelle mit dem Kurita-Wappen, und an zahlreichen anderen mit dem roten Falken-Mon der Shimatze verziert waren.
Doch in dieser Modernität passte der Familiensitz gut ins Stadtbild. Iga war eine pulsierende Stadt mit gut zwei Millionen Einwohnern, von denen die meisten in modernen Hochhäusern lebten. Nur am Rande der Stadt fanden sich in den Wohnvierteln, die zwischen großflächige Fabrikanlagen eingesprenkelt lagen, verstärkt traditionell gestaltete Bauwerke - zum Teil in Form von Massivbauten aus Beton und Stein, doch gerade das Vergnügungsviertel bestand zum Großteil sogar noch aus den klassischen japanischen Holzhäusern.
Mit gerade einmal zwölf Millionen Bewohnern, von denen gut drei Viertel in Städten wie Iga lebten, war Numki eine Welt, die aus gutem Grund so gut wie nie in den Schlagzeilen aufgetaucht war. Doch auch wenn die Welt nicht dicht besiedelt war und das regierende Haus nicht sehr mächtig - im Vergleich zu seiner Größe war Numki zweifellos reich. Ein wenig verdiente man als Transitstation, doch vor allem verdankte man den Wohlstand einer seit Sternenbundzeiten existierenden Fabrik für Fusionsreaktoren geringerer Größe, die fest in Hand der Shimatze war. Ihre Produkte taugten nur zum Antrieb leichter Fahrzeuge, Jäger und Battlemechs, was wohl auch einer der Gründe war, dass Numki den Wirren der Nachfolgekriege weitestgehend entgangen war, doch die Produkte hatten verlässlich Geld in die Kassen gespült, und dieser Strom hatte in den letzten Jahren noch zugenommen, weil die Reaktoren nach der Erweiterung und Modernisierung der Produktlinie in den letzten Jahrzehnten eine kleine, aber nicht zu unterschätzende Rolle bei Aufrüstung des Kombinatsmilitärs gespielt hatten. Mittelgroße Fabriken, die teils Privatleuten, teils den kleineren Lords gehörten, die im Auftrag der Shimatze die übrigen drei Provinzen verwalteten, in die die bewohnten Gebiete Numkis unterteilt waren, stellten weitere Zulieferteile für Rüstungsgüter her, die ebenfalls exportiert wurden - etwa für Zielgeräte.

Die Hand des regierenden Hauses lag traditionell leicht auf ihren Untertanen, sicher zum Großteil aus Berechnung, aber auch, weil die Shimatze tatsächlich oder vorgeblich ihre Verantwortung gegenüber ihren Untertanen ernst nahmen. Wiewohl durchaus ehrgeizig, war man zumeist behutsam und geduldig bei der Wahl der Ziele und Ambitionen gewesen, und hütete sich, die Möglichkeiten Numkis über die Maßen zu beanspruchen. Seit jeher hatten die meisten regierenden Lords den Bewohnern der Welt etwas mehr Spielraum gelassen als andere Kurita-Adlige. Selten einmal hatten sie beweisen müssen, dass sie ebenso rücksichtslos durchgreifen konnten wie ihre Standesgenossen. Meistens hatte die zivile Stadtverwaltung und die angesehenen Bürger selbst dafür gesorgt, dass eventuelle Unruhestifter kaltgestellt wurden - denn ernsthafte Unruhen, etwa ausgelöst durch politische und soziale Forderungen jenseits dessen, was der regierende Lord bereit war zuzugestehen, bargen stets die Gefahr, dass Luthien einen neuen Verwalter ernannte, der die Dinge mit mehr...Energie in die Hand nahm. Dies hieß nicht, dass Numki nicht auch unter den Jahrhunderten des Blutvergießens in den Nachfolgekriegen gelitten hatte. Shimatze-Kompanien hatten, oft unter dem Kommando lokaler Adliger, an nahezu allen Kriegen von Haus Kurita teilgenommen. Sie hatten sich nie einen herausragenden Platz in den Geschichtsbüchern verdient, aber verlässlich und nicht selten zu einem hohen Preis ihre Pflicht getan. An die Gefallenen erinnerte ein zentraler Schrein im Zentrum eines großen Parks in Iga, wo man der Toten alljährlich zur Zeit der Kirschblüte in einer Zeremonie gedachte, an der Menschen aus allen Provinzen teilnahmen.
Alles in allem hatte die Welt aber weitestgehend in Frieden prosperiert, wenn auch eher im Verborgenen, abseits des großen Geschehens. Ein Frieden und eine Prosperität freilich, die im Moment in ernster Gefahr schien.

Im Trainingsraum stand das Gefecht inzwischen kurz vor seinem Ende. Der kleinste Kämpfer hatte sich zwar eines Gegners durch einen blitzartigen Schlag gegen dessen Kniekehlen entledigen können - in einem normalen Kampf hätte dies eine schwere, auf Grund des Blutverlustes wahrscheinlich tödliche Verletzung bedeutet. Doch sein zweiter Kontrahent profitierte nun davon, dass der Kampf Kraft und Ausdauer erforderte, und da hatte er einiges Voraus. Mit einem Wirbel von Hieben trieb er den schmächtigen Fechter vor sich her, in Richtung Wand, wo er ihn endgültig würde in die Enge treiben und leichthin besiegen können. Doch noch ehe es soweit war, glitt der Angegriffene in einer geschmeidigen Rolle vorwärts unter der Verteidigung seines Gegners hinweg. Sein Schwert zuckte vor, verharrte direkt über der Bauchdecke des Angreifers - dessen Schwert über dem Kopf des Knienden schwebte. Die beiden Kämpfer erstarrten auf einen knappen Befehl ihres Sensei hin. Dann erhoben sie sich, die drei Kämpfer verbeugten sich dem Sensei und dann - noch etwas tiefer - vor der einzigen Person im Raum, die saß.

Tomoe Shimatze war in einen scheinbar einfachen weißen Kimono gekleidet, der die Verziehungen - fünf blutrote Mons ihrer Familie, die fast wie offene Wunden erschienen - perfekt zur Geltung brachte. Sie war von schlanker Statur, mittelgroß und ihre helle Haut - ein deutlicher Kontrast zu den langen schwarzen Haaren - gab ihr zusammen mit der Reglosigkeit, mit der sie den Kampf beobachtet hatte, ein fast geisterhaftes Aussehen. Viele hätten sie zweifellos als eine vielleicht etwas unterkühlte Schönheit beschrieben, doch das lag zum Teil auch an ihrer Jugend, war sie doch noch nicht einmal zwanzig Jahre alt. Und daran, dass sie im Moment die Regentin von Numki, amtierendes Oberhaupt von Haus Shimatze, Baronin der Provinz Iga und Erste Protektorin von Sulafat war - und noch einiges mehr. Eine solche Person MUSSTE ja einfach schön sein, das verlangte schon das Narrativ - und Schmeichelei war eine Währung, die nichts kostete, aber mitunter durchaus ihren Wert hatte.
Die Regentin hatte sich inzwischen ebenfalls erhoben. Auch sie verneigte sich wortlos leicht vor den Kämpfern wie vor dem Sensei, dankte ihnen, dass sie die Übung hatte beobachten können. Während die zwei erwachsenen Fechter mit der Lehrerin den Raum verließen, bedachte Tomoe den kleinsten der Kontrahenten mit einem strahlenden Lächeln: "Sehr gut gefochten, Hanzo-sama. Ein Kampf wahrhaft würdig dem Erben des Hauses Shimatze."
Ihr Bruder lächelte dünn, und dann zitierte er, was ihm sein Vater immer gesagt hatte: "Das Schwert ist mehr als eine Waffe, mehr als ein Symbol unserer Ehre, unserer Stärke und des Rangs, den wir mit seiner Hilfe erobert haben. Es steht für unsere Treue zu unserem Herren und dem Kombinat und gemahnt uns, dass wir in der Verteidigung dieser Ehre niemals an Wachsamkeit nachlassen dürfen."
Und dann, leise, so dass es nur seine Schwester hörte, fügte er hinzu, während er wie zufällig seine Finger der rechten Hand über den linken Unterarm gleiten ließ: "Aber manchmal ist eine versteckte Waffe mindestens ebenso wichtig wie ein Dutzend Schwerter." Seine Schwester zwinkerte ihm verschwörerisch zu und wiederholte die Geste.

Hanzo Shimatze, rechtmäßiger Erbe des Hauses und Träger all der Titel, die im Moment seine Schwester führte - wenn er erst einmal volljährig wäre - war ein stiller, ernster Junge von 14 Jahren. Er war weder schwächlich noch unbeholfen, doch viele Beobachter mochten ihn wegen seiner zurückhaltenden Art unterschätzen - und dem Umstand, dass er im Moment noch unter der Vormundschaft seiner Schwester stand. Er war offenkundig ein geschickter Kämpfer, und jemand, der es bereits gelernt hatte, in der Öffentlichkeit das Gesicht zu wahren. Auch wenn es zweifellos für ihn eine große Umstellung gewesen war, nicht nur von den Palastbediensteten sondern sogar von den Ratgebern seines Vaters, den Wachsoldaten und von auch von seiner großen Schwester in Anwesenheit anderer Personen mit solcher Förmlichkeit behandelt zu werden. Aber er hatte schnell gelernt, was nun von ihm, von ihnen beiden erwartet wurde. Mit einem leichten Nicken nahm er von einer Dienerin ein Handtuch entgegen, um sein Gesicht abzutrocknen, und danach ein Glas, um seinen Durst zu stillen. Inzwischen hatte er sich fast daran gewöhnt, ständig von schweigenden, ehrerbietigen Geistern umgeben zu sein - und grimmigen, ebenso lautlosen Wächtern.
Dennoch konnte er ein leichtes Lächeln nicht unterdrücken, als ihm seine Schwester in einem unbeobachteten Moment übers Haar fuhr, so wie sie es früher oft getan hatte, als ihr Vater noch gelebt hatte und sie neben seiner lauten und oft vergnügten Präsenz immer etwas im Schatten gestanden hatten. Sein Tod vor inzwischen gut zwei Jahren, Folge eines Sturzes, der so schwere innere Verletzungen hervorgerufen hatte, dass der Lord nach drei Tagen des Leidens verstarb, war ein grausamer, vollkommen unerwarteter Schock gewesen.

Die Zukunft des Hauses hatte mit einem Mal in Frage gestanden. Niemand zog Hanzos Anspruch auf Herrschaft in Zweifel, aber mit damals zwölf Jahren war er einfach zu jung, um zu regieren. Und Tomoe war eben nur eine junge Frau. Der Kurita-Adel respektierte Frauen auf seine Weise - namentlich Mütter, Witwen und ein Stück weit Ehefrauen, so lange sie von hohem Stand waren und ihr Ruf untadelig. Aber eben zumeist als ein Stück unter dem regierenden Lord stehend. Die Herrscher der Nachbarplaneten hatten sich dann auch förmlich überschlagen in ihren Angeboten, in Hanzos Namen bis zu dessen Volljährigkeit zu regieren, zumeist verbunden mit einer Heiratsverbindung. Entweder sollte der künftige Shimatze-Lord ein Mädchen aus ihrem Haus heiraten, oder sie hatten einen geeigneten Kandidaten für seine ältere Schwester bei der Hand gehabt. Sich selbst, einen Sohn, einen Neffen oder Onkel... Oder gleich beides.
Besonders das Angebot von Haus Odaga war nicht leichfertig abzutun. Die Odaga und Shimatze hatten in der Vergangenheit ebenso oft untereinander geheiratet wie sie sich an die Kehle gegangen waren - wie man sagte, war mitunter auch beides unmittelbar hintereinander oder gar zugleich passiert - und sowohl Seizo Odaga als auch der verstorbene Lord Shimatze hatten immer wieder mit dem Gedanken gespielt, Tomoe und einen Odaga-Sohn zu vermählen. Dieses Projekt war jedoch nach dem Tod des letzten legitimen Odaga-Sprosses während des Krieges gegen die Geisterbären gescheitert. Seizo hatte zwar seinen Bastardsohn Anatoli ins Spiel gebracht, aber das war ziemlich brüsk von Tomoes Vaters zurückgewiesen worden. Selbst als potentieller Erbe blieb ein Bastard ein Bastard, und bei aller Toleranz waren die Shimatze auf ihre Abstammung stolz. Tomoe hatte denn auch ein erneutes derartiges Ansinnen nach dem Tod ihres Vaters im Tonfall freundlich aber in der Sache unbeugsam abgelehnt

Die Frage einer Eheschließung war im kuritanischen Adel seit jeher etwas, das von zwei wesentlichen Faktoren abhing, die eng miteinander in Verbindung standen. Zum einen wurden die Ehen junger Paare meistens von den Eltern oder anderen Vormündern arrangiert. Und bei diesen, aber auch bei der Heirat Erwachsener, die nicht mehr unter der Fürsorge anderer standen, gab es eherne Grenzen, die nur wenige überschritten - und keiner tat dies ungestraft. Das Wohl der Familie stand über persönlichen Neigungen und Wünschen, und die Ehre der Familie bestimmte, mit wem man sich überhaupt vermählen durfte. Schon Eheschließungen zwischen Adligen unterschiedlichen Standes wie etwa einer Herzogin und einem Baron waren problematisch. Aber mit Außenstehenden, gar Nichtadligen? Das war nahezu undenkbar. Manche hatten geglaubt, ja gehofft, dass sich daran etwas ändern würde. Schließlich waren sowohl der gegenwärtige Koordinator als auch sein Erbe eher ihrem Herzen gefolgt - doch weit gefehlt. Zwar galt die Abstammung von Theodore Kuritas Frau offiziell als halbwegs angemessen, doch dass er sie gefreit hatte ohne seinen Vater zu fragen, stand auf einem anderen Blatt. Böse Zungen wisperten, den größten Dienst neben der Geburt seiner Kinder habe ihm seine Gemahlin mit ihrem ehrenvollen Tod von eigener Hand erwiesen, mit dem sie eine Niederlage während des Krieges gegen die Geisterbären gesühnt hatte. Andere freilich murrten, dass ihr Mann die Verpflichtung gehabt hätte, diese Niederlage zehnfach zu vergelten. Auch über Hohiro Kuritas Ehefrau runzelten einige Adlige die Stirn. Nicht offen, natürlich, aber im Privaten sah das anders aus. Und was man über die verstorbene Schwester des Kanrei munkelte, darüber schwieg man am besten gleich ganz. Das Verhalten der letzten zwei Generationen Kuritas mochte nach Meinung mancher wie ein Tsunami eingeschlagen haben - doch auch nach einem Tsunami waren Meer und Küste ja meistens weitestgehend die selben wie zuvor, die Wellen mochten sich auch noch so hoch aufgetürmt haben. Die meisten Adligen hatten sich mit ihren Partnerschaften mal mehr, mal weniger zufriedenstellend arrangiert, und so etwas wurde einfach als Teil der Verpflichtung gegenüber der Familie betrachtet.

Tomoe und Hanzo Shimatze hatten jedenfalls all die "selbstlosen" Angebote ausgeschlagen. Ihr Vater hatte ganz gewiss nicht gewollt, dass ein benachbarter Lord seinen Einfluss in so einer kritischen Phase ausbaute oder gar zementierte. Sollte etwa Tomoe heiraten und ihr Bruder zufällig oder "zufällig" sterben, bevor er selber einen Erben hatte, wäre ihr Ehemann in bester Position gewesen, neuer Lord von Numki zu werden. Dergleichen war in anderen Häusern mehr als einmal geschehen. Hanzo wiederum war gewiss nicht willens gewesen, sich die nächsten Jahre seines Lebens von seinem Schwiegervater - oder, wie er und seine Schwester hinter vorgehaltener Hand gespöttelt hatten, von seiner Schwiegermutter - vorschreiben zu lassen, wie er das Erbe seines Vaters zu verwalten habe. Auch solche Konstellationen hatten in der kuritanischen Geschichte oft genug unerfreulich geendet.
Sich auf den letzten Willen ihres Vaters berufend hatte Tomoe die Regentschaft für ihren Bruder übernommen, bis dieser volljährig wäre. Vor allem dem Umstand, dass die alten Vertrauten ihres Vaters ihre Loyalität nahtlos auf die nächste Generation übertragen hatten, hatte es den jungen Geschwistern ermöglicht, sich bisher unbeschadet zu behaupten. Und wenn der eine oder andere ihrer Gefolgsleute sich Hoffnungen gemacht haben sollte, selber auf die eine oder andere Weise noch weiter aufzusteigen, so hatte der Umstand dies verhindert, dass keiner der Shimatze-Gefolgsleute wirklich bereit war, den Status quo durch gewagte Manöver zu gefährden und man sich gegenseitig im Auge behielt. Denn keiner wollte den anderen ZU schnell ZU hoch aufsteigen sehen. Und Tomoe hatte schon Jahre vor dem Tod ihres Vaters gelernt, Menschen zu durchschauen, sie zu manipulieren und gegeneinander auszuspielen. Das, was sie zu einer wertvollen Figur hatte machen sollen für den Fall ihrer Heirat mit einem Nachbarn der Shimatze - ihr Vater war ein vorausschauender Mann gewesen - erlaubte ihr jetzt, sich und ihrem Bruder den Rücken freizuhalten. Zumindest fürs erste. So herrschte ein nach innen halbwegs gesichertes, nach außen jedoch recht fragiles Gleichgewicht. Eines, das immer wieder gefährdet war. Alte Verträge, die seit Generationen galten, sollten auf einmal neu verhandelt werden, traditionelle Ansprüche wurden in Frage gestellt, und bei den Verhandlungen der regionalen Lords fragten inzwischen nur wenige die Shimatze nach ihrer Meinung. Politisch hatte die Lady in der Öffentlichkeit demonstrativ einen gemäßigten Kurs eingeschlagen. Sie unterstützte verbal die Fraktion jener, die den Clans und den übrigen Nachbarn Kuritas nicht trauten, einen Konflikt aber im Moment für unpraktisch hielten. Ja, sie hatte sogar vorgeschlagen, gerade in der Grenzregion die Integration der neuen Verbündeten des Kombinats, der Novakatzen, zu intensivieren. So hatte sie angeregt, gescheiterte Geschko-Mitglieder oder alte Krieger in Kombinatseinheiten zu integrieren, um sich ihr Potential und ihre Erfahrung zunutze zu machen, anstatt sie zu verschwenden - und zugleich mehr und mehr Claner Schritt für Schritt zu Bürgern des Kombinats umzuerziehen. Einige Lords hatten die Idee begrüßt, während andere skeptisch blieben.

Begleitet von den schweigenden Wachen - weder die Regentin noch ihr Bruder waren jemals ohne Eskorte unterwegs - schritt das Geschwisterpaar durch die Räume des Palastes. Tomoe ging mit ihrem Bruder die weiteren Punkte in seinem "Stundenplan" durch. Eine militärische Ausbildung - im Nahkampf aber auch in der Führung eines Battlemechs, seltener einmal auch eines Luft-/Raumjägers - gehörte gewissermaßen zum cursus honorum für die meisten männlichen, selten einmal auch für weibliche Vertreter des Kombinatsadels. Nicht wenige bemühten sich auch, auf einem künstlerischen Feld, in einem standesgemäßen Freizeitvertreib zu glänzen - der Dichtkunst, Kaligraphie, Malerei, dem Spielen eines Instrumentes, als Tee-Zeremonienmeister... Daneben war es jedoch unerlässlich, sich sowohl gesellschaftlich als auch in Sachen Verwaltung weiterzubilden. Natürlich wurde von einem Lord erwartet, dass er viele Aufgaben delegierte. Zugleich aber musste er in der Lage sein, seine Untergebenen nötigenfalls zu überwachen und ihre Ränke zu durchschauen. Für Frauen ging es meistens eher um die Verwaltung eines Hausstandes - doch in der Abwesenheit ihres Ehemanns mussten sie oft Pflichten des Lords übernehmen, und die Geschichte des Kombinats kannte genug Beispiele von hohen Damen, die den Sitz der Familie, die Provinz oder gar den Planeten gegen einen Angriff hatten verteidigen müssen und dabei entweder ehrenvoll gefallen waren oder am Ende triumphiert hatten.
Mancher junge Lord hätte sich vielleicht widerspenstig oder lustlos gezeigt, aber das waren Ausnahmen. Und so nickte Hanzo nur, als ihm seine Schwester eröffnete, dass sein Mechkrieger-Training heute ausfallen musste. Der Hohe Rat von Numki tagte in einer "außerplanmäßigen" Sitzung, und dabei sollte der künftige Lord natürlich zugegen sein.

***

Eine gewählte Volksvertretung, die ihren Namen verdiente, gab es nur auf wenigen Kombinatswelten. Meistens herrschte der Lord direkt, mitunter unterstützt durch ein aristokratisches oder oligarchisches Gremium oder eine Mischform aus beidem. Numki war dahingehend keine Ausnahme, auch wenn die Shimatze die Wahl der Bürgermeister der Städte und Dörfer gestatteten, und der Bürgermeister der Stadt Iga einen Sitz im Rat hatte. Dazu kamen die für Sachbereiche wie Verteidigung, Inneres/Justiz, Wirtschaft/Finanzen und dergleichen zuständige Personen. Sie waren zum Teil identisch mit den Lords der anderen Provinzen. Der verstorbene Lord hatte seine Kinder schon in jungen Jahren an den Treffen teilnehmen lassen, auf denen es recht ungezwungen zuging. Zunächst hatten sie nur zugesehen und gelauscht, doch sie hatten auch gelernt, wie man eine Diskussion führte, auf Einwände reagierte, widersprüchliche Ansichten in einen Konsens einband und nötigenfalls - selten, aber es kam vor - seinen Willen auch qua Befehl durchsetzte. Zumeist ging es in den oft stundenlangen Beratungen um Entscheidungen administrativer Art, doch hier waren in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten auch Feldzüge und Strafaktionen geplant worden.

Diesmal stand die Versammlung vor allem im Zeichen militärisch-polizeilicher Belange. Wie Darius verfügte Numki über keine eigene VSDK-Garnison, sondern lediglich über ein lokales Aufgebot, das freilich mit der Bezeichnung "Miliz" nicht ganz treffend beschrieben werden konnte. Da gab es zunächst einmal die Sicherheitskräfte, die auch ein paramilitärisches Training absolvierten. Da im Schnitt auf rund 1.000 Einwohner ein Polizist kam, handelte es sich rein zahlenmäßig um eine beeindruckende Streitmacht. Die Männer und Frauen waren jedoch zumeist nur leicht bewaffnet, und konnten im Fall eines Angriffs wohl nur hinhaltenden Widerstand leisten, eine Art Guerillakampf. Die eigentlichen Streitkräfte bestanden aus einem Mechbataillon mit drei Kompanien. Kaum einer der Mechs war jünger als 15 Jahre, etliche waren noch weitaus älter und nur mit provisorischen Mitteln wie dem Einbau modernerer Waffen und besserer Panzerung aufgewertet worden. Lediglich die schwere Kompanie und eine überschwere Kommandolanze standen im Moment auf Numki selbst zur Verfügung, die leichte und mittelschwere Kompanie waren auf Sulafat im Einsatz. Traditionell stammten einige der Lanzen von einem der drei Provinzhäuser, die dem Haus Shimatze seit Jahrhunderten verpflichtet waren. Die Kommandolanze war natürlich stets von der Iga-Provinz aufgestellt worden, und fast immer hatte ein Shimatze sie kommandiert. Geradezu legendär war die "vier-Falken-Lanze" - ein Lord, zwei seiner Brüder und ein Sohn, die gemeinsam in den 3. Nachfolgekrieg gezogen waren. Wie es sich für eine zünftige kuritanische Heldengeschichte gehörte war keiner von ihnen zurückgekehrt, doch in der Ahnenverehrung nahmen sie einen besonderen Platz ein, und so war unter anderem der höchste Orden des Hauses nach ihnen benannt worden. Ergänzt wurden die Mechs durch vier konventionelle Brigaden, eine für jede Provinz. Jede von ihnen bestand traditionell aus einem Infanterieregiment, einer Panzer- und einer Artilleriekompanie sowie Unterstützungseinheiten. Daneben gab es noch ein Kommandobataillon - insbesondere in der Iga-Provinz bildete man sich einiges auf die Tradition der irdischen Provinz Iga ein, die eine Heimat der legendären Schattenkrieger gewesen war - einschließlich eines verstärkten Zuges Gefechtsrüstungen. Konventionelle Luftwaffenverbände sowie die seit jeher eher schwache Raummarine rundeten die Streitkräfte ab. Und auch von diesen Verbänden war gegenwärtig nur ein Teil auf Numki selber stationiert. Wie ihr Vater hatte sich Tomoe gehütet, durch zu große Investitionen in militärische Belange die Ressourcen ihrer Welt zu stark zu beanspruchen. Sie hatte aber einige Neuerungsvorschläge gemacht, deren Auswirkung sich noch erweisen musste.

Verteidigung war eine der wichtigsten Pflichten jedes Herrschers. Es war darum verständlich, dass die Regentin besorgt reagiert hatte, als erste Gerüchte über die Angriffe der Geisterbären - ob dies nun Banditen waren oder nicht - die Runde gemacht hatten. Die Wachsamkeit war erhöht und die Truppen in Alarmbereitschaft versetzt worden. Man hatte sich bemüht Sensorennetze aufzubauen, und sogar Teile der Zivilbevölkerung als Scouts mobilisiert - mit Funkgeräten und Ferngläsern ausgerüstete Späher, die das Umland um potentielle Ziele im Auge behielten. Angesichts der Anzahl der Orte, wo man lohnende Beute machen konnte, und der Größe des Planeten war dies natürlich wenig, eigentlich zu wenig gewesen. Das Gerede, nachdem man vielleicht einen energischeren Herrscher - eben einen echten Mann, keine junge Frau oder ein Kind - brauchte, hatte Auftrieb bekommen, obwohl die Polizei ein wachsames Auge auf die Gerüchteköche hatte. Doch Lady Shimatze hatte ihre Kritiker Lügen gestraft, auch dank der Gnade und Gunst der Ahnen, wie sie gerne betonte, sprich durch eine Portion Glück. Ausgehend von den überraschend guten Vorortkenntnissen, die die mysteriösen Angreifer bei ihren ersten Überfällen bewiesen, hatte sie unter strengster Geheimhaltung Patrouillen der Luftwaffe angeordnet, von deren Termin und genauem Verlauf selbst die Piloten erst kurz vor dem Start erfuhren, und die potentielle Zielgebiete nach einem zufällig generiertem Muster abdeckten. Wie sie später erklärte, musste man vermeiden, berechenbar zu sein - oder Opfer einer undichten Stelle zu werden. So traf sie allein zusammen mit dem Kommandeur der Streitkräfte die Entscheidung, wann und wo eine Patrouille erfolgte. Wohl auch durch reines Glück hatten zwei Mechkiller K6 der Gefechtsstaffel der Luftwaffe von Numki bei einem der Patrouillenflüge ungekennzeichnete Mechs geortet. Auf Befehl der Lady hatten sie ohne vorherige Kontaktaufnahme einen schnellen Passierangriff durchgeführt und waren dann zum Stützpunkt zurückgeflogen, um sich mit dem Rest der Staffel zu formieren. Gleichzeitig zog man Bodentruppen zusammen. Doch die unbekannten Angreifer - laut der Spuren und Sensorenauswertung vier oder fünf zumeist leichte und mittelschwere Clanmechs der Frontlinienklasse - hatten es gar nicht so weit kommen lassen. Als die Streitkräfte Numkis mit größerer Stärke am Ort des Geschehens eintrafen, fanden sie nur noch abgesprengte Teile von Clan-Ferrofibrit-Panzerung und die blutverschmierten Überreste von zwei Krötenpanzern. Tests bewiesen später, dass es sich bei dem Blut zweifelsfrei um das von Elementaren der Geisterbären handelte. Die Regentin hatte daraufhin höflichen aber entschiedenen Protest auf Alshain eingelegt und von Luthien die Stationierung regulärer Truppen auf Numki und Sulafat erbeten, um ihre Verbände zu unterstützen. Schließlich sei ein Vergeltungsschlag nicht auszuschließen. In beiden Fällen hatte man sie mehr oder minder höflich auflaufen lassen. Luthien hatte angesichts der letzten Nachwehen des VerCom-Bürgerkriegs andere Sorgen als eine unbedeutende kleine Grenzwelt - die Shimatze konnten ihren Reichtum ja nutzen, um eine Söldnerkompanie anzuheuern. Und die Bären hatten standhaft behauptet, bei den Elementaren handele es sich Solahama-Soldaten, die sich wohl der Schwarzen Kaste angeschlossen hatten, zu ihrem Aufenthalt habe man keinerlei Kenntnisse und übernehme auch keine Verantwortung für ihre Taten. Ein sehr unbefriedigendes Ergebnis, doch die Bürger von Numki hatten ihre tapferen Verteidiger und die kluge Regentin ausgiebig gefeiert - auch wenn das zum Gutteil Selbstberuhigung war und man weiterhin in Sorge war, die Angreifer könnten zurückkommen, um sich zu rächen.

Deshalb war man offenbar entschlossen, in der Wachsamkeit nicht nachzulassen. Sho-sa Toyonori Maeda, ein grauhaariger, stämmiger Offizier von gut 60 Jahren, referierte zunächst über Alarmübungen der lokalen Streitkräfte und den Ausbau der Sensorennetze, wobei er sich im Klaren darüber war, dass die geheimnisvollen Angreifer wohl kaum denselben Fehler zweimal begehen würden, und in der Vergangenheit auf anderen Welten passive Ortungssysteme sehr geschickt umgangen hatten. Maeda war der Kommandeur der Streitkräfte von Numki, und zugleich regierender Lord der Suruga-Provinz. Anders als die meisten Kurita-Adligen weder Mechkrieger noch Pilot eines Luft-/Raumjägers, flog er einen Mechkiller-Atmosphärenjäger, mit dem er seit dem 4. Nachfolgekrieg mehr als ein Dutzend Mechabschüsse erzielt und sogar zwei Luft-/Raumjäger Steiner-Davions vom Himmel geholt hatte. Sein Bruder Kanze, der als Mechkrieger geschult war, kommandierte die Shimatze-Truppen auf Sulafat.

"Ich habe zudem beschlossen, dass unsere Landungsschiffe zu unregelmäßigen orbitalen Patrouillenflügen eingesetzt werden. Da wir über zwei Seeker verfügen, besteht nicht die Gefahr, dass diese von dem gegnerischen Union zum Gefecht gestellt werden können. Natürlich lässt sich nie ganz ausschließen, dass der Gegner den Einsatz erhöht und zusätzlich Luft-/Raumjäger mobilisiert. In jedem Fall aber wären wir am Boden vorgewarnt. Ich hoffe, dass die augenblickliche Entwicklung die Gefahr eines feindlichen Angriffs zumindest vorerst verringert. Die angekündigte Präsenz von zusätzlichen Einheiten in der Grenzregion - immerhin ein gemischtes Söldnerbataillon mit zum Teil schweren Panzer und Infanterieunterstützung - mit der expliziten Aufgabe, die Vorfälle zu untersuchen, zeigt ja, dass man beginnt, unsere Meldungen ernst zu nehmen. Selbst wenn sie nichts finden, könnten die Angreifer zu der Ansicht kommen, dass sie erst einmal abwarten sollten. Und das gibt uns Zeit, uns auf mögliche weitere Überfälle vorzubereiten."
Die Lady schien jedoch nicht geneigt, dem zuzustimmen: "Ich denke, das ist bestenfalls ein erster Schritt in die richtige Richtung. Und der könnte sich fatal erweisen, wenn Luthien es dabei bewenden lässt." Sie hob ihre Hand und begann ihr Argumente abzuzählen:
"Erstens - diese...Höllenhunde sind keine Einheit im Dienste des Kombinats, sondern Com-Stars. Mal ganz abgesehen davon, dass Com-Star wenig Erfahrung mit dieser Art von Kriegführung hat - ich denke wir alle wissen, dass ihre vorgebliche Neutralität und das Verantwortungsgefühl für die Menschen der Inneren Sphäre vor allem Geschwätz ist, nur so lange von Belang, wie es ihren Zielen nützt. Der Machtkampf mit Blakes Wort, das de facto-Protektorat über die Reste der FRR, der Umstand, dass man jemanden wie Victor Steiner-Davion zeitweilig Einfluss und einen hohen Posten gab, all das beweist, dass Com-Star seinen Einfluss schleichend aber zielstrebig ausbaut. Aus den Chaosmarken gibt es ähnliche Berichte. Von daher kann man Com-Star-Söldnern nicht trauen. Sie würden zwar vermutlich gegen die Claner vorgehen - ich betone, vermutlich, denn wir alle wissen um die Kollaboration Com-Stars mit den Invasoren zu Anfang des Krieges. Aber leider sind ja die Clan-Banditen nicht unsere einzige Sorge. Dass die Söldner uns beistehen, wenn wir unter Druck durch Odaga oder einen anderen Lord geraten, ist wenig wahrscheinlich, während Kombinatstruppen leichter ermutigt werden könnten, den Frieden des Koordinators in unserem Sinne zu schützen. Aber die Söldner...sicher nur zu einem Preis, der uns mehr kosten würde, als wir uns vorstellen können." Ein weiterer Finger wurde gehoben: "Zweitens - die Söldner sind soweit wir wissen nur auf eng begrenzter zeitweiliger Basis angeheuert. Sie werden nicht lange bleiben, und ich bezweifle, dass sie in dieser Zeit das Problem lösen können. Man mag bei Com-Star große Stücke auf sie halten, aber verlassen würde ich mich nicht darauf. Ob es sich bei den Angreifern nun um Clan-Banditen oder reguläre Verbände handelt, mit einem Gefecht wird das Problem sich kaum lösen lassen, denn dort wo unsere Gegner herkommen, gibt es noch mehr davon. Zuviel deutet auf sorgfältige Planung, auf langfristiges Denken und Handeln hin." Ein dritter Finger folgte: "Und angesichts der Verbindungen der Höllenhunde zu einem vorsichtig ausgedrückt umstrittenen ,Neuadligen' bleibt die Frage, ob sie nicht ganz eigene Ziele verfolgen, von denen weder Com-Star noch Luthien etwas wissen. Oder wissen wollen."

Sho-sa Maeda wiegte nachdenklich den Kopf: "Ich bezweifle, dass dieser Dentan oder wie er heißt oder seine Untergebenen schon so weit sind, dass sie im Spiel der Häuser mithalten können. Nicht, dass ich nicht glaube, dass sie gierig oder auch dumm genug wären es zu versuchen, aber solche Leute brauchen meist sehr lange, bevor sie die Feinheiten wirklich verstehen, einsehen, was möglich, was nötig und was angemessen ist. Das sind eben nur Söldner, Barbaren, bezahlte Killer. Ein Schloss niederbrennen, die Familie des Lords ermorden und seine Tochter zur Ehe zwingen, ohne vorhersagen zu können, dass man sich kein halbes Jahr wird halten können - etwas weniger kurzsichtiges als das wäre wohl etwas über ihrem Horizont."
Die Lady lächelte dünn: "In dem Fall sollte ich mir zweifelsohne noch mehr Sorgen machen, nicht wahr? Noch einen ungestümen Bewerber um meine Hand - vor allem einen mit einer Bande ausgebildeter Mietmörder hinter sich - ist ja wohl das letzte, was wir im Moment gebrauchen können." Das wurde mit Gelächter quittiert.
"Aber..." und damit wurde sie wieder ernst: "auch wenn Ihr Recht habt, würde ich den Anführer der Söldner nicht unterschätzen. Er mag selber das Spiel spielen oder dies zumindest glauben, oder eine Schachfigur sein, unterschätzen sollten wir ihn nicht."
"Wäre er oder seine Schläger nicht auch mögliche Verbündete?" Dieser Einwurf kam von Hanzo. Als sich die Augen der Versammelten auf ihn richteten, straffte sich der junge Lord. Es war nicht das erste Mal, dass er sich in den Sitzungen zu Wort meldete, und seine Schwester wie die meisten ihrer Berater legten Wert darauf, ihn einzubeziehen: "Ich meine, die Söldner wissen doch sicher, dass sie nicht viele Freunde im Kombinat haben. Sie sind wie ihr sagtet Barbaren, Emporkömmlinge, denen man aus gutem Grund ihren Aufstieg neidet, und nach dem was ich in den Dossiers gelesen habe, wirft man ihnen ebenso begründet einige ihrer Taten in der Vergangenheit vor. Sie haben kaum Freunde und viele, die sie entschieden ablehnen und verachten, gerade hier im Grenzland. Wer aber allein ist und fürchtet zu ertrinken - zumal, wenn die Haifische schon um ihn kreisen - wird die Hand nach jeder Planke ausstrecken, die man ihm hinhält. Und alles versprechen, damit man ihm aus dem Wasser hilft."
Tomoe lächelte sanft und nickte ihrem Bruder zu: "Sehr gut erkannt. Das wäre tatsächlich eine Option. Ich hoffe freilich, man will mich nicht so eilig loswerden, dass ihr euch verschworen habt, mich an einen der Söldner zu verheiraten und ins Exil zu schicken." Diese groteske ,Befürchtung' rief erneut Gelächter hervor.
Sie legte nachdenklich einen Finger der linken Hand über ihre Lippen: "Natürlich ist so ein Bündnis nie ohne Risiko. Zum einen wird nicht jeder halten, was er zunächst versprochen hat. Und wer sich einen streunenden Hund ins Haus holt, darf sich nicht wundern, wenn er Flöhe bekommt - oder schlimmer noch, gebissen wird. Wir können den Söldnern nicht trauen - und sie werden UNS sicher nicht trauen - und vor allem dürfen wir uns nicht zu eilig und zu eng mit ihnen und ihrem Herren verbünden. Es wäre besser, sie würden nicht merken, in welcher Lage wir sind, das treibt den Preis nämlich nur nach oben. Und wenn wir uns zu leichtfertig mit Personen so niedrigen Standes und schlechten Rufes zusammentun, verlieren wir mehr an Ansehen, als dass wir an tatsächlicher Macht gewinnen. Dieser Danton..." sie betonte den Namen korrekt: "…ist weit weg. Und die Söldner seiner alten Einheit werden nicht ewig hier bleiben, noch wissen wir, was man künftig mit ihnen plant. Allerdings...es kann nicht schaden, sie sich auf kultivierte Weise gewogen zu machen."
Maeda schnaubte nur, zweifellos der Meinung, dass Kultiviertheit bei Söldnern nur verschwendet wäre, aber die Lady überging das: "Ob sie nun auf unsere Welt kommen oder nicht, sie werden sich für einige Monate in unserer Nähe aufhalten. Gute Nachbarschaft kann nicht schaden, und vielleicht kann auch eine Verbindung zu ihrem früheren - oder künftigen - Herren uns nützen."

"Ha!" das kam von Omura Shirato, dem Finanz- und Wirtschaftsexperten: "Euer Vater, Ruhm seinem Namen, hätte ihnen sicher einige wunderschön lackierte Holzschachteln mit prachtvoll funkelnden Gold- und Silbermünzen als Geschenk geschickt." Münzen aus Edelmetall waren nicht mehr als reguläre Währungen im Umlauf, wurde aber mitunter noch zu Gedenkanlässen und vereinzelt auch als Anlagemünzen mit festgelegtem Gewicht - meist eine Unze oder weniger - geprägt.
Tomoe lächelte wehmütig, eine Regung, die viele der Anwesenden teilten: "Ja, das hätte er wohl. Der ,Blutfalke'..." diesen poetischen nom de guerre hatte der verstorbene Lord Shimatze im Krieg von 3039 erworben, dem einzigen, den er an vorderster Front mitgemacht hatte, "war ein Meister darin, einerseits großmütig zu sein, aber andererseits sich immer wieder auch einen Scherz auf Kosten der anderen zu erlauben." Sie richtete sich stolz auf: "Ich vermisse ihn, aber ich bin nicht er, und im Moment kann ich nicht in gleicher Weise handeln. Ich denke, wir sollten einen etwas subtileren Weg wählen, so lange wir uns damit nichts vergeben. Mir schwebt da folgendes vor..."

***

"Nun zum nächsten Problem, der Situation auf Sulafat. Maeda-san, bitte gebt uns einen Überblick über die Lage, wie Sie euch euer Bruder geschildert hat. Ich denke, angesichts der Übergriffe der Claner - ob es sich nun um Banditen handelt oder aber um Teil einer Kampagne regulärer Verbände der Geisterbären - müssen wir damit rechnen, dass auch Sulafat früher oder später zum Ziel wird. Es bietet eine Anzahl potentieller Ziele, die Garnison ist vergleichweise schwach und durch die laufenden Operationen teilweise gebunden. Zudem sollte es leichter sein, dort Verräter zu finden, die bereit sind die Angreifer zu unterstützen, sei es mit Informationen oder gar durch direkte Aktionen."
Der Offizier erhob sich, nickte der Regentin und ihrem Bruder knapp zu. Er rief eine großformatige Karte des Planeten auf und begann seinen Vortrag: "Wir haben auch auf Sulafat begonnen, um die wichtigsten Veredlungszentren vorgelagerte Sensorennetze auszubauen, und lassen unsere Patrouillen verstärkt nach einem zufallsgeneriertem Muster ausrücken. Die Flotte ist in Einsatzbereitschaft und führt Gefechtspatrouillen durch, und zwar vor allem..."

Sulafat war wie Numki und Darius eine "vergessene" Welt - vergessen dahingehend, dass sie noch nie eine bedeutende Rolle in der Geschichte gespielt hatten. Kein überregional wichtiges Ereignis hatte dort stattgefunden, die Welten stellten nichts her, was sie in großen Teilen der Inneren Sphäre bekannt machte, die Namen ihrer Herrscher waren sogar innerhalb des eigenes Reiches wenig bekannt und die Planeten verfügten nicht einmal über eine nennenswerte Garnison regulärer Truppen. Man sagte ja im Allgemeinen, dass die leeren Seiten im Buch der Geschichte die glücklicheren waren, doch zumindest in diesem Fall traf das nicht wirklich zu.
Sulafat war eine Welt, deren Hauptlandmasse sich in den tropischen und subtropischen Breiten konzentrierte, in Form eines großen, von zahlreichen schroffen, bis sechs Kilometer hohen Gebirgsketten, verzweigten Flussläufen und Hochebenen - zum Teil ein bis zwei Kilometer hoch - geprägten Kontinents und einigen zehntausenden Inseln von wenigen hundert Quadratmetern bis mehreren tausend Quadratkilometern Größe. Die Welt war nie wirklich ein Einwanderungsmagnet gewesen. Das Wetter wies einige unangenehme Eigenschaften auf - Tropenstürme waren eher die Regel als die Ausnahme - und das Landesinnere wie auch die flachen Meere erfreuten sich einer Flora und Fauna, die für die Neuankömmlinge und ihre tierischen Mitbringsel einige unangenehme Überraschungen bereithielt. Angefangen von Krankheitserregern über Parasiten und giftiges Getier bis zu einigen Arten von Spitzenpredatoren, denen man nur mit einer großkalibrigen Waffe, besser aber überhaupt nicht gegenübertrat. Es gab anscheinend nur vergleichsweise wenig kostbare Bodenschätze. Einige frühe Siedlungsversuche waren spektakulär gescheitert, und bis heute hielten sich wirre Geschichten, dass dafür mehr als Wetterunbilden, Tiere und Krankheiten verantwortlich waren. Natürlich hatte es für die Schauergeschichten nie irgendwelche belastbare Belege gegeben. Eine nennenswerte Besiedlung kam jedoch erst zustande, als man schließlich entdeckte, dass der so üppig wuchernde biologische Reichtum Sulafats sich im wahrsten Sinne des Wortes zu Geld machen ließ - für medizinische Zwecke, in der Parfümindustrie, der Gastronomie, dem Export exotischer Zierpflanzen und -hölzer sowie vor allem bei der Produktion von Drogen und Aufputschmitteln. Nur konnte das meiste davon nicht im industriellen Maßstab angebaut und gezüchtet, sondern musste aufwändig gesammelt oder erbeutet werden, ein arbeitsintensiver und gefährlicher Prozess. Deshalb konzentrierte sich die Mehrheit der 30 Millionen menschlichen Einwohner in den Küstenregionen oder auf einzelnen großen Inseln in einigen Ballungszentren und den agrarischen Einzugsgebieten, die für die Versorgung notwendig waren. Über 90 Prozent der Landfläche waren fast menschenleer, abgesehen von einigen weit verstreuten halblegalen Siedlungen, wenigen Erzminen und dergleichen. Und dann gab es vor allem die zumeist nur zeitweilig bewohnten und aus Fertigbauteilen errichteten Erntezentren, die entweder an Flussläufen lagen oder über Landepisten für den Lufttransport verfügten und in denen in den "Erntezeiten" oft einige hundert oder gar tausend Saisonarbeiter unter meist harten Bedingungen hausten. Sie schwärmten für einige Wochen oder Monate in den Dschungel oder die Lagunen aus, und ließen am Ende jeder Saison Dutzende Kameraden zurück, die Krankheiten, Unfällen, internen Konflikten und wilden Tieren zum Opfer gefallen waren. Meistens bestanden diese Siedlungen nur einige Erntezyklen lang, dann überließ man den Urwald für die nächsten Jahrzehnte wieder sich selbst.

Über Jahrhunderte hatte die Familie Imagawa über Sulafat geherrscht. Im Grunde hatte sie sich von den meisten Kuritaadligen - oder den Adligen der gesamten Inneren Sphäre an sich - wenig unterschieden. Die Imagawa waren stolz, ehrgeizig, gerissen und in angemessener Weise skrupellos. Ihr Fluch war es gewesen, dass sie sich immer in einem schmerzlichen Zwiespalt, einem Zwitterdasein gefangen gefühlt hatten. Sie waren nicht so machtvoll wie die "richtigen" Herzöge gewesen, doch zugleich reich und mächtig genug, um zu diesen aufzuschließen und von ihnen als gleichwertig anerkannt werden zu wollen. Man war etwas Besseres als die "kleinen" Lords auf Numki und Darius, aber eben nur gerade so. Dies hatte die Imagawa zu enormen Anstrengungen und Opfern angespornt, sowohl persönlichen - es waren weit mehr männliche Familienangehörige in der Schlacht gefallen als an natürlichen Ursachen verstorben - als auch finanziellen. Truppen mit dem grünen Zwillingskranich-Mon der Familie hatten in den Kriegen des Hauses Kurita an vorderster Front gefochten, mit einer Verbissenheit und Energie, die beeindruckend war. Die Mittel für solch eine Politik hatten die Imagawa sich von ihren Untertanen besorgt. Sie machten sich selten die Hände schmutzig im Bemühen, Geld einzutreiben, doch unter der Herrschaft von einer Handvoll privater Biotec-Konzernen und einiger halbstaatlicher Investoren - zum Teil auch finanziert von benachbarten Lords wie den Odaga und Shimatze - führten viele der Einwohner ein ärmliches Leben, während die Imagawa und die Konzerne enorme Profite einfuhren. Zwar hatte sich auch eine städtische Mittel- und Oberschicht entwickelt, die vor allem aus den Familien von Staatsbediensteten und Fachleuten für die Verarbeitung des Biomaterials bestand, aber gerade die "Erntearbeiter" und die Fischer und Landwirtschaftsarbeiter, die Sulafat ernährten, hatten es schwer gehabt. Verschärft wurde dies durch den Umstand, dass viele der Einwohner christlichen Glaubens waren, und im Draconis-Kombinat wurden Christen traditionell mit einer gewissen Geringschätzung behandelt.

Die Clan-Invasion hatte schließlich zur Katastrophe geführt. Die Mechtruppen der Imagawa - zwei komplette kampfstarke Bataillone, unterstützt von zwei Staffeln Luft-/Raumjäger, einem Panzerregiment und tausenden konventionellen Soldaten - waren einmal mehr in die Schlacht gezogen, als die Grenzen des Kombinats bedroht waren, begierig, vor den Augen des Koordinators Ruhm und Ehre zu gewinnen. Doch gegen diesen neuen Gegner hatten sie keine Chance gehabt. Obwohl sie tapfer kämpften wurden sie nahezu vollständig vernichtet, einige auch als Leibeigene gefangen genommen. Der regierende Lord hatte das Debakel überlebt, wenngleich nur knapp. Als Geschlagener war er heimgekehrt, hatte aber sofort begonnen, neue Truppen aufzustellen. Tausende Rekruten waren angeheuert worden, und auch die Aufstellung neuer Mechtruppen hatte man ins Auge gefasst. Die Steuern waren dafür zwangsläufig drastisch erhöht worden, die Kempeitai genannte paramilitärische Polizei und private Wachdienste hatten Unmutsäußerungen rücksichtslos unterdrückt. In dieser angespannten Lage war die Nachricht vom Clan-Angriff auf Luthien und wirre Gerüchte über eine Söldnerinvasion durch die Handlanger Steiner-Davions eingeschlagen wie eine Atombombe. Zwischenfälle, die zuvor zähneknirschend hingenommen worden waren, führten nun zu Massenaufständen, und die Parolen religiöser Eiferer, die das göttliche Strafgericht für die ungläubigen Kurita-Tyrannen kommen sahen, heizten die Lage zusätzlich an. Auch viele Buddhisten lehnten sich auf, hatte das Haus Imagawa doch in ihren Augen das Mandat des Himmels verspielt. Vollends eskalierte die Situation, als sich herausstellte, dass die neuen Rekruten noch nicht so zuverlässig waren wie ihre Vorgänger - Teile der Truppen verbrüderten sich mit der Bevölkerung und gingen auf die Polizei und alles los, was ihnen sonst noch verhasst war. Die Battlemechs und Panzer, die jeden Aufstand hätten zerschlagen können, gab es nicht mehr. Als der Lord angesichts eines drohenden Angriffs der Meuterer aus seinem Palast floh, geriet sein Konvoi in einen Hinterhalt. Kein einziges Mitglied der Imagawa-Familie überlebte, selbst Kleinkinder, so hieß es, wurden von den Aufständischen abgeschlachtet, der Palast gestürmt und angezündet. Nach Jahrhunderten der Herrschaft waren die grünen Kraniche gefallen.

Für einen Moment hatte es so ausgesehen als hätte die Revolution eine Chance. Jedoch musste offen bleiben, wie Luthien darauf reagiert hätte, denn in dieser Situation schritten die Nachbarn von Sulafat ein, um, wie sie erklärten, ihre Bürger, Investitionen und die Gesetze des Kombinats zu schützen. In einer bemerkenswert effektiv durchgeführten Operation entsandten die Odaga und Shimatze dutzende Mechs, gut einhundert konventionelle Luft- und Bodenfahrzeuge und insgesamt mehr als 15.000 Polizisten und Soldaten. Die noch vorhandenen Reste des Imagawa-Militärs, namentlich die recht starke Marine und die kleine Luftwaffe, die eben noch möglicherweise darüber nachgedacht hatten, sich mit den Rebellen zu arrangieren, verbündeten sich wie die Kempei - die Polizeisoldaten - mit den Interventionsstreitkräften. Gegen die geschulten, teilweise kampferprobten und schwer bewaffneten Verbände unter dem roten Falken-Mon der Shimatze und dem schwarzen Pferd der Odaga hatten die Rebellen und Meuterer keine Chance, nachdem sie erst einmal aus der Deckung gekommen waren. Den Auftakt des Gegenschlags bildete ein Blutbad - Schlacht konnte man es kaum nennen. Eine Streitmacht aus mehreren hundert Aufständischen wurde im halb zerstörten Palast der Imagawa eingekesselt und erbarmungslos zusammengeschossen. Die Nachricht vom Sieg des Kombinats auf Luthien und die Erkenntnis, dass die gajin-Söldner nicht wie erhofft gekommen waren, um den Einwohnern in ihrem Kampf zu helfen - im Kombinat wurde dergleichen mitunter als "Verthandi-Psychose" bezeichnet - trugen zur Niederlage der Aufständischen ebenso bei, wie das Bündnis großer Teile des Mittelstandes und der Oberschicht mit den neuen Herren. Namentlich die Shimatze sorgten für einige Reformen, die Teile der Bevölkerung mit den neuen Herren aussöhnten. So wurde die Kempeitai in Größe und Befugnis beschnitten und eine kommunale Polizei geschaffen, die Löhne der Sammler und ihre medizinische Versorgung ein wenig verbessert. Diese Maßnahmen brachen die fragile Einheitsfront der Rebellen zusammen mit einer Mischung von Bestechung, Überredung und Amnestieangeboten auf. Derweil zerschlugen die Streitkräfte der Lords den noch vorhandenen Widerstand mit überwältigender Feuerkraft. Luthien war froh, eine Sorge weniger zu haben, und Sulafat wurde de facto in ein geteiltes Protektorat von Darius und Numki verwandelt, auch wenn die einzelnen Städte über eine begrenzte Selbstverwaltung verfügten. Als geschickte Verhandlungspartner konnten sich die Shimatze einen leichten Vorrang sichern und ihr Lord war zum Ersten Protektor avanciert. Luthien hatte sogar hingenommen, dass sich die Lords die verbleibenden Landungs- und Sprungschiffe von Haus Imagawa unter den Nagel rissen - schon das eine Beute im Wert von hunderten Millionen.
Die Guerillagruppen waren zwar in den monatelangen Kämpfen nicht vollkommen vernichtet worden, mussten aber ihre Aktivitäten auf gelegentliche Anschläge in den Städten beschränken. Kleine Trupps verbargen sich im Hinterland oder agierten als piratenähnliche Banden von Inselverstecken aus, doch schwand ihre Zahl und Stärke im Laufe der Jahre. Etwa zwölf Jahre lang herrschte ein fragiler Beinahe-Frieden. Die reorganisierten ehemaligen Imagawa-Truppen - sechs Infanterieregimenter, 3.000 paramilitärisch geschulte Polizisten, einige Helikopter sowie sechs Marinegeschwader mit insgesamt 24 schweren und 24 leichten Kriegsschiffen, eine U-Boot-Division mit vier Einheiten und ein Sprungtruppenbataillon der Marine - unterstanden dem Kommando der Protektoren, die klug genug waren, einheimischen Soldaten und Offizieren Aufstiegschancen zu bieten. Doch zugleich standen erhebliche Verbände des Odaga- und Shimatze-Militärs auf Sulafat, insgesamt weit mehr Truppen, als irgendein Aufstand vertreiben konnte.

Den Tod des Shimatze-Lords hatten viele der noch lebenden Guerillas für eine von Gott gesandte Möglichkeit gehalten, das verhasste Joch doch noch abzuschütteln. Lord Odaga war mal wieder im Krieg, an die Stelle des "Blutfalken" eine junge Frau getreten - die Gelegenheit schien günstig, zumal Luthien mit den Auswirkungen des Bürgerkrieges im Vereinigten Commonwealth beschäftigt war.
Was die Aufrührer übersehen hatten war, dass viele der Offiziere auf Sulafat, Numki und Darius noch die alten waren, und dass sowohl der tote als auch der abwesende Lord fähige Vertreter hinterlassen hatten. Tai-i Anatoli Tanigaki hatte sofort das Kommando über die Odaga-Truppen auf Sulafat übernommen, während Tomoe Shimatze kurz entschlossen jeden einzelnen Battlemech und einen Großteil der konventionellen Truppen mobilisiert hatte, die ihr zur Verfügung standen. Für beide ging es darum, zu beweisen, dass sie ihr Amt ausfüllen konnten, denn ein Versagen hätte katastrophale persönliche wie politische Folgen zeitigen können. Der überhastet organisierte Aufstand war in kürzester Zeit niedergeschlagen worden. Tai-i Tanigaki war zum Dank dafür von seinem Vater offiziell zum Erben ernannt worden, und das Getuschel bei seinen adligen Nachbarn darüber hatte sich doch sehr in Grenzen gehalten. Was aber immer noch nicht hieß, dass man sich beeilte, den Odaga-Erben als ebenbürtig zu akzeptieren. Aber so manche gerunzelte Stirn hatte sich doch geglättet. Tomoe Shimatze wiederum hatte eigenhändig vier Dutzend Todesurteile unterzeichnet, und 17 davon vollstrecken lassen. Die Familien der Verurteilten waren enteignet und verbannt worden. Die Regentin hatte charmant mit angesehnen Vertretern der Oberschicht und der lokalen Glaubensgemeinschaften parliert, verwundete Sulafat-Polizisten und Soldaten ausgezeichnet und deren Familien versorgen lassen, aber zugleich nicht mit der Wimper gezuckt, als vor ihren Augen Aufrührer und Dissidenten enthauptet worden waren. Gleichzeitig hatte sie im ehrenden Angedenken an ihren Vater und im Namen seines Erben einige gemäßigte Zugeständnisse gemacht. Seitdem herrschte auf Sulafat in beiden Protektoraten wieder angespannte Ruhe.
Immerhin hatten danach selbst etliche traditionell eingestellte kuritanische Lords einräumen müssen, dass die junge Frau ihrem Vater Ehre gemacht hatte. Das hatte ihr in der verwundbaren Übergangsphase von der Herrschaft ihres Vaters zu ihrer Regentschaft etwas Ruhe verschafft, ehe man wieder begann, sie auszutesten - auch und besonders auf Sulafat, wo Lord Odaga unermüdlich darauf drang, dass der Posten des Ersten Protektors an ihn oder seinen Bastardsohn übergehen sollte.

"Ich denke nicht, dass wir mit einem Angriff auf eine der größeren Städte rechnen müssen - außer unsere Gegner rüsten erheblich auf. Ihr Union könnte ja theoretisch einen Trinärstern befördern, vermutlich zwei Sterne Mechs und einen Stern Elementare, aber bisher haben sie nicht einmal ansatzweise so viele Truppen in die Schlacht geschickt. Das mag sich ändern, aber selbst damit würde ich es mir überlegen, in eine Stadt mit 100.000 oder mehr Einwohnern einzumarschieren. Sie müssten in diesem Fall damit rechnen, mit einigen hundert Verteidigern mit Panzerunterstützung konfrontiert zu werden, oft auch mit Mechs. Wir haben in jedem Fall angefangen, ausreichend Minen und Sprengfallen bereitzustellen. Allein ich glaube, wenn sie angreifen, dann vielleicht eher eine Mine im Landesinnern, oder einige Erntelagern im Dschungel oder auf einer Insel. Letzteres hätte den Vorteil, dass es dann schwer fällt, Verstärkung in Marsch zu setzen. Auf Sulafat stehen kaum Landungsschiffe, und Luft-/Raumjäger haben weder die Odaga noch unsere Truppen."
Die Lady nickte: "Ich stimme Eurer Analyse zu. Ich denke, wir sollten unsere begrenzten Lufttransportkapazitäten nutzen um einige Alarmkompanien aufzustellen, die wir nötigenfalls schnell an Brennpunkte verlegen können. Glücklicherweise verfügt Sulafat ja über eine größere Zahl ziviler Planetlifter. Das hat auch den Vorteil, dass wir rasch reagieren können, falls einige Guerillas die angespannte Lage ausnutzen wollen." Sie lächelte engelsgleich - ein ausgemacht bösartiger Engel: "Sollten unsere Odaga-Freunde angesichts ihrer letzten...Probleme...zu Hause Truppen nach Darius verlegen wollen, stehen wir natürlich bereit, die Lücke zu schließen." Das Gekicher ihrer Untergebenen kam nicht nur daher, dass SIE die Bemerkung gemacht hatte. Die Rivalitäten zwischen den Häusern hatten Tradition, und nicht wenige Shimatze-Gefolgsleute vergossen keine Träne, wenn die Odaga gedemütigt wurden - in gewissen Grenzen.
"Wir müssen nur aufpassen, dass wir nicht auf einen Köder hereinfallen." meinte der Sho-sa. So war es ja den Truppen auf Darius ergangen.
Die Lady nickte nachdenklich: "Heuert noch mehr Aufklärer an. Ich denke, so mancher Sammler hält lieber Aussicht nach Feinden, die vermutlich gar nicht kommen. Und sie wissen, wie sie sich im Gelände bewegen und die Augen offenhalten. Unsere Flottengeschwader soll zudem Marineinfanterie an Bord nehmen und auslaufen. Die Männer sollen Mech- und Elementarabwehrwaffen mitführen. Ich denke, wir verteilen die Kriegsschiffe in Doppel- und Viererformationen - je nachdem ob es sich um schwere oder leichte Einheiten handelt - an neuralgischen Punkten zwischen den aussichtsreichsten Zielregionen, so dass sie möglichst viele potentielle Angriffsziele in Reichweite abdecken können. Wir erarbeiten noch versiegelte Order für das weitere Vorgehen - es darf nichts durchsickern, wo sie genau stehen und wie wir im Ernstfall reagieren. Auch die U-Boote sollen auslaufen." All das war natürlich auch ein Stück weit ein Glücksspiel. Und doch sprach die Lady für alle, als sie die Beratung schließlich beendete: "Egal wer uns angreift, ob Guerillas, Clanbanditen oder vielleicht Söldner - wir werden ihn erwarten, und wir werden ihn schlagen!"

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Als Germaine Danton als letzter Gerufener in den Konferenzraum der Chevaliers trat, sah man ihm an, dass der Ruf seiner Adoptivtochter bereits zu schaffen machte, bevor diese überhaupt einen Ton gesagt hatte. „Worum geht es?“, fragte er, nachdem er sowohl Copeland als auch Jara die Hand geschüttelt hatte.
„Ich bin auch gerade erst gekommen“, versicherte Copycat. „Fakt ist aber, der Einheitseigner hat ein Schreiben von ComStar bekommen. Soviel weiß ich schon.“
„Von ComStar?“
Jara hob entschuldigend die Schultern. „Ich wollte mit dem Anschauen warten, bis Ihr da seid. Das Schreiben war wohl ursprünglich an dich interessiert, Germaine, aber mittlerweile sitze ich ja im Sattel, aber Harry ist er Oberkommandierende. Deshalb denke ich, dass wir uns das Video zusammen ansehen sollten.“
„Okay. Das war gut mitgedacht.“ Germaine nahm Platz. „Dann mal los.“
Auch Copycat setzte sich. Jara legte den Datenträger im Abspielgerät des Konferenzraums ein und setzte sich ebenfalls.

Zuerst erschien das ComStar-Logo. Dann das Einheitsabzeichen einer auf Tukkayyid stationierten ComGuards-Einheit, das schließlich von dem Gesicht eines ernst dreinschauenden Veteranen ersetzt wurde. Olivfarbene Haut, rasierter Schädel, Augen, die den Krieg kannten sowie zwei fast verheilte Brandnarben. Germaine kannte den Mann. „Demi-Präzentor Hamish Lockwell“, raunte er. „Hatte mit ihm zu tun, als ich noch Team Stampede unsicher gemacht habe.“
„Ein alter Freund also?“, fragte Jara, verkniff sich aber jedes weitere Wort, als der Glatzkopf zu sprechen begann. „Ich bin Demi-Präzentor VIII Hamish Lockwell. Ich richte meine Worte an Germaine Danton, aber auch an denjenigen, der im Moment die Kommandogewalt über die Dantons Chevaliers hat. Ich weiß, die Einheit ist im Umbruch, und die Struktur ändert sich, aber ich denke, Germaine sollte hierfür hinzu gezogen werden.“ Der Mann pausierte, zweifellos um es jedem Zuschauer zu ermöglichen, jetzt die Pausetaste zu drücken und Danton zu holen. Das aber hatte Jara in weiser Voraussicht bereits getan.
Er setzte seine Ansprache fort. „Germaine, ich hoffe, du bist jetzt im Raum, Saal, oder wo immer auch diese Nachricht angeschaut wird. Wenn nicht, bitte ich dem derzeitigen Herrn der Chevaliers um Vergebung, es geschieht nicht böswillig.“
Seine Stirn zog sich kraus. „Ich bringe es mal schnell auf den Punkt. Zur Zeit habe ich einen Stabsposten auf Tukkayyid inne. In meinen Bereich fällt die Koordination mit lyranischen und föderierten Söldnern, und damit auch die Höllenhunde. Und ich denke, dass Manfred Scharnhorst und die Höllenhunde in Schwierigkeiten geraten könnten.“
Jemand raunte nervös. Es dauerte einen Moment, bis Danton feststellte, dass er es selbst gewesen war. Und da hatte er gedacht, die Höllenhunde wären da, wo sie jetzt waren, am zweitsichersten Ort der Inneren Sphäre und würden sich in Ruhe erholen.
„Seit einiger Zeit gibt es an der draconisch-rasalhaagischen Grenze, genauer gesagt der Dominion-Grenze erhebliche Probleme. Auf fünf draconischen Grenzwelten wurden Überfälle durch Piraten, aber auch Aufstände, Unruhen, Anschläge und dergleichen gemeldet. Involviert waren Truppen ungefähr in Lanzenstärke. Etwas später, diese Information hat Scharnhorst aber, kam es auch über zwei Dominion-Welten zu ähnlichen Anschlägen, und, das ist nicht zu verschweigen, Aufständen von örtlichen Rasalhaag-treuen Guerillas, die kurzfristig erstarkten, und in dieser Zeit kleinere Solahma-Einheiten und Kollaborateure liquidiert haben. Es ist offensichtlich, dass die Draconier die Bären für die Überfälle auf ihre Grenzwelten verantwortlich machen, und zugleich die Bären die Draconier auf ihrer Seite. Ich habe Manfred und die Höllenhunde damit beauftragt, diese Vorgänge zu untersuchen, die Täter zu ermitteln, und, so sie stark genug sind, sie zu vernichten. Und damit meine ich eine Kompanie oder weniger. Der Gedanke liegt nahe, dass nicht zwei verschiedene Einheiten, sondern eine einzige für die Überfälle auf beiden Seiten verantwortlich ist. Das würde bedeuten, dass die Truppe, die die Einheit bildet, über ungefähr acht leichte bis mittelschwere Mechs mit Elementare-Unterstützung verfügt, dazu mindestens über sechs Luft/Raumjäger. Ich schätze, die Höllenhunde haben nicht so viel Glück, dass es tatsächlich zwei verschiedene, unabhängig operierende Einheiten sind. Auch das weiß Manfred.“
„Nichts, was sie nicht handhaben können“, sagte Danton. „Sie haben zwei Rotten Luft/Raumjäger, erfahrene Piloten.“
„Leider gibt es keine Garantie, dass die Truppenstärke nicht erheblich größer ist“, wandte Lockwell ein. „Seit einigen Stunden gehe ich sogar davon aus, dass das der Fall ist, und dass sich Manfred womöglich mit einer verstärkten Kompanie oder gar einem Bataillon herumschlagen müssen wird. Oh, ich habe keine Berichte über die Sichtung weiterer Mechs, Panzer oder Infanterie-Einheiten, über die Elementare, etwa drei Strahlen, hinaus. Aber einige Ereignisse hier lassen mich vermuten, dass... Sagen wir einfach: Dass Ärger bevorsteht.“
Hamish Lockwell beugte sich leicht vor. „Mir wurde berichtet, dass vermehrt versucht wurde, in das interne Computernetz der Höllenhunde einzubrechen, um Personalakten und Wartungsberichte zu stehlen. Das passt recht gut ins Bild, denn zeitgleich muss ich mich hier auch mit Computerverbrechen herumschlagen, die rund um die Höllenhunde begangen werden.
Germaine, jemand hat versucht, die Höllenhunde auf die Liste vogelfreier Einheiten zu setzen.“
„Was?“, entfuhr es Germaine entrüstet. „Eine vogelfreie Einheit ist nicht mehr als besseres Jagdwild.“
„Bullshit“, zischte Jara.
Copeland runzelte die Stirn. „Ausgeschlossen.“
„Ich weiß, die Einheit hat nie etwas getan, was das rechtfertigen würde“, fuhr Lockwell fort, „aber das ändert nichts daran, dass es versucht wurde. Seit ich von den Computerangriffen gehört habe, überprüfe ich mindestens einmal täglich die Berichte über die Höllenhunde, denn ich habe sie überhaupt erst losgeschickt, und damit fällt ihr Wohl und Wehe doppelt in meine Verantwortung. Bei einer dieser Überprüfungen habe ich eine Notiz erhalten, dass den Höllenhunden kein Sold mehr gezahlt wurde, ab dem Tag ihres Abflugs von Tukkayyid.“
„Das ist ein starkes Stück“, sagte Danton.
„Es kommt noch besser. Ich habe nachgeforscht, warum sie nicht mehr auf der Lohnliste sind. Denn eigentlich haben die Höllenhunde neben ihrem Auftrag auch ein großzügiges Budget für Spesen erhalten. Dabei konnte ich ermitteln, dass jemand versucht hat, die Höllenhunde auf die Black List zu schieben. Und eine Einheit, die auf der Black List steht, kriegt natürlich keinen Sold mehr. Doch das ist nur die simpelste Auswirkung, denn wäre diese Verschiebung nicht bemerkt worden – von mir – dann wäre über kurz oder lang die Fahndung ausgeschrieben worden, und womöglich wäre auch die Söldnerkontraktkommission informiert worden. Eine Einheit, die von ComStar zur Fahndung ausgeschrieben wurde, die zudem auch noch im Niemandsland zwischen Geisterbären und Kurita operiert, hätte nicht viel Gelegenheit, ihre Einheitsgeschichte fortzuschreiben.“
„Wie konnte das passieren?“, fragte Copeland irritiert. „Ist es so einfach, auf die schwarze Liste der Einheiten zu kommen, die ComStar beschuldigt, gegen die Ares-Konvention zu verstoßen?“
„Den Verursacher der Verschiebung konnte ich nicht ermitteln. Es wurde die noch immer aktuelle Identität eines Toten verwendet. Ich habe diese ID löschen lassen und meinen Stab beauftragt, gezielt nach Aktivitäten von Offizieren zu suchen, die offiziell tot sind. Aber ich konnte den Grund der Einstufung als Kriegsverbrecher eruieren. Demnach wird den Höllenhunden vorgeworfen, einen schwungvollen Schwarzhandel mit Dihydrogenmonoxid aufgezogen zu haben.“
„Di-was?“, fragte Jara.
„Dihydrogenmonoxid. Auch H2O genannt“, sagte Copycat. Er sah die Erbin der Einheit amüsiert an. „Im Volksmund auch Wasser genannt. Aber ich gebe zu, die chemische Formel ausgesprochen klingt gleich bedrohlicher.“
„Wir reden hier über H2O, oder auch über Wasser“, erklärte Lockwell. „Nun sind wir hier alle Soldaten, und die wenigsten hier aktive Wissenschaftler. Der Chemie-Unterricht ist für mich zum Beispiel auch schon ein paar Jährchen her, daher konnte diese Anschuldigung quasi durch unsere Maschen schlüpfen. Nun, ich habe es rechtzeitig entdeckt und korrigiert. Und ich habe meinen Stab angewiesen, auf weitere Manipulationen zu achten, die mit den Höllenhunden im Zusammenhang stehen können.“
„Jetzt kommt es“, knurrte Copeland.
„Dabei haben wir einige Dinge entdeckt, die im Zuge der Wasser-Affäre beinahe untergegangen wären. Wie du weißt, Germaine, versorgen sich die meisten Einheiten vor Ort mit den wichtigsten Dingen, um ihre Soldaten zu versorgen. Munition, Nahrung, Kleidung, Versorgungsgüter, Ersatzteile, sowas halt. Scharnhorsts Einsatz ging dementsprechend eine ganze Reihe von Bestellungen voraus. Und da diese Bestellungen an Kombinatswelten gerichtet waren, hat sich hier niemand Sorgen gemacht, dass sie nicht erfüllt werden, da wir offiziell Verbündete sind. Zudem habe ich zu Recht gehofft, dass ihr Status als Einheit eines draconischen Adligen ihnen auch hier eine gewisse Autorität verschafft, die eine andere Einheit nicht hätte. Aber ich habe nicht damit gerechnet, dass diese Bestellungen, vornehmlich jene nach Ersatzteilen und Munition, von ComStar-Seite storniert wurden.“
„Genau Manfreds Linie“, murmelte Danton mehr zu sich selbst als zu den anderen. „Warum mitschleppen, was man vor Ort kaufen kann? Mit feindlichen Händlern hat er sicherlich nicht gerechnet. Nicht im Kombinat.“
„Sicher nicht“, bestätigte Jara.
„Ich habe das selbstverständlich auch wieder rückgängig machen lassen“, versicherte der Demi. „Mehr noch, ich habe so weit es ging persönlich mit den Händlern gesprochen oder Videodateien versandt, die die Bestellungen noch einmal untermauern. Darüber hinaus habe ich mit Lady Shimatze von der Welt Numki gesprochen und ihr mein Problem beziehungsweise das deiner Einheit geschildert. Die Fürstin hat versprochen, die Höllenhunde in jeder ihr möglichen Form zu unterstützen. Ihre Heimatwelt wurde selbst schon zweimal angegriffen und hat daher ein eigenes Interesse daran, dass die Ermittlungen Scharnhorsts zum Erfolg führen.“ Lockwell verzog kurz seine Miene zu einem zynischen Grinsen. „Wobei das ein wenig luftleer von ihr gewesen sein kann, denn wie mir meine Spione berichten, arbeitet die gute Tomoe, so ihr Vorname, sehr hart daran, die Krise zum Guten zu wenden. Sie teilt sich mit den Herren von Darius, dem Haus Odaga, die Herrschaft über eine dritte Welt. Diese Teilherrschaft kann sie nun ausbauen, während Darius, bereits dreimal schwer getroffen, seine Verteidigung ausbauen muss. Wobei schwer getroffen eine unsichere Aussage ist, denn der Herr von Haus Odaga, Seizo Odaga, steht im Verdacht, die Angriffe zu inszenieren, um Haus Kurita zum Eingreifen zu zwingen, Truppen nach Darius zu entsenden und damit große Truppenteile der Odagas freizumachen, mit denen er zum Beispiel seinen Einfluss auf der gemeinsam gehaltenen Welt, Sulafat, erweitern könnte. Oder ganz ausbauen. Der Mann ist ein alter Hardliner, der mehr als einen direkten Verwandten an die Clans und speziell an die Geisterbären verloren hat. Der Gedanke liegt nahe, dass er einen Rachefeldzug losbrechen will. Recht ambitioniert für den Herrscher von anderthalb Planeten. Kein Tiefschlag beabsichtigt, Germaine.“
Danton schnaubte amüsiert bei diesen Worten. „Keinen Tiefschlag registriert.“

„Schlussendlich spielt noch ein gewisser Faktor eine Rolle. Seizo Odaga ist der Ziehvater eines gewissen Sho-sa Kenda, der vor knapp vier Jahren seinen persönlichen Rachefeldzug gegen Clan Geisterbär unternommen hat, bis er von den Chevaliers gestoppt wurde. Hätte ich das früher gewusst, hätte ich natürlich nicht die Höllenhunde ausgesucht.“ Er lächelte schmallippig. „Nun, die Höllenhunde sollen tatsächlich nur Untersuchungen anstellen, um den wahren Täter zu ermitteln, und, wenn es möglich ist, den Auftraggeber. Aber im Moment wirkt es so, als würde eine unbekannte Fraktion alles in ihrer Kraft stehende in Gang setzen, um die Höllenhunde zu schwächen. Gezielt zu schwächen. Und Rache wäre ein recht simples, leicht verständliches Motiv.“
Copycat nickte heftig. „In der Tat.“
„Alles in allem denke ich, dass wir es nicht mit sporadischen Einzelfällen zu tun haben, sondern mit gezielten Aktionen. Auch die Versuche, die Einsatzbereitschaft der Höllenhunde zu beschneiden, ist ganz klar eine Kollaboration. Leider kann ich nur meine schützende Hand über die Höllenhunde halten, denn nach ComStar-Statuten ist eine verstärkte Kompanie mit Luftunterstützung wie die Höllenhunde mehr als genug, um gegen den festgestellten Gegner notfalls anzutreten. Ich kann also keine weitere Einheit locker machen, um Scharnhorst zu unterstützen. Zudem habe ich auch keine Beweise, nur Indizien und Vermutungen. Davon aber eine ganze Menge.“
Lockwell schnaubte leise aus. „Mehr kann ich von dieser Seite aus nicht tun, bevor die Höllenhunde nicht übelst zusammengeschossen werden, was eine größere Intervention ermöglichen würde. Aber ich denke, dann könnte es schon ein wenig spät sein. Das ist eigentlich schon alles, was ich sagen wollte. Ich kann und darf hier keinerlei Empfehlungen aussprechen. Ich kann dich, Germaine, nur über meinen derzeitigen Wissensstand informieren. Aber, das muss ich betonen, auch wenn die Höllenhunde derzeit selbstständig sind, auf dem Papier, sie tragen immer noch deinen Namen.
Demi-Präzentor VIII Hamish Lockwell Ende.“
Der Bildschirm wechselte wieder auf das ComStar-Logo und ließ drei irritierte Menschen zurück.
„Und was nun?“, fragte Jara.
Copeland nickte. „Ja, was nun?“
Germaine Danton lehnte sich zurück und verschränkte die Arme ineinander. „Das ist eure Entscheidung, Jara, Harry.“

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Wayside V, Dantonville
Kasernengelände der Dantons Chevaliers
7. April 3067, 23:45 Uhr

„Das ist eure Entscheidung, Jara, Harry.“
Germaine Dantons Worte hingen schwer und drohend im Raum. Die beiden aktiven Chevaliers gingen unterschiedlich damit um. Während Copeland leicht vornübergebeugt auf einem Stuhl saß und sich mit der rechten Hand die Nasenwurzel massierte, hatte Jara begonnen, unruhig im Raum auf und ab zu laufen. In ihr brodelte eine gefährliche Mischung aus Tatendrang, Wut und allgemeiner Unruhe, die es ihr sehr schwer machte, einen klaren Gedanken zu fassen.
Schließlich tat sie etwas, womit die beiden Männer vermutlich nicht gerechnet hatten. Sie kramte kurz in einem kleinen Schrank herum und kam mit einer Flasche und drei Schnapsgläsern zurück. Stumm schenkte sie jedem von der klaren Flüssigkeit ein, stellte die Flasche auf den Tisch ohne sie zu verschließen und hob ihr Glas. „Wodka“, erklärte sie entschuldigend. „Ich weiß, ihr trinkt lieber Whisky, aber ich habe gerade keinen da.“
„Das hier tut es auch.“ Copeland hob sein Glas und betrachtete die klare Flüssigkeit darin nachdenklich. Er wusste vermutlich ebenso wie Germaine, dass es gerade nicht darum ging, sich zu betrinken oder ein herausragendes Genusserlebnis zu haben, sondern einen Fokus zu finden, ein Ritual auszuführen, um dabei den Kopf wieder frei zu bekommen.
Germaine schmunzelte, als auch er nach dem Schnaps griff: „Das ist vermutlich das erste Mal, dass du mir den Alkohol vorsetzt, Jara.“
„Die Zeiten ändern sich…“, sinnierte Copeland.
„… und wir uns mit ihnen. Prost!“, vervollständigte die blonde Söldnerin und leerte ihr Glas in einem Zug.
Kurz schloss sie die Augen und genoss das kribbelnde Brennen, als der harte Alkohol ihre Kehle hinab floss. Sie gönnte sich zwei tiefe Atemzüge, dann schlug sie die Augen wieder auf und setzte sich zu den Männern an den Tisch.
„Als ich die Nachricht das erste Mal angesehen habe, wollte ich sofort den Marschbefehl geben“, gab sie zu. „Ich hatte gehofft, beim zweiten Mal irgendetwas in der Ansprache zu finden, was mich anders denken ließe.“
„Das scheint nicht der Fall zu sein“, folgerte Copeland.
Jara schüttelte den Kopf: „Ist es nicht. Germaine, wie gut kennst du den Demi-Präzentor?“
„Gut genug, um dir zu versichern, dass er erstens wirklich ernsthaft besorgt ist und zweitens genug Erfahrung hat, um solche Situationen korrekt einschätzen zu können. Lockwell ist kein Mensch, der schnell beunruhigt ist.“
„Dann müssen wir den Höllenhunden helfen“, sagte Jara.
„Die Höllenhunde können sehr gut auf sich selbst aufpassen“, widersprach Copeland. „Ich habe Manfred Scharnhorst zwar nicht persönlich kennengelernt, aber nach allem, was ich von ihm gehört und gelesen habe, ist er ein fähiger Offizier mit Umsicht und ausreichender Erfahrung.“
„Ja. Aber ein Bataillon, noch dazu mit diesem Organisierungsgrad, exzellenter Aufklärung und gut eingespielten Soldaten ist eine eigene Hausnummer. Wir reden hier von einer Einheit, die bisher ungestraft einen ganzen Sektor auf Trab hält.“
„Und dann? Weißt du, wie viele Sprünge eine Entsatzeinheit bräuchte? Und wir lange die Transportkapazitäten der Chevaliers gebunden wären? Ganz davon abgesehen, dass diese Truppe möglicherweise viel zu spät ins Geschehen eingreifen kann.“
„Wenn wir die Sprünge vernünftig planen und gute Sprungpunkte finden, dann können wir in ein paar Wochen da sein. Dann muss Scharnhorst gar nicht viel machen, außer zusätzlichem Ärger aus dem Weg zu gehen und seine Truppe zusammenzuhalten.“
„Und dann?“
„Dann hauen wir ihn da raus, packen uns diese Phantomtruppe und finden raus, warum die es auf die Höllenhunde abgesehen haben. Und damit auch auf uns. Ein Angriff auf einen Höllenhund ist auch ein Angriff auf alle Chevaliers.“
Copeland sah Jara einen Moment an und stellte dann die Frage, die unweigerlich kommen musste: „Und wovon willst du das bezahlen?“
Verzweifelt stützte die Söldnerin ihren Kopf in die Hand und rieb sich die Stirn, wie um den Knoten in ihren Gedanken zu lösen und einen brillanten Einfall zu erzwingen. „Also bist du dagegen?“, fragte sie schließlich leise.
„Am Ende ist es deine Entscheidung“, gab Copeland zurück. „Ich verstehe deinen Wunsch, die Höllenhunde zu retten, aber ich muss dich auch auf die Gefahren und Probleme hinweisen, die damit zu tun haben.“
„Willst du die Höllenhunde retten oder nicht?“
„Zum Teufel, natürlich will ich. Aber wir müssen es bezahlen können, sonst sucht sich die Hälfte der Einheit einen neuen Arbeitgeber. Nämlich mindestens alle die Chevaliers, die erst nach der Trennung von Scharnhorsts Truppe dazugekommen sind und keine persönliche Bindung zu ihren Brüdern und Schwestern haben.“
„So wie du?“
„Ja“, gab er zu, „so wie ich. Aber ich habe vor zu bleiben. Und ich denke, hier stehen nicht nur die Leben von Kameraden auf dem Spiel, sondern vor allem auch unsere Reputation. Die Chevaliers haben sich Treue und Loyalität wie kaum eine zweite Einheit auf die Fahne geschrieben und wir stehen völlig ohne Identität da, wenn wir jetzt einen Teil der… Familie im Stich lassen.“
„Aber wir können uns die Rettungsmission nicht leisten…“ Jara war enttäuscht. Sie kannte die Zahlen, sie konnte es grob überschlagen und sie wusste, selbst mit allen Rücklagen und selbst wenn sie Bergegut sehr großzügig vorkalkulierte, würde das Geld nicht reichen, um einen ausreichend großen Teil der Chevaliers in Marsch zu setzen.“
„Da ihr offensichtlich eine Entscheidung getroffen habt, darf ich mich vielleicht kurz einmischen“, meldete sich Germaine zu Wort, der lange Zeit geschwiegen hatte. „Ich bin ja amüsanterweise mittlerweile im Adelsstand und nach diversen Boni und Prämienzahlungen und der Abrechnung von Schlachtbeute, Grundsteuern und diesem ganzen finanziellen Kram, denke ich, dass ich euch meine Hilfe anbieten kann.“
„Du bezahlst?“, fragten Copeland und Jara wie aus einem Mund.
„Ich wollte schon immer mal meine eigene Einheit unter Vertrag nehmen“, grinste der Graf sein spitzbübisches Grinsen.
Jara, die innerhalb von Augenblicken von Verbitterung zu Tatendrang gewechselt hatte, begann Zahlen und Namen in ihrem Kopf zu jonglieren: „Wie viel kannst du entbehren? Genug für eine Kompanie Mechs und entsprechende Unterstützung?“
Germaines Grinsen wurde noch breiter und er schenkte Wodka nach: „Ich dachte eigentlich an das ganze verdammte Regiment.“

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15.11.2016 01:29 Thorsten Kerensky ist offline E-Mail an Thorsten Kerensky senden Beiträge von Thorsten Kerensky suchen Nehmen Sie Thorsten Kerensky in Ihre Freundesliste auf
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Während die Crying Freedom die Atmosphäre von Tukkayyid verließ, um die Höllenhunde in ihr Missionsgebiet zu bringen, kam es wie versprochen zur ersten Konferenz mit den Teileinheitsführern. Zusammen waren das zwanzig Leute aus allen Teilbereichen der Höllenhunde, von der Panzerabteilung bis hin zur Küche. Manfred Scharnhorst hätte von sich aus nie die nichtmilitärischen Anführer eingeladen, aber er hatte es sich bei Germaine abgeschaut, und bei den Chevaliers hatte es sehr gut funktioniert, wenn alle auf dem gleichen Informationslevel waren.

Den Anfang machte der Computerspezialist Willem Kleinweich, der einen kurzen Bericht über die versuchten Einbrüche in das interne Computernetzwerk der Höllenhunde abgab. Dieser stieß nicht auf allzu tiefes Verständnis, weil Computer, zum Beispiel K3-Einheiten in vernetzten Einheiten, noch nicht den Sprung bis zu allen Soldaten geschafft hatten. Und, weil sich der Bordcomputer eines Panzers in seinem engen Betätigungsfeld doch sehr von den Möglichkeiten eines normalen Verwaltungscomputers unterschied. Eine entsprechende Nachrüstung oder Schulung der Leute stand außer Frage; was immer sie über ihre eigenen Computer wissen mussten und wie sie diese im Kampf einsetzten, reichte als Wissen vollkommen aus. Aber zumindest blieb bei allen Offizieren hängen, dass sie infiltriert und angegriffen worden waren. Nur halt im Cyberspace, nicht in der realen Welt. Zugegeben, die neueste Staffel des Ewigen Kriegers, der in eben diesem Cyberspace erbitterte Kämpfe mit der Clanswacht erlebte, hatte dazu beigetragen, zumindest ein wenig Ahnung, aber auch jede Menge Klischees in die Köpfe der Menschen zu pflanzen.
„Dazu“, führte Scharnhorst weiter aus, „kommen unsere Bestellungsprobleme auf den drei Zielwelten, auf denen wir unsere Untersuchung beginnen und hoffentlich auch abschließen werden. Es besteht kein Zweifel: Jemand hat uns auf dem Kieker.“
„Frage“, sagte James Battaglini, der stellvertretende Chef der Panzer, „hat Andrew es geschafft, den Infiltrator zu stellen oder wenigstens zu identifizieren?“
„Andrew?“
Der großgewachsene Infanterist, von dem wohlmeinende Zungen behaupteten, er müsse den einen oder anderen Elementare in seiner Ahnenreihe haben, räusperte sich vernehmlich. „Ja und nein. Oder vielmehr nein und ja. Wir konnten ihn nicht auf frischer Tat ertappen, aber es ist uns gelungen, ihn zu identifizieren. Wir haben unser Wissen ROM übergeben, und seither haben wir nichts weiter gehört. Er oder vielmehr sie war eine der Reinigungskräfte im HQ. Sie wurde uns neu zugeteilt. Da wir annehmen, dass sie unsere Hackerin ist, hat sie sich höchstwahrscheinlich selbst zugeteilt. Und als die Fahndung nach ihr ausgeschrieben wurde, per Computernetz, hat sie die Zeichen der Zeit erkannt und ist stiften gegangen. Hier ein Foto.“ Hinter Scharnhorst wurde ein Bild an die Wand projiziert. Es zeigte eine ältere Dame um die Sechzig, die ein klein wenig zu viel Solarium in ihrem Leben genossen hatte. Auch andere Genüsse, vor allem Kuchen, hatten Spuren hinterlassen, die nicht zu übersehen waren. Captain Ross, Kommandeur der Doppelrotte Luft/Raum-Jäger, ausgeliehen von ARDC, hob indigniert eine Augenbraue. „Versteht mich nicht falsch, aber sollte eine Infiltrationsagentin nicht... Heißer sein? Oder zumindest jünger? Dieser Lady traue ich bestenfalls zu, dass sie mich überfüttert oder mir eine heiße Suppe kocht.“
Lane verdrehte leicht die Augen. „Gewöhnen Sie sich dran, Bligh. Das Geheimdienstgeschäft ist ein wenig anders als Ihre Trivid-Serien.“
„Sieht ganz so aus. Wir haben sie also nicht erwischt. Daher wissen wir auch nichts über ihre Auftraggeber, oder doch?“
Andrew Lane sah kurz zu Scharnhorst. „Soll ich?“
„Dafür sind wir hier, Andrew.“
„Also gut. Was ich Ihnen allen jetzt mitteile, bleibt in diesem Raum. Sagen Sie nichts Ihren Leuten. Wir haben eigene Ermittlungen begonnen, und ich will nicht, dass sie durch übereifrige freiwillige Helfer beeinträchtigt werden. Also, soweit wir es feststellen konnten, stammt die besagte Frau, Ingrid Angström, aus der Liga Freier Welten.“
„Was bedeutet, in Wirklichkeit kommt sie aus dem Draconis-Kombinat“, schloss Bishop, der Pionier.
„So in etwa. Wir schließen auf jeden Fall die Clanswacht fast gänzlich aus, obwohl sie bereits etliche Leute in ihren Reihen hat, die das Leben in der Inneren Sphäre recht gut kennen. Gehen wir davon aus, dass Frau Angström tatsächlich Kuritanerin ist und dass ihr Auftraggeber im Kurita-Raum zu suchen sein könnte. Das könnte für uns problematisch werden. Dies könnte ein Hinweis auf jene Piraten sein, die im Geisterbärenraum marodieren.“
„Oder auf den Schwarzen Drachen. Mit dem haben wir uns ja indirekt angelegt, als wir Kenda hochgenommen haben“, warf Helene Angström ein, die Kommandeurin der Artillerielanze der 2. Kompanie. Ihre Augenbrauen waren schon die Stirn hochgewandert, als sie den Nachnamen der Agentin erfahren hatte. Nun aber schien sie sichtlich verärgert.
„Möglich. Es kann aber auch sein, dass wir das nur denken sollen“, warf Scharnhorst ein. „Das Agentengeschäft ist eine Geschichte von Täuschung, Gegentäuschung und Selbsttäuschung. Tatsache ist, jemand ist bereit, Geld zu investieren, um uns das Leben schwer zu machen. Und das bedeutet, dass ich kein unnötiges Risiko eingehe und diesen Tatbestand ignoriere.“ Er nahm einen Schluck Kaffee aus der Tasse vor sich. „Also gehen Sie alle davon aus, dass es womöglich weitere Infiltratoren bei den Höllenhunden gibt. Aber wie gesagt, behalten Sie das für sich.“
Als ein Dutzend Hände in die Höhe schossen, wehrte er mit beiden Händen ab. „Ich sagte nicht, dass wir Beweise oder auch nur Hinweise hätten. Es besteht nur ein Verdacht, und ich möchte, dass Ihr alle ein wenig die Augen offen haltet. Auch auf Vorgänge wie mit Martinez. Danny?“
Der angesprochene dienstälteste SeniorTech (MeisterTech war er nicht, weil die Höllenhunde noch immer zu den Chevaliers gehörten und es nur einen MeisterTech geben konnte) räusperte sich kurz. „Einer meiner Jungs ist an drei Agenten geraten. Haben ihn beim Vierer-Drax ordentlich gewinnen lassen, ihn betrunken gemacht und dann ausgehorcht. Ich fürchte, der arme Junge war sehr leutselig und hat einiges über die Panzer der 1. Kompanie erzählt. Wir können von Glück sagen, dass Martinez nur an der Scoutlanze arbeitet und daher nicht viel über die anderen beiden Lanzen zu berichten wusste. Kein wirklicher Schaden entstanden, bisher.“
„Und das ist, was ich meine. Schärft euren Leuten noch mal die Regeln der Gegenspionage ein. Gerade jetzt, wenn wir mitten ins Feindesland aufbrechen.“
Angus McIntire, der Chef des Verpflegungsstabs, hob beide Augenbrauen. „Feindesland?“
„Damit sind wir genau beim Thema.“

Manfred erhob sich und trat zum großen Bildschirm hinter sich. „Kommen wir zur eigentlichen Einsatzbesprechung. Wie ich schon sagte, müssen wir mit Ärger rechnen. Ähnlich wie damals bei Anatoli Kenda weiß jemand, der uns nicht wohlgesonnen ist, dass wir kommen. Nein, James, ich sehe wenig Chancen, die gleiche Nummer wie damals bei Kenda durchzuziehen und unserem Gegner unsererseits eine Falle zu stellen, da wir noch lange nicht wissen, wer uns da belauscht. Es gibt zu viele Möglichkeiten. Aber kommen wir zur Basis.“ Er deutete auf die Mappen, die vor jedem Anwesenden auf dem Tisch lagen. „Die beiden Einheiten, wegen denen wir ausrücken. Das eine ist eine reine Bodeneinheit ungefähr von der Größe einer Binärnova, also höchstens zehn Mechs, leichte bis mittelschwere, mit einer unbekannten Anzahl an Elementare. Eigenes Landungsschiff, eigenes Sprungschiff. Die Einzelheiten entnehmt bitte dem Dossier. Die andere Einheit, die auf Bärchengebiet ihr Unwesen treibt, ist vor allem eine Luft/Raum-Einheit. Stärke etwa eine Staffel. Mittelschwere und schwere Maschinen, keine überschweren. Auch eigener Lander, eigenes Sprungschiff. Es gibt Gerüchte, beziehungsweise Vermutungen vom Demi Lockwell, dass es sich um ein und dieselbe Einheit handelt, die mit ihren Aktionen auf beiden Seiten der Grenze den Dominion-Kurita-Krieg wieder aufleben lassen will. Was nur allzu leicht fallen sollte. Was spricht dagegen? Teile des Einsatzgebiets auf Dominion-Seite sind vom Einsatzgebiet auf Drac-Seite zwei Sprünge entfernt, was sowohl den Anmarsch, als auch den Abmarsch riskant macht.
Was dafür spricht: Bei den Bärchen werden Jäger eingesetzt, bei den Dracs Mechs. Wenn jemand derart bemüht ist, für jeden identifizierbar zu machen, dass eine Einheit, die Kurita angegriffen hat, nicht gegen das Dominion eingesetzt wird, ist da was faul dran.“
„Wie faul, Chef?“
„Nun, James, sehr faul, würde ich sagen. Außerdem unterscheidet sich das Einsatzmuster erheblich. Die Raider auf Bärchengebiet sind eine reine Seek&Destroy-Truppe. Sie greifen an, richten größtmöglichen Schaden an und verschwinden wieder. Sie kommen wie Schatten und gehen wie Schatten.“
„Was wohl daran liegt“, meldete sich Doktor Malossi, der Chefarzt, zu Wort, „dass die Geisterbären nicht die Phantasievollsten sind. Es reicht vollkommen, ihnen ihr Spielzeug wegzunehmen, um sie zu provozieren. Sie brauchen nicht unbedingt ein Gesicht, um darauf loszugehen. Eine grobe Richtung reicht ihnen.“
Jemand ließ ein leises „wie wahr, wie wahr“ hören.
„Möglich“, kommentierte Scharnhorst. „Darum gehen die Piraten auf Kurita-Seite wohl auch anders vor. Sie kommen und zerstören, aber sie plündern auch. Bei größerem Widerstand neigen sie dazu, ah, Kollateralschaden zu verursachen. Bei einem Angriff auf eine Fabrik wurden sie aus der nahen Arbeiterortschaft angegriffen. Als Antwort haben sie den Ort evakuiert und anschließend dem Erdboden gleich gemacht. Dabei treten sie naturgemäß so auf, als seien sie Clanner.“
„Als seien sie Clanner?“, echote Lieutenant Sweetmaker.
„Sie suchen den Kontakt mit der Bevölkerung, sprechen gebrochenes Japanisch und statuieren clansähnliche Exempel. Das ist zu clannerisch, als dass sie echt sein könnten“, erwiderte Scharnhorst. „Ich will es allerdings nicht ausschließen. Und genau dafür sind wir ja auf dem Weg.“
Zustimmendes Gemurmel erklang.

„Kommen wir zum Einsatzgebiet. Wir werden uns zuerst um die Drac-Seite kümmern und anschließend um die Geisterbärenseite. Unser Auftrag lautet noch immer, die Drahtzieher, Geldgeber oder dergleichen zu enttarnen. Kämpfen sollen wir nur, wenn wir die Aussicht darauf haben, den Gegner zu erwischen und ihn zu besiegen. Der Demi war da sehr deutlich. Wenn man so will, sind wir eine schwer bewaffnete Kripo-Einheit, die Spuren und Indizien sichern soll.
Das Einsatzgebiet: Der Planet Darius hat bisher drei Angriffe unterschiedlicher Stärke erlebt, darunter jener auf die Fabrik. Dabei starben nicht nur Kombattanten, sondern auch Zivilisten. Die planetare Bevölkerung beträgt fünfzehn Millionen, regiert wird der Planet von einem Grafen, Seizo Odaga und seinem Haus. Er gilt als harter Herrscher, aber einigermaßen gerecht. Planet, Herrscher und Bevölkerung haben einen gewissen Wohlstand, der sie deshalb zum Ziel macht. Seizo Odaga ist nicht sehr erfreut über unsere baldige Ankunft und schreit seinen Ärger und vor allem seinen Wunsch nach einer VSDK-Garnison munter in die Welt. Da das aber eine Provokation der Geisterbären bedeutet, kommen zuerst wir als ComStar-Söldner, um Untersuchungen durchzuführen. Haus Odaga hat eine durchaus beeindruckende Liste an Kriegsteilnahmen, sowohl im 3. als auch im 4. Nachfolgekrieg. Seizo Odaga hat sowohl Vater als auch Großvater in diesen Kriegen verloren. Beim Krieg gegen die Clans fielen auch seine beiden Söhne. Im Moment ist Anatoli Tanigaki sein offizieller Erbe. Inoffiziell heißt es, er wäre der nicht anerkannte Sohn einer früheren Mätresse des Grafen und damit die Frucht seiner Lenden.“
„Anatoli?“ Battaglini schüttelte sich. „Schlechter Name in diesem Teil des Drac-Raums.“
Scharnhorst grinste schief. „Falls Sie auf Anatoli Kenda anspielen, James, so haben Sie keine Ahnung. Wir sind nicht nur lediglich drei Sprünge von unserem ehemaligen Einsatzgebiet entfernt, in dem Kenda damals angeblich auf eigene Rechnung gewütet hat, er ist für Haus Odaga auch kein Unbekannter. Er und der alte Seizo sind, oder vielmehr waren Militärkumpels aus dem 4. Nachfolgekrieg und auch aus dem Clankrieg. Er ging mehr oder weniger auf Schloss Odaga ein und aus. Apropos Schloss Odaga. In den Akten findet sich ein Bericht zur planetaren Hauptstadt und zum Schloss selbst.“
Jemand pfiff anerkennend. „Nette Bunkeranlage. Nicht mal die Clans könnten die so ohne weiteres knacken. Schon gar nicht mit einem Direktabwurf über dem Schloss selbst, wie die Grünhühner in der Allianz.“
Manfred verbiss sich jeden Kommentar über den Jadefalken-Steiner-Krieg. Seines Erachtens hatte Lieutenant Sweetmaker vollkommen Recht. Sich in einer Igelstellung dadurch ausschalten zu lassen, dass zwei Sterne Elementare auf einen herabregneten, war eine unglaubliche Dummheit oder Unfähigkeit des Steiner-Kommandeurs gewesen. Eventuell beides. Das Manöver hatte traurige Berühmtheit erlangt. Nun, auf der IS-Seite wohl.
„Es geht nicht um die Bunkeranlage per se“, korrigierte er. „Wir haben nicht vor, diese Anlage auch nur anzuknacksen. Aber die schlechte Laune, die Seizo uns gegenüber verspürt, rührt wohl auch daher, dass wir Anatoli erledigt haben. Der Demi meinte, Kenda wäre der Ziehsohn Odagas, aber er versteht zu wenig von den draconischen Sitten. Ich denke, bevor Odaga Kenda öffentlich abschwören musste, war dieser ein fester Teil des Odaga-Haushalts und konnte ein und aus gehen, wie immer es ihm beliebte. Die enge Verbindung zwischen den beiden wird durchaus am Namen seines Bastards deutlich.“
Der Malosser sah auf. „Mit anderen Worten: Offiziell kann er uns gar nichts, aber inoffiziell könnte er versuchen, uns zu triezen.“
„Das steht zu befürchten. Andrew?“
„Sicher. Ladies und Gentlemen, ab hier wird es interessant. Naturgemäß verfügen wir über alle Fakten und alle Geheimdienstberichte, die auch ComStar über diesen Planeten und diesen Herrscher hat. Wir wissen nicht, wer die Angreifer sind, aber angenommen, nur angenommen, Haus Odaga bezahlt die vermeintlichen Clanner, und, falls sie tatsächlich zusammengehören, auch die Luft/Raum-Jäger auf Clangebiet, dann lässt Haus Odaga sich das sehr viel kosten. Sowohl die materiellen als auch die personellen Verluste sind sehr hoch.“
„Dann müsste der olle Drac doch froh sein, dass wir kommen und zumindest versuchen, die Piraten zu stellen“, schloss Battaglini.
„Sollte man annehmen. Die ersten Kommuniqués waren in der Hinsicht aber nicht sehr ermutigend“, sagte Scharnhorst. „Es ist besser, auf Darius besonders vorsichtig zu sein und den Leuten keinen Ausgang zu gewähren. Es gibt wahrscheinlich etliche Sympathisanten der Ronin auf dieser Welt, wenn nicht Odaga mehr oder weniger offen gegen uns arbeiten wird. Eher weniger, denn da wir den Segen des Koordinators haben, kann er nicht wirklich offen gegen uns vorgehen. Und da er sich von Kenda lossagen musste, darf er uns offiziell nicht dafür hassen, dass wir ihn zur Strecke gebracht haben.“
„Komplizierte Scheiße“, murmelte Ross.

„Es kommt noch besser. Andrew?“
„Der zweite Planet auf unserer Liste ist Numki, etwa zwölf Millionen Bewohner. Regiert wird der Planet, der ebenfalls als eher wohlhabend anzusehen ist, von Haus Shimatze. Eine pikante Geschichte, denn Lord Shimatze ist seit zwei Jahren verstorben, wohl durch einen Unfall. Zumindest behauptet das Haus Shimatze. Sein Sohn Hanzo ist noch nicht volljährig, soll aber mit achtzehn die Regentschaft übernehmen. Die Berater seines Vaters trainieren ihn für diese Aufgabe, augenscheinlich mit einem gewissen Erfolg. Im Moment regiert seine Schwester Tomoe den Planeten. Sie hat öffentlich erklärt, den Thron für ihren kleinen Bruder warm zu halten, damit er eine funktionierende Grafschaft übernehmen kann. Aus dem gleichen Grund ist auch kein anderes männliches Mitglied auf diesem Platz gelandet. Tomoe hat sie alle bisher erfolgreich auf Distanz gehalten. Beachtlich dabei ist, dass es ihr überhaupt gelungen ist, denn als alleinregierende Frau hat sie erhebliche Schwierigkeiten, von den anderen Baronen, Grafen und Herzogen für voll genommen zu werden. Sie selbst ist fast zwanzig und unverheiratet. Wohl auch, weil eine Heirat bedeuten würde, dass ihr Ehemann dann neuer planetarer Herrscher werden würde. Und wer weiß, ob Hanzo dann das Erwachsenenalter erreichen würde.“
„Sie hat also alle Hände voll mit sich selbst zu tun“, fügte Lane hinzu. „Eine Ablenkung käme ihr also gerade recht, weshalb sie ebenso wie Haus Odaga als mögliche Drahtzieherin gilt. Als mögliche, möchte ich noch mal betonen, weil einem diese Details direkt ins Auge springen. Wir behalten sie deshalb im Hinterkopf und suchen nach Beweisen. Denn nur, weil jemand ein Motiv hat, heißt es nicht, dass er es getan hat. Alte Detektiv-Weisheit.“
Leises Gelächter klang auf.
„Aber vermutlich ist sie nur froh, wenn die ganze Geschichte für sie vorbei ist. Ihre ersten Kommuniqués waren auch deutlich freundlicher, ja, geradezu freudig. Ihr Planet wurde bisher nur einmal angegriffen, und der Feind, eine Lanze mittelschwerer ClansMechs, wurde noch auf dem Anmarschweg bei einer irrationalen Patrouille entdeckt und bombardiert, bevor diese Schaden anrichten konnte.“
„Irrational?“
„Irrational, Miss Angström. Haus Shimatze hat seine Patrouillen zum Schutz des Planeten nach einem willkürlichen Muster festgelegt, das auch kurzfristig geändert werden kann, weil die Familie inoffiziell fürchtet, unterwandert zu sein und an die Piraten verraten zu werden. Der Erfolg der Patrouille bei eben dieser irrationalen Patrouille gibt ihr Recht. Dem Anschein nach.“
„Aber wir wollen uns nicht darauf beschränken, Haus Odaga oder Haus Shimatze vorab die Schuld zuzuschustern. Das wäre blauäugig“, erläuterte Scharnhorst. „Wir können es tatsächlich mit Clannern zu tun haben, Schwarzkastlern zum Beispiel. Oder aber, es gibt eine weitere Gruppe Adliger auf Kombinatsseite, die hier mitspielen und es auch tun. Dafür spricht, dass auch Haus Shimatze eine VSDK-Garnison einfordert, aber nicht bekommt.“
„Was spricht denn für eine oder mehrere weitere Gruppen?“, fragte Malossi.
„Dies hier.“ Scharnhorst deutete hinter sich, wo nun deutlich sichtbar ein Planet abgebildet wurde. „Sulafat. Ursprünglich ein eigenständiger Planet, dreißig Millionen Einwohner. Sauerstoffwelt, aber sehr lebensfeindlich. Kaum Landmasse, und wo Land ist, ist es ein brodelnder Dschungel. Das aber macht den Reichtum der Welt aus. Ein Drittel aller Biogrundstoffe im Umkreis von dreißig Lichtjahren kommen von Sulafat. Etliche Weiterverarbeitungsbetriebe auf Numki und Darius sind auf Lieferungen von Sulafat angewiesen.“
„Uff“, machte Battaglini. „Dann sollten wir schauen, ob nicht eines der beiden Häuser die Hand auf diese Welt zu legen versucht, und die Angriffe sollen nur den Boden für eine Okkupation bereiten.“
„Du hinkst hinterher, aber das kannst du ja nicht wissen“, sagte Scharnhorst grinsend. „Tatsächlich wurde der Planet von Haus Imagawa regiert. Eine Steuererhöhung, um die starken Verluste seiner Haustruppen im Clankrieg auszugleichen, führte zu einem Aufstand, dem angeblich alle Mitglieder der Familie zu Opfern machte. Odaga und Shimatze, die legitime Interessen an der Welt haben, intervenierten damals und befriedeten Sulafat in einer heftigen und sehr blutigen Polizei-Aktion. Seither gelten beide Häuser als planetare Schutzmacht, und das Amt des hiesigen Grafen ist vakant. Das wird auch so bleiben, so lange sich die beiden Häuser diese Welt teilen. Und daran wird keiner der beiden rütteln, denn zwei Häuser bedeutet auch, dass doppelt so viele Schutztruppen stationiert werden können. Wie schon gesagt, die Welt ist ein brodelnder Dschungel, der eine gewisse Oberschicht sehr reich gemacht hat, und nun viel Geld an Odaga und Shimatze abliefert. Ein Schatzplanet, den beide Häuser mehr oder weniger kooperativ gemeinsam verteidigen.“ Scharnhorst sah ins Rund. „Machen wir uns nichts vor: Die Angreifer sind eine relativ kleine Gruppe, die von einem potenten Geldgeber problemlos aufgestellt werden kann. Von einem Geldgeber, der die richtigen, verschwiegenen Leute bezahlen kann, und sowohl auf Numki als auch auf Darius ein eigenes Agentennetz unterhält.“
„Was uns wieder zur Clanseite bringt“, sagte Battaglini.
„Nein.“
„Nein?“
„Nein. Entweder, die Sache erledigt sich, indem wir uns um die Clanner auf Kurita-Seite kümmern, oder wir nehmen uns der Sache hinterher an. Wir konzentrieren uns auf diese drei Planeten und sehen zu, was wir herausbekommen. Die Möglichkeit, dass wir dennoch mit dem Gerät beider Piratengruppen zugleich konfrontiert werden können, behalten wir natürlich immer im Hinterkopf. Auch die Möglichkeit, dass Haus Shimatze oder Haus Odaga, oder beide, uns mit ihren Haustruppen attackieren, natürlich auch, egal wie unwahrscheinlich das klingt. Angaben zu diesen Einheiten sowie Karten der drei Planeten liegen den Mappen bei. Fragen?“
Mike McLoyd, Höllenhund der ersten Stunde, sah auf. „Was ist mit den Hintermännern, der möglichen dritten Partei? Was, wenn die Kontrolle über Sulafat das Ziel ist, und es eine noch größere Truppe gibt, die über uns herfallen kann?“
„Ja, was ist, wenn ein Herzog, oder gar der Kriegsherr des Distrikts selbst diese Welt haben kann, wenn sie so bedeutend ist? Die Bevölkerung könnte da willig mithelfen, wie man am Aufstand gegen die eigenen Herrscher sieht“, warf Angström ein. „Außer natürlich, die beiden Häuser Odaga und Shimatze haben gewaltige Verbesserungen etabliert. Odaga soll ja streng, aber gerecht sein, und Shimatze ist laut dieser Akte eher liberal.“
„Unser Auftrag lautet, nur dann gegen die Piraten und Hintermänner aktiv zu werden, wenn wir es uns leisten können“, beschwichtigte Scharnhorst. „Viel wichtiger ist dann, die richtige Information an die richtige Adresse zu liefern und als Einheit zu überleben, als ein Last Man Standing oder etwas in der Art.“
„Falls wir rechtzeitig davon kommen“, murrte jemand.
„Ja, falls. Es gibt zugegeben viele Fragezeichen in diesem Fall, und genau deshalb schickt der Demi uns ja auch aus.“ Manfred sah erneut ins Rund. „Weitere Fragen?“
„Die Kommuniqués von Tomoe-chan waren freundlicher?“, fragte Mike.
„Gräfin Tomoe Shimatzu“, sagte Scharnhorst belehrend, „freut sich sehr über unsere baldige Ankunft und verspricht uneingeschränkte Kooperation, um die Gefahr für ihre Schutzbefohlenen zu beseitigen. Haus Odaga hat auch volle Kooperation zugesichert, aber in etwa im gleichen Ton, in dem ein Gesunder aufgefordert wird, einem Leprakranken die Hand zu geben. Falls jemand nicht weiß, was Lepra ist, dann hat er in der Schule nicht aufgepasst.“
Bensch hob die Hand. „Sag mal, Manne, hilft es uns denn eigentlich, dass wir – ja jetzt nicht mehr offiziell, aber eben doch irgendwie – einen waschechten draconischen Grafen als Befehlshaber haben?“
„Ich sage mal, zumindest schadet es nicht besonders. Dazu müsst Ihr verstehen, dass schon Herzog Mamoru Tenno nicht wohlgelitten ist. Ace Kaiser genießt ein hohes Ansehen im Haus Kurita und hat sich mit der Verteidigung von Wayside V einen erheblichen Namen gemacht. Aber er ist, und das noch immer, ein Söldner, und viele der alten Dracs klammern sich immer noch an den Tod allen Söldnern-Befehl von Takashi Kurita. Dass dieser Kaiser nun Germaine zum Grafen auf seiner Welt gemacht hat, egal wie viel die Grafschaft wirklich wert ist und egal wie weit sie von eigentlichen Drac-Raum weg ist, spielt da keine Rolle. Unser Befehlshaber ist also nicht nur ein Emporkömmling als Adliger, er ist auch noch Ausländer und Söldner. Ihm gegenüber wird das niemand je laut aussprechen. Aber eine Etage tiefer, bei uns, wird das sicher zur Sprache kommen.“
„Und das bedeutet für uns?“
„Stock und Stein bricht mir ein Bein, aber Worte tun mir nicht weh.“
„Das heißt, wir sollen Germaine beleidigen lassen und so tun, als würden wir es nicht hören?“
„Nein, Danny. Ihr sollt nur weghören. Sollte jemand Germaine oder gar Kaiser ganz offen und direkt beleidigen, dann ist das ein offizieller Angriff, und den werden wir als treue Gefolgsleute entsprechend beantworten. Weitere Fragen? Keine? Gut, dann kriegt Ihr alle Hausaufgaben. Die Akte wird studiert bis wir am Sprungschiff andocken. Jeder macht sich mit den Karten und den Geheimdienstberichten über die drei Welten vertraut. Währenddessen versuche ich weiteres Material über eine mögliche dritte Partei zu bekommen, die auf Drac-Seite mitmischt. Eventuell haben wir es mit den Schwarzen Drachen oder einer ähnlichen Gruppe zu tun. Man weiß es nicht. Vielleicht ist es auch tatsächlich ein gieriger Herzog oder ein Kriegsherr, der sich selbst übernimmt. Und ich nutze unsere Geisterbären-Kontakte, um schon mal mehr über das Problem auf der anderen Seite der Grenze zu erfahren, bevor wir rübermachen. Soweit alles klar?“
Die Anwesenden nickten bestätigend.
„Noch eines“, sagte Scharnhorst. „Bei unserer nächsten Stabssitzung werden wir uns über Numki, Darius und Sulafat unterhalten. Wir teilen Operationsgebiete ein, Rückzugs-, und Auffangräume, und bestimmen Last Resorts. Für alle drei Welten. Ich will wie immer, dass wir aus einem Worst Case-Szenario so vollständig wie möglich wieder rauskommen. Denkt immer daran: Wir wurden bereits angegriffen, und dieser Jemand hat großes Interesse daran, sowohl mehr über uns zu erfahren, als auch unseren Nachschub zu stören. Ich möchte nicht wissen, was ihm noch so alles leichtfällt. Immerhin ist dieser Jemand dreist genug, mit einer Binärnova Welten anzugreifen, die von Truppen in Regimentsstärke verteidigt werden. Wer weiß, was da noch nachkommt. Herausfinden möchte ich es eher nicht. Die Sitzung ist geschlossen.“

Die Anwesenden erhoben sich, nahmen ihre Unterlagen und die Akten auf und verließen nach diversen Grüßen den Raum.
Nur Lane und Scharnhorst blieben im Raum.
„Was die andere Sache angeht, Manfred...“
„Ja, Andrew. Es gibt möglicherweise einen Agenten im Bataillon, der uns ausgerechnet jetzt in dieser Situation an genau diese Piraten verrät. Falls es ihn gibt, finde ihn.“
„Und vernichte ihn?“
Manfred grinste. „Und füttere ihn bis zum Brechreiz mit Falschinformationen.“
Lane erwiderte das Grinsen. „Das gefällt mir.“
„Mir auch. Ach, eines noch. Es kann möglich sein, dass wir es wieder mit den Blake-Idioten zu tun haben.“
„Bisschen weit weg für die Liga, oder?“
„Hat sie noch nie abgehalten. Und wir sind ihnen wahrlich hart genug auf die Füße getreten.“
„Die Infiltration auf Tukkayyid spricht leider dafür.“ Lane erhob sich, ging zu Scharnhorst und klopfte ihm auf die Schulter. „Ich werde entsprechende Ermittlungen anstellen.“
„Danke“, sagte Scharnhorst. Aber was er meinte, war: „Danke, dass ich den ganzen Scheiß Ärger, der uns wahrscheinlich bevorsteht und den ich nicht gewollt habe, nicht allein bewältigen muss.“
Andrew Lane nickte. „Mache ich gerne.“
Dann verließ der Kommandeur der Infanterie den Raum und ließ Scharnhorst mit seinen Gedanken allein. Mit seinen Gedanken und mit seiner Verantwortung.

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Mit schreckgeweiteten Augen sah der ältere Krieger Germaine Danton an. Das leicht gebräunte Gesicht war sogar etwas blass geworden, als er fragte: „Du willst was tun, Germaine?“
Konsterniert sah Danton Elden Parkensen an. Selbst über die Videotelefonleitung meinte er, die Stirnfalten des Veteranen leicht vibrieren zu sehen. „Hör mal, Elden, es kann doch nicht so schwierig sein...“
Der Gesichtsausdruck des Draconiers wurde wütend. „Baka Gaijin!“ sagte er laut und ärgerlich. „NATÜRLICH ist es schwierig, ein ganzes verdammtes Regiment durch zwei verschiedene Militärdistrikte des Kombinats zu schicken, mit nichts mehr als dem Auftrag ihres Grafen und Eigentümers! Zwei Distrikte, Germaine! Zwei! Du pisst zwei Tai-Shus ans Bein, zwei Männer, die mit ähnlichen Machtmitteln ausgestattet sind wie der Koordinator selbst!“
„Ich verstehe ja die Problematik, Elden, deshalb habe ich dich ja angerufen“, sagte Danton beschwichtigend. „Tatsache ist, dass es jemand auf meine Höllenhunde abgesehen hat. Und ich würde ihnen gerne die Erfahrung ersparen, die du auf dieser Welt mit den Highlanders hattest, oder Kaiser mit Clan Nebelparder.“
Diese Worte schienen den obersten planetaren Verwalter etwas zu besänftigen, oder eben wieder in die Realität zu rücken. „Das kann ich natürlich nachvollziehen. Aber Germaine, weißt du, was im Kombinat los ist, wenn ein Regiment wie das deine ohne einen offiziellen Auftrag an wie vielen Planeten vorbeikommt?“
„Und wenn ich sie durch das Dominion schicke? Die Geisterbären schulden mir noch kräftig was.“
„Um dann in den Kombinatsraum zu wechseln? Das wäre Wasser auf die Mühlen der Schwarzer Drache-Sympathisanten.“ Parkensen ächzte leise, griff nach einem Glas und nahm einen ganz großen Schluck. Wasser, klar, aber wenn sich der Draconier so sehr gehen ließ, geradezu gierig zu trinken, dann war er erschüttert. „Hör zu, Germaine. Ich verstehe und ich weiß, was du willst. Wer immer hinter den Höllenhunden her ist, ob er zuschlägt oder nicht, du kannst das nicht durchgehen lassen. Und für Jara-tono wäre es eine gute Lehrstunde. Aber du kannst nicht einfach die geballte Vernichtungskraft der Chevaliers durch den Kombinatsraum schicken.“
„Womit wir wieder bei dir wären.“
„Stimmt“, sagte Parkensen säuerlich. „Das Problem ist, dass du weder einen Befehl vom VSDK-Hauptquartier hast, noch vom Koordinator persönlich. Du hast auch keine Einladung des Dieron-Distrikts. Du sendest deine Leute auf eigene Faust und auf eigenes Geld durch eines der homogensten Reiche der Post-Sternenbund-Ära. Dabei werden die Chevaliers mit vielen Adligen, sehr vielen Militärs und mit noch mehr Leuten zu tun haben, die sich noch sehr gut an Takashi-samas Befehl „Tod allen Söldnern“ erinnern können und den auch zu gerne befolgen würden. Du hast keine Unterstützung, keinen Protektor, keine Verbündeten. Selbst wenn deinen Chevaliers nichts passiert, niemand versucht, ihnen die Umkehr zu befehlen oder sie gewaltsam aufzuhalten, so werden doch viele die Chance nutzen, um ihre kleinlichen Ressentiments auszuleben. Hier wird eine Passage verzögert, da bevorzugt andere Sprungschiffe geladen, dann überteuerte Transitgebühren verlangt, und, und, und.“
„Klingt furchtbar.“
„Korruption ist immer noch ein großes Problem im Kombinat, wie in jeder feudalen Gesellschaft. Solange man nur nach unten tritt und nach oben buckelt, wird dem mittleren Management viel verziehen. Vor allem kann der Drache nicht auf all seinen Welten Recht sprechen. Wir verbessern uns, aber gerade an der Geisterbären-Grenze sind die Konservativen sehr stark vertreten. Das wurde durch die teilweise Vernichtung des Schwarzen Drachen nicht wirklich besser. Und du weißt, die Chevaliers können sich den Weg nicht einfach freischießen.“
Dantons Miene verdüsterte sich merklich. „Ich habe auf deine Hilfe gehofft, Elden.“
„Natürlich hast du das. Und du hattest auch Recht damit, zu mir zu kommen“, sagte Parkensen schroff. Seine Wangenmuskeln arbeiteten. „Das ganze verdammte Regiment also? Ins Einsatzgebiet deiner anderen Teileinheit, die gerade selbstständig ist und im Auftrag ComStars handelt?“
„Wir können zumindest ausschließen, dass die Höllenhunde gezielt angelockt werden sollten“, sagte Danton. „Die Schwierigkeiten begannen erst, nachdem der Auftrag erteilt wurde. Wenn also einer meiner alten Feinde, Blakes Wort oder der Schwarze Drache, die Gelegenheit nutzen will, müsste er erst Einsatzkräfte in die Region schaffen. Und das schneller als ich.“
„Wir könnten um ein VSDK-Regiment bitten“, sagte Parkensen.
„Und anschließend den beiden größten Fürstenhäusern in der Region erklären, warum das für ein Bataillon Gaijin möglich war, nicht aber für zwei bedrohte Grenzplaneten?“
Parkensen ließ einen kurzen Fluch hören. „Wahrscheinlich stehen auch keine Truppen zur Verfügung.“
„Meine Gedanken.“
Der ehemalige Major des VSDK rieb sich das Kinn. „Es ist absolut kein Problem, eine Sprungkette bis zum Kombinatsraum einzurichten. Ab Wolcott existiert ohnehin eine, die tiefer ins Kombinat führt, bis hin zu Luthien. Deine Leute müssten vorher ab, dicht an der ehemaligen Rasalhaag-Grenze vorbei. Ab hier beginnt die Geschichte vom Wohlwollen der Leute abzuhängen, die in der Region was zu sagen haben. Soldaten, Händler, lokale Fürsten, Agenten, ISA-Leute, Sprungschiff-Eigner.“
„Ich verstehe.“
Parkensens Zähne mahlten sichtlich. „Hm. Wir wissen zumindest, wo deine Chevaliers hin wollen. Wir wissen auch, bis wohin die Reise einigermaßen sicher für sie ist. Der Rest lässt sich erarbeiten, aber... Ich brauche dafür Geld. Dein Geld, nicht das vom Koshaku.“
„Wie viel Geld?“
„Das weiß ich noch nicht. Einmal Geld, um Sprungschiffe für eine Sprungkette in Position zu bringen. Da wird einiges fließen müssen, weil es sehr kurzfristig geschieht und die Eigner andere Kontrakte dafür aufschieben oder sogar ausschlagen müssen.“
Danton nickte verstehend.
„Dann brauchen wir hier und da etwas... Schmiermittel. Für Sprungpunktstationen. Lokale Fürsten. Wir brauchen... Anerkennung für lokale Fürsten.“ Parkensens Augen hellten sich auf. „Du hast ein Glück, dass Jara-tono so ein bildhübsches Mädchen ist.“
„Wie meinen?“
„Das Meiste lässt sich mit Geld regeln. Einige lokale Größen werden sicher auch mit einer bevorzugten Behandlung auf unseren Raumhäfen, vor allem auf deinem, zu, ah, motivieren sein, deinen Leuten zu helfen, Germaine. Aber die Soldaten, die sind viel schwieriger zu schmieren. Planetare Herrscher sowieso. Wir müssen ihnen Geschenke senden. Gold. Schwerter. ClanTech. So etwas. Und wir müssen ihnen einen Grund geben, die Chevaliers gut zu behandeln. Dazu müssten wir ein paar Trivid-Sender dafür bezahlen, Jara-tonos Geschichte rauf und runter zu rattern, sie quasi zu einer Heldin hochzustilisieren. Das wird teuer, aber ich bin sicher, nach einer Anfangsinvestition könnte das ein Selbstläufer werden. Die Menschen lieben Helden. Vor allem gut aussehende Helden, die sie anfassen können. Ich kann mir gut vorstellen, dass manch ein VSDK-General oder Miliz-Oberst nichts dagegen hat, neben Jara abgelichtet zu werden, wenn wir erzählen, wie sie Clan Wolf umgedreht hat.“
Germaine hüstelte protestierend, wenngleich er Lachtränen in den Augen hatte.
„So werden wir es zumindest erzählen. Und wenn wir es schaffen, Harry auf eine eigene Art als zwielichtig darzustellen, dann würden sie Jara-tono alleine dafür unterstützen, um sie zu „beschützen“, was immer das bedeuten mag.“
„Na, ob das Harry gefällt...“
„Hast Recht, das geht nicht. Als Einheitskommandeur würde ihn das eventuell behindern, und wenn es um Leben und Tod geht... Dann würde es nach hinten los gehen. Hmmmmm... Schieben wir das nach hinten. Auf jeden Fall brauchen wir eine Legende. Schenk ihr die Höllenhunde.“
„Hä?“
„Ich sagte, schenk ihr die Höllenhunde.“
„Ich verstehe hier dauernd „schenk ihr die Höllenhunde“.“
„Ja.“
„Und wie soll uns das helfen?“
„Denk doch mal nach. Harry kommandiert die Einheit, richtig? Sie ist Erbin und derzeit auch Eigentümerin. Die Höllenhunde sind auf dem Papier selbstständig, richtig? Nicht Teil der Chevaliers. Was aber wenn du ihr die Höllenhunde als Geschenk zur Krönung darbringst? Nichts wäre natürlicher für sie, als ihr Geschenk abzuholen. Ja, das ist ausbaufähig. Damit könnte ich arbeiten und Sympathien für sie und die Chevaliers wecken... Ich muss da noch etwas dran feilen, aber...“
„Okay, ich schenke ihr die Höllenhunde, und sie geht sie holen. Wie weiter?“
„Wir bestechen ein paar Instanzen, mit Geschenken, Geld und Handelserleichterungen, bezahlen fünf, sechs Sprungschiffskipper, damit sie ihre beiden Sprünge für uns verbrauchen, lassen sie und deine wichtigsten Offiziere auf der einen oder anderen Welt für die Regenbogenpresse mit der örtlichen Berühmtheit posieren, und arbeiten uns so nach und nach ins Einsatzgebiet der Höllenhunde vor.“
„Das kostet aber auch Zeit.“
„Es ist nicht verkehrt, wenn sich Jara-tono jetzt schon Wohlwollen sichert. Vergiss nicht, die Einheit muss auch den gleichen Weg zurückkommen, und diesmal vielleicht ohne Sprungschiff-Staffette. Dann ist es gut, ein paar Freunde zu haben.“
„Das sehe ich ein.“ Germaine grinste. „War doch eine sehr gute Idee, dich um Hilfe zu bitten, Elden.“
„Ja, das war eine sehr gute Idee. Deine beste, seit du den Grafentitel angenommen hast, Germaine. Ich arbeite da was aus und lasse meinen Stab Vorbereitungen treffen. Gib mir eine Woche Vorlaufzeit für die ganze Strecke, oder drei Tage für die Hälfte. Es gibt da noch ein paar Kontakte, die ich nutzen kann.“
„Drei Tage geht in Ordnung.“
Elden Parkensen ließ ein kurzes, gequältes Lachen hören. „Ich habe es mir gedacht. Ich mache mich gleich an die Arbeit. Überweise mir bitte fix einhunderttausend C-Noten für meine Auslagen.“
Dantons Augenbrauen wanderten in die Höhe. „Ich nehme an, für die ersten Auslagen.“
„Du kriegst eine Gesamtrechnung. Mit dem Geld werde ich die ersten Sprungschiffe buchen und ein paar ISA-Kontakte dazu, ah, ermutigen, auf dem Weg der Chevaliers nach Ärger Ausschau zu halten. Du hast doch schon eine Route?“
„In der Tat. Ich sende sie dir zu.“
„Ich bitte darum. Ach, und ich muss Kaiser darüber informieren. Wenn sein Graf seine eigene Einheit losschickt, muss er das wissen. Der Koordinator muss auch informiert werden. Ich nehme das in die Hand.“
„Danke, Elden. Ich werde mich bei Gelegenheit angemessen revanchieren.“
„Oh ja, das wirst du, Germaine. Das wirst du. Wir sehen uns.“
Der Bildschirm erlosch wieder, und Dantons Körper verlor seine Anspannung. Soweit hatte alles geklappt. Zusammen mit den Kontakten seiner Verlobten und dem, was seine Einheit noch aus der Zeit der Ronin-Jagd hatte, würde es hoffentlich reichen, die Chevaliers schnell ans Ziel zu bringen. Denn wenn er an die Höllenhunde dachte, wurden seine Bauchschmerzen kaum besser.

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Sulafat, irgendwo im Hinterland

Aus dem All betrachtet glich Sulafat wie die meisten bewohnbaren Welten einem Juwel, vor allem verglichen mit den öden Gasriesen oder lebensfeindlichen Eisplaneten, die in vielen Sonnensystemen die "Gartenwelten" an Zahl deutlich übertrafen. Zumindest wäre dies der Eindruck eines unvoreingenommenen oder unwissenden Betrachters gewesen. Der Nacht- wie oft auch der Tageshimmel Sulafats mochte vielen Besuchern vielleicht etwas merkwürdig erscheinen. Denn anders als die Wiege der Menschheit verfügte Sulafat nicht über einen einzelnen dominanten Mond, sondern über nicht weniger als fünf kleinere Trabanten, deren Größe zwischen einem Viertel und der Hälfte des Erdmondes Luna schwankte. Dazu kamen noch mehrere deutlich kleinere mondähnliche Himmelskörper in stabilen Umlaufbahnen. Sie alle dominierten die Nächte - wenn die meisten oder gar alle als Vollmond schienen, war es selbst um Mitternacht fast taghell. Auch am Tag war so gut wie immer mindestens einer der Monde gut zu erkennen. Noch wichtiger aber war, dass die Himmelskörper für sehr exzentrische und manchmal extreme Gezeiten und Wetterbedingungen sorgten. Aber abgesehen von dieser Besonderheit bot Sulafat einen bezaubernden Anblick. Türkisblau funkelte das endlose Meer, die Seen und Flüsse waren wie blaue Augen und Adern inmitten des satten Grüns der Vegetation. Anders als auf einigen besiedelten Planeten der Inneren Sphäre, deren Bevölkerung Milliarden zählte und die ihre Anwesenheit in das Antlitz ihrer Heimat mit unübersehbaren - und oft wenig erbaulichen - Schriftzeichen eingeprägt hatte, verloren sich die 30 Millionen Einwohner Sulafats in der Weite einer Welt, die immerhin fast Terra-Normalgröße hatte. Selbst nachts war das Licht der Städte, Siedlungen, Straßen und Überland-Schienenverbindungen nicht mehr als ein paar Funken in einem endlosen schwarzen Meer aus Dunkelheit. Weitaus dominanter als die Spuren menschlichen Daseins erschienen zu bestimmten Zeiten des Jahres gigantische Schwärme biolumineszierender Meereskleinstlebewesen, die die Wogen über Dutzende Quadratkilometer "in Brand setzten", ein Schauspiel, das sogar aus dem Orbit zu erkennen war.
Zwar verfügte der Planet nur über einen, zum Großteil in den Subtropen und Tropen gelegen Kontinent. Doch da die relativ langgestreckte und von tiefen Buchten und Meeresarmen zerschnittene Landmasse sich immerhin über gut 40 Millionen Quadratkilometer erstreckte - und dazu kamen einige weitere Millionen Quadratkilometer, die sich auf zahllose Inseln verteilten - und der Großteil der menschlichen Bevölkerung zudem in einigen Ballungsgebieten konzentriert war, gab es Regionen, die in den letzten Jahrzehnten, wenn nicht Jahrhunderten von keines Menschen Fuß betreten worden waren. Und es existierten auf Sulafat auch noch Landstriche, die wohl noch nie von einem vernunftbegabten Wesen durchstreift worden waren. Jedenfalls nicht von Menschen.
Doch dies, nun...das war eine andere Geschichte, wenn auch keine, die man nüchtern erzählt bekam. Bis heute hielten sich grauenerregende, abenteuerliche, phantastische oder auch einfach nur absurde Geschichten darüber, WAS, oder eher WER am rätselhaften und tragischen Untergang einiger der frühsten Siedlungen auf Sulafat schuld war. Einige der Siedler hatten damals Namen aus ihrer traditionellen Folklore entlehnt für das, was irgendwo draußen lauern mochte, am Rande des Gesichtsfeldes, in den Schatten der Bäume, in den schwarzen Fluten der Mangrovenwälder - in den Alpträumen der Kolonisten. Es waren Bezeichnungen mit unheilvollen Klang, wie Schwarzer Gaki, See-Jikininki, Schattenghul, Dschungeldraugar. Doch nie hatte es einen belastbaren Beweis für die Existenz dieser Kreaturen gegeben, und die Wissenschaftler des Sternenbundes hatten - mit Ausnahme einiger von ihren Kollegen bemitleideter Spinner - die Gerüchte mit einem Achselzucken abgetan. Kenner der menschlichen Psyche hatten leicht die Verwandtschaft zu den Mythen der alten Erde erkannt, den Geschichten von Wilden Menschen, Widergängern und Ungetümen. Offenbar brauchte die Menschheit Dämonen.
Nun, heutzutage lachten auch die meisten ,Sulafati', und mehr noch die Besucher von anderen Planeten der Inneren Sphäre über die alten Geschichten von übernatürlichen Ungeheuern, gigantischen, aufrecht gehenden und vernunftbegabten Amphibien oder gar Insekten, die geisterhaft und gnadenlos aus dem Dunkel der Nacht zuschlugen und nichts als Tod und Grauen hinterließen. Es mochte manchmal ein unbehagliches Lachen sein, und in einigen entlegenen, unzugänglichen Gegenden, an manchen einsamen Stränden huldigten die Bewohner der isolierten Agrar- und Fischersiedlungen wohl noch immer archaischen Bräuchen, die Schutz vor den phantomgleichen Angreifern bieten sollten.

Dass diese alten Erzählungen ihren Schrecken ganz oder doch beinahe verloren hatten, hieß freilich nicht, dass der Dschungel von Sulafat ein bukolisches Schlaraffenland war. Mal ganz davon abgesehen, dass nach Ansicht vieler auch auf diesem Planeten der Mensch noch immer des Menschen tödlichster und grausamster Feind war, hielt auch die relativ unberührte Wildnis unangenehme Überraschungen für denjenigen bereit, der wagemutig, habgierig, verzweifelt und vor allem töricht genug war, sich in sie hineinzuwagen.

Der hagere, hochgewachsene Mann, der sich mit der Geschicklichkeit einer Katze durch den Dschungel aus Schachtelhalmen und Nacktsamern aller Größen bewegte, hätte sich vermutlich mit einer Antwort Zeit gelassen, in welche der oben genannten Gruppen er eigentlich gehörte. Er war kein Freund vorschneller Urteile. Das sonnenverbrannte und von Wetter und Entbehrungen gegerbte Gesicht hatte schon lange die helle Hautfarbe verloren, mit der er geboren worden war. Die blonden Haare waren kurzgeschoren, und die blassblauen Augen wanderten unablässig von einer Seite zur anderen. Meist waren es die Augen eines Raubtiers, aber mitunter mochten es auch die einer gejagten Beute sein. Auf Sulafat wechselten die Rollen schnell.
Immer wieder blieb er stehen, lauschte einen Moment lang, zog prüfend die von Feuchtigkeit triefende Dschungelluft ein, diesen Brodem aus faulenden Früchten und Pflanzen, Blütenduft und dem Geruch von brackigem Wasser. Er schwang eine schwere Machete, benutzte sie aber gewohnheitsmäßig eher dafür, die Zweige beiseite zu beugen, als sie abzuhauen. Der Dschungel Sulafats schloss Lücken zwar sehr schnell, aber ein offensichtlich abgeschlagener Ast an der falschen Stelle mochte tödliche Konsequenzen haben. Aus demselben Grund vermied er es wie alle erfahrenen Dschungelbewohner, auf berechenbaren Pfaden zu marschieren. Eine getrampelte Bahn durch das Unterholz hatte zweifellos ihre Vorteile. Doch ein regelmäßig frequentierter Weg mochte Raubtiere anziehen. Oder Schlimmeres.
Über seiner Schulter hing - mit dem Lauf nach unten - ein Lasergewehr unbestimmter Herkunft. Die Waffe war schon so oft ausgebessert und repariert worden, dass sich ihr ursprünglicher Hersteller nur noch erahnen ließ. Doch sie war einsatzbereit, und im Notfall konnte der Mann das Gewehr im Bruchteil einer Sekunde heben und feuern. Wenn er das nicht gelernt und mit beinahe schon traumwandlerischer Sicherheit beherrscht hätte, wäre er schon lange nicht mehr unter den Lebenden gewesen.

Hakon Gunnarson wusste, was es hieß, gejagt zu werden, was es bedeutete, auf der Seite der Verlierer zu stehen. Man konnte sagen, dass er beinahe von Geburt an in einer Position gewesen war, die ihm nur schlechte Chancen ließ. Als Kind der Unterschicht fand er sich mit nicht einmal fünfzehn Jahre das erste Mal in einem Transportboot wieder, das ihn über einen verschlungenen Dschungelfluss zu einem Erntecamp brachte. Für Menschen seiner Herkunft war das so etwas wie eine brutale Jugendweihe.
Es folgten Monate der Strapazen bei kargem Lohn - aber dieses Geld war lebenswichtig für seine Familie, und es gab kaum eine Alternative. Hakons Familie war viel zu arm, um ihm eine qualifizierte Ausbildung zu ermöglichen. Ja, es gab "sicherere" Jobs für seinesgleichen - die Knochenarbeit in einer Fabrik oder auf einem Fischtrawler zum Beispiel. Aber da verdiente man als Hilfsarbeiter noch weniger. Also wurde er "Erntearbeiter", spürte im Dschungel wertvollen Pflanzen und Tieren nach. Er hatte sich freilich nie Illusionen über die drohenden Gefahren gemacht. In Hakons zweiter Erntesaison war sein Vater elendig an Parasitenwürmern zugrunde gegangen war, die seine inneren Organe befallen und förmlich zerfressen hatten. Das Geld der Familie reichte für eine angemessene Behandlung nicht aus, und die Erkrankung war viel zu spät entdeckt worden. Ein namenloses Grab im Dschungelschlamm neben drei Dutzend Kameraden, die an Krankheiten krepiert, von giftigen Tieren getötet oder von ihren eigenen Kameraden im Streit um ein Glas Fusel oder eine wertvolle Pflanze erschlagen worden waren, das war alles was von Hakons Vater Gunnar blieb. Noch einmal zwei Jahre später hatte Hakon sich dem großen Aufstand angeschlossen, der Sulafats verhasste Herrscher hinwegfegen und alles zum Besseren wenden sollte.
Die Imagawa waren tatsächlich gefallen, doch das Paradies, das viele der Prediger und Anführer der Rebellen versprochen hatten, hatte auf sich warten lassen. Nach dem Rausch der erfolgreichen Revolution folgte ein blutiges, bitteres Erwachen, als die Reste der Imagawa-Truppen zusammen mit Soldaten von Numki und Darius den Aufstand niederschlugen. Hakon hatte Glück gehabt, dass er damals zu einer Abteilung gehörte, die mit gekaperten Schwebern im Dschungel unterwegs war. So entgingen sie dem konzertierten Gegenschlag, mit dem die Invasionstruppen der Odaga und Shimatze die großen Städte in kürzester Zeit überrannten und einnahmen und dabei gut 3.000 Aufständische in wenigen Tagen abschlachteten.

Er hatte die folgenden vierzehn Jahre im Untergrund verbracht. Es waren zumeist bittere Zeiten gewesen, in denen er miterleben musste, wie der Traum eines freien Sulafat - was immer man auch darunter verstand, denn da waren sich die Rebellen nie einig gewesen - Stück für Stück zerbrach. Einst waren sie 25.000, vielleicht gar 30.000 Aufständische gewesen. Sie hatten nie als EINE Streitmacht agiert, zu unterschiedlich waren die Motive und Ziele. Aber im Feindbild war man sich zumeist einig gewesen, und darin, dass es ANDERS werden musste. Doch nach den ersten harten Niederlagen war diese Übereinkunft schrittweise zerfasert. Neue Gruppen tauchten auf, alte zerfielen, nachdem ihre Anführer getötet oder gefangen genommen worden waren. Schrittweise hatten die neuen Herren von Sulafat einige Kämpfer mit Amnestieversprechen und Abkommen auf ihre Seite gelockt. Viele andere hatten sie aufgespürt und vernichtet. In den meisten Fällen aber hatten sie sich darauf konzentriert, die Guerilla von der Bevölkerung abzuschneiden, sie immer weiter in unwegsame Gebiete abzudrängen, ihre Nachschubswege zu kappen. Hunger, Entbehrungen und Niederlagen hatten die Moral der Kämpfer untergraben. Nicht viele konnten es ertragen, monate- oder gar jahrelang von der Familie getrennt zu werden, ständig in Angst um geliebte Menschen UND um das eigene Leben. Tausende Rebellen waren getötet worden. Tausende versauerten bis heute in den Gefängnissen und Lagern der Polizei und Besatzungstruppen oder hatten die Seiten gewechselt. Die meisten aber hatten irgendwann einfach aufgegeben, waren entmutigt zurückgekehrt zu dem Leben in Mühsal und mit gebeugtem Nacken, das sie hatten hinter sich lassen wollen. Von einer Schar von Zehntausenden, die für einige Wochen die meisten großen Städte kontrolliert hatte, waren inzwischen nicht mehr als zwei- bis dreitausend Männer und Frauen geblieben, davon kaum zehn Prozent als Untergrundkämpfer in den Bevölkerungszentren. Hakon wunderte sich oft selber, dass er so lange durchgehalten hatte, wo so viele seiner Kameraden auf der Strecke geblieben waren. Inzwischen war er ein erfahrener, kampferprobter Guerillakämpfer, Kommandeur einer handverlesenen Truppe von gut zwanzig Männern und Frauen, die oft wochen- wenn nicht gar monatelang auf eigene Faust operierten. Er hatte so viele gute Freunde und Kameraden - und etliche Mitstreiter, die er im Grund verabscheut hatte - begraben, ihre zerschundenen Leiber im feindlichen Feuer liegen gelassen, während er flüchten musste, hatte von ihrer Exekution in den Flugblättern der neuen Herren erfahren, dass die Namen und Gesichter immer mehr miteinander verschmolzen. Alte Frauen, junge Männer, Feiglinge, Helden, Träumer, Zyniker, dahin, dahin...
Er hatte getötet, mit den bloßen Händen, der Klinge, mit der Feuerwaffe, einem Sprengsatz - und nicht nur Soldaten der Besatzungstruppen. Hatte gelogen, gehungert, war mehr als einmal um ein Haar an einer Krankheit oder Vergiftung gestorben. Er hatte sich Maden aus einer offenen Wunde gelesen, hatte Maden GEGESSEN, Blätter gekaut und fauliges Wasser geschlürft, Monat für Monat, Jahr für Jahr.
Nebenher war er inzwischen auch noch verheiratet und Vater zweier Kinder - die mit ihrer Mutter in einem namenlosen Dschungeldorf lebten, und die er bestenfalls ein, zweimal im Jahr besuchen konnte. Manche nannten die Rebellen von Sulafat noch immer Helden, Freiheitskämpfer, eine Inspiration und Hoffnung, doch für viele andere waren sie nur noch Verbrecher und Terroristen. Und die meisten, das wusste er, nannten sie einfach nur Narren, weil sie immer noch kämpften.

Viele Rebellengruppen hatten sich in den letzten Jahren aufgespaltet, als die großen Verbände einer nach dem anderen zerschlagen worden waren. Alte und neue Streitpunkte kamen hinzu. Im Moment konnte man von mindestens drei Fraktionen sprechen.
Da gab es katholische und protestantische Christen - meistens kaukasischer Herkunft - die noch immer von den endzeitlichen Parolen ihrer Priester vom kommenden Reich Gottes und dem Strafgericht über die Sünder motiviert wurden. Sie waren ebenso das Ergebnis der restriktiven Politik der Imagawa gegenüber ihren christlichen Untertanen, wie von sozialen Missständen. Es gab nicht mehr viele von diesen Fanatikern, maximal vielleicht 500. Sie hatten niemals Kompromisse gemacht, doch waren inzwischen so verzweifelt, dass sie vor allem in kleinen Grenzorten Kinder entführten, ihnen eine Gehirnwäsche verpassten und sie in ihre "Engelbrigaden" von Kindersoldaten einreihten. Ihr Glaube war das einzige, was ihnen geblieben war, und sie hingen an ihm mit einem Fanatismus, der nicht nur in Hakons Augen kaum noch etwas Menschliches hatte.
Zahlenmäßig am stärksten waren die primär sozial motivierten Rebellen, zu denen auch Hakons Gruppe gehörte. Sie bildeten ein amorphes Sammelsurium von kleinen und mittelgroßen Gruppen, die sich über ein riesiges Gebiet verteilten. Es waren Kaukasier, Araber und Asiaten - Religionslose, Christen, Buddhisten und Moslems - die vor allem kämpften, um die Ausbeutung der Unterschicht durch die einheimischen Eliten, die kuritanischen Adelshäuser und die Biotechnologie-Konzerne zu beenden. Ihre Gruppen waren oft lokal verankert und genossen einen gewissen Rückhalt in der örtlichen Bevölkerung. Dies war sowohl ihre Stärke als auch ihre Schwäche. Ihnen fehlte im Unterschied zu den religiösen Fanatikern ein großer Masterplan für die Zukunft von Sulafat, eine einigende Ideologie, von einem gemeinsamen Oberkommando ganz zu schweigen. Oft zögerten sie, "ihr" Revier, die Menschen, für die sie sich verantwortlich fühlten, zu verlassen, um in einer Großaktion auf einem weit entfernten Schlachtfeld zu kämpfen. Gerade aus ihren Reihen waren viele übergelaufen, nachdem die neuen Herrscher begrenzte Zugeständnisse gemacht hatten. Diese Kampfgruppen mochten im Moment vielleicht noch 1.500 bis 2.000 Männer und Frauen zählen.
Über maximal 500 Kämpfer verfügte die "jüngste" Fraktion der Guerilla, die sich durch relativ gute Finanzen und Beziehungen zu einzelnen Vertretern der lokalen Eliten auszeichnete. Sie nannten sich die "Loyalisten" und nahmen in Anspruch, für die rechtmäßigen Herrscher der Welt einzutreten - die Imagawa. Es hatte immer Gerüchte gegeben, dass Odaga und Shimatze absichtlich zu spät nach Sulafat gekommen waren, um das einheimische Herrscherhaus zu retten. Einzelnen munkelten gar, die Unruhen wären gezielt von den Agenten der Nachbarhäuser geschürt worden, um einen Vorwand für den Einmarsch zu schaffen und die alten Herren zu beseitigen. Und während die meisten Angehörige der lokalen Eliten beste Beziehungen zu den neuen Herren pflegten, zeigten sich einige Vertreter der Oberschicht, des Imagawa-Militärs und der Polizei entweder von Anfang an oder im Laufe der Jahre zunehmend unzufrieden mit der Herrschaft der Protektoren und sehnten sich zurück nach der "guten alten Zeit". Manche nannten sie deshalb auch Ronin, nach den Samurai, die ihren Lehnsherren verloren hatten, und tatsächlich überwogen japanischstämmige Männer und Frauen n ihren Reihen. Sie kämpften mit dem Ziel, einen Regentschaftsrat einzusetzen und den Weg zu bereiten für die Rückkehr der Imagawa. Oft handelte es sich bei den Prätendenten, für die sie zumindest verbal eintraten, um entfernte Verwandte des letzten Lords, Nachkommen von Imagawa-Männern oder Frauen, die vor Generationen in andere Häuser eingeheiratet hatten. Doch nachdem zwei Fremdweltler-Adlige, die etwas zu sehr mit dem Gedanken geliebäugelt hatten diese Rolle tatsächlich auszufüllen, auf ihren Heimatplaneten unter mysteriösen Umständen verstorben waren, hatte es keiner mehr eilig, seinen Namen ins Spiel zu bringen. Andere Loyalisten behaupteten, ein oder mehrere Imagawa wären als Leibeigene in die Hand der Clans gefallen und würden eines Tages heimkehren. Das mochte stimmen oder war nur ein verzerrtes Widerbild der Verhältnisse in der Freien Republik. Es war klar, dass sowohl die sozial motivierten als auch die religiösen Guerillas mit dieser Gruppe nichts gemein haben wollten.
Und schließlich gab es noch jene geächteten und verfolgten Bewaffneten, die eigentlich nicht wirklich zur Widerstandsbewegung gehörten und die Hakon deshalb auch nicht zu ihr zählte, die von der Polizei wie von den Protektoren aber gerne dazu gerechnet wurden. Dies fiel umso leichter, weil die "echten" Rebellen sich oft nicht viel anders benahmen, lediglich die Motivation unterschied sie. Es handelte sich bei diesen "Unabhängigen" um den Abschaum Sulafats, zum Teil in der Tat ehemalige Rebellen, die jede politische Motivation und Maß verloren hatten, vielfach aber waren es ganz einfach simple Verbrecher. Sie agierten als Banditen und Piraten in kleinen Banden im Hinterland, auf den zahllosen Inseln und in den ausgedehnten Flussdeltas, überfielen Erntecamps, Fischerboote, Biomaterial-Transporte und sogar kleine Siedlungen, raubten, plünderten, mordeten und vergewaltigten. Die "richtigen" Rebellen gleich welchen Couleurs kämpften nicht selten gegen die Gesetzlosen, mitunter verbündeten sie sich aber auch zeitweilig mit ihnen. Und Gerüchten zufolge hielten es die Sicherheitsorgane mitunter nicht viel anders.

Die anderen Widerstandsgruppen waren nicht so tief gesunken wie die "Friedlosen", doch mochten sich viele fragen, welche Hoffnung auf einen Sieg sie überhaupt noch haben konnten. Der Guerillakrieg auf Sulafat hatte nie ganz aufgehört, doch spätestens nach der letzten großen Niederlage vor zwei Jahren, als ein erneuter Aufstandsversuch nach monatelangen Kämpfen mit den Tod von nahezu zweitausend Rebellen geendet hatte, schleppt sich der Konflikt nur noch dahin. Der Hass war zu tief eingefressen und die Not und Ungerechtigkeit noch immer zu groß, als dass der Krieg ganz sterben wollte. Aber vorwärts gehen im Sinne der Aufständischen mochte er auch nicht mehr. Pro Monat gab es nur noch ein paar vereinzelte Gefechte und Polizeiaktionen, bei denen eine Handvoll Angehörige der Sicherheitskräfte, meist die doppelte bis dreifache Anzahl Rebellen und etliche Zivilisten getötet oder verstümmelt wurden. Viele Rebellen kämpften seit langem primär mit dem Hunger und der unwirtlichen Natur - wie Hakons Gruppe.

Als er schließlich sein Ziel erreicht hatte, einen kleinen Wasserlauf, der durch den Dschungel mäanderte, blickte Hakon sich ein weiteres Mal aufmerksam um, eher er schließlich das Netz aus fast unsichtbaren Kunststofffasern ausbreitete, und in das Wasser schleuderte, in dem gut sichtbar Fische, Amphibien und Insekten über den hellen Sand huschten. In seiner Gruppe galt aus gutem Grund, dass auch die unangenehmen Pflichten wie Nahrungssuche und "niedere" Arbeiten geteilt wurden. Wenn man Tag für Tag aufeinander angewiesen war und ein Leben Seite an Seite in Dreck, Schlamm und blutsaugendem Ungeziefer führte, verbot sich so etwas wie Starallüren. Und deshalb war er hier draußen, um die mageren Rationen aus Dschungelfrüchten, essbaren Schachtelhalmtrieben und uralten Dauerrationen etwas aufzubessern.

Es war eigentlich ein wichtiger Tag, einer, den er lange und sorgfältig vorbereitet hatte. Ausgerechnet das Versteck von Hakons kleiner Truppe war für ein Treffen der Chefs seiner und einer benachbarten Partisanenbrigade gewählt worden. Zusammen kontrollierten die beiden Männer hundert, vielleicht hundertfünfzig Kämpfer. Es ging, wie so oft, nicht so sehr um gemeinsame Operationen, sondern mehr um Einflussgebiete. Ressourcen waren im Hinterland von Sulafat selten und kostbar. Schon lange hatten sich die meisten Sympathisanten, welche die Aufständischen finanziell und materiell unterstützt hatten, resigniert abgewandt - oder ein schlimmes Ende gefunden, wenn man ihnen auf die Spur gekommen war. So überlebten die Aufständischen zum einen von dem bisschen, was ihre wenigen verbleibenden Unterstützer aufbringen konnten und von "Steuern", die sie in den Grenzregionen eintrieben. Doch das war ein karges Brot, denn die meisten Zivilisten hier draußen hatten selber wenig. Und nahm man ihnen zuviel, bestand die Gefahr, dass sie sich erinnerten, wie gut Hinweise an die Behörden bezahlt wurden. Zwar bestraften die Rebellen jeden Verrat, ja oft auch nur den Verdacht eines solchen brutal, aber das genügte vielfach nicht als Abschreckung. Und Terror war nicht geeignet irgendwelche Loyalität zu wecken - zumal wenn er eher Ausdruck der eigenen Machtlosigkeit war.

Auf Beute von den Besatzern konnte man kaum rechnen, denn Polizei und Militär gaben auf ihre Vorräte gut acht. Und die lokalen Eliten beschäftigten ihre eigenen Wachleute, die nicht zu unterschätzen waren. Die meisten Widerstandsgruppen hatten sich deshalb den einzigen Reichtümern zugewandt, die für sie relativ leicht verfügbar waren - den Rohstoffen von Sulafat. Pflanzen und Tiere brachten Biomaterial hervor, das auf dem Schwarzmarkt ein kleines Vermögen wert war. Wenn man den Dschungel überlebte und einen geeigneten Käufer fand. Einige Untergrundkämpfer hatten den bewaffneten Kampf inzwischen praktisch eingestellt und lebten allein für und von der "Ernte" und ihrem Verkauf, gestützt auf Abkommen mit korrupten Geschäftsleuten und Regierungsbeamten. Aber man musste sich fragen, wozu man überhaupt den Kampf aufgenommen hatte, wenn man inzwischen vor allem die Zwischenhändler und einige wenige Anführer reich machte. Aber in welchem Umfang und für welche Zwecke die geernteten Biorohstoffe auch immer eingesetzt wurden, ertragreiche Gebiete oder Zugang zu Absatzmärkten hatte zu mehr als einem Gefecht unter den Widerstandsgruppen geführt. Die selbsternannten Befreier Sulafats waren in den letzten Jahren mitunter bereit gewesen, sich für einige Bergwiesen mit kostbaren Pflanzen oder eine Lagune mit giftigen, aber wertvollen Fischen zu bekämpfen...
Hakon verabscheute diese Konflikte, auch wenn er nur zu gut verstand, warum sie ausbrachen. Man musste schließlich essen, man brauchte Munition, Ersatzteile, Geld für die Familien, für medizinische Güter.

Aber hier und heute ging es ihm, so musste es zumindest erscheinen, vor allem darum, genug Lebensmittel für eine etwas gehaltvollere Suppe zusammenzubekommen. Er vermied es - natürlich - sein Netz ein Stück weiter den Wasserlauf hinab auszulegen, wo sich das Flüsschen nach dem Zusammenfluss mit einem anderen Bach verbreiterte. Dort war der Untergrund dunkel, das Wasser tiefer, Schwebeteilchen färbten es fast schwarz - und wenn man betrachtete, wie oft sich die Wasseroberfläche über einem Fischrücken kräuselte, waren die Fanggründe dort zweifellos reicher.
Allerdings...auf anderen Welten bedeutete es "im Trüben zu fischen", wenn man etwas riet, mutmaßte, ohne richtiges Wissen handelte - oder aber zweifelhaften Geschäften nachging. Auf Sulafat hatten diese Worte hingegen seit vielen Jahren eine andere Bedeutung, eher wie "russisches Roulette spielen". Wer hier "im Trüben fischte", der ging ein unnötig hohes Risiko ein, riskierte alles in der zweifelhaften Hoffnung auf den großen Gewinn. Und für diesen Bedeutungswandel gab es gute Gründe.
Sulafats Dschungel waren gefährlich. Es gab zahlreiche Krankheiten und Parasiten, die jedes Jahr hunderte, ja tausende Opfer forderten. Es gab ungezählte giftige Insekten - etliche davon so groß wie ein Finger, andere so groß wie eine HAND, und einige traten in Schwärmen auf. Auch viele Amphibien, die am höchsten entwickelte Spezies einheimischer Landlebewesen, waren giftig. Die meisten griffen zwar nur an, wenn man ihnen zu nahe kam, aber das war ein geringer Trost in einem Urwald, wo die Sichtweite oft nur ein paar Meter oder Fuß betrug, und zahllose der Bewohner perfekt getarnt waren. Außerdem gab es da solche unangenehmen Ausnahmen von der Regel wie die "Todesschleiche", ein bis zu drei Meter langes, grün-braun geflecktes schlangenähnliches Tier mit mehreren Zentimeter langen Fangzähnen. Es griff selbst Lebewesen an, die deutlich größer und schwerer waren, denn sein Gift verursachte nicht nur schwerste Nekrosen, es konnte das Fleisch des Opfers förmlich zersetzen. Und vor allem gab es die Mangkon, hochbeinige Molche von zwei, oft auch drei Metern Länge und einem Gewicht von bis zu 100 Kilogramm oder mehr. Sie galten als relativ intelligent, jagten oft in Gruppen, hatten Mäuler mit zahllosen messerscharfen Zähnen, konnten auf kurzen Strecken schneller als jeder Sprinter rennen, aber ebenso geduldig stundenlang auf eine günstige Gelegenheit lauern. Perfekt an die Umgebung angepasst, waren sie eine tödliche Gefahr hier draußen.

Aber all das verblasste im Vergleich zu der Ansammlung an Scheußlichkeiten, die Sulafats Flüsse, Seen und die zumeist flachen Meere aufzubieten hatten. An giftigen Fischen und Amphibien herrschte natürlich ebenfalls keinen Mangel. Und was die Räuber anging, tja...Neben den Verwandten der landlebenden Mangkon - die aquatischen Süßwasser-Mangkon wurden oft vier, manchmal auch fünf Meter lang und waren ein würdiges Äquivalent der irdischen Krokodile - gab es in Salz- wie Süßwasser riesige Raubaale, mitunter bis zu 20 Fuß lang, deren Zähne scharf und deren Biss giftig war. Es gab gewaltige - und natürlich ebenfalls oft giftige - Seespinnen und Seeskorpione, die mit ihren Scheren glatt einen Arm abtrennen, deren Stachel einen Menschen problemlos durchbohren konnte. Und es gab in den Meeren acht- und zehnarmige Kopffüßler von beeindruckender Größe, Intelligenz und Aggressivität. Als Bade- und Urlaubsparadies würde Sulafat wohl nie durchgehen. Auf anderen Welten hatten die Menschen sich solcher Probleme rigoros entledigt, indem sie ausrotteten, was ihnen gefährlich oder lästig war und an Stelle der einheimischen Flora und Fauna vertraute Begleiter - meist, aber nicht immer irdischer Herkunft - einführten. Aber dafür war die Bevölkerung Sulafats viel zu klein, die einheimische Tier- und Pflanzenwelt zu widerspenstig, und oft auch zu wertvoll. Die Herren des Planeten brauchten ein weitestgehend intaktes Ökosystem, keine genormte Agrarwelt. Denn gerade der so gefährliche und ungezähmte Dschungel, die Mangrovenwälder, die Küstengewässer, sie lieferten den eigentlichen Reichtum Sulafats. Und diese Quelle wollte niemand versiegen sehen.


Luftwaffenbasis Torikai-Gata, Sulafat

Manche Betrachter hätten in Torikai-Gata einen Triumph menschlicher Beharrlichkeit über die wilde und unwirtliche Natur erblickt, einen Beweis dafür, warum die menschliche Rasse - bis zum heutigen Tag als einzige in der bekannten Galaxis - mit Fug und Recht als vernunftbegabt galt und sich von den Fesseln ihres Heimatplaneten befreit hatte. Andere hingegen, und das waren nicht wenige, hätten den Flughafen als Beleg dafür herangezogen, was die Menschheit in den letzten Jahrtausenden alles falsch gemacht hatte. Sowohl beim Umgang mit den Planeten, auf denen sie siedelte, als auch im Umgang mit sich selbst.

Über mehr als zehn Quadratkilometer Fläche verdrängten breite Betonstartbahnen, Wartungshallen, Hangars und andere Gebäude das Grün des Dschungels, boten Start-, Lande- und Wartungsmöglichkeiten für mehrere Staffeln konventioneller Flugzeuge und vollwertiger Luft-/Raumjäger. Gigantische kreisrunde Flächen waren mühelos in der Lage, Landungsschiffe für ein verstärktes Regiment aufzunehmen. Die Anlage wirkte angesichts der momentanen Stärke der auf Sulafat operierenden Luftstreitkräfte ziemlich überdimensioniert und war ein weiteres Mahn- und Denkmal für die großen und großartig gescheiterten Ambitionen von Haus Imagawa. Doch sie war weiterhin gut in Schuss und wurde intensiv genutzt, obwohl sie etliche Dutzend Kilometer von der nächsten größeren Stadt entfernt lag, mit der sie vor allem auf dem Flussweg Kontakt hielt. Torikai-Gata hatte nie als kommerzieller Raum- und Flughafen gedient, sondern stets dem Militär. Die neuen Herren Sulafats hatten diese Maxim ein wenig aufgeweicht und nutzten den Stützpunkt zusätzlich als Verkehrknotenpunkt für den Lufttransport wertvoller Biogüter aus den Erntezentren im Inland. Aber die gesamte Anlage stand unter strikter Militärverwaltung, und sowohl die Streitkräfte als auch die gefürchtete paramilitärische Polizei des Planeten hatte ein wachsames Auge auf jeden, der hier arbeiten durfte. Nicht von ungefähr war der Außenbereich des Stützpunktes durch mehrere Reihen Stachel- und Elektrodraht, Minenfelder und peinlich genau von der Vegetation gesäuberte Zonen sowie durch Gefechts- und Wachtürme mit modernstem Ortungs- und Kampfgerät abgesichert. Während des letzten großen Aufstandsversuches vor zwei Jahren hatten die zwei Kompanien Infanterie und das Bodenpersonal mehrere hundert angreifende Guerillakämpfer lange genug aufgehalten, bis eine Mechkompanie im Lufttransport herangeschafft worden war. Kampfhubschrauber und Mechs hatten 50 Hektar Wald in eine Hölle aus Flammen und Explosionen und in ein Massengrab verwandelt. Noch heute konnte man auf dem inzwischen wieder dicht zugewachsenen Schlachtfeld außerhalb der Basis verkohlte Waffenteile und Knochen finden.
Die Basis gehörte zu den wenigen "Kronjuwelen", die sich Haus Odaga weitestgehend exklusiv hatte sichern können, auch wenn es den Mitprotektoren gewisse Nutzungsrechte einräumen musste. Das Herzstück von Torikai-Gata war ein geheimer Kommandobunker, tief im Untergrund, der über eine primitive Hologrammeinheit verfügte, mit der man alle möglichen Schlachtfelder auf dieser Welt - und auf anderen - simulieren konnte. Die Anlage hielt natürlich nicht dem Vergleich mit den State-of-the-Art Einrichtungen der Clans und Armeen der großen Häuser stand, aber für ein Fürstenhaus mittlerer Größe bedeutete sie eine überaus wertvolle Ressource bei der Planung von Operationen und beim Training der Kommandeure. Haus Odaga hatte von hier aus überaus effektiv die Zerschlagung der Revolten auf Sulafat koordiniert, denn der Stutzpunkt verfügte über exzellente Kommunikationsanlagen.

Im Moment waren neben lokalen Verbänden des ehemaligen Sulafat-Militärs vor allem die Maschinen der Heeresflieger-Sentai von Haus Odaga auf dem Stützpunkt stationiert. Eine Staffel Planetlifter - ein Drittel der Maschinen war massiv für den Kampfeinsatz modifiziert, und selbst die unbewaffneten Transporter konnten zur Not Dutzende Tonnen von Bomben abwerfen - sowie zwei Helikopterstaffeln vereinten eine beeindruckende Feuerkraft, die rund um die Uhr flexibel einsatzbereit war. Wie die Rebellen mehr als einmal leidvoll hatten erfahren müssen. Von hier wurde der Lufttransport von ganzen Bataillonen in wenigen Stunden in die Wege geleitet, und wenn nötig ebenso präzise wie vernichtende Angriffe befehligt.
Im Hangar der "Habichtsbienen" - so die Übersetzung des japanischen Namens der Einheit - herrschte Gedränge. Die Helikopterstaffel war nach den einheimischen Riesenhornissen benannt, die selbst ihr gefürchtetes irdisches Gegenstück, die Lsuzumebachi, harmlos erscheinen ließen. Logischerweise waren die Warrior-Hubschrauber - teils vom Modell H7, teils H7C - auch knallrot lackiert. Und wenn sie sich im Verband von allen Seiten auf ein Ziel stürzten, erinnerten sie tatsächlich an einen stechlustigen Insektenschwarm. Die Einheit stand schon seit über einem Dutzend Jahre auf Sulafat, und inzwischen dienten in ihr sowohl einige Einheimische als auch Bürger von Darius. Sie hatte sich einen gewissen Ruf erworben, den man entweder als berühmt oder berüchtigt, am ehesten als beides zugleich charakterisieren konnte. Da waren zum einen Akte aufopferungsvoller Hilfsbereitschaft, bei denen die Soldaten wieder und wieder ihr Leben riskiert und manchmal auch gegeben hatten, um Menschen zu helfen. Ihre Wartungstechniker hatten diesen Einsatz durch unermüdliche Arbeit bis zum Umfallen erst ermöglicht. Die Piloten hatten dutzende Leben gerettet, indem sie Schiffbrüchige auf den Meeren von Sulafat ausfindig gemacht und Hilfsschiffe herbeidirigiert oder die Schwimmer selber geborgen hatten. Sie hatten bei Überschwemmungen in Sturm, Regen und bei geschlossener, tiefhängender Wolkendecke geschwächte Dammstellen mit Sandsäcken und "Betonbomben" verstärkt und auf den Rückflügen Zivilisten mitgenommen, die von den Fluten bedroht wurden.
Aber ebenso hatten sie im Auftrag der Protektoren Demonstrationen mit Tränengas und anderer "nichttödlicher" Munition beschossen sowie ungezählte Rebellencamps ausfindig gemacht und zerstört. Sie hatten wieder und wieder ohne viel Bedenken auf Kollateralschäden in Gefechte eingegriffen, und erbarmungslos selbst auf einzelne Flüchtlinge und Verwundete Jagd gemacht. Sie verstanden es mit beängstigender Perfektion, die Abwurfsensoren und Ortungssysteme ihrer Gefechtsfahrzeuge zu nutzen - die alt, aber vielfach in Feldumrüstungen modernisiert worden waren, etwa durch den Einbau von Alufibrit-Panzerung, LB-X-Kanonen und ähnlichen neu entwickelten Waffen. Ihre Kurzstrecken-Raketenwerfer wurden im Einsatz oft mit Infernomunition bestückt, und sie bedienten ihre Autokanonen und Langstreckenraketenwerfer dank der N&D Freihand-Zielerfassungssysteme mit vernichtender Präzision.

Lyrisch veranlagte Personen hätten sich an ein gut eingeübtes Ballet oder Theaterstück erinnert gefühlt, so reibungslos lief die Arbeit der Wartungscrews. Die blutroten Kampfhelikopter mit dem Mon der Odaga wurden in kürzester Zeit aufgetankt, Raketen und Granatmagazine herangerollt und verstaut. Zusätzlich zu ihrer normalen Bewaffnung konnten die Warrior-Kampfhubschrauber auch externe Bomben tragen, aber zugunsten der Geschwindigkeit verzichtete man diesmal darauf.
Währenddessen waren die Piloten in einem der Hangars angetreten. Sie alle trugen Fliegerkombinationen in Tarnmustern, und jede Frau, jeder Mann war mindestens mit einer schweren Faustfeuerwaffe und einem Kampfdolch bewaffnet, für den Fall, dass sie notlanden mussten. Mehr als einer hatte diese Tortur bereits absolviert, und manch einer hatte dabei auch mit bloßen Händen getötet.
Ein einfacher Schrein erinnerte an die Kameraden - sowohl Angehörige des fliegenden Personals als auch der Bodencrew - die im Verlauf der Jahre im Einsatz auf Sulafat gefallen waren. Schweigend absolvierten die Piloten das Andachtsritual, das am Anfang jedes Einsatzes stand. Die Männer und Frauen traten einer nach dem anderen vor, verneigten sich, klatschten in die Hände und streuten etwas Weihrauch in eine kleine Feuerschale. So erwiesen sie den Geistern der Toten Respekt und baten zugleich darum, es möge ihnen vergönnt sein, ihre Pflicht zu erfüllen. Dann legten sie die blutroten Hachimaki an, die Stirnbinden mit dem schwarzen Pferde-Mon des Hauses Odaga.
Keine zwei Minuten später hoben die Kampfhubschrauber unter dem Jubel und Winken der Bodencrews ab und formierten sich zu einer langgezogenen Kette...


Rebellenbasis, Hinterland von Sulafat

Der Angriff begann wie so oft ohne jegliche Vorwarnung. Die Rebellen hatten gelernt, nach Möglichkeit in alle Himmelsrichtungen Außenspäher zu postieren, aber selbst das bot nicht immer Sicherheit. Mit einmal zerriss ein scharfes Kreischen die Geräuschkulisse des Dschungeltages, waren unzählige Flammenbahnen am Himmel zu erkennen. Dutzende von Langstreckenraketen schossen aus allen Himmelsrichtungen auf das Ziel zu, abgefeuert nur wenige Meter über den Wipfeln der Bäume. Und noch während die erste Salve in der Luft war, folgte eine zweite, eine dritte. Nur Sekunden später zerrissen feurige Detonationen das Grün des Dschungels, schleuderten Holzsplitter, Dreck und Blätter, ganze Stämme in gigantischen Fontänen empor. Die Hammerschläge der Explosionen brachten selbst die lautesten Tiere im Nu zum Verstummen - sie hätten auch einen Orkan übertönt. Mit einem durchdringenden, ekelerregend hochfrequenten Sirren zischten die rotlackierten Kampfhubschrauber heran. Dieses nervenzerfetzende schrille Summen - es übertönte sogar die Rotoren - war das Markenzeichen der Piloten. Andere mochten beim Angriff heulende Sirenen bevorzugen, oder vielleicht auch Opernmusik, doch die "Habichtsbienen" hatten ihr ganz eigenes Angriffslied.
Auf eine perverse Art und Weise war das Schauspiel, das sich nun entfaltete, fast schön zu nennen, ein Gemälde aus Tod und Zerstörung. Immer neue Schwärme Langstreckenraketen regneten auf das anvisierte Planquadrat im Dschungel herab, abgefeuert von unsichtbaren Angreifern. Zugleich tanzten die Kameraden der Schützen wie todbringende Libellen direkt über einem aufgewühlten See aus Feuer und Tod. Mit glühenden Fingern - den Garben der 30-Milimeter-Bordkanonen - griffen sie hinab in das Chaos, suchend, zerstörend. Salven von Kurzstrecken-Infernoraketen fachten den Sturm der Verwüstung weiter an. Gegenwehr gab es nicht. Zu plötzlich, zu übermächtig, zu gut vorbereitet und präzise war dieser Angriff aus dem Nichts. Wieder und wieder überflogen die Warrior-Helis ihr Ziel, bis die Munition verschossen, ihre Blutgier gestillt war.
Schließlich, nach einer scheinbaren Ewigkeit, nach mehr als tausend verschossenen Granaten und Raketen, zogen sie sich zurück. Die relative Stille die nun einsetzte, wirkte unnatürlich, doch selbst die unverwüstlichen Bewohner des Urwaldes von Sulafat brauchten eine Weile, ehe sie sich von dieser vernichtenden Überraschung erholten und ihr Treiben wieder aufnahmen. Der Dschungel würde zweifellos die Brandstätte in wenigen Wochen schlucken, als habe sie nie existiert, aber im Moment war sie noch eine offene, schwärende Wunde.

Hakon hatte sofort reagiert, als der Angriff begann. Er hatte sich in einer einzigen, fließenden Bewegung in Deckung geworfen, war bewegungslos liegen geblieben, außer Sicht selbst, ja GERADE aus der Luft. Er kannte die Fähigkeiten der Kampfhubschrauber nur zu gut, respektierte und fürchte sie. Viele mochten im Battlemech den Herren des Schlachtfeldes sehen. Aber Luftüberlegenheit entschied noch immer Schlachten, Kriege, das Schicksal ganzer Planeten. Er wusste, er sollte eigentlich sicher sein, so weit wie er vom Lager entfernt war. Aber er hatte nicht so lange überlebt, indem er unüberlegt Risiken einging. Also wartete er reglos, bis der Luftangriff vorüber war - und anschließend noch ein paar Minuten mehr. Erst dann machte er sich auf den Rückweg. Er ging bedachtsam vor, rannte nicht etwa. Hin und wieder hielt er inne, schaute sich um. Er rief auch nicht nach den anderen, stieß nur in regelmäßigen Abständen die Laute von Dschungelbewohnern aus, die perfekt nachzuahmen er gelernt hatte. Natürlich nur die Laute von Tieren, die in diesem Teil von Sulafat vorkamen, und dazu noch von solchen, die am ehesten am Ort so einer Zerstörung zu finden waren. Auch hier galt es, auf Nummer sicher zu gehen.
Manchmal - oft - ließen die Angreifer hässliche Überraschungen zurück. Es gab Raketen und Bomben mit Verzögerungs- oder Erschütterungszünder, "maskierte" Abwurfminen, die manchmal als Trümmerteile oder Reste von Ausrüstung getarnt waren. Es gab Sensoren, die Bescheid gaben, falls jemand zum Bergen, Helfen oder auch nur Plündern kam. Manchmal waren die Sensoren mit Sprengladungen gekoppelt, manchmal folgte ein zweiter oder sogar ein dritter Luftangriff, um Überlebende, Verstärkung oder Flüchtige zu treffen. Und manchmal setzten die Streitkräfte kleine Teams von Elitesoldaten ab, die nur darauf warteten, Versprengte aus dem Hinterhalt zu überfallen. All das hatte er auf harte, schmerzhafte Art und Weise gelernt.

Doch diesmal schienen die Odaga-Piloten tatsächlich auf derartige Spielereien verzichtet zu haben. Während Hakon sich Schritt für Schritt dem Camp näherte, das für gut fünf Monate sein Zuhause gewesen war - die wenigsten Rebellencamps wurden älter als ein Jahr, bevor man sie aus Sicherheitsgründen verlegte - stießen einer nach dem anderen seine Untergebenen zu ihm. Wie er waren sie zum Zeitpunkt des Angriffs ein Stück außerhalb des eigentlichen Lagers gewesen, hatten Wache gestanden oder nach Nahrung gesucht. Sie verständigten sich, zumeist mit Gesten und knappen Handzeichen, oder durch nachgeahmte Tierlaute. Eindeutig menschliche Laute oder Funkverkehr zu nutzen war riskant, deshalb beschränkten viele Guerillakämpfer diese Formen der Kommunikation auf das unbedingt nötige. In einer lockeren Kette rückten die Männer und Frauen vor. Als sie den Rand des Lagers erreichten, schwärmten sie weiter aus, sichernd, suchend. Hakon ging weiter, begleitet von vier seiner Untergebenen.
Vom eigentlichen Camp war nicht viel geblieben. Die Bäume, die den Unterständen Deckung geboten hatten, waren nur noch verbrannte Stümpfe. Die meisten der weit verstreut angeordneten Erdbunker waren halb verschüttet, durch gestürzte Urwaldriesen eingedrückt, einige durch direkte Treffer zerschmettert worden. Granaten und Raketen hatten ihr zerstörerisches Werk mit geradezu erschreckender Präzision verrichtet. Und es hatte nicht nur materielle Schäden gegeben. Von den verkohlten Pflanzen und zerstörten Unterständen kaum zu unterscheiden, lagen zerschmetterte, verkohlte Leichen in dem Chaos, das der Luftangriff hinterlassen hatte. Die meisten waren bis zur Unkenntlichkeit verstümmelt. Wer sofort gestorben war, hatte Glück gehabt - denn auf Verwundete hatte der Tod im klebrigen Brandgel der Infernoraketen gewartet, Feuer, das mühelos Fleisch von den Knochen fressen und die Gebeine bersten lassen konnte. Es mochte Menschen geben, die den Geruch einer solchen Brandstätte mit dem süßen Duft des Sieges verglichen, aber Hakon, der mit dem Gestank weiß Gott vertraut war, hatte ganz andere Assoziationen. So roch der Tod, roch Verzweiflung und Untergang.

Doch obwohl die Zerstörung total schien, war sie es nicht - nicht ganz. Bei einem verschütteten Erdbunker regte sich tatsächlich etwas. Als Hakons Kämpfer sich vorsichtig näherten, taumelten drei Gestalten aus dem Eingang. Es waren zwei leichtverletzte junge Kämpfer, die den dritten, einen Mann mittleren Alters, stützten. Hakon kniff überrascht die Augen zusammen. Das war doch..."Captain Singh! Sie leben noch?" fragte er, zugegeben etwas töricht und wenig originell.
Der hagere Asiat, Kommandeur der Partisanenbrigade, die in der Nachbarschaft von Hakons Truppe operierte, wirkte in der Tat wie jemand, der dem Tod nur mit Mühe von der Schippe gesprungen war. Seine Haare - von Alter und Entbehrungen schon lange grau gefärbt - waren versengt, das Gesicht und die Arme wiesen Brandblasen auf, die Uniform war an mehreren Stellen rußgeschwärzt. Er hustete röchelnd, stützte sich schwer auf seine Kameraden und schien Mühe zu haben, die Lage zu erfassen: "Wo...was...was ist mit Ma...Major Christens?" erkundigte er sich stammelnd nach Hakons Vorgesetzten.

Hakon warf unwillkürlich einen Blick nach hinten, dorthin, wo der eigentliche Kommandostand lag, der Ort der geplanten Besprechung. An dieser Stelle war die Zerstörung wahrhaft total zu nennen, hatte der Angriff mit voller Präzision begonnen. Dort konnte niemand überlebt haben. Wortlos wandte er sich wieder Singh zu.
Der alte Guerillakämpfer war - angesichts seines Zustandes wenig überraschend - kaum in der Lage, die Situation nüchtern und umfassend zu bewerten. Bei seinen Begleitern war dies freilich etwas anders. Es gab im Grunde nur EINE mögliche Erklärung, wieso der Luftangriff so präzise und ohne Vorwarnung gekommen war. Doch diese Erkenntnis, das Begreifen kam um Sekundenbruchteile zu spät, um noch wirklich etwas bewirken zu können, denn im nächsten Moment handelte Hakon bereits. Mit zwei, drei explosionsartigen Sprüngen überbrückte er die Distanz zwischen sich und den Überlebenden. Einer von ihnen riss eine Handfeuerwaffe hoch, brachte noch einen Schuss heraus, bevor eine Garbe aus einem Lasergewehr ihn wie eine Marionette zusammenklappen ließ, deren Fäden gekappt worden waren. Mit einem blitzschnellen, reflexartigen Rückhandschlag schmetterte Hakon die flache Klinge der Machtete gegen Singhs Schädel, so dass der alte Partisan bewusstlos zusammenbrach. Dann drehte er die Klinge...und mit einem grausigen Knirschen grub sich der Stahl in den Halsansatz des zweiten Soldaten, der gerade seine Maschinenpistole in Anschlag brachte. Mit einem furchtbaren Gurgeln ging der junge Mann zu Boden, zuckte noch ein paar Mal. Dann lag er still, in einer Blutlache, die rasch größer wurde, und auf der sich bereits die ersten Fliegen niederließen, noch bevor er seinen letzten qualvollen Atemzug tat.

Hakon atmete mühsam durch. All die Wochen und Monate der Überlegungen und Planungen, beinahe in wenigen Sekunden zunichte gemacht. Es war knapp gewesen, zu knapp. WIE knapp, das wurde ihm erst klar, als seine Beine plötzlich den Dienst versagten und er zu Boden sackte. Seine Untergebenen sprangen herbei, fluchend zerrte einer von ihnen an Hakons Uniform - der, wie Hakon erst jetzt bemerkte, blutdurchtränkten Tarnjacke. Der Schuss, den der eine von Singhs Leibwächtern noch hatte abgeben können, war wohl nicht ganz daneben gegangen. Im Adrenalinrausch hatte Hakon den Einschlag in seiner Seite nicht einmal mitbekommen - doch nun war es, als bohre man ihm ein glühendes Messer in die Brust und würde es...langsam...herumdrehen. Nur am Rande nahm er wahr, wie einer seiner Untergebenen ein Funkgerät benutzte, und als der schwere Transporthelikopter - flankiert von roten Kampfhubschraubern - über dem zerstörten Rebellenstützpunkt auftauchte, war der verwundete Guerillaoffizier nur noch halb bei Bewusstsein.
Überraschenderweise spürte er ein schluchzendes Kichern in sich aufsteigen, und er hieß es geradezu willkommen, weil es ihm ein wenig von den grausamen Schmerzen ablenkte.
Er hatte sein Leben lang auf der Seite der Verlierer gestanden, hatte mit ihnen gelitten, geblutet, und er hatte durchgehalten - all die Jahre lang. Es wäre wirklich der Gipfel der Ironie, falls er gerade jetzt sterben sollte. Jetzt, wo er mit seinen Leuten die Seite der Gewinner gewählt hatte...

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Satalice, Geisterbären Besatzungszone
Piratensprungpunkt

Es gab einen Ruck und der Leopard-Tender erzitterte, als er sich vom Sprungschiff trennte. Die Piloten versammelten sich im engen Besprechungsraum des Leopard. Emma „Simple“ Thorvalson, die beiden anderen Piloten des Angriffsverbandes und der CAG starrten auf den grünlichen Planeten.
„Also, folgendes erwartet uns hier und heute. Nach unserem Sprung sind wir nun hinter M-1, dem größten Mond von Satalice angekommen. Die Scanner zeigen das wir anscheinend noch allein sind und unbemerkt.“ Die Piloten kannten natürlich die Details der feindlichen Garnison - es handelte sich um die Zweiten Bär-Regulars. Sie verfügten über Jäger, aber die Einheit hatte nicht annähernd volle Stärke. Und so dicht an der Grenze zur Wolf-Besatzungszone würden die Claner mit einem Angriff ihrer Kannistergeburt-Freunde rechnen, aber nicht mit einem gut geplanten Dolchstoß mit den besten Grüßen aus der Freien Inneren Sphäre. Grund zum Übermut war das natürlich dennoch nicht, auch wenn wir wie immer Vorabinformationen über die feindlichen Patrouillepläne erhalten hatten.
„Eagle 1 und 2 werden gleich starten und Ziele in Quadrant Alpha angreifen, es sind eine Kommunikationseinrichtung und ein kleines Depot der Geisterbären. Eagle 3 und 4 fliegen hohe Deckung. Danach gehen 1 und 2 in hohe Deckung und werden die Sicherung übernehmen, während 3 und 4 sich dem großen Versorgungsdepot nähren und einen Bombenangriff im Reihenwurf durchführen. Die Zielkoordinaten habt ihr, mit etwas Glück bekommen wir zudem Funkfeuer von unseren Freunden am Boden. Und wenn ich sage einen Angriff, dann auch wirklich nur einen, verstanden?“ Durchdringend schaute „Little Rock“ - auch nach einigen Monaten bei der Truppe konnte Emma seinen Namen nicht wirklich über die Lippen bringen - seine Piloten an.
„Vergesst nicht, der zweite Angriff findet nur statt wenn alles grün ist, also keine Bären im Anflug. Falls doch werden Eagle 3 und 4 einen hohen Abwurf machen auf das Depot und alle verschwinden mit maximal Schub, geht kein Risiko ein.
Zeichen nur mit Kratz- oder Klopf-Geräuschen. Zwei Kratzer heißt Bombenrun und zwei Klopfer heißt hoher Abwurf. Danach ist Rendezvous mit unserem Leopard hinter M-3. Dort werden wir einschiffen und uns durch ein Asteroidenfeld schleichen zu M-1 und dann schnell docken und springen.
Sollten uns Bären verfolgen, werden die Eagle nicht landen, sondern Eskorte des Leopards. Es bleibt bei Funkstille. Falls ich meine, ihr könnt landen, werde ich euch über Funk folgendes Zeichen geben, dreimal Klopfen und das Wort Gaijin. Keiner Antwortet, sondern Eagle 1 setzt zur Landung an.“ Die zwei Stukas des Leopard würden wie immer in Reserve bleiben, vorgesehen nur für den äußersten Notfall.
Er musterte für einen Augenblick seine Untergebenen, aber seine Stimme blieb kalt: „Unser Auftraggeber ist zufrieden mit den erreichten Zielen und unserer Arbeit. Wir werden nach diesem Auftrag ins Kombinat springen und dann uns einen Landurlaub gönnen für zwei Wochen. Danach wird es interessant, da dann vermutlich eine Comstar Einheit kommen soll, wer das ist und wie die Zusammensetzung ist, wissen wir noch nicht. Also raus mit euch und ab jetzt will ich über Funk nichts hören. Fragen nach der Mission sehr gern.“
Ich murmelte so vor mich hin und merkte nicht wie der CAG mich ansah. Was sollte es auch, dieser Kerl war mir zu wider. Also ging ich zu meiner Kabine, holte meinen Helm und ging zu meinem Backstein, einem Luftraumjäger des Typs Hellcat. Im Hangar nickte ich Mulligan, dem Techniker, zu und begann mit ihm die rot lackierte Maschine mit Kurita Mohn zu umrunden, die letzten Fähnchen abzuziehen und so einige System freizugeben.
Als letztes gingen wir zu den Bomben. Naja, es waren anscheinend zwei schwere Clusterbomben und zwei Sprengbomben. Sie machten meine kleine Cat etwas träge, aber das war egal, sobald ich die Dinger los war ging es voran. Ich stieg ein, ging die Systeme durch, fuhr sie hoch, prüfte sie, ließ das Cockpit versiegeln, steigerte die Reaktorleistung. Gab per Handzeichen bekannt das alles grün war und ich startbereit. Kurze Zeit später ging die Seite des Landungsschiffs auf und ich konnte starten. Mit langsamen Schub flog ich raus, neben mir mein Flügelmann und auf der anderen Seite konnte ich die beiden blauen Punkte von Eagle eins und zwei sehen. Kurz danach formierten wir uns und mit einmal Klopfen wurde die Mission gestartet.
,Was für eine öde Sache, was für eine blöde, nicht befriedigende Funkstille, so ein Mist.' So sass ich im Cockpit und haderte mit den letzten Monaten dieses Einsatzes, die Unzufriedenheit in unserer Einheit und speziell bei mir war angestiegen. Es war deutlich, dass es nicht mehr lange zu ertragen war im All eingesperrt zu sein und keine Kommunikation zu haben. Allerdings - die meisten meiner Kameraden führten diese Art von Leben schon einige Monate länger und hielten trotzdem durch.
Aber ein Lichtstreif am Horizont, wenn alles gut ging, war ich bald für zwei ganze Wochen mal wieder auf einem Planeten. Auch wenn es nur ein Rattenloch von Schmugglerversteck war, in dem die eine Hälfte der Leute darauf aus war, die andere übers Ohr zu hauen. Aber wenigstens echte Schwerkraft, echtes gutes Essen und ein tolles Wellness-Wochenende für mich. Ach ja, einmal wieder schön entspannen, shoppen, Massagen und andere Menschen.

Die Zeit verflog und schon waren wir im Atmosphärenflug, noch zeigte unser Radar nichts von feindlichen Fliegern, das konnte aber nicht mehr lange dauern.
Eagle 1 und 2 begannen ihren Anflug auf ihre Ziele, Eagle 4 und ich flogen weit über den Wolken in einer Schleife, plötzlich hörte ich ein Kratzgeräusch und schaute auf mein Radar. ,MIST, Mist und nochmals Mist', da schossen doch fünf Jäger auf uns zu.
Ich klopfte zweimal und begann mit meinem Flügelmann den hohen Anflug. Bei 1000 m klinkten wir aus, zogen hoch, beschleunigten und begann unseren Weg zum Leopard.
Mein Blick ging immer zum Radar und mir wurde anders, die Jäger blieben zuerst tief und ich hatte schon aufgeatmet und vermutet, dass es Atmosphärenjäger sind. Doch dann ging es plötzlich ganz schnell und die fünf Verfolger stiegen und durchstießen die Atmosphäre. Wir beschleunigten ebenfalls, aber es war ein Spiel auf Zeit. Sie sahen uns und wir sahen sie.
Aber irgendwie war es komisch, irgendwas stimmte nicht. Unaufgefordert überspielte ich meine Daten an das Landungsschiff, das kurz darauf seinen Schub erhöhte und in Richtung Asteroiden flog. Keine Nachricht, kein Nichts, allen war klar was das bedeuten könnte. Wir flogen nun Deckung durch ein Asteroidenfeld in Richtung unseres versteckten Sprungschiffes, diese war informiert, das Sprungsegel war eingeholt und es schien zu glühen, das konnte nur bedeuten das der Sprungantrieb heiß geladen wurde. Das bedeutet, dass Antriebsenergie in den Sprungantrieb geladen wird, was nicht ganz ohne Risiko ist. Aber leider hatten wir bei dem Hin und Her nicht immer genug Zeit gehabt, unsere Batterien für einen Reservesprung aufzuladen. Jedoch in solchen Situationen durfte man nicht erwischt werden, also wurde alles getan um zu entkommen. Kurz vorm dem Andocken kam das Zeichen vom CAG, dass wir landen durften. Eagle 1 und 2 wurden reingeholt, Eagle 4 begann den Landeanflug als aufeinmal ein Funkspruch kam.
„Hier spricht Sterncaptain Eric Devon der Geisterbären. Sie haben unsere Einrichtungen angegriffen, geben sie sich zu erkennen und deaktivieren sie Antrieb und Waffen, oder wir eröffnen das Feuer.“
Das konnte nicht sein, die Jäger waren viel zu weit weg, ich konnte keine Satelliten oder anderen Sachen orten, also ignorierten wir diese Funksprüche - abgesehen von ein paar aufgezeichneten Beschimpfungen, die wir ihnen rüberschickten.
Nun begann ich mein Einschleusungsmanöver. Ich war gerade drinnen, das Schott schloss sich als plötzlich von draußen Geräusche hörbar wurden. Der Druckausgleich hatte noch nicht stattgefunden und ich war gefangen in meinem Jäger, eine riesige backsteinförmige Zielscheibe. Dann gingen die Lichter in grün und ich konnte das Cockpit öffnen. Doch auf einmal ging der Schiffsalarm los, ein schwerer Ruck ging durch das Landungsschiff, ich ließ mich wieder auf meinen Pilotensitz fallen, schaltet auf die interne Kommunikation und hörte nur ...“sofort springen. Was war das, diese Geräusche … wir haben vermutlich Feinde im Schiff … Sprungalarm und schon verzerrte sich alles vor meinen Augen.
Als ich wieder klar wurde begann ein wenig Panik in mir aufzusteigen. Was war nur passiert, gab es noch eine Gefahr auf dem Schiff. Dann ging eine Luke auf und Mulligan, einer der Techniker kam reingerannt. Ich öffnet das Cockpit:“ Mulligan, was ist denn los zum Teufel!“
Mulligan schaute mich an und dann sprudelte aus ihm raus. „Mam, es war ein Fehlalarm an einem Außensensor des Invader. Sobald dieser aber ausgelöst war, hat der Skipper instinktiv reagiert, hat die entsprechende Sektion abgeriegelt und den Sprung durchgeführt. Leider sieht es so aus, das eine Schleuse für Wartungszwecke verzogen war. Es gibt in der entsprechenden Sektion keinen Ausgleich mehr und das man nun erstmal dieses Problem notdürftig reparieren müsse bevor man weiter springt.“
„Klasse. Erst dieser Einsatz und die Bärchen im Nacken, dann dieser Sprung und nun sitzen wir im Niemandsland und hoffen auf … ach was weiss ich schon.“
Mulligan wirkte auch nicht zufrieden. „Ma am, wir alle sind davon überrascht worden. Zwei Techs sind nun auf der Krankenstation, da sie nicht rechtzeitig sich festgurten konnten. Es riecht nach einer Menge Ärger. Unser Skipper ist auch sauer, habe ich gehört.“
„Wieso unser Skipper, der tut doch sonst sehr wenig.“ Ich rollte mit den Augen.
„Na sie wissen doch, das Andocken war auch ein abruptes Manöver. Die Verbindungen zum Sprungschiff waren geradeso mal wieder dran, da wurde gesprungen. Der Käpten hat sich wohl dabei auch ein wenig verlezt, nichts schlimmes, aber angesäuert ist er nun.“
„Ach, hat es ihn in seinen Sessel gedrückt. Vielleicht sollte ich mal hingehen und den lieben Mann trösten. Ich glaube das könnte ihm auch gefallen, oder?“ ich zwinkerte Mulligan zu.
Suffisant brachte der Wicht es echt fertig zu sagen „Habe mir auch weh getan, könnten sie mir da auch helfen, Maam?“
„Och wo tut es denn weh dem kleinen Mädchen?“ lächelte und kam auf ihn zu.
Erschrocken trat er ein wenig zurück, entgegnete dann „Och menno, sie sind ein Teufelsweib, Ma´am. Wieso kriegen immer die Oberen mehr Zuwendung?“
„Weil die auch mehr haben!“ lächelte ich.
„Sagt wer? Soll ich mal zeigen.“ Im selben Augenblick schoss die Erkenntnis durch seinen Kopf. „Entschuldigung Ma´am.“
„Alles gut. Ihnen ist ja noch nichts passiert.“ Ich ging an ihm vorbei und schwang meine Hüften, denn ich wußte er würde mir nachgucken. Männer, so einfach gestrickt.
Innerlich noch ein wenig aufgewühlt ging ich zum Briefingraum gab einige Sachen ab und verließ dann den Raum in Richtung meines Quartiers.
„Hey“, rief ich meinem Wingman zu. „Alles klar bei dir? Warste noch im Backstein als der Sprung kam?“
„Hey Simple Hase. Ja, konnte mich schnell in den Sitz fallen lassen. Haste das mit den Reparaturen am Invasor gehört?“
„Klar, verdammt nun hängen wir noch ein paar Tage länger hier rum. Heute Abend im Grouproom … Poker?!“
„Wie immer. Aber willst du echt mitspielen? Der XO ist auf der Tour ganz vorne und ich glaube die ziehen dir dein schönes Hemdchen aus.“ Er lächelte schief und schmalzig.
Ich knuffte ihn „Das lass meine Sorge sein du Draufgänger.“
Im Quartier holte ich mir eine Verbindung zum Invasor und schaute nach wie schlimm die Schäden denn nun waren. Das gute war, das dieses Schiff militärisch geführt wurde und so wurde das interne Log gepflegt. So hatte jeder die Möglichkeit zu sehen was grade drüben passierte.
Wenn alles gut ginge würde man 3-4 Sprünge noch machen, um dann in einem kleinen Raumdock diese Sektion wieder in Stand zu setzen. Das war nicht schlecht, denn in dem Schmugglernest, wo wir Landurlaub erhalten sollten, gab es am Nadir Sprungpunkt eine kleine Raumstation, die ein solches Dock besaß. Nun war man im Niemandsland, lud den Antrieb mit dem Segel auf. Alles war gut.
Ich ging also zum Debriefing unserer Mission, kurz vor der Pokerrunde. Der CAG war nicht sehr zufrieden.
„Meine Dame und Herren. Die Missionslogs zeigen das Eagle 1 und 2 nur ein Ziel hatten vernichten können und das zweite völlig verfehlt wurde. Der Bombenabwurf aus großer Höhe war da fast schon ein Erfolg. Von den acht abgeworfenen Bomben war eine Spreng und eine Clusterbombe im Ziel, welche die Installation aber nur moderat beschädigt haben.“
Er schaute sich um, grinste ein wenig schief. „Hey Eagle 4, nichts im Ziel, das ist nicht mehr lustig, da mußt du und werden wir wohl einige Stunden im Simulator dranhängen. Glückwunsch an Eagle 3, 50% aus großer Höhe. Eagle zwei, keine Ahnung was da los war, aber sie sind genauso dran wie Eagle 4.“
Mir war das fast schon egal, ich wollte meine Ruhe nach diesem Hin und Her. Mein Flügelmann sah auch erschlagen aus und ein wenig missmutig, genauso wie der andere. Einzig der CAG schien der reinste Sonnenschein und das nervte mich immer mehr.
„So meine Adler. Nach diesem kleinen Spielchen, werde ich jetzt unsere schöne Adlerin nehmen und mit ihr ein wenig Pokern. Die anderen dürfen natürlich zuschauen, aber der XO will heute mitpokern und ich habe versprochen eine nette Dame mit zu bringen.“
Tja das war mal was, er nannte mich Lady. „Danke für die Blumen, aber nein danke. Ich komme um euch Kerlen zu zeigen wie eine Frau euch die Hosen auszieht.“ Überraschte Blicke und ein wenig dummes grinsen auf den Gesichtern zeigte mir das ich ins Schwarze getroffen hatte.
So das war mal ein Blick hinter die Kulissen wie die Einsätze hier bei uns so laufen.

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Naraka, Lager "Paradies", 3067


Die beiden uniformierten Gestalten stapften mit gleichmäßigen Schritten vorwärts. Einer war schmal und hager, der andere kräftig und etwas kleiner. Dadif, der Schmalere, dachte beim vorangehen nach: ‚Wache schieben. Wie lange werde ich das wohl noch tun?' Irgendwann vielleicht würde er selbst, Dadif, diesen meist langweiligen Dienst transzendieren und erkennen, was wirklich wichtig war. Oder jemand in der Inneren Sphäre, oder bei den Clans, der Wache schob. ‚Wache schieben‘, seltsames Konstrukt. Warum schob man die Wache? Wurden Menschen nicht permanent herumgeschoben, er selbst im Speziellen? Auf dem Schachbrett des Krieges und des Daseins von höheren Mächten, getarnt als Menschen mit höheren Dienstgraden, Titeln und Ambitionen. Damit dachte er wieder an seine Familie. Er seufzte und atmete aus, woraufhin er in der Morgenkühle eine Dampfwolke hervorstieß.

Wäre er weiter der loyale und dankbare Sohn geblieben, würde er jetzt auf Donegal auf irgendeiner Party oder einem Empfang herumstehen und Gäste begrüßen und unterhalten. Er schniefte. Aber er hatte sich dagegen entschieden. Und so bewachte er nun die Basis auf dieser fast vergessenen Welt, in der Beute aufbereitet wurde und wo die Kameraden seiner Einheit sich erholen konnten.
In seiner Flucht vor seiner Familie und Verantwortung hatte er sich viel herumgetrieben, aber irgendwann waren die Geldsendungen seiner Mutter ausgeblieben und er saß wirklich auf dem Trockenen. Einen echten Beruf hatte er nie gelernt, auch wenn er nach Aussagen seiner Eltern „alles“ machen könnte was er gewollt hätte. Natürlich, mit Geld und Beziehungen ging es immer. Die Dobrowolskis waren auf Donegal eine ziemliche Nummer. Die ganzen Beziehungen hatte Dadif, im Ganzen Dadif-Maria-Björn, nie überblicken können oder wollen. Die Verpflichtungen, die ihm als Erben auferlegt wurden, waren schon in jungen Jahren ein ständiger Reibungspunkt. Mit seiner Volljährigkeit verabschiedete er sich aus diesem Irrsinn.
Es war ihm zuviel gewesen. Er konnte nicht dort bleiben, auch wenn andere, wie „Kotzi“, ihn nie verstehen würden.
Aus deren Sicht war dies sogar verständlich. Leute die nie viel Geld hatten, wollten es ständig haben. Dadif war in dieser Hinsicht glücklich zu nennen. Er brauchte nicht viel außer seinen Gedanken und „Kotzi", Ermhard Koslowsky mit bürgerlichem Namen. Und vielleicht auch „Zwerg“, der sich Dirk Graham nannte. Der sah ihn zwar an wie ein seltsames Insekt oder einen niedlichen Hund, aber hatte ihm schon oft geholfen und sogar einiges beigebracht, auch wenn die Messerkampflektionen Dadif immer mit flauem Gefühl im Magen zurückließen. Ob er jemanden erschießen konnte war ihm auch nicht klar. Die Zielscheiben und Steine, an denen sie geübt hatten, waren nicht so problematisch. Und sie schossen auch nicht zurück. Aber er konnte das Lager bewachen und Alarm schlagen. Das war sein Ziel, das hatte er ihnen versprochen.

Er hatte eine Waffe in der Hand und hatte mühsam die Grundlagen des Infanteriekampfs üben müssen, zusammen mit anderen hierher angespülten Existenzen. Die Einheit war jetzt seine Familie, eigentlich seit von ihnen aufgelesen worden war. Bis heute verfolgte ihn sein erster „richtiger“ Kampfeinsatz, der gründlich schiefgegangenen war. Nicht seine Schuld, das wusste er. Er war einfach zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen. Der Gegner hatte seine Einheit einfach überrannt, kaum dass er angekommen war. Danach hatte es über Wochen nur noch Chaos und Flucht gegeben.
„Hey, Nasi, träumst du schon wieder?“, fragte Kotzi, als er neben ihn trat. Sie waren jetzt schon zwei Runden gelaufen, bald würde die Schicht vorbei sein und sie hatten kaum miteinander gesprochen. Jetzt schien er wieder Redebedarf zu haben, erkannte Dadif. Er gab ihm ein schiefes Lächeln zurück. „Du kennst mich ja. Was hast du?“ Der Angesprochene, ein einfacher, kräftiger Soldat Ende dreißig schloss zu ihm auf. „Hey, ich will nur, dass du die Augen aufhältst und nicht nur träumst.“, brummelte er. Und er fügte hinzu: „Wir haben die Schicht fast hinter uns. Ich freu mich schon verdammt auf „Spike“. Hadriana Gramma war seine Freundin, auch wenn sie beide sich nicht so bezeichneten. Er, ein Panzerfahrer und sie eine Mechkriegerin. Ihr Status als Entrechtete innerhalb der Gemeinschaft der Verlorenen war ihr Bindeglied. Zumindest am Anfang. Jetzt waren Sie in den Augen derer, die sie kannten, ein Paar.
Dadifs Gesicht blieb ausdruckslos. Er freute sich zwar für Ermhard, aber die Frau mochte ihn nicht. Da ging es ihr wie vielen, sicher, aber da Ermhard sie gut fand, fand er selbst sie auch in Ordnung. Nur hatten sie sich nichts zu sagen. Sie war ihm im Grunde egal. „Frühschichten sind nicht unangenehm.“, antwortete er unbestimmt. Es war selten, aber eine Frühschicht ließ einem viel Zeit, den Tag zu nutzen. Wenn Ermhard nichts mit ihm unternehmen wollte, würde er wohl wieder zeichnen. Die meisten Kurse auf seinem hochgeschätzen Datenpad hatte er schon beendet und konnte schon fast alles zeichnen, was er wollte. Vielleicht würde er wieder Pflanzenstudien anfertigen. Auch davon, neben vielen anderen Objekten, hatte er schon viele Speicherchips beladen. Er lächelte jetzt. Ganz für sich allein zu sein war auch angenehm.

Sie näherten sich wieder dem Eingang des Stützpunktes. Nach häufigen Patrouillen um die Basis waren sie zwar im Marschieren geübt, jedoch trat die Ermüdung durch die Schichten jetzt doch deutlich zutage, die spezielle Zusammensetzung der Atmosphäre des Planeten tat ihr Übriges. Die meisten Wachdienstleistenden nutzten ihre Atemmasken, aber Dadif versuchte, die längste Zeit ohne den zusätzlichen Sauerstoff durchzuhalten. Wenn man nicht zu lange die Luft ohne Zusatz atmete, war das nicht schlimm, jedoch nach mehr als 12 Stunden würde man wohl langsam ersticken, so hatten es die Mediziner ihm erklärt. Man schlief irgendwann einfach ein und wachte nicht mehr auf. Da die meisten "Siedlungen" auf dem Planeten weit auseinander lagen, würde niemand gern ohne spezielle Ausrüstung auf Wanderschaft gehen. Die meisten anderen "Basen" waren ohnehin nur Schmugglerdepots, kleiner und noch schwerer auszumachen als die Basis seiner Einheit.

Dadif sah jetzt den Wachhabenden, der ihnen entgegensah. Neben ihm stand, fast unvermeidlich, „Zwerg“ Graham mit breitem Grinsen. Seine Uniform sah nicht besonders akkurat aus, aber jeder, der Graham kannte, wusste, dass mit ihm im Kampf zu rechnen war. Er war einer der besten Schützen, die Dadif kannte. Ebenso galt das mit dem Besten natürlich für alles, was Soldaten so taten. Abgesehen von der Uniform. Die sah immer recht nachlässig aus.
Der Unteroffizier nickte ihnen freundlich zu. Sie meldeten keine Vorkommnisse und waren damit fast fertig mit ihrer Schicht. Nur die Übergabe der Waffen war noch zu erledigen, damit die nächste Schicht patrouillieren konnte. Graham, wegen seine kleinen, aber breiten Statur „Zwerg“ genannt, sein Vollbart half dabei sehr, blieb bei ihm, der Wachhabende hatte keine Einwände, auch wenn es normalerweise nicht vorschriftsmäßig war. Aber die Verlorenen kannten sich teilweise schon lange, und Vertrauen war ihre Hauptwährung. Er sprach beide an: „Habt ihr heute schon was vor? Ich würde gerne mal wieder ballern. Oder was ihr wollt. Hm?“ Kotzi antwortete nur: „Spike,“ und meinte damit seine Freundin, die entrechtete Mechkriegerin. Zwerg nahm es achselzuckend zur Kenntnis. Er kannte ja die Verhältnisse. Damit wandte er sich an den schlankeren, jüngeren Infanteristen, der gerade die Waffenübergabe fertigstellte. Viele der Soldaten behielten ihre Waffen, aber er selber gehörte nicht zur eigentlichen Kampftruppe. Also absolvierte er die übliche Routine. Magazin raus, Waffe entladen, damit nichts in der Kammer zurückblieb. Die Gewehre waren standardmäßige Automatiks, fast überall einsetzbar, robust und trotzdem tödlich.

„Nase“ sah ihn an. „Eigentlich wollte ich zur Erholung wieder in den Wald..“ „Na is‘ doch prima, da komm‘ ich doch mit und wir machen Messerwurf,“ unterbrach er ihn enthusiastisch, was ihm ein Naserümpfen von Dadif einbrachte. Subtil konnte man bei ihm nicht sein.

Sie liefen zu den Baracken zurück, offenbar hatte Dirk „Zwerg“ Graham wieder genug Freizeit. Als einer der Spezialkräfte hatte er vermutlich irgendwelche Vorrechte, die andere nicht hatten. Es war Dadif allerdings egal, er kannte sich damit nicht aus. „Ja, okay, werfen wir etwas Messer, wenn ich dich dabei zeichnen kann.“, gab er schließlich nach. Dadif lächelte zufrieden. Heute würde es ein guter, produktiver Tag werden.

__________________
Combined Arms Mechwarrior, hier fahre ich Epona, stampfe mit NovaCat, fliege Shiva und bin BA.
Stand-alone, ohne irgendwelche Voraussetzungen. Kostenfrei.

http://www.mechlivinglegends.net/2017-01/mechwarrior-living-legends-communi
ty-edition/
24.01.2017 20:47 Marlin ist offline E-Mail an Marlin senden Beiträge von Marlin suchen Nehmen Sie Marlin in Ihre Freundesliste auf
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Dadif hatte gegessen, kurz geschlafen und war jetzt bereit, den Resttag zu nutzen. Er hatte sein Zeichenset - eigentlich ein Bildschirm mit einer Matte, auf der man zeichnen konnte - eingepackt und auch eine Handwaffe mit, weil „Zwerg“ darauf bestand. Er meinte, die Kommandierenden hätten das befohlen. Da Dadif ihm vertraute, zuckte er nur mit den Schultern, auch wenn er lieber ohne gelaufen wäre. Der „Wald“ zu dem sie marschierten, lag zwischen zwei Sensorgrenzen, die oft gewartet wurden und bestand aus einer Reihe von knorrigen, wenn auch primitiveren Großpflanzen, vorwiegend Grasartige. Laut seiner Bücher und seiner kurzen Untersuchungen glaubte Dadif, dass die zwischen Bambus und terranischem Schachtelhalm lagen. Sie waren zwar ganz innen hohl, jedoch biegsam und mit so dicker Außenhülle, dass es einiger Anstrengung bedurfte, einen fahlvioletten Halmbaum zu fällen. An sich waren sie vielseitig nutzbar, aber natürlich nichts, was man exportieren konnte, so dass sie nur vor Ort verarbeitet wurden. Nichts auf Naraka war wirklich wertvoll, abgesehen von dem, was die Leute hierhin mitbrachten - und das seit über 100 Jahren. Selbst das Wasser musste zumindest sicherheitshalber geprüft und aufbereitet werden, denn es war für Menschen nicht gerade bekömmlich. Ein Erbe aus der Zeit, als es hier noch so etwas wie eine Bergbauindustrie gab. Die Stämme hatten sich daran angepasst, aber nicht die Menschen, die hier wohnten. Und viele der Pflanzen von ihnen sonderten unbearbeitet einen Saft ab, der ziemlich unangenehme Hautreizungen verursachen konnte, manche Menschen reagierten sogar ausgesprochen allergisch. Daher waren Holzarbeiten nur mit Handschuhen und am besten noch Spritzschutz vernünftig.

Zwerg wusste dies, und hatte entsprechend Ausrüstung mit um sich eine Zielscheibe an einem Stamm zu fertigen. Die Borke war sehr grob strukturiert und wurde von ihm geglättet, bis sich eine hellere, glatte Fläche ergab. Zum Glück würde dies, so die Erfahrung, bald wieder zuwuchern, so dass man schon wissen musste, an welcher Stelle die Messerspuren zu finden waren um sie freizulegen. Auch hier würden sie so wenig Spuren wie möglich hinterlassen, das wurde ihnen stets eingeschärft. Kontakt mit den Einheimischen war nicht vollkommen untersagt, aber er wurde nicht gerne gesehen, und es hieß, man würde achtgeben, dass keiner sich verplapperte. Nicht, dass die Gefahr groß war, denn man hatte noch dem letzten Mitglied der Einheit wieder und wieder eingebläut, nichts über ihre Herkunft zu verraten.

Dirk hatte seine Tasche mit den Wurfmessern dabei. Er bezeichnete es kryptisch als „Abschiedsgeschenk“. Es war ein stabiler Stoff, der ausgerollt wurde, und viele Messer enthielt, die nebeneinander und gegenüber angeordnet waren. Die meisten Messer waren aus einem Stück geschmiedet und relativ schwer. Es gab auch exotischere Varianten, die Dadif schon nicht mehr als Wurfmesser erkannte. Dirk hatte ihm erklärt, dass die Reichweite sehr begrenzt war, aber dass es nicht schaden konnte, den Wurf zu üben. Während sich Dirk vorbereitete, lehnte sich Dadif mit dem Rücken zum Lager an einen Stamm, Unterholz war hier kaum zu finden, aber es gab um die Stämme kleinere Fadenartige Pflanzen oder Pilze, die nach oben und außen wuchsen. Die störten jedoch nicht. Da es kühl war, erwärmte sich der gedrungene Soldat, sein Vollbart und seine Uniform ließ Dadif in der Tat an einen mythischen Waldbewohner denken. Dadif war bereit und begann einige Skizzen. Zwischendurch sah Dirk immer wieder zu ihm, aber wenn er Dadifs prüfenden Blick sah, grinste er durch seinen dichten Bart.

Nach kurzer Zeit nahm er ein paar Messer und warf auf kurze Entfernung und ohne viel Krafteinsatz. Nach vier Messern holte er sie aus dem Stamm und lauschte kurz, bevor er weitermachte. Entweder mit anderen Messern, oder denen, die er eben benutzte. Dadifs Blick erkannte, dass er während des Wurfs eine völlig entspannte Miene hatte, die sich wieder änderte, als die Messer geworfen waren und er Richtung Stamm marschierte. Aber halt! Trotz seines Kampfgewichts, und Dadif hatte ihn schon sehr schwere Lasten heben sehen, waren seine Schritte leise, fast katzengleich. Das fiel ihm sonst gar nicht auf. Er versuchte, auch die Bewegungen in seine Zeichnungen einzubauen, aber es gelang ihm nur unvollkommen. Der Messerwerfer entfernte sich jetzt mit jeder Runde weiter vom Stamm, warf aber bisher kein Messer auch nur unter oder über die Zielscheibe, geschweige denn daneben.

Die Messer machten jetzt ein hörbares Fauchgeräusch, das Dadif unter anderen Umständen für unangenehm oder als gefährlich empfunden hätte. Da, war das die Zunge? Hatte er sich gerade konzentriert? Dadif baute diese seltene Unentspanntheit auf Dirks Gesicht in seine Zeichnung ein. Das Ergebnis ließ ihn kurz amüsiert auflachen. „Was ist so lustig, junger Mann?“ fragte ihn „Zwerg“, er war sehr schnell hinzugetreten. Dadif zeigte ihm die Zeichnung. Es war nicht klar, ob der breite Mann damit zufrieden war. Eine Weile schaute er ausdruckslos auf seine Abbildung, dann zerschnitt ein breites Lächeln seinen Bart. „Du kannst wirklich sehr gut malen, Junge.“ Er drückte kurz Dadifs Schulter, vielleicht etwas zu fest für den hageren, jüngeren Mann, dann ging er wieder zu seinen Messern, lauschte und machte weiter. Diesmal warf er schnell hintereinander und blieb bei einem erhöhten Tempo. Auch sein Atem war jetzt angestrengter, was jedoch kein Wunder war, da er schon eine Weile mit schweren Messern über eine beachtliche Strecke warf. Zwischendurch atmete er auch durch die Atemmaske etwas bessere Luft ein. Es schien, als ob dies doch nicht nur entspannend für ihn war, sondern eine Fitnessübung. Nach einigen weiteren Bahnen packte er wortlos ein. Dadif hatte einige Studien bekommen, er war nicht unzufrieden. Zwar hatte er keine der Pflanzen, bzw. „Bäume“ zeichnen können, es machte jedoch nichts. Dirk achtete meist mehr auf die Zeiten, die sie draußen verbringen konnten, also würden es schon die zugemessenen Stunden gewesen sein. Die Zeit war schnell vergangen.
Sie machten sich auf den Weg zurück. Im Lager trennten sich ihre Wege wieder. Das war dem jüngeren Dadif nicht unrecht, er hatte morgen wieder Wachdienst und musste bald schlafen. Alles in allem war es ein guter Tag gewesen. Er würde vermutlich noch Einiges lesen und viel nachdenken, bevor ihn der Schlaf überkam.

***

Ermhard, genannt „Kotzi“ wegen seines Nachnamens und gewiss auch wegen seiner Attitüde, die er manchmal zeigte, war seit der Wachrunde erst einmal in der „Koje“ gewesen und hatte sich ausgeruht. Für seine Verabredung mit „Spike“ Framma wollte er frisch und aufgeweckt sein, denn sie war doch eine ganz schöne.., wie sagte man? Eine Handvoll. Andere hatten sie schon als Furie bezeichnet. In der Tat war sie seit er sie kannte harsch, aufbrausend, und generell nicht sehr zugänglich. Das hing vor allem damit zusammen, dass sie als Mechkriegerin ohne Maschine war und seit Jahren kaum Möglichkeiten hatte, wieder auch nur eine leichte Maschine zu führen. Dabei war sie nicht dumm oder inkompetent, immerhin hatte sie sogar Erfahrung in Eloka, oder elektronischer Kriegsführung. Aber seit sie mit dem XO aneinandergeraten war, das war schon zu Anfang, als die Einheit sie aufgenommen hatte, gab es nicht mehr viel Hoffnung für sie. Und natürlich war sie von allen Piloten so ziemlich die mit den wenigsten Abschüssen, der wenigsten Kampferfahrung. Der XO hätte ihr dies sicher verziehen, nicht aber einige andere Dinge. Er behandelte sie kalt und von oben herab, und hatte sogar einmal Zweifel an ihren Fähigkeiten wie an ihrer Verlässlichkeit angedeutet. Im seitdem wurde sie immer schroffer. Vielleicht war das auch das Problem, vielleicht war der XO auch mit ihrem Umgang mit der Situation unzufrieden. Doch als Koslowski das nur einmal als Spekulation angedeutet hatte, hätte sie ihm beinahe den Kopf abgerissen - wortwörtlich. Und so blieb die Situation, wie sie war.
Zwar konnte sie noch ab und an in einem Mech üben, aber es war klar, dass sie die letzte wäre, die eine neue Maschine erhalten würde. Und nun hatte sie wenig Freunde, war auch im Training nicht ungefährlich und hielt sich nicht zurück.

Aber Koslowski hatte sie besser kennengelernt und mochte sie. Zwar bezeichneten sie sich nicht als Paar, jedoch war er einer ihrer wenigen Kontakte, die nicht nur mehr aus dienstlichen Gründen mit ihr sprachen, oder sogar mehr mit ihr unternahm. Und das „Mehr“ war für einen wie Koslowski sehr wichtig, aber auch herausfordernd. Denn auch im Bett mit ihm nahm sie nur wenig Rücksicht. Er musste immer auf der Hut sein. Andererseits redete er sich ein, dass es ihn jung hielt und natürlich hatte er es besser als Dadif oder viele andere, die keine Beziehung hatten.

Sie trainierte viel, also suchte Ermhard sie im Trainingsraum, den sie unter Tage installiert hatten. In den Untertagebereichen wie in den Gebäuden herrschten geregelte Luft- und Temperaturverhältnisse, so dass man sich keine Sorgen machen musste. Die Leute, auch die „Verlorenen“ mussten fit bleiben, wenn sie bald wieder an Bord mussten. Und das konnte im Grunde jederzeit sein, je nachdem wie die Kommandeure ihren nächsten Auftrag planten. Ermhard war da indifferent. Der Planet und seine Schwerkraft war zwar nicht unangenehm, aber die Nebeneffekte wie Wassermangel, sauberes, unbedenkliches Wasser, wohlverstanden, und die Luft vergällten ihm nach einiger Zeit die Freude. Natürlich gab es da gewisse Möglichkeiten - wo es Schmuggler gab, oder überhaupt Menschen, gab es auch Möglichkeiten, sich die Zeit zu vertreiben. Aber das war nichts für ihn. Wenn sie doch nur Panzer zur Verfügung hätten, die er auch in die Schlacht fahren könnte..

Er trat ein. Es waren die typischen Geräusche zu vernehmen. Stöhnen, wenn schwere Gewichte gehoben wurden, gleichmäßiges Atmen auf den Laufbändern und weiter hinten sah er sie schon: Ihr ziemlich muskulöser Rücken war nur von einem schulterfreien Top bedeckt, sie hatte Shorts an. Auch wenn sie etwas älter war als er und keine klassische Schönheit, war sie recht ansehnlich. Ihre Haare jedoch hätte sie, wenn es nach ihm ging, ruhig länger wachsen lassen können. Allem Anschein nach war sie schon länger hier, trotzdem drosch sie fast ohne Pause auf den Sandsack ein, als wolle sie ihn umbringen, und atmete schwer. Ermhard grinste ungelenk. Vielleicht war sie ja heute etwas ruhiger.

Er setzte sich schräg hinter ihr auf einen Sitz an der Wand und ließ ihr noch etwas Zeit.
Nach einer Weile wurde sie langsamer, atmete noch schwerer und hörte schließlich ganz auf. Ihre Arme hingen jetzt herunter und ihre Muskeln zitterten. Zum Abschluss schmetterte sie ihren Fuß mit einem ordentlichen Tritt gegen den Sandsack, was ihn wieder in Schwung versetzte und drehte sich um. Bei Ermhards Anblick versteifte sie sich, jetzt wieder mit finsterer Miene, daraufhin wurde sie jedoch vom Sandsack, der recht schwer und in starker Schwingung war, getroffen und um vielleicht dreißig Zentimeter weiter geschoben. Sie blieb auf den Beinen, aber jemand weiter vorn hatte sie beide wohl beobachtet, und zusätzlich zu ihrer gereizten Stimmung kam nun auch Gelächter auf. Spikes Miene verdüsterte sich noch mehr und sie marschierte hinaus. Als sie aus der Tür getreten war hörte man noch etwas Gekicher, was bei ihrem Vorbeimarsch jedoch verstummt war. Als Ermhard ihr folgte witzelte jemand, dass er gut auf sich aufpassen solle. Die meisten wussten, dass Spike einmal eine Kameradin bei einem Sparring fast erwürgt hatte, seitdem mochte niemand mehr mit ihr trainieren. Sie hatte eine Woche "Verschärften" und reichlich für eine Kriegerin entwürdigende Strafarbeit aufgebrummt bekommen, und der XO hatte sie zudem furchtbar zusammengefaltet. Die Verhaltensregeln in der Einheit waren klar, und eine Übertretung wurde nicht toleriert, sosehr dies in mancher Hinsicht von den Gewohnheiten abwich.

Er selbst war jetzt auch nicht mehr froh. Aber was hatte er falsch gemacht?
Stirnrunzelnd folgte er ihr zu ihrem Quartier. Es wurde auch noch von anderen Entrechteten benutzt, immerhin nur ein Vierbettzimmer, das war schon ein Privileg, da sie als Pilotin zur Elite gehörte. Die Arme vor der Brust verschränkt wartete sie schon auf ihn. Es schien sonst niemand da zu sein, jedoch wäre ihr das in ihrem derzeitigen Zustand wohl auch egal gewesen. Kaum hatte er die Tür geschlossen, fauchte sie ihn an: „Warum hast du mich nicht gewarnt?! Ich hatte dich nicht erwartet! Stattdessen hat sich einer über mich lustig gemacht! Nur weil du nicht sagst, dass du da bist! Warum machst du mir es so schwer?“ Ermhard ließ die Tirade wortlos über sich ergehen. Ihr Gesicht war zu einer Maske des Zorns verzerrt, mit rotem Kopf und noch zitternden Muskeln, vor Schweiß triefend stand sie da. Eine starke Frau, ja, aber auch furchterregend. In solchen Momenten fragte er sich öfter, was er an ihr fand und warum er sich das gefallen ließ.
Als sie endlich zu erschöpft war um weiterzuschimpfen, nahm er sie wortlos in den Arm. Zu Anfang wehrte sie sich noch, aber da sie sich vollständig verausgabt hatte, war es für Ermhard kein Problem, sie fest an sich zu ziehen. Er redete ihr beruhigend zu und beförderte sie in Richtung ihrer Koje. Beide atmeten jetzt schwer, als sie auf die eigentlich zu schmale Liege sanken und Ermhard sie von ihrer wenigen Kleidung befreite. Niemand störte sie für die nächste Zeit.

__________________
Combined Arms Mechwarrior, hier fahre ich Epona, stampfe mit NovaCat, fliege Shiva und bin BA.
Stand-alone, ohne irgendwelche Voraussetzungen. Kostenfrei.

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ty-edition/
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Vergiftete Saat

Anwesen von Ohno Takenaka, Provinz Iga, Planet Numki, Draconis-Kombinat

Von außen betrachtet war Ohno Takenakas Anwesen Ausdruck des geschäftlichen Erfolgs und guten Geschmacks einer wahren Stütze der Gesellschaft. Es lag am Suirei-Fluss und befand sich etwa zweihundert Kilometer außerhalb der Hauptstadt Iga, etwas über 30 Kilometer von Maibara entfernt, einer Stadt mit immerhin 200.000 Einwohnern. Damit war es dich genug an einem wirtschaftlichen Zentrum, so dass seine Bewohner problemlos am städtischen Leben teilnehmen konnten. Pfeilschnelle Gleiter brachten sie in wenigen Minuten zu den Außenbezirken Maibaras. Zugleich waren sie von dem Trubel, Lärm und Schmutz einer pulsierenden Großstadt weit genug entfernt. In unmittelbarer Nachbarschaft lagen abgesehen von einem buddhistischen Kloster nur noch einige wenige andere Villen ähnlich erfolgreicher Unternehmer, jede von Gärten mit mehreren Hektar Größe umgeben. Private Wachleute, solide Mauern oder Zäune und moderne Technik boten Schutz vor Störungen und Gefahr.
Anders als viele Kuritaner hatte sich Takenaka-sama dagegen entschieden, sein Anwesen im "klassischen" Stil zu gestalten. Natürlich gab es einen großen und gut gepflegten Garten mit einem Teepavillon, der auch vor den Augen eines Fürsten der Sengoku- oder Gempei-Ära Gnade gefunden hätte, aber das Wohngebäude war ein funkelndes Juwel aus Stahl und Glas, das eher modernen Zeitgeschmack verriet, und auch viele der Skulpturen, die den Garten bevölkerten, vermieden den Traditionalismus, dem man im Kombinat so inbrünstig huldigte - teils aus Überzeugung und Stolz, teils aus Ignoranz und teils aus purem Konformismus. Der Hausherr, inzwischen in den späten 50ern, war ein Vertreter der aufsteigenden bürgerlichen Elite, reich geworden durch Handel, Produktion und Wissenschaft, im konkreten Fall durch Geschäfte mit dem Reichtum von Sulafat und seiner Weiterverarbeitung. Er hielt Anteile an mehreren Biotechnik-Unternehmen und war Haupteigener eines Landungsschiffes, das Rohstoffe und veredelte Produkte auf drei Sprünge im Umkreis lieferte. Wie viele seinesgleichen war er nicht emporgestiegen durch das Schwert und vergossenes Blut. Nicht wenige eher traditionelle Adlige des Kombinats blickten auf solche Menschen herab, obwohl sie es sich oft im wahrsten Sinne des Wortes kaum leisten konnten. Sie neideten den Bürgerlichen insgeheim ihren Reichtum, hielten sie andererseits für Kriegsgewinnler, die sich von den "wahren" Kuritanern beschützen ließen, ohne ihr Blut zu vergießen. Manche Lords achteten einen Bauern noch immer höher als einen Händler.

Die Shimatze waren da schon immer etwas toleranter gewesen, und das Bürgertum dankte es ihnen in 99 von 100 Fällen mit Loyalität und Prosperität, die sowohl den höheren als auch zu einem gewissen Umfang den unteren Schichten zugute kam. Ohno Takenaka war, wie es hieß, da keine Ausnahme. Er nahm intensiv am gesellschaftlichen Leben teil, hatte mehrere lokale Infrastrukturprojekte gefördert und sogar über mehrere Jahre im beratenen Gremium von Maibara gesessen, das einer demokratischen Verwaltung so nahe kam, wie es im Kombinat nur sein konnte. Seine einzige Tochter war stolze Ehefrau eines Piloten der Shimatze-Streitkräfte, seine zwei Söhne unterstützten ihn bei seinen Geschäften. Der eine war Biotechniker, der andere im Vertrieb tätig. Wenn man seine Nachbarn befragte, war er der lebende Beweis für den Aufstieg des Bürgertums selbst in so einer militarisierten Gesellschaft wie dem Kombinat.
Die Wahrheit war freilich wie so oft etwas komplizierter. Ohno war nicht nur durch Findigkeit und Unternehmergeist aufgestiegen und hatte viele Konkurrenten überrundet. Eine große Portion Wagemut und Skrupellosigkeit war dabei ebenfalls im Spiel gewesen, dazu kam viel Geld aus sehr undurchsichtigen Quellen. Und wie so oft musste es mit Zinsen zurückgezahlt werden, wobei diese sich nicht immer in blanken Zahlen bemaßen. Wenn ihn dies zunächst auch belastet hatte, inzwischen agierte er ebenso gelassen und geschickt in der "grauen" und "schwarzen", wie in der "weißen" Wirtschaft. Und seit nunmehr 20 Jahren war er tief in den Schmuggel mit den Reichtümern von Sulafat verwickelt - auch am Säckel der Shimatze vorbei. Er war kein Oyabun der Yakuza, nicht einmal ein Vollmitglied, aber er hatte beste Verbindungen zu mehrere Kai und Gumi auf Numki, Darius, Sulafat und darüber hinaus.

Ohno machte sich keine Illusionen - sein Reichtum und seine Verbindungen würden ihm niemals wirkliche Unantastbarkeit erkaufen. Er konnte Zeugen kaufen, Beamte bestechen, konnte sie sogar einschüchtern, vielleicht gar einen unauffälligen "Unfall" arrangieren lassen. Doch irgendwo, auf den höheren Ebenen, wo die Luft dünn und die Dolche blank und scharf geschliffen waren, versagte auch der Einfluss der Unterwelt und des Geldes. Vor dem Zorn der Grafen und Fürsten wich die Yakuza lieber aus, anstatt sich ihm in den Weg zu stellen. Und wer zum direkten Ziel solchen Zorns wurde, stellte schnell fest, dass die Loyalität in der Schattenwelt vergänglich war. Früher hatten ihn solche Aussichten nicht selten den Schlaf gekostet. Kein Familienvater, der nicht bei dem Gedanken erschauderte, dass theoretisch jederzeit grimmige gepanzerte Männer und Frauen mit blanken Schwertern und geladenen Gewehren sein Haus stürmen und ihn einem unerbittlichen Gericht, seine Familie der Schande überantworten konnten. Doch das war damals gewesen. Heute spielte er das Spiel in den Schatten beinahe so selbstverständlich wie er atmete. Sein Gewissen machte ihm noch die wenigsten Probleme. Denn er wusste, nichts was er tat, war im Grunde etwas anderes als das Tagwerk der Herrschenden der Inneren Sphäre und darüber hinaus. Sie machten die Regeln, und erklärten denjenigen zum Verbrecher, der sich nicht daran hielt. Dabei ignorierten sie, dass die Gesetze und Gebote die sie schufen immer ihre eigensten Interessen im Blick behielten. Und die Regeln ihrer Gegner und Rivalen, die brachen sie nur zu leichtfertig und verbrämten es oft auch noch mit noblen Phrasen. Er jedenfalls hatte sein Karma akzeptiert.

Manchmal freilich waren ihm seine Beziehungen und ihre Begleiterscheinungen doch eine arge Belastung. Es gab gewisse Dinge, die er tun musste, "Bitten", die er nicht abschlagen konnte - wenn zuviel auf dem Spiel stand. Das hieß jedoch nicht, dass ihm das gefiel. Und was er diesmal durchmachen musste...
Seine "Gäste" waren in einem Transportschweber gekommen, der frische Fische und Schalentiere aus dem 350 Kilometer entfernten Meer gebracht hatte. Anderthalb Stunden Fahrt in einem eiskalten Frachtraum, der nach Meer roch, schien ihnen jedoch nichts ausgemacht zu haben. Diese Barbaren störte vermutlich weder der Geruch, der ihnen noch immer anhaftete, noch die Wasserflecken auf ihrer dicken, zivilen Kleidung, die sie nur partiell und sehr unordentlich abgelegt hatten. Schlimmer noch...
Es waren zwei, und zweifellos war es die Frau, die das Sagen hatte. Sie war von mittlerer Größe, drahtiger Statur und hatte scharf geschnittene alterslose Gesichtszüge, die ein Stück weit kuritanisch wirkten, obwohl sie gewiss keine Bürgerin des Kombinats war. Dazu kamen dunkle Augen und ungebändigte lange blonde Locken. Ihr Alter lag irgendwo zwischen 20 und Ende 30, das ließ sich unmöglich sagen. Es war weniger ihr Aussehen, das ihr eine einschüchternd dominante Präsenz verlieh, als eine Aura von Selbstsicherheit und Autorität, die sie verbreitete. Hier war jemand, der ganz selbstverständlich erwartete, dass Menschen seinen Anweisungen augenblicklich und ohne Diskussionen gehorchten. Alles an ihr, Tonfall, Mimik und Gestik, sprach von unerschütterlichem Selbstbewusstsein, von einer Routine des Befehlens, wie hohe Adlige oder Offiziere sie kultivierten. Natürlich sagte dies nicht unbedingt etwas darüber aus, ob der Befehlende auch wirklich das Zeug dazu hatte. Aber da die Mehrheit der Menschen der Inneren Sphäre und darüber hinaus in Gesellschaften lebten, die entweder als autokratischer Feudalismus oder eine dürftig kaschierte autoritäre beziehungsweise totalitäre Militärdiktatur daherkamen, genügte ein solches Auftreten meist, damit man auch Gehorsam BEKAM.

Der Mann mochte vielleicht ein paar Jahre älter als seine Vorgesetzte sein, so genau ließ sich das nicht sagen. Auch er war nicht sehr groß und eher drahtig als muskulös. Wo man seiner Begleiterin eine gewisse Attraktivität nicht absprechen konnte, war sein Gesicht der reinste Alptraum. Das lag weniger an der markanten Hakennase und den dunklen Augen, wobei ihm das kurze rote Haar im Verein mit den scharf geschnittenen Gesichtszügen etwas füchsisch Verschlagenes gab. Aber deutlich markanter war ein Gewirr von Narben, das sich über seine untere Gesichtshälfte - vom Halsansatz bis zu Höhe der Nase - zog. Es sah aus, als hätte man sein Antlitz mit Schleifpapier oder einer Schrotflinte bearbeitet. Die wichtigsten Passagen des Gesprächs überließ er seiner Vorgesetzten, aber seine knappen Gesten und Äußerungen waren von einer ähnlichen Arroganz und Selbstsicherheit geprägt. Nur wirkte er um einiges bedrohlicher. Dass sie allein auf einem feindlichen Planeten waren, waffenlos, im Haus eines Mannes, der über ein Dutzend gut trainierter und hervorragend ausgerüsteter Leibwächter verfügte - all das schien die beiden nicht im geringsten zu bekümmern. Als wären nicht sie es, die Angst haben mussten, sondern ihr Gegenüber.

Ohno war nicht so leicht zu beeinflussen wie ein gewöhnlicher Bürger der Inneren Sphäre - immerhin log er Autoritäten seit Jahrzehnten ins Gesicht - aber wenn er mit sich selbst ehrlich war, musste er eingestehen, dass das Auftreten seiner "Gäste" auch auf ihn einen gewissen Eindruck machte. Vor allem im Moment.
Die Frau hatte ihre Stimme nicht einmal sonderlich erhoben, aber die unterschwellige Schärfe in ihren Worten schnitt so tief wie ein Dolch: "Deine Informationen waren unzutreffend. Ich habe Leute und Material verloren, weil ich mich auf deine Angaben verlassen habe."
Der Kaufmann zeigte nicht, dass die Angewohnheit, ihn zu duzen, auf die Nerven ging: "Meine Informationen waren korrekt. Ich konnte nicht wissen, dass unplanmäßige Änderungen vorgenommen wurden. Immerhin waren meine Informationen gut genug, dass Sie sich ohne ernste Verluste absetzen konnten. Die Veränderungen müssen ganz oben angeordnet worden sein...auch ich kann nicht jeden und alles kaufen."
Die Frau lachte leise - leise, und irgendwie boshaft: "Wieso? Heißt es nicht - hast DU mir nicht gesagt, man könne alles kaufen?" Die unterschwellige Verachtung in den dunklen Augen war mehr als deutlich, denn nach ihrer Ansicht hatte sie IHN ja ebenfalls gekauft.
"Wir können uns weiter streiten und im Kreis drehen, aber das bringt doch nichts. Sie wollen hundertprozentige Sicherheit? Die KANN ich Ihnen nicht geben - Sie sind Krieger und wissen, dass es das im Gefecht nicht gibt." meinte Ohno, nicht ohne Selbstbewusstsein und Würde. Und das zahlte sich offenbar aus. Wenn er etwas gelernt hatte dann das - seine neuen Geschäftspartner verachteten Schmeichelei und Unterwürfigkeit. Sie erwarteten Respekt, aber wussten es zu schätzen, wenn man sich nicht demütigte. In der Hinsicht waren ihre Gebräuche...schwierig und komplex.
"Nun gut. Um deinetwillen will ich hoffen, dass es künftig nicht noch mehr derartige unplanmäßige Änderungen gibt. Oder wir werden uns andere Geschäftspartner suchen müssen. Hast du die Informationen, die ich wollte?"
Der Hausherr nickte und zauberte einen Datenträger hervor: "Alles, worum Sie mich gebeten haben."
"Und es gibt KEINE Kopie davon? Keine Möglichkeit, dass jemand Wind bekommen haben könnte, dass diese Daten weitergegeben wurden?"
Ohno neigte den Kopf, und log vollkommen überzeugend: "Selbstverständlich. Es gibt keine Kopien der Datei - oder über unsere Geschäftsbeziehungen. Was nun meine Bezahlung angeht..."

Die Frau verzog ihre Lippen zu einem leicht herablassenden Lächeln, doch mit einem Unterton, der keine Widerrede duldete: "Eine Anzahlung. Den Rest erhältst du, wenn wir uns von der Richtigkeit der Angaben überzeugt haben. WIR haben unsere Versprechen immer erfüllt." Sie zog zwei Beutel hervor, einer so groß wie eine Männerfaust, der andere hatte lediglich den Umfang eines Golfballs. Sie warf den kleineren auf den Tisch, und als der Kuritaner den Inhalt überprüfte, gewährte sie ihm auch einen Blick in den zweiten, größeren Beutel.
Ohno musste an sich halten, um nicht doch noch die Beherrschung zu verlieren. Er war ein Mann, der sowohl Schönheit als auch Reichtum zu schätzen wusste, und hier hatte er beides in Reinform vor sich. Regenbogenmuscheln waren eine der vielen Besonderheiten von Sulafat - und im Übrigen auch der Grund für das örtliche Sprichwort "Am Fuße des Regenbogens wartet der Tod." Sie waren eine parallele Entwicklung zu den Perlmuscheln Terras und wuchsen in den flachen Meeren des Planeten, in Tiefen von etwa zehn bis dreißig Metern. Bereits ihre Muschelschalen hatten einen gewissen Wert, schimmerte das Perlmutt doch in allen Farben des Regenbogens, in ungemein satter und prächtiger Art und Weise, abhängig davon, welche Spurenelemente die entsprechende Muscheln aus dem Wasser und Seegrund gefiltert hatte. Und in einigen wenigen Muscheln bildeten sich Perlen von eindrucksvoller Größe und Farbenvielfalt. Anders als irdische Perlen mussten sie nicht gefärbt werden, und Kenner schätzten die Naturfarben als bei weitem überlegen, was freilich auch purer Snobismus sein mochte. Aber wen kümmerte das, wenn die Perlen im Handel so begehrt waren?
Die illegale Ernte von Regenbogenmuscheln war auf Sulafat ein Schwerverbrechen, und der Schmuggel wurde erbittert bekämpft. Die Schwierigkeit, unter der man diese Meeresschätze erlangen konnte, trugen zu ihrem Wert noch bei. Sowohl Apnoetaucher als auch Männer und Frauen mit Atemgeräten suchten nach den Muscheln, doch um auch nur etwas Geld zu verdienen, mussten sie ihren Körper oft bis zur totalen Erschöpfung treiben. Wie alle "Erntearbeiter" erhielten sie nur einen Bruchteil des Wertes ihrer Ausbeute, auch wenn sie noch zu den Besserverdienenden gehörte. Keine Saison verging, ohne dass es eine Anzahl Tote gab. Stürme und Springfluten zertrümmerten die kleine Erntecamps und ertränkten die Arbeiter im Schlaf, Riesenwellen schmetterten ihre Köper gegen messerscharfe Korallenäste und Gesteinsbrocken, schlugen die Taucher zu Brei. Angesichts der Aggressivität der Meeresfauna von Sulafat waren Tauchgänge zudem grundsätzlich gefährlich. Angriffe von Raubfischen und anderen Lebewesen kamen immer wieder vor, und wenn man dem falschen - oft genug sehr gut getarnten - Meeresbewohner zu nahe kam, mochte er einen für einen Angreifer halten und mit giftigen Bissen, Stacheln, Nesselzellen oder mit einem Stromschlag reagieren. Zudem waren die Muscheln selbst ebenfalls giftig. Es war für lokale Verhältnisse kein sehr starkes Gift, doch wer in 30 Fuß Tiefe an Krämpfen und Wahrnehmungsstörungen zu leiden begann, hatte nicht eben gute Überlebenschancen. Zugleich benötigte man für die Ernte Fingerfertigkeit, was der Dicke der eigenen Handschuhe und dem Einsatz von Werkzeugen Grenzen setzte. Die Giftigkeit der Muscheln war auch der Grund, warum man riesige Areale absuchen musste, um auch nur eine gewisse Chance zu haben, vielleicht eine Muschel mit Perle zu finden. Mitunter entließen sie nämlich ihr Gift in das Wasser, um den Wuchs konkurrierender Muscheln - einschließlich der eigenen Art - in der näheren Umgebung zu unterbinden. Die Imagawa hatten über einige Kostbarkeiten verfügt - Schmuckstücke, mit Perlen besetzte Kleidung oder Skulpturen - die dem Vernehmen nach mit dem Tod von einem Dutzend Tauchern oder mehr erkauft worden waren.

Mit eben solchen Perlen waren die beiden Beutel gefüllt, und es handelte sich um prachtvolle Exemplare. Ein nicht eben kleines Vermögen, und ein Anblick, der manchen Poeten ins Schwärmen gebracht hätte. Als er das kleine, gemeine Lächeln auf den Lippen der Frau registrierte, wurde Ohno klar, dass sie sich der Wirkung des Anblicks auf ihn nur zu bewusst war, und ihn offenbar deshalb verachtete. Einmal mehr schluckte er seine Verärgerung über diese Barbaren herunter. Sollten sie doch zur Hölle fahren!

Die Frau zog eine Datensichtbrille hervor, offenbar gewillt eine Kostprobe von seinem Teil des Handels zu nehmen. Doch sie hatte kaum angefangen, die Daten zu betrachten, als sich ihr schweigsamer Begleiter mit einer flüssigen, lautlosen Bewegung erhob. Sofort spannte sich auch die Frau an, obwohl sie ja im Grunde nichts sah, und schien bereit, im nächsten Moment loszuschlagen - gleich aus welcher Richtung oder von wem die potentielle Bedrohung auftauchen mochte. Der Kuritaner öffnete den Mund, doch noch eher er etwas sagen konnte, eskalierte die Situation auch schon.
Mit ein paar fast lautlosen Schritten war sein Besucher bei der Tür und verschwand nach draußen, kaum dass sich die Tür einen Spaltbrei geöffnet hatte. Vom Gang ertönte ein erstickter Aufschrei einer weiblichen Stimme.
Im nächsten Moment tauchte der Mann wieder auf. Er schubste eine junge Frau in einfacher Kleidung vor sich her, der er den linken Arm mit einem ebenso gemeinen wie geübten Griff herumgedreht hatte, so dass sie auf den Zehenspitzen laufen musste, damit das Schultergelenk keinen Schaden nahm. In der freien Hand balancierte er ein Tablett mit einer Karaffe und einigen Schalen: "Du solltest deine DIENER besser erziehen, Händler!" höhnte er: "Ich mag es nicht, wenn ein Gespräch belauscht wird."
Ohno registrierte, dass die Vorgesetzte seines Besuchers das Ganze ignorierte und offenbar wieder in die Sichtung der Daten vertieft war. Nur um ihre Mundwinkel zuckte es herablassend und spöttisch. Von der Seite war offenbar kein Eingreifen zu erwarten, also richtete der Kuritaner sich auf: "Alles in Ordnung, Yuka?" fragte er, den Mann bewusst ignorierend. Die junge Frau nickte, ein Stöhnen, vielleicht auch Schmerzenstränen tapfer unterdrückend.
"ICH hatte ihr gesagt, dass sie um diese Zeit kommen sollte. Ich dachte, wir würden unseren...Geschäftsabschluss besiegeln wollen..." ,wie zivilisierte Menschen, du Stück Dreck auf zwei Beinen, das nicht einmal die eigene Mutter kennt' "Ich kenne meine Bediensteten. Und ich weiß, dass ich ihnen vertrauen kann. In JEDEM Fall. Also lassen Sie sie los."
Um die Mundwinkel des Mannes zuckte ein höhnisches Grinsen, so als wolle er es auf eine Kraftprobe ankommen lassen, aber dann ließ er plötzlich Yukas Arm los: "Kommt nicht wieder vor, Mädchen. Tritt laut auf, wenn du dich das nächste Mal näherst UND wenn du gehst, dann haben wir keine Probleme miteinander." Auch das klang unterschwellig drohend. Er musterte die junge Frau - sie war einen halben Kopf kleiner als er - eindringlich, mit geradezu beleidigender Direktheit. Es war nicht zu übersehen, dass Yuka eine wahre Schönheit war, und den kuritanischen Idealen voll entsprach. Sein Lächeln hätte vielleicht sogar freundlich gewirkt, aber die Narben in seinem Gesicht sorgten dafür, dass man seine Miene nur als Fratze bezeichnen konnte: "Wenn man es genauer bedenkt, könnten wir uns sogar bestens verstehen. Sag, hast du dich schon einmal mit einem Krieger gepaart? Ich bin sicher, du würdest diese Erfahrung...interessant finden."
Etwa an dieser Stelle reichte es Ohno endgültig. Seine Stimme klang schroff und kalt: "Ich bin sicher, sie weiß, an wen sie sich wenden kann, sollte sie solche Wünsche verspüren. Ich ERWARTE, dass meine Leute mit Respekt behandelt werden!" Das Mädchen war zwar nur eine Bedienstete, aber er achtete darauf, dass seine Untergebenen gut bezahlt wurden, und man ihnen Achtung entgegenbrachte. Dienst und Gehorsam verlangten Respekt.

Für einen Moment schien der Mann ihn ignorieren zu wollen, so wie er die junge Dienerin anstarrte. Aber dann bemerkte wohl sogar er die Angst in Yukas Augen. Zu seiner - dürftigen - Ehrenrettung musste man zugeben, dass er nicht wie so mancher andere Mann darüber hinwegsah, oder sich sogar noch anstacheln ließ. Stattdessen schnaubte er nur angewidert: "Kaum einen Funken Selbstachtung! Was seid ihr nur für ein Haufen rückgratloser F..." er drehte sich um, als habe er das Mädchen schon wieder vollkommen vergessen. Auf ein Nicken Ohnos huschte sie hinaus. In einer grotesken Parodie ihres Auftrags übernahm es der Vernarbte, die Schüsseln zu befüllen - natürlich bis zum Rand. Dann knallte er je eine vor Ohno, seine Vorgesetzte und sich selbst, so energisch, dass der Inhalt leicht überschwappte und das kostbare Porzellan bedenklich klirrte. Ohno trank mit vorsichtigen Schlucken, eine Grimasse verbergend, die Frau, die inzwischen die Lesebrille abgesetzt hatte, mit gemessenen aber energischen Zügen - ihr Untergebener schüttete den Alkohol in sich hinein, dass einige Spritzer auf seiner Kleidung landeten.
Seine Vorgesetzte kam ungerührt zum eigentlichen Thema des Treffens zurück: "Soweit ich das beurteilen kann, sind die Unterlagen vollständig, genau das, was wir benötigen. So wie wir uns überzeugen konnten, dass sie auch tatsächlich stimmen, werde ich dafür sorgen, dass du den Rest der Bezahlung bekommst. Das sollte dann ohne persönliches Treffen funktionieren." Sie holte einen Datenträger heraus: "Hier, das ist unsere Wunschliste für die zukünftige Zusammenarbeit und die Kontaktdetails für den Austausch von Informationen und deiner Bezahlung bis auf weiteres." Sie wechselten die Kommunikationswege und toten Briefkästen, über die normalerweise ihre Geschäftsbeziehung funktionierte, in kurzen Abständen. Ohno war sich nicht sicher, warum man diesmal auf einem persönlichen Treffen beharrt hatte, aber das letzte Missgeschick und die Bedeutung der Informationen um die es bei diesem Besuch gegangen war, hatten wohl den Ausschlag gegeben.
"Wir müssen noch mehr über Numki erfahren - und hoffentlich unterlaufen dir diesmal keine...Versehen." Sie lächelte spröde: "Ich rate dir, die Informationen auf meinem Datenträger gut einzuprägen. Er hat eine recht enge Fristsperre, und danach wird ein nettes kleines Computerprogramm alle Daten in Müll verwandeln - wie auch bei jedem Versuch, sie zu kopieren."

Damit, ebenso informell und unkultiviert wie es begonnen hatte und verlaufen war, war das Treffen beendet. Die beiden Gäste erhoben sich, um sich für den Rückweg unter doch recht lästigen Bedingungen vorzubereiten.
Der Mann war allerdings offenkundig noch nicht ganz fertig. Obwohl er keine Fingerbreit größer als Ohno war, im Moment keine Waffe hatte und auch nicht gerade über spektakuläre Muskelpartien verfügte, wirkte es doch sehr drohend als er sich vor dem Schmugglerchef aufbaute: "SIE mag dir das ja noch nachsehen, aber ich habe nicht vergessen, dass wir gute Leute wegen deiner Fehler verloren haben. Ich hoffe für dich, dass so etwas nicht noch einmal passiert, du käuflicher Wurm. Komm nicht auf die Idee, schlechte Arbeit zu leisten oder uns gar zu hintergehen!" Seine Stimme sank fast zu einem Flüstern herab, was sie aber kein Stück weniger bedrohlich machte, im Gegenteil: "Sonst komme ich hierher zurück, zertrete deine Haus zu Staub, nehme deine Leute und Familie als Gefangene und DANN schneide ich dir den Kopf ab und befestige ihn an meinem Mech."
Und mit diesen Worten drehte er sich um und schloss sich der Frau an.
Ohno Takanaka hatte einen schlechten Geschmack im Mund, und das lag bestimmt nicht an etwas, was er gegessen oder getrunken hatte. Er verabscheute es, mit diesen Barbaren Geschäfte zu machen. Es war zwar sehr lohnend - er verdiente auf diese Weise sogar mehr bei geringerem Eigenkapitaleinsatz als beim Schmuggel - aber es war auch um ein deutliches riskanter. Was er hier tat, war Hochverrat, dafür gab es nicht einmal mehr einen Prozess - abgesehen vom wortwörtlichen kurzen. Aber er war einfach nicht in der Lage, sich seinen Geschäftspartnern zu verweigern. In solchen Momenten fragte er sich wirklich, auch nach all den Jahren, ob der Preis für seinen schnellen Aufstieg nicht doch ein zu hoher war.

***

Schloss Odaga, Provinz Shikoku, Planet Darius, Draconis-Kombinat

Für einen Augenblick, einen schier endlos langen Moment, schwieg Seizo Odaga nur und starrte düster brütend auf den Tisch vor ihm. Seine Hände waren verkrampft, als wünschten sie, etwas zu zermalmen, zu zerschlagen - oder als ob die Tischkante der einzige Halt war, der ihn noch aufrecht hielt. Vermutlich nahm er das technische Wunderwerk - einen interaktiven Kartentisch, auf dem man ein Schlachtfeld oder auch einen Feldzug fast so gut wie in einem Holotank simulieren konnte - nicht einmal wahr.

Der "Kriegsraum" des Odaga-Schlosses befand sich dutzende Meter unter der Erdoberfläche, tief, tief unter dem Schloss. Wer sich hier aufhielt, konnte die Verteidigung des Planeten kommandieren, selbst wenn der Gegner das Schloss bereits in Schutt und Asche gelegt hatte. Verzweigte Kommunikationsstationen und Erdkabel ermöglichten die Verbindung mit anderen Städten, auch wenn der Gegner den Funkverkehr störte. In vielerlei Hinsicht verdiente dieser Raum den Spitznamen "Schwarzes Loch", unter dem einige von ihm munkelten. Was hier besprochen wurde, dazu hatten nur die hochrangigsten und loyalsten Diener der Odaga-Familie Zugang. Informationen kamen herein, aber so gut wie nie heraus. Dabei war der Raum alles andere als trist, und wirkte im Moment nicht einmal sonderlich bedrohlich. Die großen Bildschirme an den Wänden zeigten momentan keine taktischen Aufstellungen und Gefechtsbewegungen, sondern Aufnahmen von der Oberfläche von Darius' - fruchtbare Reisfelder, eine Stadt, die von Leben und Geschäftigkeit nur so vibrierte, ein schneebedeckter Nadelwald mit einem kleinen Shinto-Schrein auf der Seite des Planeten, auf der gerade Winter herrschte - und Bilder von Sulafat, meistens Dschungel, aber auch Strände und eine flache, türkisblaue Lagune.
Im Moment hielt sich abgesehen vom Lord nur Anatoli Tanigaki, Seizos Stellvertreter, Erbe und militärischer Kommandeur in Personalunion, in dem Raum auf. Selbst die Leibwächter warteten draußen - zu brisant war das Thema der Besprechung.

Als Seizo schließlich sprach, schwang in seiner Stimme ein Unterton mit, den er nicht einmal gezeigt hatte, als man ihm mitteilte, sein letzter legitimer Erbe sei von der Hand der Geisterbären gefallen: Schock, Verunsicherung, ja fast Angst: "Und du bist dir da sicher?"
Anatoli wählte seine Worte mit Bedacht. Wenn es ihn verstörte, seinen sonst so unüberwindlichen Vater und Herrn dermaßen erschüttert zu sein, so zeigte er es nicht - wohl auch, um den Lord nicht zusätzlich zu beschämen: "So sicher, wie ich bei Informationen aus dieser Quelle sein kann. Ich habe die Nachricht unabhängig voneinander von drei deiner Agenten erhalten. Und ein weiterer in einer mit ihnen verfeindeten Gruppe hat sie bestätigt, dort ist man begreiflicherweise von der Aussicht alles andere als erbaut."
Seizo Odaga holte tief Luft und fuhr sich mit der breiten schwieligen Hand übers Gesicht. Er klang noch immer benommen: "Bei den Ahnen! Nach so vielen Jahren...dass dieser Fluch zurückkommt, um uns zu plagen. Ich hätte nie geglaubt..."
Ja, nicht nur er hätte es kaum für möglich gehalten. Auch Anatoli hatte es nicht recht glauben wollen, als er die ersten Hinweise erhielt. Aber er hatte dennoch seinem Vater berichtet, dass bei den "Loyalisten" auf Sulafat Gerüchte im Umlauf waren, die Rückkehr der rechtmäßigen Herrscher stünde unmittelbar bevor, ein Erbe der Imagawa lebe noch. Es erschien kaum glaubhaft, immerhin waren die Nebelparder, gegen die die Imagawa gefochten und verloren hatten, selbst inzwischen Geschichte. Aber Clankrieger - und Leibeigene - wechselten offenbar mitunter den "Besitzer", gingen in die Hand eines anderen Clans über. Und nun hieß es, Hiroshi Imagawa, Neffe des letzten Lords von Sulafat, sei eben nicht irgendwo verrottet, wie man angenommen hatte. Nein, es deutete vielmehr alles darauf hin, dass er in einer Geisterbären-Einheit als Stern- oder Novacommander diente. Und, oh Wunder, es wies auch vieles darauf hin, dass die zwei Geisterbären-Mechkrieger, die diese Chevaliers, die Muttereinheit der Höllenhunde, auf ihrer ersten Mission begleitet hatten, mit ihm in einer Einheit Dienst getan hatten. Während Strahlcommander Rebecca die Söldner noch weiter begleitet hatte, war Sterncaptain Thore Vishio wieder zu den Clans zurückgekehrt - vermutlich zu seiner alten Einheit...

Es war diese Aussucht, die den alten Lord erschreckte - dass all seine Befürchtungen sich anscheinend bestätigten. Denn ein legitimer Erbe der Imagawa mochte ihn eine Menge kosten. Nicht nur die Herrschaft über halb Sulafat, was ohnehin schon ein herber Schlag wäre. Wenn man plötzlich so viel verlor, erschien man angreifbar, und im Haifischbecken des Kombinatsadels gab es immer jemanden, der auf die kleinste Spur von Blut im Wasser lauerte. Und wenn der junge Imagawa auch noch gewissen Gerüchten Glauben schenkte - Gerüchte, die unter den treuesten Anhängern seiner Familie recht verbreitet waren...
Doch dann straffte Seizo Odaga sich, und war mit einmal wieder der starke, befehlsgewohnte Lord, vielleicht auch, um durch Gepolter seine Erschütterung zu überspielen: "Nun gut. Das verschafft uns wenigstens Klarheit! Bei den Göttern, bin ich froh, dass gerade keiner dieser bettnässenden, stinkenden Feiglinge von Com-Star anwesend ist, sonst..." Mühsam beherrschte er sich: "Aber das klingt genau nach der Art von Intrige, die sie ausbrüten würden. Ha! Unsere Ahnen haben einst auf Terra die Jesuiten und ihre Lakaien aus dem Land gejagt, da wollen wir doch mal sehen, dass wir nicht...das wäre es doch gelacht! Nicht das erste Mal, dass sie ihre schmierigen Finger in eine Intrige mit diesen Missgeburten von jenseits der Peripherie stecken! Wir hätten die günstige Gelegenheit nutzen sollen, als Com Star am Boden lag, und sie endgültig an die Kette legen sollen! Bah! Ein kurioser Zufall, zweifellos! Und was ihre Marionette angeht...Wie ein echter Kuritaner nicht genug Ehre haben kann, sich selbst zu entleiben, wenn er dem Feind in die Hände fällt, gar zu einem Kämpfer gegen die eigenen Leute gemacht wird, das entzieht sich meinem Verständnis! Und dann auch noch für gerade DIE kämpfen? Für eine Bande im Reagenzglas gezeugtes UNGEZIEFER ohne Kultur und Anstand, die in ihrer Freizeit keinen bessere Form der Unterhaltung kennt, als wahlweise seine eigenen Geschwister um- oder flachzulegen, in welcher Reinfolge auch immer!"
Er beruhigte sich wieder ein bisschen und schnaubte unwirsch: "Und die Chance, dass das ganze nicht mehr als ein PR-Coup irgendeines größenwahnsinnigen Loyalisten ist, besteht nicht? Es wäre ja nicht der erste ,Erbe', der überraschend aus der Versenkung auftaucht."
Anatoli legte den Kopf leicht schief: "Möglich, aber unwahrscheinlich. Ich habe keine offizielle Bestätigung, obwohl ich unsere...ähm...inoffiziellen Kontakte bei der ISA und den VSDK bemüht habe. Sie haben es weder bestätigen noch ausschließen können. Aber...die Details, die bei den Loyalisten die Runde machen, das war nichts, was man einfach so aufschnappt. Oder sich aus den Fingern saugt. Wir reden hier ja nicht von einem Bastard, der fünfzehn Jahre lang in einem Kloster herangezogen wurde..." Seine Stimme troff vor Sarkasmus: "Nein, es sind Namen von Clan-Einheiten gefallen und Planeten...ich habe jedenfalls trotz gründlicher Prüfung keinen Fehler entdecken können. Woher es auch immer kommt, wer es erzählt hat, der hat BESTE Informationen von der anderen Seite der Grenze. Und außerdem...wen kümmert es denn, ob dieser Erbe wirklich echt ist? Wichtig ist nur, wie viel Macht und welcher Plan hinter ihm steht. Dann könnte man auch eine siebzigjährige Araberin als Tochter des letzten Imagawa-Lords auf den Thron hieven."

Seizo Odaga lachte bellend bei dieser Vorstellung, doch es war ein unbehagliches, bitteres Lachen: "Mein Sohn, wenn ich jemals Zweifel gehabt hätte, dass du das Zeug hast, mein Erbe anzutreten, dann wären sie jetzt beseitigt! Nur müssen wir sehen, dass von diesem Erbe noch genug bleibt...ah!"
Er löste sich vom Tisch und begann durch den Raum zu tigern: "Natürlich, du hast Recht. Ob dieser Hiroshi wirklich ein Imagawa ist oder nicht, spielt nur eine geringe Rolle. Wichtig ist, was man mit ihm macht...hm....und wer uns dieses Schlangenei ins Nest legen will und auf welche Weise. Die Clans? Denkbar, auch wenn das eigentlich über ihren geistigen Horizont geht. Den Göttern sei Dank, dass ihnen im Moment die Schwänze so arg gestutzt werden, ich hatte gehofft, das bringt sie auf andere Gedanken! Ein Landungsschiff und ein kompletter Stern hin, und kurz darauf ein Luftangriff mit gehörigen Material- und ein paar Personenschäden. Laut genug geheult haben sie ja! Ich dachte, das würde sie abschrecken. Aber es geschehen ja noch Zeiten und Wunder! Oder steckt vielleicht irgendeiner unserer Nachbarn dahinter? Nicht auszuschließen, wenn er mir auf die Reismatte pinkeln will, aber dann müsste er schon einen Plan parat haben, um diesen Imagawa hinterher zu kontrollieren. Und auch noch die Clans in Spiel zu bringen und VSDK-Einheiten zu blamieren, na, das trauen sich die wenigsten - da bekommt man schneller eine Aufforderung zum Seppuku als man niesen kann! Com-Star andererseits? Oh ja, zu DENEN würde es noch am besten passen! Schüre selber Unruhe oder mach dir die Übergriffe der Clans und die gerechte Vergeltung dafür zunutze, und dann, im rechten Moment, hast du eine Einheit vor Ort, UND eine Alternative, die du anbieten kannst. Wo ja der gute alte Lord Odaga anscheinend nicht mehr Herr der Lage ist! Und Tomoe Shimatze ist sowieso nur eine Frau, ihr Bruder ein halbes Kind, was können die schon machen? Nein, jetzt wo ein echter Kerl bei der Hand ist, um alles ins Lot zu bringen, und noch ein Haufen Todschläger, der ihn in den ersten Wochen absichert...Und die Dummköpfe auf Luthien, die Sharilar Mori ohnehin aus der Hand fressen, könnten auf die Idee kommen, dass es doch ein tolles Zeichen der Zusammenarbeit wäre, indem sie einen Imagawa der nach räudigem Bären stinkt und inzwischen mehr Clan-Dreck ist als Kuritaner nach Sulafat holen. Wobei sie nicht mal mitbekommen, dass man sie von vorne bis hinten manipuliert, wie Vieh, das man zum Schlachthof lotst. Sie hätten mal wieder ihre ,Clan-Freunde'" er spuckte das Wort geradezu aus: "...besänftigt, die Bären sind es zufrieden, denn die lassen sich ohnehin leicht am Nasenring führen, dumm, wie sie sind, und Com-Star hat einen Herrscher mehr, an dessen Marionettenfäden es ziehen kann. Und wir, die wir einen Dreck auf die Kuttenträger geben, haben das Nachsehen."

Er kehrte zum Tisch zurück: "Nun, einen Volksaufstand zugunsten der Imagawa als Teil des Planes können wir ja wohl fürs erste abhaken. Man muss den Göttern doch für die kleinen Wohltaten danken! Mit Blumen würde man ihm und seinen Aufpassern den Weg bestimmt nicht bestreuen, eher mit Handgranaten...
Beliebt waren die nie, auch wenn wir dieses Rattenpack von Loyalisten nicht unterschätzen dürfen. Aber das sind nicht viele, und von der Bevölkerung stehen nur wenige hinter ihnen - die meisten haben einfach nur Angst, denken erst mal an ihr eigenes Leben, und etliche lassen sich doch lieber von mir oder dem Shimatze-Kind regieren. Die anderen Rebellen, nun wenn es etwas gibt, was sie noch mehr hassen als UNS, dann sind das die Imagawa. Aber wenn Com-Star ein paar Versprechen macht, mit all ihren vollen Taschen und Möglichkeiten...nicht undenkbar, dass die was bewirken können... Vielleicht haben sie ja schon vorsichtig vorgefühlt...Ha! Ich sag dir, auf Sulafat läuft es doch letztendlich hinaus, das ist der Preis, um den es hier geht! Fehlt nur noch, dass jemand in Luthien mit sanfter Nachhilfe der Kuttenträger auf die gloriose Idee kommt, das Shimatze-Mädchen mit diesem Hiroshi zu verkuppeln. So freigiebig wie man mit Weitergabe unserer holden Weiblichkeit an Barbaren letztlich verfahren ist!" Solche Reden schwang Seizo Odaga wohlweislich nur hinter verschlossenen Türen.

Sein Sohn hatte den Monolog seines Vaters schweigend, aber aufmerksam verfolgt: "Bleibt nur die Frage, ob sowohl die Clans als auch diese Höllenhunde bei dem Spiel selber Akteure sind oder nur unwissende Schachfiguren. Einen Akteur muss man bekämpfen. Schachfiguren...die kann man schlagen. Oder aber ihnen klar machen, dass sie manipuliert werden. Ich weiß nicht, wie ihnen das gefallen würde, wenn sie erkennen, dass man sie nur benutzt."
Seizo lachte bitter: "Söldner! Die sind doch ehrloser als die letzte Raumhafenhure! Würde sich eine Hure beschweren, dass man sie...wenn man dafür bezahlt? Und ausgerechnet diese Truppe? Bei ihren guten Beziehungen zu Com-Star UND den Clans? Jeder Versuch, sie zu warnen, könnte tödlich ausgehen, FALLS sie in Wahrheit sehr genau wissen, was gespielt wird. Und die Chancen dafür sind ziemlich hoch, merk dir meine Worte! Solche hinterlistigen Manöver..." Er gestikulierte in Richtung des Tisches, rief einige Dateien auf: "Hier, mein Junge, schau dir das doch nur an. Die Einheit stinkt nach Verrat, Geheimmissionen und Doppelspiel, noch mehr als eine zehn Tage alte Leiche nach Verwesung! Sie haben Kenda mit Hinterlist besiegt, auf Bryant haben sie sich mit Lügen und Täuschung durchgemogelt. Einmal könnte das ja noch angehen, aber zweimal? Und wer mit diesem Schwein Morgan Kell und seiner Rattenbrut Umgang hat...dem würde ich nicht mal glauben, wenn er sagt, dass ein Sonnenaufgang rot ist, ohne dass ich aus dem Fenster schaue!" Was einiges über Seizo Odagas Haltung aussagte, denn aufgrund gewisser Besonderheiten in der Atmosphäre von Darius war ein Sonnenaufgang hier eigentlich IMMER rot.

Der Lord nahm sein gereiztes Tigern wieder auf: "Aber ich kann natürlich nicht offen Anklage erheben. Oder auch nur den Söldnern den Tritt in ihren stinkenden Arsch geben, den sie verdienen, von hier bis zurück nach Outreach, oder woher sie auch immer gekrochen kommen!" Abrupt blieb er stehen. Seine Stimme bekam einen lauernden Klang: "Sind sie Figuren oder Spieler? Was auch immer von beiden, wenn wir das Spielbrett ein wenig abräumen..."
Er trat wieder zum Tisch und rief einige neue Anzeigen auf: "Sehen wir mal, was wir hier haben...Manfred Scharnhorst...Andrew Lane... James Battaglini...Ränge und Bilder, sehr gut...das sollte erst einmal reichen! Ob diese Höllenhunde nun Marionetten sind oder ihr eigenes Süppchen kochen, sie werden es sich vermutlich zweimal überlegen, wenn erst einmal ein paar ihrer Offiziere kaltes Aas sind."
Anatoli wusste, es war nicht ganz ohne Risiko, seinem Vater zu widersprechen, wenn er in dieser Stimmung war. Seizo Odaga hatte sich normalerweise unter Kontrolle, aber es war schon ein paar Mal vorgekommen, dass er die Beherrschung verloren hatte. Und dann machte er nicht einmal vor den engsten Vertrauten halt. Hinterher tat es ihm dann meistens leid, aber das machte es für das Ziel seines Zorns auch nicht einfacher. Dennoch meinte er, Einspruch erheben zu müssen: "Selbst wenn wir so eine Operation gut tarnen, wird Com-Star, oder wer auch immer dahinter steckt, nicht die Gelegenheit nützen und herumschnüffeln, oder gar Verstärkung schicken?"
Seizo verzog seine Lippen zu einer angewiderten Grimasse: "Und OB sie das würden. Aber, mein geliebter Sohn, du kannst von deinem alten Vater noch den einen oder anderen Trick lernen. Ich habe nicht vor, ihren Spielzeug-Lakaien auf dieser Welt etwas anzutun - wenn sie überhaupt hierherkommen. Ich werde sie gewiss nicht willkommen heißen, und ihnen deutlich zeigen, dass ich sie nicht hier haben will. Aber ein Haar wird ihnen erst dann gekrümmt, wenn wir sicher sein können, dass wir damit durchkommen. Und ebenso wenig würde ich ihnen an die Gurgel gehen, falls sie Numki besuchen. Tomoe ist nur ein Mädchen, das mit Schwertern spielt und sich irgendwann in die Finger schneiden wird, wenn sie keinen Mann bekommt, der ihr sagt, was sie zu tun hat. Aber einen Konflikt mit ihr kann ich im Moment auch nicht gebrauchen."
Er lachte bellend: "Schließlich will ich, mein Sohn, dass dein Hochzeitsbett kein Schlachtfeld wird! HA!" Unvermittelt wurde er wieder ernst: "Vielleicht sollten wir sogar Tomoe insgeheim die Information über diesen ,Imagawa' zuspielen. Und die Verbindungen zu den Höllenhunden-Chevaliers...Sie betont ja immer die Koexistenz mit den Clanern - ist halt nur eine Frau - aber ich denke von Koexistenz mit diesem Abschaum und ihren Kreaturen reden und die Hälfte des Einkommens an sie zu verlieren, das ist schon ein großer Unterschied. Ich glaube ja nicht, dass sie den Mumm findet selbst etwas gegen die Söldner zu unternehmen, aber sie wird es auch nicht einfach abhaken können...Was aber die Söldner angeht, nun, wenn sie erst einmal nach Sulafat kommen...und ich sage dir, das werden sie, wenn unsere Vermutungen stimmen...Tja...die Welt ist gefährlich. All diese Kriminellen und Terroristen, die alle hassen, die mit der Obrigkeit zusammenarbeiten, diese religiösen Fanatiker, die irren Einzeltäter, die durchdrehen, weil sie ein paar Mal zu oft von der falschen Pflanze genascht haben...Schrecklich, schrecklich, man stelle sich das nur vor, was da nicht alles schief gehen könnte. Ich will es mir ja gar nicht ausmalen! Eine Sprengfalle, ein Giftanschlag, eine Scharfschütze, ist ja alles schon passiert. Wir würden das natürlich zutiefst bedauern und den Schuldigen blutige Vergeltung androhen. Ein paar Köpfe abschlagen..."

Anatoli nickte knapp. Noch genauer würde sein Vater nicht werden. Aber das brauchte er auch nicht. Jedes Haus hatte seinen eigenen privaten "Schattenfond", aus dem es illegale Operationen finanzierte, Zahlungen leistete, die nirgendwo registriert wurden. Ob man einen Attentäter anheuerte, Rebellen auf dem Gebiet eines Nachbarn unterstützte, höherrangige Personen schmierte, Hightech sehr zweifelhafter Herkunft von Piraten kaufte - es gab eine Menge Geschäfte, die niemals in den Büchern auftauchten. Und nahezu jedes Haus hatte auch Kontakte zu "Freiberuflern", Söldnern der zwielichtigsten Sorte, die sich für Attentate und Sabotageakte nicht zu schade waren. Hauptsache, man konnte glaubhaft jede Beteiligung abstreiten, nachdem getan worden war "was getan werden musste".
"Ich würde aber dennoch vorschlagen, dass wir zuerst versuchen, ein möglichst gutes Bild von diesen Höllenhunden gewinnen, ehe wir anfangen darauf zu bauen, dass die...Gefahren auf Sulafat ihre Führungsriege ausdünnen. FALLS sie doch nicht wissen, was gespielt wird - oder zumindest das Gros von ihnen - kann ein Wort...und etwas Geld...vielleicht noch mehr bewirken als ein Dolch in der Nacht. Wobei wir freilich auf ALLES vorbereitet sein müssen." Er lächelte sacht: "Wenn ein paar dieser Söldner umkommen während sie unsere Gegner bekämpfen, wäre es doch das beste..."
Seizo musterte seinen Sohn grimmig: "Werd' mir nur nicht zu skrupulös, Anatoli! Irgendeine Langnase - für einen Barbaren muss das ein sehr kluger Kerl gewesen sein - hat schon vor anderthalb tausend Jahren geschrieben, es ist für einen Fürsten immer besser, gefürchtet als geliebt zu werden. Und dass wir bereit sein müssen, NICHT gut zu handeln."
Er trommelte mit den Fingern auf den Tisch: "Aber meinetwegen. Mach dich schlau, horch sie aus - fühl ihnen auf den Zahn. Aber mit der Linken, und dass die Rechte immer in Panzerhandschuh bleibt, damit du ihnen zur Not eine ganze ZAHNREIHE ausschlagen kannst!" Er seufzte: "Ich sage dir, ich spüre es in den Kochen. Es liegt Blut in der Luft, eine MENGE. Krieg muss kommen, und Krieg wird kommen, doch hatte ich gehofft, dass wir bestimmen können, wann und wo wir die Trommeln rühren, und gegen wen. Aber es wird kommen, wie es kommen muss."
Anatoli schenkte seinem Vater ein seltenes, aufrichtiges Lächeln, in dem die Verehrung und Zuneigung lag, die er dem Alten entgegenbrachte: "Ich würde mir nie anmaßen, die Zukunft besser vorausahnen zu können als Ihr, mein Lord - Vater." Er grinste leicht: "Und ich verbrenne jeden Morgen in meinem Neurohelm Weihrauch." Damit spielte er auf einen alten Samuraibrauch an. Da es üblich war, nach einer Schlacht die abgeschnittenen Schädel der Verlierer dem siegreichen Lord zu präsentieren, legten die Krieger des feudalen Japans stets Wert darauf, gut frisiert zu sein, und möglichst auch angenehm zu riechen. Man wollte ja ein gutes Schauspiel bieten, wenn es der eigene Kopf war, der vorgeführt wurde.
Seizo Odaga nickte - nicht etwa schwermütig, sondern mit grimmiger Entschlossenheit und einem Anflug lakonischer Erheiterung: "So sei es, mein Sohn und Erbe. Der Gott der Acht Banner muss uns nicht seine Taube als Zeichen schicken, damit wir wissen, was die Stunde geschlagen hat. Wir sind Samurai des Kombinats, seine wahren und ewigen Söhne. Krieg ist unsere Natur. Wir werden siegen, oder wir werden fallen - aber wir werden uns unseren Feinden niemals unterwerfen..."
15.02.2017 14:51 Cattaneo ist offline E-Mail an Cattaneo senden Beiträge von Cattaneo suchen Nehmen Sie Cattaneo in Ihre Freundesliste auf
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