The World of BattleTech
Registrierung Kalender Mitgliederliste Teammitglieder Suche Häufig gestellte Fragen Zur Startseite

The World of BattleTech » BattleTech Foren » Kurzgeschichten » Hinter den feindlichen Linien - Season 7 - Zwischen Himmel und Hölle » Hallo Gast [Anmelden|Registrieren]
Letzter Beitrag | Erster ungelesener Beitrag Druckvorschau | Thema zu Favoriten hinzufügen
Seiten (11): « erste ... « vorherige 5 6 [7] 8 9 nächste » ... letzte » Neues Thema erstellen Antwort erstellen
Zum Ende der Seite springen Hinter den feindlichen Linien - Season 7 - Zwischen Himmel und Hölle
Autor
Beitrag « Vorheriges Thema | Nächstes Thema »
Cunningham Cunningham ist männlich
Captain


images/avatars/avatar-477.gif

Dabei seit: 06.09.2006
Beiträge: 1.116

Auf diesen Beitrag antworten Zitatantwort auf diesen Beitrag erstellen Diesen Beitrag editieren/löschen Diesen Beitrag einem Moderator melden       Zum Anfang der Seite springen

Hauptquartier Imperiale Raumflotte,
2. Mond von Akarr


Als Kern Ramal den Konferenzraum betrat bedauerte er es keine Speichellecker dabei zu haben, niemand kündigte ihn an oder forderte die anderen Offizier auf sich zu erheben.
Um den Tisch herum saßen Männer und Frauen mit so viel Lametta auf den Schultern und an den Krägen ihrer Uniform, dass man schon einen Großadmiral brauchte um aufzufallen.
Hinter ihm schloss Admiral 2. Ranges Jal Keelan die Tür und folgte ihm dann zum Kopfende des Tisches.
Kern blickte kurz in die erlesene Runde und nahm dann am Kopfende Platz. Dies brachte ihm einige fragende und auch amüsierte Blicke ein.
Mit einer etwas arroganten Handbewegung gab er dem Admiral zu seiner linken zu verstehen, dass dieser für Keelan Platz machen sollte.
Es folgte ein kurzer Blickwechsel, dann rutschte die gesamte linke Reihe an Admiralen einen Platz weiter. Die Hackordnung blieb bestehen.
„Ich nehme mir die Freiheit, dieser Zusammenkunft vorzusitzen, wenn ich sie bitten dürfte, sich nochmal mit Rank und Position vorzustellen.“
„Wenn sie wünschen“, schnaubte die Admiralin zu seiner rechten, „Teera Moth, Admiral ersten Ranges, Chef des Operationsstabes.“
„Azet Pern, Admiral zweiten Ranges, Chef des Planungsstab, Admiral Moths Stellvertreter.“
Die Frau, die dann kam fixierte ihn mit dunklen Augen: „Admiral ersten Ranges Kenai Ras, Marinenachrichtendienst.“
„Admiral ersten Ranges Kardis Atan“, fuhr ein bleicher, dürrer Akarii fort, „Signalabteilung des Marinenachrichtendienst, Admiral Ras‘ Stellvertreter.“
Der darauffolgende bullige Akarii schwieg und blickte in die Runde, ehe er seufzte: „Derûk Moras, General ersten Ranges, Kommandeur der Imperialen Marineinfanterie.“
„Les Paran“, der zweite Akarii in der Uniform der Marineinfanterie, „General zweiten Ranges, Flottengendamerie.“
„Mokas Taran“, der Sprecher hatte die Aufmerksamkeit aller, „Admiral ersten Ranges, ohne Geschäftsbereich.“
Ganz hinten auf der linken Seite des Tisches ging es weiter: „Passu Lann, Admiral zweiten Ranges, Leiter des Beschaffungsamtes, Admiral Timars Stellvertreter.“
„Admiral zweiten Ranges Jalahn Timar, Genralquartiermeister.“
„Mekar Kosno, Admiral ersten Ranges, Leiter Forschung und Entwicklung.“
„Admiral ersten Ranges Peliak Rahoo, Inspekteur der Flotte“, grollte derjenige, den Kern so respektlos von seiner linken vertrieben hatte.
„Admiral zweien Ranges Jal Keelan, Adjutant des Stabschefs des Kriegsministeriums.“
„Adjutant“, wollte Kosno wissen, „noch nicht Stabschef?“
„Nein, Admiral Latasch ist nicht zum Kriegsminister ernannt worden“, Keelan warf Kern einen Blick zu, „sonst fände diese Besprechung sicherlich im Kriegsministerium auf Akarr statt und der Admiral wäre persönlich anwesend.“
„Vielleicht sollten wir Admiral Ramal noch die Gelegenheit geben sich vorzustellen“, Kenai Ras wusste, wie man ein Gespräch lenken konnte und hatte vielleicht demjenigen, der es noch nicht begriffen hatte darauf gestoßen, dass die ganze Runde Vorstellungen nur der Apparativ war.
„Admiral ersten Ranges Kern Ramal, Stabschef der Imperialen Raumflotte.“
„Sagt wer?“ Peliak Rahoo lehnte sich drohend vor.
„Diese Bestellung durch den verstorbenen Kriegsminister Prinz Tobarii Jockham“, Kern schob ihm ein Datenpad hinüber.
Während die anderen Rahoo beim Studium der Bestellung beobachteten brauch aus General Moras ein Lachen hervor: „Wenn, das da der Dank für die Duellvorbereitung ist, haben sie gut daran getan den armen Tobarii im Voraus unterschreiben zu lassen.“
Dann wurde es ganz still im Raum und Kern versuchte den Kommandeur der Marineinfanterie mit einen Blick zu töten.
Dieser zeigte sich recht unbeeindruckt: „Immer noch keinen Humor gefunden, Kern und sie glauben wirklich, dieser Wisch, wie echt er auch sein mag, gibt ihnen hier auch nur einen Funken Autorität?“
„Auf meine Bitte hin hat Admiral Atan Großadmiral Rian über diese Bestellung informiert und solange diese mich nicht abberuft, sollten sie, General, davon ausgehen, dass ich diesen Posten inne habe und auch seine Autorität durchsetzen werde.“
Moras blickte zum Chef der Signalabteilung hinüber; dieser bestätigte mit einem Nicken Kerns Aussage.
„Liegt denn dem Kanzler eine Kopie dieser Bestellung vor?“ Taran wirkte ein wenig unbehaglich, als er die Frage vorbrachte.
„Vom Kriegsminister höchst persönlich“, bestätigte Keelan, „ich war zugegen als der Kriegsminister die Urkunde unterzeichnete und war für die Weitergabe an den Kanzler verantwortlich und auch für die Zustellung an Admiral Ramal, der bei der Unterzeichnung nicht zugegen war.“
Die Admirale, die die Geschicke der Imperialen Raumflotte lenkten warfen sich vielsagende Blicke zu.
„Dann können wir ja beginnen“ Ramal nahm sein Datapad zurück und öffnete die erste Datei.
„Eine Frage wäre da noch“, unterbracht ihn Jalahan Timor, ehe Ramal in Fahrt kam, „wo ist Admiral Nahû?“
„Jekha Nahû wurde ihres Kommandos über die Homefleet entbunden“, antwortete Ramal kühl, „dazu später mehr.“
Er versicherte sich mit einem Blick in die Runde, dass jetzt keine weiteren Fragen kämen.
„Unsere vordringlichste Aufgabe ist es, die Raumflotte der Menschenlinge zu besiegen und den Krieg zu gewinnen. Daran werden auch keine wie auch immer gearteten politischen Manöver auf Akarr etwas ändern.
Unsere Rolle hier wird sich dabei wie bisher hauptsächlich auf die Unterstützung der Hauptkampftruppen belaufen. Großadmiral Rians Flotte, die Ratitaga Flotte und die Flotte unter dem Kommando von Kal Illis müssen sicher und Ausreichend mit Nachschub versorgt werden. Die Sicherung der Nachschubwege muss genau so gesichert werden, wie der Nachschub letztlich selbst. Hinzu kommt die Aufstellung weiterer Kampfverbände aus unseren mehr als ausgedünnten Reserven. Aber das wissen sie ja alle und ich bin sicher, dass das Imperium sich da auf jeden einzelnen von ihnen verlassen kann. In diesem Falle werden wir die Anweisungen, die Großadmiral Rian vor ihrem Aufbruch hinterlassen hat weiter befolgen.“
„Zu den Personalfragen, vor denen wir stehen: Admiral ersten Ranges Teera Moth, sie werden hiermit aufgefordert und ersucht das Kommando über die Imperiale Homefleet zu übernehmen.“
Obwohl die Homefleet im Vergleich zu Vorkriegszeiten nur noch ein zahnloser Celat* war, war sie immer noch eines der prestigeträchtigsten Kommandos und wie ein Celat verfügte sie noch über Klauen und einen starken Schwanz mit einem giftigen Stachel.
Moth nickte, wohl wissend, dass dies keine wirkliche Beförderung war: „Zu Befehl.“
„Sie haben drei Wochen ihre Flotte wieder in Schwung zu bringen, dann beginne ich mit Überraschungsinspektionen. Sie haben das Operationskommando bekommen, weil Rian sie als ihren Troubleshooter betrachtet. Sie bekommen dieses Kommando, weil auch ich einen brauche.“
Diesmal war Moth’s nicken enthusiastischer.
„Admiral ersten Ranges Taran, sie übernehmen den Operationsstab. Mit Azet haben sie einen tüchtigen und cleveren zweiten Mann, der wird sie einarbeiten und ihnen die Kniffe hier im Hauptquartier beibringen. Bis Anfang des nächsten Mondes will ich eine komplette Analyse der Sterntoroperation und wie wir deren Ergebnisse ausnutzen können auf meinem Schreibtisch.“
„Haben Sie etwas bestimmtes im Sinn“, ein kurzes Zögern, „mein Lord.“
Kern musste einen Augenblick darüber nachdenken: „Das hängt ein wenig von den Ergebnissen ab, die sie und die Rakitaga-Flotte erzielt haben.“
„Ich verstehe“, Taran machte sich eine Notiz und wechselte einen kurzen Blick mit seinem neuen Stellvertreter.
Kern war schon weiter: „Admiral ersten Ranges Rahoo: Hiermit ersuche ich sie eine Untersuchung einzuleiten, um festzustellen, ob Admiral ersten Ranges Jekha Nahû vor ein Kriegsgericht gestellt werden muss.“
Diese Anweisung sorgte für einige Unruhe am Tisch.
Peliak Rahoo schnalzte mit der Zunge: „Irgendwelche besonderen Wünsche, mein Lord Admiral; Gift? Eine Pistole?“
Kern rückte mit seinem Stuhl etwas vom Tisch ab und schlug die Beine übereinander. Eine Geste, die er von Jor übernommen hatte, der diese leider meist als Einleitung für eine seiner Triaden benutzt hatte, ehe er jemanden abkanzelte.
Er legte den Kopf leicht schief: „Wenn ich den Freitod von Admiral Nahû wünschen würde, hätte ich ihnen diese Anordnung unter vier Augen gegeben. Wenn ich ihren Kopf gewünscht hätte, hätte ich diesen höchst persönlich abgeschnitten.
Es geht hier um die Aufrechterhaltung der Disziplin unserer Raumflotte. Es darf einfach nicht sein, dass ein halbpensionierter Heeresoffizier beim Chef der Homefleet vorstellig wird, ein, zwei alte Gefallen einfordert und dass dann am Oberkommando und dem Kriegsministerium vorbei ein akariischer Prinz so mir nichts dir nichts von einem Manöver verschwindet und ans andere Ende des Universums verschifft wird.
Finden sie heraus, wer daran beteiligt war, stellen sie dann davon so viele wie nötig aber so wenig wie möglich vor ein Kriegsgericht. Wenn am Ende ein paar Offiziere ihren Kopf verlieren und wenn Nahû dazu gehört, ist mir das recht, wenn nicht ist das auch in Ordnung. Wichtig ist nur die Nachricht, die wir verbreiten, dass dieses Gremium die Kontrolle über die Flotte hat. Die Flotte ist das Schwert des Imperiums und wir sind der starke Arm der es führt.“



***************

__________________
5th Syrtis Fusiliers - Pillage and looting since first succession war


Dieser Beitrag wurde 1 mal editiert, zum letzten Mal von Cunningham: 17.07.2019 10:50.

20.12.2018 11:20 Cunningham ist offline E-Mail an Cunningham senden Homepage von Cunningham Beiträge von Cunningham suchen Nehmen Sie Cunningham in Ihre Freundesliste auf
Tyr Svenson Tyr Svenson ist männlich
Captain


Dabei seit: 06.10.2015
Beiträge: 1.030
Herkunft: Jena, Thüringen

Auf diesen Beitrag antworten Zitatantwort auf diesen Beitrag erstellen Diesen Beitrag editieren/löschen Diesen Beitrag einem Moderator melden       Zum Anfang der Seite springen

Zentralsystem des Akarii-Imperiums


Das Shuttle drehte bei, verlangsamte und glich seine Geschwindigkeit der sehr viel größeren XAN an. Auch wenn das Schiff bestenfalls von mittlerer Größe war, wirkte das Shuttle daneben wie ein Schiffshalter, der sich an einen Weißen Hai heften wollte. Und dennoch bestand die Möglichkeit, dass das so winzig wirkende und nur schwach bewaffnete Shuttle das Schicksal der XAN mit sich trug. Oder zumindest das Schicksal ihrer Passagiere…

Cpatain Thera Los überprüfte noch einmal den Sitz ihrer Uniform – ein nervöser Tick, der nicht wirklich dabei half, ihre unguten Vorahnungen zu unterdrücken. Die voll aufgeladene und entsicherte Laserpistole in ihrem Gürtelholster und die vier bewaffneten Marines hinter hier – sowie das knappe Dutzend in voller Gefechtsausrüstung, die in Rufweite warteten – waren da schon ein wenig wirkungsvoller, aber eben doch nicht wirklich genug. Sie unterdrückte den Impuls, sich zu den Marineinfanteristen umzudrehen oder gar noch einmal Admiral Taran anzufunken. Beides hätte sie schwach wirken lassen – und das konnte sie sich nicht leisten. Nicht ausgerechnet jetzt. Die Würfel waren geworfen. Jetzt blieb nur noch, die Augen zu zählen. Kurz zuckten ihre Hände, die sie hinter dem Rücken verschränkt hatte, direkt neben dem Pistolenholster. ‚Oder den anderen Spieler über den Haufen zu schießen.‘ Wenn sie sich nur sicher gewesen wäre, dass das tatsächlich etwas bringen würde…
Ein leiser Summton und das Aufleuchten einer Signallampe informierten Thera Los, dass der Druckausgleich erfolgt war. Unwillkürlich straffte sie sich, unterdrückte noch einmal den Drang, nach der Waffe in ihrem Gürtel zu tasten – und biss die Zähne zusammen, als die Sicherheitsluke aufglitt.

Der Captain, der das Shuttle betrat, war in mehrfacher Hinsicht eine Überraschung. Zum einen war er jung, vielleicht in Thera Los Alter. Außerdem war er alleine – sie hatte damit gerechnet, dass wer auch immer in dem Shuttle war, zumindest einen Adjutanten mitbringen würde. War das ein gutes Zeichen – oder ein schlechtes?
Ansonsten…der Offizier war hochgewachsen und breitschultrig, bewegte sich mit der wachsamen Eleganz eines Drehh-Fechters, was ihm in Kombination mit der dunklen Dienstuniform und dem dunkelgrauen Farbton seiner Schuppen eine leicht bedrohliche Aura verlieh. Gutaussehend war er – und sich dessen anscheinend auch bewusst. Thera Los stutzte. Dunkelgraue Schuppen? Das konnte doch nicht sein. Der einzige hochrangige Akarii-Offizier mit dieser Schuppenfärbung, den sie bisher kennengelernt hatte war…
„Captain. Ich bin Yelak Taran. Bringen Sie mich zu meinem Bruder.“
Das kam ebenso überraschend wie logisch, sodass Thera Los ein paar Augenblicke nicht viel mehr tun konnte, als den – jüngeren? –Bruder des Admirals anzustarren. Offenbar einige Herzschläge zu lange: „Gibt es ein Problem, Captain? Ich habe nicht den ganzen Tag Zeit.“
Unwillkürlich stellte sich Thera Los Nackenkamm auf: „Sie hatten Zeit genug, hierzufliegen, CAPTAIN. Angesichts einer Flugzeit von wie viel – zehn Stunden? – sollten fünf Sekunden Sie nicht belasten. Identifizieren Sie sich.“
„Ich sagte doch bereits…“
„Ich habe Sie gehört. Jetzt würde ich gerne eine Bestätigung dafür erhalten.“ Sie spürte die Anspannung der hinter ihr stehenden Marinesoldaten. Vielleicht hätte sie einen etwas weniger konfrontativen Ton anschlagen sollen. Aber sie kannte ihre Pflicht. Trotz der offensichtlichen Ähnlichkeit – wenngleich Yelak Taran muskulöser war als sein älterer Bruder – und obwohl sie irgendwann schon mal eine allerdings schon etwas veraltete Aufnahme von Admiral Tarans Bruder gesehen hatte, durfte sie nichts als gegeben hinnehmen. Sich unter einer falschen Identität Zugang zur Zielperson zu verschaffen, war ein beliebter Meuchelmörder-Trick. Zumindest, wenn man nicht die Fähigkeiten der Cha’kal besaß, die angeblich durch Wände gehen konnten und nicht einmal durch das Vakuum des Weltraums aufhalten ließen.
Außerdem genoss sie die Möglichkeit, dem für ihren Geschmack etwas zu selbstsicheren Neuankömmling seine Grenzen aufzuzeigen. Gerade WEIL sie bis vor ein paar Sekunden halb damit gerechnet hatte, sich vor den Läufen eines Enterkommandos wiederzufinden. Das war vielleicht nicht klug – die Nerven lagen auch so blank – aber nur natürlich.

Offenbar war sie allerdings nicht die einzige, deren Zivilisationslack leichte Kratzer zeigte: „SIE…“, der Captain schluckte herunter, was er offensichtlich hatte sagen wollen, und aktivierte mit einer abgehakten Bewegung die Identifikationssoftware seines Handgelenkkoms.
Kurz zuckte es um Thera Los Mundwinkel, auch wenn sie es sich verbot, ihre Befriedigung zu offensichtlich zu zeigen, während sie die überspielten Daten sichtete. Yelak Taran wippte währenddessen ungeduldig mit dem Fuß – freilich ohne Thera Los zur Eile drängen zu können.
Die Identifikation schien zu stimmen – wenn auch die Freigabeorder für den Flug etwas vage wirkte. Thera Los runzelte die Stirn. Konnte es sein, dass…
Dann erinnerte sie sich. Wie sein älterer Bruder hatte Yelak Taran zu der sich gegen Prinz Jor formierenden Offiziersverschwörung gehört, die nach ihrem Scheitern zwar geschwächt aber nicht völlig zerschlagen worden war und immer noch einen nicht zu unterschätzenden Machtfaktor darstellte. ‚Interessant. Ist er ein Bote der Fronde? Oder geht es Yelak darum, seinen Bruder zu warnen? Es geht auf jeden Fall nicht nur darum, ihn zu Hause willkommen zu heißen.‘

Offenbar dauerte ihre Inspektion Yelak Taran zu lange: „Was ist eigentliche Ihre Funktion? Sind Sie Captain der XAN?“
„Captain Okami ist auf der Brücke. Mein Name ist Thera Los. Ich bin Stabschefin von Admiral Taran.“
Ihr Name schien dem Bruder des Admirals nichts zu sagen. Thera Los war sich nicht sicher, ob sie darüber froh oder ein klein wenig beleidigt sein sollte. Und deshalb schwang in Ihrer Stimme immer noch eine leichte Schärfe mit: „Und da Sie jetzt nicht nur meinen Namen sondern auch meine Position kennen, wäre es schön, wenn wir da gleichziehen würden. Oder ist das hier ein Familienbesuch?“
Kurz zuckte es in dem Gesicht von Yelak Taran – ‚Treffer!‘ – aber seine Stimme blieb sarkastisch wie vorher: „Ich komme von der Admiralität. Und da ein Captain bei der Admiralität wohl den Captain eines Admirals aussticht, wie wäre es, wenn Sie mich endlich zu `Kas bringen würden?“
Thera Los hätte die Behauptung Yelaks zwar zur Diskussion stellen können, entschied sich aber dagegen. Zumindest für den Augenblick. Sie signalisierte den Marines, zurückzubleiben und wandte sich brüsk um: „Kommen Sie schon!“

Statt hinter ihr zu bleiben, setzte sich Yelak Taran neben sie, auch wenn das in den engen Gängen des Kurierschiffes etwas zu eng war, um wirklich bequem zu sein: „Stabschefin sagten Sie? An Bord eines Kurierschiffs? Und sehr viel scheinen Sie ja nicht über meinen Bruder zu wissen, da Sie mich nicht erkannt haben. WAS GENAU ist eigentlich Ihre Aufgabe?“
‚DAS schon wieder.‘ Langsam war Thera Los es leid. Nicht, dass sie sich dafür schämen würde, hin und wieder von ihrem Aussehen profitiert zu haben. Aber dass manche automatisch davon ausgingen, dass das das einzige – oder zumindest erste – war, dem sie ihren Rang verdankte, war schon ziemlich beleidigend.
„Ich dachte, Sie sind beim Stab der Admiralität. Dann sollten Sie eigentlich die Aufgaben eines Stabschefs kennen. Wenn auch nicht aus eigener Erfahrung. Und was mir Ihr Bruder erzählt hat…
Nun, er hat mir zum Beispiel von seiner Verlobten erzählt.“ Das Erreichen des gemeinsamen Ziels verhinderte, dass Yelak die nächste verbale Salve abfeuern konnte, die er zweifellos bereits vorbereitet hatte. Thera Los nickte den beiden Soldaten zu, die vor Admiral Tarans Quartier Wache hielten und betätigte den Summer. Fast lautlos glitt die Kabinentür auf – der Admiral hielt sich nicht damit auf, die Gegensprechanlage zu aktivieren.

Ganz offenbar hatte auch er nicht mit DIESEM Besuch gerechnet: „Was bei allen Göttern der Sternenleere machst DU hier?!“
Über das Gesicht von Yelak Taran huschte ein rasches, fast spitzbübisches Lächeln: „Hallo Bruder. Das ist genau die Begrüßung, die ich erhofft habe.“
„Ist irgendetwas geschehen? Hast du…“
Yelak Taran winkte ab: „Entspann dich. Es geht allen gut. Na ja – zumindest allen, auf die es ankommt…“
Thera Los fragte sich, ob Tarans Bruder damit vielleicht den kürzlich verstorbenen Kriegsminister meinte. ‚Allerdings, SO neu ist das nun wieder auch nicht.‘
Währenddessen fuhr Yelak fort: „Und du musst auch keine Angst haben, dass diesmal ICH in die Peripherie verbannt werde. Außerdem wäre das auch ein verdammt schlechtes Timing, wo du gerade dein Flottenkommando abgegeben hast.“
Thera Los verdrehte die Augen. Dass Admiral Taran seine ‚Versetzung‘ in den Draned-Sektor seiner Beteiligung an der Offiziersfronde verdankte, war ein offenes Geheimnis. Aber dennoch nichts, was man leichtfertig vor einigen Marines erwähnen sollte.
Offenbar war ihr Vorgesetzter derselben Meinung: „Nun komm schon rein, bevor mich die Rührung überwältigt. Und du bist doch sicherlich nur hierhergekommen, weil du glaubst, dass ich deine schlechten Witze vermisst habe.“ Während er seinen Bruder in sein Quartier dirigierte, warf er Thera Los einen kurzen Blick zu und fuhr sich mit einem Finger der rechten Hand unauffällig über die linke Seite seines Halses. Thera Los neigte leicht den Kopf und wandte sich zum Gehen, während sich das Kabinenschott hinter den beiden Taran-Brüdern schloss.

Keine zwei Minuten später lehnte sie sich zurück und erlaubte sich ein kurzes Lächeln. Ganz offensichtlich war Yelak Taran NICHT an Bord gekommen, um seinen Bruder zum Selbstmord zu überreden. Und offensichtlich würde auch niemand anderes mit dieser Aufgabe betraut werden. ‚Zumindest vorerst.‘ Außerdem hatte sie sichergestellt, dass niemand das Gespräch der beiden Brüder belauschen würde. Nun ja, niemand – außer ihr.

„Ihr habt WAS versucht?!“
„Du hast mich schon verstanden! Und vor ein paar Jahren haben wir immerhin fast dasselbe schon einmal geplant. Vor deinem ‚Urlaub‘ im Draned-Sektor klang das bei dir noch ganz anders, als es um Jor ging. Also spar dir deine Entrüstung!“
„Damals hatten wir aber unter anderem eine ganze Reihe Admiräle, Generäle, Gouverneure und einen Marschall hinter uns! Nicht nur ein paar subalterne Offiziere, unzufriedene junge Adlige und eine Handvoll desillusionierter Gardisten. Die Offiziersfronde wurde dezimiert…“
„Da bist du nicht mehr auf dem Laufenden. Du bist nicht der einzige, den sie aus der Verbannung nach Hause holen.“
„Und ihr hattet nicht einmal die traurigen Überreste der Fronde hinter euch.“
„Mehr als du denkst. Und es wären noch wesentlich mehr gewesen, wenn Rallis und diese anderen alten Fossile nicht…“
„Dass ihr ausgerechnet auf DEN gesetzt habt, zeigt doch schon, wie verzweifelt ihr wart.“
„Du solltest ihn nicht unterschätzen. Und er war der einzige in der kaiserlichen Familie, der offen gegen die Allecars Stellung bezogen hat!“
„Abgesehen von Tobarii, meinst du.“
„Bah! Nur als er nicht mehr ignorieren konnte, dass Dero Allecar es mit seiner Frau treibt! Davor waren die beiden ein Herz und eine Seele in der Anbiederei an die Menschen. Es war so widerlich…“
„Was wirfst du den beiden eigentlich vor? Wir brauchten den Frieden mit der Konföderation. Ansonsten…“
„Hätten die CN und TSN Illis‘ Flotte im Raum zerfetzt, ich weiß. Es ging mir…uns doch nicht darum, DAS der Frieden mit der Konföderation geschlossen wurde. Sondern WIE.
Wie beide sich darin überboten haben, die Glatthäute als die besseren Akarii zu präsentieren.“
„Ich hoffe sehr, dass das nicht alles war, was euch dazu bewogen hat, einen Staatsstreich zu planen. So einen Blödsinn erwarte ich vielleicht von ein paar durchgeknallten Expansionisten im Gefolge von Jor und Karrek Thelam, aber von dir…“
„Und da liegt dein Irrtum. Für dich ist Dero immer noch der Nichtsnutz, mit dem du dich vor zwanzig Jahren herumgetrieben hast. Klar, heute vögelt er die Prinzessregentin, aber abgesehen davon…“
„Sei nicht so vulgär! Du spricht über eine kaiserliche Prinzessin.“
„Nau und? Immerhin ist es wahr! Und dank den verstiegenen Ambitionen der Allecars weiß das inzwischen das ganze Imperium. UND unsere Gegner. Was meinst du, was das für die Moral unserer Truppen oder das Ansehen des Imperiums bedeutet – gerade jetzt? Mal abgesehen davon, dass Dero auch noch den Kriegsminister umbringen musste! Und das alles nur, weil Meliak Allecar und sein widerlicher Sprössling es sich in den Kopf gesetzt haben, dass jetzt SIE an der Reihe sind.
Vor unseren Augen rollt ein verdammter Staatsstreich ab! Und nur wir waren bereit, das Richtige zu tun!“
„Indem ihr selber einen Putsch lostretet? Und dazu noch einen schlecht vorbereiteten!“
„Wir wollten die Dinge wieder ins Lot bringen!“
„Hast du vergessen, warum wir uns damals gegen Jor gestellt haben? Es ging uns nicht darum, irgendeine Blutlinie oder Dynastie auf den Thron zu bringen oder sie dort zu halten. Es ging darum, einen verblendeten Dilettanten die Waffen aus der Hand zu schlagen, mit denen er in seiner Dummheit ins Fleisch des Imperiums schnitt…“

Thera Los hätte beinahe aufgelacht. Sie erkannte diese Worte, auch wenn sie bezweifelte, dass ihr Vorgesetzter sich dessen bewusst war, dass er aus dem Zyklus ‚Der blutige Himmel‘ zitierte.

„Und das gleiche haben wir versucht.“
„Dero ist nicht Jor. Er ist nicht der Kronprinz, er ist nicht Kriegsminister – und schon gar nicht ist er ein Großadmiral. Er war Sonderbotschafter und hat uns einen Frieden gesichert, dank dem wir wieder in die Offensive gehen konnten. Dass er Tobarii herausgefordert hat, das WAR eine Dummheit – aber das macht ihn nicht zu Jor. Er hat weder einen Krieg zur falschen Zeit vom Zaun gebrochen und mit der falschen Strategie geführt, noch damit angefangen, die Streitkräfte nach irgendwelchen vorsintflutlichen Vorstellungen zu säubern und unsere besten Kommandeure kaltzustellen.“

Thera Los fragte sich, ob Admiral Taran damit auch sich selbst meinte. Vermutlich, denn er litt nicht unter falscher Bescheidenheit. Vielleicht hatte seine Opposition gegenüber Prinz Jor schon an dem Tag begonnen, als der Kronprinz den unter anderem von Taran entworfenen Plan für die Mantikore-Offensive drastisch verändert hatte, um seinen sehr viel weitreichenderen und waghalsigeren Offensivplänen zu entsprechen.

„Du warst nicht hier. Während deiner Zeit im Exil hat sich vieles geändert. Du hättest miterleben sollen, wie Dero und Tobarii mit ihrer idiotischen Seid-doch-nett-zu-den-Menschen-Strategie die Flotte gespalten, die Reformer diskreditiert und die Traditionalisten gegen sich aufgebracht haben, nur um sich dann gegenseitig an die Gurgel zu gehen! Die kaiserliche Dynastie und die Reformbewegung wird sich vielleicht nie wieder von diesem Schlag erholen – und dass jetzt, da wir gleichzeitig eine starke Führung UND die Bereitschaft und die Fähigkeit zur Reform brauchen. Einen Schritt zu kurz, und die Völker des Imperiums werden sich gegen uns wenden – und dann werden die T’rr-Rebellionen nicht mehr als ein Vorspiel sein.“
„Glaubst du, das weiß ich nicht? Was meinst du, warum…“
„Und einen Schritt zu weit, und wir versinken endgültig im Bürgerkrieg. Dann gibt es kein Imperium mehr, nur noch einen zerfetzten Torso, eine zerbrochene Flotte, die sich selber zerfleischt, während die Menschen, die Peshten und wer weiß noch sich nach Belieben Stücke aus dem Leichnam des Imperiums reißen.“

Offenbar war Mokas Taran nicht der einzige, der die alten Klassiker gelesen hatte. Nun ja, die traditionelle Ausbildung der alten Adelsfamilien. Die Bürde, die eine bis in die Akarii-Antike zurückreichende Ahnenreihe nun einmal mit sich brachte. Thera Los war froh, dass ihr dieses Schicksal erspart geblieben war.

„Und deshalb brauchen wir eine starke Führung!“, fuhr Yelak leidenschaftlich fort: „Aber wen haben wir jetzt? Der Kaiser ist tot. Der Kronprinz auch – und das ist gut so! Und alles, was übrigbleibt, ist eine Prinzessregentin, deren Liebhaber ihren Ehemann ermordet hat. Ob der alte Meliak den Thron für seinen Sohn will oder nur für seinen Enkel...glaubst du, das wird nicht auf Widerstand stoßen? Das kann der Funke sein, der das Reich endgültig zerreißt. Du hast nicht erlebt, wie die Allecars angefangen haben, sich am Hofe breitzumachen. Wir MUSSTEN handeln, bevor sie sich endgültig festgesetzt hatten.“
„Wer auf dem Thron sitzt, ist mir ehrlich gesagt ziemlich gleichgültig. Solange er die Flotte und die Armee das tun lässt, was nötig ist.“
„Und dazu setzt du auf DERO?!“
„Warum denn nicht? Ich gehe mal davon aus, dass er sich nicht auf einmal einbildet, über Nacht zum Flottenstrategen berufen worden zu sein, wie ein anderer Thronprätendent den wir beide gekannt haben. Dero…ist bereit zuzuhören. Und die Allecars werden die Flotte UND die Armee brauchen. Männer – und Frauen – die ihnen zeigen, wie man das Imperium schützt, bewahrt und wieder in ruhige Gewässer führt. Und dann stehen wir bereit. So wie es die Tarans schon seit Jahrtausenden getan haben. Nicht weil wir dazu gezwungen werden. Sondern weil wir es WOLLEN.“
„Du klingst schon genauso wie Vater!“
„Danke…glaube ich.
Aber verrate mir doch, wen wolltet ihr anstatt dessen auf dem Thron? Rallis? Navarr? Sag bitte nicht Lisson oder Karrek Thelam. SO verzweifelt könnt nicht einmal ihr gewesen sein.“
„Rallis und Navarr…waren unsere beste Chance. Ob als Regenten oder auf dem Thron – das hätte Stabilität bedeutet. Jedenfalls sehr viel mehr, als ein ungeborener Imperator mit einer…beschädigten Prinzessregentin und einem Allecar an ihrer Seite. Oder gar einem Allecar auf dem Thron.
Lisson…hat keinen Herrscherwillen. Und Karrek…“
„Ist dir nie der Gedanke gekommen, dass genau DAS das Ergebnis hätte sein können, selbst WENN ihr Erfolg gehabt hättet? Dass während ihr euch mit den Allecar-Loyalisten herumschießt und verzweifelt darum bemüht seid, die Reste der Heimatflotte unter Kontrolle zu bekommen und so etwas wie Normalität und Legitimität vorzugaukeln, Großadmiralin Lay Rian, gestützt auf ihr Amt UND ihre Flotte auf die Idee kommen könnte, ‚ihren‘ Thelam auf den Thron zu hieven?“
„Lay Rian ist keine Idiotin. Sie HASSTE Jor – sie will ganz bestimmt nicht seine Reinkarnation auf dem Thron. Und sie ist Loyalistin.“
„Loyal WEM gegenüber? Dem REICH? Der DYNASTIE? Diesen Schlachtruf kann man sehr verschieden meinen…
Und wenn ihr gescheitert wäret…“

Der Admiral schwieg kurz und statt Ärger und Frustration schwang jetzt etwas anderes in seiner Stimme mit, eine Emotion, die Thera Los nicht sofort einordnen konnte.

„Was wäre dann mit Vater gewesen? Was mit Ciara? Ist dir klar, dass…wenn ihr gescheitert wäret, wenn du…
Was hätte ich dann tun sollen? Was wäre mir übrig geblieben, als in den Draned-Sektor zu flüchten und die Flotte, die ich für das Imperium geschaffen habe, in den Aufstand zu führen? Und bei diesem Versuch entweder zu sterben – oder den Bürgerkrieg zu beginnen, den ihr verhindern wolltet.“
„Was redest du da für einen Unsinn? Du hättest…“
„Du bist mein BRUDER. Im Guten wie im Schlechten. Wir haben uns gemeinsam gegen Jor gestellt. Wenn ihr jetzt tatsächlich losgeschlagen hättet und GESCHEITERT wäret…
Ich wäre so oder so ein Toter auf Abruf gewesen. Einen…Verrat hätte man mir vielleicht nachgesehen. Aber einen zweiten…“

Einige Augenblicke herrschte Schweigen und Thera Los fragte sich schon, ob der Admiral bemerkt hatte, dass die Komm-Anlage aktiviert war und sie abgeschaltet hatte. Doch dann erklang wieder seine Stimme, jetzt mit einem leicht melancholischen Unterton, den die Stabschefin aus einigen der Gespräche mit ihrem Vorgesetzten kannte: „ Das bringt doch alles nichts. Also, wo stehen wir?“
„Was meinst du? Pan’chra? Oder wir beide, Bruderherz?“
Die Antwort war ein amüsiertes Schnaufen: „Fangen wir erst mal mit der Situation in der Hauptstadt an und den Scherben eures geplanten Putschversuches. Was das ‚uns‘ angeht, verschieben wir lieber noch ein bisschen. Bis ich nicht mehr den Wunsch verspüre, dir eine zu kleben, Brüderchen.“
„Na, das möchte ich mal sehen…
Pan’chra…keiner weiß so genau, wie es jetzt weitergeht und was die neuesten Entwicklungen für den Kampf um den Thron bedeutet.“
„Aber die Allecars sind auf dem Vormarsch, sitzen jedoch nicht gerade fest im Sattel. Damit können wir arbeiten. Gut.“
„Na ja. Du wärst nicht der erste, der erst im Nachhinein merkt, dass das Nuron, dass er reiten wollte, in Wirklichkeit ein ungezähmtes Akiti ist.“

Das Nuron war ein vierfüßiges, warmblütiges Reptil von Akar, das schon seit vorgeschichtlicher Zeit von den Akarii als Fleisch- und Lederlieferant, dann als Trage-, Zug- und Reittier domestiziert wurde.
Beim Akiti hingegen handelte es sich um ein sehr viel schwerfälligeres, wechselwarmes und mehr als doppelt so schweres Reptil, das zwar als ein wertvoller Fleisch- und Lederlieferant galt, für Trage- oder Zugdienste jedoch aufgrund seiner Größe, der unterarmlangen Hauer und dem gefährlichen Naturell ungeeignet und nur mit begrenztem Erfolg in den Kriegen der Akarii-Antike als eine Art ‚lebender Panzer‘ eingesetzt worden war.

„Was ist mit den Thronprätendenten?“
„Rallis…der dürfte wie immer auf die Füße fallen.“
„Ja, auch wenn es die Füße von jemand anderem sind.“
„Autsch. Er ist nämlich nicht gerade leichter geworden in den letzten Jahren.
Navarr…haben sie mit Marschall Parin und Admiral Kjani Rau in Richtung Draned-Sektor in Bewegung gesetzt. Zusammen mit oder gefolgt von einer kompletten Trägerkampfgruppe, wenn nicht noch mehr. Wie du ohne Zweifel weißt.“
„Allerdings. Was ich allerdings immer noch nicht weiß ist, wer dahinter steckt. Einen der aussichtsreichsten Thronprätendenten mit zwei derartig hochkarätigen Offizieren – und zusätzlichen Schiffen – in die Peripherie abzustellen...“
„Und dann wäre noch Karrek. Zuerst dachte ich ja, man hätte ihn ebenfalls kaltgestellt, als man ihn zu Lay Rian abgeschoben hat. Aber wenn ich mir das jetzt so ansehe…“
„Haben wir bald ZWEI Thelam-Prinzen mit einer Flotte. Vielleicht seid ihr ja nicht die einzigen, die einer…zu ambitionierten Politik der Allecars vorbeugen wollen.“
„Ja…die Allecars. Die machen sich inzwischen breit wie ein Schimmelpilz. Angeblich haben sie schon bei Rallis wegen Prinzessin Linais Hand nachgefragt.“
Admiral Taran schnaubte: „Ich kann nicht glauben, dass Dero so unverfroren ist. Das war bestimmt sein Vater. Was hat Rallis gesagt?“
„Das weiß keiner so genau. Auch wenn ich gehört habe, dass einige der Alternativbeschäftigungen, die er Meliak Allecar – UND dessen Sohn – vorgeschlagen hat, sehr…farbig gewesen sein sollen.“
„Und Linai?“
„Hält erst einmal formelle Trauer. Es heißt, man hätte sie aufgefordert, die Kaiserliche Garde zu mobilisieren…“
„Wart ihr das?“
„SO verzweifelt waren wir nun wieder auch nicht. Und es hätte sowieso nichts gebracht. Sie tut…gar nichts.“
„Vielleicht ist das erst mal das klügste. Abwarten, bis sich der Staub etwas gelegt hat.“
„Wenn dann überhaupt noch etwas zu tun übrig BLEIBT. Wenn die Allecars genug Zeit haben, sich einzugraben…außerdem laufen Linai jeden Tag, den sie mit Nichtstun verbringt, die Gefolgsleute davon. Zu den Allecars, zu Rallis.“
„Zur Fronde…“
„Wir tun unser Bestes. Und das wär es…“
„Was ist mit Lisson Thelam?“
„Ach verdammt, den habe ich vergessen. Aber das kommt häufiger vor.“
„Manchmal nicht die schlechteste Position um zu starten. Die in der ersten Reihe…“
„Werden als erste erschossen, ich weiß. Aber wenn du jetzt wieder mit Imperator Clodus kommst, dann muss ich dich daran erinnern, wie das letztendlich ausging.“

Imperator Clodus war in einer recht turbulenten Phase der Spätantike auf den Thron gekommen, weil er nach einer blutigen Palastrevolte der einzige männliche Überlebende der herrschenden Kaiserlinie war. Die aufständischen Mitglieder der kaiserlichen Garde hatten den Gelegenheitshistoriker und Freizeitgelehrten ganz einfach vergessen. Als loyale Verbände die Überhand gewannen, fanden sie Clodus in der Palastbibliothek und erhoben ihn umgehend zum Kaiser. Er hatte seine Sache erstaunlich gut gemacht und bescherte dem Reich zwanzig Jahre dringend benötigten Frieden. Nur seine Familienpolitik erwies sich als katastrophal, sodass das Reich nach seinem Tod in einen Bürgerkrieg stürzte, aus dem Xias der Blutige als Sieger hervorging. Dieser wiederum hatte sein Ende gefunden, als sein Blutdurst in Wahnsinn umschlug. Das Haus Allecar und Taran hatten dabei eine wichtige Rolle gespielt…

„….natürlich hat er noch ein paar unverheiratete Töchter, die durchaus noch eine Rolle spielen könnten. Wenn sie passend heiraten, dann könnte Lisson tatsächlich ein Fokus für den Widerstand gegen die Allecars werden. Vor allem, wenn er seine Schmuckstücke mit einem der anderen Thronprätendenten verheiratet…“
Der Admiral schnaubte wieder: „Ich nehme mal an, die fraglichen Damen wollen da auch noch etwas mitzuentscheiden haben. Und wen meinst du bitteschön? Navarr ist wohl etwas jung für die beiden.“
„Gar nicht mal so sehr.“
„Und Rallis ist zu alt.“
„Geht so.“
„Und Karrek…ich hoffe, Lisson ist nicht SO desperat.“
Yelak Tarans Stimme gewann einen leicht sarkastischen Ton: „Das sind natürlich nicht die einzigen möglichen Kandidaten. Es gibt noch den ein oder anderen, der kaiserliches Blut in den Adern, einen Sieg auf seinem Schild und – vielleicht – sogar eine Flotte in der Hinterhand hat. Oder was meinst du, `Kas?“

Die Antwort ließ einige Sekunden auf sich warten, vermutlich weil es Thera Los Vorgesetzten die Sprache verschlagen hatte. Was sie selber anging, so konnte sie sich ein boshaftes Kichern nicht ganz verkneifen.

„Du spinnst doch, Yelak.“
„Was meinst du, warum ich Ciara nicht auf meinen kleinen Trip mitgenommen habe?“
„Hättest du das gemacht, dann hätte ich dich wohl wirklich zusammenschlagen müssen.“
„Warum das denn?“
Auf einmal gewann die Stimme des Admirals an Schärfe und Härte: „Weil ich nicht will, dass sie dabei ist, falls ich verhaftet oder gleich vor ein Erschießungskommando gezerrt werde.“
Thera Los war sich nicht sicher, ob Yela realisierte, wie ernst es seinem Bruder bei diesen Worten war. Falls der jüngere Taran es bemerkt hatte, so war er offenbar sofort zu dem Entschluss gekommen, das lieber zu ignorieren oder vielmehr zu überspielen: „Und ich dachte, weil du Angst hattest, Ciara würde beim Anblick deiner ‚Stabschefin‘ die falschen Schlüsse ziehen. Oder vielleicht die richtigen?“
„Was redest du schon wieder für einen Schwachsinn?!“
„Du musst doch zugeben, das Mädchen ist zum Anbeißen.“
„CAPTAIN Los ist ein fähiger Offizier. Sie ist loyal – jedenfalls insoweit das unter diesen Umständen möglich ist. Und sie verabscheute Jor.“
„Verstehe.“
„Dass Sie daneben auch angenehm anzuschauen ist…“

Thera Los runzelte die Stirn. Sie schätzte sich schon etwas besser ein.

„…ist mir nicht entgangen. Und kann manchmal durchaus von Vorteil sein – und sei es auch nur, weil sie und auch ich deswegen unterschätzt werden. Aber wenn ich bei der Zusammenstellung meines Kommandostabs nach solchen Maßstäben vorgegangen wäre, dann hätte ich mich wohl eher an einer Konkubinenschule umsehen sollen. Ich wähle meine Vertrauten nach ihrer Leistungen, ihrem Können und ihrem Potential aus.“
„Potential hat sie tatsächlich…“

Ein dumpfes Klatschen und ein unterdrückter Fluch ertönten. Thera Los runzelte die Stirn und schnaubte dann amüsiert. Offenbar hatte der ältere Taran-Bruder dem jüngeren doch noch eine verpasst. ‚Jungs…‘

„Reicht das? Was soll das überhaupt? Willst du wissen, ob du freie Bahn hast?
Außerdem ist Thera eine gute Zuhörerin. Eine rare Gabe.“

Wieder fragte sich Thera Los, ob der Admiral wusste, dass sie zuhörte. Manchmal hatte er beunruhigend hellsichtige Anwandlungen.

„Sag bloß, dass du sie auch mit deinen geliebten Reminiszenzen über die vergängliche Größe und Schicksal von Imperien beglückt hast.“
„Da du ja nicht mehr erreichbar warst…“
„Jetzt WEISS ich, dass ihr beide nicht im Bett gelandet seid. Obwohl es natürlich sein kann, dass sie mal währenddessen eingeschlafen ist. Auf einmal tut sie mir richtig leid.“
„Weißt du was, du wirst immer witziger, je älter du wirst. Was soll denn erst werden, wenn du mal erwachsen bist. Nicht auszudenken…“

Übergangslos wurde Admiral Taran wieder ernst und Thera Los realisierte, dass das Geplänkel zwischen den beiden Brüdern nur ein Schattenspiel gewesen war, um die darunter lauernde Anspannung zu verschleiern. Wie Soldaten, die auf dem Schlachtfeld pfiffen.

„Genug damit. Warum bist du wirklich hier? Doch nicht nur, um mich mit dem neuesten Klatsch zu versorgen. Dazu hätte auch ein Komm-Anruf gereicht.“
„Da hören mir zu viele mit. Außerdem fliegt ihr unter Komm-Sperre. Dass ich mich durchgemogelt habe, ist ein verdammtes Wunder.“
„Ja – falls nicht jemand die Taran-Brüder mit einem Schlag erledigen will.“, knurrte der Admiral.
„Vielleicht wollte ich auch einfach meinen Bruder wiedersehen? Oder dir den Kopf zurechtrücken, bevor dir die Allecars das Hirn mit irgendwelchem Blödsinn vernebeln um dich für ihre verstiegenen Ambitionen einzuspannen.“
„Yelak. Ich habe das Scheitern der Fronde überstanden, den Draned-Sektor und die TSN.“
„Ja. Aber jetzt bist du auf Akar. Und das Spiel wird hier inzwischen mit ganz anderen Einsätzen gespielt…“
„Bist du nur hierhergekommen, um mir das zu sagen?“
„Nein. Du bist mein Bruder. Ich bin hiergekommen, damit du der Entscheidung nicht alleine gegenüberstehst, die für dich getroffen wurde. Und bevor du mir sagst, dass dein höchst zweitschneidiges Schwert ist, vergiss nicht – du warst mehr als zwei Jahre weg. Die Leute haben dich nicht vergessen – dank deiner Erfolge, dank Ciara, dank Vater und auch dank mir. Aber du wirst jetzt jeden Fetzen Unterstützung brauchen, den du kriegen kannst.“

Diesmal verzichtete der Admiral darauf, seinem Bruder zu wiedersprechen. Vermutlich, weil er wusste, dass der Recht hatte: „Also gut. Ich muss wissen, wer von unserer alten Runde noch dabei ist. Und wie es in der Admiralität aussieht. Wer zieht die Fäden, wer sind die aufsteigenden Sterne? Und vor wem muss ich mich in Acht nehmen. Und dazu…“

Thera Los Handgelenk-Komm fiepte: „Admiral.“
„Sie können wieder zu uns stoßen. Nachdem wir den brüderlichen Smalltalk abgehakt haben, wird es Zeit, dass wir etwas Flottenpolitik planen. Und da möchte ich Sie dabei haben. UND Ihre Meinung hören.“
Ja, kein Zweifel, der Admiral wusste oder ahnte zumindest, dass sie gelauscht hatte. Noch ein Grund, warum sie inzwischen froh war, NICHT mit ihm ins Bett gegangen zu sein. Mokas Taran wusste auch so schon beunruhigend viel über sie: „Selbstverständlich, Admiral.“
18.01.2019 17:08 Tyr Svenson ist offline E-Mail an Tyr Svenson senden Beiträge von Tyr Svenson suchen Nehmen Sie Tyr Svenson in Ihre Freundesliste auf
Cattaneo
Major


Dabei seit: 31.07.2002
Beiträge: 1.511

Auf diesen Beitrag antworten Zitatantwort auf diesen Beitrag erstellen Diesen Beitrag editieren/löschen Diesen Beitrag einem Moderator melden       Zum Anfang der Seite springen

Schattenspiele

TRS PEGASUS, drei Sprünge vor Deneb, FRT-Grenzgebiet

Normalerweise sprach man davon, dass ein Schiff eine Brücke hatte, und in der Vorstellung vieler Terraner und Konföderierter war dies der Ort, an dem die Entscheidungen fielen. Das mochte auf vielen Schiffen zutreffen – ging aber oft auch an der Realität vorbei. Größere Schiffe, insbesondere Kriegsschiffe, hatten meistens auch eine Ersatzbrücke, die weise Kapitäne selbst außerhalb akuter Gefechtssituationen stets einsatzbereit und bemannt hielten. So konnte im Fall des potentiell katastrophalen Ausfalls der Hauptbrücke eine guttrainierte Ersatzcrew das Kommando übernehmen. Viele Schiffe waren so gerettet, manch verzweifeltes Gefecht gewonnen worden.
Dann gab es natürlich auf wirklich GROßEN Schiffen wie Flottenträgern ein separates Kommandozentrum um Dinge wie den Flugbetrieb und die Bewegungen des unterstellten Flottenverbandes zu koordinieren. Das ließ sich schlecht mit dem mitunter hektischen Betrieb auf der eigentlichen Brücke in Einklang bringen. Die wirklich wichtigen Entscheidungen aber, die wurden oft in einem kleinen, an das Kommandozentrum angrenzenden Besprechungsraum gefasst, wo der oder die Kommandeur beziehungsweise Kommandeurin der Trägergruppe sich mit den Schwadronskommandeuren und anderen Offizieren abstimmen konnte – direkt von Angesicht zu Angesicht oder via hochentwickelter Kommunikationsmittel. Die letztendliche Entscheidung lag immer bei einer einzelnen Person – sah man natürlich von den generellen Anweisungen aus dem Flottenstab und von Terra ab. Doch selbst im hochtechnisierten und zentralisierten Krieg des 27. Jahrhunderts hatten die Flottenchefs immer noch viel Spielraum, zumal wenn sie weit entfernt von Terra operierten. Nur ein schwacher Kommandeur ließ sich in seinem Handeln durch seine Untergebenen bestimmen. Nur ein kompletter Idiot aber ignorierte ihre Einwände und Vorschläge.

Admiral Maike Noltze war gewiss weder schwach noch eine komplette Idiotin – wiewohl sie sich nur zu bewusst war, dass es im Moment eine Menge Terraner, kaiserliche Akarii und wohl auch etliche Konföderierte und Neutrale gab, die sie genau so bezeichneten. Mit ein wenig Glück würde sie diesen Narren bald das Gegenteil beweisen.
Der jüngste Vorstoß des imperialen Admirals Ersten Ranges Kal Ilis gegen die FRT – nicht etwa gegen die von der TSN besetzten imperialen Gebiete, sondern auf ureigenes terranisches Territorium – hatte nicht nur sie überrascht, das war nicht zu leugnen. Die operativen Analysen hatten den Kaiserlichen nach den hohen Verlusten des letzten Jahres keine weitere Großoffensive an dieser Front zugetraut. Ilis hatte zwar die Konföderation aus dem Feld geschlagen, dabei aber zugleich seine eigene Flotte kastriert – und ihr darüber hinaus noch einen Arm abschlagen lassen. So zumindest hatten die Einschätzungen gelautet. Doch das war, offenbar, eine Fehleinschätzung gewesen. Sie hätte es nach den bitteren Lehren von Karrashin, Hannover und Sterntor vermutlich voraussehen müssen. Aber wie sollte man vernünftig Krieg führen, wenn man sich nicht einmal mehr auf die eigene Aufklärung verlassen konnte?
Glücklicherweise hatte der Nachrichtendienst diesmal nicht ganz so skandalös versagt wie mehrfach in den letzten Monaten. Ilis‘ Flotte und Marschrichtung waren entdeckt worden, lange bevor er in Angriffsreichweite kam. Dennoch hatte Noltze sich mit diesem dringenden Problem befassen müssen. Sie hatte die konföderierten Invasoren im Shifang-System laufengelassen, anstatt ihnen die verdiente Lektion einzubläuen.
,Nun ja, vielleicht erledigen das ihre eigenen Leute ja jetzt für mich.‘ Sie gönnte Okamba und seinen Schoßhunden nun wirklich jede Unannehmlichkeit, die ihnen zustoßen mochte. Leider würde das die Dinge für sie nicht verbessern, selbst wenn die CC ihre eigenen Militärs für die fragwürdig autorisierte ‚Rettungsaktion‘ abstrafte.
Noltze wusste, sie persönlich würde für die Schlappe in Shifang ebenfalls noch bezahlen. Das Operationsgebiet der Vierten Flotte unterstand ihrer Verantwortung, und damit hatte sie jeden Rückschlag an dieser Front zu verantworten. Einzig der Kopf von Rear Admiral Kilian Scotlands „Scotty“ saß noch lockerer als ihr eigener, denn immerhin war er für die Feindaufklärung hauptverantwortlich.
Aber sie konnte einen so massiven Vorstoß – zwei komplette verstärkte imperiale Trägerkampfgruppen die in wenigen Sprüngen so wichtige FRT-Systeme wie Deneb, Winston und Thordall erreichen konnten – nicht ignorieren und auf ihre weit verstreuten Deckungsverbände und die lokalen Systemverteidigungskräfte vertrauen.

Deshalb hatte sie rasch gehandelt. Und dabei kam die Expertise einiger ausgewählter Untergebener ins Spiel, denn mit Hilfe ihres Flottenstabes war ein ambitionierter Reaktionsplan ausgearbeitet worden. Seine Bewilligung hatte sie viel Überzeugungsarbeit gekostet, und sie wusste, damit hatte sie jeglichen noch vorhandenen Kredit auf Terra aufgebraucht. Ging jetzt etwas RICHTIG schief, dann gab es keine Macht im Universum, die sie retten konnte – immer vorausgesetzt, dass sie überlebte. Aber sie hatte vom Oberkommando und von der Präsidentin grünes Licht bekommen. Befehle an die übrigen Verbände der Vierten waren hinausgegangen, doppelt und dreifach verschlüsselt. Ein Teil des Planes war noch während seiner Umsetzung modifiziert worden, als die ,Mitspieler‘ sich mit Verbesserungsvorschlägen gemeldet hatten. Noltze war sich nicht darüber erhaben, die Anregungen erfahrener Kommandeure anzuhören und zu berücksichtigen.

Doch alles stand und fiel mit Noltzes eigenem Verband. Sie hatte ihr Flaggschiff zusammen mit den beiden begleitenden Majestic-Trägern von Shifang aus auf einen Abfangkurs gebracht und dabei das Wagnis in Kauf genommen, direkt durch kaiserliche Grenzsysteme zu springen. Diese waren zwar unbewohnt – während des jahrzehntelangen Kalten Krieges hatten sie als Pufferzone gedient, mit deren Hilfe sich das Imperium vor Überraschungsangriffen absichern, die sie aber gleichzeitig auch als potentielle Aufmarschgebiete nutzen wollte. Sie waren kaum vermint, denn auch das Imperium hatte nur begrenzte Mittel zur Verfügung, dass es lieber für die Sicherung strategisch wichtiger Systeme und Sprungpunktknoten nutzte. Doch es war zu erwarten, dass die Grenzsysteme mit Sensoren gespickt waren oder von leichten Patrouilleneinheiten überwacht wurden. Die terranischen Schiffe würden also nicht unbemerkt bleiben, was die Gefahr barg, dass Ilis SIE abfing oder aber den dritten imperialen Flottenträger, der in diesem Frontabschnitt nachgewiesen war, auf sie hetzte. Nach der Art und Weise, wie der gegnerische Admiral seine eigenen Leute über Hannover verheizt hatte, war ihm dies zuzutrauen, um sich seinen nächsten „großen Sieg“ über…sagen wir Deneb…zu sichern. Man musste Noltzes Schiffe ja nicht schlagen, nur dafür sorgen, dass sie Ilis nicht in die Suppe spuckten. Aber sie war bisher durchgekommen, und hatte so wertvolle Zeit gespart.
Ein konventioneller Kommandeur hätte vermutlich die übrigen, weit verstreuten Schiffe der Vierten – vier leichte Träger, den Pegasus-Träger KIEW und den Lexington-Träger YAMATO mit ihren unterbesetzten Begleitgeschwadern sowie einigen schwachen Hilfsverbänden – bei den wichtigsten Systemen konzentriert. Aber wenn sie sich etwas nicht mehr leisten konnte, dann ein rein konventionelles Vorgehen. Dazu war der Raum, den sie abzusichern hatte viel zu groß, und ihr Gegner neigte zu sehr zu irrationalen, irrwitzigen Entscheidungen. Sie musste versuchen, ihm die Schlacht zu ihren eigenen Bedingungen aufzuzwingen. In den nächsten Stunden würde sich zeigen, ob ihr dies gelang.

Der Verband unter ihrem Kommando bot einen beeindruckenden Anblick – neben der PEGASUS, als Typschiff ihrer Klasse schon mehr als 20 Jahre alt, aber bestens in Schuss und grundlegend modernisiert, waren da vor allem die WARSPITE und NAPOLEON. Die Majestic-Träger waren zwar noch nicht in den Genuss eines Umbaus zum ,Hammerkopf-Typ“, der MK III gekommen. Aber sie verdoppelten die Kampfliegerzahl der Pegasus mit einer beeindruckenden Mischung moderner Jäger und Jagdbomber. Begleitet wurden die drei Träger von insgesamt fünf schweren Ticonderoga-Kreuzer, drei Dauntless-Flakkreuzern und sieben leichten Achilles-Kreuzern. Dazu kamen mehr als dreißig Zerstörer, Fregatten und Korvetten sowie ein Dutzend Hilfsschiffe – Minensucher, Flottentanker und -transporter. Gut drei Dutzend Kampfflieger sowie ein Dutzend Radar-Shuttles sicherten im Moment den Verband vor Überraschungen. Und im Notfall standen insgesamt gut 200 Jäger, Bomber und Jagdbomber zur Verfügung. Die sechszehn Staffeln der drei Träger stellten eine formidable Streitmacht dar.
Da waren natürlich zunächst einmal die Black Aces der PEGASUS, ein Geschwader, das so alt war wie der Träger auf dem es diente, das erste acht-Staffeln-Bordgeschwader – neun, wenn man die Shuttles mitzählte – der TSN überhaupt. The Old Guard von der NAPOLEON führte ,natürlich‘ die Bärenfellmütze vor einer gekreuzten Muskete und Adlerstandarte als Abzeichen. Ihre Staffeln waren nach den Kavallerieeinheiten der Vieille Garde des Ersten Französischen Kaiserreichs benannt. Die King’s Dragoon Guards oder KDG von der WARSPITE – bekannter unter ihrem Spitznamen King’s Dancing Girls – waren ein deutlich jüngeres Geschwader, hatten sich aber ebenfalls bereits einen Namen machen können.
Sie alle hatten zwar nicht an der Hauptfront, bei der ,Mächtigen Zweiten‘ gefochten. Das hieß aber nicht, dass sie und ihre Begleitschiffe in den letzten Jahren nicht in eine Vielzahl von Gefechte verwickelt gewesen waren. Freilich handelte es sich dabei zumeist um kleinere Scharmützel, lokale Vorstöße, Zufuhrkrieg und die Jagd nach imperialen Raidern. Maike hoffte, dass Schiffe, Crews und Ofiziere sich bei ihrer ersten großen Schlacht genauso bewähren würden wie im ‚Kleinen Krieg‘. Aber solche Zweifel durfte sie sich natürlich nicht anmerken lassen.

Die Offiziere in der Kommandozentrale sahen in etwa so überarbeitet aus, wie sie sich fühlte – dies galt besonders für Scotty. In den letzten Tagen hatten sie alle sich nicht mehr als ein paar Stunden Schlaf gönnen können. ,Das dürfte mal ein Beispiel sein, bei dem die höheren Dienstgrade länger arbeiten mussten als die Schiffscrews.‘ dachte sie mit grimmiger Belustigung. Sie fühlte sich wie ein Jongleur, der mit einem Dutzend Fackeln und Messern jonglierte. Wenn man einmal danebengriff, verbrannte man sich die Finger – oder verlor sie.
Maike gratulierte sich insgeheim selbst, dass sie es geschafft hatte, ihr Aussehen makellos zu halten. Das war zwar ein etwas billiger Taschenspielertrick, aber das Militär war nun einmal ein konservativer Verein – und eine Admirälin mit schlecht sitzender Dienstuniform oder Ringen um die Augen war ungeeignet, Vertrauen zu erwecken. Sie hatte sich nicht umsonst nach oben gedient, ehrgeizig, unermüdlich und wenn nötig rücksichtlos. Schwäche durfte man niemals zeigen, ganz besonders nicht, wenn man gerade verwundbar WAR.

Dennoch krampfte sich ihr Herz zusammen und sie musste an sich halten, um nicht zusammenzuzucken, als auf den primären Bildschirmen Dutzende neue Symbole auftauchten, direkt am Sprungpunkt in Richtung Deneb. Im Moment waren nur Transitechos zu erkennen, doch es war bereits klar, dass es mehr als dreißig waren. Für eine Prüfung der FFI-Kennung waren sie noch zu weit entfernt, zudem störte die Hintergrundstrahlung des Sprungpunktes die Erkennung. Die Schiffe selbst verschwanden deshalb unmittelbar nach ihrem Eintritt in das System wieder von den Bildschirmen – angezeigt wurde nur ihre alte Position.
Wenn es sich dabei um die Vorhut von Ilis’ Flottenverband handelte, würden ihnen nur zu bald weitere folgen, bereiteten sich die Imperialen vermutlich bereits auf den Angriff auf die PEGASUS und ihre Begleitschiffe vor. Sekunden dehnten sich zu scheinbaren Ewigkeiten – dann kam die befreiende Nachricht: „Admiral – verschlüsselter Funkspruch! Terranische Codierung.“
Maike Noltze atmete auf: „Entschlüsseln.“
Der Signaloffizier bediente einige Tasten, runzelte die Stirn, wiederholte den Vorgang: „Doppelcodierung, maximale Sicherheitsstufe…Funkspruch liegt nun vor.“
Die Admiralin straffte sich. Sie ahnte bereits, wie die Botschaft lauten würde, und nickte Scotty zu: „Ich denke, das sollten Sie vorlesen.“
Ihre rechte Hand war sich der Bedeutung des Augenblickes nur zu bewusst. Seine Stimme klang selbstsicher und ruhig, als er die Botschaft ablas. Sie bestand aus gerade einmal zwei Worten: „Niitakayama Nobore.“*
Noltze gestatte sich ein Lächeln, das alle Männer und Frauen im Raum – und vermutlich das ganze Universum gleich mit – umfasste: „Die Yamato ist hier.“ Sie sprach es nicht aus, aber die Botschaft besagte auch, dass ihr Schlachtplan angelaufen war.
Dann wurde sie übergangslos ernst: „Funkspruch an die Flotte – bereitmachen für Rendezvous. Gefechtsbereitschaft bleibt bestehen. Sie neigte den Kopf: „Scotty, Sie übernehmen. Ich bin gleich wieder zurück.“

Sie hatte es nicht weit bis zum Besprechungsraum. Hier konnten kontroverse Diskussionen geführt werden, ohne dass die ,Normalsterblichen‘ davon erfuhren. Der Raum verfügte auch über einige der besten und sichersten Kommunikationsanlagen des ganzen Trägers, die angeblich nicht einmal der Bord-NIC mitlesen konnte. Was hier herausging, war mindestens doppelt, meist aber drei- oder vierfach verschlüsselt und komprimiert.
Die Admirälin hatte ihre Gründe, dieses Gespräch allein zu führen. Geheimhaltung war von entscheidender Bedeutung, weshalb die Kommunikation zweimal bestätigt werden musste, mit Codes, die neben Noltze nur eine Handvolle Menschen kannten.
Sogar viele ihrer engeren Mitarbeiter kannten nicht jedes Detail des Schlachtplans, oder wussten, wer mit welcher Aufgabe betraut war. Das mochte übervorsichtig wirken, aber seit dem Verrat der Konföderation war ein wenig Paranoia nur angebracht. Offenkundig hatten die Konföderierten lange vor ihrem Kurswechsel Spione in der TSN eingeschleust, und das Ausmaß ihrer Zusammenarbeit mit dem Imperium war auf dramatische Art und Weise demonstriert und enthüllt worden. Auch wenn Cochranes Schicksal besiegelt schien, musste das nicht für alle seiner Lakaien gelten. Und dass der konföderierte Geheimdienst bei der eigenen Sicherheit schandhaft versagt hatte, war ebenfalls nur zu bekannt.

Als die drei Bildschirme nacheinander zum Leben erwachten, Zeichen, dass die Verbindung stand, zögerte Maike Noltze für einen Augenblick. Sie wusste, dies war möglicherweise ein Wendepunkt, zumindest im Leben von tausenden Männern und Frauen, und natürlich auch für ihr eigenes Geschick und ihre Karriere. Und damit nicht genug - ihre Befehle mochten auch noch sehr viel weitergehende Konsequenzen haben. Doch es war zu spät, viel zu spät, um noch auf Nummer sicher zu gehen, oder Skrupel zu hätscheln. Die Würfel waren geworfen, und jetzt blieb nur noch abzuwarten, wie das Spiel enden würde.
Die Gesichter, in die sie blickte, waren die von Profis – zwei Männer und eine Frau. Jeder einzelne war einiges älter als sie selbst, hatte den Krieg vom ersten Tag an mitgemacht und bereits lange zuvor in der TSN gedient.
„Gorgo – Einsatzbefehl erteilt.“
Die Antwort kam einige Sekunden später. Die große Entfernung und die Notwendigkeit, die Nachricht zu kodieren und dekodieren führte zu einer Verzögerung, die ein echtes Gespräch erschwerte. Doch dies war ohnehin nicht der Augenblick für lange Diskussionen, und die Antwort war denkbar knapp: „Bestätige.“ Die stämmige, dunkelhäutige Frau auf dem Bildschirm machte sich nicht einmal die Mühe zu salutieren.
„Echidna – Sie haben die Freigabe.“ Der grauhaarige Offizier auf dem zweiten Bildschirm nahm Haltung an. „Wir sind bereit!“
„Chimäre – schlagen Sie los.“ Der dritte Adressat, ein Rear Admiral, schien beinahe zu lächeln, aber es war kein gutes Lächeln, vielmehr eines, das nicht die Augen erreichte. Er verneigte sich leicht, um den Empfang zu bestätigen: „Admiral.“
Und dann erloschen die Bildschirme einer nach dem anderen. Die Spielfiguren begannen mit ihren Zügen.
Maike Noltze starrte noch für einige Herzschläge auf die schwarzen Monitore. Dann drehte sie sich um. Es wartete Arbeit auf sie.

*****

Imperialer Flottenträger QUASAR, einen Sprung vor Deneb

Kal Ilis war vor allem eines – alt. So alt, dass er mit dem verstorbenen Kaiser auf der Akademie ein Zimmer geteilt hatte, so alt, dass er sich seine ersten Sporen in Kriegen verdient hatte, die inzwischen lediglich noch die Historiker interessierten. Er war im festen Glauben an die Borealis-Doktrin aufgewachsen, die den Akarii die Führungsrolle, und allen anderen, niederen Rassen bestenfalls einen Platz als Diener zuwies. Das glaubte er noch immer, aber er war nicht zu alt, um dazuzulernen. Die minderwertigen Rassen – nicht nur die Menschen, aber besonders sie – hatten gerade in den letzten Jahren einiges an Einfallsreichtum und Widerstandskraft bewiesen. Das Imperium hatte Rückschläge hinnehmen müssen, sogar bittere Niederlagen. Sie waren zum Teil selbst verschuldet, durch Ignoranz und Einfallslosigkeit, aber nicht nur.
Doch wenn es etwas gab, an dem das großartigste Reich in der Geschichte der Galaxis gewachsen war, dann an Widerständen. Den Akarii war ihr Platz als auserwählte Herrscher nicht einfach zugefallen, sie hatten ihn sich erkämpfen müssen, genauso wie die kaiserliche Familie nicht kampflos zum uneingeschränkten Herrscher des Imperiums geworden war. Und er würde bis zu seinem letzten Atemzug darum kämpfen, damit sein Volk den ihm zustehenden Platz behaupten konnte.
Und deshalb war er hier, einmal mehr im feindlichen Territorium. Fast wie in den guten alten Zeiten. Und doch war nichts so wie damals.

Das Zentrum des Imperiums war in Aufruhr. Der Kriegsminister war tot, seine Nachfolge unklar. Wer auch immer das Amt übernahm, er oder sie musste damit rechnen, dass nicht nur die ohnehin gigantischen Herausforderungen eines Krieges um das Überleben des Imperiums zu bewältigen waren. Es würde auch sofort ein Gezerre einsetzen, um die entsprechende Person fest an eine der widerstreitenden Fraktionen auf der Hauptwelt zu binden oder aber, falls er oder sie zu einer ,feindlichen‘ Partei gehörte, die Amtszeit abzukürzen.
Ilis hatte auf Linai gesetzt, von dem Tag an als sie zur Regentin ernannt worden war – eine Überzeugung, die er vor den meisten anderen Akarii, selbst guten Kameraden, verheimlichen musste. Die Vorstellung, eine wirkliche Herrscherin auf dem Thron zu sehen, galt vielen – gerade aus Ilis‘ eigener Generation – als bizarr, abstoßend, geradezu undenkbar. Und das ziemlich erbärmliche Schmierentheater auf der Hauptwelt mochte diese Traditionalisten noch in ihren Ansichten bestärken. Der Admiral konnte ihr Gerede geradezu hören…
Ilis hatte vor langer Zeit einmal Dero Allecar gedroht, ihn zu töten, wenn dieser Linai hintergehen sollte. So langsam fragte er sich, ob er nicht tatsächlich seine Kampffähigkeiten aufpolieren musste. Der junge Allecar hatte zwar den törichten Gatten der Prinzessin beseitigt, doch er hatte das auf eine Art und Weise getan, die mehr Schaden anrichtete als Nutzen, und nun benahmen er und sein Vater sich keinen Deut besonnener.

Da war es fast schon zu genießen, dass er hier an vorderster Front stand. Ilis unterschätzte die generischen Kommandeure nicht – aber wer von ihnen kam schon auch nur im Entferntesten an seine Erfahrung heran? Wer von ihnen hatte mit zwei Schlachten eine ganze Nation aus dem Krieg gezwungen? Nein, hier draußen gab es niemanden, der ihm ebenbürtig war – anders als im Spiel der Lügen, falschen Versprechungen und verborgenen Dolche, das im imperialen Palast tobte.
Allerdings durfte er natürlich nicht ZU siegesgewiss sein. Das hatte schon mehr als einen imperialen Admiral Entehrung oder den Tod beschert. Und deshalb war ihm das Dilemma nur zu bewusst, in dem er sich momentan befand.

Er hatte darauf gebaut, dass Noltze mit den Konföderierten beschäftigt war und niemals rechtzeitig auf seinen Angriff reagieren konnte. Zwar war ausgeschlossen, dass ihm noch ein solcher Sieg wie über Hannover gelingen würde. Selbst wenn er einen lokalen Ministerpräsidenten in die Kapitulation prügeln konnte, hatte der Menschling gar nicht die Befugnisse, für die regulären Bodenstreitkräfte zu kapitulieren. Eine offizielle Kapitulation von…sagen wir Deneb…wäre deshalb nicht mehr als ein erfreulicher aber letzten Endes leerer Propagandasieg gewesen. Der Gegenschlag der Vierten Flotte wäre unweigerlich erfolgt.
Nein, er hatte darauf gebaut, ein wichtiges System zusammenschießen zu können und mit viel Glück einen der feindlichen Flotten- oder leichten Träger zu stellen, mindestens aber die TSN-Front ins Chaos zu stürzen. Doch Admiralin Noltze hatte schneller reagiert als er es für möglich gehalten hatte. Jetzt stand sie mit ihrem Verband nur einen Sprung von seiner Position entfernt und hatte sich mit der YAMATO zusammengetan.

Und deshalb war es an der Zeit, das weitere Vorgehen zu beraten. Ilis bedauerte es, dass er Yon Ataki nicht bei sich hatte. Er hatte sie als fähige Kommandeurin kennen und schätzen gelernt. Aber die junge Admiralin war mit ihrem erst kürzlich wieder notdürftig einsatzbereit gemachten Träger YONDER im Ibari-System zurückgeblieben. Sowohl das Schiff als auch das Bordgeschwader und die begleitenden Kriegsschiffverbände hatten sich immer noch nicht von den Verlusten bei den Schlachten von London und Hannover erholt.
Stattdessen war Admiral Zweiten Ranges Teleri Sattala von der TORVA RAT, Ilis‘ zweitem Quasar-Träger, seine rechte Hand – ein Neuzugang in diesem Frontabschnitt. Ilis kannte ihre Akte, aber sonst wusste er wenig über sie. In den Besprechungen war sie bisher ungewöhnlich zurückhaltend ihm gegenüber gewesen – sicherlich nicht aus Schüchternheit, denn das hätte weder zu einer Admirälin noch zu einer Sattala gepasst.
Im Moment war sie die Wortführerin, die knapp die Fakten zusammentrug.
„Ausgehend von den Informationen unserer Aufklärer müssen wir kalkulieren, dass der Gegner über das Gegenstück dreier terranischer Trägerkampfgruppen verfügt. Dem stehen auf unserer Seite die beiden Quasare gegenüber, dazu drei Tormalin-Flugdeckkreuzer. Wir haben sechs Reva-Angriffstransportern,“ Ilis hatte sich dafür entschieden, die Schiffe mitzunehmen – teils zur Verwirrung des Gegners und um ihn glauben zu machen, dass er bereit war, eine Invasion zu starten: „davon ist einer zum Träger für die neuen Schnellboote des Typs Shajan umgerüstet worden. Und ein weiterer, die ZEHNTAUSEND TEKA, gehört zur neuen Ashigaco-Klasse, das heißt, er ist so viel wert wie zwei Tormalin – außer im direkten Schlagabtausch.“ Außerdem waren da noch drei Dutzend leichte und schwere Kampfkreuzer, fast sechzig Zerstörer, Fregatten und Korvetten und einige Hilfsschiffe.
„Mit dieser Flotte sollte es uns theoretisch möglich sein, den feindlichen Flottenverband zu überwältigen.“
Ilis unterdrückte ein Stirnrunzeln. Das klang recht zögerlich für eine Admirälin der imperialen Flotte.
„Sollten wir aber auf Deneb vorstoßen, gehen wir das Risiko ein, zwischen die Schiffe Noltzes und ein planetares Geschwader – vielleicht gar verstärkt durch die KIEW oder einen, vielleicht auch zwei der leichten Träger der Vierten – zu geraten. Wir haben keine ausreichenden Informationen über den Standpunkt der defensiven Trägerverbände, wir kennen nicht die Minenfelder im Deneb- oder anderen wichtigen terranischen Systemen, und wir müssen davon ausgehen, dass die TSN- und Nationalgardegeschwader längst vorgewarnt sind und ähnlich verbissen kämpfen werden wie im Sterntor-System.“
Teleri führte dies nicht weiter aus, aber mit den imperialen Kriegsschiffen von vor fünf Jahren wäre das noch kein Grund zur Sorge gewesen. Doch inzwischen waren die terranischen Jäger besser als damals, hatten die Menschlinge an Kampferfahrung gewonnen. Die imperialen Geschwader bestanden aus zu vielen jungen, unerfahren Piloten, und der Kampfgeist der übrigen Crews war weniger stabil, als es sich für kaiserliche Soldaten gehörte. Der Ausgang einer solchen Konfrontation wäre ungewiss, eine Niederlage war sogar wahrscheinlich. Das mochte man beklagen und damit hadern, aber leugnen konnte man es nicht. Ilis hatte wahre Wunder vollbracht, den Kampfgeist der Männer und Frauen unter seinem Kommando wieder aufzubauen – doch nicht einmal er konnte zaubern. Und anders als viele seiner Untergebenen nahm Admiral Sattala das offenbar auch nicht an.

„Und was würden Sie empfehlen, Admiral Sattala?“
Die Offizierin zögerte kurz, doch dann straffte sie sich: „Diese Operation basierte auf dem Angriff der Konföderierten auf ihre bisherigen Verbündeten. Die Terraner haben zu schnell reagiert, als dass wir den erhofften Nutzen daraus ziehen konnten. Dennoch haben wir damit ihre gesamte Front in Aufruhr versetzt, und sie haben wichtige Faustpfänder gegenüber den Konföderierten verloren. Es ließ sich nicht voraussagen, dass Cochranes Position so instabil ist, dass er dennoch gestürzt werden konnte. Ich empfehle angesichts all dessen, die Operation abzubrechen. Wir können auf unserem Rückzug durch ein, maximal zwei terranische Systeme niederer Priorität marschieren und dort militärische Ziele angreifen – dies sollte es dem Gegner unmöglich machen, uns zu stellen, während wir ihn zugleich vorführen. Die Menschlinge würden als die Narren dastehen, die von einem Krisenpunkt zum nächsten hasten, ohne etwas zu erreichen.“

Admiral Ilis antwortete nicht sofort. Er ließ die Reaktionen der versammelten Runde auf sich wirken. Die Mienen seiner Untergebenen zeigten deutlich, dass sie in ihrem Urteil gespalten waren. Einige Offiziere stimmten Teleri offenbar zu, zurückhaltend, aber dennoch bestimmt. Die meisten aber waren anderer Meinung. Sich aus dem gegnerischen Gebiet ohne eine Schlacht zurückzuziehen entsprach nicht dem Ehrenkodex der imperialen Flotte – und ganz bestimmt nicht den hochfliegenden Hoffnungen und Erwartungen, die sie in eine Operation unter dem Kommando des Siegers von Hannover gesetzt hatten. Ilis selbst wollte sich ebenfalls nicht zurückziehen – hatte er nicht die Konföderierten geschlagen, trotz all ihrer Stärke und Entschlossenheit? – doch er teilte einige Bedenken seiner Untergebenen.
Wichtiger jedoch war, dass ein kampfloser Rückzug im Moment aus anderen Gründen undenkbar war. Das Kaiserreich brauchte Siege, um sein Selbstbewusstsein aufrecht zu erhalten. Linai brauchte einen Sieg, damit ihre Rivalen nicht den Tod ihres Gatten in ein schlechtes Omen umdeuteten, in einen Rückschlag, den nur ein ,echter Mann‘, ein ,echter Imperator‘ zu bewältigen vermochte. Diese Gefahr drohte ihr sowohl von den Anwärtern auf den Thron, als auch von Seiten der Allecar. Dero mochte Linai aufrichtig lieben – oder sich das einreden – aber sein Vater liebte vor allem die Macht. Er würde sich die Gelegenheit nicht entgehen lassen, das Wohl seines Hauses und vor allem seine Position im Kampf um den Thron zu stärken. In der vergifteten, aufgeheizten Atmosphäre auf der Hauptwelt konnte eine Schlacht – oder ein Rückzug – viele Lichtjahre entfernt dramatische Konsequenzen haben. Aus diesem Blickwinkel blieb ihm eigentlich nur eine Wahl…

Als der alte Admiral sich erhob, nahmen alle anderen Offiziere Haltung an. Ilis‘ Führungsanspruch war unangefochten, nicht nur wegen seines Ranges – mochten einzelne auch Bedenken gegen seine Entscheidungen haben: „Wir werden uns nicht kampflos zurückziehen. Diese Flotte ist nicht auf die Hilfe der Konföderierten angewiesen. Wir haben die Menschlinge gelehrt uns wieder zu fürchten – es wird Zeit, ihnen diese Lektion noch einmal ins Gedächtnis zu brennen. Aber…das heißt nicht, dass wir blindlings dreinschlagen. Wir werden Admiral Noltze jagen, wir werden sie stellen, und wir werden ihre Flotte vernichten! Bereiten Sie die Schiffe auf den Sprung vor – und aufs Gefecht.“

*****
* Niitakayama Nobore (Ersteigt den Berg Niitaka) war der Code für den Angriffsbefehl der Imperialen Kaiserlichen Flotte für den Angriff auf Pearl Harbour 1941.

Dieser Beitrag wurde 1 mal editiert, zum letzten Mal von Cattaneo: 03.02.2019 17:59.

28.01.2019 20:24 Cattaneo ist offline E-Mail an Cattaneo senden Beiträge von Cattaneo suchen Nehmen Sie Cattaneo in Ihre Freundesliste auf
Cattaneo
Major


Dabei seit: 31.07.2002
Beiträge: 1.511

Auf diesen Beitrag antworten Zitatantwort auf diesen Beitrag erstellen Diesen Beitrag editieren/löschen Diesen Beitrag einem Moderator melden       Zum Anfang der Seite springen

Mit den Augen des Imperiums

„Die Götter schenken dir Siege, um dich zu täuschen. Sie bereiten dir Niederlagen, um dich Weisheit zu lehren.“
Altes Akarii-Sprichwort, wird von vielen als unpatriotisch angesehen

Terranisch-Imperiales Grenzgebiet, Gegenwart

Die gegnerische Salve schüttelte Tias Jäger durch. Ein schneller Blick auf die Anzeigen verriet der Pilotin, dass im Moment noch kein Grund zur Besorgnis bestand – zumindest, solange ihr Gegner nicht schwerere Geschütze auffuhr. Das Zwitschern des Zielerfassungsalarms warnte sie jedoch, dass es jederzeit soweit sein konnte. Wenn es dem Gegner gelang, eine Rakete auf sie abzufeuern… In diesem Nahkampf waren die Möglichkeiten zu Gegenmaßnahmen beschränkt. Also ließ riss sie den Steuerknüppel herum und ließ ihren Jäger rotieren, gefolgt von einer 90-Grad-Wende. Sie kannte die Parameter der feindlichen Waffen – die Infrarot-Raketen, die einen großen Teil der gegnerischen Gefechtssätze ausmachten, hatten bei aller Durchschlagkraft einige entscheidende Schwächen, und das war ihre vergleichsweise lange Aufschaltzeit, und dass sie nur dann gute Trefferchancen hatten, wenn man sie auf das Heck eines Jägers abfeuerte.
Auf Rückendeckung konnte Tia in diesem Kampf nicht rechnen. Ihr Flügelmann hatte gleich zu Beginn des Gefechts einen Volltreffer kassiert und musste sich dank seiner weitestgehend ausgefallenen Schilde aus dem Kurvenkampf heraushalten. Wäre er nähergekommen, wäre das nur die Einladung für den opportunistischen Angriff eines der Gegner gewesen. Er hatte zwar Feuerunterstützung gegeben, aber aus der großen Entfernung waren die Gegner seinen Raketen ausgewichen. Inzwischen konnte er die Feinde nur noch anpingen, so dass sie glaubten, erfasst zu werden und Ausweichmanöver einleiteten. Aber irgendwann nutzte sich der Trick natürlich ab, man musste nur zählen, wie viele Raketen der Havarist schon abgefeuert hatte. Dieses Gefecht wurde sowieso mit einem Arm auf den Rücken geführt – Tias Kameraden hatten Zusatztanks mitgeschleppt, und das begrenzte ihre Kampfladung.
Die Anzeigen signalisierten, dass ihr Feind durch ihr Schussfeld driftete. Sie hämmerte auf die Feuerknöpfe und schickte mehrere Salven hinaus. Die Sensoren meldeten Treffer, allerdings war ihr Gegner zu schnell wieder aus ihrem Feuerbereich verschwunden, so dass er schwereren Schäden entgangen war. Tia zischte einen unflätigen Fluch zwischen den zusammengebissen Zähnen. Das dauerte ihr einfach zulange…
Sie öffnete die Verbindung zu ihrem havarierten Kameraden.

Die feindliche Pilot war gut, dass musste man ihm – oder ihr – lassen. Wie Tia hatte er seinen Flügelmann verloren. Aber das schien ihn nicht auszubremsen. Er hielt im Kurvenkampf mit, obwohl Tias Jäger einiges wendiger war. Dieser Kampf musste langsam ein Ende finden!
Tia riss einmal mehr ihren Jäger herum, betätigte den Nachbrenner, als wollte sie aus dem Gefecht fliehen. Sie ignorierte die bedrohlichen Warntone des Erfassungsalarms. Die Sensoren verrieten ihr, dass der Gegner mithielt. Sparsame Ausweichbewegungen bewahrten sie vor dem Schlimmsten, zudem hatte sie alle Energie auf die Heckschilde umgeleitet – dennoch wurde ihre Maschine durchgeschüttelt, als ihr Feind seine Bordwaffen abfeuerte. Ihre Finger huschten über die Anzeigen…Feuer!
Ihre Raketen zischten davon…und beschrieben einen perfekten Kreis, geleitet von der Zielerfassung ihres Flügelmannes. Ihre Anzeigen wurden mit einmal von Statik überlagert – und als die Anzeigen wieder klar wurden, sah sie, wie ihr Gegner abmontierte. Der gegnerische Pilot stieg aus.

Die Pilotin überprüfte die Meldungen ihrer Untergebenen und gönnte sich ein raubtierhaftes Grinsen. Das war ja ziemlich gut gelaufen. Bei dem Gefecht, in dem auf beiden Seiten acht Maschinen beteiligt gewesen waren, waren zwei feindliche Jäger und ein Jagdbomber abgeschossen worden. Tias Piloten hatten nur einen eigenen Jäger verloren, ein weiterer war schwerer beschädigt. Der Gegner versprengt, zum Teil deutlich beschädigt, so dass man sich sicher noch ein paar Havaristen auf dem Rückzug herauspicken konnte. Sie musste nur ihre Piloten sammeln und…

In diesem Moment sprang ihr Funkgerät an – eine Meldung vom Mutterschiff.
„Lieutenant Dekar – kehren Sie umgehend zurück.“
Die Pilotin hätte um ein Haar den Mund geöffnet und widersprochen – aber wenn es etwas gab, was eine imperiale Offizierin niemals tat, dann einen Befehl diskutieren. Also presste sie ein „Bestätige.“ hervor. Ein KLEINES Quäntchen Aufmüpfigkeit konnte sie sich freilich nicht ganz versagen: „Was ist mit unserem Piloten und den Menschlingen? Ich benötige jemanden, um sie aufzusammeln.“
„Ein Evari ist bereits unterwegs. Lassen Sie zwei Hyak zurück als Eskorte. Menschlinge nur aufsammeln, wenn es ohne Zeitverlust geht.“
Aha, also NOCH ein Grund, mit den Zähnen zu knirschen. Wenn sie die ausgestiegenen Schuppenlosen nicht einsammelten, der Gegner würde es mit Freude tun. Für einen frevelhaften Moment dachte sie über Alternativoptionen nach…aber sie brachte es nicht über sich, die schiffbrüchigen Piloten einfach abschießen zu lassen. Es gab auf beiden Seiten der Front ohnehin zu viele, die genau das taten. Vielleicht konnte sie ja wenigstens einen der Terraner einsammeln, wenn sie seine Position ermittelte und er dicht genug an ihrem eigenen Havaristen war…
„Staffel, Befehl ausführen. Ich bleibe hier und…Nummer drei. Viel Glück.“ Sie wusste, sie würde noch Stunden haben, ihren geheimen Groll zu hätscheln.

Die letzten zwölf Tage waren ein Wechselbad der Gefühle gewesen. Die Flotte des Kaiserreiches war in Gefechtsformation gesprungen, bereit den Gegner zu stellen – nur um festzustellen, dass die Terraner den Rückzug angetreten hatten. Ilis‘ Flotte versperrte ihnen zwar die kürzeste Route in sichere Häfen – aber Maike Noltze hatte sich ganz einfach in Richtung des spärlich gesicherten imperialen Grenzgebietes und unbewohnten Niemandslandes zwischen den alten Grenzen zurückgezogen. Zweifellos baute sie darauf, durch einen kurzen Umweg wieder eigenes Territorium zu erreichen. Nicht gerade das, was man an Bord der QUASAR und TORVA RAT erhofft hatte, doch die Flucht des Feindes war natürlich ein Ansporn gewesen. Jene, die insgeheim gezweifelt haben mochten, hatten Zuversicht gefasst. Es gab wenig, was mehr Mut machte als ein fliehender Feind. Die Imperialen hatten die Verfolgung aufgenommen – auf die höhere Geschwindigkeit ihrer Schiffe vertrauend.

Sie hatten schnell gelernt, dass die Terraner vielleicht nicht die Mutigsten waren – an ihrer Gerissenheit konnte aber kein Zweifel bestehen. Die TSN hatte den Verfolgern zunächst mit Minengürteln zugesetzt. Unter normalen Umständen war das Legen von Sperren beim Kampf zwischen zwei frei beweglichen Flotten nicht wirklich praktisch. Der Raum durch den sich die Schiffe bewegten war einfach zu groß. Aber die Terraner hatten nicht lange gebraucht um auszurechnen, wo die kaiserlichen Schiffe marschieren würden – schließlich wählten diese den kürzesten Weg, um den Abstand zu den Menschlingen zu verringern oder aber um ihnen den Weg zu Sprungpunkten zu verlegen, durch die sie zurück in terranisches Gebiet fliehen konnten. Diese Umwege waren ein notwendiges Übel, freilich eines, welches die Verfolger Zeit kostete. Und es machte sie berechenbar. Auf den aussichtsreichsten Routen hatten die menschlichen Großkampfschiffe heimlich schwere, hatten Bomber und Shuttles leichte Minen ausgebracht. Und da die Imperialen mit Volldampf marschierten, hatte die Präzision ihrer Minenaufklärung gelitten.
Die Explosion einer Korvette durch einen schweren Minentreffer hatte ein böses Erwachen bedeutet. Ilis hatte den Vorausschleier noch einmal verstärkt, aber selbst das hatte nicht verhindern können, dass zwei Tage später eine Fregatte so schwer getroffen worden war, dass sie aufgegeben werden musste. Andere Schiffe hatten leichtere Beschädigungen erlitten. Dann, als man auf Seiten der kaiserlichen Flotte schon geglaubt hatte, auf alles vorbereitet zu sein, hatten die Terraner einen gemischten Jäger- und Jagdbomberverband „kalt“ – mit herunterfahrenen Sensoren und antrieblos – in der Route der imperialen Aufklärungsschiffe platziert. In einem Überraschungsangriff hatten sie zwei Minenräumer ausgeschaltet, drei Shuttles und mehr als ein halbes Dutzend Jäger abgeschossen, und waren unter geringen eigenen Verlusten entwischt.

Etwa zu diesem Zeitpunkt war die Zuversicht in der kaiserlichen Flotte deutlich abgesackt. Man kam zwar den Terraner immer näher – aber die Störmanöver hatten auch die Optimisten daran erinnert, dass der Gegner nicht zu unterschätzen war. Die Kampfmoral der kaiserlichen Flotte war inzwischen – auch wenn das niemand zugeben mochte – eine recht fragile Sache, die Rückschläge nicht mehr so einfach verkraftete. Außerdem zehrte die ständige Einsatzbereitschaft an den Nerven. Dies galt vor allem für die Shuttle- und Kampffliegerbesatzungen, die besonders stark gefordert waren. Sie flogen immer und immer wieder der eigenen Flotte voraus, was neben den eigentlichen Patrouillen stundenlange Marschflüge bedeutete. Und seit dem Hinterhalt hatten die Kämpfe nie ganz aufgehört. Langstreckenjäger der Terraner bedrohten permanent die Vorhut, manchmal belästigten sie diese durch Probeangriffe. Besonders die feindlichen Nighthawks mit ihren verdammten Langstreckenraketen waren ein beständiges Ärgernis. Die Kaiserlichen verfügten nur über wenige der neuen Überlegenheitsjäger aus der Hyak-Familie, und die Kacha-Jagdbomber sollten nicht zu sehr beansprucht werden, schließlich würde man sie noch für die eigentliche Schlacht benötigen.
Und auch in anderer Hinsicht waren die Terraner ein reines Ärgernis gewesen. Thunderbolts feuerten ihre Atomraketen auf Maximalentfernung auf die Minenräumer des Imperiums ab und entwischten unter dem Schutz von Falcon-Staffeln.

Tia hatte registriert, dass in den Rängen der Piloten gemurrt wurde. Warum schickte Ilis‘ – ein Kommandeur, der für seinen Wagemut bekannt war – nicht ALLES was an Kampffliegern fliegen konnte in einem massierten Angriff gegen die Menschlinge? Offene Kritik war natürlich undenkbar, aber die Unzufriedenheit war da.
Die junge Offizierin hatte sich nicht an dem Gerede beteiligt. Sie war ein „Kind“ des Krieges, erst zur Flotte gestoßen, als sich das Blatt bereits gewendet hatte, nach der Schlacht von Corsfield. Sie war stolz auf die Traditionen der kaiserlichen Flotte, aber sie wusste auch, dass dieser Krieg nicht den glorreichen Waffengängen der letzten Jahrhunderte glich. Ein reiner Kampffliegerangriff gegen einen Feind, der über gleich mehrere dieser verdammten Flakkreuzer verfügte, war für sich genommen bereits ein Wagnis. Nahm man hinzu, dass der Gegner die Kaiserlichen lange im Voraus kommen sah und sich in Ruhe vorbereiten konnte, während die Angreifer nach Stunden des Marschfluges mit halbleeren Tanks, ermüdet und mit reduzierten Kampfsätzen ins Gefecht gehen mussten, dann standen die Chancen nicht gut. Selbst die schnellsten kaiserlichen Kriegsschiffe würden Stunden hinter den Jägern und Bombern hinterherhinken, so dass ein koordinierter Angriff unmöglich war – jedes verdammtes terranische Geschütz konnte sich folglich auf die erste Welle konzentrieren. Zu viele der jungen Piloten kamen frisch aus dem – ohnehin reduzierten – Ausbildungsprogramms, zu wenig kampferprobte Veteranen lebten noch. Gerade der Sieg über die Konföderation waren mit einem furchtbaren Aderlass unter den Piloten erkauft worden.
So war sie anders als viele ihrer Kameraden nicht enttäuscht gewesen, als der Befehl zum Großangriff nicht – noch nicht – erteilt worden war. In ein, zwei Tagen, wenn der Abstand zwischen den Verbänden ENDLICH gering genug für einen koordinierten Angriff war, ja dann...

Sie hatte es natürlich genossen, ihre Kampfflieger – acht Maschinen ihrer Staffel – in den Einsatz zu führen, als die Gelegenheit kam, den Gegner zu packen. Sie hatten Voraussicherung geflogen, und waren tatsächlich auf vier Falcons und vier Thunderbolts gestoßen, die Verstecken gespielt hatten, um sich an einen Minenräumer heranzupirschen. Tia hatte die Gegner – die ihre Aktivortung ja heruntergefahren hatten – weiträumig umgangen und dann in die Zange genommen. Aber gerade in dem Moment, als sie dachte, sie könne noch ein paar offene Rechnungen begleichen, hatte man sie zurückgepfiffen! Was, beim Imperium, ging da eigentlich vor…

***

Grenzregion des Kaiserreiches, Planet Charkar im Tozan-System, zwei Tage zuvor

Mit knapp 90 Jahren hatte Adan Yukat ein für Akarii reifes, wenn auch nicht überragendes Alter erreicht. Im Moment fragte er sich, ob es nicht besser für ihn gewesen wäre, wenn er sich bereits mit der Sternenleere vereinigt hätte. Dann hätte er nicht diesen Tag erleben müssen. Er war der Erstgeborene Charkars, der allererste Akarii, der auf diesem Planeten das Licht der Welt erblickt hatte. Natürlich verdankte er nicht diesem Umstand seine Position als Oberster Administrator, de facto das zivile Oberhaupt der Welt. Doch sie hatte ihm gewiss auch nicht geschadet.

„Seine“ Welt verdankte ihren Namen Duran Charkar, Elitepilot und Held des Krieges gegen die Tonari. Er hatte hier das erste Blatt in seiner ruhmreichen Geschichte geschrieben, vor über 100 Jahren, als der Planet gleich zu Anfang des Konflikts erobert worden war. Die Tonari-Flotte im System hatte erbitterten Widerstand geleistet, doch sie hatte keine Chance gehabt. Die eigentlichen Probleme hatten erst später begonnen. Teile der unterworfenen Bevölkerung hatten den Besatzungstruppen erbittert Widerstand geleistet, und selbst Kollektivstrafmaßnahmen hatten daran nichts geändert. Da sich der Krieg nach einem verheißungsvollen Anfang hinzog und es sogar einige ernst Rückschläge gab, hatte man im Oberkommando die Geduld verloren. Die überlebenden Tonari waren samt und sonders deportiert worden. Akarii ersetzen sie – darunter auch Adans Eltern. Er hatte die Welt heranwachsen sehen bis sie zu einer zwar nur dünn besiedelten aber doch lebendigen und prosperierenden Grenzwelt des Imperiums mit etwas über 10 Millionen Einwohnern geworden war.
Während er durch die Gänge des uralten Kommandobunkers eilte – ein Erbe der ursprünglichen Herren dieser Welt – fragte er sich unwillkürlich, ob ihn nicht die Geister der Tonari aus den dunklen Ecken beobachteten, voller Genugtuung, dass der Tag der Rache gekommen war.

Es war nunmehr 48 Stunden her, als praktisch aus dem Nichts eine terranische Flotte ins System gesprungen war. Sie bestand aus drei Großschiffen – Trägern oder Landungsschiffen – einer guten Handvoll leichter und schwerer Kreuzer, zwei Flottillen leichter Schiffe und einigen Frachtern oder Tankern. Zunächst hatte noch Hoffnung bestanden, dass rechtzeitig Entsatz eintreffen könnte oder die Terraner nur auf dem Durchmarsch waren – aber ihr Kurs führte sie zu schnell zu nah am Planeten vorbei.
An Gegenwehr mit den lokalen Streitkräften war kaum zu denken gewesen. Das System verfügte über eine uralte Kampfstation, deren Feuerkraft etwa einem leichten Kreuzer entsprach, und eine gemischte Flottille leichter Kriegsschiffe, die im Konvoi- und Patrouillendienst in diesem und den benachbarten Systemen tätig waren. Das größte Schiff war ein betagter Teka-Zerstörer. Dazu kamen drei Staffeln ebenfalls veralteter Jäger und Sturmjäger, sämtlich vom Typ His und Chork, die bereits zu Beginn des Krieges aus den Frontlinientruppen abgeschoben worden waren. Auch die Piloten waren alles andere als Gardematerial.
Mit Hilfe von außen war, wie sich schnell herausstellte, ebenfalls nicht zu rechnen – das Grenzgebiet war praktisch von modernen Schiffen entblößt worden. Erst durch die Mobilisierung für den Angriff auf Hannover – viele Schiffe waren nicht zurückgekehrt – und dann für die letzte Operation gegen die Bundesrepublik. Niemand hatte gerade jetzt mit einer terranischen Gegenoffensive gerechnet, erst Recht nicht HIER.

Der Flottenkommandeur, der zugleich den militärischen Oberbefehl im System innehatte, hatte dann auch eine harte, aber aus seiner Sicht unvermeidbare Entscheidung getroffen. Er hatte die Kriegsschiffe und zivilen Frachter gesammelt und sich zurückgezogen, um genügend Abstand von den nahenden Terranern zu gewinnen. Er hatte auch jedes tiefraumtaugliche Shuttle mitgenommen, obwohl man natürlich nur einen kleinen Teil der Einwohner evakuieren konnte. Viele Einwohner mochten ihn dafür verfluchen, und es war nicht abzusehen, ob seine Vorgesetzten ihn dafür belobigen oder zum Tode verurteilen würden – aber insgeheim hatte Administrator Yukat Verständnis für die Entscheidung. Er hatte jedoch auf einen Platz auf einem der Shuttles verzichtet. Er hatte sein ganzes Leben auf Charkar verbracht und würde seine Heimat nicht in dieser dunkelsten aller Stunden verlassen.
Das Imperium konnte sich den Verlust von Schiffen und von Spezialisten nicht mehr leisten – jedenfalls nicht, wenn praktisch keine Hoffnung bestand, dass sie vor ihrem Ende ausreichend Schaden beim Gegner anrichten konnten. Und im Kampf gegen einen Feind, der in etwa so viele Träger und Kreuzer aufzuweisen hatte wie die Kaiserlichen Fregatten und Korvetten, war das Ende abzusehen.

Die Flotte war dennoch nicht ungeschoren davongekommen. Die Terraner hatten ihr drei Staffeln Kampfflieger hinterhergehetzt. Die auf Charkar stationierten Jäger hatten nicht eingreifen können, da ihre Kameraden schon zu weit weg gewesen waren. Die Menschlinge hatten zwei Frachter, eine Fregatte und eine Korvette vernichtet und selbst nur geringe Verluste erlitten. Und jetzt kamen sie, um sich mit Charkar zu befassen.

Als Adan die Kommandozentrale betrat, registrierte er als erstes Vors Irak. Der blutjunge Armeeoffizier – de facto der militärischer Oberbefehlshaber der Bodenstreitkräfte und in einer akuten Gefechtssituation auch Adans Vorgesetzter – kämpfte sichtlich mit der Fassung. Dafür hatte er auch gute Gründe. Er kommandierte gerade einmal eine unterbesetzte Brigade mit 3.000 Soldaten, ohne schwere Artillerie, Heeresflieger – und nur mit einer Handvoll Panzer und mobiler SAM-Einheiten. Dazu kamen vielleicht noch einmal 7.000 überhastet mobilisierte irreguläre Kämpfer. Das waren Polizisten, Angehörige der paramilitärischen Jugendverbände, die schon genug Kampftraining erhalten hatten, ehemalige Soldaten, die als dienstunfähig aus den Streitkräften entlassen worden waren. Doch gegen sie standen allein an Bord der feindlichen Kriegsschiffe mindestens zwei Regimenter trainierte Marines, und sicher acht mechanisierte, zum Teil auch gepanzerte Regimenter in den Landungstransportern – vielleicht noch mehr.

Adan wunderte sich, warum man ihn in die Kommandozentrale gerufen hatte – er war Zivilist und hatte in dieser Situation nichts zu sagen. Aber Vors Irak musste gute Gründe haben.
Der Administrator hielt sich jedoch – natürlich – zurück. Er brauchte keine Erläuterung um zu erkennen, dass die Schlacht – wenn man es so nennen konnte – schlecht lief.
Die Terraner gingen systematisch vor. Das war kein wütender Sturmangriff – vielmehr begnügten sie sich, aus Maximalentfernung die Station mit ihren Marschflugkörpern in Stücke zu schießen. Die Impulslaser und leichten Waffen der Imperialen – unterstützt von den Jägern – mochten einen Teil der Atomraketen abfangen, doch es blieben noch mehr als genug übrig. Die Menschlinge hatten ihrerseits genug Zeit, auf das schwache Gegenfeuer zu reagieren – die Station konnte ja nicht einmal ihre schweren Partikelgeschütze einsetzen. Terranische Kampfflieger und der gegnerische Flakkreuzer boten ausreichend Schutz vor jedem möglichen Gegenangriff der kaiserlichen Verteidiger. Und tatsächlich – als die imperialen Jäger einen Angriff versuchten, wurden sie lange vor dem Ziel von terranischen Jägern abgefangen und abgedrängt. Die wenigen Sturmjäger, die sich aus den Kurvenkämpfen lösen konnten, wurden vom koordinierten Abwehrfeuer der Kreuzer und Zerstörer empfangen.

Die Rivalität zwischen der kaiserlichen Flotte und Armee war legendär, aber der ebenso tapfere wie offenkundig vergebliche Kampf der Flottensoldaten war auch für Vors Irak ein kaum erträglicher Anblick. Nicht nur, weil klar war, was auf den unvermeidlichen Sieg der Terraner folgen würde.
Das Ende kam schnell. Das Feuer der Menschlinge war einfach zu übermächtig. Die Schilde der Station kollabierten, die nächste Salve sprengte riesige Brocken Panzerung und Struktur heraus. Die letzten Geschütze und Raketenwerfer verstummten, Rettungskapseln starteten. Die feindlichen Schiffe gewährten den Flüchtlingen eine kurze Atempause – dann folgte der Fangschuss.
Die Station war für die Bewohner des Planeten ein ebenso selbstverständlicher Teil ihres nächtlichen Himmels gewesen wie der Doppelmond. Jetzt war sie nicht mehr als eine expandierende Trümmerwolke. Die wenigen kaiserlichen Kampfflieger, die noch einsatzbereit waren, flohen – aber es war klar, dass es eine sichere Zuflucht für sie nicht mehr gab.

Der junge Armeeoffizier atmete tief durch, als der letzte Widerstand der Flotte zusammengebrochen war. Jetzt lag die Verteidigung Charkars endgültig in seiner Hand.
Er schauderte, und kniff für einen Moment die Augen zusammen: „Administrator, Sie wundern sich sicher, warum ich Sie habe rufen lassen.“
Der ältere Akarii nickte: „Ich fürchte, Kriegsführung gehört nicht zu den Dingen, in denen ich ausgebildet wurde.“
Vors neigte leicht den Kopf: „Selbstverständlich habe ich meine Truppen bereits in Stellung gehen lassen. Das Gros ist um die Hauptstadt konzentriert, wo der Gegner vermutlich landen wird, FALLS er landet. Ich meine, wir können nicht einfach so kapitulieren. Nicht bedingungslos.“
Adan spürte, wie sich sein Herzschlag beschleunigte. Er erkannte, was ihm der junge Offizier sagen wollte. Eine Kapitulation auch nur in Erwägung zu ziehen war nichts, was zum Ehrenkodex und der Tradition des Imperiums passte.

„Aber unsere Kameraden von der Flotte haben ihr Leben riskiert – und einige haben es auch geopfert – um die Ehre des Imperiums zu wahren. Wenn der Feind landet, dann fürchte ich, werden meine Soldaten und die Irregulären nicht viel mehr als genau das tun können. Gewiss, wenn die feindlichen Soldaten am Boden sind, sind sie verwundbar. Aber sie haben die totale Luftherrschaft, haben Panzer – und die Geschütze der Flotte über uns. Unter normalen Umständen würde die Einsatzdoktrin des Imperiums dennoch verlangen, dass wir kämpfen. Aber unsere Mittel sind im Vergleich zu den zu erwartenden zivilen Opfern in einem solchen Missverhältnis, dass wir…Alternativen in Betracht ziehen sollten.“
Er straffte sich: „Administrator, ich ersuche und ermächtige Sie in meiner Eigenschaft als Oberbefehlshaber, mit dem Gegner über einen Waffenstillstand zu verhandeln – und über weitergehende Fragen.“

Für einen Moment zögerte Adan. Er wusste, Vors ging damit ein großes Risiko ein. Dies konnte leicht seine ewige Entehrung bedeuten, ja die seiner ganzen Familie. Und natürlich konnte es auch für den Administrator Folgen haben – aber die Ehre eines Zivilisten wurde nun einmal anders bewertet, Selbstaufopferung wurde gar nicht von ihm erwartet. Dennoch, es würde Akarii geben – auf dieser Welt und mehr noch auf anderen – für die es schon ein todeswürdiges Verbrechen war, eine kampflose Kapitulation auch nur in Erwägung zu ziehen.
Doch dann verneigte er sich: „Vielen Dank für Euer Vertrauen. Ich werde alles in meiner Macht stehende tun, um mich dessen würdig zu erweisen.“
Er trat nach vorne, nahm auch physisch den Platz des Armeeoffiziers ein: „Rufen Sie den Gegner. Sagen Sie, wir wollen verhandeln.“

Als der Bildfunkmonitor von Statik auf ein Bild umschaltete, zeigte er die Brücke eines Kriegsschiffes, wie Adan erwartet hatte. Doch nicht der Kapitän des Schiffes – eine Menschenfrau – dominierte das Bild. Das Zentrum des Monitors wurde von einem hochgewachsenen, hageren Menschling in Admiralsuniform beherrscht, der sich aus seinem Sessel vorbeugte. Die Sitzgelegenheit wies Sicherheitsgurte auf, war also für Schwerkraftverlust und Erschütterungen eines Gefechts ausgelegt. Die grauweißen Haare kündeten von einem fortgeschrittenen Alter. Der Terraner artikulierte seine Worte bedächtig – obwohl Adan ihn natürlich nicht verstand und die Übersetzung abwarten musste. Es war Jahre her, dass er einen Menschling von Angesicht zu Angesicht gesehen hatte. Vor dem Krieg waren manchmal konföderierte Schiffe nach Charkar gekommen. Es waren aber nie viele gewesen, und die wenigsten Besucher hatten direkten Kontakt mit ihm gesucht. In den letzten Jahren hatte der Administrator die vernunftbegabten wenn auch barbarischen Säugetiere nur auf dem Bildschirm gesehen. In den Filmen, welche die kaiserlichen Unterhaltungsmedien zeigten, tauchten zwar oft Menschen auf – zumeist computergenerierte Simulationen. Da ihre Mimik aber für Akarii unverständlich blieb, schnitten sie meistens so übertriebene Grimassen, gestikulierten so ausholend und legten so viel Emphase in ihre Worte, dass es schon geradezu komisch wirkte. Das war hier – natürlich – nicht der Fall. Die eintönige Stimme des Admirals klang aber deshalb nicht weniger bedrohlich als jede gebrüllte und mit Fäusteschütteln begleitete Tirade des menschlichen Bösewichts aus einem Film.
„Hier spricht Rear-Admiral der Terran Space Navy Chris Mithel, TRS RELENTLESS.“

Adan musste sich zusammenreißen. Er war fast ein bisschen stolz auf sich, dass ihm nicht die Knie weich wurden. Allerdings machte es vermutlich sowieso wenig Unterschiede, ob er seine Würde wahrte oder zu Kreuze kroch. Erwartete der Menschling das vielleicht und würde sich durch ein würdiges Auftreten nur provoziert fühlen?
„Ich bin Oberster Administrator Adan Yukat. Ich spreche auch im Namen der kaiserlichen Streitkräfte. Als Vertreter des Imperiums ersuche ich Sie, über Bedingungen für einen Waffenstillstand zu verhandeln.“
Der Mensch wartete, bis er die Übersetzung gehört hatte. Dann antwortete er – er hob nicht einmal die Stimme: „Waffenstillstand? Denken Sie denn, Sie haben uns etwas anzubieten außer die bedingungslose Kapitulation?“
Vors, der sich außerhalb des Erfassungsbereiches der Bildfunkverbindung hielt, knirschte sichtbar mit den Zähnen. Die Arroganz des Barbaren war selbst für einen nahezu machtlosen kaiserlichen Offizier schwer erträglich.
Der Administrator hatte sich besser im Griff, auch wenn er innerlich vor Empörung zitterte. Was für eine Arroganz! Dies war IHRE Welt, was erdreistete sich der Terraner!
„Ihre Übermacht ist mir nur zu bewusst. Doch Sie wissen, mit welcher Entschlossenheit die Soldaten des Imperiums bereit sind zu kämpfen, wenn sie müssen. Ehe wir über eine Übergabe verhandeln, benötigen wir Garantien für die Angehörigen der Streitkräfte und natürlich für die Einwohner dieser Welt. Wir können und wir werden nicht bedingungslos kapitulieren.“

Der Menschling straffte sich. Er verzog seine schmalen Lippen, so dass die Mundwinkel sacht nach oben zeigten. Es war eine sparsame Bewegung – ganz anders als in den Filmen – und Adan fragt sich unwillkürlich, was sie bedeutete. Wut, Triumph, Verachtung? Die Stimme des Admirals blieb ruhig, sorgfältig modulierte er weiterhin jedes Wort – obwohl diese ja ohnehin übersetzt wurden – und wenn in seiner Rede eine Emotion lag, konnte der Akarii sie unmöglich deuten. Er lauschte mit wachsendem Entsetzen: „Sie verstehen mich nicht. Ich bin an Ihrer Kapitulation gar nicht interessiert. Mein Auftrag ist es nicht zu verhandeln oder zu erobern, sondern die Akarii daran zu erinnern, was es bedeutet, besiegt zu werden. Wie sich eine Niederlage, wie Versagen sich anfühlt. Sie an den Preis zu erinnern, den sie für ihren Krieg zu zahlen haben. Den Preis für Mantikor. Für Hannover. Für Masters. Ich sehe mich leider gezwungen…Ihre Welt zu zerstören.“
Adan spürte einen eisigen Schauer seinen Rücken herunterlaufen. Das konnte der Mensch doch unmöglich gesagt haben, das musste ein Übersetzungsfehler sein! Er öffnete den Mund zu einer Frage, einem Protest, doch der Mensch kam ihm mit einem kurzen Satz zuvor – und diesmal übersetzte er seine Worte gleich selbst in fließendes Sekurr: „Primär- und Sekundärbatterien…FEUER!“ Dann wurde die Verbindung unterbrochen.
Im nächsten Moment brach in der Kommandozentrale das Chaos aus. Meldungen, Befehl, vor allem aber Entsetzensschreie gelten durcheinander: „RELENTLESS feuert Marschflugkörper ab!...Kreuzer Zwei und Drei feuern…Zerstörer…Marschflugkörper mit Ziel…Bordgeschütze feuern!“
Adan Yukat konnte nur hilflos zusehen wie die feindlichen Schiffe Salve um Salve auf ihr wehrloses Ziel abfeuerten, wie die Symbole von einigen Dutzend, einhundert, noch viel mehr Marschflugkörper mit dem Symbol des Planeten, seiner Heimat verschmolzen. Das letzte Bild, das der Hauptbildschirm zeigte, war ein blauer Himmel. Über den schneebedeckten Berggipfeln leuchteten am helllichten Tage Sterne auf – die terranischen Raketen, die in die Atmosphäre eintraten. Die flammenden Punkte erstrahlten immer heller, als wollten sie selbst die Sonne übertreffen.
Dann kam die Dunkelheit.

***

Imperialer Träger QUASAR, terranisch-imperiales Grenzgebiet, Gegenwart

Für einen Moment starrte Admiral Ilis blicklos vor sich hin. Seine altersdürre Hand war um den Griff des Sirah geklammert, als die Waffe das einzige, was ihm Halt blieb – oder als überlege er, seinem Leben hier und jetzt ein Ende zu machen. Dazu gab es natürlich keinen Grund – NOCH nicht – aber dennoch spürte er mit einmal seine Jahre. Spürte etwas, das er sehr, sehr lange nicht mehr so unmittelbar gefühlt hatte: Furcht, und den bitteren Geschmack der Niederlage.
Er hatte Admiral Noltzes Findigkeit Respekt gezollt, mit der sie das Unvermeidbare hinausgezögert hatte. Sie hatte sich als ausgesprochen geschickt erwiesen, jedem Versuch auszuweichen, in eine Ecke gedrängt zu werden. Das konnte natürlich nicht ewig so gehen, aber sie war wirklich eine fähige Gegnerin. Dennoch, das Ende war in Sicht gewesen – hatte Ilis zumindest geglaubt.
Er war so ein Narr gewesen! Hatte sich übertölpeln lassen von einer Kommandeurin, die weit weniger als die Hälfte, vielleicht gar nur ein gutes Drittel seiner Lebensjahre aufzuweisen hatte.

Während die TSN-Kommandeurin mit ihm Katz und Maus gespielt hatte, hatten die Terraner unversehens eine Gegenoffensive gestartet. Diesmal waren sie es gewesen, die nicht weniger als drei Kampfgruppen auf Schleichpfaden tief ins feindliche Gebiet geführt hatten. Dass die Front auf Seiten des Imperiums nahezu entblößt worden war, hatte das Vorhaben der Verbände – die die Menschlinge offenbar nach Ungeheuern aus ihrer Mythologie benannt hatten – deutlich erleichtert.

Die Angriffe für sich waren schlimm genug. Zwar waren die Verluste vom militärischen Gesichtspunkt betrachtet bisher nicht einmal schwer zu nennen. Das Kaiserreich hatte ein halbes Dutzend leichter Kriegsschiffe – keines größer als ein Zerstörer – eine Handvoll Frachter sowie einige Dutzend veralteter Kampfflieger verloren, während die Terraner bisher außer einigen Kampffliegern nur einen Zerstörer verloren hatten.
Aber das war nur ein Teil der Wahrheit. Zum einen hatten die Menschen auch sonst brutal zugeschlagen. Ein Verband hatte die Abbaueinrichtungen im Asteroidengürtel seines Zielsystems verwüstet. Das war nicht annähernd mit den Schäden zu vergleichen, die etwa der junge Taran in Sterntor angerichtet hatte, aber das Imperium konnte sich Verluste seiner Industriekapazitäten momentan kaum noch leisten. Die beiden anderen Angriffe…waren schlimmer gewesen. Die Kampfverbände hatten erst die Verteidigung in den imperialen Systemen vertrieben oder zerschlagen – dann hatten sie die Planeten gezielt ins Visier genommen, beides Kolonialwelten mit zehn bis fünfzehn Millionen Einwohnern.
Auf Charkar waren von den Schiffen der Kampfgruppe SCHIMÄRE neben einigen tausend Schüssen mit den schweren Schiffsgeschützen gut 600 Marschflugkörper abgefeuert worden. Eigentlich genug Feuerkraft, um einen ganzen Kontinent in eine thermonukleare Gluthölle zu verwandeln. Allerdings…die Exocet waren nicht mit ihren üblichen Megatonnen-Gefechtsköpfen bestückt gewesen. Die Menschlinge hatten die Kernsprengköpfe offenbar durch hochexplosive konventionelle Sprengsätze im Gewicht von gut zwei Tonnen ersetzt. Und so betrug der Zerstörungsradius eines Einschlags – verstärkt durch die mehrfache Schallgeschwindigkeit, mit der die Raketen ihr Ziel trafen – gerade einmal 60, 70 Schritte. Splitter und Druckwelle verheerten natürlich ein viel größeres Gebiet.
Die Terraner hatten offenbar genau, verblüffend genau gewusst, worauf sie zielen wollten. Sie hatten die wenigen Militäreinrichtungen auf Charkar förmlich pulverisiert, ebenso die Raumflughäfen. Dann waren industrielle Ziele an die Reihe gekommen – und schließlich die restliche Infrastruktur. Kraftwerke, Umspannstationen, die Brücken der Magnetschwebebahn, welche die Städte des Planeten verband, Kommunikationszentren, Staudämme…

Ilis hatte den Bericht des leitenden Administrators gesehen – dieser Adan Yukat war sichtlich am Ende gewesen, nachdem man ihn nach 48 Stunden aus dem Kommandobunker befreit hatte, dessen Eingangstunnel durch eine Rakete verschüttet worden war. Admiral Mithel hatte seine Ankündigung nicht wirklich erfüllt, aber er hatte der Zivilisation auf Charkar einen schweren, vielleicht tödlichen Schlag versetzt. Gut zwei Drittel der Einwohner fand sich mit einem Mal in einem Notstandgebiet wieder – ohne funktionierende Energie- und Wasserversorgung, ohne Kommunikation, mit vollkommen überlasteten Notdiensten, die immer noch darum kämpften, die ausgebrochenen Brände unter Kontrolle zu bekommen. Die Zahl der Opfer ging vermutlich in die Tausende. Die Zerstörung war nicht annähernd so total wie etwa auf Hannover, verteilte sich aber auf ein wesentlich größeres Gebiet und war einiges präzisier eingesetzt worden.

Zu guter Letzt hatte die RELENTLESS – wie um ihrem Namen Ehre zu machen – der Verletzung noch die Demütigung hinzugefügt. Im Zentrum der Hauptstadt von Charkar hatte seit mehr als einem Dreivierteljahrhundert die Halle der Erinnerung gestanden, sakrales Denkmal und Herz der imperialen Präsenz in einem. Umgeben von einem großen Park hatte sie die unsterblichen Helden geehrte, die bei der Eroberung und Sicherung der Welt gefallen waren, die Männer und Frauen aus der Bevölkerung, die in Krieg und Frieden besondere Taten vollbracht hatten. Die Bevölkerung hatte dort die Siege des Imperiums gefeiert, die Geburt eines Mitglieds der kaiserlichen Familie. Mehr als sieben Jahrzehnte lang – bis die Bordgeschütze des terranischen Kampfkreuzers Park und Halle in einen Krater und einige hundert Hektar verbrannte Erde verwandelt hatten.
Der zweite Angriff war ähnlich gründlich, aber deutlich verlustärmer verlaufen. Der Kommandeur dieses terranischen Flottenverbandes hatte der angegriffenen Welt auf allen Kanälen eine Liste seiner Ziele zugesandt und ihnen zwei Stunden zur Evakuierung gegeben. Dann hatten Geschütze und Raketenwerfer auch hier ihr Zerstörungswerk vollbracht.

Ilis wusste, der Angriff würde zumindest in diesem Frontabschnitt Schockwellen aussenden, die auf dutzenden Welten Nachwirkungen haben würden. Doch es war nicht das, was ihn schockierte. Ihn dauerte natürlich das Schicksal der Bürger des Imperiums – es ging immerhin um Akarii, nicht um Menschen oder Unterworfene. Aber er hatte vor allem in seiner Jugend wesentlich Schlimmeres gesehen, als die kaiserliche Flotte die Welten der Tonari und Soridachi bombardierte und besetzte. Er hatte immer gewusst, wozu die Menschen fähig waren – das hatten sie auf Troffen und Wron bewiesen.
Was ihn jedoch WIRKLICH schockierte war der Umstand, dass die Terraner nicht weniger als anderthalb Dutzend Kreuzer, die doppelte Zahl leichterer Kriegsschiffe sowie mindestens zwei leichte Träger, vermutlich aber auch noch einen dritten Majestic oder gar einen Flottenträger in Schlagreichweite auf das Sektorenhauptquartier Ibari gebracht hatten, ehe die imperiale Aufklärung davon Wind bekommen konnte.
Die Menschen waren noch nicht über Ibarii, aber das konnten sie sehr bald sein, und ihre Marschvektoren wiesen darauf hin, dass sie genau das vorhatten. In einem Moment, da es zwischen ihnen und dem System nichts gab, was sie aufhalten konnte. Und über Ibari stand die YONDER mit ihren Begleitschiffen. Ein Träger, dessen Geschwader sich gerade erst wieder im Prozess der Wiederaufstellung befand, dessen Eskorte auf ein Skelett ihrer normalen Stärke reduziert worden war…
Wenn die Terraner weiter vorstießen, dann konnten sie einen kostbaren Quasar-Träger vernichten, ein halbes Dutzend Kreuzer und zwei Dutzend kleinerer Schiffe. Schlimmer noch, wenn sie Ibari eine ähnliche Behandlung angedeihen ließen wie beispielsweise Charkar, würde das schwere Konsequenzen haben. Oder wenn sie die Sprungverbindungen nach Ibari versiegelten, wie es die Akarii mit der Sprungroute von Mantikor ins terranische Gebiet getan hatten…

Das wäre militärisch eine schwere Niederlage. Und für die Prinzess-Regentin konnte es leicht den Untergang bedeuten. Mit solch einem vernichtenden Rückschlag, der unter ihrer Führung das Imperium getroffen hatte, würden selbst viele ihrer Unterstützer ihre Position überdenken. Selbst wenn er die volle Verantwortung übernahm, ja sogar wenn er rituellen Selbstmord beging, würde es genügend Traditionalisten geben, die die bei vielen verfemte Regentschaft einer Frau als ,Ursache“ der Katastrophe bezeichnen würden – ein Symptom wie der letzte Skandal, der Schande über das Kaiserhaus gebracht hatte.
Dazu DURFTE es nicht kommen. Ilis war die Ironie der Situation nur zu bewusst. Im Versuch, Schlimmeres von Linai abzuwenden, hatte er sich in eine Position manövriert, die umso gefährlich für die von ihm so sehr verehrte Prinzessin war. Es war an ihm, diesen Fehler wiedergutzumachen, gleichgültig, was ihn dies persönlich kosten würde.
Und im Moment gab es nur eines, was er tun konnte – den Rückzug anordnen. Mit höchster Geschwindigkeit in den imperialen Raum zurückzukehren, um die Invasoren zu verscheuchen, vielleicht gar Ibari rechtzeitig zu erreichen, um das Kommando zu übernehmen. Er machte sich wenige Illusionen, dass ihm die zwei terranischen Träger, die er bisher verfolgt hatte, auf dem Fuß folgen würden. Jetzt war es ein Wettrennen.
Er hoffte nur, dass es nicht bereits zu spät war.

Ende
20.03.2019 23:01 Cattaneo ist offline E-Mail an Cattaneo senden Beiträge von Cattaneo suchen Nehmen Sie Cattaneo in Ihre Freundesliste auf
Tyr Svenson Tyr Svenson ist männlich
Captain


Dabei seit: 06.10.2015
Beiträge: 1.030
Herkunft: Jena, Thüringen

Auf diesen Beitrag antworten Zitatantwort auf diesen Beitrag erstellen Diesen Beitrag editieren/löschen Diesen Beitrag einem Moderator melden       Zum Anfang der Seite springen

„Was schert, wer auf dem fernen Throne sitzt?
In uns’rer Hand allein liegt das Geschick des Reiches.“
Ein (meist) namenloser Grenzkommandant aus dem bronzezeitlichen Akarii-Dramenzyklus „Der blutige Himmel“. Nach einer (vermutlich ahistorischen) Bearbeitung des Werks ein Mitglied des Hauses Taran


Auch unter normalen Umständen brauchte ein mit Höchstgeschwindigkeit fliegender Transporter mehr als einen Monat von der imperialen Hauptwelt in den Draned-Sektor. Und inzwischen waren die Umstände schon lange nicht mehr normal. Ganz besonders nicht für den Transporter, auf dem sich Navarr Thelam befand.
Das Schiff war keiner geraden Route gefolgt, sondern einem verwirrenden Zickzackkurs, der es durch unbewohnte Systeme und über kaum benutzte Sprungverbindungen geführt hatte. Die ganze Zeit über hatte das Schiff strikte Funkstille gehalten.
Die Mannschaft und Passagiere des Transporters wussten es nicht, aber ihr Kurs spiegelte die Reise des ehemaligen Kommandeurs des Draned-Sektors, der von diesem Vorposten des zerbröckelnden Imperiums zurück nach Akarr berufen worden war, noch bevor Navarr Thelam das System der Hauptwelt verlassen hatte. Hätten sie es gewusst, sie hätten vermutlich die falschen Schlussfolgerungen gezogen. Und der ein oder andere Bordgenosse Navarrs wäre vielleicht versucht gewesen, etwas Unbesonnenes zu tun, alles zu riskieren in dem Versuch, der imperialen Innenpolitik eine Wende aufzuzwingen.

Aber das war nicht passiert. Die jungen Männer und Frauen, die meist unwillig und keineswegs freiwillig den jungen Thronprätendenten auf seinem Weg in die umkämpfte Peripherie begleiteten, hatten die reichlich zur Verfügung stehende Zeit so gut es ging genutzt. Der ziemlich spartanische Bordsportraum war fast rund um die Uhr in Betrieb – tatsächlich war es bald nötig geworden, Schichten einzuführen. Gleichzeitig war das geistige Training nicht zu kurz gekommen. Elektronische Übungssimulationen wechselten sich mit taktischen und strategischen Rollenspielen ab. Selbstgewählte Vorträge und hitzige Diskussionen über militärische, politische aber auch philosophische Themen sorgten für Abwechslung.

Navarr Thelam bildete sich ein, dass das zum Gutteil sein Verdienst war – aber er war sich der Tatsache bewusst, dass er es alleine niemals geschafft hätte. Nicht ohne Maran Otrano, Dical Katall und einige andere der ‚Halbverbannten‘ wie sie sich inzwischen teilweise spöttisch nannten und die seinen mehr als inoffiziellen ‚Hofstaat im Exil‘ bildeten.
Viele der jungen ‚Passagiere‘ hatten vor Jahren der Offiziersfronde gegen Prinz Jor angehört – oder zu denjenigen, die sich verschworen hatten, den plötzlichen Aufstieg von Haus Allecar zu stoppen. Oder beides. Keiner von ihnen hatte den leichten Weg gewählt. Ihr Scheitern hatte das in den jungen Männern und Frauen brennende Feuer nicht löschen können. Denn es wurde bei vielen von dem alten Bewährungs- und Führungsethos des imperialen Schwertadels genährt. Ein Ethos, der Navarr nur zu vertraut war. Ein gnadenloser Anspruch an sich selbst, hinter dem die nichtadligen ‚Halbexilanten‘ an Bord natürlich auf keinen Fall zurückstehen wollten.
Selbstverständlich ging es auch darum, dass eigene Schicksal wieder selbst in die Hand zu nehmen – oder zumindest um die Illusion, dazu in der Lage zu sein. Darum, eine Perspektive zu haben. DESHALB hatten sich die meisten der abgeschobenen Offiziere und Adligen Navarr angeschlossen – sie brauchten ihn genauso, wie er sie brauchen würde. Auch wenn noch nicht einmal er genau wusste, WOZU…

Irgendwo am Rande der Kernregionen hatten sich vier Zerstörer dem Transporter angeschlossen. Schweigend, ohne die Funkstille zu brechen, hatten die Kriegsschiffe den Transporter begleitet – als Schutz oder Wache? Später war noch ein Minenräumer hinzugestoßen. Die Funkstille war geblieben, ebenso wie der erratische Kurs, der sie ein Dutzend Systeme passieren ließ, die vermutlich noch niemals zuvor mit der Anwesenheit eines Thelam-Prinzen beehrt worden war. Das jedenfalls hatte Lieutenant Katall amüsiert konstatiert und ihnen in jedem der Systeme eine passende Huldigungsadresse vorgetragen, mit der ‚seine Majestät Navarr Thelam‘ begrüßt werden sollte – plus die entsprechende gnädige Ansprache, die der Prinz zu halten hätte. Damit hatte er mehr als einen Lacher auf seiner Seite gehabt – natürlich gab es allerdings auch sonst wenig, was zur Heiterkeit einlud.

Wie ernst ihre Situation wirklich war, wurde offensichtlich, als sie die Grenze des Imperiums erreichten – oder vielmehr das Niemandsland, dass die TSN vor mehr als zwei Jahren aus dem Imperium herausgeschnitten und so den Draned-Sektor vom Rest des Reiches getrennt hatten. Es war keine echte Frontlinie mehr. Tatsächlich hatte es seit mehr als einem Jahr keine größeren Kämpfe mehr gegeben, da sowohl das Imperium als auch die Menschen die meisten Kriegsschiffe an andere Fronten verlegt hatten. Beide Seiten hatten stattdessen die wichtigsten Sprungrouten vermint und die Überwachung der feindlichen Flottenbewegungen durch den Einsatz von Spähsonden und Satteliten so weit wie möglich automatisiert.

Dennoch blieb es ein riskantes Unterfangen, das Niemandsland zu queren. Ein Risiko, dass ein Thelam-Prinz niemals hätte eingehen dürfen. Jedenfalls nicht mit so wenigen Begleitschiffen. Nur waren es eben keine normalen Zeiten. Und die weiterhin schattenhaft bleibenden Kräfte, die hinter Navarrs ‚Exil‘ steckten, hielten es offenbar für sicherer, als ihn auch nur einen Tag länger auf dem Territorium des Kernimperiums zu halten. Entweder das – oder sie spielten noch ein ganz anderes Spiel…
Navarr war jung, vielleicht idealistisch und im gefährlichen Fahrwasser der Hofpolitik immer noch ein relativer Neuling – wie ihn Rallis Thelam immer wieder gerne ins Gedächtnis rief. Aber er war nicht dumm. Und deshalb wusste er natürlich, dass der Durchbruch in den Draned-Sektor eine perfekte Gelegenheit darstellte, falls jemand DIESEN Thronprätendenten sehr viel dauerhafter und sicherer aus dem Spiel nehmen wollte, als durch ein informelles Exil. Ein ‚nachlässig‘ verschlüsselter Funkspruch, den die TSN – und vielleicht auch die Separatisten oder T’rr-Rebellen – auffingen, ein paar ‚vom Schicksal platzierte‘ Antischiffsminen, ein Sprengsatz an Bord des Transporters…

Aber nichts war passiert in den Wochen, die der Durchbruch, der eher eine Schleichoperation gewesen war, gedauert hatte. Und als sie endlich wieder auf imperialem Gebiet waren, hatte sie bereits ein Empfangskomitee in Gestalt des Flugdeckkreuzers KALLEH erwartet. Kommandantin Inas Zanni, eine selbst in Navarrs Augen für ihren Posten noch ziemlich junge Offizierin, war offenbar eingeweiht. Sie hatte sich sofort vergewissert, dass der avisierte Thelam-Prinz tatsächlich an Bord des Transporters und wohlauf war. Zusammen mit den anderen ‚Exilanten‘ war er an Bord der KALLEH gegangen. Einige seiner ‚Leidensgenossen‘ waren sofort in den Dienstbetrieb des Flugdeckkreuzers integriert worden – offenbar hatte Zanni vor dem Aufbruch zu ihrer Mission eine ganze Reihe Offiziere an andere Schiffe abgegeben. Ob die nun ihrerseits Verstärkung brauchten – oder wegen der speziellen Natur ihrer Mission…

Navarr hingegen hatte keinen offiziellen Posten erhalten. Wie Maran und diejenigen der ‚Exilanten‘, die zuvor im zivilen Sektor tätig gewesen waren, war er erst nur ein Passagier gewesen. ‚Tote Fracht‘, wie einer der Exilanten bissig gespöttelt hatte. Aber immerhin hatte Zanni ihm – unaufgefordert – einen umfassenden Rapport zur momentanen Lage im Draned-Sektor gegeben. In den folgenden Tagen war dieser Informationsaustausch vertieft worden.
Es gab genug zu lernen: die Sezessionisten, die Front zur TSN, das Aufrüstungs- und Mobilisierungsprogramm, das Admiral Taran vor seiner Abberufung angestoßen hatte – und seine Verhandlungsinitiative mit der Taran den seit Jahrzehnten mal mehr, mal weniger offenen schwelenden Konflikt mit den notorisch rebellischen T’rr, der sich im Verlauf des Krieges mit der terranischen Republik zu einem regelrechten Großbrand ausgewachsen hatte, zu beendigen beabsichtigte…

Doch abgesehen davon hatte Zanni Abstand gehalten. Was übrigens auch für die meisten Männer und Frauen unter ihrem Kommando galt. Natürlich hatte Navarr keine Willkommenshymnen erwartet. Insgeheim war er sogar froh, nicht ZU begeistert empfangen worden zu sein. Schon mancher Prinz war von unzufriedenen Offizieren aufs Schild gehoben worden, um eine Rolle zu spielen, die er gar nicht wollte. Und die auch Navarr – jedenfalls NOCH – nicht zu übernehmen gewillt war. Und dennoch, ETWAS mehr hatte er schon erwartet – zumindest ein gewisses Interesse, Neugier. Und vielleicht auch den einen oder anderen Versuch, über den Namen Navarr Thelam Bonuspunkte für die eigene Karriere zu sammeln. Etwas, womit er arbeiten und seine immer noch gefährlich ungewisse Situation stabilisieren konnte. Immerhin WAR er Prinz, Thronprätendent und Cousin des verstorbenen Kronprinzen…

Aber stattdessen…
Da war keine offene Feindschaft – aber eine gewisse Reserviertheit, eine unsichtbare Mauer, ein skeptisches Abwarten, unterlegt mit einem Hauch Verbitterung und in manchen Fällen sogar unterschwelliger Arroganz oder kaschierter Verachtung, die er bei vielen Offizieren wahrnehmen zu können glaubte. Auch bei Zanni, obwohl ihre knappe, sardonische bis zynische Art vielleicht auch dem Umstand geschuldet war, dass sie aufgrund ihres Alters und Geschlechts – Frauen dienten zwar schon seit Jahrtausenden in den Streitkräften, auch in Kommandopositionen, was aber nichts daran änderte, dass sie bei einigen ihrer männlichen Kollegen immer noch auf Ressentiments stießen – sich schon früh einen harten Panzer hatte zulegen müssen.
Zuerst hatte Navarr gedacht, dass es an seiner Jugend, seinem fehlenden Offiziersrang oder an der jeweiligen Positionierung der Betreffenden im Streit um den Thron lag. Sicherlich gab es auch im Draned-Sektor etliche, die lieber Linai Thelams ungeborenen Sohn auf dem Thron gesehen hätten. Oder Navarrs Cousin Karrek.
Aber dann war Navarr klar geworden, dass es das nicht war – oder zumindest nicht nur. Der Draned-Sektor war über JAHRE vom Kernimperium getrennt gewesen und schon zuvor bei der Zurverfügungstellung von Nachschub, Truppen und Schiffen vernachlässigt worden.
Auch wenn Zannis Leute im Gegensatz zu einer Reihe ihrer Kameraden dem Imperium gegenüber loyal geblieben waren, sie waren lange auf sich allein gestellt gewesen. Zu lange. Natürlich hatten in den Grenzregionen stationierte Truppen schon seit der Antike immer mit einer Mischung aus Neid und Herablassung auf die Garnisonstruppen der Kernregionen geblickt – aber das hier ging tiefer.
Diese Männer und Frauen hatten auf sich alleine gestellt kämpfen müssen. Akarr hatte ihnen zu viel abverlangt und zu wenig gegeben. Gleichzeitig hatten die Soldaten des Draned-Sektors mit wachsendem Unverständnis und zunehmender Verbitterung ansehen müssen, wie sich auf Akar die verschiedenen Machtgruppen im Kampf um den Thron aufrieben, statt sich auf den Krieg gegen die TSN zu konzentrieren. Einen Thron, den es nach Meinung der Soldaten des Draned-Sektors nur deswegen noch gab, weil Männer und Frauen wie sie die Grenzen des Imperiums verteidigten.
‚Wer auch immer am Ende auf dem Thron sitzt – er wird viel zu tun haben, um diesen Schaden zu reparieren.‘ Denn natürlich war der Draned-Sektor nur EINE Front. Ähnlich musste es an anderen Fronten und in anderen Flottenverbänden aussehen. Unter diesen Umständen machte es auch aus rein praktischen Gründen Sinn, dass man ihn in die Grenzregion geschickt und seinen Cousin Karrek Großadmiralin Rian unterstellt hatte, die einen Großteil der noch für Offensivoperationen zur Verfügung stehenden Großkampfschiffe kommandierte. ‚Die Flotte und die Armee müssen sehen, dass wir sie nicht vergessen haben. Dass das imperiale Zentrum um ihre Bedeutung weiß.
Freilich…wenn einer von uns versuchen SOLLTE, die Grenz- und Frontverbände gegen die Zentralwelt zu führen…‘
Navarr hatte diesen gefährlichen Gedanken rasch verdrängt. So weit war er noch lange nicht. Außerdem war er sich nicht sicher, ob die unterschwellig schwelende Verbitterung dann nicht zu einem Feuer auflodern würde, die den Möchtegern-Imperator, die Thelam-Dynastie – und vielleicht das ganze Imperium verzehrte…

Also hatte er sich in Geduld geübt und darauf konzentriert, soviel wie möglich über den Draned-Sektor und dessen Flotte zu lernen. Auch wenn es ihm schwer fiel, ‚den Kopf unten zu halten‘ und gleichzeitig den Erwartungen und Rollenvorstellungen gerecht zu werden, die ein Thelam-Prinz zu erfüllen hatte. Ein Prinz, der formell allerdings immer noch nur ein Kadett der Flottenakademie von Akar war…
Was ihn ein wenig überrascht hatte, war die trotz der unterschwelligen Verbitterung einiger Offiziere immer noch erstaunlich hohe Kampfmoral an Bord – ein grimmiger Wille zur Selbstbehauptung, der auf dem starren Korsett der Flotten-Traditionen basierte. Und paradoxerweise teilweise eben auch daraus, dass die Männer und Frauen der KALLEH dem Imperium die Treue gehalten und den Draned-Sektor so lange auf sich alleine gestellt verteidigt hatten – und im letzten Jahr sogar in der Lage gewesen waren, weiter auf das Gebiet der TSN vorzustoßen, als jede andere imperiale Flotte vor ihnen. Auch wenn die Flotte von Admiral Taran sich nach einem blutigen Patt unter hohen Verlusten aus dem Parrak-System hatten zurückziehen müssen – der ‚Staub‘ den diese Offensive aufgewirbelt hatte und die Truppen, die die Rikata-Kampfgruppe vernichtet oder gebunden hatten, hatten maßgeblich zum Gelingen von Großadmiralin Rians Gegenoffensive beigetragen. So jedenfalls sahen es die Männer an Bord der KALLEH und Navarr war klug genug, nicht zu wiedersprechen.
Navarr Thelam war sich nicht sicher, was er von dem bisherigen Kommandeur des Draned-Sektors halten sollte. Er hatte Admiral Mokas Taran vor Jahren einmal flüchtig kennengelernt, bevor der wegen seiner Verwicklung in die gegen Kronprinz Jor gerichtete Verschwörung in den Draned-Sektor abgeschoben worden war. ‚Genauso wie jetzt ich.‘
Aber der junge Admiral hatte es anscheinend geschafft, aus Überresten der Garnisonsflotten und versprengten Frontverbänden eine Waffe zu schmieden, die scharf schnitt und auch nach einigen wuchtigen Schlägen nicht zerbrach. ‚Oder jedenfalls ist das das Bild, dass mir Zanni präsentieren will.‘ Aber vielleicht war es ganz gut, dass man Admiral Taran abgelöst und in die Heimat verlegt hatte. Ein Mann seiner Herkunft und so offensichtlich…eigensinniger Loyalität an der Spitze eines unabhängigen Flottenverbandes und eines ganzen Raumsektors…

Doch jetzt hatte das Warten offensichtlich ein Ende. Nach Wochen, in denen der kleine Flottenverband aus inzwischen einem Flugdeckkreuzer, vier Zerstörern, einem Minensucher und einem Transporter mehrere anscheinend unbewohnte Systeme passiert hatte, würde der nächste Sprung sie an ihr – vorläufiges – Ziel bringen. Was Navarr dort allerdings erwartete, das war in mehr als einer Hinsicht immer noch ungewiss…

Navarr Thelam warf einen Blick in die Runde. Die Brücke der KALLEH unterschied sich deutlich von den wenigen Kommandozentralen, die er bereits hatte besichtigen können. Sie war kleiner und kompakter als auf einem Träger, aber mehr als anderthalb mal so groß wie die Brücke eines Kampfkreuzers oder Großtransporters. Besonders auffällig war die Zahl und Ausstattung der Feuer- und Flugleitstationen sowie die ECM/ECCM-Ausstattung, die selbst die modernsten Flottenträger in den Schatten stellte.
Das Design war natürlich traditionell-spartanisch und trotz der äußerst effizienten Platzausnutzung wirkte der Raum fast überfüllt. Was auch daran liegen mochte, dass Captain Zanni Navarr und zu seiner Überraschung auch Maran Otrano aufgefordert hatte, anwesend zu sein. Es hatte wohl DOCH seine Vorteile, aus dem Hochadel zu kommen…

Navarr Thelam zwang die in ihm aufsteigende Nervosität zurück. Inzwischen hatte er Übung darin. Kurz empfand er einen irrationalen Anfall von Eifersucht. Gegenüber dem abwesenden Admiral Taran, der anscheinend jede persönliche Niederlage in einen Sieg umwandeln und sich dabei auch gegen jahrtausendealte Traditionen stellen konnte, gegenüber Captain Zanni, die als eine der jüngsten Schiffskommandeurin der Gegenwart offenbar mühelos eines der modernsten Schiffe der imperialen Flotte kommandieren konnte…
„Captain, die KALLEH ist bereit zum Sprung.“
Zanni nickte dem Navigator zu, die Stimme knapp und beherrscht, die schlanke Gestalt in dem Kapitänssessel hoch aufgerichtet: „Danke. Kommunikation?“
„Alle Schiffe sind sprungbereit.“
„Ausgezeichnet. Navigator, Starten Sie den Countdown.“
„Zehn, Neun, Acht…Drei, Zwei, Eins. Sprung.“

Der Übergang geschah wie immer zwischen zwei Herzschlägen, unmöglich mit Sinnen zu erfassen, die niemals dafür gedacht waren, den Sprung durch den Hyperraum wahrzunehmen. Navarr musste mit einem kurzen Schwindelgefühl kämpfen und schob diese Schwäche energisch beiseite.
Nach den Wochen und Monaten, die er auf dem Flug durch praktisch unbewohnte Grenzsysteme verbracht hatte, war der Anblick, dass sich ihm jetzt bot, auf eine seltsame Art und Weise ergreifend. Im All schwebte eine einsatzbereite imperiale Kampfgruppe:
Ungefähr achtzig Schiffe, darunter fast zwanzig Kreuzer und über dreißig Zerstörer, dazu zahlreiche Hilfseinheiten sowie Hilfsträger, Schnellboot-Mutterschiffe und ein weiterer Flugdeckkreuzer – und als Herz des Verbandes ein gigantischer Flottenträger.
„Captain, Funkspruch von der KAHAL. Operation BRÜCKENSCHLAG läuft wie geplant und ist im Zeitlimit. Erwartete Ankunftszeit vier Stunden.“
„Gut. Hoheit…bitte kommen Sie mit. Und ihre Begleitung ebenso.“ Kurz zuckte es um Zannis Mundwinkel: „Es wird Zeit, dass Sie einige Leute kennen lernen...“
01.06.2019 14:33 Tyr Svenson ist offline E-Mail an Tyr Svenson senden Beiträge von Tyr Svenson suchen Nehmen Sie Tyr Svenson in Ihre Freundesliste auf
Ace Kaiser Ace Kaiser ist männlich
Lieutenant General


images/avatars/avatar-461.gif

Dabei seit: 01.05.2002
Beiträge: 7.038

Auf diesen Beitrag antworten Zitatantwort auf diesen Beitrag erstellen Diesen Beitrag editieren/löschen Diesen Beitrag einem Moderator melden       Zum Anfang der Seite springen

„Admiral, Captain Schneider ist jetzt da“, erklang die Gegensprechanlage auf dem Schreibtisch von Admiral Mbato.
„Soll reinkommen.“ Der Vize-Admiral, derzeit Interimskommandeur der Navy im Texas-System, warf einen letzten Blick in die Akte vor sich, nahm einen letzten Schluck Kaffee und erhob sich dann, um seinem Besucher entgegen zu treten. Der neue Kapitän der ALBERT EINSTEIN war ein zugegeben interessanter Mann mit einer teils aufregenden, teils zwielichtigen Vergangenheit, aber in den letzten beiden Jahren schien er mehr richtig als falsch gemacht zu haben. Tjore Mbato hatte sich daher fest vorgenommen, sich selbst eine Meinung vom „Mann von Eurydike-Nebel“ zu bilden, anstatt sich auf Hörensagen und die Akte zu verlassen. Immerhin war dieser Mann derjenige, der die Grundlage dafür legen sollte, dass das Texas-Manticore-Wurmloch eines Tages wieder für die Raumfahrt geöffnet werden konnte, nachdem die Akarii es mit Hilfe einer Antimaterie-Mine gewaltsam geschlossen hatten. Zugegeben, das war hilfreicher als behindernd, denn solange das Oberkommando nicht beschloss, das Manticore-System und Trafalgar zurückzuerobern und die Akarii weiterhin eine starke Wachflotte im System bereithielten, deren Schiffe logischerweise anderweitig fehlten, war es eine gute Sache, dass nicht nur die Terraner einen weiten Weg gehen mussten, um Manticore zu erreichen, sondern auch die Akarii, um ihrerseits nach Texas zu kommen.

Die Tür öffnete sich, und Schneider trat ein. Der Mann war groß, nicht hässlich, aber auch nicht hübsch oder klassisch schön. Er wirkte austrainiert, wie man es von einem Führungsoffizier der Navy erwarten konnte, obwohl oder gerade weil er ein Forschungsschiff der Terran Space Navy kommandierte. „Admiral, ich melde mich wie befohlen“, sagte Justus Schneider mit einem Salut.
Mbato erwiderte den Salut und ging dann auf ihn zu, um Schneider die Hand zu reichen. „Freut mich, Sie zu sehen, Captain Schneider. Mit der Übernahme der ALBERT EINSTEIN hat alles soweit geklappt?“
Für einen Moment wirkte Schneider überrascht. „Es war von Vorteil, dass ich meine Leute mitnehmen durfte. Die ALBERT EINSTEIN ist gerade erst übergeben worden und alles an Bord riecht noch brandneu. Ob alles geklappt hat, werde ich nach einer ausgiebigen Manöverphase wissen.“
„Das klingt doch nach einem Realisten“, sagte der Admiral mit einem Grinsen und deutete auf die Couchecke und den dort bereit stehenden Kaffee. „Setzen Sie sich, Schneider. Trinken wir einen Kaffee zusammen und plaudern wir ein wenig.“
„Ja, Sir.“ Schneider nahm gegenüber Mbato Platz, bedankte sich und ließ sich von der Ordonnanz, die wie auf Stichwort eintrat, Kaffee in die bereitstehende Tasse einschenken. Auch der Admiral wurde bedient, dann verschwand die Ordonnanz, ein Petty Officer, wieder in der Pantry.
„Was wollen Sie wissen, Sir?“
„Oh, das Meiste haben Sie mir schon gesagt. Zum Beispiel, dass Sie die Crew erst einmal auf der ALBERT einarbeiten wollen, indem Sie einige Übungen fahren werden. Aber ich fürchte, Ihre Forschungen müssen unabhängig davon bereits jetzt beginnen.“ Er sah Schneider Skepsis und lachte. „Keine Sorge. Ich erwarte, dass Sie genügend Zeit haben werden, Ihre Leute zu trainieren, während Professor Jorgensson und Commander Jamison-Bowyer mit der Forschungsarbeit am von den Akarii geschlossenen Wurmloch beginnen. Commander Bak, der Kapitän der WARDRUM, der auch das Wachkommando Manticore befehligt, beschwert sich jedenfalls jeden einzelnen Tag über die Ereignislosigkeit auf seinem Posten. Und er hat ihn erst einen Monat inne.“ Mbato gluckste wie über einen guten Witz.
Schneider entschied sich, höflich mitzulachen. Natürlich war der Wachdienst an einem künstlich geschlossenen Wurmloch eine langweilige Geschichte, noch langweiliger als an einem geöffneten Wurmloch abseits der Schifffahrtslinien. „Wachkommando?“
„Die WARDRUM, ein Duquesne-Zerstörer, sowie die LOOKOUT und die SPRUANCE, beides Fregatten der Perry-Klasse. Sie patrouillieren das Wurmloch auf unserer Seite und hegen und pflegen das Minenfeld, das wir gleich nach Kriegsausbruch auf unserer Seite angelegt haben. Zweifellos wie auch die Akarii auf der anderen Seite.“
„Zweifellos“, sagte Schneider.
„Jedenfalls hat Bak Wachdienst am Wurmloch. Es ist sein erstes Kommando nach dem Perisher. Wir haben ihm die WARDRUM gegeben, damit er Erfahrung in der Führung eines Verbandes sammeln kann. Vor allem bei den Routineaufgaben, die über einem Offizier hereinbrechen, wenn man für mehr als ein Schiff die Verantwortung trägt. Sie werden ihn mögen, Schneider, er ist einer der jungen Offiziere mit Kragenschmerzen.“
„Na, danke“, sagte Schneider in einem Tonfall, der klang, als hätte ihm jemand empfohlen, sich vorsätzlich mit Krätze infizieren zu lassen. Kragenschmerzen, das war das Codewort für den Drang von Offizieren der TSN, sich auf Teufel komm raus im Krieg auszuzeichnen und Belobigungen und Medaillen einzuheimsen. Und natürlich Akarii zu töten, je mehr, desto besser.
Mbato lachte erneut. „Geben Sie ihm eine Chance, Schneider. Ich unterstelle ihn Ihrem Kommando, damit er nicht in Ihre Forschung reinpfuschen kann, aber ich erwarte, dass Sie die richtige Balance dabei finden, sich nicht zu sehr in die Verbandsführung einzumischen und ihm gleichzeitig ein wenig beizubringen.“
„Hören Sie, Admiral, auch wenn es so ausschaut, als würde ich in nächster Zeit nur Däumchen drehen, während Professor Jorgensson und Commander Jamison-Bowyer die ganze Arbeit machen und ich theoretisch dann die Zeit hätte, Babysitter für einen frischgebackenen Perisher-Absolventen zu spielen – die nächsten Wochen und Monate werden für uns alle anstrengend, alleine um mit der ALBERT EINSTEIN vertraut zu werden.“
Mbato lächelte ein sehr falsches Lächeln. Seine blonden Augenbrauen stießen auf seiner gut gebräunten Stirn fast zusammen. „Ich möchte das klarstellen, Justus. Ich darf Sie doch Justus nennen? Als ich mich entschieden habe, Bak unter Ihr Kommando zu stellen, habe ich dies getan, nicht nur weil Sie der erfahrenere Kommandeur sind, sondern damit Sie und die EINSTEIN den Rücken frei haben, ohne dass Ihnen ein Amateur in den Nacken springt, der meint, sich in irgendeiner Form behaupten zu müssen. Um Bak das aber zu verkaufen und um zu verhindern, dass er Sie fortan in jeder Form behindert, die ihm einfallen würde, Justus, musste ich ihm die Sache, nun, schmackhaft machen, Sie verstehen? Ich habe Sie und Ihre Fähigkeiten besonders hervorgehoben, Ihre Kampagnen, Ihre Auszeichnungen, die Schlacht am Eurydike-Nebel, Ihre Zeit unter Mithel, und, und, und. Es ist vielleicht ganz hilfreich, dass er Sie... sagen wir bewundert, soweit er von Ihnen gehört hat, Justus.“
„Hrm!“, machte Schneider, keinesfalls überzeugt.
„Verstehen Sie mich nicht falsch. Wären Sie nicht derart kampferfahren und hätten Sie nicht diese beeindruckende Liste an Schlachten aufzuweisen, sondern Sie wären ein Kutschfahrer für die Wissenschaftler auf Ihrem Schiff, hätte ich schon dafür gesorgt, dass Bak militärisch das letzte Wort gehabt hätte. Sehen Sie es als Zeichen meiner Gunst an, Justus.“
Schneider beschloss, klein beizugeben. Die Option, dass er auf den Kommandeur der Wachflotte hören musste, war keinesfalls eine nette Option. „Okay, Admiral, und wie soll diese Unterstützung aussehen?“
„Sie halten sich aus der Führung des Verbandes, den Bak kommandiert, raus, zumindest aus dem Tagesgeschäft. Es passiert eben halt nicht so viel an einem bis an den Rand verminten, geschlossenen Wurmloch, und das Einzige, was zu tun ist, das ist, mögliche Spione abzuwehren, die sich im Texas-System herumtreiben und die Minenfelder vermessen und Daten sammeln wollen, während man zeitgleich darauf wartet, dass das Wurmloch doch wieder aufgeht. Daher werden Sie nicht viel zu tun haben. Sehen Sie es als eine Art Superviser-Funktion an. Gehen Sie einmal am Standardtag mit Bak durch seine Arbeit, nur zehn Minuten, das reicht vollkommen. Seien Sie ihm ein Beispiel. Verbessern Sie ihn.“
„Ihnen ist klar, dass ich selbst nie einen Verband geführt habe, sieht man einmal von den Resten der Eurydike-Kampfgruppe ab?“
„Das ist mir klar. Aber ich weiß, dass Sie das können, und das können Sie auch besser als Bak. Sollte es tatsächlich doch zu einer unerwarteten Situation kommen, Justus, habe ich lieber Sie im Kommando. Verstehen wir uns?“
„Ja, Sir. Ich denke, das werde ich hinkriegen.“
Der Admiral nickte zufrieden und erhob sich, das sichtbare Zeichen dafür, dass das Gespräch für ihn beendet war. „Danke, dass Sie sich die Zeit genommen haben, persönlich zu kommen, anstatt mich mit einem Lichtspruch abzuspeisen. Ich tue für Sie und die EINSTEIN, was immer ich kann, um Sie und Commander Jamison-Bowyer und Professor Jorgensson so gut zu unterstützen, wie es mir möglich ist. Und es ist wirklich eine ganze Menge möglich, wenn man die Flotte im Texas-System kommandiert, Captain Schneider.“ Bei diesen Worten strahlte Mbato ein Lächeln wie für eine Zahnpasta-Reklame. Er streckte Schneider die Hand entgegen, der ohne zu zögern zugriff.
„Eine Frage habe ich noch, Sir, aber eher eine private.“
„Sie wollen wissen, warum ich ein blonder, weißer Mann bin, aber Mbato heiße, richtig?“
„Äh, ja, Sir.“
„Ich bin Namibianer, Justus. Wir haben da seit der prästellaren Zeit eine starke europäisch-deutsche Präsenz aus der Kolonialzeit, aber es ist eben wie es ist, und über die Jahrhunderte, gerade in den Poststellaren, haben wir uns kräftig vermischt. Und es ist gut so, wie es ist. Beantwortet das Ihre Frage?“
„Ja, Sir. Das tut es. Bitte entschuldigen Sie mich, mein Schiff braucht mich jetzt.“
„Natürlich, Justus. Ich erwarte regelmäßig Ihren Rapport.“
„Verstanden, Sir.“ Der Captain salutierte erneut vorschriftsmäßig vor dem Admiral, und dann verließ er das Büro so zackig, wie er es betreten hatte.
Mbato beschloss, Schneider auf die Liste der Personen zu setzen, die er mochte. Er war gespannt, für welche Überraschungen der schnell aufgestiegene Offizier noch gut sein würde.

__________________
Ace Kaiser,
Angry Eagles

Corrand Lewis,
Clan Blood Spirit

Ace bloggt!

Dieser Beitrag wurde 1 mal editiert, zum letzten Mal von Ace Kaiser: 30.06.2019 22:42.

30.06.2019 20:40 Ace Kaiser ist offline E-Mail an Ace Kaiser senden Beiträge von Ace Kaiser suchen Nehmen Sie Ace Kaiser in Ihre Freundesliste auf
Ironheart Ironheart ist männlich
Lieutenant


images/avatars/avatar-26.gif

Dabei seit: 16.01.2003
Beiträge: 622

Themenstarter Thema begonnen von Ironheart
Auf diesen Beitrag antworten Zitatantwort auf diesen Beitrag erstellen Diesen Beitrag editieren/löschen Diesen Beitrag einem Moderator melden       Zum Anfang der Seite springen

PLATZHALTER

__________________
"Das Leben ist das was einem passiert, während man andere Pläne schmiedet." John Lennon

Mitglied der Autorenkooperationen "Dantons Chevaliers" und "Hinter den feindlichen Linien"
02.07.2019 13:45 Ironheart ist offline E-Mail an Ironheart senden Beiträge von Ironheart suchen Nehmen Sie Ironheart in Ihre Freundesliste auf
Tyr Svenson Tyr Svenson ist männlich
Captain


Dabei seit: 06.10.2015
Beiträge: 1.030
Herkunft: Jena, Thüringen

Auf diesen Beitrag antworten Zitatantwort auf diesen Beitrag erstellen Diesen Beitrag editieren/löschen Diesen Beitrag einem Moderator melden       Zum Anfang der Seite springen

„Es ist egal, ob die Katze weiß oder schwarz ist. Die Hauptsache ist, dass sie Mäuse fängt.“
Der chinesische Politiker Deng Xiaoping



Ein paar Stunden nach seiner Ankunft auf der KAHAL hatte Navarr Thelam begriffen, dass er anscheinend einiges falsch verstanden – oder sich Illusionen gemacht hatte. Die Flotte des Rikata-Sektors war keineswegs geschlossen. Weder im Inneren, noch bezüglich ihres ehemaligen Oberkommandierenden. Jedenfalls galt das für die oberen Rängen der Kampfgruppe.
Da gab es alternde Veteranen der vorletzten Generation und überlebende Jor-Loyalisten, die damit leben mussten, dass ihr Idol für viele Kameraden inzwischen als einer der Hauptgründe für die militärischen Rückschläge der letzten Jahre galt. Und es gab junge ‚Tsche’tani‘*, die sich beweisen und das Imperium nach IHREN Vorstellungen neu gestalten wollten. Verbittert waren sie allerdings alle – zumindest DA war seine Analyse richtig gewesen. Und sie alle warteten. Wenn auch nicht auf Navarr Thelam.
Er warf einen Blick auf die im Haupthangar der KAHAL angetretenen Offiziere und Mannschaften und sah Skepsis, Erwartung, Ungeduld – manchmal alles auf einmal, in ein und demselben Gesicht.
Natürlich nicht bei den Marineinfanteristen der Ehrenformation: die Lasergewehre stramm vor dem Körper, mit steinernen Gesichtern und scheinbar in die Unendlichkeit starrenden Augen, die nichts verrieten.
Die Augen der anderen Männer und Frauen hingegen waren auf das landende Shuttle gerichtet. Das Shuttle, dass nach dem Weggang von Admiral Taran die neue – und vermutlich auch bessere – Hoffnung für den Draned-Sektor brachte. ‚Und das bin nicht ich.‘

Das Shuttle setzte auf, und während die Seitentüren aufglitten, ging eine Welle durch die Angetretenen, als sich die Männer und Frauen unwillkürlich strafften. Eine Reaktion, die Navarr unwillkürlich imitierte, als acht Marineinfanteristen aus dem Shuttle ausbooteten und sich rechts und links der Raumfähre positionierten.
Aus den Augenwinkeln sah Navarr, wie die neben ihm stehende Zanni spöttisch grinste und dem neben ihr stehenden Captain etwas zuflüsterte. Koron Ka’wal war ein junger adliger Offizier, Kommandeur einer Kreuzerdivision, hochadlig, talentiert und sehr von sich überzeugt. Eigentlich genau die Sorte Offizier, die Navarr als aussichtsreichen Kandidaten für seinen inoffiziellen ‚Bund der Verbannten‘ ins Auge gefasst hätte. Aber Ka’wal war Captain, Navarr nur ein Kadet. Außerdem war Ka’wal ein Jor-Loyalist, Er gehörte damit nicht nur zu einer aussterbenden Gattung, sondern war deshalb vermutlich auch denkbar ungeeignet dafür, zu Navarrs kleiner ‚Fraktion der Verbannten‘ zu stoßen. Navarr Thelam konzentrierte sich auf die leisen Worte von Ka’wals Kollegin: „…Theater hätte Taran verzichtet.“
„Weil er wusste, dass das bei ihm ganz einfach nur lächerlich gewirkt hätte.“

Falls Captain Zanni etwas antwortete, dann nahm es Navarr nicht mehr bewusst wahr, weil das alles plötzlich in den Hintergrund trat, angesichts der Gestalt die mit arrogant wirkender Lässigkeit und unterschwellig bedrohlicher Eleganz aus der Shuttlelucke trat.

Trotz seiner Jugend hatte Navarr Thelam bereits zahlreiche hochrangige Offiziere kennengelernt – eine zwangsläufige Begleiterscheinung seiner Herkunft und Ausbildung. Sein kürzlich errungener Status als möglicher Thronprätendent und halboffizieller Verbündeter des gut vernetzten Rallis Thelam hatte ein Übriges getan. Aber jemand wie Admiral Kjani Rau war ihm noch nie begegnet. Er verweigerte sich jeder Kategorisierung. Er war eine Klasse für sich.

Was vermutlich ein Grund dafür war, dass der Flottenführer, dessen Kreuzerkrieg die TSN aus dem Konzept gebracht und angeblich den menschlichen Vormarsch um mindestens ein Jahr verzögert hatte, am Hof und in Teilen der Admiralität nicht sehr beliebt war. Noch vor Jor Thelams Tod war er trotz seiner Siege auf einen nachrangigen Posten abgeschoben worden, obwohl er kein Mitglied der gegen den Kronprinzen gerichteten Offiziersfronde gewesen war – allerdings auch nicht einer von Jors Bewunderern oder Gefolgsleuten. Aus der Unterschicht einer unzivilisierten Peripheriewelt kommend, verkörperte Rau tatsächlich fast alles, was standesbewusste Akarii wie Jor verabscheuten.
Vor allem die Männer: Kjani Rau hatte in den zwanzig Jahren seiner Laufbahn nicht nur drei Ehefrauen, sondern angeblich auch mindestens zwei Dutzend Affären gesammelt – meist mit Frauen, die sozial über ihm standen. Dass er die Frechheit gehabt hatte, die daraus resultierende Duelle zu GEWINNEN – oder zumindest ein ‚Unentschieden‘ herauszuschlagen – machte ihn nicht beliebter.
Dazu kam das gut entwickelte Ego des Admirals, der sich einem Bonmot Rallis Thelams zufolge seiner Taten nicht ohne Grund, aber ohne Ende zu rühmen pflegte. Angeblich hatte Raus Popularität Jors Eifersucht und Misstrauen in dem Maße befeuert, wie der militärische Stern des Kronprinzen sank. Dazu kam Raus politisch wenig opportune Fairness gegenüber unterlegenen Feinden, lange bevor Männer wie Dero Allecar und Tobarii Jockham – mit begrenztem Erfolg – daraus eine Art Mode zu machen versucht hatten. Raus Freundschaft mit Admiral Hahdas Gren, der nach Jors Tod Kanzler Gor ermordet hatte, hatte dazu geführt, dass sich auch in den letzten Monaten kein neuer Posten für Rau gefunden hatte. Doch das war offenbar vorbei…

Viele Flottenoffiziere versuchten, dem Ideal eines durchtrainierten, sportlichen Körpers gerecht zu werden. Angeblich wohnte nur in einem gesunden – oder asketischen – Körper ein wacher, kriegerischer Geist. Tatsächlich gab es für dieses anachronistische Vorurteil einen praktischen Grund. Platz war an Bord eines Kriegsschiffes kostbar, ob auf hoher See oder im Weltraum. Jeder zusätzliche Zentimeter Deckenhöhe oder Gangbreite eines Kriegsschiffs kostete Material, Schubkraft und damit Beweglichkeit, Reichweite und Beschussfestigkeit. Auch wenn man inzwischen großzügiger baute - viele kleinere Schiffe, alte Raumstationen, Späh- und Horchposten waren immer noch sehr knapp konstruiert und nichts für Ungeschickte oder Übergewichtige
Kjani Rau allerdings…überragte jeden der angetretenen Offiziere und selbst die meisten Marineinfanteristen um Haupteslänge und war vermutlich doppelt so breit und schwer wie etwa Marschall Parin oder Admiral Taran. Und das alles, ohne auch nur einziges Gramm überflüssiges Fett – nur Muskeln, Sehnen, Knochen und ein grenzenloses Selbstbewusstsein. Dieser Mann hätte Modell für das Idealbild eines Kaiserlichen Gardisten oder eines antiken Sturmläufers stehen können. ‚Allerdings…bei seinem Ego müsste es schon die Statue eines Halbgottes sein.‘

Natürlich setzte Rau auch mit seiner Kleidung eigene Akzente. Die grau-schwarze Dienstuniform der imperialen Navy war ebenso einschüchternd wie praktisch. Männer und Frauen, die ihre Verachtung für Glamour und Prunk als ein Banner vor sich her trugen wie ihre Verpflichtung gegenüber dem Imperium, trugen sie wie eine zweite Haut – selbst bei Gelegenheiten, bei denen die wesentlich prachtvolleren Galauniformen angesagt waren. Im Kontrast dazu standen die ermüdeten Zyniker, die wussten, dass sie den Höhepunkt ihrer Kariere längst überschritten hatten. Auf nachrangige und Provinzposten abgeschoben, vernachlässigten sie aus Gleichgültigkeit – oder bewusst – den Comment der Flotte, der ein makelloses Äußere und eiserne Selbstdisziplin verlangte. Auf Akar begegnete man solchen Figuren seltener. Im Draned-Sektor war das vermutlich anders, auch wenn die Rikata-Kampfgruppe einen bemerkenswert hohen Kampfgeist zeigte.

Kjani Rau trug keine Galauniform, auch wenn sie für diese Gelegenheit durchaus angemessen gewesen wäre, sondern eine Dienstuniform, gab ihr aber mit einer blutroten Ehrenschärpe eine besondere Note. Diese Auszeichnung musste ihm – unter anderem – für seine Kreuzeroffensive verliehen worden, ebenso wie das Dreeh-Schwert, dass an der Schärpe hing. Bei diesem handelte es sich nach Navarrs Einschätzung weder um eine Zierklinge noch eine moderne Waffe sondern um etwas sehr viel selteneres – ein echtes antikes Kampfschwert. Und nach dem, was er gehört hatte, war Rau auch mehr als in der Lage, diese Waffe zu führen. Dank seiner Statur konnte der Admiral das lange, anderthalbhändige Kampfschwert problemlos an der Seite tragen, während kleiner gewachsene Offiziere Gefahr liefen, über die eigene Waffe zu stolpern. Das war EINER der Gründe, warum nicht wenige Männer und Frauen den kürzeren Sirash-Säbel bevorzugten. Außerdem hatte Rau es sich nicht nehmen lassen, sämtliche seiner zahlreichen Orden anzulegen, obwohl das zur Dienstuniform eigentlich nicht üblich war. Wäre der Admiral nur ein wenig kleiner oder schmaler gebaut gewesen, hätte seine Brust vermutlich nicht genug Platz für die Auszeichnungen geboten, die ihm das Imperium sowie diverse Lokalverwaltungen und sogar einige Adelshäuser verliehen hatten – trotz des fragwürdigen Rufs des Admirals.
Navarr fragte sich, ob es Rau mit seinem Individualismus nicht ein wenig weit trieb. Raus Vorgänger hatte praktisch immer Dienstuniform getragen. Ohne Extravaganzen, ohne Orden – vielleicht, weil er nicht allzu viele vorzuweisen hatte. Und auch ohne sein Dreeh, obwohl Taran für sein gutes Abschneiden an der Akademie eines erhalten haben musste. Vielleicht stimmte ja die Geschichte, dass Admiral Taran – nach der Zerschlagung der Offiziersfronde aufgefordert, sein Schwert vor der Abreise ins Exil in Schande zurückzugeben – dieses kurzerhand zerbrochen und die Bruchstücke mit der Botschaft zurückgesandt hatte, die Klinge sei leider im Kampf für das Imperium geborsten.

„MÄNNER UND FRAUEN DER RIKATA-KAMPFGRUPPE!!“ In der Stimme von Kjani Rau schwang ein harter, metallischer Befehlston mit, der wohl nicht nur Untergebene einschüchtern mochte. Und die Worte waren so laut, schienen den gesamten Trägerhangar zu füllen, dass Navarr unwillkürlich zusammenzuckte. Dann begriff er – Rau musste ein Mikrofon tragen, das mit den Hangar-Lautsprechern gekoppelt war. Offenbar überließ er nichts dem Zufall.
„Ihr habt den Draned-Sektor verteidigt. Als andere, schwächere Soldaten wankten und das Imperium verrieten, seid ihr standhaft geblieben. Ihr habt dem Reich die Treue gehalten, auf euch alleine gestellt, ohne Nachschub oder Verstärkung…“

Das war so nicht ganz richtig, aber vermutlich das, was die meisten Männer und Frauen der Kampfgruppe hören wollten. Ganz besonders an Bord der KAHAL.

„Ihr habt die Fackel des Krieges tiefer in Feindesland getragen, als jede andere imperiale Flotte und habt eines der am stärksten befestigten Systeme der Republik in Brand gesetzt. Ohne eure Treue, euren Mut und eure Opferbereitschaft gäbe es keinen Draned-Sektor mehr. Keinen Sieg über die Große Armada. Und vielleicht nicht einmal ein Imperium. An eure Spitze zu treten erfüllt mich mit Stolz.“

Das war nun wirklich dick aufgetragen. Andererseits…
Eine Vernichtung der Rikata-Kampfgruppe, der dann unvermeidliche Zerfall des kompletten Draned-Sektors und eine Niederlage von Großadmiralin Rian, welche die letzten frei verfügbaren Offensivreserven des Reichs in die Schlacht geworfen hatte, wäre – trotz des vorherigen Sieges über die Konföderation – vielleicht tatsächlich der Schlag gewesen, der dem Imperium den Rest gegeben hätte.

„Soldaten, Ihr alle habt von meinen Siegen gehört! Ihr wisst, dass die Triumphe, die ihr bisher errungen habt, nur der Anfang sein können und sein werden! Wir haben dem Feind eine Schlappe zugefügt, seinen Angriff ins Stocken gebracht – doch noch ist er nicht geschlagen. Solange auch nur eine einzige imperiale Welt in der Hand der Menschen oder in den Fängen von Verrätern und Rebellen bleibt, solange ist dieser Krieg nicht vorbei!
Unter Admiral Taran habt ihr dazu beigetragen, die Niederlage des Imperiums aufzuhalten. Unter meinem Kommando werden wir das Patt in einen Sieg verwandeln! Über die Verräter und über die Republik! Wir werden Furcht und Verzweiflung in die Herzen unserer Gegner sehen. Wir werden dafür sorgen, dass wann immer eine imperiale Flotte in ein System springt, der Feind weiß, dass er bereits verloren hat!“

Es waren weniger die Worte. Die waren nicht wirklich originell – zumindest nicht für jemanden, der Erfahrung mit den Reden hatte, mit denen Akarii-Generäle und -Admirale seit der frühen Antike Männer und Frauen dazu motivierten, in die Schlacht zu ziehen.
Es war die felsenfeste Überzeugung, die aus Raus Worten sprach, eine unerschütterliche Gewissheit, die ein Scheitern oder Zweifeln nicht einmal in Betracht zu ziehen gewillt waren. Und dazu kam natürlich das, was Rau bereits geleistet hatte. Seine Siege gaben den Worten zusätzliches Gewicht und Wucht – genug, um die Angetretenen mitzureißen zu einem donnernden Beifall, als der Admiral den rechten Arm nach Oben riss. Und Navarr Thelam ertappte sich, wie er einstimmte in das Hundertfache Echo, die Faust zur Decke des Trägerhangars emporgereckt. Als wäre er ein einfacher Kadett. Was er natürlich irgendwie auch war.

Inzwischen hatte Admiral Rau Captain Captain Wor Matir erreicht, Kapitän der KAHAL und Interimskommandeur der Rikata-Kampfgruppe. Ein scharfer Salut, die Übergabe der Kommandocodes gefolgt von einem festen Handschlag, wie er spätestens seit der Spätantike unter den Kriegern des Imperiums üblich war – die linke Hand prüfend am Unterarm und der Schulter des Gegenüber – und die Kommandoübergabe war formal abgeschlossen. Wenn Rau gleichzeitig auch das Kommando der KAHAL übernommen hätte, hätte er noch auf den Herzstein des Schiffs schwören müssen, aber dergleichen war nicht üblich, wenn der Kommandowechsel die Flotte und nicht das Schiff betraf. Zumindest bei einer Einheit, die so improvisiert aufgestellt worden war – immerhin handelte es sich bei der Rikata-Kampfgruppe nicht um die Heimatflotte von Akar oder eine der anderen traditionsreichen Flottenformationen, die es teilweise schon seit Jahrhunderten gab. Die Flotte des Draned-Sektors war erst vor weniger als einem Jahr gebildet worden, aus Schiffen verschiedener Garnisons- und Patrouillenverbänden sowie den Überresten von fast einem halben Dutzend aufgeriebener oder zerschlagener Flottenformationen. Angesichts dessen war es umso beeindruckender, was Admiral Taran und die Männer und Frauen unter seinem Kommando alles erreicht hatten.

Noch ein paar abschließende Worte, ein Salut für die angetretenen Mannschaften, und der offizielle Teil war vorbei. Offenbar hielt Admiral Rau nichts davon, etwas unnötig in die Länge zu ziehen. Natürlich galt das nur für die Mannschaften und die niedrigen Offiziersgrade. Nicht für die Kommandospitzen. Und auch nicht für Navarr Thelam.
25.07.2019 17:59 Tyr Svenson ist offline E-Mail an Tyr Svenson senden Beiträge von Tyr Svenson suchen Nehmen Sie Tyr Svenson in Ihre Freundesliste auf
Cunningham Cunningham ist männlich
Captain


images/avatars/avatar-477.gif

Dabei seit: 06.09.2006
Beiträge: 1.116

Auf diesen Beitrag antworten Zitatantwort auf diesen Beitrag erstellen Diesen Beitrag editieren/löschen Diesen Beitrag einem Moderator melden       Zum Anfang der Seite springen

TRS Shiloh
Akariisches- konföderiertes- und terranisches Grenzgebiet

Seit Stunden schon liefen die Analysen zum letzten geflogenen Angriff. Ein chirurgisch präziser Angriff auf einen akariischen Grenzplaneten. Nur war die TSN ein Breitschwert und kein Laserskalpell. Eine Kleinigkeit, die jeder vergessen zu haben schien. Angefangen mit dem Kopf hinter der gesamten Operation, Chris Mithel, der für Richard Collins Geschmack einfach zu viel Begeisterung dafür aufbrachte wehrlose Welten zu bombardieren, über die Stabsoffiziere, die den genauen Plan formulierten, bis zum Geschwaderführer der Hellcats und den Bomberpiloten.
Wobei er letztere gut verstehen konnte, es war ein einfacher Job, wenn der Gegner nicht zurückschießen konnte.
Nicht, dass sich die Akarii mit dem Bombardement von Hannover und Sterntor nicht ihr eigenes Bett gemacht hatten. Nur wer würde irgendwann aufhören an der Eskalationsschraube zu drehen.
Waren die Oberkommandos beider Seiten noch nicht zu der Erkenntnis gelangt, dass man am Ende letztlich miteinander reden musste? Hatten die Akarii keinen Clausewitz? Und wann hatte man auf den terranischen Militärakademien angefangen diesen anders zu interpretieren?
Roger Duvalle, der neueste Geschwaderführer der Hellcats schwebte nun seit geraumer Zeit in der Gewaltorgie, die sein Geschwader und die Begleitschiffe der Shiloh bei ihrem Ziel angerichtet hatten. Andere Offiziere hätten diese Zeit eher in die Fehleranalyse gesteckt.
Doch Collins entging nicht der immer wieder zur Uhr wandernde Blick, bei dem sich Duvalle bemühte keine Sorge auszudrücken. Gut, er macht sich also sorgen um seine Piloten, immerhin etwas.
Zwei Falcons der Battle Cats waren mit ihrer Meldung schon über zwanzig Minuten überfällig. Keine Seltenheit, doch die Operation war bisher zu glatt verlaufen. Was war geschehen?
Der Commodore, der immer noch als Captain der Shiloh fungierte und somit zwei Hüte trug, wollte gerade dem Flottillennavigator korrigieren, der mit einem Lineal und einem Lichtgriffel am Kartentisch den Kurs zum nächsten Sprungpunkt einzeichnen wollte, da wandte sich der diensthabende Ensign aus der Funknische um: „Commodore, Signal von Battle Cat zwo-null-drei via Richtstrahl, Sir.“
Ein kurzer Schauer von Erleichterung wurde von der Frage erstickt, warum die Kommunikation per Richtstrahl erfolgt und wieso sich einer der Aufklärer soweit an den eigenen Verband herangepirscht hatte, dass eine Richtstrahlkomunikation möglich war.
„Auf den Lautsprecher!“
„Junkjard von Battle Cat zwo-null-drei, Kurs Base minus zwo-drei-drei, Entfernung plus 40.“
„Verstanden Batllte Cat, Junkjard-Actual“, sprach Collins in den Telefonhörer, der via Kabel mit dem Kartentisch verbunden war, „erstatten sie Bericht.“
„Junkjard-Actual, Battle Cat zwo-null-drei, wir sind auf einen feindlichen Verband gestoßen, welcher eine Kurskorrektur vorgenommen hat und der Junkjard und Begleitung mit Kurs Bands plus eins-acht-sieben in wenigen Minuten passieren wird. Ich übertrage jetzt die Telemetiredaten. Battle Cat zwo-null-acht, beschattet den Konvoi mit heruntergefahrener Elektronik.“
„Battle Cat, Junkjard-Actual, verstanden, erhalten jetzt die Telemetriedaten.“ Collins hakte den Hörer ein. Alles um den Kartentisch rückte etwas näher.
Vier als rot gekennzeichnete Blibs erschienen. Ein größerer, links und rechts flankiert und hinten dran ein weiterer als Rückendeckung. Dazu eine gepunktete gelbe Kurve, die den wahrscheinlichen Kurs der Akarii anzeigte.
Das war alles, was die Falcon ihnen liefern konnten, doch die Nachrichtendienstliche Abteilung der Shiloh war wiedermal jeden Cent wert. Nur wenige Momente später waren die wahrscheinlichen Schiffsklassen des Feindes notiert. Ein Flugdeckkreuzer und drei moderne Fregatten.
„So ein Schweinehund, da war jemand aber auf Zack. Die müssen uns in die Ortung bekommen haben und sofort den Kurs geändert haben“, merkte der erste Offizier an, „die hätten uns gut auf den Schirmen gehabt, während wir blind an ihnen vorbeigefahren haben.“
„Dusel muss man haben“, merkte Collins an, wurde dann wieder ernst, „viel Zeit haben wir nicht, Duvall, was können sie wie schnell ins All bringen?“
„Mit viel Glück zehn Mirage, meine Nighthawks wären vollständig, wenn nicht einer meiner Piloten im Krankenrevier liegen würde. Ein Großteil der Falcons müsste erstmal bedankt werden und alle Griphens sind einsatzbereit, Sir.“
Collins blickte auf den Kartentisch, verglich Kursdaten, Geschwindigkeiten, Beschleunigungsprofile und sonstige Daten der verschiedenen Kriegsschiffe. Die Akarii hatten mehrere Vorteile: Zum einen hatten sie die Terrane Flottille im Bereich Ihrer Scanner und würden jeden Richtungswechsel mitbekommen. Ebenfalls würden sie wahrscheinlich einen Massenstart von gut dreißig Raumjägern registrieren.
„Zwei Möglichkeiten“, stellte der Captain der Shiloh fest, „wir lassen die Hosen Runter und starten unsere Jäger sofort und wenden dann auf den Feind zu.“
„Das kriegen die Mit und dann werden sie das Hasenpanier ergreifen und die Shiloh ist langsamer als jeder von denen“, warf Lieutenant Commander Dobricz, der Geschwader XO und Kommandeur der Black Lion Staffel ein.
„Korrekt, unsere zweite Möglichkeit ist, wir drehen langsam nach Steuerbord, zeigen dem Feind unser Heck und starten dann unsere Jäger in der Hoffnung, dass die Antriebe von sieben Kriegsschiffen auf diese Entfernung den Massenstart kaschieren.“
Tatsächlich hatte Collins schon eine Entscheidung getroffen, wollte aber seinen Offizieren noch kurz die Möglichkeit geben mit etwas Brillanz zu glänzen.
Und tatsächlich Duvall brillierte: „Dann sind unsere Zerstörer, wenn sie dieses mit uns mitschicken wollen in einer äußerst schlechten Position, den Feind noch abzufangen, Sir.“
„Wir sind uns also einig, Alphastrike fürs Geschwader. Sténuit, Ballard, Empereur und Gaál werden sofort nach Backbord wenden.
Ihre Aufgabe Mr. Duvall ist die Vernichtung der feindlichen Fregatten, bevor die Zerstörer dran sind um dem Flugdeckkreuzer aufs Korn zu nehmen.“
"Was ist mit unseren beiden Kreuzern, Sir?"
"Die würden ein Wettrennen mit dem gegnerischen Verband nicht mitmachen können", war die Antwort des Commodore, dem es auch lieber würde, wenn sich die beiden Ticonderogas mit dem Flugdeckkreuzers
Ein kurzes allgemeines Nicken und die CIC explodierte in Betriebsamkeit.
Der Erste Offizier bellte: „Signal an Eskorte zwo bis fünf: Hart Backbord, neunzig Grad, danach Maximale Beschleunigung! Ziel Tango eins, klassifiziert Flugdeckkreuzer Golf-Klasse!“
Gleichzeitig ertönte ein schrilles Pfeifen aus allen Lautsprechern an Bord der Shiloh, gefolgt mit der Durchsage des diensttuenden Wachoffiziers: „Gefechtsstation! Gefechtsstation! Alle Mann auf Gefechtsstation! Flugdeck für Alphastrike vorbereiten!“

Trotz Unterbesetzung in allen Bereichen und Abteilungen arbeiteten Crew und Geschwader der Shiloh wie eine gut geölte Maschine.
Jagdflieger und Jagdbomber wurden aus dem Hangar auf das Flugdeck gebracht, bestückt und betankt, während Staffelführer ihre Piloten im Schnelldurchgang einwiesen.
Das erste was jedoch startete war ein Tanker, welcher die schon im All operierenden Falcons der Combat Air Patrol und der Forward Combat Air Patral – CAP und FORCAP mit neuen Treibstoff versorgte, so dass diese ihren Part bei der Operation spielen konnten.
Währenddessen hatten vier Zerstörer der Norfolk-Klasse auf die Akarii eingedreht und fuhren mit maximaler Geschwindigkeit auf diese zu, während die Besatzungen zu ihren Gefechtsstationen eilten.
Zurück blieben der leichte Träger, zwei Kreuzer, ein Versorger und zwei Minensucher.

Vom Geschwader der Shiloh, dem einundzwanzigsten Fighter Wing auch bekannt als Hellcats, waren gerade mal zwei Staffeln vollzählig: Die Battle Cats konnten zwölf Falcons und die Black Tiger zwölf Griphen ins Feld führen. Die Tomcatters von Roger Duvall hatten wie vorhergesagt elf Nighthawks ins All gebracht und bei den Jagdbombern war im letzten Moment eine weitere Mirage aus dem Dienst genommen worden, so dass die Predators nur ganze neun Maschinen an den Start brachten.
Ein derart überhasteter Start war gar nicht nach Duvall’s Geschmack, andererseits ging es darum dem Geschwader einen richtig dicken Brocken ans Revers zu heften.
Das Geschwader Beschleunigte an die alten Mirage angepasst auf den Feind zu, welcher kurz zuvor den Kurs geändert hatte und versuchte davonzulaufen. Drei akariische Fregatten modernster Bauart und ein Träger-/Kreuzer der Golf-Klasse. Ein harter Brocken für das Geschwader eines leichten Trägers wie die Shiloh.
Doch das Bordgeschwader der Shiloh war so etwas wie die Kaderschmiede der 4. Flotte gewesen. Roberto Fabruzi war Deputy-CAG auf der Pegasus dem Flaggschiff der 4. Flotte, Reuben LeCroix einer seiner Vorgänger als Staffelführer der Tomcatters befehligte ein leichtes Geschwader, Hassan Al-Matari hatte ebenfalls ein Geschwader kommandiert und war zum Kommandantenlehrgang geschickt worden und würde, wenn er nicht totale Scheiße bauen irgendwann einen Träger kommandieren. McKenzie Haldane hatte das Kommando über das Bordgeschwader der Liberty erhalten, dem neuen Flaggschiff der 5. Flotte.
Seine Vorgänger hatte ihm ein exzellentes Geschwader überlassen. Richard Collins hatte Recht, dies war die Aufgabe für die die Hellcats geschaffen waren, nicht irgendwelche schlecht verteidigte Welten in die Steinzeit zurückbomben

„Outlook eins, Hammer, gibt es schon irgendein Zeichen ob der Feind Jäger gestartet hat?“
„Hammer, Outlook eins, negativ, noch kein Start erkannt.“
Outlook eins war eines von zwei SWACS-Shuttles, die den Jägerverband begleitete, aber deutlich über oder unter, was Outlook zwei anging, den Jägern Versetzt flog, damit deren leistungsfähigen Radaranlagen nicht durch die Antriebssignaturen der terranischen Zerstörer gestört wurden.
„Outlook zwo, Hammer, habt ihr irgendwas aufgeschnappt?“
„Hammer, Outlook zwo, nur einen kurzen ping, möglicherwiese zwei Eskortjäger, die sich an ihr Mutterschiff herangeschmiegt haben. Möglicherweise Bloodhawks.“
„Outlook zwo, Hammer, verstanden.“ Bloodhawks waren nur wahrscheinlich auf so einem modernen Schiff.
„An alle, Hammer“, Duvall wartete kurz bis das Geplapper auf der Hauptfrequenz abebbte, „wir gehen wie folgt vor: Predators und Battle Cats ihr teilt Euch fifty-fifty auf und holt Euch jeder eine Fregatte, dann nehmt ihr Euch gemeinsam die dritte.“
Von einigen Piloten kamen Beschwerden, dass man sich den Dicken Pott holen sollte und den Kleinscheiß für die Zerstörerkutscher übrig lassen könnte.
Duvall überließ es den Staffelführern für Ruhe zu sorgen.
„Black Lions und Tamcattars, wir halten dem Rest den Rücken frei, der Golf wird sicherlich bald seine Jäger starten.“
Er lauschte den Bestätigungen und wie seine Staffelführer ihre Kräfte einteilten und beobachtete wie sich Mirage und Falcons neu formierten, weiter auffächerten.
Dann passierten sie die vier Zerstörer, die ebenfalls auf den Feind zuhielten. Die Fregatten konnten diesen davon laufen, doch der Golf-Träger/Kreuzer war deutlich langsamer.
„Blaze, Hammer, irgendein Wort von Cobalt?“ Wollte er von der Kommandeurin seiner Falcon Staffel wissen.
„Hammer, Blaze, negativ, nicht einen Mucks“, die Antwort war kalt, bar jeder Emotion. Blaze war die perfekte Wahl für diesen Posten.
„Hammer, Outlook eins, Jägerstart beim Golf, zähle fünfzehn plus Banditen.“
„Outlook eins, Hammer, verstanden“, Duvall blickte auf seinen Schirm, konnte aber noch nichts feststellen.
„Alle hergehört, Hammer, Tally-Ho! Tomcatters und Battle Cats mir nach, der Rest lässt sich etwas zurückfallen. Wenn wir in Angriffsdistanz sind…“ weiter kam Duvall nicht, denn die akariischen Jäger, die gerade starteten, schossen wild auseinander.“

Cobalt war dem akariischen Verband im toten Winkel gefolgt. Sämtliche Energie auf ein Mindestmaß heruntergefahren. Als die Akarii plötzlich den Kurs geändert hatten, wusste er, dass sein Flügelmann die Shiloh erreicht hatte und man in Aktion getreten war.
Er blieb immer schön im Antriebsschatten eine Fregatte, da wo Radare und Sensoren die größten Schwierigkeiten hatten, etwas zu erkennen.
Ein Problem, dass auf der Erde schon die U-Bootflotten der Nationalstaaten hatten, was sie dann entweder durch ein Schleppsonar gelöst hatten oder mittels einem Irren Ivan, ein Manöver, in dem man Hart nach Back- oder Steuerbord ausbrach, dabei versuchte mögliche Verfolger zu überraschen und dann einen Kreis fuhr um das eigene Fahrwasser mit den Frontsonaren abzuscannen.
Der Irre Ivan hatte auch in den raumfahrenden Flotten Einzug gehalten. Wahrscheinlich war der einzige Grund, dass der vor ihm Fahrende akarrische Verband auf dieses Manöver bisher verzichtet hatte, dass man versucht hatte, sich an den Erdschiffen vorbeizuschleichen.
So konnte Cobalt, eingepfercht in das Cockpit seiner Falcon jetzt den Start von Jäger durch den Träger-/Kreuzer der Golf Klasse aus nächster Nähe begutachten, während die Fregatte in deren Fahrwasser er sich befand dabei war das größere Schiff zu überholen.
Bloodhawks und Reaper wurden mittels moderner Magnetkatapulte ins All geschleudert; und ein Shuttle.
Ein Shuttle? Er hatte schön gehört, dass die Akarii dazu übergegangen waren ihre Shuttles mit Raketen zu bestücken und in den Kampfeinsatz zu schicken. In entsprechenden Mengen und wenn man kaltblütig genug war, schön und gut, aber ein Shuttle.
Keine SWACS-Konfiguration und auch kein Tanker. Möglicherweise ein Search- and Rescue Shuttle.
Er blickte rüber zu dem Träger-/Kreuzer. Wir werden gar nicht schneller, ihr werdet langsamer, nicht viel aber genug und das Shuttle nahm Kurs auf seine Fregatten.
„Hah“, der junge Pilot fuhr seine vier Energiegeschütze hoch und drehte den Antrieb auf. Er zog den Joystick an sich heran und leicht nach rechts.
Ein einer langen Fassrolle dirigierte er die Schnauze seiner Falcon auf das feindliche Shuttle, wohl weißlich, dass auf den vier Akarii-Schiffen jeder Alarm jaulen würde und er auch den startenden Jägern nicht entgehen konnte.
Er feuerte drei seiner acht Raketen, ehe der akariische Pilot auch nur ans Ausweichen denken konnte und traf mit zwei Amraams. Die dritte jagte erst einem Täuschkörper nach und verpuffte dann im Abwehrfeuer der gegnerischen Dickschiffe.
Der Shuttle-Jockey war noch dabei um Kontrolle zu kämpfen, da war Cobalt auch schon in Waffenreichweite und ließ die vier Energekanonen der Falcon Tod und Vernichtung speien.
Es gab ja durchaus Leute, die meinten Krieg sei die Hölle; jetzt gerade in diesem Moment, war es der größte Spaß des Universums.
Die Malträtierten Schilde des Shuttles gaben auf und Panzerung verformte sich unter dem Bombardement, schmolz, platzte ab und dann gab es kleinere Explosionen.
Dann war der Spaß auch schon vorbei: drei Bloodhawks scherten hinter ihm ein, während zwei weitere von rechts vorne kamen, während links vorne zwei Reaper versucht ihn aufs Korn zu nehmen.
Cobalt nahm die Reaper aufs Korn, feuerte seine letzte Amram auf den führenden Abfangjäger und ließ erneut seine Kanonen sprechen um den anderen zu bekommen.
Beide Reaper wichen aus und er versuchte dem Flügelmann hinterherzukommen, doch dann eröffneten mehrere Bloodhawks das Feuer auf ihn.
Schilde flammten kurz auf, nur um nach wenigen Sekunden auszufallen, dann war die viel zu dünne Panzerung dran. Sein Statusmonitor leuchtete auf wie ein Christbaum, gelb und rot.
Der junge Pilot griff zu dem gelb-schwarzen D-Ring zwischen seinen Beinen. Das Kanzeldach wurde abgesprengt, Sekunden später folgte der Schleudersitz. Dann Schwärze.

„Hammer, Look-Out eins, deren ganze Formation ist total im Chaos versunken.“
Offensichtlich: „Look-out eins, Hammer, irgendwelche hinweise wieso?“
„Hammer, Blaze“, schaltete sich die Kommandeurin seiner Falcon-Staffel ein, „war das Cobalt? Haben die SWACS-Jungs irgendwelche Daten?“
„Hammer, Look-Out zwo, möglicherweise haben wir kurz den Schatten einer Falcon aufgefangen.“
„Tomcatters und Black Tigers, Hammer, maximale Beschleunigung! Vielleicht hält deren Desorientierung lange genug für eine weitere Überraschung!“

Die beiden Jägerstallen stürzten dem akariischen Verband entgegen, der immer mehr im Chaos versank. Erst nach und nach ordneten sich die beiden Jägerschwadronen des feindlichen Träger-/Kreuzers. Dann begann ein gefährlicher Kurvenkampf, viel zu nah an den akariischen Dickschiffen, die hastig eingriffen und ihren eigenen Jagdfliegern Unterstützung zukommen ließen, die diese Schlacht eigentlich entscheiden müsste, wären da nicht die verbliebenen zwei Staffeln der Shiloh gewesen, die den Feuerzauber ausnutzten um aufzuschließen.
Als die erste Akariische Fregatte im atomaren Feuer der Jagdbomber verging, wurde jeder davon überrascht. Die zweite Akariische Fregatte überstand die drei sauberen Treffer, die die Jagdbomber anbringen konnten, wurde dann aber von der zweiten Welle, einem kombinierten Nahkampfangriff von Mirage und Falcons dahingerafft.
Von da an war es nur noch ein zu Tode hetzen der dritten Fregatte und der Begleitjäger. An den großen Brocken, den Kreuzer-/Träger der Golf-Klasse traute sich niemand mehr heran, mit allen Anti-Schiff-Raketen verschossen und nur noch einem kleinen Bestand von Raumkampfraketen, war es fraglich, ob die überlebenden des Geschwaders die Feuerkraft zum Tragen bringen konnten um dem immer noch modernsten Kriegsschiff der akariiscehn Raumstreitkräfte ernsthaften Schaden zufügen zu können.
Die modernen Feuerleitsysteme des Golf machten das ganze unterfangen schon fast tödlich. Als die vier terranen Zerstörer das Schlachtfeld erreichten war vom Bordgeschwader der Shiloh schon ein Drittel aus dem Rennen und der Rest mehr oder minder Beschädigt. Die Akarii konnten noch fünf Bloodhawk aufweisen und eine Reaper. Die dritte Fregatte trieb weidwund im All.

„Akariischer Kreuzer, akariischer Kreuzer, hier spricht TRS Empereur: Deaktivieren sie Waffen, Schilde und Antrieb! Bereiten sie sich darauf vor geentert zu werden und ergeben sie sich! Ihre Chancen sind…“
Weiter kam der terrane Ensign mit seinen Drohungen nicht. der Träger-/Kreuzer wendete auf die vier terranen Zerstörer zu und eröffnete das Feuer, konzentriert auf das Führungsschiff.
Überlegene Feuerleitung und ECM, sowie die schiere Feuerkraft und Panzerung der Zulu-Klasse erlaubten es dem Akarii auf kürzeste Distanz das Gefecht auszutragen und eine reelle Chance zu haben mehr als einen Zerstörer mit ins Grab zu nehmen.
Als erstes erwischte es die Empereur, die im wilden Feuersturm verging, etwas später musste die Gaál aufgegeben werden. Da war der akariische Kreuzer aber nur noch ein Schatten seiner selbst. Schilde durchbrochen, Aufbauten und Radarkuppel abrasiert, so dass die Hellcats ihren großen Brüdern zu Hilfe kommen konnten.

In der CIC der Shiloh herrschte noch immer Euphorie. Vor drei Stunden war der Zulu letztlich vernichtet worden. Die verbliebenen Zerstörer aus der Eskorte des Trägers hatten einiges an Schäden einstecken müssen und die Bergung von Überlebenden würde wohl noch den nächsten Tag in Anspruch nehmen, wenn nicht länger.
Die Befehle, wieviel Zeit man in Bergungsaktionen investieren sollte oder durfte waren schwammig, wie so oft.
Auf Seiten der TSN waren fast vierhundert Tote zu beklagen, auf Seiten der Akarii weit mehr als tausend.
Die Berichte sprachen sogar davon, dass sich ein hochrangiger akariischer Offizier an Bord einer Rettungskapsel das Leben genommen hatte.
Soweit Richard Collins bekannt war, war ritueller Selbstmord nicht unbedingt Sitte des akariischen Offizierscorps. Kämpfen bis zum Tode, fanatisch und wild, ja; Suizid eher nicht, obwohl dies in jüngster Vergangenheit immer öfter berichtet wurde. Nichts wies bei dem Offizier darauf hin, dass er ein besonderer Geheimnisträger war.
„Commodoren, wir haben gerade eine Meldung der Ballard erhalten“, wurde er aus den Gedanken gerissen.
Er nickte der jungen Lieutenant zu um zum Weitersprechen aufzufordern.
„Man hat die Trümmerstücke von Cobalts Falcon gefunden und ein schwer beschädigtes Personenshuttle der Akarii. Admiralsabzeichen und so wie es aussieht ist da noch jemand am Leben.“
„Hoch interessant, stellen sie mich durch.“
Collins ergriff den Hörer: „White Tiger, Junkyard-Actual, ich höre gerade, sie haben ein Admiralsshuttle gefunden.“
„Junkyard-Actual, White Tiger-Actual“, meldete sich der Kommandant der Ballard, „meine Marines entern gerade die Fähre. Wenn sie wollen, kann ich ihnen den Live-Feed weiterleiten, wenn sie möchten.“
„White Tiger-Actaul, Junkyard-Actual, lassen sie mich mal teilhaben.“
Er brachte nur kurz warten, dann öffnete sich auf dem Kartentisch der CIC ein Fenster mit der Innendarstellung eines Shuttles. Die Kamera war auf die Innenseite des Bodenschotts gerichtet. In der Peripherie waren Gestallten in Vollkörperpanzerung zu sehen. Gewehre waren auf die Luke gerichtet.
Durch das Bullauge der Luke war ein Funkenregen zu sehen, dann wurde das Schott geöffnet und die Marines bahnten sich einen Weg in den akariische Shuttle.
Im inneren des feindlichen Transporters war reines Chaos. Sitzbänke waren aus ihren Verankerungen gerissen, Energieleitungen gerissen, Lichtröhren geplatzt. Nahe dem geschnittenen Eingang lag die erste Leiche, eine weibliche Akarii in Flottenuniform, halb mit dem blutigen Körper verschmolzen.
Die Marines rückten weiter vor und fanden drei weitere Leichen, akariischen Marineinfanteristen.
„Da, kurz vor dem Cockpit, da rührt sich was!“ meldete eine fremde, durch die Kommunikationseinheit verzerrte Stimme.
„Vorwärts!“ Befahl eine andere Stimme und die terranischen Marines rückten weiter vor.
Die Kamera wackelte, dann kam ein weiterer Akarii ins Blickfeld, verwundet und kaum bei Bewusstsein, in ein fünfpunkt-Geschirr geschnallt und im Sitz zusammengesunken.
Die blaue Galauniform der akariischen Raumstreitkräfte wies ein Namensschild auf, das niemand entziffern konnte. Das war auch nicht nötig, als das Blickfeld der Kamera auf die Rangabzeichen und das Gesicht des Akariis vielen.
„White Tiger-Actual, Junkyard-Actual, weisen sie ihre Marines an dem Admiral jegliche medizinische Versorgung zukommen zu lassen, die möglich ist und transferieren sie ihn so schnell wie möglich auf das Flaggschiff.“
„Junkyard-Actual, White Tiger-Actual, verstanden Admiral… der Admiral wird so schnell wie möglich überstellt.“


Wochen später:

Die Präsidentin der Republik hat die Ehre, im Namen des Kongresse der Bundesrepublik Terra, Lieutenant Glenn Oliver Russel die Medal of Valor postum zu verleihen.

Lieutenant Russel hat am 28. August 2667 ohne Rücksicht auf sein Leib und Leben einen Akariischen Kampfverband infiltriert und aufgrund der ihm vorliegenden Aufklärungsdaten den Feind angegriffen, ein feindliches Shuttle Manöverierunfähig geschossen und den flüchtenden Feind so sehr in Unordnung gebracht, so dass die verfolgenden Einheiten der TSN diesen einholen und schließlich vernichten konnte.
Lieutenant Russel hat durch sein schnelles und tapferes Handeln die Flucht von Admiral Kal Illis verhindert und somit maßgeblich zu dessen Gefangennahme beigetragen.
Lieutenant Russels Taten und Leistungen spiegeln die höchsten Ideale der Terran Space Navy wieder.


Im Namen seiner imperialen Majestät Eliak IX. wird Kapitän Ersten Ranges Kjenai Marati mit dem Stern von Khalun ausgezeichnet.

Trotz zahlenmäßiger Unterlegenheit hat Kapitän Merati sich tapfer im Feind zum Gefecht gestellt. Ihre beschränkten Möglichkeiten ausnutzend und in geschickter Taktischer Manier war es Kapitän Merati möglich dem feindlichen Verband schwere Verluste beizubringen.
Ihr aggressives Vorgehen, ihre strategische und taktische Finesse stehen in den besten Traditionen der Imperialen Raumflotte.
Die Oberkommandierende der Raumflotte ersucht seine Majestät Kapitän Merati im Zusammenhang mit dieser Auszeichnung in den Adelsstand zu erheben und ihre Familie in das Adelsforum von Akarr aufzunehmen.*

*Die Bitte um Nobilierung geht bei den höheren Auszeichnungen einher. Während die Erhebung in den Adelsstand mit der Verleihung erfolgt, werden die wenigstens in den das Forum aufgenommen.

__________________
5th Syrtis Fusiliers - Pillage and looting since first succession war


Dieser Beitrag wurde 2 mal editiert, zum letzten Mal von Cunningham: 29.08.2019 15:46.

28.08.2019 13:08 Cunningham ist offline E-Mail an Cunningham senden Homepage von Cunningham Beiträge von Cunningham suchen Nehmen Sie Cunningham in Ihre Freundesliste auf
Cattaneo
Major


Dabei seit: 31.07.2002
Beiträge: 1.511

Auf diesen Beitrag antworten Zitatantwort auf diesen Beitrag erstellen Diesen Beitrag editieren/löschen Diesen Beitrag einem Moderator melden       Zum Anfang der Seite springen

Die letzte Runde

TRS Pegasus, terranisch-imperiales Grenzgebiet

„Und das ist Ihre abschließende Einschätzung?“ Das Stirnrunzeln von Admiral Maike Noltze war wahrlich geeignet, furchtsamere Personen einzuschüchtern, und ihre grimmige Stimme tat ein Übriges. Nahm man dazu, dass sich ihr Gegenüber in der Höhle der Löwin befand, nämlich im Kommandozentrum des Pegasus-Trägers…
Doch Commander Soo-Chul Ro von den Black Aces war offenbar niemand, der sich leicht ins Boxhorn jagen ließ. Er straffte sich: „Jawohl. Captain Baraja…“ Tlaco Baraja war die Kommandeurin einer gemischten Fregatten- und Korvettenschwadron: „pflichtet mir im Übrigen bei. Wir können nicht zu den Kaiserlichen aufschließen, ohne dabei ernste Verluste durch Minen zu riskieren – selbst wenn man bedenkt, dass ihre Marschgeschwindigkeit herabgesetzt ist. Die Schiffe von Ocelotl…“ er benutzte den Spitznamen der Fregattenkommandeurin, nach einem Kriegerorden aus der grauen Vorzeit ihres Volkes: „und unsere Jäger und Shuttles können unmöglich schneller die Routen räumen. Wir werden die Echsen nicht stellen können, bevor sie nicht Rückendeckung durch eine ihrer Kolonialwelten haben. Für einen Langstreckenangriff mit Kampfflieger sind sie ebenfalls zu weit entfernt – die Kommandeure der anderen Geschwader stimmen mir da zu.“
Für einen Moment schien die Admirälin nachzudenken. Dann neigte sie das Haupt: „Danke. Sie können wegtreten.“ Sie wandte sich an ihren Adjutanten: „Konferenzschaltung mit den Schwadronskommandeuren und Trägern in einer Viertelstunde.“
Sie ließ es sich nicht anmerken, als sie sich in ihrem Sessel zurücklehnte, aber die letzte Nachricht war wenn auch nicht niederschmetternd, so doch ernüchternd. Es gab nicht viel zu beschönigen – ihr Plan war gescheitert.

Von dem Moment an, als sich die Details der imperialen Offensive vor ihrem Auge abzuzeichnen begannen, hatte sie sich den Kopf zermartert, wie sie diese unliebsame Überraschung in einen Sieg ummünzen konnte. Immerhin konnte sie ja die konföderierten Hunde schwerlich für nichts davonkommen lassen! Sie brauchte diesen Sieg – für die angeschlagene Siegeszuversicht der Bundesrepublik, die übel gebeutelte Ehre der TSN, die inzwischen recht zweifelhaften Siegeschancen der Präsidentin – und für ihre eigene, ernsthaft in Frage gestellte Karriere. Ziemlich viel, das auf dem Spiel stand.
Und so hatte sie eine Strategie ausgeklügelt, die ebenso auf ihrer Kenntnis der gegnerischen Ressourcen fußte wie auf dem, was sie über den feindlichen Kommandeur wusste.
Schon seit seinem Sieg über die Konföderation hatte sie sich seine vergangenen Feldzüge und Schlachten genauer angeschaut, schließlich war nicht auszuschließen gewesen, dass sie es einmal mit ihm zu tun bekommen würde.
Die Akarii waren natürlich gegenüber Außenstehenden nie sehr mitteilsam in Bezug auf Informationen über ihre Militärs gewesen – und die Geheimdienste der FRT und Konföderation hatten vor dem Krieg nur begrenzten Erfolg gehabt, mehr über die gegnerischen Admiräle zu erfahren. Der Krieg, namentlich die letzten Jahre, hatte dies grundlegend geändert. Die TSN hatte zahlreiche vormals kaiserliche Planeten besetzt und dutzende intakte oder beschädigte Schiffe gekapert. Nicht immer war es den Echsen möglich gewesen, wertvolle Informationen zu vernichten, und selbst die erbeuteten und abgefangenen öffentlichen Nachrichtensendungen – aktuelle wie historische – waren mitunter aufschlussreich. Zudem gehörten Verhöre nicht nur zu feindlichen Strategien und Technik, sondern auch zu den Kommandeuren des Imperiums zu den Standardfragen der Verhörspezialisten. Auch hier hatten die fortgesetzten Niederlagen des Imperiums und die dadurch sinkende Einsatzmoral Wunder gewirkt. Über die Jahre war so eine recht eindrucksvolle Sammlung von Informationen zusammengekommen. Als Admirälin hatte Noltze eine ausreichende Freigabe, um zumindest einen Großteil des Materials einsehen zu können. All dies hatte ihr geholfen, um ein besseres Bild von Ilis zu bekommen.
Es war klar, dass dieser ein Militär der alten Schule war, ein Mann der offenen Entscheidungsschlachten. Er war nicht gerade eine simple Natur, aber ein Mysterium konnte man ihn auch nicht nennen. Ilis war niemand, der seine Gegner umfassend studierte, um seine Attacke ihren psychologischen und militärischen blinden Flecken anzupassen. Ausgeklügelte mehrschichtige Pläne, wirtschafts-strategisches Taktieren war nicht seine Art. Und so ein Akarii würde nicht der Versuchung widerstehen können, die zwei terranische Flottenträger darstellten – umso mehr, als er sich ja brüstete, die Konföderation eigenhändig aus dem Krieg geprügelt zu haben.
Tatsächlich hatte der kaiserliche Admiral den Köder geschluckt. Sie hatte ihn hinter sich hergelockt, weg von den verwundbaren FRT-Systemen, immer weiter auf ein Schlachtfeld ihrer Wahl. Natürlich war es ein Wagnis gewesen, denn bei einer direkten Konfrontation hätte sie möglicherweise den Kürzeren gezogen. Doch sie hatte sich den Feind lange genug vom Hals halten können – gerade so außer Reichweite, um die Echsen dadurch in den Wahnsinn zu treiben, dass sie das ersehnte Ziel nicht mit ihren Kiefern erreichen konnten. Und dabei hatten die Soldaten des Kaisers nicht bemerkt, dass der Köder vor ihrer Nase mit Stahlhaken versehen war.

Maike wusste, dass die Echsen für diese Offensive einen Großteil ihrer noch vorhandenen Ressourcen in diesem Frontabschnitt hatten anspannen müssen. Es war also unwahrscheinlich, dass sie noch Luft für größere eigenständige Angriffsoperationen abseits dieser Offensive besaßen – was ihr etwas Freiraum zum Manövrieren verschaffte. Auf ihren Befehl hatte die TSN zudem drei relativ schwache Kampfgruppen losgehetzt, um die restlichen Akarii-Verbände in Atem zu halten und daran zu hindern, ihrerseits für Ärger zu sorgen. Gorgo, Echidna und Chimäre waren jeweils nicht viel stärker als ein Majestic-Träger oder alternativ drei Hilfsträger plus eine Viertel- bis eine Halbschwadron Kreuzer und eine halbe bis eine ganze Schwadron leichter Schiffe pro Verband – doch sie konnten mächtig Staub aufwirbeln, weil sie einige leere Landungstransporter oder Großraumtransporter mit sich führten, die sie deutlich bedrohlicher WIRKEN ließen, ja nahelegten, dass die KIEW mit von der Partie war.
Rear-Admiral Mithel war außerdem geradezu begierig gewesen, seinen „Tod-durch-tausend-Schnitte“-Plan auszuprobieren, dass er sich nicht einmal zu sehr darüber beschwert hatte, dass er mit einem Bruchteil der eigentlich kalkulierten Ressourcen losschlagen musste.
Mit dem Aufsehen, das ihr eigener Verband und die Ablenkungsverbände erregten, hatte Maike geschickt verschleiert, wo der dritte Flottenträger der Vierten Flotte WIRKLICH war. Denn in Wahrheit hatte er sich zusammen mit der PRINCE OF WALES an Ilis’ Verband herangeschlichen – der Henkersknoten für den Fallstrick, das sich um die Kehle des greisen Imperiums-Admirals zusammenzog. Zwei Träger der Pegasus-Klasse – ihre PEGASUS und die KIEW – dazu der Lexington-Träger YAMATO, nicht zu vergessen drei Majestic-Träger…das war genug, um die Kaiserlichen zu schlagen.
Sie war ein kalkuliertes Risiko eingegangen. Praktisch alle Schiffe der Vierten und der ihr angegliederten Geschwader waren an der Operation oder an den Ablenkungsangriffen beteiligt gewesen, mit Ausnahme der immer noch recht „grünen“ TRIPOLI, einigen schwachen Vorpostenverbänden und natürlich den Verstärkungen von der Nationalgarde – alte Schiffe mit kaum erfahrenen Crews.
Aber es war ein Risiko, das sich auszuzahlen schien, denn Ilis hatte sich gleichsam am Nasenring seinem Verderben entgegenführen lassen.
Nur, um im letzten Moment umzudrehen und aus der sich schließenden Falle auszubrechen!

Sie fragte sich immer noch, wo der Fehler in ihren Kalkulationen gelegen hatte. War doch irgendetwas von den Truppenbewegungen durchgesickert? Doch warum hatte Ilis dann nicht die Gelegenheit genutzt, um sich von ihr abzusetzen und auf die KIEW und PRINCE OF WALES zu konzentrieren? Sie wären ein harter Gegner gewesen, aber einer, den er – schnelles und entschlossenen Handeln sowie ein Quäntchen Glück vorausgesetzt – überwinden konnte, ehe sie mit ihren Trägern zu Hilfe hätte kommen können.
Oder hatten ihn die Angriffe der Ablenkungsgruppen kopfscheu gemacht? Falls ja, dann wusste sie, bei wem sie sich dafür in erster Linie zu ,bedanken‘ hatte. Rear-Admiral Mithel hatte sich mit einem direkt beängstigenden Enthusiasmus in Aufgabe gestürzt, die Echsen heilige Furcht einzuprügeln. Allerdings…wenn sie gerecht war, hatte sie genau das von ihm und seinen Kompagnons verlangt.
Wie dem auch sein, Ilis hatte jedenfalls nicht so gehandelt, wie sie es vom ,Schlächter von Hannover‘ – einen Namen, den er auch in Bezug auf die eigenen Verluste verdiente – erwartet hatte. Irgendwo hatte sie einen Fehler in ihrer Analyse seiner Vorgehensweise gemacht. ,Möglicherweise hätte ich ja herausfinden sollen, welche Gedichte er in seiner Kindheit gelesen oder geschrieben hat, welche Bilder er liebte oder selber zeichnete.‘ dachte sie gallig.
Vielleicht wurde er ja auch einfach alt und wollte nicht riskieren, seinen Mythos zu beschädigen.
Natürlich hatte sie sofort die Verfolgung aufgenommen. Aber sie hatte warten müssen, bis ihre Reservegruppe in Reichweite war, schließlich konnte es ja auch eine Finte sein. Und die Akarii waren nicht einfach nur getürmt. Sie hatten vielmehr genau die Art von defensiven Minenfeldern gelegt, mit denen die Terraner zuvor der Kaiserlichen zugesetzt hatten. Maike war nicht willens, ihre Schiffe und Untergebenen zu verheizen, und das hatte sie erheblich gebremst. Es war den Kampffliegern und leichten Schiffen der TSN zu verdanken gewesen, dass es ohne größere Verluste abgegangen war.
Für einen kurzen, kostbaren Moment hatte es so ausgesehen, als werde sich noch alles zum besseren wandeln. Ihre Aufklärer hatten eine heftige Explosion im feindlichen Verband gemeldet. Offenbar waren die Echsen genau in eines der Minenfelder marschiert, das die Terraner gelegt hatten, als die Rollen noch vertauscht gewesen waren. Ausgerechnet einer der feindlichen Träger war angeschlagen worden – er hatte kurzzeitig sogar gestoppt. Sprich, er war mit der augenblicklichen Geschwindigkeit in die eingeschlagene Richtung gedriftet, unfähig zu beschleunigen oder manövrieren.
Aber ach, diese Hoffnung hatte sich nur zu schnell zerschlagen. Die Echsen hatten den Havaristen in einem riskanten Manöver mit Traktorstrahlen in Schlepp genommen – keine Dauerlösung, aber ein guter Notbehelf. Binnen einer Stunde hatten Antrieb und Manöverdüsen des Trägers schon wieder 50 Prozent, und zwei Stunden darauf zwei Drittel der vollen Leistung gebracht. Kurz darauf war der Verband gesprungen. Auch bei der Verfolgung durch das Wurmloch hatte sie Vorsicht walten lassen. Der Collis-Hinterhalt vom Januar 2636, der die TSN einen Flottenträger gekostet hatte, war unvergessen. Und so war Ilis ihr entwischt.

Jetzt blieb ihr nur noch, ihrer Flotte zu danken und den Rückmarsch in sichere Gefilde zu befehligen. Ihre Soldaten und Offiziere konnten mit sich zufrieden sein – immerhin hatten sie einen kompletten Flottenverband des Imperiums in Leere laufen lassen. Aber es war wieder einmal nur ein schaler Sieg, wenn es denn überhaupt einer war. Und nach so vielen Jahren Krieg, nach so vielen Opfern und Rückschlägen, war das vielleicht, ja sicher nicht mehr genug. Jedenfalls nicht genug, um sie zu retten. Wer immer das Präsidentenamt demnächst innehaben würde, er oder sie würden vermutlich zur Ansicht kommen, dass Maike Noltze eher eine Belastung als ein Aktivposten war.
Mit diesen ernüchternden und vielleicht auch ein wenig wehleidigen Gedanken straffte sich die Admirälin. Sie würde zumindest eine gute Abschiedsvorstellung geben, das war sie ihren Untergebenen und sich selber schuldig. Es musste gleich…
In diesem Moment nahm sie wahr, dass an einer der Kommunikationskonsolen gelindes Chaos ausgebrochen war.
„Admiral!?“ Der junge Lieutenant machte den Eindruck, als würde er gleich aus der Haut fahren: „Prioritätsfunkspruch von der Shiloh …Das müssen Sie hören!“

Dieser Beitrag wurde 2 mal editiert, zum letzten Mal von Cattaneo: 29.08.2019 10:30.

28.08.2019 13:34 Cattaneo ist offline E-Mail an Cattaneo senden Beiträge von Cattaneo suchen Nehmen Sie Cattaneo in Ihre Freundesliste auf
Tyr Svenson Tyr Svenson ist männlich
Captain


Dabei seit: 06.10.2015
Beiträge: 1.030
Herkunft: Jena, Thüringen

Auf diesen Beitrag antworten Zitatantwort auf diesen Beitrag erstellen Diesen Beitrag editieren/löschen Diesen Beitrag einem Moderator melden       Zum Anfang der Seite springen

„Ein paar kleine Siege machen Sie noch nicht zu etwas Besonderem. Und sie geben Ihnen auch nicht das Recht, sich denen ebenbürtig zu fühlen, die schon durch ihre Geburt weit über Ihnen stehen! Ich habe schon viele Männer wie Sie aufsteigen sehen. Aufsteigen – und fallen.“
„Exzellenz, da Ihr irrt euch. Es gibt keine Männer WIE mich. Es gibt NUR mich.“
Admiral Rau zu Großadmiral Jor Thelam (Authentizität zweifelhaft)


Eine halbe Stunde nach der Ankunft von Admiral Rau fand sich Navarr Thelam zu seiner Überraschung in der exklusiven Gegenwart der Kommandeure der Kampfgruppen-Divisionen wieder. Imperialer Prinz und Thronprätendent oder nicht – im Augenblick fühlte sich Navarr mehr als ein bisschen unwohl, vor allem angesichts der abweisenden, spöttischen oder gar feindseligen Blicke, die ihm einige der Anwesenden mehr oder weniger offen zuwarfen.
Auch wenn außer ihm und Admiral Rau praktisch alle Anwesenden den Dienstrang eines Captains hatten und alle zwischen vier und acht Kriegsschiffe kommandierten – es brauchte keine herausragenden Fähigkeiten, um die Leittiere dieser Versammlung zu erkennen. Captain Zanni hatte Navarr in den letzten Wochen einige scharfsinnige wenn auch subjektive Einblicke in die Machtstrukturen der Kampfgruppe gewährt.

Admiral Rau wirkte in dieser Runde genauso selbstsicher, wie im Hangar. Auch wenn das Publikum diesmal ein deutlich schwierigeres war.
Gleich nach dem Admiral in der Platzierung wie auch der Autorität kam Wor Matir, der erfahrene aber aufbrausende Kommandeur des Trägers KAHAL und Interimskommandant der Kampfgruppe. Er musterte seinen neuen Befehlshaber mit einer Mischung aus sarkastischer Distanz und vorsichtiger Erwartung.
Inas Zanni vom Flugdeckkreuzer KALLEH war von Admiral Taran und dessen Interims-Nachfolger immer wieder für Spezialaufgaben ausgewählt worden. Unter anderem dafür, Prinz Navarr im Draned-Sektor zu empfangen und sicher zu den Resten der Kampfgruppe zu eskortieren. Ihre dunklen Augen blickten wachsam und prüfend, aber ihr sonst so ausdrucksstarkes Gesicht verriet nichts.
Koron Ka’wal gab sich hingegen keine Mühe, seine Skepsis zu kaschieren. Wie Zanni kommandierte er eine Kreuzerdivision. Im Gegensatz zu ihr hatte der ebenso talentierte wie hochgeborene Offizier allerdings im letzten Jahr nicht besonders glänzen können. Was wohl auch daran lag, dass er ein Anhänger des verstorbenen Kronprinzen Jor war, der in der Flotte im Allgemeinen – und im Draned Sektor und beim ehemaligen Kommandanten der Kampfgruppe im Speziellen – nicht sehr viele Bewunderer hatte.
Lor Vorcas und Adir Gelek schienen hingegen abwarten zu wollen. Gelek, weil er in erster, zweiter und dritter Linie Offizier war und vorgab, sich aus der Flottenpolitik herauszuhalten – und Vorcas, weil er vermutlich die entsprechenden Schlüsse aus seiner Verbannung in den Draned-Sektor gezogen hatte. Die übrigen Divisionskommandeure schienen es ähnlich zu halten und beschränkten sich vor allem aufs Zuhören.

„Ich glaube ich spreche für alle, wenn ich sage, wie stolz wir sind, den Held von Collis und Bantan in unseren Reihen zu wissen. Ihre Anwesenheit wird die Männer und Frauen der Rikata-Kampfgruppe zu neuen Höchstleistungen anspornen…“, bis hierher war Captain Wor Matir dem Comment gefolgt. Sein Wortlaut wenn auch nicht der Tonfall war vielleicht sogar etwas ZU überschwänglich gewesen. Das relativierte sich, als er fortfuhr: „…und so weiter und so fort. Ich denke, wir können das abkürzen. Kommen wir lieber gleich zum Wesentlichen.“
Kjani Rau schnaubte amüsiert: „Zügeln Sie Ihren Überschwang. Ich könnte sonst den Eindruck gewinnen, willkommen zu sein.“ Falls ihn Matirs Eröffnung ärgerte, ließ er es sich nicht anmerken: „Wenn noch jemand sein Herz ausschütteln will – nur zu.“
„Sie SIND willkommen.“, schaltete sich Captain Zanni ein: „Es ist eine angenehme Abwechslung, dass der Draned-Sektor nicht nur als Abladeort für auf Akar unbeliebte Offiziere genutzt wird.“
In ihren Worten schwang mehr als ein wenig Sarkasmus mit und dem zynischen Grinsen Admiral Raus zufolge war ihm weder der Tonfall noch die Anspielung entgangen: „Vielen Dank. Aber ich hatte den Eindruck, dass diese…Personalpolitik dem Draned-Sektor nicht in jedem Fall zum Nachteil gereicht hat. Ich kann mit Männern und Frauen umgehen, die…unangepasst sind. In der jetzigen Situation sind sie vielleicht sogar genau die richtigen.“
„Sie meinen, solange sie nicht rebellieren.“ bemerkte Ka’wal bissig: „Und die Separatisten endlich auszuschalten, sollte höchste Priorität haben – solange die Menschen abgelenkt sind.“
„Sie haben mich im Hangar gehört, nehme ich an?“
„Und das war eine schöne Rede.“ stimmte Ka’wal zu: „Aber wir brauchen vor allem TATEN. Und neue Schiffe. Worte allein nützen nicht. Davon haben wir schon zu viele gehört.“
„Sie haben Verstärkung bekommen. UND den besten Admiräle der letzten hundert Jahre.“
„Verzeihen Sie meine Skepsis, aber ich weiß nicht, ob Ihr RUF alleine die Diskrepanz zwischen dem ausgleichen kann, was uns versprochen wurde – und dem, was wir erhalten haben.
Admiral Taran hatte zwei Träger, sechs Kreuzer und dreißig Begleitschiffe angekündigt. Was wir erhalten haben, ist nicht einmal die Hälfte. EIN leichter Träger, ZWEI Kreuzer und ein reichliches Dutzend Begleitschiffe. Deshalb nehme ich mir die Freiheit heraus, Sie zu fragen: WO IST DER REST? Und wo ist Marschall Parin?“

Das hatte sich Prinz Navarr ebenfalls gefragt. Er vertraute Parin nicht völlig – immerhin hatte er zu der gegen Kronprinz Jor gerichteten Offiziersfronde gehört – aber Parin erschien unerschütterlich wie ein Fels in der Brandung. Und er hatte angedeutet, dass er in Navarr etwas gesehen hatte. Vielleicht nicht die letzte Hoffnung des Imperiums, aber etwas, was gefördert und bewahrt werden sollte. Doch obwohl Parin angeblich gemeinsam mit Admiral Rau den Draned-Sektor hatte übernehmen sollen – wo war er?

„Der Marschall ist auf T’rr und kümmert sich um einen anderen Punkt auf unserer To-do-Liste.“
„Eine neue Offensive?“ Ausnahmsweise meldete sich Captain Vorcas zu Wort – und er klang eindeutig ungläubig.
Admiral Rau lächelte verzerrt: „Nur wenn er keine andere Wahl hat.“
Captain Matir zog die richtigen Schlüsse: „Er…verhandelt.“
„In der Tat. Amiral Tarans politische Initiative gegenüber den T’rr-Rebellen hat auf Akar für ziemliches Aufsehen gesorgt.“
„Und wir…geben klein bei, gegenüber einer Handvoll Alien-Banditen?!“ Ka’wal sah aus, als ob er am liebsten ausspucken würde und eine Reihe seiner Kollegen wirkten genauso abgestoßen.
„Wir müssen Prioritäten setzen. Es ist uns in den vergangenen zweihundert Jahren nicht gelungen, die T’rr kleinzukriegen. Und dabei geht es auch nicht nur um eine Handvoll Möchtegernfreiheitskämpfer, die auf einem drittklassigen Kolonialplaneten durch den Dschungel schleichen. Sondern um die größte, am längsten anhaltende und blutigste Rebellion der letzten fünfhundert Jahre. Ein Aufstand, der dutzende Planeten und Monde erfasst hat, hunderttausende Soldaten und hunderte Panzer, Angriffs- und Transportschweber und Kampfflugzeuge bindet. Das Imperium hat ganz einfach nicht die Männer, Ressourcen und die Zeit, die für einen Sieg nötig wären. Vor allem, da wir vor sehr viel drängenderen Probleme stehen. Und was Ihre Frage nach den übrigen Schiffen angeht, die ihnen versprochen wurden…nun, die werden woanders benötigt.“
Wor Matir wäre beinahe explodiert: „ICH HABE ES SATT! Wie sollen wir die Separatisten kleinkriegen und den Sektor gegen die Menschen verteidigen, wenn…“
Captain Zanni winkte beruhigend: „Vielleicht lassen Sie den Admiral erst einmal erläutern, was er genau meint. Also, wo sind die Schiffe?“
„Nun natürlich sind sie im Draned-Sektor. Nur nicht eben hier.“
Captain Zanni schnaubte amüsiert, während Matir alles andere als erheitert wirkte: „Sollen wir vielleicht raten, Admiral!?“
„Ich hoffe, dass ‚Hochlord‘ Elar Qulat genau das tut.“
„Qulat? Wir greifen die Separatisten an?!“
„Das ist der Plan. Ich habe keine Lust, mich ständig fragen zu müssen, ob diese Bande degenerierter Missgeburten, die unverdientermaßen früher Teil der imperialen Streitkräfte waren, sich ein weiteres System unter den Nagel reißen will. Sie wissen alle, was passiert ist, als die Kampfgruppe mit dem Vorstoß ins Parrak-System beschäftigt war.“

Keiner der anwesenden Captains – nicht einmal Ka’wal, der ehemalige Frondeure ganz bestimmt nicht schätzt – wagte es, Captain Vorcas anzusehen, der aussah, als würde er einen Mord erwägen. Während der Abwesenheit der Rikata-Kampfgruppe hatte er die im Draned-Sektor verbliebenen Reste der imperialen Flotte kommandiert und bei einem Gefecht mit den Separatisten herbe Verluste erlitten. Dadurch hatte Qulats seine Stellungen festigen können und einen gefährlichen Propagandasieg erzielt.

„Qulat verfügt über fast zwei Dutzend Schiffe. Gewiss sind das überwiegend Hilfskreuzer und -träger oder leichte Patrouille-Einheiten. Aber dazu kommen armierte Raumstationen, Boden-Raum-Raketenbatterien, Abwehrsatteliten sowie boden- und stationsgestützte Raumjäger und -bomber der vorletzten Generation. Diese niederzukämpfen könnte verlustreich werden. Darf ich Sie außerdem daran erinnern, Admiral…“, Captain Geleks abwägende Stimme verlieh seinen fast dozierenden Worten zusätzliches Gewicht: „…dass Qulat nicht nur alle Sprungpunkte zu seinem Hauptsystem mit schweren Atomminenfeldern gesichert hat, sondern wir auch davon ausgehen, dass er in der Lage und bereit sein könnte, beim Auftauchen einer Invasionsflotte den entsprechenden Sprungpunkt zu sprengen. Unsere Simulationen…“
„Sind mir bekannt. Aber man tötet keinen Karrg*, indem man auf seinen Kopf einschlägt. Man zielt auf seinen Unterbauch. Und deshalb werden wir auch nicht Qulats Hauptwelt angreifen, sondern an seiner Peripherie zuschlagen.“
„Das wird ihm wehtun, aber ihn nicht vernichten.“
„Das bleibt abzuwarten. Qulat mag sich ‚Hochlord‘ nennen. Aber seine Autorität beruht einzig und alleine auf Waffengewalt. Darauf, dass genug seiner Soldaten und ‚Untertanen‘ ihn fürchten oder glauben, sich auf der richtigen Seite der Geschichte zu befinden. Während sie doch gleichzeitig wissen, dass sie ihren Eid auf das Imperium gebrochen haben. Und jede noch so kleine Niederlage erinnert sie daran, welches Schicksal Verrätern droht. Qulat ist ein gefährliches Exempel und er mag mehr Schiffe, Waffen und Soldaten haben als die T’rr – und zudem Atomwaffen. Aber dennoch ist seine Macht ungleich gefährdeter. Er ist ein Gegner, den wir besiegen können. Und das schnell – ohne dabei mehr als das absolut notwendige Minimum an Akariiblut zu vergießen.“
„Ich bezweifele, dass es so einfach wird. Qulats Rebellion wird nicht einfach zu Staub zerfallen, wenn er einen Rückschlag einsteckt.“
„Ihre Zweifel nehme ich zur Kenntnis. Aber irgendwo müssen wir anfangen. Und ich werde Qulat nicht die Initiative überlassen. Oder darauf warten, dass die Menschen sich zu einer neuen Offensive aufraffen oder Akar einen neuen großartigen Generalplan ausheckt, wie sie diese Kampfgruppe einzusetzen gedenken.“
„Die Admiralität…“
„Auf Akar wissen sie doch nicht einmal, mit welchem Wasser wir hier kochen!“, winkte Admiral Rau großartig ab, was ihm von einigen der Anwesenden ein kurzes Lachen einbrachte.

Navar Thelam biss sich auf die Lippen. Natürlich verstand er, weshalb der Admiral auf DIESER Klaviatur spielte. Aber es war ein gefährliches Spiel, auf die Verbitterung und die ‚Fronttruppenarroganz‘ von Soldaten zu setzen, deren Enttäuschung durch ein Gefühl der Vernachlässigung und Demütigung genährt wurden. Vielleicht war es dieses unterirdisch schwelende Feuer gewesen, dass Akar durch die Abberufung Admiral Tarans ersticken wollte. Und nun…
‚Ich hoffe, Rau weiß was er tut. Oder vielmehr – dass er es nicht aus den falschen Motiven tut.‘ Es wäre der Gipfel der Ironie gewesen, wenn die Admiralität im Bestreben, einer möglichen Usurpation vorzubeugen einen Karrg* zum Schatzwächter bestimmt hätte.

Allerdings schienen auch bei den Kapitänen der Rikata-Kampfgruppe die Zweifel noch nicht ausgeräumt zu sein. Jedenfalls nicht bei Zanni: „Selbst Admiral Taran…“
„Ich bin nicht Taran. Ich weiß, was er erreicht hat – und was Sie unter seinem Kommando geleistet haben. Aber ich bin mehr als er. Und ich verlange auch mehr.“
„Der Admiral…“, fing Captain Matir an, wobei sich Navarr fragte, ob er den ehemaligen Sektorkommandeur verteidigen wollte. Aber Rau ließ ihn sowieso nicht ausreden: „Ist nicht mehr hier. Sie werden sich an meinen Führungsstil gewöhnen. Ich habe Ihre letzten Schlachten studiert und war beeindruckt. Taran ist ein guter Taktiker und Stratege – und in seiner Zeit beim Admiralsstab hat er Hervorragendes geleistet. Seine politischen Fähigkeiten und Instinkte sindn sogar noch bemerkenswerter.“

Navarr war sich nicht sicher, ob das als Lob oder überhaupt ernst gemeint war. Und offenbar ging es Captain Ka’wal ebenso: „Also aus Ihrem Mund ist das…“
Aber auch ihn ließ Rau nicht ausreden. Er fiel ihm allerdings nicht ins Wort. Er sprach einfach weiter: „Aber Taran fehlte meine praktische Erfahrung. Und eine…Rücksichtslosigkeit und Risikobereitschaft, die wir in diesen Zeiten zeigen müssen.“
„Er hat Qulat in Abwesenheit zum Tode verurteilt. Wir haben Masters in Schutt und Asche gelegt. Und Taran hat dabei weder den Draned-Sektor noch diese Kampfgruppe verloren. Das ist für mich das richtige Gleichgewicht aus Vorsicht und Rücksichtslosigkeit.“ konterte Zanni.
„Nun, dann muss ich Sie wohl noch überzeugen…“

In der folgenden Stunde entrollte der Admiral methodisch das Bild seiner Strategie des schrittweisen Einkreisens, Abschnürens und letztlich Auslöschens ‚Hochlords‘ Qulats und seines selbstproklamierten Imperiums. Er war durchaus bereit, Einwände und Anregungen der anderen Offiziere aufzugreifen – aber nur zu seinen Bedingungen. Admiral Rau war sicherlich nicht der größte Stratege der kaiserlichen Flotte. Aber einer der besten Taktiker – seiner persönlichen Meinung nach sogar DER beste. Einen Krieg zu planen war nicht seine Stärke. Aber eine schnelle Offensive zu entwerfen, die auf Überraschung, Irreführung und dem Ausnutzen gegnerischer Schwachpunkte basierte, das war ihm in Fleisch und Blut übergegangen. Sein ganzer Erfolg beruhte darauf, dort auszuweichen, wo der Gegner starke Verbände zusammenzog – und zuzuschlagen, wo der Feind ihn nicht erwartete. Kjani Rau war kein Mann, der mit dem Kopf durch die Wand ging oder sich von seinem Gegenüber diktieren ließ, wo er angreifen oder standzuhalten hatte. Doch wo er eine Möglichkeit sah, da schlug er zu – gnadenlos und mit aller Macht.
Navarr fragte sich, ob sich Admiral Rau der Tatsache bewusst war, dass sein Vorgänger auf eine ähnliche Taktik gesetzt, wenn sie auch vielleicht nicht so entschlossen durchgezogen hatte. Aber natürlich blieb Rau auch kaum etwas anderes übrig, wenn er mit den immer noch relativ bescheidenen Mitteln des Draned-Sektors etwas erreichen wollte.

„Ihnen ist natürlich klar, dass das alles Makulatur ist, falls wir von Akar den Marschbefehl erhalten. Oder falls die TSN angreift. Selbst ein paar Überfallaktionen mit Leichten Trägern und ein paar Kreuzerdivisionen würden ausreichen“, Matir hatte sich seine Skepsis erhalten.
„Über diese Brücke werde ich gehen oder nicht gehen, wenn es soweit ist.“, der Admiral zuckte mit den Schultern: „Ich habe mich noch nie von einem Wenn-Dann abhalten lassen, ÜBERHAUPT etwas zu tun. Und die Menschen sind momentan an anderen Fronten gebunden. Ihre Streitigkeit mit unseren neuen ‚Freunden‘ von der Konföderation und Admiral Ilis Vorstoß, die Peshten-Front…
Außerdem müssen sie auf die Schlappe reagieren, die Rian ihnen zugefügt hat. Nein, der Draned-Sektor rangiert momentan ganz weit unten auf ihrer Prioritätenliste. Solange wir noch nicht gegen sie losschlagen, wird die TSN uns gerne ignorieren – und ganz bestimmt nicht aktiv werden, um Qulat zu unterstützen. Sonst hätten sie nicht ihre Blockade derart vernachlässigt, mit der sie uns vom Rest des Imperiums abschneiden. Und was unsere eigene Admiralität und ihre manchmal vielleicht etwas sehr ambitionierten Pläne angeht…“, ein spöttischer Blick zu Captain Ka’wal zeigte, dass sich der Admiral den internen Spannungen der Rikata-Kampfgruppe bewusst war: „…rechne ich fest damit, dass Admiral Taran seine neue Position in der Führung des Flottenstabes dazu zu nutzen weiß, Akar ein realistisches Bild von der Situation im Draned-Sektor und den Möglichkeiten dieser Kampfgruppe zu vermitteln.“

Diese Information überraschte die Kapitäne offenbar. Ihre Reaktion reichte von Verärgerung und Unglauben bis zu einer Art trotzigem Stolz, wobei letzterer zu überwiegen schien. Es war schon einige Jahre her, dass ein Kommando im Draned-Sektor jemanden zu einem derart hohen Posten qualifiziert hatte…

Admiral Rau fuhr währenddessen ungerührt fort: „Noch etwas: Captain Matir, Sie werden natürlich als mein Stellvertreter fungieren. Aber die KAHAL wird nicht mein Flaggschiff sein.“
Das war eine weitere Überraschung. Üblicherweise wurde eine imperiale Flotte von dem kampfstärksten Schiff aus kommandiert: „Captain Zanni, veranlassen Sie bitte, dass die KALLEH auf meine Ankunft vorbereitet wird.“
„Selbstverständlich, aber…darf ich erfahren, welchem Umstand ich diese…Ehre verdanke?“ Die Kapitänin klang…vorsichtig.
„Sie meine abgesehen von der Tatsache, dass es unklug wäre, den Kommandeur der Flotte und seinen Stellvertreter auf dasselbe Schiff zu stellen?“
„Und dass die KAHAL das verlockendste Ziel in der ganzen Kampfgruppe darstellen dürfte?“, murmelte Ka’wal vernehmlich. Navarr musste ein Zusammenzucken unterdrücken. Hatte der Captain dem Admiral soeben Feigheit unterstellt?
Den leicht beunruhigten, manchmal auch hämischen Blicken zufolge, die einige der Offiziere wechselten, hatten offenbar auch die anderen Ka’wals Worte so interpretiert. Und auch der Admiral hatte die Anspielung verstanden: „Ich überlasse es Ihnen, aus meinem bisherigen und meinem zukünftigen Verhalten die richtigen Schlüsse zu ziehen. Sollten diese dergestalt sein, dass irgendjemand irgendwelche Anschuldigungen erheben möchte…“, der Admiral erhob sich zu seiner vollen Größe und tippte leicht gegen den Griff des an seiner Hüfte hängenden Drehh-Kampfschwertes: „…bin ich jederzeit bereit, dem Entsprechenden Rede und Antwort zu stehen. Hier und Jetzt – in jeder Art und Weise, die er wünscht und gemäß den ehernen Traditionen der imperialen Flotte.“ Ein unterschwellig drohender Ton hatte sich in seine Stimme geschlichen, die seltsam mit der grimmigen Belustigung harmonierte, die in den Worten des Admirals mitgeschwang.

Navarr kämpfte gegen den Impuls, seinen Uniformkragen zu lockern, der auf einmal viel zu eng zu sein schien. Die seit dem Beginn des Treffens spürbare Spannung war jetzt gar nicht mehr unterschwellig und schien nicht nur Navarr das Atmen zu erschweren. Admiral Rau schien das alles allerdings nicht zu belasten. Um seine Lippen spielte ein zynisch-herausforderndes Lächeln: „Gibt es etwas, das Sie mir zu sagen haben, CAPTAIN Ka’wal?“
Einen kurzen Augenblick – nicht zum ersten Mal – hatte Navarr Thelam das Gefühl, Zeuge einer Szene zu sein, die sich so oder so ähnlich schon einmal abgespielt hatte. Aber vielleicht war das ja wirklich so. Manche Dinge waren vermutlich tatsächlich dazu bestimmt, sich immer und immer wieder zu wiederholen.
Und Admiral Rau hatte jedenfalls schon mehr als einmal vor einer ähnlichen Herausforderung gestanden. Und sie gemeistert. So auch diesmal, denn nach einigen Herzschlägen schweigender Spannung war es Captain Ka’wal, der den Blick abwandte: „Nein, Admiral.“
Der Admiral nickte langsam: „Gut. Aber da Sie die Wahl meines Kommandoschiffs so sehr beschäftigt, möchte ich Ihnen noch einen weiteren Grund für meine Entscheidung verdeutlichen. Ein Flottenträger, ein Schlachtschiff – das sind imposante Flaggschiffe mit vernichtender Feuerkraft. Ich ziehe jedoch Geschwindigkeit und überlegene Sensoren vor. Ich muss keinen Kriegshammer führen, wenn eine schmale Klinge an der richtigen Stelle angesetzt völlig ausreicht. Man muss den Feind angreifen, wo er schwach ist – aus einer Richtung, die er nicht erwartet. DAS ist die Taktik, die mir zum Sieg verholfen hat - und für die ich überlegene Gefechtselektronik der KALLEH brauche.
Wer weder sich selbst noch den Feind kennt, der wird niemals siegen. Wer sich selbst oder seinen Feind kennt, der wird manchmal siegen. Wer aber sich selbst und den Feind kennt, der wird immer siegen.
Und um meinen Feind zu kennen, brauche ich dieses Schiff.“

Navarr Thelam kannte diese Worte – wie auch die anderen Kapitäne. Immerhin war es der Namenspatron der Kampfgruppe gewesen, der diesen Leitspruch vor etlichen tausend Jahren das erste Mal formuliert hatte. Die Gefechtsmaximen General Rikatas, des ‚Generals der beweglichen Kriegführung‘ wurden immer noch in den Flotten- und Heeresakademien des Imperiums gelehrt und hatten bis heute nichts von ihrer Bedeutung eingebüßt.

„Nachdem wir das geklärt hätten, gibt es noch weitere Fragen?“ Das war nicht der Fall – vielleicht, weil die Kapitäne der Meinung waren, für einen Tag genug Drama erlebt zu haben. Nicht einmal Zanni hatte noch etwas loszuwerden, auch wenn sie noch immer nicht begeistert von der Aussicht erschien, dass ihr Schiff den neuen Flottenoberbefehlshaber beherbergen sollte. Aber sie versicherte natürlich, dass ihr Kreuzer für seine neue Aufgabe bereitstünde. Zehn Minuten später war der Admiral allein – bis auf Navarr Thelam, dem der Flottenbefehlshaber zu Bleiben befohlen hatte. Was dem jungen Kadetten erneut einige misstrauische Blicke eingebracht hatte und in ihm fast so etwas wie leichte Verzweiflung aufsteigen ließ. Wenn der Admiral es darauf anlegte, ihn zu isolieren und bei den Divisionskommandeuren der Kampfgruppe Misstrauen zu wecken, dann war er auf dem richtigen Weg.

*

Ein paar Augenblicke sagte keiner der beiden Männer etwas. Navarr, weil er nun einmal nur ein Kadett war – kaiserliche Herkunft hin oder her. Und Kjani Rau…
Vielleicht genoss er es, den jungen Prinzen zappeln zu lassen, auch wenn seinem sonst so ausdrucksstarken Gesicht keine Regung anzusehen war. Aber dann brach er doch sein Schweigen: „Ich hoffe, Sie haben etwas gelernt.“
„Admiral?“
„Ich weiß nicht, welche Zukunft vor Ihnen liegt – ein Posten in der Admiralität, wie ihr Cousin Karrek, den Admiralin Tian unter ihre Fittiche genommen hat. Oder Kern Ramal, den man offenbar für geeignet hält, den Stabschef der Admiralität zu geben..."
Navarr richtete sich auf: "Admiral Ramal ist nicht mein Cousin!"
"Habe ich das behauptet?", der Admiral grinste mokant. Streng genommen hatte er das tatsächlich nicht, aber seine Wortwahl hatte wenig Zweifel daran gelassen, was er meinte - oder von der Beförderung hielt. Natürlich wusste er von den Gerüchten über Kern Ramals Herkunft - genauso wie Navarr, der auf diesen 'wahrscheinlichen' Cousin durchaus hätte verzichten können.
"Vielleicht liegt ihre Zukunft aber auch eher in einem der Ministerien oder der Zivilverwaltung. Oder gar…“, der Admiral lächelte flüchtig, sprach das Naheliegende jedoch nicht aus, sondern fuhr stattdessen fort: „Aber Sie werden ganz sicher dabei auf Widerstand stoßen. Und auf Herausforderer. Und dann sollten Sie bereit sein, damit fertig zu werden.“
Navarr Thelam räusperte sich. ‚Du bist ein Prinz, vergiss das nicht‘: „Und Sie meinen, Sie haben Captain Ka’wal auf seinen Platz verwiesen?“
Der Admiral zuckte den Schultern: „Fürs erste jedenfalls. Nicht, dass er es nicht noch einmal versuchen wird. Aber ein bisschen Konkurrenz kann nicht schaden. So bleiben Sie wachsam. Außerdem ist offene Opposition manchmal geradezu…erfrischend. Wenn man die Alternativen bedenkt.“
„Sie nehmen das sehr auf die leichte Schulter…Admiral.“
„Ich bin schon mit sehr viel gefährlicheren Männern fertig geworden. Und mit größeren Herausforderungen.“
Das stimmte natürlich – und etliche dieser Männer hatten das nicht überlebt.
„Außerdem…Ka‘wal hat auch schon bei meinem Vorgänger den Aufstand geprobt. Natürlich nur im übertragenen Sinne. Ka’wal ist Patriot, auch wenn er nicht so freigiebig dabei ist, diese Qualität auch denen zuzusprechen, die nicht auf seiner politischen Linie liegen.
Taran hat ihn damals schnell zurechtgestutzt, wenn auch vielleicht mit ein wenig anderen Methoden als ich. Und da Ka‘wal jetzt schon wieder klein beigegeben musste…
Er ist ein zorniger junger Mann. Aber ihm fehlt die Skrupellosigkeit oder Verzweiflung, aufs Ganze zu gehen. Deswegen musste er damals auch verlieren, denn bei allen Fehlern, die Taran hatte – und dazu zähle ich diese idiotische Verschwörung, an der er beteiligt war – jemand, der es wagt, sich gegen den Kronprinzen, Kriegsminister UND Großadmiral des Imperiums zu stellen, den schüchtern Sie nicht mit ein paar unhöflichen Worten ein.“
„Sie scheinen viel über ihren Vorgänger zu wissen. Und über Ka’wal.“
„Ich kenne die ART von Männern, auch wenn ich nicht zu ihnen gehöre. Ka’wal…ist ein Rewar**, aber einer, der faucht, aber nicht beißt. Das wissen seine Kollegen jetzt. Und das lässt ihn als Widerstandsfokus etwas ungeeignet erscheinen. Wenn Matir oder Zanni so etwas versuchen würde…dann würde ich mir vielleicht etwas mehr Sorge machen.“
Navarr begann sich ein wenig zu entspannen. Auf seltsame Art und Weise erinnerte ihn dieser Austausch an seine Gespräche mit Rallis Thelam oder Marschall Parin: „Habt Ihr deshalb entschieden, die KALLEH zu eurem Flaggschiff zu machen?“
„Nicht in erster Linie“, winkte Admiral Rau ab: „Ich habe vorhin nicht gelogen. Ich lüge übrigens nie.
Matir hat das Prestige und die Erfahrung, um ein guter Stellvertreter zu sein. Und wie Zanni ist er bereit, seine Meinung offen zu vertreten, auch wenn diese nicht den Vorstellungen seines Vorgesetzten entspricht. Das weiß ich zu schätzen – das sollten auch SIE zu schätzen wissen. Nichts steigt einem schneller zu Kopf, wie sich mit Jasagern zu umgeben.“

Das klang seltsam aus dem Mund eines Mannes, dem man nicht ohne Grund nachsagte, sich für das fleischgewordene Geschenk der Götter an das Imperium zu halten.

„Ka’wal hat ebenfalls keine Hemmungen, seine Meinung kund zu tun. Dennoch…“
„Ihm fehlt die Erfahrung, das Dienstalter und die Autorität, die Matir vorzuweisen hat. Und er befehligt nur einen Kreuzer. Nein, Matir ist die richtige Wahl als mein Stellvertreter – und die KALLEH die beste Wahl als Flaggschiff. Zumindest für mich.“
Navarr war sich nicht sicher, ob Rau ihm die ganze Wahrheit sagte – mindestens EIN weiterer Grund fiel ihm noch ein, wenn er den Ruf des Admirals bedachte. ‚Auch wenn ich nicht sicher bin, ob Zanni seinem Beuteschema entspricht.‘

„Jetzt zu Ihnen. Sie können Ihre Sachen auf der KALLEH lassen. Sie bleiben natürlich hier. Genauso wie ihre kleine Otrano-Freundin. Ich verleihe Ihnen beiden den Rang eines Lieutenants.“
„Admiral?“ Damit hatte Navarr nicht gerechnet.
„Sie beiden werden als meine Adjutanten fungieren und als Verbindungsoffiziere zu Marschall Parin. Und da kann ich es nicht gebrauchen, wenn ein einfacher Flottenlieutenant Ihnen höflich sagen kann, dass Sie sich bitte verpissen sollen.
Übrigens lässt der alte Mann Sie grüßen. Es tut ihm leid, dass er nicht hier sein kann. Aber seine neue Mission auf T’rr – an der Sie sich zu gegebener Zeit beteiligen werden – duldete keine Verzögerung. Außerdem war es so sicherer. Falls irgendjemand ein…spezielles Interesse an Ihrer…Reise in den Draned-Sektor entwickelt hätte, wollten wir sichergehen, dass der Entsprechende ZWEI Spuren folgen müsste. Sie verstehen?“
Das tat Navarr allerdings: „Und was halten Sie von mir, Admiral?“
Rau überraschte ihn mit einem jähen Auflachen: „Sie haben ja tatsächlich Rückgrat. Umso besser. Habe ich das Parin zu verdanken oder Rallis? Wobei der sein Rückgrat so sehr verbiegen kann, dass jeder, der ihm einen Dolch in den Rücken stechen will, eine böse Überraschung erleben dürfte.“
„Sie könnten es auch meiner Herkunft zuschreiben, Admiral. Ich bin ein Thelam.“
„Ich glaube nicht an Vererbung. Nicht, wenn es um die…Stärke des Geistes geht. War das der richtige Ausdruck?“
„Ich weiß, was Sie meinen.“ Navarr war sich nicht sicher, warum Rau eine Zeile aus einem historischen Stück über den Aufstieg der Thelam-Dynastie zitierte. Und das auch noch ziemlich falsch und entgegen der Originalaussage. Irgendwie bezweifelte er, dass es aus Ignoranz geschah. Entweder Rau kokettierte mit seiner einfachen Herkunft oder das verstümmelte Zitat war eine subtile Herausforderung. Ein Köder, auf den vermutlich mehr als ein hochgeborener Konkurrent Raus angesprungen war oder der ihn in einem trügerischen Gefühl der Überlegenheit gewiegt hatte.
„Vielleicht können Eltern ihren Kindern gewisse…Anlagen weitergeben. Aber wir sind es selber, die entscheiden, was wir daraus machen.“ Und das war ganz bestimmt ehrlich gemeint. Immerhin fasste dieser Satz Kjani Raus gesamte Kariere zusammen. Aber weil Rau natürlich war, der er war, musste er noch hinzufügen "Natürlich können die Eltern und die Abstammung es einem doch ziemlich erleichtern, was man wird. Und ich meine damit NICHT so etwas wie vererbte Talente und Fähigkeiten."
Navarr verkniff sich eine Antwort. Protektion und Nepotismus waren sowohl in den Streitkräften als auch in der Zivilverwaltung weit verbreitet. Jeder wusste es, doch selten sprach jemand darüber.
„Sie haben meine Frage noch nicht beantwortet.“
„Ich bin etwas…anspruchsvoller als Marschall Parin. Aber auch mich interessiert es zu erfahren, ob Sie ein Prinz sein können, der es verdient, dass man ihm folgt.“, da war es wieder, das sarkastische Grinsen: „…oder vielleicht will ich auch derjenige sein, der Sie erst zu einem solchen Prinzen macht.“
„Wollen Sie der Vors Jilat zu meinem Calim sein?“

General Jilat war ein legendärer General des Ersten Imperiums gewesen, der während der ‚Zwölf Jahre ohne Kaiser’ die letzten Überlebenden der rechtmäßigen Dynastie beschützt und nach der Thronbesteigung Calim I. zum zweiten Mann im wiedererstarkenden antiken Akarii-Imperium aufgestiegen war.

„Es gibt unwürdigere Ziele, findet Ihr nicht? Aber das hängt vor allem davon ab, welches Schicksal IHR wählt.“
‚Oder welches Schicksal für mich gewählt wird.‘ Manchmal fragte sich Navarr Thelam ob Männer wie sein Cousin Rallis, Admiral Rau, Marschall Parin – und vermutlich auch Meliak Allecar, wenn er dem in die Finger geraten sollte – in ihm nur eine nützliche Marionette sahen, an deren Fäden sie nach Belieben ziehen konnten.
„Außerdem…“, der Admiral schnalzte mit der Zunge: „Hat man mir Sie betreffend ein Versprechen abgenommen. Und das gedenke ich zu halten.“
„Was für ein Versprechen? Und wem haben Sie es gegeben?“
„Alles zu seiner Zeit. Zudem bin ich der Meinung, dass Taten deutlicher sprechen, als Worte.“
Navarr wusste instinktiv, dass das erst einmal alles war, was er von Admiral Rau erfahren würde. Blieb noch eine Frage: „Warum auch Maran?“
Der Admiral schnaubte kurz aber amüsiert: „Warum ich Maran Otrano ebenfalls befördere? Abgesehen davon, dass Sie mindestens genauso talentiert ist wie Sie?“ Er musterte den Prinzen bei diesen Worten scharf. Und nickte dann, als hätte er die erhoffte Antwort erhalten: „Jedenfalls nicht aus dem Grund, denn Sie – und einige andere – vielleicht vermuten werden. Ich pflege nicht mit einem Mädchen anzubandeln, das in der Dienstkette soweit unter meinem Rang steht. Das hat zu sehr den Geschmack von…Amtsmissbrauch.
Aber Sie brauchen Verbündete und Vertraute. Und wer wäre da besser geeignet als diese kleine Bande ehemaliger Möchtegernverschwörer, die man mit Ihnen zusammen im Draned-Sektor abgeladen hat? Inzwischen hatten Sie Zeit genug, sie kennenzulernen. Und ich denke, dass eine Otrano nicht die schlechteste Verbündete ist.“

Navarr hatte so etwas bereits geahnt. Aber die Tatsache, dass irgendjemand – vielleicht Parin, eher Rallis - ihn offenbar ganz bewusst mit den enttäuschten Frondeuren und rebellischen Offizieren zusammengebracht hatte, die vom Aufstieg der Allecar-Familie empört beinahe die imperiale Hauptstadt in einen Bürgerkrieg gestürzt hatten, war etwas, was er erst einmal verdauen musste. ‚Bin ich so leicht zu durchschauen?‘ Andererseits – was hatte er erwartet? Diese Männer hatten das Spiel ERFUNDEN, das Navarr zu spielen gezwungen war.

Offenbar war ihm etwas von seiner Verärgerung anzusehen, denn da war es wieder, Admiral Raus spöttisches Lächeln: „Begehen Sie niemals den Fehler, eine Waffe aus der Hand zu legen, bloß weil Ihnen derjenige nicht gefällt, der sie Ihnen gegeben hat. Oder weil Ihr seinen Motiven nicht traut. Seien Sie sich der Tatsache bewusst – und entscheiden Sie dann, WIE Sie die Waffe führen wollen.
Übrigens Glückwunsch, Lieutenant.“
„Wozu? Zu meiner Beförderung? Ich werde mich als der Verantwortung würdig erwiesen, dass verspreche ich.“
„Ich bin mir sicher, dass Sie es auf jeden Fall VERSUCHEN werden. Aber das meinte ich nicht. Ich wollte Ihnen vielmehr zu Ihrem ersten Abschuss gratulieren.“
Zuerst dachte Navarr, dass der Admiral damit Maran meinte – immerhin hatte Rau einen ganz speziellen Ruf – und beinahe wäre er laut geworden. Aber noch bevor er den Mund öffnen konnte, kam ihm der Admiral zuvor: „Ich meine natürlich Glückwunsch zu Ihrem ersten Admirals-Abschuss. Normalerweise muss man dazu einen etwas höheren Rang erreichen.“
Navarr stutzte: „Ich verstehe nicht…“
„Jekha Nahû, Kommandantin der Heimatflotte. Sie wurde vor wenigen Tagen von seinem Posten abgelöst. Ich weiß nicht, ob man sie auch vor ein Kriegsgericht stellen wird.“
„Ich bin Nahû schon mal begegnet. Sie ist ein sehr erfahrene Admiralin.“
„Sie ist alt und hat schon seit Jahren nicht mehr im Einsatz gestanden oder an der operativen Planung eines Feldzuges mitgewirkt. Aber zu ihrer Zeit war sie besser als der Durchschnitt. Und was jetzt geschieht, das hat sie nicht verdient.“
„Ich habe niemals…“
„Natürlich nicht. Aber Ihre…unangekündigte Abreise hat offenbar einige mächtige Leute sehr verärgert. Und irgendjemand musste dafür bezahlen.“
„Ich wusste nicht, dass Nahû…“
„Eigentlich ist es auch nicht die erste Aufgabe der Heimatflotte, Raumschiffe beim Verlassen des Systems zu kontrollieren.“
„Und warum…“
„Ich weiß es nicht. Ein Bauernopfer um die Allecars zufriedenzustellen? Immerhin hat man damit gewartet, bis Sie außer Reichweite waren. Ein Warnschuss für die Flotte – um die anderen Admiräle zu entmutigen, in der Politik aktiv zu werden? Auch wenn das natürlich eine vergebliche Hoffnung sein wird. Will sich jemand profilieren? Oder sollen Spuren verwischt werden? Vielleicht ging es auch nur darum, einen Posten frei zu räumen, damit ihn ein anderer einnehmen kann. Teera Moth, die Nahû ersetzt, war eine offene Kritikerin von Prinz Jor und Kanzler Gor. Das wird den Frondeuren gefallen und den Progressiven. Und...“, der Admiral grinste wieder zynisch, "...wollte man so auch andere Veränderungen in der Admiralität kaschieren. Immerhin hat man auch die Stabsspitze ziemlich umgekrempelt. Und mir kann keiner erzählen, dass DAS nicht politisch motiviert war."
Navarr wusste, dass Rau damit vermutlich schon wieder auf Admiral Ramal alias 'den kaiserlichen Bastard' anspielte, aber diesmal schluckte er den Köder nicht. Und auch Rau hatte offenbar kein Interesse daran, noch einmal nachzutreten. Stattdessen zeichnete sich auf seinem Gesicht kurz fast so etwas wie Erschöpfung oder Widerwillen ab. Er zuckte mit den Schultern und verzog den Mund als würde er einen schlechten Geschmack auf der Zunge spüren: „Ich hasse diese Spiegelfechtereien. Ich will sie nicht in meiner Flotte haben. Wir haben genug ECHTE Probleme.“
„Trotzdem...“
„Wie gesagt, ich habe ein Versprechen abgegeben. Und da man mir zutraut, zusammen mit Parin die verfahrene politische Situation in diesem Sektor zu bereinigen – warum sollte ich dann nicht auch in der Lage sein, mich um einen Prinzen zu kümmern, den man entweder verbannt oder aus der Schusslinie gebracht hat? Und natürlich darum, was diejenigen, die hinter Ihrer Verschickung stecken – oder denen genau das ihr großartiges Konzept von der Zukunft ruiniert hat – in unsere Richtung schmeißen werden.“
Unter diesem Blickwinkel hatte Navarr es noch nicht gesehen und es war kein besonders schöner Blickwinkel. Offenbar war ihm das auch anzusehen, denn plötzlich lachte der Admiral jäh auf: „DAS hatte ich mit meinen Worten nicht bezweckt. Noch ein Rat, den ich für Sie habe – und das ist der letzte für heute. Fühlen Sie sich NIEMALS schuldig, nur weil Sie sind, wer Sie sind. Das werden Ihnen andere ohnehin auch so oft genug vorwerfen.“ Und das war natürlich wieder eine Maxime, die auch für Kjani Rau selber galt.
„Ansonsten würde ich Ihnen empfehlen, sich noch etwas Ruhe zu gönnen. Sie werden wenig Zeit zum Schlafen finden, wenn Sie mit mir mithalten wollen. Also…“
Das Summen des Türsignals ließ den Admiral innehalten: „Herein!“
Es war Captain Zanni, die den Raum betrat und Navarr konnte ihrem Gesicht ablesen, dass etwas passiert war. Die sardonische Kompetenz und wachsame Leidenschaft, die sie sonst so häufig auszustrahlen schien, war von einem Ausdruck abgelöst worden, der…Navarr sah Erschütterung und eine Art grimmigen Fatalismus, den sie vermutlich in den letzten Jahren oft genug hatte verspüren müssen: „Admiral…es geht um Admiral Ilis…“

*********************************

*Der Karrg ist eine akariische Fabelfigur ähnlich dem irdischen Drachen, auch was seine Verschlagenheit angeht. Er galt gemeinhin als unkontrollierbar.

** Rewar – auch Raubechse genannt, ein einheimisches Raubtier von Akar. Etwa zwei Meter lang, für eine Echse recht hochbeinig, schnell, und ein guter Schwimmer. Leicht giftig, gilt als aggressiv und hinterhältig.

Dieser Beitrag wurde 2 mal editiert, zum letzten Mal von Tyr Svenson: 13.10.2019 13:44.

10.09.2019 17:56 Tyr Svenson ist offline E-Mail an Tyr Svenson senden Beiträge von Tyr Svenson suchen Nehmen Sie Tyr Svenson in Ihre Freundesliste auf
Ace Kaiser Ace Kaiser ist männlich
Lieutenant General


images/avatars/avatar-461.gif

Dabei seit: 01.05.2002
Beiträge: 7.038

Auf diesen Beitrag antworten Zitatantwort auf diesen Beitrag erstellen Diesen Beitrag editieren/löschen Diesen Beitrag einem Moderator melden       Zum Anfang der Seite springen

Die ersten Tage und Wochen am Wurmloch waren beeindruckend ereignislos gewesen. Professor Jorgensson und Mel hatten sich mit wahrem Feuereifer in ihre Arbeiten gestürzt, und das ganze Team, angefangen bei den Wissenschaftlern über die Ingenieure und die Fachtechniker bis hin zur Mannschaft, waren ihrem Beispiel mit Feuereifer gefolgt. Die ALBERT EINSTEIN roch nicht nur wie neu, alles an Bord war auf dem allerneuesten Stand der Technik. Das bedeutete, dass das Schiff bereits Energieerzeuger und Antriebe nach akariischem, von Terranern geklauten und von ihnen verbessertem Prinzip ihr eigen nannte. Justus konnte sich nicht über Aufmüpfigkeit, Schlendrian oder gar Anzeichen einer Meuterei aus lauter Langeweile beschweren. Alle an Bord waren stolz auf das brandneue Schiff und seine unendlichen Möglichkeiten, wenngleich einige der ältergedienten Soldaten bedauerten, dass es sich um kein Kampfschiff handelte.
Justus war sich klar darüber, dass die ALBERT nur deshalb den neuen Antrieb bekommen hatte, damit er die Testreihen der KAMI fortsetzen konnte. Dabei war die Hürde relativ simpel: Der Antrieb und die Energieerzeuger mussten sich schlicht und einfach bewähren, und die Hürde war genommen. Dazu brauchte lediglich ein halbes Jahr zu vergehen, und die technischen Neuerungen, die man der Akarii-Technik abgerungen hatte, würden mit wehenden Fahnen bestanden haben. Sodann konnte der massenhafte Einbau der Antriebe in die Neubauten beginnen. Was dies für einen Gefechtsvorteil bedeutete, mochte Justus nicht abzuschätzen, aber er würde nicht klein ausfallen. Was die Waffen anging, war man den Akarii in etwa ebenbürtig, aber ihre Antriebe, die hatten immer dieses eine Quäntchen mehr gehabt, dieses entscheidende Jota.

„Sir?“, fragte Commander Bak, der Kapitän der WARDRUM.
Justus sah auf wie ertappt. „Andrew, entschuldigen Sie. Was haben Sie gesagt?“
„Ich habe gefragt, ob Sie den Schlapphut auf der ALBERT EINSTEIN unterbringen wollen, wenn er ankommt, Sir. Ihr Schiff hat immerhin die Ausmaße und den Platz eines Leichten Kreuzers, während meine arme alte WARDRUM nicht gerade komfortabel und großzügig ausgestattet ist“, sagte er mit Schalk in den Augen.
Justus mochte Bak. Justus hatte Bak gleich von der ersten Sekunde an gemocht. Auch Jersey und Jablonski, die Kapitäne der SPRUANCE und der LOOKOUT hatte er fast sofort ins Herz geschlossen. Sie waren feine Leute mit Witz, Charme und Herz, geradlinige Charaktere mit eigenen Macken und guten wie schlechten Eigenschaften, die für ihre Leute da waren und niemals ihre Schiffe für die Chance auf einen verdammten Orden riskieren würden – aber jederzeit für die Pflicht, ihr Heimatland zu verteidigen. Die Warnung, dass Bak Kragenschmerzen hatte, war eventuell etwas übertrieben gewesen. Für Ruhm würde dieser Mann nicht über Leichen gehen. Aber er wollte an die Front, das war nicht zu übersehen. Und sobald er das durfte, würde er eine steile Karriere machen. Auf jeden Fall eine steilere als er selbst.
„Ha, ha, ha. Sie sind komisch, Andrew. Sie wissen doch selbst ganz genau, wie zugebaut meine ALBERT ist. Jeder freie Fleck an Bord wurde ausgenutzt, um irgendein Messgerät, eine Werkstatt oder ein Kraftwerk hineinzubauen. Alleine die Emitter ...“ Schneider winkte ab. „Gut, dazwischen ist noch ein wenig Platz. Wenn es denn Ihrem Seelenfrieden nützt, Andrew, werde ich Commander Kopenhagen auf meinem Schiff einquartieren.“
„Danke, Sir. Erinnern Sie mich daran, Ihnen dafür bei Gelegenheit einen auszugeben.“
„Einen?“, rief Justus gespielt entrüstet. „Das ist ja wohl mindestens eine Lokalrunde wert. Ich meine, auf einem Geschwaderflaggschiff, auf einem Träger oder auf einem Konvoiflaggschiff kann man erwarten, dass ein eigener Geheimdienstoffizier oder sogar ein eigenes Team der Gegenspionage eingesetzt wird, um die Sicherheit zu gewährleisten, aber nicht unbedingt auf einer Flottille mit drei Schiffen.“ Er sah den leisen Spott in Baks Augen und fügte hinzu: „Und natürlich ein Forschungsschiff mit dem neuesten Material, das die Menschheit aufzubieten hat. Gut, vielleicht haben wir mit nur einem Offizier noch richtig Glück gehabt. Vieles auf der ALBERT EINSTEIN ist so neu und so geheim, ich müsste eigentlich dauerhaft einen Marine daneben postieren.“
„Übertreiben Sie nicht gleich, Sir“, sagte Bak nonchalant. „Nicht nur Ihre Mannschaft, auch meine Leute haben alle die Top Secret-Überprüfung durchgemacht und sind freigegeben. Und wir haben hier draußen nicht gerade viele Begegnungen mit anderen Schiffen. Haben Sperrgebiete so an sich.“
Justus nickte zustimmend. „Zwei Monate noch, dann wird Ihr Schiff ausgetauscht, richtig?“
„Ja, Sir, dann geht es nach Sterntor, habe ich mir sagen lassen. Jablonski bleibt Ihnen noch ein halbes Jahr erhalten, und Jersey sieben Monate, dann werden auch die Fregatten ausgetauscht. Das macht man, damit unseren Mannschaften nicht die Decken auf die Köppe fallen. Sie haben damit weniger Probleme, nicht wahr?“
„Ja, das stimmt. Auf meinem Schiff herrscht eine Aufbruchstimmung, als würden wir nicht am Texas-Manticore-Wurmloch forschen, sondern es nächste Woche Montag wieder öffnen.“
„Es ist gut, dass die Crew so enthusiastisch ist. Ich kann Ihnen sagen, Langeweile kommt hier ganz leicht auf und ist definitiv ein Motivationskiller.“

„Langeweile ist immer noch besser als sterben zu müssen“, hielt Justus dagegen. Er hob eine Hand, um den Widerspruch des Jüngeren aufzuhalten. „Ich weiß, wovon ich rede. Haben Sie eine Ahnung, wie oft ich mit der KAZE so tief im Akarii-Raum gesteckt habe, dass ich von meinem Schiff auf ein gegnerisches Schiff hätte springen können? Wie oft wir knapp vor einer Entdeckung und damit kurz vor unserer Vernichtung gestanden haben? Und das mit einem veralteten Schiff mit veralteter Stealth-Technologie. Man gewöhnt sich nur schwer an die berechtigte Angst, im nächsten Moment den Löffel abgeben zu müssen, Andrew.“
„Ich habe nicht vor, so tief in den Akarii-Raum vorzustoßen, Sir. Mit einer Flotte im Rücken oder noch besser einem Träger ist mir das erheblich lieber“, erklärte er schmunzelnd. „Und ich bewundere Sie dafür, dass Sie trotzdem jeden einzelnen Auftrag angenommen und ausgeführt haben. Soweit ich die offiziellen Berichte im Fleet Journal lesen konnte und meine Geheimhaltungsstufe hoch genug ist, um den nicht offiziellen Teil zu lesen. Was hat Sie und die Crew der KAZE dazu motiviert, so weit zu gehen, frage ich mich.“
Justus zuckte die Achseln. „Befehle.“
„Befehle.“
„Ja, Andrew, Befehle. Meine Crew mag wie ein Haufen Deserteure, desillusionierter Faulpelze und potentieller Gewaltverbrecher ausgesehen haben, und seien wir ehrlich, die meisten, mich inbegriffen, die an Bord der KAZE gedient haben, hatten mehr oder minder einen an der Murmel.“ Er leistete bei diesen Worten seiner damaligen Ersten Offizierin Amber Soleil still Abbitte. „Aber wir haben alle unseren Job getan, und wir waren gut darin, unseren Job zu tun. Wir taten ihn halt eher auf... unsere Art, Andrew. Und das dann meistens erfolgreich. Jedenfalls haben wir die KAZE immer mit nach Hause gebracht, und mit ihr auch die Crewleute, tot oder lebendig. Bis aufs letzte Mal im Konföderationsraum.“ Justus schob den Gedanken beiseite. Diese Mission hatte ihm das Kommando über die KAMI eingebracht und ihn letztendlich auf die ALBERT EINSTEIN geführt.

„Apropos Konföderationsraum. Was halten Sie eigentlich von Operation Raccoon?“
„Raccoon? Soweit ich das sagen kann, ziemlich elegant ausgeführt. Der Einsatz von Q-Schiffen mag hinterfragungswürdig sein, aber das ist der offensichtliche Verrat trotz Ehrenwort von General Alexander auch. Die Evakuierung wurde so professionell durchgezogen, dass jeder Kommandeur stolz sein muss auf seine Leute. In nicht mal einem Tag vierzigtausend unorganisierte Menschen in den Raum zu schaffen ist eine logistische Meisterleistung. Und wäre ihnen nicht Admiral Noltze in letzter Sekunde dazwischengekommen, dann wäre der ganze Spuk vorbei gewesen, ohne dass unsere Leute auch nur die Rücklichter der Flotte zu sehen bekommen hätten.“
„Dann finden Sie gut, was Okamba gemacht hat?“
„Natürlich finde ich gut, was Okamba gemacht hat. Er hatte eindeutige Befehle, und er hat sie ausgeführt, seine Leute aus Camp Alabaster rausgeholt und so wenig zerstört und selbst verloren, wie irgendwie möglich war. Wir sollten die ganze Aktion für eigene Aktionen der Flotte als Muster herannehmen.
Wenn Sie mich aber fragen, was ich politisch davon halte: Nun, es ist ein klarer Angriff auf Republik-Raum. Wir können froh sein, dass daraus kein offener Krieg entstanden ist. Allerdings konnten wir schon froh sein, dass es nicht zu einem offenen Krieg gekommen ist, als wir angefangen haben, ColNavy-Schiffe zu kapern und ihre Crews wegzusperren.“
„Die haben unsere Flanke aufgemacht, als sie kapituliert haben. Und der Plan, Alabaster anzugreifen, muss bereits kurz danach ausgearbeitet worden sein, auch wenn er erst ein halbes Jahr später ausgeführt wurde.“
„Ja, die haben unsere Flanke gehalten. Aber sie haben sie nicht aufgemacht. Über diese Flanke ist im letzten halben Jahr nicht ein einziger Akarii gekommen, und das ist Fakt. Also ist diese Flanke immer noch dicht. Ein offener Krieg wäre das genaue Gegenteil gewesen, und wenn ich daran denke, wie tief Akarii-Raider über die Konföderation in den Republik-Raum hätten gelangen können, bin ich dankbar, dass die angebliche Neutralität der ColCon doch recht realistisch ist.“
„Sie heißen also gut, was die Konfies machen?“, fragte Bak interessiert.
„Ich heiße gut, was eine ganze Menge Konfis machen, Andrew. Immerhin dienen sie jetzt in der TSN und kämpfen an unserer Seite gegen die Kaiserlichen. Richtig oder falsch?“
„Das ist richtig, Sir. Aber die anderen ...“
„Ja. Die anderen. Ich denke, und das ist meine politische Privatmeinung, wir hätten mit der Neutralität der Konföderation ein wenig, nun, sagen wir wohlwollender umgehen sollen, auch wenn dies bedeutet hätte, die kräftige Spritze aus Schiffen und Personal wäre dann eventuell ausgefallen. Aber ich schätze auch, dass dieser verdammte Taran und der Angriff auf die Zweite Flotte nicht viel Gelegenheit für Birmingham gelassen haben, um es einerseits allen recht zu machen und andererseits die Neutralität bis zum größtmöglichen Maximum für die Republik zu nutzen. Wir hätten aber nie damit aufhören sollen, miteinander zu reden.“
Nachdenklich sah Bak den Älteren an. „Ich denke, ich verstehe, Sir. Dann war der Angriff auf Alabaster richtig?“
„Nein. Nach unseren Gesetzen war er ein Verbrechen. Und er war ein unverantwortlich hohes Risiko. Das Ganze hätte durchaus für eine Seite ein Massaker werden können. Oder für beide. Aber die Entscheidung, ColNavy-Personal in ein Straflager zu sperren, war auch nicht gerade gesetzlich gestützt. Ich für meinen Teil halte es so, dass dies die Zusammenarbeit mit den Konföderierten unter meinem Kommando oder mit den anderen Freiwilligen in der Flotte nicht beeinträchtigt. Ich sehe sie nach wie vor als Kameraden auf Augenhöhe an, egal, was Cochrane auf Hanover veranstaltet oder was für Reden er hält. Ich glaube nicht, dass hier zwei Minusse ein Plus ergeben, aber ich bin dankbar dafür, dass die ganze Sache glimpflich ausgegangen ist und dass eine ganze Menge Leute nach Hause gehen durften.“
Er sah den Kapitän der WARDRUM ernst an. „Einer meiner Cousins war im Camp Hellmountain und hat dort eine wirklich miese Zeit mitgemacht. Die Akarii hier im Texas-System werden besser behandelt, zugegeben. Aber sie sind Kriegsgefangene, und die Zeit, die sie fernab ihrer Heimat verbringen müssen, ist nicht abzusehen. Oder ob sie überhaupt jemals zurückkehren können, falls es mal einen Frieden gibt. Oder ein Imperium, in das sie zurückkehren können. Was wir aber mit den Konföderierten gemacht haben, kein Fisch, kein Fleisch, das war auch in Kriegszeiten nicht richtig. Aber auch das ist meine persönliche Meinung, aus Respekt vor unseren Waffenbrüdern, die fünf lange Jahre an unserer Seite gefochten haben.“
„So habe ich das noch gar nicht gesehen.“ Bak gluckste amüsiert. „Habe ich mich doch neulich dabei erwischt, dass ich beinahe eine Beförderung nicht gegengezeichnet hätte, nur weil die Frau aus der Konföderation kommt. Ich werde Ihre Einstellung übernehmen, die ColNavy-Leute in unseren Reihen mit dem gleichen Respekt zu behandeln wie alle anderen Soldaten, die für die Republik kämpfen.“
„Das ist eine gute Einstellung“, lobte Justus. „Kommen Sie morgen rüber, wenn der Schlapphut ankommt, oder rufen Sie nur an, Andrew?“
Der Offizier lachte leise. „Ich komme rüber. Erstens ist Ihr Kaffee besser als meiner, und zweitens möchte ich mir Commander Kopenhagen aus der Nähe anschauen, und das so schnell wie möglich.“
„Na, dann bis morgen, Commander.“ Justus erhob sich, und auch der schlanke Bak stand auf. Sie reichten einander die Hand, dann salutierte der Kapitän der WARDRUM, bis Justus den Salut erwidert hatte, dann drehte er sich um und verließ das Flaggbüro mit der Mustergültigkeit eines Kadetten kurz vor dem Ende seiner Ausbildung.
***
Am nächsten Tag traf ein Shuttle ein. Ein Großraumshuttle. Bewaffnet. Gepanzert. Gut gepanzert. Als es aufsetzte, geschah dies lautlos. Die Rampe ging auf, und eine große, breit gebaute Frau verließ die Rampe. Ihr folgte ein noch kräftigerer Mann der Marines mit Lieutenants-Abzeichen.
„Commander Kopenhagen. Ich bitte um Erlaubnis, an Bord kommen zu dürfen, Sir.“
Schneider erwiderte den Salut und sagte: „Erlaubnis erteilt, Commander.“
„First Lieutenant Beckmann. Bitte um Erlaubnis, an Bord kommen zu dürfen“, sagte der Mann.
„Erlaubnis erteilt, First Lieutenant.“
Nachdem die beiden Offiziere den Hangarboden betreten hatten, folgten ihnen zwölf weitere Marines und zwei Lieutenants mit einem Petty Officer im Gefolge.
„In der Depesche war die Nachricht von einem Offizier“, sagte Schneider, als er den beiden die Hand gab.
„Nun, Sir, haben Sie jemals einen Geheimdienst-Commander gesehen, der ohne Leute auf ein neues Kommando geht?“, erwiderte die große Frau amüsiert. „Seien Sie unbesorgt. Mein Team und die Marines von Lieutenant Beckmann sind nur an Bord für den unwahrscheinlichen Fall, dass irgendwer oder etwas die vier Schiffe Ihrer Flottille infiltriert. Oder dass etwas durch dieses Wurmloch kommt.“
„Was ja wohl eher unwahrscheinlich ist“, schloss Schneider.
„Weiß nicht. Sagen Sie es mir, Captain. Sie sind der Profi.“ Sie schmunzelte dabei und wirkte damit für einen Schlapphut doch ganz sympathisch. Vielleicht wurde dies hier doch nicht das Fiasko, das Schneider erwartet hatte.
„Möglich ist alles. Bosun?“
O'Brien trat heran. „Sir?“
„Wir haben mehr Gäste, als wir erwartet haben. Kümmern Sie sich darum.“
„Jawohl, Sir. Ich denke, wir können die Leute schon angemessen unterbringen.“
„Das freut mich zu hören. Commander, Lieutenant, bitte folgen Sie mir. Wir haben eine Kabine für Sie vorbereitet, Kopenhagen. Wir werden auch etwas für Sie finden, Beckmann.“
„Verzeihung, Sir, aber ich werde bei meinen Leuten bleiben. Ein Magazin reicht für uns, solange wir uns ausbreiten können.“
„Sie haben den Mann gehört, Bosun. Erfüllen Sie seinen Wunsch. Aber so komfortabel wie möglich“, fügte Schneider an.
„Natürlich, Sir. Bitte folgen Sie mir, Lieutenant.“
„Hier entlang, Commander.“ Auf dem Gang schloss sich Bak den beiden wortlos an.
***
Zur gleichen Zeit, ein Sonnensystem weiter, sah Kapitän Salek Ilis auf, als es an der Tür zu seiner Flaggkabine klopfte. „Herein.“
Ein relativ junger Mann trat ein, nicht sehr groß, nicht sehr klein, mit einem Allerweltsgesicht. Aber mit einer Aura, die brennbare Stoffe entzünden konnte.
„Kapitän, ich melde mich auf Ihren Wunsch hin.“
„Setzen Sie sich, Lor Hoser“, sagte Ilis und deutete auf einen bequemen Sessel vor seinem Schreibtisch. Der Jüngere folgte der Aufforderung. „Wenn es um die Quantenemitter geht, dann ...“
„Ja, es geht um die Quantenemitter.“ Ilis zögerte einen Moment. „Es geht um die ganze CULIFER.“
„Ich verstehe nicht ganz, Sir. Die CULIFER ist ein Forschungsschiff.“
„Und ihr Auftrag ist es zu forschen.“ Ilis hielt eine Umschlag hoch, der für versiegelte Befehle üblich war. Das Siegel war gebrochen. „Hier drin steht, für was uns die Admiralität zu den unterworfenen Weichhäuten nach Manticore geschickt hat, Doktor.“ Sein Blick sezierte den jungen Mann, der in einigen Kreisen als einer der Wegbereiter in der Wurmlochphysik galt. „Wir haben die große Ehre, das geschlossene Wurmloch Manticore-Texas zu vermessen und zu untersuchen, ob und wie lange es möglicherweise geschlossen bleiben wird.“
Der junge Wissenschaftler stand da wie vom Donner gerührt. Erst nach einer geschlagenen Minute stammelte er: „Das … das ist … das ist ja phantastisch!“
Salek Ilis schnaubte amüsiert. „Sparen Sie sich Ihren Enthusiasmus auf für die kommenden Wochen und Monate der Langeweile, Doktor Hoser. Sie und Ihre Leute werden ihn brauchen.“
„Oh nein, Kapitän, Langeweile wird es für uns nicht geben. Garantiert nicht geben, das verspreche ich Ihnen. Und mit ein wenig Glück stecken wir vielleicht die reguläre Crew mit an, wenn wir tun können, was noch kein Akarii vor uns getan hat: Forschungen an einem gewaltsam geschlossenen Wurmloch!“
„Na, dann versuchen Sie Ihr Glück, Doktor“, sagte Ilis mit unbewegter Miene. „Das war alles von meiner Seite aus. Kehren Sie zurück und bereiten Sie Ihre Abteilung auf diverse Experimente vor. Vor allem die Quantenemitter. Akar will vor allem wissen, wie weit das Wurmloch gangbar ist, bevor wir auf die Explosionsbarriere stoßen.“
„Na, da fallen doch fünf Feiertage auf ein einziges Datum! Ich bin dankbar, Kapitän!“ Mit diesen Worten verbeugte sich Lor Hoser tief in der Hüfte und verließ dann das Büro beinahe fluchtartig und bester Laune.
„Was denn“, wunderte sich Salek Ilis, „der Enthusiasmus ist ja wirklich ansteckend.“ Vielleicht würden die nächsten Wochen und Monate doch interessanter, als er erwartet hatte.

__________________
Ace Kaiser,
Angry Eagles

Corrand Lewis,
Clan Blood Spirit

Ace bloggt!

Dieser Beitrag wurde 1 mal editiert, zum letzten Mal von Ace Kaiser: 08.10.2019 22:20.

06.10.2019 22:27 Ace Kaiser ist offline E-Mail an Ace Kaiser senden Beiträge von Ace Kaiser suchen Nehmen Sie Ace Kaiser in Ihre Freundesliste auf
Tyr Svenson Tyr Svenson ist männlich
Captain


Dabei seit: 06.10.2015
Beiträge: 1.030
Herkunft: Jena, Thüringen

Auf diesen Beitrag antworten Zitatantwort auf diesen Beitrag erstellen Diesen Beitrag editieren/löschen Diesen Beitrag einem Moderator melden       Zum Anfang der Seite springen

TRS COLUMBIA, Beta-Eridon-System

Die Maschine kam sauber rein – obwohl ihr die linke Flügelspitze fehlte und die Rumpfpanzerung so aussah, als hätte man sie mit einem Flammenwerfer und einer Schrotflinte bearbeitet. Deshalb stand auch eine Sicherungsmannschaft bereit – die Bodencrew der COLUMBIA hatte genug Erfahrungen mit der Sicherung und Reparatur beschädigter Kampfflieger. Und damit, was geschehen konnte, wenn man diese Aufgabe vernachlässigte…
Als der Pilot seine Füße auf den Boden brachte, waren die Techniker bereits dabei, die Schäden der Maschine aufzulisten: „Ich hätte es wissen müssen. Kein Wunder, dass Dodson Sie nicht abkann.“, spöttelte der Teamchef, während er seinen Blick über die übel malträtierte Nighthawk schweifen ließ: „Schaffen Sie es eigentlich auch mal, OHNE Beschädigungen heimzukommen? Das heißt, falls man Sie nicht gleich aus der Maschine geschossen hat.“
Kano Nakakura warf dem Mann einen Blick zu, der die Lufttemperatur schlagartig abkühlen ließ: „Haben Sie eine spezielle Frage, Petty Officer?“
„Was Ohka damit sagen will ist, dass Sie ein Mitglied der Angry Angels sein oder einen etwas höheren Rang haben müssten, um sich das herausnehmen zu können. ICH kann Ihnen außerdem sagen, dass Sie mal die ANDEREN in der Runde sehen sollten, von der Ohka kommt.“
Der Blick, den die zu der kleinen Gruppe hinzu gekommene Frau für diese Worte von Kano kassierte, war nur unwesentlich wärmer: „Danke für die verbale Unterstützung, Lieutenant Agyris. Aber Sie sind ja wohl nicht deswegen hergekommen.“
„Der Alte hat kurzfristig eine Besprechung anberaumt. Ich dachte, ich sage Ihnen lieber selber Bescheid.“
Kano unterdrückte ein frustriertes Seufzen. Nach seinem Einsatz hätte er eigentlich duschen und etwas essen wollen: „Wann geht es los?“
Huntress grinste: „In zehn Minuten? Entspannen Sie sich, Sie haben eine gute Entschuldigung.“
Kano war nicht in der Lage, es so leicht zu sehen: „Geben Sie mir fünf Minuten.“

Natürlich dauerte es länger, auch ohne Duschen, geschweige denn Essen – aber wenigstens war er den Raumanzug losgeworden, auch wenn Huntress fast enttäuscht schien. Sie hatte sich vermutlich schon ausgemalt, wie ihr Staffelchef aus der Runde der versammelten Offiziere herausragen würde, wie ein Akarii in einem Peshten-Kindergarten. Und wie Commander Stacy einen Herzstillstand ereilen würde, wenn er von diesem unerträglichen Bruch der Bekleidungsvorschriften hörte. Jetzt rümpfte sie nur spöttisch die Nase, verkniff sich aber ein Kommentar: „Wie ist es wirklich da unten gelaufen?“
„Viel Flugabwehr, aber wenige Ziele. Für die Schäden an meiner Maschine waren zwei Luft-Luft- und eine Boden-Luft-Rakete verantwortlich.“
„Sie hatten ein Luftgefecht?“, Huntress Stimme klang fast neidisch, denn derartige Begegnungen waren inzwischen noch seltener geworden, als zu Beginn des Einsatzes der Butcher Bears in diesem System. Ob es an der begrenzten Zahl der feindlichen Lufteinheiten lag, der Tatsache, dass die Atmosphärenjäger der Akarii den Raumjägern der Angry Angels unterlegen waren oder deren legendärer Ruf – die Imperialen setzten vor allem auf Flak und Flugabwehrraketen, während sie ihre Jäger und Jagdbomber vorerst zurückhielten.
„Eine Rotte Cockroaches bombardierte Armee-Stellungen. Wir konnten sie abfangen und ich habe eine der Maschinen abschossen.“

Die Cockroach, die die Akarii nach einem Schmetterling ihrer Hauptwelt Kalleeh-ta nannten, war das primäre Erdkampfflugzeug der Akarii. Die einsitzige Maschine erreichte Mach 3 und war mit zwei Plasma-Kanonen und einer gemischten Bewaffnung aus Bomben, Kassettenwerfern und Lenkwaffen an acht Flügelpylonen stark bewaffnet – dem irdischen Nighthawk- Raumjäger der Butcher Bears allerdings deutlich unterlegen.

„Sie hätten Rerun den Abschuss überlassen können.“, stichelte Huntress.
„Die haben es geschafft, uns in den Feuerbereich einer Flugabwehrbatterie zu locken. Ich glaube nicht, dass Rerun mir dankbar gewesen wäre, wenn ich ihm den Vortritt gelassen hätte. Wegen den verdammten SAM ist die zweite Kakerlake auch entkommen.“
„Und Ihr Primärziel?“
„Das avisierte Kommunikationszentrum war ein Flopp – vermutlich eine Scheinanlage. Nachdem wir die feindliche Boden-Luft-Batterie beschossen haben, haben wir mit dem Rest eine Straßenkreuzung bombardiert.“
„Nicht gerade beeindruckend.“
„Was erwarten Sie?“
„Bei unserem Ruf…“
Kano winkte ab. Im Augenblick hatte er nicht den Nerv für Huntress Sottisen und Spötteleien: „Wissen Sie, worum es bei der Besprechung gehen soll?“
„Jedenfalls nicht um unser tägliches Bulettenschmeißen. Vielleicht sollen wir ja endlich die große Bodenoffensive vorbereiten.“
„Offensive?“, Kano schnaubte abfällig: „Mit was? Soviel ich weiß haben die Akarii uns da unten so durch den Fleischwolf gedreht, dass wir nicht mal eine volle Division an Reserven haben. Ein bisschen dünn für einen Großangriff.“
„Sie vergessen die Heimatgarde und die Sicherungsverbände, oder wie die Peshten das nennen.“
„Das sind doch nur bessere Milizen. Sogar unsere Nationalgarde wäre besser ausgebildet und bewaffnet – und die würde ich keinesfalls gegen imperiale Fronttruppen vorschicken.“
„Wer hat Sie denn zum Strategen gemacht?“, spöttelte Huntress.
„Man muss kein Napoleon sein, um sich das ausrechnen zu können. Also raten Sie lieber noch mal.“
„Zweite Möglichkeit: Der Geheimdienst hat endlich mal den Termin des nächsten Großkonvois der Akarii herausgefunden.“
„Das würde Sinn machen…“, gab Kano ihr Recht: „Das einzige Problem ist…“
„…dass unsere Schlapphüte sich in der letzten Zeit nicht gerade selbst übertroffen haben.“, vervollständigte Huntress seinen Satz. „Auf jedenfalls ist etwas Großes im Busch.“
„Erzählen Sie mir etwas Neues.“
„Da Sie schon fragen: Bunny hat seine letzte Freigabe erhalten. Er ist also wieder voll dabei.
Zum Glück – wenn Sie ihn noch einen Tag länger mit Schreibtischarbeit und Simulatorrunden auf Trab gehalten hätten, wäre er Ihnen vermutlich an die Gurgel gegangen.“
Kanos Lippen zuckten kurz: „Das bezweifle ich doch mal stark.“ Der schiitische Pilot vom Planeten Texas war üblicherweise höflich, ja überkorrekt – besonders gegenüber Vorgesetzten (und Frauen). Letzteres nutzte Huntress, die BEIDES war, weidlich aus, ohne allerdings wirklich bösartig zu werden. Aber auch wenn die Rückkehr eines Staffelmitglieds in den aktiven Dienst eine gute Nachricht war – besonders wenn es sich um einen erstklassigen Piloten wie Bunny handelte – Kanos Gedanken kreisten vor allem um die Möglichkeit, dass Stafford endlich die Katze aus dem Sack lassen würde. In den letzten Tagen hatten er und McGill sich mehrmals mit den Kommandospitzen des Flottenverbandes getroffen. Ein paar Mal waren auch Vertreter der Peshten-Flotte und Armee an Bord gesichtet worden. Das hatte Aufsehen erregt. Gerüchten zufolge liefen ein paar hochdotierte Wetten im Geschwader. Nun, vielleicht würde er jetzt die Antworten auf viele der Fragen bekommen, die bei den Angry Angels die Runde machten. Reflexartig überprüfte Kano den Sitz seiner Uniform. Huntress hustete spöttisch, aber Kano wusste selber, dass er momentan nicht gerade präsentabel war. ‚Nichts zu machen.‘ Genauso wenig wie wegen seiner Verspätung.

Tatsächlich war allerdings nicht der einzige, der sich verspätet hatte – offenbar galt das auch für Commander Stafford, der damit eine Tradition einhielt, die Lone Wolf begründet hatte. Jedenfalls äußerste das Huntress halblaut, als sie in der Runde der Staffelchefs und ihrer Stellvertreter Platz nahmen. Die anderen Offiziere begrüßten die Neuankömmlinge je nach Naturell und Laune mit ein paar Worten, einem kurzen Gruß oder – in Liljas Fall – einem knappen Nicken. Irons klopfte spöttisch gegen ihr altmodisches Handgelenk-Chrono und Kali kommentierte Kanos derangiertes Aussehen mit einer amüsiert gewölbten Augenbraue. Als Ace gutgelaunt spottete, dass Kano aus dem Zuspätkommen hoffentlich keine Gewohnheit machen wollte, schoss Huntress zurück, dass ‚die Nachbarn unbedingt noch eine Runde spielen wollten.‘ Das verstanden alle.

Ein paar Minuten später war es dann tatsächlich Stafford, der als letzter eintrat: „Entschuldigen Sie die Verspätung.“
„Wir sind es ja gewohnt.“ murmelte Huntress – allerdings so leise, dass es nur Kano und vielleicht noch ein paar in der Nähe sitzende mitbekamen, jedenfalls nicht Stafford.
„Mir ist bewusst, dass es in den letzten Tagen eine Menge Gerüchte über einen möglichen Großeinsatz gegeben hat. Ich freue mich, Ihnen endlich reinen Wein einschenken zu können.
Allerdings muss ich Sie warnen – diejenigen, die einen spektakulären Generalangriff erwarten, werden enttäuscht sein. Aber auch wenn unsere Aufgabe vielleicht nicht besonders glorreich wirkt, sie ist darum nicht weniger wichtig.“

Kano registrierte, wie Lilja ganz leicht den Mund verzog. Vermutlich weniger aus Enttäuschung, sondern weil sie die Einleitung für überflüssig hielt. Wie etliche andere der Piloten und Offiziere war sie mit dem neuen Geschwaderchef noch(?) nicht warmgeworden.

„In drei Tagen wird ein Nachschubkonvoi der Peshten in das System springen.“
„Und der Besh Phe strömt immer noch ins Meer.“, murmelte Huntress – ein klein wenig lauter diesmal. Kano stieß sie leicht an und warf ihr einen warnenden Blick zu. Sie hatte es in der Vergangenheit ein wenig zu häufig darauf angelegt, Stafford zu kontern.
Offenbar war sie nicht der einzige mit einer knappen Geduldspanne: „Die Peshten schicken ständig Konvois.“, warf Lilja etwas ungeduldig ein.
Stafford ließ sich davon nicht aus der Ruhe bringen, schien durch die Ungeduld der Staffelkommandeurin eher amüsiert: „Wenn Sie mich ausreden lassen würden…“
In den nächsten zehn Minuten umriss der Geschwaderchef, assistiert durch Trisha McGill, mit knappen, prägnanten Worten die anstehende Operation vor einem Publikum, dass zwischen Skepsis, verhaltenem Enthusiasmus aber auch vereinzeltem Unglauben schwankte. Denn an dem ankommenden Konvoi war tatsächlich nichts gewöhnlich: „…so also der Plan. Ich sehe, Sie haben noch Fragen.“

Lilja war die Erste: „Eine komplette Sturmdivision, dazu Spezialtruppen und Nachschubpersonal, schwere Waffen, Panzer und Gerät…“, sie grinste raubtierhaft: „Das wird verdammt noch mal Zeit. Vielleicht wird es ja doch etwas mit der nächsten Offensive.“
„Dafür ist eine Division immer noch ein bisschen wenig.“, wandte Kali ein: „Aber es ist ein Anfang.“
„Wenn das Zeug ankommt.“, schränkte Lija sofort ein: „Wir legen ein paar hübsche Faberge-Eier in einen sehr kleinen Korb. Vier Nassau-Truppentransporter und acht Altair-Frachter...
Nun ja, wenigstens die Nassau sind relativ gut gepanzert und bewaffnet.“
„Die Truppentransporter stammen übrigens alle aus TSN-Beständen, genauer aus der Mark I-Reihe dieses Schiffstyps. Aber die Peshten haben sie gründlich überholt.“, präzisierte Irons: „Also ja, sie sind relativ gut bewaffnet. Aber natürlich keine Kriegsschiffe.“
„Verdammt. Diesen Konvoi abzufangen, wäre für die Akarii eine gewonnene Schlacht. Kein Wunder, dass wir ran sollen.“, urteilte Ace.
Stafford nickte: „In der Tat. Es ist von entscheidender Bedeutung, dass dieser Konvoi ohne Verluste durchkommt. Nicht nur militärisch, sondern auch politisch. Ein Scheitern wäre katastrophal – in mehr als einer Hinsicht.“
„Und deshalb wollen sie uns mit im Boot haben, nehme ich an.“, warf Kali ein und verzog dann abschätzig den Mund: „Und DIESEN Konvoi schicken sie mit einer Sicherung aus zwei Fregatten der Brandenburg-Klasse auf den Weg.“
„Und das ist doch wohl ein verdammter Witz!“, schoss Huntress hoch: „Mit dem Begleitschutz könnten ja die Butcher Bears alleine diesen Verband in Fetzen schießen!“
„Dann ist ja gut, dass Ihre Staffel bei der Verteidigung des Verbandes mitwirken wird.“, konterte Stafford: „Wie erwähnt detachieren die Peshten zudem eine leichte Patrouillengruppe aus vier Zerstörern der Duquesne-Klasse sowie einer weiteren Brandenburg-Fregatte und einem Minenräumer für die Nahsicherung.“
Kali wiegte skeptisch den Kopf: „Die Decke ist zwar immer noch etwas kurz, aber wenn die Akarii nicht gerade mit einem kompletten Geschwader, einer Zerstörerschwadron oder ein paar Kreuzern auftauchen, könnte das reichen. Vor allem, da wir den Peshten die Hand halten.“
„Solche Sprüche sollten Sie sich verkneifen, vor allem im Umgang mit unseren Verbündeten.“, warf Irons ein.
„Aber das ist doch wahr!“, protestierte Kali: „Warum pfeifen sie eigentlich nach uns, anstatt ein paar eigene Staffeln einzusetzen – oder besser noch, ein oder zwei Hilfsträger, die den Konvoi direkt begleiten. Das wäre effektiver, als uns durch das halbe System zu schicken!“
„Zum einen fehlen den Peshten ganz einfach die von Ihnen gewünschten Träger…“
„Sie haben mindestens drei Hilfsträger in diesem System!“, warf Huntress ein, die diesmal derselben Meinung wie Kali zu sein schien: „Und warum schicken wir nicht gleich die ganze COLUMBIA-Trägergruppe, um den Konvoi aufzunehmen?“
„Sie müssen das Gesamtbild im Auge behalten.“, beschied Stafford, der allerdings selbst nicht völlig überzeugt klang: „Nach Sterntor ist die TSN etwas konservativer mit dem Manövrieren in umkämpften Systemen. Sie wollen ganz bestimmt nicht, dass die Akarii es ausnutzen, wenn wir zwischen Konvoi und Planeten hin- und hergondeln.“

Im Sterntor-System hatte das etwas ungeschickte Lavieren einer durch den Gegner überraschten TSN-Flotte dazu geführt, dass die Imperialen die zahlenmäßig zuerst immerhin gleichwertigen und später sogar überlegenen Gegner ausmanövriert und mit weitestgehend ausgeglichenen Verlusten entkommen konnten – NACHDEM sie die im Asteroidengürtel des Systems befindlichen Minen und Produktionsanlagen in Schutt und Asche gelegt und einen dichtbewohnten Planeten bombardiert hatten.

„Wir sollen weiter über dem Planeten Präsenz zeigen. UND wir wollen nicht, dass die Akarii unsere Abwesenheit dazu ausnützen, ihren nächsten Nachschubkonvoi durchzuschleusen. Denn wenn die COLUMBIA losgeschickt würde, dann müssten wir natürlich auch unseren Begleitschutz mitnehmen. Gamma Eridon stünde für fast zwei Wochen recht…dünnhäutig da. Dieses Risiko will die TSN nicht eingehen.
Außerdem würden wir den Gegner vorwarnen. Wenn wir jetzt mit der gesamten Trägerkampfgruppe losfliegen – und eigentlich müssten wir das, um dem Konvoi auch nur auf halben Weg entgegenzukommen – dann können wir das unmöglich geheim halten. Die Akarii wüssten sofort, was los ist. Sie brauchen nur auf den Radarschirm zu sehen. Die Peshten wollen die ganze Operation lieber so unauffällig wie möglich anlaufen lassen, sodass die Akarii es erst bemerken, wenn es schon zu spät ist. Einen Kreuzer kann man problemlos detachieren und die zusätzliche Deckungsgruppe ändert einfach ihren Patrouillenkurs. Unsere Jäger brauchen bis zum Konvoi nur Stunden, keine Tage. Das wird nicht auffallen.“
„WENN die Akarii keine Spione bei unseren Verbündeten haben.“, bemerkte Lilja bissig. Irons öffnete den Mund, aber die russische Pilotin kam ihr zuvor: „Ich weiß, ich weiß: NOCH ein Thema, das wir gegenüber unseren Freunden nicht erwähnen sollen.“

„Was die Hilfsträger der Peshten angeht…die brauchen sie, um die imperiale Flotte im Auge zu behalten. Außerdem haben sie nur eine überschaubare Anzahl moderner Jäger und Bomber im System. Beim Rest der raumtauglichen Einheiten handelt es sich um Kurzstreckenabfangjäger der Hornet-Klasse oder veraltete Maschinen der vorletzten Generation. Was meinen Sie, warum wir hier sind?“
„Aus der Politik halte ich mich lieber raus.“, konterte Kali.
„Aber genau darum geht es. Oder geht es zumindest AUCH. Wir sind nicht nur hier, weil die Peshten unsere Hilfe brauchen – sondern um ihnen gleichzeitig zu zeigen, dass wir weiter auf ihrer Seite stehen und wie wichtig uns Gamma Eridon ist.“
„Und das ist dann wohl auch ein Grund, warum wir auch bei diesem Konvoi mit ranmüssen.“, warf Lilja leicht säuerlich ein: „Auch wenn es nicht unbedingt die effektivste Art und Weise ist, dieses Geschwader einzusetzen. Eine verdammte politische Geste.“
„Du hast unseren Heldenstatus vergessen!“, spottete Kali.
„Also insgesamt acht leichte Schiffe und unser Geschwader.“, Lilja wirkte nicht zufrieden: „Und die PHILOKETES, die den Schutz des Konvois koordiniert und befehligt.
Wir sollten hoffen, dass die Akarii dem Abfangen dieses Konvois eine ähnlich geringe Priorität beimessen. Auch wenn es mich etwas verwundert, dass die Peshten Captain Nanda das Kommando über die Operation geben.“
„Haben Sie etwas gegen unseren Mogulen-Prinzen?“, stichelte Huntress, obwohl sie aus einer ähnlich reichen ‚Dynastie‘ stammte.

Stafford runzelte die Stirn, vielleicht irritiert durch die zahlreichen Einwände. Captain Narendra Mathradas Nanda kommandierte den Flugabwehrkreuzer des COLUMBIA-Verbandes. Der hünenhafte, etwas füllige Offizier mit grauschwarzem Haar und Vollbart stammte aus Familie mit langer Flottentradition. Er galt als einer der erfahrensten Captains des Verbands, auch wenn der sprichwörtliche Reichtum seiner Familie, die einen ganzen Planeten – das vor allem von indischen Siedlern bewohnte New-Harappa – dominierte, gelegentlich Anlass zu spöttischen Bemerkungen war.

Lija tat Huntress mit einer Handgeste ab: „Warum sollte ich? Er hat dreißig Jahre Flottenerfahrung. Es überrascht mich nur, dass die Peshten sich einen Menschen vor die Nase setzen lassen.“
„Die haben da keine Berührungsängste. Wäre auch komisch, wo sie so auf Söldner setzen.“ warf Ace ein.
„Das ist allerdings nicht alles.“, kam es von Stafford: „Wir können davon ausgehen, dass es auch um Politik geht. Sie wollen uns in die Pflicht nehmen.“
„Letztlich ist das WARUM doch egal.“, meldete sich Kano zu Wort: „Wichtiger ist es, wie wir die Sicherung des Konvois über einen so langen Zeitraum organisieren und aufrechterhalten können. Fünf Tage…“
„Sie haben Recht, die Operation wird durch die Dauer des Einsatzes und die Entfernung einigermaßen komplex.“, stimmte der Geschwaderchef zu. Schließlich durften Sie die COLUMBIA auch nicht ungeschützt lassen. Die Grüne und die Blaue Staffel würden deshalb im Wechsel beim Träger bleiben und die Nahsicherung übernehmen. Auch die Crusaders sollten bei der COLUMBIA bleiben. Im Gegensatz zu den Rafales, die rottenweise den Konvoi begleiten würden.
„Sprechen wir noch einmal über den Schutz der COLUMBIA!“, bohrte Lilja nach: „Eine einzige Staffel Abfangjäger als Sicherung für einen Träger? Ich bin ja froh, dass wir einen SO guten Ruf haben…“, Tatsächlich klang sie alles andere als froh.
Ace war selbstsicherer: „Das schaffen wir.“
„Vielen Dank für diese Zusicherung.“, es war nicht ganz klar, ob Stafford das ernst meinte: „Aber Sie werden ja nicht alleine die Jägersicherung der COLUMBIA übernehmen. Dazu kommen noch die Flieger unserer Mobilwerft.“

Lilja warf Ace einen spöttischen Blick zu, denn der war vor kurzem durch einen im Dienst der Peshten fliegenden T’rr in einem Übungskampf zusammengeschossen worden: „Klingt fair.“ Dann verdüsterte sich ihre Miene: „Für einen Festschmaus sind die Sprotten aber immer noch ein bisschen klein.“
„Die Peshten verlagern noch eine zusätzliche Halbstaffel auf die PASHET-IV.“, warf Irons ein.
„Wohl mit einem Schuhlöffel?“, spöttelte Huntress: „Ich frage mich ohnehin, wie sie Dalan Galits Staffel überhaupt auf dieser fliegenden Blechdose untergebracht haben.“
„Unterschätzen Sie niemals die Fähigkeit der Peshten, etwas oder jemanden auf minimalem Raum zu stauen.“, kommentierte Blackhawk: „Was meinen Sie, warum sie ihre neuen Superfighter so auf Platzeffizienz getrimmt haben? Nach ihrer wahnsinnigen Abrüstungskampagne kurz vor dem Krieg haben die Peshten viel zu wenig große Träger.“
„Auch das ist ein Thema, welches Sie im Umgang mit unseren Verbündeten besser meiden sollten.“, warf Stafford ein.

Kano der bisher relativ ruhig geblieben war, meldete sich zu Wort: „Mir macht immer noch die Sicherung des Konvois Sorgen. Wenn wir in den ersten dreieinhalb Tagen des Konvoimarsches nur jeweils zwei unserer Staffeln über dem Verband halten können, ist das sehr wenig. Ich weiß natürlich, dass die übrigen vier Staffeln der für den Konvoi bereitgestellten Flieger auf dem An- und Abmarsch sein oder betankt werden. Und irgendwann müssen unsere Piloten ja auch mal schlafen und essen.
Aber wir haben nur zwei Jagdbomberstaffeln. Das heißt wir werden keine permanente Schlagkapazität gegen feindliche Kriegsschiffe haben – abgesehen von den Raketen der Begleitschiff. Und die PHILOKETES ist da als Kreuzer der DAUNTLESS-Klasse keine große Hilfe.“
Irons grinste frostig: „Können Sie sich das nicht schon denken? Die dritte Schicht übernehmen die Butcher Bears mit Deckers neuer Wunderwaffe.“

Kano enthielt sich eines Kommentars, während Huntress genervt aufstöhnte. Der erste Einsatz der neuen Arrow-Marschflugkörper war nicht gerade ein voller Erfolg gewesen.

Stafford nickte knapp: „Ich bin darüber auch nicht glücklich. Aber wir können da nichts ändern. Zum Glück wird die Wahrscheinlichkeit eines feindlichen Angriffs in dieser Phase der Operation als sehr gering eingeschätzt. Die größte Gefahr besteht nach Einschätzung unserer Aufklärung vor allem in Minen und Kleinverbänden. Mit VIEL Glück könnten die Akarii vielleicht ein bis zwei Staffeln Kampfflieger oder ein paar leichte Kriegsschiffe an unseren und den Peshten-Patrouillen vorbeischmuggeln – aber nicht mehr. Und damit wird der verstärkte Geleitschutz und zwei unserer Staffeln problemlos fertig.“
„Nach Einschätzung unserer Aufklärung.“, Liljas Stimme klang staubtrocken: „Ein Glück, dass deren Analysen immer so präzise waren.“ Damit hatte sie einige höhnische Lacher auf ihrer Seite, auch wenn sie es gar nicht darauf angelegt hatte. Stafford ging nicht darauf ein. Es wäre vermutlich schwer gewesen, die Offiziere zu überzeugen, die sich nur zu gut daran erinnerten, wie die Geheimdienste sowohl im Sterntor-System als auch an der Grenze zur Konföderation mehrmals versagt hatten.

Zu Phase Zwei der Operation, die anderthalb Tage umfassen würde, gab es erst einmal keine speziellen Einwände, die sich von denen zu Phase Eins unterschieden. Aufgrund der abnehmenden Entfernung zur Position der COLUMBIA würden dann zwar drei Staffeln im Einsatz sein. Allerdings würde gleichzeitig auch das Risiko für den Konvoi steigen – weniger durch Kriegsschiffe, als durch die immer wieder in diesen Bereich vorstoßenden planetengestütztem Raumflieger und getarnten Minen-Shuttles der Imperialen.

Blackhawk wiegte den Kopf: „Was ist mit Phase Drei? Je näher der Konvoi dem Planeten kommt, desto kürzere Anflugwege haben auch die Akarii. Wenn Sie einen Großangriff fliegen, dann in den letzten vier bis sechs Stunden vor der Ankunft des Konvois. Oder wenn er über den Landezonen hängt, wie eine Zielscheibe. Wenn ich sie richtig verstanden habe, werden in der 12 Stunden dauernden Endphase unseres Geleiteinsatzes immer vier unserer Staffeln über dem Konvoi im Einsatz sein. Die eine Hälfte des Geschwaders beschützt also die COLUMBIA oder wird betankt, die andere Hälfte übernimmt den Konvoi. Unsere Piloten werden ziemlich auf dem Zahnfleisch kriechen.“, gab er zu bedenken: „Das letzte Mal, dass wir so einen Dauereinsatz hatten, war über Sterntor und davor bei Karrashin. Und wir wissen alle, dass das nicht gut ausging.“
Das brachte dem Staffelchef der Gelben Schwadron Zustimmung, aber auch ein paar böse Blicke ein – Blackhawk war bei Karrashin nicht dabei gewesen. Er ignorierte das.
Auch Stafford wirkte nicht unbedingt zufrieden: „Wir haben keine Wahl. Dieser Konvoi MUSS durchkommen. Und sollten die Akarii angreifen…“, Stafford sonst eher unauffälliges Gesicht verhärtete sich: „…werden sie vielleicht noch starten können. Aber nicht wieder landen. Und sie werden auch nicht durchkommen.“

„Natürlich muss er das.“, konterte Huntress: „Aber was, wenn wir das mit einem Haufen übermüdeter Piloten nicht werden gewährleisten können? Zumal, wenn wir gleichzeitig unser Zuhause schützen müssen. Dieser ganze Plan lädt geradezu dazu ein, dass es Ärger gibt.“ Sie brauchte nicht extra auszuführen, dass die Vernichtung oder auch nur schwere Beschädigung der COLUMBIA ebenfalls einer verlorenen Schlacht gleichkommen würde.
Stafford musterte sie unfreundlich. Langsam schien er die Geduld zu verlieren: „Ihre Bedenken werden zur Kenntnis genommen. Aber Sie haben weder die Position noch den Rang, um sich über die Operation als Ganzes den Kopf zu zerbrechen. Sie sollen sie im Rahmen ihrer Möglichkeiten als stellvertretende Staffelchefin umsetzen.“
„Mir war nicht klar, dass ich meinen Verstand beim Eintritt in das Fliegercorps abgeben musste und ihn erst mit zweieinhalb Ringen wieder bekomme.“, spottete Huntress.
„Und ich sage Ihnen, ES REICHT!“

Huntress öffnete den Mund – und schloss ihn mit einem leisen Japser, als ihr Kano unter dem Tisch einen Tritt gegen den Fuß verpasste. Auch wenn er ihr insgeheim zustimmte, war hier weder die Zeit noch der Ort, weitere Zweifel an der Gesamtoperation anzumelden. VOR ALLEM, wenn sie recht hatte und Stafford das auch wusste: „Was mich interessiert: Die Peshten wollen 12.000 Mann plus schwerem Gerät ernsthaft in SECHS Stunden auf den Boden bringen? Ist das überhaupt möglich?“
„Sie haben wohl kaum eine Wahl.“, mischte sich Irons ein: „Das Risiko eines Fliegerangriffs steigt mit jeder Stunde. Aber vergessen Sie nicht, es handelt sich um eine Sturmdivision, keine traditionelle Infanterie- oder Panzerdivision. Dieser Verband ist sehr viel kleiner, leichter und für rasche Landungsoperationen ausgelegt. Das ist ja der eigentliche Sinn dieser Einheiten.“
„Schade, dass wir die Division nicht gleich dem Akarii-Oberbefehlshaber in die Suppe setzen.“, warf Lilja boshaft ein, was die Spannung wieder etwas lockerte.
Stafford schien allerdings aus irgendeinem Grund wenig amüsiert: „Derartige Vorschläge…kamen zur Sprache, wurden allerdings verworfen. Zum einen weil die Sturmdivision erst vor kurzem aufgestellt wurde. Tatsächlich sehen die Peshten die Schnelllandung auch als eine Art…Test.“
„Test für uns oder für ihre eigenen Leute?“, wollte Huntress wissen, die sich offensichtlich rasch gefasst hatte.
„Vermutlich beides.“, beschied Stafford knapp: „Um auf die Frage zurückzukommen, warum Offensivoperationen vorerst verworfen wurden…momentan fehlt uns dafür auch die nötige Luftüberlegenheit. Trotz der Verstärkung durch die Angry Angels, worauf die Peshten deutlich hingewiesen haben.“

Das sorgte für verärgertes Murmeln, während Kali bissig konterte: „Hoffentlich ist das ein Thema, das diesmal die Peshten uns gegenüber nicht zur Sprache bringen.“
Irons war schneller als der Geschwaderchef: „Falls doch, werden Sie UND ihre Untergebenen es ignorieren. Ich darf Sie alle noch einmal daran erinnern, dass wir alle auch so etwas wie Botschafter der Republik sind und es uns nicht leisten können, unsere verbliebenen Verbündeten zu verprellen. Was die Einteilung der Staffeln angeht, bitte ich Sie…“

Die Detailplanung dauerte noch einmal mindestens dreimal so lange wie das bisherige Treffen und erschöpfte sich in der mühsamen Detailarbeit, die entgegen den Illusionen, die Zivilisten und frischgebackene Piloten hegten, einen Großteil der Dienstzeit in der TSN beanspruchten.
Als Stafford das Treffen beendete, blieb Kano noch ein paar Augenblicke sitzen, während der Raum sich rasch leerte. Er wusste, dass sie alle in der nächsten Woche wenig Schlaf finden würden. Und dass der Operationsplan bei aller vorgeblichen Zuversicht Löcher hatte, durch die Akarii im schlimmsten Fall ein ganzes Geschwader würden lotsen können. ‚Egal was es für vorgebliche Gründe gibt - warum schicken sie den Träger nicht dem Konvoi entgegen? Das wäre das Risiko wert. Sollen die Akarii es doch ruhig erfahren – sie könnten jedenfalls kaum etwas dagegen tun. Und warum hat der Konvoi nur eine so schwache Begleitsicherung? Geheimhaltung? Trauen die Peshten ihren eigenen Flotteneinheiten nicht die nötige Verschwiegenheit zu? Oder steht es wirklich so knapp mit unseren Reserven?‘
Dazu kam, dass die Butcher Bears momentan nur noch zwei Reservemaschinen hatten – und auch das nur, falls die Techs Kanos zusammengeschossene Maschine tatsächlich ein weiteres Mal zusammenflicken konnten. Eine sehr knappe Reserve, falls es wirklich zu einem größeren Gefecht kommen sollte. Aber es war sinnlos, bei der Bodencrew auf Tempo zu drücken – nicht nur, weil Chief Dodson angeblich gedroht hatte, den nächsten Piloten, der seine Leute belästigte, mit einem Schraubenschlüssel zu erschlagen. Das machte Kano zwar keine Angst, aber er hatte auf die harte Tour erfahren müssen, was für Folgen der Einsatz unzureichend gewarteter Maschinen haben konnte…

Vielleicht war er aber auch einfach nur müde. Zwei mehrstündige Kampfeinsätze in zwölf Stunden machten sich eben doch bemerkbar. Er bemerkte nicht einmal, wie Huntress an der Tür von einer sichtlich verärgerten Trischa McGill abgefangen wurde, die offenbar einiges zu sagen hatte.
„Hey, Flieger – alles in Ordnung?“
Er blickte überrascht auf. Kali musterte ihn mit einer Mischung aus Amüsiertheit und leichter Sorge, während sie sich mit ihren Knöcheln auf der Tischplatte abstützte.
„Entschuldigung. Ich werde wohl langsam alt.“
„Du bist sechsundzwanzig. Selbst wenn Kriegsjahre doppelt zählen, wärst du gerade mal Mitte Dreißig. Da musst du dir schon etwas Besseres einfallen lassen.“
Kano schnaubte kurz: „Offenbar reagiert unser großartiger Geschwaderchef inzwischen etwas dünnhäutig, wenn man die nötige Begeisterung für seine Pläne vermissen lässt.“
„Ich glaube wirklich nicht, dass diese Kopfgeburt auf seinem Mist gewachsen ist. Das klingt nach politischer Einflussnahme oder den Blitzideen unserer Eierköpfe vom Geheimdienst. Und Huntress muss endlich lernen, Stafford und Irons nicht andauernd auf die Nerven zu gehen. Aber wie es aussieht, will McGill ihr das jetzt klarmachen. Deine XO scheint sich mal wieder richtig in die Nesseln gesetzt zu haben.“
„Wie schön, dass Irons das übernimmt. Immerhin hat Sie mir Agyris als XO aufgedrückt.“, das kam etwas bissiger heraus als bei Kano üblich.
Kali lachte kurz auf. Natürlich hatte sie die Gerüchte gehört, dass Huntress die Beförderung zum Staffel-XO ihrer Herkunft verdankte, auch wenn sie zweiffelos auch die entsprechenden Fähigkeiten mitbrachte. Falls Irons damals darauf gehofft hatte, so vielleicht auch auf den von ihr angeblich ersehnten Druckposten in der Etappe hinarbeiten zu können, hatte sie sich offenbar verrechnet: „Kein Wunder, dass Sie so dünnhäutig reagiert, wenn ihr Protegé mal wieder über die Stränge schlägt.“
„Um ehrlich zu sein, ist mir das im Augenblick herzlich gleichgültig. Huntress muss begreifen, dass Sie nicht mit allem durchkommt, nur weil sie umwerfend aussieht.“
Kali schürzte die Lippen: „Du findest, dass sie umwerfend ist?“
Ihr Tonfall überraschte Kano, bis er erkannte, dass sie ihn nur auf den Arm nahm: „Vor allem geht sie mir auf die Nerven.“
„Hm. Ich will dir das mal durchgehen lassen.“
„Können wir über etwas anderes reden, als meine exzentrische XO?“
„Na gut. Da du es mal wieder geschafft hast, dich halb aus der Maschine schießen zu lassen…“
„Du hast davon gehört?“
„Glaubst du, Ace ist der Einzige, der in der CIC gelegentlich Mäuschen spielen darf? Du gibst Rerun kein gutes Vorbild.“
„Es ist ja nicht so, als ob ich es gewusst hätte, dass die beiden Erdkampfflieger sich über eine SAM-Stellung absetzen.“
„Aber du hättest damit rechnen müssen. Es wäre schließlich nicht das erste Mal.“

Kano antworte mit einer Mischung aus Schulterzucken und Abwinken, was Kali mit einem leichten Schlag gegen seine Schulter quittierte – nicht direkt wütend, aber nachdrücklich.
Er grinste flüchtig: „Wann musst du raus?“
„Wollen wir schnell das Thema wechseln?“, Kalis Stimme klang jetzt wieder leicht amüsiert.
„Eigentlich will ich nur wissen, ob wir die Chance auf ein paar Minuten Ruhe haben, bevor es richtig verrückt wird. Wie es aussieht, werden wir alle die nächste Woche kaum noch zum Essen oder Schlafen kommen.“
„Ich muss in zwei Stunden starten. Nur ein Patrouilleneinsatz. Du könntest mir beim Essen Gesellschaft leisten.“
Der japanische Pilot zupfte unbewusst an der Schulter seiner Kleidung. Auch wenn er erst heute früh eine frische Uniform angezogen hatte, klebte der Stoff inzwischen unangenehm an seiner Haut, die nach dem stundenlangen Einsatz und dem kurzen aber heftigen Luftkampf schweißüberströmt gewesen war: „Wenn noch Zeit dafür ist, würde ich vorher gerne duschen.“
Kurz zuckte es um Kalis Mundwinkel: „Tatsächlich? Klingt gut.“, sie stieß sich von der Tischkante ab und schlenderte zur Tür, bevor sie sich noch einmal kurz umdrehte: „Also was ist – kommst du? Meine Kabine liegt wesentlich näher als deine.“
Kano fühlte, wie sich seine Lippen zu einem Lächeln verzogen, das die meisten seiner Untergebenen überrascht hätte. Eilig kam er auf die Beine, um zu der Pilotin aufzuschließen. Auch wenn sie nicht gerade Hand hielten – was nach dem Fraternisierungsverbot, der wohl am häufigsten gebrochenen Dienstregel der TSN, verboten gewesen wäre – die Art, wie sich beim Gehen immer wieder ihre Hände und Schultern streiften, hätte wohl selbst dem oberflächlichsten Beobachter verraten, wie die beiden jungen Menschen zueinander standen.

***

Vereinigtes Hauptquartier
17. und 22. Heeresgruppe der imperialen Armee
Gamma Eridon, Konkordat von Peshten

„Verzeiht noch einmal, General, aber Admiralin Morr hat darauf bestanden, dass Ihr sofort informiert werden müsstet, trotz der fortgeschrittenen Stunde...“
„Schon gut.“, Generaloberst Tyrosch winkte ab. Auch wenn es bereits weit nach Mitternacht war, hatte er noch nicht geschlafen. Er war nicht sicher, ob ihn das Alter oder die Sorgen über den Verlauf des Krieges und die drohende Zukunft wachhielten, aber zum Glück kam er inzwischen mit nur wenigen Stunden Ruhe aus. Einer der wenigen Vorteile eines hohen Alters: „Hoffen wir, dass es auch wirklich wichtig ist und Morr nicht nur Angst vor den Schatten an der Decke hat.“
Der junge Kommoffizier räusperte sich verlegen und Tyrosch kam zu der Erkenntnis, dass er vielleicht doch erschöpfter war, als er selber wahrhaben wollte. Ein solcher verbaler Ausrutscher wäre ihm üblicherweise nicht unterlaufen, jedenfalls nicht vor einem derart subalternen Offizier. Auch wenn er persönlich der Meinung war, dass Admiralin Pherci Morrs mehr politische Beziehungen als militärische Fähigkeiten aufzuweisen hatte, es laut zu äußern war angesichts der ohnehin fragilen Moral und dem traditionell schwierigen Verhältnis zwischen imperialer Flotte und Armee wenig weise. Zumal Morr ihm ihrerseits recht reserviert gegenüberstand: „Vergessen Sie das. Und stellen Sie schon die Verbindung her.“
Mit einem kurzen Flackern erwachte der Konferenzbildschirm zum Leben und zeigte eine sichtlich beunruhigte Admiralin Morr, die nicht einmal Tyroschs Begrüßung abwartete: „General, vom Flottengeheimdienst wurde mir mitgeteilt…“
Fünf Sekunden später war auch der letzte Rest Müdigkeit aus Tyroschs Körper verschwunden, hinweggeschwemmt von einer Adrenalinflut: „Wie sicher ist diese Nachricht?“
„Sehr sicher – mindestens achtzig Prozent. Es ist eine Nachricht des Flottengeheimdienstes.“
Tyrosch ignorierte die nicht sehr subtile Spitze: „Mindestens eine Division – und das in den nächsten zwei Wochen. Verdammt. Wir selber haben nur sechs Divisionen auf dem Planeten.“

Selbst wenn man die Reserve- und zweitrangigen Einheiten nicht einberechnete, bei denen die Peshten den Akarii allerdings deutlich überlegen waren, und obwohl die Akarii-Divisionen im Durchschnitt größer waren, als die vergleichbaren Peshten-Einheiten, bedeutete eine solche Verstärkung dennoch eine gefährliche Verschiebung des Kräfteverhältnisses.

„Das sind doch nur Söldner und frisch ausgehobene Rekruten!“, wandte Morr ein.
Tyrosch sparte sich den Hinweis, dass frühere Prognosen ähnliches über die Garnison von Gamma Eridon, ja eigentlich über die gesamte Peshten-Armee behauptet hatten. Eine Einschätzung, die inzwischen blutig wiederlegt worden war: „Die Peshten schicken keine ihrer kostbaren neuen Sturmdivision, nur damit sie Gewehr bei Fuß steht.“
„Für eine Offensive ist das immer noch zu wenig. Oder wissen Sie etwas über die Kampfkraft unserer Truppen – oder deren Defizite – das ich nicht weiß?“
„Ich weiß jedenfalls, dass übertriebene Selbstsicherheit mehr Soldaten – und Matrosen – getötet hat, als selbst die größte Terranerflotte. Wissen Sie, wer die Einheit kommandieren soll?“
Morr sah kurz so aus, als wollte sie noch eine Bissigkeit loswerden, unterdrückte den Impuls aber offenbar: „General Bri’an Horoks. Sagt Ihnen das etwas?“
General Tyrosch nickte automatisch: „Das sagt mir allerdings etwas.“

Horoks war einer der wenigen hochrangigen Peshten-Offiziere, der sowohl die Abrüstung als auch die Säuberungen überstanden hatte, die die Führungskader der Peshten-Streitkräfte dezimiert hatten. Seine ersten militärischen Erfahrungen hatte Horoks bei Konterguerillaoperationen und als ‚Offizier auf Sonderurlaub‘ – also quasi Söldner – verdient, war dann eine Zeitlang Befehlshaber einer Ausbildungsdivision gewesen, bevor er als Brigade- und dann Divisionskommandeur den imperialen Streitkräften gegenübergestanden hatte. Was ebenfalls interessant war, war sein Faible für das Studium der Strategien, Taktiken, Organisation und Ausrüstung der imperialen Streitkräfte, das sicherlich auch bei seiner Beteiligung an der Entwicklung des Sturmdivisionen-Konzeptes eine Rolle gespielt hatte. Für einen Peshten erstaunlich atheistisch, galt er als harter und extrem fordernder Vorgesetzter, der seine Soldaten ohne zu Zögern ins Gefecht schickte, unnötiges Frontalangriffe allerdings zu vermeiden suchte und großen Wert auf eine gründliche Vorbereitung und möglichst optimale Ausstattung und Versorgung seiner Truppen legte.

„Jetzt ergibt alles einen Sinn.“
„Ersparen Sie mir Ihre Rätsel, Tyrosch.“
„Ich habe mich schon gefragt, warum Ri Mathar einen ihrer fähigsten Panzerkommandeure in die Etappe geschickt hat.“
„Ich dachte, diese widerliche Amphibie wäre einfach nur paranoid. Haben Sie sich nicht kürzlich des Langen und Breiten darüber ausgelassen, dass sie einen ihrer fähigeren Brigadeführer hat erschießen lassen?“
„Offensichtlich hatte es bei Horoks doch andere Gründe. Was bedeutet…
Die Truppen, die die Peshten aus der Front abgezogen haben, das war nicht einfach nur die übliche Rotation von Frontverbänden oder die Zurückverlegung einer abgekämpften Einheit. Sie ziehen Truppen zusammen, um ein ganzes Korps zu bilden. Sie planen eine verdammte Offensive.
Sie müssen diesen Konvoi aufhalten! Legen Sie Minen, schicken Sie getarnte Schiffe los, Kampfflieger – IRGENDWAS. Halten Sie sie auf!“
„Sagen Sie mir nicht, was ich tun soll!“, fuhr Morr hoch: „Kümmern Sie sich um Ihr Schlachtfeld, ich kümmere mich um meines!“, sie kniff die Lippen zusammen: „Ich werde sehen, was ich tun kann – mit den kümmerlichen Mitteln, die mir dieses Prinzesslein und die verdammten Allecars zugestanden haben!“

Morr war eine Anhängerin von Prinz Jor gewesen und nach dessen Tod und der Rückkehr zahlreicher ehemaliger Mitglieder der gegen den Kronprinz gerichteten Offiziersfronde offensichtlich in Ungnade gefallen. Sie hatte ihren Tyroschs Meinung nach weitaus fähigeren Vorgänger im Gamma Eridon-System abgelöst und angesichts der jüngsten Entwicklungen auf Akar musste sie wohl damit rechnen, dass ihr Halbexil auf längere Zeit angelegt war. Sehr zu Tyroschs Leidwesen, der jetzt mit ihr auskommen musste. Auch wenn er ebenfalls die gegen Jor gerichtete Verschwörung abgelehnt hatte – militärisches Talent war ihm wichtiger als politische Distinktionen. Leider wusste er, dass er mit dieser Ansicht nicht gerade zu einer Mehrheit in den imperialen Streitkräften gehörte…

„Was auch immer möglich ist – jede Stunde, die sich die Ankunft des Konvois verzögert und jeder Frachter, den sie verlieren, können für uns entscheidend sein. Ich…“, Tyrosch zögerte kurz, aber warum bei den Göttern der Sternenleere eigentlich nicht: „Ich BITTE Sie innständig, alles was in Ihrer Macht steht zu tun. Dies könnte sich mittelfristig als schlachtentscheidend erweisen!“

Etwas von der Intensität seiner Worte kam offensichtlich bei Morr an, die vielleicht etwas dünnhäutig, verbittert und in ihren Leistungen nur sehr mittelmäßig, aber nicht wirklich dumm oder völlig inkompetent war: „Wenn Sie glauben, dass dieser Verband wirklich so wichtig ist…
Ich…verstehe. Nur erwarten Sie keine Wunder. Ich fürchte…die haben wir schon vor einiger Zeit aufgebraucht. Ich melde mich, wenn es Neuigkeiten gibt.“ Sie salutierte knapp und schloss die Verbindung.

Der Generaloberst lehnte sich kurz zurück und massierte sich mit Daumen und Zeigefinger die schmerzenden Augen. Aber das war die einzige kurze Schwäche, die er sich erlaubte. Dann wandte er sich an den jungen Kommoffizier, der den Schlagabtausch zwischen Admiralin und General mit sichtlichem Unbehagen verfolgt hatte: „Holen Sie mir den Vertreter des Armeegeheimdienstes und alle Divisionskommandeure an den Schirm. Und wecken Sie meine Stabsoffiziere. Ich will alles darüber wissen, was wir über die Verbände haben, die die Peshten aus ihrer Front herausgelöst und welche Einheiten sie ersetzt haben. Und eine topographische 3-D-Karte der entsprechenden Abschnitte. Machen Sie schon!“

Das Heranrücken einer ganzen Division stellte eine ernste Gefahr dar – auch WENN die Division erst kürzlich aufgestellt worden war, auch WENN die aus der Front herausgelösten Einheiten erst wieder aufgefrischt werden und auch WENN der neue Großverband natürlich erst einmal zusammengefügt und trainiert werden musste.
Und doch, und doch…es war auch eine Chance. Wahrscheinlich waren die meisten der als Ersatz für die zurückgeführten Einheiten an die Front verlagerten Truppen bestenfalls mittelmäßiger Qualität. Und in dem Augenblick der Umgruppierung, wenn der Gegner kurz aus dem Gleichgewicht war und sich alle seine Gedanken auf die Vorbereitung einer Offensive konzentrierten…in diesem Augenblick war er auch verwundbar, bot sich eine Lücke in die man hineinstoßen konnte. Wie in das Herz eines Duellgegners.

Dieser Beitrag wurde 1 mal editiert, zum letzten Mal von Tyr Svenson: 15.10.2019 16:45.

14.10.2019 18:18 Tyr Svenson ist offline E-Mail an Tyr Svenson senden Beiträge von Tyr Svenson suchen Nehmen Sie Tyr Svenson in Ihre Freundesliste auf
Cattaneo
Major


Dabei seit: 31.07.2002
Beiträge: 1.511

Auf diesen Beitrag antworten Zitatantwort auf diesen Beitrag erstellen Diesen Beitrag editieren/löschen Diesen Beitrag einem Moderator melden       Zum Anfang der Seite springen

Eine Form von Gerechtigkeit

Colonial Confederation, Celeste-System, Hannover, Justizpalast

„Erheben Sie sich!“
Die Stimme von Richter Narong Thalae klang auch ohne elektronische Verstärkung laut genug und schnitt durch das Hintergrundmurmeln im Saal. Wenn man 30 Jahre lang Prozesse führte, lernte man unweigerlich, wie man sich Gehör verschaffte – wenn man erfolgreich sein wollte. Und das war der schmächtige Mann mit dem großen, kahlen Kopf und dem grauen Oberlippenbart, dessen Gesicht ein unfreundlicher Journalist schon einmal mit einem Osterei mit dürftigem Moosbewuchs verglichen hatte. Zwar hatte er es nie bis zum Mitglied im Obersten Gerichtshof gebracht, doch das war wohl auch nie sein Ehrgeiz gewesen. Narong wollte nicht über Gesetze urteilen, wie er einmal gesagt hatte. Er zog es vor, über Menschen Recht zu sprechen, schließlich war dies die erste und in seinen Augen wichtigste Aufgabe der Justiz. Und er war gut, sehr gut – sonst hätte er nicht den Vorsitz über das Richterteam übernommen, das in einem der wohl kontroversesten Prozesse in der Geschichte der Konföderation zu entscheiden hatte.
Vieles an dem Prozess war ungewöhnlich, wenn nicht gar aufsehenerregend, sensationell. Die Zahl der journalistischen Live-Prozessbeobachter war auf 50 reglementiert worden, und die begehrten Plätze wurden jeden Tag aufs Neue ausgelost. Auf vielen Welten brachten die Nachrichtensender Tag für Tag umfassende Sondersendungen und Berichte. Kein Prozess gegen irgendeinen Serienmörder, „Piratenprinzessin“, Industriemogul oder Sektenführerin der letzten 150 Jahre hatte derart viel Aufmerksamkeit geerntet – und dabei spekulierten viele, dass der Urteilsverkündung möglicherweise bald ein zweiter, noch grandioserer Prozess folgen würde.

Ex-Generalgouverneur Edward Cochrane war sich einiger Dinge nur zu bewusst. Erstens, dass um ihn stets ein Abstand blieb, egal wie gedrängt es im Gerichtssaal auch sonst zuging. Er hatte natürlich vom Konzept der „Unberührbaren“ gehört, von Ausgestoßenen, deren Berührung, ja Nähe man peinlichst mied, als ob diese allein einen Makel auf der eigenen Person zurücklassen würden. Er hatte nur niemals geglaubt, etwas Derartiges am eigenen Leibe zu erleben. Aber hier war er. Anderen Mitgliedern seines Kabinetts – einige waren ebenfalls anwesend – ging es ähnlich.
Zweitens – ihm war nur zu bewusst, dass viele darüber spekulierten, ob er es sein würde, dem in einem weiteren Prozess ein „Ehrenplatz“ zugedacht war. Und dass der Ausgang der laufenden Verhandlung das Ergebnis künftiger Ereignisse ankündigen konnte. Bisher sah es nicht gut aus.
Er hatte dann auch einige Strippen ziehen müssen, um Einlass zu finden. Glücklicherweise gab es immer noch einige wenige Personen mit Einfluss, die der Meinung waren, ihm etwas schuldig zu sein. Sein Sturz war tief gewesen.
Der Rücktritt war Cochrane nicht leichtgefallen. Er hatte hart mit sich gerungen, ob er nicht doch versuchen sollte zu kämpfen. Doch die Mehrheitsverhältnisse im Council waren zu ungünstig gewesen, das Risiko, schweren Schaden für die Konföderation anzurichten, zu groß. Vielleicht war er nach so vielen Jahren des Krieges auch ganz einfach müde.
Dennoch, es wirklich zu erleben hatte ihn stärker getroffen als er vermutet hatte. Dabei war das Zeremoniell peinlich genau aufrechterhalten worden, bis hin zu den angetretenen Ehrenwachen und dem klingenden Spiel beim Abschied. Die steinernen Mienen der Presidents Storming Infantry hätten natürlich als Omen fungieren können.
Falls er jedoch jemals ernsthaft auf Milde seiner Rivalen – alte Feinde und ehemalige Verbündete gleichermaßen – gerechnet hatte, war er schnell eines Besseren belehrt worden. Mia Zhai, inzwischen die gewählte neue Generalgouverneurin, und ihr Stellvertreter Émile Haigneré hatten sich an das gegebene Versprechen gehalten, nur eine Handvoll Personen aus Militär und Politik unter Anklage zu stellen – aber auch nur das. Gegenüber jenen, die man zum Abschuss freigegeben hatte, gab es keine Gnade, keine Atempause.
Das Council hatte unmittelbar nach der Wahl der neuen Generalgouverneurin und der öffentlichen Vereidigung ihrer Regierung mit überwältigender Mehrheit und in scharfer Form Operation Raccoon für ungesetzlich erklärt, die Art und Weise der Umsetzung – ungeachtet der zugestandenen Intentionen – als Bruch der Verfassung und schwere Verletzung der innen- wie außenpolitischen und militärischen Grundsätze der Konföderation gegeißelt. Mancher Gouverneur mochte nur deshalb zugestimmt haben, um auf der Gewinnerseite zu stehen oder um dem Council den Anschein von Geschlossenheit zu geben – aber dafür gestimmt hatten sie, jedenfalls die meisten.

Cochrane hatte geglaubt, ja auch ein Stück weit gehofft, die unvermeidlichen politischen Turbulenzen würden für eine Ablenkung sorgen. Auf zahlreichen Welten – meistens solche, die nahe der Grenze zum Imperium lagen – hatten Neuwahlen der Gouverneure stattfinden müssen, weil man die Amtszeiten der bisherigen Inhaber aufgrund des Kriegszustandes weit über die reguläre Zeit verlängert hatte. Befürworter und Kritiker der alten wie der neuen Zentralregierung wie lokale Akteure standen sich so erbittert gegenüber wie lange nicht mehr in der Geschichte der Konföderation.
Die neue Regierungsspitze hatte nicht mal einen Versuch unternommen, die Neuwahlen zu verhindern – schließlich hatte sie gesiegt indem sie die angebliche Anmaßung der Exekutive gegeißelt hatte. Vielmehr hatten sie die „Säuberungen gegen die Vertreter der Cochrane-Clique“ – wie man es inzwischen mitunter bezeichnete – als demonstrativen Bruch mit den Ausnahmegesetzen der Kriegszeit geradezu zelebriert und damit in eine Reihe mit den Neuwahlen und anderen – wie sie es darstellten – Kurskorrekturen gestellt. Das Kalkül war bisher aufgegangen, wohl auch deshalb, weil einerseits die Angst vor einer möglichen terranischen Vergeltungsaktion viele Bürger gegen Cochranes Verbündete aufbrachte – und ihr vorläufiges Ausbleiben eher der Kurskorrektur der neuen Regierung als Verdienst angerechnet wurde.
Den Auftakt der Abrechnung hatte eine Reihe von Dienststrafen gebildet. Ein Dutzend Offiziere – Schwadrons- und Planungsoffiziere, die mit der Operation Raccoon in Verbindung standen sowie die Kommandeure der Q-Schiffe – waren um ein bis zwei Dienstgrade degradiert worden, oft verbunden mit einer mehrjährigen Beförderungssperre. Mehrere hatten freiwillig ihren Abschied genommen, zweifellos auch, weil man sie hinter den Kulissen massiv dazu gedrängt hatte.
Die Anklageerhebung gegen mehrere führende Offiziere war auf dem Fuß gefolgt, wobei die Staatsanwaltschaft eingangs empfindliche Haftstrafen für alle Angeklagten gefordert hatte. Und deshalb war Cochrane hier. Ein Anwalt der Verteidigung hatte ihm dringend davon abgeraten, Präsenz zu zeigen, da es einen negativen Eindruck hinterlassen und sowohl den Angeklagten als auch ihm schaden konnte. Die Angeklagten hatten sich jedoch mehrheitlich einverstanden erklärt – wenn ihnen ihr ehemaliger Oberbefehlshaber schon nicht helfen konnte, wussten sie doch seine Solidarität zu schätzen. Ansonsten erwies ihnen nämlich kaum jemand Unterstützung – auch hier überwog wohl die Furcht, der Kontakt könnte Flecken auf der eigenen Personalakte hinterlassen.

Die neue Regierung spielte zweifellos ein riskantes Spiel. Das Kaiserreich hatte offiziell nicht auf den Regierungswechsel reagiert – auf der Zentralwelt war man momentan mit GANZ anderen Dingen beschäftigt. Doch aus diplomatischen und militärischen Kreisen war so manche kaum verhohlene Drohung durchgesickert. Offenbar war man im Imperium mehr als nervös, die neue Führung der Konföderation könne sich wieder der FRT annähern, gar erneut in den Krieg eintreten. Dass die Töne aus der FRT inzwischen zwar nicht direkt herzlich, aber doch wesentlich weniger schrill und ablehnend klangen, musste diesen Eindruck noch verstärken.
Cochrane machte sich jedoch wenig Illusionen. Sein Verständigungskurs mit dem Kaiserreich war nie etwas gewesen, das eine Mehrheit in der Bevölkerung hinter sich gehabt hatte. Zu tief schmerzten die Wunden aus den Kriegsjahren. Wohl unterstellten nicht wenige der neuen Regierung eine zu große Nachgiebigkeit gegenüber der FRT. Aber die meisten Menschen und Nichtmenschen waren froh über alles, was den vermeintlich oder tatsächlich drohenden Konflikt mit der TSN vermeiden half. Alles in allem waren die Verbindungen zur FRT nun einmal wesentlich enger und besser gewesen als zum Kaiserreich, und selbst die kleinste Hoffnung auf Aussöhnung fand Befürworter, wenngleich nicht ohne Kritik.
In den Streitkräften hatte es einiges Gemurre gegeben. Selbst einige Mitglieder der großen Gruppe Offiziere, die die Operation Raccoon für irrsinnig hielten, sahen die Verantwortung in erster Linie bei Cochrane und seinem Kabinett, nicht bei ihren „irregeleiteten“ Kameraden. Andere waren der Meinung, dass für eine letztlich erfolgreiche – wenn auch nicht verlustlose – Operation wenn schon kein Lob, so doch zumindest auch keine Strafe angebracht war. Allerdings war Flotte und Armee der Konföderation über Generationen eingebläut worden, dass es nicht ihre Aufgabe war, Politik zu machen, sondern Befehle zu befolgen, so lange diese nicht gegen die Gesetze verstießen. Es war genau diese Mentalität, welche die „Ausgestoßenen“ einiges an Mitleid und Unterstützung gekostet hatte.
Zudem war die Flotte in einem schmerzlichen Reorganisationsprozess begriffen. Die neue Regierung hatte die Bekämpfung der Piraterie zum obersten Ziel erklärt. Die angeschlagene Wirtschaft und die vergleichsweise veralteten Werften der Konföderation erlaubten fürs erste keine forcierte Wiederaufrüstung. Deshalb war vorgesehen, vor allem das Raumjägerkorps und die leichten Kampfverbände zu verstärken, und mit diesen Schiffen, nötigenfalls auch mit Hilfskreuzern und zu Jägerträgern umgerüsteten Frachtern aller Größen die innere Sicherheit wiederherzustellen. Zugleich sollte dies der regulären Flotte genug Luft verschaffen, dass sie möglichen äußeren Angriffen zumindest ein begrenztes Maß an Widerstand entgegensetzen konnte. Die Initiativen zur Zerschlagung oder zumindest Entmachtung des Zentralkommandos, die manche Gouverneure und Militärs als Reaktion auf die eigenmächtige Durchführung von Raccoon gefordert hatten, waren vorläufig abgewehrt – doch noch lange nicht vom Tisch.
Die Flotte verfügte zwar über mehr als genug Personal, namentlich Heimkehrer aus der terranischen Internierung oder imperialen Gefangenschaft. Doch einige hatten ihren Abschied genommen, waren nicht mehr diensttauglich – und etliche ehemalige Gefangene des Kaiserreiches hatten sich wohl still und heimlich abgesetzt, um die Reihen der CAV im Kampf gegen ihre früheren Kerkermeister zu verstärken. Und die neue Regierung schien nicht gewillt, dagegen etwas zu unternehmen.

Die Gnadenlose und der Unbestechliche hatten zweifellos hoch gepokert. Ihr harter Kurs – auch wenn er sich nur gegen eine Handvoll Ziele richtete – war keineswegs unumstritten. Vielleicht hatten sie sogar ihr Blatt überreizt, aber in einer grausamen Wendung des Schicksals war ihnen der Zufall zu Hilfe gekommen.
Die neusten Nachrichten aus dem noch immer tobenden Krieg zwischen FRT und Imperium hatten auf die öffentliche Meinung sowohl unter den Zivilisten als auch unter den Militärs eine durchschlagende Wirkung gehabt. Die Terraner hatten eine massive Angriffsgruppe der kaiserlichen Flotte unter Befehl des ,Schlächters von Hannover‘ nicht nur an der Nase herumgeführt und ihre eigenen Welten vor Verwüstungen bewahrt. Sie hatten auch massiv zurückgeschlagen und mehrere Kolonialwelten des Imperiums erfolgreich angegriffen und damit bewiesen, dass Ilis nicht unfehlbar und man ihm durchaus standhalten konnte. Die Nachrichten der FRT – und auch viele Nachrichtensender der Konföderation – hatten geradezu genüsslich die angerichteten Verwüstungen aufgelistet. Rachsucht und Schadenfreude mochten nicht gerade die edelsten menschlichen und nichtmenschlichen Regungen sein, aber sie waren universal. Nach dem Trauma der Bombardierung der konföderierten Zentralwelt wirkten die TSN-Bilder des orbitalen Trommelfeuers gegen die imperialen Ziele geradezu kathartisch. Menschen und besonders Nichtmenschen hatten zum Teil buchstäblich auf den Straßen getanzt. Es hatte zwar einige Konföderierte gegeben, die Freude über die angerichteten Verwüstungen für abstoßend und unwürdig erachteten – auch gegenüber den Akarii in der Konföderation, wenngleich diese gewiss keine Anhänger des Kaiserreiches waren. Doch sie waren eine Minderheit. Und als einige Kommentatoren beispielsweise die Zerstörung der Halle der Erinnerung auf Charkar als typisch terranische Barbarei kritisierten, hatten Vertreter der Tonari in der Konföderation darauf verwiesen, dass in dieser Halle auch Personen verewigt gewesen waren, die mit Fug und Recht als Kriegsverbrecher galten. Wer seine Tempel und Monumente auf den Knochen der ursprünglichen Bewohner errichtete, brauchte sich über eine bittere Ernte nicht zu wundern.

Die Terraner hatten zudem in ihrem Arsenal einen vergifteten Pfeil gefunden und nicht gezögert, ihn abzufeuern. Einige Kommentatoren hatten lauthals und ausführlich darüber gemutmaßt, ob die präzisen Informationen über Raumrouten und besonders die sorgfältige Auswahl relevanter Ziele auf den imperialen Grenzwelten zumindest teilweise mit Hilfe konföderierter Nachrichtendienste beschafft worden waren, ehe der Separatfrieden zwischen der Konföderation und dem Kaiserreich diese Zusammenarbeit beendet hatte. Die offiziellen terranischen Stellen hatten dies nicht bestätigt, aber sie hatten sich auch nicht gerade damit überschlagen, es zu dementieren. Die neue konföderierte Regierung hatte natürlich ausführlich betont, dass sie mit den Terranern in keiner Weise bei offensiven Operationen zusammenarbeitete und hatte beide Seiten zur Zurückhaltung aufgefordert. Aber sie hatte die Angriffe nicht verurteilt oder dem Kaiserreich kondoliert.

Das Sahnehäubchen oder eher eine ganze Sahnetorte war freilich die Nachricht von der Gefangennahme von Admiral Ilis gewesen. Nach Kaiser Eliak IX. und Prinz Jor – beide inzwischen verstorben und damit jenseits aller irdischen Rache – gab es keinen Akarii oder überhaupt ein lebendes Wesen in der Galaxie, das in der Konföderation verhasster war. Ihn besiegt und gedemütigt zu sehen, war Balsam auf die Wunden der konföderierten Seele. Es schmerzte nur, dass man an diesen Siegen keinen Anteil hatte.
All das war schon schlimm genug gewesen und hatte einem möglichen Gesinnungswandel zugunsten Cochranes das Wasser abgegraben. Es gab genug Menschen – und besonders Nichtmenschen – die murrten, dass die Konföderation Teil dieser Erfolge hätte sein können, ja sein müssen. Dass die Separatkapitulation zur Unzeit erfolgt war. Es mochte eine Minderheit sein, die so dachte, aber eine signifikante – und laustarke.

Doch die eigentlich verheerende Neuigkeit war ein Bericht gewesen, der unmittelbar vor Beginn des Prozesses ausgestrahlt worden war. Dieser hatte öffentlich gemacht, dass das Kaiserreich auf Weisung Cochranes vorab vom Anlaufen von Raccoon informiert worden war. Wie immer man auch über die Operation dachte, kaum ein Konföderierter war bereit hinzunehmen, dass man die eigene Legislative über eine potentiell derart folgenreiche Entscheidung im Dunklen ließ oder sie gar anlog, sich aber der Rückendeckung – und, wie die Kritiker Cochranes nicht müde wurden süffisant zu suggerieren, der Erlaubnis? Unterstützung? – eines ehemaligen Feindes versicherte. Dass Ilis und Jockham informiert worden waren, die konföderierten Gouverneure aber von der Operation aus den terranischen Nachrichten erfahren mussten, hatte zu einem Aufschrei von einem Ende der Konföderation bis zur anderen und quer durch die Gesellschaftsschichten und politischen Lager geführt.

Natürlich nahm die Justiz der Konföderation für sich in Anspruch, sich nicht von der öffentlichen Meinung das Urteilsmaß oder die Frage nach unschuldig oder schuldig diktieren zu lassen. Man hatte ein hochkarätiges Gremium zusammengestellt – fünf erfahrene Richter, zwei von ihnen mit langjähriger Praxis bei Prozessen, die mit den Streitkräften in Verbindung standen. Es würde keine Geschworenenjury geben. Auch wenn viele Planeten der Konföderation für den Schuldspruch, wenn auch nicht für das Urteilsmaß auf des Rechts- und Gerechtigkeitsempfinden zufällig ausgewählter Bürger zählten, die gesamtstaatlichen Strafrechtsverfahren wurden von den Richtern nach der Beweisaufnahme und den Be- und Entlastungsargumenten und Beweisen von Staatsanwaltschaft und Verteidigung entschieden. Jeder der fünf hatte Jahrzehnte im Gericht hinter sich. Ein ,militärisches Übergewicht‘ war jedoch sorgsam vermieden worden – die Streitkräfte der Konföderation waren Teil der Zivilgesellschaft, nicht von ihr losgelöst. Die aktiven Streitkräfte kamen zudem über Gutachter zu Wort.
Doch ungeachtet all dessen – natürlich fand kein Prozess im luftleeren Raum statt. Die Richter mochten sich fest vornehmen, objektiv zu urteilen. Doch die Ereignisse beeinflussten zweifellos, wie viele Belastungszeugen sich fanden, wie entschlossen sie auftraten – und sie untergruben die Entschlossenheit manches potentiellen Entlastungszeugens, brachten ihn dazu, im Interesse des Selbstschutzes vielleicht nicht ZU vehement aufzutreten. Die Verteidigung war im wahrsten Sinne des Wortes in der Defensive, während die Anklage Blut gewittert hatte. Und zweifellos hatte das Bekanntwerden der Vorabinformierung des Imperiums auch bei den Richtern Eindruck gemacht.

All dies hatte Edward Cochrane während des Prozesses durch den Kopf gehen lassen. Das Verfahren war mit einem knappen Zeitrahmen durchgepeitscht worden, mit minimalen Abständen zwischen den Verhandlungstagen. Die Verteidigung hatte sich um Aufschub bemüht, aber das war ihnen von Seiten des Gerichts nicht gewährt worden. Der Chefankläger hatte geätzt, die Angeklagten hätten ja offenkundig auch keine Bedenkzeit gebraucht, ehe sie sich entschieden, die Verfassung mit Füßen zu treten. Wenn sie es damals so eilig hatten, stünde ihnen wohl kaum zu, jetzt lange Bedenkzeit zu verlangen.
Die Beratung der Richter zog sich freilich inzwischen schon drei Tage hin. Das mochte bedeuten, dass sie sich nicht einig waren. Aber Cochrane war in den letzten Wochen und Monaten zu oft enttäuscht worden, um es als gutes Zeichen zu betrachten. Nun, er würde die Wahrheit früh genug erfahren.

„Im Namen der Völker – im Prozess die Konföderation gegen Norun Kalad, Elliot Okamba, Lak Tokas, Gerald Tucson und Arielle McCormick ergehen folgende Urteile!“
Der Vorsitzende kostete den Moment zweifellos aus. Weniger aus Eitelkeit, vielmehr, weil er um die Bedeutung des Urteils wusste. Für einen Moment ließ er die Spannung andauern, die atemlose Erwartung, die Prozessbeobachter, die sich förmlich auf die Zehenspitzen stellten.
In einer fast schon sadistischen Manier eröffnete er die Urteilsverkündung nicht etwa mit einem Paukenschlag, auf den alle gewartet hatten: „Das Verfahren gegen Norun Kalad wird abgetrennt und gesondert weiterverhandelt.“ Das sorgte für sich genommen schon einmal für einige Unruhe. Die Bewunderer von Norun oder Narun Kalad beziehungsweihe Kalak – je nachdem, welches Idiom man benutzte, wurde der Name des CO der Colonial Navy unterschiedlich betont und ausgesprochen – hatten natürlich auf Freispruch gesetzt, während seine Kritiker auf eine exemplarische Bestrafung pochten. Er war der hochrangigste Angeklagte, zumindest bisher. Für viele war er immer noch der Architekt der Siege der Konföderation. Für andere freilich war er der größte Verräter.
Richter Thalae verschaffte sich jedoch ungeachtet der Unruhe durch einen einzigen Blick wieder Gehör: „Das Gericht hat entschieden, dass der zunächst nicht zur Anklage gebrachte Punkt der groben Pflichtverletzung als Oberbefehlshaber bei der Schlacht um Hannover weiterer, umfassender Klärung bedarf, da er sich im Fall eines Schuldspruches strafverschärfend auswirken kann.“
Cochrane musste ein Schaudern unterdrücken. Das war kein gutes Vorzeichen. Kein Richter, der von der Unschuld eines Angeklagten überzeugt war, legte Wert darauf, zusätzliche Belastungsmomente zu gewichten. Und er täuschte sich nicht:
„Das Gericht spricht Elliot Okamba schuldig in allen Anklagepunkten. Er hat sich komplizenhaft des Bruchs der Verfassung der Konföderation sowie der aktiven Hilfe bei einem Verbrechen gegen den Frieden schuldig gemacht und ohne ausreichende Legitimation quasikriegerische Operationen befehligt. Das er dies auf Weisung anderer tat, enthebt ihn nicht von seiner moralischen und vor allem juristischen Verantwortung als mündiger Bürger. Der Befehlsnotstand enthebt ihn nicht von der Fähigkeit, ja Verpflichtung, in Eigenverantwortung zu handeln – oder aber ein rechtswidriges Handeln zu unterlassen. Nur glücklichen Umständen – die nicht sein Verdienst sind – ist es zu verdanken, dass wir hier nicht wegen eines noch weit schwereren Verbrechens gegen den Frieden verhandeln müssen. Er hat überdies operative Befehle erteilt, die ihrerseits für sich genommen geeignet waren, das Wohl konföderierter Zivilisten und Militärpersonen dauerhaft zu gefährden, indem er gegen die Grundregeln zivilisierter Kriegsführung verstoßen hat und nach den Gesetzen der Konföderation wie der FRT und zahlreicher anderer Nationen ein Kriegsverbrechen begangen hat – und das gegenüber jemanden, mit dem sich die Konföderation zu keinem Zeitpunkt auch nur im Kriegszustand befand. Strafverschärfend wird überdies seine kriminelle Fahrlässigkeit angerechnet, die zum Verlust eines nahezu unersetzlichen Trägers führte. Strafmildernd kann nur seine bisher von Verfehlungen freie Dienstzeit angerechnet werden. Das Gericht befürwortet deshalb die Aufrechterhaltung seiner unehrenhaften Entlassung und verurteilt ihn als Hauptverantwortlichen für die mit Operation Raccoon verbundenen Rechtsbrüche darüber hinaus zu einer Haftstrafe von fünf Jahren mit der Möglichkeit auf eventuelle Aussetzung zur Bewährung nicht früher als nach drei Jahren. Er ist – unabhängig von der möglichen Einlegung einer Bewährung – unverzüglich in Haft zu nehmen.“
Das sorgte nun wahrhaft zu einem Aufschrei, gerade bei jenen, die es mit den Angeklagten hielten.
„RuHE! Es ist das Recht jedes Anwesenden, eine Meinung zum Urteil zu haben und diese auch öffentlich auszudrücken. Aber nicht HIER und JETZT!“

Erst als sich der Tumult gelegt hatte, sprach der Vorsitzende weiter: „Lak Tokas…schuldig. Er hat als Komplize von Admiral Okamba gehandelt und dessen Rechtsbrüchen Vorschub geleistet. Strafmildernd wird angerechnet, dass er als Kommandeur der Deckungsgruppe nicht selber in widerrechtliche Kampfhandlungen verstrickt war. Zu seinen Gunsten wird zudem die vollumfängliche Kooperation des Angeklagten mit der Justiz angerechnet. Das Gericht legt der Oberkommandierenden…“ Das bedeutete, der Generalgouverneurin: „…nahe, eine schwere Dienststrafe zu verhängen und empfiehlt konkret eine Degradierung um zwei Rangstufen bei fünfjähriger Beförderungssperre. Es sieht aber von der Verhängung einer weiteren Strafe ab.“

Der Akarii stand getrennt von seinen Mitangeklagten – nicht nur physisch. Er hatte als einziger aufrichtige Reue bekundet und schwere Fehler zugegeben, die er durch weiteren loyalen Einsatz gutzumachen hoffte. Zudem hatte er die Hauptverantwortung klar bei Cochrane und dessen Kabinett abgeladen, auch wenn er eigenes Versagen eingeräumt hatte. Das hatte ihm von Seiten der Mitangeklagten und Verteidigung wüste Vorwürfe eingetragen, war aber bei Anklage und Gericht offenkundig gut angekommen.

„Gerald Tucson und Arielle McCormick – schuldig. Ihre Rolle war bei der Planung zwar nur eine untergeordnete, da sie als Kommandeure der Bodentruppen auf die Operationen der Flotte keinen Einfluss hatten und mithin primär eine Hilfsfunktion übernahmen. Die Illegalität ihres Handelns hätte sie jedoch zum Einschreiten veranlassen müssen, so wie sie von der Natur ihres Auftrags erfuhren. Sie haben ohne Zweifel mit dem unautorisierten Einmarsch einer Invasionsstreitmacht auf dem Boden der Bundesrepublik Terra nicht nur gegen die Buchstaben der Verfassung sondern auch gegen die grundlegenden Prinzipien der Konföderation verstoßen. Unsere Streitkräfte landen nur dann auf fremden Planeten, wenn sie sich mit den Besitzern im Krieg befinden, oder aber die Operation auf verfassungsgemäße Art und Weise abgesegnet ist. Ähnlich wie Admiral Okamba haben sich beide zudem einer eklatanten Dienstpflichtverletzung schuldig gemacht, indem sie Kriegsgerät im Wert von mehr als einer Viertelmilliarde in gebrauchsfertigem Zustand in der Hand von Kontrahenten zurückgelassen haben, dem sie durch ihr Verhalten den Vorwand zu eigenen Angriffsoperationen gegeben haben. Das Gericht verhängt deshalb eine Haftstrafe von zwei Jahren, ausgesetzt zur Bewährung, und empfiehlt ihre umgehende, unehrenhafte und fristlose Entlassung bei Aberkennung aller Auszeichnungen.“
Damit lag die Strafe an der Höchstgrenze dessen, was noch zur Bewährung ausgesetzt werden konnte, und die Verurteilten galten als vorbestraft.
„Die Angeklagten tragen zudem die Verfahrenskosten, widrigenfalls ist eine zusätzliche Haftstrafe zu verhängen.“
Der Hammerschlag, mit dem das Urteil beschlossen wurde, peitschte durch den Gerichtssaal – und das Chaos brach aus. Die Journalisten schrien durcheinander, begierig auf ein Statement von den Richtern, der Verteidigung, den Angeklagten. Anhänger und Gegner der Verurteilten taten ihren Unmut kund – den einen war das Urteil zu hart, anderen nicht hart genug.

Cochrane hatte nur Augen für die Angeklagten. Während Lak Tokas nach einem Dank an das Gericht ohne Gruß an seine ehemaligen Kameraden beiseitetrat, um sich den Medien zu stellen – zwei unbewaffnete Flottensoldaten gaben ihm das Geleit, denn es hatte Drohungen gegen ihn gegeben – salutierte Norun Kalad vor seinen Untergebenen, die den Gruß erwiderten. Im nächsten Moment wurden sie freilich schon getrennt, denn zwei bewaffnete Justizbeamte traten zu Ex-Admiral Okamba, um ihm Handschellen anzulegen – eine Vorsichtsmaßnahme, die auch als gezielte Demütigung betrachtet werden konnte. Es gab denn auch einige wütende Ruhe von den Zuschauern. Edward Cochrane fühlte, wie ihm die Galle hochkam. Es mochte vielleicht kein Schauprozess sein, der hier stattfand, aber er hatte zumindest etwas von einem Schauspiel. Und er wusste, welche Rolle er zu spielen hatte – er musste den Männern und Frauen seinen Respekt erweisen, die aufgrund seiner Weisungen angeklagt worden waren.
Doch er hatte nicht bedacht, dass er in diesem Schauspiel nicht Regie führte. Andere hatten sich über ein mögliches Skript schon lange vorher Gedanken gemacht, und sie wussten, wann es Zeit für den nächsten Akt war.
Und so vertrat dem ehemaligen Generalgouverneur eine schlanke T’rr den Weg: „Edward Cochrane?“
Der so Angesprochene wusste, was nun kam – doch ihm blieb nichts, als zu nicken. Und trotz des Durcheinanders hatte er das Gefühl, als ob die folgenden Worte von jedem im Gerichtssaal verstanden wurden:
„Im Namen der Völker…Sie stehen hiermit unter Anklage. Der Gerichtstermin wird Ihnen demnächst zugestellt werden.“
Während sich alle Aufnahmegeräte auf ihn richtete, hörte er noch eine ruhige menschliche Stimme: „Gerold Holmes? Im Namen der Völker…“

Ende

Dieser Beitrag wurde 4 mal editiert, zum letzten Mal von Cattaneo: 21.10.2019 20:58.

19.10.2019 18:16 Cattaneo ist offline E-Mail an Cattaneo senden Beiträge von Cattaneo suchen Nehmen Sie Cattaneo in Ihre Freundesliste auf
Ironheart Ironheart ist männlich
Lieutenant


images/avatars/avatar-26.gif

Dabei seit: 16.01.2003
Beiträge: 622

Themenstarter Thema begonnen von Ironheart
Auf diesen Beitrag antworten Zitatantwort auf diesen Beitrag erstellen Diesen Beitrag editieren/löschen Diesen Beitrag einem Moderator melden       Zum Anfang der Seite springen

Platzhalter... ob dieser je aufgefüllt wird, steht in den Sternen...

__________________
"Das Leben ist das was einem passiert, während man andere Pläne schmiedet." John Lennon

Mitglied der Autorenkooperationen "Dantons Chevaliers" und "Hinter den feindlichen Linien"
21.10.2019 18:35 Ironheart ist offline E-Mail an Ironheart senden Beiträge von Ironheart suchen Nehmen Sie Ironheart in Ihre Freundesliste auf
Cunningham Cunningham ist männlich
Captain


images/avatars/avatar-477.gif

Dabei seit: 06.09.2006
Beiträge: 1.116

Auf diesen Beitrag antworten Zitatantwort auf diesen Beitrag erstellen Diesen Beitrag editieren/löschen Diesen Beitrag einem Moderator melden       Zum Anfang der Seite springen

17. Oktober 2636

Auf den Tag genau startete vor siebenhundertvierzehn Jahren Lieutenant Virgil C. Griffin zum ersten Mal ein Flugzeug von einem Flugzeugträger, einem damals umgebauten Kohlenfrachter der USS Langley.
Der Rest war Geschichte. Blutige Geschichte. Flugzeugträger spielten von da an in jedem Krieg der Menschheit eine entscheidende Rolle. Doch nicht nur die Kriege waren blutig auch in Friedenszeiten starben Piloten.
Jules Stafford hatte scheinen ersten Kameraden schon während der Pilotenausbildung verloren; Pilotenfehler. Die Absturzursache, wenn man alle technischen Probleme ausschließen konnte. Das konnte eine Unachtsamkeit sein, das Überschätzen der eigenen Fähigkeiten, das Unterschätzen einer Situation, ein falscher oder vergessener Handgriff, eine Variable, die man zu spät bemerkt oder überkompensiert oder schlicht und ergreifend Pech.
So einfach war es für einen Piloten zu sterben.
Neben den Akarii kamen noch die üblichen Berufskrankheiten hinzu: Stress und Erschöpfung, welche den Fehlerquotienten anstiegen ließen.
Die besten Mittel dagegen waren Routine, beständiges Training und am wichtigsten Vertrauen. Vertrauen in die Mechaniker, die die Maschinen warteten, die Copiloten und Flügelmänner, die einen begleiteten und die eigenen Fähigkeiten.

Ein Blick durch den Bereitschaftsraum der roten Schwadron, reichte um zu wissen, die Piloten waren unzufrieden mit der Aufgabe und sie würde sich beschweren und Dampf ablassen, bis zu dem Zeitpunkt an dem sie in ihre Maschinen kletterten.
Dann würde jeder von ihnen seinen Job tun; die meisten bis zum äußersten. Einige auch darüber hinaus.
Auch wenn Jules dafür keine Zeit gehabt hatte, so hatte er sich für mehr als zwanzig Minuten hingesetzt um zu gammeln, hatte im NATOPS für die Nighthawk gelesen und Ruhe und Gelassenheit ausgestrahlt und seine Piloten damit angesteckt.
Cabbie saß am Schreibtisch des Offiziers vom Dienst, eine Rolle, die der unnahbare West Point Abgänger überdurchschnittlich häufig inne hatte als die anderen Piloten.
Jeder war eigentlich froh, diesen Frondienst nicht ausüben zu müssen.
Jetzt saß der Neuling vor einem sauber aufgeräumten Schreibtisch und wirkte etwas gelangweilt.
„Nichts zu tun“, wollte Jules beiläufig wissen, während er weiterblätterte.
Gant straffte sich etwas: „Nein, Sir.“
„Der hat sogar schon die Schubladen ausgeräumt, geputzt und neu sortiert“, stichelte Dog, der in der ersten Reihe der Piloten saß und sich reckte und streckte.
Sein Kamerad errötete etwas.
Jules hingegen grinste faul und reichte Gant das NATOPS: „Also gut Cabbie, fragen sie mich ab.“
Dieser brauchte scheinbar das Manual gar nicht und beugte sich leicht dozierend vor: „Was ist das maximale Landegewicht einer Nighthawk?“
„Das ist abhängig davon, wo die Nighthawk landen soll, auf einem Pegasus-Class…“
Weiter kam er nicht, denn Kali unterbrach ihn: „Es schein Probleme auf dem Flugdeck zu geben.“
Seine Stellvertreterin stand vor der vordersten Reihe an sitzen und blickte zu dem Monitor, der in der oberen rechten Ecke des Bereitschaftsraums hing und wie in jedem anderen Bereitschaftsraum die Start- und Landeoperationen des Trägers wiedergab.
Cabbie und die Frage waren vergessen. Jules stellte sich neben Kali und blickte kurz zum Monitor hoch. Vor Katapult Nummer drei stand eine Tankfähre und ein gutes Dutzend Techniker werkelten an ihr herum.
„Verdammt, nicht schon wieder neun-null-sechs, ich bin in der CATCC.“
Als Stafford den Bereitschaftsraum der roten Schwadron verließ, blickten ihm einige seiner Piloten nach.
„Man, der macht ein Gesicht als wäre schon wieder Montag“, murmelte the Kid.
„Ist ja auch schon der dritte Montag, diese Woche“, kommentierte Too-Tall, „ich möchte jetzt nicht in der Haut des Verantwortlichen stecken.

In der CATCC, dem Carrier Air Traffic Control Center der Columbia herrschte reges Treiben.
Auf der dem Flugdeck abgewandten Seite dominierte eine von hinten angeleuchtete Plexiglaswand, hinter der Unteroffiziere und Mannschaften mit farbigen Fettstiften den Status jeder einzelnen im Einsatz befindlichen Maschine rückwärts in dafür vorgesehene Felder schreiben. Einer der vielen kleinen Orte, wo die Digitalisierung selbst im siebenundzwanzigsten Jahrhundert nicht angekommen war.
Der Kartentisch in der Mitte zeigte Flugdeck und Hangar des Trägers, und loggte automatisch jede Flugzeugbewegung mit.
Red Coopers Stellvertreter hatte Dienst und war gerade dabei, das Problem mit Rawhide fünf-null-sechs zumindest kurzfristig zu lösen.
Neben ihm stand schon Ivan Arossew, der Staffelführer der Unterstützungsschwadron. Dessen Gesicht zeigte schon wenig Begeisterung, doch als er Stafford durch die Tür kommen sah, wurde es noch ein paar Oktaven düsterer.
Der Tanker Rawhide fünf-null-sechs war nach der Schlacht von Sterntor als Ersatz für einen beschädigten Tanker gekommen und seitdem ein Problemfall. Seine Besatzung meldete immer wieder technische Probleme, die dazu führten, dass der Start abgebrochen werden musste. Probleme, welche die technische Abteilung der Rawhides bei der Durchsicht nicht replizieren konnten.
Nach dem fünften Mal, hatte man die Crew ausgetauscht, was zu einigen Spannungen geführt hatte. Das Problem blieb der Tanker.
Auch Matt Dodson hatte sich das Problem-Shuttle ansehen dürfen, was der technischen Abteilung der Rawhides nicht geschmeckt hatte.
Bevor Stafford was sagen konnte ergriff Arossew das Wort: „Wir sind schon dabei den Ersatztanker aufs Deck zu bringen, CAG.“
„Ja, das hilft uns jetzt“, knurrte Stafford, „und was ist mit morgen? Ich brauche alle Tanker und die sind für den Konvoi an sich nicht genug!“
Arossew nickte schuldbewusst: „Ich weiß, ich weiß, nur…“
„Nur was?“ Herrschte Stafford ihn an und wurde dabei eher ein Tick leiser denn lauter, „Wo ist ihr Wartungschef und was hat die Scheißkiste schon wieder?“
„Hydraulikprobleme mit dem Fahrwerk, Sir und Chief Schröder ist auf dem Weg hierher, zusammen mit Chief Dodson, Sir.“
Stafford warf dem Shuttlepiloten noch einen bösen Blick zu und wandte sich dann in Richtung der Glaswand ab.
Die erste Runde beim Geleitzug hatten die Schwadronen silber und gelb, mit Razor als Einsatzleiter. Begleitet werden sollten sie von zwei Rafael, zwei Tankern und einem der drei SWACS Shuttle. Bald würde der Bedarf an Tankern eher steigen, denn abnehmen.
Wenn sie die Sache mit ihren Shuttles nicht auf die Reihe kriegten, konnte man die Rafael noch mit Tankcontainern ausstatten. Das war aber im Vergleich ein Tropfen auf dem heißen Stein und würde den Rafaels die Möglichkeit zur Selbstverteidigung fast gänzlich nehmen.
Die Tür der CATCC klappte und Dodson und der leitende Unteroffizier der technischen Abteilung der Rawhides traten ein.
Auf beiden Gesichtern war zu sehen, dass sie schon eine hitzige Debatte hinter sich hatte.
„Und?“ wollte Jules wissen.
Chief Schröder blickte unglücklich zu seinem Vorgesetzten und dann in Richtung Dodson.
Dieser antwortete auch: „Der Computer zeigt den Fehler an, wenn wir die Kiste nachher aufbocken wird das Fahrwerk sicher einwandfrei arbeiten, Sir.“
„Ich hab die Faxen dick, Chief, nehmen sie den Tanktornister ab und schnallen sie ihn auf ein anderes Shuttle.“
„Das sind aber mindestens sechzehn Stunden Arbeit, Sir“, platzte es aus Schröder hinaus.
Stafford trat einen Schritt näher an den Chief heran: „Haben sie sich gerade in meiner Gegenwart einen Hirnfurz erlaubt, Mister?“
„Äh…., Sir.“
„Sie nehmen das am besten gewartete Shuttle, das nicht ein anderer Tanker ist oder ein SAR und setzen ihm den Tornister von neun-null-sechs auf und sehen sie ja zu, dass dieser morgen einsatzfähig ist. Das sind immerhin Multifunktions-Shuttles, die sind für sowas gebaut.“
„Das ist aber dass Admirals-Shuttle, Sir.“
Jules deutete mit dem Zeigefinger aufs eigene Gesicht: „Sehen sie das hier Schröder; das ist mein Scheißegal-Gesicht. Sie wollen nicht, dass ich ernstlich wütend werde. Also nehmen sie das Admirals-Shuttle, das braucht eh niemand.“
„Aye-aye, Sir.“
„Dann klotzen sie ran Mann, auch sie sind Teil dieses Elitgeschwaders.“
Schröder salutierte und machte den Abgang ehe Jules den Salut richtig erwidern konnte.
„Ich geh‘ wohl besser hinterher und helfe ihm“, wollte sich Dodson verabschieden.
„Falsch, sie sehen sich die Tankpods der Rafael an, falls wir diese brauchen“, dann wandte sich Jules an Arossew, „und sie holen mir den Count her, damit er weiß, was eventuell auf ihn zukommt.“



Feldhauptquartier 22. Heeresgruppe
Imperiale Armee, Gamma-Eridon

„Guten Morgen“, begrüßte Tyrosch Anwhar die anwesenden Offiziere. In einem Kriegsholo wären die anwesenden Offiziere jetzt aufgesprungen, hätten salutiert und den Gruß lauthals erwidert. Aber Brigade-, Regiments- und Bataillonskommandeure nickten nur, sahen ihn forschend an.
General zweiten Ranges Idan Bû reichte ihn ein Plastiktütchen: „Guten Morgen, mein Lord General.“
„Was zur Hölle ist das?“
Bû hielt eine gleiche Tüte hoch und drückte den Boden sachte zusammen: „Selbst erhitzender Fertigkaffee, Beute von den Menschenlingen. Einfach unten etwas zusammendrücken.“
Anwhar tat es dem Brigadekommandeur gleich, öffnete die Verpackung am augenscheinlich dafür vorgesehenen Ende und roch: „Interessant, riecht gut.“
Schmeckte jedoch widerlich, wie sich gleich beim ersten Schluck offenbarte. Er verzog angeekelt das Gesicht und die versammelten Offiziere lachten über ihn; einen akariischen Generaloberst.
„Gut Idan, der Witz ging auf meine Kosten, sowas trinken die Menschenlinge doch nicht wirklich.“
„Ich wollte es auch nicht glauben, als meine werte Kollegin“, er deutete auf General zweiten Ranges Cassia Jeron, „mich an dieser Erfahrung hat teilnehmen lassen.“
„In den erbeuteten Rationen der Menschenlinge ist angeblich auch Schokolade, mein Lord“, behauptete Jeron mit einem amüsierten zwinkern.
„Wieso angeblich? Sagen sie nicht, sie haben keine Schokolade“, wollte Anwhar empört wissen.
„Leider nein mein Lord“, gestand Jeron ein, „so es diese gibt, versickert sie bei den unteren Diensträngen.“
Er schnaufte und schaute in die Runde. Im Gegensatz zu ihm und einigen seiner Stabsoffiziere trugen alle Anwesenden Felduniform. Flecktarn mit Chamäleon-Eigenschaften, dennoch konnte man genau erkennen, welche Offiziere zu welcher Brigade gehörten. Bû’s Herolde des Todes waren frisch, ausgeruht, rochen noch sauber.
Jeron’s dreiundachtzigsten Imperial Ranger waren zwar nicht an der letzten Offensive beteiligt gewesen hatten aber schon im Feld gestanden.
„Wie ist ihre Einsatzbereitschaft?“ Anwhar begann damit seine Unterlagen auszubreiten, Mentale Vorbereitung, eigentlich hätte einer seiner Zahllosen Adjutanten oder Ordernanzen die Besprechung schon vorbereitete haben können.
„Wir sind Angriffsbereit“, schoss Jeron, „Kapals und Benars Regimenter sind in Angriffsposition. Unsere Vorpostosten haben eine gute Vorstellung, wie sich der Gegner positioniert hat. Artillerie ist in Stellung und die Nachstoßenden Regimenter sind Marschbereit. Wenn die Heeresluftwaffe mitspielt, geben sie mir einen Punkt in der feindlichen Linie und wir durchtrennen sie.“
Der alte Generaloberst nickte. Auf dem Papier hatten die Ranger eine Gefechtssträke von knapp achtzig Prozent. Das waren natürlich die geschönten Zahlen. Teile der Ausrüstung würde versagen, wenn es los ging und nicht jeder Soldat der als einsatzbereit gemeldet war, war es auch wirklich. Dennoch waren die Ranger seine erste Wahl für eine Offensive. Kampferprobt, gut geführt, diszipliniert.
Und wenn Idan Bû’s Herolde des Todes ihrem Ruf gerecht wurden, käme ein bitteres Erwachen auf die Menschenlinge zu.
Beide Divisionen hatten unter starker Luftdeckung manövriert um den Feind vorzugaukeln, dass die Ranger von den Herolden abgelöst wurden. Jetzt waren hoffentlich beide unbemerkt in Angriffsposition.
„Der Feind“, wie so oft sparte sich der Generaloberst irgendwelche Schmähworte. Einen Feind den man nicht respektierte, den unterschätzte man leicht. Einen Feind zu unterschätzen war zu jeder Zeit ein Fehler und Fehler wurden nur in einer Münze bezahlt, in Blut, „erwartet wie sie wissen Verstärkung. Ein entsprechend großer Konvoi ist auf dem Weg und man wird ihm eine entsprechende Eskorte geben.
Der Nachrichtendienst ging davon aus, dass man den Flottenträger abziehen würde, dies hat sich bis dato nicht bewahrheitet. Dennoch nehmen seine Kampfflieger an der Operation teil.“
Interessiertes Stühle rücken, Offiziere beugten sich vor, Notizen wurden gemacht.
„Wir werden den Menschenlingen und den Peshten zwei Tage geben, sich zu erschöpfen.“
Anwhar schmiss eine Kartenprojektion an die Wand: „Gemäß ihrer Aufklärung Jeron, werden wir an diesen beiden Punkten simultan angreifen. Bitte General.“
„Mein Lord“, die Kommandeurin der Ranger erhob sich und stellte sich neben die Karte, „wie sie sehen, sind beide Angriffspunkte gut ausgebaut aber auf die zwischen ihnen liegende Ebene ausgerichtet. Der Punkt, den uns der Feind als den schwächsten in seiner Linie vorgaukeln will. Wir werden in einer Zangenbewegung vorgehen. Artillerie wird unseren Angriff einleiten, die Heeresluftwaffe die Flanken der Vorrückenden Einheiten sichern.
Die Luftwaffe wird Angriffe auf breiter Linie gegen den Feind fliegen.“
Anwhar räusperte sich: „Es kann sein, dass die Luftwaffen sie nicht so großzügig unterstützen kann, wie ursprünglich geplant. Aber das hängt etwas vom Erfolg unserer Marine ab.“
Die versammelten Offiziere nickten, doch der Unmut war deutlich zu sehen. Aber jeder wusste, dass man die gegnerische Verstärkung nicht ungestört auf Gamma-Eridon landen lassen würde.



Militärhospital Lunapolis,
Erdmond

Als erstes waren da die Geräusche. Rhythmisches Pumpen, dann eintöniges fiepen und schließlich Menschen, in Form von Schritten und Gesprächen.
Die verklebten Augen erlaubten nur eine unscharfe Sicht in einen abgedunkelten Raum. All dies untermauerte die Vorahnung, die der eigentümliche Geruch schon angedeutet hatte: Krankenhaus.
Die Milchglas-Tür ging auf und er war nicht mehr allein.
Draußen auf dem Gang war Betriebsamkeit.
„Ich werde gleich das Licht langsam heller werden lassen“, sagte eine Frauenstimme in sehr deutlichen, kultivierten Englisch und ließ dann ihren Worten Taten folgen.
Es wurde heller im Zimmer.
Nun trat jemand in sein Blickfeld, eine dunkelhäutige Frau, mit kurzen, lockigen Haaren, welche die ersten Spuren von Grau aufwiesen. Eine Uniform und ein weißer Arztmantel vervollständigten das Bild.
Mit routinierten, einfachen und doch sanften Handgriffen säuberte sie ihm die Augen.
„Nicht erschrecken, gleich wird es nochmal etwas heller.“
Sie holte eine Kugelschreiber große Taschenlampe hervor und leuchtete ihm kurz in die Augen: „Bitte folgen Sie dem Licht, ja, sehr schön.“
Die Lampe verschwand wieder: „Gut, bevor ich den Tubus entferne, würde ich noch ein, zwei Tests machen.“
Er nickte und sie hielt ihm ein Gerät an die Stirn: „Leicht erhöht, aber kein Fieber. Heben sie jetzt bitte den rechten Arm; den rechten Arm, ja sehr schön und jetzt den linken, ja auch sehr gut.“
Sie ging zum Fußende: „Wenn sie das jetzt spüren, heben sie bitte den rechten Arm. Nein nichts?“
Jemand rechts von ihm atmete erschrocken aus. Eine andere Frau, ebenfalls in Uniform, deutlich dicklich in der Mitte, was nicht ganz zum Rest passte.
„Hm, ich werde ihnen jetzt den Tubus entfernen. Bitte versuchen sie nicht gleich zu sprechen, trinken sie erstmal was.
Wieder ein paar professionelle Handgriffe, sie schien so etwas öfter zu machten.
Dann reichte sie ihm einen Plastikbecher mit einem Strohhalm und er trank.
Wasser, lauwarm und mit irgendwelchen widerlichen Zusatzstoffen versehen, wie der Nektar der Götter.
Dann blickte er sie erwartungsvoll an.
„Mein Name ist Miriam Bashoron, ich bin ihre behandelnde Ärztin. Sie befinden sich im Militärkrankenhaus Luna. Wissen sie, wer sie sind.“
Natürlich: „Llllll Cccccnnnn.“
Er blickte erstaunt umher und versuchte erneut seinen Namen auszusprechen. Die zweite Frau im Raum hatte Tränen in den Augen.
Bashoron hielt ihm ein Whitepad und ein Farbstift hin: „Können sie es schreiben?“
Er schrieb und sie nahm das Pad entgegen.
Schmunzelte leicht und zeigte es der anderen Frau, was auch da ein leichtes Schmunzeln erzeugte: „Das ist richtig, kann man so sagen. Wissen sie wer das ist?“
Lucas blickte zu der anderen Frau hinüber, versuchte sie zu fokussieren und musste dann mit den Schultern zucken.
Die andere Frau trat ans Bett heran und nahm seine rechte ihn ihre beiden Hände. Das war angenehm, elektrisierend aber auch beängstigend.
Sie hatte einen Ehering. Er blickte seine Hände an.
„Dein Ring liegt in der Schublade, Schatz.“
Bashoron atmete tief ein: „Wenn sie wünschen, kann ich ihnen jetzt etwas Zeit lassen und ihnen später genauer Bericht erstatten.“
Lucas schüttelte den Kopf.
„Gut, Commander. Sie wurden im Gefecht verletzt, ein Raketensplitter hat ihr Rückenmark beschädigt und einige Nerven durchtrennt. Verschiedene andere Verletzungen bei der Landung führten zu einem Atemstillstant und der Verschluss ihres Helmes war soweit ich weiß verklemmt, weshalb ihnen da nicht sofort geholfen werden konnte. Ihr Gehirn war mehrere Minuten ohne Sauerstoffversorgung und ein Lungenflügel ist kollabiert.
Statt sie einer waghalsigen Notoperation zu unterziehen hat man sie in Kryostasis versetzt und alles weitere unseren Experten überlassen.
Vor einem Monat etwa haben wir sie hier aufgetaut und mehrfach operiert. Ihr Lungenflügel ist soweit wieder in Funktion, muss aber noch geschont werden.
Bezüglich des Rückenmarks und der beschädigten Nerven zeigen alle Scans erstmal gute Nachrichten, dennoch haben sie aktuell kein Gefühl in den Beinen. Da müssen wir schnellstens mit der Reha anfangen, sie müssen das Laufen erneut lernen und das wird kein einfacher Prozess, das kann sich über Monate hinziehen.
Problematisch sind die Hirnscans, Commander. Ihr Sprachzentrum ist beschädigt, wie stark, können wir noch nicht sagen. Darüber hinaus leiden sie unter einer leichten Form von Amnesie und möglicherweise ist auch ihr Kurzzeitgedächtnis betroffen.
Wir werden in den nächsten Tagen damit beginnen die entsprechenden Regionen zu stimulieren aber wir wagen keine Prognose über die Heilung abzugeben.“
Der Griff seiner Ehefrau wurde fester, es kam also noch was.
„Wir rechnen, dass sie mindestens ein Jahr oder länger bei uns zu Gast sein werden Commander. Ob sie dann wieder Dienstfähig sind oder es jemals wieder werden steht in den Sternen.“
Lucas machte den Mund auf, versuchte es jedoch gar nicht erst eine Frage zu stellen.
Miriam Bashoron fuhr gnadenlos vor: „Ihre Flugtauglichkeit werden sie jedoch nicht zurück erhalten.“
Lucas nickte, was sollte er auch anderes machen, nicht seine Stimme, nicht der Rest seines Körpers ließen es zu, dass er gegen dieses Urteil protestierte.
Die Ärztin legte das Pad in seine Griffreichweite und wandte sich an seine Frau: „Wenn ich noch etwas für Sie tun kann, Captain, wissen sie, wo sie mich finden oder rufen sie an. Ich gebe ihnen beiden erstmal Zeit das Ganze zu verdauen.“
„Danke, Doktor, ich schaue beim Weg raus nochmal bei Ihnen vorbei.“
Lucas nahm das Pad und las, was er geschrieben hatte. Dann wischte er entschieden das Lone Wolf weg. Wenn ich kein Pilot mehr bin, brauche ich auch keinen Pilotennamen.
Seine Frau küsste ihn auf den Kopf.

__________________
5th Syrtis Fusiliers - Pillage and looting since first succession war


Dieser Beitrag wurde 2 mal editiert, zum letzten Mal von Cunningham: 23.10.2019 19:43.

23.10.2019 10:54 Cunningham ist offline E-Mail an Cunningham senden Homepage von Cunningham Beiträge von Cunningham suchen Nehmen Sie Cunningham in Ihre Freundesliste auf
Tyr Svenson Tyr Svenson ist männlich
Captain


Dabei seit: 06.10.2015
Beiträge: 1.030
Herkunft: Jena, Thüringen

Auf diesen Beitrag antworten Zitatantwort auf diesen Beitrag erstellen Diesen Beitrag editieren/löschen Diesen Beitrag einem Moderator melden       Zum Anfang der Seite springen

TRS COLUMBIA, Gamma Eridon-System

„Noch fünf Minuten, heißt es. Verdammte Amateure!“, klang es verärgert aus der Bordfunkanlage des Allroundjägers.
„Verstanden. Hoffen wir auf das Beste.” Es war nicht unüblich, dass Piloten angesichts von technischen Problemen und Startverzögerungen die Geduld verloren und laut wurden, so wie jetzt Razor. Aber George ‚Blackhawk‘ Lincoln hatte schon vor langer Zeit gelernt, sich nicht über Dinge aufzuregen, die er nicht ändern konnte. Genauso wenig wie darüber, dass Razor den Einsatz leiten sollte, obwohl Blackhawk mehr Erfahrung hatte. Razor war zwar ein Top-Pilot mit beeindruckenden Leistungen, ein echter Kriegsheld – aber viele seiner Kameraden attestierten ihm ein allzu fragiles Nervensystem. Es war kein Geheimnis, dass er sogar schon mal für längere Zeit dienstuntauglich gewesen war.
Die Bereitschaft, das Beste aus jeder Situation zu machen, war hingegen nach Blackhawks Meinung die einzige Möglichkeit, sich in der TSN im Allgemeinen – und in diesem Krieg im Speziellen – die Ausgeglichenheit zu bewahren, die ihn unter anderem zu einem guten Ausbilder und Offizier machte. Und zu einem zumindest so guten Ehemann und Vater, wie es möglich war.
Er ließ seinen Blick durch den gigantischen Hangar der COLUMBIA schweifen. Da drüben hantierte die Bodencrew an dem soeben in den Hangar geschobenen Tankshuttle, dass die nicht einsatzfähige Einheit ersetzen sollte, der die Staffeln Gelb und Silber die lästige Startverzögerung verdankten. Hoffentlich bekamen die Techs die ausgefallene Einheit wieder flott, sonst würde die ganze Einsatzplanung für die erste Phase der Geleitschutzoperation durcheinander geraten.
„Achtung, Staffeln Gelb und Silber – Sie haben Startfreigabe. Ich wiederhole, Startfreigabe.“
„Das wurde verdammt noch mal Zeit!“, die Ungeduld in Razors Stimme war unüberhörbar: „Schwadron Silber startet zuerst, Sie schließen mit ihrer Staffel auf, Blackhawk.“, dann schlich sich fast so etwas wie Amüsement in seine Stimme: „Mal sehen, ob wir den Raider zuerst finden.“

Das war die Tarngeschichte für ihren Einsatz. Die angebliche Ortung einer feindlichen Korvette im Asteroidengürtel sollte die eigentliche Aufgabe der beiden Staffeln möglichst lange verschleiern. Hoffentlich würden die Akarii ihnen die Story abnehmen – wenn sie sie überhaupt mitbekamen – und sich auf Frohlocken darüber beschränken, dass die Menschen zwei Staffeln auf die Jagd nach einem Schiff schickten, von dem die Imperialen wussten, dass es gar nicht da war. Eigentlich war das keine schlechte Tarnung – selbst die modernsten imperialen, republikanischen und Konkordats-Ortungsgeräte waren anfällig für Fehlsignale und Radarschatten, die auch in diesem System schon mehr als einmal eine Geisterjagd ausgelöst hatten. Dennoch war Blackhawk skeptisch – nicht nur, weil zwei Staffeln etwas viel für so eine Aufgabe waren. ‚Aber wir werden schon noch herausfinden, ob es funktioniert hat.‘

„Bestätige Startfreigabe.“, Blackhawk warf einen Blick auf sein Armaturenbrett – genauer auf die auf eine flexible Kunststoffkarte geprägte Aufnahme, die er zwischen den Anzeigen befestigt hatte, obwohl das eigentlich verboten war. Normalerweise nahm er es mit den Vorschriften sehr genau, aber dieses Foto von seiner Frau und seinen Kindern war so etwas wie sein Glücksbringer, auch wenn er eigentlich nicht abergläubisch war. Und wie vor jedem Start tippte er leicht auf das Foto, dann auf seine linke Brust und zuletzt dorthin, wo sich hinter der Sichtscheibe des Pilotenhelms seine Lippen befanden. Ein Blick in den Hangar zeigte ihm, dass gerade die letzten Jagdbomber der Silbernen Staffel ins All geschleudert wurden: „Jaguare – Start!“

***

TRS PHILOKETES, auf dem Weg zu einem der System-Sprungpunkte des Gamma-Eridon-Systems

„Captain, die Kampfflieger sind gestartet.“
„Nicht eben rechtzeitig.“, Captain Narendra Mathradas Nanda, lehnte sich in seinem Kommandostuhl zurück und erlaubte sich ein irritiertes Stirnrunzeln. Er war kein Perfektionist, aber wenn es schon in dieser frühen Phase der Operation zu Verzögerungen kam…
Der Zeitplan war eng getaktet. Die Akarii sollten so lange wie möglich im Unklaren über die Ankunft des Konvois und das Zusammenziehen des Geleitschutzes gelassen werden. Das war der Grund für das hochkomplexe Täuschungsmanöver, bei dem die einzelnen Teile wie gut geölte Zahnräder ineinander greifen mussten:
Zwei der zum Geleitschutz detachierten Zerstörer befanden sich mit einer Fregatte und einem Minenräumer seit etlichen Tagen auf einer ‚Routinepatrouille‘, die sie ‚zufälligerweise‘ zur rechten Zeit an dem Sprungpunkt vorbeiführen sollte, den der Konvoi in wenigen Stunden passieren würde. Gleichzeitig waren vor vier Tagen zwei weitere Peshten-Zerstörer und die PHILOKETES als vorgeblicher Geleitschutz für ein halbes Dutzend Frachter detachiert worden, die über den fraglichen Sprungpunkt das System verlassen würden. Und das dritte Element des Geleitschutzes, zwei Staffeln der ‚Angry Angels‘ waren jetzt angeblich zur Jagd nach einem Akarii-Raiders gestartet. Nanda hatte insgeheim so seine Zweifel, ob man die Akarii wirklich würde täuschen können. Der in seinen Augen unnötig komplizierte Plan war zudem anfällig für Pannen. Und wenn sich der Konvoi verspäten sollte, dann würde ihre ganze Tarngeschichte ohnehin schnell durchsichtig werden.

Insgeheim fragte er sich, ob das halbe Dutzend Frachter, die er eskortierte und die abgesehen von einigen Gefangenen und Rekonvaleszenten leer waren, nicht auch als Versuchsballon fungierten – als unfreiwillige Minenräumer, die die Strecke abflogen, welche die vollbeladenen Truppentransporter in Bälde in die andere Richtung passieren würden. Die Peshten zeigten gelegentlich einen ziemlich brutalen Pragmatismus. Aber die mehrtägige Marschfahrt Richtung Sprungpunkt war bisher beruhigend ereignislos gewesen – ohne imperiale Minen, Raider oder Kampfflieger. Einen Bordoffizier, der seine Erleichterung darüber ausgedrückt hatte, hatte Nanda ruhig aber nachdrücklich zurechtgewiesen. Selbst wenn er nicht ein klein wenig abergläubisch gewesen wäre und deshalb sein Glück nicht beschreien wollte – sich zu sicher zu fühlen, war oft der letzte Fehler eines Soldaten und fehlende Wachsamkeit fast so tödlich, wie ein Blindgänger. Außerdem war sich Nanda nur zu gut der Tatsache bewusst, dass ein ereignisloser Hinweg keineswegs einen unproblematischen Rückweg bedeutete – oder die Abwesenheit von Minen bewies. Denn natürlich bestand immer die Möglichkeit, dass die gegnerischen Sprengkörper ferngezündet werden konnten oder Verzögerungszünder hatten, die erst beim zweiten, dritten oder vierten ‚Überfahren‘ aktiv wurden.

„Waffenstation, Status?“
„Koordination und Vernetzung der Sensoren und Zielcomputer bei 80 Prozent. Es gibt immer noch einige Software-Probleme wegen den verschiedenen Updates und Sicherheitsprogrammen.“
Nanda presste die Lippen zusammen, verbot es sich aber, laut zu werden: „Fahren Sie fort.“ Das war nicht gut. Eine der wichtigsten Waffen der DAUNTLESS-Klasse waren ihre ECM/ECCM-Fähigkeiten, der hochmoderne Zielerfassungscomputer und vor allem die Fähigkeit, diesen mit anderen Schiffen eines Verbandes zu verlinken.
„Meldung von der Patrouillenformation: Keine besonderen Vorkommnisse oder Ortungen…“, die Kommoffizierin zögerte kurz und setzte dann vielleicht etwas spöttisch hinzu: „Commodore.“
Das war der Wunsch der Peshten gewesen. Für die Zeit der Geleitoperation fungierte Nanda für diese im Rang eines Titular-Commodores. Er war sich nicht so ganz sicher, ob das eine Bestechung sein sollte, eine formale Geste oder ein Tribut an den Stolz der Peshten, die ihre Kriegsschiffe nicht einem ‚einfachen‘ Captain unterordnen wollten: „Sind sie im Zeitplan?“
Die Antwort kam von einer der Sensorstationen: „Bestätigung.“
‚Immerhin.‘ Wenn jetzt auch der Konvoi pünktlich war…

***

Gamma-Eridon, irgendwo zwischen der COLUMBIA und dem Sprungpunkt

„Sie sind dran, Commander.“
„Verstanden, Tiburon.“, Blackhawk tippte leicht gegen den Steuerknüppel seiner Maschine und brachte die Nighthawk neben das Tankshuttle. Ein Blick zu den anderen Kampffliegern... Die durch den verspäteten Start verursachte Verspätung hatte sich zwar inzwischen auf eine halbe Stunde vergrößert, aber ansonsten lief alles nach Plan. ‚Zumindest vorerst.‘ „Fox, schließen Sie auf, Sie driften sonst ab.”
„Bestätigung.“
„Bisher nichts Neues von unseren Dickschiffen. Keine feindlichen Jäger, Kriegsschiffe oder Minen.“ Trotz der guten Nachricht klang Razor genervt, vermutlich wegen der Verspätung, dem eintönigen Langstreckenflug und dem langwierigen Betankungsvorgang.
„Klingt doch gut.”, das war wieder Tiburon. Der leicht aufbrausende südamerikanische Pilot hatte sich in letzter Zeit ziemlich gut gemacht, wenn man bedachte, dass er wegen diverser Disziplinarvergehen haarscharf an einem Verfahren vorbeigeschrammt war. Er war zwar immer noch nicht einfach im Umgang – aber er gab sein Bestes.
Dennoch… „Kein Grund, sich zu entspannen. Wir sind noch nicht da.“

***

Gamma-Eridon, nahe dem Sprungpunkt


„Wiederholen Sie das.“ Captain Nandas Stimme blieb ruhig, verriet aber eine leichte Anspannung.
„Die Sensoren eines der Zerstörer fassten kurz etwas auf, was ein unidentifiziertes Radarecho sein könnte, jedoch nicht bestätigt werden konnte. Da der schwache Kontakt weniger als eine halbe Sekunde…“
„Zeigen Sie, wo das war.“
Der Sensoroffizier nickte knapp, fühlte sich jedoch veranlasst, einschränkend hinzuzufügen: „Es gibt immer noch Softwareinterferenzen bei der Koordination des Sensornetzwerks, vor allem, da wir jetzt dabei sind, die beiden weiteren Zerstörer, die Fregatte und auch noch diesen alten Minenräumer aufzuschalten. Dazu kommt natürlich die Sprungpunkt-Hintergrundstrahlung, die noch durch das kürzliche Springen der von uns eskortierten Frachter verstärkt wurde. Ich halte es für möglich…“
„Ich bin mir dessen bewusst.“, Nanda runzelte leicht die Stirn. Der kurze Sensorkontakt war bei Backbord festgestellt worden. Bedauerlicherweise näherten sich die vier Peshten-Schiffe, die seinen Verband komplettieren sollten, von Steuerbord, sonst hätte er einen kurzen Erkundungsflug befohlen. ‚Zufall?‘
Was seine Kampffliegerunterstützung anging… „Wie lange, bis die Angry Angels eintreffen?“
„Noch etwa zwanzig Minuten.“
Der Captain presste kurz die Lippen zusammen. Das Nachtanken der Kampfflieger hatte die bereits bestehende Verspätung auf eine Stunde vergrößert. Noch war die Differenz nicht wirklich gefährlich, aber dennoch…Jedenfalls waren sie noch nicht hier, um einen kleinen Aufklärungsschlenker zu fliegen. Ein eigenes Shuttle zu starten würde einfach zu lange dauern. Wenn er es schon draußen gehabt hätte…
„ Aktive Radarortung – volle Signalstärke. Unsere Freunde von den Angry Angels sollen eines ihrer Aufklärungsshuttles detachieren. Und bereiten Sie eine Drohne vor.“ Er lehnte sich zurück: „FALLS dort jemand ist, wird es Zeit, ihm auf den Helmbusch zu klopfen.
Und schließen Sie endlich die Aufschaltung der Sensoren ab. Ich brauche das Netzwerk auf voller Leistung, wenn der Konvoi…“
.
.
.
„Sir, Sprungsignaturen. Ich zähle zwölf, korrigiere vierzehn Signaturen, davon acht Frachter und vier…“

Beinahe hätte Nanda ‚Schon?‘ gefragt. Aber tatsächlich war der Konvoi lediglich pünktlich. Verspätungen hatte es nur bei den Geleitschiffen gegeben, wodurch in Kombination mit den Softwareproblemen die Zeit jetzt knapper war, als es ihm lieb gewesen wäre. Er wartete gar nicht die Identifikationsbestätigung der in das System gesprungenen Schiffe ab: „Lassen Sie die Zerstörer ausschwärmen. Unsere Fregatte macht die Schlusssicherung. Und geben Sie unseren Freunden von den Angry Angels Bescheid, dass ich ihre Rafales JETZT über dem Konvoi will. Ihre Jagdbomber sollen die Nahsicherung übernehmen, die Sensorshuttles und Jäger im Außenbereich patrouillieren…“
.
.
.
Es begann mit einem Aufschrei von der Sensorstation: „KONTAKT! Orte zwei, korrigiere, drei…“
Sofort fiel eine andere Stimme ein: „Raketensignaturen! Vier, acht…“ Und in diesem Augenblick, als hätte man einen Schalter umgelegt, kippte die angespannte aber routinierte Stimmung in das Chaos einer Raumschlacht.
Für einen Augenblick, nur einen kurzen, war Captain Nanda wie gelähmt von dem gestaltgewordenen Albtraum, der sich vor seinen Augen und Ohren abrollte. Aber dann griffen der Flottendrill und die jahrzehntelange Erfahrung: „SM2-Werfer – Feuer auf die anfliegenden Lenkwaffen! Unterstützung durch Bordartillerie!”
“Versuchen Ziel aufzufassen! Ortungsschwankungen ausgleichen, verdammt! Ich brauche eine anständige Peilung!“
Nanda biss sich auf die Lippen. Das fehlte noch, dass die Ortung jetzt verrücktspielte, überansprucht durch die verblassenden Sprungsignaturen, die Hintergrundstrahlung des Sprungpunkts und die immer noch nicht ganz einwandfrei funktionierende Netzwerkverknüpfung: „Gegner mit Amrams bekämpfen.“
“Wir sind noch nicht nahe genug.“, meldete der Waffenoffizier mit bemüht ausdrucksloser Stimme.
‚Seit wann lösen denn imperiale Bomber ihre Atomwaffen so früh aus?‘ Wie bei der TSN waren die kampffliegergestützten Nuklearraketen der Akarii in ihrer Kategorie die ‚Kurzstreckenwaffen‘, mit einer weitaus geringeren Reichweite und Vernichtungskraft als ihre schiffsgeschützten ‚großen Brüder und Schwestern‘.

Doch dann begriff Nanda. Es waren gar keine Jagdbomber, die angriffen. Vielmehr handelte es sich um Schnellboote – eine aus der Not geborene Waffe in der Gestalt von mit Atomraketen bewaffneten Shuttles, die sich als erstaunlich effektiv erwiesen hatten. Vor allem, wenn sie wie jetzt überraschend angriffen.
Dabei war, das begriff Nanda im selben Augenblick, der feindliche Angriff keineswegs perfekt gelungen. Vermutlich aufgeschreckt durch die von Nanda befohlenen Aufklärungsmanöver – oder durch das Herannahen der TSN-Kampfflieger alarmiert – hatten die drei, nein vier Schnellboote ihre Raketen auf maximale Entfernung ausgelöst. Was bedeutete, dass zwar sechszehn Atomraketen im Raum waren – aber eine kurze, kostbare Frist blieb.
Während die schweren Truppentransporter und die zwar leichteren aber kaum wendigeren Frachter mit Höchstgeschwindigkeitsmanövern auszuweichen versuchten, eröffneten sie aus allen Rohren das Feuer auf die die herannahende Vernichtung – wenngleich deutlich weniger zielgenau als die beiden sie begleitenden Flugabwehrfregatten.
Noch beeindruckender war der Feuerzauber, den Nandas Schiffe entfachten, deren Feuervektoren und Zielerfassungssystem in ein sich überlappendes Feuerleitnetzwerk eingesponnen waren. Während Raketen vor allem die noch weiter entfernten Flugkörper aufs Korn nahmen, konzentrierten sich die Bordwaffen und vor allem die Impulslaser auf den Nahbereich.
Lautlos verfluchte Nanda die ihm fehlende Zeit. Wenn er doch nur auch die Schiffe des Konvois in das Netzwerk hätte einspannen können. Wenn die Jäger noch etwas früher vor Ort gewesen wären. Wenn…

„Flugkörper ausgeschaltet! Zwei, vier…“
„Achtung, Einschlag auf der GAN! Weitere Raketen im Anflug.“
„Konzentrieren Sie das Feuer! Schalten Sie diese Raketen aus!“ Aber angesichts des immer noch fast einem anfliegenden Dutzend Flugkörper und der nur Herzschlage später in der Dunkelheit des Alls aufblühenden doppelten Feuerblume, wusste Nanda, dass es zu spät war. Von dem mehrfach getroffenen Frachter GAN blieben nur noch Trümmer.
Was nützte es, dass mehrere der noch anfliegenden Lenkwaffen in schneller Folge zerstört wurden?
Nur wenige Augenblicke später kam die nächste Hiobsmeldung: „Treffer auf dem Truppentransporter TESHIK!“
Der einzige – schwache – Trost war, dass die Schiffe der NASSAU-Klasse gut gepanzert waren und eines der besten Lebenserhaltungssysteme der Flotte hatten.

Doch immerhin waren jetzt – ENDLICH – die Kampfflieger der Angry Angels heran. Während die Jagdbomber den Abwehrschirm gegen die noch anfliegenden Atomraketen verstärkten, setzten die schnelleren Griphen den Schnellbooten nach, die sich nach Abfeuern ihrer tödlichen Last mit Höchstgeschwindigkeit entfernten und dabei einmal mehr den Sensorschatten des Sprungpunkts nutzten. Aber ob sie entkommen würden oder nicht, war eigentlich schon nicht mehr wirklich wichtig. Ihr Ziel hatten sie erreicht…

***

Einige Zeit später

„Die Jäger sind zurück. Der Staffelchef meldet den Abschuss von zwei Schnellbooten und die Beschädigung eines weiteren. Nummer Vier entkam unbeschädigt. Sie haben die Koordinaten der zwei entkommenen Boote an die nächsten Patrouilleneinheiten weitergegeben.“ In der Stimme der Kommoffizierin schwang fast so etwas wie ein Vorwurf mit. Captain Nanda ignorierte das. Er hatte die Jäger zurückbefohlen, als sie bei der Verfolgungsjagd gefährlich nahe an den Rand ihres Reaktionsradios gerieten. Er brauchte die Griphen über dem Konvoi, nicht auf einer Jagd nach Vergeltung. Er brauchte sie jetzt umso dringender, denn anscheinend hatten die Akarii von der Ankunft des Konvois gewusst. Der Hinterhalt war zu präzise gewesen, um ein Zufall zu sein.
„Wie lange, bis die TESHIK marschfähig ist?“
Die Antwort erfolgte fast sofort: „Sie schätzen etwa sechs Stunden. Aber dann wird sie erst einmal nur mit halber Marschgeschwindigkeit fliegen können.“ Was die Transitzeit natürlich verzögern würde, die Piloten der geleitfliegenden Angry Angels-Kampfflieger zusätzlich belasten und den Akarii mehr Zeit geben würde, einen weiteren Angriff vorzubereiten.
„Sehen Sie zu, ob wir sie in Schlepp nehmen können – wenn das die Reparaturarbeiten nicht behindert.“ Ein vollbeladenes Schiff dieser Größe abzuschleppen – dazu wenn es möglicherweise strukturelle Schäden hatte – war immer ein extrem heikles Unterfangen und machte zudem Havaristen UND dessen Schlepper zu leichten Zielen. Aber sie mussten es zumindest versuchen, denn hier am Sprunpunkt saßen sie für Nandas Geschmack zu sehr auf dem Präsentierteller, zumal die konstante Hintergrundstrahlung das Orten von Feindschiffen weiterhin erschwerte.
Wenigsten stand jetzt der Verteidigungsschirm, waren endlich alle Kampfschiffe, Flieger, Transporter und Aufklärungsshuttles in das von der PHILOKETES dirigierte Sensornetzwerk eingebunden. Jeder weitere Angriff würde auf einen sehr viel härteren und besser koordinierten Widerstand stoßen. Aber das war nur ein schwacher Trost.

„Captain, Funkspruch von dem Truppentransporter KIRKU.“
Nanda schloss kurz die Augen. Die KIRKU transportierte die Führung der 4. Sturmdivision. Er konnte sich vorstellen, was ihm die Befehlshaberin der Einheit zu sagen hatte. Dennoch…: „Stellen Sie durch.“
Zu seiner Überraschung ertönte nicht die Stimme einer Peshten-Frau, sondern die eines Mannes aus den Lautsprechern: „Commodore Nanda, hier spricht Colonel Schiermer. Ich fungiere als Verbindungsoffizier zu Lieutenant General Tesh’ta.“
„Was kann ich für Sie tun, Colonel?“
Die Antwort war ein ziemlich rüde klingendes Schnauben: „Fürs erste könnten Sie uns versichern, dass so etwas nicht noch einmal passiert. Unsere Division hat auf der TESHIK acht Tote und fast dreißig Schwerverletzte zu beklagen. Was die Leichtverletzten angeht, sind wir noch am Zählen. Es wären noch sehr viel mehr gewesen, wenn wir unseren Jungs und Mädchen nicht befohlen hätten, ihre Gefechtspanzer zu tragen. Einen Befehl, den wir offenbar besser beibehalten sollten, bis wir auf dem Planeten gelandet sind.“
Nanda presste die Lippen zusammen. Er hätte gerne darauf hingewiesen, dass der größte Teil der Geleitschiffe von den Peshten gestellt wurde. Aber auch wenn es vielleicht nicht fair war, Tesh’ta und ihr Verbindungsoffizier – ein Söldner? – hatten guten Grund, sauer zu sein. Doch als Konvoikommandant war Natürlich natürlich die erste Adresse für den Ärger. Und wenn es seinen temporären Schützlingen half, Dampf abzulassen… „Solange das Ihre Soldaten nicht übermüdet…“ Jetzt rechthaberisch aufzutreten hätte wenig Sinn gehabt und wäre wenig diplomatisch gewesen.
Kurz schwang so etwas wie grimmige Belustigung in Schiermers Stimme mit: „Danke für Ihre Fürsorge. Aber meine Leute sind Sturmsoldaten. Sie haben gelernt, in ihrer Rüstung zu schlafen. Wenn Sie das nicht könnten, hätten sie die Ausbildung nicht überstanden.“
Nanda sah wie eine der Brückenoffizierinnen die Augen verdrehte. Marines, Legionäre, Armeesoldaten, Menschen, Akarii, T‘rr oder Peshten – in dieser Hinsicht waren sie alle gleich.
Währenddessen fuhr Schiermer mit wieder nüchterner Stimme fort: „Mit der GAN gingen 40 gepanzerte Fahrzeuge sowie größere Mengen Nachschub und Munition verloren. Das bedeutet, dass die Akarii vielleicht keine richtige Schlacht gewonnen haben. Aber für eine lokale Sondermeldung reicht es.“
„Wir werden alles was möglich ist unternehmen, dass es bei dieser einen Meldung bleibt.“ Jetzt schlug vermutlich doch ein wenig von Nandas Frustration in seiner Stimme durch. Was Schiermer aber nicht zu bekümmern schien: „Generalin Tesh’ta bittet Sie, uns einen aktualisierten Ablauf- und Operationsplan für die Überführungsfahrt zukommen zu lassen, damit wir unsere Truppen entsprechend briefen und vorbereiten können.“
„Ich schicke Ihnen die entsprechenden Informationen.“
„Danke. Tun wir unser Bestes, dass eine beschissene Situation nicht noch beschissener wird.“
Und auch wenn Nanda es ganz bestimmt nicht so ausgedrückt hätte, musste er Schiermer Recht geben.

***

Nur ein wenig später

Razor runzelte kurz die Stirn: „Stellen Sie durch.“ Wenn dieser Colonel jetzt auch noch die Piloten anscheißen wollte…
„Sie gehören zu den Angry Angels?“
Razor war überrascht. Er hätte nicht erwartet, ausgerechnet einen Söldner zu treffen, der ein Angry Angels-Fan war. Außerdem passte Schiermers Stimme nicht zu so einer Annahme. Hauptsache, dass Schiermer ihm nicht dazu gratulieren wollte, eigenhändig eine ganze Division Akarii umgebracht zu haben. Razor hasste das: „In der Tat…“
„Na großartig. Dann holen mich wohl die Sünden der Vergangenheit ein.“ Die Stimme des Offiziers troff von zynischer Belustigung aber auch einem merkwürdigen Fatalismus.
„Ich bin nicht sicher, ob ich Sie verstehe.“
„Ich habe früher bei den Marines der REDEMPTION und der COLUMBIA gedient. Sagt Ihnen Camp Hellmountain etwas?“
Razor schloss kurz die Augen. DAS also. Sollte er dankbar dafür sein, dass er nicht der einzige war, der von den Dämonen des Gestern gejagt wurde? „Ich…verstehe.“
Schiermers Stimme klang auf einmal…alt: „Das bezweifele ich stark. Es sei denn, Sie wären mit uns durch das Blut und die Scheiße gerobbt. Aber Sie könnten mir etwas versprechen.“
Razor wusste, was jetzt kam: „Colonel?“
„Sie können ihrem Geschwaderchef nahelegen, meine Männer und Frauen nicht noch mal im Dreck sitzen zu lassen. Oder zumindest diesmal etwas früher zurückkommen.“ Noch ehe Razor etwas sagen konnte – wenn er das denn gewollt hätte – war der Augenblick vorbei und der vertraute Zynismus kehrte in die Stimme des Colonels zurück: „Und falls immer noch dieser verrückte, blauhaarige Lieutenant bei Ihnen fliegt, grüßen Sie ihn von mir. Sagen Sie ihm, ich habe seiner kleinen Schwester das Töten beigebracht. Und das macht mich ja schon fast schon zu einem Mitglied der Familie, richtig?“

***

Fast zur selben Zeit, Hauptquartier der imperialen Flotte im Gamma-Eridon-System


Admiralin Pherci Morr lehnte sich zurück: „Bericht.“
„Wir gehen von mindestens einem, wahrscheinlich zwei zerstörten Frachtern aus. Weitere Einheiten wurden offenbar beschädigt, darunter möglicherweise ein oder zwei Eskortschiffe, auch wenn die Transporter den größten Teil des Schadens abbekommen haben.“
„Das war ja auch der Sinn.“, Morr grinste kurz.
„Momentan scheint der Konvoi gestoppt zu haben. Vermutlich um Reparaturen durchzuführen und Rettungskapseln aufzunehmen. Wir behalten ihn in der Langstreckenortung.“
„Ausgezeichnet. Jede Stunde Verzögerung ist ein Gewinn für uns. Dieses alte Fossil Tyrosch kann mir dankbar sein.“, Sie runzelte die Stirn: „Ich hoffe doch sehr, dass er den Beitrag der Navy anerkennen wird. Was ist mit unseren Verlusten?“
Der Meldung machende Lieutenant räusperte sich: „Leider wurde die Hälfte der Schnellboote vernichtet. Die verbliebenen beiden sind verschossen auf dem Rückzug.“
Morr presste kurz die Lippen zusammen. Das waren höhere Verluste als erhofft – aber Sie hatte damit gerechnet. Siege erforderten Opfer: „Können Sie es schaffen?“

Von einem mit Skepsis beäugten Provisorium hatten sich die umgebauten Shuttles zu einem wertvollen Werkzeug entwickelt – vor allem für den ‚Kleinen Krieg‘, für schnelle Angriffe, Blitzüberfälle und Minenoperationen. Aber ihr Einsatz war riskant – und deshalb gab es meist zu wenige von ihnen.

„Der Konvoi-Geleitschutz hat die Verfolgung aufgegeben und größeren Einheiten können sie ausweichen. Aber wenn der Gegner ein paar Langstreckenjäger oder gar einen Hilfsträger detachiert…“
Morr nickte grimmig: „Hoffen wir, dass die Primaten und ihre schleimhäutigen Verbündeten bald Wichtigeres zu tun haben. Wenn Tyrosch endlich seine großartige Offensive abrollen lässt. Wir werden diesen Konvoi nicht ewig aufhalten können. Und ich bin nicht gewillt, weiter meine Schiffe zu opfern, weil unsere überglorifizierten Schlammwühler nicht ihren Auftrag erfüllen können.“
Was das anging… „Was haben wir für weitere Optionen?“
„Wir könnten noch zwei Sektionen Schnellboote verlegen, auch wenn diese aufgrund der Entfernung…“
Morr schüttelte den Kopf: „Das wird so nicht noch einmal funktionieren. Inzwischen ist ihr Geleitschutz vollständig und sie sind vorgewarnt. Und je weiter sie sich vom Sprungpunkt entfernen, desto leichter werden sie uns orten und umso schneller können Sie Verstärkung erhalten. Nein, das wäre zu sehr eine Selbstmordoperation, sogar für Schnellboote.
Aber lassen Sie die Minenoperation wie geplant weiterlaufen. Vielleicht können wir sie so zumindest etwas verlangsamen.“
„Ich fürchte, das wird nicht reichen. Und General Tyrosch…“
„Sehe ich so aus, als würde es mich interessieren, was das alte Fossil will?“, brauste die Admiralin auf, wurde aber sofort wieder ruhig: „Die Machbarkeitsanalyse für einen Zerstörervorstoß?“
„Die Wahrscheinlichkeit für einen unbemerkten Ausbruch liegt bei fünfzehn Prozent. Zehn Prozent, wenn wir angesichts des Geleitschutzes die mindestens notwendigen zwei Zerstörerdivisionen einsetzen. Die mit hohen Verlusten rechnen müssten – sowohl am Konvoi, als auch beim Rückzug. Ein offener Ausbruch mit schweren Kräften…“
„Würde zu einer regelrechten Raumschlacht führen, für die unser Gegner alle verfügbaren Kräfte mobilisieren würde. Einschließlich des Trägers.“

Das würde Tyrosch zwar sicherlich gut gefallen. Aber es würde auch bedeuten, dass Morr anschließend nicht mehr in der Lage sein würde, Tyroschs Truppen zu versorgen – zumindest für einige Monate, falls sie nicht vorfristig Verstärkung aus der Heimat erhielt. ‚Und wer wäre dann daran wohl schuld?‘
Nein, das war – NOCH – keine Option. Sie würde nicht die Flotte für die Inkompetenz der Armee opfern, die diesen Drecksplaneten schon längst hätte einnehmen sollen.

Und dennoch…: „Aktualisieren Sie die Pläne für ein Zusammenziehen unserer Verbände und für einen massierten Vorstoß gegen die feindlichen Blockverbände. Vielleicht werden wir es doch versuchen müssen…“, sie überlegte kurz: „…oder zumindest so tun. Hm…vielleicht, wenn wir genug Rauch fahren, könnten wir eine kleinen, ausgewählten Kampffliegerverband durchschmuggeln. Ein oder zwei Jagdbomber- oder Sturmjäger-Staffeln...“ Die Admiralin winkte ungeduldig: „Ich will, dass mein Kampffliegerstab das durchplant. IST es möglich – und mit welchen Kräften? Und wie viele könnten es dann auch wieder zurück schaffen?“
„Ich…verstehe. Wann brauchen Sie die Analyse?”
Morr schnaubte kurz: „BRAUCHEN tue ich sie vorgestern. Aber da das nicht möglich ist, haben Sie einen halben Tag.”
02.11.2019 07:56 Tyr Svenson ist offline E-Mail an Tyr Svenson senden Beiträge von Tyr Svenson suchen Nehmen Sie Tyr Svenson in Ihre Freundesliste auf
Tyr Svenson Tyr Svenson ist männlich
Captain


Dabei seit: 06.10.2015
Beiträge: 1.030
Herkunft: Jena, Thüringen

Auf diesen Beitrag antworten Zitatantwort auf diesen Beitrag erstellen Diesen Beitrag editieren/löschen Diesen Beitrag einem Moderator melden       Zum Anfang der Seite springen

Akar, Imperialer Flottenstab


Die Runde, die Kern Ramal erwartete, erinnerte ihn an den nicht lange zurückliegenden Tag, an dem er die Leitung des Flottenstabes übernommen hatte. Natürlich gab es Unterschiede. Einige neue Gesichter waren hinzugekommen. Fast alle der Versammelten wurden diesmal von ihren jeweiligen Adjutanten begleitet, die bei den Lagevorträgen assistieren sollten. Admiral Taran war sogar für zwei neue Teilnehmer verantwortlich. Er hielt nicht nur an seiner Adjutantin aus der Zeit im Draned-Sektor fest, sondern hatte auch noch seinem Stellvertreter Admiral Pern einen Adjutanten verschafft, obwohl Pern bisher sehr gut ohne einen solchen ausgekommen war. Dabei handelte es sich wohl kaum zufälligerweise um Tarans jüngeren Bruder Yelak. Kern Ramal war sich nicht sicher, ob es dabei um guten alten Nepotismus ging – oder ob der Admiral sein Terrain abstecken und sichern wollte. Vermutlich beides. Was Tarans eigene Adjutantin anging…auf den ersten Blick hatte Kern sie für etwas zu hübsch gehalten, um wirklich kompetent zu sein. Aber bei näherer Betrachtung – und einigen dezenten Nachforschungen – war er zu dem Schluss gekommen, dass etwas mehr hinter Captain Thera Los steckte. Ob sie nun mit ihrem Chef schlief oder nicht, spielte eigentlich keine Rolle – er würde sie jedenfalls nicht unterschätzen…
Diesmal war Kerns Eintreten auch keine Überraschung für die Versammelten. Tatsächlich eröffnete er die Runde, die auf ihn gewartet hatte. Er machte sich allerdings keine Illusionen darüber, ob er auch wirklich von allen Anwesenden respektiert wurde. Aber immerhin zeigten sie ihre Skepsis nicht offen. Wenn an dieser – zumindest vordergründigen – Akzeptanz allerdings etwas Positives war, dann trat es hinter der bitteren Realität zurück, die aus den Berichten der Konferenzteilnehmer sprach. Vielleicht täuschte er sich ja, aber Ramal vermutete, dass einige fast so etwas wie eine perverse Genugtuung verspürten, während sie vor dem neuen Flottenstabschef einen Berg aus Problemen und Hiobsbotschaften aufhäuften. Zumindest betrachteten sie es vermutlich als eine Art Bewährungsprobe…

Zuallererst hatte sich die Runde einem Thema gewidmet, dass eigentlich in der Kompetenz des Außenministeriums lag – aber nicht wenige der Admiräle waren durch die Entwicklungen in der Konföderation beunruhigt. Auch wenn den meisten das Schicksal des konföderierten Generalgouverneurs und seiner Gefolgsleute herzlich gleichgültig war, die Verhaftungen und laufenden Prozesse waren ein deutliches Signal.
Vielen der Offiziere wäre es lieber gewesen, wenn sich die Spannungen zwischen der Konföderation und der Republik weiter hochgeschaukelt hätten. Nun aber sah es so aus, als wäre es damit vorbei – und als ob die neue konföderierte Administration einen freundlicheren Ton gegenüber ihren ehemaligen Verbündeten in der Republik anschlagen wollte. Falls das der Fall war, würde die TSN einige Verbände von dieser Grenze an andere Fronten verlegen können. Während das Imperium seine an der Grenze zur Konföderation gelegenen Welten wohl lieber nicht zu sehr entblößen sollte…
Gleichzeitig würde man die – ohnehin höchst halbherzig angelaufene – Unterstützung des konföderierten Wiederaufbaus noch einmal sorgfältig überdenken müssen. Vor allem jede eventuelle Hilfe beim Aufbau der Streitkräfte oder im Bereich der Geheimdienste. Die neue konföderierte Administration würde zudem wahrscheinlich die in den letzten Monaten fast komplett gekappten Handelsbeziehungen zur Republik reaktivieren, was deren Kriegswirtschaft und Finanzhaushalt zugutekommen würde…
Die imperiale Reaktion auf die neue Lage würde sich vorerst auf politische, wirtschaftliche und nachrichtendienstliche Maßnahmen beschränken müssen, wobei man sehr vorsichtig und bedacht vorgehen würde. Denn jedes offene Eingreifen in die konföderierte Innenpolitik würde genau diejenigen Kräfte diskreditieren, die man eigentlich stärken wollte.
Für eine militärische Reaktion, gar ein direktes Eingreifen jedoch fehlten dem Imperium die Mittel und auch der Wille – zumindest solange kein echter Bürgerkrieg ausbrach oder die TSN in die Konföderation einmarschierte. Dergleichen würde, wie Admiralin Ras sarkastisch anmerkte, bis nach dem Sieg über die TSN warten müssen.

Der Bericht von General Moras war noch einer der positivsten. Die imperiale Marineinfanterie hatte zwar wie ihre ‚Kollegen‘ von der Armee in den letzten Jahre hohe Verluste und etliche Niederlagen erlitten, ihre Toten und Materialverluste jedoch weitestgehend ersetzen können – zumindest zahlenmäßig, auch wenn die Qualität gelitten hatte. Noch konnte der Nachschub an Rekruten aufrechterhalten werden, auch wenn der Wegfall der T’rr-Hilstruppen und die verschiedenen neu oder erneut auflodernden Rebellionen viele Bodentruppen banden. Die fast brutale Konditionierung der Marineinfanteristen sorgte zudem für eine relativ konstant bleibende Einsatzmoral. Zumindest vorerst…

Anders sah es mit der allgemeinen Moral in der Flotte aus, auch wenn Les Paran von der Flottengendarmerie und Admiralin Kenai Ras vom Marinegeheimdienst teilweise recht unterschiedliche Meinungen vertraten, wie man diese stärken sollte. So war Paran wenig empfänglich für Ras Vorschlag, mit ein paar Erschießungskommandos auf defätistische Äußerungen zu reagieren.
Die militärischen Erfolge der letzten Monate – die Kapitulation der Konföderation, der imperiale Vorstoß ins Sterntor-System, der kaum für möglich gehaltene Abwehrsieg gegen die ‚Große Armada‘ – hatten den geschwächten Kampfgeist wieder gestärkt. Allerdings drohte die Gefangenschaft von Admiral Ilis und die Verheerung frontnaher imperialer Welten den moralischen Aufschwung zu stoppen, kaum dass er begonnen hatte. Eine strikte Durchsetzung der Militärgerichtsbarkeit, eine möglichst umfassende Überwachung und die weiter intensivierte propagandistische Bearbeitung der Männer und Frauen waren zwar naheliegende Maßnahmen, jedoch vermutlich nicht unbedingt ausreichend. Admiral Taran sah sich veranlasst, den Vorschlag beizusteuern, unsichere Kantonisten im Zweifelsfall doch lieber in Bewährungseinheiten statt ins Gefängnis zu verfrachten, was Admiralin Ras mit einigen Spitzen bezüglich der im Draned-Sektor grassierenden Sezession und Tarans Verwickelung in die gegen den verstorbenen Kronprinzen Jor gerichtete Offiziersverschwörung konterte. Der Admiral wies die Chefin des Flottennachrichtendienstes höflich auf die Erfolge hin, die er mit den nicht unbedingt aus Frontkalibern bestehenden Flotteneinheiten im Kampf gegen die Menschen erzielt hatte, an welcher Stelle Kern Ramal den Schlagabtausch unterbrach.

Admiralin Ras‘ durch Admiral Atan ergänzter Bericht zur nachrichtendienstlichen Lage fiel ebenfalls höchst durchwachsen aus. Die fehlende Gewissheit über die weitere Strategie des Gegners war frustrierend. Außer der Tatsache, dass die Menschen ihre Hauptfront stabilisierten und weitere Verstärkung in das Peshten-Konkordat verlegten, gab es wenig Gewissheit. Es war noch nicht einmal klar, ob und wie die TSN Admiral Ilis‘ Gefangennahme auszunutzen gedachte. Offenbar experimentierte der Gegner mit einer Neuaufnahme seiner früheren Raids im imperialen Hinterland, auch wenn das Ausmaß und die dahinter stehende Strategie noch nicht abzusehen waren. Ging es um die Schwächung der imperialen Nachschublinien und Ressourcenquellen, oder sollte einfach nur Terror gesät werden? Besonders Admiral Taran schien an den Berichten interessiert, fragte mehrmals nach und erbat sich eine Zuleitung der entsprechenden Berichte und Analysen, obwohl dergleichen sein Aufgabenfeld in der Operationsplanung eigentlich nur partiell tangierte.
Das einzige Feld, in dem die Informationslage sogar noch schlechter war als bezüglich der TSN, waren die Peshten. Sie machten ihrem Ruf alle Ehre, die imperialen Geheimdienste mit Doppelagenten, Schein- und Fehlinformationen zu verwirren. Und selbst vermeintlich zuverlässige Informationen waren angesichts der für die Peshten charakteristischen, höchst verwirrenden Allianzen und undurchsichtigen politischen Manöver notorisch schwer zu deuten.
Sehr viel klarer war die Feindlage bei den im Imperium ausgebrochenen Rebellionen und Sezessionen, deren nachrichtendienstlichen und signaltechnischen Sicherheitsmaßnahmen von den imperialen Geheimdiensten ziemlich regelmäßig geknackt wurden. Eine unrühmliche Ausnahme stellten allerdings die rebellischen T’rr dar, die nicht nur im Rahmen ihres Einsatzes als Hilfstruppen unangenehm umfangreiche Erfahrungen mit den imperialen Sicherheitsprozedere gesammelt hatten, sondern dank ihrer sehr aggressiven Innenpolitik und teilweise über Jahrzehnte zurückreichenden Widerstandstradition durch eine sehr harte Schule gegangen waren.
Allerdings wurde dieses heikle Themenfeld nur knapp abgehandelt, weil die Flotte meist nur dann in die Bekämpfung diese Bedrohungen involviert war, wenn sie mehr als einen Planeten erfasst hatten. Ansonsten fiel dergleichen vor allem in die Kompetenz der Armee und der dem Innenministerium unterstellten Sicherheitskräfte. Auch hier gab es durchaus hitzige Meinungsäußerungen, denn gerade beim Umgang mit größeren Rebellionen vertraten einige der Anwesenden sehr unterschiedliche Positionen, die von rein militärischen Maßnahmen bis zu einer politischen Lösung reichten. Dass ausgerechnet Admiral Taran nach seiner Zeit im Draned-Sektor eine eher auf Kompromisse ausgerichtete Politik verfolgte, war keine Überraschung mehr, hatte er doch vor seinem Rückruf nach Akar bereits entsprechende Maßnahmen eingeleitet. Überraschend hingegen war, dass er zumindest partiell von der als ‚Eisenfresserin‘ gefürchteten Ras unterstützt wurde. Andererseits kam für sie der Kampf gegen die Menschen immer an erster Stelle, sodass es vielleicht doch nicht so überraschend war…

Die Berichte von Generalquartiermeister Timar und Flotteninspekteur Rahoo waren die wohl umfangreichsten, aber auch die am wenigsten erfreulichen. Beide zeichneten ein höchst unbefriedigendes Bild. Der Aktivstand der Flotte war auf einen geradezu historischen Tiefstand gesunken. Deshalb war es auch unmöglich, die von allen Fronten regelmäßig eingehenden Forderungen nach mehr Schiffen nachzukommen. Ob an der ehemaligen Konföderationsfront, im Draned-Sektor, an der Peshten-Front, im Manticore-Frontvorsprung oder an der Hauptfront – überall fehlten Schiffe.
Denn obwohl das Imperium in den letzten Monaten endlich wieder eine Reihe von Siegen erzielt oder zumindest ein Unentschieden herausgeschlagen hatte, die Verluste waren hoch gewesen. Im letzten halben Jahr hatte das Imperium alleine vier Flottenträger verloren. Dieselbe Anzahl war so schwer beschädigt worden, dass sie für Monate ausfielen. Dazu kamen dutzende Kreuzer, Zerstörer, Hilfsschiffe und leichte Einheiten. Der Vormarsch der Menschen hatte zudem wichtige grenznahe Werften und Rohstoffquellen in ihre Hände fallen lassen und seit Jahrhunderten etablierte Transportlinien zerschnitten. Der terranische Kreuzer- und Minenkrieg, die einmal mehr ihr hässliches Haupt erhebende Bedrohung durch Piraten und die verschiedenen Sezessionen und Rebellionen hatten auch die zivile Transportflotte dezimiert, die zudem eine beträchtliche Anzahl Schiffe an die Flotte hatte abgeben müssen. Es war schon so weit gekommen, dass man das Imperium für Schiffe neutraler Sternenreiche hatte öffnen müssen, trotz aller Bedenken von Traditionalisten UND Geheimdiensten.
Die verbliebenen Großschiffwerften reichten einfach nicht aus, um alle Verluste zu ersetzen, beschädigte Schiffe zu reparieren und auch noch die verschiedenen aus der Not geborenen Sonder- und Umbauprojekte umzusetzen. Im Vergleich zu Schiffsneubauten war zwar billiger und weniger zeitaufwendig, eingemottete Träger der vorletzten Generation zu reaktivieren und die eigentlich längst veralteten Schlachtschiffe für einen erneuten Einsatz in der Gefechtslinie aufzurüsten, dennoch...

„…zumal der Versuch, die alten Schlachtschiffe zu Köderschiffen umzubauen eine große Verschwendung war.“
„Ausgerechnet das von Ihnen?“, Admiral Kosno von Forschung und Entwicklung nahm Admiral Tarans Kritik offenbar etwas persönlich: „Immerhin haben Sie eines dieser ‚Köderschiffe‘ mit gutem Erfolg eingesetzt.“
Admiral Taran winkte ab: „Das Ergebnis wäre besser gewesen, wenn das Schiff auch schießen oder Jäger hätte starten können. Außerdem wird dieser Trick nicht noch einmal funktionieren.“
„Vielleicht nicht im Nahbereich, aber über größere Entfernungen sieht die Sache doch wohl anders aus.“
„Ein meines Erachtens etwas bescheidenes Resultat für das Potential dieser Einheiten nach einer ECHTEN Umrüstung. Ich ziehe es vor, wenn wir Stärke nicht nur simulieren können. Jedenfalls haben wir jetzt fünf gigantische, mit Beton ausgegossene Kästen, die wir maximal noch als Rammschiffe einsetzen können, wenn wir eine Station, eine Werft – oder eine STADT auslöschen wollen. Zu etwas anderem sind diese Einheiten jedenfalls kaum mehr zu gebrauchen. Wegen dem Beton kann man sie nicht noch einmal umrüsten, ja nicht einmal mehr kostengünstig verschrotten.“

Das neueste Umrüstungsprojekt für die verbliebenen eingemotteten Schlachtschiffe – unter anderem eine grundlegende Modernisierung der Bewaffnung, die Automatisierung der Schiffstechnik sowie den Einbau modernster Schildprojektoren und ECM/ECCM-Technik – stieß schon auf mehr Begeisterung, besonders unter den Admirälen die kürzer zurück liegende Erfahrungen im aktiven Frontdienst hatten. Aber natürlich würde auch dieser Umbau Zeit, Liegeplätze, Arbeitskräfte und Ressourcen kosten. Genauso wie die Umrüstung von Frachtern zu Hilfsträgern und Hilfskreuzern sowie der Umbau von Truppentransportern zu Leichten Trägern und Schnellbootmutterschiffen. Alle diese Projekte hatten ihre Berechtigung und ihren Sinn – doch die zur Verfügung stehenden Kapazitäten reichten einfach nicht aus…
Zwar hatte man nach dem Beginn der menschlichen Großoffensive angefangen, die Werftkapazitäten im imperialen Kern- und Hinterland auszubauen. Aber diese Maßnahmen hatten allzu lange unter dem Verdacht unpatriotischer Schwarzseherei gestanden und brauchten ebenfalls Zeit, Fachkräfte und Ressourcen. Wenigstens hatten einige der neuen Kriegswerften inzwischen den Dienst aufgenommen, doch bis sie die verlorenen Installationen tatsächlich ersetzen konnten, würden teilweise noch Jahre vergehen.
Und während Jäger- und Shuttletreibstoff sowie die meisten Nachschubgüter, Waffen und Ersatzteile in ausreichender Zahl produziert werden konnten, war es bei der Versorgung mit schweren Schiffsenergiewaffen, Atomraketen, Raumjägern und ECM/ECCM-Anlagen zu Verzögerungen und Engpässen gekommen. Potentiell noch bedrohlicher waren die gefährlich geschwundenen Antimaterie-Reserven. Durch die aufgrund des ungünstigen Kriegsverlaufs gefährlich aus dem Takt gebrachte Produktion drohten die imperialen Großkampfschiffe ‚auszutrocknen‘. In solchen Augenblicken beklagte mancher Traditionalist bereits den Verzicht auf den ‚guten alten‘ Fusionsreaktor für die schweren Einheiten der Flotte.
Timar und Rahoo mussten sich einige unangenehme Fragen gefallen lassen, aber jedem der Anwesenden war klar, dass es keine einfachen Antworten und Lösungen gab.

Als der Bericht des Beschaffungsamtes zu einem Abschluss kam, waren bereits mehr als drei Stunden vergangen. Und obwohl der Flottenstab inzwischen deutlich ‚jünger‘ war, als noch vor ein paar Jahren, machte sich eine gewisse Ermattung bemerkbar. Das war einer der Gründe, warum Kern Ramal sich veranlasst sah, die Sitzung zu unterbrechen: „Eine kurze Pause kann uns allen nicht schaden, denke ich. Wenn Sie Hunger oder Durst haben – im Nachbarraum finden Sie Erfrischungen. Wir treffen uns dann wieder zur vollen Stunde.“, Begleitet von dem Geräusch des allgemeinen Stühlerückens wandte er leicht den Kopf zur Seite: „Admiral Taran, wenn ich Sie kurz unter vier Augen sprechen könnte?“
Der Angesprochene schien nicht überrascht. Tatsächlich huschte sogar kurz fast so etwas wie ein ironisches Lächeln über seine Gesichtszüge: „Natürlich.“
Ramal erhob sich und war sich dabei der Tatsache bewusst, dass der kurze Austausch zumindest Admiralin Ras keineswegs entgangen war. Die ebenso junge wie geniale und in ihrem Hass auf die Menschen unbeirrbare Chefin des Flottennachrichtendienstes warf den beiden Admirälen einen scharfen Blick zu, der für Ramals Geschmack viel zu wissend war. Aber damit hätte er rechnen müssen – es gab vermutlich wenig, was Ras entging.
Und sie war offensichtlich nicht die Einzige, die Bescheid wusste. Captain Los, Tarans Adjutantin, verließ den Raum erst nach einem schnellen Blickwechsel mit ihrem Vorgesetzten, wobei sie einen zögernden Yelak Taran mit sich zog. Und auch Admiral Perns Gesichtsausdruck war etwas zu wissend. ‚Und kennen vier das Geheimnis, ist es schon keines mehr.‘

Nun, auch damit würde er zurechtkommen müssen…
13.11.2019 17:49 Tyr Svenson ist offline E-Mail an Tyr Svenson senden Beiträge von Tyr Svenson suchen Nehmen Sie Tyr Svenson in Ihre Freundesliste auf
Tyr Svenson Tyr Svenson ist männlich
Captain


Dabei seit: 06.10.2015
Beiträge: 1.030
Herkunft: Jena, Thüringen

Auf diesen Beitrag antworten Zitatantwort auf diesen Beitrag erstellen Diesen Beitrag editieren/löschen Diesen Beitrag einem Moderator melden       Zum Anfang der Seite springen

„Bin weder Kaiser, noch ein Gott.
Ich bin der Herr von Taran’tin.“

Aus einem antiken Epos über den Sturz von Imperator Xias


Kurz musterte Kern Ramal seinen Gegenüber, der ihm in mancher Hinsicht so ähnlich – und in anderen Aspekten so verschieden war. Beide waren fast gleichaltrig, in den Kreisen des Hochadels aufgewachsen und hatten ohne zu zögern – vermutlich ohne überhaupt eine Alternative in Betracht zu ziehen – eine militärische Laufbahn eingeschlagen, in der sie rasch Karriere gemacht hatten.
Aber damit hörten die Gemeinsamkeiten weitestgehend auf. Das fing schon bei ihrem Äußeren an, war doch Kern so muskulös und breitschultrig, wie Mokas Taran hager und drahtig. Aber natürlich gingen die Unterschiede sehr viel tiefer.
Denn obwohl Kern Ramals Adern kaiserliches Blut floss – ein ‚Geheimnis‘, von dem er erfahren hatte, noch bevor er verstehen konnte, was es bedeutete – sein Leben war immer durch den Makel der unehelichen Geburt geprägt gewesen. Ein Makel, der sein Leben bedroht und gleichzeitig Ansporn wie Hemmnis gewesen war, der ihn seine soziale Stellung niemals als eine Gewissheit empfinden und nach einer Anerkennung suchen ließ, die er doch niemals würde erfahren können. Auch wenn sein Ziehvater Leokar Ramal ihm in jeder Hinsicht außer der biologischen den echten Vater ersetzt hatte – der drohende Schatten an der Wand, er war immer da gewesen, und wenn er sich nur in feindseligen Blicken und spöttischem Getuschel äußerte.
Im Gegensatz dazu war Mokas Taran als der Erbe eines der ältesten Häuser des Imperiums aufgewachsen, das in Anspruch nahm, seit der Antike eine Rolle in der Geschichte der Reiche gespielt zu haben, die das Imperium formten. Das gab ihm einen psychologischen und sozialen Rückhalt, den Kern niemals gehabt hatte. Und daraus speiste sich wohl auch Tarans Glaube an die eigene Überlegenheit und die Berechtigung, über das Schicksal des Imperiums mitentscheiden zu können.
Ironischerweise ähnelte er damit Kronprinz Jor, den Mokas Taran doch ebenso energisch wie unnachgiebig bekämpft hatte. Wie weit er dabei gegangen wäre, konnte Kern nur vermuten. Es gab Gerüchte, dass einige der Verschwörer weit mehr geplant hatten, als Jor nur einfach zu entmachten...
Noch ein Punkt, indem sie sich grundsätzlich unterschieden. Kern Ramal hatte in dem toten Kronprinzen bei all seinen Fehlern viel Potential, ja die Anlagen zu einem wahrhaft großen Imperator gesehen – wenngleich seine Sicht auf den Halbbruder vielleicht auch durch eine uneingestandene Idealisierung geprägt gewesen war. Denn Jor verkörperte all das, was der junge Kern je zu sein erhofft hatte – und doch als Bastard niemals würde erreichen können.
Für Mokas Taran, dem solche Sehnsüchte fremd waren, war Jor Thelam eine Bedrohung für das Imperium gewesen. Die selbstgerechte Anmaßung der Frondeure war etwas, was Kern Ramal niemals hätte teilen können – weil er eben NICHT in dem Bewusstsein aufgewachsen war, dass dutzende Generationen im Dienste Akars gefallene Vorfahren ihm das RECHT gaben, auch über einen Kronprinzen richten und ihn notfalls entmachten zu können, wenn dieser gegen das verstieß, was die Mitglieder der alten Häuser als die Verpflichtung der Herrscherfamilie ansahen.

Aber all das durfte jetzt keine Rolle spielen. Obwohl es das natürlich tat…: „Ich gehe davon aus, dass Sie sich inzwischen mit dem Operationsstab vertraut gemacht haben.“
Mokas Taran lächelte flüchtig: „Ich hatte Unterstützung. Und solange bin ich ja gar nicht fort gewesen.“ Tatsächlich hatte Taran früher in der dem Operationsstab unterstellten Planungsabteilung gedient, bevor sein politisches Manövrieren ihm eine Strafversetzung in den Draned-Militärsektor eingebracht hatte. Kurz fragte sich Kern, ob diese Anspielung auf Tarans Zeit im Flottenstab und damit natürlich auch auf seine Verbannung eine versteckte Herausforderung darstellte. Dann rief er sich zur Ordnung. Er durfte nicht den Fehler machen, zu viel in die Worte seines Gegenübers hineinzulesen. Mokas Taran war schließlich nicht Rallis Thelam: „Dann können Sie mich vielleicht darüber aufklären, warum Sie offenbar so versessen darauf sind, Ihren Posten gleich wieder zu loszuwerden.“
Er hatte gehofft, den Admiral mit diesem Frontalangriff aus dem Gleichgewicht zu bringen, wenigstens ein kleines bisschen. Aber Mokas Taran zuckte nicht einmal und auch seine Stimme blieb höflich und kühl: „Ich fürchte, dass müssen Sie schon etwas genauer erläutern.“
„Ich gebe Ihnen einen Hinweis. Sie hatten den Auftrag, die Parrak-Operation auszuwerten. Sie erhielten sogar genaue Spezifikationen zu Ihrem Auftrag. Und dann schicken Sie mir am Vorabend Ihres Vortrags im Flottenstab ein zwanzigseitiges Dossier darüber, warum ein Angriff auf das System Schwachsinn wäre! DAS war nicht die Aufgabe, die ich Ihnen gestellt habe! Ich wollte wissen, ob und wie wir an unseren Sieg anknüpfen können!“

„Jedenfalls nicht, in dem wir zweimal dasselbe System angreifen.“
Immer noch verriet Tarans ruhige Stimme keine Emotionen – so wenig, dass es schon fast wie Hohn klang: „Ich war zudem der Meinung, Sie würden es zu schätzen wissen, wenn Sie im Voraus von meiner Einschätzung erfahrenden würden.“ Nach kurzem Zögern fuhr er fort, wobei sich eine leichte Härte in seine Worte mischte: „Außerdem ging ich von der Annahme aus, dass es zu meinen Aufgaben gehört, Ihnen die Wahrheit mitzuteilen. Nicht das, was Ihnen vielleicht genehm oder was politisch opportun ist.“
„Kommen Sie mir nicht so! Die Wahrheit?! Doch nur das, was Sie dafür halten! Wir haben die Verteidigung und die Rüstungsindustrie des Parrak-Systems angeschlagen…“, Kern Ramal hielt kurz inne und verbesserte sich: „SIE haben das getan. Aber jetzt ist die Zeit gekommen, das System endgültig aus dem Spiel zu nehmen, einen Dolch an die Kehle der Republik zu setzen und der feindlichen Kriegsindustrie und Moral einen vielleicht sogar entscheidenden Schlag zuzufügen. Eine Eroberung dieses Systems…“
„Ist unmöglich.“, jetzt war der harte Unterton in Tarans Stimme unüberhörbar: „Schlicht und ergreifend. Und damit Sie sehen, WIE ernst ich es meine…Sollten Sie dennoch eine Invasion befehlen, will ich von Ihnen eine Bestätigung, dass ich Sie davor gewarnt und die Operation für aussichtslos erklärt habe.“
Kern Ramal schnaubte kurz: „Wenn es nur das ist…möchten Sie das schriftlich haben?“
Admiral Mokas Taran hielt den Blick seines Gegenübers für ein paar Herzschläge lang. Dann schüttelte er langsam den Kopf: „Nein. Denn wenn es dann zu dem unvermeidlichen Gemetzel kommt…was würde das schon helfen?“

Etwas an Tarans Worten ließ Kern Ramal innehalten und auf die naheliegende Antwort verzichten: „Erklären Sie das! WARUM ist eine Invasion unmöglich?“
„Wir müssten mehrere Korps Bodentruppen zusammenziehen und in das System bringen, was ein logistischer und nachrichtendienstlicher Albtraum wäre und unsere ohnehin geringen Chancen auf einen Überraschungsschlag praktisch zunichtemachen würde.
Was meinen Sie, um welchen Faktor sich die Gefahr eines Informationslecks erhöhen würde, wenn wir neben den für eine Invasion notwendigen Flotteneinheiten auch noch ein paar zehntausend Soldaten und schweres Gerät zusammenziehen und über ein paar Dutzend Lichtjahre verlagern müssten? Ich brauche weder Admiralin Ras noch Admiral Atan, um das auszurechnen. Zumal die Überraschung schon beim ersten Angriff nicht vollständig gelungen ist. Und diesmal…die TSN wird wohl kaum so großzügig sein, uns dieselben Lücken in ihrer Vorfeldsicherung zweimal ausnutzen zu lassen. Vielmehr sollten wir davon ausgehen, dass sie jedes benachbarte System – auch diejenigen, die nur über instabile Sprungpunkte zu erreichen sind – mit Sonden und Überwachungssatteliten spicken werden.“
„Überschätzen Sie die TSN nicht. Sie hat sich von Ilis täuschen lassen, von Ihnen – und sogar von der Konföderation. Wir haben immer noch die Chance, den Gegner zu überraschen. Er wird ganz bestimmt nicht damit rechnen, dass wir noch einmal soweit vorstoßen und ausgerechnet Parrak noch einmal angreifen.“
„Denken Sie nicht, dass wenn Sterntor so wichtig für die Menschen ist, sie das möglicherweise auch wissen?! Und Sie erwarten doch nicht ernsthaft von mir, dass ich eine Operation planen soll, die auf der Prämisse basiert, dass der Gegner uns einfach nicht für so dumm hält, dasselbe Ziel zweimal anzugreifen?!
Selbst FALLS das klappen sollte, FALLS wir den Gegner überraschen und nicht in eine terranische Falle tappen, FALLS wir die System-, die planetare Vorfeld- und die Nahbereichsverteidigung von Seafort niederkämpfen und landen könnten…
Es würde immer noch MONATE dauern, bis wir den Planeten gesichert haben.“
„Haben Sie Zweifel an der Kampfkraft unserer Bodentruppen?“, hakte Kern Ramal nach: „Ich bin mir sicher, dass General Moras da eine eigene Meinung haben dürfte. Die Marineinfanterie…“
„Könnte den Planeten erobern.“, nickte Taran: „Aber Seafort – und Masters – sind nicht Hannover. Die Terraner würden nicht so schnell aufgeben. Und wir haben ganz einfach nicht die nötige Zeit. Oder die Kapazitäten, über eine derartige Entfernung den Nachschub an Truppen, Munition und Nachschub zu gewährleisten. Angesichts der Invasion eines so nahe der republikanischen Zentralwelt gelegenen Systems würde die TSN ihre letzten Reserven mobilisieren. Und selbst FALLS wir das Parrak-System zügig erobern, wir könnten es niemals halten. Wir haben nicht einmal die Ressourcen, um alle Sprungpunkte zu sichern und den Nachschub für die notwendige Raum- und Bodengarnison zu gewährleisten.“, er zögerte kurz und setzte dann mit leichtem Spott hinzu: „Und was das angeht, WAR ich so frei, die Expertise von Admiral Timar und Admiral Lann einzuholen. Das Beschaffungsamt war in seiner Einschätzung ziemlich eindeutig.“

Kern Ramal lehnte sich zurück, frustriert, aber gegen seinen Willen auch ein klein wenig beeindruckt. Er hatte gewusst, dass er sich mit Taran keinen Jasager in den Flottenstab geholt hatte. Er hätte nur nicht damit gerechnet, dass der so schnell Widerworte geben würde. ‚Aber vermutlich will er die verlorenen Jahre nachholen.‘ Dennoch…: „Sie nehmen sich verdammt viel heraus, Taran. Ist Ihnen die Zeit im Draned-Sektor zu Kopfe gestiegen? Sie sind nicht mehr der Kommandeur einer vom Imperium abgeschnittenen Grenzprovinz! Und selbst damals mussten Sie Order parieren. Und…“, jetzt war es Ramals Stimme in der eine rasiermesserscharfe Härte mitschwang: „Kommen Sie nicht auf den Gedanken, dass Sie sich mir gegenüber Freiheiten herausnehmen können, nur weil ich den Flottenstab unter etwas…ungewöhnlichen Umständen übernommen habe. Früher hätten Sie sich gegenüber einem Vorgesetzten niemals derartige Freiheiten herausgenommen.“
„Das ist so nicht ganz richtig.“, jetzt klang Tarans Stimme wieder so kühl wie zuvor: „Im Verlauf meiner Zeit im Flottenstab habe ich mindestens dreimal alleine oder im Verbund mit anderen Offizieren an vorgesetzter Stelle darauf hingewiesen, dass ich einen Operationsplan für verfehlt oder die gestellten Operationsziele für überambitioniert hielt.“ Der junge Admiral zögerte kurz und fuhr dann fort: „Das erste Mal war im Zusammenhang mit der Ausweitung der Manticore-Offensive.“

Ramal presste die Lippen zusammen. ‚Kommen wir eigentlich jedes Mal auf diesen Punkt zurück?‘ Die Ausweitung der Manticore-Offensive, die diesen Krieg begonnen hatte, war auf Anordnung von Kronprinz Jor erfolgt. Tatsächlich war ein großer Sieg erzielt worden – aber nur unter hohen Verlusten und ohne die TSN vernichtend zu schlagen. Erst zwei, drei Jahre später war offensichtlich geworden, dass damals der Samen für die terranische Gegenoffensive gelegt worden war.
Natürlich wusste Kern Ramal auch, wann sich Mokas Taran das letzte Mal gegen einen direkten Vorgesetzten gestellt hatte. Nämlich gegen denjenigen, der das Amt des Großadmirals und des Kriegsministers in seiner Person vereinigte: Kronprinz Jor Thelam.

„Aber bestimmt nicht in diesem Tonfall. Sonst hätte man Sie schon viel früher in die Wüste geschickt.“
„Ich denke, von Admiral zu Admiral können wir uns die Formalitäten und damit unnötige Verzögerungen sparen. Sollten Sie allerdings der Meinung sein, dass ich aufgrund meiner Ansichten für die Leitung des Operationsstabes ungeeignet bin…“, Admiral Taran zögerte kurz und Kern Ramal sah seine Kiefermuskeln arbeiten. Seine Stimme hatte jetzt einen geradezu formellen Klang: „Bitte ich um meine Ablösung und die Versetzung in ein Frontkommando.“
Ein paar Herzschläge starrte Kern Ramal den anderen Admiral wortlos an. Dann warf er den Kopf in den Nacken und lachte schallend – wobei seine Belustigung noch dadurch gesteigert wurde, dass er diesmal, endlich, seinen Gegenüber überraschen konnte: „Für was halten Sie das, Taran? Eine Weltraumoper?! So leicht können Sie sich nicht aus der Verantwortung stehlen!“ Übergangslos wurde der Chef des Flottenstabes ernst: „Sie sind doch kein Narr. Also verhalten Sie sich nicht wie einer oder tun so, als wäre ich einer! Sie wissen, dass ich Sie nicht so einfach feuern kann!“

Das entsprach der Wahrheit – und beide wussten es. Den eben erst von ihm selber ernannten Chef des Operationsstabes abzusetzen, wäre ein gefährliches Zeichen der Schwäche, der Launenhaftigkeit oder der Unentschlossenheit gewesen - oder zumindest so interpretiert worden. Auch wenn Kern Ramal mit dem Anspruch angetreten war, dass Spiel der Dolche und der Throne nicht spielen zu wollen – er war nicht Narr genug, dessen Existenz zu leugnen. Zumal die Behauptung, dieses Spiel nicht spielen zu wollen, meist auch nur ein Zug in einer Partie gewesen war.
Kern Ramal konnte es sich kaum leisten, ausgerechnet DIESEN Mann zu entlassen. Nicht das Mitglied eines der ältesten Häuser des Imperiums, dessen Oberhaupt im Adelsrat eine dringend nötigte Stimme des Ausgleichs und der Mäßigung darstellte.
Und Mokas Taran selber…da war immer noch seine frühere Freundschaft mit Dero Allecar, dem aufsteigenden Stern am Hofe. Seine Verlobung mit einem Mädchen aus dem einflussreichen Hause Koo. Und natürlich seine Verbindungen im Flottenstab und der aktiven Raumflotte. Eine ganze Reihe seiner ehemaligen Mitverschwörer waren nach Prinz Jors Tod wie Taran nach Akar oder auf wichtige Kommandoposten zurückgekehrt. Es wäre ein äußerst verhängnisvolles Signal gewesen, einen solchen Mann zu entlassen. Zumal sich jüngere Offiziere vermutlich auch teilweise von der Aura des zum Kommandeur einer Grenzregion und zum Kriegshelden aufgestiegenen ehemaligen Verschwörers beeindrucken ließen. Natürlich gab es andere, die sich an Tarans Teilnahme an der Offiziersfronde oder seinen progressiven Ansichten bezüglich der imperialen Kolonialpolitik stießen. Dennoch…

Kern Ramal lehnte sich zurück: „Bevor wir weiter über das Parrak-System reden…ich habe Sie schon verstanden, dass Sie von einem erneuten Angriff an dieser Front abraten. OBWOHL wir dadurch die feindliche Moral und Kriegsindustrie treffen und bis in Sprungreichweite von Terra vorrücken würden. Ihre Skepsis wurde hiermit zur Kenntnis genommen – und VIELLEICHT kann ich sogar EINIGE der von Ihnen aufgeführten Punkte nachvollziehen. Aber welche Alternative könnten Sie anbieten? Welches andere Ziel, das uns mit einem Schlag einen derart entscheidenden Vorteil verschaffen würde? Erleuchten Sie mich.“

Admiral Taran presste kurz die Lippen zusammen, aber seine Stimme blieb ruhig, kühl und entschieden: „Ehrlich gesagt habe ich keinen großartigen Plan, mit dem man mit einem Schlag den Feind vernichten und den Krieg gewinnen kann. Ich halte nicht viel von solchen Ideen, von allesentscheidenden Offensiven und großartigen Superwaffen. Das sind…wie sagten Sie es? Das taugt vielleicht für eine Weltraumoper. Aber nicht für diesen Krieg.
Was ich stattdessen anbieten kann, ist ein Bündel von Vorschlägen und Operationsplänen, mit denen wir tatsächlich die Chance hätten, diesem Krieg eine Wendung zu geben – nicht schnell und großartig, sondern langsam und blutig. Aber dafür, ohne den Rest unserer kostbaren Offensivstreitkräfte mit einem reichlich überambitionierten Angriffsplan aufs Spiel zu setzen. Oder in den Ablenkungsangriffen und Scheinoperationen, die notwendig wären, um dieser…Kopfgeburt wenigstens den Hauch einer Chance zu geben.“
„Also räumen Sie ein, dass eine Chance besteht.“
„Manche würden auch sagen, dass eine Chance besteht, dass die Lebenden Götter aus der Leere hinter den Sternen zurückkehren. Dass die Nebel der Zeit das verschwundene Heer von Kronprinz Taku und Blitzträgerin Rana E’kor freigeben, damit sie uns zum Sieg führen. Aber ich würde darauf nicht meine Strategie aufbauen.“
„Sie werden ja richtig poetisch!“, spottete Kern Ramal. Er hatte gehört, dass Taran – obwohl ein bis unter die Schuppen gefärbter Reformer und politischer Realist – dem inzwischen meist aus der Mode gekommenen Glauben an die alten, grausamen Götter der Sternenleere anhing. Eine interessante Dichotomie, doch momentan unwichtig: „Und lenken Sie nicht ab. Dafür, dass Sie es für unmöglich halten, haben Sie anscheinend doch ziemlich viel Hirnleistung auf die Möglichkeiten einer erneuten Offensive gegen Sterntor verschwendet.“

Aber so leicht ließ sich Taran nicht von seinem Kurs abbringen: „Wenn Sie mir erlauben würden, meine Alternativstrategie auszuformulieren?“
Kern Ramal überlegte kurz. Aber er glaubte seinem Gegenüber zumindest so weit zu kennen, um sicher zu sein, dass er ihn wohl besser ausreden ließ. Und dass nicht nur, weil seine Einwände teilweise Hand und Fuß hatten. Sondern weil sonst vermutlich die Gefahr bestand, dass Taran tatsächlich vor dem versammelten Flottenstab einen erneuten Angriff auf das Parrak-System als Unsinn abtat. Und das konnte fatale Folgen haben – nicht nur für ihn. Also winkte er knapp aber zustimmend: „Lassen Sie schon hören.“
„Statt alles auf eine Karte zu setzen und uns alleine auf die Offensive zu konzentrieren, sollten wir verstärkte Anstrengungen unternehmen, unsere Verteidigung in der Tiefe staffeln. GANZ BESONDERS, falls der Feind seine Raids ausweiten sollte. Die logische Antwort wäre es, durch das Zusammenziehen von Teilen der Systemflotten auf Sektorebene mobile Verbände schaffen, die durch die Verstärkung vor allem mit leichten und Hilfsträgern sowie Schnellboot-Mutterschiffen in die Lage versetzt werden, auf Vorstöße des Feindes ebenso schnell reagieren zu können.
Natürlich wäre das nur sinnvoll, wenn wir gleichzeitig die Signalaufklärung und Sensorüberwachung ausbauen würden, um feindliche Überfallverbände rechtzeitig zu orten.
Angesichts der angeschlagenen Moral unserer Mannschaften und unseren begrenzten Ressourcen sollten wir uns zudem darauf konzentrieren, den Gegner dort angreifen, wo er schwach ist – nicht, wo er am stärksten ist. Nutzen wir aus, dass sich die TSN überdehnt hat! Der Feind operiert immer noch überwiegend auf unserem Territorium, was uns einen nachrichtendienstlichen Vorteil und die Vorzüge der Inneren Linie verschafft.
Wir können den Draned-Sektor wieder mit dem Imperium verbinden und die dort wuchernde Separationsbewegung auslöschen. Das wäre ein wichtiges Signal…“
„Und Sie sind, was das angeht, nicht ein klein wenig parteiisch? Außerdem haben wir erst kürzlich Schiffe und mit Marschall Parin und Admiral Rau zwei mehr als fähige Befehlshaber entsandt, die genau das tun sollen. Wir haben sogar Ihre…politische Initiative gegenüber den T’rr akzeptiert, obwohl es nicht die Art des Imperiums ist, mit Rebellen zu verhandeln.“
„Und wir haben Parin und Rau sogar einen Prinzen mitgegeben.“, fügte Admiral Taran mit so ausdrucksloser Stimme, dass es nur sarkastisch gemeint sein konnte. Kern Ramal musterte Taran wachsam. Wie viel wusste der eigentlich über die jüngsten Ereignisse auf Akar? Gewiss, während der Machtübernahme der Allecars war er nicht auf dem Planeten gewesen. Dennoch…
„Im Übrigen stehe ich zu meiner Entscheidung. Wir können es uns nicht leisten, weiterhin ganze Armeen und Kampffliegergeschwader für die Niederschlagung der T’rr-Rebellion zu verschwenden. Wir brauchen einen Frieden mit den T’rr – und wir brauchen ihre Soldaten und die Ressourcen ihrer Welten. Wenn wir dafür ein paar überkommene Traditionen aufgeben müssen…es wäre schließlich nicht das erste Mal. Die Norali…“
„Wer auch immer den Thron einnehmen wird, es wird wohl kaum ein wiedergeborener Jor I. sein. Zumal dessen Entscheidung, die Norali ob ihres heldenhaften Widerstandes gegen unsere Flotte zu privilegieren und sogar eine Tochter ihres Herscherhauses formell zu adoptieren, letztendlich der Grund dafür war, dass er de facto entmachtet wurde.“
„Und da wären noch die Bundesgenossen der Akarii-Antike.“, fügte Taran ungerührt zu: „Angeblich auch nur Wilde – aber ein wichtiger Stein im Fundament unseres Imperiums.“ Tatsächlich waren gerade die Tarans ursprünglich auch nicht viel mehr als Bergbarbaren gewesen, die sich als Söldner verdingten: „Und wo wir jetzt sogar die Menschen als ehrenhaft und fast ebenbürtig anerkennen sollen…“

Kern Ramal winkte ab. Er wollte nicht ausgerechnet jetzt über die etwas utopischen Ideen Dero Allecars oder Tobarii Jockhams reden – nicht so kurz nachdem der eine dem anderen eine Klinge durch den Leib gerammt hatte, wobei Kern Ramal auch noch beteiligt gewesen war. Der Tod Tobariis machte ihm immer noch mehr zu schaffen, als er gedacht hatte.

„Aber da Sie schon Admiral Rau erwähnen, wir sollten uns auch ein Beispiel an ihm und an den Menschen nehmen…“
„Das haben Sie jetzt nicht wirklich gesagt?!“
„…und die Kreuzeroffensive wieder aufnehmen, die Admiral Rau mit so großem Erfolg geführt hat. Am besten wären dafür schnelle Angriffsverbände geeignet, die aus ein oder zwei leichten Trägern bestehen – gegebenenfalls ergänzt durch Hilfsträger und Schnellbootmutterschiffe. Dazu ein paar Kreuzer, mindestens ein Flugdeckkreuzer sowie zwei bis drei Divisionen Fregatten und Zerstörer...
Diese Verbände wären groß genug, um das feindliche Hinterland zu verwüsten – aber klein genug, um durch die feindliche Überwachung zu schlüpfen. Und sollte so eine Flotte gestellt werden…“, in Tarans Stimme schwang jetzt so etwas wie grimmiger Fatalismus mit: „…können wir den Verlust verschmerzen. Noch effektiver wäre diese Offensive natürlich, wenn die Angriffsverbände koordiniert operieren würden, mit möglichst einem stärkeren Trägerverband in der Hinterhand. Dafür könnte man unsere reaktivierten Nova-Träger verwenden, falls wir sie denn aus dem Frontdienst lösen können.
Und wenn Sie eine größere Offensive abrollen lassen wollen, die tatsächlich auch Boden gewinnt, statt ihn nur zu verbrennen – warum nicht an der Peshten-Front, von wo aus wir ohnehin ständig mit Bitten um Verstärkung überschüttet werden? An DIESER Front könnte ein militärischer Sieg tatsächlich eine politische Dividende erzielen. Wenn wir den Peshten erträgliche Friedensbedingungen anbieten, wie wir es gegenüber der Konföderation getan haben…“
„Das könnte ich weder vor dem Thron noch dem Adelsforum oder der Flotte verantworten! Und glauben Sie ernsthaft, dass die Peshten so dumm wären, derartigen Zusicherungen zu glauben?! Sie müssen doch wissen, dass sie uns im Falle unseres Sieges über die Menschen völlig ausgeliefert wären.“
Taran zuckte fast nonchalant mit den Schultern: „Der Thron ist unbesetzt. Und ich glaube, dass die, die momentan hinter dem leeren Thron stehen, einem Frieden mit den Peshten den Vorzug geben würden. Was auch für etliche derjenigen gilt, die vielleicht AUF diesem Thron Platz nehmen könnten. Und erwarten wir nicht ohnehin seit jeher, dass ein Imperator, ein Prinz, eine Admiralin, eine Soldatin bereit sein muss, sich für das Reich zu opfern? Warum sollten wir Kossak Thelams Tod durch die Hände der Peshten als etwas anderes sehen? Die Rache für seinen Tod auf dem Altar des Imperiums zu opfern, wäre kein zu großes Opfer für das Überleben des Reiches.“
„Karrek Thelam wird vielleicht ein wenig anders über den Tod seines Vaters denken!“ fauchte Kern Ramal, der noch vor wenigen Monaten für Karreks Anspruch auf den Thron eingetreten war. Aber seitdem war viel geschehen. Linai war schwanger, ihr Gemahl und Kriegsminister tot, das Haus Allecar im Aufstieg begriffen – und Rallis und Navarr Thelam hatten offenbar so etwas wie eine Allianz gebildet, was die beiden Thronprätendenten sehr viel gefährlicher machte, auch wenn einer von den beiden jetzt in den Draned-Sektor verschwunden war. Die Chancen für Karrek standen schlecht. Er würde wohl niemals Imperator werden.
„Wir sollten das Schicksal des Imperiums nicht an die Blutrache eines Prinzen knüpfen. Das einzige, was zählt…“
„Ich kenne Ihren Standpunkt.“, schnappte Ramal. Taran ging für seinen Geschmack etwas leichtfertig mit dem Tod eines kaiserlichen Prinzen um. Aber was sollte er auch anders von einem Angehörigen einer Familie erwarten, die stolz darauf war, am Sturz von mindestens einem Imperator beteiligt gewesen zu sein?
„Und was die Leichtgläubigkeit der Peshten angeht…Sie haben bereits bewiesen, dass sie trotz ihrer angeblichen Verschlagenheit genauso zum Wunschdenken neigen, wie die Menschen.“ Taran lächelte frostig und fügte dann hinzu: „Oder wie wir.
Und es müssen ja nicht alle Peshten glauben, dass wir Sie nicht doch noch für das von ihnen vergossene kaiserliche Blut bezahlen lassen werden. Nur genug, um einen neuen Putschversuch anzuzetteln oder einen Bürgerkrieg zu entfachen.
Gleichzeitig sollten wir mit politischen, geheimdienstlichen und unkonventionellen Mitteln die konföderierte Flanke der Republik beunruhigen und dadurch dort so viele Kräfte binden wie möglich.“
„Ich nehme Ihre Empfehlung zur Kenntnis – die wir zufälligerweise bereits berücksichtigt haben. Vielleicht sollten Sie sich doch einmal mit Admiralin Ras unterhalten.“
„Bei der Gelegenheit könnte ich auch gleich die Möglichkeiten ausloten, mit denen wir auf den vom Gegner eroberten Welten Revolten schüren können. So können wir die Menschen zwar kaum vertreiben – aber ihre Kräfte binden. Verhindern, dass imperiale Welten in die Kriegsmaschinerie des Gegners eingefügt werden. Und – auch dank der unvermeidlichen menschlichen Vergeltungsmaßnahmen – verhindern, dass unsere unterworfenen Landsleute sich mit der Besatzung abfinden.“ Das war ein verdammt kaltblütige Sicht der Dinge, aber Ramal verstand die dahinterstehende Logik: „Ich gehe davon aus, dass das noch nicht alles ist?“
Mokas Taran lächelte schief: „In der Tat. Wir sollten zudem prüfen, ob wir nicht Kontakte mit Piratenbanden aus- und mit terranischen Untergrundgruppen aufbauen können. Alles, was die Ressourcen der Republik bindet, nützt letztlich unseren Kriegsanstrengungen.“ Das war natürlich immer ein Spiel mit dem Feuer. Piraten waren schwerlich verlässliche Partner, und bei den – von ihrer Stärke her eher überschaubaren – Guerilla- und Terrororganisationen in der FRT handelte es sich zum Teil um gemeingefährliche Spinner, die zudem keineswegs gegen die Infiltration durch republikanische Sicherheitsdienste gefeit waren.
„Vielleicht wäre es ohnehin an der Zeit, unsere Beziehungen zu einigen unserer Nachbarn grundlegend zu überdenken. Ich bezweifle, dass wir in der gegenwärtigen Lage jemanden dazu überreden können, sich dem Krieg gegen die Terraner anzuschließen. Aber wenn wir ihnen gewisse Gegenleistungen in Aussicht stellen können, könnte ihre Politik uns gegenüber…aufgeschlossener werden.“
Ramal schnaubte: „Sie verlangen zu viel in zu kurzer Zeit. Das Imperium BUHLT nicht um die Gunst kleiner Reiche. Es verlangt deren Gehorsam. Das ist es zumindest die offizielle Doktrin Und selbst wenn einige einsehen, dass wir nicht mehr in der guten alten Zeit leben, zu viele würden ein solches Verhalten als Verrat an den Ideen des Imperiums betrachten. Zu viele, als dass der überschaubare Gewinn dieses Risiko rechtfertigt.“

Ramals Gegenüber war noch immer nicht am Ende: „Dann wären da noch die jüngsten…Erkenntnisse darüber, wie man einen Sprungpunkt destabilisieren kann. Warum nutzen wir diese Technologie nicht in größerem Umfang, um feindliche Einfallrouten zu blockieren und so unsere Verteidigung so bündeln zu können? Wir könnten galaktische Engpässe schaffen und diese befestigen.“
„Damit würden wir uns selber einsperren. Wie sollen wir jemals eine Gegenoffensive…“
„Gegenoffensive?! Mit was?! In den letzten Monaten haben wir alleine bei unseren Trägern gut ein Drittel der Friedensstärke entweder dauerhaft oder für Monate verloren. Als Ersatz für unsere Verluste reaktivieren wir eingemottete Nova-Träger und sogar erbeutete Einheiten, haben die Heimatflotte zu einem Gespenst ihrer früheren Größe und Schlagkraft zusammengestrichen – aber es reicht nicht einmal annähernd! Die Flotte, die wir momentan haben, wäre früher als unzureichend angesehen worden, auch nur unsere Grenzen zu sichern!“
„Statt also ins Herzen der Republik vorzustoßen, wollen Sie die Burgwälle hochziehen und den Graben vertiefen. Und was dann?“
Taran zögerte kurz, dann antwortete er mit bemüht ruhiger Stimme: „Dieser Punkt liegt eigentlich nicht in unserer Hand. Aber wenn wir…wenn die Flotte deutlich macht, dass sie die Aufnahme von Verhandlungen über einen möglichen Friedensvertrag unterstützen würde…“
„Sind Sie wahnsinnig? Erinnern Sie sich eigentlich daran, was bei dem letzten Verhandlungsversuch geschah?!“
„Zu diesem Zeitpunkt haben andere Dinge meine Aufmerksamkeit gefordert. Aber ich bin Realist. Die FRT ist kriegsmüde – dass hat ihre letzte Verhandlungsinitiative bewiesen. Seitdem hat sich ihre Situation nicht zum Besseren entwickelt. Die Menschen haben erst kürzlich einen Verbündeten verloren und zusehen müssen, wie ihre Hoffnungen auf einen schnellen Sieg zunichte gemacht wurden. Außerdem besitzen sie ganz sicher nicht die Ausdauer des Imperiums. Sie WÄHLEN ihre Anführer. Wir können diesen Krieg gewinnen – wenn wir die Front halten.“
„Sie wollen einen Abnützungskrieg führen.“
„Ich will unseren Streitkräften Zeit geben, sich zu reorganisieren und wieder Mut zu schöpfen. Wir haben trotz der Verluste der letzten Jahre immer noch weitaus mehr Ressourcen als die TSN. Aber wenn wir unsere Männer und Frauen überfordern, wenn wir alles auf eine Karte setzen und bei dieser Partie verlieren…
Dann verlieren wir sehr viel mehr als eine Schlacht. Dann verlieren wir den Krieg…“

Ein paar Augenblicke schwieg Kern Ramal und dachte nach. Dann schüttelte er langsam aber entschieden den Kopf: „Sie müssen doch wissen, dass das nicht genug ist. Das könnte ich weder vor unseren Kollegen, noch dem Adelsforum oder den Ministern vertreten. Und auch nicht vor…“, er zögerte und setzte dann widerwillig hinzu: „…wem auch immer, der den Thron einnehmen wird. Ob nun als Imperator oder Regent. Wir brauchen einen großen Sieg und wir brauchen ihn BALD. Um unsere Truppen zu ermutigen, um potentielle Rebellen und Separatisten einzuschüchtern und die Herrschaft Akars wieder zu stabilisieren. Um zu verhindern, dass unsere Nachbarn, die nur auf ein Zeichen der Schwäche lauern, sich den Menschen anschließen. Und um zu vermeiden, dass irgendein Grenzkommandant sich daran erinnert, dass Schwerter und Blut Imperien formen, und Anspruch auf den leeren Thron erhebt.“

Kurz zuckte es in Mokas Tarans Gesicht und Kern Ramal erinnerte sich daran, dass entsprechende Gerüchte auch über den Militärkommandanten des Draned-Sektors in Umlauf gewesen waren. Er selber hatte eine – allerdings klar als Provokation erkennbare – Botschaft eines selbsterklärten ‚Hochlords‘ in den Händen gehalten, laut der Taran auf die Truppen des Draned-Sektors gestützt Prinzessin Linai Thelam zur Heirat zwingen wolle, um so den Thron für sich selber zu beanspruchen. Wusste Taran von diesen Behauptungen? Oder…

Ramal verdrängte den Gedanken: „Ich kann mich nicht hinstellen und sagen, dass unsere beste Hoffnung ist, diesen Krieg weiter zu verschleppen für – wie lange? Fünf weitere Jahre? Zehn? Eine Generation?“
„Es wäre die sicherste Strategie. Und das Imperium hat schon längere Kriege geführt und gewonnen.“
„Aber nicht, während gleichzeitig seine Grundfesten einzubrechen drohen! Nein. Wir sind zum Angriff verdammt – und zum Erfolg. Und damit meine ich auch UNS BEIDE. Oder wir verlieren unseren Posten. Wenn man uns nicht gleich erschießt, um unsere Nachfolger zu ermutigen.“ Er musterte den Chef des Operationstabes: „Aber das haben Sie natürlich gewusst. Das war Ihnen von Anfang an klar.“
Taran ging nicht direkt auf diese Behauptung ein, aber die unterschwellige Frustration in seiner Stimme war Antwort genug: „Ich musste es zumindest versuchen. Irgendjemand muss schließlich die Stimme der Vernunft sein.“
„Sie haben eine sehr hohe Meinung von sich selbst!“
„Ich weiß, wie es an der Front aussieht. Ich weiß, was unsere Männer und Frauen durchgemacht haben. Was sie leisten können – und was sie zu überfordern droht.“
„Und es ist Ihnen noch nie der Gedanke gekommen, dass Ihre Zeit im Draned-Sektor, in einem eigenen Flottenkommando, Ihre Sicht vielleicht auch ein wenig verengt hat? Sie haben ihre Flotte geformt und in die Schlacht geführt – und mit nicht viel mehr als den Überresten zerschlagener Fronteinheiten und durch Abkommandierungen geschwächten Garnisonsverbänden einen ganzen Weltraumsektor gehalten. Das war…das IST bewundernswert – aber das macht sie vielleicht ein wenig blind für den Rest des Imperiums. Dafür, was unsere Verbände immer noch zu leisten in der Lage sind. Und dafür, was Sie von ihnen verlangen können und verlangen MÜSSEN. Wenn wir nichts riskieren, werden wir nichts gewinnen.“
„Und wenn wir ALLES riskieren, können wir ALLES verlieren. Und ich will meine Männer und Frauen nicht verheizen.“
„Manchmal wird Ihnen aber nichts anderes übrig bleiben. Und statt sich auf den Sockel der eigenen Klugheit und Moral zurückzuziehen, sollten Sie lieber bereit sein, Verantwortung zu übernehmen und dass Beste aus der Situation zu machen. Auch für unsere Soldaten. Sie wollen die Stimme der Vernunft sein? Nur zu – dann sind Sie an der richtigen Stelle! Aber dann müssen Sie auch bereit sein, Weisung zu befolgen. Und eine Operation planen und durchführen, auch wenn sie nicht Ihren hohen Ansprüchen entspricht.“

Kurz huschte fast so etwas ein zynisches Lächeln über Tarans Lippen und Kern Ramal wurde wieder daran erinnert, dass Taran sich schon einmal in einer ähnlichen Situation befunden hatte und einen sehr…unorthodoxen Ausweg gefunden hatte. Damals hatten er und andere Offiziere sich gegen den Kronprinzen, Kriegsminister und Großadmiral verschworen…

„Kurz und gut, ich brauche Sie. WIR brauchen Sie. Und sei es auch nur, um uns Alternativen aufzuzeigen und vor Risiken zu warnen. Sie halten eine Invasion von Sterntor für zu riskant? Gut. Dann zeigen Sie mir eine Alternative auf – aber eine, mit der wir dieses System dennoch aus dem Spiel nehmen können!
DAS ist der richtige Weg, wenn Sie tatsächlich Verantwortung übernehmen wollen und wenn Ihnen das Imperium und die Männer und Frauen der Flotte am Herzen liegen! Aus einer schwierigen Situation das Beste machen. Das haben Sie im Draned-Sektor geleistet, bei der ersten Parrak-Operation…und das können Sie jetzt wieder tun. Das MÜSSEN Sie. Wenn Sie Ihre hehren Worte von Verantwortung und Treue für das Imperium ernst meinen. Tun Sie das…oder ich finde jemanden, der es tut.
Und der wird sehr viel weniger Bedenken haben oder Skrupel im Einsatz unserer Männer und Frauen kennen.“

In Admiral Tarans Gesicht arbeitete es. Doch dann – endlich – nickte er. Widerwillig, aber nicht feindselig: „Also gut. Vielleicht haben Sie sogar…Recht. Vielleicht erwarte ich zu viel. Und meinen Posten aufzugeben wäre tatsächlich die leichtere Wahl. Und den habe ich, den hat Haus Taran noch niemals gewählt.
Vielleicht müssen wir diesen Weg also gemeinsam gehen, auch wenn wir diesen Krieg auf unterschiedliche Art und Weise führen wollen. Und egal, was wir persönlich voneinander halten. Ich werde das tun – für das Imperium und für die Flotte. Aber ich erwarte von Ihnen, dass meine Worte auch Gehör bei Ihnen finden.
Wenn Sie darauf verzichten, auf eine Invasion des Parrak-Systems zu bestehen…dann bekommen Sie Ihre Angriffsoptionen auf den Tisch gelegt. Noch heute. Aber ich warne Sie…
Auch so kann dieser Weg immer noch viel blutiger und bitterer werden, als der, den nicht zu gehen Sie sich entschieden haben, als sie statt einer Defensivstrategie den Angriff wählten. Und ich bete, dass am Ende dieses Weges nicht unser beider Grabmal steht – errichtet aus den Trümmern enttäuschter Hoffnungen und den Resten des Imperiums...“
18.11.2019 17:40 Tyr Svenson ist offline E-Mail an Tyr Svenson senden Beiträge von Tyr Svenson suchen Nehmen Sie Tyr Svenson in Ihre Freundesliste auf
Cunningham Cunningham ist männlich
Captain


images/avatars/avatar-477.gif

Dabei seit: 06.09.2006
Beiträge: 1.116

Auf diesen Beitrag antworten Zitatantwort auf diesen Beitrag erstellen Diesen Beitrag editieren/löschen Diesen Beitrag einem Moderator melden       Zum Anfang der Seite springen

Hauptquartier Imperiale Raumflotte,
2. Mond von Akarr

Admiral ersten Ranges Kenai Ras lehnte sich in ihrem Sessel zurück und schloss die Augen.
Man konnte Kern Ramal viel vorwerfen: Ein durch Günstlingswirtschaft auf seinem Posten gekommener Adelsspross zu sein war noch das höflichste, was man hinter dessen Rücken mauschelte. Sein mangel an Borddienst oder auch nur an richtiger Kommandoerfahrung machten ihn zum Spott einiger erfahrener Offiziere.
Tatsächlich hatte Ramal den Großteil seiner Karriere in der Verwaltung verbracht. Doch der Lehnstuhl-Admiral verstand es Dinge in Bewegung zu setzen.
Das Hauptquartier war geschäftig wie lange nicht mehr. Jor hatte es in den späten Phasen seiner Kommandoführung fast gänzlich ignoriert, da es für ihn ein Nest voller politischer Feinde war, die ihn scheitern sehen wollten.
Sein direkter Stab hatte versucht vieles zu leiten, was sich von der Front als nicht so einfach gestaltete, trotz einiger excellenter Offiziere, die Jor treu zur Seite gestanden hatten. Offiziere, die entweder mit der Korax ma Ra, Jors Flaggschiff, gestorben waren oder jetzt irgendwo in der Verbannung saßen oder schlicht um ihre Ablösung gebeten hatten, da jetzt die Offiziersfronde in Amt und Würden zurückkehrte.
Kenai wusste nicht so recht, zu welchen Lager sie gehörte. Die Fronde hatte an vielen Punkten recht gehabt, hatte sich aber vom Prinzen entfremdet und so auf ihre Weise zu einer langen Reihe militärischer Niederlagen beigetragen. Wie es jetzt jene Offiziere taten, die nicht bereit waren für Großadmiral Rian zu arbeiten.
Sie war Cheffin des Marinenachrichtendienst der imperialen Flotte unter den letzten drei Großadmiralen gewesen. Und sie war erschöpft; körperlich wie auch geistig.
Narhil Koo hätte man ihrer Meinung nach vor dem Krieg ablösen sollen. Eventuell durch Morello Hakun oder Kal Ilis ersetzen sollen, diese wären mit dem Prinzen eher zurecht gekommen. Gerade Kal Ilis hätte die Offiziersfronde unter Kontrolle gehalten.
Tatsächlich hatte Kenai gehofft, dass dieser Jor ersetzen würde, als die Nachricht vom Tode des Prinzen herein kam. Ilis hätte keine Gnade mit den Menschenlingen gehabt, wenn sie ersteinmal auf den Knien gewesen wären. Lay Rian mochte die richtige sein, um die Schlachten zu gewinnen, doch war sie zu weich für ein bisschen Genozid.
Das Piepen ihrer Konsole riss sie aus ihren Gedanken. Sie hätte die kurze Pause nutzen sollen, um etwas zu schlafen, statt Überlegungen zu Dingen anzustellen, die nicht zu ändern waren.
Wahrscheinlich war es wieder die Operationsabteilung mit einer ihren dringlichen Anfragen.
Mokas Taran war der nächste, der dafür sorgte, dass es mehr als ausreichend Arbeit für jeden gab.
„Ras“, bellte sie, nachdem sie das Gespräch annahm.
Ihr persönlicher Sekretär, Commander ersten Ranges Ghede Pirû zuckte nicht mal mehr zusammen.
„Ich habe hier ein vertrauliches Gespräch für sie, My Lady.“
Pirûs Mine machte deutlich, dass dieses Gespräch eine Anomalie darstellte.
„Wer?“
„Eine Kamphar-Freigabe, Kapitän ersten Ranges Makhon Jel.“
„Sichern sie den Kanal entsprechend, suchen sie während des Gesprächs nach Mithörern und fertigen sie keine Aufzeichnung an. Weisen sie die Signalabteilung an, die Verbindungsdaten gleich nach dem Gespräch zu löschen.“
„Zu Befehl, My Lady.“ Dann wurde Pirû Abbild durch das von Jel ersetzt. Einen schlanken Akarii, der Zivilkleidung trug und dem Bild nach in einer Öffentlichen Kommunikationsstation zu stehen.
„Identifizieren sich“, verlangte sie streng.
„Kapitän ersten Ranges Makhon Jel, Kennwort: Schelatt.“
Sie gab das Kennwort ein und ihre Computerkonsole bestätigte, dass es Mahkon Jel, der persönliche Leibarzt der Prinzess-Regentin war. Der Computer überprüfte ebenfalls die Autentität des Anrufs und dass sie wirklich mit dem Arzt sprach und nicht mit einer geschickt gemachten Fälschung.
Der Computer gab ihr auch eine Reihe von Fragen, mit denen sie verifizieren konnte ob der Arzt freiwillig mit ihr sprach und nicht irgendwie unter Zwang stand. Zu jeder Frage gab es mehrere Antworten, die unterschiedliche Geheime Botschaften darstellten.
Auch ohne dieses Prozedere konnte sie sehen, dass ihr alter Freund sehr unter Stress stand und dass er es eilig hatte.
„Ich habe ein großes Problem im Palast“, begann Jel ohne Einleitung, nachdem sie die Prozedur von Fragen und Antworten hinter sich gebracht hatten, „irgendwas geht da vor.“
„Was meinst Du?“
„Ich weiß es nicht, es werden hier Leute hin und her versetzt. Eine meiner Mitarbeiterinnen ist verschwunden und als ich nachfragte tauchte ein Versetzungsbefehl auf.“
„Du willst mir doch nicht sagen, dass Eure Bürokratie besser funktioniert als im Rest des Imperiums“, sie schnaubte.
Jel schüttelte ungeduldig den Kopf: „Angehörige der imperialen Garde sind versetzt worden und durch Soldaten aus anderen Regimentern ersetzt worden.“
„Das ist doch nach den letzten Vorkommnissen nur zu verständlich, mich wundert es, dass noch keine Köpfe gerollt sind.“
„Du verstehst das nicht, die Prinzess-Regentin ist schwanger“, jetzt klang Jel regelrecht wütend.
„Was möchtest Du mir sagen?“
„Versetzungen müssen von mir genehmigt werden“, fauchte Jel, „der kommandierende General der Garde muss mir die Anträge vorlegen und ich muss mir die Aspiranten angucken, Krankenakten durchgehen und sogar persönliche Untersuchungen vornehmen. Ob die nichts haben, was der Prinzessin oder dem ungeborenen Kind gefährlich werden kann oder ob diese die nötige medizinische Ausbildung haben, um als Leibgarde der Prinzessin dienen zu können.
Ich treffe die letztliche Entscheidung, wer in die Nähe der beiden kommt.“
„Und auf einmal wirst Du nicht mehr konsultiert?“
„Richtig und meine Anfrage bei Generaloberst Reghûl wurde abgeschmettert.“
Kenai legte die Handflächen aneinander und stützte ihr Kinn auf die Fingerspitzen: „Gib mir den Namen Deiner Versetzten Mitarbeiterin und ich sehe, was ich tun kann.“
„Ich sehe, was ich tun kann“, machte er sie nach, „ist das Geheimdienstsprech für da wird eh nichts passieren?“
Beinahe wäre sie ausfallend geworden: „Normalerweise ja, doch wir sind alte Freunde und deine Position ist zu wichtig, als dass ich dich ignorieren könnte, ich werde Leute, denen ich vertraue darauf ansetzen.“
„Commander zweiten Ranges Pera Vu‘thak. Angeblich versetzt an das Militärkrankenhaus Terelgar.“
„Ich kümmere mich darum, versprochen und Du solltest vielleicht den Kopf unten halten.“
„Das werde ich und vielen Dank, Kee, ich stehe in Deiner Schuld.“
Sie schüttelte den Kopf: „Du schuldest mir gar nichts. Pass auf Dich auf.“
„Du auf Dich auch.“
Jel unterbrach die Verbindung.
Kenai stand auf und eilte ins Vorzimmer, wo ihr Sekretär über sein Computerterminal gebeugt war.
„Ihr Bericht?“
„Irgendjemand hat versucht sich in die Verbindung einzuklinken. Hat aber seine Versuche eingestellt, ich glaube man hat mich bemerkt“, Der Commander lehnte sich mit kritischen Gesichtsaudruck zurück, „leider konnte ich, wer immer das war, nicht verfolgen. Aber er sitzt in der Hauptstadt.“
„Haben sie eine Vermutung?“
„Ohne mich selbst zu loben aber bei dem Equipment, was ich zur Verfügung habe, kommen dafür nicht viele in Frage.“
„Wer?“
„Der Heeresnachrichtendienst, die Kommunikationsabteilung des Kriegsministeriums, der Geheimdienst, unsere eigenen Leute am Boden.“
„Die Kommunikationsabteilung des Palastes oder die Imperiale Garde?“
Ihr Sekretär nickte etwas widerwillig: „Ja, wobei die eher auf Abwehr spezialisiert sein dürften.“
„Wen würden sie vermuten?“
„Wenn ich jemanden suchen würde, der uns abhören soll, würde ich mich ans Heer wenden. Der alte Marschall wäre wohl eher abgeneigt, aber General ersten Ranges Kazin braucht darauf ja nun keine Rücksicht mehr nehmen.“
Kenai nickte überlegend: „Suchen sie mir bitte ein paar diskrete Leute heraus. Gute, die im Zweifel auch als Zivilisten durchgehen können und mit Gepflogenheiten des Heeres vertraut sind.“
„Wie diskret, My Lady?“
„Geheimhaltung hat oberste Priorität, nehmen sie nur handverlesene Leute, da vertraue ich auf ihr Urteil. Das Missionsbriefing übernehme ich persönlich.“
„Zu Befehl.“
Kenai ging wieder zurück in ihr Büro. Es hatte natürlich auch etwas führ sich, drei Großadmirale überlebt zu haben. Der Nachrichtendienst war ihr kleines Fürstentum und sie kannte ihre Leute und diese kannten sie.
Ihre Leichen und Rivalen waren tief begraben. Ihre Ressortleiter waren fähig und ambitioniert, jedoch nicht so sehr, dass einer in Betracht zog über ihre Leiche zu gehen.
Kardis Atan wollte ihren Posten und dass wusste auch jeder, daher war es nur zu natürlich, dass dieser den neuen Stabschef hofierte. Was niemand wusste, dass sie Atan zu ihrem Nachfolger herangezogen hatte und dass er die nötige Geduld und Loyalität besaß, zu warten, bis sie entschied zu gehen und so hatte sie jemand im direkten Kreis des Stabschef.

__________________
5th Syrtis Fusiliers - Pillage and looting since first succession war


19.11.2019 08:06 Cunningham ist offline E-Mail an Cunningham senden Homepage von Cunningham Beiträge von Cunningham suchen Nehmen Sie Cunningham in Ihre Freundesliste auf
Seiten (11): « erste ... « vorherige 5 6 [7] 8 9 nächste » ... letzte » Baumstruktur | Brettstruktur
Gehe zu:
Neues Thema erstellen Antwort erstellen
The World of BattleTech » BattleTech Foren » Kurzgeschichten » Hinter den feindlichen Linien - Season 7 - Zwischen Himmel und Hölle

Forensoftware: Burning Board 2.3.6, entwickelt von WoltLab GmbH