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Zum Ende der Seite springen Hinter den feindlichen Linien Season 2
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Cattaneo
Major


Dabei seit: 31.07.2002
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Themenstarter Thema begonnen von Cattaneo
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Werft der Blohm&Voss Spacecrafts AG, Alpha Centauri System

Audrey MacFarlane freute sich auf die Taufe des neuen Schiffs. Nun ja, vielleicht nicht auf die Taufe, aber auf den Ball der danach kommen würde und auf dem viele gutaussehende Offizier anwesend sein würden. Audrey war die Tochter des Werftleiters und außerdem ein prominentes Mitglied der hiesigen High Society. Heute kam ihr eine besondere Ehre zu, nämlich das erste Schiff einer neuen Klasse zu taufen, überdies ein Schiff, in das Blohm & Voss große Hoffnungen setzte. Ein letztes Mal blickte sie in den Spiegel und überzeugte sich, dass ihr blondes Haar richtig saß, dann zog sie ihren Ausschnitt etwas nach oben und strich zwei Falten an ihrer dunkelblauen Robe glatt. Eigentlich trug man ja etwas robustere Kleidung bei einer solchen Gelegenheit, aber die Eile, mit der das neue Schiff an die Front musste, hatte dazu geführt, dass der Ball unmittelbar im Anschluss stattfinden würde. Audrey MacFarlane zuckte mit ihren Schultern, lächelte in den Spiegel und verließ zufrieden ihr Ankleidezimmer. Draußen wartete bereits ihr Vater, Greg MacFarlane und ViceAdmiral Paetta, der die Navy vertrat. Außerdem anwesend war Captain Susan Conners, die als Kommandantin vorgesehen war. Der Captain schien etwas nervös, während die beiden Männer ganz entspannt plauderten.
Offensichtlich war es für sie nur eine Routineangelegenheit. Conners hingegen sah etwas blass aus und nippte gedankenverloren an einem Glas Wasser.
„Ah, Audrey, da bist Du ja endlich....Du siehst wundervoll aus!“
„Danke Dad. Admiral...Captain.“ Beide Angesprochenen nahmen die angebotene Hand.
„Da werden wohl einige meiner Offiziere heute mit einem gebrochenen Herzen in die Schlacht ziehen,“ grinste Paetta mit seinem öligen Charme.
Audrey lächelte, obwohl ihr der Admiral zuwider war. Der alte Bock war immer noch hinter den Röcken junger Damen her, obwohl er längst jenseits von gut und böse war. Aber das Verbergen der eigenen Emotionen war in den Zirkeln, in denen sich die MacFarlanes bewegten, Grundbedingung für ein gesellschaftliches Überleben.
Ihr Vater schritt zum Ausgang und läutete so den Aufbruch ein.

Ein halbe Stunde später traf die kleine Gruppe an dem Dock ein, wo der neue Kreuzer lag. Erst gestern waren alle Arbeiten, die in der Werft erledigt werden mussten, fertig gestellt worden, im inneren würde noch bis zur Verlegung nach Perseus weitergearbeitet werden. An der Seite des Docks standen mehrere Reihen von Navypersonal, die die erste Besatzung des Schiffes sein würden. Vor der ersten Reihe standen die Offiziere, alle recht jung, alle in weißen Uniformen. Einige Nachrichtencrews hatten sich ebenfalls aufgebaut und schwenkten mit ihren Kameras über das Schiff, vor allem aber über die Crew. Einige der Offiziere hatten echtes Rekrutierungsposter-Qualität. Das würde der Navy gefallen, vor allem weil das Projekt ja nicht unumstritten war.

Dann traten die MacFarlanes mit ihrer Begleitung zur Taufplattform, die von den Werftarbeitern aufgebaut worden war. Eine Flasche Champagner lag bereits bereit und wurde nur noch von einer leicht zu lösenden Schleife festgehalten. Die Stelle, wo der Name des Schiffes stehen würde, war noch verhüllt mit einem blutroten Tuch, auf dem die die Wappen der Navy und der Werft eingestickt war.

Zuerst trat Greg MacFarlane an das Rednerpult und spulte routiniert die übliche Rede ab, die sich wie bei jeder Schiffstaufe um die tolle Technik, die große Tradition der Werft und den Stolz der Arbeiter drehte. Die Arbeiter, die in lockerer Formation neben den Soldaten standen, streckten ihre Rücken durch, als sie erwähnt wurden und strahlten. Die Kameracrews fingen das alles ein. Da die Werft Erfahrung hatte, hatte man vor allem die Leute in die ersten Reihen gestellt, die tageslichtauglich waren und dementsprechend froh war der Aufnahmeleiter auch, als er später den Bericht zusammenschnitt.

Dann folgte Vice Admiral Paetta, der ebenfalls seine Standardrede ablieferte, indem er betonte, wie stolz die Navy auf ihr neues Schiff sei, wie stolz er auf die Besatzung sei und wie dankbar die Navy der Werft für den Kreuzer war. Audrey konnte nur mit Mühe verhindern, vor sich hinzudösen und konzentrierte sich daher darauf, bei den gelegentlichen Kameraschwenks mit ihrem berühmten Lächeln zu glänzen. Kosmetische Zahnchirurgie war wirklich etwas feines....

Schließlich kam ihr Auftritt. Geradezu majestätisch schwebte Audrey MacFarlane zum Podest und nahm die Flasche in die Hand. Ein Blick ins Publikum verriet ihr, dass ihr Kleid und ihr Dekollete den Blutdruck bei 80 Prozent der männlichen Anwesenden in die Höhe steigen lies. Sie genoss dies, auch wenn sie dies nicht zeigte. Stattdessen griff sie zu der Flasche und drehte sich zum Publikum um. Mit kristallklarer Stimme sprach sie die rituellen Worte: “Hiermit taufe ich Dich auf den Namen T.R.S. Dauntless! Soldaten und Soldatinnen der Terran Space Navy: Bemannt dieses Schiff und nehmt es in Betrieb!“
Sie ließ die Flasche los, die daraufhin gegen die Panzerung schlug und dort zerschellte. Ein gutes Omen. Dann fiel das Tuch, gezogen von einem diskret versteckten Mitarbeiter der Werft, das das Namensschild verdeckte, herab und enthüllte die weißen Lettern auf den grauen Panzerplatten. Eine Marinekapelle spielte die Navyhymne, während Audrey das Podest verließ.

Der Ball war ein großer Erfolg auch und vor allem für Audrey, die von den Lieutenants umschwärmt wurde. Ein besonders glücklicher Auserwählter begleitete sie später noch zu ihrer Wohnung.
Captain Conners hatte die Party am nächsten Tag in weniger positiver Erinnerung. Trotz eines zurückhaltenden Alkoholkonsums ging es ihr so schlecht, dass sie sich mehrfach erbrechen musste. Sie schob das auf die Aufregung und ließ sich bei Dienstantritt an Bord hiervon nichts anmerken. Noch am Abend legte die Dauntless zu ihrer Jungfernfahrt ab, allerdings bestand ein Großteil der Besatzung aus Werftmitarbeitern, die auf dem Transfer nach Perseus das Schiff in den Endzustand bringen sollten, Die Navymanschaft betrug nur etwa 150 Mann von normalerweise über 400, aber das würde sich auf Perseus ändern, wenn die Zivilisten von Bord gingen.

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Die Redemption lief wieder in ihren Heimathafen ein.
Dass die eigentliche Mission gescheitert war, wussten nur wenige, denn die Vernichtung eines feindlichen Biolabors wurde als Sieg verkauft. Doch die Trägergruppe sah nicht aus wie eine siegreiche Streitmacht. Viele der Besatzungsmitglieder kamen sich vor wie geprügelte Hunde.
Langsam schlich die Redemption an zwei Trägern der Majestic-Class vorbei. Der eine wurde als T.R.S. Galileo identifiziert. Der andere WAR die Majestic. Das Typenschiff, der erste gebaute leichte Träger der Majestic-Class. Auf ihr war dass schon beinah legendäre Geschwader mit dem Namen G-Man stationiert.
Die Redemption wurde in eines der vier Tenderschiffe gelotst. Großteile der Backbordpanzerung mussten erneuert, sowie einige Wartungsarbeiten vorgenommen werden.
Im nächsten Dock lag der leichte Träger Maryland. Lucas hatte schon erfahren, dass er einen großen Teil des Bordgeschwaders der Maryland bekommen würde und die Maryland, da sie einige Monate länger im Dock bleiben musste, würde einen Haufen Neuzugänge bekommen.
Schließlich wurde eine Verbindung für Personenverkehr und Energieversorgung zum Tenderschiff hergestellt und die Maschinen der Redemption wurden abgeschaltet.
Sofort wurden die Verwundeten von Bord gebracht und auf die modernere Krankenstation von Perseus gebracht. Unter den Verletzten von der Redemption und denen der Angry Angles befanden sich auch viele geborgene Besatzungsmitglieder der verlorenen Begleitschiffe.
Die Geheimdienstler bereinigten ihre letzten Spuren an Bord und verließen die Red dann ebenfalls. Ihnen folgten auf den Fuße die Kompanie der Special Recon Force des Marine Corps. Für beide Gruppen gab es nicht die geringste Abschiedszeremonie.

Dann begann erst die richtige Arbeit.
Während die Dockarbeiter sich daran machten die Schäden an der Außenhülle zu reparieren, wurden von der Mechanikercrew die Jäger aussortiert, die kaum oder gar nicht mehr zu reparieren waren. Ebenso begann die Versorgung der Red: Die Raketenmagazine für die vier Sparrow-Werfer und die Jäger wurden aufgefüllt. Frisches Essen kam an Bord und es entsprach endlich der Spitzenklasse, wie man es normalerweise auf den Trägerschiffen gewohnt war.
Für Lucas und seine Schwadronenkommandanten hielt das Einlaufen auch eine der traurigsten Pflichten parat. Sie durften durch das Schiff gehen und die Privatsachen der gefallenen zusammenpacken. Gut 37 Prozent Verluste hatten sie erleiden müsse, es war schlimmer als jede noch so rührende Beerdigungszeremonie.
Auch die bevorstehende Ordensverleihung, die dem Geschwader wenigstens etwa an Ruhm und Ehre einbringen würde konnte Lucas nicht sonderlich aufheitern.

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Die Messe war hergerichtet worden.
Es gab eine Kleinigkeit zu feiern. Die Piloten des Geschwaders waren anwesend. Nur wenige wussten, was geplant war.
Schließlich trudelte der letzte Pilot - Lucas in höchsteigener Person ein. Alle trugen sie die weiße Galauniform. Besonders stachen die Reihen von Ordens- und Kampagnenspangen der höheren Offiziere hervor.
Eine Ausnahme war Commodore Clarke, der zusammen mit Melissa Auson die Redemption vertrat. Lucas wechselte schnell ein paar Worte mit Darkness, der zusammen mit Clarke und Auson stand.
Darkness nickte und trat in die Mitte des Raumes: "Geschwader, mit dem Rücken zum Panoramafenster antreten."
Zum einen wollten die Piloten wohl jetzt lieber rüber nach Perseus auf die Amüsiermeile und zum anderen, hatten sie lange keinen Formaldienst mehr gehabt, viele seit der Akademie nicht mehr. Jedenfalls dauerte es Lucas zu lange und er fand - mit T´Recht - dass die Formation saumäßig war. Parker hatte mit Hilfe von Imp und Kano dafür gesorgt, dass Lilja in der ersten Reihe stand.
Dann meldete Darknees Lucas das Geschwader angetreten. Beide legten sie paradewürdiges Auftreten hin - der alte Drill der Blue Angels saß ihnen noch in den Knochen.
Lucas trat vor sein Geschwader: "Lieutenant Tatjana Michailowa Pawlitschenko", er hatte lange an dem Namen geübt, "treten Sie bitte vor."
Etwas verunsichert trat die Pilotin vor. Währenddessen entfaltete Lucas ein Stück Papier und räusperte sich:

"Flottenbefehl: 22980C
Vom: Flottenkommando 2 Flotte.
An: 2. Flotte.

Im Rahmen von Operation Husar tat sich Lieutenant Tatjana Michailowa Pawlitschenko besonders hervor. Durch ihren Einsatz im Gefecht konnte ein fast intakter Deathhawk Abfangjäger des Feindes geborgen worden. Des weiteren konnte Lieutenant Michailowa Pawlitschenko einen flüchtenden Frachter des Feindes abschießen. Zu dieser Zeit war ihr Typhoon Abfangjäger schwer beschädigt und in nicht mehr kampffähigen Zustand. Allein ihr ist zu verdanken, dass der Trägerverband, dem sie angehört, nicht vom Feind entdeckt wurde. Aus Anerkennung führ ihre Leistung wird ihr der Bronce Star verliehen."

Ein Raunen ging durch die Menge und Lucas wartete, bis sich das wieder gelegt hatte. "Darüber hinaus wird Second Lieutenant Michailowa Pawlitschenko zum First Lieutenant befördert. Unsere Glückwünsche und unser Segen mögen sie auf allen Flügen begleiten und ihr immer freie Sicht bescheren.

Gezeichnet
Konteradmiral Maike Noltze
Befehlsstab 2. Flotte"

Darkness trat mit einer geöffneten Holzkiste heran. Darin befanden sich sowohl die beiden schwarzen Schulterklappen mit den beiden goldenen Standardstreifen eines 1st Lieutenant, sowie die silbernen Kragenspangen für die Dienstuniform und der Bronce Star.
Lucas nickte Parker zu und entnahm eine der Schulterklappen.
Als Parker die zweite genommen hatten, traten sie zu beiden Seite, er rechts sie links, an Lilja heran. Sachte entfernten sie die beiden schwarzen Schulterklappen mit dem einzelnen Standard- und dem einzelnen dünnen Streifen von den Schultern und ersetzten diese durch die neuen Schulterklappen, dann reihte sich Parker wieder ein.
Lucas jedoch nahm den Bronce Star aus der Holzkiste und trat erneut an Lilja ran.
Kurz trafen sich ihre Augen. Liljas schienen feucht zu schimmern, dann heftete er ihr den Bronce Star an die linke Brust, über ihre bisherigen Kampagnen- und Ordensbänder aber unter die goldenen Pilotenspange.
Dann schüttelte er ihr die Hand: "Herzlichen Glückwunsch Lieutenant, Sie haben es sich redlich verdient."
"D.. d...da... danke", brachte die Pilotin schließlich hervor.
In einem Anfall von Erbarmen entließ er sie mit einem Salut und sie kehrte rasch in die Formation zurück.
r verschaffte sich schnell einen Überblick und erkannte schnell, dass schon die ersten seiner Helden mit ihren Füßen Blut durch den Körper pumpten.
Nachdem er Darkness zugenickt hatte, trat dieser vor: "Geschwader ACHTUNG! WeggeTRETEN!"
Die Formation löste sich schnell auf, und bildete einen Pulk um Lilja, von überall hagelte es Schultergeklopfe und Glückwünsche.

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„Na, war´s schön?“ Pinpoint sah von seiner Lektüre auf. Ich betrat unsere Gemeinschaftskabine vollends und begann meine Uniformjacke aufzuknöpfen.
„Ich lebe noch, danke. Und sie hat weder versucht, mir an die Gurgel zu gehen noch hat sie mich den Abend über beschimpft.“ Müde warf ich die Jacke auf mein Bett. Ich massierte meine Schläfen. Ich musste nachdenken, viel nachdenken. Konnte in der Eisprinzessin wirklich so etwas stecken wie… eine Frau?
„Hat ihr deine tolle weiße Uniform gefallen?“ hakte Pinpoint nach. Er linste mich über den Rand seines Buches an.
„Kumpel, du hältst das Buch verkehrt herum.“
„Was?“
„Verkehrt herum. Auf dem Kopf.“
„OH!“ Schnell drehte der junge Pilot den Wälzer. Sein Gesicht wurde hochrot.
„Was ist los mit dir, Mann? Wozu diese Show? Wenn Du Einzelheiten wissen willst, dann achte auf das, was Radio demnächst über das Treffen erzählt, streiche neunzig Prozent weg und du hast in etwa die Wahrheit.“
„Wieso Radio? Hast du ihm etwa erlaubt zu lauschen?“ Pinpoint japste auf. „Oder hat er das Ganze auf Band aufgenommen? Wie kannst du nur, Ace? Lilja mag dich nicht, aber sie ist immer noch eine Kameradin…“
Nachdenklich kratzte ich mich an der Stirn. „Sag mal, woher kommt denn dein Enthusiasmus für unsere Oma so plötzlich?“
Pinpoint steckte die Nase tiefer ins Buch. „Weiß gar nicht, wovon du redest, Ace.“
Was war nur mit Thomas los? Konnte er… Neee. Oder doch? Nein. Andererseits...
„Übrigens küsst sie super“, schoss ich ins Blaue.
Thomas Andrews rutschte das Buch zwischen den Fingern hindurch. „Du hast…“ Ungläubig starrte er mich an.
„Meinst du, ich würde dann noch leben? Lilja hasst mich, mein Freund.“ „Klingt plausibel“, knurrte der Pilot und warf mir einen von den Blicken zu, die sonst nur rauchende Stiefel von einem Gegner übrig ließen.
„Komm schon, Pinpoint, was ist los? Würde ich nicht wissen, um wen es geht, würde ich glauben, du bist eifersüchtig.“
Wieder errötete der junge Pilot. „Äh, nein, bin ich nicht.“
Für mich brach eine Welt zusammen. „Du bist es.“
„Nein“, druckste Pinpoint. „Ja. Nicht wirklich. Aber du bist ja auch selbst Schuld, Ace.“
„Wie? Das musst du mir aber erklären.“ Ich verschwand in der Nasszelle, ließ aber die Tür auf.
„Weißt du, neulich habe ich gedacht, wow, wenn Lilja mal nicht ihre grimmige Miene aufsetzt, dann sieht sie richtig hübsch aus. Ich weiß, sie ist älter als ich. Aber man kann ja versuchen, ob man miteinander auskommt.
Mich stören ihre... ihre Narben nicht und sie ist eine erfahrene Pilotin. Wir hätten ein paar Themen über die wir reden könnten. Da habe ich neulich Imp gefragt, ob sie bei Lilja nicht mal vorklopfen könnte.“
„Ah, verstehe“, erwiderte ich und lugte kurz in die Kabine zurück. „Aber stattdessen geht sie plötzlich mit Ace aus. Mensch, Pinpoint, ich habe diesen Abend gewonnen.“
„Ja, das sagst du. Aber wer sagt mir, dass das nicht abgesprochen war und ihr eine Ausrede brauchtet, damit ihr beide euer Image behalten könnt? Lilja als die Eisprinzessin und du als der unbesiegbare Megapilot, zu dem die anderen kleinen Lichter aufsehen dürfen.“
Vor Schreck fiel mir die Zahnbürste aus der Hand. Ich kam in die Kabine zurück und starrte Pinpoint an. „Himmel, Thomas, so wirke ich auf dich?“
„Ach komm, Ace. Ich weiß, wie du bist. Und wenn du den anderen gegenüber mal etwas arrogant auftrittst, ist das in Ordnung. Immerhin bist du der Kerl mit den zehn Abschüssen. Ich kann schon verstehen, wenn du und Lilja zusammenhängt. Beide super Piloten, beide heben sich von den anderen ab… Das besondere Paar oder so. Kein Wunder, dass du Kali den Laufpass gegeben hast.“
„Thomas Pinpoint Andrews. Weder will ich mit Lilja zusammen sein, noch habe ich Kali den Laufpass gegeben. Das verstehst du vollkommen falsch.“
„Sagt sich so leicht, wenn man ein Abendessen mit ihr hatte“, brummte Pinpoint leise. Ich seufzte. Aus einem Schrank holte ich mir meine Borduniform und zog sie an.
„Willst du noch mal weg? Du hast Morgen Flankenschutz.“
„Muss da noch was erledigen, Thomas. Ach ja, es tut mir leid. Ich denke, Lilja ist ein wirklich nettes Mädchen, dass nur zu viel erlebt hat und deswegen jeden abwehrt, der sich ihr nähern will. Leider weiß sie, wie das geht. Wir sind Zimmergenossen, Thomas. Und ich bin mit ihr ein paar Mal aneinander geraten. Deine Chancen sind daher nicht die Besten… Aber ich will sehen, was ich für dich tun kann.“

Als ich die Kabine verließ, folgte ich dem kürzesten Pfad zur Messe. Mein Ziel waren die Sims. War ich wirklich so? Arrogant? Selbstherrlich? Konnte ich mir das nach zehn Abschüssen leisten? Wollte ich das überhaupt?
Und was noch schlimmer war, konnte ich Pinpoint helfen oder hatte ich selbst Interesse an Lilja? Ein Gedanke, der mir nach diesem angenehmen Abend keinen Eisschauer mehr über den Rücken jagte.
Und Kali… Hatte ich sie bereits abgeschrieben, sie Ohka überlassen?
Ich musste über vieles nachdenken. Bei den Sims angekommen, forderte mich sofort ein Tech heraus. Ich nahm an… Und verlor. Nach der vierten Niederlage verloren die Zaungäste das Interesse an den Duellen. Aber reichte das? Und was noch schlimmer war, hatten sie Recht?

********************************************************************

Der Rückmarsch wurde für Kano zu der wohl schlimmsten Zeit an Bord des Trägers - auch wenn er natürlich noch nicht allzuviel Zeit auf der Redemption hinter sich hatte.
Diesmal war es nicht mit einer schnellen Behandlung und ein paar Tagen Bettruhe und leichtem Dienst getan gewesen. Er war nur knapp davongekommen.

Ein paar Tage war er durch Blutverlust und Medikamente nicht ansprechbar gewesen. Er dachte nur ungern an diese Zeit zurück - in halbwachen Zustand hatte er immer und immer wieder seine Verwundung erlebt, überlagert von den Ereignissen seines ersten Feindflugs - als er abgeschossen worden war.
Die Wunde hatte man offen gelassen, um sie besser versorgen zu können. Die Splitter hatten teilweise sehr tief gesessen - und fast im gesamten Schulterblatt.
Auch wegen der Gefahr, dass giftige Chemikalienrückstände an den Maschinentrümmern hafteten hatte er wenig Ruhe gefunden, da man ihn mit Medikamenten vollpumpte und ständig untersuchte. Er hatte nur auf dem Bauch oder der linken Seite liegen können und reichlich Zeit zum Nachdenken gehabt.
Das Bordlazarett war mit verletzten Überlebenden der Raumschlacht überfüllt gewesen. Deshalb hatte man die Besuchszeiten auf ein Minimum beschränkt.
Und Kali hatte - wie alle noch aktiven Piloten - ohnehin genug um die Ohren gehabt, so dass sie nur selten und kurz mal vorbeisehen konnte. Von den Verlusten seiner Staffel hatte Kano schnell erfahren - so etwas ließ sich nicht verheimlichen. Er war mit keinem der Gefallenen befreundet gewesen, aber er hatte sie gekannt, und Spad war schließlich zeitgleich mit ihm auf die Redemption gekommen, hatte zur selben Zeit seinen Abschluss gemacht - nun war er tot.
Dies beschäftigte den jungen Piloten - zumal Dr. Hamlin ihm sehr klar gemacht hatte, wie knapp er diesmal mit dem Leben davongekommen war.
Zweimal war er nun auf Feindflug gewesen - und immer dem Tode nur knapp entronnen - beim dritten Mal... .
Fast noch mehr als die eigenen Verletzungen hatte ihm der Tod seiner Kameraden die Kürze des Pilotenlebens aufgezeigt. Es dauerte, bis angelernte Verhaltensmuster und -kodexe Zweifel, Bestürzung und Unsicherheit zurückdrängten.
Bei der Ordensverleihung war er zwar wieder gehfähig gewesen, doch anschließend hatte er, auf Kali gestützt, sich zurückziehen müssen, kaum, dass er Lilja gratuliert hatte. Kali hatte zwar spöttisch gemerkt, dass er aus seiner Verwundung offenbar das Beste machen wollte - aber sie hatte sich sichtlich Sorgen gemacht und war mit einem recht zweifelnden Blick auf ihn wieder zum Fest zurückgekehrt.

Fürs erste war jedenfalls mit dem Dienst Schluss - Dr. Hamlin hatte ihn für (erstmal) zwei Wochen komplett freigestellt und selbst danach würde er wohl eine Weile nur leichten Dienst schieben können - es sei denn, dass etwa die Akarii die Station angreifen würden.
So gesehen hatte er Glück im allgemeinen Unglück. Der Träger würde für längere Zeit im Dock bleiben müssen, wahrscheinlich würde Kano bis zum Auslaufen wieder einsatzfähig sein. So blieb er vor dem Schicksal bewahrt, zurückgelassen, oder etwa versetzt zu werden.
Blieb die Frage, wie er die Zeit bis zu seiner kv-Stellung verbringen sollte. Abgesehen von regelmäßigen Visiten in der Krankenstation und einem komplizierten Rehabilitierungsprogramm für seinen Arm würde er wenig zu tun, also viel freie Zeit haben...
So gesehen war die Antwort klar - am liebsten würde er die Zeit mit Kali zusammen verbringen. Aber damit hörte die Klarheit schon auf. Da war immer noch Ace... .
Kano bezweifelte irgendwie, dass Ace wirklich (wie einige behaupteten) sich nun auf die "Eisprinzessin" - Lilja - "eingeschossen" hatte. Die Russin jedenfalls erweckte den Eindruck, lieber mit einem Akarii auszugehen... .
'Irgendwie müssen wir die Sache endlich mal klären... . Und vielleicht habe ich jetzt ja genug Zeit dafür.'

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Im sicheren Hafen

Lilja schritt zielstrebig aus – so ihr dies momentan möglich war. Es war schwer, zielstrebig zu sein, wenn man einen fragilen Turm aus Büchern balancierte, auf den gleichsam als Krone ein Stapel Computerdisks platziert worden war. Sie musste achtgeben, dass das zerbrechliche Gleichgewicht der Konstruktion nicht völlig zerstört wurde, und sich ihre Schätze am Boden wiederfanden. Augenblicklich machte sie einen weit weniger furchteinflößenden Eindruck als sonst – es war auch schwierig, drohend dreinzublicken, wenn man an einem Bücherstoß vorbei schielte und dabei ständig besorgt war, etwas zu verlieren. Der verkniffene Gesichtsausdruck wirkte teilweise eher mitleiderregend als einschüchternd. Glücklicherweise waren die Gänge des Trägers weitestgehend verwaist, so dass niemand Zeuge ihrer Demütigung würde. Worüber die Russin ganz glücklich war.

Schließlich hatte sie ihr Ziel erreicht – die Kabine, die sie mit Ina teilte. Sie bemühte sich, den Türöffner mit der Hand zu erreichen, aber da beide Hände augenblicklich belegt waren, war das Unterfangen von vorne herein zum Scheitern verdammt. Sie brach es ab, ehe es schlimmere Folgen nach sich zog. Mit einem saftigen Fluch lehnte sie sich an die Wand und streckte ihr linkes Bein, um damit ans Ziel ihrer Bemühungen zu kommen. Sie traf, doch einen Augenblick später rutschte der Stiefel ab und ihr Bein folgte der künstlichen Schwerkraft. Nur ein verzweifeltes und wenig graziles Wendemanöver rettete sie davor, mitsamt ihren Schätzen auf dem Boden zu landen. In dem Augenblick ging die Tür auf.

Ina war gerade im Bad dabei, sich für den „Landgang“ fertig zu machen. Zu solchen Anlässen trug man zumeist das Beste, was man hatte – ob Zivil oder Uniform. Sie hatte sich eher für Zivil entschieden. Feste Pläne hatte sie nicht, aber zusammen mit dem Rest der Staffel – andere Opfer würden sich zur Not auch finden – konnte man die Heimkehr sicher gebührend feiern. Sie hörte, wie Lilja hinter ihr ins Zimmer stolperte. Die Russin sah so aus, als wollte sie ihre Last auf den Fußboden knallen, besann sich dann aber eines Besseren – nicht für ihre Stimmung freilich – und platzierte alles auf ihrem Bett. Dann atmete sie tief durch, und darauf folgte eine Liste von Flüchen, wie sie einem halben Hundert völlig verdorbener Pferdekutscher zugestanden hätte, nicht aber einer Offizierin der TSN. Ina öffnete den Mund, fing einen Blick ihrer Kameradin auf und überlegte es sich anders. Man sollte vielleicht nicht zu weit gehen. Also wartete sie, bis Lilja fertig war, was eine Weile dauerte. Dann, denn ganz klein beigeben konnte sie natürlich nicht, lächelte sie bezaubernd – die Art Lächeln, die bei einem männlichen Gegenüber sofort die Hormone aktiviert hätte, bei der Russin aber offenbar den zweiten wichtigen Trieb, den des Tötens und Vernichtens, ansprach. „Nun, was führt dich in unser bescheidenes Heim an so einem bezaubernden Tage?“ Lilja warf ihr einen mörderischen Blick zu, aber ihre Antwort fiel harmlos aus: „Nur das übliche. ICH tue etwas nützliches, während andere Pilotinnen nichts besseres zu tun haben, als ‚Spiegelein, Spiegelein an der Wand‘ zu spielen!“
Ina seufzte. „Das übliche“ bedeutete bei der Russin vermutlich nichts Gutes. „Also warum, oh neugeborenster First Lieutenant der Streitkräfte, kommst du mit einem Stapel an Büchern und Computerdisks hier herein, die für die nächste Feindfahrt reichen würden? Wir sind gerade erst angekommen, und SO bald werden wir nicht wieder ablegen.“ Lilja zog eine Grimasse – das konnte sie sehr gut, sie übte ja auch eifrig. „Ganz einfach. Ich habe mich schon auf Vorrat eingedeckt. Und das Zeug will ich durch haben, BEVOR der nächste Marschbefehl kommt. Es sind Taktikhandbücher, ein bisschen was über Menschenführung in kleinen Einheiten, ein oder zwei Jagdfliegerleitfäden und ähnliches sowie Computersimulationen, die alles käufliche und einiges nichtkäufliche an Wissen zusammenfassen, was wir über die Jäger der Akarii und ihre Taktiken wissen. PLUS die Programme, um ein paar komplexere Übungsmissionen zu fliegen, gegen verschiedenen Gegner.“
Die jüngere Pilotin verdrehte die Augen: „Lilja! Wir sind gerade erst angekommen, und du kannst nur daran denken, wieder im Simulator zu verschwinden oder das zu lesen, was irgendwelche Jagdfliegergurus ausgebrütet haben? Wir haben FREIGANG, das heißt, wir dürfen uns ERHOLEN. Genauer gesagt, das ist sogar ein Befehl!“

Die Russin schaltete auf störrisch: „Erholen kann ich mich nach dem Krieg! Sie haben mir den Bronzestar gegeben und mich befördert. Ich schulde ihnen was. Vor allem muss ich mich dem würdig erweisen. Und das werde ich nicht, wenn ich meinen neuen Untergebenen verliere oder selber abgeschossen werde! Bis der hier eintrifft will ich bereit sein, meiner neuen Aufgabe gerecht zu werden!“ Ina schüttelte den Kopf: „Also ich glaube ja kaum, dass Lesen aus dir einen von Bein macht, oder sonst einen genialen Piloten. Du bist gut, wie du bist – sonst wärst du nicht so weit gekommen. Und irgendwann muss jeder mal ausspannen, sogar DU.“ Lilja murmelte etwas auf Russisch, winkte aber auf Inas fragenden Blick nur ab und knurrte soviel wie „Nur eine dumme Redensart...“. Sie würde Ina nicht gerade an den Kopf werfen, dass eine alte Redensart lautete ,Die Toten schlafen am besten.'

Dennoch, sie schien wenig gesinnt, ihre Meinung zu ändern: „Ich WERDE mich erholen. Heute abend habe ich mir auf der Station ein nettes Zimmer mit einer RICHTIGEN Wanne besorgt, dazu gibt es ordentliches Essen – nicht unseren Fraß, sondern was aus der Heimat – und ich werde mir die Briefe durchlesen, die meine Familie mir geschickt hat. Und selber den nächsten verfassen. Die anderen habe ich schon abgegeben, und mir alle geholt, die sie mir während der Feindfahrt geschrieben haben.“ Ina wusste, daß Lilja in ständigem virtuellen Briefkontakt mit ihrer Familie und ihrem Brieffreund, dem letzten Überlebenden ihrer alten Einheit, stand. Natürlich war es während der Feindfahrt unmöglich, Briefe abzuschicken oder zu empfangen, aber sie schrieb dennoch welche und schickte sie dann als ganzen Stoß ab. Ihre Familie wiederum sandte ihr mindestens einen Brief pro Woche an den Basishafen. In dem Fall also an die Perseusstation. Ina war sich dessen bewusst, wie viel ihrer Kameradin dieser Kontakt bedeutete, vermutlich auch ein Anker, der sie daran hinderte, gänzlich den Halt im Krieg zu verlieren. Nicht, dass die junge Pilotin es so ausgedrückt hätte. Nun, von dem Standpunkt aus betrachtet... „Aber du solltest dir mal einen Ruck geben! Du kannst doch nicht immer nur für dich bleiben, da versauerst du doch! Geh doch mal mit ein paar Kameraden auf Achse, oder treff dich mit jemanden...“ Anscheinend hatte sie DAMIT etwas falsches gesagt. Ihre letzte Bemerkung hatte die Russin offenbar an ihr „romantisches Abendessen“ mit Ace erinnert. Auch wenn es nicht so schlimm gewesen seien konnte – Ace lebte noch und Lilja steckte nicht im Knast mit einer Mordanklage am Hals – so hatte es doch nicht eben dazu geführt, dass derartiges in ihrer Beliebtheitsskala gestiegen wäre. Der Gedanken daran, was man an Bord des Trägers munkeln mochte – auch darüber, dass sie die erste Nacht außerhalb des Schiffes verbrachte wie viele andere auch – trieb die Pilotin innerlich zur Weißglut. Sie war sich nicht ganz klar darüber, was sie von Ace denken sollte. Er war ausnahmsweise mal nicht so arrogant wie sonst erschienen, aber dennoch. Sie verstand – oder billigte – vieles an ihm nicht, und ehrlich gesagt fehlte ihr die Motivation, sich dahingehend zu bemühen. Sie zog es vor, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren, und einiges, was er gesagt hatte, gehörte nicht zu den Dingen, die sie einem Menschen so schnell nachsah.

**************************************************************

Jetzt griffen jedenfalls ihre – außergewöhnlich gut entwickelten – ,Beißreflexe‘: „Wenn das eine Aufforderung seien soll, noch mal mit diesem... auszugehen, vergiss es!“ schnappte sie wütend: „Lieber fliege ich eine kastrierte Typhoon gegen eine Formation Reaper und verfluche über Breitband ihre Nestmutter! Und was andere Alternativen angeht“ ihre Stimme wurde langsam wieder normaler: „so wüsste ich nicht, mit wem ich ausgehen soll. Ich hätte nichts dagegen, mit Ohka mal einen kleinen Rundgang zu machen – als FREUND wohlgemerkt, und wenn du was anderes denkst, schluck‘s runter – aber der dürfte wohl was anderes zu tun haben.“ Ina grinste dreckig: „Ja ja, er tröstet Kali sicher darüber hinweg, dass Ace sie betrügt mit so einer rassigen Ru...“ sie verschluckte sich, als sie den Ausdruck in Liljas Augen sah und griff sich in gut gespielter panischer Angst an die Kehle. Die andere hielt den Gesichtsausdruck nur ein paar Sekunden durch, dann musste auch sie grinsen: „Abgesehen von letzterem dürftest du Recht haben. Allerdings – wenn ich so drüber nachdenke bin ich mir nicht so sicher. Offenbar betrachtet sie Ace immer noch als ihren Privatbesitz – soll sie, wenn sie glaubt, er sei es wert – und deshalb kann man sich da nicht so sicher sein, ob sie ihm nicht den Vorzug gibt. Bei DER kann man nie wissen. Aber wer weiß, vielleicht will Mata Hari ja auch nur die Mannschaft für einen flotten Dreier zusammenbekommen. So selbstverliebt und besitzergreifend wie die ist, könnte sie sich glatt einen Harem halten...“ Ina kicherte: „Huh! Was sind wir doch für verdorbene Weiber wir!“ Beide lachten.

„Na ja, sei es wie es sei. Es interessiert mich ehrlich gesagt nicht, bei wem unsere Tempeltänzerin ihre Freizeit verbringt und ihre Triebe auslebt. Meinetwegen kann sie sich auch einen Ziegenbock kommen lassen!“ „LILJA!“ Ina klang ehrlich schockiert, was die Russin ihr freilich keinen Augenblick glaubte. Vermutlich konnte Kali sich nicht einmal im entferntesten vorstellen, mit welcher Leidenschaft Lilja über sie herzog, wenn sie aus irgendwelchen Gründen mal wieder sauer war. Was oft vorkam. Die junge Inderin eignete sich in den Augen der Veteranin offenbar hervorragend als Blitzableiter, und da Lilja sich bei ihr noch nicht revanchiert hatte, benutzte sie Kali eben auf diese Art und Weise. Regelmäßig. Nachsichtigkeit war noch nie eine Tugend der Russin gewesen.

Die jüngere Pilotin erinnerte sich – etwas spät – daran, worum Pinpoint sie gebeten hatte. Wie viel war seitdem doch geschehen! Sollte sie es Lilja jetzt sagen? Vielleicht doch besser später, entschied sie. Zumal sie sich nicht sicher war, was sie davon halten sollte. Sie war zwar kein Experte in solchen Sachen, aber sie vermutete hier stark irgend eine Wette oder etwas ähnliches nach dem Motto: ‚Wer schafft es, die Eisprinzessin in eine Bar – oder ins Bett – zu bekommen?‘ Solche ,Wettkämpfe‘ waren zwar nicht eben häufig, kamen aber schon vor. Pinpoint war der Zimmerkamerad von Ace und einer der wenigen Freunde, die Ace dank seines Verhaltens überhaupt an Bord hatte. Nahm man hinzu, dass ,Blauhaar‘ selber ja der Russin ‚Avancen‘ gemacht hatte mit seinem komischen Siegespreis, dann erschien ihr ihre Vermutung als recht plausibel. Und Lilja in einem solchen Fall – nein, das war NICHT ratsam. Jemand konnte verletzt werden. Ihre Kameradin innerlich, sollte sie darauf hereinfallen – und einige andere in etwas unmittelbarer Art und Weise. Sie würde die Sache erst mal überdenken. Also seufzte sie nur resignierend: „Naaa schööön. Aber denke dran, ICH hätte zum Beispiel nichts gegen deine Gegenwart.“ Die Russin grinste: „Ich bin nicht die Stimmungskanone. Und meine Beförderung verlangt eine besinnliche – und meine Betonung liegt auf der erste Silbe, Madame ‚wir drehen jedem das Wort im Munde herum‘ – Würdigung. Aber danke für das Angebot...“

Sie würde den Abend auf ihre Art und Weise genießen. Und mit einem inneren Grinsen beschloss sie, das Messer gut sichtbar am Rand der Wanne zu platzieren, sollte jemand hereinplatzen. Nicht, weil sie um ihre Tugend fürchtete. Aber es würde, für den SEHR unwahrscheinlichen Fall, dass zum Beispiel ein Feuer ausbrechen würde oder es Alarm gäbe, ihren ‚guten‘ Ruf untermauern. Die Eisprinzessin, die ihre Waffe stets griffbereit hatte - das gefiel ihr! Und ihr Image der bedeutete ihr viel. Sie freute sich schon jetzt darauf, zumindest in Gedanken bei ihren Angehörigen zu sein. Und danach – in den nächsten Tagen – würde sie sich mit ihren Pflichten befassen. Das würde helfen die Zeit abzukürzen, die ihr vermutlich lang werden würde – immerhin war es wahrscheinlich, dass die Reparaturen ein Weilchen dauerte. Wenn es wieder ,hinaus‘ ging, würde sie vorbereitet sein auf ihre neue Verantwortung. Und vielleicht, nur vielleicht, konnte sie gegenüber Ace auf einen Ausgleich hoffen. Das würde seinem Ego nur gut tun – den Auftritt bei den Simkapseln, von dem ihr Radio erzählt hatte, verärgerte sie immer noch. Das war ja auch der Grund für ihre Konfrontation gewesen. Nun, abwarten und aufpassen...

Beide machten sich auf den Weg zum Shuttle. Ina mit der festen Absicht, sich zu amüsieren - mit Augenmaß freilich - und Lilja mit dem gleichen Ziel, auf ihre Art und Weise natürlich.

Zwei Stunden später lag sie in der Wanne und genoss den Luxus, endlich mal wieder ein heißes Bad zu genießen. Auf dem Tisch des Apartments - ein ziemlich kleines Wohn- und Schlafzimmer und ein Bad, sie hatte dafür einiges hinblättern müssen, aber das war es ihr wert - standen die Überreste eines reichhaltigen Abendessens heimischer Küche. Eine kleines Fläschchen mit Alkohol und - zur Feier des Tages - zwei selbstgedrehte Zigaretten waren in Reichweite. Wie auch, natürlich, der Dolch. Vorsichtig, um das Papier nicht zu durchnässen, entfaltete sie den ersten Brief und begann zu lesen. In ihren Gedanken war sie zu Hause.

,Liebe Tanja...'

***********************************************************

„Sie hat was?“ Rusty ging einen Schritt zurück, um bei einer möglichen Explosion Kalis nicht in Reichweite zu sein. „Äh, es war nur ein simples Abendessen.“
Helen Mitra schnaufte. „Soso. Nur ein Abendessen. Wie ist es gleich zustande gekommen? Sie hat bei einem SimFight gegen Ace verloren?“
„Nur knapp“, beeilte sich Rusty zu versichern. „Hätte auch anders ausgehen können. Obwohl mir natürlich schon der Gedanke gekommen ist, sie könnte absichtlich verloren haben…“
Warum reizte er Kali eigentlich? Warum goss er noch Öl ins Feuer? Warum war er Kampfpilot? Er liebte die Gefahr. Und eine zornige Kali war gefährlicher als ein Bloodhawk.
„Absichtlich. Hm. Ist mir doch egal. Dieser blauhaarige Bauerntrampel kann tun und lassen, was er will. Und wenn er diese Babuschka ausführen will, las ihn doch.“
„Eigentlich dachte ich, die beiden können nicht miteinander. Es liefen schon Wetten, wer von den beiden zuerst bei Doc Hamlin eingeliefert wird. Aber sie sind nicht einmal verletzt.“
Rusty trat mutig wieder einen Schritt näher. „Die Ordonnanz meinte, die beiden hätten eine belanglose Konservation geführt. Wie normale Menschen. Oder wie ein Pärchen beim ersten Rendezvous.“
„Ich sagte schon, das ist mir egal, Rusty. Treib es nicht auf die Spitze“, zischte sie wütend.
Abwehrend hob ihr Flügelmann die Hände. „Okay, ich dachte nur, du wolltest es wissen.“ Froh, mit heiler Haut davongekommen zu sein, verschwand der Pilot in der Messe.

„Warum mache ich mir überhaupt einen Kopf drum?“ brummte Kali. „Wenn Ace mit dem unterkühlten Frischkäse was anfangen will, dann soll er doch. Seine ach so tollen Liebesschwüre habe ich ihm eh nie geglaubt.
Kano ist wesentlich zuverlässiger als dieser, dieser…“
Wütend stapfte sie davon. „Okay, komm wieder runter, Schatz“, murmelte sie zu sich selbst. „Sei ehrlich, es macht dir doch was aus. Und sei es nur wegen dieser ekligen Oma mit ihrem hoheitsvollen Getue. Dabei hast du ihr doch gesagt, sie soll Ace in Ruhe lassen. Wieso sorgst du dich auch noch um ihn?“
Gedanken schossen durch ihren Kopf. Die erste Begegnung im Büro von Lone Wolf. Die Momente im gemeinsamen Quartier. Dann der Moment auf PERSEUS. Und die vielen kleinen Szenen danach. Hätte es anders laufen können? Hätte es anders laufen sollen? Sexuelle Beziehungen zwischen Mitgliedern der Besatzung waren auf Feindfahrten generell untersagt. Doch sie war sich lange schon nicht mehr sicher, was sie mehr fürchtete: Ein weiterer Abschuss für Ace zu sein oder tatsächlich die Frau, die er liebte.
Ohka hatte einiges an diesem Bild durcheinander gewürfelt. Seine Hoffnungen und Wünsche lagen wie ein offenes Buch vor Kali. Sie erahnte seine Gedanken, sie las seine Träume. Ihr gefiel was sie sah erschreckend gut. Sie gestand sich ein, hätte sie Ace nicht vorher kennen gelernt, wäre der junge Japaner mittlerweile mehr als ihr guter Freund an Bord.
Ob mehr draus wurde, lag einzig bei ihr, nicht bei Ohka, das war ihr schon lange klar. Und PERSEUS würde für lange Zeit die einzige Gelegenheit sein, etwas daran zu ändern. Darüber wollte sie nachdenken. Ebenso wie über ihre verteufelte Beziehung zu Ace
Aber erst sollte Eisoma einen Denkzettel bekommen, dafür, dass sie sich auf welche Art auch immer in ihre Kiste eingemischt hatte. Und Kali wusste auch schon genau, wie…
***
Als Kali Lilja aus der Messe kommen sah, huschte sie schnell wieder hinter ihre Ecke zurück. Kurz nur träufelte sie sich mit der Pipette ein paar Augentropfen in beide Augen. Als Lilja die Ecke passierte, war Helen bereit.
„Oh, Lilja.“
Die Eisprinzessin wirbelte herum. In ihren Augen flackerte Wut. Sofort versteifte sie sich in Erwartung eines Angriffs.
Aber Kali lehnte nur weiterhin harmlos an der Wand. „Lilja, ich… Es tut mir leid. Es tut mir wirklich leid. Ich habe das vom Abendessen gehört und… Verdammt, hätte ich nur früher gewusst, dass du wirklich Interesse an Ace hast und ihm nicht einfach weh tun willst, ich hätte niemals so was dummes gesagt.
Wäre ich nicht so blind gewesen, hätte ich es schon gemerkt, als du mir einreden wolltest, er könne der Saboteur sein. Du wolltest dein Revier abstecken.“
„Hä? Hör mal, Kali“, wollte die Russin aufbrausen.
Aber Kali fuhr ihr über den Mund. „Ich weiß, ich weiß, ich war egoistisch. So ganz konnte ich Ace eben nicht loslassen, so nett Kano auch ist und so gut er zu mir passt.
Aber jetzt, wo ich sehe, dass Ihr beide eure knospende Liebe entfaltet, wo ihr zueinander findet, da störe ich doch nur.“
Kali blinzelte kräftig. Das trieb die Augentropfen raus. „Lilja, ich… Ich mache dir den Weg frei. Ich weiß, du hast Bedenken, aber Cliff ist ein feiner Kerl. Wenn du die Gelegenheit nutzen willst, nur zu. Ich denke, ich würde nur verzögern, was eigentlich sein soll.“
Die künstlichen Tränen liefen ihr beide Wangen runter. Abrupt warf Kali sich herum und rief: „Ihr habt meinen Segen, Tatjana!“
Sie rannte den Gang hinab, eine sprachlose Lilja zurücklassend. „Mit so einer Attacke hast du nicht gerechnet, was, Lilja? Hoffentlich schiebst du jetzt ordentlich Weißglut. Ich werde demnächst mal gucken, ob da nicht Schmelzspuren sind, wo du stehst…“
27.11.2015 07:05 Cattaneo ist offline E-Mail an Cattaneo senden Beiträge von Cattaneo suchen Nehmen Sie Cattaneo in Ihre Freundesliste auf
Cattaneo
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Auf dem Bildschirm stürmten Soldaten in leichter Kampfausrüstung wild feuernd den Hügel. Vier von ihnen pflanzten eine Fahne auf. Es war eine Trikolore: Blau, weiß, rot. Auf ihr stand in goldenen Lettern ,Camerone'.
,Join the Fremdenlegion.' Erschien jetzt ein Text über den kämpfenden Soldaten.
Eine euphorische Stimme verkündete: "Die Elite der regulären Truppen der Army, eine alte traditionelle Einheit. Mit eignem Ehrenkodex und eigener Organisation.
Willst Du zu den Besten der Besten gehören?! Join the Fremdenlegion."

Das Bild wechselte:
Kampflandeshuttles landeten, wobei sie die Umgebung mit ihren Bordwaffen bestrichen. Dann schwang eine Luke auf und leichte Liberator-Panzer begleitet von Marines in voller Gefechtsausrüstung rollten an Land.
Infanteristen wie auch Panzer schienen gezielte Schüsse abzugeben.
"Join the Marine Corps! Die Elite der Streitkräfte. Semper Fidelis!" Wurde von einer würdevollen Stimme verkündet.

Dann erschien auf dem Monitor ein frech aber dennoch sympathisch lächelnder junger Mann mit rotblonden Haaren uns Sommersprossen: "HIER ist Scott McLean von TNN. Wir haben Krieg. Und die Geschichte hat uns gelehrt, dass im Krieg nicht nur schlechte Dinge geschehen, sondern, dass der Krieg gänzlich schlecht ist. Aber wie so häufig bringen die schlimmsten Zeiten das beste des Menschen zum Vorschein: Durchhaltevermögen, Kampfgeist, Tapferkeit und Aufopferungsbereitschaft."
Der Reporter in paramilitärischer Kleidung lächelte kurz: "Ich befinde mich hier auf einer geheimen Basis der Terran Space Navy, um einige unserer neuesten Helden zu interviewen. Mein erstes Opfer: First Lieutenant James Windsor, seine königliche Hoheit der Prince of Wales."
Die Kamera schwenkte herum und zeigte einen jugendlichen Offizier. Er trug eine weiße Sommeruniform. Über der rechten Brusttasche hingen zwei Reihen Ordensspangen und die Pilotenspange.
"Guten Abend, Scott, aber nenne Sie mich doch bitte Hawk", begann der junge Offizier das Interview.
"Hawk?" Scott klang etwas irritiert.
"Ja, Hawk, mein Callsighn, mein Codename über Funk."
"Oh, natürlich, Ihr Piloten seid schon etwas Einzigartiges. Aber sagen Sie mir doch, Hawk, bei welchem Geschwader fliegen Sie?"
James Windsor lächelte in sichtlichen Stolz: "Bei den G-Men auf der Majestic."
"Und dort haben Sie vor einigen Tagen das Navy Cross verliehen bekommt. Wofür?"
Wieder lächelte Windsor, diesmal war es jedoch ein bescheidenes Lächeln.
"Kommen Sie Lieutenant, die Leute daheim haben das Recht von den Heldentaten Ihrer Verteidiger zu erfahren", ermunterte McLean den britischen Thronfolger.
"Nun, wir hatten einen leichte feindlichen Verband gestellt, zwei Kreuzer und ein paar Zerstörer. Und so gut unser Jabos, also unsere Jagdbomber, auch sind, so konnten sie nicht alle Feinde ausschalten. Ein Kreuzer kroch schwer beschädigt zum Jumppoint und er wäre weg gewesen, ehe unsere Jabos aufmunitioniert gewesen wären. Also tauchte ich unter seiner Bewaffnung hindurch," Windsor beschrieb einige komplizierte Raumkampfmanöver und McLean nickte, als ob er alles verstand, was der junge Mann ihm erzählte, "und dann war ich ganz nah und feuerte alles was ich noch hatte in den Aufgerissenen Rumpf, direkt in den Maschinenraum. BOOOM! Das war's mit dem Kreuzer. Ich sage Ihnen, so was bekommt man nur mit 'ner Nighthawk hin Scott."
Dieser wandte sich wieder an die Kamera: "Da hören Sie es, Ladies und Gentlemen, welche Gefahren diese tollkühnen jungen Männer und Frauen in Kauf nehmen, zum Schutze unserer großen Republik. Unser aller Segen möge Sie auf all Ihren weiteren Fahrten begleiten Hawk. Viel Erfolg Ihnen und allen Ihren Kameraden von den G-Men."
Die beiden schüttelten sich die Hände.

****************************************************************

Lieutenant Commander Ling war zufrieden, als er schließlich seinen Bericht über die Sabotage fertig gestellt hatte. Zum einen waren endlich diese nervigen Idioten weg, die ihn mehr an seiner Arbeit gehindert, als ihn unterstützt hatten, zum anderen war diese leidige Angelegenheit endlich erledigt.
Er nahm sich noch einmal den Bericht vor. Alle weiteren Verhöre, auch unter Verwendung von Drogen und körperlicher und geistiger Folter hatten das Ergebnis der ersten Vernehmungen bestätigt. Gandhi hatte die Arbeit wie immer perfekt ausgeführt, auch wenn Ling zwischenzeitlich befürchtet hatte, die beiden Subjekte würden am Schmerz allein sterben. Letztendlich hatte sich aber gezeigt, dass Gandhi die Foltertechniken so gut kannte, dass er den Zustand der Gefangenen exakt einschätzen konnte. Nachdem man dann mit den Drogen bereits massive Schäden an den Nervensystemen angerichtet hatte, hatte man die Verräter schließlich mit einer Giftspritze exekutiert, die Leichen verbrannt und durch die Müllsysteme ins All verbracht. Ein höchst befriedigende Form der Bestrafung, wie Ling fand.

Dann unterzeichnete er ihn mit seiner digitalen Signatur und sandte ihn an das Hauptquartier. Eine gekürzte Version, die nur die Tatsache, dass man die Verräter gefasst und wie man mit ihnen ungefähr verfahren war – Ling hatte sich die Details erspart und nur von allgemein üblichen Verhörmethoden gesprochen – ging an den Captain. Mehr musste sie nicht wissen, hatte er befunden und er wusste, dass ihm das Hauptquartier das Rückendeckung geben würde.
Dann rief er Gandhi herein.
„Sir?“ Der Lieutenant stand wie immer, wenn er gerufen wurde, in Habacht.
„Stehen Sie bequem. Lieutenant, ich werde die nächsten Tage auf der Station verbringen. Ich möchte nicht gestört werden, sofern keine wirklich dringenden Dinge meiner Aufmerksamkeit bedürfen. In der Zeit werden Sie mich vertreten. Sollten Anfragen vom Captain bezüglich der Operation kommen, sagen Sie einfach, Sie würden auf Befehl des Hauptquartier handeln. Wenn das nicht für Ruhe sorgen sollte, dann sagen Sie ferner, dass die ganzen Unterlagen ab sofort der Geheimstufe Delta 8 unterliegen ,die niemand an Bord außer meiner Wenigkeit hat. Außerdem wissen Sie ja so gut wie ich, dass ein Bruch dieser Stufe zu sofortigem Arrest und zur Strafe bis hin zur Exekution geahndet wird. Wenn dann immer noch keine Ruhe ist, arrestieren Sie.“ Ling klopfte mal wieder auf seine Prothese, was er meistens tat, wenn er abgelenkt war.
Gandhi schluckte sichtbar, denn den Captain zu arrestieren war eine Machtprobe, deren Ausgang keineswegs so klar war, wie Ling es beschrieb, vor allem, wenn nicht Ling, sondern er selbst handeln musste. Insgeheim nahm er sich vor, auf Ling zu verweisen und den Unwissenden zu spielen.
„Aye Sir.“
„Ruhig Blut, Lieutenant. Der Captain weiß genau, dass die Details für sie uninteressant sind. Ich rechne nicht mit weiteren Nachfragen.“
„Verstanden, Sir.“
„Gut, noch etwas. Machen Sie einen Notdienstplan für den Aufenthalt hier fertig und lassen Sie mich da raus, ich werde zwar zwischendurch hier sein, aber da habe ich andere Dinge zu tun....Das wäre es eigentlich. Fragen?“
„Nein Sir.“
„Gut, wegtreten.“ Ling wartete, bis Gandhi den Raum verlassen hatte, dann schloss er alle Sicherheitsschränke ab und versiegelte sein Computerterminal. Zu guter Letzt sicherte er die besonders brisanten Dinge mit einer versteckten Brandbombe, die alle Dokumente zerstören würde, sofern sich jemand gewaltsam Zugang zu den Fächern verschaffen sollte. Seine Leute wussten, dass sie hier nichts zu suchen hatten, alle anderen würden schon Probleme bekommen, die Bürotür zu öffnen, zumal der ND Bereich an sich schon massiv gesichert war.

Wang Ling verließ die Redemption eine halbe Stunde später und begab sich zum ND Stützpunkt auf Perseus, wo er umfassend Bericht über die komplette Feindfahrt ablegte. Sein fotografisches Gedächtnis machte es ihm leicht, auch ohne schriftliche Unterlagen detailliert Auskünfte zu geben. Erst am Abend war das Debriefing beendet und Ling begab sich in das hiesige Offiziersquartier, um zu schlafen.

********************************************************

Lieutenant Commander Justin McQueen prostete dem Bild an seiner Quartierwand zu.
"Ein guter Kampf Echse, du bist genauso gut wie ich gehofft hatte." Er setzte das Glas an und trank in kurzen Zügen. Rex hatte wie immer gute Arbeit geleistet. Sein Kontaktmann an Bord der Perseus konnte alles besorgen. Zigaretten, Ersatzteile, alte Filme und vor allem schottischen Whiskey. Dieser hier war beinahe 500 Jahre alt und hatte Justin Unsummen gekostet aber dieser Moment war es wert eine solche Kostbarkeit zu öffnen.
Er fixierte das Bild ein weiteres Mal. Es war ein Ausdruck der Geschützkameras seiner alten Phantom die inzwischen den Weg alles Irdischen gegangen war. Die Photografie zeigte eine blutrote Bloodhawk.
Den Roten Baron.

Darkness hatte sich die Aufzeichnung seines Kampfes mit diesem Meisterpiloten dutzende Male angesehen und nach Fehlern gesucht. Sowohl nach seinen als auch nach Fehlern die der Akarii möglicherweise gemacht hatte. Er hatte nichts gefunden.
Justin war dafür bekannt auf Fehler von Feinden sehr schnell reagieren zu können, aber bei diesem Aß hatte es keine gegeben. Sowohl der Baron als auch er selbst hatten Glück gehabt. Beide hätten jederzeit sterben können. Ein kleiner Fehler nur... McQueen schüttelte den Kopf. Sie waren nicht tot. Keiner von beiden hatte einen Fehler gemacht. Er selbst hatte sogar noch dazugelernt. Dieser Pilot hatte seine Fähigkeiten geschärft und zwar bis zum Äußersten. Justin hoffte, dass es dem Baron nicht ebenso ging. Er war auch so gefährlich genug.
Mit einem Ächzen stand er auf. Der Sessel durfte nicht zu bequem werden, schließlich befand man sich immer noch im Krieg und Trägheit war hier nicht angebracht.
Er verließ seine Kabine und machte sich auf den Weg zum Flugdeck. Seine neue Maschine brauchte noch einen neuen Anstrich.

******************************************************************

Charles Bayonne und Jason Rowland saßen in einem kleinen Cafe auf Perseus zusammen. Rowland hatte dem älteren Mann pflichtgemäß über alles Bericht erstattet. Auch über Davis letzten Besuch bei ihm.
"Ich denke, wir sollten dem Jungen den Gefallen tun", bemerkte Bayonne als er gerade seinen Capuccino abstellte.
Rowland blickte den Captain etwas skeptisch an, rührte jedoch scheinbar gedankenverloren in seinem Kaffee: "Warum?"
Der ältere Mann schmunzelte: "Weil er uns dann was schuldet."
"Nun, ich will ganz ehrlich sein", begann Rowland, "ich halte ihn immer noch für einen Risikofaktor, kein Mann für das N.I.C. er ist, nun, zum einen zeichnet er sich zwar durch die nötige Selbstständigkeit aus, zum anderen scheint mir seine Einstellung nicht die richtige zu sein."
"Dann besteht für das N.I.C. keinerlei Interesse an Davis?"
Rowlands Augen verengten sich zu Schlitzen und er musterte Bayonne eine lange Zeit, bevor er antwortete: "Nein."
Nun denn, ich muss Los", Bayonne legte 10 Real auf den Tisch, "Sie sind eingeladen."
Ohne vergebens auf ein Danke zu warten stand Bayonne auf und verließ das Cafe.
Rowland blickte ihm noch lange nach.

Bayonne betrat sein Quartier auf Perseus.
Er vergewisserte sich, dass niemand das Quartier betreten hatte. Die Wanzen des N.I.C. waren noch immer an ihrem Platz.
Er zog sich um. Die Uniform verschwand in einem Müllschlucker und wurde durch einen modischen blauen Anzug ersetzt.
Aus Captain Charles Bayonne von Naval Intellegence Corps wurde Special Agent Charles Bayonne vom Terran Intellegence Service.
Der T.I.S. war in mehrere Divisionen aufgeteilt. Die erste war die Division für Informationsbeschaffung - Ausland. Die zweite war die Division für Informationsbeschaffung - Inland. Die Divison für Spionageabwehr war die Nr. 3. Bayonne gehörte jedoch der Nr. 4 an, der kleinsten Abteilung des T.I.S., der geheimsten und der gefürchtetsten in Geheimdienstkreischen: Der Division für Sonderaufgaben.
Bayonne war insofern für diesen Auftrag qualifiziert gewesen, dass er Navy-Pilot gewesen war und immer noch die Flugberechtigung besaß. Des weiteren hatte es den Lieutenant-Commander der inaktiven Reserve sehr viel Spaß gemacht den Captain raushängen zu lassen.
Er linkte sich ins Computersystem der Basis ein und begann kodierte E-Mails zu verschicken. Eine davon ging an Commander Ling:

,Die Tätigkeiten von 2nd Lieutenant Clifford Davis, zur Zeit auf T.R.S. Redemption Dienst tuend fallen nicht mehr in ihren Aufgabenbereich.
Gezeichnet
Bayonne, Cpt.'

Dann begab sich Bayonne zu dem für ihn bereit gestellten Langstreckenshuttle und verließ mit all seinen Unterlagen Perseus in Richtung Terra. Er würde seinem Chef einiges zu erklären haben.
Gerade als das Shuttle. welches Bayonne transportierte. in den Wurmlochtermius eintauchte, der von Perstus nach Texas führte, fand 2nd Lieutenant Clifford 'Ace' Davis in seinem Postfach eine E-Mail:

,Lieutenant, sollten wir jemals auf Ihre Dienste angewiesen sein, wird jemand mit dem Codenamen Schwertmaid an Sie herantreten. Die Losung lautet: "Jetzt ist es an der Zeit, dass alle aufrechten Männer ihren Landsleuten zu Hilfe kommen."
Sie werden Schwertmaids Anweisungen folgen. Sie werden keine Fragen stellen.
Des weiteren werden Sie über Ihre Nebentätigkeit keine Wort verlieren.
Gezeichnet
C.B.'

Ace starrte verdutzt auf seinen Bildschirm und wollte gerade Nachvorschungen nach der Herkunft der Mail zu beginnen, da sprang der Monitor um.

D:\neue_Mail\25.04.2636\unknown
LÖSCHEN
Mail gelöscht

Wieder starrte er auf seinen E-Mail-Eingang, doch die Mail von eben war verschwunden. Drei Stunden des Suchens waren vergebens. Er fand nicht mal den Ansatz einer Spur, jemals diese Mail erhalten zu haben.

***********************************************************

Jean Baptist Renault, vier Sterne Admiral der Terran Space Navy und Kommandeur der 2. Flotten saß an Bord seines Flaggschiffes T.R.S. Gettysburg.
Der riesige Flottenträger schwebte über dem Planeten Austin im Texassystem. Er wurde von einem zweiten Träger der Pegasus-Class begleitet der Melbourne, ebenso einem Träger der Zeus-Class der Liberty, dazu über 90 Begleitschiffe: Kreuzer, Zerstörer, Fregatten, Korvetten und zwei leichte Träger der Majestic-Class. Eine beeindruckende Streitmacht, allerdings hielt sie nicht dem Vergleich mit der alten Schlagkraft der 2. Flotte stand.
Neben Renault befanden sich Simon Breuer, der Captain der Gettysburg, Konteradmiral Maike Noltze, seine Stabschefin, Konteradmiral Nikolai Kowalski, Kommandant der Gettysburg-Trägergruppe, Commander Rachel Roberst, Renaults Nachrichtendienstoffizierin, und Commander Johann von Richter, der Geschwaderkommandant der auf der Gettysburg stationierten Death Merchants und Sohn des Chief of Naval Operations.
"Also, wir alle sind uns im Klaren darüber, dass wir diesen Akarii-Aufmarsch nicht ignorieren dürfen", nahm Renault das Gespräch wieder auf.
"Und was wollen Sie dagegen tun?" Warf von Richter respektlos ein. Wieder einmal bereute es Renault, dass er diesen Protege Mannheims - Cunnings hieß er wohl - der während der Schlacht von Mantikor das Geschwader der G-Burg übernommen hatte, zugunsten von von Richter geschasst hatte.
"Wir könnten Schiffen von Husar abziehen", schlug Roberts vor.
Kowalski legte die Stirn in Falten: "Nun, ich bin immer noch davon überzeugt, dass wir es hier mit einer Falle zu tun haben."
"Ja, natürlich sieht es wie eine Falle aus, doch selbst wenn, wir KÖNNEN diese Konzentration nicht ignorieren, wie der Admiral sagte." Antwortete ihm sein Schwager Captain Breuer.
"60 Schiffe, sechzig verdammte Frachtschiffe können jetzt über Erfolg oder Niederlage in diesem Krieg entscheiden", murmelte Renault, "wie zuverlässig sind die Daten, Rachel?" "Nun, Sir, so zuverlässig wie irgend möglich." Es war deutlich zu sehen, dass sich die Frau mittleren Alters nicht unbedingt wohl fühlte.
"Okay, Maik, was haben wir bei Perseus in Bereitschaft liegen?" Renault beugte sich gespannt vor.
"Nun, die Maryland ist für gut sechs Monate aus dem Spiel. Wir verlegen ein Großteil ihrer Piloten auf die Redemption, die in zwei Monaten wieder gefechtsbereit ist. So haben Commander Willard uns seine Schwadronenkommandanten auf der Maryland genug Zeit die Frischlinge von der Akademie fertig zu formen.
Dann haben wir zur Zeit die Majestic, ihr Auslauftermin ist in einer Woche, und die Galileo, Auslauftermin in zehn Tagen. Die Chicago, Bon Home Richard und Kursk werden in den nächsten drei Wochen zurück erwartet. Die Gibraltar und die Katar sind erst vor einigen Tagen ausgelaufen."
Renault nickte. In Perseus waren beinahe alle leichten Träger der TSN konzentriert worden. Fünf waren mittlerweile bei Husar verbohren gegangen. Daneben besaß die Navy nur noch sieben weitere leichte Träger.
,Verdammt, Husar war von Anfang an ein Fass ohne Boden, zum Glück haben die Akarri ordentlich was abbekommen', schließlich seufzte Renault: "Maik, wir werden die Redemption, die Galileo und die Majestic von Husar abziehen und gezielt auf den Konvoi ansetzen. Die Frachter dürfen Mantikor nicht erreichen."
Er rief eine Sternenkarte auf und fuhr die Systeme ab, bis er sich schließlich entschieden hatte. "Hier, in Jollahran, werden unsere Schiffe den Konvoi stellen und zwar folgendermaßen: ..."
Über eine Stunde arbeiteten die Offiziere an dem Schlachtplan. Vorschläge wurden erbracht und torpediert, verworfen und modifiziert.
Auf nebenstehenden Tischen erhöhten sich die Stapel von Servietten, leeren Kaffeetassen und benutzten Tellern.
Schließlich ließ Renault sich in seinen mit grünem Samt gepolsterten Sessel fallen: "Also, das wars, Maik: Erstellen Sie bitte die genauen Befehle und sehen Sie zu, dass Sie nach Perseus kommen, für die Einsatzbesprechungen und die Zusammenstellungen der Geschwader und schärfen Sie denen da drüben ein, dass kein Frachter, nicht ein einziger nach Mantikor durchkommen darf."
Maike Noltze erhob sich, sie sah genauso erschöpft aus, wie die anderen Teilnehmer der Besprechung: "Aye, aye Sir."

Vier Stunden später hob von der Gettysburg ein Langstreckenshuttle ab. An Bord befand sich eine schlafende Admiralin, ihr erschöpfter Stab und haufenweise Befehle für mehr als 20.000 Männer und Frauen. Befehle, deren erfolgreiche Umsetzung für das Überleben der terranischen Flotte von elementarer Bedeutung waren.

Ende der zweiten Saison
27.11.2015 07:45 Cattaneo ist offline E-Mail an Cattaneo senden Beiträge von Cattaneo suchen Nehmen Sie Cattaneo in Ihre Freundesliste auf
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