The World of BattleTech
Registrierung Kalender Mitgliederliste Teammitglieder Suche Häufig gestellte Fragen Zur Startseite

The World of BattleTech » BattleTech Foren » Kurzgeschichten » Hinter den feindlichen Linien - Season 7 - Zwischen Himmel und Hölle » Hallo Gast [Anmelden|Registrieren]
Letzter Beitrag | Erster ungelesener Beitrag Druckvorschau | Thema zu Favoriten hinzufügen
Seiten (11): « erste ... « vorherige 6 7 [8] 9 10 nächste » ... letzte » Neues Thema erstellen Antwort erstellen
Zum Ende der Seite springen Hinter den feindlichen Linien - Season 7 - Zwischen Himmel und Hölle
Autor
Beitrag « Vorheriges Thema | Nächstes Thema »
Cattaneo
Major


Dabei seit: 31.07.2002
Beiträge: 1.511

Auf diesen Beitrag antworten Zitatantwort auf diesen Beitrag erstellen Diesen Beitrag editieren/löschen Diesen Beitrag einem Moderator melden       Zum Anfang der Seite springen

Auf der Zielgeraden

Gamma-Eridon-System, zwei Tage nach Ankunft des Konvois

Die Mine detonierte mit der Gewalt mehrerer Megatonnen – genug Sprengkraft, um eine Großstadt in eine Flammenhölle zu verwandeln. Die unendliche Schwärze des Weltalls jedoch verschluckte die Explosion mühelos. Auf der Brücke der PHILOKETES war alles was man wahrnahm ein Ausschlag der Sensoren – und natürlich die Vollzugmeldung.
Captain Narendra Mathradas Nanda blickte kaum von dem Teebecher auf, den er sinnend in den Händen drehte. Eigentlich eine Verschwendung, so ein edles Getränk in verschlossenen Kunststoffbehältern zu servieren. Aber für den Fall eines plötzlichen Schwerkraftverlustes war dies nun einmal die beste Lösung. Dennoch…eine Schande.
Auf manchen Schiffen wurde während der Schichten nur ein synthetisches Gemisch ohne wirklichen Geschmack angeboten – Wasser mit reichlich Koffein, Traubenzucker und Mineralien, alles was man brauchte um konzentriert zu bleiben. Aber Captain Nanda war der Meinung, man konnte der Mannschaft mehr bieten. Und sich selbst etwas gönnen.
Das hieß nicht, dass er als überbezahlter Müßiggänger einfach seinen Hintern im Kapitänssessel wärmte. Aber die Brückencrew arbeitete wie eine gut geölte Maschine, wenngleich ihre Pflicht sich nach dem dramatischen Auftakt der Mission als recht eintönig entpuppt hatte. Während der endlosen Stunden seiner Brückenschichten blieb ihm nicht wirklich viel zu tun – nicht, wenn die Crew ihr Handwerk verstand. Doch er durfte natürlich auch nicht nachlässig werden. Und wenn es schon nichts zu erledigen gab, musste er zumindest seinen Untergebenen den Eindruck vermitteln, dass sie gute Arbeit leisteten.

„Die wievielte war das jetzt eigentlich?“ erkundigte er sich.
„Am heutigen Tag bis 16-45 Uhr Erd-Standartzeit Nummer 27, Sir.“ Kam prompt die Rückmeldung: „Seit Beginn der Gleitzugsoperation 83 Minen im Aufklärungs- und Marschstreifen registriert, 72 davon gesprengt, Driftvektoren der übrigen gemeldet.“
Der Captain nickte. Die Echsen meinten es offenbar ernst bei dem Versuch, den Konvoi aufzuhalten. „Wenn die 100 voll sind, werde ich wohl nicht umhin kommen, ein paar Runden für die Freiwache zu spendieren.“ Sinnierte er, was einige seiner Untergebenen grinsen ließ – bis er hinzufügte: „Natürlich wäre auch ein Dankeschön an die Angels fällig, immerhin haben die mehr als die Hälfte der Minen geortet und vernichtet.“ Die Rivalität zwischen den Dickschiffmatrosen und der Raumjockeys war eine Konstante seit den Tagen von Baums.
Imperiale Minen waren – ähnlich wie die terranischen – darauf programmiert, im Fall einer Räumung zu detonieren. Normalerweise wäre eine Atommine nicht explodiert, wenn man sie mit Bordwaffen oder Raketen beschoss. Aber es war eine beliebte Sicherheitsvorkehrung, nach Abschuss einer Rakete oder Mine einen Selbstzerstörungssicherung zu aktivieren, die bei einer ernsten Beschädigung den Sprengkörper auslöste. Schließlich sollte der Gegner nicht die Überreste einfach bergen, untersuchen oder ausschlachten können. Das funktionierte nicht immer, erschwerte die Arbeit der Kampfmittelräumer aber zusätzlich.
Minenkrieg im Tiefraum war freilich auch für den Angreifer eine heikle Sache. Stationäre Minenfelder ließen sich nur an wenigen Punkten legen – schließlich bewegte sich fast alles im All. Und militärisch berechenbare Bewegungsmuster gab es auch nur wenige. Deshalb verminte man gerne Sprungpunkte. Dort musste der Gegner ja hindurch, wenn er das System verließ oder betrat, und sie waren zumindest semistationär. Die andere Alternative – Minen im planetaren Orbit zu legen – war nur etwas für die Rücksichtslosen und Verzweifelten. Schließlich KONNTE ja mal was Unvorhergesehenes passieren. Eine Treibmine konnte jederzeit mit einem Mikroasteroiden kollidieren, ein wenig vom Kurs abkommen – und wenn sie dann zu dicht an den Planeten herandriftete…
Natürlich konnte man Minen konzipieren, die ihre Position hielten, aber das funktionierte nur, solange kein Feind im System war, der die Triebwerksemmissionen orten konnte. Alternative Antriebsformen, die nicht so leicht zu orten waren, hatten sich bisher als unpraktisch erwiesen.
Deshalb war es schwierig, einen gegnerischen Verband auf dem Marsch im Tiefraum zu bekämpfen – wenn man die Minen nicht via Raketen oder Shuttles relativ dicht beim Gegner auf vorher berechneten Bahnen aussetzte. Je mehr Abstand man dabei behielt, desto größer war die Gefahr, dass die Minen einfach irgendwo im All verschwanden.
Die Echsen aber investierten offenbar einiges, um gezielt Minenketten gegen den Konvoi auszulegen. Und auch wenn sie ebenso so oft falsch rieten wie richtig, sie nötigten den Geleitschutz zu ständiger Wachsamkeit. Man sollte ja meinen, die Kaiserlichen wären ausreichend blockiert – entweder auf den Planeten oder ihren Sprungpunkt, während der tiefe Raum den Peshten gehörte. Aber sie schafften es immer noch, Minenleger weit genug rauszubringen, dass sie ihre Minen driften lassen konnten. Captain Nanda hatte deshalb durchgesetzt, dass der Verband zumindest im begrenzten Umfang „zackte“. Das hatte ihn zwei Stunden Debatten mit den Peshten UND der Columbia gekostet. Die Einheimischen wollten die Sturmdivision möglichst schnell am Boden, und die TSN ihre Jäger wieder zur eigenen Verfügung haben. Aber am Ende hatte er sich durchsetzen können. Das machte es für den Feind NOCH schwerer vorauszuberechnen, ob er seine Minen in die richtige Richtung treiben ließ. Und bisher hatte sich das bewährt.

Theoretisch war die PHILOKETES wie geschaffen für die Aufgabe als Geleitführer und Kommandoschiff eines Räumverbandes. Sie war agil, verfügte über starke Schilde – wenn auch eine eher dürftige Panzerung – sowie gute Abwehrwaffen und eine exzellente Sensorik. Der Teufel aber lag wie so oft im Detail. Eigentlich war der Dauntless-Kreuzer dafür konzipiert, sich mit den Begleitschiffen zu einem Netzwerk zu verbinden, in dem die einzelnen Komponenten von den Sensormeldungen der Mitstreiter profitierten und ein Alarm oder Minensichtung sofort automatisch weitergemeldet wurde. Idealiter ließ sich dieses Netzwerk noch durch Shuttles als Relaisstationen erheblich ausweiten und konnte sogar patrouillierende Jäger einbeziehen. In einer Großkampflage war dies natürlich nicht so einfach realisierbar – die gegnerischen Störsender und EMP der detonierenden Atomwaffen sorgten für erhebliche Interferenzen. Und in diesem speziellen Fall…
Selbstverständlich hatte Nanda gleich nach der Ankunft ein Netzwerk aufbauen lassen. Aber es lief nicht annähernd so effektiv wie gewünscht. Die Schiffe des Geleits waren zwar terranischen Ursprungs, aber von den Peshten umfassend modernisiert worden. Und bei aller Waffenbrüderschaft taten sich TSN und Peshten schwer, ihre modernste Software passgenau aufeinander abzustimmen. Die TSN fürchtete – wobei rassistische Vorurteile eine Rolle spielen mochten – dass Peshten-Offiziere oder Techniker Betriebsgeheimnisse an den Meistbietenden weiterverkaufen könnten. Und die Nichtmenschen waren ebenfalls vorsichtig damit, ihre wichtigsten militärisch-wirtschaftlichen Geheimnisse auf dem Silbertablett zu servieren. Schließlich war dies ein wichtiger Teil ihrer Exportwirtschaft, und vielleicht wollten sie sich den Terraner auch nicht VOLLKOMMEN ausliefern.
Deshalb war die Kommunikation zwischen den Schiffen etwas schwerfälliger als in einem modernen TSN-Verband. Es war kein großer Unterschied, aber er konnte im Ernstfall den Ausschlag geben zwischen einer ernsten Krise und einer Katastrophe. Und auch mit den zusätzlichen Komponenten haperte es. Die PHILOKETES war das einzige Schiff im Verband, das über die Sollbestückung an Shuttles verfügte, genauer gesagt nicht weniger als sechs, davon zwei E-21-Radarshuttles sowie einen S-41-Tanker. Die Peshten-Schiffe, die anders als die TSN weitaus seltener autonome Langstreckenoperationen durchführten, verfügten jedoch nur über eine rudimentäre Bestückung mit ,Beibooten‘. Und darunter war kaum ein einsatzbereites Shuttle für die elektronische Kriegführung oder ein Tanker. Tanker aber waren wichtig, damit die Shuttles weiter fliegen konnten und nötigenfalls auch etwas zusätzlicher Treibstoff für die Geleitjäger bereitstand.

Captain Nanda war gezwungen gewesen, das Beste aus der Situation zu machen. Er hatte natürlich die Begleitjäger einbezogen und mit ihrer Hilfe wie durch den Einsatz terranischer und Peshten-Shuttles einen vorgeschobenen Sicherungsschirm gebildet.
Es war nicht perfekt gelaufen. Ein Zerstörer war durch eine mobile Mine beschädigt worden, glücklicherweise nicht schwer. Und sein Schiff hatte bluten müssen – ein RADARSHUTTLE war auf eine Mine gelaufen und zerfetzt worden, ohne Überlebende.
Das machte diese Art von Krieg zermürbend. Man musste immer – über Tage hinweg – mit einem tödlichen Schlag rechnen, und das einzige, was man selber zerstören konnte, waren einige Punkte auf den Sensortafeln. Dabei hatte die Crew seines Schiffes genug Grund, Rache zu nehmen. Doch solange die Echsen nicht unvorsichtig wurden und ihre Minenleger zu weit vorschickten, gab es keine Möglichkeit, wie man zurückschlagen konnte. Der Captain hatte angeregt, dass die Peshten die Patrouillen ihrer Jäger ausdehnten oder Hunter-Killer-Gruppen aus drei oder vier armierten Shuttles losschickten um feindliche Minenleger abzufangen. Aber das hatte nicht viel gebracht – man hatte ihn mehr oder weniger auflaufen lassen. Die Systemflotte hatte einfach zu wenige Hilfsträger, und die Zahl der bewaffneten Shuttles mit ausreichend trainierten Piloten war auch überschaubar. Außerdem bestand da immer die Gefahr, dass sie in einen Hinterhalt liefen. Wenn die Echsen ein paar Jäger schickten oder einige ihrer neuen Schnellboote…
Commodore Schupp hatte wie immer eine historische Weisheit zum Besten gegeben und ihm empfohlen sich in Geduld zu fassen. Und das tat er denn auch.
So konnte die Konvoisicherung nur einstecken, nicht austeilen. Und eines war klar – die Zahl der Minen würde eher zunehmen, je näher man dem Planeten kam. Umso geringer die Distanz war, desto besser konnten die Echsen vorherberechnen, wo sie ihre Minen aussetzen mussten, desto kürzer die Anmarschwege für ihre Minenleger, die mehr Missionen in derselben Zeit durchführen konnten…

***

Lieutenant Commander Tatjana Pawlitschenko alias Lilja bewegte lautlos ihre Lippen, während sie einige der wüstesten Schimpfworte rekapitulierte, die sie kannte. Die Sorte, nach denen man nicht nur den Mund mit Seife auswaschen, sondern am besten noch mit Bleiche gurgeln sollte, wie man so sagte. ,Ich HASSE den Teil meines Jobs!‘
Sie verzichtete wohlweißlich darauf, mit den Zähnen zu knirschen, denn wenn sie das getan hätte, wäre ihr Gebiss vermutlich inzwischen im Eimer gewesen. Ihr Blick wanderte argwöhnisch über die Anzeigen, während sie den Jäger mit sparsamen Bewegungen steuerte. Ausnahmsweise hatte sie einmal keine Freude an der mühelosen Eleganz, mit der sich die Falcon – wie ihr gefiederter Namensgeber – bewegte. Aber im Moment war sie einfach zu nervös. Jede noch so kleine Anomalie auf den Anzeigen ließ das Adrenalinlevel in ihrem Blut steigen.
Jemand mit weniger Erfahrung hätte sich vermutlich ablenken lassen durch das ätzende Gefühl, seit nunmehr über einer Stunde in einem vollkommen verschwitzten Raumanzug zu stecken. Lilja konnte so etwas wegstecken. Langstreckenoperationen waren für sie längst Teil des Alltags geworden. Doch der Umstand, dass sie mit solchen Unannehmlichkeiten umgehen konnte, bedeutete noch lange nicht, dass sie sich nicht scheußlich fühlte.

Die Russin war – neben ihrer kaltherzigen, mitunter rüden und vielfach verletzenden Art und ihrem erbarmungslosen Hass auf die Imperialen – vor allem dafür bekannt, wie kompromisslos und effizient sie ihre Befehle ausführte. Das war sozusagen ihr Markenzeichen, ihr höchst eigener Stolz – und einer der Gründe, warum sie Karriere gemacht hatte. Wann immer es etwas zu erledigen gab, wenn es für den Krieg war, dann war auf Lilja Verlass. Egal wie gefährlich, wie anstrengend oder auch moralisch fragwürdig.
Von daher bedeutete es schon einiges, dass sie sich so am Riemen reißen musste um sich nicht vernehmlich über ihre gegenwärtige Aufgabe zu beschweren.
Sie selber hatte es auf den Punkt gebracht, als sie sich mit einer Mischung aus Kanarienvogel und Trüffelschwein beschrieben hatte. Denn im Moment flog sie – ebenso wie Sokol von Flight Vier – Voraussicherung für den Konvoi, weit über 20.000 Kilometer vor den ersten Schiffen. Sie und ihr Kamerad saßen in Maschinen, die sowohl einen Sensorpod als auch Zusatztanks schleppten, und deshalb nur vier Raketen mitführten. Das heißt, sie spürten mit ihren Sensoren nach Minen, aber auch nach gegnerischen Schnellbooten oder Jagdbombern, die sich vielleicht anschleichen mochten. Die moderne Sensorik prädestinierte den Abfangjäger für diese Aufgabe, und seine rasante Beschleunigung versprach eine Chance zu entkommen, falls sie die falsche Trüffel erschnüffelten. Das änderte aber nichts daran, dass sie ziemlich allein waren – sogar ihr jeweiliger Wingman hielt deutlichen Sicherheitsabstand. Vor sich wussten sie Sprengkörper, die nicht nur möglichst gut getarnt waren, sondern zudem ausreichend Sprengkraft hatten, um ihre Jäger wie eine Mücke zu zerquetschen.
Nach Liljas letzter Nahtoderfahrung bei genau dieser Art von Job im Orbit um Gamma Eridon war es ja wohl nur verständlich, dass sie das nervös machte. Schlimmer noch – wiewohl ihr Kampfflieger eines der schnellsten Modelle der TSN war, musste sie mit geradezu beschämend geringer Geschwindigkeit dahinkriechen. Logischerweise war der Treibstoff knapp kalkuliert, trotz Zusatztanks und Shuttle-Betankung auf dem Marsch. Für den Fall, dass man doch vor einer Mine türmen musste oder ein Schwarm imperialen Jagdbomber oder Schnellboote einen Angriff versuchte, durfte man sich nicht mit leeren Tanks erwischen lassen. Und so flogen sie und Sokol vor dem Konvoi quälend langsam Schlangenlinien.

Sie hätte die Arbeit natürlich delegieren können, und sich eine einfachere Position suchen. Während zwei Flights ihrer Staffel Voraussicherung flogen, war je ein weiterer an den Flanken des Konvois unterwegs, und die beiden letzten bildeten eine Einsatzreserve in unmittelbarer Kovoinähe. Die Butcher Bears, die ebenfalls am Konvoi flogen, hatten gleichfalls eine Sektion zur Voraussicherung abgestellt. Die flog im Moment etwas zurückgesetzt und gab Feuerunterstützung, um geortete Minen schnell auszuschalten – eine zweite Sektion fungierte als Direktsicherung des ersten Konvoischiffs. Vier Maschinen flogen über dem Konvoi, je zwei an jeder Flanke. Die Nighthawks waren nicht nur wegen ihrer geringeren Geschwindigkeit weniger gut als Aufklärer geeignet, zudem schleppt eine der kovoinahen Sektionen Arrow-Atomraketen und musste sich etwas zurückhalten.
Die Seitensicherung war nicht annähernd so nervenaufreibend wie der Einsatz an der Spitze, denn die meisten Minen tauchten natürlich direkt voraus auf. Aber diese Alternative – geschweige denn einen Platz direkt beim Konvoi – gestattete Liljas snobistisches Dienstethos nicht. Sie war nun einmal Staffelchefin und die wohl erfahrenste Pilotin der Fighting Stallions, also MUSSTE sie die wichtigste und schwerste Aufgabe übernehmen…
Nur eine dritte Falcon der Stallions verfügte ebenfalls über einen Sensorpod und konnte als Ablösung fungieren – man durfte die Schlagkraft der Staffel nicht zu sehr reduzieren, falls es doch zu einem Gefecht kam. Und natürlich hatte sich Lilja dagegen entschieden, die Ablösung für sich in Anspruch zu nehmen. Inzwischen bereute sie dies insgeheim.
,Man sollte meinen, ich bin langsam darüber hinaus, Fleißsternchen zu sammeln.‘ murrte sie innerlich.

Minen aufzuspüren war ein kniffliges Unterfangen. Sie nutzten üblicherweise nur passive Ortung, waren zumeist mit einer Radar-absorbierenden Beschichtung versehen und wiesen eine dicke Hülle auf, die ihr Innerstes sowohl vor Mikrometeoriten als auch gegnerischen Sensoren abschirmen sollte. Der einzige Umstand, der ihre Ortung erleichterte war, dass der Weltraum…nun ja…eben ziemlich leer war. Doch in einem System wie diesem gab es nach Jahrhunderten der kommerziellen Raumfahrt natürlich neben dem üblichen Weltraumtreibgut auch einiges an künstlich produzierten Schrott. Teile von Satelliten und Raumfahrzeugen, Müll, gefrorener Treibstoff… Dazu kamen die Überreste der Kampfhandlungen. Eine einzige Korvette konnte tausende Bruchstücke produzieren, die groß genug waren, um für die Sensoren auch als eine signaturreduzierte Mine durchzugehen. Sah man mal ganz davon ab, dass hier noch ganz andere Dinge ins All geschickt wurden – etwa Leichen, aus Gründen der Religion oder Notwendigkeit.
Und deshalb konnte man oft nicht genau sagen, ob der winzige Blip, der auf den Anzeigen zu sehen war, nun ein kleiner Fels- oder Eisbrocken, der Rest eines Kommunikationssatelliten, eines zerschossenen Jägers oder aber doch eine Mine war. Und das wurde umso komplizierter, je näher man – wie in diesem Fall – an dicht befahrene Routen herankam.

Commander Pawlitschenko war also rechtschaffend frustriert. Natürlich hatte man ihr an Informationen geliefert, was über kartierte Trümmerfelder und dergleichen vorlag. Aber das war enervierend wenig. Normalerweise wurden im Zeitalter von modernen Schilden nur größere Bruchstücke kartiert, die selbst für die gut geschützten Jäger und Shuttles eine potentielle Gefahr darstellten. Ansonsten gab es meist nur allgemeine Hinweise.
Im Moment schlug sich mal wieder mit einem solchen Dilemma herum. Ihre Sensoren hatten einige bisher unverzeichnete Kontakte aufgefasst, die ein Stück voraus lagen und potentiell in den Kurs des Konvois hinendrifteten. Hinweise auf Strahlungsanomalien gab es allerdings nicht, und die Signaturen variierten deutlich in Größe und Struktur, beides sprach gegen Minen. Dennoch, irgendetwas daran irritierte sie, sie konnte nur im Moment nicht den Finger drauf legen. Sollte sie näher heranfliegen und sich die Sache genauer anschauen? Das war auch nicht ohne Risiko, wenn es DOCH Minen waren, und eine davon von der mobilen Sorte…
Sie berührte leicht den Steuerknüppel, wollte schon beschleunigen, doch dann zögerte sie. Was wenn…

Mit einmal verzog sich ihr verschwitztes Gesicht unter dem Visier des Helmes zu einem triumphierenden Grinsen. Aber natürlich, das war es, was sie gestört hatte! Diese verdammten Schweinehunde! Aber auch die verdammten ,Fritzen‘ machten eben Fehler.
„Pfeil Dreizehn an Pfeil Vierzehn, Neun und Zehn…“ womit sie sowohl Knight, als auch La Reine und Marat von den Butcher Bears ansprach: „Ich habe was für die Abrissbirne. Bereit machen zur Feuereröffnung. Telemetriedaten folgen. Achtet auf mögliches Raketenfeuer und mobile Minen.“
Denn das war es, was ihr aufgefallen war. Die fraglichen Sensorblips waren zwar unterschiedlich was die Signatur anging – was eigentlich auf unterschiedliche Größe und Beschaffenheit hindeutete. Aber ihr ABSTAND zueinander war relativ einheitlich. So, als ob ein gegnerisches Shuttle einen Minenkette ausgesetzt hatte – Minen, deren Tarnbeschichtung ausreichend variabel war, um die Signaturen uneinheitlich zu gestalten. Aber die Echsen hatten nicht daran gedacht, das Intervall ihres Werfers ausreichend zu variieren…
Die Russin fletschte die Zähne: „Köcher, hier Pfeil Dreizehn. Ich hoffe, ihr schaut genau zu…FEUER!“ Und mit diesen Worten eröffnete sie das Feuer, unterstützt durch ihre Kameraden und die Spitzensektion der Butcher Bears. Eine Minute später war alles vorbei.

***

Der Captain der PHILOKETES genoss das Feuerwerk, das ihm über das Sensornetzwerke übertragen wurde. Fünf Minen mehr auf der Abschussliste. Ein kleiner Sieg, fast bedeutungslos – doch bedachte man, was diese Sprengkörper für Unheil hätten anrichten können…

„Commodore.“ Als er die Stimme hörte, unterdrückte Captain Nanda unwillkürlich eine Grimasse. Das lag nicht so sehr daran, dass er sich nie ganz sicher war, ob nicht ein leicht spöttischer Unterton darin mitschwang, der sich gegen seine „temporäre Beförderung“ richtete. Es lag auch nicht daran, dass Commander Jael Lines relativ jung war, geschweige denn, weil Nanda etwa Probleme mit weiblichen Offizieren gehabt hätte. Nein, all das störte ihn nicht – aber dennoch empfand er Lines als eine irritierende Anomalie, die sich seiner Kontrolle entzog.
Zum einen gehörte sie nicht zur TSN, sondern stand in den Diensten der Peshten, für die sie als Verbindungsoffizierin zu den Terranern während der Geleitoperation fungierte. Und auch wenn er es zu schätzen wusste, dass die Aliens eine menschliche Verbindungsfrau abgestellt hatten – Nichtmenschen an Bord von TSN-Schiffen waren noch immer extrem ungewöhnlich, und er war heilfroh, keinen Taku-Taku auf seinem Schiff zu haben* – so war ihr übriger Hintergrund vorsichtig ausgedrückt…farbig. Zum einen kam sie weder aus der FRT noch der CC, sondern war eine gebürtige „Indyan“**. Und darüber hinaus keine echte Soldatin, zumindest nach den Standards der TSN. Sie hatte sich vielmehr auf Handels- und später privaten Wachschiffen am Rand des zivilisierten Raums hochgedient und als Söldnerin für wechselnde und dubiose Auftraggeber gearbeitet, bevor sie in den Dienst der Peshten getreten war.

Aber Captain Nanda durfte sich seine Vorbehalte natürlich nicht anmerken lassen, deshalb nickte er nur knapp, wenn auch etwas kühl: „Commander?“
„Ich habe soeben codierte Nachrichten vom Flottenkommando erhalten. Wir verzeichnen verstärkte Bewegungen beim imperialen Sprungpunkt. Mit Ihrer Erlaubnis…“
Tatsächlich wartete sie gar nicht ab, bis Nanda nickte. Möglicherweise wollte sie ihm seine Reserviertheit heimzahlen, aber es mochte auch der Dringlichkeit liegen.
Auf den Sensorschirmen tauchten neue Symbole auf, flackernd zunächst – Schiffe, deren Identifikation und Flugvektoren noch als fraglich eingeschätzt wurde. Aber mit jedem neuen Puzzleteil gewann das Gesamtbild an Schärfe – und gestaltete sich zunehmend bedrohlich.
Commander Lines erläuterte die Details: „Wir haben hier eine Korvettendivsion des Gegners, die anscheinend eine defensive Minensperre legen sollte – die Kaiserlichen machen das gelegentlich. Die Rückendeckung bestand aus einer Zerstörerdivsion. Das ist nichts Ungewöhnliches. Aber inzwischen…“
Auf den Anzeigen tauchte neue Symbole auf, erste einzeln, dann immer mehr – und einige von ihnen waren beunruhigend groß. Kreuzer – mindestens eine komplette Division und ein Flugdeck-Führungskreuzer, und damit mindestens die Hälfte der schweren Schiffe, die das Kaiserreich zum Schutz des Sprungpunktes bereitgestellt hatte. Dazu kamen je ein Zerstörer- und Fregatten-Geschwader, Jäger, Shuttles…
„Wie um Varunas Willen ist ihnen gelungen, diese Truppen zusammenzuziehen, ohne dass es aufgefallen ist?“
Der Commander ließ sich durch die implizierte Kritik nicht aus der Ruhe bringen: „Ich vermute, sie haben dank der Deckung des Asteroidengürtels und ihrer elektronischen Störmaßnahmen unsere Sensoren eine Zeitlang an der Nase herumführen können.“
Die Position der Kaiserlichen im System Gamma Eridon war kompliziert – sie hielten natürlich einen erheblichen Teil des besiedelten Planeten selber. Aber ansonsten hatten sie nur den dem Imperium zugewandte Sprungpunkt unter Kontrolle, gestützt auf die dort versammelten Kriegsschiffe und einige militarisierte Bergbaustützpunkte im relativ „nahe“ gelegenen äußeren Asteroidengürtel. Nachschub für die Truppen auf dem Planeten kam nur in stark gesicherten, sporadischen Konvoi durch, ansonsten waren sie auf das angewiesen, was sie aus den besetzten Gebieten herauspressen konnten.

Nanda unterdrückte ein Schnauben. Das mochte ja sein, aber es war beunruhigend, dass die Echsen ihre Schiffen relativ ungestört umdirigieren konnten: „Worauf zielen sie?“
„Wir besitzen im kernwärtigen Gürtel Überwachungsstationen, von denen aus wir auch Patrouillen fliegen – und wir haben natürlich Wachschiffe draußen.“
Die kaiserlichen und Peshten-Stützpunkte litten etwas daran, dass sie nicht einen soliden Planeten unter den Füßen hatten, sondern bestenfalls einen instabilen mondgroßen Kleinplaneten. Sie waren unbeweglich und damit ein leichtes Ziel – deshalb waren die Stützpunkte beider Seiten durch massive Schilde gesichert und verfügten über Dutzende von Impulslasern und leichten Raketenwerfern, die anfliegende Atomraketen abfangen sollten. Dennoch, wenn so eine Armada herandampfte und aus allen Rohren ballerte…

Doch die Peshten hatten noch mehr als die TSN auf die harte Tour gelernt, was Krieg bedeutete, und sie reagierten rasch. Ihre Flotte verfügte zwar nur über wenige Kreuzer, doch die Armada aus kleineren, modernisierten Schiffe konnte sich durchaus sehen lassen.

Captain Nanda hätte liebend gerne irgendetwas unternommen, um zu helfen – aber ihm waren natürlich die Hände gebunden. Die Jäger des Begleitschutzes wären niemals in der Lage, rechtzeitig einzugreifen – sie hatten auch gar nicht den Treibstoff dafür. Und auf die Entfernung konnte er nicht einmal Sensorunterstützung bieten. Also konnte er nur zusehen.
Die Stationen der Peshten schleusten in bewundernswerter Geschwindigkeit Jäger aus. Hier bewies sich einmal mehr, was für ein gelungenes Konzept diese Hornet war – auch wenn ein Teil der Jäger noch verschiedene konventionelle terranische Modelle waren, war leicht zu erkennen, wie die modernen, von Konkordat und Bundesrepublik gemeinsam entwickelten Abfangjäger spielend die Führung übernahmen. Sie bildeten einen Abfangschirm, hinter dem sich Fregatten und Zerstörer formierten, unterstützt durch einige umgerüstete Flak-Schiffe. Schon bald leuchteten auf den Bildschirmen die ersten Raketen-Signale auf – zuerst auf Seiten der Kaiserlichen, denn nur wenige Peshten-Schiffe verfügten über die den kaiserlichen Waffen ebenbürtigen Exocet-II-Marschflugkörper.

Commander Lines betrachtete die Anzeigen mit professioneller Gelassenheit, das musste man ihr lassen: „Das sieht nicht so aus, als ob die ,Hausbesetzer‘“, ein Peshten-Spitznahme für die Imperialen, „es wirklich ausfechten wollten.“
Nanda betrachtete die Bildschirme prüfen: „In der Tat. Ihre Kreuzer beschleunigen nicht annähernd mit voller Kraft…da, einige bremsen sogar schon wieder ab. Wenn sie es ernst meinen würden, müsste ihnen daran gelegen sein, ihre Bordgeschütze gegen die leichten Schiffe des Konkordats ins Spiel zu bringen. Gegen die Schiffe der Linie würden die einen Nahkampf nicht lange überleben. Und auch ihre Kampfflieger sind eher in einer Blockadeformation als einem Angriffskeil formiert…“
Er überlegte kurz: „Sieht aber nach recht vielen Kampffliegern aus…“
Nanda sprach es nicht aus, aber Commander Lines verstand ihn auch so. Seit Monaten orakelte die TSN wie ihre Verbündeten darüber, ob die Kaiserlichen einen Träger in das System abstellen wollten oder es vielleicht insgeheim vielleicht bereits getan hatten. Ein vollwertiger Flottenträger – der natürlich nicht allein eintreffen, sondern von mindestens drei bis fünf Divisionen leichterer Schiffe als Geleitschutz begleitet sein würde – wäre geeignet das Gleichgewicht vollständig zu kippen, das sich mit dem Eintreffen der COLUMBIA deutlich zugunsten der Alliierten verändert hatte. War die Anzahl von Kampffliegern ein Hinweis, dass die befürchtete Verstärkung bereits eingetroffen war?
Mühsam riss der Captain sich von dem Schauspiel los: „Kommunikation – ich brauche eine Breitbandverbindung zum Konvoi, einschließlich den Jägern…vielen Dank.“ Er räusperte sich: „Achtung, hier Köcher an ALLE. Wie Sie möglicherweise bereits bemerkt haben, führen die kaiserlichen Streitkräfte gerade einen Angriff auf die Streitkräfte des Konkordats. Wir alles wissen, dass wir uns auf die Verteidigung des Asteroidenbelts verlassen können. Lassen Sie sich nicht eine Sekunde von unserer eigentlichen Aufgabe ablenken. Die Truppen und Waffen, die wir eskortieren, sind von entscheidender Bedeutung für den Krieg am Boden und damit für das Schicksal des gesamten Systems. Wir helfen unseren Kameraden im Belt am besten, indem wir die sichere Ankunft unserer Fracht garantieren. Köcher Ende.“

Die taktische Situation entwickelte sich rasch – und es schien, als ob die Echsen angriffslustiger waren, als es zunächst den Anschein gehabt hatte. Die feindlichen Kampfflieger rückten in mehreren Angriffskeilen vor, wobei die imperialen Großkampfschiffe sie mit Schwärmen von Schiff-Schiff-Raketen unterstützten.
Die Peshten-Jäger formierten sich neu um den zu erwartenden Angriff abzufangen…
In diesem Moment explodierten die Bildschirme förmlich in einem irrwitzigen Feuerwerk. Dutzende imperiale Jäger stießen simultan Täuschkörper aus, feuerten mit leichten Langstreckenraketen und sogar Bordwaffen, obwohl sie noch bei weitem außerhalb sicherer Feuerreichweite waren.
Der Sinn des Manövers wurde bald sichtbar: „Schiff-Schiff-Raketen, 20…30…beinahe 50!“ sang einer der Unteroffiziere der Sensorabteilung aus.
Captain Nanda unterdrückte einen Fluch. Diese dreckigen Eidechsen hatten in ihren Jägerschwarm mindestens ein Dutzend ihrer Schnellboote eingeschleust, damit diese Schiff-Schiff-Raketen abfeuern konnten. Und er – mit dem besten Schiff im ganzen System zur Bekämpfung solcher Ziele – konnte nur zusehen.
Aber die Echsen hatten die Peshten wieder einmal unterschätzt. Trotzdem Kriegsschiffe und Schnellboote ganze Schwärme von Schiff-Schiff-Raketen abgefeuert hatten, der Umstand, dass es nicht zu wirklichen Nahkämpfen kam, gab den Konkordats-Jägern und schwereren Einheiten genug Spielraum, um die meisten Marschflugkörper rechtzeitig abzufangen.

„Das war dann ja wohl der letzte Pfeil in ihrem Köcher.“, kommentierte Jael trocken, als die Kaiserlichen sich langsam zurückzogen. Unaufgefordert lieferte sie gleich eine Analyse des Gefechtes: „Soweit ich dies beurteilen kann, haben die Echsen leichte Treffer auf drei und mittelschwere Treffer auf einem Kreuzer erhalten. Wobei sie die leichten Treffer wohl schnell wieder ausbessern können. Eine ihrer Korvetten ist zerstört. Das Konkordat hat eine Fregatte verloren. Ein Zerstörer wurde schwer beschädigt, dazu kommen leichtere Schäden auf einigen weiteren Schiffen. Hätten die Kaiserlichen ihre Kreuzer nicht so früh zurückgezogen, hätten sie den Zerstörer ohne Zweifel vernichten können. Jägerverluste auf beiden Seiten minimal. Die Treffer durch Langstreckenbeschuss auf den Gürtel-Basen scheinen ebenfalls unbedeutend.“
Captain Nanda schnaubte: „Die Frage ist, wollten sie nur austesten, wie gut die Konkordats-Verteidigung ist, einfach für ein wenig Unruhe sorgen, oder hat sie auf halber Strecke der Mut verlassen?“
Commander Lines schüttelte den Kopf: „Ein definitives Nein zum Dritten, und auch an dem Zweiten zweifle ich – das hätten sie auch nur mit den Jägern haben können. Ich denke, sie wollten austesten, wie schnell wir reagieren. Vielleicht kommt ja wirklich bald wieder ein Konvoi für ihre Bodentruppen. Dann kommt es für sie drauf an, wie gut sie unser Verhalten und Stärke einschätzen können…“

***

Was keiner der Menschen und Nichtmenschen auf alliierter Seite ahnte – irgendwo da draußen flogen gut zwei Dutzend Jagdbomber. Bis an die Zähne bewaffnet, aber ohne ihre Triebwerke zu benutzen, rasten sie in ballistischer Bahn dahin. Das ganze Manöver hatte dazu gedient, ihren Anmarsch im Schutz von elektronischen Gegenmaßnahmen und Asteroiden zu decken. Und als das große Feuerwerk begann, hatten sie noch einmal mit voller Kraft beschleunigt – und dann die Triebwerke und Aktivortungen ausgeschaltet. Vor ihnen stand ein ,kalter‘ – im wahrsten Sinne des Wortes – tagelanger Flug, und einer, der leicht zu ihrem letzten werden könnte. Selbst wenn sie den Konvoi ungesehen erreichten, für ihren Rückzug galt dies nicht mehr. Zwar würden sie es dann nicht mehr weit bis zum Planeten haben, aber das galt auch für die Kampfflieger der Peshten und Terraner.
Bis dahin konnten sie nur die Zähne zusammenbeißen, und warten…

********
* Taku-Taku war der „Quoten-Nichtmensch“ an Bord der ENDEAVOUR, das Storyschiff in „Deep Stars“, einer beliebten Sci-fi Serie aus der Zeit des Kalten Krieges zwischen der FRT und dem Imperium. Er war damit etwa vergleichbar mit dem Spock oder Worf in der 2. Hälfte des terranischen 20. Jahrhunderts bei der einstmals bekannten Serie „Star Trek“ oder Lieutenant Elyana von der AURORA aus der neosowjetischen „Burning Borders“-Serie im letzten Drittel des 25. Jahrhundert. Inzwischen werden die Folgen von Deep Stars auch wegen ihres naiven Optimismus allerdings nur noch von Nostalgikern und alternden Fans geschätzt. Taku-Taku präsentierte sich als etwas wie eine Mischung aus Akarii und T’rr, und angesichts der latenten menschlichen Vorurteile brauchte er sechs Staffeln, um sich wirklich von der Rolle des Comic Relief zu emanzipieren.

** Indyan sind Bewohner, im engeren Sinne aber vor allem dort geborene Kinder eines unabhängigen Planeten. Davon gibt es einige an den Grenzen der menschlichen Reiche – Siedlungen, die weder der FRT noch der CC angehören, manche von ihnen sind bereits einige hundert Jahre besiedelt. Sie haben freilich einen alles anderen als guten Ruf, übrigens selbst unter vielen der eher unkonventionellen Konföderierten. Die Einwohner gelten als die Nachkommen von religiösen Fanatikern oder Sonderlingen, stehen im Ruf mit Piraten Geschäfte zu machen – von den üblichen dummen Witzen über ihre…Familiendynamik oder die…Art der Kontakte zu intelligenten und anderen Aliens mal ganz abgesehen.

Dieser Beitrag wurde 1 mal editiert, zum letzten Mal von Cattaneo: 20.01.2020 17:02.

21.11.2019 06:05 Cattaneo ist offline E-Mail an Cattaneo senden Beiträge von Cattaneo suchen Nehmen Sie Cattaneo in Ihre Freundesliste auf
Tyr Svenson Tyr Svenson ist männlich
Captain


Dabei seit: 06.10.2015
Beiträge: 1.030
Herkunft: Jena, Thüringen

Auf diesen Beitrag antworten Zitatantwort auf diesen Beitrag erstellen Diesen Beitrag editieren/löschen Diesen Beitrag einem Moderator melden       Zum Anfang der Seite springen

„Bis Weihnachten sind die Jungs wieder zu Hause!“
Versprechen, das in vielen irdischen Kriegen gegeben und fast immer gebrochen wurde

Imperialer Flottenstab, Akar


Der ‚Gedankenaustausch‘ mit Admiral Taran hatte länger gedauert, als Kern Ramal erwartet hatte und ihm ein wenig den Appetit verdorben. Dennoch zwang sich der Chef des Flottenstabes, in der verbliebenen Fünftelstunde ein paar Happen zu essen.
Während er abwesend auf einer Rolle mit Tan-Paste gefülltem Kitiri-Fleisch kaute, war er sich der wachsamen Blicke derjenigen bewusst, die sein Gespräch mit Taran registriert und daraus ihre Schlüsse gezogen hatten.
Wieder erschienen ihm Admiralin Ras Augen beunruhigend wissend. Kaum dass Admiral Taran ein paar Worte mit seinem Stellvertreter und den Adjutanten der beiden gewechselt hatte, machte Ras ihren Anspruch auf den Operationschef geltend. Es sah nicht gerade nach einem fröhlichen Gespräch aus.
Was Tarans Entourage anging…Pern wirkte merkwürdigerweise fast zufrieden. Aus Captain Los Gesichtsausdruck und ihrem halb spöttischen Lächeln wurde Kern nicht so recht schlau. Yelak Taran hingegen sah so aus, als hätte er in eine saure Frucht gebissen.
‚Er wird darüber hinwegkommen.‘ Mokas Taran würde seinen jüngeren, hitzköpfigen Bruder im Zaum halten. Falls allerdings Ramals wackeliges Einvernehmen mit dem älteren Taran-Bruder scheitern sollte…
Yelak Taran galt als ein hervorragender Drehh-Fechter und wie Tobarii Jockham kurz vor Ende seines Lebens hatte erfahren müssen, war diese Eigenschaft inzwischen sehr viel wichtiger geworden, als in den letzten paar hundert Jahren üblich. Die Erinnerung an Tobarii verdarb Kern Ramal endgültig den Appetit.
Zum Glück war es inzwischen Zeit, die Besprechung fortzusetzen. Jetzt würde es sich zeigen, ob Taran tatsächlich seinen Part zu spielen bereit war. Oder ob Kern Ramal noch vor Ende dieses Tages einen neuen Chef des Operationsstabes würde suchen müssen. ‚Und vermutlich meine Uhr stellen sollte, wann ich eine Duellforderung erhalte oder sich eine Fronde gegen MICH formiert…‘

Dass Admiralin Ras die Runde eröffnete, ließ Kern Ramals Vermutung zur Gewissheit werden, dass sie über Tarans Zweifel an einer neuen Parrak-Offensive Bescheid wusste: „Sie sollten uns doch eine Auswertung ihrer glorreichen Sterntor-Operation liefern.“ Die Chefin des Flottennachrichtendienstes grinste spöttisch: „Also, überraschen Sie uns mit Ihren Analysefähigkeiten. Und Ihrer Selbstreflektion.“

Taran lächelte flüchtig: „Erlauben Sie, dass Captain Los die Lage darlegt. Sie hatte wesentlichen Anteil an der Erstellung des Berichts und war schon während der Operation selber hauptverantwortlich für die Auswertung der erzielten Erfolge.“
Während Tarans Adjutantin, die offenbar mit dieser Aufforderung gerechnet hatte, sich erhob, fragte sich Kern Ramal, was Taran damit bezweckte. Wollte er sich von dem Fazit des Berichts distanzieren? Oder seiner Protegé die Möglichkeit geben, ins Rampenlicht zu treten?

Die Stimme der Kapitänin klang ruhig und klar: „Im Verlauf des Angriff auf das Parrak-System verlor die TSN zwei Leichte Träger, ein halbes Dutzend Kreuzer, etwa dreißig Zerstörer, Fregatten und Korvetten sowie etliche Hilfsschiffe. Ungefähr dieselbe Anzahl wurde beschädigt, darunter unter anderem ein Leichter Träger und ein Flottenträger.“
„Oh ja, die COLUMBIA. Doch da sie uns schon wieder im Gamma-Eridon-System Schwierigkeiten macht, können die Schäden so groß nicht gewesen sein.“, Admiral Rahoo wusste als Inspekteur der Flotte nicht nur bestens über die Trägerkampfgruppen des Imperiums Bescheid, sondern auch über ihre Gegenstücke auf terranischer Seite. Außerdem war er berüchtigt für seine scharfe Zunge und notorisch skeptisch gegenüber den ‚neuen Sternen‘ und Aufsteigern der Flotte.
Allerdings ließ sich Captain Los nicht so leicht aus dem Konzept bringen: „Trotz der weitgehenden Vernichtung der Verteidigungskräfte von Masters, wurde die Gesamtdefensivkapazität des Parrak-Systems nur partiell geschwächt und ist nach den Erkenntnissen des Nachrichtendienstes bereits wieder im Aufbau begriffen. Die im Vergleich zu Masters ungleich stärkeren Orbitalstationen und Raumflieger-Verbände auf Seafort sind fast intakt geblieben. Dies gilt auch für die dort befindlichen Werft- und Produktionsanlagen, die nach Schätzungen bis zu zwanzig Prozent der gesamten Schiffsbaukapazitäten der Terraner ausmachen.“
Admiralin Ras sah so aus, als wollte sie dazu etwas anmerken, aber ein scharfer Blick Ramals ließ sie vorerst schweigen, während Captain Los ungerührt fortfuhr: „Allerdings wurde diese Produktion durch den Wegfall zahlreicher Zulieferbetriebe beeinträchtigt, die bei der Bombardierung von Masters zerstört wurden. Dies hat auch Masters eigene Kapazität beeinträchtigt, nachrangige Nachschubgüter für die Flotte und die Armee zu produzieren und als Erholungsort für Mitglieder der Streitkräfte zu dienen. Ein Großteil der planetaren Steuereinnahmen – wie auch beträchtliche Hilfsgelder – werden in den Wiederaufbau fließen müssen.
Noch vorteilhafter für uns wirkte sich die praktisch vollständige Vernichtung der Förder- und Raffinerie-Anlagen im Asteroidengürtel des Systems aus, auf die Seafort und Masters angewiesen waren. Es wird voraussichtlich Jahre dauern, die vernichteten Einrichtungen wieder aufzubauen oder zu ersetzen. Zwar wird versucht, die Einbußen durch Lieferungen aus anderen Systemen zu überbrücken, aber das ist keine langfristige Lösung, reißt an anderer Stelle Lücken und ist zudem sehr kostspielig.“
„Dennoch nicht sehr beeindruckend als Ergebnis für Admiral Tarans große Offensive.“, spottete Admiralin Ras.
Der konterte gelassen: „Das Parrak-System zu erobern oder die feindlichen Produktionsanlagen zu vernichten war weder mein Auftrag, noch hatte ich die dafür notwendigen Mannschaften und Schiffe. Wenn man mir allerdings statt einem überdimensionierten Zielschiff einen weiteren ECHTEN Flottenträger gegeben hätte…“
„Admiral Ilis hat die ganze Konföderation aus dem Krieg geschossen. Und dafür brauchte er nicht viel mehr Schiffe, als Sie zur Verfügung hatten.“
„Da zählen Sie seine Flotte aber sehr…konservativ. Außerdem war er bereit, für seinen Sieg zwei Flottenträger und seine besten Einheiten zu opfern. Ich war das nicht.“
„Das wäre es wert gewesen.“
„Auch den Verlust des Draned-Sektors? Denn darauf wäre es hinausgelaufen. Ohne einen schlagkräftigen Flottenverband wäre der Sektor binnen kurzer Zeit zerfallen. Die Frage wäre nur gewesen, ob die T’rr-Rebellen, imperiale Separatisten oder die TSN diese Gelegenheit als erstes genutzt hätten. Ich brauche Ihnen wohl nicht zu sagen, was der Wegfall eines kompletten Sektors politisch und galaktostrategisch bedeutet hätte. Außerdem bin ich nicht Ilis. Ich verheize meine Untergebenen nicht.“
„Aber Ilis…“
„Ich weiß nicht, was Admiral Ilis im Parrak-System hätte erreichen können. Und jetzt befindet er sich in Kriegsgefangenschaft.“, schaltete sich Kern Ramal ein: „Wir müssen weitermachen, statt die Schlachten der Vergangenheit noch einmal zu schlagen oder vermeintlich verpassten Gelegenheiten nachzutrauern. Wie stark werden die angerichteten Schäden und Nachschubengpässe die Produktion im Parrak-System beeinflussen – und wie lange?"

Thera Los, die mit bemüht ausdrucksloser Miene abgewartet hatte, räusperte sich: „Momentan gehen wir von einer um mindestens ein Drittel verringerten Schiffsproduktion und Reparaturkapazität in dem System aus – also weniger als ein Zehntel der terranischen Gesamtproduktion. Binnen einem Jahr dürften diese Einbußen sich etwa halbieren, wenn auch die wiederaufgenommene Produktion mit deutlich gestiegenen Kosten verbunden sein wird. Ein weiteres Jahr darauf wird die Produktion des Systems voraussichtlich wieder bei neunzig Prozent liegen.“, sie lächelte flüchtig: „Es ist jedoch davon auszugehen, dass dieses Defizit vorerst bestehen bleibt, zumindest unter Kriegsbedingungen.“
Admiralin Ras schnaubte, enthielt sich aber einem Kommentar.
‚Jetzt also‘: „Ich verstehe Sie also richtig, dass das Parrak-System weiterhin für die Kriegsanstrengungen der FRT von zentraler Bedeutung bleibt.“
Die Kapitänin wechselte einen kurzen Blick mit ihrem direkten Vorgesetzten und nickte dann knapp: „Nicht so sehr, wie das Sol-System – aber ja.“

„Und was sollen wir nun tun, um das…Versäumnis Ihres Vorgesetzten zu korrigieren?“, Ras ließ nicht locker: „Müssen wir das System erst einnehmen, um es endgültig aus der Rechnung zu nehmen?“ Sie lächelte blutgierig: „Das würde zudem eine Botschaft sein, die dem Friedensgeschwafel gewisser rückgratloser Phantasten einen endgültigen Riegel vorschiebt.“
„Ich habe schon einmal gesagt, ich will hier keine politischen Debatten!“, schaltete sich Kern Ramal ungehalten ein: „Dergleichen können Sie in ihrer Freizeit pflegen.“ Ihm ging es jetzt nicht nur darum, die ständigen Flügelkämpfe einzuhegen, die auch die Flotte erfasst hatten. Wenn er sich Tarans Unterstützung sichern wollte, musste die Idee einer Invasion vom Tisch geräumt werden.
„Es gibt nichts Wichtigeres, als die Zukunft des Imperiums. Aber unsere junge Captain hier hat meine Frage noch nicht beantwortet.“
„Wenn Sie erlauben, dass ich übernehme…“, Tarans Einwurf klang keineswegs wie eine Frage: „In der Tat bietet Sternentor Optionen für einen erneuten Angriff, durch den das Produktionspotential des Systems dauerhaft ausgeschaltet werden könnte. Die Möglichkeit einer Invasion wurde dabei erwogen…“, Taran wechselte einen Blick mit Ramal und schien sich unmerklich zu straffen: „…aber verworfen. Seafort invasionsreif zu schießen wäre mit hohen Verlusten für die Flotte verbunden. Und angesichts unserer bisherigen Erfahrungen mit den terranischen Bodenstreitkräften im Allgemeinen und den Verteidigern des Parrak-Systems im Speziellen, müssen wir davon ausgehen, dass jeder Invasor bis zu den Hüften im eigenen Blut waten würde. Denken Sie an Wron, an Graxxon, an Gamma-Eridon…“
„Die Marineinfanterie schafft das!“, fauchte General Moras. Allerdings hatte vermutlich nicht nur Kern Ramal den Eindruck, dass der Befehlshaber der Marineinfanterie mit seiner Selbstsicherheit auch die eigenen Zweifel übertönen wollte.
„Natürlich würden sie es schaffen. Aber zu welchem Preis? Und wann? Eine Bodenoffensive über wie viel…30 Lichtjahre?...zu initiieren und am Laufen zu halten, gegen die ständigen Gegenangriffe der Menschen, wäre ein Fehler. Schlimmer noch – es wäre eine Dummheit!“
„Und was dann?!“, fauchte Moras, der damit Admiralin Ras wohl nur knapp zuvorkam: „Wollen Sie die Menschen vielleicht höflich darum BITTEN, keine Schiffe mehr zu bauen?!“
„Lassen Sie den Admiral ausreden, Moras!“, schaltete sich Kern ein, wobei er hoffte, dass sich Taran an ihre Vereinbarung halten würde.
„Vielen Dank, Admiral Ramal. Und was Ihre Frage angeht, General Moras, Admiralin Ras…“, der Chef des Operationsstabes lächelte frostig: „…dachte ich tatsächlich an etwas nachdrücklichere Mittel. Wir könnten siegen. Und zwar ohne einen einzigen Fuß auf den Boden eines Planeten zu setzen.
Captain Los, Starten Sie Simulation 4, Seafort-Werften.“

Während die Offizierin ein verdächtig detailliertes Hologramm der Orbitalwerften und Verteidigungsstationen von Seafort aufrief, fragte sich Kern Ramal, ob der Apell, mit dem Taran so leidenschaftlich gegen einen erneuten Angriff auf das Sterntor-System plädiert hatte, nur Theaterdonner gewesen war.
Nein, das wohl doch nicht. Aber es war schon irritierend, wie umfassend sich Taran offenbar mit einer Operation beschäftigt hatte, die er ablehnte. Und wie routiniert er die Angriffsoptionen jetzt abrollen ließ.

Auf einen Wink Tarans ließ seine Adjutantin die Aufnahme langsam im Raum rotieren, während sie mit ausdrucksloser Stimme deren Defensiv- und Produktionskapazitäten auflistete: „…mit Jägerhangars in Geschwadergröße hier, hier und hier.
Wie Sie sehen, sind etwa achtzig Prozent der Schiffbaukapazitäten von Seafort in den Orbitalwerften konzentriert. Natürlich die gesamte Rumpffertigung und Endmontage, aber auch ein Großteil der übrigen Komponentenherstellung. Da Seaforts Industrie vor allem Rohstoffe und die darauf basierenden Legierungen und Komponenten aus dem Asteroidengürtel nutzte, war es für die Menschen effizienter, den Schiffsbau im Orbit zu konzentrieren. Es gibt natürlich auch eine beachtliche Waffen- und Komponentenproduktion auf dem Planeten, nicht zuletzt bei der Jägerherstellung.“
„Faszinierend.“, ätzte Admiralin Ras: „Aber bisher höre ich nur Gründe, warum wir landen SOLLTEN!“ Auch einige der anderen Admirale zeigten leichte Anzeichen von Ungeduld.

„Haben Sie noch ein klein wenig Geduld.“, konterte Taran gleichmütig: „Die Konzentration der Produktion im Orbit bietet uns einen entscheidenden Vorteil. Denn diese Werften sind zwar schwer gepanzert und gut geschützt – aber dennoch schon durch ihre Konzentration und Position weitaus verwundbarer als Bodeninstallationen. Koordinierte Schläge auf neuralgische Strukturpunkte könnten die Orbitalinstallationen destabilisieren und zerreißen, ohne dass wir das Risiko und den Zeitaufwand auf uns nehmen müssen, zu landen.“
„So können wir vielleicht den Beschuss durch bodengestützte Waffen des Gegners limitieren, aber wir müssten trotzdem in die Schlagreichweite der Verteidigungsstationen und Kampfflieger. Ein Gefecht aus nächsten Nähe…“
„Ich habe nicht die Absicht, den Manövervorteil des tiefen Raums aufzugeben. Ein Angriff in Kiellinie und das Austauschen von Bordwaffensalven auf Kernschussweite würde zwar ohne Zweifel in der glorreichen Tradition der imperialen Flotte stehen, unsere Einheiten aber schwerem Gegenfeuer aussetzen und gleichzeitig ihren Manöverraum einschränken. Nein. Mir schwebt eher ein konzentrierter Distanzbeschuss mit Marschflugkörpern vor, unterstützt durch massierte Kampfflieger- und Schnellbootangriffe. Schwerpunktartige Vorstöße können dann zu gegebener Zeit unsere Bordwaffen ins Spiel bringen.“ Der Admiral winkte beiläufig, worauf seine Adjutantin eine neue Simulation aufrief: An zwei, drei, dann vier Stellen blühten auf der Oberfläche der Seafort umgebenden gigantischen Werftstrukturen rote Wunden auf, die sich immer weiter ausbreiteten – und dann auf einmal war von der Orbitalwerft nicht viel mehr übrig, als einige expandierende Bruchstücke und Trümmer.

„Sehr schön – wenn auch nur eine Simulation...“, konstatierte Admiralin Moth.
„Und wenn die Orbitalwerften in hinreichend große Stücke gesprengt werden, könnten sie zudem auf die Oberfläche des Planeten fallen...“, warf Admiralin Ras ein. Auch wenn ihre Stimme ausdruckslos blieb, in dieser Runde wusste jeder von Admiralin Ras Hass auf die Terraner, der angeblich fast so heiß und vernichtend brannte, wie das nukleare Feuer, das ihren Heimatplaneten verzehrt hatte.
„Mich würde interessieren, mit welchen Kräften Sie dieses Ziel erreichen wollen.“, meldete sich erneut Moth zu Wort. In ihren Worten schwang unterschwelliges Misstrauen mit, als ob sie einen versteckten Haken befürchtete: „Wenn Sie auf direkten Breitseitenbeschuss verzichten wollen und gleichzeitig von massiven Kampffliegerangriffen reden…wir können ja nicht unbegrenzt lange im Orbit von Masters hängen und die feindlichen Installationen mit Fernbeschuss zermürben.“
Taran nickte seiner Adjutantin zu, die wenig begeistert wirkte. Allerdings blieb auch ihre Stimme ruhig und entschlossen. Taran war offenbar ein guter Lernmeister gewesen: „Wir würden für einen Angriff gerne einige der zu Täuschschiffen umgebauten Schlachtschiffe heranziehen.
Der Gegner wird sich davon zwar nicht noch einmal längere Zeit in die Irre führen lassen, jedenfalls nicht ausgerechnet im Parrak-System, wo das schon einmal geschehen ist. Aber auf Endgeschwindigkeit beschleunigt könnten sie als Rammschiffe wirksamer sein als eine Nuklearrakete. Und sie sind nicht so leicht durch elektronische Gegenmaßnahmen oder Gegenfeuer abzulenken.
Abgesehen davon…nach unseren Berechnungen würde für den Angriff eine verstärkte Angriffsflotte Erster Ordnung benötigt.“

Unter den Anwesenden machte sich leichte Unruhe breit. Captain Los bezog sich auf eine in der Flotte übliche, wenn auch informelle Klassifikation. Angeblich basierte sie auf den Akarii-Seeflotten der Prä-Raumflug-Ära oder antiken Armeeformationen. Heute wurde die Einordnung unter anderem dazu benutzt, um die Wichtigkeit und Prestigeträchtigkeit eines Kommandos zu bestimmen.
Flotten der Vierten und Dritten Ordnung bestanden aus selbstständigen Verbänden von einem bis mehreren Dutzend Schiffen, mit maximal einem Flottenträger als Flaggschiff.
Eine Flotte Zweiter Ordnung hingegen umfasste auf jeden Fall zwei bis drei Träger und 100 oder mehr Begleitschiffe. Solche Verbände wurden immer von einem Admiral kommandiert und üblicherweise gegen wichtige Ziele eingesetzt. Wenn ein Admiral zweiten Ranges ein solches Kommando übernahm – und Erfolg hatte – war ihm die Beförderung quasi sicher. Admiral Taran hatte das erst kürzlich vorexerziert.
Eine Flotte Erster Ordnung allerdings…
Dieser Verband wurde mindestens durch einen Admiral Ersten Ranges kommandiert. Eine solche Flotte erfolgreich zu führen, prädestinierte den Kommandanten zu Höherem: ein führender Rang im Flottenstab, der Posten des Kriegsministers, das Kommando der Heimatflotte, gar das Amt des Großadmirals…

Tarans Adjutantin fuhr unbeirrt fort: „Wir reden von vier Flottenträgern sowie jeweils drei bis vier Leichten Trägern und Schnellbootmutterschiffen und vier bis sechs Flugdeckkreuzern. Dazu kommen mindestens zehn Kreuzerdivisionen und die doppelte Anzahl Zerstörer-, Fregatten- und Korvettendivisionen sowie mit Ersatzmaschinen, Atomraketen und Kampffliegertreibstoff beladene Flottentransporter, dazu Minenräumer…insgesamt knapp 300 Schiffe.“

Ein paar Augenblicke herrschte Stille. Auch Kern Ramal war sich nicht sicher, wie er reagieren sollte. Kurz fragte er sich, ob Taran die Zahlen mit Absicht so hoch angesetzt hatte, um die Offensive, die er nicht wollte, als unmöglich abzustempeln.
Doch…nein. Tarans eigener Verband hatte aus zwei Trägern und etwa einhundert Schiffen bestanden – und er war nur mit knapper Not entkommen. Kern erinnerte sich an Tarans bisherige Einsätze und seine frühere Kritik an der in seinen Augen zu überambitionierten Manticore-Offensive. Der junge Admiral war kein Hasardeur. Er bevorzugte das Überwältigen des Gegners dank einer durch Schwerpunktsetzung gesicherten Überlegenheit. NATÜRLICH würde er eine so wichtige Offensive nicht zu knapp kalkulieren. Und sei es auch nur, um sich eine gewisse Verhandlungsbasis zu sichern.

Es war Admiralin Moth, die zuerst das Schweigen brach: „Das ist doch wohl ein Witz!“
Admiral Tarans Gesichts blieb so ausdruckslos, wie seine Stimme kühl und ruhig: „Keineswegs. Ich denke, dafür ist die Situation etwas zu ernst.“
„Und woher wollen Sie bitteschön diese Kräfte nehmen? Jedenfalls NICHT von der Heimatflotte – die ist bereits jetzt nur noch ein Gespenst ihrer selbst.“
„Wir alle müssen Opfer bringen.“, sprang Admiralin Ras überraschend Taran zur Seite. Wenn es darum ging, Feuer und Vergeltung über die Menschen zu bringen, war sie offenbar bereit, über ihren eigenen Schatten zu springen.
„Aber diese Schiffe HABEN wir ganz einfach nicht!“ protestierte Moth: „Rahoo, könnten Sie das unserem jungen Freund bitte klarmachen?!“
Der alte Admiral zögerte kurz und warf Kern Ramal einen skeptischen Blick zu, bevor er wiederwillig das Wort ergriff: „Was wollen Sie hören, Moth? Ich gebe Ihnen Recht, eine solche Flotte können wir nicht zusammenstellen, ohne an anderer Stelle Kräfte abzuziehen. Selbst Admiral Rians Flotte…“
„Aber es wäre möglich.“, schalte sich Kern Ramal ein.
„Theoretisch…“
„Und was ist, wenn der Gegner die Gelegenheit nutzt, um an anderer Stelle offensiv zu werden?! Was wenn er Akar angreift?!“ fauchte Moth wütend: „Mit was soll ich dann das Herz des Imperiums verteidigen?!“
„Sie sehen das möglicherweise etwas zu pessimistisch.“, meinte Taran: „Wenn Sie das Vorgehen der Menschen in den letzten Jahren analysieren, dann werden Sie feststellen, dass sie einen Vorstoß gegen das Parrak-System niemals ignorieren werden. VOR ALLEM, da ein solcher Angriff auf ein System zielt, dass nur einen Sprung von Terra entfernt ist. Im Augenblick sind die Menschen aus dem Takt. Wir und die Konföderation haben sie zu häufig überrascht. Die Neueröffnung der Kreuzeroffensive war ein innovativer Gegenzug der Terraner – wurde aber ganz offensichtlich nur mit begrenzten Kräften initiiert. Die TSN hat nicht die Nerven, eine Offensive zu starten, während wir in ihrem Rücken eine ihrer Kernwelten angreifen.“
„Ich weiß, ich weiß. Aufgrund derartiger Überlegungen haben wir Sie schließlich das erste Mal in das Parrak-System geschickt!“, knurrte Rahoo: „Und Sie glauben wirklich, dass die Menschen dann wie beim ersten Mal reagieren?“
Taran lächelte ausgesprochen hässlich: „Oh, das müssen sie, sobald sie sehen, dass diesmal VIER Flottenträger in das System springen. Dafür haben wir mit der Bombardierung Masters gesorgt. Die TSN kann so etwas nicht noch einmal zulassen.
Und was die Befürchtung angeht, dass die TSN bereits die Formierung der Angriffsflotte nützen könnte, um an anderer Stelle zuzuschlagen…
Es GIBT Möglichkeiten, dem entgegenzuwirken. Dafür könnten wir sogar einige der zu Täuschschiffen umgebauten Schlachtschiffe verwenden.
Auf kürzere Entfernung ist die Täuschung nicht sehr effektiv. Aber wir könnten durch Verlagerungen im Fronthinterland Trägerbewegungen simulieren. In Kombination mit Fehlinformationen unserer Agenten und der Funk-Gegenaufklärung…“
Der Admiral warf Admiralin Ras und deren Stellvertreter einen Blick zu. Die Kommandeurin des Flottennachrichtendienstes nickte ihm mit einem grimmigen Lächeln knapp zu: „Versuchen Sie nicht, einem Shajan zu erklären, wie er seine Beute schlagen soll, Taran. Natürlich ist das machbar.“

Der Shajan war rochenähnlicher Raubfisch von Akar. Das bis zu 3 Meter lange Tier war gefürchtet für sein beeindruckendes Gebiss, seine Stärke und seine Fähigkeit zur Farbmimikry und schlug in der Regel aus dem Hinterhalt zu.

Taran lächelte frostig zurück: „Das MUSS es sogar. Machen wir uns nichts vor. Eine derartige Offensive kann nur gelingen, wenn wir den Gegner überraschen. Die Menschen müssen rätseln, ob wir an der Peshten-Front, im Draned-Sektor, über die Konföderationsflanke oder im Manticore-Sektor angreifen. Kurze Vorstöße leichter Kampfgruppen, die auf den feindlichen Nachschub zielen, könnten zusätzlich dazu beitragen, die Verlegung schwerer Einheiten zu verschleiern. “
Admiralin Moths unheilverkündender Miene zufolge konnte sie sich ausrechnen, woher ein Teil der für diese Vorstöße nötigen Kräfte kommen sollte.
„Werden Sie mal nicht zu raffiniert.“, knurrte Rahoo: „Ich bin sowieso der Meinung, dass wir uns manchmal zu sehr in die Komplexität unserer Angriffspläne verlieben. Je vielschichtiger eine Operation, desto leichter kann etwas schiefgehen. Es wäre nicht das erste Mal.“

Kurz verzerrte sich Tarans Gesicht wieder zu einem hässlichen Grinsen: „Oh, dessen bin ich mir bewusst. Aber es ist notwendig. Das Überraschungsmoment ist für diese Operation nicht nur erfolgsentscheidend, sondern auch überlebenswichtig.“
„Hört mir eigentlich niemand zu?!“, fauchte Moth wütend: „Ich habe schon mal gesagt, wir haben gar nicht die Schiffe…“
„Vielleicht nicht im Augenblick.“, warf Kern Ramal ein: „Aber keiner spricht davon, die neue Parrak-Offensive morgen abrollen zu lassen. Wir reden von…wie viel? Einem halben Jahr?“
„Ein ganzes Jahr wäre mir lieber.“, antwortete Taran: „Aber ich bin mir nicht sicher, ob uns die Menschen so viel Zeit lassen.“, er zögerte kurz, warf Ramal einen undeutbaren Blick zu: „Es gibt allerdings Alternativen…“

‚Bitte nicht dass schon wieder!‘, fuhr es Ramal durch den Kopf. Wenn Taran jetzt seine Abnutzungsstrategie propagieren wollte, würde Ras vermutlich seinen Kopf fordern. Oder den von Kern, falls sie zu der Schlussfolgerung kam, dass er und Taran das vor der Präsentation verabredet hatten. Und sie würde nicht die einzige sein, die nach Blut verlangte.

Aber Taran überraschte ihn: „Ich spreche von einigen eher…unorthodoxen Alternativoptionen, mit denen wir den strategischen und rüstungstechnischen Wert des Parrak-Systems negieren könnten. Zu diesem Zweck würde die Operation freilich umfassende Unterstützung von Forschung und Entwicklung beziehungsweise dem Nachrichtendienst benötigen.“

Kern Ramal registrierte, dass um Admiral Kosnos Lippen kurz ein zufriedenes und erleichtertes Lächeln spielte, was Taran mit einem leicht frostigen Blick quittierte. Kosno war offenbar in diese ‚Alternativen‘ eingeweiht – oder hatte sie vielleicht sogar angeregt?
Admiralin Ras schien hingegen überrascht – und nicht sehr erfreut darüber: „Da bin ich jetzt aber gespannt…“, knurrte sie.
Und wieder überraschte Taran seine Zuhörer: „Admiral Pern, Admiral Kosno? Wie wäre es, wenn Sie die Operationsalternativen vorstellen. Es war immerhin Ihre Idee…“, in seiner Stimme schwang leichte Skepsis mit. Und Ramal war nicht der Einzige, der das bemerkte.
„Sie scheinen ja nicht sehr begeistert von der Idee unseres Blitzdenkers und Ihres Stellvertreters.“, spottete Ras, die selber nicht immer ein wirklich gutes Arbeitsverhältnis mit Kosno gehabt hatte. Das Verhältnis zwischen Nachrichtendienst und Forschung und Entwicklung war seit jeher…kompliziert zu nennen.
Diesmal blieb Taran eine eindeutige Antwort schuldig: „Machen Sie sich selbst ein Bild.“
Ramal kam zu dem Schluss, dass Taran – aus welchem Grund auch immer – von Kosnos und Perns Ideen nicht wirklich überzeugt war. Doch aus irgendeinem Grund wollte er dennoch, dass die Option auf den Tisch lkam.

Admiral Pern erhob sich. Von der Skepsis zweier der jüngsten und – wie zumindest mancher behaupten würde – brillantesten Köpfe im Flottenstab ließ er sich anscheinend nur unwesentlich aus der Ruhe bringen: „Für diesen Einsatz würde keine Angriffsflotte Erster Ordnung benötigt werden. Stattdessen würde eine schnelle Kampfgruppe aus Kreuzern, Flugdeckkreuzern, Zerstörern, Fregatten und vielleicht ein paar Hilfsträgern genügen, die überraschend in das System springt und einen schnellen Angriff fliegt. Möglicherweise wäre nicht einmal das nötig. Eventuell wäre sogar nur ein einzelnes Frachtschiff ausreichend – falls es sich unerkannt in das System schleichen und den Orbitalwerften von Seafort bis auf…Abschussentfernung nähern könnte.“
„Lassen Sie die Dramatik!“, knurrte Rahoo: „WAS wollen Sie abschießen?!“
Aber Ras kam Perns Antwort zuvor: „Eine Antimateriebombe.“

„Das kann doch nicht Ihr Ernst sein?!“, fuhr Admiral Lann hoch: „Wenn wir eine Antimateriewaffe im niedrigen Orbit zünden…wissen Sie, was das für die Planetenoberfläche bedeutet? Sind wir so tief gesunken? Ein solcher Einsatz würde allen Regeln der zivilisierten Kriegführung wiedersprechen!“
Admiralin Ras winkte ab. Sie war nicht die einzige, die Lanns Einwand für etwas antiquiert zu halten schien: „Wir leben nun einmal in unzivilisierten Zeiten.
Und es waren die MENSCHEN, die zuerst eine Antimateriebombe gegen uns eingesetzt haben. Es waren die MENSCHEN, die die Bevölkerung eines gesamten imperialen Planeten ausradiert haben. Wir würden lediglich die Rechnung etwas…ausgleichen. Und wenn wir die Oberfläche von Seafort GLASIEREN würden, wir wären noch lange nicht quitt.“
„Immer mit der Ruhe, Ras!“, schaltete Rahoo ein: „Es geht hier nicht um Vergeltung.“ Der alte Admiral gehörte zu den wenigen, die keine Hemmung hatten, die Kommandantin des Flottennachrichtendienstes zurechtzuweisen.
„Und haben Sie vergessen, wie viele imperiale Planeten vom Gegner besetzt, blockiert oder in bequemer Schlagweite für einen ähnlich ‚schnellen Vorstoß‘ sind, Ras? Die Menschen könnten als Vergeltung an einem Dutzend Stellen zuschlagen, und wir könnten unmöglich voraussagen, wo. Wollen Sie dann vor das Volk von Akar, den Adelsrat…“, Lann zögerte kurz: „…und den Imperator treten, um Rechenschaft für unser Versagen abzulegen?“
„Das lassen Sie mal meine Sorge sein!“, fauchte Ras: „Und die Vernichtung der Werften im Sterntor-System ist das Risiko wert. Vor allem…wen wir diesen Weg zu Ende gehen. Mit einer Antimateriebombe können wir Seafort mit einem Schlag aus dem Spiel nehmen. Dann ein entschlossener Vorstoß ins Sol-System und dasselbe Manöver gegen Terra…“
„Dann doch lieber den Mars.“, warf Admiral Keelan ein: „Von diesem Schlag würde sich die terranische Kriegsmaschinerie nicht erholen. Dann MÜSSEN sie um Frieden nachsuchen…“, er fixierte Admiral Taran: „Aber von einer solchen Ausweitung des Angriffsplans halten Sie nicht viel, oder?“

Der hagere Admiral nickte knapp: „Ich warne vor zu hochgesteckten Ambitionen. Wir haben schon in der Vergangenheit mehrmals das Ziel verfehlt, nur weil jemand unbedingt nach den Sternen greifen musste.“
Diese Warnung wurde mit Schweigen quittiert und Kern Ramal spürte, wie sich seine Kiefermuskeln spannten. Er wusste sehr genau, wen Taran meinte. Der fuhr währendessen ungerührt fort: „Die Verteidigung des Parrak-Systems niederzukämpfen ist schon schwierig genug. Dann auch noch ins Sol-System vorzustoßen, das wohl am schwersten befestigte Ziel der Republik…
Was auch immer die Menschen bisher als Reserve zurückhalten, sie werden es dann einsetzen. Und natürlich wäre ein Angriff auf das Sol-System – wenn überhaupt – nur möglich, wenn wir tatsächlich eine komplette Angriffsflotte unbemerkt zusammenziehen und ins Parrak-System bringen können. Die Alternativ-Strategien, die wir im Parrak-System anwenden könnten, wären gegen das Sol-System chancenlos.“
„Sprechen wir doch noch einmal über diese Alternativen.“, warf Admiral Keelan ein: „Ich verstehe den Plan eines schnellen Kreuzervorstoß mit anschließendem Antimateriewaffen-Einsatz. Riskant – aber es wäre relativ einfach, eine solche Kampfgruppe hinter die feindlichen Linien und in Schlagweite zum Parrak-System zu bringen…“

Er erwähnte es nicht, aber alle wussten, dass ein solcher Verband höchstwahrscheinlich nicht vollständig zurückkehren würde – wenn überhaupt. Und sie alle wussten, dass solche Verluste akzeptiert werden mussten, auch wenn man nicht darüber sprach.

„Mich würde allerdings interessieren, wie Sie es sich vorstellen, mit einem einzelnen Schiff eine Antimateriewaffe ins Ziel bringen zu können. Reden wir von einem Tarnschiff? Ich wusste nicht, dass wir schon SO weit sind.“ Keelan warf Kosno einen spöttischen Blick zu, dessen Miene fast peinlich berührt wirkte.
Taran lächelte flüchtig und nickte Kosno knapp zu, der sich kurz räusperte, bevor er antwortete: „Wir dachten eher an ein Einschleichen unter falscher Identität.“
„Ist das überhaupt möglich?“, Admiral Rahoo klang skeptisch: „Unsere Vorräte an Antimaterie sind gefährlich zusammengeschmolzen. Nicht, dass wir den Terranern am Ende lediglich eine einsatzbereite Massenvernichtungswaffe offerieren…“
„Tatsächlich hat es schon einmal fast funktioniert.“, warf Captain Los ein: „Im Verlauf unserer letzten Offensive gegen das Parrak-System wäre es uns beinahe gelungen, einen mit Atomminen bestückten Terraner-Frachter in die Orbitalwerften von Masters einzuschleusen.“
„Beinahe?“, Admiralin Ras runzelte die Stirn.
Thera Los presste kurz die Lippen zusammen: „Irgendwie haben die Terraner in letzter Minute doch etwas bemerkt. Vielleicht dank eines Sensorenscans oder weil die Übersetzungs- und Audio-/Video-Software, mit der wir eine Terraner-Besatzung simulieren wollten, nicht ganz einwandfrei lief.“
Sie warf Admiral Atan einen Blick zu, den dieser ausdruckslos erwiederte: „Unsere Software funktioniert einwandfrei, Captain.“
Los schnaubte: „Jedenfalls wurde unser Schiff zerstört, leider bevor es die an Bord befindlichen Sprengkörper lancieren konnte.“
„Ihnen ist doch klar, dass die Menschen jetzt besonders wachsam sein werden.“, warf Admiral Lann ein.
„Ich verstehe ja, dass Sie die Chancen der Operation kritisch bewerten…“, ätze Admiral Ras: „…aber vergessen Sie nicht, dass der letzte Versuch ziemlich…improvisiert war. Nichts gegen ihre Leute Taran, aber wir haben da ganz andere Möglichkeiten. Ich kann Ihnen ein Dutzend potentielle Einsatzschiffe verschaffen - und wesentlich bessere Möglichkeiten, die…Landung eines solchen Schiffes abzuschirmen.“
„Und Sie glauben wirklich, dass das ausreicht, um die Sensoren der Terraner in die Irre zu führen, auch auf kürzeste Distanz? Wir müssen schließlich auch die energetische Abschirmung kaschieren. Und die komplette Abschussvorrichtung. Und was ist, wenn die Terraner einen Kontrolltrupp an Bord schicken?“
„Es wäre ein Herausforderung, ein Schiff entsprechend umzubauen.“, gab Admiral Kosno wiederwillig zu: „Aber ich bin mir sicher, dass es möglich ist. Zumindest so, dass es einem militärischen Standardscan wiedersteht. Wir haben in den letzten Jahren genug feindliche Schiffe und Sensorinstallationen erbeutet und ausgewertet, um einen Test unter Realbedingungen durchzuführen.“
Lann ließ sich nicht so leicht überzeugen: „Aber ein Risiko bleibt. Und Sie können die Abschussanlage und die Abschirmung ja wohl kaum unsichtbar machen.“
„Vielleicht könnten wir sie gewissermaßen in die Ladung integrieren. Unter einer schützenden Schicht aus Containern, die zudem als zusätzliche Abschirmung für Scans fungiert…“, Kosno klang jetzt nicht mehr so selbstsicher wie zuvor, gab aber nicht klein bei.
„Und wie wollen Sie die Mannschaft kaschieren?“, spottete Rahoo: „Die können Sie ja wohl kaum hinter einem Haufen Containern verbergen.“
Diesmal war es Admiralin Ras, die antwortete. „Wir haben geeignete Agenten. Nicht-Akarii, sogar einige Menschen.“
„Und die können Sie mit einer passenden Hintergrund versehen, um sie in eine der vermutlich am besten bewachten Weltrauminstallationen der Republik einzuschleusen? Ich rede nicht nur von gefälschten Identitäten, sondern auch von den nötigen Freigaben und Autorisierungscodes – und von dem nötigen WISSEN und Gebräuchen. Es wäre uns schließlich kaum geholfen, wenn unsere Leute in letzter Minute auffallen, weil sie das falsche Idiom benutzen oder ausversehen in eine Sperrzone fliegen, weil sie sich nicht mit den lokalen Richtlinien auskennen.“
„Sie sollten etwas mehr Vertrauen in die Fähigkeiten unserer Aufklärung haben.“, konterte Ras: „Es IST möglich.“
„Und diese Agenten wären bereit und in der Lage, mit einem Antimateriesprengsatz unter dem Hintern in eine terranische Orbitalwerft einzudringen, alle Kontrollen zu überwinden – und den Einsatz durchzuziehen, auch wenn sie wissen, dass sie wahrscheinlich nicht zurückkommen würden?“, Rahoo klang ungläubig.
„Das lassen Sie meine Sorge sein.“, Ras Stimme klang angespannt – vermutlich weil ihr bewusst war, dass es ihr nicht gelungen war, die Skepsis zu beseitigen, die nicht nur Rahoo und Lann den Fähigkeiten der Entwicklungsabteilung und des Nachrichtendienstes entgegenbrachten.
Admiral Lann schnaubte abfällig: „Verzeihen Sie meine Skepsis, aber Wunderwaffen, Spezialprojekte und ähnliche Spiegelfechtereien machen sich meiner Meinung nach besser in einem Holodrama als im richtigen Leben.
Warum bemannen Sie das Schiff nicht gleich mit ein paar Agenten aus dem Kerr-Projekt? Und da Sie schon mal dabei sind…wie wäre es mit ein paar von Gaidan Tramts Supersoldaten? Die könnten die Operation vermutlich problemlos durchziehen!“

Gaidan Tramt war ein imperialer Genetiker gewesen, der vor mehreren Generationen versucht hatte, durch Experimente mit dem Erbgut von Akarii, T’rr und anderen Rassen einen ‚perfekten‘ Soldaten zu schaffen. Letztendlich war er in Schimpf und Schande davongejagt und angeblich einige Jahre später hingerichtet worden.
Aligob Kerr war ein würdiger ‚Nachfahre‘ Tramts gewesen, wenn auch in einem anderen Arbeitsgebiet. Kurz vor Beginn des Terraner-Krieges hatte er versucht, das ‚Ich‘ eines Wesens zu digitalisieren und auf einen anderen Körper zu übertragen. Aufgrund unethischer Versuche und ausbleibender Erfolge hatte auch er irgendwann untertauchen müssen und war später angeblich vom terranischen Geheimdienst gestellt oder getötet worden.
In beiden Fällen war der Fallout für die involvierten Geheimdienst- und Entwicklungsabteilungen beträchtlich gewesen und hatte zahlreichen Offizieren den Job oder zumindest ihre weitere Karriere gekostet.

Während Admiral Kosno pikiert wirkte, reagierte Ras irritiert: „Woher bei den Raumgeistern wissen Sie denn davon?! Diese Operationen sind klassifiziert.“
Lann winkte verärgert ab: „Davon weiß doch jeder! Diese Geschichten sind einfach zu grotesk, um unter Verschluss zu bleiben. Jeder Spinner, der eine Vorliebe für Geistergeschichten hat oder gerne darüber spekuliert, WOHER diese beiden Leuchten akariischer Wissenschaft ihre Technik hatten oder wem sie dafür ihre Seelen verkaufen mussten…“
„Das reicht jetzt, Lann.“, schaltete sich Kern Ramal ein: „Ich schätze einen offenen Gedankenaustausch. Aber solange Sie außer moralischen Erwägungen und ihren Zweifeln an der Kompetenz einiger…Spezialprojekte keine fundierten Einwände haben…“
„Nur das Wissen, was unserem Volk als Vergeltung droht, wenn Sie über Seafort eine Antimateriebombe zünden. Was Sie damit aufs Spiel setzen.“
„Ich denke, jedem der Anwesenden ist das Risiko bewusst.“, Admiral Tarans Stimme blieb kühl, hatte aber einen harten Unterton gewonnen. Und es war nicht Admiral Lann, den er anblickte, als er fortfuhr: „Ob wir eine Antimateriebombe über Seafort zünden oder praktisch die gesamte noch verfügbare Offensivkapazität des Imperiums in die Waagschale werfen – oder beides – es ist das Schicksal des Imperiums, das wir in den Händen halten. Oder vielmehr in die Hände desjenigen legen, der diese Operation durchführen wird.“
„Soll das eine Bewerbung sein?“, spottete Rahoo: „Haben Sie mit den Menschen im Parrak-System noch eine Rechnung offen?“ Vielleicht spielte er auf den Flottenträger an, den Tarans Verband beim Rückzug aus dem System verloren hatte – ein harter Schlag, auch wenn Rahoo vermutlich nicht wusste, WIE schwer der Verlust des Trägers und eines ihm inzwischen gut vertrauten Untergebenen den jungen Admiral getroffen hatte.
Jetzt jedenfalls ließ sich Taran nicht aus der Reserve locken: „Ich diene dem Imperium. Wo auch immer das sein mag. Ob auf der Brücke eines Trägers oder im Flottenstab.“

‚Aber nicht unter Jor Thelam.‘, schoss es Kern Ramal erneut durch den Kopf. Dann ermahnte er sich selber, diese alte Geschichte endlich zu vergessen – auch wenn sie eigentlich noch nicht wirklich SO alt war. Aber wenn er das Imperium retten wollte, dann konnte er auf Ex-Frondeure wie Taran nicht verzichten.

„Ich danke Ihnen allen für die Darlegung unserer Handlungsoptionen bezüglich des Parrak-Systems. Ich würde sagen, ich spreche für uns alle…“, Admiral Lann regte sich, schloss aber nach einem scharfen Blick Ramals den Mund: „…dass die skizzierten Operationen weiterer Detailplanung und Analysen bedürfen, bevor wir darüber entscheiden, welche wir umsetzen werden.
Admiral Taran, vervollständigen Sie die Operativplanung für einen möglichen Angriff mit einer Angriffsflotte. Admiralin Ras, Admiral Atan und Admiral Kosno werden Sie bezüglich der Involvierung ihrer jeweiligen Abteilungen beraten – das gilt natürlich auch für Sie, Rahoo, wenn es um die Bereitstellung der nötigen Schiffe geht. Und ja, Admiralin Moth, ein Einsatz von Teilen der Heimatflotte WIRD zumindest erwogen werden müssen. Ich will eine Aktualisierung der Leistungsbewertung Ihrer Schiffe haben. Intensivieren Sie die Übungen. So zeigen wir außerdem verstärkte Präsenz, vielleicht beruhigt das auch einige der schwächeren Gemüter.“
„Solange ich überhaupt noch etwas HABE, womit ich Präsenz demonstrieren kann…“, knurrte Moth halblaut und fügte dann lauter hinzu: „Natürlich, Admiral.“
„Und Admiral Taran – Sie werden Ihre Kollegen Ras, Atan und Kosno auch mit Ihrer Expertise zur Seite stehen, was deren Machbarkeitsplanungen für die eher…unkonventionellen Angriffsoptionen gegen das Parrak-System betrifft.“
„Selbstverständlich.“
„Gut. Wenden wir uns jetzt dem Gamma-Eridon-Problem zu. Ich denke, uns ist allen klar, dass die kurzfristig angesetzte Offensive unserer Brüder und Schwestern bei der Armee auch beträchtliche Auswirkungen auf die Flottenoperationen vor Ort haben wird. Sowohl unsere, als auch die des Feindes. Laut dem Bericht von Admiralin Morr…“
07.01.2020 17:49 Tyr Svenson ist offline E-Mail an Tyr Svenson senden Beiträge von Tyr Svenson suchen Nehmen Sie Tyr Svenson in Ihre Freundesliste auf
Ace Kaiser Ace Kaiser ist männlich
Lieutenant General


images/avatars/avatar-461.gif

Dabei seit: 01.05.2002
Beiträge: 7.038

Auf diesen Beitrag antworten Zitatantwort auf diesen Beitrag erstellen Diesen Beitrag editieren/löschen Diesen Beitrag einem Moderator melden       Zum Anfang der Seite springen

An Bord der COLUMBIA hatte sich der kleine Stammtisch von Decker, Stacy und mir mittlerweile herumgesprochen; wohlmeinende Spötter nannten es in Anspielung auf unsere Commander-Streifen die Dreier-Ringsitzung, nicht so wohlmeinende Spötter meine persönliche Casting-Couch, weil ich ihrer Meinung nach versuchte, mich durch den Kontakt zum 1 O des Trägers und des Waffenspezialisten für den nächsthöheren Rang zu empfehlen. Nichtsdestotrotz trafen wir uns mindestens einmal die Woche, tranken ein Bier zusammen oder zwei, mal war Stacy nicht dabei, mal Decker, mal fehlte ich, es war nicht wirklich ein festes Ritual. Während dieser Gelegenheiten tauschten wir uns untereinander aus, und das nicht nur über den Dienst. Dies führte manchmal dazu, dass wir sogar einen Gast an unseren Tisch baten. Der Bosun war schon dabei gewesen, der 2 O Fischer, ein paar Leute aus Deckers Team, und so weiter. So war es nicht weiter verwunderlich, als einmal Captain Lot von Stacy eingeladen wurde, sich mit uns zu unterhalten. Irgendwie waren wir einmal auf das Thema Bibliotheken gekommen und hatten untereinander unsere Lieblingsbücher und -Filme vorgestellt. Lot, Verbindungsoffizier des Marinegeheimdienstes zum Peshten-Hauptquartier, war routinemäßig einmal im Monat auf dem Schiff, um gewisse Abläufe zu koordinieren, dazu gehörten natürlicherweise auch unsere Patrouillen. Bei dieser Gelegenheit hatte er ein Gespräch von Fischer und Stacy überhört, in dem es um den heutigen Abend gegangen war, und er hatte sich trotz seines eher knochigen, nüchternen Erscheinungsbild als ganz großer Fan von Tanzfilmen des Zwanzigsten Jahrhunderts vorgestellt. Also hatte Stacy nicht lange gezögert und ihn zu unserer Sitzung gebeten.

Ich musste zugeben, Helge Lot war eine Bereicherung für das Thema. Er kannte Astair, Kelly war ihm ein Begriff, und auch zu Davis Jr. hatte er einiges zu erzählen. Dieser Abend machte richtig Spaß, und als er sich dem Ende entgegen neigte, koppelten wir alle vier unsere tragbaren Datenspeicher miteinander und tauschten Filme und Bücher aus.
Als wir auseinander gingen, musterte mich der kleinere Geheimdienstoffizier mit einer leicht spöttischen, aber irgendwie väterlichen Miene. „Ich dachte wirklich, Sie sind größer, Ace“, sagte er schmunzelnd, und reichte mir zum Abschied die Hand. Ich ergriff diese, drückte fest zu und erwiderte: „Wenn ich noch größer wäre, hätten die Techniker mein Cockpit anpassen müssen.“ Diese staubtrockene Behauptung quittierte Lot mit einem wiehernden Lachen und der Frage, ob er das nächste Mal, wenn er wieder an Bord war, erneut unseren Tisch besuchen durfte. Wir sagten zu.

Mein nächster Weg hätte mich eigentlich direkt zu meiner Maschine führen sollen. Nach dem letzten Geleitschutzflug für die eintreffende Infanterie-Division der Peshten hatte ich an einer Mine ein paar Schäden erlitten. Ich hatte eigentlich vorgehabt, bei der Beseitigung zu helfen, um die vollkommen überlasteten Techniker zu unterstützen. Stattdessen ging ich direkt in mein Quartier und schloss die Tür hinter mir ab. Hier erst wagte ich es, meine rechte Hand, die ich leicht gekrümmt hielt, seit ich die Messe verlassen hatte, wieder zu öffnen. Ich sah hinein und erkannte einen kleinen, mit Wachs versiegelten Umschlag nicht länger als mein Daumen. Das Siegel war interessant, es war das Logo des Flottengeheimdiensts eingeprägt worden.
Ich brach das Siegel und zog ein Blatt hervor. Es bestand aus einer Lage Seidenpapier und entfaltete sich letztendlich auf die Größe Din A 4. Das Papier war dicht beschrieben, und so nahm ich eine Lupe zu Hilfe. „Jetzt ist an der Zeit, dass alle aufrechten Männer ihren Brüdern zu Hilfe kommen“, las ich verhalten laut. In einem Anfall von Affekt hätte ich beinahe das ganze Papier samt Wachssiegel – ja, es war echtes Wachs, da war ich sicher, denn ich ahnte, was damit passieren würde – zur Unkenntlichkeit zerknüllt. Dies war der Codesatz, mit dem Bayonne oder mit ihm involvierte Leute meine Unterstützung für irgendwelchen Geheimdienstscheiß einfordern konnten, weil ich über Troffen ein Stück meiner Seele verkauft hatte. Zwar war ich nicht der Pilot gewesen, der Bayonne erlaubt hatte, Flieder auf eine Siedlungswelt der Akarii abzufeuern und sämtliche Siedler auf einen Schlag auszurotten, aber für mein Wissen über die Aktion, und vielmehr für mein vehementes Schweigen musste ich bezahlen. Lange, lange Zeit hatte ich gedacht, ich wäre aus dem Fokus des TIS verschwunden. Dann war die Geschichte mit der EMERALD JADE passiert, und ein Vice Director Larriand hatte mich mit diesem Satz daran erinnert, dass Bayonne mein Leben noch immer in den Klauen hatte. Damals hatte ich nur den Missionsbericht von Tremane lesen und kommentieren sollen. Mit Ergänzungen, nicht mit Spekulationen. Und ich musste ehrlich sagen, die Sicht der Dinge durch den TIS-Commander, vor allem auf meine Person, waren nicht besonders schmeichelhaft gewesen. „Nützlich und naiv, leicht zu gebrauchen“, daran kaute ich selbst Monate nach der Mission noch herum. Leider hatte Tremane damit vollkommen Recht behalten. Mein einziger Trost war, dass Lilja noch naiver, noch nützlicher und noch leichter zu gebrauchen gewesen war.
Als ich mich gefangen hatte, las ich weiter. Grüße von Bayonne, natürlich, dann eine kurze Erläuterung dessen, was von mir erwartet wurde. Was, wann und wo, und wie es vonstatten gehen sollte. Den Schluss bildeten zwei Sätze: Bei Erfolg hatte ich Aussicht auf den Silver Star – und natürlich musste ich alles, was auf dem Papier stand, auswendig lernen, und das Papier und das Wachssiegel verspeisen. Mit nicht gerade wenig Wut im Bauch tat ich das auch, lernte Zeiten, Flugrouten, Koordinaten, alles was ich brauchte, um zu funktionieren. Dies tat ich dreimal, und als ich mir sicher war, dass alles saß, nahm ich einen Notizzettel und schrieb mir die reinen Koordinaten heraus, die ich als Buchstaben verschlüsselte. Anschließend nahm ich ein beliebiges Buch zur Hand und machte mit einer Nadel Löcher in die erste Seite in der Reihenfolge der von mir gecodeten Buchstaben, sodass ich, hielt ich die Seite gegen Licht, sehen konnte, welche Buchstaben markiert waren, und damit auch, für welche Zahlen sie standen. Eine einfache Rückversicherung, damit ich, falls ich die Koordinaten vergaß, kurz vor dem Einsatz noch einmal nachschlagen konnte. Das Buch wanderte wieder ins Regal, und nichts verriet, was es enthielt.
Dann begann mein frugales Mahl aus einem Blatt Seidenpapier und dem wesentlich härteren, aber kleinen Notizzettel mit meiner Kodierung inklusive Wachssiegel.
Ein Silver Star, eh? Wenn ich das überlebte, was Bayonne von mir verlangte, war das wirklich das Mindeste. Aber es tat mir nicht leid. Für mich war es irgendwie eine Entspannung, dass ich endlich für eine, hm, Arbeit herangezogen wurde. Der TIS hörte auf, herumzueiern und benutzte mich, und das auch noch in einer sinnvollen Mission. Ich musste sie nicht mal überleben, nur lange genug durchstehen, aber zugegeben, überleben war schon ein Faktor, den ich schon gerne bekommen würde. Was mich wirklich an der Mission störte, war, dass ich einen meiner Piloten mit rein ziehen musste.
***
Während ich das nächste Mal für eine Patrouille der Frontlinie in die Atmosphäre der Peshtenwelt hinab kletterte, tat ich dies mit Chip an meiner Seite. Der immer intensiver werdende Dienst, die Lücken, die wir füllen mussten, wenn unsere Kameraden beim Konvoi waren und die immer dichter aufeinander erfolgenden Angriffe, die auch die Verteidiger der COLUMBIA nervös machten, hatten dazu geführt, dass wir kaum dazu kamen, wenigstens die Basisgeschichten der Staffel in Ruhe zu besprechen. Kurzerhand hatte ich also mit Chip nach einer Doppelschicht Ruhepause eine außerplanmäßige Patrouille übernommen. Nun hatten wir die Zeit, um wenigstens einiges nachzuholen.
Unser Auftrag war denkbar simpel: Präsenz zeigen an der Frontlinie der Akarii. Wir würden den Abschnitt Quebec entlang patrouillieren und dabei auf alles schießen, was in der Luft nichts verloren hatte. Dabei blieben wir über befreundetem Gebiet, außer, wir mussten einen Feind verfolgen. Unsere Befehle machten dabei deutlich, dass die eigene Sicherheit mehr Bedeutung hatte als ein Abschuss. Ich wäre nicht der erste und gewiss nicht der letzte Pilot gewesen, der die Wirkung von zwei, drei Dutzend Luftfäusten zu schmecken bekam und von ihnen vom Himmel geputzt wurde, von konventioneller Flak oder Laserflak ganz zu schweigen.

Wir erreichten das Einsatzgebiet, als über dem Kampfgebiet der Morgen dämmerte. Zwei Raumjäger so früh am Morgen war jetzt keine Seltenheit, aber auch nichts Alltägliches. Zudem beschloss ich, hoch genug zu fliegen, um den Peshten den Schlaf zu gönnen; es hatte schon Idioten gegeben, die ohne Not mitten in der Nacht über der Frontlinie die Schallmauer durchbrochen hatten.
Dabei war uns der frühe Morgen hold. Wir erwischten in den ersten fünf Minuten einen Transportheli und seine beiden Begleitmaschinen kalt fast aus deren Sechs heraus und schickten sie zu Boden. „Was für eine Silhouette gibt das denn eigentlich, Ace?“, fragte Chip leidlich amüsiert.
„Frag den Bosun. Aber du musst dir mindestens zwei Markierungen aufmalen lassen“, erwiderte ich gut gelaunt. „Wir...“
„Able Baker von Sturmheim.“
„Hier Able Baker“, meldete ich mich. „Kommen, Sturmheim.“
„Able Baker, wir haben eine Situation in Ihrer Flugrichtung, fünfzig Klicks entfernt, zwei Eagles im Gefecht mit überlegenen Kräften. Schließen Sie auf und unterstützen Sie Gunman und Rokko.“
„Sturmheim, habe verstanden. Schließen auf und unterstützen Gunman und Rokko. Frequenz?“
„Gefechtsfrequenz ist Epsilon; Ansprechpartner ist Rokko. Sturmheim Ende.“
„Sturmheim, Able Baker Ende.“ Ich sah zur Falcon Chips herüber. „Du hast es gehört, wir dürfen ein paar Kollegen mit Eagles aushelfen. Wir müssen jetzt wohl ein paar Schlafmützen wecken.“
„Verstanden, Ace. Flugmanöver?“
„Wir gehen ran, bis wir sie über die planetare Krümmung sehen können. Sage ich nichts weiter, fliegst Du einen Bogen und kommst aus der Drei, während ich aus der Sechs komme. Wir schießen auf alles, was feindlich ist. Falls ich was sehe, was mir nicht gefällt, gebe ich dir Bescheid, was ich geändert haben möchte.“
„Verstanden.“ Und das hatte er auch. Der Journalist war nicht nur ein guter Schreiber, sondern auch ein guter Pilot. Und ein guter Staffelführer würde er auch noch werden. Das versprach ich mir selbst.

Wir stiegen also aufs Gas und durchbrachen die Schallmauer. Kurz darauf hatten wir erste Ortungen vom Ärger, in dem Gunman und Rokko steckten. Und ihre Positionen. Sie lagen abseits der eigenen Linien, ziemlich tief drin im Niemandsland, eigentlich schon über der Akarii-Frontlinie. „Sie lassen sich rüberziehen, oder?“, fragte Chip.
„Wohl eher rüberdrücken“, erwiderte ich ernst. „Brich jetzt weg.“
„Verstanden.“ Chips schlanke Maschine verschwand von meiner Seite und begann einen Bogen nach Rechts zu schlagen, damit er im neunzig Grad-Winkel wieder zu mir stoßen konnte. Ich überprüfte meine Ortungen und kam zum Schluss, dass sich die armen Schweine gleich mit sechs feindlichen Jägern angelegt hatten, augenscheinlich Bloodhawks. Das war gut, denn die gute alte Bloodhawk war ein Raumjäger und damit in der Atmosphäre Beschränkungen unterworfen. Dies verschaffte den Eagles als echten aerodynamischen Jägern den Vorteil, den sie gebraucht hatten, um noch nicht als rauchende Trümmer am Boden geendet zu haben. Wären die Akarii auch mit Atmosphäregebundenen Jägern hier gewesen, mit Satokos oder gar der Chr'Chr, wäre wahrscheinlich jede Hilfe zu spät gekommen. So aber konnten wir einen Unterschied machen.
Ich meldete uns an. „Rokko von Ace“, sagte ich über die Epsilon-Frequenz. „Zwei Falcon zur Unterstützung. Beginnen mit Passage-Angriff.“
„Ace, Rokko hat verstanden. Cliff, ich hätte nicht gedacht, mich mal so zu freuen, deine Stimme zu hören!“
Als ich die Stimme erkannte, entließ ich ein sehr leises, erfreutes Schnauben. Galit. Dann war der zweite Mann mit Sicherheit der Colonial-Lieutenant, Dekker, der als Söldner für die Peshten arbeitete.
Ich enthielt mich einer direkten Antwort, checkte nach Chip und begann, meine Raketen auf das erste Ziel aufzuschalten. „FOX TWO!“, rief ich und hatte in Chip ein Echo. Noch während die Amram-Raketen ihre Bahnen in Richtung Bloodhawks zogen, peilte ich das nächste Ziel an und eröffnete das Feuer mit den Bordgeschützen. Unser Ziel war es, Dalan Galit und Dekker die Tür zurück nach Hause zu öffnen, nicht uns Abschüsse zu holen.
Unser Auftauchen war plötzlich genug gewesen, um die Akarii zu überraschen. Meine zwei Amrams trafen beide eine Bloodhawk und raubten ihr die Seitenschilde. Als ich den Pulk der Kämpfenden passierte, gekreuzt von Chip, der ebenfalls Amrams und seine Geschütze abgefeuert hatte, fehlte mir allerdings die Zeit, um der Maschine den Rest zu geben. Chip und ich drehten ein und formierten uns für einen neuen Anflug. Keiner der Akarii war uns gefolgt. Es war, als würden sie uns geradezu einladen, den Passierangriff zu wiederholen. „Zweiter Durchlauf, Chip.“
„Verstanden, Boss“, kam die kurze und knackige Antwort. „FOX TWO!“
Wieder feuerten wir beide zwei Raketen ab, diesmal Sidewinder, und wieder beharkten unsere Bordwaffen die Bloodhawks. Diesmal mit genug Erfolg, um eine Akarii-Maschine nach Hause zu jagen; geduckt gegen den Boden floh die Jet in Richtung der eigenen Linien. Ich widerstand der Verlockung, ihr den Rest zu geben und drehte erneut ein.

„Rokko, wir kommen in den Dogfight.“
„Negativ, Ace. Dritter Anflug, dann kommen wir frei!“, sagte der T'rr mit angespannter Stimme.
„Du hast den Mann gehört. Kehre nach links, dann wieder Angriff über Kreuz.“
„Nicht Kehre über rechts?“, fragte Chip. „Ist nicht so, als gäbe es viele Möglichkeiten für einen Passierangriff.“
„Kehre über links. Öfter mal was Neues. Dann sollten wir allerdings auch zusehen, dass wir die Tür für unsere beiden besten Freunde aufgehebelt haben. Mehr Raketen haben wir nicht“, erinnerte ich meinen Stellvertreter. Nicht, dass er das nicht selbst wusste. Aber ein guter Staffelchef kam nicht aus seiner Haut raus und zählte mit.
„Habe verstanden.“
Wir gingen wieder in die Kurve, nur diesmal über links, dann flogen wir erneut auf den Pulk der Bloodhawks und der zwei Hornets zu. „FOX TWO!“ Mit diesen Worten verließen meine letzten beiden Raketen die Maschine, und auch Chip feuerte sein letztes Paar ab. Wieder feuerten wir unsere Bordkanonen, und Chip gelang es, eine bereits angeschlagene Bloodhawk zu erwischen, was den Count auf vier reduzierte. Die Pilotenkapsel wurde abgesprengt und schwebte an einem Fallschirm zu Boden.
„Kehren ein für Dogfight“, sagte ich erneut, und diesmal erwiderte der T'rr: „Verstanden, Ace. Ihr zwei seid uns sehr willkommen.“

Ich erreichte einen bestimmten Punkt über dem Schlachtfeld. Noch auf neutralem Gebiet, aber eigentlich mehr auf der Akarii-Seite. Ich spürte, wie sich meine Stirn kraus zog, wie sich meine Miene verhärtete. Nun galt es. Bevor ich in die Kehre ging, fuhr ich die Aktivortung auf Maximum. Radar und Bodenwellenradar jagten etliche Joule an Leistung raus, und bereits nach der ersten Ortung hätte ich die Grashalme am Boden durch meinen Bordcomputer zählen lassen können.
Da gellte der Erfassungsalarm auf. Ich brach die Kurve ab, ging in die andere Richtung und suchte nach der Quelle. Eine einzelne Luftfaust war vom Boden aufgestiegen und explodierte neben meiner Maschine. Sie war nicht stark genug, um die Schirme zu durchschlagen, aber die Explosion war energiereich genug, um sie zu schwächen. Noch immer mit voller Leistung aktiv ortend suchte ich nach der Quelle der Luftfaust, konnte aber nichts auf dem Radar erkennen.
„Ace! Vorsicht! Das ist...“, rief Commander Galit. Ich sah auf meine virtuelle Karte und registrierte, dass ich ein paar Kilometer vom Scharmützel abgetrieben worden war. Mein Kurs trug mich über die Akarii-Linien. „Kann nicht beidrehen!“, rief ich zurück. „Ich überquere ihre Front und steige danach in den Orbit!“
„Wir werden...“
„Negativ!“, rief ich, während die Falcon beschleunigte, um ein schwereres Ziel abzugeben. „Ich überquere die Linie und steige! Nehmt Chip mit nach Hause!“
Wäre ich jetzt in die Kurve gegangen, ich hätte etlichen Kilometern Akarii-Front die Flanke meiner Maschine präsentiert. So aber konnte ich ihre Linien prägnant durchstoßen und mir eine Stelle suchen, auf der ich drehen konnte, oder aber aufsteigen, wie ich es angekündigt hatte.

Wieder durchstieß ich die Schallmauer, so nahe am Boden, wie meine Erfahrung es zuließ. Zuerst passierte nichts, als ich die angenommene Frontlinie überflog. Dann aber schaltete eine SAM ihr Suchradar auf mich, zwei Stellungen wurden aktiv. Mangels eigener Raketen versuchte ich mich darin, das Radar mit meinem Bordwaffen zu bekämpfen. Vielleicht hatte ich ja Glück und landete einen Sonntagstreffer. Es misslang, und die beiden Raketenstellungen schickten mir jeweils eine Rakete hinterher. Ich stieß Abwehrmaßnahmen aus, während meine Ortung weiterhin auf voller Leistung lief. Deshalb erkannte ich auch sehr gut, dass weitere SAM zum Leben erwachten und mich anvisierten, und dies viel tiefer im Land, als die Feindaufklärung angenommen hatte. Dann hatte ich den eigentlichen Frontbereich hinter mir. Eine Rakete war den Abwehrmaßnahmen auf den Leim gegangen, die zweite detonierte in meinem Heckschirm und schüttelte mich ordentlich durch. Die anderen SAM schalteten wieder ab, nur eine hielt den Laser auf mich gerichtet und schickte mir gleich vier Raketen hinterher, während ich immer noch so tief flog, wie ich es gerade so verantworten konnte. Nur dank meines Bodenwellenradars hatte ich noch nicht die blanke Erde geküsst.

Als die vier Raketen nahe genug waren, stieß ich erneut Abwehrmaßnahmen aus und zog die Maschine zuerst in eine enge Kehre und dann steil nach oben im Versuch, diesem Wespennest zu entkommen. Nicht zu Unrecht spekulierte ich darauf, dass ich mich mittlerweile weit genug von den SAM-Stellungen entfernt hatte, als dass die Akarii weitere Raketen auf mich verschwendet hätten. Zwei Raketen folgten den Abwehrmaßnahmen, eine küsste den Erdboden und detonierte. Die letzte aber explodierte direkt neben mir, ich hatte gerade noch genug Zeit, das Cockpit wegzudrehen und der Akarii-Waffe den Bauch hinzuhalten. Ich verlor meinen Schirm. Ein beträchtlicher Teil der Waffenenergie schlug durch, und ein Großteil der Statusmeldungen auf dem Hilfsbildschirm, der mich über den Zustand meiner Maschine unterrichtete, schaltete auf ein besorgniserregendes Rot um. Zwei zeigten sogar schwarz, waren aber für den Steigflug im Moment nicht relevant. Ich suchte nach weiteren Raketen oder gar nach einer Rotte Fliegerbereitschaft, die mich dreisten Terraner vom Himmel putzen sollte. Dabei hielt ich mich bereit, meine gesamten Ortungsdaten per Laserrichtfunk Galit zu senden, sollte es meine Maschine nicht schaffen. Aber zumindest war ich sicher, dass er, Dekker und Chip selbst eine Menge Daten gesammelt hatten, während ich gezwungenermaßen die Akarii-Front überflogen hatte.

Als ich nach einigen Sekunden Steigflug die Tropopause erreichte, begann so etwas wie Zuversicht in mir zu wachsen. Noch immer keine neuen Raketen, noch immer keine Verfolger. Die Ecke, die ich mir ausgesucht hatte, um hochzuziehen, war wirklich das dunkle Loch, das man mir versprochen hatte, eines von dreien in dieser Gegend. Dann traf die Jet auf die Stratosphäre, und von hier war es nicht mehr weit bis in den Weltraum.
Ich beobachtete meine Anzeigen. Meine Schutzschilde hatten wesentlich bessere Zeiten gesehen, aber regenerierten sich wieder, sechzig Prozent der Maschine waren beschädigt, elf Prozent schwer oder ausgefallen. Doch das Triebwerk wummerte mit der Seelenruhe einer Großmutter beim Kuchenbacken, und das war das einzig Gute an der Situation. Ob der Rest der Maschine in dem Zustand selbst den Zusammenprall mit einem Atmosphärejäger überstanden hätte, war mehr als fraglich. Ich hatte bisher sehr viel Glück gehabt. Und ich wusste nicht, wie lange es noch anhalten würde.

„Monitor von Ace“, sagte ich so gelassen wie möglich. „Steige auf Punkt d'Il in die Stratopause. Sehen Sie Feindeinheiten in meinem Weg?“
„Ace von Monitor“, kam die Antwort der peshtischen Orbitalüberwachung. „Punkt d'Il ist frei von, ich wiederhole, Punkt d'Il ist frei von aktiven Feindeinheiten. Ziehen Sie nach Erreichen der Mesosphäre Richtung Checkpoint Ianus. Eine Sektion Hornets fliegt Ihnen entgegen und nimmt Sie in die Mitte.“
„Monitor von Ace, habe verstanden. Und, danke.“
„Keine Ursache, Ace. Sie helfen uns, wir helfen Ihnen. Wir melden uns, wenn sich im Orbit etwas für Sie verändert.“
„Copy, Monitor.“ Ich wagte es, ein klein wenig aufzuatmen. Falls mein Vogel nicht auseinander brach, während ich die noch relativ dichte Stratopause verließ und in der wesentlich luftärmeren Mesosphäre in Richtung eigene Linien eindrehte – und nicht noch ein halbes Dutzend stealthgetarnter Raumjäger der Akarii zum Leben erwachten, um mir den Garaus zu machen – hatte ich diese Torheit so gut wie überlebt.
Dann durchstieß ich die Ozonschicht und kurz darauf beflog meine Falcon die Mesosphäre. In den alten prästellaren Zeiten war dies für die Menschen bereits der Weltraum gewesen. Hier hatten sie ihre Satelliten abgesetzt. Hier waren ihre Raumstationen geflogen. Und ehrlich gesagt passte der Weltraum zu mir auch wesentlich besser als eine planetare Gravitationshölle. Zeit, Richtung Ianus zu fliegen und damit auch nach Hause. Kurz schrak ich auf, als die Ortung anschlug, aber es waren nur die vier angekündigten Hornets.
„Ace von Lanaman, kommen mit vier Einheiten entgegen. Keine Feinde in Reichweite“, meldete ihr Anführer. Nun konnte ich fast ein wenig erleichtert sein. Ich schaltete die Aktivortung wieder auf normale Werte. „Lanaman von Ace, habe verstanden und warte auf das Anpassungsmanöver. Auch ich orte keine Feinde in Reichweite.“ Falls nicht doch noch ein paar Bastarde aus dem Nichts auftauchten. In letzter Zeit waren die Kaiserlichen weder zimperlich, noch arm an Ideen gewesen, aber wahrscheinlich, höchstwahrscheinlich wurden alle ihre freien Kräfte vom Konvoi gebunden, den sie um jeden Preis davon abhalten wollten, den Planeten zu erreichen.

Kurze Zeit später reduzierten die Hornets relativ zu mir auf Null Geschwindigkeit und beschleunigten dann sanft in Gegenrichtung, je näher ich kam. Bevor ich sie zu passieren drohte, passten sie ihre Geschwindigkeit der meinen an. Als wir gleich schnell dahin flogen, taten wir dies in einer perfekten Formation mit mir in der Mitte. Das war schon meine Anerkennung wert.
Und ja, noch war ich nicht am Ziel meiner Reise, der peshtischen Orbitalwerft, angekommen, aber jetzt, jetzt konnte ich erleichtert aufatmen. „Lanaman von Ace. Danke für die Begleitung.“
„Ace von Lanaman, die haben Sie auch bitter nötig. Was hält Ihre Falcon noch zusammen, außer Ihr eiserner Wille?“
„Pragmatismus wahrscheinlich“, sagte ich amüsiert. Das, und die Angst vor Dodson, ihm ohne Maschine unter die Augen zu treten. Ich tätschelte die Konsole der Ortung. Das war nicht optimal gelaufen, zugegeben, und ich hatte noch keine verlässlichen Daten, ob es Galit, Dekker und Chip auch geschafft hatten, aber immerhin hatte ich meinen Auftrag erfüllt. Aber ich hoffte doch, dass der TIS mich damit erst einmal wieder von der Leine ließ. Kontrolle hatte ich darüber keine. Verdammter Bayonne. Verdammter TIS.

__________________
Ace Kaiser,
Angry Eagles

Corrand Lewis,
Clan Blood Spirit

Ace bloggt!

Dieser Beitrag wurde 1 mal editiert, zum letzten Mal von Ace Kaiser: 20.03.2020 22:44.

19.03.2020 21:25 Ace Kaiser ist offline E-Mail an Ace Kaiser senden Beiträge von Ace Kaiser suchen Nehmen Sie Ace Kaiser in Ihre Freundesliste auf
Tyr Svenson Tyr Svenson ist männlich
Captain


Dabei seit: 06.10.2015
Beiträge: 1.030
Herkunft: Jena, Thüringen

Auf diesen Beitrag antworten Zitatantwort auf diesen Beitrag erstellen Diesen Beitrag editieren/löschen Diesen Beitrag einem Moderator melden       Zum Anfang der Seite springen

Die imperiale Hauptwelt Akar,


‚Taran’tin‘ bedeutete ‚Höhlenzuflucht‘ in einem alten, fast vergessenen Dialekt des in den Subtropen des Hauptkontinents von Akar gelegenen Schwarzfelsenmassivs. Und tatsächlich war die Festung des Hauses Taran anfangs nur eine karge Zuflucht in einer gigantischen Halbhöhle gewesen, die an der Flanke des Karrga’shar, des Drachengipfels klaffte, wie eine schwarze Wunde. Legenden zufolge hatte ein in dieser Höhle hausendes Ungeheuer dem Berg den Namen gegeben, bevor es von einem bronzezeitlichen Helden erschlagen worden war. Einigen Geschichten zufolge war dieser Held der junge Halbgott Ka’diras gewesen, der viele Jahre später Pan’chra, die Hauptstadt des Imperiums gegründet hatte. Denselben Geschichten zufolge stammten die Tarans von dem bekannten Halbgott ab. Anderen Geschichten zufolge floss das Blut des erschlagenen Drachen in ihren Adern – oder, über dessen Tochter, das von Halbgott UND Drachen…

Aber das waren natürlich nur Legenden. Tatsächlich war die Höhlensiedlung sehr viel älter als die Bronzezeit. Bereits in der späten Steinzeit war Taran’tin bewohnt gewesen. Jahrhunderte vor der ‚Erfindung‘ der Bronze wurde die Siedlung erstmals mit einer Mauer aus losen Bruchsteinen befestigt. Damals hatten die Bewohner der Höhlensiedlung vermutlich begonnen, das angrenzende Hochtal zu dominieren. Mit dem kleinen Fluss, der der Höhle entsprang und im Laufe der Jahrtausende ein wahres Labyrinth aus Hohlräumen und Kavernen geschaffen hatte, kontrollierten sie eine verlässliche Wasserquelle.
Systematisch hatten die Herrscher der Höhlenfestung die Hänge, Seitentäler und Bergsiedlungen des Hochtals unter ihre Kontrolle gebracht. Später befestigten sie auch den Zugang zum Hochtal. So war das kleine aber mit den Waffen der Antike fast uneinnehmbare Reich von Taran‘tine entstanden. Dessen Bewohner, deren Schuppenhaut eine ungewöhnlich dunkle Färbung aufwies - möglicherweise eine Anpassung an die grau-schwarzen Felsen des Bergmassivs - waren über Jahrhunderte als Räuber gefürchtet gewesen. Sie hatten aber auch schon früh begonnen, ihre berüchtigte leichte Infanterie und auf zähen Berg-Nurons reitende Kavallerie in die Dienste reicherer Nachbarn zu stellen. Diese Krieger hatten den Aufstieg von Haus Taran begründet. Die Festung war weiter gewachsen. An die Stelle von Bruchsteinmauern traten gemauerte Bastionen, die durch Spähposten, Schützengänge, später Katapult- und zuletzt Artilleriestellungen gesichert wurden, die seitlich und oberhalb der Höhlenburg an der Gebirgswand klebten, wie die Nester geflügelter Sagenfiguren.
Und selbst WENN ein Feind den Zugang zum Hochtal von Taran’tine erzwingen und die Festung hätte stürmen können – das Höhlen- und Tunnelsystem, das sich über Dutzende, vielleicht Hunderte Kilometer unter dem Bergmassiv erstreckte, bot den Herren der Festung und ihren Getreuen immer die Möglichkeit zur Flucht.
Allerdings hatte die wachsende Macht der Tarans auch dazu geführt, dass sie ihre alte Festung schon während der Spätantike nur noch in Krisensituationen bewohnten. In dieser Zeit war es auch zu der letzten, längsten – und letztlich erfolglosen – Belagerung des Hochtals von Taran‘tine gekommen. Später war die Festung fast nur noch ein Prestige- und Nostalgieobjekt gewesen, das trotz unauffälliger Modernisierungen äußerlich auf dem Stand der späten Antike eingefroren schien. Das insgesamt nur sehr moderat überbaute und niemals industriell genutzte Hochtal war eine wahre Fundgrabe für antike Relikte und Siedlungsspuren.
Einige der die Höhlenfestung beschützenden Artilleriestellungen waren allerdings angeblich weiter modernisiert worden. Gerüchten zufolge barg der Drachengipfel automatische Raketen- und Laserbatterien und einen atombombensicheren Schutzbunker. Haus Taran hatte in den letzten Jahrhunderten ihre alte Heimat wieder als Rückzugs- und Erholungsort entdeckt, in das man Verbündete und Freunde einlud und Frieden in den Stürmen der Gegenwart fand.

„Ich hätte nicht gedacht, dass du noch so fit bist, nach wie viel – drei Jahren im Weltraum?“
Der Admiral lächelte flüchtig und verlangsamte seinen Schritt – etwas: „Es tut gut, richtige Erde unter den Fersen zu haben. Und nicht nur Metall, Kunststoff oder bestenfalls Beton. Und RICHTIGE Luft zu atmen, die noch nicht ein dutzend Mal recycelt wurde oder von dem Gestank der Großstadt gesättigt ist. Und Taran‘tine…ich weiß schon gar nicht mehr, wann ich das letzte Mal hier war. Es ist…eine Rückkehr in eine bessere Zeit.
Aber was deine Frage angeht…
Ständig ein Attentat erwarten zu müssen, hält fit.“
„Von wem auch immer es organisiert werden könnte...“, warf Yelak Taran bissig ein. Er wirkte aufgebracht und schien das beeindruckende Panorama kaum wahrzunehmen.
„Außerdem muss ich doch sichergehen, dass unter der Uniform noch genug Platz für Panzerweste und Waffe bleibt.“
„Dann solltest du jetzt besser nicht zunehmen.“
„Wann bist du nur so zynisch geworden? Eigentlich ist das meine Aufgabe. Immerhin bin ich der Ältere.“
Yelak Taran schnaubte sarkastisch: „Vielleicht weil ich hier bleiben und mit ansehen musste, wie das Imperium vor die Hunde geht und Idioten, Phantasten und Größenwahnsinnige um den Thron kämpfen, während du in die Peripherie verschwunden warst.“
Die Miene seines Bruders wurde schlagartig so ernst wie seine Stimme: „Siehst du das wirklich so? Denkst du, dass es das war, was ich getan habe?“
Yelak schwieg ein paar Augenblicke und blickte dann fast verlegen zur Seite: „Ich weiß, dass das nicht deine Wahl war – und dass du da draußen nicht unbedingt das bessere Los gezogen hast. Aber wenigstens konntest du etwas TUN. Etwas ENTSCHEIDEN. Wir konnten hier nur gute Miene zu einem üblen Spiel machen. Den Verfall verwalten und zusehen, wie alles in die Brüche ging. Und wie die Aasfresser sich sammeln um den Kadaver des Imperiums zu zerreißen.“
„Das Imperium ist geschwächt und angeschlagen. Wir stehen vielleicht vor der größten Krise seit dem Götterkrieg, dem Krieg des Einen gegen die Vielen.*
Aber das Imperium ist noch lange nicht tot. Und was das mit den Aasgeiern angeht…“
„Ich weiß, ich weiß. Kein Wort gegen deinen teuren Freund Dero. Habt ihr schon euer Wiedersehen gefeiert? Du bist sicher genau das, worauf die Allecars gewartet haben. Endlich einen ECHTEN Militär auf ihrer Seite.“
„Ich…habe Dero getroffen.“

Mehr sagte Mokas Taran nicht, aber sein Tonfall verriet Yelak genug. Tatsächlich war die Begegnung der alten Jugendfreunde…seltsam gewesen. Sie beide hatten die Themen ‚Politik‘ und ‚Thronfolge‘ vermieden, aber das hatte nicht viel geholfen. Das, was unausgesprochen bleiben musste, hatte alles andere erstickt. Sie waren beide nicht mehr dieselben…
Dero Allecar hatte einen Frieden ausgehandelt und eine Prinzessin geschwängert. Und dann hatte er ihren Mann erschlagen, während seine Familie Anspruch auf die Führung des Imperiums erhob.
Tarans ‚Aufstieg‘ war weniger spektakulär gewesen, doch auch er hatte sich verändert. Seine Rolle in der gescheiterten Verschwörung gegen Kronprinz Jor, die Jahre im umkämpften Draned-Sektor und an der Front hatten aus einem zurückhaltenden, manchmal fast schüchternen, idealistischen Stabsoffizier einen kaltblütigen Befehlshaber gemacht.
Die vergangenen Jahre, das vergossene Blut und die zerbrochenen Träume und Illusionen machten es für die beiden jungen Adligen schwer, an Früher anzuknüpfen.
Dazu kam, dass Tarans Bruder in einen gescheiterten Versuch verwickelt gewesen war, den Aufstieg von Haus Allecar gewaltsam zu stoppen. Auch wenn Dero nichts darüber wissen mochte, Mokas Taran war sich dieser Tatsache nur zu gut bewusst. Und auch den wenig erfreulichen Alternativen, vor denen er gestanden hätte, wenn der Umsturzversuch nicht schon im Ansatz erstickt worden wäre…
Also hatten Dero und er sich nach etwa einer Stunde eher unbehaglichem Smalltalk getrennt und sich seitdem nicht wieder getroffen. Vielleicht würden sie die durch Jahre, Verantwortung und Schuld geschaffene Lücke überbrücken können. Vielleicht auch nicht…

Auch wenn Yelak sah, wie unangenehm seinem Bruder dieses Thema war, hinderte ihn das natürlich nicht daran, weiter nachzubohren: „Wenn Dero Hemmungen haben sollte, eure alte Freundschaft auszunutzen – sein Vater wird bestimmt nicht so zurückhaltend sein. Dazu bist du zu wertvoll.“
„Danke für die Warnung.“, die Stimme des Admirals klang ausdruckslos: „Aber ich bin mir nicht sicher, ob du meine Möglichkeiten – und damit meinen Wert – nicht überschätzt.
Die Übernahme der Abteilung Operationen hat Potential. Ich habe es in der Hand, das weitere Vorgehen unserer Streitkräfte entscheidend mitzubestimmen. Die Entscheidung über unsere künftige Strategie wird zwar an anderer Stelle getroffen – aber basierend auf Szenarien und Operativplänen, die ich entscheidend gestalten kann.
Dass man mich in den Flottenstab zurückholt und dabei auch noch befördert, ist zudem ein starkes Signal. Für mich – mein ‚Fehltritt‘ ist offenbar vergeben – aber natürlich auch für den Rest der Flotte. Vor allem für die ehemaligen Mitglieder der Offiziersfronde gegen Prinz Jor.“
„Und für dessen ehemaligen Gefolgsleute.“, ergänzte Yelak trocken: „Und natürlich untermauert es unsere Botschaft, dass die Parrak-Schlacht ein Erfolg war und wir auf der Gewinnerstraße sind.“
„Sind wir das?“, spotte Taran, wurde aber sofort wieder ernst: „Aber meine Versetzung kann man auch aus einer anderen Perspektive sehen. Im Draned-Sektor hatte ich eine Flotte, die Armee, die Marineinfanterie und das wirtschaftliche Potential eines ganzen Sektors. Im Flottenstab verfüge ich hingegen weder über Truppen, Schiffe noch Ressourcen – und damit auch nicht über die Machtmittel, die mich zu einer Bedrohung machen könnten.“
„Ja. Wer auch immer hinter deiner Beförderung steckt, er oder sie spielt ein langfristiges Spiel. Ob es nun darum geht, dich zu benutzen – oder als Gefahr zu neutralisieren.“
„Oder beides. Aber ich will mich nicht beschweren. Wenn man die Alternativen bedenkt…
Und all das gilt natürlich auch für Kern Ramal. Er hat viel Ansehen und Macht erworben, und das in kurzer Zeit. Aber er kommandiert keine Flotte. Und deshalb hat er keine Schiffe hinter sich, keine Soldaten. Er hat zu wenig politisches Gewicht und zu viele Neider und Feinde. Wegen dem was er war, was er ist…und dem was er sein könnte. Er braucht mehr Verbündete. Und er braucht mich. Das ist meine Chance…“
„Ein sehr gefährliches Spiel. Ihr habt verdammt wenige Gemeinsamkeiten, auf denen du aufbauen kannst. Manchmal frage ich mich, ob das nicht Absicht war. Euch beide zusammenzusetzen und dann abzuwarten, bis es knallt. Wie zwei subkritische Massen…“
„Sehr poetisch. Das wäre aber sehr um die Ecke gedacht.“
„Na und? Ich kenne mindestens ein halbes Dutzend Männer und Frauen, denen ich das jederzeit zutrauen würde. Der Kampf um den Thron ist ein Schattenspiel, das nur mit langer Hand gespielt und gewonnen werden kann. Du musst vorsichtig sein.
Und Ramal…ist, was er ist. Ein kaiserlicher Ba…“
„Das würde ich nicht laut aussprechen. Nicht einmal hier.“
„Aber das weiß doch jeder!“
„Und wenn schon. Wenn keiner es offen ausspricht, kann man es immer noch ignorieren. Muss ausgerechnet ich dir klar machen, wie es am Hof zugeht?“, Mokas Taran überlegte kurz und grinste frostig: „Angesichts deiner jüngsten Eskapaden…ganz offensichtlich.“
Das brachte ihm einen Schulterrempler ein, der den schmächtigeren Taran-Bruder beinahe stolpern ließ.
„Du könntest auch mal Danke sagen! Ich habe dafür gesorgt, dass du nicht in Vergessenheit geraten bist! Für deine kostbare Ehre habe ich Blut vergossen!“
Das brachte den Admiral doch etwas aus dem Gleichgewicht: „Du hast WAS? Wenn du auf diese gescheiterte Kommandoaktion nach dem Tod des Prinzessregenten anspielst, ich hoffe doch…“
Yelak Taran winkte ärgerlich ab: „Oh keine Sorge, da hat Vater ja einen Riegel vorgeschoben. Als wäre ich noch keine zwanzig!“
„Du hättest dabei draufgehen können!“
„Aber es wäre MEINE Entscheidung gewesen!“

Mokas Taran riss sich zusammen. Es hatte keinen Sinn, DIESEN Streit wieder auszugraben: „Also was dann? Ich dachte Deros und Tobariis Schlachtfest war ein Einzelduell.“
„Weil der Kriegsminister ein Idiot war.“, schnappte Yelak: „Es gab ein halbes Dutzend Männer und Frauen, die bereit gewesen wären, an seiner Stelle zu kämpfen. Und Dero in kleine Scheiben zu schneiden!“
Mokas Taran schloss kurz die Augen. DAS auch noch. Nicht, dass er es seinem jüngeren Bruder nicht zutraute. Yelak war ein sehr viel besserer Fechter als Mokas – oder Tobraii und Dero, was das anging. Aber wenn es tatsächlich so weit gekommen wäre…‚Dann hätte mein Bruder meinen alten Freund abgeschlachtet. Oder umgedreht. Und was hätte ich dann gemacht?
Ich muss Tobraii wohl für seine Sturheit dankbar sein. Das war dumm von ihm. Aber andernfalls…‘
Natürlich war es nicht dass, was er sagte: „Du weißt, dass Tobarii keine Wahl hatte. Kannst du dir vorstellen, was man über ihn gesagt hätte? Dero ‚vertritt‘ ihn im Bett seiner Frau und dann lässt er jemanden anderen in das Duellrund treten? Er wäre nur noch eine Lachnummer gewesen. Man hätte ihn nicht mal mehr für fähig gehalten, die eigenen Schuhe zuzubinden.“
„Oh, jetzt hat er ja so viel davon! Nicht, dass es schade um ihn ist.“
„Das hatten wir alles schon mal. Also…wen hast du umgebracht?“
„Niemanden. Ich musste nur jemanden zurechtstutzen, der meinte, Ciara wäre ein geeignetes Ziel für seine Witze.“
„Oh. Ich…verstehe.“ Mokas Taran warf instinktiv einen Blick übe die Schulter zu den beiden schlanken, zierlicheren Gestalten, die den beiden Taran-Brüdern im Abstand von einem knappen Dutzend Schritten folgten: „Danke. Und diesmal meine ich es ernst.“

***

„Sie fragen sich sicherlich, warum Sie hier sind.“
Captain Thera Los warf der jungen Adligen neben ihr einen kurzen Seitenblick zu: „Ich bin die Adjutantin des Admirals…“
„Und deshalb muss er sie auf seinen Kurzurlaub mitschleppen? Nein, SO verzweifelt ist die Lage nun wieder auch nicht. Außerdem gibt es Koms und Holo-Bildschirme.
Das war nicht der Grund. Ich habe ihn darum gebeten.“
Eigentlich war Thera Los nicht leicht zu überraschen, aber das kam doch unerwartet: „Ähm…danke?“
Ciara Koo lachte leise auf: „Entspannen Sie sich, Captain. Das wird nicht SO ein Gespräch. Ich habe zu viel Achtung vor mir selber, als den Part des verunsicherten Weibchens zu spielen, das einer potentiellen Nebenbuhlerin klarmachen will, sie solle die Klauen von ihrem Verlobten lassen.
Ich weiß, dass Sie nicht mit ihm schlafen.“
„Ihr Vertrauen rührt mich.“, konterte Los trocken, die sich nicht sicher war, ob sie beleidigt sein sollte.
„Mit Vertrauen hat das wenig zu tun. Ich habe meine Quellen.“
„Und was…“
„Aber Sie sind meinem Verlobten auch nicht gleichgültig. Sie gehören zu dem kleinen Kreis derer, denen er vertraut. Die er hinter seine Fassade blicken lässt.“

Thera Los erinnerte sich an ihre Zusammenarbeit mit Taran. An die zahllosen Gelegenheiten, bei denen sie Gesprächspartner oder zumindest Zuhörer von Tarans mal kühl analytischen, mal melancholisch-philosophischen Reflektionen über den Krieg und das Schicksal des Imperiums gewesen war. ‚Vielleicht wäre es sicherer für mich gewesen, wenn ich mit ihm geschlafen hätte.‘

Ciara Koo fuhr währenddessen fort: „Und das macht Sie wertvoll. Sie wissen, was die letzten Jahre mit ihm gemacht haben. Ich kenne ihn nur aus der Zeit vor dem Exil und dem Krieg. Und das ist mir nicht genug.“
„Sie könnten ihn auch ganz einfach fragen.“
„Und das habe ich getan. Aber ich möchte auch noch eine andere Stimme hören. Manchmal denke ich, dass Mokas mich gelegentlich immer noch als das halbwüchsige Mädchen sieht, dem er damals vorgestellt wurde. Vor dem Krieg, der Fronde…vor einem halben Leben.“
Thera Los räusperte sich. Das Gespräch, das als ein harmloses Geplänkel begonnen hatte, war für ihren Geschmack viel zu schnell persönlich geworden. Sie durfte die junge Adlige nicht unterschätzen: „Was genau wollen Sie wissen…“

***

Ein knappes Dutzend Schritte weiter

„Macht es dich nicht ein bisschen misstrauisch, dass Ciara unbedingt mit deiner hübschen Stabschefin reden will?“
Der Admiral verdrehte die Augen: „Das hatten wir doch schon. Deine Anspielungen kannst du dir sparen. Ich schlafe nicht mit Captain Los. Oder sollte ich vielmehr sagen: ICH schlafe nicht mit Thera Los.“
Kurz huschte ein selbstgefälliges Lächeln über Yelaks Lippen: „Höre ich da etwa Eifersucht?“
„Dann solltest du vielleicht mal deine Ohren untersuchen lassen. Im Ernst, es ist mir gleich, was ihr in eurer Freizeit macht. Solange ihr es aus der Arbeit heraushalten könnt.“
„Hey, ich bin erwachsen. Und was Captain Los angeht…“
Ach halt doch die Klappe.“, der Admiral verzog kurz spöttisch die Lippen: „Das ist aber doch hoffentlich nichts Ernstes. Das würde unserem Vater bestimmt nicht gefallen. Ich glaube, er hat große Pläne mit dir.“
Yelak Tarans Grinsen wurde frostig: „Ach ja? Ich hätte nicht übel Lust, mich nur deswegen mit deiner ebenso hübschen wie intriganten Adjutantin zu verloben.“
„Mach keine Dummheiten!“
„Entspann dich, das haben Thera und ich schon mal besprochen.“
„So viel Weitsicht hätte ich DIR gar nicht zugetraut.“
„Zu irgendetwas müssen die Jahre am Hof doch schließlich gut gewesen sein. Die letzten Jahre waren auch für uns nicht leicht. Nicht für Ciara und auch nicht für mich. Nicht mal für Vater, diesen alten, sturen…“
„…klugen Mann.“
„Nicht DAS Wort, das ich benutzt hätte. Jedenfalls habe ich deine hübsche Adjutantin gewarnt, dass Sie sich keine zu großen Hoffnungen machen sollte. Weißt du, was Sie gesagt hat?“
Mokas Taran warf seinem Bruder einen abschätzenden Blick zu: „Lass mich raten. Dass sie was Besseres haben könne?“ Das brachte ihm noch einen Schulterrempler ein, den er aber diesmal besser abfangen konnte und durch einen warnenden Ellbogenstoß in die Rippen seines jüngeren Bruders konterte.
„Sie sagte, dass sie sich gerne mal wieder amüsieren würde. Aber dass du und ich einfach in zu unruhigem Wasser fischen würden. Sie hätte schon genug Drama als deine Stabschefin, Adjutantin und…wie drückte sie das aus…Resonanzspiegel für deine Gedankenspielchen. Wer sich langfristig mit einem Taran einlassen würde, der sollte sich besser mal den Kopf untersuchen lassen.“
Der Admiral überraschte seinen Bruder mit einem jähen Auflachen: „Na wenigsten ein Problem weniger. Und ich hatte schon gefürchtet, ich müsse mir irgendwann auch noch mit irgendeinem Drama zwischen meiner Adjutantin und meinem Bruder fertig werden. Das wäre mir echt zu viel geworden.“
„Haben wir damit genug über mein Sex-Leben geredet? Es gibt doch wohl wichtigeres!“
Der Admiral lachte: „Du bist wirklich erwachsen geworden!“
Yelak winkte ab. „Zurück zum Ernst der Lage. Ich glaube, du solltest Ramal nicht unterschätzen. Auch wenn einige Betonköpfe seinen Kopf wollen, politisch legt er zu. Und was seine wirkliche Macht angeht…glaubst du, die neue Chefin der Homefleet würde ausgerechnet den Allecars den Rücken stärken würde, wenn es darauf ankommt? Moth wird nicht vergessen, wer ihr den Posten gegeben hat.“
„Glaubst du, Sie wird ihm das verzeihen?“, spottete Taran, wurde jedoch sofort wieder ernst: „Ich verstehe, was du damit sagen willst.“
„Und was die Frage angeht, was er sonst noch für Möglichkeiten hat…ich würde nicht unterschätzen, was er als Stabschef an militärischen Kapazitäten mobilisieren kann. Er hat vielleicht keine Flotte oder Armee unter seinem direkten Kommando. Aber durch seinen Einfluss auf der Planungsebene, bei der Verlegung von Einheiten und der Besetzung vakanter Posten…“
„Oh ja, ich weiß.“, in Mokas Tarans stimme schwang auf einmal ein merkwürdiger Ton mit: „Du würdest nicht glauben was ich im Operationsstab so alles gefunden habe, in den Planungsunterlagen. Operativszenarien für alle nur denkbaren Möglichkeiten mit allen nur vorstellbaren Implikationen. Militärischen und politischen.“
Yelak taran zuckte leicht mit den Schultern: „Du hast dir echt die Zeit genommen, die alten Planspiele durchzugehen? Hast du nichts Besseres zu tun?“
„Nenn es ein Hobby von mir – so wie mein Interesse für unsere glorreiche Vergangenheit. Und offenbar bin ich nicht der Einzige mit derartigen Vorlieben. Ich meine, einen Plan ausgerechnet Kira'val zu nennen…“

Kira'val war den Akarii-Legenden zufolge eine der zahlreichen Töchter des Halbgotts Ka’diras ‚Du’Matari’. Als Tochter einer Dämonin war die geflügelte Kriegerin und Assassine berühmt für ihre Grausamkeit, ihren schwarzen Humor und ihre rasch wechselnden Launen. Für viele antike Helden und Heldinnen war sie eine furchtbare Gegnerin, manchmal aber auch eine gefährliche Verbündete gewesen. Angeblich verehrten die legendenumwitterten Cha’kal-Attentäter sie als Gründerin oder Schutzpatronin.

„Es ist ein guter Name.“
„Vielleicht etwas zu naheliegend. Aber kannst du dir meine Überraschung vorstellen, als ich feststellte, dass ein Plan, der eigentlich für den – zugebenermaßen eher unwahrscheinlichen – Fall ziviler Unruhen entworfen wurde, Eventualitäten wie bewaffnete Zusammenstöße mit den Garden mehrerer Adelshäuser beinhaltet. Oder gar die Revolte eines Teils der Kaiserlichen Leibgarde.“
„Es ist gut, für Alles gerüstet zu sein.“
Hältst du mich für dumm? Glaubst du, ich habe unsere kleinen…Gedankenspiele von vor ein paar Jahren vergessen? Oder dass ich nicht eine taktische Handschrift erkenne, die mir fast so vertraut ist, wie meine eigene?“
„Wenn du schon so viel Zeit in die Analyse eines Reserveplans vorletzter Priorität steckst, der unter drei Stapeln anderer Alternativplanungen lag…dann bist du doch sicherlich auch so gründlich gewesen, die Logs dahingehend durchzusehen, wer Operationsplan Kira’val…modifiziert hat.“
„Das habe ich. Zwei Offiziere, die ebenso tot sind wie sie mittelmäßig waren.“
„Na, dann kann ich ja nicht gemeint sein.“
„Hältst du das für einen Witz?“
Yelak zuckte mit den Schultern: „Vielleicht ein wenig.
Nun schau nicht so finster, Bruderherz. Niemand kann irgendwelche verdächtigen Spuren finden, weil es sie nicht gibt. Oder weil sie im Nichts enden, bei ein paar Toten. Vielleicht könnte man ja MEINEN, dass da irgendjemand die Namen und Zugriffscodes von verstorbenen Offizieren genutzt und auch noch die Zeitangaben manipuliert hat. Aber er kann es nicht beweisen. Falls er denn überhaupt suchen würde – was zumindest die Allecars nicht tun werden. Sie sind viel zu sehr damit beschäftigt, Fetzen aus dem Körper des Imperiums zu reißen und sich zu ihrer eigenen Großartigkeit zu beglückwünschen. Dero Allecar könnte die Implikationen von Einsatzplan Kira’val nicht mal begreifen, wenn man ihn mit einem Hardcopy verprügeln würde. Und das verkalkte Fossil, das sein Vater ist…hat zum Glück genug mit dem Adelskonvent und den Hofintrigen zu tun. Ganz besonders mit den Knüppeln, die ihm Rallis zwischen die Beine schmeißt. Außerdem ist auch er kein Offizier. Wie überhaupt der Rückhalt der Allecars im Militär denkbar schlecht ist.“
„Ich wäre nicht so selbstsicher. Erfolg schafft Gefolgschaft. Und langsam gehst du mir mit deinen Tiraden auf die Nerven.“
„Weil du die Wahrheit nicht hören willst? Also, was wirst du jetzt tun?“
„Erst einmal gar nichts. Der Plan bleibt wo er ist.“ ‚Auch weil wir ihn vielleicht noch brauchen werden. Wenn auch vielleicht nicht ganz so, wie du es dir vorstellst.‘ „Und du hörst auf, gegen die Allecars zu wühlen. Ich habe schon genug Ärger am Hals. Ich muss erst einmal mein eigenes Haus in Ordnung bringen. Da brauche ich nicht auch noch eine Fehde mit dem neuen Machtzentrum im kaiserlichen Palast.“
Yelak Taran schwieg, aber um seine Lippen zuckte es rebellisch. Aber fürs erste blieb er stumm. Vielleicht wollte er es sich angesichts seines momentan angespannten Verhältnisses mit seinem Vater nicht auch noch mit seinem Bruder verscherzen. Stattdessen wechselte er lieber das Thema: „Weißt du eigentlich, warum Ciara uns unbedingt hier haben wollte?“
„Ich dachte, du weißt es vielleicht.“
„Na hör mal, immerhin ist sie deine Verlobte. Du solltest sie vielleicht ganz einfach fragen.“
Der Admiral schnaubte amüsiert: „Dann kennst du sie aber schlecht…“

***

Eine halbe Stunde später und etwa zwei Kilometer weiter

„Das war es, weswegen ich unbedingt nach Taran’tine kommen sollte?“, Admiral Taran klang eher amüsiert als überrascht, während er über das kleine Bergplateau blickte, das von mehreren archäologischen Erkundungsgräben durchzogen war.
„Abgesehen von der Gelegenheit, ein paar Tage ungestört mit dir zu verbringen, an einem Ort ohne Intrigen, ohne falsche Freunde und ohne Dolche, die sich hinter einem Lächeln verbergen?“, Ciara Koo lächelte halb, als sie diese Worte frei aus einem Epos zitierte, dass ihr Verlobter nur zu gut kannte. Genauso wie die Adjutantin des Admirals, die leicht genervt die Augen verdrehte. Sie hatte schon in ihrer Kindheit und Jugend genug aus dem Zyklus ‚Der blutige Himmel‘ gehört. Für ihr ganzes Leben genug.
Aber auch wenn Ciara lächeln mochte, schwang in ihren Worten dennoch ein ernster Unterton mit. Der sich jetzt verstärkte, als sie bedauernd hinzufügte: „Deshalb tut es mir fast leid, dass ich dich hierher geführt habe.“

Der Admiral folgte dem Blick seiner Verlobten zu dem Wimpel, der über dem Ausgrabungszelt im Wind flatterte. Und zu der jungen Frau, die entspannt an einer Ausrüstungskiste lehnte und mit Aufzeichnungsgerät und elektronischem Stift zu zeichnen schien und zu der die wenigen anwesenden Mitglieder des Ausgrabungsteams respektvollen Abstand hielten. Er nickte langsam: „Ich verstehe.“, der Admiral neigte den Kopf: „Hoheit.“
„Lassen Sie das.“ Jassia Thelam winkte großmütig ab: „Wir sind nicht am Hof.“
„Ich wusste nicht, dass Sie sich für Archäologie interessieren.“
Die jüngere Tochter von Lisson Thelam zuckte mit den Schultern: „Wie es für jede gute Tochter gilt, sind die Interessen meines Vaters auch die meinen...“. Eine Aussage, die man auf verschiedene Art und Weise interpretieren konnte: „Was für ein glücklicher Zufall, dass eine der Expeditionen, die eine der Stiftungen meines Vaters sponsert, ausgerechnet in Taran’tine gräbt.“
Yelak Taran schnaubte kurz: „Glück…
Nicht DAS Wort, das ich mit ihrer Stiftung verknüpfen würde. Wie war das mit der Abteilung, die sie ausgerechnet im Draned-Sektor aufbauen mussten und dass dann eines ihrer Erkundungsteams ausgerechnet nach T’rr schicken mussten? Ganz abgesehen davon, dass ich nicht ganz sicher bin, was sie bei diesen Wilden finden wollten.“

„Manchmal muss man auch dort nachsehen, wo niemand sonst hinschaut.“, Jassia Thelams Stimme gewann einen leicht warnenden Unterton, den Yelak allerdings ignoriert. Genauso wie den Rempler seines Bruders.
„Nur etwas teuer, meinen Sie nicht? Ein einheimischer Pfadfinder verschwunden, ein Akarii-Archäologe und die beiden einheimischen Wachleute tot aufgefunden mit…wie hieß es…‘Mikroschnitten mit partieller Kauterisation?‘ Was soll das überhaupt bedeuten?“
„Vermutlich war das die Guerilla, obwohl sie in dem Gebiet eigentlich nicht aktiv sein soll.
Aber so tragisch dieser Vorfall gewesen sein mag, deswegen bin ich nicht hier. Und auch nicht, um mich mit ausgerechnet diesem Taran-Bruder zu streiten.“
Natürlich hatte Yelak gewusst, dass es um seinen älteren Bruder ging. Deshalb klang er bestenfalls ein bisschen sarkastisch: „Ich fürchte, Sie bekommen uns nur im Paket. Und Ciara…“
„Die Verlobte Ihres Bruders war so freundlich, unser kleines Treffen zu organisieren. Immerhin gehört sie zum Gefolge meiner lieben Tante. Der Hof ist in dieser Hinsicht wie ein großes Dorf.“

In Wirklichkeit war der Verwandtschaftsgrad von Jassia Thelam und Prinzessin Linai Thelam etwas komplexer. Und Ciara Koo’s Miene zufolge war sie Jassia Thelam nicht wirklich freiwillig behilflich gewesen.

„Und was verschafft mir…“, der Admiral zögerte kurz und warf seiner Verlobten und seinem Bruder einen Blick zu: „…was verschafft UNS die Ehre?“
„Der Wunsch, einen der aufgehenden Sterne kennenzulernen. Kern Ramals Aufstieg ist spektakulärer…“, die Prinzessin lächelte rätselhaft: „…und wäre geradezu atemberaubend, wenn nicht alle Augen auf Dero Allecar gerichtet wären. Aber Ihr Name wird meist gleich danach genannt. Sie sind einer unserer wenigen Helden, die noch LEBEN und auch nicht in Gefangenschaft sind. Und dass Sie quasi aus dem Exil, aus einem vom Imperium schon fast abgeschriebenen Raumsektor so weit wie kein anderer imperialer Admiral in das Herzland des Gegners vorgestoßen und sogar mit den meisten ihrer Schiffe wieder zurückgekehrt sind…
Jeder liebt so eine Geschichte.“, sie zögerte kurz: „Zumindest FAST jeder.
Und dass ihre Familie und ihr Umfeld…“, Jassia Thelams Blick wanderte zwischen dem Admiral, seiner Verlobten und seinem Bruder hin und her: „…so…interessante Verbindungen zu den Allecars, zu meinem Onkel Rallis UND zu meiner Tante Linai etabliert haben, macht mich neugierig.“
„Und Sie meinen nicht, es könnte für Verwunderung sorgen, dass Sie sich mit jemanden mit meiner…Vergangenheit treffen?“
„Falls Sie damit auf ihr Zerwürfnis mit unserem so schmerzlich vermissten Kronprinzen Jor meinen, das ist doch schon nicht mehr wahr. Und offenbar ganz offiziell vergeben und vergessen. Niemanden interessiert sich für diese alten Geschichten.“

Der Admiral war sich da nicht so sicher. Umso gewisser war er sich aber, dass Prinzessin Jassias Blick kurz zu seinem Bruder Yelak abgeschwenkt war. Sollte das eine Anspielung auf dessen Verwicklungen in den gescheiterten Putschversuch gegen Haus Allecar sein?

„Sie machen sich zu viel Sorgen. Dass hier ist nicht die einzige Ausgrabungsstelle, die ich besuche. Dass Sie ZUFÄLLIGERWEISE hier sind, kann doch niemand vorhersagen.“
„Sie wissen, dass das niemand glauben wird.“
„Dazu müssen die Betreffenden aber erst einmal davon erfahren. Und selbst wenn…
Manchmal ist es vielleicht nicht das schlechteste, einen größeren Schatten an die Wand zu werfen.“

Offenbar waren Mokas Taran und seine Verlobte nicht die Einzigen, die gelegentlich aus den alten Epen zitierten. Natürlich hatte Jassia Thelam Recht. Den Gegner durch Gespräche mit potentiell wertvollen Verbündeten zu verunsichern, war ein beliebtes Werkzeug im Arsenal des höfischen Intrigenspiels.

„Ich hatte nicht den Eindruck, dass Ihr Vater besonderen Wert darauf legt, einen großen Schatten zu werfen.“ Diese Feststellung des Admirals war ungewöhnlich deutlich und fast vorlaut.
Aber die Prinzessin ließ sich nicht aus der Ruhe bringen: „Ja, und die Frage was das bedeutet – oder welcher Seite er sich doch noch zuwenden könnte – dürfte so manchem den Schlaf rauben.“
„Und Ihr…Besuch hier soll die Spekulationen noch etwas anfachen. Wenn denn jemand davon erfährt.“
„Das wäre zumindest nicht das schlechteste Ergebnis. Übrigens für uns beide nicht.“
„Abgesehen von der Tatsache, dass Sie eine kaiserliche Prinzessin sind und mein Bruder gerade aus dem Exil zurückgerufen wurde und dementsprechend unter Beobachtung stehen dürfte. Was man einer kaiserlichen Hoheit an…Freizeitaktivität durchgehen lässt, kann für andere sehr leicht sehr schnell tödlich enden. Besonders heute.“

In Yelak Tarans Stimme schwang mehr als ein bisschen Ärger mit, aber immer noch ließ sich Jassi Thelam nicht aus der Ruhe bringen. Das Misstrauen des jüngeren Taran-Bruders schien sie fast ein wenig zu erheitern – als wäre das Teil eines Witzes, den nur sie verstünde: „Die Sorge für das Wohlergehen ihres älteren Bruders ist ehrenhaft. Und es ist geradezu nobel, wie Sie ihr Handeln danach ausrichten…“, BEIDE Taran-Brüder waren sich sicher, dass das sarkastisch gemeint war, „…aber Sie sollten ihn nicht unterschätzen. Ich bin sicher, dass er sich in dem Raubfischbecken des Hofes zu behaupten weiß. Sonst wäre er nicht hier.“
„Und was genau wollen Sie von mir?“
„Zuerst einmal…möchte ich Ihnen genau diese Frage stellen.“
Der Admiral zögerte kurz: „Ich verstehe nicht ganz…“
„Was wollen Sie, Admiral Taran?“
„Was will ich heute, was will ich morgen, was will zum Mittag, was will ich zum Abend…
Sie müssen Ihre Frage schon etwas genauer stellen.“
„Was WOLLEN Sie?“
Und diesmal begriff der Admiral: „Ich glaube, Sie sollten die Frage etwas umformulieren. Und fragen, was ich für das Imperium will…“

Yelak hatte den verbalen Schlagabtausch für mehr ermüdend als erhellend empfunden. Es lag ihm nicht, dieses Schatten- und Spiegelfechten. Er spielte mit – notgedrungen – aber in dieser Disziplin war sein älterer Bruder ihm eindeutig über. Leicht frustriert griff er nach dem Zeichenpad, dass Jassia Thelam beiseitegelegt hatte. Er wusste selber nicht so genau, ob es Neugier war oder die Hoffnung, die Prinzessin ein wenig zu verunsichern. Aber Jassia Thelam ignorierte ihn, schien ihn nicht einmal zu bemerken. Der junge Adlige warf einen Blick auf den Bildschirm und zuckte leicht zusammen.
Die Prinzessin schien ein echtes Talent zu besitzen, mit wenigen, klaren Strichen ein beeindruckend realistisches Bild zu zeichnen. In diesem Fall war es die Statuette einer schlanken, geflügelten Gestalt. Sie ähnelte einer Akarii, wich aber von deren Körperbau und Haltung gleichzeitig so weit ab, um ein verwirrend-beunruhigendes Gefühl der Fremdartigkeit zu vermitteln. Yelak Taran kannte diese Figur. Die fremdartigen Gesichtszüge der Halbdämonin Kira’val waren nur skizziert, wirkten aber dennoch merkwürdig vertraut…


************************************************

*Spätantike Religionskrise, die den Übergang zur frühen Neuzeit markiert: die blutige Unterdrückung einer monotheistischen Heilsreligion, die Antworten für die zahlreichen gesellschaftlichen, militärischen und wirtschaftlichen Probleme der Spätantike versprach und besonders bei ärmeren und marginalisierten Bevölkerungsschichten beliebt war.
20.09.2020 08:20 Tyr Svenson ist offline E-Mail an Tyr Svenson senden Beiträge von Tyr Svenson suchen Nehmen Sie Tyr Svenson in Ihre Freundesliste auf
Cunningham Cunningham ist männlich
Captain


images/avatars/avatar-477.gif

Dabei seit: 06.09.2006
Beiträge: 1.116

Auf diesen Beitrag antworten Zitatantwort auf diesen Beitrag erstellen Diesen Beitrag editieren/löschen Diesen Beitrag einem Moderator melden       Zum Anfang der Seite springen

TRS Columbia
Gamma Eridon

Die CATCC – Carrier Air Traffic Control Center – das Herzstück für den Flugbetrieb auf der Columbia schwirrte vor Betriebsamkeit. Landesystemoffiziere pflegten die Landebewertungen für die gerade hereingekommenen Bomber ein. Ein bescheidenes „Okay“ war schon die beste Bewertung, die man bekommen konnte und auch dies war meist von kleiner Kritik begleitet oder auch mal längerer, wenn der LSO den Piloten länger einweisen musste, statt nur kleine Korrekturen zu geben. Die nächst bessere Beurteilung war „Fair“. Zu viele Fairs bei den Landungen führten zu zusätzlichen Übungen im Simulator, die das Problem selten behoben und manchmal sogar verschlimmerten, oder schlimmer noch, die Reputation eines Piloten beschädigten.
Ein dauerhaftes Okay, gab es bei keinem Piloten. Selbst nicht bei solchen, die mehrere hundert Starts und Landungen hinter sich hatten, wie Hungry Joe heute bewiesen hatte. Nach mehr als dreißig Okays, eine beeindruckende Leistung, war der Bomberpilot heute nach zweimaligen Abwinken mit einem sehr, sehr schlechten Fair an Bord geholt worden.
Dem Bomberpiloten, dem langsam die Haare nachwuchsen blieb nichts anderes übrig als sich wie jeder andere die Belehrungen des LSO anzuhören und die Bemerkungen des Air-Boss zu ertragen; wie es fast jeder ertragen musste.
Die LSOs und der Air-Boss waren alles ehemalige Piloten, mit einer beeindruckenden Anzahl an Flugstunden und den nötigen Sonderqualifikationen.
Die Crusader-Crews der Columbia flogen aktuell Suborbitale Präzisionseinsätze, was so viel hieß, dass sie so weit in die Atmosphäre von Gamma Eridon eindrangen, wie es ihre Maschinen zuließen und dann ein Ziel beschossen, was hinter der Frontlinie lag und für einen regulären Bomberangriff zu gut verteidigt war.
Diese Angriffe hatten ihre Vorteile, da das Bodenradar der Akarii die Bomber kaum erfasste. Andererseits brauchte es am Boden einen Beobachter, der das Ziel mithilfe eines Lasers anleuchtete und die Raketen ins Ziel brachte, da die Crusader im Gegensatz zu den anderen Maschinen der TSN kein Bodenradar besaßen und im Orbitalflug auch sonst fast blind waren.
Gestern waren Irons und ihr Flügelmann gerade noch so einem Schwarm Reaper entkommen und hatten sich in den Schutz der Barrier-CAP der Columbia gerettet.
Sowohl der LSO als auch der Air-Boss waren gerade rechtzeitig mit ihm durch, dass er Stafford abfangen konnte, der mit Unterlagen, einen Thermobecher Kaffee und einem Schwall an Offizieren durch die CATCC hastete.

„Hey, Skipper, in zwei Stunden spielen die Großen Karten, Interesse und oder Zeit?“
Jules fuhr herum: „Zur Abwechslung bin ich mal am Arbeiten!“
Hungry Joe kniff verärgert die Augen zusammen, sagte aber nichts weiter.
Als Jules und Anhang in die hinter der CATCC liegenden AirOps-Zentrale kamen raunte ihm der Count zu: „Sie sehen aber aus, als ob sie es gebrauchen könnten, Sir.“
Diesmal war es an Jules die Augen verärgert zusammenzukneifen.
Die Offiziere aus den verschiedenen Abteilungen nahmen in fast schon abgenutzten aber bequemen Sesseln Platz. Die Ausarbeitung der Air Tasking Order – des Flugplans für das Geschwader würde dauern.
Für Jules Geschmack waren hier zu viele aktive Piloten vertreten. Es gab hier Arbeit, die nach Meinung erfahrener Geschwaderführer fünf bis sechs Offiziere Vollzeit tun mussten und zwar Jobs mit denen man gut und gerne einen Lieutenant Commander beschäftigen konnten, für die aber Piloten des Geschwaders Extradienst schieben durften.
Der Count hatte den Posten des Deputy-Operations-Officer des Geschwaders gewonnen, um Sean Grover im vollen Flugbetrieb zu entlasten. Jim Proctor war aktuell Geschwader-Wartungsoffizier, mit besten Grüßen von Irons.
Da die Nachrichtendienstabteilung der Columbia anscheinend ihre eigene Vorstellung von ihren Aufgaben besaß hatte Jules kurzerhand Rock’n Roll Saunders von der silbernen Schwadron zum Air-Intelligence-Officer ernannt und ihm zwei EWOs aus der Unterstützungs-Schwadron zur Seite gestellt.
Kenneth Ross hatte Zeter und Mordio geschrien, so lange bis Admiral Girad ein Normen-Verdeutlichendes-Gespräch mit ihm geführt hatte. Daher waren sie auch mit der Anwesenheit eines Lieutenant Bartow aus der Nachrichtendienstabteilung gesegnet.
Natürlich wollte auch Decker mit von der Partie sein, war sich aber zu schade, außer Luft wegzuatmen irgendwas beizutragen.
Der Krönende Abschluss bildeten drei Verbindungsoffiziere, Lieutenant Kenner aus Admiral Girads Stab, Lieutenant Orloff aus der Operationsabteilung der Columbia und eine Major McKenzie von den Heeresfliegern.

Als erstes begann Proctor mit einem kurzen Abriss über die Einsatzbereitschaft der Maschinen des Geschwaders. Dies beinhaltete den Wartungsstand der aktiven Maschinen. Welche Maschinen vielen aus, konnten durch die Reservemaschinen ersetzt werden, wie lange sie vermutlich ausfielen. Welche Maschinen wurden trotz gemeldeter Fehler als Einsatzbereit geführt, welche Maschinen mussten aufgrund der Einsatzzeiten in die Wartung, obwohl keine Fehler gemeldet waren.
An dieser Front war alles in Ordnung, was auf die Aufstockung der Techniker in Sterntor zurückzuführen war. Nichts desto trotz musste man die Sache im Auge behalten, während man bei längeren Fahrten Techniker von den Bomberschwadronen oder der Unterstützungsschwadron abziehen konnte um Hilfsarbeiten bei den Jägerschwadronen auszuführen, waren sowohl die Crusader als auch ein Großteil der Shuttles hier in Gamma Eridon im Dauereinsatz.
Alle technischen Abteilungen waren immer noch unterbesetzt und über kurz oder lang, würde es zum Rückstau kommen und dann war es nicht mehr weit, dass der Schneeball zu rollen anfing.
Am Ende des Vortrags konnte Jules nicht anders als Proctor anerkennend zuzunicken.

Die nächsten an der Reihe waren dann Saunders und Bartow, wobei bei ersterem selbst die Augenringe müde wirkten.
Es folgte eine Litanei an möglichen Zielen, welche als was identifiziert waren, was man glaubte dort an Luftverteidigung zu haben, welche Priorität die unterschiedlichen Ziele hatten.
Die für die Angels definierten Ziele lagen alle im Hinterland der akariischen Bodentruppen und waren ein durcheinander an Dinge.
Brücken, Flugfelder, Kommunikationszentren, Nachschubdepots und vieles mehr galt es zu zerstören. Die gegnerischen Aufmarschgebiete waren zu gut gesichert und die Heeresluftwaffe der Peshten und der terranen Expeditionstruppen war zur Zeit dabei sich von den Kämpfen zu erholen, um eine massive Luftoffensive gegen feindliche Truppenverbände zu fliegen.
Bei den ganzen Zielen wurde deutlich, dass die Angels, solange sie den Konvoi begleiten mussten, keine große Hilfe am Boden sein konnten und mit den Crusadern nur eine eingeschränkte Auswahl an Zielen bombardieren konnten.
„Fakt ist doch folgender“, erklärte der Count Major McKenzie, „wenn wir die Crusader zu weit von Träger wegschicken, brauchen sie entweder eine Eskorte oder wir müssen unsere CAP und Barrier-CAP ausweiten, was dann möglicherweise zusätzliche Betankung im All erfordert. Dafür haben wir aber nichts mehr zur Verfügung, es sei denn wir streichen beim Konvoi eine Rafael und nutzen die hier als Tanker. Logistik, sie kennen das Sprichwort sicher.*“
„Ich bin mir dieses Sprichworts sehr wohl bewusst, Commander, daher meine Frage, kann man keine Crusader als Tanker nehmen?“
„Leider nicht“, antwortete Proctor, „die Crusader könnten zwar die Tankpods tragen, habe aber keine Möglichkeiten diese zu betreiben.“
Damit war auch dieses Thema vom Tisch.

Den krönenden Abschluss bildete der Entwurf der ATO: Die Auswahl der Ziele und die Wahl der Mittel, die man dafür einsetzte. Anweisungen für die Staffeln und die unterstützenden Gruppen verfasst.
Zwei Sektionen Crusader würden morgen Angriffe auf unterschiedliche Einrichtungen auf Gamma Eridon ausführen. Ein vermutetes Munitionsdepot und eine Brücke, an der die Heeresflieger schon zweimal gescheitert waren. An beiden Standorten sollten morgen Force Recon Marines in Position sein, um die Nichtatomare Version der Maverick ins Ziel zu lenken. Ach Maschinen, jede im Wert von fast vierzig Millionen Credits, ohne Jagdschutz.
Das würde für Davis blaue Schwadron eine verstärkte Barrier-CAP bedeuten und sechs bis acht Falcons näher am Planeten im Einsatz würde Jules zwingen einen Tanker bereit zu stellen. Sprich mindestens eine Rafael Crew die heute mit Jules rausgehen würde, kann sich für morgen schon auf einen weiteren Einsatz freuen, trotz eines anstrengenden Langstreckeneinsatzes.

Als Jules die Besprechung aufhob, war er über zwei Dinge froh. Erstens, einiges an Arbeit geschafft zu haben und das Decker sich von seiner besten Seite gezeigt hatte, nämlich die Schnauze gehalten hatte.
„Commander Stafford“, natürlich zu früh gefreut.
Jules blickte demonstrativ auf die Uhr, als er sich zu Decker umdrehte: „Was kann ich für sie tun?“
Dieser verschränkte die Arme vor der Brust, was immer er sagen wollte, schien er sich anders zu überlegen.
„Hören sie Decker, ich habe jetzt noch gut fünfzig Minuten Zeit, bis ich mich mit den Vorbereitungen für einen sechzehn bis achtzehn Stündigen Flug beginnen muss. Da das für eine Runde Schlaf nicht ausreicht, werde ich mich an den Pokertisch setzen und einem selbstgefälligen Bomberjockey meinen Gehaltscheck in den Rachen schieben und dabei versuchen, so was wie Spaß dabei zu haben, also?“
„Hm, na gut, ich sehe, dass viele Ihrer Piloten Nebenjobs haben und auch, wenn ich selbst viel zu tun habe, wollte ich meine Hilfe anbieten“, der Commander von der Waffenentwicklung befeuchtete seine Lippen, „da ich eh mit der Einsatzplanung für die Staffeln involviert bin.“
„Wissen sie“, gestand Jules vorsichtig ein, „ich glaube, ich kann sie da ganz gut gebrauchen. Wenn sie Lieutenant Saunders unter die Arme greifen könnten…“
„Einem Lieutenant unter die Arme greifen?“
„Er wird den Job ja auch noch machen müssen, wenn sie wieder weg sind, wenn sie ihm mit Rat und Tat beiseite stehen könnten, ihn von ihrer Erfahrung profitieren lassen könnten, die Kniffe beibringen… ohne dem fragilen Pilotenego auf den Schlips zu treten…“
„Halten sie mich für blöde“, schnaufte Decker, „glauben sie das bisschen ei-ei-ei und Social-Engineering funktioniert bei mir?“
Wäre ja auch zu schön gewesen: „Sie wollen helfen, dann helfen sie, werde ich ihnen nicht vergessen, erwarten sie jetzt aber keinen Blumenstrauß.“
„Dankbarkeit sieht wirklich anders aus, CAG!“
„Bis jetzt, haben sie auch noch keinen Finger gerührt und sie können auch immer noch Murks bauen. Aber wenn sie mit anpacken und wirklich eine Hilfe sind, werden sie so etwas wie Reputation erlangen, die sich dann bei meinen Piloten in den Ring werfen können.“
Deckers Gesicht machte deutlich, was er von diesem Trostpreis hielt.
Jules ließ die Schultern sinken und atmete tief durch: "In Ordnung Commander, entschuldigen sie bitte. Ich bin dankbar für ihr Angebot und wir können jede Hilfe gebrauchen, die wir bekommen können. Wenn sie Lieutenant Saunders unterstützen würden, wäre ich ihnen sehr verbunden."
Der Waffenentwickler nickte abrupt: "Ich sehe, was ich tun kann."


*Amateure reden über Strategie, Profis über Logistik.




„Incomming Artillery-Rounds have the right of way.“

34. Breitengrad
Gamma-Eridon, Concordat von Peshten

Die Nacht war soweit ruhig. C-Company, 148. Regiment, 5. Expeditionary Corps, TRMC hatte seit fast sechs Wochen keine Feindberührung gehabt. Der neue Captain hatte sich eingearbeitet und war nach Meinung von Pedro Valesques ein ganz anständiger Kerl. Etwas jung für seinen Rang, dass kam aber immer öfters vor.
Captain Calvin Carter, Charly Company, was für ein Witz. Das traf genau sein Humorzentrum.
Er atmete tief ein und genoss die Nachtluft. Der von den brasilianischen Saturn-Colonien stammenden Valesques liebte Gamma-Eridon einfach. Es war ein paradiesischer Planet.
Es hätte hier so schön sein können, wenn man hier nicht mit Artillerie und Bomben versuchen würden den Planeten umzupflügen.
Wenn er mit dem Krieg durch war, würde er sich einen Ehemann suchen und da er verletzungsbedingt Kinder zeugen abschreiben konnte, würde er einen Kriegsweisen adoptieren und sich auf einem abgelegenen Planeten mit echter Atmosphäre suchen. Nach Möglichkeit mit etwas höherer Schwerkraft als die Erde, aber nicht viel.
Nie wieder würde er in die sterilen Kuppelstädte der Saturn-Colonien zurückkehren.
Ein Geräusch von rechts hinter ihm ließ Valesques in seinen Gedanken innehalten. Standart-Militärstiefel auf erdigen Untergrund, ein Grinsen stahl sich auf sein Gesicht: "Sarge, ich kann sie hören."
Ein leises Lachen antwortete ihm: "Fast hätte ich sie Pedro."
Er schüttelte leicht den Kopf, während Sergeant Nappa ins Schützenloch gerutscht kam: "Alles ruhig soweit?"
"Jepp, also abgesehen von den Army-Jungs da drüben."
Nappa nahm ihren Feldstecher zur Hand und visierte auf die Stellungen der Army an. Ein Regiment aus der Reserve nach vorne verlegt um die Expeditionstruppen zu verstärken.
Sergeant Nappa sah einige Frauen und Männer in den Felduniformen der Army. Die Frauen trugen Barette, während die Männer Dastars trugen.
„Indische Gebirgsjäger“, stellte sie fest und klang dabei leicht unzufrieden.
„Nicht gut, Sarge?“
Nappa zuckte mit den Schultern: „Schwer zu sagen, die meisten regional aufgestellten Verbände sind jung und mit etwas pech unerfahren. Nun haben die Inder eine recht umfangreiche Kriegerkultur.“
Valesques lachte: „Nichts kommt einem Marine gleich.“
Außer einem akariischen Panzergrenadier, dachte er im stillen bei sich und wandte sich wieder der Front zu. Seine Arme legte er auf den Rand seines Schützenloches und legte das Kinn auf den Rücken seine rechten Hand.
Das 148te war mit einem Regiment der vierundsechzigsten Imperial Ranger aneinander geraten und hatte es irgendwie kampfbereit überstanden, was einem Wunder glich. Die Ranger waren eine erfahrene Frontbrigade der akariischen Armee. Gut ausgerüstet und Hölle, waren die Echsen ran gegangen.
Hinter dem nächsten Hügelkamm leuchtete es hübsch auf und einen winzigen Moment hoffte Valesques, dass es sich um Wetterleuchten handeln würde. Doch der herüber getragene Donner machte diese Gedanken zu nickte.
„Sarge!“ Er drehte sich zu Nappa um, die schon die Signalpistole gehoben hatte und schoss.
Zwei rote Leuchtkugeln erhellten den Himmel: Feindkontakt!
Dann schlug die Artillerie ein.
Explosionen und Inferno zerrissen die schöne Nacht und verwandelten sie in einen Albtraum, der doch nur das Vorspiel darstellen würde.
Pedro Valesques drückte sich tief in sein Loche, hielt den Kopf samt Helm mit beiden Armen fest umklammert und betete still.

Der pure Akt der Gewalt dauerte, dauerte und dauerte. Valesques saß in seinem Loch und zitterte am ganzen Laib und schrie sich heiser. Dann war nur noch Stille.
Schwer atmend blickt der junge Marine sich um. Von Nappa war nicht zu sehen.
Er ergriff sein Gewehr oder ihres, wischte etwas schmierige Masse ab und lugte aus dem Schützenloch hervor.
Um ihn herum gingen die überlebenden des 148ten in Stellung. Impulsgewehre wurden in Anschlag gebracht.
Eine neue Gestalt mit zwei Anti-Tank-Raketen auf dem Rücken kam in sein Loch gerutscht, gefolgt von zwei weiteren.
Es war Captain Carter, sein Funker und Peck aus Valesques Fireteam.
Peck ebenfalls Raketen tragend ging neben ihm im Stellung. Das jugendliche Gesicht nüchtern und verdreckt, die tausendjährigen Augen hart vor Mordlust.
Der Captain nahm keine Notiz von ihm sondern ließ sich den Hörer des Funkgeräts geben: „Fenrir-sechs, Charly-sechs, Feuerauftrag: Wirkungsschießen auf vorbereitete Koordinaten Tango-vier-vier-eins bis Tango-vier-vier-sechs. Verzögerung: ….“
Peck hatte einen Feldstecher hervorgeholt: „Der Kamm ist voller Echsen, höchsten zwanzig Sekunden, Cap‘n.“
„Verzögerung zwanzig Sekunden.“
Valesques fokussierte den Hügelkamm und ja, da waren sie, akariische schwere Kampfpanzer vom Typ Kaschpahr und Truppentransportpanzer.
Er legte an und ließ sein Visier heranzoomen. Der vorderste der Panzer führte eine rot-grüne Standarte, gekreuzte Säbel und akariische Symbole, die er als vierundsechzig erkennen konnte. Die Ranger waren fürs Rückspiel gekommen.
Aus dem eigenen hinteren Raum war grummeln zu hören. Die eigene Artillerie sprach und würde Tod und Vernichtung auf die verdammten Echsen regnen lassen.
Ein hysterisches Lachen war zu hören, dann bemerkte er, dass er es war, der gelacht hatte. Die Artillerie würde die Ranger nicht stoppen. Mit etwas Glück waren die eigenen Panzer schnell genug zur Stelle um die Front zu verstärken, sonst würden die Kaschpahr mit ihnen kurzen Prozess machen.

Granaten und Raketen regneten auf die anrückenden Panzer nieder. Dem begegneten die Akarii damit, dass sie die Geschwindigkeit erhöhten und es dauerte nicht lange, bis die terranen Truppen und die Peshten sie mit Feuer eindeckten.
Panzerabwehrgeschütze röhrten auf breiter Front los, während Impulsgewehre die Nacht erneut erhellten.
Die akariischen Truppen kamen jedoch immer näher.
Valesques begutachtete seine Ausrüstung. Ein Sturmgewehr, diverse Magazine, vier Bündelladungen, eine Panzerabwehrrakete, drei Handgranaten, Pistole und Bajonett.
Doch als der führende akariische Panzer den Motor aufheulen ließ, fühlte er sich unterbewaffnet.
Während Carter über Funk Befehle an seine Zugführer schrie wurde Valesques Atem immer Flacher.
„Infanterie!“ Schrie Peck und begann kurze Feuerstöße abzugeben.
Und tatsächlich begannen die Truppentransportpanzer ihre tödliche Fracht auszuspeien: akariische Panzergrenadiere. Natürlich ließen die Echsen nicht zu, dass ihre Panzer ungeschützt mit feindlicher Infanterie in den Nahkampf gerieten.
Er nahm drei schnelle Atemzüge und griff sich eine von Pecks Raketen: „Gib mir Feuerschutz!“
Valesques sprintete los, links weg vom Schützenloch um den führenden akariischen Panzer zu flankieren und die starke Frontpanzerung zu umgehen.
Pecks Schüssen fällten einen, zwei, drei akarische Grennies.
Er selbst ging in Stellung, richtete den ersten Raketenwerfer aus und visierte den Kaschpahr mittels des Lasers an. Schön auf die Seite und Feuer. Valesques achtete nicht darauf, ob er traf, sondern machte gleich den zweiten Werfer bereit. Rauch und Schaden zeugten von einem Treffer aber nicht von einem Durchschlag.
Ruhig, ganz ruhig und er drückte wieder ab. Die zweite Rakete traf nach genug an dem ersten Treffer um die Seitenpanzerung zu durchschlagen. Dem folgte eine Sekundärexplosion, die den fast fünfundsechzig Tonnen schweren akariischen Panzer leicht anhob, während der Turm aus dem Kranz gerissen wurde.

Der nächste folgende Panzer hielt auf das Schützenloch zu, aus dem Peck und der Captain das Feuer auf die akariische Infanterie aufrecht erhielten.
Der Turm des Panzers schwenkte und feuerte sein überschweres Gaussgeschütz auf besser bestückte Stellungen, die mit ihren Panzerabwehrkanonen die leichteren Truppentransportpanzer ins Visier nahmen.
Ein in der Front verbautes Impulsgewehr bestrich die Umgebung mit Energiebolzen.
Aus dem Schützenloch wurden die verbliebenen Panzerabwehrraketen geschossen, die der Frontpanzerung des Kaschpahr wenig anhaben konnten.
Der Panzer erreichte das Schützenloch und drehte dort seinen unteren Bereich um dreihundertsechzig Grad, während der Turm die Stellungen des Heeresregiments zur linken der Marines unter Feuer nahm.
Nach der Drehung seiner Wanne setzte der Panzer seinen eigentlichen Weg fort, als habe er nur ein paar Armeisen zertreten.
Aber mindestens eine der Ameisen musste ihm eine oder mehrere Bündelladungen an den Unterboden geheftet haben, denn weit kam er nicht. Eine Explosion bahnte sich von Unten einen Weg in den Panzer und brachte seine Munition zur Explosion.
Mit Erstaunen sah Valesques noch jemanden aus dem Schützenloch kriechen.
Dann riss ihn irgendwas von den Beinen.
Auf dem Rücken liegend rollte er seinen Kopf nach links und konnte dort Panzer und Infanterie der Akarii vorrücken sehen, im Flammenschein von Tod und Vernichtung.
Mehr und mehr und immer mehr.
Der eben noch paradiesische Planet hatte sich erneut in ein Schlachthaus verwandelt, und Wesen von mehr als sechs unterschiedlichen Spezies waren damit beschäftigt sich gegenseitig auszulöschen; auf einem Planeten, den wohl kaum einer von ihnen auf einer Raumkarte finden konnte.

__________________
5th Syrtis Fusiliers - Pillage and looting since first succession war


30.09.2020 22:48 Cunningham ist offline E-Mail an Cunningham senden Homepage von Cunningham Beiträge von Cunningham suchen Nehmen Sie Cunningham in Ihre Freundesliste auf
Tyr Svenson Tyr Svenson ist männlich
Captain


Dabei seit: 06.10.2015
Beiträge: 1.030
Herkunft: Jena, Thüringen

Auf diesen Beitrag antworten Zitatantwort auf diesen Beitrag erstellen Diesen Beitrag editieren/löschen Diesen Beitrag einem Moderator melden       Zum Anfang der Seite springen

Operationsstab der Kaiserlichen Flotte, Imperiales Zentralsystem

Das Galaxie-Hologramm rotierte langsam um die eigene Achse. Es wäre ein friedliches, kontemplatives Bild gewesen – wenn nicht in schneller Folge dünne, rote Linien wie blutige Blitze durch das Hologramm gezuckt wären. Sie verbanden in rascher Folge eine immer wieder wechselnde Reihe von Sternen, begannen aber alle in demselben Bereich eines der Spiralarme der Galaxie. Außerdem hatten sie alle das gleiche Ziel: eine einzelne Sonne, die von zwei grünblauen Planeten umkreist wurde. Jede der sich abwechselnden, mit eine Folge von Ziffern und Buchstaben versehenen Sternlinien war mit einer farbigen Prozentangabe versehen. Die meisten der Anzeigen waren blutrot. Bei einigen wenigen, die einem besonders komplizierten Kurs folgten, war die Prozentzahl hingegen orange. Aber auch sie konnten den hageren Akarii, der die Simulationsfolge mit nachdenklich vor der Brust zusammengelegten Fingern verfolgte, nicht zufriedenstellen: „Simulation – Stopp. Transfersimulationsreihe Zwei laden.“
Während das Hologerät die neuen Kalkulationen lud, unterdrückte Admiral Taran einen leisen Seufzer. Es war, wie er befürchtet hatte: die von Admiral Ramal gewünschte Offensive gegen das Parrak-System erwies sich als eine echte ‚Entscheidungsschlag‘-Idee. In der Theorie war sie großartig. In der Praxis bot sie der TSN allerdings auch die wohl einmalige Möglichkeit, die gesamte verbliebene Offensivkraft des Imperiums zu stellen, zu vernichten oder zumindest auszubluten. Der Admiral hatte bereits ein halbes Dutzend Transferrouten durchgespielt. Jedes Mal war das Ergebnis das gleiche gewesen. Die Wahrscheinlichkeit, dass der Feind den imperialen Flottenverband noch vor Erreichen des Ziels ortete, lag immer im hohen zweistelligen Bereich. ‚Also auf ein neues…‘

Der Admiral wurde durch ein leises Surren abgelenkt, das das Öffnen seiner Bürotür signalisierte. Überrascht blickte er auf: „Ich hatte gesagt, ich möchte…“
„Schalten Sie einen Nachrichtensender ein. Irgendeinen. Das wollen Sie sehen.“, Thera Los stockte nicht einmal, als sie das halbdunkle Zimmer betrat, in dessen Mitte das Sternenhologramm rotierte. Sie kannte die Marotten ihres Vorgesetzten.
„Was soll das werden? Na meinetwegen, sinnloser als die Anmarschrouten zum Parrak-System durchzuspielen kann es auch nicht sein.“
Die Kapitänin zuckte mit einer Schulter, während sie sich ungefragt einen Stuhl angelte: „So schlimm?“
Der Admiral schnaubte kurz, während er einen der Wandschirme aktivierte: „Wenn Sie eine siebzigprozentige Wahrscheinlichkeit entdeckt zu werden, noch bevor wir auch nur zwei Sprünge an unser Ziele heran sind, als ‚schlimm‘ bezeichnen wollen? Entweder die Routen sind zu offensichtlich – oder es braucht einfach zu lange. Und die Menschen spüren uns so oder so auf.“

Ein aus den Lautsprechern dröhnender, nur zu vertrauter Trommelwirbel erstickte Thera Los vermutlich sarkastische Antwort. Der hämmernde, treibende Klang hatte in vergangenen Jahrhunderten den Sturmlauf der angreifenden Infanterie begleitet – damals, als die Heere noch in geschlossenen Kolonnen kämpften. Inzwischen gehörte der Sturmmarsch zu den Signalmelodien, die Sondermeldungen der imperialen Streitkräfte ankündigten.
Während das Nachrichtenlogo der Filmtotalen einer Sperrfeuer schießenden Geschützbatterie wich, verwandelte sich der Trommelwirbel in das Hämmern schwerer Artillerie. Admiral Taran war kein Experte, doch er war sich sicher, dass mehrere Artillerieregimenter im Einsatz sein mussten, unterstützt von fast genauso vielen Salvenwerfern.
Während das Bild wechselte – diesmal zu einer anfahrenden Panzer- und Schützenpanzerkolonne – schnitt die harte Stimme eines unsichtbaren Nachrichtensprechers durch den Motoren- und Geschützlärm:

„Sondermeldung von Gamma-Eridon!
Entlang des 34. Breitengrads eröffneten unsere Truppen heute um Drei Uhr Ortszeit eine Großoffensive! Angeführt von den Herolden des Todes und den Imperialen Rangern schlugen die Streitkräfte General Anwhars an mehreren Frontabschnitten gegen die terranischen und peshtischen Streitkräfte los, die von dem Angriff völlig überrascht wurden.
Schweres Artillerie- und Raketenfeuer vernichtete zahlreiche feindliche Stellungen und Fahrzeuge, während unsere Luftwaffe heftige Angriffe auf die gegnerischen Bereitstellungsräume, Kommunikations- und Kommandozentren flog!“

In raschem Wechsel wurden Aufnahmen startender und angreifender Kampfflieger gezeigt, grau-schwarze Guncam-Aufnahmen von einer Fahrzeugkolonne, einer Bahntrasse und einer Gebäudeansammlung, deren Umrisse in grellen Explosionen vergingen.

„An mehreren Stellen gelang unseren Truppen bereits im ersten Ansturm der Einbruch in die feindlichen Linien. Von dem Beschuss demoralisiert, waren die Menschen, Peshten und ihre Alien-Söldner unfähig, dem Angriffswillen unserer Soldaten lange Widerstand zu leisten.“

Jetzt waren vorrückende Panzer zu sehen, die im Fahren auf unsichtbare Ziele schossen. Imperiale Soldaten booteten geduckt aus Schützenpanzern aus, die aus allen Rohren Feuerschutz gaben, und rückten aus der Hüfte feuernd vor.
Ein Szenenwechsel zeigte zerstörte, aufgegebene Stellungen, in denen undeutlich einige verkrümmte, reglose Körper in fremdartigen Uniformen zu erkennen waren. Die nächste Filmsequenz präsentierte geschockte, verdreckte, teilweise verwundete Menschen, Peshten und andere Alien, die mutlos am Boden kauerten oder von imperialen Soldaten bewacht in Richtung Hinterland stolperten. Taran registrierte beiläufig, dass unter den Gefangenen kaum T’rr zu sehen waren und praktisch keine Akarii, Tonari oder Soridachi, obwohl in den Söldnerverbänden der Peshten eine beträchtliche Anzahl diente. Vielleicht hielt der Nachrichtensender es nicht für opportun, Mitglieder von dem Imperium untertänigen Reichen – geschweige denn Akarii – zu zeigen, die auf der Seite des Feindes gekämpft hatten. Oder diese hatten es vorgezogen, nicht in Gefangenschaft zu gehen. Wenn die imperialen Truppen ihnen überhaupt die Möglichkeit zur Kapitulation eingeräumt hatten…
Ein verwundeter menschlicher Marineinfanterist mit den Rangabzeichen eines Captains wurde von einigen seiner Kameraden auf einer improvisierten Bahre mitgeschleppt. Sein Arm schlenkerte auf groteske, übelkeitserregende Weise hin und her, als hätte er ein zusätzliches Gelenk. Ein dunkelhäutiger Marine musste von einem Kameraden gestützt werden und zog das Bein nach.
Für Tarans Augen besonders irritierend waren allerdings die dichte Gesichtsbehaarung und die merkwürdig runden Kopfbedeckungen, die einzelne terranische Gefangene – diesmal Armeesoldaten – in der nächsten Sequenz trugen. Admiral Taran erinnerte sich flüchtig daran, wie er zum ersten Mal einen Menschen mit Vollbart gesehen und sich unwillkürlich gefragt hatte, wie dieser mit diesem Monstrum im Gesicht anständig essen oder auch nur frei atmen konnte. Im Vergleich dazu sahen ihre weiblichen Kameraden mit den einfachen Baretten viel ‚normaler‘ aus. Offensichtlich hatten die terranischen Soldaten nicht einmal Zeit gehabt, ihre Helme aufzusetzen, bevor sie von den Angreifern überrollt worden waren.
Einem geschulten, wachsamen Auge fielen im Hintergrund dieser Szenerie allerdings die rauchenden Überreste eines imperialen Kampfpanzers auf, dessen Turm glatt weggesprengt worden war. Admiral Taran presste kurz die Lippen zusammen. Nicht, dass er für Propaganda generell viel übrig hatte, auch wenn er ihren Nutzen einsah. Aber er mochte keine Schlamperei.

„General Tyrosch Anwhar erklärte: ‚Die Menschen und ihre verräterischen Verbündeten haben sich zu lange zu sicher gefühlt. Es wird Zeit, dass wir Ihnen erneut ins Gedächtnis rufen, was jedem droht, der sich dem Imperium in den Weg stellt. Die Siege der letzten Stunden waren erst der Anfang.“

Jetzt war der General selber zu sehen, wie er mit harter, undeutbarer Miene und verschränkten Armen dem Vortrag eines Stabsoffiziers lauschte, der mit einem Laserpointer auf einer holografischen Frontkarte Truppenbewegungen simulierte. Die nächste Sequenz zeigte ihn noch einmal, diesmal neben einem Kommandopanzer, während eine Panzerkolonne vorbeirollte, und dann in einem Feldlazarett, mit einem verwundeten, aber grimmig lächelnden Soldaten sprechend. Offenbar war der Cutter dieser Sendung im Gegensatz zu einigen seiner eher traditionellen Kollegen nicht den Konventionen der Vergangenheit verhaftet, die die Darstellung verwundeter (geschweige denn toter) Akarii verboten. ‚Vielleicht war der zerstörte Kampfpanzer also doch keine Schlamperei?‘ Allerdings war Taran sich nicht so sicher, ob General Anwhar tatsächlich derart martialische Worte gewählt hatte. Der alte Mann wirkte nicht so recht wie der Typ dafür.

„Auch unsere Raumflotte ging im Gamma-Eridon-System erneut in die Offensive. Ein Überraschungsangriff imperialer Schnellboote vernichtete zwei Truppentransporter aus einem feindlichen Konvoi. Mehrere weitere Frachter sowie Geleitschutzeinheiten wurden schwer beschädigt. Unsere kühnen Piloten entkamen mit minimalen Verlusten…“

Die martialische Stimme des Nachrichtensprechers brach abrupt ab, als Admiral Taran das Wiedergabegerät ausschaltete: „Also hat er tatsächlich losgeschlagen.“ Der Admiral klang ein klein wenig ungläubig.
„Sie sind überrascht? Das hatte Tyrosch doch angekündigt. Sie und Rian sind nicht mehr die einzigen, die gegen die Menschen in die Offensive gehen.“, stichelte Thera Los.
Der Admiral grinste frostig: „Wir wissen beide, dass unser Schlag gegen das Parrak-System nur halb gelungen ist. Admiralin Rians Sieg war beeindruckend – auch wenn sie hohe Verluste hinnehmen musste. Und was General Anwhar angeht…ich hatte nicht gedacht, dass seine Truppen so schnell angriffsbereit sind.“
„Vermutlich hatte er keine andere Wahl.“, konstatierte Thera Los nüchtern: „Anwhar musste losschlagen, bevor der Feind noch mehr Verstärkung auf den Planeten schaffen konnte. In diesem verdammten Stellungskrieg gewinnen die Peshten, solange sie nicht verlieren. Und wir verlieren, wenn wir nicht endlich ein paar echte Siege einfahren.“, Sie musterte ihren Vorgesetzten wachsam: „Ich hätte gedacht, Anwhars Angriff ist nach Ihrem Geschmack. Eine Offensive, die mal NICHT dorthin zielt, wo der Gegner am Stärksten ist. Und…“, sie grinste kurz: „…der Draned-Sektor und die übrigen Grenzwelten entlastet. Jetzt haben die Menschen vermutlich andere Sorgen, als wieder einen ihrer Terrorangriffe zu starten.“

Der Admiral sparte sich seine Antwort, wirkte aber nicht überzeugt. Im Gegensatz dazu konnte Thera Los ihre Freude kaum in Zaum halten: „Ich weiß, unsere Propagandabarden neigen dazu, Erfolge etwas…aufzupolieren. Aber den ersten Gefechtsberichten zufolge ist es diesmal nicht nur heiße Luft und recycelte Aufnahmen aus früheren Schlachten. Laut den jüngsten Analysen wurden feindliche Einheiten in der Stärke von zwei Brigaden überrollt oder ausgeschaltet, mindestens dieselbe Anzahl zieht sich kämpfend zurück. Und das war vor ein paar Stunden. Was die Erfolge der Luft- und Artillerieschläge angeht, sind die Zahlen noch etwas unsicher. Aber angeblich wurden bereits über einhundert Kampf-, Raketen- und Artilleriepanzern vernichtet.“
„Unsere Helden der Lüfte neigen dazu, ihre Erfolge doppelt zu zählen.“, warf der Admiral ein.
Aber Thera Los ließ sich nicht beirren: „…und unsere Jäger und mobilen Flugabwehrbatterien kontrollieren den Luftraum über den Angriffsverbänden.“
„Vorerst.“, schränkte Taran ein: „Je weiter Anwhar vorstößt – WENN er das weiter tut – desto schwieriger wird es, den Flugabwehrschirm intakt zu halten.“
Diesmal hatte er Erfolg: „Was stört Sie eigentlich?“
„Ich will nur sagen, dass wir General Anwhar noch nicht eine Statue im Park der siegreichen Schlachten reservieren sollten.“

Um im Park der siegreichen Schlachten, der Toten-doch-Unvergessenen mit einer Statue geehrt zu werden, reichte es nicht, eine Schlacht gewonnen zu haben. Zwar wurde der Name jedes Generals oder Admirals, der im Verlauf einer siegreichen Schlacht oder Kampagne mehr als fünfzigtausend Feinde getötet hatte, in eine Platte aus Titanstahl gemeißelt, und diese in die drei Schritt hohe Mauer eingelassen, die den Park umschloss. Doch das war nur eine Unsterblichkeit aus dritter Hand. Angeblich war diese Form der Ehrung überhaupt erst von einem längst verblichenen Imperator eingeführt worden, der es nicht ertragen konnte, dass sein geliebter, in einer Schlacht gefallene Sohn weder als Imperator noch als ‚Toter-doch-Unvergessener’ im Gedächtnis bleiben würde.
Um mit einer Statue geehrt zu werden, um sich wahrhaft der Gruppe jener zugesellen, die unvergessen blieben, bedurfte es weitaus mehr als eines Sieges. Im Park selber fanden nur diejenigen Aufnahme und ewiges Gedenken, die einen Krieg gewonnen oder eine Entscheidungsschlacht geschlagen hatten.

„Sie sind doch nicht etwa neidisch?“
„Auf die Armee? Das wäre ja noch schöner! Nein, ich mache mir nur meine Gedanken. Unsere Reserven auf dem Planeten sind knapp bemessen. Wenn diese Offensive mehr erreichen soll, als ein paar Quadratkilometer zerbombtes Gelände erobern, wird Anwhar Verstärkung brauchen – und das schnell. Sonst besteht die Gefahr, dass er seine Frontlinien überdehnt. Das ist eine General Ilis-Offensive. Schneidig und präzise gezielt – aber es fehlen die Alternativen für den Fall, dass NICHT alles nach Plan läuft. Und diesmal haben wir nicht die Möglichkeit, die Hauptwelt seines Gegners als Geisel zu nehmen…“, der Admiral winkte ab. DAS Thema war in den Flottenstäben schon oft genug durchgekaut worden. Aber immer auf Risiko zu gehen, barg die sehr reale Gefahr, dass die Rechnung einmal NICHT aufgehen würde…
„Wenn General Anwhar die Terraner und Peshten tatsächlich am Laufen hat – und danach sieht es momentan aus – wird er zusätzliche Truppen, Panzer, Kampfflieger und Gefechtsnachschub brauchen, um die Offensive am Laufen zu halten. Und zwar bald. Es wird die Aufgabe der Flotte sein, dafür zu sorgen, dass sich die Offensive nicht einfach totläuft. Idealerweise sollten wir gleich noch den Himmel freikämpfen und der Armee den Weg freibomben, aber…“
„…wir leben leider nicht mehr in der guten alten Zeit.“
„Also machen wir das Beste aus dem, was wir haben. Sind momentan Konvois für Gamma-Eridon geplant?“
Thera Los hatte Ihre Hausaufgaben gemacht: „Einer wird gerade zusammengestellt, für einen zweiten laufen die Planungen.“
„Das müssen wir beschleunigen und die Materialmenge vergrößern. Sie stellen eine Task Force zusammen, die sich um die Planung kümmert und zusätzlich aktualisierte Pläne für zwei weitere schnelle Nachschubkonvois vorlegt. Mit einer Liste der zusätzlichen Schnelltransporter und Begleitschiffe, die wir kurzfristig zusammenziehen können. Sie wissen schon – System- und Patrouillenflotten und so weiter…“
„Ich erinnere mich daran.“, bestätigte Captain Los trocken. Die Zeit im Draned-Sektor war für beide eine harte aber umfangreiche Lehrzeit dafür gewesen, mit unzureichenden Mitteln auskommen zu müssen: „Bis wann brauchen Sie die Pläne?“
„Am besten sofort. Aber da das wohl kaum möglich ist, reicht bis heute Abend.
Ich hoffe, dass das reicht. Uns fehlt es vermutlich wieder mal Begleitschiffe und schnellen Transportern.“
„Besonders da viele von denen auch auf Ihr Betreiben zu Leichten Trägern und Schnellbootmutterschiffen umgebaut worden.“, warf Los leicht spöttisch ein. Der Admiral ignorierte die Bemerkung, auch weil sie wahr war. Das Imperium führte inzwischen einen Krieg des armen Mannes.
„Und wenn wir die Verstärkung in Zerstörerhangars pressen und Hilfsträger als Kampffliegertransporter nutzen müssen…“
„Vielleicht können Sie Admiral Ramal ja überzeugen, dass es sinnvoller wäre, sich erst einmal auf die Peshten-Front zu konzentrieren, statt eine vergrößerte Neuauflage unseres Parrak-Runs zu starten, der Ilis Angriff auf Hannover vorsichtig wirken lässt. Diese weichhäutigen Dreiaugen werden ja vermutlich nicht gleich kapitulieren, wenn sie auf Gamma-Eridon zurückstecken müssen. Aber wenn wir den Peshten gleichzeitig noch ein paar schwere Schläge im Raum verpassen…“
Admiral Taran lächelte flüchtig: „Ein verführerischer Gedanke. Aber dazu muss Anwhars Offensive weiterlaufen. Sorgen wir uns erst einmal darum, das Feuer am Brennen zu halten. Ich kümmere mich dann um unseren kühnen Flottenstabschef.“
„Weil sie beide ja so gut miteinander können.“
Wieder lächelte der Admiral: „Das wird Sie jetzt vielleicht überraschen, aber ich glaube, langsam verstehe ich, wie unser kaiserlicher Bastard tickt. Ich habe schon mit weitaus schlimmeren Vorgesetzten zurechtkommen müssen...“
Thera Los verkniff sich die Retourkutsche, dass er einen der fraglichen Vorgesetzten zu stürzen versucht hatte. Falls die Verschwörung gegen den Kronprinzen, Großadmiral und Kriegsminister Jor Thelam nicht noch sehr viel weiter gegangen war.
„…und ich muss Ramal ja nicht MÖGEN, um mit ihm klarzukommen.“
‚Das Motto jeder kaiserlichen Prinzessin vor ihrer Hochzeit.‘, lag es Thera Los auf der Zunge, aber das wäre vielleicht doch etwas zu weit gegangen. Vor allem, weil man es auch auf eine ganz spezielle Prinzessin hätte beziehen können.
„Und…das da?“, sie gestikulierte zu der sich immer noch im Halbdunkel drehenden Galaxie-Projektion, die darauf wartete, die nächste Anmarschrouten-Kalkulation für die von Kern Ramal so dringend gewünschte Parrak-Offensive zu laden.
„Das kann warten.“
Wenige Herzschläge später war der Raum wieder still und dunkel – wenn man von dem Galaxie-Hologramm absah, das sich weiter lautlos um die eigene Achse drehte.

***

„Imperiale stehen fünfzig Meter vor Kommandobunker. Feindliche Panzer an den Flanken durchgebrochen, Rückzug unmöglich. Erbitte Artillerieschlag auf eigene Stellungen. Regiment hält so lange wie möglich. Semper Fidelis.“

Letzter Funkspruch des 148. Regiments der Marineinfanterie der FRT

***

Entlang des 34. Breitengrades griffen Feindverbände in Divisionsstärke die alliierten Stellungen an. Unter hohen Verlusten an Panzern und Mannschaften gelang ihnen an einigen Punkten ein temporärer Einbruch in unsere ersten Verteidigungslinien. Die Streitkräfte des Konkordats und des terranischen Expeditionskorps stehen überall in schweren, aber erfolgreichen Abwehrgefechten. Alliierte Flieger konterten den feindlichen Angriff mit einem massiven Luftschlag gegen die angreifenden imperialen Verbände und das gegnerische Hinterland. Dabei wurden alleine in den letzten zehn Stunden mehr als fünfzig Panzer und gepanzerte Fahrzeuge sowie dutzende von Artillerie- und Raketen-Stellungen ausgeschaltet. Die Front hält – wir werden siegen.

Offizielles Kommuniqué des Peshten-Oberkommandos auf Gamma-Eridon
08.10.2020 13:18 Tyr Svenson ist offline E-Mail an Tyr Svenson senden Beiträge von Tyr Svenson suchen Nehmen Sie Tyr Svenson in Ihre Freundesliste auf
Ironheart Ironheart ist männlich
Lieutenant


images/avatars/avatar-26.gif

Dabei seit: 16.01.2003
Beiträge: 622

Themenstarter Thema begonnen von Ironheart
Auf diesen Beitrag antworten Zitatantwort auf diesen Beitrag erstellen Diesen Beitrag editieren/löschen Diesen Beitrag einem Moderator melden       Zum Anfang der Seite springen

Platzhalter…

__________________
"Das Leben ist das was einem passiert, während man andere Pläne schmiedet." John Lennon

Mitglied der Autorenkooperationen "Dantons Chevaliers" und "Hinter den feindlichen Linien"
14.10.2020 18:36 Ironheart ist offline E-Mail an Ironheart senden Beiträge von Ironheart suchen Nehmen Sie Ironheart in Ihre Freundesliste auf
Tyr Svenson Tyr Svenson ist männlich
Captain


Dabei seit: 06.10.2015
Beiträge: 1.030
Herkunft: Jena, Thüringen

Auf diesen Beitrag antworten Zitatantwort auf diesen Beitrag erstellen Diesen Beitrag editieren/löschen Diesen Beitrag einem Moderator melden       Zum Anfang der Seite springen

Gamma-Eridon, einige Kilometer hinter der Front

Die Luft im Kommandoraum schmeckte verbraucht. In dem unterirdischen Gefechtsstand, der eigentlich für eine so große Versammlung gar nicht ausgelegt war, drängten sich viel zu viele Offiziere: Mitglieder des Generalstabes, Repräsentanten der Geheimdienste, der Luftwaffe, Verbindungsoffiziere zur Flotte und den Reserveeinheiten…
Der Logik zufolge hätten auch die Verbindungsoffiziere der terranischen Geheimdienste, Armee-, Marines- und Flotten-Verbände, die auf oder über Gamma-Eridon im Einsatz waren, anwesend sein müssen. GANZ BESONDERS heute, denn die feindliche Offensive hatte auch einige terranische Einheiten schwer erwischt, auch wenn die Peshten-Streitkräfte natürlich mal wieder das Meiste abbekommen hatten. Aber das nicht ganz unkomplizierte Verhältnis der Peshten mit ihren ungleich mächtigeren Verbündeten verhinderte gemeinsame Treffen zumeist. Die anstatt dessen angesetzten bilateralen Meetings waren zwar eine Zeitverschwendung, erlaubten es den Peshten-Streitkräften aber, sich gegenüber den ‚Freunden‘ geeint zu präsentieren, sodass diese nichts von den oft heftigen Diskussionen und kaltblütigen Intrigen mitbekamen, die die ‚Innenpolitik‘ der Konkordats-Streitkräfte prägten. Und gerade in der augenblicklichen Situation würde der Eindruck einer geschlossenen Front gegenüber den militärisch überlegenen Verbündeten wichtig sein…
So erfuhren die Menschen auch nicht, wie gelichtet die Reihen derer waren, die an der Besprechung teilnahmen. Etliche Divisions- und Brigadekommandeure waren momentan an der Front unabkömmlich oder – noch? – nicht eingetroffen. Im besten Fall hatten ihre Maschinen aufgrund der unsicheren Luftlage am Boden bleiben müssen – oder ihre Fahrzeuge waren wegen den auf den Straßen herrschenden Staus, der Verwirrung und den durch Beschuss oder Bombardement der Transportwege notwendigen Reparaturen irgendwo stecken geblieben. Wenn sie Pech gehabt hatten…
Einige andere Kommandeure konnten immerhin als Hologramme an dem Treffen teilnehmen – aber die imperialen Luft- und Artillerieschläge, Kommandooperationen und elektronischen Störmaßnahmen sowie die unerlässliche Ver- und Entschlüsselung der Sendungen erschwerten und überlasteten auch die Übertragungen. Das Flackern und gelegentliche Aussetzen von Bild und Ton der Hologramme trug zu der gespenstischen Atmosphäre in der Kommandozentrale bei. Und in den wenigen Augenblicken der Stille lauschten die Anwesenden unwillkürlich nach einem Geräusch, dass sie so weit unter der Erde gar nicht hören konnten, von dem sie aber wussten, dass es den Himmel über dem Bunkereingang erfüllte und von Stunde zu Stunde lauter wurde. Ein fernes, dumpfes Dröhnen, das unregelmäßig an- und abschwoll. Der Klang der Schlacht…

Ri Mathar, der Oberkommandierenden der Peshten-Bodenstreitkräfte auf Gamma-Eridon, fiel es schwer, sich zu konzentrieren. Wie hatte es so weit kommen können? Alle Analysen waren doch darauf hinausgelaufen, dass die Imperialen trotz der kürzlich gelandeten Verstärkung noch für mehrere Wochen, ja Monate zu keiner Offensive in der Lage sein würden – bestenfalls zu kurzen Erkundungsvorstößen. Ohne zusätzliche Verstärkung – vor allem an Panzern, Jagdfliegern, schwerer Artillerie und Flugabwehreinheiten – sei jeder imperiale Vorstoß zum Scheitern verurteilt. Und jetzt das…

Dafür würden Köpfe rollen. Und wenn es ihr nicht gelang, den feindlichen Vorstoß zu stoppen, würde darunter auch der ihre sein…

Mit einer Willensanstrengung konzentrierte sie sich wieder auf den Vortrag, dessen Inhalt sie allerdings bereits kannte. Die letzten Stunden waren aufreibend gewesen. Lageberichte, die von Stunde zu Stunde immer düsterer klangen. Hektische Haltebefehle an die Fronteinheiten und Marschorder an die viel zu knappen Reserveverbände. Eine verheerend lange Litanei von Schadens- und Verlustberichten, von bombardierten, gefährdeten, bald auch umgangenen, aufgegebenen oder eingeschlossenen Stellungen.
Das Fazit der letzten 20 Stunden war verheerend und schrammte nur knapp am ‚katastrophal‘ vorbei. Selbst die für die öffentlichen Frontkommuniqués bestimmte Sprachregelung konnte das nicht völlig verschleiern.
„…gelangen den Imperialen tiefe Einbrüche an mehreren Stellen. Trotz lokaler Gegenstöße waren unsere Truppen nicht in der Lage, die feindlichen Vorstöße abzuriegeln. Um der Gefahr einer Umzingelung zu entgehen, mussten unsere Truppen kämpfend zurückweichen um eine neue Abwehrfront zu etablieren...“
„Sparen Sie sich die Füllsätze! Ich habe etwas anderes gehört. Nämlich, dass Ihre Helden so schnell davonrennen, dass die Imperialen nicht hinterherkommen.“ Sub-Administrator Kolkan stand in der Hackordnung der planetaren Verwaltung zwar bestenfalls an vierter oder fünfter Stelle, aber er hatte gute Kontakte nach Oben und fungierte im Befehlsstab als Repräsentant der Zivilverwaltung. Da über diese ein beträchtlicher Teil des Nachschubs und der Rekrutierung lief und sie zudem mit den lokalen Milizen, Land- und Selbstschutzverbänden einen wichtigen wenn auch nur drittklassigen Anteil der Konkordats-Streitkräfte auf Gamma-Eridon stellte, musste Ri Mathar zuhören, wenn Kolkan etwas zu sagen hatte. Auch wenn sie ihn am liebsten erdrosselt hätte.

„Sie sollten etwas mehr Vertrauen in unsere Streitkräfte haben.“, konterte Ri Mathar.
„Vertrauen hätte ich, wenn wir ein paar weitere Divisionen der Terraner am Boden hätten. Auch wenn die Gefechtsleistung ihrer Frontverbände ebenfalls zu wünschen übrig lässt. Aber immerhin HABEN Sie gekämpft und nicht einfach nur ‚die Front begradigt‘.“
Kolkan war vielleicht eine Nervensäge, dumm war er nicht. Er wusste sehr genau, wie er auf der Klaviatur der Konkurrenz zwischen den verschiedenen Streitkräften der Alliierten spielen konnte: „Oder wenn ich ein paar konkrete Maßnahmen hören würde, wie Sie den Gegner zu stoppen beabsichtigen.“
„Indem wir den feindlichen Vorstoß verlangsamen, abriegeln und dann zum Gegenangriff übergehen.“, konterte Ri Mathar. Ihre Stimme war so ausdruckslos, dass Sie Kolkan genauso gut höhnisch ins Gesicht hätte lachen können.
„Ich sagte schon mal, dass ich keine Plattitüden will! Ich will Taten!“
„Sie meinen, abgesehen davon, dass wir gegen die Akarii kämpfen?“, spottete Ri Mathar.
„Das sagen Sie!“, schnappte Kolkans, dessen Halskiemen wütend vibrierten: „Ich habe etwas anderes gehört.“
„Dann dürften Sie unsere…moralischen Stabilisierungsmaßnahmen interessieren.“, Ri Mathar lehnte sich zurück: „Noch heute wird von allen Kanzeln und über alle Medienkanäle noch einmal verkündet, dass dieser Konflikt ein Kampf der Götter ist. Dass jeder, der die Linie hält, unseren Glauben ehrt – mehr als mit jedem Gebet oder Geldopfer. Dass unser Kampf dem Schutz der ewigen Götter dient. Und dass deshalb jeder, der ohne Befehl zurückweicht, seine heilige Pflicht gegenüber den Unsterblichen verletzt. Und dass seine Gebete damit eine Blasphemie sind.“ Ri Mathar war einmal mehr dankbar, dass keiner der terranischen Verbindungsoffiziere anwesend war. Die hätten das nicht verstanden – oder es hätte sie weiter in ihren Vorurteilen bestärkt.
„Außerdem sind wir dabei, Kräfte für die Stabilisierung der Front freizusetzen. Das beinhaltet auch die Mobilisierung der Reserve- und Ausbildungseinheiten. Wie auch die Milizen, Land- und Selbstschutzverbände.“
Das hatte die gewünschte Wirkung auf Kolkan, dem es erst einmal die Sprache verschlug.
Einer der weiter hinten stehenden Offiziere – Mathar konnte nicht einmal sein Gesicht sehen – reagierte schneller: „Das ist doch wohl ein Witz! Die können eine Akarii-Frontdivision doch nicht mal verlangsamen!“

Die paramilitärischen Milizen, Selbst- und Landschutzeinheiten waren zahlenmäßig stark, tatsächlich sogar zahlreicher als die reguläre Armee. Allerdings hatten sie bei den konventionellen Streitkräften keinen guten Ruf, obwohl sie eine wichtige Rolle bei der Sicherung des Fronthinterlandes spielten und teilweise als Ausbildung- und Rekrutierungspool für die regulären Verbände fungierten. Dennoch waren sie für viele Offiziere und Soldaten nur ein Haufen überglorifizierter Polizisten – leicht bewaffnet und ungenügend ausgebildet. Eine erbärmliche Alternative für diejenigen, denen es an Mut mangelte, in einer ECHTEN Kampfeinheit zu dienen. Und eine Verschwendung wertvoller Ressourcen obendrein. Dass sie partiell nicht den regulären Streitkräften sondern der Zivilverwaltung unterstanden – oder diese zumindest bei ihrem Einsatz ein entscheidendes Wörtchen mitzureden hatte – trug nicht gerade zu ihrer Beliebtheit bei…

Auch wenn Kolkan vermutlich insgeheim die Ansicht des gesichtslosen Kritikers bezüglich der Kampfkraft der Paramilitärs teilte – er war wie gesagt nicht dumm – konnte er das natürlich kaum offen sagen. Er entschied sich für einen geringfügig anderen Ansatz: „Soll das heißen, unsere Freiwilligen soll den Wagen aus dem Dreck ziehen, weil die regulären Truppen und ihre Söldner das nicht können? Wofür bezahlen wir eigentlich Kriegssteuern? Wofür sammelt die Bevölkerung Monat um Monat Geld und Rohstoffe?“
„Entspannen Sie sich, Kolkan!“, winkte Mathar ab: „Ich habe nicht vor, die Paramilitärs den Imperialen in den Weg zu werfen. SO verzweifelt ist die Lage nicht.“, ‚NOCH nicht‘, fügte sie in Gedanken hinzu: „Wir schicken die meisten von ihnen an die ruhigeren Frontabschnitte um reguläre Infanterieeinheiten freizumachen.“
„Aber das kostet Zeit…“, wurde von der Seite Protest laut, den Mathar beiseite wischte: „Es geht nicht anders.
Außerdem brauchen wir die paramiltärischen Verbände, damit sie die Polizei und die Lokalverwaltung bei der Evakuierung unterstützen. Wir können dafür keine regulären Kräfte entbehren.“
Kolkoan bleckte wütend die Zähne, sparte sich aber einen Einspruch. Wenn sich die Zivilverwaltung einer Evakuierungsorder der Streitkräfte widersetzte – wozu sie theoretisch in der Lage gewesen wäre – und der Feind dann tatsächlich durchbrach…
„Zum Glück haben wir das unmittelbare Fronthinterland ja bereits zum größten Teil geräumt.“

Derartige Maßnahmen hatten nicht nur dem Schutz der Zivilbevölkerung gedient, sondern gleichzeitig die Versorgungseinheiten von dem Problem befreit, zusätzlich auch noch mehrere hunderttausend Zivilisten versorgen zu müssen. Ein meist unausgesprochener Grund für die Evakuierungen war, dass nicht alle Dienststellen und Geheimdienste der Meinung waren, sich auf die Zivilbevölkerung in jedem Fall verlassen zu können. Die politischen Unruhen der letzten Jahre hatten auch Gamma-Eridon erfasst, auch wenn sie in der Peripherie des Konkordats etwas weniger blutig verlaufen waren. Und das Imperium war trotz der berüchtigten Inflexibilität seiner Kriegerkaste durchaus bereit, diese Karte auszuspielen…

„Allerdings können wir uns nicht mit ALLEN der Milizen den Luxus leisten, sie nur als Transporthelfer oder als Ersatz an ruhigen Frontabschnitten einzusetzen. Die Brigaden und Regimenter der Einsatzklasse Eins sind fähig, tatsächlich auch in einem direkten Schlagabtausch mit imperialen Angriffseinheiten bestehen zu können. Zumindest in der Defensive und mit regulären Verbänden als…Unterstützung. Ich habe angeordnet, unsere Reserven an Einweg-Raketenwerfern und anderen Panzerabwehrwaffen freizugeben.“
Kolkan wirkte alles andere als begeistert und bewies einmal mehr, dass er ein aufmerksamer wenn auch selektiver Zuhörer war: „Panzerminen, Sprengdrohen und Schulter-Raketenwerfer sind wohl kaum ein adäquater Ersatz für Panzer und Artillerie. Was, wenn das nicht reicht? Was, wenn Sie die Akarii nicht stoppen können, trotz ihrer Bereitschaft, unsere Landschutzverbände zu verheizen?“
Mathar presste die Lippen zusammen. Das würde jetzt nicht angenehm werden: „Karte Vier, strategisch.“, über dem Tisch flimmerte ein Bild des gefährdeten Frontabschnitts inklusive des Gefechtshinterlandes. Eine rot unterlegte Fläche zeigte den Bodengewinn der Imperialen, teilweise unterbrochen durch Ausbeulungen und kleine, grüne Inseln – eingeschlossene alliierte Verbände. Symbole, Ziffer- und Buchstabengruppen zeigten die verschiedenen feindlichen und verbündeten Einheiten. Quer durch das noch freie Hinterland zogen sich mehrere dünngestrichelte Linien, die sich an geografischen Gegebenheiten wie Tälern, Flüssen, Hügeln und Wäldern orientierten. Kurz vor der letzten dieser Linien zog sich ein dickes, purpurnes Band durch die Landschaft.
„Wie Sie sehen, bereiten wir uns vor, eine flexible, tiefgestaffelte Verteidigung zu führen. In den letzten Monaten wurden diverse potentielle Defensivlinien definiert und mit dem Bau von Verteidigungsanlagen begonnen.“, Mathar zögerte kurz, konnte es sich allerdings nicht verkneifen, eine weitere Spitze hinzuzufügen: „Es wäre natürlich besser, wenn wir mehr der geplanten Panzer- und Schützengräben, Unterstände und Verteidigungsstellungen tatsächlich fertig gestellt hätten.“

Kolkan war klug genug, diesen Köder nicht zu schlucken. Vermutlich war er sich auch der feindseligen Blicke der anwesenden Offiziere bewusst. Das überforderte peshtische Pionierkorps hatte wiederholt den Einsatz von zivilen Zwangsmobilisierten und Milizionären für die nötigen Baumaßnahmen angeregt – und war regelmäßig abgeblitzt.

Mathar registrierte Kolkans momentane Schwäche und stieß nach: „Und selbst wenn die Imperialen tatsächlich weiter vorstoßen sollten – sie werden nicht durchbrechen.“
„Warum? Und sparen Sie sich ihre Plattitüden.“
Mathar holte Luft: „Wie Sie sehen haben wir eine rote Linie gezogen. Sollten die Imperialen bis zu unserer letzte Auffangstellung vorstoßen…sind alle Optionen auf dem Tisch. Wir bereiten uns darauf vor, in diesem Fall die feindlichen Angriffsspitzen mit Artilleriegeschossen, Raketen, Bomben und Minen zu bekämpfen, die mit Nuklearsprengköpfen armiert sind.“ Die Oberkommandierende zögerte kurz und fuhr dann unbeirrt fort: „Die Minen werden bereits gelegt. Die Weitergabe der Raketen, Bomben und Atomgranaten folgt.“
Ein paar Augenblicke herrschte Stille. Auch wenn die Truppenkommandeure bereits eingewiesen worden waren – es noch einmal in dieser Runde zu hören war etwas ganz anderes.

„Sind Sie verrückt geworden?! Sie wollen taktische Atomwaffen auf einem Konkordats-Planeten zünden?“
„Wenn wir die Akarii damit aufhalten können? Ohne zu zögern.“ Mathars Stimme klang ruhiger und bestimmter als sie es tatsächlich war. Aber sie durfte jetzt keine Schwäche zeigen.
„Und was soll ich – was wollen Sie unseren Bürgern sagen, deren Land, deren Heimat sie in eine nukleare Wüste verwandeln und für Jahrhunderte unbewohnbar machen?!“
„Krater können in ein paar Stunden aufgefüllt werden. Gras wächst in ein paar Wochen, Bäume in einigen Jahrzehnten. Und selbst die Berge und Flüsse sind nicht für ewig. Unvergänglich sind nur die unsterblichen Götter.“

Diese Worte stammten aus dem Heiligen Buch eines der auf Gamma-Eridon am weitesten verbreiteten Glaubensrichtungen. Ähnliche Leitsprüche fanden sich auch in anderen Religionen der Peshten, auch wenn sie in der Regel nicht mit der DER Intention getätigt worden waren, wie sie Mathar jetzt verwendete.

„DAS ist Ihre Rechtfertigung? Die ewigen Götter?!“
„Die nur solange ewig sind, wie noch jemand an sie glaubt. Solange es noch Peshten gibt, die ihren Namen kennen.“

Das war ein weiteres, weit verbreitetes Glaubenskonzept in der peshtischen Gesellschaft – wenn auch ein umstrittenes.

„Sie wissen genau, was es bedeutet, wenn das Imperium gewinnen sollte! Es geht hier nicht nur um einen Grenzkonflikt, um Tributlieferungen oder die Abtretung von ein paar Systemen. Das Imperium will die Vernichtung des Konkordats!“
„Die Konföderation…“
„Die Konföderierten haben keinen imperialen Prinzen getötet! Außerdem ist auch ihr Schicksal nur aufgeschoben, solange die Akarii sich auf die Niederwerfung der Republik und des Konkordats konzentrieren. Sollten sie dieses Ziel erreichen…“
„Machen Sie sich doch nicht lächerlich! Die TSN mag im Augenblick vielleicht etwas herumdilettieren, aber sie steht immer noch tief in imperialem Gebiet, gegen eine Flotte und Armee, die nur noch ein Schatten früherer Größe ist.“
„Aber die Republik ist kriegsmüde, Kolkan. Wenn sie hier ähnliche Verluste erleiden müssen, wie wir sie bereits ertragen haben, wenn sie begreifen, dass ein Sieg in immer weitere Ferne rückt – und wenn das Konkordat von der Republik nicht mehr als ein Aktivposten, sondern als eine Belastung angesehen würde…
Wie schnell, glauben Sie, wären die Menschen bereit, uns auf dem Altar der Friedensverhandlungen zu opfern? Und was, denken Sie, würde das für uns bedeuten?“

Dass Kolkan nichts erwiderte, war Antwort genug. Denn diese eine Furcht einte die peshtische Flotte, Armee und Zivilverwaltung, ungeachtet der tiefen Gräben, die diese Fraktionen voneinander und in sich selbst trennten. Das Kokordat hatte sich schon einmal außenpolitisch verkalkuliert, was in einem blutigen Putsch und einem interstellaren Krieg geendet hatte, den niemand SO gewollt hatte. Keiner, der den Umsturz, die darauf folgenden Säuberungen und den Krieg überstanden hatten, wollte so etwas noch einmal erleben. Auch weil sie wussten, dass sie vermutlich bereits tot sein würden, bevor das Konkordat das Imperium um Frieden ersuchte.

„Dazu darf es nicht kommen! Verstehen Sie mich? Die Akarii dürfen nicht durchbrechen!“
„Natürlich dürfen Sie das nicht. Aber was ist, wenn wir sie nicht aufhalten können? Nein, wir müssen ALLE Optionen auf den Tisch legen. Ich werde nicht die erste Oberkommandierende sein, die einen Kernplaneten des Konkordats verliert.“
„Es muss Alternativen geben! Was ist mit den Kommandoeinheiten und den Guerillas?! Warum sind die noch nicht in Marsch gesetzt worden und verwandeln das Hinterland des Gegners in ein Schlachtfeld?“

Die ersten der hinter den feindlichen Linien operierenden Guerillas hatten sich bereits kurz nach der Landung der Akarii formiert. Ihre ursprünglichen Mitglieder waren versprengte oder überrollte Soldaten gewesen, die durch untergetauchte Polizisten, Reservisten und lokale Beamte verstärkt wurden, die einer Internierung entgehen wollten.
Erste Anschläge hatten die Besatzer – wie in so vielen Konflikten auf so vielen Planeten der Galaxis – mit harten, teilweise brutalen Gegenmaßnahmen beantwortet, die wiederum weitere Männer und Frauen in den Untergrund trieb. Durch lokale Kirchen veröffentlichte Aufrufe zum Widerstand hatten ein Übrigens getan. Natürlich umfassten die Reihen der Widerstandskämpfer und ihrer Unterstützer nur einen kleinen Teil der unter imperialer Kontrolle stehenden Bevölkerung. Aber es waren genug, um sie für die Imperialen zu einer Bedrohung und für das peshtische Oberkommando zu einem Aktivposten zu machen. Das wurde dadurch begünstigt, dass die Peshten – im Gegensatz zu eher ‚traditionell‘ eingestellten Kreisen im Militär der FRT und des Imperiums – keinerlei Berührungsängste beim Einsatz eher…unkonventioneller Kampfmethoden hatte.
Spätestens als der Kampf um Gamma-Eridon sich zu einem Stellungskrieg entwickelte, hatten die Peshten intensive Anstrengungen initiiert, um die verschiedenen Widerstandsbewegungen zu verstärken und zu organisieren. Ein eigenes Guerilla-Oberkommando war etabliert worden. Gruppen, die sich dessen Befehl unterstellten, erhielten Kommunikationsmittel, Waffen und ‚Berater‘.
Eine daraus resultierende Besonderheit der einzelnen Guerillabewegungen war die Etablierung einer Doppelspitze. Die Kommandanten der verschiedenen Guerillagruppen, deren Mitgliederzahl von ein paar Dutzend bis zu mehreren hundert Personen reichte, waren aus logischen Gründen fast ausschließlich Peshten – vielfach Guerillas der ersten Stunde. Ihnen zur Seite stand aber nun in der Regel mindestens ein vom Oberkommando geschickter ‚Berater‘ – in der Regel ein Mitglied eines Geheimdienstes oder einer Kommandoeinheit. Diese Männer und Frauen waren häufig erfahrener in den taktischen Belangen des Untergrundkrieges, aber ihnen fehlten die Verwurzelung in der lokalen Gesellschaft und Kultur, die für die Führung eines Guerillakrieges unabdingbar war. Und mindestens die Hälfte von ihnen waren nicht einmal Peshten. Unter den Aliens stellten die T’rr und Menschen den größten Teil: Ex-Guerillas (vor allem die T’rr) und von irdischen Spezialeinheiten ‚entliehene‘ Soldaten – und Söldner, die meist ebenfalls eine Vergangenheit in einem Geheimdienst oder einer Spezialeinheit hatten. Das galt sogar für das zentrale Oberkommando der Guerillakommandos, dessen peshtische Kommandantin eine T’rr zur Seite stand.
Allerdings hatte die Steuerung der verschiedenen Guerillagruppen Grenzen. Die Kommunikation blieb schwierig und viele der Truppführer waren auf ihre Eigenständigkeit bedacht – sogar diejenigen, die sich formal dem Oberkommando unterstellt hatten. Das führte auch dazu, dass die Kooperation der verschiedenen Gruppen nicht immer reibungslos funktionierte, ja es gelegentlich sogar zu Zusammenstößen und Scharmützeln kam.
Aus dem gleichen Grund blieb das Verhältnis zu den punktuell ebenfalls im imperialen Hinterland operierenden Spezialeinheiten angespannt. Im Gegensatz zu den Guerillas nahmen diese bei der Durchführung ihrer Operationen oft wenig Rücksicht darauf, was die unvermeidlichen imperialen Gegenmaßnahmen für die Bevölkerung bedeuten mochten. Dass viele Kommandosoldaten die Guerillas für inkompetente Freizeitkämpfer hielten, trug nicht unbedingt dazu bei, die Zusammenarbeit zu erleichtern…

„Es sind bereits Befehle an die Guerillas herausgegangen. Primärziele sind die Transport- und Kommunikationslinien: Sendemasten, Brücken, Gleisanlagen, Straßen.“
„Nicht sehr ambitioniert.“
„Aber realistisch. Wenn wir die Guerillas in Sturmangriffen gegen ‚harte‘ Ziele wie Flugplätze und Luftabwehrstellungen verschleißen, ist niemandem geholfen.“, ‚Außerdem würden sie solche Angriffsbefehle vermutlich einfach ignorieren…‘, „Da ist es effektiver, wenn sie uns die Koordinaten derartiger Ziele für Luft- und Artillerieschläge liefern.“
„Und die Spezialeinheiten? Die können doch hoffentlich etwas mehr als ein paar Radar- und Relaisstationen auszuspionieren, Straßen zu verminen und ein paar Brücken und Schienenwege zu sprengen. Teuer genug sind sie ja!“
Kolkan kam schneller auf den Punkt, als es Mathar lieb war. Sie musste ihr Tempo anpassen: „Die bleiben vorerst in Reserve. Ich brauche Sie für unseren Gegenangriff.“
„Gegenangriff? Mit was?! Eben haben Sie mir noch erklärt, dass Sie die Imperialen nicht stoppen können, und jetzt faseln Sie von einem Gegenangriff?!“
„Ich rede von den Niegeborenen. Von Horoks 30. Korps.“
„Horoks? Warum drückt der sich noch immer Hinterland herum? Warum ist er nicht hier? Und warum ist sein Korps nicht schon an der Front um die Akarii AUFZUHALTEN?!“

Mathar rollte Ihre Augen – alle drei – unwillkürlich soweit nach Oben, dass ihre Pupillen kurz nicht mehr zu sehen waren. In solchen Augenblicken rächte sich die teilweise etwas inflationäre Namensgebung der Streitkräfte, die eine Truppenstärke und Schlagkraft vorgaukelte, die oft nicht so gegeben war. Und Kolkans trotz allem eher flüchtigen Kenntnisse der wahren Stärkeverhältnisse.

„Sie müssen bedenken, dass Horoks Korps momentan de facto aus gerade einmal etwas mehr als zwei Brigaden besteht, denen es zudem an Kampfpanzern mangelt. Mit Schützen-, Späh- und Transportpanzern Kopf an Kopf gegen imperiale Angriffsbrigaden anzutreten, hat wenig Sinn.“
„Und WAS hat Sinn?“
„Dazu komme ich gleich. Ich denke aber, dass Ihnen General Horoks den Plan am besten selber vorstellen kann. Ich schalte den General jetzt zu…“
16.10.2020 17:29 Tyr Svenson ist offline E-Mail an Tyr Svenson senden Beiträge von Tyr Svenson suchen Nehmen Sie Tyr Svenson in Ihre Freundesliste auf
Tyr Svenson Tyr Svenson ist männlich
Captain


Dabei seit: 06.10.2015
Beiträge: 1.030
Herkunft: Jena, Thüringen

Auf diesen Beitrag antworten Zitatantwort auf diesen Beitrag erstellen Diesen Beitrag editieren/löschen Diesen Beitrag einem Moderator melden       Zum Anfang der Seite springen

Sechs Stunden später, am selben Ort


Diesmal war die Kommandozentrale sehr viel leerer. Ri Mathar und General Horoks, der vor etwa einer halben Stunde eingetroffen war, waren die einzigen Peshten im Raum. Die übrigen Anwesenden waren ausschließlich Menschen.
Da war stellvertretend für Admiralin Girad Commodore Henning Schupp, dessen Shuttle vor einer knappen Stunde unter dem Schutz von zwei Falcons und vier Peshten-Atmosphärenjägern gelandet war. Eigentlich wurde jede einsatzfähige Maschine an der Front oder im All benötigt – aber auf keinen Fall durfte einer der ranghöchsten Flottenoffiziere im System von den Imperialen abgefangen werden. Die Folgen wären katastrophal gewesen: psychologisch, politisch – und für die Operation, die Mathar ins Rollen bringen wollte. Schupp wurde von Majorin Ariane Schlüter begleitet, die die Marineinfanterie an Bord der COLUMBIA befehligte. Vermutlich sollte sie dem Flottenoffizier den nötigen taktischen Kontext vermitteln, denn Schupp hatte wahrscheinlich von den Feinheiten des Bodenkrieges keinen blassen Schimmer. Waren Girads Fehlen und Schlüters Anwesenheit ein gutes oder ein schlechtes Zeichen?
Was die Kommandeure der auf Gamma-Eridon kämpfenden Armeeeinheiten und Marines des V. Korps anging, so waren diese persönlich anwesend, begleitet von jeweils zwei Offizieren. Generalin Julia Severus befehligte die Armeeeinheiten und fungierte gleichzeitig als Oberkommandierende des Expeditionskorps. Die kleingewachsene, dunkelhäutige Panzerfahrerin war mit Ende Dreißig noch relativ jung und stammte von einem Grenzplaneten der Republik. Das schwarze Haar hielt sie sehr kurz. Bisher war Mathar mit ihr gut zurechtgekommen. Allerdings neigte Severus zu einem eher vorsichtigen Vorgehen. Das konnte ein Problem werden.
Lieutenant General Luan Wang von den Marines hatte abgesehen von einer ähnlich radikalen Kurzhaarfrisur wenig gemeinsam mit seiner im Rang über ihm stehende Kollegin von der Armee. Er kam von Terra, überragte Severus um mehr als einen Kopf, war fast zehn Jahre älter und trotz seines Alters dort muskulös und breitschultrig, wo sie zierlich und gelenkig war. Statt bei den gepanzerten Einheiten des Korps hatte er bei der Infanterie Karriere gemacht. Vermutlich hätte er mit seinen Körpermaßen auch Schwierigkeiten gehabt, sich in einen Kampfpanzer zu zwängen. Der Generalleutnant gab sich selten Mühe, seine Skepsis bezüglich der Kampfperformance der Peshten zu verheimlichen. Andererseits konnte Wangs Selbstbewusstsein und seine Risikobereitschaft – darin war er ein ‚echter‘ Marine – sich als nützlich erweisen…
Ebenfalls anwesend waren die Verbindungsoffiziere zu den terranischen Geheimdiensten. DEREN Anwesenheit war der Peshten-Befehlshaberin gar nicht recht. Sie fragte sich, wieviel sie über den Inhalt der vorangegangenen Besprechung wussten und was das für ihr Anliegen bedeutete.

Mathars letzter Blick galt Korpskommandeur Bri’an Horoks. Der General wirkte angespannt. Ihn zu überzeugen, die ihm zugedachte Rolle zu spielen, war nicht einfach gewesen. Sie hatte an seinen Ehrgeiz und an seine Arroganz appelliert. Und sie hatte ihm noch einmal klar gemacht, was auf dem Spiel stand – auch für ihn persönlich. Die Offensive, die Horoks übernehmen sollte, konnte über das Schicksal des Planeten entscheiden. Und damit über die Zukunft des Systems, indirekt vielleicht sogar das Schicksal des ganzen Konkordats. Ein Scheitern war keine Option. Und die Verantwortung dafür lag bei Horoks. Mathar war ganz eindeutig gewesen. Auf keinen Fall würde sie alleine den Kopf hinhalten. Es wäre eigentlich nicht nötig gewesen, Horoks ins Gedächtnis zu rufen, dass Mathar vor kurzem einen missliebigen Kommandeur vor ein Kriegsgericht gestellt hatte, und das aus einem wesentlich weniger schwerwiegenden Grund. Aber sie hatte ihn dennoch daran erinnert – wie an die Tatsache, dass die ganze Operation bereits jetzt, bei diesem Treffen scheitern konnte. Wenn sie die Terraner nicht überzeugten…
Nun, ganz abgesehen von den Konsequenzen für Horoks selber, würde das bedeuten, dass sich Horoks Dreißigstes Korps dem Frontalangriff der imperialen Panzerkolonnen stellen musste. Mathar hoffte, dass dies Drohung genug war.

Die Besprechung hatte keinen guten Start. Während sie knapp die aktuelle Lage umriss, spürte Mathar die Anspannung und unterschwellige Herablassung Wangs und etlicher anderer Offiziere. Rassistische Vorurteile waren bei den Terranern weiter verbreitet als sie es sich selber gegenüber zuzugeben bereit waren. Dass auch etliche terranische Einheiten von der Offensive überrascht worden waren und heftige Prügel bezogen hatten, änderte nichts daran, verschärfte das Problem sogar.
Dank der in Mathars (drei) Augen unangebrachten ‚Terraner-zuerst‘- und ’Wir-können-das-besser‘-Attitüde der Menschen stieß ihr Vorschlag, terranische Abteilungen an weniger umkämpften Frontabschnitten durch peshtische Milizverbände zu ersetzen, um so zusätzliche Kräfte gegen den imperialen Angriff zu mobilisieren, auf wenig Gegenliebe. Dass General Horoks bei seinem Versuch, den Menschen den Vorschlag schmackhaft zu machen, den offenbar seit ein paar tausend Jahren anachronistischen Begriff ‚Vexillationes‘ gebrauchte, war auch nicht hilfreich.
Besonders Wang hätte wohl viel lieber eine rein menschliche Gegenoffensive auf die Beine gestellt und sah sich Mathars nicht unparteiischer Einschätzung nach wohl schon als Retter seiner bedrängten Kameraden oder gleich des ganzen Planeten. Aber das war natürlich Unsinn. Das terranische Expeditionskorps hatte ganz einfach nicht genug Reserven, um aus eigener Kraft eine Gegenoffensive zu initiieren. Zu viele ihrer besten Einheiten standen an der Front oder befanden sich abgekämpft im Hinterland, wo sie aufgefrischt wurden.
Und die meisten der terranischen Verbände, die nicht in der Hauptstoßrichtung der Akarii gestanden hatten, lagen momentan unter Störfeuer und meldeten verstärkte feindliche Stoßtruppaktivitäten oder Truppenbewegungen im gegnerischen Hinterland. Auch die Nachrichtendienste berichteten von verdächtigen Aktivitäten und Funksprüchen, ohne jedoch ein einheitliches Bild liefern zu können. Natürlich war auch den Terranern klar, dass es sich dabei höchstwahrscheinlich um Ablenkungsmanöver handelte. Dennoch – sicher wollte keiner der terranischen Brigadekommandeure durch eine weitere Offensive der Akarii überrascht werden, nachdem er einen Teil seiner Soldaten im Tausch gegen peshtische Milizionäre und Landschutzverbände abgegeben hatte.
Dazu kam der Unwillen der Kommandeure, ihre Soldaten aus den befestigten Stellungen und dem Schutz der stationären Luftabwehr zu bewegen, zumal immer mehr Meldungen von imperialen Luftschlägen eingingen. Männer und Frauen in einem Luftangriff oder einen Artillerieschlag zu verlieren, war keine Perspektive, die den terranischen Offizieren gefiel. Vor allem, wenn die so freigestellten Truppen – da es sich eben nur um Detachements handelte – unter Peshten-Kommando würden kämpfen müssen.
Letztendlich aber, da war Ri Mathar zuversichtlich, würde sie einige terranische Verbände mobilisieren können. Vor allem, wenn Horoks endlich seinen Part spielte…

Ironischerweise war es ausgerechnet Wang, der das passende Stichwort gab: „Bevor wir Ihnen Verbände unterstellen, möchte ich mehr über Ihren Schlachtplan wissen. Nehmen Sie es nicht persönlich, aber das Dreißigstes Korps hat momentan höchstens die Kampfkraft einer terranischen Division. Selbst mit Verstärkung durch unsere Truppen – was wollen Sie erreichen? Selbst wenn Ihre neue Sturmdivision endlich eintrifft…“, in Wangs Stimme klang leichter Spott mit.
„Gut dass Sie unsere Verstärkung erwähnen. Das bringt uns zum nächsten Punkt. Ich glaube, General Horoks kann Ihnen Ihre Frage beantworten.“

Der derart aufgeforderte warf Mathar einen ausdruckslosen Blick zu, den sie ignorierte. Sie hatte ihm klar gemacht, dass er den Plan vorstellen würde – immerhin stammten die taktischen Details zu einem großen Teil von ihm. Und es gab noch einen anderen Grund, den Terranern – und ihren Peshten-Kollegen – dies ins Gedächtnis zu rufen. Wenn die Operation gelang, war es egal, wer den Plan vorgestellt hatte. Sie war die Oberkommandierende auf Gamma-Eridon und es würde IHR Sieg sein. Falls der Plan aber scheiterte…
Dann bestand VIELLEICHT noch eine schwache Chance, Horoks einen Großteil der Schuld zuzuschieben.

„Meine Damen und Herren, der Plan für unsere Gegenoffensive trägt den Namen Markat.“, der General zögerte kurz und – vielleicht eingedenk des vorherigen Missverständnis – fügte hinzu: „In Ihrer Sprache bedeutet das ‚Sichelmond‘ oder ‚Erntezeit‘.“

Mathar bezweifelte, dass die Menschen die Feinheiten des Begriffs bekannt waren. Die zweite Bedeutung des Wortes war nämlich nicht nur von dem Peshten-Äquivalent der irdischen Getreidesichel inspiriert, sondern bezeichnete auch einen bestimmten Zeitraum – den Neumond im Frühjahr. Denn zu diesem Zeitraum, wenn die Gezeiten am schwächsten waren, sammelten sich die Mora-Kröten in den Sümpfen und überschwemmten Auen zur Fortpflanzung und zum Laichen. Die etwa kopfgroße, allesfressende Amphibie und ihr Laich waren eine beliebte Delikatesse. In der Frühzeit der Peshten war das Fleisch getrocknet, gepökelt oder geräuchert eine wichtige Lebensmittelreserve gewesen. Allerdings war die ‚Ernte‘ nicht gefahrlos. Denn auch die peshtischen Raubtiere wussten um die Laichzeiten der Mora und stellten in dem halbhohen Wasser der ‚Erntegründe‘ eine ernste Gefahr dar. Sogar heute, da moderne Geräte zum Einsatz kamen und die Raubtierpopulation deutlich zurückgegangen war, kam es beim ‚Ernten‘ der wilden Mora immer noch gelegentlich zu Angriffen auf Erntehelfer…

„Gehe ich Recht in der Annahme, dass Sie bei diesem Namen wohl eher nicht vorhaben, der feindlichen Offensive mit einem Frontalangriff zu begegnen?“, kam es von General Wang.
„In der Tat.“, Horoks Stimme klang knapp und bestimmt: „Vielmehr planen wir einen Flankenangriff des 30. Korps, genauer gesagt durch die wiederaufgefrischte 13. und 20. Sturmbrigade und die auf Schützenpanzern motorisierte 40. Mobilbrigade, die kürzlich neu aufgestellt wurde. Wir würden uns freuen, falls die terranische Armee und Marines uns bei diesem Angriff zur Seite stehen und ihre Flieger Luftunterstützung leisten würden. Falls Sie sich dazu allerdings nicht in der Lage sehen…“, Horoks zögerte kurz und fuhr dann mit ausdrucksloser Stimme fort: „…werden die Streitkräfte des Konkordats auch ohne Ihre Unterstützung zur Offensive antreten.“

Diese Behauptung war natürlich ein Wagnis – und sie war auch nicht völlig ehrlich. Obwohl die auf Gamma-Eridon kämpfenden Peshten-Verbände den terranischen Streitkräften an Zahl weit überlegen waren, benötigten Horoks weit unter Sollstärke befindlichen Angriffsbrigaden dringend der logistischen und auch der direkten militärischen Unterstützung durch die Menschen – vor allem aus der Luft. Aber indem Horoks dies zur Disposition stellte, ließ er den Verbündeten eigentlich keine Wahl. Allerdings war Severus zu klug, um den Köder sofort zu schlucken. Wang war da schon eine andere Sache: „Um unsere Einsatzbereitschaft brauchen Sie sich keine Sorge zu machen. Zumindest, falls Sie mir erklären können, wie sie drei Brigaden in der Flanke des Gegners zusammenziehen und verhindern wollen, dass die Imperialen ihre Verbände einfach umdirigieren beziehungsweise das 30. Korps in seinen Bereitstellungsräumen bombardieren. Also – was ist Ihr Plan?“

Horoks wechselte noch einmal einen kurzen Blick mit Mathar, die dem General knapp zunickte. Jetzt galt es also – es war Zeit, den großen Wurf zu machen: „Dank dem zweiten Teil unseres Offensivplans werden die Imperialen zu einer schnellen Reaktion weder die Zeit noch die logistischen Mittel haben. Karte – Taktische Ansicht Vier-Acht.“

Über dem Besprechungstisch erwachte einmal mehr eine holografische Ansicht zum Leben, die diesmal die Offensivfront und das imperiale Hinterland zeigten. In dem auf einmal ein blauer Fleck aufblühte.

„Unser Plan…
Tatsächlich ist unser Plan sehr einfach. Wir nehmen die nach Gamma-Eridon verlegende 4. Sturmdivision – zehntausend Soldaten – und setzen sie 100 Kilometer hinter den feindlichen Linien ab.
Das wird die größte Gefechtsladung, die unsere Streitkräfte in diesem Krieg durchgeführt haben. Um ehrlich zu sein, so etwas wurde bisher noch nicht einmal in Erwägung gezogen. Und wir landen am nächsten Zehnttag.“
Damit machte er sogar Wang sprachlos. Zumindest für ein paar Augenblicke: „In einer Woche?!“
„Je schneller, desto besser. Wir müssen den Gegner aus dem Takt bringen. Das fängt natürlich schon bei der Landung an. Eine wichtige Voraussetzung für unsere Operation sind deshalb gezielte Luft- und Artillerieschläge gegen die Kommunikations- und Kommandostrukturen des Gegners. Dabei wäre die Unterstützung durch Ihre Luftstreitkräfte besonders wertvoll. Ebenso Ihre Unterstützung bei einem gegebenenfalls notwendigen Orbitalbombardement.“
„Sie wollen einen Ihrer eigenen Planeten aus dem Orbit beschießen?“ Severus Stimme klang ein klein wenig ungläubig. Mathar musste einen genervten Augenschlag unterdrücken. Die Menschen hatten ja keine Ahnung…
Horoks nickte knapp – eine sehr menschliche Geste: „Wenn es uns hilft, zu siegen – auf jeden Fall. Natürlich müssen diese Schläge präzise und gezielt sein. Dabei werden die im feindlichen Hinterland operierenden Guerillas und Spezialeinheiten wertvolle Unterstützung leisten.“
General Wang verzog kurz die Lippen, enthielt sich aber eines Kommentars. Bei den Terranern standen die eher…unorthodoxen Elemente der Peshten-Kriegführung nicht unbedingt hoch im Kurs.

„Das Ziel der Luftlandetruppen sind die feindlichen Nachschubrouten und Flugfelder. Wie Sie wissen, hängt eine großangelegte Offensive wie die der Imperialen von einem stetigen Zufluss an Treibstoff, Munition und Verstärkung ab. Es ist alles eine Frage der Logistik. Wenn wir diese Linien kappen – wenn wir die imperialen Nachschubdepots vernichten, die Verstärkungen aufrollen, Brücken und Schienenstrecken zerstören, ihren Fliegern die Landebahnen nehmen – dann wird, dann muss diese Offensive scheitern.
Unsere Luftlandetruppen werden durch das feindliche Hinterland schneiden wie eine Sichel und die imperialen Angriffsverbände abschneiden. So entlasten wir die Front und nehmen dem Gegner die Möglichkeit, die Offensive wieder aufzunehmen.
Natürlich werden die Imperialen reagieren. Sie werden Verstärkung heranführen und ihre Offensivverbände umdirigieren. Geschwindigkeit und Timing ist deshalb für uns lebenswichtig. Wir müssen die Strecke bis zu unseren eigenen Linien in sechzig Stunden schaffen.“
„Und wenn die Imperialen das nicht zulassen?“, warf Severus ein: „Wir alle kennen die Zahlen. Ihre Luftlandetruppen sind den Imperialen zahlenmäßig deutlich unterlegen – VOR ALLEM, wenn sie weitere Verstärkung heranführen.“
„Da kommt der Rest des 30. Korps ins Spiel. Wir werden die feindlichen Offensivverbände in die Zange nahmen. Der eingangs erwähnte Flankenstoß wird die Verbindung unserer Front mit den Luftlandeverbänden freischlagen.“ Horoks klang selbstbewusster, als er vermutlich war.
„Dennoch – 100 Kilometer in drei Tagen? Das ist sehr sportlich. Würden es nicht auch 60 Kilometer tun?“, Severus gab sich nicht so leicht geschlagen.
Horoks schüttelte den Kopf: „Es geht um den feindlichen Luftabwehrschirm. Wie Sie wissen, haben die Imperialen besonders im frontnahen Hinterland die Flugabwehr massiv verstärkt. Und auch ihre Flieger sind vor allem im frontnahen Bereich konzentriert – wenn sie nicht gerade Angriffe auf unserem Territorium fliegen. Das ist übrigens ein weiterer Grund, weshalb wir die 4. Sturmdivision hinter den feindlichen Linien absetzen. Die Imperialen wissen natürlich, dass die Vierte auf dem Weg ist. Deshalb haben sie den Konvoi angegriffen. Aber sie werden davon ausgehen, dass wir die Vierte hinter den EIGENEN Linien absetzen. Vor allem, wenn wir entsprechende Hinweise lancieren. So erwischen wir sie also gleich zweifach auf dem falschen Fuß.
Und zu guter Letzt – der Landeplatz muss weit genug hinter den feindlichen Linien liegen. Wir wollen die Vierte schließlich nicht direkt AUF den feindlichen Kampfverbänden absetzen. Sie muss sich nach der Landung formieren, was unmöglich wäre, wenn sofort imperiale Alarmverbände in die Landezonen vorstoßen.“
Severus wiegte den Kopf: „Ich verstehe Ihre Argumentation. Dennoch…die Vierte ist eine frisch aufgestellte Einheit...“
„Wir betrachten den Einsatz als berufsbegleitende Ausbildung.“ Vermutlich war Horoks klar, dass das ein wenig zu forsch klang, denn er fügte hinzu: „Diese Soldaten sind durch eine Ausbildung gegangen, die das härteste Trainingsregime unserer Streitkräfte mit Ausbildungsrichtlinien der terranischen Fremdenlegion und Marines verbindet. Sie werden von erfahrenen Offizieren kommandiert und viele der Mannschaftsdienstgrade besitzen ebenfalls Kampferfahrung.“ Er verschwieg, dass die 4. Sturmdivision bisher nur wenig Erfahrung im Divisionseinsatz hatte sammeln können.

„Wenn ich Sie recht verstehe, wollen Sie von uns also, dass wir den Flankenstoß der 13., 20. und 40. Brigade unterstützen und die Landung der 4. Division mit Luftschlägen vorbereiten und absichern – was gegebenenfalls auch ein Orbitalbombardement beinhalten soll.“, fasste Commodore Schupp zusammen, der bisher weitestgehend geschwiegen hatte. Es war ihm nicht anzusehen, was er von dem Plan hielt.
„Im wesentlichen – ja.“, nickte Horoks. Dann grinste er kurz – noch eine menschliche Geste, die er gelernt hatte: „Und natürlich ist es entscheidend, dass die Vierte pünktlich und möglichst intakt ankommt.“
„Ich kann Ihnen versichern, dass die Flotte ihren Teil leisten kann. Allerdings frage ich mich…“, Schupp zögerte kurz: „Ich frage mich, ob Sie nicht eine Brücke zu weit vorrücken wollen.“ Auch wenn die meisten der Anwesenden seine Anspielung vermutlich nur halb erfassten, ihren Sinn verstanden sie auf jeden Fall.
Majorin Schlüter, die bis auf ein paar halblaute Erläuterungen zu ihrem Vorgesetzten bisher ebenfalls geschwiegen hatte, räusperte sich: „Möglicherweise kann die Flotte noch etwas mehr beisteuern. An Bord unserer Kriegsschiffe befinden sich genügend Marineinfanteristen um mindestens ein Regiment leichte Infanterie zu stellen. UND eine ausriechende Anzahl Angriffsshuttles, um diese Truppen auf den Boden zu bringen. Sollte sich die Notwendigkeit ergeben…“
„Wenn Sie diese Option einkalkulieren könnten, wären wir Ihnen zutiefst dankbar.“, nickte Horoks, der wie seine Vorgesetzte in dieser Hinsicht nicht unter falschem Stolz litt. Wenn ihm Hilfe angeboten wurde, nahm er sie an.

„Nicht so schnell!“, warf Generalin Severus ein: „Wir haben noch nicht eingewilligt. Sie präsentieren uns hier das Skelett eines Plans und erwarten, dass wir so einfach zustimmen?“
„Selbstverständlich erhalten Sie sämtliche Details. Ich fürchte allerdings, dass wir aufgrund des knappen Zeitplans eine rasche – eigentlich eine unmittelbare Entscheidung brauchen.“ General Horoks Stimme klang ruhig aber entschieden: „Wie General Wang bereits richtig bemerkt hat, bleiben uns gerade einmal acht Tage. Wir werden jeden dieser Tage – JEDE STUNDE – benötigen. Eine Verzögerung – ob bei Ihrer Entscheidung oder bei der Vorbereitung selber – könnte fatale Folgen haben.“
„Ich mag es nicht, wenn man mir die Pistole auf die Brust setzt.“ Das war wieder Severus.
„Verzeihen Sie, aber die feindliche Offensive lässt uns allen nicht viel Spielraum. Wenn wir nicht schnell etwas unternehmen – und zwar etwas, was die Imperialen nicht erwarten…“
„Ihr Plan ist auf jeden Fall verrückt genug, um die Akarii zu überraschen.“, spottete Wang. Allerdings klang er eher amüsiert als ablehnend. Mathar hatte ihn anscheinend richtig eingeschätzt. Diese Operation war nach Wangs Geschmack. Was allerdings Severus anging…: „Lassen Sie uns Zeit, uns kurz zu beraten.“
Sowohl Mathar als auch Horoks wussten, wann man nachgeben musste: „Natürlich.“

Zehn Minuten später waren die Menschen unter sich. Generalin Severus warf einem der Geheimdienstoffiziere einen fragenden Blick zu, der mit einem Nicken bestätigt wurde. Sie wurden nicht abgehört.
„Ich muss zugeben, das…kommt überraschend.“
„Hoffentlich auch für die Imperialen. Aber ich kann Mathar und Horoks verstehen. Ihnen steht das Wasser bis zum Hals.“, warf Commodore Schupp ein.
„Wenn sie sich da nicht zu viel zutrauen. Binnen einer Woche so etwas auf die Beine zu stellen, das ist…“, Severus klang weiterhin skeptisch.
„Es wäre ein verdammtes Wunder.“, kam es von Wang: „Hellmountain war nicht einmal halb so groß und für die Operation hatten wir einen Monat Vorbereitungszeit. Wron war zwar größer…“
„Aber diese Operation landet auf jeden Fall auf einem guten vorderen Platz.“
Severus winkte ab: „Die Frage ist doch vor allem, ob wir Teil davon sein wollen…“
Commodore Schupp zuckte mit den Achseln: „Ich denke ja, die Frage ist eher, ob wir es uns LEISTEN können, ‚Nein‘ zu sagen. Auch wenn die Offensive vor allem die Peshten erwischt hat – da draußen kämpfen und sterben auch unsere Jungs und Mädchen. In der Luft und am Boden. Wir müssen etwas unternehmen. Und ich brauche Ihnen wohl nicht zu sagen, was es bedeutet, wenn die Akarii mit ihrer Offensive erfolgreich sind. Das könnte uns den ganzen Planeten kosten – und noch viel mehr.
Wenn wir so kurz nach dem Verrat der Konföderation unseren einzigen verbliebenen Verbündeten verlieren…“
„Und wenn sich schon die Konföderierten so bereitwillig dem Imperium andienen, wie viele Skrupel hätten dann die Peshten? Die Konföderierten waren wenigstens MENSCHEN. Die meisten zumindest.“, kam es von Wang.
„Ihre Xenophobie bringt uns nicht weiter.“, konterte Severus: „Aber ich verstehe Schupps Argument. Wenn wir uns heraushalten…“
Der Commodore nickte: „Politisch verlieren wir dann auf jeden Fall, ob die Peshten nun die Schlacht gewinnen oder verlieren. Sie würden uns das nicht vergessen – und wenn das Ganze in einer Katastrophe endet, wären wir der ideale Sündenbock.“
„Und wenn wir mitmachen?“, Severus wirkte immer noch nicht überzeugt.
„Dann kann zumindest keiner sagen, dass wir unsere Verbündeten im Stich lassen. Wir sichern uns die Möglichkeit, die Planung und Durchführung der Operation zu steuern. Und falls es zum Schlimmsten kommt, können wir vielleicht dafür sorgen, die Verluste zu minimieren.“
„Und wenn die Operation gelingt, kann das den ganzen verdammten Krieg auf dieser Dreckskugel entscheiden.“, Wang grinste raubtierhaft, wurde aber sofort wieder ernst: „Ich sage, wir machen es. Wissen Sie eigentlich, wie viele Offensiven wir und die Peshten auf Gamma-Eridon in den letzten Monaten geplant haben, die dann im letzten Augenblick wieder verworfen wurden?“
Die Generalin lehnte sich zurück: „Ich bin mir sicher, Sie werden es mir gleich sagen.“
„ZWÖLF. Weil die Truppen nicht ausreichten, die Vorbereitungen enttarnt wurden, die Akarii uns zuvor kamen oder unsere tapferen Verbündeten kalte Hosen bekommen haben.
Wollen wir jetzt ernsthaft unsere Verbündeten dazu auffordern, die größte Gefechtslandung seit der Wron-Offensive aufzugeben? Die Akarii haben uns oft genug auf dem falschen Fuß erwischt. Es wird Zeit, dass wir den Spieß umdrehen. Ich sage, wir lassen die Party steigen. Und niemand sagt sie ab.“

Das war natürlich noch nicht das Ende der Diskussion. Aber als die Peshten-Offiziere eine reichliche Stunde später den Raum wieder betraten, erhielten sie die Antwort, auf die sie gehofft hatten. Weder Mathar noch Horoks schienen überrascht. Ob sie nun gute Pokerspieler waren, von Anfang an mit diesem Ergebnis gerechnet hatten oder sich in dem Raum doch Abhöranlagen befanden, die die terranischen Geräte nicht hatten erfassen können, spielte eigentlich keine große Rolle. Operation Markat konnte anlaufen.

Dieser Beitrag wurde 1 mal editiert, zum letzten Mal von Tyr Svenson: 22.10.2020 17:54.

22.10.2020 17:47 Tyr Svenson ist offline E-Mail an Tyr Svenson senden Beiträge von Tyr Svenson suchen Nehmen Sie Tyr Svenson in Ihre Freundesliste auf
Cunningham Cunningham ist männlich
Captain


images/avatars/avatar-477.gif

Dabei seit: 06.09.2006
Beiträge: 1.116

Auf diesen Beitrag antworten Zitatantwort auf diesen Beitrag erstellen Diesen Beitrag editieren/löschen Diesen Beitrag einem Moderator melden       Zum Anfang der Seite springen

zweo, drei, .... Platzhalter

__________________
5th Syrtis Fusiliers - Pillage and looting since first succession war


23.10.2020 09:07 Cunningham ist offline E-Mail an Cunningham senden Homepage von Cunningham Beiträge von Cunningham suchen Nehmen Sie Cunningham in Ihre Freundesliste auf
Cattaneo
Major


Dabei seit: 31.07.2002
Beiträge: 1.511

Auf diesen Beitrag antworten Zitatantwort auf diesen Beitrag erstellen Diesen Beitrag editieren/löschen Diesen Beitrag einem Moderator melden       Zum Anfang der Seite springen

Beschützer und Angreifer

Gamma-Eridon-System, gut vier Tage nach Ankunft des Konvois

Obwohl ein paar tausend Kilometer Entfernung zwischen den Gesprächspartnern lagen, war die Stimme der Pilotin glasklar zu verstehen – nach Meinung einiger Zeitgenossen ein zweifelhaftes Vergnügen, doch zugleich ein Beweis für die Leistungsfähigkeit der elektronischen Ausrüstung, mit der Captain Narendra Mathradas Nandas Schiff, der Flakkreuzer PHILOKETES, aufwarten konnte.
„Ablösung meldet sich zur Stelle.“
„Willkommen, Commander Pawlitschenko.“ Der Captain, der zugleich als „Pseudokommodore“ und Kommandeur des gesamten Konvoischutzes fungierte, war ein höflicher Mann, selbst gegenüber einer dienstniedrigeren Offizierin, die vom Alter – freilich kaum vom Charakter – auch seine Tochter sein konnte.
Vor allem aber lag ihm viel an dem reibungslosen Funktionieren der Befehlskette, was grundsätzlich ein etwas heikler Punkt war. Schließlich kommandierte er mit dem einzigen TSN-Schiff der Eskorte einen Verband, der ansonsten aus acht Konkordats-Kriegsschiffen bestand. Schon das bereitete ihm gewisse Sorgen. Da konnte er es nicht brauchen, dass es vielleicht auch noch mit den Primadonnen des TSN-Fliegerkorps Probleme gab. Die Piloten mochten es normalerweise nicht, wenn sie von Dickschiffkapitänen herumkommandiert wurden. Nicht zu Unrecht wiesen sie darauf hin, dass man einen Fliegerverband nur schwer effektiv dirigieren konnte, wenn man selber kein Pilot und dazu noch mit dem Kommando mehrerer Kriegsschiffe beschäftigt war. Andererseits beschwerten sich die Schiffskommandeure oft genug, dass die Flieger sie nicht genug unterstützten oder in ihrem Schussfeld herumwuselten. Aber Captain Nanda war in dieser Hinsicht standhaft geblieben. Er wollte sich nicht im Notfall erst beim Geschwaderchef der Angry Angels eigens moralische und disziplinarische Unterstützung holen müssen – nicht, wenn die COLUMBIA so weit entfernt war. Also hatte er durchgesetzt, dass er in die Befehlskette eingreifen und den Kampffliegern des Geleitschutzes direkte Anweisungen erteilen konnte. Und erfreulicherweise schienen die Staffelchefs der Angry Angels das zu respektieren, auch wenn der eine oder andere innerlich grollen mochte.
„Weisen Sie ihren Jägern die Patrouillenräume zu. Wir schicken Ihnen die Parameter. Ich melde mich wieder, wenn nötig. Auf ein paar ereignislose Stunden…“

In der Einsamkeit ihrer Jägers schnitt die russische Chefin der Stallions ihrem Funkgerät eine Grimasse, wenngleich dies eher der generellen Situation als dem Kapitän der PHILOKETES galt. Lilja war auch unter normalen Umständen nicht gerade als ,Miss Sonnenschein‘ bekannt. Und in den letzten zwei Tagen hatte sich ihre Laune noch einmal drastisch verschlechtert. Einige Leute hatten das bereits recht nachdrücklich zu spüren bekommen. Wer klug war, wählte seine Worte in Gegenwart Liljas momentan mit noch größerer Bedacht.
Die überraschende Bodenoffensive der Akarii war für sie natürlich eine ständige Quelle der Verbitterung. Für Liljas Geschmack hatte sie seit der Schlacht von Karrashin zu viele Rückschläge und kostspielige Pattsituationen von einem Logenplatz beobachten können. Ungeachtet aller Bemühungen zauberten die verdammten Echsen eine unangenehme Überraschung nach der nächsten aus dem Hut. Wenn sich die Situation auch noch in diesem System schlecht entwickelte, konnte das Auswirkungen auf das gesamte Konkordat haben.

Selbstverständlich hatte die Entwicklung am Boden den Zeitplan der Peshten und Terraner gründlich durcheinander gewirbelt. Eigentlich war geplant gewesen, dass in der zweiten Phase der Geleitzugsoperation – geschätzte 36 Stunden Marsch vor dem zwölfstündigen ,Finale‘ der unmittelbaren Annäherung an den Planeten und der Ausschiffung der Truppen – pausenlos drei Staffeln der TSN am Konvoi anwesend sein sollten. Das hatte man nun zusammenstreichen müssen, denn die verzweifelt um ihr Überleben kämpfenden Peshten brauchte die Hilfe der TSN-Jagdbomber und Überlegenheitsjäger bei der Bekämpfung der imperialen Luftwaffe und Bodentruppen. So standen im Moment nicht mehr als zwei bis zweieinhalb Staffeln dauerhaft über dem Konvoi. Meistens handelte es sich um 16 bis 20 Falcons und Griphen, üblicherweise unterstützt von zwei Sektionen schwerer Maschinen – im Normalfall eine Gruppe Nighthawks mit Arrow-Atomraketen und eine Sektion Thunderbolt-Jagdbomber. Wer von den Griphen- und Falcon-Piloten nicht gerade Begleitschutz flog, hatte den Träger zu schützen. Die Einsatzpausen waren zusammengestrichen worden, man schickte inzwischen die Piloten medikamentös schlafen und putschte sie ein paar Stunden später wieder auf. Freizeit gab es praktisch gar keine mehr. Die Verweildauer am Konvoi wurde zusätzlich gestreckt, indem die COLUMBIA Tankshuttles mitschickte. Zudem hatte man gegen Captain Nandas Protest angeordnet, dass der Geleitzug deutlich weniger zackte als bisher, um die Marschzeit zu verringern.

Die neuen Einsatzpläne waren eine zusätzliche Belastung. Lilja hatte kein Problem damit, aus ihren Piloten und sich selbst das Letzte herauszuholen. Allerdings wusste sie nur zu gut, dass man das nicht unbegrenzt lange durchhalten konnte, ohne dass die Leistungsfähigkeit rapide absank. Der Einsatz von Medikamenten blieb – egal wie fortgeschritten die Medizin inzwischen war – nicht frei von Risiken, vor allem, wenn es sich über einen längeren Zeitraum erstreckte. Dennoch, in der momentanen Lage gab es keine gute Alternative, und so biss die Russin die Zähne zusammen und hoffte, es würde keine Katastrophe geben.
Es machte ihr jedoch nichts aus, den wenig prestigeträchtigen Geleitdienst zu übernehmen, anstatt ihr Mutterschiff zu schützen oder ihrer Lieblingsbeschäftigung nachzugehen – Akarii töten. Sie kritisierte so gut wie nie offen Befehle, und so abgrundtief ihr Hass auf die Kaiserlichen auch war, er blendete sie nicht so, dass sie nicht die Bedeutung erkannte, die 4. Sturmdivision sicher durchzubringen. Das war mehr wert als die Handvoll imperiale Maschinen und Panzer, die sie eigenhändig abschießen konnte.
Es hatte sich so gefügt, dass Blackhawk zumeist den Schutz des Trägers koordinierte, da seine Griphen etwas langsamer waren und eine geringere Reichweite als die Falcons hatten. Lilja war meistens für den Konvoi zuständig. Dies war inzwischen ihre dritte Schicht seit dem Beginn der imperialen Bodenoffensive, und bis der Konvoi sein Ziel erreichte, würden es wohl noch ein, zwei weitere werden.
Die Blaue Schwadron hatte etwas das Nachsehen, da ihr Kommandeur nun einmal der dienstjüngste der Falcon- und Griffen-Staffeln war. Anders als Blackhawk und auch Lilja war Ace erst nach Beginn des Krieges in den aktiven Dienst versetzt worden und hatte auch als letzter den Absprung vom First Lieutenant zum Lieutenant Commander geschafft. Obwohl er, wie Imp gewitzelt hatte, zweifellos das größte Ego von den drei Staffelchefs aufwies, hatte er damit automatisch den kürzeren Strohhalm gezogen. Wann immer er mit Blackhawk oder Lilja zusammen flog, war er unweigerlich die Nummer Zwei.

So war es auch in diesem Fall. Lilja kommandierte im Moment ihre eigene, die erste, und die dritte Sektion der Fighting Stallions, ergänzt um acht Falcons der Blauen unter Ace‘ persönlichem Kommando. Dazu kamen die dritte Sektion der Schwarzen Staffel und vier Thunderbolts der Silbernen Schwadron. Die Russin hatte angeregt, Sturmshuttles der Columbia und ihrer Begleitschiffe als Hilfskanonenboote über dem Konvoi einzusetzen, war aber abgeblitzt – was ihre Laune nicht gerade besserte. Begründet hatte man die Entscheidung selbstverständlich nicht.
Um das Maß voll zu machen, hatte sich die Menge der Minen, die man ihnen seitens des Imperiums auf den Hals schickte, weiter erhöht. Was zu erwarten gewesen war. Eine verstärkte, aber noch unerfahrene Division mochte kaum die alles entscheidende Wende auf dem Schlachtfeld bringen – das wirkliche Leben funktionierte eben nicht wie ein Film, bei der es nur darum ging, lange genug durchzuhalten bis die rettende Kavallerie eintraf. Die Echsen wären jedoch dämlich gewesen, nicht alles in ihrer Macht stehende zu tun, um das Eingreifen zusätzlicher Truppen in dieser kritischen Phase der Schlacht zu verhindern oder zumindest zu bremsen.

Mit knappen Befehlen wies die Russin ihren Untergebenen die Einsatzräume zu. Während ihre eigene Sektion die Führung übernahm – sie selber natürlich wieder einmal mit ihrem mit Sensorpod bestückten Jäger vorneweg – flankierten die Blauen den Konvoi, die letzte Sektion der Grünen fungierte als Reserve. Die Thunderbolts und Nighthawks als ,schwere Geschütze‘ hielten sich dichter beim Geleitzug.
Lilja musterte nachdenklich den Konvoi. Da waren die pfeilschnellen Kampfflieger, die ihre Positionen einnahmen, die Maschinen, die sie abgelöst hatten und die sich nun auf den Rückflug zu Träger machten – ausnahmsweise hatte Stafford persönlich das Kommando übernommen, obwohl er sich sonst eher bei der COLUMBIA hielt. Und natürlich die Kriegsschiffe und schweren Transporter, gut anderthalb Dutzend Dickschiffe insgesamt. Für einen Moment gönnte sie sich den Luxus, nach dem weit entfernten Planeten zu schielen. Er hob sich nicht sehr von den Sternen ab, so weit war er noch entfernt, viele Millionen Kilometer, obwohl sie sich mit gut einer Lichtsekunde pro Stunde näherten. Aber was dort geschah, und was mit dem Konvoi passierte, das hing untrennbar zusammen.
,Dann wollen wir mal dafür Sorge tragen, dass wir die Feier auch rechtzeitig und vollzählig erreichen…!‘ Vielleicht bekam sie dann die Gelegenheit, auch direkt in die Schlacht einzugreifen.

***

Zwei Stunden später

„Bestätige, weiter so.“ Mit diesen knappen Worten quittierte Lilja den Abschuss von zwei Minen durch die Blaue Staffel. Drei weitere Sprengkörper, die weitab gesichtet worden waren, hatte man lediglich ,ausgeflaggt‘. Ihre Position war vermerkt worden und basierend auf den bekannten Gravitationskonstanten im System und der Impulsgeschwindigkeit der Minen ließ sich berechnen, wohin sie trieben. Lilja wollte ihre Schäfchen im Moment nicht unnötig zu weit vom Konvoi detachieren.
Ace hatte offenbar inzwischen begriffen, dass die Russin keinen Wert auf Smalltalk legte, teils wegen ihrer schlechten Stimmung, teils weil sie sich keine Ablenkung leisten konnte. Immerhin, seit Beginn ihrer Wacht hatte der Geleitschutz mehr als ein Dutzend Minen markiert oder zerstört – und vor allem, es hatte keine Beschädigungen gegeben, noch nicht mal eine Delle in den Schilden. Wenn es nur so blieb…

Doch gerade, als Lilja diese bange Hoffnung in ihrem Kopf wälzte – sie hätte diese natürlich nie ausgesprochen, jeder Idiot wusste, dass so etwas nur Unglück brachte – weckte eine kleiner, fast banaler Ausschlag auf ihren Sensoren ihre Aufmerksamkeit. War das etwa…
„Köcher, hier Pfeil Eins. Registriere Anomalien, geschätzt 80.000 voraus – lassen Sie das mal durch ihre Algorithmen laufen.“

Sie erwartete fast eine launige Antwort – es wäre nicht das erste Mal gewesen, dass ein Außenfeger verfrüht Alarm geschlagen hatte. Doch es gab nur eine knappe Bestätigung. Argwöhnisch späte die Russin auf die Anzeigen. Weit, weit voraus – für sie gerade noch wahrnehmbar – hatten die Sensoren etwas aufgefangen. Es war natürlich kein Jäger im Flug mit aktivierten Triebwerken, das wäre ihr selbst auf diese Entfernung aufgefallen, solange er nicht irgendwelche Deckung ausnutzte. Und auch wenn man die Sensoren stören konnte, sie war inzwischen ziemlich versiert den Unterschied zwischen gestörten Messgeräten und einem Negativ-Ergebnis zu erkennen. Nein, es war eher so, als hätte es dort für einen Moment einen Kontakt gegeben, der sofort wieder verloren gegangen war. Doch sie war sich sicher, dass sie sich das nicht eingebildet hatte – denn kurz darauf hatte es einen ZWEITEN, dann einen weiteren Beinahe-Sensorkontakt gegeben. Irgendetwas war dort.

Im Stillen betete sie, dass dies keine Neuauflage ihrer lang zurückliegenden Geisterjagd wurde. Das letzte, was sie im Moment brauchen konnte, war ein Phantom-Schiff wie damals bei diesem Patrouillenflug im Draned-Sektor, während der Jagd nach Prinz Jor. Ihr Bedarf an Geistergeschichten war seit der Medusa-Mission für den Rest des Lebens gedeckt, zumindest redete sie sich das gerne ein. Das Problem war nur, dass die Geister sich nicht unbedingt darum scherten…

Während sie noch auf die Rückmeldung der PHILOKETES wartete – in der Hoffnung darauf, dass die überlegene Rechenkraft und Datenverarbeitung des Flakkreuzers mehr aus den unklaren Ansagen machen konnte – musterte sie einmal mehr die Umgebung. Der leere Raum war hier, in zunehmender Nähe zu Gamma Eridon, nicht mehr ganz so leer. Da waren, vielleicht 30.000 Kilometer sonnenwärts seitlich vom Konvoi, die Reste einer der Geleitzugschlachten aus den früheren Phasen des Krieges. Die Reste von zerstörten Schiffen, gefrorenem Treibstoff und ähnlichem bildeten eine langgezogene Wolke, die lose Formation hielt, aber durch die systemeigenen Gravitationskräfte langsam immer weiter auseinander gezogen wurde. Ein gutes Stück HINTER dem Konvoi lag ein längst erkaltetes Wrack einer Konkordats-Korvette, die vor langer Zeit auf eine imperiale Mine gelaufen und zerfetzt worden war. Und irgendwo vor ihnen, und seitlich voraus, drifteten zweifellos die nächsten Minen heran…

In diesem Moment meldete sich die PHILOKETES: „Bestätigen Anomalien. Sie haben ein gutes Auge, Commander. Wir haben aus Ihren Sensordaten noch vier weitere Mikroausschläge registriert, die auf ihren Anzeigen nicht zu sehen waren. Leider haben wir keine definitive Bestätigung, aber es könnte sein, dass sich da einige mobile Minen nähern, die sich unserem Kurs anpassen. Oder… ein paar Maschinen in Schleichfahrt.“

Die Russin unterdrückte einen Fluch. Mobile Minen waren für sich schon eine scheußliche Sache und der Alptraum jedes Räumverbandes. Ihre Elektronikgehirne waren angemessen anpassungsfähig und verschlagen, wenn sie auch mit der Hinterlist lebender Gegner nicht ganz mithalten konnten. Aber wenn sich dort wirklich ein paar Echsen-Maschinen näherten, vielleicht noch mal ein paar Schnellboote wie zu Beginn der Geleitzugsoperation, war das sehr viel schlimmer. Schleichfahrt bedeutete, dass die Echsen sich gewissermaßen ballistisch näherten – mit ausgeschalteten Antriebsdüsen, sah man von geringfügigen Kurskorrekturen ab. Das verlangte Geduld und Ausdauer, war aber nur schwer aufzuspüren.

„Pfeil Neun…“ wandte sie sich an Ace, während sie ihm zugleich die aufbereiteten Sensordaten übermittelte: „Sonderauftrag für deine Sektion. Schau dir das genauer an. Pfeil Siebzehn…“damit war La Reine gemeint: „Stell einen Flight als Begleitschutz ab, für den Fall, dass etwas zusätzliche Feuerkraft benötigt wird. Pfeil Fünf…“ das ging an Marine: „Du übernimmst Ace Position als Flankenschutz. Und pass besonders auf das Trümmerfeld auf, das ist ein guter Sichtschutz.“
Sie überlegte kurz. Nein, sie wollte sich lieber nicht darauf verlassen, dass die Echsen alle Steine in einen Korb gelegt hatten: „Geleitschutz, Einsatz Nachbrenner für fünf Sekunden – Patrouillenposition 5.000 weiter nach außen verlagern!“ Sie besann sich: „Das heißt natürlich, falls Sie einverstanden sind, Köcher.“ Ihre Stimme war FAST frei von Sarkasmus.
Mit der befohlenen Positionsänderung überdehnte sie ihr Netz gefährlich, vor allem wenn man bedachte, dass sie ein Viertel ihrer Maschinen detachiert hatte. Aber wenn sich weitere Echsen anpirschten, dann MUSSTE ihr ausgedünnter Jägerschirm das rechtzeitig erfahren und den Gegner möglichst weit ,draußen‘ in Gefechte verwickeln. Selbst wenn das bedeutete, dass der Feuerschutz des Konvois für sie weitestgehend wegfiel. Jäger waren entbehrlich – die Truppentransporter nicht.
„Nach Zufallsprinzip Zielerfassungsradar einschalten – wenn da draußen jemand ist, will ich, dass er nervös wird. Und haltet euch bereit. Wenn da wirklich Echsen sind, würde ich mit einem Alphaschlag gegen uns rechnen. Sie müssen uns aus dem Weg räumen, wenn sie einen vernünftigen Zielanflug hinlegen wollen.“
Entgegen Liljas geheimen Befürchtungen war Captain Nanda mit ihrem Plan einverstanden: „Wir detachieren unsere Radarshuttles als Verstärkung. Sie schließen so schnell wie möglich auf.“
Lilja grinste knapp, dann betätigte sie den Nachbrenner. Die Beschleunigung drückte sie in den Sitz – ein inzwischen nur zu vertrautes Gefühl.
Keine Minute später hatten die Kampfflieger ihre neuen Positionen eingenommen.

***

Etwa fünf Minuten später

„Kontakt!“ Die Stimme von Ace klang aufgekratzt, was freilich nicht einmal Lilja in diesem Augenblick kritisieren wollte. Die Annäherung des Detachements war ereignislos verlaufen, die Sensoranzeigen blieben uneindeutig. Doch damit war es nun vorbei. Mit einmal leuchteten die Anzeigen auf wie der Nachthimmel über dem Roten Platz zu Neujahr. Vier, sechs, acht – zuletzt zehn Maschinen des Gegners beschleunigten ein paar tausend Kilometer vor Ace’s Verband und gaben damit ihre Deckung auf. Dabei feuerten sie Täuschkörper ab, und ihre Aktivortungen ließ bei den Terranern die Alarmglocken schrillen. Die menschlichen Piloten und Großschiffe versuchten ihrerseits den Feind anzupeilen.
Lilja fragte sich für einen Moment, ob sie den Gegner nicht unterschätzt hatte. Zehn Akarii gegen sechs Terraner, sie selber noch zwei Minuten vom Kontakt entfernt und unfähig, Ace direkt zu helfen… Das galt freilich nicht für SM2-Raketen der PHILOKETES, auch wenn die Ziele sich am äußersten Rand der Feuerreichweite befanden.
Doch während hüben wie drüben die ersten leichten Raketen starteten – zwei der Echsen zerplatzten sofort, aber es gab auch Treffer bei den Menschen – sprang ihr etwas ins Auge, etwas, das definitiv nicht stimmte…

„Pfeil EINS!“ Die Stimme des Funkgasten der PHILOKETES überschlug sich beinahe: „Die gegnerischen Maschinen, sie…“ Lilja fluchte unflätig: „Ich seh‘ es! Ace – ABBRUCH! ABBRUCH! Alle anderen – das ist eine Ablenkung! TÄUSCHKÖRPER ABFEUERN!“
Einmal mehr hatte sich die Echsen einen neuen Trick ausgedacht. Ihr frontaler Schleichverband bestand offenkundig aus Drohnen, die von Autopiloten geflogen wurden. Deshalb wich ihr Sensorprofil leicht von dem der typischen Kampfflieger des Feindes ab, waren ihre Ausweichmanöver fast synchron, ihr Gegenfeuer so spärlich – vermutlich konnte jede Drohne nur zwei Raketen schleppen, und die KI waren nicht die besten, wenn es darum ging, in Gefechtssituationen intuitiv das Richtige zu tun. Doch die Echsen würden niemals auf gut Glück zehn Drohnen losschicken, wenn sie nicht Hoffnung gehabt hätten, durch dieses Opfer etwas zu erreichen…

Die Russin hatte den feindlichen Plan durchschaut – aber spät, beinahe zu spät. Zweifellos hatten die Echsen darauf gehofft, dass die Terraner die Drohnen erst etwas später bemerkt und gestellt hätten, und vor allem, dass die republikanische Außensicherung dichter beim Konvoi geblieben wäre. Aber auch wenn die Kriegslist vorzeitig aufgeflogen war, machten die Imperialen das Beste daraus.
Mit einmal überfluteten Sensorkontakte die Anzeigen, als zwei Dutzend kaiserliche Jagdbomber – die sich im ballistischen Flug unter der Deckung des Trümmerfeldes genähert hatten – die Triebwerke zündeten. Die Angreifer, sämtlich Kacha-Jagdbomber, die den Menschen unter der Bezeichnung Raptor bekannt waren, stießen Täuschkörper aus und nutzen ihre gute ECM-Ausrüstung. Dann starteten auch schon die ersten Raketen.
Ohne die Warnung in letzter Sekunde wäre das Resultat wohl noch verheerender ausgefallen, doch die Folgen waren auch so schlimm genug.
Das Radarshuttle, das die dritte Sektion der Stallions begleitete, wurde quasi im Vorbeiflug von mehreren Raptoren ins Kreuzfeuer genommen. Nur der Umstand, dass die Kaiserlichen ihre leichten Raumraketen für wichtigere Ziele aufsparen wollten, bewahrte die Peshten-Maschine vor dem sofortigen Untergang. Doch auch so war das Shuttle, allen Ausweichmanövern zum Trotz, binnen weniger als zehn Sekunden nur noch ein Wrack. Austretende Flammen kündeten von Verlust der Innenatmosphäre, ganze Teile der Maschinen schienen abzubrechen.
Die vier Falcon waren da schon schwierigere Ziele, vor allem, da sie viel beweglicher waren und zurückschlagen konnten. Marine, die Sektionschefin, eröffnete den Kampf mit einem brutalen Alphaschlag, während sie ihre Maschine mit der Eleganz rotieren ließ, zu der nur eine wahre Könnerin im Stande war. Sie startete in rascher Folge alle sechs Amraam-Raketen, direkt in die Flugbahn des feindlichen Verbandes. Eine gewaltige Explosion kündete vom Tod eines Jagdbombers, getroffen von zwei oder gar drei der tödlichen Flugkörper gleichzeitig, ein zweiter Gegner war beschädigt. Ihre Untergebenen eröffneten ebenfalls das Feuer, wenn auch mit weniger Ungestüm. Die Vergeltung ließ jedoch nicht auf sich warten.

Lilja glaubte sich in einem wahren Alptraum gefangen. Sie brüllte einen Befehl nach dem anderen ins Funkgerät: „Silber, Schwarz, Vorfeldsicherung für den Konvoi! Pickt euch die Echsen raus, wenn sie im Zielanflug mit ihren Atomraketen sind!“ Selbst die hochentwickelten imperialen Schiff-Schiff-Raketen brauchten wenigstens zehn Sekunden stabile Zielerfassung, weshalb ein feindlicher Jagdbomber in dieser Zeit nicht so effektiv ausweichen konnte, wie unter normalen Umständen. Und wenn er den Zielanflug abbrach oder verfrüht feuerte, verschenkte er seine Chance auf einen Treffer, oder der Marschflugkörper hatte zumindest eine drastisch verringerte Treffergenauigkeit.
„Ace – setz deinen Arsch in Bewegung und fall den Echsen in die Flanke. Der Rest von Stallions und Blauen, MIR NACH!“

Während sie gleichzeitig ihre Maschine mit einer Rücksichtlosigkeit flog, die ihr beinahe das Bewusstsein raubte, schien sich der Jäger noch immer viel zu langsam zu bewegen.
Auch wenn die kaiserlichen Jäger offenkundig vor allem darauf fixiert waren, den Konvoi zu erreichen – sie wussten, dass sie sich die terranischen Jäger vom Hals halten mussten, um einen gezielten Anflug zu wagen. Und so war ihr Gegenfeuer massiv. Vor Liljas Augen überschlug sich die Maschine von Marine förmlich, als die Sektionschefin der Grünen zwei feindliche Raketen abzuschütteln versuchte. Eine zerplatzte an einem Täuschkörper, doch die andere traf ihr Ziel. Beschädigt taumelte die Falcon durchs All, erloschen die Antriebs- und Manöverdüsen, um nur zögernd wieder anzuspringen – was die Maschine für einen Moment ihrer überlebenswichtigen Beschleunigung und Wendigkeit beraubte. Nur wenige Sekunden lang, doch das war bereits zu viel. Das Feuer von nicht weniger als vier Raptor-Heckgeschützständen konzentrierte sich auf den Jäger. Der gellende Schmerzensschrei der Pilotin, über die Funkverbindung mit grauenhafter Deutlichkeit hörbar, brach mit erschreckender Plötzlichkeit ab.

Liljas Gesicht war zu einer wahren Fratze des Hasses erstarrt, doch sie verlor nicht die Beherrschung: „Auf mein Zeichen hin 180-Grad-Haken hinter die erste Welle – dann Alphaschlag mit allem was ihr habt, Buntfeuer mit Täuschkörpern und dann Einzelangriffe!“ Sie musste den gegnerischen Verband aufsprengen, damit die Akarii sich auf den Eigenschutz zu konzentrieren hatten. Den Gedanken an Marine verdrängte sie – zumindest fast. Mit fliegenden Fingern markierte sie für ihre Untergebenen und sich selbst die Raptoren, die Marines Maschine zusammengeschossen hatten: „Ich will, dass diese Schweine ALLE STERBEN!“
Mit einer grässlichen Verwünschung, die auf ihren Lippen wie Feuer brannte und bei der sie sich nicht einmal sicher war, aus welcher Sprache sie stammte, beschleunigte die Chefin der Stallions. Der Kampf hatte erst begonnen, und sie würde die Mission erfüllen – und ihre Rache haben!

***

Captain Nanda war ein erfahrener Kommandeur. Vom ersten Tag des Krieges an – und schon davor – hatte er ein Schiff kommandiert, zunächst eine Fregatte, dann einen Zerstörer. Dies war zwar sein erster richtiger Kampfeinsatz als Befehlshaber eines Kreuzers, doch er hatte sich gründlich darauf vorbereitet, so wie er auch nur ein Gerücht gehört hatte, man könne ihm ein Schiff der DAUNTLESS-Klasse zuteilen. Entgegen des Sprichworts, dass ein alter Hund keine neuen Kunststücke mehr lernt, hatte er sich Gedanken über die Stärken und Schwächen seines künftigen Kommandos gemacht.
Eine Vorbereitung, die ihm nun zu Gute kam. Als er erkannte, was gespielt wurde, zögerte er keinen Moment. Sein Schiff nahm mit den leichten Langstreckenraketenwerfern den Kampf gegen die feindlichen Jagdbomber auf – ein früher Volltreffer sorgte zweifellos dafür, dass die Kampfmoral deutlich stieg. Zugleich befahl er den Zerstörern des Geleitschutzes, sich zurückzuhalten und eine zweite Auffanglinie zu bilden, während die Fregatten mit voller Kraft beschleunigten, um sich zwischen die rasch näherkommenden Akarii und die Frachter zu schieben. Der Grund war klar – die modernisierten Schiffe des Typs Brandenburg verfügten im Gegensatz zu den Zerstörern über einige Impulslaser zur Raketenabwehr, und sie konnten gut doppelt so viele leichte Raketen mit einer Salve starten wie die größeren, eher für den Flottenkampf konzipierten Schiffe. Und – aber das sagte man natürlich nicht laut – von allen Schiffen waren sie die entbehrlichsten…
Die Atmosphäre der Brücke schwirrte nur so von Meldungen und Befehlen. Commander Jael Lines unterstützte die Kommunikation durch den Gebrauch von mindestens zwei nichtmenschlichen Idiomen. Nur langjährige Erfahrung befähigte den Captain, den Überblick zu behalten. Doch über der Koordination der Konvoiverteidigung vergaß er sein eigenes Schiff nicht – und als er ein bestimmtes Muster im Vorgehen der Echsen zu erkennen glaubte, handelte er entsprechend: „Radarerfassung AUSSCHALTEN!“
Normalerweise wurde der Befehl eines Kapitäns nicht diskutiert oder in Frage gestellt, sondern – besonders im Gefecht – unverzüglich ausgeführt. Doch die Anweisung, diese zentralen Sensoren, mithin ein Gutteil der ,Augen‘ für die Zielerfassung der PHILOKETES auszuschalten, kam so unerwartet, dass der zuständige Lieutenant an der Hauptsensorkonsole für einen Moment zögerte, unsicher, ob er richtig verstanden hatte. Die Stimme des sonst so gemütlichen Kapitäns peitschte förmlich über die Brücke: „TUN SIE ES!“
Die Anzeigen auf den Bildschirmen flackerten – doch sie erloschen nicht. In diesem Moment bewährte sich das Sensornetz, das von den Shuttles, Jägern und anderen Dickschiffen gesponnen worden war. Wohl litt die Erfassung, denn das Radar der PHILOKETES war das beste des ganzen Verbandes, zudem musste die Datenübertragung die gegnerischen Störsender und die Interferenzen des Kampfgeschehens überbrücken. Aber im Großen und Ganzen blieben die Anzeigen konstant, was bedeutete, dass die PHILOKETES auch dann weiterfeuern und ausweichen konnte, wenn ihre eigenen Aktivsensoren heruntergefahren waren: „Geschütze auf Abwehreinsatz vorbereiten…“ Jetzt würde sich erweisen, ob er sich zum Narren gemacht hatte.
Und da kam auch schon die Meldung, mit der er gerechnet hatte: „Marschflugkörper im Anflug! Vier…Sechs…ACHT!“
Trotz dieser bedrohlichen Meldung musste Nanda beinahe ein schmales Lächeln unterdrücken. Ja, das war GENAU, wie er es erwartet hatte. Er hatte die Lektion gelernt, die für das Typschiff der terranischen Flakkreuzer zum Verhängnis geworden war – in der Hitze des Gefechts bei Karrashin im Schleichangriff von einigen Jagdbombern mit radarsuchenden Marschflugkörpern angepeilt, war der große Vorteil der DAUNTLESS zu ihrer Achillesferse geworden. ,Nicht mit mir!‘
Die Impulslaser und das Abwehrfeuer machten mit den feindlichen Marschflugkörpern kurzen Prozess. Ein, zwei der mindestens acht Raketen trafen dennoch, und für einen Moment schien es, als würde die Faust eines Riesen den Flakkreuzer schütteln. Doch die Schäden hielten sich in Grenzen: „Wende um 90 Grad Backbord. Sperrfeuer auf die zweite Welle der Jagdbomber. Kanoniere – Einzelfeuer auf die Maschinen der ersten. Und sagen Sie den Angels, ich will, dass sie uns die verdammten Läuse aus dem Pelz pulen!“
Der Flakkreuzer drehte bei, mit einer Eleganz, die seine Größe und Masse Lügen strafte. Umgeben von einer feurigen Aureole – hervorgerufen durch die pausenlos startenden Raketen, alle paar Sekunden gut 70 Stück, die Manöver und Antriebsdüsen, zog er einem feuerspeienden Drachen gleich in den Kampf.

Ende
30.10.2020 06:23 Cattaneo ist offline E-Mail an Cattaneo senden Beiträge von Cattaneo suchen Nehmen Sie Cattaneo in Ihre Freundesliste auf
Ace Kaiser Ace Kaiser ist männlich
Lieutenant General


images/avatars/avatar-461.gif

Dabei seit: 01.05.2002
Beiträge: 7.038

Auf diesen Beitrag antworten Zitatantwort auf diesen Beitrag erstellen Diesen Beitrag editieren/löschen Diesen Beitrag einem Moderator melden       Zum Anfang der Seite springen

Es kam nicht oft vor, dass ausgerechnet ich nach einem Flug die Klappe hielt – diesmal war es der Fall. Und das lag keinesfalls daran, dass ich gerade mit zwei Sektionen von der Langstreckenmission zum Schutz der Truppentransporter zurückkam. Kein Pilot in diesem Krieg kam damit aus, keine Verluste zu erleben. Teufel auch, kein einziger Soldat war davon ausgenommen, egal ob er oder sie an der Front diente, oder daheim auf Terra an einem Schreibtisch. Irgend jemand, den man auf irgend eine Art kannte, wurde auf jeden Fall getötet oder galt als vermisst, was in vielen Fällen Ersteres bedeutete. Aber wenn man Schiffskameraden verlor, wurde es schwierig, persönlich. Auch ein schlechtes Verhältnis zur getöteten Person half nicht davor, dass man sich schuldig und ein wenig befreit fühlte, weil es einen selbst nicht erwischt hatte. Aber wenn es die Piloten der eigenen Staffel erwischte, dann griff eine eisige Klaue nach dem eigenen Herzen, während zugleich der Kreislauf schier kollabieren wollte.
Ich wunderte mich selbst darüber, wie kalt und professionell ich meine Falcon landete, trotz der halben fehlenden rechten Tragfläche und dem stotternden Antrieb, was ich einem Beinahetreffer verdankte, der auch fix mein Ende hätte werden können. Ich staunte auch darüber, wie gut ich die Abschlussbesprechung über die Schäden an meinem Jäger und den fünf anderen Maschinen der Blauen Staffel, die es nach Hause geschafft hatten, abhielt und einen Reparaturplan sowie den Einsatz von Reservemaschinen für meine Blauen absprach. Es hätte ein mehr als beruhigendes, beinahe hämisches Gefühl sein müssen, dass ich einmal Lilja bei solchen Dingen zuvor kam und als Erster Zugriff auf Reparaturmaterial und Ersatzmaschinen hatte, aber... die eiskalte Hand ums Herz.
Dann begab ich mich mit den anderen Piloten zu den Umkleideräumen, zog den Raumanzug aus, duschte, zog mich an und wartete schweigend auf meine Leute, bis sie ebenfalls fertig umgezogen waren. Draußen warteten bereits die Piloten der Sektion zwei meiner Staffel, die den Einsatz nicht mitgemacht und stattdessen Nahsicherung für die Big Lady geflogen hatten. Wortlos schlossen sie sich mir und den anderen an. Und dann gingen wir auf die Brücke, um uns nach dem Status von Sneaker und Vampire zu erkundigen. Solange man mir keine Aufnahmen davon vorlegte, wie ihre Jäger atomisiert wurden oder ich ihre Leichen vorgelegt bekam, erlaubte ich mir zu hoffen, denn war ich nicht das beste Beispiel dafür, dass man auch Glück haben konnte?

Letztendlich wurden nur Chip und ich in die CIC gelassen. Dort begann für mich und meinen Stellvertreter das lange Warten auf die Nachrichten der Rettungsshuttles, die den Ort des Fiaskos absuchten, um Überlebende zu finden. Chip und ich wurden geduldet, aber ich sah dem CAG an, dass er es lieber gesehen hätte, wenn ich mich um den Rest meiner Staffel kümmern würde. Doch ich kam nicht aus meiner Haut raus... Noch wagte ich, zu hoffen.
Jemand drückte mir ein Glas in die Hand, und ich nahm einen Schluck, ohne zu schauen, was ich hatte. Das heiße Getränk verbrannte mir ein Stück Zunge, bevor ich den Cappuccino identifizierte. Der Schmerz war es, der mich jetzt ein Stück weit wieder zu mir selbst brachte. Ich sah auf, leise Luft zwischen den Zähnen entweichend lassend und sah zu Chip herüber. Sein Gesicht war verkniffen und ernst, seine Augen hoffnungslos. „Schlimmer als in Sterntor.“, murmelte er so leise, dass ich es kaum hörte.
Ich stieß ihn leicht an. „Wir sind hier, um Gewissheit zu bekommen, ob es schlimmer als in Sterntor ist, Lieutenant.“
Er sah mich einen Moment an wie einen Geist, den er schon eintausendmal gesehen hatte, dann nickte er mir zu, pustete in das Glas in seiner Hand und nahm einen kleinen Schluck. Schlauer Bursche.
„Commander, wir haben Nachricht über Lieutenant Sourakis“, sagte jemand.
Ich fuhr herum. Sneaker. Ich wollte diese Neuigkeiten wissen, aber ich hatte Angst, dass sie lauteten, dass Eleni tot war. Was kein Wunder gewesen wäre, bei dem, durch das meine beiden Sektionen hatten gehen müssen. „Nichts von Lieutenant Scott?“, fragte ich.
„Noch nicht, aber die Suche dauert noch an“, informierte mich die gleiche Stimme.
Ich atmete tief aus. „Her mit den schlechten Nachrichten“, sagte ich schließlich.

***

Wenn Schlimmes passierte, dann geschah es meistens schnell und sehr, sehr unübersichtlich. So wie in diesem Fall, als ohne jede Vorwarnung die PHILOKETES ihre Abwehrraketen in eine Richtung abfeuerte, aus der wir bisher weder Minen, noch feindliche Angriffe durch Jäger oder die erstaunlich effektiven Shuttles der Akarii erfahren hatten. Eben noch hatten wir gegen eine auseinandergezogene Kette von Kontakten gekämpft, bei schwachem Gegenfeuer, als der Alarm von Lilja gekommen war, dass unsere Feinde nur eine Finte darstellten. Im gleichen Augenblick wurden unsere Telemetriedaten von der PHILOKETES geupdatet, und wir sahen, worauf das Schiff feuerte. Vierundzwanzig neue Blips waren in relativer Nähe zu Liljas Flanke entstanden, und diese Blips hatten gerade vierundzwanzig Antijäger- und Antischiffsraketen abgefeuert. Marine kümmerte sich bereits darum, und auf dem Schirm sah ich auch Butcher Bears und Thunderbolt-Jagdbomber einschwenken. Es hätte der liebevollen Ermahnung Liljas nicht gebraucht, um mir zu sagen, wo jetzt mein Platz war und dass ich die Raptors aus meiner Position in der Flanke packen musste.
„Boogies und Bandits“, sagte ich in aller Seelenruhe über die Staffelfrequenz. „Chip, du bleibst beim Konvoi, schiebst dich mit deiner Sektion zwischen unsere Schiffe und die Raptors und fängst ab, was in deine Reichweite kommt. Sektion eins folgt mir näher heran. Wir bekämpfen die Boogies auf kürzere Distanz und schauen, ob wir die Bandits seitlich erwischen können.“
„Sei vorsichtig. Das sind Jagdbomber, und mehr Jäger als Bomber. Zwei Dutzend davon werden auch acht wendigen Falcons gefährlich, selbst wenn du die Zahl auf zwölf erhöhst“, mahnte Chip, anspielend auf die beiden Sektionen der Grünen, die bereits mitmischten beziehungsweise kurz davor waren.

Ich hätte gerne als Antwort spöttisch gelacht, aber wir waren kurz vor dem Endspurt der Etappe und bereits eine ganze Zeit „draußen“. Tatsächlich waren von meinen sieben Piloten vom Raumanzug nur zwei noch nicht mit Aufputschmitteln behandelt worden. Sogar ich hatte bereits etwas injiziert bekommen, was mich sehr fatal an Sterntor erinnerte, als mich mein eigener Raumanzug sediert hatte, um meine Überlebenschance zu erhöhen. Und wie mir das Team des Rettungsshuttles das Betäubungsmittel wieder regelrecht aus dem Körper gespült hatte, was durchaus hätte tödlich sein können. Was danach alles noch geschehen war, daran erinnerte ich mich überhaupt nicht gerne. Immerhin, die Ärzte wollten Mahou diese Woche aus dem künstlichen Koma wecken und ein Maß der Hirnschäden aufnehmen, die sie erlitten hatte. Es bestand Hoffnung, dass sie es bei vollem Verstand überlebt hatte.
Jedenfalls hatte ich Aufputschmittel in den Adern, als ich an der Spitze der ersten Sektion in Richtung Jagdbomber eilte.

Die Atomraketen kamen fix näher, nur Daten auf einem Computerbildschirm, solange sie weit da draußen waren. Aber erschreckend real, sobald sie im Schirm eines Schiffs der Peshten oder unserer Flotte explodierten. Tatsächlich befanden sich die Jagdbomber relativ nahe am Konvoi, aus den Perspektiven eines Raumkampfs gesehen, gerade an der Grenze dessen, was unsere Schiffe durch aktives Pingen gut einsehen konnten. Das Trümmerfeld, in denen sie sich verborgen hatten, war ein gutes Versteck gewesen, vor allem, nachdem Lilja bei den durch die Drohnen erzeugten falschen Signalen hatte nachsehen lassen.
Das bedeutete allerdings eine wichtige Distanz, die ich nun nutzte. Meine vier Falcons flogen vor und von Richtung des Konvois aus gesehen von links in die Flanke der angreifenden Raptoren hinein. Dabei schickten wir dem Flaggschiff der Dauntless-Klasse alle Daten, die unsere Sensoren auffingen. Da wir mit der PHILOKETES vollvernetzt waren wie alle terranischen Einheiten, konnten wir auch sehr viel besser durch die Erfassungsabwehr der Feindraketen sehen als ein normaler Jäger, obwohl sich das ECM der Echsen wirklich jedwelche Mühe gab. Aber der Feuerleitcomputer des Flaggschiffs koordinierte das Abwehrfeuer unserer Bordwaffen, um unnötige Abfangversuche zu vermeiden und um auf jede hereinkommende Rakete mindestens eine Abwehrmaßnahme zu setzen und unsere Falcons spien ihre konventionelle Bewaffnung aus; die Raketen brauchten wir noch für die Raptors, wenn wir schnell genug nahe genug kommen würden. Oder falls die feindlichen Jagdbomber weitere Salven Antischiffsraketen abfeuerten. Eine Raptor, rekapitulierte ich, konnte zwei Antischiffsraketen tragen, dazu sechs Raumkampfraketen. Oder drei Antischiffsraketen, wenn sie auf normale Raketen verzichtete. Was bedeutete, dass es mindestens noch eine Salve an dicken Zigarren geben würde, wenn die Akarii selbstmörderisch genug waren – und bei diesem Manöver sprach vieles dafür, dass sie es waren – sogar noch eine dritte aus einem ganzen Schock Antischiffsraketen. Diese da hatten keinen Begleitschutz durch Jäger, jedenfalls soweit die PHILOKETES feststellen konnte, und das Schiff der DAUNTLESS-Klasse haute an aktiver Ortung auf dieses Gebiet raus, was dieser Teil der Ortungsantennen hergab.
„Elf Boogies down, dreizehn weiter auf Kurs, dreißig Sekunden“, meldete die PHILOKETES. „Zweite Salve im Anflug.“ Ich sah auf meinem HUD, dass die Raptoren tatsächlich eine zweite Rutsche aus vielleicht zwanzig Antischiffsraketen losgejagt hatten. So hart, wie der Rest der Jäger und die Konvoisicherung zusetzen, waren mindestens zwei bereits Geschichte. „Welle eins fünfzehn Boogies down, siebzehn Boogies down.“
„Wir konzentrieren uns zuerst auf die zweite Welle, die ist uns näher als die Jagdbomber“, befahl ich, während die unzerstörten sieben Raketen meine kleine Truppe passierten. Nun würden neben den Antiraketen auch die konventionellen Waffen eingreifen und versuchen, die Überraschungspakete der Akarii abzuschießen, bevor sie in den Schirmen der Begleitschiffe und der Transporter, die der Hauptpreis auf diesem Schlachtfeld waren, einschlagen konnten. „Alle Boogies der ersten Welle down“, klang wieder die professionelle, ruhige Stimme über den Gefechtsfunk, die mich sehr stark an Triple D Gonzales und sein sprichwörtliches ruhiges Gefechtsgemüt erinnerte. Friede seiner Asche.

Von hinten passierten uns weitere Antischiffsraketen auf dem Weg zur zweiten Welle.
„Dritte Welle abgeschossen“, meldete die PHILOKETES. „Elf Boogies im Anflug, vierundzwanzig Antijägerraketen abgeschossen.“
„Die gelten unseren Jägern“, sagte ich überflüssigerweise. Das waren mehr Raketen als eine Raptor tragen können dürfte, aber eventuell hatten ein Teil der Akarii drei Antischiffsraketen geladen und die anderen je sechs Antijägerraketen. Oder aber diese Dinger waren modifiziert worden, um zusätzliche Raketen tragen zu können. Der Verzicht auf Zusatztanks sollte mindestens vier kleine Raketen erlauben. Also rechnete ich sicherheitshalber mit noch zwölf weiteren Antischiffsraketen. „Sobald die Boogies nahe genug sind, bekämpfen und selbstständig ausweichen. Unser wichtigstes Ziel sind die Bomber.“
Routinierte Antworten meiner drei Piloten erreichten mich.
Wieder feuerten wir mit der Bordbewaffnung auf die Antischiffsraketen der zweiten Welle, mit leidlichem Erfolg. Dennoch konnten wir und die Abwehrraketen der Flotte neun von ihnen zerlegen, während das, was von den Grünen übrig war, immerhin acht ins Raketennirvana geschickt hatte, bevor sie die Position meiner Sektion passierten. Nun waren uns auch die Kampfraketen nahe genug. Wieder wurde unser Feuer vom Flaggschiff eingewiesen, und so gelang uns das Kunststück, acht Raketen abzufangen, bevor sie aufschließen konnten. Blieben noch zehn. Die Explosionen der abgefangenen Raketen und das heftige Feuer der Kriegsschiffe, Jäger und Jagdbomber veranstalteten ein wüstes Feuerwerk – obwohl die Explosionen der kaiserlichen Raketen mitunter recht schwach ausfielen. Merkwürdig…

„Auflösen“, sagte ich mit gepresster Stimme, als mein Raketenalarm losging. Unsere vier Jäger splitteten, stießen Abwehrmaßnahmen aus und versuchten, mit Nachbrenner zu entkommen. drei weitere Raketen wurden wir dadurch los. Zwei suchten sich neue Ziele und flogen dem Konvoi entgegen, blieben noch fünf. Wieder stießen wir Abwehrmaßnahmen aus. Ich achtete darauf, dass der generelle Kurs beibehalten wurde und wir später relativ leicht wieder in Richtung Bomber einschwenken konnten, was diese natürlich bemerkten. Da sie relativ antriebslos zum Konvoi im All schwebten, war es relativ einfach für sie, die Hecks zu drehen und zu beschleunigen. Da wir aber bereits Gefechtsgeschwindigkeit hatten, konnten wir absehen, dass wir sie in Reichweite unserer Raketen bekamen, bevor sie sich zu weit vom Konvoi entfernt hatten, sodass wir die Verfolgung aufgeben mussten. Aber ein paar Amrams würden wir ihnen aufbrennen, das war ein beruhigender Gedanke.
„Zweite Welle abgeschossen“, meldete die PHILOKETES. „Schäden am Konvoi…bisher überschaubar. Dritte Welle drei Boogies down.“
Vier weitere Antijägerraketen fielen auf die Abwehrmaßnahmen herein, eine flog von sich aus in die Weiten des Weltalls, ohne weiteren Schaden zu verursachen. Zwei aber hielten auf Sneaker zu. Die erste explodierte ihr im Heck, brach den Schirm auf. Die zweite folgte ein paar Sekunden später. „STEIGE AUS!“, brüllte Eleni. Dann verschwand ihre Falcon in einer kräftigen Explosion.
Ich fühlte die eisige Hand, checkte meine Instrumente, aber es war nichts zu sehen von einem Pilotenstuhl oder einem einzelnen Raumanzug. Auch konnte ich keine Funkbojensignale empfangen, aber das allein hieß noch nicht viel. „PHILOKETES“, sagte ich mit einer so ruhigen Stimme, dass sie mich selbst überraschte, „SAR auf meine letzte Position. Pilot ausgestiegen.
Erste Sektion, Ziel aufnehmen und bei Feuerlösung den Raptors hinterher schicken. Dann zurück zum Konvoi.“
„Ace von PHILOKETES. Verstanden. Shuttle ist unterwegs.“ Die ruhige Stimme meldete dazu: „Dritte Welle vernichtet.“
Was mir ein etwas selbstgefälliges Grinsen bescherte. Außer Spesen, nichts gewesen, liebe kaiserlichen Akarii. „FOX TWO!“, blaffte ich mit grimmiger Befriedigung, kaum dass ich eine Auflösung für eine Raptor hatte. Ich teilte diese mit meinen anderen beiden Piloten, sodass diese eine Raptor jetzt neben dem Feuer der Grünen jetzt sechs weitere Probleme hatte, was die Chance erhöhte, dass wir wenigstens einen Jagdbomber ausschalten würden.

„Zurück zum Konvoi, bevor noch was Ähnliches passiert.“ Sagte ich. Oder ich hatte vor, es zu sagen, ich wusste das nicht mehr. Denn es wurden zwölf neue Bandits gemeldet, aus einer Position, die die verdammten Akarii-Maschinen bereits verlassen hatten. Antischiffsraketen, wie mir vom Flaggschiff bestätigt wurde – und ihre Antriebe erwachten zum Leben, während wir sie physisch passierten! Diese verdammten Akarii hatten zwölf ihrer Antischiffsraketen abgeworfen, bevor sie gewendet hatten und per Fernsteuerung auf dem Weg geschickt, als sie für meine Sektion nicht mehr so leicht zu erreichen waren. „Eindrehen und feuern!“, befahl ich. Gemeinsam jagten wir den schweren Raketen nach, was wir hatten, aber diese Mistdinger wurden von ECM begleitet, was unsere Erfassung und jene des Flaggschiffs lang genug störte, um aus unserer Kernschussweite zu entkommen, zumindest vorerst. Ich zerbiss mir einen derben russischen Fluch, den ich von wer weiß wem aufgeschnappt hatte, der aber treffend beschrieb, was ich dachte.
„Nachbrenner!“, befahl ich und trat meinen selbst durch. Zurück, zurück zur Flotte. „Boogies“, meldete die PHILOKETES. „Zwölf auf dem Weg.“ Also hatten wir tatsächlich keine erwischt. Aber immerhin, einer der Raptors war unseren Amraams zum Opfer gefallen. Eine billige Rache, aber besser als nichts.
Mir wurde klar, dass ich auf einen wirklich guten Trick reingefallen war. Aber eine massive Ablenkung aus zwei Dutzend Jagdbombern konnte man nicht ignorieren. Es wäre sogar sträflich gewesen, es auch nur in Betracht zu ziehen. Aber, es hatte meine Sektion von den Schiffen fortgezogen und defacto hinter diese zwölf Raketen geführt. Hätte ich mit so einer Idee der Imperialen rechnen müssen? Vielleicht, als ich gemerkt hatte, dass einige ihrer Maschinen drei Antischiffsraketen trugen und andere Antijägerraketen. Hatte ich damit gerechnet? Nein. Natürlich nicht.
Aber wenigstens machte Chip alles richtig, mit mir und Lilja mit ihren Grünen hier draußen, jagte die Nachbrenner durch und flog den angreifenden zwölf schweren Raketen entgegen. Und auch die Flotte feuerte, was sie hatte, und ein ganzer Schwarm an Antijägerraketen bewies das auch. Allerdings hatte mein Stellvertreter wesentlich weniger Zeit und Gelegenheit zum Reagieren, und das lag zum großen Teil daran, dass das ECM, welches die Raketen begleitete, erstaunlich effektiv war. Weit effektiver als bei den ersten Salven.
Diesmal reichte es nicht, nicht einmal für ein Schiff der Dauntless-Klasse. Dankenswerterweise nahmen die Atomraketen verschiedene Schiffe ins Visier, aber drei der sieben Boogies zogen auf den Truppentransporter MU'HOLA. Chip tat, was er konnte, und tatsächlich zerstörte meine Dritte Sektion eine der Raketen. Aber die erste detonierte im Schirm und riss ihn auf. Die zweite flog vollkommen unbehelligt auf die Hülle der MU'HOLA, schlug ein... Und nichts passierte.
„Fünf Boogies down “, sagte wieder die ruhige Stimme. „Einschlag auf der MU'HOLA, nicht detoniert.“

Das war kein Signal, um sich zu erholen oder gar aufzuatmen. Dem Transporter steckte jetzt eine Atombombe im Leib, die jederzeit explodieren und das Schiff samt tausenden Soldaten zur Hölle schicken konnte, aber immerhin waren sie noch nicht zur Hölle gesandt. Und es waren noch sieben auf dem Weg. Ich ahnte mehr als ich es wirklich dachte, dass diese Verzögerung durchaus geplant war, um die Abwehr der Raketen zu stören. Unsere Subroutinen gingen viel zu oft und viel zu sehr von synchron angreifenden Wellen aus, und wenn sie das nicht taten, dann wollten die Programme zur Steuerung der Abwehrmaßnahmen wieder in den Beobachtungsmodus wechseln, weil die Angriffswelle ja vorbei war. Nur, um dann von den Raketen, die drei Sekunden später bekämpft werden mussten, überrascht zu werden. Und ein Impulslaser, der wieder in Ruhestellung gefahren war, musste das Ziel erst mal mechanisch aufnehmen. Irgendjemand auf der Akarii-Seite hatte eine Menge Gehirnschmalz investiert, um uns wehzutun. Das Ergebnis waren sieben, nein, nur noch vier Raketen, von denen aber zwei weiter auf den ungeschützten Truppentransporter zuhielten. Und dieser Bastard von einem Strategen hatte mich kalt erwischt. Mich, Lilja, Chip, und jeden anderen Piloten hier draußen. Beinahe wie im Kino mussten wir dabei zusehen, wie unser Abwehrfeuer die Raketen verfehlte, um ihre unheilvolle Arbeit zu verrichten.

Wie aus dem Nichts zog die BOHAR'CHARN, eine Fregatte der Peshten, seitlich des Transporters hoch und kassierte die beiden Hiebe für die MU'HOLA. Beide Raketen explodierten fast zeitgleich in den Schirmen der BOHAR'CHARN, aber die Wucht, die nach dem Kollabieren der Schirme durchschlug, vernichtete nicht nur den Schirm des Dünnschiffs, sondern fraß sich auch in die Flanke des tapferen Peshten-Schiffs. Als sich die Explosionswolke verzogen hatte, war die Fregatte nur noch ein Wrack, das ein Drittel seiner Substanz eingebüßt und wer weiß wie viele Soldaten verloren hatte. Ein Blitz auf den Anzeigen signalisierte einen weiteren Treffer im Konvoi - oder hatte die Abwehr die Rakete erst unmittelbar vor dem Einschlag abgefangen? Der schwere Truppentransporter schien jedenfalls durchgeschüttelt, aber nicht ernsthaft beschädigt. Dennoch, es war entschieden zu knapp gewesen.
War es damit vorbei? Oder stand die nächste Runde an? Verdammt, was, wenn das noch nicht das Ende vom Gehirnschmalz meines unbekannten Gegners gewesen war?
„Geleitschutzpositionen wieder aufnehmen und auf weitere Bandits achten!“, befahl ich stoisch. Das war das Einzige, was wir noch tun konnten. Nach dem Opfer der BOHAR'CHARN konnte immer noch der atomare Stachel stechen.
Meine drei Falcons und die Sektion von Chip koordinierten ihre Anstrengungen, und da nun keine neuen Atomraketen dazu kamen, hatten es die Abwehrgeschütze und die Abwehrraketen etwas leichter. Zwei weitere Antischiffsraketen explodierten in den Schirmen, zum Glück aber in denen eines bisher unbeschädigten Transporters und des Flaggschiffs, das den Schlag konsterniert hinnahm.

„Keine Bandits mehr in Reichweite. Raptors verlassen den Bereich.“
„SAR zu meiner Position“, klang Chips Stimme auf. „Pilot vermisst.“
Was?, ging es mir durch den Kopf. Dann checkte ich die Transponder seiner Sektion und sah, dass Vampires Signal fehlte. Es gab nur eine Möglichkeit, wie das passiert sein konnte, und das bedeutete, dass er einer der atomaren Explosionen zu nahe gekommen sein musste. Was das bedeutete, wusste ich aus erster Hand. Und es entsetzte mich, denn wieder hatte ich weder ein Wrack, noch einen Pilotensitz, oder gar einen Raumanzug in der Ortung.
Er sagte nicht „ausgestiegen“, denn in einer atomaren Explosion hatte ein Pilot keine Chance, wenn er ausstieg und die dünne, aber immerhin vorhandene Schutzhaut seines Jägers verließ. Wenn Vampire überlebt hatte, dann trieb er im Rest dessen, was einmal sein Jäger gewesen war, durch das Trümmerfeld, welches die BOHAR'CHARN, selbst halb kastriert, hinter sich herzog.

„Sind wieder auf Geleitschutzposition“, meldete ich mit tonloser, rauer Stimme. „Viel Glück, MU'HOLA.“ Zwei Piloten verloren, bei einem kaum Hoffnung auf sein Überleben, das war keine gute Bilanz. Aber wir waren wieder auf die Geleitschutzpositionen zurückgeflogen, denn unsere Mission dauerte noch an. Mehr mechanisch als bewusst gab ich die Anfrage an das nächste Tankshuttle heraus, um unsere gefährlich zusammengeschmolzenen Treibstoffvorräte aufzufrischen, und ebenso mechanisch hörte ich Lilja das Gleiche fordern, inklusive Priorität für ihre Leute, weil sie ForCAP flog. Aber es war mir egal. Hauptsache, meine nun nur noch sechs Jäger waren wieder voll einsatzbereit, bevor die nächste Teufelei der Akarii zuschlug, und viel Zeit blieb dafür nicht mehr. Je näher wir dem Planeten kamen, desto besser war der Weltraum kartographiert und desto stärker wurde er überwacht, einfach, weil die Spähshuttles vom Planeten und vom Konvoi einander potenzierten und die Raumstationen einen Weg freipingten, den die Transportschiffe nehmen würden. Es würde also noch teurer und noch schwieriger für die Akarii werden, uns anzugreifen. Aber dieser Angriff hatte schon gereicht, um Liljas und meine Staffel schwer genug zu treffen. Immerhin meldete sie zwei Abschüsse, was zusammen mit unserem und den Erfolgen der Nighthawks und Thunderbolts fünf Verluste für die Raptors bedeutete, aber es blieb ein mäßiger Erfolg. Deutlich besser hatte sich die Flak geschlagen. Wie Lilja mit grimmiger Stimme verkündet hatte, waren gerade einmal neun Gegner entwischt. Wer von den Piloten und Bordschützen überlebt hatte – nicht sehr viele – wurde gerade aufgesammelt. Und offenkundig war nicht nur Lilja fest entschlossen, die restlichen Jabos vor dem Erreichen ihrer Basen abfangen zu lassen. Ob das funktionieren würde, stand freilich auf einem anderen Blatt, unsere Kampfflieger und die der Peshten waren mit der Abwehr der Bodenoffensive und dem Selbstschutz schon bis zum Anschlag beansprucht.
Spätestens nach dem Ende der Mission würde ich erfahren, wie teuer dieser Kampf für die Blauen tatsächlich geworden war.

***

Nur wenige Dutzend Kilometer von der waidwunden, zum Wrack geschossenen BOHAR'CHARN, an Bord des Truppentransporters, starrten fünf gut gepanzerte Marines, drei Peshten und zwei Menschen, die zum Enterschutz in diese Sektion geschickt worden waren, auf den großen, langen Zylinder, der sich durch einen halben Meter Außenhüllenpanzerung gebohrt hatte und nun mit einem reichlich deformierten, aber immer noch erkennbaren Piercer-Gefechtskopf mitten in einen Gang des Schiffs gebohrt hatte. Piercer waren darauf ausgelegt, Panzerung zu durchschlagen und die Atomgewalt in das Schiff hinein zu bringen, wo moderne Kampfschiffe nicht so stark gepanzert waren wie auf der Hülle. Diese Aufgabe hatte die moderne Raumkampfrakete erfüllt. Die weit wichtigere Aufgabe, innerhalb des Schiffs zu detonieren, hatte sie nicht erfüllt. Noch nicht. Deshalb wagte auch keiner der Soldaten, zu hastig zu atmen oder sich zu bewegen, nachdem der Anführer, ein Private First Class, den ungewöhnlichen Eindringling weitergemeldet hatte und nun ein Peilsignal ausstrahlte.

„Wegwegwegwegwegweg!“, rief jemand, ein gepanzerter menschlicher Infanterist, der an der Spitze eines zehnköpfigen Peshten-Trupps herbeilief, während Elektrowagen weitere zwanzig Infanteristen und Techniker brachten. Der erste Mensch drängte die Marines von der Bombe fort, so weit er es bei gepanzerten, kraftverstärkten Rüstungen schaffte, der zweite half ihm, dann war der erste Wagen heran, der Beifahrer, ein Peshte, sprang herab und griff auf die Aufbauten. „Alles raus, was nicht gebraucht wird!“, blaffte er, und hätte er mit offenem Helm, auf einer Zigarre kauend, hier gestanden, niemand hätte sich gewundert und „Ja, Sarge!“ gebrüllt, obwohl sein Raumanzug keine Unteroffiziersabzeichen aufwies. Er hielt einen Schlauch in der Hand. „Aufdrehen! Weg, weiter weg, Leute!“
Aus dem Schlauch und der Düse an der Spitze kam eine farblose Masse, die man für Wasser halten konnte. Aber Wasser erzeugte keinen Raureif auf dem Metall der Rakete. Diese Flüssigkeit aber traf den Stahl und diffundierte sofort. Die Anzüge der Soldaten zeigten an, dass sich die Temperatur im Gang verschob, leicht zunahm. „Flüssiger Stickstoff“, erklärte der Peshte ohne Zigarre. „Mieses Kühlmittel, aber in einer Atmosphäre trägt er sehr gut Wärme weiter! Wir kühlen das Mistding runter, so gut wir können, um die Elektronik zu stören und eine verzögerte Detonation zu verhindern, nachdem sich die Rakete beim Durchbruch aufgeheizt hat. Dann schneiden wir das Mistding auf und sehen zu, ob wir sie entschärft bekommen.“
Das leise Gemurmel der Gebete der Peshten – kein Soldat, der in dieser Situation nicht irgend eine Gottheit angerufen hätte – bildeten eine kaum wahrnehmbare Hintergrundmusik für die Unterhaltung.
„So viel Zeit haben wir vielleicht nicht“, sagte eine helle peshtische Frauenstimme. „Wir schneiden sie aus der Wand und kicken sie raus.“
„Das dauert zu lange, LT. Die Wand ist einen halben Meter dick und hat sich durch die Hitze des Durchstoß verformt und an die Rakete angepasst“, sagte der Mann am Schlauch mit einer so ruhigen Stimme, italienische Eismacher hätten sie für die Produktion ihrer Kreationen verwenden wollen.
„Ich habe aber ein schlechtes Gefühl dabei, das Ding aufzuschneiden, Spezialist. Halten Sie auch auf die Wand, und wir sehen, ob sie sich ein Stück zusammenzieht und schrumpft, wenn wir sie runterkühlen.“
„Ma'am...“
„Das war keine Bitte.“
Der Mann wirkte unschlüssig, weiter die Rakete kühlend. Einer der anderen Männer war nicht so zaghaft, nahm vom zweiten Wagen einen Schlauch und beschoss die umlegende Wand rund um den Einschlag.
„Brücke, hier Lieutenant Agir. Schalten Sie die künstliche Schwerkraft rund um diese Sektion ab. Was? Ja, dann geben Sie schiffsweit Warnung und schalten Sie alles ab! Ja, verdammt, das nehme ich auf meine Kappe! Sie mich auch! Danke!“
Kurz darauf aktivierten die Soldaten ihre Magnetsohlen, und der Null G-Alarm ging durch das Schiff. Gekühlt wurde weiterhin, und tatsächlich zog sich das runtergekühlte Material wieder zusammen, wenn auch nur im Millimeterbereich, nachdem es sich durch die Reibung des Einschlags ausgedehnt hatte. Dadurch, dass keine Schwerkraft des Schiffs auf die Rakete einwirkte, lag sie quasi nur im Loch auf und begann sogar zu schweben, wo sich das Metall weiter zurückzog. „Es klappt!“, sagte der Mann am ersten Schlauch hoch erfreut. Während sein Kamerad weiterhin die Wände runterkühlte, um die Bewegungsenergie und damit die Ausdehnung der Wand zurückzunehmen, hielt er seinen Schlauch nun in den Rand, der die Rakete teilweise freigab, wenngleich nur einige wenige Millimeter.
„Ich ziehe Sie nie wieder in Zweifel, LT, das verspreche ich. Und was jetzt?“, fragte er.
„Jetzt brauchen wir einen Wahnsinnigen mit dem Feingefühl eines Chirurgen auf dem Pilotensitz eines Shuttles, der das Mistding mit Traktorstrahl aus unserer Außenhülle zieht und ins freie All schleppt. Möglichst ohne dass die Rakete detoniert.“
„Hat da jemand meinen Namen gerufen?“, klang eine fröhliche, viel zu fröhliche Stimme über Funk auf, die unverkennbar einem T'rr gehörte. „Lieutenant Hovi mit Shuttle zu Stelle, Traktorstrahl ist heiß und einsatzbereit. Was soll ich tun, das Ding einfach rauspullen?“
„Und möglichst weit wegziehen, ohne dass es detoniert“, sagte Lieutenant Agir mit Erleichterung in der Stimme.
„Das ist dann das Einfachste, was ich heute zu erledigen habe. Bereit, wenn Sie es sind.“
„Legen Sie los, Lieutenant Hovi“, sagte Agir.

Wie das literarische Kaninchen vor der Schlange sahen sie und ihre Leute zu, noch immer bestaunt von den fünf Infanteristen, die die Rakete gefunden hatten, wie sich der zerstörerische Gefechtskopf wie von Zauberhand nach hinten, wieder raus aus dem Schiff bewegte. Dies geschah langsam, denn wenn sie sich verkeilte, konnte das durchaus die Explosion auslösen, die sie alle in radioaktiven Staub zerblasen würde. Ein leises Zischen verriet, dass zwischen Rakete und Stahl bereits genügend Platz war, um Atemluft entweichen zu lassen. Der Mann ohne Zigarre stellte daraufhin den Beschuss mit Stickstoff ein. Nichts wäre schädigender gewesen, als wenn er den flüssigen Stickstoff zum All hinaus gepustet hätte, wo er vielleicht gefror und Rakete und Schiff zusammenkleisterte. Ein lauteres Rauschen verkündete, dass die Atemluft nun stärker austrat.
„Habe das Mistding“, meldete Hovi. „Lasst bloß die künstliche Gravitation der MU'HOLA deaktiviert.“
„Verstanden, Lieutenant Hovi. Viel Glück Ihnen und uns allen. Bei Distanz fünf Kilometer bauen wir den Schirm wieder auf und Sie können loslassen“, meldete die Brücke des Transporters.
„Fünf Kilometer? Das sind siebenhunderteinundfünfzig Sekunden. Beschleunige.“
Es wurden sehr lange siebenhunderteinundfünfzig Sekunden, während denen Agir und der Mann ohne Zigarre durch das Loch nach draußen starrten, bis die Leckmannschaft eintraf und den Hüllenbruch versiegelte, indem sie provisorisch eine Stahlplatte mit Industriekleber befestigte. Das half zumindest gegen den Atmosphärenverlust.
„Ein Kilometer“, meldete Hovi mit nervöser Stimme. „Zwei Kilometer.“
„Bis hierhin ging es gut.“, sagte irgend jemand in ihrer Gruppe und kassierte dafür einen sehr heftigen Schlag gegen die Schulter. Raumfahrer waren ein extrem abergläubisches Volk. Das schien freilich nicht für die geflüsterten Dankesgebete und Versprechungen zu gelten.
„Drei Kilometer. Messe erhöhte Aktivität in der Rakete an.“
„Ihre Entscheidung, Lieutenant“, sagte die Stimme von der Brücke.
„Fliege weiter“, sagte Hovi trotzig. Bald darauf meldete er: „Dreieinhalb Kilometer.“
„Lassen Sie die Rakete los und gehen Sie stiften. Der Drift wird sie auf die andere Seite des Schirms tragen.“
„Negativ, Skipper. Ich kann sie dann nicht mehr beschleunigen. Vier Kilometer.“
„Ihre Entscheidung, Lieutenant.“
„Viereinhalb“, meldete er schließlich. „Aktivität nimmt zu. Aber wir schaffen es!“
„Wir ziehen den Schild näher ran! Lassen Sie auf Vier zu siebenhundert los und drehen Sie ein, Lieutenant!“
„Verstanden. Lasse los bei Vier siebenhundert. Lasse los und fliege einen Bogen. Boogie ist frei und entfernt sich weiter. Wir...“
Plötzlich lief eine Erschütterung durch das Schiff, wenngleich sie nur das Ausmaß eines leichten Bebens hatte. Allen war klar, was das bedeutete. Die Rakete war doch noch detoniert und hatte mindestens den Schirm der MU'HOLA durchgeschüttelt, wenn nicht durchbrochen. Was sie spürten, war nicht die Detonation selbst, sondern die Vibration der überlasteten Schutzschirmgeneratoren. „Tja. Wir sind alle immer noch hier, also kann es nicht so schlimm gewesen sein“, sagte Lieutenant Agir.
„Hier spricht der Skipper. Lieutenant Hovi, sind Sie noch da draußen?“
„I-ich denke schon, Sir. Wir haben es rechtzeitig auf die richtige Seite des Schirms geschafft, bevor er aufgespannt wurde. Ich glaube, ich habe mich nassgemacht.“
Irgendjemand lachte, aber es war kein hämisches, sondern ein befreites Lachen.
„Hier spricht der Skipper. Der Schirm hat gehalten. Alle gehen wieder auf ihre Posten. Es ist nicht mehr weit, aber noch haben wir es nicht geschafft. Lieutenant Agir, Lieutenant Hovi?“
„Skipper?“
„Sehr gut gemacht, Sie und Ihre Leute. Ich werde das in Ihre Akten eintragen und Sie für einen Orden empfehlen.“
„Danke, Sir“, antworteten die beiden unisono.
„Nicht Sie sollten sich bei mir bedanken, sondern jeder an Bord der MU'HOLA bei Ihnen beiden und Ihren Leuten. Skipper Ende.“
Für einen Moment war Agir ein wenig starr. Vor Erleichterung, dass sie noch lebte. Vor Staunen, weil es vielleicht Orden für sie und ihre Leute regnete, und auch für Hovi und seine Crew. Dann aber rief sie: „Ihr habt den Skipper gehört. Zurück auf Bereitschaft!“

***

„Das SAR hat Lieutenant Sourakis bergen können. Sie ist unterkühlt, hat mehrere Brüche in der rechten Schulter, dem rechten Oberarm, einen je in Speiche und Elle, und ein erster Check hat ergeben, dass ihre rechte Hand besser von einem Arzt repariert werden sollte, der gerne puzzelt. Dazu kommt ein Riss der Milz und Trauma auf Leber, Dünndarm und Dickdarm, was ihren Blinddarm zerrissen hat. Außerdem hat sie eine schwere Gehirnerschütterung und wurde von ihrem Anzug sediert. Aber sie lebt, und sie wird es überleben, Commander.“
„Danke“, sagte ich. „Informieren Sie mich, sobald ihr SAR an Bord kommt.“
„Sie werden benachrichtigt, Commander. Aber je nach Diagnose bringen wir sie gleich mit dem nächsten Transporter aus dem System raus, zusammen mit den anderen transportfähigen Verwundeten der letzten Schlacht.“
„Macht Sinn. Was ist mit Lieutenant Scott?“
Mein Gegenüber stutzte. „Das SAR hat bisher nichts gefunden. Aber es sucht noch.“
Ich hatte diese Worte erwartet, aber trotzdem wirkten sie wie eine kalte Dusche für mich. Kein Offizier verlor gerne Leute, weder an den Tod, noch an die Ungewissheit über ihr Schicksal. Aber wenn man jemanden schon länger kannte... „Danke, Lieutenant. Informieren Sie sich, falls sich etwas ändert. Bis dahin führe ich Lieutenant Scott als Missed in Action.“
Der Offizier wollte etwas sagen, aber er hielt inne und nickte dann. „Natürlich, Commander.“
Ich nickte ihm dankend zu und klopfte dann Chip auf die Schulter, den die Nachricht deutlich mehr aus der Fassung gebracht hatte als mich. Vampire war einer aus seiner Sektion, deshalb traf es ihm doppelt. „Komm, Chip. Wir gehen zu den anderen und bringen sie auf den neuesten Stand.“
„Ja. Natürlich, Ace.“ Er ließ sich von mir aus der CIC führen.
„Wir haben Krieg. Wir müssen funktionieren“, murmelte ich leise vor mir hin.
„Und wie lange müssen wir das noch, Boss?“, murmelte Lieutenant Harris ebenso leise und ballte die Hände zu Fäusten. „Wie lange noch?“
Ich wäre froh, hätte ich auf diese Frage auch nur den Hauch einer Antwort gehabt.

__________________
Ace Kaiser,
Angry Eagles

Corrand Lewis,
Clan Blood Spirit

Ace bloggt!
31.10.2020 12:00 Ace Kaiser ist offline E-Mail an Ace Kaiser senden Beiträge von Ace Kaiser suchen Nehmen Sie Ace Kaiser in Ihre Freundesliste auf
Tyr Svenson Tyr Svenson ist männlich
Captain


Dabei seit: 06.10.2015
Beiträge: 1.030
Herkunft: Jena, Thüringen

Auf diesen Beitrag antworten Zitatantwort auf diesen Beitrag erstellen Diesen Beitrag editieren/löschen Diesen Beitrag einem Moderator melden       Zum Anfang der Seite springen

Gamma-Eridon-System

Generalin Tesh’ta unterdrückte den Impuls, nur durch den Mund und die Halsschlitze zu atmen. Auch wenn die Luft unangenehm nach Rauch und den chemischen Rückständen des Löschschaums stank, es wäre wohl kaum mit ihrer Würde als Divisionskommandeurin vereinbar, wenn sie nach Luft schnappte, wie ein Fisch auf dem Trocknen. Sie folgte dem Chef der Wartungsabteilung und duckte sich unter dem schräg in Richtung Boden weisenden Kanonenlauf eines Mercury-Scoutpanzers hindurch: „Wie viele Tote?“, fragte Sie zu halb dem ihr folgenden Mann zugewandt und war stolz darauf, dass ihre Stimme dabei nüchtern und ausdruckslos blieb.
„Tatsächlich keine. Ein schwerverletzter Soldat sowie zwei weitere, die auf die Krankenliste müssen. Und ein Haufen Prellungen und blaue Flecke.“, Colonel Clas Schiermer zuckte mit den Schultern: „Man kann sagen, wir haben Glück gehabt.“
Seine Vorgesetzte musterte das Panorama des Chaos, das der Fahrzeughangar bot: „Glück…“

Dabei wusste sie, dass der Ex-Marine Recht hatte. Zum einen war auch bei dem zweiten Angriff auf den Konvoi keiner der schweren Nassau-Truppentransporter verlorengegangen. Allerdings hatte es mehrfach Schäden, Verletzte und auch Tote gegeben. Dazu kamen die Verluste des Begleitschutzes. Tesh‘tas eigener Transporter, der gleichzeitig das Hauptquartier der nach Gamma-Eridon verlegenden 4. Sturmdivision bildete, war vergleichsweise glimpflich davongekommen. Dennoch hatten mehrere feindliche Treffer gereicht, um zwei der in einem der Fahrzeug-Hangars vertäuten Sharp-Schützenpanzerwagen aus ihren Verankerungen zu lösen, was einen verhängnisvollen Domino-Effekt ausgelöst hatte. Schiermer hatte Recht – es war ‚Glück‘ gewesen, dass der Hangar zu diesem Zeitpunkt weitestgehend leer gewesen war und die anwesenden Soldaten wie befohlen ihre Kampfpanzerung getragen hatten: „Was ist mit den Maschinen?“
Gai’it, der Chef der technischen Abteilung, räusperte sich kurz: „Die Chassis der Sharps haben gehalten – kein Wunder, immerhin sind es Transportpanzer. Aber die Gefechtselektronik muss komplett durchgecheckt werden und einer der Grav-Antriebe scheint etwas abbekommen zu haben. Und der Mercury…“
Der Peshten warf dem verbogenen Lauf der 76-Millitmeter-Gauskanone einen hoffnungslosen Blick zu: „Ich glaube schon, dass wir den Panzer wieder zum Laufen bringen können. Aber schießen kann er natürlich nicht. Das Rohr muss auf jeden Fall ausgetauscht werden. Dazu kommen Aufprallschäden an zwei weiteren Transportpanzern, einer mit einer abgerissenen Raketenlafette…“
„Wie viel Zeit werden Sie brauchen…vergessen Sie das. Sie HABEN zwei Tage, dann müssen die Panzer gefechtsbereit sein.“
„Aber wir haben noch nicht mal alle Ersatzteile hier…“
„Dann fragen Sie bei den anderen Transportern nach. Improvisieren Sie. Was Sie tun, ist mir völlig gleichgültig. Solange ich Ergebnisse bekomme!“
Die Divisionkommandeurin wartete die ziemlich unglückliche Ehrenbezeichnung gar nicht erst ab, sondern wandte sie brüsk zu Schiermer um: „Kommen Sie schon mit. Wir sind zu spät zu der Einsatzbesprechung.“

Dennoch verlangsamte sie ihren energischen Schritt ein wenig, sobald die beiden Offiziere den Hangar hinter sich gelassen hatten: „Sie haben eine Frage?“
„Ich habe nichts gesagt.“
„Allerdings. Und das sehr laut.“
„Ich meine ja nur – wenn Sie den armen Ga’it zusammenfalten wollen, hätte das auch ich machen können. Immerhin habe ich einen Ruf zu verlieren.“
„Ga’it ist ein guter Offizier. Nur mangelt es ihm an Flexibilität. Man muss ihn gelegentlich…motivieren. Und die Soldaten sollen sehen, dass sich ihre Divisionskommandeurin nicht zu fein ist, persönlich nach dem Rechten zu sehen.“
Aus dem gleichen Grund stand für später ein Kurzbesuch auf der Krankenstation auf dem Plan – obwohl sie auch dafür eigentlich keine Zeit hatte. Aber wenn sie die 4. Sturmdivision wirklich zu einer echten EINHEIT formen wollte, dann musste sie eben lernen, dem Tag ein paar zusätzliche Stunden hinzuzufügen. Besonders jetzt.

Wieder musste sie einen kurzen Würgereiz unterdrücken. In dem Gang stank es fast genauso schlimm, wie im Hangar: „Ich dachte, die Schäden wären inzwischen repariert?!“
„WICHTIGE Schäden.“, kam es von Schiermer, der fast amüsiert klang: „Der kleine Schwelbrand in einigen Nebenschächten der sekundären Luftumwälzungsanlage stand wohl ziemlich weit unten auf der Prioritätenliste.“
„Und was finden Sie daran so lustig?“
„Vielleicht bin ich einfach nur froh, dass wir überhaupt noch atmen können. Dafür, dass die Imperialen uns gleich zweimal überrascht haben, sind wir gut davongekommen.“
„Das sagten Sie bereits. Fragen Sie doch die anderen Frachter, die die Akarii erwischt haben.“
„Wir hätten sie auch sehr leicht alle verlieren können. Und damit einen beträchtlichen Anteil unserer Schlagkraft. Denken Sie an die MU'HOLA“
„Wenn wir den Konvoi nicht bald wieder in Bewegung setzen, nutzt uns das allerdings nicht viel. Wir können nicht ewig warten. Unser Geleit und der Jägerschirm sind gefährlich ausgedünnt. Die BOHAR'CHARN wird eingeschleppt werden müssen. Wir können von Glück reden, wenn nur eine weitere Fregatte als Geleitschutz abkommandiert wird, um sie zur PESHET-VIER zu schleppen. Ich werde froh sein, wenn…“
„Sagen Sie bitte nicht, dass Sie froh sein werden, wenn wir erst mal am Boden sind. So was rächt sich immer.“
Jetzt musste Generalin Tesh’ta ein Grinsen unterdrücken. Sie hätte Schiermer nicht für abergläubisch gehalten. Der kurze Anflug von Heiterkeit war allerdings sofort wieder vorbei, als sie an die bevorstehende Besprechung dachte.

***

Ungefähr eine halbe Stunde später

„…soweit, was unsere Schäden und die Instandsetzung unseres Fuhrparks angeht. Gibt es sonst Schwierigkeiten?“ Die Generalin warf einen Blick in die Runde und wappnete sich. Wenn sie in die Gesichter ihrer Untergebenen sah, erkannte sie nur zu gut die nagenden Zweifel bezüglich der Aufgabe, die man der Vierten Sturmdivision übertragen hatte. Zweifel, die sie teilte…
„Wir haben nichts als Schwierigkeiten.“, kam es von Colonel Lossa, die die Logistik der Division koordinierte: „Was natürlich daran liegt, dass eigentlich nie geplant war, die Division eine Gefechtslandung durchführen zu lassen. Zum Glück sind zumindest die taktischen Einheiten der Division mit ihrem jeweiligen Fuhrpark relativ geschlossen auf den vier Truppentransportern untergebracht. Aber was unsere Logistik angeht, die nachrangigen Einheiten und die angegliederten Bataillone…
Eines unserer Feldlazarette ist auf zwei Transporter verteilt. Wir haben Panzer und Raketenwerfer auf dem einen Schiff, und Munition und Ersatzteile auf einem anderen. Ohnehin steht es damit ziemlich knapp. Wir haben jeweils nur ein bis zwei Gefechtssätze an Bord, was für eine Offensive sehr ungünstig kalkuliert ist. Feldrationen verfügen wir maximal für eine Woche. Wir versuchen, die Vorräte mit Bordmitteln aufzustocken, aber…“
„Das wird reichen.“, befand Tesh’ta. Sie sparte sich den Hinweis, was es bedeuten würde, falls die auf drei Tage angelegte Durchschlagsoperation mehr als Woche dauern sollte. Ihre Untergebenen wussten es auch so: „Weiter.“
„Medizinisches Material, Energiezellen und sonstige Kleinwaffenmunition sind kein Problem. Aber bei den tragbaren Raketenwerfern und der Munition für die schwere Rohr- und Raketenartillerie sieht es wie gesagt schlecht aus. Auch die Treibstofflage ist problematisch, weil wir natürlich davon ausgingen, dass wir nach der Landung tanken können.“
„Leiten Sie ihre Bedarfsliste an General Horoks Stab weiter. Ich werde Druck machen, dass man uns einen Transporter mit Material schickt. Man kann das ja als ein Unterstützungsschiff für die Reparaturen tarnen.“
„Und wenn das nicht klappt?“ Colonel Orta, sah so aus, als würde er am liebsten ausspucken. Der T’rr und ehemalige Guerillakämpfer und Söldner bewies vermutlich beachtenswerte Selbstbeherrschung, weil er dem Impuls nicht nachgab.
Die Divisionskommandeurin fixierte ihren Untergebenen, der wie Schiermer eines der drei Infanterieregimenter der Vierten befehligte: „Dann werden wir wohl oder übel so auskommen müssen. Falls ich mich nicht klar genug ausgedrückt haben sollte: Es geht nur noch um die Frage, WIE wir landen werden. Nicht darum, OB.“

„Da wir schon bei dem ‚WIE‘ sind: Auch da sind wir gefährlich dünn aufgestellt. Unsere Nassau-Truppentransporter haben das volle Shuttle-Kontingent an Bord. Wir können also mit der ersten Welle den Großteil unserer Infanterie absetzen und die meisten der begleitenden Späh- und Schützenpanzer. Aber bei den Artillerie- und Kampfpanzern und den nachrangigen Einheiten werden wir mehrere Durchgänge brauchen. Wir haben einfach nicht genug Panzerlandungsfähren. Und was die Altair-Frachter angeht…die können die schweren Fähren nicht mal beladen. Wenn wir nicht auf die Panzer und das schwere Material an Bord verzichten wollen…“
„Das kommt überhaupt nicht in Frage.“
„Dann brauchen wir eine echte Landezone für sie.“
„Sagen Sie mir etwas, was ich noch nicht weiß.“, knurrte Tesh’ta angewidert. Die Auswahl der Landezonen entwickelte sich zu einer Quadratur des Kreises. Sie durften nicht zu weit hinter den feindlichen Linien liegen, denn die Vierte würde sich jeden Kilometer erkämpfen müssen – aber auch nicht zu nahe an der Frontlinie, um das rasche Eintreffen imperialer Alarmeinheiten zu vermeiden. Idealerweise sollten die LZ sich in bequemer Schlagweite zu einigen lohnenden Zielen befinden – Nachschubdepots, Versorgungslinien, vielleicht sogar ein paar Flugfeldern. Aber natürlich durfte der Landeanflug der Transportfähren nicht mitten durch einen mehrfachen Abwehrschirm der feindlichen Luftverteidigung führen. Außerdem mussten die LZs weitläufig und eben genug sein, um die gleichzeitige Landung dutzender Sturm- und Panzerfähren zu ermöglichen. Wenn dann auch noch die Möglichkeit gegeben sein sollte, FRACHTER zu landen…

Während sie das Hologramm des feindlichen Hinterlandes aufrief, fuhr die Generalin fort: „Das Oberkommando hat zwei Landezonen für unsere erste Welle definiert. LZ I ist hier, LZ II hier. Wie Sie sicherlich bemerken, ist zwischen den beiden eine dritte Landezone definiert…hier. Dabei handelt es sich um eine Felsformation, die stabil genug ist, um landende Frachter zu tragen.“
„Aber dann sind wir doch über fast zwanzig Klicks verstreut! Warum landen wir nicht direkt auf LZ Drei?“
„Weil die Akarii dort einen Notflughafen angelegt haben. Wir können unsere Shuttle nicht direkt in das Feuer der vermutlich dort stationierten Flugabwehr schicken. Das könnte sonst in einem Massaker enden. Nein. Wir müssen LZ III vom Boden aus sichern. Dann können wir die Frachter landen und den Rest des Materials ausladen.“
„Und was, wenn die Eroberung von LZ III nicht klappt? Wenn die Akarii die Landeflächen verminen oder mit Sperrfeuer belegen?“
„Das ist einer der Gründe, warum unsere anderen Landezonen derart um LZ III positioniert sind. So können wir die landenden Frachter abschirmen. Unsere Luftwaffe wird zudem Ablenkungsangriffe fliegen und den Feind in den Schützengräben halten. Gleichzeitig wird ein schneller Angriffsverband aus Späh- und Schützenpanzern aus LZ I vorstoßen und LZ III sichern.“
„Und wer ist der arme Idiot, der das übernehmen soll?“, Orta schien damit zu rechnen, dass sein Name fallen würde und unter anderen Umständen wäre es auch so gewesen. Diesmal allerdings…: „Colonel Schiermer übernimmt die Aufgabe. Er wird bei dem Vorstoß von in der Gegend operierenden Spezialeinheiten unterstützt werden.
Colonel Frost, Ihre Pioniere werden Schiermer folgen, um etwaige Hindernisse für die Landung der Frachter auszuräumen. Sobald das erledigt ist, bildet Ihr Bataillon eine eigene Marschkolonne, die dicht hinter den Angriffsspitzen folgt. Wir dürfen auf keinen Fall zulassen, dass uns der Gegner irgendwo stoppt. Die Imperialen werden versuchen Brücken zu sprengen und Straßen zu verminen – aber das darf uns nicht aufhalten. Geschwindigkeit ist für uns lebenswichtig.“
„Wie Sie befehlen.“ Obwohl Frost nur ein verstärktes Bataillon befehligte, hatte er denselben Rang wie die Regimentskommandeure. Auch wenn der Fuhrpark der Division auf Geschwindigkeit und Geländegängigkeit ausgelegt war, bei der anstehenden Operation würde viel von der schnellen und zuverlässigen Arbeit seiner Pioniere abhängen.
Frost war neben Schiermer der einzige andere menschliche Colonel der Vierten Sturmdivision und in mehrfacher Hinsicht das genaue Gegenstück zu seinem Kollegen. Der ehemalige Konföderierte war kleingewachsen und drahtig, wo Schiermer hochgewachsen und breitschultrig war, und befleißigte sich deutlich zivilisierterer Umgangsformen.

„Was ist mit unseren Kampffliegern?“, kam es von Colonel Hamat, die das Panzerregiment der Vierten befehligte. Dass sie diesen Posten innehatte, war eher ungewöhnlich – viele T‘rr bevorzugten eine…direktere Kampfweise und gingen deshalb zu Armeeinfanterie, den Marines oder den Spezialeinheiten. Aber Hamat hatte schon in der konföderierten Armee eine Panzerkompanie befehligt, bevor man sie vor ein paar Jahren an die Peshten ‚ausgeliehen‘ hatte, wo sie rasch Kariere machte. Im Gegensatz zu dem, was man vielleicht erwartet hätte, machte sie sich wenig mit Colonel Orta gemein. Dafür war sie eng mit Colonel Frost befreundet – nach einigen Gerüchten SEHR eng. Nicht, dass das eine Rolle gespielt hätte.
„Unser Geschwader verlegt hinter die Hauptfront und wird von dort uns und dem Rest des 30. Korps Luftunterstützung leisten.“
„Gut. Dann gibt es wenigstens ein paar Dutzend Flieger, bei denen wir sicher sein können, dass Sie uns nicht im Stich lassen.“, kam es von Schiermer, der sich vermutlich mal wieder an die unglückselige Hellmountain-Operation erinnerte.

Die Sturmdivision verfügte über ein eigenes Kontingent Heeresflieger. Aber obwohl es sich um VTOL-Maschinen handelte, war es als zu riskant angesehen worden, sie von einer mitten in Feindesland operierenden Einheit fliegen zu lassen. Sie würden wesentlich wirksamer von einem richtigen Flugplatz aus eingesetzt werden können.

„Colonel Morka, was unsere Artillerie angeht…“

Und so ging es weiter. Schritt für Schritt nahm Operationsplan ‚Markat‘ Gestalt an.

Dieser Beitrag wurde 1 mal editiert, zum letzten Mal von Tyr Svenson: 06.11.2020 13:05.

06.11.2020 09:48 Tyr Svenson ist offline E-Mail an Tyr Svenson senden Beiträge von Tyr Svenson suchen Nehmen Sie Tyr Svenson in Ihre Freundesliste auf
Cattaneo
Major


Dabei seit: 31.07.2002
Beiträge: 1.511

Auf diesen Beitrag antworten Zitatantwort auf diesen Beitrag erstellen Diesen Beitrag editieren/löschen Diesen Beitrag einem Moderator melden       Zum Anfang der Seite springen

Wünsche und Pläne

TRS COLUMBIA, Gamma-Eridon-System, etwa fünf Tage nach Ankunft des Konvois

Die Schläge kamen schnell und wuchtig, ein wahrer Trommelwirbel, jeder einzelne mit mörderischer Wucht, die sich sowohl aus Training wie aus erbittertem Hass speisten. Beim Auftreffen verursachten sie gedämpfte klatschende Geräusche. Schließlich wirbelte die Angreiferin zur Seite und beendete die Serie mit einem knochenbrechenden Tritt, der das Ziel zurückschleuderte.
Schwer atmend hielt Lilja inne. Ihre Kleidung klebte am Leib, Schweiß – vermutlich Schweiß – brannte in den Augen, und die Muskeln protestierten gegen die unbarmherzige Anstrengung, die sie ihnen zugemutet hatte. Liljas Hände schmerzten von der Wucht ihrer Hiebe, obwohl sie diese zur Sicherheit mit Bandagen umwickelt hatte. Die Russin mochte keine Boxhandschuhe, schließlich trainierte sie nicht für den Ring. Und deshalb schlug sie auch meistens bei ihrem Trainingsdummy nicht dorthin, wohin die meisten Besatzungsmitglieder der COLUMBIA – abgesehen von den Marines – zielten. Was brachte es ihr, zu verinnerlichen wo die empfindlichen Punkte der menschlichen Anatomie lagen? Sicher, mitunter war auch das wichtig, aber bei zwei von drei, oder drei von vier Trainingsrunden hielt sie sich an das, was sie sich über Akarii-Anatomie angeeignet hatte. So war es beispielsweise nicht gerade ratsam, einer Echse auf das Kinn zu schlagen, denn das war unangenehm nahe bei ihren Zähnen.
Allerdings war sie heute nicht in das Sportzentrum des Trägers gekommen, um sich fit zu halten oder auf ein mögliches Mano-a-Mano mit dem ,Roten Baron‘ vorzubereiten – man durfte ja träumen…
Nein, sie war hier, weil sie eine zentnerschwere Last von Wut und Selbsthass zu verarbeiten hatte, und da Lilja nun einmal Lilja war, schwor sie auf die kathartische Wirkung von Gewalteinsatz, wenn kein Akarii zur Verfügung stand auch gegen unbelebte Ziele. Es schien zu wirken – ein wenig.

Das Gefecht mit den feindlichen Jagdbombern am Konvoi war kurz, aber erbittert gewesen. Weniger als die Hälfte der Feinde war entkommen, aber sie hatten erheblichen Schaden angerichtet. Der Ausfall einer Peshten-Fregatte und die erhebliche Beschädigung eines Transporters – zusammen mit geringeren Schäden an einigen weiteren Einheiten – war sicher weniger, als die Kaiserlichen erhofft hatten, aber weit mehr als die Chefin der Fighting Stallions für hinnehmbar hielt. Selbst wenn man bedachte, dass es sich bei den Verwundeten und Toten an Bord der Schiffe nicht um Bürger der FRT, ja mehrheitlich nicht einmal um Menschen handelte, machte sich die Russin Vorhaltungen, dass sie den Braten nicht früher gerochen hatte. Niemand erhob ihr gegenüber Vorwürfe – ohne Liljas Vorsichtsmaßnahmen hätte das Gefecht leicht noch schlimmer ausgehen können. Der Gegner hatte sich als ziemlich findig erwiesen, und einige seiner Tricks waren überraschend gekommen. Die Kaiserlichen hatten in ihre Raketensalven Dummies eingeschleust – offenbar waren sie dazu übergegangen, zumindest einige ihrer Schiff-Schiff-Raketen so zu modifizieren, dass sie kurz nach dem Start Täuschkörper ausstießen, die leicht als weitere Raketen durchgehen konnten. Und auch die kalt abgeworfenen Raketen mit verzögerter Zündung waren ein cleverer Schachzug gewesen.
Außerdem war sie ja ,nur‘ Kommandeurin der Jägereskorte gewesen, nicht die Konvoiführerin. Das änderte aber nichts daran, dass sie mit sich selbst haderte. Lilja erwartete Perfektion, von sich selber nicht weniger als von ihren Untergebenen. Der Abschuss im letzten Gefecht, den sie sich gutschreiben konnte, und der ihre Gesamtliste auf 44 vernichtete Gegner – vom Erdkampfflieger bis zum Frachter-Fangschuss – brachte, war da ein geringer Trost. Der Preis für die Stallions war zudem ebenfalls hoch gewesen.
Lilja hatte in den letzten Jahren vieles erlebt, vieles gesehen, manche würden sagen ZUVIEL. Sie hatte einiges an Leid erlitten – und noch mehr verursacht. Und doch, trotz alledem, wenn sie an Sharon Taylor alias Marine dachte, allein auf der Krankenstation der PHILOKETES…
Dann würgte es sie in der Kehle, und am liebsten hätte sie auf ein lebendes Ziel eingeprügelt, bis davon nichts mehr übrig geblieben wäre als gesplitterte Knochen. Sie hatte Marines Entwicklung erlebt, vom Frischling zu einer Veteranin, und hatte ihr ein paar Mal über Krisen hinweggeholfen. Nicht, dass sie beste Freundinnen gewesen wären – dafür war Lilja nicht die richtige Person – aber sie hatte die jüngere Pilotin geschätzt, gemocht, und vor allem ihren Schmerz verstanden, nachvollziehen können, was Sharon Taylor antrieb. Dass Marine zu ihr aufgeblickt hatte, das war Lilja vielleicht wichtiger gewesen als sie zugeben wollte. Doch jetzt war Sharon die nächste in einer langen Reihe hoffnungsvoller Jungpilotinnen und Piloten, die zu Lilja als einem Vorbild aufgesehen hatten, und für ihren selbstlosen Einsatz leiden mussten.

Die jüngere Pilotin war schwer verletzt von einem Shuttle des Geleitschutzes aus ihrem wracken Jäger geborgen worden. Dass sie überhaupt noch lebte, verdankte Marine wohl nur dem neuen Raumanzug, der sie vorsorglich in ein künstliches Koma versetzt hatte. Doch auch so war es knapp gewesen, denn sie wies schwerste innere Verletzungen auf. Teile des Cockpits, die in den Innenraum gedrückt worden waren, hatten die Pilotin eingeklemmt, ihr mehrere Rippen gebrochen und Knochensplitter in den linken Lungenflügel getrieben. Marines untere Wirbelsäule war schwer gequetscht, Nervenbahnen eingeklemmt, ihre Beine offenkundig so gut wie gelähmt. Dazu kamen ein Schleudertrauma an der Halswirbelsäule und ein schweres gedecktes Schädel-Hirn-Trauma. Man hatte bereits im SAR-Shuttle einen Teil des Schädeldachs entfernen müssen, um den Druck der Schwellung in ihrem Gehirn abzubauen. An Bord der PHILOKETES hatte man drei Stunden lang um Sharons Überleben gekämpft, und selbst nach der Stabilisierung war eine Verlegung zur COLUMBIA als zu gefährlich angesehen worden – so sehr Lilja auch dafür gekämpft und unter Übertretung ihrer Vollmachten Geleitschutz durch ihre Staffel angeboten hatte. Aber der Chefarzt des Flakkreuzers hatte sie einfach abgebügelt. Und nachdem sie ihm schließlich eine genauere Einschätzung des Zustandes von Marine aus dem Kreuz geleiert hatte, wusste die Russin auch, warum.

Es war noch nicht möglich gewesen, die Pilotin aufzuwecken – und das würde sicher noch viele Tage, vielleicht gar Wochen so bleiben. Die Wahrscheinlichkeit von schwerwiegenden Folgeschäden war zudem hoch. Selbst wenn sie sich erholen sollte, Marine stand ein schwerer, schmerzhafter, langer und vermutlich einsamer Kampf bevor. Wenn sie Glück hatte. Es gab keine Familie, die ihr zur Seite stehen konnte. Ihre Angehörigen waren auf Mantikor verschollen. Und Freunde besaß sie – natürlich – nur an Bord, und die konnten sie nicht begleiten.
Die terranische Medizin hatte sich in einer Art und Weise entwickelte, die Menschen vergangener Jahrhunderte wie ein Wunder vorkommen musste. Ganze Gliedmaßen und nahezu alle inneren Organe konnten schnell und mit extrem hoher Erfolgswahrscheinlichkeit ersetzt werden. Selbst viele Folgen des natürlichen Altersprozesses – einschließlich degenerativer Hirnerkrankungen und bösartige Tumore – konnten therapiert werden, wenn man sie rechtzeitig diagnostizierte. Doch was man noch immer nicht so einfach klonen konnte, war ein menschliches Gehirn – oder vielmehr das, was seinen Inhalt ausmachte, Persönlichkeit und Wissen der Patienten. Man konnte zerstörtes Hirngewebe ersetzen, die Regeneration von Nervenverbindungen anregen – doch all dies war kein Allheilmittel.
Es zerrte an der Moral der Staffel, dass das Schicksal von Marine so ungewiss war. Einer Überlebenden konnte man versuchen Mut zu machen, und sei es mit aufgezeichneten Botschaften oder anderen kleinen Gesten. Einen Toten konnte man betrauern – etwa, indem man eine (bestenfalls semilegale) Runde von Trinksprüchen auf ihn oder sie ausbrachte, sich an die schönen und bitteren Momente erinnerte, die man geteilt hatte. Und dann wurde – wie so oft – das Kapitel abgehakt, und was blieb war eine langsam vernarbende Wunde, eine von vielen. Aber diese Unsicherheit war quälend. Dass es anderen ähnlich ging, machte die Sache nicht leichter, im Gegenteil.

Die Schwarzen und Silbernen hatten das Gefecht ohne Totalverluste überstanden, auch wenn einige Maschinen etwas gerupft worden waren. Wirklich schlimm aber hatte es die Blauen erwischt. Es war nur ein kurzes Gefecht gewesen, aber sie hatten dennoch eine Verwundete zu beklagen, wenn auch nicht in so kritischem Zustand wie Sharon, und, nun ja, einen Toten, egal was einige Blauen sich vormachen mochten…
Lilja hegte da keine Illusionen, denn hier gab es keinen Planeten, auf dem man hätte notlanden können, nicht einmal die miese ,Alternative‘ der kaiserlichen Kriegsgefangenschaft.
Sie hatte sogar versucht, Ace auf die ihr eigene Art etwas… Mut zu machen. Aber sie bezweifelte, dass das viel geholfen hatte. Lilja hatte einige Qualitäten, doch die Fähigkeit, immer die richtigen Worte zu finden, gehörte ganz gewiss nicht dazu.
Der Chef der Blauen hatte eher resigniert reagiert, als sie ihm ihr Beileid für ,Vampire‘ ausgesprochen hatte. Geradezu müde – und sie schließlich weggeschickt. Was in ihr einmal mehr den Wunsch geweckt hatte, ihn gehörig durchzuschütteln. Nicht, dass ihr Resignation fremd war – sie erinnerte sich an ihren Zusammenbruch nach Abats Tod bei der Schlacht von Sterntor. Aber sie hatte sich damals schnell wieder gefangen, hatte sich fangen müssen – so wie er sich fangen musste, schließlich standen weitere Kämpfe bevor, und er war nun einmal nicht nur Pilot und Offizier, sondern auch Staffelführer. Man kapitulierte nicht vor Verlusten, nicht vor Leid oder Trauer. Man akzeptierte sie und münzte sie um in Entschlossenheit – und Rachsucht. Egal wie hoch die Verluste waren, es gab für Lilja nie eine andere Antwort, als weiterzumachen, bis man entweder selber tot war – oder die Kaiserlichen geschlagen. Es war frustrierend, dass sie nicht in der Lage gewesen war, Ace diese wichtige Botschaft zu vermitteln.

Was zu Liljas Frustration ebenfalls beitrug war jedoch der Umstand, dass es vorerst unmöglich gewesen war, für die Verluste angemessene Vergeltung zu üben. Sie hatte den CAG genervt bis er sie geradezu hinausgeworfen hatte, doch er hatte ihr nicht den gewünschten Einsatzbefehl für ein paar Bodenangriffe gegeben. Die Falcons wurden zum Schutz der COLUMBIA und auf der Zielgeraden des Konvois benötigt. Das Argument der Russin, dass die Echsen wohl kaum denselben Trick zweimal versuchen würden, hatte – natürlich – nicht verfangen. Und Stafford hatte sich auch nicht überzeugen lassen, dass die Stallions das dringende Bedürfnis hatten, etwas physischen Schaden anzurichten, um ihre angeknackste Moral wieder aufzurichten. Den Gedanken, Ace für eine konzertierte Aktion einzuspannen hatte sie nach seiner Reaktion erst einmal verworfen.
,Hoffentlich fängt er sich noch. Apathie ist der Tod!‘
Für einen Augenblick stutzte sie bei dem letzten Gedanken. Auch wenn er richtig war, er hatte sich merkwürdig angehört, so als hätte ihn eine fremde, vielleicht aber auch sehr vertraute Stimme ausgesprochen. Aber dann tat sie das mit einem mentalen Schulterzucken ab und wandte sich ihrem geheimen Groll gegen den Geschwaderchef zu.
,Na ja, was versteht Stafford schon davon, er hat ja einen beträchtlichen Teil des Krieges nicht in einem Frontliniengeschwader verbracht….“, dachte sie gallig und alles andere als gerecht.
Die schlechten Nachrichten von Gamma Eridon waren auch nicht geeignet, sie aufzumuntern. Lilja musste zugeben, dass ihre Kenntnisse vom Bodenkrieg etwas eingerostet waren, aber für ihren Geschmack ging es deutlich zu schnell zurück. ,Aber ich fürchte, man kann den Peshten wohl kaum nahelegen, einfach einen Prikas Nummer 227* zu erlassen.‘ Natürlich, wenn sie ein Wörtchen hätte mitreden können…
Die Fäuste geballt machte sie sich auf den Weg zu den Duschen. Sie hatte zu tun. Es galt, den Kampfgeist der Staffel aufrecht zu erhalten, den Dienstbetrieb zu organisieren, vielleicht auch noch einmal nach Ace zu sehen. ,Und wenn ich ihn ausreichend oft treten muss!‘
Vor allem aber war sie entschlossen so lange weiterzubohren, bis die Stallions ihre Chance für Vergeltung bekamen. Vielleicht ergab sich ja doch noch die Möglichkeit, ein paar Echsen zu killen…

***

JSS NAKANO TAKEKO, etwa zur selben Zeit

Captain Keiko Amato hatte gewusst, dass ihr neuer Posten eine Umstellung, ja eine Herausforderung bedeuten würde. Das lag zum einen an der Tatsache, dass ein Schiff der Nationalgarde – insbesondere der japanischen – ETWAS anders funktionierte als ein Schiff der TSN. Die japanischen Seestreitkräfte, aus deren Traditionen die Raummarine der Nationalgarde Inspiration schöpfte, hatten sich niemals wirklich von dem Erbe der Kaiserlichen Flotte getrennt, ungeachtet durchaus problematischer Aspekte dieser Vergangenheit. Dennoch nutzte sie weiterhin die selben Lieder, Märsche, Terminologie und auch die Flagge ihrer Vorgängerin.
Manche der ,modernen‘ japanischstämmigen Offiziere der TSN – oder Zivilisten – mokierten sich insgeheim über solche Bräuche, aber Keiko hatte nicht vor, die Männer und Frauen unter ihrem Kommando vor den Kopf zu stoßen. Sie hatte sogar mit dem Gedanken gespielt, sich im Naginata-Kurs des Schiffes einzuschreiben, der für weibliche Besatzungsmitglieder geradezu zum guten Ton gehörte – kein Wunder, wenn man bedachte wer die Namensgeberin des Schiffs war. Aber als Kapitänin hatte man für so etwas kaum Zeit…
Dass der Kreuzer zu einer Klasse gehörte, die in der TSN schon lange ausrangiert worden war, mochte ein Grund zur Besorgnis sein, aber da man das Schiff gründlich modernisiert hatte und seine Systeme und Waffen TSN-Standard entsprachen, trieb das die neue Kommandeurin wenig um.
Was ihr allerdings Sorgen machte war der Umstand, dass sie mit einem Schiff und Crew, die nur wenige echte Kampfeinsätze gesehen hatten, in ein potentielles Wespennest wie das Konkordat geschickt worden war. Und wie es aussah, sollte es bald sogar NOCH dicker kommen.

Das landende Shuttle war alles andere als bemerkenswert. Ein S-41 in der Variante als bewaffneter Infanterietransporter, vergleichsweise schnell, gut gepanzert und bewaffnet, gedacht, eine Kompanie abzusetzen oder zu versorgen. Es hatte keine Eskorte. Für die kurze Strecke zwischen seinem Mutterschiff, dem leichten CAV-Kreuzer TATANKA YOTANKA, und der NAKANO TAKEKO erschien das unnötig, und hätte eventuell zu viel Aufsehen erregt. Denn die Fracht war einiges auffälliger als einige Dutzend Marines – in dem Shuttle befanden sich die beiden anderen beim Flottenverband befindlichen Kreuzerkommandeure, Commodore Henning Schupp von der INDOMITABLE und die CAV-Kapitänin Rana Achtev, beide begleitet von einer Handvoll Offiziere. Es war ungewöhnlich und nicht ohne Risiko, die Kommandeure so vieler Schiffe im Einsatzgebiet zusammenzurufen, aber Schupp erachtete es offenbar als notwendig.
Keiko verdrängte den ungehörigen Gedanken, dass dieses Treffen wie der Anfang eines schlechten Witzes oder Schlimmeres klang: „Treffen sich ein TSN-Captain, eine der FRT-Nationalgarde und eine Konföderierte…“

Es war auch so nicht GANZ einfach, ernst zu bleiben, denn just als die Gäste die Rampe des Shuttles hinabschritten, schmetterte ein Militärhorn los. Nicht etwa eine Aufzeichnung, nein, eine echte Trompete, welche die Ankunft des Verbandskommandeurs ankündigte. Captain Amato hatte in Abstimmung mit Commodore Schupp auf einen größeren Empfang verzichtet, aber gewisse Dinge MUSSTEN einfach eingehalten werden. Das war noch ein Erbe der kaiserlichen Flotte – jedes Schiff, jede größere Bodeneinheit und Fliegertruppe der japanischen Nationalgarde verfügte über mindestens einen Militärhornisten, ein Geschwader oder größeres Schiff wie die NAKANO TAKEKO sogar über mehrere. Und ob nun zum Wachwechsel, zum Essenfassen oder zur Attacke, stets rief das Horn – wenn es sich zeitlich einrichten ließ.
Natürlich ließ sich Commodore Schupp nichts anmerken. Da Historie sein Faible und Laster war, und er die NAKANO TAKEKO schon mehr als einmal besucht hatte, kam die Art der Begrüßung nicht überraschend. Captain Achtev hingegen konnte sich auf ihre eiserne Selbstdisziplin verlassen, zudem war sie an sehr unterschiedliche Brauchtümer gewöhnt. Immerhin war sie Waise, und von zwei reptiloiden Aliens adoptiert und aufgezogen worden.
So war es möglicherweise Keiko, die sich am unbehaglichsten fühlte. Nach den Jahren in der TSN war die japanische Nationalgarde doch etwas gewöhnungsbedürftig…Aber sie brachte das Zeremoniell ohne Probleme über die Bühne, insgeheim froh, dass nun der eigentliche Ernst des Lebens beginnen würde. Gefolgt von ihren Untergebenen, machten sich die drei Schiffskommandeure auf den Weg zum Besprechungsraum.

***

Einige Zeit später

Commodore Schupp nickte nachdenklich, als Captain Achtev ihren Vortrag beendet hatte, in dem es um die Ausstattung ihrer Marineinfanterie ging: „Ich habe mich dafür stark gemacht, zusätzliche Waffen für Ihre Leute zu akquirieren. Die Peshten haben uns Zusagen gegeben, aber natürlich haben sie im Moment mehr als genügend andere Sorgen. Ich denke, es wird am besten sein, wenn wir den Transport des Materials selber übernehmen. Stellen Sie ein Shuttle bereit – ich werde mich stark machen, dass die Angels einen Flight als Geleitschutz detachieren.“
Der Grund für das Treffen war ebenso zwingend wie ungewöhnlich – Schupp und seine Kapitäne, vor allem aber die Kommandeure der Bordkontingente der Marines des COLUMBIA-Verbandes waren dabei, aus den einzelnen Einheiten der an Bord der Schiffe stationierten Marineinfanterie eine Kampfeinheit zu bilden. Der Vorschlag, die Landung der 4. Sturmdivision des 30. Korps durch ein ad-hoc Regiment Marineinfanterie des TSN-Flottenverbandes zu unterstützen, das zusammen mit der Vierten hinter den feindlichen Linien abgesetzt wurde, war gelinde gesagt ungewöhnlich und überraschend gewesen, übrigens auch für die kommandierende Admirälin an Bord des Trägers. Er war das Kind von Erörterungen zwischen Major Ariane Schlüter und Schupp im Vorfeld der entscheidenden Besprechung gewesen, doch hatten die beiden zunächst eher an den Einsatz der Marines als mobile ,Feuerwehr‘ im Frontbereich gedacht, und dafür auch ein unverbindliches ,Ok‘ ihrer Vorgesetzten gehabt.

Als die Peshten dann überraschend mit einem wagemutigen Angriffsplan aufwarteten, hatte die Majorin nicht lange gezögert und ihr Mandat sehr großzügig ausgelegt. Sowohl sie als auch Schupp hatten sich schon zuvor Gedanken gemacht und einige Zahlen bei der Hand gehabt. Ausgehend davon, dass man ca. drei Viertel des Marineinfanteriekontingents der Schiffe versammelte, könnte ein gutes Dutzend Gefechtskompanien mit insgesamt knapp 1.000 Männer und Frauen aufgeboten werden. Es war nicht das erste Mal, dass die Truppen der COLUMBIA im Bodeneinsatz verwendet werden sollten, aber die letzte – extrem blutige – Schlacht von Hellmountain lag schon Jahre zurück und war inzwischen eher etwas, mit dem man Neulinge schockte. Und selbst diese Operation war ursprünglich nicht als ausgedehnter Bodenkampf konzipiert gewesen.

Bedenken gab es einige. Obwohl hochtrainierte Soldaten, mangelte es vielen Marines und ihren Offizieren an Kampferfahrung und Routine im konventionellen Bodenkampf, hatten sie doch oft Jahre Schiffsdienst verrichtet, der höchst selten einmal von einem Entereinsatz und dergleichen unterbrochen worden war. Die seltenen Gefechte an Bord von Schiffen waren ebenso blutig wie chaotisch, ließen sich am besten mit Häuserkampf vergleichen – doch waren sie keine ausreichende Übung für Gefechte in Wald und Gelände, gar gegen einen mechanisierten Gegner, für die man an Bord eines Kriegsschiffes auch nur ungenügend trainieren konnte. Bordkontingente waren zudem nicht immer auf voller Mannstärke und meist nur leicht bewaffnet – obwohl Schupp schon vor der Abreise nach Gamma Eridon Sorge getragen hatte, zumindest die Magazine der kreuzergestützten Kompanien aufzufüllen. An der konföderierten Front mit ihren Raids und wechselseitigen Angriffen kleiner Verbände hatte er mehr als einmal Gebrauch von Marines gemacht und wollte auf alles vorbereitet sein. Doch mit Ausnahme des Bataillons des Flottenträgers COLUMBIA selber handelte es sich bei den Verbänden der Schiffe des Verbandes um einzelne Kompanien oder – im Falle der Fregatten – gar um Züge, denen die etatmäßige schwere Ausrüstung von Bataillonsverbänden fehlte. Und den Truppen mangelte auch weitestgehend der ,Bauch‘ von Einheiten, die tatsächlich für den Frontdienst gedacht waren, die nachrangigen Dienste, die für einen längeren Feldeinsatz nötig waren – etwa vorbereitete Feldlazarette, ein Nachschubwesen oder auch nur ausreichend mobile Feldküchen. Natürlich ging es hier eigentlich nur um eine kurze Mission, aber niemand wollte sich darauf verlassen, dass die Zeitplanung am Ende so funktionierte wie gedacht. Schlüter hatte angeregt, die übrige Crew der Schiffe durchzukämmen und ein kleines Unterstützungskorps zusammenzustellen. Zudem wollte man versuchen, Personal aus den rückwärtigen Einheiten der bereits auf Gamma Eridon kämpfenden Verbände des Corps zu rekrutieren.

Was hinzukam – ein gutes Sechstel der Truppen waren gar keine TSN-Marines. Dies war auch der Grund, warum man sich an Bord der NAKANO TAKEKO befand und zusätzlich eine Delegation des CAV-Schiffes anwesend war.
Die CAV-Marines der TATANKA YOTANKA waren nicht einmal alle Menschen. Und auf der NAKANO TAKEKO dienten Angehörige der 1. Kaigun Tokubetsu Rikusentai, übersetzt der 1. Spezial-Landungskräfte der Flotte, einer insgesamt rund 1.000 Mann starken Einheit der Marineinfanterie der Nationalgarde des Japanischen Bundesstaates. Die verstärkte Kompanie – Nummer 2 – welche an Bord der NAKANO TAKEKO stationiert war, bestand aus je einem Zug für jede der vier Hauptinseln des japanischen Archipels.
Diese zwei Fremdkörper in eine einheitliche Kommandostruktur zu integrieren, und das wenige Tage vor dem Einsatz, war ebenso unerlässlich wie kompliziert.
Das Oberkommando würde zwar fraglos bei Major Schlüter von der COLUMBIA liegen, schließlich stellte der Träger mit einem leichten Bataillon das größte Einzelkontingent. Aber danach wurde es bereits kompliziert, denn praktisch gleichauf in der Rangfolge kamen Santo Kaisa – das hieß so viel wie Korvettenkapitän, denn die die japanische Nationalgarde verwendete für ihre Marines Flottenränge – Hanzo Nagata von der NAKANO TAKEKO und Major Manabe Ashiihi von der TATANKA YOTANKA, die mithin Konföderierte und schlimmer noch, eigentlich Heeresoffizierin war. Bei der CAV nahm man es mit der Trennung der Teilstreitkräfte begreiflicherweise nicht so genau. Vom Rang und der Befähigung her – und im Fall Manabes auch in Sachen Kampferfahrung – konnten sie mit Fug und Recht darauf pochen, zumindest als Bataillonskommandeure und damit Vorgesetzte von TSN-Kompanien zu fungieren. Was dem Ego von terranischen Marines aber schwer zu vermitteln war. Die Entscheidung darüber würde auf der COLUMBIA fallen, auch wenn Commodore Schupp – nach Jahren an der konföderierten Front wesentlich laxer was Standesdünkel anging – nahegelegt hatte, den ,Exoten‘ entgegenzukommen. Er hatte kein Problem damit, dass sie ihren Standort mit Bestimmtheit vertraten, auch dies eine Haltung, die nicht von allen TSN-Angehörigen geteilt wurde. Doch wenn der anwesende Kommandeur seiner Marines, Captain** Enrico Fini, eventuell Probleme damit hatte, ließ er sich dies nicht anmerken.

Major Ashiihi nahm kein Blatt vor den Mund. Ihr Englisch klang merkwürdig gedehnt und kehlig, war aber verständlich: „Selbst damit sind unsere Leute nicht ausreichend vorbereitet. Wenn die Kaiserlichen eines können, dann schnell reagieren – Geschwindigkeit ist die Grundmaxime ihrer Truppen, gerade der mechanisierten, noch mehr als Feuerkraft. Schultergestützte Raketen sind kein Ersatz für Panzer, Jagdpanzer und Artillerie. Sie wollen doch sicher, dass der Teppich, über den der Rest des 30. Korps den Gegenangriff startet, aus lebenden und nicht aus toten Landungstruppen besteht.“
Hanzo war zwar zurückhaltender, schien aber seiner Kollegin im Grund beizupflichten: „Unsere Soldaten – ich weiß, das gilt für die TSN-Marines, aber ebenfalls für die CAV und meine Leute – sind gut. Sie sind entschlossen und gut ausgebildet. Aber Sie können sich sicher vorstellen, dass es schwierig wird, Panzer mit Gewehren und Schnellfeuerlasern zu bekämpfen.“
Schupp hatte mit diesen Einwänden gerechnet. Er lächelte schmal: „Oh, ich hatte auch nicht vor Ihre Männer aufzufordern, sich mit einer Sprengladung auf feindliche Panzer stürzen.“ Diese Anspielung brachte ihm ein schiefes Lächeln von Santo Kaisa Nagata und einen leicht pikierten Blick von Captain Amato ein.
„Wie General Horoks sagte, Geschwindigkeit ist der entscheidende Faktor. Die Brigaden des 30. Korps und ihre Verstärkung müssen schnell genug vorstoßen, um ihre Kameraden von der Vierten und uns herauszuhauen – aber wir können den Plan nicht allein darauf aufbauen, dass alles nach Wunsch funktioniert. Ich sehe mehrere Optionen, wie wir unseren Leuten helfen könnten. Ich versuche sicherzustellen, dass wir eine größere Menge Minen bekommen – Sensorzünder wie Infrarot, Magnetanomalien und so weiter, Signalzünder, und zwar entweder zum Legen, oder als Abwurfmunition für die Kampflieger. Damit können wir hoffentlich die Bewegungsfreiheit der Akarii einschränken. Aber Sie können sich vorstellen, dass die Peshten ihre Minen gerade für ihre eigenen Stellungen und für die Landung der Vierten benötigen.
Eine weitere Option ist Feuerunterstützung durch die Schiffe. Ich bin nicht so töricht, Raumschiffe in die Atmosphäre zu beordern, aber unsere Geschütze – eventuell auch modifizierte konventionelle Marschflugkörper, unsere Waffenabteilungen arbeiten daran – können auch aus dem Orbit etwas Luft verschaffen. Nicht im Nahkampf – wir müssen damit rechnen, dass der Gegner den Funkverkehr ausreichend stören wird, dass wir nicht passgenau schießen können – aber wir können die Zufahrtsschneisen unter Feuer nehmen. Jede Kolonne von mehr als einem Dutzend Fahrzeuge wäre leicht auszumachen und könnte bekämpft werden. Leider sind viele imperiale Fahrzeuge nicht zwangsläufig an Straßen gebunden, und ich kann auch nicht ständige Präsenz garantieren – das hängt nicht zuletzt davon ab, wie aggressiv die Kaiserlichen ihre Kampfflieger, Schnellboote und Kriegsschiffe einsetzen.
Drittens – und vielleicht noch wichtiger – die Landungstruppen müssen auf das engste mit den Angels zusammenarbeiten. Vielleicht könnte man auch einige Shuttles als, nun ja, Shuttlebomber einsetzen. Immer einige Rotten in Bereitschaft, die bei Bedarf Bomben schmeißen und Raketen abfeuern können. Das wird natürlich nicht so einfach, wenn die Kämpfe sich länger hinziehen. Der Flugdienst der COLUMBIA ist jetzt schon ziemlich am Anschlag. Und wir können die Einzelheiten auch nicht an die große Glocke hängen – ich meine, im Moment, damit nicht doch noch was durchsickert.
Wenigstens sind dann die Flugdistanzen deutlich geringer. Der Gegner wird natürlich mobile Flak mitschicken, aber sein Luftabwehrschirm ist notwendigerweise im Zuge der Offensive überdehnt. Er wird es noch mehr sein, wenn die Landungstruppen erkannte Stellungen einnehmen oder bombardieren lassen. Aber ja, auch dabei müssen wir mit Kommunikationsproblemen rechnen. Doch wenn wir ein paar gute Verbindungsoffiziere am Boden haben – und ein System optischer Signale ausklügeln, das einfach und funktional ist, vielleicht mit farbigen Leuchtkugeln, Rauchgranaten…“ Das Gespräch wandte sich sofort praktischen Fragen zu, die eine Viertelstunde Fachsimpeln erforderten.

Santo Kaisa Nagata hatte ebenfalls einige Fragen: „Wir können davon ausgehen, dass wir alle Soldaten mit der ersten Welle ins Ziel bringen?“ Bei jeder Landung war das die wichtigste Frage. Es gab genug historische Beispiele, wo das Beinahe- oder tatsächliche Scheitern einer Operation daran hing, dass es mit der Nachführung weiterer Männer nicht geklappt hatte.
Schupp neigte den Kopf, was gewisse Zweifel signalisierte: „Theoretisch sind wir reichlich mit Transportraum versehen. Unser Flottenverband verfügt nach der letzten Zählung über 17 einsatzbereite Landungsfähren, was eigentlich mehr als ausreicht, um Männer und Material zu landen. Es wurde zwar angeregt, dass wir wenn möglich noch ein paar zusätzliche terranische Marines zugeteilt bekommen, wenn man im Hinterland alle Reserven zusammenkratzt. Sie wissen schon – genesende Verwundete, Leute aus dem Arrest und wer auch gerade immer nicht bei seiner Einheit war, als der Angriff begann. Das sind ja nicht nur Köche und Mechaniker. Ich meine, bei einer Landung sind sie wohl nützlicher, anstatt sie Kopf voran gegen die feindlichen Panzerverbände loszuhetzten. Aber würde ich mich wundern, wenn wir so mehr als vielleicht zwei, drei zusätzliche Kompanien mit begrenzter Kampfkraft zusammenbekommen. Bestenfalls.
Doch sei dem, wie es sei, ich rechne damit, dass die Peshten uns bitten werden, ihnen die Maschinen, oder zumindest einen Teil davon für IHRE Landung zur Verfügung zu stellen. Schließlich muss die 4. Sturmdivision möglichst schnell und möglichst schwer bewaffnet ans Ziel kommen. Danach kann es gut sein, dass, wenn die Reihe an uns kommt, ein Fünftel bis ein Viertel der Shuttles beschädigt ist, kleine technische Probleme hat…“ er sprach es nicht aus, aber der Abschuss von Maschinen war natürlich ebenfalls eine denkbare Option.
„Aber ich bin zuversichtlich, dass wir die Kompanien ins Ziel bringen können – nötigenfalls müssen wir andere Shuttletypen als Materialtransporter verwenden.“
Der Nationalgardeoffizier rieb sich das Kinn: „Könnte man vielleicht ein oder zwei SAR-Shuttle landen lassen und zu Feldlazaretten umwidmen?“
Schupp grinste: „Nun, ich kann mir vorstellen, einige meiner Flottenkollegen werden den Vorschlag nicht gerne hören, aber ich denke, man kann und man sollte, das ist eine gute Idee. Natürlich sollten wir ausfliegen, was wir können, aber das geht nur, wenn wir den Luftraum halbwegs unter Kontrolle haben.“ Der Commodore war offenkundig frei von irgendwelchen mondsüchtigen Vorstellungen, die Luftabwehrschützen und Piloten der Kaiserlichen würden genauer hinschauen, ehe sie ein Shuttle unter Feuer nahmen, ob es nun Verwundete beförderte oder nicht.
„Ich werde dahingehend Druck machen. Das bringt mich auf die Idee, ob man nicht ein ECM/ECCM-Shuttle analog landen und als provisorische Kommandozentrale nutzen könnte…“

Schupp war für einen Flotten-Commodore ungewöhnlich tief in die Planungen involviert – was aber wohl nicht zuletzt daran lag, dass die Flotte bei dem Unternehmen eine zentrale Rolle spielen würde. Er ließ jedoch auch Captain Fini zu Wort kommen: „Die Peshten haben übrigens vorgeschlagen, dass wir einige Verbindungsoffiziere und zusätzliche Waffenvorräte einfliegen. Die Verbindungsoffiziere sind natürlich zunächst einmal für den Kontakt mit der Vierten und später mit dem Rest des 30. Korps gedacht, aber sie rechnen damit, dass im Gefechtsfeld abhängig vom genauen Ort entweder versprengte Truppen – Peshten, Söldner und unsere Leute – vielleicht aber auch Guerilla aktiv ist. Wir sollten die um jeden Preis einbeziehen. Ich weiß, dass einige Traditionalisten das nicht schätzen, aber wir können uns nicht leisten wählerisch zu sein.“
In dieser Runde stieß das nicht auf Widerspruch. Die Nationalgarde wollte nicht als Spielverderber erscheinen, wurde sie doch von vielen FRT-Regulären ohnehin nicht für ganz voll genommen, die ehemaligen Konföderierten waren grundsätzlich eher undogmatisch in ihrem Vorgehen, und Schupps Crew hatte sich in ihrer Zeit an der Nebenfront einiges abgeschaut. Das mochte freilich bei anderen Einheiten wie auf der COLUMBIA anders aussehen…
Major Ashiihi störte sich denn auch nicht an diesem Detail: „Soll das heißen, unserer genaues Einsatzgebiet steht noch nicht einmal fest? Wir brauchen Landungszonen, die wir halten und verteidigen können!“
Enrico Fini zuckte bedauern mit den Schultern: „Die Peshten sind wohl noch am Debattieren, wo sie uns genau haben wollen. Aber sie haben uns – das bleibt aber leider auf die kommandierenden Offiziere beschränkt – alles an Informationen geschickt, was sie über den gesamten Landungsraum haben. Wir können uns also ein Bild machen und etwas vorbereiten, auch wenn wir die genaue Stelle wo wir die Truppen runterschicken noch nicht kennen.“
„Wie sieht es mit Nebelkerzen aus?“ erkundigte sich Hanzo.
Hier schaltete sich Schupp erneut ein: „Die Peshten werden natürlich versuchen, Fehlinformationen zu streuen. Ich habe vorgeschlagen, rechtzeitig ein paar Fahrzeuge mit Abzeichen der Vierten in Richtung der Front zu schicken, so dass es aussieht als würde man Vorkommandos für den Einsatz losschicken. Vielleicht kann man auch etwas Spielmaterial über Geheimdienstkreise verteilen – falsche Funksprüche, Gerüchte und so weiter. Aber eine gute Lüge braucht Zeit um zu reifen, und die haben wir nicht. Die Peshten pokern hoch, und wir müssen in den Pott mit einzahlen. Mir ist klar, dass wir viel riskieren, aber wir können uns eine Niederlage einfach nicht leisten.“ Als Kommandeur einer Kreuzereinheit war Schupp daran gewöhnt, das Leben von hunderten Männern und Frauen zu riskieren. Es machte für ihn keinen Unterschied, ob dies im Weltraum oder im Bodenkrieg geschah.
„Vielleicht kann man einige Scheinlandungen durchführen – aber wir haben nicht SO viele Shuttles und Geleitschutzjäger, dass wir uns ausreichend Leerflüge leisten können, von der Gefahr von Maschinenverlusten einmal abgesehen. Ein paar Luftangriffe müssen zum Verwirrung stiften vermutlich ausreichen.“

Am Ende hatte die Besprechung gut drei Stunden gedauert – und bedeutete vielfach erst den Anfang für die Arbeit in den kommenden Tagen. Die Liste der Dinge, die Schupp mit Schlüter zu klären und bei Girad durchsetzen sollte, war lang. Doch auch auf die Offiziere der NAKANO TAKEKO und TATANKA YOTANKA warteten mehr Aufgaben, als sie hoffen konnten in der noch zur Verfügung stehenden Zeit zu bewältigen. Die Atmosphäre ließ sich nicht unbedingt mit Enthusiasmus beschreiben, eher mit grimmiger Entschlossenheit. Als Schupp die Versammlung aufhob, stand die Erschöpfung den Männern und Frauen ins Gesicht geschrieben. Sie hatten bereits in den letzten Tagen wenig Schlaf gefunden, und das würde sich auch nicht so bald bessern.
In die abschließenden Worte hinein schnitt erneut ein Trompetensignal aus den Lautsprechern – mit voller Wucht geschmettert, was einer der Offiziere zu der Bemerkung veranlasste, wenn der Angriffsgeist der Nationalgardisten so gut sei, wie ihre Lungen, würden sie wohl im Alleingang die Kaiserlichen zurückwerfen. Keiko Amato nahm die Frotzelei mit gespieltem Gleichmut hin. Man gewöhnte sich schließlich an alles: „Das ist das Signal zum Essen fassen. Sie sind natürlich eingeladen – ich habe im Nachbarraum decken lassen, falls wir länger brauchen. Ich denke, eine kurze Pause haben wir uns alle verdient. Ich hoffe, unsere Küche sagt Ihnen zu.“

Captain Achtev zeigte ungeachtet ihrer an den Tag gelegten Reserviertheit eine gewisse Neugierde, aber selbst diese wirkte eher akademisch, in etwa wie die Neugierde eines Forschers über einen unbekannten Vogel: „Arbeitet die Küche an Bord eines Nationalgardeschiffs so wie bei der TSN?“ Die ,Teilung‘ der terranischen Raumverbände – auch wenn die Nationalgarde der TSN nicht annähernd ebenbürtig war – war für die Konföderierten natürlich nicht wirklich Neuland, schließlich waren ihre Streitkräfte erst im Laufe der letzten Jahre mehr und mehr zu einer weitestgehend einheitlichen Streitmacht zusammengewachsen. Aber die Feinheiten interessierten sie offenbar dennoch – nicht zuletzt, weil man in der Konföderation dazu neigte, die FRT und ihre Streitkräfte als monolithischer und ,durchregierter‘ zu betrachten, als sie tatsächlich waren.
Captain Amato sah wohl, dass Commodore Schupp ein Grinsen unterdrückte. Natürlich – er wusste zweifellos Bescheid, wie konnte es auch anders sein? Aber der Schwadronschef überließ die fällige Erklärung der Befehlshaberin der NAKANO TAKEKO.
„Nun, da heute Freitag ist, haben wir eigentlich nur die Wahl, ob wir unseren Kaigun Kare*** mit oder ohne echtes Fleisch essen, jedenfalls wenn Sie ihre Ehre behalten wollen.“ Und während sie ihre Gäste begleitete, stellte sie sich auf ein langes Gespräch zum Thema Traditionen der japanischen Nationalgarde ein…

***

Noch etwas später

Als sich die Offiziere schließlich verabschiedeten, stand ihnen trotz eines in recht lockerer Atmosphäre verbrachten Essens die Sorge ins Gesicht geschrieben – wenn man wusste, worauf man achten musste.
Vielleicht war es das, was Commodore Schupp zu einer kleinen Abschiedsrede inspirierte, er mochte selber an seine Worte glauben oder nicht: „Ich weiß, auf uns alle kommen aufreibende, ja gefährliche Tage zu – auf die Männer und Frauen am Boden, aber auch auf jene, die sie vom Weltraum aus unterstützen werden. Ich weiß aber auch, dass Ihre Truppen bestmöglichst vorbereitet sein werden, und die Flotte wird ihnen alles an Unterstützung gewähren, was sie kann. Wenn wir Terraner – und das gilt für die Konföderierten ähnlich – über unsere Marineinfanterie sprechen, dann dominiert in der öffentlichen Wahrnehmung zu oft ein Zerr- oder Teilbild. Die Traditionen des US Marines Corps sind wichtig und ihr Einfluss ist deutlich sichtbar – aber die Tradition der menschlichen Marineinfanterie ist viel reicher als das oder als die terranischen Einigungskriege. Da gibt es vergleichsweise junge Vorläufer wie die chinesischen, deren Motto ,Tiger des Landes, Drachen der See‘ lautet, und die in den Asiatischen Kriegen und in Südamerika gekämpft haben. Es gibt andere Traditionen, die viel älter sind, weit älter noch als das ursprüngliche USMC – die der Royal Marines, der Marina-Truppen Italiens…“ dabei nickte er dem Kommandeur der Marines seines Kreuzers zu: „…der spanischen Infanteria de Marina, der Troupes de la Marine und ihrer Nachfolgeorganisationen und natürlich auch der japanischen Flottentruppen, und bei den Konföderierten kommen die Vermächtnisse einiger nichtmenschlicher Verbände hinzu… Die Soldatinnen und Soldaten die in diesen Einsatz gehen, sind ihre Erben, und ich denke, die Ahnen brauchen sich ihrer Nachkommen nicht zu schämen. Für unsere Situation vielleicht am passendsten scheint mir das Vermächtnis der Soldaten, deren Motto lautet: ,Wo wir sind, ist der Sieg‘. Die russisch-sowjetischen ,Schwarzen Barette‘ haben in der dunkelsten Stunde ihrer Heimat an vorderster Front gestanden, weitab der See. Sie haben die Stellung gehalten, oft genug gegen alle Chancen. Ich weiß, in diesem Erbe können und werden wir dazu beitragen, dass die Offensive der Kaiserlichen scheitert. Es wird mit Sicherheit nicht die leichteste oder die lustigste Veranstaltung werden, an der wir jemals teilgenommen haben. Aber ich möchte um keinen Preis darauf verzichten, dabei zu sein.“

*****

* Befehl (Prikas) Nr. 227 des Volkskommissars für Verteidigung der UdSSR vom 28. Juli 1942, zusammengefasst unter der Parole „Keinen Schritt zurück!“, ordnete die Bildung von Sperrabteilungen und Strafkompanien der Roten Armee an, um ungeordnete Rückzuge rücksichtslos und nötigenfalls mit Waffengewalt zu unterbinden. In der kollektiven Erinnerung der Sowjetischen Konföderation wird der Befehl – dessen Motto seinerzeit, aber auch in späteren Konflikten auf zahlreichen Plakaten und sogar Briefmarken auftauchte – bis in die Gegenwart als notwendiger Bestandteil für die Abwehr der Nazi-Wehrmacht gesehen. Spätestens seit Ende des 20./Anfang des 21. Jahrhundert betrachten ernstzunehmende Militärhistoriker die besonders außerhalb der ehemaligen UdSSR kursierenden Geschichten von Massenerschießungen an Fliehenden durch Maschinengewehrfeuer als Mythen, oft entstanden aus der Propaganda von Rivalen und Gegnern der Roten Armee.

** Nicht zu verwechseln mit dem Captain-Rang der Flotte, der deutlich höher ist. Der Rang Captain in der Armee und dem Marine-Corps entspricht in etwa dem First Lieutenant der Navy.

*** Kaigun Kare oder Marinecurry ist ein Gericht aus gebratenem Rind- oder Hähnchenfleisch mit Reis oder Kartoffeln, dazu Möhren, Zwiebeln, eingelegtem Gemüse und einer vergleichsweise milden Curry-Mehlschwitze. Er wird traditionell an jedem Freitag serviert – auch dies ist eine Übernahme aus der kaiserlichen Flotte. Bereits die Einführung einer vegetarischen Variante wird von traditionsbewussten Japanern als ein Verrat am Erbe der Marine gesehen, aber inzwischen zähneknirschend akzeptiert.

Ende
13.11.2020 05:49 Cattaneo ist offline E-Mail an Cattaneo senden Beiträge von Cattaneo suchen Nehmen Sie Cattaneo in Ihre Freundesliste auf
Tyr Svenson Tyr Svenson ist männlich
Captain


Dabei seit: 06.10.2015
Beiträge: 1.030
Herkunft: Jena, Thüringen

Auf diesen Beitrag antworten Zitatantwort auf diesen Beitrag erstellen Diesen Beitrag editieren/löschen Diesen Beitrag einem Moderator melden       Zum Anfang der Seite springen

TRS COUMBIA, Gamma-Eridon-System


Lieutenant Commander Kano ‚Ohka‘ Nakakura musste ein Gähnen unterdrücken. Er war hundemüde. Ein Blick in die Runde belehrte ihn, dass es den anderen drei Piloten in dem kleinen Besprechungsraum ähnlich ging. Seitdem die Akarii ihre Bodenoffensive begonnen hatten, operierten die Angry Angels am Rande des Zusammenbruchs. Gleichzeitig den anmarschierenden Nachschubkonvoi zu schützen, die Sicherheit der COLUMBIA zu gewährleisten UND auch noch Bodenangriffe zu fliegen und zu eskortieren, war selbst für ein Elitegeschwader zu viel. Und für Staffelführer wie Kano waren die täglichen Pflichten immer noch ein klein wenig zahlreicher.

„…das Operationsziel dieses Einsatzes ist die Brücke über den Rijen.“
Das lenkte Kanos Aufmerksamkeit zurück zum Kopfteil des Besprechungstisches. Der vortragende Verbindungsoffizier – ein Major der auf Gamma-Eridon operierenden terranischen Armeeluftwaffe – war offenbar niemand, der sich mit langen Vorreden aufhielt. Unter anderen Umständen wäre vielleicht auch der Geschwaderchef der Angry Angels oder seine Stellvertreterin bei der Einsatzbesprechung dabei gewesen. Aber beide befanden sich momentan im Einsatz.
„Ich dachte, der Rijen fließt durch unser Territorium.“
Der Verbindungsoffizier blickte von der Holoprojektor-Konsole auf, mit der er ein Abbild des Zielgebiets hatte aufrufen wollen und räusperte sich pikiert: „Dies ist leider nicht mehr aktuell. Die feindlichen Panzerspitzen konnten mit Unterstützung imperialer Spezialeinheiten – und Gerüchten zufolge einem Kontingent von Peshten-Hilfstruppen – die Rijen-Brücke erobern, noch bevor die in Garnison befindliche Landschutzeinheit sie sprengen konnte.“
„Schweinerei.“, kam es von Phoenix: „Aber das war ja wohl zu erwarten, wenn man Halbsoldaten Bewachungaufgaben überlässt.“ Seine dank früherer Verletzungen etwas schleifende Stimme klang selbst dann leicht bedrohlich, wenn er es nicht darauf anlegte. Bunny und Rerun, die das Pilotenquartett vervollständigten, enthielten sich eines Kommentars. Kanos Flügelmann fehlte es immer noch ein wenig an Selbstvertrauen – vor allem in der Anwesenheit seines Staffelführers und der einschüchternden Präsenz von Phoenix. Und Babur ‚Bunny‘ Shibur war kein Mann vieler Worte.

„Der Rijen ist einer der wichtigeren Nebenflüsse des Besh Phe. Üblicherweise schwankt die Breite des Stroms zwischen hundert und hundertfünfzig Metern, aber Überschwemmungen sind häufig, weshalb der Fluss an vielen Stellen von einem breiten Streifen Sumpfland und Auwald gesäumt wird. Die Brücke selber ist vierhundert Meter lang und verfügt sowohl über eine mehrspurige Fahrbahn für Bodenfahrzeuge, als auch Magnetschienen. Bis vor kurzem war die neben der Brücke auf höherliegendem Gelände befindliche Stadt Arta’Rijen…“
„Wir sollen einen Angriff auf eine Peshten-Stadt fliegen?“, das kam von Rerun, der überraschenderweise die Courage aufgebracht hatte, das Wort zu ergreifen: „Unsere Einsatzrichtlinien...“
„Sind angesichts der aktuellen Situation außer Kraft gesetzt.“, der Verbindungsoffizier klang unwirsch: „Außerdem wurde die Stadt, da im frontnahen Sperrgebiet gelegen, bereits geräumt. Wenn ich fortfahren dürfte?“ Auf einen Wink Kanos hin setzte er seinen Vortrag fort: „Arta’Rijen hatte vor dem Krieg knapp 100.000 Einwohner und war – vor allem wegen der Brücke aber auch dank seines Flusshafens – ein wichtiger Transportkotenpunkt. Es ist zu befürchten, dass die Akarii die Stadt zu einem Nachschubzentrum für ihren Vormarsch machen wollen. Außerdem könnten sie die Stadt befestigen. Und natürlich nutzen sie die Brücke für die Truppenverlegung. Ihre Aufgabe ist, dies zu unterbinden.“
„Mit was für einer Verteidigung haben wir zu rechnen? Ich nehme an, wir reden von mobilen Flugabwehrbatterien: Flakpanzer und Boden-Luft-Raketen.“
Der Armeeoffizier wirkte nicht wirklich glücklich: „In erster Linie, ja. Leider hat der Gegner bei seinem Handstreich gegen die Brücke auch die dortige Flugabwehr erobert. Wir reden von zwei automatischen Flak-Batterien und eine Batterie Boden-Luft-Raketen. Dazu kommen Störsender und eine Nebelanlage, mit der man die Brücke mit IR-Rauch einnebeln kann.“ Phoenix quittierte diese Information mit einem deftigen Fluch.
„Erschwerend kommt hinzu, dass die Brücke gerade einmal fünfzig Jahre alt ist. Ich rede deshalb von einer Konstruktion aus Nanostahl und regenerativen Beton. Sie ist dafür konzipiert, massiven Hochwassern, schweren Erdstößen und möglichen Terroranschlägen mit konventionellen Mitteln zu widerstehen. Die sehr stabile Konstruktion war in Kombination mit der unerwartet heftigen Abwehr ein Grund, warum zwei Angriffe – mit Drohnen sowie durch Artillerie- und Raketenbeschuss – weitestgehend erfolglos waren.“
„Die Imperialen werden sich ausrechnen können, dass wir es noch mal versuchen.“, kommentierte Phoenix fast amüsiert.
„Ein paar Raketentreffer oder Streubomben werden nicht reichen. Sie müssen direkte Treffer mit schweren Bomben erzielen. Und wegen der zu erwartenden Abwehr werden Sie sehr nahe rangehen, die Bomben möglicherweise sogar auf ballistische Art und Weise abwerfen müssen, falls die Zielerfassung mit Lasermarkieren nicht möglich ist.“
„Und wir sollten beten, dass uns die Akarii nicht wie Tauben vom Himmel schießen, während wir darauf warten, dass die Eier aufschalten.“, kam es von Phoenix: „Einfach wunderbar.“
„Übernehmen die Grünen oder die Blauen den Geleitschutz?“, in Kanos Stimme schwang leichtes Misstrauen mit. Er hatte erwartet, dass die sie eskortierenden Piloten an der Besprechung teilnehmen würden. Ihre Abwesenheit verhieß nichts Gutes.

Und in der Tat: „Weder noch.“, der Verbindungsoffizier räusperte sich erneut: „Eine Rotte Vultures der Peshten wird den Geleitschutz übernehmen. Codebezeichnung ist Katil Acht.“
„Warum keine von unseren Fliegern?“, frage Kano. Er war zwar von den Vorurteilen weitestgehend frei, die die Zusammenarbeit mit den Einheimischen immer wieder erschwerten. Doch üblicherweise operierten die alliierten Streitkräfte getrennt, weshalb Menschen und Peshten nur wenig Erfahrung mit koordinierten Einsätzen hatten.
„Wir haben einfach zu wenige Maschinen in der Luft. Ihre Abfangjäger sind voll eingebunden mit dem Begleitschutz für den Konvoi und der Bewachung der COLUMBIA. Der Rest unterstützt die rollenden Luftangriffe auf die feindlichen Panzerspitzen. Ich hoffe doch, die die Herkunft der Geleitflieger wird kein Problem sein?“
„Nicht für mich.“, Kano zuckte mit den Schultern, konnte sich jedoch nicht verkneifen hinzuzufügen: „Ob für die Erfolgschancen der Mission, bleibt abzuwarten.“
„Und warum überhaupt wir?“, bohrte Phoenix nach: „Wären Bomber oder Jagdbomber nicht besser geeignet?“
Die Geduld des Verbindungsoffiziers schien erschöpft: „Ich sehe nicht, warum ich hier die Entscheidung Ihrer und meiner Vorgesetzten verteidigen soll…
Wenn Sie es unbedingt wissen müssen: Schwere Bomber sind für diesen Einsatz ungeeignet. Sie sind in der Atmosphäre ohnehin wenig zu gebrauchen, ganz einfach zu langsam, zu schwerfällig und zu große Ziele. Und die Jagdbomber…Sie waren gerade frei, die Staffel Silber und Gold nicht. Außerdem hat Ihre Einheit bei Tieffliegerangriffen eine Trefferquote erzielt, die partiell noch über der der Jagdbomber liegt. Sie sollten sich geehrt fühlen.“
„Sie können sich gar nicht vorstellen, WIE geehrt ich mich fühle…“
„Das reicht.“, Kanos Stimme war leise, aber scharf.

Der Major fuhr fort als sei nichts geschehen: „Sie werden sich dem Ziel nicht direkt nähern, sondern die Front in einem ruhigeren Sektor überqueren und die Brücke im Konturenflug ansteuern. So entgehen Sie dem feindlichen Abwehrschirm und greifen zudem aus einer unerwarteten Richtung an.“
Kano war sich nicht sicher, ob das angesichts der feindlichen Überwachungsdrohnen, Aufklärungsflieger, Radarstellungen, Spähposten und Satelliten wie geplant funktionieren würde. Irgendjemand würde sie bemerken. Sie konnten nur hoffen, dass der Gegner tatsächlich über ihr Ziel im Unklaren blieb. Andernfalls…
„Um Ihre Entdeckung zu vermeiden, werden Sie zudem so weit wie möglich unter Funkstille operieren. Kurzstreckenkommunikation zwischen ihren Maschinen ist kein Problem – aber Kontakt mit der Einsatzzentrale und dergleichen darf nur im absoluten Notfall erfolgen.“
„Und ich hatte mich schon so auf einen kleines Schwätzchen gefreut.“, kam es von Phoenix.
„Lassen Sie das.“, konterte Kano, der seinem Untergebenen einen ausdruckslosen Blick zuwarf. Normalerweise war Phoenix eher wortkarg. Dass er sich jetzt derartig geschwätzig gab, war kein gutes Zeichen. Kano konnte ihn verstehen – er selber hatte auch Zweifel bezüglich der Einsatzparameter – aber es machte keinen Sinn, den Verbindungsoffizier weiter zu reizen: „Kommen wir lieber zu den Details der Flugroute. Und wir brauchen die Wettervorhersagen und präzisere Aufnahmen von der Brücke. Wenn wir sie vielleicht auf die altmodische Art angreifen müssen, will ich diese Konstruktion mit verbundenen Augen anfliegen können…“

Ungefähr eine Stunde später war die Einsatzbesprechung beendet – fast zwanzig Minuten über dem eigentlichen Zeitplan, aber Kano hatte darauf gedrängt, jedes einzelne Detail noch einmal durchzusprechen. Phoenix hatte ihn dabei unterstützt und der Verbindungsoffizier hatte sich trotz seiner leicht pedantischen Art nicht lange geziert. Was allerdings nicht bedeutete, dass Kano ein gutes Gefühl bei der Sache hatte. Dennoch…
Er warf einen Blick auf sein Handgelenk-Komm, lächelte müde und beschleunigte seinen Schritt. Wenn er sich beeilte…

„Sie wissen, dass das ein riesengroßer Haufen Scheiße ist.“, Phoenix Stimme ließ den Staffelchef jäh innehalten: „Diese Operation ist derartig hastig übers Knie gebrochen, dass ich aus dem Stehgreif ein halbes Dutzend Schwachstellen aufzählen könnte.“
„Sagen Sie mir etwas, was ich noch nicht weiß.“
„Einen solchen Einsatz sollte mindestens ein Dutzend Maschinen fliegen, darunter ein paar mit radarsuchenden Raketen um die feindliche Luftabwehr niederzuhalten. Verdammt, wenn ich etwas zu sagen hätte…“
„Das haben Sie aber nicht. Und haben Sie nicht zugehört? Wir haben weder die Mittel noch die Zeit. Jeder weitere Tag, jede weitere STUNDE bedeutet, dass mehr Truppen über diese Brücke strömen und die Akarii sich weiter eingraben. Diese Brücke muss zerstört werden. Und das so schnell wie möglich. Wir können nicht warten. Wir können nur unser Bestes geben. Und zwar mit dem, was wir haben.“
„Ihre Iwo-Jima-Motivationsrede können Sie sich sparen. Ich bin kein verdammter Rekrut der kaiserlichen Armee.“
„Und warum kommen Sie überhaupt zu mir? Sie wissen doch, dass ich das nicht in der Hand habe.“
„Weil es gesagt werden musste. Wir sehen uns beim Start.“ Und mit diesen Worten ging er. Kano sah seinem Untergebenen hinterher. Wenn Phoenix Bedenken anmeldete, für den das ansonsten etwas war, was nur anderen Personen zustieß…

„Was denn, bekommt unser alter Krieger auf einmal Muffensausen?!“
Irritiert wandte sich Kano um. Offenbar MUSSTE er ebenfalls ziemlich besorgt sein, ansonsten hätte nicht ausgerechnet Sugar ihn überraschen können: „Ist irgendetwas, Lieutenant? Abgesehen davon, dass Sie über einen Piloten urteilen, der ihnen sowohl bei der Kampferfahrung als auch den Abschusszahlen überlegen ist?“ Seine Stimme klang nicht gerade wohlwollend, und das nicht nur, weil ihm Sugars überbordende Selbstsicherheit manchmal gehörig auf den Geist ging.
„Er wirkt etwas ausgebrannt.“, die junge Pilotin zögerte kurz und konnte sich natürlich nicht verkneifen, noch einen drauf zu setzen: „Oder sollte ich lieber sagen…angekokelt?“
„Was wollen Sie? Ich habe Besseres zu tun, als mir Ihre miesen Witze anzuhören.“ Er bezweifelte, dass selbst Sugar in Phoenix Anwesenheit einen derart schlechten Scherz über dessen alte Brandnarben ausprobiert hätte.
„Ich sollte verdammt noch mal dabei sein.“
„Wie bitte?“
„Bei dem Einsatz! Statt Wachhund für den verdammten Konvoi zu spielen, der momentan sowieso im Weltraum hängt wie bestellt und nicht abgeholt. Ich will Akarii töten und nicht nur Flugmeilen sammeln!“
„Dieser Konvoi ist kriegswichtig. Er bringt mehr als zehntausend Mann an die Front – und Panzer, Artillerie und Raketenwerfer. Mit diesen Truppen können wir den feindlichen Vormarsch stoppen. Und Sie sind der Meinung, dass diese Aufgabe unter Ihrer Würde ist?! Weder Lieutenant Commander Davis noch Lieutenant Commander Lincoln haben damit ein Problem. Und Lieutenant Commander Pawlitschenko…“
„Ach kommen Sie mir doch nicht mit Lilja! Die würde ihre Maschine in ein feindliches Dickschiff jagen, wenn man ihr den Befehl gibt. Immer die perfekte kleine Soldatin. Mir reicht das nicht. Ich will…“
Kano hätte ihr am liebsten ein für alle Mal klar gemacht, wie herzlich gleichgültig es ihm war, was Sugar wollte. Aber das alleine würde nicht reichen. Dennoch…die Stimme das japanischen Offiziers verwandelte sich in pures Eis: „Reißen Sie sich gefälligst zusammen, Lieutenant! Es dreht sich nicht immer nur um Sie. Ich gebe Ihnen eine Aufgabe, die eine Schlacht entscheiden kann und ich erwarte, dass Sie sie erfüllen. Und das ohne Primadonnaallüren. Dazu haben Sie noch zu wenige Ringe auf den Armen und nicht genug Abschussmarkierungen auf Ihrer Maschine.“

Im letzten Augenblick verkniff er sich den Vorschlag, dass Sugar gerne die Versetzung in eine andere Staffel beantragen könne, falls sie sich unterfordert fühlen sollte. Trotzdem sie eine manchmal sehr schwierige Untergebene war – Sugar hatte Potential, das er nicht verlieren wollte. Außerdem war es von Vorteil, nicht immer nur den Vorschlaghammer zu benutzen: „Im Übrigen geht es gar nicht um Sie und Ihre Fähigkeiten. Ich weiß, dass Sie nichts lieber täten, als den Akarii ein paar Bomben an den Kopf zu schmeißen. Aber für diese Mission kann ich keine Heißsporne gebrauchen. Und außerdem…haben Sie eigentlich überlegt, was dieser Einsatz für Ihre Flügelfrau bedeuten würde?“

Das Wunder geschah: Sugar schloss den zu einer wahrscheinlich haarscharf an der Insubordination vorbeischrammenden Bemerkung geöffneten Mund und das rebellische Funkeln in ihren Augen schwächte sich schlagartig ab.

„Flyboy ist erst vor kurzem haarscharf dem Tode entkommen. Sie wurde zum ersten Mal in ihrer Laufbahn abgeschossen. Und das auch noch über dem Niemandsland. Haben Sie eine Ahnung, wie hart es für sie sein muss, gleich wieder raus zu müssen? Und da wollen Sie ernsthaft, dass ich Flyboy hinter die feindlichen Linien und durch eine Flakhölle fliegen lasse, nur damit Sie Bomben auf ein paar Akarii werfen können? Nein. Flyboy soll lieber erst einmal ein paar Einsätze unter übersichtlicheren Umständen und mit unserer EIGENEN Flugabwehr im Rücken fliegen, bevor ich sie wieder in einen Bodenangriff schicke. Sie muss mit der Vorstellung ihrer eigenen Sterblichkeit zurechtkommen und wieder etwas mehr Selbstvertrauen gewinnen – davon hat sie ohnehin wenig genug. Verstehen Sie JETZT, warum ich sie beide erst einmal im Konvoi-Dienst einsetze?“
„Ich…“
„Oder haben Sie daran etwas auszusetzen?“ Der harte Unterton in Kanos Worten warnte Sugar, sich ihre Antwort genau zu überlegen. Aber das war gar nicht mehr notwendig. Offensichtlich hatte er den richtigen Punkt getroffen.
„Nein, Sir.“ Die Antwort klang ungewöhnlich kleinlaut.
Der Staffelchef nickte knapp: „Betrachten Sie meine Worte als vertrauensbildend und als VERTAULICH. Wenn Sie Flyboy gegenüber auch nur ein Wort von dem eben gesagten erwähnen…“
„Das würde ich niemals tun! Sie hat es schon schwer genug…“
Kano war sich nicht sicher, ob die letzten Worte ein unausgesprochenes ‚Mit jemanden wie Ihnen als Staffelchef‘ beinhalteten. Aber es war ihm auch gleichgültig: „Wenn das dann alles ist…“
„Falls Sie darauf spekulieren. Sektion Zwei der Roten ist schon beim Starten.“
Kanos Gesicht war eine undeutbare Maske: „Sie können wegtreten.“
Offenbar schwang in seiner Stimme etwas mit, das es der jungen Pilotin angeraten lassen schien, nicht weiter zu sticheln. Sugar salutierte leicht spöttisch und stolzierte davon. Im Weggehen musste sie allerdings den Impuls unterdrücken, den Uniformkragen hochzuschlagen. Auch wenn es Lilja war, die den Spitznamen ‚Eiskönigin‘ trug, was die Kälte anging, die er in Stimme und Bick legen konnte, war Ohka ihr ebenbürtig.

Sobald sie außer Sicht war, sanken Kanos Schultern um ein paar Millimeter nach unten. Dummerweise hatte Sugar Recht – er HATTE gehofft, Kali vor ihrem nächsten Start abzupassen, vielleicht sogar mit ihr zusammen in der Kantine essen zu können. Aber dank der überlangen Einsatzbesprechung und der Zeit, die er für Phoenix und Sugars Befindlichkeiten hatte verschwenden müssen, würde mal wieder nichts daraus werden. Und was seine Schwester anging: die Abfangjägerstaffeln waren noch stärker gefordert als die anderen Schwadronen der Angry Angels. Dementsprechend verbrachte Sakura ‚Shoki‘ Nakakura praktisch jede nicht fürs Schlafen verwendete Stunde über dem Konvoi oder auf dem Hin- oder Rückflug. Wenn Kano es überdachte, war es schon Tage her, dass er Helen oder Sakura länger als ein paar Augenblicke gesehen hatte. Er wünschte…
Aber wie hatte es Huntress vor kurzem ebenso gallig wie treffend ausgedrückt: ‚Die Chancen auf Freizeit sind ungefähr so groß, wie dass Lilja zur Ballkönigin gekrönt wird.‘
Und wenn er und Kali sich treffen wollten, kamen natürlich noch die Einschränkungen durch die bigotten wenn auch stillschweigend von 90 Prozent der Navy ignorierten Richtlinien gegen Beziehungen zwischen Flottenangehörigen erschwerend hinzu. Wenn es nicht so frustrierend gewesen wäre, dann wäre es ziemlich lächerlich gewesen.
Letztendlich blieb ihm nichts anderes übrig, als sich in der Kantine ein paar Sandwiches und eine Flasche Saft zu greifen und die karge Mahlzeit im Gehen herunter zu schlingen, während er zum Hangar eilte.

Dort wurden die vier Überlegenheitsjäger bereits mit jeweils acht Paveway-Smartbomben bis an die Grenze ihrer Tragfähigkeit beladen. Direkt daneben standen zu Kanos Überraschung zwei Angriffsshuttles des an Bord befindlichen Marineinfanteriekontingents und wurden unter den kritischen Augen von Majorin Schlüter höchstpersönlich durchgecheckt, die irritierenderweise von einem Peshten-Offizier begleitet wurde, mit dem sie sich leise zu unterhalten – oder eher zu streiten? – schien.
Waren sie schon so schlecht dran, dass sie die schwerbewaffneten Sturmfähren als Patrouille-Flieger oder improvisierte Schlachtflieger einsetzen mussten? Kano wusste, dass einige Offiziere und Piloten – Lilja beispielsweise – der Idee etwas abgewinnen konnten. Er selber war eher skeptisch, auch wenn er den dahinterstehenden Gedanken zu schätzen wusste. Shuttlepiloten waren keine Kampfflieger und selbst Sturmfähren nur bedingt für direkte Gefechtseinsätze an der Frontlinie gedacht. „Was geht denn da vor…“
„Ich könnte es Ihnen ja sagen.“, kam es mit grimmiger Belustigung von Phoenix, der auf dem Weg zu seinem eigenen Jäger war: „Aber dann müsste ich Sie leider….“
Kano überraschte seinen Untergebenen mit einem sarkastischen Schnauben: „Ernsthaft? Sie kommen mir mit dem Spruch? Sie haben wohl zu viel Zeit mit Huntress verbracht.“
Der Pilot salutierte nur spöttisch und kletterte in das Cockpit seiner Nighthawk.
Kano sah ihm einen Augenblick lang stirnrunzelnd nach. Schlechte Witze hin oder her. Als Ex-Marinekorpsflieger hatte Phoenix vermutlich einen guten Draht zu Schlüters Marineinfanterie. Wusste er etwas, was die anderen Piloten noch nicht einmal ahnten? ‚Irgendetwas geht vor.‘ Dann verdrängte er den Gedanken. Er hatte einen Auftrag zu erfüllen.

***

Trotz der angespannten Situation war der Start fast Routine, obwohl der Flugverkehr rund um die COLUMBIA seit Tagen immer dichter geworden war, da die Angry Angels momentan auf 150 Prozent operierten. Wenn man dann noch die Bordshuttles hinzurechnete, die Betankungseinsätze und jetzt auch nicht genauer spezifizierte Transport- und Unterstützungseinsätze von und nach Gamma-Eridon flogen, wurde der Weltraum rund um den Träger unangenehm voll. Aber bisher hatte sich die Flugleitzentrale den Anforderungen gewachsen gezeigt, sah man von gelegentlichen Verzögerungen ab. Keiner der Piloten redete viel, denn aus verschiedenen Gründen gehörten sie alle zu den eher schweigsamen Typen. Auch Phoenix hatte wieder zu seinem üblichen wortkargen Selbst zurückgefunden.

Mit der Routine war es vorbei, sobald sich die vier Maschinen der Atmosphäre näherten. Denn damit stieg die Gefahr eines Zusammentreffens mit feindlichen Jägern, obwohl diese sich momentan vor allem auf das Abschirmen und Unterstützen der kaiserlichen Angriffsspitzen konzentrierten. Außerdem genügte nur ein Blick nach unten, um den Ernst der Lage deutlich zu machen: dorthin, wo sich eine Dutzende Kilometer breite, grau-braune Wolkenfront über die Planetenoberfläche zu wälzen schien, in der es pausenlos aufblitzte.
Als sie das erste Mal dieses Phänomen gesehen hatten, hatte Rerun gefragt, warum der Wetterdienst denn dieses Unwetter nicht hatte vorhersagen können. Phoenix hatte nur gelacht: „Das ist kein Gewitter, Jungchen. Jedenfalls nicht so, wie du denkst. Das…das ist die Front.“

„Achtung, wir haben zwei Minuten Freigabe für Sinkkorridor Vier. Danach Konturflug auf vorgegebener Route, Geschwindigkeit 900.“
Ein Chor von ‚Bestätigt.‘ war die Antwort. Phoenix konnte es sich allerdings nicht verkneifen hinzuzufügen: „Hoffentlich diesmal ohne Beschuss von der eigenen Feldpostnummer.“
Kano sparte sich die Antwort. Der Ex-Marines hatte Recht. Besonders bei Tiefflügen war auch über eigenem Territorium die Gefahr von Beschuss vom Boden hoch. FFI-Scanner und Flugfreigaben hin oder her, in der augenblicklichen Lage schossen viele der angespannten Soldaten auf alles was flog, besonders in Frontnähe.

Aber diesmal ging alles glatt. Nach einem fast mustergültig absolvierten Sinkflug, folgten die vier Nighthawk dem in den Nav-Computern einprogrammierten Kurs. Abgesehen von dem zweimaligen Senden der nötigen Freigabecodes hielten sie strikte Funkstille. Von hier aus, nur wenige Dutzend Meter über den Wipfeln der höchsten Bäume, war die Kampffront eine weitab im Westen dräuende dunkle Wolkenformation, in der es immer wieder gespenstisch aufleuchtete. Im Gegensatz dazu herrschte in diesem Bereich der Front eine schon fast gespenstische Stille. Anscheinend hielten sich die hier stationierten Truppen tatsächlich an den Befehl, in Richtung Front fliegende Maschinen nicht zu behelligen. Bei Annäherung an das Niemandsland warnte ein leises Zirpen Kano davor, dass feindliches Radar sie zu erfassen drohte. Auf seinen knappen Befehl hin sanken die Maschinen um weitere zehn Meter, und kurz darauf verstummte das Warnsignal.
Stumm blieb freilich auch das Funkgerät, aus dem sich eigentlich ihre Eskorte melden sollte. Doch die Sekunden und Minuten verstrichen, ohne dass das erwartete Signal zu hören war.
Kano zerbiss einen Fluch zwischen den Zähnen. Sie konnten nicht unbegrenzt lange über dem Niemandsland kreisen: falls sie nicht schon bemerkt und weitergemeldet worden waren, würde dies binnen kurzem geschehen. Dann würden die Imperialen Gegenmaßnahmen einleiten und potentielle Ziele alarmieren – vielleicht sogar Jagdflieger herbeirufen. Und mit jeder zusätzlichen Sekunde würden die Chancen auf einen Erfolg weiter sinken. ‚Das ist der Grund, warum wir eine Eskorte von Angry Angels-Fliegern hätten haben sollen.‘ Zwei übernächtigte Abfangjäger- oder Griphen-Piloten an ihrer Seite wären allemal besser gewesen, als vier Peshten, die nicht auftauchten. Zwar gab es noch einen Ausweichrendezvouspunkt hinter den feindlichen Linien, aber…
Letztendlich hatte er nicht wirklich eine Wahl: „Folgen! Und noch mal zehn Meter tiefer.“ ‚Und hoffen wir, dass ich nicht schon zu lange gezögert habe.‘

Noch bevor er seine Entscheidung infrage stellen konnte, hatten sie die feindlichen Linien überquert, die an dieser Stelle nur aus einer aus der Luft praktisch unsichtbaren Kette von Vorposten in einer unwegsamen Sumpflandschaft bestand, durch das sich einer der kleineren Nebenflüsse des Besh Phe schlängelte. Kein Wunder, dass es hier ruhig geblieben war. Jedes Fahrzeug, das keinen Schweber- oder Hover-Antrieb hatte, musste in dem Labyrinth aus kleinen Wasserläufen, trügerischem Morast und kleinen Inseln hoffnungslos steckenbleiben. Es musste ein logistischer Albtraum sein, Mannschaften oder Nachschub zu bewegen. ‚Die Spezialeinheiten werden es lieben…‘
Die Flugroute, der sie folgten, sollte sie theoretisch um alle bekannten feindlichen Stellungen herumdirigieren. Tatsächlich wurden sie in den nächsten Minuten weder vom Radar erfasst, noch vom Boden aus beschossen. Falls feindliche Soldaten sie entdeckt hatten, hielten sie Feuerdisziplin, vermutlich um nicht die eigenen Stellungen zu verraten.

„Noch eine Minute bis zum Rendezvouspunkt. Augen auf.“
„Kontakt. Freund-Feind-Kennung…“

Noch bevor Bunny den Satz vollenden konnte, ertönte aus Kanos Borcomputer ein schriller Warnton, der anzeigte, dass seine Maschine von einem Zielsuchradar erfasst wurde. Und die Analyse der Silhouetten der sich nähernden Maschinen…: „COCKROACHES! Ausweichmanöver!“
Im gleichen Augenblick informierte ihn das Bordradar, dass die Feindjäger – denn um solche handelte es sich, wie die Freund-Feind-Kennung jetzt bestätigte – mindestens vier Raketen abgeschossen hatten. In dieser Höhe und angesichts der geringen Entfernung waren ihre Abwehrmöglichkeiten begrenzt. Hoffentlich galt das auch für die Treffsicherheit der feindlichen Raketen. Während Kano seine Maschine zur Seite kurven ließ und lautlos den großen Wendekreis der durch die acht Paveway-Bomben gefährlich schwerfälligen Nighthawk verfluchte, schoss er eine Kaskade von Täuschkörpern ab. Eine Explosion, die Kano kräftig durchschüttelte, zeigte einen schweren Raketen-Nahtreffer an, der ihm mit einem Schlag siebzig Prozent seiner Schilde kostete.
Rerun, der um ein weniges langsamer als sein Flightführer war, hatte weniger Glück. Ein Nah- und ein Volltreffer sowie das Kreuzfeuer der beiden angreifenden Atmosphärenjäger waren sogar für die schweren Schilde und Panzerung der Nighthawk zu viel: „Antrieb fällt aus! Verliere Kontrolle! Steige…“
Das erneute Schrillen des Zielerfassungsalarms zeigte Kano an, dass mindestens einer der Angreifer jetzt ihn aufs Korn genommen hatte.
‚Zur Hölle!‘ Der Pilot riss den Steuerknüppel brutal zurück, bis der mit dem wütenden Bärenkopf der ‚Butcher Bears‘ bemalte Bug des Jägers fast senkrecht in den Himmel wies, während er gleichzeitig den Abwurfknopf für die noch nicht scharf geschalteten Bomben drückte und den Nachbrenner aktivierte. Von einer tonnenschweren Last befreit, machte die Maschine förmlich einen Satz nach Oben und schoss wie eine Rakete in den Himmel. Kurz wurde es Kano schwarz vor Augen, aber seine Rechnung ging auf: von dem Manöver überrascht und mit weitaus weniger leistungsfähigen Antrieben und Druckabsorbern ausgestattet, konnten die Cockroaches dem Manöver nicht folgen und verloren die Nighthawk kurz aus der Zielerfassung.
‚Zeit, den Spieß umzudrehen.‘ In einem Manöver, das mit einer weniger robusten Maschine unmöglich gewesen wäre, ließ Kano den Schub abbrechen und gab mit den Steuerdüsen Gegenschub, sodass sich die Maschine ruckartig auf die Seite legte und im nächsten Augenblick scheinbar steuerlos wieder in Richtung Boden raste. Doch nur für eine Sekunde, dann hatte Kano den Jäger wieder unter Kontrolle – dessen Zielsuchradar jetzt einen der feindlichen Jäger erfasste. Die vier schweren Plasma- und Tachyonengeschütze ließen von der rechten Tragfläche des Atmosphärenjägers nur Fetzen übrig. Der Akarii-Pilot stieg aus, während seine Maschine in einem Feuerball über den Wipfeln der Sumpfbäume verging. Sein Kamerad rette sich durch ein schnelles Ausweichmanöver vor dem Kreuzfeuer der beiden anderen TSN-Jäger und gab Fersengeld.

Der Schlagabtausch hatte nicht einmal zwei Minuten gedauert und war so schnell vorbei, dass Kano einen Augenblick brauchte, um das Geschehene zu verarbeiten. Doch dann: „Rerun…“
„Ich habe einen Fallschirm gesehen, glaube ich.“
‚Hoffentlich war er beim Aussteigen nicht zu nahe am Boden.‘ „Geben Sie die Koordinaten weiter. Die Peshten haben Flyboy aufsammeln können…“, Aber noch während er das sagte, realisierte Kano, dass diesmal die Situation eine andere war. Flyboy war im Niemandsland heruntergekommen, nicht hinter den feindlichen Linien. Und vor allem: das war vor dem Beginn der feindlichen Offensive gewesen. Ob die Alliierten auch diesmal bereit sein würden, Mannschaften und Flieger für die Rettung EINES Piloten zu riskieren…
Mit Gewalt verdrängte Kano den unangenehmen Gedanken: „Zurück zum Konturenflug. Flugzeit bis zum Rendezvouspunkt...“
„Sie glauben doch nicht wirklich, dass da noch jemand kommt.“, kam es von Phoenix.
Kano fuhr ungerührt fort: „…ist eine Minute. Ausführung!“
Keiner der drei Piloten verlor noch ein Wort über Rerun. Sie wussten, dass sie nichts tun konnten. Sie hatten eine Maschine und die Hälfte ihrer Bombenlast verloren und ihre Eskorte ließ sich nicht blicken. Aber sie hatten immer noch einen Auftrag…

Anderthalb Minuten später war es Bunny, der Alarm gab: „Achtung zwei, korrigiere drei oder vier Radarkontakte im Tiefflug, rasch näherkommend. FFI-Kennung…“
„Ich will verdammt sein.“, kam es von Phoenix: „JETZT tauchen die Arschlöcher auf?!“
Kano ignorierte den Ausbruch, während er die Finger von den Auslösern der Bordgeschütze nahm und den sinnlosen Impuls unterdrückte, sich über die Stirn wischen zu wollen: „Wir haben Sie früher erwartet, Katil Acht.“
„Wir wurden aufgehalten.“, kam brüsk die Antwort, während die Peshten-Atmosphärenjäger zu den schwereren Nighthawks aufschlossen. Kano begriff: Es waren nur DREI Jäger…
„Wir nehmen Anflugroute Zwei auf das Missionsziel. Bestätigen und Ausführen.“

Die nächsten Minuten vergingen in angespanntem Schweigen, sah man von knappen Befehlen und Bestätigungen ab, wenn ein Kurswechsel nötig war. Das ungute Gefühl in Kanos Magen blieb. Nicht nur, dass er und die Peshten zwei Maschinen verloren hatten – der Gegner wusste jetzt auf jeden Fall, dass alliierte Kampfflieger in seinem Hinterland operierten. Wenn die Imperialen etwas von ihrem Geschäft verstanden, würden sie alle potentiellen Ziele alarmieren. Und das würde auch die Rijen-Brücke beinhalten.

Dann tauchte das blaubraune, sich durch die Landschaft windende Band des Rijen auf. Auch wenn von der Brücke oder der an ihr gelegenen Stadt noch nichts zu sehen war – jetzt konnte es sich nur noch um ein paar Minuten handeln.
‚Bisher keine Jäger – gut. Vielleicht…‘: „Achtung, Anflug in Höhe Zehn über dem Wasser. Ziel erfassen, Bomben abwerfen und sofort abdrehen. Überflug der Brücke oder der Stadt nur im äußersten Notfall.“ Bestimmt würden die Enden der Brücke – vielleicht auch die Brücke selber – mit Flugabwehrkanonen gespickt sein. Und was Arta’Rijen anging…auch die Stadtränder, sogar die Dächer höherer Gebäude konnten in Flugabwehrstellungen verwandelt worden sein. Außerdem wollte Kano Fehlwürfe vermeiden. Und nicht zuletzt…über einer Stadt mit dem Fallschirm auszusteigen war mindestens genauso riskant, wie über einem Wald.
„Flugzeit bis Ziel…drei Minuten.“

Die Analyse der zu erwartenden Flugabwehrmaßnahmen war gründlich gewesen und hatte sowohl die von den Imperialen bei der Einnahme der Brücke eroberten Anlagen und Waffen, als auch mobile Fla-Einheiten aufgelistet. Allerdings hatte man den Einfallsreichtum der Akarii dennoch unterschätzt.
Das erste Signal dafür war ein gotteslächerlicher Fluch von Phoenix, gefolgt von dem nur zu vertrauten Alarmsignal, als vom Ufer und offenbar von mehreren Punkten auf dem Fluss, vermutlich leichten Booten oder Flößen, Flugabwehrraketen aufstiegen. Obwohl Kano sofort eine Kaskade Täuschkörper abschoss, kassierte seine Maschine mindestens einen Treffer. Nur mit Mühe konnte er den Jäger im Gleichgewicht halten. In dieser Höhe konnte jeder Steuerfehler tödlich enden. Bei den abgeschossenen Flugkörpern handelte sich anscheinend nur um ein leichtere Kaliber – die wieder aufgeladenen Schilde der Nighthawk wurden nicht durchschlagen – aber mehrere Treffer würden ebenso so tödlich sein, wie eine Sidewinder. ‚Vermutlich Fire-and-Forget-Raketen, wie sie die Infanterie schultergestützt oder auf leichten Fahrzeugen motorisiert verwendet.‘
„Wir müssen höher gehen! So können wir unmöglich ausweichen!“, brüllte Bunny, der angesichts der Todesgefahr seine übliche Wortkargheit überwand.
„Auf Angriffshöhe bleiben und Vollschub! Phoenix und Bunny – Anflug fortsetzen! Wenn wir steigen, erfassen uns die schweren SAM!
„Katil Acht…Feuer frei auf Feindstellungen!“ Kano ging mit gutem Beispiel voran und drückte auf die Auslöser der Bordkanonen, sofort gefolgt von den drei Peshten-Piloten. Auch wenn sie bei dieser Geschwindigkeit kaum Zeit hatten, eine der feindlichen Stellungen präzise ins Visier zu nehmen – vielleicht würde ihr Sperrfeuer ein paar Ziele ausschalten oder zumindest einige Imperiale dazu veranlassen, die Köpfe unten lassen. Jetzt rächte es sich, dass die peshtischen Vultures ihren Kampfsatz offenbar bereits weitestgehend aufgebraucht und Kano keine Raketen geladen hatten.

Jetzt kam die Brücke in Sicht – genauer gesagt eine dichte, die ganze Breite des Rijen überspannende Qualm- und Rauchwand, aus der hier und da Segmente der täuschend filigranen Trägerkonstruktion hervorragten. Kanos Sensoren weigerten sich, die Brücke aufzufassen. ‚Vermutlich wegen dem Thermorauch und den Störsendern.‘
Das hinderte die Akarii freilich nicht daran, aus allen Rohren zu feuern – vom Ufer und auch von der Brücke aus schalteten sich nacheinander mindestens ein Dutzend Flugabwehrlaser in Einer-, Zwillings- oder sogar Vierlingskonfiguration ein, die die heranjagenden Jäger in ein tödliches Strahlennetzwerk einspannen.
‚Wie bei den Göttern können die Imperialen…‘ Dann begriff Kano. Vermutlich hatten die Akarii außerhalb der Reichweite ihrer Störmaßnahmen eine oder mehrere Ortungs- und Leitstellen postiert, die die Flugabwehr per Richtfunk oder wahrscheinlicher per Glasfaserkabel Zielvorgaben lieferten.
„Bunny, Phoenix…“
„Ich kriege keine klare Erfassung! Die Paveways…“
Kano fluchte unterdrückt. Natürlich ging es den anderen nicht besser als ihm: „Abwurf nach Sicht und GPS-Koordinaten. Katil Acht – weiter Abwehrstellungen angreifen!“

Die nächsten zehn Sekunden waren ein Chaos aus Energiestrahlen, Explosionen, Qualm und dem Schrillen des Zielerfassungsalarms. Kano hatte keine Zeit, die Wirkung seines Bordwaffeneinsatzes zu erfassen, während er seine Maschine im Zickzackkurs an den Uferstellungen entlangführte und feuerte, sobald der Bordcomputer ein mögliches Ziel für die vier Bordkanonen erfasste. Für einen Augenblick erhaschte er einen Blick auf einen Abschnitt der Brücke. Obwohl es nicht länger als eine Sekunde dauerte, brannte sich das Bild dennoch in Kanos Gedächtnis ein: Panzer, Mannschaftstransporter, Nahschubfahrzeuge – Stoßstange an Stoßstange. Von den Fahrzeugen fingerten die Lichtimpulse von leichten Infanteriewaffen und Schnellfeuerlasern nach der Nighthawk. Gleich daneben wurde auf dem Magnetschienenstreifen eine Kolonne Gestalten in abgerissenen alliierten Uniformen ins Hinterland getrieben. Ein schriller Alarmton informierte Kano, dass die Schilde des Überlegenheitsjägers zusammenbrachen.
In diesem Chaos ertranken die Stimmen seiner Kameraden beinahe: Bunny, der mit heiserer Stimme Gebetsfetzen murmelte, während Phoenix halblaut eine Folge von Obszönitäten ausstieß.
Während Kano den Steuerknüppel jäh zu sich heranzog und seine Maschine wegkurven ließ, tauchten die beiden Bombenträger in die Nebelbank ein, die immer noch einen Großteil der Brücke verhüllte.
„BOMBEN WEG! BOMBEN WEG!“
„BOMBEN…BIN GETROFFEN!!“
In der Nebelbank blühten vier, sechs, acht, zehn Explosionen aus Feuer, Wasser, Schlamm und Rauch auf – und dann noch eine weitere, kleinere. Eine Explosion, deren Flammen eine kräftigere, rötliche Färbung hatten.
Zwei Maschinen hatten den Bombenangriff geflogen. Nur Phoenix‘ Jäger tauchte aus der die Brücke schützenden Rauchwolke wieder auf.
‚NEIN! Nein, verdammt…‘ Kano riss sich zusammen. Keine Zeit, diesen weiteren Verlust zu beklagen, wenn er nicht noch zusätzliche Opfer riskieren wollte: „Phoenix, Status?“
„Bomben abgeworfen. Wirkanalyse…“
Die Brücke stand noch. Wie um die Angreifer zu verhöhnen, enthüllte die durch die Explosionen aufgerissene Nebelwand kurz einen größeren Abschnitt des Bauwerks, zeigte die täuschend schwächlich wirkenden Stützpfeiler und Verbindungsstreben, die breite Fahrbahn.
„Alles umsonst…“, Phoenix Stimme klang tonlos, wie erloschen.

Kano schüttelte wütend den Kopf. Sie hatten versagt. Jetzt musste er dafür sorgen, dass die verbliebenen Maschinen sicher nach Hause kamen. ‚Wenigstens das habe ich noch in der Hand…‘ „ABDREHEN! Rückzug im Konturflugflug auf Extraktionsroute Drei!“ In dieser Richtung glaubte er eine leichte Schwäche des Abwehrfeuers ausgemacht zu haben. Als er die Maschine in eine enge Kurve zwang, während die feindlichen Flugabwehrlaser schon wieder nach dem TSN-Jäger tasteten, schmeckte er das bittere Aroma der Niederlage auf der Zunge.
Sie hatten versagt. Acht Piloten waren gestartet. Nur fünf würden zurückkehren.
Der imperiale Vormarsch ging weiter.

Dieser Beitrag wurde 1 mal editiert, zum letzten Mal von Tyr Svenson: 24.11.2020 17:34.

20.11.2020 14:26 Tyr Svenson ist offline E-Mail an Tyr Svenson senden Beiträge von Tyr Svenson suchen Nehmen Sie Tyr Svenson in Ihre Freundesliste auf
Cattaneo
Major


Dabei seit: 31.07.2002
Beiträge: 1.511

Auf diesen Beitrag antworten Zitatantwort auf diesen Beitrag erstellen Diesen Beitrag editieren/löschen Diesen Beitrag einem Moderator melden       Zum Anfang der Seite springen

„Schicken Sie die Marines!“
Anweisung zahlloser fiktiver (und einer Handvoll historischer) FRT-Präsidenten angesichts einer überraschenden Krise.


Randgebiete von Pa’schuk, Hinterland der Front, am 32. Breitengrad

USMC-Corporal Mariza de Menezes Cordeiro – von ihren Kameraden und Vorgesetzten meistens beim Vornamen, manchmal deMeCo oder aber bei ihrem ,Kriegsnamen‘ Urutu* gerufen – blickte sich neugierig um, als der zivile Schweberbus anhielt. Mit nicht viel über 1,60 war sie sie mit Abstand die Kleinste im Fahrzeug, wenn auch kräftig gebaut, und natürlich war ihr schwarzes Haar kurzgeschoren, wie es sich für eine Marine gehörte.
Endlich am Ziel – wo immer das auch sein mochte, denn im Moment konnte sie nichts erkennen, was ihr verriet, was sie hier genau sollten. Um sie herum begannen die Wohngegenden von Pa’Schuk, Vororthäuser der Mittelklasse, nicht annähernd so eindrucksvoll wie die berühmten Hochhäuser der peshtischen Innenstädte. Wie so viele Wohnviertel im Konkordat wurde auch dieses von einem exotisch anmutenden Tempel dominiert, der die anderen Gebäude zu Zwergen degradierte.
Sie atmete tief durch. Nicht, weil sie unbedingt frische Luft schnappen wollte, denn in dem überfüllten Fahrzeug roch es nicht gerade nach Frühlingsblumen. Aber sie hoffte auf diese Weise zu verhindern, dass sie sich übergab.
Die Fahrt war eine reine Tortur gewesen. Der Schweber hatte eine ebenso schnelle wie holperige Fahrt hinter sich, die Lüfteranlage war hoffnungslos veraltet, und sie hatte seit zwei Tagen keine vernünftige Mahlzeit mehr bekommen. Eigentlich ein gutes Sinnbild für die ganze Reise, denn das Peshten-Transportnetz war vollkommen überlastet – Luftangriffe und einige Sabotageakte hatten die Magnetschwebebahnen unterbrochen, eine geregelte Stromversorgung unmöglich gemacht und Chaos in den Fahrplänen hinterlassen. An Lufttransporte war für jemand wie sie nicht zu denken, zu knapp waren die Ressourcen, zu groß die Gefahr imperialer Jägerangriffe, um mehr als die dringlichsten Flüge zu erlauben – zumindest in einem 300-Kilometer-Abstand zu den imperialen Linien. Und von Pa’schuk, einem regionalen Verwaltungszentrum mit vielleicht einer Viertelmillionen Einwohnern, waren es nur ca. 200 Kilometer bis zur Front.
Aber das mochte sich ändern – und die Distanz sich ebenso schnell verringern, wie die Bevölkerungszahl.

Es gab einen Grund, warum nur die relativ straßenunabhängigen Schweberfahrzeuge überhaupt durchkamen – die normalen Straßen waren überfüllt von Flüchtlingen. Nachrichten von der Offensive der Kaiserlichen und ihrem Fortschreiten, durch Angst, Missverständnisse und vielleicht auch proimperiale Fehlinformationen aufgebauscht, hatten viele Peshten in Panik versetzt. Angst vor den feindlichen Truppen wie davor, ins Kreuzfeuer zu geraten führte dazu, dass sich in Sicherheit brachte, wer immer konnte. Einige von denen, die kein Geld und Mittel zur Flucht hatten, nutzen die Gunst der Stunde um Geschäfte und die Häuser ihrer reicheren Landsleute zu plündern, nur ungenügend durch Polizei, Miliz und Militär daran gehindert.
Weitaus spärlicher war der Verkehr in die Gegenrichtung, der Front entgegen. Mariza hatte sie beobachtet – Schützenpanzerwagen, Nachschubkolonnen, wo möglich unter dem Schutz von Paladin-Raketenpanzern, die Deckung gegen Luftangriffe boten. Die Peshten hatten zudem leichtere Sharp- und Mercury-Panzerfahrzeuge, mitunter gar noch leichtere, kaum gepanzerte Fahrzeuge zu Raketen- und Behelfsflakpanzern umgebaut, da sie ihrer auf Beweglichkeit basierenden Militärdoktrin eher entsprachen als die ,behäbigen‘ Paladine. Aber es gab nicht annähernd genug Transportmittel, und das bedeutete, dass man auf Notbehelfe wie ihren Schweberbus zurückgriff.
Einmal hatten sie sogar eine Kolonne älterer Jackhammer A3-Schwebepanzer überholt – ein beeindruckender Anblick, denn jeder einzelne der Panzer war mit einem individuellen großen Banner geschmückt gewesen, das eine andere der Peshten-Gottheiten zeigte, sicher als Talisman. Manche der Wesen sahen regelrecht beunruhigend aus. Mariza wusste, dass viele ihrer Kameraden über den Aberglauben der Peshten spotteten – aber das waren dieselben Leute, die zu beten anfingen, wenn in der Ferne der Donner der Artillerie zu hören war…
Es war offenkundig, dass das Konkordat alle vorhandenen Kräfte anspannte, um den Aggressoren Widerstand zu leisten – und letztlich war sie selber aus einem ähnlichen Grund hier.

Die junge Frau stolperte den restlichen Passagieren hinterher, wobei sie ihr Gepäck krampfhaft an sich presste. Sie gehörte zu den wenigen Glücklichen, die neben einem gut gefüllten Seesack und einer Pistole über eine richtige Waffe verfügten. Was unter Umständen noch von Bedeutung sein konnte, zumindest wenn man den sich wie ein Buschfeuer verbreitenden Gerüchten von Terrorzellen, imperialen Kommandos oder Sympathisanten des Kaiserreiches glaubte. Neben ihrer Walther P 902 hatte sie ein Ruger 47 Scharfschützengewehr – eine gute Waffe für den Fronteinsatz, aber in einem Hinterhalt nur von begrenztem Wert.
Um sie herum wimmelte ein buntes Sammelsurium aus Menschen und Nichtmenschen, Angehörigen der verschiedensten Waffengattungen. Etliche wirkten angeschlagen, kaum zwei gehörten derselben Einheit an. Wenn das ein Zeichen war, die gut die Verteidigung organisiert werden konnte, standen den Peshten und ihren terranischen Verbündeten noch einige harte Tage bevor.
Mariza wusste selber nicht, wohin sie eigentlich sollte – denn die erst wenige Tage alte Offensive des Kaiserreiches hatte sie bereits zur ,Waise‘ gemacht. Als Angehörige der Recon-Kompanie der 26. Brigade der Marineinfanterie,** einer von sechs Brigaden des USMC auf dieser Welt, war sie ursprünglich vom Fronteinsatz abkommandiert worden, um bei der Spezialausbildung von angehenden Snipern der Peshten-Milizen der Einsatzklasse Eins und Zwei zu helfen. Die Peshten-Militärdoktrin setzte auf den koordinierten Einsatz mobiler Schützenteams großen Wert, um feindliche Einheiten durch gezielten Beschuss von mehreren Seiten zu verunsichern und ihre Führungsstruktur und schweren Infanteriewaffen auszuschalten. Die festgefahrene Front bot den Recon Forces nicht viele Einsatzmöglichkeiten, und so hatte man viele Mitglieder für andere Zwecke abkommandiert. Das war sowohl ein Segen als auch ein Fluch, denn zwar war sie nicht selber an vorderster Front gewesen, als der Hammer niederfiel. Doch ihre Einheit – insbesondere der Kern, das 148. Regiment der Marineinfanterie – hatte zu den ersten Verbänden gehört, die von der imperialen Dampfwalze überrollt wurden. Allein daran zu denken ließ ihr die Galle hochkommen. Nicht, dass es etwas geändert hätte, wäre sie bei ihrer Einheit geblieben…
Im Moment hatte sie keine Ahnung wo die Reste ihrer Kompanie sich befanden, nicht einmal, was mit den beiden Marines war, die normalerweise im Wechsel als ihre Spotter fungierten – und in Scharfschützenkreisen hieß es nur halb im Scherz, auf die Beobachter müsse man sich besser verlassen können als auf einen etwaigen Ehepartner.
Die meisten ihrer Kameraden waren in den Strudel der feindlichen Offensive geraten, und jene, die sich wie sie im Hinterland aufhielten, waren offenbar in alle Winde verstreut und den verschiedensten Kampfgruppen zugeteilt worden.

Mariza hatte sich eigenmächtig von ihrem Posten abgesetzt – was umso leichter war, weil ihre Schüler und ihre ,Lehrerkollegen‘, Peshten und Söldner der verschiedensten Rassen, gleichermaßen in Marsch gesetzt worden waren. Sie hatte nicht lange gebraucht, um eine Fahrgelegenheit in Richtung Front zu finden, denn im Moment wurde im Hinterland mit eisernem Besen ausgekehrt was man finden konnte, und zugleich aus dem Strom der zurückflutenden Versprengten herausgegriffen, was noch verwendungsfähig wirkte. Sandsäcken gleich wurden eilige gebildete ad-hoc-Einheiten dem bröckelnden Damm gegen die imperiale Flut zugeführt.
Seit drei Tagen war sie unterwegs, hatte sich aus dem ernährt, was sie in ihrem Marschgepäck hatte und was von überlasteten Verpflegungsstellen ausgegeben wurde – die mitunter einfach örtliche Supermärkte besetzt hatten, und an die zurückflutenden Verwundeten und die vorrückenden Verstärkungen ausgaben, was sich finden ließ.
Natürlich war Mariza klar, dass sie sich im Grund töricht verhielt. Eine einzelne Frau bedeutete in diesem Krieg gar nichts, und es wäre sinnvoller gewesen, sie hätte gewartet, bis man sie irgendwohin beorderte. Aber angesichts des Schicksal ihrer Einheit UND ihrer ,Schüler‘ hielt sie es einfach nicht im Hinterland aus. Natürlich konnte es nicht ewig so weiter gehen – irgendwo musste wieder so etwas wie Struktur in dieses Chaos kommen. Und offenbar sollte genau das hier geschehen.

Unteroffiziere und niedrige Offiziere brüllten durcheinander, freilich weniger um die Soldaten anzutreiben, als vielmehr um sich im Durcheinander bemerkbar zu machen:
„Antreten nach Waffengattungen! Milizionäre Klasse Eins – dort drüben, Einsatzklasse Zwei und Drei bei den Bussen bleiben!“
„Bewegung, Bewegung – irgendjemand mit medizinischer Ausbildung? Einreihen!“
„Wer hat einen Führerschein der Militärklasse Drei oder besser? Melden!“
Die Männer und Frauen, Angehörige dutzender Einheiten aus einem halben Dutzend Waffengattungen und ebenso vielen Spezies wuselten durcheinander wie ein Ameisenhaufen, in den jemand einen Stein geworfen.
,Ich hoffe nur, wir erweisen uns am Ende als Armeeameisen‘***
Es war nicht zu übersehen, dass immer wieder nervöse Blicke gen Himmel gingen. Zwar waren sie weit hinter der momentanen Front, doch ein paar hundert Kilometer waren im modernen Krieg nur wenige Minuten Flugzeit.
„Terranische Armee 100 Meter die Straße entlang…“
„FRT-Marineinfanterie irgendwer? Zu MIR!“
Bei diesen Worten setzte sich Urutu in Bewegung. Der Sprecher hob sich deutlich von grob geschätzt 95 Prozent der übrigen Soldaten und auch Offiziere ab. Die Uniform des hageren Lieutenants – wiewohl Gefechtskluft – saß passgenau und wies keinen Flecken auf. Er war glatt rasiert, während die meisten Soldaten nach den meist tagelangen Irrfahrt reichlich ,zerknautscht‘ wirkten. Er trug nur eine Pistole, kein Gewehr oder Handgranaten, wo die meisten Fronttruppen auf eine schwerere Bewaffnung setzten. Allerdings hatte er zwei Schrankwände von Soldaten bei sich, doch auch deren Uniformen und Gewehre waren in makellosem Zustand.
Der Offizier nahm sich die Zeit, die Papiere jedes Marineinfanteristen zu studieren. Seine Prioritäten wirkten aber etwas merkwürdig.
„129. Combat Logistic Bataillon? In Ordnung, reihen Sie sich dort ein. Es geht gleich weiter.“
„62. Artillerieabteilung, Ladeschütze…nein, Private, tut mir leid, Sie sind bei mir an der falschen Adresse. Schließen Sie sich den Heerestruppen da drüben an, soweit ich weiß sollen die eine Sperrabteilung aufstellen, und brauchen sicher noch jemanden.“
„150. Infanterieregiment, 31. Brigade? Ausgezeichnet, setzten Sie sich. Kein Gewehr? Macht auch nichts…“

Mariza warf einen Blick auf den Infanteristen, der sich zu dem langsam wachsenden Grüppchen gesellte. Da die Marines bestenfalls ein Viertel der terranischen Truppen auf Gamma Eridon ausmachten, waren in dem Transport nur eine Handvoll Angehörige des Corps gewesen. Das 150. Regiment kannte sie allerdings, denn die Truppe gehörte zu einer Schwesterbrigade ihrer eigenen. ,Ihre‘ 26. Brigade führte ihre Tradition auf die 3. Südamerikanische Marinedivision zurück und davor auf die CFNA Brasiliens, während die 31. Brigade sich als Erben der 5. Südamerikanischen Division, hervorgegangen aus den argentinischen COIM verstanden.+ Natürlich wurden die Einheiten nicht streng entlang regionaler oder ethnischer Kriterien rekrutiert, und nicht jeder Marine gab auf die ,antike‘ Tradition seiner Einheit viel, vor allem wenn er aus einer Reserveeinheit versetzt worden war. Aber für viele war das ein wichtiger Bestandteil ihrer Identität.

Weiter vorne in der Reihe spitzten sich die Dinge offenbar ein wenig zu, denn nach tagelanger Irrfahrt war nicht jeder Soldat bereit, ein ,Nein!‘ als Antwort zu akzeptieren.
„37. unabhängiges Panzerbataillon, sagen Sie? Gehen Sie in diese Richtung weiter. In einem halben Kilometer gibt es eine Ergänzungsstelle für die 16. Heeres-Panzerbrigade…NEIN, ich weiß NICHT wo Sie eine Corps-Panzertruppe finden können. Setzen Sie schon den Arsch in Bewegung, Marine! Wissen Sie nicht, dass wir im KRIEG sind?! Und kommen Sie nicht auf die Idee, auf eigene Faust nach Anschluss zu suchen, ich lasse Sie der Army ankündigen…“
Urutu hielt den Atem an und machte sich bereit, einzugreifen, falls es nötig sein sollte. Aber der Panzerfahrer hatte offenbar eingesehen, dass er nur den Kürzeren ziehen würde und trollte sich.
Der Lieutenant schüttelte den Kopf: „Der nächste!“

Als Mariza kurz darauf an der Reihe war, musterte der Offizier sie für einen Moment prüfend. Die Soldatin bot ja auch einen etwas merkwürdigen Anblick – das Gewehr wirkte eindeutig zu groß an jemandem mit ihrer Statur. Aber nach einem Blick auf ihre Papiere hellte sich die Miene des Mannes auf: „Recon Marines? Ausgezeichnet. Setzen Sie sich zu den anderen. Haben Sie volle Schleich- und Gefechtsausrüstung – Nachtsichtbrille und so weiter? Bestens. ,Fuerte a la vez que Fieles.’”
Urutu grinste schmal: “Nicht ganz, das ist die 27. Brigade. Unser Motto lautet ,Adsumus – Hier sind wir.‘ Aber das passt ja auch.“++

Als das Screening abgeschlossen war, waren gut drei Dutzend Marines versammelt – von der Scharfschützin bis zum Koch, ein Spezialist für schwere Infanteriewaffen ebenso wie eine Sanitäterin. Die meisten hatten nur eine Seitenwaffe, vielen fehlte auch ein Teil des Marschgepäcks. Dennoch schien der Lieutenant leidlich zufrieden: „Alle herhören! Ruht euch aus, so lange ihr noch könnt. Wir werden gleich abgeholt. Es wird ein Lufttransport, also haltet eure Kotztüten bereit. Wir müssen nur noch auf den Rest des Transports warten.“ Weiter ging er nicht in die Einzelheiten – weder, wohin es gehen sollte, noch auf wen sie warten sollten oder gar, was sie am Ziel erwarten mochte.
Mariza war nicht die einzige, bei der die Augenbrauen bei diesen Worten hochgingen. Lufttransport kam zwar vor, aber in dieser Situation und bei einer so zusammengewürfelten Truppe wirkte es wie ungerechtfertigter Luxus. Ein Schweber war schnell genug, um die Entfernungen zu Front in ein paar Stunden zurückzulegen, selbst wenn man Umwege fahren musste.
Aber zu den ersten Dingen, die man einem Marine einbläute, war die Bereitschaft, Befehle auszuführen, ohne zu viele Fragen zu stellen, auch wenn der Gehorsam des Corps nicht so legendär war wie etwa derjenige der Fremdenlegion.

***

Tatsächlich verging nur eine halbe Stunde, bis der Lieutenant den Männern und Frauen befahl aufzustehen. Offenbar hatte man ihm Bescheid gegeben, dass es Ernst wurde. Zuerst traf der angekündigte ,Rest des Transports‘ ein – bestehend aus zwei unbewaffneten und auch ungepanzerten Lastenschwebern. Die einzige Absicherung bestand aus einem leichten Scoutschweber unbekannter Bauart, offenbar ein Peshten-Modell. Der eine Lastenschweber war offenbar mit den verschiedensten Nachschubsgütern beladen, einschließlich Munition – was eine eklatante Missachtung von Sicherheitsbestimmungen bedeutete. Aber in der gegenwärtigen Situation pfiffen die Peshten offenkundig auf die Dienstvorschrift. Auf dem anderen drängten sich knapp zwei Dutzend Männer und Frauen – unverkennbar Marines, aber ohne Waffen, Helme oder auch nur Gefechtsanzüge. Vielmehr trugen sie leichte Dienstuniformen. Die vier Corps-Militärpolizisten auf dem Schweber hingegen waren sehr wohl bewaffnet. Man brauchte nicht viel Phantasie um sich auszumalen, um wen es sich bei den Passagieren handelte. Offenkundig hatte man eine Arrestanstalt – kein echtes Militärgefängnis – geleert, in der man für mittelschwere Dienstvergehen landen konnte.
Um ein Haar hätte Mariza in die gemurmelten Verwünschungen eingestimmt, die einige ihrer Kameraden ausstießen. Die ,Verstärkung‘ bestand gewiss nicht aus Schwerkriminellen, aber ein paar Störenfriede waren mit Sicherheit dabei.
Der Lieutenant überging diese Reaktionen großzügig, als er die Delinquenten absitzen ließ und sie ,sortierte‘. Drei Soldaten, die er auf Grund ihrer Ausbildung für nicht brauchbar hielt, ließ er von der Militärpolizei abführen, der Rest wurde in provisorische Gruppen eingeteilt, die jede einen Infanterieunteroffizier vorgesetzt bekamen – verbunden mit der Ankündigung, wer Schwierigkeiten mache, können sich auf den Job als Kühlerfigur für einen Armeepanzer freuen.

Viel Zeit, sich mit den Neuzugängen anzufreunden – oder, wesentlich wahrscheinlicher, anzulegen – blieb jedoch nicht, denn kurz darauf war das charakteristische Heulen von Triebwerken zu hören. Ungeachtet dessen, dass vermutlich auch die anderen Offiziere entlang der Straße das Kommen der Maschinen angekündigt hatten, reichte der Klang, um Unruhe heraufzubeschwören, die fast an Panik grenzte, und das nicht nur unter den Zivilisten. Kein sehr beruhigendes Zeichen.
Zwei gedrungene S-41-Landungsfähren ließen sich mit der Eleganz fallender Backsteine vom Himmel herabsacken. Weit, weit über ihnen schwebten zwei Kampfflieger.
Die Shuttles hatten kaum aufgesetzt – eine beeindruckende Punktlandung direkt neben den Marines, selbst wenn man berücksichtigte, dass die Piloten für Entermanöver gegen feindliche Schiffe gedrillt worden waren – als auch schon die Rampen gesenkt wurden.
Der Lieutenant hielt die Marineinfanteristen jedoch zunächst zurück: „Wartet. Alle zwanzig Schritt weg.“
Und da kamen sie auch schon, mehr als 20 aus jedem der Shuttles. Marines in – makellos sauberem – Kampfanzug, voll bewaffnet und mit Sturmgepäck. Mit verschlossenen Mienen marschierten die Männer und Frauen, und enterten dann die Lastenschweber, wo sie sich auf den Ladeflächen verteilten.
„In Ordnung, das genügt.“ Bei diesen Worten sprangen die Marines wieder herunter. Einer der Begleiter des Lieutenants hatte den ganzen Vorgang gefilmt.

War schon die Ankunft der Ex-Sträflinge mit einiger Verwunderung quittiert worden, glotzten nun einige von Marizas Kameraden wie die sprichwörtlichen Ochsen vor dem neuen Tor.
Den Lieutenant kümmerte das natürlich nicht, und eine Erklärung gab er schon gar nicht: „Herrschaften…“ das schloss offenbar alle ein: „es gibt viel zu tun.“
Langsam schob sich der beladene Lastschweber heran, bis er etwa mittig zwischen den Shuttles zum Stehen kam.
Der Lieutenant gestikulierte wie wild mit den Armen: „Beeilung! Verstaut euren Kram sicher an Bord, dann Ladekommandos bilden – die Fracht muss so schnell wie möglich an Bord und gesichert werden.“
In die Details der Arbeit mischte er sich jedoch nicht ein – was eine weise Entscheidung war, denn dies überließ man besser den Lademeistern der Shuttles. Und so beschränkte er und seine zweie Stiernacken drauf, die Marines brüllend zur Eile anzutreiben.
Mariza brachte ihren Seesack in einem in die Wand eingelassenen Container unter, ihre Waffe kam in eines der Regale, die über den Mannschaftsraum verteilt waren und es erlaubten, die Waffen griffbereit aber zugleich so sicher zu verstauen, dass sie selbst bei brutalen Manövern nicht durch die Kabine flogen. Dann reihte sie sich in die Tragekolonne ein. Angetrieben von den Schreien des Offiziers und den Kommandos der Lademeister wanderte eine Kiste nach der anderen in den Frachtraum. Im Grunde war die Antreiberei überflüssig. Wohl keiner der Marines, der nicht hin und wieder einen nervösen Blick zum Himmel riskiert hätte. Mit zwei Shuttles am Boden waren sie genau die Art von Ziel, von dem die Kaiserlichen träumten.

Was dann geschah, musste fast unausweichlich, zwangsläufig erscheinen. Ein Marine ließ die Kiste, die er gerade weiterreichen wollte, zu früh los, ein anderer fasste zu langsam oder nicht kräftig genug zu, der Griff rutschte ab…der gellende Schmerzensschrei schnitt durch die Kommandos und das Keuchen der Männer und Frauen.
Fluchend sprang der Leutnant herbei: „Sani!“
Doch noch während der Verwundete – das Bein seiner Uniformhose war blutüberströmt – beiseite gezerrt wurde, schloss sich die Kette der Arbeitenden wieder, und die Lademeister ließen nicht zu, dass das Tempo auch nur ein bisschen gedrosselt wurde. Auch Mariza riskierte nur einen kurzen Blick auf den Kameraden, dem eine Sanitäterin gerade Stiefel und Hosenbein herunterschnitt. Dann konzentrierte sie sich wieder auf die Arbeit – auf das Gewicht der Kiste in ihren Händen, den Schmerz in den Fingern, ihren rasenden Herzschlag und das nur zu vertraute, aber verhasste Gefühl des Schweißes auf ihrer Haut.
Und dennoch, trotz aller Bemühungen war der Lasttransporter erst zu gut zwei Dritteln entladen, als der Lieutenant mit einmal mit wilden Armbewegungen Halt gebot: „Stopp! Aufhören, alles absetzen!“
Für einen Moment warf er einen Blick gen Himmel: „Alle Mann an Bord! Anschnallen, wir heben ab! BEEILUNG!“ Mehr als das brauchte es nicht. Mit fliegender Hast rannten die Marines, egal ob die ursprünglichen Shuttlepassagiere, Marizas Kameraden oder die entlassenen Gefangenen die Rampe hinauf. Die Lademeister fungierten wie Schäferhunde und achteten, dass die menschliche Fracht sich gleichmäßig auf die beiden Raumfahrzeuge verteilte.

Die letzten Soldaten in Marizas S-41 angelten noch fahrig nach den Gurten, als die Shuttles schon abhoben – was zu einigen Gefluche führte, und zu Marines, die nur mit Mühe verhindern konnten, durch den Frachtraum geschleudert zu werden. Obwohl das Shuttle über Andruckabsorber verfügte, waren die Fliehkräfte zu spüren – der Pilot gab offenkundig gehörig ,Stoff‘. Für irgendjemanden waren dies und der plötzliche Adrenalinschub wohl zu viel, und er oder sie übergab sich geräuschvoll – hoffentlich in eine Tüte. Mariza traute sich nicht, nachzusehen, kämpfte sie doch selber mit der Übelkeit.
Durch Zufall hatte sie einen Platz an der offenen Tür zum Cockpit ergattert und bekam so das meiste mit, was vorne vor sich ging.
Der Lieutenant, der den ganzen Einsatz leitete, verschmähte es, sich hinzusetzen, auch wenn er sich mit beiden Armen festklammerte, und redete auf die Cockpitcrew ein: „Müsst ihr so tief fliegen? Wir gravieren uns noch in den Boden…“
Das wurde mit einem Schnauben beantwortet: „Anweisung der Peshten. Sie können keine Feuerdisziplin der Truppen garantieren, und wenn wir höher fliegen, kriegen wir garantiert Bodenbeschuss. Und so können wir ein bisschen Deckung suchen…“
„Kann mir nicht vorstellen, dass die Peshten es gerne sehen, wenn wir mit den Kaiserlichen Pissern hinter ihren Gebäuden Verstecken spielen!“
„Tja, deshalb müssen wir auch auf freiem Feld bleiben – außerdem ist es dann weniger schlimm, wenn einer in den Bach rauscht.“

Nicht unbedingt ein Detail, das man gerne hörte. Mariza hatte in den sechs Jahren Krieg 37 Monate Fronteinsatz absolviert. Auf Gamma Eridon und Alis Minor hatte sie den Stellungs- und ,Rattenkrieg‘ erlebt, Bewegungsgefechte im Dschungel, drei größere Flußforcierungen, einen Monat Kampf in einem Mangrovendelta und ein halbes Dutzend Gebirgsschlachten. Aber wenn sie etwas hasste, dann in einer Metallkiste zu sitzen, die im Tiefflug dahinraste, ohne zu wissen, wann und wer sie unter Feuer nehmen würde. Aus einem getroffenen Transportpanzer konnte man noch ausbooten. Wenn aber das Shuttle einen tödlichen Treffer kassierte…
Mit einmal war eine harte Frauenstimme zu hören: „Achtung, hier Guardian Eins. Wir kriegen Besuch. Vier Cockroaches im Anflug, kommen wohl gerade von einem Bombenangriff im Hinterland. Feuereröffnung auf mein Zeichen – ich gebe euch Peilung.“
Das provozierte einen Einwand: „Unsere ,Rules of Engagement‘ sagen, wir dürfen erst nach Feuereröffnung…“
„Fick deine Regeln ins Engagement und fick dich selbst!“ schnappte die Frau – offenkundig eine Pilotin: „Ich habe Autorisierung von den Peshten, auf alles zu schießen was fliegt, also werden wir das auch tun! So wie ich es sage, will ich von euch Raketen in der Luft haben, IST DAS KLAR!?“

Mariza, die angespannt gelauscht hatte – zum Gutteil, um sich von den wenig ersprießlichen Zukunftsaussichten abzulenken, die sie sich ausmalte – wurde mit einmal zur Seite geschleudert, als irgendetwas das Shuttle mittig traf und durchschüttelte. Ihre Kameraden hatten sich bemerkenswert gut im Griff – es gab kein angstvolles Geschrei, allerdings eine Kakophonie von Flüchen, zweifellos eine Bewältigungsstrategie.
Der Lieutenant fluchte ebenfalls unflätig: „Was verf…“
Für einen Moment sackte das Shuttle mit einer übelkeitserregenden Plötzlichkeit ab. Doch ehe noch jemanden Recht zu Bewusstsein kommen konnte, was das bedeuten mochte, wurde es bereits abgefangen und nahm – Haken schlagend – Kurs auf. Wie ein Hase, dem der Falke im Nacken saß. Allerdings in diesem Fall…
„Keine Echse…“ fluchte die Kopilotin unterdrückt: „leichtes Gaussgeschütz, Panzerfahrzeug.“
„Verschissen und Eins! Fehlt noch, dass unsere eigenen Leute uns abballern!“
Mariza konnte dem nur lautlos beipflichten. Hilflos in ihren Gurten hängend, konnte sie lediglich abwarten, was als nächstes geschah. Ein Blick aus den Sichtluken des Shuttles bot einen wahrhaft atemberaubenden Anblick. Atemberaubend wie eine Schlinge um den Hals.
Das Shuttle flog maximal 50 Meter über dem Boden, oft auch noch tiefer – was hieß, bis zu einigen Baumkronen waren es vielleicht 20, 30 Meter. Immer wieder schwankte es hin und her, legte sich in Kurven. Hin und wieder spie es ganze Kaskaden von Täuschkörpern aus. Die Abwehrmanöver galten nicht nur den Kaiserlichen, denn vom Boden tasteten ein um das andere Mal feurige Finger nach der Maschine oder ihrem Schwesterschiff. Sie wirkten unkoordiniert, geradezu panisch, aber das nahm ihnen wenig von ihrer Bedrohlichkeit. Offenbar feuerten die Peshten-Truppen – und sicher auch einige Terraner – in ihrer Nervosität auf alles was flog, mit Handfeuerwaffen, Fahrzeuggeschützen und Schnellfeuerlasern.
In dem Moment war wieder die Frauenstimme zu hören: „Cargo Eins und Zwei, Peilung steht…FEUER!“
Das Shuttle ruckte leicht – dann waren zwei Sparrows auf dem Weg.

Für einen Moment herrschte Schweigen – dann explodierte das Cockpit in Triumphgeheul: „Das saß! Da geht einer runter!“
Die Stimme der Jagdpilotin klang fast belustigt: „Gratulation – wer von euch auch immer den Treffer verbucht hat, auch wenn diese Kakerlake nicht WIRKLICH zerquetscht ist. Aber sie ist waidwund – um die braucht ihr euch keine Sorgen mehr zu machen. Mit etwas Glück muss sie runter, ehe sie über die Front kommt. Aber nicht übermütig werden, es bleiben noch drei.“
„Solltet IHR uns die nicht vom Leib halten?“
„Na, dann schaut mal zu und lernt…!“

Die folgenden Stunden – genauer gesagt waren es fünf Minuten – waren ein Alptraum. Das Shuttle blieb im Tiefflug, immer wieder durch Bodenfeuer oder die anspringende Raketenwarnung zu Ausweichmanövern gezwungen. Aber offenbar waren auch die Echsen in einem Dilemma. Flogen sie zu hoch, setzten sie sich massivem Bodenbeschuss mit schwerer Flak und vor allem SAM-Werfern aus, von den terranischen Jägern ganz zu schweigen. Im Tiefflug aber klappte es mit der Zielerfassung für die Raketen nicht, abgesehen davon, dass sie dann dichter an die Shuttles heran mussten, die natürlich mit ihren Laserkanonen wie wild um sich ballerten. Zwar waren die pfeilschnellen imperialen Atmosphärenmaschinen auch zum Senkrechtflug in der Lage und an Wendigkeit jedem Shuttle weit überlegen. Aber sie hielten weitaus weniger Beschuss aus und hatten keine Schilde. Und immer wenn einer drohte sich auf das Shuttle einzuschießen, war ein terranischer Jäger da, der den Gegner verjagte.
Und während der ganzen Zeit gab Guardian Eins Anweisungen über Sprechfunk, dirigierte das Raketenfeuer der Shuttles und warnte aus ihrer überlegenen Position vor Gefahren. Sie war nicht immer erfolgreich – Mariza konnte aus dem Wortfetzen aus dem Cockpit erkennen, dass das zweite Shuttle einige Treffer kassiert hatte. Aber die Teamarbeit verhinderte Schlimmeres.
Das Ende kam ebenso unerwartet wie brutal. Gerade hatte das Shuttle einmal mehr eine Raketensalve abgefeuert, als irgendwo hinter ihm eine Explosion aufloderte. Die Schockwelle war stark genug, dass sie das Raumfahrzeug – immerhin so schwer wie ein großer Schützenpanzer – gehörig durchschüttelte.
Grimmige Genugtuung sprach aus den Worten der Pilotin: „Guardian Eins hier – ich nehme an, das war es, falls hier nicht irgendwo ein Ungeziefernest ist. Eine Kakerlake zerquetscht, den anderen haben wir zumindest auf die Beine getreten. Wir hatten Glück, dass sie nur so wenige BBs, ich meine AAMs hatten, vermutlich weil sie für einen Luftangriff bestückt waren. Ich denke, denen haben wir den Schneid abgekauft.“
Die Stimme der Frau klang mit einmal aufrichtig betrübt: „Schade eigentlich. Ich hätte gerne den Havaristen abgeknallt, den ihr verkrüppelt habt. Aber ich denke, wir sollten lieber bei euch bleiben, da? Soll ich euch zum Startplatz zurück eskortieren? Ihr habt ja einiges an Fracht zurückgelassen.“
Überraschenderweise schaltete sich an der Stelle der Corps-Lieutenant ein, obwohl er in der Luft keine Befehlsgewalt hatte: „Negativ! Wenn die Echsen nicht dämlich sind, haben sie gefunkt, bevor sie uns angegriffen haben. Ich wette, sie haben die Gegend hier schon markiert, und bald gibt es Kurzstreckenraketen.“ Damit meinte er Marschflugkörper, deren Reichweite unter 1.000 Kilometer lag, und die meistens einen Sprengkopf von rund einer halben bis einer ganzen Tonne Gewicht transportierten. Von mobilen Startrampen verschossen, waren sie eine beliebte Alternative zum Einsatz von Kampffliegern – wenn man wusste, wohin man zu zielen hatte.

„Guter Einwand. Dann sehen wir mal…VERFICKTER SCHEIßMIST!“
„Radarwarnung…anfliegende Marschflugkörper!“
„Steigen, steigen, STEIGEN!“
Irgendwo vor dem Shuttle musste es eine – oder mehr als eine – Explosion gegeben haben, hell genug, dass es schien, als ob das Shuttle mit der Schnauze genau auf die Sonne zielte, denn selbst Mariza musste ihre Augen schließen, so grell blitzte es hinter den Sichtluken. Das Fahrzeug rüttelte heftig, konnte aber die Flugbahn wieder stabilisieren.
„Das war eine Abwehrrakete…ich glaube, sie haben ein, zwei Raketen…oh VERDAMMT! Tschernaja Pisdez!“+++

Wider besseren Wissens richtete sich Mariza auf, um einen Blick aus einer der Sichtluken zu werfen. Sie war eine erfahrene Soldatin, doch selbst sie konnte nur mit Mühe einen Fluch unterdrücken.
Unter ihr brannte die Vororte von Pa’schuk. Fünf, vielleicht sechs Kurzstreckenraketen waren dem Abwehrschirm der Peshten entgangen – jede stark genug, um in einem Radius von 50, 60 Metern solide Gebäude einzuebnen, und auf hunderte Metern alles mit Splittern und Trümmern zu spicken. Sie waren zwar auf die Straße gezielt gewesen, aber die Verwüstungen betraf auch zahlreiche Wohnhäuser. Feuer loderten auf und drohten sich unkontrolliert auszubreiten. Da unten musste Treibstoff aus den Tanks der Fahrzeuge brennen, Trümmer der Geschosse, die die Abwehr abgefangen hatte…
Sie mochte nicht daran denken, wie es an Boden sein musste für die verbliebenen Einwohner, die Flüchtlinge, die versprengten Soldaten auf der Straße. Mit einigen hatte sie vor einer knappen Stunde noch im selben Bus gesessen. Wie viele mochten jetzt tot, verwundet, verstümmelt sein? Irrte da unten vielleicht ein Kind umher ohne Eltern, Eltern, die ihre Kinder suchten in den Trümmern, ein Kamerad mit zerfetzten Gliedmaßen auf der Suche nach Hilfe?
Mariza war Soldatin, aber ihre Schlachten hatten meist auf dem ,leeren Schlachtfeld‘ stattgefunden – wenn in Städten gekämpft worden war, hatte die Bevölkerung diese meistens verlassen, bevor die Soldaten eintrafen. Selten hatte sie die Auswirkungen auf eine unvorbereitete Siedlung so unmittelbar vor Augen gehabt.
Eine mitleidige Regung hätte verlangt zu landen, um zu helfen. Sie konnten Verschüttete aus den Trümmern bergen, Verletzte evakuieren, hatten Verbandmaterial und medizinisches Personal an Bord.
Aber dieser Krieg bot für Mitleid wenig Platz. Mit einmal war wieder die harte Stimme der Jägerpilotin zu hören, mit dem befehlsgewohnten Klang einer höherrangigen Offizierin: „Genug Sightseeing. Wir haben ein Ziel, und nur zuschauen nützt auch nichts. Bringens wir‘s hinter uns, wir sollten uns beeilen. Aber glaubt mir eines, das merke ich mir, so gut wie wir alle, denke ich. Und eines Tages stopfen wir es den verdammten Echsen in die Kehle zurück, bis sie daran ERSTICKEN.“

***

Betäubt von dem, was sie gesehen – und mehr noch von dem, was sie sich ausmalte – brauchte Mariza eine ganze Weile ehe sie registrierte, dass der Kurs des Shuttles ein ganz anderer war, als zunächst erwartet. Sie gingen nicht nach einem kurzen aber rasanten Steigflug in den Horizontalflug über – und die Reise zog sich auch deutlich länger hin, als sie zunächst vermutet hatte.
Zu ihrer Überraschung bemerkte sie, dass jenseits der Sichtluken nicht mehr das Blau des Himmels war oder die Wolken, sondern die Schwärze des All, unterbrochen nur von dem Glitzern ferner Sterne – und gelegentlich den Feuerschweifen aus den Triebwerken der begleitenden Jäger. Auch ihre Kameraden warfen einander verwunderte Blicke zu. Wohin um alles in der Welt brachte man sie?
„Also dann, gute Reise!“ ließ sich schließlich die Jägerpilotin vernehmen: „Den Rest des Weges schafft ihr ja wohl ohne uns. Das war gute Arbeit da unten.“
„Vielen Dank für die Blumen. Und gut, dass Sie geholfen haben. Bei wem können wir uns eigentlich bedanken?“
„Bei den Fighting Stallions – das Callsign meines Wingkameraden lautet Knight. Ich bin Lilja. Man sieht sich.“ Und damit brachen die beiden Jäger zur Seite weg.
Als das Shuttle schließlich abbremste, wurde klar wohin die Reise ging. Um das S-41 schwebten die bedrohlichen Rümpfe terranischer Kriegsschiffe – und direkt vor ihnen ragte wie eine Festung aus Stahl ein Kreuzer, wohl einen halben Kilometer lang. Der Hangar wirkte wie das geöffnete Maul eines urzeitlichen Ungetüms.
Der Lieutenant wartete nicht einmal ab, bis die Shuttles gelandet waren, als er die Marines aufforderte sich zu erheben: „Nur keine Müdigkeit vorschützen! Macht euch mit eurem neuen Zuhause vertraut, und ich rate, dass ihr euch am Riemen reißt, auch wenn euch das eine oder andere merkwürdig vorkommen sollte…“
Bei diesen recht kryptischen Worten setzte Marizas Shuttle auf. Die Rampe senkte sich…

Als sich die Marineinfanteristin nach draußen drängelte, Waffe und Seesack geschultert, bekam sie einen ersten Eindruck, was der Offizier gemeint haben mochte. Zur Begrüßung der Neuzugänge war eine Formation Soldaten angetreten, doch wich der Schnitt der Uniformen leicht von dem der USMC ab. Vor allem die Flagge über ihnen – aufgehende rote Sonne auf weiß – kam als Überraschung, ebenso der Umstand, dass der kommandierende Offizier der Formation ein archaisch wirkendes Schwert trug. Auch seine Rangabzeichen wirkten unvertraut.
Die Marines formierten sich mehr recht als schlecht, ein durcheinander gewürfelter Haufen aus einem halben Dutzend Brigaden. Glücklicherweise schien ihr Gegenüber Geduld zu haben. Er wartete, bis die ehemaligen Arrestanten und Versprengten so etwas wie eine Linie gebildet hatten. Dann ertönte ein kurzes Hornsignal.
„Marines…STILLGESTANDEN!...Rührt…Euch.“
Nun, nachdem den Bräuchen Genüge getan worden war, musterte der Offizier seine Gäste:
„Soldaten des USMC. Willkommen in eurem neuen Zuhause, der NAKANO TAKEKO. Ich bin Santo Kaisa – das heißt in etwa Major – Hanzo Nagata von der Nationalgarde der Japanischen Republik. Ihr werdet hier untergebracht, bis ihr als Alarmeinheit fungieren könnt. Dann wird man euch wieder zum Einsatz bringen. Die Details erfahrt ihr in den nächsten Tagen.“
Das stank natürlich, es stank sogar gewaltig. Warum brachte man die Soldaten nicht auf Gamma Eridon in einer Kaserne unter und formierte sie dort zu einer Einheit, oder nutze sie einfach, um angeschlagene Verbände zu verstärken?
„Ihr habt Fragen, das kann ich mir denken. Und diese Fragen werden zu gegebener Zeit beantwortet werden. Bis dahin verlasse ich mich darauf, dass ihr eurem Diensteid getreu das Menschenmögliche tun werden. Es mag eine Umstellung bedeuten, mit einmal unter Fremden dienen zu müssen, an einem unvertrauten Ort, unter dem Befehl von Offizieren, die ihr nicht kennt, und die teilweise nicht einmal derselben Waffengattung angehören. Aber wenn es etwas gibt, wofür das UMSC bekannt ist, dann für die Fähigkeit, sich Unvorhergesehenem zu stellen, und es nicht nur zu ertragen, sondern es auch zu meistern.“
Einige Marines brachen in das traditionelle „Oorah!“ aus, das die USMC von den nordamerikanischen Marineinfanteristen ,geerbt‘ hatten, aber andere wirkten unsicher. Doch wo der eine oder andere USMC-Offizier den Mangel an Begeisterung ebenso scharf wie lautstark gerügt hätte, nickte Hanzo Nagata nur: „StillGESTANDEN…rührt EUCH! Wegtreten. Unteroffiziere zu mir, der Rest in den Pausenraum…“
Corporal de Menezes Cordeiro atmete noch einmal tief durch. Vielleicht würde sie jetzt erfahren, was das alles bedeutete. Und selbst wenn nicht – am wichtigsten war, dass sie eine Chance bekam, ihren Kameraden am Boden zu helfen, und das bald. Auch wenn sie dafür die Befehle von Nationalgardisten befolgen musste, dann war das kein zu hoher Preis. Blieb nur abzuwarten, ob das alle ihrer Kameraden genau so sahen.
Mit diesen unerfreulichen Gedanken machte sie sich auf den Weg.

***

„Ungeachtet rücksichtslosen Einsatzes von Material und Soldaten, die ohne einen Gedanken an eigene Verluste oder die Zivilbevölkerung vorgehen, kommt die imperiale Offensive kaum voran. Konkordatsstreikräfte schossen binnen des letzten Standard-Tages insgesamt 23 Panzer und mehr als 40 leichte gepanzerte Fahrzeuge ab, die Zerstörung weiterer gilt als wahrscheinlich. Das verbrecherische Vorgehen der Kaiserlichen – etwa der rücksichtlose Beschuss von Wohnvierteln in Pa’schuk, dem auch ein mehr als 150 Jahre alter Tempel zum Opfer fiel – steigert nur die Entschlossenheit unserer Heldinnen und Helden. Auch unsere terranischen Verbündeten leisten aufopferungsvoll ihren Beitrag. Die TSN stellt sogar die Marineinfanterie ihrer Schiffe als Ersatzkräfte zur Verfügung, um erschöpfte Kameraden auszuwechseln. Ihre Shuttles evakuieren Verwundete – Peshten, Menschen und andere – und entlasten so die Krankenhäuser, fliegen Nachschub und Truppen dorthin, wo sie am dringendsten benötigt werden. Heute gilt einmal mehr – vereint sind wir unbezwingbar, und das wird das Kaiserreich einmal mehr lernen müssen!“
Propagandaclip im Abendprogramm des staatlichen Ersten Senders von Gamma Eridon

*****

* Urutu – besonders in Brasilien gebräuchliche Bezeichnung für die Halbmond-Lanzenotter, eine kleine bis maximal mittelgroße, kräftig gebaute Giftschlange. Auf Störungen kann sie aggressiv reagieren, wobei der lanzenartig vorschießende Vorderkörper beachtliche Angriffsreichweiten erzielen kann. Ihr Gift ist ohne Behandlung nicht selten tödlich.

** Auch wenn die terranische Marineinfanterie über eine Reihe Divisionen verfügt, viele Kommandeure halten die Brigade für die beste Einheit unter taktischen Gesichtspunkten. Sie ist flexibel und ohne größere Probleme komplett mit einem Nassau-Truppentransporter verladbar. Den Kern jeder Brigade bildet normalerweise ein Infanterieregiment mit drei Bataillonen (Heeresbrigaden haben nicht selten zwei Primärregimenter). Unterstützung erhalten diese im Normalfall durch ein meist mittelschweres Panzerbataillon, eine Abteilung mechanisierte Artillerie mit zwei bis vier Batterien und eine Kompanie Pioniere. Neben dem Brigadestab und den nötigen Nachschubs- und Unterstützungseinheiten verfügen etliche Brigaden zudem über eine Kompanie Recon-Marines, einige auch über eine Schwadron Atmosphärenflieger. Insgesamt besteht eine Brigade des USMC meist aus ca. 1.500 bis 2.000 Männern und Frauen an Kampftruppen und derselben Zahl an Angehörigen der rückwärtigen Dienste. Das Corps verfügte auch über Panzerbrigaden, in denen oft das Verhältnis Infanterie und Panzer umgedreht zu einer normalen Brigade ist.

*** Bezeichnung für die in Schwärmen von Millionen Einzelwesen auftretenden irdischen Wanderameisen, namentlich die südamerikanischen Arten. Sie sind für ihre Aggressivität berüchtigt, obwohl viele Geschichten wohl etwas übertrieben sind. Die Bezeichnung wurde auch auf parallele Erscheinungsformen in der Insektenwelt neu entdeckter Planeten übertragen, die sich mitunter als deutlich zahlreicher, größer und aggressiver als ihre terranischen Namensvettern erwiesen.

+ CFNA steht für Corpo de Fuzileiros Navais, COIM für Comando de la Infantería de Marina. Das Erbe dieser und anderer Einheiten ist nicht unumstritten, weil die Südamerikanischen Divisionen – entstanden aus den nationalen Streitkräften nach Gründung des Südamerikanischen Staatenbundes 2071 – im furchtbaren Bürgerkrieg und der folgenden ausländischen Militärintervention der Jahre 2144-2179 teils im Kampf gegeneinander zerbrachen, teils gegen die Interventionstruppen der Nordamerikanischen Allianz, Europäischen Republik, Chinesischen Union und Sowjetischen Konföderation Widerstand leisteten. Dennoch entschloss man sich später, ihre Traditionen in die südamerikanische Nationalgarde und die Gesamtstreitkräfte der FRT zu integrieren.

++ „Fuerte a la vez que Fieles“ – Stark und Loyal – war das Motto der chilenischen CIM (Cuerpo de Infantería de Marina).

+++ Ausdruck aus der russischen Vulgärsprache, der so viel wie „verdammte Katastrophe“ bedeutet – obwohl er wortwörtlich eine Aneinanderreihung des Wortes „schwarz“ und eines Slangausdrucks für das weibliche Geschlechtsorgan ist.
27.11.2020 06:18 Cattaneo ist offline E-Mail an Cattaneo senden Beiträge von Cattaneo suchen Nehmen Sie Cattaneo in Ihre Freundesliste auf
Tyr Svenson Tyr Svenson ist männlich
Captain


Dabei seit: 06.10.2015
Beiträge: 1.030
Herkunft: Jena, Thüringen

Auf diesen Beitrag antworten Zitatantwort auf diesen Beitrag erstellen Diesen Beitrag editieren/löschen Diesen Beitrag einem Moderator melden       Zum Anfang der Seite springen

Hauptquartier der Imperialen Raumflotte,
Zweiter Mond von Akarr


Manchmal kam es Admiral Kern Ramal so vor, als würde er den größten Teil seiner knappen Zeit in Lagebesprechungen und Meetings verbringen: mit den führenden Köpfen der Flottenorgane, mit den einzelnen Stäben, mit Vertretern der Ministerien…

Aber das heutige Meeting war etwas Besonderes. Nicht, was die meisten Anwesenden betraf, bei denen es sich um eine Auswahl der üblichen Verdächtigen handelte: Admiralin Kenai Ras, die brillante aber von ihrem abgrundtiefen Hass auf die Menschen beherrschte Chefin des Marinegeheimdienstes, General Moras, der Befehlshaber der Marineinfanterie, Flottengeneralquartiermeister Timar und dessen Stellvertreter Lann vom Flottenbeschaffungsamt, Admiral Kosno von Forschung und Entwicklung und nicht zuletzt Admiral Latasch, der als Stabschef des Kriegsministeriums teilweise als Nachfolger für den Posten des kürzlich ,verstorbenen‘ Tobarii Jockham gehandelt wurde. Und natürlich Admiral Taran, der ebenso fähige wie unbequeme Chef des Operationsstabes, der – da war sich Kern Ramal sicher – der festen Überzeugung war, mindestens ebenso geeignet für Ramals Posten zu sein wie dieser selbst.
Das alles wäre kein Problem gewesen, wenn nicht noch zwei weitere Personen anwesend gewesen wären – und eine dritte gefehlt hätte. Denn heute ging es nicht um eine Einsatzbesprechung oder Situationsanalyse des Flottenstabes. Heute ging es um einen Lagebericht für den Imperialen Thron.

Dass Kanzler Qau hier war, war zu erwarten gewesen, auch wenn der altgediente Politiker gestresst, fast kränklich wirkte. Das war kein gutes Zeichen, denn im Raubfischbecken der Hofgesellschaft konnte jedes Zeichen von Schwäche tödlich sein.
Nein, es waren die anderen Zivilisten – der anwesende und die abwesende, die Kern Ramal Kopfzerbrechen bereiteten, auch wenn er wusste, dass er sich das nicht anmerken lassen durfte. Denn eigentlich hätte der Imperator bei der Lagebesprechung anwesend sein müssen. Oder in dessen Abwesenheit oder Unmündigkeit dessen Regent. Beziehungsweise, wenn der Imperator ungeboren und ein Regent noch nicht bestimmt worden war, die Mutter des ungeborenen Herrschers…

Aber Prinzessin Linai Thelam war nicht hier. Auf Admiral Tarans Nachfrage hatte Qau gequält verkündet, dass sie sich immer noch in Trauer befände und deshalb – und aus Gesundheitsgründen – auf den Flug zum Zweiten Mond verzichtet hätte. Kenai Ras hatte angemerkt, dass es kein Problem gewesen wäre, die Lagebesprechung in die imperiale Hauptstadt Pan’chra zu verlegen. Admiral Ramal hatte weitere Nachfragen unterbunden – und dass nicht nur weil die Erwähnung von Linais Namen sich wie ein Messerschnitt anfühlte. Nein, er war sich wie Qau nur zu gut der Tatsache bewusst, dass auch die anderen Admiräle an den Gründen für Linais Abwesenheit zweifeln mussten und dass jede weitere Diskussion ihrer – als Frau ohnehin umstrittenen Autorität – schaden würde. Vor allem angesichts des anderen Zivilisten, der neben Qau an dem Treffen teilnahm. Und das, obwohl Meliac Allecar, Lord seines Hauses und Vater des Mannes, der Prinzessin Linai geschwängert, ihren Mann erschlagen und Anspruch auf die Vaterschaft des künftigen Imperators erhoben hatte, NOCH kein Amt innehatte, dass ihn dazu berechtigte, hier zu sein. Er war weder kaiserlicher Kanzler noch Kriegsminister, geschweige denn Regent oder gar Imperator. Auch wenn viele ihm Ambitionen auf einen oder mehrere dieser Titel nachsagten…

Es war Kenai Ras gewesen, die höhnisch gefragt hatte, mit welcher Legitimation und in welcher Funktion Lord Allecar überhaupt hier sei. Kern Ramal war sich nicht ganz sicher, womit sich Lord Allecar die Abneigung der Geheimdienstchefin verdient hatte: durch seine politischen Ränke, die Ras als eine kolossale Verschwendung von Ressourcen ansah, oder wegen Dero Allecars allzu moderaten Ansichten bezüglich der Menschen. Jedenfalls machte die Chefin des Marinenachrichtendienstes aus ihrer Verachtung kein Geheimnis.
Wieder war es Kanzler Qau gewesen, der ziemlich gezwungen zu verstehen gegeben hatte, dass Lord Allecar auf Einladung der Krone und als Repräsentant des Adelsforums anwesend sei. Daraufhin hatte sich Admiral Lann bemüßigt gefühlt nachzuhaken, WELCHES Adelsforum Meliac eigentlich repräsentieren würde.
Das saß: seid Rallis Thelams öffentlichkeitswirksamen ‚Ausmarsch‘ aus der Adelsversammlung, war diese nicht mehr in voller Stärke zusammengetreten. Auch wenn eine Reihe Mitglieder inzwischen ‚zurückgekehrt‘ war, ein harter Kern von etwa einem Drittel des Forums blieb den Sitzungen weiterhin fern.
Unter anderen Umständen hätte Kern Ramal seine angriffslustigen Untergebenen zurechtgestutzt, zumal er vor kurzem erklärt hatte, keine politischen Spiele im Flottenstab dulden zu wollen. Aber da es ausgerechnet um die Allecars ging…musste Kern mit dem Impuls kämpfen, nicht in dieselbe Kerbe zu schlagen wie Lann und Ras.
Aber das war undenkbar – zumal die beiden Admiral isoliert schienen. Kanzler Qau war nicht willens oder fähig, etwas gegen Melliac Allecars Anwesenheit zu sagen. Und die übrigen Admirale schwankten zwischen Indifferenz, bemühter Neutralität – und Akzeptanz gegenüber Lord Allecar. ‚Der Sieg hat viele Freunde.‘
Sogar der alte Admiral Latasch hatte unwirsch geraunzt, Lann und Ras sollten ‚diese Kindereien sein lassen‘, da er Besseres mit seiner Zeit anfangen könne. Derart alleingelassen hatten die beiden klein beigegeben. Lord Allecar war so klug gewesen, seine Befriedigung nicht zu offen zu zeigen.

Dennoch klang Admiralin Ras Stimme angespannt, als sie auf Kern Ramals Aufforderung hin den Lagevortrag zu den feindlichen Streitkräften eröffnete: „Die Operativ-Fähigkeiten der terranischen Ersten Flotte wurde durch die Erfolge von Großadmiralin Rian stark eingeschränkt. Wir vermuten, dass die Erste die durch Rian dezimierte Zweite Flotte unterstützen oder sie sogar ersetzen wird. Mit vier Flotten- und fünf Leichten Trägern bleibt sie auf jeden Fall der größte Feindverband und eine ernste Bedrohung.

Die Zweite unter Admiralin Renault wird nach ihrer Niederlage gegen Großadmiralin Rian in der Schlacht um Taori Majoris voraussichtlich für die nächsten Monate materiell und psychologisch zu Offensivoperationen nicht in der Lage sein und ist selbst in ihren Defensivkapazitäten stark eingeschränkt. Der Flottenträger MELBOURNE wurde schwer beschädigt und fällt für mindestens eine halbes Jahr aus. Fast genauso lange dürfte es dauern, bis der beschlagnahmte konföderierte Träger ALTANI voll einsatzbereit ist. Die COLUMBIA wurde an die Peshten-Front abkommandiert. Alles im allen verfügt die Zweite damit momentan gerade einmal über einen Flotten- und drei Leichte Träger, was sie auf den Status einer Kampfgruppe zurechtstutzt. Ihr Kreuzerkontingent wurde von uns praktisch halbiert, die Kampfflieger dezimiert. Allerdings steht zu befürchten, dass in absehbarer Zeit einige der momentan in Bau befindlichen Feindträger die Verluste zumindest teilweise ausgleichen werden. Wenn Rian also den errungenen Vorteil nutzen und in das vom Feind besetzte Territorium des Imperiums vorstoßen will, muss sie es schnell tun. Während die Menschen es momentan vermutlich nicht auf eine Schlacht ankommen lassen werden, kann sich das in ein paar Monaten schon wieder ändern. Bis dahin bietet sich uns jedoch die Chance, besetzte Welten zurückzuerobern. Bei weiter im feindlichen Hinterland liegenden Planeten, die immer noch nennenswerte loyalistische Elemente aufweisen, können wir die verringerte Schlagkraft der Zweiten Flotte nutzen, um Nachschub und Waffen einzuschleusen und so eine spätere Invasion vorzubereiten oder den Feind zumindest in Atem zu halten. Gleichzeitig sollte der Druck auf die Menschen durch ständige Raids aufrechterhalten werden.“

Das ging in Richtung von Admiral Taran, der kurz grinste: „Ihr Vorschlag wurde zur Kenntnis genommen und zufälligerweise bereits beherzigt. Admiralin Rian hat eine Reihe von Zielvorschlägen erhalten.“ Ramal war nicht überrascht. Taran bevorzugte Schläge gegen die Schwachstellen des Gegners und hatte eine Vorliebe für Störangriffe und Ablenkungsmanöver.

„Verstärkte Offensivtätigkeiten an dieser Front sind auch deshalb zwingend notwendig, weil die Menschen auf einigen besetzten Welten offenbar Anstrengungen unternehmen, Untertanenvölker des Imperiums für sich zu mobilisieren. Dass sie dabei Völkermord und Vertreibung an den Akarii das Wort reden, brauche ich wohl nicht explizit zu erwähnen.“ In Kenai Ras Stimme lag eine schneidende Kälte und ihr wütender Blick in Richtung Meliac Allecar machte deutlich, an WEN die Worte adressiert waren. Der Adlige ignorierte die gegen die Politik seines Sohnes gerichtete Spitze. Seine Stimme blieb ruhig: „Und warum gibt Rian der Zweiten nicht einfach den Rest?“
„Weil auch unsere Streitkräfte beträchtliche Verluste erlitten haben.“, beschied Kern Ramal knapp: „Die Zweite hat sich so weit zurückgezogen, dass ein schneller Überraschungsangriff nicht möglich ist. Außerdem steht zu erwarten, dass sie von den anderen Flotten – besonders der Ersten und der Dritten – unterstützt wird.“

Kenai Ras griff den Ball auf: „Was das angeht, ist die Dritte Flotte unter Long mit zwei Flotten- und drei Leichten Trägern zwar momentan stärker als die Zweite, aber immer noch relativ schwach. Die Qualität der Mannschaften und des Kommandeurs müssen zudem als mittelmäßig eingestuft werden.
Falls die Dritte keine Verstärkung erhält – beispielsweise durch einen der Träger, die gerade im Parrak-System in Bau sind und die zu zerstören beim Angriff auf das System versäumt wurde…“, das war vermutlich gegen Taran gerichtet, der den Angriff auf Parrak geführt hatte, die Spitze jedoch ignorierte, „…dürfte Long sich vermutlich vor allem auf Entlastungs- und Störangriffe beschränken. Wir gehen davon aus, dass die Menschen ihre Träger in diesem Frontbereich erst einmal an die kurze Leine legen werden, um weiteren Überraschungen wie Admiral Tarans Vorstoß vorzubeugen.
Denkbar wäre auch, dass Long die Zweite Flotte ersetzt, damit diese auffrischen kann. Hätte die Dritte einen besseren Kommandeur – beispielsweise Girad, die trotz ihres ungeschickten Agierens bei der Schlacht um das Parrak-System mit dem Einsatz über Gamma-Eridon eindeutig unter ihrem Potential eingesetzt wird – würde ich mir mehr Sorgen machen.

Die Vierte Flotte hat mit Noltze eine fähige Führerin und ist mit drei Flottenträgern und fünf oder sechs Leichten Trägern stärker als die Dritte und die Zweite, muss allerdings auch noch die Grenze zur Konföderation sichern. Die Moral des Feindes ist nach der Gefangennahme von Admiral Ilis hoch, aber da in diesem Bereich der Front praktisch Kräftegleichgewicht herrscht, kann Noltze keine großen Sprünge machen.“

„Die ‚Sprünge‘, die diese Missgeburt Mithel initiiert hat, reichen völlig.“, knurrte Latasch: „Ich brauche wohl nicht auszuführen, was sein Terrorangriff und die Bombardierung von Charkar für die Moral der Grenzregion bedeuten – vor allem nach der Gefangennahme von Admiral Ilis. Wir müssen Ilis so schnell wie möglich kompetent ersetzen. Sobald die YONDER endlich repariert ist, könnte Yon Ataki das Kommando übernehmen. Teleri Sattala ist fähig, aber es fehlt ihr an Durchsetzungskraft. Mir persönlich wäre ja Kjani Rau lieber, der würde Mithel schnell Bescheid geben. Aber wir mussten ihn ja in den Draned-Sektor abschieben.
UND wir sollten so schnell wie möglich eine Gegenstrategie gegen diese Terrorkampagne entwickeln. Ich gehe davon aus, dass Sie auch dafür einige Ideen haben?“

Admiral Taran, der erst vor kurzem einen Lagevortrag zu einer möglichen Reorganisation der imperialen Verteidigung gehalten hatte, nickte knapp. Kenai Ras schnaubte kurz – ihrer Meinung hätte man den terranischen Terrorangriff kontern sollen, indem man die Oberfläche einiger feindlicher Planeten mit Atomraketen glasierte – enthielt sich aber eines Kommentars.

„Und was ist mit der Konföderation selber?“ Meliacs Frage kam überraschend, da er bisher meist stumm geblieben war. Kenai Ras ließ ihm einen Blick zukommen, den sie sonst vermutlich für etwas reservierte, das nach einem Spaziergang über eine Kitiri*-Wiese unter ihren Schuhsohlen klebte, bequemte sich nach einem scharfen Blick von Kern Ramal jedoch zu einer Antwort: „Die Konföderation fällt nach den Verlusten, die sie durch uns, die Beschlagnahmungen der Terraner und bei dieser Scheinkriegsoperation gegen die TSN erlitten hat, militärisch nicht mehr ins Gewicht. Die Konföderierten sind materiell und psychologisch kastriert und wirtschaftlich bankrott. Die verbliebenen Streitkräfte reichen nicht einmal aus, ihr eigenes Territorium zu sichern. Diejenigen Mitglieder der Streitkräfte, die noch so etwas wie Kampfgeist haben, haben sich der Republik angeschlossen. Die neue Regierung der Konföderation dürfte primär am Wiederaufbau interessiert sein, wofür sie auf unser Wohlwollen angewiesen sind.“
„Sie betrachten den Machtwechsel auf Hannover als unwichtig?“, in Meliacs Stimme schwang ein Ton mit, den Kern Ramal nicht recht einordnen konnte.
„Spekulationen über die Politik der Menschen sind etwas für die Amateure vom Außenministerium und ähnliche Phantasten.“, das war vermutlich wieder eine Spitze gegen Dero Allecar: „Ich beschränke mich auf das Wesentliche. Außerdem sind es schließlich nur MENSCHEN. Wir hätten ihnen ohnehin niemals trauen können. Es spielt keine Rolle, ob die neue Regierung den Lieblingsterraner ihres Sohnes in den Trümmern ihrer Hauptstadt kreuzigt – die Konföderation wird in diesem Krieg keine Rolle mehr spielen.“
„DANK des Friedens, den wir geschlossen haben.“, präzisierte Meliac Allecar zufrieden.
„Dank des Sieges, den Admiral Ilis erzielt hat.“, hielt Kenai Ras dagegen: „Was diesen Frieden angeht…“
„Konzentrieren wir uns doch wieder auf das eigentliche Thema Ihres Vortrages.“, schaltete sich Kern Ramal ein, der keinen neuen Streit über die von Dero Allecar und – ironischerweise – dem von diesen erschlagenen Tobarii Jockham initiierte Verständigungspolitik wollte.

Kenai Ras riss sich sichtlich zusammen: „Die Fünfte Flotte ist neben der angeschlagenen Zweiten im Augenblick der schwächste Operativverband des Gegners. Sie verfügt über gerade einmal zwei Flottenträger: die moderne CHARLES DE GAULLE und sowie die LIBERTY, einen völlig veralteten Träger der ZEUS-Klasse, dessen Schlagkraft wegen des Unvermögens, schwerere Maschinen aufzunehmen, kaum besser als der eines Leichten Trägers ist. Von diesen hat die Fünfte Flotte zwei. Allerdings wird ein weiterer, die DERFFLINGER, gerade repariert, während die NIMITZ sich in der Umrüstung befindet. Mannschaften und Flieger der bisher vor allem für Patrouille-, Sicherungs- und Unterstützungsaufgaben eingesetzten Fünften können kaum als Frontkaliber bezeichnet werden. Vor allem wenn wir den Druck auf das feindliche Hinterland aufrechterhalten…“, wieder ein Blick zu Admiral Taran, der wie Kenai Ras ein vehementer Befürworter derartiger Vorstöße war, wenn auch aus anderen Motiven: „…hoffen wir die Fünfte binden zu können, zumal sie ja auch noch den Draned-Sektor blockiert.“
„Und das schlecht.“, warf Admiral Taran zufrieden ein, dem sein alter Kommandobereich offenbar weiterhin am Herzen lag.
„Es IST möglich, dass die Fünfte einen ähnlichen Vorstoß wie Mithel versucht, auch um die im Draned-Sektor aktiven Rebellen- und Separatistengruppen zu stärken.“

„Ich habe diese Unterscheidung nie so ganz verstanden.“, warf Lord Meliac ein: „Wenn Sie von Separatisten reden, meinen Sie abtrünnige Akarii, richtig?“ Das war ein heikles Thema und es sprach für den Lord, dass er nicht scheute, das heiße Eisen anzufassen: „Und mit ‚Rebellen‘ meinen Sie die T’rr?“
„In erster Linie, ja.“, kam es von Admiral Taran: „Ähnliche Bewegungen gibt es auch bei einigen anderen Kolonialvölkern in diesem Sektor. Aber keine hat eine ähnliche Schlagkraft.“, er lächelte grimmig: „Auch weil die anderen Aliens solche Angst vor den T’rr haben. Das ist auch der Grund, warum sich die verschiedenen Rebellengruppen nicht zusammengeschlossen haben. Und sogar die T’rr-Aufständischen sind zum Glück untereinander uneins. Aber was Ihre Frage angeht…vielleicht ist der Terminus ungünstig, da auch die T’rr für ihre Unabhängigkeit kämpfen. Aber eine Unterscheidung ist notwendig. Die…Separatisten…“, in jeder Silbe des Wortes schwang die Abscheu des Admirals gegenüber den abtrünnigen Imperialen mit: „Es gibt nichts Erbärmlicheres und Widerwärtigeres, als imperiale Soldaten und Beamte, die den Eid auf das Imperium gebrochen haben. Unterworfene Völker, die den Aufstand proben, sind eine Bedrohung, mit der umzugehen wir gewohnt sind. Akarii, die sich in Zeiten der Not gegen das Imperium wenden…“
„Hat es auch immer wieder gegeben.“, warf Admiral Latasch ein, der Admiral Taran einen scharfen Blick zuwarf. Viele bezeichneten die gegen Kronprinz Jor gerichtete Verschwörung, an der Taran beteiligt gewesen war, ebenfalls als Verrat.
„Das kommt darauf an, wie man ‚Verrat am Imperium‘ definiert.“, warf Admiral Lann ein, der zweifellos darauf anspielte, dass die Offiziersfronde – wie viele der Putsche und Rebellionen, die im Laufe der imperialen Geschichte aufgelodert waren – sich zwar gegen ein Mitglied der kaiserlichen Familie gerichtet hatte, doch nicht gegen das Imperium selber. Für Männer wie Taran hatte das Reich einen geradezu sakrosankten Status, der es über das Schicksal der kaiserlichen Dynastie stellte.

Die plötzlich greifbare Anspannung im Raum veranlasste Kern Ramal, erneut einzugreifen: „Lassen wir die Semantik. ‚Hochlord‘ Qulat und die anderen Abtrünnigen sind Narren und Verräter. Aber Admiral Rau und Marschall Parin werden sich um sie kümmern.“, ein scharfer Blick zu der spöttisch grinsenden Kenai Ras unterband deren Einwurf, der vermutlich Parins Verwicklung in die Offiziersfronde thematisiert hätte: „Und falls die Menschen glauben, im Draned-Sektor etwas Ähnliches durchziehen zu können, wie die Vierte Flotte es mit Charkar vorexerziert hat, wird Admiral Rau sie eines Besseren belehren.“

„Damit bleibt noch die Sechste Flotte, richtig?“, offenbar hatte Meliac Allecar seine Hausaufgaben gemacht.
Nicht, dass ihm das bei Kenai Ras irgendwelche Sympathien sicherte: „Die Sechste ist ein reiner Sicherungsverband ohne Offensivwert. Sie ist unbedeutend – abgesehen davon, dass die Terraner diese Flotte kannibalisieren, um ihre Verluste an Zerstörern und Fregatten auszugleichen. Es gibt Anzeichen, dass sie nach den Verlusten der letzten Monate wieder den Einsatz von Hilfskreuzern und Hilfsträgern intensivieren. VOR ALLEM, da es der TSN weiterhin nicht gelingt, die in ihrem Hinterland ziemlich aktiven Piratenbanden in den Griff zu bekommen.“ Die Admiralin lächelte böse. Immerhin gehörte es zu ihren Aufgaben, die auf dem Gebiet der Republik operierenden Freibeuterbanden mit Waffen, Informationen, Geld und teilweise sogar Schiffen zu versorgen. Es ließ sich freilich nicht leugnen, dass Piraterie auch im Imperium zu einem Problem geworden war.

„Wenn ich Sie richtig verstanden habe, verfügen die Terraner also momentan oder in absehbarer Zeit über…siebzehn Flottenträger?“
„Wir gehen eher von achtzehn bis zwanzig Stück aus.“, schaltete sich Kern Ramal ein: „Damit sind sie uns zahlenmäßig mindestens ebenbürtig. Erschwerend kommt hinzu, dass mehrere unserer Träger – namentlich die bei Manticore stehenden Einheiten wie auch die beiden Träger im Draned-Sektor – nur sehr eingeschränkt für strategische Umgruppierungen oder Schwerpunktbildungen herangezogen werden können, weil dies unsere Stellung in diesen Raumsektoren destabilisieren könnte.
Noch ungünstiger sieht das Zahlenverhältnis bei den leichten Trägern aus, von denen die Menschen nach unseren Analysen mindestens dreißig Stück in Dienst, in der Reparatur, der Umrüstung oder kurz vor der Fertigstellung haben.
Dem stehen auf unserer Seite gerade einmal zwanzig Flugdeckträger gegenüber, deren Kampffliegerkapazität pro Schiff nur halb so groß ist, wie bei einem terranischen MAJESTIC-Träger. Dazu kommen die ersten Typschiffe der Leichten Träger der ASHIGACO-Klasse, während von den neuen Leichten Trägern der KARRG-Klasse erst einige wenige in Bau sind.“
„Nicht, wenn es nach Admiral Taran geht.“, spottete Latasch.
Doch es war Admiral Lann, der antwortete: „Der Turam-Plan wird nicht nur von ihm befürwortet.“
„Klären Sie mich auf.“, kam es von Meliac Allecar.

Lann warf Admiral Taran einen Blick zu, der sich auf ein kurzes Nicken von Kern Ramal hin erhob: „Um das numerische Ungleichgewicht auszugleichen, ist es nicht nur notwendig, mittelfristig die Zahl unserer Flottenträger durch Neubauten wieder auf den Vorkriegsstand zu bringen, wir müssen auch sicherstellen, dass die Verlustrate zurückgeht. Wir haben in den letzten Jahren wiederholt Träger unter vermeidbaren Umständen verloren. Wir sollten dem Rechnung tragen, indem wir künftig jeden unserer Flottenträger von mindestens einem Leichten Träger der ASHIGACO- oder besser noch der KARRG-Klasse sowie einem unserer ECM/ECCM-Flugdeckkreuzer begleiten lassen. Da wir diese Einheiten allerdings auch für andere Aufgaben benötigen – etwa als Flaggschiffe für kleinere Kampf- und Raidergruppen– verlangt dies ein forciertes Bau- und Umrüstungsprogramm.“
„Und Sie reden von…?“
„Die Zielzahl umfasst 60 Leichte Träger der ASHIGACO- und KARRG-Klasse sowie 40 Flugdeckkreuzer. Alle drei Schiffstypen können im Gegensatz zu unseren Flottenträgern auch auf kleineren Werften und sehr viel schneller gebaut werden. Was die ASHIGACO-Träger angeht, bei denen können wir die Zahl relativ leicht erhöhen, wenn wir die momentan als Schnellbootmutterschiff fungierenden Truppentransporter umbauen. Auch wenn diese sich in einigen Fällen gut bewährt haben, war das immer nur ein Notbehelf. Die TSN hat sich inzwischen auf den Einsatz von Anti-Schiff-Raketen tragenden Shuttles eingestellt. Wir können diese Einheiten weiter für Defensivaufgaben, Patrouillen und in begrenztem Umfang auch für Raids einsetzen. Aber kaum noch bei großangelegten Offensivaktionen.“

Die genannte Zahl schien Meliac Allecar kurz den Atem zu nehmen. Vermutlich verstand er jetzt, warum der Rüstungsplan den Namen eines Akarii-Volkes der Späten Steinzeit und Frühen Bronzezeit trug, dessen ganze Kultur um Krieg, Raub und Kampf gekreist hatte und deren Mitglieder bis heute als Piraten und Söldner legendär waren: „Sind solche Zahlen wirklich notwendig? Unsere Träger und Kampfflieger sind denen der Menschen doch bei weitem überlegen?“, hakte er dann nach.
Kenai Ras lachte abfällig auf: „Ihre Informationen sind veraltet. Kein Wunder, dass Sie glauben, dass das Imperium sich immer noch Ihre Spielchen erlauben…“
„Das reicht, Admiral Ras!“, fuhr Kern Ramal der Geheimdienstchefin über den Mund: „Diese Streitigkeiten nützen niemandem.“ Er wandte sich einem der Anwesenden zu, der bisher geschwiegen hatte: „Kosno, klären Sie den Lord über die Situation auf.“

Der Chef der Forschungs- und Entwicklungsabteilung räusperte sich: „Es stimmt, dass die feindlichen PEGASUS-Träger deutlich weniger Kampfflieger tragen konnten, als unsere Flottenträger. Jedoch sind die Träger der LEXINGTON- und vor allem die der sie in absehbarer Zeit ergänzenden ENDEAVOUR-Klasse unseren Einheiten zumindest ebenbürtig und den reaktivierten NOVA-Trägern eindeutig überlegen.
Bei den leichten Trägern ist das noch eindeutiger. Wir fangen gerade erst an, die ASHIGACO-Klasse zu nutzen, bei denen es sich ja de facto nur um umgebaute Truppentransporter handelt. Bis zum ersten Einsatz der ersten KARRG-Typschiffe werden noch Monate vergehen. Währenddessen rüsten die Menschen ihre bewährten MAJESTIC-Träger um, damit diese auch schwere Maschinen tragen können. Einheiten wie die neuen leichten Angriffsträger der CAVOUR-Klasse drohen das Ungleichgewicht zu verstärken. Mit der VIRKANT-Klasse entwickeln die Menschen zudem einen Eskortträger, der den von uns und den Menschen bisher für Geleitaufgaben eingesetzten Hilfsträgern bei weitem überlegen ist. Die auf eine Fortsetzung der Offensive ausgelegte Strategie der Menschen zeigt sich auch bei den Angriffsschiffen der NORMANDY-Klasse, die neben mehreren Regimentern Marineinfanterie und Landungsfähren auch noch mindestens zwanzig bodenangriffstaugliche Jäger mitführen sollen.
Während wir am Anfang des Krieges den Gegner mit den überlegenen ECM/ECCM-Kapazitäten unserer neuen Flugdeckkreuzer überraschen konnten, konterte die TSN rasch mit der Entwicklung der – allerdings taktisch eingeschränkten – DAUNTLESS-Flugabwehrkreuzer.
Dazu kommen neue Entwicklungen wie die Lenkwaffenkreuzer der NIKOLAI KUSNEZOW-Klasse, die Zerstörer der SPRUANCE-Klasse, die die veralteten DUQUESNE-Zerstörer ersetzen, sowie nach noch nicht bestätigten Berichten eine in Entwicklung oder sogar bereits in Bau befindliche Schlachtschiff- oder Schlachtkreuzer-Klasse.“

Nun war es Meliac Allecar, der kränklich wirkte, während Admiral Kosno ungerührt seine Litanei fortsetzte: „Diesen Neuentwicklungen stehen auf unserer Seite im Großschiffbau lediglich die neuen Leichten Träger der KARRG-Klasse sowie Umrüstung wie der Umbau von Truppentransportern zu Schnellbootmutterschiffen und Leichten Trägern gegenüber und natürlich die Reaktivierung und Modernisierung unserer verbliebenen Schlachtschiffe. Ein partiell vielversprechendes weiteres Projekt ist ein ebenfalls auf unseren Truppentransportern basierender taktischer Raketenträger, der sich jedoch noch in der Entwicklungsphase befindet.
Bei den Jägern sieht die Situation ähnlich aus. Am Anfang des Krieges waren unsere Maschinen an Geschwindigkeit, Wendigkeit und Schlagkraft dem Gegner durchgängig überlegen. Unsere Ka’Diras-Jagdbomber – von den Menschen Doomhammer genannt – waren für sie eine besonders böse Überraschung. Aber inzwischen haben die Menschen praktisch ihr gesamtes Fliegerarsenal überholt. Die Nighthawk-Überlegenheitsjäger, Falcon-Abfangjäger, Thunderbolt-Jagdbomber sowie die neueste Baureihe des Griphen-Mehrzweckjägers haben die Unterlegenheit der Menschen schwinden lassen. Mit dem brandneuen Hornet-Abfangjäger haben die Peshten – und vermutlich bald auch die TSN – erstmals einen Raumjäger, der es an Wendigkeit mit unseren Standartjägern aufnehmen kann. Dazu kommen – sowohl bei den Raumjägern als auch bei den Großkampfschiffen – waffentechnische Innovationen. Diese konnten nur partiell dadurch gekontert werden, dass unsere Standardjäger zunehmend auch Langstreckenraketen tragen können. Dennoch ist davon auszugehen…“

„Aber das ist doch eine Katastrophe!“, brach es aus Meliac Allecar heraus: „Sie erzählen mir ernsthaft, dass die Menschen in fünf Jahren den technischen Abstand von Jahrzehnten überbrücken konnten?“
„Willkommen in der Realität.“, kam es mit beißendem Spott von Kenai Ras: „Die Rückschläge der letzten Jahre kann man nicht einfach damit erklären, dass unsere Soldaten auf einmal verlernt haben zu kämpfen. Es liegt auch nicht daran, dass die Götter uns verlassen haben. Oder an der Inkompetenz einzelner Führer.“
„Aber wir haben bei Taori Majoris gewonnen. Und General Tyroschs Angriff auf Gamma-Eridon...“
Kern Ramal zuckte mit den Schultern: „Wir haben bei Taori Majoris einen kostspieligen Sieg erzielt und bei Parrak ein Patt. Zusammen mit dem leider ziemlich teuren Sieg über die Konföderation verschafft uns das eine Atempause. Aber nicht mehr. Schon die Gefangennahme von Admiral Ilis war genug, um die Lage an einer Front wieder zu destabilisieren. Und was den Angriff von General Tyrosch auf Gamma-Eridon angeht…
Die Offensive läuft gut an. Aber wir sollten noch nicht die Siegesparade vorbereiten. Auch an der Peshten-Front sind wir gefährlich überdehnt.“
„Wie konnte das nur geschehen?“

Diesmal war es Admiral Taran, der antwortete: „Indem wir zu lange an unsere technologische und materielle Überlegenheit geglaubt haben. Wenn man die besten Maschinen, Waffen, Schiffe und Soldaten hat – warum sollte man dann einen Gedanken und Ressourcen darauf verschwenden, neue Waffen zu entwerfen? Vor allem, wenn man die Überlegenheit der Akarii-Rasse zum Glaubensbekenntnis erhebt und meint, die Beta Borealis-Doktrin alleine würde schon unseren Sieg garantieren.“
„Vorsicht, Vorsicht…“, kam es von Admiral Latasch: „Sie geraten mal wieder in gefährliche Gewässer, Taran.“
„Aber es ist doch wahr! Wir haben uns zu lange nicht einmal die MÖGLICHKEIT eingestehen wollen, dass die Menschen uns Paroli bieten könnten.“
„Und mit ‚wir‘ meinen Sie…“, bohrte Kenai Ras nach.
„Sie wissen sehr genau, wen ich meine! Nicht, dass das jetzt noch eine Rolle spielt. Fakt ist, wir haben uns zu sicher gefühlt. Wir haben zu viele Welten verloren und zu viel Material. Wir alle wissen doch, warum wir die NOVA-Träger und unsere alten Schlachtschiffe reaktivieren, Shuttles zu Kanonen- und Raketenschnellbooten umrüsten und Truppentransporter zu Leichten Trägern, Schnellbootmutterschiffen und jetzt vielleicht auch noch Raketenträgern. Weil wir keine Wahl haben!“
„Aber das kann doch nicht alles sein!“
„Natürlich nicht. Zu unseren taktischen Optionen kommen wir noch. Bis dahin…“

Kern Ramal hielt irritiert inne. In den letzten Minuten hatte Kenai Ras immer wieder auf ihr Handgelenk-Komm geblickt und darauf herumgetippt. Es zuckte um ihre Mundwinkel, als könne sie ein Lachen kaum unterdrücken. Und jetzt stieß sie den ihr gegenübersitzenden Admiral Taran mit dem Fuß an, der leicht zusammenzuckte.
„Ist etwas, Admiral Ras?“
Die Chefin des Flottengeheimdienstes richtete sich auf: „Ich freue mich, dieser…“, sie warf Meliac Allecar einen Blick zu, „…illustren Runde bekanntgeben zu können, dass Elar Qulat, selbsternannter Hochlord und ehemaliger Armeegeneral und Systemgouverneur, tot ist. Auf der Zentralwelt des von ihm im Draned-Sektor zusammengeraubten Verräter-Territoriums sind offenbar Kämpfe ausgebrochen, wie auch auf einigen anderen von ihm gehaltenen Monden und Planeten. Mehrere Möchtegernnachfolger erheben ihre Ansprüche. Eine hat dem Imperium bereits ihre Loyalität angeboten, zwei weitere befinden sich in Verhandlungen mit uns. Unsere Flotte und Armee haben mit Unterstützung von loyalistischen Zellen und dem Geheimdienst eine kombinierte Sicherungsoperation eingeleitet, die wieder Ordnung und Sicherheit in einem Gebiet herstellen wird, dass sich teilweise seit Jahren im Aufstand gegen das Imperium befindet.“

Das schlug ein wie eine Bombe. Während Admiral Latasch auf den Tisch klopfte und dabei schallend lachte, worin General Moras, der Oberbefehlshaber der Marineinfanterie, lauthals einstimmte, war die Reaktion der anderen Admiräle verhaltener, aber nicht weniger positiv. Kern Ramal fühlte sich, als wäre eine Riesenlast von seinen Schultern genommen worden. Die meuternden imperialen Truppen waren eine ständige Bedrohung und Herausforderung gewesen. Mit dieser Gefahr gebannt, konnte nicht nur die Stabilisierung des Draned-Sektors vorangetrieben werden – es würde das ganze Imperium stabilisieren. ‚Und gibt mir mehr operativen Freiraum.‘ Der wachsame Blick Admiral Tarans, um dessen Lippen ein kaltes Lächeln spielte, machte deutlich, dass Kern Ramal nicht der Einzige war, der die Implikationen der guten Nachricht begriff. Wenn Kern Ramal allerdings den Gesichtsausdruck des Chefs des Operationsstabs richtig deutete, und die Blicke, die er und Kenai Ras kurz wechselten…dann fragte er sich, ob die Nachricht für Admiral Taran wirklich SO überraschend kam. Andererseits lag das auf der Hand – wenn es einen Punkt gab, in dem die wütende Menschenhasserin Ras und der in dieser Hinsicht leidenschaftslose Pragmatiker Taran einer Meinung waren, dann in der Verachtung für imperiale Verräter. Oder denen, die sie jeweils als solche definierten…

Offenbar war Kern Ramal nicht der einzige, der den lautlosen Austausch zwischen Ras und Taran bemerkt hatte und seine Schlüsse zog: „Und darf man Ihnen gratulieren, Admiral?“ Lord Meliacs Stimme hatte einen amüsierten, aber unterschwellig lauernden Klang.
Die Geheimdienstchefin lächelte grausam: „Laut offiziellen Angaben starb Qulat an den Folgen eines Schlaganfalls. Zweifellos wusste er, dass er nach unseren jüngsten Siegen nur noch auf geborgte Zeit lebte. Oder…“, ihr Lächeln vertiefte sich und gewann eine bedrohliche Note: „…vielleicht hat ihn auch sein eigener Schatten zu Tode erschreckt.“

Das ließ die Atmosphäre um ein paar Grad abkühlen. Jeder in dieser Runde wusste, auf wen die Geheimdienstchefin anspielte, wenn sie von Schatten redete, die töteten.
Die Cha’kal waren eine Eliteformation, die noch exklusiver als die Kaiserliche Garde war. Weder die Namen noch die Herkunft – nicht einmal die Zahl – ihrer Mitglieder waren bekannt. Die meisten Schätzungen gingen von nicht mehr als eintausend Männern und Frauen aus – mit einem Budget, das für mehrere Armeedivisionen und Großkampfschiffe gereicht hätte. Die Cha’kal unterstanden der direkten Kontrolle des Imperators. Sie kamen bei Missionen zum Einsatz, die für die Garde und ‚normale‘ Spezialeinheiten zu heikel waren. Wozu auch Attentate, Anschläge und politischer Terror gehörten.
Gerüchten zufolge hatten die Cha’kal allerdings auch mehr als einmal einem ‚unwürdigen‘ Imperator ihre Unterstützung verweigert, was sein baldiges Ableben nach sich gezogen hatte.
Selbst ‚glaubhafte‘ Vermutungen über ihre Ausrüstung und Rekrutierung beinhalteten als gnadenlose Killern trainierte Waisenkinder, genetische und kybernetische Modifikationen sowie Waffen, die für die regulären Streitkräfte noch Jahre von der Einsatzreife entfernt waren. Aber immerhin gingen diese Vermutungen davon aus, dass die Cha’kal Akarii – oder zumindest sterblich waren. Phantasievollere Quellen sprachen von einem ‚inneren Zirkel‘, der weder das eine noch das andere war, und zogen Linien zu den dämonischen Sagengestalten der Akarii-Antike, die der Einheit ihren Namen gegeben hatten.

Falls Qulat tatsächlich durch die Cha’kal ums Leben gekommen war und Kenai Ras davon wusste, in die Operation involviert gewesen war oder sie gar angeordnet hatte – dann hatte sie Verbindungen, die über die Kompetenzen des Flottengeheimdienstes hinausgingen. Diese Andeutung verlieh auch dem wissenden Gesichtsausdruck Admiral Tarans und seiner mangelnden Überraschung eine neue Bedeutung. Kenai Ras setzte noch einen drauf, indem sie hinzufügte: „Was es auch war, letztendlich hat Qulat das Schicksal eingeholt, dass jedem droht, der zu hoch hinauswill und seine Ambitionen über die des Imperiums stellt.“

Es war Admiral Latasch, der das Thema wechselte: „Wir haben genug Zeit verbracht, uns auf die Schultern zu klopfen. Auch wenn das eine gute Nachricht ist, ändert es nichts an der Bedrohung durch die Menschen. Die Glatthäute werden sich kaum davon beeindrucken lassen, dass ein imperialer Verräter…verunfallt wurde.“
Admiral Ramal nickte: „Sie haben recht. Dennoch…Admiralin Ras, Admiral Lann, wir brauchen eine umgehende Analyse, was der Ausfall von Qulat für die Lage im Draned-Sektor und unsere Kapazitäten an dieser Front bedeutet. Admiral Taran kann ihnen sicherlich mit seinem Detailwissen zur Seite stehen. Taran, Sie werden in Rücksprache mit Marschall Parin und Admiral Rau unsere neuen Handlungsoptionen ausarbeiten.“ Die Angesprochenen nickten knapp, Admiral Taran mit einem wissenden Lächeln, das nahelegte, dass er entsprechenden Pläne bereits in der Schublade liegen hatte.
„Kommen wir jetzt zu einigen der operativen Szenarien für die folgenden Monate…“

***

Zwei Stunden später

Kern Ramal lehnte sich zurück und unterdrückte den Impuls, sich die müden Augen zu reiben. Er durfte jetzt keine Schwäche zeigen. NOCH NICHT. Ganz bestimmt nicht gegenüber der Person, der er nach dem Ende der Besprechung befohlen hatte, im Raum zu bleiben: „Sie können sich vielleicht vorstellen, warum es geht.“ In der Stimme des jungen Admirals und Chef des Flottenstabes schwang ein gefährlicher Unterton mit.
Nicht, dass dies Admiralin Kenai Ras zu verunsichern schien: „Ich habe eine vage Ahnung. Aber wie wäre es, wenn Sie sich die Strafpredigt sparen und ich Ihnen erkläre, warum ich Meliac Allecar angegangen bin.“
„Weil Sie ihn für einen überambitionierten, intriganten Rewar** halten, der mit seinen Eskapaden die Stabilität des Imperiums gefährdet?“
„Das haben SIE gesagt. Aber das war nicht mein Motiv…“, vermutlich erkannte Ras, dass diese Behauptung denn doch zu unglaubwürdig gewesen wäre und verbesserte sich: „…oder zumindest nicht der EINZIGE Grund. Ihnen ist doch sicherlich klar, warum er hier war.“
„Weihen Sie mich ein.“
„Es lag ganz bestimmt nicht daran, dass er auf einmal sein Herz für die Flotte entdeckt hat. Nein, er wollte ausloten, wie die Stimmung in der Flottenführung ist. Wir sollen uns schon mal an den Gedanken gewöhnen, ihm Bericht zu erstatten.“
Kern Ramal hätte beinahe zustimmend genickt. Er hatte bereits einen ähnlichen Gedanken gehabt. „Und dass passt Ihnen nicht.“
„Ihnen etwa? Heute ging es nicht nur darum, Meliac endlich den Ernst der Lage begreiflich zu machen. VOR ALLEM, falls er mit seinen verstiegenen Plänen Erfolg haben sollte. Und von meinen persönlichen Gefühlen mal ganz abgesehen – jemand musste eine Linie im Sand ziehen. Ihm Bescheid geben, dass die Flottenführung nicht nur aus Jasagern besteht, die in Schockstarre verfallen, weil sein missratener Sohn Prinzessin Linai geschw…“
„Überlegen Sie sich genau, was Sie jetzt sagen.“
„Sie wissen, welchen Anspruch Dero im Adelsforum erhoben hat! Das wird nicht weniger wahr, wenn Sie es nicht hören wollen.“
Der junge Admiral wusste, dass Ras Recht hatte. Das machte die Angelegenheit allerdings nicht besser: „Und Sie wollten derjenige sein, der Meliac seine Grenzen aufzeigt?“
„Wer den sonst? Latasch scheint erst mal einen anderen Kurs fahren zu wollen. Taran ist zu neu in dieser Runde – und seine Familie für meinen Geschmack zu sehr mit den Allecars verbandelt. Lann hat zu wenig Gewicht und ist zu offensichtlich Rallis Thelams Mann. General Moras hält sich für über die Politik erhaben. Und der Generalquartiermeister hat nicht das Format dazu. Der Rest…schaut zu und wartet ab, wer bei diesem idiotischen Hauen und Stechen um den Thron gewinnt. Falls sie sich nicht bereits mit dem vermeintlichen Sieger gemein gemacht haben.“
„Und was ist mit mir?“
„Sie sollten mir dankbar sein. Sie konnten den künftigen Regenten vor der bösen Kenai Ras in Schutz nehmen und zeigen, dass sie über den…Gerüchten bezüglich Ihrer Präreferenzen stehen.“
Kern Ramal hätte am liebsten mit den Augen gerollt. Der Hof war eine Schlangengrube. Die Geschichten über ihn und seine Gefühle für Linai…: „Ihnen ist doch klar, dass Sie sich eine Zielscheibe auf die Brust heften, wenn Sie sich den Mann zum Feind machen, der der Regent oder mindestens Kanzler des Reiches werden will.“
Kenai Ras winkte verächtlich ab: „Irgendjemand muss es eben tun. Ich habe das Postenkarussell unter Jor überlebt, das Hauen und Stechen nach dieser dilettantischen Offiziersverschwörung und dann noch einmal nach dem Tod des Kronprinzen. Die Missgunst eines überambitionierten Adligen wird mir keine schlaflosen Nächte bereiten.“
„ Und glauben Sie, wir hatten Erfolg? Dass er begriffen hat, in was für einer Lage wir, in was für einer ernsten Situation sich das Imperium befindet?“
„Das will ich doch hoffen.“
„Um des Imperiums willen?“
„Um seiner selbst willen…“


_______________________________________________

*ein pflanzenfressendes reptiloides Nutztier, ungefähr von der Größe eines irdischen Hausschweins

** auf Akarr beheimatete, etwa zwei Meter lange Raubechse, der als schneller Läufer und guter Schwimmer mit seinen Klauen und dem kräftigen Biss auch Akarii gefährlich werden kann, zumal sie leicht giftig ist. Rewar gelten als aggressiv und hinterhältig.
04.12.2020 08:23 Tyr Svenson ist offline E-Mail an Tyr Svenson senden Beiträge von Tyr Svenson suchen Nehmen Sie Tyr Svenson in Ihre Freundesliste auf
Tyr Svenson Tyr Svenson ist männlich
Captain


Dabei seit: 06.10.2015
Beiträge: 1.030
Herkunft: Jena, Thüringen

Auf diesen Beitrag antworten Zitatantwort auf diesen Beitrag erstellen Diesen Beitrag editieren/löschen Diesen Beitrag einem Moderator melden       Zum Anfang der Seite springen

T’rr, irgendwo im Gal’shanat-Gebirge


Der Planet T’rr war ein spröder Gastgeber. Goliath war auf dieser Welt be- und abgeschossen, verwundet, gefesselt und verprügelt worden. Und dabei hatte er noch Glück gehabt. Allerdings hatte er das Gefühl, dass dieses nun langsam aufgebraucht war: „Also ist das Treffen geplatzt.“
Major Hands nickte langsam. Seine Stimme blieb ausdruckslos – genauso wie die kalten, schwarzen Haifischaugen des Recon Forces-Offiziers, dessen Einheit zum gleichen Zeitpunkt wie Goliath auf dem Planeten gelandet war. Allerdings war es in deren fall freiwillig geschehen, während Goliath hatte notlanden müssen. Die Recon Forces hatten die rebellischen T’rr unterstützt und ausgebildet, Informationen gesammelt. Außerdem hatten sie die Intervention weiterer terranischer Spezialeinheiten vorbereitet – eine Planung, die jetzt voraussichtlich niemals Wirklichkeit werden würde. Die große Politik und der ‚Verrat der Konföderation waren dazwischen gekommen. Jetzt ging es nur noch darum, zu Überleben.
Und einen Weg nach Hause zu finden: „Auch wenn die Akarii und die Loyalisten-T’rr in ihren Stützpunkten bleiben – dass der Draned-Sektor Verstärkung bekommen hat, macht die Rebellen nervös. Und die Schmuggler sogar noch mehr. Außerdem scheint der neue imperiale Befehlshaber einiges auf dem Kasten zu haben und hält die Wacheinheiten auf Trab. Vielleicht wollen die Akarii ja tatsächlich mit den T’rr-Rebellen verhandeln. Aber sie möchten auf keinen Fall, dass jemand neue Waffen auf den Planeten schmuggelt. Unter diesen Bedingungen will keiner ein Risiko eingehen und ein gutes hundert Menschen durch die Kontrollen schmuggeln. Kein Schmuggler, kein Schwarzmarkthändler und auch nicht unsere verbliebenen Freunde unter den Rebellen.“

Dass sich der wortkarge Kommandeur der auf den Planeten entsandten terranischen Spezialeinheiten so ausführlich äußerte, zeigte, wie beunruhigt er war. Allerdings lastete auch eine große Verantwortung auf seinen Schultern. Nicht nur für die überlebenden Recon Forces. Zu seiner ziemlich zusammengewürfelten Gruppe gehörten inzwischen auch etliche zivile und militärische Geheimdienstler und sogar eine Handvoll Söldner, Schmuggler und ehemalige Kriegsgefangene, die es auf verschlungenen Pfaden nach T‘rr verschlagen hatte und die wie Goliath und die Recon Forces das Glück gehabt hatten, von ihren Rebellen-‚Gastgebern‘ nicht festgesetzt sondern in Sicherheit gebracht worden zu sein. Die Stimmung in dem inzwischen seit einigen Monaten bestehenden Camp war nicht unbedingt die Beste. Die Einrichtung war spartanisch und die Versorgung schwierig. Medikamente und Lebensmittel wurden immer knapper. Dass es bisher nur wenige Krankenfälle gegeben hatte, lag nur daran, dass die Flüchtlinge alle durch eine harte Schule gegangen waren. Sie hatten gelernt, den Dschungel von T’rr zu überleben.
Dazu kam das teilweise sehr angespannte Verhältnis zwischen den verschiedenen menschlichen Gruppen. Etliche der Recon Forces hielten sich für etwas Besonderes und blickten mit Geringschätzung auf die anderen herab, während einige der Geheimdienstleute und Zivilisten die Mitglieder der Spezialeinheit als eher simpel gestrickte Söldner und Killer abtaten. Dazu kam die komplizierte Kommandostruktur: Hands war als Major der ranghöchste Offizier, hatte in den Reihen seiner überlebenden Recon Forces allerdings fas ausschließlich Mannschaftsdienstgrade und Unteroffiziere, während etliche der Geheimdienstler und Goliath den Leutnantsrang hatten. Was allerdings nicht bedeutete, dass die rangmäßig untergeordneten Recon Forces automatisch bereit waren, Weisungen entgegenzunehmen.
Dass Goliath kurz nach seiner Ankunft im Lager zu einem der Stellvertreter des Majors ernannt worden war, war eine Ehre, auf die er gerne verzichtet hätte und hatte mehrere Gründe. Als ehemaliger Angehöriger der Marines und Fliegerass eines Elitegeschwaders genoss er sowohl bei den Zivilisten als auch bei den Recon Forces ein gewisses Ansehen, was Hands ausnutzte, um für Ruhe zu Sorgen.
In dieser zusammengewürfelten Runde reichte ein Dienstgrad alleine nicht immer aus. Angesichts von Goliaths knapp zwei Metern Körpergröße und seinem beachtlichem Muskeltonus sahen selbst die meisten Recon Forces davon ab, mit ihm Streit zu suchen.
Goliath war außerdem nicht nur physisch sondern auch psychisch er in der Lage und willens, gegebenenfalls mit…eher handfesten Argumenten für Ruhe und Ordnung zu sorgen. Bisher war zwar noch kein Blut geflossen, aber ein paar Mal war er froh gewesen, durch die Marineinfanterie-Grundausbildung gegangen zu sein und auch später sein Nahkampftraining nicht vernachlässigt zu haben.
Seine Zeit mit den T’rr-Guerillas und die dabei erzielten Leistungen hatten vermutlich ebenfalls eine Rolle gespielt. Immerhin hatte er bei mehreren Operationen persönlich teilgenommen und hatte sich mehrfach über Wochen und Monate im Dschungel durchschlagen müssen. Auch das war eine Leistung, die viele der Männer und frauen in dem kleinen Lager akzeptierten.
Außerdem gehörte er zu den wenjenigen, die die Sprache der T’rr inzwischen ganz gut verstanden – oder zumindest das eigenwillige Idiom mit eingesprenkelten Akarii-Brocken, dass die Guerillas verwendeten.
Und dann war da natürlich auch noch Arima gewesen, die auch aufgrund ihrer Englischkenntnisse de facto als T’rr-Verbindungsoffizier zu der menschlichen Gruppe fungierte.

Allerdings war ihr Status auch nicht gerade unumstritten, denn was eine beträchtliche Zahl der Menschen ‚einigte‘, war ihr Misstrauen gegenüber den T’rr. Dass die Gruppe auf die Unterstützung der Guerillas angewiesen war, schien das grassierende Misstrauen noch zu erhöhen.

Was die Männer und Frauen vor allem belastete, war die lähmende Ungewissheit Nach dem ‚Umkippen‘ der Konföderation waren viele der Kommunikationslinien nach Hause gekappt worden oder zumindest nicht mehr sicher. Die politischen Veränderungen auf T’rr hatten Menschen noch weiter isoliert. Sie wussten, dass sie gewissermaßen nur noch von geborgter Zeit lebten und dass der terranische Einsatz auf T’rr de facto zu Ende war. Viele plagte das Heimweh – sogar eine ganze Anzahl der Recon Forces-Mitglieder. Manche hatten wie Goliath allerdings eine merkwürdige Zuneigung zu der verborgenen Schönheit und dem gefährlichen Zauber des Planeten entwickelt.
Andere hassten jeden einzelnen Tag auf diesem Planeten. Einer von diesen war Artash Kumar. Der ehemalige ‚Freihändler‘ war so etwas wie der inoffizielle Sprecher der zivilen Flüchtlinge: „Seien wir doch verdammt noch mal ehrlich zu uns selber! WIR HABEN KEINE FREUNDE! Nur ein paar doppelzüngige Arschlöcher, die auf beiden Seiten spielen und den Preis in die Höhe treiben wollen, den sie von den Imperialen für uns bekommen!“
„Sind Sie fertig?“, Goliath schnaubte abfällig.
„Fertig bin ich noch lange nicht.“, Kumar spuckte auf den Boden, nur knapp neben Goliaths Füße und fixierte ihn feindselig: „Sie brauchen gar nicht so hochmütig zu tun, Superflieger. Wir sitzen im selben Boot. Wir sind gefickt! Na ja – wir alle außer Ihnen! Sie ficken diese T’rr. Wann lassen Sie uns auch mal ran, damit ihr kleines Miststück…“

Ein normaler Mann hätte mit ein paar harten Worten reagiert, Kumar Prügel angedroht oder ihm einen Kinnhaken verpasst. Aber Goliath war kein normaler Mann. Er war ein Ex-Marines. Sein Schlag kam überraschend aus der Hüfte heraus, mit dem gesamten Körpergewicht hinter der Faust, die er Kumar in den Solarplexus rammte. Der Schmuggler klappt zusammen wie ein Taschenmesser und ging mit einem furchtbaren Gurgeln zu Boden.
„Umwerfend komisch, Kapitän.“, Goliath stieß den am Boden liegenden Bewusstlosen mit dem Stiefel an: „Haben Sie vielleicht noch ein paar Witze auf Lager? Nein? Tut mir leid, ich kann Sie nicht verstehen.“
„DAS REICHT!“, schnappte Hands: „Von Kumar erwarte ich vielleicht einen solchen Blödsinn. Aber Sie sollten es besser wissen.“
„Irgendjemand musst unseren Schmuggler auf seinen Platz verweisen, bevor er irgendwelche Dummheiten macht. Das letzte, was wir gebrauchen können, ist eine Meuterei. Oder dass jemand sich versucht fühlt, auf Kosten der anderen ein Sonderticket nach Hause auszuhandeln. Kumar ist dumm genug, um so etwas zu versuchen.“
„Und so glauben Sie, ihn motivieren zu können? Ist DAS die neue Menschenführung, die man in der Offiziersschule lernt? Und was ist, wenn er auf die Idee kommt, sich zu rächen? Was würdewohl passieren, wenn Kumar oder irgendein anderer Idiot ihre kleine T’rr-Freundin abpasst, wenn Sie mal gerade nicht in der Nähe sind.“

Goliath zögerte kurz und stellte sich ein solches Zusammentreffen zwischen Kumar und Arima vor, die nicht nur mindestens einen Kopf kleiner sondern vermutlich auch dreißig Kilo leichter als der ‚Freihändler‘ war. Es war kein schönes Bild: „Nun…zumindest die T’rr hätten dann endlich wieder Fleisch auf ihrem Speiseplan. Aber es wäre schwierig, den anderen Kumars Verschwinden zu erklären.“
Major Hands Schnaufen klang verdächtig nach einem Lachen, aber sein Gesichtsausdruck wirkte wenig amüsiert. Bevor er antworten konnte, betrat die Person, an der Kumar so vehement Anstoß genommen hatte, die kleine Höhle: „Was ist denn hier los?“ Arimas Englisch war inzwischen fast fehlerlos, sah man von einem gelegentlichen Suchen nach Worten und dem deutlichen Akzent ab.
Normalerweise kam Hands gut mit der ehemaligen Sprachstudentin und Vollzeit-Guerillera an, aber jetzt klang seine Stimme leicht vergrätzt: „Man könnte sagen, er hat die falsche Frage gestellt.“
Die T’rr klackte amüsiert mit den Zähnen, wurde aber sofort wieder ernst: „Ich muss mit Ihnen reden.“, sie warf einen Blick auf den am Boden Liegenden, der sich wieder zu regen begann: „Und es ist vertraulich.“
Der Major nickte knapp und winkte Goliath zu, der die Höhle verließ und kurz darauf mit zwei Soldaten zurückkehrte: „Schaffen Sie Kumar ins Krankenrevier. Er sollte bald wieder auf den Beinen sein.“
„Geben Sie mir dann Bescheid.“, mischte sich Hands ein. Dann wandte er sich an Goliath: „Und Sie halten sich fern von ihm, bis ich Kumar den Kopf zurechtgerückt habe.“
Goliath nickte knapp, konnte es sich aber nicht verkneifen, ein „Ich dachte, dass hätte ich getan.“ hinterherzuschieben, sobald sie wieder zu dritt waren.
Hands winkte ab: „Also, was gibt es?“ Er hatte Goliath nicht aufgefordert, den Raum zu verlassen. Wenn Arima von ‚vertraulich‘ sprach, schloss das immer den ehemaligen Angry-Angels-Piloten mit ein.

„Es gibt vielleicht eine Möglichkeit, Sie nach Hause zu schaffen.“, die Stimme der jungen Guerillera klang…zögerlich.
„Was ist der Haken?“
„Es gibt keinen.“, Arima zögerte: „Und das…das macht mich unruhig.“
„Ich verstehe.“, Hands wechselte einen Blick mit Goliath. Er wusste, was Arima meinte. Nach mehreren gescheiterten Versuchen, einen Transit zu organisieren, waren sie alle etwas nervös. Und auf T’rr war grundsätzlich NICHTS ohne Haken: „Erzählen Sie.“
„Wir haben…ein Angebot erhalten. Wie Sie vielleicht wissen, läuft ein großer Teil der Transport nach und von T’rr über in imperialen Besitz befindlichen Transportfirmen – beziehungsweise solchen, die eine Sondergenehmigung haben. Die Standard-Sicherheitsrichtlinien sind ziemlich strikt und die Kontrollen streng…“
„Wofür wir uns bei euch bedenken können.“, spöttelte Major Hands wohlwollend.
„Aber aufgrund der Verluste an Transportraum durch den Krieg, den imperialen Beschlagnahmungen und den abgeschnittenen Verbindungslinien waren die Imperialen gezwungen, in der letzten Zeit etwas weniger…wählerisch bei der Erteilung von Transportlizenzen zu sein. Gleichzeitig hat die Effektivität der imperialen Überwachung und Kontrolle unter der Abkommandierung von Schiffen und Mannschaften gelitten. Zumal die imperiale Flotte durch die TSN und die Separatisten gebunden ist. Also ist es möglich, euch mit einem Frachter von diesem Planeten runterzubekommen.“
„Einem Akarii-Frachter?“, Hands klang ziemlich ungläubig: „Die machen bei so etwas mit?“
„Wenn alles glatt geht, werden die Akarii nicht mal mitbekommen, dass Sie an Bord sind.“
„Vergessen Sie nicht, meine Jungs und Mädchen sind keine T’rr. Wir können sie nicht einfach einfrieren.“

Goliath erinnerte sich daran, wie er geholfen hatte, so eine kleine Gruppe Kommandos auf die imperiale Hauptorbitalwerft zu schmuggeln. Zwar hatte keiner der Guerillas überlebt, aber sie hatten vor ihrem Tod ein leichtes Akarii-Kriegsschiff gesprengt und Teile der Station beschädigt.

„Ihre physiologischen…Schwächen wurden bedacht. Das Schiff lädt Großfrachtcontainer mit diverser Fracht. Mit etwas Mühe und Phantasie können wir einige der Container für Ihre Unterbringung umbauen und abschirmen. Das wird nicht sehr…bequem sein. Aber es wird reichen, bis Sie ein paar Tage später in einer etwas…weniger imperialen Umgebung auf ein Schiff verladen werden können, das in den republikanischen Raum springt. Wenn alles glatt geht, bekommt die Crew des ersten Schiffes nicht einmal mit, dass sie…Gäste haben.“
„Solange wir genügend Luft zum Atmen haben…“
Arima klickte wieder mit den Zähnen: „Auch daran wurde gedacht. Der Transporter lädt auch andere…Lebendfracht. Das wird helfen, etwaige Sensorscans zu verwirren.“
Hands nickte langsam: „Solange es sich bei der ‚Lebendfracht‘ nicht um Strafgefangene oder ähnliches handelt. Das letzte, was wir brauchen, sind zusätzliche Wachen an Bord. Oder neugierige Zivilisten, die herumschnüffeln“
„Keine Sorge, es sind nur Tiere.“
„Hoffentlich keine Da’rra.“, schaltete sich Goliath ein: „Denn in dem Fall weiß ich, wie dieser Film ausgeht.“

Die Da’rra waren zweibeinige, in Rudeln jagende Raubechsen. Etwa so groß wie ein ausgewachsener Mensch und mit furchterregenden Klauen und Zähnen, konnten Sie auch mit modernen Schusswaffen ausgestatteten Jägern gefährlich werden. Ein Da’rra hatte Goliath während seiner Zeit im Dschungel beinahe Fetzen gerissen.

Wieder klackte Arima amüsiert mit den Zähnen, die sich vermutlich ebenfalls daran erinnerte: „Nein, keine Da’rra. Es handelt sich um junge Klein-Taki. Die werden höchsten dem Moos gefährlich, das ihr inzwischen angesetzt habt.“
Major Hands schnaubte mäßig amüsiert. Offenbar machte ihm immer noch etwas zu schaffen: „Sie trauen der ganzen Sache nicht.“ Es war keine Frage.
Arima nickte langsam – eine Geste, die sie von den Menschen übernommen hatte: „Das Angebot kam nicht über einen unserer festen Kontakte und das macht es verdächtig. Vor allem, nachdem es bisher unmöglich war, einen Transporter zu organisieren.“
„Nicht, dass wir eine große Wahl hätten.“, konstatierte der Major grimmig: „Wir können nicht ewig hier bleiben. Und sei es nur, weil sich meine Leute dann gegenseitig an die Kehle gehen würden.“ Er warf Goliath einen ungnädigen Blick zu.
Der ignorierte das: „Was kannst du uns sonst über den Transport sagen?“ Er bemühte sich, seine Stimme ausdruckslos zu halten. Hands brauchte nicht zu wissen, was in ihm vorging.
Arima hingegen verstand ihn auch so: „Es ist nicht viel Zeit – sechs Tage.
Der Platz wird sehr knapp sein. Leichte Waffen, Wasser, Nahrung und Medikamente – nicht viel mehr.“ Sie zögerte kurz: „Aber ihr müsst auf jeden Fall alle gehen. Das ist eine Bedingung.“
Natürlich weckte das Major Hands Argwohn: „Nicht, dass jemand…“, er zögerte kurz. „Nicht, dass VIELE hier bleiben wollen. Aber ich würde schon gerne wissen, warum wir alle diesen Transporter nehmen sollen.“
Goliath seufzte: „Das wissen Sie doch. Weil wir inzwischen mehr eine Belastung als ein Aktivposten sind. Politik.“
„Also…wir alle in ein paar umgebauten Frachtcontainern, mit nur leichter Bewaffnung und gerade einmal sechs Tagen, um uns vorzubereiten. Ihnen ist klar, dass das nach einer verdammten Falle riecht? Nichts für ungut.“
„Ich kann damit leben.“, konterte Arima trocken: „Aber ohne euch zu nahe treten zu wollen: wenn die Imperialen dahinter stecken würden…wenn sie von euch und unserer Verbindung wissen…
Sie hätten es nicht nötig, so ein Theater zu veranstalten. Sie könnten das Lager ganz einfach in kleine Stücke bomben. Oder es stürmen.“
„Ja, aber mit der einen Methode könnten sie keine Gefangene machen. Und die andere würde blutig für sie werden…“
„Nicht, dass das die Imperialen von IRGENDETWAS abhalten würde. Zur Not könnten sie Söldner oder loyalistische T’rr schicken. Sie haben ein paar ziemlich tödliche Kommandos an der Hand.“ Damit hatte sie natürlich Recht: „Soll das heißen, dass Sie ablehnen wollen?“
Hands schnaubte angewidert: „Dann würde Kumar versuchen, MICH im Schlaf umzubringen. Und er wäre vermutlich nicht der Einzige.“ Er zögerte kurz: „Sie sehen so aus, als wären da noch ein paar Punkte, die mir nicht gefallen werden.“
Arima gab ein Geräusch von sich, dass wie eine Mischung aus Husten und Seufzen klang – ihr Versuch eines menschlichen Räuspern: „Da ist noch die Frage der Bezahlung.“
„Verstehe. Nachdem wir unseren Hals für Ihre Revolution riskiert haben…“
„Aus ganz selbstlosen Motiven…“, warf Arima ein.
„…sollen wir jetzt auch noch dafür bezahlen.“ Allerdings klang er nicht besonders empört. Hands wusste, wie das Spiel ging. Und dass Arima nur die Botin war: „Wieviel wollen sie?“
Die Summe, die Arima nannte, ließ ihn beeindruckt durch die Zähne pfeifen: „Das würde praktisch unsere verbliebenen Reserven aufbrauchen.“, er musterte Arima kritisch: „Erstaunlich, dass die Summe so präzise unseren Möglichkeiten entspricht. Fast, als hätte jemand gewusst, was wir uns maximal leisten konnten.“
„Wir haben die Summe ihren Möglichkeiten entsprechend so weit wie möglich heruntergehandelt. Aber irgendwo ist nun einmal Schluss. Und ja, auch unsere Möglichkeiten sind begrenzt. Diese Basis aufzubauen und zu versorgen, war auch nicht gerade einfach.“ Womit sie Hands nicht sehr subtil daran erinnerte, was die terranischen Kommandos den Guerillagruppen zu verdanken hatten, die sie nicht fallengelassen hatten, als sich der Wind drehte.
„Und das war es?“
„Abgesehen davon, dass sie eine verschlüsselte Botschaft weiterleiten sollen…“
„Welchen Inhalts?“
„Sie ist VERSCHLÜSSELT. Und schauen Sie nicht so beleidigt. Sie glauben, doch nicht wirklich, dass man mir so etwas erzählt.“
Bevor sich Goliath einschalten und Arima unterstützen konnte, winkte der Major ab: „Schon gut. Wie schnell brauchen sie eine Antwort?“
„Möglichst gestern. Aber heute Abend reicht auch.“
„Ich muss das besprechen…“, Hands warf Goliath einen Blick zu, aber es war Arima die ihm antwortete: „Sie wissen, wo sie mich finden, wenn Sie sich entschieden oder Fragen haben.“
Sie nickte Goliath knapp zu und ging. Der Pilot sah ihr hinterher, bis ihn ein spöttisches Räuspern seines Vorgesetzten ihn aus seinen Gedanken riss: „Kommen Sie schon.“

***

Zwei Stunden später

Die ein halbes Dutzend Quadratmeter messende Freifläche hätte eine hervorragende Übersicht über das schmale Tal geboten, das zu dem Höhlenversteck führte, wenn die dichte Vegetation nicht das Blickfeld begrenzt hätte. Zudem war sie nicht ganz einfach zu erreichen. Die Kommandos verließen sich deshalb eher auf Sensoren und Signaldrähte. Vermutlich hatte Arima das Miniaturplateau deswegen als ihren Rückzugsort auserkoren, wenn sie mal genug von den Menschen hatte. Oder sich ungestört mit einem bestimmten Menschen treffen wollte.

„Da bist du. Hat dich der Major also gehen lassen? Oder sollst du mich festsetzen?“
Goliath schnaubte kurz: „Nur, falls dir das Spaß macht. Hands ist kein Narr. Er weiß, dass du uns nichts ans Messer liefern willst.“
Arima überlegte kurz. Vermutlich versuchte sie, Goliaths Metaphern zu entschlüsseln. Dann klickte sie amüsiert mit den Zähnen, wurde aber wie üblich gleich wieder ernst: „Und was hat er entschieden?“
„Wie zu erwarten. Wir versuchen es. Nicht, dass wir eine große Wahl haben.“
„Es tut mir leid.“
Goliath wusste, sie meinte damit nicht die fehlenden Alternativen. Aber ihm fehlten einmal mehr die Worte, die ohnehin überflüssig waren. Stattdessen setzte er sich neben die junge T’rr. Nur wenige Augenblicke später lehnte sie den Kopf an seine Schulter, während ihre kleinere, vierfingrige Hand die seine suchte.
Eine ganze Weile verging in Schweigen. Es war Arima Stimme, die die Stille zerbrach: „Ich kann nicht mitkommen.“
Goliath unterdrückte ein Seufzen: „Ich weiß. Und ich kann nicht bleiben.“
„Ich weiß…“

Ganz abgesehen von den Klischees ihrer jeweiligen Verpflichtungen gegenüber der TSN beziehungsweise den T’rr-Guerillas, es gab auch andere Gründe. Arima würde in der Republik bestenfalls ein Kuriosum sein. In der Konföderation galten andere Regeln, aber in der FRT waren Aliens immer noch die absolute Ausnahme, und neun von zehn Menschen kannten sie nur vom Bildschirm. Schlimmstenfalls würde sie in einem Internierungslager oder in den Händen irgendeines Geheimdienstes verschwinden. Und Goliath hatte auf T’rr allen verbliebenen Kredit aufgebraucht. Wenn er bliebe – selbst WENN Hands oder die T’rr-Guerillaführer das zulassen würden – würde sein Glück irgendwann zu Ende sein und die Imperialen und Loyalisten ihn erwischen. Oder die Guerillas würden zu dem Fazit kommen, dass es im Interesse der angelaufenen Verhandlungen mit dem Imperium war, den Menschen loszuwerden oder ihn als Faustpfand zu verwenden. Es war schon beim letzten Mal knapp genug gewesen.
„Eigenartig. Die anderen wollen nach Hause. Und ich weiß inzwischen gar nicht mehr, wo das eigentlich liegt. Auf der Erde bin ich schon…ich weiß nicht – fünf Jahre nicht mehr gewesen?“
„Du hast mal gesagt…dass Heimat kein Ort ist.“
‚Ja, das habe ich gesagt. Aber warum sollte ich dann von T’rr wegwollen?‘
„Unsere Zeit im Dschungel – als wir versprengt waren und dann als wir uns hierher durchgeschlagen haben…“
„Ich weiß.“
‚Vielleicht hätten wir im Dschungel bleiben sollen.‘ Das sagte er natürlich nicht laut, weil es Unsinn war. Aber dennoch…
Trotz der täglichen Herausforderungen, es war eine…einfachere Zeit gewesen. Der Krieg schien entfernt, sodass man ihn manchmal für ein paar Stunden, einen ganzen Tag vergessen konnte. Keine kaltblütig kalkulierenden Vorgesetzten und professionellen Mörder wie Hands oder die T’rr-Offiziere. Keine bigotten Idioten wie Truppführer Rent und Kumar.
„Du wusstest…dass es so laufen würde. Wenn wir Glück haben.“, Arimas Stimme klang ruhig. Nur weil er sie inzwischen so gut kannte, spürte er die Emotionen unter dem bemühten Fatalismus: „Das heißt nicht, dass es das Ende ist. Oder für immer.“
Offenbar war nicht einmal die sonst oft so zynische Arima vor Illusionen gefeit. Goliath drehte den Kopf leicht zur Seite und betrachtete das vertraute und dennoch immer noch rätselhafte Gesicht der jungen T’rr. Er war natürlich keinen Deut klüger: „Du glaubst…“
„In diesem Krieg sind schon merkwürdigere Dinge geschehen. Und er wird nicht für immer weitergehen. Und dann…“
Sie beide wussten eigentlich, wie gering die Chancen waren. Aber dennoch, die bloße Möglichkeit war etwas, das ihnen Hoffnung machte. Auch wenn es die Hoffnung von Narren sein mochte. Was das anging, waren T’rr und Menschen sich gar nicht so unähnlich.
„Ich nehme an, Hands will, dass ich mich sofort ans Funkgerät hänge.“, Arima klang spöttisch: „Von Kumar und einigen der anderen ganz zu schweigen.“
„Kumar soll sich aufhängen. Und Hands kann ruhig noch etwas warten.“
„Gut.“
„Dir ist aber klar, was die anderen denken werden.“
Arima klackte mit den Zähnen: „Was deine Menschen denken, ist mir egal. Mir geht es um dich.“
„Zumindest heute gehe ich nirgendwohin.“
„Gut.“

***

Eine reichliche Woche später, im Orbit über T‘rr


Die beiden gepanzerten Fechter trennten sich und umkreisten ihren ungepanzerten Gegner mit langsamen, trotz der Rüstung eigenartig anmutig wirkenden Bewegungen, auf eine Gelegenheit zum Angriff lauernd. Sie wussten sich im Vorteil – wenn sie den Halbkreis vollendet hatten, würde ihr Ziel zwangsläufig einem der beiden den Rücken zukehren müssen. Aber natürlich wusste ihr Gegner das auch. Und deshalb griff er an. Zwei schnelle Schritte überbrückten die Distanz zum nächsten der beiden Fechter, der von einem Wirbel aus Schlägen aus dem Gleichgewicht gebracht und zurückgetrieben wurde. Mit Glück und Können konnte er einen entscheidenden Treffer vermeiden, aber er kam aus dem Takt.
Das war genau die Gelegenheit, auf die sein schnellerer Gegenüber gewartet hatte. Blitzschnell fuhr er herum zu der gepanzerten Fechterin, die versucht hatte, ihm in den Rücken zu fallen. Sein Sturmangriff war so überraschend und kraftvoll, dass sie keine echte Chance hatte. Zwar konnte sie den ersten, über den Kopf geführten Schlag noch mit ihrer Klinge abgleiten lassen, aber der gegen ihren Hals geführte Ellbogenstoß war trotz ihres Körperpanzers heftig genug, um sie zu wanken zu lassen. Während ihr Gegner an ihr vorbeiglitt, riss er seine zum Boden weisende Klinge wieder nach oben und quer über ihr Schlüsselbein und ihren Hals. Dann wirbelte er erneut herum um sich dem verbliebenen Fechter zu stellen, der sich gefasst hatte und einen wütenden Angriff startete. Die Wut wurde ihm zum Verhängnis. Eine kaltblütige Parade, gefolgt von einer Finte – und eine Klinge fuhr mit einem dumpfen Knirschen über seinen Unterleib und beendete den Kampf.

Ein paar Herzschläge herrschte Schweigen, das von Admiral Kjanis Stimme durchbrochen wurde: „Sie werden besser, Hoheit. Hingegen muss ich sagen, dass ich von Ihnen mehr erwartet habe, Lady Otrano. Sie haben gezögert, mich von hinten anzugreifen. Das war ein Fehler. Wenn Sie sofort losgeschlagen hätten…“
„Der Fehler wird mir nicht noch einmal unterlaufen.“, Maran Otranos Stimme klang leicht bissig. Sie wusste, dass der Admiral nicht nur vom Fechten sprach. Normalerweise wäre es undenkbar gewesen, dass eine provisorisch zum Lieutenant ernannte Kadettin einen solchen Tonfall gegenüber einem Admiral anschlug. Aber im Übungsrund galten andere Regeln. Das hatte Admiral Kjani Rau von Anfang an klar gemacht – allerdings auch, was geschehen würde, falls Maran Otrano oder Navarr Thelam sich im Dienst und vor Zeugen im Ton vergreifen sollten.
Der Admiral lachte kurz auf. Während Maran sichtlich außer Atam war und Navarr Thelam nach dem wuchtigen Treffer immer noch nach Luft schnappte, schien ihr Vorgesetzter nicht einmal schneller zu atmen: „Was meinen Sie, Hoheit – warum konnte ich Sie beide heute besiegen?“
„Weil Sie erfahrener und kräftiger sind?“ Navarr Thelam’s Stimme klang etwas angespannt. Er verlor nicht gerne. Nicht einmal gegen eine lebende Legende.
„Erfahrung ist wichtig. Aber Stärke alleine sichert noch keinen Sieg. Wichtiger ist es, schnell und präzise zuzuschlagen, wenn und wo der Gegner es nicht erwartet. Aber das wissen Sie bereits.“
„Dass Sie keine Rüstung tragen, hat sie bevorteilt. Dadurch waren Sie schneller als wir.“
„Ah, das ewige Dilemma zwischen Beweglichkeit und Eigenschutz. Das hat zu meinem Sieg beigetragen, ja. Aber nicht nur in dem Sinne, wie Sie denken. Sie beide haben nicht mit vollem Einsatz gekämpft.“
Navarr richtete sich etwas beleidigt auf: „Ich würde Sie niemals absichtlich gewinnen lassen…“
Kjani Rau winkte ab. „So habe ich das nicht gemeint. Aber Sie beide haben unbewusst ihre Schwerter vorsichtiger geführt. Sie hatten Angst, mich zu verletzen.
Merken Sie sich das: es kann verhängnisvoll sein, im Kampf nicht alles zu geben. Nur wenig ist so gefährlich, wie ein Gegner, den nichts zurückhält und nichts belastet.“
„Der Fehler wird mir nicht noch einmal unterlaufen.“, wiederholte Navarr Thelam die Worte Marans und klang dabei genauso bissig wie sie.
Der Admiral lachte wieder: „Das will ich doch hoffen. Ich hasse es, mich zu wiederholen.“
„Und warum konnten wir nicht ebenfalls ohne Rüstungen kämpfen?“ Maran klang kämpferisch.
„Sobald Sie besser geworden sind, können Sie es gerne versuchen. Aber ich will nicht, dass einer von Ihnen beiden verletzt wird.“
„Das Risiko wäre ich einzugehen bereit.“, konterte Navarr kämpferisch.
Aber der Admiral schüttelte den Kopf: „Ich möchte nicht dafür verantwortlich sein, dass Sie sich bei einem bloßen ÜBUNGSKAMPF die Rippen brechen. Sie sind ein Thelam und ein Thronprätendent. Ihre Unversehrtheit geht nicht nur Sie selbst etwas an. Sie dürfen sie nur dann riskieren, wenn es das auch wirklich wert ist.“

‚Und schon wieder reden wir nicht nur vom Fechten.‘ Langsam war Navarr es leid, von der ‚Fürsorge‘ eines Möchtegern-Mentors in die andere überzugehen.
Und dennoch – Rallis, Parin und jetzt Rau: Diese Männer hatten vom Charakter her wenig gemeinsam. Und dennoch schienen sie alle entschlossen, Navarr nach ihren Vorstellungen zu formen. Das wäre vielleicht sogar schmeichelhaft gewesen, wenn er nicht permanent das Gefühl gehabt hätte, jedes seiner Worte und jede Handlung abwägen, begründen und rechtfertigen zu müssen. Wenn das Haupt, das eine Krone trägt, tatsächlich schwer wog – dann galt das auch für denjenigen, der MÖGLICHERWEISE mal eine Krone tragen würde.

Der verbale Schlagabtausch wurde durch das Zirpen von Raus Komm unterbrochen. Der Admiral, der das Gerät vor dem Übungskampf abgelegt hatte, aktivierte den Kommunikator und lauschte kurz. Dann lächelte er knapp: „Ausgezeichnet. Verfahren Sie weiter wie geplant. Rau, Ende.“, er schaltete das Gerät ab und blickte auf: „Unsere ‚Gäste‘ auf T’rr schiffen sich ein.“

Maran Otrano schien die Neuigkeit gleichgültig aufzunehmen. Navarr allerdings schaffte es nicht, seine Gefühle zu verbergen. Der Admiral musterte ihn kurz: „Sie haben Bedenken bezüglich meiner Entscheidung?“
Navarr räusperte sich: „Ich verstehe ja, dass Sie die terranischen Spezialeinheiten auf T’rr loswerden wollen. Ganz abgesehen davon, was sie für Schaden angerichtet haben und künftig verursachen können, bedroht ihre Präsenz auch die Verhandlungen mit den Guerillas. Aber warum lassen Sie die Terraner einfach ziehen? Wir sollten ihren Stützpunkt in kleine Stücke bomben. Oder ihren Frachter aufbringen oder ganz einfach vernichten.“
Rau lächelte kurz: „Argumentiert wie ein wahrer Imperialer. Aber als Prinz müssen Sie auch andere Aspekte beachten.“, er schien zu merken, dass seine Worte nicht unbedingt auf Zustimmung stießen und fuhr deshalb fort: „Für den Krieg, für den Draned-Sektor ist es ziemlich unwichtig, was mit einer ein paar Dutzend Köpfe starken Spezialeinheit geschieht – solange sie nur von T’rr verschwinden.
Wenn ich die Terraner entgegen dem, was wir den Guerillas inoffiziell zugesichert haben, jetzt vernichte oder gefangen nehme, würde ich einen kleinen Sieg erringen. Vielleicht könnten wir sogar eine kurze Sondermeldung lancieren.
Aber das wäre auch schon alles. Der Informationsgewinn wäre minimal – diese Männer und Frauen sind seit fast einem Jahr nicht mehr im terranischen Raum gewesen. Was die Republik an militärischer Schlagkraft gewinnt, wenn die Spezialeinheit zurückkehrt, ist unbedeutend.“
„Gilt das auch für die Informationen und die Kontakte, die die Menschen auf T’rr gesichert haben?“
„Das ist ein Argument. Aber der Gewinn, den wir erzielen, wenn wir unsere kleine…Vereinbarung einhalten, ist größer. Was wir vor allem brauchen, das ist Ruhe auf T‘rr. Wenn wir diesen Planeten befrieden können – und zwar durch Verhandlungen – dann wird das auch auf den anderen T’rr-Planeten Wirkung zeigen. Wir könnten Dutzende Atmosphären- und Raumfliegerstaffeln und mehrere Armee- und Marineinfanteriekorps in Richtung Front in Bewegung setzen. Und dabei rechne ich noch nicht einmal den Zugewinn an Kampfkraft mit ein, den wir durch T’rr-Hilfstruppen erhalten würden.“
„Sie denken doch nicht ernsthaft daran, Ex-Guerillas gegen die Terraner einzusetzen.“
„Das müssen andere entscheiden. Ich würde ja erst einmal mit ausgewählten Spezialeinheiten und kleineren Probeverbänden beginnen. Aber in unseren Kolonialkriegen haben sich die T’rr schon früher bewährt.“
„Bis sie sich gegen uns gewandt haben.“
„Das Risiko bin ich bereit einzugehen. Wir können bei der Wahl unserer Mitkämpfer nicht ZU wählerisch sein. Und im Zweifelsfall habe ich die T’rr lieber auf meiner Seite, als als Feind.“

„Sie klingen schon wie Dero.“, spottete Navarr. Er wusste, dass er gefährlich weit ging. In der Öffentlichkeit wäre es selbst für den Prinzen kaum denkbar gewesen, seinen Vorgesetzten so infrage zu stellen. Aber in der ganz und gar inoffiziellen Umgebung des Übungsraumes.. Kjani Rau genoss es, herausgefordert zu werden und hatte Navarr immer wieder dazu ermuntert. Und deshalb ließ der jetzt nicht locker: „Ich hoffe, es geht nicht auch bei Ihnen nur darum, Ihr Wort und Ihre Ehre intakt zu halten.“
„Wenn es um Ehre geht, dann gibt es kein ‚NUR‘. ‚Karrg verloren, Ehre verloren. Ehre verloren, alles verloren.‘* Wie ich Ihnen bereits einmal gesagt habe, pflege ich nicht zu lügen sondern in der Tat meine Versprechen zu halten. Und ich habe nicht vor, daran etwas zu ändern.
Aber das ist nicht der Hauptgrund. Wir brauchen einen von beiden Seiten akzeptierten Verhandlungsfrieden. Und dafür brauchen wir VERTRAUEN. Wieviel Zutrauen in unsere Versprechen würden die Guerillas wohl haben, sollte durchsickern, dass wir ihre ehemaligen Verbündeten auf einen Frachter gelockt und diesen dann in die Luft gejagt oder aufgebracht haben? Nein. Das sind ein paar Menschen einfach nicht wert.
Außerdem schulden uns die beteiligten Guerillaführer dann etwas. Wir geben wiederum ihnen die Möglichkeit, ihrem Wort gegenüber ihren Verbündeten gerecht zu werden. UND entfernen eine Belastung für die Verhandlungen mit ihnen.“

Navarr war immer noch nicht ganz überzeugt: „Das ist doch aber nicht alles, oder?“
Der Admiral lächelte wieder: „Sie lernen schnell. Gut. In der Tat, gibt es noch andere Aspekte.“
Da er nicht fortfuhr, war es Maran Otrano, die den Satz ergänzte: „Die Sie aber nicht erläutern wollen.“
„Manche Komponenten des Umgangs mit unseren scheidenden ‚Gästen‘ sind derart…delikat, dass ein Thronprätendent besser nicht zu viel wissen sollte. So brauchen Sie wiederum nicht zu lügen, falls Sie deswegen befragt werden sollten.“
‚Und was genau meinst du damit?‘ Natürlich war es politisch mehr als heikel, erklärte Gegner des Imperiums einfach ziehen zu lassen. Missgünstige Stimmen könnten das leicht als Verrat auslegen. Als den Versuch, einen Kontakt zum Gegner zu knüpfen – mit welcher Motivation auch immer.

Navarr musterte seinen Vorgesetzten nachdenklich. Ging es vielleicht in erster Linie darum? Wollte Rau eine inoffizielle Verbindung in die Terranische Republik etablieren – und wenn ja, warum? Der Admiral war schon einmal in den Verdacht geraten, bei der von ihm im feindlichen Hinterland geführten Offensive allzu großzügig mit unterlegenen Gegnern zu verfahren. Er war gewiss kein fanatischer Anhänger der die absolute kulturelle und auch genetische Überlegenheit der Akarii propagierenden Beta-Borealis-Doktrin. Navarr war sich nicht einmal sicher, ob Rau überhaupt noch an den Sinn des Krieges und die Möglichkeit eines imperialen Sieges glaubte.
Wenn er tatsächlich daran dachte, unautorisierte Kontakte mit dem Feind zu knüpfen, dann spielte er ein gefährliches Spiel. Denn ein zu selbstherrlich agierender Kjani Rau wäre gefährlicher als eine ganze Schar von Rebellen von dem Forma General Qulat’s: „Falls jemand wie Admiralin Ras von dieser Operation Wind bekommen sollte…“

Der Admiral überraschte die beiden jungen Adligen mit einem leisen Auflachen: „Es wäre nicht das erste Mal, dass sie mit mir unzufrieden ist. Aber Ras muss wohl mit der Enttäuschung leben können.“
Navarr blinzelte überrascht. Er hatte nicht gewusst, dass Rau die Chefin des Flottennachrichtendienstes persönlich kannte. ‚Vielleicht sogar mehr als persönlich?‘ Rau hatte so einen gewissen Ruf und seine Worte über Kenai Ras hatten sehr…vertraut geklungen. Außerdem entsprach Kenai Ras vermutlich Kjani’s Geschmack: Sie galt als willensstark, ambitioniert, brillant und gefährlich: „Sie beide haben jetzt nicht wirklich…“
Der Admiral winkte ab: „Das geht Sie aber nun wirklich nichts an, Hoheit. Wir haben genug Zeit vertrödelt. Ich erwarte Sie morgen wieder zur selben Zeit im Trainingsraum. Bis dahin können Sie sich beide wieder ihren sonstigen Pflichten widmen.
Lieutenant Otrano, Sie übernehmen einen Kurierauftrag nach T’rr. Sehen Sie zu, dass Sie bis heute Nachmittag wieder zurück sind.
Sie werden heute Abend beide bei der Einsatzplanungsbesprechung assistieren. Aus dem Kernimperium sind einige Operativvorschläge eingegangen und ich will, dass Sie beide bei deren Adaption assistieren. Thelam, Sie haben eine Wachschicht Dienst auf der Brücke. Captain Zanni hat eine Einsatzübung angesetzt. Sie können von ihr viel lernen. Wegtreten.“

________________________


*antikes Sprichwort. Der Karrg ist ein drachenartiges Ungeheuer der Akarii-Mythen. Für die antiken Truppen des Ersten Imperiums waren ihre Karrg-Standarten genauso wichtig, wie die Adlerstandarten der Römischen Legionen und Napoleonischen Regimenter.

Dieser Beitrag wurde 1 mal editiert, zum letzten Mal von Tyr Svenson: 14.12.2020 13:11.

14.12.2020 13:10 Tyr Svenson ist offline E-Mail an Tyr Svenson senden Beiträge von Tyr Svenson suchen Nehmen Sie Tyr Svenson in Ihre Freundesliste auf
Ace Kaiser Ace Kaiser ist männlich
Lieutenant General


images/avatars/avatar-461.gif

Dabei seit: 01.05.2002
Beiträge: 7.038

Auf diesen Beitrag antworten Zitatantwort auf diesen Beitrag erstellen Diesen Beitrag editieren/löschen Diesen Beitrag einem Moderator melden       Zum Anfang der Seite springen

Texas-Manticore-Wurmloch,
Texas-System
Republikanischer Raum
Forschungsschiff ALBERT EINSTEIN

Endlich war es soweit. Nach etlichen Wochen der Vermessung und des Probebeschusses auf das Texas-Manticore-Wurmloch konnten sie einen ernsthaften Probelauf mit den Emittern durchführen. Ziel der Aktion war es, herauszufinden, ob die ALBERT EINSTEIN in der Lage war, das von den Akarii geschlossene Wurmloch zu öffnen, ohne dass sie Hilfe von einem Emitterschiff von der anderen Seite, von Manticore aus, bekam, wie beim Jura-Eisfeld-Experiment, das ein instabiles Wurmloch nach Beta Hydri geöffnet hatte.
Es war nur ein Versuch, aber die Wissenschaftler um Professor Jorgensson und Lieutenant Commander Melissa Jamison-Bowyer erhofften sich eine erhebliche Datenflut, die sie auf Monate hin beschäftigen würde. Und die hoffentlich ultimativ dazu führen würde, dass sie das Wurmloch nach Manticore würden öffnen können. Irgendwann. Und dann zu ihren eigenen Bedingungen.
Manticore, die verlorene Kolonie, das verlorene Flottenzentrum. Nicht wenige Leute fragten, warum ihre Flotten unbedingt im Akarii-Raum herumkurven mussten, anstatt auf Manticore einzuschwenken und den Planeten zurück zu erobern. Wenn man über ein Dutzend Akarii-Welten halten konnte, warum dann nicht auch Manticore zurückerobern, den Ort der größten Niederlage in diesem Krieg und die Eröffnung eines Konflikts, den niemand hatte kommen sehen, bis die Akarii das erste Mal das Feuer eröffnet hatten?
Die Antwort war pragmatisch, aber auch ein wenig jenseits der Realität, wie Justus Schneider fand: Manticore war nur ein kaum besiedeltes System ohne nennenswerte Bevölkerung. Zwar befanden sich tausende Angehörige von Flotte und Armee samt ihren Angehörigen in Gefangenschaft, aber darüber hinaus war Trafalgar, Hauptwelt und Sitz der Flottenadmiralität der 2. Flotte wertlos. Es brachte, nachdem die Akarii die terranischen Schiffe, die hatten zurückbleiben müssen, weggeschafft hatten, keinen Vorteil für die Terran Space Navy, weder taktisch, noch strategisch.
Im Gegenteil, solange das kaiserliche Oberkommando Manticore halten wollte, musste es Schiffe und Material und Personal hineinpumpen, um den vorgelagerten Stützpunkt halten zu können.
Man konnte sogar sagen, dass das Oberkommando in Manticore so viel Ausrüstung und so viele Schiffe band, dass die Erfolge der 2. Flotte unter Renault überhaupt erst möglich geworden waren.

Überdehnte Nachschubwege, exponiert gegen schnelle Raids, was die Flotte häufig und gerne mit den Akarii tat, und eine Menge untätige Schiffe, nur um den wichtigsten Sieg der Kaiserlichen gegen die „Glatthäute“ halten zu können, das war das Programm. Sie mussten Manticore halten, oder der ganze Krieg war nur noch eine einzige Farce und eine gewichtigere Niederlage für das Imperium, als es jede Niederlage, jede verlorene Flotte und jeder eroberte Planet je würde sein können. Ja, die Akarii hatten sogar eher zugelassen, dass der Draned-Sektor, immerhin ein Drittel des gesamten Kernreichs, zeitweise von der Front vom Rest des Imperiums getrennt wurde, als dass die Akarii zugelassen hätten, ausgerechnet Manticore zu verlieren.
Das terranische System nicht zurückzuerobern war also eine klare Entscheidung dafür, dass die Akarii wichtige Schiffe weiterhin in Manticore banden, freiwillig, und damit weite Teile ihrer Gebiete geradezu verletzlich machten. Zugegeben nicht zu verletzlich, und der Draned-Sektor hatte die Bresche auch wieder schließen können. Und Renault hätte beinahe seine Flotte gegen Admiral Lian verloren. Was auch alles eher gegen als für eine Rückeroberung sprach. Aber Justus wusste, wenn ein Plan existierte, der nicht nur die Befreiung Trafalgars akzeptabel machte, sondern dabei auch das Gros der kaiserlichen Schiffe im System vernichtete oder eroberte, wenn die Schiffe, die sich bis dato selbst über Trafalgar isolierten, dann war das genauso gut, wie sie weiterhin zu ignorieren.
Und für diesen Tag, für diesen Fall, für dieses Ereignis forschten sie an diesem Wurmloch, um es eines Tages überraschend öffnen zu können und die Rückeroberung Manticores einzuleiten.

„Justus? Schläfst du?“, tadelte ihn eine bekannte, liebe Stimme.
„Seit wann schlafe ich im Dienst, meine liebste Melissa?“, erwiderte er.
„Gut, wenn du also nicht schläfst, möchtest du dann den Befehl zur Aufladung geben?“, tadelte Lieutenant Commander Jamison-Bowyer.
„Moment, Mel. Eins O, wo befinden sich unsere Begleitschiffe WARDRUM, SPRUANCE und LOOKOUT?“
„Dreieckige Geleitpositionen rund um die ALBERT, etwas voraus, aber außerhalb der Wirkungsweise der Emitter“, meldete Commander Gyrich. Der Mann war mit der ALBERT EINSTEIN angekommen, als Justus' altes Schiff auf der Forschungsoption Jura-Eisfeld-Wurmloch abgelöst werden sollte. Es hatte einigen Hickhack und eine Erläuterung seiner Befehle bedurft, inklusive eines Kontakts zum Flottenhauptquartier und zur Forschungsabteilung, bis Justus Schneider begriffen hatte, dass Elon Gyrich sein neuer XO war. Und dass seine NICOLA TESLA nicht den Platz mit der ALBERT EINSTEIN tauschen sollte, sondern er und seine Crew das Schiff, weil die ALBERT brandneu war und man viele der Geräte, die das Jorgensson-Team entwickelt hatte, bereits als Serienbau oder verbesserten Prototypen vorhielt. Was natürlich die Forschungsleistung automatisch erheblich verbesserte. Außerdem erreichten die Emitterantennen der ALBERT zwölf Petajoule mehr Leistung als die TESLA, was nicht nach viel klang, aber immerhin eine Verstärkung um ein Achtel bedeutete.
„Sollen Position halten. Außer natürlich, uns kommt eine Invasionsarmee entgegen, wenn wir am Wurmloch arbeiten.“
Der Mittelamerikaner lachte auf. Humor hatte er ja, aber der Mann tat sich ein wenig schwer, gegenüber Schneider aufzutauen. Justus hatte noch nicht herausgefunden, ob Gyrich übermäßigen Respekt oder Ignoranz ihm gegenüber empfand. In einer Sache aber war er sich sehr sicher: Gyrich arbeitete gut, vor allem mit den Wissenschaftlern, hatte selbst einen Ingenieursgrad und diskutierte Befehle mit Justus nie vor der Crew, immer nur unter vier Augen. Und das auch lediglich selten.
„Malen Sie die Akarii mal nicht auf den Ortungsschirm, Justus“, erwiderte er.
Schneider grinste. Es hatte fünf Monate gedauert, bis sich Elon das erste Mal dazu verleiten ließ, ihn beim Vornamen zu nennen. Das war vielleicht der erste Schritt zu einem besseren Vertrauensverhältnis zwischen ihnen. Justus würde es sich wünschen. „Also gut, Elon, dann melden Sie der Admiralität bitte Fall Rot in sechs Minuten.“
Der hagere schwarzhaarige Mann grinste breit und sichtlich zufrieden. „Fall Rot, Aye, Skipper.“ Er sah zur Seite. „Ms. Juga, melden Sie der Admiralität Fall Rot und fügen Sie hinzu: Keine Anzeichen von Feindaktivität bisher.“
Die junge Frau im Lieutenantsrang versuchte sich an einem Lächeln. Es wurde eine Grimasse und zeigte ihre ganze Nervosität. „Aye, Commander.“
Während sich die Kommunikationsoffizierin an die Arbeit machte, wandte sich Schneider dem Monitor zu, der Melissa Jamison-Bowyer, Professor Jorgensson und Captain Baker zeigte.
„Laden Sie auf, Professor Jorgensson.“
Der ältere Geisteswissenschaftler rieb sich vollkommen unmilitärisch die Hände. „Verstanden, Skipper. Na, dann wollen wir doch mal sehen, wie die alte Lady mit hundertsiebzehn Petawatt klarkommt.“
Justus lehnte sich nach hinten und beschloss, die Show, die folgen würde, zu genießen.
***
Manticore-Texas-Wurmloch
Manticore
ehemals Republik Terra, jetzt kaiserlich annektierter Raum
Forschungsschiff CULIFER

Salek Ilis machte einen entspannten Eindruck auf seine Crew. Aber das war er nicht. Er war erregt, bis zur letzten Schuppenwurzel. Das, was sie hier gleich tun würden, konnte die gesamte Raumfahrt revolutionieren. Die Strategie interstellarer Kriege verändern. Akar einen Vorteil verschaffen, der auf Jahrhunderte Gültigkeit haben würde. Die Partei, die als erste und vielleicht lange Zeit einzige Wurmlöcher mit relativ geringem Aufwand passierbar oder unpassierbar machen konnte, würde in jedem Konflikt automatisch einen Vorteil haben, während alle anderen Nationen nicht nur die natürlich stabilen Wurmlöcher verteidigen mussten, sondern jedes Wurmloch, das existierte, denn angegriffen werden konnten sie dann von jeder Seite, selbst wenn das entsprechende Wurmloch normalerweise nicht mal Translichtbotschaften zuließ.
Abgesehen davon interessierte ihn der physikalische Effekt natürlich am meisten. Das Militär hatte einen Soldaten aus ihm gemacht, aber den Naturwissenschaftler in ihm hatte es nicht austreiben können. Und so betrachtete er Doktor Lor Hoser auf seinem Bildschirm, während dieser die letzten Vorbereitungen traf, um fast neunundneunzig Petajoule Energie ins Wurmloch zu pumpen.
„Alle bereit?“, fragte er ins Rund.
„Captain, die LAGHOS, die TRIBAN, die VOULKUN und die RODODORADA sind auf Position und einsatzbereit.“
Ilis nickte zufrieden. So viel Militär war er dann doch, dass er einen guten Geleitschutz zu schätzen wusste. Die LAGHOS war ein Leichter Kreuzer, die anderen drei Schiffe Zerstörer. Das bedeutete genug Feuerkraft, um sich sicher zu fühlen.

„Dokter Hoser, wie weit sind Sie?“, fragte er über den Internfunk.
„Moment, Skipper. Wir glühen noch vor. Anderthalb Minuten.“
„Einverstanden.“ Er hätte das Geschehen sowieso nicht beeinflussen können. Also blieb ihm nur zu akzeptieren, dass er in diesem Geschehen ein Zuschauer war, der aber zumindest auf einen symbolischen Knopf würde drücken dürfen.
„Wir sind dann soweit“, sagte Hoser so plötzlich, dass sich bei Ilis ein paar Gesichtsschuppen spreizten. Er war in Gedanken etwas abgedriftet, und nun war die Einsatzbereitschaft der Emitterspulen so überraschend über ihn gekommen, dass er sich tatsächlich etwas erschrocken hatte. Er räusperte sich verlegen. „Tun Sie's, Doktor.“
„Jawohl, Skipper! Feuert die Emitter!“
Für normale Augen unsichtbar, aber auf den Hilfsbildschirmen mit Computerrechenleistung eingezeichnet, schoss die Energie aus den beiden Emittertürmen in das von ihnen verschlossene Wurmloch Manticore-Texas. „Der Rest ist abwarten“, murmelte er so leise, dass nur er es hören konnte.
***
ALBERT EINSTEIN

Mit gemischten Gefühlen sah Justus Schneider dabei zu, wie sich die Emitter dahin entluden, wo normalerweise der Port des Wurmlochs nach Manticore war, also die Übergangszone in den Transit. Die Akarii hatten es durch die Zündung einer Antimateriemine von unglaublicher Kraft kollabieren lassen. Leider hatte Melissa ihnen vorgemacht, wie so etwas zu geschehen hatte, und sie hatte die Kraft der Explosion auch auf etwa drei Etajoule gerechnet. Eine Kraft, die etwa 270 Megatonnen Vergleichs-TNT bei dessen Explosion entsprach. Das war genug Power, um einem Planeten die Atmosphäre wegzublasen. Abgesehen davon, dass eine solche Explosionskraft stark genug war, um eine wirklich mächtige Delle in einen Planeten zu schlagen – hätte es einen Reaktor gegeben, der eine solche Energie auf einen Schlag hätte bereitstellen können, wäre es die furchtbarste Waffe im Universum gewesen. Aber einen so leistungsstarken Reaktor gab es glücklicherweise nicht.
Hätten die Fälle anders gelegen, das machte sich Justus klar, wären schon die ersten Forschungsschiffe mit den Feldemittern als Waffe eingesetzt worden, auch um ganze Planeten zu vernichten. Die Terran Space Navy war nicht gerade das, was man zimperlich nennen konnte. Und Berührungsängste mit Superwaffen kannte sie auch nicht.

Anders sah es im Wurmloch auf. Hier würden die Energiestrahlen aus den drei Emittern permanent auf Widerstand treffen und ihre Energie also auch permanent abgeben. Dazu kam, dass der Energiestrom über mehrere Stunden erfolgen würde, die einhundertsiebzehn Petajoule würden also nicht sofort abgegeben werden, das war nur die Gesamtleistung. Es war beruhigend, dass sie hier keinesfalls einen Planetenkiller entwickelt hatten. Sogar sehr beruhigend.
„Alles stabil“, meldete Melissa. Auch das war beruhigend. Solange sie die Ruhe selbst war, bestand nicht mal der Hauch einer Gefahr.
Im Wurmloch, das wusste Justus, würde die Energie auf die Raumzeit aufschlagen, die sich um das Wurmloch wandt und seine Energie abgeben. Irgendjemand hatte es mit Metall verglichen, dass erhitzt wurde und sich deshalb ausdehnte, was so furchtbar falsch war, dass die Wurmlochwissenschaftler in lautes Wutgeheul ausgebrochen wären, hätte ihnen jemand diesen Vergleich nahe gebracht.
Stattdessen geschah, was auch sonst bei einem Wurmlochsprung geschah. Energie wurde eingeleitet, um die Passage zu stabilisieren, nur in einem wesentlich größeren Ausmaß selbst für den Sprung eines Flottenträgers oder gar einer ganzen Flotte. Da das Wurmloch mit gewaltiger Energie geschlossen worden war, gab es eine gewisse Hoffnung, dass ihre einhundertsiebzehn Petajoule das Wurmloch dazu anregen würde, wieder stabil zu werden. Zumindest stabiler, sodass man wieder per Lichtspruch mit Trafalgar kommunizieren könnte, wenn es nur irgendwen gegeben hätte, der bereit gewesen wäre, mit ihnen zu sprechen.
Justus versuchte, den Gedanken beiseite zu schieben. Dies war erst der erste Tag einer sehr langen Forschungsmission. Er würde noch oft hier sitzen und dabei zuschauen, wie sich die Emitter entluden. Und jedes Mal würde er hoffen, dass sie einen gewichtigen Schritt weiter gekommen waren. Denn die Hoffnung starb immer erst zuletzt.
***
CULIFER

Der Kapitän der CULIFER verfolgte auf seinen Hilfsbildschirmen, wie die Energie aus den beiden Emittern im Wurmloch verschwand. Die Messdaten, das konnte selbst er als Laie sagen, waren bereits erstaunlich bis revolutionär. Einiges von dem, was als gesicherte Wurmlochphysik galt, würde neu berechnet werden müssen, wenn sich diese Informationen als solide und nicht als Messfehler erweisen würden. Bereits an dieser Stelle war das Unternehmen das Geld, das es kostete, mehr als wert.
Kapitän Salek Ilis sah auf seinen Timer. In achtzehn Minuten würde die CULIFER den Beschuss einstellen. Schließlich wollten sie ja nicht aus Versehen das Wurmloch wieder passierbar machen. Die gewonnenen Erkenntnisse auszuwerten würde ohnehin Wochen, wenn nicht Monate dauern.
Er sah auf die Messwerte aus den Meilern. Alles im grünen Bereich. Die Zuschicker belieferten die Emitter zuverlässig mit genug Energie, um ihre Arbeit aufrecht zu erhalten. Alles in allem deutete die Gesamtsituation auf einen großen Erfolg hin. Einen Erfolg, der nicht nur auf den jungen Doktor niederkommen, sondern auch auf ihn abfärben würde. Wenngleich nicht im gleichen Maße.
„Neutrinosturm!“, kam ein Ruf von der Ortung. „Das Wurmloch öffnet sich!“
„Gefechtsalarm für das Schiff! Emitter aus, alle Energie auf die Schilde!“, rief er. Die Automatismen griffen.
„Ich deaktiviere die Emitter, aber warum?“, fragte Doktor Hoser.
„Weil wir das verdammte Wurmloch wieder aufgemacht haben!“, erwiderte Ilis.
„Aber das ist unmöglich! Wir haben gar nicht genug Energie aufgewendet! Es müsste schon mehr sein, als bei der Antimateriemine freigesetzt wurde, die das Wurmloch verschlossen hat, um überhaupt eine Wirkung zu zeigen, außer...“ Der Doktor wurde blass. „Was für ein unglaublicher Zufall! Die Terraner! Ich vermute, sie tun gerade das Gleiche wie wir! Ich...“
„Darüber reden wir später! Ruder, wir nehmen Fahrt auf und gehen zwanzig vertikal! Wenn da etwas rauskommt, will ich die CULIFER nicht direkt in der Schusslinie haben!“
„Aye, Kapitän!“
Eine Masse wie die CULIFER aus ihren relativ zum Sprungpunkt ruhenden Kurs in eine Bewegung zu reißen dauerte Zeit, aber Ilis hoffte, dass sie die Zeit hatten. Noch glaubte er nicht daran, dass tatsächlich etwas aus dem Wurmloch kommen würde. Aber er war zu kampferfahren und im Leben ernüchtert worden, um sich darauf zu verlassen, dass auf der anderen Seite des Wurmlochs ein terranischer Skipper bei genau dem gleichen Experiment gerade genau die gleiche Erfahrung und Verwunderung erfuhr wie er selbst.
„Schildbelastung siebzig Prozent!“
„Auf meinen Schirm!“ Tatsächlich, der Frontschild wurde übermäßig stark belastet. „Doktor Hoser, ist es das, was ich vermute?“
„Ja, Skipper, es sieht ganz so aus. Sie lenken das Schiff in einen der Partikelemitterstrahlen der Terraner hinein. Aber wir haben jetzt die gesamte Energie unserer eigenen Emitter zur Verfügung. Einen Teil können wir benutzen, um die Schilde zu verstärken, aber mehr können die Projektoren nicht verdauen.“
„Fahren Sie davon alles runter, was wir nicht brauchen! Ich will keine durchgehenden Kraftwerke in dieser Situation haben, Doktor!“
„Das hätte ich sowieso gemacht, Skipper.“
„Schirmbelastung fällt auf dreiundsechzig!“ Immerhin.
„Nachricht von der LAGHOS! Schiff steht unter Beschuss! Sie erwidern das Feuer!“, meldete der Funk.
„Nachricht an die LAGHOS! Schiff soll nach oben oder nach unten fortmanövrieren! Der Partikelstrahl folgt ihnen nicht, ich wiederhole, der Partikelstrahl folgt ihnen nicht!“
„Yooma hier! Wenn ich meine Position verlasse, bin ich nicht mehr in Schussposition auf die Transitzone!“
„Kapitän Yooma, Ihre Schilde sind nur halb so stark wie die der CULIFER! Sie halten eine derartige Belastung nicht lange aus! Und es schaut nicht so aus, als würden die Terraner abschalten, geschweige denn mitkriegen, was hier überhaupt passiert! Bewegen Sie Ihr Schiff! Das ist ein Befehl!“
„Ich nehme keine Befehle von Ihnen in einer Kampfsituat-“
„Explosion auf der LAGHOS! Noch eine Explosion auf der LAGHOS! Weitere Explosionen! Der Hauptreaktor! Ich glaube, das war der Hauptreaktor!“
Ilis fasste sich mit der Linken ins Gesicht. Was für ein Idiot, was für ein übermäßiger Idiot! Alle Akarii, die heute auf diesem Schiff gefallen waren, waren Opfer von Yooma und seiner Unfähigkeit, neue Informationen zu interpretieren. „Überlebende?“
„Nein, bisher keine Anzeichen für Rettungsboote und Rettungskapseln!“
„Was machen unsere Schilde?“
„Wir haben den Wirkungsbereich des Emitterstrahls verlassen! Schildbelastung fällt rapide!“
„Nachricht an die TRIBAN! TRIBAN übernimmt das Kommando der Geleitschutzflotte! Nachricht an Trafalgar mit einer kompletten Kopie der wissenschaftlichen Black Box! Dies ist kein Angriff, ich wiederhole, dies ist kein Angriff!“
„Ja, Skipper!“
„TRIBAN, Kapitän Husha hier. Bitte räumen Sie die Transitionszone, Kapitän Ilis. Wir können nicht wissen, ob nicht doch etwas durchkommt. Normalerweise würde ich bei einer solchen Neutrinomenge davon ausgehen, dass gleich drei Flottenträger samt Geleitschiffen der Terraner synchron springen.“
„Normalerweise“, wiederholte Ilis. „Kapitän Husha, bleiben Sie von der Transitzone fern! Gehen Sie mit Ihren beiden Begleitschiffen über, neben oder unter die Transitzone, haben Sie mich verstanden? Wir können später nachsehen, ob irgendjemand auf der TRIBAN Yoomas Entscheidung überlebt hat!“
„Negativ, Kapitän Ilis! Wenn hier tatsächlich überlegene Feindkräfte ankommen, dann haben wir nur eine effektive Salve, und die muss sitzen. Bitte übernehmen Sie in Ihrem Logbuch, dass es meine Entscheidung war und dass ich Ihren Rat ausgeschlagen habe.“
„Ich beschwöre Sie, gehen Sie wenigstens ein wenig von der Transitzone fort, ein paar Kilometer reichen wahrscheinlich!“
„Ja, das lässt sich machen, ohne dass wir unser Schussfeld verlieren. Wir... Ortung! Da kommt etwas durch, das nicht groß ist, aber sehr schnell!“
„Auf meinen Schirm!“
***
ALBERT EINSTEIN

„Schwere Neutrinowelle!“, rief jemand von der Ortung. „Feindlicher Sprung! Ich wiederhole, feindlicher Sprung!“
„Verifizieren Sie das!“, rief Schneider.
„Skipper, aufgrund der Neutrinodaten muss ich davon ausgehen, dass mehrere Flottenträgerkampfgruppen durch das Wurmloch kommen!“
„Das ist Quatsch!“, rief Jamison-Bowyer dazwischen. „Niemand riskiert gleich mehrere Kampfgruppen, um durch ein geschlossenes Wurmloch anzugreifen, kaum dass wir daran herumdoktern!“
„Das macht Sinn, trotzdem Alarm für alle Schiffe! Nachricht an die Admiralität mit einem kompletten Log der Ereignisse. Was ist es, Mel?“
„Wenn du mich fragst, ein unglaublicher Zufall. Die Akarii machen das Gleiche wie wir gerade. Oder haben es getan, vor nicht allzu langer Zeit. Was du da auf uns zukommen siehst, sind die Emitterenergien der Akarii. Wir sollten aufpassen, nicht davon getroffen zu werden. Bei einer sitzenden Ente wie unseren vier Schiffen können die ganz schön was bewirken.“
„Alle verfügbaren Energien auf den Frontschild. Mel, schalte ab!“
„Ich fahre runter, aber das kann ich nur stufenweise, wenn das Schiff uns nicht um die Ohren fliegen soll.“
„Verstehe.“
„Hier Bak. WARDRUM, SPRUANCE und LOOKOUT gehen vor der ALBERT EINSTEIN in Gefechtsposition. Nur weil mehrere Kampfgruppen unwahrscheinlich sind, heißt das nicht, dass gar nichts durchkommt.“
„Negativ, Kapitän Bak. Verlassen Sie die Transitzone mit allen drei Schiffen, und das sofort. Die ALBERT wird auch abziehen, sobald die Emitter ausgeschaltet sind.“
„Einverstanden. Wir gehen über die Transitzone. Sobald die EINSTEIN das auch tut, Sir.“
Justus konnte den Eifer des jungen Skippers verstehen und auch seine Besorgnis für das Forschungsschiff. „In Ordnung. Wir bewegen uns so schnell wir können in...“
„Einschlag auf der WARDRUM! Schild durchschlagen, Hülle durchschlagen! Mehrere Sekundärexplosionen!“
Ungläubig starrte Justus auf den Bildschirm. „Sie ist auf einen Emitterstrahl der Akarii aufgelaufen! Eins O, suchen Sie nach Beibooten und Rettungskapseln!“
„Jawohl, Sir!“
„Justus, ich will dich ja nicht beunruhigen, aber da kommt was aus dem Wurmloch raus, und das ist keine Akarii-Flotte! Ich nehme an, drüben haben sie die Emitter abgeschaltet, und deshalb bricht ihr Teil des Wurmlochs wieder zusammen, und alles, was von unseren Emittern nicht mehr glatt durchgeht, kommt jetzt zurück, aber nicht mehr als Energie. Die SPRUANCE und die LOOKOUT sollten so schnell es geht längsseits und unter unseren Schirm kommen!“
„Haben Sie gehört, Jersey! Sie und Jablonsky kommen sofort unter meinen Schirm!“
„Ich fürchte, Sir, dafür ist es zu spät! Wir messen es auch, eine schnelle Gravitationswelle! Viel Glück Ihnen und der ALBERT EINSTEIN!“
***
Das, was dann geschah, hätte ein außen stehender Beobachter wie folgt beschrieben, hätte es die Möglichkeit gegeben, das ganze Geschehen objektiv und in Echtzeit zu sehen.
Gravitation war nichts, was ohne Masse entstehen konnte. Normalerweise. Kein Planet, kein Gasriese, keine Sonne, ergo keine Gravitationsquelle. Und ein Wurmloch hatte vieles, nur keine eigene Masse. Aber im heruntergebrochensten Prinzip bestand ein Wurmloch aus Raumzeit, die gedehnt und gestreckt wurde. Wenn man so wollte, war ein Wurmloch beinahe eine Materiesenke wie jene eines gravitatorischen Fixpunkts wie einer Sonne. Als die Akarii auf ihrer Seite die Energieemitter abstellten, da verschloss sich das Wurmloch für einen winzigen Moment, bekam einen tiefsten Punkt, der mehrere Lichtjahre von der ALBERT EINSTEIN entfernt war. Im nächsten Moment durchschoss die ALBERT diesen, nennen wir es Korken, wieder und eröffnete das Wurmloch erneut. Aber dieser eine, winzige, nur eine Nanosekunde dauernde Moment reichte, um das Wurmloch zu einer Materiesenke zu machen, die durch Gravitation ausgeformt worden war. Sie wurde eine Pseudosenke und entwickelte Pseudogravitation. Die Energie, die in das Wurmloch hinein gepumpt worden war, musste irgendwo hin. Also suchte sie sich den einzigen möglichen Ausgang, und das war in diesem Moment die Texas-Seite. Und sie tat dies als Gravitationswelle, ein Phänomen, das an Wurmlöchern schon beobachtet worden war, aber nicht in dieser Form, nicht in solcher Urgewalt.
Die Gravitationswelle brandete auf der Texasseite heraus und erfasste die SPRUANCE und die LOOKOUT. Ihre Schirme und die Andruckabsorber hielten den Urgewalten sehr lange stand, fast zwei Millisekunden. Dann wurden die beiden Fregatten zerquetscht, wie wenn ein Fuß auf eine leere Coca Cola-Dose niederfuhr, um sie zu zertreten. Eine ähnliche Welle, allerdings schwächer ging nun auch in die andere Richtung, geleitet von den Emitterenergien der ALBERT EINSTEIN, die zwar langsam runter fuhr, aber noch immer feuerte.

Auf der anderen Seite des Wurmlochs wiederholte sich das Bild. Nur wurden diesmal die drei Akarii-Fregatten erfasst, durchgeschüttelt, und dann wie die terranischen Blechdosen von der schieren gravitatorischen Gewalt zerquetscht. Auch die CULIFER wurde getroffen und stand kurz vor ihrer Zerstörung. Es kam zu schweren Schäden und Sekundärexplosionen an Bord, aber nach dem Abebben der Welle gab es wenigstens noch ein Schiff, das seine Atmosphäre halten konnte, dennoch nicht besser als ein Wrack.
Doch dies war noch nicht das Ende der Ereignisse, denn das Wurmloch kollabierte, je mehr Lieutenant Commander Jamison-Bowyer die Emitter runter fuhr. Und dieses Kollabieren verursachte so etwas wie einen Sog, von Texas nach Manticore. Die Trümmer der drei Fregatten wurden eingesaugt, und ein paar Augenblicke später folgte ihnen gegen ihren Willen und die Absorber bis an die Grenze belastet, die ALBERT EINSTEIN. Dann wurde es dunkel.

__________________
Ace Kaiser,
Angry Eagles

Corrand Lewis,
Clan Blood Spirit

Ace bloggt!
11.01.2021 22:21 Ace Kaiser ist offline E-Mail an Ace Kaiser senden Beiträge von Ace Kaiser suchen Nehmen Sie Ace Kaiser in Ihre Freundesliste auf
Ace Kaiser Ace Kaiser ist männlich
Lieutenant General


images/avatars/avatar-461.gif

Dabei seit: 01.05.2002
Beiträge: 7.038

Auf diesen Beitrag antworten Zitatantwort auf diesen Beitrag erstellen Diesen Beitrag editieren/löschen Diesen Beitrag einem Moderator melden       Zum Anfang der Seite springen

Langsamer, als wir befürchteten, aber immer noch schnell genug fraß sich die akariische Offensive in die Peshtenfront hinein. Wie ein Fleischwolf kam das kaiserliche Heer über alles, was die Alliierten ihnen entgegen warfen. Stellenweise waren sie zu stoppen, konnten gar ein paar Meilen zurückgeworfen werden, aber noch hatten die Akarii Reserven, um wieder vorwärts zu kommen.
Dieser massive Angriff hatte Spekulationen laut werden lassen, dass, wenn Akar auf diesem Frontabschnitt mit solcher Wucht angriff, andere Bereiche der Linie ausgedünnt sein mussten, denn niemand hatte gesehen, dass die Echsen mehrere frische Armeekorps eingeflogen hatten.
Die Piloten der COLUMBIA waren seither im Dauerstress. Einerseits, um den Konvoi mit den Peshten-Verstärkungen zu beschützen, was uns mehr oder weniger gut gelungen war bisher, und andererseits, um unseren Kameraden und Verbündeten am Boden zu Hilfe zu kommen. Das Ergebnis war, dass die Allianz die meiste Zeit des Tages die Lufthoheit nicht nur über der Front, sondern auch über den Linien der Akarii hielt. Das Fliegerkorps der Akarii war nicht stark genug, um auch nur im Hinterland oder gar der Front eine permanente Lufthoheit zu etablieren, und das war ja schon mal was. Der Gedanke einiger Querdenker war es dann gewesen, wirklich davon auszugehen, dass die Kaiserlichen zusammengerafft hatten, was sie irgendwo sonst hatten lösen können und dass der Rest der Front schlecht bewacht und sogar überdehnt sein könnte. Und um das zu testen, hatten sie ein paar Idioten gesucht, vornehmlich für Missionen zum Bodenbombardements.
Seither hatten meine Blauen drei solcher Einsätze fernab der Kampflinie geflogen. Dabei gelang es uns, Bomber bis ins Zielgebiet zu eskortieren, um ein regionales HQ, einen Flughafen und einmal eher unfreiwillig einen Konvoi abziehender Truppen zu bombardieren, alles Ereignisse, die zu bestätigen schienen, dass die Akarii-Linien tatsächlich stark überdehnt waren. Aber wir hatten nicht die Kräfte, um die Lufthoheit über der Kampflinie zu halten und das feindliche Hinterland zu verwüsten, sonst hätten alleine die Fliegereinheiten der Allianz den Angriff aufgehalten. Also beließen wir es bei einigen präzisen und harten Schlägen gegen aufgeklärte Ziele wie Befehlsbunker, Nachschubgebäude, Kommandoposten und -fahrzeuge, Rollbahnen und Sammelpunkte für Feldreparaturen. Zumindest war das der Plan. Aber allen war klar, dass die Akarii unserem unbehinderten Treiben nicht ewig zusehen würden. Mir war allerdings nicht klar gewesen, dass sie schon beim vierten Angriff der Blauen Staffel reagieren würden.

Die Front zu übertreten war kein Problem für uns. Uns, das war eine Sektion der Blauen unter meiner Führung und eine Sektion der Silbernen Staffel, bestückt mit Flächenbomben. Unser Ziel war diesmal ein Aufmarschgebiet im Hinterland, von dem wir annahmen, dass dort Truppen gesammelt wurden, die die Offensive unterstützen sollten. Zumindest hatte das einer der Peshten-Geheimdienste gemeldet und das Ziel für uns identifiziert.
Für den Anflug gab es zwei Variationen. Entweder von oben herab aus der Atmosphäre, was eine offene Ankündigung für jeden Akarii in Reichweite war und bei einem Abstieg, der eine gute Stunde dauerte, dafür sorgen würde, dass wir garantiert rechtzeitig Gesellschaft bekommen würden, oder aber im Tiefflug auf Höhe der Baumwipfel. Dadurch konnte bereits eine von einem einzelnen Soldaten abgefeuerte Luftfaust problematisch werden, zugegeben, aber ein paar davon brauchte es schon, um einer Falcon gefährlich zu werden.
„Funkstille ab jetzt“, sagte ich auf der Staffelfrequenz. Ich war einigermaßen froh, dass uns kein Gruß der Akarii in Form einer Infanterierakete begleitete und dass wir nicht unfreiwillig über eine SAM-Einheit gestolpert waren. Der Plan stand fest. Aufnahme des Funkverkehrs entweder kurz vor dem Bombardement oder aber bei Feindkontakt. Bis dahin versuchten wir uns reinzuschleichen, so gut das mit vier raumtauglichen Jägern und vier raumtauglichen Bombern möglich war. Uns zugute kam, dass wir notfalls sehr, sehr schnell die Biege machen konnten. Unsere Antriebe und unsere Schilde erlaubten uns einiges mehr als die leichteren, aber zahlreicheren atmosphäregebundenen Heeresflieger der Akarii.
Unser Ziel lag etwa fünfzig Klicks im Hinterland, war also ohnehin gewagt nahe und empfindlich gegen einen Luftschlag. Eine sehr gute Gelegenheit, und ich war entschlossen, diese Chance zu nutzen, bevor die Truppen im Aufmarschgebiet verlegt werden konnten. Der Gedanke, wir könnten direkt in eine Falle fliegen, war natürlich bei der Einsatzbesprechung da gewesen, aber die Gelegenheit war viel zu verlockend, als dass wir das Risiko nicht eingegangen wären. Außerdem wäre es für die personell stark unterbesetzten Akarii schon ganz großes Kino gewesen, wenn sie uns eine derartig aufwändige Falle gestellt hätten, nur um ein paar Bomber und Jagdflieger vom Himmel zu holen.

Als wir etwa zehn Kilometer hinter der Grenze waren, außer Reichweite der Luftfäuste, aber nicht der SAMs, checkte ich mein Ortungsprotokoll und die Topographie. Die Passivortung wies kaum einen Ping auf. Alles, was notiert war, deutete auf die Versuche von Infanteriegestützten Boden-Luft-Raketen hin, die eine Erfassung versucht hatten, nichts auf das Radar von SAMs oder gegnerischen Flugeinheiten.
Das Gelände vor dem Einsatzgebiet war leicht hügelig, aber nicht bergig. Es gab keinen Wald in dem Sinne, nur Buschwerk und die Furchen von ein paar Bächen und Flüsschen, die sich im Laufe der Jahrzehntausende in die Böden gefräst hatten. Im Zielgebiet gab es so etwas wie einen Wald, zumindest eine mehrere Quadratkilometergroße bewachsene Fläche mit großzügigen Pflanzen, die bei den Peshten die Bäume waren. Naturgemäß hatten die Kaiserlichen die Sichtdeckung dieses großen Waldes für ihre Operation genutzt. Natürlich hatten sie sich auch gegen Infrarotortung und aktive Ortung abgesichert. Aber der stetige Strom an Fahrzeugen, die zwar in den Wald hinein gingen, aber nicht wieder heraus kamen, hatte die Operation dann doch verraten, und eine hiesige Guerilla-Einheit hatte dann ein Team geschickt, um das Ziel zu verifizieren. „Viele, viele Fahrzeuge“ war eine etwas ungenaue Angabe, aber man nahm, was man kriegen konnte.

Zwanzig Kilometer. Noch immer kein aktives Radar. Das war zumindest ungewöhnlich. Schützten die Echsen ihr Aufmarschgebiet nicht mit einem Ring aus SAM-Stellungen? Fünfzig Kilometer hinter der Grenze? Der einzige Grund, warum der Job nicht der Artillerie überlassen wurde, war, dass man über die Planetenkrümmung hinaus hätte schießen müssen, und ohne Einweiser vor Ort verkam das zu einer ungenauen Glücksaktion, ganz davon abgesehen, dass die Akarii nach den ersten Granateneinschlägen Fersengeld gegeben hätten. Die Guerilla? Wäre es eine Special Unit gewesen, hätten die Peshten ihnen zugetraut, ein so spezielles Artilleriefeuer einzuweisen. So aber war ein schneller und harter Schlag durch ein Bombardement als erfolgversprechender angesehen worden, und ich hatte dazu genickt.

Dreißig Kilometer, noch immer keine Ortungen und keine nennenswerten Schwierigkeiten. Allerdings ergriff mich langsam das Jagdfieber, nur noch zwanzig Kilometer bis zur Sammelstelle. Ich rechnete mir gute Chancen darauf aus, dass wir erst auf den letzten zehn Kilometern mit einem akariischen Schutzkordon zur Luftabwehr Bekanntschaft machen würden, und das erschien bewältigbar.
Das war mein letzter Gedanke, bevor ich so heftig durchgeschüttelt wurde, dass ich in meinem eigenen Helm meinen Kopf so hart anstieß, dass ich das Bewusstsein verlor. Bis zu diesem Moment war ich an der Spitze der Formation geflogen, etwas voraus vor der Gruppe, als Lockvogel sozusagen. Es schien ganz so, als hätte der Teil geklappt. Dunkelheit kam über mich.

Als ich wieder zu mir kam, geschah das mit einem heftigen Ganzkörperschmerz, den ich mir nicht erklären konnte. Ich versuchte, die Augen zu öffnen, was mir auch gelang, aber meine Sicht war vollkommen zerfasert. Oh. Das Visier meines Helms war gesplittert. Ich schob es auf und registrierte dabei zufrieden, dass mein rechter Arm zwar schmerzte, aber immerhin seinen Dienst versah. Wie war meine Situation? War ich noch in der Luft, oder schon abgeschmiert? Was war von meiner Maschine noch übrig, was mit dem Rest der Formation? Diverse Alarmzeichen blinkten und informierten mich darüber, dass der Frontschild hinüber war, dazu ein Großteil der Panzerung, hauptsächlich unter meiner Maschine. Das erklärte wohl, warum ich noch nicht tot war. Was immer mich getroffen hatte, hatte mich unter dem Rumpf erwischt, nicht oberhalb, wo zweifelsfrei das Cockpit getroffen worden wäre.
Gut, ich war noch in der Luft. Was bei der geringen Höhe allerdings ein mittelschweres Wunder war. Funk? Funk war tot. Eine SAM, reimte ich mir zusammen. Eine intelligente SAM, die mich mit einem Schwarm Explosivkörper vom Himmel gepflückt hatte wie eine reife Frucht. Und so sah meine Maschine auch aus, allerdings nachdem sie vom Baum gefallen und zertreten worden war.
Ortung? Zeigte zumindest keine Akarii an. Meine Leute und die Jagdbomber? Hatten abgedreht. Die Zeit zwischen meinem Beschuss und der Gefahr, in die Reichweite dieser SAM zu kommen, war anscheinend groß genug gewesen für meine Leute und die Silbernen. Das war gut für sie, aber ich hatte meine Arbeit als Lockvogel etwas zu gut gespielt. Meine Maschine war am Ende, dafür musste ich nicht mal die Alarmzeichen sehen. Es reichte mir zu spüren, wie der Steuerknüppel in meiner Linken bockte und sprang. Wenigstens wurde ich nicht erneut beschossen. Also, der Gedanke war klar. Ich musste entweder runter gehen oder mit dem Schleudersitz aussteigen. Dafür würde ich aber wieder hoch ziehen müssen und bot meinen waidwunden Vogel womöglich noch einem Angriff dar. Mein Blick ging zum Chronometer. Elf Sekunden war ich wieder wach, im Luftkampf eine Ewigkeit. Also gesteuert zu Boden.

Als ich den Schub wegnahm, reagierte meine Falcon wie ein nicht eingerittener Mustang. Der Luftstrom brach, kam, wieder, brach erneut, kam wieder. Aber ich war zu schnell, um einigermaßen sicher runter zu kommen. Doch mit dem Schleudersitz raus und hoffen, dass mich die Patrone hoch genug schleuderte? Im Weltall war das eine gute Idee, aber auf einem Planeten? Ich war noch nie auf einem Planeten abgestürzt. Nach und nach reduzierte sich meine Geschwindigkeit. Der Treffer hatte meinen Vogel gedreht, sodass er nicht mehr direkt auf unser altes Ziel zuhielt, sondern ein Stück davon nach links abwich. Ich würde zwölf Kilometer weit am Ziel mitten im Wald vorbei fliegen. Falls der Vogel noch so lange in der Luft blieb. Allerdings würde Wald eine sehr gute Idee sein, er bot mir mehr Möglichkeiten als offenes Gelände. Nachdem ich gelandet war. Hoffentlich in einem Stück. Also reduzierte ich nicht nur erneut, ich versuchte, dem Wald näher zu kommen. Hoffentlich war er groß genug für das Aufmarschgebiet der Akarii und mich. Ich hatte keine Zweifel, dass die Akarii ihren Abschuss registriert hatten, und dass die Falcon relativ kontrolliert zu Boden ging, was bedeutete, dass der Pilot noch leben musste. Und ich hatte vor, das noch eine lange Zeit zu bleiben.
Endlich war ich nahe genug dran. Ich drückte meine Falcon weiter runter, nahm noch mehr Schub weg, dann war ich langsam genug fürs Fahrgestell. Ausfahren. Es klappte, auch wenn alle Radsysteme Schäden anzeigten.
Ebene Fläche suchen, die erreichbar war. Eine Straße. Auf ihr zu landen, würde mich ein Stück vom Wald fortbringen, aber das war okay. Je nachdem, wie ich landete.
Dann das Aufsetzen. Hart. Der Vogel knirschte protestierend in allen Verbänden, jede beanspruchte Naht meldete sich zu Wort. Der Bordcomputer informierte mich darüber, dass sich ein Stück vom rechten Flügel verabschiedete, so etwa achtzig Prozent. Außerdem brachen die Vorderreifen ein, die auch nur durch pures Glück hatten ausgefahren werden können. Unter meinen Füßen bildete sich urplötzlich ein Loch, durch das ich den Asphalt der Straße sehen konnte – und eine Menge Feuer und Funkenflug. Dann wurde es urplötzlich still um mich, und ich verstand. Ich war unten.

Nachdem ich sichergestellt hatte, dass ich alle meine Gliedmaßen ausreichend bewegen konnte und meine Sicht klar blieb, öffnete ich die Kanzel. Noch auf dem linken Flügel schälte ich mich in aller Eile aus meinem Anzug, bevor der wieder auf die blöde Idee kam, mich in ein künstliches Koma zu schicken. Arme und Beine schmerzten, und da, wo mal mein Hintern gewesen war, musste eine große klaffende Wunde sein, aber immerhin, ich konnte mich bewegen. Aus dem Stauraum zog ich einen Rucksack mit Ausrüstung hervor, schlüpfte in einen Overall und setzte den Fliegerhelm wieder auf, meinen besten Panzerschutz. Eine Kevlarweste vervollständigte den Schutz. Zur Verteidigung hatte ich meine Seitenwaffe, eine Laserpistole, schallgedämpft vom Typ Walther P 902, super geeignet für einen davonschleichenden abgeschossenen Piloten zu sechzig Schuss mit einer Reservebatterie, ein Kampfmesser vom Typ Ka-Bar, sowie eine HK Micro Lasermaschinenpistole, die ich wegen der geringeren Größe gewählt hatte und die in den Stauraum passte. Eine Fahrzeugbesatzungswaffe, die dreißig Schuss pro Batterie abgab, aber auch weitgehend schallgedämpft war. Zwei recht klobige Magazine erhöhten meine Verteidigungskapazität damit um sechzig Schuss.
Eigentlich hatte ich auch ein paar Handgranaten mitnehmen wollen, aber der Marine-Sergeant an der Ausgabe hatte nur gelacht und darauf hingewiesen, dass ich erst mal einen mehrstündigen Lehrgang inklusive scharfen Werfens absolvieren musste, bevor er mir Handgranaten aushändigen durfte, damit ich mich nicht selbst in die Luft sprengte. Diese Zeit hatte ich bisher nicht, und ehrlich gesagt war ich auch ganz froh darüber. Man stelle sich vor, die Granaten wären gezündet worden, während ich abgestürzt war.
Im Rucksack befanden sich noch Fertignahrungsmittel, diverse Überlebenstools wie Kompass, Esbitbrenner zum Erwärmen der Notrationen, Sturmhölzer, die sich an jeder Oberfläche entzündeten, eine Infrarotplane gegen Ortungen, ein Minisender, ein Minizelt und noch ein paar Kleinigkeiten, die ich auf eigene Rechnung eingestaut hatte.
Als ich das erledigt hatte, gab ich schweren Herzens in den Computer die Selbstzerstörungssequenz ein. Meine Falcon sollte eher nicht in Feindeshände fallen. Nicht unbedingt wegen der Technologie. Die Akarii hatten garantiert schon genügend Wrackteile und auch schon ganze Maschinen dieses Typs in die Hände bekommen.Aber wohl wegen den Informationen im Computerkern. Dann nahm ich meine Beine in die Hand und eilte auf den nahen Wald zu. Gut, noch wurde ich nicht verfolgt. Aber erwartete man mich im Wald bereits? Ich betrachtete die MP, unschlüssig, ob ich mir im Falle einer drohenden Gefangennahme eine Kugel in den Kopf jagen sollte oder nicht. Noch ein Camp Hellmountain war nicht wirklich nach meinem Geschmack. Andererseits war ich schon mal gerettet worden. Ich hielt mir diese Option offen, so oder so.
Noch bevor ich die ersten mehrere Meter hohen Gewächse erreichten, die hierzulande die Bäume darstellten, gab es hinter mir einen kräftigen Rumms und eine Druckwelle, die sich gewaschen hatte. Gerade eben waren mein Flieger, der restliche Treibstoff und alle sechs Luftkampfraketen hochgegangen, die ich geladen hatte. Ich wurde zu Boden geschleudert und blieb einen Moment benommen liegen. Alles schmerzte jetzt noch viel schlimmer.

Als ich mich wieder aufrappeln wollte, schaute ich auf ein Paar schwarzer Armeestiefel.
„Ausgeschlafen?“, fragte eine raue Stimme. Ich sah auf und hatte mich nicht geirrt. Das waren keine Akarii-Stiefel gewesen, sondern die eines Peshten.
Der groß gewachsene männliche Vertreter seines Volkes deutete hinter mich. „Hast dich ja schön angekündigt, so konnten wir uns beeilen. Brauchst du eine Mitfahrgelegenheit, Pilot?“
Ich drehte mich auf den Rücken und versuchte hoch zu kommen. Der Peshte trat zu mir und reichte mir die Hand. „Danke“, ächzte ich. „Der Wald...“
„Ein paar Einheiten der Guerilla verstecken sich hier. Ich leite eine von ihnen.“
„Guerilla versteckt sich hier? Der Geheimdienst hat behauptet, sie hätten hier ein Aufmarschgebiet von Akarii ausgemacht, das an die Kampflinie versetzt werden sollte.“
Der Peshte zog mich mit sich in Richtung Wald. Dort stand ein bulliges Bodenfahrzeug, oben offen, aber gegen Infanterie bewaffnet. Ein Fahrer und ein Beifahrer warteten auf uns.
„Dann ist es wohl gut, dass wir das jetzt wissen und uns absetzen können. COLUMBIA?“
Ich nickte. „Blaue Staffel. Habt ihr eine Möglichkeit, mich wieder hoch zu schaffen?“
Der Peshte lachte rau. „Hätten wir eine Möglichkeit, auf die richtige Seite der Front zu kommen, denkst du nicht, wir hätten sie schon genutzt? Steig ein, Pilot. Lem, gib Hanbas, aber richtig!“
Der Fahrer grunzte zustimmend, und kaum dass ich saß ließ er den Bodenwagen mit durchdrehenden Rädern anfahren, wendete und fuhr auf einem Trampelpfad in den Wald hinein.
„Danke für die Bergung“, sagte ich. „Habt ihr weitere Abstürze beobachtet?“
„Nein. Du bist der einzige Idiot, der sich hat abschießen lassen“, informierte mich der Peshte mit seinem Äquivalent eines Grinsens.
Wie wahr, wie wahr. „Aber eine Nachricht kriegen wir raus?“
„Eine kurze.“ Ich überlegte. „Ace am Leben.“
Der große Peshte lachte auf. „Etwas länger geht schon.“
Ich schüttelte den Kopf. „Nein, das reicht, um den richtigen Leuten zu sagen, was sie wissen müssen.“ Über mir wurde es dunkler, je tiefer der Trampelpfad in den Wald führte. „Was passiert jetzt?“
„Du kommst erst mal mit uns. Dann schauen wir, ob wir dich irgendwo verstecken können oder nicht. Falls nicht, kommst du mit in unser Aufmarschgebiet. Dort sind deine Chancen, auf eigene Leute zu treffen, am größten.“
„Aufmarschgebiet?“, echote ich.
Der Peshte grinste schief. „Alles, was laufen, schwimmen oder fliegen kann, verlegt in den Rücken der Akarii-Offensive.“
„Aha.“ Kein schlechter Schachzug der Peshten. Und ja, in der Ecke hatte ich tatsächlich meine beste Möglichkeit, mit regulären Truppen oder gar Marines zusammenzutreffen. Vielleicht sogar eine Evakuierung anfordern.

Hinter uns ertönte das mir allzu bekanntes Geräusch eines modernen Hubschraubers. „Fix sind sie ja“, kommentierte der Peshte. „Aber nicht fix genug.“
„Was, wenn er uns hinterherkommt?“
„Der VTOL? Die Akarii sind schlauer als das. Sie fliegen nie über diesen Wald, seit wir uns hier festgesetzt haben. Vergiss nicht, dies hier ist unser Planet, nicht ihrer. Und wir kennen unseren eigenen Hausflur besser als sie.“
„Das klingt doch alles besser, als in Akarii-Hände zu geraten“, schloss ich zufrieden. Fürs Erste war mein Kopf in Sicherheit und mein Hintern im Trockenen. Immerhin besser als in Kriegsgefangenschaft zu gehen oder zu sterben. Immerhin.

__________________
Ace Kaiser,
Angry Eagles

Corrand Lewis,
Clan Blood Spirit

Ace bloggt!

Dieser Beitrag wurde 2 mal editiert, zum letzten Mal von Ace Kaiser: 17.01.2021 13:01.

15.01.2021 22:02 Ace Kaiser ist offline E-Mail an Ace Kaiser senden Beiträge von Ace Kaiser suchen Nehmen Sie Ace Kaiser in Ihre Freundesliste auf
Seiten (11): « erste ... « vorherige 6 7 [8] 9 10 nächste » ... letzte » Baumstruktur | Brettstruktur
Gehe zu:
Neues Thema erstellen Antwort erstellen
The World of BattleTech » BattleTech Foren » Kurzgeschichten » Hinter den feindlichen Linien - Season 7 - Zwischen Himmel und Hölle

Forensoftware: Burning Board 2.3.6, entwickelt von WoltLab GmbH