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Zum Ende der Seite springen Hinter den feindlichen Linien Season 3
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Ace Kaiser Ace Kaiser ist männlich
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Dabei seit: 01.05.2002
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Themenstarter Thema begonnen von Ace Kaiser
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Gladius sass auf seiner Koje und merkte, wie er immer noch zitterte. Bei seinem ersten Feindkontakt
wäre er beinahe draufgegangen. Als er versuchte, das Glas Wasser von seinem Nachtschrank zu
heben, zitterte die Hand so sehr, dass er einige Tropfen verschüttete. Stöhnend lehnte er sich zurück.
Da ging das Schott auf und Brawler, sein Stubenkamerad trat herein.
„Oh man, Du siehst ja richtig scheiße aus.“ Tüncay drückte sich wie immer reichlich unverblümt aus.
„Das wundert mich nicht.“
„Ich weiß, ich hab es schon gehört und mir Deinen Flieger angeschaut. Manoman, die Maschine sieht
fast genauso dreckig aus wie Du.“
„Ich hab immer gedacht, es wäre so einfach, man geht raus, fliegt, schießt ein paar Akarii ab...na ja,
nicht ganz so, aber Du verstehst schon...“
Brawler nickte. „Erst da draußen merkst du, wie ernst es ist. Als ich hier auf der Red ankam und
Murphy Staffelkapitän wurde, da hat er uns gedrillt bis uns das Blut im Stiefel stand. Als ich den
ersten Einsatz hinter mir hatte, verstand ich, warum. Heute frag ich mich, wie ich damals überleben
konnte.“
„Und?“
„Glück. Genauso ergeht es Dir auch. Ein schlechterer Flügelmann, ein anderer Tag, und Du wärest tot.
Mausetot.“
Gladius schluckte, aber er erkannte, dass Brawler recht hatte.
„Was folgerst Du daraus?“
„Bei jedem neuen Einsatz wirst Du besser, sicherer, bekommst das notwendige Gefühl. Bei Thunder
zum Beispiel gewinne ich langsam den Eindruck, dass sie vorher schon weiß, wenn eine Echse sie von
hinten nehmen will.“
Gladius gluckste angesichts der Doppeldeutigkeit.
„Jedenfalls hat die Frau es drauf, ich hab selten erlebt, dass sie überhaupt Treffer in den Heckschild
bekommen hat. Geschweige denn Panzerungsverluste oder schwere Treffer.“
„Was ähnliches ist mir bei Martell heute auch aufgefallen. Auf einmal hing er hinter dem Bloodhawk
und trieb ihn vor meine Geschütze. Ich hatte Ihn nicht kommen sehen.“
„Jaja, Martell und seine Vektoren. Aber versuch nicht, das System zu kopieren, bevor Du es richtig
studiert hast. Snake Bite wäre dabei beinahe draufgegangen.“
„Wieso?“
„Hat sich zu sehr darauf konzentriert und den Überblick verloren, auf einmal hatte sie ein Head on
Head mit einem Delta.“
„Das klingt....ungesund.“
„Das ist ungesund.“
„Und was rätst du mir?“
„Kleb an Murphy, dann wird Dir mit relativer Sicherheit nicht viel passieren.“
„Leicht reden...“
„Naja, egal, jedenfalls bekommst Du heute die Elefantenportion.“
„Elefantenportion?“
„Ja, das ist nen dreifacher Rum...Du hast heute schließlich den Elefanten gesehen und lebst noch.“
„Dann mal her damit, vielleicht hilft mir das weiter.“
Zur gleichen Zeit brütete Murphy über die theoretischen Arbeiten, die er heute erhalten hatten.
Insgesamt schien seine Predigt Erfolg gehabt zu haben. Keiner der Kandidaten war gefährlich nahe
über den geforderten Punkten. Besonders wunderte ihn das hohe Ergebnis von Enigma. Er sah sich
dann den Bericht von Thunder an, die zusammen mit Goose und Brawler auf das Problemkind
aufpasste. Insgesamt schien sich Enigma im Griff zu haben, auch wenn vereinzelt Anzeichen
vorhanden waren, dass dies nur unter erheblichen Willensanstrengungen von statten ging. Er würde
die Sache weiter im Auge behalten.
Auch Gladius machte ihm Sorgen. Beim ersten Feindkontakt gleich so zusammengeschossen zu
werden, konnte demoralisierend wirken. Innerlich war er wütend über sich selbst, denn er war
vorgegangen, als wenn Snake-Bite und nicht der weniger erfahrene Gladius an seinem Flügel hing.
Um wieder Kontrolle über den Gefühlssturm in seinem Geist zu bekommen, zog er den Rosenkranz
vom Hals und begann, ihn zu beten.
Nach einige Zeit hatte er sich dann soweit beruhigt, dass er sein Büro verlassen und so begab er sich
zur Kabine seines Flügelmanns. Dort angekommen wollte er gerade anklopfen, als sich das Schott
öffnete. Brawler steckte seinen Kopf heraus und grinste. Murphy konnte eine leichte Fahne riechen.
„Sir, Gladius schläft gerade. Der wird schon wieder.“
„Hm, ok....danke, Brawler.“
„Gern geschehen, Sir.“
„Ich geh dann mal wieder....äh, und Lieutenant...keinen weiteren Alkohol heute abend.“
„Aye Sir.“
Brawler grinste, fluchte, weil Murphy so aufmerksam gewesen war und grinste wieder, als er über die
Reaktion des Skippers nachdachte.
Murphy grinste ebenfalls, weil er merkte, dass sich die neuen und die alten Mitglieder der Staffel
offensichtlich gut zusammenfügten. Trotzdem schickte er einen kurzen Hinweis an Thunder, dass sie
am nächsten Tag Brawler genauer überprüfen sollte. Vertrauen war gut, Kontrolle jedoch besser.
Thunder sass derweil in ihrer Kabine. Als sie die kurze Nachricht von Murphy auf ihrem Com erhielt,
lächelte sie. Der Skipper machte immer noch zuviel selbst. Aber er schien sonst keine Ruhe zu finden.
In all den Jahren in der Navy hatte sie viele Typen kennengelernt, aber jemanden wie Murphy. Die
meisten Piloten waren selbst als Staffelkapitäne noch Lebemenschen, wenn auch etwas gesetzter als
die Frischlinge. Murphy hingegen schien den meisten Freizeitaktivitäten aus dem Weg zu gehen,
suchte wann immer möglich die Kapelle auf. Dann wanderten ihre Gedanken zu Anatoli, ihrem
Freund auf der Erde. Auf Perseus hatte sie das letzte Mal von ihm gehört, ihm schien es gut zu gehen.
Doch sie war sich nicht sicher, ob er dies nur sagte, um sie nicht mit seinen Problemen abzulenken.
Beide wussten, dass Ablenkung im Raum tödlich war. Aber Valeria wusste auch, dass Verschweigen
von Problemen in einer funktionierenden Beziehung der falsche Weg war. Andererseits...was war
schon eine funktionierende Beziehung? Sicherlich nicht eine, die von den seltenen
Kommunikationsmöglichkeiten am Leben gehalten wurden, die die beiden hatten. Innerlich bereitete
sich Valeria darauf vor, beim nächsten Aufenthalt auf Perseus einen neuen Schritt zu gehen. Welcher
das sein würde, wusste sie noch nicht.
Mit diesem Gedanken legte auch sie sich schlafen.
***************************************
Zur gleichen Zeit in einem anderen Sektor
Lieutenant Commander Wolfgang Graf Berg von Hauenstein, Callsign „Count“ und sein Pilot,
Commander Darren „Duke“ Burns flogen in ihrer Crusader an der Spitze des Bombergeschwaders
„Crimson Talons“ auf den Zielplaneten zu. Die Jäger hatten laut ND die komplette Luftwaffe der
Akarii ausgelöscht und nun sollten die Crusader die orbitalen Fabriken und Werften zerstören. Die
Crew galt als beste in der Navy, beide waren ausgiebig an der Entwicklung des neuen Crusader
Modells, der B Version beteiligt gewesen, und hatten zahlreiche Waffensysteme getestet. Außerdem
waren beide voll qualifiziert als Fluginstruktoren. Einige Systeme kannten die beiden besser als die
Ingenieure, die sie entworfen hatten. Die Belohnung, die die beiden für diese Tätigkeit erhalten hatten,
war das Kommando über eine der wenigen Bomberformationen, die größer als eine Staffel war. Das
sogenannte kombinierte Geschwader umfasste etwa zweieinhalb normale Bomberstaffeln. Und nun
rasten sie an der Spitze dieses Geschwaders durch das All um Tod und Vernichtung über den Feind zu
bringen.
Langsam kam das Geschwader in Angriffsreichweite.
„Finaler Check, Count.“
„Roger, Schilde – ok, Triebwerk 1 – ok, Triebwerk 2 – ok, Bordwaffen – voll aufgeladen und
feuerbereit, Waffentürme – ok und auf Automatikbetrieb. Beginne mit Überprüfung der Raketen.“
„Copy, Schirm ist weiterhin sauber.“
„Ok, ich habe 6 grüne Anzeigen.“ Das bedeutete, dass alle schweren Raketen der Crusader, die in
einem internen Revolvermagazin transportiert wurden, eine positive Selbstdiagnose meldeten. Der
Graf lächelte unter seiner Maske. Das lief alles wie geschmiert.
„Sehr gut, was macht das Geschwader?“
„Keine nennenswerten Probleme.“
„Gut.“ Duke wechselte auf den Geschwaderkanal.
„Angriffsformation einnehmen, Ziele wie gebrieft auswählen. Feuer eröffnen auf maximale Distanz.“
Das Einnehmen der Angriffsformation bedeutete eine Schwächung der Defensivfähigkeiten des
Geschwaders, weil die Formation aufgelockert wurde und daher sich die Bomber nur noch begrenzt
gegenseitig decken konnten. Gleichzeitig erleichterte es grade großen Formationen die Zielerfassung
und reduzierte die Gefährdung bei Fehlzündern.
Plötzlich explodierte der Radarschirm vor roten Punkten.
„Massiver Feindkontakt, die Schweine müssen sich in den Fabriken versteckt haben, scheiße.“ Counts
Puls hatte gerade einen Sprung nach oben gemacht.
„Wieviele Jäger?“
„Sieht mir nach zwei Geschwadern aus.“
„Verdammt, Geschwader, zurück in die Combat Box, aber schnell.“Auch der Duke wurde unruhig.
Was nach einer gemütlichen Mission ausgesehen hatte, war zu einer tödlichen Falle geworden. Das
Geschwader war fast ohne Jagdschutz und die Defensivfertigkeiten der Crusader waren nicht so stark,
dass sie sich alleine gegen massive Jägerangriffe behaupten konnte.
„Count, organisier uns Verstärkung, oder wir gehen alle drauf.“
„Copy. Talon Lead für Stormhome, kommen, Talon Lead für Stormhome.“
„Hier Stormhome, was gibt es, Talon Lead?“, meldete sich die Missionskontrolle an Bord des
Flaggschiffes der Flotte.
„Wir zeichnen massive Jägerabwehr am Ziel. Benötigen dringend Jagdunterstützung. Vermutete
Feindstärke etwa zwei Geschwader.“
„Copy, Talon Lead. Wir schicken sofort die Kavallerie los, haltet aus.“
„Macht hin, sonst kann die Kavallerie nur noch unsere Asche einsammeln.“
„Count, wir schaffen das nicht. Bis die hier sind, sind unsere Jungs Geschichte. Wenn wir uns
zurückziehen, hilft das auch nicht.“
„Dann brauchen wir eine Ablenkung. Wir brauchen eine Minute bis zum Ziel, dann würden wir etwa
auch selbst angegriffen.“
„Opfern wir eine Gruppe, um den Rest zu retten?“
„Müssen wir, anders geht es nicht.“
„Scheiße....Talon Lead an alle Talons. Unsere Lage ist beschissen. Gruppen 2, 3 und 4 führen jetzt
eine Kehre aus und ziehen Leine. Gruppe 1 mir nach. Alle Einheiten beschleunigen auf Nachbrenner.
Und keine Widerrede.“
Eine Crusader nach der anderen drehte ab und floh, während die erste Staffel beschleunigte und noch
enger zusammenrückte. Die Elite der Bomberpiloten der Navy flog der sicheren Vernichtung
entgegen, gewillt, dabei einen möglichst großen Schaden beim Feind anzurichten.
Eine halbe Minute später lieferte der leistungsfähige Zielcomputer der Crusader erste Daten der
Feindjäger. Größtenteils handelte es sich um Bloodhawks, aber auch einige Deltas flogen auf
Abfangkurs. Gleichzeitig aktivierte Count das Angriffsradar und schaltete auf die nächstliegende
Fabrik auf. Gleichzeitig aktivierte er die Sprengköpfe an den Mavericks. Kilotonnen der Zerstörung
warteten nur darauf, abgefeuert zu werden.
Dann begann der Radarwarner zu piepen.
„Mehrfache Radarerfassung.“
„Mach die Sparrows bereit, ich will die Formation aufbrechen.“
„Verstanden Duke.“, Wolfgang schaltete das Angriffsradar auf Jägermodus um. Zwar konnte man
auch im Angriffsmodus Sparrows abschießen, doch die Bekämpfung mehrfacher Ziele erledigte man
besser im Jagdmodus. Und es war offensichtlich, was Duke vor hatte. Wenn die Akarii ungebremst auf
die Bomber stoßen würden, würden sie diese schlichtwegs zermalmen. Eine erprobte Taktik dagegen
war, alle Jagdraketen auf unterschiedliche Ziele abzufeuern. Dies würde dazu führen, dass die
anfliegenden Jäger ihre Formation auflösen mußten, um den Raketen auszuweichen.
Das Zielradar der Crusader galt schon immer als erstklassig und auch jetzt lieferte es sofort Zieldaten
für eine komplette Staffel, die bekämpft werden konnten. In kurzer Abfolge schoss Duke alle
Jagdraketen ab. Der Rest der Staffel tat es ihm gleich. Wie vorhergesehen, stoben die Akarii Jäger wie
ein Schwarm Fische auseinander. Vereinzelt sah Count sogar Treffer, aber das war jetzt egal.
Letztendlich ging es nur darum, Zeit zu erkaufen.
Noch waren es 20 Sekunden bis zum Erreichen des Abschusspunktes und die Jäger rückten immer
näher. Der Graf schaltete das bordeigene ECM ein.
10 Sekunden vor Erreichen des Punktes durchdrangen die Feuerradare der Akarii den elektronischen
Lärm des ECM. Mit einem Schlag wurde ein gutes Dutzend Raketen alleine auf die Crusader von
Duke und Count abgefeuert. Als Antwort warf die Besatzung massenhaft Störkörper ab. Dennoch
schlug die erste Rakete im Heckbereich ein.
Dann kam das Ziel in Reichweite. Der Duke feuerte die erste Maverick ab und schickte die zweite
hinter her, sobald der Werfer seine sechstel Rotation vollendet hatte. Dann visierte er das nächste Ziel
an. In diesem Moment schlug eine zweite Rakete im Heck ein und der Schild brach zusammen.
Nur Sekunden später feuerte Duke die zweite Salve ab. Bordwaffenfeuer schüttelte die Crusader
durch. Die Lasertürme feuerten mit maximaler Frequenz. Ein kurzer Blick auf die Formation zeigte
dem Graf, dass bereits sieben Bomber verloren waren. Dann platzte Talon 2, der unmittelbare
Flügelmann, wie eine überreife Frucht, als eine weitere Rakete in dem Bomber einschlug. Der
Raketenwarner von Talon 1 fing wieder an zu piepen. Das dritte Ziel kam in Reichweite, so dass Duke
die beiden letzten Raketen abschoss. Dann schlug die Akarii Rakete ein und zerfetzte die Crusader.
Dank der Rettungsautomatik wurde die Crew herausgeschossen, aber Count sah, dass sein Pilot von
Schrappnellen getroffen wurde. Dann explodierte etwas neben dem Rettungspod und Lieutenant
Commander Wolfgang Graf Berg von Hauenstein wurde bewußtlos.
Drei Tage später wachte er im Krankenrevier auf, wo er erfuhr, dass er der einzige Überlebende der
Gruppe war. Auch dem restlichen Geschwader war es nicht gut ergangen, aber zumindestens zwei arg
ramponierte Gruppen hatten dank des Angriffs überlebt.
*******************************
Der letzte Sprung war getan, die Redemption und ihre Begleitschiffe flogen auf den Asteroidengürtel
zu.
"Alle Mann auf Gefechtsstation", befahl Clarke.
"Aye, aye Sir!" Ein junger Lieutenant legte den Alarmschalter um. Dröhnend erwachte die Sirene zum
leben.
Für viele Matrosen war es ein furchtbares Erwachen - es gab nichts schlimmeres als durch einen
Alarm aus der Koje gerissen zu werden.
Dutzende von Matrosen ereilte das zweitschlimmste Schicksal, sie waren gerade beim Essen.
Simon Winkler ein junger Spaceman 1st Class hatte es sich gerade auf dem Pott gemütlich gemacht,
mit einem noch nicht 'gelesenen' Hochglanzmagazin.
In einem organisiertem Chaos hasteten die Matrosen auf ihre Gefechtsstationen. Die Besatzung der
Redemption galt als unerfahren und demnach lag sie weit hinter dem Rekord, den eine Crew auf der
Redemption vor über 25 Jahren aufgestellt hatte.
Doch Clark und Auson hatten ihre Crew aufs feinste gedrillt, damit sie zumindest im akzeptablen
Rahmen gefechtsklar war.
Dann prasselten schon die ersten Meldungen ein:
"Reaktorraum 1 auf Gefechtsstation!"
"Schiffsartillerie und CIC auf Gefechtsstation!"
"Flugdeck klar!"
Reaktorraum 2 auf Gefechtsstation!"
Die Litanai ging weiter, bis schließlich Lieutenant Commander Fischer an Auson herantrat: "Ma'am
Brücke auf Gefechtsstation, die Schiffsfeuerwehr meldet Druckschotts geschlossen!"
"Danke Mr. Fischer, weitermachen." Sie drehte sich zu Clarke: "Captain: Schiff klar zum Gefecht!"
"Danke, ausgezeichnet. Lassen Sie die Aufklärer starten und dann soll sich die Flotte in
Gefechtsformation begeben, wir stoßen in das Asteroidenfeld vor."
"Aye, aye Sir!"
Kurz drauf wurden zwei Typhooon ins All katapultiert. Vier weitere Typhoon führten die Bewaffnete
Raum-Überwachung durch.
Die beiden Kreuzer Bakersfield und Perregine schoben sich vor den Kreuzer. Die Zerstörer Madrid
und Jerome Custer nahmen Flankenpositionen ein.
Die Zerstörer Princeton und Tripolis bildeten mit dem Kreuzer Agamemnon hinter der Redemption
eine Linie.
So drang die Redemption in den Asteroidengürtel ein.
Zigtausende Kilometer entfernt arbeiteten sich der leichte Träger Majestics und seine Begleitschiffe
durch das Akarii-Land vor.
Die Majestics galt schlicht hin als Elite unter den leichten Trägern der Majestics-Class. Wie Erik
Roberts sagte, als er die Majestics als erster Captain auf ihr in Dienst stellte: "Als erstes Schiff dieser
Class haben wir die Verpflichtung als Vorbild für alle weiteren Träger der Majestics-Class zu dienen.
Uns wurde die schwere Last auferlegt sowohl die beste Crew zu bilden als auch das beste Geschwader
zu stellen."
Und so wurde es seitdem gehalten. Die Crew der Majestics war hervorragend gedrillt und hielt diverse
Rekorde.
Ebenso schimpften sie die G-Men mit fug und recht Elite. In den letzten 10 Jahren hatten sie viermal
den AKM - Allkampf Manöver - Pilot des Jahres gestellt. Und überflügelte somit auch die legendären
Blue Angles. Kritiker behaupten es läge aber daran, dass die Blue Angles in den letzten 10 Jahren nur
dreimal an den AKMs teilnehmen konnten.
Auf der anderen Seite näherte sich die Galileo mit ihren Begleitern durch den Nebel.
Der Ruf dieses stolzen Schiffes hatte etwas unter ihrem jetzigem Captain gelitten. Und das, obwohl
Mannschaft und Offiziere größtes Können bewiesen.
Manöver wurden schnell und konsequent durchgezogen. Die Zeiten waren zwar nicht ausgezeichnet,
dennoch sehr gut.
Das Geschwader war ein eingespieltes Team.
Irgendwo zwischen den drei Kampfgruppen sollte sich ein riesiger Akarii-konvoi befinden. Es wurden
60 Frachter gezählt.
Die Verteidigung war unklar. Was würden die Akarii in Marsch setzen um diese Masse an Material zu
sichern?
**********************************
Die beiden Piloten trugen bereits die schweren Schutzanzüge, die sie in den Maschinen vor den Folgen
von Hüllenbrüchen schützen und ihr Überleben sichern sollten, wenn sie gezwungen wären
auszusteigen. Zu den Anzügen gehörten auch spezielle Pistolenhalfter für die Standart – Laserpistolen
der Streitkräfte. Die Waffen stellten die letzte Verteidigungsmöglichkeit dar, wenn etwa nicht die
eigenen Leute, sondern der Feind einen ausgestiegenen Piloten fand. Es kursierten grausige Gerüchte
darüber, wie die Akarii mit Gefangenen, vor allem Raumpiloten, verfuhren. Es war ein inoffizielle
Grundregel, „den letzten Schuß“ für sich selber aufzusparen. Die schweren Schutzhelme mit den
dunklen Sichtscheiben lagen auf dem Tisch.
Seit dem Verlassen der Perseus – Station waren sieben Wochen und ein halbes Dutzend Sprünge
vergangen. Fast jeden Tag waren Ohka und Virago „draußen“ gewesen, Teil der Außensicherung der
Redemption – Kampfgruppe. Zweimal hatte es Kampfberührung gegeben – und dabei waren die
Typhoon – Staffeln nicht einmal beteiligt gewesen. Aber Pinpoint war bei dem ersten Gefecht
gefallen. Auch wenn er nicht zur Staffel gehört hatte – beide Piloten und auch Parker hatten den
jungen Flieger gekannt. Wenn von dem reichlichen Hundert der fliegenden Streitkräfte (Piloten,
Kopiloten und Bordschützen) einer fiel, dann merkten es alle. Die „fliegende Gemeinde“ an Bord der
Redemption war so klein, daß jeder Verlust spürbar war – eine Erinnerung an die eigene Sterblichkeit.
Dennoch waren die mehrstündigen Patrouillenflüge nach drei Wochen Flug wieder Routine geworden.
Doch heute war alles anders.
Vor wenigen Stunden hatte die Flotte ihren letzten Sprung durchgeführt und schob sich jetzt langsam,
aber methodisch durch ein ausgedehntes Asteroidenfeld. Jenseits der gefährlichen Zusammenballung
aus Eis- und Steinbrocken sollte das Ziel der Mission liegen: ein riesiger Nachschubskonvoi des
Feindes, der in einer kombinierten Aktion vernichtet werden sollte.
Wenn die Geheimdienstnachrichten stimmten. Wenn die anderen Angriffsflotten rechtzeitig ihre
Positionen erreichten. Wenn die Akarii nicht irgendwie gewarnt würden – wenn dies nicht alles eine
gigantische Falle
war... .
Lieutenant Commander Parker versuchte, sich die Anspannung der letzten Tage nicht anmerken zu
lassen, während sie die Instruktionen gab: „Die Einsatzparameter sind klar. Sie sind primär
AUFKLÄRER. Sollten Sie Feindkontakt haben, dann versuchen Sie unbemerkt zu bleiben. Angreifen
werden Sie nur, wenn der Feind Sie entdeckt hat oder die Gefahr besteht, daß er den Verband aufspürt.
Sollte dies allerdings eintreten oder drohen, dann hat die Ausschaltung des Gegners oberste Priorität –
tun Sie ALLES NÖTIGE um die Entdeckung zu vermeiden. Verstehen Sie?“
Beide Piloten nickten fast unisono: „Jawohl Lieutenant Commander. “ Das war Kano. Virago hielt ein
etwas weniger formelles „Ja Ma’m!“ für ausreichend.
Sie beide hatten tatsächlich verstanden. Sollte dieser Fall eintreten – die drohende Entdeckung der
Flotte – dann hatte die Erfüllung ihres Auftrages Vorrang vor dem eigenen Überleben. Und auf der
anderen Seite sollte es keine Überlebenden geben. Die Geheimhaltung entschied über Scheitern oder
Gelingen der Operation.
„Sie wissen, die Schlacht steht unmittelbar bevor. Und wir sind die Augen und Ohren der
Kampfgruppe – wir müssen die Dickschiffe abschirmen und aufklären. Deshalb haben wir die
Patrouillestrecken erweitert. Das bedeutet allerdings auch, daß Ihre Treibstoffreserve nur noch 15
Prozent umfaßt. Seien Sie vorsichtig, wir wollen schließlich nicht, daß Sie kalt draußen bleiben.
Fliegen Sie sparsam – besser Sie fliegen etwas langsamer, als daß Sie durch irgendwelche
Ausweichmanöver Ihre Reserven verbrennen.“
„Jawohl Lieutenant Commander!“ „Jawohl Ma’m!“
„Ihre Karten haben Sie ja bereits. Virago, Ihr Jäger trägt die Aufklärungspods – nutzen Sie den
Vorteil. Halten Sie den Funkkontakt gering und benutzen Sie Richtfunk!“
„Jawohl Lieutenant Commander!“ „Ja Ma’m!“
Parker rief sich zur Ordnung. Sie referierte jetzt nur noch über Selbstverständlichkeiten, die die Piloten
schon oft genug zu hören bekommen hatten. Virago hatte schon mehr als ein Jahr Diensterfahrung,
war im Einsatz der Aufklärungspods ausgebildet. Und auch Ohka konnte man nicht mehr als Neuling
bezeichnen, trotzdem das erst seine zweite Feindfahrt war. Vor allem, wenn er lernte, nicht mehr jedes
Risiko einzugehen. Sie zuckte innerlich mit den Schultern. Kein Grund, sich selber oder ihre Piloten
mit Zweifeln verrückt zu machen. Auch wenn sie bei dieser ganzen Operation kein gutes Gefühl
gehabt hatte – von Anfang an. „Passen Sie auf da draußen! Viel Glück!“
Die Piloten standen auf, salutierten und gingen, Kano vorran, Virago hinter ihm. Auf dem Gang, der
zum Jägerhanger führte, fielen beide in eine lockerere Gangart nebeneinander. In den letzten Wochen
hatten sie bei Training, Patrouilleflügen und Einsatzbesprechungen genug Zeit miteinander verbracht,
um sich aufeinander einzustellen. Im Einsatz – ob nun auf Patrouille, bei den Manövern oder im
Simulator – funktionierte die Zusammenarbeit. Auch wenn sie privat wenig miteinander zu tun hatten
– beide wußten, daß sie sich auf den anderen verlassen konnten.
„Parker hatte heute aber ziemlich viele Worte. Wenn das kein schlechtes Zeichen ist... .“
Kano zuckte mit den Schultern, bevor er nach ein paar Augenblicken antwortete: „Immerhin, wir sind
zum letzten Mal gesprungen. Und wenn das System so eine Bedeutung für den Feind hat... . Es könnte
ja alles mögliche im Asteroidenfeld unterwegs sein.“
„Ist es Zeit, den letzten Willen zu verfassen?“
„Das habe ich schon.“
„Das hätte ich mir denken können. Hoffentlich hat die ,Alte‘ nur einfach schlecht geschlafen. Diese
Veteranen riechen nämlich sonst den Ärger, habe ich gehört.“
Kano antwortete nicht.
Die Bezeichnung „Alter“ für Staffel- und Geschwaderkommandeure oder Kapitäne war eine feste
Tradition der Navy und hatte nichts mit dem tatsächlichen Alter der so bezeichneten Offiziere zu tun.
Dieser "liebevolle" Titel wurde auch von Untergebenen benutzt, die selber älter waren als ihre
Kommandeure.
Im Hangar der Redemption ging es hoch her. Gleichzeitig mit den beiden Typhoon Ohkas und Viragos
wurden andere Jäger betankt und aufmunitioniert, die die Außensicherung übernehmen sollten.
Weitere Maschinen wurden gewartet und überprüft.
Kano sah sich suchend um, während sie ihre Maschinen ansteuerten, verlangsamte allerdings dabei
sein Tempo nicht. Virago bemerkte das und grinste vor sich hin, sie wußte nach wem Ohka Ausschau
hielt. Sie sparte sich allerdings eine Bemerkung. In DER Beziehung verstand ihr Kamerad keinen
Spaß.
Unmittelbar vor den beiden Jägern trennten sich ihre Wege. „Also Ohka – guten Flug und guten
Kampf.“ Ohka nickte: „Guten Flug. Wir sehen uns dann am Boden.“
Ein schneller Handschlag und beide kletterten in ihre Maschinen, jeder mit seinen eigenen Gedanken
beschäftigt – die allerdings um das gleiche Objekt kreisten: den Flug.
Auch wenn Ohka es nicht gesagt hatte, er hatte Parkers Beunruhigung bemerkt und er wußte, daß die
Staffelführerin sich Sorgen machte. Die Risiken waren mit jedem Sprung gewachsen und jetzt,
praktisch unmittelbar vor der „heißen Phase“ der Operation, am größten.
Die Techniker räumten den Raum um den Jäger. Jetzt übernahm der Deckoffizier das Kommando und
leitete den Start ein.
Als Kano sich noch einmal umblickte sah er, wonach er Ausschau gehalten hatten. Neben einer
Phantom, bei der Teile der Verkleidung gelöst waren, erblickte er Kalis schwarzen Haarschopf. Die
Hände in die Hüften gestemmt, hielt sie offenbar einem Tech eine Strafpredigt. Aus einem Reflex
heraus hob Kano die Hand und winkte herüber, obwohl die getönte Cockpitverglasung effektiv den
Blick ins Innere der Maschine verwehrte, er also für Kali nicht zu sehen war. Doch als die Typhoon
sich ruckartig in Bewegung setzte und in Richtung der Hangartore bugsiert wurde, glaubte Kano zu
erkennen, daß Kali sich unvermittelt umsah und kurz zu dem Jäger blickte, der in den Weltraum
geschleudert wurde. Unter dem Pilotenhelm verzogen sich Kanos Lippen zu einem stillen Lächeln.
Dann verhärteten sich seine Gesichtszüge. Als er den Richtfunkkanal öffnete, klang seine Stimme
ruhig und emotionslos: „Virago? Alles klar?“
„Alles klar! Bin auf Sieben Uhr! Bringen wir es hinter uns!“
Die beiden Abfangjäger richteten sich aus und strebten weg von dem Flottenverband, in die
Dunkelheit des Alls – und in das Labyrinth von Eis- und Felsasteroiden.
*********************************
Drei Stunden waren vergangen, eintönig und ereignislos – aber keiner der beiden Piloten hatte Zeit
gefunden, sich zu entspannen. Das Manövrieren im Asteroidenfeld erforderte ständige Wachsamkeit.
Virago hatte dazu immer die Sensoranzeigen im Auge – sie war schließlich "Auge" und "Ohr" des
Flights – ja eigentlich der kompletten Redemption - Kampfgruppe, zumindestens in diesem Sektor.
Und auch Kano blieb wachsam, obwohl seine Geräte bei weitem nicht so weitreichend waren wie die
aufgerüsteten Sensoren von Viragos Jäger. Nicht, daß er ihr irgendwie mißtraute – aber... . Immerhin,
irgendwo da draußen WAR der Feind.
Es war Virago, die die Akarii zuerst sichtete. Trotzdem sie damit gerechnet, den Feind ERWARTET
hatte, brauchte sie ein paar Sekunden, um zu reagieren. Dann griffen die Reflexe. Mit ein, zwei
Handgriffen stellte sie Richtfunkverbindung mit Kanos Maschine her, die links vor ihr flog.
Gleichzeitig entsicherte ihre linke Hand die Waffen.
Ihre leise, angespannte Stimme explodierte förmlich in der Stille, die Kano umgab: „ACHTUNG
OHKA! Objekte einkommend, Elf Uhr, hoch. Zwo, Kleinschiffe. Kurs Fünf Uhr!“ Dann nach ein paar
Sekunden: „Anscheinend Marschgeschwindigkeit!“
Während sich seine Hände um die Steuer- und Waffenkontrollen verkrampften, rasten Kanos
Gedanken. Der Kurs zielte fast genau auf seinen Flight. Waren sie entdeckt? Doch dann begriff er
etwas anderes, wesentlich wichtigeres – dieser Kurs würde den Feind direkt zum Flottenverband
führen. Und selbst wenn die Akraii die beiden Erdjäger noch nicht bemerkt hatten, eine Flotille aus
vier Großkampf- und vier Begleitschiffen konnten sie unmöglich übersehen. Und wenn sie das melden
würden... .
So gesehen hatte er nur eine Möglichkeit zu reagieren. Die Befehle waren klar. Die feindlichen
Einheiten mußten eliminiert werden. Und dort direkt vor ihm... .
„Virago – der Asteroid auf zwölf Uhr! Wir tauchen ab. Wenn sie passieren – Feuer frei!“
„Verstanden. Bin an deiner Sieben!“
Die Jäger beschleunigten nicht, benutzten auch ihre Steuerdüsen so sparsam wie möglich – sie glitten
verstohlen in den Schutz des Asteroiden, wie jagende Haie über eine Sandbank.
Jetzt konnten sie nur noch warten, hoffen, daß der Feind das tat, was Kano vermutete.
Er hatte seine Entscheidung getroffen – ob es die richtige war, würde er innerhalb der nächsten
Minuten erfahren. Hoffentlich mußte er seine Idee nicht bedauern – wenn er überlebte. Kano blinzelte,
als Schweißtropfen in seine Augen tropften. Die Hand, die den Steuerknüppel umklammerte, war
bereits jetzt schweißnaß und verkrampft. 'Gleich, gleich... .'
Da kamen sie – zwei Jäger, Bloodhawks, schnell und tödlich. Ihre atemberaubende Eleganz wurde
allerdings von den voluminösen Behältern gemindert, die unter den Tragflächen befestigt waren.
‚Zusatztanks!‘ Damit war es klar – diese Einheiten waren auf einem Langstreckeneinsatz, der sie mit
fast tödlicher Sicherheit den Kurs des Redemption – Verbandes kreuzen lassen würde.
„ANGRIFF!“ Selbst in seinen eigenen Ohren klang Kanos Stimme gespannt, fast schrill.
Praktisch gleichzeitig eröffneten die Erdjäger das Feuer, überschütteten den Feind mit einem Laserund
Neutronengewitter.
Virago hatte gut gezielt und ihr Gegner hatte keine Chance zu reagieren. Während die Energiestrahlen
bereits die Schilde der Bloodhawk schwächten, hatte sie zwei Amrams abgefeuert. Dem Akarii blieb
weder die Zeit auszuweichen, noch einen Täuschkörper auszustoßen. Er verging in einer spektakulären
Explosion.
Kano hatte nicht so viel Glück. Zwar lagen seine Laser- und Neutronensalven im Ziel, doch irgendwie
hatte der Gegner Zeit zur Reaktion gefunden – Zwei Täuschkörper fingen die Amrams auf, während
die Bloodhawk in einem Korkenzieher – Manöver nach Oben auswich.
Einen Fluch zwischen den Zähnen zerbeißend, setzte Kano ihm nach. ‚Er darf nicht entkommen! Er
darf nicht melden! ER DARF NICHT!!‘
Keiner der beiden benutzte den Nachbrenner – die Gefahr war viel zu groß, einen Asteroiden zu
rammen.
Der Akarii floh, den Typhoon in seinem Nacken. Mit einer Wende nach Rechts versuchte er, hinter
einem Asteroiden zu verschwinden, während erbarmungslos Energiesalven auf seine Schilde
hämmerten.
Mit zusammengebissenen Zähnen riß Kano den Steuerknüppel herum, die schrundige
Asteroidenoberfläche flog am Cockpit vorbei – Wo war der Bloodhawk? Da!
Der Akarii versuchte nicht zu kämpfen – vermutlich rechnete er sich wenig Chancen gegen ZWEI
Feindjäger aus, die dazu noch an seiner Sechs klebten. Seine einzige Chance war die Flucht. Und die –
das war Kano klar – DURFTE IHM NICHT GELINGEN!
Ruckartig schob er den Hebel des Nachbrenners nach vorne, die innere Stimme ignorierend die ihm zu
schrie, dass dies in einem Asteroidenfeld fast sicherer Selbstmord war. Nur kurz, doch der Jäger
machte einen regelrechten Satz nach vorne, auf den Feind zu. Im nächsten Augenblick mußte Kano
zur Seite wegbrechen, entging knapp einem vernichteten Zusammenstoß mit einem der driftenden
Gesteinsbrocken.
Doch dann war der Bloodhawk in seiner Zielerfassung, für ein paar Sekunden nur – Kano drückte auf
alle Feuerknöpfe.
Die Kanonen trafen. Doch noch einmal hatte der Akarii Glück – nur drei der vier Raketen erfaßten ihn
und eine von diesen wurde von einem Täuschkörper abgelenkt. Eine Rakete aber traf seine Schilde,
explodierte und ließ sie kollabieren. Der letzte Flugkörper explodierte unmittelbar neben dem jetzt
schildlosen Jäger, schleuderte ihn aus seiner Bahn – allerdings auch aus Kanos Schußfeld.
Doch der hatte andere Probleme – auf den feindlichen Jäger fixiert hatte er nicht bemerkt, daß ein
Asteroid in seinen Flugvektor gedriftet war. Er bemerkte die Gefahr spät – fast zu spät. Ein wortloser
Schrei brach aus ihm, während er sich verzweifelt an den Steuerknüppel hängte – zog, ZOG... .
'Geschafft!' – knapp, nur Sekundenbruchteile schrammte er am sicheren Tod vorbei.
Dem Akarii hatte dies kostbare Sekunden verschafft, die er benutzte, um zur Seite wegzubrechen, in
dem Versuch, im Gewirr der Asteroiden unterzutauchen. Seine verzweifelten Funkrufe waren im
Rauschen der Statik untergegangen. In dem Labyrinth der treibenden Gesteinsbrocken zu
verschwinden war seine einzige Chance.
Vergebliche Hoffnung – der andere Erdjäger verlegte ihm den Weg, erzwang mit einem Angriff aus
allen Rohren, wieder zu wenden. Die Raketenexplosionen mußten den Antrieb beschädigt haben, der
Bloodhawk bewegte sich langsamer, schwerfälliger. Das war sein Untergang.
Wahrscheinlich bemerkte der Akarii nicht einmal, daß Kanos Maschine plötzlich wieder an seiner
Sechs auftauchte, sich mit tödlicher Zielstrebigkeit näherte, wie eine Rakete, die der Zielerfassung
folgte.
Feuer! Feuer! Feuer!
Laser- und Neutronenstrahlen zerhämmerten die Reste der Schilde, bohrten sich in den Rumpf des
Bloodhawk, schlitzten Zelle und Cockpit auf.
Kano behielt die Finger auf den Feuerknöpfen, bis die feindliche Maschine nur noch ein Haufen
expandierender Trümmer war.
Er brauchte einige Augenblicke, um wieder rationell denken zu können. Der Feind war vernichtet. Ein
Blick auf die Treibstoffanzeigen ließ ihn zusammenzucken – die Reserven waren gefährlich
zusammengeschrumpft. Es würde knapp werden.
„Virago. Wie sieht es mit deinen Treibstoffreserven aus?“
„Nicht so prächtig – müßte aber noch reichen. Willst du mich anpumpen?“
Das ließ ihn auflachen. Nicht weil die Bemerkung so witzig war – er war einfach froh, am Leben zu
sein.
„Wir kehren um. Zurück zum Träger.“
Es wurde eine knappe Sache. Bei Kano leuchtete bereits die rote Lampe, die einen leeren Tank
anzeigte, als endlich die wuchtigen Rümpfe der Großkampfschiffe in Sicht kamen, in ihrer Mitte die
Redemption – die Heimat. Erst jetzt kam Kano zum Bewußtsein, was er erreicht hatte und er lächelte.
Sie hatten den Feind vernichtet, der ansonsten vielleicht die Kampfgruppe aufgespürt hätte. Sie hatten
es – mit fast leeren Tanks – nach Hause geschaffen. Er hatte seinen fünften Abschuß erzielt – was ihn
zum Aß machen würde. Er hatte den Feindflug erfolgreich beendet, ohne beschädigt oder gar
abgeschossen zu werden. Und er hatte einmal mehr seine Ängste und Befürchtungen niederkämpfen
können. Das würde ihm auch weiterhin gelingen!
Seine Freude erhielt allerdings einen Dämpfer, als er sich bewußt machte, was dieser Zusammenstoß
mit feindlichen Jägereinheiten noch bedeutete.
Kamen die Bloodhawk von einem Träger? Von einer Station? Oder von einer Bodenbasis? Würden
Einheiten entsandt werden, um die Jäger zu suchen? Wie würden die Akarii auf das Ausbleiben der
Jäger reagieren? Würden sie am Ende vielleicht den Konvoi umleiten, zusätzliche Kräfte heranziehen?
Das waren Fragen, die sich die Flaggoffiziere stellen würden. Aber sicher würde es auch Fragen an ihn
geben... .
********************************
Das letzte Wort
Der Kampfverband der Gallileo bereitete sich auf seinen letzten Sprung vor. Dieser würde die sieben
Schiffe ins Zielsystem Jollahran bringen. Direkt in einen kosmischen Nebel hinein, der sie hoffentlich
vor feindlichen Sensoren verbergen würde. Bereits seit dem vorigen Sprung waren sie durch ein
gleichartiges Nebelgebiet vorgerückt. Hatte die geringe „Sichtweite“ zunächst für Unruhe gesorgt –
viele fürchteten, unverhofft mit einem Akariiverband zusammenzustoßen – so hatte sich dies
inzwischen gelegt. Viele hatten realisiert, daß der Weltraum etwas zu groß für zufällige Begegnungen
in einem Gebiet war, in dem die Sensorreichweite zusätzlich reduziert wurde. Dennoch war man
wachsam gewesen. Inzwischen aber war sich die Führung des Verbandes relativ sicher, daß der Feind
keine Ahnung von der Gegenwart der Terraner hatte. Offenbar war der unbemerkte Anmarsch
zumindest bisher geglückt. Blieb nur zu hoffen, daß es den anderen Verbänden gleichfalls geglückt
war, unentdeckt zu bleiben.
Dennoch herrschte an Bord eine gewisse Unsicherheit. Der Kapitän der Gallileo hatte noch keinen
definitiven Schlachtplan bekanntgegeben. Dies sorgte für eine gewisse Nervosität. Ward war als
Cuntator bekannt, bei einigen als Feigling verschrien – auch wenn keiner das laut zu sagen wagte.
Aber die Besatzung wartete mit Spannung, und dies galt für die einfachen Techniker wie für die
höchsten Offiziere inklusive der Kommandeure der Begleitschiffe.
Jetzt, unmittelbar vor dem Sprung, hatte Ward sie zu einer letzten Besprechung gebeten. Ein
feindlicher Angriff war momentan unwahrscheinlich bis unmöglich, sicherheitshalber waren die XO
der einzelnen Schiffe aber auf ihren Posten, ebenso alle drei Jagdstaffeln der Gallileo. Im großen
Besprechungsraum des leichten Trägers waren neben den sieben Captains nur noch der Commander
des Kampffliegergeschwaders anwesend. Brian Turner, ein ruhiger, beherrschter Brite mit ordentlicher
Kampferfahrung, kommandierte die 48 Kampfflieger, in taktischer Hinsicht war er Chef der
Jagdbomberstaffel. Auch wenn die Kommandeure der Begleitschiffe unruhig waren, so beherrschten
sie ihre Gefühle doch meisterlich und ließen sich nichts anmerken. Es war schon beeindruckend, wie
sie sich gegenseitig etwas vorspielten. Immerhin fieberten sie der Entscheidung des Verbandsführers
entgegen, mochte diese doch über Sieg und Niederlage, Leben oder Tod entscheiden.
Ward kam sofort zur Sache. Er hielt sich aufrecht, seine Stimme klang ruhig, aber entschlossen: „In
wenigen Stunden springen wir in Standartprozedur nach Jollahran. Voraussicherung Relentless, Prince
of Wales und Sao Paulo. Die anderen Schiffe folgen. Wir werden unter Berücksichtigung der nötigen
Vorsichtsmaßnahmen in die Position vorrücken, die uns der Plan zuweist. Typhoons mit
Aufklärungspods werden als Vorausspäher eingesetzt. Bei ihrer Aufklärung ist Heimlichkeit oberstes
Gebot – besser, sie orten nichts oder nicht viel, als daß wir durch Übereifer den ganzen Plan
gefährden. Die Flotte bezieht im Nebel Warteposition.“
Gonzales bemerkte, daß Mithel die Augen leicht zusammenkniff. Der ältere Captain schien aus
irgendeinem Grund erfreut. Der Kapitän der Dauntless sah dies nicht unbedingt mit Freude, ihre
Auffassungen über Flottentaktik gingen auseinander. Ward fuhr fort: „Sobald der Zeitpunkt
gekommen ist, schlagen wir los. Wir schicken die Griphen, die Phantome und die Mirage los. Die
Typhoon bleiben als Eskorte beim Träger. Die Mirage setzen Mavericks ein, zwei verfügen über je
zwei HARM, dazu werden alle leichte Raumkampfraketen tragen. Die Griphen werden mit je zwei
Hydras bestückt – ansonsten mit Raumkampfraketen. Hinter den Jägern – zeitlich etwas versetzt als
zweite Welle – folgen die Relentless, die Sao Paulo und die Prince of Wales. Dauntless, Paul Reinhard
und Harrison Flint bilden Geleitschutz bei der Gallileo." Der Blick, den Ward in die Runde warf, war
einerseits eine Frage nach Kommentaren – aber etwas in seinen Augen warnte auch davor, den Plan in
Frage zu stellen. Rice und Geissler schienen sich zurückzuhalten. Die Blicke von Nhoi und Garth aber
waren auf Mithel gerichtet. Ward blieb dies nicht verborgen, und sein Gesichtsausdruck verfinsterte
sich etwas. Der Kreuzerkommandeur straffte sich etwas. Seine Stimme klang ruhig – hatte aber einen
harten Unterton. Kaum merklich zwar, doch wer wußte, wonach er suchen mußte, der fand ihn.
„Captain, darf ich einwerfen, daß wir nicht wissen, mit wem wir es zu tun haben? Es ist zweifelsohne
eine sinnvolle Überlegung, den Träger ausreichend zu schützen, und mit den Großkampfschiffen die
Verwirrung des Jägerangriffes auszunutzen. Aber ich denke, wir sollten auch die Möglichkeit im Auge
behalten, daß der Geleitschutz so stark ist, daß er die Jäger weitestgehend abwehren kann. Wäre es
nicht besser, Jäger und Kampfschiffe koordiniert einzusetzen, und dazu die beiden anderen Zerstörer
sowie die Typhoon mit hinzuzuziehen? Wir könnten so...“ Wards Stimme klang frostig: „Ich kenne
Ihre Meinung, Commodore Mithel. Sie erscheint mir zu gewagt. Wir wissen nicht – und es scheint mir
vielmehr sehr wahrscheinlich daß dies der Fall ist – ob der Feind eine Deckungsgruppe in der
Hinterhand hat. Ich werde NICHT die Gallileo unnötig riskieren. Wir haben genug Träger verloren.“
Mithels Stimme war nun eindeutig ebenso frostig wie die des Trägerkommandanten: „Wenn diese
Aktion scheitert, Sir, werden wir mehr verlieren als einen leichten Träger nebst Begleitschiffen.
Erheblich mehr. Wir...“ „Das genügt! Das Risiko ist zu groß.“ Wards Stimme schloß Widerspruch von
dieser Seite aus: „Noch jemand Einwürfe?“ Gonzales räusperte sich. Sofort richteten sich die
metallisch funkelnden Augen des Seniorcaptains auf ihn, aber er ergriff trotzdem das Wort – in weit
moderaterem Ton als Mithel: „Sir – Sollten wir nicht wenigstens die Dauntless mitschicken? Sie
könnte Jägerschutz bieten, weitere Kampffliegerwellen koordinieren und dergleichen.“ Ward schien
einen Augenblick zu zögern, dann schüttelte er den Kopf. Gonzales ahnte, wieso. Er wollte jetzt,
nachdem er Mithel zurechtgewiesen hatte, nicht nachgeben. Oder lag mehr dahinter? „Die Dauntless
ist unerprobt, Commodore Gonzales. Ich werde das erste Typschiff, dessen Primärwaffe nicht voll
einsatzbereit ist, nicht riskieren. Zudem es im Kampf gegen Großschiffe wenig tauglich ist. Das war
alles.“
Mithel starrte den Verbandsführer an. Sein Gesicht zeigte keinen lesbaren Ausdruck, aber innerlich
mochte er kochen. Gonzales wiederum verwünschte den Älteren. Wenn der nicht so entschieden
aufgetreten wäre, vielleicht hätte Ward eingelenkt. Nhoi und Garth blickten fragend zu Mithel – doch
der gab kein Zeichen. Gonzales fragte sich, was hier gespielt wurde. Das Gespräch wandte sich
einigen Kleinigkeiten zu – der genauen Position des Verbandes relativ zum Nebelrand und zur
berechneten Position des feindlichen Verbandes im Augenblick des Angriffes. Mithel hatte sich
wieder gefangen und war äußerlich gelassen bei der Sache. Gonzales seufzte innerlich. Wenn die
Kampfgruppe nur an EINEM Strang gezogen hätte! Aber das Wort des Kommandeurs war Gebot – da
gab es nichts zu diskutieren, wenn dieser es nicht wollte. Dann übernahm Turner und sprach über das
Vorgehen der Kampfflieger. Nichts, was ihn, Gonzales, viel sagte. Er holte eine Zigarre heraus und
steckte sie sich.
Schon nach ein paar Zügen traf ihn ein vernichtender Blick Wards. Die Stimme des
Trägerkommandeurs war erfüllt von unterdrückter Wut: „Würden Sie wohl Ihren...Tabakkonsum bis
zum Ende der Besprechung stoppen?" Mithel warf ihm einen konsternierten Blick zu, wobei ihm
Garth Gesellschaft leistete. Rice schien amüsiert, ebenso Geissler. Nhoi war die Ruhe selber. Offenbar
faßte Ward es als Angriff auf seine Autorität auf und als „Trotzreaktion“ des Captains der Dauntless.
Gonzales wußte nicht, ob nicht sogar ein wenig Genugtuung in Mithels Blick war. Aber „Tripple E“
wollte es nicht auf eine Kraftprobe mit Ward ankommen lassen. Er gehorchte also. In seinem Inneren
schüttelte er den Kopf.
Die Besprechung brachte sonst nicht viel. Es war zuviel eisiges Schweigen, zuviel vorsichtiges
Taktieren. Die Ansichten gingen auseinander, und auch wenn jeder sein Bestes gab, den gefaßten Plan
in die Tat umzusetzen, so merkte man, daß etliche nicht überzeugt waren. Ward war wieder in seinem
Element. Souverän und autoritär führte er die Besprechung zu Ende. Dann verabschiedete er die ihm
unterstellten Kapitäne. Von Herzlichkeit – außer zwischen ihm und den beiden Duquesne-
Kommandeuren – war nicht viel zu merken. Gegenüber Gonzales, Nhoi, Garth und vor allem Mithel
herrschte eisige Distanz. Und vermutlich war deren Respekt gegenüber dem Amt des Kommandeurs
nur geheuchelt. Aber anmerken ließen sich die Kapitäne nichts. Sie würden die Befehle ausführen und
ihr Bestes tun. Sollte der Plan Wards aber nicht aufgehen – dann würden sie sich vielleicht sogar über
das ungeschriebene Gesetz hinwegsetzen, einen Vorgesetzten nicht zu kritisieren. Nichts war tödlicher
für den Ruf. Und doch hatte sich manche Karriere genau darauf begründet – und noch mehr hatten
durch Denunziationen geendet.
Die Kapitäne begaben sich zum Hangar, um die Shuttles zu betreten. Sie würden sich vielleicht nie
mehr in die Augen sehen. Aber sie wahrten eisiges Schweigen – nur sich keine Blöße geben.
Vermutlich waren die Gedanken, die einige füreinander und gegenüber Ward hegten, alles andere als
kollegial.
Ein Shuttle würde Mithel und die Kommandeure der Norfolk-Zerstörer zu ihren Schiffen bringen, ein
zweites Gonzales und die beiden anderen Captains zu den ihren. Der Kommandeur der Relentless
drehte sich zu den anderen um: „Viel Glück. Wir werden es brauchen können.“ Er tauchte einen Blick
stummen Einverständnisses mit Nhoi und Garth, dann betraten die drei ihr Shuttle. Gonzales schaute
die beiden anderen an. Rice ließ sich nichts anmerken, aber Geissler schüttelte den Kopf: „Der ,iron
backside‘ scheint ja kurz davor zu stehen, zu explodieren.. Nun – wir werden sein Glück brauchen
können.“ Gonzales hatte lernen müssen, daß die älteren Kommandeure Mithel respektierten – wegen
seiner Kampferfahrung und seinen Verdiensten – und so verkniff er sich eine Bemerkung. Er selber
erkannte Leistungen zwar auch an, aber ihn störte die Art Mithels. Aber das Militär war eben ein
konventioneller Verein. Er überlegte, was der Blick zu Nhoi und Garth bedeutet hatte. Garth galt als
energisch, die Thai-Kapitänin war hingegen pures Eis. Was verband sie mit Mithel? Und wie weit
ging diese Verbindung? Aber, selbst Mithel würde wohl keine Dummheit machen.
Der Verband machte sich bereit zum Sprung. Vereint im Handeln, doch nicht im Geiste. Ward wußte
das. Für einen Augenblick hatte er gefürchtet, Mithel würde es auf eine Kraftprobe ankommen lassen.
Würde ihm vielleicht sogar Feigheit unterstellen. Aber der Captain der Relentless hatte wohl gewußt,
daß ihm das im Extremfall – jetzt, im Einsatz – Arrest und Suspendierung bringen konnte. Bringen
mußte. Also hatte er glücklicherweise zurückgesteckt. Jetzt mußte bloß der Plan aufgehen. Falls nicht
– soviel war Ward klar – würde Mithel bestimmt nicht vergessen, wer seine Einwände
zurückgewiesen hatte. Und der Captain hatte Freunde in höheren Posten in Flotte und Politik...
Aber Ward wollte auch nicht die Gallileo riskieren. Wie all die Jahre zuvor fürchte er den Kampf auf
Leben und Tod. Fürchtete die Akarii, mehr als er jeden Piraten gefürchtet hatte. Die Echsen hatten so
viele Schiffe vernichtet – wie leicht konnte es seinem Träger ebenso ergehen! Und wenn er im Gefecht
zusammenbrach – nicht auszudenken! Besser, es nicht so weit kommen zu lassen. Dazu würde er
DIESES Risiko eingehen.
***

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Als Alarm gegeben wurde, befand sich Lilja in der glücklichen Lage, NICHT überrascht zu werden.
Zum einen hatte sie es sowieso geahnt – sie hatte lange genug Dienst auf Trägern getan, und die
Vorbereitungen für den letzten Sprung waren ja kaum zu übersehen. Außerdem hatte sie – recht
eigenmächtig – ihre Sektion sowieso in Bereitschaft beordert. Eine kleine Übung konnte nicht
schaden. Als das Alarmsignal gegeben war, sprinteten sie zu ihren Jägern. Natürlich würden sie jetzt
nicht starten – das Pech (oder Glück) hatten andere. Ihre Gruppe war momentan nicht für den Dienst
vorgesehen – das würde erst in ein paar Stunden der Fall sein, wenn die ersten Aufklärer und
Kampfpatrouillen entnervt vom Flug im Asteroidenfeld zurückkamen und ersetzt werden mußten.
Glücklicherweise war ihr Anmarschweg ja bekannt gewesen, und sie hatten üben können.
Sie war stolz auf sich selbst, als sie die schnellen Reaktionen ihrer Untergebenen sah. Natürlich war
dies in erster Linie deren und nicht ihr eigener Verdienst. Aber ein bißchen, ein bißchen hatte sie auch
dazu beigetragen. Und ihr Stolz speiste sich auch aus dem Umstand, daß sie trotz der Belastung nicht
zusammengebrochen war. Sie hatte diese Herausforderung bis jetzt gemeistert. Und sie fühlte sich
bereit, dies auch weiterhin zu tun – auch in Kampf und Schlacht. Nun, zumindest HOFFTE sie, daß sie
auch wirklich bereit war.
Der Blick auf ihren Jäger gab ihr etwas Kraft und Zuversicht. Die weiße Lilie – „ihr“ Symbol.
Darunter die acht roten Sterne, Zeugniss von acht Abschüssen. Sie hoffte, es würden noch ein paar
mehr werden. Dazu der Stern, der ihren Orden darstellte. Sie rief sich zur Ordnung. Wichtig war, daß
ihre Untergebenen nicht selber zu Sternen würden.
Sterne, so nannte man die Toten. Sie leuchteten, doch ihr Licht war unerreichbar fern und wärmte
nicht. Und man konnte unter ihnen niemals einen bestimmten wiederfinden. Sie schüttelte den Kopf.
Daß alle am Leben blieben, DAS war wichtiger als schmückende Zeichen an der Maschine. Das durfte
sie nie vergessen. Und das würde sie wohl auch nicht, zu tief und schmerzhaft war der Verlust ihrer
Kameraden in ihr Herz eingebrannt. Eine Wunde, die vielleicht nie ganz heilen würde, egal, wieviel
Hektakomben an Brandopfern sie ihnen auch darbringen mochte. Akarii-Brandopfer.
Ihre Gedanken wanderten zu den letzten Tagen. Sie lächelte innerlich – etwas bitter und zynisch. Noch
so ein Versuch von ihr, sich ,loszukaufen‘. Vor sich selber bestehen zu können mit der Gewißheit, den
Tod der Kameraden zu sühnen. Die Spendenaktion war langsam angelaufen – aber inzwischen hatte
sie zumindes gewisse Resultate erzielt. Das mochte daran liegen, daß mit Huntress und Parker zwei
Staffelkommandeure gespendet hatten. Auch einige andere Offiziere hatte sich beteiligt, aber dann
auch Mannschaftsmitglieder und Piloten. Dennoch – der große Sturm blieb aus. Es war eher ein
Bächlein als ein Strom, und kein sonderlich breiter. Wenn Lilja daran dachte, fühlte sie Wut, aber auch
Scham. Wie hatte sie sich nur so täuschen können! Aber zugleich – wie konnten sie nur! Die Republik
kämpfte um ihr Überleben, und so viele von ihnen klammerten sich an das Geld, daß sie verdienten,
als hätte es IRGENDWELCHE Bedeutung! Sicher, Geld WAR wichtig. Aber hier ging es um die
Heimat! Das heiligste, was ein Mensch hatte! Begriffen sie denn nicht, daß es auch um ein
symbolisches Opfer ging? Daß die ganze Aktion auch propagandistischen Wert hatte, weit mehr als
das Geld, das auf einem einzigen Träger zusammenkommen konnte? Narren! Ignoranten und
Egoisten!
Sie hatte sich nichts anmerken lassen, auch bei Bemerkungen von Piloten und Besatzungsmitgliedern,
die sie mit Wut erfüllten. Über ,die da oben, die uns nur das Geld aus der Tasche ziehen wollten‘ und
so ähnlich. Sie hoffte immer noch, die Männer und Frauen würden sich besinnen und verstehen,
worum es ging.
Lightning, die sich ein bißchen für die Sammelaktion verantwortlich fühlte, unterrichtete Lilja vom
Fortgang. Nicht eben überragend, aber doch halbwegs beachtlich. Bloß – das war in Liljas Augen zu
wenig. Es mußte einfach mehr werden. Sie MUßTEN doch begreifen! Sie mußten einfach! Überrascht
hatte sie nur Radios Verhalten. Sie hätte ihm bestimmt keine Beteiligung zugetraut. Vielleicht wegen
Pinpoints Tod? Nun, zumindest in so weit hatte sie dem Piloten wohl Unrecht getan. Was dazu führte,
daß sie Ace seine Haltung bei dem Ehrengericht weiterhin übelnahm, denn Radios Verhalten deutete
darauf hin, daß er damals größtenteils die Wahrheit gesagt hatte. Auch wenn sie den blauhaarigen
Piloten angesichts seines Sinneswandels mit etwas mehr Nachsicht betrachtete, immerhin beteiligt der
Junge sich auch, und das nicht einmal schlecht. Vielleicht wurde aus ihm doch noch ein richtig guter
Soldat. Nun, das was Lilja dafür hielt - ein Begriff, der mit den Space Operas nur ENTFERNT etwas
zu tun hatte.
Die Russin schnitt eine Grimasse und konzentrierte sich wieder auf den Augenblick. Bald würde es
gegen den FEIND gehen. Sie grinste in sich hinein. Krieg als Aggressionsabbau – nun ja. Sie nahm
das geschäftige Treiben im Hangar in sich auf. DIES war klar und richtig. Den Feind angreifen – und
vernichten. Selbst der Anblick Kalis, die sich bei ihrem eigenen Jäger aufhielt, konnte ihre Laune nicht
trüben. In letzter hatte eher eine vorsichtige Neutralität zwischen ihnen geherrscht. Oder besser, Lilja
hatte zuviel zu tun gehabt, um sich mit Kali zu streiten, und die wiederum schien nicht unbedingt
scharf darauf, den alten Zwist wieder aufzuwärmen. Vielleicht auch, weil beide sich als Siegerinnen
betrachteten. Kali, weil sie beim letzten „Zusammenstoß“ mit Lilja das letzte Wort behalten hatte. Und
Lilja, weil sie sich ausrechnete, daß Kali über die Gegenwart von Huntress nicht glücklich seien dürfte
– wenn sie auch nur halb so empfand wie früher. „Wenn ich daran denke, was für eine Szene die
abgezogen hat, bloß weil dieser blauhaarige Affe mich zum Abendessen eingeladen hat oder sich mit
mir geprügelt hat, dann will ich gerne wissen, was sie sagt, wo er mit Huntress noch ganz andere
,Nahkampftaktiken‘ trainiert!“ murmelte sie vor sich hin. Ja, ihre Stimme hatte einen angemessenen
Grad von Häme. Komischerweise aber war es noch zu nichts gekommen. „Na, vielleicht hat Mata Hari
endlich kapiert, was sie an Ace hat – nämlich nichts. Ich weiß bloß nicht, ob ich Kano bei ihr Glück
wünschen soll. An seiner Stelle würde ich dieses selbstverliebte Früchtchen nicht mal geschenkt
wollen! Das wäre ja so, als wäre ich auf Ace scharf. Schon der Gedanke ist..." sie überlegte:
"Besorgniserregend!“
Sie war froh, daß keiner sie hören konnte. Schon das Eingeständnis, daß sie sich mit solchen
Trivialitäten beschäftigte, war schlimm genug. Auch wenn sie es sich nur selbst sagte. Wenn jemand
anders davon gewußt hätte – nicht auszudenken.
Nun, genug davon. Sie hatte wahrlich wichtigeres im Kopf. Zwar würde es bis zum Angriff auf den
Konvoi noch eine Weile dauern – aber dann mußte sie bereit sein. Sie blickte den startenden Typhoons
nach. Beneidete sie die Piloten? Nein, eigentlich nicht. Die Chance auf ein Gefecht war augenblicklich
nicht so groß, die Navigation im Asteroidenfeld ein einziger Alptraum. Na, das kam ja auch noch auf
sie zu...
Bald würde sie auch da draußen sein. Und mit etwas Glück – mit etwas Glück würde sich die Mission
als ein Akarii-Alptraum entpuppen. Dafür würde sie arbeiten und kämpfen. Sie nickte grimmig und
machte sich daran, ihre Maschine gründlich durchzuchecken. Sollte der Befehl zum Alarmstart
kommen, würde sie bereit sein. Die Bestückung war dieselbe, die sie vermutlich beim Angriff auf den
Konvoi tragen würden. Amram und Sparrow-Raketen. Die ideale Bestückung für den Kurvenkampf,
wenn man nur Sekunden hatte, um die Feindjäger abzufangen, während sie auf die Bomber eindrehten.
Dann würden Augenblicke entscheiden. Sie war fest entschlossen, keinen Feind bei ihrer Sektion
durchbrechen zu lassen. Nicht, so lange sie es verhindern konnte.
***************************************
Die Nachricht von Kanos Begegnung mit Feindaufklärern erreichte Murphy schon, bevor Kano
gelandet war. Der Airboss, also der Chef im Tower, hatte ihm eine kurze Meldung zukommen lassen.
Als erstes lies er Thunder in seinem Büro antreten und beauftragte sie, die Staffel
zusammenzutrommeln. Kaum hatte sie das Büro wieder verlassen, rief er Crimson zu sich. Dieser
hatte mittlerweile die Rolle des Wartungsoffiziers übernommen und fungierte als Martells Verbindung
zur Instandhaltung.
„Sir, geht es los?“
Murphy nickte nur. „Wie ist der Status?“
„Nun, die Maschine von Gladius ist noch nicht komplett geflickt, ich würde vorschlagen, ihm die erste
Ersatzmaschine zu geben. Alle anderen Maschinen sind in bestem Zustand.“
„Gut. Setzen Sie sich mit dem Flugdeck in Verbindung. Ich will alle Maschinen startklar haben.“
„Bestückung?“
„Vier Hydra Waffenbehälter und zwei Sidewinders. Und lassen Sie die zweite Ersatzmaschine als
Aufklärer mit Zusatztanks und Aufklärungspods ausrüsten, vielleicht müssen wir noch mal raus.“
„Verstanden Sir. Sonst noch etwas?“
„Nein, das wäre alles, Sie können wegtreten.“
Crimson salutierte und verschwand wieder.
Eine halbe Stunde später – Kano war mittlerweile an Bord gelandet und wurde debrieft – fand bei den
Jaguars bereits das Premissionbriefing statt. Kaum war das letzte Staffelmitglied, in diesem Falle
Crimson, der vom Flugdeck zurückkehrte, eingetroffen, trat Murphy ans Podium. Er merkte, dass die
Männer und Frauen unter seinem Kommando angespannter wirkten als sonst, die Erregung war
geradezu physisch fühlbar. Bevor er das eigentliche Briefing begann, wanderte sein Blick durch die
Reihen. Alle erwiderten diesen Blick, einige lächelten nervös, während andere gar nicht zu merken
schienen, wie angespannt sie waren.
„Leute, es geht bald los. Der Moment, wo sich zeigen wird, ob wir uns richtig vorbereitet haben, wird
bald kommen. Wie einige von Ihnen sicherlich aufgrund der Übungen schon vermutet haben, geht es
bei diesem Einsatz um den Angriff auf einen größeren Flottenverband. Zusammen mit den Einheiten
der Majestic und der Galileo wird das Geschwader der Redemption einen großen Konvoi von
schätzungsweise etwa 60 Frachtern plus Eskorte angreifen. Der Angriff wird simultan aus drei
Richtungen vorgetragen.“
Murphy aktivierte eine dreidimensionale Sternenkarte, die den Sektor zeigte.
„Die Galileo wird durch diesen Sternennebel verdeckt. Die Majestic wird etwa aus dieser Richtung
angreifen.“ Murphy aktivierte jeweils weitere Anzeigen auf der Karte.
„Wir stehen momentan hier. Soeben ist eine unserer Patrouillen auf Feindaufklärer gestoßen. Wir
müssen also damit rechnen, bald Feindkontakt zu haben. Überdies zeigt dies, dass der Feind über
zumindestens leichte Fliegerdeckung verfügt. Möglicherweise handelt es sich dabei um die neue
Kreuzerklasse, die einige von uns schon kennengelernt haben.
Leider wissen wir wenig über die Eskorte des Konvois, der übrigens wohl für Mantikor bestimmt ist.
Sie sehen, es ist absolut notwendig, die Möglichkeit, die Offensivanstrengungen des Feindes
empfindlich zu stören, zu nutzen.“
Crimson meldete sich:“ Sir, gibt es denn Vermutungen, welche Eskorte uns erwartet?“
„Nunja, man kann mindestens von einer Kampfgruppe ausgehen, die von einem schweren Kreuzer
geführt wird. Das wäre auch ein mögliche Erklärung für den Feindaufklärer. Andererseits ist es
durchaus denkbar, dass die Akarii dem Konvoi höhere Prioritäten und damit mehr Eskorten zuordnen.
Stellen Sie sich auf jeden Fall auf feindliche Abfangjäger ein, Sie werden daher auch je zwei
Sidewinders mitführen. Dazu wird das Flakfeuer nicht zu vernachlässigen sein, ich denke, dass die
Akarii durchaus in der Lage sind, die Frachter zu bewachen...und die Kreuzer und Zerstörer sind ja im
Flakbereich eh recht kampfstark.“
„Werden wir HARMs im Verband haben?“
„Gute Frage, Brawler. Um ehrlich zu sein, ich weiß es nicht genau. Der CAG hat sich hierzu noch
nicht geäußert und die Mirage Staffeln scheinen sich da etwas unschlüssig zu sein. Ich halte es für
durchaus möglich, dass noch ein Aufklärungsflug vorher stattfindet. Ich habe daher bereits den
zweiten Ersatzflieger als Langstreckenaufklärer konfigurieren lassen, normalerweise fällt uns ja dieser
Job zu.
Wir werden bei dieser Mission uns auf die kleinen Ziele konzentrieren und die dicken Brocken den
Bombern überlassen. Außerdem möchte ich, dass Flight 1 sich zurückhält und Munition aufspart für
den Fall, dass wir anderen Zielen den Gnadenstoß geben müssen. Haltet die Flights zusammen und
gebt Euch Deckung. Sobald die Behälter leergeschossen sind, abwerfen. Denken Sie daran, dass man
auch mit Bordgeschützen einen Frachter vernichten kann, wenn man die Schwachstellen gezielt
angreift. Außerdem will ich, dass koordiniert vorgegangen wird. Wir können es uns nicht leisten, dass
wir Munition verschwenden.“
„Wie sieht das mit der Jagddeckung aus?“ wollte Goose wissen.
„Der Plan sieht vor, dass wir die bekommen...aber sie wird sich wohl primär auf die wertvolleren und
anfälligeren Mirage und weniger auf uns konzentrieren. Fliegt daher defensiv, bis Sie die Außenlasten
los seid. Sonst noch Fragen?“
Das Briefing dauerte noch einige Minuten, unter anderem wurde diskutiert, welche Frachter und
Transporter die ersten Ziele sein würden und welche man eher als Sekundärziele betrachten sollte.
Murphy hörte sich alle Ideen und Vorschläge geduldig an und setzte dann die Prioriäten fest, in dem er
bestimmte, dass man erst die größeren Frachter angreifen sollte, die einem reinen Bordwaffenangriff
am ehesten widerstehen konnten. Dann beendete er das Briefing, und ging in sein Büro, während die
Piloten im Bereitschaftsraum blieben und auf den Einsatzbefehl warteten.
*******************************
Gonzalez biss wütend auf seine Zigarre. Ward war nicht bloß übervorsichtig, er war feige von Grund
auf. Nicht, dass ihm Mithels Ideen grundsätzlich gepasst hätten, aber das, was Ward fabrizierte,
gefährdete unter Umständen auch die die anderen beiden Flottenverbände. Selbst Mithel, der deutlich
mehr Einfluss auf Ward hatte als er, hatte kein offensives Vorgehen durchsetzen können. Jetzt war er
zum Zusehen verdammt und wusste nicht, ob er darauf hoffen sollte, dass trotzdem alles glatt ging
oder darauf, dass die anderen Verbände Hilfe benötigen würden.
Turner beobachtete seinen Vorgesetzten und Freund und ahnte, was in diesem vorging. Gonzalez war
kein Mann, der sich mit einem intakten Schiff aus dem Gefecht heraushielt. Und mittlerweile waren
sich die meisten Leute an Bord einig, die Dauntless war ein Schiff, das besser war, als der Ruf in der
Flotte vorgab. Er wusste auch, dass die Kombination aus Captain und Schiff nicht dazu geeignet war,
in der Flottillenpolitik große Zugeständnisse zu erreichen. Aber das, was nun vorging, war weniger,
als alle erwartet hatten.
„O’Keefe, Feuerdrill in zwei Minuten.“ Gonzalez erwachte aus seiner Nachdenklichkeit. Die Übungen
hatten zwar deutlich abgenommen, aber ab und an lies Gonzalez einzelne Stationen oder auch das
ganze Schiff noch einmal exerzieren. Zuviel Ruhe vor der Schlacht bedeutete zuviel Zeit zum
Nachdenken und nachdenkliche Soldaten waren zögerliche Soldaten. So galt es, die feine Klinge, die
geschliffen war, scharf zu halten, ohne sie schartig zu wetzen.
In der Gefechtszentrale hörte O’Keefe den Befehl von Gonzalez, bestätigte ihn und nickte seinen
Leuten zu. Mittlerweile was das Team zusammengewachsen, man verstand sich fast blind. Die Chiefs
hatten die Ausbildung im Detail übernommen und O’Keefe dadurch einen Großteil der Arbeit
abgenommen. Der hatte dafür den Vorteil, dass er Gonzalez schon von der Fisher kannte, so dass er
dessen Befehle öfters antezipieren und dementsprechend schnell umsetzen konnte. Wohl wissend, das
Mikromanagement in einer großen Station wie dieser für den Offizier unmöglich war, hatte er sich
früh darauf verlegt, nur die großen Entscheidungen zu treffen, während er die Kleinigkeiten den
Spezialisten überließ.
Die zwei Minuten waren um und ein computergenerierter Feind in Staffelgröße tauchte auf und schoss
mehrere Flugkörper ab.
„Primärziel sind die Vampires, danach die Banditen angreifen.“
„Verstanden Sir, Feuerleitradar aktiviert, Victor 1 bis 18 sind markiert.“
„SM2 fertigmachen und auf maximale Reichweite abfeuern. Zeit bis zum Abschuss?“
„15 Sekunden....10.....5, 4, 3, 2, 1, Feuer.“
Simulierte Raketen schossen nun aufeinander zu. Die SM2 Werfer schossen noch mehrere Salven,
dann kamen auch die AMRAAM Werfer dazu. Nach 30 Sekunden meldete der Chief:“ Vampires
zerstört, Zielwechsel auf die Bandits“
O’Keefe nickte und blickte auf die Uhr. Bei einem solchen Standardmanöver war es elementar, dass
man möglichst präzise und schnell handelte, der Kampf gegen die Stoppuhr war hier das Maß aller
Dinge.
„Zielerfassung steht.“
„Feuer auf mittlere Distanz. Feuer halten,....halten....halten...., Feuer frei!“ O’ Keefe klang, als wenn er
Börsenkurse aus einer Tageszeitung vorlesen würde. Ein Betrachter hätte dies für Gleichgültigkeit
oder Langeweile halten können, in Wirklichkeit jedoch lag die Ruhe darin begründet, dass den
Männern und Frauen die Arbeit so vertraut war, dass es keinen Grund zur Aufregung gab.
„Drei Ziele erfolgreich bekämpft, eins dreht nach Beinahetreffer ab.“
„Feuer auf die zweite Gruppe konzentrieren, AMRAAMs auf die dritte Gruppe.“
„Aye, Sir.“
Nach wenigen Minuten war die Übung erfolgreich beendet. Die Jäger hatten nur minimale Schäden an
den Schilden angerichtet, während sie selbst fast vollständig der Vernichtung anheim gefallen waren.
Gonzalez war mäßig erfreut. Zum einen war der Computer anerkanntermaßen berechenbarer als der
echte Feind, zum anderen hatte die Crew für seinen Geschmack zu lange gebraucht. Aber jetzt die
Keule a la Dschingis Khan herauszuholen erschien ihm nicht als weise, zumal er nicht ausschließen
konnte, dass seine Laune immer noch eine Rolle spielte.
„Turner, übernehmen Sie mal für drei Stunden, wenn was ist, rufen Sie mich.“
„Aye, Sir.“
Gonzalez verließ seinen Stuhl und die Brücke und begab sich in seine Kabine. Papierkram lief jetzt
weniger auf, weil sich alles auf das Gefecht konzentrierte, aber trotzdem war da ein gewisser Rest, der
auf seinem Schreibtisch landete. Aber seine Gedanken schweiften ab zu der Dame, die sein Herz
berührt hatte. Triple E wunderte sich über sich selbst, normalerweise konnte er Frauen abhaken, sobald
sie außer Sicht waren. Diesmal war es jedoch etwas anderes. Achselzuckend schob er den Papierstoß
von sich und griff zu seiner Gitarre.
Yamashita sass derweil in ihrem Büro auf der Redemption. Auch wenn sie nicht zur kämpfenden
Truppe gehörte, so merkte sie doch, welche Anspannung sich über das Schiff gelegt hatte. Viele der
Männer und Frauen hatten ernste Mienen aufgesetzt, gerade die Piloten, die sonst immer für einen
Scherz gut waren, waren nun geradezu leise. Aber auch Midori wusste, was ihnen bevorstehen konnte.
Letztendlich war es egal, ob man an Bord des Schiffes Smut, Marine, Geschützbedienung oder Anwalt
war, wenn die Redemption angegriffen wurde, saßen alle im sprichwörtlichen einem Boot. Zum ersten
Mal seit langem fingerte sie an dem Schlüssel für das Waffenkabinett des JAG. Wie jede andere
Abteilung an Bord hatte auch der JAG ein kleines Kontingent an Infanterieausrüstung zur Abwehr
eines Entermanövers an Bord, außerdem konnten sich Ermittler des JAG in besonderen Fällen,
insbesondere bei Meutereien auch selbst bewaffnen um sich zu schützen. Der Schlüssel für diesen
Sicherheitsschrank war in der Gewalt des höchstens Offiziers der Abteilung, hier also in der von
Midori Yamashita. Die Infanterieausbildung schien eine Ewigkeit her zu sein und der Schlüssel hing
wie ein Mühlstein um ihren Hals. Sie schüttelte den Kopf und trank ein Glas Wasser, dann zwang sie
sich zurück an die Arbeit.
*********************************
Die letzten Ereignisse hatte Lucas Laune gebessert.
Vor allem der hirnrissige Versuch - der sich dank Radio als ganz und gar nicht hirnrissig herausgestellt
hatte - von Lilja die Leute zum Spenden für den Krieg zu bewegen.
Als Melissa ihm von dem Gesuch Parkers erzählt hatte, hatte er lauthals gelacht und war sofort auf
Lilja gekommen.
Nun, das Lachen hatte eine Strafpredigt zu folge gehabt, die sich gewaschen hatte, aber Mel sah so
unheimlich süß aus, wenn sie wütend war.
Aber schließlich hatte sie ihm seine Verantwortung in Erinnerung gerufen und er hatte 1.500 Real
gespendet.
Aber den Stein ins Rollen gebracht hatte Radio. Er hatte wohl seine geheimen Handelsvorräte
hervorgekramt und in der Messe versteigert.
Das hatte Lucas noch mal um 2.000 Real leichter gemacht, die Radio mit einem hämischen Grinsen
für eine Flasche Antigua-Scotch, vom anderen Ende des von Menschen besiedelten Weltraums,
verlangt hatte.
Gerüchten zu folge soll ein Sergeant der Marines für drei Ausgaben des Colonial Playboy über 1.000
Real rausgerückt haben.
Der restliche Plunder wie Schokolade, Haarwaschmittel und so war für weit weniger über den Tresen
gegangen. Letztendlich hatte Radio wohl die Spendenkasse um 4.000 Real erleichtert.
Die ganze Aktion hatte die Spannung an Bord gelindert und auch das Verhältnis von Radio zu den
anderen Piloten der RED wieder ansatzweise eingerenkt.
Aber wie immer sollte die gute Laune nicht lange anhalten.
Die Aufklärer waren im Austeroidenfeld auf Akarii-Patrolien gestoßen.
Lucas betrat den Geschwaderbesprechungsraum. Anwesend waren Darkness, die beiden Piloten Kano
und Virago, so wie Lightning, die ihn musterte wie etwas, dass Ihre Jungen verspeisen wollte. War die
blöde Kuh wirklich so nachtragend?
Kano nahm augenblicklich Haltung an, als er Lucas bemerkte. Virago schien erst unschlüssig, schloss
sich aber dann ihrem Rottenführer an.
Darkness blieb ungerührt sitzen und lächelte dünn über das Verhalten der beiden jüngeren Piloten.
Lightning legte die Stirn in Falten.
"Rühren, erzählen Sie, was geschehen ist."
"Aye, aye, Sir!" Begann Kano. Lucas wandte sich halb ab, damit der junge Pilot nicht sein Grinsen
sah. "Für führten wie befohlen unsere Patrouille durch das Asteroidenfeld durch." Der Junge trat an
den großen Wandbildschirm und zeichnete mit einem Laserpointer die Route nach. "HIER", er machte
einen Kreis auf der interaktiven Karte, "trafen wir auf die feindlichen Jäger. Es war für uns unmöglich
einem Kampf auszuweichen, also haben wir aus zuerst zugeschlagen."
Kano blickte Lucas direkt in die Augen und Lucas musste eingestehen, dass dieser wirklich nicht den
Eindruck eines abschussgeilen Jetjockeys vermittelte.
Dann fingen Lucas, Darkness und auch Lightning an, den beiden Piloten Fragen über das kurze
Gefecht zu stellen und alles so gut wie möglich zu rekonstruieren. Natürlich hätten die drei
Commanders auch auf die Auswertung der Flugschreiber warten können, hielten es aber für besser
sich die ungefilterten Daten durch die Piloten geben zu lassen.
Die Befragung endete damit, dass beide Piloten aussagten, dass sie der Meinung wären, die Akarii
hätten keine Möglichkeit mehr zum Funken gehabt und wurden schließlich entlassen.
Kaum hatte sich die Tür hinter Kano geschlossen prustete Lucas los: "Der Junge hat sich doch
wahrlich seine Sporen schon verdient."
Auch Darkness kicherte: "Ja, klingt aber immer noch frisch nach Akademie."
"Es ist ja wirklich schön, dass Sie beide sich über einen meiner Piloten amüsieren", erboste sich
Lightning, die selbst innerlich amüsiert war - das war eben Kano sagte sie sich.
"T'schuldigung", antwortete Lucas mit übertrieben ernstem Gesicht, "aber zurück zum Geschäftlichen:
Meinungen?"
Lightning trat an den Kartenschirm: "Leider können wir nicht davon ausgehen, dass die Akarii nicht
mehr funken konnten."
"Genau", stimmte Darkness zu, "wir sollten uns wirklich beeilen."
"Verflucht, das können wir jetzt ganz und gar nicht gebrauchen, zumal wir nicht schneller können."
Lucas fuhr sich durch die Haare. "Langsam glaube ich echt an den Ruf dieser alten Kiste."
Lightning hob spöttisch die linke Augenbraue.
"Was solls, wir können ja eh nichts mehr dran ändern Boss", Darkness klang auch irgendwie
niedergeschlagen.
"Yeah, Lightning: Sagen Sie Ihren Leuten, sie sollen von jetzt an noch mehr aufpassen, die Akarii
werden jetzt wohl richtig wild sein und geben Sie Kano das Cross, er hat die Marke überschritten."
************************************
Vor der Tür klopfte Virago ihrem Kameraden auf die Schulter: „Na also! Das ging doch gut, sie haben
uns nicht den Kopf abgerissen.“
„Wir hätten aber auch nicht anders handeln können.“
„Hab ich das behauptet? Nebenbei, du brauchst vor den Lamettaträgern nicht so zu übertreiben.
Momentan haben die doch auf jeden Fall andere Prioritäten, als darauf zu achten, ob du korrekt
Männchen machst... .“
„Vorschrift ist Vorschrift... .“
„Na ja, deine Sache. Dann bekommst du wahrscheinlich ein paar Extrapunkte in der Akte. Schwamm
drüber – Glückwunsch zum fünften Abschuß!“
„Danke.“
Noch ein paar Belanglosigkeiten, dann ging jeder der Piloten seine eigenen Wege. Momentan hatten
sie schließlich frei. Und man konnte nicht sicher sein, wann es wieder losgehen würde. Wenn einer der
feindlichen Jäger etwa doch hatte funken können... . Besser also, die Freizeit optimal zu nutzen.
Kano wechselte erst einmal die Kleidung. Obwohl die Flugkombination angeblich perfekt für
mehrstündige Einsätze und Langzeitflüge unter Extrembedingungen geeignet waren, das Zeug war
durchgeschwitzt und klebte regelrecht auf seiner Haut. Nach einer Dusche und mit einer frischen
Dienstmontur fühlte er sich wieder richtig als Mensch. Ein Blick auf die Uhr – Kali dürfte noch auf
Patrouille sein. Aus einem Reflex heraus verzog Kano kurz den Mund. Er haßte diese Ungewißheit die
immer noch unterschwellig weiterschwelte. Die letzten Wochen hatten ihre Freundschaft wieder
hergestellt, wenn auch unter dem Vorbehalt, daß gewisse Themen ausgespart blieben. Darin waren sie
beide recht gut geworden. Allerdings war er sich nicht sicher, ob das eine gute Entwicklung war. Und
sich selber konnte er jedenfalls nicht überzeugend belügen. Zumindest seine Gefühle für seine
indische Kameradin gingen über die bloße Freundschaft hinaus. Aber Kali hatte ziemlich deutlich
gemacht, daß sie ihre „Beziehung“ vorerst auf die Kameradschaft beschränken wollte. Und bisher
hatte sie diese Linie beibehalten. Außerdem – sie waren auf Feindfahrt, die Pflicht und der Auftrag
hatten jetzt Priorität. Also schwieg Kano zu diesem Thema und verschloß seine Gefühle.
Er würde in die Kantine gehen. Es war viele Stunden her, daß er etwas gegessen hatte und jetzt, da die
Anspannung des Einsatzes endgültig abklang, fühlte er ein flaues Gefühl im Magen. Außerdem konnte
man in der Kantine Neuigkeiten erfahren. Ob das Ehrengericht über Radio nun nachhaltige Wirkung
entfaltete oder nicht, die „Kanäle“ funktionierten immer noch. Und neben dem Bordklatsch, für den er
sich (in der Regel) nicht interessierte, sickerten dort nicht selten auch wirklich WICHTIGE
Informationen durch – oder berichteten andere Piloten von ihren Einsätzen.
Parker hatte inzwischen die Einsatzbesprechung verlassen – sie hatten allerdings auch nicht sehr viel
tun können, als die Wachsamkeit noch einmal zu verschärfen. Die besonderen Gegebenheiten des
Asteroidenfelds – und des Auftrags insgesamt – beschnitten die Reaktionsmöglichkeiten. Ihr Magen
zog sich zusammen, während sie an die bevorstehende Schlacht dachte. Sie hatte von Anfang an kein
gutes Gefühl gehabt. Und jetzt, da zwei Akarii – Maschinen im Asteroidenfeld „verschwunden“
waren... . Hoffentlich ging die Sache glatt. Irgendwie hatte sie in der Hinsicht erhebliche Zweifel.
Aber sie hatte auch noch um andere Dinge Sorgen zu machen, als bloß die Zukunft. Zum Beispiel um
die Moral in ihrer Schwadron. Also würde sie Kano das Flying–Cross jetzt verleihen. Normalerweise
wurden in der Navy, typisch für diesen traditionsreichsten aller traditionsreichen Vereine,
Auszeichnungen und Orden in aufwendigen Zeremonien vergeben. Dazu war zwar jetzt keine Zeit,
aber sie würde es trotzdem machen.
Zum einen war es auch eine gewisse Auszeichnung für die ganze Staffel, wenn es jemand zum Aß
schaffte. Vor allem, wenn man damit andere Staffeln ausstechen konnte. Kano war selbstverständlich
nicht das einzige Aß in der Staffel, aber er hatte sämtliche Abschüsse in dieser Staffel erzielt – und
auch das zählte.
Außerdem – aber dieser Gedanke gefiel Parker überhaupt nicht – konnte es natürlich passieren, daß
der „Junge“ nach dem nächsten Feindflug nicht mehr viel mit dem Flying–Cross anfangen konnte... .
Kano gehörte zu den Besten in ihrer Staffel, aber er war schon zweimal nur haarscharf dem Tod
entgangen. Und wenn der nächste Einsatz das wurde, was die Vorzeichen und ihre Erfahrung
versprachen... . Also würde Kano das Fliegerkreuz „feldmäßig“ verliehen bekommen - und am Besten
noch einmal eine Ermahnung, etwas besonnener zu fliegen.
Sie fand den Piloten in der Kantine. Anscheinend war er in das Essen vertieft, denn er bemerkte Parker
erst, als sie praktisch an seinem Tisch stand. Als er sie dann allerdings sah – sofort war er hoch und
salutierte vorschriftsmäßig: „Lieutenant Commander!“
Das war etwas, was Kano sich trotz mehr als einem halben Jahr Einsatzzeit nicht abgewöhnt hatte. Er
salutierte und grüßte immer noch wie auf der Akademie. Parker hatte es inzwischen aufgegeben, das
zu ändern. Und diesmal paßte es sogar. Also erwiderte sie den Salut, wenn auch lässiger und mit
einem Grinsen: „Schon gut. Weitermachen! Aber wenn du fertig bist, in dreißig Minuten in RR–3,
aber in Galauniform. Weist schon, worum es geht.“ Damit ging sie, nicht ohne leicht amüsiert zu
bemerken, daß der junge Pilot rot geworden war.
Zwanzig Minuten später marschierte Kano in „voller Montur“ in Richtung des Freizeitraums.
Natürlich wußte er, worum es ging. Trotzdem war er ziemlich nervös. Abgesehen von dem
Verwundetenabzeichen war dies ja auch die erste – und eine wichtige – Auszeichnung. Aber er hatte
es sich das Fliegerkreuz ja verdient. Schade nur daß Kali nicht dabei sein würde, ihr Flight war immer
noch im Einsatz.
Irgendwie hatte Parker es verstanden, die ganze Staffel zusammenzutrommeln – und auch alle zu
überreden, ihre Galauniformen anzuziehen. Sogar Perkele, der es allerdings schaffte, zerknittert und
irgendwie – informell zu wirken. Aber es ging ja schließlich auch die ganze Schwadron an, wenn einer
von ihnen Aß wurde. Und gewisse Traditionen mußten eben befolgt werden.
„Achtung! Stillgestanden!“
Die Soldaten nahmen, mehr oder wenig enthusiastisch vor Parker Aufstellung.
„Second Lieutenant Kano Nakakura! Vortreten!“
Kano befolgte den Befehl mit zackigen, eintrainierten Bewegungen und bemühte sich erfolgreich, das
stolze Lächeln von seinen Lippen fernzuhalten.
Parker trat auf ihn zu: „Für den Abschuß von fünf Feindmaschinen, für fortgesetzten tapferen und
entschlossenen Einsatz im Dienst der Republik, wird Second Lieutenant Kano Nakakura das
Fliegerkreuz in Bronze verliehen! Die Navy ist stolz, ein weiteres Aß in ihren Reihen zu haben. Ihre
Leistungen stehen in der stolzen Tradition unserer Streitkräfte!“ Der Text war – wie die Zeremonie –
Tradition und wurde seit Jahrhunderten mit nur geringen individuellen Variationen verwendet.
Wenn möglich straffte sich Kano noch mehr, während Parker das Kreuz an seiner Uniformbrust
befestigte. Ein zackiger Salut, dann drehte er sich um und marschierte zurück in die Reihe. Damit war
der formelle Teil abgeschlossen. Die Piloten gruppierten sich um ihren Kameraden und gratulierten
Kano. Auch Parker – die es sich allerdings nicht verkniff hinzuzufügen: „Ein Grund mehr für das
Cross ist, daß du es auch mal mit heiler Maschine heim geschafft hast. Weiter so!“ Ihre gute Laune
kam auch daher, daß Schwadron Grün damit seine ausgezeichnete Position innerhalb des Geschwaders
ausbaute... .
Wegen den besonderen Umständen wurden die „Feierlichkeiten“ diesmal aber kurz gehalten –
immerhin rückte der Flottenverband im feindlichen Territorium vor. Wer wußte schon, wann es
„losgehen“ würde. Kein Plan – und erst recht kein Zeitplan überlebte die Begegnung mit dem Feind.
Deshalb fiel auch der traditionelle „Umtrunk“ aus.
Ungefähr eine Stunde später marschierte Kano – jetzt wieder in der bequemeren Dienstuniform – in
Richtung Hangar. Allerdings, wenn er ehrlich war, es wäre ihm nicht unrecht gewesen, wenn an der
Dienstuniform, nicht nur an Ausgeh- und Galauniform, das Tragen von Orden üblich gewesen währe.
Das behielt er aber für sich, wie auch die ungebetene Erinnerung, die ihn plötzlich überkommen hatte.
Einer seiner Ausbilder, ein Veteran der Piratenjagd und des „Kalten Krieges“ mit den Akarii hatte da
eine stehende Redewendung gehabt. „Paßt auf ihr Jungfüchse! Auf das Fliegerkreuz folgt fast immer
das Leichenkreuz, wenn ihr euch den Erfolg zu Kopf steigen laßt. Übergroße Selbstsicherheit killt
euch schneller als ein Bandit in eurer Sechs!“
Nun, er würde den Rat beherzigen. Auch wenn er natürlich stolz war.
„Kano!“ Das ließ ihn innehalten, er drehte sich um. Es war Kali. Ihr Gesicht zeigte ein offenes
Lächeln und Kano fühlte, daß er das Lächeln stolz erwiderte.
„Es stimmt also! Du hast wirklich Fliegerglück! Ich werde mich anstrengen müssen, um nicht völlig
hinterherzuhängen!“ Damit war sie bei ihm und hieb ihm kräftig auf die Schulter. „Herzlichen
Glückwunsch Kano!“ Dann küßte sie ihn. Das geschah ziemlich überraschend für ihn, aber wohl auch
für Kali, denn als sie sich von ihm löste, wirkte sie etwas verlegen: „Also – dann muß ich weiter. Sie
haben verschärfte Alarmbereitschaft befohlen, der 'Alte' will alle Mühlen gefechtsbereit haben. Nur für
den Fall, daß die Akarii noch mehr zum Spielen schicken. Wir – sehen uns.“ Damit eilte sie weiter.
Kano starrte ihr noch ein paar Augenblicke hinterher, ein Lächeln auf den Lippen, daß er ansonsten
energisch unterdrückt hätte. Aber momentan war ihm der äußere Schein den er präsentierte ziemlich
egal. Nicht daß sie sich nicht schon einmal geküßt hätten – aber in den letzten Wochen hatten sie beide
ziemlichen Abstand gehalten. Nun... .
Dann schob er aber diese Gedanken beiseite. Dazu war nach der Schlacht genug Zeit. Momentan fiel
es ihm nicht im geringsten ein, daran zu zweifeln, daß der Einsatz ein voller Erfolg sein würde. Er
setzte seinen Weg fort. Keiner seiner Kameraden wunderte sich über seine gute Stimmung – immerhin
hatte er das Fliegerkreuz erhalten... .
**********************************
Als Huntress sich im Bett herumwälzte, erklang neben ihr ein kurzer Schmerzensschrei. Sie lächelte
und sah herüber. „Guten Morgen, Ace.“
Ihr Gegenüber sah sie missmutig an. „Ich hasse mich dafür.“
Juliane verzog ihre Lippen zu einem Schmollmund. „Sag das mal deiner linken Hand.“
Ace grinste. „Ich sagte, ich hasse mich dafür. Ich sagte nicht, ich hasse dich.“ Seine Hand glitt tiefer
unter die Bettdecke. „Oder deinen Körper.“
„Ngh… Und warum hasst du dich dafür, Spitzenpilot? War ich nicht gut genug?“
„Das ist doch Quatsch, Juliane, und du weißt das.“ Sanft küsste der Pilot ihre Schulter. „Wir hatten
einen tollen Sex. Aber ich komme einfach nicht dahinter, warum wir so schnell im Bett gelandet sind.
Ich war gestern Abend nicht gerade in der Stimmung, und nun sieh uns an.“
Juliane lächelte und schob nun ihrerseits ihre Rechte unter die Bettdecke.
Der junge Pilot riss die Augen auf.
„Sieh es… doch mal so, Ace. Du brauchtest Ablenkung. Und ich brauchte mal ne Pause. Wir wissen
beide, dass es nicht ernst zwischen uns ist. Ngh… Aber wir haben Spaß dabei und harmonieren gut.
Was liegt näher, als sich etwas… zu entspannen?“
Clifford Davis küsste ihren Nacken, ihren Hals, wanderte auf ihren Brustkorb.
„Deswegen hasse ich mich ja. Es ist nur Sex. Reiner, oberflächlicher Sex. Du hast Besseres verdient,
Huntress. Obwohl, es ist phantastischer Sex, zugegeben.
Ich habe nur das Gefühl, dass ich dich ausnutze…
Was, uh.. was machst du eigentlich da unten?“
„Was immer ich will, Ace. Hm, wer nutzt hier eigentlich wen aus? Immerhin bin ich die Ranghöhere,
schon vergessen, Second Lieutenant?“
Spielerisch salutierte Ace. „Jawohl, Ma´am. Ich stehe stramm vor Ihnen.“
Juliane kicherte, als Ace erschrocken aufstöhnte. „Stimmt sogar.“
Sie warf einen Blick auf die Uhr. „Wir haben noch etwas Zeit…“
„Ich weiß“, nuschelte Ace und arbeite sich ihren Körper hinunter.
„Hoffentlich gibt es keinen Alarm. Das wäre ein Bild. Wir beide stürzen splitternackt aus meine
Kabine…“
„Neben uns Auson und Lone Wolf… Und wer weiß, mit wem Lightning gerade schläft.“
Juliane kicherte erneut. „Und Martell mit der Bibel in der einen und dem Rosenkranz in der
anderen…“
Ace lachte leise, während er ganz unter der Decke verschwand. „Und Darkness mit einem Fotoalbum
über die Rote Echse…“
„Ah.“
Kurz sah Ace wieder unter der Decke hervor. „Ist was?“
„Nein, nein. Weitermachen, Soldat.“
„Ich gebe mein Bestes.“
***
Als Huntress ihren Briefingraum betrat, war die Blaue Staffel bereits komplett versammelt.
Sie knallte ihre Unterlagen auf das Sprechpult und rief: „Morgen, Jokers for Redemption.“
„Guten Morgen, Ma´am“, antworteten die Piloten. Einige leise, andere stramm, jeder nach seiner
Fasson. Allen gemein war ein anzügliches Grinsen.
Die Gerüchteküche an Bord musste mittlerweile auch ohne Radios Beteiligung wieder Maximalwerte
erreicht haben.
„Haben Sie gut geschlafen, Commander?“, fragte Annegret Lüding zwinkernd.
„Ich habe überhaupt nicht geschlafen, Rapier“, erwiderte Huntress direkt. „Aber ich habe mich
trotzdem gut erholt.“
„Man sieht es“, brummte Demolisher. „Du strahlst ja, als hätte dich Lone Wolf angefleht, den Posten
des CAG zu übernehmen.“
„Und du siehst aus, als hättest du die Nacht durchgepokert“, konterte sie.
Bevor die Diskussion ausarten konnte, leitete sie gleich zur Besprechung über.
„Ladies, ich erwarte die einführende Einsatzbesprechung des CAG jeden Tag. Wir kommen dem
Gefechtsziel immer näher.
Ich werde euch nun mitteilen, was ich von euch erwarte.
Ich bin das Gefecht, das vor uns liegt, einige Male durchgegangen. Ihr wisst, die Blaue Staffel wird
wie immer die RED decken, während unsere Kameraden mit einem Haufen Akarii spielen gehen.
Diesmal ist es allerdings anders als sonst.
Wir haben die letzten Wochen einiges geübt. Verbundwaffengefechte im Simulator mit den
Begleitschiffen der REDEMPTION, Verbundwaffengefechte nur mit dem Träger und auch alleine.
Wir haben neue Taktiken eingeübt, um gegnerischen Bombern aufzulauern und diese schnellstmöglich
auszuschalten. Die Jägerbegleitung auszutricksen und das Feuer der RED und der anderen Schiffe
einzuweisen.
Und für eine grüne Einheit machen wir das eigentlich schon ganz gut.“
Die Piloten murmelten verhalten. Teils zustimmend, teils empört, da sie ihrer eigenen Meinung nach
weit besser waren als Huntress es darstellte.
„Herhören, Ladies. Neben den Patrouillen werden wir ab sofort noch jeden Tag eine Stunde im Sim
verbringen. Wir werden für den WORST CASE üben.“
Ein Raunen ging durch die Reihen. Elf Paar Augen sahen Juliane an. „WORST CASE? Der
größtmögliche Fehlschlag?“ Foreigner blinzelte nervös. „Wird es so schlimm, Commander?“
„Das kann ich Ihnen nicht sagen. Lone Wolf wird Sie alle briefen.
Aber ich will verdammt noch mal meine Schwingen abgeben, wenn ich euch nicht für WORST CASE
gedrillt habe und die Akarii die Frechheit haben, es dazu kommen zu lassen.
Also, wir werden verstärkt folgende Szenarien üben: Bomberangriffe auf die angeschlagene RED
abwehren. Zielselektion und Angriffswinkel.
Gefechtslandungen auf dem Träger zwecks Treibstoff und Raketen.
Unterstützung von SAR-Shuttles.
Kampf gegen eine feindliche Übermacht.
Fragen?“
„Ja. Werden wir unseren Angriff überleben?“, fragte Bushfire trocken.
Huntress neigte den Kopf zur Seite und erwiderte: „Wenn Sie weiter fliegen wie ein angesengtes
Känguruh sicherlich nicht, Bushfire. Der Rest liegt in unserer Hand.“
Huntress nahm einen Stapel ihrer Unterlagen hervor und begann sie zu verteilen. „Hier sind noch mal
die Unterlagen der wichtigsten Jagdflieger, JaBos und Bomber der Akarii, ihre Schwachstellen und
ihre Bewaffnung. Einarbeiten, sage ich euch nur. Besonders wichtig sind für uns Bomber und JaBos.
Sicherheitshalber habe ich auch noch die Deathhawk aufgeführt sowie weitere Vorläufermodelle
heutiger Akarii-Modelle. Wie die REDEMPTION gezeigt hat, trifft man bei Garnisonskräften oder
Etappeneinheiten immer noch auf sie.
Wenn Ihr auf sie trefft, solltet Ihr wissen, wie sie zu vernichten sind, Ladies.
Da wir näher an der RED operieren und damit die Möglichkeit, einsatzfähig nach einem Ausstieg
geborgen zu werden höher ist, rechne ich außerdem damit, daß wir neben unseren beiden
Ersatzmaschinen im Gefecht auch die beiden Typhoon der grünen Staffel zugeteilt bekommen werden.
Oder zumindest eine.
Bedeutet, wir können drei oder vier Maschinen verlieren. Keine Piloten.
Das war keine Aufforderung, Demolisher.
Ja, Avenger?“
„Darf ich fragen, warum hier auch Unterlagen über Kriegsschiffe der Akaari drin sind, Ma´am?“
„Sie dürfen. Allgemeinbildung. Man kann eben nie wissen, wann einem ein Hilfsträger der GOLFKlasse
über den Weg läuft.“
„Oder ein ausgewachsener Flottenträger“, witzelte Elfwizard.
„Oder ein ausgewachsener Flottenträger“, bestätigte Huntress ernst. „Okay, Briefing beendet.
Demolisher und Wingman ForCAP Patrouille, Avenger und Wingman löst nach Plan in zwei Stunden
ab. Rapier und Wingman auf Flanke, ich und Foreigner tauschen mit euch in zwei Stunden. Merkur
und Wingman auf Tiefraumpatrouille. Vorsichtig navigieren da draußen. Lightnings Kettenhunde sind
da neulich auf Akarii gestoßen. Dürfte im Meteoritenfeld schwer werden, dort einen guten Kampf zu
liefern. Cloud und Wingman lösen in zwei Stunden ab.
Ansonsten Dienst nach Dienstplan. Weggetreten.“
Die Piloten murmelten ein „Ja, Ma´am“, und verließen den kleinen Raum. Nur Demolisher blieb noch
etwas.
Juliane fuhr sich durch die gefärbten Haare. „Was denkst du, Thomas? Langsam kriege ich die Bande
doch in den Griff, oder?“
Der Riese erhob sich und kam herüber. „Du weißt, Juliane, ich bin für dich da und gebe mein Bestes
um dir zu helfen. Solange wir zusammen halten, kann nichts schief gehen. Die Kids und die Alten von
der RED haben das mittlerweile gefressen und funktionieren so, wie sie sollen. Und ja, du machst hier
einen guten Job. Aber…“
„Aber was? Kommt jetzt das dicke Ende?“
„Das aber hat nichts mit der Staffel zu tun. Hör mal, ich habe es vorhin von Nemesis gehört. Ace kam
gestern auf deine Stube. Es geht mich eigentlich nichts an, aber ich sehe es als meine Pflicht, dich
darauf hinzuweisen, dass das nicht gut gehen kann. Verdammt, Juliane.“
Huntress wechselte einen betroffenen Blick mit Demolisher. „Du… du meinst, er ist nicht gut für
mich? Oder das mich eine solche Beziehung im Einsatz meinen neuen Rang kosten kann?“
„Nein, Juliane. Du… bist nicht gut für ihn.“
Verdutzt starrte sie ihren alten Freund an. Ihre Kinnlade sackte herab.
„DU!“, rief sie schließlich und landete einen schweren Treffer auf seiner rechten Schulter. „Jetzt wäre
ich doch glatt drauf reingefallen!“
„Du bist drauf reingefallen!“, lachte Thomas Paul und rieb sich die schmerzende Schulter.
„Zur Strafe sollte ich dir meine Patrouille auch noch aufdrücken.“
„Hm. Muss ja gut gewesen sein, wenn du so reagierst, Juliane.“
„Du“, sagte sie und drohte gespielt mit der Faust. „Noch mal falle ich da nicht drauf rein.“
„Schon gut“, brummte Demolisher und folgte ihr aus dem Briefingraum.
*********************************
Lucas trat ans Rednerpult. Das gesamte Geschwader war zusammengetreten: "Ladies, Gentlemen: Es
geht los. In genau 20 Minuten beginnen wir mit dem Start. Wir führen einen Alphastart durch.
Huntres: Sie und Ihre Leute fliegen für den Träger und die Flottille Deckung.
Raven, Joker: Ihr Auftrag ist klar, Ihre Schwadronen werden als Bomber fungieren. Sie werden den
feindlichen Verteidigungsring durchbrechen und so viele Frachter wie nur möglich ausschalten.
Martel: Sie werden den Schwadronen Silber und Gold bei der Entenjagd Gesellschaft leisten. Laden
Sie so viele Hydras wie es nur geht und holen Sie sich die Einkaufstaschen.
Grüne Schwadron, Rote Schwadron: Wir fliegen Jagdschutz für unsere Bomber. Es ist zwar nicht mit
vielen Jägern zu rechnen, aber sein Sie trotzdem vorsichtig.
Wegtreten und gute Jagd Ihnen allen."
Die Aufregung im ganzen Geschwader war schier spürbar.
Es wurde sich auf die Schulter geklopft, geneckt und gut zugeredet. Aufmunternde Handzeichen
wurden ausgetauscht.
Lucas trat an seine beiden Wingmen für diese Mission: "Kali, Rusty: Sie beide werden bei mir bleiben,
bis ich Ihnen was anderes befehle. Wenn sich die Chance bietet werden wir die Akarii im Dreierpack
angreifen. Los ab mit Ihnen."
Auf dem Flugdeck herrschte wieder dieses professionelle Chaos. Mit lautem Donner hoben zwei
Typhoon ab.
Lucas trat auf seine neue Maschine zu: "Na Lady, hat man Dir gesagt, was auf Dich zukommt?" Ganz
gegen seine Art sprach er mit dieser Maschine, seinem Werkzeug, doch je öfter er flog und kämpfte,
desto mehr sah er Jäger als lebendiges Wesen.
"Es gibt Leute, die werden wohl sagen, Du hättest Pech mit Deinem Piloten ..."
Ein leises Räuspern ließ ihn herumfahren.
Darkness grinste ihm entgegen: "Werden wir weich auf unsere alten Tage?"
"Vielleich....... hey, was heißt hier alt?"
Darkness grinste noch breiter: "Ach gar nichts. Habe mit Cutter geredet, der alte Kauz meinte, Deine
neue Maschine habe Charakter, was immer er damit meinte."
Lucas zuckte die Achseln: "Weiß der Geier, vielleicht hat uns der Kauz doch einige Jahrzehnte
voraus."
Darkness drückte seinem Freund noch mal die Hand, zumindest wollte er ihm nur die Hand drücken,
doch Lucas drückte ihn an sich: "Wir sehen uns in einigen Stunden wieder an Deck."
"Aye Sir", antwortete Darkness und ging zu seinem Jäger. Man sah ihm an, dass er doch etwas
peinlich berührt war.
Darkness klopfte ihm noch mal auf den Rücken und ging dann zu seiner Maschine. Das Ausschleusen
begann.
15 Minuten später auf der Brücke der Redemption.
"Captain: Geschwader ist ausgeschleust und hat sich zum Angriff formiert." Meldete ein junger
Radartechniker. Die Redemption hatte vor über einer halben Stunde das Asteroidenfeld verlassen.
"Sir, ich habe da ein Radarecho achtern!" Meldete ein anderer Radartechniker.
"Identifizieren!" Befahl Clarke, ohne von seinem Monitor aufzublicken.
Das Geschwader der Redemption befand sich in perfekter Geleitschutformation.
Auf dem Monitor war neben dem von Interferenzen durchzogenen Akariikonvoi noch der sich in
Keilformation auf die Akarii zubewegende Verband der Majestics zu sehen.
Auf der Brückes des Akarii-Flaggschiffes war Totenstille eingekehrt. Die Monitore schimmerten im
grünen Licht.
Der Hauptbildschirm zeigte zwei Terranische Schiffsgeschwader, eines näherte sich von achtern, das
andere aus dem Asteroidengürtel.
"Lord Admiral, sollten wir nicht die Vashihon ans Ende des Konvois befehlen?"
Der Admiral schüttelte den Kopf: "Nein, der Nebel ist eine zu große Verlockung um einen ganzen
Verband drin zu verstecken...." Noch ehe der Admiral seine Lehrstunde beendet hatte, tauchten rote
Signale aus dem Nebel aus. "Schau einer an."
Die Akarii warteten, schließlich kamen die Jäger aus dem Nebel in den Feuerbereich der Vashihon.
"Alarmstart für alle Jäger, ECM abschalten!" Befahl der Admiral.
"Feindliches ECM ist unten...."
"Automatische Feindidentifizierung läuft....."
"Das Echo an Achtern ist ein Akarii-Schiff....."
Auf der Brücke der Redemption brach die Hölle los.
"Shitt, der Pott in der Mitte ist ein Träger, der schleust seine Jäger aus!"
"Vorn und Achtern jeweils eine Golf-Class identifiziert!"
Clark blickte schließlich doch auf: "Geben Sie das an den Geschwaderkommandanten weiter!"
"Heilige Unendlichkeit!" Keuchte einer der Radartechniker.
"Machen Sie gefälligst ordentlich Meldung Märtens!" Schnauzte Auson. "Also was ist."
"Ma'am, der Comp zeigt mir ein Schlachtschiff an achtern, Klassifizierung Bravo II."
"Das ist doch lächerlich, Schlachtschiffe sind überholt, ihre Magnetgeschütze verglühen in unseren
Schilden und selber haben sie auch keine Schilde."
"Ma'am, wir werden von Feuerleitradar angestrahlt", meldete Märtens.
Im nächsten Moment begann der Raketenalarm zu jaulen. Fassungslos starrten die Brückenoffiziere
auf den Hauptbildschirm, welcher das Akarii-Schlachtschiff zeigte, das eine unvorstellbare Breitseite
an Antischiffraketen ausspiee.
"ECM hochfahren! Raketenabwehr klarmachen! Feuer frei für Sparrows!" Brüllte Auson in die Stille
hinein.
Der Akarii hatte sich auf die Seite gerollt um den terranischen Trägerverband direkt zu beschießen.
Die vier Sparrow-Werfer der Redemption hingegen mussten Vektorschießen. Wie vorprogrammiert
feuerte der Computer vier Sparrows auf eine reinkommende Akariirakete.
Noch bevor die Werfer der Redemption die erste Salve gefeuert hatten, waren die Werfer des
Schlachtschiffs nachgeladen und feuerten erneut.
***

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03.11.2015 22:52 Ace Kaiser ist offline E-Mail an Ace Kaiser senden Beiträge von Ace Kaiser suchen Nehmen Sie Ace Kaiser in Ihre Freundesliste auf
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Angriff
In der Schwärze des interstellaren Raumes trieben die Kampfschiffe des Gallileo-Verbandes. Formiert
in einer waffenstarrenden Phalanx bereiteten sie sich auf die Schlacht vor. An Bord der Kreuzer und
Zerstörer herrschte angespannte Erwartung. Sie alle wussten, in wenigen Minuten würde der Befehl
kommen, daß Gefecht zu eröffnen. Die Meldungen der Vorausspäher waren eingetroffen. Der
Akariikonvoi näherte sich. Die Stunde der Entscheidung nahte.
Auf der Kommandobrücke des Leichten Trägers Gallileo bemühte sich Captain Ward, keine
Nervosität zu zeigen. Es war nicht nur die Schlacht, die ihn beunruhigte – auch wenn er den Kampf
und die Begegnung mit dem Tod fürchtete. Vor allem gefielen ihm die Nachrichten nicht, die er
bekam. „Aufklärer melden Konvoi in Sensorerfassung. Bisher keine Anzeichen von Feindortung.
Starke feindliche Störsender. Geschätzt 70 bis 100 Schiff, keine Jäger geortet. Interferenzen nehmen
zu. Feger an den Flanken, vermutlich Kreuzer.“
Es passte ihm nicht – obwohl er damit hatte rechnen müssen – loszuschlagen, ohne ein Bild vom Feind
zu haben. Insgeheim betete er, der Gegner möge nicht irgendwo eine Deckungsgruppe bereithalten. Er
hätte sich gerne mit den anderen Verbänden abgestimmt, aber dazu blieb keine Zeit mehr. Sie mußten
angreifen. Ward war sich darüber im klaren, daß mehr als die Hälfte der ihm unterstellten Kapitäne
seinen Schlachtplan zumindest in Teilen ablehnten. Die Kommandeure gehorchten nur, weil sie es als
Soldaten so gewohnt waren und weil Meuterei im Einsatz undenkbar schien. Aber sollte sein Plan
schief gehen, so würden sie sich auf ihn stürzen wie die Haie auf ein blutendes Opfer – gnadenlos.
Aber zum Zögern und Warten war jetzt keine Zeit mehr. Mit Gewalt zwang der Captain seine
Befürchtungen nieder, holte unhörbar Luft und erhob seine Stimme mit weit mehr Sicherheit und
Zuversicht, als er empfand: „Angriff beginnt!“ Und während der Richtfunk das Signal in Nullzeit zu
den anderen Schiffen trug, wurden tief unter ihm, im Katapulthangar des Trägers, die ersten
Kampfflieger ausgeschleust. Binnen weniger Minuten waren sie bereit, eine wohl organisierte Phalanx
von Jägern und Jagdbombern. Die Typhoon formierten sich, um die Gallileo zu schützen, die anderen
Maschinen bildeten den Angriffsverband. Genügend Feuerkraft, um einen kompletten Schlachtkreuzer
in Schlacke zu verwandeln – sie würden sie brauchen.
Beinahe abwesend nahm Ward die Klarmeldung des Geschwaderführers entgegen. Seine Augen
suchten die schweren Schiffe. Sie würden den zweiten Schlag führen. Er wußte, ein Gutteil seiner
Kritiker befand sich an Bord dieser Schiffe. Und sollte er einen Fehler gemacht haben, so würden sie
ihm dies nicht vergessen. Er konnte nur hoffen, daß alles glatt lief.
An Bord der Relentless – und ebenso auf den beiden sie begleitenden Zerstörern – lief alles ab wie
tausendmal durchgeführte Routine. Ein unwissender Beobachter hätte niemals erraten, daß nur die
Prince of Wales in diesem Krieg schon einmal im Gefecht gestanden hatte. Die Meldungen kamen in
rascher Folge, ein ungeübter Zuhörer hätte sie kaum alle verstehen können: „Werfer Alpha – klar!“,
„Backbordbatterie – klar!“, „Steuerbordbatterie – klar!“, „Antrieb – bereit!“, „Werfer Beta -…!“
Schließlich waren alle Stationen Gefechtsbereit. Mithel ließ sich weder Zufriedenheit noch
Verstimmung anmerken – normalerweise hatte er solche Vorgänge mit beißendem Spott kommentiert,
da es ihm bei den Übungen nie schnell genug gegangen war. Doch diesmal schwieg er, als nähme er
das Treiben um sich nicht einmal wahr. In Wirklichkeit entging ihm nichts, doch wie auch Ward hatte
er seine Bedenken – wenn auch gänzlich anderer Natur. Dann richtete der Captain sich auf:
„Countdown – ab JETZT!“. Alle wussten, was das bedeutete. In kürzester Zeit würde die Relentless,
begleitet von den beiden Zerstörern, den Jägern folgen. Auf Grund ihrer geringeren Geschwindigkeit
würde sie zeitlich versetzt am Ziel eintreffen, wenn – so hoffte man – die Abwehr durch den Angriff
der Kampfflieger durcheinandergebracht war. Sollte das Kalkül fehlschlagen, würde es allerdings ein
harter Kampf werden. Und niemand wußte, womit die Akarii ihren Konvoi eskortierten.
Die Jäger und Jagdbomber der Gallileo beschleunigten. Ihr ECM arbeitete mit maximaler Kraft, um
den Überraschungsmoment zu gewährleisten. Weit hinter ihnen, mit nahezu unglaublicher
Geschwindigkeit und doch mehr als hundert Kilometer pro Sekunde zurückbleibend, rückten die
Kampfschiffe vor. Der Angriff hatte begonnen.
Mithel war zufrieden. Die Besatzung funktionierte weitestgehend reibungslos. Die harte Ausbildung
zeigte Wirkung. Nun, seine Offiziere verstanden ihr Handwerk. Dennoch verspürte er eine nagende
Unruhe. Man hatte ihm nur zwei Zerstörer mitgegeben, und er wusste nicht, ob die anderen Verbände
ebenfalls Schiffe für den Angriff detachiert hatten. Wenn nicht – in seinen Augen ein großer Fehler,
aber typisch für die oft eindimensionale Denkweise der kommandierenden Trägeroffiziere – dann
würde es vermutlich ein kurzer Angriff werden. Dann blieb ihm nur EINE schneller Attacke, um so
viele Frachter wie möglich herauszuschießen, und dann sofortiger Rückzug. Aber zusammen mit der
Prince of Wales und der Sao Paulo hatte sein Schiff eine vernichtende Feuerkraft. Das mußte genügen.
Der Konvoi DURFTE einfach nicht sein Ziel erreichen.
Den Kampfschiffen weit voraus, eilten sich die Jäger und Jagdbomber ihrem Ziel entgegen. In jeder
Sekunde legten sie hunderte Kilometer zurück. Commander Turner betrachtete die Sensoranzeigen. Er
war nicht mit dem zufrieden, was er sah. Die feindliche ECM störte die Funkaufklärung und würde
später eine Zielerfassung sehr schwer machen. Und wenn man nur zwei Flugkörper pro Maschine bei
einem Dutzend Jagdbomber hatte, konnte man sich nicht allzu viele Fehlschüsse erlauben. Von den
Hydras der Griphen hielt er nicht viel. Ungelenkte Raketen waren gegen manövrierende Frachter im
Weltraum keine ideale Lösung, und man mußte SEHR nah heran. So nah, daß selbst die schlechte
Bewaffnung eines Frachters eine Chance hatte. Von eventuellen Flakschiffen und Abfangjägern mal
ganz abgesehen. Aber es bliebe keine andere Wahl.
Erneut verschaffte er sich einen Überblick – die Anzeigen waren unverändert. Ein großer Pulk
feindlicher Schiffe, und abgesondert ein paar Seitenfeger. Sie würden einen passiere, und das bald. Er
erwog eine Kursänderung, doch dann machte er sich klar, daß der Feind ihn zum fraglichen Zeitpunkt
sowieso schon auf dem Schirm haben mußte. Und er durfte sich nicht verspäten. Bloß die Anzeigen
bei der Flankensicherung waren unklar. Er konnte einfach nicht klar erkennen, WAS dort war. Ein
ECM/ ECCM-Zerstörer, ein Schiff zu elektronischen Kriegführung? Und – nicht weniger schlimm –
er bekam auch keine deutliche Ortung, aus wieviel und welchen Schiffen der Feindverband überhaupt
bestand.
Die Kommunikation zwischen den Angriffsschiffen war eingestellt. Kein Funkspruch sollte ihre
Ankunft verraten. Mithel und die beiden anderen Kapitäne hofften, der Gegner würde in erster Linie
einen Angriff mit Jägern erwarten, wie es im Rahmen von ,Husar’ bisher üblich gewesen war. Das
konnte entscheidende Sekunden bringen. Wenn die drei Angreifer erst auf Schußweite ihrer
Langstreckenraketen heran waren, mußte es für Gegenmaßnahmen des Feindes zu spät sein, oder
dieser würde einfach ein halbes Dutzend Zerstörer detachieren und sie schon vor dem Hauptverband in
Kämpfe verwickeln. Dann waren die Chancen dahin, noch zum Schuß auf die eigentlichen Ziele, die
Frachter, zu kommen.
Der Kapitän der Relentless wartete. Es konnte nicht mehr lange dauern…
Auf der Sao Paulo saß Captain Samut gelassen auf ihrem Platz, als ginge es gerade um einen normalen
Überführungsflug und nicht um ihren ersten Kampfeinsatz in diesem Krieg. Mit ihrer stoischen
Gelassenheit wirkte sie auf ihre Untergebenen beruhigend. So schlimm konnte es ja nicht sein. Spötter
verglichen sie – außerhalb ihrer Hörweite aber nicht ohne ihr Wissen – mit der Statue eine Khmer-
Göttin, der sie angeblich in solchen Sekunden glich. Aber ihre Besonnenheit bei Notfällen war
bekannt – sie hatte vor dem Krieg einige brenzlige Situationen gemeistert und genoß deshalb den
Respekt ihrer Untergebenen.
Der Kommandeur der Prince of Wales hingegen hatte beide Hände in die Lehnen gekrallt, sein Körper
war vornübergebeugt – er fieberte dem Kampf entgegen. Er hatte schon etliche Gefechte in diesem
Krieg erlebt und brannte darauf, sich erneut auszuzeichnen.
Commander Brian Turner öffnete einen Funkkanal zu seinen Soldaten – gleich war es soweit:
„Angriffsformation drei!“ Bisher waren noch keine Feindjäger zu sehen – aber sie kamen dem einen
Geleitschiff immer näher. Die Mirage bildeten den Kern des Verbandes, an ihren Flanken die Griphen
und Phantome. Jetzt schien es, als sei eine genaue Ortung möglich. Turner musterte die Anzeigen –
und erstarrte.
*****************************************
Fast anderthalb Kilometer lang. Weit über hunderttausend Tonnen schwer. Ein Gigant, selbst in der
endlosen Weite des Weltraums. Ein Riese, der ihn und seine Kampfflieger zu lästigen Mücken
degradiert. Sein erster Gedanke war – „Das kann nicht sein!“
Und doch war es so. Größer noch als die gigantischen Flottenträger, grandioses Zeugnis der
Fähigkeiten vernunftbegabter Wesen, Schiffe zu konstruieren, die den endlosen Ozean zwischen den
Sternen meisterten. Turner wußte, es gab nur EINEN Namen für eine derartige Einheit –
Schlachtschiff. Starrend von Geschützbatterien und Raketenwerfern schob es sich durch die
Dunkelheit des Alls.
Der Commander fühlte, wie ihm der Mund trocken wurde. Die Schlachtschiffe galten als überholt,
veraltet in den Tagen der Kampfflieger und Trägergeschwader. Aber irgend etwas sagte ihm, daß er es
hier bestimmt nicht mit einem greisen Riesen ohne Zähne und Muskeln zu tun hatte. Blitzschnell – in
den wenigen Augenblicken, die er hatte – überdachte er die Situation. Versuchte, mit dem
Unmöglichen fertig zu werden. Schnell wurde ihm klar, daß ihm kaum eine Wahl blieb. Den Giganten
zu ignorieren und den Hauptverband anzugreifen bedeutete, die eigenen Kampfschiffe mit diesem
Monstrum allein zu lassen. Und das Schlachtschiff war sicher genau für diese Aufgabe, nicht aber
unbedingt für den Kampf gegen Jäger gedacht. Als gewaltige Ein-Schiff-Flotte konnte es gewiß jeden
Vorstoß terranischer Kampfschiffe abwehren. Es konnte verlagern und die Angriffe abfangen,
Angreifern den Rückweg abschneiden. Seine Salven mußten ausreichen, einen Flottenträger in einen
Feuerball zu verwandeln.
Also war seine Aufgabe klar. Angreifen und vernichten, wenn möglich. Eine SOLCHE
Flankensicherung konnte er nicht einfach ignorieren, wie es bei einem Zerstörer oder auch einem
Kreuzer möglich gewesen wäre. „An alle Einheiten. Ziel ist feindliches Schlachtschiff. Auf mein
Zeichen – VORWÄRTS!“ Er zögerte kurz, dann öffnete er eine Verbindung zur Relentless – Mithel
hatte die Führung über den Angriffsverband erhalten. Mit monotoner Stimme gab Turner durch, was
er sah, während seine Mirage sich mit den anderen zum Angriff formierte.
Mithel hatte sich halb aufgerichtet, als er die Meldung Turners kam. Also doch. Der Feind hatte sich
also entschlossen, auch DIESE Waffe zu nutzen. Der Captain fragte sich, ob das Schlachtschiff
neugebaut war – der Rumpf eines Flottenträgers, bestückt mit zusätzlichen Waffen – oder die Akarii
ein altes eingemottetes reaktiviert und vermutlich modernisiert hatten. Was es auch war – vermutlich
war es KEIN leichter Gegner. Denn niemand würde solch ein Schiff als Zielscheibe allein an der
Flanke eines wichtiges Konvois marschieren lassen – schon aus Prestigegründen und wegen der
Anzahl der Besatzungsmitglieder, die so ein Gigant nötig hatte. Er verständige Garth und Samut – und
hoffte, Turner würde in der Lage sein, ihnen eine Bresche zu schlagen. Wenn der EINE Außenfeger
ihren Angriff schon abfing, wie sollte dann der Konvoi vernichtet werden? Er verfluchte ein weiteres
Mal – das wievielte wohl? – Gonzales und Ward. Wenn diese Idioten doch nur einen FUNKEN
Verstand gehabt hätten! Jetzt mußte er sehen, was er mit zwei gut geführten Norfolk als einzige Hilfe
anrichten konnte. Hoffentlich hatten die anderen Verbände auch Kampfkreuzer detachiert.
Die Stimme Turner klang ruhig und beherrscht: „Zielerfassung läuft. Feindentfernung 37.000, sinkt
ständig. Noch keine Gegenwehr. Starkes ECM erschwert Zielerfassung. Gehen näher heran.
Entfernung 34.000. Zielerfassung weiterhin gestört. Griphen beschleunigen zum Angriff mit Hydra.
Gegner...“ Die Stimme verstummte in einem Keuchen.
Drüben auf dem Schlachtschiff gab ein einziger geknurrter Befehl das Zeichen für den Angriff auf die
Jäger. Es war kein Kampf – eher ein Hinrichtung.
Einen schrecklichen, hoffnungsvollen Augenblick dachte Turner an eine Täuschung. Der Gegner
konnte unmöglich SO viele Raketenwerfer haben. Aber dann erkannte er, daß es die Wirklichkeit war
– und er und sein Verband verloren. Mit überschnappender Stimme brüllte er: „Feuer frei! ALLES
WAS DRINN IST!“ Er hämmerte auf den Feuerknopf. Ob die HARM, die seine Mirage trugen, trafen,
würde er wohl kaum jemals erfahren. Hunderte von Raketen – von leichten Raumkampfgeschossen bis
zu massiven Atomraketen – schossen auf den feindlichen Riesen zu. Doch die starke
Störeinrichtungen und Impulslaserbatterien fingen die meisten ab, reduzierten den Angriff auf eine
bemitleidenswerte Geste des Trotzes, wie ein geworfener Stein gegen einen Gepanzerten. Dann kam
die Antwort – Salve auf Salve, ein schier endloser Strom von Raketen. Mehr als eine Division Kreuzer
hätte abfeuern können. Sie fuhren durch die Jägerformation wie eine MG-Salve durch eine
Menschenmenge. Die wenigen Energiewaffen des Schlachtschiffes begnügten sich damit, die
Überreste zu vernichten. Viel Arbeit blieb ihnen nicht.
Die Terraner versuchten auszuweichen, Störkörper abzuwerfen – doch vergebens. Fast immer kamen
zu viele Raketen auf einen Jäger. Binnen Sekunden wurden sie aus dem All gepflückt, in Fetzen
gerissen. Aus den meisten Maschinen konnte keiner mehr aussteigen – zu groß war die
Vernichtungskraft. Commander Turner hatte nicht mehr die Zeit, richtig zu begreifen, was geschah.
Ein halbes Dutzend Raketen ließen Schilde, Panzerung und Interne Struktur seines Jägers in einer
Feuerwolke vergehen, die wenige Sekunden darauf erlosch, als der Sauerstoff verzehrt war. Es blieben
nichts als ein paar im All treibende Trümmer, bis zur Unkenntlichkeit deformiert.
Captain Ward starrte erschüttert auf die Anzeigen. Das konnte unmöglich sein! Er sah, wie die
Anzeichen seiner Jäger flackerten und verloschen wie Kerzen in einem Orkan. Eine eiserne Faust
schnürte ihm die Kehle zu. ,Vernichtung! Tod und Vernichtung!‘ schrie die Stimme in seinem Kopf.
Auge in Auge mit dem Tod seiner Untergebenen konnte er nur eines denken: ,Eine Falle! Die
verdammten Echsen haben uns in eine Falle gelockt! Jetzt sind wir an der Reihe.‘ Er erwartete fast,
Panik auf der Brücke ausbrechen zu sehen – doch es kam nicht dazu. Fassungsloses Entsetzen regierte
– aber keine blinde Angst. Vielleicht aber konnten die Offiziere noch gar nicht richtig erfassen, was
sich da abgespielt hatte. Für Ward stand der Entschluß fest. Wenn er sein Leben und das seiner
Untergebenen retten wollte, gab es nur einen Weg. Nur EINE Möglichkeit. Und er ergriff diese
Chance, ohne zu zögern: „Nachricht an ALLE Schiffe – RÜCKZUG!“ Seine Stimme war eher der
Aufschrei eines jungen Kadetten – und wirklich war er für einen Augenblick wieder in der Einsamkeit
des Alls, im Nahkampf mit den Piratenjägern. Dies hier war wieder so. Er MUßTE hinaus.
Mithel warf seinem Kommunikationsoffizier einen wütenden Blick zu: „Der Befehl lautet WIE?“ Der
nahm Haltung an: „Rückzug, SIR!“. „Fuchida - Direktverbindung!“ schnauzte der Captain der
Relentless seinen Kommunikationsoffizier an. Fast sofort leuchtete auf dem Primären
Transmissionsbildschirm das Bild Wards auf – der Einfachheit halber und um den Captain der Gallileo
zu zwingen, ihm zuzuhören, hatte Lieutenant Fuchida eine Direktverbindung mit der Brücke der
Gallileo hergestellt, so daß die Worte jetzt in der ganzen Kommandozentrale zu hören waren. „Sir, das
können Sie nicht tun! Wenn wir uns zurückziehen, lassen wir die anderen Verbände im Stich! Der
Feindkonvoi muß vernichtet werden! Lassen Sie uns angreifen, schicken Sie Ihren eigenen Träger ins
Gefecht. Noch ist unser Verband nicht geschlagen! Wir DÜRFEN nicht fliehen! Denken Sie daran,
was Admiral Noltze gesagt hat!“
Ward war beinahe sprachlos. Er spürte immer noch den Würgegriff der Furcht – aber gleichzeitig auch
ein brennende Wut auf Mithel und dessen Anmaßung. Mit welchem Recht wollte DER ihm
Vorschriften machen? Er sah die Anklage, den Vorwurf in den Augen des anderen Offiziers, hörte sie
in seinen Worten – die Übertragung war deutlich genug. Und dies war etwas, was er immer noch
meistern konnte – anders als die Konfrontation mit den Akarii „Befehle werden nicht diskutiert
CAPTAIN MITHEL! Wir sind in eine Falle geraten! KEHREN SIE SOFORT UM, ODER ICH
LASSE SIE ABSETZEN! DAS IST EIN BEFEHL! Wollen Sie den etwa VERWEIGERN?“
Einen Moment lang schien es, als wolle Mithel etwas erwidern. Das sonst so ruhige, kalte und
beherrschte Gesicht des Captains war eine Maske der Verachtung und des Zorns. Wenn er geantwortet
hätte, jetzt, so wie er es empfand, es hätte ihm entweder Heldentod oder Kriegsgericht gebracht. Aber
dann gewannen Gewohnheit und eintrainierter Gehorsam die Oberhand. „Zu Befehl – Sir.“ Die
Stimme war erfüllt von unterdrückter Wut. Aber er gehorchte.
Der Captain der Relentless blickte sich auf seiner Brücke um. Für einen Augenblick hatte er ernsthaft
erwogen, den Befehl – vor allen Leuten und in aller Öffentlichkeit – zu verweigern. Aber er wußte
nicht, ob ihm sein Schiff folgen würde, wußte nicht, ob sich Garth und Nhoi ihm anschließen würden,
ob sie die Kontrolle über ihre Schiffe würden halten können. Er hatte sich unter Kontrolle – nach
außen hin. Innerlich jedoch kochte er. Dies war mehr als die normale Abneigung – es war Haß.
Abgrundtiefer Haß. Und als er seine Offziere sah, wußte er, so mancher teilte seine Gefühle. ,Dafür
hole ich mir Wards Kopf – und noch ein paar andere dazu!‘ Dann gab er mit emotionsloser Stimme
den Befehl, den er sich vermutlich noch lange vorwerfen würde: „Bereitmachen zum Rückzug. Wir
drehen ab.“
Die Schiffe der Angriffsgruppe zogen sich zurück, ohne einen einzigen Schuß auf den Feind
abgefeuert zu haben. Sie gehorchten Befehlen, die viele von ihnen haßten – die nicht wenige andere
mit einer Mischung aus Schuldbewußtsein und Erleichterung entgegennahmen, blieb ihnen ein
Gefecht doch erspart. Aber sie gehorchten alle, gedrillt und erzogen im Geiste der republikanischen
Flotte. Einem Befehl zu folgen, selbst wenn man ihn ablehnte. Aber mehr als einer sann auf Rache –
und haßte die eigenen Leute in diesem Augenblick nicht weniger als den Feind.
Von den 36 Kampffliegern, die die Gallileo ausgesandt hatte, kehrten nur drei Mirage wieder zu ihrem
Träger zurück. Mit den meisten seiner Männer und Frauen war auch Commander Turner „am Feind
geblieben“, wie man den Tod im Gefecht in der bombastischen Sprache des Militärs umschrieb. Sein
Geschwader war vernichtet, und ob es den Gegner überhaupt nur angekratzt hatte, war fraglich. Auf
Befehl des Kommandanten zogen sich die Schiffe der Kampfgruppe Henry Morgan zurück. Sie hatten
versagt – vollständig.
*******************************
„Sir, Jäger der Galileo sind gestartet,“ meldete der Funkoffizier der Dauntless.
„Gut, überwachen Sie den Flug, solange es geht. Brückenkontrolle, Rotlicht anschalten.“ Gonzalez sah
sich um und nahm dann das Mikrofon für das 1MC.
„Achtung, hier spricht der Captain. Die Operation, für die wir so lange geübt haben, hat soeben
begonnen. Die Galileo hat ihre Jäger ausgeschleust. Ich erwarte von allen ihr Bestes....Alle Mann auf
Gefechtsstation!“ Anschließend betätigte er den Buzzer, mit dem er das entsprechende akkustische
Signal für den allgemeinen Alarm ausgeben konnte.
Leise, so dass nur Turner es mitbekommen konnte, nuschelte er: „Hoffen wir, dass dieser sogenannte
Plan gut geht.“
Er lehnte sich in seinem Kommandostuhl zurück und betrachtete aufmerksam das Display, welches
nun zeigte, wie die Jäger der Galileo Formation einnahmen. Dann griff er in seine Tasche und wollte
eine Zigarre herausholen. Dann entsann er sich, dass er ja mittlerweile dank der Brückencrew und
Chief Holliczek ein Fach an seinem Stuhl hatte, welches nicht nur klimatisiert war, sondern auch
Zubehör wie Cutter und ähnliches enthielt. Gonzalez grinste schelmisch. Die Jungs und Mädels, die
unter ihm dienten, waren in Ordnung. Nachdem er das Ende sauber abgeschnitten hatte, roch er kurz
an der Zigarre, dann erwärmte er sie, um sie schließlich anzuzünden. Einen Moment fühlte er sich, wie
immer, wenn er diese Marke rauchte, in die kleine Bar in Havanna zurückversetzt. Dann riß er sich los
von den Erinnerungen und blickte wieder auf den Sichtschirm. Die Jäger der Galileo waren
mittlerweile komplett und in Formation und nahmen nun Kurs auf das Einsatzgebiet.
Turner konfigurierte den Screen so um, dass Gonzalez nun im oberen linken Viertel den Funkverkehr
zwischen den Jägern mitlesen konnte.
„Alle Station letzte Überprüfung!“
Turner gab diese Meldung an die Stationen weiter und legte dann ein transparentes Statusdisplay auf
das rechte obere Viertel des Screens, auf den Gonzalez blickte.
Überflüssigerweise meldete der Funker: „Sir, Jägerverband meldet schweres ECM.“
„Danke, Funk, ich weiß.“ Es hatte keinen Sinn, den Mann jetzt zusammenzustauchen, denn der konnte
ja nicht wissen, dass Gonzalez quasi mithörte.
Wenige Momente später blinkte das Statusdisplay grün, also waren alle Stationen bereit. Gonzalez
nickte. „Ut veniant omnes“ murmelte, er das alte Motto der „Admiral Fisher“.
„Hoffentlich nicht zuviel auf einmal“, grinste Turner.
Dann kam die Meldung, die die Stimmung rapide herabsinken ließ.
„Sir, Commander Turner meldet die Ortung eines Schlachtschiffes!“
„Verdammt, wo kommt der denn her?“ fragte Gonzalez.
Dann wurden sie Zeugen des Gemetzels an den Jägern der Galileo. Gonzalez musste schlucken.
Einerseits sollte ein Flakschiff genau so funktionieren – und die Dauntless hatte ihre Fähigkeit zu
einem solchen Manöver noch nicht bewiesen – andererseits war er geradezu erschrocken, als er diese
Fähigkeiten bei einem Schlachtschiff sah. Vor allem bei einem Schlachtschiff, das auf der falschen
Seite stand.
„Funk, Befehle von der Galileo?“
„Nein, die sind ruhiger als ein Friedhof.“
„Raketen scharf machen, Feuerleitradar aktivieren, vielleicht kommt jetzt der Gegenschlag. Wer der
Kahn auch noch Antischiffsraketen an Bord hat, steht die Galileo als nächstes auf dem Speiseplan.“
„Sir, Funkspruch von der Galileo: Rückzug, sofortiger Rückzug!“
„Fordern Sie sofort Bestätigung an! Das kann doch nicht wahr sein!“ Gonzalez Coolness war erst
einmal verflogen. Erst dieser dicke Pott, der ein Gemetzel sondergleichen veranstaltete und dann so
was!
„Sir, Meldung bestätigt, wir sollen uns zurückziehen!“
„Direktverbindung zum Flottenführer herstellen! SOFORT!“
Nach einem kurzen Moment stand die Verbindung.
„Sir, bei allem Respekt, wir können uns jetzt nicht zurückziehen. Entweder ist das eine Falle, aus der
wir den anderen Verbänden raushelfen müssen, oder der alte Pott ist alles, was sie haben.“
„Kommen Sie mir nicht auch noch mit Aufmüpfigkeit! Befolgen Sie den Befehl, JETZT!“
Gonzalez sah aus den Augenwinkeln, dass die Galileo bereits einen Kurswechsel vollzog.
„Sir, ich protestiere energisch. Das ist gegen unseren Einsatzbefehl.“
„Der Einsatzbefehl sieht solche Möglichkeiten nicht vor. Führen Sie den Befehl aus oder übergeben
Sie das Kommando an jemanden, der dies tut. Ward aus.“
Der Bildschirm wurde schwarz. Gonzalez’ Unterlippe zitterte so sehr, dass die Zigarre auf die Erde
fiel. Ein Mannschaftsmitglied stürzte vor und hob sie auf, um sie zu entsorgen. Derweil hielt sich
Tripple E dermaßen fest an den Armlehnen seines Stuhls fest, dass die Händer kalkweiß wurden und
so einen starken Kontrast zum tiefroten Gesicht des Captains bildeten.
Der Steuermann, der nicht wagte, den Captain anzusprechen, sah fragend herüber. An seiner Stelle
nickte Turner: „Passen Sie den Kurs an die Formation an.“
Nachdem Gonzalez dem nicht widersprach, befolgte der Steuermann den Befehl. Die Dauntless
wandte sich vom Feind ab und floh.
Leise murmelte Gonzalez: „Ich werde mir den Schädel dieses Feiglings holen und mir daraus einen
Aschenbecher machen.“
Turner zog die Augenbraue hoch, wusste aber aus langer Erfahrung, dass er besser schweigen sollte.
Innerlich stimmte er seinem Captain aber zu und das leise Murren auf der Brücke zeigte ihm, dass es
der restlichen Crew ebenso ging.
Gonzalez zog eine neue Zigarre hervor, war jedoch so angewidert, dass er sie wieder zurücklegte.
Dann beobachtete er auf dem Screen, wie die drei überlebenden Jäger heimkehrten, ebenso wie die
Relentless samt Eskorte umkehrte. Er konnte sich denken, dass das größte Problem in der Abrechnung
mit Ward darin bestand, den anderen Captains zuvorzukommen. Denn Mithel würde mit Sicherheit
nur unter Drohung vom Feind abgelassen haben. Der Captain der Relentless mochte alles sein, ein
Feigling wie Ward war er keinesfalls. Noch mehr Sorge aber machte ihm die Situation der anderen
Flottenverbände. Das Verschwinden der Galileo und ihrer Eskorte würde Druck von den Akari
nehmen und so eine noch härtere Abwehr ermöglichen. Gonzalez machte sich keine Illusionen
darüber, dass der Feind wie er Ward gesagt hatte, nur ein altes Schlachtschiff als Eskorte dabei hatte.
Das Ganze roch nach der Falle, die er immer insgeheim prophezeit hatte und nun würden sich Majestic
und Redemption samt ihrer Eskorten alleine den Weg freischießen müssen.
***********************************
Lieutenant Commander Murphy schritt durch den Hangar. Wie immer war er einer der Letzten, die zu
ihren Maschinen gingen. Das lag weniger daran, dass er weniger Zeit für das Überprüfen der Maschine
benötigte als vielmehr daran, dass er als CO der Staffel immer noch bemüht war, die letzten
Informationen vor dem Start brühwarm zu erhalten. Heute hatte sich aber nicht viel Neues ergeben.
Der Griphen Mehrzweckjäger glänzte im fahlen Licht des Hangars. Der dunkelgraue Lack, der Licht
aufsog wie ein schwarzes Loch, bot im Kampf einen kleinen Vorteil, denn er machte die visuelle
Erfassung schwerer als einige der bunteren Muster, die im Umlauf waren. Martell war gerne bereit,
auf jeden Showeffekt zu verzichten, wenn es die Effizienz und die Überlebenschance erhöhte.
Eigentlich hätte er selbst dann darauf verzichtet, wenn es die nicht getan hätte. Rechts und links von
Murphys Maschine standen die seiner Flightpiloten, die bereits im Cockpit saßen. An Jäger angelangt
sah er, wie Chief M’Boko bereits auf ihn wartete.
Bevor er mit dem Rundgang begann, schüttelte er dem riesigen Schwarzen die Hand und legte seine
Tasche ins Cockpit. Dann begann er die Außenkontrolle beginnend mit dem Bug des Griphens.
Obwohl es ihm an diesem Tag schwerfiel, konzentrierte er sich voll auf diese Arbeit, denn ein defekter
Sensor oder eine falsch angebrachte Außenlast konnte einem schnell den Tag ruinieren, von so ernsten
Dingen wie defekten Fahrwerken oder Schubvektoren ganz zu schweigen. Nach etwa zehn Minuten
war der Außencheck beendet, Martell hatte nichts wichtiges zu beanstanden, lediglich eine der
Scheiben, hinter der die Sensoren angebracht waren, war etwas verkratzt, aber wie M’Boko
versicherte, hatten Tests gezeigt, dass die Leistung nicht eingeschränkt wurde. Alles weitere würde
Murphy erst überprüfen können, wenn er im Cockpit saß und die Generatoren angeschaltet waren.
Doch bevor er im Cockpit irgend einen Knopf berührte, versank er in ein kurzes Gebet. Irgendwie
fühlte er, dass dies heute ein schicksalhafter Tag werden würde.
Fünfundzwanzig Minuten später wurde Murphy und sein Jäger ins Catapult eingeklinkt. Als
Staffelführer war er der erste, der herausgeschossen wurde, damit die die restlichen Jäger der Staffel
sich ihm einfach anschließen konnten. Auf diese Weise sparte man Zeit bei der Formierung der
Verbände. Jack schickte noch ein kurzes Gebet zum Allmächtigen, dann wurde er in die Weiten des
Alls hinausgeschossen. Dort überprüfte er ein letztes Mal die Systeme, da sich manche Probleme erst
außerhalb der Atmosphäre des Trägers zeigten, dann verringerte er den Schub und wartete auf den
Rest der Staffel. Im Geiste lies er den Schlachtplan noch einmal vor sich ablaufen. Nicht zum ersten
Male fiel ihm auf, dass alles von der Genauigkeit der Geheimdienstberichte abhing. Ein paar Eskorten
mehr, ein, zwei Staffeln Abfangjäger und der Tanz würde so heiß werden, dass die Fussssohlen
qualmten.
Währenddessen gesellten sich die übrigen Jaguars zu ihm. Während er auf die Staffel wartete
überprüfte er den Sensor, dessen Scheibe ihm bei der Außeninspektion aufgefallen war. M’Boko hatte
ihm nicht zuviel versprochen, Reichweite und Effizienz waren bei 100 %. Diese Tatsache beruhigte
Murphy etwas. In seinen vorherigen Kommandos hatte er miterleben können, was schlampige
Wartungsarbeiten anrichten konnten. Gerade bei den Trainingsstaffeln wurde das Material hoch
beansprucht und allzu häufig hatte man dort in Friedenszeiten als erstes den Rotstift angesetzt. Doch
der Staffelkapitän der Jaguars zwang seine Gedanken zurück in die Gegenwart. Formationsfliegen war
zwar für einen Piloten wie ihn keine wirkliche Konzentrationsfrage, aber als Boss musste man eine
gute Figur abgeben, alles andere würde die Moral und die Konzentration in der Staffel stören.
Zuerst wurde sein Flight komplettiert, dann folgte Thunder und zum Schluss Snake-Bite mit Nummer
2 und 3. Als alle Staffelmitglieder in Formation waren, schaltete Martell auf den Staffelkanal.
„Jaguar Flight von Jaguar Lead, Statuscheck nach Flights.“
Seinen eigenen Flight hatte er bereits überprüft, jetzt musste er nur noch auf die beiden anderen
Flightleader warten. Thunder meldete sich wenig überraschend zuerst.
„Flight 2 ist grün.“
Snake-Bite, die weniger Routine hatte, meldete sich fünfzehn Sekunden später: „Flight 3 100 Prozent
bereit.“
„Copy.“ Martell änderte die Frequenz. „Missionskontrolle, hier Jaguar Staffel, melde
Einsatzbereitschaft.“
„Verstanden, Jaguar Eins. Warten Sie, bis die Mirage draußen sind, dann kann es losgehen.
Kontrolliert noch mal die Hydrabehälter.“
Die Hydras hatten sich zwar mittlerweile als zuverlässig und kampfstark erwiesen, aber Murphy
konnte sich nur zu gut an die ersten Erprobungsversuche erinnern.
Nachdem auch dies geschehen war, hörte Murphy Cunningham auf dem Geschwaderkanal, wie dieser
den Marschbefehl gab. Kurze Zeit später nahmen die Sensoren Tuchfühlung zum Feind auf, wurden
jedoch von einem starken ECM gestört. Martell irritierte dies sehr.
„Jaguar 5, hier eins.“ rief er Thunder über den Privatkanal.
„Ja, Martell?“
„Seit wann nutzen Akarii Geleitzüge starkes ECM?“
„Gute Frage, ist mir neu....irgendwas ist hier faul.“
„Mein Bordrechner teilt mir grad mir, dass er das ECM mit 67,4 % zuordnen kann. Scheint ein Golf
zu sein.“
„Hoffentlich nur einer. Die sind hart genug.“
„In der Tat.“ Murphy merkte, wie sein Adrenalinspiegel stieg, während sich seine Nackhaare
aufrichteten. Hier war wirklich etwas faul. Plötzlich war der elektronische Lärm verschwunden. Die
Sensoren zeichneten ein Horrorszenario.
Sein Gefechtscomputer lief nun auf Hochtouren. Gut 100 Kontakte zeichnete er und es wurden immer
mehr. Der größte Kontakt in Reichweite war ein riesiger Flottenträger, dazu kamen zwei der neuen
Golfkreuzer. Martells Mund wurde mit einem Mal trockener als die Oberfläche von Troffen nach dem
Bombardement. Der Träger war gerade dabei, eine Staffel nach der anderen auszuschleusen. Die
Golfkreuzer mit ihrem Flakarsenal nahmen eine Defensivposition ein und aktivierten ihr potentes
Feuerleitradar. Einige der Frachter schienen ebenfalls aufgerüstet zu sein und taten es den Kreuzern
gleich. Gleichzeitig zeichneten die Datenübertragungen von der Redemption und den anderen
Flottenschiffen, dass auch hinter dem Verband schwere Feindkräfte aufgetraucht waren. Der
Bordcomputer der Griphen hörte gar nicht mehr auf, Warnmeldungen auszugeben, die alle auch
akustisch untermalt wurden.
Auf der Staffelfrequenz war es mit der Funkdisziplin vorbei. Flüche hallten durch den Äther, doch
soweit er es sehen konnte, klang keiner der Männer und Frauen panisch.
„Ruhe Leute, es gilt jetzt einen klaren Kopf zu behalten. Formation auflockern. Denkt dran, wir sind
hier draußen ja nicht alleine!“
Die Ermahnung schien zu wirken, denn es kehrte auf der Stelle wieder Ruhe ein. Was Martell wirklich
beunruhigte, war, dass sich weder die Redemption noch der CAG meldete. In seinem Magen wuchs
ein Ball aus Eis. Das Letzte, was jetzt passieren durfte, waren gegensätzliche Befehle oder ähnliche
Dinge.
„Martell an Lone Wolf, bleibt es beim Plan?“
Offensichtlich war der CAG selber beschäftigt, denn es kam keine Antwort. Murphy wartete einige
Momente, dann versuchte er es erneut:
„Lone Wolf von Martell, bitte kommen.“
„Martell, stand by.“
“Verstanden.”
***************************************
Vor dem Angriff
Lightning blickte in die Runde. Die Piloten ihrer Schwadron standen in einem lockeren Halbkreis um
sie versammelt. Alle trugen bereits die schweren Schutzanzüge, abgesehen von den Helmen. Während
sie ihre Soldaten musterte, versuchte sie wieder, das bohrende Gefühl kommenden Unheils zu
unterdrücken. Immerhin würden drei Träger angreifen - das mußte doch genug sein, um jeden
Widerstand niederzukämpfen. Hoffte sie jedenfalls.
Inzwischen kannte sie jeden der Piloten gut - wußte, was sie von ihnen zu erwarten hatte, wußte, daß
sie sich auf sie verlassen konnte. Es waren gute Soldaten - Männer und Frauen, inzwischen allesamt
mit Kampferfahrung und mit ihren Maschinen vertraut.
Aber es blieben Zweifel - und in ihrem Inneren fürchtete sie bereits, bald wieder diese verdammten
Briefe schreiben zu müssen, um Menschen, die sie gar nicht kannte, den Tod von Geschwistern,
Kindern, Eltern oder Ehepartner begreiflich zu machen.
Aber es brachte überhaupt nichts, wenn sie sich das anmerken ließ. Im Gegenteil, es hätte die Piloten
vielleicht beunruhigt, verunsichert - und das konnte im Raumgefecht tödlich sein.
Lightning gab ihrer Stimme einen gewollt forschen Klang: "Also Jungs und Mädels! Unsere Aufgabe
ist klar! Wir spielen mal wieder Kindermädchen für die Raumkriecher. Das solltet ihr ja inzwischen
gewohnt sein! Also laßt keine verdammte Eidechse auch nur in die NÄHE der Mirage. Wir wollen
doch unsere langsamen Brüder nicht in die Verlegenheit bringen mit Zielen zu kurbeln, die schneller
als ein verrosteter Wettersatellit sind!"
Das brachte ihr ein paar leise Lacher ein. Das ständige - aber meist freundschaftliche - Hickhack
zwischen Bombern und Eskorteinheiten war eine verbreitete Gewohnheit.
"Paßt auf eure Sechs auf und kommt heil wieder nach Hause! Wenn ihr natürlich dabei noch ein paar
Schuppenhäute in die Eidechsenhölle schicken könnt... . Gute Jagd ihr Himmelhunde!"
Als sie in ihren Jäger kletterte hatte Lightning die quälenden Befürchtungen und vagen Ahnungen
verdrängt. Jetzt war sie im Einsatz - und da hatte ihr ganzes Denken und Fühlen nur noch EIN Ziel zu
haben. Wäre sie dazu nicht in der Lage gewesen - nun sie wäre wohl nie Staffelführerin geworden,
wäre wahrscheinlich nicht mehr am Leben.
Während Kano auf die Startfreigabe wartete, kreisten seine Gedanken um die Einsatzbesprechung.
Nicht daß er Angst gehabt hätte! Es versprach ja, ein nicht zu komplizierter Einsatz zu werden. Die
Schätzungen gingen im allgemeinen von HÖCHSTENS einem Golfträger aus. Das würde für mehr als
zwei Geschwader Erdjäger und -jagdbomber kein Problem sein. Er war aber dennoch fest
entschlossen, sich der erhaltenen Auszeichnung auch in diesem Kampf würdig zu erweisen.
Nein, er fragte sich leicht beunruhigt, was dieser Spezialauftrag für Kali bedeutete. Sie war ohne
Zweifel eine gute Pilotin - mit inzwischen drei Abschüssen war sie dem Flight Cross schon recht nahe
- dennoch... .
Dann beruhigte er sich selber. Vielleicht wollte der "Alte" auch einfach nur eine ausreichende
Rückensicherung für sich selber. Nachdem er seinen Flügelmann verloren hatte, war so etwas nur
logisch. Es würde schon alles gutgehen!
Schnell übersah er noch mal alle Systeme: Waffen klar, die Raketen - vier Amrams und zwei Sparrows
- ebenso. Und auch er selber war kampfbereit.
Das Gleiche galt für Virago, die allerdings Lightning aufmerksam im Auge behalten hatte. Sie nahm
sich vor, auf der Hut zu sein. Alles, was der Staffelführerin Sorgen bereitete, sollte auch ihre
Aufmerksamkeit fordern. Sie würde sich eng bei Ohka halten - im "Doppel" war es immer noch am
sichersten... .
Blackhawk schien die Ruhe selbst und seine kaltblütige Selbstsicherheit hatte auf Imp abgefärbt. Mit
dem erfahrenen Veteranen hatte sie die besten Chancen ihre "Tradition" - sie hatte auf zwei
Feindfahrten jedesmal ihren Flightleader verloren - durchbrechen zu können.
Perkele riß noch als er ins Cockpit stieg einen extrem unflätigen Witz über Bodenpersonal im
Allgemeinen und Deckoffiziere im Besonderen. Lilja ignorierte ihn. Auch wenn ihr der ziemlich
anarchisch eingestellte Finne manchmal gehörig auf die Nerven ging - fliegen konnte er!
Die Typhoon starteten als erste, formierten sich schnell und präzise, während die Phantome, Griphen
und Mirage ausgeschleust wurden.
Binnen weniger Augenblicke hatten sie ihre Geleitposition eingenommen - ein zuverlässiger Schutz
für die etwas schwerfälligeren Mirage, die das Kernstück des Angriffs bildeten. Ihre S-S-Raketen
sollten die feindlichen Frachter vernichten und damit dem Nachschub des Feindes einen verheerenden
Schlag versetzen.
Geschützt durch das Asteroidenfeld nahm das Geschwader Kurs auf den Konvoi, bereit, Tod und
Vernichtung zu sähen.
**************************************
Als ich in meine Phantom stieg, warf ich einen flüchtigen Blick zu Shaka herüber. Der Junge zog
geradezu bedächtig die Handschuhe seiner Montur über. Er strich sich danach mit der Rechten über
die Stirn, um den feinen Schweißfilm abzuwischen. Als er in seine eigene Phantom kletterte, verfehlte
er die kleine Leiter beim ersten Versuch und rutschte ab. Er fing sich aber wieder.
Im Cockpit angekommen, riss er dem diensttuenden Tech seinen Helm geradezu aus der Hand.
Ich grinste.
Es war eben eine Sache, zu einer Patrouille zu starten und vielleicht auf den Feind zu treffen. Oder zu
wissen, dass man in ein Gefecht startete und garantiert auf Gegner traf. Das man garantiert um sein
Leben kämpfen würde. Das man töten würde, um nicht selbst zu sterben.
Das erste Mal, seit ich ihn kennen gelernt hatte, zeigte Shaka Nerven.
Entweder würde sich das geben, sobald wir draußen waren. Oder er würde für mich zu einem Risiko
werden. Vor allem aber für sich selbst.
„Okay, Shaka, das war die Freigabe. Wir gehen zusammen raus und setzen uns direkt hinter Darkness
und seinen Flügelmann. Zusammen dürften wir heute Futter für unsere fliegenden Wölfe bekommen.“
Ich hatte Protest erwartet, weil ich die Besprechung wiederkäute.
Stattdessen meldete der schwarzhäutige Riese nur: „Verstanden, Boß.“
Ich runzelte die Stirn. Während das Katapult meinen Jäger ins All hinausschleuderte, begann ich mir
ernsthafte Sorgen um einem Wingman zu machen. Eigentlich hatte ich gedacht, ihn auf alles
vorbereitet zu haben.
Aber dem war wohl nicht so. Mit der eigentlichen Aufgabe, mit dem letzten Kick, dem Kampf mit
scharfen Waffen auf Leben und Tod, musste jeder wohl selbst fertig werden.
Aber zumindest konnte ich etwas drauf achten, dass sich Albert nicht selbst umbrachte.
Ich erinnerte mich noch gut an meinen ersten scharfen Raumkampf. Willinson war krank geworden,
also hatte ich provisorisch mit Dad raus gemusst.
Wir hatten Ortungskontakt mit Zielen ohne Transponder gehabt. Deutlicher hätten sich die Piraten
nicht anmelden können.
Also waren wir voraus geflogen, um die CARNEGIE in einen nahen Nebel und hindurch zu lotsen.
Ein Gefecht hatten wir gar nicht geplant.
Bis die Piratenjäger direkt vor unseren Visiren aufgetaucht waren.
Sekunden hatten sich für mich zur Ewigkeit gedehnt, während die Zielerfassung eingelockt und der
Bordcomputer das Raketensystem als abschussbereit meldete.
In diesem Moment begriff ich, dass ich drauf und dran gewesen war, einen anderen Menschen zu töten
– oder es zumindest zu versuchen.
In meinen Ohren hatte es zu rauschen begonnen. Schemenhaft konnte ich Dad etwas rufen hören. Es
drang nicht bis zu mir durch. Dann dachte ich an meine Geschwister. An Mom. An Grandpa. Und
drückte ab.
Zwei Amraams zerfetzten den völlig überraschten Feindjäger.
Erst Stunden später, als wir den Nebel durchquert hatten und wir wieder auf der CARNEGIE landen
konnten, nahm mich Dad beiseite und fragte mich, wieso ich nicht auf seinen Befehl gehört hatte,
mich auf Schleichfahrt abzusetzen, anstatt mich mit der schwereren und moderneren Phantom
anzulegen.
Ich begriff, wie knapp ich dem Tod entkommen war. Wie viel Glück ich gehabt hatte. Und ich begriff,
dass ich getötet hatte.
Man erzählte sich in den Raumfahrerkneipen in den Neuen Kolonien, dass das erste Mal das schwerste
war. Das das töten danach leichter von der Hand ging.
Sie hatten Unrecht. Es war jedes Mal gleich schwer. Und jedes Mal schämte man sich ein wenig mehr
dafür. Aber der Gedanke, ob man selbst überlebte oder der Gegner, ließ einen automatisch handeln.
Präzise. Eiskalt. Zum in die Ecke stellen und schämen war später immer noch Zeit.
Mit halbem Ohr hörte ich dem allgemeinen Funkverkehr zu. Als Lone Wolf neue Befehle erteilte und
mir klar wurde, dass wir unseren Bombern keinen weiteren Jagdschutz geben würden, begriff ich, dass
etwas mehr als schief gelaufen war.
Lone Wolf wies uns neue Ziele zu. Automatisch schwenkte ich ein.
Doch Shaka war nicht mehr an meiner Seite.
„Shaka?“ Keine Antwort. Ich checkte das Radar und erkannte, dass der junge Second Lieutenant noch
immer auf dem alten Kurs flog.
Was sollte ich ihm sagen? Ihm erklären, dass er nur Angst hatte? Das jeder Angst hatte? Diese
entsetzlichen Farcen, die sie immer in den Navy-Propagandafilmen breittraten?
Gewiß nicht.
„Shaka, Kursvektor ändern auf 273 auf Horizont und sieben über Horizont.
Nachbrenner für vier Sekunden auf… JETZT!“
Kurz darauf schloss mein Flügelmann zu mir auf.
„Hör mal, Boß, ich…“
„Ist in Ordnung, Shaka. Gehen wir uns deinen ersten Abschuss holen.“
Was immer ich als Reaktion erwartet hatte, ich wurde enttäuscht.
Weder ging Shaka auf den Nachbrenner, noch ließ er einen wilden Rebellenschrei hören.
Er hielt sich einfach kommentarlos an meiner Seite.
Aber ich registrierte, dass er seine Waffen scharf machte.
„Himmel, der Junge wird tatsächlich erwachsen“, kommentierte ich auf meiner persönlichen Leitung
zu Darkness.
Mein alter Lehrmeister lachte nur. „Jetzt siehst du mal, was ich alles mit dir durchstehen musste.“
Und von einem Moment zum anderen fühlte ich mich wieder vom Lehrmeister zum Schüler
degradiert.
***
„Also Ladies, hergehört. Wie es aussieht, treiben sich da draußen ein paar mehr Akarii herum, als wir
geglaubt haben. Es sieht so aus, als hätten wir es mit einem kompletten Trägergeschwader zu tun, dass
zu allem Überdruss auch noch unsere gute alte REDEMPTION als Ziel ausgesucht hat. Die Roten und
die Grünen sind eingeschwenkt, um die gegnerischen Jäger und Bomber abfangen.
Das heißt, unser Feind wird gleich sehr beschäftigt sein.
Wäre doch eine Frechheit, wenn wir das nicht ausnutzen würden.“
Huntress spürte, wie das automatische Gebläse ihres Helms den leichten Schweißfilm von ihrer Stirn
vertrieb. Sie spürte deutlich die Emotion, die sie am meisten haßte: Angst.
Und nur ein Narr konnte keine Angst dabei verspüren, wenn er sah, was da auf die RED und ihre
Begleitschiffe zukam. Sie hatte ja schon oft in Auswegslosen Situationen gesteckt. Aber aus denen
hatte sie lediglich abhauen müssen.
Diesmal aber mussten sie ausharren, bis Martell und die Bomber so viele Akarii-Frachter wie irgend
möglich vernichtet hatten. Solange musste die RED gefechtsbereit bleiben.
Und alles, was zwischen diesem Geschwader und dem Träger stand, das war ihre blaue Staffel. Ihre
JOKER FOR REDEMPTION.
„Was hast du vor, Huntress?“
Juliane schnalzte mit der Zunge. Es wurde Zeit, Lightning zu beweisen, dass ihre Mehrarbeit und die
Lehrstunden nicht umsonst gewesen waren.
Die Bomber durften ihr Ziel nicht erreichen. Natürlich wäre es auch ein angenehmer Nebeneffekt
gewesen, auch die Jäger aus dem All zu fegen. Aber wichtig waren jetzt die Bomber mit ihren
Antischiffsraketen.
„Demolisher, dir gebe ich da schwerste Brot zu kauen. Dein Flight bleibt hier auf Position. Spielt ein
wenig mit den hereinkommenden Jägern und versucht sie in das Feuer der REDEMPTION zu locken.
Rapier, Ihr Flight geht zweihundert Klicks achtunddreißig unter Horizont und sieben auf Horizont
hinaus. Dort draußen haltet Ihr Funkstille und Passivortung, bis die Bomber vorbei kommen. Dann
greift ihr an. Und zwar ausschließlich die Bomber.
Wenn euch natürlich ein Jäger am Arsch hängt, könnt Ihr gerne eine Ausnahme machen.“
Leises Gelächter antwortete ihr.
„Aber das ist ein Selbstmordkommando. Die Akarii werden unseren Anflug bemerken und uns wie
Tontauben vom Himmel pflücken.“
„Ruhig, Rapier. Natürlich fliegt mein Flight ebenfalls da raus. Ich gehe mit meinen Ladies auf die
andere Seite des voraussichtlichen Anflugkorridors.
Zweihundert Klicks. Weit genug draußen, um den Akarii in den Arsch zu treten. Und nahe genug, um
schnell wieder auf den Träger zu kommen.
Vergeßt nicht, auf uns warten zwei Ersatzmühlen. Und vielleicht kann ich den Captain überreden, uns
noch eine von Lightnings Reserven zu überlassen.
Was nicht heißt, dass Ihr euch abschießen lassen sollt, wenn doch überlebt es aber bitte.“
Wieder wurde leise gelacht.
„Na gut, dann gehen wir eben zu acht auf dieses Kommando. Vielleicht vernichten wir wirklich ein
paar Bomber, bevor die Akarii uns aus unseren Jägern schießen.“
„Ich verstehe Ihre Skepsis, Rapier, aber vergessen Sie nicht, mit etwas Glück sind die meisten Akarii
mit Lone Wolf und Lightning beschäftigt. Ic glaube nicht, dass Akarii vergesslich sind. Aber es wäre
doch leichtfertig, wenn wir es nicht wenigstens mal ausprobieren würden.
Okay, Flight eins, Flight drei, auf eure Positionen. Zwei Anflüge Maximal, danach sammeln bei Flight
zwei. Ausführen!“
Die Bestätigungen trafen kurz hinereinander ein. Ihre Einheit, ihre Staffel war bereit.
Juliane machte sich nichts vor. Vielleicht flog sie inmitten dieses riesigen Desasters nun mitten in ihr
persönliches Desaster.
Aber verdammt, sie würde diesen Raumsektor nicht verlassen, ohne wenigstens gekämpft und sich ein
paar Abschüsse geholt zu haben.
Ihren eigenen Tod kalkulierte sie mit ein. Aber das tat sie schon, seit sie das erste Mal aus ihrem Jäger
geschossen worden war.
Es wäre eine Farce ohnegleichen gewesen, zur Navy zu gehen und nicht mit der Möglichkeit zu
rechnen, in einem Gefecht zu sterben.
„Thomas?“, funkte sie ihren XO über die persönliche Leitung an.
„Was ist los, Julie?“
„Tut mir leid, dass du den Schwarzen Peter hast.“
„Ist schon in Ordnung. An mir kommt jedenfalls kein Akarii vorbei.“
„Das erwarte ich auch von dir. Aber wenn es hart auf hart kommt, vergiß nicht den Wahlspruch der
Aces of Texas.“
„Hooka Hey“, brummte der Pilot.
„Hooka Hey“, erwiderte Huntress und stieg auf den Nachbrenner.
***

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Ace Kaiser,
Angry Eagles

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Clan Blood Spirit

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Ein paar Augenblick war Kano wie paralysiert. Seine Augen nahmen zwar war, daß da vor ihm ein
Flottenträger der Akarii im Raum schwebte und seine tödliche Fracht an Bombern, Jagdbombern,
Sturmjägern und Jägern ausspie, daß die Redemption von einem Schlachtschiff – einem
SCHLACHTSCHIFF – angegriffen wurde, aber Kanos Gehirn weigerte sich einfach, das zu
verarbeiten. Er hörte nicht die wütenden Befehle des Geschwaderführers und die Proteste gegen den
selbstmörderischen Angriff, den Lone Wolfe den Jagdbombern und Griphen-Jägern befahl.
Erst Lightnings Stimme riß ihn aus der Erstarrung: „SCHWADRON GRÜN! Ihr habt den Alten
gehört. ANGRIFF AUF DIE BOMBER! Wir gehen mit Nachbrenner rein – Vollschubbremse – das
ganze noch mal. Alles klar?!“ Keiner erhob Einspruch, keiner hatte Fragen – obwohl, oder weil der
Befehl in seiner brutalen Klarheit keinen Zweifel über die Chancen dieses Angriffs ließ. „REISST SIE
IN FETZEN!!“ Und wie EIN Mann regierte die Staffel und folgte ihrer Kommandeurin.
Einen Vorteil hatten die Angreifer. Die Akarii rechneten offenbar nicht mit ihrem Vorgehen. Wer auch
immer der Geschwaderkommandeur war – er hatte offenbar nicht erwartet, daß die Erdmaschinen sich
aufteilen würden um seinen Verband – UND die Frachter – zu attackieren. Das war eine
Angriffsweise, die bewußt ein Überleben unwahrscheinlich machte und die deshalb überraschend kam.
Kano hatte auf Lightnings Befehl automatisch reagiert und war ihm gefolgt. Erst, als die Jäger auf
ihrem neuen Kurs dem Feind entgegen rasten, wurde ihm voll bewußt was jetzt geschah: Die
terranischen Jäger griffen einen mehr als doppelt so großen Akariiverband an. Die Chancen... .
Unter dem Helm verzerrte sich Kanos Gesicht, als er wütend die Zähne zusammenbiß und die
panikerfüllte Stimme niederkämpfte, die in seinem Unterbewußtsein aufschrie. Seine Rechte
umkrampfte den Steuerknüppel. Er hatte das Flight Cross erhalten! Er würde sich dem würdig
erweisen! Und wenn er sterben mußte!
Dann verdrängte die Raumschlacht den Gedanken an Selbstzweifel oder Angst.
Auf dem Schirm waren die feindlichen Einheiten nun genauer zu erkennen: Raptor–Jagdbomber und
Avenger-Bomber, die primären Ziele. Aber dazwischen auch die schweren Deltavogel–Sturmjäger
und Bloodhawks. Kanos Entscheidung war schnell getroffen. Er würde die Avenger angreifen.
Die Typhoon stießen wie ein Dutzend Blitze zwischen dem Abfangschirm der überraschten
Akariijäger hindurch. Nur ein paar Raketen wurden abgefeuert, die meisten zu spät oder zu ungenau.
Als in Kanos Cockpit der heulende Warnton des Raketenalarms ertönte, löste er zwei Täuschkörper
und zwang die Maschine in eine korkenzieherartige Bahn, ohne aber vom Generalkurs abzuweichen.
Die Rakete explodierte an einem der Störmittel.
Virago, Kanos Flügelkameradin, hatte weniger Glück – zwei Raketen an ihrer Sechs zwangen sie zu
einem abrupten Ausweichmanöver, das Schub und Geschwindigkeit kostete, sie von der
Offensivformation zurückfallen ließ. Kano bemerkte ihr Fehlen nicht einmal, er war total auf die
heranjagenden Feindmaschinen fixiert.
Dann waren die Typhoon auf Raketenreichweite an den Bomberpulk heran, dicht gefolgt von den
Phantome–Jägern, die bereits vorher eine Raketensalve auf die Akariijäger abgefeuert hatten.
Kano hatte sich bereits einen Avenger ausgesucht, eine der Maschinen mitten im Pulk – mit etwas
Glück... . Er war mit den Raketen ein bestenfalls durchschnittlicher Schütze, das wußte er. Eben
deshalb zögerte er, auf den Knopf zu drücken. ‚Warten, warten, noch nicht, noch nicht... . JETZT!‘ Er
war schon im Feuerbereich der Bordkanonen, als er gleichzeitig alle Feuerknöpfe drückte. Zwei
Sparrows und zwei Amrams zischten auf den feindlichen Bomber zu, im Flug überholt von den
Energiestrahlen der Laser- und Neutronenkanonen.
Vermutlich hatte sich der feindliche Pilot inmitten seiner Kameraden sicher gefühlt. Zu sicher. Viel zu
spät leitete er ein Ausweichmanöver ein, mehr ein verzweifelter, instinktiver Versuch als eine reelle
Chance. Eine der Amrams verfehlte ihr Ziel, eine der Sparrows explodierte an dem zu spät
ausgestoßenen Täuschkörper – zu nah am Schiff, die Explosion schwächte die Schilde des Bombers.
Die beiden anderen Raketen trafen.
Die Schilde des Avengers wurden wie Papier von der explodierenden Sparrow zerfetzt, die letzte
Rakete traf voll den Rumpf und riß ihn auf. Das Gewitter der Energiewaffen vollendete das
Vernichtungswerk, ließ den Bomber in einer spektakulären, lautlos sich öffnenden Feuerblüte
vergehen – die die Schilde der Nachbarmaschinen aufleuchten ließ, sie schwächte. Genau damit hatte
Kano gerechnet, darauf hatte er gehofft.
Das Gegenfeuer der Akarii war in seiner Wucht einschüchternd – und diesmal trafen sie auch. Kano
fühlte wie die Maschine sich schüttelte, als Strahlenbahnen auf die Schilde einhämmerten. Ruckartig
riß er den Steuerknüppel herum, schoß in einem unter Atmosphärebedingungen unmöglichen Winkel
in den Raum, aus dem Feuerbereich der Bordschützen heraus – nur um die Maschine fast sofort in eine
brutale Kehre zu zwingen.
‚Schilde bei 80 %, gut. Keine Schäden – gut.‘ Ein Blick auf die feindlichen Jäger zeigte, daß die sich
ebenfalls geteilt hatten. Ein Teil war offenbar auf die Vernichtung der Jagdbomber aus, die unbeirrt
den Konvoi angriffen und Chaos und Vernichtung stifteten. Ein anderer Teil versuchte zu den
Erdjägern aufzuschließen, die die Akariibomber angegriffen hatten. Einige der Akariijäger flogen
sogar stur weiter Richtung Redemption – offenbar fest entschlossen, dieses Ziel zu erreichen.
Die Typhoon hatten fast geschlossen gewendet – nicht umsonst hatte Lightning sie in diesem
Hochgeschwindigkeitsmanöver geschliffen, bis sie es im Schlaf beherrschten – und griff noch einmal
die Bomber an. Kano sah auch sofort SEIN Ziel – einen Avenger, der offenbar eine Rakete
abbekommen hatte – die Schilde schienen deutlich geschwächt, der Bomber flog, etwas aus der
Formation gelöst, langsamer als seine Kameraden.
Aber er kam um Weniges zu spät. Er hatte die Maschine bereits im Visier, als zwei sauber gezielte
Raketen ihre Bugschilde durchschlugen und den Avenger explodieren ließen.
„YAHOO!!“ meldete sich Viragos Stimme über Funk – sie hatte den Bomber vernichtet. Kano
unterdrückte die kurz aufflackernde Verärgerung – das war SEIN Ziel gewesen – und sah sich nach
anderen Opfern um. ‚Da!’
Ein Trio aus zwei Avenger und einem Raptor flog weiterhin unbeirrt Richtung Redemption – durch
den Überraschungsangriff der Phantome und Typhoon vom Bomberpulk abgesplittert. Das war sein
Ziel!
„Virago! Die drei Einheiten – Zwo Uhr! Flankierungsangriff!“
„Verstanden, Ohka!“
Kano schob den Nachbrennerhebel bis zum Anschlag. Die Typhoon wurde nach vorne geschleudert,
setzte sich auf gleiche Höhe mit den stur ihren Kurs haltenden Akariimaschinen.
Dann riß Kano den Steuerknüppel herum, zwang die Maschine in eine scharfe Linkswende und stieß
auf die Bomber zu, Virago neben sich.
Die Bomber bemerkten den Feind früher als erhofft, eröffneten mit den Flankengeschützen ein
unangenehm gut liegendes Feuer. Und die Raptor – im ersten Augenblick schien es, als hätte der Pilot
die Beherrschung verloren, der Akarii gab Schub und riss seine Maschine auf einen Kurs, der ihn um
ein Haar mit der zweiten Avenger kollidieren ließ. Aber eben nur um ein Haar – und jetzt richtete er
seinen schwer bestückten Bug auf die heranrasenden Erdmaschinen.
Kano bemerkte dies gar nicht, fixiert auf sein Ziel, den ersten Avenger. Während die Strahlenkanone
des Gegners auf seine Schilde einhämmerte, blieb er auf Kurs, feuerte pausenlos mit Laser- und
Neutronenkanonen. '4000 Kilometer, 3500, 3000, 2500... .' – Sein Zeigefinger lag auf dem
Raketenknopf: ‚Gleich, gleich… . 2000 KILOMETER! LOS!!’ Seine letzten beiden Amrams
verließen die Startschienen, schossen auf den Bomber zu, der auf diese Entfernung nicht mehr mit
einem Raketenangriff gerechnet hatte. Beide Flugkörper trafen auf die ohnehin schon geschwächten
Backbordschilde – und schlugen durch, verwandelten den Bomber in ein durch das All taumelndes
Wrack. Nur einer der Besatzungsmitglieder konnte aussteigen.
‚Sieg!’ Doch ein Blick auf die Anzeigen dämpfte den Triumph, seine Bugschilde waren auf 20 % ihrer
normalen Stärke zusammengesunken. Und Virago – ‚VERDAMMT!’
********************************
Die Pilotin hatte nicht mehr voll ausweichen können, als der Jagdbomber sie ins Visier genommen
hatte. Sie hatte schon den verbliebenen Avenger anvisiert gehabt, zwei Amrams abgefeuert, als sie die
tödliche Gefahr bemerkte. Das einzige, was ihr geblieben war, war ein Hieb auf die Raketen- und
Kanonenknöpfe. Sie hatte ihre letzten Amrams auf den Raptor abgefeuert, während das Sperrfeuer des
Jagdbombers ihre Bugschilde zerschlug. Mit knapper Not war sie durch ein Korkenziehermanöver
davongekommen, bei dem die Heckschütze des Raptor auch noch ihre Steuerbordschilde bepflasterte.
Daß eine der Amrams traf – und wohl auch teilweise die Schilde durchschlug - war da ein schwacher
Trost. Die Bloodhawk hinter ihr bemerkte sie zu spät.
Kano blieb nur ein erstickter Warnschrei, zu spät um noch etwas zu bewirken, als sich der Akariijäger
in den Rücken seiner Kameradin setzte und gnadenlos eine Salve nach der anderen in ihre Heckschilde
jagte – sie durchschlug. Die Cockpitverglasung der Typhoon explodierte und spuckte den
Schleudersitz aus, als Virago ausstieg – zwei Sekunden, bevor ihre Maschine in die Luft flog.
Wütend fixierte Kano die feindliche Maschine. Das würde dieser Hund büßen! Auch wenn Virago
sich hatte retten können – das war er ihr schuldig. Die zwei überlebenden Bomber beachtete er nicht –
aber die strebten, beide beschädigt und ziemlich demoralisiert, ohnehin zurück in Richtung ihres
Heimatträgers.
Als Kano allerdings die zweite Bloodhawk sah, die jetzt zu seinem Gegner aufschloß – da wusste er,
daß er in Schwierigkeiten steckte… .
Während rings um sie die Raumschlacht tobte, hatten diese drei Piloten nur Augen füreinander. Die
Akarii wollten offensichtlich dem frechen Erdjäger das Schicksal seines Kameraden bereiten. Sie
trennten sich, um ihn in die Zange zu nehmen.
Der Kampf wurde durch eine Rakete eröffnet, die einer der Bloodhawks abfeuerte – seine letzte. Beide
waren bereits in Raumkämpfe verwickelt worden und hatten sich wohl schon verschossen.
Kano reagierte reflexartig, aber beinahe zu spät. Die Rakete hatte ihn schon fast erreicht, als er seine
Maschine mit einem „Von Bein“ herumriß, gleichzeitig mehrere Täuschkörper ausstieß und dann den
Nachbrennerhebel vorschob.
Es klappte, die Rakete verlor ihre Zielerfassung, explodierte harmlos an einem der Täuschkörper. Im
Augenblick der Explosion zwang Kano seine Maschine noch einmal in eine Vollschubwende – und
raste auf einen der Bloodhawks zu, ihn von der Seite fassend. Es war seine einzige Chance, die Feinde
einzeln zu erwischen.
Schon auf Maximalentfernung eröffnete er das Feuer, überschüttete den Gegner mit seinen Kanonen –
'Treffer! Treffer!'
Der Bloodhwak wendete und floh, während die Typhoon die Verfolgung aufnahm. Kano ließ die
Finger auf dem Feuerknopf, die Bordwaffen spuckten fast ununterbrochen Laser- und Neutronenblitze,
die, wenn sie trafen, die Schilde des Gegners aufleuchten ließen, sie schwächten – und auch ein, zwei
mal durchschlugen.
Abrupt änderte der Akarii seine Taktik: Hochgeschindigkeitswende, Vollschub – ehe Kano reagieren
konnte war der Bloodhawk an ihm vorbei. Er setzte dem Gegner nach – und irgendetwas schlug voll in
seine Backbordschilde. 'Der andere Jäger!' Er war mit Vollschub gefolgt – und jetzt, da Kano versucht
hatte zu wenden, war er heran und überschüttete ihn mit seinen Bordwaffen.
Während die Typhoon ,wie von einer Riesenhand gepackt, durchgeschüttelt wurde und ein, zwei, drei
Alarme losheulten, versuchte Kano verzweifelt, auszubrechen. Ein Korkenziehermanöver, ein
Abschwung und noch ein Nachbrennermanöver verschafften ihm etwas Luft.
Es sah ernst aus – verdammt ernst. Sein Treibstoff ging langsam, aber sicher zur Neige. Seine Schilde
waren schwer zusammengeschlagen. Und zu allem Überfluß waren durch die Treffer in seiner
Maschine Geschwindigkeit und Manövrierfähigkeit beeinträchtigt worden. Gegen die zwei
Bloodhawk, die sich wieder zusammengetan hatten und aufschlossen, hatte er keine reellen Chancen.
Dann waren sie heran – und der tödliche Tanz begann von neuem.
Er wusste nicht, wie lange es dauerte. Ausweichen, Rollen, Wenden, Gegenschub – er flog so gut wie
vielleicht noch nie in seinem Leben – aber es reichte nicht. Zwei, drei mal konnte er noch Schüsse
anbringen – aber die bewirkten fast nichts, während der feindliche Beschuß immer genauer und
stetiger zu werden schien. Die Neutronenkanonen fielen aus, überall im Cockpit leuchteten jetzt
Warnlampen und ertönten die schrillen Signaltöne des Bordalarms. Methodisch und gnadenlos wurde
er gehetzt.
Kano wusste, daß er am Ende war. Sein Körper war schweißgebadet, mehr als einmal war ihm bei den
abrupten Ausweichmanövern schon schwarz vor Augen geworden. Seine um den Steuerknüppel
gekrampfte Rechte zitterte vor Anstrengung. Jeden Augenblick konnten sie ihn erwischen, diesmal
voll – und endgültig. Fast automatisch riß er seine Maschine ein ums andere Mal in verzweifelte
Manöver, die sein Ende verzögerten, ihm aber nicht die Freiheit brachten. ‚Hoffnungslos!’
Vor ihm tauchte einer seiner Verfolger auf – das schwache Feuer seiner letzten funktionsfähigen
Laserkanone wurde von den Schilden einfach geschluckt. Wie hypnotisiert starrte er auf den Feind.
‚Deine letzte Chance – letzte Chance – TU ES!!’ Seine Linke tastete nach dem Nachbrennerhebel.
Da warf sich die feindliche Maschine plötzlich herum, und mit einem Aufblitzen ihrer Triebwerke
jagte sie davon, gefolgt von dem zweiten Akariijäger.
Kano starrte ihnen hinterher, unfähig das Geschehen zu begreifen. ‚Was, Wie?’
Die Stimme, die plötzlich über Funk in seine Ohren dröhnte, ließ ihn zusammenzucken: „ALLES IN
ORDNUNG?“ Es war Blackhawk. Dicht gefolgt von Imps Maschine nahm er eine flankierende
Position für Kanos zusammengeschossene Typhoon ein.
„Ja… . Danke. Das war… .“
„Schon gut. Wir lassen einen Kameraden nicht im Stich. Kannst du noch fliegen?“
Kano brauchte ein paar Augenblicke, bis er sich genug gesammelt hatte, um sich auf die
Instrumentenanzeigen zu konzentrieren: „Ich glaube schon. Es dürfte noch knapp bis zur Redemption
reichen. Das heißt, ist sie… .“
Jetzt klang Blackhawks ruhige Stimme grimmig: „Ich habe keine Ahnung. Ein verdammtes
Schlachtschiff hat sie angenommen, das war das letzte, was ich gesehen habe. Finden wir’s heraus!“
Die drei Typhoon – alle mehr oder minder vom Gefecht gezeichnet - machten sich auf den Rückflug.
***************************
Ein sauberer Schlachtplan hatte sich in die Hölle verwandelt.
Ein riesiger Flottenträger der Akarii hatte begonnen seine Raumjäger auszuschleusen. Ebenso ihre
beiden Golf-Class Träger/Kreuzer.
An hinteren Ende des Konvois formierte sich eine Kampfschiffgruppe um der Majestics
entgegenzutreten.
Warum immer ich? Schoss es Lucas durch den Kopf. Wir sind tot, wir sind alle tot.
Er überflog seinen Radarschirm. Ein Großteil der Jäger und Bomber des Trägers stürzte der
Redemption entgegen.
"Commander, wir haben hier ein Problem", ertönte Clarks Stimme aus dem Lautsprecher. Panisch
verzerrt. Was Du nicht sagst., "Wir haben ein Schlachtschiff in unserem Rücken, es feuert
ununterbrochen Raketen."
Nein. "Roger!"
"Lucas, halten Sie um Himmels Willen die Jäger auf, scheißen Sie auf den Konvoi!"
Scheißen? Ja, Du mich auch. Eine Chance, oh verdammt, ich brauch nur eine Chan... "Angles
herhören: Schwadronen Geld, Silber und Gold: Durchbrechen, holt Euch an Frachtern, was nur geht!"
"Was? Das ist Selbstmord, das können Sie von uns nicht verlangen!" Erklang Bäckers Stimme, er
zeigte ähnliche Panik wie Clarke.
Lucas ignorierte ihn: "Die Gruppen grün und rot folgen mir, wir holen uns die Bomber! Jäger sind
Nebensache!"
"Sir, Sie können......"
Bäcker wurde von Raven unterbrochen: "Tallyhoo!" Die Mirages des Goldschwadrons beschleunigten.
Dicht gefolgt von Murphys Griphens und immer mehr von Bäckes Silbernen Mirages.
Das ist der letzte Kavallerieangriff. In Lucas Hinterkopf schrieen zwei Stimmen und versuchten sich
gegenseitig zu übertönen. Die erste schrie ihm direkt ins Gehirn, er solle umdrehen und weglaufen.
Die andere schrie nur ein Wort: Fehler, Fehler, Fehler...
"Tallyhoo!" Erklang Darkness Schlachtruf, als die 23 Terranischen Jäger die doppelte Übermacht der
Akarii stellten.
"Phönix auf die Eskorte, danach durchbrechen!" Wieder war es Darkness.
40 Sekunden später feuerten sieben Phantome jeweils vier Phönix-Raketen ab.
Rene Chantir starrte auf ihren Hauptbildschirm. Nein, so was konnte es nicht geben, so was gab es
nicht mehr. Überholt, ausgestorben, einfach nicht mehr existent.
Und doch bekämpften gerade die Raketen der Agamemnon diese Kuriosität.
"Signaloffizier: An Tripolis und Princeton: Flankeposition für Agamemnon aufrechterhalten.
Rudergänger: Hart Backbord! Wende 180! Äußerste Fahrt voraus!"
Sie ignorierte die Bestätigungen ihrer Offiziere.
Als sich die Agamemnon zur Hälfte gewendet hatte meldete sich der Signaloffizier: "Captain: Anfrage
der Redemption, Zitat: Was machen Sie da für einen Unsinn."
"Antwort an Redemption: Wir holen uns den dicken Pott, bei der Langstreckebewaffnung muss er im
Nahbereich sehr verwundbar sein." Oh mein Gott, was für ein Männerspielzeug.
"Schiffsartillerie: Reketenfeuer! Vektrofeuer nach eigenem Ermessen!" Chantier umschloss das
Geländer vor ihr so fest, dass die Fingerknochen weiß hervortraten.
Clarke sah zu, wie seine hintere Abschirmung sich dem Schlachtschiff zuwandte. War er nur von
Idioten umgeben? Cunningham dieser Idiot hatte seinen Befehl geflissentlich ignoriert und ging eine
weit überlegene Feindheitheit mit 2/5 seines Offensivpotentials an. Womit hatte er - Jefferson B.
Clarke nur sowas verdient.
Die ersten Akarii-Raketen brachen durch den Raketenschirm der Redemption und ihrer Begleitschiffe.
Bald darauf eröffneten die Impulslaser das Feuer. Rote Energiebälle durchpflügten das Weltall.
Dutzende von Atomraketen vergingen wirkungslos in großer Entfernung, doch das unvermeidliche
ließ nicht auf sich warten.
"Kollisionsalarm! Raketen hat Abwehrschirm durchbrochen!" Clarke konnte die ängstliche Stimme
nicht identifizieren. Er klammerte sich am Kartentisch fest.
Dann wurde sein Träger von einer Explosion durchgeschüttelt. Das Aufleuchten war so hell, das der
Monitor dies nicht mehr kompensieren konnte.
Männer und Frauen schrieen erschrocken und verängstigt auf. Er hörte - merkwürdig distanziert - auch
seine eigene Stimme.
"Schadensbericht!" Bellte Auson, ehe er sich von dem Licht erholt hatte.
"Achterschilde halten Ma'am."
"Da kommt die nächste!"
Erneut ging ein Ruck durch die Redemption.
"Schilde achtern bei 40 %!" Meldete der stellvertretende Artillerieoffizier.
Clarks Gehirn fühlt sich an, als habe man es in Watte gepackt.
"Sir, wir sollten ihnen unsere Breitseite zeigen." Clarke erholte sich langsam von dem grellen Licht
und konnte Auson vor sich erkenne.
"Machen Sie es so, unsere Seitenschilde sind stärker."
"Rudergänger: Hart Backbord! 90 Grad!"
"Aye, aye, Ma'am!"
Auson betrachtete den Radar. Lucas Jäger schlugen sich gut gegen die Akarii, doch die hatten jetzt gut
die dreifache Übermacht, die Bomber würde durchbrechen.
"Signaloffizier: An Bakersfield, sie soll sich den reinkommenden Akariijägern in den Weg werfen!"
Sie blickte Clarke kurz an. Diesem blieb nichts anderes übrig als dankbar zu nicken.
***********************************
„Es ist schon merkwürdig“, murmelte Kali im Selbstgespräch, leise genug, um das Kehlkopfmikrofon
nicht zu aktivieren. „Ich fliege da raus in die schlimmste Schlacht meines Lebens. Und ich habe keine
Angst. Ob das die Ruhe vor dem Tod ist?“
Unwillig schüttelte sich die Pilotin, um diesen unsinnigen Gedanken loszuwerden.
Vor ihr flog Commander Cunningham, der Lone Wolf. Sie und Rusty hatten heute die Ehre, seinen
Wing zu bilden. Seit Thomas Andrew alias Pinpoint im Kampf gefallen war, fiel ihrem Wing diese
Ehre recht oft zu. Kali glaubte nicht von sich, ein schlechter Wing Leader zu sein. Oder mit Rusty,
ihrem Wingman einen schlechten Partner erwischt zu haben. Aber die Nähe von Lone Wolf gab ihr
doch Vertrauen. Andererseits hieß es, der Commander hätte seit neuestem einen Knacks weg und
würde vielleicht versuchen, in dieser Schlacht einen spektakulären Heldentod zu sterben.
Sie hatte das mit Ohka besprochen, aber der junge Japaner hatte nur gemeint, es wäre Ninjo.
Als sie wieder einmal eine der seltenen Gelegenheiten genutzt hatte, mit Ace zu reden, hatte der nur
gelacht und gemeint, dass Lone Wolf einen großen Fehler hätte – er stand auf Ruhm. Und Ruhm
genoß man am besten, wenn man selbst noch lebte.
Das hatte Kali eingeleuchtet. Aber würde Lone Wolf für diesen Ruhm vielleicht sie und Rusty opfern?
Sie glaubte nicht daran, aber langsam schlich sich fieser, gemeiner Zweifel in ihr Bewusstsein. Ohne
es zu wollen, beschloss sie darauf zu achten.
Gedankenlos klebte sie an den Flügeln des Commanders. Das Geschehen während des Angriffs bekam
sie kaum mit. Wie es wohl Ace schaffte, derart elegant an seinem Wing Leader dran zu bleiben? Ahnte
er vielleicht die Bewegungen seines Vorgesetzten? Hatte er einen sechsten Sinn dafür entwickelt?
Es hieß ja, die Menschen, die im Weltraum geboren waren, hätten eine besondere Fähigkeit
entwickelt. Sie konnten den Sonnenwind singen hören, sagte man.
Was man genau darunter zu verstehen hatte, wusste Kali nicht. Sie war sich auch nicht ganz sicher, ob
sie es überhaupt wissen wollte.
„Kali?“, kam Lone Wolfs Stimme über den Funk. „Ausgeträumt?“
Verwirrt checkte die Pilotin die Lage. Sie hing noch immer am Flügel ihres Commanders. Die
komplette Staffel war aber eingeschert und hielt nun auf einen gemischten Verband aus Reapers,
Bombern und Bloodhawks zu.
„Bereit, wenn Sie es sind, Sir“, brachte sie gepresst hervor.
„Gut. Phoenix feuern auf mein Zeichen. Drei… zwei… eins… Fox four!“
„Fox two!“, blaffte Kali. „Fox two“, fiel Rusty ein.
Die Raketen lösten sich aus der Aufhängung und jagten zusammen mit der Salve der gesamten Staffel
auf den Akarii-Verband zu. Mit etwas Glück würden einige der Bomber und Blood Hawks bereits von
dieser Salve vernichtet werden oder zumindest mit geschwächten Schutzschirmen aus den Gluten
kommen. Dann hatten sie wenigstens so etwas wie eine Chance.
„Wir kommen auf Duellreichweite. Auf mein Zeichen lösen und angreifen. Ich nehme mir die
Bloodhawks vor. Kali, Rusty, versuchen Sie sich auf die Bomber zu konzentrieren. Jeder verdammte
Bomber, der uns durch die Maschen schlüpft, kann die REDEMPTION gefährden.“
„Aye, Sir“, sagte sie und machte die Amraam scharf.
„Ja, Sir.“ Rusty machte sich ebenfalls feuerbereit. Die Party konnte beginnen.
*
Als sie ihren Typhoon in Stellung gebracht hatte, gab es für Huntress nicht viel zu tun. Sie hatte Zeit,
sich den Kampf anzusehen, den Lone Wolf vom Zaun gebrochen hatte. Die Akarii bildeten einen
Schwarm aus mehreren Staffeln. In diese Formation waren die Jäger der Roten eingebrochen und
trieben einen Keil durch die Jäger bis hin zu den in der Mitte geschützten Bombern.
Doch die Bewegung kam zu spät. Es war deutlich zu sehen, dass diese Attacke die Angriffswelle in
zwei Hälften spalten würde.
Aber die vordere Hälfte würde durchkommen. Auf die RED feuern.
Fast sechzig Maschinen. Die Hälfte Jäger. Das konnten ihre Blauen nicht schaffen. Jedenfalls nicht,
ohne zu sterben.
Das war es also. Das war der Punkt, den jeder Pilot einmal in seinem Leben erreichte. Grimmig spürte
sie die Opferbereitschaft in ihren Gedanken. Die Wut auf die Akarii. Den Willen, so viele wie irgend
möglich mit zu nehmen.
Auf maximale Entfernung feuerten die Bomber ihre ersten Salven Antischiffsraketen ab.
Huntress erschrak. Damit hatte sie nicht gerechnet. Taktischer Fehler. Sie wollte die Nachbrenner
zünden, mitten hinein in den Feindverband und eine zweite Salve verhindern. Aber es zogen gerade
die Jäger an ihnen vorbei. Es wäre Selbstmord gewesen. Sinnloser noch dazu.
Eine Minute später aber kam die Chance. Vereinzelt feuerten einige Bomber bereits die zweite Salve.
Aber der Pulk war durcheinander geraten. Die Jäger konzentrierten sich vorne und hinten. Die Flanken
waren nahezu frei. Dies war die Chance.
„Nur die Bomber! Phönix! Fox four!“, blaffte Huntress. Neben ihr erwachten die anderen drei Jäger
ihres Flights zum Leben. Acht Raketen jagten in den Verband hinein, während die Lt. Commander
bereits auf Nachbrenner ging und hinterher jagte.
Auf der anderen Seite des Verbandes feuerte Rapiers Flight ebenfalls eine Salve Phoenix ab und ging
auf Nachbrenner.
„Tut mir leid, dass ich dir die Hauptlast aufbürde, Demolisher“, murmelte Juliane wie im
Selbstgespräch. „Du wirst die RED alleine retten müssen.“
Schnell hatte der Flight die Linie der Bomber erreicht. Sie kamen als vollkommene Überraschung über
den Feind. Huntress blaffte: „Lösen und angreifen, Foreigner. Hol dir einen!“ Ohne auf eine Antwort
zu warten griff sie selbst einen taumelnden Bomber an, der zu nahe an den Maschinen gewesen war,
die durch die Phoenix-Salven vernichtet worden waren.
Alleine mit den Bordwaffen zerfetzte sie den ungeschützten Bomber. Einer weniger, der die RED
gefährden konnte.
Weitere Bomber vergingen, als die Typhoon Jagd auf die schwerfälligen Maschinen machten.
Eine weitere explodierte, als Foreigner ihr mit einer Amraam und einer Salve aus den Bordwaffen ein
Ende setzte. „Jaaaa! Stirb, du Bastard! Dafür bin ich Pilotin geworden! Das ist der Sinn des Lebens!“
„Disziplin, Foreigner. Es gibt noch mehr als genug Akarii zu töten! Außerdem kommen die Jäger!
Avenger, abdrehen! Sie haben eine Hawk am Arsch!“
„Den schaffe ich noch! Jaaaa, ich… Steige aus, steige aus, steige aus!“
„Sneaker, zu mir. Bleib eng an mir dran, Mädchen!“
„Ich kriege den Bastard. Danach komme ich zu Ihnen rüber, Ma´am.“
„SOFORT, SNEAKER! Die Bomber sind das Ziel!“
„Sie haben da einen Hawk am Arsch, Huntress! Abdrehen, abdrehen!“
Verwirrt sah sie sich um. Dann hörte sie die Zielerfassungswarnung. Verdammt! Sie ging in eine enge
Kehre, feuerte eine Salve Amraams auf einen Bomber, der sichtlich um Kurs und Schirme kämpfte
und stieß Täuschkörper aus. Aber der Akarii war gut, blieb an ihr haften.
„Ich brauche Hilfe! Sneaker, Foreigner!“
„GAZ eine Minute, Huntress.“
„Ich brauche noch länger, Ma´am.“
Wieder jammte die Warnung. Kurz darauf schlugen zwei Raketen in ihren Heckschilden ein. Sie
brachen zusammen. Die heftige Erschütterung trieb die Typhoon aus dem Kurs. Dort wo sie eben noch
geflogen wäre, kreuzten sich die Strahlbahnen der Bordwaffen des Bloodhawks. Sie hatte Glück
gehabt. Aber für wie lange?
Ein Blick auf die Statusanzeige bestätigte ihr: Einen weiteren Treffer würde sie nicht überstehen.
„Steige aus, steige aus, steige…“
„Nicht so hastig, Huntress“, kam Demolishers ruhige Stimme über Funk. „Bin mit meinem Flight
eingetroffen. Oder vielmehr, Ihr habt ihn gerade erreicht. Deinem Verehrer habe ich gerade ne
Amraam verpasst. Der hat keine Lust mehr zum spielen.“
Juliane atmete auf. „Danke, Demolisher. Hast einen gut bei mir. Ich fliege zur RED und hole mir eine
Ersatzmaschine. Du übernimmst das Kommando. Foreigener, Sie bilden mit Sneaker einen Wing, bis
ich wieder da bin. Bis gleich!“
Huntress ging auf Nachbrenner und hielt auf die REDEMPTION zu. Zwei ihrer Leute waren
ausgestiegen, ihre eigene Mühle schrottreif. Aber für den Kampf gegen solch eine Übermacht war das
kein schlechtes Ergebnis.
Andererseits standen sie erst wenige Minuten im direkten Kampf.
Wie es am Ende des Gefechtstages stehen würde, wollte sie gar nicht wissen.
********************************
Am Konvoi
Das Katapult schleuderte Liljas Jäger in die Tiefen des Alls. Sofort nahm sie ihre Position in der
Formation ein. Die Sektion war auf ihrem Platz – alles lief wie geplant. Aber Lilja wußte, daß dies
noch gar nichts bedeutete. Dennoch – hoffentlich war es ein gutes Omen. Sie gab Lightning ihre
Klarmeldung. Der kompakte Verband – immerhin gut sechzig Erdmaschinen – bereitete sich auf den
Angriff vor. Irgendwo dort draußen war nicht nur der Akariikonvoi, sondern auch die beiden anderen
Trägerverbände der TSN. Eigentlich ein beruhigender Gedanke. WENN sie da draußen waren. Und
WENN die Akarii nicht damit rechneten, daß so etwas passieren würde. Mindestens ein „Wenn“
zuviel, für Liljas Geschmack. Aber sie war daran gewöhnt. Und diesmal würde es anders laufen als zu
Anfang des Krieges, als sie mehr als einmal Angriff hatte eskortieren müssen, die mühelos von der
Akariiabwehr zerfetzt worden waren.
Lightning ließ ihren Blick über die Formation wandern. Ja – ihre Staffel war bereit. Dank ihr und auch
dank ihrer beiden Helfer. Na, bloß gut, daß Staffel Blau beim Träger blieb. Sie war sich noch nicht
ganz sicher, ob sie der neuen Staffel und ihrer Chefin ganz vertraute – besser ihnen noch etwas Zeit zu
geben, zu lernen und zu üben. Sie legte ihre Hände entspannt um den Steuerknüppel. Bald würde es
losgehen…
Als der Akariiverband auf den Sensoranzeigen auftauchte, war Lilja wenig überrascht, noch keine
klaren Anzeigen zu haben. Bei der Entfernung – und die Echsen setzten vermutlich ihr ECM ein…
Sie fühlte keine Angst, trotzdem sie sah, daß der Verband GROß war. Die meisten Schiffe würden
Frachter sein, und gegen einen konzentrierten Angriff hatten diese keine Chance. Nicht, daß sie den
Gegner unterschätzte – aber gegen zwei leichte und einen Flottenträger dürften die Akarii wenig
Chancen haben. Die Russin bereitete sich auf den entscheidenden Moment vor. Das eiskalte Gesicht
zeigte ein grimmiges Lächeln – in solchen Augenblicken bot sie mit ihren Narben einen ausgemacht
unangenehmen Anblick. „Lilja an alle – bereitmachen!“
Die Staffelchefin der grünen Schwadron hatte bisher mannhaft alle Bedenken unterdrückt. Vor allem
die bohrenden Zweifel, ob die Feindberührungen ihres Flottenverbandes, immerhin drei an der Zahl,
bei denen die Akarii immerhin acht Maschinen verloren hatten, nicht eine überdeutliche Warnung für
die Echsen waren. Ob diese sich nicht an den Klauen abzählen konnten, daß dort ein Erdträger im
Anmarsch war. Jetzt, im Cockpit, waren die Zweifel so stark wie zuvor. Aber noch schien alles in
Ordnung zu sein. Noch...
Die Anspannung stieg von Sekunde zu Sekunde. Es konnte nicht mehr lange dauern.
Aber als dann der Augenblick kam, waren alle für einen Moment wie gelähmt. Zuviel stürzte auf
einmal auf sie ein. Vor ihnen – ein Flottenträger und zwei Golf-Kreuzer, Schiffe, die für die Abwehr
von Jagdangriffen wie geschaffen waren. Hinter ihnen, in der Nähe ihrer einzigen Fahrkarte nach
Hause, ein SCHLACHTSCHIFF. Daß es bei dem feindlichen Konvoi von Kreuzern und Zerstörern
nur so wimmelte, das entging den meisten – die Lage war ohnehin schon schlimm genug.
Lightning hauchte etwas in ihr Mikrophon – sie wußte selber nicht, ob es ein Fluch, ein Gebet oder
was auch sonst war. Ihr einziger Gedanke war: „Das ist das Ende!“ Und mit einer nicht ganz
rationalen – aber menschlich in gewisser Weise verständlichen – Wut fügte sie hinzu: „Jetzt hat es
Lone Wolf geschafft!“ Sekunden dehnten sich zu Ewigkeiten, während denen die Kampfflieger
unbeirrt ihren Weg fortsetzen, weil keiner auf den Gedanken kam, ihnen einen neuen Kurs zu geben.
Was sollte das auch nutzen? Doch dann hörte sie den Befehl des Geschwaderchefs. Auch wenn sie es
ihm gegenüber nie zugeben würde – und nie ihm dafür danken – so riß dieser scheinbar wahnsinnige
Befehl die Staffelchefin aus ihrer Erstarrung. Sie gab ihre Befehle, in der Gewißheit, daß der Angriff
so gut wie Selbstmord war. Ein intensiver Einsatz der Nachbrenner würde den Treibstoff binnen
kürzester Zeit auffressen, die Jäger recht schnell zur Bewegungsunfähigkeit verdammen – aber
vermutlich würden bald etliche ihrer Jäger sowieso keinen mehr brauchen. Und wenn die Redemption
zerstört wurde, blieb erst recht keine Hoffnung. Also traf sie ihre Entscheidung.
Es war nicht die Hoffnungslosigkeit, die feindliche Übermacht, die Lilja lähmte. Sie hatte schon unter
solchen Bedingungen gekämpft, mehr als einmal. Vielmehr war es gerade diese Erfahrung, wegen der
sie für einen Augenblick wie erstarrt war. Für einen Augenblick – ein Äon – war sie gefangen im
Kerker ihrer Alpträume, in den schrecklichen Erfahrungen aus den ersten Monaten des Krieges. Sie
nahm Lightnings Befehle nur am Rande wahr. Alles was sie fühlte war eine betäubende Müdigkeit.
Würde sie jetzt den selben Weg ohne Wiederkehr antreten, den ihr so viele vorausgegangen waren?
Würde sie jetzt ihrer alten Staffel folgen? Für einem Moment war ihr, als würde ihr Herz stocken, sie
keine Luft mehr bekommen.
Aber dann loderte wieder der alte Haß in ihr auf. Ja, vielleicht, sicher würde sie in diesem Kampf
fallen. Aber nicht, ohne vorher noch ein paar der verdammten Echsen mitzunehmen! Sie würde nicht
klein beigeben, um KEINEN Preis. Nicht vor denen! Ihre Stimme klang emotionslos – als tobte nicht
ein Widerstreit von kalter Furcht und brennendem Haß in ihrer Brust: „Sektion greift an!
Flankierungsmanöver – JETZT!“ Und die vier Typhoon traten an, vermutlich zu ihrem letzten Angriff.
Lilja vergeudete kaum einen Gedanken an die Jagdbomber, die einen quasi selbstmörderischen Angriff
flogen. Sie selber hatte mit allem abgeschlossen. Jetzt kam es nur noch darauf an, so lange wie
möglich zu überleben – um so viel wie möglich zu töten. Tote interessierten sich nicht für andere Tote.
Sie fühlte eine Träne über ihre Wange rinnen. Imp – ihre einzige Freundin – würde mit ihr sterben.
Ihre Familie, ihr Freund, der letzte Überlebende ihrer Staffel, würden niemals ein Grab haben, an das
sie gehen konnten. Sie, Lilja, würde verbrennen in der eisigen Kälte des Alls. Dann biß sie das
Selbstmitleid weg. Es war so gekommen – nun mußte sie ihren Weg zu Ende gehen. Die weiße Lilje
würde nicht kampflos aufgeben, wie ein Kaninchen zitternd vor dem nahenden Tod!
Lautlos, tödlich, rasend schnell – so kamen die Typhoon über den Feind. Die Akarii versuchten noch,
sie abzufangen, aber hier bewährte sich einmal die legendäre Wendigkeit und Geschwindigkeit der
Abfangjäger. Der Feind hatte wohl eher mit einer Blockformation gerechnet, nicht mit einem
Selbstmordangriff. Das Feuer der Akarii lag ungenau – aber das würden die Echsen sicherlich bald
korrigieren. Dennoch, für den Moment brachen die agilen Angreifer durch, stürzten sich wie die
Falken auf ihre Opfer. Flight Sechs hing etwas zurück, deckte den Rücken von Lilja und Perkele. Der
Finne hatte ausnahmsweise keine launige Bemerkung parat. Liljas Aufforderung: „Bleib an meinem
Flügel!“ quittierte er mit einem knappen Grunzen – und er verstand es, seine Maschine zu führen.
Die Nachbrenner verschlangen den Treibstoff, aber gleichzeitig beschleunigten sie die Kampfflieger
auf eine enorme Geschwindigkeit, machten es fast unmöglich, sie abzufangen. Sie stießen mitten
hinein in den Pulk der Bomber und Jagdbomber. Lightning mußte an etwas denken, was sie vor vielen
Jahren gelesen hatte: „Noch einmal stürmt, noch einmal!“ wie war das noch mal gewesen? „Der
Teufel soll die Ordnung holen! Ich stürz mich ins Gedränge und kürz die Schmach, die Schande – mit
meines Lebens Länge!“ Ach ja, Henry V., ein altes Theaterstück. Nun, es mußte wohl so sein.
Vermutlich würde niemals jemand auf der Erde erfahren, was hier geschehen war. ,Auch egal! Tun
wir so, als wäre es für ein Heldendenkmal!’ Sie lächelte wie gefroren. Des Lebens Länge einiger
Akarii würde sie noch abkürzen, ehe ihr eigenes endete!
Lilja hatte sich wieder gefangen. Ruhig und gelassen dirigierte sie ihre Sektion. Die Entfernung zu den
schweren Akariimaschinen nahm schnell ab: „Ignoriert die Deltas! Wir müssen die Bomber und Jabos
vernichten!“ Nun, es war bestimmt nicht leicht, einen Sturmjäger zu ignorieren, der genug Feuerkraft
hatte, um einen Jäger binnen Kurzem in Trümmer zu schießen. Der einzige Vorteil der Erdjäger war
ihre höhere Geschwindigkeit. Aber das würde ihnen wenig gegen die Bloodhawks helfen, die
zusammen mit den Deltas die Sicherung der Bomber übernahmen. Jedenfalls nicht auf lange Sicht.
Aber im Moment schienen die Akarii überrascht – ein tödlicher Fehler im Krieg. Das mochte auch an
den Schwärmen der Phönix-Raketen liegen, mit denen sie von den Phantome-Jägern bedacht wurden.
Lightnings Staffel nutzte die Gunst der Stunde.
Lilja registrierte, daß ihre Sektion das Feuer eröffnet hatte. Die Akarii feuerten, augenblicklich noch
eher unkoordiniert, zurück. Die Russin ließ ihren Jäger etwas taumeln, um sowohl den
Abwehrschützen als auch eventuellen Verfolgern das Zielen zu erschweren. Ihre Zielerfassung hatte
eine Avenger als Primärziel markiert – eine weitere als sekundäres Opfer. Sie zögerte noch – auf weite
Entfernung schoß sie mit Raketen nicht besonders gut. Erst als ihre Bordwaffen bereits das Feuer
eröffneten, feuerte sie auch zwei Sparrow-Raketen ab. Die schlanken Flugkörper überbrückten die
Entfernung in wenigen Sekunden – viel zu wenig Zeit, um noch angemessen zu reagieren. So gesehen
war es eine Unterforderung, die Mittelstreckenraketen erst auf diese Entfernung einzusetzen, aber es
hatte auch seine Vorteile. Ein Grund, warum viele Piloten ähnlich vorgingen - Kano vermutlich auch,
der wie sie nicht gerade ein Scharfschütze mit den Lenkwaffen war. Die Raketen trafen die durch das
gnadenlose Dauerfeuer zermürbten Schilde. Einschlag, Explosion – aus. Neben ihr vollzog Perkele ein
ähnliches Vernichtungsritual. Blitzschnell schaltete sie die Zielanzeige um und feuerte auf ihr
Sekundärziel zwei Amram ab. Doch diesmal konnte der Akarii der Vernichtung entgehen – wenn auch
ziemlich knapp. Er hatte gesehen, was für ein Schicksal seinen Kameraden ereilt hatte, und war
vorgewarnt. Ein gekonntes Ausweichmanöver – kaum glaublich bei einer eher „faulen“ Maschine wie
der Avenger – hängte eine Rakete ab. Die zweite traf allerdings, ließ die Schilde aufleuchten. Lilja
hämmerte unablässig auf den Gegner ein, während sie immer näher kam, und ihn schließlich mit
Höchstgeschwindigkeit überholte. Der Akarii war getroffen – aber nicht vernichtet. Vielleicht würde
er sich zu seinem Träger zurückschleichen müssen – im Heck hatte er einige schwere Treffer kassiert
– doch noch war er nicht wehrlos. Seine Geschütze deckten Lilja unangenehm präzise ein – nur ihre
hohe Geschwindigkeit und die begrenzte Reichweite der feindlichen Waffen rettete sie.
Die junge Russin unterdrückte ihren Fluch nicht. Bei den Heckschilden saß es übel aus. Diesen
Bastard würde sie sich noch holen. Sie öffnete einen Funkkanal, während sie das von Lightning
befohlene Manöver durchführte: „Auf ein Neues! Flight Sechs – haltet uns ein wenig den Rücken
frei!“ Sie ignorierte die besorgniserregende Anzeige auf der „Treibstoffuhr“ und brachte ihre
Maschine erneut auf Angriffskurs.
***********************************
Die Warnung kam fast gleichzeitig mit den ersten Einschlägen: „Bloodhawks!“ Die feindlichen Jäger
waren diesmal auf der Hut – noch einmal würden sie sich nicht überraschen lassen. Mehr aus einem
Reflex heraus stieß Lilja sofort Täuschkörper aus. Das rettete ihr wohl für den Augenblick das Leben,
denn keine Sekunde später beutelte eine Explosion die Typhoon. Ein schneller Blick verriet ihr, daß
zumindest ihre Sektion in Schwierigkeiten war. Für den Rest der Staffel hatte sie keine Zeit. Flight
Sechs war mit mindestens zwei Akarii in ein Gefecht verwickelt, und eine Echse hing hinter ihr. Die
Geschütze des Aliens leuchteten auf, und eine erneute Serie von Treffern erschütterte ihr Schiff. Die
Erdjäger tanzte wie wahnsinnig hin und her, um den gleißenden Energiebahnen zu entgehen. „Perkele!
Schaff‘ uns der Kerl vom Hals!“ brüllte Lilja – die selber genug damit zu tun hatte, zu überleben. Im
nächsten Augenblick gab es eine spektakuläre Explosion. Sie hörte die Stimme ihres Flightkameradenmit
deutlich spöttischem Unterton: „Keine Angst – erledigt.“ Zumindest in diesem Augenblick war
Lilja bereit, die gespielte Überheblichkeit ihres Begleiters zu ignorieren. Der Finne hatte entweder
seine Raketen so programmiert, daß sie den dicht hinter den beiden Erdjägern fliegenden Akarii voll
im Bug getroffen hatten – die Zielerfassung erlaubte es ja, Flugkörper auch „rückwärts“ abzuschießen,
sie schlugen dann einen Bogen – oder er hatte eine scharfe Wende vollführt. Und der Akarii, vom
Jagdfieber ergriffen, hatte zu spät reagiert. Vielleicht war er ein Neuling, ein noch unerfahrener Pilot,
vielleicht hatte ihm nur noch ein Abschuß für einen Orden gefehlt, oder er hatte sich aus Haß zu sehr
auf sein augenblickliches Opfer konzentriert. Eine nicht seltene Todesursache für Piloten.
Liljas Jäger saß jedenfalls übel aus. Ein Treibstofftank leckte – glücklicherweise war er nicht
explodiert, etliche Systeme waren als „unklar“ angezeigt, mit anderen Worten, man konnte nur raten,
ob sie noch liefen. Das Triebwerk gab sehr ungesunde Geräusche von sich und bereitete sich wohl
darauf vor, beim nächsten Vollschubmanöver den Dienst aufzukündigen. Die Russin öffnete einen
Kanal zu ihrem Begleiter: „Angriff alleine fortführen. Ziel die Bomber.“ Perkele protestierte: „So bist
du eine Zielscheibe für jeden verdammten Akarii.“ Liljas Nerven lagen bloß: „Verpiss dich, oder ich
knalle dich persönlich ab!“ zischte sie: „Jetzt ist nicht der Zeitpunkt für Selbstlosigkeit! Für deinen
verdammten Befehl aus!“ Der Finne schwieg – ob er ihre Worte ernst nahm, war zweifelhaft, mehr
noch, ob sie ihn schreckten. Aber es gab andere Gründe: „Viel Glück!“ Dann jagte die Typhoon
Perkeles davon. Lilja blickte ihm nur einen Augenblick nach und schaltete das Funkgerät ab: „Wir
sehen uns auf der anderen Seite.“
Sie konnte sehen, daß es keineswegs gut lief. Auch wenn sie von hier aus nicht beurteilen konnte, wie
es der Redemption mit dem Schlachtschiff erging, so war nur zu deutliche zu erkennen, daß die
Staffeln Rot und Grün nicht ausgereicht hatten, die Akarii zu stoppen. Während sich die Eskortjäger
der Echsen mit den übrig gebliebenen Erdjägern herumschossen, war der etwas gerupfte
Bomberverband auf dem Weg zum Träger der TSN. Und ob die Begleitschiffe der Redemption und
die eine Staffel, die noch zur Abwehr eingesetzt werden konnte – und die sowieso von einer
unerfahrenen Befehlshaberin geführt wurde – etwas daran zu ändern vermochten, war fraglich. Die
Mirage und Griphen waren offenbar in harte Kämpfe verwickelt, und ungewiß war wohl nur der
augenblickliche, nicht der längerfristige Ausgang. Lilja überflog die Anzeigen: kaum Energie, kaum
Treibstoff und eine Liste von Schadensmeldungen, die durchzugehen ihr sowieso die Zeit fehlte. Sie
war definitiv „draußen“. Das nächste Gefecht mit einem Akariijäger würde ihr letztes sein. Allerdings
– sie hatte auch wenig Neigung, in Gefangenschaft zu gehen. Im Augenblick war sie ziemlich allein,
die Kämpfe hatten sich etwas verlagert - immer näher an die Redemption und ihre Begleitschiffe
heran. Sie fluchte noch einmal inbrünstig, dann nahm sie Kurs auf den alten Zeus-Träger. Dort, in dem
Durcheinander der Gefechte, konnte sie vielleicht noch etwas ausrichten. Ehe das Ende kam. Und da
sah sie ihn.
Der Avenger hatte offenbar schon bessere Tage gesehen. Die Panzerung war verwüstet, mit
Brandspuren gezeichnet. Die Schilde waren laut Anzeige alles andere als im Bestzustand, und der
Bomber schlich eher, als daß er flog. Verhältnismäßig gesehen, natürlich – dieses Kriechen wäre für
ein Atmosphärenflugzeug immer noch unerreichbar gewesen. Offenbar hatte der Akarii einen
schweren Angriff überstanden. Sein Pilot hatte sich aber nicht entschieden, zum Träger
zurückzukehren – wohl von der Tatsache ausgehend, daß die sechs Schiff-Schiff-Raketen eines
Bombers manchmal entscheidend seien konnten. Deshalb hinkte er seinem Verband hinterher. Wie so
viele Menschen und Akarii gab er einfach sein Bestes, um seiner Heimat zu dienen.
Lilja lächelte grausam. Eine pflichtbewußte Echse! Nun, das schrie geradezu nach einem
Heldenbegräbnis. Anders als einige Kameraden gab es für sie bei einem Akarii nichts, was irgendwie
Anerkennung verdiente – und es war noch besser, eine tapfere Echse zu töten, als eine feige. Wobei
man sie auch bei letzterer nicht hätte bitten müssen. Die Russin versicherte sich, daß die Zielerfassung
stand – dann hieb sie auf den Feuerknopf für ihre Raketen. Nichts passierte.
Sofort hämmerte sie erneut auf den Auslöser – wieder nichts. Sie versuchte es manuell. Ebenfalls
Fehlanzeige. Die Abschußvorrichtung mußte irgendwie defekt sein. Vielleicht waren die Zündkabel
beschädigt, jedenfalls fielen ihre stärksten Waffen, die eine vergleichsweise große Reichweite hatten,
aus. Mit einer gotteslästerlichen Verwünschung fuhr sie das Triebwerk ihrer Maschine so weit hoch,
wie überhaupt noch möglich. Der Akarii würde ihr nicht – würde ihr in keinem Fall entkommen.
Drüben bemerkte man sie natürlich. Der Reichweitenvorteil ihrer Bordwaffen nützte ihr wenig,
angesichts ziemlich ramponierter Zielerfassung. Sie mußte näher heran, und ohne Zögern entschied sie
sich. Mit zusammengebissenen Zähnen begann Lilja den Angriff. Das war kein Blitzangriff, kein
Passierflug – sie war nicht sehr viel schneller als ihr Gegner. Es war vielmehr ein brutales aufeinander
Einprügeln, bei dem allein das Glück entschied, wer verlor. Das Abwehrfeuer des Bombers lag exakt
im Ziel, ungeachtet Liljas Ausweichmanövern. Auf der anderen Seite ließ sie sich vom unbeholfenen
Taumeln ihres Gegners ebensowenig irritieren. Hätte der feindliche Beschuß ihr Heck getroffen – sie
wäre vermutlich sofort zerfetzt worden. Aber am Bug waren Panzerung und Schilde noch am
stärksten. Und ihre Feuerkraft war der des Gegners durchaus gewachsen. Stur blieb der Akarii auf
Kurs. Erfüllt vielleicht von fanatischem Haß, tiefer Liebe für seine Heimat oder unerbittlichem
Pflichtgefühl. Aber ebenso fanatisch blieb auch Lilja auf Kurs, feuerte Salve um Salve ab und
ignorierte die Schäden, die die feindlichen Waffen anrichteten. Sie hätten beide versuchen können,
aufzugeben. Lilja hätte abdrehen können und hoffen, daß der Akarii nicht ihre papierdünne
Heckpanzerung zerfetzte. Ihr Gegner hätten seine Schiff-Schiff-Raketen ausklinken können, um sich
so besser seiner Haut zu wehren. Aber bei beiden hätte dies Schwäche gegenüber dem Feind bedeutet,
die Nichterfüllung des Kampfauftrages. Und dazu war keiner bereit.
Eine neuerliche Salve ließ den Erdjäger erbeben, stärker diesmal. Lilja registrierte noch, daß ein
weiteres Warnlämpchen aufleuchtete, dann versank für eine Sekunde alles in Dunkelheit. Irgend etwas
traf sie mit der Wucht eines Vorschlaghammers, eine rasende Welle der Finsternis und des Lichts
zugleich schien das Cockpit zu überfluten. Als sie die Benommenheit wegblinzelte, war nur ein
Augenblick vergangen.
Aus der rechten Cockpitwand leckten Flammen, tasteten nach ihrem Sitz, ihrem Körper. Die
Armaturenanzeige war ein einziges Meer von Rot und Gelb – Systeme die Alarm gaben oder vor
möglichen Problemen warnten. Sie spürte einen stechenden Schmerz in der rechten Brustseite. Die
letzte Salve des Akarii mußte ihren Jäger mit voller Wucht getroffen haben – ein Wunder, daß sie
noch lebte, das Cockpit noch Luft hatte. Das Triebwerk jaulte nur noch leise vor sich hin. Ihr wurde
klar, daß die Löschanlage sich weigerte, den Betrieb aufzunehmen – wenn kein Wunder geschah, war
sie verloren. Der Akarii mußte sie – verdammt!
Lilja konzentrierte sich. Nur noch EINS zählte – diese verdammte Echse zu vernichten. Ihr Gegner
entfernte sich von ihr, sein Feuer lag zunehmend ungenau. Auch er mußte schwere Schäden erlitten
haben. Aber wenn sie nichts unternahm, würde er entkommen. Sie schrie sich selber an, krampfte die
Hand um den Steuerknüppel. Alles in ihr verlangte nach Rache. Als sie erneut das Feuer eröffnete –
der Avenger hatte sie wohl schon abgeschrieben – verbannte sie den Schmerz aus ihren Gedanken,
registrierte kaum, daß sie selber schrie, vor Wut und vor Schmerz. Sie visierte den Feind an – und
löste die Waffen aus. Zwei, drei Salven jagte sie dem Feind hinterher. Traf. Und vernichtete. Eine
Explosion, die dem Bomber die Flanke aufriß, Atemluft, die austrat und das Feuer für einen
Augenblick entfachte, eine zweite Detonation, als an Bord irgend etwas hochging – vielleicht eine der
Raketen auf Grund eines Kurzschlusses. Es war ein kurzer, aber spektakulärer Abgang, Todesfanal für
drei pflichtbewußte Soldaten. Aber an ihrem Grab würden sich nie morgen die Gegner von heute die
Hand reichen, um eine neue, friedliche, bessere Zukunft zu beschwören. Zu tief saß der Haß.
Die junge Russin wimmerte, während sie sich in ihrem Pilotensitz wand. Das Feuer hatte längst ihren
Anzug erreicht, fraß sich in ihre Seite. Das ganze Universum schien nur noch aus diesen Flammen zu
bestehen, die an ihrem Körper emporzüngelten. Sie riß sich vom Sitz los, warf sich nach vorne auf das
Armaturenbrett. In der Enge des Cockpits gab es kein Entrinnen. Blindlings tastete sie über die
Schalttafel.
Sie wußte später nicht, WAS es genau gewesen war. Vielleicht Zufall, vielleicht hatte sie ein
Notprogramm gestartet, mehr unbewußt. Jedenfalls nahm die Bordlöschanlage auf einmal den Betrieb
wieder auf. Das Feuer war binnen kurzem erstickt – Lilja konnte dies freilich kaum fassen. Sollte sie
tatsächlich noch einmal davonkommen? Sie hatte schon damit gerechnet, daß dies ihr letzter Flug
geworden wäre. Aber wenn sie viel Glück hatte, und es zum Träger zurück schaffte, und wenn der
durchkam, dann hatte sie VIELLEICHT noch eine Chance. Würde erneut fliegen und kämpfen
können.
Sie biß sich auf die Lippen, fest, um einen Schrei zu ersticken. Auch wenn das Feuer erloschen war –
ihre rechte Körperseite schien noch immer zu brennen. Der Schmerz wütete in ihr, ließ jeden Atemzug
zur Qual werden. Sie mußte alle Kraft darauf verwenden, nicht ohnmächtig zu werden. Streckenweise
lallte sie Lieder – Kriegslieder oder kindliche Jugendverse – vor sich hin, um sich abzulenken. Oder
sie fluchte, verwünschte die Akarii, Menschen, denen sie begegnet war. Aber sie rief nicht um Hilfe –
denn wer hätte sie hören können? Daß ihr Blut über Kinn und Hals lief – sie hatte sich die Lippen
blutig gebissen, um nicht zu schreien – nahm sie gar nicht wahr.
Liljas Jäger taumelte durch den Raum, nur noch ein schwacher Abglanz der todbringenden
Hochgeschwindigkeitsmaschine, die er vorher gewesen war. Nicht viel mehr als ein Wrack – und doch
brachte er sie nach Hause. Wie der Kampf weiterging – sie wußte es nicht. Sosehr sie es auch danach
verlangte, es zu erfahren, sie konnte einfach nicht auch nur eine Sekunde ihre Aufmerksamkeit von
sich selbst und ihrem Schmerz weg auf dieses Problem richten – sie wäre zusammengebrochen. So
konzentrierte sie sich allein darauf, ihren Jäger zu steuern und gegen den Schmerz anzukämpfen. Als
sie die Maschine schließlich aufsetzte, ließ sie sich mit einem fast zufriedenen Seufzer in die
Dunkelheit gleiten. Alles, nur um diese Qualen zu vergessen...
Die Techniker, die sie aus dem Cockpit des wracken Jägers befreiten, trugen sie auf einer Bahre zur
Krankenstation. Ein dünnes Rinnsal Blut sickerte aus Liljas Mundwinkeln und verlor sich an ihrem
Hals. Das Gesicht war wachsbleich, die Uniform über der rechten Seite vom Feuer zerfressen, man sah
das verbannte Fleisch. Kaum einer nahm Notiz davon – der Verwundeten waren so viele, und nicht
weniger hatten es überhaupt nicht zurück geschafft.
***

__________________
Ace Kaiser,
Angry Eagles

Corrand Lewis,
Clan Blood Spirit

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03.11.2015 22:56 Ace Kaiser ist offline E-Mail an Ace Kaiser senden Beiträge von Ace Kaiser suchen Nehmen Sie Ace Kaiser in Ihre Freundesliste auf
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„Angels herhören: Schwadronen Gelb, Silber und Gold: Durchbrechen, holt Euch an Frachtern, was
nur geht!"
Martell wollte seinen Ohren nicht trauen, aber nach kurzer Überlegung nickte er beifällig, das konnte
funktionieren.
„Jaguar Staffel, hier Jaguar Lead. Ihr habt es gehört. Kopf einziehen und vorwärts!“
Dann schaltete er auf den Kanal zu den beiden Führern der Miragestaffeln.
„Ok, würde vorschlagen, wir geben euch Deckung und spielen anschließend Aasgeier.“
„Klingt nach einem Plan. Gold geht zuerst rein, Silber folgt und ihr sammelt den Rest ein. Wenn wir
die Mavs los sind, Angriff nach Flights.“
„Verstanden. Dann zeigt mal, was in euren lahmen Kisten steckt.“ Martell grinste.
Statt zu antworten beschleunigten die Miragestaffeln.
„Jaguar Staffel, zusammenbleiben. Gebt den Mirage Deckung. Wenn der Feind Jäger hier rumfliegen
hat, beschränkt euch auf defensive Aktionen. Wartet mit dem Hydraeinsatz, bis die Mavericks Ziele
angeschlagen haben. Angriffsformation einnehmen.“
Murphy beschleunigte seine Maschine und schloss leicht zu den Mirage auf. Ihm war klar, dass selbst
ohne Feindjägerpräsenz die feindliche Flugabwehr eine ernsthafte Bedrohung für die Jäger waren.
Der Feind hatte den Träger in die Mitte seines Verbandes gestellt, die Golfkreuzer lagen am vorderen
und hinteren Ende. Dazwischen zogen in drei Reihen die Frachter und Transporter wie an einer
Perlenkette in enger Formation. Ein recht effektives Arrangement, wie Martell befand. Das starke
Flakfeuer stellte die Angreifer vor eine schwere Wahl. Einerseits durfte man nicht zu eng fliegen,
ansonsten würde ein Fehlschuss den Nebenmann erwischen. Andererseits bedeutete eine zu weite
Formation, dass man noch mehr Flakfeuer aushalten musste, weil noch mehr Schiffe in Reichweite
lagen, außerdem barg eine weite Formation immer die Gefahr, dass der Angriff nicht mit der nötigen
Konzentration an Feuerkraft vorgetragen wurde.
Daher wurde nach allgemein gültiger Doktrin der Mittelweg gewählt. Zusätzlich begannen die
Formationen, sobald sie in Reichweite der Flak kamen, nach Zufallsmustern, die vom Bordcomputer
vorgeschlagen wurden, auszuweichen. Dann begannen die Mirage, das Feuer zu erwidern. Murphy
erkannte sofort, dass Raven es auf die Truppentransporter abgesehen hatte, während Bäcker eher auf
die kleineren Frachter zielte. Er traf seine eigene Entscheidung:
„Jaguars, auf Ziel Tango 6 konzentrieren. Ich will, dass dieser Pott brennt.“
Ein Chor von Rogers antwortete ihm, und er meinte, vor allem Kampfgeist und nur wenig Angst
heraushören zu können. Tango 6 war der Truppentransporter, der am Rande der Feindformation lag.
Dann schlugen die Mavericks in der Feindformation ein. Einige erzielten Treffer, andere wurden im
letzten Moment abgefangen. Eine der Raketen, die auf Tango 6 gezielt war, explodierte vorzeitig, als
ein Akarii Bloodhawk sich rettend in die Flugbahn warf. Der Feuerball zeriss die Maschine in Atome,
so dass kein nennenswertes Trümmerteil übrig blieb.
„Achtung, Feindjäger! Augen auf!“
Dann fegten die Mirage der Goldstaffel über Tango 6, der immerhin einen Treffer kassiert hatte,
hinweg, aber nicht ohne Grüße mit den Bordwaffen zu übermitteln. Murphy aktivierte die Hydras und
schaltete auf Doppelfeuer. Der Pott schien eine Menge auszuhalten. Plötzlich schüttelte ihn eine
Explosion durch.
„Verdammt, was war das?“
„Habe zu spät Störkörper abgeworfen, sorry.“ meldete sich Gladius.
„Schäden?“
„Keine, hat alles der Schild abgefangen.“
„Gut, Feuer frei!“
Murphy jagte zwei Salven Hydras in den Rumpf des Truppentransporters, dann riß er die Maschine
hoch und warf sie in eine Fassrolle, um Schüsse von der Seite zu erschweren. Nach wenigen
Momenten zog er ein zweites Mal am Steuerknüppel und dirigierte so seinen Jäger vom Feind weg.
Jetzt erkannte er, dass in der Tat eine Staffel Bloodhawks im Konvoi versteckt war. Glücklicherweise
lagen die Griphen direkt auf dem Abfangkurs, den die Abfängjäger auf die Mirage der Staffel Silber
genommen hatte.
„Raven, Bäcker, wir kaufen uns die Jäger.“
„Ok, haltet uns die Läuse vom Pelz.“
„Jaguars, neuer Plan. Konzentriert euch auf die Jäger, die Mirage dürfen nichts abbekommen. Angriff
in Staffelformation, danach Break Up nach Paaren.“
Murphy beobachtete, wie die Akari, ebenfalls in Formation auf, auf die Jaguars zukamen. Doch subtile
Kurskorrekturen bei den Echsen zeigte ihm, dass sie nach wie vor hinter den Mirage herwaren. Wenn
es nach Murphy ging, würden sie hierfür einen hohen Preis zahlen.
„Jaguars, Nachbrenner aktivieren!“
Wie von einem gewaltigen Hammerschlag getrieben jagten die Griphen durch das All. Der Feind
reagierte, aber nicht schnell genug. Noch bevor die Akari ihre Formation richtig ausgerichtet hatten,
jagten die Griphen wie ein Pack hungriger Wölfe in den Feind. Lichtblitze zuckten, als die Bordwaffen
der Mehrzweckjäger zum Einsatz kamen. Dann war der Angriff auch schon wieder vorüber.
Martell riss in einer halsbrecherischen Steilkurve seine Maschine herum. Noch mit Überschussschub
vom Nachbrenner ausgestattet, wurden die Trägheitsdämpfer bis an ihre Belastungsgrenzen gebracht.
Aus den Augenwinkeln konnte er erkennen, dass Gladius Mühe hatte, ihm zu folgen. Da! Ein Akarii,
der nicht schnell genug reagiert hatte, zeigte Martell sein Hinterteil. Ohne zu zögern schoß Murphy
seine beiden Sidewinder ab, die den überraschten Feind aus kürzester Entfernung trafen und ihn in
Stücke rissen.
„Ruhe in Frieden.“ murmelte Martell leise genug, damit es nicht über den Äther ging. Gladius hatte
indessen wieder aufgeschlossen.
„Guter Schuss, Sir.“
„Danke, verdammt, die lassen sich überhaupt nicht beeindrucken.“ Erst jetzt bemerkte Murphy, dass
nur vier der Jäger zurückgeblieben waren, die anderen Bloodhawks schossen mit maximalem Schub
auf die Mirage zu. Immerhin hatten die vier Maschinen, die die Ablenkung besorgt hatten, den Preis
mit ihrer Vernichtung gezahlt.
„Hinterher, bevor es den Bombern an die Wäsche geht!“
Murphy aktivierte erneut den Nachbrenner, aber er erkannte, dass es zu spät sein würde. Die Akari
trafen als erste bei den Mirage ein, die dichtgepackt in einer engen Formation flogen. Doch die
konnten auf sich selbst aufpassen. Das Feuer aus den Bordgeschützen der beiden Staffeln verwüstete
die acht Bloodhawks, die überdies das Pech hatten, dass die Formation durch den Angriff der Jaguars
zerrissen worden war. Drei der acht Abfangjäger wurden sofort zerstört, ein vierter war offensichtlich
kampfunfähig, weil seine Triebwerke sich verabschiedet hatten. Die übrigen Maschinen waren alle
zumindestens leicht beschädigt. Aber ihr Angriff hatte ebenfalls einen gewissen Erfolg. Zwei der
Mirage waren schwer beschädigt, so schwer, dass die Crews aussteigen mussten.
„Scheiße,“ fluchte Murphy, „Schnappt sie euch, bevor sie ihre Raketen hinter den Bombern
herschicken können.“
Die Griphen jagten hinter den verbliebenen Bloodhawks her, doch diesmal gelangt es den Akarii,
ihren Häschern zu entkommen. Alle vier Jäger feuerten ihre Raketen auf die Bomber ab. Zwei Mirage
konnten dem Beschuss ausweichen, in dem sie scharfe Kurven flogen und Störkörper abwarfen. Die
beiden anderen Ziele hatten nicht so viel Glück. Einer Mirage wurde die gesamte Heckpartie förmlich
abgeschnitten, nur Sekunden später explodierte sie in einem großen Feuerball. Der Flügelmann
versucht einen Turn gegen die Flugbahn der Raketen, doch diese waren schneller. Eine übertriebene
Korrektur eines Flugkörpers sorgte dafür, dass dieser nicht im Triebwerksauslass, sondern direkt am
Cockpit explodierte. Die Crew der Mirage hatte keine Chance. Wütend biss Murphy auf die Zähne. Er
zwang seine Maschine in eine enge Kehre und versuchte seinerseits wieder auf die 6 Uhr Position des
nächstgelegenen Feindes zu kommen. Doch bevor er die Bloodhawk im Visier hatte, explodierte sie
durch konzentrierten Beschuss von Seiten Snake Bites und ihres Flügelmannes Tango. Aus den
Augenwinkeln sah Murphy, wie Thunder einen zweiten Jäger abschoss. Damit blieben nur zwei
Maschinen, die beide jeweils von zwei Griphen verfolgt wurden. Dann stockte Murphy der Atem. Die
Maschine, vor Crimson und Wombat floh, blieb plötzlich im Raum stehen und die beiden terranischen
Jäger schossen an ihm vorbei. Plötzlich waren die Rollen von Jäger und Gejagtem verfolgt und der
Akari lies sich nicht lange bitten. Er schoss zwei ungelenkte Flugkörper ab, denen Wombat nur knapp
ausweichen konnte. Dann setzte die Echse mit Bordwaffen nach und demolierte die Heckschilde des
Griphens, der keine Chance hatte, den wendigeren Verfolger abzuschütteln. Martell sah, wie Snake
Bite und Tango hinter dem Bloodhawk herstießen, um ihren Flightkameraden zu entsetzen. Auch
Crimson hatte sich von dem Schock erholt und versuchte seinen Wingman zu retten. Doch sie kamen
zu spät. Wombats Panzerung löste sich unter den gutgezielten Schüssen des Akari auf und im letzten
Moment bevor die Maschine zerstört wurde, schoss sich Wombat aus dem tödlich getroffenen Jäger
heraus.
Doch der Akari konnte seinen Triumph nicht genießen. Snake Bite ware eine ungleich bessere Pilotin
als Wombat, erfahren genug, um nicht auf einen Trick wie eine Vollbremsung hereinzufallen.
Aufgrund der Unterstützung durch Tango und Crimson, die die Fluchtvektoren abdeckten, war es dem
Akari unmöglich, die überlegene Wendigkeit seiner Maschine auszuspielen, weil ihn dies in das
Schussfeld der beiden anderen Griphen gebracht hätte. Erbarmungslos feuerte Snake Bite auf den
Bloodhawk wieder und wieder ein, bis sich der Heckschild nicht länger widersetzte. Dann fraßen sich
die Bordgeschütze durch die dünne Heckpanzerung des Akariijägers wie ein heißes Messer durch die
Butter. Anders als sein Opfer hatte der Akarii nicht die Chance auszusteigen. Als er in einem letzten
verzweifelten Manöver die Maschine hochzog, flog er direkt in die Visierlinie von Crimson, der keine
Moment zögerte und seine Strahlenwaffen direkt in das Cockpit des Feindes lenkte.
*******************************
In Keilformation schossen die Agamemnon, die Tripoli und die Princeton auf das riesige
Akariischlachtschiff zu, welches den beiden Zerstörern und dem Kreuzer an Tonnage überlegen war.
Noch immer feuerte das Schlachtschiff seine Antischiffsraketen auf den Hauptverband der
Redemption ab, der sich langsam auf die Seite legte.
Die Drei angreifenden terranischen Schiffe versuchten zwar so gut es geht mit ihren Sparrows und
Ammrams die Verteidigung der Redemption zu unterstützen doch ging einiges an Wirkung verloren.
Schließlich jedoch sah man auf dem Akarii-Schiff die Bedrohung und splittete das Feuer auf.
Besonders die Tripolis kassierte mehrere Treffer.
Dann schwenkte auf dem Vordeck des Schlachtschiffes ein Geschützturm herum. Die Läufe glühten
azurblau auf und kurz darauf wurden zwei Energiebälle ins All geschleudert.
Beide Energiebälle verpufften wirkungslos am Schild der Tripolis.
Auf allen drei Schiffen wurde der Einsatz einer gegen Schilde wirkungslosen Magnetkanone als
Zeichen der Verzweiflung der Akarii aufgefasst.
Die Akarii hielten das Feuer der Magnetkanone aufrecht und intensivierten das Raketenfeuer auf die
angreifenden Terraner.
Schließlich knackte eine Rakete das Frontschild der Tripolis.
Kurz darauf schlugen zwei Magnetgeschosse in die Front des Zerstörers ein.
Der erste fraß sich durch die mehrere Meter dicke Panzerung, als sei sie gar nicht vorhanden. Durch
die Panzerung durch drang die destruktive Energie die Längschsache des Schiffes weiter vor. Auf
ihrem Weg töte sie gut 1/3 der Besatzung, riss Decks auf, Notluken, Schotts, Wände. Sie verfehlte
knapp das Raketenmagazin und verpuffte kurz vor dem Reaktorraum.
Der zweite Energieball drang nur wenige Meter neben dem erste ein.
Und vollführte einen ähnlichen Weg der Zerstörung, doch blieb er schon im Raketenmagazin hängen
und brachte es pflichtschuldigst zur Explosion.
Auf der Agamemnon sah man hilflos zu, wie sich der Zerstörer, der sich eben noch an Steuerbord
befand, langsam weiter nach Steuerbord krägte und von innen heraus zerplatzte.
"Wir müssen näher ran!" Brüllte Chantir sinnloser weise.
Langsam füllte das Schlachtschiff den gesamten Hauptbildschirm der Agamemnon aus. Was für ein
Gigant.
"Meldung von der Princeton Ma'am: Schwere Schäden an den Schilden, Lebenserhaltung und
Antrieb!"
"Position halten! Soll mit uns gleich lenksseitsgehen!"
Dann war es soweit, man war nur noch wenige Kilometer des Gigangten entfernt.
"Rudergänger: Hart Steuerbord! 45 Grad! Rolle nach Backbord! Ebenfalls 45 Grad!"
Die beiden terranischen Schiffe gingen längsseits zu dem Schlachtschiff und drehten ihm das
Oberdeck zu, um die Hauptbewaffnung einsetzen zu können.
Ebenfalls drehte sich das Schlachtschiff weiter so, das auch seine Oberdecksbewaffnung die beiden
terranischen Zwerge anvisierte, die es wagten seiner Kraft zu trotzen.
Dann einen winzigen Augenblick schien das Universum still zu stehen, als wolle es höchst persönlich
den Besatzungen der Agamemnon und der Tripolis Zeit geben, ihren Fehler zu bereuen.
Doch schon beinahe im gleichen Augeblick wurden die Befehle gebrüllt. Auf drei verschiedenen
Schiffen, in zwei verschiedenen Sprachen: "FEUER!"
Und tatsächlich verschwand dieser Ort nur wenige Kubikkilometer groß für einen weiteren kurzen
Augenblick - einen Gedanken lang - in einem orangeroten Feuerball.
Hinter dem Keil aus zwei Kreuzern und vier Zerstörern bewegte sich die Majestics auf die Akarii-
Flotte zu.
Für Maria Usher der Kommandantin der Majestics war der Tag der Rache gekommen. Heute würden
die Echsen bluten. Sie würden bezahlen, für das was sie der Navy angetan hatten, für das was sie der
Menschheit angetan hatten und für das was sie IHR angetan hatten.
Gene Usher, Geschwaderkommandant der Screaming Eagles - einem der Stationsgeschwader von
Mantikor, ihr Ehemann hatte sein Leben für die Menschheit gegeben.
Über zwei Monate lang hatte sie Anrufe, E-Mails und V-Mails erhalten, in denen hochrangige
Offiziere und auch einfache Piloten - Überlebende von Mantikor - ihr Mitgefühl ausdrückten. Wie
stolz sie doch auf Gene sein könne.
Dieser Idiot hat seine Mirage gegen das Schutzschild eines Großkampfschiffes gerammt, OHNE WAS
ZU BEWIRKEN.
Sie kämpfte die aufsteigenden Tränen nieder: "Statusmeldung Nr. 1!"
"In zwei Minuten sind wir in Schussweite zu ihren Abfangeinheiten Ma'am", meldete Ruben
Bonzanin.
"Das Geschwader soll sich noch weiter hinter uns halten und die Abfangeinheiten umgehen, so bald
wir im Klitsch mit ihnen sind."
Die nächsten zwei Minuten vergingen schweigend.
"Pinkerton eröffnet das Feuer Ma'am", meldete eine junger Radartechnikerin.
Usher verzichtete auf eine Antwort, sie beobachtete auf dem Hauptschirm, wie die sechs
Begleitschiffe ihr Feuer auf die Mitte der feindlichen Formation konzentrierten, dann war auch die
Majestics in Reichweite.
"Feuer auf den Kreuzer in der Mitte!" Doch dieser bracht noch, bevor sie den Befehl vollendet hatte
auseinander.
"Korrektur, Feuer auf den nächsten Kreuzer, backbord!" Die Raketenwerfer der Majestics begannen
mit ihrem tödlichen Handwerk.
Nun setzte auch das mörderische Gegenfeuer der Akarii ein. Der Zerstörer Honshu war der erste, den
es erwischt.
Usher sah noch, wie einzelne Rettungskapseln sich lösten.
"Voll Fahrt, wir brechen durch! Befehl an die G-Men: Aus unserem Schatten lösen und nichts wie
drauf!"
hinter dem Träger tauchten nun 48 Jäger und Jagdbomber auf, die nach steuerbord ausscherten und die
Akariiverteidiger umgingen.
Der Admiral blickte auf seinen Hauptschirm.
Der terranische Fliegerkommandant hatte ihn überrascht. Der Terraner hatte seine Bomber mitten in
den Konvoi geschickt und sich einer erdrückenden Übermacht in den Weg geworfen. Die Bomber
hatten es allerdings in den Konvoi geschafft und fledderten jetzt.
Die Flak innerhalb des Konvois war mehr als nur ineffizient. Die vielen Frachter waren eben den
Raketen und Strahlengeschützen im Weg.
Und während die militärisch besetzten Nachschubfrachter ihre Disziplin behielt gerieten die zivilen
Frachterbesatzungen immer mehr in Panik.
Und jetzt versuchte sich auch noch eine ganze terranische - entgegen der allgemein vermuteten
terranischen Doktrin - im Nahkampf.
In Ordnung Menschenlinge, wenn ihr es umbedingt so ausfechten wollt.
"Kommandant: Wenden sie die Promma, die Tralo soll uns folgen. Die Evron soll unsere Position
einnehmen, sie hat ein viel effizienteres Flakradar als wir."
"Jawohl!"
Der riesige Flottenträger der Quasarklasse schob sich aus dem Konvoi und wendete auf die
Majesticsträgergruppe zu.
Der hintere Träger/Kreuzer der Golf-Class führte ein ähnliches Manöver durch, während der vordere
sich auf die ursprüngliche Postion des Quasaren zurückfallen ließ.
Auf der Vashihon jubelte die Besatzung auf allen Decks und in allen Stationen klopfte man sich
gegenseitig auf die Schultern, gab sich gegenseitig Komplimente und verspottete die Terraner.
Man hatte soeben mit einer einzigen Raketensalve ein terranisches Jagdgeschwader vernichtet - ja
geradezu exekutiert und drei Großkampfschiffe in die Flucht geschlagen.
Doch jubelten alle? Nein, im Backbordmaschinenraum des Schlachtschiffes starrte man einen
Fremdkörper an, der mit der Nasenspitze durch den Rumpf guckte.
Man kannte weder den Namen noch die Kennung für dieses Ding. Man wusste nur zwei Dinge: Es war
eine von terranern hergestellte Antischiffrakete und sie trug einen Atomsprengkopf - der jetzt
innerhalb der Schutzschilde - ausreichte um das ganze Schlachtschiff in handliche Moleküle zu
verwandeln.
Der Chefingenieur starrte die weiße Raketen mit den führ ihn unleserlichen Schriftzeichen an. Er hielt
seinem Assistenten die rechte Hand hin um einen Elktroschraubenzieher in Empfang zu nehmen.
Schweiß perlte auf seiner weißen schuppigen Stirn, der ehemals bunte - vom Alter ausgebleichte -
Kamm zitterte.
Sein Assistent reichte ihm den Schraubenzieher, doch ließ dieser zu früh los und der Schraubenzieher
viel zu Boden.
Die umstehenden Akarii zuckten zusammen und gingen in Deckung.
Wütend verfluchte der Chefingenieur seinen Assistenten, dessen Ahnen und Urahnen.
Dieser nahm es schweigend hin und hob den Schraubenzieher auf.
Langsam und sorgfältig schraubte der Chefingenieur eine Wartungsklappe auf - zumindest so
sorgfältig wie es mit zwei inkompatiblen Schraubensystemen geht. Schließlich musste er die
Schrauben mit etwas Gewalt lösen.
Immer und immer wieder zuckten seine Untergebenen zusammen.
Doch als er ganz vorsichtig die Abdeckplatte hochnahm und sich mit dieser in den Händen grinsend zu
seinen Leuten umdrehte strafften diese sich wieder und lächelten ebenfalls.
Gerade richtig zu dem Zeitpunkt als sich die ASM 83 Maverick dazu durchrang doch noch zu
explodieren.
Über 1.400 Männer und Frauen vergingen in einem Aufleuchten, welches einer kleinen Nova glich.
***************************
"Danke für die Unterstützung, Shaka. Das war mein zweiter Avenger. Komm, einen holen wir uns
noch.“
Shaka grinste. Es machte Spaß, mit Ace zu fliegen. Sollen die anderen doch reden. Er wusste, was er
an seinem Leader hatte. „Okay, Boß, den kriege ich aber dann, ja?“
„Mal sehen“, kam die Antwort. „Wenn Du in der besseren Position bist, lasse ich dir gerne den
Vortritt.“
Keiner der feindlichen Bomber durfte die RED erreichen. Das wussten sie alle. Der Träger war ihr
einziges Ticket nach Hause. Deshalb waren auch zwei Staffeln eingeschwenkt und versuchten die
Bomber und ihre Jägereskorte zu vernichten oder wenigstens auszudünnen.
„Boß, der CAG hat Probleme. Legt sich zusammen mit Rusty und Kali gerade mit zehn Jägern an.“
„Kein Problem. Lone Wolf schafft alleine sechs. Kali vier und Rusty sieht zu, dass er nicht im Wege
ist und stört“, scherzte Ace. „Rot sieben an Blau eins, der CAG hat Probleme. Ich schnappe mir Rot
acht und helfe ihm.“
„Hier Blau eins. Kommt bloß schnell wieder. Es sind mehr Akarii hier draußen, als wir abschießen
können.“
„Keine Bange, Huntress, so schnell wirst du mich nicht los“, neckte Ace über Funk und ging auf
Nachbrenner. Shaka tat es ihm gleich. Aber bevor sie den CAG erreichen konnten, schob sich einer
ihrer Kreuzer dazwischen und nahm die angreifenden Jäger unter Raketenfeuer.
„Was will die BAKERSFIELD denn hier?“ rief Shaka erstaunt, folgte der Wende von Ace aber
automatisch.
„Scheißegal, der Kahn kommt goldrichtig. Los, zurück. Wir werden bei der Verteidigung des Trägers
gebraucht.“
„Wie du befiehlst, Großer Meister.“ Shaka ging noch vor Ace auf Nachbrenner und behielt seinen
Vorsprung bei.
„Vorsicht, Shaka, über dir ist ein Bloodhawk. Aber er scheint nicht angreifen zu wollen… Flieg mal
weiter zur Blauen und spiele den Lockvogel. Ich bin weit genug hinter dir, vielleicht hat er mich noch
nicht gesehen.“
Ace deaktivierte seinen Nachbrenner und fiel noch weiter zurück.
Auf seinem Gefechtsmonitor konnte Albert Mbane sehen, wie Ace plötzlich hoch riss und dem Akarii
genau in dem Moment eine volle Salve und zwei Amraams in den Bauch rammte, als dieser auf seine
eigene Phantom niederstoßen wollte. Nach einer weiteren Salve verging der Akarii in einem Feuerball.
„Ich dachte, ich kriege den nächsten Abschuß“, maulte Albert spaßeshalber.
„Hier fliegt genügend rum, bedien dich. Ich schließe auf.“
Auch dafür hatte Shaka einen witzigen Kommentar parat, doch er kam nicht mehr dazu, die Pointe zu
setzen. „HIMMEL! Was war das denn?“
„Die RED! Verdammt noch mal, die RED wurde getroffen! Da müssen ein paar Bomber
durchgebrochen sein. Eine Rakete hat es mindestens durch die Schilde geschafft.
Beidrehen, Shaka, beidrehen und die verdammten Bomber suchen!“
„Habe sie. Nee, die sind leer und drehen gerade ab. Macht es Sinn, nach geladenen Vögeln zu
suchen?“ Shaka zog eine Schleife und kam Ace wieder näher. Vergessen war seine Unsicherheit, seine
Angst. Mit dem Trackball fühlte er sich sicher. Nicht unbesiegbar. Aber ruhiger, überlegter. Er war
jetzt ein Gegner, mit dem die Akarii rechnen mussten.
„Schwirren bestimmt ein paar rum. Halte einfach die Augen auf. Schließ auf zur Blauen Staffel, die
haben bestimmt ein paar Zielscheiben für uns parat.“
„Roger, drehe bei…“ Ein Signal auf seinem Gefechtsbildschirm fesselte seine Aufmerksamkeit.
„Ace… Da ist ein Boogie im All. Passiert dich in dreißig Sekunden in zehn Kilometer Entfernung.
Ziel ist die REDEMPTION. Und der Kahn hat wie es aussieht keine Schilde mehr. Kriegst du den?“
„Habe ihn im Visir. Schicke ne Mav. Fox two, Fox two.
Scheiße, die Aufhängung klemmt. Muss die Rakete desaktivieren. So ein Mist.“
„Ich drehe um und helfe dir.“
„Negativ. Ich schaffe das schon mit den Bordwaffen. Die verdammten Partikelkanonen versagen auch
noch. Ist mal wieder mein Glückstag.“
„Bin gleich da. Drehe bei.“
„Weiter auf Kurs bleiben!“, blaffte Ace, und automatisch gehorchte Shaka.
Nur um durch eine gigantische Explosion geblendet zu werden.
„Erwischt! Junge, Junge, das war ein Meisterschuss! Aber mit deiner Mühle solltest du erst mal
zurück auf die RED. Mit defekten Waffen nützt du uns nichts hier draußen, Chef.“
Stille antwortete dem Piloten. Er schloss zur Blauen Staffel auf und von dort zur Roten. Vorerst
schloss er sich dem CAG an, der einen seiner Flügelmänner verloren hatte.
„Ace?“, fragte er nach einiger Zeit vorsichtig.
Bis nach und nach die Erkenntnis durchsickerte. Ace war bestimmt zu nahe dran gewesen, als die
Rakete hochgegangen war. Immerhin war es eine Antischiffsrakete gewesen. Bestimmt trieb sein
Leader gerade mit einer schrottreifen Mühle durch das All und wartete auf ein SAR-Shuttle. Er
unterdrückte den Impuls, aus der Formation zu brechen und bei der Suche nach Ace zu helfen.
Stattdessen tat er seine Pflicht und holte sich endlich seinen ersten Abschuss.
„Jaaaaa! Ace, ich habe mir einen geholt!“
„Funkdisziplin!“, blaffte Cunningham über Direktfunk. „Ich verstehe ja, dass Sie Ihren Wing Leader
rächen wollen, Pilot. Aber blockieren Sie den Funk nicht mit diesem Unsinn!“
„Rächen?“, fragte Shaka vorsichtig, während er eine Bloodhawk davon überzeugte, dass der Platz in
der Sechs des CAGs der unsicherste des gesamten Universums war.
„Sie haben doch gesehen, dass er in die Antischiffsrakete reingeflogen ist?“, fragte der CAG verdutzt.
Es war für Shaka, als hätte ihn jemand eiskalt abgeduscht. Ihm gingen Gedanken durch den Kopf, die
ersten Treffen mit Ace, die Lehrstunden, der erste Feindeinsatz, nur eine gute Stunde her.
Er dachte daran, versuchte es zu denken, aber es ging nur langsam in seinen Schädel rein. Ace war tot.
Niemand rammte eine Antischiffsrakete und überlebte.
Als seine Warnanlage heulte, reagierte Shaka automatisch, stieß Täuschkörper aus und drehte ab. „Der
Kampf ist noch nicht vorbei“, versuchte er sich selbst Mut zu machen. „Zum trauern ist später noch
Zeit.“
*******************************************
"Schadensmeldung!" Rene Chantir richtete sich langsam wieder auf. Ein warmer Strom Blut sickerte
aus einer Platzwunde an ihrer Stirn.
Sie taumelte leicht und stützte sich auf den Kartentisch. Es war ein Wunder, dass sie noch lebten.
"Schilde Backbord, Bug und Oberdeck ausgefallen!" Der Operationsoffizier der Agamemnon hatte
sich aufgerappelt. "Hüllenbruch auf dem 1., 2. und 3. Vorderdeck."
"Ma'am Commander Jensen ist tot", meldete eine Junge Offizierin, die neben der Leiche des ersten
Offiziers hockte.
Chantir taumelte rüber zur Radarkonsole: "Das Schlachtschiff?"
Der Radartechniker gab ein paar Befehle ein und das Radarbild wurde von einem Kamerabild ersetzt.
Von dem Schlachtschiff war nur noch ein Wrack übrig. Flammen loderten aus seinem Inneren.
"Ma'am von der Princeton werden Rettungskapseln gestartet."
Chantir griff zum Mikrophon: "1MC: Allem Mann klar zum Bergen Überlebender!"
Dann wandte sie sich an die Brückenbesatzung: "Rudergänger: Hart Steuerbord, 180 Grad!
Signaloffizier: An Redemption: Fahren Rettungsmanöver!"
Captain Miranda Vasquez war bisher überzeugt gewesen zu überleben, zumindest, wenn die Madrid
weiterhin die als 'Vampir' bezeichnete Redemption begleiten würde.
Doch nun im Feuer des Akariischlachtschiffe schwand die Zuversicht. Die Redemption hatte
mittlerweile fünf Treffer kassiert. Der nächste würde die Schilde durchbrechen.
"Waffenoffizier: ECM abschalten! Notenergie auf die Schutzschilde!" Vasquez stemmte sich auf den
Kartentisch.
Das Schlachtschiff feuerte erneut. Mittlerweile hatte es das Feuer aber aufgeteilt.
"Hoffentlich schaffen sie es", wisperte der Rudergänger. Alle wussten, das er damit die Agamemnon
und ihre Begleiter meinte.
Die Raketen des Schlachtschiffes nahmen jetzt statt der Redemption - die sich unter ihrem eigenen
ECM verbarg - den deutlich erkennbaren Zerstörer aufs Korn.
"Ma'am, das Raketenfeuer der Redemption hat aufgehört!"
Vasquez fluchte und hoffte inständig, das die Feuerpause nur temporär war und nicht, dass die
Raketenmagazine leer waren.
"Kollisonsalarm! Raketen haben uns erfasst. Zähle 18 Reinkommende. Nein, 20, 23, ... 26 ....
verdammt! Vier haben die Redemption erfasst!"
Schweiß erschien auf Vasquez Stirn: "Raketenfeuer auf die vier Vampire!"
"Aye, aye Ma'am!"
Die Raketenwerfer der Madrid legten nach einigen Sekunden erneut los. Doch es wurden exakt nur die
vier Raketen beschossen, die nicht auf die Madrid zuhielten.
Schließlich setzte die Nahabwehr ein und holte einen Großteil der reinkommenden Raketen herunter.
"Gesamte Besatzung klar bei Rettungskapseln", befahl Vasquez. Sie wusste es war zu spät, keiner
würde mehr entkommen.
Ein älterer Unteroffzier begann zu beten:
"Und das Licht von zehntausend Sonnen verzehrte Sie.
Universum! Herr! Unser aller Gott!
Erbarme Dich unseren Seelen.
Erbarme Dich derer, die Dir trotzen! Deiner Unendlichkeit! Deiner Ewiglichkeit! Und Deiner
Herrlichkeit!
Vergib uns unsere Sünden.
Wir wollen in Deiner Heerscharen Dienst tun!
Dein flammendes Schwert hinaus in die fernsten Winkel Deiner selbst tragen!
Und Deiner wollen wir lobpreisen!
Du Du bist der Anfang! Der Schöpfer! Und ewiger Prüfer!
Amen."
Am Ende neigte sich seine Stimme zu einem schrillen Schrei.
"ALLE MANN VON BORD!" Schrie Vasquez doch schon im gleichen Moment schlugen die Raketen
ein.
Im hellen Glanz wurde der Zerstörer herumgeworfen. Die Schilde brachen, kurz darauf wurde die
Panzerung durchstoßen.
Das atomare Inferno brach sich den Weg ins innere des Schiffes frei.
Innerhalb von wenigen Sekunden wurde der stolze Zerstörer und seine über 400 Mann starke
Besatzung verbrannt.
Auf der Brücke der Redemption sah man fassungslos zu, welches Schicksal die Madrid ereilte. Dieser
kleine tapfere Zerstörer hatte die Redemption bisher auf jeder Feindfahrt begleitet.
"Da kommen welche durch!" Kreischte ein Radartechniker und tatsächlich drei Antischiffraketen der
Akarii brachen durch die Feuerwand.
Durch die Trümmer gestört, setzte die Nahverteidigung viel zu Spät ein und holte nur eine der drei
Raketen runter.
Die Schilde der Redemption blitzten bläulich-weiß auf. Ein Ruck ging durch das riesige Kriegsschiff..
Die gesamte Backbordwand wurde grellrot von der Explosion erhellt.
"SCHADENSBERICHT!" Clarke hatten den Rhythmus der Schlacht endlich gefunden.
"Direkter Treffer mittschiff!. Backbordschilde ausgefallen! Hüllenbruch auf den Decks 23 - 27
Sektionen C3 bis D1!" Auson gab Befehle in ihre Konsole ein: "In Sektion D1 haben wir Stromausfall,
Sicherungsteams sind unterwegs um die Sicherheitsschotten zu schließen!"
Auf den Decks 23 - 27 in den Sektionen, wo der Hüllenbruch war herrschte Chaos, Grauen und Tod.
Männer und Frauen verbrannten im Inferno der Ankariiraketen und von den jenigen, die es überlebten
wurde gut die Hälfte ins All gesogen."
In den Sektionen C2 schlossen sich die Sicherheitsschotten automatisch. Eine dieser 60 Zentimeter
breiten Schotten teilte einen jungen Raumfahrer in zwei Teile, der sich mit letzter Kraft vor dem Sog
zu retten versuchte.
In den Sektionen D2 war es um einiges schwieriger. Da der Strom ausgefallen war, mussten die
Notschotten per Hand geschlossen werden.
Laut Betriebsanleitung kein Problem, da die historisch wirkenden Drehräder sich durch permanente
Wartung im perfekten Zustand hätten befinden müssen, doch hatten der Zahn der Zeit während der
Einmottung des Trägers an den Rädern genagt und nach der überhasteten Reaktivierung hatte man
kaum Zeit für diese Schotten gefunden.
Also kämpften die Raumfahrer nicht nur gegen den Sog, sondern auch gegen die Drehräder der
lebensrettenden Notschotten.
Schließlich nahm in der betroffenen Sektion der Notstromkreis seine Arbeit auf und die Schotten
schlossen sich wie von Geisterhand.
********************************
Auf der Brücke der Bakersfield war professionelle Ruhe eingekehrt. Sie hatte sich von dem Verband
gelöst und sollte nun mit ihrer enormen Bewaffnung das Jagdgeschwader unterstützen.
Stefan Hold der Kommandant des Kreuzers hatte 15 Jahre gebraucht um ein eigenes Kommando zu
bekommen. Die Offiziersschule der TSN hatte er als vorletzter seines Jahrgangs abgeschlossen, den
Perisher hatte er nur ganz knapp als "gerade noch geeignet" abgeschlossen. Doch er zählten zu den
Leuten, wie es sie in allen Streitkräften der Erde im Laufe der Geschichte gegeben hat. Er war ein
Praktiker. Seine Lehrer hatten ihn mit George Armstrong Custer verglichen. Doch Hold dachte nicht
daran dessen Schicksal zu teilen.
"Mr. Sung: Geben Sie die Geschwaderfrequenz auf den Hauptkanal!"
"Aye, Skipper!"
"... damt, brich weg Shrike!"
"Ich versuch ja......."
"..... Jaws, wir nehmen sie in die Zange!"
"Yeah Boss, wenn die 'hawks uns lassen."
"Er kommt näher, ... verdammt, ... ich kann nicht ... doch ...... NEEEEEIIIIIIIIIIIINNNNN!"
"SHRIKE! VERFLUCHT SHRIKE!"
"Yeah! Blattschuss!"
"SHRIKE! OH MEIN GOTT!"
"Radio: Kümmer Dich um den Schreihals, sonst leistet sie Shrike Gesellschaft!"
"Einfühlsam, wirklich einfühlsam Skip..... FUCK! BRICH WEG KLEINE! FOX TWO! FOX TWO!"
"Lightning für Lone Wolf, von 382 kommt eine neue Gruppe Reaper!"
"Roger! Kali! Rusty! Flankenformation!"
"WAS? Drei gegen zehn?"
"Besser wird die Quote heut nicht mehr Rusty......"
"Captain, wir sind in Raketenreichweite!"
"Kriegen wir die 10 Neuankömmlinge?" Wollte Hold wissen.
"Roger."
"Vectorschießen, drei Raketen pro Reaper. Feuer Frei!"
"Aye! Aye! Vectorschießen, drei Raketen pro Reaper!" Bestätigte der Waffenoffizier.
Der Ticonderoga-Class Kreuzer war dazu ausgelegt andere Großkampfschiffe anzugreifen oder als
Begleitschiff für einen Träger zu dienen.
Hold konnte sich nicht daran erinnern, wann ein Kreuzer derart schon mal in ein Jägergefecht
eingegriffen hätte.
Was er als nächstes aus dem Lautsprecher hörte, bestätigte seinen Verdacht, dass sich auch die Flieger
nicht daran erinnern konnten, geschweige denn mit so was gerechnet hätten.
In ihrer puren Arroganz hatten sie diese mehrere Zigtausend Tonnen schwere Kriegsschiff einfach
übersehen. Ein Blick auf dem Hauptschirm veranlasste ihn jedoch seine Meinung zu ändern. Bei dem
wahnsinnigen Durcheinander, konnte NIEMAND auch noch auf ein sich näherndes Kriegsschiff
achtern.
"Verflucht, wer feuert da?"
"..... AAAAAAAAAAAAAAAAaaaaaaaaahhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhh!"
"Der Kreuzer da! Es ist die Bakersfield!"
"Yeah, jetzt sind die Schuppenflechten Geschichte!"
"Ja ..., ja ..., HAB IHN!"
"Die Bomber formieren sich neu!"
"Holt Euch die verdammten Bomber!"
"Nur die Ruhe Darkness....."
"Waffenoffizier: Feuer nach eigenem Ermessen!" Holt verschränkte die Hände hinter dem Rücken.
Wie ein Löwe unter einem Rudel Hyänen stach die Bakersfield hervor und feuerte Ihre mächtigen
Breitseiten ab.
Holt fühlte sich großartig. DAS war SEINE Schlacht. Wie lästige Mücken schwirrten Akarii und
terranische Jäger um die Bakersfield herum.
"Skipper, da haben sich ein paar Akarii-Bomber formiert. Identifikation: Bomber! Avenger!" Wurde
er von einem Radartechniker aus seiner Euphorie gerissen.
"Abwehren!" Wie konnten es diese Mücken wagen?
"Wir werden angepeilt! RAKETENSTART!"
Holt stützte sich auf den Kartentisch: "Ja, versucht es nur. Versucht es nur." Er flüsterte beinahe, doch
die Brückenoffiziere, die ihm am nächsten waren hörten ihn.
Irritiert drehten sich einige zu ihm um.
Die Nahbereichsabwehr eröffnete das Feuer, doch zwei Raketen wurden vom Impulslaser verfehlt.
Der doppelte Ruck, der die Bakersfield erschütterte hob Holt von den Beinen und schleuderte ihn
gegen ein Geländer. Das laute Knacken, dass das Brechen seines Genicks begleitete übertönte selbst
die Warnsirenen.
Maxwell Harris der 1. Offizier der Bakersfield betrachtete den leblosen Körper seines Kommandanten,
danach ließ er seinen Blick hilflos über die Brückenoffiziere gleiten.
"Die formieren sich erneut!" Kam die Meldung von der Radarstation.
Harris schluckte: "Ab ... ab ... abwehren!"
Der Waffenoffizier reagierte von der Lähmung seines Vorgesetzten angesteckt viel zu spät. Ein
Großteil der reinkommenden Raketen brachen durch.
Die Schilde brachen und unsägliche Gewallt riss an der Panzerung.
Mit aller Gewallt hielt sich Harris am Kartentisch fest. Eine der Außenkameras zeigten einen der
Avenger. Der Bomber wurde von einer der Raketen der Bakersfield erwischt. Der Pilot bearbeitete
seinen Steuerknüppel wie ein Berserker, doch der Bomber blieb auf Kurs.
Wie in Zeitlupe sah Harris den Avenger auf die ungeschützte Breitseite der Bakersfield zurasen. Auf
den Zügen des Akarii glaubte er panische Angst zu sehen.
Rollen! Du musst das Schiff rollen! Brüllte eine Stimme in seinem Gehirn, doch er starrte nur auf den
Monitor.
Der Avenger bohrte sich durch die angeschlagene Backbordpanzerung des Kreuzers.
Treibstoff explodierte und flammendes Inferno breitete sich in das innere aus.
Harris erwachte langsam aus seiner Starre: "Alle Mann von Bord, wir evakuieren das Schiff!"
Während sich immer mehr Rettungskapseln lösten, brach der Kreuzer langsam in der Mitte
auseinander.
Und die Akarii hatten genügend Jäger, dass die Bomber durchbrechen konnten.
**************************************
Mittlerweile waren einige Maschinen aus dem Geschwader der Majestic eingetroffen. Insgesamt etwas
über Staffelstärke handelte es sich hauptsächlich um Mirage, einige Griphens und ein Paar
Nighthawks. Letztere scheuchten ein einzelnes Shuttle der Akari vor sicher her, welches kurz darauf
im Kreuzfeuer der Jäger explodierte. Dann griffen die Jabos der Majestic den vorderen Teil des
Konvois an und sorgten sofort für weitere Verwirrung.
Unterdessen hatten die Mirage der Redemption ihre restlichen Mavericks verschossen und befanden
sich nun im Nahkampf im Konvoi. Murphy konnte erkennen, dass das Flakfeuer zunahm und vor
allem immer genauer wurde. Schon mehrere Bomber hatten sich angeschlagen zurückziehen müssen
und bisher waren nur eine Handvoll von Transportern vernichtet, auch wenn viele von dem Angriff
der Bomber angeschlagen waren. Nicht zum ersten Male wünschte sich Martell eine schwere
Bomberstaffel herbei. Letztendlich war der Angriff der Mirage auf solche Ziele nur eine Notlösung,
Crusaders mit ihrem erheblich größeren Raketenvorrat und Panzerung hätten hier ein Schlachtfest
veranstalten können, das den Fliegern der Redemption schlichtwegs unmöglich war. Dennoch führte
er seine Jaguars zurück in den Konvoi.
„Jaguars, ein Anflug auf Tango 6, danach Feuer nach Belieben, aber versucht euch auf die
angeschlagenen Ziele zu konzentrieren.“
Murphy richtete seine Maschine auf das Ziel aus und wartete, bis es seine ganze Cockpitscheibe
ausfüllte, dann feuerte er zwei Gruppen Hydras ab, wobei er versuchte, ein Loch, welches die
Mavericks der Mirages gerissen hatten, zu treffen. Die erste Salve ging fehl und explodierte ohne
einen großen Schaden zu hinterlassen, an der massiven Panzerung. Die zweite Salve hingegen stieß
durch das Loch ins Innere des Schiffs hervor und entlohnte Martells Bemühungen mit mehreren
Sekundärexplosionen. Dann rollte Murphy sein Maschine auf den Kopf und zog dann den
Steuerknüppel so weit zurück, wie er konnte. Nur mit viel Glück konnte er den größeren Aufbauten
des Zieles ausweichen, so nah war er herangeflogen. Da wütende Flakfeuer schoss an ihm vorrüber,
sein gewagtes Manöver zahlte sich aus, denn das Feuer lag zu weit vom Schiff weg.
„Scheiße, war das knapp,“ jappste Gladius. „Ich hoffe, Sie haben Ihre Brille dabei.“
Murphy grinste: „Willst du mir unterstellen, ich wäre kurzsichtig.“
„Warum fliegt man sonst so nah an ein Ziel ran?“
„Um das junge Volk mal etwas zu fordern. Erneuter Anflug, wir wollen mal schauen, ob wir das Loch
noch etwas vergrößern können.“
„Aye, ....Sir, der Golfkreuzer hat seine Position geändert.“
„Was? Verdammt, der kommt hierher. Ok, wir müssen uns beeilen, diesen Pott zu erledigen. Wenn der
Golf da ist, dann wird es eng.“ Murphy verspürte keine Lust, sich mit einem Kreuzer anzulegen, wenn
die Mirage ihre Mavericks verschossen hatten. Noch ein Grund, sich Crusaders herbeizuwünschen.
Murphy fühlte sich wie Shakespeares Richard III....nur dass er kein Königreich hatte.
„Verstanden.“ Gladius Stimme war wieder ruhig.
Während des neuen Anfluges konnte Murphy sehen, wie Thunders Flught einen Frachter erledigten.
Offensichtlich war es ein besonders altes Exemplar gewesen, denn die Raketen wirkten trotz ihres
kleinen Sprengkopfes auf das Schiff wie ein Dampfhammer. Panzerschotts flogen davon und die
Triebwerke erloschen, dann sah Murphy, wie einige Rettungskapseln davonschossen, bevor der
Frachter explodierte. Offensichtlich hatte er Fahrzeuge für die Bodenstreitkräfte geladen, denn die
Schrottteile, die davonflogen, erinnerten frappierend an einen Flakpanzer.
Einer weniger, aber die Arbeit war längst noch nicht getan. Murphy fragte sich, wo die Staffeln der
anderen Träger blieben. Waren die etwa in einen Hinterhalt geraten? Man konnte doch nicht mit drei
leichten Jabostaffeln einen großen Konvoi zertrümmern. Mehr und mehr beschlich ihn das Gefühl,
dass die Aktion ein Fehlschlag war, die alles zuvor gewesene um Längen übertraf. Verdammt! Wütend
hämmerte er mit der linken Hand, mit der er den Schub kontrollierte, auf die Lehne seines
Schleudersitzes. Dann musste er sich auf den neuen Anflug konzentrieren. Der Kapitän von Tango 6
hatte seine verwundbarste Stelle erkannt und versuchte, mit einer Rollbewegung den Jägern eine
weniger beschädigte Stelle zuzuwenden. Murphy schüttelte den Kopf. Das mochte ja gegen
Dickschiffe Erfolg haben, aber gegen die schnellen Jäger....er korrigierte den Kurs leicht, begann dann
mit einer Fassrolle, die die Bemühungen der Flak, ihn anzuvisieren, zum Scheitern verurteilten und
drückte dann, als er nah genug heran war, den Steuerknüppel nach vorne, bis er die Wunde im Panzer
von Tango 6 im Visier hatte. Dann feuerte er wieder zwei Doppelsalven ab, womit er das erste
Hydrapaar leergeschossen hatte. Noch während er wegzog, warf er die nunmehr nutzlose Außenlast
ab, die im zornigen Abwehrfeuer explodierte. Der Blick zurück zeigte ihm, dass Gladius, dessen erster
Angriff noch überhastet gewesen war, nun ruhiger agiert hatte und beide Salven ins Ziel gebracht
hatte. Er imitierte Murphys Manöver, wählte jedoch einen etwas anderen Ausgangsvektor, um die
Gefahr von Streifschüssen zu mindern. Dann sah Murphy, dass der riesige Truppentransporter von
Erschütterungen bebte.
„Scheiße, der Kahn fliegt gleich in die Luft. Jaguars, weg von Tango 6, das Ding geht gleich hoch.“
Murphy aktivierte den Nachbrenner. Keine Sekunde zu früh. Nur wenige Momente später explodierte
der Transporter in einer gigantischen Explosion, die einen benachbarten Frachter mit sich in den Tod
riss. Auch zwei Mirage, die den Anflug zu spät abgebrochen hatten, wurden von den
hochbeschleunigten Trümmerteilen zerfetzt. Martell und Gladius selbst wurden heftig
durchgeschüttelt.
„Status, Gladius.“
„Habe leichte Schäden am Triebwerk, maximale Leistung auf 89,5%. Heckschilde sind erst mal weg.
Leichte Schäden an den Hecksensoren. Positionslicht hinten rechts ausgefallen. Hüllenintegrität auf 95
%.“
„Ok, halt dich zurück. Thunder, Snake Bite, wie sieht es aus?“
Thunder meldete sich als erste. „Wir haben nur noch wenig Munition, Icepick hat mittelschwere
Schäden, insbesonder am Triebwerk. Goose hat minimale Schäden, kann aber weitermachen.“
„Snake Bite hier.“ Die junge Pilotin klang verzweifelt. „Sir, Tango und ich sind grün, aber es hat
Crimson erwischt. Ist mitten in eine Salve reingeflogen. Kein Schleudersitz.“
Verdammt, noch einer. Das Gefecht wurde zu dem, was es versprach, eine sehr blutige Angelegenheit
für beide Seiten.
„Ok, Icepick soll sich mit Gladius zusammenschließen und sich an die Peripherie des Gefechts
absetzen. Spielt den Beobachter. Wenn ihr ein einzelnes, angeschlagenes Ziel seht, greift an, aber geht
nicht mehr ins eigentlich Gefecht. Goose kommt an meinen Flügel.“
Dann schaltete er auf einen Privatkanal zu Snake Bite. „Alles in Ordnung?“
„..J..aa Sir. Es geht.“
Martell ahnte, wie es Snake Bite ging. Erstes Gefecht als Flightcommander und gleich zwei Leute aus
dem Flight verloren, das war hart. Auch wenn es nicht ihre Schuld war.
„Brawler, wie siehts bei dir aus?“
„Wir beiden haben Spass. Allerdings hört der bald auf, ich habe grad meine letzten Hydras
verschossen und Enigma hat auch nur noch eine Salve.“
„Gut, kommt zurück in Flightformation. Alleine mit Bordwaffenfeuer wird es schwierig.“
„Copy, wir sind unterwegs.“
Murphy wartete, bis Goose an seinem Flügel war, dann flog er zum hinteren Rand des Konvois, wo
auch die Mirage der Staffel Gold wüteten. Auch die Flieger der Majestic, die im Verlaufe des
Kampfes weiter dezimiert worden waren, sorgten für reichlich Verwüstung im vorderen Bereich des
Konvois. Einige der Frachter sahen nicht gut aus. Leider waren die beiden anderen Truppentransporter
im Feuerschatten des Trägers und eines Kreuzers. Da verbat sich ein weiterer Angriff ohne Mavericks.
Viele der Frachter verfügten über beachtliche Geschütze, auch wenn ihre Treffsicherheit nicht wirklich
hoch war. Aber die Masse ersetzte hier die Klasse und kostete immer mehr Piloten das Leben oder
zumindestens die Maschine. Murphy erkannte mehrere Schleudersitze. Gott sei Dank war ein SAR
Shuttle der Red aufgetaucht und hatte Wombat aufgesammelt. Nun wagte sich die tapfere Besatzung
mitten ins Feuergefecht und die Mirage verdoppelten ihre Anstrengungen, etwaige Hindernisse aus
dem Weg zu räumen. Glücklicherweise hatten auch die Jabos noch Hydrabehälter dabei und die im
Vergleich zum Griphen stärkere Bordbewaffnung erwies sich gegen die kleineren Frachter als recht
effizient. Die größeren Frachter hingegen waren oft harte Nüsse, die nur dauerhafter konzentrierter
Beschuss beeindrucken konnten.
Martell suchte sich einen Frachter als Ziel aus, der offensichtlich schon angeschlagen war und deshalb
aus der Formation gefallen war. Offensichtlich war er nur minimal bewaffnet und das Abwehrfeuer
war nur sporadisch. Wahrscheinlich war die Mannschaft mehr mit der Schadenskontrolle beschäftigt,
als mit der Abwehr weiterer Angriffe. Doch das beeindruckte Murphy nicht, als er die
Triebwerkssektion mit Hydras und Bordwaffen unter Feuer nahm. Goose, Brawler und Enigma taten
es ihm gleich und der angeschlagene Riese verlor seinen Antrieb. Noch bevor die vier Griphen Piloten
einen erneuten Angriff starten konnten, gaben ihm zwei Mirage von Staffel Gold den Gnadenstoß.
„Danke für die Vorarbeit,“ meldete sich Raven.
„Nichts zu danken. Wie ist euer Status?“
Ravens Stimme wurde sofort ernster. „Ich habe vier Maschinen verloren, Bäcker sogar 5.
Hydramunition ist nur noch im geringen Umfang vorhanden. Und die Jungs von der Majestic haben
mir grad signalisiert, dass sie den Rückzug antreten, die haben alles verschossen. Wenn das so
weitergeht, dann müssen wir hier bald abhauen.“
Murphy nickte. „Das sehe ich auch so. Zumal ich keine Ahnung hab, wann die Jäger von dem Träger
hier wieder eintreffen. Ich kann kaum glauben, dass die nur eine einzige Staffel als Jägerdeckung hier
gelassen haben.“
Plötzlich meldete sich Icepick. „Sir, wir haben Kontakte, die schnell näher kommen. Computer
bezeichnet sie mit hoher Wahrscheinlichkeit als Jäger. Schätzungsweise mehrere Staffeln.“
„Da kommen sie. Raven, einer meiner Leute draußen meldet mir feindliche Jäger, mehr als wir
bekämpfen können.“
„Verdammt, das war es. Immerhin, nen gutes Drittel der Frachter ist hin.“
„Eine Minute geb ich uns noch, dann hauen wir ab.“
„Einverstanden.“
Murphy zögerte nicht lange und flog das nächste Ziel, einen größeren Frachter, an. Das Abwehrfeuer
war heftig. Murphy konzentrierte sich voll auf den Anflug. Da war ein Loch, sehr gut. Murphy raste
auf den Frachter zu, feuerte alles, was er noch an Hydras hatte, ab und zog im letzten Moment mit
einem Immelmann Manöver am Ziel vorbei. Brawler und Enigma taten es ihm gleich, doch Goose
hielt seinen Kurs bei.
„Scheiße, Treffer an den Schubdüsen, Verdammt..AAAAAAAAAAAAH...“ Die Verbindung brach
ab. Goose raste mit vollem Schub in den Frachter rein. Die Maschine zerschellte am Rumpf, aber die
kinetische Energie war zu groß, als dass der Frachter ihr hätte widerstehen können. Er brach in zwei
Teile.
Murphy musste sich auf die Zunge beißen, um die Tränen zurückzuhalten. Noch einer seiner Männer.
Noch ein Brief an die Angehörigen. Noch ein Name der auf einer Gedenktafel stehen würde anstatt
nach Kriegsende heimzukehren. Aber es blieb ihm nichts anderes übrig, als sich zurückzuziehen, denn
die Feindjäger rückten näher. Icepick und Gladius waren bereits abgehauen, da sie wussten, dass sie
noch langsamer sein würden als die Mirage. Auch die Maschinen der Majestic hatten sich bereits
abgesetzt. Die verbliebenen sieben Griphen würden den Rückzug decken müssen.
***

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Kiel an Kiel lagen die Schiffe des Matjestics Verbandes jetzt mit den Akarii im Klinch. Diese Art des
Flottenkampfes sollte mittlerweile ausgestorben sein.
Die Terraner waren eindeutig im Nachteil. Der Feind hatte mehr Schiffe und mehr Jäger im Gefecht.
Und jetzt schob sich auch noch der Flottenträger heran.
"KanK-Spruch an die Redemption!" Bellte Usher: "Haut hier ab, wir beschäftigen sie!"
"Aye, aye Ma'am!" Bestätigte der Signaloffizier.
"Steuermann! Bringen Sie uns ran an den Flottenträger!"
"Ma'am?"
"Na los, machen Sie schon, wir holen uns den Drecksack!"
"Aye, aye Ma'am."
"Ma'am, die Ares und die Mölders schließen auf!" Meldete ihr 1. Offizier.
Ein Blick auf den Hauptschirm sagte ihr, dass die verbliebenen drei Schiffe sich nicht mehr lange
halten würden und schon sah sie wie einer der Zerstörer auseinanderbrach.
"Waffenoffizier: Vectorschießen, volles Feuer auf den Träger!"
Sie sah wie sich der Träger nach steuerbord drehte und sich auf die rechte Seite legte. Kaum war das
Manöver beendet erwiderte das riesige Akarii-Kriegsschiff das Feuer mit Direktbeschuss.
"Näher rann! Wir passieren ihn in Gefechtslinie und decken ihn mit allem ein, was wir haben!"
Die Matjestics begann gefolgt von der Ares mit ihrem Anflug. Die Mölders musste einen schweren
Treffer am Heck einstecken und fiel zurück.
"Da taucht was aus dem Schatten des Trägers auf! Ein Golf!"
Der Bastard aus Kreuzer und leichtem Träger schob sich zwischen die Majetstics und die Ares.
Schweres Laserfeuer wurde ausgetauscht.
Die Golf war eindeutig eher als Flakschiff gebaut wurden und dem schweren Kreuzer daher eindeutig
unterlegen, doch das schien den Akarii nicht sonderlich zu stören.
Der Träger der Akarii war immer näher an die Majestics herangekommen. Ein entfernter Beobachter -
so es diesen gegeben hätte - hätte den wahren Größenunterschied der beiden Schiffe gesehen.
Der kleine trotzige Erdenträger, gegen diesen Leviatan von Akariikoloss.
Plötzlich wendete der Akarii-Träger mit einer Geschwindigkeit, die man ihm gar nicht zugetraut hätte
auf die Majestics zu und tauchte seine gesamte Oberdecksbatterie abfeuernd unter ihr durch.
Im selben Moment ließ der Golf von der Ares ab und vollführte einen Vorbeiflug bei der Majestics.
Der Träger der Akarii hingegen legte sich auf die Steuerbordseite und vollführte einen Vorbeiflug an
der Ares.
Die vernichtende Salve des Trägers riss an dem Erdenkreuzer, der nach einem schweren Treffer
achtern anfing zu treiben.
Auch der Rumpf der Majestics war schwer gezeichnet. Mittschiffs gab es zwei Sekundärexplosionen.
Der Admiral bleckte sich die Lippen: "Kommunikation: Sprechen Sie terranisch?"
Der Kommunikationsoffizier sah den Admiral etwas unschlüssig an: "Nun, nur das, was wir auf der
Funkschule beigebracht bekommen haben."
"Können Sie sie auffordern sich zu ergeben?"
"Jawohl, My Lord!" Der Kommnikationsoffizier wandte sich seinen Instrumenten zu: "Terranische
Schiffe, terranische Schiffe, hier spricht der Flottenträger Promma der imperialen akariischen
Weltraumstreitkräfte, hiermit werden Sie aufgefordert sich zu ergeben. Wir sichern Ihnen eine
ehrenvolle Behandlung zu!"
"Ma'am, wir müssen das Schiff aufgeben!" Usher starrte ihren Stellvertreter entgeistert an. Dieser
sprach jedoch ungerührt weiter. "Der L.I. hat den Reaktor runtergefahren, bevor er uns um die Ohren
fliegt. Die Hilfsenergie arbeitet nur mit 42 Prozent. Überall auf dem Schiff wüten Brände."
"Ma'am", mischte sich der Signaloffizier ein, "die Ares, sie sendet den Akarii, dass sie kapituliert, die
Schilde und Waffensysteme wurde abgeschaltet."
"Niemals!" Hauchte Usher. "Waffenoffizier: Volle Breitseite auf den Träger!"
"Ma'am?" Fragte der Mann ungläubig.
"Sie haben den Captain gehört!" Schnautzte ihn - sehr zu Ushers Verwunderung - ihr 1. Offizier an.
"Aye, aye, volle Breitseite!"
Der Admiral blinzelte ungläubig, als der terranische Träger eine Salve Raketen abfeuerte.
"Steuermann! Zeigen Sie ihnen unser Oberdeck. Waffenoffizier: Oberdecksraketen, Direktfeuer! Volle
Breitseite!"
Der Träger legte sich erneut auf die Seite und antwortete dem sporadischen Feuer der Majestics mit
einer todbringenden Salve nach der anderen.
Ungerührt sah man zu, wie die Raketen erst die schwachen Schilde des Terraners brachen und sich
kurz darauf durch die Panzerung sprengten.
Schließlich fand eine der Raketen das Munitionsdepot des leichten Trägers und verschlang ihn in
einem Feuerball, der einer Sonneeruption alle Ehre gemacht hätte.
Die Jägergestützte Antischiffrakete schlug achtern in die Redemption ein. Das arg geschwächte Schild
leistete kaum Widerstand.
Panzerung platzte ab.
"Feuer im Maschinenraum Nummer 1! Feuer im Maschinenraum Nummer 1! Alle Mann zur
Brandbekämpfung!" Plärrte eine emotionslose Computerstimme aus dem Lautsprecher.
"Ich bin unterwegs!" Rief Auson dem Captain noch zu, bevor sie - sich die Atemschutzmaske
überziehend - die Brücke verließ.
"Mr. Fischer: Was ist noch zu Bruch gegangen?"
Der Zweite Offizier der Redemption übernahm sofort Ausons Platz: "Der Schildemitter ist zerstört,
wir sind komplett ohne Schilde.
"Captain: KanK-Spruch von der Majestics, man wird die Akarii solange beschäftigen, bis wir uns
zurückgezogen haben."
Clarke schüttelte fassungslos den Kopf: "Steuermann: Wende, 180 Grad, volle Kraft Richtung
Asteroidenfeld. Fischer sehen Sie zu, das SAR-Shuttles unsere Piloten aufsammeln."
"Die Jerome Custer hat zwei Shuttles zur Pilotenbergung rausgeschickt. Aber die Bomberpiloten, die
es im Akariikonvoi erwischt hat, werden wir nicht rausholen können."
Die Feindjäger rückten immer näher. Murphy war so, als wenn er den Atem der Feinde im Nacken
spüren konnte. Mittlerweile hatten die Jaguars erfahren, was dem Rest der Gruppe der Redemption
widerfahren war. Die Stimmung war angespannt, soweit Murphy es beurteilen konnte. Wenigstens
waren die Mirage entkommen. Eine Staffel Deltavögel führte die Verfolger an. Normalerweise wäre
ein Gefecht Griphen gegen Deltas eine ausgeglichen Sache gewesen, Feuerkraft und Panzerung gegen
höhere Beweglichkeit. Aber in Unterzahl, nach einem kräftezehrenden Angriff und feindlicher
Verstärkung in unmittelbarer Reichweite machten die Aussichten auf ein Überleben der Jaguars im
Falle eines Kampfes zunichte. Murphy’s Leute hatten den kompletten Treibstoff für den Nachbrenner
aufgebraucht. Glücklicherweise schien auch der Feind nicht mit vollen Tanks ins Gefecht gegangen zu
sein, denn sonst hätte das letzte Gefecht der Jaguars schon längst stattgefunden. Doch die Deltas
kamen immer näher. Plötzlich plärrte der Raketenwarner.
Die Deltas hatten auf maximale effektive Distanz Langstreckenraketen abgefeuert. Nun hatten die
Griphens zwei Möglichkeiten: zu hoffen, dass man die Raketen mit Störkörpern ablenken und ihnen
im Geradeausflug entkommen konnte oder defensive Ausweichmanöver, die zwar bessere Aussichten
auf Erfolg hatten, aber die Deltas noch näher herankommen ließ.
„Formation halten, periodisch Störkörper absetzen.“ Martell war froh, dass die Designer des Griphens
diesen mit großen Störkörperbehältern ausgestattet hatten. In einem Gefecht wie diesem wäre
manchem leichten Jäger schon die Puste ausgegangen. Die Raketen kamen immer näher. Murphy sah,
wie Brawler und Enigma unruhig wurden.
„Nicht zucken, geradeaus!“
Die erste Rakete explodierte an einem Störkörper. Gott sei Dank verwendete niemand für
Langstreckenwaffen IR Suchköpfe. Die konnte man mit einem solchen Manöver nicht täuschen. Die
radargelenkten Waffen hingegen waren zugleich schlauer, als auch dümmer. Schlauer, weil sie mehr
Parameter erlaubten und ein Ziel auch aus anderen Positionen als von hinten erfassen konnten.
Dümmer, weil sie eher Täuschkörpern zum Opfer fielen. So wie hier. Aber die Masse der Raketen
kam näher, ließ sich nicht täuschen. Murphy warf noch mehr Täuschkörper ab. Weitere Raketen
explodierten vorzeitig. Doch drei hielten weiter Kurs auf die fliehenden Griphen.
„Scheiße, mich haben zwei erfasst.“ Thunder klang nicht mehr so cool, wie sie sonst im Gefecht war.
Noch zehn Sekunden....
„Täuschkörper raus, verdammt.“ Doch das Ziel war zu nah. Eine Rakete hatte Brawler erfasst. Dieser
manöverierte im letzten Moment, zündete seinen Nachbrenner, für den er offensichtlich doch noch
einen letzten Rest Sprit übrig hatte. Die Rakete explodierte, doch Brawler war dem Todeskreis, dem
Bereich, in dem ein Raketentreffer effektiv wirkte, entkommen. Das Statusdisplay zeigte nur leichte
Schildschäden. Thunder hingegen hatte schlechtere Karten. Ein abruptes Manöver schüttelte den
ersten Flugkörper ab, doch der zweite explodierte direkt am Leitwerk.
„Raus!“ Thunder bestätigte den Befehl von Murphy nicht, sondern befolgte ihn lieber zügigst. Die
Rettungskapsel entfernte sich zügig vom zum Untergang verurteilten Jäger, der sich ohne große
Explosionen einfach auflöste.
Zehn Minuten später landete der Rest der Griphen auf der Redemption. Murphy verließ nicht einmal
das Cockpit.
„Auftanken, volle Luftkampfladung, aber zackig!“ M’Boko zuckte zusammen. Der Chef schien
ungewöhnlich aufkratzt.
„Das gleich für Snake-Bite. Alles andere kann warten!“
Murphy wandte sich dann an Icepick. „Ich will, dass draußen ein SAR Shuttle wartet. Wenn sich
irgendjemand darüber aufregt, schalten Sie ihn aus, verstanden?“
Icepick nickte. Er winkte Gladius her und die beiden eilten vom Flugdeck.
Jack Murphy fluchte. Nicht auch noch Valeria. Er hatte gesehen, wie die Akarii die Jagd abgebrochen
hatten, offensichtlich mussten sie zurück zum Träger. Aber einen abgeschossenen Piloten würde man
sicherlich zu bergen versuchen. Eine Gefangennahme oder gar die Hinrichtung von seinem XO würde
Murphy nicht zulassen, niemals.
Die Flightdeckcrew, ohnehin bis an die Grenze des Belastbaren gebracht, gab ihr Bestes und so waren
die beiden Jäger schnell wieder startklar. Murphy jagte mit Snake Bite zum Ort des letzten Gefechtes,
während das Shuttle zu folgen versuchte. Glücklicherweise funktionierte das Notsignal von Thunder.
Unglücklicherweise hatten das aber auch die Akarii bemerkt. Vier Deltas waren unterwegs, um
ihrerseits die Pilotin gegen Rettungsversuche zu „verteidigen“.
„Anweisungen, Martell?“ fragte seine alte und neue Flügelfrau.
„Jeder Akarii, der sich zu nah an Thunder herantraut, muss sterben. Wie ist mir egal.“
Das kommende Gefecht würde später in der Erinnerung von Murphy nur noch verschwommen sein.
Bereits bei der Landung auf der Red waren die beiden Piloten erschöpft gewesen. Martell, der
normalerweise für einen Piloten ungewöhnlich bedacht flog, verließ sich nur auf seine Instinkte und
missachtete fast jedes Risiko. Snake Bite stand ihm in Nichts nach. Die ersten beiden Deltas fielen
dem wütenden Angriff der beiden Menschen schnell zum Opfer. Dann entwickelte sich eine wilde
Kurbelei. Snake Bites Maschine wurde mehrfach getroffen wodurch sie alle Bordwaffen verlor. Dann
gelang es ihr, ihre letzte Sidewinder aus nahester Distanz in ein den angeschlagenen Delta zu setzen,
der sofort explodierte und den angeschlagenen Griphen fast mit sich riß.
Murphy erhielt mehrere Treffer in Cockpitnähe, die beinahe sein Lebenserhaltungssystem zerstörten.
Dann setzte er mehrere Salven mit seinen Photonenkanonen in die rechte Tragfläche des Deltas,
welches daraufhin noch mehr Wendigkeit einbüßte. Doch der Akari gab sich nicht geschlagen,
beschleunigte Murphy aus und wendete dann. Auf einmal sah sich Murphy der überlegenen
Frontalfeuerkraft des Feindjägers ausgesetzt und nur mit schier unmenschlicher Gewalt, die er auf den
Steuerknüppel ausübte, entging er der Vernichtung. In einer halsbrecherischen Korkenzieherrolle, an
die er einen Split S anschloss brachte ihn aus dem Schussfeld des ebenfalls wild manöverierenden
Deltas, welches verzweifelt versucht, Murphy daran zu hindern, wieder hinter ihn zu kommen. Doch
Martell war schneller. Die Neutronenkanonen vernichteten auf kurzer Distanz den Rest der
Heckpanzerung des Deltas. Dann bremste der Akarii plötzlich. Murphy konnte nicht mehr ausweichen
und rammte den schwereren Feind, der sofort auseinanderbrach. Wie ein Wahnsinniger riß Murphy im
letzten Moment den Hebel unter seinem Schleudersitz. Das Cockpit schoss in die Höhe, bevor sich die
beiden Jäger im Tode vereinten. Die brutale Gewalt des Raketenantriebs des Schleudersitzes presste
Murphy in die Sitzschale. Dann ließ der Schub nach, als der Raketentreibstoff verbraucht war. Er sah,
wie sich Snake Bites angeschlagener Jäger näherte, in seinem Schlepptau das Shuttle, das bereits
Thunder aufgesammelt hatte. Dann wurde er ohnmächtig.
************************************
Kali hörte noch Lone Wolfs Worte im Ohr: „Besser werden die Chancen heute nicht, Rusty.“
Zu dritt gegen zehn Hawks, was für ein Wahnsinn. Dann hatte sich die BAKERSFIELD dazwischen
geschoben, den enormen Druck auf sie alle entlastet. Bis sie eine Staffel Bomber auf sich gezogen
hatte und schwer angeschlagen aufgegeben werden musste.
Doch es war nur eine Atempause gewesen, denn die Akarii hatten natürlich was dagegen, dass die
Rote Staffel ihre Bomber vernichtete.
Kurz darauf hatten sich Lone Wolf und seine beiden Wingmen doch mit einer Übermacht Akarii
gebalgt.
Und nun stand Kali vor der Entscheidung, welchem der beiden sie helfen sollte. Bei Lone Wolf hingen
zwei Bloodhawks am Arsch, Rusty kämpfte mit einem Deltavogel.
Obwohl es nur wenige Sekunden waren, dehnte sich die Zeit für Helen Mitra in eine kleine Ewigkeit.
„Verdammt!“, hörte sie Lone Wolf fluchen. „Schilder sind runter.“
Damit war ihre Entscheidung gefallen. Sie kehrte ein und putzte dem Commander eine völlig
überraschte Hawk vom Heck.
„Danke, Kali“, brummte Lone Wolf, als er half, die zweite Hawk zu vertreiben. „Sie haben was gut
bei mir.“
Helen musste lächeln. Ein Lob vom Boß tat gut. „Jederzeit wieder, Commander.“ Nun aber zu Rusty.
Sie wendete scharf, ging auf Nachbrenner. Aber wo war Rusty?
Sie checkte die Ortung. Keine Spur von seiner Mühle. Nur eine angeschlagene Delta schlich langsam
nach Hause.
Eiskalt kroch die Erkenntnis in ihr hoch. Rusty hatte verloren! Sie ging auf Nachbrenner, dem
fliehenden Feind hinterher.
„Was soll der Scheiß, Kali? Bei mir formieren!“, blaffte Lone Wolf.
„Aber der hat Rusty erwischt! Ich…“
„Das ist egal, Kali. Wenn Rusty noch lebt, werden die SAR-Shuttles ihn retten. Da können Sie nichts
bewirken. Hier sind aber noch ein paar aktive Feinde, die auf unseren Träger zuhalten!“
„Ich…“, Kali schluckte trocken. „Ich hätte ihm helfen sollen…“
„Dann wäre ich jetzt ausgestiegen oder tot“, fauchte der Commander wütend. „Zu wählen fällt niemals
leicht. Munitionieren Sie auf und kommen Sie dann wieder ins Gefecht.“
Die eiskalte Stimme brachte sie wieder zu Besinnung. Tatsächlich hatte sie kaum noch Sprit, die
Raketenaufhängungen waren leer. Es wurde Zeit für sie.
War ihre Entscheidung richtig gewesen? Immerhin war der Commander der CAG. Aber Rusty war ihr
Freund. Schmerzhaft wurde ihr bewusst, dass sie fortan mit dieser Entscheidung leben musste. Wenn
sie denn überlebte.
*
Als sich die RED zurückzog, übernahm die Blaue Staffel die Hauptlast der Rückendeckung. Die
Akarii hatten zwar genauso genug wie ihr eigener Trägerverband, aber immer wieder wagte ein
vorwitziger Deltavogel den Durchbruch.
Huntress saß erschöpft in ihrer Ersatzmühle. Eine „Leihgabe“ der grünen Staffel. In den anderen
beiden Ersatzmaschinen saßen Demolisher und Avenger.
Trotzdem hatte sie nur noch sechs Maschinen hier draußen. Was hieß, dass lediglich drei Typhoon den
Kampf von Anfang an mitgemacht und überstanden hatten.
Elfwizard war gerade so mit letzter Kraft gelandet. Nemesis lag im Lazarett, Sneaker leistete ihm dort
ebenso Gesellschaft wie Rapier. Bushfire und Cloud waren ausgestiegen und wurden gerade
eingesammelt. Wenn sie denn noch lebten.
Merkur war tot. Er hatte seine Typhoon in eine Antischiffsrakete gelenkt. Wie sie es ihm beigebracht
hatte.
Dagger flog noch, war aber verletzt. Wie schwer, wusste Huntress nicht.
Und Foreigner… Das einzige, was ihre Typhoon zusammenhielt, schien der Glaube zu sein.
Sobald der Befehl zur Landung kam, würde Huntress sie zuerst rein schicken. Gleich danach Dagger.
Juliane lachte gehässig. Im Gegensatz zu den anderen Staffeln hatte sie es noch gut erwischt. Sie kam
mit etwas Glück noch auf fünfzig Prozent Bereitschaft…
Was für ein mieser Tag. Und er war noch lange nicht vorbei.
***********************************
Der Rückweg war ein Alptraum. Nicht, daß die drei Typhoon angegriffen wurden – die Akarii hatten
wohl wichtigere Ziele – aber sie flogen durch die Trümmer der Schlacht.
Zerschossene oder in Stücke gesprengte Jäger, die durchlöcherten und aufgesprengten Hüllen der
Großkampfschiffe zogen vorbei. Akariieinheiten – aber vor allem auch Schiffe der Republik.
Hinter ihnen, das wußten die Piloten, wurden die letzten Mirage der Redemption niedergekämpft, die
sich nach dem kamikazeartigen Angriff auf die Transporter nicht mehr hatten zurückziehen können.
Die Trümmer zahlreicher Frachter zeugten von der Wucht und Zielsicherheit ihrer Attacke. Aber das
war ein schwacher Trodt.
Kano hatte den Untergang der Majestic miterlebt, er hatte, wie Imp und Bloodhawk, die letzten
Funksprüche aufgefangen. Wenn es je noch eine Hoffnung gegeben hatte, daß die Schlacht von den
Erdstreitkräften zu gewinnen sei – die Vernichtung des Trägers hatte diese Hoffnung zu Asche
verbrannt. Jetzt ging es nur noch ums Überleben.
Nicht einmal das zerschossene Schlachtschiff der Akarii, das steuerlos durch den Raum driftete,
konnte in dem jungen Piloten Genugtuung wecken. Der Gigant hatte mehrere Zerstörer und einen
Kreuzer in seinem Todeskampf mit sich gerissen.
Einige andere Maschinen schlossen sich den drei Abfangjägern an, auf der Suche nach der
Redemption. Eine Mirage, die linke Tragfläche abrasiert, eine kampfgezeichnete Phantome.
Zweimal passierten kleine Gruppen von Akarii die Erdmaschinen. Jagdbomber oder Bomber, die von
einigen Jägern geschützt, zurückflogen. Sie hatten kein großes Interesse an den Erdmaschinen gezeigt
– und diese hatten sie ebenfalls ignoriert. Alle waren mehr oder weniger beschädigt, ohne Raketen und
mit schwindenden Treibstoffreserven. Blackhawk, als ranghöchster Offizier, hatte einen Angriff auf
die zahlenmäßig überlegenen Feindmaschinen untersagt: „Wir würden zusammengeschossen, ehe wir
`rankämen. Selbst wenn wir es überleben würden – wir würden es nicht mehr zur RED schaffen. Also
Rückflug, auftanken und aufmunitionieren! Wir sind Soldaten und keine Einwegwaffen!“
Nicht, daß irgendeiner der Piloten besonders begierig auf einen Kampf gewesen wäre. Bei Kano hatten
sich im Verlauf des Fluges die Probleme gehäuft. Die Maschine reagierte nur noch extrem faul und zu
allem Überfluß hatte sie nun auch noch angefangen zu „flattern“. Der Steuerknüppel vibrierte, zog
nach Links. Das zwang ihn dazu, den Steuerknüppel krampfhaft – schließlich mit beiden Händen –
festzuhalten. Schweiß rann über Kanos Gesicht. Nach dem aufreibenden Kurvenkampf war das
Schwerstarbeit. Deshalb bemerkte er relativ wenig von seiner Umgebung. Wäre er so alleine
zurückgeflogen, er wäre wahrscheinlich im Vorbeiflug durch einen heimkehrenden Akarii vernichtet
worden.
Imp meldete sich über Funk mit überschlagender Stimme: „Sie fliegt noch! Die alte RED – Sie ist
noch da!“
Kano atmete auf – und mußte sofort den Steuerknüppel fester packen, um ein Ausbrechen der
beschädigten Maschine zu vermeiden. Verbissen kämpfte er mit den Kontrollen des bockenden Jägers.
Ein geflüstertes „Oh mein Gott!“ ließ ihn hochfahren – und erst jetzt sah er den alten Zeus -
Flottenträger genauer an.
Die Flanken des Trägers waren grausam verwüstet worden. Auch Kano erkannte die Spuren eines
Beschusses mit schweren Schiff-Schiff-Raketen. Die Schilde schienen komplett ausgefallen, an
mehreren Stellen war die Panzerung durchschlagen worden. Ein Leck schien groß genug, um mit
einem Jäger hindurchzufliegen. Unbewußt murmelte Kano ein Gebet. Auch wenn er kein sehr
gläubiger Mensch war - dieser Anblick... .
Um den Flottenträger wimmelten die Reste des Geschwaders. Beschädigte oder leergeflogene
Maschinen wollten landen. Andere Maschinen, noch kampffähig oder hastig wieder aufgetankt und –
munitioniert, versuchten einen Abwehrschirm zu bilden, hinter dem sich das waidwunde
Großkampschiff in Richtung Asteroidenfeld schleppte.
Blackhawks Stimme klang fast so ruhig wie immer. Doch ein leichtes Zittern verriet ihn: „Landen!
Seht zu, daß die Mühlen wieder aufgerüstet werden. Und die Anzüge braucht ihr erst gar nicht
auszuziehen!“
Die Warteschleifen in der Reihe der beschädigten Maschinen waren noch einmal aufreibend. Es
dauerte einfach zu lange! Kanos Arme zitterten bereits vor Erschöpfung. Die Sorge um seine
Kameraden kam hinzu. Er konnte weder Lilja, noch Ace ausmachen. Und vor allem – nirgendwo sah
er Kalis Maschine. Zweimal wäre er bei dem Versuch, sich einen besseren Blick zu verschaffen
beinahe mit einem anderen Jäger kollidiert. Ein entnervter First Lieutenant der Gold – Schwadron
schnauzte ihn wütend an. Danach ließ Kano die Extramanöver. Es brachte nichts, wenn er
ausgerechnet JETZT noch einen Unfall baute. Die Landung im Griff des ATLS ging ruckartiger als
sonst vonstatten. Während er in den Hangar gezogen wurde, registrierte Kano beunruhigt, daß nur das
Steuerbordkatapult benutzt wurde, um die aufgetankten Maschinen zu starten. Das verhieß nichts
Gutes... .
Im Hangar herrschte blankes Chaos. Aus irgendeiner Quelle strömte Rauch in die riesige Halle, ließ
die Techniker und Bordwarts husten und fluchen. Gleichzeitig wurden Maschinen aufgetankt, mit
Raketen bestückt und gestartet. Schwer beschädigte Einheiten wurden hastig beiseite geräumt, um
Platz für die zu schaffen, die man wieder hinausschicken konnte. Die sonstige Ordnung und Sorgfalt
schien sich in einen wimmelnden Ameisenhaufen aufgelöst zu haben. Da war es ein Wunder, daß
dennoch Jäger neu bestückt und über das noch funktionsfähige Backbordkatapult ausgeschleust
wurden.
Kano hatte Schwierigkeiten, die Gurte zu lösen. Beim Austeigen wäre er beinahe, wenig heldenhaft,
auf den Hangarboden gestürzt.
Völlig erledigt lehnte er an der Wand, nahm nur unbewußt wahr, wie ein paar Techniker sich auf seine
Maschine stürzten, geführt von einem völlig verschwitzten und heisergebrüllten Sergeant. „Keine
Chance...zu lange...weg damit! Eh das Ding wieder fliegt haben sie uns am Arsch!“
Dann schüttelte ihn plötzlich jemand an der Schulter. Ein Marine, mit der weiß-roten Armbinde eines
Sanitäters: „LIEUTENANT! SIND SIE VERLETZT?!“ Der Mann brüllte, um den Lärm zu übertönen,
den ein startender Jäger verursachte.
Kano schüttelte den Kopf. Der Sanitäter drehte sich um und hastete weiter. Er hatte wohl Wichtigeres
zu tun. Aber er hatte Kano aus der Lethargie gerissen. Er überwand die bleierne Müdigkeit in seinen
Knochen, machte sich auf die Suche. Nach einem Offizier, einer Maschine – nach seiner Pflicht.
Aber es war Lightning, die ihn fand. Sie war mit noch leidlich intakter Maschine, aber ohne Raketen
und kaum Treibstoff gelandet und versuchte, so schnell wie möglich wieder starten zu können.
Allerdings sah sie sich auch um, wen sie von ihrer Schwadron finden konnte. Dabei entdeckte sie
Kano, der sich etwas planlos durch das Durcheinander wühlte.
„Ohka! Was suchen Sie? Wieso sind Sie nicht bei Ihrer Maschine?!“
Der Pilot sah sie ein paar Herzschläge verwirrt an. Dann riß er die Knochen zu einer Ehrenbezeugung
zusammen: „Lieutenand Commander! Melde zwei Avenger abgeschossen. Eigene Maschine
beschädigt – momentan außer Dienst.“ Seine Stimme schwankte leicht, als er hinzufügte: „Virago hat
einen weitere Feindmaschine vernichtet. Einen Bomber. Aber – sie mußte aussteigen... .“
„Hoffen wir, daß die SAR’s sie aufgelesen haben! Lilja hat ganz schön was abbekommen. Stormrider
mußte auch aussteigen. Und Mace hat’s erwischt.“ Das klang kalt, fast grausam in der Gleichgültigkeit
des Tonfalls. Aber jetzt hatte keiner der beiden Zeit, sich damit zu beschäftigen. Wut und Trauer
würden später kommen.
„Kannst du fliegen, Ohka?“ Lightning wußte, mit dieser Frage ließ sie dem Piloten nicht wirklich eine
Wahl. Aber sie brauchte JEDEN, der fliegen konnte. Sie hatte so wenig Alternativen wie Ohka.
„Jawohl! Melde einsatzbereit!“ Dabei wußte Kano selber, daß er nicht gerade diesen Eindruck machte.
Aber er wußte auch, was man von ihm erwartete. Die Navytradition... .
„Lassen Sie sich einen ‚Schuß‘ setzen. Sie kriegen eine der Reservemaschinen. Die andere mußte ich
an Huntress geben. Sie braucht Ersatz. Ihre EV konnten schnell eingesammelt werden – und gehen
wieder raus. Ich seh‘ mal zu, wen ich noch finde... .“ Sie verbiß sich die Bemerkung, Ohka solle
diesmal mit heiler Maschine heimkehren. Der Junge war gut geflogen – und was jetzt auf ihn zukam,
war nicht leichter.
„Schuß“ war die Bezeichnung für einen ziemlich üblen Chemiecocktail, den manche auch „Kamikaze“
nannten – ein Mittel, um erschöpfte Piloten wieder „auf die Beine zu bringen“. Das Mittel wirkte
mehrere Stunden, unterdrückte erstaunlich effektiv Erschöpfung und Müdigkeit. Allerdings war es
nicht unumstritten – und bei den Bordärzten in schlechtem Ruf. Es gab Geschichten von
Zusammenbrüchen und Kreislaufkollaps nach Verstreichen der Wirkungsdauer. Und daneben hieß es,
daß das Zeug die Piloten „scharf“ machte – was zu einigen „friendly fire“ – Vorfällen geführt haben
sollte... .
Kano fand, was er suchte. Bei einer überarbeitet wirkenden Sanitäterin des Marinekorps hatte sich eine
regelrechte Schlange gebildet. Es ging wie am Fließband. Binnen einer halben Minute hatte er den
„Schuß“ und rannte zu den Stellplätzen der Reservemaschinen. Obwohl das Mittel erst nach fünf
Minuten wirken sollte, fühlte er sich schon wesentlich besser. Kurz darauf war er wieder im Raum.
Captain Clark starrte auf die Anzeigen, die das Todesurteil für die Redemption bedeuten konnten.
Schilde zerstört, Hauptwaffenleitkreis außer Dienst, Maschinenraum Eins brannte immer noch.
Mehrere Lecks. Die Begleitschiffe beschädigt oder vernichtet, das Bordgeschwader schwer
angeschlagen.
Seine Stimme klang rauh und kratzig: „Steuermann – bringen Sie uns näher an die Agamemnon! Wir
geben uns gegenseitig Feuerschutz. Signal an die anderen Schiffe – Zusammenschließen. Wir müssen
uns gegenseitig Feuerschutz geben!“
„Sir.“ Das war der Waffenoffizier. „Der Hauptwaffenleitkreis ist ausgefallen... .“
„ICH WEISS VERDAMMT!!“ Dieser Ausbruch kam überraschend. Für die Crew, aber auch für Clark
selber. Normalerweise erhob er nicht die Stimme. Aber natürlich war die momentane Situation alles
andere als normal. In ungewohnt scharfem Ton fuhr der Captain fort: „Und wenn Sie die Ziele PER
HAND anrichten müssen – ich will jede Kanone feuerbereit und im Einsatz! Und wenn es möglich ist,
schicken Sie die Shuttles raus. Wir brauchen jede Waffe da draußen. Sie können außerdem die
Ausgestiegenen auflesen. Funkoffizier – Spruch an die Jäger!“
„Jawohl, Captain!“
„Hier spricht Captain Clark. Unsere Lage ist ernst. Die Schilde sind zusammengebrochen, unsere
Geschwindigkeit stark verringert. SIE sind die einzige effektive Waffe, die wir jetzt noch haben, das
einzige Schild der Redemption. Der Gegner wird sich diese Beute nicht entgehen lassen. Die Majestic
hat sich geopfert, um uns den Rückzug zu ermöglichen. An IHNEN liegt es, daß dieses Opfer nicht
umsonst war. Ich verlasse mich auf Sie. ES DARF KEIN FEINDLICHER BOMBER
DURCHKOMMEN! Dies zu verhindern ist Ihre Mission, die absolute Priorität hat! Wenn Sie die
Bomber abwehren, haben Sie ihre Aufgabe erfüllt – selbst wenn es dabei bleibt!“
Nach dem kaum verhüllten Kamikazebefehl herrschte ein paar Augenblicke Schweigen auf der
Brücke. Dann meldete sich der Radaroffizier. Seine Stimme vibrierte vor Anspannung:
„Einkommende Signale! Zwölf – Plus! Feindkennung!“
Lightning musterte ihren Verband. Statt einem vollen Dutzend hatte sie nur noch acht Jäger zur
Verfügung. Und vier der Maschinen, das wußte sie, waren eigentlich nicht voll einsatzfähig, waren bei
dem verrückten „Kavallerieangriff“ beschädigt worden. Einige der Maschinen hatten immerhin neue
Raketen erhalten – und alle waren betankt.
‚Ob das reicht... .‘ Die zusammengeschmolzenen Überreste der Phantome- und Typhoon-Staffeln
bildeten die Verteidigung, verstärkt durch die kampffähigen Überreste der Mirage und Griphen. ‚Das
ist ein verdammter Last Stand Hill!‘
Und die „Rothäute“ kamen schon, um die Kavallerie in Fetzen zu reißen... .
Erst jetzt hatte Kano Zeit, um die Bestückung der Ersatzmaschine zu begutachten. Zwei Amrams,
Zwei Sparrow, Zwei Sidewinder. Nicht gerade die Kombination, die er gewählt hätte. Die Sidewinder
brauchten fast drei Sekunden sichere Zielerfassung – und mußten auf das Heck des Gegners
abgeschossen werden. Er verließ sich lieber auf die Sparrow – oder die Amram-Sofortfeuer-Raketen.
Aber er konnte froh sein, überhaupt noch eine Maschine bekommen zu haben.
Er fühlte sich – gut. Keine Angst, nicht einmal Sorgen. Die Aufgabe war klar. Akariis abfangen. Es
gab keine Zweifel, kein Zögern. ‚So haben die Samurai gekämpft.‘
Lightning musterte den ankommenden Verband. Eine knappe Staffel Jabos und Bomber. Fast die selbe
Anzahl Jäger. ‚Haben wohl nicht mehr in den Raum bekommen. Die Echsen haben wohl Bammel, daß
wir die Party vor der Sperrstunde verlassen.‘
Immerhin bot diese Hast eine Chance. Momentan waren die Maschinen der Redemption zahlenmäßig
leicht überlegen. Und das gedachten die Veteranen der Angry Angels zu nutzen.
Während die Typhoon sich auf die Jäger stürzten, konzentrierten sich Phantome, Mirage und Griphen
mit ihrer größeren Feuerkraft auf die Bomber. Binnen Sekunden wurde der Weltraum mit
Energiebahnen und Raketenexplosionen erleuchtet. Aus der Entfernung eröffneten Redemption und
Agamemnon das Feuer, gefolgt von den anderen Großkampfschiffen.
Kano hatte darauf verzichtet, die Raketen abzufeuern. Stattdessen überschüttete er die Bloodhawk, die
er ins Visier genommen hatte, mit einem wahren Feuerwerk aus den Laser- und Neutronenkanonen,
brach mit einem schnellen Dreißig – Grad – Kurswechsel aus dem Schußvektor des Akarii. Seitlich
versetzt passierte er den Gegner, wendete abrupt und hängte sich an das Heck des Akarii. Der mußte
den Angriff auf eine Phantom abbrechen, die sich an einen Raptor heranpirschte. Aber der Akarii
verstand sein Fach. Sobald er die Bedrohung in seinem Nacken bemerkt hatte riß er seine Maschine
zur Seite.
In Kanos Visier erschien nun die Raptor. ‚Abfangen! Vernichten!‘ Die Bloodhawk beachtete er nicht
mehr. Den Nachbrennerhebel voll nach vorne geschoben stieß die Typhoon auf den Jagdbomber
herab. ‚Die Sidewinder... .‘ Kano visierte den Raptor an. Sein Daumen schwebte über dem Knopf der
Raketenkontrolle. ‚Gleich... .‘
Das Plärren des Raketenalarms riß ihn aus dem fast tranceartigen Zustand. Die Sidewinder
verschwanden irgendwo im Weltraum. Kano ließ die Typhoon abtauchen, während er eine ganze
Wolke von Täuschkörpern ausstieß.
Hinter ihm blitzte es ein, zweimal. Etwas hämmerte in seine Heckschilde. ‚Verdammter Hund!‘ Ein
Von Bein riß seine Maschine herum, brachte die Bloodhawk in seine Zielerfassung. Wutentbrannt
drückte Kano auf alle Feuerknöpfe. Eine der Amrams traf, konnte die Schilde aber nicht völlig
knacken. Die Laser- und Neutronenkanonen ließen sie dann kollabieren. Aber der Feindjäger war
vorbei, ehe Kano ernste Schäden anrichten konnte. Wieder drückte Kano den Nachbrennerhebel nach
vorne – trieb den Jäger in eine scharfe Wende.
Aber die Bloodhawk hatte kein Interesse an einem Head-on-Head. Mit Höchstgeschwindigkeit eilte
sie den Jäger und Jabos hinterher, die von allen Seiten angegriffen wurden.
‚Nicht so schnell!‘ Kano setzte hinterher.
„Ohka!“ Das war Perkele. Seine Maschine kurbelte mit einer Bloodhawk. Und dieser Akarii schien
gut zu sein, trotz der verrückten Manöver des Finnen hing er in dessen Nacken. Aber er war allein. Als
Kanos Maschine in SEINER Sechs auftauchte und Laser und Neutronenkanonen auf seine Schilde
hämmerten, floh er. Die beiden Typhoon jagten hinter den Bombern hinterher.
Der Angriff der Akarii verlor an Geschlossenheit. Etliche Maschinen waren abgeschossen worden,
andere mußten beschädigt abdrehen, oder die Raumraketen im Notschuß loswerden. Einige kamen
aber auch durch.
Die Peregrine wurde beinahe durch die schneidige Attacke eines Raptor-Quartetts vernichtet – zwei
schwere Treffer im Heck ließen den Großraumer erbeben – aber er schaffte es, einen Zusammenstoß
mit den anderen Kampfschiffen zu vermeiden und sich, im Verbund mit der schwer beschädigten
Agamemnon weiterzuschleppen.
Kano und Perkele waren etwas zu spät gekommen. Gemeinsam hatten sie sich auf einen Raptor
gestürzt. Sie nahmen ihn in die Zange. Doch dann waren plötzlich zwei Bloodhawk im Gefecht,
drängten die Erdjäger ab. Kano kassierte eine leichte Rakete und eine volle Salve in seine Schilde. Nur
ein schnelles Abtauchen rettete ihn. Perkele sah alleine wenig Chancen. Zwei Amrams auf den
Jagdbomber, dann mußte er weichen. Der Raptor wurde nur beschädigt, löste seine Schiff-Schiff-
Raketen, allerdings auf Maximaldistanz, und drehte ab.
‚Verdammt! Versagt! Das darf nicht sein!‘ Darkness müde, aber befehlsgewohnte Stimme schnitt
durch Kanos lautlosen Wutausbruch: „ACHTUNG! Zweiter Verband im Anflug! Geschätzte Ankunft
– Zwanzig Minuten! Etwa Dreißig! Vor allem Jäger – und Sturmjäger!“
Das hieß also Bloodhawk und Deltavögel. Auch wenn die Sturmjäger keine Schiff-Schiff-Raketen
führten, mit ihrer massiven Vorwärtsbewaffnung und zahlreichen Raumkampfraketen waren sie für
die schildlose Redemption eine ernste Bedrohung.
In Kano brodelte Wut. ES WAR NICHT FAIR! Da hatten sie mit äußerster Mühe den ersten Angriff
abgewehrt – die Redemption flog noch. Das Schutz versprechende Asteroidenfeld war schon zum
Greifen nahe. Aber diese verfluchten Echsen! Die gaben keine Ruhe. Jetzt begriff er, was Lilja meinte.
Dieser Abschaum mußte ausgelöscht werden! Die Hände um die Kontrollen verkrampft fluchte er
wütend.
„Ohka! Was ist zum Teufel?! Funkdisziplin!“
Das ließ ihn innehalten. Er schüttelte den Kopf, um wieder etwas klarer denken zu können. Was hatte
er... ?
„Entschuldigung.“
Lightning fragte nicht nach. Sie konnte sich vorstellen, warum der Pilot sich so benahm. Manche „auf
Kamikaze“ neigten zu Kurzschlußreaktionen. ‚Hoffentlich dreht der mir nicht durch... .’
**************************************
Diesmal war die Gegenwehr der Erdjäger deutlich schwächer. Die meisten hatten schon gegen die
erste Welle ihre Raketen verbraucht und waren jetzt auf die Bordkanonen angewiesen. Kano hatte
Glück – zwei Sparrows hingen noch an den Flügelhalterungen. Allerdings waren nach dem letzten
Gefecht die Schilde noch nicht wieder völlig aufgebaut. Nicht, daß er jetzt darauf geachtet hätte.
Während er mit Höchstgeschwindigkeit auf die feindliche Formation zuraste, machten seine Augen
automatisch ein Ziel aus – ein Raptor, sichtlich schon kampfgezeichnet. ‚Das wird dein letzter Flug!’
Er griff nicht direkt von vorne, sondern von 10 Uhr an, aus allen Rohren feuernd. Erst auf kürzeste
Entfernungn löste er die Sparrow. ‚Rakete los! Los!’
Dann war er vorbei, hinter ihm leuchtete eine doppelte Explosionswolke auf – und eine volle Salve
krachte in sein Heck, ließ die schon geschwächten Schilde kollabieren. ‚Verdammt!’
Der Raptor hatte sein Manöver vorausgesehen und war im letzten Augeblick durch eine harte
Backbordwende und dem Ausstoß von Täuschkörpern entkommen. Die Explosionen schwächten seine
Schilde, vernichteten ihn jedoch nicht. Und der Heckschütze nützte nun die Gelegenheit, den Erdjäger
mit gutgezielten Feuerstößen einzudecken. Ein Hieb auf den Nachbrennerhebel, und ein
Korkenziehermanöver brachten Kano vorerst aus dem Schussfeld, eine Hochgeschwindigkeitswende
richtete seinen Bug wieder auf den Raptor. Kano fletschte die Zähne. ‚Noch bin ich nicht aus dem
Spiel!’
Wieder schob er den Nachbrennerhebel nach vorne, ohne auf den Treibstoffverbrauch zu achten. Er
eröffnete das Feuer, sobald er in Waffenreichweite war, überschüttete den Jagdbomber mit
Energiesalven – die allerdings zum Gutteil nicht trafen. Der Bordschütze drüben schwenkte seine
Waffe und nahm die heranrasende Maschine auf’s Korn – innerlich die unzureichende
Durchschlagskraft seiner Waffe verfluchend.
Keiner der Duellanten hatte jetzt noch ein Auge auf die tobende Raumschlacht. Während sich die
Bloodhawks bemühten, die Erdmaschinen abzufangen, versuchten die Sturmjäger und die einzelnen
Bomber und Jagdbomber, durchzubrechen und die beschädigten Großkampfschiffe aufs Korn zu
nehmen.
Die Angry Angels kämpften mit dem Rücken zu Wand – und das wussten sie. Ohne die Redemption
gab es für sie keine reale Chance. Einige würden vielleicht aussteigen können und von den anderen
Großkampfschiffen aufgelesen werden – auf den Rest wartete der Tod oder die Gefangenschaft. Und
die verwundeten Kameraden, die gesamte Bodencrew, Heimat und Familie für die meisten, würde
dieses Schicksal teilen. Deshalb wehrten sie sich mit einer Verbissenheit und Wut, die selbst im Krieg
nicht gewöhnlich war.
Kanos Typhoon jagte unter dem Jagdbomber hindurch. Der Bordschütze riss seine Waffe herum – da
blitzte dicht hinter ihm irgendetwas auf und Feuer schlug in das Gesicht des Akarii, dutzende Metallund
Kunststoffsplitter zerlöcherten den Raumanzug und Körper.
Perkele hatte die Gelegenheit genutzt, um sich an die Raptor heranzuschleichen. Beim Passierfeuer
hatte er fast eine vollständige Breitseite von einem Deltavogel kassiert, was seine Schilde auf 20 % der
Normalstärke herunterprügelte. Er war froh, so glimpflich davongekommen zu sein. Dann hatte er sich
erfolglos mit einer Bloodhawk herumgeschossen, allerdings mehr ausgeteilt als eingesteckt, bis der
Feindjäger sich zurückgezogen hatte – wohl um ein leichteres Ziel zu suchen. Er hatte ihn nicht
verfolgt, denn in diesem Augenblick war ihm ein besseres Ziel aufgefallen. Kaltblütig hatte er seine
Chance genutzt und erst aus nächster Nähe das Feuer eröffnet. Jetzt jagte er eine Salve nach der
anderen in das Heck des Jagdbombers, sah mit grimmiger Genugtuung, wie die Schilde kollabierten
und sich die Strahlenbahnen in den Rumpf bohrten.
Der Bordschütze würgte. Irgendeine Flüssigkeit rann in seine Kehle, erschwerte das Atmen. Ein
Krampf schüttelte seinen Körper, als grausamer Schmerz ihn in Flammen zu setzen schien. Er war am
Ende. Aber da, vor ihm, genau im Visier der Kanone, hing der verdammte Erdjäger, den er übersehen
hatte, verhöhnte seine Qualen und pumpte Schuß um Schuß in seine Maschine. Mit einem röchelnden,
halb erstickten Fauchen packte der Akarii die Kontrollen – und feuerte. Seine Finger hielten den
Feuerknopf noch gedrückt, als sein Körper zusammensackte und er mit einem Keuchen starb.
Die Schüsse der Strahlenkanone saßen im Ziel. Schon die erste Salve zerschlug die dünnen
Restschilde der Typhoon, die zweite schlitzte den Rumpf auf. Die dritte traf den Treibstofftank.
Perkele blieb nicht einmal mehr Zeit zu schreien, zu begreifen, was geschah – seine Maschine verging
in einem riesigen Feuerball, der nichts als ein paar zersplitterte Trümmerteile zurückließ.
Der Pilot des Raptors drehte bei und gab Vollschub – weg von der Schlacht, zurück zu seinem Träger.
Laut fluchte er, voller Wut und Trauer. Aber sein Bordschütze und Kamerad hörte ihn nicht mehr.
Kano hatte nicht einmal bemerkt, was hinter ihm geschehen war. Als er wendete, sah er nur noch den
flüchtenden Raptor. Mit Mühe hielt er sich davon ab, ihn zu verfolgen – Sein Hauptziel, das wurde
ihm wieder bewusst, waren Einheiten, die noch im Angriffsflug waren.
Also gab er Vollschub und jagte dem Hauptpulk der Akarii hinterher.
Inzwischen war jede Ordnung und Übersichtlichkeit dahin. Akarii- und Menschenmaschinen bildeten
ein wildes, chaotisches Durcheinander, in dem jeder für sich allein kämpfte. Einzelne Deltas
versuchten, mit ihrer schweren Bugbewaffnung und Raumkampfraketen die angeschlagenen
Großkampschiffe anzugehen. Selbst wenn ihre Waffen zu schwach waren, diese Giganten zu
vernichten. Ein guter Treffer, etwa bei den Triebwerken, würde die schweren Raumer lahm legen –
eine leichte Beute für spätere Angriffswellen oder eigene Großkampfschiffe.
Andere Deltas schossen sich im Verein mit den Bloodhawk mit den Erdjägern herum. Ihre geringe
Wendigkeit wurde durch Bewaffnung und Standfestigkeit ausgeglichen.
Kano tauchte ein in einen Strudel aus Strahlenbahnen und durcheinander kurvenden Maschinen. Es
gab kaum regelrechte Duelle – Kurze Begegnungen mit dem Feind, ein paar Feuerstöße – dann war
der Gegner auch schon im Durcheinander verschwunden. Er traf und wurde selber getroffen. Ein,
zwei, drei Lampen leuchteten warnend an der Konsole auf, informierten ihn über einen Leistungsabfall
der Manöverdüsen, den endgültigen Zusammenbruch des Heckschildes und den immer knapper
werdenden Treibstoff.
Kano achtete nicht darauf. Er ging völlig im Fliegen auf. Zum ersten mal fühlte er sich, als wäre er
wirklich EINS mit der Maschine, die Typhoon eine Ergänzung seines Körpers, ein Werkzeug seines
Willens. Während er mit Bloodhawks Schüsse austauschte, lachte er.
Plötzlich wuchs vor ihm eine Maschine förmlich in die Zieloptik hinein. Eine Bloodhawk,
vollkommen fixiert auf eine vor ihr kurvende Phantom. Mit einem kalten Lächeln drückte Kano die
Knöpfe der Bordkanonen. Die Treffer schüttelten die Bloodhawk regelrecht durch, durchschlugen ihre
Schilde.
Einen verzweifelten Abschwung des Gegners glich Kano mühelos aus, gnadenlos wie ein jagender Hai
am Heck der Bloodhawk hängend. ‚Feuer! Feuer! Feuer!!’
Der Akarii flog in die Luft. Kanos Maschine stieß durch die expandierende Explosion – und wurde
brutal durchgeschüttelt. Die Trümmerteile durchdrangen die geschwächten Schilde teilweise und
schlugen in den Rumpf. Das durchdringende Heulen des Bordalarms zeigte Kano, daß es ernst aussah.
Schilde hatte er keine mehr – und die Treffer an seiner Maschine reduzierten die Wendigkeit um 30 %.
Der Schaden war nicht irreparabel, machte ihn hier draußen aber zu einer leichten Beute. Auch an
seinem Zielcomputer schien einiges nicht in Ordnung.
Aber der Kampf verebbte. Die Akarii zogen sich zurück. Ihr Hauptziel, die Vernichtung der
Redemption, hatten sie nicht erreicht. Sie hatten die verteidigenden Einheiten schwer dezimiert und
auch Treffer bei den Großraumern gelandet. Aber am Ende war den Akarii vor den Menschen „der
Atem ausgegangen“. Der Redemption – Verband war abgeschlagen worden, doch nicht vernichtet.
Jetzt tauchte der Träger in den „Schutz“ des Asteroidenfeldes. Zwischen den treibenden Eis- und
Gesteinsbrocken war das Manövrieren schwierig, die Ortung erschwert. Das würde eine Verfolgung
verzögern, vielleicht sogar unmöglich machen.
Es traf Kano unvorbereitet, als die Wirkung des Aufputschmittels nachließ. Plötzlich sah er alles
doppelt. Abwechselnd schwitzte und fror er, seine Hände zitterten unkontrolliert, so daß er den
Steuerknüppel mit beiden Händen halten mußte. Die Funksprüche der Leitstelle klangen verzerrt und
dumpf in seinen Ohren. Seine eigene Stimme kam ihm fremd vor. Um ein Haar streifte seine
Tragfläche die Hangarwand – nur der Griff des ATLS verhinderte eine Bruchlandung – das war die
schlechteste Landung seit Beginn seiner Dienstzeit. Als er endlich aus dem Cockpit war, mußte er sich
an der Hangarwand festhalten, als seine Beine den Dienst versagten. Langsam rutschte er zu Boden,
saß dann auf dem Boden, gegen die Wand gelehnt, die Hände unter die Achseln gepreßt in dem
Versuch, das Zittern zu stoppen.
Es dauerte einige Zeit, bis er begriff, daß die Schlacht vorbei war.
Die Fragen kamen später.
*************************************
Der Halbierte und stark angeschlagene Redemptionverband formierte sich erneut. Von der Eskorte
waren nur noch die beiden Kreuzer Agamemnon und Perregine - ersterer arg angeschlagen und der
Zerstörer Jerome Custer übrig. Die Perregine und die J. Custer waren noch unbeschädigt, ihre Schilde
hatte bis jetzt alles abgefangen, was die Akarii ihnen in den Rachen jagen wollten und regenerierten
sich wieder.
Deshalb setzte sich die Perregine auch direkt hinter die Redemption, die wieder die ersten Jäger zum
Auftanken und Aufmunitionieren aufnahm.
Roland Pfeuffer war Lieutenant 1st Class. Er hatte die Navy eigentlich ausnutzen wollen. Billig -
eigentlich umsonst - Medizin studieren, dabei noch das beinahe fürstliche Offiziersgehalt einstreichen
und danach 5 Jahre Dienst mit der linken Arschbacke absitzen. Eigentlich egal, wo, ob auf einer
Raumstation, einem Planeten oder sogar auf einem Raumschiff.
Die Versetzung auf die Jerome Custer war ihm gerade recht gekommen, da seine Mutter wieder mal
Heiratspläne für ihn schmiedete. Die Raumdienstzulage war ein weiterer netter Bonus.
Zumal, man bei 12 Monaten Borddienst nicht allzu viel ausgeben konnte. Doch dann hatten die Akarii
ihm in die Suppe gespuckt.
Und jetzt saß er in einem zerbrechlichen kleinen SAR-Shuttle und durfte ausgestiegene Piloten
versorgen. Natürlich konnte ihm keiner Sagen, ob die Akarii SAR-Shuttle als Nonkombatanten
einstuften.
Er arbeitete gerade daran, das linke Bein eines Piloten zu retten. Zum einen hatte es einiges an
Splittern abbekommen und naturgemäß eine sehr starke Erfrierung.
Mit halben Ohr hörte Pfeuffer, wie ein weiterer Pilot geborgen wurde.
"Doc, der hat starke Strahlenwerte."
"Dann geben Sie ihm den üblichen Cocktail verdammt", brummte Pfeuffer und holte den letzten
Splitter, so weit er es beurteilen konnte heraus.
Der Sanitäter hielt ihm ein Messgerät unter die Nase: "Die sind viel zu hoch, unsere Mittel reichen
nicht aus."
"Himmel Herrgott Mann! Frieren Sie ihn ein."
Der Sanitäter und eine Krankenschwester legten den Piloten in die Kryokammer und der Sanitäter
begann erneut zu nerven: "Ich habe hier keine offene Wunde, wo ich die Pumpen anschließen kann.
Sir."
Er ist neu, und jung und neu... betete Pfeuffer im Geiste und ging zu der Kryokammer, das
Laserskalpel in der rechten Hand: "Dann nehmen Sie einfach die verfluchte Halsschlagader!"
Mit einen geübten Schnitt öffnete er den Hals und durchtrennte dann die Halsschlagader. Unwirsch
klemmte er die beiden Schläuche der Kryokammer an. Die Pumpe links, das Saugstück rechts.
Natürlich saute er damit die gesamte Kammer voll. Dann wurde rechts das Blut aus dem Körpersystem
des Piloten gesogen und rechts weißbläuliche Kryoflüssigkeit reingepumpt.
Hm, wenn was schief gelaufen ist schiebe ich die Schuld auf.... , er suchte das Namensschild des
jungen Sanitäters, ... Malone.
Auson kam am Maschinenraum an: "Meldung!"
"Wir haben drei oder mehr Brandherde entdeckt, sind uns nicht sicher, die Sprühanlage konnte es gar
nicht schaffen, diese unter Kontrolle zu halten. Wir müssen den Reaktor abschalten und selbst dann
müssen wir uns was einfallen lassen um das Feuer los zu werden, wir haben eine Menge explosives
Material." Der Leitende Ingenieur der Redemption war über und über mit Russ beschmiert.
"Kommen Sie zum Reaktor durch?"
"Keine Ahnung Ma'am, wir müssen es auf jeden Fall versuchen. Fogg, Anderson, Möller nehmt Euch
die Chemielöscher, wir vier gehen rein. Olafson, halten sie das B-Rohr solange es geht auf uns
gerichtet." Der L.I. stülpte sich wieder seine schwere Atemschutzmaske auf und zog den
feuerrisistenten Overall zu und eilten seinen Männern vorne weg.
***

__________________
Ace Kaiser,
Angry Eagles

Corrand Lewis,
Clan Blood Spirit

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05.11.2015 18:48 Ace Kaiser ist offline E-Mail an Ace Kaiser senden Beiträge von Ace Kaiser suchen Nehmen Sie Ace Kaiser in Ihre Freundesliste auf
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Brawler stand im Bereitschaftsraum der Staffel und sah sich um. Gerade war die Nachricht von
Martells Ausstieg und Thunder’s Rettung gekommen. Die Metzgerrechnung stieg an. Wombat war nur
noch tot geborgen worden. Crimson war erst gar nicht ausgestiegen, wie auch Goose, der in den
Frachter gerast war. Thunder war nach ersten Berichten des SAR Shuttles schwer verwundet, Martell
bewusstlos. Snake Bite hatte ebenfalls um Sanitäter gebeten, offensichtlich hatte sie sich im Cockpit
an ausstoßenden Dämpfen verbrüht. Damit war die Staffel vom Personal auf 50 %, keiner der
Flightführer war noch kampffähig. Die Maschinen sahen noch schlechter aus, da die von Gladius und
Icepick beschädigt waren. Kurzentschlossen griff Brawler zum Com und wählte die Nummer der
Instandhaltung.
„Hallo, ja, hier ist Lt.Tüncay von den Jaguars. Wie ist der Stand bei den Reservemaschinen?“
„Das weiß ihr CO doch.“
„Der ist aber nicht hier. Also?“
„Beide flugbereit.“
„Gut, schaffen sie die Maschinen auf das Flugdeck. Die Reparatur der beschädigten Maschinen soll
zurückgestellt werden hinter die Bereitstellung von sechs Maschinen mit Luftkampfbestückung.“
„Auf wessen Befehl?“
„Auf meinen.“
„Sir, bei allem Respekt, ich bin nur autorisiert, dies aufgrund eines Befehls vom Staffel CO oder XO
zu veranlassen.“
„Ich bin momentan der amtierende CO aufgrund der Kommandokette.“
„...Ok, verstanden. Die Maschinen sind in zehn Minuten auf dem Flugdeck.“
„Danke.“ Brawler legte das Com beiseite und fluchte. Er, ausgerechnet er hatte jetzt das Kommando.
Denn alle dienstälteren Offiziere waren tot oder kampfunfähig, alle Flightführer dito und dann lag die
Kommandogewalt nach der Organisationsstruktur beim ersten Wingleader des ersten Flights. Das war
dummerweise Brawler. Hinzukam, dass er der letzte der ursprünglichen Crew der Jaguars war.
Tüncay sah in die Runde und bemerkte, wie ihn die anderen Piloten ansahen.
„Ok, ja, ich übernehme das Kommando. Wir werden sobald es geht, wieder rausgehen und bei der
Verteidigung mithelfen. Werft euch ein, was ihr bekommen könnt, Risiken und Nebenwirkungen
interessieren nicht....“
Alle nickten. Wenn die Redemption zerstört würde, bestanden nur noch minimale Überlebenschancen.
Der Verband der Majestic war aufgerieben und von der Galileo hatte man nichts mehr gehört. Die
Stimmung schwankte zwischen Verzweifelung und Entschlossenheit. Die Nachrichten, dass der
Skipper außer Gefecht war, hatte alle hart getroffen.
„Wie teilen wir uns denn auf?“
„Wir gliedern nur in Wings auf. Flights machen keinen Sinn. Gladius kommt zu mir. Seine Maschine
ist bereits repariert. Dann kommen Icepick und Enigma. Hatchet und Tango bilden dann das letzte
Päarchen.
Plötzlich piepte das Comgerät. Brawler nahm das Gespräch an.
„Lieutenant Tüncay hier.“
„Lieutenant, hier Commander Cunningham, geben Sie mir Martell.“
„Sir, der Lieutenant Commander ist nicht auf der Redemption.“
„Dann Thunder.“
„Sir, auch Thunder ist nicht anwesend.“
„Dann geben Sir mir den, der verantwortlich ist.“
„Mit Verlaub, das bin wohl ich, Sir.“
„SIEE?.....na gut, wie ist ihr Status?“
„Wir haben in ca 15 Minuten sechs startbereite Griphen mit Luftkampfbewaffnung.“
„Nur sechs?“
„Ja Sir. Wir haben weder mehr Piloten, noch mehr Maschinen, die einsatzfähig sind.“
„Gut, sorgen Sie dafür, dass Sie so schnell wie möglich draußen sind, die Akari können jeden Moment
wieder angreifen.“
„Ayeaye, Sir!“
Brawler sah wieder in die Runde.
„Ab in die Maschinen!“
Alle verließen fluchtartig den Bereitschaftsraum in Richtung Flugdeck.
Eine viertel Stunde später standen die ersten Maschinen auf dem Katapult. Brawler bereitete sich auf
den enormen Schub vor, der nun kommen würde. Nicht dass man ihn sehr spüren würde, aber alleine
die visuelle Wahrnehmung der Beschleunigung sorgte immer für eine Zusammenkrampfen des
Magens bei Brawler. Abwesend wischte er mit der Hand über die Visierplatte des Helmes, während er
darauf wartete, dass die Katapultcrew Bereitschaft meldete. Als es soweit war, salutierte er und wurde
dann sofort aus dem Bauch des Trägers in All geschossen. Neben ihm reihte sich sofort Gladius in der
Formation ein. Zu seiner Linken und seiner Rechten tauchten dann kurz danach die beiden anderen
Paare auf. Insgesamt flogen die verbliebenen Jaguars nun in einer V Formation, mit Brawler an der
Spitze.
Dieser fühlte sich irgendwie ungeschützt, nun da er die Speerspitze der Jaguars bildete. Als Mitglied
in einer Staffelformation war man von Kameraden umgeben. Wer jedoch an der Spitze flog, musste
den Hals schon verdrehen, um zu sehen, dass er nicht allein flog.
Nach wenigen Minuten waren sie auf der Position angelangt, die den Jaguars von der Jägerleitzentrale
zugeteilt worden war.
„Hm, vielleicht kommen die ja gar nicht mehr.“ Mutmaßte Gladius nach einigen Minuten.
„Das glaube ich für dich mit. Eine Chance, einen angeschlagenen Träger zu klatschen lässt sich kein
Akari Admiral entgehen. Überleg doch mal, wie groß der Schaden ist, denn die Trägerverbände
angerichtet haben.“ Antwortete Hatchet.
„Leute, das ist kein Debatierclub. Konzentriert euch auf die Sensoren.“ Brawler war selbst erstaunt,
dass ihm dieser Satz herausgerutscht war. Aber er hatte Erfolg.
Zehn Minuten später herrschte Gewissheit. Der Feind flog mit einer neuen Welle an. Avenger Bomber
begleitet von Reapern und Deathhawks. Glücklicherweise – aus Sicht der Jaguars – griffen Sie aus
einem Vektor an, der sie nicht frontal auf die Griphen Formation zulaufen lies, sondern eher in den
Bereich einer der Typhoon Staffeln fiel. Dennoch beorderte der Jägerleitoffizier der Red sofort auch
die Griphen ins Gefecht.
„Ok Leute, die Reaper und die Deathhawks können der Red nichts. Ignoriert sie, so gut ihr könnt.
Außerdem sind die Typhoons nicht so stark gegen die Bomber.“
Ein Gruppe Avenger Bomber schien etwas außerhalb der Feindformation zu sein. Brawler änderte den
Kurs entsprechend. Dann trafen die Typhoons auf die Feindstaffeln. Der erste Feuerwechsel war
mörderisch, der Raum voller Raketen und Strahlen von den Bordwaffen. Glücklicherweise schienen
die Akari sich voll auf die Typhoons zu konzentrieren. Die Griphens stürzten sich auf die Avenger.
Jeweils zwei Jaguars konzentrierten sich auf einen Bomber, doch deren starker Schild und die
darunterliegende Panzerung verhinderten einen Abschuss. Dafür war das Abwehrfeuer umso heftiger.
Die Ionenkanonen trafen immer wieder auf die Schilde der Griphen und einige flackerten bedrohlich.
Doch sie hielten letztendlich. Brawler riss die Maschine hoch und zog dann gegen die Flugrichtung
der Avenger weg, um schnellstmöglich Abstand zu gewinnen. Dann flog er einen halben Looping und
gelangte so exakt auf die sechs Uhr Position der Bomber, die stur auf Kurs blieben. Dafür sah Tüncay
erste Anzeichen dafür, dass sich die Eskorte auch für ihn interessierten. Warnlichter zeigten die
Aufschaltung mehrer Zielradars. Unbeirrt wartete er, bis sein Zielcomputer die Markierung für die
Raketen von gelb auf rot umschaltete, dann feuerte er zwei Sparrows auf den nächstgelegenen Bomber
ab.
Das Abwehrfeuer der Bomber schoss die erste Rakete mit einem Glückstreffer ab, die zweite jedoch
traf genau mittig am Heck des Zieles. Doch der Bomber war noch nicht aus dem Rennen. Die
Hecksektion sah zwar übel aus, aber die Maschine flog weiter.
Brawler fluchte. So eine harte Nuss. Doch bevor er eine weitere Salve abgeben oder zum
Bordwaffeneinsatz aufschließen konnte, sah er, wie zwei Raketen auf ihn zukamen. Offensichtlich
wollte es ein Deathhawk genauer wissen. In einem waghalsigen Manöver flog Brawler den Raketen
entgegen, aktivierte im letzten Moment den Nachbrenner und raste an den Flugkörpern vorbei, so dass
diese zu spät explodierten. Trotzdem bekamen die Heckschilde etwas ab. Dafür war aber auch der
Deathhawk, der seinen Geschossen gefolgt war, so überrascht, dass er verspätet auf den Frontalangriff
reagierte. Dann erwiderte er das Feuer von Brawler, bevor er sich eines Besseren besann, da er im
leichtergepanzerten und leichterbewaffneten Flieger sass. Doch die Reaktion kam zu spät. Sein scharfe
Kurve brachte ihn genau in die Schusslinie von Gladius, der denn schon stark angekratzten Akari mit
zwei Salven erledigte. Brawler achtete nicht weiter auf die anderen Jäger und wandte sich wieder den
Bombern zu. Der bereits beschossene Avenger schien etwas zurückzuhängen, offensichtlich arbeitete
das Triebwerk nicht mehr effizient. Brawler wollte gerade eine zweite Raketensalve auf sein
angeschlagenes Opfer abschießen, als eine Typhoon hinter dem Avenger einkurvte und diesen in einen
Nahkampf verwickelte.
Grummelnd suchte sich Brawler ein neues Ziel. Kurz bevor sein Zielcomputer die Raketen freigab,
schoss sein Flügelmann auf sein Ziel. Brawler wartete ab und wurde belohnt, denn die Salve erwischte
den Avenger offensichtlich an einer Schwachstelle, und der Bomber explodierte. Brawler wählte
sofort den nun verwaisten Flügelmann und schoss sein zweites und letztes Sparrow Paar ab. Doch
diesmal reagierte der Bomber, warf Störkörper ab und flog eine für einen Bomber enge Kehre. Dabei
wurde er von den Griphen von Hatchet und Tango beharkt, die ihre Bordwaffen einsetzten. Trotzdem
gelang es den Bomber, den Raketen zu entkommen und dem Beschuss zu widerstehen. Brawler
fluchte erneut. Plötzlich merkte er, dass Gladius nicht mehr an seinem Flügel hing.
„Gladius, wo steckst du?“
„Boss, ich hab zwei Flöhe am Hintern...scheiße, sind die wendig....ich brauche Hilfe, schnell!“
Brawler fand nach einen Blick auf den Schirm die drei Jäger, die miteinander kämpften. Mit
aktiviertem Nachbrenner eilte er seinem Flügelmann zur Hilfe. Einer der Reaper bemerkte den
Neuankömmling und wandte sich ihm zu. Jetzt verfluchte Brawler die Tatsache, dass er alle Sparrows
verschossen hatte, denn von vorne waren die Sidewinder nutzlos. Er warte, bis er auf Schussweite
heranwar, und eröffnete dann das Feuer mit den den Bordgeschützen. Doch der Reaper flog eine
Fassrolle, die ihn aus der Schussbahn hielt. Immerhin litt sein Gegenfeuer ebenfalls unter diesem
Manöver. Ohne seinen ersten Gegner zu beachten jagte Brawler weiter zum zweiten, um Gladius zu
entlasten. Auf seinem Schirm erkannte er, dass der erste Reaper bereits hinter ihm einkurvte.
„Gladius, halt auf mich zu, wir streifen einander die Flöhe ab.“
„Gute Idee, ich hasse Ungeziefer.“
Die beiden Griphen schossen aufeinander zu, die Reaper im Schlepptau. Einer der Akari erkannte im
letzten Moment, welchen Sinn das Manöver hatte, der andere jedoch flog direkt ins Visier von
Brawler, der sich mit einigen gut gezielten Salven bedankte. Der Reaper explodierte in einem Regen
aus Metall und Feuer. Nun, da die Stärkeverhältnisse umgedreht waren, wurde der überlebende Reaper
defensiver. Immerhin hatten die beiden die Griphen für einige Zeit von den Bombern abgelenkt.
Währenddessen hatten Tango und Hatchet endlich ihr Ziel zur Strecke gebracht. Doch dafür hatten
beide einen hohen Preis zahlen müssen. Tangos Frontpartie wurde nur noch von vielen Gebeten
zusammengehalten und Hatchet hatte eine Tragfläche fast komplett verloren. Nur das Schutzinteresse
der Akarijäger an den Bombern ermöglichte ihnen, sich zurückzuziehen. Weniger gut erging es
Enigma, der im letzten Moment seine zerschossene Maschine verlassen konnte. Glücklicherweise
passierte dies an der Peripherie des Gefechtes, so dass im Nu ein SAR Shuttle bei ihm war. Insgesamt
schienen die Bomber geschwächt, doch ein paar würden durchkommen, das schien sicher. Brawler
hoffte inständig, dass die Red die Raketen abfangen konnte, denn er konnte sich nicht vorstellen, dass
sie noch viele Treffer vertragen konnte.
Doch vielleicht konnte er noch eine Maschine abfangen, bevor die Avenger in Angriffsreichweite
kamen. Mit einem erneuten Einsatz des Nachbrenners jagten Gladius und er hinter den Akari her.
Gerade als sie in Reichweite der Sidewinder waren, beganngen die Avenger, ihre tödliche Fracht
abzuschießen.
Wutentbrannt über sein eigenes Versagen schoß Brawler die beiden verbliebenen Raketen auf den
letzten Avenger ab. Der war anscheinend so beschäftigt mit dem Abschuss der Antischiffsraketen,
dass er die Gefahr zu spät bemerkte. Die Sidewinder schlugen an den Triebwerksschächten ein und
rissen den Flieger der Länge nach auseinander.
Die Bomber drehten dann plötzlich ab. Offensichtlich reichte es ihnen, die Raketen abzufeuern.
Zusammen mit der Eskorte zog sich der Feind zurück. Als die Redemption kurz darauf meldete, dass
sie zwar Treffer erhalten hatte, aber noch in der Lage war, Jäger aufzunehmen, atmete Brawler
erleichtert auf, zumal er die Nachricht erhalten hatte, dass es Enigma den Umständen entsprechend gut
ging.
Nach weiteren 15 Minuten landeten die verbliebenen Griphen auf der Red.
******************************
Die Redemption hatte das Asteroidenfeld erreicht. Es schien, als sei eine unsichtbare Grenze
überschritten, denn die Akarii ließen von ihnen ab.
Doch die Arbeit der Kanoniere war noch nicht beendet. Dauerfeuer machte dem Flottenträger der
Zeus-Class den Weg frei.
In diesem Zustand konnte ein Asteroidentreffer der Tod des Raumschiffs sein.
Auson blickte den vier Ingeneuren hinterher, die sich in die feurige Hölle wagten, der vor ein paar
Minuten noch Maschinenraum Nr. 1 gewesen war.
Olafson und seine Männer jagten Liter um Liter in den Maschinenraum, obwohl Auson bezweifelte,
dass dieses Manöver irgendwas bringen würde.
Dann wurde der Maschinenraum von einer Explosion erschüttert. Eine helle Stichflamme hüllte den
Gang ein, den die vier Ingeneure genommen hatten.
Ein schrilles Kreischen war zu hören und schon bald stürzte eine brennende Gestallt auf Auson und
die restlichen Ingeneure zu.
"Haltet den Schlauch drauf!" Rief Auson. Unnötiger weise, das Olafson schon reagiert hatte.
Kreischend wandte sich die brennende Gestallt unter dem Schaumstrahl am Boden.
Es war Fogg.
"Irgendein Schaltpult ist hochgegangen, den Chief hat es erwischt, Möller auch, von Anderson weiß
ich es nicht ... " Sprudelte es aus dem jungen Offizier hervor, als er den Schutzhelm abgenommen
hatte. " ... ich glaube, wir müssen das Feuer erst löschen, ehe wir den Reaktor runterfahren können ...
und bevor sie fragen, nein, wir können ihn nicht weiterlaufen lassen, wenn das Feuer aus ist, das ist zu
nahe an einigen Kühlleitungen gewesen, die werden demnächst aufreißen."
"Ma'am", meldete seich eine junge Ingeneurin zu Wort, "wir könnten die Seitenwand aufsprengen, die
ist dazu gedacht. Doch vorher müssen wir den Maschinenraum abschotten."
"Von wo können wir die Seitenwände aufsprengen?"
"Entweder aus dem Maschinenraum selbst ...."
"Das wäre Selbstmord!" Warf Fogg ein.
"Oder 20 Meter den Gang runter ist auch noch ne Zündeinrichtung."
Auson ging an die Sprechanlage: "Brücke hier Maschinenraum 1, wir müssen die Seitenwände
aufsprengen, um das Feuer zu löschen, erst dann können wir den Reaktor runterfahren, was selbst bei
gelöschtem Feuer notwendig ist, Maschinenraum 1 in 3 Minunten versiegeln."
"Brücke hat verstanden!" Kam die Antwort.
Auson wandte sich an die Ingeneure: "Los raus hier, in drei Minuten ist die Tür zu."
Kurze Zeit später fielen die Türen zu.
Die junge Ingeneurin trat an die Konsole und gab einige Befehle ein. Erst erschien ein Gesamtdiagram
auf dem Monitor. Beide Maschienenräume blinkten gelb auf.
"Hier sehen Sie Ma'am: Beide Maschinenräume haben an den Außenwänden Sprengluken, um in zu
dekrompimieren. Ist natürlich eine Schwachstelle, aber um eine außer Kontrolle geratenes Feuer zu
ersticken, ist es damals das Beste. Es gab damals noch keine solch effektivene Abpumpanlagen, wie
man sie auf den neueren Schiffen findet."
"So, Ende der Geschichtsstunde, sprengen Sie!"
"Aye, aye Ma'am!"
Die Ingeneurin hackte auf die Tastatur ein und gab dann den Eingebabefehl. Sie zog die Stirn in Falten
und tippte den Befehl nochmals ein.
"Ma'am, dieses Pult, es ist vom Maschinenraum abgeschnitten."
Auson trat gegen das Pult: "Okay, das bedeutet wir müssen von drinnen sprengen."
Betretenes Schweigen breitete sich in der Gruppe aus.
"Ma'am", es meldete sich erneut die junge Ingeneurin zu Wort, "ich gehe rein. Sam, kommst Du mit?"
Der angesprochene Techniker riss erschrocken die Augen auf: "Ich? Nein, ich will da nicht rein. Ich
will nicht sterben."
"Aber Du wirst auch sterben, wenn Du da nicht rein gehst."
"Nein, nicht wenn jemand anderes rein geht." Beharrte Sam. Die restlichen Ingeneure blickten zu
Boden.
"Sam, allein schaffe ich es nicht und Du kennst den Maschinenraum am besten ....."
Sam schüttelte kurz den Kopf, nahm dann eine Halskette ab und gab sie Auson: "Bitte sorgen Sie
dafür, dass meine Frau dies erhält."
Sam und die junge Ingeneurin legten sich die Brandbekämpfungsausrüstung an und nahmen zwei
Chemielöscher auf.
Auson hatte dafür gesorgt, dass die Brandschutztüren zum Maschinenraum wieder geöffnet wurden.
Und sie sorgte auch dafür, dass die Brandschutztüren nach den beiden Ingeneuren wieder geschlossen
wurden.
8 Minuten später ging ein Ruck durch die Redemption. Innerhalb von Sekunden wurde dem Feuer der
Sauerstoff entzogen und es erlosch.
*****************************
Auf der Redemption wurde mit allen Mitteln gegen die verschiedenen Brandherde gekämpft.
Das Asteroidenfeld hatten sie hinter sich gelassen. Es musste irgendwo einen Schutzengel geben.
Die Akarii hatten die Verfolgung aufgegeben, als der letzte Erdenkreuzer ins Asteroidenfeld
eingetaucht war.
"Wir nähern uns dem Jumppoint", meldete der Steuermann.
Clarke nahm das Mikrofon: "Air-Boss: Holen Sie die letzten Jäger rein." Dann schaltete er auf den
allgemeinen Kanal: "1MC hier spricht der Kommandant. Alles vorbereiten für den Sprung."
Vor der Redemption fuhren die Jerome Custer und die Agamemnon. Die Nachhut bildete die
Perregine.
Der schwere Kreuzer hatte ein paar Treffer am Heck einstecken müssen. Die Panzerung war nicht
durchschlagen worden.
Doch der Chefingenieur erhielt auf seinem Hauptdisplay merkwürdige Anzeigen vom
Sprungtriebwerk.
Er machte sich trotz aller Geschehnisse der letzten Stunden eine Notiz das Triebwerk einer genauen
Wartung zu unterziehen, so bald Perseus wieder erreicht war.
Das Wurmloch öffnete sich und nahm die vier Schiffe auf.
Die Anzeigen auf dem Hauptdisplay des Chefingenieurs der Perregine tanzten wie wild auf und ab.
Innerhalb von Hundertsteln von Sekunden fing die Perregine an sich zu zersetzen.
Das Wurmloch fluktuierte in den schillerndsten Farben.
Schließlich wurden die Jerome Custer, die Agamemnon und die Redemption wieder in den
Normalraum ausgespuckt.
"Sir: Wir befinden uns nicht wie vorgesehen in Wolf 359."
Clarke betrachtete seinen jungen Sonsoroffizier: "Wiederholen Sie das bitte!"
"Wir haben einen Fehlsprung gemacht. Ich identifiziere zwei weitere Schiffe, die Agamemnon und die
Jerome Custer. Keine Spur von ...... Oh mein Gott! Trümmerstücke an Steuerbord."
"Auf dem Hauptschirm!
Der Schirm zeigte mehrere Trümmerstücke. Viele kleine und ein riesiges. Das Heck war quasi mit
dem Bug verschmolzen. Ragte sogar teilweise vorne aus dem Bug wieder hinaus.
"Heilige Scheiße......."
"RUHE!" Blaffte Clarke: "Meyer: Bestimmen Sie unsere Position!"
"Aye ... aye ... Sir...." Der junge Offizier hackte auf seine Tastatur ein. "Wir befinden uns in Tau Ceti.
Zumindest dem Nebel und der Sternenkonstellation nach."
"Gott sei Dank", murmelte einer.
"1MC hier spricht der Kommandant. Meldung von allen Decks!"
Auson rannte durch die Gänge der Redemption. Katapult eins war total im Eimer. An 12
verschiedenen Ecken brannte der Träger. Sie versuchte überall zu sein.
Über ihr Head Set koordinierte sie Lösch- und Rettungsarbeiten auf dem ganzen Schiff.
"Herricks!" Rief sie einem Offizier der Schiffsfeuerwehr zu. "Wir brauchen mehr Druck auf den
Schläuchen vorne und mehr Männer!"
Herricks sah kurz auf: "Kann nicht versprechen, wir haben arge Probleme in Reaktorraum 1 der fliegt
uns bald um die Ohren."
"Scheiße!" Sie drehte sich um um weiterzurennen, doch da platzte eine Leitung an der Wand.
Melissa Auson wurde gegen die nächste Wand geschleudert. Ein scharfer Schmerz zuckte durch ihren
rechten Arm.
Sie rutschte zu Boden. Wellen des Schmerzes durchzuckten ihren Körper. Ihr Blick war auf einen Arm
gerichtet, der ihr gegenüber an der Wand lag. Ihr Arm.
Leise stöhnte sie.
"SANITÄTER!" Brüllte Herricks und bückte sich zu ihr. Sie wollte etwas sagen, doch ihre Stimme
versargte.
Ein lautes Knarren ging durch den gesamten Körper des Raumschiffs.
Auf allen Decks loderten Feuer.
Riesige Panzerplatten lösten sich vom Rumpf, der stellenweise grellrot aufleuchtete.
Die Brücke der Redemption war schwach erleuchtet. Die Offiziere versuchten so gut es ging die
Lösch- und Bergungsarbeiten zu koordinieren.
Clarke hatte seid über 48 Stunden die Brücke nicht verlassen. Er versuchte an 10 Orten gleichzeitig zu
sein.
Das Feuer in Reaktorraum 1 hatte nur durch Abriegelung und gezielter Dekompression gelöscht
werden können.
Erneut trat Lieutenant Richard Stelzer an den Kommandanten heran. Nach dem Tod des L.I. war
Stelzer rangältester Ingeneuroffizier: "Sir: Ich sehe es als meine Pflicht an Ihnen mitzuteilen, dass die
Crew von Reaktorraum 2 ist tot. Die Männer wissen es zwar noch nicht, aber die Strahlung, die der
Reaktor abgibt ist zu 100 % Tötlich. Desweiteren liegt meine Prognose darin den Reaktor noch 3
Stunden so in Betrieb halten zu können, dass er seine Aufgaben erledigt. Jede weitere Stunde wäre ein
Wunder."
Clark entließ Stelzer mit einem Nicken. Er faltete die Hände: Herrgott vergib mir. "Singnaloffizier:
Fahren Sie den Langsreckenfunk aus und senden Sie ein allgemeinen Notruf!"
Der junge Lieutenant blickte auf: "Sir, einen allgemeinen Notruf werden auch die Akarii hören
können, wenn die nun schneller reagieren als die Flotte und wir wissen auch nicht, wie deren
Protokolle für so was aussehen."
"Dann beten Sie einfach, dass die Akarii bereit sind Gefangene zu machen. Bestätigen Sie den
Befehl!" Clark hoffte, dass er das richtige tat.
"Befehl erhalten und verstanden. Aye, aye Sir!"
Der Lieutenant schaltete den Langstreckenfunk ein und fing an unverschlüsselt zu senden: "SOS, hier
TRS Redemption unsere Position ist 343 zu 449 zu 702 mit einer Geschwindigkeit von 30 km/s mit
Kurs 002. SOS, hier TRS Redemption unsere Position ist 343 zu 449 zu 702 mit einer
Geschwindigkeit von 30 km/s mit Kurs 002. SOS, hier TRS Redemption....."
*****************************
Lieutenant Peter Langenscheit wartete förmlich im Blut der toten und sterbenden. Er war Bordarzt auf
der Redemption und dafür zuständig auszusortieren, wer auf dem Tisch der Chirogen kam, wer in
Kryostasis versetzt wurde und wen man einfach sterben ließ.
"Tot!" Stellte er bei einem röchelnden Matrosen fest und wandte sich dem nächsten zu, einem
weiblichen Marine. Die Untersuchung ging schnell und wahr nur oberflächlich: "Tot!"
"Bitte....", presste die junge Frau hervor, die er eben zum Sterben verurteilt hatte. Er achtete nicht
drauf und wechselte zum nächsten.
Auch hier war die Untersuchung oberflächlich: "Für die OP vorbereiten!" Und schon war er weiter.
Hillary Jones hatte sich immer als Frontkämpferin gesehen und so hielt sie es auch jetzt. Sie stand bei
Schott 4 und hielt den Schlauch direkt auf die Flammen, die sich immer weiter vorarbeiteten.
Die Hitze, die das Feuer ausstrahlte war schon seit Stunden durch den Schutzanzug zu spüren.
"Chief! Lange halten wir nicht mehr!" Brüllte Frank Mayer ihr Hintermann.
"Wir müssen! Wir müssen!" Brüllte sie zurück.
Lieutenant Maren Geißler war Comoffizier auf der Galileo. Wie die meisten, wenn nicht alle anderen
Offiziere der Galileo schämte sie sich über den Rückzug. Sie kam sich feige vor und sie verdammte
Ward für dessen Feigheit.
Gut, wenn die Galileoträgergruppe angegriffen hätte, wäre sie und alle anderen Männer und Frauen
dieser Trägergruppe jetzt tot, aber dann hätte sie jetzt nicht das Gefühl des Versagens. Plötzlich zeigte
Ihr Display die Meldung NOTRUF.
"Commander", rief sie den diensthabenden Offizier.
Travis Gray der 1. Offizier der Galileo trat zu ihr: "Was gibt's?"
"Wir empfangen einen Notruf."
"Auf die Lautsprecher."
"... von 30 km/s mit Kurs 002. SOS, hier TRS Redemption unsere Position ist 343 zu 449 zu 702 mit
einer Geschwindigkeit von 30 km/s mit Kurs 002. SOS, hier TRS Redemption....."
"Navigator: Zeigen Sie mir unsere Position und die der Redemption auf dem Kartentisch."
"Aye, aye Sir!"
Gray begutachtete die Karte.
Die Galileo hatte Jollaran über den gleichen Sprungpunkt verlassen, wie betreten und befand sich
immer noch in einem Sternennebel.
"Verdammt, die Funken über alle Frequenzen", bemerkte einer der Wachoffiziere.
"Worauf sollten die einen Notruf sonst senden?" Fragte Geißler.
"RUHE!" Gray und der Navigationsoffizier John Maynard waren am rechnen.
"Okay Maynard, machen wir es so."
"Aye, aye Sir", Maynard wandte sich an den Steuermann, "Ms. Nelson: Kursänderung auf 217.
Verbandsbeschleunigung auf 100 km/s erhöhen."
"Commander: Sollten wir den Captain nicht wecken?" Wollte Geißler wissen.
"Negativ, der Captain ist erst ins Bett gegangen. Ich lasse ihn wecken, wenn wir in Position für eine
Rettungsmission sind."
"Aye, aye Sir!"
Zweieinhalb Stunden Später:
Gray trat an die Bordsprechanlage: "Brücke für Captain."
"Ja Captain hier?"
"Sir, Sie werden auf der Brücke gebracht, wir haben einen Notruf empfangen."
"Bin unterwegs."
Jonathan Ward tauchte mit zerknitterter Uniform auf der Brücke auf: "Meldung!"
Gray nahm Haltung an: "Vor zwei Stunden empfingen wir einen Notruf der Redemption. Wir gingen
auf Ronzevouskurs und befinden uns am Rand des Nebels, die Redemption dürfte in etwa 30 Minuten
auf gleicher Höhe sein mit uns."
Ward erbleichte und stützte sich auf den Kartentisch: "Warum zum Teufel haben Sie mich nicht rufen
lassen?"
"Nun Sir, Sie waren gerade zu Bett gegangen und ich dachte ....."
"Travis: Lassen Sie es, um unser aller Willen, lassen sie es sein." Ward fuhr sich nervös durch die
Haare. Einfach abhauen konnte er nicht.
Die Raumfahrtgesetzte waren eindeutig: Jeder Raumfahrer ist verpflichtet einen in Not geratenen
Raumfahrer mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln zu helfen, so weit er dabei nicht selbst in
Gefahr gerät.
Desweiteren war es laut den Marinestatuten - zum Schutz der zivilen Raumfahrt - verboten ein SOS
ohne Grund abzusetzen oder als Falle zu missbrauchen.
Er konnte versuchen sich mit der operativen Sicherheit rauswinden, doch damit würde er nicht
durchkommen.
"Okay, die operative Sicherheit lässt es nicht zu, dass wir die gesamte Flotte aus dem Nebel führen ...."
Ward bekam mit, das Gray ihn unterbrechen wollte. "Geben Sie mir die Relentless und die Dauntless."
"Aye, aye Sir!"
Sofort teilte sich der Hauptbildschirm und zwei Captains erschienen, denen man ihren Verdruss
deutlich ansehen konnte.
"Sie beide haben sicherlich ebenfalls den Notruf der Redemption erhalten", begann Ward ohne
umschweife - wobei er sonderlich ruhig klang, "ich kann nicht die gesamte Flottille aufs Spiel setzen,
daher werden Sie beide den Nebel verlassen und dem Notruf nachgehen. Sie werden alles in Ihrer
Macht stehende unternehmen um die Überlebenden der Redemption zu retten."
Die beiden Kommandanten ließen keine Regung in ihr Gesicht.
"Viel Erfolg Gentlemen!" Weder Gonzales noch Mithel antworteten, sondern schalteten nur ihre
Comverbindung ab. Die eisige Verachtung blieb im Raum hängen.
Die Brückenbesatzung der Galileo wich dem Blick ihres Captains aus. Er schickte die beiden Captains
in die Gefahr hinaus, von denen sicher war, dass sie alles mögliche tun würden um ihn abzusägen.
Lucas stolperte auf die Brücke der RED.
Sein Gesicht war rusgeschwärzt und noch immer trug er seinen Fliegeranzug. Seine Gelenke waren
schwer wie Blei. Er hustete stark.
"Captain: Das Feuer geht in Richtung Magazin und Wartungsbreich für die Jäger!" Er unterbrach sich
um erneut zu husten. "Cutter meint, wir sollte die Magazine so schnell wie möglich leeren."
Sein Blick wanderte zum Signaloffizier: "Wir funken SOS?"
"Haben Sie ein Problem damit Commander?" Herrschte Clark ihn an.
Lucas wandte den Blick von Clark ab in Richtung Boden und schüttelte leicht den Kopf - was seine
Kopfschmerzen kurzzeitig verschlimmerte: "Nein Sir."
"Lieutenant Stelzer?" Clark suchte nach dem Ingeneur.
"Sir?"
"Können wir das Magazin leeren?"
"Die Automatik müsste funktionieren."
"Dann raus damit!"
"Aye, aye Sir!"
Ohne Verzögerung öffneten sich die Außenluken für die Raketenlager. Diesen folgten dann auch die
mittleren Panzerluken und schließlich die Innenluken.
Die Raketenlast wurde von der entweichenden Luft mithiausgesogen.
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Eine zweite Chance
Der Gallileo-Verband war der Schlacht entkommen. Ohne einen Zusammenstoß hatte man sich vom
Feind gelöst und sich zurückgezogen. ,Eigentlich etwas, wozu man sich beglückwünschen konnte.'
dachte Mithel. Aber, wie er sehr wohl wußte, genau da lag das Problem.
Vermutlich hätten sich die Soldaten und Offiziere wesentlich besser gefühlt, wenn sie sich den Weg
hätten freikämpfen müssen. Aber so...
Sie waren gekniffen, ohne auch nur einmal ausgeteilt zu haben - und diese Art von Rückzug gehörte
mit zu den bittersten. Erleichterung, aber auch Scham - und Wut über die Erleichterung - mochten die
vorherrschende Stimmungslage sein. Und das schloß auch die Kommandooffiziere ein.
Der Captain der Relentless befand sich in seinem Quartier. Er hatte sich - auf Anraten Raffarins -
zurückgezogen, um wenigstens etwas Atem zu holen, denn er war auf seinem Posten geblieben, bis
klar war, daß sich der Verband definitiv vom Feind gelöst hatte. Und, wie seine Stellvertreterin sehr
richtig bemerkt hatte, ein Captain, der halb einschlief, war schlechter, als gar kein Captain - nur ein
Sandsack, der den Kommandosessel in Beschlag nahm.
Nun, sie hatte es nicht SO ausgedrückt - sie hatte nur auf eine frühere Begebenheit angespielt, wo
genau das ihre Worte gewesen waren. Und er hatte den Wink verstanden. Obwohl er sich fragte, wie
seine Besatzung das aufnehmen würde. Einige würden sagen: ,Wir wissen nicht, ob nicht gerade
unsere Schwesterschiffe zusammengeschossen werden - und der schläft!'. Aber, wie er bitter dachte,
selbst wenn er nackt und gackernd durch die Gänge hüpfen würde, konnte das die Lage nicht
wesentlich verschlechtern.
Schlaf fand er jedenfalls keinen, zuviel ging ihm im Kopf herum.
Mithel rechnete damit, daß es noch Probleme geben würde - und das nicht nur mit dem Feind. Für die
Schiffe, die bei der Gallileo zurückgeblieben waren, war es ja schwer genug - aber für sein Schiff und
die Sao Paulo und die Prince of Wales war die Sache noch schlimmer. Sie waren DA gewesen - sie
HÄTTEN etwas tun können. Um ihre Kameraden zu rächen, die von dem feindlichen Schlachtschiff
zusammengeschossen worden waren - und um den anderen Flottenverbänden beizustehen. Sie hatten
es nicht getan. Schon das war schlimm, aber es war ja nicht alles.
Die Ungewissheit über das Schicksal der anderen Erdschiffe kam noch hinzu. Wer hatte überlebt -
wenn überhaupt jemand überlebt hatte? War man selber mit knapper Not der Vernichtung entgangen,
oder hatte man durch die Feigheit des Flottenführers und die eigene Unfähigkeit, sich gegen diese
Feigheit zu stellen, die Majestic und die Redemption zum Tode verurteilt? Das fragte sich wohl jeder,
vom einfachen Matrosen bis zum Kapitän.
Und was sollten die Soldaten von einer Führung halten, die so handelte? Wie sollten sie diese
respektieren? Der Captain mußte an sich halten, um Ward nicht laut und ausführlich zu verfluchen.
Dieser Idiot! begriff er nicht, was er angerichtet hatte? Ward hatte gekniffen, und er, Mithel, hatte ihm
gehorcht.
Und das bedeutete - er war mitschuldig. Mithel war nicht ein Mann mit übertriebenen moralischen
Skrupeln, aber er war auch ein loyaler Angehöriger der Streitkräfte. Was ja auch das Dilemma war,
denn als solcher hatte er natürlich zu gehorchen und nicht SEINE Auffassung von Strategie und Taktik
über die des dienstältesten Kommandeurs zu stellen. Andererseits - er war auch seinen Kameraden und
seinem Eid verpflichtet. Und wenn der Kapitän der Gallileo aus reiner Feigheit gehandelt hatte...
Wenn er sich nur sicher gewesen wäre! Aber das war jetzt sinnlos. Mithel hatte gehorcht, und er
konnte nichts mehr daran ändern. Eine Meuterei im Gefecht galt in der Marine quasi als zweiter
Sündenfall, etwas undenkbares. Deswegen hatte er sich nicht überwinden können - und auch, weil er
nicht wußte, wer ihm gefolgt wäre. Mit den Folgen mußte er leben. Die Lippen des Captains verzogen
sich zu einer Grimasse: ,Ich werde nicht der einzige sein, der die Konsequenzen zu tragen hat, dafür
werde ich sorgen!' dachte er wütend. Glücklicherweise konnte niemand sehen, wie seine sonst eiserne
Selbstbeherrschung Risse zeigte. Daß er sich überhaupt so weit hinreißen ließ, war schon ein
bedenkliches Zeichen.
Er würde in den kommenden Tagen aufpassen müssen. Mit tödlicher Sicherheit konnte er davon
ausgehen, daß es disziplinarische Probleme geben würde. Die Stimmung an Bord war geladen genug -
Gefühle, die ein Ventil suchten. Der kleinste Befehl, ein schiefer Blick, eine unbedachte Bemerkung -
und es konnte zu einer Schlägerei kommen. Er hatte genug Diensterfahrung, um die ungefähren
Auswirkungen einer solchen Vertrauenskrise abschätzen zu können.
Die Mannschaft würde an sich selbst zweifeln und sich Vorwürfe machen. Und sie würde an ihren
Offizieren zweifeln, auch an ihm. Reflexartig ballte er die Faust: ,Verdammt! Dieses feige Schwein!
Und ich darf dann sehen, wie ich meine Leute bei der Stange halte!' Denn es war klar - die Gefahr
endete erst, wenn man im sicheren Hafen war. Wenn der sicher war, wenn es überhaupt noch so etwas
wie Sicherheit gab. Der Konvoi war offenbar durchgekommen, und die Akarii würden ihre Offensive
wieder aufnehmen. Und dann - welche Sicherheit würde es dann noch geben? Er brauchte seine Leute,
brauchte jeden einzelnen von ihnen. Jetzt, auf der Heimfahrt, aber auch in Zukunft. Und da konnte er
nicht hinnehmen, daß es Zweifel an ihm gab. Die Zweifel, die man gegenüber dem Flottenchef haben
würde, war schon schlimm genug. Aber an der würde er bestimmt nichts ändern. Er wollte auch nicht.
Mithel seufzte leise. Er würde die Disziplin durchsetzen müssen, soviel war klar. Aber diesmal, so
überlegte er sich, war es wohl besser, etwas elastischer vorzugehen. Normalerweise kannte er wenig
Gnade, wenn es um Disziplinlosigkeit ging. Die Leute kamen freiwillig zum Militär – sie wußten,
worauf sie sich einließen. Die Republik brauchte keine Randalierer und Hooligans, an Bord eines
Schlachtschiffes war ein reibungsloser Dienstablauf überlebenswichtig. Aber diesmal konnte er seinen
Untergebenen ein gewisses Verständnis nicht verweigern. Er selber hätte am liebsten ein Dutzend
Marines um sich gesammelt und Ward abgesetzt – wenn nicht noch Schlimmeres. Also würde er jeden
Fall sorgfältig prüfen und die Strafen abwägen müssen. Verständnis zeigen. Er konnte nicht anders,
und er durfte auch nicht. Raffarin würde ihm dabei helfen können – sie stand der Besatzung sowieso
näher. Ihn hatte man - bisher - immer respektiert, vielleicht auch ein wenig gefürchtet. Wieviel von
dem Respekt noch geblieben - das wußte er nicht. Aber mit Furcht allein konnte man nicht
kommandieren. Raffarin würde einen Weg finden. Er gestattete sich ein schmales Lächeln. Dafür hatte
er sie ja auch ausgewählt…
Was Ward anging – nun, die Stunde der Abrechnung würde noch schlagen. Wenn Mithel da auch nur
ein Wort mitzureden hatte, dann war der Trägerkapitän längste Zeit Kommandeur eines Schiffes
gewesen. In Gedanken war der Captain der Relentless schon dabei, einen ersten Entwurf seines
Berichtes zu verfassen. Die Frage war bloß, ob er sich bemühen sollte, nur Ward zu belasten. Mithel
hatte genug flottenpolitische Erfahrung um zu wissen, daß diese Aktion in den richtigen Händen weit
mehr Wirkung zeitigen konnte, als einen notorisch feigen Captain endlich auf das Altenteil zu
schicken. Auch die Schöpferin der Planes, Vizeadmirälin Noltze, konnte leicht ins Kreuzfeuer der
Kritik geraten. Ihre Idee, in drei getrennten Verbänden anzugreifen, die nur ungenügend koordiniert
angreifen konnten, war ebenso angreifbar wie ihre Personalpolitik. Immerhin hatte sie Ward zum
Kommandeur bestimmt – obwohl etliche der Kreuzerkommandeure genug Erfahrung gehabt hatten,
um selber einen Verband zu befehligen. Und nahm man hinzu, daß sowohl sie als auch Ward
ehemalige Jagdflieger und Angehörige der Trägerfraktion waren…
Der Konflikt zwischen der Kreuzer- oder Flottenfraktion und den Anhängern der Träger schwelte
schon lange, und gerade in letzter Zeit war er verstärkt aufgeflammt. Um Ressourcen und um Einfluß
im Flottenkommando, um die künftige Taktik der Navy und die Planstellen für neue Schiffe wurde
fast ebenso erbittert gekämpft wie gegen die Akarii im Felde. Da konnte so etwas sehr leicht Öl ins
Feuer gießen. Mithel überlegte. Nein, das war wohl ein wenig zu hoch für einen kleinen Captain. Aber
wenn er die richtigen Leute informierte, würden die schon wissen, wie sie vorzugehen hatten. Er
selber würde sich eher darauf konzentrieren, Captain Ward anzuschwärzen. Er wusste auch, mit wem
er dazu sprechen mußte. Auf der Relentless und auf den anderen Schiffen. Sie hatten auf dem
Rückweg genug Zeit – und wenn sie bei der Perseus-Station ankamen, dann würde man ja sehen, ob
sich Noltze vor Captain Ward stellen würde. In dem Fall, das schwor er sich, würde sie Wards
Schicksal teilen.
Mithel war nie ein selbstloser Heroe gewesen - obwohl man ihm im Einsatz große Tapferkeit
bescheinigt hatte. Er hatte immer seine Pflicht getan, aber auch auf den eigenen Vorteil gesehen.
Diesmal aber war er erstmals bereit, diesen unter Umständen völlig außer Acht zu lassen - sollte er
sich mit Noltze anlegen müssen. Und das würde er, wenn die Admirälin Ward deckte. Aber diesmal
konnte er - auch um vor sich selber zu bestehen - nicht klein beigeben.
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Ihm war als wäre er erst eben eingenickt, als er auch schon wieder hochschreckte. Die
Bordkommunikation hatte einen Signalton, der im Ruf stand, auch Tote wieder auf die Beine zu
bringen. Mithel rieb sich die schmerzenden Augen – Folgen der langen Stunden, die er auf der
Kommandobrücke verbracht hatte – und nahm den Anruf an. Es war Raffarin: „Sir, wir haben hier
etwas, daß Sie sich ansehen sollten!“ „Komme sofort!“ Er fragte nicht, was – er kannte seine
Stellvertreterin gut genug um zu wissen, daß sie ihn nicht wegen einer Lappalie wecken würde.
Jahrelange Übung ermöglichte ihm, binnen weniger Augenblicke ,präsentabel’ zu sein – ein paar
Tabletten vertrieben die Müdigkeit.
Als er durch die Gänge zur Zentrale eilte, registrierte er sehr wohl, dass einige Soldaten sich Zeit
ließen mit der Ehrenbezeigung. Und der eine oder andere schien ihn überhaupt nicht zu sehen. Mithel
kniff die Lippen zusammen – aber jetzt war nicht die Zeit. Und er konnte es ihnen auch kaum
verdenken.
„Berichte!“ knurrte er, als er, begleitet vom „Achtung – Kapitän auf Brücke!“, die Kommandozentrale
betrat. Der Kommunikationsoffzier salutierte: „Sir, melde Notruf von der Redemption!“ Mithel
beherrschte sich mühsam, um ihn nicht anzufahren – nicht aus Wut, sondern weil er darauf brannte,
die Nachricht zu hören. Seine Stimme klang ruhig wie immer: „Abspielen.“ Der Offizier betätigte
einen Schalter: „SOS, hier TRS Redemption unsere Position ist 343 zu 449 zu 702 mit einer
Geschwindigkeit von 30 km/s mit Kurs 002. SOS, hier TRS Redemption unsere Position ist 343 zu…“
er unterbrach die Sendung auf eine Geste des Captains: „Sir, sie funken unverschlüsselt und auf allen
Kanälen.“ Mithel nickte knapp: „Danke.“ Er warf Raffarin einen Blick zu, doch bevor er den Mund
öffnen konnte, erstattete sie schon Meldung: „Die Gallileo hat soeben den Kurs gewechselt und die
Geschwindigkeit erhöht. Wir sind auf Kurs.“ In ihren Worten – unausgesprochen aber für den
kundigen Höher deutlich erkennbar – schwang etwa folgendes mit: „Wo hat der Alte plötzlich das
Rückrat her?“ Mithel teilte diese Ansicht, aber er war – noch – nicht so weit, so etwas öffentlich zu
äußern. Er nickte ihr zu, dann straffte er sich: „Krankenstation vorbereiten – Alpha-Priorität.
Schadenssicherungs- und Reparaturtrupps sollen sich bereithalten. Shuttles betanken und startklar
machen. Waffen in erhöhte Alarmbereitschaft – wir wissen nicht, ob die Akarii nicht mithören. Oder
der Notruf von ihnen stammt. Ich will nicht hoffen, daß die Redemption kapituliert hat und sich so
mißbrauchen lässt, aber wir müssen auf alles gefasst sein.“ Er bemerkte den Eifer, mit dem die Befehle
bestätigt wurden. Natürlich, die Leute hofften, so einen Teil der Schuld, den sie gegenüber ihren
Kameraden und vor sich selber zu haben glaubten, abtragen zu können.
„Raffarin – gegen Sie auf die Ersatzbrücke. Ich bleibe hier.“ Die XO schien etwas sagen zu wollen,
aber nach einem Blick in Mithels Gesicht überlegte sie es sich anders. Sie salutierte und ging. Der
Captain nahm im Kommandosessel Platz. Die ersten Klarmeldungen kamen eben herein – und Mithel
betete, daß es diesmal anders ausgehen würde als beim letzten Mal, wo er von hier seine Befehle
gegeben hatte.
Die folgenden Stunden waren von hektischer Betriebsamkeit erfüllt. Die Relentless machte sich –
etwas unpassend für ihren Namen – bereit, havarierten Kameraden alle Hilfe zu geben, die möglich
war. Aber sie machte sich auch bereit, nötigenfalls die Zähne zu zeigen.
Als die Gallileo sich meldete, mußte Mithel sich beherrschen, damit man seine Gedanken nicht
überdeutlich in seinem Gesicht lesen konnte: ,Verdammt, der Kerl hat sich wieder in die Hosen
gemacht und wird die Rettungsmission jetzt kippen!’ Innerlich bereitete sich der Captain der
Relentless darauf vor. DIESMAL würde er nicht klein beigeben – diesmal waren die Gesetze der Navy
auf seiner Seite. Auch wenn er nicht wusste, ob ihm alle Besatzungsmitglieder folgen würden – wenn
er jetzt klein beigäbe, würde er nie mehr das Vertrauen der Männer und Frauen unter seinem
Kommando erringen können.
Er konnte die Abneigung gegenüber Ward nicht völlig aus seinem Gesicht verbannen, als das Antlitz
des Flottenchefs auf dem Bildschirm erschien. Und er begrüßte ihn nicht, noch verbeugte er sich, wie
er es gegenüber einem Kommandeur getan hätte, den er respektierte. Ward kam gleich zur Sache –
seine Stimme klang weit ruhiger, als Mithel an seiner Stelle gewesen wäre. Wenn er hätte damit
rechnen müssen, von den eigenen Untergebenen gekreuzigt zu werden. „Sie beide haben sicherlich
ebenfalls den Notruf der Redemption erhalten. Ich kann nicht die gesamte Flottille aufs Spiel setzen,
daher werden Sie beide den Nebel verlassen und dem Notruf nachgehen. Sie werden alles in Ihrer
Macht stehende unternehmen um die Überlebenden der Redemption zu retten." Obwohl Mithel ein
Stein vom Herzen fiel – weder war Ward bereit, die Redemption aufzugeben, noch war Mithel
gezwungen, es hier und jetzt auszufechten – ließ er sich nichts anmerken. Zu groß war die Abneigung.
So beendete er, nachdem der Kommandeur ihm Glück gewünscht hatte, die Verbindung. Nach den
Traditionen der Marine eine ziemliche Unverschämtheit, aber für derartige Dinge fehlte ihm
momentan der Sinn. Zumindest, wenn es um Captain Ward ging.
Er öffnete einen internen Kommunikationskanal: „Achtung, Achtung, herhören. Hier spricht der
Kapitän. Wie Sie sicher alle wissen, haben wir einen Notruf der Redemption empfangen. Captain
Ward hat uns und die Dauntless detachiert, um unseren Kameraden zu helfen. Ich habe vor, unsere
Kameraden zu retten – und wenn wir uns dazu mit der 3. Akarii-Flotte herumschlagen müssen. Ich
erwarte von jedem einzelnen Pflichterfüllung bis zum letzten, und ich weiß, daß ich darauf rechnen
kann. Ab jetzt volle Gefechtsbereitschaft – wir wissen nicht, wer noch mithört. Mithel Ende.“ Er
drehte den Kopf leicht: “Steuermann – gehen Sie auf Volle Kraft Voraus!“ „Aye Aye, Sir!“ Er hörte
den Enthusiasmus in der Stimme des Offiziers. Hoffentlich kamen sie nicht zu spät. Und hoffentlich
war es keine Falle – eine Möglichkeit, die er der Mannschaft gegenüber tunlichst nicht erwähnt hatte.
Zögern, Zweifeln – das konnte er sich nicht leisten. Sollte es eine Falle sein – nun, in dem Fall würde
man sehen…
„Verbindung an die Dauntless. Kapitän an Kapitän.“ Mithel straffte sich, um einen optimalen
Eindruck zu machen. Er und Captain Gonzales waren nie sonderlich gut miteinander klargekommen,
aber jetzt war nicht der Augenblick für solche Streitereien. Aber Mithel war auch fest entschlossen,
auf keinen Fall Gonzales das Kommando zu überlassen. Als der Captain der Dauntless auf dem
Kommunikationsschirm erschien, neigte Mithel leicht den Kopf – Äquivalent einer höflichen
Begrüßung.
„Captain. Ich schlage vor, daß wir uns trotz Ihrer höheren Geschwindigkeit nicht trennen. Wir wissen
nicht, was uns erwartet, und der Zeitunterschied wäre nur minimal. Ich würde sagen, es wäre das Beste
wenn Sie mit Ihrem Schiff eine achterliche Position beziehen. So kann mein Schiff Ihres beschützen,
und Sie halten uns Jäger und Raketen vom Hals.“ Während er auf Gonzales Antwort wartete, wandte
er sich wieder an den Kommunikationsoffizier: „Verschlüsselten Funkspruch an die Redemption, wir
kommen. Und bitten Sie sie, nicht mehr alle Welt zu informieren.“ Dann lehnte er sich zurück. Nun
hing es von Gonzales ab. Aber neben diesen eher geringfügigen Problemen blieb immer noch die
Frage, ob sie die Redemption rechtzeitig erreichen würden – vor den Akarii.
***

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Das gesamte Schiff wurde nur noch von Reaktor Nr. 2 im Backbordmaschinenraum am Leben
gehalten. Der Maschinenraum war abgeschottet worden und nur noch 12 Männer und Frauen taten
dort ihren Dienst.
Das Kommando hatte ein junger Ensing, Samantha Frazier.
Sie war 21 Jahre alt und hatte vor einem Jahr die Akademie verlassen. Sie war ganz sicher nicht
qualifiziert in solch einer Situation den Maschinenraum zu leiten und man sah ihr genau an, dass sie
unter größtem Stress litt.
Aber sie tat ihr bestes, bis zu einem gewissen Moment.
Sie hielt einen Augenblick inne um sich den Schweiß von der Stirn zu wischen. Dabei blickte sie auf
den Geigerzähler im Maschinenraum und gegen jegliche Bestimmung war dieser abgeschaltet, ebenso
das Redundanzgerät.
In diesem unbedachten Moment trat die junge Frau an das Kontrollpult und schaltete den Geigerzähler
an.
Eine Sekunde später schlug das Messinstrument aus, bis weit in den Bereich hinein, der als absolut
tödlich galt.
"Oh mein Gott! Die Strahlung!" Sie begann am ganzen Leib zu zittern.
Senior Chief Allison Harper trat hinzu: "Au verdammt, Ma'am, ...."
Doch Frazier hörte der älteren Frau nicht zu, sie drehte sich um und rannte zum Hauptschott. Dort
begann sie an der Konsole herumzuwurschteln.
Als sich das Schott jedoch nicht öffnete, begann sie mit aller Gewalt dagegen zu schlagen: "Lasst uns
raus! Bitte! Die Strahlung bringt uns um!"
Die Ingenieure im Maschinenraum ließen ihre Arbeit liegen und blickten zu der jungen Offizierin.
"Weitermachen Leute!" Grummelte Harper.
"Aber Chief.........."
"Zurück an die Arbeit Boyle!"
Sie ging auf Frazier zu und legte der schluchzenden Frau die Hände auf die Schultern: "Es ist zu spät,
Ma'am, wir sollten jetzt dafür sorgen, dass die Maschinen weiterlaufen."
"A... ab... aber wir werden sterben ...."
"Ja, das werden wir Ma'am."
Frazier ließ sich mit dem Rücken zum Schott zum Boden sinken. Sie legte den Kopf in die Hände und
weinte.
Harper wandte sich ab. Nachdem sie den Geigerzähler wieder abgeschaltet hatte, sorgte sie dafür, das
Reaktor Nr. 2 weiterlief.
Auf der Brücke fieberte man der Ankunft der Relentless und der Dauntless entgegen. Auf den
codierten Funkspruch von Mithel hatte man den Notruf abgeschaltet.
"Captain, zwei Bogies, aus Richtung Nebel!"
Clark fuhr herum: "Identifizieren!"
"IFF-Code, Terraner, es sind die Relentless und die Dauntless, Sir!"
"Geben Sie mir die Relentless."
"Aye, aye Sir!"
Wenig später war Mithels Gesicht auf dem Hauptschirm zu sehen.
"Sie können sich nicht vorstellen, wie froh ich bin, Sie zu sehen Captain", Clarke lächelte. "Der
Zustand der Redemption ist mehr als nur kritisch, ich möchte damit beginnen, die Verwundeten zu
evakuieren und auf die Relentless zu verlegen."
"Selbstverständlich Sir ...." antwortete Mithel, doch Clark sprach weiter.
"Wo ist die Galileo und wie ist ihr Zustand?"
Mithels Blick wurde kurz verschlossen: "Sie hat im Nebel Position bezogen, das Bordgeschwader
wurde aber zu 3/4 aufgerieben."
Clark wandte sich an einem Mann, der am Kartentisch lehnte, oder sich darauf stützte. Mithel erkannte
ihn als Commander Cunningham, das "Opfer" von Noltzes Ehrengericht.
"Commander: Verlegen Sie so viele unserer Maschinen auf die Galileo, wir brauchen ein
einsatzbereites Jagdgeschwader."
Der abgekämpfte Pilot nickte und ging.
"Ich werde Ihnen die Koordinanten der Gallileo überspielen und alles für die Aufnahme von
Verwundeten vorbereiten lassen."
"Gut, Redemption ende."
*********************************
Lucas stürzte beinahe aufs Flugdeck: "DARKNESS! DARKNESS! DARK...."
Der ältere Pilot trat auf ihn zu: "Was ist los Boss?"
"Im Nebel befindet sich die Galileo. Wir verlegen das Geschwader so gut es geht. Ruf die Piloten
zusammen."
Darkness nickte: "Aye!" Und wandte sich an den nächsten Piloten: "KANO! GESCHWADER
SAMMELN!" Er deutete auf Lucas.
Kurze Zeit später war der klägliche Rest des Geschwaders versammelt und Lucas hatte von der Brücke
einen Zustandsbericht des Galileo-Geschwaders erhalten.
"Okay Ladies und Gentlemen, die Angles werden auf die Galileo verlegt." Ein Murren wurde laut.
"Wir lassen doch nicht unser Schiff im Stich." Lucas glaubte Radio zu hören, doch das war bei solche
einem Satz vollkommen unmöglich.
"Damit sorgen wir für eine fortbestehende Kampfbereitschaft und erhöhen die Chance hier
herauszukommen."
Er blickte in die Gesichter seiner Piloten und sah immer noch bei vielen Unmut: "Die Galileo hat noch
15 Jäger, drei Mirages, der Rest Thyphoon. Sprich wir haben Platz für 31 Jäger und bei der
Zusammenstellung haben Mirages und Phantome Vorrang. Und Sie wissen, wir haben mehr als 31
Jäger noch übrig.
Darkness: Du übernimmst auf der Galileo das Kommando über das Geschwader."
Der Veteran zog die Stirn kraus: "Und was ist mit Dir Boss?"
Lucas schüttelte leicht den Kopf: "Wegtreten!"
Lucas wollte sich umdrehen und zurück zur Brücke, doch Darkness hielt ihn fest: "Was zur Hölle hast
Du vor Boss?"
"Irgendwer muss auf Clark aufpassen."
"Nehm' ich Dir nicht ab...."
"Du hast doch sicherlich davon gehört." Zischte Lucas gereizt.
"Okay, verdammt, such sie. Wir sehen uns auf der Galileo."
Doktor Langenscheit betrat den OP. Er traf keine besonderen Hygenevorkehrungen. Ein OP in
Kriegszeiten war nie wirklich Hygenisch.
"Commander Hamlin: Wir fangen jetzt mit der Verlegung der verwundeten an. Als erstes die
transportfähigen. So bald die auf der Relentless sind, kommen die nicht transportfähigen an die Reihe.
Wozu zählt der auf Ihren Tisch?"
"Kann ich nicht sagen Peter, bin mir nicht mal sicher, ob er überhaupt durchkommt. Mehr saugen
Laura, .... ja, so ist gut...."
Stelzer drehte sich um und klapperte die anderen vier OPs ab.
In der Postoperativen begannen Krankenschwestern und -pfleger schon mit dem Transport der
verletzten zum Flugdeck.
Auf dem Flugdeck herrschte mehr als nur reger Betrieb.
Zum einen wurden am Bug Jäger über das verbleibende Katapult gestartet.
Gleichzeitig wurde das Achterdeck zum Start und zur Aufnahme von Shuttlen bereit gemacht.
Die Aufzüge brachten die beiden SAR-Shuttles, sowie die vier weiteren Transportshuttles aus dem
Hangar zum Flugdeck hinauf.
Gelbe Traktoren zogen die Shuttles in Startposition.
Die Bodencrews waren mit den Vorbereitungen noch nicht fertig, da wurden schon die ersten Tragen
mit Verwundeten aufs Flugdeck gebracht.
So notwendig dieser Schritt auch war, die Evakuierung der Verletzten gaben der Angst und den
Gerüchten, man würde die Redemption demnächst aufgeben sehr glaubhafte Nahrung.
Im All formierten sich die die Jäger der Redmeption. Viel zu langsam und viel zu schlampig um bei
irgendeinem der Staffleführer auch nur einen Hauch von Begeisterung zu wecken.
Doch niemand sagte etwas. Die Piloten waren ausgelaugt. Am Ende ihrer Kräfte.
Die Jäger waren zwar voll aufgetankt, doch trug nicht einer von Ihnen Raketenlast. Da die Redemption
ihre Raketenmagazine geleert hatte, war nichts mehr da gewesen um die Jäger aufzumunitionieren.
Ebenso war dafür keine Zeit mehr gewesen.
"Alles herhören!" Blaffte Darkness in den Geschwaderkanal. Es war erstaunlich, was der alte Veteran
noch an Reserven mobilisieren konnte. "Sehen wir zu, dass wir auf die Galileo kommen. Ich will, dass
die hälfte von Euch versucht zu schlafen, während der Autopilot die Kontrolle übernehmt. Ihr seid
dann die ersten, die ich wieder rausschicke! Wir brauchen Jagdschutz."
Das Geschwader ging auf eine Marschgeschwindigkeit von 400 km/s. Darkness glaubte, dass mehr als
nur die Hälfte der Piloten unterwegs einfach zusammenklappen würde. Der Autopilot war zurzeit um
einiges sicherer als die menschlichen Reflexe und der Durchhaltewille des Einzelnen.
Während das moderne Gefechtsradar der Dauntless das halbe System erleuchtete und abtastete - jede
Zurückhaltung war hinfällig geworden, jetzt hieß es so schnell wie möglich entdecken, was auf einen
zu kommt, lief auf der Relentless eine gut geölte Maschinerie militärischer Präzision und Organisation
an.
In Rekordschnelle war die Krankenstation bereit gemacht worden. Alle drei OPs waren besetzt worden
um das erneut zu flicken, was der Transport wieder aufgerissen hatte.
Die der Krankensation am nächsten gelegenen Quartiere wurden zu Krankenrevieren umfunktioniert.
Und fünf Minuten, bevor das erste Shuttle von der Redemption startete, hob das erste Shuttle der
Relentless in Richtung Träger ab um bei der Evakuierung zu helfen.
************************************
Eine Hand packte Kanos Schulter. Er fuhr herum, fixierte mühsam die Gestalt, die vor ihm stand. Das
fiel ihm nicht leicht. Er war hundemüde. Seit seiner knapp geglückten Landung hatte er kaum eine
ruhige Minute gehabt. Fast sofort, nachdem er aus der Pilotenkanzel halb geklettert, halb gefallen war,
hatte ihn ein Lieutenant der Reparaturabteilung „rekrutiert“. Normalerweise hätte man die Piloten,
zudem nach zwei aufreibenden Feindflügen, in Ruhe gelassen, in „Bereitschaft“ abgeschoben - für den
Fall, daß der Feind noch einmal angreifen würde. Doch nun sendete die Redemption offen auf allen
Frequenzen SOS. Und wenn die Akarii als erste das wracke Schiff erreichen würden, dann würde es
keine Gegenwehr geben, nur Kapitulation. Als Kano sich dessen bewußt wurde, hatte er die Tränen
zurückdrängen müssen, ein erstickendes Gefühl der Niederlage und der Schande, das seinen Hals
zuschnürte. Er hatte sich geschworen – ER würde nicht in Gefangenschaft gehen!
Aber die Arbeit hatte diese Gedanken in den Hintergrund gedrängt. So gut er konnte, hatte er bei den
Reparatur- und Sicherungsmaßnahmen mitgemacht, obwohl er jetzt vor Müdigkeit taumelte.
Die Belüftungsanlage war defekt, die Luft schmeckte widerlich nach Rauch. Der ekelhafte
Brandgeruch in der Luft ließ ihn würgen und mit dem grauenhaften Gefühl zu ersticken kämpfen. Er
trug immer noch den Pilotenanzug, der nach zwei Feindflügen und Stunden ermüdender Arbeit
schweißgetränkt war und an seiner Haut klebte. Die anderen Mitglieder seiner Schwadron hatte er aus
den Augen verloren. Wo Kali war, wußte er nicht – nicht einmal, ob sie noch lebte... .
Vor ihm stand Blackhawk. Sein dunkles Gesicht wirkte grau, eingefallen. Dennoch lagen in den
Bewegungen des Veteranen noch eine Energie, die Kano bei sich nicht mehr finden konnte.
Kano versuchte eine Ehrenbezeugung, aber zu mehr als einem müden Salut reichte es nicht. Er war
einfach zu fertig. Das entging natürlich auch Blackhawk nicht, der Kanos Fixierung auf Vorschriften
und exakten Dienst kannte. Ohne Kommentar reichte er dem jüngeren Kameraden eine Flasche,
irgendein Elektrolyt-Getränk.
„Danke“ Kano’s Stimme klang kratzend, heiser vor Müdigkeit und Austrocknung. Er stürzte die
lauwarme Flüssigkeit gierig herunter, verschluckte sich und hustete krampfhaft. Es dauerte ein paar
Augenblicke, bis er sprechen konnte: „Entschuldigung. Haben Sie neue Befehle, First Lieutenant?“
Unausgesprochen lag in diesen Worten die bange Frage: ‚Wie sieht es aus?‘
„Ich wollte Ihnen bloß sagen, daß Virago in Ordnung scheint. Und Lilja – ist nicht in Lebensgefahr.
Ich hab’s von Lightning.“
Das waren gute Nachrichten – Kano lächelte. Aber das Lächeln war hölzern und Blackhawks Grinsen
wirkte aufgesetzt. Beide wußten – der Träger, sie alle, waren noch längst nicht außer Gefahr. Immer
noch tobten Brände an Bord der Redemtion, kämpften sie um das Leben des Schiffes. Und wenn der
Feind sie fand – die Akarii galten nicht als ein Gegner, der Pardon gewährte. ‚Wenn wir Pardon
überhaupt annehmen! Ich werde nicht kapitulieren. Lieber... .‘ Kano tastete reflexartig nach seiner
Laserpistole. Aber selbst dieser Gedanke war irgendwie kraftlos, automatisch.
Als irgendwo hinter ihm die Stimme des „Alten“, Wing – Commander Cunninghams Stimme ertönte,
brauchte Kano einige Augenblicke, bis er die Worte verstand, die er hörte. Und bis er begriff, daß
nicht der Feind, sondern die eigenen Leute die Redemption und ihre Begleitschiffe gefunden hatten.
Daß sie weiterleben, weiterfliegen und weiterkämpfen würden. Der Befehl zur Verlegung allerdings...
.
Die Stimmung sank schlagartig wieder. Zum einen war allen klar, was dieser Befehl voraussetzte –
das Geschwader der Gallileo war vernichtet worden – sonst wäre überhaupt kein Platz auf dem
Leichten Träger. Außerdem bedeutete dies einen mehrstündigen Raumflug. Und die Gefahr war
offensichtlich nicht gebannt. Aber da gab es noch etwas anderes. Die Redemption zu verlassen, um auf
die unbeschädigte Gallileo zu wechseln, das kam den meisten wie Flucht, wie Verrat vor. Die
Redemption war ihre Heimat. Sie zu verlassen, wie das Ratten das sinkende Schiff... . Und
abergläubisch, wie viele Navymitglieder waren, würde diese Verlegung als böses Omen erscheinen,
eine vorweggenommene Aufgabe des Trägers. Das beunruhigte die meisten, sogar Blackhawk.
Die Miene des First Lieutenant blieb ungerührt, aber seine Stimme klang leicht gepreßt, als er sich an
Lightning wandte, die aus dem Durcheinander von Piloten, Marines und Matrosen auftauchte: „Sollen
wir – packen?“
Sie schüttelte den Kopf, wirkte aber auch nicht ganz glücklich:„So schlimm ist es noch nicht. Ist nur
für kurze Zeit. Bloß damit wir auftanken, reparieren und aufmunitionieren können.“ Lightning
wünschte, so sicher zu sein, wie sie ihre Stimme klingen ließ.
„Befehl vom Alten – die Hälfte kann auf dem Verlegungsflug den Autopilot fliegen lassen. Aber
schlaft mir nicht zu tief! Währe doch Scheiße, wenn ihr erst auf der anderen Seite aufwacht! Ich spiele
den Wächter, dazu noch Blackhawk und... .“
„Ich, Lieutenant Commander!“ Kanos Stimme schwankte etwas, er fühlte sich so müde – aber er
richtete sich so grade wie möglich auf, biß die Zähne zusammen und sah der Schwadronsführerin
direkt in die Augen.
Lightning musterte ihn nur kurz. Sie hatte viel zu tun. Und wenn er sich schon freiwillig meldete... .
„Angenommen, Kano. Das wäre also geklärt. Sonst noch Fragen?! Gut! Weggetreten und an die
Arbeit!“
Blackhawk verkniff sich eine Bemerkung. Er war zwar provisorischer XO – und er hätte Kano
bestimmt nicht ausgewählt – aber jetzt eine Diskussion anzustrengen, hatte wenig Sinn. Er kannte
seinen Zimmernachbar inzwischen gut genug, um zu wissen, wie sehr ihn irgendwelche Zweifel an
seiner Einsatzfähigkeit treffen würden, auch wenn sie berechtigt waren. Außerdem waren sie alle
geschafft. Und Kanos stures Beharren auf Pflichterfüllung machten ihn wiederum doch geeignet für
die Aufgabe.
Als die Piloten in Richtung ihrer Maschinen trotteten, wirkten sie keineswegs wie diese
energiegeladenen, gutaussehenden Gestalten, die in den Propagandastreifen auftauchten... .
Das Chaos im Hangar wurde durch die startenden Maschinen noch mehr vergrößert. Dazu kamen die
Krankenträger, die die transportfähigen Verwundeten zu den Shuttles brachten. Kano betete, daß Kali
nicht unter den Opfern dieses Tages sein würde – den Toten und den Verwundeten, die jetzt
eingeladen wurden oder im hoffnungslos überfüllten Krankenrevier oder den provisorischen
Verbandsstellen um ihr Überleben kämpften. Unmöglich, in diesem Chaos ein einzelnes Gesicht zu
finden. Dennoch versuchte Kano es. Aber er konnte Kali nicht sehen. ‚Helen muß es gutgehen. Es
muß... .‘
Diesmal dauerte es fast doppelt so lange wie üblich, bis er seinen Jäger startklar hatte. Nicht nur, daß
die beschädigte Maschine langsamer zu reagieren schien. Vor allem er selber war das Problem. Er
hatte Mühe, sich zu konzentrieren, mußte die Startprozedur zweimal wiederholen.
Als ihn das Katapult in den Weltraum schleuderte, weckte der Ruck, der die Maschine durchzuckte
wieder etwas seine Lebensgeister. Als er sich über Funk mit den anderen Staffelpiloten verständigte
stellte er zufrieden fest, daß seine Stimme klarer und wacher klang.
Die Typhoon bildeten mit den Phantome, Griphen und Mirage, die noch als flug- und kampffähig
eingestuft wurden, einen beachtlichen Pulk: 30 Maschinen. Aber das war weniger als die Hälfte der
Angry Angels. Und die meisten Maschinen waren beschädigt. Hinter ihnen blieben die wracke
Redemption zurück – ihre Heimat. Mehr als einer betete lautlos, daß dieser Abschied nicht für immer
sein würde.
Der Flug war für Kano ein verbissener Kampf. Nicht gegen die Akarii, nicht gegen die Maschine –
gegen sich selbst. Eine halbe Stunde nach dem Start war die bleierne Müdigkeit zurückgekehrt, die
vorher auf ihm gelastet hatte. Mehrmals fuhr er hoch, in der panischen Erkenntnis, daß er beinahe
eingeschlafen war. ‚Ich darf nicht einschlafen! Sie verlassen sich auf mich!‘
Er hatte den Autopilot ausgeschaltet. Das war riskant und eigentlich unnötig. Aber wenn er überhaupt
nichts zu tun gehabt hätte – er wäre bestimmt eingenickt. Und da war noch Blackhawk. Der Veteran
war ungewöhnlich redselig – ebenso wie Lightning. Es dauerte eine Weile, bis Kano begriff, daß die
Veteranen so sich – und Kano – wach hielten. Trotzdem war es hart. Von Lightning erfuhr er, daß der
Wing – Commander an Bord der Redemption geblieben war. Das weckte in ihm ein erniedrigendes
Schuldgefühl. Während sie zur Gallileo flogen, blieb ihr Kommandant zurück auf dem beschädigten
Schiff. Um mit ihm unterzugehen... ?
Als endlich vor ihnen die wuchtige – und unversehrte – Silhouette der Gallileo auftauchte, stieß Kano
dennoch erleichtert die Luft aus: ‚Geschafft!‘ Die Landung war nicht gerade Kanos beste Leistung –
aber er wahr froh, sie halbwegs sauber durchgeführt zu haben.
Lightning musterte die Piloten, die vor ihr standen. Sie verkniff sich irgendwelche markigen Worte.
Die wären sowieso bei dieser Truppe nicht groß angekommen. Im Hangar der Gallileo stauten sich
jetzt die Überreste der Angry Angels und die verbliebenen Maschinen der Gallileo. Die Bodencrews
hatten sich bereits auf die Maschinen gestürzt um sie zu reparieren, zu betanken und zu bestücken.
Hoffentlich würde diese Vorsichtsmaßnahme überflüssig sein – mit dieser Einheit, das war Lightning
klar, war wenig Staat zu machen: ‚Die schlafen mir noch in der Raumschlacht ein, wenn sie nicht
wenigstens zwölf Stunden Ruhe kriegen.’
„Also – das war’s für’s erste, Kinder. Alles weitere ist nicht mehr unsere Sache. Ihr kriegt Quartiere
zugewiesen. Haut euch erst mal hin. Ich will keinen im Hangar sehen, außer die Echsen wollen die
Party sprengen. Ach ja – ihr habt eure Sache verdammt gut gemacht. Weggetreten!“
Die Piloten verliefen sich. Man mochte über Captain Ward munkeln was man wollte, die Mannschaft
war gut ausgebildet und der Borddienst arbeitete schnell und reibungslos. Die Piloten erhielten ihre
Quartiere – vielfach die Wohnräume der abgeschossenen Gallileo – Flieger. Allerdings waren die
meisten einfach zu müde, sich darum groß zu kümmern. Sie bemerkten auch nicht die Blicke der
Crewmitglieder der Gallileo, die diesen schnellen Belegungswechsel mit teilweise recht gemischten
Gefühlen sahen.
Kano wollte sich schon Blackhawk anschließen, der sich von einem Sergeant einweisen ließ, als er
durch das organisierte Durcheinander eine vertraute Gestalt sah, die ihn die Müdigkeit vergessen ließ:
Kali. Sie stand mit dem Rücken zu ihm, an ihre Maschine gelehnt. Sie sah müde aus. Aber sie lebte –
und nur das zählte. Er hatte sie aus den Augen verloren gehabt, hatte die Gedanken an sie verdrängt,
aber jetzt fühlte Kano, wie eine schwere Last von seinen Schultern fiel. Sie war eine erfahrene Pilotin
– aber in der Schlacht waren viele erfahrene Piloten nicht mehr zurückgekehrt. Er eilte zu hier.
Sie schien in Gedanken, bemerkte ihn nicht, stand einfach an der Flanke ihres Jägers, die Arme
aufgestützt, den Kopf gesenkt.
„Helen!“
Sie blickte auf. In ihrem Gesicht war etwas, was Kano stocken ließ, als er sie umarmen wollte. Ihre
Augen wirkten – tot. Und falls sie sich freute, ihn zu sehen, dann verbarg sie es gut.
„Helen… .“ Sie sah ihn nur schweigend an, nein schien eher durch ihn hindurch zu sehen, sich auf
irgendetwas zu konzentrieren, dass jenseits seines Blickfeldes lag. Als sie sprach, war ihre Stimme
ebenso tot, wie ihre Augen: „Ace ist tot. Rusty ist tot. Ich… .“ Sie verstummte.
Er machte eine Bewegung auf sie zu, streckte den Arm aus – sie blockte ihn ab: „Laß mich allein. Laß
mich bitte allein!“
Das saß. Ein paar Augenblicke starrte er sie an, suchte nach einem Anzeichen, dass ihn zum Bleiben
aufforderte. Aber Helen meinte offenbar, was sie gesagt hatte. Er hätte sie gerne getröstet, hätte sie
gerne in den Arm genommen. Anstatt dessen drehte Kano sich um und ging, müde, automatisch einen
Fuß vor den anderen setzend. Er fühlte sich wie ausgebrannt. Er blickte nicht zurück.
Blackhawk wartete auf ihn. Falls er bemerkt hatte, was passiert war, äußerte er sich nicht. Dafür war
Kano dankbar. Schweigend marschierte er hinter dem First Lieutenant her. Keiner der beiden Piloten
sagte etwas. Schließlich hatten sie ihr Ziel erreicht: eine der Pilotenkabinen. Die zuständigen Stellen
hatten offenbar schnell gearbeitet – die persönlichen Sachen der Piloten waren bereits weggeräumt
worden.
Blackhawk war dies allerdings als erfahrenen Veteran ohnehin gleichgültig und Kano hatte momentan
anderes im Kopf um darauf zu achten.
Blackhawk warf einen Seesack auf einen Stuhl. Egal was Lightning gesagt hatte – er hatte lieber
vorgesorgt und sein „Notgepäck“ gegriffen – die wenigen Dinge, die er auf keinen Fall verlieren
wollte. Dann wandte er sich zu seinem Kameraden: „Also Second Lieutenant – Wie sieht es aus?
Losen wir, wer als erster duschen darf?“.
Kano schüttelte den Kopf: „Sie haben den Vorrang, First Lieutenant.“ Seine Stimme klang abwesend.
Er sah seinen Kameraden nicht an und saß zusammengesunken auf der Koje.
Blackhawk verkniff sich ein Grinsen und musterte den jungen Piloten: ‚Muß ja `ne ziemliche
Breitseite gewesen sein, die er abbekommen hat. Aber da wird der Junge alleine mit zurechtkommen
müssen… .’. Er nahm sich aber vor, doch lieber ein Auge auf seinen Kameraden zu haben.
Liebeskummer war ja nicht so selten bei den meist jungen Piloten – aber das konnte auch sehr schnell
böse Folgen haben. Wenn man im Einsatz nicht aufpasste, weil man mit dem Kopf woanders war… .
Aber Kano mit seiner fast schon fanatischen Einstellung zu Pflicht und Ehre würde sich schon in den
Griff bekommen. Zumindest dienstlich.
„Also wenn du es mir schon so anbietest, Kano… .“
Der aber antwortete nicht. Er war im Sitzen zusammengesackt und schlief – tief und fest. Letzten
Endes hatte der Körper sein Recht gefordert. Blackhawk überlegte kurz, ob er ihn noch mal wecken
sollte, entschied sich dann aber dagegen. Er hievte Kano vollständig in die Koje und warf dem
Schlafenden kopfschüttelnd eine Decke über.
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Ohne Wiederkehr
Ina Richter nahm den Befehl zur Verlagerung auf die Gallileo mit einer Mischung aus Erleichterung
und Besorgnis entgegen. Erleichterung, weil es natürlich kein angenehmer Gedanke war, auf einem
Schiff zu fliegen, daß mehr Löcher hatte als ein handelsübliches Sieb. Sollten die Akarii noch einmal
auftauchen, war es sicher besser, auf einem kampfbereiten Träger stationiert zu sein, wo die
Maschinen gewartet werden konnten, der frei manövrieren und kämpfen konnte. Nicht auf einem
halben Wrack. Allerdings – sollten die Akarii jetzt aufkreuzen, dann wäre sie wohl sowieso kein sehr
gefährlicher Gegner für die Echsen. Die Müdigkeit machte sich immer deutlicher bemerkbar, und
auch, wenn sie noch nicht alles doppelt sah – gewissen Tabletten sei dank – so fühlte sie sich, als sei
sie zwei Wochen nicht aus dem Anzug gekommen und hätte 20 Kilometer rennend zurückgelegt. Und
das bitteschön JETZT – nicht erst im Gefecht, wo man noch mehr gefordert wurde. Die Hilfsdienste,
die man angesichts der Lage an Bord der Redemption von den Piloten erwartete, hatten auch nicht
gerade dafür gesorgt, daß die sich von den Anstrengungen der zwei Kampfeinsätze erholten. Die
Piloten glichen mehr und mehr einer Horde vom Zombies – mit stierem Blick und fahrigen
Bewegungen schlurften sie durch die Gegend. Wenn man ihnen nicht bald eine Pause gestattete,
würden die ersten zusammenbrechen – und der Rest würde bald folgen.
Andererseits – es war nie ein angenehmes Gefühl, das eigene Schiff zu verlassen. Vor allem, weil es
da diese Geschichten gab. Eine alte Regel besagte, wenn jemand von Bord ging – auf einer Feindfahrt
oder davor – dann hieß das möglicherweise, daß er auf ein Schiff käme, das verloren gehen würde.
Oder sein altes Schiff war zum Untergang bestimmt, und er war ausersehen, übrig zu bleiben.
Natürlich war das nur dummer Aberglaube. Aber es wurde nur zu oft geglaubt.
Imp hatte es immer leicht gehabt, Freunde zu finden – und nicht wenige davon dienten hier an Bord.
Und der Gedanke, sie im Stich zu lassen, war ziemlich schmerzhaft, selbst wenn sie versuchte, ihre
innere Stimme zu überzeugen, daß es ja nicht auf Dauer war und sie nur ‚umzog‘, um weiter zu
kämpfen. Die Sorgen blieben. Vor allem, wenn sie an Lilja dachte. Die Russin war im Augenblick
völlig hilflos, nicht bei Bewußtsein. Sie schwebte nicht mehr in unmittelbarer Lebensgefahr, aber
dennoch – Lilja war an Bord die Person, die Imp so ziemlich am nächsten stand. Außerdem, so grotesk
das angesichts der Umstände auch klingen mochte, Imp fühlte sich immer ein bißchen für ihre
Zimmergenossin verantwortlich. Sie hatten sich beide über ihre Probleme hinweggeholfen, und Lilja
hatte ihr das Leben gerettet. Sie wusste – vermutlich als einzige an Bord – was in Liljas wirklich
vorging. Deshalb hatte sie das Gefühl, auf die – ältere und weitaus erwachsener wirkende – Pilotin
aufpassen zu müssen. Es war verrückt, aber sie konnte eben nicht anders. Nun, wenigstens würde man
Lilja wohl auf die Relentless verlagern. Vielleicht sogar mit dem ersten Schub, denn sie gehörte zu
den Leuten, bei denen eine Verlagerung ,Sinn' machte. Sie würde gesund werden und wieder fliegen
können, ihr Transport war unproblematisch. Bei anderen sah das wesentlich kritischer aus, und nach
der brutalen Logik des Militärs verlagerte man die Leute, die noch am nützlichsten waren, zuerst.
Auch, weil man mehr von ihnen in ein Shuttle pferchen konnte.
Sie überlegte kurz – ein klein bißchen Zeit blieb ihr noch…
Während auf dem Hangar ihr Jäger startklar gemacht wurde, eilte die junge Pilotin in die Kabine, die
sie mit Lilja teilte. Mit wenigen Handgriffen hatte sie zusammengerafft, was ihr von ihren Sachen am
meisten am Herzen lag. Dann packte sie schnell noch die Dinge ein, die Lilja um keinen Preis würde
verlieren wollen. Ein paar Fotos und Briefe – mehr war es nicht, und mehr konnte sie in der Eile auch
nicht mitnehmen. Sie fühlte sich ein bißchen, als würde sie ein Sakrileg begehen – kein Soldat
berührte normalerweise ohne ausdrückliche Erlaubnis die „Heiligtümer“ eines Kameraden. Aber, so
rechtfertigte sie sich, Lilja würde sicher lieber das tolerieren, als diese Gegenstände zu verlieren, wenn
die Brände sich ausbreiten sollten. Auf dem Rückweg hetzte sie durch die Kantine, schnappte sich dort
Liljas Sammelbüchse und ihren Aufruf und spurtete zum Hangar. Gerade noch rechtzeitig kam sie an.
Nicht, daß ihr verspäteter Auftritt in dem Chaos hier sonderlich auffiel. Sie kletterte in das Cockpit
ihres Jägers. Als sie die Maschine hochfuhr, spürte sie, wie ihre Hände zitterten. Die Übermüdung
zeigte Wirkung. Eigentlich hätte sie so etwas wie aufrichtige Freude empfinden müssen – sie hatte
heute ihren fünften Abschuß erzielt. Doch die Freude darüber, daß sie zum Aß geworden war, drang
nicht mal an ihr Bewußtsein. Zuviel war geschehen, zu groß die Opfer – und zu ungewiß die Zukunft.
Das Katapult schleuderte ihren Jäger ins All. Man hatte ihnen zwar eigentlich erlaubt, zu schlafen,
doch es war eher ein unruhiges Dahindämmern, das die Müdigkeit kaum linderte. Immer wieder fuhr
sie hoch, glaubte die Alarmtöne des Raketenabwehrradars zu hören. Die ständige Anspannung zeigte
Wirkung – und auch die Medikamente.
Das Landemanöver gelang ihr – aber sie mußte sich ziemlich Mühe geben. Wie ,die da oben‘ es sich
vorstellten, daß diese übermüdeten Piloten erneut gegen den Feind fliegen könnten – ohne 24 Stunden
Erholung – das war Imp ehrlich gesagt schleierhaft. Aber wenn der Befehl kam, würde sie natürlich
ebenfalls in ihre Maschine klettern. Im Augenblick allerdings dachte sie beinahe nur daran, irgendwo
ein bequemes Plätzchen zu finden – etwa den Fußboden – und sich langzulegen. Und die nächsten
Stunden nicht mehr aufzustehen, egal was kam.
Schmerzhaft wurde ihr die Leere an Bord der Gallileo bewußt. Wo sich sonst Jäger stauten, waren
jetzt nur einige wenige zu sehen. Die seltsam sterile und mustergültige Umgebung an Bord des
leichten Trägers stand in völligem Gegensatz zu den vom Kampf gezeichneten Jägern des
Redemption-Geschwaders, oder dem Zustand der drei arg lädierten Mirage, die im Hintergrund
überholt wurden. Arme fingen die taumelnde Pilotin auf und führten sie zur Seite, wiesen ihr einen
Platz zu. Die Worte Lightnings bekam sie allenfalls am Rande mit. Und hätte sie Offizierin länger
gesprochen – Imp hätte vermutlich versucht, sie zu erdrosseln. Als sie jemand zu ihrem neuen Quartier
führte, mußte sie sich mehr als einmal an der Wand abstützen. Schließlich griff ihr Führer ein und
stützte sie. So kam sie schließlich an. Sie taumelte in Richtung Hygienezelle – glücklicherweise hatte
die Quartiere alle Einheitsmaß – und schälte sich auf ihrem Anzug, der inzwischen wie eine zweite
Haut anlag. Eine zweite, schweißige, abgestorbene Haut – wie bei einer Schlange, die im Begriff war
sich zu häuten. Als das Wasser über ihren Körper strömte, keuchte sie auf – mit Absicht hatte sie den
Regler auf ,kalt‘ gestellt, so sehr sie sich nach einer warmen Dusche sehnte. Aber bei der wäre sie
wohl im Stehen eingeschlafen. So konnte sie wenigstens klar sehen. Sie tat ihr bestes, Ruß und
Schweiß abzuspülen, dann stolperte sie in Richtung Bett – wo sie, nackt und naß wie sie war – lang
hinfiel und einschlief. Zum Abtrocknen oder gar Anziehen brachte sie einfach keine Energie mehr auf.
Nur noch schlafen...
Von der Brücke seines Schlachtkreuzers verfolgte Mithel die Evakuierung. Die Verlagerung der Jäger
auf die Gallileo machte Sinn – allerdings fragte er sich ernsthaft, ob diese Maßnahme nicht am Ende
kontraproduktiv war. Sollten HIER Akarii aufkreuzen, würde Ward bestimmt nicht zu Hilfe eilen.
Andererseits – so kam wenigstens die Gallileo durch, die augenblicklich durch ihre vier
Begleitzerstörer eher notdürftig gesichert wurde. Am ratsamsten wäre gewesen, beide Flottenverbände
zusammenzulegen, aber ob Ward und Clarke sich dazu entschließen würden, das stand in den Sternen.
In Gedanken formulierte der Captain ein paar ausgemacht gehässige Sätze, mit denen er Clarke – unter
vier Augen, wenn sich die Gelegenheit dazu ergab – über Wards Versagen informieren würde. Er
brannte darauf, genaueres über den Schlachtablauf zu erfahren, doch das mußte warten.
Augenblicklich galt es, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Und das bedeutete, das Schiff
gefechtsbereit zu halten. Die Agamemnon sah übel aus, die Redemption war sowieso nie zum direkten
Schlagabtausch vorgesehen gewesen und augenblicklich vermutlich nicht mal so kampfstark wie eine
Fregatte. Vielleicht sogar weniger als eine Korvette. Blieb die Jerome Custer, denn von der Dauntless
hielt Mithel in der Hinsicht nicht viel. Als Radaraufklärer mochte sie tauglich sein, aber sollte der
Gegner ihnen nicht den Gefallen tun nur mit Jägern anzugreifen, dann war die Dauntless nicht mehr
wert als die Custer. Oder weniger, denn sie hatte kaum schwere Bewaffnung mit adäquater
Reichweite. Aber das kam heraus, wenn die Wissenschaftler meinten, sie könnten goldene Eier legen,
ohne sich mit den Frontoffizieren abzusprechen. Ein lumpiger Vierlingswerfer für Harpoon- oder
Exocet-Raketen hätte doch drin sein müssen!
Aber daran ließ sich jetzt nichts ändern. Sollten feindliche Kampfschiffe auftauchen, dann würde sein
Kreuzer die Hauptlast der Abwehr zu tragen haben. Und deshalb durfte die Wachsamkeit nicht
nachlassen. Egal, wieviel Sorgen sich die Brückenbesatzung um die Kameraden machen mochte, egal
wie gerne er selber Genaueres erfahren hätte – es gab Wichtigeres zu tun. Hoffentlich funktionierte
wenigstens das Radar der Dauntless.
Mithel bedauerte ehrlich, daß man außer den Jägern nicht auch einen fähigen Kommandanten auf die
Gallileo versetzen konnte. ,Etwa den Schiffskoch!‘ dachte er säuerlich: ,Der dürfte mehr Mumm in
den Knochen haben, als dieses Waschweib!‘
Unablässig starteten und landeten die Shuttles – so schnell es eben ging, denn auf der Redemption
herrschte Hochbetrieb. Es galt ja nicht nur, die Kampfflieger für die Verlagerung zu starten, sondern
auch, die zurückbleibenden Maschinen in so etwas wie einen einsatzbereiten Zustand zu versetzen.
Tausendfach geübte und eintrainierte Handgriffe liefen quälend langsam ab, immer wieder kam es zu
Verzögerungen, kleinen Fehlern, die korrigiert werden mußten. Die Besatzung, seit dem Gefecht im
Dauereinsatz, war bis zu ihren Grenzen gegangen, und teilweise erheblich darüber hinaus. Ehe Schiff
und Besatzung wieder voll einsatzfähig waren, würde wohl lange vergehen – falls sie es überhaupt
nach Hause schaffen.
Die Männer und Frauen an Bord der Relentless packten mit Feuereifer zu. Einerseits, weil sie ihr
,Alter‘ gut ,erzogen‘ hatte. Aber es war für viele auch eine Möglichkeit, ein wenig ihre Schuldgefühle
zu bekämpfen indem sie jetzt den Verletzten halfen. Aber nicht wenige erkannten jetzt, WIE schlimm
es wirklich gekommen war. Und machten sich Vorwürfe, weil sie nicht versucht hatten, es zu
verhindern – gleichgültig, ob sie das überhaupt gekonnt hatten.
Der Captain der Relentless wußte nur zu gut, was es bedeutete, daß hier nur drei Schiffe waren, zwei
davon Wracks. Es war unwahrscheinlich, daß die anderen Einheiten einen anderen Fluchtweg
gefunden hatten. Der Weg durch das Asteroidenfeld war der einzige Ausweg gewesen – die Majestic
hätte sich beim Rückzug kaum auf ihrer alten Route bewegen können, ohne Deckung. Das war schon
auf dem Hinmarsch ein Risiko gewesen. Jetzt, vermutlich mit den Akarii im Nacken, wäre es
Selbstmord. Er mußte der Möglichkeit ins Auge sehen, daß diese drei Schiffe die einzigen waren, die
von den beiden Kampfgruppen entkommen wären. Mithel biß sich auf die Lippen. Dafür WÜRDE
jemand bezahlen – nicht zuletzt die Akarii.
Insgeheim dachte er an die Worte Noltzes, als sie den Plan entwickelt hatte. Wenn dieser Einsatz
wirklich so wichtig war – und die Stärke der Akariieskorte legte das nahe – dann war das Scheitern
vermutlich noch schlimmer als die sowieso schweren, kaum ersetzbaren Verluste. ,Und da sollen wir
sie zurücktreiben!‘ fluchte der Captain insgeheim. ,Ich wollte, die Herren im Flottenstab würden mal
herkommen, dann würden sie sehen, wer hier wen zurücktreibt!‘
Aber natürlich würde er auch weiterhin seine Pflicht tun – und mehr als das. Irgendwie mußten die
Akarii gestoppt werden, und Mithel hatte vor, seinen Teil zu tun. Und es schmerzte ihn, daß er bei
diesem Einsatz – wenn er ehrlich war, konnte er es nicht anders nennen – versagt hatte. Ob er nun auf
Befehl gehandelt hatte oder nicht, er war seinem Eid und seiner Verpflichtung nicht gerecht geworden.
Aber das sollte sich nicht noch einmal wiederholen!
Mithel glaubte, es sei schon so schlimm gekommen, wie es überhaupt kommen konnte. Aber im Krieg
konnten sich selbst so erfahrene Soldaten wie der Kapitän der Relentless irren. Wie auch in diesem
Fall.
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Gonzalez stand auf seine Brücke und beobachtete aufmerksam, wie sich die kleine Hilfsflotille dem
tödlich getroffenem Träger näherte. Wie von Mithel angeregt blieben die beiden Kreuzer in
Formation, denn Gonzalez hatte die Weisheit hinter diesem Vorschlag erkannt. Eine feindliche
Jägerformation wäre der Relentless eine große Gefahr und Gonzalez wusste, dass die Dauntless in
einem Gefecht gegen einen feindlichen Kreuzer sich nur auf die höhere Geschwindigkeit verlassen
konnte, um den Kampf zu vermeiden. Alles andere wäre eine Verzweifelungstat gewesen Als jedoch
der Konvoi in Reichweite der Redemption kam, wandte er sich zu seinem Funkoffizier:
„Funkspruch an die Relentless. Wir verlassen Formation und gehen auf volle Kraft. Wir wollen
schauen, dass wir die Evakuierung möglichst schnell bewältigen können.
Gefechtszentrale...übernehmen Sie die Jägerleitkontrolle der Redemption und koordinieren Sie die
Jäger. Maximale Energie auf die Sensoren.“
Gonzalez war durchaus bewusst, dass die Emissionen des Radars ausstrahlten und die Akarii in
Reichweite heranlocken würden wie Haie, die Blut gewittert hatten. Aber andererseits würde er so
mehr Vorwarnungszeit bekommen und etwa Shuttles und Jäger aus beziehungsweise in die
Schusslinie lotsen können.
„Captain, hier O’Keefe, keine Feinde in Sensorenreichweite. Es scheint, dass die Red sie abgeschüttelt
hat.“
„Hoffen wir das Beste. Wann können wir mit der Evakuierung beginnen?“
„In zehn Minuten wird das erste Shuttle andocken.“
„Gut. Krankenstation?“
„Hier Doktor Grisham, Sir, wir sind so bereit, wie man es unter diesen Umständen sein kann. Der
Smut hat schnell noch einen Speicherraum leergeräumt, so dass wir noch 20 Betten mehr stellen
können....aber wenn wir so viele Verletzte bekommen, wird das ein Horror. Ich habe weder Personal
noch genug medizinische Vorräte für solche eine Zahl.“
„Ich werde die Evacshuttles anweisen, die Vorräte der Red auf die Relentless und uns aufzuteilen.“
„Danke Sir, ich habe bereits eine entsprechende Liste an den Funker geschickt.“
„Turner, sind die Männer bereit?“
„Jawohl Sir, wir haben alle Mann, die keinen Dienst haben, für die Evakuierung eingeteilt.“
„Dann wollen wir mal.“
Gonzalez beobachtete, wie die ersten Shuttles auf die Dauntless zurasten. In seinem Innersten brodelte
es. Kein Seemann sah gerne, wie ein stolzes Schiff evakuiert und dem Untergang preisgegeben wurde.
Aber für ihn gab es jetzt viel zu tun. Die Arbeit würden die einzelnen Stationen übernehmen, die
Männer und Frauen auf den Gängen der Dauntless, die die Vorräte und Verwundeten aus den Shuttles
in die entsprechenden Räume schafften.
Gonzalez fragte sich insgeheim, auf welches Schiff Midori evakuiert werden würde. Sicherlich auf die
Relentless, denn der Stab musste intakt bleiben. Er hoffte, dass sie das Feuer, das an Bord der
Redemption tobte, unbeschadet überlebt hatte.
Midori Yamashita sah sich in ihrem Büro um. Alle wichtigen Daten waren auf Datenträger überspielt
und anschließend vernichtet worden. Erst nachdem dies geschehen war, hatte sie die Männer und
Frauen, die ihr unterstanden, in ihre Quartiere entlassen, um der Standardprozedur bei Evakuierungen
gemäß jeweils einen Seesack mit den wichtigsten persönlichen Dingen einzupacken. Sie selber hatte
dies in weiser Voraussicht schon vor dem Gefecht getan. Am meisten würde sie ihr Chello vermissen,
doch das war ihr von Anfang an klar gewesen, dass sie dies in Gefahr brachte, wenn sie es mit auf ein
Kriegsschiff mitnehmen würde. Gedankenverloren betastete sie ihren Kopf, der dick und nicht allzu
fachmännisch bandagiert war. Beim Einschlag einer Rakete war sie gegen ein Schott geworfen
worden. Das Resultat war eine lange Platzwunde an der Stirn gewesen sowie blaue Flecken am ganzen
Körper. Die Platzwunde hatte sie nur notdürftig von Chief Snyder versorgen lassen, da sie den
ohnehin überlasteten medizinischen Stab nicht weiter belasten wollte. Bevor sie den Raum verließ,
öffnete sie den feuersicheren Koffer, der neben ihr stand und legte die letzten Schriftstücke aus dem
privaten Safe hinein. Zuoberst lag eine Akte, auf der der Name von Commander Cunningham stand.
Mit einer geschmeidigen Bewegung verschloss sie den Koffer und aktivierte das Sicherheitsschloss.
Nun würde jeder nicht autorisierte Zugriff zu einer Zerstörung des Inhalts durch eine
Chemikalienkapsel nach sich ziehen. Nachdem sie einen letzten Blick in ihr Büro geworfen hatte,
verlies sie den Raum und traf auf dem Gang den Rest ihrer Abteilung, der vollständig angetreten war.
„Alles bereit zur Evakuierung? Gut.“
Yamashita machte eine entsprechende Meldung an die Brücke und erhielt eine Shuttlezuteilung.
Gemeinsam machten sich die Anwälte und ihr Stab auf den Weg zur Shuttleschleuse 4.
Murphy wachte auf, als das SAR Shuttle an die Redemption andockte. Neben sich sah er Thunder
liegen, deren Gesicht leichenblass schien. Als er sich aufrichten wollte, eilte ein Medtech zu ihm.
„Commander, Sie müssen liegen bleiben. Sie hatten einen harten Ausstieg.“
„Ich weiß, verdammt, mein Schädel brummt, als wenn ich ihn gegen den Akarii Träger gerammt hätte.
Was ist mit meinem XO?“
„Sie ist kritisch. Mehr können wir erst auf der Krankenstation sagen. Sie hat jedenfalls viel Blut
verloren, Erfrierungen und eine mächtige Gehirnerschütterung. Möglicherweise Gehirnblutungen.
Quetschungen im Unterkörper.“
„Verdammt, Valeria....“, Murphy kämpfte mit den Tränen.
„Bin ich flugfähig?“
„Sind Sie wahnsinnig? Mit ihrem Kopf würden Sie nur eins schaffen, nämlich das Cockpit von oben
bis unten vollzukotzen. Da helfen auch keine Medikamente.“
„Dann schaffen Sie mich wenigstens zu meiner Staffel, sobald ich an Bord bin.“
„Ich glaube, ein Lieutenant Tüncay wartet bereits auf Sie.“
„Gut.“ Murphy lehnte sich zurück, wurde dabei aber von solchen Schwindelgefühlen übermannt, dass
er sich fast übergeben musste. „So eine Scheiße....“ Verzweifelt griff er nach dem Rosenkranz, der
immer noch an seinem Hals hing.
Zehn Minuten später ließ sich Murphy von Brawler gestützt vorsichtig in seinem Büro nieder. Der
Rest der Staffel wartete bereits auf ihn.
„Ok, Leute, ihr habt es gehört, packt euer Zeugs zusammen und macht euch bereit für die Verlegung
auf die Galileo.“
Alle nickten, die Müdigkeit stand ihnen ins Gesicht geschrieben.
„Sir, wir haben ein Problem: die beiden Ersatzmaschinen wurden wieder hergerichtet. Zwar nur
provisorisch, aber immerhin. Jedenfalls fehlt uns ein Pilot.“
„Verdammt. Ich....ich schaue, was sich machen lässt. Wegtreten.“
Nachdem die Männer und Frauen das Büro verlassen hatten, rief Murphy Hamlin an.
„Doc, ich habe ein Problem, ich muss eine Maschine wegschaffen, aber mir fehlt ein Pilot.“
Murphy schilderte seine Schwindelanfälle.
„Ist es irgendwie möglich, mich kurzfristig flugtauglich zu bekommen?“
„Es gäbe ein Möglichkeit, aber die würde Sie danach eine Woche außer Gefecht setzen, Spätschäden
nicht ausgeschlossen.“
„Sprechen Sie weiter.“
„Wir haben vom medizinischen Hauptquartier ein neues Medikament für solche Fälle bekommen. Die
Nebenwirkungen sind nur unzureichend bekannt, jedenfalls jedoch sehr schwer. Das Zeug ist nur für
den absoluten Notfall gedacht...ist die Rettung einer Maschine ein solcher?“
„Ja.“
„Gut, auf Ihre Verantwortung. Ich schicke gleich jemanden los. Hamlin aus.“
Als der Bote, ein Mitglied der Mpi, ihm die Pillen samt Packung brachte, verzichtete er auf die
Durchsicht des Verordnungszettels, insbesondere den langen Part mit den Nebenwirkungen und warf
sich zwei der grünlichen Kapseln ein. Fünf Minuten später fühlte er sich soweit genesen, dass er
langsamen Schrittes zum Hangar ging. Dankenswerterweise hatte Brawler seine persönliche Habe
bereits in seinen Jäger gepackt, so dass Murphy nur noch einsteigen musste. Auf einen Rundgang
verzichtete er, jetzt war jede Minute kostbar. Er schnallte sich in seinen Schleudersitz und wurde
prompt auf das Katapult gezogen. Der Abschuss und die visuelle Wahrnehmung sorgten für eine neue
Welle der Übelkeit, Murphy wurde fast schwarz vor Augen. Mit letzter Kraft aktivierte er den
Autopiloten und sank erschöpft in seinen Pilotensitz zurück.
Als er schließlich in die Nähe der Galileo kam und den Landeanflug begann, merkte er, wie die
Wirkung der Medikamente schon nachließ. Er ächzte, als er mehr Kraft als normal zum Steuern
aufbringen musste, weil einer der Schubvektoren schwergängig war. Als er dann auf die Galileo
aufsetzte, merkte er angesichts der harten Landung, wie wenig er die Maschine unter Kontrolle hatte.
Alles schien sich hinter einem grauen Schleier abzuspielen. Als seine Maschine schließlich zum
Stehen kam, schlug sein Kopf gegen die Cockpitkanzel. Martell verlor zum zweiten Mal an diesem
Tag das Bewusstsein und bekam so nicht mehr mit, wie ihn Brawler und Enigma aus der Kanzel
bargen.
************************************
Es schien Huntress, als wäre es erst wenige Minuten her, dass sie mit den Resten ihrer Staffel Seite an
Seite mit Martells Griphen die letzten angreifenden Bloodhawks abgewehrt hatte.
Um Abschüsse war es schon lange nicht mehr gegangen. Beide Seiten hatten die Schnauze gestrichen
voll gehabt. Man zeigte nur noch Präsenz.
Im Gewirr der Asteroiden war es der RED und ihren Begleitschiffen dann gelungen, sich abzusetzen
und zu springen.
Doch zu welchem Preis.
Juliane hatte noch nie einen Fehlsprung gesehen, aber sie würde den Anblick der in sich selbst
verschobenen PERREGRINE niemals wieder vergessen.
Gott, was für einen Preis hatten sie nur bezahlt? Einige der Piloten der MAJESTICS waren ebenfalls
zum aufmunitionieren auf der RED gelandet, das sprach Bände, wie es dem leichten Träger ergangen
war.
Zwei von ihnen, Carlsen und Terrano, hatte sie unter ihre Fittiche genommen, kaum dass die beiden
Pioten aufmunitioniert mit ihren Nighthawks wieder gestartet waren.
Nighthawks… Der sehr angenehme Gedanke an den flexiblen Überlegenheitsjäger half ihr etwas, die
brutale Situation zu verdrängen.
Die REDEMPTION funkte SOS. Juliane hatte noch keine besonders enge Bindung mit dem alten
Träger aufbauen können, dazu war sie noch nicht lange genug an Bord. Aber dennoch erschütterte sie
dieser Ruf. Denn das SOS war zugleich auch eine Kapitulation.
Nun konnten sie alle nur noch hoffen, dass die eigenen Einheiten schneller hier waren als die
Verbände der Akarii. Zudem hatten sie ja nicht einmal den Hauch einer Ahnung, wohin sie der
Fehlsprung getragen hatte. Die Astrogation arbeitete noch daran.
Tonlos befahl sie ihren acht Maschinen, die Aktivortung hochzufahren und die Waffen zu
desaktivieren. Desweiteren gab sie First Lieutenant Lydia Carlsen und Second Lieutenant Miguel
Terrano den Befehl, die Selbstzerstörung der hochmodernen Nighthawks vorzubereiten.
Wenn die Akarii als erste hier ankamen, dann sollten sie nichts von großem Wert erobern, schwor sich
die Pilotin.
„Ruhig, Huntress“, brummte Demolisher über Funk. „Wir sind nicht so weit gekommen, nur damit
jetzt alles schief geht.“
„Du hast gut reden“, erwiderte sie genervt. „Ich kann mich gar nicht entscheiden, was für mich besser
ist: Von den Akarii gefangen genommen zu werden und den Rest des Krieges interniert werden, oder
von Terranern gerettet zu werden und mich für den Verlust meiner halben Staffel zu verantworten.“
„Einkommende Telemetrie aus dem nahen Nebel“, blaffte plötzlich Brawler, der zeitweise das
Kommando über die Griphen übernommen hatte. „Es ist die RELENTLESS!“
Für einen Moment war Juliane sprachlos. Dann machte etwas in ihrem Kopf Klick.
„Waffen scharf machen! Flankenpositionen beziehen! Unsere Leute waren schneller!“
„Und die DAUNTLESS! Wir sind gerettet!“
Jubel brach über den offenen Kanal aus. Zwei Schiffe des Begleitverbandes der GALILEO hatten sie
gefunden. Ein eiskalter Schauer ging Huntress über den Rücken. Waren dies die Überlebenden des
gesamten Verbandes? Hatte es damit auch noch den anderen leichten Träger erwischt? Wie hoch sollte
der Preis für diesen Angriff denn noch werden?“
Huntress konzentrierte sich auf das Naheliegenste und koordinierte die Formation ihrer Staffel.
***
Drei Stunden später stand sie auf dem Flugdeck der GALILEO. Vor sich das, was einmal ihre Staffel
war. Ihre verletzten Piloten befanden sich jetzt entweder auf der RELENTLESS oder der
DAUNTLESS. Doch vor ihr hatten sich sieben Piloten aufgestellt.
Eigentlich hätte sie erwartet, dass sie alle so erschöpft und müde waren wie sie selbst. Doch in den
Augen von Demolisher, Avenger, Elfwizard, Bushfire und Cloud war eisiger Trotz zu lesen. Warum
ging es der GALILEO noch so gut? Und wo waren die Maschinen des Geschwaders?
Die Crew antwortete nur ausweichend oder gar nicht. Aber die fehlenden Gefechtsschäden an der
Oberfläche des Trägers und beim Begleitverband sprachen Bände.
Der Verband hatte einfach nicht am Gefecht teilgenommen!
Der Skipper der GALILEO hatte den Schwanz eingekniffen und war geflohen.
Besonders Carlsen und Terrano konnten ihre überschäumenden Gefühle kaum noch zurückhalten, seit
sie vom Opfergang der MAJESTICS gehört hatten.
Wie konnte ein Kapitän so selbstlos sein und ein anderer so feige?
„Herrschaften wir haben uns da draußen sehr gut geschlagen. Die Staffeln Gold und Silber berichten
davon, dass wir ein Drittel der Frachter weg geputzt haben, dazu etliche Klein- und Dickschiffe. Wir
haben den Nachschub erheblich kastriert. Außerdem wurde der feindliche Träger schwer beschädigt.“
Huntress senkte den Blick, damit die anderen Piloten nicht sahen, wie sich Tränen in ihren Augen
bildeten. Die endgültige Schlächterrechnung blieb noch aus, aber so in etwa würde es stimmen.
Vielleicht ein Frachter mehr oder weniger, ein oder zwei Kleinschiffe dazu oder ab.
Es war eine Frechheit, ihren eigenen Leuten einen Sieg verkaufen zu wollen.
Und dies noch angesichts von Captain Ward.
Wütend ballte sie die Hände zu Fäusten. Aber sie gestattete ihren Emotionen nicht, bis zu ihrem
Gesicht zu kommen.
„Alles in allem ein denkwürdiger Tag. Wir haben den technisch und personell weit überlegenen Akarii
zwei Dinge bewiesen: Wir sind besser als sie. Und wir sind bereit, für unsere Ziele zu sterben.“
Irrte sie sich oder zuckten ein paar der Techniker der GALILEO bei ihren Worten zusammen?
„Rot und grün stellen die erste Eskorte für die GALILEO. Die blaue Staffel die zweite. Deswegen
befehle ich hiermit, wegzutreten. Schlaft, soviel Ihr könnt. In vier Stunden müssen wir sechs
Maschinen da draußen ablösen.“
„SIE ZERSTÖREN DIE REDEMPTION!“, gellte ein lauter Ruf durch das Flugdeck.
Die Disziplin war sofort wie weggewischt. Unordentlich eilten sie zum nächsten Monitor und sahen
dabei zu, wie die AGGAMEMNON das Wrack der RED unter Raketenfeuer nahm.
„Nein…“, hauchte Elfwizard. Sie begann hemmungslos zu schluchzen.
„Verdammt!“, fluchte Demolisher unbeherrscht. „Wir haben es mit dem alten Mädchen so weit
geschafft.“
Auch Huntress flossen die Tränen über die Wangen.
„Jokers stillgestanden“, flüsterte sie und kramte nach dem letzten Rest ihrer Reserven, um
einigermaßen gerade zu stehen.
Als sie salutierte, taten es ihr einige ihrer Leute gleich.
Auf dem Monitor zerplatzte die REDEMPTION unter dem Raketenfeuer wie eine reife Frucht.
„Das werden sie büßen“, sagte Bushfire mit tränenschwangerer Stimme. „Das werden sie büßen. Für
jeden Matrosen, der auf ihr gefallen ist, holen wir uns zwei von ihnen.“
Seine Stimme erstarb.
„Aye“, sagte Huntress und nahm den Arm ab. Sie wischte sich die Tränen aus dem Gesicht.
„Dienstschlaf, Ladies.
Zur Rache ist später noch Zeit. Die freundlichen Damen und Herren der GALILEO bringen Sie auf
Ihre neuen Quartiere. Weggetreten.“
Die Piloten murmelten vereinzelte Jawohls, doch die Müdigkeit war kaum zu übersehen. Sie
schlurften eher als dass sie gingen den Petty Officers der Besatzung hinterher.
Nur Juliane blieb noch einen Moment zurück. Sie umschlang sich mit den Armen, als würde sie
frieren. Das war es also. Diesmal hatte die RED nicht überlebt. Dabei hatte dieses Schiff mehr
Schlachten gesehen als die meisten anderen Pötte der Flotte.
Und solange Ward die GALILEO kommandierte, würde der leichte Träger diese Zahl nicht aufholen
können.
Vor dem Katapult machte sich Shaka bereit zum Start.
Aus Ermangelung an Piloten setzten sie nur eine FORCAP und Flankenpatrouillen ein. Die
DAUNTLESS übernahm die Rückendeckung alleine.
Huntress fühlte sich noch fit genug, um kurz mit dem jungen Piloten zu sprechen.
„Und?“, fragte sie im Plauderton, während Albert sich fertig machte, um ins Cockpit zu klettern.
„Wieviele hast du?“
Shaka sah sie an. Seine Augen waren zornige kleine schwarze Löcher, in denen eine kaum zu
bändigende Gier brodelte. „Drei. Bei zwei weiteren unterstützt. Sorry, ich muss, Ma´am.“
Shaka ergriff einen monströsen schwarzen Schild und verkeilte ihn in seinem Cockpit. Danach stieg er
in sein Cockpit nahm den Helm entgegen und setzte ihn mit einem eiskalten Lächeln auf.
Juliane trat zurück, als der Katapultstart angekündigt wurde.
Als die Phantom startete, fand Huntress Kali. Sie stand an eine Wand gelehnt und weinte still.
Huntress berührte sie an der Schulter. „Helen. Es war schwer für uns alle. Wenn du reden willst,
dann…“
Übergangslos fiel die Inderin der Deutschen in die Arme. Hilflos griff Juliane zu und hielt sie fest.
Kali liefen die Tränen ebenso stark über die Wangen wie vor wenigen Minuten Huntress selbst, als sie
das Ende der RED gesehen hatte.
„Rusty ist tot“, schluchzte Kali leise. „Er war mein Flügelmann. Ich habe nicht auf ihn aufgepasst. Ich
habe es zugelassen.“
„Du musstest auch auf Lone Wolf aufpassen, Schatz“, erwiderte Huntress und drückte die jüngere
Pilotin an sich. „Es ist immer schwer so eine Entscheidung zu treffen.“
„Ja…“ Kali begann in Huntress´ Armen zu beben. „Ace…“
Huntress erstarrte. „Ja?“ „Ace… Er ist tot.“
Ein eiskalter Schock ging durch Huntress. Er begann in ihrem Nacken und raste bis in ihren Unterleib.
Von allen Piloten der REDEMPTION hatte sie von Cliff am ehesten erwartet zu überleben.
„Er… er flog mitten in eine Antischiffsrakete rein, als die RED keine Schilde mehr hatte.“
Huntress wollte weinen, ebenso wie Helen, aber sie konnte es nicht. Es kam nichts mehr.
Sie hatte keine Tränen mehr. Darum war Shaka so grimmig gewesen.
„Er starb“, hörte Huntress eine raue Stimme sprechen, die sie mühsam als ihre eigene erkannte, „wie
er gelebt hat. Viel zu schnell.“
Endlich löste sich Kali von Huntress und sagte: „Dafür werden sie bezahlen. Dafür werden die
verdammten Akarii bezahlen.“
Sie drückten einander die Hände. Huntress sagte: „Das werden sie. Versprochen, Kali.“
***

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Lucas stürmte die Krankenstation und hätte beinahe zwei Träger mit einem Verwundeten über den
Haufen gerannt.
"Aus dem Weg Du Arsch", herrschte ihn einer der beiden Pfleger an.
Lucas entschied das zu ignorieren und sich einen verantwortlichen zu suchen.
Als er an einen Arzt herantrat, ging das Piepen eines Gerätes in einen durchgehenden Pfeifton über.
Der Arzt drehte sich zu Lucas um: "Los holen Sie ein Beatmungsgerät!" Dann wandte er sich an eine
Schwester: "Die Elektroschocks!"
Lucas stand verdattert da: "Was?"
"Den Beatmer, Gesichtsmaske mit Blasebalg dran, mittlerer Schrank oben!"
Lucas holte das beschriebene Gerät und hielt es dem Arzt hin, der gerade
Wiederbelebungsmaßnahmen an seinem Patienten vornahm.
"Drücken Sie es auf Mund und Nase und kneten Sie den Blasebalg Mann!"
Lucas tat wie geheißen, während der Arzt die Elektroschocks vorbereitete.
"Treten Sie zurück!" Befahl der Arzt und drückte dem Verwundeten die Elektroschocks auf die nackte
Brust.
Der Patient zuckte einmal auf, doch der Pfeifton blieb. Lucas fing erneut an zu beatmen 10 Sekunden
später wurde dem Patienten erneut ein Elektroschock verpasst. Der Pfeifton blieb. Die Prozedur wurde
noch sechs mal wiederholt. Dann stellte der Arzt das Diagnosegerät ab und wandte sich einem
weiteren Verletzten zu.
"Doc, hatten Sie Commander Auson hier?" Fragte Lucas mit zitternder Stimme. Unachtsam wäre er
beinahe in einer Blutlache ausgerutscht.
"Was wollen Sie?"
"Ich suche Commander Auson, war sie hier?"
Der Arzt blinzelte überrascht: "Glauben Sie ich merke mir hier jedes verdammte Gesicht, dass ich
heute in diesem Schlachthaus hatte?" Er deutete auf einen Jungen Mann, der auf einer Trage auf dem
Boden lag. "Untersuchen Sie seinen Verband, ob er auch vernünftig sitzt, der geht als nächstes auf
Wanderschaft."
Lucas gehorchte der natürlichen Autorität in der Stimme des Arztes.
Melissa Auson befand sich am Bord des ersten Shuttles, das in Richtung Relentless abhob, dass sollte
Lucas aber erst viel später erfahren.
Die Besprechung mit seinen beiden wichtigsten Offizieren Lieutenant Commander Markus Fischer,
der Auson vertrat und dem rangältesten Ingenieuroffizier ließ Clark keine Wahl.
"Cumputerlogbuch TRS Redemption. 8. August 2636. 06:00 Greenwich. Dies wird der letzte Eintrag.
Auf Rat des diensttuenden 1. Offiziers Lieutenant Commander Fischer und des diensttuenden
Leitenden Ingenieurs Lieutenant 1st Class Stelzer habe ich mich entschlossen das, was von der
Redemption übrig geblieben ist aufzugeben. Gemäß der Gefechtsbefehle 236 und 236 A werde ich das
Schiff durch Eigenbeschuss zerstören lassen, so bald die gesamte Besatzung von Bord ist.
Jefferson B. Clark, Commodore, Captain TRS Redemption."
Er wandte sich an seinen Signaloffizier: "Geben Sie den Schiffen bescheid, dass die Redemption
aufgegeben wird. Und teilen Sie der Agamemnon mit, dass sie der Red den Fangschuss verpassen
sollen. Dann geben Sie das Signal: Alle Mann von Bord!"
"Aye, aye Sir!" Schnell und präzise gab der junge Offizier die Befehle von Clark weiter, dann
schaltete er auf die Bordsprechanlage: "1 MC: Alle Stationen, alle Mann, hier Brücke! Alle Mann von
Bord. Ich wiederhole: Alle Mann von Bord! Evakuierung einleiten! Alle Mann von Bord......"
Ein Raumfahrer der Terran Space Navy viel im allgemeinen unter die Kategorie gut ausgebildeter
Spezialist.
Doch selbst diese gut ausgebildeten Spezialisten können in Situationen geraten, wo Disziplin und
Ausbildung versagt.
Das Verlassen eines sterbenden Schiffes kann einer dieser Momente sein, wo Überlebenswille und der
menschliche Instinkt sich über all das gelernte hinwegsetzen. Erwachsene und erfahrene Offiziere und
Unteroffiziere können plötzlich in Panik geraten.
Doch es gibt auch die Spiegelseite dieser düsteren Medaille. Junge Männer und Frauen wachsen über
sich selbst hinaus. Entdecken ungeahnte Fähigkeiten und Kräfte. Werden zu Helden.
Wie so häufig in einer derart dunklen Stunde fand man beides auf der Redemption in den Momenten
der Evakuierung.
Zwei junge Sanitäter ließen die Bare mit dem zu evakuierenden Verwundeten im Gang zurück und
verschwanden zur nächsten Rettungskapsel, während eine zierliche Raumfahrerin alles daran setzte
einen ihrer Kameraden unter einem runtergefallenen Decksbalken hervorzuholen.
Bei den meisten Besatzungsmitglieder griffen jedoch die antrainierten Verfahrensweisen.
****************************
"... Mann von Bord!" Die Männer und Frauen im Maschinenraum Nr. 2 blickten auf.
Mit lautem Zischen wurde das Schott entriegelt.
"Na, ob sich das für uns noch lohnt?" Fragte einer.
Boyle lacht heiser auf: "Hey, ich will ne Entschädigung, das wird sich lohnen."
"Und was willst Du damit machen? Wirst doch eh Krepieren."
"Mich durch die Puffs in Lunapolis vögeln, was denn sonst."
Frazier war mittlerweile aus dem Maschinenraum gestürmt.
Harper zog einen Flachmann aus der Tasche: "Okay Jungs, machen wir Feuerabend."
Sie nahm einen Schluck aus dem Flachmann und reichte ihm zum nächsten: "Habt Ihr schon die
Geschichte von der TRS Bellerophon gehört?"
Boyle trat hinzu: "War doch dieser alte Zerstörer der Duquesne-Class right?"
Harper nickte: "Yeah, der 10, der in Dienst gestellt wurde."
"Hat es den nicht bei einer Sprungtriebwerksfehlfunktion zerrissen?" Fragte ein anderer.
"Ja", bestätigte Harper, "aber das ist noch nicht die ganze Geschichte, das steckt noch mehr
dahinter......"
"Buuuuuhhhhhhuuuuhhuuuuu", machte Boyle, "jetzt wird es gruselig."
Die bis über beide Ohren verstrahlten Ingenieure setzten sich in einer Runde zusammen und ließen den
Flachmann rumgehen.
Während das Schiff um sie herum aufgegeben wurde, saßen 11 Männer und Frauen im
Maschinenraum und erzählten sich Geistergeschichten.
Lucas schlurfte gerade aus dem Lazarett und würgte mehrmals Galle hoch. Er wünscht, dass er etwas
gegessen hätte, dann hätte er sich jetzt vernünftig übergeben können, sein Raumanzug war
mittlerweile über und über mit Blut besudelt. Da kam die Durchsage, das Schiff aufzugeben.
Der Arzt, Peter Langenscheid heißt er, wie Lucas schließlich erfahren hatte, holte ihn erneut ins
Lazarett.
"Los Commander, wir müssen zusehen, dass wir hier so viele wie möglich raus bekommen!"
Pfleger und Schwester begannen die übrigen Verwundeten, die man noch nicht auf die Relentless hatte
verlegen können, auf Bahren festzuschnallen, doch die Bahren reichten nicht für alle mehr aus.
Schließlich blieben nur noch Langescheit und Lucas mit 8 Verwundeten zurück. Langenscheit
untersuchte schnell und oberflächlich die acht und wählte dann einen jungen Mann aus.
Lucas nahm die Beine, Langenscheit die Arme.
Die drei von den übrigen sieben, die bei Bewusstsein waren, bettelten um ihr Leben.
Jammervolle Stimmen begleiteten Lucas bis weit durch die Gänge.
Schließlich kamen sie mit ihrem Verwundeten bei den Rettungskapseln an, wo sich schon einige
Matrosen drängelten.
Sie legten den Verwundeten ab und Lucas versucht Platz zu machen: "Los, verdammt, wir haben einen
Verletzten, macht uns Platz."
"Nicht mehr nötig Commander", hörte er Langenscheit sagen, "er ist tot."
Lucas ließ die Schulter hängen.
Ein Deckoffizier mittleren Alters koordinierte das Einsteigen in die Rettungskapseln. So wurden
Lucas und Langenscheit getrennt.
Ein schwerer Ruck erschütterte die Rettungskapsel und sie war frei vom Schiff im Weltraum
schwebend. Zwei Sekunden später zündete das Schubtriebwerk, welches die Rettungskapsel vom
Schiff entfernte.
Die Rettungskapsel war für 20 Menschen ausgelegt. Fasste Sauerstoff und Nahrung für 20 Tage bei
voller Belegung. Des weiteren besaß die Rettungskapsel vier am Heck angebrachte Triebwerke,
welches für 60 Sekunden Brennstoff besaßen und nur die Aufgabe hatten, die Rettungskapsel vom
Schiff wegzubringen.
Lucas saß mit sieben weiteren Männern und Frauen in der Rettungskapsel. Die Gesichter aller waren
mit Ruß beschmutzt. Die Schultern hingen herab, die Augen waren leer. Sie waren geschlagen. Hier
und jetzt waren sie besiegt.
Ein Häufchen menschlichen Elends. Kein Wort wurde gesprochen, die Blicke gingen ins leere.
Es roch nach Schweiß und Blut.
Dann, Lucas wusste nicht wie lange sie im Raum getrieben waren, ging ein Ruck durch die
Rettungskapsel.
Keiner blickte auf.
Langsam wurde die Kapsel in den Rettungshangar der Relentless gezogen.
************************************************
Den Leuten aus der Rettungskapsel wurde hinaufgeholfen. Sofort eilten Sanitäter herbei, halfen mit
warmen Getränken, Decken und Vitaminspritzen.
Es waren mehrere Rettungskapseln in dem Hangar.
Lucas wanderte wie betäubt durch die Gegend und betrachtete, das, was für ihn einem Schlachtfeld am
nächsten kam.
Wie soll ich hierauf reagieren? Wie soll ich mit dem allen fertig werden? Wie soll ich das alles
verkraften?
Denk logisch!
Soll ich etwa meinen Halt in dem Hass auf die Akarii finden? Soll ich zu einem Scherzkeks werden,
dem die ganze Scheiße nichts ausmacht?
Denk LOGISCH!
Soll ich meine Rettung in der Religion finden, wie andere vor mir? Herrgott, was soll ich tun?
DENK LOGISCH!
Hände griffen nach ihm und drehten ihn um. Er blickte in ein ihm unbekanntes Gesicht. Der weiße
Kittel kennzeichneten den Mann als Arzt.
"Commander? Können Sie mich verstehen?"
"Ja."
"Geht es Ihnen gut?"
"Ja." Lucas wollte sich von ihm lösen, doch der Arzt hielt ihn fest. "Geht es Ihnen wirklich gut Sir?"
"Was zur Hölle!" Platzte es Lucas heraus. "Ich bin 29 Jahre alt, habe den Rang eines Commander der
TSN inne und bin wohl für den Tod von mehr intelligenten Lebewesen menschlich wie
nichtmenschlich verantwortlich als ich zählen können möchte. Wenn ich sage, es geht mir gut, dann
GEHT ES MIR GUT!"
"Ja, in Ordnung Sir." Der Arzt ließ ihn mit der rechten Hand los und griff sich in die Tasche. Schneller
als Lucas reagieren konnte, hatte der Arzt diese wieder aus der Tasche und ein Hypospray an Lucas
Hals gedrückt. Es entlud sich mit einem leisen Zischen.
"Was ist das?" Verlangte Lucas zu wissen.
"Nur ein leichtes Beruhigungsmittel. Bitte setzen Sie sich."
Lucas ging scheinbar mechanisch in die Knie und hockte sich auf den Fußboden. Der Arzt folgte ihm
und hielt ihm eine kleine Lampe vor die Augen.
"Patient: L. Cunningham, Commander, apathisches Starren, aggressives Verhalten. Starke Weitung
der Pupillen, postraumatischer Schock, starke Erschöpfung, wahrscheinlich Vitaminmangel." Er
wandte sich an eine Schwester in der Nähe: "Geben Sie dem Commander eine Vitaminspritze, dann
sorgen Sie dafür, dass er unter die Dusche und dann ins Bett kommt."
Hier setzt Lucas' Erinnerungsvermögen für die nächsten vier Tage aus.
René Chantier schluckte schwer. Die Redemption hatte es nicht geschafft. Sie hatte bei Ihrer Aufgabe
den Träger zu schützen versagt.
Und nun der Befehl, dem Leiden des alten Schiffes ein Ende zu setzen.
"Steuermann: Bringen Sie uns in Position für den Beschuss der Redemption durch die Bugartillerie!"
"Aye, aye Ma'am."
René fuhr sich durchs blonde Haar: "Waffenoffizier: Bugwerfer, Rohre 1 bis 4 bereit machen für
Präzsionsbeschuss! "
"Aye Ma'am."
Langsam schwenkte der schwere Kreuzer der Ticonderoga-Class in Feuerposition.
Der Waffenoffizier hackte auf seiner Tastatur rum. "Ma'am: Raketenwerfer bereit für
Präzisionsbeschuss, Koordinaten eingegeben."
Auf dem Hauptschirm erschien ein taktisches Display. Es zeigte ein Realbild der Redemption. Die
Flanke des uralten Trägers leuchtete an mehreren Stellen gelborange auf.
Einzelne Panzerstücken brachen ab.
Dann erschienen vier Fadenkreuzer. Eines am Bug, eines am Heck und zwei mittschiffs.
"Brückenbesatzung Achtung STILLGESTANDEN!" Befahl Chantir. Sie faltete die Hände und neigte
das Haupt: "Universum, Herr, unser aller Gott. Wir übergeben Dir die lebendige Seele von TRS
Redemption und all jener, die in teuer Pflichterfüllung an Bord dieses stolzen Schiffes ihr Leben
ließen. Amen."
Sie holte tief Luft: "FEUER!"
Die vier Exocets rasten auf den alten Träger zu, völlig Synchron.
Als die vier Atomraketen einschlugen befanden sich noch 27 lebende Besatzungsmitglieder auf der
Redemption.
Als das atomare Inferno sich durch den Rest von Panzerschutz brannte, saßen die Ingenieure um Chief
Harper noch im Maschinenraum Nr. 2 und feierten das baldige Ende. Sie sprachen jetzt über ihre
Träume, ihre Wünsche und ihre Liebsten.
Auf der Krankenstation lagen sechs Verwundete. Fünf von Ihnen waren bewusstlos, der sechste betete
seid über einer halben Stunde, das man ihn noch retten möge.
Der siebte hatte sich von seiner Liege gerollt und hatte es bis in den Gang vor der Krankenstaion
geschafft, wo er bewusstlos zusammenbrach.
Die restlichen neun waren Hilary Jones und ihre Brandbekämpfungscrew, die völlig abgeschnitten war
und den Evakiirungsbefehl nicht mitbekommen hatte. Immer noch kämpften diese wenigen tapferen
Männer und Frauen für das Überleben ihres Schiffes.
Die Redemption brach in der Mitte auseinander. Die grelle Explosion hüllte langsam aber sicher das
gesamte Schiff ein.
Bug und Heck wurden von weißem Feuer verzehrt.
Schließlich blieb nichts mehr als zwei ausgebrannte Hüllenstücke zurück.
********************************************
"ACHTUNG, STILLGESTANDEN!" Donnerte der Befehl über das Flugdeck der Galileo. Als
rangältister Pilot stand Darkness vor den im Viereck angetretenen Piloten.
Den Piloten stand eine Abordnung der Schiffsbesatzung gegenüber, geführt von Ward und seinen
Commandooffizieren.
Darkness viel als rangältester Offizier der Redemption an Bord der Galileo eine besondere Rolle zu.
Er trat an ein Rednerpult, welches quasi an der Stirnseite beider Formationen stand und von Marines
flankiert wurde.
"Wir haben uns hier im Angesicht des Universums versammelt um unseren gefallenen Kameraden zu
gedenken. Die Zahl ihrer ist zu enorm um ihre Namen verlesen zu lassen.
Daher bleibt uns nichts als Fürbitte zu leisten.
Universum, Herr unser aller Gott: Wir bitten um Deinen Segen für unsere Gefallenen Kameraden.
Nimm sie in Dein Reich auf. Behüte und beschütze sie.
Richte ihrer guten Taten, vergib Ihnen aufgeladene Schuld. Denn in Augenblick ihres Todes dienten
sie der guten Sache.
Und so erhob ich mich auf den Schwingen der Gerechtigkeit und flog durch den Himmel, bis hinauf
ans Firmament. Dort soll mein Stern strahlen. Wachen und den Weg zum Sieg weisen. AMEN!"
Dann donnerten aus den Lautsprechern 21 altertümliche Kanonenschüsse.
Warum? - Diese Frage würde unvermeidlich auf Johnathan Ward zukommen. "Warum haben Sie sich
so früh abgesetzt.", "Warum haben Sie nicht versucht in die Schlacht einzugreifen?", "Wo waren Sie,
als wir Ihre Hilfe brauchten?"
Ward nahm einen Schluck Scotch. Er war über 20 Jahre alt, doch heute schmeckte er irgendwie schal.
"Verdammt, wäre die Galileo nicht her gewesen, wären die Leute von der Redemption umgekommen.
Ich habe das Richtige getan."
Er begann zu schreiben.
An: Admiral Jean-Baptist Renault, CO 2. Flotte
Von: Captain Johnathan E. Ward, CO TRS Galileo CV 43
Dear Sir.
Sie werden sicherlich eine Menge Berichte über die Schlacht von Jollarahn erhalten haben. In vielen
von ihnen wird mit ziemlicher Sicherheit ein nicht gerade rühmliches Bild von mir dargestellt.
Dies ist zu großen Teilen korrekt. Weder die Galileo noch ich als ihr Kommandeur haben sich mit
Ruhm bekleckert.
Die Captains unter meinem Kommando und die überlebenden der Redemptionträgergruppe, mögen
meinen Rückzug als feige Flucht auslegen.
Doch muss ich darauf bestehen, dass Sie sich als Kommandant dieser Flotte alle Fakten ansehen.
Wie sie den anderen Berichten korrekt entnehmen können, wurde meine erste Angriffswelle mit einer
einzigen Salve vernichtet. Drei Jäger von 36 konnten zurückkommen ohne das von unserer Seite zu
erkennen war, das Schlachtschiff auch nur angekratzt zu haben.
Diesem zweifachen Moralkiller entgegenzutreten hielt ich nicht für vertretbar. Die Galileo ist ein
Trägerschiff und kein Schlachtschiff.
Die Kampfkraft des Begleitschwadrons der Galileo war auch mehr als fragwürdig und durch die
Zuteilung der Dautnless ganz klar unterminiert.
Ich möchte jetzt hier definitiv nicht Admiral Noltzes Strategie in Frage stellen, doch wäre meines
Erachtens ein Durchbruchversuch meiner Schiffe ohne die Jägerunterstützung zum Scheitern verurteilt
gewesen.
Das einzige, was dadurch bewerkstelligt worden wäre, wäre der Verlust eines weiteren kostbaren
Trägerschiffes.
Und gar nicht auszudenken, was mit den Männern und Frauen der Redemption passiert wäre, wenn
der Galileoverband nicht rechtzeitig zur Stelle gewesen wäre.
So bitte ich Sie, sich Ihre Schritte genau zu überlegen, statt den Hetzparaden der mir untergebenen
Offiziere blindlings zu folgen.
Mit dienstlichen Grüßen
Johnathan E. Ward
Captain, TRS Galileo
Eine Woche Später
Prinz Jor starrte aus dem Fenster seines Büros. Es roch immer noch nach Mensch. Es hatte einst einer
menschlichen Admiralin gehört. Doch nun, war es und die gesamte Trafalgar Station sein, genauso der
Planet Mantikor, auf den er gerade hinabblickte.
Doch all dieses konnte ihn heute nicht erfreuen.
Sein Nachschub für Mantikor war eingetroffen. Doch, das was ankommen sollte, kam nicht,
stattdessen humpelte ein maroder Haufen von Wracks in ihren Hafen ein.
Ein Drittel seines Nachschubs vernichtet. Darunter ein Truppentransporter mit über 10.000 Mann
Infanterie.
Er würde seine Flotte nicht komplett ausrüsten können. Hinzu kam noch, dass die Verstärkung, die
ihm zugesichert wurden war, schwerste Schäden erlitten hatte. Der Flottenträger der Quarsar-Klasse
musste für über drei Monate ins Dock, wenn überhaupt Material für seine Instandhaltung übrig blieb,
ebenso einer seiner leichten Träger.
Die beiden Wunderwaffen, die Schlachtschiffe hatten versagt. Dafür würden Köpfe rollen.
"Ist die menschliche Admiralin noch hier?"
Der Adjutant trat an ihn heran: "Nein mein Lord, sie wurde schon abtransportiert."
"Aber ihr Sohn?"
"Ja, mein Lord, Commander Alexander befindet sich noch auf Trafalgar." Der Adjutant hielt sein
Haupt unterwürfig gesenkt.
"Bringt ihn her."
Als die Wachen den Gefangenen in Jors Büro führten, spielte Jor mit einem Drehh, einem akariischem
Schwert. Jors Drehh war über 2.000 Jahre alt, von den Schwertmeistern des Feuerbergs geschmiedet
in über 20 Zyklen.
Nirgendwo in der Galaxie, gab es etwas vergleichbares. Das einzige, was eventuell, etwas der Eleganz
eines Drehh an sich haben könnte, war das Katana, was die Menschen vereinzelnd benutzt hatten.
"Ihre Mutter sagte mir, dass Ihr Menschen hartnäckiger seid, als ihr ausseht."
Er hörte den Gefangenen auflachen: "Ja, ich habe von dem Debakel Eures Nachschubkonvois gehört."
In Jors Innenohr rauschte die Wut.
"Meine Mutter hat es Ihnen gesagt, und ich sage es Ihnen: Sie werden diesen Krieg verlieren. Jeder
Aggressor in der Menschengeschichte hat letztendlich verloren."
"Wissen Sie", antwortete Jor kühl, diese Art, war bei seinem Stab viel gefürchteter, als wenn er brüllte,
"die Akarii haben in den letzten 1.000 Jahren jeden militärischen Konflikt für sich entscheiden können
und das gegen härtere Gegner als Euch stinkende, wertlose Kreaturen."
Jor drehte sich blitzschnell um und schlug Alexander den Kopf vom Rumpf. "Aber vielleicht möchten
Sie das ja weiter mit Ihrer Mutter erörtern."
Er blickte zu seinem Adjutanten: "Bringt den kleineren Teil von ihm zu seiner Mutter. Den rest könnt
Ihr entsorgen."
Zum erneuten mal fragte er sich, wie wohl Menschenfleisch schmecken mochte. Von dem Gedanken
angeekelt verdrängte er ihn ganz schnell wieder.
Admiralin Maike Noltze vergrub ihr Gesicht in den Händen. Sie hatte Dutzende Berichte erhalten.
Von so ziemlich jedem überlebenden Offizier der drei angreifenden Trägergruppen, der der Ansicht
war, irgendetwas zu melden zu haben.
Sie hatte darauf verzichtet das Geschwafel in den Berichten zu lesen und hatte sich nur die harten
Zahlen zu Gemüte geführt.
Diese Zahlen übertrafen alles, was sie als Worst Case eingeräumt hatte.
Sie schüttelte den Kopf, dann fing sie an zu schreiben:
An: Admiral Jean-Baptist Renault, CO 2. Flotte
Von: Vizeadmiral Maike Nolzte, Operationscheffin 2. Flotte
Sir,
es ist mein Pflicht Ihnen zu berichten, das unser Angriff auf den für Mantikor bestimmten Geleitzug
der Akarii trotz horrender Verluste nur mäßigen Erfolg hatte.
Die daraus resultierenden Schlussfolgerungen sind uns allen klar. Die Hauptangriffsstreitmacht der
Akarii verfügt zumindest über den Nachschub um wieder rudimentäre Operationen durchführen zu
können.
Die Katastrophalen Verluste belaufen sich, auf die komplette Trägergruppe der Majestics, sowie die
Redemption mit drei ihrer Begleitzerstörer und zwei der Kreuzer. Dazu gut 120 Jäger und
Jagdbomber.
All dieses könnte durch den Tod des Prince of Wales, der an Bord der Majestics Dienst tat, noch weit
aus schlimmer für uns kommen.
Die restlichen Schiffe werden in zwei Wochen in Perseus erwartet.
Wir gehen von über 500 Verwundeten aus und bitten daher um Entsendung eines Lazarettschiffes.
Sir, für die gesamte Aktion trage ich persönlich die volle Verantwortung und stelle daher meinen
Posten zur Verfügung.
Mit dienstlichen Grüßen
Maike Noltze,
Vizeadmiral, 2. Flotte.
Zwei Stunden nachdem die Depesche auf dem Flaggschiff der 2. Flotte eingetroffen war, ging der
Verlegungsbefehl an den zum Lazarett umgebauten Truppentransporter Maria Theresia heraus.
Im Ärztebesprechungsraum herrschte reges Treiben. Der Chefarzt der Theresia Captain J. Arthur
Jellico weiß seine Leute ein.
"Okay: Dan, Sie übernehmen die Postoperative auf dem A-Deck. Wir werden etliche noch mal
aufmachen müssen. Die Strahlenpatienten lagern auf dem C-Deck ein, wir beginnen schnellstmöglich
mit der Therapie. Zum Glück sind unsere Vorräte an Dextorkordynon gerade aufgefüllt worden." Er
wandte sich an eine junge Ärztin: "Hillary: Wir werden auch mit gut 30 Patienten in Stasiskammern zu
rechnen haben. Einige davon mit sehr starken Strahlenschäden. Aber das ist für uns zweitrangig, wir
werden keine der Stasispatienten aufwecken, dass sollen die Experten auf Luna übernehmen, aber wir
werden auch dort bei den verstrahlten sofort mit der Therapie beginnen."
"Aye, aye."
Jellico deutete auf einen anderen Mann: "Marc, sorgen Sie dafür, dass die Patienten so schnell wie
möglich, ihrem Gesundheitszustand nach sich duschen und frisch machen und sorgen Sie für saubere
Uniformen."
"Geht klar Boss."
"So, wir warten eigentlich nur noch auf zwanzig Flottenpsychologen und 5 Geistliche. Ne halbe
Stunde später geht es dann los."
*******************************
Rückkehr
Etwa vier Wochen früher (zwei Tage nach der Aufgabe der Redemption)
Das dumpfe Klopfen des Schmerzes, der das letzte gewesen war, was sie wahrnahm, war auch das
erste, was sie wieder verspürte. Aber es war ein ferner Schmerz, wie in Watte gehüllt. Ähnlich einer
alten Wunde, die nicht ganz verheilt war. Eine Weile lag sie schweigend da, reglos – versuchte
einfach, ihre Gedanken zu ordnen. Was war geschehen? Bruchstückhaft tauchten die
Erinnerungsfetzen vor ihrem inneren Auge auf. Erst als sie sich erinnerte, auf der Redemption
gelandet zu sein, entspannte sie sich ein bißchen. Dann war sie also nicht gefangengenommen worden.
Sie war in Sicherheit – zu Hause. Einen Augenblick lang wollte sie sich wieder ins Dunkel
hinabgleiten lassen. Es schien so leicht, und sie fühlte sich so müde...
War es das erste Mal, daß sie seit dem Gefecht zu Bewußtsein kam? Sie war sich nicht ganz sicher.
Für einen Augenblick meinte sie, sich an irgendetwas zu erinnern, wie sie zwischen Bewußtlosigkeit
und Erwachen schwebte, gemartert von ihrer Wunde, aber unfähig zu schreien oder sich zu regen.
Undeutliche Bilder, die sich ihr sofort entzogen. Für einen Moment zögerte sie, ob sie wirklich
erwachen wollte. Erwachen bedeutete Schmerz, bedeutete die quälende Frage nach dem, was dieser
Kampf nicht nur von ihr, sondern auch von ihren Kameraden gefordert hatte. Es schien verlockend,
dem aus dem Weg zu gehen, zumindest noch ein kleines Weilchen…
Aber dann verbot sie es sich selber. Wenn sie überlebt hatte, dann mußte sie erfahren, wie es um sie
stand. Sie mußte wieder hinaus, um jeden Preis – so sagte sie sich, überzeugte sich selbst. Mußte,
WOLLTE noch mehr Akarii töten. Ihr war klar, bei diesem Kampf waren wieder Menschen gestorben.
Sie wußte nicht wer, und sie hatte Angst, danach zu fragen. Angst, die Namen, Diane Parker, Kano
Nakakura und besonders Ina Richter zu hören. Aber auch wenn jene, die ihr irgendetwas bedeuteten
überlebt hatten – Menschen waren gestorben, und da draußen waren noch Akarii, die dafür büßen
würden. Sie zwang ihre Augen auf, versuchte sich aufzurichten.
Ein Fehler. Der dumpfe Schmerz wurde zu einer glühenden Lanze in ihrer Seite. Sie schrie auf, ehe sie
den Laut in einem Keuchen erstickte. Ihr Körper sackte zurück. Sie hörte Schritte, jemand beugte sich
über sie. Das Gesicht war verschwommen, aber waren es eigentlich ein, oder zwei? Hände griffen
nach hier, halfen ihr, sich aufzusetzen. Ein Kissen stützte ihren Oberkörper.
Langsam klärte sich das Bild. Sie kannte die Frau nicht, die sich um sie bemühte, damit Lilja sich
nicht noch mehr verletzte. Das hatte an sich nicht viel zu sagen – die Russin gehörte nicht zu den
kontaktfreudigen Personen an Bord der Redemption. Sie kannte nicht mal jeden Piloten, vom
medizinischen Personal ganz zu schweigen. Vielmehr hatte sie gerade das aus nahe liegenden Gründen
gemieden. Sie akzeptierte die Hilfe – und wäre wohl auch zu schwach gewesen, sie abzuwehren.
Momentan hatte sie genug damit zu kämpfen, Luft in ihre Lungen zu zwingen, den bohrenden
Schmerz zu unterdrücken. Den Raum nahm sie nur langsam wahr. Ein klassisches Navy-
Krankenzimmer, bloß daß man diesmal zu ihrem eigenen Bett noch zwei weiteres hereingestellt hatte.
In dem anderen lag eine Frau, deren Gesicht und Oberkörper in Verbände gewickelt war. Sie schien zu
schlafen, vielleicht hatte man sie auch unter Medikamente gesetzt. In dem anderen ruhte ein Mann –
wie er verwundet worden war, konnte Lilja nicht erkennen. Aber es war beunruhigend genug – ehe die
Navy in ihrer Prüderie mal die getrenntgeschlechtliche Zimmerbelegung aufgab, mußte es schon
SEHR schlimm kommen. Das Zimmer war damit ziemlich voll – nahm man die Apparate hinzu. Lilja
selber hing an mehreren Schläuchen, die sie mit einigen Infusionsflaschen und Diagnosegeräten
verbanden.
Ihre Helferin musterte sie besorgt: „Alles in Ordnung, Lieutenant?“ Lilja spürte eine Anwandlung
ihres üblichen Sarkasmus. So schlecht ging es ihr offenbar doch nicht: „Das sollte wohl eher ich Sie
fragen.“ Die Frau lächelte leicht – natürlich. Sie war vom medizinischen Personal, und hätte wohl zu
allem die Antwort gegeben, die ihre Patientin vermutlich gewünscht hätte. ,Verdammte Fürsorge!’
dachte Lilja, die es niemals schätzte, übertrieben behutsam angefasst zu werden. Dadurch, daß sie sehr
wohl wußte, wo ihre Schwächen lagen, war sie oft eher bestrebt, für härter und zäher gehalten zu
werden, als sie wirklich war – und nicht umgedreht.
Eine Weile konnte Lilja nur ruhig dasitzen. Dann gab sie sich einen Ruck: „Machen wir es kurz. Ihnen
geht es gut – und wie geht es mir?“ Die Pflegerin oder Ärztin – ihr Namensschild zeigte, daß sie
Sophie Argyris hieß – musterte ihre Patientin besorgt: „Wie fühlen Sie sich?“ Lilja knirschte mit den
Zähnen. Vermutlich versuchte die Frau einzuschätzen, ob Lilja schon stark genug war. „Abgesehen
davon, daß ich das Gefühl habe, bei lebendigem Leib gehäutet worden zu sein und mir so ist, als hätte
man mir einen Lungenflügel herausgeschnitten, fühle ich mich prächtig.“ Sie wußte, daß das
eigentlich dumm klang – wie diese aufgeblasenen Heldentypen aus den verschiedenen Filmen, die
immer einen schlechten Scherz oder eine schnoddrige Bemerkung auf den Lippen hatten. Aber sie
fürchtete einfach, weich zu werden, sich eine Blöße zu geben. Und das wollte sie auf keinen Fall. Also
zwang sie sich, flüssig und sogar in einem fast lockeren Tonfall zu sprechen, obwohl ihr der Schweiß
auf der Stirn stand vor Anstrengung, ein Stöhnen zu unterdrücken. Nun, wenn man es genau nahm,
klang es eigentlich eher etwa zickig...
Offenbar war Doktor Argyris – Lilja entschied, sie in Gedanken so zu nennen – aber an derart
,freundliches’ Verhalten gewöhnt. Oder sie zeigte aus einem anderen Grund Langmut. Sie schien die
Russin als robust genug einzuschätzen, um ihr reinen Wein einzuschenken: „Nun, Sie haben einige
Verbrennungen am rechten Oberkörper – auf Brust und Bauch. Aber Sie brauchen keine Angst zu
haben, daß lässt sich leicht therapieren – Sie werden vermutlich kaum Narben zurückbehalten. Dann
drei Rippen gebrochen und eine Verletzung des rechten Lungenflügels. Das heilt nicht augenblicklich
– wird aber alles wieder in Ordnung kommen. Schließlich noch ein paar geringführigen Verletzungen
an ihren Lippen und eine leichte Löschmittelvergiftung. Alles in allem also nichts, was die moderne
Medizin nicht kurieren kann.“ Lilja nickte erleichtert. Also keine dauerhafte Untauglichkeit. „Wie
lange werde ich nicht diensttauglich sein?“ Die Ärztin überlegte: „Das hängt davon ab, wie es sich
entwickelt. Ich würde sagen, mindestens zehn Wochen.“ Sie zog leicht eine Augenbraue hoch, als die
Russin unflätig fluchte – leise zwar, da ihr einerseits die Kraft fehlte und sie andererseits auch ihre
Mitpatienten nicht wecken wollte, aber doch vernehmlich.
Lilja wollte gerade zu einer weiteren Bemerkung ansetzen, als der Schmerz wieder zuschlug. Ihr
Atemzug wurde zu einem gedämpften Stöhnen, aber ein wütender Blick hielt die Ärztin auf Abstand.
Dann, mühsam, presste sie hervor: „Und… was ist mit der Schlacht?“
Diesmal war deutlich zu sehen, daß die Ärztin überlegte, was sie der Russin sagen sollte. Lilja spürte,
wie die vage Besorgnis sich zu einer kalten Angst verdichtete. „Wir haben uns vom Feind gelöst.“
kam die zögerliche Antwort. Lilja stemmte sich hoch, ihre Wunden ignorierend: „Genauer,
Verdammt!“ Ihre Maske der beherrschten Soldatin zeigte deutliche Risse. Ina, Lightning, auch Kano –
was war mit ihnen, wie war das Gefecht verlaufen? „Ich muß es wissen!“ Doktor Argyris versuchte,
die Patientin wieder in Ruhelage zu bringen, aber jetzt widersetzte sich Lilja. Die Ärztin faßte sie
behutsam bei den Schultern – in dem Augenblick erkannte die Russin, was sie bisher übersehen hatte.
Auf dem Namensschild stand TRS Relentless. Sofort bäumte sie sich auf, ihr Stimme wurde lauter,
panisch: „Wo bin ich? Was ist mit der Redemption? Sagen Sie es mir! Lassen Sie mich los!“ Die
Angst, mühsam unter Kontrolle gehalten, brach durch. War das Schiff verloren? Waren alle andern
gefallen? Sie mußte hier raus! Wochen, Monate der Selbstkontrolle – in diesem Augenblick vergaß
Lilja all das. Ihre Nerven, noch durch die Erinnerung an das Gefecht mehr als nur angekratzt,
versagten.
Die Ärztin, überrascht von der Gegenwehr, mußte mit ansehen, wie einige Kanülen herausgerissen
wurden. Lilja stammelte Worte in ihrer Muttersprache – nicht eben Segenssprüche – und warf sich hin
und her. Mit einem letzten Kraftakt rollte sie sich aus dem Bett – Blut rötete ihre Kleidung. Sie hatte
ihre Pflegerin einfach überrumpelt.
Aber damit war sie entschieden zu weit gegangen. Sie kam auf dem Boden auf – und im selben
Augenblick explodierte der Schmerz. Sie schrie auf, ein trostloses Schluchzen, den Kopf in den
Nacken gelegt, wand sich. Die Umgebung verschwamm vor ihren Augen. Sie spürte kaum, wie die
Ärztin sich um sie bemühte, nahm außer ihren Wunden kaum etwas wahr. Als sie schließlich wieder
ins Bett gehoben wurde, wimmerte sie nur noch undeutlich vor sich hin – zu keiner Handlung, zu
keinem klaren Wort mehr fähig. Sie flehte darum, daß man sie gehen ließe – aber die Pfleger konnten
sie gar nicht verstehen, so undeutlich war ihre Stimme. Den Stich der Beruhigungsspritze spürte sie
nicht, sie nahm nur die bleierne Müdigkeit wahr, die ihren Körper ergriff und sie davontrug..
Die Ärztin schüttelte leicht den Kopf, während sie die schlafende Pilotin betrachtete. Das vernarbte
Gesicht war von Angst und Qual verzerrt. Sie wollte helfen – aber es gab so viel zu tun, so viele
Verwundete. Diese hier würde warten müssen, sie konnte sich nicht um alle kümmern. In ein paar
Stunden würde Lieutenant Pawlitschenko wieder erwachen. Dann würde sie da sein, um ihr
mitzuteilen, was geschehen war. Sie hatte ein Recht darauf, es zu erfahren. Wie so oft in den letzten
Tagen und Stunden fühlte Sophia Argyris Schuldgefühle – wie immer, wenn sie es mit Verwundeten
von der Redemption zu tun hatte. ,Wir sind davongelaufen. Sie mußten an unserer Stelle leiden.’ Sie
verfluchte lautlos Ward und Mithel, Aber was konnte sie schon tun? Nur versuchen, zu helfen. Die
Narben in den Seelen würde sie nicht heilen können. Und derer gab es viele…
***************************************
Narben
Es war eine schwere Lektion in Sachen Geduld, die Lija lernen mußte. Als sie das nächste Mal
erwachte, kämpfte sie mühsam ihre Panik nieder und bemühte sich, ruhig und konzentriert zu wirken.
Nur der Umstand das es dunkel und sie allein war, ermöglichten es ihr, diesmal zur Besinnung zu
kommen, die Lage wenigstens halbwegs ruhig zu analysieren.
Sie wollte nicht länger als unbedingt nötig in der Krankenstation bleiben. Unter der dünnen Schale der
Selbstbeherrschung allerdings quälten sie ihre Angst vor dem, was sich während ihrer Bewußtlosigkeit
ereignet haben mochte, vor dem, was es für sie bedeuten würde. Sie beherrschte sich – aber nur knapp.
Es war ein Schmerz, der fast ebenso weh tat wie ihre Wunden – aber so, wie sie diese ignoriert hatte,
um den zweiten Akarii-Bomber abzuschießen, so unterdrückte sie ihre Furcht, zumindest nach außen.
So erfuhr sie – Stück für Stück, Tag für Tag – was sich ereignet hatte. Imp hatte ihr eine knappe
Nachricht hinterlassen, und die half ihr sehr. Wenn ihre Kameradin gefallen wäre...
Aber auch so war es schlimm genug. Die zahllosen Schiffsverluste, die Toten in der Staffel, die Flucht
der Gallileo, das Ende der Redemption – all das war wie ein Wahrheit gewordener Alptraum. Hätte
man ihr all das auf einmal mitgeteilt – vielleicht wäre sie daran zerbrochen. Sie balancierte sowieso
zwischen Apathie, Verbitterung und Panik, vor allem, wenn sie manchmal unverhofft erwachte und
sich auf einem fremden Schiff, in fremder Umgebung wiederfand. Aber sie konnte die
niederschmetternden Neuigkeiten verarbeiten – mit Mühe. Wie so oft vorher konzentrierte sie sich
darauf, den Haß und die Trauer in sich einzuschließen, sich nach außen zu verhärten, sich niemanden
zu öffnen. So zeigte sie keine oder kaum Schwäche – doch so mußte sie auch allein mit allem fertig
werden.
Die ersten Tage nach dem Gefecht waren die schlimmsten. Mehr als einmal lag sie stundenlang wach,
die Augen im Dunkeln geöffnet, und kämpfte mit dem Schmerz, der ihren Körper folterte. Man konnte
sie nicht die ganze Zeit mit Medikamenten vollpumpen, um ihr das zu ersparen – der menschliche
Körper zahlte seinem Besitzer auch in den Tagen der Hochleistungsmedizin Unachtsamkeit und
Mißhandlungen heim. Und wenn man ihn verletzte, mußte man die Rechnung begleichen. In der
Dunkelheit, wenn niemand es sah, krallte sie ihre Fingernägel in die Decke, um nicht zu schreien.
Aber gleichzeitig kämpfte sie tagsüber darum, möglichst schnell wieder gesund geschrieben zu werden
– auch wenn sie dafür die Quittung bekam. In erster Linie hielt ihre grimmige Entschlossenheit sie
aufrecht. Man kümmerte sich aufopferungsvoll um sie, so gut es eben ging, denn Verletzte gab es
viele, und einige waren erheblich schlechter dran. Man trug neue Haut auf den Brandnarben auf.
Natürlich würden ein paar kleinere Spuren zurückbleiben, sich mit den älteren Narben vermischen. Für
eine gründliche kosmetische Rekonstruktion – die hätte etwa drei Monate gedauert – fehlte Lilja die
Geduld und hier an Bord das Material. Das konnte warten bis nach dem Krieg – zusammen mit den
anderen Narben. Jetzt kam es erst einmal darauf an, schnell wieder zumindest beschränkt dienstfähig
gestellt zu werden. Die anderen Verletzungen heilten – aber unter Schmerzen.
Sie musste sich oft genug Mühe geben, um nicht die Beherrschung zu verlieren und jemanden vom
Pflegepersonal oder ihre Zimmernachbarn anzuschreien. Höflichkeit war Liljas Sache nie gewesen
und würde es wohl auch nie sein. Aber jetzt bemühte sie sich, kooperativ zu erscheinen. Immer
gehorsam, immer ruhig – kein Wunder, das es durchaus nicht immer klappte. Sie WAR den Ärzten
dankbar für die Mühe, die sie sich mit ihr gaben – aber auf der anderen Seite konnte sie nicht umhin,
sie dafür verantwortlich zu machen, daß sie in diesem Kerker saß. Und so gut wie nichts darüber
erfuhr, was ,draußen‘ vor sich ging. Die Kommunikation zwischen den Schiffen war
verständlicherweise auf ein Minimum beschränkt. Sie hatte erfahren, daß Ina ihre kostbarsten Güter
von Bord der Redemptin geschafft hatte – ihre Kameradin hatte einfach einen Verwundeten gebeten,
daß an Lilja weiterzugeben. Das war immerhin etwas, aber bei weitem nicht genug. Sie wußte
wenigstens, daß Imp noch lebte – aber wie stand es mit den anderen?
Das Pflegepersonal wußte es nicht, oder es schwieg sich aus. Und ihre Zimmergenossen konnten ihr
auch kaum weiterhelfen. Die Frau, Janine Copé, eine Angehörige der Marines, hatte schwere
Brandnarben bei einem Löscheinsatz davongetragen. Dem Mann – er hieß Jon Sturlason und war
Besatzungsmitglied – hatten Splitter die Hand zerschmettert, sie hatte amputiert werden müssen, und
er würde eine neue erhalten. Beide hatten genug mit ihren eigenen Problemen zu tun, beide hatten
selber Kameraden verloren, ihre Heimat – beide wußten, daß ihre größere Heimat, die Republik, durch
das Scheitern der Mission gefährdet war. Sie konnten einander nicht helfen – sie konnten sich ja nicht
mal selber helfen. Jeder mußte seine eigene Last selber ertragen, damit fertig werden.
Als sie das erste Mal ihre Wunden genauer betrachtete – die neuen Narben auf der frischen Haut
verbanden sich „harmonisch“ mit ihren früheren „Andenken“ – wußte sie, daß die Heilung noch lange
dauern würde. Jeder Atemzug, jedes Stechen in der Brust sagte ihr dasselbe. Daß der Krieg seine
Spuren auf ihrem Körper hinterließ, nahm sie mit relativer Gelassenheit hin. Sie war nicht auf ihre
Schönheit fixiert. Natürlich gab es auch Augenblicke, in denen sie sich selber als verstümmelt
empfand, verunstaltet, kein vollwertiger Mensch, keine vollwertige Frau mehr. Bei ihrer ersten
Verletzung, den Gesichtswunden, war das noch schlimmer gewesen. Aber sie hatte auch das
überstanden, sie würde es auch jetzt überstehen. So etwas ließ nach. Es war im Grunde auch nicht
wichtig – nichts war wichtig außer dem einen...
Sie lächelte zynisch: ,Komisch, daß die Echsen immer meine rechte Seite erwischen! Na, so lange ich
mit der rechten Hand noch schießen kann, ist noch nicht alles verloren.’
Was Lilja neben ihren Wunden zu schaffen machte, war das Gefühl der Isolierung und der
Nutzlosigkeit. Sie konnte momentan wirklich nicht die Kraft aufbringen, die Zeit auch nur für Lektüre
und ähnliches zu nutzen – das mußte warten. Die von ihren Staffelkameraden, die noch fliegen und
kämpfen konnten, waren auf der Gallileo. Sie konnte sie nicht sehen, nicht einmal mit ihnen sprechen.
Hier an Bord waren die Evakuierten, aber von denen stand ihr keiner nah. So war sie allein – einsamer,
als sie hätte sein müssen. Aber sie konnte sich auch nicht überwinden und sich jemandem öffnen. Sie
wagte es nicht
Und wenn ihr die Tränen kamen, dann preßte sie ihr Gesicht ins Kissen und unterdrückte jeden Laut.
Nach außen mußte sie ruhig, selbstsicher und vor allem auf dem Weg der Besserung sein. Sie selber
verachtete sich nicht, wenn sie weinte. Tränen waren nur natürlich. Aber das ging keinen etwas an,
bestimmt nicht die professionellen Fürsorgedilettanten. Das letzte, was sie wollte, war ein
Truppenpsychologe oder einen Pope – sei es diesen Schwätzer von ihrem eigenen Schiff oder den
Prediger der Relentless. An den Gott der Priester glaubte sie nicht, und den Psychologen traute sie
nicht. Vor allem, da sie wußte, daß schwache Punkte in der Psyche sehr schnell den Weg in die Akte
fanden und vielleicht sogar einen längere u.k. Stellung nach sich ziehen konnten. Und das war das
letzte was sie wollte. Sie konnte nur hoffen, daß es besser wurde – aber in den ersten paar Tagen
schien dies manchmal unerreichbar fern
****************************************
Abrechnung
Drei Wochen von Perseus entfernt
Captain Mithel kniff die Augen leicht zusammen. Er war kein junger Mann mehr. Dreißig Jahre im
Dienst der Republik waren eine lange Zeit. Aber für sein Alter hielt er sich gut – sehr gut. Er konnte
die Müdigkeit immer noch beiseite schieben, auch nach zwölf Stunden Arbeit und mehr. Wenn es
darauf ankam. Wenn es wichtig war – und dies hier war wichtig.
Ein letztes Mal überflog er seine Worte. Er hatte sie möglichst sorgfältig gewählt, und den Bericht
gründlich vorbereitet. Hatte mit anderen Kapitänen gesprochen – etwa mit dem Kommandanten der
Redemption, der jetzt unfreiwillig ein Gast an Bord der Relentless war. Von diesem brauchte er keinen
Verrat zu befürchten. Und auch nicht von seinen Gesprächspartnern – eine sorgfältige Auswahl half,
Schwierigkeiten zu vermeiden. Auf die Kapitäne der Sao Paulo und der Prince of Wales konnte er sich
verlassen. Er hatte die Schlacht an Hand der zur Verfügung stehenden Aufzeichnungen analysiert und
sich auch die Mühe gemacht, sie mit einigen anderen Gefechten früherer Zeiten und Kriege
abzugleichen. Eine provisorische „Schlächterrechnung“ hatte er ebenfalls beigelegt, um seine Worte
zu unterstreichen. Mehrmals hatte er den Entwurf überarbeitet, bis er schließlich zufrieden war.
An: Vizeadmiral Maike Noltze, Perseus-Station
Von: Captain Chris Mithel, TRS Relentless
Admiral!
Sie haben ohne Zweifel bereits vom Ausgang der Operation der Träger Majestic, Gallileo und
Redemption gegen den Akariikonvoi erfahren. Es steht mir nicht zu, Schlußfolgerungen aus dem
Ergebnis der Operation zu ziehen, und sie zu beurteilen. Ich kann nur von meiner Warte – der Warte
des Kapitäns eines Kreuzers – aus urteilen. Dennoch, bitte verzeihen Sie mir, sehe ich als meine
Pflicht an, Ihnen einige meiner Gedanken mitzuteilen. Dies ist kein Zeichen von mangelndem
Vertrauen von meiner Seite. Ich bin fest davon überzeugt, daß Sie die richtigen Schlußfolgerungen
ziehen werden, welche auch immer das seien mögen. Doch es gibt etwas, das nicht unerwähnt bleiben
darf. Es kostet mich ein gewisses Maß an Überwindung, doch bin ich es meinem Gewissen und
meinem Eid schuldig, hier meine Meinung zu äußern.
Es geht um Captain Jonathan Ward, Kommandeur der Gallileo-Kampfgruppe, Befehlshaber des
leichten Trägers Gallileo. Ich weiß, daß Ward Ihr Vertrauen hatte – sonst hätten Sie ihn nicht auf
diesen Posten berufen. Doch kann ich mich des Eindrucks nicht erwehren, daß er sich dieses
Vertrauens in der Stunde der Bewährung als unwürdig erwies.
Sie, Admiral, kennen gewiß den genauen Ablauf der Operation. Captain Ward befahl mir und den
beiden Zerstörern Sao Paulo und Prince of Wales, die Jäger seines Trägers zu unterstützen. Dies
geschah gegen die Vorschläge der Kapitäne der genannten Zerstörer, wie auch gegen meine
Einwände. Alle brachten wir an, daß es ratsamer sei, konzentriert und mit aller Macht zuzuschlagen –
nicht unbedingt mit dem Träger selber, aber mit einem Großteil der Begleitschiffe. Captain Ward
lehnte dies ab.
Sie wissen, daß der Angriff der Jäger scheiterte – sie wurden fast alle von einem einzelnen Bravo-II
Schlachtschiff vernichtet. Captain Ward befahl darauf unverzüglich den Rückzug – gegen meinen
Protest. Es ist mir klar, daß dies sein gutes Recht als Kommandeur der Kampfgruppe war. Ein
Kommandeur kann Pläne ändern, er muß dies sogar oft. Aber ich kann mich des Eindrucks nicht
erwehren, daß die Entscheidung hier in Panik fiel – nicht unter Abwägung der taktisch-strategischen
Notwendigkeiten.
Erlauben Sie mir, dies zu erläutern.
Captain Ward gab den Befehl quasi sofort nach der Vernichtung der drei Angriffsstaffeln. Weder
wartete er eine zumindest provisorische Analyse des Schlachtgeschehens und des Vorgehens der
anderen Verbände ab, noch führte er eine Beurteilung des Schlachtschiffes durch. Er informierte auch
nicht die anderen Verbände.
Wie der heldenhafte Angriff Captain Chantirs mit der Agamemnon und ihren Begleitzerstörer bewies,
sind die feindlichen Schlachtschiffe durchaus besiegbar. Selbst ein Angriff der Prince of Wales, der
Sao Paulo und der Relentless hätte Aussicht auf Erfolg gehabt.
Es ist mir durchaus klar, daß dabei ein großes Risiko bestanden hätte, die Schiffe zu verlieren. Aber
meiner Ansicht nach hätte der mögliche Gewinn dieses Risiko gerechtfertigt. Der Gegner hätte Schiffe
gegen die Bedrohung detachieren müssen, die ihm nicht zur Abwehr der Kampfflieger der Redemption
und der Majestic, sowie des Majestic-Verbandes selber zur Verfügung gestanden hätten. Ich vermute,
die Vernichtung einer Reihe weiterer Frachter, eventuell auch von Kriegsschiffen, wäre dadurch in
den Bereich des Möglichen gerückt. Selbst angesichts der gewaltigen feindlichen Übermacht konnten
die angreifenden Jäger und Kampfschiffe immerhin im Nahkampf zwei feindliche Kreuzer, zwei
Geleitschiffe und etwa zwei Dutzend Frachter vernichten, ein Kreuzer/ Träger und ein Flottenträger
des Feindes erhielten vermutlich einige Treffer. Angesichts der Primäraufgabe, den feindlichen
Großangriff zu verhindern, wäre es meiner Meinung nach – wenn ich Ihre Befehle richtig interpretiere
– unbedingt nötig gewesen, noch mehr Frachter zu vernichten.
So schwer es mir fällt – ich muß Ihnen mitteilen, daß ich erhebliche Zweifel daran habe, daß Captain
Ward der Verantwortung gerecht geworden ist, die Sie ihm aufgetragen haben. Meiner Ansicht nach
agierte er zu zögerlich und brach den Angriff zu früh ab. Es ist meiner Ansicht nach keineswegs ein
Fehler, den Gegner ernst zu nehmen. Sich aber von Angst oder Überraschung lähmen zu lassen,
überstürzte Entscheidungen zu treffen – dies ist meiner Meinung nach für einen Kapitän inakzeptabel.
Ich bitte Sie, diese Worte zu bedenken. Ich weiß nicht, wie die anderen Kapitäne der überlebenden
Einheiten dies sehen. Doch ich fürchte, die Besatzungen der zerstörten Schiffe fiel in dem Glauben, im
Stich gelassen worden zu sein. Ich denke, ich schulde es ihnen, meine Bedenken bezüglich Captain
Wards an sie weiterzugeben.
Durch seinen Rückzug lieferte er die Schwesterverbände der feindlichen Übermacht aus. Dies steht in
keiner Weise in irgend einer Verbindung mit den lebenden Traditionen unserer Marine.
Und es gibt noch einen Grund, der meiner Meinung nach dafür spricht, die Eignung Captain Wards
für einen Kommandoposten zu überdenken. Ich fürchte, die Besatzung hat gegenüber Captain Ward
jegliches Vertrauen verloren. Ich weiß, daß es an Bord meines Schiffes so ist, und selbst
Disziplinarstrafen können daran nichts ändern. An Bord der Gallileo dürfte die Lager vermutlich
nicht anders sein. Ein Kommandeur, der nicht den Respekt seiner Offiziere und Besatzungsmitglieder
genießt, ist meiner Ansicht nach nicht in der Lage, seine Pflicht in zufriedenstellender Art und Weise
zu erfüllen. Es besteht die Gefahr, daß seine Untergebenen seine Entscheidungen in Frage stellen -
auch die richtigen Entschlüsse. Dies aber kann im Gefecht tödlich enden.
Ich hoffe, Sie verstehen, daß nur meine Verantwortung meinen lebenden und toten Untergebenen und
mein Eid gegenüber der Republik der Grund sind, aus dem ich mich an Sie persönlich wende.
Ich verbleibe mit besonderer Hochachtung
Chris Mithel, Captain der Terranischen Streitkräfte, TSR Relentless.
So – das dürfte hoffentlich ausreichen. Nicht, daß er es lediglich dabei bewenden lassen würde.
Natürlich war es zum Teil gelogen – er wußte sehr wohl, was einige andere Kapitäne dachten. Und es
war ihm auch nicht sonderlich schwer gefallen, diese Worte zu schreiben. Wenn man von moralischen
Gesichtspunkten her argumentierte. Mithel hatte wenig Hemmung, die Karriere eines Kollegen zu
ruinieren, wenn er es für nötig hielt – wie hier. Nein, Ward mußte fallen.
Nun, es blieb abzuwarten, wie Noltze darauf reagieren würde. Sollte sie sich nicht rühren, Ward in
Schutz nehmen – dann mußte er einen anderen Weg finden. Dieses Debakel war Sprengstoff –
politisch wie militärisch. Und ebenso, wie solche Katastrophen Karrieren beenden konnten, konnten
sie auch welche begründen, lästige Konkurrenten ausschalten. Auch und gerade jetzt, mitten im Krieg.
Mithel wußte das nur zu gut, stand er doch selber gewissen politischen Kreisen nahe. Seine Schwester
Alexandra war Mitglied des Senats, sein Bruder Ronald Gewerkschaftsfunktionär – beide hatte er,
hatten die ihm nahestehenden Kreise benutzt, so wie er auch benutzt worden war. Natürlich nicht
umsonst. Und deshalb würde er dafür Sorge tragen, daß ein oder zwei Kopien dieses Berichtes
„verlorengehen“ würden. Er hatte da seine Beziehungen. Mithel liebte die investigative Presse nicht
eben, aber er war nicht so dumm, sie zu unterschätzen. In ihrer ständigen Suche nach der „Wahrheit“
durfte man sie nicht abwürgen. Man mußte ihr hin und wieder ein paar gute Brocken hinwerfen, im
richtigen Augenblick – immer gegenwärtig, selber zum Ziel zu werden. Aber sie konnte nützlich sein.
Wenn zum Beispiel publik wurde, wer für den Tod so vieler Menschen verantwortlich war...
In dem Fall war die betreffende Person erledigt. Ob sie nun Ward oder Noltze hieß. Wenn es erst mal
genug Medienrummel gab, dann war kein Entrinnen mehr. Aber das war nur eine Möglichkeit für den
äußersten Notfall – es war Mithel lieber, es würde nicht notwendig sein.
Nun, die Zeit würde es zeigen. Er würde tun, was notwendig war. Und das würden auch seine
militärischen und politischen Patrone tun. Er konnte ihnen nur das Rüstzeug liefern...
Es war ein schmutziger Krieg, ein Krieg aus dem Hinterhalt – aber Mithel kämpfte auf diesem
Schlachtfeld schon seit vielen Jahren, und etwaige Skrupel hatte er sich schon lange abgewöhnt. Er
wußte, es gab Offiziere, die so etwas – das Agieren in die Politik und im Dienste der Politik – für unter
ihrer Würde hielten. Nun, er sah das anders. Die Wähler gaben nun einmal das Geld, ihre Vertreter
entschieden über die Verteilung – wer sich dem nicht anpaßte, war ein Narr. Ohne politische
Patronage war keine Strukturreform durchführbar, kaum modernes Material in ausreichender Menge
erhältlich. Zu vielfältig die Bedürfnisse. Und wer, wie Mithel und die Flotten-Fraktion, eine
grundlegende Umorientierung in der Beschaffungspolitik und dem strategischen Konzept wollte, der
konnte die Realitäten nicht ignorieren. Außerdem war es ziemlich arrogant, sich über die Politik
erhaben zu dünken. Die Militärs betrieben ihre eigene Politik, die Waffengattungen intrigierten
gegeneinander, nur zu oft waren persönliche Bekanntschaft und Patronatsverhältnis von Bedeutung für
eine Karriere. Warum also Berührungsängste haben? Mithel kannte sie nicht.
Der Captain der Relentless seufzte. Mochte Gott wissen, wie alles enden würde! Er würde seine
Pflicht tun – im Feld wie in den eigenen Reihen. Zur Hölle mit irgendwelchen Ehrvorschriften! Er
hatte einen Krieg zu führen. Und daran würde ihn keiner hindern. Niemals.
***

__________________
Ace Kaiser,
Angry Eagles

Corrand Lewis,
Clan Blood Spirit

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05.11.2015 18:57 Ace Kaiser ist offline E-Mail an Ace Kaiser senden Beiträge von Ace Kaiser suchen Nehmen Sie Ace Kaiser in Ihre Freundesliste auf
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„Tagsüber“ - während der Dienstzeit – war es noch erträglich. Sein Flugbuch war voll mit Patrouilleund
Sicherungsflügen. Viele der Maschinen, die es auf die Gallileo geschafft hatten, waren in einem
schlechteren Zustand gewesen als die Ersatzmaschine, die Kano jetzt flog. Außerdem war er nicht
verletzt worden, also flog er noch mehr als sonst. Dazu kamen Wartungsarbeiten und Training –
immer wieder Training, von Parker befohlen oder „selbstorganisiert“. An manchen Tagen fand er
kaum Zeit zu essen.
Aber dennoch – auch wenn er häufig wie zerschlagen an Ende seines „Tages“ in die Koje fiel, meist
fand er lange keinen Schlaf, wälzte sich hin und her, allein mit Gedanken, die er in der Stille und
Dunkelheit nicht mehr beiseite schieben und in den Hintergrund drängen konnte.
Er hatte genug zu bedenken. Da war zuerst Kali. Ihre Freundschaft war Kano in der letzten Zeit
bestenfalls fragil erschienen. Und jetzt schien es, als hätte Kali alle Fäden zerrissen und sich in sich
selbst zurückgezogen. Mit ihrem Schmerz wollte sie offenbar allein sein. Und das – daß sie sich nicht
von ihm helfen ließ – schmerzte besonders. Er hatte etwas anderes – mehr – erhofft. Und erwartet,
verflucht sollten seine Selbstillusionen sein.
Jetzt merkte er erst richtig, wie viel ihm diese Freundschaft bedeutet hatte, wie sehr er sie vermisste.
Sie hatten sich in den letzten Wochen seltener gesehen – aber da das jetzt auf unbestimmte Zeit
endgültig vorbei schien, sie nichts mehr mit ihm zu tun haben wollte, fehlten ihm diese kurzen
Augenblicke, die Vertrautheit, um so mehr. Er versuchte sich mit Arbeit und Training abzulenken, den
Tag bis zur letzten Minute auszufüllen – aber es gelang ihm nicht.
Und er machte sich auch Sorgen um sie. Sie versah ihren Dienst weiter – aber bei den paar
Gelegenheiten, als er sie gesehen hatte, hatten ihre Bewegungen automatisch gewirkt, ihre Augen leer.
Sie war Kano nicht etwa aus dem Weg gegangen, sondern schien durch ihn hindurchzusehen, ihn nicht
richtig wahrzunehmen. Ihre Staffelkameraden schien sie ebenso zu behandeln, nach dem, was er
gehört hatte. Und das war keine tröstliche Information. Aber es fehlte nun mal an flugfähigen
Veteranen – also mußte Kali weiter Dienst tun.
Ace war gefallen. Er und Kano waren nicht gerade dicke Freunde gewesen – aber sie hatten sich
respektiert und waren erstaunlich gut miteinander ausgekommen. Kano bedauerte den blauhaarigen
Piloten nicht. Er war als Held gestorben, in dem Bestreben, die Redemption zu retten. Er hatte sich auf
eine Schiff-Schiff-Rakete gestürzt und hatte so möglicherweise den Träger gerettet. Das war ein Tod,
den sich ein Pilot wünschen sollte. Das jedenfalls hatte man Kano gelehrt. Und er verspürte fast so
etwas wie Gewissensbisse, daß er noch lebte. Ja er war geflogen und hatte gekämpft. Aber trotz allen
Anstrengungen hatte man den Träger aufgeben müssen. Da er noch lebte, kam es Kano irgendwie so
vor, als wäre er nicht fähig gewesen, genug zu tun und zu opfern, um die Redemption zu retten. Ace
aber hatte alles gegeben, was ein Mensch opfern konnte.
Ja, die Redemption war tot. Sie hatten ihr Heim verloren. Das Schiff, mit dem zahllose Ruhmestaten
verbunden waren, das „Heldenschiff“. Bevor sie auf diese unselige Feindfahrt gegangen waren, hatte
Vizeadmiralin Noltze sie an diese Tradition erinnert, ihnen ins Gedächtnis gerufen, welche
Verpflichtungen sie mit der Redemption übernommen hatten.
Und sie hatten versagt. Sie hatten ihr Schiff verloren – und schlimmer noch, sie hatten den Auftrag
nicht erfüllen können, einen Auftrag, an dem so viele Hoffnungen und Erwartungen gehangen hatten.
Der Nachschub für die feindlichen Invasionsstreitkräfte würde durchkommen. Was dies für den Krieg
bedeutete, das konnte Kano nicht einmal voll ermessen. Sie hatten auf der vollen Linie versagt.
Er hatte versagt. In mehr als einer Hinsicht. Das Schwert, das ihm von seinem Vater vor der
Verlegung auf die Redemption übergeben worden war, war verloren. Das war ein Schande, die tief
ging. Er fürchtete keine Strafe – er hatte seine Pflicht tun müssen und hatte einfach keine Zeit gehabt,
es zu holen. Aber diese Waffe war seit nun mehr als zweihundert Jahren im Besitz seiner Familie
gewesen. Und er hatte es verloren. Da spielte es fast keine Rolle mehr, ob er Schuld daran war, oder
nicht.
Daß Kano schon wieder eine Maschine verloren hatte - seine beschädigte Typhoon war auf der
Redemption verglüht, während er eine Ersatzmaschine überführte - fiel da ebenso wenig ins Gewicht
wie die Tatsache, daß er praktisch nur mit der Einsatzmontur an Bord der Gallileo gekommen war.
Wenn er im Dunklen lag und sich wieder und wieder die Verluste und die Schande vor Augen führen
mußte, die binnen vierundzwanzig Stunden über ihn – und über die Überlebenden der Kampfgruppe
hereingebrochen war, dann konnte es passieren, daß er die Zähne zusammenbeißen mußte, um die
Tränen zurückzuhalten.
Und er HASSTE. Haßte, wie er nicht geglaubt hatte, hassen zu können. Lautlos verfluchte er die
Akarii, diese unmenschlichen Bestien, die mit ihrer überlegenen Technik gnaden- und skrupellos
mordeten und zerstörten. Das waren wirklich keine beseelten Wesen. Das waren nicht einmal Tiere.
Die mußte man ausradieren, auslöschen, oder sie würden ebenso kaltblütig die Erde auslöschen, wie
sie die Kampfgruppe zusammengeschossen hatten. Der Haß, der in diesen Augenblicken in ihm
wütete, erschreckte ihn selber, wenn er sich in einem ruhigeren Augenblick daran erinnerte.
Und er haßte Ward. Seitdem bei den Überlebenden bekannt geworden war, daß der Gallileo – Verband
geflohen war, daß zwei Kreuzer, vier Zerstörer und ein leichter Träger mit mindestens der selben
Schiff-Schiff-Feuerkraft wie die Redemption – Gruppe ohne Feindberührung den Rückzug eingeleitet
hatten, schwelte ein Funken. Strategische Erwägungen hin und her – in den Augen der meisten
Überlebenden war das Feigheit, ja Verrat. An ihnen – und an den Toten. Vor allem an den Toten.
Daß Ward ohnehin einen keineswegs rühmlichen Ruf hatte, verschärfte das – wie auch die Tatsache,
daß die Captains der Relentless und der Dauntless gegen den Rückzug protestiert hatten.
Das ganze mußte irgendwann mal zum Ausbruch kommen.
Es geschah fünf Tage nach dem Untergang der Redemption. Inzwischen wußte der letzte Privat oder
Seamen an Bord von den Ereignissen auf der Brücke der Gallileo , von den horrenden Verlusten der
Redemption – Gruppe und von der Vernichtung des Majestic – Verbandes.
Kano arbeitete an seinem Jäger. Die meisten Techs waren auf die schwer beschädigten Maschinen
konzentriert – die einfachen Wartungsarbeiten blieben deshalb vielfach an den Piloten hängen. Ein
paar andere Piloten der Redemption waren ähnlich beschäftigt, während zwei Techs der Gallileo unter
dem Kommando eines Chief an einer ziemlich zerschossenen Griphen arbeiteten.
Kano beteiligte sich nicht an den vereinzelten, halblauten Gesprächen. Er kapselte sich zwar nicht so
total ab wie Kali, aber momentan hatte er keine Lust auf Small Talk. Er war, auch wenn er es sich
selber nicht eingestand, in einer mörderischen Stimmung. Am Ende des letzten Patrouillefluges war er
beinahe in Kali hineingelaufen. Sie hatte ihn nur kurz angesehen, hatte sich dann umgedreht und war
gegangen - beinahe schon davongerannt. Das war schon schlimm genug. Zusätzlich aber hatte er sie
dann auch noch in der Kantine gesehen. Sie saß in einer Ecke zusammen mit Huntress. Die beiden
unterhielten sich leise. Das verstand er nicht. Nach den Geschichten, die über Huntress und Ace im
Umlauf gewesen waren, erschien ihm dieses Verhalten Kalis ziemlich merkwürdig. Und er war
gekränkt, fast schon eifersüchtig, daß Kali sich offenbar an Huntress wandte, ihm aber aus dem Weg
ging. Die Tatsache, daß er wußte wie idiotisch und kleinlich dieses Gefühl war, machte es noch
schlimmer. Er hatte auf der Stelle kehrt gemacht, der Appetit war ihm vergangen. Wenn er
zurückdachte, hätte er am liebsten das Werkzeug in die Ecke gepfeffert und laut geflucht. Stattdessen
arbeitete er verbissen weiter.
Dann allerdings ließ ihn ein Satzfetzen aufblicken: „Ich bleib dabei, es war eine Schande! Einfach
abzuhauen – nicht mal ein verdammter Pirat hätte so etwas gemacht… .“ Das war ein Miragepilot –
Kano kannte nicht einmal seinen Namen. Und er hatte recht, wenn man Kano gefragt hätte. Halblaut
knurrte er etwas, instinktiv dabei in seine Muttersprache verfallend.
„Was hast du gesagt?“ Der Miragepilot hatte sich zu Kano umgedreht, sah ihn direkt an.
Kano zögerte nur einen Augenblick, seine Stimme klang hart und laut in dem fast menschenleeren
Hangar: „Früher, als Traditionen und Ehre noch etwas in der Navy bedeuteten, hätte so ein Captain
wenigstens den Anstand besessen, die Toten, die auf seinem Gewissen lasten, um Vergebung zu
bitten. Und sich dann zu erschießen. Heute hält er es anscheinend nicht einmal mehr für notwendig,
den Kopf etwas gesenkter zu tragen. Kein Wunder, daß wir bei solchen Offizieren verlieren!“
Es war mit einmal totenstill geworden. Die anderen Piloten der Redemption starrten ihn an. Und
ebenso die Techniker der Gallileo. Die beiden Mannschaftsdienstgrade starrten irgendwie betreten auf
den Boden. Vielleicht waren sie ja der Meinung, daß diese Vorwürfe irgendwie gerechtfertigt waren.
Der Chief allerdings… .
„WAS haben Sie gesagt?!“
Kano drehte sich nun zu ihm um. Seine Stimme klang sehr kalt, als er antwortete: „Das haben Sie
doch ganz genau verstanden, Chief! Oder wollen Sie die Wahrheit nicht hören?! Ihr Captain hat uns
im Stich gelassen! Er hat uns und die Majestic an’s Messer geliefert, damit er seine kostbare Haut
retten konnte! Was steht auf Feigheit vor dem Feind?! Was steht auf Desertation?!“
Das Gesicht des Chief lief langsam rot an. Zwei, drei Schritte und er stand direkt vor Kano. Er
überragte den Piloten um mehr als Kopfeslänge – aber Kano dachte jetzt nicht mehr daran
zurückzustecken. Der Seemann brüllte ihm praktisch ins Gesicht: „HÖR MAL DU ARSCH! Wenn
wir nicht da gewesen wären, dann wäre eure verdammte Rattenschüssel mitsamt der Besatzung
abgegangen! Wir haben euch Idioten das Leben gerettet! Oder währt ihr vielleicht in euren
Scheißjägern zurück nach Terra geschippert?!“
„Wenn Ward sich nicht gedrückt hätte, dann wäre es nicht so weit gekommen! Oder wir hätten
wenigstens unser Ziel erreicht! Jetzt sind die Akarii durch – und will eurer tapferer Captain sich ihnen
dann in den Weg stellen, wenn sie die nächste Offensive beginnen?! Oder verlegt er da auch wieder
aus ‚taktischen Gründen‘ in die Etappe?!“
„Du reißt dein Maul ganz schön auf, Schlitzauge! WER KONNTE SICH DEN GARNICHT
SCHNELL GENUG AUF DER GALLILEO VERKRIECHEN?!!“
Der Chief hatte den Angriff nicht kommen sehen. Plötzlich, ohne Übergang, ohne noch ein Wort zu
verlieren, pflanzte ihm Kano beide Fäuste in die Magengrube. Nur der Tatsache, daß der Seemann von
der Wucht der Schläge wie ein Taschenmesser zusammenklappte, verhinderte, daß der nächste Hieb
seinen Kehlkopf traf. Stattdessen kollidierte Kanos Faust mit voller Wucht mit der Stirn des Chief.
Der fand gerade genug Zeit, um die Fäuste hochzukriegen, und Kano einen Kinnhacken zu versetzen,
der aber abgeblockt wurde. Der Chief mochte zwar größer und stärker sein – aber der Pilot war
schneller, besser ausgebildet und kämpfte wie ein Berserker. Ein paar Sekunden flogen die Schläge
hin und her, ein wuchtiger Schlag riß Kanos Wange auf, zwei Hiebe gegen den Oberkörper ließen
seine Rippen knirschen. Er spürte den Schmerz nicht, jetzt zählte nur, den Feind zu schlagen, zu
vernichten. Fast tierhaft fletschte der Pilot die Zähne. Dann trat Kano plötzlich zur Seite und versetzte
dem schon wankenden Gegner einen brutalen Tritt gegen die Kniekehlen. Der Chief strauchelte, hielt
sich an der Tragfläche von Kanos Maschine fest, um nicht hinzufliegen. Er fand keine Zeit mehr, sich
zu fangen. Ein Sicheltritt ließ seine Beine einknicken. Dann, die eigene Deckung vernachlässigend,
rammte ihm Kano die Fäuste ins Gesicht. Der Kopf des Chief's flog nach hinten, er krachte mit dem
Kreuz gegen die Tragfläche und brach zusammen.
Erst jetzt hatten sich die anderen Soldaten gefasst und packten Kano, zerrten ihn zurück… .
*************************************
Zwei Stunden später
Darkness sah düster und übernächtigt aus. Er hatte in den letzten Tagen nicht viel schlafen können. Er
wünschte, Cunningham wäre endlich wieder hier und würde seine Pflicht tun. Er verstand ja, was den
Commander auf der Relentless hielt. Aber es wäre verflucht noch mal einfacher gewesen, wenn der
(momentane) Kommandant des Redemption – Geschwaders nicht nur ein Lieutenant Commander
wäre. Ward war in letzter Zeit alles andere als ein unkomplizierter Zeitgenosse gewesen. Und auch der
Umgang mit den anderen Bordstellen fiel Darkness mit seinem „niedrigen“ Rang nicht einfach. ‚Und
dann noch so etwas... .‘ Mit finsterer Miene starrte er den in Habacht eingefrorenen Piloten vor seinem
Schreibtisch an. Er hatte Kano nicht die Erlaubnis erteilt zu rühren, also stand der jetzt wie ein
Zinnsoldat vor ihm. Normalerweise verzichtete er zwar auf übertriebene Formalitäten. In diesem Fall
allerdings… .
Neben Darkness stand Lieutenant Commander Parker. Ihr Gesicht war ebenfalls finster. Auch wenn
sie „Ihren Kindern“ sonst viel durchgehen ließ – Kano sollte deutlich mitbekommen, daß er erhebliche
Scheiße gebaut hatte.
Die Stimme des XO glich einem wütenden Knurren: „ Und da haben Sie den Chief angegriffen?“
„Ja, Sir!“
„Ich brauche Ihnen wohl nicht zu sagen, daß Sie Mist gebaut haben?! Sie haben im Dienst einen Streit
provoziert und ein Mitglied der Streitkräfte fast krankenhausreif geprügelt! Nicht nur daß, Sie haben
sich auch noch respektlos über einen Führungsoffizier der Flotte geäußert. Haben Sie IRGEND
ETWAS zu Ihrer Entschuldigung auszusagen?“
„Nein, Sir!“
„Nein, Sir – soso. Wie bequem für Sie. HÖREN SIE, Soldat. Was Sie getan haben ist schlimm genug
– aber ich brauche Ihnen wohl nicht zu sagen, was Ihr idiotisches Verhalten für das Bordklima
bedeuten kann?! Falls Sie es noch nicht wissen, WIR SIND IM KRIEG! Wir können uns interne
Katzenkämpfe einfach nicht leisten! Verstanden?!“
„Ja, Sir!“
„Sie werden für’s erste mal von der Bildfläche entfernt. Dass soll heißen, bis auf weiteres stehen Sie
unter Arrest. Raus kommen Sie nur für den Dienst. Außerdem, Sie Schwachkopf, bedeutet das einen
Eintrag in Ihre Akte. Und BETEN Sie, daß nicht noch mehr draus wird. Ob Sie weiterhin als fähig
angesehen werden, einen Flight zu kommandieren, wird sich noch zeigen. Bilden Sie sich nicht ein,
nur weil Sie zu den Veteranen gehören und Aß sind, könnte die Navy nicht auf Sie verzichten! Denn
das kann sie, wir brauchen nämlich SOLDATEN – und keine Schläger! Und wenn Sie im Bau sitzen,
dann DENKEN SIE NACH! Wenn Sie das können! Sie haben Ihrem Geschwader Schande gemacht.
Wenn Sie nicht in der Lage sind, mit den Regeln der Navy klarzukommen – ICH halte Sie nicht!
WEGGETRETEN!“
Kano knallte die Hacken zusammen, salutierte so zackig, daß es schon fast wie eine Verhöhnung
erschien, drehte sich um und ging. An der Tür ließ ihn die Stimme Darkness innehalten: „Ich sage das
nur EINMAL. Noch mal so ein Scheiß – und Sie sind die längste Zeit Pilot gewesen! Dann können Sie
von Glück reden, daß sie nicht unehrenhaft entlassen werden! VERSTANDEN?!“
„JA, SIR!“
„Dann HANDELN Sie auch danach – oder ich reiße Ihnen persönlich den Arsch auf, bevor Sie
rausfliegen!“
Als der Pilot draußen war, war es Parker, die zuerst das Wort ergriff: „Ich gebe dir Recht, daß das eine
Riesendummheit war. Aber – so denken neunzig Prozent unserer Leute. Wir können ihnen den Mund
verbieten – aber das Denken nicht.“
„Genau darum geht es ja. Wenn ich jetzt lasch gewesen wäre – was, wenn beim nächsten mal
irgendein Schwachkopf zur Waffe greift? Ward ist eh schon so empfindlich wie eine Jungfrau vor der
Hochzeitsnacht, weil er weiß, was hinter seinem Rücken so `rumgeht. Ich will nicht, daß er seine
Autorität an unserem Geschwader wieder aufzubauen versucht. Ich habe mich um diesen Posten nicht
gerissen. Aber ich will verdammt sein, wenn ich hier eine Blutfehde zulasse. So wie die Stimmung zur
Zeit ist, kann die ganze Scheiße in unserem Gesicht explodieren, wenn wir nachlassen. Der Junge
bleibt vorerst im Bau. Und Sie halten ihn unter Beobachtung! Fehlt noch, daß irgendeiner von Wards
loyalen Hurensöhnen glaubt, auf eigene Faust die Ehre seines Captains wiederherstellen zu müssen.“
„Aber ich verstehe ihn. Es wundert mich eigentlich, daß noch kein anderer laut geworden ist. Die
Stimmung ist am Kochen.“
„Es geht aber nicht darum, ob ich – oder du - ihn verstehe. Es geht um Disziplin. Wir sind keine
Freibeuter. Und der Junge hat gegen die Regeln verstoßen. Also wird er eingebuchtet.“
Parkers Stimme wurde bissig: „Ich kann mir vorstellen, Ward würde GENAU diese Worte benutzen!“
Darkness fixierte sie. „Ich bin aber nicht Ward!“ knurrte er.
„Natürlich nicht. `Tschuldigung, O. K. ?! Aber willst du dem Jungen wirklich die Kariere versauen?“
Darkness zuckte mit den Schultern: „Wenn mir nichts anderes einfällt, dann ja. Er darf nicht glauben,
mit so etwas durchzukommen. Sonst noch was?“
Nachdem Parker den Raum verlassen hatte, sanken Darkness Schultern deutlich herab. Mit einem
gedämpften Fluch fuhr er sich über die Augen. Er war hundemüde. Schon wieder hatte er sein Schiff,
seine Heimat – und viel zu viele Piloten an die verdammten Akarii verloren. Die Arbeit fraß ihn auf.
Und er mußte sich zu allem Überfluß auch noch Sorgen um den „Alten“ machen. Cunningham war
nach diesem verfluchten „Ehrengericht“ ohnehin zum Abschuß freigegeben. Er konnte von Glück
reden, wenn man ihm nicht auch noch aus der gescheiterten Mission einen Strick drehte… . Das wäre
eine beschissene Art und Weise, einen guten Geschwaderchef zu verlieren.
Kano wurde währenddessen von einem Marine abgeführt, dem seine Aufgabe nicht sehr recht war.
Gottseidank schliefen zur Zeit die meisten an Bord, also kamen sie ohne Aufsehen an ihr Ziel - eine
Pilotenkabine, die jetzt als Arrestzelle fungierte.
"Wir lassen Ihr Zeug herbringen. Essen werden Sie hier."
Kano nickte: "Danke." Der Marine warf ihm noch einen prüfenden Blick zu, dann schloß er die Tür.
Kano setzte sich auf die Pritsche und starrte ausdruckslos auf die Wand. Er hatte wirklich Mist gebaut
- auch wenn er zu seinen Worten stand. Hoffentlich würde man ihn weiter fliegen lassen - bei dem
Gedanken, davon abhängig zu sein, wie ausgerechnet Ward über diesen Vorfall erfuhr und dachte, biß
Kano wütend die Zähne zusammen. Mit Unbehagen, fast mit Furcht dachte er an die langen, untätigen
Stunden, die vor ihm lagen.
Er würde nichts haben, um das zurückzudrängen, was auf ihm lastete. Allerdings war das auch seine
eigene Schuld.
***********************************
Zwei Wochen vor Perseus.
Gonzalez seufzte. Die letzten Tage und Wochen waren hart gewesen. Das Schiff war überfüllt mit
Verletzten und Evakuierten, auch wenn man ein Teil auf den Rest der Flotte verteilt hatte. Aber gerade
die Schwerstverletzten, die man nicht erneut hatte verlegen wollen, ließen das Lazarett mehr an ein
Schlachthaus denn an eine Fürsorgeeinrichtung erinnern. Die Schlachterrechnung war horrend
gewesen und die Ärzte an Bord gaben ihr Bestes, um sie am weiteren Ansteigen zu hindern. Innerlich
war er beschämt, dass sein Schiff ohne jeden Kratzer, ohne jeden Feindkontakt davongekommen war,
während dies anderen Verbände fast vollständig zerstört worden waren. Die Lage wurde nicht besser
durch die politischen Manöver, in die nun auch Gonzalez gefangen war.
Er ging noch mal über die Nachricht, die er heute streng vertraulich aus dem Flottenhauptquartier
erhalten hatte.
VON: Vizeadmiral M. Noltze, Perseusstation
AN: Captain E.E.E.Gonzalez, CO TRS Dauntless
VERMERK: Geheime Kommandosache
Captain,
Uns ist aus verschieden Quellen zu Ohren gekommen, dass das Verhalten von Captain Ward als
Führer des ihm anvertrauten Verbandes nicht den Prinzipien der Navy entsprochen hat. Insbesondere
andere Captains des Verbandes, aber auch Überlebende der Verbände Redemption und Majestic
haben in verschiedenen Schreiben geäußert, Captain Ward habe sich ängstlich, ja feige verhalten und
einen möglichen Sieg durch sein zögerliches Verhalten zunichte gemacht.
Ich bitte Sie daher, unverzüglich eine Stellungnahme abzugeben. Weiterhin bitte ich Sie, einen Bericht
zur Erprobung der Dauntless abzugeben.
Gez. Commodore Jackson Blair, Chief of Staff Perseus Station
Gonzalez wunderte sich, dass die Meldung so unverblümt war. Andererseits passte das zu Noltzes
Arbeitsweise, die sicherlich auch auf ihren Stab abfärbte. Außerdem wäre Ward ein passendes
Bauernopfer, um sich bei den Politikern aus der Affäre zu ziehen. Trotzdem ärgerte es ihn, dass man
die Sache auf diese Weise anging. Sollten sie doch einen Ermittlungsausschuss oder gleich ein
Kriegsgericht einberufen, anstatt diesen Eiertanz zu veranstalten. Resignierend machte er sich daran,
die Antwort zu verfassen.
VON: Captain E.E.E. Gonzalez, CO TRS Dauntless
AN: Vizeadmiral M.Noltze, Perseus Station
VERMERK: Geheime Kommandosache
Madam,
Mit Bedauern muss ich feststellen, dass die Vorwürfe gegen meinen kommandierenden Offizier auf
dieser Mission nicht aus der Luft gegriffen sind. Captain Ward handelte bereits bei der
Missionsplanung sehr defensiv. Unabhängig davon, ob man die komplette Kreuzerschwadron
vorgeschickt hätte, oder nur die Dauntless zum Zwecke der Koordinierung der Jäger, es wäre
jedenfalls für die Mission förderlicher gewesen. Nach der Vernichtung der Flieger brachen jedoch
offensichtlich alle Dämme. Ward befahl praktisch Hals über Kopf den Rückzug, ohne die Situation
umfassend zu würdigen. Insbesondere lies er die Belange der Schwesterverbände außer Acht.
Aus zuverlässigen Quellen weiß ich außerdem, als das Kommando zur Kursänderung zum Zwecke der
Rettungsaktion erfolgte, als Ward nicht auf der Brücke war. Ich frage mich mittlerweile, ob er selber
diesen Befehl gegeben hätte.
Alles in Allem kann ich nur sagen, dass dieser Offizier den Respekt, verloren hat, auf meinem Schiff
und ich denke auch auf allen anderen. Darüberhinaus hat sein Verhalten erhebliche Folgen für die
Moral, viele meiner Leute fühlen sich, als wenn sie verantwortlich für den fehlenden Feindkontakt
waren. Ich möchte daher empfehlen, sämtliche Schiffe des Verbandes für eine kurze Weile von der
Front abzuziehen, bis sich die Gemüter beruhigen.
Ich möchte betonen, dass ich bereit bin, diese Aussage jederzeit vor einem Ausschuss oder einem
Gericht zu wiederholen.
Zum zweiten Punkt ihrer Anfrage: Die Dauntless verhält sich in Drills mittlerweile mustergültig.
Fehler tauchen nur vereinzelt auf. Das Verhalten im echten Gefecht jedoch ist weiterhin unbekannt, da
wir keinen einzigen Schuss abgeben konnten. Ich hänge an diesen Bericht einen detaillierteren Bericht
der Stationen und eine Diagnose des Bordcomputers an.
Hochachtungsvoll
Captain Enrique Eduardo Emilio Gonzalez, Terranische Streitkräfte,
CO TRS Dauntless
Seufzend lehnte er sich zurück. Wards Fall schien beschlossen und Gonzalez war darüber im Grunde
nach nicht traurig. Eher über die Art und Weise, wie es zustandekam. Kopfschüttelnd wandte er sich
anderen Angelegenheiten zu. Nach wie vor mussten Vorräte ausgetauscht werden, denn die Dauntless
hatte 80 % Überbelegung. Der Papierkrieg war enorm.
Zwei Stunden später war die Arbeit erledigt. Er lehnte sich zurück und blickte auf seine Gitarre, die an
der Wand hing. Dabei schweiften seine Gedanken zu der Frau, die er liebte.
Mittlerweile hatte er erfahren, dass Midori nach einem kurzen Aufenthalt auf der Relentless auf die
Agamemmnon gebracht worden war. Offensichtlich war an Bord der Galileo ebenfalls der Raum
knapp. Er sah auf das Foto von ihr auf seinem Schreibtisch, dann zog er sein Uniformhemd aus und
legte sich auf seine Koje.
Währenddessen sass Murphy im neuen Bereitschaftsraum der Staffel. Er war zwar nur „geliehen“ aber
immerhin etwas. Abgesehen von Thunder, die immer noch im Koma auf der Intensivstation lag, waren
alle anderen wieder genesen. Murphy selber spürte immer noch die Nachwirkungen der
Gehirnerschütterung und der Pillen. Immer wenn er schnelle Bewegungen mit dem Kopf machte,
verschwamm alles um ihm herum. Deswegen war er auch nach wie vor flugunfähig geschrieben. Aber
das war ja jetzt recht egal, die feindlichen Linien lagen weit hinter der Galileo. Das Hauptproblem war
eher die Moral. Insbesondere Enigma wirkte sehr gereizt und es war schon zu einigen Zwischenfällen
gekommen, bei denen sich Besatzung der Galileo und Flieger beinahe an die Wäsche gegangen wäre.
Dazu kamen dann noch die Toten in der Staffel, für die Schönberg und Murphy einen Gottesdienst
drei Tage nach der Evakuierung abgehalten hatten. Außerdem machte er sich Sorgen über den
Fortbestand der Staffel. Zwar waren die personellen Verluste noch zu verkraften, aber der Träger war
zerstört und die Verluste an Maschinen hoch. Zwar war es denkbar, dass das Oberkommando die
Jaguars einfach der Galileo zuteilte, aber das, so ahnte Murphy, würde zu einem totalen Verfall der
Moral führen. Sollte es dazu kommen, würde er sich mit aller Kraft dagegen stemmen und er wusste,
dass ihm noch der ein oder andere im Fliegerkommando einen Gefallen schuldete. Nicht zuletzt sein
alter Kommandant auf dem Mars....
„Sir....“
„Ja, Snake Bite?“
„Thunder ist aufgewacht?“
„Wann?“
„Gerade. Die Ärzte haben außerdem mitgeteilt, dass ihr Status auf stabil geändert wurde.“
„Wenigstens ein Lichtblick in diesem Chaos.“
Murphy stand langsam auf und machte sich auf den Weg zur Krankenstation.
****************************************
Als Murphy auf der Krankenstation ankam, wartete schon Dr. Hamlin auf ihn.
„Sieht so aus, als wenn Sie mich erwartet hätten, Doc.“
„Es sieht nicht nur so aus. Commander, ich kann mir denken, was Sie wollen. Ich kann Sie leider nicht
zu ihr lassen. Ihr Zustand ist noch etwas instabil und wir wollen verhindern, dass sie sich eine
Infektion oder ähnliches einfängt. Ihr Immunsystem ist etwas durcheinander und da können wir keine
Störung gebrauchen.“
Murphy nickte müde. Dabei verschwamm wieder die Umwelt vor seinen Augen. Dann sah er den
Doktor wieder an und bemerkte, dass dieser sein kleines Problem erkannt hatte.
„Sind die Schwindelgefühle immer noch da?“
„Hmmm...“
„Verdammt, ich habe Ihnen doch gesagt, dass Sie zu mir kommen sollten, wenn sich die Sache nicht
bessert. Sie bleiben erst mal hier, bis wir uns Ihren irischen Dickschädel mal genauer angeschaut
haben.“
Hamlin schüttelte angewidert den Kopf. Er orderte eine der Schwestern herbei und schob Murphy auf
einen der Behandlungsstühle. Dann brachte er verschiedene Sensoren am Kopf des Piloten an. Der Ire
lehnte sich zurück und versuchte sich zu entspannen, denn er kannte die Prozedur schon zu Genüge.
Ein leichtes Kribbeln durchflutete die Sinne in seinem Kopf und wie üblich hatte er das Gefühl, dass
sich seine Haare aufrichteten, als der Doktor das Gerät aktivierte.
Kurze Zeit später zog sich der Doktor zur Auswertung der Ergebnisse zurück. Derweil konnte sich
Murphy ein genaueres Bild von der Krankenstation machen. Immer noch lagen viele Schwerverletzte
in den Betten und die Kapazität war durch Aufstellung von Feldbetten mehr als verdoppelt worden.
Auch das Personal schien an der Belastungsgrenze zu arbeiten, obwohl ja die Crew der Majestic durch
die der Redemption ergänzt worden war. Überall liefen beschäftigte Schwestern und Pfleger herum,
und wenn dann mal ein Arzt auf den Gang trat, war das erste, was Murphy auffiel, deren Augenringe.
Aber er wusste auch, dass es seinen Leuten nicht anders ging. Mit dem stark reduzierten Geschwader
mussten alle Patrouillen geflogen werden, zusätzlich fiel immer noch der gleiche Papierkram an und
wenn das alles nicht reichte, dann waren da noch so unseelige Dinge wie die Totenwache für die
gefallenen Kameraden, von denen es viel zu viele gab. Immer wenn er in den Bereitschaftsraum kam,
schien es ihm, als wenn er noch auf die fehlenden Männer und Frauen warten müsse. Erst nach einem
Moment wurde ihm bewusst, dass er die Gesichter nie wieder sehen würde. Murphy versank ins
Grübeln und merkte gar nicht, dass der Doktor zurückkam.
„Commander?“
„Ähm...ja, Doc?“
„Ihr Schädel hat mehr abbekommen, als wir gedacht haben. Normalerweise würde ich Sie jetzt
hierbehalten wollen, aber angesichts der Zustände hier....“
„Also?“
„Ich kann Ihnen noch einmal Medikamente geben. Aber ich warne Sie, die Dinger, die ich Ihnen
geben werde, sind nicht ohne. Nehmen Sie nur genau nach Dosierungsanleitung und melden Sie sich
übermorgen bei mir.“
Hamlin holte eine Pillenbox heraus und drückte sie Murphy in die Hand.
„Was ist daran so übel?“
„Das Zeug macht recht schnell süchtig. Und ich muss ihre Flugberechtigung noch länger entziehen.
Aber es wirkt. Sollten Probleme auftauchen, melden Sie sich unverzüglich.“
Martell nickte leicht, um seinen Kopf zu schonen und stand dann vorsichtig wieder auf.
„Wann kann ich zu Thunder?“
„Lieutenant Shukova? Sagen wir, wenn Sie wieder hier zur Untersuchung auftauchen, in zwei Tagen.
Und jetzt verschwinden Sie aus meiner Krankenstation.“ Hamlin zwinkerte Murphy zu, der nun
ebenfalls grinste.
Auf dem Weg zurück zum Bereitschaftsraum machte Murphy einen Umweg zur Kapelle der Majestic.
Sie war kleiner als die der Redemption und irgendwie kälter von der Ausstrahlung. Aber
nichtsdestotrotz fühlte er sich hier heimisch. Er setzte sich auf eine der Edelstahlbänke und versenkte
den Geist in ein Gebet. Dabei betastete er seinen Rosenkranz. Nach zwanzig Minuten sah er wieder
auf und merkte, dass Schönberg neben ihm saß. Dieser lächelte ihn freundlich an und bedeutete ihm,
ihm in die Sakristei zu folgen.
Dort setzten sich die beiden Männer auf die Bänke, die dort bereitstanden.
„Jack, wie geht es Ihnen, Sie sehen ein wenig geschafft aus.“
„Nunja, ich komme direkt von der Krankenstation, weil mein Kopf immer noch etwas matschig ist.
Aber schlimmer ist es...“ Jack’s Stimme brach.
„Die Verluste, die Verletzten?“
„Ja. Ich wollte heute eigentlich zu Valeria, sie ist heute aufgewacht. Aber genaues weiß ich immer
noch nicht. Da man mich nicht in den Flieger lässt, bleibt mir nur der Papierkram, und der ist wahrlich
keine gute Ablenkung.“
„Ich verstehe. Haben Sie über meinen Vorschlag bereits einmal nachgedacht?“
„Ja. Ich denke, ich werde es mir einmal anschauen.“
„Freut mich. Kann ich Ihnen sonst noch helfen?“
„Nicht wirklich, danke, Pater.“
„Dann Gott mit Ihnen.“
„Und mit Ihnen.“
Als Murphy aufstand und ging, blickte ihm Schönberg nach, bis er die Kapelle verlassen hatte. Dann
schüttelte er den Kopf. Manchmal fragte er sich, wieso Gott immer die prüfte, denen er am meisten am
Herzen lag. Aber dann dachte er wieder an die Worte seines Lehrers Pater Ross. „Nur die Prüfungen
des Lebens zeigen, wer wahrhaft würdig ist.“
Murphy ging unterdessen zurück zum Bereitschaftsraum. Dort wurde er schon mit fragenden Blicken
erwartet.
„Nein, ich habe keine wirkliche Ahnung, wie es Thunder geht. Die Quacksalber haben mich nicht zur
ihr gelassen. Aber sie scheint sich langsam zu stabilisieren.“
Brawler beobachte seinen Staffelkapitän genauer als seine Kameraden. Er kannte den Alten schon
etwas länger als die meisten Anwesenden und als früherer Unruhestifter hatte er einen Instinkt dafür
entwickelt, was in den Vorgesetzten vorging. Er blickte zu Snake-Bite hinüber und sah, dass auch
diese ihre Stirn in Furchen legte. Offensichtlich war der Skipper etwas sehr mitgenommen. Tüncay
wusste, dass Murphy in den letzten Wochen mehr als sonst gearbeitet hatte und immer noch unter den
Folgen seines Ausstiegs litt. Jeder Blinde konnte erkennen, dass er nicht immer sicher auf den Beinen
war. Die Tatsache, dass ihm die Flugerlaubnis entzogen war, machte die Sache auch nicht besser. Als
Murphy in sein Büro verschwunden war, winkte er die restlichen Jaguars zusammen.
„Leute, ihr seht ja alle, dem Skipper geht’s nicht so gut.“ Snake-Bite nickte.
„Absolut korrekt, ich hab ihn selten so daneben gesehen. Der Ausstieg war ja auch schon hart genug,
aber jetzt fehlt ihm der XO, der ihn entlastet. Dazu kommen die Verletzten und Toten...“
„Du willst vorschlagen, dass wir ihn entlasten?“
„Jup, Snake-Bite. Nur sollte er davon so wenig wie möglich mitbekommen. Der Alte macht ja so
schon zu viel selbst. Aber in der aktuellen Situation sollte er sich lieber mal schonen.“
Icepick grinste: „Und wie wollen wir das anstellen?“
„Ganz einfach: wir werden einfach so tun, als hätte Murphy die Aufgaben delegiert. Ist zwar
strenggenommen nicht ganz legal....aber der Zweck heiligt die Mittel, zumal wir aus der Kampfzone
raus sind.“
„Nicht ganz legal ist gut. Das dürfte gegen so ziemlich jede Vorschrift verstoßen, die es zum Thema
Kommandokette gibt.“ Enigma grinste, ein eher seltener Ausdruck bei ihm.
„Das gefällt dir doch, gibs zu“ lachte Snake-Bite.
„Jup. Ich mach mit. Gladius?“
„Bin dabei. Das Daumendrehen nervt mich eh schon.“
Hatchet und Tango nickten auch.
„Dann an die Arbeit. Ich mach regel das mal beim Geschwaderstab. Die wissen ja eh nie, was hier
passiert.“ Tüncay’s Grinsen wuchs in die Breite. Die Sache gefiel ihm. Die Jags drehten mal wieder
gemeinsam ein Ding.
*************************************
„Sehr geehrte Mrs. Morelli, sehr geehrter Mr. Morelli, sehr geehrte Ms. Morelli.
Ich schreibe Ihnen heute, um Ihnen von der Tapferkeit Ihres Sohnes zu berichten, der…
ACH, VERDAMMT! ICH KANN SOWAS NICHT!“
Wütend schlug Huntress auf ihren Schreibtisch ein. Sie barg ihren Kopf in den aufgestützten Händen.
„Ich kann so was nicht.“
Helen Mitra beobachtete die Freundin amüsiert. Sie schenkte Kaffee nach und legte ihr eine Hand auf
die Schulter. „Es ist nun mal nicht leicht, den „letzten Brief“ zu schreiben.
Sieh es doch so. Du musst nur einen schreiben. Die anderen Staffelkommandeure müssen drei bis zehn
schreiben. Gerade bei Gold und Silber sieht es da ganz übel aus.“
„Und das soll mich trösten, Helen?“ Huntress sah verzweifelt auf.
„Nein, natürlich nicht.“ Die Inderin lächelte. „Aber es soll dir zeigen, dass Du deine verdammte Arbeit
verdammt gut gemacht hast. Hey, du hast deine Staffel zusammen gehalten, zwei fremde Piloten
adoptiert und du hast mich wieder hingekriegt, als ich ganz am Boden war.“
Mit einem kalten Schauer gedachte Juliane den ersten Tagen nach der Zerstörung der REDEMPTION.
Sie und Kali hatten die dienstfreie Zeit immer zusammen verbracht, die ersten Nächte sogar in einem
Bett geschlafen. In diesen Tagen war aus der oberflächlichen Pilotenbeziehung eine echte
Freundschaft geworden. Es stimmte, Huntress hatte Kali mit der ständigen Nähe, mit der Treue und
Freundschaft den Verstand bewahrt.
Aber Huntress wusste nur zu gut, dass es gerade diese Situation war, sich um jemanden derart intensiv
kümmern zu können, die ihr selbst den Verstand gerettet hatte.
Mittlerweile waren die beiden füreinander so etwas wie Familie.
Juliane legte ihre Rechte auf die Hand auf ihrer Schulter. „Danke, Schatz. Vielleicht verstehe ich es ja
irgendwann.“
Kali verzog die Lippen zu einem Schmollmund. „Sag nicht Schatz zu mir, Juliane. Damit heizt du nur
die Gerüchteküche an.“
„Die Gerüchteküche?“ Huntress runzelte die Stirn.
„Na“, meinte Kali und drückte den kräftigen Bizeps der Vorgesetzten ein, „die große, starke
Vorgesetzte und das kleine, zarte und tief verschreckte Pilotenhascherl…“
Huntress verstand und verdrehte die Augen. „Ist Radio wieder aktiv geworden? Verbreitet er etwas das
Gerücht, dass wir…“
„Lesbisch geworden sind? Nein, Radio hat damit nichts zu tun. Soweit ich weiß. Trotzdem geht es das
Geschwader rauf und runter. Und das wir soviel Zeit miteinander verbringen ist da noch Wasser auf
den Mühlen.“
„Hm“, nachdenklich kniff Kali die Augen zusammen. „Das erklärt diesen verträumten Blick, mit dem
Elfwizard uns immer mustert. Die Kleine ist eine Romantikerin.“
Kali dachte kurz nach. „Ach, hm. Da kannst du Recht haben. Sollen wir sie aufklären?“
Huntress schüttelte den Kopf. „Sie würde uns nicht glauben. Lass das Gerücht ruhig weiter kursieren.
Das lenkt vielleicht ein paar unserer Leute ein wenig ab.“
„Oh, das ist süß. Die große und starke Vorgesetzte opfert ihren guten Ruf, um ihre Kameraden vom
grausamen Schicksal abzulenken.“
Kali beugte sich vor und drückte Huntress einen langen Schmatzer auf die Wange, was diese mit
einem halb unwilligen, halb schmunzelnden Lächeln hinnahm.
In diesem Moment betrat Demolisher das kleine Büro. Er musterte die beiden, grinste über das ganze
Gesicht und meinte süffisant: „Oh, hört nicht auf. Ich habe Zeit.“
„Spinner“, blaffte Huntress. Sie sah zu Kali, die gerade einen Lachanfall unterdrückte. „Sehen wir uns
zum Mittag?“
„Aye, Ma´am.“
Kali verließ das Büro, sah noch mal zurück und sagte zu Demolisher: „Lass ja mein Mädchen in Ruhe,
hörst du, großer, böser Pilot?“
Demolisher feixte ihr zu.
Als die Bürotür hinter Kali schloss, lachte Demolisher herzhaft. „Ein Prachtmädchen, diese Helen. Ich
würde sie in die Staffel holen. Aber Darkness rückt sie nicht raus.“
„Ja, das ist sie wohl. Ihre Wunden sind noch frisch und tief, aber sie hat sich schnell gefangen. Was
kann ich für dich tun, Thomas? Außer mich dafür entschuldigen, dass ich dir keine heiße Liebesszene
mit Helen zeigen konnte?“
Der Riese schmunzelte. Er murmelte was von Tennisarm und setzte sich ungefragt. „Hm, was du für
mich tun kannst. Wie wäre es mit einem eigenen Flottenverband?“
„Abgelehnt. Einen eigenen Träger kann ich dir vielleicht besorgen“, scherzte sie.
„Nein, das reicht mir nicht. Es hätte schon die Erste Flotte sein müssen.“
„Okay, reich deine Anfrage über den Dienstweg ein. Fünffache Ausfertigung, mit Dossier, Zielsetzung
des Einsatz und die Qualifikation des Antragstellers. Das geht dann über mich an Darkness, von dort
an Ward bis zu Renault. Anschließend direkt nach Terra ins Flottenhauptquartier. Und schwups, in
zehn Jahren ist dein Antrag bearbeitet.“
„Bis dahin habe ich die Akarii alleine besiegt“, brummte Demolisher.
„Mehr kann ich da leider nicht tun, Thomas“, erwiderte Huntress mit scheinheiligem Grinsen.
„Nun, vielleicht kann ich aber was für dich tun!“ Demolisher sprang aus dem Sessel auf, ging zur Tür
und riss sie auf. Er winkte in den Gang hinein.
Huntress sprang auf, als sie die Eintretende erkannte. Diese lächelte bei der Reaktion und salutierte.
„Ma´am, First Lieutenant Annegret Lüding. Ich melde mich zurück zum Dienst.“
Huntress eilte um den Schreibtisch herum und ergriff Rapiers Hände. „Willkommen zurück, Annegret.
Der Löwe steht Ihnen ausgezeichnet. Sind Sie auch wirklich wieder fit?“
Rapier bewegte den Nacken. „Alles verheilt, Huntress. Ich hatte verdammtes Glück, dass die Ärzte
den Wirbelanbruch während der Behandlung der Frostbeulen zufällig entdeckt haben. Eine falsche
Bewegung und ich wäre tot gewesen. Jedenfalls bin ich für den Rest der Woche für den leichten
Dienst tauglich geschrieben worden.
Nächsten Montag darf ich zur Nachuntersuchung hier auf die GALILEO. Danach kann ich hoffentlich
wieder in einen Jäger klettern.“
„Wird ja auch höchste Zeit“, lachte Huntress. „Leichter Dienst, eh? Okay, Flight Leader. Dann
schnappen Sie sich mal Ihren Flight und halten Sie die Ladies auf Trab.“
Rapier salutierte. „Jawohl, Ma´am. Es ist schön, wieder zurück zu sein.“
„Es ist schön, Sie wieder zu haben. Die alte Dame wäre stolz auf Sie.“
Die alte Dame, das war die REDEMPTION. Die Erwähnung dieses mit viel Stolz ausgesprochenen
Kosenamen ließ Rapier kurz den Kopf senken. „Das hoffe ich.“
Sie salutierte erneut und verließ das Büro wieder.
Demolisher blieb.
„Wie lange brauchen wir noch bis Perseus?“
„Keine Ahnung. Eine Woche, acht Tage, je nachdem, wie viele Umwege Ward noch fliegen lässt.
Wieso?“
„Ich mache mir da etwas Sorgen. Sie haben Gestern Ohka wieder auf normalen Dienst gestellt. Der
Junge kann froh sein, dass sein Wutausbruch ihn nicht vor ein Kriegsgericht gebracht hat.“
„Den ich übrigens gut nachvollziehen kann. Die GALILEO hat sich nicht gerade mit Ruhm
bekleckert. Sie ist ihm geradezu davon gelaufen.“
„Aber das ist nicht alles. Ich habe recherchiert. Ohka und dein Betthäschen…“
„Demolisher…“ „Ohka und Kali haben vor dem Angriff was zusammen gehabt. Das war wie
weggewischt, nachdem Ace gefallen ist. Ich denke, das macht dem Jungen mehr zu schaffen als die
Feigheit eines Jonathan Ward. Kali hat sich vollkommen zurückgezogen und den armen Jungen allein
gelassen. In einer Staffel, die noch mehr gelitten hat als unsere. Zudem ist er Junge Japaner. Er frisst
eher was in sich rein anstatt es wie ein vernünftiger Mensch auf dem Sportdeck am Sandsack
auszulassen.“
„Und? Was soll ich deiner Meinung nach tun?“
„Red ihr in Gewissen. Okay, niemand verlangt von ihr, mit Ohka ins Bett zu steigen.“
Huntress verdrehte die Augen.
„Außer Ohka vielleicht“, scherzte Demolisher. „Aber du solltest deinen Einfluss auf Kali ausnützen
und ihr wirklich ins Gewissen reden. Die beiden müssen sich aussprechen. Nicht, dass der Junge noch
mal hoch geht. Das letzte Mal hat einem Raumfahrer der GALILEO zwei Zähne gekostet.“
Huntress seufzte. „Okay, ich rede beim essen mit ihr. Es ist noch weit bis PERSEUS.“
„Danke, Juliane. Das wollte ich hören.“ Er nickte ihr zu und verließ das Büro. Im Türrahmen sah er
noch mal zurück und sagte: „Und falls Ihr zwei Süßen mal Lust auf Café au Lait habt…“
Huntress warf dem Piloten den erstbesten Aktenordner hinterher.
„Mist“, murrte sie, als die Tür geschlossen war. „Wo ist meine ganze schöne schlechte Laune hin?“
***
Beim Mittagessen stocherte Huntress nur lustlos an ihrem Steak herum.
„Hallo“, sagte Kali und setzte sich mit ihrem Tablett dazu. Sie nickte Imp zu, die ebenfalls am Tisch
saß. Danach Demolisher und Shrek, der Nighthawk-Pilotin der blauen Staffel.
„Was ist los mit dir? Willst du das Steak essen oder sezieren?“
Huntress ging nicht darauf ein. Stattdessen hielt sie Kali einen Zettel hin.
Die nahm den Zettel und studierte ihn aufmerksam. „Wessen Idee war das? Klingt ja eigentlich ganz
gut. REDEMPTION- und MAJESTICS-Society. Gegen das Vergessen und für das Gedenken der
tapferen Schiffe und der Soldaten, die auf ihr fuhren.“
„Ist von Shaka. Er wollte irgendwas für Ace tun. Dann hat er gemerkt, dass da ein Bedarf besteht.
Also hat er es ausgeweitet. Mich hat er als erstes gefragt, ob ich beitreten will.“
Huntress deutete auf ihre Unterschrift unter der offiziellen Urkunde.
„Imp ziert sich noch. Wie wäre es mit dir?“
Huntress reichte Kali einen Kugelschreiber. Die nahm ihn und unterschrieb schwungvoll.
„Eintrittsberechtigt sind alle Piloten, Matrosen, und Offiziere, die auf einem der beiden Träger oder in
einem der Begleitverbände gedient haben. Also halte es den GALILEO-Leuten nicht gerade unter die
Nase.“
„Schon klar.“ Kali lächelte. „Kriegen wir Aufnäher oder Anstecknadeln?“
Huntress ging nicht darauf ein. „Der da ist auch beitrittsberechtigt.“ Sie deutete auf Ohka, der steif wie
eine Marionette am Tisch saß und mechanisch sein Essen zu sich nahm.
Kurz legte sich ein Schatten über Kalis Gesicht. Sie kämpfte sichtlich mit ihren Gefühlen und ihrer
Erinnerung. Dann stand sie auf, schwenkte den Zettel und meinte fröhlich: „Ich frag ihn mal, ja?“
Sie ging rüber zum Second Lieutenant, legte ihm den Zettel hin und stützte sich mit einer Hand auf
seiner Schulter ab. „Lies das mal, Nakakura-chan“, raunte sie ihm zu.
Imp stieß Huntress ziemlich unsanft in die Seite. „Wie, ich ziere mich?“
Ihr böses Gesicht wich einem Lächeln, als sie sah, wie sich eine leise Unterhaltung zwischen Ohka
und Kali entsponn. Beide wirkten entspannt, in das Gesicht des Japaners kehrte sogar etwas Farbe
zurück. „Übrigens, Commander, das haben Sie gut gemacht.“
Huntress grinste. „Danke, Lieutenant.“
***

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Copernikus
Der Weltraum bot eigentlich immer einen grandiosen Anblick. Die tiefschwarze Unendlichkeit,
unterbrochen durch das Schimmern von fernen Sternen, die vielleicht seit Millionen von Jahren
erloschen waren. Ein Anblick, der selten einen Menschen kalt ließ – auch wenn es sicher kein
besonders anheimelndes Gefühl war. Eher fühlte man sich klein, unbedeutend und flüchtig angesichts
dieser endlosen Ewigkeit. Manche mochten auch Neugier verspüren, den Ruf des Unbekannten.
Mochten sich hier – jenseits des irdischen Einerlei – eine neue Zukunft, eine neue Welt erhoffen,
vielleicht sogar die Erkenntnis Gottes. Für andere war das Sternenmeer ein Ozean, auf dem sie in den
Kampf fuhren.
Lieutenant Commander Diane Parker gehörte nicht zu den Menschen, die als außergewöhnlich
empfänglich für melancholische oder philosophische Anwandlungen galten. Als Offizierin der TSN,
gerade mal um die dreißig Jahre alt und mitten in der größten militärischen Auseinandersetzung seit
Menschengedenken, konnte sie sich so etwas auch nicht leisten. Aber normalerweise machte der freie
Raum auch auf sie einen gewissen Eindruck – obwohl sie als Veteranin gelten konnte und als
Jagdpilotin diesen Anblick weit öfter geboten bekam, als die meisten Angehörigen der Streitkräfte.
Aber die letzten Wochen war dergestalt gewesen, daß sie vermutlich nichts aus ihrer ausgemacht
schlechten Laune reißen konnte – unterhalb der bedingungslosen Kapitulation der Akarii. Während
ihre Maschine auf Kurs war, und sie mit einem Auge die Geräte beobachtete, machte sie in Gedanken
wieder einmal Inventur. Man hatte sie zur Außensicherung abkommandiert, und diesmal flog sie mit
Blackhawk. Die normale Aufteilung hatte sich sowieso fürs erste erledigt.
Nein, es gab wirklich wenig, was zur Freude Anlaß bot. Zwei Piloten ihrer Staffel waren in der
verzweifelten Schlacht von Jollahran gefallen. Sie hatte bereits die Briefe an die Familien abgefaßt.
Inzwischen war ihr das fast zur Routine geworden. Sie haßte sich ein wenig dafür – aber andererseits,
wenn sie sich nicht daran gewöhnen würde, wie sollte sie es überhaupt ertragen? Unter ihrem
Kommando waren auf den drei Feindfahrten der Redemption sechs Piloten ums Leben gekommen –
50 Prozent der Nominalstärke einer Staffel. Und sie wußte nur zu gut, es würden nicht die letzten sein.
Egal, wo man sie jetzt hinschicken würde – so lange Krieg herrschte, würde das Sterben weitergehen.
Die Maschinen von Perkele und Mace waren mitsamt ihrer Piloten verlorengegangen. Lilja, die sich
immer noch auf der Relentless befand und definitiv für eine ziemliche Weile nicht dienstfähig seien
würde, und Ohka hatten ihre Jäger zwar arg lädiert zurückgebracht – aber beide Kampfflieger waren
bei der Evakuierung der Redemption zurückgeblieben und zerstört worden. Virago, Katana und
Stormrider hatten aussteigen müssen – sie waren dienstfähig, aber ihre Jäger Totalverluste. Sie hatte
auf der Gallileo eine Ersatzmaschine der Typhoon-Staffel des leichten Trägers erhalten – genauso wie
Huntress. Es war besser, im Notfall so viele Maschinen wie möglich einsatzbereit zu haben. Nominell
hatte ihre Staffel also zwei Piloten und sieben Jäger verloren. Augenblicklich standen acht Piloten
unter ihrem Kommando, und sieben Kampfflieger.
Auf dem Papier eine reichliche Halbstaffel. Mit der wirklichen Einsatzbereitschaft mochte es ganz
anders aussehen. Wie die Piloten den erneuten Verlust ihrer Kameraden verkrafteten – wer mochte das
sagen? Und die Vernichtung der Redemption, der Verlust ihrer Kriegsheimat – was für Wunden hatte
der hinterlassen? Lightning wußte es nicht. Niemals war sie auf so eine Situation vorbereitet worden.
Natürlich – die Navy der Republik betrieb doch kein Vernichtungstraining! Nein, derartige Schlappen
fehlten in den Ausbildungsprogrammen. Hier mußte jeder sehen, wie er oder sie damit klarkam. Der
Teufel sollte sie doch holen!
Und ausgerechnet diese Zeit, wo es darauf angekommen wäre, alle Kräfte darauf zu konzentrieren,
wieder Tritt zu fassen – da mußte sie sich auch noch mit den eigenen Leuten herumärgern. Nun, in
gewisser Weise war dies nicht Ursache, sondern Symptom der Probleme, die es gab.
Kano saß seit einer Woche im ,Bau‘. Das Gruppenklima hatte sich dadurch gewiß nicht gebessert,
denn die meisten dachten ähnlich wie er. Natürlich, wie sollten sie auch anders? Aber daß sie, als
Staffelchefin, keine Wahl gehabt hatte, als die Strafe zu vollstrecken – inklusive reduziertem
Dienstplan für Ohka, damit er mehr Zeit zum ,Nachdenken‘ hatte – hatte beinahe das
Vertrauensverhältnis unterminiert, das zwischen ihr und ihren Untergebenen bestand. Es war soviel
Gift und Mißtrauen in der Luft, daß man froh seien konnte, daß es bisher nicht noch mehr
Zwischenfälle gegeben hatte.
Mit einem wachsamen Blick auf das Funkgerät leistete sich Lightning den Luxus, alle Plagen und
Übel zu verfluchen. Einschließlich störrischer Untergebener, feiger Flottillenchefs und ungeliebter
Geschwaderkommandeure. Das half etwas – aber nicht viel.
Sie hatte so ihre Vermutungen, sowohl was die Abwesenheit von Commander Cunningham, als auch
was die völlig untypische Disziplinlosigkeit von Second Lieutenant Nakakura betraf. Sie empfand fast
so etwas wie zynische Belustigung – auch wenn ihr schiefes Grinsen in keiner Weise erfreut war.
,Männer!‘ dachte sie: ,Der eine vergißt seine Pflicht, die verdammt nochmal auf diesem Schiff eines
schafsköpfigen Feiglings wäre – der andere zettelt eine Schlägerei an, weil sein Mädchen nichts mehr
von ihm wissen will!‘ Sie schüttelte den Kopf. Natürlich steckte bei Nakakura auch mehr dahinter, da
war sie sich sicher. Bei Cunningham – nun, bei dem war sie weit weniger bereit, mildernde Umstände
geltend zu machen. Außer der schweren Verletzung von Auson – die den Gerüchten zu Folge ja die
Geliebte des ,Alten‘ war – gab es eigentlich keinen Grund für diesen, auf der Relentless zu bleiben.
Sie konnte sich kaum vorstellen, daß er wegen der Gastfreundschaft von Captain Mithel blieb, denn
der stand in dem Ruf, kein unbedingter Bewunderer des Jagdfliegerkorps zu sein. Außerdem führte er
sein Schiff angeblich wie eine Mischung aus Mönchsseminar und Schleifstätte für Rekruten. Aber
sollte Lone Wolf doch bleiben, wo der Pfeffer wuchs! SIE brauchte ihn bestimmt nicht!
Ihre Gedanken waren ungefähr an diesem Punkt angelangt, als sich Blackhawk über Funk meldete.
Seine Maschine flog mit Aufklärungspods, während ihre an Stelle dessen die volle Kampflast
schleppte. „Einkommendes Signal bei 3 zu 10 – SOS, terranische Welle.“
Eines mußte man Lightning lassen – andernfalls hätte sie es sich genommen: Sie konnte blitzschnell
auf ,dienstlich‘ umschalten. Ein Blick sagte ihr, was sie schon vorher wußte – ihre eigenen Sensoren
zeigten nichts an. Sie war sofort hellwach: „Was ist es genau.“ Die Antwort kam – irgendwie
zögerlich: „Ein automatisches SOS-Signal. Sehr unregelmäßig, und ungewöhnliche Frequenz,
ziemlich verstümmelt – aber definitiv menschlich. Ein zivile Kennung. Entfernung 300.000.“
Lightning mußte an sich halten um nicht noch einmal nachzufragen. Sie kannte Blackhawk inzwischen
gut genug, um zu wissen, daß er so etwas nur sagte, wenn er sich sicher war. Der Funkspruch WAR
terranisch und zivil – davon konnte sie ausgehen. Oder zumindest – es war eine gute Kopie. Denn was
machte ein Erdfrachter hier draußen, mitten im Krieg? Piraten? Aber die waren meist nur dort, wo es
auch Beute gab – logischerweise. Nicht irgendwo im Nirgendwo.
Ein SOS-Signal SOLLTE eigentlich nur gesendet werden, wenn es wirklich notwendig war. Und es
SOLLTE eigentlich auch in keinem Fall zu Kriegszwecken verwendet werden. Piraten nutzen diesen
Trick manchmal – aber wohl kaum hier draußen. Das Protokoll verlangte, dem nachzugehen. Aber
wenn es eine Falle der Akarii war? Der Verband – wiewohl jetzt aus einem überbelegten Leichten
Träger, einem kampfbereiten und einem lädierten Schweren sowie einem unerprobten Leichten
Kreuzer und fünf Zerstörern bestehend – war alles andere als in Bestverfassung. Wenn das eine
Hunter-Killer-Gruppe der Akarii war, vielleicht eine Handvoll Zerstörer, zwei oder drei Kreuzer und
ein Golf – nun, das würde kein gutes Ende für die Erdenschiffe nehmen.
Aber konnte sie es ignorieren? Was, wenn da draußen Raumfahrer waren, durch einen Unfall weit
jenseits der normalen Routen verschollen, havariert, hilflos? Wenn sie sie im Stich ließe, dann waren
sie zum Tode verurteilt, wenn kein Akarii-Schiff vorbeikam. Und angesichts der Weite des Alls war
dies nicht sehr wahrscheinlich. Sie erinnerte sich sehr wohl daran, daß auf der ersten Feindfahrt –
wiewohl es nie offiziell bestätigt worden war – unter den vernichteten Frachtern auch ein
Erdenfrachter gewesen war, zerstört von den eigenen Leuten. Dutzende Matrosen, auf immer
verschollen. Wenn sie sich jetzt abwandte – machte sie da nicht einen fast ebenso schlimmen Fehler?
Sie traf ihre Entscheidung. „Hier Streife Alpha-drei. Meldung an Gallileo – haben SOS-Ruf,
terranische Herkunft, zivile Kennung. Schauen uns das mal an. Streifenführerin Ende.“ Sie kappte die
Verbindung, noch ehe ein Befehl kommen konnte – der sie etwa zurückrief. Sie traute Ward
inzwischen fast alles zu – wenn er Wind von der Sache bekam...
Der schlanke Jäger beschleunigte, jagte seinem Ziel entgegen. Lightnings Finger ruhten auf den
Auslösern der Raketen. Wenn es Piraten oder Akarii waren – nun, in DEM Fall würde sie nicht
kampflos untergehen, gleichgültig, daß niemand je davon erfahren würde.
Ihre Sensoren zeichneten ein klares Bild – doch es war nicht das, was sie erwartet hatte. Sie hatte mit
einem Altair- oder Laboe-Frachter gerechnet oder etwas in der Art. Oder mit einigen bewaffneten
Frachtern und alten Jägern – eine Piratenbande. Auch eine Akarii-Falle hatte sie für durchaus möglich
gehalten – aber DAS...
Das Schiff war eher mittelgroß – vielleicht 8.000 Tonnen. Schiffe dieser Größenordnung waren oft in
Besitz von Privatleuten, sie wickelten den Handel zwischen weniger wichtigen Welten ab. So gesehen
nichts besonderes – aber das Design, das war ein anderer Sache. Sie hatte an Bord der Redemption –
eines Schiffes, daß älter war als die Menschen, die auf ihm Dienst taten – gelebt. Während ihrer
Einsätze vor dem Krieg hatte sie die alten Schiffe der selbständigen Händler kennengelernt, und die
waren oft nicht jünger. Aber dieses Schiff hier – dieses Schiff war ALT. Solche Muster wurden seit
mindestens einhundert Jahren nicht mehr gebaut! So starrte sie völlig verblüfft auf den Frachter.
Es war kein hilfloses Wrack mit aufgerissener Flanke, steuerlos im All treibend. Das Schiff zog seine
Bahn, scheinbar auf festem Kurs – als würde immer noch eine Hand das Steuer führen. Im Weltall, wo
es so etwas wie Reibung und ähnliches nicht gab, konnte natürlich ein Körper fast unbegrenzt lange
seine Geschwindigkeit beibehalten. Vorausgesetzt, er geriet nicht in die Anziehungskraft anderer
Himmelskörper. Aber dennoch – dieses Schiff konnte noch nicht seit alle den Jahren die
eingeschlagene Richtung weiterverfolgt haben. Das war – unmöglich.
Die Positionszeichen waren gesetzt, und noch immer sendete das Schiff sein SOS. Wer wußte schon
wie viele Jahre? Keine Wunde verunstaltete den Rumpf, die Waffenstellungen – zwei leichte Laser,
ein altertümlicher Raketenwerfer – wirkten einsatzbereit, soweit sich Lightning auf ihre Sensoren
verlassen konnte. Beinah wie in Trance führte sie einen gründlicheren Scan durch. Sie holte den Bug
näher heran – unverletzt prankte dort die Aufschrift „Copernikus“. Alles sah aus wie bei einem
normalen Handelsschiff, das von einem Kolonialplaneten zum anderen flog – bis das Schiff sich leicht
zur Seite zu drehen schien. Die Shuttlerampe war offen...
Und in dem Augenblick fühlte Lightning, wie sich ihre Nackenhaare aufstellten. Sie wußte nicht, was
es gewesen war – aber da war ETWAS. Sie spürte es, ohne sagen zu können, was der Auslöser war.
So wie ein Mensch manchmal in einem dunklen Raum, in trüben Wasser spürte, daß er nicht allein
war, daß sich etwas in seiner Nähe befand. Wie unsichtbare Augen, die sie aus dem Dunkel des
Hangars anstarrten...
Erst jetzt registrierte sie, wie nah sie dem Schiff war – und widerstand nur mühsam dem Drang, ihren
Jäger sofort zu wenden. Sie mußte ein, zweimal schlucken, um ihrer Stimme einen sicheren Klang zu
geben: „Registrieren Sie etwas, Lieutenant?“ Blackhawks Stimme klang eigenartig gepreßt: „Negativ.
Der SOS-Ruf ist zu verstümmelt, und ich erhalte keine Antwort. Man könnte – Raumanzug
vorausgesetzt – durchaus an Bord gehen. Oder ein Shuttle der Marines anfordern.“ Lightning
konzentrierte sich auf seine Worte. Es hörte sich so an, als würde er dies ebenso gerne tun, oder eine
Inspektion durchführen lassen, wie einen Sturmangriff auf die Zentralwelt der Akarii mit einem
leichten Hilfskreuzer zu kommandieren. Offenbar fühlte er das auch. Ihre eigene Stimme hörte sich
unsicher an: "Ich denke nicht, daß das notwendig ist. Das Schiff treibt hier seit mindestens 50 Jahren.
Dort... ist nichts mehr...“ Sie wußte, irgendwo in ihren Worten war ein Fragezeichen – und die
Hoffnung, die Wahrheit zu sagen. Mit einmal klangen ihre Worte sehr bestimmt: „Wir kehren um.
Hier ist nichts, als ein totes Wrack!“ „Jawohl!“
Zwei Stunden darauf
Darkness hatte ihren Bericht mit einem Achselzucken registriert. Vor allem, weil sie ihm nicht alles
erzählt hatte. Im Weltall – wo ein Schiff so leicht ausgelöscht werden konnte, wie eine Kerzenflamme
im Wind – konnte es ebenso passieren, daß manche Dinge erhalten bleiben, weit länger als ein
Menschenleben. Der Geschwaderchef hatte genug Probleme, um sich auch noch darum zu kümmern.
Und wenn er den Eindruck hatte, daß Lightning unsicher war – vermutlich dachte er, sie hätte Angst,
man würde es ihr zum Vorwurf machen, sie hätte einem Phantom nachgejagt und ihre Pflicht
vernachlässigt. Also hatte er es dabei belassen. Lightning war keineswegs bereit, auch nur sich selber
über ihre Angst Auskunft zu geben, ihr Gefühl zu benennen. Für ein paar Sekunden – auch wenn sie es
sich nie eingestanden hätte – war sie wieder ein Kind gewesen, für das im Dunkel Geister und
Schemen lauerten, Dinge, die weder Gesicht noch Namen hatten.
Vor dem Quartier des Geschwaderchefs wartete Blackhawk auf sie. Dem Schwarzen war nichts
anzumerken. Schweigend ging er neben der Staffelchefin. Als er aber das Wort ergriff, wäre ihr
schnell lieber gewesen, er hätte geschwiegen: „Ich habe im Schiffscomputer nachgeschaut. Das Schiff
war ein Merkur-IV, ein Handelschiff von 7.500 Tonnen, 48 Mann Besatzung. Die letzten Schiffe
dieser Klasse wurden 2528 produziert. Es gab nur ein Schiff dieses Typs, das den Namen Copernikus
führte. Es verschwand 2531 – über 200 Lichtjahre von hier entfernt.“ Lightning starrte ihn an:
„Wissen Sie, was Sie sagen? Selbst, wenn es zum Zeitpunkt des Verschwindens
Höchstgeschwindigkeit geflogen wäre – es kann in der Zeit niemals so weit gekommen sein.“ Der
ältere Soldat nickte: „Vielleicht wurde es damals gekapert und von Piraten oder Schmugglern
weiterverwendet. Später ging es dann verloren – an ganz anderer Position. Und so sind wir darauf
gestoßen.“ Lightning nickte: „Natürlich. Nun, das wäre ja geklärt.“ Sie bemerkte seinen Seitenblick.
Piraten oder Schmuggler gaben ihren Schiffen oft andere Namen, anstatt die alten weiterzuverwenden
– aus logischen wie aus psychologischen Gründen. Und sie spürte – er hatte es auch gefühlt. Als wäre
da immer noch etwas auf dem Schiff, nach alle den Jahren. Vielleicht schlafend – aber in jedem Fall
wartend...
Aber als sie am Abend vor dem Einschlafen noch einmal darüber nachdachte, schalt sie sich selbst
eine Närrin. Fehlte noch, daß sie begann an Geisterschiffe und dergleichen zu glauben! Nein, dafür
gab es eine ganz normale Erklärung – und ihre überreizten Sinne hatten ihr einen Streich gespielt.
Kein Wunder bei dem Streß! Ohka war schon ausgerastet – offenbar stand sie auch dicht davor! Nein,
sie würde sich nicht verrückt machen! Und damit verbannte sie die Copernikus aus ihren Gedanken.
„SOS...schiff...ikus...wurde...te..lfe...or...brauchen...lichst...sicht...“
...
************************************
Brawler sass über den Unterlagen, die eigentlich zum Skipper gemußt hätten. Langsam erahnte er,
welchen Papierkrieg die Heavies, der CO und der XO zu bewältigen hatten. Er verstand nun auch erst
recht, wieso man Martell und Thunder immer wieder über die Bürokratie schimpfen hörte. Brawler
wunderte sich nur, wieso es kein Formular gab, dass man beim Gang auf das WC ausfüllen musste,
dass hätte irgendwie noch dazu gepasst.
Wenigstens lenkte der Papierkram die Leute vom Geschehen auf dem Schiff ab. Schon mehrfach war
es zu Schlägereien gekommen und insbesondere Enigma zeigte manchmal beunruhigende Tendenzen
in dieser Hinsicht. Brawler musste aber auch anerkennen, dass der Posten als Staffelkapitän eben nicht
immer nur aus Privilegien bestand. Innerlich schwor er sich, von seinem Traum, ebenfalls eine solche
Position zu erreichen, Abstand zu nehmen, aber andererseits wusste er, dass er sich nicht selbst
verleugnen konnte. Achselzuckend machte er sich wieder an die Arbeit. Da klopfte es an seine
Kabinentür.
„Ja, herein.“ Brawler warf die Unterlagen schnell auf sein Bett und deckte die Decke drüber. Als
Snake Bite eintrat, atmete er auf.
„Was gibt’s?“
„Wollte mal fragen, was der Papierkram macht.“
„Ätzend. Langsam versteh ich, wieso sich Murphy immer hinter seinem Schreibtisch verschanzt hält.“
„Stimmt. Aber ich bin endlich fertig. Die Wartungsprotokolle sind echt ne Zumutung. Ohne den
AdminChief würde ich da morgen noch dransitzen.“
„Schau dir erst mal das ganze Personalzeugs an. Man vergisst ja immer, dass man nicht nur die paar
Piloten hat, sondern auch den ganzen Anhang.“ Tüncay deutete vielsagend auf den Stapel auf seinem
Bett.
„Wie lange brauchst du denn?“
„Hm, drei oder vier Stunden, denke ich.“
„Und wenn ich dir helfe?“
„Dann weniger, wieso?“
„Wir wollten heute abend in der Kabine von Hatchet ne Pokerpartie veranstalten. Alle wollten
kommen – bis auf den Skipper natürlich – und deswegen wollen wir dafür sorgen, dass du auch dabei
bist.“
Tüncay antwortete nicht sofort, sondern schob Snake-Bite einen Stapel Akten hinüber.
„Dann los. Etwas Entspannung wäre genau das richtige jetzt.“
Zwei Stunden später war die Arbeit getan und die beiden gingen zur Kabine von Hatchet. Die anderen
gesunden Mitglieder der Staffel saßen schon auf den Betten und diskutierten eifrig darüber, welche
Variante man denn spielen sollte. Als es sich alle bequem gemacht hatten, holte Enigma ein
Kartenspiel vor und die Partie begann. Gladius hatte noch irgendwo zwei Flaschen Bourbon
organisiert und so nahm das Treiben seinen Lauf. Es wurde viel gelacht und zum Schluss hatten alle
einen leichten Schwips. Tüncay wurde mehr und mehr bewusst, wie gut Snake-Bite aussah, wenn sie
lächelte. Dann lächelte sie auf einmal ihn an und ihm war, als wenn man ihm einen schweren
Schraubenschlüssel auf den Schädel geschlagen hätte. Den Rest des Abends versuchte er sich
vergeblich auf seine Karten zu konzentrieren und so kam es, dass ihm ein nicht unerheblicher Teil des
Monatssoldes fehlte, als man zum Ende kam. Vor allem Hatchet grinste zufrieden, er hatte am meisten
von seinem „Pech“ profitiert. Langsam löste sich die Gesellschaft auf. Brawler stand auf und wollte
grad die Kabine verlassen, als ihn Snake Bite anrempelte. Zum ersten Mal nahm er den Geruch seiner
Kameradin wirklich war und ihm wurde erneut etwas schwindelig. Dann hatte er sich wieder unter
Kontrolle.
„Alles in Ordnung, Brawler?“
„Ähm...ja, wieso?“
Tüncay rannte förmlich zu seiner Kabine, gefolgt von seinem Stubenkameraden Gladius, der sich
Sorgen um seinen Freund machte. Nachdem Brawler die Tür geschlossen hatte, fragte Gladius: „Alles
ok bei dir?“
„Ähm ja.“
„Sicher?“
„Jaaa, verdammt.“
Gladius war immer noch nicht überzeugt, verzichtete aber auf weitere Nachfragen.
Währenddessen stand Murphy an einem der Blickfenster auf der Krankenstation und sah Thunder, die
im Bett lag an. Valeria hatte sich gut erholt und lächelte ihm schon wieder zu. Aber die Ärzte ließen
ihn noch nicht in ihr Zimmer aus Angst vor Infektionen. Murphy selbst litt unter den Medikamenten,
die er erhalten hatte. Er merkte förmlich, wie diese mehr und mehr Besitz von ihm ergriffen. Hamlin
hatte ihm geraten, die Packung aufzubrauchen und danach zu ihm zu kommen. Aber Murphy war sich
unsicher, ob das wirklich eine so gute Idee war. Immerhin waren seine Schwindelgefühle
verschwunden. Die letzte Untersuchung hatte auch gezeigt, dass sein Kopf auf dem Weg der
Besserung war. Den zerbrach er sich nun über seinen nächsten Posten. Keineswegs wollte er zum
Schreibtischtäter werden, womit er aber auch nicht wirklich rechnete, wenn man so hörte, dass man
nun alles an die Front warf. Aber auch ein Ausbilderposten würde ihn nicht wirklich befriedigen. Es
war durchaus denkbar, dass man erfahrene Leute aus dem Frontdienst abzog, um diese Erfahrung
weiterzuvermitteln. Martell hoffte, nicht auf seine Kontakte zurückgreifen zu müssen, um eine solche
Versetzung zu verhindern. Sein Platz war an der Front, nicht in der Etappe.
Beim Stichwort Etappe wurde ihm bewusst, dass er seinen Aufenthalt auf Terra noch überhaupt nicht
geplant hatte. Gut, er wollte nach Wien zu jenem Bekannten von Schönberg. Aber das würde ja nicht
den kompletten Aufenthalt dauern. Familie wartete keine. Freunde hatte er außerhalb des Militärs auch
kaum. Und die waren fast alle auf Schiffen stationiert, die nun im Krieg waren. Bei einigen wusste
Murphy, dass sie gefallen waren oder als vermisst gemeldet waren. Der Krieg dauerte nun schon
einige Zeit und soweit Murphy es mitbekam, lief es nicht besonders gut für die Terraner. Er winkte
Valeria ein letztes Mal zu und verlies dann die Krankenstation.
Midori Yamashita wusste hingegen schon, was nun mit ihr passieren würde. Sie hatte von ihrem
Kommandeur bei der Flottenleitung erfahren, dass man sie ins JAG Hauptquartier versetzen würde.
Möglicherweise sogar verbunden mit einer Beförderung. Insgeheim war sie erleichtert, endlich von
der Front wegzukommen. Sie merkte, wie der Stress an Bord bedingt durch die Feindesnähe und die
Enge ihr zu schaffen machte. Hinzu kam, dass sie Commander Cunningham aus dem Weg gehen
wollte. Sie wusste, dass er ihr als Mitglied der kämpfenden Truppe immer noch einiges an Einfluss bei
den wirklich hohen Tieren voraus hatte. Da half die Deckung durch die eigenen Vorgesetzen nur
beschränkt etwas. Gerade die sozialen Kontakte litten doch sehr, auch wenn sie sich mit einigen
wenigen wie Schönberg oder Murphy noch gut verstand. Der Verlust ihres teuren Chellos – sie hatte
es auf der Red zurücklassen müssen - machte die Sache auch nicht einfacher. Aber auch sie wusste
nicht, was sie auf Terra erwartete. Der Verlust ihres Mannes, den sie die ganze Zeit verdrängt hatte,
kam nun mit einem Schlag zurück ins Bewusstsein und sie wusste nicht, wie sie damit umgehen sollte.
Dazu kam noch, dass sie nicht wusste, was aus ihrer Beziehung zu Trippel E werden würde. Sie warf
einen langen Blick auf die zwei Bilder, die sie mitgenommen hatte von der Redemption. Dann
beschloss sie, die Arbeit ruhen zu lassen und legte sich schlafen.
***************************************
Neuanfang mit Hindernissen
Die Ärztin mußte an sich halten, um nicht laut zu seufzen. Irgendwie war es immer das gleiche!
Während ein Gutteil der Verletzten eindeutig froh war, genug Zeit zu haben, sich zu erholen, gab es
immer zwei Kategorien von Patienten, die für Probleme sorgten.
Einmal die, die ihren Aufenthalt im Krankenhaus aus welchen Gründen auch immer am liebsten auf
die gesamte Kriegsdauer oder Dienstzeit ausgedehnt hätten – und jene, denen es gar nicht schnell
genug gehen konnte. Und bei beiden Gruppen mußte man als Angehöriger des ärztlichen Personals
sehr genau abwägen, ob man nicht jemanden zu lange vom aktiven Dienst fernhielt – was Ärger mit
den Offizieren geben konnte – oder ob man jemanden nicht zu früh in den Einsatz zurückschickte.
Denn in DEM Fall hatte man ebenfalls Ärger am Hals, falls etwas schief ging. Da konnte man
zehnmal betonen, es sei Druck gemacht worden – dann galt wieder „Sie als Arzt sind ja in der
Hinsicht nicht weisungsgebunden!“ Als ob das etwas half, wenn ein Commander sich in den Kopf
setzte, diesen oder jene wieder an die Front zu schicken oder er Ersatz für seine Einheit brauchte...
In diesem Fall kam der Druck freilich „von unten“, genauer gesagt von der Patientin selber. Einige
Leute waren offenbar ganz versessen darauf, möglichst bald wieder die Chance zu haben, andere
umzubringen. First Lieutenant Pawlitschenko war in der Hinsicht wohl nicht die Schlimmste – aber
verdammt hartnäckig und uneinsichtig. Doktor Argyris wußte, die Pilotin hatte sich sogar nach den
Möglichkeiten für einen Antrag auf Versetzung in eine andere Einheit erkundigt – egal welche,
Hauptsache eine Fronteinheit – um einem längeren Aufenthalt in der Etappe zu entgehen. Vor allem,
seit es Gerüchte gab, man würde die Leute auf die Erde schicken, zur Neuformierung und Erholung.
Diese Haltung kam wohl nicht daher, daß sie keinen Wert auf ihre Familie gelegt hätte. Die Akte der
Patientin, auf die die Ärztin ja Zugriff hatte, zeichnete in der Hinsicht ein eindeutiges Bild, ebenso wie
der Umstand, daß sie regelmäßig Briefe „auf Vorrat“ schrieb. Aber Pawlitschenko schien beinahe
panische Angst davor zu haben, den nächsten Großangriff der Akarii in der Etappe zu verpassen. Ob
das nun daran lag, daß sie nach weiteren Abschüssen und Auszeichnungen gierte, eine Rechnung mit
den Echsen offen hatte oder ein penetrant ausgeprägtes übersteigertes Pflichtgefühl besaß, oder alles
zusammen – seit sie auch nur halbwegs auf den Beinen war, machte sie Druck.
Also durfte die Ärztin auch heute den Anblick der jungen Pilotin „genießen“, die mit störrischer
Miene vor ihr stand und ihr erläuterte, warum sie wieder voll einsatzbereit war, oder zumindest in
Kürze sein werde. „Ich sage Ihnen, Lieutenant, Sie sind noch lange nicht so weit! Es ist noch nicht
einmal anderthalb Monate her, daß wir mit Ihrer Behandlung begonnen haben. Sie können von Ihrem
Körper nicht zuviel erwarten! Ja, die Verbrennungen sind abgeheilt und die Rippen
zusammengewachsen – aber die Verletzung Ihrer Lunge erfordert Rücksichtnahme. Sie brauchen
mindestens noch zwei Wochen, um auch nur eingeschränkt diensttauglich zu sein.“ Es war das, was
sie immer gesagt hatte – aber die Antwort zeichnete sich auch nicht eben durch Originalität aus: „Ich
weiß, daß Sie sich berechtigte Sorgen um meine Gesundheit machen. Aber ich bin wirklich wieder
voll und ganz hergestellt. Außerdem diene ich bei den Jägern, nicht bei den Marines, und deshalb
kommt es nicht darauf an, ob ich die 10.000 Meter in der vorgeschriebenen Zeit laufen kann, oder
nicht! Sondern, inwieweit ich einen Jäger führen kann. Und dazu bin ich bereit! Je länger ich raus bin,
desto mehr verliere ich an Sicherheit. Ich bin VOLL einsatzfähig, im Rahmen der Gefechtsparameter.“
Der trotzige Blick und die Uneinsichtigkeit hätten vermutlich einem Maulesel zu Ehren gereicht. Aber
Argyris war – trotzdem sie noch nicht so alt war – erfahren genug, um sich davon nicht über Gebühr
beeindrucken zu lassen. „Sie können noch nicht einmal Ihr alltägliches Trainingsprogramm voll
absolvieren, First Lieutenant.“ meinte sie ruhig.
Lilja errötete vor Scham, aber auch vor Wut. Warum mußte die Ärztin auch davon erfahren! Ja, es
stimmte, daß sie bei einer Trainingsrunde in der Sporthalle – sie hatte ihr Fitnessprogramm in
reduziertem Rahmen wieder aufgenommen, sobald sie wieder hatte gehen können und die Schmerzen
nachgelassen hatten – zusammengebrochen war? Sie hatte ihrer Lunge ebenso wie ihrem gesamten
Körper zuviel zugemutet, und das hatte sich prompt gerächt. Sie wußte nur zu gut, daß die Schuld bei
ihr selber lag, sie hatte eben zuviel zu schnell erzwingen wollen. Aber daß der Einwand der Ärztin
berechtigt war, machte es nicht leichter. Deshalb schnappte sie wütend: „Spionieren Sie mir nach? Da
gibt es ja wohl Wichtigeres! Ich hatte eben einfach einen schlechten Tag.“ Eine glatte Lüge, aber
darauf kam es Lilja nicht an. Die Stimme von Sophie Argyris klang leicht gereizt, auch ihre Langmut
hatte Grenzen: „Sie wissen sehr wohl, daß dies keine einfache Kreislaufschwäche war! Ich bin gerne
bereit, Ihnen soweit es geht entgegenzukommen, aber wenn Sie sich selbst gefährden, kann ich auch
dafür sorgen, daß man Ihre Trainingsmöglichkeiten auf ärztlich kontrollierte Übungen beschränkt und
nicht Ihnen ein Programm vorschlägt, die Einzelheiten aber freistellt! Wir sollen Sie gesund machen,
nicht dabei stehen und zusehen, wie Sie Ihre Gesundheit schon wieder ruinieren.“ Die Pilotin senkte
den Kopf. Weniger aus ehrlich empfundenem schlechten Gewissen, als vielmehr, weil sie wußte, daß
sie verloren hatte. Sie zwang sich dazu, die Ärztin gerade anzuschauen: „Nein. Ich verspreche Ihnen,
ich passe auf.“
Argyris war nur teilweise zufrieden – solche Einsicht pflegte nur von begrenzter Dauer zu sein – aber
sie wußte, auch ein gewisses Nachgeben war besser als ein fruchtloser Streit. Also meinte sie – in
freundlichem Tonfall: „Ich denke, man wird Sie bald wieder in den Einsatz schicken. Gerade jetzt
wird man erfahrene Piloten nicht zu lange im Hinterland lassen. Aber verstehen Sie – Ihre Kameraden
und Sie sind einfach zu wertvoll, um Sie zu verheizen. Piloten und Soldaten, die nicht voll
einsatzfähig sind, riskieren, ohne Nutzen zu fallen. Und sie sind auf Grund ihrer eingeschränkten
Gefechtsbereitschaft auch ein Risiko für ihre Kameraden. Liljas Stimme war eine Mischung aus
Zerknirschung, Resignation und unterdrücktem Trotz: „Ja, ich weiß.“ Sie holte tief Luft: „Darf ich
gehen?“ Die Ärztin nickte nur – vermutlich würde sich das Schauspiel in einer Woche spätestens
wiederholen. Halb im Scherz fügte sie hinzu: „Keine Angst, in ein paar Wochen können Sie wieder
Akarii umbringen.“ Die Russin quittierte diese Worte mit einem ebenso strahlenden wie boshaften
Lächeln – das vieles bedeuten konnte
Lilja nahm ihre Krücken, die an der Wand lehnten, und verließ den Behandlungsraum. Wenigstens
mußte sie sich nicht mehr im Bett liegend untersuchen lassen wie ein Krüppel! Sie haßte die Krücken,
die man ihr verpaßt hatte, um sie zu schonen – ein Sturz oder Überanstrengung konnten ihren Rippen
und ihrer Lunge immer noch schaden. Aber immer noch besser so, als völlig ans Bett gefesselt zu sein
wie in den ersten Wochen! Inzwischen konnte sie lesen, Sport treiben – unter diskreter Beobachtung
vermutlich – und sich zumindest eingeschränkt auf dem Schiff bewegen. Nun, ehrlich gesagt haßte sie
alles, was sie an ihre Verletzung erinnerte. Sie kam sich so verdammt nutzlos vor!
Sie hatte die Gelegenheit genutzt, um ihre Studien wieder aufzunehmen – ansonsten wäre sie
vermutlich vor Ungeduld die Wände hochgegangen. Zumindest gegen Lektüre und Lehrfilme auf einer
Sichtbrille – die modernere Ein-Mann-Version der typischen Filmwiedergabeeinheit – hatte man
nichts einzuwenden, so lange sie es nicht übertrieb. Mit einem Anflug galligen Humor dachte sie
daran, daß sie den Akarii fast dankbar seien konnte, so ihre Bildungslücken schließen zu können.
Bemühte Fröhlichkeit und naßforsches Auftrumpfen auch sich selbst gegenüber war schon immer ein
Mittel gewesen, Rückschläge zu verdauen. Lilja hatte darin einiges an Übung, selbst, wenn sie sich
damit selbst belog.
Es war natürlich nicht die Chance auf einen Heimaturlaub an sich, der ihr zu schaffen machte.
Objektiv betrachtet war dies absolut notwendig. Nicht nur, was ihre Person betraf. Nach allem, was sie
gehört hatte, war nicht nur die Redemption vernichtet worden – auch die Staffeln waren schwer
angeschlagen und brauchten Zeit, sich neu zu formieren. Und wenn man das Geschwader als solches
erhalten wollte, brauchte es eine kleine Ruhepause – und ein neues Schiff.
Aber sie hatte ein schlechtes Gewissen bei dem Gedanken, die nächste Angriffswelle der Akarii zu
verpassen. Die vermutlich bald anlaufen würde. Vor allem, da daß Versagen der Redemption und der
beiden leichten Träger für diese nächsten Welle direkt verantwortlich war. Natürlich hatte sie ihr
Bestes gegeben – wie die meisten anderen auch. Sah man mal von Ward ab und seiner Bande von
Feiglingen, die gekniffen hatten.
Aber dieses Beste war eben nicht gut genug gewesen. Und da sollte sie in der Etappe sitzen, während
andere ihren Fehler ausbügelten, dabei wohl auch ihr Leben ließen? Außerdem war Liljas
Geschwadergeist sowieso nicht sehr stark entwickelt. Sie hatte hauptsächlich Loyalitäten gegenüber
Personen – nicht von Einheiten. Zumindest, seit ihre erste Staffel vernichtet worden war. Sie hatte
seitdem in etlichen Alarmeinheiten gedient, und wäre auch jetzt dazu bereit gewesen, wenn es ihr eine
Möglichkeit gegeben hätte, wieder an die Front zu gehen.
Tja, sah nicht so aus, als ob sie die Möglichkeit hätte. Sie spürte deutlich den Stich des schlechten
Gewissens, als ihr klar wurde, daß sie sich auch darauf freute, ihre Angehörigen wiederzusehen, ihre
Freunde, ihre Heimat. Sie hatte seit gut einem halben Jahr nicht mehr persönlich mit ihnen sprechen
können – im Krieg eine lange Zeit. Nicht mehr, seitdem sie aus der Reserve wieder in die
Fronteinheiten versetzt worden war. Und zu der Zeit war sie keine gute Gesprächspartnerin gewesen.
Wütend, verletzt, mit sich selber unzufrieden – bezeihungsweise ziemlich euphorisch, als sie erfuhr,
daß man sie wieder angefordert hatte.
Also hieß es, sich in Geduld zu üben. Etwas, das Lilja immer schwer gefallen war. Nun, irgendwie
würde sie die Zeit schon nutzen. Sie hatte auch hier, an Bord der Relentless, einen Spendenaufruf
gestartet. Sie war damit – insgeheim auf ihren Status als Verletzte, als ,Heldin‘ und als Veteranin
zählend – bis zum Kapitän gegangen. Captain Mithel – ein nicht mehr junger Offizier mit erstklassiger
Haltung und einem ganzen Satz Auszeichnungen – hatte ihr schweigend und eiskalt zugehört. Dann
hatte er nur knapp genickt und ihr die Erlaubnis erteilt. Er selber hatte zu den ersten und wohl auch
großzügigsten Spendern gehört. Vielleicht hatte er das Gefühl, etwas gutmachen zu müssen. Ähnliches
galt wohl auch für seine Offiziere und Untergebenen – oder sie hörten auf ihren Kapitän. Überhaupt
behandelte man Lilja und die anderen Verletzten von der Redemption mit geradezu fürsorglicher
Umsicht, noch jenseits dessen, was selbstverständlich war. Und wenn es bittere Töne gab, vor allem
gegen Captain Ward und die Gallileo, dann schienen an Bord viele eher zuzustimmen, oder zumindest
wegzuhören. Das war Balsam für die Wunden der Besatzungsmitglieder der Redemption.
Lilja selber hatte den Tod des Trägers relativ gut verkraftet. Es war nicht das erste Mal, daß sie einen
solchen Verlust erlitt. Das Schiff war Heimat gewesen, gewiß – aber die echte Heimat war noch da,
und um ihr zu dienen durfte man nicht zu sehr an einem stählernen Rumpf hängen, der als
zerschmolzenes Wrack durch das All trieb. Wichtig war nur eines – weiterzukämpfen, und Rache zu
nehmen. Und die Liste dessen, was vergolten werden mußte, war lang.
************************************
Lucas betrat das Büro der Bordärztin der Relentless. Er verschränkte die Hände hinter dem Rücken,
damit dem Arzt das Zittern der linken Hand nicht auffiel.
"Doktor."
"Ah, Commander, setzen Sie sich bitte." Die Ärztin deutete auf einen der beiden Besucherstühle.
Lucas setzte sich und legte die Hände in den Schoß und sorgte dafür, dass seine rechte Hand die linke
bedeckte.
Sie lächelte ihn an: "Und wie geht es uns denn heute? Ist das Zittern in der linken Hand besser
geworden?"
Lucas zuckte zusammen: "Etwas ... ich wollte eigentlich mit Ihnen über meine Diensttauglichkeit
sprechen, Sie haben die letzten beiden Wochen alle möglichen Test an mir vorgenommen, literweise
Blut abgenommen, Urinproben, Proben von Erbrochenem und sonst was, die Tabletten die sie mir
gegeben haben sind zum einen nur schwer runterzuwürgen und zum anderen haben sie auch ganz nette
Nebenwirkungen."
Die Ärztin faltete die Hände auf dem Schreibtisch: "Nun Commander, wir haben keinerlei körperliche
Gebrechen gefunden, die dazu führen, dass Sie ständig Ihr Essen wieder erbrechen ..."
"Ach, soll ich mein Leben lang diese verfluchten Tabletten schlucken, damit ich nicht regelmäßig
meine Mahlzeiten wieder auskotze?"
"Sir, ich kann Ihre Frustration verstehen, aber aus Medizinischer Sicht kann ich Ihnen nur diese
Tabletten geben, bis sie eben die Mahlzeiten wieder bei sich behalten können. Allerdings haben wir
herausgefunden, wie das Zittern Ihrer linken Hand zustande kommt. Es ist eine der Nebenwirkungen
auf die Tabletten, die sie vorhin angesprochen haben."
Zu ihrem Erstaunen, folgte dieser Eröffnung kein Wutanfall.
"Was Ihre Diensttauglichkeit angeht, so werde ich Sie an den psychotherapeutischen Dienst
überweisen und Sie für den leichten Dienst wieder zulassen, aber bis auf Weiteres erteile ich Ihnen
Flugverbot. Wie es dann weitergeht, entscheiden die Psychologen in Perseus.
Sie sah wie der Commander eine giftige Erwiderung im wahrsten Sinne des Wortes herunterschluckte,
er wollte also noch was von Ihr.
"In Ordnung, Doc, dann habe ich noch eine andere Frage: Wie geht es Commander Auson?"
Doktor Argyris hatte schon mehrfach gehört, dass der Commander mehrfach das Personal über den
Zustand von Melissa Auson versucht hatte auszuquetschen.
"Darf ich Fragen, woher das gesteigerte Interesse für Commander Auson?"
"Und warum nicht für die Piloten die unter meinem Kommando standen, wollten Sie fragen ..." Lucas
anklagender Blick misslang völlig.
"DAS haben Sie gesagt. Und immerhin wollen Sie vertrauliche Informationen von mir, da Sie nicht so
aussehen, als ob Sie sich mit einem, 'sie befindet sich auf dem Weg der Besserung' zufrieden geben
würden."
Lucas nickte: "Mel und ich wir sind ... befreundet."
Argyris wusste, dass sie nichts weiteres von dem Commander erfahren würde, was noch näher an 'Wir
sind ein Paar' rankommen würde: "Nun, leider ist ihr Zustand immer noch kritisch. Starker Blutverlust,
Schock und eine Entündung im Armstumpf. Die Chancen stehen zwar dafür, dass sie es überleben
wird, aber die Medizin hat mich gelehrt in solchen Fällen nicht allzu viel Optimismus an den Tag zu
legen. Es gibt zu viele Berichte von Leuten, die - wie gerade in Amputationsfällen - schon auf dem
Weg der Besserung waren und es dann doch nicht geschafft haben."
Lucas nickte: "Ich danke Ihnen für die Auskünfte." Langsam erhob er sich.
Herrgott Mel, ich will Dich nicht verlieren.
"Ich werde mit Commodore Clarke und Captain Mithel reden um schnellst möglich auf die Galileo
verlegt zu werden."
Argyris hielt ihm die Hand entgegen: "Alles gute Commander, wir werden für Commander Auson
unser Möglichstes tun"
***

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Clan Blood Spirit

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Wenn die KAZE nach PERSEUS zurückkam, war dies immer ein großes Ereignis.
Sie war etwas ganz besonderes. Ganz besonders alt.
Die Fregatte war das letzte im Dienst stehende Schiff der MIDWAY-Klasse. Warum es noch nicht
außer Dienst gestellt und die Besatzung auf andere Schiffe verteilt worden war, wusste wohl allein der
Kommandant der Dritten Flotte.
Fakt war aber, dass die Offiziere der Terran Space Navy, so sie denn überhaupt von der KAZE
wussten, den Kahn benutzten, um ihrer Crew zu drohen, oder Unverfrorene gleich auf den
Seelenverkäufer abzuschieben.
Es war ja nicht nur, dass die Fregatte eigentlich längst verschrottet gehörte. Die Crew war mindestens
ebenso desolat.
Ein Sammelsurium an Rebellen, Querdenkern und Strafversetzten.
Und der Schlimmste von ihnen war der Kommandant, Commander Justus Schneider.
Gemäß ihres Konzepts des Schnellen, bewaffneten Erkunders wurde die KAZE auf Einzelmissionen
geschickt. Aufspüren und vernichten von feindlichen Frachtschiffen, Überwachung der Handels- und
Marschrouten sowie Überwachung von Akarii-Stützpunkten.
Man konnte sagen, jede Fahrt der KAZE war ein besseres Himmelfahrtskommando.
Das sie seit Ausbruch des Krieges aber immer wieder nach Hause gefunden hatte, ließ mittlerweile auf
PERSEUS das Gerücht kursieren, der Skipper der KAZE sei feige und ginge jedem Kampf aus dem
Weg. Mit einer überragenden Beschleunigung und einer starken Primärbewaffnung ausgestattet litten
die Fregatten der MIDWAY-Klasse seit jeher aber unter mangelnder Manövrierfähigkeit und einer
ausreichenden Sekundärbewaffnung, die ein Schiff wie die KAZE einfach dazu zwang, vielen
Kämpfen aus dem Weg zu gehen, wenn sie überleben wollte.
Auf PERSEUS galt diese schlichte Erkenntnis aber wenig.
Würde das Schiff nicht ab und an einen Akarii-Frachter als Prise mitbringen oder die neuesten
Tonnagevernichtungen melden, hätte dies schon längst ein Kriegsgerichtsverfahren nach sich gezogen.
So aber brillierten Schneider und seine Mannschaft nicht gerade, erfüllten jedoch die Aufträge. Selten
mehr.
***
Haruka Ishihiro trug wie immer beim Übersetzen nach PERSEUS seine Ausgehuniform. Einige Orden
klebten auf seiner Brust. Unter ihnen der Silberne Löwe, seine älteste Auszeichnung. Die hatte er
bekommen, lange bevor er degradiert und auf die KAZE versetzt worden war.
Der First Lieutenant war der Waffenoffizier an Bord und gebot über eine zehnköpfige Crew Gunner,
die aus der gesamten Flotte zusammengestoppelt worden war.
Raufbolde, Hitzköpfe und Besserwisser, ja, aber keine schlechten Matrosen.
Beinahe hätte Haruka stolz auf diese Männer und Frauen sein können. Wäre damit nicht sein Dienst an
Bord der KAZE verbunden gewesen.
Die KAZE, oder auch KAMIKAZE, wie man sie auf PERSEUS manchmal spöttisch nannte, war seine
einzige Chance, seine Karriere zu retten.
Sich mit einem Admiral anzulegen war schon immer eine schlechte Idee gewesen. Nach dieser Sache
noch eine Karriere zu haben eigentlich ein Ding der Unmöglichkeit,
Und in dieser Unmöglichkeit lebte Haruka nun. Zwei Jahre, so lautete der Deal. Zwei Jahre auf der
KAZE bleiben und allerbeste Arbeit leisten.
Wenn er es schaffte und der Kahn ihm nicht von selbst um die Ohren flog, dann stand ihm die
Einsetzung in seinen alten Rang bevor, den er nur läppische achtundvierzig Stunden inne gehabt hatte.
Außerdem die Versetzung auf einen Träger. Auf ein richtiges Schiff, nicht auf ein fliegendes Wrack
wie die Fregatte der MIDWAY-Klasse.
Haruka straffte sich, als die Fähre auf PERSEUS zuhielt. Der Halbamerikaner legte Wert auf ein
blendendes, überkorrektes Aussehen und Auftreten. Wenn er schon nicht auf einem Eliteraumschiff
dienen durfte, so wollte er zumindest keinen äußerlichen Grund bieten, der seine Versetzung auf die
KAZE nachträglich rechtfertigte.
Elf Monate. Elf Monate lagen noch vor ihm. Und bisher war die KAZE weder explodiert noch
irreparabel beschädigt gewesen, was ihm jede Möglichkeit genommen hätte, sich zu rehabilitieren.
Was ihn auf einen Schreibtischposten verbannt hätte. Über die Hälfte seiner Zeit in seiner persönlichen
Hölle hatte er geschafft. Hoffentlich hielt die Rostschüssel noch lange genug durch.
Und dann… Dann lag seine Zukunft wieder vor ihm. XO, Perisher-Kurs, der Captainsrang,
möglicherweise ein eigener Verband…
Als er bemerkte, dass er unbewusst lächelte, setzte Haruka wieder seine starre Miene auf.
Lt.Commander Soleil sah ihn an und schmunzelte. „Sie können ja doch lächeln, Lieutenant Ishihiro.“
Haruka fühlte, wie sich seine Wangen röteten. „Ich… Äh…!“
Der XO der KAZE winkte ab. „Sie brauchen sich nicht zu rechtfertigen, Ishihiro. Ich freue mich halt,
bei Ihnen mehr entdeckt zu haben als das steife Getue, dass Sie auf der Brücke immer darstellen. Wir
stecken alle in der gleichen Bredouille, und wir freuen uns alle, wenn wir mal wieder eine Fahrt mit
der KAZE überlebt haben. Da sind wir alle gleich.“
Haruka zog die Augenbrauen hoch. Amber Soleil war eine wunderbare Frau und Vorgesetzte. Sie
verfolgte die Regeln der Flotte mindestens ebenso korrekt wie er selbst. Aber das hieß nicht, dass sie
übertrieben streng war. Nein, sie legte nur Wert auf Exaktheit, Genauigkeit und gute Leistung. Das es
die KAZE noch gab, lag zu einem nicht unbeträchtlichen Teil an ihr.
Sie war es, die die Crew zusammen hielt. Sie war es, die den Bordbetrieb aufrecht hielt.
Sie setzte all ihre Kraft ein, um aus der KAZE noch eine halbwegs erfolgreiche Fregatte zu machen.
Wie schön sie doch war, wenn sie lächelte.
Manchmal bedauerte Haruka es, Befehle von einem dienstjüngeren Offizier bekommen zu müssen,
immerhin war er fünf Jahre älter als Commander Soleil.
Aber dieser Ärger währte nur kurz, denn sie gab ihm niemals das Gefühl, weniger wert zu sein als sie.
Nein, sie beide arbeiteten exzellent zusammen. Das lag nicht zuletzt daran, wie sehr er die
Elitesoldatin verehrte, die ein mindestens ebenso grausames Schicksal wie das seine auf die KAZE
verschlagen hatte.
Sie sprach nicht darüber, aber es ging das Gerücht um, dass ihr Handabdruck ins Gesicht eines
zudringlichen Captains gebrannt war.
Seither saß sie auf diesem Klapperkasten fest, bis er außer Dienst gestellt oder vernichtet wurde.
Sie hatte nicht einmal die Chance wie Haruka, nach einer festgelegten Zeit das Schiff wechseln zu
können. Verdammt, an das Schicksal der KAZE gebunden. Schrecklich.
Andererseits hatte sie es auch noch nicht ernsthaft versucht, sich versetzen zu lassen.
„Da haben Sie wohl Recht, Ma´am. In dem Punkt sind wir alle gleich. Bis auf den Skipper.“
Amber zog eine Augenbraue hoch. „Wie meinen Sie das, Ishihiro?“
Der Lieutenant schluckte schwer. Amber duldete keine Kritik an Schneider, außer sie sprach sie selbst
aus. Zwar stellte sie seine Befehle sehr oft in Frage, führte sie aber ohne zu zögern aus.
Zwischen den beiden gab es ein merkwürdiges Verhältnis aus Hass und Freundschaft.
„Nun, Commander Schneider freut sich auf jede einzelne Feindfahrt der KAZE“, stellte er fest und
bemühte sich, nebensächlich zu klingen. „Und er ärgert sich immer, wenn wir zur PERSEUS zurück
kommen. Er liebt diesen alten Kahn wirklich.“
Amber Soleil lächelte. „Ja, der Skipper mag den alten Seelenverkäufer. Ich gebe zu, ich auch.
Immerhin hat er uns bisher sicher durch jede Mission gebracht.“
„Das stimmt“, musste Haruka zugeben. Schaudernd erinnerte er sich an die Begegnung mit der
KONARR, einem Akarii-Zerstörer.
Das Feindschiff in einem Asteroidenfeld zu stellen und mit den ersten zwei Salven zu vernichten war
ein unglaublich geschicktes Manöver gewesen. Schneider hatte die geringere Größe der KAZE
geschickt genutzt und die KONARR regelrecht gedreht, bis sie eine Position eingenommen hatte, die
es der KAZE gestattet hatte, zwei volle Salven ohne Gegenfeuer auszuteilen.
Man hätte den Skipper also durchaus brillant nennen können – wäre er nicht gleich nach dem
Abschuss schlafen gegangen.
„Ein Verrückter“, brummte Lieutenant Johansson leise von seinem Platz. Der rothaarige Hüne
blinzelte unter den halb geschlossenen Lidern hervor. „Er ist und bleibt ein Verrückter.
Wenn ich nur an die KONARR denke… Wir hatten von unseren zwanzig Salven für die
Antischiffsraketen nur noch drei. Und zwei hat der Captain in den Zerstörer gejagt.
Hätten die Raketen nicht mit viel Glück das Triebwerk kastriert und die Reaktoren hochgejagt, wir
wären ebenso tot gewesen wie die Akarii von der KONARR.
„Na, dann muss die letzte Mission für Sie ja die reinste Freude gewesen sein“, stichelte Commander
Soleil. „Die Überwachung der Nordwest-Passage auf feindliche Frachteraktivität war dagegen ja
Erholung.“
Johansson öffnete die Augen vollends. „Erinnern Sie mich nicht daran, Commander.
Gefangen in dieser Blechbüchse, auf Schleichfahrt an der meistbefahrensten Route der Akarii nach
Mantikor, umgeben von Dutzenden Kriegsschiffen, das zehrt an den Nerven. Ein falsches Manöver,
ein unbedachtes Signal, ein schlauer Captain, der eine unserer Sonden zurückverfolgt, und wir hätten
ein Dutzend Fregatten und genauso viele Zerstörer am Hals gehabt.
Aber das Schlimmste ist, das ich meine Marines nicht einsetzen konnte. Es gibt nichts Grausameres,
als einen Marine in einer Blechbüchse einzusperren und nicht kämpfen zu lassen. Normalerweise
hätten wir wenigstens ein Kurierschiff oder einen Frachter entern können.“
„Wie Sie schon sagten, ein falsches Signal, ein falsches Manöver…“, murmelte Ishihiro
bedeutungsschwer.
„Ja. Ich weiß. Deswegen ist es dennoch schwer. Schwer, inaktiv zu bleiben, während der Feind um
einen herum lauert. Während Truppentransporter und Großraumfrachter direkt vor der Nase
herumdümpeln, einige zum Teil schwer angeschlagen. Manchmal denke ich, das wäre es wert
gewesen.“
Soleil schüttelte sich. „Nanu, Lieutenant, sehe ich da suizide Tendenzen bei Ihnen? Sie wären bereit
gewesen, die KAZE und die Mannschaft zu opfern, nur um sich den Truppentransporter zu holen?“
Carl Johansson grinste schief. „Entern hätte wohl nicht funktioniert, oder?“
Ishihiro unterdrückte ein Lächeln. Nein, mit vierzig Marines einen Truppentransporter mit
zehntausend Akarii an Bord zu entern wäre nicht sehr erfolgreich verlaufen. Einmal ganz davon
abgesehen, dass der Geleitschutz extrem stark war.
„Wir hatten unseren Auftrag, nicht?“, brummte Haruka Ishihiro stattdessen. „Und dieser Auftrag sah
nun einmal vor, zu überleben und unsere gewonnenen Daten zurück nach PERSEUS zu bringen.“
„Hoffentlich wird unser nächster Auftrag etwas ansprechender. Mir geht das Getue auf PERSEUS
jetzt schon auf die Nerven.“ Johansson verzog die Miene zu einem blasierten Lächeln und verstellte
seine Stimme zu einem nasalen Klang. „Wie, wieder keinen Feindkontakt und keinen Abschuss? Seht,
da kommt die CREW der KAZE, die fliegenden Feiglinge. Die sind nur stark gegen Frachter.“
Amber Soleil räusperte sich. Sofort verstummte Johansson. Wenn er auch sonst sehr eigenwillig war,
aus irgendeinem Grund respektierte er den XO.
„Das werden wir überleben, nicht wahr, Lieutenant Johansson? Sie werden ein paar Witze über uns
reißen und wir werden das Lokal wechseln, so wie immer.
Sie werden unseren Captain in den Schmutz ziehen und wir werden uns ärgern, so wie immer.
Aber wir werden bald schon wieder rausgehen und unsere Pflicht tun. Wir haben nun einmal nur die
KAZE und keinen Flottenverband.
Unsere Arbeit ist mindestens ebenso wichtig wie die jedes anderen Schiffs der Flotte. Und unsere
Aufklärungsdaten werden vielleicht nicht Kriegsentscheidend sein.
Aber sie können Leben retten. Vielleicht gerade die Leben der Soldaten, die gerne über die KAZE und
Captain Schneider spotten.“
Ishihiro richtete sich stolz auf. „So ist es. Lassen wir sie doch spotten. Wir wissen, was wir wert sind.
Wir sind eine Mannschaft. Wir sind die Crew der KAZE. Und wir tun unsere Pflicht.“
„So ka“, brummte Johansson bestätigend.
„Was uns eigentlich zu einer letzen Frage bringt“, sagte Commander Soleil leise.
„Ja?“
„Die Daten, die wir gesammelt haben. Wer hat diesen Nachschubkonvoi nur so entsetzlich
zusammengeschlagen?“
******************************************
Als Commander Cunningham das Büro Mithels betrat, wußte er nicht ganz, was ihn erwartete. Clarke
hatte seiner Versetzung zugestimmt – jetzt brauchte er nur noch die Startfreigabe von Mithel. Das
Verhältnis zwischen Lone Wolf und dem Kapitän der Redemption war nicht völlig frei von
Verstimmungen gewesen – Clarke nahm ihm vermutlich die Befehlsverweigerung zu Beginn der
Schlacht übel. So war der Abschied nicht unbedingt herzlich ausgefallen, vielleicht war Clarke auch
ganz froh, ihn los zu seien. Es war nicht das erste Mal gewesen, daß sie aneinander gerieten. Nun, das
war ihm im Augenblick ziemlich egal. Mit seiner Karriere stand es sowieso nicht zum Besten, seit
diesem Ehrengericht. Soviel schlimmer konnte es in der Hinsicht auch nicht mehr kommen – selbst
wenn Clarke versuchen sollte, ihm die Befehlsverweigerung anzuhängen.
Er erwartete nicht, daß Mithel ihm Steine in den Weg legen würde. Der Captain galt als Mann, der
wenig Sinn dafür hatte, wenn Leute längere Zeit vom Dienst freigestellt wurden wegen
Gesundheitsproblemen, die eher psychischer Natur waren. Es gab immer noch Offiziere, die so etwas
für Schwäche bei einem Soldaten hielten, oder es zumindest weitaus kritischer sahen, als „richtige“
Verletzungen. So gesehen stellte sich lediglich die Frage, ob Mithel nicht ein wenig verstimmt war,
daß er, Cunningham, immer noch als dienstuntauglich galt. Andererseits war dies ja nicht sein
„Verdienst“.
Der Blick, mit dem Captain Mithel ihn begrüßte, war undeutbar. Vielleicht abwägend, prüfend. Der
Kommandeur der Relentless, soviel hatte Cunningham mitbekommen, galt als jemand, der es mit dem
Protokoll genau nahm. Deshalb salutierte er vorschriftsmäßig, was in gleicher Weise erwidert wurde:
„Setzen Sie sich, Commander!“.
Das Zimmer war ziemlich nüchtern eingerichtet – zweckmäßig. An der Wand hingen einige Bilder
von Raumschiffen verschiedener Klassen, aber ansonsten nichts, was auf persönliche
Erinnerungsstücke hindeuten würde. Viele andere Offiziere hatten in ihren Büros auf dem Tisch ein
Familienfoto stehen oder dergleichen – hier fehlte dies. Noch bevor Cunningham das Wort ergreifen
konnte, kam Mithel ihm zuvor: „Es geht um Ihre Versetzung zur Gallileo, nehme ich an. Captain
Clarke war so freundlich, mich zu informieren.“ Der Blick war recht kühl, ebenso die Stimme -
allerdings auch nicht unfreundlich oder feindselig: „Fühlen Sie sich dazu gesundheitlich in der Lage?
Ihre Meinung – nicht die der Ärzte.“ Der Commander nickte: „Voll und ganz, Sir.“ Der ältere Offizier
seufzte: „Es tut mir leid, daß Sie noch nicht als wieder flugtauglich eingeschätzt werden. Aber da kann
man eben nichts machen. Nun, ich denke, Captain Ward wird Ihnen schon einen Posten zuweisen –
das Kommando über Ihr Geschwader können Sie wohl wieder übernehmen, hoffe ich. Aber wir
werden sehen…“
In den Worten schwang unausgesprochen mit „Das, was von Ihrem Geschwader übrig geblieben
ist…“ Keineswegs als Vorwurf, eher als resignierte Feststellung. Aber das machte es auch nicht
leichter. Mithel schien jetzt schnell zur Sache zu kommen und fuhr fort: „Das Shuttle startet in drei
Stunden. Bei der Gelegenheit wird natürlich auch Post übergeben, und zwei verletzte Piloten, die
wieder Diensttauglich sind, werden Sie begleiten.“ Der Funkverkehr zwischen den Schiffen wurde aus
begreiflichen Gründen auf ein Minimum beschränkt, und Richtfunk wurde nicht für solche
„Trivialitäten“ verwendet. „Ich hoffe, Sie behalten dieses Schiff – ungeachtet der tragischen Umstände
Ihres Aufenthaltes – in nicht zu schlechter Erinnerung. Viel Glück.“
Mithel erhob sich, und auch Cunningham stand auf. Beide schüttelten sich die Hände. Der
Commander wollte eben gehen, als eine knappe Bewegung des Captains ihn zögern ließ. Der andere
musterte ihn prüfend – seine Stimme war jetzt eher halblaut, fast vertraulich: „Etwas will ich Ihnen
noch auf den Weg geben – von Offizier zu Offizier.“
Commander Cunningham wußte nicht recht, was das jetzt bedeuten sollte. Hatte die Ärztin etwas über
sein „Interesse“ an Commander Auson erzählt? Beziehungen zwischen Angehörigen der Streitkräfte
waren wegen des etwas bigotten Ehrenkodex der Flotte nicht gerne gelitten. Aber darum ging es
Mithel offenbar nicht…
„Ich erinnere mich noch gut an die unglücklichen Umstände unseres ersten Zusammentreffens. Sie
erschienen mir damals als ein Offizier, dem die Ehre der Flotte wie auch seine Untergebenen etwas
bedeuten.“ Ob da vielleicht verdeckter Spott mitschwang, daß konnte der Jagdflieger nicht erkennen.
Der Flottenoffizier schien es ernst zu meinen – oder zumindest so zu tun.
„Nun, Sie werden jetzt an Bord der Gallileo gehen. Ich brauche Ihnen nicht zu erzählen, wie die Rolle
des Schiffes bei der letzten Schlacht war." Mithels Gesicht war ausdruckslos - eindeutig ZU neutral,
um nicht Mißbilligung anzudeuten. ,,Ein Kommandeur wie Captain Ward muß manchmal
Entscheidungen treffen. Entscheidungen, die nicht die Zustimmung aller finden, selbst wenn sie
richtig sind. Es ist Aufgabe des Kapitäns, sich durchzusetzen und trotz solcher Verstimmungen sein
Schiff richtig zu führen.“
Mithel ließ sich zwar nicht direkt anmerken, was er von den „Entscheidungen“ hielt. Aber sein Tonfall
implizierte doch Zweifel an der Richtigkeit. „Nun, ich wollte nur sagen – es ist gut möglich, daß
Captain Ward Probleme hat. Probleme mit seiner Mannschaft. Schwierigkeiten, die ein Mann, der
Kapitän unserer Marine ist, meistern muß. Ebenso, wie er sich im Kampf nun einmal richtig zu
entscheiden hat oder die Folgen trägt. Ansonsten wäre er ja für seinen Posten ungeeignet. Ich bin
sicher, Ward ist dazu in der Lage – aber man kann ja nie wissen… Nun, denken Sie darüber nach.“
Abrupt straffte sich der Captain und salutierte: „Commander – auf Wiedersehen!“ Verdutzt erwiderte
Lone Wolf den Gruß. Was sollten diese Worte bezwecken? Dann machte er sich auf den Weg zu
seinem Quartier, um zu packen – viel zum Mitnehmen gab es sowieso nicht…
Mithel lächelte leicht. Je mehr Leute Ward beobachteten, mißtrauisch, ob er einen Fehler machte –
desto besser. Sollte sich herausstellen, daß der Captain der Gallileo unfähig war, mit den
Konsequenzen seines Handelns fertig zu werden, dann würde das alleine einen Fleck in seiner
Personalakte hinterlassen. Niemand schätze einen Kapitän, der mit seiner Mannschaft auf Kriegsfuß
stand – aus eigenem Verschulden…
Zwei Stunden darauf
Das Shuttle setzte auf dem Boden des Hangars auf. Als Commander Cunningham das kleine Schiff
verließ, spürte er erneut den Schmerz der Niederlage. Die Stellplätze für Jäger waren überfüllt – aber
er wußte, daß hier nur ein Teil, vielleicht die Hälfte, der Maschinen der Redemption Aufnahme
gefunden hatten. Die anderen waren verloren – und nur zu oft die Piloten mit ihnen. Die Redemption
war zerstört, viele Besatzungsmitglieder gefallen. Dies hier war nicht „sein“ Schiff, die Heimat, zu der
man aus dem Gefecht zurückkehrte. Das war eine Zuflucht, die nur daran erinnerte, was man verloren
hatte.
„Commander.“ Die Sprecherin hob kaum die Stimme. Er drehte sich um. Hinter ihm stand Lieutenant
Commander Parker. Die Offizierin musterte ihn gelassen, während sie korrekt – aber ohne besondere
Herzlichkeit – salutierte. „Willkommen zurück beim Geschwader.“ sagte sie – mehr nicht. Aber ihm
war, als hätte sie hinzugefügt: „Zu dem Sie sich erst JETZT gesellen.“ Er wollte schon etwas sagen –
aber dann ließ er es. Was auch? Diese Rangspielchen und persönlichen Animositäten kamen ihm so
belanglos vor. Stattdessen fragte er nur: „Können Sie mich zu Commander McQueen bringen?“ Einen
Augenblick zögerte die Offizierin – weniger, weil sein Wunsch sie überraschte, vielleicht hatte sie
einen Ausbruch erwartet. Aber Mitleid war in ihrer Miene jedenfalls nicht zu finden:
„Selbstverständlich. Wenn Sie mir bitte folgen würden…“ Cunningham schloß sich ihr an, während
seine Stimmung auf ein Rekordtief sank. War es nicht schön, wieder zu Hause zu sein?
**************************************
Lucas verbarg sein Gesicht in den Händen.
Drei Stunden hatte er sich mit Darkness besprochen und kannte jetzt die genaue Schlächterrechnung.
Wo ist der Sinn von alldem geblieben?
Er blickte sich in dem Quartier um, dass noch vor zwei Tagen von jemand anderem bewohnt worden
war.
Auf dem Schreibtisch stand noch ein Bild von Commander Turner, zusammen mit einer brünetten
Frau, die ein Baby auf dem Arm hatte.
Er trat vor den Spiegel und blickte sich lange an.
Früher hatte er ganz klare Ziele gehabt. Karriere war sein Ziel, hoch hinaus.
Geschwaderkommando, einen eigenen Träger und dann in den Flottenstab, irgendwann der
Admiralsrang.
Ein legendärer Pilotenruf wäre auch nicht zu verachten gewesen.
Doch spielte das alles noch eine Rolle?
Das zackige Auftreten, der paradewürdige Salut, das Arschbacken zusammenkneifen? Er wollte
Melissa Auson wieder haben. Das war alles was für ihn zählte.
Sein Magen rumoret Ich hab die Tabletten vergessen ...
Er rannte zur Toilette seines Quartiers und riss den Spiegelschrank auf. Gierig griff er nach den
Tabletten, doch es war zu spät.
Ein heldenhafter Hechtsprung beförderte ihn zum Toilettenbecken.
Hustend würgte er das halbverdaute Sandwich wieder aus, was er zum Mittag gegessen hatte.
"Ich hab die Schnauze voll ..." Lucas fing an zu weinen.
Nach einer Weile, er wusste nicht wie lange erhob er sich und blickte in den Spiegel.
Eingefallene Augen, ausgemergeltes und blasses Gesicht.
Was zählt noch, wenn ich morgen tot bin? Wenn ich morgen wieder Leute in den Tod befehlige?
All dieser Mist: Ehre, Pflicht und Verantwortung. Wo ist das Ehre, wenn junge Menschen sterben?
Kann es meine Pflicht sein sie in den Tod zu schicken?
Er bespritzte sich das Gesicht mit Wasser. All das zählte nicht.
Immer noch in Alarmbereitschaft bahnte sich der zusammengewürfelte Kampfverband seinen Weg
durch den Weltraum.
René Chantier hatte auf Anweisung ihres 1. Offiziers und des Bordarztes drei Tage nach der
Zerstörung der Redemption die Brücke verlassen.
Nach zwei Tagen Schlaf hatte sie dann ihren regulären Dienst wieder aufgenommen.
Sie blickte in Ihr Logbuch:
8. August 2636: Auf Befehl von Commodore Jefferson B. Clarke, Captain TRS Redemption, dem
Flottenträger Redemption den Fangschuss verpasst.
Sie schüttelte traurig den Kopf.
8. August 2636: Flottenträger zerstört, 59.000 BRT. Dachte sie zynisch. Ja, das wird sich wirklich gut
in der Geschichte dieses Schiffes machen.
"Wie konnte es nur so weit kommen?" Fragte sie in die leere.
Wie konnte es nur soweit kommen? Wie konnten uns die Akarii so zusammenschießen? Wo zur Hölle
waren die Galileo und ihre Begleitschiffe?
René kniff sich in den Nasenrücken.
Richard Schönberg saß am Bett eines jungen Piloten.
"Father, bitte, nehmen Sie mir die Beichte ab ..."
Schönberg nahm seine Hand: "Natürlich mein Sohn, dazu bin ich zu Dir gekommen, die Ärztin sagte
mir bescheid."
Der Pilot lächelte: "Wissen Sie, ich wollte meine Seele beruhigen, ich ... ich habe getötet wissen Sie
..."
Schönberg lächelte: "Ja mein Junge, ich weiß, aber dass muss Sie nicht belasten, es ist Ihre Arbeit ..."
"Ja, Father, aber wird das dadurch besser ...?"
Schönberg lächelte mitfühlend: "Die Frage kann ich Ihnen leider auch nicht beantworten, dass weiß
nur das allmächtige Universum, aber bitte denken Sie doch über etwas nach: Sie beschützen Ihre
Heimat, Ihre Familien und Freunde. Sie kämpfen gegen einen Gegner, der auf unser Gebiet
vorgedrungen ist und der uns sein System aufzwingen will. Kann das wirklich schlecht sein, können
Sie dadurch ein böser Mensch sein?"
Der junge Pilot lächelte zu Schönberg hoch: "Danke Father, würden Sie mir Ihren Segen geben?"
Schönberg nickte und sprach seinen Segen.
Zwei Tage später starb der Junge Pilot, nach dem vorletzten Sprung nach Perseus.
**********************************
Die Gallileo war bei der Perseus-Station „vor Anker gegangen“. Die Stimmung an Bord des Leichten
Trägers war angespannt, trotz der Vergnügungen und Erholung, die auf der Station lockten.
Dafür gab es mehrere Gründe. Captain Ward war „abkommandiert“ worden – ohne Angabe von
Gründen. Da es Gerüchte gab, die Kapitäne der anderen Schiffe hätten praktisch kollektiv Beschwerde
gegen Ward eingelegt, hatte diese Abkommandierung in den Augen vieler den Beigeschmack von
Suspendierung.
Und das bedeutete mit fast absoluter Sicherheit Wards „Abschiebung“, eine Degradierung – oder
vielleicht sogar das Kriegsgericht. So etwas geschah selbst in Kriegszeiten nur selten – und in der
langen Friedenszeit vor dem Akariikonflikt hatte man solche Fälle an den Fingern einer Hand
abzählen können. Der Ruf des Schiffs hatte damit erheblichen Schaden genommen. Das machte viele
Besatzungsmitglieder gereizt und unsicher. Heimlich wurde über „Schuld“ und „Unschuld“ des
Captains gestritten – auch wenn Ward nur wenige Befürworter hatte, nicht mal an Bord seines
Schiffes. Das mochte nicht unbedingt fair sein – aber er bot sich nun einmal als Sündenbock an.
Außerdem war da noch die Sache mit dem „Veteranenverein“. Die Idee war im Redemption-
Geschwader aufgekommen. Und es war sehr schnell klar geworden, daß die Piloten der Angry Angels
und die paar Überlebenden des Majestic die Besatzung der Gallileo keineswegs als Veteran der
Schlacht bei Jollahran ansahen. Abgesehen von den Piloten. Das hatte einiges an bösem Blut gegeben.
Die meisten der Anngry Angels standen der Idee Shakas positiv gegenüber – es hatte allerdings ein
paar bissige Bemerkungen gegeben, daß ausgerechnet ein „Frischling“ auf seiner ersten Feindfahrt
„einen auf Veteran machte“. Und einige Piloten hatten die Idee als „beknacktes Elite-Gehampel“
bezeichnet. Aber sie waren in der Minderzahl, wohl auch, weil die Idee dem eigenen Selbstwertgefühl
schmeichelte. Allerdings verzichteten die meisten Piloten auf eine derartige Selbstanalyse. Sie
glaubten sich voll im Recht.
Da binnen 24 Stunden der Transport Richtung Erde beginnen sollte, waren viele Piloten der Angry
Angels fest entschlossen, aus der Freizeit noch mal so viel wie möglich zu machen. Ihre Zukunft
schien ungewiß.
Verlegung in eine Garnison? Das geschah gelegentlich mit „abgeflogenen“ Geschwadern.
Die Auflösung des Geschwaders, die Verteilung der Staffeln – oder gar einzeln Piloten – auf andere
Geschwader?
Wie die Verlegung ins Hinterland hatte das den Ludergeruch des Versagens an sich. Außerdem hätte
dies ein Auseinanderbrechen der bestehenden Bindungen bedeutet. Die einzelnen Staffeln mochten
zwar miteinander konkurrieren, inzwischen aber WAREN die Angry Angels ein eingespieltes
Geschwader. Ein Geschwader, das trotz hoher Verluste auch auf stolze Erfolge und beeindruckende
Abschußzahlen verweisen konnte.
Die einzige „Alternative“, die nach den Traditionen und Bräuchen der Navy nicht als entehrend
empfunden werden würde, wäre die geschlossene Verlegung auf ein neues Schiff.
Und darauf konzentrierten sich die Hoffnungen der meisten Piloten. Momentan allerdings versuchten
die meisten auf der „intergalaktischen Amüsiermeile“ der Perseus-Station den Krieg und die Zukunft
zu vergessen.
Kano war an Bord geblieben. Er war zwar wieder aus dem Arrest entlassen worden, aber Parker hatte
ihn reichlich mit Arbeit versorgt – aus „pädagogischen Gründen“, wie sie nicht ganz ernst bemerkt
hatte. Daß sein Landgang gestrichen wurde war ebenfalls noch eine Spätfolge seiner Prügelei. Parker
hatte Kanos „Berühmtheit“ an Bord Rechnung getragen – die Prügelei und seine Äußerungen über
Ward hatten schnell die Runde gemacht. Parker wollte deshalb die Möglichkeit ausschließen, daß
irgendwelche „letzten Getreuen“ Wards ihre Frustration an dem jungen Piloten ausließen. Kano
mochte ja in der Lage sein, auf sich selbst aufzupassen – aber die Staffelkommandantin wollte keinen
neuen Ärger oder Disziplinarverfahren in ihrer Einheit.
Kano nahm es mit ziemlicher Gleichmut. Immerhin sollte es bald zur Erde gehen. Noch acht oder
neun Tage und er würde seine Heimat und seine Familie wiedersehen. Da konnte er den Freigang auf
die Perseus-Station entbehren. Außerdem war da noch Kali. Der Bruch zwischen ihnen war schon fast
verschwunden und er hatte den Eindruck, daß es von Tag zu Tag besser wurde. In den letzten Wochen
hatte er sie sehr vermißt. Auch wenn sie an Bord des selben Schiffs gewesen waren, war Kali ihm fast
wie einem Fremden begegnet oder war ihm direkt aus dem Weg gegangen. Doch das war jetzt
anscheinend vorbei. Sie hatte den Tod von Ace und Rusty noch nicht voll verarbeitet – aber ihren
Frieden gefunden.
Kano sah auf die Uhr. Der eher häßliche Standart-Chronometer war eines der wenigen „persönlichen“
Besitztümer, die ihm geblieben waren. In zwei Stunden stand ein Patrouilleflug auf dem Plan. Seine
Flügelfrau war auf "Landurlaub". Da Virago inzwischen auch wieder dienstfähig war, mußten sie sich
die Maschine teilen. Auch wenn das die Maschine ziemlich belastete. Momentan allerdings bedeutete
das immerhin, daß Virago Freigang hatte. Das mochte für sie vielleicht ein kleiner Trost für den
Verlust ihrer Maschine sein – zumal sie Kanos Vorstellung von einer „Verbindung“ zwischen Pilot
und Jäger für „mystischen Jumbo-Mumbo“ hielt.
Momentan war Kano in den menschenleeren Trainingsräumen der Gallileo. Er kniete auf einer der
Übungsmatratzen. Seine Augen waren geschlossen, die Arme ruhten auf den Knien. Das Gesicht war
ausdruckslos und ruhig. Er schien regelrecht zu Stein erstarrt.
Abrupt sprang er auf, ließ seinen Körper in die eingeübte Kampfstellung fallen: die Beine in leichter
Schrittstellung, angespannt. Der Oberkörper vorgebeugt, die Hände zu Fäusten geballt. Ein paar
Augenblicke verharrte er noch in dieser Haltung. Dann begann er den Schattenkampf.
Mit vor Konzentration starrem Gesicht absolvierte er eine komplexes Schlag- und Trittkombination.
Bald war er in Schweiß gebadet, „kämpfte“ aber unbeirrt und verbissen weiter. Bei dem Gedanken an
die Sicherheitsoffiziere an den Überwachungsmonitoren (falls denn auch die Übungsräume überwacht
wurden) verlor er beinahe die Konzentration und grinste dünn. Ob sie die Übungen als Zeichen von
Aggressionsstau oder –abbau werteten – oder eine Übung für die nächste Prügelei?
Plötzlich flog hinter ihm eine Tür auf. Kano fuhr herum, die Fäuste immer noch zum Schlag erhoben,
einen Augenblick in der Erwartung, ein „Loyaler“ wolle ihm Achtung vor Captain Ward einbleuen.
Dann zuckte er zusammen und nahm Haltung an.
Der eintretende First Lieutenant schien durch die etwas ungewöhnliche „Begrüßung“ nicht aus der
Fassung gekommen zu sein. Aber es gab auch wenig, was „Blackhawk“ noch aus der Fassung bringen
konnte. Der Veteran grinste kurz, dann wurde er ernst: „Der Alte will dich sehen. Jetzt.“
Damit konnte nur Geschwaderchef Cunningham gemeint sein. Kano fühlte, wie die Anspannung seine
Kehle zuschnürte und räusperte sich, während er sein Gesicht ausdruckslos hielt. Was mochte
Cunningham jetzt – fast sieben Wochen nach dem Vorfall, der Kano in den „Bau“ gebracht hatte –
noch von ihm wollen? `Bestimmt nichts gutes… .’
Aber Befehl war Befehl, also salutierte er nur und folgte Blackhawk. ‚Hoffentlich nimmt er nicht zu
sehr Anstoß an der Kleidung.‘
Cunningham starrte auf den Bildschirm, auf dem Kanos Akte flimmerte. Er war nicht ganz zufrieden
mit dem, was er jetzt tun würde. Er mochte es nicht, wenn einer seiner Piloten Mist baute. Das fiel
todsicher auf ihn zurück. Aber er brachte es am Besten hinter sich. Er hatte sowieso noch genug
anderes zu tun.
Es klopfte. Auf sein geknurrtes „Herein!“ ging die Tür auf, Kano trat ein – wie immer mit zackigen,
vorschriftsmäßigen Bewegungen, allerdings nicht ganz vorschriftsmäßiger Kleidung – er trug geborgt
aussehende, verschwitzte Trainingsklamotten. Kano salutierte und erstarrte in Hab-Acht-Stellung.
Cunningham winkte unwirsch ab: „Stehen Sie bequem!“ Kano entspannte sich nur unwesentlich.
„Ich will es kurz machen. Sie haben hoffentlich inzwischen begriffen, was Sie für einen Fehler
gemacht haben. Aber das reicht nicht. Sie haben sich im höchsten Maße unsoldatisch benommen. Und
das toleriere ich nicht in meinem Geschwader. Sie haben es Ihren sonst so guten Leistungen zu
verdanken, daß Sie noch einmal eine Chance bekommen. Aber glauben Sie nicht, Sie könnten sich so
etwas noch einmal erlauben. Einen Eintrag in Ihre Akte bekommen Sie sowieso. Und außerdem –
angesichts Ihrer bisherigen Leistungen sollten Sie nach dieser Feindfahrt zum First Lieutenant
befördert werden…“
Überrascht bemerkte Cunningham, wie sich Kano bei diesen Worten aufrichtete und leicht rot wurde.
Aber der junge Pilot wusste offenbar schon, was nun kam.
„…aber daraus wird nun erst mal nichts. Es reicht nun einmal nicht, Akariis abzuschießen. Verstehen
Sie?“
„Ja, Sir! Es wird nicht noch einmal vorkommen, Sir!“
„Davon gehe ich aus!“ Zufrieden stellte Cunningham fest, das seine Worte ihr Ziel nicht verfehlt
hatten. Kanos Wangen hatten sich gerötet und auch wenn er die Augen weiter starr geradeaus hielt, es
war zu erkennen, daß er sich schämte. ‚Der Junge wird nicht noch einmal so einen Fehler machen,
denke ich. Na ja – wird auch Zeit, das er erwachsen wird.’ „Das war dann alles. Sie können gehen!“
„Sir!“
Kano konzentrierte sich, gerade wegen seiner etwas unpassenden Kleidung, auf den makellosen
Ablauf seines Kehrt-Um und Abgang. Außerdem bekam er so seinen Ärger unter Kontrolle. Ärger,
vor allem auf sich selber. Aus dem Mund des Geschwaderkommandanten zu hören, daß die fast
sichere Beförderung für’s erste gestrichen war, fuchste schon ziemlich. Auch wenn er immer noch der
selben Meinung über Ward war wie vorher – seine Unbeherrschtheit kam ihm teuer zu stehen. Aber er
würde das wieder Ausbügeln! Und der Commander würde ihm noch die Streifen anstecken!
Abrupt stoppte er, denn vor ihm bog plötzlich Kali um die Ecke: „Kano! Na, hat dir der Alte den Kopf
gewaschen?“
Kano fühlte, wie sein Ärger schlagartig nachließ: „Hallo Helen! Es hat gereicht. Er wollte wohl in der
Sache noch mal seine Position klarmachen und nicht alles Lightning und Darkness überlassen. Woher
wußtest du überhaupt... ?“
„Blackhawk ist mir über den Weg gelaufen.“
Kano grinste halb: „Und deshalb bist du zurückgekommen, hast deinen Landgang abgebrochen?“
Kali lachte: „Bild dir mal nicht zu viel ein, Samurai. Wurde durchgegeben – die Transporter sind im
Anflug. Der Landgang ist gestrichen, es geht nach Hause.“ Sie paßte ihren Schritt dem seinen an:
„...und von Radio habe ich gehört, wir werden nicht in die Reserve abgeschoben oder aufgeteilt. Wir
sollen in ein Elitegeschwader umgewandelt werden und erhalten einen erbeuteten Akarii-Träger."
"Er ist verrückt."
Kali schüttelte grinsend den Kopf: "Nein - er war betrunken! Aber egal - mir währe jedes Schiff recht.
Hauptsache sie behalten das Geschwader zusammen und lassen uns nicht in der Etappe versauern!"
"Geht mir genauso, Helen."
Dann sagte ein paar Augenblicke keiner der beiden etwas. Sie beide hatten ihre Gründe, weshalb sie
keine Verlegung in die Etappe wollten - oder eine Zerstückelung des Geschwaders... .
Dann wandte sich Kali wieder an Kano: „Ich nehme an, du weinst der Gallileo keine Träne nach?“
Der Pilot zuckte mit den Schultern und grinste trocken: „Meine Koffer sind gepackt. Wenn du Hilfe
brauchst... ?“
„Danke. Ich will auch so schnell wie möglich von Bord. Hast du eigentlich Radios neueste Geschichte
über unseren Commodore gehört... .“
***********************************
Die Ankunft
Die Perseus-Station. Eine gigantische künstliche Welt, Reparaturwerft, Erholungszentrum, Festung,
Planungszentrale in einem, einer der Stützpfeiler im militärischen System der Republik. Über sie
wurden Schiffe an die Front geschickt, hier wurden sie wieder kampfbereit gemacht. Allerdings, die
Gedanken von Lieutenant Commander Diane Parker gaben der Station momentan eine weit weniger
schmeichelhafte Bezeichnung: ,Und hier strömt auch all der Abfall durch, hier kommen die Trümmer
an, um wiederverwertet oder auf die Müllhalde geworfen zu werden‘ dachte die Pilotin. ,Hier landet
das, was die Front ausspuckt. Restverwertung.‘ Angewidert verzog sie das Gesicht. Oh nein, diesmal
kamen sie nicht als Sieger hierher zurück. Nicht einmal mit erhobenem Haupt. Diesmal kamen sie als
Geschlagene. Gedemütigt, dezimiert, entmutigt. Und von der eigenen Führung bitter enttäuscht, soviel
war sicher. Parker konnte es den Piloten und Besatzungsmitgliedern nicht verdenken. Was die Zukunft
bringen würde, darüber wurde noch gemutmaßt. Es hieß, man würde die Überlebenden von der
Redemption zur Erde weiter verlagern. Auf die Verwundeten wartete die Maria Theresia, so wurde
gemunkelt, ein Lazarettschiff. Und sinnigerweise würde man die Unverletzten auf demselben Schiff
transportieren. Was das auch immer bedeuten sollte...
Aber was dann kam – wer wußte das schon?
,Na, vorbei ist die Sache für uns bestimmt nicht! Der Krug wird so lange zum Brunnen getragen, bis er
bricht! Die sind mit uns noch lange nicht fertig.‘ Eigentlich war Parker weit weniger subversiv, als
ihre Gedanken suggeriert hätten, hätte sie diese ausgesprochen. Sie tat ihre Pflicht, und das gut – und
egal, wie schwer es ihr fiel. Allerdings war diesmal auch ihr eigener Geduldsvorrat erschöpft. Und die
Ungewißheit bezüglich der weiteren Zukunft machte sie reizbar. Bei allen drei bisherigen Missionen
der Redemption hatte die Fliegerdivision bluten müssen, und dies nicht zu knapp. Bei den letzten
beiden Einsätzen war die Eskorte übel zusammengeschlagen worden, und die Verluste bei den
Kampffliegern waren hoch gewesen. Sie konnte sich gut vorstellen, wie mehr und mehr Leute
insgeheim dachten: ,Was machen die da oben bloß! Wieso schickt uns die Führung immer dahin, wo
es am schlimmsten kommt?‘ Und wenn Soldaten erst mal das Vertrauen in das eigene Oberkommando
verloren – nun, das verhieß nichts gutes.
Jetzt hieß es jedenfalls Abschied nehmen von der Gallileo. Nicht, daß ihr dies sonderlich schwerfallen
würde. Die Zusammenarbeit mit den Bordoffizieren und besonders mit dem Kapitän des Schiffes war
ein ständiger Drahtseilakt gewesen. Mal ganz abgesehen davon, daß sie sich selber schon Mühe geben
mußte, um Ward nicht ins Gesicht zu spucken – ihre ,Kinderchen‘ unter Kontrolle zu halten, war zu
einer ziemlichen Dauerbelastung geworden. Die Spannung hatte sich einfach nicht mildern wollen.
Auch, weil es in regelmäßigen Abständen Aktualisierungen der Sterbelisten gegeben hatte, die letzte
erst vor wenigen Tagen. Immer, wenn ein neuer Name auf der Liste auftauchte, und bekannt wurde,
daß auf der Relentless – wo die meisten Verwundeten untergebracht waren – wieder ein Begräbnis
stattfand, war die Lage äußerst heikel gewesen. Möglicherweise hatte der Umstand, daß den
ehemaligen Besatzungsmitgliedern der Redemption die Teilnahme verwehrt worden war –
Personentransfer während eines Marsches im Feindesland war natürlich kaum möglich – das Problem
sogar noch verschärft verschärft. Die Soldaten konnten nicht einmal Abschied von ihren gefallenen
Kameraden nehmen und blieben mit ihrer Wut und ihrem Schmerz weitestgehend allein.
Es war ihr und den anderen Offizieren gelungen, solche unangenehmen Zwischenfälle wie den mit
Lieutenant Nakakura zu vermeiden – jedenfalls größtenteils. Ein halbes Dutzend Besatzungsmitglieder
hatten Bekanntschaft mit den hiesigen Arrestzellen machen können, aber wenigstens war nichts
WIRKLICH Fatales passiert.
Parker blickte sich ohne Wehmut in ihrem Quartier um – ihrem Behelfsquartier, das sie sich mit
Bianca Moratti teilte. Als Lieutenant Commander war sie eigentlich Einzelunterbringung gewöhnt,
aber das war nicht zu machen gewesen, die Gallileo war überbelegt. Aber das war ihr geringstes
Problem gewesen – zum einen hatte sie im Rahmen der Staffelbetreuung Überstunden machen
müssen, zum anderen stand sie nicht SO weit über ihren Leuten, daß eine solche Unterbringung ihr
sonderlich zu schaffen machte. ,Nun, wenigstens habe ich wenig zu packen, das ist ja immer der
größte Ärger bei Umzügen!‘ dachte Parker mit wütender Selbstironie. Fast ihr gesamter ,Kriegsbesitz‘
war auf der Redemption geblieben. Sie hatte nur ein paar – nicht unbedingt passgenaue – Uniformen,
quasi keine persönlichen Gegenstände. Ein Grund mehr, warum sie in Gedanken einigen Leuten die
Pest an den Hals wünschte. Aber egal, daran ließ sich nichts ändern. Mit einem leisen Fluch schnappt
sie sich ihren abgemagerten Seesack und machte sich auf den Weg.
An Bord des leichten Trägers herrschte reges Treiben. Alles bereitete sich auf die Liegezeit bei der
Station vor. Dieser Umstand ließ die schwelende Wut in Parkers Herzen wieder auflodern. Die
Gallileo würde nicht ins Dock müssen – DIE nicht! Ihre Jäger hatten einen hohen Preis gezahlt, aber
das Schiff hatte sich einfach so davongestohlen. Die Offizierin knirschte mit den Zähnen – bloß nicht
jetzt noch die Beherrschung verlieren...
Besatzungsmitglieder der Redemption bereiteten sich darauf vor, von Bord zu gehen, Gallileo-
Matrosen warteten auf den Beginn ihres Landurlaubs. Vermutlich nicht immer mit gutem Gewissen.
Man machte der Offizierin mit der verbiesterten Miene eilig Platz – sie sah nicht aus wie jemand, mit
dem gut Kirschen essen war.
Lightning begleitete jeden Schritt mit einer gedanklichen Verwünschung und trat dabei weit wuchtiger
auf, als notwendig war. Sie hatte sonst kein so grimmiges Naturell, aber der Umstand, daß zwei ihrer
Piloten tot, eine immer noch dienstunfähig und der Rest schwer demoralisiert war, war in ihrem
Augen eine gute Entschuldigung. Allerdings galt keineswegs ihr ganzer Zorn Ward alleine, auch wenn
der einen Ehrenplatz innehatte.
Auch ihren eigenen Geschwaderkommandeur bedachte sie mit wenig freundlichen Worten. Sie
erinnerte sich nur zu gut daran, wie der sich ihr gegenüber aufgeführt hatte, als sie einmal gewagt
hatte, ihm zu widersprechen: ,Damals konnte er MEINE Leute nicht schnell genug wieder
hinausjagen! Und jetzt? Jetzt ist unser Bostonjunge nicht mehr als eine jammernde halbe Portion, die
sich die Seele aus dem Leib kotzt! Tja, mein Bürschchen, das war wohl eine harte Landung! Ist
vielleicht doch was anderes, wenn man nicht nur Befehle gibt!‘ Sicher, wenn sie gerecht war, mußte
sie zugeben, daß es den Commander hart getroffen hatte. Er hatte einen seiner wenigen Freunde
verloren, und seine Geliebte war offenbar schwer verwundet worden. Aber wenn sie an seine
Überheblichkeit dachte, die er früher kultiviert hatte – nun, ihr Mitleid hielt sich in Grenzen.
Ihre Schritte führten sie zu den Shuttlelandeplätzen. Da die Gallileo nicht eingedockt wurde, fand der
Personenverkehr auf diese Art und Weise statt. Shuttles von der Station und von der Gallileo
wechselten sich ab. Sie brauchte nicht lange, einen Platz zu finden.
Lightning blickte durch die Shuttleluke zurück. Hinter ihr trieb die Gallileo im All. Sie spürte ein
bitteres Gefühl im Mund. Jetzt war sie endgültig heimatlos. Die Gallileo war nie die Redemption
gewesen, gewiß. Aber besser als nichts war sie auf jeden Fall. Und sie hatte dort immer noch ihre
Kameraden um sich gehabt, ihr gewohntes Umfeld. Jetzt hieß es vielleicht, bald ein neues Kommando
auf einem neuen Schiff zu übernehmen. Ob sie es wollte oder nicht, sie hatte sich an die alte Rostlaube
ebenso gewöhnt, wie an die Männer und Frauen unter ihrem Kommando. Sollte das alles jetzt vorbei
sein? Sie unterdrückte eine Träne – das hätte ihr gerade noch gefehlt, jetzt sentimental zu werden!
Egal wo man sie hinschicken würde, sie würde es schon schaffen!
Ina Richter schied, anders als ihre Staffelchefin, nicht im Zorn von der Gallileo. Sie hatte sich zu der
Entscheidung durchgerungen – mühsam, aber immerhin – das zumindest die Besatzung ja nichts dafür
konnte. Dennoch, während der quälend langsamen Rückfahrt war es auch ihr schwergefallen, nicht so
streitsüchtig und gereizt zu werden wie viele andere. Und kaum jemanden, mit dem man reden konnte.
Sie hatte sich größtenteils abgesondert. Mit ihrem Kameraden war nicht viel anzufangen, und die
Männer und Frauen an Bord der Gallileo hatten entweder ein schlechtes Gewissen gehabt, oder sie
meinten, ihren Ruf vor den Redemption-Leuten verteidigen zu müssen. Einer Atmosphäre zwanglosen
Beisammenseins war beides nicht förderlich. Ihr war auch jetzt erst klar geworden, wie sehr sie sich an
die Kameradschaft mit Lilja gewöhnt hatte. Und dies fehlte ihr jetzt. Nun, wenigstens würde sie ihre
Freundin jetzt wiedersehen, auf dem Transport zur Erde. Das war etwas, worauf sie sich freute.
Allerdings plagten sie auch noch andere Sorten. Sie fragte sich – nicht ohne Unruhe – ob man nicht
ihren Jäger auf der Gallileo belassen würde, wenn man die Leute der Angry Angels auf die Erde zur
Neuformierung schickte. Die Maschine hatte sie von Anfang an begleitet, und inzwischen hatten sie
sich – wie man so sagte – aneinander gewöhnt. Sie wußte, daß dies Aberglauben war, aber ein bißchen
war ihr Jäger in ihren Vorstellungen fast so etwas wie ein lebendes Wesen. Eines, das sie nie im Stich
gelassen hatte, so lange sie selber die Nerven behalten hatte. Sich jetzt an eine neue Maschine zu
gewöhnen, und ihre alte einem Fremden zu überlassen – dieser Gedanke behagte ihr gar nicht.
Die Angry Angels nahmen Abschied von der Gallileo. Für manche fiel der Abschied deshalb so
schwer, weil jetzt das letzte Bindeglied mit ihrem alten Schiff abgeschnitten wurde. Erst jetzt, da die
Feindfahrt endete, man den Hafen erreichte und in eine ungewisse Zukunft blickte, war die
Redemption endgültig tot. Und nicht wenige fürchteten, daß für die Angry Angels das selbe gelten
würde.
***

__________________
Ace Kaiser,
Angry Eagles

Corrand Lewis,
Clan Blood Spirit

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05.11.2015 18:59 Ace Kaiser ist offline E-Mail an Ace Kaiser senden Beiträge von Ace Kaiser suchen Nehmen Sie Ace Kaiser in Ihre Freundesliste auf
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Schein und Sein
Verglichen mit dem Deck eines Trägers war der Shuttlehangar der Relentless beinahe klein zu nennen
– dabei handelte es auch hier um eine geradezu imposante Halle. Wenn hier Hochbetrieb herrschte,
fand ein gutes Dutzend Shuttles hier ausreichend Platz für Start und Landung. Viele Festsäle waren
gewiß kleiner. Und deshalb bot der Hangar eine geeignete Kulisse für die feierliche Verabschiedung
der Verletzten und Evakuierten der Redemption.
Die bereits wieder dienstfähigen Männer und Frauen waren angetreten. In vorderster Reihe standen die
Offiziere, unter ihnen Commodore Clark. Ihnen gegenüber waren die Marines und Abordnungen von
allen Stationen des Kreuzers in Galauniformen angetreten. Die Flaggen der Republik und der
Streitkräfte zierten die Wände, verwandelten den Hangar gleichsam in einen Paradeplatz. Auch wenn
man sich mit gutem Grund als geschlagen betrachten mußte – Mithel war entschlossen, zumindest
nach außen gutes Bild von der Navy zu zeigen. Voller Kampfbereitschaft und Trotz, das weder an
Niederlage noch an Kapitulation denken ließ. Wenn man nach außen Haltung bewahrte, gab einem das
vielleicht auch innerlich Halt. Oder verhinderte zumindest, daß die Niederlage noch mehr Leute
demoralisierte. Er mußte nicht nur den Leuten von der Redemption, sondern mindestens ebenso auch
seinen eigenen Untergebenen ein Schauspiel bieten, das mehr war als der Anblick eines geschlagenen
Haufens. Und insgeheim hoffte er wohl auch, die Soldaten würden daran auch selber etwas Halt
finden.
Er hatte darauf verzichtet, eine große Rede zu halten. Der Captain wußte nur zu gut, wie viele sich
fühlten, und außerdem waren nicht weniger immer noch nicht ganz wiederhergestellt. Den schwerer
Verwundeten hatte man die Zeremonie wohlweislich erspart. Also hatte er sich nur darauf beschränkt,
noch einmal den Abwehrerfolg der Redemption zu würdigen, die Heldentaten der
Schadenssicherungstrupps und Kampfflieger. Er hoffe, so sagte Mithel, die Männer und Frauen der
Redemption bald wieder an seiner Seite zu wissen, auf einem neuen Schiff – um Vergeltung an den
Akarii zu üben. Vergeltung, für die sie alle sich einsetzen würden. Dich es war schwer, mit einigen
Worten die Wunden vergessen zu machen, die diese Schlacht geschlagen hatte. Schwer, oder gar ganz
unmöglich.
Auf sein Zeichen hin nahmen die Matrosen der Relentless Haltung an, aus den Bordlautsprechern
ertönte die Nationalhymne. Eskortiert vom Pflegepersonal, wurden die ersten Verwundeten zu den
Shuttles gebracht, durch ein Spalier salutierender Soldaten. Es war kein triumphaler Marsch, soviel
war sicher. Viele der Verletzten mußten gestützt werden. Aber einige mochten doch Mut fassen und
erwiderten den Gruß. Es war wohl auch das Zeichen, daß sich zumindest Mithel und seine
Untergebenen zu den Männern und Frauen der Redemption bekannten, daß sie nicht versuchten, diese
Zeugen der Niederlage und des eigenen Versagens zu verdrängen. Man ehrte die Schiffbrüchigen wie
die Besatzungsmitglieder eines siegreichen Schiffes, das aus der Schlacht heimkehrte. Mithel stand am
Ende der Formation. Und er ließ es sich nicht nehmen, vor jedem der Besatzung zu salutieren und ihn
mit Handschlag zu verabschieden. Das alles mochte ein schwacher Trost sein, aber er war besser als
gar nichts.
Lilja marschierte ziemlich weit vorne. Sie war inzwischen zumindest weitestgehend wiederhergestellt
– auch wenn sie noch nicht als völlig dienstfähig galt. Die Russin ging hoch aufgerichtet, fast
unnatürlich gerade. Sie ignorierte die Schmerzen in ihrer Brust, biß die Zähne zusammen. DIESEN
Weg wollte sie ohne die verdammten Krücken gehen! Und sie würde nicht gerade jetzt
zusammenbrechen! Sie blickte starr geradeaus. Als sie das Ende der angetretenen Matrosen und
Soldaten erreichte, drehte sie sich zackig herum und salutierte. Sie spürte den festen Händedruck des
Captains und erwiderte ihn: „Viel Glück, First Lieutenant!“ „Danke, Sir!“
Dann marschierte sie die letzten Schritte bis zur Rampe des Shuttles und stieg ein. Es waren viele
Shuttles – einige mit der Kennung der Maria Theresia, andere die Bordshuttle der Relentless. Viele
Shuttles, viele Verwundete. Nicht wenige ihrer Bordkameraden aber ruhten fern von hier in der
Einsamkeit des Alls. Drinnen sackte die junge Pilotin auf einen Sitz, die starre Haltung fiel von ihr ab,
als sie vorsichtig ein und aus atmete, um die Schmerzen zu lindern. Auf ihrer bleichen Stirn standen
Schweißperlen – und sie verfluchte sich für diesen Beweis, daß sie bei weiten noch nicht wieder ganz
gesund war.
Die ersten Maschinen hoben ab, und immer noch kamen Verwundete. Verbrannte, Menschen, deren
Körper von Splittern zerfleischt worden waren, Gefechtsverletzte – die Liste war lang, schier endlos.
Hinter ihnen reihten sich die unverletzten Besatzungsmitglieder der Redemption ein. Viele von ihnen
boten ein nur unwesentlich besseres Bild als die Verwundeten. Körperlich unversehrt, doch in den
Augen wenig Hoffnung, die Gesichter eingefallen, von Müdigkeit gekennzeichnet. Sie hatten alle mit
der Erinnerung an die mörderische Schlacht zu kämpfen gehabt, und ob es ihnen jemals glücken
würde, sich von diesem Alpdruck ganz zu befreien, das stand in den Sternen. Commodore Clark kam
als letzter. Er ließ sich nichts anmerken von dem, was ihn bewegte. Die goldbetresste Uniform saß
makellos, sein Gesicht zeigte weder Zweifel noch Bitterkeit. Beide Kommandeure gaben sich die
Hand. Mithel zögerte nur einen Augenblick – aber er wußte, er war es dem anderen schuldig. Seine
Stimme klang ruhiger als er sich fühlen mochte: „Leben Sie wohl, Commodore. Ich – möchte Sie um
Verzeihung bitten, daß wir Ihnen und Ihrem Schiff nicht früher zu Hilfe gekommen sind. Daß wir Sie
in der Schlacht im Stich gelassen haben.“ Clark musterte seinen Kollegen. Er wußte, wie schwer diese
Worte Mithel gefallen seien mußten. Eine Schuld einzugestehen – das fiel niemals leicht. Und eine
derartig schwere, das war doppelt schwer. Auch wenn Mithel leise gesprochen hatte – mehr als einer
seiner Untergebenen mußte ihn gehört haben. Einen Captain, der einen solchen Fehler eingestand.
Einen Fehler, der gewiß nicht nur seine Schuld war.
Doch Clark schüttelte nur leicht den Kopf. Er hatte lange mit sich gehadert – und auch mit Mithel und
den anderen Kommandeuren. Er wollte, er durfte jetzt nicht rachsüchtig erscheinen. Mochte er
innerlich auch Mithel nicht völlig von Schuld freisprechen – hier ging es um mehr. Darum, welches
Bild man den Untergebenen und sich selber bot: „Sie trifft keine Schuld Captain.“ Er betonte das erste
Wort kaum merklich – und sah, daß Mithel ihn verstand. Ob Clark wirklich davon überzeugt war,
spielte keine Rolle. Die Navy konnte sich eine Selbstzerfleischung nicht leisten. Die, oder besser der
Schuldige würde ausgestoßen werden, und dann würde man von den Kapitänen und Soldaten
erwarten, daß sie wieder problemlos zusammenarbeiten. Bis sie sich insgeheim keinen Vorwurf mehr
machten, mochte noch einige, mochte viel Zeit vergehen.
Aber der Captain der Relentless schien wirklich aufrichtig erleichtert über die Worte Clarks. Ob dieser
nun wirklich gesagt hatte, was er meinte oder nicht – Mithel würde sich selber auch weiterhin
Vorwürfe machen. Aber etwas besser fühlte er sich dennoch. Er behielt Habachtstellung bei, bis
Commodore Clark – ungebeugt, wie eine Propagandagestalt für einen Navy-Streifen – die
Shuttlerampe erklommen hatte. Oben drehte sich der ehemalige Kapitän der Redemption um. Er
grüßte die Soldaten und Offiziere der Relentless, er grüßte die Flaggen. Vor allem aber grüßte er seine
gefallenen Untergebenen. Ein letzter Salut. Dann drehte er sich um, und hinter ihm wurde die Rampe
eingezogen. Mit heulenden Triebwerken hob das Shuttle ab, während die angetretenen Soldaten die
Habacht-Stellung beibehielten. Die Männer und Frauen in den Beibooten hörten es nicht, aber im
Hangar erklangen immer noch Navymärsche. Erst, als das Shuttle den Hangar verlassen hatte und der
letzte Ton aus dem Lautsprecher verklungen war, senkte Mithel die Hand, die am Mützenschirm
gelegen hatte: „DAAAS GANZEEE – WEGGETRETEN!“
Die Maria Theresia nahm die Geschlagenen und Versehrten auf – einen schier endlosen Strom. Von
der Agamemnon und der Jerome Custer kamen weitere verletzte und traumatisierte
Besatzungsmitglieder. Doch so viele es auch waren – dies konnte nicht darüber hinweg täuschen, wie
gering die Zahl im Vergleich zu denen war, die nicht zurückgekehrt waren. Allein im Verband der
Redemption waren ein Kreuzer und zwei Zerstörer mit der gesamten Besatzung vernichtet worden
oder verloren gegangen. Und auf den anderen vernichteten Schiffe hatte es ebenfalls Verluste gegeben.
Lilja ließ sich willenlos eine Zimmernummer zuweisen. Bei dem Durcheinander und den ständig
ankommenden Shuttles – oft mit Schwerverwundeten an Bord – konnte sich niemand um eine
eigentlich halb gesunde Pilotin kümmern. Ihre Brust schmerzte, und sie fühlte vor allem eine bittere
Müdigkeit. Was weiter geschah, lag fürs erste nicht mehr in ihrer Macht. Sie würde abwarten müssen,
was die Zukunft brachte. Teilnahmslos betrachtete sie das mehr oder minder organisierte Chaos an
Bord, während immer mehr Verletzte eingeliefert wurden. Einige der schwerer Verwundeten waren
nicht ganz bei Bewußtsein, immer noch künstlich ins Koma versetzt, in der Hoffnung, sie würden so
besser heilen. Bekannte und unbekannte Gesichter, so viele. Einzelschicksale, jedes für sich eine
Tragödie – doch die Russin fühlte die Trauer nur gedämpft, als würde nicht sie, sondern jemand
anders dies alles beobachten, als würde sie sich selber von außen betrachten. Als wären die Gefühle
nicht ihre eigenen Sie sah, wie Commander Auson an ihr vorbei getragen wurde. Die frühere XO war
abgemagert, die Wangen eingefallen, das Haar wirkte stumpf. Sie hatte die Augen geschlossen – ob
sie schlief oder bewußtlos war, konnte Lilja nicht erkennen. Ihr Atem ging flach, und ihr Gesicht war
wachsbleich Aber auch das berührte Lilja nicht sonderlich, sie fühlte einfach gar nichts mehr.
Schließlich fiel jemanden die apathisch dastehende junge Frau auf. Lilja gab erst auf die dritte Frage
Antwort, und folgte dann wie ein Automat dem Krankenpfleger, der sie zu ihrem Zimmer brachte.
Dort rollte sie sich auf dem Bett zusammen, ohne sich vorher auszuziehen. Sie wollte einfach nur
schlafen und vergessen – vergessen, und ihren Kampfgeist wiederfinden.
Doch bis sie die Niederlage würde vergessen können, würde wohl noch viel Zeit vergehen. Die
Schmach, die Hilflosigkeit und der Schmerz wartete in ihren Träumen auf sie – und davor konnte sie
nicht davonlaufen.
***********************************
Zur gleichen Zeit, Terra, Mitteleuropa, Deutschland
Lieutenant Commander Wolfgang Graf Berg von Hauenstein sass auf der Terrasse des Landsitzes
seiner Familie. Noch immer schmerzte der linke Arm, den man mit einer Gentherapie hatte neu
heranziehen müssen. Die täglichen Übungen, die den Arm kräftigen sollten, forderten ihren Tribut,
gleichzeitig war auch der eigentliche Heilungsprozess noch nicht vollkommen abgeschlossen. Doch
schlimmer waren die mentalen Wunden. Viele Freunde waren damals gestorben, Kameraden, mit
denen er zusammen gekämpft, aber auch gefeiert hatte. Nun waren sie nicht mehr. Stattdessen hatte er
als einziger schwerverwundet überlebt. Der Verwundete Löwe in Silber war für ihn ein Hohn
gewesen.
Das Wetter war wunderschön und die Bäume im Garten des Landsitzes strahlten Kraft und Stärke aus.
Von Hauenstein stand langsam auf und ging die drei Stufen hinunter, bis er auf der Wiese stand. Dann
schüttelte er den Kopf traurig und ging zurück ins Haus. Seine Mutter Theresia Berg von Hauenstein
beobachtete ihn sorgenvoll. Aus dem einst so blühenden jungen Mann voller Enthusiasmus war nun
ein verbitterter Veteran geworden, der mit sich selbst nicht im Reinen war. Die aufrechte Haltung war
einem gebückten, schlurfenden Gang gewichen. Früher hatte er die Gesellschaft gesucht, heute zog er
sich zurück in sein Arbeitszimmer und brütete vor sich hin. Wenigstens war der Konsum an
Alkoholika nicht merkbar gestiegen.
Der Count ahnte nicht um die Besorgnis seiner Familie. Er war zu sehr mit sich selbst beschäftig, als
er die Stufen zu seinen Räumen hinaufstieg. Die alten Eichenstufen knarrten leise und der Geruch vom
Bohnerwachs stieg ihm in die Nase. Ohne weiter nachzudenken ging er in seinen Arbeitsraum und
aktivierte den Computer, der auf einem alten großen Schreibtisch aus Mahagoni stand. Nach wenigen
Momenten war das System bereit. Dann blinkte ein Icon auf dem Bildschirm auf. Von Hauenstein
runzelte die Stirn und aktivierte das Programm.
>>>>Request Authorization Code>>>
Jetzt wurde es interessant und der Count augenblicklich aufmerksam. Eine solche Meldung konnte nur
vom Oberkommando kommen. Er zog die Chipkarte, die er um den Hals trug, ab und steckte sie in
den Schlitz am Computer.
>>>>Authorization accepted>>>
Von: Vice Admiral Mohammed Al Mukawil, Chief of Staff Bomberkommando Terra Homefleet
An: Lieutenant Commander Wolfgang Graf Berg von Hauenstein, derzeit ohne Zuteilung
Commander,
wie wir erfahren haben, haben Sie sich wieder als fronttauglich gemeldet. Eine Konsultation mit den
behandelnden Ärzten hat diese Meldung widerlegt. Nichtsdestotrotz kann ich Ihnen versichern, dass
Sie bald eine neue Stelle erhalten. Ich erwarte daher, dass Sie sich in drei Wochen in Berlin bei
Commodore Hayes melden. Dieser wird weitere Befehle für Sie bereithalten.
ViceAdm. Al Mukawil
Gez. Captain Steiner
Von Hauenstein lehnte sich zurück. Innerlich schien eine Last von ihm abzufallen. Die Zeit des
Müßigganges war vorbei und endlich konnte er etwas gegen die dunklen Gedanken tun, die ihn
umschwebten. Zugleich kamen aber auch die Zweifel wieder hoch. Würde er wirklich in der Lage
sein, wieder ein Gefecht durchzustehen. Kurzentschlossen stand er auf und tigerte durch den Raum.
Ein Beobachter hätte feststellen können, dass zumindestens ein Teil des Feuers zurück gekommen
war. Dann setzte er sich wieder an den Computer und begann, sich einen Überblick über den aktuellen
Stand des Krieges zu machen. Offensichtlich lief es nicht gut. Einer seiner Kontakte deutete an, dass
die leichten Träger ordentlich Prügel bezogen hatten. Wenn die wegfallen würden, dann lag die Last
einzig auf den Flottenträgern und den Kampfschiffen. Als Bomberpilot wusste er aber um die
Verwundbarkeit letzterer, auch wenn einzelne Schiffe einer Bomberstaffel mehr als gefährlich werden
konnte. Vor einem Golf hatte der Count etwa einen gesunden Respekt und bei den technischen Daten,
die er über die Dauntless Klasse zu sehen bekommen hatte, betete er nur, dass die Echsen nicht zu früh
auf dieselbe Idee kamen. Andererseits...ein System zu entwerfen und es im Kampf einzusetzen waren
zwei absolut unterschiedliche Dinge. Das brachte ihn dazu, erneut sich die Daten des Golf Kreuzers
anzusehen. Anschließend rief er sich die Daten zum neuen Upgrade Programm für sein Baby, die
Crusader, auf. Offensichtlich versuchte man, die defensiven Fähigkeiten des Bombers weiter zu
verbessern, neue Panzerlegierungen und stärkere Schilde, aber auch akkuratere Zielprogramme für die
Türme waren im Gespräch. Er zuckte mit den Schultern. Solange es nicht genug Leute gab, die die
Crusi vernünftig fliegen konnten, würde ein Nachrüstprogramm auch nicht helfen. Und die Leute
waren der wirkliche Mangelposten. Eine Umschulung auf die Mirage war einfach, aber die Crusader
benötigte eine viel größere Koordination und Zusammenarbeit der Crewmitglieder und sehr viel mehr
Spezialwissen. Gerade die Elektronik konnte so manches neues Crewmitglied zum Wahnsinn treiben
wegen ihrer Komplexität.
Von Hauenstein merkte, dass sein Arm immer noch schmerzte. Er beschloss, ein warmes Bad zu
nehmen und dann in die Stadt zu fahren, um einen alten Freund zu treffen. Vorher machte er aber noch
einen Anruf.
„Ja?“
„Guten Tag, Pater. Kann ich morgen einmal bei Ihnen vorbeischauen?“
„Es geht um Ihre neuen Befehle?“
„Ähm...“ Von Hauenstein war überrascht. Er wusste, dass sein Gegenüber gut informiert war...aber so
gut? „ja, ist korrekt, unter anderem.“
„Gut, kommen Sie morgen Nachmittag.“
„Danke, Pater, guten Abend.“
„Guten Abend, Wolfgang.“
Von Hauenstein ging ins Bad und genoß das dampfend heiße Bad. Anschließend wählte er einen
konservativen Abendanzug aus und ließ einen der Diener seinen Sportwagen vorfahren.
Zwei Stunden später war er an seinem Bestimmungsort angekommen. Als erstes besuchte er eine Bar,
die immer aufsuchte, wenn er in der Stadt war, das Billy Bones. Dort tauschte er die neuesten
Gerüchte mit einigen alten Bekannten aus. Nach einigen Drinks erblickte er den eigentlich Grund
seiner Anwesenheit. Eine blonde Schönheit mit eisblauen Augen kam durch die Tür des Lokals.
Gekleidet war sie in in ein schlichtes schwarzes Cocktailkleid, dass zwar Einblicke bot, jedoch nicht
zuviel verriet. Ihre langen Beine wurden noch durch die hohen Absätze betont und ihr Gang sorgte
dafür, dass sie so ziemlich jeder männliche Gast nach ihr umdrehte. Wolfgang lächelte und entspannte
sich. Freya, mit vollem Namen Freya Freifrau zu Hardenberg, hatte mal wieder ihren Auftritt und den
wollte er ihr nicht nehmen. Als sie schließlich bei ihm an der Theke angekommen war, stand er auf,
begrüßte sie und führte sie in eine der diskreten Nischen am Rande.
„Schön dich zu sehen, Wolfgang. Ich hatte schon gehört, du seiest der Entlassung aus psychologischen
Gründen nahe.“
„Der Geheimdienst ist nicht immer gut informiert, stelle ich fest.“ Count lächelte. Freya war
normalerweise nicht nur eine gutaussehende, sondern auch eine blendend informierte Frau aufgrund
ihrer Tätigkeit für den Militärgeheimdienst, das NIC.
„Aber du siehst nicht gerade gut aus.“
„Gut geht es mir auch nicht gerade. Mein Arm ist immer noch nicht in Ordnung...“
„Und geistig? Sei ehrlich. Ich habe die Berichte von dem Einsatz gesehen, danach ist niemals alles wie
zuvor.“
„Nun...“
„Verdammt, Wolfgang, wir kennen uns lange genug, ich weiß, dass du dich verändert hat. Wußtest du,
dass deine Mutter bei mir angerufen hat, um zu erfahren, was passiert ist?“
„Waaaas?“ Wolfgang merkte, dass er etwas laut wurde, denn einige Gäste drehten sich nach ihm um.
Etwas leiser fügte er an: „Mutter hat angerufen?“
„Jawohl. Sie klang richtig fertig. Ich hab ihr gesagt, dass ich ihr auch nichts sagen dürfe, aber dass sich
die Sache wieder einrenken würde. Ich hoffe schwer, dass ich da nicht zu optimistisch war. Immerhin
bekommst du bald eine neue Stelle.“
„Du weißt auch schon davon? Irgendwie bin ich der letzte, der das erfährt....“ Count war etwas
angesäuert.
„Beruhig dich. Soweit ich das übersehen kann, sieht es nicht schlecht aus für dich. Es dürfte bald
wieder an die Front gehen. Bist du dafür bereit?“
Wolfgang wollte erst nur nicken, aber er erkannte, dass er damit nicht durchkommen würde. Nicht bei
Freya, die ihn mit ihren eisblauen Augen musterte.
„Ich...weiß es nicht.“
„Ich verstehe. Du triffst morgen unseren gemeinsamen Freund?“
„Ja.“
„Dann höre auf ihn. Der Mann kommt dem Begriff eines weisen Mannes sehr nahe. Gut. Dann lass
uns das Thema wechseln. Noch einen Drink?“
„Sicher.“ Wolfgang konnte wieder lächeln.
*************************************+
Translichtspruch, Priorität B, Verschlüsselung Gold
An: Admiral Jean-Baptist Renault, CO 2. Flotte
Von: Rear-Admiral Hamish McAllister, Perseus Station
Sir,
ich bin mir bewusst, dass dieses Schreiben gegen jede militärische Ordnung ist und das Admiral
Noltze bereit ist alle sich aus dem Jollarahn-Desaster entstehenden Konsequenzen zu tragen.
Ebenso weiß ich, dass das Oberkommando den Jollarahn-Einsatz als Erfolg verkaufen möchte und
daher auf eine Untersuchung der Handlungen Captain Johnathan E. Wards verzichten will.
Dennoch muss ich den Admiral an Seine Pflicht gegenüber der gesamten Navy hinweisen.
Sie sind nicht nur verpflichtet, über Captain Ward Recht zu sprechen, sondern auch die Moral der
Flotte aufrecht zu erhalten.
Die Männer und Frauen, die an dieser Operation teil genommen haben, werden auf verschiedene
Kommandos versetzt und werden dort werden Geschichten über das Verhalten in der Schlacht von
Captain Ward die Runde machen.
Sir, als Offizier dieser Flotte verlange ich, dass den Gefallenen Männern und Frauen von Jollarahn
Gerechtigkeit wiederfährt.
Ich beschwöre Sie, lassen Sie nicht zu, dass in unserer Flotte jemand mit Feigheit und
Pflichtvergessenheit davonkommt. Gerade nicht in einer ernsten Zeit wie dieser.
Gezeichnet
Hamisch McAllister,
Rear-Admiral
Keine drei Stunden nach erhalt von McAllisters Nachricht verließen mehrere Translichtbotschaften
Renaults Flaggschiff.
Translichtspruch, Priorität A, Verschlüsselung Gold
An: Captain Chris Mithel, CO TRS Relentless
Von: Admiral Jean-Baptist Renault, CO 2. Flotte
Hiermit werden Sie angewiesen, sich nach der Aufnahme der Folgenden Passagiere:
- Admiral Maike Noltze (inklusive Stab)
- Commodore Jefferson B. Clarke
- Captain Jonathan E. Ward
der Hauptstreitmacht der 2. Flotte im Texas System anzuschließen und sich beim Flottenkommandeur
zu melden.
Gezeichnet
Jean-Baptist Renault,
Admiral, CO 2. Flotte
Translichtspruch, Priorität A, Verschlüsselung Gold
An: Captain Johnanthan E. Ward, CO TRS Galileo
Von: Admiral Jean-Baptist Renault, CO 2. Flotte
Hiermit werden Sie angewiesen, das Kommando über den leichten Träger TRS Galileo an Ihren 1.
Offizier abzugeben und sich an Bord von TRS Relentles zu begeben.
Die Relentless wird Sie zum Hauptquartier der 2. Flotte transportieren, warten Sie dort auf weitere
Anweisungen.
Gezeichnet
Jean-Baptist Renault,
Admiral, CO 2. Flotte
********************************************
Es war schon ein merkwürdiges Gefühl für Albert Mbane, vor so vielen Menschen zu sprechen. In den
Saal passten gut hundert Menschen. Die Kameras aber machten Shaka bewusst, das weit mehr Leute
ihm zuhören würden.
Der Saal war brechend voll. In den Türen standen die Menschen und versuchten noch einen Platz zu
ergattern. Die Marines reagierten noch nicht, solange sich die Piloten, Matrosen und Techniker –
Überlebende der REDEMPTION- und MAJESTICS-Verbände sowie Besatzungsmitglieder der
GALILEO – diszipliniert verhielten. Ein Aufstand oder eine Panik wurde nicht erwartet.
Das letzte Mal, als er vor so vielen Menschen gesprochen hatte, war bei seinem Akademieabschluss
gewesen. Als Jahrgangssprecher, als die Akademie ihn und seine Klasse ein halbes Jahr verfrüht auf
den Marsch geschickt hatte.
Doch das war nicht mit diesem Anblick hier zu vergleichen.
Unsicher warf der schwarze Hüne einen Seitenblick auf die anderen Anwesenden hier auf der kleinen
Bühne. Huntress nickte ihm auffordernd zu.
Also straffte sich Shaka und bot mit einem Handzeichen um Ruhe.
„Guten Morgen, Ladies und Gentlemen.“
Ein lauter Chor antwortete ihm. Die fanden das anscheinend auch noch lustig.
Shaka grinste.
„Viele hier kennen mich. Teufel, zumindest hat jeder hier schon mal von mir gehört.
Denn ich bin der Initiator der REDEMPTION&MAJESTICS-Society. Und wie ich an den metallenen
Stickern erkennen kann, die viele tragen, die Schiffe beider verloren gegangenen Verbände darstellen,
sehe ich, dass nicht wenige von Ihnen mittlerweile Mitglied geworden sind.“
Zustimmendes Raunen ging durch den Saal.
„Nun, bevor ich zur Sache komme, lassen Sie mich kurz erklären, warum ich diese Sache ins Leben
gerufen habe. Ursprünglich ging es mir nach der Schlacht von Jollahran wie jedem hier in diesem
Saal, wie jedem in den drei Flottillen. Ich war müde, abgekämpft, fühlte den Verlust so vieler Schiffe,
so vieler Freunde. Und den Verlust so vieler Menschen, die ich nicht kannte und nun niemals kennen
lernen würde.
Einer dieser Menschen war Ace. Second Lieutenant Clifford Davis, ein Pilot der REDEMPTION. Mit
zwölf Abschüssen auf drei Feindfahrten hat er eine beeindruckende Leistung gezeigt. Kein Akarii, der
sich mit ihm angelegt hat, konnte ihn abschießen. Nun, ich räume ein, er hat sich vielleicht nie mit
wirklich guten Akarii-Piloten angelegt.“
Wieder wurde leise gelacht.
„Von der letzten Feindfahrt aber kehrte er nicht zurück. Er starb wie so viele bei der Verteidigung der
REDEMPTION.
Für viele war Ace ein Angeber. Ein Großmaul. Ein Besserwisser. Ein selbstgerechtes Arschloch, dass
sich maßlos überschätzte und dadurch bald den Tod finden würde.
Für mich aber war er mein Wing Leader. Der Mann, der mich unter seine Fittiche nahm. Der mich
trainierte. Mir die üblichen Flausen austrieb, die man hat, wenn man frisch von der Akademie kommt.
Der auf mich achtete.
In meinem ersten Gefecht, welches auch das letzte von Lieutenant Davis werden sollte, achtete er auf
mich und beschützte mich so lange, bis ich endlich die Arschbacken zusammenkniff und meine Pflicht
tat. Das Ergebnis waren zwei Abschüsse, die ich hiermit gerne meinem Wing Leader widmen möchte.
Ich kam zurück. Ace nicht. Das passiert. Jeden Tag. An jeder beliebigen Stelle der Front gegen die
Akarii. Aber Jollahran wurde das Grab von Abertausenden tapferen Raumfahrern, sowohl Akarii als
auch Menschen. Gerade Menschen.
Als ich aus meiner Trauer aufsah, bemerkte ich, dass wir ALLE trauerten. Das wir ALLE etwas
verloren hatten. Das wir ALLE wussten, wir würden Vergeltung wollen.
In meinem Schmerz um Ace war ich vielleicht alleine.“
Irrte er sich, oder ging ein Ruck durch Huntress?
„Aber in meinem Gefühl des Verlustes hatte ich zehntausend Stimmen.
Was lag näher, als diese Stimmen zu suchen, zu vereinen?
Ursprünglich wollte ich nur mit den Piloten der REDEMPTION einen losen Kreis gründen. Doch
dann wurde ich gefragt: Was ist mit den Technikern, die unsere Maschinen gewartet haben? Sind die
weniger wert?
Nein, antwortete ich und bezog die Techniker sowie die restliche Besatzung mit ein.
Dann wurde ich gefragt: Was ist mit der MAJESTICS? Hat sie nicht tapfer gekämpft? Ist sie kein
Totalverlust?
Da habt Ihr Recht, antwortete ich und schloss die MAJESTICS mit ein.
Aber was ist mit den Begleitschiffen? Wir haben etliche verloren, viele haben sich geopfert, um uns zu
retten. Wer denkt an sie?
Wir, war meine Antwort, und so entstand die REDEMPTION&MAJESTICS-Society.
Damit glaubte ich alle meine Probleme gelöst, obwohl aus einer lockeren Gesprächsrunde mittlerweile
eine Bewegung geworden war.
Dann aber nahm mich einer meiner Vorgesetzten – nennen wir sie mal Lightning – ins Gebet und
fragte mich: Sind Sie wirklich so vermessen, die GALILEO auszuschließen? Glauben Sie wirklich,
der Verlust des gesamten Geschwaders wäre nicht hart und schwierig zu ertragen? Denken Sie nicht,
dass die Kapitäne der Schiffe ebenso bereit waren ihre Leben zu geben wie es die Kapitäne waren, die
in Jollahran zurückblieben?“
Shaka sah auf. „Ich hoffe ernsthaft, das war es dann aber. Oder möchte noch jemand die PERSEUSStation
aufnehmen?“
Wieder wurde leise gelacht.
„Lightning hatte natürlich nicht einfach nur Recht. Ich wollte den GALILEO-Verband auch nicht
ausschließen. Mir fielen eben nur die Namen der beiden verlorenen Träger zuerst ein.
Diese Erkenntnis aber brachte mich auf eine weitere.
Wir sind gar nicht die REDEMPTION&MAJESTICS-Society.
Wir sind die JOLLAHRAN-Society.“
Jubel wurde laut, vereinzelt wurde applaudiert.
„Und wir sind keine lose Gesprächsrunde. Unser Schmerz, unser Verlust eint uns. Eint uns im
Angesicht der Akarii-Bedrohung. Eint uns als Soldaten. Eint uns als Menschen.
Und da wir nun alle zusammen gefunden haben, sollen wir da aufhören, wenn wir uns hübsche
Schiffsreliefs auf die Brust heften? Oder ist in dieser Bewegung noch mehr Kraft?
Gibt es in ihr Leben, Energie? Menschen, die etwas bewirken wollen?
Was ist mit dem Kameraden, die mit uns in Jollahran waren? Vergessen wir sie oder achten wir fortan
aufeinander? Sind wir nicht durch diese Schlacht eine Schar von Brüdern und Schwestern geworden,
die fortan füreinander da ist?
Haben unsere Toten nicht Familien auf der Erde und den anderen Welten der Republik?
Haben wir nicht viele traumatisierte und verletzte Kameraden retten können?
Wollen wir diese Menschen alle allein lassen?
Nein, sage ich. Und ja, behaupte ich, wir können etwas tun. Zur Zeit gibt es einhundertelf eingetragene
Mitglieder in der Society. Bis wir erneut starten sind es vielleicht dreihundert oder mehr.
Und wir, diese Schar steht nun vor der Erkenntnis, dass wir etwas bewirken können. Miteinander.
Füreinander. Oder wir bleiben auf ewig eine lose Diskussionsrunde.
Ehren wir das Andenken an die gefallenen Kameraden, an die gefallenen Schiffe. Helfen wir den
Hinterbliebenen mit Ratschlägen, mit unseren Verbindungen, mit unserem Trost.
Stehen wir unseren Versehrten bei den langen Heilungsphasen zur Seite und zeigen wir ihnen, dass
wir sie nicht aufgeben.
Ich weiß, es ist genau so schwer zu handeln wie die Schlacht um Jollahran zu verarbeiten.
Aber wir sind nicht alleine. Wir sind viele, und das werden wir in der JOLLAHRAN-Society auch für
immer bleiben.
Zusammen wird es uns gelingen, wenn jeder seinen Teil beiträgt. Wenn wir weiterhin die
Gemeinschaft sind, die uns bis in diese Schlacht getragen hat und die uns half, den Akarii kräftig in
den Arsch zu treten.“
Shaka machte eine kurze Pause und sah erneut in die Runde. Viele Anwesenden nickten. Nicht wenige
von ihnen Veteranen von der GALILEO.
Wenn dies funktionierte, wenn es wirklich funktionierte…
„Sämtliche Veteranen von Jollahran sind fortan Beitrittsberechtigt. Jeder leistet seinen Teil.
Auf Terra wollen wir uns treffen und einen Vorstand wählen. Techniker, Piloten, Offiziere, Matrosen.
Wer sich berufen fühlt wird seinen Teil der Pflicht bekommen.
Und in diesem Krieg werden wir nie mehr allein sein.“
Shaka trat vom Redepult zurück und zeigte damit an, dass seine Rede beendet war.
Applaus klang auf. Applaus, der sich steigerte. Bis er ein Tosen wurde.
Er hatte gewonnen. Die JOLLAHRAN-Society hatte gewonnen. Für heute.
Und sie würde niemals aufgeben.
*************************************
Transport zur Erde, das bedeutete sieben bis acht Tage relative Ruhe vom täglichen Dienstalltag.
Nachdem das Geschwader, oder besser dessen Reste, von Bord der Gallileo gegangen, war es faktisch
nicht mehr im Einsatz. Weder galt Bereitschaft, wie noch an Bord des leichten Trägers, noch waren
die Soldaten auf Schiffen stationiert, die Kampfflieger starten konnten. Ein Lazarettschiff wie die
Maria Theresia war nun einmal kein Kampfschiff. Der tägliche Dienstbetrieb war also – auch
angesichts der noch unklaren Zukunft der Angry Angels – stark eingeschränkt worden. Den meisten
Soldaten kam dies gerade Recht – von einem besonderen Enthusiasmus konnte man kaum sprechen.
Und selbst die Offiziere hatten zumindest gegen eine kleine Ruhepause nichts einzuwenden.
Für Lightning freilich war die Folge vor allem Langeweile. Die Bordbibliothek ihres zeitweiligen
Zuhauses war nicht eben gut ausgestattet, vor allem, wenn man die große Zahl der ,Gäste‘ bedachte,
die außer esen nicht viel tun konnten. Und ihre Kollegen um deren „Colonial Playboy“ zu bitten –
nun, DAS kam ihren Vorstellungen von Freizeitlektüre auch nicht gerade entgegen. Also konnte sie
nicht viel unternehmen, außer die ebenfalls etwas überbeanspruchten Sportmöglichkeiten an Bord zu
frequentieren. Und, natürlich, sich Sorgen um die Zukunft machen, was sie dann auch mit
„Feuereifer“, aber mit wenig Begeisterung tat.
Natürlich waren da noch die ganzen anderen Piloten und Soldaten der Redemption und besonders des
Geschwaders. Aber obwohl man sie gewiß keine Schinderin nannte, war auch das nur eine begrenzt
nutzbare Option. Sie war keine Einzelgängerin, aber gewiß auch keine Salonlöwin. Ein gewisser
Abstand zwischen den Second und First Lieutenants auf der einen und ihr auf der anderen Seite blieb
immer, und sie war erfahren genug um zu wissen, daß es kaum möglich – oder klug – war, diese Kluft
gänzlich zu überbrücken. Sie durfte natürlich nicht zu groß werden – aber ganz verschwinden sollte sie
auch nicht. Wozu sollte es sonst in einer Armee Offiziere geben? Also bleiben als richtig
Gleichgestellte nur die Staffelchefs
Und in einigen Punkten war sie definitiv anderer Ansicht als ihre Offizierskameraden. Sie verstand
sich nicht sonderlich gut mit dem Geschwaderchef – der zudem genug mit sich selbst zu tun hatte.
Und auch mit den anderen war sie kaum richtiggehend befreundet. Nun, das ließ sich eben nicht
ändern. Gegenüber den Piloten, besonders denen anderer Staffeln, war dies nicht viel anders. Und mit
einigen kam sie nicht unbedingt so gut klar – was auch ihre eigene Schuld seien mochte. Wie zum
Beispiel bei Shaka. Sie erinnerte sich, warum sie mit ihm aneinander geraten war. Vermutlich wäre es
etwas anders verlaufen, wäre sie zu dem Zeitpunkt nicht – wie so oft in letzter Zeit – in ziemlich
schlechter Stimmung gewesen.
Als sie von dessen Idee einer Redemption- und Majestic-Society gehört hatte, da brauchte sie nicht
lange, um die Haare in der Suppe zu erkennen. Anders als viele andere hatte sie Kommandoerfahrung
und bereits eine gewisse Dienstzeit hinter sich, auch wenn sie noch lange nicht alt war. Und diese
Erfahrung sagte ihr, daß der Afrikaner offenbar die Sache keineswegs bis zu Ende gedacht hatte – oder
ihm fehlte jegliches psychologisches Gespür. Wie wohl auch vielen, die an seiner Idee Gefallen
fanden. Also hatte sie ihn kurzerhand zu sich befohlen. Parker war klar, daß dies eigentlich die
Aufgabe von Darkness war – aber der hatte genug zu tun, auch, weil sein unmittelbarer Vorgesetzter,
Commander Cunningham, nicht unbedingt uneingeschränkt einsatzbereit war. Deshalb gedachte sie,
sich selber darum zu kümmern. Der Umstand, daß sie eigentlich die ganze letzte Zeit das Gefühl hatte,
nicht nur Migräne sondern auch Magengeschwüre und ein halbes Dutzend anderer
Unannehmlichkeiten mit sich herumzuschleppen, sorgte dafür, daß sie diesmal die Humanität vergaß,
die sie sonst im Umgang mit Untergebenen an den Tag legte.
Als der hochgewachsene Zulu eintraf, musterte ihn Lightning nicht übermäßig wohlwollend. Sie
kannte diesen Typus Pilot – immerhin hatte sie mit Claw ein Prachtexemplar in der Staffel – und
schätzte ihn nicht gerade über die Maßen. Wie es ihre Art war, kam sie gleich zur Sache: „Also,
Second Lieutenant – was haben Sie sich eigentlich dabei gedacht?“ Und mit diesen Worten schob sie
ihm eine Kopie des Zettels hin, in der für die „Society“ geworben wurde. Offenbar hatte Shaka
wirklich keine Ahnung, denn er fragte nur: „Ma’am?“
Die Offizierin verzog das Gesicht. Begriffsstutzigkeit mochte sie ebenfalls nicht. Ihre Miene
verfinsterte sich noch etwas: „Hören Sie, Soldat, das ist doch nicht sonderlich schwer zu verstehen!
Ich will wissen, was diese Idee soll.“ Sie las vor: „ ,Redemption und Majestic-Society. Gegen das
Vergessen und für das Gedenken der tapferen Schiffe und der Soldaten, die auf ihr fuhren.‘ DAS
meine ich – und die Begleitumstände Ihrer Aktion.“ Der junge Pilot verstand offenbar immer noch
nicht ganz, was sie meinte: „Was ist damit, Ma’am? Hat sich jemand von der Gallileo beschwert,
oder...“ Lightning schnitt ihm mit einer knappen Geste das Wort ab: „Nein, beschwert hat sich keiner,
jedenfalls bisher. Darum geht es auch nicht.“ Sie setzte eine geduldige Miene auf, während sie
innerlich einige sehr unfreundliche Worte unterdrückte.
„Es geht darum, daß Ihre ganze Aktion in meiner Augen ziemlich bedenklich ist. Zunächst einmal der
Name. Das ist an sich schon nicht sonderlich geschickt gewählt. Genannt werden nur die beiden
verlorengegangenen Träger. Sie haben zwar – und das kann ich nur loben – auch die Begleitschiffe mit
einbezogen. Aber die Wortwahl Ihres kleinen Aufrufs impliziert dennoch, es ginge nur um die
Trägerschiffe. Wieso, könnten sich die Leute von der Agamemnon, der Jerome Custer, der Bakersfield
oder der Princeton fragen, werden nicht unsere Schiffe als Namensgeber ausgewählt? Und wieso nicht
die Madrid oder Tripolis oder Perregrine – die mit allen Besatzungsmitgliedern verlorengingen? Es
entsteht – wieder mal – der Eindruck, als würde man nur die Träger als wesentlich betrachten. Und
man sollte dieses Vorurteil von Flottenmatrosen nicht unbedingt noch unterstützen. Hätten Sie einen
unverfänglichen Namen gewählt – meinetwegen ,Gemeinschaft der Veteranen von Jollahran‘ oder
dergleichen – dann hätten Sie so etwas vermieden. Aber das ist nicht alles. Auch der Umstand, daß Sie
offenbar die Gallileo und ihre Begleitschiffe ausschließen wollen – sowohl vom Gedenken als auch
von der Teilnahme – scheint mir nicht sonderlich gut durchdacht. Ist Ihnen eigentlich klar, Shaka, daß
das Geschwader der Gallileo mehr Verluste – an Maschinen wie an Menschen – erlitten hat als die
Angry Angels? Es sind 15 Maschinen von 48 geblieben, und 18 Männer und Frauen von 60. Der
Umstand, daß ihr Tod nichts bewirkt hat – schließt der diese Toten vom Andenken aus? Sind sie
deshalb weniger wert?“
Ihr Gegenüber wurde von diesen Worten anscheinend überrascht, aber Lightning ließ ihm keine Zeit
zu einer Entgegnung, sondern fuhr gnadenlos fort. Einmal in Fahrt gekommen nutzte sie die
Gelegenheit – ohne es selber richtig zu merken – um sich all ihren Frust von der Seele zu reden: „Sie
mögen über das Verhalten des Verbandes während der Schlacht denken, was Sie wollen. Es ist mir
durchaus bekannt, daß gerade Captain Ward von vielen als halber Verräter betrachtet wird. Es ist nicht
meine Sache, darüber zu urteilen – Ihre übrigens auch nicht – aber der gesunde Menschenverstand
verbietet es, dies an den Männern und Frauen unter seinem Kommando auszulassen. Diese Soldaten
befolgten Befehle, über deren Richtigkeit sie nicht zu entscheiden hatten. Es waren moralisch
vielleicht bedenkliche Befehle – aber wenn jeder kleine Soldat anfängt, die Strategie in Frage zu
stellen, ist eine Armee gleich verloren! Und Sie wollen den Leuten vorwerfen, daß sie das nicht getan
haben, mitten im Gefecht? Damit, Second Lieutenant, untergraben Sie etwas, was eben so wichtig ist
wie die lebenden Traditionen unserer Navy. Die Geschlossenheit und Einigkeit, die eine Armee erst
stark machen. Wir brauchen hier keine Mehr-Klassen-Ideologie, die die Leute einteilt, allein danach,
wer wann auf welchem Schiff dient. Vor allem nicht in solch verletzender ,Die nicht!‘ Manie. Wir
brauchen Soldaten und Matrosen, die an einem Strang ziehen. Ich habe einen meiner besten Piloten für
einige Wochen in den Bau geschickt, weil er ebenso wie Sie vergessen hat, daß wir unsere
persönlichen Ansichten im Dienst beiseite zu lassen haben. Machen Sie so weiter, und ich garantiere
Ihnen, daß bald an Kanos Stelle ein ganzes Dutzend im Arrest steckt! Andenken an die Gefallenen und
Ehre ihrem Andenken schön und gut. Aber nicht auf Kosten des Bordklimas – das ist auch so schon
schlecht genug. Und überdies ist so etwas im höchsten Maße unwürdig! GERADE Sie sollten das
verstehen! Ich kann mich nicht erinnern, daß man IHNEN vorgeworfen hat, daß Sie nach dem Tode
Pinpoints, als Ace noch einmal raus wollte, um ihn zu suchen und der Commander es ihm verbot – daß
Sie da nicht zusammen mit Ace den Befehl verweigert haben. Und überlegen Sie sich mal, wie es
Ihnen gefallen würde, wenn ICH eine Mannschaftsversammlung aufmache und in die Satzung
aufnehme ,Nur Weiße‘! Das was Sie vorgeschlagen haben – ohne vorher Ihren unmittelbaren
Vorgesetzten zu informieren – läuft genau darauf hinaus!“ Dem Piloten schoß das Blut ins Gesicht –
und wohl nicht unbedingt aus Scham. Er öffnete den Mund.
Lightning – und diesmal spürte man ihn, den drohenden Blitz – brachte ihn mit einem einzigen Blick
zum Verstummen: „Vorsicht Pilot. Überlegen Sie sich, was Sie sagen. Ich gebe Ihnen vielleicht keine
Disziplinarstrafe, aber ich kann Sie schleifen, bis Sie nicht einmal mit einer Bibel mehr wissen, wo
Gott ist!“ Und im Augenblick sah sie so aus, als meinte sie das ernst – und sei auch dazu in der Lage.
Shaka gab aber nicht klein bei: „Erbitte Erlaubnis, frei sprechen zu dürfen!“ knurrte er. Lightning
zögerte nicht: „Abgelehnt! Wir sind hier nicht im ,Blauen Band‘!“ Sie musterte ihn kalt: „Ich will, daß
Sie gehen, und sich diese Worte mal durch den Kopf gehen lassen. Wenn Sie wollen, sprechen Sie mit
jemanden darüber, der ein bißchen mehr Erfahrung hat, als Sie. Aber ich rate Ihnen, GUT zu
überlegen, was sich für einen Angehörigen der Navy gehört, vor allem für einen Offizier! Das mag
vielleicht dort der Fall gewesen sein, wo Sie herkommen – ich bin schon lange genug aus der
Akademie raus, um nicht zu wissen, wie es dort jetzt zugeht – aber nicht auf einem Schiff, wo ich ein
Wort zu sagen habe.“ Sie winkte knapp: „Und jetzt raus!“
Innerlich schalt sie sich selber ein wenig, als sie jetzt daran zurück dachte. Nicht, weil ihre Worte
falsch waren. Denn das waren sie ja ganz eindeutig nicht. Aber sie hätte es auch anders sagen können.
Nach dem bißchen, was sie über Shaka wußte, war der Junge ziemlich ehrpusslig, was das Erbe seiner
Vorfahren anging – also war ihr Beispiel vielleicht ein kleiner Tiefschlag gewesen. Andererseits – sein
Verhalten lag auch etwas unterhalb der Gürtellinie. Wenn sich das herumsprach, dann würde es sicher
ein paar Leute geben, die gerne ausführlich mit ihm über die Kampfkraft der Gallileo ,diskutieren‘
wollten. Mal abgesehen davon, daß es dem Bordklima nicht wohltun würde, wenn jemand die
frustrierenden Begleitumstände der Schlacht künstlich wieder ans Tageslicht zerrte. Die waren zwar
noch lange nicht vergessen, geschweige denn vergeben – aber zumindest hatten sich die Konflikte ein
wenig abgeschliffen. Und da kam so ein Idiot daher, und schliff die Kanten wieder scharf!
Nein, sie hatte richtig gehandelt, da war sie sich sicher. Nun zumindest dem Geiste nach – das Wort
war nicht unbedingt das beste gewesen. Andererseits – den Jungen brachte das sicher auch nicht um,
vielleicht lernte er ja was. Daß sie damit allerdings nicht nur ihn, sondern auch einige andere verärgert
hatte – nun, das mußte Lightning wohl in Kauf nehmen. Wenn die einzige Folge Langeweile auf dem
Weg zur Erde war, würde sie sich nicht beschweren...
********************************
Captain Mithel las die Meldung gerade das dritte Mal, als der Türmelder ertönte. Er hatte gleich nach
dem Eintreffen der Mitteilung ,Alarm‘ gegeben, und die Reaktion war prompt erfolgt. Nach einer
knappen Aufforderung von ihm traten die beiden Offiziere ein, die er im Grunde als ,inneren Zirkel‘
seines Kommandostabes betrachtete. Commander Raffarin und Lieutenant Commander Rogulski. Er
nickte beiden zu und sie nahmen Platz. Lange Vorreden gehörten nur selten zu Mithels Taktik – außer,
er versprach sich etwas davon, und dies war hier eindeutig nicht der Fall. Also informierte er sie kurz
und knapp: „Man hat gleich einen neuen Auftrag für uns. Wir sollen Noltze und ihren Stab sowie
Commodore Clark und Captain Ward an Bord nehmen, und ins Texas-System bringen. Sieht so aus,
als wolle die Zweite was von ihnen, und vielleicht auch von uns.“
Man merkte sowohl seiner XO als auch seinem Waffenoffizier an, daß sie nicht gerade begeistert
waren. Das Texas-System war quasi die vorderste Linie – genau dort, wo in Kürze der Angriff der
Akarii losbrechen mochte. Und das mit einem Kreuzer, dessen Besatzung augenblicklich ein gewisses
Problem mit ihrer Einsatzmoral und dem Vertrauen in ihren Kapitän hatte, und der noch keinen
richtigen Feindkontakt hinter sich hatte, dafür dreieinhalb Monate Schleichfahrt, in der zweiten Hälfte
mit einem Haufen Verletzte an Bord. Sie stellten die Befehle natürlich nicht in Frage – dafür waren sie
viel zu professionell, im Gegensatz zu vielen Besatzungsmitgliedern. Aber begeistert waren sie nicht.
Mithel nickte, zum Zeichen, daß er sie verstand: „Ich weiß – eigentlich könnten wir zumindest ein,
zwei Tage brauchen, um klar Schiff zu machen, die Vorräte aufzufüllen und so weiter. Aber es muß
auch so gehen. Glauben Sie, wir können es schaffen, bis unsere Gäste eintreffen?“ Rogulski legte den
Kopf leicht schief: „Für die Waffenabteilung ist unsere Reise nach Texas kein besonderes Problem –
jedenfalls keines, bei dem ein oder zwei Tage einen großen Unterschied machen.“ Er wußte, Mithel
erwartete genau diese Antwort – und eine andere zu geben stand ihm, Rogulski, auch nicht zu. Die
Männer und Frauen mußten selber mit ihren psychologischen Problemen fertig werden. Vielleicht war
die Aussicht, die Scharte der letzten Mission auszuwetzen, dabei sogar hilfreich. Blinder Übereifer
konnte allerdings auch schädlich sein.
Raffarin sah das etwas kritischer, da sie als Stellvertreterin des Captains eher das ganze Bild im Auge
zu behalten hatte – nicht nur einzelne Aspekte: „Nun, bei den Quartiermeistern werden wir wie
verrückt ranklotzen müssen, um ein paar anständige Quartiere bereitzustellen. Nachdem wir die Leute
von der Redemption aufgenommen haben, dauert es ein wenig, bis so ein Quartier einem Stabsoffizier
zugemutet werden kann. Die medizinische Abteilung braucht auch dringend Nachschub – die waren
auf den Andrang nicht gerade vorbereitet. Und unsere Gäste haben uns ein riesiges Loch in die
Lebensmittelvorräte gefressen. Ich dachte ja, das sei kein Problem – hier bei Perseus zieht es viele ja
zu ganz anderen Fleischtöpfen – und deshalb habe ich die Auffüllung für nicht so wichtig erachtet.“
Mithel seufzte müde. Er hatte etwas in der Richtung geahnt: „Besteht wenigstens Hoffnung, daß
Noltze und ich nicht die Heimfahrt in einem Beiboot antreten müssen, während man Ward kielholt?“
Raffarin grinste – so schlimm konnte es nicht sein, wenn der ,Alte‘ noch Witze machte. „Sie meinen
,Meuterei auf der Relentless‘? Also, bis man den Streifen hier drehen kann, muß es noch ein
BIßCHEN schlimmer kommen. Die Leute werden es schon verkraften. Obwohl – 14 Wochen draußen
und ohne Möglichkeit, sich zu, hm, entspannen...“ Mithel knurrte etwas, das eigentlich nicht in den
Mund eines Offiziers und Ehrenmannes gehörte. Als er Rogulskis steinerne Miene und die schockiert
hochgezogenen Augenbrauen seiner Stellvertreterin bemerkte, lachte er kurz auf: „Zur Kenntnis
genommen. Achten Sie nicht auf einen alten Mann wie mich. Aber ich fürchte, da kann ich keine
Rücksicht drauf nehmen.“
Er überlegte kurz: „Na gut, gehen wir es systematisch an. JEDER an Bord außer der Notwache und
einer Abteilung Marines als Ehrengarde ist ab sofort einzusetzen. Ich will, daß die Gästequartiere so
eingerichtet sind, daß auch ein Vizeadmiral zufrieden ist! Also zuerst die Räume, die wir WIRKLICH
für unsere Gäste brauchen, je nach Dienstrang. Dann sollen sofort die Lebensmittelvorräte aufgefrischt
werden. Und wenn Sie ein Enterkommando auf die Perseusstation schicken müssen – weder der
Mannschaft noch unseren Gästen soll es an irgend etwas mangeln. Medizinische Abteilung ebenso.
Setzen Sie ALLE Leute ein. Und wenn das Beschaffungsamt sich querstellt, dann besorgen Sie sich
was aus einem der Restaurants – sagen Sie, es würde für den Krieg gebraucht, ich setze es dann auf die
Spesenrechnung.“ Er winkte ab: „Ich weiß, ich weiß, das gibt Murren bei den Leuten – aber uns bleibt
ja wohl nichts anderes übrig, oder? Ach ja – bestücken Sie zur Sicherheit auch die Getränkebar, am
besten auch die in den Gästezimmern. Auf Feindfahrt darf man ja nicht trinken, aber das hier ist ja
wohl etwas anderes. Alkoholisches und Nichtalkoholisches.“
„Bliebe noch ein Problem…“ stellte Raffarin fest: „Captain Ward.“ Mithel verzog die Lippen, als hätte
er einen schlechten Geschmack im Mund, zögere aber, auszuspucken. Er nickte, und Raffarin fuhr
fort: „Sir, Sie wissen, daß die Stimmung sowieso nicht die Beste ist. Ich weiß nicht, ob man von den
Leuten erwarten kann, daß sie Ward mit dem Respekt behandeln, der seiner Stellung gebührt – egal,
ob er den nun verdient oder nicht. Wenn wir die Dinge schleifen lassen, wirft das ein schlechtes Licht
auf unser Schiff. Greifen wir durch, wird die Besatzung das nicht vergessen.“ Der Captain überlegte:
„So schlimm?“ Raffarin zuckte mit den Schultern: „Es hat seit Jahrzehnten keinen Fememord mehr in
der Flotte gegeben, aber das könnte glatt einer werden, wenn es schlecht läuft.“ Mithel lächelte
zynisch: „Mir wäre es auch lieber, Ward die ganze Strecke in einem Shuttle und unter Arrest reisen zu
lassen. Aber Sie wissen, so etwas liegt nicht in unserer Macht. Wir mögen ihn persönlich für einen
Feigling und eine Schande für die Flotte halten, aber wir können nicht dulden, daß die Disziplin den
Bach runter geht. Nicht einmal, wenn Ward genau das verdient hat.“ Er überlegte: „Sie haben die
besten Kontakte zu den Leuten. Geben Sie folgendes raus – die Führung des Schiffes will, daß Captain
Ward korrekt behandelt wird. Er ist immer noch Offizier der Navy, und als solchen werden wir ihn
behandeln. Ansonsten ist es mir gleich, was die Leute über ihn denken oder auf welche Art und Weise
sie ihm begegnen. Kalt, aber korrekt.“
Raffarin grinste: „Wer Captain Ward mit Steinen bewirft, wird erschossen. Wer ihm zujubelt, wird
gehängt. Meinen Sie so etwas?“ Der Captain lachte leise: „In der Art. Ich will keinen Skandal auf
meinem Schiff, und ich will nicht, daß ich ein Exempel statuieren muß. Glauben Sie das geht?“ Die
Offizierin überlegte: „Wenn wir Glück haben, dann ja. Die Leute haben immer mehr Respekt vor den
Schulterstücken, als vor dem Menschen, der sie trägt. Jedenfalls meistens. Ich denke, wenn ich mit ein
paar von meinen Spezies rede, läßt sich das Ganze beherrschen.“ Mithel schaute seine beiden
Untergebenen kurz an: „Wollen wir es hoffen! Und nun – wir haben viel zu tun. Ich werde mal sehen,
ob ich ein paar Shuttles der Station für uns reservieren kann, und oberste Priorität für unsere
Neuausrüstung bekomme.“ Die beiden jüngeren Offiziere wandten sich zum gehen, als Mithel noch
etwas einzufallen schien: „Ach ja, Raffarin – was Sie da eben sagten, klang fast wie ein Zitat. Was war
das?“
Die Französin lächelte nicht unbedingt freundlich – wobei die Häme nicht Mithel galt: „Das soll die
Anweisung gewesen sein, als man Ludwig XVI. nach seinem Fluchtversuch nach Paris zurückbrachte,
während der Großen Französischen Revolution.“ Mithel schien zu überlegen: „Meine
Geschichtskenntnisse bezüglich Ihres Landes sind nicht die Besten. Was wurde aus dem Mann.“
Commander Raffarins Lächeln wurde ein wenig breiter: „Das Volk stürmte nicht allzu lang danach
seinen Palast und warf ihn ins Gefängnis. Am Ende wurden er und seine Frau hingerichtet…“
Als das Shuttle mit dem Stab Admiral Noltzes eintraf – und natürlich der Admirälin selber – da
schirmte eine Ehrenformation sie wohlweislich von dem organisierten Chaos ab, das im Hangar
herrschte. Das Stimmengewirr wurde von mit voller Lautstärke gespielten Navymärschen übertönt.
Bedachte man, was die Relentless nebenher zu organisieren hatte, ließ das Schauspiel sich sehen.
Mithel erwartete seine Gäste, ordnungsgemäß in Paradeuniform. Er wusste, was sich gehörte – auch
gegenüber Ward. Das würde ihn allerdings nicht daran hindern, alles in seiner Macht stehende zu tun,
um die Konsequenzen der Niederlage in die richtige Richtung zu lenken…
***

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Angry Eagles

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Clan Blood Spirit

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Kano stand an einer der wenigen Sichtluken der „Maria Theresia“, die die Redemption-Crew
aufgenommen hatte. Er war nicht allein – fast ein halbes Dutzend Männer und Frauen drängte sich vor
dem schweren Panzerglas. Aber an Bord herrschte die ganze Zeit großesl Gedränge – der Platz war
ziemlich knapp bemessen. Ein paar Augenblicke erinnerte sich Kano an seine Ankunft auf der
Perseus-Station. Auch damals hatte er an einem Sichtfenster gestanden. Sein Lächeln verblaßte etwas
– seitdem war vieles passiert... .
Nur ein paar hundert Kilometer entfernt lag die Erde: Hauptwelt der terranischen Republik, Zentrum
von Verwaltung, Flotte und Armee – und für die meisten Männer und Frauen der Redemption immer
noch „die Heimat“. Trotzdem zur Republik längst die Planeten, Monde und Raumstationen zahlreicher
Systeme gehörten – die Erde war immer noch der am dichtesten besiedelte Planet und kultureller
Mittelpunkt. Und außerdem Stationierungsort der Homefleet.
Das Gerücht, daß die Angry Angels ein neues Schiff bekommen würden hatte sich verdichtet, aber
keine direkte Bestätigung gefunden. Aber wozu sollte sonst die gesamte Crew ins Sol-System
transportiert werden, zu den Mars-Marinewerften, den bedeutendsten Werften der Republik? Diese
Überlegungen – und Selbstversicherungen - hatten die Stimmung an Bord etwas gehoben, mehr noch
aber die Aussicht auf RICHTIGEN Landgang. Im Vergleich zur Erde und den orbitalen
Vernügungsstationen wirkte die Perseus-Station wie ein verschlafenes Provinznest auf einem
Kolonialplaneten. Diejenigen, die auf der Erde oder einem anderen Planeten, Mond oder Station des
Sonnensystems geboren worden waren, bot sich außerdem die Chance, die Familie – Eltern,
Geschwister, Ehepartner, Freunde und Kinder – wiederzusehen. Vielfach das erste mal seit Monaten,
seit Beginn des Akariikrieges.
Ein riesiges Objekt schob sich über den „Horizont“ der Erdkugel. Der Mond konnte es nicht sein, der
war deutlich zu sehen. Der monströse Raumkörper wirkte zu groß, zu massig, um von Menschenhand
gefertigt zu sein. Und tatsächlich hatte der Mensch nur letzte Hand angelegt.
„Ist das... ?“ Einer der seamen hatte das Wort ergriffen, die Stimme rauh.
Kano beantwortete die unvollendete Frage: „Ja, Fort Lexington. Der Kampfmond.“
In einen riesigen Asteroiden hatte man im Verlauf von 30 Jahren eine gigantische Festung gegraben,
ein Weltraumfort mit der Vernichtungskraft mehrerer Schlachtflottillen, starrend von Schiffslasern,
Neutronen-, Photonen-, Plasma- und Tachyonenbatterien, Raumkampf- und Schiff-Schiff-
Raketenwerfern und Jägerbasen.
Mehr noch als die Heimatflotte verkörperte Fort Lexington die militärische Macht im Sol-System.
Jede Flotte, die es wagen sollte, die Erde anzugreifen, würde es mit der Feuer- und Vernichtungskraft
der Kampfstation aufnehmen müssen. Aber jetzt, zum ersten Mal, so lange ein lebender Mensch
zurückdenken konnte, bestand diese Gefahr tatsächlich. Was, wenn man die vorwärtsdrängenden
Akariis nicht würde stoppen können? Was, wenn Fort Lexington eines Tages wirklich zur letzten
Verteidigungslinie der Menschheit wurde? Soweit dachte allerdings keiner der Piloten und
Crewmitglieder, die sich um die Sichtluke drängten.
Die Bordlautsprecher erwachten dröhnend zum Leben: „ACHTUNG! Es spricht Commodore Clark!“
Wie auf ein Kommando nahmen die Männer und Frauen Haltung an, als Clarks Stimme aus den
Lautsprechern drang:
„SOLDATEN! KAMERADEN! Auf drei Feindfahrten haben wir dem Feind getrotzt. In den acht
Monaten, in denen ich das Glück hatte, euch zu führen, haben wir den Angreifern schwere Verluste
zugefügt. Egal wie schwierig die Mission war, wie ungleich das Kräfteverhältnis – ihr habt immer
eure Pflicht erfüllt! Im Dienst für die Republik, für die Menschheit, seit ihr über euch selbst
hinausgewachsen und habt bewiesen, was wahre Pflichterfüllung, Treue und Tapferkeit ist. Auch
wenn wir nun angeschlagen zurückkehren – wir sind nicht besiegt! Die Redemption mag gefallen
sein...“ Die Stimme des Captains wurde bei diesen Worten rauh, die Gefühle des alten Seemanns
angesichts dieses Verlustes spürbar „...aber der Kampf ist nicht vorbei! Und solange es Männer und
Frauen wie euch gibt, wird der unmenschliche Feind nicht siegen können! Wenn ihr nun euren mehr
als wohlverdienten Heimaturlaub antretet, dann könnt ihr eine Gewißheit mit euch nehmen! Ich werde
tun, was nur menschenmöglich ist, damit wir GEMEINSAM wieder in die Schlacht gehen. Ein neues
Schiff wird unsere Waffe werden gegen die Akarii – und der Feind wird bitter und blutig bezahlen für
seinen feigen und hinterhältigen Angriff, für all das Leid das er brachte – und für jeden Toten in
unseren Reihen! Es lebe die Republik! Es lebe die Freiheit!“
„ES LEBE DIE REPUBLIK! ES LEBE DIE FREIHEIT!“ Die Besatzungsmitglieder wußten, was man
von ihnen erwartete und nahmen die letzten Worte Clarks auf.
Ein wenig später ertönte wieder die emotionslose Stimme des Kommunikationsoffziers aus den
Lautsprechern: „Transport erfolgt mit Fähren. Bereitmachen zum Von-Bord-Gehen. Transport läuft
nach Standartprozedur!“ Das bedeutete, daß die Offiziere als erste von Bord gingen. Die
Flottentradition verlangte zwar, daß die Brückencrew – und vor allem der Captain – als letzte ein
todgeweihtes Schiff verließen. Im „normalen Leben“ galt das aber keineswegs.
Kano machte sich auf den Weg zu seinem Quartier – einer Kabine in der zur Zeit vier Mann schliefen
– der Platz war wie gesagt knapp. Er hatte schnell gepackt, seine Besitztümer füllten den Standart-
Seesack nicht einmal zur Hälfte. Das meiste war mit der Redemption verlorengegangen. Aber
immerhin – er hatte überlebt, war nicht einmal abgeschossen oder verwundet worden... .
**********************************
Im Hangar ging es hoch her. Um die beiden Landungsfähren drängten sich die Offiziersdienstgrade
der Redemption. Die Stimmung war gut, regelrecht aufgekratzt. Endlich ging es „nach Hause“. Kano
sah sich nach Kali um, konnte sie allerdings in dem Durcheinander nicht finden. Dafür sah er den
Geschwaderführer. Commander Cunningham ließ es sich nicht nehmen, jedem seiner Piloten noch
einmal die Hand zu geben. Das mochte vielleicht nur eine der üblichen Gesten sein, die das
Offizierslehrbuch empfahl – aber auch Gesten zählten viel. Der Geschwaderchef sah ernst aus, fast
bitter. Aber sein Händedruck war fest und sicher. Er sah jedem der Piloten direkt in die Augen.
Dann saß Kano zusammen mit den anderen Piloten der grünen Schwadron und Offizieren der Crew in
der Landungsfähre „Abyssinian“. Der Flug verlief ruhig und ereignislos. In einem Jahrhundert, in dem
die Reise zwischen den Sternen zur Selbstverständlichkeit geworden war, war es kaum noch
vorstellbar, daß einmal jeder Shutllestart oder –landung ein gefährliches Unterfangen gewesen war.
Die Fähre landete im Militärbezirk des Baikonur-Spaceport. Von hier war der erste Satellit und der
erste Mensch in den Weltraum gestartet. Heute war Baikonur einer der größten Weltraumhäfen – und
auf jedem Fall der mit der längsten Tradition.
Es mochte an der besonderen Natur der (gescheiterten) Mission liegen, daß am Boden nicht einmal die
speziell ausgewählten Reporter der regierungsnahen Zeitungen warteten um ein paar Aufnahmen und
Statements für die Propaganda zu bekommen. Sicherheitschef Ling hatte nicht umsonst noch einmal
klar gemacht, daß JEDE Verlautbarung militärischer Aktionen jenseits der offiziellen Kommuniqués
als Geheimnisverrat angesehen werden konnte.
Endlich auf dem Boden verliefen sich die Soldaten. Sie ließen sich den Sold auszahlen, suchten nach
Anschlüssen, die sie in ihre Heimatländer bringen würden oder legten eine Zwischenstation im Casino
ein, wo sie damit rechnen konnten, vom Bodenpersonal im Austausch für ein paar „Frontberichte“
ausgehalten zu werden.
Lieutenant Commander Parker hatte allerdings ihre Leute noch etwas zusammengehalten.
Zumindestens, um noch ein paar Worte loszuwerden: „Also Jungs und Mädels. Das war’s für’s erste.
Ich weiß, daß ihr heim wollt und ich werde nicht versuchen, den Commodore auszustechen. Ihr wißt
selber gut genug, was ihr geleistet habt. Also alles Gutes! Und kommt mir sauber aus dem Urlaub.
Nicht, daß sich jemand in die Konföderation verirrt – was sollte die Navy denn bloß ohne euch
anfangen!“ Damit hatte sie den Lacher auf ihrer Seite. „in die Konföderation verirren“ war der
Navyausdruck für Desertion.
„...das war’s schon. Haut besser ab, bevor ich rührselig werde – das würde meine Reputation nicht
überleben!“
Ein fester Handdruck und ein Schulterschlag für jeden beendete diese „Abschiedsrede“.
Die Landungsfähren der „Maria Theresia“ wurden rasch aufgetankt und starteten wieder. Diesmal
brachten sie auch den Rest der Angry Angels auf den Boden.
Kali war nicht besonders überrascht, daß Kano auf sie gewartet hatte. Sie hatte sogar damit gerechnet.
Unwillkürlich spürte sie, wie sie etwas nervös wurde. Sie hatte vor, ihre Familie zu besuchen – und sie
wußte, daß auch Kano seine Eltern und Geschwister in Tokio besuchen wollte. Aber abgesehen
davon... . ‚Was würdest du machen, Mädchen, wenn er dir vorschlägt, mal ein paar Tage gemeinsam
zu verbringen?‘ dachte sie selbstkritisch. ‚Würdest du dich freuen? Würdest du ja sagen? Tja... .‘ Das
Leben war wirklich verflucht kompliziert. Sie und Kano hatten ihre Freundschaft wieder aufgefrischt –
darüber hinaus... .
„Hallo Kano. Hast du auf mich gewartet – oder hat der ‚Alte‘ dir Garnisonsdienst aufgehalst?“
Kano lächelte – allerdings etwas unsicher: „Hallo Helen. Nein, hat er nicht. Ich habe allerdings auch
darauf geachtet, ihm in den letzten Tagen nicht zu sehr auf die Nerven zu gehen.“
Er wechselte auf ihre rechte Seite: „Ich bring‘ dich zum Transporter. Wissen deine Leute schon, daß
du kommst?“
„Natürlich. Wenigstens dabei hat die Navy langsam alles im Griff. Zu Beginn des Krieges konnte es ja
Monate dauern, bis ein Brief durchkam. Und eine Leitung zur Erde zu bekommen war ungefähr so
aussichtsreich, wie die Suche nach fließendem Wasser auf dem Mars... . Und du?“
„Virago hat auf der Perseus-Station für mich eine Nachricht aufgegeben. Und Tarro hat zur Zeit auch
Urlaub. Zwei Tage noch.“ Tarro war Kanos älterer Bruder – Deckoffizier auf dem Zerstörer
„Caulaincourt“. Ein anderer Bruder, Ioura, war wie Kano Pilot gewesen – und über Manticor mit der
„Akagi“ gestorben.
Dann waren sie auch schon durch die Sicherheitsschleusen und in dem riesigen unterirdischen
Bahnhof, der Baikonur mit dem Rest der Welt verband. Im 27. Jahrhundert waren auf der Erde
Entfernungen, die nach hunderten oder tausenden von Kilometern zählten, fast bedeutungslos
geworden. Die beiden Piloten fielen in der Menge nicht auf – Uniformen waren hier ein gewohnter
Anblick, darunter auch viele „Frontschweine“.
Sie erreichten schnell ihr Ziel – einen der überschallschnellen Züge, die unterirdisch die wichtigsten
Zentren miteinander verbanden und gleichzeitig Komfort und Schnelligkeit boten.
Daß das Tunnelsystem dazu noch ein verzweigtes Bunkersystem bot, das sogar Nahschlägen mit
taktischen Nuklearwaffen standhalten konnte, war allerdings nur einigen Spezialisten bekannt.
Mit Schwung beförderte Kali ihren schweren Seesack in die Tür. Ein Matrose des Zerstörer
„Maddox“, wohl ebenfalls auf Heimaturlaub, mußte beiseite springen und fluchte lauthals – was Kali
konterte: „Bewegung tut gut! Was denkst du denn, wie du erst wetzt, wenn du in die Rettungskapseln
mußt!“
Dann wandte sie sich etwas unsicher an Kano: „Also dann, Kano. Ich...“
Diesmal ergriff Kano die Initiative und küßte sie. Eigentlich sollte es nur ein Abschiedskuß werden –
doch dann wurde mehr daraus. Irgendein Witzbold auf dem Bahnsteig applaudierte. Schließlich
trennten sich beide etwas atemlos.
Kali sah ihn an, bevor sie eine Antwort formulieren konnte, ertönte das Zugsignal. Sie umarmte Kano
wortlos und kletterte hastig in den Zug. Die Türen schlossen sich und der Zug beschleunigte und
schoß in die Fahrtröhre.
Kano sah dem Transrapid hinterher, den Arm winkend erhoben. Es war ihm egal, daß Kali ihn
wahrscheinlich gar nicht sehen konnte. Dann wandte er sich ab.
„Wie kommt es eigentlich, daß so einer wie du so ein Mädchen hat?!“
Kano blickte den Frager an: der Mann mochte Mitte Zwanzig sein, wirkte sportlich und gutaussehend.
Auf jeden Fall war seine Kleidung erheblich teurer, als alles, was Kano jemals getragen hatte. Der
junge Pilot überlegte kurz – und grinste dann etwas bösartig: „Melde dich freiwillig zu den
Kampffliegern, du Drückeberger!“
Ein Sergeant der Marines, der in der Nähe stand, lachte wiehernd.
Dann schulterte Kano den halbvollen Seesack und suchte nach seinem Anschluß – über Peking nach
Tokio.
*********************************
Murphy sass an seinem Schreibtisch auf der Maria Theresia – auch hier ließ in der Papierkrieg nicht
im Stich - während der Rest der Staffel sich die Zeit mit Müßiggang vertrieb. Sein Computer zeigte
ihm, dass einige neue Meldungen eingetroffen waren.
Prioritätsmeldung Stufe Gamma
An: Lt.Com. Murphy, CO VF-2710
Von: Commodore Jackson Hayes, Jägerkommando Terra
Hallo Jack,
Freut mich, dass Du das Jollaran Debakel gut überstanden hast. Ich habe gehört, dass es euch hart
getroffen hat.
Genug der Vorrede jedoch. Ich schreibe aus einem dienstlichen und einem privaten Grund.
Dienstlich muss ich dir mitteilen, dass du dich bereit machen sollst, das Kommando an deinen XO zu
übergeben. Wir wissen, dass es ihr noch nicht so gut geht, aber die Bericht vom medizinischen Stab,
die du wohl auch kennst, besagen ja, dass sie nach einer Rekonvaleszenzzeit auf Terra wieder auf die
Beine kommt.
Für dich ist eine neue Aufgabe vorgesehen, wobei ich den Eindruck habe, dass noch nicht ganz klar
ist, welche das sein wird. Aber sei dir im Klaren, dass Leute mit deinen breiten Qualifikationen
momentan so selten sind wie Wasser in der Wüste. Lass dir also nicht irgend ein zweitklassiges
Kommando andrehen, was dir nicht zusagt.
Privat möchte ich dir eine Einladung aussprechen. Laura und ich sind nach Berlin gezogen. Wir
würden uns freuen, wenn du uns – so lange wie du willst – besuchst. Wir haben uns viel zu erzählen.
Ich glaube, du weißt gar nicht, dass wir mittlerweile drei Kinder haben. Verdammt. Es ist lange her.
Komm einfach vorbei.
Gruß
Jackson
Murphy schmunzelte. Das waren in der Tat gute Neuigkeiten. Jackson war eine Bekanntschaft aus der
Zeit an der Akademie gewesen. Ein Mann, dem viele glänzende Zukunftsaussichten prophezeiten, und
der mittlerweile im Stab eines Senior Admirals diente. Für Jack war er vor allem Tutor in seinem
ersten Jahr in Akademie gewesen, als Hayes Ausbilder für Astronavigation und Flottentaktik war. Als
Murphy sich als ernster, ruhiger Student herausgestellt hatte, hatten viele ihm das Temperament für
die Jagdfliegerei abgesprochen. Hayes hatte jedoch erkannt, dass es diese Ruhe sein würde, die
Murphy später zum Staffelkapitän machen würde, wo viele Akademiekameraden bereits gefallen
waren. Die Männer waren nach der Akademie Freunde geblieben und Hayes hatte immer wieder dafür
gesorgt, dass Murphy nicht im falschen Kommando landete. Auch hatte er das Ansinnen seines jungen
Freundes gefördert, möglichst viele Flugzeugmuster zu fliegen und diesbezügliche Qualifikationen zu
erwerben. Denn auch wenn es innerhalb des Geschwaders kaum bekannt war, so war Murphy einer der
wenigen Männer in der Navy, der als Ausbilder für nahezu alle Flugzeugmuster der Navy zugelassen
war. Normalerweise sah die Navy dies als Verschwendung an, aber Jackson hatte Murphy unter die
Arme gegriffen und ihm so indirekt zu seinem Posten auf dem Mars verholfen.
Jack las die Nachricht nochmals durch, dann sandte er eine kurze Antwort, in der er den Befehl
bestätigte und die Einladung – zumindestens für einige Tage – annahm.
Dann wandte er sich der nächsten Nachricht zu.
Zur gleichen Zeit erhielt Gonzalez auf der Dauntless einen neuen Befehl. Anders als die Relentless
hatte man den leichten Kreuzer erst mal auf Perseus versauern lassen. Offensichtlich wollte niemand
in seinem Flottenverband ein unerprobtes Schiff haben. Gonzalez hatte leichten Dienst verordnet und
so weit als möglich Landurlaub gegeben. Gleichzeitig waren ein weiteres Mal Techniker der Werft an
Bord, um die Systeme zu überprüfen und die neugewonnenen Daten auszuwerten.
Gonzalez zog an seiner Zigarre und rief dann nach seinem XO. Warren Turner kam wenige Minuten
später von der Brücke in das Quartier des Captains.
„Neuer Befehl?“
„Ja, lies selbst.“
Er reichte Turner den Ausdruck und paffte weiter an seiner Zigarre.
Turner las folgendes:
Priorität Delta-grün
Verschlussache
An: Captain E.E.E. Gonzalez, CO TRS Dauntless
Von: Rear Admiral Hamish MacAllister, Perseus Station
Captain,
Zunächst einmal meine Anerkennung für Ihren gründlichen Bericht hinsichtlich des Zustandes Ihres
Schiffes. Mir scheint, dass Sie es geschafft haben, systematisch jeden Fehler aufzuspüren, den es gab.
Ihnen wird ab sofort ein neuer Auftrag erteilt. Der Konvoi BravoTango 4 verläßt morgen um 1200
Terranormzeit Perseus. Sie werden angewiesen, sich dem Konvoi anzuschließen und als Flaggschiff
der Eskorte zu dienen. Der Kommandeur des Konvois, Commodore Gareth Reich wird vier Stunden
vor Auslaufen an Bord eintreffen und das Kommando übernehmen. Sie werden daher ferner
angewiesen, entsprechende Vorbereitungen zu treffen.
Der Konvoi ist von äußerster Wichtigkeit, ich zähle darauf, dass kein Frachter verloren geht.
Nach Ankunft auf Sternentor werden Sie sich ins Texassystem begeben und sich dort dann dem sich
formierenden Kreuzerschwadron 2.3 unter Commodore Hennig Schupp anschließen, um diesen
Flakdeckung zu gewähren.
Gez.
MacAllister, Perseus Station
„Wollen die uns aus dem Weg haben oder ist das wirklich `nen wichtiger Konvoi?“
„Ich hab das auch erst gedacht, aber dann hab ich mir die Daten angeschaut. Wir haben noch zwei
Fregatten und einen Zerstörer dabei. Das ist ne Menge Aufwand für zehn mittelgroße Frachter.
Daraufhin hab ich mal meine Kontakte auf der Station angerufen. Angeblich transportieren die
Frachter wichtige Rohstoffe für die Werften und Fabriken auf Tau Ceti.“
„Hm, das kann interessant werden. Wir sind zumindestens an zwei Stellen recht nahe an den
feindlichen Linien, wenn wir einen halbwegs geraden Kurs fliegen.“
„Richtig, und nach den Zeitvorgaben, die MacAllister angehängt hat, bleibt uns nichts anderes übrig.“
„Ok. Und was ist mit Reich?“
„Für mich ein unbeschriebenes Blatt. Keine Ahnung, aber ich befürchte, es wird ein Bürohengst
übelster Sorte mit null Ahnung von dem, was hier abgeht.“
„Schlechtes Karma, würde ich sagen.“
„Du sagst es, Warren, du sagst es.“
„Soll ich den Landurlaub sofort streichen und die Leute zurückholen?“
„Ja, mach das besser. Ich habe keine Lust, das Auftauchen irgendwelcher Schnapsleichen am nächsten
Tag dem Commodore zu erklären. Und such ein paar Leute heraus, die wir für die
Empfangszeremonie vorzeigen können. Du kennst den Typ, auf den die Büroheinis stehen,
Rekrutierungspostermaterial halt.“
„Wird gemacht. Sonst noch was?“
„Ja, lass meine und deine Kabine räumen, wir müssen dem Commodore ja ein Quartier bieten.“
„Das war es dann mit Einzelkabine.“ Turner seufzte.
„Wie du sagtest, schlechtes Karma.“ Gonzalez grinste.
************************************
Die Militärjustiz war von je her eine diffizile Angelegenheit. Was war den Richtern wichtig: Den Ruf
der Truppe zu wahren, Unfähigkeit auszumerzen oder Feigheit zu bestrafen.
Ein Kriegsgericht war aber, was immer letztlich auch herauskam, eine heikle Angelegenheit, die
Karrieren beenden konnte.
Captain Johnathan Eugene Ward musste nur eine Untersuchung über sich ergehen lassen.
Alles war innerhalb weniger Tage abgehandelt: Fünf ranghohe Offiziere bildeten den
Untersuchungsausschuss: Ein Rearadmiral: Maria Adropolis, vier Captains: Scott Reley, Walter
Kirschner, Chantal Lanier und Moraiko Chao.
Hinzu kamen zwei Lieutenant Commander des JAG-Corps: Jake Smollet als Rechtsbeistand und
Forrest Marsh als Untersuchungsoffizier.
Als Zeugen wurden nur Mithel, Clarke und Ward selber verhört.
An Berichten wurde der gesamte Schriftverkehr zwischen dem Kommando der 2. Flotte und den
Captains der Trägergruppe Galileo als Beweise vorgelegt.
Und schließlich zog sich der Ausschuss zur Beratung zurück.
"Also, was ich so gesehen habe, reichen die Zeugenaussagen und Beweise dafür, dass ein
Kriegsgericht ihn verurteilt und erschießen lässt", begann Reley.
Kirschner nickte: "Ja, aber sollten wir wirklich ein Militärgerichtsverfahren einleiten lassen? Ich
meine, ich bin zwar kein Flieger, aber wenn plötzlich und auf einen Schlag 33 von 36 Jägern
vernichtet werden, so was ist ein hochgradiger Moralkiller."
"Das mag ja sein, doch sollte Captain der TSN um ein vielfaches mehr Ruhe und Selbstdisziplin
wahren, als dieser ... Kerl." Spuckte Lanier aus.
"Captain, Sie sprechen immer noch von einem Captain der Navy und werden, solange mit Respekt
über ihn Reden, wie er in Rang und Würden ist." Andropolis stimme durchschnitt den Luxoriös
eingerichteten Besprechungsraum an Bord des Flottenträgers Gettysburg.
"Entschuldigung Ma'am." Lanier blickte beschämt zu Boden. Diesen Drecksack sollten sie aus der
nächsten Luftschleuse stoßen.
"Also Ladies und Gentlemen, was machen wir?"
"Nun Ma'am, ich für meinen Teil bin der Ansicht, das wir einerseits Ward nicht einfach ans Messer
liefern sollten, für einen Fehler, der darin bestand, dass man ihn nicht früher aussortiert hat. Und zum
anderen dürfen wir ihn nicht auf seinem jetzigen Posten belassen, das wäre grob fahrlässig." Kirschner
nickte bei Chaos Plädoyer.
"Und wie haben Sie sich das vorgestellt?" Wollte Lanier wissen.
Die Entscheidung war gefallen. Ward wurde in zurück in den Besprechungsraum geführt, wo die
gesamte Untersuchung statt gefunden hatte. Fünf Minuten später trat der Untersuchungsausschuss ein.
Nachdem die fünf Offiziere Platz genommen hatte begann Andropolis: "Captain Johnathan Eugene
Ward: Dieser Untersuchungsausschuss hat folgendes festgestellt: Ihre Handlungsweise nach der
Vernichtung Ihrer Flugdivision im Gefecht um Jollarahn ist im weiteren Sinn durchaus verständlich.
Genauso ist zu Berücksichtigen, dass nur so die Überlebenden des Redemptionverbandes gerettet
werden konnte.
Dieses alles, und vor allem deshalb, weil es nicht vorherzusehen war, dass die Redemption in Tau Ceti
auftauchen würde, entschuldigt nicht Ihr unsolidarisches und unmoralisches Verhalten.
All diese Erkenntnisse, die uns diese Untersuchung beschert hat, führt uns zu folgendem Schluss
kommen: Sie sind nicht fähig, das Kommando über ein Raumschiff zu führen. Schon allein um die
Disziplin innerhalb der Flotte aufrecht zu erhalten, ist es unsere Pflicht Sie von Ihrem Posten zu
entfernen." Die Admiralin pausierte kurz.
"Als nicht gerichtlicher, aber offizieller Untersuchungsausschuss gibt es für uns nur eine Möglichkeit:
Mit sofortiger Wirkung entziehen wir Ihnen Ihr Raumfahrtpatent."
Das Raumfahrtpatent machte in der zivilen Raumfahrt einen Captain aus und wurde bei der Terran
Space Navy zusammen mit dem Offizierspatent verliehen, um somit jedem Offizier der Navy
bestätigte und ermächtigte im Notfall das Kommando über ein Raumschiff zu übernehmen.
Wards Offizierskarriere war mit einem Schlag beendet, ohne Kriegsgericht, ohne Skandal.
**********************************
Das war es dann also. Das Intermezzo war vorbei. Juliane packte das, was sie von der REDEMPTION
hatte retten können, zusammen. Viel war es nicht. Aber sie war es auch nicht gewöhnt, besonders viele
Kinkerlitzchen mit sich herumzuschleppen.
Einzig ihre Seidenunterwäsche würde ihr fehlen. Die war mit dem Träger untergegangen. Die
Standardunterwäsche war ihr einfach zu kratzig, und jetzt hatte sie nur noch eine Garnitur…
Aber das war nichts, womit sie sich im Moment des Abschieds beschäftigen sollte, entschied sie. Die
Slips und BHs würden sich ersetzen lassen. Immerhin wartete ein fetter Bonus auf sie sowie die
Einkaufsmöglichkeiten der Erde.
Ein letztes Mal sah Huntress auf die Aufstellung der Staffel. Sie hatten arg gelitten. Foreigner ging
zweimal die Woche zum Psychologen.
Merkur war tot.
Rapier war immer noch auf leichtem Dienst und würde erst in drei oder vier Wochen wieder das
Flugtraining aufnehmen können. Die Verletzung der Wirbel hatte auch die Nerven im Rückenmark
beeinträchtigt. Selbst heutzutage war die Regeneration von Nerven eine langwierige Sache.
Nemesis fiel für mehrere Monate aus. Er hatte das linke Bein ganz und das rechte bis zum Knie
verloren. Es würde einige Wochen dauern, bis sie mit Hilfe der modernen Medizin nachgewachsen
waren. Aber sie zu trainieren und auf die alte Leistung zu bringen, ganz mal davon abgesehen, dass
diese Erfahrung ein Schock für den jungen Burschen sein müsste…
Aber weit gefehlt. Er schien ein derart sonniges Gemüt zu besitzen, dass er die Information über die
fehlenden Beine mit einer Handbewegung abtat und lieber danach fragte, wann er den Dienst wieder
aufnehmen könne.
Sneaker war Gestern entlassen worden, rechtzeitig für den Heimaturlaub.
Elfwizard war flugtauglich, ging aber ebenfalls einmal die Woche zum Psychologen.
Bushfire war zwar auch flugtauglich, stand aber ebenso unter Beobachtung der Psychologen. Seit
neuestem hatte er was gegen Kälte und weite Räume.
Cloud hatte ein paar Finger durch Erfrierungen verloren. Sie waren mittlerweile fast nachgewachsen,
aber sein Händedruck war immer noch etwas schwammig. Sein Kommentar dazu war: Na, wenn’s
nicht schlimmer ist…
Dagger hatte ihr Thoraxtrauma mittlerweile überstanden. War aber zur Kur befohlen worden. Sie
würde frühestens in drei Wochen flugtauglich geschrieben werden.
Avenger hatte seine Torheit während der Schlacht viel zu gut überstanden. Deshalb hatte Huntress ihn
auch jede verdammte Tour fliegen lassen, die sie ihm noch zumuten hatte können. Mittlerweile hatte
der Junge eine Ahnung davon, was eine Befehlskette war.
Die Lieutenants Carlsen und Terrano, die sie mitsamt ihrer Nighthawks unter ihre Fitticeh genommen
hatte, waren ihr lange, zu lange zugeteilt geblieben.
Beide hatten ein schweres Trauma aufgrund des Verlusts ihres Trägers, aber die harte Arbeit und die
vielen Patrouillen hatten sie aufrecht gehalten.
Miguel Terrano hatte sogar einen Versetzungsantrag zu den Jokers gestellt. Huntress konnte ihn
verstehen. In der kurzen Zeit waren sie alles gewesen, was er noch hatte. Auch wenn er bei der
Versetzung seine Nighthawk verlieren würde.
Der einzige, der vollkommen unbeschadet aus der Schlacht hervorgegangen war, das war Demolisher
gewesen. Es war, als könnte nichts und niemand ihren ehemaligen Wingman erschüttern. Wie ein
nachtschwarzer Fels in der Brandung hatte er die Fluten der Akarii gebrochen. Bei den Technikern
ging das Gerücht um, dass seine Maschine lediglich ein paar Schrammen abbekommen haben sollte,
und das auch nur, weil einer der Techniker die Leiter falsch angesetzt hatte.
Somit kam sie Summa sumarum auf eine kastrierte halbe Staffel.
Damit konnte sie noch zufrieden sein. Die anderen hatte es wesentlich schlimmer erwischt. Gerade
Gold und Silber hatten nicht nur Tote, sondern auch viele Vermisste zu beklagen. Nur ein SARShuttle
der REDEMPTION hatte sich zwischen die Frachter des Konvois gewagt. Wen die
heldenhafte Crew dieses Shuttles nicht gerettet hatte aber noch am Leben war, befand sich nun in der
Hand der Akarii.
Huntress hatte wenigstens Gewissheit über das Schicksal ihrer Leute.
Ein letztes Mal warf sie einen letzten Blick auf die Aufstellung. Daneben lag eine Kopie des
Abschiedsbriefes für Lieutenant Morellis Eltern und seine Schwester. Sie hatte letztendlich doch einen
Text zustande gekriegt. Keine Nullachtfuffzehn-Geschichte, sondern ihre Sicht der Schlacht und
Merkurs Rolle darin. Natürlich hatte sie mit dem Geheimdienst Rücksprache gehalten, was von
Jollahran Geheimsache war und was nicht. Der Eisenbeißer hatte sogar Probe gelesen und genickt.
Ein anderes Schicksal aber ging Huntress noch immer nicht aus dem Kopf.
Seit Ace tot war, schien es ihr, als fehle da was in ihrem Leben. Es war nur Sex, ja, ja.
Es war eine tiefe und ehrliche Freundschaft, die sie beide sehr genossen hatten. Der Sex war da nur
eine Dreingabe gewesen.
Sie aktivierte ihr Computerterminal, während die letzten Stücke ihres Eigentums im Seesack landeten.
Ein letztes Mal rief sie die Verlustlisten auf und suchte nach Morellis Namen.
Dahinter stand eine Feldbeförderung zum First Lieutenant. Und die Verleihung des Goldenen Löwen.
Konnte das eine Familie trösten? Nein. Beruhigen? Nein. Aber vielleicht dieser Familie das Leben
retten.
Wie beiläufig, als interessiere es sie überhaupt nicht, rief Huntress auch noch die Vermisstenliste auf
und suchte nach Second Lieutenant Clifford Davis. War seine posthume Beförderung endlich durch?
Hm. Suchfehler.
Sie gab den Namen erneut ein.
Suchfehler.
Und noch mal.
Suchfehler.
Merkwürdig. Dann hatten sie ihn bereits auf die Verlustliste gepackt. Huntress würde…
-Piiep-
Der Wecker gellte auf. Es wurde Zeit. Ihr Shuttle zur Erde ging bald. Zuerst nach Baikonur, danach
mit der Tram nach Berlin. Von dort würde sie ein Flieger an die Waterkant bringen. Nach Hause.
Sie deaktivierte den Terminal. Ein letztes Mal.
Dennoch, vielleicht sollte sie mit Kali drüber sprechen. Das würde sie auch interessieren. Ob Ace auch
den Goldenen Löwen erhalten würde?
Was sie zu sich selbst brachte. Wie würde es mit ihr weitergehen? Wie mit ihrer Staffel, wie mit ihrem
Geschwader? Würde es zerfetzt und in alle Winde zerstreut werden? Oder würde sie der Rückmarsch
zur MARYLAND erreichen?
Die würde in wenigen Tagen aus dem Dock kommen. Aber nein, dann wäre sie gleich auf PERSEUS
abkommandiert worden.
Dann wurden sie entweder doch zerfetzt – was sie persönlich als Beleidigung empfand, weil ihr das
Geschwader der RED näher war als die Aces of Texas – oder sie würden gemeinsam auf einen Träger
geschickt. Alternativ auf einen Stützpunkt in der Etappe.
Wenn es ein Träger war, würden sie dann weiterhin Angry Angels heißen? Über Mantikor waren es
die Blue Angels gewesen. Die Überlebenden hatten in Anlehnung daran das Geschwader der RED
Angry Angels genannt.
Sollten sie nicht eine weitere Modifikation suchen? Warum nicht ein neuer Name für das
Geschwader? Raging Angels oder so?
Gedankenverloren ging Huntress weiter. Es herrschte einiges Gedrängel. Demolisher stieg gerade in
sein Shuttle ein. Er flog nach Houston und von dort mit einer Bahn nach Arizona. Er hatte Juliane
eingeladen, während des Urlaubs ein paar Tage vorbeizukommen.
Sie hatte dankend angenommen.
In der Warteschlange ein Stück vor ihr entdeckte sie Kali. Sie würde auch nach Baikonur runter und
dann mit der Bahn nach Indien. Bombay.
Auch sie hatte Huntress eingeladen, für ein paar Tage am indischen Meer zu plantschen.
Auch diese Einladung hatte Juliane angenommen.
Gerade wollte Huntress die Freundin anrufen und von der Neuigkeit über Ace erzählen, als sie Ohka
an Kalis Seite sah. Nein.
Das wäre ungerecht gewesen. Gegen Ace konnte der Junge nie gewinnen, ihn wieder und wieder zur
Sprache zu bringen hieße, der Freundin die Chance zu nehmen, wenigstens ein wenig Glück im Leben
zu finden – bis sie oder Ohka fielen.
Später, wenn Huntress in Bombay war, konnte sie das Thema immer noch ansprechen.
Jetzt aber wollte sie den beiden Jüngeren die gemeinsame Zeit lassen.
Ace war tot und damit ein Gespenst geworden. Gegen ihn zu eifern konnte nur in einem Fiasko enden.
Und Ohka in diesen verlorenen Kampf zu stellen wäre grausam gewesen.
Man konnte nicht gegen Legenden ankämpfen.
Und für Helen war Ace fortan eine Legende. Ein Mythos. Ein Ideal. Zwölf Abschüsse binnen eines
Jahres. Gestorben bei der Verteidigung des Trägers. Es wäre unfair gewesen. So verdammt unfair.
Ihr Blick strich über Ohka. Sie grinste. „Wehe, du tust ihr weh, Soldat, dann lernst du mich kennen.“
Ihr Shuttle würde gleich nach dem von Kali starten…
*************************************
Das war es dann also. Das Intermezzo war vorbei. Juliane packte das, was sie von der REDEMPTION
hatte retten können, zusammen. Viel war es nicht. Aber sie war es auch nicht gewöhnt, besonders viele
Kinkerlitzchen mit sich herumzuschleppen.
Einzig ihre Seidenunterwäsche würde ihr fehlen. Die war mit dem Träger untergegangen. Die
Standardunterwäsche war ihr einfach zu kratzig, und jetzt hatte sie nur noch eine Garnitur…
Aber das war nichts, womit sie sich im Moment des Abschieds beschäftigen sollte, entschied sie. Die
Slips und BHs würden sich ersetzen lassen. Immerhin wartete ein fetter Bonus auf sie sowie die
Einkaufsmöglichkeiten der Erde.
Ein letztes Mal sah Huntress auf die Aufstellung der Staffel. Sie hatten arg gelitten. Foreigner ging
zweimal die Woche zum Psychologen.
Merkur war tot.
Rapier war immer noch auf leichtem Dienst und würde erst in drei oder vier Wochen wieder das
Flugtraining aufnehmen können. Die Verletzung der Wirbel hatte auch die Nerven im Rückenmark
beeinträchtigt. Selbst heutzutage war die Regeneration von Nerven eine langwierige Sache.
Nemesis fiel für mehrere Monate aus. Er hatte das linke Bein ganz und das rechte bis zum Knie
verloren. Es würde einige Wochen dauern, bis sie mit Hilfe der modernen Medizin nachgewachsen
waren. Aber sie zu trainieren und auf die alte Leistung zu bringen, ganz mal davon abgesehen, dass
diese Erfahrung ein Schock für den jungen Burschen sein müsste…
Aber weit gefehlt. Er schien ein derart sonniges Gemüt zu besitzen, dass er die Information über die
fehlenden Beine mit einer Handbewegung abtat und lieber danach fragte, wann er den Dienst wieder
aufnehmen könne.
Sneaker war Gestern entlassen worden, rechtzeitig für den Heimaturlaub.
Elfwizard war flugtauglich, ging aber ebenfalls einmal die Woche zum Psychologen.
Bushfire war zwar auch flugtauglich, stand aber ebenso unter Beobachtung der Psychologen. Seit
neuestem hatte er was gegen Kälte und weite Räume.
Cloud hatte ein paar Finger durch Erfrierungen verloren. Sie waren mittlerweile fast nachgewachsen,
aber sein Händedruck war immer noch etwas schwammig. Sein Kommentar dazu war: Na, wenn’s
nicht schlimmer ist…
Dagger hatte ihr Thoraxtrauma mittlerweile überstanden. War aber zur Kur befohlen worden. Sie
würde frühestens in drei Wochen flugtauglich geschrieben werden.
Avenger hatte seine Torheit während der Schlacht viel zu gut überstanden. Deshalb hatte Huntress ihn
auch jede verdammte Tour fliegen lassen, die sie ihm noch zumuten hatte können. Mittlerweile hatte
der Junge eine Ahnung davon, was eine Befehlskette war.
Die Lieutenants Carlsen und Terrano, die sie mitsamt ihrer Nighthawks unter ihre Fitticeh genommen
hatte, waren ihr lange, zu lange zugeteilt geblieben.
Beide hatten ein schweres Trauma aufgrund des Verlusts ihres Trägers, aber die harte Arbeit und die
vielen Patrouillen hatten sie aufrecht gehalten.
Miguel Terrano hatte sogar einen Versetzungsantrag zu den Jokers gestellt. Huntress konnte ihn
verstehen. In der kurzen Zeit waren sie alles gewesen, was er noch hatte. Auch wenn er bei der
Versetzung seine Nighthawk verlieren würde.
Der einzige, der vollkommen unbeschadet aus der Schlacht hervorgegangen war, das war Demolisher
gewesen. Es war, als könnte nichts und niemand ihren ehemaligen Wingman erschüttern. Wie ein
nachtschwarzer Fels in der Brandung hatte er die Fluten der Akarii gebrochen. Bei den Technikern
ging das Gerücht um, dass seine Maschine lediglich ein paar Schrammen abbekommen haben sollte,
und das auch nur, weil einer der Techniker die Leiter falsch angesetzt hatte.
Somit kam sie Summa sumarum auf eine kastrierte halbe Staffel.
Damit konnte sie noch zufrieden sein. Die anderen hatte es wesentlich schlimmer erwischt. Gerade
Gold und Silber hatten nicht nur Tote, sondern auch viele Vermisste zu beklagen. Nur ein SARShuttle
der REDEMPTION hatte sich zwischen die Frachter des Konvois gewagt. Wen die
heldenhafte Crew dieses Shuttles nicht gerettet hatte aber noch am Leben war, befand sich nun in der
Hand der Akarii.
Huntress hatte wenigstens Gewissheit über das Schicksal ihrer Leute.
Ein letztes Mal warf sie einen letzten Blick auf die Aufstellung. Daneben lag eine Kopie des
Abschiedsbriefes für Lieutenant Morellis Eltern und seine Schwester. Sie hatte letztendlich doch einen
Text zustande gekriegt. Keine Nullachtfuffzehn-Geschichte, sondern ihre Sicht der Schlacht und
Merkurs Rolle darin. Natürlich hatte sie mit dem Geheimdienst Rücksprache gehalten, was von
Jollahran Geheimsache war und was nicht. Der Eisenbeißer hatte sogar Probe gelesen und genickt.
Ein anderes Schicksal aber ging Huntress noch immer nicht aus dem Kopf.
Seit Ace tot war, schien es ihr, als fehle da was in ihrem Leben. Es war nur Sex, ja, ja.
Es war eine tiefe und ehrliche Freundschaft, die sie beide sehr genossen hatten. Der Sex war da nur
eine Dreingabe gewesen.
Sie aktivierte ihr Computerterminal, während die letzten Stücke ihres Eigentums im Seesack landeten.
Ein letztes Mal rief sie die Verlustlisten auf und suchte nach Morellis Namen.
Dahinter stand eine Feldbeförderung zum First Lieutenant. Und die Verleihung des Goldenen Löwen.
Konnte das eine Familie trösten? Nein. Beruhigen? Nein. Aber vielleicht dieser Familie das Leben
retten.
Wie beiläufig, als interessiere es sie überhaupt nicht, rief Huntress auch noch die Vermisstenliste auf
und suchte nach Second Lieutenant Clifford Davis. War seine posthume Beförderung endlich durch?
Hm. Suchfehler.
Sie gab den Namen erneut ein.
Suchfehler.
Und noch mal.
Suchfehler.
Merkwürdig. Dann hatten sie ihn bereits auf die Verlustliste gepackt. Huntress würde…
-Piiep-
Der Wecker gellte auf. Es wurde Zeit. Ihr Shuttle zur Erde ging bald. Zuerst nach Baikonur, danach
mit der Tram nach Berlin. Von dort würde sie ein Flieger an die Waterkant bringen. Nach Hause.
Sie deaktivierte den Terminal. Ein letztes Mal.
Dennoch, vielleicht sollte sie mit Kali drüber sprechen. Das würde sie auch interessieren. Ob Ace auch
den Goldenen Löwen erhalten würde?
Was sie zu sich selbst brachte. Wie würde es mit ihr weitergehen? Wie mit ihrer Staffel, wie mit ihrem
Geschwader? Würde es zerfetzt und in alle Winde zerstreut werden? Oder würde sie der Rückmarsch
zur MARYLAND erreichen?
Die würde in wenigen Tagen aus dem Dock kommen. Aber nein, dann wäre sie gleich auf PERSEUS
abkommandiert worden.
Dann wurden sie entweder doch zerfetzt – was sie persönlich als Beleidigung empfand, weil ihr das
Geschwader der RED näher war als die Aces of Texas – oder sie würden gemeinsam auf einen Träger
geschickt. Alternativ auf einen Stützpunkt in der Etappe.
Wenn es ein Träger war, würden sie dann weiterhin Angry Angels heißen? Über Mantikor waren es
die Blue Angels gewesen. Die Überlebenden hatten in Anlehnung daran das Geschwader der RED
Angry Angels genannt.
Sollten sie nicht eine weitere Modifikation suchen? Warum nicht ein neuer Name für das
Geschwader? Raging Angels oder so?
Gedankenverloren ging Huntress weiter. Es herrschte einiges Gedrängel. Demolisher stieg gerade in
sein Shuttle ein. Er flog nach Houston und von dort mit einer Bahn nach Arizona. Er hatte Juliane
eingeladen, während des Urlaubs ein paar Tage vorbeizukommen.
Sie hatte dankend angenommen.
In der Warteschlange ein Stück vor ihr entdeckte sie Kali. Sie würde auch nach Baikonur runter und
dann mit der Bahn nach Indien. Bombay.
Auch sie hatte Huntress eingeladen, für ein paar Tage am indischen Meer zu plantschen.
Auch diese Einladung hatte Juliane angenommen.
Gerade wollte Huntress die Freundin anrufen und von der Neuigkeit über Ace erzählen, als sie Ohka
an Kalis Seite sah. Nein.
Das wäre ungerecht gewesen. Gegen Ace konnte der Junge nie gewinnen, ihn wieder und wieder zur
Sprache zu bringen hieße, der Freundin die Chance zu nehmen, wenigstens ein wenig Glück im Leben
zu finden – bis sie oder Ohka fielen.
Später, wenn Huntress in Bombay war, konnte sie das Thema immer noch ansprechen.
Jetzt aber wollte sie den beiden Jüngeren die gemeinsame Zeit lassen.
Ace war tot und damit ein Gespenst geworden. Gegen ihn zu eifern konnte nur in einem Fiasko enden.
Und Ohka in diesen verlorenen Kampf zu stellen wäre grausam gewesen.
Man konnte nicht gegen Legenden ankämpfen.
Und für Helen war Ace fortan eine Legende. Ein Mythos. Ein Ideal. Zwölf Abschüsse binnen eines
Jahres. Gestorben bei der Verteidigung des Trägers. Es wäre unfair gewesen. So verdammt unfair.
Ihr Blick strich über Ohka. Sie grinste. „Wehe, du tust ihr weh, Soldat, dann lernst du mich kennen.“
Ihr Shuttle würde gleich nach dem von Kali starten…
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Unzählige Schienenstraßen verbanden den Kosmodrom mit anderen Metropolen. Die Schnellzüge
verbanden die Erdteile fast so schnell, wie früher die Flugzeuge. Und dies erheblich billiger und
zuverlässiger. Aber für diejenigen, die abseits der großen Metroplexe wohnten, war das Flugzeug
immer noch unabdingbar. Deshalb brachte Ina ihre verletzte Kameradin zu einem Terminal, über das
,Regionalflüge‘ – also auf DIESEM Kontinent – abgewickelt wurden. Die Maschine sollte bald
starten.
Ina erwiderte die Umarmung ihrer Kameradin enthusiastisch. Sie hatten sich beide auf die eine oder
andere Art und Weise das Leben gerettet, und das verband. „Also – wenn du nichts zu tun hast, kannst
du mich gerne mal besuchen kommen.“ sagte Lilja. Ihre Freundin grinste: „Klar – wenn ich Lust auf
Mücken, Moore und Taiga habe – und der Wolf singt ein Liedchen...“ Beide lachten. Die Klischees,
die die rußländischen Gebiete der Erde betrafen, hatten sich in den vergangenen Jahrhunderten nicht
viel geändert. Lilja nahm Imp das Gefrotzel nicht übel. Sie kannte die Art ihrer Freundin. „Nun, für
dich gilt das selbe, Eislilie.“ Lilja seufzte nur: „Ich fürchte, wenn wir nicht Glück haben, bist du von
diesem Gesteinsklumpen runter, bevor ich von den Quacksalbern die Erlaubnis bekommen, eine kleine
Luftveränderung vorzunehmen.“ Was zwar übertrieben war – Lilja stand nicht mehr unter
medizinischer Beobachtung. Aber sie wollte auch nichts riskieren.
Beide salutierten spöttisch voreinander. „Mach's gut, Tanja!“ „Wir sehen uns, Ina!“ Dann faßte die
Russin ihre Krücken fester und machte sich auf den Weg zu ihrem Flugzeug. Imp blickte ihr
wehmütig nach. Wie sie da an ihren Krücken lief, sah sie wirklich aus wie eine Invalide. Und für einen
Augenblick hatte sie Angst, Lilja als Kameradin zu verlieren. Doch dann verdrängte sie ihre Unruhe.
Es würde schon alles gut werden! So jemand wie Lilja endete nicht in der Etappe – da war sie sich
sicher! Und die Angry Angels auch nicht!
Für sie selber bedeutete Heimkehr eine Zugfahrt durch halb Europa und Asien. In früheren Tagen
hätte das Tage, gar Wochen gedauert - wenn die Grenzen nicht ganz unpassierbar waren, wie es in der
menschlichen Geschichte immer wieder geschehen war. Aber heute war das alles mehr oder weniger
ein Land. Natürlich war ein Nationalgefühl nie ganz auszurotten. Die Traditionen der Staaten, die sich
zur Republik vereinigt hatten, bestanden fort, verwischten sich aber im Laufe der Jahre immer mehr.
Der Raumhafen hier war ein gutes Beispiel. Menschen aller Hautfarbe wimmelten durcheinander und
sprachen die selbe Sprache - mehr oder weniger.
In der Menge fiel Ina nicht auf. Es gab hier auch viele Soldaten und Offiziere, und ein Second
Lieutenant der Raumjäger war da nicht besonders interessant. Außerdem hatte sie nicht gerade ihre
Paradeuniform angezogen. Ein Blick auf die Uhr zeigte ihr, daß sie noch eine halbe Stunde Zeit hatte,
bevor ihr Zug abfuhr. Also gönnte sie sich einen Happen in einem der Schnellrestaurants. Um sie
herum quirlte das geschäftige Treiben.
Ein wenig nur verwunderte sie die Sorglosigkeit der Menschen. Die meisten schienen irgendwie zu
verdrängen, daß da draußen ein Krieg geführt wurde. Eingelullt von den öffentlichen
Flottennachrichten und all den kleinen Nichtigkeiten des normalen Lebens, mochte vielen der Blick
darauf fehlen, wie ernst die Lage wirklich war.
Auf der anderen Seite - ein Blick auf einen der Zeitungsständer zeigte ihr auf einer öffentlichen
Zeitung die Schlagzeile: "Sieg über Akarii-Nachschubskonvoi!" und ähnliches. Da brauchte man sich
ja nicht zu wundern. Sie schüttelte ein wenig den Kopf. Auch wenn sie nicht so extrem eingestellt war
wie Lilja - die am liebsten die Bevölkerung bei Wassersuppe 12 Stunden täglich in die
Rüstungsfabriken geschickt hätte - so hatte sie ihre Zweifel daran, daß diese Politik der kontrollierten
öffentlichen Meinung so richtig war.
Aber das war nicht ihre Sache. Die Leute verließen sich auf die Flotte, verließen sich darauf, daß die
Armee alle Angriffe abfangen würde. Die Flotte verließ sich auf ihre Leute - also auch auf sie. Nun,
sie würde ihr Bestes geben, damit die Leute ihrem banalem Alltag auch weiterhin würden nachgehen
können. Sie hoffte nur, daß dies ausreichen würde...
***

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Die Erde war eine wunderschöne blaue Kugel, durchzogen von braunen Inseln.
Lucas saß in einer Standardraumfähre der TSN, entgegen seinen Wünschen würde er nicht nach
Lunapolis fliegen, sondern er war nach Fort Lexington befohlen worden.
Langsam näherte sich die Raumfähre dem riesigen künstlichen Mond.
Im großen Bogen ging es in die Hauptlandezone der Orbitalstation. Schon vom weiten wurden die
Geschützbatterien sichtbar. Riesige Raketenwerfer, Lucas schätzte, das der ein oder andere mit einem
Schuss hundert Raketen ins All jagen konnte.
Das Shuttle reihte sich in den stetigen Raumverkehr um Fort Lexington ein und erreichte Portland, die
Hauptlandebucht der Raumstation.
Hier lag die Homefleet. Aufgereiht: Zerstörer, Kreuzer und das Kernstück der Homefleet, dicht
nebeneinander, ein Flottenträger der Pegasus-Class die Peking und daneben der Stolz der Flotte die
beiden neuesten Flottenträger der Flotte, zwei Lexington-Class Träger, die Lexington und die Victory.
Um ein vielfaches eleganter als die Pegasus, welche in Lucas Augen schon eine Schönheit darstellte.
Langsam schwebte das Shuttle am Heck dieser drei Schönheiten vorbei, dann kam ein leerer
Liegepaltz, der einst die Melbourne enthalten hatte, dahinter lagen dann die Kreuzer der Ticonderoga-
Class.
Selbst Lucas, der sich selbst als abgehärteter Veteran sah, stockte der Atem bei dieser zur Schau
Stellung militärischer Schlagkraft.
Ihr solltet an der Front stehen. Ihr solltet kämpfen.
Er war der einzige Gast an Bord des Shuttles. Er betrachtete seine linke Hand, die leicht zitterte.
Scheiß Medikamente. Kotzen oder zitternde Hand. Regen und Traufe.
Man hatte ihm befohlen auch während des Urlaubs alle zwei Tage einen Psychologen aufzusuchen.
Er schmunzelte. Mutter würde wohl versuchen ihn dazu zu bewegen zum alten O'Reley zu gehen,
ihrem Psychologen, der sich um jedes Kinkerlitzchen kümmerte, das sie plagte. Er entschied sich
einen Psychologen aufzusuchen, der gedient hatte, am besten einen aus dem Flottendienst.
Der Pilot informierte ihn über Lautsprecher, dass das Shuttle gelandet war und er aussteigen konnte.
Er wurde von einem Lieutenant Commander erwartet der, so schien es, vom Werbeplakat herunter
gesprungen war.
Lucas rieb sich das Kinn und bemerkte erst jetzt einen Drei-Tage-Bart. Du wirst nachlässig Junge.
"Sir, Commander Edwards, aus dem Stab von Admiral Renault, der Admiral möchte Sie sehen."
Jetzt war Lucas baff: "Renault ist hier und ... möchte mich sehen?"
"Ja, Sir, bitte folgen Sie mir."
Lucas tat wie verlangt.
Den Weg über und im Lift sprachen die beiden Offiziere nicht. Edwards trug eine Reihe Ordensbänder
und die goldene Stabskordel, Etappenhengst.
Schließlich führte Edwards ihn in eine Art Büro/Besprechungszimmer.
Jean-Baptist Renault erhob sich, als Lucas den Raum betrat: "Guten Tag Commander, danke, dass Sie
sich die Zeit genommen haben."
Als ob ich die Wahl gehabt hätte.
"Aber bitte, setzen Sie sich Lucas, einen Kaffee? Etwas zu Rauchen?"
"Ja, gerne, Schwarz und wenn Sie eine Zigarette hätten?"
Renault wandte sich an den Lieutenant Commander: "Peter, eine Tasse Kaffee und eine Schachtel ..."
"Lucky Strikes", half Lucas dem Admiral aus.
Edwards verließ den Raum.
"Seit Mantikor ist eine Menge passiert nicht wahr Lucas?" Renault lächelte. "Sie wundern sich, dass
ich mich an Sie erinnere nicht wahr. Nun, immerhin haben Sie eine kurze Zeit mein Bordgeschwader
befehligt, bevor Sie doch noch abgeschossen wurden."
"Ja, von der Roten Echse."
Renault wollte was sagen, wurde jedoch von Edwards unterbrochen, der zwei Tassen Kaffee und eine
Schachtel Lucky Strikes Lights brachte.
"Ich habe leider nichts anderes auftreiben können." Dann verschwand der junge Commander wieder.
Renault wartete bis Lucas von dem Kaffee probiert hatte und sich eine Zigarette angesteckt hatte.
"Wie sehen Sie die aktuelle Kriegslage Commander?"
Lucas war sichtlich erstaunt. "Ehrlich und offen Sir?"
"Bitte, nur zu."
"Beschissen Sir. Wir sind in der Defensive und ich sehe nicht, dass eine Gegenoffensive auf unserer
Seite ins Rollen kommt, geschweige denn geplant wird. Mit unseren Einsätzen schieben wir das
unvermeidliche nur hinaus und verheizen Kostbare Recourcen und Menschen. Himmel, ich habe die
hälfte meiner Männer verloren, dafür das wir Zeit erkaufen. ZEIT."
Er hielt an sich und nahm einen Schluck Kaffee.
"Bitte reden Sie weiter Commander." Renault lehnte sich zurück und schlug die Beine übereinander.
Er mußterte Lucas aus seinen dunklen Augen heraus.
Lucas rutschte unsicher im Sessel hin und her.
"Nun Sir ..." Er brach wieder ab.
"Dann lassen Sie mich etwas Fragen: Sie haben Ihre Männer und Frauen, so geht es aus den Berichten
einher, wissentlich in den Tod geschickt, es ist ein Wunder, dass die Mirages so einen Erfolg hatten.
Was glauben Sie, hatte diese Aktion einen Nutzen oder wurden diese Männer und Frauen von Ihnen
einfach weggeworfen?"
Während Renaults Rede war Lucas immer kleiner geworden und schaffte es dem Admiral jetzt nicht in
die Augen zu sehen.
"Sir, ich ..."
"HABEN SIE DIESE MÄNNER UND FRAUEN NUTZLOSER WEISE AUF DIE
SCHLACHTBANK GESCHICKT? Haben Sie sie ermordet?"
Lucas sprang auf, kippte dabei sowohl seine eigene Tasse und den Aschenbecher um: "Ich habe das
gemacht, was ich für richtig hielt um die mir gesetzten Einsatzziele zu erreichen. Ob das nun sinnlos
ist oder nicht, hängt davon ab, was SIE und das Oberkommando aus dem erreichen der Mission
machen!"
Er schluckte schwer. Du selten dämlicher Idiot. Lucas setzte sich wieder: "Aber ich glaube kaum, das
der Admiral mit dem Commander die Kriegslage besprechen will."
Renault nickte, er nahm Lucas Ausbruch nicht zur Kenntnis: "Ich will wissen, was bei Troffen
gelaufen ist."
Lucas versteifte sich: "Troffen Sir?"
"Ja, Troffen Commander, der Planet, den die Redemption bei ihrer zweiten Mission angelaufen hat.
Und mir sind da einige Gerüchte zu Ohren gekommen."
Eine weile schwiegen sich die beiden Offiziere an und blickten sich gegenseitig in die Augen. Der
umgeschüttete Kaffee tropfte mittlerweile auf das Deck.
"Commander, ich habe nicht alle Zeit der Welt, ich werde zu einer Besprechung mit dem CNO und
der Präsidentin erwartet, also reden Sie!"
"Sir, gemäß Paragraph ...."
"Tischen Sie mir nicht solch einen Scheiss auf. Ich will wissen, was in meiner verdammten Flotte
passiert. Ich will wissen, womit ich bei den Akarii zu rechnen habe."
"Womit Sie bei den Akarii zu rechnen haben?" Lucas fuhr sich mit der linken übers Gesicht, du
solltest Dich wirklich mal wieder rasieren und zündete sich eine Zigarette an. "Nun, wenn die
Troffengeschichte unter den Akarii die Runde macht. Fanatismus. Rache. Krieg bis aufs Messer.
Keine Gnade."
Renault nickte: "Wieso? Was ist auf Troffen geschehen."
Verdammt, dafür können sie mich erschießen. Doch Lucas erzählte, alle Einzelheiten, so weit er sie
kannte.
20 Minuten Später saß Lucas wieder im Shuttle und flog Richtung Lunapolis.
*******************************************
Endlich wieder zu Hause. War es wirklich sein zu Hause? Murphy, langsam genesen von den
Nachwirkungen seines Ausstieges, machte sich auf den Weg zum Shuttle, das ihn zu der Orbitalstation
bringen würde. Von dort würde er nach Berlin fliegen, um seinem Freund Jackson Hayes zu besuchen.
Danach....nun, er spielte mit dem Gedanken, nach Wien zu fahren. In Dublin würde ihn jedenfalls
niemand mit offenen Armen empfangen. Er griff nach der Tasche, die sein letztes persönliches
Eigentum enthielt, der Rest war mit der Redemption zu nuklearer Asche verbrannt worden. Verblieben
waren nur einige Kleidungsstücke, der Rosenkranz und einige Bücher. Einen Psalm murmelnd stieg er
ins Shuttle. Der Lieutenant, der an der Luke die Gäste einlies sah ihn etwas befremdet an, sagte aber
nichts. Hinter Murphy schloss sich die Kabine und er setzte sich auf den letzten verfügbaren Platz.
Eine gute Stunde später war er an Bord der Orbitalstation und versuchte den nächsten Flug nach Berlin
zu buchen. Doch es herrschte mehr Betrieb als er gedacht hatte. Schließlich bekam er eine Verbindung
nach Warschau, von wo er mit der Monorail weiterreisen konnte. Eine weitere Stunde später checkte
er ein. Eine brünette Stewardess begrüßte ihn lächelnd. Angesichts der Tatsache, dass er noch immer
Uniform trug, wunderte sie sich auch nicht, dass er so wenig Gepäck bei sich hatte, obwohl es selbst
für einen Militär wenig war. Umso mehr bewunderte sie die Schwingen und die Ordensbänder.
Insgeheim träumte sie wie so viele von einem Piloten, auch wenn sie rationell wusste, dass sie mit
dem Rechtsanwalt, der auf sie in Krakau wartete, besser bedient war. Den sah sie immerhin
wöchentlich. Bei Soldaten hingegen....sie hatte einmal einen Deckoffizier auf einem Kreuzer gekannt.
Den hatte sie alle drei Monate einmal gesehen. Nach dem dritten Landurlaub hatte sie ihm den
Laufpass gegeben.
Während sie Murphy’s Ticket überprüfte, fiel ihr auf, dass ihr Gegenüber eine seltsame Ausstrahlung
hatte. Die meisten Piloten, die nach Hause kamen, waren entweder erleichtert oder enthusiastisch. Bei
diesem Kandidaten spürte sie keines von beidem, eher eine Art Unruhe. Schade, eigentlich sah er nett
aus. Sie zuckte mit den Schultern und wandte sich dem nächsten Fluggast zu.
Murphy hatte die Aufmerksamkeit der Stewardess gar nicht registriert. Innerlich spürte er den Aufruhr
der Gefühle. Selbst in seiner Zeit auf dem Mars war er selten auf der Erde gewesen. Nun würde er dort
auf unbestimmte Zeit den Landurlaub verbringen. Seufzend stieg er in den Flieger, der ihn zur Wiege
der Menschheit bringen würde. Glücklicherweise war der Flug nur halb belegt, so dass er keine
nervenden Nachbarn hatte. Stattdessen versuchte er sich auf den neuesten Stand der Geschehnisse zu
bringen, indem er die bordeigenen Datenbanken durchforstete. Er bekam den Eindruck, dass der Krieg
noch nicht wirklich bis zur Erde vorgedrungen war. Sicher, die Steuern waren höher und die
Militärausgaben auch, viele Familien hatten Gefallene zu beklagen, aber der Kampf fand eben nicht
vor der eigenen Haustür statt. Einige Kommentatoren schlugen sogar Friedensverhandlungen vor, um
die Wirtschaft nicht zu sehr durch die überhöhten Steuern zu belasten. Murphy schüttelte angewidert
den Kopf.
Als nächstes rief er sich einen Stadtführer für Berlin auf. In der Stadt war er erst einmal gewesen und
so war er neugierig, was ihn dort erwartete. Schließlich schickte er Jackson eine Nachricht mit der
ungefähren Ankunftszeit an der Berliner Monorailstation.
Dann lehnte er sich zurück und genoß den Blick auf die blaue Kugel, die unter ihm immer größer
wurde. Die Stewardess vom Eincheckcounter brachte ihm ein leichtes Mal, das er als Abwechslung
zum Marinefraß richtig genießen konnte. Dann lehnte er sich zurück.
Die Landung in Warschau war ohne besondere Vorkommnisse. Schnell griff er nach seinem Gepäck
und eilte zur Monorail. Unterwegs verlief er sich zweimal, obwohl alle Schilder zweisprachig war.
Dann wurde er noch beinahe von zwei Geschäftsleuten über den Haufen gerannt, die dringend ihren
Zug bekommen wollten. Irgendwie hatte er das alles überhaupt nicht vermisst...
Wenige Minuten später sass er in der Monorail in Richtung Berlin.
Zur gleichen Zeit wurde Thunder, die immer noch auf der Krankenstation war, ebenfalls von Bord
gebracht. Ihre Verlegung auf eine Raumstation erfolgte problemlos. Schukova fühlte sich mittlerweile
wieder deutlich besser. Doch dafür machte ihr die Untätigkeit zu schaffen. Dann kam noch dazu, dass
Murphy ihr kurz vor seinem Abflug mitgeteilt hatte, dass sie das Kommando über die Jaguars
übernehmen werde, sobald sie genesen sei. Das hatte ihr einen Schock versetzt. Martell hatte ihr
zugeredet und ihr versichert, dass sie reif für den Job sei. Aber sicher war sie sich nicht. Für den
Moment hatte es sie beruhigt, dass Murphy ihr zugesichert hatte, ihr am Anfang zu helfen, aber dann
war ihr eingefallen, dass es gut sein konnte, dass dies durch Jacks neuen Posten unmöglich werden
konnte. Doch bevor sie sich weitere Gedanken machte, wurde sie von einem eintretenden Arzt
aufgeschreckt.
Brawler war kurz nach Murphy auf Terra gelandet. Die halbe Familie – die andere Hälfte hatte nicht in
die Fahrzeuge der Familie gepasst – hatte ihn am Raumport Istanbul abgeholt. Die nächste halbe
Stunde war mit Begrüßungen und der Überreichung von Geschenken vergangen, so dass sich Brawler
nun wie der christliche Nikolaus fühlte, nur mit dem Unterschied, dass die Geschenke alle für ihn
waren. Dann waren sie über den Bosporus in Richtung Anatolien gefahren und nach etwa einer Stunde
im Heimatdorf der Tüncays angekommen. Wo Teil zwei der Begrüßungsorgie auf ihn wartete. Und
natürlich noch mehr Geschenke. Langsam wünschte sich Brawler zurück ins Cockpit seines Griphen,
denn sich durch die Massen zu drängen, und von allen im Dorf an sich gedrückt zu werden, gestaltete
sich als ziemlicher Stress. Deswegen war er auch froh, als man endlich am Haus seiner Eltern
angekommen war. Kaum war die Tür geschlossen, ergriff die Mutter, die draußen eher schweigsam,
das Wort:
„Nun, mein Sohn und Held, was möchtest du essen?“
„Nicht essen, Mutter, schlafen.“
„Aber du hast doch die ganze Zeit auf dem Lazarettschiff...“
„Jein. Wir hatten mehr als genug zu tun...aber das erzähle ich nachher. Kann ich mich wenigstens
frischmachen?“
Das Gesicht der Mutter, zuvor überzogen von Gewitterwolken, klarte auf.
„Sicher, mach das. Ich mache in der Zeit dein Lieblingsgericht fertig.“
Bevor Brawler jedoch im Bad verschwinden konnte, wurde er nochmals von seinem Vater und seiner
Mutter gedrückt, ersterer klopfte ihm auch noch auf die Schulter. Trotz der Müdigkeit konnte Brawler
sein Grinsen nicht verkneifen. Genauso hatte er sich die Heimkehr vorgestellt. Hier in diesem
ländlichen Teil war jeder, der in den Krieg zog, ein Held. Auch wenn Brawler selbst nicht
ausgezeichnet worden war, seine Abschüsse alleine sorgten dafür, dass er für diesen Heimaturlaub
kaum etwas selbst bezahlen würde. Auf die heimatliche Küche und insbesondere die seiner Mutter
hatte er sich gefreut, insbesondere weil das Essen der Navy immer noch sehr an westlichen Standards
orientiert war. Schnell machte er sich frisch und ging dann wieder nach unten in die Wohnküche, aus
der es schon so lecker roch. Endlich wieder zuhause!
*******************************************
Die beiden Nachrichtendienstoffiziere sahen sich über den Tisch hinweg an.
Lt. Commander Scott blinzelte. Lieutenant Sanchez quittierte dies mit einem Stirnrunzeln.
Die Ursache für ihre Unruhe war Commander Schneider von der KAZE, der unbekümmert vor dem
mit Papier übersäten Schreibtisch saß und in aller Seelenruhe einen Kaffee trank.
Juri Scott blinzelte erneut. „Also, noch einmal, Commander.“
Bei dieser Aufforderung warf Schneider dem Geheimdienstoffizier einen bösen Blick zu. „Ach,
kommen Sie. Das machen wir jetzt schon zum dritten Mal. Davon werden die Nachrichten auch nicht
besser.“
Marita Sanchez warf dem Vorgesetzten einen schnellen Blick zu und wechselte ihre Taktik. Sie beugte
sich vor und wisperte dem Skipper der KAZE leise ins Ohr: „Commander, Sie wissen doch, dass wir
nur unseren Job machen. Eine dritte, eine vierte Wiederholung bringt eventuell etwas ans Licht, was
Ihnen jetzt noch nicht bewusst ist. Es wird vielleicht nicht Kriegsentscheidend sein. Aber vielleicht ist
es trotzdem hilfreich für uns. Ein paar weitere Splitter im Mosaik, das wir Geheimdienstler
zusammenfügen, im Kampf gegen die Akarii.“
Es waren weniger ihre Worte als die Nähe von Schneiders Kopf zu ihrem aufgeknöpften Ausschnitt,
von dem sie sich die Zusage zur Kooperation erhoffte. Man hatte sie nicht ohne jeden Hintergedanken
den Debriefingteams zugeteilt. Ihr gutes Aussehen und die beachtlichen, für eine Latina üblichen
Rundungen hatten schon ganz andere Offiziere wieder auf Linie gebracht.
Schneider sah zu ihr herüber. Was Sanchez verwunderte, denn er sah ihr nicht in den Ausschnitt, wie
es die meisten anderen männlichen Offiziere taten, er sah ihr direkt in die Augen. Und sein Blick war
mehr als verärgert.
Bis sich ein Objekt vor ihre Augen schob und den Blickkontakt unterbrach.
Es dauerte einen Moment, bis Marita dieses Objekt als Schneiders Kaffeebecher identifizierte.
„Okay, meinetwegen. Noch einmal, von mir aus. Aber dann seien Sie auch so gut und holen Sie mir
einen frischen Kaffee, Lieutenant.“
Entsetzt musterte sie die Tasse. Und ebenso entsetzt sah sie sich selbst dabei zu, wie sie die Tasse
entgegen nahm.
Unsicher sah sie zu Scott herüber, der ihr aber nur zunickte.
Was war los mit diesem Kerl? Warum wirkten ihre Reize nicht auf ihn? Und wie konnte er es wagen,
sie zur Kaffeeholerin zu degradieren?
Brüsk wandte sie sich um und verließ den Raum.
Als sie mit einem Tablett mit drei Tassen dampfenden Kaffees zurückkam, waren Scott und Schneider
schon recht weit gekommen. Zusammen gingen sie gerade die Orterdaten der KAZE durch, welche
von dem vorbeiziehenden Konvoi gemacht worden waren – dem gewaltigsten Konvoi, der bisher auf
dem Weg nach Mantikor von ihnen aufgeklärt worden war. Scott hielt ein Foto hoch und besprach das
Bild mit dem Skipper der KAZE.
„Und Sie sind sich sicher, dass dieser Träger das schwerste Schiff im Konvoi war?“
„Ja, ja, ja!“, blaffte Justus Schneider und warf die Arme hoch. Dabei stieß er gegen das Tablett mit
dem Kaffee und schlug es Sanchez beinahe aus der Hand. Eine der Tassen kippte über den Rand und
stürzte zu Boden. Doch Schneider griff zu, bevor ein Teil der heißen Flüssigkeit über den Rand
schwappen konnte. „Danke, Lieutenant.“
Juri Scott warf Sanchez einen hilflosen Blick zu. „Wir haben den Träger identifiziert. Es ist ein
Neubau. Wir haben ihn Uniform XX genannt. Er hat einige Schäden einstecken müssen. Die
Wahrscheinlichkeit, dass der Träger einige Zeit in ein Werftdock muss, ist sehr hoch.“
Sanchez reichte Scott die zweite Tasse und griff sich selbst die dritte. Nachdenklich sah sie auf das
Foto. Als ausgebildete Ingenieurin kannte sie die Schwachstellen in einer Schiffskonstruktion, vor
allem in denen der Akarii. Das war ihr Job. Auch der zwanzigste Blick auf dieses Bild sagte ihr eines:
Der Träger hatte Prügel bezogen, war aber nicht in der Integrität geschädigt. Je nachdem wie wichtig
den Akarii die Reparatur war konnte er in einem halben oder in einem Vierteljahr wieder an die Front
gehen. Aber das hatte sie bereits mehrfach festgestellt. Darauf wollten sie und Scott auch gar nicht
hinaus.
Der Lt. Commander seufzte schwer, legte beide Hände in den Nacken und begann sich langsam zu
massieren. Als er damit fertig war, öffnete er eine Schublade seines Schreibtischs und zog einen
versiegelten Umschlag hervor. Aus diesem Umschlag holte er ein Dutzend Fotos, die unverkennbar
von Jagdmaschinen geschossen worden waren.
„Sehen Sie sich bitte diese Bilder an, Commander. Sie zeigen zwei Schlachtkreuzer der BRAVO IIKlasse.
Wir dachten, die Akarii hätten sie schon lange außer Dienst gestellt. Entsprechend überrascht
waren wir, als wir feststellen mussten, dass sie den von Ihnen beobachteten Konvoi eskortierten. Dies
sind geheime Aufnahmen von der Einsatzgruppe, die den Konvoi angegriffen hat. Sie unterliegen Top
drei.“
Schneider nickte wissend. „Ja, schon klar. Zu keinem Untergebenen ein Wort und so. Also, was soll
ich mit diesen Dingern?“ Mehr gelangweilt als wütend ging Schneider die Bilder durch und warf die
Gesehenen hinter sich zu Boden.
Mit einem Laut der Entrüstung kniete sich Lieutenant Sanchez hin und begann die Fotos wieder
einzusammeln.
„Wenn ich Sie richtig verstehe, Lieutenant Commander, dann haben diese Riesenbabys die Frachter
und den Träger eskortiert. Und wenn mein Bericht stimmt, dann eskortieren beide Schiffe den Konvoi
nicht mehr.
Das lässt eigentlich nur einen einzigen Schluss zu: Sie wurden bei dem Angriff vernichtet.“
„Unwahrscheinlich. Die Einsatzgruppe berichtet zwar von Kämpfen mit diesen Monstern, aber nicht
von der Vernichtung beider Dickschiffe. Einer wurde angeschlagen oder zerstört. Der zweite jedoch...
Da ist es eher wahrscheinlich, dass…“
„Das was?“, rief Schneider und sprang auf. Bei dieser Bewegung wippte Kaffee aus seinem Becher
und verfehlte die immer noch am Boden knieende Offizierin nur knapp. „Das ich die beiden
Riesenpötte übersehen habe? Wie soll das denn möglich sein?“
„Beruhigen Sie sich, Commander. Genauso gut können die BRAVO II sich auch vom Konvoi getrennt
haben.“
„Absoluter Quatsch ist das! Warum sollten sie das wohl gemacht haben? Sie wurden anscheinend
eingesetzt, um diesen Konvoi zu eskortieren. Warum sollten sie damit aufhören?“
„Äh“, bemerkte Sanchez schüchtern, „weil sie beschädigt wurden und nun hinterher fahren müssen?“
„Blödsinn!“, blaffte Schneider. Erschrocken duckte sich die Geheimdienstoffizierin.
„Der ganze dämliche Konvoi hinkt doch sowieso nur so dahin. Er kann nur so schnell sein wie das
langsamste Schiff, und das ist dieser beschädigte Truppentransporter. Noch langsamer können Ihre
BRAVOS gar nicht sein.“
„Kein Blödsinn“, blaffte Scott zurück. „Wenn die Schäden schwer genug sind, könnten sich die
Kapitäne dazu entschlossen haben, Feldreparaturen durchzuführen und dem Konvoi nachzufolgen!“
„Und sie verstoßen dann freiwillig gegen die Auflage, die Frachtschiffe zu eskortieren, was? Ich gebe
Ihnen einen Tipp, Lieutenant Commander, unterrichten Sie niemals Taktik!“
„Was?“, brauste Juri Scott auf, sprang in die Höhe und starrte Schneider in die Augen.
„Sie haben schon richtig gehört!“ Der Skipper der KAZE trank den Kaffee aus und wandte sich zum
gehen. „Da die Katze jetzt aus dem Sack ist und Sie Ihre Frage gestellt haben, kann ich wohl gehen.“
Scott starrte auf Schneiders Rücken und unterdrückte mühsam einen Wutschrei.
„Ja, das war es dann, Commander“, antwortete Sanchez stattdessen. „Sie können gehen, aber bitte
halten Sie sich bereit, falls wir noch weitere Fragen haben. Eventuell wird auch die Admiralität
nachhaken.“
„Gut!“ Schneider grunzte zufrieden.
„Ach, noch etwas. So ganz von der Hand zu weisen ist Ihre Reparaturthese nicht. Aber man kann sie
leicht bestätigen oder widerlegen. Ich bin sicher, Lieutenant Commander Scott, First Lieutenant
Sanchez, Sie verfügen über genaue Schätzungen der Verluste der Akarii bei diesem Angriff.
Und Sie stimmen mir sicherlich zu, dass der Kommandeur der Nachschubflotte zwei BRAVOS nicht
ohne den Schutz von wenigstens ein paar Kleinschiffen und vielleicht sogar einem Golf zurück lassen
würde.
Vergleichen Sie die Verlustliste doch mit den Aufnahmen der KAZE, und Sie sehen ja, ob die
Möglichkeit besteht, dass eine solche Eskorte gestellt wurde.“
Wieder musste Sanchez für ihren Vorgesetzten antworten. Doch diesmal war der Commander vor
Verlegenheit sprachlos, nicht vor Ärger. „Das ist eine gute Idee, Commander. Wir werden das
berücksichtigen.“
Schneider hielt kurz inne und drehte sich ein wenig, sodass er Lieutenant Sanchez mit beiden Augen
ansehen konnte. Ein schmales Lächeln umspielte seine Lippen, als er seine Hände in der Uniformhose
vergrub. „Ach, da wäre noch was, Lieutenant. Es ist sehr kühl hier drin. Sie sollten Ihre Uniformbluse
wieder zuknöpfen, bevor Sie sich erkälten.“
Schneider ließ beide Geheimdienstoffiziere mit hochroten Köpfen allein.
Lieutenant Sanchez fasste ihren Ärger in Worte: „Was für ein unmöglicher Kerl. Ein vollkommen
unmöglicher Kerl. Das der ein Kommando hat, und sei es nur über diese mickrige Fregatte der
MIDWAY-Klasse…
Was tun wir jetzt, Sir?“
Scott starrte dumpf auf die geheimen Fotos der Leviathans in den Händen seiner Untergebenen. „Na,
was wohl. Sie knöpfen Ihre Bluse zu, und dann sehen wir nach, ob Schneider Recht hat. Wenn nicht,
tja, dann werde ich an meine Vorgesetzten melden, dass beide Schlachtschiffe wahrscheinlich in der
Schlacht von Jollahran oder kurz danach vernichtet oder aufgegeben worden sind.“
Wieder wurde Sanchez rot und knöpfte eilig ihre Bluse zu. „Ja, Sir.
Trotzdem ist er ein unmöglicher Kerl.“
Der Commander begann zu lachen. „Ja, das ist er. Aber irgendwie mag ich ihn. Es gibt wohl nur diese
beiden Varianten bei ihm. Mögen oder hassen…“
*****************************************
Sehr geehrte Mrs. Greenhouse,
voller Trauer und Mitgefühl....
Sehr geehrte Mr. und Mrs. Phillips,
... ist es meine traurige Pflicht Ihnen vom Tode ...
Sehr geehrter Mr. Neuhaus,
... Ihres Sohnes Michael zu berichten. ...
Sehr geehrter Mr. und Mrs. Davis,
.... Er starb, als er im Kampf für seine Heimat ...
Sehr geehrte Mrs. MoButo,
... an einem Angriff auf einen Nachschubkonvoi der Akarii teilnahm. ...
Sehr geehrte Mrs. Fowler,
... Im vollem Bewusstsein der Überlegenheit des Feindes ...
Sehr geehrte Mr. und Mrs. Fraquar,
... und mit dem Mut der Verzweiflung warf er sich in den Kampf ...
Sehr geehrter Mr. Calavera,
... und ebnete mit seinen Kameraden unseren Weg für den Sieg. ...
Sehr geehrte Mrs. Moore,
... Sein Tod ist ein tiefer Verlust für seine Kameraden, die Terran Space Navy ...
Sehr geehrter Mr. Nakamura,
... und unser aller Nation, doch sein Streben und Handeln für die Freiheit ...
Sehr geehrte Mrs. Tannas,
... und den Frieden sind uns allen Vorbild. ...
Sehr geehrte Mrs. Olafsdotter,
... So mag es - wenn auch nur ein schwacher - Trost für Sie sein, ...
Sehr geehrter Mr. und Mrs. Najenkov,
... dass Ihr Sohn so im Leben wie auch im Tode ...
Sehr geehrter Mr. McCool,
... ein Vorbild und eine Zierde in den Reihen ...
Sehr geehrte Mrs. Bertelli,
... der Streitkräfte der Bundesrepublik Terra war und ist. ...
Sehr geehrter Mr. von Hohenzollern,
... So verbleibe ich in tiefer Verbundenheit
Ihr Klaus von Richter
Admrial, Chief of Naval Operations
Prolog:
An: Die gesamte Flotte
Von: Admiral Klaus von Richter, Chief of Naval Operations
Captain René Chantir wird mit Datum des 16. August 2636 mit dem Victory Star der Bundesrepublik
Terra ausgezeichnt.
Für ihre heldenhaften Leistungen und ihre beispiellose Tapferkeit im Angesicht des Feindes, die sie
dazu brachte mit ihrem schweren Kreuzer Kiellinie an Kiellinie mit einem feindlichen Schlachtschiff
zu kämpfen, wie es in der Marinegeschichte aus grauer Vorzeit überliefert wurde, als die Schiffe der
Navy noch mit Segeln angetrieben wurden.
Ihr Handeln, nach den besten Traditionen der Terran Space Navy und der dadurch entstandene Beitrag
zu unserem Sieg in der Geleitzugschlacht von Jollaran, sollen sie zu einer Heldin unserer Navy
machen.
So soll ihr Name in das steinerne Buch der Geschichte gemeißelt werden und wir, sowie uns alle
nachfolgenden Generationen von Raumfahrern sollen ihrem Beispiel gedenken, es ehren und aus ihm
Lehren ziehen.
Captain Chantir spiegelt die höchsten Traditionen der Terran Space Navy wieder.
Mit besten Grüßen und voller Stolz
Klaus von Richter,
Admiral, Chief of Naval Operations
An: Alle Einheiten der 2. Flotte
Von: Admiral Jean Baptist Renault, CO 2. Flotte
2nd Lieutenant Clifford Davis wird mit Datum des 17. August 2636 postum die Defense Meritorious
Service Medal verliehen.
Lieutenant Davis gab bereitwillig sein Leben um sein Basisschiff, den Flottenträger Redemption zu
schützen.
Er manövrierte seinen schwer beschädigten Jäger so nah an eine feindliche Anti-Schiff-Rakete heran,
dass diese Detonierte.
Bei der Detonation der Rakete kam Lieutenant Davis ums Leben.
Lieutenant Davis zeigte im Kampf gegen den Feind immer Mut und Können.
Einhergehend mit dem Verwundeten Löwen in Gold und der Defense Meritorious Service Medal wird
2nd Lieutenant Davis postum zum 1st Lieutenant befördert.
Er spiegelt die höchsten Traditionen der Terran Space Navy wieder.
In kameradschaftlicher Trauer
Jean Baptist Renault,
Admiral, CO 2. Flotte

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